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Full text of "Monatsschrift für Kinderheilkunde 27.1924"

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VERHANDLUNGEN 


DER VIERUNDDREISSIGSTEN VERSAMMLUNG 


DER 


DEUTSCHEN GESELLSCHAFT 


FUR KINDERHEILKUNDE 
IN GOTTINGEN 1923 


VERHANDLUNGEN 
DER VIERUNDDREISSIGSTEN VERSAMMLUNG 


DER 


DEUTSCHEN GESELLSCHAFT 


FUR KINDERHEILKUNDE 
IN GOTTINGEN 1923 


IM AUFTRAGE 
DER GESELLSCHAFT HERAUSGEGEBEN 
VON 


PROF. DR. H. BRUNING 


IN ROSTOCK 
SCHRIFTFUHRER DER GESELLSCHAFT 


MIT 7 KURVEN IM TEXT 





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VERLAG VON F.C.W.VOGEL IN LEIPZIG 


Alle Rechte vorbehalten 


Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig 


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Bericht 
über die 
geschäftliche Sitzung der Deutschen Gesellschaft 

für Kinderheilkunde 

auf der 34. ordentlichen Tagung in Göttingen 

am 21. September 1928, nachmittags 5 Uhr. 
Anwesend: 80 Mitglieder. 

Vorsitzender: Herr Czerny; stellvertr. Schriftführer: Herr Hoffa. 


Mitgliederbestand: 530. 

Gestorben: 5. Gutzmann-Berlin; Swoboda-Wien; Freise- 
Tübingen; Cronquist-Malmö; Limper-Göttingen. 

Ausgetreten: I: Tobeitz-Graz. 


Nicht auffindbar oder jahrelang ohne Beitragszahlung und 
daher gestrichen: 8. Treplin-Hamburg; Schramm, Schütz- 
Wien; Brun-Luzern ; Franz-Wien; Wolff-Greifswald; Henricke- 
Steglitz. 

Eingetreten: 49. Königstein-Wien; Merckens-M.-Glad- 
bach; Salomon, Burlin-Berlin; Behrendt-Marburg; Benfey- 
Charlottenburg; van Bokay-Budapest; Frank-Mediasch; Heil- 
mann-Hamborn; Ihsan Hilmi-Konstantinopel; Heyer-Bonn; 
Hofmeyer-Würzburg; Kikuth, Frl. Kulazenski, Mothes, 
Rosenbaum, Vahmeyer, Frl. Wasiliavski-Barmen; Lang- 
hans-Rostock; Lütjohann-Flensburg; Gertrud Meyer-Berlin; 
van Pethéo-Debreczen; Kochmann-Freiburg; A. Salomon- 
Frankfurt a. M.; Schaefer-Zwickau; Scher man-Berlin; Schlack- 
Tübingen; Schmitt-Würzburg; Schulz-Saarbriicken; Thoenes- 
Leipzig; Voigt-Kiel; Frl. Else Wolff-Breslau; Weltring-Würz- 
burg; Brunthaler-Hildesheim; Grävinghoff-Magdeburg; A. 
Fischer-New York; Czapski, van Bernuth, Best-Jena; K uhle- 
Greifswald ; Snell-Dresden; Roedel-Altenburg; Schwarzenberg- 
Berlin; Zimball, Zschocke, Frau Zschocke-Kéln; Mader- 
Frankfurt a. M.; Vollmer-Charlottenburg; Banzä-Montevideo; 
Schott-Pirmasens. 


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VI Geschaftsbericht. 


Es werden folgende Beschliisse gefaBt: 

I. Antrag Noeggerath betr. Drucklegung der Verhandlungen 
wird angenommen mit Zusatzantrag Siegert: Der Vorstand soll 
beim Verlag F. C. W. Vogel, Leipzig sich erkundigen, ob Druck der 
Verhandlungen als Monatsheft möglich ist. Die Vorträge sollen hierzu 
von den Vortragenden selbst möglichst gekürzt werden. Herr 
Czerny soll die Verhandlungen führen. Die Vortragenden sollen 
außerdem dem Schriftführer ein kurzes Autoreferat zwecks Bericht- 
erstattung an die Fachpresse übergeben. 

II. Bezüglich der fachärztlichen Ausbildung wird von einer be- 
sonderen Stellungnahme abgesehen. 

III. Wahlen: 

a) Vorsitzender für 1924: Goeppert. 

b) An Stelle der ausscheidenden Vorstandsmitglieder Hoffa, 
Goeppert und Schick treten die Herren van Reuß, Dünzel- 
mann und Noeggerath. 

Ein stellvertretender Schriftführer soll auf Vorschlag Brünings 
vom Vorstand gewählt werden. 

IV. Kassenbericht für 1922 von den Herren Rohden und 
Bischoff nachgeprüft: 


Einnahmen ........2.2.2.2.2.24.. 21 746,81 M. 
Ausgaben . . . a ae he Oe ee 18 989,42 M. 
Kassenbestand. ............. 2 757,39 M. 


V. Jahresbeitrag: für 1923 ein a.o. Beitrag in Höhe von 3 Millionen 
_ Mark, fiir 1924 ein solcher in Höhe von 8 Fernbriefentgelten bewilligt; 
deren Einziehung wird dem Kassenführer anheimgestellt. 


VI. Zeit und Ort der nächsten Tagung zu bestimmen, wird dem 
Vorstand überlassen; falls die Naturforscherversammlung stattfindet, 
soll möglichst auch eine Tagung der Gesellschaft abgehalten werden. 


Der Vorsitzende: Der Schriftführer: 
Czerny-Berlin. Brüning-Rostock. 


Satzungen 
für die 


Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde. 


$ I. Name und Zweck der Gesellschaft. 


Die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde hat den Zweck, 
die wissenschaftlichen und fachlichen Aufgaben der Kinderheilkunde 
zu fördern und dem persönlichen Verkehr der Fachvertreter zu dienen. 
Dieser Zweck soll namentlich durch die Veranstaltung von Tagungen 
erreicht werden. 


§2. Mitgliedschaft, Aufnahme, Ausscheidung. 


Es gibt ordentliche, korrespondierende und Ehrenmit- 
glieder. AuBerdem kann die Stelle eines Ehrenvorsitzenden besetzt 
werden. 

Zur ordentlichen Mitgliedschaft kann sich jeder Arzt (Arztin) 
beim Vorstand melden. Die sich Meldenden miissen durch minde- 
stens zwei Mitglieder der Gesellschaft empfohlen sein. Der Vorstand 
entscheidet über die Aufnahme mit ?/, Mehrheit der Mitglieder bei 
schriftlicher oder geheimer Abstimmung. Bei Ablehnung ist eine 
Berufung an die Mitgliederversammlung möglich, die mit ?/, Mehr- 
heit in geheimer Abstimmung entscheidet. 

Zu korrespondierenden und Ehrenmitgliedern können 
Vertreter der Medizin des In- und Auslandes vorgeschlagen werden, 
die sich in hervorragendem Maße um die Kinderheilkunde oder die 
Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde verdient gemacht haben. 
Ein solcher Vorschlag geht an den Vorstand, wird von diesem be- 
raten und zustimmenden Falles den Mitgliedern unterbreitet. Beide 
Male entscheidet 2/, Mehrheit der Mitglieder in geheimer Abstim- 
mung. In gleicher Weise erfolgt die Wahl des Ehrenvorsitzenden. 

Teilnehmer (Gäste) können zum Besuche der Tagungen der 
Gesellschaft von Mitgliedern eingeführt werden. Eine Beteiligung 
durch Vorträge und Aussprache bedarf besonderer Genehmigung des 
Vorsitzenden der Gesellschaft. 


VIII Satzungen. 


Die Mitgliedschaft erlischt, wenn ein Mitglied seinen Aus- 
tritt erklärt, der bürgerlichen Ehrenrechte verlustig wird oder trotz 
wiederholter Mahnung durch mehr als ein Jahr mit der Beitrags- 
leistung im Rückstand bleibt. In letzterem Falle bedarf es zur Wieder- 
aufnahme nur der Nachzahlung. Ausschluß aus der Gesellschaft 
kann nur auf schriftlich begründeten Antrag eines ordentlichen Mit- 
gliedes durch 3/, Mehrheit der Mitglieder des Vorstandes beschlossen 
werden. 


§3. Pflichten und Rechte der Mitglieder. 


Sämtliche Mitglieder haben das Recht an den Veranstaltungen 
der Gesellschaft teilzunehmen; sie sind in der Mitgliederversammlung 
wahlberechtigt und wählbar und erhalten die Drucksachen der Ge- 
sellschaft nach Maßgabe der Geschäftsordnung. 

Ordentliche Mitglieder bezahlen den jeweils durch einfache Mehr- 
heit in der Mitgliederversammlung festgesetzten Jahresbeitrag. In 
besonderen Fällen kann der Mitgliedsbeitrag auf Antrag an den Vor- 
stand auf die Hälfte ermäßigt werden. Die Beiträge sind alljährlich 
bis längstens zum ı. Februar auf das Postscheckkonto 4275 der 
Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde in Hamburg Ir ein- 
zuzahlen. Bis dahin nicht eingegangene Beträge werden auf Kosten 
der Säumigen durch Postauftrag eingezogen. 


$4. Organe der Gesellschaft. 


Die Organe sind der Vorstand, das Büro und die General- 
versammlung. 

A. Der Vorstand besteht aus einem Vorsitzenden, einem stell- 
vertretenden Vorsitzenden, einem Schrift- und Kassenführer und 
g Beisitzern. Die Vorstandsmitglieder werden durch die Mitglieder- 
versammlung gewählt, und zwar der erste Vorsitzende auf die Dauer 
des nächsten Kalenderjahres, das gleichzeitig das Geschäftsjahr ist, 
durch einfache Mehrheit der Abstimmenden im besonderen Wahl- 
gang mit Stimmzetteln. Der Schrift- und Kassenführer wird in glei- 
cher Weise, aber auf unbestimmte Dauer gewählt. Mit der Stell- 
vertretung des Vorsitzenden wird der Vorsitzende des Vorjahres 
betraut. Die übrigen Vorstandsmitglieder werden durch Stimm- 
zettel auf die Dauer von 3 Jahren gewählt; sie sind nicht unmittelbar 
wieder wählbar. Bei erstmaliger Zusammensetzung des Vorstandes 
sind 9 Beisitzer zu wählen, von denen durch das Los je 3 in den beiden 
nächsten Jahren ausscheiden. Findet in einem Jahre keine Tagung 





Satzungen. IX 


statt, so verlangert sich die Amtsdauer aller Vorstandsmitglieder 
um ein Jahr. 

Der Vorstand leitet die gesamten Angelegenheiten der Gesellschaft, 
soweit dieselben nicht ausdriicklich anderen Organen der Gesellschaft 
zugewiesen sind. Er tritt anlaBlich der Jahrestagung zusammen und 
ist beschlußfähig bei Anwesenheit von mindestens 5 Mitgliedern 
(darunter einem Vorsitzenden und dem Schriftführer). Kann der 
Vorstand außerhalb der Tagung nicht zusammentreten, so erfolgt 
Abstimmung schriftlich durch Umlauf. Bei Abstimmung entscheidet 
einfache Stimmenmehrheit, bei Stimmengleichheit die Stimme des 
Vorsitzenden. 

B. Das Büro wird aus dem Vorsitzenden (im Verhinderungsfalle 
seinem Stellvertreter) und dem Schrift- und Kassenführer gebildet. 
Es führt die laufenden Geschäfte der Gesellschaft und ist deren 
gesetzlicher Vertreter nach außen in allen gerichtlichen und außer- 
gerichtlichen Angelegenheiten. Es verwaltet die Mittel der Gesell- 
schaft unter Aufsicht der übrigen Organe. Die Mitglieder des Büros 
sind zum Empfang von an die Gesellschaft gerichteten Postsendungen 
berechtigt. 

C. Die Mitgliederversammlung tritt gleichfalls anläßlich der 
Tagung der Gesellschaft zusammen; sie hat 

a) den Geschäftsbericht des Vorstandes für die Zeit der letzten 
Versammlung und die Verwaltungsrechnung entgegenzunehmen. 
Letztere wird durch zwei Mitglieder geprüft; auf Grund dieser Prü- 
fung steht der Mitgliederversammlung die Entlastung zu; 

b) über Abänderungen der Satzungen, Auflösung der Gesellschaft 
und Verwendung ihres Vermögens zu bestimmen. Dahinlautende 
Anträge müssen von mindestens 15 Mitgliedern der Gesellschaft 
unterstützt und mindestens 6 Wochen vor der Tagung dem Büro 
mitgeteilt werden. Zur Annahme ist 3/, Mehrheit der Anwesenden 
erforderlich: 

c) die Neuwahlen zum Vorstand vorzunehmen; 

d) Zeit und Ort der nächsten Tagung zu bestimmen, insbesondere 
zu entscheiden, ob diese im Anschluß an die Versammlung deutscher 
Naturforscher und Ärzte stattfinden soll oder nicht; 

e) den Jahresbeitrag der ordentlichen Mitglieder zu bestimmen. 

Die Mitgliederversammlung faßt ihre Beschlüsse, sofern nicht 
anders verfügt ist, mit einfacher Stimmenmehrheit der Abstim- 
menden. 

Über die Zulassung weiterer Punkte zur Tagesordnung der Mit- 
gliederversammlung entscheidet der Vorstand. 


X Satzungen. 


D. Der Ortsausschuß. Nach Festsetzung des Ortes der nächsten 
Tagung tritt der Vorsitzende mit einem dort wohnenden Mitgliede 
ins Benehmen, der als Einführender einen Ortsausschuß zusammen- 
ruft und diesen leitet. Im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden 
bereitet der Ortsausschuß die Veranstaltungen der Tagung in äußerer 
Hinsicht vor (Wohnungsvermittlung, Sitzungsraum, Festabend usw.). 
Wenn die Tagung der Gesellschaft im Anschluß an die Versammlung 
deutscher Naturforscher und Ärzte stattfindet, ist der Einführende 
der Abteilung Obmann des Ortsausschusses der Deutschen Gesell- 
schaft für Kinderheilkunde. Seinen Verkehr mit der Gesellschaft 
deutscher Naturforscher und Ärzte regelt eine besondere Dienst- 
anweisung. 


Geschaftsordnung 
fir die 


Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde. 


§ I. 


Die Darbietungen bei den wissenschaftlichen Versammlungen 
sind Berichte, Einladungsvortrage, Vortrage, Vorweisungen (Demon- 
strationen) und Aussprachen. 

Die Anzahl der zu erstattenden Berichte, ihre Themata und die 
Berichterstatter bestimmt der Vorstand der Gesellschaft bei oder 
nach jeder Tagung. Dasselbe gilt für die Einladungsvorträge. Diese 
sollen der Gesellschaft Gelegenheit geben, die Ansicht bestimmter, 
zum Vortrag einzuladender Fachvertreter über gewisse Tagesfragen 
zu hören. Berichterstatter und eingeladene Vortragende brauchen 
nicht Mitglieder der Gesellschaft zu sein. Andere Vorträge und Vor- 
weisungen können von Mitgliedern und mit besonderer Genehmigung 
des Vorsitzenden auch von Nichtmitgliedern angemeldet werden. 


§ 2. 

Die Tagesordnung der Jahresversammlung wird vom Vor- 
sitzenden im Einvernehmen mit dem Schriftführer und Einführenden 
soweit als tunlich vor Beginn der Tagung festgesetzt und bekannt- 
gegeben (Zeitpunkt der Sitzungen, Einteilung der Berichte und 
Vorträge auf die einzelnen wissenschaftlichen Sitzungen, deren 
Reihenfolge usw.; für die Reihenfolge der Vorträge ist nebst ihrem 
Inhalte auch der Zeitpunkt der Anmeldung maßgebend). Für jede 
Sitzung wird ein Sitzungsleiter vorgeschlagen. 


§ 3. 

Die Höchstredezeit beträgt bei Berichten und Einladungs- 
vorträgen 40 Minuten, bei anderen Vorträgen und bei Vorweisungen 
15 Minuten, bei der Aussprache 5 Minuten. Außer dem Vortragenden 
wird in der Aussprache das Wort einem Redner nur je einmal er- 
teilt. Die einzelnen Sitzungsleiter sind verpflichtet, auf die Ein- 


XII Geschaftsordnung. 


haltung der Höchstredezeit genau zu achten; ihre Verlängerung ist 
auch durch Anruf der Versammlung nicht gestattet. Bei Zeit- 
bedrängnis stellt der für die Erledigung der Tagesordnung verant- 
wortliche Sitzungsleiter an die Versammlung die Anfrage, ob die Aus- 
sprache bzw. die Liste der dazu Vorgemerkten geschlossen werden 
soll oder nicht. Einfache Mehrheit entscheidet. Nicht erledigte 
Vorträge können in einer der nächsten Sitzungen erst nach Abschluß 
der für diese festgesetzten Tagesordnung an die Reihe kommen. 


§ 4. 

Vortrage miissen in deutscher Sprache und frei gehalten werden. 
Unzulässig ist die Vorbringung ausführlicher Krankengeschichten 
und Versuchsaufzeichnungen, langatmiger statistischer Aufstel- 
lungen usw., ferner der Vortrag bereits anderweitig veröffentlichter 
oder auf unwissenschaftlicher Methodik und Gedankenführung be- 
ruhender, sowie auf andere als wissenschaftliche Zwecke abzielender 
Aufsätze. ‘Vorträge solcher Art können vom Sitzungsleiter mit einer 
Berufung an die Versammlung unterbrochen oder aber in gleicher 
Weise hinterher als unzulässig erklärt und damit von der Druck- 
legung ausgeschlossen werden. 


§ 5. 

Von den Berichten und Vortragen sowohl als auch von den Aus- 
sprachebemerkungen muß dem Schriftführer noch während der 
Tagung eine gut leserliche Niederschrift übergeben werden, 
sofern der Vortragende auf die Veröffentlichung seiner Darbietungen 
Anspruch macht. Erhebt er diesen Anspruch nicht oder soll der 
Vortrag anderweitig veröffentlicht werden, so ist dem Schriftführer 
ein kurzer Auszug zu liefern. 


§ 6. 


Wenn irgend möglich, sollen die Verhandlungen der Gesellschaft 
in getreuer Wiedergabe des bei jeder Tagung vorgebrachten Materials 
durch Druck veröffentlicht werden. Über die Art und Weise 
dieser Veröffentlichung entscheidet der Vorstand nach Verhandlung 
mit den in Betracht kommenden Verlegern oder Druckereien, unter 
Auswahl des für die Gesellschaft vorteilhaftesten Angebotes. Ver- 
träge über die Drucklegung sollen auf höchstens 5 Jahre abgeschlossen 
werden. 








Mitgliederverzeichnis 


der 


Deutschen Gesellschaft far Kinderheifkunde. 


Ehrenpräsident: 


Geh.-R. Prof. Dr. Otto Heubner, Dresden-Loschwitz, Viktoriastraße 36. 


NAPLN 


23. 
24. 


Ehrenmitglieder : 


. Prof. Dr. med. Emmet Holt, New York 14, West, 55. Street. 
. Geh.-Rat Prof. Dr. med. Rubner, Berlin-GroBlichterfelde, Dahlemerstr. 69. 


Mitglieder: 


. Prof. Dr. med. M. Abelmann, St. Petersburg, Moika roo. 


Dr. med. Paul Abraham, Kinderarzt in Berlin-Schlachtensee, Adalbertstr. 23. 
Priv.-Doz. Dr. med. A. Adam, Heidelberg, Univ.-Kinderklinik. 


. Dr. med. Edith Alexander- Katz, Charlottenburg, ChriststraBe 9. 


Dr. med. Georg Alsberg, Kinderarzt in Kassel, Kronprinzenstr. 8 II. 
Prof. Dr. med. Hans Aron in Breslau, Kaiser-Wilhelm-StraBe 76 I. 


. Stadtmedizinalrat Dr. med. Erich Aschenheim, Remscheid, Neunheider 


Straße 49. 


. Dr. med. Siegfried Bach, Kinderarzt, Dortmund, Hansastraße 82 I. 
. San.-Rat Dr. med. Baehus, Königsberg i. Pr., Vorderroßgarten 55. 
10. 
11. 
12. 
13. 
14. 
15. 
16. 
17. 
18. 
19. 
20. 
21. 
22. 


Prof. Dr. med. Hans Bahrdt, Dresden-A., Wiener Platz 2. 

Dr. med. L. Ballin, Kinderarzt, Berlin W 35, Potsdamer Straße 53. 

Dr. med. Banz&, Montevideo (Uruguay). 

San.-Rat Dr. med. C. Baron, Dresden-N., Königsbrücker Straße 22. 

Dr. med. L. Bartenstein, Kinderarzt, Horn b. Füssen (Allgäu). 

Dr. med. W. Bartholomäus, Kinderarzt, Dresden-Striesen. 

Prof. Dr. med. Bauer, Hamburg, Brahmsallee 25. 

Dr. med. Aug. de Bary, Frankfurt a. M., GeriolettstraBe 19. 

Dr. med. Otto Beck, Tiibingen, Univ.-Kinderklinik. 

Dr. med. Emerich Bedó, Kinderarzt, Szeged. 

Dr. med. H. Behrendt, Assistenzarzt, Marburg a. d. L., Univ.-Kinderklinik. 

Dr. med. Richard Behrens, Kinderarzt, Karlsruhe i. B., Leopoldstraße 2. 

Geh.-Rat Prof. Dr. med. B. Bendix, Berlin-Charlottenburg, Grolmann- 
straße 41. 

Dr. med. Arnold Benfey, Kinderarzt, Charlottenburg, Kuno Fischer-Str. 15 I. 

Prof. Dr. med. Erich Benjamin, Zell-Ebenhausen (Isartal). 

Dr. med. Richard Benzing, Frankfurt a. M., Paul Ehrlich-Straße 40, Hyg. 
Institut. 


XIV Mitgliederverzeichnis. 


26. 


2 


ar . 


28. 


3 


30. 
31. 
32. 
33- 
34. 
35- 
36. 
37. 
38. 
39. 
40. 
4I. 
42. 
43. 
44. 
45. 
46. 
47. 
48. 
49. 
50. 
5I. 
52. 
53- 
54. 
55. 
56. 
57- 


58. 
59. 
60. 
61. 
62. 
63. 
64. 
65. 
66. 
67. 
68. 
69. 
70. 
71. 
72. 
73- 
74. 


Dr. med. Emil Berggrün, Wien I., Zelinkagasse 11. 

Dr. med. Julius Bergmann, Kinderarzt, Mühlhausen i. Thüringen. 

Dr. med. Aug. Berkholz, Riga (Lettland), Kirchenstraße 7. 

San.-Rat Dr. med. L. Bernhard, Berlin C 54, Weinmeisterstraße 9. 

Prof. Dr. med. J. Bernheim-Karrer, Zürich II, Gartenstraße 36. 

Dr. med. Fritz von Bernuth, Assistenzarzt, Jena, Kinv.-Kinderklinik. 

Prof. Dr. med. Bessau, Leipzig, Bismarckstraße ı7 Il. 

Dr. med. Emmy Best, Assistenzärztin, Jena, Univ.-Kinderklinik. 

Priv.-Doz. Dr. Hans Beumer, Königsberg i. Pr., Fuchsberger Allee 53a. 

Dr. med. Gertrud Bien, Wien I, Rathausstraße ı5, 

Dr. med. Georg Bihlmeyer, Kinderarzt, Ravensburg (Württemberg). 

Prof. Dr. med. W. Birk, Tübingen, Univ.-Kinderklinik. 

Dr. med. Bischoff, Oberarzt, Rostock, Univ.-Kinderklinik. 

Dr. med. Eugen Blattner, Kinderarzt, Karlsruhe, Westendstraße 38. 

Dr. med. W. Bloch, Kinderarzt, Köln, Venloerstraße 59. 

Dr. med. Blohm, prakt. Arzt, Greifswald, Gützkower Straße 86a. 

Prof. Dr. med. Kurt Blühdorn, Göttingen, Haussenstraße 24. ` 

Dr. med. Felix Blumenfeld, Kinderarzt, Kassel, Querallee 38. 

Dr. med. H. Boehm, Kinderarzt, Frankfurt a. M., Bockenheimer Landstr. 79. 

Dr. med. Böringer, Dortmund, Eduard-Kleine-Straße 2. 

Dr. med. H. Bogen, Kinderarzt, Bonn, Meckenheimer StraBe 60. 

Prof. Dr. med. Joh. v. Bokay, Budapest VIII, Szentkiralvi-utca 2. 

Univ.-Doz. Dr. med. Zoltan v. Bokay, Budapest VIII, Gólya utcza 48. 

Priv.-Doz. Dr. med. Otto Bossert, Essen, Stādt. Kinderklinik. 

Dr. med. Karl Brehmer, Kinderarzt, Erfurt, Anger 19/20 Il. 

Dr. med. Brockmann, Dortmund, Redtenbacherstr. 21 I. 

Dr. med. A. W. Bruck, Leit. Arzt des Stadt. Kinderkrankenhauses, Kattowitz. 

San.-Rat Dr. med. Max Brückner, Dresden-A., Lüttichaustr. 34. 

Prof. Dr. med. J. de Bruin, Amsterdam, Vondelstraat 150. 

Dr. med. Hermann Brune, Kinderarzt, Lineburg. 

Dr. med. Brunthaler, Stadtarzt, Hildesheim, Weinberg 1. 

Dr. med. Helene Brüning, Stadtassistenzärztin, Münster i. W., Gerichts- 
straße 6. 

Prof. Dr. med. Hermann Brüning, Rostock, St. Georgstraße 102. 

Dr. med. Dago Burlin, Assistenzarzt, Berlin-Lichtenberg, Hauptstraße 7. 

Dr. med. Wilhelm Buttermilch, Charlottenburg 2, Knesebeckstraße 72/73. 

San.-Rat Dr. med. Eugen Cahen-Brach, Frankfurt a. M., Eppsteiner Str. 45- 

Dr. med. K. Calvary, Kinderarzt, Hamburg, HartvicusstraBe 1. 

Dr. med. W. Camerer, Stuttgart, UlrichstraBe 9. 

Dr. med. Capeller, Schularzt, Nordhausen. 

San.-Rat Dr. med. Carstens, Leipzig, Augustusplatz 1 II. 

Geh.-Rat Prof. Dr. med. J. Cassel, Berlin W 15, Lietzenburger StraBe 17. 

Hofrat Dr. med. Rudolf Cnopf, Nirnberg, JohannisstraBe 1 I. 

Dr, med. Coerper, Kreiskommunalarzt, Düsseldorf, Kühlwachterstr. 16 III. 

Prof. Dr. med. A, Cramer, Bonn, Königstraße 17a. 

Dr. med. F. Cuno, Frankfurt a. M., Falkensteiner Straße 22. 

Dr. med. Ewald Czapski, Ass.-Arzt, Jena, Univ.-Kinderklinik. 

Geh.-Rat Prof. Dr. med. Adalbert Czerny, Berlin NW 23, Altonaer StraBe 3. 

Dr. med. Irmgard Dahm, Kinderärztin, Festenburg b. Zellerfeld i. Harz. 

Dr. med. Heinrich Davidsohn, Berlin W 30, Bamberger Straße 47. 


93. 
94. 
95. 
96. 
97. 


98. 
. Dr. med. Hermann Ewer, Kinderarzt, Berlin SW 29, Belle-Alliance-Str. 21. 


100. 
IOI. 


102. 
103. 

104. 
105. 

106. 
107. 

108. 
109. 
110. 
111. 
112. 
113. 
114. 
115. 
116. 
117. 
118. 
119. 
120. 


Mitglieder verzeichnis. XV 


. Dr. med. Robert Dehne, Wien III, Ungargasse 9. 


. Dr. med. Margarete Desensy, Prag, Landes-Findelanstalt. 
. Dr. med. Demuth, Ass.-Arzt, Charlottenburg, Kaiserin-Augusta-Viktoria- 


Haus. 


. Dr. med. Ernst Deutsch, Chefarzt, Budapest V, Erzsebet-ter 16 I. 
. Dr. med. Curt Dieren, Kinderarzt, Stettin. 

. Hofrat Dr. med. Doernberger, München, Arcostraße 8. 

. Dr. med. A. Dollinger, Berlin-Friedenau, Kaiserallee 79a II. | 

. Dr. med. Rich. Dreher, Kinderarzt, Düsseldorf, Alt Pempelfort 7. 
. Dr. med. D. Dudden, Kinderarzt, Harburg (Elbe), Wallstr. 45. 


Dr. med. Ernst Dünzelmann, Kinderarzt, Leipzig, Waldstraße rra IlI. 


. Dr. med. Duken, Assistenzarzt, Jena, Weinbergstraße ı. 

. Prof. Dr. med. H. Eekert, Berlin W 50, Prager Straße 35. 

. Priv.-Doz. Dr. med. Albert Eckstein, Freiburg 1. Br., Univ.-Kinderklinik. 
. Dr. med. Fritz Ehrenfreund, Kinderarzt, Dresden-A., Bismarckplatz 14 II. 
. Dr. med. §. Efehelberg, Kinderarzt, München - Gladbach, Albertus- 


straße 23. 


. Dr. med. Otto Einstein, Stuttgart, Friedrichstraße ı b. 
. Dr. med. Hans Elienbeck, Kinderarzt, Düsseldorf, Jakobistr. 20. 
. Dr. med. Ellerbrock, Direktor der Provinzialhebammenschule und Frauen- 


klinik, Celle (Hannover). 

Dr. med. Reinhard Eltzner, Kinderarzt, Leipzig, Plagwitzer Straße 1. 
Prof. Dr. med. St. Engel, Kinderarzt, Dortmund, Elisabethstraße 14. 
Dr. med. Berthold Epstein, Prag, Landes-Findelanstalt. 

San.-Rat Dr. med. Eugen Epstein, Kinderarzt, Breslau, GartenstraBe 491. 
Dr. med. Walter Erfurth, Kinderarzt, Suhl i. Th, 

Dr. med. Bertha Erlanger, Ärztin, Mainz, Große Bleiche ı2. 


Dr. med. M. Falk, Kinderarzt, Breslau, Königsplatz 3a. 

Geh.-Rat Prof. Dr. Falkenheim, Königberg i. Pr., Kaiser-Wilhelm- 
Damm 24. 

Dr. med. Curt Falkenheim, Heidelberg, Handschuhsheimer Landstr. 45a. 
Dr. med. H. Fauth, Kinderarzt, Oberhausen, Marktstraße 64 I. 

Prof. Dr. med. Emil Feer, Zürich 7, Freie Straße 108. 

Dr. med. Moritz Feibelmann, Kinderarzt, Nürnberg, Vordere Sterngasse 17. 
Dr. med. E. Feibes, Kinderarzt, Aachen, Neumarkt 9. 

San.-Rat Dr. med. et phil. Alb. Feuchtwanger, Frankfurt a.M. , Sandweg 7. 
Prof. Dr. med. Heinrich Finkelstein, Berlin W 15, Lietzenburger StraBe 1. 
Dr. med. Alfred Fischer, New York, 33 West 73 Street. 

Dr. med, Louis Fischer, New York City, 33 West 73 rd Street. 

Geh. San.-Rat Dr. med. M. Fischer, Stuttgart, Herdweg 59. 

Prof. Dr. med. Rudolf Fischl, Prag II, Tegnov ı. 

Dr. med. Rieh. Flachs, Dresden-A., Sidonienstraße 6. 

Priv.-Doz. Dr. med. Hermann Flesch, Budapest V, Vilmos csaszarüt 36/38. 
Dr. med. Flörsheim, Dortmund, Elisabethstr. 15. 

Primararzt Hofrat Dr. med. Karl Foltanek, Wien IX, Freiheitsplatz 1 3. 
San.-Rat Dr. med. W. Franeke, Städt. Kinderarzt, Leipzig, Talstraße 6. 
Dr. med. Max Frank, Prag, Landesfindelanstalt. 

Dr. med. R. Frank, Schularzt, Mediasch (Rumänien). 

Priv.-Doz. Dr. med. Armando Frank, Leipzig, Kinderkrankenhaus. 


XVI Mitgliederverzeichnis. 


121 


122. 
123. 
124. 
125. 
126. 
127. 
128. 
129. 
130. 
131. 
132. 
133. 
134. 
135. 
136. 
137. 
138. 
139. 
140. 
141. 
142. 
143. 
144. 
145. 
146. 
147. 
148. 
149. 
150. 
ISI. 


152. 
153. 
154. 
155. 
156. 
157. 
158. 
159. 


160. 
161. 
162. 
163. 
164. 
165. 
166. 
167. 
168. 


Dr. med. Curt Frankenstein, Charlottenburg, Lietzenburger Straße 4. 
Prof. Dr. med. E. Freudenberg, Marburg a. d. L., Moltkestr. 19. 

Dr. med. G. Freund, Kinderarzt, Stettin, Pölitzer Straße 3. 
Primararzt Dr. med. Walter Freund, Breslau, Kaiser-Wilhelm-Straße 44. 
Dr. med. Hans Freyberger, Kinderarzt, Barmen, Unterdörner Straße 87. 
Dr. med. Friedland, Leipzig, Platzmannstraße ı. 

Priv.-Doz. Dr. med. Josef K. Friedjung, Wien I, Ebendorfer Straße 6. 
Prof. Dr. med. F. Friedländer, Wien VIII, Alserstraße 41. 

San.-Rat Dr. med. Heinrich Fritzsche, Leipzig, FelixstraBe 6 IT. 

Dr. med. Eugen Fromm, Kinderarzt, Minchen, OhmstraBe 15. 

Dr. med. Theodor Frucht, Kinderarzt, Plauen i. Vogtl. 

Dr. med. Erna Fürstenau, Stadtkinderärztin, Chemnitz, Ahornstr. 54. 
Dr. med. Ernst Gauer, Königsberg i. Pr., Steindamm ı58 I. 

Dr. med. Curt Gayler, Reutlingen, Karlstraße 19. 

Dr. med. J. Gelßmar, Kinderärztin, Heidelberg, Erwin-Rohde-Straße IIa. 
Dr. med. Fritz Gernsheim, Kinderarzt, Worms, Schloßgasse 2. 

Prof. Dr. med. J. Gerstenberger, Cleveland, Ohio, 1940 Noble Road. 
Frl. Dr. med. Aenne Giese, Dortmund, Wilhelmstr. 72 III. 

Dr. med. H. Gloger, Dortmund, Kinderklinik. 

San.-Rat Dr. med. Gmelin, Wyk auf Föhr, Südstrand. 

Priv.-Doz. Dr. med. Goebel, Assistenzarzt, Jena, Schillergäßchen 5 I. 
Prof. Dr. med. Fr. Göppert, Göttingen, Haussenstraße 22p. 

Prof. Dr. med. Theodor Goett, München, Schellingstraße 3 I. G.-H. 

Dr. med. Leopold Goldschmidt, Arad (Rumänien), Staatliches Kinderasyl. 
Dr. med. Fritz Goldstein, Kinderarzt, Berlin-Lichterfelde, Jungfernstieg 18. 
Dr. med. Kurt Gottlieb, Assistenzarzt, Heidelberg, Univ.-Kinderklinik. 
Dr. med. Karl Gottlieb, Wien, Lazarettgasse 14. 

Dr. med. Fritz Götzky, Kinderarzt, Berlin-Lichterfelde, Augustastraße. 
Dr. med. R. Gralka, Breslau, Univ.-Kinderklinik. 

Dr. med. Walter Grävinghoff, Oberarzt, Magdeburg-Altstadt, Kinderklinik. 
Dr. med. Karl Grimm, Dirig. Arzt des städt. Kinderhospitals in Kölna. Rh. 
KaesenstraBe 18. 

Prof. Dr. med. F. Groer, Lemberg, Univ.-Kinderklinik, Glowitiskiego 5. 
Prof. Dr. med. Paul Großer, Frankfurt a. M., Reuterweg 5ı II. 

Dr. med. Maria Grosche, Kinderärztin, Hannover, Arnswaldstraße 311. 
Dr. med. Grösz, Budapest V, Rudolf rakpart 3. 

San.-Rat Dr. med. W. Grüneberg, Altona a. E., Treskowallee 38. 

Dr. med. Grusewski, prakt. Arzt, Fraustadt b. Glogau. 

Dr. med. Paul György, Assistenzarzt, Heidelberg, Univ.-Kinderklinik. 
Dr. med. H. Hahn, Kinderarzt, Beuthen, Oberschlesien, Gymnasial- 
straße 4 II. 

Prof. Dr. med. Franz Hamburger, Graz, Mozartgasse 12. 

Dr. med. Richard Hamburger, Berlin, W 50, SpichernstraBe 10. 
San.-Rat Dr. med. Peter Hanssen, Kinderarzt, Kiel, GoethestraBe 8 p. 
Dr. med. F. Hahn, Kinderarzt, Bremerhaven, LloydstraBe 15. 

Dr. med. Curt Harmening, Kinderarzt, Stolp, Schraderplatz ı. 

Dr. med. Max Hatzig, Kinderarzt, Hannover, Hildesheimer Straße 29 I. 
Dr. med. Fr. Hassengier, Berlin-Lichtenberg, Hauptstraße 7. 

Dr. med. Leo Hauschild, Berlin-Neukölln, Hebammenlehranstalt. 
Priv.-Doz. Dr. med. Adolf F. Hecht, Wien 9, Alserstraße 24. 


169. 
170. 
171. 
172. 
173. 
174. 
175. 
176. 
177. 
178. 
179. 
180. 
181. 
182. 
183. 


184. 


185. 
186. 
187. 


188. 
189. 
190. 
191. 
192. 
193. 
194. 
195. 
196. 
197. 
198. 
199. 
200. 
201. 
202. 
203. 


205. 


207. 
208. 


210. 
211. 
212. 
213. 


214. 
215. 
216. 


Mitgliederverzeichnis. XVII 


Prof. Dr. med. Rudolf Hecker, München, Leopoldstraße 26. 

Dr. med. W. Hedrich, Kinderarzt, Fürth i. B., Königsstr. ı30 I. 

Dr. med. Thilo Heidenheim, Kinderarzt, Köln a. Rh., Deutscher Ring 2. 
Dr. med. Heidemann, Kinderarzt, Hamburg, Moorweidenstraße 26. 

Dr. med. Heilmann, Kinderarzt, Hamborn. 

Prof. Dr. med. Paul Heim, Budapest V, Katona Josefa 17. 

Dr. med. Alfred Heimann, Elberfeld, Königstraße 75. 

Dr. med. Ludwig Heine, Berlin-Wilmersdorf, Brandenburgische Straße 21. 
Dr. med. Moritz Heinemann, Neukölln, Ganghoferstraße ı II. 

Dr. med. Fritz Heller, Kinderarzt, Leipzig, Pfaffendorfer Straße 46. 

Dr. med. Oskar Heller, Assistenzarzt, Heidelberg, Hauserstraße 3. 

Dr. med. R. Hennig, Guben (Lausitz), Christl. Hospiz. 

Dr. med. Hensay, Kinderarzt, Mainz, Kaiser-Friedrich-Straße ı. 

Dr. med. Oskar Herbst, Berlin-Lichtenberg, Hauptstraße 7. 

Dr. med. Elise Hermann, Kinderärztin, Hamburg 37, Oberstraße 59. 
Prof. Dr. Rudolf Hess, Mannheim, Säuglings-Krankenhaus. 

Dr. med. Heyer, Bonn, Univ.-Kinderklinik. 

Dr. med. Hille, Greifswald, Univ.-Kinderklinik. 

Dr. med. Ihsan Hilmi, Chef de service à l’höspital des Enfants, Konstan- 
tinopel Chichli. 

Dr. med. M. K. Hintner, Kinderarzt, Nürnberg, Äußerer baient 1. 
Dr. med. Albert Hirseh, Kinderarzt, Heidelberg, Rohrbacher Straße 5 p. 
Dr. med. M. Hirsch, Kinderarzt, Wiesbaden, Luisenstraße 6. 

Dr. med. Hirsehfelder, Kinderarzt, Crefeld, Ostwall 148. 

Dr. med. Helene Hirsehler, Kinderärztin, Ludwigshafen. 

Dozent Reg.-Rat Dr. med. Carl Hochsinger, Wien I, Lichtenfelsgasse 7. 
San.-Rat Dr. med. Theodor Hoffa, Kinderarzt, Barmen, Wertherstr. 43 I. 
Dr. med. P. Hoffmann, Ass.-Arzt, Marburg a. d. L., Univ.-Kinderklinik. 
Dr. med. Walter Hoffmann, Kinderarzt, Heidelberg, Bunsenstraße 10. 
Dr. med. K. Hofmeyer, Assistenzarzt, Würzburg, Univ.-Kinderklinik. 
Priv.-Doz. Dr. med. Martin Hohlfeld, Leipzig, Beethovenstraße 23 II. 
Dr. med. Meta Holland, Ärztin, Barmen, Wertherhofstraße ıo0. 

Dr. med. Hugo Holz, Kinderarzt, Stuttgart, Feuerseeplatz 9. 

Dr. med. Hotzen, Kinderarzt, Rostock, Augustenstraße 41 I. 

Dr. med. Hunaeus, Leit. Arzt des Cäcilienheims, Hannover, Jakobistr. 7 1. 
Priv.-Doz. Dr. med. Josef Husler, München, Pettenkoferstr. 33. 


. Dr. med. Alfred Hüssy, Kinderarzt, Zürich 7, Rämistraße 56. 


Dr. med. Elisabeth Jacki, Kinderärztin, Ludwigshafen, Bismarckstr. 44. 


. Dr. med. Otto Jacobi, Kinderarzt, Stralsund. 


Prof. Dr. med. Jamin, Erlangen, SchillerstraBe 23. 
Dr. med. E. Jansen, Kinderarzt, Barmen, Kleine FlurstraBe 6. 


. Doz. Dr. med. Hans Janusehke, Wien XVIII, GymnasiumstraBe 32. 


San.-Rat Dr. med. Alfred Japha, Berlin-Charlottenburg, Uhlandstr. 179/180. 
Prof. Dr. med. L. Jehle, Wien IX, Spitalgasse 1. 

Dr. med. Bernhard Jelski, Danzig, Wollwebergasse 24 II. 

San.-Rat Dr. med. Kurt Jester, Kinderarzt, Königsberg i. Pr., Stein- 
damm 31. 

Dr. med. M. Joachim, Kinderarzt, Görlitz (O.-L.), Mühlweg 1. 

Dr. med. J. Joel, Lübeck, Königstraße 10. 

Prof. Dr. med. Axel Johannessen, Kristiania, Wergelandsveien 17. 


II 


XVIII Mitgliederverzeichnis. 


237. 
. Dr. med. Wilhelm Koch, Wiesbaden. Mainzer Straße ı8. 
239. 
240. 
241. 
242. 
243. 
244. 
245. 
246. 
247. 
248. 
249. 
250. 


251. 
252. 
253. 


254. 
255. 
256. 
257. 
258. 
259. 
260. 
261. 
262. 
. Prof. Dr. med. Friedrich Lehnerdt, Halle a. S., SalzgrafenstraBe 3. 


. Prof. Dr. med. J. Jundell, Stockholm, Artillerigotan 3. 

. Prof. Dr. med. Jussuf Ibrahim, Jena, Kasernenstr. 10. 

. San.-Rat Dr. med. Ide, Nordseebad Amrum. 

. Dr. med. Paul Ivens, Kinderarzt, Gistrow, EisenbahnstraBe 1. 

. Dr. med. R. Käekell, Cali, Kolumbien, Südamerika, bei Herrn Dr. Garees. 
. Dr. med. Hans Kaczke, Kinderarzt, Stralsund, Neuer Markt 5. 

. Dr. med. Walter Kahn, Dortmund, Städt. Säuglingsheim. 

. Prof. Dr. med. Karasawa, Tokio (Japan). 

. Dr. med. Karl Kassowitz, Wien IX, Lazarettgasse 14. 

. Dr. med. Walter Kaupe, Kinderarzt, Bonn. 

. Dr. med. Klaus Keilmann, Berlin N, Reinickendorfer Straße 61. 

. Prof. Dr. med. Arthur Keller, Berlin W 50, RankestraBe 6. 

. Dr. med. Kikuth, Volontärarzt, Barmen, Säuglingsheim, Zeughausstr. 40. 
. Dr. med. Philipp Kissoff, Sofia, Univ.-Kinderklinik. 

. Dr. med. Walter Klein, Kinderarzt, Königsberg i. Pr., Junkerstraße 13/14. 
. Prof. Dr. med. H. Kleinschmidt, Hamburg, Hansastraße 27. 

. Dr. med. Walter Klemm, Kinderarzt, Bad Kösen. 

. Prof. Dr. med. M. Klotz, Lübeck, Kinder-Hospital. 

. Prof. Dr. med. Wilhelm Knoepfelmacher, Wien IX, GiintherstraBe 3. 

. Generaloberarzt a. D. Dr. med. M. Kob, Königsberg i. Pr., Hintertrag- 


heim 32 II. 
Dr. med. Georg Koch, Kinderarzt, Wiesbaden, Taunusstraße 14. 


Dr. med. O. Koehler, Kinderarzt, Chemnitz. 

Dr. med. R. Koehmanı, Assistenzarzt, Freiburg i. B., Univ.-Kinderklinik. 
Dr. med. Robert Königstein, Kinderarzt, Wien VI, Mariahilferstraße 53. 
Prof. Dr. med. Hans Koeppe, Kinderarzt, Gießen, Alicestraße 3. 
San.-Rat Dr. med. A. Köppen, Norden, Ostfriesland. 

Dr. med. Kotzulla, Kinderarzt, Beuthen (O.S.), Bahnhofstraße 5. 

Dr. med. Hedwig Kozitschek, Wien IX, Sobieskigasse 31. 

Dr. med. Erieh Krasemann, Kinderarzt, Rostock, Friedrich-Franz-Str. 109. 
Dr. med. Marie Krieger, Jena, Univ.-Kinderklinik. 

Dr. med. G. Kritz, Kinderarzt, Leipzig, Gustav-Adolf-Straße 14. 

Dr. med. Wilh. Kuhle, Assistenzarzt, Greifswald, Univ.-Kinderklinik. 
Dr. med. Clara Kulazenski, Assistenzärztin, Barmen, Städtisches Kinder- 
krankenhaus. 

Dr. med. Lampe, Dortmund, Städt. Säuglingsheim. 

Dr. med. A. Landau, Ass.-Arzt, Waisenhaus, Kürassierstraße. 

Dr. med. L. Lande, Berlin N, Städt. Kinderkrankenhaus, Reinicken- 
dorfer Str. 61. 

Prof. Dr. med. Jer. Lange, Leipzig, Ferdinand-Rohde-StraBe 138. 

Dr. med. Rose Lange, Kinderärztin, Siegen i. W., BahnhofstraBe 20. 
Dr. med. Hans Langer, Charlottenburg 4, Mommsenstraße 12. 

Prof. Dr. med. Josef Langer, Prag, Universitäts-Kinderklinik. 

Dr. med. G. Langhans, Assistenzarzt, Rostock, Univ.-Kinderklinik. 
Prof. Dr. med. Leo Langstein, Berlin W ı5, liietzenburger Straße 28. 
Dr. med. W. Lasch, Kinderarzt, Breslau, Schulgasse 13. 

Dr. med. Leo Lauter, Charlottenburg, Neue KantstraBe 25. 

Priv.-Doz. Dr. med. Heinrich Lehndorff, Wien I, Bartensteingasse 31. 





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301. 
302. 
303. 
304. 
305. 
300. 
307. 
308. 
. Prof. Dr. med. Ernst Moro, Heidelberg, Mozartstr. 10. 
310. 


Mitgliederverzeichnis. NIX 


. Priv.-Doz. Dr. med. Bruno Leichtentritt, Breslau XVI, Univ.-Kinderklinik. 
265. 
266. 
. Dr. med. Philipp Leitner, Ciy (Rumänien), Ferdinand-Str. 33. 
268. 
. San.-Rat Dr. med. Lenz, Kinderarzt, Halberstadt, Lindenweg 25 I. 

. Dr. med. Alfred Leo, Frauen- und Kinderarzt, Remscheid, Alleestraße. 
. Dr. med. Walter Levy, Königsberg i. Pr., Steindamm 130/131. 

. San.-Rat Dr. med. Julius Lewin, Berlin W 30, Motzstraße 63. 

. Dr. med. Loebenstein, Kinderarzt, Leipzig-Gohlis, Hallesche Str. 48. 

. Prof. Dr. med. Hans Loes, Innsbruck, KarlstraBe 2 II. 

. Dr. med. J. Lossen, Kinderarzt, Bochum, Kaiser-Wilhelm-Straße 28. 

. Dr. med. Moritz Löwy, Wien IX, Sobieskigasse 31. 

. Dr. med. Richard Lubitsch, Kinderarzt, Köln a. Rh., Hansaring 96. 

. Dr. med. Lütjohann, Kinderarzt, Flensburg, Holm 53 I. 

. San.-Rat Dr. med. E. Lugenbühl, Wiesbaden, Schützenhofstraße 9. 

. Dr. med. Eugen von Lukats, Arad (Rumänien), Bulev. Regel. Fer- 


Dr. med. Heinrich Leichtentritt, Kinderarzt, Berlin W 35, Am Karlsbad 22. 
Prof. Dr. med. Karl Leiner, Wien IX, SchwarzpanierstraBe 9. 


Dr. med. Robert Lenneberg, Kinderarzt, Disseldorf, KreuzstraBe 63. 


dinand I, Nr. 12. 


. Prof. Dr. med. F. Lust, Karlsruhe, Kinderkrankenhaus. 

. Dr. med. Alfons Mader, Frankfurt a. M., Univ.-Kinderklinik. 

. Dr. med. Hermine Maas, Kinderärztin, Nürnberg, Fürther Straße 4 B. 
. Dr. med. K. Mallinckrodt, Kinderarzt, Elberfeld, WortmannstraBe 6. 

. Med.-Rat Dr. med. Matthias, Stadtarzt, MeiBen, GroBenhainer StraBe 29. 
. Dr. med. G. Matzdorff, Kinderarzt, Cottbus. 

. Dr. med. Hans Mautner, Wien III, Dapontagasse 6. 

. Dr. med. Eugen von May, Bern-Kirchenfeld (Schweiz), Obere Dufour- 


straße 29. 


. Dr. med. Cora Mayers, Kinderärztin, Santiago (Chile). 
. Dr. med. L. Mendel, Essen a. d. Ruhr, Städt. Kinderklinik. 
. Dr. med. L. Mendelsohn, Kinderarzt, Berlin N, Chausseestraße 59. 


Dr. med. A. Mendelssohn, Oberarzt, Diisseldorf, Akademische Kinder- 
klinik. 


. Dr. med. Albert Merckens, Kinderarzt, M.-Gladbach, Hindenburgstraße 76. 


Prof. Dr. med. H. von Mettenheim, Frankfurt a. M., Unterlindau 33. 


. Geh. San.-Rat Dr. med. Josef Meier, München, Südliches Schloßrondell 5. 
. Dr. med. Albrecht Mertz, Kinderarzt, Homburg a. d. Saar. 

. Prof. Dr. med. L. F. Meyer, Berlin W 35, Genthiner Straße 19 1. 

. San.-Rat Dr. med. Franz Meyer, Berlin NW 40, Kronprinzenufer 26. 

. Dr. med. Gertrud Meyer, Assistenzärztin, Berlin-Lichtenberg, Hauptstr. 7. 


Dr. med. Georg Meyer, Kinderarzt, Hannover, Hildesheimer Straße 232. 
Dr. med. Max Meyer, Kinderarzt, Gelsenkirchen, Hindenburgstraße 75. 
Dr. med. Oswald Meyer-Housselle, Kinderarzt, Spandau, Johannisstift. 
Dr. med. Otto Meyer, Hamburg, Rotenbaumchaussee 34. 

Dr. med. Albert Meyerstein, Berlin N 65, Reinickendorfer Straße 61. 
Dr. med. Lotte Michael, Breslau, Städt. Säuglingsheim. 

Dr. med. Günther Mogwitz, Kinderarzt, Wolfenbüttel, Lange Herzogstr.5ı. 
Hofrat Prof. Dr. med. Leopold Moll, Wien XVIII, Glanzinggasse 37. 
Dr. med. Mittelstädt, Kinderarzt, Gera (Reuß), Bahnhofstraße s. 


Dr. med. Hans Mothes, Assistenzarzt, Barmen, Städt. Krankenanstalten. 
{I* 


XX Mitgliederverzeichnis. 


311. Prof. Dr. med. Erich Müller, Berlin W 62, Landgrafenstraße 3. 

312. Dr. med. Fritz Miller, Frankfurt a. M., Univ.-Kinderklinik. 

313. Dr. med. Wilhelm von Muralt, Zirich, RamistraBe 18. 

314. Dr. med. Erich Nassau, Berlin-Niederschönhausen, Kaiser-Wilhelm-Str. 2. 

315. Dr. med. Edmund Nathan, Kinderarzt, Glogau, Breslauer Str. 4. 

316. San.-Rat Dr. med. A. Neumann, Kinderarzt, Danzig, Holzmarkt ı5 I. 

317. Priv.-Doz. Dr. med. Rudolf Neurath, Wien VIII, Lange Gasse 70. 

318. Dr. med. F. K. Noack, Wyk auf Föhr, Nordsee-Sanatorium. 

319. Doz. Dr. med. Edmund Nobel, Wien IX, Kinderklinik, Lazarettgasse 14. 

320. Prof. Dr. med. C. T. Noeggerath, Freiburg i. Br., TivolistraBe 35. 

321. Dr. med. M. Nordheim, Hamburg 37, IsestraBe 117. 

322. Dr. med. Nussbaum, Dortmund, Städt. Säuglingsheim. 

323. Prof. Dr. med. Oberg, Hamburg-Uhlenhorst, Goethestraße 28. 

324. Dr. med. E. Oberwarth, Kinderarzt, Charlottenburg, Carmerstraße 10. 

325. Dr. med. Kurt Ochsenlus, Kinderarzt, Chemnitz, Weststraße 46 II. 

326. Dr. med. G. Oehlschlegel, Leipzig, Weststraße 22. 

327. Dr. med. Julius Ohlmann, Kinderarzt, Frankfurt a. M., Friedrichstr. 40 I. 

328. Priv.-Doz. Dr. med. H. Opitz, Breslau XVI, Univ.-Kinderklinik. 

329. Dr. med. Karl Oppenheimer, München, Landwehrstraße 4. 

330. Dr. med. Gustav Oppenheimer, Halle a. S., Leipziger Straße 70/71. 

331. Priv.-Doz. Dr. med. A. Orgler, Charlottenburg, Leibnizstraße 60. 

332. Dr. med. R. Osswald, Kinderarzt, Dresden-A., Reichsplatz ı. 

333. Dr. med. Pape, Dresden-A., Kinderheilanstalt, Chemnitzer Str. 

334. Primararzt Dr. med. Fritz Passini, Wien I, Getreidemarkt 18. 

335. Dr. med. S. Paul, Frankfurt a. M., Univ.-Kinderklinik. 

336. Prof. Dr. med. Pauli, Lübeck, Breite Straße 97. 

337. Dr. med. H. Peé, Lübeck, Pferdemarkt 14. 

338. Dr. med. Albrecht Peiper, Assistenzarzt, Berlin, Charité, Kinderklinik. 

339. Geh. Med.-Rat Dr. med. Erich Peiper, Greifswald, Bahnhofstr. 52 I. 

340. Dr. med. Peters, Stadtschularzt, Chemnitz, Ulmenstraße 26. 

341. Dr. med. Johann von Petheé, Debreczen, Univ.-Kinderklinik. 

342. Prof. Dr. med. M. von Pfaundler, München, .Bavariaring 6 Il. 

343. Dr. med. Emil Philippi, Wiesbaden, Rheinstraße 15 I. 

344. San.-Rat Dr. med. Theodor Pineus, Kinderarzt, Poznän, Pocztowa 31. 

345. Prof. Dr. med. Clemens Freiherr von Pirquet, Wien VIII, AlsenstraBe 21. 

346. Dr. med. Joh. Piske, Kinderarzt, Stettin, Friedrich-Karl-StraBe 8 p. 

347. Dr. med. Karl Planner-Wildinghof, Kinderarzt, Graz, Normalschulgasse 1. 

348. Dr. med. Max Plaut, Kinderarzt, Frankfurt a. M.. Eschenheimer Anlage 31. 

349. Primararzt Hofrat Dr. med. D. Pospischil, Wien VIII, Maria-Treu-Gasse 6. 

350. Dr. med. Post, Dortmund, Städt. Säuglingsheim. 

351. Doz. Dr. med. Carl Potpeschnigg, Graz, Stubenberggasse 7 I. 

352. Dr. med. Hermann Putzig, Berlin-Schöneberg, Innsbrucker Straße 5. 

353. Priv.-Doz. Dr. med. Egon Rasch, Wien VIII, Florianigasse 52. 

354. Dr. med. Hans Rasor, Kinderarzt, Frankfurt a. M., Hermannstraße 29. 

355. Dr. med. Reckmann, Dortmund, Luisen-Hospital. 

356. Dr. med. A. Reiche, Leiter des Landessäuglingsheims, Braunschweig, 
Bommelsburger Straße ı. 

357. Hofrat Dr. med. Reinach, München, Promenadenplatz 16 II. 

358. Priv.-Doz. Dr. med. Aug. v. Reuss, Wien VIII, Hamerlingsplatz 4. 

359. Dr. med. J. G. Rey, Aachen, Wilhelmstraße 76. 


Mitgliederverzeichnis. XXI 


. Prof. Dr. med. Paul Reyher, Berlin W 30, Bayrischer Platz 13/14. 

. Dr. med. O. Rie, Wien III, Weyrgasse 5. 

. Dr. med. Wilhelm Riehn, Kinderarzt, Hannover, Seelhorststraße 45. 

. Reg.-Rat Dr. med. Gustav Riether, Wien XVIII, Bastiengasse 36/38. 

. Dr. med. Hans Risel, Städt. Kinderarzt, Leipzig, Kronprinzenstraße 44. 
. Prof. Dr. med. H. Rietschel, Würzburg, Ludwigstraße 22. 

. San.-Rat Dr. med. Julius Ritter, Berlin W 15, Kurfürstendamm 54. 

. San.-Rat Dr. med. Roberg, Münster i. W., Herwarthstraße 6. 

. Dr. W. Roedel, Kinderarzt, Altenburg, Wettinerstraße 32. 


Dr. med. Frieda Roeder, Kinderärztin, Göttingen, Plankstr. 7. 


. Dr. med. Erna Roese, Kinderärztin, Stavenhagen i. M. 

. Dr. med. Roggenkämper, Dortmund, Städt. Kinderklinik. 

. Dr. med. Ludwig Rohden, Kinderarzt, Winterberg (Sauerland). 

. Dr. med. Ernst Rohnheimer, Kinderarzt, Zürich, Gartenstraße 10. 

. Dr. med. Rohr, Cassel-Wilhelmshöhe, Kindersanatorium. 

. Priv.-Doz. Dr. med. E. Rominger, Freiburg i. Br., SchwarzwaldstraBe 1o. 
. Hofrat Dr. med. O. Rommel, Minchen, AdalbertstraBe 96 I. 

. Dr. med. Rosenbaum, Assistenzarzt, Leipzig, Platzmannstr. 1. 

. Dr. med. Hans Rosenbaum, Assistenzarzt, Barmen, Städt. Krankenanstalt. 
. Dr. med. Fritz Rosenberg, Kinderarzt, Frankfurt a. M., Trutz 32. 


Dr. med. Ludwig Rosenberg, Wien I, Wollzeile 9. 


. Dr. med. Oscar Rosenberg, Kinderarzt, Berlin W 62, Wichmannstr. 28. 
. Dr. med. Heinrich Rosenhaupt, Stadtarzt, Mainz, Feldbergplatz 5. 
. Dr. med. J. Rosenstern, Kinderarzt, Berlin-Wilmersdorf, Aschaffenburger 


Straße 6. 


. Dr. med. Ernst Roser, Kinderarzt, Schwerin i. M., Marienstraße 14. 

. Primararzt Dr. med. Edwin Rossiwall, Wien IV, Favoritenstraße 13. 

. San.-Rat Dr. med. J. Rothschild, Frankfurt a.M., Bockenheimer Anlage 7 p. 
. Prof. Dr. med. Fr. Rott, Berlin W 62, LutherstraBe 36. 

. Dr. med. Gertrud Rottgiesser, Buch bei Berlin, Kinderheilanstalt. 


. Dr. med. Reinhold Rühle, Leipzig, Platzmannstraße ı. 


. Dr. med. Paul Rupprecht, Leipzig, Platzmannstraße 1. 

. Dr. med. F. Sachs, Kinderarzt, Darmstadt, Heidelberger Straße 7. 

. Prof. Dr. med. Salge, Bonn a. Rh., Mediz. Klinik. 

. Dr. med. Walter Salomon, Berlin W 35, Derfflingerstr. 4. 

. Dr. med. Adolf Salomon, Assistenzarzt, Frankfurt a. M., Univ.-Kinderklin. 
. Dr. med. Leonie Salmony, Kinderärztin, Mannheim P. 6, 20 II. 

. Priv.-Doz. Dr. med. Samelson, Breslau, Goethestraße 45/47. 

. Priv.-Doz. Dr. med. J. A. Schabad, St. Petersburg, Petersburger Seite, 


Großer Prospekt 64. 


. Dr. med. Fritz Sehäfer, Kinderarzt, Zwickau, Römerplatz 10. 
. Dr. med. Hermann Schall, Leit. Arzt des Kindersanatoriums, Königsfeld, 


Bad. Schwarzwald. 


. Dr. med. L. Schall, Tübingen, Univ: -Kinderklinik. 

. Dr. med. L. Schaps, Berlin-Friedenau, LauterstraBe 16. 

. Dr. med. Erich Schede, Kinderarzt, Nordhausen, Grimmelallee ı. 

. Priv.-Doz. Dr. med. Kurt Scheer, Frankfurt a. M., Westendstraße. 106. 
. Prof. Dr. med. Hans Schelble, Bremen, Hornerstraße. 

. Prof. Dr. med. Scheltema, Groningen (Holland), Kinderziekenhuis. 

. San.-Rat Dr. med. Sehendell, Bromberg, Danziger StraBe 149. 


XXII Mitgliederverzeichnis. 


407. 
408. 
409. 
410. 
411. 
412. 
413. 
414. 
415. 
416. 
417. 
418. 
419. 
420. 
421. 
422. 
423. 
424. 
425. 


420. 
427. 
428. 
429. 
430. 
431. 
432. 
433. 


434. 
435. 
436. 
437. 
438. 
439. 
440. 
441. 
442. 
443. 
444. 
445. 
440. 
447. 
448. 
449. 
450. 
451. 
452. 
453. 
454. 


Dr. med. Rich. Schermann, Assistenzarzt, Berlin-Lichtenberg, Hauptstr. 7. 

Dr. med. I. Scherrer, Kinderarzt, Leipzig, Dresdnerstraße 33 II. 

Prof. Dr. med. B. Schick, New York City, Mount Sinai Hospital. 

Priv.-Doz. Dr. med. Erwin Schiff, Berlin, Charité, Univ.-Kinderklinik. 

Dr. med. Arnold Sehiller, Karlsruhe, SophienstraBe 120. 

Dr. med. Schlack, Tübingen, Univ.-Kinderklinik. 

Priv.-Doz. Dr. med. Felix Sehleissner, Prag, Prikopy 7. 

Prof. Dr. med. Eugen Schlesinger, Frankfurt a. M., WestendstraBe 79. 

Dr. med. Schlossmann, Dortmund, Städt. Säuglingsheim. 

Geh.-Rat Prof. Dr. med. Arthur Schlossmann, Düsseldorf, Oststraße 15. 

Dr. med. Freiin Amelie von Schlotheim, Weimar, Am Jakobskirchhof 9 1. 

Dr. med. Schmitt, Würzburg, Univ.-Kinderklinik. 

Dr. med. Schmitz, Stadtfürsorgearzt, Gelsenkirchen. 

Dr. med. Hans Schmoller, Berlin NW 23, Klopstockstraße 6. 

Med.-Rat Dr. med. Johannes Schoedel, Chemnitz, Flemmingstraße 2. 

Dr. med. Elisabeth Schohl, Kinderärztin, Pirmasens, Zweibrückerstr. 12. 

Dr. med. Hans Schricker, Kinderarzt, Koburg, Löwenstraße 24. 

Dr. med. Paul Schubert, Assistenzarzt, Dresden-A., Kinderheilanstalt. 

Dr. med. Julius Sehütz, Im Winter: Wien IX, Wiederhofergasse 7. Im 
Sommer: Baden bei Wien. 

Dr. med. Schulte, Kinderarzt, Münster i. W., Bahnhofstraße 8. 

Dr. med. Willi Schulten, Elberfeld, Haarhausstraße 7. 

Dr. med. Walter Schultz, Kinderarzt, Allenstein (Ostpr.), Zeppelinstr. 2/3 11. 

Dr. med. Paula Schultz-Bascho, Kinderärztin, Bern (Schweiz), Moserstr. 2. 

Dr. med. Schulz, Kinderarzt, Saarbrücken. 

Dr. med. J. Sehwab, Göttingen, Univ.-Kinderklinik. 

Oberarzt Dr. med. Walter Schwalbe, Berlin-Grunewald, Delbrückstr. 18. 

Dr. L. Schwarzenberg, Berlin, Arzt bei der Chilenischen Gesandtschaftt, 
ReichsstraBe 5. 

Dr. med. Schwarzburger, Stadtfürsorgearzt, Gelsenkirchen. 

Dr. med. Johanna Sehwenke, Grimma in Sachsen, Lorenzstraße 1. 

Dr. med. Paul Sehlbach, Kinderarzt, Freiburg i. Br., Dreisamstraße 71. 

Dr. med. Seiffert, Kinderarzt, Stendal, Nicolaistraße 65. 

Ob.-Med.-Rat Prof. Dr. med. Seitz, München, Barerstraße 54 II. 

Prof. Dr. med. Paul Selter, Solingen, Friedrichstraße 41. 

Dr. med. Erich Siegel, Kinderarzt, Berlin NO s;, Hufelandstraße 45. 

Geh.-Rat Prof. Dr. med. Siegert, Köln-Lindenthal, Stadtwaldgürtel 35. 

Dr. med. Else Simmel-Rapp, Jena, Gutenbergstraße 1. 

Dr. med. Hugo Simon, Berlin NW 21, Rathenower StraBe 74. 

Dr. med. G. Simon, Kinderarzt, Frankfurt a. M., FellnerstraBe 11. 

Dr. med. Paul Sittler, Kolmar i. E., Kopfhausgasse 42. 

Dr. Snell, Kinderarztin, Dresden-A., Lindengasse 26. 

Dr. med. Werner Solmitz, Berlin, W ıo, Friedrich Wilhelmstr. 2a. 

San.-Rat Dr. med. Sonnenberger, Kinderarzt, Worms. 

Dr. med. Gustav Sonnenschein, Kinderarzt, Olmütz, Palakystr. 7. 

San.-Rat Dr. med. Ludwig Spanier, Hannover, Volgersweg 14 I. 

Dr. med. Otto Spiegel, Kinderarzt, Kiel, Lorentzendamm 5p. 

Dr. med. Fritz Spieler, Wien IX, Schwarzspanierstraße 4. 

Hofrat Dr. med. Hans Spitzy, Wien IX, Frankgasse 1. 

Dr. med. Eugen Stadelmann, Kinderarzt, Frankfurt a.M., Stallburgstr. 101. 


455- 
456. 
457. 


458. 
459. 
460. 
461. 
402. 


463. 


464. 
465. 
466. 
467. 


468. 
469. 
470. 
471. 


472. 
473. 
474. 
475. 
476. 
477. 
478. 
479. 
480. 
481. 
482. 
483. 
484. 
485. 
486. 
487. 
488, 
489. 
490. 
491. 
492. 
493. 


494. 
495. 
4%. 
497. 
498. 
49. 
500. 
SOI. 


503. 


Dr. med. 
Dr. med. 
Geh.-Rat 
Dr. med. 
Dr. med. 
Dr. med. 
Prof. Dr. 
Dr. med. 
Dr. med. 
Prof. Dr. 
Prof. Dr. 
Prof. Dr. 
Dr. med. 
Dr. med. 


Prof. Dr. 


Dr. med. 
Prof. Dr. 
Dr. med. 
Dr. med. 
Doz. Dr. 
Prof. Dr. 
Dr. med. 
Dr. med. 
Prof. Dr. 
Dr. med. 
Dr. med. 
Dr. med. 
Dr. med. 
Dr. med. 


Prof. Dr. 


Dr. med. 
San.-Rat 
Dr. med. 
Dr. med. 
Dr. med. 
Dr. med. 
Prof. Dr. 
Dr. med. 


Dr. med. 


Mitglieder verzeichnis. XXIII 
Stahm, Dortmund, Stadt. Sauglingsheim. 

Karl Stamm, Kinderarzt, Hamburg, Johnsallee 63. 

Prof. Dr. med. von Starek, Kiel, Karolinenweg 9. 

Franz Steinitz, Kinderarzt, Breslau, Gartenstraße 39. 

Karl Stenger, Weidenau an der Sieg. 

Georg Stern, Kinderarzt, Hagen i. W., Elberfelder Straße 66. 
med. Ernst Stettner, Erlangen, Ratsberger Straße 13. 
Steuernthal, Kinderarzt, Essen (Ruhr), Bertholdstraße 5. 
Fritz Stirnimann, Luzern, Zwinggenthorstraße 6. 

med. Stoeltzner, Halle a. S., MozartstraBe 19. 

med. K. Stolte, Breslau 9, HedwigstraBe 4o. 

med. Max Stooß, Bern, Rainmattstraße 3. 

Eugen Stransky, Wien XVIII, Glanzinggasse 37. 

Heinrich Strauss, Hannover, Alte Celler HeerstraBe 42. 

med. Felix von Szontagh, Debreczen, Ferencz Jösef u. 16. 
Otto Tezner, Ass.-Arzt, Wien, Karolinen-Kinderspital. 

med. E. Thomas, Köln a. Rh., Univ.-Kinderklinik. 

Thoenes, Leipzig, Platzmannstr. ı. 

Fritz Toeplitz, Kinderarzt, Mannheim, L 2, 14. 

med. Franz von Torday, Budapest, Üllöi üt 14. 

med. Trumpp, München, Martinstraße 7. 

Tugendreich, Berlin W 30, HohenstaufenstraBe 41. 

Martha Türk, Kinderärztin, Frankfurt a. M., Kettenhofweg 73. 
med. A. Uffenheimer, Miinchen, AkademiestraBe 11 I. 

Walter Usener, Stadtarzt, Dessau, AntoinettenstraBe 9. 
Georg Vahmeyer, Assistenzarzt, Barmen, Städt. Kinderfürsorge. 
Vogel, Kinderarzt, Plauen i. V., Reichsstraße 5. 

Fritz Vogt, Kinderarzt, Kassel, Obere Königstraße 22. 

O. Voigt, Oberarzt, Kiel, Univ.-Kinderklinik. 

med. H. Vogt, Magdeburg, Augustastraße 411. 

H. Vollmer, Charlottenburg, Kaiserin-Augusta-Viktoria-Haus. 
Dr. med. Voss, Schwerin, Lübecker Straße 29. 

Rieh. Wagner, Assistenzarzt, Wien IX, Lazarettstraße 14. 

K. Wallach, Kinderarzt, München-Gladbach, Mühlenstraße 6. 
Waltermann, Kinderarzt, Essen a. d. Ruhr, Bahnhofstraße ı2. 
Erich Walter, Kinderarzt, Chemnitz, Reichsstraße 21. 

med. St. Wateff, Sofia, Univ.-Kinderklinik. 

Hans Walter, Kinderarzt, Erfurt, NeuwerkstraBe 21 I. 

Frieda Wasiliavski, Volontärärztin, Barmen, Städt. Kinder- 


krankenhaus. 
Dr. med. W. Wegener, Kinderarzt, Neukölln, Kaiser-Friedrich-Straße 63 1. 


Dr. med. 
Dr. med. 
San.-Rat 
med. 
med. 
med. 
med. 
med. 
med. 


SYSS3T3 


Rich. Weigert, Kinderarzt, Breslau ı3, Kaiser-Wilhelm-Str. 55. 
E. Weihe, Kinderarzt, Duisburg, Friedrich-Wilhelm-Straße 12. 
Dr. med. Weise, Helbra (Mansfelder Seekreis), Chausseestr. 66. 
Siegfried Weiss, Kinderarzt, Wien I, Mahlerstr. 5. 

Weltring, Assistenzarzt, Würzburg, Univ.-Kinderklinik. 
Wendenburg, Stadtmedizinalrat, Gelsenkirchen. 

Ernst Wentzler, Frohnau (Mark), Kindersanatorium. 

Ludwig Werner, Kinderarzt, Bielefeld, Grabenstraße 14. 
Julius Weyl, Düsseldorf, Bleichstraße 20. 


XXIV Mitgliederverzeichnis. 


504. 
505. 
506. 
507. 


508. 
509. 
510. 
511. 


512. 
513. 
514. 
515. 
516. 
517. 
518. 
519. 
520. 
521. 
522. 
523. 
524. 


525. 
526. 
527. 


to 


HOO SYAKH 


ome 


Dr. med. A. Wiechers, Frankfurt a. M., Univ.-Kinderklinik. 

Prof. Dr. med. Emil Wieland, Basel, GellertstraBe 6. 

Dr. med. Robert Wilmanns, Assistenzarzt. Barmen, Sauglingsheim. 

Dr. med. Hans Wimberger, Assistenzarzt, Wien IX, Univ.-Kinderklinik, 
LazarettstraBe 14. 

Dr. med. Winoeouroff, Odessa, Gogolstraße 9. 

Dr. med. Wilhelm Winter, Wiesbaden, Städt. Krankenhaus. 

Dr. med. Ida Winternitz, Düsseldorf, Moltkestraße 22. 

Dr. med. Ernst Wolff, Volontararzt, Berlin N, Kinderkrankenhaus, 
Reinickendorier Straße 61. 

Dr. med. Siegfried Wolff, Kinderarzt, Eisenach, Karthäuser Straße 7.4. 

Dr. med. Else Wolff, Kinderärztin, Breslau, Klosterstraße -17 II. 

San.-Rat Dr. med. Max Wollenweber, Bonn, Meckenheimer Allee 11. 

Dr. med. Hans Wolffhein, Kinderarzt, Königsberg i. Pr., Steindamm 67/69. 

Prof. Dr. med. A. Würtz, Kinderarzt, Stuttgart, Kriegsstraße ı5. 

Dr. med. Max Zacharias, Hamburg 37, Werderstraße 6. 

Dr. med. Hugo Zade, Immigrath (Kreis Solingen). 

Prof. Dr. med. Julius Zappert, Wien VIII, Skodagasse 19. 

Priv.-Doz. Dr. med. Max Zarfl, Wien XVIII, Bastiengasse 38. 

Dr. med. Margarete Zielaskowski, Leipzig, Platzmannstr. 1. 

Dr. med. Zimmermann, Greifswald, Univ.-Kinderklinik. 

Dr. Zimball, Köln, Hohenstaufenring 23. 

Dr. med. Zöpffel, Assistenzarzt, Würzburg, Univ.-Kinderklinik, Hoch- 
straße 2. 

Dr. Zschooke, Kinderarzt, Köln a. Rh. 

Frau Dr. Zeschocke, Kinderärztin, Köln a. Rh. 

Direktor Dr. med. Karl Zuppinger, Wien III, Klopsteinplatz 4. 


Vorstandsmitglieder für 1924. 


. Prof. Dr. Goeppert, Goettingen, Haussenstraße 22 p., Vorsitzender. 
. Prof. Dr. H. Brüning, Rostock, St. Georgstraße 102. Schrift- und Kassen- 


führer. 


. Prof. Dr. Bessau, Leipzig, Bismarckstraße 17 IL. 


Prof. Dr. W. Birk, Tübingen, Univ.-Kinderklinik. 

Dr. E. Dünzelmann, Leipzig, WaldstraBe 11a III. 
Prof. Dr. R. Fischl, Prag II, Tesnév 1. 

Prof. Dr. H. Kleinschmidt, Hamburg, HansastraBe 27. 


. Prof. Dr. L. F. Meyer, Berlin W 35, Genthiner StraBe 19 I. 
. Prof. Nooggerath, Freiburg, Tivolistraße 35. 

. Doz. Dr. A. von Reuß, Wien VIII, Hamerlingplatz 4. 

. Prof. Dr. H. Rietschel, Würzburg, Ludwigstraße 22. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 
Bericht über die Be Sitzung Vv 
Satzungen . ; ds ee VII 
Geschāftsordnung . Dapa Ea E a cae de A XI 
Mitgliederverzeichnis ..................... . XIII 
Thymusdrise. Von Birk i ee el 
Nebenniere. Von ERwIN THOMAS- Köln- Lindenburg- . 343 
Die Schilddrüse. Von Scuirr-Berlin . 359 
Klinische und experimentelle Beweise für die Lebensfahigkeit. transitum: 
dierter körperfremder Erythrocyten. Von Hans Opitz-Breslau . 376 
Die Innervation der Venensperre in der Leber. Von Hans MAUTNER-Wien 385 
Experimentelle Beitrage zur Bakterienbesiedelung des Darmtraktes und 
ihrer Beeinflussung durch Nahrung. Von EuGEN STRANSKy-Wien ... 388 
Zur Kenntnis des vegetativen Nervensystems. ie Mitteilung.) 
Von W. USENER-Dessau ; ee a ae ee a Oe 
Uber den Innervationsmodus der Totaniespasmen? Von E. FREUDEN- 
BERG-Marburg : 395 
Beitrage zur Tetaniefrage. Voti OTTO TEZNER- Wien ; . 398 
Vergleich einer Stillstatistik aus dem Jahre 1877 mit einer solchen: aus 
dem Jahre 1922. Von BEck-Tübingen 402 
Wirkungsweise und Erfolge der Salzsäuremilch bei Tetanie. Von K. SCHEER 
und A. SALOMON... . 406 
Zur Methodik und Bedeutung der Magenfunktionsprüfung “Von FR RITZ 
MUO LLER-Frankfurt a. M. Ban . 415 
Über das Verhalten der Serumsalzer per: Gewichtsschwankungen: ver- 
schiedener Genese. Von LANDAU : 421 
Infektionsverhütung in Anstalten mit spezifischen und inspesifischen 
Schutzimpfungen. Von FRANZ v. TORDAY : 422 
Über den Wert der Diastasebestimmung im Harn für die Beurteilung 
der Rachitis. Von A. ApDAm-Heidelberg i 425 
Die Entstehung des rachitischen Beckens. Von Tuzonor Horia, Barmen 429 
Erfahrungen mit Dubo. Von van MALLINCKRODT-Elberfeld . 438 
Über fettarme und fettreiche Senseo rer eee Von S. ROSENBAUM- 
Leipzig ; 442 
Reaktionen des Magendarmkanals auf Stotiwechselumstimmunged: Von 
Fritz DemutuH-Charlottenburg . ; . 446 
Stoffwechselumstimmungen durch Intrakutaninfektion Te andere Haut- 
rejze. Von H. VOLLMER . 452 
Das Konstitutionsproblem bei Säugling und Kleinkind. Von COERPER- 
Düsseldorf . 457 


Die Messung der Ca- Tonenkonzentration im a eerebrofpindhs. Von 
H. BEHRENDT-Marburg . 


. 458 


1% 


Aus dem Kinderhospital in Lübeck. 
(Direktor: Prof. Dr. Klotz.) 


Änderungen des CO,-Bindungsvermögens im Blut 
von Säuglingen. 


Von Dr. Ernst Saenger, Assistenzarzt. 


Aus der Titrationsalkalescenz des Blutes, bestimmt nach der 
von Rohonyi (I) angegebenen Methode, die uns in der Carbonat- 
zahl (= C.) über das CO,-Bindungsvermögen Aufschluß gibt, glaubte 
man anfänglich weitgehende Schlüsse auf die Stoffwechselrichtung 
im Organismus — alkalotisch oder acidotisch — ziehen zu dürfen; 
es hat sich aber herausgestellt, daß die C.-Zahl allein irreführen 
kann. So kann trotz hoher C.-Zahl eine Acidose vorhanden sein. 
und eine niedrige C.-Zahl spricht nicht gegen Alkalose. Die Unter- 
suchungen der Heidelberger Schule haben gelehrt, daß erst aus der 
Summe hierher gehöriger Kriterien: C.-Zahl, Titration der Harn- 
phosphate, Ermittlung der wahren Harnacidität, Bestimmung des 
Harnammoniaks ein Schluß auf Alkalose oder Acidose erlaubt ist. 
Wenn die nachfolgenden Untersuchungen, welche nur auf Bestim- 
mung der C.-Zahl aufgebaut sind, keinerlei tiefergehende Rück- 
schlüsse erlauben, so bringen sie doch andererseits ergänzendes 
Material zu aktuellen Themen der ne und sind 
daher keine nutzlose Arbeit. 

Krasemann (2) stellte bei Neugeborenen, Pfaundler, Berend 
und Ylppö bei Frühgeburten acidotische Werte im Blut fest, die 
sich mit zunehmendem Alter der Norm nähern. Der Hungerzustand 
der ersten Lebenstage läßt diesen Befund zwanglos erklären. Viel- 
leicht spielt auch die Blutacidose der Schwangeren kurz vor der 
Geburt, die Bockelmann (3) jüngst bestätigte, eine ätiologische 
Rolle. In Nachprüfung der Krasemannschen Befunde erhielten 
wir bei Ernährung mit Keller-Malzsuppe alkalotische Carbonat- 
zahlen. Bei Steigerung der Kohlenhydrate sahen wir folgende Werte: 


Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. I 


2 Saenger. Heft ı 


Fall 1. Sch. F., 4 Monate. Seit 3. VI. 35 -. 160 Halbmilch +- 2% Panin 
(Reisstärke). 85 Cal. pro kg; Gewichtsabnahme. 5. VI. C = 1,14. — Seit 
6. VI. 3 - 180 Halbmilch + 4% Panin. Gewichtszunahme. 8. YI. C = 1,52; 
1,53. -—- Seit 8. VI. 5 >< 180 Halbmilch -+ 4% Hafermehl. ı2. Vl.C = 1,29; 
1,31. Kontrolle bei derselben Kost C =: 1,40; 1,42. 


Fall 2: Str., 5 Monate. Ernährung: 5 -. 140 Eiweißmilch; 8°, Rüben- 


zucker; keine Gewichtszunahme. 30. V. C =- 1,14; 1,18. — Seit 30. V. 
3. 140 EiweiBmilch; 129% Rübenzucker (gute Gewichtszunahme). 2. VI. 
C = 1,63: 1,64. — Seit 3. VI. § ‘X 140 EiweiBmilch; 7°, Nahrzucker. 


6. VI. C == 1,55; 1,55. — Seit 7. VI. 5X 140 Eiweißmilch, 12% Nahrzucker. 
16. VI. C = 1,52. Kontrolle bei letzter Kost, durch leichte Dvspepsie gestört; 
Gewichtsstillstand C = 1,22; 1,27. 


Fall 3: Fr., 214, Monate. Ernährung: 5 .‘ ı20 Eiweißmilch; 3% Mehl; 
39, Zucker. 31. V. C = 1,42; 1,52. -— Seit 2. VI. § X 120 Eiweißmilch ; 
R% Zucker. Gute Gewichtszunahme. 8. VI. C == 1,48. 19. VI. dieselbe Kost: 


leichter grippaler Infekt vorausgegangen. C == 1,53; 1,57. 


Die aufgefiihrten Zahlen zeigen: auf Steigerung der Kohlehydrate 
erfolgt Ansteigen der Carbonatzahl, wenn der Calorienbedarf gedeckt 
ist und keine dyspeptischen Erscheinungen bestehen. Panin wirkt 
als Stärke mit Hafermehl verglichen stärker alkalotisch. Nähr- 
zucker erhöht die C.-Zahl mehr als Rübenzucker. Die gleichzeitige 
Darreichung mehrerer Kohlehydrate drückt sich in der Titrations- 
alkalescenz nicht aus. 

Anreicherung der Nahrung mit Fett bewirkt nach Krasemann (2) 
in allen Fallen ein Sinken der C.-Zahl um 10—20% in den ersten 
24 Stunden nach der Fettzulage, um sich nach 3—5 Tagen den ur- 
sprünglichen Werten wieder zu nähern resp. diese zu erreichen. 
Interesse gewinnt dieser Befund für die Czerny-Kleinschmidtsche 
Buttermehlnahrung. Czerny-Kleinschmidt (4) sehen den Vor- 
teil ihres Nahrungsgemisches in dem durch die Erhitzung bewirkten 
Austreiben der niederen Fettsäuren, stellen aber auch die Verände- 
rung des Mehles durch den Bräunungsprozeß zur Diskussion. Daß 
die Wahl des Kohlehydrates bei fettreicher Kost nicht gleichgültig 
ist, belegt Finkelstein in seinem Lehrbuch mit einer überzeugenden 
Kurve. Stolte hat beobachtet, daß bei Unterlassung der Mehl- 
bräunung die Gewichtszunahme sistieren kann. Die guten Erfolge, 
die Erich Müller bei sahnereichen Milchmischungen sah, sprechen 
nicht für einen Einfluß des Röstprozesses auf das Fett; ebenso 
kommen Bessau und Rietschel zu dem Resultat, daß die im Kuh- 
milchfett enthaltenen niederen Fettsäuren nicht ausreichen, dem 
Körper größere Mengen Alkali zu entziehen und den Stoffwechsel 
in acidotische Richtung zu drängen. Andererseits wissen wir aus 


Heft x Änderungen d. CO,-Bindungsvermögens im Blut v. Säuglingen. 3 


den Untersuchungen von Czerny und Keller, daß bei fettreicher 
Kost die Harnammoniakausscheidung erhöht ist. Noack (5), der 
den Stoffwechsel bei Sahnemilchmischung und Czerny-Nahrung 
untersuchte, fand die Ammoniakausscheidung bei Sahne um 11% 
höher als bei Buttermehl, wobei aber zu berücksichtigen ist, daß 
die als Sahne gereichte Fettmenge die in der Buttermehlnahrung 
enthaltene um 21%, übertraf; die Harnacidität war bei beiden gleich 
groß; eine Differenz in der Fettresorption bestand nicht. Krase- 
manns (2) Befunde gaben der Theorie, die niederen Fettsäuren 
seien das schädigende Moment, eine eindrucksvolle Stütze; er fand 
bei allen Kindern, die Buttermehlnahrung erhielten, hohe C.-Zahlen. 
Bei 2 Kindern, denen zu einer Normalkost gebräunte und un- 
gebräunte Butter zugefügt war, stieg die C-Zahl bei gebräunter 
Butter wenig an, bei ungebräunter Butter sank sie prompt. Unter 
diesem Gesichtspunkte untersuchten wir 2 Kinder: 

Fall 4: R., 5 Monate. Ernährung: 22. V. 425 Milch; 425 Einbrenne(7,7,5 = 
30g Butter gebräunt. 140Cal. prokg. 27.V.C= 1,18. — Seit 28. V. dieselbe 
Kost. Butter ungebräunt. 29.V. C = 1,14; 1,19. — Seit 3. VI. dieselbe 
Kost; Butter gebräunt. 6.VI. C = 1,23; 1,28. — Seit 8. VI. Butter 
ungebraunt. 14. VI. C = 1,23; 1,26. — Seit 14. VI. Butter gebräunt. 
17. VI. C = 1,30; 1,34. 

Während der Versuchsperiode mangelhaftes Gedeihen, unabhängig 
vom Bräunungsprozeß des Fettes; die beste Gewichtszunahme 
zeigte die Periode vom 14.—17. VI., doch war bei jeder Umsetzung 
auf andere Kost sowohl bei gebräunter wie bei ungebräunfter Butter 
ein einmaliger Gewichtsanstieg zu beobachten. 

Fall 5: P., 9 Monate. Ernährung: Seit 30. V. 300 Milch; 350 Wasser; 
250 Sahne (1895) = 45 g Fett; 45 g Zucker. 2. VI. C == 1,44; 1,50. 115 Cal. 
pro kg; Gewichtsanstieg tägl. 50—60 g. — Seit 3. VI. 315 Milch; 550 Wasser; 
40 Zucker. 45 g Butter ungebräunt. Gewichtsstillstand. C = 1,25; 1,28. 
— Seit 9. VI. dieselbe Kost; 45g gebräunte Butter. Gewichtsstillstand. 
C = 1,38; 1,39. — Seit 15. VI. 350 Milch; 550 Wasser; og Zucker. 55g 
Butter gebräunt. 7P nüchtern C = 1,44; 1,42. ızh ıl/,h ante coen. 
C = 1,35; 1,40. 5h 24/,h post coen. C = 1,34; 1,32. 

Der erste Versuch (Fall 4), der mit Buttermehlschwitze durchgeführt 
wurde, zeigt in seiner ersten Periode entgegen Krasemanns Resul- 
taten keinen Einfluß des Bräunungsprozesses auf die C.-Zahl. 

Bei Fall 5 scheidet die Veränderung des Mehles als beeinflussender 
Faktor aus. Sahne als kohlehydratreiche Nahrung erhöht die 
Titrationsalkalescenz des Blutes gegenüber nativer:und gebräunter 
Butter; letztere zeigt eine um I0o%, höhere C.-Zahl als ungebräunte 
Butter. Diese geringen Differenzen fallen einmal in den Bereich 

ı* 


4 Saenger. Heft 1 


der Fehlergrenze der Methodik; andererseits zeigt auch die Tages- 
kurve der Blutalkalescenz Schwankungen in dieser Höhe. 


Fall 6: W., 6 Monate. Ernährung: ?/, Milch — Mehl — Zucker. 20. VI. 
zb nüchtern 1,31; 1,32. 2b ıb post coen. 1,30; 1,29. sb 3b post coen. 1,35; 1,38. 


Theoretisch sind diese Schwankungen in Abhängigkeit zu bringen 
von der Zeit der Nahrungsaufnahme und von dem Erregungszustand 
des Atemzentrums resp. vom Schlaf. Die der Nahrungsaufnahme 
folgende Steigerung der CO,-Spannung des Blutes wird von einigen 
Autoren auf die vermehrte Salzsäureausscheidung im Magen zurück- 
geführt, ist auch weitgehend abhängig von der Art der Nahrung. 
Die Differenzen in den beiden Tageskurven untereinander erklären 
sich aus der Schwierigkeit, Zeit der Nahrungsaufnahme und quali- 
tative und quantitative Wertung des Schlafes in Rechnung zu setzen. 
Die Tagesschwankungen betragen 9% und 7%. 

Kurz sei über einige weitere Beobachtungen berichtet: 

Fall7. L., 7 Tage. Habituelles Erbrechen; Hungerstühle fieberfrei. 
Ernährung: 10 X 25 Frauenmilch. 18. V. C = 0,99. 


Fall 8. Br., 3!/, Monate. Atrophie nach schwerer chronischer Dyspepsie ; 
Ödeme. Ernährung: Allait. mixte mit Buttermilch. C = 2,09; 2,18. 


Fall 9: T., 4 Monate. Bronchopneumonie, Intoxikation. Emah- 
rung: Frauenmilch, Ringerklysmen, 17. V. C = 1,10; 1,22. Fieberfrei. 20. V. 
tiefes Koma; 39° Fieber. C = 1,38; 1,40. 

Im chronischen Hungerzustande finden wir, wie erwartet, einen 
acidotischen Wert (Langstein, Meyer, Ylpp6). Krasemann (2) 
berichtet bei einem 3 Tage mit Tee ernährten Kinde von einer C.-Zahl 
= 1,50. Bei einem Atrophiker mit erheblichen Ödemen stellten 
wir eine hohe C.-Zahl fest, im ausgebildeten Koma mit Fieber wider 
Erwartung einen normalen Wert, während Krasemann (2) bei 
deutlichen Intoxikationssymptomen acidotische Zahlen nachwies. 

Bei fieberhaften Erkrankungen (Grippe, Bronchopneumonie) 
fanden wir die bekannten alkalotischen C.-Zahlen. 

Fall r0: Sch., 8 Monate. Rachitis; fieberfrei. Ernährung: Seit 22. V.5 x 120 
Morobrei. 29. V. C = 1,38. — Seit 30. V. dieselbe Kost. 3mal ı Teel. Rubio 
(Mohrrübenextrakt). 9. VI. C = 1,35; 1,39. — Seit 16. VI. Höhensonne 
täglich. (1 m Abstand 5 Minuten je Bauch und Rücken). C = 1,55; 1,62. 


Rubio hat keine, Höhensonnenbestrahlung eine deutliche Erhöhung der 
C-Zahl verursacht. 


Das Säuren-Basengleichgewicht des Blutes hat durch die Unter- 
suchungen Freudenbergs und Györgys (6) für das Tetanie- 


problem große Bedeutung gewonnen. Die von Rona aufgestellte 
Formel, daß der Calciumionengehalt des Blutes direkt proportional 


Heft I Anderungen d. CO,-Bindungsvermégens im Blut v. Sauglingen. 5 


der H-Ionenkonzentration, umgekehrt proportional dem Bicarbonat- 
gehalt des Blutes geht, wurde durch György durch Einführen 
des Phosphataniom in diese Gleichung vervollständigt, dergestalt, 
daß die Phosphate, insbesondere die basischen, den ionisierten Blut- 
kalk vermindern. Diesem entsprechend stellte György bei der 
idiopathischen Säuglingstetanie eine starke Herabsetzung der 
Säure- und Ammoniakausscheidung im Harn fest, während andere 
Autoren (6) (Porges, Wagner, Calvin, Borowsky) sowohl bei 
der Tetanie der Erwachsenen wie der idiopathischen Säuglingstetanie 
eine Störung im Säuren-Basengleichgewicht des Blutes ablehnen. 
Die beste Stütze der Ansicht, die Tetanie gehe mit einer Alkalose 
einher, sehen Freudenberg und György (7) in der prompten 
antitetanischen Wirkung des Salmiaks und der von Scheer (8) 
eingeführten Salzsäuremilch. Daß die Entfernung saurer Valenzen 
aus dem Körper spasmophile Symptome hervorrufen kann, sehen 
wir bei der Magen- und Atmungstetanie. György (9) stellt auch die 
Kalktherapie als Säurewirkung hin und stützt sich auf die von 
verschiedener Seite ausgeführten Stoffwechseluntersuchungen. In 
diesem Sinne sollen aber nur die anorganischen Kalksalze wirken, 
während die organischen Kalksalze, denen klinisch eine geringere 
antitetanische Wirkung zugeschrieben wird, auch im Stoffwechsel- 
versuch eine acidotische Wirkung vermissen lassen. 2 Kinder 
wurden im tetanischen Anfall von uns auf die Titrationsalkalescenz 
des Blutes untersucht. Das erste, bei dem sich im Anschluß an 
plötzliches Absetzen von der Brust auf eine Normalkost tetanische 
Dauerspasmen zeigten, hatte eine C.-Zahl = 1,40; das andere wies 
neben schwerer Rachitis alle Zeichen einer manifesten Spasmophilie 
auf; C. = 1,60. Solche Untersuchungen haben heute im Hinblick 
auf die äußerst relative Bedeutung der C.-Zahl wenig Wert mehr. 
Zu der Zeit jedoch, als die Heidelberger Schule ihre hierher gehörigen 
neuen Thesen veröffentlichte und sich dogmatisch dahin äußerte, 
„niedrige Carbonatzahl und Tetanie sind‘ unvereinbar“, waren 
sie von höchstem Interesse. Die gefundenen, fast normalen oder 
subalkalotischen Werte sprechen nicht gegen den Kern der György- 
schen Theorie, sie zeigen nur die Wertlosigkeit der Carbonatzahl- 
bestimmung. Zu ähnlichen Schlußfolgerungen berechtigen die 
nachfolgenden bei Tetanie erhobenen Befunde. 


Fall 11: P., 6 Monate. Spasmophilie; Rachitis. (Laryngospasmus, 
mechanische Übererregbarkeit.) A.Ö.Z 2,2 M.A.; K.Ö.Z.._. 5sM.A. Ernährung: 
Allaitement mixte mit !/, Milch— Mehl. 16.V. C = 1,29. — 26. V. 
5 * 180 Frauenmilch; 5 œ 0,2 K,HPO,, elektrisch wie früher erregbar. 


6 Saenger. Heit 1 


C = 1,29; 1,32. — 1.-—6. VI. Bronchopnomonie. — 12. VI. 5... 140 ?/ Milch- 
Schleim; 4og Zucker, peripher stark übererregbar. A.O.Z. 0,8 M.A; K.O.Z. 
1,2 M.A. C = 1,60. — 19. VI. 5 X 140 Vollmilch, 30 g Zucker + Phos- 
phorsäure (im Säuregrad der Scheerschen Salzsäuremilch angeglichen). 
A.O.Z 1,3 M.A.; K.O.Z. 4,5 M.A. C = 1,07; 1,02. Nach Absetzen der Phosphor- 
saure steigt die periphere Erregbarkeit wieder an. — 30. VI. 5 X 1402/, Milch- 
Mehl; gog Zucker. A.O.Z. 2,4 M.A.; K.Ö.Z. 5—6 M.A. C = 1,40. 

In dem Versuch ist ein Parallelgehen der elektrischen und mecha- 
nischen Ubererregbarkeit mit der Blutalkalescenz deutlich. Die 
Frauenmilch hebt die tetanigene Wirkung des sekundären Kalium- 
phosphats auf; in der Phosphorsäuremilch überwiegt die Säure- 
wirkung die Phosphatwirkung. Bei reiner Kuhmilchernährung 
wurden an der Grenze der Norm liegende C.-Zahlen gefunden. Der 
tetanigenen Wirkung des sekundären Kaliumphosphates, die beson- 
ders von Jeppson (10) betont wird, steht die antitetanische des 
einbasigen Ammoniumphosphats gegenüber, welches von Porges 
und Adlersberg (11) mit. Erfolg bei der neurotischen Atmungs- 
tetanie angewandt wurde. | 

Freudenberg und Gyorgy dehnen ihre Alkalosetheorie auf 
alle Tetaniearten aus, nachdem die Salmiaktherapie auch bei diesen 
prompte Wirkung zeigte; und doch dürfen wir nicht außer acht 
lassen, daß durch ihre Theorie eine Klärung aller klinischen und ex- 
perimentellen Befunde keineswegs erfolgt ist. Bei der Säuglings- 
und parathyreopriven Tetanie ist ein herabgesetzter Blutkalkgehalt 
nachgewiesen, der nach Abklingen der Symptome ansteigt. Jakobo- 
witz (6) fand auch nach Schwinden der Tetaniezeichen sehr niedrige 
Blutkalkwerte; ein solcher Befund erlaubt aber keinen Schluß auf 
die Menge der aktiven Calciumionen, welche den Grad der Nerven- 
erregbarkeit bestimmen. Alle drei Tetanieformen werden durch 
Kalk in großen Dosen günstig beeinflußt. Die unmißverständliche 
Ablehnung G yörgys (9), die Therapie mit organischen Kalksalzen 
per os und per venam betreffend, kann nicht unwidersprochen 
bleiben; man kann auch mit Calcium lacticum per os eine Tetanie 
erfolgreich bekämpfen und im Dringlichkeitsfall mit intravenöser 
Injektion von milchsaurem Kalk die Erscheinungen sofort vorüber- 
gehend zum Schwinden bringen. So sahen wir kürzlich auf intra- 
venöse Injektion von 8ccm einer Ioproz. Calcium-lacticum-Lösung 
für die Dauer von 24 Stunden bei einer manifesten Tetanie alle Über- 
erregbarkeitssymptome aussetzen. Elias (12) und seine Mitarbeiter 
stellen vor allem die spasmogene Wirkung der Phosphate in den 
Mittelpunkt der Tetaniegenese. Die Untersuchungen über Blut- 
phosphate haben keine befriedigenden Resultate ergeben; während 


Heft 1 Änderungen d. CO,-Bindungsvermögens im Blut v. Säuglingen. 7 


die Phosphatwerte bei der Tetanie der Erwachsenen stark erhöht 
gefunden wurden, diese Erhöhung auch nach Besserung der Symp- 
tome anhält [Elias, Weiß (6)], fand György bei der Säuglings- 
tetanie normale Blutphosphatmengen, die aber nach dem tetanischen 
Anfall absinken, und spricht von einer ‚relativen Phosphatstauung‘“. 
Elias und Kornfeld (3) lehnen bei der Erwachsenentetanie eine 
Störung im Säuren-Basengleichgewicht ausdrücklich ab und be- 
tonen, daß sie die von anderen Autoren gefundenen Verschlimme- 
rungen oder die Auslösung tetanischer Zustände durch Alkaliinfusion 
nicht zu bestätigen vermögen. Sie kupierten sogar zweimal Tetanien 
durch intravenöse Zufuhr von 100 ccm 4proz. Sodalésung. Die ver- 
mehrte Acetonausscheidung (15), welche bei manifester und latenter 
Tetanie beobachtet ist, läßt sich nicht mit Alkalose vereinen; Lief- 
mann diskutiert auf Grund dieser Befunde die Möglichkeit einer 
Acidose bei Tetanie. Watanabe (6) sieht in der Tetanie eine Acidose. 
Nach der Parathyreodektomie ist das CO,-Bindungsvermögen un- 
wesentlich herabgesetzt, die H-Ionenkonzentration des Blutes un- 
verändert [Hastings, Murray jr. (6)]; andere Forscher vermissen 
eine Anderung in der Alkalireserve des Blutes nach Entfernung 
der Nebenschilddriisen, andere fanden acidotische Blutwerte und 
erklaren diese aus den Muskelkrampfen des akut tetanischen Stadiums. 
Auch das Guanidin steht in Beziehung zu allen drei Tetaniearten: 
wie die Dimethylguanidintetanie eine sehr große Ähnlichkeit mit 
der Säuglingstetanie besitzt, ist bei der Säuglingstetanie und der 
parathyreopriven Form vereinzelt eine vermehrte Guanidinaus- 
scheidung festgestellt. Daß ausgiebige Aderlässe [Biedel, Mac Col- 
lum, Vögtlin (14)] und Injektionen kalkfreier Kochsalzlösungen 
[Paton-Findlay (14)] bei parathyreopriven Tieren die tetanischen 
Erscheinungen bessern resp. heilen können, würde im Sinne einer 
Entgiftungstherapie sprechen. Das ganze, jetzt äußerst kompliziert 
gewordene Tetanieproblem auf eine Formel zu bringen, ist, solange 
dergleichen z. T. widersprechende Befunde vorliegen, unmöglich. 


Literaturverzeichnis. 


. Rohonyi, Münch. med. Wochenschr. 1920. 

Krasemann, Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 97. 

Bericht der Gesellschaft f. Gynäkol. u. Geburtsh. Berlin. Sitz. 24. NI. 1922. 
. Czerny-Kleinschmidt, Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 87. 

. Noack, Arch. f. Kinderheilk. Bd. 69. 

. Sammelreferat über Tetanie. Zentralbl. f. Kinderheilk. Referate 1923 


aAn$une 


15. 


Saenger: Änderungen des CO,-Bindungsvermögens. 


. Freudenberg-György, Klin. Wochenschr. 1922, H. 9. 


Scheer, Jahrb. f. Kinderbeilk. Bd. 97. 


. Gyorgy, Klin. Wochenschr. 1922, H. 28. 
10. 
11. 
12, 
13. 
14. 


Jeppson, Zeitschr. f. Kinderheilk. Bd. 28. 
Porges-Adlersberg, Klin. Wochenschr. H. 24. 1922. 
Elias, Wiener klin. Wochenschr. 1922. 
Elias-Kornfeld, Wien. Arch. f. inn. Med. Bd. 4, 1922. 
Zitiert nach Orgler, Dtsch. ıned. Wochenschr. 1922. 
Liefmann, Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 77. 


Heft ı 


Aus dem Kinderkrankenhaus (Badische Landesanstalt für Säuglings- 
und Kleinkinderfürsorge) in Karlsruhe. 


Zur Klinik des Oesophagospasmus.') 
Von Prof. F. Lust. 


Die folgende Mitteilung beansprucht nichts weiter als einen kasu- 
ıstischen Beitrag zur Klinik eines Leidens zu geben, das in der deut- 
schen pädiatrischen Literatur bisher nur eine ganz stiefmütterliche 
Berücksichtigung erfahren hat, obwohl es, wie die Erfahrungen 
Huslers aus der Münchener Kinderklinik sowie auch meine eigenen 
vermuten lassen, gewiß auch anderwärts häufiger beobachtet werden 
wird, ist erst die Aufmerksamkeit mehr darauf eingestellt worden. 
Ich meine den Oesophagospasmus im Kindesalter, einem 
hinsichtlich der Vielgestaltigkeit seiner Formen ebenso reizvollen 
wie hinsichtlich der Lückenhaftigkeit seiner pathogenetischen Er- 
forschung weiterer Klärung dringend bedürftigen Krankheitsbilde. 

Auch die hier kurz zu schildernden eigenen Beobachtungen ge- 
hören keinem einheitlichen Krankheitsbilde an. Ihre Erörterung 
rechtfertigt sich aber gerade deshalb, weil sie mir charakteristische 
Vertreter gut herausschälbarer Typen des Oesophagospasmus zu 
sein scheinen. 

Fall ı. Im Februar vorigen Jahres wurde das 2!/, jährige Mädchen L. H. 
mit den bekannten Folgeerscheinungen einer Verätzungsstruktur eingewiesen. 
6 Monate vorher hatte das Kind Bäckerlauge getrunken. Die Schilderungen 
des Vergiftungsbildes lassen auf eine recht erhebliche Verletzung schließen: 
Schwellung des Mundes, heftiges, anfangs blutiges Erbrechen, hohes Fieber; 
vom 3. Tag ab Abstoßung und Entleerung von nekrotischen Fetzen. Nach 
3 Wochen war der Mund geheilt. Anfangs wurden nur flüssige Speisen ge- 
nommen, 4 Wochen später aber, wenn auch zunächst nur mit Widerwillen, 
auch Breie. Allmählich nahm das Kind nun auch Festes, sogar Brot mit Wurst 
und Kartoffelsalat zu sich. Es schien schon alles gut zu sein, bis sich 4 Monate 
nach der Verätzung eine 8 Tage mit hohem Fieber einhergehende ‚Grippe‘ 


1) Vortrag auf der Tagung südwestdeutscher Kinderärzte am 11. ITT. 1923 
ın Mannheim. 


Io | Lust. Heft ı 


einstellte. Von diesem Zeitpunkt an traten die Schluckbeschwerden mit er- 
neuter Heftigkeit wieder auf. Jegliche feste, aber auch jede breiige Speise 
wird verweigert. Unter Zwang genommen, erfolgt sofortiges Regurgitieren 
unter Beigabe reichlichen Speichels. Während der letzten ı4 Tage vor der Auf- 
nahme soll das Kind alles, meist auch Flüssiges, wieder erbrochen haben. 

Diesen Angaben gegenüber fällt an dem sonst keine Besonderheiten auf- 
weisenden Aufnahmebefund zwar schon das verhältnismäßig gute Gesamt- 
befinden des Kindes auf, aber auch in der Klinik wird zunächst jede Nahrung 
unter reichlicher Schleim- bzw. Speichelbeimengung sofort nach dem Herunter- 
schlucken wieder herausgebrochen. Ein Zweifel an dem Vorliegen einer schweren 
echten Verätzungsstriktur taucht aber sehr bald auf, als einzelne Speisen, 
einmal Grießbrei, ein anderes Mal aber gar eine von den Eltern mitgebrachte 
„Fastenbretzel‘‘ anstandslos verzehrt werden. Solche ‚lichte Momente‘‘ sind 
aber nur ganz vorübergehender Natur. Gewöhnlich erfolgt schon bei der 
nächsten Nahrungsaufnahme bereits nach dem ersten Bissen heftiger Würg- 
reiz und Herausbrechen der eben verschluckten Speisen. Die tatsächliche 
Undurchgängigkeit der Speiseröhre wird durch mehrfach vorgenommene 
Sondierungsversuche bewiesen. In keinem Falle gelangt sie bis in den Magen. 
Einmal stößt man bereits ıı cm, ein anderes Mal erst bei ı5 cm hinter der 
Zahnreihe auf unüberwindlichen Widerstand. Da aber gegen eine ausschließ- 
lich organisch bedingte Stenose sowohl der Wechsel der Durchgängigkeit als 
der inkonstante Sitz des Hindernisses sprechen, wird versuchsweise von jeder 
lokalen Behandlung Abstand genommen. Bei Beschränkung auf reine Sug- 
gestionsmaBnahmen und Papaverininjektionen erfolgt dann auch in den 
nächsten Tagen eine ganz erhebliche Besserung. In der Regel werden alle Spei- 
sen, auch feste, anstandslos genossen. Nur erfolgt die Nahrungsaufnahme etwas 
langsam, und gelegentliche Rückfälle stellen sich in den nächsten Wochen 
noch ein, so z. B. bei psychischen Erregungen (Besuch der Mutter oder An- 
bieten einer nicht zusagenden Speise). Bei der 6 Wochen nach der Aufnahme 
erfolgten Entlassung ist völlige Heilung eingetreten. Ein Rückschlag ist bisher 
nicht erfolgt. 


Epikrise: Bei einem 2!/,jährigen Mädchen stellen sich 6 Monate 
nach einer anscheinend schweren Laugenverätzung im unmittelbaren 
Anschluß an eine fieberhafte Grippeerkrankung typische Symptome 
einer schweren Passagestörung des Oesophagus ein. Die Sonde 
stößt das eine Mal bei ıı, das andere Mal bei 15 cm auf unüberwind- 
lichen Widerstand. Um so auffälliger ist es, daß einzelne, anscheinend 
besonders beliebte Speisen (Fastenbretzel, Kuchen) zwischendurch 
anstandslos das Hindernis zu überwinden vermögen. Ein solcher 
Wechsel der Erscheinungen läßt sich durch eine organisch bedingte 
Narbenstriktur allein unmöglich erklären. Vielmehr darf angenom- 
men werden, daß auf dem Boden einer wahrscheinlich geringfügigen 
narbigen Veränderung eine funktionell gleichsinnig wirkende Inner- 
vationsstörung sich aufgepfropft hat, nach deren Wegfall auch die 
Passage wieder hinlänglich wird. Was die Auslösung solcher Spasmen 
anbetrifft, so ist es nicht leicht, sich darüber eine klare. Vorstellung 


Heft 1 Zur Klinik des Oesophagospasmus. II 


zu bilden. Mit dem Begriff der neuropathischen Veranlagung zu 
operieren, wäre zwar bequem, kann aber denjenigen nicht befriedigen, 
der das durchaus ruhige und in keiner Weise sonstige Stigmata einer 
neuropathischen Diathese aufweisende Kind beobachtet hat. Daß 
im häuslichen Milieu vom Tag der Verätzung ab die Möglichkeit 
einer eintretenden Narbenstriktur fortgesetzt vor dem Kind erwogen 
und ihr Erscheinen ängstlich abgewartet wurde, mag bei der Sug- 
gestibilität von Kindern vielleicht auch allein schon ohne erheblichere 
neuropathische Veranlagung die Veranlassung zu solchen funktionel- 
len Störungen abgeben. 

Auch in einem zweiten Fall von Laugenverätzung, den 
ich allerdings nur konsultativ gesehen habe, war die gesamte Um- 
gebung des Kindes in einer derartigen Erwartungsangst vor dem 
Eintreten narbiger Folgeerscheinungen und wirkte bei jeder Nah- 
rungsaufnahme durch fortgesetztes ängstliches Fragen derart in- 
fizierend auf das Kind, daß es schon einer besonderen psychischen 
Widerstandsfähigkeit bedurft hätte, wenn es dieser andauernden 
Suggestion nicht unterlegen wäre. Auch in diesem Falle wurden 
feste und breiige Speisen in der Regel wieder herausgewürgt, während 
sie in Gegenwart des Arztes unter. verständigem Zureden ohne 
weiteres behalten wurden. Mangels einer Sondierung kann ich jedoch 
über das Vorhandensein und den Sitz einer Passagestörung nichts 
Sicheres aussagen. | | 

Später wurde das Kind wegen Zunahme der Schluckstörung 
klinisch behandelt. Der Verlauf war genau so wie im ersten Falle. 
Die Sonde stößt anfangs bei 13 cm auf unüberwindlichen Widerstand. 
Die Schluckfähigkeit wechselt innerhalb kürzester Zeit: die eine 
Mahlzeit wird anstandslos verzehrt, die nächstfolgende kann nicht 
geschluckt werden, jeder Bissen wird mit reichlichen Speichel- und. 
Schleimbeimengungen zurückgegeben. Es kann selbst vorkommen, 
daß innerhalb einer Mahlzeit Momente guter Schluckfähigkeit mit 
solchen völliger Passagestörung abwechseln können, deren Kommen 
und Verschwinden vom Kinde jeweils vorher angekündigt wird. 
Auch hier besserte sich das Leiden unter Anwendung einfacher 
Suggestivmaßnahmen und leichter Sondierungen in kurzer Zeit. 

Solche sekundären, läsionsbedingte spastischen Neu- 
rosen des Oesophagus, wie Husler sie nennt, dürften unter 
den Folgeerscheinungen der Speiseröhrenverätzung wahrscheinlich gar 
keine kleine Rolle spielen. Die wiederholt von chirurgischer Seite 
gemachte Beobachtung, daß eine vollständige Speisenröhrenstriktur 
nach Anlegen einer Magenfistel sich von selbst erweitert und durch- 


12 Lust. Heft 1 


gangig wird, wird sich wohl kaum auf andere Weise befriedigend 
erklären lassen. Außerdem liegen aber auch vereinzelte Obduktions- 
befunde vor, deren Geringfügigkeit in keiner Weise den Erwartungen 
entsprach, die das klinische Bild hervorgerufen hatte. So berichtet 
Husler von einem 2!/,jährigen Knaben, bei dem sich ro Monate 
nach einer Verätzung mit Essigessenz ein kompletter Verschluß 
der Speiseröhre selbst für Flüssigkeiten eingestellt hatte. Und wie 
lautete demgegenüber der Obduktionsbefund ? ‚Nur kleine, läng- 
liche Narbenleisten in der Schleimhaut, das Lumen kaum merklich 
verengt, die lichte Weite überall von gut Bleistiftdicke.‘ 

Immerhin erschließen sich solche Fälle, in denen der Spasmus 
sich auf dem Boden einer ernsten Läsion eingestellt hat, unserem 
Verständnis weit eher, als wenn das Trauma zu geringfügig gewesen 
ist, um überhaupt eine organische Veränderung hinterlassen zu 
können. .: . u 

Fall 3. Ein 5jähriges Mädchen verschluckt sich stark bei einer Linsen- 
suppe. Nach Angabe der Mutter wird nach heftigem Würgen eine aufgequollene, 
noch ziemlich harte Linse herausgegeben. Von diesem Augenblick behauptet 
das Kind, keine festen Speisen mehr zu sich nehmen zu können. ‚Sie bleiben 
mir alle im Halse stecken.“ Unter Zwang aufgenommene Speisen werden sofort 
wieder herausgegeben. Schließlich stellt sich eine derartige Zwangsfurcht 
vor den durch das Essen hervorgerufenen Beschwerden cin, daß jegliche Nah- 
rungsaufnahme, selbst flüssiger Speisen, verweigert wird. Das merklich ab- 
gemagerte, geistig sehr aufgeweckte Kind ist zunächst auch hier nicht zu be- 
wegen, anderes als Flüssigkeiten zu sich zu nehmen. Auch diese nur sehr lang- 
sam und unter fortwährendem Zureden. Dabei klagt es über starkes Druck- 
gefühl in der Gegend der oberen Sternalgrube. Eine eingeführte Sonde stößt 
bei 18cm auf starken Widerstand. In der Annahme, daß es sich auch hier 
um einen Oesophagospasmus handelt, sind wir in diesem Falle ähnlich vor- 
gegangen, wie Beck es für die Behandlung des Kardiospasmus im Säuglings- 
alter empfiehlt: Wir haben 4 Tage lang jegliche Nahrungszufuhr von oben 
ausgesetzt. Darnach schien der Spasmus gelöst. Wenn auch anfangs noch 
langsam und zaghaft, so nahm das Kind dann doch alle Speisen ohne Wider- 
stand. 

Die Läsion, die hier dem Spasmus vorausging, dürfte, wenn sie 
überhaupt in Frage kommt, doch so geringfügiger Natur gewesen 
sein, daß man ihre Mitwirkung wohl kaum anders als auf dem Um- 
weg einer psychisch hervorgerufenen gesteigerten Reflexerregbar- 
keit verstehen kann, und es dürfte mehr oder weniger Sache des 
persönlichen Geschmackes sein, ob man solche Reaktionen als hyste- 
risch (Monrad) bezeichnen will oder nicht. Das Zurücktreten des 
mechanisch läsionellen Momentes gegenüber dem affektbetonten 
psychischen Insult räumt dieser Gruppe von Oesophagospasmen, 
bei denen die Furcht vor den Folgen der Nahrungsaufnahme bis zur 


Heft 1 Zur Klinik des Oesophagospasmus. 13 


psychotischen Zwangsvorstellung sich steigern kann, eine gewisse 
Sonderstellung ein. Ich möchte glauben, daß auch eine eigenartige 
Form von ‚Erbrechen‘ bei manchen älteren neuropathischen Säug- 
lingen während der Fütterung von Speisen, gegen die ein aus- 
gesprochener Widerwillen besteht — meist handelt es sich um Ge- 
müse oder Breikost —, hier einzubeziehen sein dürfte. 

Das gar nicht allzu seltene, gewiß vielen erfahrenen Ärzten und 
Pflegerinnen wohlbekannte, aber in der Literatur merkwiirdiger- 
weise kaum beachtete Krankheitsbild sei an Hand eines Falles kurz 
beschrieben: 


Fall 4. F. H., 6 Monate alt. Mangelhaft gediehenes, sehr schreckhaftes, 
aufgeregtes und unruhiges Kind, das wegen dystrophischer Störung eingeliefert 
worden war, sich aber unter Buttermehlvollmilch gut erholt hatte. Erbrechen 
war in den ersten 4 Wochen seines Anstaltsaufenthaltes niemals eingetreten. 
Dieses stellte sich erst nach der Zugabe einer Breimahlzeit und ausschließlich 
bei einer solchen ein, während die Flaschenmablzeiten auch fernerhin stets ohne 
Störungen genommen wurden. 


Der ganz typische, sich jedesmal in gleicher Weise abspielende 
Vorgang verläuft folgendermaßen: Sobald das Kind den ersten 
Löffel Brei genommen, ja oft schon wenn es den Breiteller nur ge- 
sehen hat, beginnt es zu schreien. Unter sich steigernder Erregung, 
mit hochrotem Kopf und nach jedem Löffel wieder aufs neue aus- 
brechenden Schreien wird ein Teil der Nahrung aufgenommen. 
Nach verschieden langer Zeit, zuweilen schon nach den ersten 2 bis 
3 Löffeln, zuweilen erst gegen Ende der Breimahlzeit, aber immer 
noch während der Nahrungsaufnahme, wird das Genossene wieder 
ganz oder zum größten Teil herausgegeben. Das ‚Erbrechen‘ er- 
folgt jedoch nicht in der üblichen Weise explosiv, vielmehr läuft 
die ganze eben eingegebene Nahrung wieder langsam zum Mund 
heraus, gleichsam als ‚liefe sie über“. Das Regurgitierte sieht 
völlig unverändert aus, riecht nicht, bläut Kongopapier nicht. Es 
kommt genau wieder im gleichen Zustand zurück wie es eingenommen 
wurde. Die eingeführte Sonde stößt vor dem Mageneingang auf 
Widerstand, der erst ganz allmählich, nach Beruhigung des Kindes, 
überwunden wird. 

Die Annahme hat viel für sich, daß es sich auch hier um einen, 
wahrscheinlich am unteren Ende des Oesophagus gelegenen Spasmus 
handelt. Das Charakteristische dieses, vorwiegend bei älteren neu- 
ropathischen Säuglingen zu beobachtenden Regurgitierens ist, daß es 
sich nur bei Nahrungen einstellt, die dem Kind zuwider sind und 
die eine heftige, während der ganzen Nahrungsaufnahme anhaltende 


14 Lust. Heft ı 


Erregung auslösen, meist bei Breien oder Gemüsen, nicht aber bei 
anderen gern genommenen Speisen — und damit unterscheidet es 
sich grundsätzlich von dem von Göppert und von Beck beschriebe- 
nen Kardiospasmus —, daß. das „Erbrechen‘‘, mehr ein Heraus- 
laufen, ein „Überlaufen‘‘, als ein eigentliches unter Druck erfolgtes 
Herausbrechen, schon bald nach Beginn, zum mindesten aber im 
Laufe der Fütterung erfolgt und daß das Herausgegebene völlig 
unverändert ist, nicht sauer riecht noch reagiert. Daß der mit der 
Nahrungsaufnahme verbundene Affekt wohl die auslösende Ursache 
ist, geht auch aus der Beobachtung hervor, daß das Erbrechen aus- 
bleibt, sobald die Kinder sich an eine der unlustbetonten Speisen, 
z. B. den Brei, gewöhnt haben und ihn ohne Erregung nehmen, 
während es bei einer anderen, deren Zuführung noch ärgerniserregend 
wirkt, z. B. bei Gemüse, regelmäßig wieder zum Vorschein kommt. 
Ich möchte daher für diese Erscheinung in Analogie zu den am Respi- 
rationsapparat durch Affekte ausgelösten Krämpfen die Bezeichnung 
,oesophagale Affektkrimpfe“ vorschlagen’). 

Zuletzt möchte ich eine Form von Oesophaguskrampf anführen, 
deren Pathogenese noch völlig ungeklärt erscheint, und die sich 
auch klinisch in wesentlichen Punkten von den bisher angeführten 
Fällen unterscheidet. Ihr Wesen besteht in einem durch Jahre hin- 
durch periodisch auftretenden, jeweils tage- bis wochen- 
lang anhaltenden Oesophaguskrampf, der bis zur völligen 
Unpassierbarkeit führen kann, den man weder mit einer voraus- 
gegangenen mechanischen Läsion, noch mit einem psychischen In- 
sult, noch mit einer affektiven Emotion als vorbereitendes Moment 
in ursächliche Beziehung bringen kann, wenn ein solches auch auf 
dem Boden primär vorhandener erhöhter Reflexerregbarkeit den 
Impuls zur Auslösung eines anal gelegentlich wohl zu geben 
vermag. 

Für diesen primären essentiellen Oesophagospasmus, wie ich 
ihn nennen möchte, dürfte der tolgende Fall ein gutes Beispiel 
sein, der durch mehrfachen klinischen Aufenthalt teils in der Heidel- 


a 


1) Ich vermute, daB Finkelstein Ahnliches gesehen hat. Die kurze Be- 
schreibung in seinem Lehrbuch (2. Aufl., S. 693) lautet folgendermaBen: ,, Bei 
rachitischen und hydrocephalen Säuglingen. namentlich Frühgeburten, sah 
ich bei Zugabe von Brei und Gemüsen zur bisherigen flüssigen Kost häufig ein 
eigenartiges Bild. Jeder Versuch führte zu schwerer Erregung, Anfällen von 
Cyanose, Husten und Erbrechen. Durch Phosphorlebertran schwanden die 
Erscheinungen. Hier liegt wohl ein Oesophagismus auf spasmophiler Grundlage 
vor.“ In den von mir beobachteten Fällen waren zwar in einzelnen, keineswegs 
aber in allen Fällen Zeichen einer spasmophilen Diathese vorhanden, die ich 
daher nicht als auslösende Ursache ansprechen möchte. 


Heft ı Zur Klinik des Oesophagospasmus. 15 


berger Kinderklinik, teils im Karlsruher Kinderkrankenhaus seit 
nunmehr über 7 Jahren in Beobachtung steht. Bei deren langen Dauer 
kann ich nur die wesentlichsten Etappen der Krankengeschichte 
mit einigen Worten skizzieren: 


Fall 5. Bei dem Knaben F. G. soll bereits in den ersten 4 Lebenswochen 
häufig Erbrechen aufgetreten sein, das zeitweise wieder verschwand, um im 
Alter von 10 Monaten — dem Zeitpunkt der ersten klinischen Beobachtung — 
erneut und mit besonderer Heftigkeit aufzutreten. Beachtenswert ist, daß das 
Erbrechen sich auch hier jeweils verschlimmert hat, sobald das Kind an eine 
neue Nahrung gewöhnt werden sollte, so beim Übergang von der Brust zur 
Flasche, beim Beginn von Brei-, von Gemüse- und fester Nahrung. Alle diese 
Perioden wurden, wenn auch langsam und mühevoll, überwunden. Je älter 
das Kind jedoch wird, desto heftiger werden die jeweiligen Erscheinungen, so 
daß zeitweise nur Flüssiges geschluckt werden kann; aber auch dieses kommt 
vielfach unter Würgen entweder sofort im Anschluß an die Nahrungsaufnahme 
oder erst einige Zeit später, aber stets in unverändertem, nicht angedautem Zu- 
stand wieder zum Vorschein. Die Sonde stößt bei 23 cm binter der Zahnreihe 
auf Widerstand. Bei der Röntgendurchleuchtung bleibt der Bissen im unteren 
Oesophagusdrittel für einige Minuten hängen. Die Kardiapassage erfolgt 
danach glatt. Mit 22/, Jahren hat sich der Zustand erheblich verschlechtert, 
das Kind erbricht alles, selbst löffelweise Fütterung von Milch und anderen 
Flüssigkeiten. Aus vitaler Indikation muß eine Magenfistel angelegt werden. 
Das Wechselspiel von Durchgängigkeit und Undurchgängigkeit des Oesophagus. 
bleibt aber auch in den nächsten Jahren trotz Verbleib der Magenfistel be- 
stehen. Ein leichter Katarrh ist meist der äußere Anlaß, daß zeitweilig keiner- 
lei Speisen auf natürlichem Wege beigebracht werden können: Eine Besserung 
scheint sich erst mit Hilfe einer Hypnosekur anzubahnen. Nachdem unter dieser 
die Schluckstörung längere Zeit ausbleibt, wird die Magenfistel 2!/, Jahre 
nach der Operation endgültig geschlossen. Die Besserung der Schluckstörung 
ist aber trotz fortgesetzter hypnotischer Einwirkung nur eine zeitweilige. 
Allmählich häufen und verstärken sich die Anfälle wieder und führen, als das 
Kind immer elender wird, im Alter von 7 Jahren — es war inzwischen schon 
ın die Schule gegangen — zur erneuten Aufnahme, diesmal im Kinderkranken- 
haus Karlsruhe. Ein Versuch, mit den üblichen Suggestivmethoden unter Mit- 
wirkung des Milieuwechsels zum Ziele zu kommen, mißlang gründlich. Obwohl 
das Kind sich durchaus Mühe gibt zu schlucken, wird Flüssiges wie Festes 
zusammen mit großen Massen verschluckten Speichels in toto bei jedem EB- 
versuch wieder herausgewürgt. Die Röntgenaufnahme zeigt, wie der Cito- 
bariumbrei den oberen stark erweiterten Teil des Oesophagus füllt und etwa in 
Höhe des 6. Brustwirbels trichterförmig ausläuft. Unterhalb davon ist vom 
Speisebrei nichts mehr zu erkennen. Es besteht hier also — bemerkenswerter- 
weise diesmal viel höher als bei der ersten Durchleuchtung vor 4!/, Jahren — 
ein völliges Passagehindernis. Der Zustand des Kindes wird in wenigen Tagen 
ein völlig trostloser. Subcutane Kochsalzinfusionen verzögern nur wenig den 
fortschreitenden Verfall. Im Urin finden sich Zucker und reichlich Aceton. 
Im Regurgitierten erscheinen jetzt regelmäßig kaffeesatzartige Massen, so daß 
die Annahme eines ulcerösen Prozesses als auslösendes Moment naheliegt. 
Der Vorschlag zu erneuter Anlegung einer Magenfistel wird von den Eltern 
abgelehnt. Aus rein gefühlsmäßigen Erwägungen gab ich dem Wunsch der 


16 Lust. Heft ı 


Eltern auf Hinzuziehung eines ärztlichen Hypnotiseurs (Dr. Rothschild) 
nach, der sich bei dem anscheinend in extremis befindlichen Kinde aber auch 
kaum mehr einen Erfolg verspricht. Die Hypnose versagt auch tatsächlich 
das erstemal. Das Erbrechen blutiger Massen geht weiter. Zur größten Über- 
raschung bahnt eine am folgenden Tag vorgenommene zweite Hypnose aber 
eine völlige Wendung an. Wenige Stunden danach werden reichliche Flüssig- 
keitsmengen aufgenommen, in den nächsten Tagen, unter Fortsetzung der 
hypnotischen Behandlung, auch konsistente. Rasche Erholung. Das Blut- 
brechen hört auf, Zucker und Aceton verschwinden wieder aus dem Urin. 

Der Erfolg hat nahezu ı Jahr lang angehalten, Vor kurzem traten wieder 
die alten Störungen in zunehmendem Maße ein, die diesmal infolge Versagens 
der Hypnose zu erneuter Anlegung einer Magenfistel zwangen. 

Das geschilderte Krankheitsbild läßt sich mit seinem ersten Auf- 
treten in frühester Kindheit, seinem über viele Jahre sich hinziehen- 
den intermittierenden Verlauf, wobei während der einzelnen, nach 
verschieden langen Intervallen auftretenden, ohne erkennbare 
Ursache ausgelösten Krisen eine tagelang anhaltende völlige Passage- 
störung eintreten kann, als einen wohlcharakterisierten Typus 
aus dem vielgestaltigen Bild des Oesophagospasmus im Kindes- 
alter herausschälen!). Ganz ähnliche Fälle finden sich sowohl im 
Huslerschen. Material als auch in der ausländischen Literatur 
(Guisez, Rotch, Morse, Asby u. a.) mehrfach angeführt. Ihre 
Pathogenese bleibt ganz im unklaren. Das hier wiederholt auftretende 
Brechen blutiger Massen konnte zwar den Verdacht erwecken, daß 
ein ulceröser Prozeß die Veranlassung zu den Spasmen gegeben haben 
könnte. Dagegen spricht aber der durch nunmehr 7 Jahre beobachtete 
intermittierende Verlauf, der rasche Wechsel der Erscheinungen und 
des Sitzes des Hindernisses sowie das völlige Fehlen von Blutungen 
in den anfallfreien Intervallen, die nur auf dem Höhepunkt der 
schwersten Brechkrisen eintreten. Vielmehr hat es sehr viel mehr 
Wahrscheinlichkeit für sich, daß die Blutbeimengungen dem Brech- 
akt als solchem — per diapedesim — ihre Entstehung verdanken, 
so wie ja auch im Säuglingsalter bei heftigen Brechattacken, z. B. 
bei den Toxikosen, Blutbeimengen etwas sehr Häufiges sind. Guisez 
u. a. rechnen diese Fälle zu den angeborenen Stenosen, deren Folgen 
sich durch das Hinzutreten von Spasmen zu den geschilderten Krisen 
summieren. Diese Annahme hat nicht sehr viel Wahrscheinlichkeit 
für sich. Angeboren dürfte nur die spasmotische Bereitschaft sein, 
die aber nicht eine einzelne Stelle der Oesophagusmuskulatur, sondern 
das gesamte Muskelrohr, einschließlich der Kardia, in einem Zustand 


1) Es erscheint mir weiterer Prüfung wert, ob nicht mancher hierhergehörige 
Fall fälschlicherweise als periodisches (acetonämisches) Erbrechen gedeutet 
wurde, 


Heft 1 Zur Klinik des Oesophagospasmus. 17 


erhöhter Reflexerregbarkeit hält, wodurch sich auch zwanglos er- 
klart, daB der Sitz des Spasmus in den verschiedenen Krisen sich 
verändern kann. Die eigentliche Ursache dieser Krankheitsbereit- 
schaft bleibt aber ebenso unklar wie die auslésende Ursache der 
spastischen Anfalle. Auch auf die in unserem Falle anscheinend so 
verbliiffende Wirkung der Hypnose wird man deshalb nicht ein 
ausschlaggebendes Gewicht legen diirfen, da ja das Schwanken der 
Reflexerregbarkeit zum Wesen der Erkrankung gehört und auch 
bei Husler in einem ebenso verzweifelt aussehenden Augenblick 
ganz spontan eine günstige Wendung eintrat. Auch wies das Kind 
weder allgemeine Zeichen noch besondere Stigmata eines hysterischen 
Zustandes auf. | 

Soweit Obduktionsbefunde bisher vorliegen (Asby), sind sie eben- 
falls nicht in der Lage, wesentlich aufklärend zu wirken. 


Zusammenfassung. 


An Hand mehrerer Beobachtungen von Oesophagusspasmen im 
Kindesalter wird eine Darstellung des klinisch und pathogenetisch 
vielgestaltigen Krankheitsbildes gegeben. Ohne in Anbetracht 
ihrer Variationenfälle den Anspruch zu machen, die verschiedenen 
Formen in ein auf alle passendes Schema einordnen zu können, 
dürfte es doch, ähnlich wie es Husler versucht hat, zweckmäßig 
sein, einige Haupttypen zu unterscheiden. Solche sind: 


ı. Der primäre, essentielle Oesophagospasmus, eine in 
der Regel im frühesten Kindesalter ohne eine vorausgegangene 
nennenswerte Läsion sich, einstellende Neurose. Sie kann 
alle Teile des Oesophagusrohrs einschließlich der mit ihm 
eine funktionelle Einheit bildenden Kardia befallen — im 
letzteren Falle wählt man besser die Bezeichnung Kardio- 
spasmus. Eine besondere Form ist der periodische Oeso- 
phagospasmus, bei dem Zeiten guter Durchgängigkeit mit 
solchen kompletter Passagestörung wechseln (oesophagale 
Krisen). 

2. Der sekundäre Oesophagospasmus, von Husler zweck- 
mäßig läsionsbedingter Oesophagospasmus genannt, 
bei dem ein durch eine Läsion (z. B. Verätzung) verursachte 
organische Veränderung (Striktur) den ersten Anlaß zum 
Auftreten von Spasmen gibt. Auch ein starkes psychisches 
Trauma (Steckenbleiben eines Bissens, heftiges Verschlucken) 
kann im gleichen Sinne wirken. 

Monatsschrift für Kinderheilkunde. X XVII. Band. 2 


18 Lust: Zur Klinik des Oesophagospasmus. 


Heft 1 


3. Die oesophagalen Affektkrampfe des jiingsten Kindes- 
alters, bei denen es während einer stark unlustbetonten Mahl- 
zeit (z. B. bei der aufgezwungenen Eingabe einer unbeliebten 
Nahrung, etwa nach Gemüse, Brei usw.) zu „oseophagalem 
Erbrechen“ kommt, während gern genommene Speisen zu 


keinem Spasmus Anlaß geben. 


a aks lige SS 


Literaturverzeichnis, 


Asby, Brit. journ. of childr. dis. Bd. 17. 1920. 

Beck, Monatsschr. f. Kinderheilk. Bd. 9. 1910. 
Finkelstein, Lehrb. d. Säuglingskrankh. 2. Aufl., S. 693. 
Göppert, Therap. Monatsh. 1908. 

Guisez, Presse méd. Bd. 21. 1923. 

Husler, Zeitschr. f. Kinderheilk. Bd. 16. 1917. 

Monrad, Akta paediatr. Bd. 1. 1921. 

Morse, Arch. of pediatr. Bd. 29. 1912. 


Ridder, In Kraus-Brugsch, Erkrankungen der Speiseröhre. Bd. 5. 


Rotch, Americ. journ. of dis. of childr. Bd. 6. 1913. 


Aus dem Kinderkrankenhaus in Karlsruhe. 
(Direktor: Prof. F. Lust.) 


Zur Lehre von der Entstehung angeborener Mißbildungen. 
Von Dr. Erich Jacobesohn. 


Auf der letzten Tagung der deutschen Gesellschaft fiir Kinder- 
heilkunde in Leipzig im September 1922 wurde bei Besprechung von 
Vererbungsproblemen von anatomischer Seite (Prof. Benecke) 
nachdrücklichst darauf hingewiesen, daß es erst dann angängig sei, 
Keimanlagen und innere Ursachen für angeborene Defekte und 
Mißbildungen verantwortlich zu machen, wenn mit Sicherheit alle 
„äußeren“, insbesondere mechanischen Ursachen ausgeschlossen 
werden könnten. Von diesem Gesichtspunkte aus gewann ein im 
Kinderkrankenhaus Karlsruhe klinisch beobachteter und obduzierter 
Fall für uns ein erhöhtes Interesse, über den ich im folgenden berich- 
ten will, um daran einige kurze Betrachtungen aus dem Gebiet der 
allgemeinen Mißbildungslehre zu knüpfen. 


Es handelte sich um das 4. Kind gesunder Eltern, in deren beider Familien 
nichts von Mißbildungen bekannt ist. Auch die 3 älteren Kinder sind völlig 
normal gebildet. Nachträglich konnten wir in Erfahrung bringen, daß etwa 
eine Woche nach dem Ausbleiben der ersten Menses ein ärztlicher Eingriff 
(Uterussondierung) vorgenommen worden war, der mehrere Male im Abstande 
von einer Woche wiederholt wurde. Das Kind kam 3/, Stunden nach einer 
normalen Geburt in elendem cyanotischen Zustande, mit Vernix caseosa 
bedeckt, zur Aufnahme und bot folgenden Befund: Neben rechtsseitigem 
Klumpfuß bestand an typischer Stelle rechtsseitige Hasenscharte mit Wolfs- 
rachen und linksseitige Lippenspalte. An einem kleinfingerdicken kurzen 
Stiel, der dicht neben und oberhalb der intakten Nabelschnur aus der vorderen 
Bauchwand heraustrat, hing ein etwa 14 cm langes, mehrlappiges, schmutzig- 
rötliches, prall-elastisches, zum Teil fluktuierendes Gebilde, das, von einer 
serösen Haut umkleidet, aus gallertartigem Gewebe zu bestehen schien und an 
einer eingerissenen Stelle seröse Flüssigkeit absonderte. Von der Unterseite 
betrachtet, bot es eine höchst auffällige Ähnlichkeit mit einem Embryo, mit 
deutlichem Kopf- und Schwanzteil und den entsprechenden Krümmungen 
und mit oberen und unteren Extremitätenstummeln. Die eigentümliche Be- 
schaffenheit dieses Gebildes, das Fehlen jeglicher knöcherner Bestandteile 
bei dieser Länge und der Mangel einer selbständigen Nabelschnur sprachen 


2* 


20 Jacobssohn. Heft 1 


jedoch von vornherein gegen die Annahme eines nicht zur Entwicklung ge- 
kommenen Zwillings oder einer teratomatösen oder parasitären Mißbildung. 
Das Kind lebte im ganzen etwa ı!/, Tage, trank sogar etwa 60 g Milchschleim- 
mischung, die zum Teil erbrochen wurde. Während der ganzen Zeit wurde 
Mekoniumabgang nicht beobachtet. Ob während der Geburt Mekonium ab- 
gegangen war, konnte leider nicht mit Sicherheit festgestellt werden. 

Die von mir vorgenommene Obduktion ergab zu unserer Überraschung, 
daß das ganze beschriebene Gebilde aus einem Knäuel den gesamten Dünn- 
und Dickdarm umfassender Darmschlingen bestand, die, zum Teil mit schmieri- 
gem Inhalt gefüllt, zum Teil etwas kollabiert, in sulziges wasserreiches Gewebe 
eingebettet waren. Der erwähnte, den unteren Pol bildende Stiel, durch den 
das Gebilde mit dem Leibesinnern in Verbindung stand, setzte sich aus einem 
zuführenden Darmteil, dem untersten Teil des Duodenum, und einem abführen- 
den, unmittelbar ins Rectum übergehenden Darmteil zusammen. Weitere 
Verbildungen oder Verlagerungen innerer Organe (Leber, Niere, Harnblase) 
waren nicht nachweisbar. Die genaue Prüfung und Präparation der Nabel- 
gegend zeigte, daß nur eine sehr nahe Nachbarschaft, nicht aber ein Zusammen- 
hang zwischen Nabelschnur und Stiel der Darmmasse vorhanden war. Meine 
erste Annahme, daß es sich um ein die Darmschlingen umgebendes Nabelschnur- 
gewebe handeln könne (etwa im Sinne eines Nabelschnurbruches) wurde da- 
durch als unhaltbar erwiesen. Vielmehr mußte der Vorgang als supra- 
umbilikaler Bauchbruch mit völliger Ektopie des ganzen Darm- 
traktus, mit Ausnahme der am stärksten fixierten Pole (Magen, Duodenum, 
Rectum, Anus) aufgefaßt werden, wie mir auch Herr Prof. von Giercke 
bestätigte, der liebenswürdigerweise das Präparat besichtigte und mir seinen 
wertvollen Rat lich. Das eigentümliche gallertartige Gewebe ließ sich un- 
gezwungen als dem Mesenterium und der visceralen Serosa angehörendes 
Bindegewebe erklären, das nach allmählichem Durchtritt der Darmschlingen 
infolge der mechanischen Behinderung des venösen Abflusses durch die enge 
Bauchdeckenspalte in stärkstem Maße ödematös geworden war. Der Durch- 
tritt mußte offenbar in mehreren Abteilungen zu verschiedenen Zeiten erfolgt 
sein, wie die mehrfachen Einschnürungen und die verschiedene Stärke des 
. Ödems bekundeten. Der Vollständigkeit wegen ist noch zu erwähnen, daß 
eine Spina bifida nicht festzustellen war. Eine genauere Untersuchung des 
Wirbelkanals und des Rückenmarks war aus äußeren Gründen nicht möglich. 
Von irgendwelchen auffälligen Veränderungen der Eihäute ist nichts bekannt. 


Der geschilderte Fall wird also im wesentlichen charakterisiert 
durch das gleichzeitige Bestehen eines angeborenen rechts- 
seitigen KlumpfuBes, eines Wolfsrachens mit Hasen- 
scharte und eines Bauchbruches mit Ektopie des Diinn- 
und Dickdarmes bei einem wenige Stunden alten Neu- 
geborenen. ` l a! | 

Wer einmal ein solch eindruckvolles Bild gesehen hat, wird keine 
Bedenken tragen, diese Erscheinungen den sog. Mißbildungen ein- 
zureihen, ohne sich vielleicht Rechenschaft darüber abzulegen, was 
im strengen Sinne eigentlich mit dieser Bezeichnung gemeint sei. 
Und in der Tat ist der Begriff der Mißbildung heute noch keineswegs 


Heft 1 Zur Lehre von der Entstehung angeborener Mißbildungen. 2I 


völlig geklärt. Nach Schwalbe (ı) ist Mißbildung ‚eine während 
der fötalen Entwicklung zustande gekommene, also angeborene 
Veränderung der Form eines oder mehrerer Organe oder Organ- 
systeme oder. des ganzen Körpers, welche außerhalb der Variations- 
breite der Spezies gelegen ist‘. Diese Definition, die wohl heute 
in der gesamten Literatur als die beste gilt, ist nicht unangefochten 
geblieben, und insbesondere Slingenberg (2) hat auf die schwer 
zu bestimmende Grenze zwischen Variationen und Mißbildung 
hingewiesen und als Kriterium für die Praxis die Störung der Funk- 
tionen seiner Definition zugrunde gelegt. Mit Recht betont dem- 
gegenüber Schwalbe (3), daß unzweifelhafte Mißbildungen, wenn 
auch leichteren Grades, wie z. B. die Polymastie, keinerlei Funk- 
tionsstörungen zu bedingen brauchen. 

Es ist Schwalbes Verdienst, durch das Studium seiner „terato- 
genetischen Terminationsperiode‘‘, das heißt der Feststellung jener 
Embryonalzeit, in der spätestens die Ursache der Mißbildung ein- 
gewirkt haben muß, die Frage der Entstehungszeit und der formalen 
wie kausalen Genese der Mißbildungen unserem Verständnis näher- 
gebracht zu haben. Naturgemäß steht die Frage nach der Ursache 
dieser Skala von Mißbildungen, von einer geringfügigen Varietät 
an bis zur ungeheuerlichen Monstrosität im Vordergrunde der wissen- 
schaftlichen wie laienhaften Betrachtung. Daß man zunächst die 
Ursachen ganz allgemeingültig für alle Mißbildungen in ektogene 
und endogene einteilen kann, ist ohne weiteres klar. Denn daß eine 
Störung der normalen Entwicklung durch äußere Einflüsse möglich 
ist, beweist sowohl die Erfahrung wie die experimentelle Erzeugung 
solcher Mißbildungen, wie sie Barfuth (4) in mannigfaltigen Ex- 
perimenten (Erzeugung von .Hyperdaktylie beim Axolotl), Pagen- 
stecher (5) (Augenmißbildungen bei mit Naphthalin gefütterten 
Kaninchen), Roux u. a. gelungen ist. Daß ferner Temperatur- 
veränderungen, Sauerstoffmangel, chemische und osmotische Ein- 
flüsse, Gifte, schließlich noch Radium- und Röntgenstrahlen und das 
vielumstrittene Gebiet der fötalen Entzündung, wahrscheinlich 
auch fötale Störungen der inneren Sekretion eine Rolle spielen 
können, erscheint erwiesen [Schwalbe (3)]. Weitaus die größte 
Wichtigkeit aber unter den ektogenen Ursachen haben bis in 
die jüngste Zeit hinein das Amion, seine Enge oder Verwachsungen 
oder amniotische Stränge zu beanspruchen, dessen Besprechung 
auch eine besondere Bedeutung für unseren speziellen Fall zukommt. 
In der Tat werden ja Veränderungen des Amnions relativ häufig ge- 
funden und diese gegenwärtig besonders für die Entstehung von 


22 Jacobssohn. Heft ı 


Mißbildungen verantwdrtlich gemacht, da wir eben über das Gebiet 
der endogenen Ursachen eigentlich nichts wissen und demgemäß 
den äußeren Ursachen die größere Bedeutung zuzuschreiben geneigt 
sind. Für die amniogene Theorie haben sich besonders v. Winckel, 
Kümmel (6), Klaußner (7), Ahlfeld (8) u. a. eingesetzt, und es 
sind vor allem die Polydaktylie, Syndaktylie, Spalthand, die immer 
wieder zum Studium herangezogen werden. Zander (9) hat diese 
Theorie ausgearbeitet, und auch Schwalbe (10) stellt sich auf den 
Standpunkt, daß Spalthand usw. ganz sicher amniogene Mißbil- 
dungen sind. Neuere experimentelle Forschungen (Braus) haben 
das sehr in Frage gestellt. Es ist wesentlich, darauf hinzuweisen, daß 
die Vererblichkeit solcher Mißbildungen — man denke nur an das 
immer wieder angeführte Dorf de l’Isere, in dem fast alle Einwohner 
6 Finger und 6 Zehen hatten, an das familiäre Auftreten von Hasen- 
scharten usw. — durch Vererblichkeit der Amnionanomalie erklärt 
wird. Es ist klar, daß damit nicht allzuviel gesagt ist. | 

Denn einmal erscheint ein solches Vorkommen etwa in mehreren 
Generationen sehr gezwungen, dann aber wissen wir über die Ätiologie 
von Amnionanomalien (entzündliche Prozesse?) so gut wie nichts, 
geschweige denn über ihre Vererbbarkeit. Eine Mißbildung mecha- 
nisch durch Amnionanomalien erklären zu wollen, heißt in Wirk- 
lichkeit nur das Problem verschieben, da das Amnion ja auch zum 
Foetus gehört. Die gleichen Erwägungen gelten naturgemäß auch 
für die ätiologische Rolle, die vielfach dem Fruchtwassermangel 
zugeschrieben wird. 

So blieben denn schließlich die „endogenen Ursachen“ zur 
Erklärung einer Mißbildung übrig. Dabei ist streng zu beachten, 
daß unter diese Gruppe nur solche Mißbildungen zu rechnen sind, 
die auf abnorme, meist vererbbare innere Veranlagung der Keim- 
zellen zurückzuführen sind. Mißbildungen dagegen, die durch 
„Keimschädigung‘“, wie etwa bei Experimenten an Larven, hervor- 
gebracht werden, sind selbstverständlich als mechanisch bedingt 
aufzufassen. Hierunter würden z. B. auch im weiteren Sinne degenera- 
tive Zeichen in der Descendenz von Trinkern fallen. 
© Sehen wir nun, wie sich die Frage nach der Pathogenese unseres 
speziellen Falles im Rahmen der eben skizzierten Gesichtspunkte der 
allgemeinen Mißbildungslehre einordnen und beantworten läßt. 

Vom Klumpfuß zunächst abgesehen, stehen im Vordergrunde 
der Wolfsrachen und der Bauchbruch. Ohne auf die überreiche 
kasuistische Literatur, die Entwicklungsmechanik und die patho- 
logische Anatomie näher eingehen zu wollen, können wir darüber in 


Heft ı Zur Lehre von der Entstehung angeborener Mißbildungen. 23 


Kürze folgendes sagen: Diese Erscheinungen sind als Spaltbildungen 
zu betrachten und werden entwicklungsgeschichtlich allgemein zu 
den „Hemmungsbildungen‘ gerechnet. Dieser Begriff gilt lediglich 
im Bereich der ‚formalen Genese‘ und sagt an sich über die Ur- 
sachen nichts aus. Ebensowenig schließt er die Vorstellung einer 
„spalt- oder Defektbildung‘‘ ohne weiteres in sich, denn die Per- 
sistenz irgendeines normalerweise sich zurückbildenden Organs, wie 
z. B. des Meckelschen Divertikels oder des Thymus, muß auch zu 
den Hemmungsbildungen gezählt werden. 

Bekanntlich geht beim Embryo die Bildung des Gesichtsschädels 
in der Weise vor sich, daß das vordere untere Ende der sog. Kopf- 
kappe mit mehreren lappigen Fortsätzen die spätere Nase und den 
Zwischenkiefer formen, während die Verwachsung der beiden seit- 
lichen ersten Kiemenbögen zur Bildung des Unterkiefers führt 
und die beiden seitlich herauswachsenden Oberkieferfortsätze mit 
dem Stirnfortsatz der Kopfkappe zum Oberkiefer verschmelzen. 
Zwischen diesen Fortsätzen und Lappen besteht also in früher 
Embryonalzeit, etwa am Ende des ersten Foetalmonats, eine Anzahl 
von Spalten, deren späteres Bestehenbleiben je nach ihrem Sitz 
zur medialen oder lateralen Lippen- und Gaumenspalte, zur schrägen 
oder queren Gesichtsspalte führt. Was nun speziell die Atiologie 
der späteren Gesichtsspalten angeht, so gelang esz. B. Hönecke (II) 
experimentell, beim Kaninchen durch Paarung von zu jungen Tieren 
oder von rhachitischen Eltern, gelegentlich sogar bei chronischer 
Alkoholvergiftung vor der Zeugung solche Spaltbildungen zu er- 
zeugen. Als weitere Ursachen werden vermehrter intrakranieller 
Druck, vordringender Hirnbruch, Schadeltumoren, Epithelcysten (12) 
angegeben. Vom Amnion war bereits die Rede. Nach Schwalbe 
sind manche, nämlich atypische Gesichtsspalten sicher amniogen, 
wobei er allerdings die Frage offen läßt, „b beide Anomalien nicht 
gleichgeordnet sind und in gar keinem kausalen Verhältnis zueinander 
stehen. Schließlich ist noch die Ansicht Beneckes zu erwähnen, 
die von anderen Autoren geteilt wird [Tothfalussy (ı2)], daß 
bei zu starker Nackenbeuge infolge Enge des Amnions das Gesicht 
gegen das Brustbein gepreßt und dadurch die Schließung der physio- 
logischen Spalten verhindert wird. 

Ähnlich verhält es sich mit dem Bauchbruch. Ursprünglich stellt 
die embryonale Bauchwand- und Darmanlage eine breite, offene 
sogenannte Primitivrinne dar, bei deren mangelhaftem oder aus- 
bleibendem Schluß es notwendig zu einem Offenbleiben der vorderen 
Schließungslinie und damit zu Spalten der Körperhülle oder gar 


24 ‚Jacobssohn. Heft ı 


innerer Organe kommen: muß. Demgemäß sind totale Spalten, 
Brust-, Bauch-, Darm-, Blasen-, Genitalspalten nicht prinzipiell, 
sondern nur ihrer Intensität nach verschieden von partiellen Bauch- 
spalten, Nabelschnurbruch und dem so häufigen bedeutungslosen 
Nabelbruch. Es ist einleuchtend, daß dieser aufgestellten anato- 
mischen Reihe eine embryologische, zeitlich bedingte parallel geht, 
in dem einer ausgedehnteren Spaltung ein früherer Zeitpunkt der 
Bildungshemmung entspricht. Erwähnt sei noch, daß sehr selten 
seitliche Rumpfspalten auftreten, die nicht als Hemmungsbildungen 
aufgefaßt werden können. AÄtiologisch dürften sich keine wesentlich 
neuen Gesichtspunkte gewinnen lassen. Immer wieder werden 
äußere traumatische oder von Uterus oder den Eihäuten ausgehende 
Ursachen, namentlich Enge des Amnions, angeschuldigt. Nicht ohne 
Interesse dürften in diesem Zusammenhang einige ursächliche Fak- 
toren sein, die für einen besonderen Fall, nämlich den Nabelschnur- 
bruch, in Betracht kommen. Seine Entstehung erklärt Ahlfeld (13) 
dadurch, daß infolge von Persistenz des Duct. omphalomesentericus 
der mit diesem verbundene Dünndarmabschnitt außerhalb der 
Bauchhöhle bleibt und dadurch den Verschluß der Medianlinie in 
der Nabelgegend verhindert. Tatsächlich findet sich in etwa einem 
Drittel der bekannt gewordenen Fälle Persistenz des Meckelschen 
Divertikels. Aber auch hier wird eine Hemmungsbildung durch 
eine andere erklärt. Aschoff (14) führt die Fälle von Nabelschnur- 
bruch, in denen eine Ektopie der Leber vorhanden war, auf erhöhte 
intraabdominale Druckverhältnisse infolge der pathologisch bis in 
den 3., 4. Foetalmonat sich erstreckende Dorsalkonkavität der Wirbel- 
säule zurück. In gleichem Sinne könnten gelegentlich vorkommende 
_ intraabdominale Tumoren [Cystenbildung — Fall Usener. (15)] 
wirken. SchlieBlich sehen Reichel (16) und Kermauner (17) auch 
hier die Ursache in inneren Wachstumsstörungen bestimmter Teile 
der foetalen Anlage. 

Welche Erklärungsmöglichkeiten ergeben sich nun für 
den eingangs geschilderten Fall? Wie wir gesehen haben, 
spielen Anomalien der Geburt, des Amnions usw., aber auch erbliche 
Besonderheiten keine Rolle. Um so bedeutungsvoller erscheinen mir 
zwei Momente, die ich gleichsam als Angelpunkte in den Vordergrund 
' der Betrachtung stellen möchte. Einmal jene Ansicht Beneckes, 
die es vielleicht gestattet, die Koinzidenz von Bauchbruch und Hasen- 
scharte zu erklären, wenn man nicht für beides die gleiche endogene 
Ursache annehmen will. Wenn es zutrifft, daß der Druck, den der 
stark gebeugte und mit den Kiefern gegen das Sternum gepreßte 


Heft ı Zur Lehre von der Entstehung angeborener Mißbildungen. 25 


Kopf erleidet, zur Verhinderung des Schlusses der Gesichtsspalten 
führen kann, so wäre eine gleiche Entstehungsmechanik, nur in weit 
gesteigertem Maße durch den Druck der eventrierten Darmmasse 
auf den zwangsmäßig gebeugten Kopf denkbar. Wenn man in Be- 
tracht zieht, wie andauernder Druck von Weichteilgeschwülsten 
oder ein wachsendes Aneurysma zur Knochenarrosion führen kann, 
so wäre auch hier ein Klaffenbleiben der Gesichtsspalten verständ- 
lich. Freilich stehen dieser Theorie mancherlei Bedenken entgegen; 
insbesondere wissen wir über. das Verhältnis der Entstehungszeiten 
beider Mißbildungen nichts Genaues. Voraussetzung wäre vor allem, 
daß der Darmtumor bereits zu einer Zeit eventriert war, in der er 
hemmend auf den Spaltenverschluß wirken konnte. Außerdem wäre 
damit nur die Entstehung des Wolfsrachens, nicht aber die des Bauch- 
bruches und des Klumpfußes erklärt. 

Der zweite Punkt, auf den ich die Aufmerksamkeit lenken möchte, 
ist die Frage nach der ätiologischen Wertigkeit des bereits erwähnten 
ärztlichen Eingriffs in früher Embryonalzeit, nämlich ungefähr im 
zweiten Foetalmonat. Da um das Ende des ersten Foetalmonats 
herum die physiologischen Schlußspalten noch offen sind, nach 
Marchand (18) aber „der menschliche Embryo die Ausbildung 
seiner Körperformen vor dem 3. Monat beendet hat‘, so fällt dieser 
Eingriff in eine Zeit, in der sehr wohl eine Verhinderung des normalen 
Abschlusses denkbar wäre. So verlockend die Annahme eines Zu- 
sammenhanges ist, so schwer ist es allerdings, sich eine klare Vor- 
stellung darüber zu bilden, in welcher Weise wohl die plumpe Sonde 
auf den Embryo gewirkt haben soll, um so typische, sonst .durch 
ihre Vererbbarkeit bekannte Verbildungen hervorzubringen. Es ist 
mir auch nicht gelungen, in der mir zugänglichen Literatur einen 
hierher gehörigen überzeugenden Fall zu finden. Zumeist hört man 
von Placentarlösung, Absterben der Frucht oder intrauterinen Frak- 
turen durch ein Trauma. Ich stelle mir nun keineswegs vor, daß, 
ähnlich wie wenn Roux unter der Kontrolle des Auges eine Nadel 
in ein Froschei versenkt und so den Ablauf der normalen Entwick- 
lung stört, die ärztliche Sonde in grob-mechanischer Weise gerade 
auf die Mittellinie des gefährdeten Embryos, die Stelle der späteren 
Mißbildung gestoßen sei. Wohl aber halte ich, ohne es beweisen und 
mich in einer Richtung festlegen zu können, die Frage der Erörte- 
rung für wert, ob nicht in diesem Falle möglicherweise das wieder- 
holte schwere Trauma, dem der zarte, etwa 4 cm lange Foetus direkt 
ausgesetzt war, Bedingungen schuf, unter denen es nicht zum nor- 
malen Abschluß des embryonalen Aufbaues an primär wenig resi- 


26 Jacobssohn: Entstehung angeborener Mißbildungen. Heft ı 


stenten Stellen kam — nicht ganz naturwissenschaftlich ausgedriickt, 
etwa im Sinne einer anenergetischen.Degenerationshemmung. 

Zusammenfassend läßt sich sagen: Für die Erklärung der 
Entstehung von angeborenen Mißbildungen kommt neben der An- 
nahme einer endogenen, in ihrem eigentlichen Wesen uns vorläufig 
noch unbekannten abnormen Keimveranlagung, die wohl für die 
meisten typischen Mißbildungen Geltung hat, eine Reihe von äußeren 
und mechanischen Faktoren in Betracht. In einem Falle meiner 
Beobachtung von angeborenem Wolfsrachen, Lippenspalte, Bauch- 
bruch und KlumpfuB ist in erster Linie an den Einfluß eines mecha- 
nischen Traumas durch eine wiederholte ärztliche Uterussondierung 
zu denken, vielleicht hat auch der Druck des eventrierten Darmes 
auf den Gesichtsschädel zur Entstehung der Gesichtsspalten bei- 
getragen. Der Fall lehrt, wie wichtig es ist, weiterhin auf derartige 
Zusammenhänge bei strengster Kritik zu achten. 


mn nn mn ee e 


Literaturverzeichnis. 


. E. Schwalbe, Die Morphologie der Mißbildungen der Menschen und Tiere. 
Teil I. 

2. Bodo Slingenberg, Mißbildungen der Extremitäten. Virchows Archiv 
Bd. 193. 1908. . 

3. Schwalbe, Virchows Archiv Bd. 189. 

4. Barfuth, Die experimentelle Regeneration überschüssiger Gliedmaßen- 
teile bei den Amphibien. Arch. f. Entwicklungsmechanik 1895, Bd. ı 
und spätere Arbeiten. 

5. Pagenstecher, Über eine Methode der gemeinsamen experimentellen 
Erzeugung von Augenmißbildungen und von angeborenen Staren bei 
Wirbeltieren. Münch. med. Wochenschr. ıgıı, Nr. 32. 

6. W. Kümmel, Die Mißbildung der Extremitäten durch Defekt, Verwach- 
sung und Überzahl. Kassel 1895. (Bibliotheca medica, Abt. E.) 

7. F. Klaußner, Über Mißbildungen der menschlichen Gliedmaßen und ihre 
Entstehungsweise. Wiesbaden 1900. 

8. Ahlfeld, Eine neue typische Form durch amniotische Fäden hervor- 
gebrachte Verbildung. Wien 1894. 

9. Zander, Virchows Archiv Bd. 125. 

10. Schwalbe, Mitinch. med. Wochenschr. 1906, Nr. 11. 

ı1. Hönecke, Über experimentell erzeugte Mißbildungen. Versamml. d. 
Naturforsch., Dresden 1907. 

ı2. Zit. nach E. v. Tothfalussy, Die Hasenscharte. Ergebn. d. Chirurg. u. 
Orthop. Bd. 7, S. 409. 1913. 

13. Ahlfeld, Mißbildungen. Leipzig 1880, 

14. Aschoff, Virchows Archiv Bd. 144. 1897. 

15. W. Usener, Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 77. 1913. 

16. Reichel, Arch. f. klin. Chirurg. Bd. 46. 

17. Kermauner, in Schwalbes Morphologie der Mißbildungen, Teil 3. 

18. Marchand, Mißbildung. inEulenburgs Realenzyklopädie 1910, 4. Aufl.,Bd.o. 


vo. 


Aus der Kinderklinik der stadtischen Krankenanstalten Essen. 
(Chefarzt: Priv.-Doz. Dr. Bossert.) 


Die Stellung der Pädonephritis in der modernen 
Nierenpathologie. 


Von Dr. Leo Mendel. 


Die Mannigfaltigkeit der Bezeichnungen in der Nomenklatur des 
Morbus Brighti gibt in keiner Weise dem Vielerlei an Namen auf 
dem Gebiete der Ernährungsstörungen etwas nach. Während die 
Pädiatrie aber begreiflicherweise ein brennendes Interesse daran 
hat, auf ihrem ureigensten Gebiete zu einer endgültigen Klärung 
zu kommen, hat sie von sich aus in dem Meinungsstreit der an der 
Nierenpathologie Interessierten niemals ihre Stimme erhoben. Wohl 
hat sie stets den Wandel der Anschauungen mitgemacht: so sehen 
wir Heubner unter dem Eindruck der Ausführungen Fr. v. Müllers 
seine Bezeichnung Pädonephritis später in Pädonephrose umändern, 
und heute finden wir die Pädiatrie in der Hauptsache auf dem Boden 
der Volhardschen Anschauungen. Aber aus eigenem Antriebe 
hat sie in dem auch heute noch auf und ab wogenden Für und Wider 
der Meinungen nie das Wort ergriffen. Und doch könnte sie das mit 
vollstem Rechte tun; fordert doch die Eigenart der Pädonephritis, 
die Heubner überhaupt erst zur selbständigen Charakterisierung 
dieses Krankheitsbildes veranlaßt hat, geradezu zu einer Diskussion 
heraus, welche Stellung ihr in dem Gefüge der modernen Systematik 
gebührt. Darüber hinaus wird sich die Anknüpfung an noch im Fluß 
befindliche Streitfragen der Nierenpathologie von selbst ergeben. 

Als Heubner seinerzeit von der Pädonephritis sagte, sie passe 
in keine der Formen, die man sonst unter dem Begriffe chronischer 
Nephritis unterscheidet, war das zu einer Zeit, wo die Klinik der 
Nierenentzündungen auf einem toten Punkt gelandet war. Seit 
der Zeit ist der Stein wieder ins Rollen gekommen, aber fast will 
es scheinen, als ob er auf seinem Wege auch einiges von den Schranken 
eingerissen hätte, die Heubner selbst vorsichtigerweise um das 


28 Mendel. Heft 1 


Gebäude der Pädonephritis errichtet hat. Man kann sich des Ein- 
drucks nicht erwehren, daß in dem Streben, auch die Pädonephritis 
auf die knappe Formel des Schemas zu bringen, den scharfen Um- 
rissen, die Heubner von ihr entworfen hat, Gewalt angetan worden 
ist. Sicher nicht zum Besten einer klaren Verständigung; denn 
manches wurde zweifelsohne daraufhin als Pädonephritis ausgegeben, 
was damit nichts zu tun hat. Aber auch um des Schemas willen ist 
es unbedingt erforderlich, sich streng an das Original zu halten, 
sonst könnte dem System als Mangel gedeutet werden was Lässigkeit 
in der Stellung der Diagnose ist. 

Seit Übernahme der Volhardschen Systematik in die Pädiatrie 
wird die Heubnersche Pädonephritis mit der chronischen Herd- 
nephritis Volhards identifiziert [Bratke (r), Stransky (2)], und 
Volhard (3) selbst ist geneigt, in ihr und der infektiösen Herd- 
nephritis ein und dasselbe Krankheitsbild zu sehen. Diese Ansicht 
stützt sich, abgesehen von der Übereinstimmung in der Symptomato- 
logie, auf die Annahme einer unbedingt günstigen Prognose der 
Pädonephritis. In letzterem scheint mir diese Meinung aber anfecht- 
bar. Heubner selbst spricht sich in einer späteren Mitteilung (4) 
bezüglich der Prognose viel vorsichtiger aus als früher, indem er 
schreibt: „Eine Äußerung über die Prognose ist im Einzelfall sehr 
schwer, Ich habe schon früher Fälle mitgeteilt, wo auch nach jahr- 
langem Bestehen eine völlige Heilung eingetreten war; aber ob das 
nicht Seltenheiten sind, ist auch für eine reiche Erfahrung nicht zu 
entscheiden.‘ 

Von der unbedingt günstigen Prognose, von der Stransky 
spricht, ist demnach bei Heubner keine Rede; diese Zurückhaltung 
ist bei dem eminent chronischen Verlaufe der Pädonephritis um so 
berechtigter, weil Folgeerscheinungen sich erst jenseits des Kindes- 
alters bemerkbar zu machen brauchen. 

- Unter diesen Folgeerscheinungen werden wir in erster Linie der 
Rückwirkungen auf das Herz zu gedenken haben. In dieser Hinsicht 
verdienen zwei von den Heubnerschen Fällen Beachtung (5). In 
der Beobachtung 23 findet sich rr Jahre nach Feststellung der 
Albuminurie folgende Angabe: ‚Herzbefund bis auf stark klappende 
Töne normal. Puls hart“, und in Fall 25 wird nach dreijährigem 
Bestehen der Nephritis der Puls als gespannt angegeben. In dem 
g Jahre spater erhobenen Untersuchungsbefunde finden wir zwar 
keine Mitteilung über den Herzbefund, doch scheint dieser normal 
gewesen zu sein. Angaben über die Höhe des Blutdruckes finden sich 
bei diesen Fällen nicht; doch hat Heubner, wie er an anderer 


Heft ı Die Stellung d. Pädonephritis in d. modernen Nierenpathologie. 29 


Stelle (l. c.) hervorhebt, niemals Steigerung desselben beobachtet. 
Demnach bleibt die Frage, ob der an Herz und Puls erhobene Befund 
der Ausdruck für eine bestehende Hypertonie ist, unentschieden; 
in keinem Falle läßt sie sich aber mit dem Hinweise darauf abtun, 
daß nach einer Reihe von Jahren trotz Bestehens der Albuminurie 
scheinbar normale Verhältnisse am Kreislauf, zum mindesten aber 
vollkommenes Wohlbefinden der Patienten festgestellt wurde; 
wissen wir doch, daß die Hypertonie bei chronischen Nephritiden 
kein konstantes Symptom ist. „Zwischen normalen Werten und 
starken Erhöhungen kommen bei demselben Kranken in kurzer Zeit 
Schwankungen vor“ [Lichtwitz (6)]. Also selbst bei normalem 
Blutdruck würde der geschilderte Herzbefund doch wohl als Folge 
der im Kindesalter überstandenen Nephritis anzusehen sein, aber — 
was für unsere Auffassung wichtig ist — als eine Folgeerscheinung, 
die mit dem Bilde der Herdnephritis nicht zu vereinigen ist. 

Es liegt auf der Hand, daß das Vorkommen von Schwankungen 
in der Höhe des Blutdruckes dem Untersucher die Einreihung eines 
Krankheitsfalles in die passende Stelle des Schemas erschwert, vor 
allem dann, wenn er das Kind nicht im akuten Stadium, sondern 
erst nach längerem Bestehen der Erkrankung zu Gesicht bekommt. 
Als Beispiel hierfür möchte ich die eigene, von mir bereits an anderer 
Stelle (7) erwähnte Beobachtung eines Kindes anführen, bei dem 
sich nach dreijährigem Bestehen der Pädonephritis eine Blutdruck- 
steigerung auf ı8ocm H,O einstellt; die Hypertonie hält sich ein 
Jahr auf dieser Höhe und weicht dann wieder normalen Werten. 
Nichts würde in dem Stadium normalen Blutdrucks gegen die Be- 
zeichnung Herdnephritis gesprochen haben; erst die Blutdruck- 
steigerung machte eine Revision dieser Auffassung und die Ein- 
reihung unter die chronische diffuse Glomerulonephritis notwendig. 

Die Einförmigkeit des klinischen Bildes der Pädonephritis, zumal 
wenn sie sich nur auf Albuminurie ohne Ausscheidung krankhafter 
Formelemente beschränkt, und das Fehlen oder die Geringfügigkeit 
subjektiver Beschwerden erschwert aber auch die Abgrenzung 
gegen die orthotische Albuminurie. Wenn man, wie es häufig der 
Fall ist, anamnestisch keine Handhabe für eine vorangegangene 
Nephritis hat, so wird unter Umständen auch die Entscheidung 
gar nicht leicht sein, ob es sich im vorliegenden Falle um eine reine 
orthotische Albuminurie oder etwa um eine postnephritische Eiweiß- 
ausscheidung vom orthotischen Typ handelt. Es scheint mir rich- 
tiger, sich überall da, wo namentlich bei Untersuchung der ein- 
zelnen Urinportionen Nierenelemente gefunden werden, für das Vor- 


30 Mendel. Heft x 


liegen einer Nephritis mit orthotischer Eiweißausscheidung zu ent- 
scheiden als für die erste Annahme. Die Grenze, wo das Normale 
aufhört und das Krankhafte beginnt, ist zu schwer zu ziehen, und 
man tut sicher besser, bei der Ansicht zu bleiben, daß rote Blut- 
körperchen und Cylinder, auch wenn sie nur ganz vereinzelt vor- 
kommen, dem Bilde der reinen orthotischen Albuminurie fremd 
sind. | 

Diese Armut an Symptomen birgt begreitlicherweise die groBe 
Gefahr in sich, daB die Beobachtung eines Krankheitsfalles nicht 
über genügend lange Zeit fortgesetzt wird. Es braucht nicht erst 
hervorgehoben zu werden, was daraus für verhängnisvolle Irrtümer 
entstehen können. Ich verweise nur auf die in dieser Hinsicht sehr 
lehrreichen Befunde von Stroink (8) an Scharlachnephritiden, die, 
im Kindesalter erworben, nach einem jahrelangen beschwerdefreien 
Zwischenstadium, das sich lediglich durch Albuminurie auszeichnet, 
in eine letale Urämie ausgehen. Es tut für unsere Zwecke nichts zur 
Sache, daß die Arbeit von Stroink keine näheren Angaben über 
den Verlauf des akuten Stadiums bringt. Aber selbst wenn damals 
das typische Bild der diffusen Glomerulonephritis vorgelegen hätte, 
so ist für unsere Frage doch nur das Stadium von Belang, das bei 
fehlendem Krankheitsgefühl lediglich durch die Eiweißausscheidung 
gekennzeichnet ist. Rechnen wir nach dem Gesagten noch die Mög- 
lichkeit von Blutdruckschwankungen hinzu, so läuft ein und dasselbe 
Krankheitsbild je nach dem Zeitpunkte der Untersuchung bald als 
gutartige Pädo- bzw. Herdnephritis, bald als prognostisch zweifel- 
hafte chronisch diffuse Nephritis. Die Hoffnung, mit Hilfe der 
funktionellen Diagnostik die Scheidung derartiger Krankheitszustände 
durchführen zu können, ist recht trügerisch, da die funktionelle 
Anpassungsfähigkeit der Niere bekanntlich eine sehr weitgehende 
ist. Auch ich habe in den beobachteten beiden Fällen keine Schädi- 
gung der Nierenfunktion feststellen können. 

Ein derartiges Vorkommnis, wie Blutdrucksteigerung bei einwand- 
frei festgestellter Pädonephritis, erscheint uns als Seltenheit. Ver- 
mutlich ist aber die Zahl solcher Fälle weit größer als wir im all- 
gemeinen annehmen, einfach aus dem Grunde, weil solche Folge- 
erscheinungen meist erst jenseits des Kindesalters einsetzen. Dem 
später untersuchenden, doch sicher nur in den seltensten Fällen 
speziell pädiatrisch eingestellten Arzte ist die Eigenart der Pädo- 
nephritis viel zu wenig bekannt, als daß er an einen Zusammenhang 
gerade mit diesem Krankheitsbilde denken würde. Dem in erster 
Linie an dieser Frage interessierten Kinderarzt aber geht auf 


Heft I Die Stellung d. Padonephritis in d. modernen Nierenpathologie. 31 


diese Weise viel wertvolles Material verloren ; es ware deshalb dringend 
zu wünschen, daß derartige Nachuntersuchungen an Nephritiden, 
wie sie von Elis. Schiff (9) an dem Material der Heidelberger 
Kinderklinik vorgenommen wurden, öfters erfolgten. 

Wollten wir also nach dem Gesagten an der Anschauung festhalten, 
daß die Pädonephritis mit der Volhardschen Herdnephritis gleich- 
zusetzen ist, so müßten wir zwingend zu dem Schluß kommen, daß 
die Pädonephritis kein einheitliches und selbständiges Krankheits- 
bild ist. Sie würden Fälle umfassen, die dem reinen Bilde der in- 
fektiösen Herdnephritis entsprechen, aber daneben auch Fälle, 
die der diffusen Glomerulonephritis zuzurechnen sind. Oder aber 
wir müßten in Anlehnung an Volhard mit dem Vorkommen von 
Übergangsformen rechnen, d. h. ein ursprünglich als Herdnephritis 
verlaufender Fall wandelt sich später in eine diffuse Nephritis um. 
Berücksichtigt man die nach Volhards eigner Auffassung ganz und 
gar verschiedene Entstehungsweise beider Prozesse, so wird man 
Siebeck (Io) ohne weiteres beipflichten müssen, wenn er sich schon 
aus diesem Grunde einer Zweiteilung der Nephritis gegenüber sehr 
skeptisch verhält, Nehmen wir ferner nach Volhard noch die 
Möglichkeit hinzu, daß sich auf eine ursprünglich diffuse Nephritis 
eine herdförmige aufpfropfen kann, so erwächst daraus meines Er- 
achtens der Beurteilung eine weitere große Schwierigkeit, auf die ich 
an der Hand eines konkreten Falles etwas ausführlicher eingehen 
möchte: | 

Ein jetzt 7jähriges Mädchen macht Weihnachten 1922 eine Scharlach- 
nephritis durch, die unter dem Bilde der diffusen Glomerulonephritis verläuft. 
Gelegentlich einer 2 Monate später erworbenen Grippepneumonie kommt es. 
zu einem Rezidiv der Nephritis, aber dieses Mal in Form der herdförmigen 
Erkrankung, die nach Ausheilung der Pneumonie in Gestalt einer leichten 
Eiweiß- und Blutausscheidung im Harn fortbesteht. 


Vorausgesetzt, daB dieser Urinbefund in der Folgezeit persistiert, 
würde sich die Nierenerkrankung bei späteren Untersuchungen als 
die typische chronische Pädonephritis darstellen. Bleibt die Nieren- 
funktion intakt, dann würde man von einer chronischen Herd- 
nephritis sprechen, obwohl die Herderkrankung der zeitlichen 
Entstehung nach der Sekundärvorgang ist; treten aber Folgeerschei- 
nungen ein, dann ist das ganze Krankheitsbild eine diffuse Nephritis- 
gewesen; beide Male aber verläuft das mutmaßliche Zwischenstadium 
unter den gleichen klinischen Erscheinungen 

Dieselbe Schwierigkeit besteht natürlich auch im umgekehrten 
Fall, den ich wiederum mit einer Selbstbeobachtung belegen möchte: 


32 Mendel: Die Stellung der Pädonephritis. Heft ı 


Bei einem ıojährigen Knaben besteht scheinbar seit dem 3. Lebensjahre 
eine chronische Pädonephritis. Gelegentlich einer Scharlachinfektion ent- 
wickelt sich in der 3. Woche eine typische diffuse Nephritis mit Blutdruck- 
steigerung und allgemeinen Ödemen. Nach Abklingen der akuten Symptome 
ist der Urinbefund wieder genau der gleiche wie vor dem Scharlach, auch die 
Nierenfunktion ist völlig normal. eo o 

Wiederum erhebt sich die Frage: Herdnephritis oder diffuse 
Nephritis, deren Beantwortung sich je nach dem Ausgang für die 
eine oder andere Krankheitsform entscheiden wird, für das Zwischen- 
stadium aber offen gelassen werden muß. 

Somit kommen wir zu der Überzeugung, daß letzten Endes nur die 
Zahl der erkrankten Glomeruli dafür ausschlaggebend ist, ob eine 
Herdnephritis oder diffuse Nephritis vorliegt; damit sind die Über- 
gänge beider Krankheitsbilder aber so fließend geworden, daß ihre 
Trennung unnötig erscheint. Bezüglich der Pädonephritis gelangen 
wir mithin zu einer Ablehnung der Auffassung, die sie als Herd- 
nephritis betrachtet, wie überhaupt der Begriff der Herdnephritis 
als selbständige Krankheitsform von der Klinik am besten aufzugeben 
ist. Berücksichtigt man ferner, daß nach Heubners Angaben sehr 
häufig der Scharlach die Ursache für die Entstehung einer Pädo- 
nephritis ist und daß gerade die Scharlachnephritis der Schulfall 
der diffusen Nephritis ist, so sehe ich darin eine weitere Stütze für‘ 
die Notwendigkeit, die Pädonephritis- als diffuse Nephritis anzu- 
sprechen. Damit brechen wir auch mit der im Gegensatz zu Heub- 
ners eigenen Angaben stehenden irrigen Meinung von der stets 
günstigen Prognose der Pädonephritis und halten uns auch bei 
zunächst scheinbar gutartigen Fällen die Möglichkeit später auf- 
tretender Folgeerscheinungen vor Augen. 


Literaturverzeichnis. 


ı. Bratke, Jahrb. d. Kinderheilk. Bd. 89. 1919. 

. Stransky, Jahrb. d. Kinderheilk. Bd. 90. 1920. 

. Volhard, Die doppelseitigen hämatogenen Nierenerkrankungen. Berlin 
1918. l 

. Heubner, Jahrb. d. Kinderheilk. Bd. 77. 1913. 

Derselbe, Erg. d. inn. Med. u. Kinderheilk. Bd. 2. 1908. 

Lichtwitz, Die Praxis der Nierenkrankheiten. Berlin 1921. 

Mendel, Jahrb..d. Kinderheilk. Bd. 100. 1922. 

. Stroink, Jahrb. d. Kinderheilk. Bd. 74. 1911. 

. Elis. Schiff, Inaug.-Diss. Heidelberg 1912. 

. Siebeck, Beurteilung und Behandlung der Nierenkranken. Tübingen 
1920. 


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Aus der Kgl. Ung. Franz-Joseph-Universitats-Kinderklinth in Szeged. 
(Letter: Privatdozent Dr. E. Hatniss.) 


Hämoklasische Krise bei ernährungsgestörten Säuglingen. 
Von Dr. Stephan Heller. 


Um eine frühe Erkenntnis der Funktionsstörung der Leber zu 
ermöglichen, veröffentlichte Widal eine neue Methode auf Grund 
der Beobachtung, daß bei Leuten mit gesunder Leber nach Ver- 
abfolgung einer eiweißhaltigen Nahrung binnen 20—60 Minuten 
Leukocytose, wogegen bei Funktionsstörungen der Leber in oben- 
genannter Zeit eine Leukopenie zu verzeichnen ist. Im normalen 
Zustand werden die im Darmtrakte nicht vollkommen abgebaut 
resorbierten Eiweißprodukte, die Peptone, durch die proteopektische 
Funktion der Leber zurückgehalten, wogegen sie bei Erkrankungen 
des Leberparenchyms diese Fähigkeit verliert. Die Peptone gelangen 
in die Blutbahn und bringen jenen Symptomenkomplex zustande, 
welchen Widal „hämoklasische Krise“ benannt hat. Obzwar ein 
Teil der Forscher dies als zuverläßliche Probe bei der Unter- 
suchung der Leberfunktion anerkennt, bezeichnet ein anderer Teil 
sie als unzuverläßlich. Trotz dieser entgegengesetzten Beurteilung, 
oder besser gesagt, ebendeshalb, führten wir die Untersuchungen 
der „hämoklasischen Krise‘ bei Säuglingen ein, wo, da die Leber- 
funktionsstörung einiger Ernährungsstörungen bekannt sind, für die 
Wertbeurteilung dieser Untersuchungen sicherere Aufschlüsse zu 
erwarten waren. 

Meine 39 untersuchten Fälle beziehen sich zum kleineren Teil 
auf gesunde, zum größeren Teil auf kranke Säuglinge. Die Unter- 
suchungen erfolgten früh auf nüchternem Magen: die Säuglinge 
erhielten die letzte Mahlzeit tags vorher um 9 Uhr abends. Ich 
muß bemerken, daß ich in gewissen Fällen, sowohl was die Quantität 
der Nahrung als auch was die .Zeitintervalle zwischen den einzelnen 
Untersuchungen betrifft, von der durch Widal vorgeschriebenen 
Methode etwas abgewichen bin, und zwar insofern, daß ich in den- 

Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 3 


34 Heller. Heft 1 


jenigen Fällen, wo durch Stoffwechseluntersuchungen schon die 
funktionelle Störung der Leber festgestellt ist (z. B. bei der alimen- 
tären Intoxikation), nur eine sehr kleine Portion der Nahrung ver- 
abfolgte, nicht nur wegen einer störungslosen Durchführung der 
Therapie, sondern auch, damit wir ersehen können, inwiefern kleine 
Dosen die proteopektische Fähigkeit der Leber auf Probe stellen. 
Was die Intervalle der Untersuchungen betrifft, zählte ich die Blut- 
körperchen — um die Veränderungen besser beobachten zu können — 
nach der Nahrungsaufnahme nicht in Intervallen von 20 Minuten, 
sondern im Zeitraum von 15 Minuten, der Kontrolle wegen mit zwei 
Pipetten untersuchend. 

Bei gesunden, frauenmilchernährten Säuglingen mußte 
ich Untersuchungen auch durchführen, hauptsächlich darum, weil 
in diesen Fällen entgegengesetzte Resultate mitgeteilt worden sind. 
In ıo Fällen sah ich immer Verdauungsleukocytose, und 
zwar folgend: | 


Fall I: 93001)— 11200 — 12500 — 10300 — 10900; Höhepunkt nach 30 Min. 


II: 7700 — 11660 — 8500 — 9600 — 7000; a fe. I5 
III: 8100 — 9000 — 10100 — 10700 — 12200; es „ 60 
IV: 9400 — 9000 — 12800 — 12100 — 8500; i 1» 30 
V: 9300 — 12000 — 11300 — 10300 — 11700; = » IS 
VI: 5950:— 7900 — 6100 — 7900 — 7600; 5 >» I5 
. VII: 8400 — 12900 — 9450 — 9350 — 10000; au » 1S 
‚ VIII: 7550 — 10900 — 8450 — 10650 — 9150; 7 „ 15 
IX: 12000 — 13850 — 14800 — 14000 — 12300; A „ 30 
X: 9850 — 12850 — 12550 — 12000 — 12550; m „o I5 


Diese Angaben stimmen gegenüber jenen Schiffs mit den Resul- 
taten, welche von Lesne und Langle mitgeteilt worden sind. 

Bei alimentärer Intoxikation stellte ich in 7 Fällen Unter- 
suchungen an, wobei ich auch das beobachten konnte, wie die Säug- 
linge auf minimale Dosen der Nahrung reagieren. Meine Unter- 
suchungen vollführte ich nach dem Abklingen der akuten Erschei- 
nungen und nach einer 24stündigen Hungerzeit. In allen Fällen 
fiel die Probe positiv aus. 

Nach Verfütterung von 20—25 g Frauenmilch erreichte die Leuko- 
cytenzahl nach 30 Minuten (I. 16 850 -— 16 500 — 13 600 — 13 700; 
II. 6150 — 6350 — 5050 — 5800; III. 10 450 — 10 450 — 6400 — 
9000) resp. nach 45 Minuten den tiefsten Stand (IV. 72 100 — 11 goo 
— 0400 — 7900 — 12 000); bei 25—30 g Eiweißmilch ebenso nach 
30 Minuten (V. 11 950 — 8900 — 8500 — 11 200; VI. 13 200 — 


1) Die kursive Ziffer bezeichnet die Leukocytenzahl vor der Untersuchung. 


Heft 1 Hämoklasische Krise bei ernährungsgestörten Säuglingen. 35 


12 350 — 7350 — IO 400), resp. nach 45 Minuten (VII. 13000 — 
II 700 — 12000 — I0 400). 

Bei schwer dekomponierten Säuglingen hatte ich nur in 
2 Fällen Gelegenheit, die Untersuchung ausführen zu können. Nach 
Darreichung von I6og Eiweißmilch war Leukopenie zu kon- 
statieren, wo der Leukocytenwert in beiden Fällen nach 60 Minuten 
den Tiefstand erreichte (I. 8300 — 8400 — 7900 — 6700 — 5500 — 
5700; II. 13 500 — 10 400 — 10 600 — 10 500 — g200 — 12 000). 
In 2 Fallen chronischer Dyspepsie (welche zur Dystrophie des 
Säuglings geführt hatten) stellte sich ebenso Leukopenie ein, 
bei einem auf 150 g EiweiBmilch nach 60 Minuten (21 000 — 16 250 — 
13 400 — 9500 — 7000), beim anderen auf 120g EiweiBmilch nach 
45 Minuten (12 800 — 10 100 — 6400 -- 6200 — II 150). Während 
bei den 2 Fällen von chronischer Dyspepsie die Widalsche 
Probe positiv war, konnte ich bei Dyspepsie von vorübergehendem 
Charakter keine hämoklasische Krise beobachten. 

Bei 6 Fällen schwerer und mittelschwerer Enteritis follicularis 
waren die Resultate verschieden. In 3 Fällen, bei Darreichung 
von 150g Eiweißmilch veränderte sich der Leukocytenwert bis 
45 Minuten nur bei einem (I. 9100 — 9000 — 7100 — 6800 — 8200), 
bei den anderen bis diese Zeit sozusagen gar nicht, und eine Leuko- 
penie tritt nur nachher (60 Minuten) ein (II. 15 500 — 15 500 — 
14 750 —- 15 300 — II 000 — 14 250; III. 8300 — 8400 — 8500 — 
8700 — 4250 — 5600). Im anderen Falle war eine langsam steigende 
Leukocytose zu konstatieren, mit dem Höhepunkt nach 45 Minuten 
(IV. 13 450 — 14 850 — 15 450 — 16950 —- 10200). Nach Dar- 
reichung von 150g Mehlsuppe wurde in 2 Fallen Leukocytose ge- 
funden mit dem Höhepunkt der Leukocytenzahl nach 15 Minuten 
(V. 11 400 — 14 500 — 13 200 —- 13 000) resp. 45 Minuten (VI. 6700 — 
6400 — 7350 — 8050). 

In 9 Fallen der Atrophie ergaben die Untersuchungen, einen Fall 
abgerechnet, positive Reaktion. Die Leukopenie war bei Dar- 
reichung 1,5 deci saurer kohlenhydratreicher Magermilch zweimal 
nach 30 Minuten (I. 10 200 — 7500 — 7250 — I2 250 -- II 320; 
II. 8200 — 7700 — 5600 — 6900 — 7600), zweimal nach 45 Minuten 
(III. 12 750 — 9400 — Io 200 — 8000 — 9200; IV. 9200 -- 9000 — 
7000 — 6000 —6250) zu konstatieren. Bei derselben Nahrung 
reagierte ein Säugling mit Leukocytose (V. 6800 — 8500 — 9650 — 
5400 — 7500). Nach 1,5 deci Eiweißmilch war in allen 3 Fällen 
Leukopenie zu beobachten, mit dem Tiefpunkt nach 30 Minuten 
(VI. 8500 — 6800 — 6700 — 7100; VII. 9200 — 8400 — 8000 — 

3* 


36 Heller. Heft I 


10 300; VIII. 7600 — 7600 — 5300 — 10 600), resp. einmal nach 
60 Minuten (IX. 24000 — 21 000 — 22 400 — 18000 — 15 200). 
Bei luetischen Säuglingen war die Krise am prägnantesten 
zu sehen. In 3 Fällen, wo die Untersuchung eingeleitet wurde, sank 
die Leukocytenzahl schon während der ersten 15 Minuten (I. 13 800 — 
4000 — 6800 — 5800; II. 16 300 — 9000 — 1300 — 11 000; III. 13 000 
` — 8000 — 10 200 — 15 100). Es ist aber zu bemerken, daß bei allen 
dreien eine hochgradige Lebervergrößerung zu beobachten war. 
Nach meinen Untersuchungen fand ich: 
A. Hämoklasische Krise: 
I. bei alimentärer Intoxikation in sämtlichen untersuchten 
Fällen, 
. bei den untersuchten zwei Dekomponierten, 
. bei chronischer Dyspepsie, 
. bei schwerer Atrophie, 
. bei Lues congenita. 
B. Negative Reaktion: 
I. bei den ıo untersuchten gesunden frauenmilchernährten 
Säuglingen, 
2. bei leichter, vorübergehender Dyspepsie. 
C. Verschiedene Resultate bei Enteritis follicularis. 


Es ist von Interesse, daß bei alimentärer Intoxikation schon 
nach Aufnahme sehr geringer Nahrungsmengen in den 
meisten Fällen früh sich einstellende Leukopenie auftrat, was auf 
die schwere funktionelle Störung der Leber schließen läßt. Die 
schwerkranke Leber der Intoxizierten, wo die Funktionsstörung 
schon durch die Stoffwechselversuche von Langstein-Mayer 
sowie Pfaundler erwiesen wurde, kann ihre proteopektische Funk- 
tion gegenüber kleinen Mengen zur Resorption gelangten Eiweißes 
auch nicht erfüllen. 

Was die Qualität der Nahrung anbetrifft, so konnte ich die stärkste 
Reaktion bei Darreichung von Eiweißmilch beobachten. Ich muB 
es eigentlich der Qualität der Nahrung zuschreiben, daß in beiden 
Fällen von Enteritis follicularis, als die Säuglinge 10 prozenthaltige 
Mehlsuppe — also kohlenhydratreiche Kost erhielten — die Widal- 
sche Probe negativ ausfiel. Da diese auf den veränderten Verhält- 
nissen des Eiweißstoffwechsels der Leber beruht, konnte die kohlen- 
hydratreiche Nahrung die proteopektische Fähigkeit der Leber 
nicht auf die Probe stellen. Demgegenüber haben Schiff und 
Stransky neuerdings nach Darreichung von kohlenhydratreicher 


pw N 


Heft I Hämoklasische Krise bei ernährungsgestörten Säuglingen. 37 


Nahrung hämoklasische Krise beobachtet, und sie halten die Widal- 
sche Probe nicht für eine durch Eiweißstoffe ausgelöste spezifische 
Reaktion. 

Nach meinen Untersuchungen halte ich die Widalsche Probe 
aus diagnostischen Standpunkt nicht für wertlos, "im Gegenteil 
bestärken mich diese wenigen, der Vervollständigung harrenden 
Versuche in dem Glauben, daß diese Reaktion zur Beurteilung 
der Funktionsfähigkeit der Leber verwendbar ist. Diese Auffassung 
wird um so gerechtfertigter erscheinen, wenn wir die negative Krise 
der gesunden Säuglinge der stets positiven Reaktion der Luetischen 
und Intoxizierten gegenüberstellen, wo die Leukopenie mit der 
klinisch feststellbaren Leberveränderung sozusagen parallel ging. 
In Anbetracht dessen, daß bei chronischer Dyspepsie, Dekomposition 
und Atrophie eine hämoklasische Krise zu beobachten war, halte 
ich es für wahrscheinlich, daß bei diesen Krankheiten die Leber- 
funktion auch gestört ist. 


Literaturverzeichnis. 


Widal, Abrami, Presse méd. Nr. 31, 1920, S. 893. 

Schiff und Stransky, Jahrb. d. Kinderheilk. Bd. 95, 1921, & 286. 
Schippers-de Lange, Zeitschr. f. Kinderheilk. Bd. 33, 1922, S. 169. 
Lesne-Langle, Physiologie norm. et pathol. du nourisson 1921. 


Aus dem Karolinenkinderspital in Wien. 
(Direktor: Prof. Dr. W. Knoepfelmacher.) 


Leberfunktionsprüfungen bei Schilddrüsenstörungen. 


(Auszugsweise mitgeteilt in der Ges. für Kinderheilkunde in Wien 
am 24. I. 1923.) 


Von Dr. Otto Pollak. 
(Mit 1 Kurve.) 


Die langst bekannten Beziehungen zwischen Thyreoidea und 
Kohlenhydratstoffwechsel legten den Gedanken nahe, daB ein ge- 
wisser Zusammenhang zwischen Funktionsstörungen der Thyreoidea 
und solchen der Leber bestehen könnte. Wir haben auf Grund 
dieser Erwägungen bei 3 Kindern mit Schilddrüsenstörungen Leber- 
funktionsstörungen vorgenommen. 

Die ersten 2 Fälle waren Wiener Kinder, bei welchen die Strumen 
in der letzten Zeit sehr häufig beobachtet werden. Der 6jährige 
Wilhelm W. und das r2jahrige, geschlechtlich noch nicht ent- 
wickelte Mädchen Friederike F. hatten parenchymatöse Strumen, 
die sich im Laufe von ca. 3 Monaten ausgebildet haben. Der Kropf 
bewirkte bei dem Knaben ein erschwertes, schnarchendes Atmen 
(röntgenologischer Befund: Kompression der Trachea), ansonsten 
war der klinische Befund bei beiden Kindern ohne Besonderheiten. 

Der dritte Fall, Ethel K., war eine typische kongenitale Thyreo- 
aplasie: das r1jahrige Kind nahm seit dem zweiten Lebensjahre 
Schilddrüsentabletten. Vor einem Jahre wurde ihm versuchsweise 
Thyreoidea ın die Bauchdecken implantiert. Seitdem bekam es 
keine Schilddrüsentabletten mehr; das Implantat scheint aber nicht 
zur Funktion gekommen zu sein, so daß das Myxödem komplett 
rezidivierte. 


Leberfunktionsprüfungen. 


I. Die erste Leberfunktionsprüfung, deren wir uns bedient haben, 
ist von Glaessner (I) angegeben und wurde von Falk und Sa x] (2). 


Heft 1 Leberfunktionsprüfungen bei Schilddrüsenstörungen. 39 


Jastrowitz (3) und teilweise auch von Frey (4) bestätigt. Sie be- 
steht darin, daß Leberkranke die zugeführten Aminosäuren nicht 
gänzlich zu Harnstoff umwandeln, sondern daß sie die Aminosäuren 
zum Teil wieder unverbraucht ausscheiden. Glaessner gebrauchte 
zu dieser Leberfunktionspriifung 20g Glykokoll; andere Autoren 
fanden ähnliche Resultate nach oraler Zufuhr von Leucin ader von 
racemischen Formen der Asparaginsäure und des Alanins. Kin- 
berg (5) hat gezeigt, daß man zu dieser Probe Gelatine verwenden 
kann. Werden 50 g Gelatine zugeführt, so scheidet der lebergesunde 
Organismus in den ersten 24 Stunden nach der Gelatinezufuhr 
maximal 0,5 g Aminosäurenstickstoffes im Harne aus, der leber- 
geschädigte dagegen mehr als 0,5 g. 

Bei unseren Versuchen haben wir die letztgenannte Methode von 
Kinberg angewendet. Zur Verdeckung des Leimgeschmackes 
verabreichten wir die Gelatine im Pudding. Zur Konservierung 
des Harnes gaben wir in das Gefäß, in welchem die 24stündige 
Harnmenge gesammelt wurde, einige Tropfen Toluol; die Analyse 
geschah gleich, nachdem die Menge gesammelt worden war. Zur 
quantitativen Bestimmung der Aminosäuren bedienten wir uns der 
Formoltitration nach Sörensen!). Die dabei nötige quantitative 
Ammoniakbestimmung geschah nach Fohlin. Bei. den Analysen 
wurden stets Doppelbestimmungen angestellt, und in der unten 
angeführten Tabelle erscheinen Mittelwerte der erst in der zweiten 
Dezimalstelle ganz gering differierenden Einzelbestimmungen. Die 
Differenzen entsprechen einem Tropfen der Titrationsflüssigkeit. 

Diese Leberfunktionsprüfung haben wir auch bei zwei gesunden 
. Kontrollkindern angestellt. Die Ergebnisse unserer Versuche zeigt 
folgende Tabelle: 





| Vor der Gelatine- ' Nach der Gelatinezufuhr 




















in den ersten |in den nächsten 
| futut i ee Stunden 24 Stunden 
: A.N 0,210 0,432 0,416 | 
Kontrollkinder W.R. 0,199 0,334 0,059 | g Amino- 
fki W. W. 0,216 0,675 0,553 säuren- 
ISTOpIBnder F. F. |! 0,360 0,708 ? | stickstoff 
Myxödem E.K. | 0,113 0,205 | 0,196 


Als Grenzwert werden, wie oben erwähnt wurde, 0,5g Amino- 
säurenstickstoffes angenommen. Trotzdem wir vor den Versuchen 
auch bei den Kropfkindern normale Aminosäurenstickstoffwerte 


1) Bei ammoniakreichen Harnen gibt diese Methode schlechte Resultate, 
deshalb konnten wir auch einen in der Tabelle fehlenden Wert nicht ermitteln. 


40 Pollak: Leberfunktionsprifungen bei Schilddrüsenstörungen Heit 1 


fanden, ergab sich nach der Gelatinezufuhr eine deutliche Differenz. 
Nur die beiden Kropfkinder zeigten Werte über 0,5, das Myxödem 
hingegen wies vor und nach der Probe die geringsten Werte auf. 

Bei unseren Kropfkindern sahen wir also 
eine abnorm erhöhte Aminosäurenausschei- 
dung nach oraler Zufuhr von 50 g Gelatine, 
bei Myxödem konnten wir dagegen keine 
diesbezügliche Leberfunktionsstörung nach- 
weisen. ` 

2. Zur Kontrolle dieses Ergebnisses ver- 
suchten wir bei dem Kropfkinde Wilhelm 
W. als zweite Leberfunktionsprüfung die 

Kropfkinder Galaktoseausscheidung nach R. Bauer. 

222222... Myxödem Bei dieser Leberfunktionsprüfung darf der 

Kontrollkinder normale Organismus — was auch mehr- 

mals bei Kindern nachgeprüft und bestätigt 

wurde — nach oraler Zufuhr von 40g Galaktose nicht mehr als 
3g derselben durch die Niere ausscheiden. 

Bei unserem Versuche — die Galaktosemenge im Harne wurde 
polarimetrisch bestimmt — hat das Kropfkind Wilhelm W. von den 
oral zugeführten 40 g Galaktose 3,9 g im Harne ausgeschieden, also 
um 0,9g mehr als noch normal zulässig wäre. 

3. Die Vidalsche hämoklastische Krise war sowohl bei den Kropf- 
kindern als auch beim Myxödem positiv. Es ergaben sich folgende 
Leukocytenverminderungen: 





0 24h 46h 


Kropfkind Wilhelm W. von 12 500 in 20 Minuten auf 7600 
i Friedrike T. von 9800 in 15 Minuten auf 6600 
Myxödem Ethel K. von 7000 in 35 Minuten auf 5600. 

Die Zahl unserer Versuche ist zwar gering. Der Ausfall derselben 
berechtigt uns aber darauf hinzuweisen, daß Schilddrüsenstörungen 
bei Kindern mit Leberfunktionsstörungen einhergehen bzw. dieselben 
im Gefolge haben können. 


Literaturverzeichnis. 


. Glaeßner, Zeitschr. f. exp. Pathol. u. Therap. Bd. 4, 1907, S. 336. 

. Falk und Saxl, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 73, 1911, S. 131. 

. Jastrowitz, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 59, 1908, S. 471. 
. Frey, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 72, 1911, S. 382. 

. Kinberg, Hygiea Bd. 81, 1919, S. 86. 


wmh wb 


Aus der Kinderklinik der Königl. Ungarischen Elisabeth-Universität, 
derzeit im Weißen-Kreuz-Kinderspital zu Budapest. 
(Direktor: Prof. Paul Heim.) 


Über die Coffeinwirkung im Säuglingsalter. 
Von Dr. Uli E. Herzfeld. 


Coffein ist eines der wichtigsten und häufig gebrauchten Herz- 
mittel. Man könnte glauben, daß die therapeutischen Dosen genau 
bestimmt sind, wenn wir aber die Lehrbücher der Kinderheilkunde 
betrachten, finden wir auffallend große Abweichungen in der Dosie- 
rung. Kleinschmidt bestimmt die Dosis der Säuglinge in 0,05 ccm 
4mal täglich per os und subcutan. Birk gibt im Säuglingsalter 
bei auftretender Herzschwäche zweistündlich 0,01 Coffein per os, 
in schweren Fällen subcutan ebensoviel. Nach Feers Vorschrift: 
ist die Dosis des Coffeins im zweiten Halbjahr 0,03 Coffein, von 
Jüngeren Säuglingen macht er keine Erwähnung. Lust empfiehlt, 
daß die von Lewin angegebene Formel nur als Richtschnur dienen 
soll, denn nach beiden Seiten kann und muß von ihr vielfach ab- 
gewichen werden, wenn man einerseits die spezifische Überempfind- 
lichkeit, anderseits die spezifisch erhöhte Toleranz des kindlichen 
Organismus nicht außer acht lassen will. Lust gibt die Dosen von 
Coffeinum natrio-benzoicum im ersten Lebensquartal in 0,025—0,05, 
3—4mal täglich an. | 

Einige Pharmakologen rechnen mit Hilfe einiger gebräuchlichen 
arithmetischen Formeln die Dosen, die man im verschiedenen Lebens- 
alter geben kann. Junker und Gaubius schreiben für Kinder 
unter einem Jahr den 1/,,—*/,,. Teil der Erwachsenendosis vor 
(von jedem Heilmittel), ebensoviel das ungarische Lehrbuch der 
Pharmakologie. Stokvis und Joung kommen zu demselben Resul- 
tat, einerseits das Körpergewicht, anderseits das Lebensalter der 
Säuglinge der Berechnung zugrunde legend. Duret benützt zur 
Berechnung der Dosis eine Bruchzahl, deren Zähler die Zahl der 
Jahre, der Nenner 2o ist, und das erste Jahr teilt er noch in 10 Teile, 


42 Herzfeld. Heft r 


so daß ein 2 Monate alter Säugling den ?/æọ soviel wie */199. Teil 
der Erwachsenendosis bekommen kann. 

In folgendem haben wir systematische Untersuchungen angestellt, 
wie die Wirkung der verschiedenen Coffeindosis im verschiedenen 
Alter bei gesunden Säuglingen ist. (Unter gesunden Säuglingen 
wollen wir immer nur solche verstehen, bei welchen keine Erkrankung 
mit Zirkulationsstörung vorhanden ist.) Unsere Wahl traf darum 
solche Säuglinge, bei welchen keine Kreislaufstörungen zu finden 
waren, damit wir so die eventuellen schädlichen und toxischen Ein- 
flüsse des Coffeins leichter und genauer beobachten können. Unter 
den Kindern sind einige über ı Jahr alt, sie waren aber in der 
Entwicklung hinter ihren Altersgenossen stark zurückgeblieben und 
lagen auch im Spital auf der Säuglingsabteilung. 

Coffein wirkt hauptsächlich auf das Zentralnervensystem, auf die 
Zirkulation (Herz) und Diurese. Wir haben folgende Wirkungen 
beobachtet: genau wurde der Blutdruck, Puls und Atemfrequenz 
registriert. Wir haben mit Aufmerksamkeit das Benehmen der 
Kinder verfolgt, ob sie nicht unruhig, aufgeregt wurden, ob sie 
geschlafen haben, wie sich die Stuhlbeschaffenheit, der Appetit, 
die Urinentleerung, das Gewicht, die Körperwärme verändert hat 
und ob Erbrechen aufgetreten ist. Bei der Beurteilung der toxischen 
Wirkung des Coffeins haben wir es für wichtig gehalten, das Ver- 
halten der Gewichtskurve pünktlich zu beobachten. Die Gewichts- 
veränderung spielt bei Erwachsenen keine Rolle, doch im Säuglings- 
alter ist die gleichmäßige Körpergewichtszunahme eines der wich- 
tigsten Kriterien der Gesundheit. Als wir an gesunden Kindern die 
Coffeinwirkung beobachteten, hatten uns folgende Gesichtspunkte 
geführt: r. Ein großer Teil der kranken Kinder ist bei schlechter 
Laune und meist unruhig, weint viel, so daß es die Registrierung 
des Blutdrucks, Puls und Atemfrequenz sowie die Beurteilung der 
erregenden Wirkung des Coffeins wesentlich erschwert. 2. Die 
Grewichtskurve schwerkranker Kinder sinkt oder, wenn sie auch halt- 
macht, zeigt sie größere Schwankungen, so daß ein ev. durch die 
toxische Wirkung des Coffeins hervorgerufener Gewichtssturz 
nicht so auffallend ist. Wir haben es für notwendig gehalten, fest- 
zusetzen, welches die maximale Coffeindosis, die von gesunden 
Säuglingen ohne jeden Schaden vertragen wird, bei welcher weder 
Gewichtsabnahme, Durchfall, Erbrechen, Fieber, Appetitlosigkeit 
noch auffallende Unruhe oder ev. Kreislaufstörung auftritt. 


Unsere Untersuchungsmethode war folgende: wir benützten in 9 Fällen 
eine Coffeinlösung, wie sie aus der Apotheke in Ampullen geliefert war, in den 


Heft 1 Uber die Coffeinwirkung im Säuglingsalter. | 43 


übrigen Fällen verwendeten wir eine von uns selbst hergestellte 20 proz. Lösung 
des Coffeinum natrio-benzoicum (einmalige Sterilisierung). Die Dosierung 
geschah in Form von subcutanen Injektionen. Die Kinder wurden immer 
in liegender Lage untersucht. Die Zählung der Puls- und Atemfrequenz haben 
wir schon eine Viertelstunde vor der Injektion angefangen und zählen in dieser 
wie in folgender Zeit dies jede 5 Minuten. Die Blutdruckmessung haben wir 
ca. jede 5 Minuten ausgeführt mit dem Recklinghausenschen Tonometer, 
immer zu einer Zeit, als die Kinder nicht weinten. Die Blutdruckwerte sind in 
H,O cm angegeben. Die Beobachtung der Kinder in dieser Weise dauerte 
2 Stunden lang. Das Gewicht der Säuglinge wurde täglich einmal, in einigen 
Fällen auch vierstündlich gewogen. Die Körperwärme wurde außer früh und 
abends auch knapp vor und nach dem Versuch gemessen. In einigen Fällen 
batte dasselbe Kind die gleiche Dosis Coffein mehrmals bekommen, damit 
wir die Änderungen der Gewichtskurve genauer beobachten können. 


Bei der Analyse der Coffeinwirkung bezüglich der verschiedenen 
Funktionen können wir folgendes hervorheben: 


Die Atemfrequenz ändert sich nicht auffallend nach 0,20 Coffein. 
Unter normalen Verhältnissen sehen wir große Schwankungen 
in der Atemfrequenz im Zusammenhange mit dem Weinen und den 
Umständen des Kindes, und demgemäß sahen wir keinen Unterschied 
nach den Coffeininjektionen. In einem Fall (18), als wir 3 x 20 Cof- 
fein gaben, sahen wir nach der ersten Injektion große Schwankungen 
in der Atemfrequenz (20—70), nach der zweiten und dritten war die 
Atmung verhältnismäßig ruhig, obgleich das Kind in dieser Zeit 
auch geweint hat. 


Nach 0,30 Coffein ist die Atemfrequenz etwas schwankender, 
die Exkursionen sind etwas größer, aber diese können nur indirekt 
auf die Coffeinwirkung zurückgeführt werden, weil die etwas höheren 
Maxime mit dem Weinen und der sichtbaren Unruhe des Kindes 
zusammenfallen. 


Blutdruck: Nach 0,20 Coffein änderte sich der Blutdruck 
nicht wesentlich, ebensowenig nach 3 X 0,20 Coffein. Einmal sahen 
wir nur nach einmaliger Coffeininjektion eine Differenz von 25 H,Ocm. 
In 2 Fällen, als das Kind 3 x 0.20 Coffein erhielt, erhöhte sich der 
Blutdruck überhaupt nicht und zeigte auch keine Schwankungen. 
Die maximale Differenz war unter normalen Verhältnissen zo H,O cm 
(95—115), nach Coffeingabe 25 H,O cm (110—35). 

Nach 0,30 Coffein stieg der Blutdruck nicht auffallend, die maxi- 
male Differenz bei demselben Kind war 20 H,O cm, im allgemeinen 
war die Differenz 10—ı5 H,O cm, sowie unter normalen Verhält- 
nissen. Der Blutdruck wurde nur in 2 Fällen pünktlich bis zu Ende 
beobachtet, bei einem Kinde waren wir während des Versuches 


44 Herzfeld. Heft ı 


zweimal 15—15 Minuten lang wegen der groBen Unruhe und dem 
Weinen in der Blutdruckmessung verhindert. 

Der Schlaf hatte keinen auffallenden Einfluß auf den Blutdruck, 
in 8 Fällen konnten wir den Übergang vom ruhigen Zustand in Schlaf 
beobachten, unter diesen war bei einem Kinde gar keine Änderung, 
zweimal eine Erhöhung von ıoH,Ocm, in 5 Fällen eine Senkung 
von 6—15 H,O cm solche Werte, welche von den normalen Schwan- 
kungen nicht abweichen. 

Pulsfrequenz: Nach 0,20 Coffein und 3 x 0,20 Coffein zeigt 
die Pulzahl keine ständige bestimmte Vermehrung, zwischen 14 Fäl- 
len sahen wir nur zweimal eine ausgesprochene Erhöhung der Puls- 
zahl und einmal nach 3 x 0,20 Coffein. 

Von 3 Fällen, wo wir 0,30 Coffein gaben, war die einzige auffallende 
Änderung, daß die Pulszahl größere Schwankungen zeigte als vorher, 
die Differenz zwischen dem Maximum und Minimum war größer. 

Stuhlbeschaffenheit: Nach 0,30 Coffein änderte sich der Stuhl 
bei einem Kind gar nicht, bei 2 Kindern sahen wir häufigeren Stuhl- 
gang. 

Von ıı Fällen nach ı x 0,20 Coffein wurde die Stuhlbeschaffen- 
heit einmal schleimiger, in den anderen Fällen keine Änderung. 

Nach 3 x 0,20 Coffein von ıı Fällen wurde der Stuhl bei 2 Kin- 
dern schleimiger und häufiger, alle beide sind jüngere und früher 
schwer geschädigte Kinder, die ihr altersgemäßes Entwicklungsgrad 
noch nicht erreicht haben. Von diesen Säuglingen der eine, als er 
schon weit über das Reparationsstadium hinaus war und I!/,kg 
seit der letzten Coffeininjektion zu sich genommen hat, zeigte ın 
der Stuhlbeschaffenheit nach 3 X 0,20 Coffein keine Änderung. 

In 8 Fallen nach 3 x 0,10 Coffein und bei ebensovielen nach 
3 X 0,05 Coffein und in g Fallen nach 1 x 0,10 Coffein veranderte 
sich der Stuhl nicht. 

Da wir nur solche Kinder zur Beobachtung aussuchten, die ständig 
gute Stuhlbeschaffenheit zeigten und unmittelbar nach dem Versuchs- 
tag oder höchstens in I—2 Tagen die normale Konsistenz der Stühle 
zurückkehrte, können wir das Zustandekommen der schleimigen 
Stühle nur auf nervösem Wege erklären. 

Erbrechen: Von 3 Kindern, die 0,30 Coffein bekamen, reagierten 
alle mit Erbrechen ı—2 mal, ein Kind mit habituellem Erbrechen 
hat 4mal, ein Kind hat auch noch den nächsten Tag gebrochen. 

Von ıı Fällen in vier nach 3 x 0,20 Coffein sahen wir kein Er- 
brechen, zwei ältere (20 und 12 Monate alte) in gutem Zustand 
befindliche Kinder haben nicht gebrochen. Ein Kind hat das erste- 


Heft ı Über die Coffeinwirkung im Säuglingsalter. 45 


mal 6mal, ı!/, Monate später nicht einmal gebrochen. Zwei solche 
Säuglinge haben wir gesehen, bei welchen 5—6mal Erbrechen auf- 
getreten ist, eines wiederholt im Strahl, Ein 17 Monate altes, in 
gutem Zustand befindliches Kind hat auch einmal, 2 Kinder haben 
noch den nächsten Tag, das eine 4mal gebrochen. Das Erbrechen 
ist immer nur nach der zweiten oder dritten Injektion aufgetreten. 

Nach I x 0,20 Coffein haben von ıı Kindern 4 gebrochen, bei 
einem sahen wir auch sonst habituelles Erbrechen. 

Von 8 Fällen nach 3 x 0,10 Coffein sahen wir in 3 Fällen Er- 
brechen, ein Kind hat 3mal gebrochen, sämtliche nach der dritten 
Injektion. 

Nach 1 x 0,10 Coffein trat kein Erbrechen auf. 

Auf 3 x 0,05 Coffein reagierten von 8 Kindern 3 mit Erbrechen, 
von denen 2 früher an habituellem Erbrechen litten, jetzt aber seit 
Monaten kein Erbrechen aufgetreten ist. 

Appetit: Nach 0,30 Coffein sahen wir von 3 Kindern bei einem 
verringerten Appetit. 

Nach 3 x 0,20 Coffein sahen wir von ıı Fällen in 5 verringerten 
Appetit, bei 3 Kindern auch noch den nächsten Tag. 

Nach ı x 0,20 Coffein ist von ıı Fällen 2mal Appetitlosigkeit 
aufgetreten. 

Nach 3 x 0,10 und I x 0,10 Coffein tranken die Kinder mit 
gutem Appetit. 

Nach 3 x 0,05 Coffein hat sich der Appetit von 8 Kindern nur 
bei einem früher schwer geschädigten verringert, sowie am Versuchs- 
tag und auch den folgenden Tag. 

Diurese: Die 24stündliche Urinmenge war an normalen Tagen 
durchschnittlich zwischen 320 und 392 ccm an einem der Coffein- 
gabe folgenden Tag sank die Urinmenge (von 24 Stunden) auf 194 ccm 
(diesen Tag 190g Gewichtszunahme). An solchen Tagen, an denen 
wir Coffein gaben, schwankte die 24stündliche Urinmenge zwischen 
270 und 490ccm (an dem Tag, wo die Urinmenge 490 ccm war, 
120g Gewichtszunahme). Zusammenfassend können wir sagen, 
daß in den sechs untersuchten Fällen keine Steigerung der Diurese 
infolge der Coffeingabe eingetreten ist. 

Gewicht: Nach 0,30 Coffein ist von 3 Fällen in zweien eine 
Gewichtsabnahme von I5og eingetreten, bei einem früher schwer 
geschädigten Kind sahen wir einen Gewichtsverlust von 2408. 
Bei diesem sind ähnliche Gewichtsschwankungen auch früher auf- 
getreten. Die Körpergewichte der Kinder waren zwischen 3250 bis 
5100 g. 


46 Herzfeld. Heft 1 


3 x 0,20 Coffein verursachte bei 6 Kindern einen Gewichtsverlust 
von I30—430 g, ein Kind (VI) hat 40 g zugenommen. Dasselbe 
Kind, welches das erstemal 430g abgenommen hatte, reagierte 
auf dieselbe Dosis Coffein ı!/; Monate später mit 120g Gewichts- 
zunahme. Bei den zwei jüngsten früher schwer geschädigten Kindern 
sahen wir die größte Gewichtsabnahme. Die Körpergewichte der 
Säuglinge waren zwischen 3600 und 7800 8. 

Von ıı Kindern haben 2 nach I x 0,20 Coffein zugenommen, 
bei 9 Säuglingen ist ein Gewichtsverlust von 50--170 g aufgetreten. 
Vormals haben alle kontinuierlich an Gewicht zugenommen, so daß 
die Gewichtsabnahmen sicher auf die Coffeininjektionen zurück- 
zuführen sind. | 

3 x 0,10 Coffein verursachte von 8 Kindern bei 4 keine Gewichts- 
änderung oder minimale (40 g) Schwankung in der Gewichtskurve. 
Ein Säugling hatte 350g abgenommen (3850 g Lues cong.), bei 
3 Säuglingen sahen wir eine Gewichtsabnahme von 140—150 g. 
Das Körpergewicht der untersuchten Kinder schwankte zwischen 
3850—8600 g. Ein früher schwer geschädigtes Kind zeigte nach 
2 x 0,10 Coffein einen Gewichtsverlust von 160 g. 

3 X 0,05 Coffein verursachte in 3 Fällen von 8 Kindern eine Ab- 
nahme von go—-170—-170 g (4590 g — 3870 g — 6850 g). In 5 Fällen 
bei täglich wiederholter Dosierung sahen wir entweder Zunahme 
oder minimale Gewichtsschwankungen. 

I x 0,10 Coffein verursachte in 8 Fällen keine Veränderung, 
nur ein mikrocephales Kind reagierte mit ıgog Gewichtsabnahme. 
Im allgemeinen kann man von den Gewichtsabnahmen sagen, daß 
die Gewichtskurve den 2. Tag nach der Coffeininjektion zu steigen 
. anfängt und in einem oder dort, wo größere Gewichtsabnahmen waren, 
in 2 oder höchstens in 3 Tagen das ursprüngliche Niveau erreicht. 

Da wir auch in solchen Fällen Gewichtsabnahme sahen, wo weder 
das Erbrechen noch die Verschlechterung der Stuhlbeschaffenheit 
noch die Steigerung der Diurese in Anschlag kommen kann, ist die 
Änderung der Gewichtskurve der Perspiratio insensibilis zuzu- 
schreiben. 

: Körpertemperatur: Nach 0,30 Coffein sahen wir in 2 Fällen 
Fieber, bei einem Kinde am Tage der Injektion 37,3°, bei dem 
anderen den darauffolgenden Tag 37,2°. 

3 x 0,20 Coffein verursachte bei einem Säugling subfebrile Tempe- 
ratur, in einem Falle am Tage nach der Injektion 39,3° (zugleich 
430 g Gewichtsabnahme). Bei einem Kind stieg die Temperatur 
während des Versuches von 37,1° auf 37,3° (indessen 4 mal Eklampsie), 


Heft 1 Über die Coffeinwirkung im Säuglingsalter. 47 


das andere Mal beim selben Kind nach der dritten Injektion 2 mal 
Eklampsie (mikrohydrocephales Kind) und eine Temperaturerhöhung 
von 36,9° auf 37,4. 

Nach 1 x 0,20 Coffein und 1 x 0,10 und 3 x 0,10g keine Ande- 
rung, nur bei einem Kind an dem Tag nach der Injektion, als der 
Gewichtssturz von 350g zur Beobachtung kam, Fieber 39°, schon 
am Versuchstag eine Temperaturerhöhung von 37,7°. 

Psyche: Von 3 Fallen nach 0,30 Coffein fanden wir bei einem 
Kind eine ausgesprochene Unruhe, die zwei anderen waren auch 
ziemlich erregt und unruhig, aber trotzdem schliefen sie nach der 
Injektion fiir kiirzere Zeit ein. 

Auf 3 x 0,20 Coffein reagierten von 7 Kindern 3 mit schlechter 
Laune, wenn wir aber mit ihnen spielten, wurden sie ganz heiter. 
Ein Kind weinte viel, ein anderes war ganz ruhig, ein Säugling ist 
nach der zweiten Injektion für eine kurze Zeit, eine halbe Stunde 
nach der dritten Injektion, auf 40 Minuten eingeschlafen. 

I x 0,20 g Coffein verursachte von g Fällen zweimal große Unruhe, 
4 Kinder schliefen trotz der Pulszählung und Blutdruckmessung. 

Nach 3 x 0,10 Coffein war ein Kind bei schlechter Laune, zwei 
Sauglinge waren sehr unruhig (bei einem 350g Gewichtssturz). 
Nach I x 0,10 Coffein weinten zwei Kinder etwas mehr den ganzen 
Tag. | 

Nach 3 x 0,05 Coffein keine Änderung. Ä 

Bei einem mikrocephalen Kind verursachte 0,30 Coffein 4mal 
Eklampsie, 3 x 0,20 Coffein nach der dritten Injektion 2 mal Eklamp- 
sie, Achilles- und Patellarklonus, während dieses Versuches ständig 
spontane Babinskystellung. Die Auslösung vom Patellarklonus 
ist noch den folgenden Tag gelungen. ı x 0,20 Coffein verursachte 
das eine Mal Eklampsie, das andere Mal konnten wir ®/, Stunden 
nach der Injektion Achillesklonus auslösen. 

Diese Daten zeigen uns deutlich, daß bei der Coffeinwirkung 
wesentliche Unterschiede zwischen dem Säuglings- und dem Er- 
wachsenenalter bevorstehen, aber auf alle Fälle können wir das 
Säuglingsalter nicht einheitlich betrachten, weil auch dort grund- 
sätzliche Unterschiede sind. Früher geschädigte Kinder zeigen eine 
auffallende Überempfindlichkeit gegenüber anderen Kindern des 
gleichen Alters auch dann, wenn sie schon längere Zeit über das 
Reparationsstadium hinaus sind und gleichmäßige Gewichtszunahme 
aufweisen können. Wenn wir von diesen Fällen absehen und nur 
die anderen Kinder betrachten, finden wir, daß man unverhältnis- 
mäßig große Coffeindosen verabreichen kann, ohne daß in der Zir- 


48 Herzfeld. Heft 1 


kulation oder Respiration die kleinste Änderung eintreten möchte. 
Wenn wir diese Dosen fiir normal im Säuglingsalter annehmen 
wollten und mit Hilfe der bekannten Formeln die Dosen der Er- 
wachsenen ausrechneten, bekämen wir schwer toxische Dosen für 
das Erwachsenenalter. 

Diese Untersuchungen zeigen uns klar die außerordentliche Emp- 
findlichkeit des Stoffwechsels und der Darmprozesse im Säuglings- 
alter. Solche Coffeindosen, die vielmals kleiner sind als diese, die 
überhaupt wirksam sind auf die Zirkulation und auf das psychische 
Benehmen, führen zu beachtenswerten Gewichtsabnahmen. Wollten 
wir die toxische Dose im ersten Lebensjahr festsetzen, da müßten 
wir in erster Reihe unsere Aufmerksamkeit der Gewichtskurve 
und dem Verhalten des Verdauungstraktus schenken. Bei der Fest- 
setzung der toxischen Dose muß man immer diese kleinste Dose 
nehmen, die noch irgendeine schädigende Wirkung ausübt. Aus 
diesem Gesichtspunkt ist die Dosierung der üblichen 0,05 Coffein 
mehrmals täglich auch nicht in jedem Falle erlaubt, denn bei früher 
schwer geschädigten und schwachen Kindern ist damit eine toxische | 
Wirkung auslösbar, dagegen bei älteren Kindern können viel größere 
Dosen wirkungslos sein oder wenigstens zu keinen klinischen Sym- 
ptomen führen. 

Aus praktischem Gesichtspunkt ist hervorzuheben, daß die Stoff- 
wechselvorgänge (Magen und Darmtraktus) eine ganz andere Emp- 
findlichkeit gegenüber Coffein zeigen als die Kreislauforgane und 
das Zentralnervensystem. Bei Erwachsenen, wenn von der toxischen 
Dose die Rede ist, kommen hauptsächlich die letzteren in Betracht, 
bei Säuglingen dagegen sind gerade der Zirkulationsapparat und das 
Zentralnervensystem (psychisches Benehmen) die, die größte Toleranz 
gegenüber dem Coffein aufweisen. Gute Beispiele zeigen dafür die 
Versuche, wo die Kinder für kürzere oder längere Zeit ruhig ein- 
schliefen. 

Coffein wird im Säuglingsalter hauptsächlich als Herzmittel be- 
nützt, und es ist unwahrscheinlich, daß wenn so große Dosen keine 
auffallende Wirkung auf die Zirkulation haben, die vielfach kleineren 
‘Dosen eine therapeutische Wirkung ausüben könnten. Bei Er- 
wachsenen liegen die gewöhnlichen Dosen nicht weit von den toxi- 
schen, jedenfalls darunter. Bei Säuglingen aber sind die Mengen, 
die auf den Stoffwechsel toxisch wirken, viel kleiner als die Mengen, 
die auf den Kreislauf überhaupt eine Wirkung ausüben. Man kann 
die Möglichkeit nicht ausschließen, daß wenn unter pathologischen 
Verhältnissen die Zirkulation gestört ist, 0,05 Coffein und noch 


Heft 1 Über die Coffeinwirkung im Säuglingsalter. 49 


kleinere Coffeinmengen eine günstige Wirkung auf die Zirkulation 
entfalten können, dagegen aber muß man mit der Möglichkeit rech- 
nen, daß die schädigende Wirkung auf den Magen und Darmkarfal 
ausgeprägter wird. Um so eher kann man daran denken, da in 
Fällen, bei denen Schädigungen vorausgegangen sind und, obgleich 
die Kinder zur Zeit des Versuches schon in gutem Zustand waren, 
toxische Symptome aufgetreten sind. 

Eine bestimmte Antwort zu geben auf diese Frage ist nur bach 
genauer Beobachtung mehrerer Fälle mit Zirkulationsstörung mög- 
lich, von denen werden wir später berichten. 


Literaturverzeichnis. 


Kleinschmidt, Therapeutisches Vademekum für die Kinderpraxis. 
Birk, Leitfaden der Säuglingskrankheiten. 

Feer, Lehrbuch der Kinderheilkunde. 1920. 

Lust, Diagnostik und Therapie der Kinderkrankheiten 


Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 4 


Aus der Universitäts-Kinderklinik in Debreczen. 
(Vorstand: von Szontagh.) 


Über Ekzemtod. 


Von Dr. Johann v. Petheö, I. Assistent der Klinik. 


Wohl die unangenehmsten Erkrankungen des Säuglings- und 
Kindesalters sind sowohl für die Angehörigen wie auch für den be- 
handelnden Arzt die ekzematösen Erscheinungen. Die Ekzem- 
diathese produziert von ihrer ersten Erscheinung an die verschieden- 
artigsten Hauterkrankungen, ohne daß der Arzt den Grund des 
Leidens irgendwie zu beeinflussen vermöchte. Einige vererbte 
Krankheiten und viele Ernährungsstörungen werden von Haut- 
veränderungen begleitet, die mit unglaublicher Hartnäckigkeit — 
allen Behandlungen trotzend — monatelang bestehen, dann plötz- 
lich verschwinden, um von neuem wieder zu erscheinen. Es gibt 
keine Ekzemart, die wir beim Säugling 'nicht antreffen würden, 
und sozusagen heute kaum einen Säugling, der von ekzematösen 
Erscheinungen ganz verschont wäre” Besonders gilt dies für die 
Nachkriegszeit, wofür ein Grund vielleicht im Herunterkommen 
der hygienischen Verhältnisse, in schlechter Ernährung und in dem 
sozialen Kriegselend zu suchen wäre. Es unterliegt keinem Zweifel, 
daß die Entstehung des Ekzems nicht allein von den heutigen un- 
seligen Zuständen verschuldet wird, sondern daß Vererbung (er- 
erbte Disposition) wichtige Faktoren sind. Die Therapie stellt den 
Arzt vor ein schwieriges Problem derart, daß längere Erfahrung 
ihn auf das Prinzip des noli me tangere verweisen. Beim Säuglings- 
ekzem kann man sehr eigenartige Erscheinungen feststellen. Ich 
beohachtete einen Fall seit ungefähr einem Jahre, wo das Ekzem 
seit der Geburt besteht, und zwar einmal in stärkerer, ein anderes Mal 
in milderer Form. Hiernach richtet sich das Allgemeinbefinden des 
Säuglings: wenn das Ekzem im Schwinden ist, ist er unruhig, reagiert 
mit Temperatursteigerung und Abführen, wenn es in der Blüte steht, 
ist das Befinden gut und auch gewisse Zunahme zu konstatieren. 


Heft 1 Uber Ekzemtod. 5I 


Blühen und Verschwinden variieren mit gewisser Regelmäßigkeit; 
ohne daß das Ekzem irgendwie behandelt worden wäre, trocknet 
es ungefähr dreiwöchentlich ganz ab, es stellen sich Gewichtsverlust, 
Erregung, Appetitlosigkeit und hohe Temperatur ein, lauter Er- 
scheinungen, für die ein genügender Grund nicht angegeben werden 
kann. Nach einiger Zeit erscheint das Ekzem von neuem, wobei 
sich der entgegengesetzte Befund einstellt. Was eigentlich sich im 
Organismus hierbei abspielt, entzieht sich ganz unseren Kenntnissen. 
Wahrscheinlich spielt sich im intermediären Stoffwechsel eine Störung 
ab. Es hat den Anschein, als würde der Organismus ein Ekzem 
entstehen lassen, um hiermit einer größeren Gefahr zu entgehen. 
Man kann eine gewisse Äquivalenz zwischen Ekzem und einigen 
Krankheiten nicht leugnen. Oft konnte ich beobachten, daß nach 
dem Verschwinden des Ekzems sich Bronchitis, Koryza, Tonsillitis 
usw. entwickelten. Auch ist es auffallend, daß bei starken Durch- 
fällen das Ekzem verschwindet, ganz so wie z. B. nach Auftreten 
von Masern die bis dahin hartnäckig bestandene Prurigo sich völlig 
zurückbildet, um nach Abheilen der Masern wieder zu erscheinen. 
Bei Asthma ist das Verhalten des Ekzems bekannt: die neuropathi- 
schen Symptome rücken in den Vordergrund, wenn das Ekzem 
verschwindet oder z. B. sich eine Meningitis entwickelt. Auch reagiert 
der Säugling auf eine ihm nicht zusagende Diät mit Ekzem. Es sind 
dies alles Tatsachen, welche in der Therapie des Ekzems wichtig 
in die Wagschale fallen. Der Glaube, daß das Ekzem von äußeren 
Faktoren bedingt würde, verliert immer mehr an Kraft. So wie die 
Säuglingsfurunkulose entsteht auch das Ekzem infolge Einwirkung 
innerer Faktoren auf endogenem Wege. 

An unserer Klinik verwendete ich in der Therapie intravenöse 
Calciuminjektionen mit Rücksicht auf einen evtl. Ekzemtod nur mit 
großer Vorsicht. Diese Vorsicht ist geboten. Denn wenn auch das 
Ekzem nach der Injektion rasch heilt, belehren uns die später ein- 
tretenden Temperatursteigerungen, das Verfallen der Säuglinge usw. 
eines Besseren, so daß wir diese Therapie als eine nicht ganz harmlose 
nur mit gewissen Beschränkungen anwenden. Wir haben nach Calcium 
in allen Fällen Temperaturabfall beobachtet, die Säuglinge reagieren 
also auf eine nicht erwartete Art, und es schien, als würde das bis 
hierher bestandene Gleichgewicht im Organismus eine Störung 
erfahren haben. Dieselben beunruhigenden Symptome beobachtete 
ich nach starken antiekzematischen Kuren. Es hat also den An- 
schein, daß den Verlauf des Ekzems zu unterbrechen nicht ratsam, 
ja sogar unzulässig sei. Ich huldige spontan jener alten Auffassung, 


4* 


52 v. Petheö. Heft ı 


die das Ekzem in gewissen Fällen für den Organismus als gleichsam 
notwendig erklärte. Moro bemerkt bei der Behandlung des Ekzems, 
daß er die Möglichkeit des Nachinnengeschlagens, wenn er es auch 
nicht in allem unterschreibt, nicht ganz verwirft; eine nähere Er- 
klärung könne er aber für den ab und zu auftretenden Ekzemtod 
nicht geben, bemerkt bloß, daß dieser bei pastösen Individuen 
in den ersten Frühlingsmonaten zur Zeit der Frühlingsgipfel des 
Ekzems vorkomme. Hinsichtlich des Frühlingsgipfels möchte ich 
nur hinzufügen, daB ich einen solchen auch im Herbst beobachten 
konnte. 

‚Der Ekzemtod ist eine ziemlich seltene Erscheinung. Während 
der vergangenen vier Jahre hatte ich die Gelegenheit, teils im Buda- 
pester Johannes-Spital, teils an der Säuglingsabteilung der Debre- 
czener Universitäts-Kinderklinik 8 Fälle von Ekzemtod zu beobachten, 
und von einigen diesen stehen uns eingehendere anatomisch-patho- 
logische und histologische Befunde zur Verfügung. Einen kurzen 
Auszug aus den Krankengeschichten und pathologisch-histologischen 
Befunden teile ich im folgenden mit: 


ı. M. K. A., 2 Monate alt, aufgenommen am 15. I. 1921. Schlecht genährter 
und entwickelter, blasser Säugling, mit einem frühalten Gesichtsausdruck 
und schlechtem Turgor. In den Kniebeugungen, Achselhöhle, am Hals und 
in den Inguinalgegenden stark nässender Intertrigo, am Schädel eitrige Kruste, 
anı Gesicht und an den Ohren feuchtes Ekzem. Innere Organe ohne Befund. 
Stuhl dyspeptisch, Nahrung Muttermilch. Der Säugling befand sich 3 Monate 
lang unter unserer Behandlung, während dieser Zeit nahm er 2 kg zu, sein 
Ekzem besserte sich, bald aber schlechterte es sich, bis es endlich am 25. V. 
nach einer Behandlung mit milder Bleisalbe plötzlich heilte. Zwei Tage darauf 
am 28. V. traten hochgradige Unruhe, Dyspnöe, gelinde Cyanose und Appetit- 
losigkeit auf. Temperatur 37,6°. Elf Uhr nachts plötzlich 41,8°, Kollaps, 
mäßige Krämpfe am ganzen Körper, starke Dyspnöe, Cyanose, Aceton in der 
Atemluft und eine halbe Stunde hierauf trat der Tod ein. Der Obduktions- 
befund (Doz. K. Minnich, Budapest) konnte außer geringfügiger Rachitis 
nichts nachweisen, was den Tod hätte erklären können. Der histologische 
Befund der wichtigeren Organe (Leber, Herz, Nieren) zeigte bloß Hyperämie, 
andere Veränderungen waren nicht nachzuweisen. 


2. R. E., 5 Monate alter Säugling, wurde am 26. XI. 1920 mit der Klage 
aufgenommen, daß er seit 2 Monaten am ganzen Körper an Ausschlägen leidet, 
daß der Milchschorf am Gesicht und Kopf auf keine Behandlung reagierte und 
nach einer neueren Behandlung sich das Ekzem besserte. Trotzdem befindet 
sich das Kind nicht gut und sei zuwider, unruhig. Der Säugling ist blaß, stark 
abgemagert, Muskulatur schlaff, an der Haut ist ein ausgebreitetes, beinahe 
geheiltes Ekzem sichtbar. Am Gesicht und am Scheitel noch nässendes, aber 
schon auf dem Wege der Besserung sich befindliches Ekzem. Leichte Bron- 
chitis, Stuhl schleimig grünlich. Wir nähren ihn mit Bengerschem Kindermehl; 
die Symptome bessern sich nach einigen Tagen nicht. Am ı. XII. Temperatur- 


Heft 1 Uber Ekzemtod. 53 


steigerung bis 38°, Erbrechen und eine sich immens steigernde Unruhe. Am 
folgenden Tage verschwindet das Ekzem gänzlich. In der Nacht plötzlich 
41,6° hohe Temperatur, Cheine-Stokessche Atmung, Cyanose, Krämpfe, 
Aceton in der Atemluft, nach einer Stunde Tod. Die Obduktion (Dozent 
Dr. K. Minnich, Budapest) konnte keine derartigen Veränderungen finden, 
mit denen der plötzliche Tod erklärt werden könnte. Die histologischen Be- 
tunde der Hauptorgane zeigten nichts Besonderes. 


3. H. J., 3 Monate alt, aufgenommen am 20. XI. ı920 mit der Beschwerde, 
daß der Milchschorf, welcher seit der 5. Lebenswoche besteht, dauernd sich 
verschlechtert, verbreitet und daß das Kind sich nicht entwickelt und ständig 
bricht. Der Säugling ist stark abgemagert, Fettpolster sozusagen ganz ver- 
schwunden, Muskulatur schlaff, Intertrigo, nässendes Ekzem auf der ganzen 
Haut, am Gesicht und Scheitel fingerdicke eitrige Krusten. Der Säugling ist 
unruhig und erbricht oft, normaler Stuhl; innere Organe weisen keine beson- 
deren Veränderungen auf. Nahrung Ammenmilch. Nach Reinigung der 
eitrigen Krusten leichte Borsalbe auf die verletzten Stellen. 4 Tage lang keine 
besondere Veränderung im allgemeinen Zustand, nur das Ekzem bessert sich. 
Am 2. XII. nachts ohne jeden Vorgang plötzlich 42,5° Temperatur, Krämpfe, 
Cyanose, Cheine-Stokessche Atmung, Aceton in der Atemluft und nach einigen 
Minuten Tod. Der Sektionsbefund (Doz. Dr. K. Minnich, Budapest) negativ. 


4. M. A., ı Monat alter Säugling, aufgenommen am 2. IJ. 1920. Bei der 
Aufnahme Gewicht 2350 g, schwacher Turgor, Zustand stark herabgekommen. 
3 Monate lang befand er sich unter unserer Behandlung. Nahrung im Anfang 
Ammenmilch, später noch Buttermilch. Entwicklung ist nicht zufrieden- 
stellend, Zunahme kaum ı kg. Am Anfang Mai gesellt sich zum Krankheits- 
bild ein schweres Ekzem, das mit Borvaseline behandelt wurde und sich nur 
langsam besserte. Am 24. V. stellte sich leichte Bronchitis ein mit mäßiger 
Temperatursteigerung. Am 25. V. Unruhe am Abend, plötzlich 43,6° hohe 
Temperatur, Aceton in der Atemluft, später eklamptische Krämpfe, Dyspnöe, 
Cyanose und nach einer Stunde Tod. Die Sektion (Doz. Dr. K. Minnich, 
Budapest) konnte keine Todesursache nachweisen. 


5. K.G., 6 Wochen alter Säugling, aufgenommen am 27. I. 1920 mit akuten 
dyspeptischen Symptomen. Magerer Säugling mit schlechtem Turgor, Stuhl 
grünlich-schleimig. Lunge, Herz normal. Bekommt Muttermilch, trotzdem 
keine Entwicklung. Im Alter von 2 Monaten erscheinen die Symptome eines 
nässenden Ekzems, das sich verbreitet am ganzen Körper, am ausgesprochensten 
im Gesicht und am Scheitel. 14. II. leichte Bronchitis, Unruhe, Temperatur 
bis 37,8°. ı5. II. abends plötzlich 42,6grädiges Fieber, Aceton in der Atemluft, 
heftige Krämpfe, Cyanose, Dyspnöe, nach einer halben Stunde folgte Tod. 
Der Sektionsbefund (Doz. Dr. K. Minnich, Budapest) konnte außer klein- 
gradiger Colitis und Bronchitis nichts feststellen. 


6. K. S., ıı Monate alt, aufgenommen am 17. V. 1922 mit der folgenden 
Klage: Seit 7 Monaten leidet das Kind an Milchschorf und Ausschlägen, die 
bald erscheinen, bald verschwinden, nichtsdestoweniger ungeachtet entwickelt 
sich das Kind gut. Eltern gesund. Der Säugling ist gut entwickelt mit gutem 
Turgor. Innere Organe normal. Das Gesicht ist beinahe maskenartig von 
eitrigen und eingetrockneten Krusten bedeckt. Auf dem Scheitel fingerdicke 
Seborrhöe, auf der Körperhaut zerstreut kleine Knoten, ekzemlose Stellen. 


54 v. Pethed. Heft ı 


Nach Reinigung der Krusten Borvaseline auf die beschädigten Hautpartien. 
19. V. Unruhe, mäßige Dyspnöe, Cyanose, milde Krämpfe, im Urin und in der 
Atemluft Aceton, stark positiv. Temperatur steigt plötzlich bis 42,0°, die 
Symptome werden später ausgeprägter, kaum nach einer halben Stunde erfolgt 
der Tod. Bei der Sektion (Prof. Orsós, path.-anatom. Institut Debreczen) 
wurde Hyperplasie der Thymus, der Tonsillen und Lymphdrüsen aufgefunden. 
Seitens der übrigen Organe war keine Veränderung sichtbar. 


7. Cs. J., 10 Monate alt, aufgenommen am 19. X. 1922 mit folgenden Be- 
schwerden: Seit 8 Monaten leidet das Kind an Ekzem, das sich auf keine Be- 
handlung gebessert hat. Das Ekzem ist am ganzen Körper, besonders aber 
am Gesicht und am Scheitel sehr ausgesprochen. Ziemlich pastöser blasser 
rachitischer Säugling. Am Scheitel Seborrhöe, die Gesichtshaut zeigt nässen- 
des Ekzem. An der Haut zerstreut ekzematöse Stellen, kleine Knoten. Innere 
Organe normal. Das Ekzem wurde mit Borvaseline behandelt. Am 21. X. 
große Unruhe, im Urin und in der Atemluft stark positives Aceton, Dyspnöe, 
Cyanose, zu welchen sich später eklamptische Krämpfe und Temperatur- 
steigerung bis 41,6° gesellten. Nach einer Stunde folgte der Tod. Bei der 
Obduktion (Prof. Orsös, path.-anatom. Institut Debreczen) wurde eine klein- 
gradige Myodegeneration des Herzens und eine milde Nephrosis gefunden, 
die aber den Grand des Todes nicht erklärten. 


8. N.G., 10 Wochen altes Mädchen, aufgenommen am 2. XI. 1922 mit der 
Klage, daß seit der Geburt das Kind mit Milchschorf belegt ist und seit einer 
Woche sich auf die Gesichtshaut verbreite; dabei entwickelt es sich gut, hat 
aber grünliche Stühle. Blutarmes Kind mit schlechtem Turgor, die ganze 
Gesichtshaut bedeckt mit dickem, eitrigem, nässendem Ekzem, am Scheitel 
fingerdicke Seborrhöe. Innere Organe normal. Nahrung Muttermilch. Das 
Ekzem wurde mit Borvaseline behandelt. Am 3. XI. plötzlich 43,6gradiges 
Fieber, starke Dyspnöe und Cyanose, Aceton im Urin und in der Atemluft 
stark positiv, eklamptische Krämpfe, dann nach einer halben Stunde Tod. 
Die Sektion (Prof. Orsös, path.-anatom. Institut Debreczen) konnte außer 
Gehirnödem überhaupt nichts aufweisen. 


Sämtliche Organe der Fälle 7 und 8 wurden von Fr.D.M. Ambrus 
einer genauen histologischen Untersuchung unterzogen. In beiden 
Fällen konnte parenchymatöse Degeneration des Herzmuskels und 
der Niere und eine fettige Entartung der Leber nachgewiesen werden. 
Bei der Untersuchung der übrigen Organe und speziell der Haut 
konnten nennenswerte Veränderungen nicht aufgefunden werden. 

Wenn man den klinischen Verlauf überblickt, fallen die sozusagen 
gesetzmäßig auftretenden Symptome: plötzliche Temperatursteige- 
rung, Cyanose, Dyspnöe, Unruhe, Krämpfe, Aceton im Urin und 
in der Atemluft und in einem jeden Falle das wichtigste Symptom: 
der vorherige Schwund des Ekzems, als das die plötzliche Katastrophe 
ankündigendes Moment, auf. Wodurch diese Katastrophe aus- 
gelöst wird, ist schwer zu beantworten. Pathologisch-anatomische 
und histologische Befunde geben keine genügende Aufklärung. 


Heft 1 Uber Ekzemtod. 55 


Makroskopisch sind in den meisten Fällen fast keine Veränderung, 
ja sogar ganz normale Verhältnisse aufgefunden worden. Erwägt 
man die in Fall 7 und 8 erhobenen. histologischen Befunde, so fällt 
es auf, daß in den Organen eine langsam fortschreitende Krankheit 
bestanden haben muß, die zur Dekomposition führte, was aber den 
plötzlichen Zusammenbruch veranlaßte, war nicht nachzuweisen. 
Rehn beobachtete in einem Falle lang bestehenden Ekzems, das 
auf energische Behandlung sich zu bessern begann, plötzlichen Tod. 
Die Obduktion ergab fettige Degeneration des Herzens, der Leber 
und Nieren. Nach seiner Ansicht würde der Tod durch in der Haut 
gebildete Toxine herbeigeführt worden sein. 

Zweifellos sind die in der Haut entstehenden (?) oder gebildeten (?) 
Toxine von schädlicher Wirkung auf den Organismus; daß aber nach 
plötzichem Verschwinden des monatelang bestehenden Ekzems 
der Organismus unter derart vehementen Erscheinungen binnen 
wenigen Stunden zusammenbreche und dem Tod verfalle, kann mit 
der Annahme einer cumulativen Wirkung der durch die Haut zur 
Ausscheidung gelanten Toxine allein nicht erklärt werden, wenngleich 
alles hierfür zu sprechen scheint. Eine wirklich ‚befriedigende Er- 
klärung ist heute noch nicht recht möglich. Es hat den Anschein, 
als hätte sich infolge der Resorption der bei langwährendem Ekzem 
gebildeten und durch ihre Oxydation (?) freiwerdender Toxine im 
Körper ein der Dekomposition ähnlicher Zustand entwickelt. Was 
aber der Grund des den Ekzemtod charakterisierenden plötzlichen 
Zusammenbruches sei, kann nur mit Hypothsen erklärt werden. 
Das Wesen des Säuglingsekzems wird sehr verschieden aufgefaßt. 
Im Sinne neuerer Untersuchungen solle es infolge von Stoffwechsel- 
störungen entstehen. Feer spricht bei unterernährten Kindern 
vom Ekzem der abnormen Konstitution, das Ekzem der überernähr- 
ten Kinder erwähnt er bloß und komme bei ihnen der Ekzemtod 
weit seltener vor. Nach meiner Ansicht ist auch die Iymphatische 
Konstitution nicht wichtig, wie auch die als Bedingung angenommene 
Frühlingszeit für das Entstehen des Ekzemtodes nicht von Bedeutung 
ist, wie dies unsere Fälle zeigen. Aller Wahrscheinlichkeit nach 
entsteht das Ekzem aus inneren Gründen, und zwar aus Stoff- 
wechselstörungen, welche nach langem Bestand entweder zur Heilung 
oder vollständigem Zusammenbruch führen. Wenn das Ekzem die 
Folge einer intermediären, an der Haut sich äußernden Stoffwechsel- 
störung ist, so könnte es gleichsam als Esophylaxie der Haut auf- 
gefaßt werden. Dann wäre also das Ekzem ein esophylaktisches 
Symptom einer sich in den innersekretorischen Organen abspielenden, 


56 v. Petheö. Heft ı 


wahrscheinlich ererbten, aber nicht nachweisbaren Erkrankung. 
Je ausgesprochener dieses esophylaktische Symptom (z. B. Schar- 
lach, Lues usw.) ist, um so günstiger scheint dies für den späteren 
Verlauf des Grundleidens zu sein. Welchen Gesetzen aber die innere 
Krise und das Bild des an der Haut erscheinenden Vorganges hul- 
digen, bleibt eine offene Frage. Für jene alte Auffassung, daß das 
Ekzem sich ‚‚nach innen geschlagen hat“, spricht in dem angeführten 
Fällen der Umstand, daß dem Verschwinden des Ekzems in den 
meisten Fällen eine energische Behandlung vorangegangen ist. 
Demgegenüber verweise ich darauf, daß das Ekzem oft selbst einer 
energischen Behandlung trotzt, während es in anderen Fällen spontan 
verschwindet und nicht selten selbst bei mildester Salbenbehandlung 
der Ekzemtod eintritt. Das zu raschem Tod führende Krankheits- 
bild gleicht einer akut verlaufenden Vergiftung oder einer Katastrophe, 
die durch eine Intoxikation mit artfremdem Eiweiß herbeigeführt 
worden ist. Diese meine Annahme wird auch durch Auftreten von 
Aceton bekräftigt, das bekanntermaßen bei hochgradigem Ekzem, 
‚ferner nach Gewebszerstörungen usw. auftritt und dessen Entstehung 
auf Eiweißzerfall zurückgeführt werden kann (Gaisler, Jahrb. 
f. Kinderheilk. Bd. 100). 

Heute eine ganz zufriedenstellende Erklärung. für den Ekzemtod 
geben zu wollen, ist noch nicht möglich; ihn hintanhalten zu wollen 
damit, daß wir das Ekzem nicht behandeln, ist wenig aussichtsvoll. 
Im Frühling ist Vorsicht am Platz; eine unter allen Umständen durch- 
zuführende Salbenbehandlung ist nicht notwendig, mit Ausnahme 
der einfachen beruhigenden Kühlsalben. Günstige Erfolge zeitigt 
eine Umstimmung des Stoffwechsels mit gründlicher Veränderung 
der Diät, kombiniert mit äußerlicher Behandlung, wie dies auch ich 
beobachtet habe. Allgemeine Regeln lassen sich aber nicht auf- 
stellen. Eine Diät, die in allen Fällen bekömmlich wäre, gibt es nicht. 
Auch Stoffwechseluntersuchungen vermögen oft keine Richtung 
zu weisen. Anscheinend spielen auch andere Faktoren eine wichtige 
Rolle beim Ekzem. Diätetische Behandlung führt hauptsächlich 
bei Ekzem überernährter Kinder zum Ziele. Bei zur Atrophie neigen- 
den Säuglingen ist fast kein Erfolg zu erwarten. Sehr schöne Resul- 
tate sah ich bei Ekzem gestillter Säuglinge, denen ich neben der 
Muttermilch schon im 3. Monat Suppe oder Schleim gab und noch 
vor Halbjahr die Milch auf das Mindeste reduzierte. Bei künstlich 
ernährten Kindern reduzierte ich die Milch immer ad minimum 
und gab lieber Kohlenhydrate. In manchen Fällen bewährte sich 
die Finkelstein-Suppe. In anderen versagte sie. Auffallend gute 


Heft 1 Uber Ekzemtod. | 57 


Erfolge sind ab und zu mit fettreicher Nahrung zu erreichen, wie 
solche auch ich beobachten konnte. Auch Quarzlichtbehandlung 
und Sonnenkur waren von günstiger Wirkung. Eine intravenöse 
Anwendung von Ca halte ich im Säuglingsalter nur dann für zweck- 
mäßig, wenn der Blutkalkspiegel sehr niedrig und die Eosinophilie — 
die bei Säuglingsekzem 25—34% betragen kann — normal ist. Eine 
sonstige Anwendung, sogar kleiner Dosen, kann mit unangenehmen 
Symptomen einhergehen. 


Zusammenfassung. 


Es gibt einen Ekzemtod. Seine Erklärung liegt wahrscheinlich 
in tieferen Stoffwechselstörungen, welche eben zur Katastrophe 
führen. Pathologisch-anatomische bzw. histologische Untersuchungen 
können das Problem nicht näher beleuchten. Das Ekzem mit ener- 
gischer Behandlung um jeden Preis vertreiben zu wollen, ist nicht 
ratsam, das Symptom nämlich, daß es vor dem Tode verschwindet, 
spricht dafür, daß eine eigentümliche Beziehung zwischen Haut 
und der im „Inneren“ sich abspielenden Krise bestehen müsse, 
eine Auffassung, die auch von Autoren früherer Zeit geteilt worden ist. 

Bei der Ekzembehandlung halte ich eine Umstimmung der Stoff- 
wechselvorgänge, kombiniert mit äußerlicher Behandlung, besonders 
Strahlentherapie usw., für netwendig. 


Literaturverzeichnis. 


Rehn, Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 13. 
Feer, Lehrb. f. Kinderheilk. 

Moro, Lehrb. f. Kinderheilk. 

Gaisler, Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 100. 


Aus der Universitäts-Kinderklinik in Debreczen. 
(Vorstand: v. Szontagh.) 


Über die Wirkung der Buttermilch auf die Magensekretion. 
Von Dr. Eugen Dohnäl, Klinischer Assistent. 


In der Säuglingsheilkunde ist die Buttermilch eine gleichsam 
unerläßliche Nahrung, welche bei verschiedenen Formen der Er- 
nährungsstörungen mit Erfolg angewendet wird. Wenngleich sich 
viele Autoren mit der Erklärung der Wirkung der Buttermilch 
befaßt haben, so sind wir noch weit davon, auf Grund der bisherigen 
Untersuchungen ihre Wirkung vollkommen verstehen zu können. 
Die schönsten Resultate ergeben sich bei dystrophischen Säuglingen 
an der Mutterbrust, wo die Zugabe von 50—100 g Buttermilch 
eine beträchtliche Steigerung der Gewichtskurve ergibt. Da der 
Erfolg in diesen Fällen am meisten auffällig ist, so vermag eben 
ihre Untersuchung zu einer Erklärung der Wirkungsweise zu führen. 
Weil wir aber mit der Beigabe von Buttermilch den Energiequotienten 
nicht erhöhen, also nicht ein Plus der Calorieneinfuhr sondern eine 
vollkommenere Ausnützung der Muttermilch zur Gewichtszunahme 
führt, so muß die Buttermilch die Stoffwechselvorgänge in einer 
oder in mehreren Phasen günstig beeinflussen. 

Als eine der wichtigsten und für die Untersuchungen am leichtesten 
zugänglichen Stellen der Stoffwechselvorgänge bietet sich der Magen 
dar. Eine Untersuchung seiner Funktionsverhältnisse, hauptsäch- 
lich der Acidität, ist von großer Wichtigkeit. Hängt doch von dem 
Grade der Acidität der Einfluß auf die Aktivierung der Magenfermente 
ab, auch ist die Acidität von Einfluß auf die Magenmotilität, ander- 
seits wirkt sie hemmend auf die Vermehrung der Magenbakterien, 
wie dies die von Leichtentritt (r) mit Buttermilch angestellten 
Experimente beweisen. Beim Zustandekommen der Magenacidität 
sind zwei Faktoren wirksam, und zwar einerseits die von den Magen- 
drüsen secernierte Salzsäure, anderseits die infolge von Gärungs- 
prozessen entstehenden organischen Säuren, deren Anwesenheit 


Heft 1 Uber die Wirkung der Buttermilch auf die Magensekretion. 59 


oft auch bei normalen Säuglingen im Magen nachgewiesen werden 
kann. Das richtige Maß der Magensäuresekretion kann dann erhalten 
werden, wenn die Menge der Salzsäure bestimmt wird. 

Um die Aciditätsverhältnisse des Magensaftes von Säuglingen, 
die Buttermilch erhalten, untersuchen zu können, habe ich die 
folgende Methode angewandt: Um 6 Uhr am Morgen bekommt 
der Säugling Ioog Tee, dann wurde er in drei- bzw. vierstündlichen 
Pausen ein- bis dreimal an die Brust gesetzt, wobei ich ihm entweder 
die gleichen oder verschiedene Mengen Muttermilch trinken ließ. 
3 oder 4 Stunden nach der letzten Brustmahlzeit bekam der Säug- 
ling Buttermilch, und zwar 50—ıoog. Nach dieser Mahlzeit wird 
das Kind in 3 bis 4 Stunden wieder an die Brust gesetzt. Nach 
45 Minuten, vom Ende der Mahlzeit gerechnet, habe ich die ‚‚freie‘ 
und die ‚gebundene‘ Salzsäure, später mit der Braunschen Ver- 
aschungsmethode die wirkliche Menge der Salzsäure bestimmt. 

Aus meinen Versuchsprotokollen habe ich die folgenden Fälle 
tabellarisch zusammengestellt: 






































Aciditat') 
ne Menge |Gesamt- Indikator HCL 
Fall Nahrung ea f der acidi- ;——_—+—__|_ nach 
ine |Nahrung tät!) Phe- en. Braun 
| nophta- | 
| er Ä an 
1. Difalko | Muttermilch = 12 10; 6, 6 | — | 4 
Buttermilch | 15 : 70 į 46 | 46 — 22 
Muttermilch | 18 + 100 | 27 27 0 — 16 
Zus as mn, een de ie Se, 
2. 3. Zeiler | Tee 6 90 8 6 | 2 | 4 
Muttermilch 9 go 8 4 | 4 4 
Buttermilch 15 50 46 40 6 14 
Muttermilch 18 100 6 6 1 — 6 
3. Petroci ‚3. Petroc | Tee ı 6 90 | 16 4 — 16 
Muttermilch | 9 50 16 14 2 16 
Buttermilch | 12 so} 48 | 48 — 20 
Muttermilch | 18 50 2 | 36 | 8 16 
4. Neuspieler Tee 6 70 10 8 2 Ä 4 
Muttermilch 9 go 12 12 | 4 
Buttermilch 15 50 24 24 — i I4 
Muttermilch 18 100 | 14 12 2 | 12 
5 Kiss Tee 6 80 3 | 3 — ! 2 
Muttermilch 9 50 9 9 et 2 
Buttermilch 12 50 39 39 — . 10 
Muttermilch 15 150 15 15 | 5 


1) Der Zahlenwert der Acidität entspricht der durch 100 cm® Magensaft 
neutralisierten n/to NaHO in Kubikzentimeter ausgedrückt. 




















60 Dohnal. Heft 1 
| a ee Gesamt- HCL 
Fall Nahrung rungs- acidi- | nach 
| einfuhr Kanning tät') . Braun 
Bog ce a T —-- 7 ii 
6. Kovács | 80 E 5 4 
| Muttermilch 9 100 | 3 $ 
12 50 © O4 2,2 
Buttermilch | 695 50 04 2,2 
| Muttermilch 18 110 6 3 
7. Ujlaki i Muttermilch Q | 100 3 j 3 - 3 
‘Alkal. Buttermilch?) ı5 | 160 6 j 6 —- 6 
Muttermilch 1R go 7 | 7 — 4 
' wee ee IS ne a Vee run 
8. Tolas Tee ı 6 | 100 | 5 be. og | -- , 2.8 
Muttermilch 9 to | 7 5 7 be 4 
| vs I 12 | go 13 | 13 - | 9 
Buttermilch 18.170 | so | 50 | _- 28 
Muttermilch IR 110 ; 32 | 32 | — 24 
y. Herpai Muttermilch 9 | 150 ; 13 | 13 — 9 
Buttermilch 15 | 100: 60 60 25 
Muttermilch I3 | 200 | 2 | 2 _ 13 
10, Kovacs Muttermilch i 9 100° 10 10 — 6 
Gwsch. Bmilch 4) | 15 | so | 32 32 -— | 24 
_ Muttermilch. BB) gr, — 12 
11. Herpai Tee ! 6 | 100 2 | I | I | I 
Muttermilch 9 | 120 7 7 | — ! 2,2 
‘i 12 150 6,5 65) — | 1,6 
| rs 15 | 100 9.5 a = 1,6 
Gwsch, Bmilch?) | 18 | go | 29 29 | — j I6 
Muttermilch | 21 | 150! 6 6 | — | 3,6 
12. Csizmadia | Muttermilch | 9 120. 7,60 76 — 2,8 
Gwsch. Bmilch ?) | 12 70 30. 300, 17 
Muttermilch ; 4S 120 | 78 8.80 — 4 
ı3. Fölze Muttermilch 12 | go: 8 8 = , 8 
Buttermilch 18 50 52 | 52 | -— IQ 
Muttermilch | 21 100 6 62-1 = 6 


Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, 


weisen die Aciditatswerte 


sowohl Tages- wie auch stündliche Schwankungen auf; in drei Viertel 
der Fälle sind neben der Salzsäure auch die organischen Säuren 
vor der Verabreichung der Buttermilch zu finden. Während die 
Salzsäurekonzentration im Verlaufe des Tages vor der Einfuhr 
der Buttermilch Schwankungen kaum aufweist, zeigt dem entgegen 


1) Der Zahlenwert der Acidität entspricht der durch ı00 cm? Magensaft 
neutralisierten n/1o NaHO in Kubikzentimeter ausgedrückt. 

3) Neutralisierte Buttermilch. 

3) Gewaschene Buttermilch. 


Heft x Uber die Wirkung der Buttermilch auf die Magensekretion. 6I 


der Aciditätsgrad der organischen Säure größere Abweichungen. 
Die Menge der eingeführten Muttermilch ändert kaum an der Kon- 
zentration der Salzsäure, woraus gefolgert werden kann, daß die 
Magendrüsen bei verschiedenen Mengen ein und derselben Nahrung 
eine bestimmte Salzsäurekonzentration aufrechtzuerhalten bestrebt 
sind. | 

Ich habe in einem Drittel der Fälle organische Säuren nach Ein- 
fuhr von Frauenmilch gefunden, der Aciditätsgrad entsprach 2—7 ccm 
"Jo NaOH. Im Durchschnitt entsprach sie 4 ccm "/,, NaHO ein 
Resultat, welches mit der Angabe Huldschinskis übereinstimmt. 
Die Quantität der Salzsäure nach Braun bestimmend, habe ich 
2—16, im Durchschnitt 4 ccm °/, NaHO entsprechende Mengen 
gefunden, bezogen auf ıooccm Magensaft. Aus der Anwesenheit 
von organischen Säuren konnte nicht auf pathologische Prozesse 
gefolgert werden, weil solche (organische Säuren) auch bei gut ent- 
wickelten Säuglingen mit normalem Stuhlgang nachgewiesen werden 
konnten. Anderseits wieder fehlten die organischen Säuren bei 
dyspeptischen Säuglingen. Nach dieser Feststellung habe ich die 
Magenaciditätsverhältnisse nach Buttermilchnahrung untersucht 
und hier gefunden, daß die Acidität einen hohen Grad erreicht, 
was natürlich ist, da wir mit der Buttermilch Säure in großer Menge 
in den Magen einführen, anderseits aber auch die Menge der Salz- 
säure eine Steigerung aufweist, und zwar im Durchschnitt Ig ccm 
NaHO auf ıooccm Magensaft bezogen. Hier kann die Frage auf- 
geworfen werden, ob die Salzsäurekonzentration nach Verabreichung 
von alkalisierter oder schwach saurer Buttermilch gesteigert wird 
oder nicht. Wenn wir die Falle 7, 10, 11, 12 in der Tabelle berück- 
sichtigen, so können wir feststellen, daß auch bei ihnen eine Steige- 
rung der Salzsäurekonzentration in nicht geringerem Grade als nach 
saurer Buttermilch eingetreten ist. Die Untersuchungen von Hoff- 
mann und Rosenbaum haben auf Grund der Zuckermagenkurven 
zutage gefördert, daß Nährmittel mit einem größeren Eiweißprozent 
als der Frauenmilch, die Sekretion des Magensaftes steigern. Unter- 
suchungen wieder von Leichtentritt haben das Resultat ergeben, 
daß die Buttermilch auf die Vermehrung der Colibacillen hemmend 
einwirkt. Dieser Autor erklärt diese Wirkung der Buttermilch mit 
ihrem hohen Aciditätsgrad. Aus den von ihm mitgeteilten Daten 
ist auch ersichtlich, daß auch die alkalisierte Buttermilch, wenngleich 
im schwachen Grade, nichtsdestoweniger aber im gleichen Sinne auf 
die Colibacillen hemmend einwirkt. Diese letztere Beobachtung 
kann ebenfalls mit der Steigerung. der Salzsäurekonzentration 


62 Dohnäl. Heft ı 


erklärt werden. Die Richtigkeit dieser Erklärung wird auch durch 
die Feststellung zahlreicher Autoren gekräftigt, in derem Sinne die 
alkalisierte und die saure Buttermilch gleiche Werte sind. Auch 
konnte ich mit der Verabreichung demnach Filtration von saurer 
Buttermilch zurückgebliebenen Molke eine Gewichtszunahme nicht 
erreichen, während die Suspension des Buttermilchcaseins in süßer 
Molke zu einer Gewichtszunahme führt. 

Auf Grund dieser Tatsachen muß das wirksame Prinzip der Butter- 
milch in ihrem Eiweiß vorausgesetzt werden. Wenn wir bedenken, 
daß die mit der Buttermilch eingeführte Milchsäure eine schwächer 
dissozierende als die Salzsäure ist, so muß geringere Konzentrations- 
steigerung dieser Säure einen höheren Ph-Wert herbeiführen. Aber 
im biologischen Sinne genommen ist nicht die durch Titration be- 
stimmte Säuremenge sondern der Ph-Wert das entscheidende Moment. 
Zur Aktivierung des Pepsins und des Labfermentes ist eine gewisse 
Ph-Menge notwendig. Es ist sicher, daB nach einigen Autoren 
der Ph-Wert des Säuglingsmagensaftes hierzu nicht genug hoch 
ist, aber die Untersuchungen von Tobler haben gezeigt, daß dıe 
Acidität des Mageninhaltes in der Nähe der Magenwand hochgradiger 
ist als in den zentralen Teilen des Magens, also nur dort die Grade 
erreicht, bei welchen eine Pepsinverdauung möglich ist. Anderer- 
seits wieder muß sich bei gesteigerter Salzsäureausscheidung auch 
die Wirkung des Pepsins besser erweisen, was eben im Sinne der 
oben angeführten Tatsachen bei der Verabreichung von Buttermilch 
gegeben ist. 

Bei Frühgeburten scheint die günstige Wirkung der Buttermilch 
teilweise ebenfalls auf gesteigerter Salzsäureausscheidung zu beruhen. 
Bei 3 Frühgeburten habe ich die Magenacidität bestimmt; infolge 
ungenügender Magensaftmenge konnte die Braunsche Methode 
nicht ausgeführt werden. 

Die Gesamtacidität entsprach 3 ccm "/,,-NaHO auf 100 ccm 
Magensaft berechnet, während die stark positive Milchsäureprobe 
auf die Anwesenheit von viel organischer Säure hingewiesen hat, 
so daß hier eine ungenügende Sekretion des Magensaftes angenommen 
werden kann. Nach Verabreichung von Buttermilch war auch in 
diesen Fällen der Anstieg dgr Gewichtskurve auffallend. 

Untersuchungen habe ich auch in der Richtung vorgenommen, 
wie sich das Eiweiß der Buttermilch und das Casein der Kuhmilch 
bzw. das mıt Lab hergestellte Paracasein gegenüber Pepsinverdauung 
verhalten, also wieviel Pseudonucleinrückstand bei dem einen und 
wieviel bei dem anderen zurückbleibt. Szontagh, der den Pseudo- 


Heft x Uber die Wirkung der Buttermilch auf die Magensekretion. 63 


nucleingehalt verschiedener Milcharten bestimmt hat, gelangte zu 
dem Resultat, daß das mit Säure hergestellte Casein weniger Pseudo- 
nuclein ergibt, als die Milch mit identischem Caseingehalt. Sowohl 
mit Lab gefälltes Paracasein wie auch das aus der Buttermilch mit 
Filtration hergestelltes Eiweiß habe ich mit Wasser gut durchge- 
waschen und das Fett im Soxhlet-Apparat extrahiert. Trocknen bei 
höherer Temperatur sowie auch Waschen mit Alkohol habe ich ver- 
mieden, um nicht die Pepsinverdauung schädigend zu beeinflussen, 
wie dies die Untersuchungen Szontaghs an bei höherer Temperatur 
getrocknetem Casein erwiesen haben. Die Digestion habe ich mit 
Wittescher Pepsinlösung bei 37° vorgenommen, und zwar kamen 
2 g Casein auf 100 g Pepsinlösung. 

Aus dem Mittelwert der sechs parallel angestellten Untersuchurigen 
ergibt sich das folgende Resultat: Das Eiweiß der Buttermilch 
ergab 1,1%, das Paracasein 2,7% Pseudonucleinrest. Der Pseudo- 
nucleingehalt ist bei Buttermilch um mehr als die Hälfte geringer 
als bei Paracasein. 

Man könnte vielleicht auf den Gedanken verfallen, diesen gerin- 
geren Pseudonucleingehalt der Buttermilch dahin zu erklären, daß 
die Eiweißsubstanzen nicht nur Paracasein, sondern auch Serum- 
eiweiß, Lactalbumin und Lactoglobulin enthalten, jedoch befindet 
sich in diesen letzteren Substanzen kein Pseudonuclein. Wenn 
wir aber die den 10% des MolkeneiweiBes und die dem 0,5% des 
Lactalbumins und Lactoglobulins entsprechenden 150 mg abziehen, 
auch dann noch beträgt der Pseudonucleingehalt des Buttermilch- 
caseins 2%, gegenüber dem 1,2% Pseudonucleingehalt des Para- 
caseins. 

Auch diese Untersuchungen sprechen für die Vorteile der Butter- 
milchdarreichung, und es ist wahrscheinlich, daß sie auch in den 
weiteren Phasen der Assimilation dem Organismus günstige Be- 
dingungen bietet. Dem entgegen wieder scheint das verschiedene 
Verhalten des Paracaseins und des Buttermilcheiweißes gegenüber 
Pepsinverdauung dafür zu sprechen, daß in der Lehre der Säuglings- 
ernährung von der Eiweißfrage nicht abgesehen werden kann, eine 
Auffassung, die in der modernen pädiatrischen Literatur auch von 
anderer Seite geteilt bzw. betont wird. 


Zusammenfassung. 


1. Die Acıdität des Magensaftes von Säuglingen ist eine schwan- 
kende, die Salzsäurekonzentration aber eine beständige. 


64 Dohnal: Wirkung der Buttermilch auf die Magensekretion. Heft I 


2. Durch Buttermilch wird die Salzsäurekonzentration gesteigert, 
und dieselbe Wirkung weist die alkalisierte Buttermilch auf. 

3. Der Pseudonucleingehalt des Butternuleheıyerbes ist halb so 
groß, als der des Paracaseins. 


Literaturverzeichnis. 


Dr. Leichtentritt, Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 44, 1921. 
Hoffmann und Rosenbaum, Jahrb. f. Kinderheilk. 1922. 
Huldschinsky, Zeitschr. f. Kinderheilk. H. 3, 1911, S. 366. 
Szontagh, Magyar. Chem. Folyoirat ıı, S. 2. 


Zur Physiologie und Pathologie der Neugeborenen. 
II. Sammelreferat (1921, 1922.) 


Von A. Reuß, Wien. 


Fötales Wachstum und Geburtsgewicht. 


Wie ich in meinem ersten Sammelreferat berichtete!), geht aus den 
zahlreichen statistischen Zusammenstellungen über die Geburts- 
gewichte der Kinder aus den Kriegs- und Nachkriegsjahren hervor, 
daß die schlechten Ernährungsverhältnisse unter allen Altersperioden 
auf die intrauterine verhältnismäßig am wenigsten schädigend ein- 
gewirkt haben. Schon die Tatsache, daß man über den Einfluß 
der Kriegsverhältnisse auf den Foetus überhaupt debattiert, weist 
darauf hin, daß er kein sehr sinnfälliger gewesen sein kann. Kütting 
stellt ihn ganz in Abrede, David fand für die Jahre 1915—1919 
eine Verringerung des Durchschnittsgewichts der Neugeborenen 
um 3—3,75%, desgleichen eine mäßige Verringerung der durch- 
schnittlichen Körperlänge und des Kopfumfanges gegenüber den 
Jahren 1909—1914. : 

Wenn man lediglich das in den Körpermaßen des Neugeborenen 
zum Ausdruck kommende fötale Wachstum ins Auge faßt, kann man 
den Einfluß der Ernährung während der Schwangerschaft kaum sehr 
hoch bewerten. Abels glaubt behaupten zu können, daß in der 
günstigen Jahreszeit infolge des höheren Vitamingehalts der Nahrung 
das durchschnittliche Geburtsgewicht im allgemeinen höher liege als 
in den Wintermonaten. Hellmuth und Wnorowski konnten 
jedoch bei der Verarbeitung eines sehr großen Materials keinerlei 
Anhaltspunkte für eine solche Abhängigkeit des Geburtsgewichtes 
von der Jahreszeit gewinnen. 

Es wäre meines Erachtens ein Fehler, wenn man den Einfluß, 
welchen die Nahrung der Schwangeren auf den heranwachsenden 
Foetus ausüben kann, nur nach den Ergebnissen der Wage und des 
Meßbandes bewerten wollte. Insofern verdienen die Ansichten von 


1) Monatsschr. f. Kinderheilk. 20, S. 321. 
Monatsschrift fir Kinderheilkunde. XXVII. Band. 


wr 


66 ReuB. Heft 1 


Abels volle Beachtung. Wurde doch z. B. mehrfach die Beobachtung 
gemacht, daB sich in den kritischen Kriegs- und Nachknegsjahren 
die Zahl der konstitutionell nicht ganz vollwertigen Kinder vermehrt 
habe. Insbesondere scheint die exsudative Diathese eine merkliche 
Zunahme erfahren zu haben. Dies geht wieder aus einer kiirzlich von 
Nobel mitgeteilten Statistik der Wiener Kinderklinik über die 
in den letzten Jahren zur Beobachtung gelangten Fälle von Erythro- 
dermia desquamativa hervor. Eine ätiologische Bedeutung der 
quantitativ und insbesondere auch qualitativ unzureichenden Er- 
nährung der Mutter auf die Keimanlage oder den heranwachsenden 
Foetus kann man hier wohl kaum in Abrede stellen. 

Freilich ist es nicht leicht, zu entscheiden, wieviel in derartigen Fällen 
ektogenen Einflüssen zugeschrieben werden muß, so z. B. Veränderungen der 
Muttermilch. Nach Kütting und Pribram- Rau habe sich als Folge der 
Kriegsverhältnisse eine Beeinträchtigung der Stillfähigkeit schon im Beginn 
der Lactationsperiode bemerkbar gemacht, was in den Gewichtskurven der 
Neugeborenen durch starke Abnahme und spätes Erreichen des Geburtsgewich- 
tes zum Ausdruck komme. Mehrfach wird auch über Veränderungen berichtet, 
welche die Frauenmilch unter dem Einfluß der Kriegsernährung in ihrer quan- 
titativen Zusammensetzung erfahren hat (Klotz, Lederer, Pasch). Den 
positiven Befunden stehen allerdings auch negative gegenüber (Momm und 
Krämer). 


Stoffwechsel, Harn, Stuhl. 


R. Pollitzer fand im Mageninhalt unmittelbar nach der Geburt 
Labferment, aber keine freie Salzsäure; doch setzt die HCl-Aus- 
scheidung sehr bald ein und erreicht nach etwa I2 Stunden den 
Wert von I—2/- 

Grulee und Bonar verfütterten eine 2proz. Eier-Eiweißlösung 
an Neugeborene und untersuchten den Harn mittels der Präcipitin- 
reaktion. Dabei erhielten sie bis zum II. Lebenstag positive Reak- 
tionen, später nicht mehr, ein neuerlicher Beweis dafür, daß der 
Darm in der ersten Lebenszeit für Nahrungseiweiß nicht ganz un- 
durchlässig ist. 

Chemische Untersuchungen des Meconiums durch Hymanson 
und Kahn ergaben geringen Phosphor-, relativ hohen Schwefel- 
gehalt, einen dem Hungerstuhl entsprechenden Gehalt an Fe und Ca. 
Auffallend sind die negativen Befunde der Autoren bezüglich der 
Fermente Trypsin, Erepsin und Lactase, während Amylase in Spuren 
nachgewiesen werden konnte. Es fanden sich ferner Spuren von 
Ammoniak, während Harnsäure im Meconium der ersten 24 Stunden 
fehlte. Dies steht im Widerspruch zu Befunden von Rietschel, 
welcher im Meconinm beträchtliche Mengen von Harnsäure nach- 


Heft 1 Zur Physiologie und Pathologie der Neugeborenen. 67 


weisen konnte, und zwar insbesondere bei totgeborenen Kindern; 
das Meconium Lebendgeborener enthielt sehr viel weniger Harn- 
säure, woraus man schließen darf, daß ein Teil der Harnsäure des 
Mekoniums vom Neugeborenen resorbiert wird. Rietschel hält 
es für das Wahrscheinlichste, daß die Harnsäure aus dem verschluck- 
ten Fruchtwasser stammt, welches immer geringe Mengen solcher 
enthält. Die Befunde sind für die Frage des Harnsäureinfarkts von 
Wichtigkeit. Versuchsergebnisse von Bälint und Stransky 
scheinen allerdings darauf hinzuweisen, daß die alte Annahme von 
Beziehungen zwischen Harnsäureinfarkt und Leukocytenzerfall zu 
Recht besteht. Sie fanden beim Neugeborenen meist erhöhte Werte 
des Reststickstoffs im Blut, die ausnahmslos eine fallende Tendenz 
zeigten. 

Die Albuminurie der Neugeborenen wird von Lindig als eine 
„Konstitutionelle“ aufgefaßt und auf die Reize zurückgeführt, 
welche die während und nach der Geburt noch widerstandsschwache 
Niere treffen. Derselbe Autor untersuchte bei 24 zangengeborenen 
Kindern den Harn auf Zucker, und zwar mit negativem Resultat: 
es gibt mithin keine ‚„traumatische Glykosurie‘‘ des Neugeborenen. 

Rosenbaum untersuchte den Harn von Neugeborenen mittels 
der Phenylhydracinprobe und konnte im Harn des 2.—5. Lebens- 
tages häufig geringe Mengen von Lactose nachweisen, welche bisher 
nur bei Frühgeborenen gefunden wurde. Er glaubt, daß bei dieser 
Lactosurie, welche man fast als physiologisch bezeichnen könne, 
der Gewichtsverlust ätiologisch eine Rolle spielen dürfte. Dextrose 
konnte Rosenbaum niemals nachweisen, während Millikin 
mittels empfindlicher Proben im Harn des Neugeborenen vor der 
ersten Nahrungsaufnahme regelmäßig Zucker gefunden haben will, 
den er, wenigstens vorwiegend, für Traubenzucker hält. Feldmann 
prüfte die Toleranz des Neugeborenen gegenüber Rohrzucker. Sie 
scheint größer zu sein als gegenüber Milchzucker (7,2 g RZ pro kg 
Körpergew. gegen 3,3 g MZ). Alimentäre Saccharose findet man 
besonders bei Frühgeborenen und Debilen. 

Das häufige Vorkommen einer Indicanurie um die Mitte der ersten 
I.ebenswoche wird durch Befunde von Bonar neuerdings erwiesen. 

Was die Besiedelung des Darmes mit Bakterien betrifft, so konnten 
in einzelnen Fällen sowohl im Rectum als auch in der Mundhöhle 
des Neugeborenen gleich nach der Geburt Keime nachgewiesen wer- 
Jen. Die Infektion erfolgt beim Durchtritt des Kindes durch die 
Vagina. Mastdarm und Mundhöhle werden hierbei wohl gleich- 
zeitig mit Scheidenkeimen infiziert, doch scheinen die Existenz- 


5* 


68 : Reuß. Heft ı 


bedingungen in der Mundhöhle schlechtere zu sein. Der B. acido- 
philus, welcher mit dem B. vaginalis minor identisch sein dürfte, 
scheint vom Anus aus einzudringen (Naujoks), während der B. bi- 
fidus per os in den Verdauungstrakt gelangt (Lauter). Nach Adam 
beansprucht der B. bifidus zu seiner Entwicklung Zucker, Casein 
und Seifen der Alkalien, kann im Meconium daher nicht gedeihen, 
in welchem wieder die Köpfchenbakterien günstige Entwicklungs- 
bedingungen vorfinden. Im Übergangsstuhl finden sich gram- 
negative und sporenfreie Entwicklungsformen des sonst gram- 
positiven, sporentragenden Köpfchenbakteriums, wie man sie auch 
in vitro auftreten sieht, wenn man dem Nährboden Zucker zusetzt. 
Die Köpfchenbakterien erscheinen erst nach 24 Stunden in größerer 
Menge; am ersten Tag findet man vorwiegend grampositive Kokken, 
welche auch in der Mundhöhle anfänglich das Gesichtsfeld beherrschen 
(Salomon). Nach Perazzi besteht die Darmflora während der 
ersten 4 Tage vorwiegend aus vier Arten: Perfringens, anaeroben 
Vibrionen, B. Rodella III, B. bifidus; letzterer beherrscht nach 
Ingangkommen der Ernährung schließlich das Feld. Sobald das 
Kind angelegt wird, ist auch der Übergang von Keimen der Brust- 
haut nicht zu unterschätzen. Für die Flora der Mundhöhle sind 
jedenfalls letztere maßgebend (Clauss), doch gewinnt dieser In- 
fektionsmodus nur bei ausgesprochen pathogenen Keimen praktische 
Bedeutung. 


Blut. 


Über das Blut des Neugeborenen liegen neuerlich umfassende 
Untersuchungen von Slawik sowie von amerikanischen Autoren 
vor (Lucas, Dearing, Hoobler, Cox, Jones, Smyth). Die 
Zahl der Erythrocyten kann am ersten T.ebenstag bis zu 8 Millionen 
im Kubikmillimeter betragen. In den folgenden Tagen erfolgt ein 
allmähliches Absinken, mitunter während der physiologischen 
Abnahme ein Ansteigen, welches jedoch bei sehr hohen Anfangs- 
werten ausbleibt. Die von den amerikanischen Autoren angegebenen 
Durchschnittswerte von 150 Kindern zeigen auch bei verhältnis- 
mäßig niedrigem Anfangswert (51/, Millionen) ein stetiges Absinken, 
welches nur durch geringfügiges Ansteigen der Erythrocytenzahl 
vom 3. zum 4. und vom 5. zum 6. Tag unterbrochen wird. Ein 
Parallelismus mit der Bluteindickung läßt sich jedenfalls nicht kon- 
statieren. Dasselbe gilt für den Hämoglobingehalt des Blutes, welcher 
während der ganzen ersten Woche ein abnorm hoher ist, und dessen 
Maximum auf den ersten Tag fällt. Ein Unterschied bezüglich 


Heft 1 Zur Physiologic und Pathologie der Neugeborenen. 69 


Erythrocytenzahl und Hämoglobinwert zwischen ikterischen und 
nichtikterischen konnte im Gegensatz zu früheren Untersuchungs- 
ergebnissen nicht festgestellt werden. Betreffs der morphologischen 
Verhältnisse der roten Blutkörperchen stimmen die neuen Befunde 
mit den früheren Angaben im wesentlichen überein. 

Auch die Zahl der weißen Blutzellen ist anfangs eine hohe, steigt 
während der ersten 24 Stunden sogar noch etwas an (Weill) und 
sinkt in der zweiten Hälfte der ersten Woche ab, um dann wieder etwas 
anzusteigen. Das Vorwiegen der neutrophilen, myelogenen Elemente 
in den ersten Lebenstagen führt Fran k auf die Teilnahme des Foetus 
an dem Stoffwechsel der graviden Mutter zurück. Hier wie dort 
findet man neben der Vermehrung der Neutrophilen eine starke 
Linksdrehung; sie schwindet im Laufe der ersten 8—10 Tage. Auch 
die Lymphocyten, welche spater bekanntlich vorherrschen, zeigen 
in der ersten Woche ein sehr schwankendes Verhalten. Es dauert 
gewöhnlich 14 Tage, ehe ein definitives Leukocytenbild vorliegt. 
Frank glaubt, daB man nach dem Blutbild die Neugeburtsperiode 
von der Säuglingsperiode abgrenzen könne. 

Die Zahl der Blutplättchen ist nach Slawik am ersten Tage eine 
subnormale (bis zu 65 000), schwankt jedoch nach den amerikanischen 
Forschern innerhalb weiter Grenzen (IOo0 000—413 000). Bei niedrigem 
Anfangswert erfolgt während der nächsten Tage ein rasches Ansteigen. 
Während der ersten 3 Wochen zeigen die Blutplättchen auffallende 
Größenunterschiede und mannigfache Varianten ihrer Struktur, was 
Slawik als Ausdruck einer überstürzten Produktion auffaßt. 


Nach Zibordi findet man im Blut des Neugeborenen bei der Geburt 
fast dieselbe Zahl von Hämokonien wie bei der Mutter, sämtlich extracellulär 
und lebhaft beweglich. Sie vermehren sich in den folgenden Tagen stark; 
zugleich treten in den roten Blutkörperchen unbewegliche Hämokonien auf, 
welche bis zur 3. Woche an Zahl zunehmen, un während der Zeit der Brust- 
ernährung auf konstanter Höhe zu verharren. 


Die chemischen Untersuchungen von I.ucas und seinen Mitarbei- 
tern ergeben in Übereinstimmung mit früheren Angaben ein Ab- 
sinken des Rest-N, der Harnsäure, des Harnstoffs und Kreatinins 
in den ersten Tagen, hingegen ein mäßiges Ansteigen des Blutzuckers. 
Nach Simone steigt auch der Cholesteringehalt des Serums mit 
zunehmendem Alter an und ist im allgemeinen der Höhe des Körper- 
gewichtes proportional. Das fötale Serum enthält mehr Na und K 
als das mütterliche, letzteres mehr alkohollösliche Stoffe, was wahr- 
scheinlich auf seinen größeren Gehalt an Rest-N zurückzuführen 
sein dürfte (Edelstein und Ylppö). 


70 Reuß. Hett I 


Die praktisch so wichtige mangelhafte Koagulationsfähigkeit 
des Neugeborenenblutes konnte von den amerikanischen Autoren 
neuerdings konstatiert werden. Sie fanden, daß die Gerinnungszeit 
am ersten Lebenstag ca. 15 Minuten beträgt, am 4. Tag noch etwas 
ansteigt und dann allmählich auf ca. 9 Minuten abfällt. Fuhrmann 
und Kisch fanden, daB das Nabelschnurblut mitunter nach 24 Stun- 
den noch nicht geronnen ist. 

Die Oberflächenspannung des fötalen Serums ist unter normalen 
Verhältnissen wesentlich niedriger als die des mütterlichen (Kisch 
und Remertz, Fuhrmann und Kisch). 

Refraktometrische Untersuchungen des Blutserums in den ersten 
Lebenstagen durch Bakwin ergaben in Bestätigung früherer Unter- 
suchungsergebnisse, daß die Eiweißkonzentration entsprechend dem 
Gewichtsverlust in den ersten Tagen zunimmt, um nach Erreichung 
des Gewichtsminimums wieder anzusteigen. Sehr bemerkenswert 
ist die Feststellung, daß der Wassergehalt des Serums am ersten 
Lebenstag beträchtliche individuelle Unterschiede aufweist, so daß 
man aus dem Gewichtsabfall allein keine sicheren Schlüsse auf den 
Grad der Exsiccation ziehen darf: bei anfänglich niedriger Kon- 
zentration des Serums kann der Gewichtsverlust ein sehr großer sein. 
ohne daß am Tage des Gewichtsminimums eine abnorm hohe Serum- 
konzentration gefunden werden muB. 

Säuglinge der ersten Lebenswochen zeigen nach K. Benjamin 
eine besondere Fähigkeit zum Wasseransatz und verhalten sich so 
wie ältere Säuglinge mit hydropischer Konstitution. Die prozen- 
tualen Schwankungen des Körpergewichtes und des Blutwasser- 
` gehaltes sind nach Benjamin in den ersten Wochen ungefähr 
gleich groß, während Bakwin der Ansicht ist, daß beim Neu- 
geborenen das Plasmawasser zunehmen kann, ohne daß eine Zu- 
nahme des Körpergewichtes erfolgt. 

Blutdruckbestimmungen durch A. Seitz und Becker ergaben 
für den ersten Lebenstag sehr niedrige Zahlen, 33—48 mm; die bis- 
her erhobenen Werte gehen nicht unter 5omm herab. Bis zum 
Ende der ersten Woche erfolgt ein Anstieg auf 60 mm, bis zum Ende 
der zweiten Woche auf 70 mm. 

Die bactericide Kraft des Blutes ist beim Neugeborenen meist 
verringert, beim Frühgeborenen jedoch nicht geringer als beim 
ausgetragenen Kind. Vom 5. Tag an werden konstante Werte er- 
reicht (Langer. Kyrklund). 


Heft 1 Zur Physiologie und Pathologic der Neugeborenen. 71 


Icterus neonatorum. 


Alle neueren Erkenntnisse über das Wesen des Icterus neonatorum 
ruhen auf dem Fundament der Tatsache, daß es eine kongenitale 
physiologische Hyperbilirubinämie gibt und eine durch sie gegebene 
„physiologische Ikterusbereitschaft‘“ im Sinne A. Hirsch’s. 

Als ich vor nahezu Io Jahren die bis dahin vorliegenden Tatsachen 
und Theorien zusammenfaßte, kam ich zu dem Schluß, daß zur 
Erklärung der beim Neugeborenen bestehenden Disposition zum 
Ikterus im wesentlichen folgende drei Punkte herangezogen werden 
können: der Reichtum des Neugeborenenorganismus an Farbstoff; 
die Beschaffenheit seiner Leberzelle; endlich gewisse mechanische 
Faktoren. In jeder dieser drei Richtungen sind unsere Kenntnisse 
gefördert worden. 

Was die Farbstoff-Frage anbelangt, so haben alle Nachunter- 
suchungen das Bestehen der Bilirubinämie im Nabelschnurblut 
bestätigt. Es ergab sich nun als Nächstes die Frage nach der Quelle 
dieses Bilirubins. Selbst, wenn man mit Ylppö annimmt, daß die 
Bilirubinämie nur auf den Übergang von Gallenfarbstoff aus der 
in Funktion tretenden Leber ins Blut zurückzuführen sei — eine 
Ansicht, die nach den inzwischen erhobenen Befunden über die 
Natur des Farbstoffes (s. u.) kaum mehr haltbar ist —, muß man 
sich fragen, woher denn der Organismus um die Zeit der Geburt 
das zur Steigerung der Gallenfarbstoffproduktion, sei diese nun 
hepato- oder hämatogen, notwendige Hämoglobin hernimmt. 

Hatten schon frühere Autoren in dieser Beziehung an das Placentar- 
blut gedacht, so hat erst Schick den naheliegenden Gedanken aus- 
gesprochen, daß es sich um mütterliches Blut handeln könne, 
welches ja auch das zur Bildung der kindlichen Blutkörperchen 
notwendige Eisen zu liefern berufen ist. Er denkt dabei an eine 
hämolytische Funktion der Placenta nach Art des Retikuloendo- 
thelialapparates. Eine bilirubin-bildende Funktion des Placentar- 
extrakts konnte in vitro nicht nachgewiesen werden, doch schließt 
dies natürlich keineswegs aus, daß die Placenta das Material liefert, 
aus dem der kindliche Organismus das Bilirubin aufbaut (Wagner). 
Daß Abbauprodukte des Blutes zur Zeit der Geburt im kindlichen 
Kreislauf vorhanden sind, geht daraus hervor, daß Hellmuth Oxy- 
hämoglobin und Hämatin im Nabelschnurserum nachweisen konnte. 
Lepehne nimmt an, daß die Sternzellen der Leber und die sonstigen 
Retikuloendothelien, vorzugsweise der Milz, aus diesen Abbau- 
produkten Bilirubin bilden. 


72 ReuB. Heft 1 


So wahrscheinlich es auch ist, daß die Placenta für den kindlichen 
Organismus eine sehr wichtige Farbstoffquelle bildet, so kann man 
doch wohl nicht ohne weiteres erklären, sie sei die einzige Quelle des 
den Icterus neonatorum hervorrufenden Bilirubins. 

Ein Erythrocytenzerfall in den ersten Lebenstagen läßt sich be- 
kanntlich nicht recht nachweisen, wenigstens nicht einwandfrei 
zahlenmäßig ausdrücken (obzwar die oben angeführten Befunde 
Slawiks für das tatsächliche Vorkommen eines solchen immerhin 
gewisse Anhaltspunkte zu geben scheinen), aber man darf doch nicht 
unberücksichtigt lassen, daß bei den zahlreichen Stauungsblutungen, 
welche intra partum eintreten, massenhaft rote Blutkörperchen 
‚aus den Gefäßen austreten, mit deren Farbstoff doch irgend etwas 
geschehen muß (s. a. Deluca). 

Bei rasch abklingendem Ikterus könnte man sich mit der Annahme 
zufrieden geben, daß der Gallenfarbstoff nur aus ante und intra 
partum entstandenen Zerfallsprodukten des mütterlichen und kind- 
lichen Blutes stamme. Bei wochenlang andauerndem Ikterus kommt 
man aber wohl nicht um die Annahme herum, daß ein gesteigerter 
Blutmauserungsprozeß im kindlichen Organismus auch post partum 
noch eine Weile andauert. Lepehnes wichtige Beobachtung über 
intracelluläre Erythrorhexis in der Milz spricht für die Annahme 
einer solchen gesteigerten Tätigkeit des retikuloendothelialen Appa- 
rates, wie ich sie seiner Zeit als Folge der Geburtsstauung angenom- 
men habe. Für einen lebhaften Blutumsatz in den ersten Lebens- 
wochen spricht auch das Vorkommen von reichlichen Blutbildungs- 
herden in verschiedenen Organen (Gruber). 

Seit Hijmans v. d. Berg die Ansicht ausgesprochen hat, daß es 
zwei verschiedene Arten von Bilirubin gebe, deren eines außerhalb 
der Leber gebildet werde, wurden auch beim Neugeborenen dies- 
bezügliche Untersuchungen angestellt, welche einhellig ergaben, 
daß es sich bei dem im Serum vorhandenen Farbstoff um das an- 
hepatische (dynamische, funktionelle) Bilirubin handelt (Lepehne, 
Hellmuth, Knoepfelmacher und Kohn, Schiff und Färber). 
Daß wir es nicht mit Stauungsbilirubin zu tun haben, macht auch 
das Fehlen der Hypercholesterinämie wahrscheinlich, die Dissonanz 
zwischen Bilirubinämie und Cholesteringehalt des Serums, wie sie 
in gleicher Weise bei den hämolytisch-dynamischen Ikterusformen, 
welche nicht mit Gallenstauung einhergehen, beobachtet wurde 
(Rosenthal und Meier, Simone). 

Deswegen bleibt die Tatsache zurecht bestehen, daß beim Neu- 
geborenen eine Pleiochromie der Galle vorhanden ist. Lepehnes Unter- 


» 


Heft ı Zur Physiologie und Pathologie der Neugeborenen. 73 


suchungen des Duodenalinhalts beim Neugeborenen ergaben einwand- 
frei, daß der Bilirubingehalt der Galle erheblich höher ist als beim Er- 
wachsenen. Es zeigte sich dabei auch ein bemerkenswerter qualitativer 
Unterschied, insofern der Duodenalsaft des Neugeborenen die Eigen- 
schaft zeigte, auffallend rasch grün zu werden, eine Eigenschaft der 
Galle, auf welche auch die Farbe des Meconiums hinweist. Wir haben 
somit beim Neugeborenen wahrscheinlich ein doppeltes Farbstoffplus : 
sowohl an hepatischem wie an anhepatischem Gallenfarbstoff. 

Nach dem Gesagten bedarf es zur Erklärung der Bilirubinämie 
des Neugeborenen gar nicht der Annahme einer Insuffizienz der 
Leber, es sei denn einer relativen, insofern als die Leber vielleicht 
nicht imstande ist, die ganze Masse des im Blut kreisenden Farbstoffs 
zu bewältigen und das gesamte ,anhepatische“ Bilirubin in ,hepa- 
tisches“ überzuführen. Daß übrigens die Leber in der ersten Lebens- 
zeit auch absolut betrachtet noch nicht auf der vollen Höhe ihrer 
Funktion steht, dafür liefern u. a. die Versuche von Rosenthal 
und Nossen Anhaltspunkte, welche beim Neugeborenen eine hoch- 
gradige Armut des Serums an trypanociden Stoffen, deren Haupt- 
bildungsstätte die Leber ist, feststellen konnten. 

Was das klinische Symptom des Icterus neonatorum, nämlich die 
Gelbfärbung der Haut, betrifft, so glaubte man nach der Entdeckung 
der physiologischen Bilirubinämie sie einfach so erklären zu können, 
daß der Hautikterus dann in Erscheinung tritt, wenn die Menge 
des im Blute kreisenden Bilirubins eine gewisse Grenze überschritten 
habe. Wenn auch ein solcher Parallelismus zwischen Ikterus und 
Bilirubinämie in der Mehrzahl der Fälle tatsächlich vorhanden ist, 
so gibt es doch Ausnahmen von dieser Regel; es gibt Fälle starker 
Bilirubinämie ohne wesentlichen Ikterus und ausgesprochenen Ikterus 
bei sehr geringem Bilirubingehalt des Serums (Hijmans van den 
Berg, Hellmuth, Schiff-Färber). Die beiden letzgenannten 
Forscher nehmen deshalb an, daß beim Zustandekommen des Haut- 
ikterus noch eine periphere Ursache wirksam sein müsse, und zwar 
ein mechanischer Faktor, der in einer individuell verschiedenen 
Permeabilität der Hautcapillaren zu suchen sein dürfte. Sie kann 
durch verschiedene innere und äußere Einflüsse verändert werden. 
Im Sinne einer schädigenden Wirkung auf die Gefäßendothelien 
kommt auch das infektiöse Moment im ätiologischen Komplex des 
Icterus neonatorum wieder in Frage, freilich nur als ein gelegentlich 
in Wirkung tretender, unterstützender Faktor. 

Der Weg zum Icterus neonatorum wire also nach dem heutigen 
Stand der Ansichten etwa folgender: 


74 ReuB. Heft 1 


Blutzerfall in der miitterlichen Placenta ante et intra partum und 
im kindlichen Organismus intra et post partum; aus den Blutzerfalls- 
produkten Bildung von anhepatischem Bilirubin, welches ins Blut 
übertritt und von der relativ und in gewissem Sinn auch absolut 
insuffizienten Leber nicht oder doch nicht vollkommen in hepatisches . 
übergeführt werden kann; infolge davon zunehmende Bilirubin- 
ämie, welche bei entsprechender Stärke und entsprechender Per- 
meabilität der Hautcapillaren zum Hautikterus führt. 


Die kindlichen Brustdrüsen. 


Aus Grubers sorgfältigen Studien über den Bau der kindlichen 
Mamma sei vor allem seine Deutung der gewöhnlich als ‚Infiltrate“ 
bezeichneten Zellanhäufungen als Blutbildungsherde hervorgehoben, 
wie sich solche beim Neugeborenen fern vom Knochenmark in den 
verschiedensten Organen finden. Aus diesen Herden gehen Wander- 
zellen hervor, welche sich z. T. mit Körnchen und Schollen zerfallen- 
der Blutungsherde, z. T. (bei Milchstauung) mit Fettkörnchen 
beladen. Gruber faßt diese Zellbildungen nicht als ‚deciduale“ 
auf, wenn er auch den protektiven Einfluß der mütterlichen Schwan- 
gerschaftssubstanzen im Sinne Halbans auf die Milchdrüse des 
Kindes anerkennt. 


Ernährung. 


Über den Wert des Colostrums haben Smith und Little an 
Kälbern Versuche angestellt, aus denen sie entnehmen, daß er vor 
allem in der Anwesenheit von Schutzstoffen gegen an sich harmlose 
ubiquitäre Bakterien bestehe. Sie fanden, daß ein relativ hoher 
Prozentsatz der neugeborenen Kälber, welche nicht mit Colostral- 
milch ernährt worden waren, an Coliinfektionen zugrunde gingen. 
Die schützenden Antikörper des Blutes sind nach Lewit und Wells 
an das Euglobulin gebunden; dieses geht aus dem Blut der Mutter 
in die Colostralmilch über, welche sich durch hohen Gehalt an diesem 
Eiweißkörper von der fertigen Milch unterscheidet. Die ersten Blut- 
globuline stammen, wie Versuche Howes an Kälbern lehren, alleın 
Anschein nach aus dem Colostrum. Brugnatelli wies im Colostfum 
diastatisches Ferment nach, welches wahrscheinlich ebenfalls aus 
dem Serum der graviden Mutter stammt; der Diastasegehalt der 
Milch geht nach der Geburt rasch zurück. 

Über die Trinkmengen und den Nahrungsbedarf in den ersten 
zwei Lebenswochen suchte Kirstein in der Weise ein Bild zu ge- 


Heft ı Zur Physiologie und Pathologie der Neugeborenen. 75 
winnen, daß er die an einem großen Säuglingsmaterial ermittelten 
Trinkmengen zum jeweiligen Körpergewicht in Beziehung brachte. 


Er erhielt auf diese Weise in Prozenten des Körpergewichts ausgedrückt 
folgende Zahlen: 


1. Tag .... . . 0,52 8. Tag. .... . I2,52 
2; . 3,94 9%. 022020200. 13,00 
3. . 6,78 IOs os nr ce re EG 
4. . 8,67 I; Gio rec te 288 
Sn yy .10,41 T2: gs nee 73,20 
Dr. Sn a s EEGSOS I3: yr weisen. 1307 
7: .12,01 TAs ie se 13,40 


Wir sehen ein rasches Ansteigen bis zum 4. Tag, dann ein langsameres bis zum 
Beginn der 2. Woche; von da an schwanken die Werte um 13%, was der gewöhn- 
lich angenommenen Zahl für das junge Brustkind (1/, des Körpergewichts) 
ungefähr entspricht. Kirstein hat das Zahlenmaterial nach allen denkbaren 
Gesichtspunkten verarbeitet und dabei wieder eine tabellarische Übersicht 
über die absoluten Trinkmengen der verschiedenen Gewichtsklassen gewonnen, 
welche mit den bereits vorliegenden Zahlenreihen im wesentlichen überein- 
stimmt. 

Als wichtigstes Ergebnis seiner Berechnungen erscheint mir 
folgendes: Kinder mit niedrigem Geburtsgewicht trinken im Durch- 
schnitt zwar absolut weniger, relativ, d. h. im Verhältnis zu ihrem 
Gewicht, aber mehr als schwere. Dieses Resultat wurde bei ganz 
gleichmäßiger Ernährungstechnik (6, nur ausnahmsweise 5 oder 
7 Mahlzeiten in 24 Stunden) und ohne Rücksicht auf den Gewichts- 
verlauf erzielt. Trotz aller möglichen äußeren und inneren Einflüsse 
kamen also die Kinder bei der Nahrungsaufnahme im allgemeinen 
Ihren physiologischen Forderungen nach, so daß man bezüglich 
der Trinkmengen im großen und ganzen von einer „Selbstbestimmung 
des Neugeborenen‘ sprechen kann. Kirstein meint, „das Kind 
weiß schon ganz allein, was es zu trinken hat“, eine These, welche 
man allen jenen vorhalten sollte, die an jedes Neugeborene mit 
Maßstab und Wage herantreten, um jedes vermeintliche Nahrungs- 
defizit sofort mit künstlicher Nahrung zu decken. 

Daß die Größe der Nahrungsaufnahme für die Form der Gewichts- 
kurve des Neugeborenen bei aller ihr selbstverständlich zukommen- 
den Bedeutung nicht allein ausschlaggebend ist, zeigen die Unter- 
suchungen von K. Koch, welche wieder lehren, daß ausgezeichnet 
trinkende Kinder mitunter flache Kurven aufweisen, während 
solche mit geringen Trinkmengen gute Zunahmen zeigen können. 
Es zeigte sich ferner, daß nach starker physiologischer Abnahme die 
Gewichtskurve häufiger flacher ansteigt als nach mäßiger Abnahme, 
was mit der von mir stets vertretenen Ansicht, daß die Abnahme 


76 Reuß. Heft 1 


in den ersten Lebenstagen nicht die alleinige Folge der geringen 
Nahrungsaufnahme ist, gut im Einklang steht. 

Faber suchte festzustellen, wieviel ein Kind trinkt, wenn man es 
trinken läßt, soviel es will. Er kam dabei zu dem Ergebnis, daß 
schon am 5. Tage ein Energiequotient von 100 erreicht wird, der 
bis zum Ende der zweiten Woche auf 115 ansteigt. Berechnet man 
darnach die am 5. Tage getrunkene Milchmenge, so kommt man zu 
einer Zahl, welche die bei unserer gewöhnlichen Ernährungstechnik 
unter günstigen Stillverhältnissen erreichte Trinkmenge — besonders 
wenn man den hohen Nährwert der Frühmilch berücksichtigt — 
kaum übersteigt. Der Energiequotient von Ioo wird in raschem 
Ansteigen erreicht, so daß also auch bei spontaner Nahrungsaufnahme 
in den ersten 4 Lebenstagen die Unterernährung als etwas Physio- 
logisches in Erscheinung tritt. Ein Ernährungsquotient von 115 
ist für das junge Brustkind durchaus nicht besonders hoch. Daß 
er bei Ausschaltung jeglicher Beschränkung nicht höher liegt, weist 
darauf hin, daß wir bei unserer Ernährungsmethodik die Kinder 
nicht unterernähren, andererseits aber auch, daß bei AuBeracht- 
lassung der Regeln die gefürchtete Überernährung im allgemeinen 
nicht eintritt. 

Weitere Befunde über Trinkmengen des Neugeborenen wurden 
erhoben von Adair und Steward, Ramsey und Alley, Pesta- 
lozza. Scammon und Doyle bestimmten an der Leiche die ana- 
tomische Magenkapazität, welche durchschnittlich 33 ccm beträgt 
und bis zum Io. Tage auf 75—80 ccm ansteigt. Die „physiologische 
Magenkapazität‘, wie sie durch den Wert der Einzeltrinkmenge 
repräsentiert wird, erreicht erst am 4. Tage das Niveau der ana- 
tomischen. 

Bei Stillschwierigkeiten seitens des Kindes empfiehlt Came- 
ron ein abwartendes Verhalten: die Zufütterung künstlicher Nahrung 
soll das letzte und nicht das erste Auskunftsmittel sein, ein Rat, 
dem ich aus vollster Überzeugung zustimme. Nach Camerons 
Ansicht ist die wichtigste und häufigste Ursache der Behinderung 
des Saugens an der Brust die nervöse Erregung des Säuglings, welche 
man durch pflegerische Maßnahmen, Bäder, evtl. auch durch Ver- 
abreichung beruhigender Medikamente bekämpfen soll. Ein seltenes, 
aber auch nicht unüberwindliches Saughindernis wird von Eick 
beschrieben: eine doppelseitige Choanaltresie. 


Über die Physiologie des Saugphänomens hat E. Popper lehrreiche, auch 
praktisch verwertbare Beobachtungen angestellt. Er fand, daß man von 
den seitlichen Wangenpartien aus (Chvosteksche Stelle) einen ,,Mundspitz- 


Heft 1 Zur Physiologie und Pathologie der Neugeborenen. 77 


reflex“ auslösen kann. Auf streichelndes Berühren dieser Gegend erfolgen 
schnappende Bewegungen des Mundes (Schnappreflex) und Wendungen des 
Kopfes. Interessanterweise ließ sich eine Koinzidenz zwischen Hungergrad 
und Saugphanomen nicht feststellen. 


Zur Verhütung der Rhagaden an den Brustwarzen rät Moll, 
die ersten Anlegeversuche, wenn möglich, an der hängenden Brust 
vorzunehmen und zur Zeit des Milcheinschusses das Saugen an der 
prall gespannten Brust durch vorheriges Abpumpen tunlichst hintan- 
zuhalten. Zur Behandlung frischer Rhagaden empfiehlt er eine 
abwaschbare Salbengrundlage mit 10% Perubalsam und 3% Bor- 
säure. (Ich habe auf die wasserlöslichen Ebagasalben schon vor 
Jahren hingewiesen.) Bei Macerations- und ekzematösen Erschei- 
nungen erweist sich das Aufpinseln einer Mischung von Zinkoxyd, 
Talkum, Glycerin und Wasser zu gleichen Teilen als zweckmäßig. 
Kritzler empfiehlt — therapeutisch und prophylaktisch — die 
sub- und intracutane Infiltration der Umgebung des Warzenhofes 
mit 1/ proz. Chininlösung (ca. 30 ccm für beide Warzen). 

Zur Bekämpfung der Hypogalaktie wurde von A. Seitz und 
Vey die Diathermiebehandlung eingeführt und über gute Erfolge 
berichtet. Die Behandlung wird zweckmäßig schon während der 
Schwangerschaft begonnen. Werner empfiehlt Injektionen von 
Caseosan oder Frauenmilch, Pok hatte gute Erfolge mit Injektionen 
von „Extractum placentae sterilisatum“ (Richter, Budapest). 

An der Milchpumpe von Jaschke - Scherbak, welche sich bei der Hypo- ; 
galaktie und anderen Stillschwierigkeiten als so wertvoll erwiesen hat, läßt 


sich nach dem Vorschlag von Kermauner eine Vorrichtung anbringen, welche 
es ermöglicht, daß sich die Mutter selbst abpumpt. 


Bezüglich der Ernährung der stillenden Mutter weist Grumme 
besonders auf die Wichtigkeit ausreichender Eiweißzufuhr hin. 
Wenn die für die Milchproduktion notwendige Vermehrung der 
Nahrungszufuhr wegen mangelnden Appetits u. dgl. auf Schwierig- 
keiten stoße, sei die Verabreichung konzentrierter Nährpräparate 
angezeigt. 

Über die Zufütterung künstlicher Nahrung beim Neu- 
geborenen hat Schick seine Studien fortgesetzt und in Gemeinschaft 
mit Helmreich verschiedene Gemische durchprobiert: Vollmilch; 
Vollmilch mit 8!/,proz. Rohrzuckerzusatz; Doppelnahrung aus 
Vollmilch, Butter, Mehl und Zucker; mit Zucker angereicherte 
Trockenmilch. Es wird der reinen oder gezuckerten Vollmilch im 
allgemeinen der Vorzug gegeben. Bei mit Fett angereicherter Nah- 
rung ergaben sich größere individuelle Schwankungen der Toleranz: 


78 ReuB. Heft 1 


sie fiihrte manchmal zu gutem Gedeihen, zuweilen aber auch zu 
Mißerfolgen. ‚Der Erfolg ist um so besser, je größer der Anteil 
an Frauenmilch in der zugeführten Nahrung ist.“ Möge vor allem 
diese Erfahrung beherzigt und beim Neugeborenen überhaupt so 
wenig als möglich künstliche Nahrung beigefüttert werden! Wem 
klinische Erfahrungen nicht genügen, der möge sich an die von 
H. Langer erhobenen Befunde halten. Die Bedeutung der initialen 
Frauenmilchernährung liegt nach diesem Autor darin, daß sie die 
stark wuchernden Colirassen, deren Ansiedlung durch die künstliche 
Nahrung begünstigt wird, zurückdrängt und die Besiedlung des 
Darmes mit Colistämmen von geringem Wachstumsvermögen ver- 
anlaßt. 

Bei Frühgeborenen, denen schwer Nahrung beizubringen ist. 
kann man nach Schicks Vorschlag den Nährwert der zu verfüttern- 
den abgezogenen Frauenmilch in der Weise verdoppeln, daß man sıe 
mit 17% Zucker versetzt, darf jedoch nicht außer acht lassen, daß 
hierbei trotz Deckung des Calorienbedarfs die Eiweiß- und Salz- 
zufuhr eine unzureichende werden kann. Man muß also bald für 
entsprechende Zufütterung Sorge tragen. Jote und Nobel emp- 
fehlen im Vakuum eingeengte Frauenmilch, welche vor der gezucker- 
ten wegen des höheren Eiweißgehaltes den Vorzug verdient, aber 
wohl nur für Anstalten in Betracht kommt. 

Was die Kontraindikationen gegen das Stillen betrifft. 
so geht aus Untersuchungen Moldenhauers hervor, daß tatsächlich 
nur die offene Tuberkulose und wohl auch manchmal die Ruhr ein 
Aufgeben des Stillens rechtfertigen. Im allgemeinen soll man bei 
allen Erkrankungen — inneren (nichtinfektiösen und infektiösen. 
akuten und chronischen), chirurgischen — ohne Rücksicht auf etwaige 
Narkose, Mastitis — den Versuch machen, weiter stillen zu lassen. 
Bei fieberhaften und schwächenden Krankheiten wird die Milchsekre- 
tion nur durch das Darniederliegen des Allgemeinbefindens hemmend 
beeinfluBt und pflegt nach erfolgter Besserung wieder anzusteigen. 
Nach Oberg kann bei Fieber der Mutter trotz geniigender Nahrungs- 
menge ein wahrscheinlich durch Toxiniibergang in die Milch ver- 
ursachter Gewichtsstillstand eintreten. Mag diese Ansicht auch 
richtig sein, so liegt damit doch keine Indikation zum Aufgeben des 
Stillens vor. 


Geburtsverletzungen. 


Über eine seltene Weichteilverletzung infolge Umschnürung durch 
den straffen Muttermund berichtet Henrard: Es fand sich ein 


Heft ı Zur Physiologie und Pathologie der Neugeborenen. 79 


kranzartig um den Schädel verlaufender breiter Wundstreifen. Solche 
durch den rigiden Muttermund veranlaßte Verletzungen bestehen 
bekanntlich meist nur in Druckmarken oder Strangfurchen, welche, 
wenn sie sich am Halse oder am übrigen Körper finden, nur aus- 
nahmsweise nach Geburten in Schädellage vorkommen (Walz), 
sondern meist nur bei in Beckenendlage geborenen Kindern. 

Bezüglich der Entstehung des Cephalhämatoms äußert Schnei- 
der die Ansicht, daß es durch unzweckmäßigen Dammschutz zu- 
stande komme und demgemäß durch die entsprechende Prophylaxe 
verhütet werden könne. Daß dies nicht ganz richtig sein kann, er- 
gibt sich aus einer Mitteilung von Weinzierl, welcher ein Cephal- 
hämatom bei einem durch Kaiserschnitt entwickelten Kinde beob- 
achtete; es scheint schon durch die intrauterine asphyktische Stauung 
zur Zerreißung periostaler Gefäße kommen zu können. 

Die von den Klinikern gewöhnlich mit dem Namen „Entbin- 
dungslähmung“ bezeichneten angeborenen Lähmungen der oberen 
Extremität stellen wahrscheinlich ein ätioldgisch durchaus nicht 
einheitliches Krankheitsbild dar. Es werden mehrfach Stimmen 
laut, welche die Ansicht vertreten, daß wir es bei einer Anzahl der 
Geburtslähmungen, und zwar insbesondere bei den persistierenden 
Formen, gar nicht mit Folgen einer Geburtsverletzung zu tun haben, 
sondern mit solchen einer intrauterinen Schädigung.: Weil denkt 
an eine in utero erfolgte Druckschädigung des Plexus. Röntgen- 
bilder scheinen dafür zu sprechen, daß die Druckwirkung manchmal 
von der gegen den Hals vorgeschobenen Schulter ausgeht. Das 
Vorkommen ausgesprochener Muskelatrophien sowie von Schlottern 
des Schultergelenks in den ersten Lebenstagen scheint auf ein län- 
geres Bestehen der Lähmung hinzuweisen. Für eine intrauterine 
Genese spricht auch das gleichzeitige Vorkommen von verschiedenen 
Deformitäten, wie Luxatio coxae, Scoliosis, Torticollis, Klump- 
hand, Muskeldefekten usw. Während Weil auch für diese Fälle 
an einer mechanischen Ätiologie festhält, geht Schubert noch einen 
Schritt weiter und erklärt die Plexuslähmung als durch eine zentral- 
nervöse Störung bedingt. Er weist darauf hin, daß gleichzeitig mit 
der Armlähmung nicht nur die früher erwähnten Deformitäten 
vorkommen, welche sich durch intrauterine Druckwirkung erklären 
lassen, sondern auch andere Anomalien, wie z. B. Hypertrichosis, 
Pigmentmäler, überzählige Finger, Verkürzung’ des gleichseitigen 
Beins, welche sämtlich als koordinierte Hemmungsmißbildungen 
aufgefaßt und auf die gleiche Ursache, nämlich eine Keimschädigung, 
zurückgeführt werden können. Für die Annahme einer. zentral- 


80 ReuB. Heft 1 


nervösen Störung spricht auch der bisweilen ausgesprochen halb- 
seitige Charakter in der Lokalisation der Deformitäten. 

Wenn auch die Berechtigung einer solchen Auffassung zugegeben 
werden muß, so müssen wir doch daran festhalten, daß bei der Mehr- 
zahl jener Plexuslähmungen, welche im Laufe der ersten Wochen 
oder Monate sich ganz oder teilweise zurückbilden, die ätiologische 
Bedeutung des Geburtstraumas nicht in Frage gestellt werden kann, 
besonders wenn man berücksichtigt, daß sich die Lähmungen vor- 
wiegend nach schweren, und zwar meist operativ beendigten Geburten 
finden, und daß anatomische Befunde vorliegen, welche das Bestehen 
einer Nervenverletzung einwandfrei gezeigt haben. 

So müssen z. B. 2 Fälle von Phrenicuslähmung, welche von 
R. Weigert und Kofferath mitgeteilt werden, als zweifellos 
traumatischen Ursprungs, nämlich durch Zangendruck zustande- 
gekommen, aufgefaßt werden; in einem der Fälle fand sich auch eine 
gleichseitige obere Plexusläihmung. Die Zwerchfellähmung äußert 
sich durch rasche, angestrengte, vorwiegend thorakale Atmung, 
doch muß die Diagnose durch eine Röntgenaufnahme verifiziert 
werden, welche dann die charakteristische paradoxe Zwerchfell- 
bewegung — Hochstand der gelahmten Zwerchfellhalfte bei der 
Inspiration, Senkung bei der Exspiration — ergibt (s. a. Vogt). 
In beiden Fällen trat nach verhältnismäßig kurzer Zeit vollkommene 
Heilung ein. 


H. Langbein beschreibt einen neuen Typ der Entbindungslahmung, 
welcher durch vorwiegende Beteiligung der Brust- und Schultermuskeln charak- 
terisiert ist. Bei einem 8jährigen Knaben wurde eine angeborene Lähmung der 
folgenden Muskeln festgestellt: Serratus, Rhomboidei, Trapezius inf., Biceps, 
Triceps, Pectoralis major, Latissimus dorsi. Es wird eine Läsion der 5. und 
6. Cervicalwurzel angenommen. M. Bass beschreibt einen Fall von bilateraler 
unterer Plexuslähmung. 


Man hat bekanntlich mehrfach behauptet, die Entbindungs- 
lähmungen seien vielfach überhaupt keine echten Lähmungen, 
sondern Begleiterscheinungen einer Verletzung des Schultergelenks 
oder oberen Humerusendes (s. Neck). Daß Distorsionen des Schulter- 
gelenks Plexuslähmungen vortäuschen können, steht außer Zweifel. 
Das Vorkommen von Luxationen des Humeruskopfes wird von 
Valentin in Abrede gestellt. Nach seiner Ansicht kommen auch 
Epiphysenlösungen nur in Ausnahmsfällen, nämlich bei grober Ge- 
walteinwirkung zustande. Findet sich eine Knochenatrophie, so 
ist diese als eine neurotische aufzufassen. als sekundäre Folge der 
Nervenläsion. 


Heft 1 Zur Physiologie und Pathologie der Neugeborenen. 81 


Wie bei der angeborenen Facialislähmung, welche intrauterinen 
(nucleären) Ursprungs oder intra partum erworben sein kann, wobei 
übrigens nach Rosenbeck nicht, wie gewöhnlich angenommen wird, 
der austretende Stamm, sondern die innerhalb der Parotis eingebet- 
teten Äste des Facialis Sitz der Läsion sind, hätten wir auch bei den 
angeborenen Armlähmungen die intrauterin entstandenen von den 
bei der Geburt erworbenen zu trennen. Wir könnten mithin folgende 
Formen der kongenitalen Armlähmung unterscheiden: 

I. Intrauterinen Ursprungs: 
I. echte Lähmungen: 
a) zentral-nervösen Ursprungs, 
b) Folge intrauteriner Druckwirkung. 

2. Scheinlähmung: Parrotsche Lähmung bei Lues. 

II. Geburtsverletzungen: 

x. echte Lähmungen: 
a) zentrale Läsionen bei intrakraniellen Blutungen; 
b) Verletzungen des Plexus brachialis (Entbindungsläh- 
mungen). 

2. Scheinlahmungen hei Verletzungen im Bereich des Schulter- 
gelenks und Humerus, vor allem bei Distorsionen der 
Schulter. 

Kahn stellte bei einem in Steißlage eingestellten, mit Armlösung, 
aber ohne Anwendung von Gewalt entwickelten Zwillingskind, 
welches post partum den betreffenden Arm schlecht bewegte, eine 
Luxation im Ellbogengelenke fest, eine bekanntlich äußerst 
seltene Geburtsverletzung. Greenhill berichtet über ein Kind. 
dessen Oberschenkel in seinem oberen Drittel infolge eines Cervix- 
krampfes so umschnürt wurde, daß es zu vorübergehenden Läh- 
mungserscheinungen kam. 

Über die intrakraniellen Verletzungen liegt eine größere 
Zahl von Arbeiten vor, welche im wesentlichen eine Bestätigung 
und Ergänzung älterer Befunde bringen. Recht zahlreich sind die 
Mitteilungen über Tentoriumverletzungen. Es darf heute wohl als 
gesicherte Tatsache hingestellt werden, daß sie die häufigste Ursache 
der subduralen Blutungen sind (Vischer, Königsgarten u. a.). 
Man hat zwar in einigen Fällen 'Tentoriumrisse ohne oder doch 
ohne nennenswerte Blutung gefunden (Zangemeister), doch 
handelt es sich hierbei nach Beitzke wahrscheinlich um postmortal 
entstandene Verletzungen. Die Risse im freien Rand des Tentorium, 
entstehen bei bitemporaler Kompression des Kopfes; bei frontos 
occipitaler Kompression, wie sie z. B. bei hoher Zange erfolgen kann, 

Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 6 


82 ReuB. Heft 1 


kommt es zum AbreiBen des FuBes der Falx cerebri vom Tentorium 
(Beitzke, Schafer, Zangemeister). Blutungen im Bereich der 
Falx unterhalb des Sinus longitudinalis finden sich nach Gabriel 
recht häufig und sind eine Folge der Zerreißung der zwischen beiden 
Blättern verlaufenden feinen Venen; sie machen an sich keine klini- 
schen Symptome, sind aber meist mit Tentoriumverletzungen ver- 
gesellschaftet. Zerreißungen der Sinus sind selten, häufig jedoch 
solche der in die Sinus einmündenden Venen. Nach Holland findet 
man Tentoriumverletzungen besonders oft bei SteiBlage. 

Daß intrakranielle Blutungen durchaus nicht nur nach operativen 
geburtshilflichen Eingriffen, sondern auch bei spontan geborenen 
Kindern nichts Seltenes sind, ja selbst bei Kaiserschnittkindern 
gefunden werden, geht aus Mitteilungen von Henkel und Jorgen- 
sen hervor. Ersterer mißt der Asphyxie als disponierendem Moment 
eine wichtige ätiologische Rolle zu und empfiehlt, aus prophylak- 
tischen Gründen vor allem sie hintanzuhalten; in diesem Sinne kann 
mitunter die Zange das Zustandekommen einer intrakraniellen 
Blutung verhüten. Fink weist darauf hin, daß Blutungen ın der 
Schädelhöhle auch durch Traumen des graviden Uterus entstehen 
können, entweder durch Gegenstoß des kindlichen Kopfes gegen 
das mütterliche Becken oder infolge kurzdauernder Einklemmung 
des Kindesschädels zwischen dem einwirkenden Gegenstand und 
mütterlicher Beckenschaufel oder Wirbelsäule. Er teilt einen Fall 
von Blutung in die vordere Schädelgrube mit, welche offenbar beim 
Sturz der schwangeren Mutter vom Fahrrad zustande kam. 

Was die Symptomatologie der intrakraniellen Blutungen betrifft. 
sei folgendes hervorgehoben: Bei 2 Fällen von infratentorialer 
Blutung sah Zimmermann den Tod unmittelbar im Anschluß 
an den ersten (schnappenden) Atenızug eintreten; offenbar ruft 
letzterer Strömungsveränderungen irn Kreislauf hervor, welche einen 
plötzlichen stärkeren Bluterguß zur Folge haben. Thomas weist 
auf eine bisher nicht beschriebene Art von Stridor congenitus hin, 
die er als ‚zentralen Stridor‘‘ bezeichnet. Man findet ihn meist 
nach schweren Geburten neben anderen zentralen Störungen im 
Schluck- und Saugmechanismus; es dürfte sich um eine Läsion des 
corticalen Schluck- und Kehlkopfzentrums handeln. 


Docrfler beschreibt einen Fall von Protrusio bulbi, die auf einen intra- 
kraniellen Bluterguß bezogen wird, der die Vena ophthalmica an ihrer Aus- 
trittsstelle aus dem Sinus cavernosus komprimierte; der Exophthalmus bildete 
sich im Verlauf einiger Wochen zurück. Feer berichtet über einen Säugling, 
der durch mehr als ein halbes Jahr Temperaturschwankungen nach oben 
und unten zeigte, als deren Ursache sich eine Verletzung des Halsmarkes 


Heft 1 Zur Physiologie und Pathologie der Neugeborenen. 83 


ergab, welche eine Unterbrechung der vom Wärmezentrum absteigenden 
Leitungsbahnen zur Folge hatte. 

Auf den diagnostischen und mitunter auch therapeutischen Wert 
der Lumbal- evtl. auch der Subdural- und Ventrikelpunktion wird 
von Voron und Delorme, Stefano, Foote, Irving, Sidbury, 
Towne und Faber hingewiesen. Die letztgenannten beiden Autoren 
berichten über einen Fall, welcher durch die Cushingsche Ope- 
ration der Heilung zugeführt wurde. Als wichtige therapeutische 
Maßnahme wird die Einverleibung gerinnungsfördernder Substanzen 
angeführt; Rosamond injizierte mit Erfolg Hämoplastin, teils 
intramuskulär. teils in den Sinus longit. 

Bezüglich der Folgezustände cerebraler (seburtsschäden lehrt 
eine Statistik von Schott, daß in der Ätiologie des Schwachsinns 
nur bei etwa 3%, in der Ätiologie der Epilepsie sogar nur bei 1% 
der Fälle eine Geburtsschädigung als alleinige Ursache angeführt 
wird, so daß man bei der Mehrzahl der Fälle nur eine vorbereitende 
Rolle des Geburtstraumas anzunehmen berechtigt ist. Auch Hannes 
kommt auf Grund seiner statistischen Untersuchungen zu dem 
Schluß, daß schwere Geburt und Asphyxie keine erhöhte Disposition 
zu abnormer geistiger Entwicklung und Idiotie schaffen. 

Nach allem, was wir heute über die Genese der intrakraniellen 
Verletzungen und ihre Symptomatologie wissen, muß man mit der 
Bewertung der Anamnese wohl recht vorsichtig sein. Wissen wir 
doch, daß solche Verletzungen keineswegs nur nach schweren oder 
operativen Geburten vorkommen und ihre Symptome, z. B. bei den 
Pialblutungen der Frühgeborenen, oft recht wenig prägnant sind: 
wurde man sich ihrer Häufigkeit doch erst am Sektionstisch be- 
wußt! 

Es sei an dieser Stelle besonders auf die wichtigen Befunde von 
Schwartz hingewiesen, welcher unter rro zur Sektion gelangten 
Neugeborenen Io5 mal ausgedehnte Schädigungen fand, und zwar 
piale und cerebrale Blutungen sowie Erweichungsherde in der 
Gehirnsubstanz. Die Blutungen waren bei Frühgeborenen meist 
schon makroskopisch, bei ausgetragenen Kindern gewöhnlich nur 
mikroskopisch sichtbar. Es zeigte sich fast immer ein deutlicher 
Zusammenhang zwischen der Lokalisation dieser Veränderungen 
und der Geburtslage. Kopfgeschwulst, Cephalhämatom, Pial- und 
Intracerebralblutungen entstehen an der durch den Blasensprung 
entstandenen Minderdruckstelle. Bei genügend großer Druck- 
differenz staut sich daselbst das Blut, und die Blutgefäße zerreißen 
(„Ansaugungsblutungen‘). Was Virchow seiner Zeit als Encephalitis 

6* 


84 ReuB. Heft 1 


interstitialis congenita beschrieben hat, sind nach Schwartz durch 
das Geburtstrauma hervorgerufene Erweichungsherde, welche sich 
wenige Stunden nach der Geburt bilden, anfangs zum größten Teil 
aus Fettkörnchenzellen bestehen und später vernarben. Solche 
Erweichungsherde entstehen nicht nur infolge von Kreislaufsstörun- 
gen, sondern auch durch direkte Traumen, Quetschung und Er- 
schütterung. Schwartz glaubt, daß die traumatische Gehirn- 
schädigung vielfach die Veranlassung nicht nur zur Totgeburt, 
sondern auch zu Erscheinungen sein kann, die man der sog. Lebens- 
schwäche zuzuzählen pflegt. Es läßt sich kaum beweisen, aber wohl 
auch nicht in Abrede stellen, daß solche subtile Gehirnschädigungen, 
welche jede Geburt im Gefolge haben kann, im Laufe der späteren 
Entwicklung zu manifesten Störungen führen können. 

Über einen Fall von schwerer Verletzung des Rückenmarks nach Wen- 


dung und Extraktion berichtet Kooy. Sie führte zu Paraplegie und Sensi- 
bilitätsverlust der unteren Extremitäten. Tod erst im 9. Lebensjahr. 


Digestionstrakt. 


Als „initiale Diarrhöe‘“ bezeichnet Davidsohn eine Form von 
Durchfall, an welcher er die ins Spital aufgenommenen jungen Säug- 
linge bei künstlicher Ernährung während der ersten Wochen ihres 
Aufenthaltes erkranken sah. Es handelt sich um eine Darmaffektion. 
welche sich vom sog. ,,Ubergangskatarrh‘‘ der Neugeborenen nur 
graduell unterscheidet und wie dieser wahrscheinlich auf die über- 
große Empfindlichkeit des Darmes gegenüber der Nahrung zurück- 
zuführen ist. Wie bakteriologische Untersuchungen des Magen- und 
Duodenalinhalts durch Hauschild zeigten, findet man in letzterem 
keine Colibacillen, was den Schluß erlaubt, daß der Dünndarm 
ireı von pathologischer Bakterienbesiedlung ist. Wir haben es 
offenbar nur mit einer Dickdarmaffektion zu tun, welche (wie der 
Übergangskatarrh) keine Nahrungsreduktion verlangt, sondern 
durch Erhöhung der Calorienzufuhr behandelt werden soll, wobei 
allerdings allzu kohlenhydratreiche Gemische zu vermeiden sind. 
Jedenfalls lehren die Erfahrungen, daß ein brüsker Übergang zu 
künstlicher Ernährung in der ersten Lebenszeit nach Möglichkeit 
umgangen werden soll. 

Bezüglich der Diagnostik der Darmatresien verdient eine Mit- 
teilung von Levy Erwähnung, welcher bei einem Kind mit Atresia 
ilei, das offenbar intrauterin erbrochen hatte, den Abgang von aus- 
gesprochen grünem Fruchtwasser beobachtete, cin Befund, der bei 
einer sonst ganz normalen Geburt vielleicht diagnostisch verwertet 


Heft ı Zur Physiologie und Pathologie der Neugeborenen. 85 


werden kann. Schneider sah bei einer Duodenalatresie 3 Tage 
andauerndes Bluterbrechen. Salzmann beobachtete bei derselben 
Anomalie eine Vorwölbung der linken Unterbauchgegend. Hughes 
berichtet über einen der seltenen Fälle von Darmokklusion durch 
eingedicktes Meconium mit folgender Darmperforation und Perito- 
nitis. 

Über die Atiologie der kongenitalen Darmatresien s. bei Ritter und Hennig. 


Respirationstrakt. 


Mit den seiner Zeit von Ahlfeld beschriebenen intrauterinen 
Atembewegungen befaßt sich in einer eingehenden Studie Walz. 
Er hält diese Atembewegungen, an deren Vorkommen nicht zu 
zweifeln ist, für eine notwendige Bedirigung zur Aufrechterhaltung 
des fötalen Kreislaufes. Er glaubt, daß die Bewegungen der Atem- 
muskulatur notwendig sind, um das Blut von der Placenta nach dem 
Thorax mit entsprechender Geschwindigkeit anzusaugen. Wenn 
bei Behinderung der placentaren Blutzufuhr die geringen Atem- 
exkursionen zur Sauerstoffaufnahme nicht ausreichen, werden die 
Atembewegungen so ausgiebig, daß die Barriere an der Stimmritze 
durchbrochen wird. 

Auf dem Gebiet der Asphyxiebehandlung werden verschic- 
dene Vorschläge gemacht. Klee empfiehlt die Einführung eines 
Trachealkatheters, dem eine Glaskugel zur Aufnahme der aspi- 
rierten Massen vorgeschaltet wird, wodurch das wiederholte Ein- 
führen des Katheters entbehrlich gemacht wird. Als eine zweck- 
mäßige Methode der künstlichen Atmung gibt Greenwood eın 
Verfahren an, das im wesentlichen darin besteht, daß (das zuerst mit 
dem Kopf nach oben gehaltene Kind rasch bei den Füßen gehoben 
wird, so daß nun der Kopf nach unten gerichtet ist. Bei dieser 
Prozedur, welche ca. ı5mal in der Minute wiederholt wird, fallen 
die Eingeweide bald gegen das Becken, bald gegen das Zwerchfell, 
wodurch ein regelmäßiges Ansaugen und Auspressen von Luft aus 
dem Thoraxraum erzielt wird. Lauer geht in der Weise vor, daB 
er den Mund des Kindes gleichsam in seinen eigenen nimmt und seine 
Atemluft entsprechend den eigenen Atembewegungen rhythmisch 
einbläst; gelangt hierbei zu wenig Luft in den Thorax des Kindes, 
so kann man dessen Nase vorsichtig zuhalten. Eine sehr bemerkens- 
werte Methode, deren Nachprüfung sehr erwünscht wäre, sind die 
von Mikulicz-Radecki in einigen Fällen mit Erfolg angewendeten 
Injektionen von Lobelin (3 mg subcutan) zur Anregung des Atem- 
zentrums. Ist auch das Herz erlahmt, so kann dessen Tätigkeit, 


86 Reuß. Heft ı 


wie schon früher mehrfach empfohlen, durch eine intrakardiale 
Injektion von Adrenalin (1/,—1/, mg) angefacht werden (s. a. Dach- 
arr y). 

Die schon vor mehreren Jahren von Goeppert hervorgehobene 
Bedeutung der Rhinitis als Ursache bedrohlicher Exsiccations- 
zustände beim Neugeborenen wird von seinem Schüler C. Meier 
neuerdings gewürdigt. Er weist darauf hin, daß sich die Erkrankung, 
welche akut einzusetzen pflegt, manchmal nur in Veränderung der 
Hautfarbe, in schweren Fällen aber auch in tiefer Benommenheit 
und Krämpfen äußern könne. Fieber ist kein konstantes Symptom 
dieses Durstschadens, der durch gewaltsame Flüssigkeitszufuhr rasch 
behoben werden kann. . 

Das ätiologisch so vielgestaltige Bild des Stridor congenitus 
wird durch Thomas um zwei neue Typen bereichert, den bereits 
oben erwähnten ‚zentralen Stridor“, und einen bei kräftigen Neu- 
geborenen und jungen Säuglingen vorkommenden ,,Schreistridor“, 
so genannt, weil er nur beim Schreien ertönt, beim Trinken und im 
Schlaf aber nicht zu hören ist, wodurch er sich von dem gewöhn- 
lichen Stridor benignus abgrenzen läßt, mit dem man ihn bisher 
wohl konfundiert hat. Thomas und Kochenrath halten es übrigens 
für unzweifelhaft, daß es Übergänge von Schreistridor zum klassischen 
Stridor congenitus gibt, so daß vermutet werden könnte, dieser 
sei eine Steigerung des Schreistridors. Ein anatomisch untersuchter 
Fall von letzterem zeigte die bekannte Rinnenform der Epiglottis. 
Die genannten Autoren nehmen an, daß dem frühen Kindesalter 
im allgemeinen eine „Stridordisposition“‘ zukomme. 


\tembehinderung infolge Struma congenita veranlaßte Melchior, bei 
dem 2. Kind einer an Basedowkropf leidenden Mutter, deren erstes ebenfalls 
mit Kropf behaftetes Kind kurz nach der Geburt gestorben war. am 
3 Lebenstag die bilaterale Resektion der Schilddrüse vorzunehmen; der 
Erfolg war gut. 

Buttenwieser berichtet über ein Kind mit stridoröser Atmung und 
Schlingbeschwerden infolge einer zwischen Oesophagus und Trachea befindlichen 
Cyste. H. Schulze fand bei einem nach einem Monat unter zunehmender 
Cyanose verstorbenen Kind, das seit der Geburt Atembeschwerden gehabt 
hatte, die sich beim Einführen der Magensonde zu Erstickungsanfällen steiger- 
ten, einen doppelten Aortenbogen, welcher Luft- und Speiseröhre ringförmig 
umgab. 


De kongenitale Pneumonie scheint häufiger vorzukomnıen, 
als man bisher anzunehmen geneigt war. Fälle von Influenzapneu- 
monie des Neugeborenen bei Influenza der Mutter wurden in den 
letzten Jahren von Esch, Warwick. Fülöp beschrieben. Wenn 


Heft 1 Zur Physiologie und Pathologie der Neugeborenen. 87 


man bei einem totgeborenen Kind eine doppelseitige Pneumonie 
findet, wie es der letztgenannte Autor beschreibt, muß man wohl 
eine diaplacentare Infektion annehmen. Daß die Mehrzahl der in 
den ersten lebenstagen vorkommenden Pneumonien Folgen einer 
Aspiration infektiöser Stoffe aus dem Fruchtwasser oder den mütter- 
lichen Geburtswegen oder aber solche einer aerogenen Infektion sind, 
bleibt natürlich zu Recht bestehen. Solche Pneumonien scheinen 
bei Kindern der ersten Lebenstage eine der häufigsten Todesursachen 
zu sein. Sie sind klinisch oft schwer oder gar nicht zu diagnostizieren 
und werden besonders bei debilen Kindern vielfach erst bei der 
Sektion entdeckt, worauf Kolisko schon vor Jahren hingewiesen 
hat, und was neuerdings von Nobel und Dabowsky betont wird. 
Wenn physikalische Symptome fehlen, kann mitunter die Röntgen- 
untersuchung das Vorhandensein von pneumonischen (und atel- 
ektatischen) Verdichtungen aufdecken (E. Vogt). Selbst bei der 
Autopsie können beginnende entzündliche Veränderungen über- 
sehen werden, wenn nicht eine mikroskopische Untersuchung vor- 
genommen wird (Browne). 

Als „akute hämorrhagische Pneumonie“ beschreibt 
Browne eine Erkrankung, welche Kinder der ersten l.ebenstage 
hefallt und durch kongestive Hyperämie mit Gefäßrupturen und 
konsekutiver Blutung in die Alveolen und Bronchien charakterisiert 
ist. Die Erkrankung führt rasch zum Tode. 


Rummel berichtet über einen Fall von isoliertem I.ungenabsceß bei einem 
am 4. Lebenstag erkrankten Kind; der Durchbruch des Abscesses führte zu 
eitriger Pleuritis. Wolf fand bei einem 3 Tage alten Kind ein hämorrhagisches 
Pleuraexsudat (Streptokokkeninfektion). 


Zirkulationsapparat. 


Über eine Herzmißbildung, welche für den Kliniker deshalb nicht ohne 
Interesse ist, weil sie eine längere Lebensdauer gestattet, berichtet Weber: 
In einem Bruchsack zwischen Brustbein und Nabel findet sich eine pulsierende 
Geschwulst, welche einem Anhang der Herzspitze entspricht. Das Kind wurde 
im Alter von 5 Monaten operiert, und zwar mit Erfolg. In der Literatur finden 
sich 9 derartige Fälle beschrieben, darunter ein ım 3. T.ebensjahr ebenfalls 
erfolgreich operierter Fall von Wieting, 

Gräper beschäftigt sich in einer längeren Arbeit mit der Frage des Ver- 
schlusses des Ductus Botalli und spricht sich für die Virchowsche Theorie 
aus (Verschluß durch Kontraktion der glatten Muskulatur). 


Wenn ein Kind nach der Geburt oder in den ersten Tagen cyano- 
tisch ist, so kann dies nach Gocppert entweder die Folge eines 
Herzfehlers sein — dauernde Mischungscyanose oder vorübergehende 
Cyanose bei anfänglicher Druckdifferenz zwischen dem kräftigeren 


88 Reuß. Heft ı 


rechten und linken Herzen —- oder der Ausdruck einer Druckdifferenz 
zwischen rechtem und linkem Vorhof ohne Herzfehler. Die letzt- 
genannte Form wird durch ein unzureichendes Arbeiten des linken 
Vorhofes oder eine Druckzunahme im rechten Herzen verursacht 
und findet sich als Folge einer Schädigung des Herzmuskels bei 
Sepsis, bei Krampfanfällen und Lungenaffektionen. Die Druck- 
differenz in den Vorhöfen kann nur so lange Cyanose erzeugen, als 
das Foramen ovale offen ist. 


Harnapparat. 


Zur Pyelocystitis beim Neugeborenen liefert Hornung einen kasuist!- 
schen Beitrag: aın 3. Lebenstag im eitrigen Harn Staphylokokken, welche all- 
mählich an Menge abnehmen und in der 3. Woche durch Coli verdrängt werden. 
Ich selbst sah bei cinem an einer ziemlich schweren Pemphiguserkrankung 
leidenden Kind zu Beginn der 3. Lebenswoche eine Colicystitis, welche unter 
der üblichen Therapie im Lauf einiger Wochen ausheilte. 


Nervensystem. 

Mit der Frage der kongenitalen Encephalitis beschäftigt 
sıch Wohlwill. Er teilt einen Fall mit, wo sich im Gehirn eines 
3 Tage alten frühgeborenen Kindes Veränderungen fanden, welche 
nach dem histologischen Bild als Ausdruck einer Encephalitis un- 
bekannten Ursprungs aufgefaßt werden mußten. Solche entzünd- 
liche Erkrankungen gehören aber zu den größten Seltenheiten. Der 
Begriff der Encephalitis congenita Virchow soll fallen gelassen 
werden. Es handelt sich hier nicht um entzündliche Vorgänge, 
sondern entweder um eine Ansammlung von Körnchenzellen, welche 
als Aufbauzellen aufzufassen sind und keine pathologische Bedeutung 
haben, oder um degenerative Abbauvorgänge. Diese degenerativen 
Veränderungen im Gehirn Neugeborener sind Erweichungsherde 
oder sklerotische Prozesses von nicht einheitlicher Ätiologie. Wohl- 
will hebt gleich Schwartz (s. o.) die ätiologische Bedeutung des 
Geburtstraumas hervor (Hämorrhagien, Commotio cerebri), doch 
können seiner Ansicht nach auch endartcriitische Veränderungen, 
möglicherweise auch endokrine Störungen bei diesen im Mark oder 
auch in der Hirnrinde lokalisierten Erkrankungen im Spiele sein, 
welche man als Encephaloskleromalacie, Sklerose des Hemisphären- 
marks, lobäre oder atrophische Sklerose bezeichnen kann. Die 
klinischen Bilder, welche den genannten Veränderungen entsprechen, 
dürften in das Gebiet der cerebralen Kinderlähmung gehören. 

Die eitrige Meningitis ist, wie die bereits recht reichhaltige 
Kasuistik lehrt, eine nicht gar seltene Erkrankung des Neugeborenen 


Heft 1 Zur Physiologie und Pathologie der Neugeborenen. 89 


und dürfte nach den intrakraniellen Geburtsverletzungen die häufigste 
Ursache von Krämpfen in den ersten Lebenstagen sein. Fieber kann 
dabei vollkommen fehlen, wie mich kürzlich ein selbstbeobachteter 
Fall wieder lehrte. 


Von einer Staphylokokkenmeningitis berichten C. de Lange und Schiffers, 
von einer Meningokokkenmeningitis mit auffallend protrahiertem Verlauf Root. 

Funkhouser beschreibt einen im 7. Monat mit Erfolg operierten Fall 
von doppelseitiger Encephalocele in der Gegend der Nasenwurzel (Foramen 
coecum), Santner einen großen doppelten Occipitalbruch: obwohl die Opera- 
tion eine reine Meningocele ergab, kam es in ihrem Gefolge zu Hydrocephalus, 
Erblindung und Idiotie. 


Knochensystem. 


Mit der beim Säugling häufig auffallenden Einwärtskrümmung 
der Unterschenkel, über deren Bedeutung der Arzt von den Müttern 
bekanntlich oft interpelliert wird, beschäftigt sich Zschocke. 
Es handelt sich, wie Skelettpräparate zeigten, nicht um eine Ver- 
krümmung der Tibien, sondern bloß um eine eigentümliche Haltung 
in den Gelenken, wie sie der im Fruchtwasser schwimmende Foetus 
einnimmt, um ein Verharren in der ‚„Urform‘“. Der Uterusdruck 
spielt hierbei keine Rolle. 

Die Luxatio coxae congenita ist bekanntlich beim Neugeborenen 
nur selten zu erkennen, schon deshalb, weil anfänglich keine voll- 
ständige Luxation, sondern nur eine Subluxation zu bestehen pflegt. 
Bei den wenigen schon in den ersten Lebenstagen konstatierten Hiift- 
gelenksluxationen fanden sich stets andere Deformitaten, die als Folgen 
einer Zwangshaltung in utero gedeutet werden muBten (Sippel). 

Lydia Sicher bringt lehrreiche histologische Befunde über den 
angeborenen Weich- und Lückenschädel. Neurath berichtet über 
hereditare Ossificationsdefekte am Scheitelbein, welche sich als 
symmetrisch zur Sagittallinie in den Scheitelbeinen liegende, mit 
normaler Haut bedeckte Fenster darstellen und als typische Ent- 
wicklungshemmung aufzufassen sind. 

Die Chondrodystrophie ist nach Du ken durch eine Druckwirkung von seiten 
des Amnion verursacht. 

Baumann berichtet über einen schweren Fall von Osteogenesis imperfecta 
bei einem frühgeborenen Kind, das mit multiplen Frakturen zur Welt kam 
und im Laufe des ersten Lebensjahres vier Spontanfrakturen erlitt, dabei aber 
verhältnismäßig gut gedieh. 

Madier sah bei einem Neugeborenen mit eitriger Mastitis in der zweiten 
Woche eine Osteomyelitis des 4. Brustwirbels. 

Nürnberger und Errard beobachteten bei neugeborenen Kindern schwanz- 


artige Anhänge, welche sich bei der histologischen Untersuchung als bloß aus 
Bindegewebe mit Blutgefäßen bestehend erwiesen. 


go ReuB. Heft 1 


Haut. 

Uber angeborene Hautdefekte am Kopf berichten Jacquin und 
Graff. Der Vater des von Graff beobachteten Kindes zeigte an 
derselben Stelle des Kopfes einen kongenitalen Hautdefekt. Die 
bisherige Auffassung, daß die Defekte von amniotischen Verwach- 
sungen herrühren, braucht deswegen nicht aufgegeben zu werden. 
Hereditäres Auftreten findet man ja auch bei anderen, zweifellos 
mechanisch zustandekommenden angeborenen Deformitaten wie 
Klumpfuß und Hasenscharte, was wohl so zu erklären ist, daß eben 
die mechanisch wirkenden Faktoren es sind, welche vererbt werden. 

Große angeborene Hämangiome resp. Cavernome beschrieben 
Stiefelund Gänsbauer. Die Affektion scheint auf konstitutionelle 
Minderwertigkeit hinzuweisen. 

In einer bemerkenswerten Studie über die sog. „blauen Geburts- 
flecke‘“ (Mongolenflecke) weist Zarfl auf Untersuchungen von 
Toldt hin, welcher bei Affen eine durch Corium- und Epidermis- 
pigmentierung hervorgerufene Hautzeichnung feststellen konnte. 
was die Annahmc berechtigt erscheinen läßt, daß auch die Vorfahren 
des Menschen eine ähnliche spezifische Hautpigmentierung besessen 
haben. Wenn man die Mongolenflecke in diesem Sinne als allgemeine 
atavistische Erscheinung auffaßt, so muß deswegen der Einfluß 
der Rassenkreuzung nicht geleugnet werden. Durch Einschlag 
von Rassen, bei denen sich die ursprüngliche Hautzeichnung besser 
erhalten hat, kann das Auftreten der Geburtsflecke gefördert werden. 
Zarfl beschreibt zum erstenmal einen in der behaarten Kopfhaut 
lokalisierten Mongolenfleck. 

Fälle von Ichthyosis (Hyperkeratosis) congenita werden von Mc Anslin, 
C. de Lange-Schippers, Heidler beschrieben. 

Im Gegensatz zu Matzenauer, welcher bekanntlich auf Grund 
von Uberimpfungsversuchen den Pemphigus neonatorum und 
die Impetigo contagiosa für eine einheitliche Erkrankung erklärte. 
fand Bierende, daß die Verimpfung des Inhalts von Pemphigus- 
blasen von Neugeborenen auf Erwachsene bei intakter Haut über- 
haupt nicht gelingt, nach vorheriger Schädigung aber die Entwick- 
lung typischer Pemphigusefflorescenzen zur Folge hat. Es wird 
daraus der Schluß gezogen, daß der Erreger des Pemphigus neona- 
torum simplex ein spezifischer Staphylokokkus sei. Therapeutisch 
wird Betupfen des Blasengrundes mit Sublimat und Alkohol und 
Applikation einer Protargolsalbe empfohlen. Gralka sah günstige 
Erfolge von Bestrahlungen mit künstlicher Höhensonne, welche man 
bei prognostisch zweifelhaften Fällen stets anwenden solle. 


Heft 1 Zur Physiologie und Pathologie der Neugeborenen. QI 


Mautner beobachtete bei einem Neugeborenen eine schwere 
Form von Pemphigus, welche stellenweise zu tiefgreifenden Ulcera- 
tionen mit Zerstörung von Skeletteilen (Phalangen) führte; Tod 
nach 2 Monaten. Da die Anamnese ergab, daß zwei Geschwister des 
Kindesvaters mit ähnlichen Blasen zur Welt gekommen seien, wird 
ein hereditäres Verhalten angenommen — eine Art Epidermolysis 
hereditaria non traumatica — und der Name ,,Pemphigus heredi- 
tarius‘‘ vorgeschlagen. 

Liebe fand im Blaseninhalt eines Pemphigus neon. Gonokokken. 

J. Lange berichtet über ein typisches Bromexantheın bei dem Kind einer 
Epileptikerin, welche während der Schwangerschaft wiederholt Brom ein- 
genommen hatte. : 

Grimaldi fand bei zwei Neugeborenen mit Sklerem eine Ver- 
größerung der Thymus und nimmt deshalb eine Dysfunktion der 
Thymus an; Bourne denkt an eine Funktionsstörung der Thyreoi- 
dea, da er ein Sklerem unter Behandlung mit Thyreoidin verschwin- 
den sah; Hodder sah ein Sklerema neonatorum nach starkenı 
Blutverlust der Mutter infolge Placenta praevia. Brinckmann 
stellte bei Sclerem eine amorphe, strukturlose Kalkmasse in den 
Fettalveolen fest. Auch Dorlencourt, Banu und Paychere 
fanden die Mineralsalze (mit Ausnahme des Kochsalzes) im Sklerem- 
gewebe vermehrt, den Wassergehalt stark vermindert, den Gesanıt- 
fettgehalt, insbesondere den Gehalt an Ölsäure, beträchtlich herab- 
gesetzt. 

Unsere Kenntnisse über die sog. Sklerodermie der Neugebo- 
renen wurde durch histologische Befunde bereichert, welche Bern- 
heim-Karrer und Keilmann mitteilen. Sie stimmen darin über- 
ein, daß es sich um Reizerscheinungen handelt, welche durch irgend- 
cine chemische Zersetzung des Fettes innerhalb der Fettalveolen 
hervorgerufen wird. Bernheim-Karrer fand eine Nekrose des 
Fettgewebes mit beträchtlicher entzündlicher Infiltration der Um- 
gebung, Keilmann in Herden eines späteren Stadiums Wucherung 
von jugendlichen Fettzellen, Fibroblasten, Riesenzellen, kleinzellige 
Infiltration, keine Zeichen von Nekrose. Wie der ganze klinische 
Verlauf weisen auch diese Befunde darauf hin, daß wir eine von der 
Sklerodermie der Erwachsenen differente Hauterkrankung vor uns 
haben, wenn auch in einzelnen Fällen beobachtet wurde, daß sich 
die Herde nicht immer’ restlos zurückbilden, sondern zuweilen mit 
Hinterlassung zentraler Atrophie ausheilen (R. Pollitzer). Auch 
in den neueren Mitteilungen wird auf das häufige symmetrische 
Auftreten sowie auf Beziehungen zu Geburtstraumen hingewiesen. 


92 Reuß. Heft ı 


Bei einem frühgeborenen Kind mit anfangs allgemeinen, später 
am Gesicht, Hals und Genitale lokalisierten Ödemen fand Petenyi 
eine auffallend kleine Schilddrüse, was ihn veranlaßt, die Frage auf- 
zuwerfen, ob bei den Ödemen der Frühgeborenen nicht eine 
Hypothyreose sowie eine mit letzterer vielleicht in Zusammenhang 
stehende vasomotorische Labilität eine ätiologische Bedeutung 
haben könne. Er hält es nicht für gerechtfertigt, das isolierte Genital- 
ödem von den sonstigen Ödemen klinisch zu trennen. 


Koegel berichtet über 2 Fälle von Hydrops foetus universalis mit Blut- 
bildungsherden in Leber und Milz. Ätiologie in einem Fall Schwangerschafts- 
nephritis, im anderen Syphilis. 


Nabel. 


Die vielbesprochene Frage, ob man ein Kind vor Abfall des Nabel- 
schnurrestes baden solle, wird von H. Küstner einer neuerlichen 
Bearbeitung unterzogen. Es fanden sich bei den gebadeten Kindern 
verhältnismäßig häufig pathogene Keime im Nabelbett, welche bei 
den nicht gebadeten stets vermißt wurden; ferner zeigte der Stumpf 
öfters feuchte Gangrän. Es wird deshalb das Unterlassen des Bades 
empfohlen. In demselben Sínn äußert sich Kritzler. 

In einer lehrreichen Abhandlung über Nabelerkrankungen berichtet 
Cullen u. a. über das Vorkommen atheromatöser Cysten des Nabels, 
weicher, lipomartiger, gestielter Tumoren, welche seit den ersten 
Lebenstagen bestehen und operativ entfernt werden sollen. 

Nabelschnurbrüche sollen trotz der Möglichkeit einer Spontan- 
heilung unter allen Umständen, und zwar möglichst früh, der Opera- 
tion zugeführt werden. Genschel berichtet über eine große Nabel- 
schnurhernie, bei welcher wegen Vorlagerung der Leber die Schließung 
der Bauchdecken nur unter ziemlich starker Spannung möglich war 
und trotz nachträglicher Dehiscenz und Eiterung Heilung erzielt 
wurde. Tennent empfiehlt zur Entlastung der gespannten Därme 
eventuell eine Appendikostomie vorzunehmen. 


Hämorrhagien, Haemophilia neonatorum. 


Wenn ich seinerzeit vorschlug, die Melaena neonatorum in benigne 
und hämophile Formen zu scheiden, so geschah dies auf Grund klini- 
scher Beobachtungen. Das Vorkommen von Übergangsformen schien 
mir nicht gegen die Berechtigung des gewählten Einteilungsprinzips 
zu sprechen, an dem ich nach den in den letzten Jahren veröffentlich- 
ten Befunden über die Veränderungen der Blutungs- und Gerinnungs- 
zeit in den ersten Lebenstagen auch heute noch festhalten zu können 
glaube. 


Heft 1 Zur Physiologie und Pathologie der Neugeborenen. 93 


Man hat unter physiologischen Verhältnissen im Blute des Neu- 
geborenen, besonders um die Mitte der ersten Lebenswoche, eine 
Verzögerung der Gerinnung feststellen können (s. o.), welche unter 
pathologischen Verhältnissen eine ganz wesentliche Steigerung er- 
fahren kann; so fand z. B. Rodda bei Melaena eine Verlängerung 
der Gerinnungszeit bis auf go Minuten! Es tritt so ein Zustand ein, 
der an die konstitutionelle Hämophilie erinnert und deshalb am 
einfachsten als ‚Haemophilia neonatorum“ zu bezeichnen wäre. 
Wie bei der ersteren kommt es auch bei dieser passageren Störung 
in der Koagulationsfähigkeit des Blutes erst dann zum Manifest- 
werden der Erscheinung, wenn entsprechende Gefäßläsionen vor- 
handen sind, die den Austritt von Blut ermöglichen. Hämorrhagien 
sind beim Neugeborenen etwas sehr Häufiges, man könnte fast sagen 
Physiologisches. Man findet sie als Folge der intra partum eintreten- 
den Stauung in der Haut, den Schleimhäuten, aber auch in vielen 
Inneren Organen, wie z. B. in der sehr capillarreichen Nebennieren- 
rınde. Bei normaler Blutgerinnbarkeit werden diese Hämorrhagien 
klinisch erst dann bedeutungsvoll, wenn sie größere Blutgefäße 
betreffen, oder wenn sie an einer „empfindlichen“ Stelle lokalisiert 
sind. Ein in die hintere Schädelhöhle blutender Tentoriumriß braucht 
gar nicht umfangreich zu sein, um den Tod herbeizuführen. Im 
allgemeinen werden die Hämorrhagien aber erst dann verhängnis- 
voll, wenn die Haemophilia neonatorum sich hinzugesellt. Was die 
Ursache der letzteren ist, entzieht sich einstweilen freilich unserer 
Erkenntnis. Wahrscheinlich handelt es sich meist —- so vor allem 
bei der hämophilen Frühform der Melaena —- um irgendwelche 
toxische Stoffwechselprodukte, welche in geringerem Maße schon 
unter normalen Verhältnissen wirksam sind. Es ist aber durchaus 
möglich, daß gelegentlich auch infektiöse Noxen in diesem Sinne 
wirken können. So fanden Stransky und Schiller bei einer 
hämorrhagischen Streptokokkensepsis in der 3. Lebenswoche eine 
ausgesprochene Herabsetzung der Gerinnbarkeit des Blutes. Daß 
auch bei den Frühformen der Melaena ektogene Ursachen im Spiele 
sein können, darauf scheinen Beobachtungen von Bernheim- 
Karrer hinzuweisen, welcher in der Züricher Frauenklinik im 
Laufe von 6 Tagen 6 Säuglinge an Melaena erkranken sah, allerdings 
ohne einen Infektionserreger nachweisen zu können. 

Es scheint mir nicht gegen die Berechtigung zur Aufstellung 
des Begriffs Haemophilia neonatorum zu sprechen, wenn bezüglich 
Schwere des Krankheitsverlaufs und Störung des Gerinnungsvorgangs 
gewisse Unstimmigkeiten bestehen. Es wird niemand bestreiten, 


94 Reuß. Heft ı 


daß es aus einem Ulcus intestini oder ventriculi stark bluten kann. 
auch ohne daß die Gerinnungszeit verlängert sein muß, ebensowenig. 
daß eine hämorrhagische Sepsis an sich zu starken Blutverlusten 
Veranlassung geben kann: abgesehen von der Gefäßwanderkrankung 
mag hier auch die durch die infektiöse Noxe hervorgerufene aktive 
Hyperämie blutungsfördernd wirken (Lötzenberg und White). 
Andererseits kann die Gerinnungszeit verlängert sein, ohne daß 
es zu schweren Blutungen kommen muß, wenn die Grefäßverletzung 
keine bedeutende ist. 

Die klinischen Erfahrungen drängen dazu, dem hämophilen 
Zustand des Blutes eine Bedeutung beizumessen, sei es nun bei den 
intrakraniellen Blutungen, sei es bei der Melaena oder anderen 
hämorrhagischen Erkrankungen, und auch dementsprechend thera- 
peutisch vorzugehen. Gelston berichtet über eine schwere Ompha- 
lorrhagie bei einem dreitägigen Kind mit ausgesprochenem Mangel 
an Prothrombin, welches einige Stunden nach der Injektion von 
Citratblut wieder in normaler Menge vorhanden war. Von gün- 
stigen, ja geradezu lebensrettenden Wirkungen der Bluttransfusionen 
resp. -injektionen berichten auch Lapage, Laurie, Jervell, 
Bamberger. 

Was die Lokalisation der Hämorrhagien betrifft, so sei auf die 
bisher noch wenig beachteten Blutungen in der Thymus hingewiesen. 
wie sie Wahl und Walthall beschreiben. Müller beobachtete 
einen Bluterguß ins Mittelohr, ferner ein Ulcus oesophagi, Lambrı 
Blutungen aus der Wangenschleimhaut, welche beim Saugen an der 
schwergiebigen Mutterbrust auftraten, Fraser und McCarsnev 
‚eine Blutung in den Peritonealraum nach Durchbruch eines Häma- 
toms, welches sich infolge Ruptur der persistierenden Dpttergang;- 
arterie gebildet hatte. 

Daß Nebennierenhämatome auch bei weitgehender Zerstörung 
des Gewebes symptomlos bleiben können, ist vielleicht durch die 
für den jungen Säugling physiologische Hypadreninämie und das 
dementsprechend geringe Adrenalinbedürfnis zu erklären, wodurch die 
verminderte Adrenalinproduktion latent bleiben kann (Victor, Vogt). 


Winckelscher Symptomenkomplex, Methämo- 
globinämie. 

In meinem letzten Sammelreferat schlug ich vor, den Ausdruck 
„Winckelsche Krankheit“ durch die Bezeichnung ‚Winckelscher 
Symptomenkomplex“ zu ersetzen. Er besteht nach der Schilderung 
seines Autors in schwerer Cyanose. mehr oder minder ausgeprägtem 


Heft ı Zur Physiologie und Pathologie der Neugeborenen. 95 


Ikterus, Hämoglobinurie, toxischem Allgemeinzustand. Fehlt letz- 
terer und vor allem die Hämoglobinurie, so bleibt von dem Komplex 
nur die Cyanose übrig, welche, wie wir jetzt wissen, durch eine Met- 
hämoglobinämie verursacht wird und dadurch einer Reihe von 
prognostisch sehr verschiedenartigen Krankheitszuständen zwar 
etwas Gemeinsames verleiht, nach meinem Dafürhalten aber doch 
nicht genügt, um die in den letzten Jahren bei jungen Säuglingen 
wiederholt beobachteten und durchweg günstig verlaufenen Stempel- 
farbenvergiftungen mit den schweren Septicämien Winckels in 
einen Topf zu werfen. Die Methämoglobincyanose gehört zwar 
zum Winckelschen Symptomenkomplex, ist sie aber allein vorhan- 
den, dann lasse man den Namen Winckel lieber weg. Wie Neu- 
land ausführt, können verschiedenartige chemische Gifte in gleicher 
Weise zu der genannten Veränderung des Blutfarbstoffs führen wie 
bakterielle Gifte. Als erstere kommen in Betracht: Anilinöl, Naph- 
thalin, Nitrobenzol, evtl. Vaselinöl. Alle jüngst beschriebenen Fälle 
beziehen sich auf Vergiftungen mít Farbstoffen. welche zum Stempeln 
der Wäsche benützt werden. Die Cyanose dauerte bald nur wenige 
Stunden, bald mehrere Tage an, verschwand aber stets ohne weitere 
Schädigung des Kindes (Neuland, Thomsen, Tebbe, Theodor). 
Einen Fall von foudroyant verlaufender hämorrhagischer Strepto- 
kokkensepsis mit dem Winckelschen Symptomenkomplex beschrei- 
ben Anders und Stern. 


Transıtorisches Fieber. 


Daß die Exsiccation beim transitorischen Fieber ein bedeutsamer 
ätiologischer Faktor ist, wird heute allgemein anerkannt, wenn auch 
immer wieder die Beobachtung gemacht wird, daß zwischen Ge- 
wichtsverlust und Fieber kein ganz gesetzmäßiger Parallelismus 
besteht (Grulee und Bonar, Utheim). Bakwin ist allerdings 
der Ansıcht, daß man Gewichtsverlust und Exsiccation nicht ohne 
weiteres identifizieren könne. Man dürfe aus der Gewichtskurve 
allein nicht auf den Grad der Exsiccation schließen. Denn der Ge- 
wichtsverlust kann stark sein, ohne daß die Serumkonzentration 
eine enorm hohe ist; wenn das transitorische Fieber bei starkem 
Gewichtsverlust ausbleibt, so muß dies also noch nicht gegen die 
ätiologische Bedeutung der Austrocknung sprechen. Ebensowenig 
spricht gegen letztere der Umstand, daß das Fieber zuweilen schwindet, 
bevor eine Gewichtszunahme eingetreten ist; denn der Temperatur- 
abfall tritt bei Zunahme des Plasmawassers ein, und diese kann er- 
folgen, ohne daß das Körpergewicht zunimmt. Die Eiweißkonzen- 


96 | ReuB. Heft 1 


tration des Serums kann beim transitorischen Fieber Werte erreichen. 
wie man sie sonst nur bei akuten alimentären Intoxikationen fest- 
stellen kann (S.C. = 9—91/%). Doch führt Bakwin auch ein 
Kind an, welches schon bei S.C. = 7,6% fieberte, und ein anderes, 
welches bei S. C. = 8,2% afebril blieb. Es müssen also doch wohl 
noch andere Dinge im Spiel sein. 

Man muß sich meines Erachtens auch die Frage vorlegen, ob denn 
das Fieber nur die Folge des Wasserverlustes sein muß oder richt 
auch seine Ursache sein kann. Selbst wenn man die Exsiccatıon 
als das wesentliche pyretogene Moment anerkennt, wird man sich 
fragen müssen, welche endogenen Ursachen denn diesen sonst nur 
bei Intoxikationen vorkommenden akuten DehydrationsprozeB 
herbeiführen. Ich bleibe vorläufig bei meiner Behauptung, daß 
der Exsiccation zwar ganz sicher eine erhebliche, aber doch nur aus- 
lösende Bedeutung zukommt. 

Zu derselben Ansicht gelangt Langstein auf Grund sehr bemer- 
kenswerter Versuchsergebnisse. Durch entsprechende Flüssigkeits- 
karenz wurden Kinder, welche zur typischen Zeit gefiebert hatten. 
nach einigen Tagen ein- bis zweimal in einen Exsiccationszustand 
versetzt; darauf reagierte nun die Mehrzahl der Kinder mit Unter- 
temperaturen, die Minderzahl mit geringen, aber niemals die Höhe 
des Initialfiebers erreichenden Temperatursteigerungen. Es wäre 
interessant zu wissen, wie sich in solchen Fällen die Serumkonzen- 
tration verhält. Jedenfalls spricht der Versuch dafür, daß während 
der Tage, in welchen das transitorische Fieber aufzutreten pflegt, 
eine besondere Fieberdisposition vorhanden ist. Langstein ver- 
mutet, daß um die kritische Zeit irgendeine Noxe in Wirkung tritt. 
welche den nervösen Mechanismus der Wärmeregulation verändert. 
Für die Bedeutung einer nervösen Komponente scheint ihm auch 
die außerordentliche Unruhe zu sprechen, welche die fiebernden 
Kinder zu zeigen pflegen. Welcher Art die supponierte Noxe ist. 
bleibt allerdines unbeantwortet. 


Infektionskrankheiten. 


Morawetz hatte Gelegenheit, in einer kleinen Entbindungsanstalt 
eine Variola-Epidemie zu beobachten. Die Mütter, welche sämtlich 
in ihrer Kindheit geimpft worden waren, erkrankten nicht, von den 
Neugeborenen mehr als die Hälfte. Aber nur eines der Kinder bot 
die Erscheinungen einer schweren Variola confluens; bei den übrigen 
verlief die Variola auffallend rasch, meist mit ungewöhnlich kleinen 
und spärlichen Efflorescenzen. Man darf demnach annehmen, daß 





Heft ı Zur Physiologie und Pathologie der Neugeborenen. 97 


die Impfung der Mutter entweder eine totale Immunität des Kindes 
zur Folge hat oder doch zu einer allergischen Modifikation des Krank- 
heitsbildes bei demselben führt. 

Daß die Impfung der Mutter den Verlauf der Vaccination 
beim Neugeborenen nicht wesentlich beeinflußt, lehren neuerdings 
diesbezügliche Untersuchungen von Mensching. Es blieben zwar 
38%, der Impfungen bei den Neugeborenen erfolglos, bei den 62% 
positiven Fällen zeigte sich aber eine ganz normale Entwicklung 
der Impfpusteln. Das seltene Auftreten des Impffiebers (2%) wurde 
neuerlich konstatiert. 


Schulze beschreibt eine zwischen 4. und 10. Lebenstage ablaufende Er- 
krankung, die er als Masern anspricht und von einer Masernerkrankung her- 
leitet, die die Mutter 14 Tage a. p. gehabt haben soll. Da Kopliksche Flecke 
fehlten und die Masern der Mutter nicht ärztlich konstatiert waren, darf die 
Diagnose wohl nur als Wahrscheinlichkeitsdiagnose verwertet werden. Das- 
selbe gilt von einem Scharlachfall, den Dorner bei dem Kinde einer schar- 
lachkranken Wöchnerin beschreibt. Die Diagnose wurde hier nur aus der 
Schuppung gestellt; trotz täglicher Inspektion konnte weder ein Ausschlag 
noch eine Angina konstatiert werden, die Temperatur erhob sich nur einmal 
auf 37,6°. Dorner berichtet gleichzeitig über Fälle, wo bei schwerem Scharlach 
der Mutter das Kind gesund blieb, und spricht sich auch für das Weiterstillen 
scharlachkranker Wöchnerinnen aus. 


Bezüglich der Diagnose Diphtherie beim Neugeborenen hat 
sich eine interessante Kontroverse entsponnen.. Auf der einen 
Seite wurde mittels der Schickschen Reaktion die Tatsache fest- 
gestellt, daß die überwiegende Mehrzahl aller Neugeborenen Anti- 
körper gegen Diphtherie im Blute besitzt, auf der anderen Seite 
wird über Befunde nicht nur klinisch, sondern auch bakteriologisch 
verifizierter Diphtherie trotz negativer Schick-Reaktion berichtet. 
Der Widerspruch läßt eine zweifache Erklärung zu. Entweder es 
handelt sich, wie Kirstein annimmt, um eine „biologische Eigen- 
tümlichkeit des Neugeborenen“, darin bestehend, daß es weder 
durch das von der Mutter übernommene noch durch das mittels 
Heilserums einverleibte Antitoxin geschützt ist, weil es dasselbe 
nicht zu verwerten imstande ist, oder die als Diphtheric angesproche- 
nen Erkrankungen sind keine solche. Gröer glaubt das letztere 
auf Grund von Versuchen behaupten zu können, welche ergaben, 
daß ursprünglich antitoxinlose, also Schick-positive Kinder nach 
Einverleibung von Diphtherieantitoxin auf Dipntherietoxin negativ 
reagierten, also Schick-negativ wurden, was darauf hinzuweisen 
scheint, daß das Neugeborene das ihm einverleibte Antitoxin in 
gleicher Weise wie das ältere Kind zu verwerten vermag. Auch 
Schick selbst spricht sich dahin aus, eine negative Intracutan- 

Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 7 


98 | Reuß. Heft ı 


reaktion sei dafür beweisend, daß eine Erkrankung trotz klinisch 
suspektem Aussehen und positivem Bacillenbefund keine echte 
Diphtherie sei. Wenn man bedenkt, wie häufig man morphologisch 
als Diphtheriebacillen imponierende, zweifellos nur saprophytisch 
wachsende Stäbchen im Nasensekret oder auf belegteneWundflachen 
findet, sowie daß croupös-diphtheritische Entzündungen auch durch 
andere Erreger hervorgerufen sein können, so erscheint die Be- 
hauptung nicht so befremdend als es fürs erste erscheinen mag, 
besonders da es sich bei der fraglichen Diphtherie des Neugeborenen 
fast ausschließlich um Nasen- und Nabelerkrankungen handelt. 
In praxi wird man vorläufig besser fahren, bei einer klinisch und 
bakteriologisch als Diphtherie imponierenden Erkrankung Heilserum 
zu injizieren, um so mehr, als man die Injektion von Serum im 
Sinne einer unspezifischen Proteinkörpertherapie rechtfertigen kann. 

Daß der Typhus einer Schwangeren ohne Einfluß auf das Kind 
bleiben kann, lehrt wieder eine Beobachtung von Wichels (Geburt 
im g. Schwangerschaftsmonat in der 3. Krankheitswoche). Trotz 
hohen Agglutiningehaltes des mütterlichen Serums ließen sich bei 
fortlaufenden Untersuchungen im Serum des (gesunden) Kindes 
keine Agglutinine nachweisen. 

Über 3 Paratyphuserkrankungen bei Neugeborenen (Kontakt- 
infektionen) berichtet Voigt. Klinisch verliefen die Fälle zweimal 
als akute Gastroenteritis, einmal unter dem Bild einer schweren, 
rasch zum Tode führenden Sepsis. Walz-Georges sah bei zwei 
in der Schwangerschaft an Ruhr erkrankten Frauen Frühgeburt 
eintreten; die Kinder erkrankten in den ersten Lebenstagen an 
‚typischer Ruhr. 

Zeissler und Käckell züchteten bei einem Fall von Nabel- 
tetanus den Nicolaierschen Bacillus in Reinkultur und prüften 
ihn nach allen Richtungen; nur wenige Fälle der Literatur genügen 
bisher dieser Forderung. Therapeutisch wird von Progulski emp- 
fohlen, das Heilserum nebeneinander intralumbal (bis 50 A. E.). 
subcutan um den Nabel (50 A. E.) und intramuskulär (100 A. E.) zu 
injizieren. Narkotica sind in relativ hohen Dosen zu geben: Vero- 
nalnatrium ?!/,—!/, dg, zweimal täglich; Natr. brom. 1/,—ı g täglich. 
A. Mayer sah gute Erfolge von intracutanen Aolaninjektionen. 
Ibrahim berichtet über die beruhigende Wirkung von Magnesium- 
sulfatinjektionen (15—25 proz. Lösung, dreimal täglich, bis zur 
Höchstdosis von je 0,75g MgSO,). 

Die ungünstige Prognose des Erysipels beim Neugeborenen 
beruht wahrscheinlich auf geringer Resistenz, auf welche das Fehlen 


Heft 1 Zur Physiologie und Pathologie der Neugeborenen. 99 


besonderer entzündlicher Gewebsveranderungen in der Cutis und 
Subcutis hinweist (Daléas). 

Die Kasuistik der intrauterinen T uber kulose wird durch Dubois 
und Käckell um 2 Fälle bereichert, welche wohl beide als Frucht- 
wasserinfektionen aufzufassen sein dürften. Es handelte sich in beiden 
Fällen um Kinder schwer tuberkulöser Mütter mit Placentartuber- 
kulose, welche sofort nach der Geburt von der Mutter getrennt 
wurden, so daß eine aerogene Infektion ausgeschlossen erscheint. 
Tod am 54., resp. 20. Tage. Die Sektion ergab beidemal einen Lungen- 
herd mit Hilusdriisentuberkulose. DaB bei Placentartuberkulose 
Tuberkelbacillen ins Fruchtwasser gelangen können, geht neuerdings 
aus Untersuchungen von Geipel hervor, welcher unter 3 Fällen 
einmal einen positiven Befund erheben konnte. 

Rietschel verteidigt gegenüber Pfitzer seine Theorie von der 
Syphilisinfektion intra partum, welche die initiale Latenz der 
Säuglingssyphilis in so einleuchtender Weise erklärt. Er. macht 
darauf aufmerksam, daß der hämatogene Infektionsmodus, der vom 
cutanen wesentlich verschieden ist, und die durch ihn bedingte Ver- 
schiedenheit der ,„Massivität‘‘ der Infektion die Differenzen im 
zeitlichen Auftreten der Symptome erklärlich erscheinen läßt. Eine 
Stütze für Rietschels Anschauung sehen L. F. Meyer und Gug- 
genheim in dem bei 5 Kindern in der 5.—6. Lebenswoche vor dem 
Auftreten der Lueserscheinungen erhobenen Befund von Spiro- 
chäten in einem Ulcus umbilici. Letzteres könnte die Folge eines 
im Nabelvenenthrombus befindlichen Spirochätendepots sein. Man 
wird in suspekten Fällen bei nässender Nabelwunde auf diese Ver- 
hältnisse seine Aufmerksamkeit zu lenken haben. 

Bezüglich der Gonorrhöe der Conjunctiva zeigen instruktive 
histologische Bilder von Lahm, wie die Gonokokken zuerst auf den 
Kittlinien des Epithels in die Tiefe dringen, wie sich das Zylinder- 
epithel allmählich in Plattenepithel umwandelt, welches dann 
„cancroid‘“ in zapfenförmigen Verbänden in die Tiefe wächst. 

Die Conjunctivitis gonorrhoica der Neugeborenen hat in den Nach- 
kriegsjahren wie die gonorrhoischen Erkrankungen überhaupt an 
manchen Orten an Zahl zugenommen, während andernorts das Ab- 
sinken der Blenorrhöeerkrankungen, welches in Deutschland seit 
dem Jahre 1912 zu beobachten ist und von R. Hirsch auf die obli- 
gatorische Prophylaxe und Anzeigepflicht zurückgeführt wird, durch 
den Krieg keine Unterbrechung erfahren hat. 

Als Prophylacticum wird statt des Argent. nitr., dessen ausgezeich- 


nete Wirkung übrigens nach wie vor anerkannt werden muß (Mar- 


„~E 
/ 


IOOo ReuB. Heft 1 


tin), von Salomon und Buchacker wieder ganz besonders das 
Sophol, von Koltonski das Choleval (1%) geriihmt. Jacqueau 
empfiehlt — auch therapeutisch — das Protargol in 20—25 proz. 
Lésung. Clapp und M. C. Martin heben die baktericide Wirkung 
des Mercurchroms 220 (2%) hervor. Lindner und Mehl berichten 
über die günstige Wirkung intramuskulärer Milchinjektionen. 

Häufiger, wenigstens relativ häufiger als früher, kommen nicht- 
gonorrhoische eitrige Conjunctivitiden zur Beobachtung. Feilchen- 
feld will in solchen eitrigen Bindehautentzündungen der Neugebore- 
nen die „wichtigste‘“ Ursache der Mastitis puerperarum sehen und 
empfiehlt deshalb Umschläge und Waschungen der Augen des 
Kindes mit Borwasser vor jedem Anlegen. Diese Auffassung hat 
wohl mit Recht Widerspruch hervorgerufen (E. Lang). 

Als Erreger der nichtgonorrhoischen Conjunctivitis sind Pneumo- 
kokken, Colibacillen, Staphylokokken, Influenzabacillen, Diphtherie- 
bacillen beschrieben worden. Weitaus die größte Zahl dürfte aber der 
sog. Einschlußblenorrhöe angehören (Lindner). Ihr Virus stammt 
ebenfalls aus dem Genitale der Mutter, führt aber gewöhnlich erst 
nach 7—8 Tagen zu manifesten Erscheinungen; das Cred&sche 
Verfahren kann die Erkrankung nicht verhüten. 


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Derselbe, Kopfblutgeschwulst und Dammschutz. Zentralbl. f. Gynäkol. 
Bd. 47, 1923, S. 123. 

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Schwartz, Die Ansaugungsblutungen im Gehirn Neugeborener. Zeitschr. 
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Tebbe, Über einen Fall von Vaselinölvergiftung bei einem Säugling. Arch. 
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Referate. 


Physiologie und allgemeine Pathologie. 


Hymanson, A., und Davidsohn, H. Der Speichel des Sduglings. (Americ. 
journ. of dis. of childr. 25, 1923, S. 302.) 

Wirksamer Speichel wurde bei einmonatigen Säuglingen an- 
getroffen. Mit dem Alter nimmt Menge und Wirksamkeit des Spei- 
chels schnell zu. In Krankheitsfällen wird in erster Linie die Menge 
der Speichelabsonderung beeinträchtigt, weniger der Ferment- 
gehalt. Schwere schnell verlaufende Erkrankungen führen zu Ver- 
minderung der Speichelabsonderung. Langdauernde Ernährungs- 
störungen wirken wie schwere Infektionen; sie verringern nicht bloß 
die Speichelmenge, sondern ebenso den Fermentgehalt. H. Vogt. 


Halbertsma, Tj. Bemessung der Blutmenge bei Transfusion im Kindes- 
alter (Blutdosierung). (Americ. journ. of dis. of childr. 24, 1922. 
S. 269.) 

Schätzt man die Gesamtblutmenge auf ein Dreizehntel des 
Körpergewichts, so läßt sich berechnen, daß eine Zufuhr von I5 ccm 
Blut auf das Kilogramm Körpergewicht genügen muß, um den Ge- 
halt des Blutes an roten Blutkörperchen um eine Million zu erhöhen. 
Die Beobachtungen an 20 Transfusionen im Kindesalter ergaben, 
daß die beobachteten Werte mit den berechneten genügend überein- 


stimmten. H. Vogt. 
Gröer, Fr., Prof. Über Hygiogenese. (Polska gazeta lekarska 1, Nr. 50, 
1922.) 


Verf. schafft einen neuen Begriff, der den Weg zur Heilung um- 
fassen soll, und zerlegt den komplizierten Prozeß des Gesundwerdens 
in Stufen, die er mittels folgenden Diagramms zu erläutern sucht: 


Umstimmungs- Reparations- Astiotrope- Immunisierungs- 
reaktionen reaktionen reaktionen reaktionen 
Bereitschaft Dynamik sekundäre 

zum Gesundwerden des Gesundwerdens Folgezustände 
Hygiogenese Immunogenese 
; v 
Gesund werden Immunitat. 


Verf. erwartet von der Klärung der einzelnen Stufen des Gesund- 
werdens große Bedeutung für die Therapie, indem neue Anhaltspunkte 
gefunden werden können für unspezifische Mittel. 

Cieszynski (Warszawa). 


II2 Diagnostik. Heft ı 


Diagnostik. 


Cieszyński, Fr. Die diagnostische Bedeutung der Pandyschen Reaktion 


in der Cerebrospinalflüssigkeit bei Kindern. (Pedjatrja polska 2, 

Nr. 4, 1922.) 

In allen 32 Fällen von Meningitis tbc., 7 Fällen von Genickstarre, 
ı Fall von Hydrocephalus nach Genickstarre und ı Fall von Meningi- 
tis haemorrhagica bei Malaria fiel die Reaktion positiv aus. Beim 
negativen Ausfall handelte es sich um Influenza, Bronchitis, Pneu- 
monie, Tetanus und Pyämie mit Meningismus. Autoreferat. 


Erlich, M. Über den diagnostischen Wert der nicht geschlossenen 
Fontanelle. (Pedjatrja polska 2, Nr. 3, 1922.) 


Die Spannung und das Einfallen der Fontanelle hängt von 
verschiedenen Bedingungen ab neben der Hauptursache des gestei- 
gerten bzw. verringerten intrakraniellen Druckes. Vor allem muß 
die Fläche der Fontanelle mehr als 2—3 qcm betragen. Auch ihre 
Form hat groBe Bedeutung und zwar die Quadratform im positiven, 
die Sternform im negativen Sinne. Ferner übt die Konsistenz der 
Knochenflächen und des Fontanellenmembran einen Einfluß aus. 

Cieszynski (Warszawa). 


Bühling, R. Über die Bewertung des Rumpel-Leedeschen Phänomens 
im Säuglingsalier. (Aus der Universitäts-Kinderklinik in Gottingen.) 
(Doktordissertation 1922.) 

Verf. kommt auf Grund seiner Untersuchungen zu dem SchluB, 
daß eine Gesetzmäßigkeit sowohl hinsichtlich des Lebensalters und 
der Stärke, mit der das Rumpel-Leedesche Phänomen auftritt, 
nicht konstruiert werden kann. Denn das Symptom findet sich 
unregelmäßig nicht nur bei jeder Krankheit und beim Gesunden 
in den verschiedenen Lebensmonaten, sondern auch ungleich an 
beiden Armen und wechselnd bei demselben Individuum. Die Zu- 
sammenhänge und Beziehungen zwischen Ursache und Durchlässig- 
keit der Capillaren bei Kindern sind noch nicht geklärt. Fest steht 
nur, daß die Capillarwand in den ersten 3 Lebensmonaten durch 
den Stauversuch in keiner Weise verletzt oder überhaupt durch- 
lässig wird und daß im Säuglingsalter der positive Ausfall des Rum- 
pel-Leedeschen Phänomens absolut nichts bedeutet. Dagegen 
scheint das Symptom am Ende des 2. Lebensjahres seltener zu 
werden, an sich vielleicht der Bedeutung bei Erwachsenen zu nähern. 

Blühdorn (Göttingen). 


Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig. 


Helminthiasis, | 
mit besonderer Beriicksichtigung des Kindesalters. 


(3. Sammelreferat; Literatur 1922.) 


Von Prof. Hermann Brüning, 
Direktor der Univ.-Kinderklinik und -Poliklinik in Rostock. 


Auch im letzten Berichtsjahre war die Zahl der für uns in Be- 
tracht kommenden Veröffentlichungen wieder eine ganz stattliche, 
so daß hier im wesentlichen nur auf die am häufigsten beobachteten 
Darmparasiten bei Kindern (Tänien, Askariden, Oxyuren und 
Trichocephalen) eingegangen werden soll. 

In der Literatur spielen einige Arbeiten über die Pathogenese 
der Wurminfektionen eine wichtige Rolle, wie aus der zusammen- 
fassenden Darstellung der hierhergehörigen Probleme von W. Fischer 
hervorgeht. In erster Linie handelt es sich hierbei um die Spring- 
würmer, deren zunehmende Häufigkeit Schmidt auf Seifenmangel 
und kohlenhydratreiche Kost, Heubner dagegen mehr auf Ab- 
nahme der Immunität zurückzuführen geneigt ist, sowie um die 
Askariden. 

Braun betont in Übereinstimmung mit Fülleborn, daß u. a. 
für Askariden in seltenen Fällen eine pränatale Infektion vorkommen 
kann, während Fülleborn in mehreren experimentellen Arbeiten 
den sicheren Nachweis über den Infektionsweg bei Spulwürmern 
erbringt derart, daß bei Meerschweinchen und Kaninchen die Larven 
von Ascaris lumbricoides nicht im Magen aus der Eischale aus- 
schlüpfen, sondern erst im untersten Teil des Dünndarmes und 
massenhaft im Coecum. Hier dringen die Larven durch die Schleim- 
haut bei der Ileocöcalklappe und gelangen durch die Pfortader 
zur Leber, von wo sie durch die V. hepatica zum rechten Vorhof 
und zur Lunge vordringen, um sich unter Bildung kleiner Blutungen 
durch die Capillarwände in die Alveolen und von da, durch das 
Flimmerepithel begünstigt, nach oben zur Trachea und in den 
Rachen zu bewegen und größtenteils von der Mundhöhle aus zum 
Magen zu gelangen, während eine weit kleinere Menge schon von der 

Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 8 


II4 Brüning. Heft 2 


Lunge aus embolisch in den großen Kreislauf eindringt und so in 
gewisse Organe, wie z. B. Hirn, Nieren, Drüsen eingeschwemmt 
werden kann. Beim Passieren der Lungen sollen Bronchitiden 
und Bronchopneumonien zur Beobachtung gelangen. Nettesheim 
hat die hier ausführlicher dargelegten Ergebnisse Fülleborns 
an weißen Mäusen nachgeprüft und vollauf bestätigen können; 
nach ihm ist Yoshidas Ansicht, daß die Spulwurmlarven das 
Zwerchfell passieren, unrichtig. Er beobachtete dagegen bei seinen 
Versuchstieren in der Leber Blutungen und Nekrosen, abgekapselte 
leukocytäre Infiltrate mit Larven, Larven in den Capillaren und 
frei im Gewebe und bringt hierfür einige anschauliche Bilder; auch 
in den Lungen konnte er circumscripte peribronchiale und pen- 
vasculäre larvenhaltige Infiltrate sowie freie Larven beobachten. 

Die Fülleborn-Nettesheimschen experimentellen Tierresultate 
wurden dann von Koino im Eigenversuche nachgeprüft und be- 
stätigt. Koino, ein japanischer Arzt, gab seinem Bruder 500 Eier 
vom Schweinespulwurm per os: Nach o Tagen bekam die Versuchs- 
person Schüttelfrost, Temperaturanstieg auf 39°C für etwa eine 
Woche lang; gleichzeitig bestand Husten, reichlich Auswurf, Kurz- 
luftigkeit, Rasseln über der Lunge; im Sputum konnten keine Larven 
und in den Stuhlentleerungen keine Askariden nachgewiesen werden. 
Daraufhin nahm Koino selbst 2000 Eier vom Ascaris lumbricoides, 
dessen Identität mit Ascaris suill. Fülleborn und andere betonen, 
per os mit dem Erfolge, daß am 3. Tage eine Temperaturerhöhung 
auf 40°C mit den Erscheinungen der croupösen Pneumonie sowie 
eine Schwellung der Leber am 4. Tage sich bemerkbar machten. 
Im sanguinolenten Sputum fanden sich vom 3.—ıo. Tage Larven 
von Spulwürmern, und zwar am 5. Tage allein 178 Stück; ferner 
konnten am 50. Tage nach dem Verschlucken der Eier durch eine 
Wurmkur nicht weniger als 667 Askariden mit dem Stuhl abgetrieben 
werden. 
- Über die Häufigkeit von Darmschmarotzern überhaupt findet 
sich eine kurze Notiz in Nr. 29, 1922 der Klinischen Wochenschnit, 
aus der hervorgeht, daß bei systematischen Untersuchungen von 
75 000 Menschen in Brasilien nicht weniger als 92% als mit Würmern 
behaftet nachgewiesen werden konnten, daß nicht weniger als 74% 
von den Infizierten Ankylostoma duodenale beherbergten, und daß 
die Mortalität der Kinder in den ersten vier Lebensjahren hierdurch 
ungünstig beeinflußt wurde. 

In gewissem Gegensatz zu diesen Zahlen schreibt Wilson aller- 
dings, daß dort Kinder unter 8 Jahren nur selten an Ankylostomen 


Heft 2° Helminthiasis. I15 


leiden, da sie nur selten zu Feldarbeiten herangezogen werden, von 
denen er annimmt, daß sie bei der Nachlässigkeit der Einwohner 
in der Entleerung der Faeces in erster Linie in den ländlichen Distrik- 
ten die kolossale Häufigkeit der Ankylostomiasis — nach seinen 
Berechnungen 97%! — hervorrufen. 

Der Nachweis der Darmparasiten kann in der üblichen Weise 
durch Abgang der Würmer in den Faeces oder durch deren Unter- 
suchung ohne oder mit Anreicherung erfolgen; auch können Ob- 
duktionen oder operative Eingriffe wie z. B. Appendektomien 
zum Nachweis der Darmparasiten und zur Bestimmung ihrer Häufig- 
keit verwandt werden. Wie weit die radiologische Untersuchung, 
durch welche es Fritz gelang, bei einer Magendurchleuchtung im 
Magen unä bei einem Iojährigen Knaben mit Dünndarmstenose 
im oberen Jejunum einen Askaris festzustellen und auf der Platte 
kenntlich zu machen, berufen ist, hier weiter zu helfen, müssen ein- 
schlägige Beobachtungen lehren. Über die Brauchbarkeit von der 
Anreicherungsmethode mit Natronwasserglas —- Wasser 1:2 bei 
der die Eier und Embryonen ähnlich wie bei dem Fiille bornschen 
Verfahren an die Oberflache steigen, berichtet fiir Haustiere Schuch- 
mann, während Gmelin hierfür das Füllebornsche Verfahren 
lobt und Olt auf das fast regelmäßige Vorkommen des Aneurysma 
verminosum bei Pferden aufmerksam macht, das durch die Larve 
von Strongylus bidentatus hervorgerufen wird. Die Untersuchung 
operativ entfernter Appendices spielt eine besonders wichtige Rolle 
für die Oxyuren, über deren Beziehungen Rheindorf neuerdings 
wieder in mehreren Veröffentlichungen sich ausgesprochen hat. 
Rheindorf weist zunächst die ihm früher von Drüner gemachten 
Einwände zurück, daß die sog. Oxyurendefekte mechanisch durch 
krankhafte Zuckungen der Oxyuren beim Konservieren oder bei 
der Härtung der pathologisch-anatomischen Präparate entständen, 
indem er die Notwendigkeit von Serienschnitten betont. Weiterhin 
macht er die Anwesenheit der Springwürmer bzw. ihre Toxine 
für die nicht selten vorkommenden ‚„Wurmschmerzen‘“ verantwort- 
lich, wie sie namentlich unter dem Bilde der chronischen Appendi- 
citis zur klinischen Beobachtung gelangen. Nach Rheindorf, 
welcher auch bei Säuglingen durch Oxyuren hervorgerufene frische 
Appendicitis pathologisch-anatomisch feststellen konnte, werden 
viele Operationen deshalb unnötig gemacht, da die Abtreibung der 
Oxyuren die Beseitigung der Beschwerden gewährleistet. Über die 
ursächliche Bedeutung der Oxyuren für die Genese der Appendicitis 
gehen die Meinungen immer noch auseinander, so daß es nur zu be- 

8% 


116 Brüning. Heft 2 


grüßen ist, wenn neues Material zur Lösung dieser Streitfrage bei- 
gebracht wird. Zimmermann, welcher eine Zunahme der Darm- 
parasiten als Wurmfortsatzinhalt in den Jahren ıgI6—1920 an 
seinem Harburger Obduktionsmaterial beobachtete, fand unter 
1158 operativ entfernten Wurmfortsätzen folgende Werte: 
300 Fälle ohne entzündliche Veränderungen mit r9 mal Oxyuren. 
184 Fälle mit leicht entzündlichen Veränderungen mit 39mal 
Oxyuren. 
416 Fälle mit chronisch rezidivierenden Veränderungen mit 
47 mal Oxyuren. 
249 Fälle mit phlegmonös-abcedierender Entzündung mit Imal 
Oxyuren. 

Auf Grund dieser Befunde will Zimmermann den Rheindorf- 
schen Standpunkt von der Appendicitis ex oxyure nur für einen 
kleinen Teil der Fälle gelten lassen. Franke dagegen fand oft in 
exstirpierten Wurmfortsätzen Oxyuren, und zwar je einmal 06 
und 143 Exemplare; Marsch berechnet das Prozentverhältnis 
auf. Grund von 9000 Appendektomien auf 50—60%, und Noack 
konnte unter 15 wahllos herausgegriffenen Fällen gmal Oxyuren 
im Wurmfortsatz nachweisen, und zwar bei 7 Früh- und 2 Intervall- 
operationen; er fand ferner die von Rheindorf ausführlich be- 
schriebenen Schleimhautdefekte mit entzündlicher Reaktion des 
 Peritoneums und vertritt den von letzterem geteilten Standpunkt, 
daß die Appendicitis meist durch Sekundärinfektion von Oxyuren- 
schleimhautschädigungen hervorgerufen werde. Auch Eastwood 
konstatierte bei 59 operativ entfernten Appendices in 19,2%, bei 
50o normalen auf dem Obduktionstisch gewonnenen dagegen in 
28%, Oxyuren und fand Eosinophilie der Appendixwand bei beiden 
Gruppen. 

Über die mit diesen Fragen zusammenhängenden durch die 
Darmparasiten gesetzten klinischen Erscheinungen bringt die 
Literatur des Jahres 1922 wiederum eine Fülle interessanter Kasuistik 
und einschlägiger ausführlicher Veröffentlichungen, wie überhaupt 
aus einzelnen Publikationen, wie z. B. aus der von der Rockefeller- 
Stiftung in die Wege geleiteten 417 Seiten umfassenden Biblio- 
graphie des Ankylostoma duodenale mit nicht weniger als 5680 Litera- 
turnachweisen sowie aus der Monographie von Hegner und Cort 
über die Diagnostik der Protozoen und parasitischen Würmer beim 
Menschen mancherlei Einzelheiten über Morphologie, Biologie, 
Pathologie und Differentialdiagnostik der Eingeweidewürmer sowie 
über ıhre Geschichte und erfolgreiche. Bekämpfung entnommen 


Heft 2 Helminthiasis. 117 


werden können. Was nun aber die einzelnen für uns in Betracht 
kommenden Darmparasiten anlangt, so mögen zunächst einige 
seltenere Fälle hier kurz mitgeteilt werden, welche, wie z. B. der von 
Bihlmeyer publizierte, ein 8jähriges Mädchen mit Distomum 
hepaticum betraf. Die kleine Patientin, welche an allgemeiner 
Blässe, Appetitmangel, Übelsein und Teilnahmlosigkeit litt, ein 
anämisches Herzgeräusch und einen Blutstatus mit nur 2,37 Mil- 
lionen roten, 2480 weißen Blutkörperchen, 26%, Hämoglobin bei 
52%, Leukocyten, 24% Lymphocyten und nicht weniger als 17% 
eosinophilen Blutzellen aufwies, hatte zahlreiche Distomeneier im 
Stuhl, die trotz der verschiedensten Anthelminthica nicht ver- 
schwanden, so daß es nur mit einer Besserung seiner oligochrom- 
ämischen und sekundär ageneratorisch-anämischen Erscheinungen 
entlassen werden konnte. Über die kindlichen Wurmanämien 
äußert sich auch Lehndorff. Nach diesem Autor kommen anämische 
Zustände durch toxische Schädigung der Blutkörperchen und des 
Knochenmarkes sowie durch wiederholte Blut- und Säfteverluste 
(Ankylostoma, Bothriocephalus) zustande; bei Askariden und 
Tänien sei die Toxinproduktion allerdings zweifelhaft und bei 
Oxyuren sicher nicht vorhanden. Nach Opitz kommen derartige 
Wurmanämien bei Kindern nur selten vor, und zwar entweder als 
myeloplastische bei Bothriocephalus und Tänien oder als hämo- 
pathische wie bei Ankylostoma duodenale; bei Trichocephalus liege 
wahrscheinlich eine kombinierte Schädigung vor. Von sonstigen 
Seltenheiten verdienen hier noch genannt zu werden ein von Thomas 
beschriebener Fall von Strongylus stercoralis bei einem Bergmann 
mit Ulcus-ventriculi-Verdacht, schleimig-blutigen Stühlen, 18% blut- 
eosinophilen und reichlich eosinophilen Zellen undCharcot-Leyden- 
schen Krystallen im Stuhl, ein Fall von Filaria medinensis von 
Schilling bei einem ı8jährigen Patienten aus Buchara mit furunku- 
löser Stelle am linken Knie, ein Fall von Trichosoma cutaneum 
bei einem Affen von Swift mit serpiginösen Eruptionen an Hand- 
tellern und Fußsohlen, ein Fall von Olpp, der einen deutschen Kna- 
ben aus China mit 5 Wurmarten betraf, unter denen Ankylostoma 
und Clonorchis sinensis sich befanden, 14 von Fuchs beschriebene 
Fälle von Trichinose in Erlangen, ein Fall von Borstenwürmern 
(Pachydrilus lineatus) im Darm bei einer Erwachsenen mit 
häufigem, quälendem Stuhlgang von Müller und endlich ein 
zweiter Fall von Strongyloidose, der von Frisch und Zimonjic 
beschrieben worden ist und sich durch 7,7%, Eosinophilie aus- 
zeichnete, 


118 Brüning. Heft 2 


Vier Fälle von perniziöser Anämie durch Bothriocephalus latus 
beschreibt Cramer; er nimmt an, daß eine kongenitale oder er- 
worbene Schwäche des Organismus zur Entstehung vorhanden sein 
muß. Stukowski bringt einen Fall von chronisch-myeloischer 
Leukämie bei Anwesenheit von Bothriocephalus und Taenia saginata; 
der Kranke, ein 43jähriger Mann, wies eine Bluteosinophilie von 

0,3—4% auf, und Calvin beobachtete zwei 3- bzw. 7 jahrige Knaben, 
die mit Diphyllobothrium latum infiziert waren. 

Bei Anwesenheit von Askariden sind die mannigfachsten klini- 
schen Symptome beschrieben, zum Teil interner, zum Teil chirur- 
gischer Art. Zusammenfassend schildert Kehl die letzteren, soweit 
sie die Erkrankungen der Bauchhöhle angehen, während Moore 
bei Kindern als ‚akute Abdomen“ einen Symptomenkomplex unter 
Anführung von fünf charakteristischen Fällen beschreibt, welcher 
differentialdiagnostisch an Typhus, Darmverschlingung, Appen- 
dicitis und intestinale Intoxikation denken läßt, in Wirklichkeit 
aber durch Darmparasiten bedingt ist und evtl. zu unnötigen opera- 
tiven Eingriffen Veranlassung geben kann. 

Fälle von Askariden in den Gallenwegen beschrieben sodann 
Franke und Kauert. Der von letzterem beobachtete Fall betraf 
einen gjährigen Knaben, welcher wegen Choledochusverschluß 
durch einen Spulwurm laparotomiert werden mußte, nachdem 
durch Spulwurmabgang und Ikterus die Diagnose gestellt war; 
ein Jahr später bekam der Kleine ein Rezidiv, er wurde nochmals 
operiert, und es fanden sich nicht weniger als 18 Askariden im 
Choledochus und Hepaticus, nach deren Entfernung Heilung eintrat. 
Auch Veit, welcher mehrere Male Askariden im Processus vermi- 
formis und in den Gallenwegen fand, berichtet von einem derartigen 
Falle, bei welchem ein Askaris im Ductus choledochus vollkommen 
inkrustiert und mumifiziert erschien. Eine weitere eigene Beobach- 
tung mit schwerer akuter Cholangitis, bei welcher durch Laparotomie 
zwei im Ductus choledochus und Ductus hepaticus lebende Askariden 
exstirpiert wurden, betraf eine 4gjährige Frau, welche zum Exitus 
kam. Tsujim ura sammelte nicht weniger als 35 einschlägige Fälle, 
von denen nur 8mal Askariden in den Gallenwegen waren ohne 
gleichzeitige Steinbildung; er bringt zwei Krankengeschichten und 
beobachtete, daß ein Spulwurm in Galle 8 Tage lang und dann in 
physiologischer Kochsalzlösung noch 3 Tage, ein weiterer in Ascites- 
fliissigkeit sogar 11 Tage lang am Leben blieb. 

Der von vonRedwitz ausführlicher mitgeteilte Fall von Askariden 
in den Gallengängen betraf einen ııjährigen Knaben mit kolik- 


Heft 2 Helminthiasis. | IIg 


artigen Schmerzen in der Lebergegend; durch vier operative Ein- 
griffe wurden lebende Spulwürmer aus Choledochus und Hepaticus 
entfernt. Nach diesem Autor sollen Askariden in den Gallengängen 
bis 9 Wochen lang lebendig bleiben können und im wesentlichen 
durch drei Momente zum Wandern angeregt werden (Fieber, Dünn- 
darmkatarrh, Vermifuga). Neudörfer schildert die Askaridiasis 
der Gallenwege unter Beibringung von vier eigenen Beobachtungen 
als ein klinisch schweres Krankheitsbild, welches an eine akute 
Cholangitis erinnert. Makai bringt die ausführliche Kranken- 
geschichte eines 7jährigen Mädchens, bei welchem seit der Jugend 
mehrfach Askariden im Stuhl ausgeschieden wurden und in letzter 
Zeit heftige Koliken und Ileuserscheinungen aufgetreten waren. 
Wegen Verdachts auf Leberabsceß wurde nach vergeblicher Santonin- 
kur laparotomiert, und es fand sich ein nußgroßer Herd im linken 
Leberlappen mit glattwandiger Höhle, worin 5 lebende Askariden 
von 3—6 cm Länge knäuelartig zusammenlagen. Der Herd wurde 
in toto reseziert, mehrere kleinere durch Stichincision eröffnet und, 
wie später noch zu betonen sein wird, nach Injektion von 20% 
Terpentinöl intraglutäal noch 2 Spulwürmer entleert mit dem Er- 
folge, daß das Kind vollständig geheilt entlassen werden konnte. 
Reich verdanken wir eine ausführlichere Mitteilung über Askaridiasis 
der Speisewege und der Leber; er beobachtete Oesophagusverschluß 
durch Spulwürmer einmal, während achtmal die letzteren in den 
Gallenwegen, und zwar besonders bei weiblichen Individuen jenseits 
des 40. Lebensjahres nachgewiesen werden konnten. Die Erkrankung 
der Leber ist vorwiegend auf deren linken Lappen lokalisiert, und 
zwar dicht innerhalb der Kapsel, und die Therapie ist eine rein 
chirurgische. Weber beschreibt 2 Fälle von Askaridiasis, welche 
unter den Erscheinungen der Appendicitis bzw. der Peritonitis zum 
Tode führten und 2 Kinder betrafen. Das erstere, ein IIjähriger 
Knabe, erkrankte plötzlich mit Erbrechen und Leibweh und wurde 
laparotomiert; der Wurmfortsatz war frei, die Dünndarmschlingen 
enthielten zahlreiche Spulwürmer, doch trat während der Operation 
bereits der Tod ein. Die Sektion förderte 60 teils in Knäueln zusam- 
mengeballte Spulwürmer zutage, das untere Ileum bis zur Ein- 
mündung ins Coecum war tiefrot-cyanotisch, andere Dünndarm- 
partien mit Blut durchsetzt und mit Nekrosen bedeckt. Weber 
glaubt, daß die durch Obturation des Darmes bedingte schwerste 
Darmintoxikation auf Giftwirkung durch die Askariden zurück- 
geführt werden muß. Im zweiten Fall wurde ein 7jähriges Mädchen 
wegen Peritonitis serofibrinosa operiert, zahlreiche Askariden waren 


120 Brüning. Heft 2 


auch hier im Darm fühlbar, und auch hier trat durch Herzschwache 
infolge Askaridenintoxikation ohne lleuserscheinungen am 11. Tage 
der Exitus ein. Auch Kurtzahn verdanken wir die Mitteilung 
zweier Fälle von Askaridendarmverschluß, von denen der eine einen 
5jährigen Knaben betraf, bei welchem ein walzenförmiger Tumor 
in der rechten Bauchseite bestand und nach Operation ein Konvolut 
von 24 Spulwürmern entfernt werden konnte mit dem Resultat, 
daß das Kind geheilt wurde; im zweiten Falle wurden sogar 64 As- 
kariden operativ aus dem Darm entleert. Über einen ähnlichen Fall 
mit Darmresektion und Entleerung von 27 Würmern berichtet 
Goebel, der übrigens histologisch erkennbare Schädigungen der 
Darmwand beobachtete in Übereinstimmung mit Gerlach, welcher 
ebenfalls im Dünndarm langverlaufende Schleimhautdefekte be- 
schrieben hat als Folge der mechanischen Schädigung bei spastischem 
Askaridenileus. 

Auch Girgensohn schildert die chirurgischen Komplikationen 
der Spulwurmkrankheit und bringt mehrere hierhergehörige Fälle; 
er betont, daß einzelne derartige Fälle ohne Operation zur Heilung 
kommen, daß aber massenhaftes Vorkommen von Eiern im Stuhl, 
allmähliche Zunahme der Beschwerden und das Gefühl eines teigigen 
Tumors im Bereich der Dünndarmschlingen die Indikation zur 
Operation abgeben müssen. Von sonstigen Seltenheiten der durch 
Askariden gesetzten chirurgisch anzugehenden Störungen seien 
noch erwähnt zwei Fälle von Gignozzi, bei denen Frauen mit 
perisigmoiditischen Abscessen, ohne daß eine Eosinophilie nach- 
gewiesen werden konnte, operiert worden sind, und ein Fall von 
Willimzik, der ein ı3jähriges Mädchen betraf, bei welchem 
aus einem nach Scharlach aufgetretenen Nabelabsceß sich bei der 
Incision zwei weibliche Spulwürmer entleerten. 

Aber nicht nur chirurgisch, sondern auch für den internen 
Mediziner bilden die Askaridenerkrankungen nicht selten Ursache 
zu ärztlichem Eingreifen. So schildert Girbal, insbesondere bei 
Kindern, einen Symptomenkomplex, welcher durch Kopfweh, Er- 
brechen, Darmstörungen, Nackensteifigkeit, Krämpfe, Alteration 
des Sehvermögens und gewisse Veränderungen des sterilen Liquors 
ausgezeichnet ist (,,pseudomeningite vermineuse“‘), und von dem er 
annimmt, daß er durch Toxinwirkung bei Eingeweidewürmern be- 
dingt wird, zumal durch deren Abtreibung die angedeuteten Be- 
schwerden prompt verschwanden. Auch Griffi weiß von nervösen 
Manifestationen bei Helminthiasis zu berichten, als deren wichtigste 
er an der Hand eines Falles bei einem ırjährigen Knaben mit As- 


Heft 2 Helminthiasis. I2I 


kariden die folgenden erwähnt: plötzlicher Schwindel, Unsicherheit 
im Gehen, Umfallen, wechselndes psychisches Verhalten ohne Fieber 
und ohne Erbrechen; auch hier trat auf Santonindarreichung so- 
fortiger Nachlaß der Krankheitserscheinungen ein. Turcan beob- 
achtete Askaridiasis unter dem klinischen Bilde der Basilarmenin- 
gitis, Lefebre und Baillat beschrieben Zustände wie bei sub- 
akuter postoperativer Peritonitis mit Facies peritonitica, leichten 
Temperaturerhöhungen und Erbrechen, und Pentagua und Petro- 
selli berichten über Hautaffektionen bei Anwesenheit von Spul- 
würmern. Der erstere beobachtete zwei Kinder, bei welchen mehr- 
mals starke Urticaria auftrat, und der letztere ein 3jähriges Mäd- 
chen, bei welchem eine stark juckende knötchenförmige Dermatose 
auf der Haut des Halses bestand, welche prompt auf erfolgreiche 
Santoninkur verschwanden. Die beiden Autoren vertreten die An- 
sicht, daß man auf solche durch Toxinwirkung im Sinne artfremden 
Eiweißes verursachte Hauteruptionen bei Askariden achten muß, 
deren Behandlung eine so außerordentlich dankbare ist. 

Nicht weniger folgenschwer als die Askaridiasis können unter 
Umständen die Oxyuriasis und Trichocephaliasis werden, 
wie aus einer Reihe einschlägiger Mitteilungen aus der Literatur, 
insbesondere für das Kindesalter, sich entnehmen läßt. Nicht, daß 
das von Semon bei einem 6jährigen Knaben beobachtete, nach 
seiner Ansicht durch Fadenwürmer bedingte abnorme Kopfjucken 
mit Ausreißen der Haare und kapriziösem Appetit — die Beschwerden 
gingen auf entsprechende Therapie prompt zurück — als alarmierend 
hier aufgefaßt werden soll, gibt es doch andere Fälle, in denen es 
Pflicht des behandelnden Arztes ist, den ursächlichen Bedingungen 
genau nachzuforschen. So betont Hirschberg, daß ihm in letzter 
Zeit wegen Verdachts auf Gonorrhöe eine Anzahl von jungen Frauen, 
meist nulliparae in die Sprechstunde gekommen sind, welche über 
längeres Kranksein klagten, und bei denen die Untersuchung eine 
Rötung der äußeren Genitalien mit weißlichem oder gelblichem 
Fluor und öfters auch intertriginösem Ekzem ergab, ohne daß 
Gonokokken gefunden werden konnten. Dagegen entdeckte er 
Oxyuren als Ursache dieser Vulvovaginitis und konnte durch eine 
Wurmkur die Beschwerden bald beseitigen. 

Von Kapelusch wird auf die Oxyuriasis als nicht seltene Ur- 
sache der Fissura ani hingewiesen, und Meyer beobachtete einige 
Male auch bei Kindern langwierige Hornhautentzündungen, die er 
als Keratitis dentritica bezeichnet. An derselben Affektion litt 
Heubner, dem wir interessante Eigenbeobachtungen bei Oxyuriasis 


122 Brtining. Heft 2 


zu verdanken haben. Jedenfalls sollten die Augenärzte es sich nicht 
nehmen lassen, auf den hier angedeuteten ursächlichen Zusammen- 
hang zwischen Keratitis (Herpes corneae) und Oxyuriasis genauer 
zu achten, als es offenbar bisher gemeiniglich zu geschehen pflegt. 
Von chirurgisch noch bemerkenswerten Begleiterscheinungen der 
Oxyuren- bzw. Trichocephalenkrankheit verdienen dann noch die 
Mitteilungen von Anschütz und Stahr erwähnt zu werden. An- 
schütz operierte 5 Fälle, von denen vier Erwachsene und einer ein 
3jähriges Kind betrafen. Bei 3 Fällen fanden sich Trichocephalen, 
bei zweien, darunter bei dem Kinde Oxyuren als Ursache der Störung. 
Und zwar war das 3jährige Mädchen mit Oxyuriasis wegen Appen- 
dicitisverdachts zur Aufnahme gekommen. Die Operation ergab 
jedoch eine ileocöcale Invagination vom Appendix aus mit Anwesen- 
heit von Oxyuren; bei dem anderen 24jährigen Patienten bestand 
eine Wandverdickung des Coecums mit knolligem, kleinem Tumor 
nebst Oxyuren und starker lokaler eosinophiler Gewebsinfiltration. 

Die übrigen 3 Fälle, Erwachsene im 4. Dezennium betreffend, 
wiesen bei der Operation ebenfalls die vorhin angedeuteten schmerz- 
haften Cöcalgeschwülste auf, welche mit dichten Infiltraten eosino- 
philer Zellen in den Epithelzellen der Darmkrypten und in den 
Interstitien einhergingen und durch die Anwesenheit von Tricho- 
cephalus dispar ausgezeichnet waren. Zwei ganz analoge, durch 
Peitschenwürmer verursachte Fälle werden ausführlich von Stahr 
beschrieben, und zwar betrafen beide Knaben im Alter von Ir und 
g Jahren. Beide mußten wegen Appendicitis- bzw. Ileusverdachts 
laparotomiert werden. Bei dem ersteren fand sich 18mm vor der 
Ileocöcalklappe eine kirschgroße, dunkelrosarote Vorwölbung mit 
linsengroßer nekrotischer Kuppe, in welcher zwei weibliche Tricho- 
cephalen staken; der Appendix war frei, und der Knabe wurde 
geheilt entlassen. Mikroskopisch ergab die Untersuchung eine 
ödematöse Durchtränkung des submukösen Bindegewebes mit 
starker Leukocyteninfiltration; unter der geschwürigen. Stelle 
fanden sich viele Eosinophile. Im zweiten Fall, bei welchem der 
Appendix mit einem Teil des Coecums invaginiert war, bestand 
an dessen Vorderwand ebenfalls ein kirschgroßes Geschwülstchen, 
welches die Invagination bedingte; auch hier fanden sich bei analogen 
mikroskopischen Gewebsveränderungen Trichocephalen am Tumor 
haftend, welche zweifellos mit der Entstehung der geschilderten 
Zustände in ursächlichen Zusammenhang gebracht werden müssen. 

Über die Behandlung der kindlichen Helminthiasis wird von 
verschiedenen Autoren berichtet und je nach der Spezies der Ein- 


Heft 2 Helminthiasis. 123 


geweidewürmer die mannigfachsten Medikamente empfohlen, durch 
deren Darreichung wiederum eine Anzahl von tödlich verlaufenen 
Intoxikationen hervorgerufen worden ist. So beobachtete Gut- 
stein das Auftreten von akuter gelber Leberatrophie nach Ein-. 
verleibung von 20 g Filmaronöl bei einem Patienten mit tertiärer 
Lues. Barny berichtet über zwei Todesfälle bei Erwachsenen mit 
Ankylostomiasis durch Thymol, von denen die erstere 2,4g, die 
letztere 1,8 g genommen hatte. Das Thymol wird auch von Kauert 
und Thomas als Vermifugum erwähnt. Kauert benützte Palmitin- 
säurethymolester Merck zur Nachbehandlung eines operativ behan- 
delten Falles von Choledochusverschlu8 durch Askariden, und 
Thomas glaubt bei einem der bei uns seltenen Fälle von Strongyloides 
stercoralis durch Thymoldarreichung eine Besserung der Beschwerden 
gesehen zu haben. Im übrigen wird aber immer noch zur Abtreibung 
von Spulwürmern das Santonin herangezogen, durch dessen Ver- 
abreichung Griffi bedenkliche nervöse Erscheinungen bei einem 
ırjährigen Knaben zurückgehen sah, während in dem von Petro- 
selli mitgeteilten Falle eine juckende Dermatose bei einem erst 
3jährigen askaridenbehafteten Kinde auf die erfolgreiche Anwen- 
dung dieses Mittels hin prompt verschwand und Makai bei einem 
jährigen Mädchen mit Koliken keine Besserung beobachten konnte. 

Als Antiascaridiacum erfreut sich dann immer noch regen Inter- 
esses das amerikanische Wurmsamenöl (Ol.chenopodii anthelminthici), 
obwohl Schüffner betont, daß das seit 10 Jahren auch in den 
Tropen gebräuchliche Wurmmittel wegen Überdosierung mit ernsten 
Vergiftungserscheinungen in Britisch-Indien in Mißkredit gekommen 
sei. In einer noch nicht veröffentlichten Arbeit in der Deutsch. med. 
Wochenschr. habe ich die oft unzweckmäßige und unnötige Durch- 
führung einer anthelminthischen Kur geschildert und vier neue, töd- 
lich verlaufene Vergiftungsfälle mit Ol. chenopodii bei Kindern mit- 
geteilt. Ich kann nur immer wieder erklären, daß wir bei Hunderten 
von derartigen Kuren keinerlei irgendwie bedenkliche Intoxikations- 
erscheinungen erlebt haben, daß ich es aber für sehr wünschenswert 
halte, wie auch Schüffner schreibt, die Dosis des Mittels an der 
untersten Grenze zu halten und nur möglichst abgelagertes Öl zu 
verabreichen, dessen toxische Komponente allmählich geringer ge- 
worden ist. Daß das Chenopodiumöl aber ein vorzügliches Mittel 
gegen Spulwürmer bildet, dafür zeugt der von Pessoa berichtete 
Fall, bei welchem bei einem typhusverdächtigen Negerknaben auf 
Wurmsamenöl mit nachherigem Ol. ricini 556 Askariden abgingen 
und Fieber und übrige Krankheitssymptome sofort verschwanden. 


124 Brüning. Heft 2 


Auch Wilson rühmt das in Rede stehende Mittel, dessen pharma- 
kologische Wirkungen jüngst von Jonkhoff an Tieren (Meer- 
 schweinchen, Kaninchen) im Hinblick auf die mehrfach in der 
Literatur beschriebenen Gehörstörungen nochmals experimentell 
nachgeprüft worden sind, mit dem Resultate, daß bei intravenöser 
und subcutaner Injektion ein Stadium der Vergiftung eintritt, in 
welchem alle Otolithenreflexe vollständig aufgehoben sind, während 
der Bewegungsreaktion erhalten bzw. sogar gesteigert ist. Aber 
nicht nur per os, sondern auch durch intramuskuläre Einverleibung 
von Medikamenten hat man Wurmkranke zu heilen versucht. So 
berichtet Makai, daß er nach operativer Behandlung eines Leber- 
spulwurmabscesses dem Kinde eine 20 proz. intraglutäale Terpentin- 
ölinjektion gemacht habe, und daß hierauf zwei Askariden sich aus 
der Operationswunde entleert hätten. Als ein neueres Wurmmittel, 
welches sowohl gegen Platt- als auch gegen Rundwürmer angewandt 
werden soll, wird von Marx und Rabow das Santoperonin in den 
Handel gebracht. Santoperonin ist eine Verbindung von wirksamen 
Prinzipien des Santonins und der Filixsäure aus Extract. filicis marıs, 
welche durch ein 3. vermicides Radikal gekuppelt sind (Naphthalin- 
lacton + Phenol durch Oxygruppen verstärkt). Dem Mittel wird 
völlige Geruch- und Geschmacklosigkeit, geringere Giftigkeit und 
prompte Wirkung schon bei 0,01 g nachgerühmt, ohne daß ich selbst 
in der Lage bin, aus Mangel an einschlägigen Beobachtungen hierzu 
Stellung zu nehmen. Auch über den Tetrachlorkohlenstoff, der von 
Hall, Lambert, Leach, Nicholls und Hampton als zuverlassiges 
Ankylostomiacum empfohlen wird, habe ich bisher nur geringe 
eigene Erfahrungen sammeln können, soweit es sich um die Ver- 
abreichung dieses Mittels als Antiascaridiacum handelt. Hall 
betont die geringe Giftigkeit des Kohlenstofftetrachlorids in Tier- 
experimenten und verabreichte bis zu 6ccm pro Kilogramm Affe 
ohne jede Schädigung: Lambert schließt sich diesen Ausführungen 
an, rühmt u. a. die Billigkeit und gute Verträglichkeit und bemißt 
die Einzelgabe für Erwachsene auf 3—4 ccm; Leach will das Carbon- 
tetrachlorid nur gegen Ankylostomen und Askariden, nicht aber 
gegen Oxyuren in Anwendung bringen und schlägt seine Einverlei- 
bung in Gelatinekapseln vor, während Nicholls und Hampton 
verlangen, daß vor allem ein chemisch reines Präparat benutzt wird, 
dessen Dosierung sie auf 3ccm einer Lösung von 6 : 30 oder von 
ı0—20 Minims (I Minim = 0,06g) bei 3—4jährigen Kindern be- 
messen, ohne daß unter allen Umständen ein Abführmittel hinterher 
verabreicht zu werden braucht. 


Heft 2 Helminthiasis. 125 


Die Behandlung der Oxyuriasis ist mit den verschiedensten 
Mitteln versucht worden. Franke hält es für unnötig, Vermifuga 
intern anzuwenden, sondern will lediglich durch Innehaltung pein- 
lichster Sauberkeit, häufigen Wechsel der Bettwäsche und Inletts 
sowie Tragen einer Hemdhose die quälenden Springwürmer zum 
Verschwinden bringen. Robert und Schmidt empfehlen die 
Gelonid. aluminii subacetici, und zwar die letzteren unter gleich- 
zeitiger kohlenhydratarmer, fett- und eiweißreicher Nahrung. 

Braun sah gute Erfolge vom Butolan der Bayerschen Farb- 
werke, während unter dem Namen Vermox ein Wurmpräparat 
von der Münchener Pharmazeutischen Fabrik in den Handel ge- 
bracht wird, über welches mir eigene Erfahrungen fehlen. 

Cramer benutzte Carsalanzäpfchen und Meyer das Cupronat 
der Mühlheimer Troponwerke, während Heubner, der auf genossene 
Zwiebel ein stärkeres Ausschwärmen der Oxyuren beobachten konnte, 
an sich selbst eine ganze Reihe der gebräuchlichen Antioxyuriaca 
anwandte, ohne einen besonderen Vorzug des einen vor dem anderen 
feststellen zu können. Landgraf empfiehlt, als ein von seinem Vater 
stammendes Rezept zur Abtreibung der Springwürmer ein kleinfinger- 
großes Stückchen ungesalzenen Speck mit Ungt. ciner. bzw. bei 
Kindern mit Ungt. hydrarg. praec. alb. nachts 2—3 mal als Supposi- 
torıum in den Darm einzuführen. Japha beschreibt 3 Fälle, wo 
bei Oxyurenträgern nach Einreichung des Vermiculins in die After- 
gegend ein allgemeines Ekzem mit starkem Juckreiz aufgetreten ist, 
und warnt deshalb vor der genannten Salbe. Von der Frankfurter 
Firma Merz &Co. werden Ugalumintabletten in Verbindung mit 
Wurmserol als Spezificum gegen hartnäckige Fälle von Springwürmern 
empfohlen (Alum. acet. bas., Kal. oxychinolin. + 0,025 Phenol- 
phthalein pro Tablette), und Hayos behandelte 6 Fälle von Oxy- 
uriasis mit interner Darreichung von Salvarsan (bei einer 27jährigen 
Frau 0,9g) und gab 4 Stunden später einen Einlauf mit dem schon 
weiter oben erwähnten Thymol (1°/,,); dazu ließ er Badehose tragen 
und graue Salbe einreiben. Er beobachtete nach der ausführlichen 
Mitteilung schon bald nach dem Einnehmen massenhaft Oxyuren 
in den Entleerungen; die Frau war dann 8 Monate frei und erhielt 
bei wieder aufgetretenem Verdacht auf eine Reinfektion nochmals 
dieselbe Salvarsangabe mit dem Erfolge, daß sie nunmehr von Be- 
schwerden freigeblieben ist. Auf Grund dieses Falles regt Hayos 
zu weiteren einschlägigen Versuchen, evtl. mit anderen Arsenpräpa- 
raten an. Mir scheinen diese dringend geboten, um Zufälligkeiten, 
wie sie bei einer so wechselvollen Störung, wie sie die Oxyuriasıs 


126 Brüning. Heft 2 


nun einmal in ihrem Verlaufe darstellt, mit Sicherheit ausschließen 
zu können. 


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Monogr. of the Rockef.-Inst. f. med. res. 1922, m. 17. 

Zimmermann, R., Histologische Befunde bei 1158 in den letzten 10 Jahren 
exstirpierten Processus vermiformes. Sitz.-Ber. d. Harburger arztl. Vereins 
1922. 


Anus dem Pathologischen Institut der deutschen Universitat in Prag. 
(Vorstand: Prof. Dr. A. Ghon.) 


Ein Fall eines pulmonalen Granuloms besonderer 
Atiologie bei einem 9tagigen Kinde. 
Von Dr. W. Gübitz. 


Am 1. IV. 1922 wurde uns von der Deutschen Pädiatrischen 
Klinik der Findelanstalt (Prof. R. Fischl) ein 9 Tage altes früh- 
geborenes Kind zur Sektion eingeliefert, welches Zeichen von Unter- 
entwicklung, Schädelkollaps, starkem Mundsoor und geringes Skler- 
ödem aufwies. Die Sektion hatte folgendes Ergebnis: 


Schleimig-eitrige Tracheitis und Bronchitis und eitrige Bron- 
chiolitis, Hyperämie der Lungen und zahlreiche granulomähn- 
liche Infiltrate in beiden Lungen, besonders in den Oberlappen. 
Pseudomembranöse Oesophagitis. Katarrhalisch-schleimige Ga- 
stritis. Hyperämie desGehirns undSuffusionen derLeptomeninx. 
Bilirabininfarkte der Nieren. 

42cm lange, 1040 g schwere weibliche Kindesleiche, schwächlich Im 
Gesicht, an den Extremitäten und am Stamme viel Lanugo. Die sichtbaren 
Schleimhäute ohne Besonderheiten. Der Nabelstumpf kurz, augenschein- 
lich noch nicht vollständig epithelisiert. Aus den Nabelgefäßen kein fremder 
Inhalt ausdrückbar. 

Kopfhaut mäßig blutreich. Die Stirnbeine etwas unter die Scheitel- 
beine geschoben. In den Sinus dunkles, dickflüssiges Blut. Die Pauken- 
höhlen frei. Dura mater blutreich, ebenso die Leptomeninx; in ihr 
im Bereiche der Hinterhauptslappen einige Suffusionen. Die Windungen des 
Gehirns an der Konvexität nur zum Teil entwickelt. Auf der horizontalen 
Schnittfläche Mark und Rinde undeutlich abgegrenzt, verwaschen, ziemlich 
blutreich. 

An der Zunge keine besonderen Veränderungen. Rachen gerötet, voll 
dicker gelblicher Massen. Tonsillen kleinerbsengroß, uneben. Larynx- 
eingang frei, gerötet. Oesophagus stark injiziert, im oberen Teil einige 
unter kleinlinsengroße graugelbliche Auflagerungen, im unteren Teil unregel- 
mäßig begrenzte gelbliche, wie nekrotisch aussehende Stellen. In der Trachea 
und in den großen Bronchien schleimig-eitriges rötliches Sekret in reich- 
licher Menge. Die Schleimhaut der Trachea wenig, die der großen Bronchien 
stärker gerötet. Thymus zweilappig, klein, substanzarm. Schilddrüse 
entsprechend groß, graurötlich. 


Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 9 


130 Gibitz. | Heft 2 


Rechte Lunge: Ober- und Mittellappen unvollstandig getrennt. Der 
Oberlappen nur am vorderen Rande lufthaltig, der Unterlappen fast ganz 
luftleer. Die Lunge schwer, blaurot. Im Oberlappen, besonders in seiner 
kranialen Hälfte, zahlreiche kleinste, zum Teil konfluierte, graue, 
gut begrenzte Knötchen oder infiltratartige Gebilde bis zu 3 mm 
im Durchmesser, die über die Oberfläche nicht oder nur ganz 
leicht vorspringen und einen schmalen roten Hof zeigen. Die 
Zahl dieser Herde nimmt nach unten zu ab. Im Unterlappen 
finden sich nur wenige in seiner Spitze. Auf der Schnittfläche 
erscheinen diese Knötchen grau und fest. Im übrigen ist die Schnitt- 
fläche der Lunge blutreich, wenig lufthaltig, und auf Druck sind aus den 
Bronchiolen gelbliche, eiterähnliche Massen ausdrückbar. Die linke Lunge 
zeigt ähnliche Veränderungen, aber in geringerem Grade. 

Die cervicalen Lymphknoten bis über hanfkorngroß. Die tracheo- 
bronchialen und bronchopulmonalen Lymphknoten klein, die 
größten bohnengroß, alle blutreich, aber ohne besondere Veränderungen. 

Herz entsprechend groß, der Herzmuskel gelblichbraun, an der Mitralis 
und Tricuspidalis kleinste Klappenhämatome, sonst keine besonderen Ver- 
änderungen. 

Nebennieren ziemlich groß, in der Rinde gelblich, dunkelrot in der Mark- 
substanz. In den Nieren Bilirubininfarkte. Die Rinde rötlichgrau mit einigen 
bläulichroten Stellen. Harnblase kontrahiert mit etwas gelblichem Inhalt, 
sonst ohne Veränderungen. Das Genitale ohne Befund. 

Im Rectum dickbreiiger, gelblicher Inhalt. Im Magen schleimiger, grün- 
gelblicher, zäher Inhalt, die Wand dünn, gerötet. In der Wand zahlreiche 
kleinste runde oder ovale Plaques sichtbar, die größten bis z mm im Durch- 
messer, die im Zentrum eine kleine Delle zeigen und schon von außen durch- 
scheinen. Sie liegen im Fundus. Pylorus durchgängig. Duodenum ohne 
Befund. In der Gallenblase grünliche Galle. Leber scharfrandig, 8:4 cm, 
braun, auf der Schnittfläche die Zeichnung undeutlich, Konsistenz etwas 
zähe. Im Dünndarm reichlich dicke, ockergelbe Hilusmassen, abnilicher 
Inhalt im Dickdarm; seine Schleimhaut ziemlich stark injiziert, aber sonst 
ohne Befund. Appendix 6cm lang mit gelblichen Massen gefüllt, sonst 
ohne Befund. 

“ Knorpelknochengrenze der unteren Extremitäten, Femur und Tibia, 
normal. 


Im histologischen Bilde erweisen sich die I.ungenpartien, 
welche die makroskopisch sichtbaren Knötchen enthalten, als wenig 
lufthaltig, stellenweise fast unentfaltet, stark hyperämisch und 
stellenweise auch von kleinen Blutungen durchsetzt. Den makro- 
skopisch verschieden großen Knötchen entsprechen nicht überall 
scharf begrenzte Herde, die auch hie und da kleine Blutungen auf- 
weisen und sich vorwiegend aus pyknotischen und zerfallenen Kernen 
und aus Kerntrümmern zusammensetzen. Durch ihren geringen, 
teilweise mangelnden Blutgehalt heben sie sich scharf von der stark 
hyperämischen Umgebung ab. Alveoläre Struktur der Herde ist 
in den zentralen Partien nicht mehr erkenntlich, mehr oder weniger 


Heft 2 Pulmonales Granulom besond. Ätiologie bei einem gtigigen Kinde. 131 


deutlich jedoch in der Peripherie, wo an solchen Stellen die gefüllten 
Capillaren der Septen, die mit zerfallenen Gewebsmassen erfüllten 
verschieden großen Alveolen gut umgrenzen. Abgesehen von Erythro- 
cyten, die sich innerhalb der Herde in verschiedener Menge teilweise 
auch in kleineren Haufen nachweisen lassen, kann man, soweit 
die Zerfallserscheinungen der Zellen die Diagnose zulassen, unter 
ihnen noch erkennen: Polymorphkemige Leukocyten in geringer 
Menge; in wechselnder Zahl und ungleicher Verteilung Riesenzellen 
verschiedener Größe mit ı bis höchstens 4 Kernen und verschieden 
breitem Protoplasma, die mit ihren zentral gelegenen Kernen 
den Sternbergschen Riesenzellen bei Lymphogranulomatose 
gleichen ; sonst sind noch einkernige Zellen zu erkennen, die nur zum 
kleineren Teil den Typus Iymphocytärer Zellen zeigen, im allgemeinen 
aber größer sind als diese, einen breiteren Protoplasmasaum zeigen 
und einen weniger chromatinreichen, zum Teil länglichen Kern haben; 
schließlich finden sich noch langgestreckte Zellen mit spindeligem 
Kern und wenig gutbegrenztem Protoplasma hauptsächlich in den 
peripheren Anteilen der Herde. Die in der Umgebung der Herde 
gelegenen Lungenpartien zeigen vielfach besonders starke Hyperämie, 
wodurch die einzelnen Alveolen außerordentlich deutlich abgegrenzt 
erscheinen. Sie sind zum großen Teile angefüllt mit protoplasma- 
reichen Zellen, die einen runden Kern haben und in einzelnen Alveolen 
wohl erhalten sind, in anderen jedoch alle Übergänge zur vollstän- 
digen Karyorrhexis zeigen. 

In Bronchien und Bronchiolen liegt serös-zelliges Exsudat, dessen 
Zellen ebenfalls Kernzerfall aufweisen. Unter den Zellen kann 
man Leukocyten, Rundzellen, abgeschuppte Epithelien und blasse 
spindelige Zellen wahrnehmen. Plasmazellen sind nirgends nach- 
weisbar. 

Nach Färbung mit Sudan sieht man in den nekrotischen Herden 
stellenweise in geringer Menge staubförmige Lipoidmassen ohne 
Doppelbrechung. Säurefeste Stäbchen konnten in zahlreichen 
untersuchten Schnitten mit der Färbung nach Ziehl-Neelson 
nicht sichtbar gemacht werden. Ebenso war die Färbung auf Spiro- 
chäten nach Levaditi negativ. In den nach Gram-Weigert und 
mit Borax-Methylenblau gefärbten Schnitten waren Gram-positive 
und Gram-negative Formen nachweisbar. Bei den negativen Formen 
handelte es sich ausschließlich um Stäbchen ungefähr von der Größe 
der Typhus-Coligruppe. In den oben beschriebenen entzünd- 
lich nekrotischen Herden ließen sich nur Gram-negative 
Stäbchen der beschriebenen Art in wechselnder Menge 


9* 


132 | Gübitz. Heft 2 


nachweisen. Das nicht veränderte Lungengewebe war 
frei davon. Im Exsudat der Bronchien fanden sich neben Gram- 
negativen Stäbchen Gram-positive Kokken zu zweit und in Ketten 
und kurze Gram-positive Stäbchen, anscheinend der Gattung Coryne- 
bacterium zugehörig. 

Das ganz ungewöhnliche Bild, das die Lunge des gtägigen 
Kindes bei der Sektion zeigte, ließ grob anatomisch eine sichere 
Diagnose nicht zu. Zunächst wurde daran gedacht, daß die granulom- 
ähnlichen Herde spezifisch entzündlicher Natur wären, wobei Lues 
und Tuberkulose in Betracht kämen. Einerseits auf Grund der 
Ausstrichpräparate, die schon bei der Sektion von den Herden ge- 
macht wurden, andrerseits auf Grund des histologischen und histo- 
logisch-bakteriologischen Befundes konnten Lues und Tuberkulose 
mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Es ließen sich weder Spiro- 
chäten noch säurefeste Stäbchen nachweisen, abgesehen davon, 
daß auch das histologische Bild, wie aus der gegebenen Beschreibung 
zu ersehen ist, keine Veränderungen zeigte, die für Lues oder Tuber- 
kulose charakteristisch waren. Gegen Tuberkulose sprach auch der 
Mangel von gleichsinnigen Veränderungen in den regionären Lymph- 
knoten, wenngleich bei dem Alter des Kindes daran gedacht werden 
konnte, daß solche Veränderungen noch nicht zur Ausbildung ge- 
langt waren, Das histologische Bild mit reichlichem Kernzerfall 
erinnerte vielmehr an Veränderungen, wie wir sie bei Rotz sehen. 
Durch den Reichtum an Riesenzellen und den Mangel epitheloider 
Zellen unterschied sich jedoch histologisch unser Fall von Rotz, 
abgesehen davon, daß auch die Anamnese und die Krankengeschichte 
Anhaltspunkte dafür nicht ergaben. Der Annahme, daß es sich um 
Lymphogranulomatose handeln könnte, welche die Form der Rıesen- 
zellen aufkommen ließ, widersprach das übrige histologische Bild 
und der Befund Gram-negativer Stäbchen, die in den Herden nach- 
gewiesen werden konnten. Auch die Diagnose Pseudotuberkulose, 
an die wegen des Nachweises von Gram-negativen coliähnlichen 
Stäbchen gedacht wurde, mußte nach dem histologischen Bilde 
fallen gelassen werden, denn Riesenzellen sind in den anerkannten 
Fällen von Pseudotuberkulose nicht beschrieben. Auch waren 
im eigenen Fall Herdbildungen in anderen Organen, wie sie in den 
anerkannten Fällen beschrieben sind, nicht vorhanden. 

In allen Herden, die zur Untersuchung gelangten, waren durch 
Färbung nach der Methode von Gram-Weigert und mit Borax- 
Methylenblau ausschließlich und in wechselnder Menge 
Gram-negative Stäbchen nachweisbar, die morphologisch und 


Heft 2 PulmonalesGranulom besond. Atiologie bei einem otagigen Kinde. 133 


färberisch der Coligruppe glichen. In den herdfreien Partien der 
Lunge waren diese Stäbchen nicht zu sehen, sie fanden sich nur noch 
im Exsudat der Bronchiolitis und Bronchitis, hier allerdings zu- 
sammen mit Gram-positiven Kokken der Gattung Streptokokkus 
und Gram-positiven Stäbchen der Gattung Corynebacterium. Die 
kulturelle Untersuchung hatte in Übereinstimmung mit dem mikro- 
skopischen Befunde einerseits Kolonien der Gattung Streptokokkus 
und der Gattung Corynebacterium ergeben, andrerseits solche eines 
Gram-negativen Stäbchens, das nach seiner Bestimmung der Coli- 
gruppe zugehörte. Leider vereitelte der Tierversuch eine sichere 
Entscheidung darüber, ob es sich bei den Gram-negativen Stäbchen 
um eine einheitliche Art gehandelt hat oder nicht, da beide Meer- 
schweinchen, die geimpft wörden waren, schon nach 24 Stunden 
eingingen. s 

Daß die mikroskopisch und kulturell nachgewiesenen Stäbchen 
im ursächlichen Zusammenhang mit den granulomähnlichen Herden 
der Lunge standen, ist wohl außer Frage, und wahrscheinlich ist es 
auf Grund der Ergebnisse der Untersuchung, daß es sich dabei nur 
um Stäbchen der Coligruppe handelte. Es muß jedoch zugegeben 
werden, daß die Kette des einwandfreien Beweises für diese Annahme 
durch den Ausfall des Tierexperimentes nicht vollkommen geschlossen 
erscheint. 

Histologisch entsprachen die Veränderungen pneumonischen, 
die allerdings durch den reichlichen Kernzerfall der Exsudatzellen 
ein besonderes Gepräge erhielten. Die mehrkernigen großen Zellen, 
die in den Herden angetroffen wurden, widersprachen einer solchen 
Annahme nicht, da solche Zellen auch bei Pneumonie nach Masern 
und Keuchhusten sowie bei Friedländerscher Pneumonie beschrieben 
sind. Der Fall würde dadurch kausalgenetisch nichts Besonderes 
darstellen. Seine Mitteilung erschien mir aber wegen des grob- 
anatomischen Befundes berechtigt. 

In der mir zugänglichen Literatur fand ich keinen gleichen Befund. 
Erwähnen möchte ich jedoch einen Fall von sog. Pseudotuberkulose 
bei einem neugeborenen Kinde, den Aschoff und Wrede mitgeteilt 
haben, weil bei diesem Falle außer in anderen Organen auch in den 
Lungen makroskopisch wie Tuberkel aussehende Knötchen gefunden 
wurden. Mikroskopisch stellten sich die Knötchen als kleine pneu- 
monische Herde dar. Die Knötchen der anderen Organe, besonders 
der Leber, wiesen reichlichen Kernzerfall auf, wie wir ihn auch im 
eigenen Fall gesehen haben. Als Erreger wurde ein kurzes gram- 
positives unbewegliches Stäbchen sichergestellt, das dem Bacillus 


134 Giibitz: Pulmonales Granulom besonderer Atiologie usw. Heft 2 


von Kutscher und Preisz am nächsten steht. Da auch Verände- 
rungen in den Verdauungswegen vorkamen, ist wohl anzunehmen, 
daß es sich im Fall Wrede gleich dem eigenen um eine Infektion 
durch Aspiration intra partum handelte. 

Genetisch handelt es sich im mitgeteilten Falle um eine bronchogene 
Infektion, wofür vor allem der histologische Befund spricht, abgesehen 
von der Tatsache, daß sich auch grobanatomisch die Veränderungen 
durch ihre Beschränkung auf die Lungen als primär pulmonale - 
auffassen ließen. Unterstützt wird diese Annahme durch den Nach- 
weis von Gram-positiven Kokken und Stäbchen der Coryne: 
bacterium im Bronchialbaum. 

Der hier kurz mitgeteilte Fall erweitert jedenfalls unsere Kennt-. 
nisse der Pathologie bei den Säuglingen, insofern als wir dadurch 
neben anderen herdförmigen, den Granulomen zugehörigen Bildungen 
solche kennen gelernt haben, die ätiologisch von den bisher bekannten 
abweichen. Es soll unterbleiben, der beschriebenen Veränderung 
einen besonderen Namen zu geben, der Fall vielmehr einfach regi- 
striert werden, um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, damit 
der Ätiologie dieser Prozesse bei ähnlichen Beobachtungen ein- 
gehendere Beachtung geschenkt werde, als es mir role des Miß- 
glückens des Tierversuches möglich war. 


Kinderklinik Mt. Sinai Hospital, New York. 


Energiestoffwechsel bei Kindern. 


(Eine Übersicht über die neue amerikanische Literatur.) 


Von Dr. Jerome L. Kohn, Assistent. 


Unsere Kenntnis vom Nahrungsmittelbedarf der Kinder stützte 
sich auf Feststellung der Nahrungsaufnahme und -ausscheidung. 
Der nächste Schritt war die Messung der Wärmeabgabe, um den 
Verbrennungsprozeß im Organismus genauer zu verfolgen. Seitdem 
die Messung des Energiestoffwechsels durch passende Apparate 
mehr zugänglich geworden ist, sind große Fortschritte auf diesem 
Gebiete zu verzeichnen. In Amerika sind in den letzten 10 Jahren 
viele Arbeiten ausgeführt worden. Besonders wichtig sind die 
Arbeiten folgender Forscher: Lusk, Murlin, Du Bois, Benedict 
und Talbot. | 

Benedict und Talbot schrieben 3 Monographien iiber Energie- 
umsatz vom Säuglingsalter bis zur Pubertät. Diese Arbeiten können 
als vorbildlich und grundlegend betrachtet werden und wurden 
durch das Nahrungslaboratorium des Carnegie-Institutes ermöglicht. 
Über 1000 Messungen an 400 Kindern wurden gemacht. Benedict 
und Talbot führten ihre Versuche an Kindern verschiedenen Alters, 
jedoch unter sonst genau denselben Verhältnissen aus, so daß die 
Resultate vergleichbar sind. 

Totalenergiestoffwechsel oder Energieumsatz umfaßt alles, was 
zur Wärmeabgabe. führt. Die Schwierigkeit, den Grundumsatz bei 
Kindern und Säuglingen genau zu bestimmen, liegt in der Definitior: 
des Begriffes. Grundumsatz ist der Minimalenergiestoffwechsel, 
gerade genügend für die Lebensfunktion, unabhängig von Muskel- 
arbeit, Nahrungsaufnahme und anderen Faktoren. Um diese Schwie- 
ngkeiten zu überwinden, bauten sie eine große Kammer, in welcher 
ein Kind tagelang gehalten werden konnte, um Bestimmungen unter 
verschiedenen Bedingungen auszuführen. Es wurde die Methode 


136 Kohn. Heft 2 


der sog. indirekten Calorimetrie angewendet, d. h. die Messung des 
Gesamtgaswechsels — CO,-Abgabe und Sauerstoffaufnahme. Muskel- 
arbeit, Atmung und Puls konnten durch diese Methode graphisch 
wiedergegeben werden. Fiir Kinder im Alter von mehr als 5 Jahren 
kann man den Apparat von Tissoit benutzen, der die Anwendung 
einer Kammer unnötig macht. 

Benedict und Talbot glauben, daß das Rubnersche Gesetz 
in bezug auf Säuglinge nicht anwendbar ist. Du Bois nimmt 
an, daß das Gesetz auch nicht ganz für Erwachsene stimmt und 
schlägt folgende Formel vor: 


APK: 


(A ist Oberfläche in qm, P ist Gewicht in kg. H ist Höhe in cm. 
K ist eine Konstante 71,84.) Benedict und Talbot benutzen 
diese Formel. 

Nahrung hat eine spezifisch dynamische Wirkung, d. h. die Wärme- 
abgabe der Nahrung ist größer als theoretisch zu erwarten ist. 6o g 
Protein erhöhen den Energiestoffwechsel um 12% in 6—7 Stunden, 
100 g Glucose und Fett haben eine schwächere Wirkung. 

Es folgen nun praktische Anwendungen der besprochenen Beob- 
achtungen über den Energiestoffwechsel. 

Neugeborene. Benedict und Talbot studierten 105 Säug- 
linge im Alter von einigen Stunden bis zu 6 Tagen und kamen dabei 
zu folgenden Schliissen: a) In den ersten 24 Stunden existiert keine 
geregelte Beziehung zwischen Stoffwechsel und Körpergewicht 
oder zwischen Stoffwechsel und Körperoberfläche. Das läßt sich 
wahrscheinlich dadurch erklären, daß der Organismus sich den 
neuen Lebensbedingungen anzupassen sucht. Die Körpertemperatur 
ist niedriger, und der Grundumsatz ist außerordentlich niedrig — 
zwischen 38—42 Calorien pro Kilogramm in 24 Stunden, oder 
612 Calorien pro Quadratmeter in 24 Stunden; am 2. und 3. Tage 
beginnt die Wärmeabgabe zu steigen und erreicht ihr Niveau, und 
zwar 48 Calorien pro Kilogramm in 24 Stunden oder 650 Calorien 
pro Quadratmeter. Wenn man Bewegung, Schreien usw. in Betracht 
zieht, muß man 62 Calorien pro Kilogramm als genügend für die 
ersten Lebenstage annehmen. b) Das Körpergewicht kann besser 
als Maßstab zur Berechnung des totalen Energiestoffwechsels dienen, 
was durch graphische Darstellung bewiesen werden kann. Der Ge- 
samtenergieumsatz des Neugeborenen, auf die Einheit des Körper- 
gewichtes berechnet, ist nicht viel größer als der eines Erwachsenen. 
Zieht man es jedoch vor, den Energieumsatz in den ersten Lebens- 


Heft 2 Energiestoffwechsel bei Kindern. 137 


wochen mittels der Körperoberfläche zu berechnen, so kann man 
folgende Formel anwenden: 


A = (Länge in Zentimetern) X 12,65 x 10,3 x VP. 


Sie fanden die Wärmeabgabe pro Quadratmeter der Körperoberfläche 
pro Zentimeter Körperlänge (Höhe) in 24 Stunden im Durchschnitt 
gleich 12,65 Calorien. c) Die Frequenz des Pulses war von keiner 
großen Bedeutung. d) Die Frage des Nahrungsbedürfnisses der 
Neugeborenen ist kompliziert, da während der ersten Lebenstage 
die Säuglinge teilweise hungern — das Colostrum gibt sicherlich 
nicht genug Energie. Der respiratorische Quotient während des 
. ersten Tages ist hoch — 0,9. Benedict und Talbot nehmen an, 
daß der Grund des erhöhten RO. nicht auf der Größe der verbrauchten 
Glykogenmenge beruht, sondern durch erhöhte CO,-Abgabe infolge 
der veränderten Atmungsweise bedingt wird. Am 2. und 3. Tage 
ist der RO. 0,73 und erreicht mit der ersten Milchaufnahme in einigen 
Tagen seine normale Höhe. Es existiert keine geregelte Beziehung 
zwischen dem RO. und der Größe und dem Zustande des Kindes. 

Murlin und Bailey haben diese Resultate in Betracht gezogen 
und gaben Beinahrung, um den RO. auf der normalen Höhe zu er- 
halten. Diese Säuglinge verloren sehr wenig Gewicht. Dieser Verlust 
des Körpergewichtes kann nicht vollständig durch Verbrauch des 
Gewebes erklärt werden, sondern größtenteils durch Wasserverlust. 
Bakwin zeigt, daß während des transitorischen Fiebers der Neu- 
geborenen das Blut konzentriert ist, daß bei Wasserzufuhr die 
Temperatur fällt und die Blutkonzentration geringer wird. Neu- 
geborene sollten infolgedessen warmgehalten und nicht gebadet 
werden und Flüssigkeiten in reichlicher Menge erhalten. 

Foetus. Murlin stellte eine Untersuchung an, um die Wärme- 
abgabe der Vorgeburtsperiode zu bestimmen. Er studierte Energie- 
stoffwechsel von 3 Schwangeren während 3 Wochen vor der Geburt. 
Unmittelbar nach der Geburt bestimmte er den Energiestoffwechsel 
von Mutter und Kind. Es zeigte sich, daß mit Ausnahme des ersten 
Tages der Unterschied zwischen dem Energieumsatz der Schwanger- 
schaft und dem gesamten Energiestoffwechsel von Mutter und Kind 
nur 1%, beträgt. Hieraus ersieht man, wie schnell sich der Neu- 
geborene der Umgebung anpaßt. 

Säuglinge und junge Kinder. Benedict und Talbot ver- 
suchten das normale Kind zu charakterisieren. Sie bestimmten die 
Maße von Hunderten Kindern in verschiedenen Stadtteilen und aus 
verschiedenen sozialen Klassen. Sie verglichen Gewicht und Alter; 


138 Kohn. Heit 2 


Gewicht und Höhe, und endlich Gewicht, Höhe und Körperober- 
fläche, das letztere mit Hilfe der Du Boisschen Formel. Sie kamen 
dabei zum Schluß, daß das Verhältnis der Körperoberfläche zum 
Körpergewicht am verläßlichsten ist. Das Körpergewicht hat die 
größte Bedeutung für den Energiestoffwechsel. Sie waren imstande, 
aus dem Körpergewichte normaler Kinder, die schwerer als ıo kg 
wogen, den Energieumsatz vorauszubestimmen. | 

Benedict und Talbot kamen zu folgenden Feststellungen: 
Die Menge der verbrauchten Calorien stieg rapid an von Geburt 
bis zum Alter von 2 Jahren, nachher merklich langsamer. Der höchste 
Betrag des Energiegrundumsatzes fällt auf das Alter von ı!/, bis 
11/, Jahren, ungefähr 56—60 Calorien pro Kilogramm. Der aktuelle 
Grundumsatz liegt eigentlich um 14% niedriger, wenn man den 
spezifischen dynamischen Effekt der Nahrung in Abzug bringt. 
13 durch Milch ernährte Kinder zeigten einen etwas erhöhten Grund- 
umsatz. Der durch Muskeltätigkeit bedingte Nahrungsverbrauch 
schwankt zwischen 20 und 40%. Bei ruhigen Kindern beträgt er 
etwa 20%; bei lebhaften steigt er bis zu 40% an. Ungefähr 5—10% 
der Nahrung werden ausgeschieden in Kot und Harn. Zieht man das 
von der totalen Nahrungsaufnahme ab, so erhält man den Verbrauch 
während des normalen Wachstums. 

Das Wachstum ist am höchsten in den ersten 6 Monaten, in welchen 
der Säugling sein Gewicht verdoppelt. Während der nächsten 
6 Monate ist die Gewichtszunahme ungefähr gleich groß. Die 
Gewichtszunahme betrug 100%, Anstieg in dem ersten Lebenshalb- 
jahr, jedoch nur 50% im zweiten Lebenshalbjahr, daher braucht das 
Kind während dieser Zeit verhältnismäßig mehr Nahrung als in 
irgendeiner anderen Lebensperiode. Während der ersten 6 Monate 
werden 36% der Nahrung zum Wachstum verbraucht; beim 
6monatigen Kinde 26%, beim gmonatigen 21% (Rubner und 
Heubner fanden 12% genügend zum Wachstum.) Für den nor- 
malen Säugling genügen 80 Calorien pro Kilogramm in 24 Stunden. 
Das ist ungefähr 60% mehr als der Grundumsatz. 

Ein Kind, welches mehr wiegt als das normale gleichalterige Kind, 
sollte eine Nahrung erhalten, die calorienreicher ist als diejenige, die 
dem Kinde mit Normalgewicht verabreicht wird,: jedoch weniger 
calorienreich, als theoretisch seinem Gewichte entspricht. Der 
Energieumsatz pro Kilogramm fetter Kinder ist etwas niedriger als 
derjenige normaler Kinder. 

Der Grundumsatz der 7 jährigen sinkt allmählich bis zu 44 Calo- 
rien; im Alter von 12 Jahren beträgt er 32 Calorien pro Kilogramm 


Heft 2 Energiestoffwechsel bei Kindern. 139 


pro 24 Stunden. Berechnet auf Körperoberfläche zeigt die Wärmc- 
abgabe der Kinder weite individuelle Schankungen. Benedict und 
Talbot benutzen die Du Boisesche Formel, jedoch variierten sie 
die Konstante. Bei der Geburt ist die Wärmeabgabe ungefähr 
640 Calorien pro Quadratmeter und steigt allmählich an, bis sie im 
Alter von 1 Jahre r100 Calorien pro Quadratmeter beträgt. Bei 
10 jährigen beläuft sich die Calorienmenge auf 1000. Bei 14 jährigen 
sinkt sie zu 800 Calorien. Der Grundumsatz bei Knaben und Mädchen 
ist fast gleichgroß. Derjenige der Knaben ist nur 6%, höher. Die 
Pulsfrequenz entspricht annähernd dem Energieumsatz. Während 
der Pubertätsperiode ist bei Knaben keine große Zunahme im Grund- 
umsatz zu bemerken. Bei Mädchen nur, wenn sie eine vergrößerte 
Schilddrüse haben. | 

Frühgeburt. Nach Rubner sollte die Wärmeabgabe Früh- 
geborener größer als bei Normalen sein, da das Verhältnis ihrer 
Körperoberfläche zum Körpergewicht größer ist. Benedict zeigte, 
daß die durchschnittliche Wärmeabgabe frühgeborener Kinder 
597 Calorien pro Quadratmeter ist, während diejenige Ausgetragener 
nur 612 Calorien beträgt. 6 Säuglinge wurden während der ersten 
ıı Tage beobachtet und zeigten einen sehr niedrigen Enero 
wechsel. 

Murlin und Marsh zeigten, daß der‘ Grundumsatz bei Früh- 
geborenen, die während der ersten Wochen starben, sehr niedrig 
war, dagegen bei den am Leben gebliebenen Frühgeborenen be- 
trächtlich höher. Die Oxydationsprozesse sind bei dem letzteren 
besser. Folglich können diese Bestimmungen als li ‚zur 
Prognose dienen. ! 

Talbot nimmt an, daß dieser niedrige Energiestoffwechsel‘ ver- 
ursacht wird durch den sehr niedrigen Oxydationsgrad des aktiven 
Gewebes. Diese wenig entwickelten frühgeborenen Säuglinge haben 
eine nur minimale Wärmeabgabe, die gerade für die Lebensfunktionen 
unter den günstigsten Bedingungen ausreicht. Die Höhe der Wärme- 
abgabe hängt vom Tonus des aktiven Gewebes ab und nicht von der 
Größe der Körperoberfläche. 

Das wichtigste Ergebnis in Bezug auf Frühgeborene ist, daß man 
die Nahrung der letzteren nicht nach Calorien berechnen kann, 
Unabhängig von seiner Größe, kann das frühgeborene Kind nicht 
eher zunehmen, bis es mindestens 150—200 ccm Brustmilch bekommt. 
Die Menge ist oft 21/,mal größer, als die Theorie für den Energie- 
umsatz verlangt. Dieser große Überschuß ist notwendig für das 
größere Wachstum des Frühgeborenen. 


140 Kohn. Heft 2 


Unterernährte. Es ist schon lange bekannt, daß die Wärme- 
abgabe dieser Kinder größer ist als bei Normalen. Fleming schließt 
aus seinen eigenen Versuchen und aus denen anderer Forscher, 
daß kein fundamentaler Unterschied besteht, solange das Unter- 
gewicht der Säuglinge nicht unter 33% sinkt; Talbot bestimmt es 
als 20%; je mehr der Säugling unterernährt ist, desto mehr Calorien 
pro Kilogramm verbraucht er; man kann daher annehmen, daß 
das Körperfett eine inerte Substanz ist, und daß der hohe Energie- 
umsatz hauptsächlich durch den Verlust an Fett erklärt werden kann. 
Der Gesamtfettgehalt normaler Säuglinge ist beinahe ıomal größer 
als bei diesen atrophischen Kindern. Die Fälle höchstgradiger 
Unterernährung zeigen den höchsten Grad von abnormem Stoff- 
wechsel. Das Fett spielt wahrscheinlich die Rolle eines Insolators. 
Zwei Erklärungen sind für diese Tatsache möglich: ı. Die Menge 
des aktiven Protoplasmas, welches Wärme erzeugt, ist wegen Unter- 
ernährung vermindert. 2. Die Menge des Protoplasmas ist normaler- 
weise nicht vermindert, jedoch ist das Protoplasma wegen Unter- 
ernährung nicht imstande, dieselbe Wärmeabgabe wie vorher zu 
erzeugen. Die letztere Anschauung hat mehr für sich. 

Fleming bestimmte den Respirationsquotienten bei solchen 
atrophischen Kindern. Er glaubt, daß in diesen Fällen die Nahrung 
nur sehr schlecht vom Magendarmkanal absorbiert wird, während 
der Teil, der das Gewebe erreicht, sehr schnell assimiliert wird. 
Die Absorption ist besonders schlecht, wenn die Körpertemperatur 
unternormal ist. Fleming rät daher die Kinder warm zu halten 
und ihnen konzentrierte Nahrung zu geben, die viel calorienreicher 
ist, als die Theorie verlangt. 

Ältere Kinder von niederem Körpergewicht. Bei Kindern 
von niedrigem Körpergewicht ist der Energieumsatz höher als bei 
Kindern mit normalem Körpergewicht. Die Durchschnittszunahme 
in Calorien pro Kilogramm ist 25% höher. Es scheint kein zahlen- 
mäßiges Verhältnis zu bestehen zwischen Körpergewicht und erhöhtem 
Stoffwechsel. Kinder, die größer sind als normale Kinder desselben 
Alters, haben einen höheren Stoffwechsel pro Kilogramm Körper- 
gewicht. 3 Kinder, die klein für ihr Alter waren, zeigten auch er- 
höhten Stoffwechsel, jedoch war der Unterschied geringer als bei 
normalen Kindern. 

Fieber. Du Bois zeigte, daß während des Fiebers der Energie- 
umsatz gesteigert ist, entsprechend dem van’t Hoffschen Gesetz, 
d. h. für jede 10° C ist die Geschwindigkeit der chemischen Reaktion 
zwei- bis dreimal größer. Im menschlichen Organismus entspricht 


Heft 2 Energiestoffwechsel bei Kindern. 141 


einer Zunahme von 3° der Körpertemperatur im Fieber ein Anstieg 
des Energieumsatzes um 30—60%. Der Temperaturkoeffizient ist 
ungefähr 2—3°. Daher war es anzuraten, während des Fiebers nach 
Möglichkeit die Nahrungszufuhr zu erhöhen, um das Körpergewebe 
zu sparen. 

Typhus. Der respiratorische Quotient ist beim Typhus normal. 
Es ist bemerkenswert, daB beim Typhuskranken das Protein nicht 
seine dynamische Wirkung ausübt. In dieser Krankheit verabreicht 
man reichlich Nahrung. 

Tuberkulose. Bei Tuberkulose ist der Grundumsatz nur im 
Fieber erhöht. In diesem Falle übt das Protein seine spezifische 
Wirkung aus. Es ist daher ratsam, wenig Protein zu verab- 
reichen. 

Die sog. chirurgischen Tuberkulosen, die Luftkuren, Lichtkuren 
oder Badekuren durchmachen, zeigen einen Pere gesteigerten 
Grundumsatz nach einiger Zeit (1 Monat). 

An der Seekiiste ist der Grundumsatz im Laufe von 3 Monaten 
um 40% gesteigert. Luftkur hat denselben Effekt wie Bestrahlung. 
In der Schweiz betrug die Energiezunahme 59—225%, über normal, 
was sich durch die stark abkühlende Wirkung der Höhenluft er- 
klären läßt. Alle diese Kinder erholten sich außerordentlich gut. 

Erysipel. Der Grundumsatz hängt von der Höhe des Fiebers ab. 

Malaria. Während des Schüttelfrostes ist der Grundumsatz 
hoch, nachher klingt er allmählich ab. 

Diabetes. Der Grundumsatz in Diabetes ist sehr kompliziert 
und hängt von vielen Faktoren ab — z. B. von der Ernährungs- 
weise, vom Grad der Krankheit usw. Da Diabetes nicht eine 
typische Krankheit der Kinder ist, will ich darauf nicht näher 
eingehen. 

Nephrose. In typischen Fällen mit viel Ödem ist der Grund- 
umsatz merklich vermindert. Das trifft nicht zu für akute Glomerulo- 
nephritis. 

Leukämie. In Leukämie ist der Energieumsatz stark erhöht. 

Kretinismus. Der Grundumsatz ist weit unter normal. Der 
Grundumsatz wird durch Thyroidin erhöht. 

Hyperthyroidismus. Der Grundumsatz ist stark erhöht. In 
nicht toxischen Fällen ist der Grundumsatz nicht erhöht. 

Mongolismus. Der Grundumsatz ist nicht konstant, d. h. er ist 
manchmal hoch, manchmal niedrig. 

Frölichs Syndrom. Der Grundumsatz ist gewöhnlich weit 
unter normal. 


142 Zu Kohn. Heft 2 


Geistig defekte Kinder. Es läßt sich keine bestimmte Be- 
ziehung zwischen Grundumsatz und geistigen Defekten nachweisen. 
Nur Fälle mit niedrigem Grundumsatz werden durch Thyroidin 
gebessert. 

Ein Kind, dem die cerebralen Hemisphären fehlten, hatte einen 
außerordentlich niedrigen Energieumsatz. 

Zwergwachstum. Der Grundumsatz ist normal, wenn keine 
Störungen der inneren Sekretion vorliegen. 


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Heft 2 Energiestoffwechsel bei Kindern. 143 


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144 Kohn: Energiestoffwechsel bei Kindern. Heft 2 


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Referate. 


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(Southern med. journ. 15, Nr. 5, 1922, S. 38r.) 


Kinder vertragen relativ mehr Digitalis als Erwachsene. Thera- 
peutisch sind große Digitalisdosen zu bevorzugen. Man muß soviel 
Digitalis geben, bis die ersten Intoxikationssymptome, Erbrechen 
und Pulsverlangsamung, auftreten. Mit dieser Dosis ist der optimale 
therapeutische Effekt zu erzielen. Verff. geben 50% der Tagesdosis 
auf einmal nachts, 25% morgens um 4 Uhr und wenn keine Wir- 
kung da ist, so wird 8 Uhr früh noch der Rest (25%) verabreicht. 
Digitalis ist zu geben bei chronischen Vitien, ferner bei stark be- 
schleunigter Herzaktion, wenn durch andere Mittel die Herabsetzung 
der Frequenz nicht gelingt. Bei akut infektiöser oder toxischer 
Myokarditis, wie auch bei akuten Herzfehlern, bei welchen eine 
Überfüllung des Herzens besteht, ist die Anwendung großer Digi- 
talisdosen kontraindiziert. Schiff. 


Storm, H. Beitrag zur Dosierung des Opiums und zur Indikation 
der Opiumtherapie im Kindesalter (Universitäts-Kinderklinik Göt- 
tingen, Prof. Göppert). (Doktordissertation 1922.) 

Verf. berichtet über die verschieden angegebene Dosierung 
des Opiums (Extract. opii aquosa) nach Henoch, Heubner, Lux, 
Débeli, Lewin. Seinen Versuchen legt er die in der „Prophylaxe 
und Therapie der Kinderkrankheiten‘“ von Göppert und Lang- 
stein angegebene Dosierung zugrunde: 


Extr. opii aquosa: 3— 7 Mon. 0,02 mg 
8—12 ,, 0,4—0,8 
13—-18 j 1,0 
19—24 „ 1,0—1,5 
3 Jahre 3 
4 » 5 
5— 8 ,, Io en 
9—-12 ,, 20 - 


Statt Extract. opii aquosa ist die zehnfache Dosis der Tinct. opii 
simplex und crocata, die 2ofache der Tinct. opii benzoica zu nehmen, 
Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 10 


146 Pharmakologie. — Bakteriologie. Heft 2 


wobei zu beachten ist, daB 45 Tropfen Tinct. opii simplex und crocata 
= I ccm, 54 Tropfen Tinct. opii benzoica = I ccm sind. ,,Bei einer 
Gegenüberstellung der Dosierungsweisen der angeführten Autoren 
ergibt sich: Im ı.—2. Monat wird Opium vermieden. Im übrigen 
kann man 2 Gruppen unterscheiden: Döbeli, Biedat - Vogel, 
Lewin stehen Henoch, Heubner, Lust, Göppert gegenüber. 
Besonders kraß ist der Unterschied in der Dosierung beim I—2 jähri- 
gen Kinde. Die ersteren geben das 10—2ofache der von Gö p pert 
und Lust angewandten Dosis. Im Schulalter findet ein gewisser 
Ausgleich statt. Doch bleibt die von Göppert angegebene Dosie- 
_ rung immer noch 3/;—/, der von Débeli, Biedat - Vogel, Le- 
win. Unsere Versuchsdosen erreichen im 7.—8. Jahre die von 
Döbeli usw., stehen aber im 1.—6. Jahre noch weit hinter ihnen 
zurück.“ An 13 Fällen von septischen Darmblutungen, Pneumonie, 
Bronchopneumonie, Grippe-Pneumonie, Meningitis tuberculosa, Peri- 
karditis und Stenose wird Opium in seiner Wirkung erneut auspro- 
biert. Die gute Wirkung bei Darmschmerz wird bestätigt. Als Mittel 
gegen Unruhe ist seine Wirkung zu inkonstant, so daß hier Urethan, 
das auch in großen Dosen beim Säugling noch ungefährlich ist, vor- 
zuziehen wäre. Bei Keuchhusten wurde Schlafwirkung ohne Beein- 
flussung des Hustenreizes erzielt, selbst nicht in hohen toxischen 
Dosen. Bei Bronchopneumonie wurde bei wiederholten Dosen von 
5 ccm eine Lösung von I cg Opium auf 100,0 Aqua dest., also 0,4 
bis 0,5 mg pro dosi Beruhigung und Euphorie ohne Schlafwirkung 
erzielt. Jedoch auch hier Fälle von vollständigem Versagen des 
Opiums. Auch hier Urethan in seiner Wirkung sicherer. Trotzdem 
rät Verf. zum weiteren Ausbau der Opiumtherapie, besonders bei 
Fällen, in denen „eine Beruhigung ohne Schlafwirkung nötig er- 
scheint“. Schwab (Göttingen). 


Bakteriologie. 


Krumwiede, C., Mishulow, L., und Oldenbuch, C. Die Existenz meh- 
rerer immunbiologischer Typen des Keuchhustenbacillus. (Journ. of 
infect. dis. 32, Nr. ı, Januar 1923.) 


Durch Prüfung der Agglutination und der Agglutinabsorption 
bei verschiedenen Stämmen des Bact. Pertussis konnten zwei unter- 
schiedliche Kulturen festgestellt werden. Die beiden immunbiologi- 
schen Gruppen werden als A und B bezeichnet. Antisera der Gruppe B 
agglutinieren die B-Stämme, nicht aber oder nicht nennenswert die 
A-Stämme. Die Antisera der Gruppe A agglutinieren nicht nur die 
A-Stämme, sondern auch die B-Stämme bis zu einer beträchtlichen 
Verdünnung. Stämme der Gruppe A verringern durch Absorption 
nicht wesentlich den Gehalt der Sera der Gruppe B an Agglutininen, 
die gegen die Gruppe B gerichtet sind. Dagegen werden die gegen 


Heft 2 Bakteriologie. — Serologie und Immunitätslehre. 147 


die A-Stämme gerichteten Agglutinine der A-Sera durch die B-Stämme 
deutlich absorbiert. Die Antigene für sämtliche Untersuchungen ent- 
stammten Kulturen, die auf gleichen Nährböden gewachsen waren, 
so daß die serologischen Differenzen nicht auf den Einfluß verschie- 
dener Nährböden zurückgeführt werden können; es zeigte sich nur, 
daß Wachstum auf bluthaltigen Mährböden die agglutinatorischen 
Eigenschaften frisch isolierter Stämme beeinflussen. 
Wolff (Hamburg). 


Povitzky, O. R. Verbesserte Methoden zur Isolierung und Kultur 
des Keuchhustenbacillus. (Journ. of infect. dis. 82, Nr. 1, Jan. 1923.) 


Die Untersuchungen beweisen die Wichtigkeit der Reaktion 
des Nahrbodens fiir die Isolierung und Ziichtung des Keuchhusten- 
erregers; es handelt sich dabei darum, die Reaktion so abzustimmen, 
daB das Wachstum der Begleitbakterien, insbesondere des Influenza- 
bacillus gehemmt wird, während der Bordet-Gengou-Bacillus még- 
lichst günstige Wachstumsbedingungen findet. Bei einer Acidität 
entsprechend Ph = 5 findet die Isolierung des Keuchhustenbacillus 
am leichtesten statt. Der gewöhnliche Nährboden nach Bordet- 
Gengou hat eine Reaktion von Ph 5,8 bis 6,1; die gewünschte höhere 
Acidität, wie sie die optimale Reaktion darstellt, erzielt man durch 
Zusatz organischer Säuren zu dem sterilisierten Nährboden vor dem 
Zusatz des Blutes. Zur Fortzüchtung des isolierten Erregers erwies 
ich ein Kartoffel-Glycerin-Kalbsbrühe-Agar, dem bei einer Tem- 
peratur von 45° Blut im Verhältnis ı : 3 oder I : 4 zugesetzt wird, 
außerordentlich geeignet. Zur Isolierung des Erregers eignet er sich 
nicht, da er den Begleitbakterien zu günstige Bedingungen darbietet. 
Zur Isolierung dient der Bordet-Gengou-Nährboden nach Ab- 
stimmung auf Ph = 5. Wolff (Hamburg). 


Serologie und Immunitätslehre. 


Frankenstein, C. Zur Frage der aktiven Immunisierung im Säuglings- 
alter. II. Mitteilung: Die Pockenvaccineimmunität. (Charlotten- 
burg, Kaiserin Augusta Viktoria Haus.) (Zeitschr. f. Kinderheilk. 
32, S. 25—33.) 

Uber die Frage, ob durch die Vaccination beim Säugling eine 
Serumimmunität hervorgerufen wird, liegen bisher noch keine Unter- 
suchungen vor. Es wird zunächst mit den allgemein üblichen Metho- 
den das Serum geimpfter Kinder auf komplementbindende Antikörper 
untersucht mit negativem Erfolg. Eine exaktere Methode — Imp- 
fung von Kaninchen mit Mischungen einer bestimmten Lymphmenge 
von bekannter Virulenz und fallenden Mengen Serum von geimpften 
Kindern an verschiedenen Tagen entnommen — ergibt ebenfalls ganz 
eindeutig das Fehlen einer Abschwächung der Reaktion. Alter und 


10* 


148 Serologie und Immunitatslehre. Heft 2 


Stärke des Impferfolges waren ohne Einfluß. Dabei war bei samt- 
lichen Kindern tatsächlich eine Immunisierung erfolgt, wie durch 
den Ausfall der vakzinalen Frühreaktion nachgewiesen wurde. 
Auf Grund dieser Ergebnisse glaubt F. darauf hinweisen zu können. 
daß bei der Pockenimpfung im Säuglingsalter der humorale gegenüber 
dem cellulären Schutz vollkommen in den Hintergrund tritt. Dieser 
Unterschied erklärt vielleicht, warum der im allgemeinen schlecht 
aktiv immunisierbare Säugling schon im ersten Lebensquartal mit 
Erfolg gegen Pocken immunisierbar ist. Schall (Tübingen). 


Baagöe Kai. Cutane Proteinreakttonen bes Asthma bronchtale. (Uge- 
skrift f. laeger 1923, S. 301.) 

Verf., der eingehend die amerikanischen Versuche bespricht. 
hat selbst die cutanen Proteinreaktionen bei einigen Kindern mit 
Asthma bronchiale geprüft, darunter ein gjähriges Mädchen, das unter 
38 verschiedenen Stoffen nur an Katzenhaaren reagierte. Es zeigte 
sich auch, daß es im letzten Jahr, wo es die Anfälle gehabt hatte, mit 
einem Kätzchen zu Hause spielte; und wenn man in die Klinik, wo das 
Mädchen die ganze Zeit ganz anfallsfrei war, eines Tages ihm ein Kätz- 
. chen hineinbrachte, bekam das Kind 2 Stunden später einen kräftigen 

Anfall mit akutem Emphysem. Hertz (Kopenhagen). 


Ratner, Bret. Kaninchenhaarasthma bei Kindern. (Americ. journ. of 
dis. of childr. 24, 1922, S. 346.) 

Einige in ihrer Entstehung zunächst dunkle Fälle von Asthma 
konnten auf Sensibilisierung gegen Kaninchenhaare zurückgeführt 
werden. Durch absichtlich herbeigeführte Berührung mit Kaninchen- 
haaren gelang es bei diesen Kindern, Asthmaanfälle auszulösen. 
und andererseits durch Ausschaltung der Kaninchenhaare die Kinder 
von ihrem Asthma zu befreien. Kaninchenhaare sind ziemlich weit 
verbreitet als Bestandteile von Filzhüten, von Kinderspielzeug, von 
Pelzwerk, von Kissenfüllungen. Der Zustand der Überempfindlich- 
keit war bei den Kindern offenbar nicht erblich übertragen, sondern 
im frühen Kindesalter durch ausgiebige Berührung mit Kaninchen- 
haaren erworben. Säuglinge mit langdauerndem Schnupfen und 
wiederholten Anfällen von Luftröhrenkatarrh sollten sorgfältig ım 
Auge behalten werden, ob sie nicht in Gefahr sind, später an Asthma 
zu erkranken. H. Vogt. 


Ernährung, Ernährungsstörungen und Ernährungstherapie. 
Leebron, J. D. Blood transfusion in malnutrition and infantile atrophy. 
(New York med. journ. 1923, S. 298. Pediatrics.) 


Indikation zur Bluttransfusion sind: Atrophie, sekundäre 
Anämien, Kollapserscheinungen bei akuten Ernährungsstörungen, 








Heft 2_ Ernährung, Ernährungsstörungen und Ernährungstherapie. 149 


verschiedene Erschöpfungszustände. Man kann Citratblut infun- 
dieren oder die direkte Transfusion vornehmen. Wichtig ist die 
Dosierung. Wird zuviel Blut infundiert, so kann dies gefährlich 
werden. Nach dem Verf. ist die erlaubte obere Grenze 20 ccm Blut 
pro Kilogramm Körpergewicht. Bei der ersten Infusion gibt man 
am besten eine geringere Menge und wiederholt die Einspritzung 
in IO Tagen. Wichtig ist ferner, daß das Blut nur ganz langsam 
infundiert wird. Das Blut wird in den Sinus long. infundiert. Die | 
therapeutische Wirksamkeit erklärt Verf. damit, daß das Blut als 
Reiz für das hämopoetische System wirkt, ferner — da nach den 
Untersuchungen von Ashby die roten Blutkörperchen mehrere Wo- 
chen noch nach der Infusion funktionieren —, so ist auch anzu- 
nehmen, daß das infundierte Blut im fremden Organismus eine Zeit- 
lang seine Tätigkeit entfaltet. Schiff. 


Rietschel. ‚Dynamisches Eiweißfieber‘“ (Klin. Wochenschr. 2, 
Nr. r, S. 9.) 

Eiweißreiche, wasserarme Nährgemische können bei Säuglingen 
zu beträchtlichen Fiebersteigerungen führen, eine Erscheinung, auf 
die auch Finkelstein in der 2. Auflage seines Lehrbuchs hinweist. 
Ersetzt man in der betreffenden Nahrung das überschüssige Eiweiß 
(Plasmon) durch isodyname Mengen von Fett oder Kohlenhydrat, 
so geht die Temperatur zur Norm zuriick; am schnellsten, innerhalb 
weniger Stunden, tritt Entfieberung ein, wenn reichlich Wasser, 
auch ohne Reduktion der Eiweißmenge, zugeführt wird. Die fiebern- 
den Säuglinge machen keinen kranken Eindruck, der Stuhl ist meistens 
fest, irgendwelche toxischen Züge sind nicht nachweisbar, es besteht 
nur eine deutliche Unruhe, verbunden mit den Zeichen eines starken 
Durstes. Das Eiweißfieber ist nicht nur vom Eiweißgehalt der 
Nahrung und von der Flüssigkeitsmenge, sondern auch von dem 
Salzgehalt der Nahrung abhängig: Reduktion der Molkensalze bei 
gleichbleibender Eiweiß- und Flüssigkeitszufuhr führt eine Tem- 
peratursenkung herbei. Verf. will diese Form des Eiweißfiebers vom 
toxischen Eiweißfieber, das auf Resorption pyretogener EiweiBabbau- 
produkte zu beziehen ist, unterschieden wissen; das von ihm als 
„dynamisches Eiweißfieber‘‘ bezeichnete Fieber ist auf eine In- 
suffizienz der physikalischen Wärmeregulation infolge ungenügen- 
den Wasserangebotes in der Nahrung gegenüber der von Rubner 
einwandfrei nachgewiesenen spezifisch-dynamischen Wirkung des 
Eiweißes zurückzuführen. Diese Auffassung ist auch von Bedeutung 
für die von alten Ärzten stets empfohlene eiweißarme Ernährung 
bei Fiebernden; ferner erklärt sie auch den Vorteil der Frauen- | 
milch, bei der es nie zu einer übermäßigen Eiweißzufuhr kommen 


kann. | 
er Wolff (Hamburg). 


150 Ernährung, Ernährungsstörungen und Ernährungstherapie. Heft 2 


Davison, Wilburt C. Versagen der Hejebehandlung bei der Sauglings- 
ernährung. (Americ. journ. of dis. of childr. 24, 1922, S. 339.) 


Bei Kindern, die sich von akuten Ernährungsstörungen erholten, 
bei solchen mit chronischer Verdauungsinsuffizienz sowie bei kör- 
perlich rückständigen Kindern erwies sich die Verabreichung von 
Hefe als erfolglos, sie schien sogar nicht immer harmlos zu sein. 


H. Vogt. 


Adam, A. Zur Pathogenese und Therapie der Sduglingsdyspepsie. 
(Antrittsvorlesung.) (Klin. Wochenschr. 6, 2. jg. 1923, S. 248.) 


Zusammenfassende Darstellung der neueren Ergebnisse auf 
dem Gebiet der Erforschung der Säuglingsdyspepsie. Das Moment 
der Keimbesiedlung des oberen Dünndarms mit Coliarten, die sich 
im Gegensatz zu den Normalcolibakterien durch stärkeres Gär- 
vermögen auszeichnen, steht im Mittelpunkt der Erörterungen. 
Es zeigt sich, daß es dieselben Stoffe sind, die einerseits das Coli- 
wachstum fördern, andererseits dyspepsieauslösend bzw. zur In- 
toxikation führend wirken, nämlich Pepton, Mono- und Disaccharıde, 
Fettsäuren sowie Alkaliseifen; diejenigen Stoffe, die das Coliwachs- 
tum hemmen, erweisen sich auch als Heilnahrung dyspeptischer 
Zustände. Von großer Bedeutung ist für die Keimbesiedlung des 
Dünndarmes die dort herrschende Reaktion, eine Verschiebung der 
normalerweise im oberen Dünndarm herrschenden alkalischen Re- 
aktion nach der sauren Seite hin ist erforderlich, damit es zu einer 
Ansiedlung gärungstüchtiger Colirassen daselbst: kommt; diese Ver- 
schiebung der Reaktion wird durch eine Läsion der normalen Funk- 
tion der Schleimhaut durch exogene Momente (Hitze, Uberfiitterung, 
parenterale Infektionen) hervorgerufen. Verf. hat auf Grund dieser 
Ergebnisse der Dyspepsieforschung eine neue Heilnahrung an- 
gegeben, deren Zusammensetzung und Bereitung in einer pädiatri- 
schen Zeitschrift angegeben werden soll; die damit erzielten Erfolge 
sind sehr günstig. Wolff (Hamburg). 


Boyd, Gladys L. The etiology of acute intestinal intoxication in infants. 
(Die Ätiologie der akuten Darmintoxikation des Kindes.) (Arch. 
of internal med. 31, Nr. 2, 1923, S. 297.) 


Es wurden Extrakte aus der Darmschleimhaut von an Toxikose 
verstorbenen Kindern hergestellt. Dieses Extrakt enthält eine 
histaminähnliche Substanz. Wird das Extrakt Tieren (Meerschwein- 
chen, Katzen) intraperitoneal bespritzt, so kommt es zu krankhaften 
Störungen, die sich in Blutdrucksenkung, herabgesetzter Zirkulation, 
‘ Appetitlosigkeit, Durchfall und in manchen Fällen in Form von 
Krämpfen äußert. Junge Tiere sind viel empfänglicher als Erwach- 
sene. Die toxische Substanz wird in der Wärme nicht zerstört. 
Wässerige Stuhlextrakte von an Toxikose verstorbenen Kindern 


Heft 2 Ernährung, Ernährungsstörungen und Ernahrungstherapie. IS5I 


zeigten im Tierversuch keinen toxischen Wirkungen. Wurde von 
an Toxikose erkrankten Kindern Blut entnommen und Tieren ge- 
spritzt, so zeigten sich nur geringfügige Vergiftungserscheinungen, 
während das Portalblut stark giftig wirkte. Charakteristische ana- 
tomische Veränderungen bei den gespritzten Tieren konnten nicht 
gefunden werden. Schiff. 


Utheim, Kirsten. Fortgeschrittene chronische Ernahrungsstörungen ım 
Säuglingsalter. (Journ. of metabolic research 1, 1922, S. 803.) 


Die Mariottsche Schule teilt entsprechend dem Finkelstein- 
schen Standpunkt die Ernährungsstörungen nach klinischem Maß- 
stab ein und unterscheidet bei den akuten Formen zwischen Diarrhöe 
und Anhydrämie. Diese entspricht unserer Intoxikation. Die 
chronischen Ernährungsstörungen werden eingeteilt in Hypotherapie 
und Athrepsie. Die athreptischen Säuglinge, die in den Jahren 
1919-1921 in der Mariottschen Klinik zur Beobachtung kamen 
und frei von chronischen Infektionen waren, wurden in der Abhand- 
lung eingehend analysiert. Ätiologisch ist Unterernährung über- 
wiegend. Die Mehrzahl war mit gezuckerter, kondensierter Milch 
in starken Verdünnungen ernährt worden, insbesondere lag ein 
Mangel an Fett vor. Nächstdem wird ein Fehlen anreizender Hor- 
mone für möglich gehalten. Die Gesamtblutmenge ist vermindert 
(Marriott), die Erythrocytenzahl gegenüber der Norm herab- 
gesetzt. Leukocytose leichten Grades wird beobachtet. In fast 
allen Fällen werden Zeichen von Pyelitis gefunden. Der Serum- 
Eiweißgehalt beträgt nach Untersuchungen des Autors (refrakto- 
metrisch) bei normalen Säuglingen 6,03—6,09% (2—3 Stunden 
nach der Nahrungsaufnahme). Tagesschwankungen werden ver- 
mißt. Frühgeburten zeigen einen Eiweißgehalt von 5%. Der Serum- 
Eiweißgehalt athroptischer Säuglinge ist herabgesetzt auf 3,94 bis 
5,90%, und verläuft die Gerichtskurve parallel. Außer Athrepsie 
und Anhydrämie haben andere Krankheiten auf den Serumprotein- 
gehalt keinen Einfluß. Die Blutzirkulation ist (von I4—2I ccm 
auf 100 g Körpergewicht in der Minute bei normalen Säuglingen) 
auf sehr niedrige Werte (I, 3, 4, 15, 17) herabgesetzt. Andere Krank- 
heiten zeigen keinen Einfluß auf die Blutzirkulation. Erythrocyten 
und Hämoglobin sind im Venenblut gegenüber dem Capillarblut 
vermindert, woraus der Autor (nicht mit absoluter Berechtigung) 
auf Kontraktion der Capillaren schließt. Andere Erkrankungen 
mit Ausnahme der Durchfallskrankheiten zeigen solche Unterschiede 
nicht. Der Blutdruck ist normal. Ausgedehnte Hunger- und Durst- 
versuche wurden an Kaninchen vorgenommen, die nach starkem 
Gewichtsverlust bei totalem Hunger auf Minimalernährung gesetzt 
wurden; bei diesen Tieren ist am Tage des stärksten Gewichtsverlusts 
die colorimetrisch bestimmte Gesamtblutmenge kleiner, als sie 


152 Ernährung, Ernährungsstörungen und Ernahrungstherapie. Heft 2 


in dem Gewicht oder der Körperoberfläche entsprechen würde. 
Nur bei den jüngsten Kaninchen wurde eine Verminderung des 
Blutvolumens vermißt. Die Benzoloxydation der Athreptiker ist 
herabgesetzt. Der Calorien-N im Urin ist sehr hoch, aber weder 
Harnsäure, noch Kreatinin, noch Aminosäuren sind in allen Fallen 
erhöht. Die organischen Säuren im Urin sind vermehrt. Die hohe 
NH,-Koeffizient wird als Folge der vermehrten Ausfuhr organischer 
Säuren betrachtet. Die N-Bilanz ist oit negativ, auch bei ansteigen- 
der Gewichtskurve. Die Kot- und Urinmengen wurden nicht ins- 
gesamt am Ende der Periode verarbeitet, sondern es wurde, um 
jeden N-Verlust zu vermeiden, jeder Urin sofort nach Entleerung 
auf Eis gestellt, und Kot und Urin sofort nach Vereinigung der Tages- 
menge verascht. So erklärt der Autor seinen bedeutsamen, von 
den bisherigen Ergebnissen abweichenden Befund. Die Retention 
von Na, Cl und Ca folgt der Kurve der N-Retention. Die Bilanz 
von P und K ist zumeist positiv. Die Absorption ist für alle Salze 
gut mit Ausnahme des Ca, von dem nur 35—55%, die Darmwand 
passieren. Der respiratorische Quotient zeigt einen im Verhältnis 
zum Ist-Gewicht erhöhten Stoffwechsel. Im Verhältnis zum Soll- 
gewicht ist der Stoffwechsel aber niedrig. Grund zur Annahme einer 
Demineralisation liegt nicht vor. In einem daraufhin untersuchten 
Fall stieg die Ausfuhr von Na und K im Urin während erhöhter 
peroraler Fettzufuhr und nimmt zur gleichen Zeit im Stuhl ab. 
Der Bestand an Na im Blut ist herabgesetzt, ebenso der unorganische 
P niedrig. Dies würde der Annahme Schiffs entsprechen, daß bei 
Atroptikern — auch bei Fehlen von Epiphysenauftreibungen — 
Rachitis vorhanden ist. Bei 6 röntgenologisch untersuchten Fällen 
wird aber nur einmal Rachitis gefunden (Ref. vermißte bei röntgeno- 
logischer Untersuchung bisher Rachitis bei Atroptikern stets). 
Der Autor glaubt Diarrhöen der Atroptiker oft auf Unterernährung 
zurückzuführen zu können — sie schwinden bei ausreichender Er- 
nährung. Die Nahrungszufuhr ist nach dem Sollgewicht zu bemessen 
und beträgt 150—200 Calorien pro Kilogramm Körpergewicht. 
Empfohlen wird Buttermilch mit Zusatz von Malzextraktsyrup. 


Rosenbaum. 


Wollstein, M. Eine bakteriologische Untersuchung der akuten Durch- 
fälle im frühen Kindesalter. (Americ. journ. of childr. of dis. 25, 
1923, S. 310.) 

Unter 86 Kindern, die in der Zeit vom 5. Juni bis 15. September 
wegen frischer Durchfälle aufgenommen wurden, ergab die bakterio- 
logische Untersuchung bei 20 oder 231/,% eine Dysenterie. Der bak- 
teriologische Nachweis der Dysenterie gelang bei 37% aller Kinder, 
die nach den klinischen Erscheinungen als dysenterieverdächtig 
angesehen werden mußten. Bei den Ruhrfällen handelte es sich 


Heft 2 Wachstum und Stoffwechsel. 153 


3 mal um Shigabacillen, 5 mal um Flexner und 12 mal um die Mount- 
Dessert-Art. Die Shigagruppe wies die höchste Sterblichkeit auf, 
die Mount-Dessert-Gruppe den langwierigsten Verlauf und die 
schwersten Veränderungen bei der Leichenschau. Durch die bak- 
teriologische Untersuchung wurden 2 Fälle von Typhus aufgedeckt 
bei Säuglingen, von denen der eine im Krankenhaus angesteckt sein 
mußte, außerdem ein Fall von Paratyphus. Ein Kind mit starker 
Schleimhautentziindung hatte B. faecalis alcaligenes im Stuhl, 3 Kıin- 
der mit den klinischen Erscheinungen der Ruhr hatten überwiegend 
B. pyocyaneus, . H. Vogt. 


Wachstum und Stoffwechsel. 


Holt, L. Emmet, und Fales, H. L. Der Nahrungsbedarf der Kinder. 
V. Die anteilige Verteilung der Calorien. (Americ. journ. of dis. of 
childr. 24, 1922, S. 311.) 

Die Kost von 106 gesunden Kindern im Alter von ı bis I8 Jahren 
wurde auf ihren Gehalt an Calorien und deren Verteilung auf Eiweiß, 
Fett und Kohlenhydrate hin untersucht. Der Eiweißgehalt der Nah- 
rung zeigte die kleinsten Schwankungen, größer waren die des Fett- 
gehalts, am größten die Unterschiede im Kohlenhydratverzehr. Be- 
merkenswert erscheint, daß sich trotz der Schwankungen im einzelnen 
Falle doch im ganzen eine weitgehende Übereinstimmung in der Nah- 
rungszusarmmensetzung herausstellte. So entfielen in mehr als der 
Hälfte der Fälle 14—ı6%, der Nahrungscalorien auf Eiweiß, bei 3 Vier- 
teln der Fälle 30—40% auf Fett und bei gleichfalls 3 Viertel der Fälle 
zwischen 44 und 50% auf Kohlenhydrat. Die einzelnen Altersstufen 
verhielten sichin.dieser Hinsicht ziemlichgleichmäßig. Im Durchschnitt 
aller Altersstufen entfielen auf das Fett 34 (abgerundet 35), auf Kohlen- 
hydrat 5ı (abgerundet 50) und auf Eiweiß 15% der Calorien. Das ge- 
sunde Kind verzehrt etwa gleiche Mengen an Eiweiß und an Fett und 
etwa das Dreifache davon an Kohlenhydrat. H. Vogt. 


Talbot, F. B., und Moryarty, M. E. Die Bedeutung des Grundstoff- 
wechsels für die Erkennung und Behandlung des Kretinismus. 
(Americ. journ. of dis. of childr. 25, 1923, S. 185.) 


Bei ıo Fällen von Kretinismus wurde der Ruhestoffwechsel 
vor und nach Behandlung mit Schilddrüse untersucht. Sämtliche 
Kinder waren an Körperlänge und an Gewicht hinter dem regel- 
rechten Altersdurchschnitt zurückgeblieben. Die Berechnung der 
Wärmeerzeugung auf die Körperoberfläche ergibt bei Kindern mit 
Myxödem offenbar fehlerhafte Werte, denn ihr Grundstoffwechsel 
erscheint bei dieser Art der Berechnung als regelrecht. Richtigere 
Werte ergibt schon die Berechnung auf das Kilogramm Körper- 
gewicht. Am besten bewährt sich zur Beurteilung des Grundstoff- 


154 Wachstum und Stoffwechsel. Heft 2 


wechsels bei Kretinismus die Beziehung zum Lebensalter. So wurden 
auch bei der Behandlung die besten Erfolge erreicht, wenn dieser 
Maßstab zugrunde gelegt wurde, d.h. soviel Schilddrüsensubstanz 
verabreicht wurde, daß der Grundstoffwechsel den regelrechten 
Altersdurchschnitt erreichte. Mit Hilfe der Bestimmung des Grund- 
stoffwechsels konnte die Diagnose auf Kretinismus bei einem Kinde 
schon im Alter von 3 Monaten gestellt werden, während die klinische 
Diagnose erst mit Io Monaten sicher stand. Die bisher besonders 
hinsichtlich der geistigen Entwicklung noch unbefriedigenden Er- 
folge lassen sich vielleicht verbessern, wenn die Behandlung früh- 
zeitiger als bisher einsetzt. Fällt doch die schnellste Entwicklung des 
kindlichen Gehirns in das erste Lebensjahr. Durch wiederholte Bestim- 
mungen des Grundstoffwechsels im Verlauf der Behandlung kann fest- 
gestellt werden, welche Gaben im einzelnen Fall ausreichen, den Grund- 
stoffwechsel auf regelrechte Höhe zu bringen. H. Vogt. 


Holt, L. E., und Fales, H. L. Kalkresorption beim Kinde bei fettarmer 
Ernährung. (Americ. journ. of dis. of childr. 25, 1923, S. 247.) 


Bei starker Einschränkung der Fettzufuhr mit der Nahrung 
wurden die Stühle gesunder Kinder, die im Alter von 2—6 Jahren 
standen, übelriechend und dünn. In 5 von 7 Fällen kam es gleich- 
zeitig zu einer ausgesprochenen Verschlechterung des Kalkansatzes. 
Nur zwei der Kinder, die schon bei gewöhnlicher Kost schlechtere Stühle 
gehabt hatten, ließen keinen solchen Einfluß der Fetteinschränkung 
auf den Kalkansatz erkennen. Mit einer Ausnahme war bei der 
fettarmen Kost der Gehalt der Stühle an Trockensubstanz erhöht. 
Ebenso war mit einer Ausnahme der Gesamtaschengehalt der Stühle 
bei fettarmer Ernährung gesteigert. Vorläufig ist nicht zu entschei- 
den, ob regelrechter Kalkansatz an ein bestimmtes Verhältnis ge- 
bunden ist, in dem Fett und Kalk in der Kost vertreten sind, oder 
ob der Einfluß des Fettes auf den Kalkansatz darauf zurückzuführen 
ist, daß eine bestimmte Fettmenge erforderlich ist, wenn die Ver- 
dauung regelrecht vor sich gehen soll. H. Vogt. 


Leicher, Hans. Der Calciumgehalt des menschlichen Bluiserums und 
seine Beeinflussung durch Störungen der inneren Sekretion. (Dtsch. 
Arch. f. klin. Med. 141, S. 85.) 


Der Ca-Gehalt des Blutserums beträgt bei Gesunden im Durch- 
schnitt 11,6 mg (1I,I—12,0) und halt sich auf dieser Hohe ungefähr 
bis zum 40. Jahre, um dann langsam zu sinken. Darreichung von 
Schilddriisentabletten rief in 5 von 6 Fallen ein Absinken der Serum- 
kalkwerte hervor; in 3 Fallen von Basedow fanden sich subnormal 
Werte (10,3—10,9 mg Ca), in ı Fall von Myxödem erhöhte Werte 
(12,8 mg Ca). Jodtinktur und Jodkali sind ohne Einfluß auf den 
Kalkspiegel, ebenso Antithyreoidin Merck. Hyperfunktion der 


Heft 2 Wachstum und Stoffwechsel. 155 


Schilddriise scheint eine Senkung, Hyperfunktion eine Steigerung 
der Serumkalkwerte hervorzurufen. Injektion von Hypophysin 
und Pituitrin rief in 5 von 6 Fällen eine Verminderung des Serum- 
kalkgehaltes hervor; in 2 Fällen mit Dystrophia adiposo-genitalis, 
bei der eine Unterfunktion der Hypophyse angenommen wird, fanden 
sich erhöhte Werte. Adrenalininjektionen riefen ein Sinken des Blut- 
kalkspiegels hervor; auch scheinen die Patienten mit vermindertem 
Serumkalkgehalt Adrenalin gegenüber empfindlicher zu sein als die mit 
normalem oder erhöhtem Serumkalkgehalt. Zu Tetanie fanden sich 
erheblich niedrigere Werte als normal. Bei Schwangeren und Wöchne- 
rınnen waren in der Mehrzahl normale Werte, bei einigen herabgesetzte 
Werte vorhanden, so daß den Ovarien kein gesetzmäßiger Einfluß 
auf den Serumkalkgehalt zukommen kann. . Orgler. 


Sieburg, Ernst, und KeBler, Adolf. Die Erhöhung der Calciumionen 
im menschlichen Serum nach intravenöser Zufuhr von Kalksalzen. 
(Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 96, 1923, S. 180.) 


Nach intravenösen Injektionen wässeriger Kalksalzlösungen 
konnte der Gehalt des Blutes an freien Calciumionen für ungefähr 
1/, Stunde erhöht werden durch das Chlorid, Formiat, Propionat 
und Lactat, dagegen durch das Calciumhypophosphat nur für 
ıo Minuten; durch gleichzeitige Injektionen von Gelatine wurde die 
Dauer der Calciumwirkung nicht beeinflußt, dagegen konnte sie 
durch gleichzeitige Gummi-arabicum-Injektionen etwas verlängert 
werden. Die Verff. kommen zu dem Schluß, daß man keine allzu 
großen Hoffnungen auf eine längere Zeit anhaltende Erhöhung des 
Calciumspiegels des Blutes durch Calciumdarreichung hegen darf. 

Orgler. 


Freudenberg, C., und Gyorgy, P. Über Kalkbindung durch tierische 
Gewebe VII und VIII. (Biochem. Zeitschr. 129, S. 134 und 138.) 


In Versuchen mit Ultrafiltration und Quellung, das durch 
die Chloride weniger Kalk an die Gewebskolloide gebunden wird 
als durch Acetat, Nitrat, Phosphat und Bicarbonat. Die Bindung 
durch die Säuren ist also nicht allein von der H-Ionenwirkung ab- 
hängig; die Hemmung der Kalkbindung durch N-haltige organische 
Stoffe konnte durch Quellungsversuche ebenfalls bestätigt werden. 
Die Kalkbindung an Knorpel wird durch Formaldehyd und Trauben- 
zucker gehemmt, durch Aceton und Äthylalkohol nicht beeinflußt; 
die Reaktionsgeschwindigkeit nimmt mit der Erhöhung der Tem- 
peratur zu. Orgler. 


Scheer, K. Neuere Ergebnisse der Spasmophilieforschung. (Antritts- 
vorlesung.) (Zeitschr. f. ärztl. Fortbild. 20, Nr. 5, März 1923.) 


Zusammenfassende Darstellung der verschiedenen Theorien über 
die Pathogenese der Spasmophilie, unter besonderer Berücksichtigung 


156 Wachstum und Stoffwechsel. Heft 2 


der Arbeiten von Freudenberg und G yörgy, die in einer Alkalose 
und einer durch dieselbe verursachten Kalkverarmung der Gewebe 
und der erregbaren Elemente den Mittelpunkt des pathologischen 
Geschehens sehen. Verf. erzielte durch Darreichung einer mit einer 
bestimmten Menge Salzsäure versetzten Milch einen schnellen Rück- 
gang der spasmophilen Erscheinungen ; diese Nahrung erhöht deutlich 
die Blutacidität bis zu py-Werten von 5, sie hat ferner zur Folge, 
daß ein größerer Teil der Phosphorsäure den Körper durch die 
Nieren anstatt durch den Darm verläßt, wodurch dem Organismus 
größere Mengen der spasmogen wirkenden Na- und K-Ionen ent- 
zogen werden; diese Tatsache sowie die verminderte Alkalescenz 
des Blutes erklären die Erfolge dieser Säuretherapie. 


Wolff (Hamburg). 


Scheer, Kurt. Die Wasserstoffionenkonzentration und das Bacterium 
coli. I. Säurebildungsvermögen des Bact. coli. (Biochem. Zeitschr. 
130, 1922, S. 535.) 

Die H-Ionenkonzentration, die in zuckerhaltiger Bouillon durch 
Bact. coli hervorgerufen wird, steigt in den ersten Io Stunden auf 
einen Wert von u = 5 und erreicht nach 1—2 Tagen den Sauerungs- 
endwert. Der Säuerungsendwert ist von der Art der untersuchten 
menschlichen Colistämme und an der anfänglichen H-Ionenkon- 
zentration der Nährflüssigkeit unabhängig; wird aber etwas von 
der Zuckerart beeinflußt. Zusatz von Milchsäure und Essigsäure 
setzen den Endwert herab. Es wurden verschiedene Colistämme 
untersucht; die Bestimmung der H-Ionenkonzentration geschah mit 
der Gaskettenmethode. Orgler. 


Scheer, Kurt. Die Wasserstoffionenkonzentration und das Bact. cols. 
II. Die baktericide Wirkung bestimmter H-Ionenkonzentration auf 
das Bact. coli. (Biochem. Zeitschr. 130, 1922, S. 545.) 


Bact. coli ist lebensfähig innerhalb py 4,6—9,4. In zucker- 
haltıgen Nährlösungen wird py = 4,6 durch Bact. coli selbst er- 
reicht, teilweise sogar überschritten, so daß durch diese starke Säure- 
produktion die Bouillon sich selbst töten. Ein Regulationsmechanis- 
mus, der das Bact.coli vor der Erreichung schädlicher H-Ionen- 
konzentration schützen soll, besteht nicht. Orgler. 


Marine, D., Baumann, E. The possible influence of suprarenal in- 
volution in new born infants on heat production. (Journ. of metabolic 
research 2, Nr. 3, 1922.) 


Die Verff. sind bei ihren Untersuchungen von der Fragestellung 
ausgegangen, ob die Wärmeproduktion beim Säugling mit der 
physiologischen Involution der Nebennierenrinde sich ändert. Im 
Tierversuch gelingt es tatsächlich, eine Änderung der Wärme- 


Heft 2 Wachstum und Stoffwechsel. — Neugeborene. 157 


produktion bei intakter Schilddrüse durch Schädigung der Nebennie- 
renrinde hervorzurufen und so glauben die Verff., daß die Zunahme 
der Wärmeproduktion, wie dies beim neugeborenen Kinde in der 
2. Lebenswoche zu beobachten ist, vielleicht mit der physiologischen 
Involution der Nebennierenrinde im Zusammenhange steht. Bei 
ihren Untersuchungen fanden sie (verwandt wurde die Haldane- 
sche Einrichtung), daß beim gesunden Säugling die Wärmeproduktion 
zwischen dem 2. und 8. Lebenstag annähernd konstant ist (1,88 Cal. 
pro Kilogramm Körpergewicht), und daß in der 2. Lebenswoche 
die Wärmeproduktion ansteigt (2,14 Cal. pro Kilogramm Körper- 
gewicht). Da auch die Involution der Nebennierenrinde beim Kinde 
in diese Zeitperiode fällt, so erblicken Verff. hierin eine Bestätigung 
ihrer bereits erwähnten Annahme. Schiff. 





Neugeborene. 


Sidbury, J. Buren. Transfusion durch die Nabelvene bei Blutungen 
der Neugeborenen. (Americ. journ. of dis. of childr. 25, 1923, 
S. 290—296.) 

Bei einem Neugeborenen, bei dem eine kleine Schnittwunde 
eine sehr starke unstillbare Blutung herbeigeführt hatte, gelang 
es noch am 4. Lebenstage, 100 ccm miitterliches Blut durch die 
Nabelvene zuzufiihren, nachdem der Nabelschnurstumpf 8 Stunden 
lang durch gesättigte Borlösung feucht erhalten war. Da die meisten 
Blutungen bei Neugeborenen in den ersten 2—3 Lebenstagen auf- 
treten, wird dieser Weg der Blutzufuhr häufig gangbar sein. Die 
Sterblichkeit der Blutungen in der Neugeborenenzeit ist durch die 
Transfusionsbehandlung erheblich vermindert worden; sie betrug 
früher 35—87%, der Fälle, während von 37 seit dem Jahre 1914 
mit Menschenblut behandelten Fällen 3 oder 8%, gestorben sind. 


H. Vogt. 


Munro, D., und Eustis, R. S. Die Erkennung und Behandlung der 
Blutungen in der Schädelhöhle bei Neugeborenen. (Americ. journ. 
of dis. of childr. 24, 1922, S. 273.) 


Die große Häufigkeit der Blutungen innerhalb der Schädelhöhle 
bei Neugeborenen und ihre Bedeutung als unmittelbare Todes- 
ursache wie als Grundlage späterer Krankheitszustände ist erst 
in den letzten Jahren erkannt worden. Sie lassen sich nach dem 
Vorschlag der Verfasser in folgende Gruppen einteilen: I. traumati- 
sche Gruppe; 2. Gruppe der „Asphyxie‘‘; 3. Gruppe mit Erkran- 
kungen der Neugeborenen. In der letzten Gruppe sind besonders 
häufig und wichtig die auf hämorrhagischer Diathese beruhenden 
Fälle, die an der Verlängerung der Blutungszeit und der Gerinnungs- 


158 Konstitutionsanomal. — Infektionskrankh. u. parasitäre Erkrank. Heft 2 


zeit zu erkennen sind. Die Behandlung dieser Fälle besteht in der 
Einspritzung gesunden Blutes unter die Haut. Die auf Geburts- 
verletzungen beruhenden Fälle bedürfen entsprechender chirurgi- 
cher Behandlung; daneben muß der erhöhte Druck im Schädel- 
inneren durch Lumbalpunktion oder druckentlastende Eingriffe 
am Schädel herabgesetzt werden. Für die Fälle mit „Asphyxie“ 
kommt nur die Druckentlastung in Frage. H. Vogt. 


Konstitution und Konstitutionsanomalien. 


Thursfleld (London). Thymus-Asthma. (Arch. of pediatr. 40, 1923, 
S. 136.) 

Keine Berücksichtigung der deutschen Literatur. Mitteilung eines 
Falles, in dem die anscheinend röntgenologisch gut erhärtete Diagnose 
sich als irrtümlich erwies und eine Verwechslung mit Drüsentuber- 
kulose vorlag. Eine Druckwirkung der Thymus auf die Trachea 
wird für äußerst zweifelhaft gehalten. Rosenbaum. 


Infektionskrankheiten und parasitäre Erkrankungen. 


de Biehler, M. Das Scharlachvaccin, sein Vorbeugungs- und Heilwert. 
(Arch. de méd. des enfants 28, 1923, S. 161.) 


Verfasserin hat seit dem Jahre 1913 im ganzen 12098 Personen, 
darunter 33 Erwachsene; mit Scharlachvaccin behandelt. Von den 
Behandelten erkrankten ı8 an Scharlach, der in allen Fällen in 
Heilung ausging. Sie ist überzeugt, daß der Impfung auch eine 
Heilwirkung zukommt, wenn sie bei bösartigen Scharlachfällen im 
Verlauf der Erkrankung vorgenommen wird. H. Vogt. 


Krauss, T. F. Plötzlicher Tod bei Scharlach. (Journ. of the Americ. 
med. assoc. 80, Nr. 7, 17. Februar 1923, S. 454.) 


Unter den 2322 Patienten, welche in den Jahren 19I3—2ı im 
Durand-Hospital (Chikago) behandelt wurden, war eine Mortalität 
von 3,7% festzustellen. 2 mal trat der Tod am 6. und 7. Krankheits- 
tage ganz plötzlich auf, als beide Patienten bereits im Stadium 
der Rekonvaleszenz zu sein schienen. Einmal trat kurz vor dem 
Exitus Cyanose auf, im anderen Falle waren nicht die geringsten 
Vorzeichen vorhanden. Einmal nur konnte die Obduktion vor- 
genommen werden; es wurden degenerative Veränderungen im 
Myokard festgestellt. Es kommen bei Scharlach, allerdings bei 
weitem nicht so häufig wie bei Diphtherie, Fälle vor, wo das Herz 
plötzlich seine Tätigkeit aussetzt. Gerade bei Scharlach tritt dieses 
Versagen des Herzens gewöhnlich ohne irgendein klinisches War- 
nungszeichen ein, dabei ist es für den Arzt nicht ratsam, bei dieser 


Heft 2 Infektionskrankheiten und parasitäre Erkrankungen. 159 


Krankheit eine feste Prognose zu stellen. Unbedingt angezeigt ist 
bei allen Fällen von akutem Scharlach absolute Bettruhe, da 
schon eine geringe Anstrengung eine tödliche Herzinsuffizienz aus- 
lösen kann. Lehrnbecher (Eberswalde). 


Nevin, M., und Bittman, F. R. Weitere Berichte über experimentelle 
Masern bei Kaninchen und Affen. (Journ. of. infect. dis. 32, Nr. x, 
Januar 1923.) 

Frühere Versuche der Verff. bestätigende erfolgreiche Über- 
tragung von Masern durch intravenöse Injektion des Blutes von 
Masernkranken im Floritionsstadium auf Kaninchen mit erfolg- 
reicher Passage durch 4 Tiere und als Abschluß der Serie positiver 
Übertragungsversuch auf Affen. Kontrollversuche mit Injektion 
von normalem Blut verliefen ergebnislos.. Wolff (Hamburg). 


Regan, J.C., Regan, Cath., Wilson, Brickhouse. Das Verhalten der 
Spinalflüssigkeit bei Diphtherielähmung. (Americ. journ. of dis. 
of childr. 25, 1923, S. 284.) 

Bei Diphtherielähmung ist die Spinalflüssigkeit klar und steht 
‘unter regelrechtem oder nur wenig erhöhtem Druck. In keinem 
Falle gab sie die Wassermannsche Reaktion. Der Zellgehalt 
war nicht erhöht, die vorhandenen Zellen bestanden aus kleinen 
Lymphocyten. In noch nicht einem Drittel der Fälle war der Glo- 
bulingehalt gesteigert, und das nur in geringem Grade. Mit der 
kolloidalen Goldprobe wurde eine Reduktion beobachtet, die für 
gewöhnlich innerhalb der syphilitischen Zone lag. Mit der Heilung 
der Lähmung verschwand auch die Reduktion. H. Vogt. 


Gros und Herdmann (Neuyork). Vorläufiger Bericht über die Behand- 
lung der Kehlkopfdiphtherie mit Absaugen. (Arch. of pediatr. 40, 
1923, S. 170.) 

Mittels Saugpumpe und Katheter oder Metallkolbens werden 
Membranen, die durch direkte Laryngoskopie festgestellt sind, 
abgesaugt; nach 6 Stunden wird der Vorgang nötigenfalls wieder- 
holt. Die Dauer des Absaugens beträgt mehrere Minuten. Daneben 
wurden auch Membranen mittels Zange entfernt, immer nach An- 
wendung der Bronchoskopie. Bei stärkerer Stenose wird ein Versuch 
mit der Absaugung empfohlen. Rosenbaum. 


Stankiewiez, R. Die Dosierung des Diphtherieserums und die moder- 
nen Methoden der Diphtheriebehandlung. (Pedjatrja polska 2, 
Nr. 4, 1922.) 

Im Anschluß an ein Sammelreferat führt Verf. Daten aus dem 
Karl-Maria-Kinderhospital in Warschau an. Es wurden durch- 
schnittlich einmalige Dosen von 3—4000 J. E. bei leichteren Angina- 
fallen, 5—6000 J. E. bei schwereren Angina- und Croupfällen und 


160 Infektionskrankheiten und parasitare Erkrankungen. Heft 2 


10000 J.E. nur ausnahmsweise — fast immer intramuskulär — 
nur in Einzelfällen intravenös angewandt. Die Gesamtmenge des 
Serums iiberstieg niemals 40000 J.E. Die Sterblichkeit betrug 
11% (auf 1127 = 125 Todesfälle) und zwar bei Angina diphtherica 
5% (19 Todesfälle auf 308), dagegen 12%, bei Croupfällen (auf 819 
—= 106 Todesfälle). Die Statistik umfaßt 7 Hospitaljahre. 
Cieszynski (Warszawa). 


Gröer, Fr. und Progulski, St. Über die Wirkung des Diphtherieserums 
im Organismus des Neugeborenen. (Pedjatrja polska 2, Nr. 4, 1922.) 


Von 66 Neugeborenen wiesen 8 positive Schicksche Reaktion 
auf, die durch Diphtherieserum gehemmt wurde, und zwar waren 
beim Einspritzen vor der Ausführung der Reaktion mindestens 
50 J. E., zugleich roo J. E. und nach ihr mehr als roo J. E. pro 
Kilogramm Körpergewicht nötig. Ergotrope Mittel, wie Hammel- 
serum und Caseosan, waren nicht imstande, die spezifische Wirkung 
des Antitoxins zu ersetzen. Cieszynski (Warszawa). 


Zingber, A. Diphtherie- Prophylaxe bei Kindern im Vorschulalter. (Journ. 
of the Americ. med. assoc. 80, Nr. 7, 17. Februar 1923, S. 456.). 


80—85%, aller Diphtheriefälle kommen bei Kindern unter dem 
Alter von 5 Jahren vor. In großem Maßstab wurden daher im letzten 
Sommer in New York bei Kindern im Vorschulalter Schutzimpfungen 
vorgenommen; in den Vorstädten Manhattan, the Bronx, Brooklyn 
und Queens wurde bei 300 000 Kindern die Schicksche Probe vor- 
genommen, alle Kinder mit positiver Reaktion empfingen die Toxin- 
Antitoxininjektion. Es wurden 3 Injektionen vorgenommen im Ab- 
stande von I—2 Wochen. Zur Erlangung einer negativen Schick- 
schen Probe waren mehrmals noch 2—3 weitere Injektionen not- 
wendig. Die Vornahme so ausgedehnter Impfungen erfordert eine 
großzügige Organisation, 7 Ärzte, 4 Pflegerinnen, 3 Laboratoriums- 
assistenten waren notwendig. Groß waren die Schwierigkeiten, die 
zerstreut lebenden Kinder zu sammeln, die Mithilfe der praktischen 
Ärzte ist notwendig. Besonders gefährdet sind die Kinder im Alter 
zwischen 6 Monaten und 6 Jahren, die Kinder der besser situierten 
Volksschichten und die, welche in ländlichen Bezirken leben, er- 
kranken oft noch im späteren Alter. Sie sind eben der Infektion 
nicht so stark ausgesetzt wie die Kinder der ärmeren Klassen. Diese 
überstehen sehr oft mild verlaufende Infektionen mit dem Klebs- 
Löfflerschen Bacillus und erwerben natürliche Immunität. 

| Lehrnbecher (Eberswalde). 


Gragert, F. Über Diphtheriebacillenträger unter den Neuaufnahmen der 
Göttinger Kinderklinik (Prof. Göppert). (Doktordissertation 1922.) 


Verf. nimmt frühere Untersuchungen von Lande über Diph- 
theriebacillenträger mit in diese Arbeit auf und unterzieht die’ Neu- 


Heft 2 Infektionskrankheiten und parasitäre Erkrankungen. 161 


aufnahmen der Göttinger Kinderklinik während eines Zeitraumes 
von 41/, Jahren auf Grund der Vermerke über die bakteriologische 
Untersuchung einer neuen Zusammenstellung. Die Therapie der 
Diphtheriebacillenträger am Schluß der Arbeit kurz berührend, 
teilt Verf. das Verfahren mit, das an der Göttinger Kinderklinik 
gehandhabt wird. Bei jeder Neuaufnahme wird eine klinische Unter- 
suchung der Nase und des Rachens vorgenommen, dann ein Ab- 
strich von Nase und Rachen gemacht und bis zur Mitteilung des 
Befundes vom Hygienischen Institut täglich dem neuaufgenommenen 
Kinde eine 10 proz. Protargolsalbe in die Nase eingestrichen. Positive 
Fälle werden dann isoliert und sämtliche Kinder der Station erneut 
auf Diphtherie abgestrichen und bis zum nächsten Resultat des 
Hygienischen Institutes mit Protargolsalbe weiter behandelt. Stei- 
gerung der Prophylaxe durch Ausschließen vom Besuch von Kindern 
auf Station und Anempfehlung von Untersuchung neu eingetretener 
Ärzte und Schwestern auf Diphtheriebacillenträger. Das Material 
umfaßt 1306 Fälle. Von diesen Neuaufnahmen hatten 69 Kinder 
= 5,3% positiven Diphtherieabstrich. Von diesen 69 stammen 
40 von Göttingen-Land und 29 aus Göttingen-Stadt, also mehr 
Bacillenträger vom Land als aus der Stadt. Von den 29 Fallen aus 
der Stadt kamen ıg Kinder aus der Familie und Io aus den hiesigen 
Kliniken. Das Verhältnis von 733 Fällen vom Land mit 40 Bazillen- 
trägern = 5,5% zu 573 Stadtzugängen mit 29 Bazillenträgern = 5% 
bei 19 direkten Stadtzugängen = 3,4%, also kaum ?/, des Prozent- 
satzes der Landbevölkerung, erklärt Verf. damit, daß Göttingen keine 
überbevölkerte Großstadt ist und dann auf dem Lande jegliche 
Prophylaxe fehlt. Das Alter der Bacillenträger schwankt zwischen 
14 Tagen und 12 Jahren. Von den 69 Bacillenträgern erkrankten 
4 noch nachträglich an Diphtherie. Die Dauer der Bacillentrager- 
schaft bei den restlichen 65 Fällen beträgt 
bei ı5 Fällen 3 Tage 

26 ,„ r 

IO $,, 14 

4 » 20 „ 

je 1 Fall 60 bzw. 105 Tage. 


Frei wurden nicht 8, davon 7 friihzeitig entlassen, 1 an Ruhr ge- 
storben. Sichere Schliisse auf Zusammenhang zwischen bestimmten 
Nasenerkrankungen (Schnupfen, Syphilis) und chronischem Bacillen- 
befund sind aus obigen Zahlen der Dauer der Bacillose nicht zu 
schließen. Schwab (Göttingen). 


Reh und Garvin (Cleveland). Roseola infantum. (Arch. of pediatr. 40, 
1923, S. 151.) . 
Beobachtungen an 60 Fallen des erstmalig von Zahorsky 
1910 beschriebenen Exanthems. Ätiologie und Inkubationszeit ist 
Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 11 


162 Infektionskrankheiten und parasitäre Erkrankungen. Heft 2 


unbekannt. Dem Auftreten des Exanthems geht eine 3—5 tägige 
Periode von meist hohem Fieber voran. Beim kritischen Abfall 
der Temperatur erscheint ein papulöser bis maculo-papulöser, erbsen- 
großer, meist blaßroter Ausschlag auf Nacken, Gesicht, Rumpf 
und Extremitäten. Angina fehlt; die Trommelfelle sind frei; keine 
Drüsenschwellung. Nach 24—28 Stunden ist der Ausschlag restlos 
geschwunden. Rosenbaum. 


Melzner, M. Cerebrale Erscheinungen bei Kindern nach Grippe- 
erkrankungen (Universitäts-Kinderklinik Göttingen, Prof. Göppert). 
(Doktordissertation 1921.) 

Die somatischen, zentral bedingten Symptome zweier Grippe- 
epidemien von 1889—90 und 1918—20 werden in einem großen 
berblick mit zahlreicher Autorenangabe mitgeteilt. Die psychischen 

Erscheinungsformen bei den Grippeepidemien, die naturgemäß beim 

Erwachsenen ausgeprägter als beim Säugling und Kind sind, sowie 

die pathologisch-anatomischen Veränderungen am Gehirn und die 

Liquorbefunde werden alsdann kurz erörtert. Ein Material von 

g Fällen der Kinderklinik Göttingen im Alter von 2!1/, Monaten bis 

g Jahren, darunter 5 Säuglinge, mit stets meningealen Erscheinungen 

im Vordergrund des Krankheitsbildes, zeigt ein mannigfaltiges Sym- 

ptomenbild, ohne daß sich aus einem Symptom klinisch eine scharfe 

Diagnose stellen ließe. Bei naturgemäß geringen subjektiven Er- 

scheinungen waren die Sensibilität außer bei einem Fall gestört, 

die Reflexe im allgemeinen normal; einseitiger Babinski war in einem 

Falle, Kernig und Nackensteifigkeit häufig, jedoch nicht in allen 

Fällen vorhanden. Die Pupillenreflexe waren normal außer in einem 

Falle. Deutliche Hypertonie der Muskulatur war in allen Fällen, 

mehrmals grobschlägiger, ein- und doppelseitiger Tremor, tonische 

Krämpfe, Grimassieren und Kaubewegungen in einzelnen Fällen 

feststellbar. Facialislähmung, zentral wie peripher bedingt, wurde 

je einmal beobachtet. In allen Fällen cerebral bedingtes häufiges 

Erbrechen; auffallende Unruhe sowie Delirien als psychisches Sym- 

ptom. Benommenheit war in der Hälfte der Fälle, ausgesprochene 

Schlafsucht in 3 Fallen feststellbar. Der Liquordruck bewegte sich 

zwischen IIO—420 mm. Punktat meist klar, außer in einem Falle. 

Eiweiß und Zucker konnten im Liquor nachgewiesen werden. Der 

Zellgehalt war wechselnd. Mikroorganismen wurden nicht gefunden. 

Schwab (Göttingen). 


Hirschfeld, Hanna. Die Atherbehandlung des Keuchhustens. (Pedjatrja 
polska 2, Nr. 4, 1922.) 
Von 73 behandelten Fällen wurden nach 4—6 Injektionen 
(0,25—2 ccm Äther) ı8 geheilt, 34 gebessert (Aufhören des Er- 
brechens, Milderung der Hustenanfälle) und ıı blieben ohne Erfolg. 


Heft 2 Infektionskrankh. u. parasitäre Erkrankungen. — Tuberkulose. 163 


Nur in einem länger mit Brom behandelten, ausgemagerten Falle 
mit Bromakne leichte Nekrose. Cieszynski (Warszawa). 


Perrin, M., Romy, A., Zuber, R. Eın Fall im Lande entstandener Amö- 
bendysenterie bes einem 10 jährigen Kinde. (Arch. de med. des 
enfants 26, 1923, S. 168.) 

Der Fall ging tödlich aus, nachdem anfänglich eine Besserung 
durch Behandlung mit Emetin erreicht war. H. Vogt. 


Duzär (Budapest). Über die Malaria im Säuglingsalter. (Fortschr. 
d. Med, 1922, Nr. ı2, S. 268.) 

Die Malaria kommt im Säuglingsalter, besonders in den ersten 
3 Monaten, sehr selten vor. Der mitgeteilte Fall betraf ein Kind 
von 8 Monaten, das durch seine wächsener Blässe auffiel und Haut- 
blutungen zeigte. Es ließ sich ein Anfall beobachten, bei dem die 
Temperatur auf 41,5° stieg, Milz, Leber und Lymphdrüsen schnell 
anschwollen und ım Blute außer zahlreichen kernzelligen roten Blut- 
körperchen und einer Verringerung der Erythrocyten Plasmodien 
nachzuweisen waren. 2 Tage darnach trat der Exitus ein und die 
histologische Untersuchung stellte eine Pigmentablagerung extremen 
Grades fest. Am stärksten waren die Zellen des Reticuloendothelial- 
systems des Markes pigmentiert, in dem auch am häufigsten Plas- 
modien gefunden wurden. Hohlfeld (Leipzig). 


Tuberkulose. 


Bernard, L. Tuberkulose und Mutterschaft. (Paris med. 1, 6. Januar 
1923, S. 22.) 

Da ungefähr die Hälfte der beobachteten Fälle von Tuber- 
kulose aller Formen durch den Einfluß der Schwangerschaft, Ent- 
bindung und Lactation verschlimmert wird, während die andere 
Hälfte keine besondere Veränderung der Krankheit zeigt, ist keine 
andere Indikation für die Frage der Unterbrechung gültig als die 
gewöhnliche, nämlich ob Lebensgefahr für die Mutter besteht, ob 
die Gefahr mit Sicherheit von der Schwangerschaft abhängt und ob 
sie nach deren Unterbrechung aufhören wird. Da diese Fragen 
nach den sorgfältigen Beobachtungen zu verneinen sind, so ist Verf. 
der Ansicht, daß eine Unterbrechung in keinem Falle von Tuber- 
kulose angezeigt ist, besonders da eine solche fast dieselben Folge- 
erscheinungen in bezug auf die Krankheit zeigt wie die Entbindung 
selbst. Anders verhält es sich mit der Lactation. Diese ist unbedingt 
zu vermeiden, da die Ansteckungsgefahr besonders durch Tröpfchen- 
inhalation sehr groß ist, und ist nur in den äußersten Fällen zu ge- 


11° 


164 Tuberkulose. Heft 2 


statten, wo das Kind keinerlei andere. Nahrung verträgt. Zur Pro- 
phylaxe des Kindes rät Verf., wie er es auch in seiner Klinik durch- 
führt, unbedingt Mutter und Kind sofort zu trennen, so daß gar 
kein Kontakt zwischen beiden stattfinden kann. Haber. 


Nobécourt und Paraf.. Über die Tuberkulose des 1. Lebensjahres. 
Welche Erscheinungen bieten die tuberkulösen Säuglinge. (Paris 
med. 1, 6. Januar 1923, S. 18.) 


Verf. beobachtete 2 Jahre hindurch 60 tuberkulöse Säuglinge 
unter insgesamt 1296 Kindern, also einen Prozentsatz von 4,6 Tuber- 
kulösen. 22 dieser Kinder boten das Bild einer subakuten oder 
chronischen Gastro-Intestinalerkrankung, 18 das der Rachitis, 
27 hatten respiratorische Symptome, von denen nur 4 als deutlich 
tuberkulös zu diagnostizieren waren. Alle Kinder zeigten starke 
Abmagerung, Hypertrophie und verspätete Dentition; meist bestand 
Fieber oder abendliche Temperaturerhöhung. In weitaus den meisten 
Fällen war die klinische Diagnose der Tuberkulose nicht möglich, 
nur die Tuberkulincutanreaktion erlaubte eine schnelle und sichere 
Diagnose. Haber. 


Takenomata, N. Beitrag zur Serodiagnostik der Tuberkulose. (Schweiz. 
med. Wochenschr. 5.) 


Die Untersuchungen des Verf. erstrecken sich auf 45 Sera von 
Tuberkulösen und tuberkuloseverdächtigen Personen sowie auf 
48 Kontrollsera. Sie haben bestätigt, daß die Komplementbindungs- 
reaktion ein Hilfsmittel darstellt, das in einer Reihe von Fällen zur 
Sicherung der Diagnose beitragen kann. Bei Lungentuberkulose, 
bei tuberkulöser Pleuritis und, wie es scheint, auch bei anderen 
tuberkulösen Affektionen gibt die Komplementbindungsreaktion 
in der Regel positiven Ausfall. Im Frühstadium, bei beginnender 
Spitzenaffektion, wie auch im vorgeschrittenen Stadium der Tuber- 
kulose können gelegentlich Versager vorkommen, andererseits 
reagieren aber auch Frühfälle schon positiv. Unter 48 Kontroll- 
proben lieferten 3 Sera positive Reaktion, obwohl nach dem klini- 
schen Befund Tuberkulose ausgeschlossen werden konnte. Die Mög- 
lichkeit positiver Fehlreaktionen ist demnach im Auge zu behalten. 
Den Wert der Serodiagnostik bei chirurgischer Tuberkulose zu 
prüfen, fehlte leider die Gelegenheit. Als Antigen für die Komple- 
mentbindungsreaktion dürften nur Bacillenemulsionen in Betracht 
kommen. Das Antigen Besredka hat sich als gut brauchbar er- 
wiesen, desgleichen eine vom Verf. selbst hergestellte. Andere 
serologische Methoden sind nicht anwendbar; die Präcipitation fiel 
stets negativ aus, die Agglutination versagte vielfach. 


Held (Berlin). 


Heft 2 Tuberkulose. — Syphilis. | 165 


Gordon, J. K., und Brown, E. W. Die bei einer Reihe tuberkulöser 
Kinder festgestellten Erregerarten. (Americ. journ. of. dis. of childr. 
25, 1923, S. 234.) 

Von 30 Kindern mit Tuberkulose im Alter von 4 Monaten bis 

I6 Jahren, die alle aus Boston und Umgebung stammten, erwiesen 

sich I0 als angesteckt mit dem Typus bovinus, die anderen hatten 

Tuberkelbacillen vom Typus humanus. Wo die Obduktion eine 

Tuberkulose ergab, die durch Ansteckung von den Verdauungswegen 

entstanden war, wurde regelmäßig der Typus bovinus als Erreger 

festgestellt. H. Vogt. 


Garrahan, Juan P. Brusifellentziindung der Lungenspilze bei tuber- 
kulösen Kindern. (Arch. de med. des enfants 26, 1923, S. 197— 222.) 


Bericht über 7 Krankheitsfälle, die in Erscheinungen und Ver- 
lauf der von Eliasberg und Neuland beschriebenen epituber- 
kulösen Infiltration entsprachen, aber als Pleuritis gedeutet werden. 

H. Vogt. 


Syphilis. 


Linder. Lues congenita unter dem Bilde einer hereditären Ataxie (Fried- 
rich-Marie) verlaufend. (Jahrb. f. Kinderheilk. 100, 1922, S. 65.) 


Mitteilung eines entsprechenden Falles. A. Peiper (Berlin). 


Modiglianie, E. und Castana, V. (Päd. Klin. Rom.) La terapia 
arsenobenzolica per la via reitale nella cura della sifilide infantile. 
(Die rectale Neosalvarsantherapie in der Behandlung der kind- 
lichen Syphilis.) (La pediatria 31, 1923, S. 258.) 

Die Salvarsantherapie ist auch bei Lues hereditaria der Queck- 
silberbehandlung überlegen; die rectale Einverleibung ist einfacher 
und weniger gefährlich als die intravenöse. Es ist notwendig, erst 
ein Reinigungsklysma, dann ein anästhesierendes Cocainklysma 
vorauszuschicken. Es wird wöchentlich ein Salvarsanklysma ge- 
geben bis zum Negativwerden des Wassermann (meist nach dem 
5.—6. Klysma); dieses Ziel ist jedoch nicht immer zu erreichen; 
die Dosen betragen 0,1—0,6, 0,02I—0,147 pro Kilogramm und werden 
in I0 ccm destilliertem Wasser verabreicht. Kinder über 4 Monate 
halten das Klysma meist länger als 2 Stunden, jüngere kürzer; letz- 
teres kann durch Erhöhung der Dosis innerhalb der eben angegebenen 
Grenzen kompensiert werden. Intoleranzerscheinungen, wie Er- 
brechen, Diarrhöe, Schlafsucht treten bisweilen auf, sind aber immer 
leicht und dem Mittel selbst, nicht der Art seiner Einverleibung zuzu- 
schreiben. Die Ausscheidung des Neosalvarsans beginnt zwei Stunden 
nach der Einverleibung und hält 6— Tage an. Sein Nachweis im Urin 
geschah nach der Methode von Gutzeit. Tezner (Wien). 


166 Syphilis. — Respirationsorgane. — Blut u. blutbildende Organe. Heft 2 


Heller, J. Das Schicksal der kongenital syphilitischen Kinder. (Zeit- 
schrift f. arztl. Fortbild. 20, Nr. 4, 15. Februar 1923, S. 98.) 


Auf Grund zahlreicher der umfangreichen Literatur entnomme- 
nen statistischen Angaben und groBer eigener Erfahrung berichtet 
Verf. über die Häufigkeit der kongenitalen Syphilis in Familien, in 
denen einer der Eltern infiziert ist, wobei besonders untersucht 
wird, wie häufig die Syphilis Ursache der Geburt nicht lebensfähiger 
Früchte ist und wieviel syphilitische Kinder überhaupt in einem 
Zustande der relativen Lebensfähigkeit geboren werden; die Prognose 
für die weitere Entwicklung kongenital luetischer Kinder muß 
immer mit größter Zurückhaltung gestellt werden. Eine energische 
spezifische Therapie, wie sie z.B. von E. Müller und G. Singer 
aus der Pflegestation Rummelsburg berichtet wird, scheint die Aus- 
sichten auf günstige Erfolge wesentlich zu erhöhen. Aus solchen 
Erfahrungen sowie aus allgemeinen ärztlichen Gesichtspunkten 
heraus muß jedenfalls der Ansicht, daß die Syphilis der Eltern eine 
Indikation zur Fruchtabtreibung sei, aufs schärfste entgegengetreten 
werden. Wolff (Hamburg). 


Respirationsorgane. 


Kopeć, T. Bronchitis fibrinosa chronica essentialis. (Pedjatrja polska 
2, Nr. 4, 1922.) 
4jähriger Knabe (mit subfebrilen Temperaturen und Verdichtung 
der rechten Lungenspitze bei stark positiver Pirquetscher Reaktion) 
hustete über 1 Jahr lang fast täglich baumastförmige Luftröhren- 
abgiisse aus, in denen Streptokokken gefunden wurden, bei mäßigem 
Wohlbefinden. Tod an interkurrenter Pneumonie. Cieszynski. 


Blut und blutbildende Organe. 


Siperstein, D.M. Iniraperitoneale Transfusion mit C itratblut. (Americ. 
journ. of dis. of childr. 25, 1923, S. 202.) 


Die intraperitoneale Einverleibung von Citratblut gab in 
mehreren Fällen von Anämie gute Erfolge. Bei einem Säugling mit 
Intoxikation und Exsiccation wurden von 100 ccm Blut, das 3 Tage 
vor dem Tode in die Bauchhöhle eingeführt war, nach dem Tode noch 
30 ccm vorgefunden; es war also trotz des sehr schlechten Zustandes, 
in dem sich das Kind befunden hatte, der größte Teil des Blutes 
noch aufgesaugt worden. Das Blut des Spenders wird auf je 100 ccm 
mit Io ccm einer frisch bereiteten 2 proz. Lösung von Natriumcitrat 
gemischt und durch Gaze filtriert. Das Verfahren eignet sich nicht 
für Fälle, bei denen eine sofortige Auffüllung des Kreislaufs erreicht 
werden muß. H. Vogt. 


Heft 2 Lymphatischer Apparat. — Innere Sekretion. 167 


Lymphatischer Apparat. 


Dunn, L., und Dunn, H. L. Eine zahlenmäßıge Untersuchung der 
Ursachen tastbarer Lymphdriisen berm Neugeborenen. (Americ. 
journ. of dis. of childr. 25, 1923, S. 319.) 

Die Anzahl tastbarer Leistendrüsen steigt von 8% am 1. Lebens- 
tage auf 58% am 7. und fällt langsam auf 48% am 11. Tage. Die 
Occipitaldriisen sind am 1. Tage in 6% der Fälle fühlbar, am 5. in 
16 und am 9.—ıı. in 25%. Die Zahl der tastbaren Cervicaldriisen 
schwankt zwischen o und 4%. Kinn-, Ellenbogen- und Achselhöhlen- 
drüsen waren nie tastbar. Beim Fahnden nach Achselhöhlendrüsen 
liegt Verwechslung mit dem Oberarmkopf oder mit Nervenstämmen 
nahe. Vergrößerte Cervicaldrüsen sind wohl meist auf Infektion 
der Nasen- und Rachenschleimhaut zurückzuführen. Bei Frühgebur- 
ten sind die Leisten-, Occipital- und Cervicaldrüsen öfter tastbar 
als bei ausgetragenen Kindern. Die Schwellung der Leistendrüsen 
hat nichts zu tun mit Infektion. Das neugeborene Kind bildet keine 
Antikörper gegen seinen Nabelstrang oder dessen Eiweißabbau- 
stoffe. Die Schwellung der Leistendrüsen beim Neugeborenen ist 
wahrscheinlich zum guten Teil durch Resorption sterilen Eiweißes 
aus dem trockenen Nabelstumpf hervorgerufen. H. Vogt. 


Innere Sekretion. 


Lereboullet, P. Kisnsk der hybophysären Dystrophien im - Kindes- 
alter. (Arch. de méd. des enfants 26, S. 129—149; 223—241.) 


Von den bisher auf die Hypophyse bezogenen Krankheits- 
erscheinungen ist offenbar nach neueren Untersuchungen ein gut 
Teil in Wirklichkeit mit den nahegelegenen Teilen des Nerven- 
systems, besonders der Gegend des Tuber cinereum, in Zusammen- 
hang zu bringen. Die echte Akromegalie scheint an Geschwiilste 
der Hypophyse gebunden zu sein. Sie geht nicht immer mit Riesen- 
wuchs einher. Übermäßiges Längenwachstum der unteren Glied- 
maßen kommt auch vor bei Störungen der Genitalien, wie bei Eunu- 
chen. Der sog. hypophysäre Zwergwuchs ist meist verbunden mit 
Infantilismus; letzterer ist von der Genitalentwicklung abhängig. 
Bei der von Hutinel beschriebenen Dystrophie der Adoleszenten, 
die mit überstürztem Längenwachstum, Ermüdbarkeit und Neigung 
zu Skoliose einhergeht, wirkt Behandlung mit Hypophyse günstig. 
Die sog. hypophysäre Fettsucht ist sicher in einem Teil der Fälle 
vom Nervensystem abhängig, z.B. wenn sie nach Verletzungen, 
nach basilären Meningitiden und nach Encephalitis sich entwickelt. 
Fettsucht kann auch durch Einflüsse von den Geschlechtsorganen 
aus hervorgerufen werden. Doch sprechen die Erfahrungen von 


168 Innere Sekretion. — Verdauungstraktus. Heft 2 


Heilung durch Operation oder Bestrahlung der Hypophyse oder 
durch Behandlung mit Hypophysensubstanz in dem Sinne, daB 
auch die Hypophyse im Spiel sein kann. Glykosurie scheint bei 
Tumoren der Hypophyse regelmäßiger vorzukommen als bei Ge- 
schwülsten der Nachbarschaft. Dagegen ist die Polyurie wohl auf 
Beteiligung der Kerne im Tuber cinereum zu beziehen trotz der 
ausgesprochenen Wirksamkeit des Hypophysenauszugs auf die Harn- 
absonderung. Die sog. hypophysäre Kachexie ist wohl dem Nerven- 
system zur Last zu legen. Zur Behandlung der Hypophysen- 
erkrankungen stehen die Operation, die Bestrahlung und die sog. 
Organtherapie zur Wahl. Die Operation hat nach Cushing und 
Bailey unter 243 Fällen eine Sterblichkeit von 10% aufzuweisen. 
Ungefährlicher und auch wirksam ist die Bestrahlung, für die 
Beclere Vorschriften gegeben hat. Die Behandlung mit Hypo- 
physenauszügen kann durch Einspritzung unter die Haut oder 
Einträufeln in die Nase geschehen. Die Wirksamkeit ist nicht zu 
bestreiten, sie ist aber unzuverlässig. = H. Vogt. 


Verdauungstraktus. 


Grosser, F. Die Klinik der organischen Pylorusstenose im Kindes- 
alter (Universitäts-Kinderklinik Göttingen, Prof. Göppert). (Doktor- 
dissertation 1921.) 

Ohne zunächst auf die Ätiologie der organischen und pyloro- 
spastischen Stenosen am Pylorus einzugehen, werden zwei früher 
beschriebene und drei neue Fälle von Pylorusstenosen, die an der 
Göttinger Kinderklinik zur Beobachtung kamen, mit Epikrise be- 
schrieben. Folgende Ursachen, für die dann noch mehrere Fälle aus 
der Literatur angegeben werden, bedingen eine organische Pylorus- 
stenose, wie sie Landererund Mayer bei Erwachsenenmägen sahen: 
„I. Veränderungen am Pylorus selbst, wozu hier der Vollständigkeit 
halber nochmals a) die angeborenen Formen Typ Mayer - Landerer 
erwähnt seien; b) Tumoren am Pylorus; c) Ulcera am Pylorus. — 
2. Veränderungen, die den Pylorus von außen beeinflussen. Dahin 
gehören: a) Strangbildungen am Pylorus, besonders ein verkürztes 
Lig. hepatoduodenale und b) von außen auf den Pylorus wirkender 
Druck, der vor allem durch verlagerte Darmschlingen verursacht 
wird. — 3. Eine organische Störung, die allerdings auf den Pylorus 
selbst nur durch Nerveneinflüsse wirkt, kann bedingt werden durch 
eine Veränderung im Bereich der N. vagi.‘‘ — Der Verlauf dieser 
organisch bedingten Krankheitsfälle ıst folgender: Beginn mit galle- 
freiem, unstillbarem Erbrechen in den ersten Lebenswochen, ja 
gleich nach der Geburt. Später als in den ersten Lebenswochen be- 
ginnendes Erbrechen sowie starker Wechsel der Erscheinungen 
spricht mehr fiir Pylorusstenose. Verschluß des Pylorus durch 


Heft 2 Verdauungstraktus. 169 


Druck von außen gibt dem Erbrechen einen nicht so explosiven 
Charakter. Das Erbrechen wird oft noch heftiger beim Übergang 
zur festen Nahrung. Im weiteren Verlauf spricht die Dauer des 
Leidens mehr für organischen Pylorusverschluß, da der Pyloro- 
spasmus spätestens im 6. Monat in Latenz übergeht. Nach Heile 
ist das Fehlen der Fühlbarkeit des Pylorus nicht gegen Pylorospasmus 
zu verwerten, jedoch deutete die mächtige Peristaltik sowie die 
Dilatation des Magens, wie sie in solchem Maße nie bei Pylorospasmus 
vorkommt, auf eine organische Stenose hin. Mit der Dilatation 
geht zusammen eine Insuffizienz. Diese wird durch zeitweise Über- 
dehnung — daher Intermissionen des Erbrechens — herbeigeführt, 
sei es durch zu großen Inhalt an Nahrung oder an Luft, wie in einem 
operierten Fall der Göttinger Kinderklinik. Funktionelle Störungen 
können das Bild komplizieren. Im Röntgenbild ist oft das Bild des 
Sanduhrmagens sichtbar. Therapie: Operativer Eingriff kaum ver- 
meidbar, wenn auch ‚„planmäßiges Lavieren‘‘ unter ärztlicher Auf- 
sicht zunächst oft angebracht ist. Drohende Intoxikation durch 
Hunger wird durch die typische Intoxikationsbehandlung mit der 
in Göttingen üblichen Methode von Nährzuckerklystieren und sub- 
cutanen Kaloroseinfusionen schon während der Teepause überwunden. 
Bei Luftschlucken ev. Einguß der Nahrung, Aufstoßenlassen oder 
Ablassen der Luft mit Magenschlauch. Schwab (Göttingen). 


Findlay, L. Die Behandlung der angeborenen hypertrophischen Pylorus- 
stenose. Interne oder chirurgische Behandlung? (Brit. journ. of 
childr. dis. 20, 1923, S. 1.) 

Die Fortschritte in der operativen Behandlung der angeborenen 
hypertrophischen Pylorusstenose scheinen eine Reihe früherer 
überzeugter Anhänger der internen Behandlungsmethode zur chirur- 
gischen Therapie bekehrt zu haben. Auf Grund kritischer Durch- 
sicht seines eigenen in den letzten 6 Jahren beobachteten, 80 Fälle 
umfassenden Materials kann Verf. sich nicht von der Überlegenheit 
der chirurgischen Behandlung überzeugen. Er will die Operation 
nur für diejenigen Fälle angewandt wissen, die, in den ersten Lebens- 
wochen, sehr bald nach Beginn der krankhaften Erscheinungen 
in Behandlung kommen. Die ganz jungen Säuglinge scheinen wenig 
empfindlich gegen den Operationsschock zu sein. Jede länger dauernde 
Unterernährung verschlechtert sehr wesentlich die operativen 
Chancen. Bei der internen Therapie tät Verf. dazu, unbekümmert 
um das Erbrechen dem Kinde, immer wieder die erforderliche Nah- 
rungsmenge beizubringen, er beruft sich dabei auf die guten Erfolge, 
die Heubner mit dieser Methode hatte, wie sie auch durch die 
besten chirurgischen Erfolge nicht übertroffen werden. Die Erfolge 
in der Privatpraxis sind viel günstiger als im Krankenhaus, was 
mit der individuellen Pflege zusammenhängt. Wolff (Hamburg). 


170 Verdauungstraktus. Heft 2 


Heile. Drie chirurgische Behandlung des Pylorospasmus der Säuglinge. 
(Klin. Wochenschr. 6, 2. Jg. 1923, S. 262.) 


Die Einführung der Operation nach Rammstedt hat die Ge- 
fahren der chirurgischen Behandlung des Pylorospasmus sehr wesent- 
lich herabgesetzt. Bei Betrachtung der Statistiken einer größeren 
Reihe von Operateuren kommt man zu einer durchschnittlichen 
Mortalität von ca. 10%. Sehr wichtig ist es, daß man die schwereren 
Fälle, die sich nicht für die interne Therapie eignen, rechtzeitig dem 
Chirurgen zuführt. Bei der Entscheidung der Frage, ob ein gegebener 
Fall zu den schweren zu rechnen ist, leistet die Röntgenuntersuchung 
wertvolle Dienste: wenn 2 Stunden nach Sondeneinführung der mit 
Kontrastmittel versetzten abgezogenen Frauenmilch noch keine 
nennenswerten Mengen der Nahrung in den Darm übergetreten sind, 
sollte man den Fall als für die weitere interne Therapie unggeignet 
der Operation zuführen. Verf. geht so vor, daß er den Tumor zuerst 
in seiner Mitte, an der Stelle seines größten Umfanges einschneidet, 
dann aber nicht bis zur Submucosa durchschneidet, sondern mit 
quergestellter Klinge ein tiefes Loch bis zur Muscularis mucosae ein- 
bricht. So vermeidet man die Gefahr, die Muscularis mucosae zu 
verletzten, was zu späteren Perforationen führen kann. 

‘ Wolff (Hamburg). 


Tumpeer, I. H., und Bernstein, M. A. Experimentelle Pylorusstenose. 
(Americ. journ. of dis. of childr. 24, 1922, S. 306.) 


Durch Einspritzen von Paraffin in die Muskeln der Pylorus- 
gegend gelang es, bei Hunden das anatomische Bild der Pylorus- 
stenose hervorzurufen, d.h. Verdickung der Muskelschicht und Ver- 
engerung der Lichtung. Dagegen kam es auf diese Weise nicht zu 
dem Krankheitsbild, wie es uns von der Pylorusstenose des Säuglings 
bekannt ist: Erbrechen bestand nur zeitweilig, die Magenentleerung 
war nicht behindert, die Zusammenziehung des Magens war etwas 
gesteigert, die Stuhlentleerung unbeeinflußt, und Abmagerung trat 
nicht ein. Die schlangenartigen über die Geschwulst verlaufenden 
Zusammenziehungen sind beim Kinde wahrscheinlich die Folge der 
Muskelhypertrophie, weil sie durch die Paraffineinspritzung sofort 
und gesetzmäßig hervorgerufen werden. H. Vogt. 


Zakrzewski. Sanduhrmagen bes 4wöchigem Kınde. (Demonstration 
in der Lemberger Ärztegesellschaft.) (Polska gazeta lekarska 2, 
Nr. 3, 1923.) 

Ein dicker Ring umfaßte den bis auf 3 cm verengten Magen 
ım ersten Drittel der Entfernung zwischen Cardia und Pylorus. 
Die Mucosa und Serosa waren unverändert, die Muskelschicht da- 
gegen deutlich hypertrophisch nur an Stelle der Verengung. Die 
Magenanomalie war angeboren wie verschiedene andere Mißbildungen 


Heft 2 Verdauungstraktus. — Leber und Gallenwege. 171 


bei demselben Kinde: Spina bifida in der Sacralgegend, Einlappigkeit 
der linken und Zweilappigkeit der rechten Lunge, Foramen ovale 
aperum, Sattelnase, schräge Lidspalten und schließlich Zweiteilung 
der Endphalanx des rechten Daumens. Verf. erklärt den Mechanis- 
mus der Anomalieentstehung durch wahrscheinliche Dissoziation in 
der Nervenüberleitung der Reize. Cieszynski (Warszawa). 


Miller (London). Die Pathogenese der chronischen Verdauungs- 
insuffizienz. (Arch. of pediatr. 40, 1923, S. 88.) 
Es wird ein Mangel an gallensauren Salzen beschuldigt und 
deren therapeutische Verabfolgung empfohlen. Rosenbaum. 


Rheindorf. Beitrag zur Appendicıtisfrage beim Säugling und im 
frühen Kindesalter. (Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 240, 
Nr. 1/2, S. 203.) 

Verf. fand bei mehreren lebenswarm fixierten Leichenwurmfort- 
sätzen von Säuglingen und kleinen Kindern eitrige Appendicitiden, 
hervorgerufen durch von Oxyuren herrührende Epitheldefekte. 
Verf. sieht darin einen erneuten Beweis für die Pathogenese der 
Appendicitis auch für den Säugling und empfiehlt weitere genaue 
Untersuchung des lebenswarm fixierten Wurmfortsatzes. Verf. ist, 
wie auch Aschoff, der Ansicht, daß die Erkrankung beim Säugling 
überaus selten ist, während Autoren wie Kalzer und Fisch sie 
als verhältnismäßig häufiges Vorkommnis bezeichnen. Haber. 


Hayos, K. Die Behandlung der Oxyursasis mit Salvarsan. (Poli- 
clinico 8, Nr. 11.) 

Ohne zu behaupten, daß Salvarsan ein Specificum gegen Oxyuria- 
sis sei, können wir doch aus den gemachten Erfahrungen schließen, 
daß es ein gefahrloses und wirksames Heilmittel darstellt. Aus den 
bisher erlangten Ergebnissen geht hervor, daß es sich verlohnen 
würde, die Wirkung des Salvarsans auf Darmparasiten eingehend zu 
studieren. Held (Berlin). 


Leber- und Gallenwege. 


Hilarowicz. Leberechinokokkus bes Il jahrıgem Mädchen. (Demon- 
stration in der Lemberger ei) (Polska gazeta 
lekarska 1, Nr. 52, 1922.) 

Der Echinokokkus im rechten Peberlappen wurde operativ 
entfernt, indem die Cystenwände an das Peritoneum parietale an- 
genäht wurden, mit gutem Erfolg. Der Fall verlief ohne Eosino- 
philie. Cieszynski (Warszawa). 


172 Urogenitalsystem. Heft 2 


Urogenitalsystem. 


Tow, A. Polycystische Erkrankung der Nieren. Bericht tiber einen 
Fall bei einem Säugling. (Americ. journ. of dis. of childr. 25, 
1923, S. 222.) 

Bei einem Kinde mit den bezeichnenden Erscheinungen der 
Cystenniere — doppelseitigem Nierentumor, Nephritis, Herzver- 
größerung — fand sich stark verminderte Ausscheidung von Phenol- 
sulfonaphthalin. Der Gehalt des Blutes an Harnstoff, Kreatin und 
Harnsäure war erhöht, das Kohlensäurebindungsvermögen des 
Blutes herabgesetzt. Der Tod erfolgte im Alter von 12 Wochen 
plötzlich unter Hirn- und Lungenödem. Da in mehreren Fällen 
gehäuftes Auftreten der Erkrankung in einzelnen Familien beobachtet 
worden ist, auch andere Mißbildungen, besonders Cysten ın der 
Leber, häufig bei Cystenniere vorkommen, handelt es sich offenbar 
um eine Mißbildung. H. Vogt. 


Hill, L. W., Hunt, E. F., Brown, E. W. Bakteriologie des Harns bei 
akuter Nephritis im Kindesalter. (Americ. journ. of dis. of childr. 25, 
1923, S. 198.) 

Bei Untersuchung von 21 Fallen hämorrhagischer Nephritis 

im Kindesalter, ausgeführt in der Hälfte der Fälle in der ersten 

Krankheitswoche und ausnahmslos innerhalb der ersten 4 Wochen 

nach Krankheitsbeginn, wurde in 16 Fällen der Harn steril befunden. 

In 2 Fällen fand sich Staphylococcus albus, einmal ein diphtherie- 

ähnliches Stäbchen. Die in 2 Fällen angetroffenen Colibacillen 

waren wohl auf eine Pyelitis als Nebenkrankheit zurückzuführen, 
da der Harn gleichzeitig viel Leukocyten enthielt. Eine durch 

Nebenkrankheiten nicht erklärbare Leukocytose bestand nur bei 

einem Kinde mit hämorrhagischer Nephrits. ° H. Vogt. 


Brokman, H., und Erlich, M. Gehtrnsymptome 1m Verlauf von Pyelstss 
bei Kindern. (Polska gazeta lekarska 1, Nr. 42, 1922.) 


Bei 4 Säuglingen im Alter von 6—10 Monaten traten plötzlich 
im Verlauf von akuter Nierenkelchentzündung Symptome von 
Nervenzentrenreizung auf. Im ersten Falle beobachteten Verff. 
während ıo Tage hartnäckiges Erbrechen, Schluckschwierigkeiten, 
BewuBtseinsstérung, ,,crie ncephalique“artige Schreistöße, automati- 
sche Extremitätenbewegungen und anfallsweise auftretende Unruhe 
ohne Gehirnhautsymptome. Im 2. Falle waren die Erscheinungen 
ähnlich und verschwanden nach Heilung der Pyelitis; der Druck 
im Rückenmarkkanal war trotz Gehirnhauptsymptomen nicht ge- 
steigert. Im 3. Falle traten im Anfang der Erkrankung anfalls- 
weise mehrstündige Krämpfe auf und hinterließen kurzdauernde 


Heft 2 Urogenitalsystem. — Erkrankungen d. Zentralnervensystems. 173 


Lähmung der linken Extremitäten. Auch im vierten Falle trat ein 
kräftiger Reizzustand auf mit nachfolgender vorübergehender Mono- 
plegie der linken oberen Extremität. Cieszynski (Warszawa). 


Cooke Hirst, John. The rapid cure of cystitis in children. (New York 
med. journ. 1923, S. 262. Pediatrics.) 


Verf. spritzt 5 ccm Silvol oder Neosilvol in die Blase. Bei der 
akuten Pyurie der Säuglinge meist prompter Erfolg, schon nach 
der ersten Einspritzung. Beim älteren Kinde sind wiederholte Ein- 
spritzungen erforderlich. Schiff. 


Erkrankungen des Zentralnervensystems. 


Lewkowiez, K., Prof. Spezifische Behandlung der epidemischen Genick- 
starre. VI. Mitteilung. (Rozpravy Akademji Nauk Lekarskich 1, 
Nr. 2, 1922. [Publikationen der polnischen Akademie der medi- 
zinischen Wissenschaften.]) 


Für seine Theorie, daß die Entzündung bzw. das entzündliche 
Material von den Ventrikeln ausgeht und durch den Liquorstrom 
in den Subarachnoidalraum gebracht wird, führt Verf. folgende 
Beweise an: a) Die Plexus chorioidei in den Ventrikeln wirken wie 
Nieren, indem sie die im Blute kreisenden Meningokokken sezernie- 
ren. b) Die Ventrikel und die Plexus sind mit einem Epithel bedeckt, 
zu dem der Meningokokkus als katarrhalische Bakterie eine beson- 
dere Affinität besitzt. c) Die Ventrikel sind immer von Anfang an 
ergriffen. d) In ihnen ist der Prozeß am hartnäckigsten und von 
ihnen gehen die Exalterationen und Recidiven aus. e) Im Sub- 
arachnoidalraum löscht dagegen der Prozeß schnell aus, wenn er 
von den Ventrikeln abgeschnitten ist. f) Die Meningokokken sind 
proportional der Entfernung von den Ventrikeln mehr geschädigt, 
mehr durch die Leukocyten verdaut. g) Im Subarachnoidalraum 
wird der Eiweißgehalt des Liquors nicht vermehrt bei schneller 
Resorption. h) Der meist niedrige Liquordruck bei selbständigen 
Entzündungen ist durch die Erkrankung der Plexus zu erklären. 
i) Das anatomische Bild läßt sich in allen Einzelheiten einfach durch 
den ventrikulären Sitz der Entzündung erklären. j) Den Erfolg 
bei spezifischer Behandlung entscheidet einzig und allein der Serum- 
gehalt des Ventrikulärliquors. Die Meningitis epidemica faßt Verf. 
als epidemische Meningokokkengrippe auf und die Gehirnhaut- 
entzündung als deren Komplikation, so daß sie anscheinend verein- 
zelt auftritt. Den blitzartigen Verkauf erklärt er als Folge eines 
hochgradigen Hirnödems, das zur Incarceration des Organs führt. 
Die selbständige Heilung der Krankheit hängt in manchen Fällen 
von allgemeiner, humoraler Immunität, in anderen von der phago- 


174 Erkrankungen des Zentralnervensystems. Heft 2 


cytären Wirkung der Leukocyten- und Epithelzellen ab. Für Punk- 
tionen der unteren Ventrikelhörner zwecks Seruminjektion schlägt Verf. 
letztens die Schläfengegend vor. Cieszynski (Warszawa). 


Lisbonne und Leenhardt. Akute Meningitis beim Säugling, hervor- 
gerufen durch den Pfetfferschen Bacillus. (Paris méd. 2, Januar 
1923, S. 47.) 

Bei einem Fall von Meningitis, die klinisch ganz das klassische 
Bild der Meningokokkenerkrankung bot, fanden sich in den Kulturen 
des Liquors Pfeiffersche Bacillen. Eine grippale Erkrankung war 
nicht vorausgegangen. Verf. gelangt zu dem Schluß, daß der Pfeiıf- 
fersche Bacillus nicht als spezifischer Grippeerreger, sondern als ein 
pyogener Mikroorganismus anzusehen ist, der beliebig lokalisiert 
sein Kann. Haber. 


Zielinski, K. Zwei Fälle von riesigem Hydrocephalus, (Pedjatrja 
polska 2, Nr. 3, 1922.) 

Der erste Fall betraf einen 7jährigen Knaben, der es nur bis zum 
Erkennen der Mutter sowie ‚mama‘-sagen brachte und an Broncho- 
pneumonie starb. Der zweite Fall entwickelte sich im 4. Lebens- 
monat nach einer eitrigen Gehirnhautentzündung und starb mit 
14 Monaten an chronischer Darmentzündung. In keinem Fall war 
die Sektion ausgeführt. In beiden Fällen sollen die Eltern gesund 
gewesen sein. Cieszynski (Warszawa). 


Wollstein, M., und Bartlett, F. H. Hirntumoren im frühen Kindes- 
alter. Eine klinische und pathologische Untersuchung. (Americ. 
journ. of childr. 25, 1923, S. 257.) 

Unter 4563 Leichenöffnungen bei Kindern bis zu 3 Jahren 
entfielen 9, d.i. 0,2% auf Fälle von Hirngeschwulst. Sämtliche 
Geschwülste waren Gliome, Befallen war 2mal das GroBhirn, 5 mal 
das Kleinhirn. In keinem Falle hatte die Geschwulst auf andere 
Organe iibergegriffen. Die Kleinhirngeschwiilste gingen vom Wurm 
aus; sie saßen in der Regel (4mal) in der rechten Kleinhirnhälfte, 
In 2 Fällen waren Brücke und Rückenmark ergriffen, 2mal der 
rechte Kleinhirn-Brückenarm. In 3 Fällen war das obere Halsmark 
zusammengedrückt. Hydrocephalus wechselnder Stärke war stets 
vorhanden. Ein Gliom, das fast die ganze linke Großhirnhälfte ein: 
nahm, war wohl angeboren — es hatte schon bei dem 2 Wochen 
alten Säugling zu Vergrößerung des Kopfes geführt, in dem 8. Woche 
zu einem Durchbruch des Schädels am linken Stirnbein mit Hirn- 
bruch. Die Diagnose der Hirngeschwülste stößt im frühen Kindes- 
alter auf große Schwierigkeiten. Die auf Empfindungsstörungen und 
auf Gangstörungen beruhenden Krankheitszeichen fehlen ; Lähmungs- 
erscheinungen kommen erst bei vorgeschrittenem Wachstum der 


Heft 2 Erkrankungen des Zentralnervensystems. 175 


Geschwulst zustande. Erbrechen wurde nur bei 3 Kindern iiber- 
haupt beobachtet, gewaltsames Erbrechen nur einmal. Krampfe 
traten nur bei einem der Kinder auf, und da erst kurz vor dem Tode. 
Druckerhöhung der Spinalflüssigkeit ist nur im Beginn der Erkran- 
kung vorhanden. Auch sonst zeigte die Spinalflüssigkeit keine ver- 
wertbaren Befunde. Als einigermaßen bezeichnend für Hirngeschwulst 
erschien das wechselvolle Verhalten besonders der Reflexe. 
H. Vogt. 


Rerrich, W. W. Behandlung der meningitischen Form von akuter 
Encephalitis mit Antimeningokokkenserum. (Journ. of the Americ. 
med. assoc. 80, Nr. 8, 24. Februar 1923.) 


Ein Fall von Encephalitis mit meningitischem Typ bei einem 
15jahrigen Jungen wurde mit Antimeningokokkenserum behandelt. 
Bei der Lumbalpunktion war starke Drucksteigerung des Liquors 
nachweisbar, dieselbe hatte eine starke Störung im Atmungszentrum 
zur Folge mit wechselnder oberflächlicher und tiefer Respiration. 
Außer den sonstigen für Encephalitis typischen Symptomen sprach 
die wasserklare Beschaffenheit des Liquors und der wiederholte 
negative Ausfall der bakteriologischen (Kultur) Untersuchung des 
Rachenabstriches und Liquors mit Sicherheit gegen epidemische 
Meningitis. Trotzdem entschloB man sich zur unspezifischen Be- 
handlung mit Antimeningokokkenserum in der Gewißheit, daß der 
Patient ohne energische aktive Therapie sterben würde. Es wurden 
mehrmals verschieden große Mengen von Antimeningokokkenserum 
intraspinal und intravenös gegeben. Von Beginn der Einspritzungen 
an war keine Verschlimmerung mehr wahrzunehmen, nach 36 Stun- 
den schien der Patient außer Gefahr zu sein. Dieser Fall ist ein Hin- 
weis dafür, wie skeptisch Berichte über therapeutische Erfolge 
mit spezifischem Serum bei Encephalitis (Helmholz und Rosenow) 
aufgefaßt werden müssen. Lehrnbecher (Eberswalde). 


Westphalen, F. von. Zur Klinik der Encephalitis acuta im frühesten 
Kindesalter. (Aus der Universitäis-Kinderklinik in Gottingen.) 
(Doktordissertation 1921.) 


An Hand von g Fällen, von denen 2 zu der Encephalitis epi- 
demica gerechnet werden, wird das klinische Bild der Krankheit 
geschildert. In 6 Fällen wird der Nachweis erbracht, daß es sich 
um vorher irgendwie minderwertige Zentralorgane gehandelt hat, 
die von der Encephalitis befallen werden und die besonders für diese 
prädisponiert erscheinen. Sechsmal ging der eigentlichen Gehirn- 
affektion eine mehr oder minder schwere Spasmophilie voraus. 
Bei 2 Fällen ist Spasmophilie mit Encephalitis kombiniert, wobei 
das vorherrschende Krankheitsbild allerdings die Encephalitis bleibt. 

 Blühdorn (Göttingen). 


176 Erkrankungen des Zentralnervensystems. Heft 2 


Hanhart, E. Bettrage zur Konststutsons- und Vererbungsforschung 
an Hand von Studien über hereditäre Ataxien (46 neue Fälle Fried- 
reichscher Krankheit). (Schweiz. med. Wochenschr. 6.) 


Die Anwendung der Vererbungslehre auf den Menschen ist nicht 
nur unerläßlich zur Lösung medizinischer Konstitutionsprobleme, 
sondern bildet auch die Grundlage der überall aktuellen Bestrebungen 
der Eugeniker (sog. Rassenhygiene). Nach eingehendem Studium 
der Friedreichschen Krankheit hält Verf. diese wenig bekannte, 
aber gar nicht so seltene Affektion zu Untersuchungen über Vererbung 
für sehr geeignet, denn sie ist der Prototyp einer Heredodegeneration. 
Bei rein endogener Grundlage zumeist familiäres Auftreten im Alter 
zwischen 5—20 Jahren, nie angeboren; die betr. Geschwister er- 
kranken annähernd im selben Alter und ihr Symptomenbild stimmt 
bis auf Einzelheiten genau überein; ohne Remissionen nimmt das 
Leiden unbeeinflußt seinen Verlauf, verschlimmert sich stetig, bis 
die Kranken schließlich einer interkurrenten Infektion erliegen. 
Typisch ist, daß die Eltern nie befallen sind, dagegen hier und da 
Verwandte in den Seitenlinien. Der Erbgang der Friedreichschen 
Ataxien erweist sich als einfach recessiv. Das vorliegende Material 
ergibt keinen Anhaltspunkt, die Konsanguinität als direkt kausalen 
Faktor aufzufassen, sondern nur als propagierendes Hilfsmoment. 
Erheblich zahlreicher als anderswo ist die Friedreichsche Krank- 
heit in der Schweiz. Es bedarf offenbar für die Entstehung einer 
bestimmten Form von Heredodegeneration eines besonderen Terrains 
resp. gewisser Rasseeigentümlichkeiten. Gegen die Beteiligung des 
Alkohols an der Pathogenese der hereditären Ataxien spricht, daß 
in der großen Mehrzahl der angeführten Fälle weder bei den Kranken 
selbst, noch bei ihren Angehörigen irgendwelche Häufung körper- 
licher oder geistiger Degenerationsstigmata gefunden werden konnten. 

Held (Berlin). 


Gernert. Zur Behandlung der akuten spinalen Kinderlähmung. 
(Zeitschr. f. ärztl. Fortbild. 5, 20. Jg. 1923, März.) 


Empfehlung einer mit energischen Schwitzprozeduren kombi- 
nierten intensiven Quecksilberschmierkur bei der Behandlung der 
Poliomyelitis acuta anterior. Verf. hat mit dieser Therapie sehr 
gute Resultate erzielt. Er stellt sich vor, daß es sich dabei um die 
Resorption der die nervösen Elemente komprimierenden Exsudat- 
massen handelt. Wolff (Hamburg). 


Lampe, K. Die Factalislahmung auf otogener Grundlage wahrend der 
ersten zwet Lebensmonalte. (Aus der Universitäis-Kinderklinik ın 
Gottingen.) (Doktordissertation 1920.) 


Es werden 2 Fälle mitgeteilt. Im ersteren handelt es sich um 
einen 8 Wochen alten Säugling, der wegen Ohrenlaufen der Kinder- 


Heft 2 _Erkrankungen des Zentralnervensystems. 177 


klinik zugeführt wurde. Die Schwellung der vor und unter dem 
Grehörgang gelegenen Drüsen erregte den Verdacht auf eine primäre 
Ohrtuberkulose; der Zerfall des Trommelfells bestätigte die Diagnose. 
Drei Tage später trat eine Facialislähmung zu dem Krankheitsbild 
dazu. Nach einigen Wochen ging das Kind an Meningitis tuberculosa 
zugrunde. Bei der Mutter, welche seit der Geburt des Kindes fieberte 
und bei der eine Staphylokokkensepsis vermutet wurde, stellte man 
auf Grund des Befundes am Säugling eine Tuberkulose der Genital- 
organe fest. Auch sie verstarb an tuberkulöser Meningitis. — Bei 
dem zweiten 18 Tage alten Säugling stellte sich die Facialislähmung 
als einziges Symptom einer einfachen akuten Mittelohrentzündung ein. 
Nach wiederholter Paracentese im Verlauf eines Monats völlige Heilung 
und Schwinden der Lähmung. Blühdorn (Göttingen). 


Buthenut, H. Über den Verlauf von Krämpfen im Säuglings- und 
Kindesalter auf Grund von Nachuntersuchungen an 38 Fallen der 
Klinik und Poliklinik. (Aus der Universitäts-Kinderklinsk in 
Göttingen.) (Doktordissertation 1921.) 


Es wurden insgesamt 38 Kinder, die zumeist als Säuglinge 
wegen Krämpfen in Behandlung waren, nachuntersucht. Aus- 
geschlossen waren alle Fälle, bei denen früher die spasmophile Ätio- 
logie sicher gestellt war. Es wurde der Versuch gemacht, entsprechend 
der weiteren Entwicklung der Kinder die Ursache der Krämpfe 
zu erkennen, die bei der ersten Untersuchung zu finden nicht möglich 
war. Es zeigte sich, daß in. einer Anzahl der Fälle sich jetzt ein 
spasmophiler Ursprung sicher oder wahrscheinlich nachweisen ließ. 
Echt epileptische Krämpfe wurden nach Möglichkeit von den epi- 
leptiformen Krampfformen getrennt, die in die Gruppe der ‚Ge- 
legenheitskrämpfe“, neuropathischen Epileptoide ‚„Vasomotoren- 
epilepsie“ eingereiht wurden. Die sichere Entscheidung, ob es sich 
in diesem oder jenem Falle, der jetzt nicht dafür gehalten wurde, 
um echte Epilepsie handelt oder nicht, dürfte vielleicht die Weiter- 
beobachtung in das spätere Lebensalter hinein treffen. Besonders 
wird darauf hingewiesen, daß spasmophile Latenzsymptome bei 
gleichzeitig bestehenden Krämpfen im späteren Kindesalter nicht 
zu der alleinigen Diagnose Spasmophilie berechtigen, sondern daß es 
sich sehr wohl um eine Kombination von Epilepsie und Spasmo- 
philie handeln kann. Blühdorn (Göttingen). 


Brokman, H. Die Todesursache während des Laryngospasmusanfalles. 
(Pedjatrja polska 2, Nr. 3, 1922.) 

Beim 6monatigen Säugling, der schlecht ernährt war und 
Übererregbarkeit des Nervensystems aufwies, beobachtete Verf. 
einen Laryngospasmusanfall, in dem während der mit Cyanose 
einhergehenden Apnöe die Herzaktion noch anhielt und trotz künst- 

Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 12 


178 Erkrankungen des Zentralnervensystems. Heft 2 


licher Atmung erst allmählich nach 5—6 Minuten aufhörte. Die 
Sektion ergab vollständig geschlossene Glottis, Hyperämie der 
Schädelorgane, der Thymus, Blutaustritte auf der Pleura und charak- 
teristischen Befund für Status thymico-Iymphaticus. Auf Grund 
. dieser Beobachtung bezweifelt Verf. die überwiegend vorherrschende 
Todeserklärung durch Herztetanie für alle Fälle und rät immer 
künstliche Atmung, Intubation bzw. Tracheotomie und im äußersten 
Falle intrakardiale Adrenalininjektion anzuwenden. 
Cieszynski (Warszawa). 


Saxl und Kurzweil (Neuyork). Das Betinässen dey Kinder. (Arch. oi 
pediatr. 40, 1923, S. 158.) 
Falls eine ätiologische Therapie nicht möglich ist, wird neben 
den üblichen Mitteln Atropin in Mengen von 0,5—1,5 mg pro Tag 
empfohlen. Rosenbaum. 


Fischer, Franz (Düsseldorf). Aus der Praxis zur Bekampfung der 
reinen Enuresis nocturna. (Med. Klinik 19, 1923, S. 142.) 
Neben den üblichen Maßnahmen verwandte der Autor Testes-, 
bei Madchen Ovarientrockenpraparate (der Firma Hormona) r bis 
3 Tabletten täglich steigend je nach Alter. Von 500 Fällen, die 
2—3 Monate lang behandelt wurden, blieben nur 21 unbeeinflußt. 
die durch 1—3 epidurale Injektionen mit 0,005% Novokain physio- 
logischer Kochsalzlösung geheilt werden. Rosenba u m. 


Szulizewski, B. Neue Gesichtspunkte für die Ätiologie der Chorca 
minor. (Pedjatrja polska 2, Nr. 3, 1922.) 

Verfassers Untersuchungen an einem größeren Material von 
Choreakranken ergaben, daß etwa in 60% der Fälle als allgemeine 
Grundlage für die Choreaentwicklung eine ‚‚nervöse Diathese‘“ be- 
stand, weil in der Anamnese Spasmophilie, „Sensationsbereitschaft“, 
Wahrheitsuntreue, Erziehungsfehler wie körperliche Strafen, Zärt- 
lichkeit beim einzigen Kinde, überhaupt ‚Nervosität‘ zu finden 
waren. Von diesem Standpunkte ausgehend, wandte Verf. die 
Psychotherapie an, die besonders in den zur Hysterie übergehenden 
Fällen Erfolg haben sollte. Cieszyński (Warszawa). 


Samet-Mandels, S. Beitrag zur Klinik und Behandlung der epidemi- 
schen Cerebrospinalmeningitis im Kindesalter. (Arch. de med. des 
enfants 26, 343.) 

In 2!/, Jahren kamen im Kinderkrankenhaus in Lodz 74 Fälle 
von Cerebrospinalmeningitis zur Behandlung. Die verschiedenen 

'Verlaufsarten werden an Hand eigener Beobachtungen besprochen. 

Die Behandlung mit Serum erweist sich als ausgesprochen wirksam, 

wenn sie zeitig einsetzt und der Art des Erregers angepaßt ist. Im 


Heft 2 Erkrankungen des Zentralnervensystems. 179 


Zweifelsfalle ist polyvalentes Serum vorzuziehen. Zur Verwendung 
kamen 30 bis 40 ccm Serum täglich. Die intralumbale Einführung 
war auch in solchen Fällen möglich und erfolgreich, wo die Lumbal- 
punktion keine Spinalflüssigkeit zutage förderte. Die Behandlung 
soll fortgesetzt werden, bis die Lumbalflüssigkeit keine Meningo- 
kokken mehr enthält und die polymorphkernigen Leukocyten daraus 
fast ganz verschwunden sind. H. Vogt. 


Collin, André und Réquin, Jeanne. Psychische Folgezustände der 
epidemischen Encephalitis im Kindesalter. (Arch. de med. des 
enfants 26, 265.) 


Unter 70 Fallen epidemischer Encephalitis beobachtete Comby 
eine Sterblichkeit von 10%, völlige Heilung bei 21%, Heilung mit 
bleibenden Folgezuständen bei 68%. Unter den zurückbleibenden 
Störungen waren Hirnreizerscheinungen mit 16,6%, vertreten, 
geistige Schwäche mit 25%, epileptische Zustände mit 21% und Be- 
wegungsstörungen `: mit 45%. Die Folgezustände der Encephalitis 
fallen verschieden aus je nach den Hirnabschnitten, die im einzelnen 
Falle betroffen sind, daneben aber auch je nach dem Alter des be- 
treffenden Kindes. Bis zum 7. Lebensjahr etwa. überwiegen die 
Zustände geistiger Riickstandigkeit, wahrend vom 7.—17. Lebensjahr 
Veränderungen des Charakters in den Vordergrund treten. Dahin 
gehören Erregungszustände mit triebartigen Handlungen, Neigung 
zu Gewalttätigkeit, auch male Erwachen des Geschlechts- 
triebes u. a. m. H. Vogt. 


Condat, Meningeale Form der Heine-Medinschen Krankheit. (Arch. 
de med. des enfants 26, 279.) 


Die meningeale Form der Heine-Medinschen Krankheit 
kann nur dann als solche erkannt werden, wenn sehr sorgfältig auf 
Lähmungserscheinungen gefahndet wird. Wie an Hand einer Kranken- 
geschichte belegt wird, können die Lähmungserscheinungen dabei 
so unbedeutend sein, daß sie nur bei sorgfältigem Nachsuchen ent- 
deckt werden. Die Lähmung wird durch Schmerzen in dem betreffen- 
den Glied angekündigt. Ein guter Teil der sog. gutartigen heilbaren 
akuten Meningitiden ist der Heine - Medinschen Krankheit zu- 
zurechnen. In dieser Form scheint die Krankheit vorzugsweise bei 
älteren Kindern aufzutreten. H. Vogt. 


Sahea, Prof. (Spital „Ravaschieri‘ Neapel.) Sulla cura chirurgica 
della paralisi infantile. (Die chirurgische Behandlung der Kinder- 
lahmung.) (La Pediatria 81, 1923, S. 382.) 

Verf. tritt dafür ein, daß beim paralytischen Pes varus zuerst 
die Transplantation der Sehnen und Muskeln vorzunehmen und erst 
dann die unrichtige Stellung zu korrigieren sei, da sie im gegen- 

12* 


180 Erkrankungen des Zentralnervensystems, Heft 2 


teiligen Falle dem Redressement starken Widerstand entgegensetzen, 
dessen brüske Überwindung schädlich sei. Tezner (Wien). 


Vollmer. Zur Pathogenese der genminen Epilepsie. (Klin. Wochenschr. 
2, Nr.9, S. 394. 1923.) | 
Im präparoxysmalen Stadium der genuinen Epilepsie ist die 
Phosphatausscheidung durch den Harn abnorm gering, die Harn- 
acidität ergibt dementsprechend ganz niedrige Werte, die pH-Werte 
liegen oft im stark alkalischen Bereich. Diese Einstellung des Stoff- 
wechsels im Sinne einer Alkalose deuten auf eine Stoffwechselbeschleu- 
nigung. Von der bei manifester Tetanie nachweisbaren Alkalose 
unterscheidet sich das Verhalten bei genuiner Epilepsie dadurch, 
daß sich bei der Tetanie eine Vermehrung der Phosphate im Blut 
nachweisen läßt, während dieses bei der Epilepsie nicht der Fall ist. 
Verf. nimmt an, daß sich bei der genuinen Epilepsie die im Blut 
nicht nachweisbaren Phosphate in den Muskeln anhäufen. Auch auf 
die Gehirnzellen dürften die retinierten Phosphate im Sinne einer 
Erregbarkeitssteigerung wirken, so daß die Phosphatretention in 
zweifacher Hinsicht krampfauslösend wirkt. Der Anfall führt 
durch Ausschwemmung der Phosphate zu einer vorübergehenden 
Selbstheilung des Organismus. - Wolff (Hamburg). 


Lemaire, L. Psychische Störungen bei der Tetanie im frühen Kindes- 
alter. (Le Nourrisson 11, Nr. 2, Marz 1923.) f 

Veränderungen des psychischen Verhaltens bilden ein recht 
häufiges Symptom der latenten oder manifesten Spasmophilie 
und können die einzige Störung sein, die die Eltern veranlaßt, ärzt- 
lichen Rat in Anspruch zu nehmen. Die Veränderungen betreffen 
die emotionelle Seite der psychischen Äußerungen in Gestalt von 
Wutanfällen und Schreckhaftigkeit; auch visuelle Halluzinationen 
kommen vor sowie Zustände von Pavor nocturnus. Die Kalk- 
therapie sowie die Darreichung von Lebertran wirken auf die psychi- 
schen Störungen prompt ein, was dafür spricht, daß sie als echte 
Manifestationen der Tetanie aufzufassen sind. 
= Wolff (Hamburg). 


Behrendt und Freudenberg. Über die Angriffspunkte der tetanigenen 
Reize. Beobachtungen bei der Atmungstetanie. (Klin. Wochenschr. 2, 
S.866, 1023.) 

Durch Beobachtungen und Versuche an Personen, bei denen 
durch forcierte Atmung das typische Bild der Tetanie sich entwickelt 
hatte, suchten Verff. die Frage zu lösen, welches Substrat den Angriffs- 
punkt des tetanigenen Reizes darstellt, den sie in dem Mangel an 
Ca-Ionen bzw. in einer Reizwirkung des Kaliums erblicken. Die 


Heft 2 Wachstumskrankheiten und Wachstumsstörungen. 181 


genaue Analyse der bei der Atmungstetanie auftretenden Symptome 
unter besonderer Berücksichtigung der Reihenfolge ihres Auftretens 
sowie ihres Verschwindens bei Nachlassen der forcierten Atmung 
läßt 3 Stadien der tetanischen Übererregbarkeit unterscheiden: 
zunächst den prätetanoiden Zustand, charakterisiert durch mecha- 
nische oder mechanische und anodische Übererregbarkeit, dann die 
latente Tetanie, zuletzt die manifeste Tetanie. Das erste Stadium 
scheint in nahen Beziehungen zur Vagotonie zu stehen. Durch Ab- 
binden eines Armes während des Atmungsversuches, wodurch die 
Steigerung der elektrischen Übererregbarkeit in dieser von der Zir- 
kulation ausgeschalteten Extremität hintangehalten wird, kann 
gezeigt werden, daß die Übererregbarkeit rein peripher ohne Mit- 
wirkung nervöser Zentren erfolgt. Ferner zeigte es sich, daß Aus- 
schaltung der höher gelegenen Strecken der efferenten Nervenbahnen 
durch Novokaininjektion in die Nervenstämme (Ulnaris und Radialis 
am Oberarm, Ulnaris und Medianus oberhalb des Handgelenkes) 
das Auftreten der tetanischen Übererregbarkeitssymptome nicht ver- 
hindert. Eine Steigerung der direkten galvanischen Erregbarkeit 
des Muskels während der Tetanie konnte nicht festgestellt werden. 
Die durch Kaliuminjektion in die Arterie oder in den Muskel be- 
wirkte erhöhte Bereitschaft zu Tetaniespasmen beim Menschen 
fassen die Verff. als Äußerung einer Tonussteigerung auf. Atropin- 
und Novokaininjektion in die Muskel setzen die Fähigkeit derselben, 
an den Spasmen teilzunehmen, deutlich herab. Diese Befunde 
sprechen dafür, daß die tetanigenen Reize an der rezeptiven Substanz 
angreifen und so zur tonischen Kontraktur führen. Im Anschluß an 
die Auffassung Franks von den parasympathischen Einflüssen auf 
die Muskulatur im Sinne einer Tonussteigerung, nehmen die Verff. an, 
daß die Spasmen die Äußerungen eines überwiegenden Vagustonus 
sind. Wolff (Hamburg). 


Wachstumskrankheiten und Wachstumsstörungen. 


Magnus und Duken. Über Rachitisbehandlung. (Arch. f. orthop. u. 
Unfall-Chirurg. 21, 1922, S. 43.) 

Die Orthopädie behandelt hauptsächlich Folgezustände der 
Rachitis, die sich in Deformierungen des Knochen äußern. Je älter 
sie sind, desto fester ist die neue Form stabilisiert. Die Frage, wel- 
ches der früheste Zeitpunkt ist für die Einleitung einer orthopädischen 
Behandlung, ist daher berechtigt, um so mehr, als die zurückbleiben- 
den Formfehler nicht nur Schönheitsfehler darstellen, sondern auch 
auf die Gelenkfunktion ungünstig wirken. Es ist sehr zu begrüßen, 
daß Kinderarzt und Orthopäde zusammen die Beantwortung im 
vorliegenden Artikel versuchen. — Für veraltete Fälle bleibt nur 
die blutige Operation als geeignetes Mittel. Solange das Individuum 


182 Wachstumskrankheiten und Wachstumsstörungen. Heft 2 


noch wächst, hilft die Möglichkeit der Wachstumskorrektur zur 
Verbesserung erheblich mit. Als Verfahren wird die lineare Osteo- 
tomie empfohlen. Die modernen komplizierten Operationen (Sprin- 
ger, Löffler u.a.) werden — mit Recht — als viel zu eingreifend 
und unnötig abgelehnt. Für die Nachbehandlung halten die Verff. 
kurzdauernde Ruhigstellung, lange dauernde Entlastung als wichtig. 
— Jüngere Kranke mit noch statischen Knochen werden durch un- 
blutige Redression behandelt. Wo der Knochen zu spröde geworden. 
wird er während 5—6 Wochen eingegipst, damit eine Inaktivitäts- 
atrophie mit Kalkabbau einsetze (Anzoletti und Röpke), wo- 
durch eine Durchbiegung ermöglicht wird. Um diesen rückläufigen 
Weg über absichtliche Knochenschädigungen zu vermeiden, werden 
die Deformitäten im floriden Stadium der Rachitis angegriffen. 
Im Zeitraum der schweren Allgemeinerkrankung ist an eine Korrek- 
tur allerdings nicht zu denken (Pneumoniegefahr, Furunkulose durch 
Gipsverband usw.). Vor allem ist es die Gefahr einer Narkose, der 
man Kinder im Zustande schwerster Erkrankung nicht aussetzen 
darf. Die Behandlung muß auf den Zeitpunkt verlegt werden, wo 
eine deutliche Heilungstendenz der Rachitis sich zeigt (Höhensonne), 
wo Kalkräume im Röntgenbilde der Epiphysen auftreten, wo der 
Stimmungsumschwung das verbesserte Allgemeinbefinden anzeigt. 
Der inaktivierte Einfluß des Gipsverbandes ist so gering, daß er von 
der Appositionstätigkeit des in Heilung befindlichen Knochens bei 
weitem übertroffen wird. | Debrunner (Berlin). 


Armand-Delille,P. F. Die Rolle des Sonnenlichtes in der Prophylaxe und 
Therapie der Rachitis. (Presse med. 14, 17. Februar 1923, S. 159.) 


Eine neue Auffassung der Pathogenese der Krankheit nach den 
letzten Arbeiten. Verf. kommt, hauptsächlich gestützt auf die 
Arbeiten amerikanischer Autoren, wie Hess und Kramer, zu dem 
Ergebnis, daß die Ernährung, besonders auch das Fehlen der Vitamine 
weder bei der Pathogenese noch bei der Therapie der Rachitis aus- 
schlaggebend ist. Sowohl der Phosphorkalkstoffwechsel wie auch die 
Ernährung des Knochengewebes werden nicht davon beeinflußt; dies 
geschieht nur durch die Einwirkung des Sonnenlichtes, dem die Kinder 
täglich mehrere Stunden, nackt oder sehr leicht bekleidet, ausgesetzt 
werden. Die Sonnenbehandlung hat sich prophylaktisch wie therapeu- 
tisch allen anderen Maßnahmen als überlegen erwiesen. Haber. 


Hess, A. F., und Unger, L. J. Sduglingsrachitss. Die Bedeutung klsns- 
scher, radiologischer und chemischer Untersuchungen für die Er- 
kennung und die Beurteilung ihrer Häufigkeit. (Americ. journ. of 
dis. of childr. 24, 1922, S. 327.) 


Das verläßlichste klinische Zeichen der Rachitis ist der Rosen- 
kranz, der nur den Nachteil hat, daß er auch bei geheilter Rachitis 


Heft 2 Wachstumskrankheiten und Wachstumsstörungen. 183 


noch bestehen bleiben kann. Die Röntgenuntersuchung der Epi- 
physen versagt oft zu einer Zeit, wo die Rachitis durch andere Unter- 
suchungsverfahren sichergestellt werden kann. Der Wert der Röntgen- 
untersuchung liegt besonders in dem sicheren Nachweis der beginnen- 
den Heilung. Der Gehalt des Blutes an anorganischen Phosphaten 
ıst im allgemeinen herabgesetzt, bevor die Röntgenuntersuchung und 
oft auch, bevor die Feststellung eines Rosenkranzes die Diagnose 
erlaubt. Doch ist herabgesetzter Phosphatgehalt des Blutes nicht 
unter allen Umständen beweisend für Rachitis, auch kann er gelegent- 
lich trotz Bestehens von Rachitis vermißt werden. Bei einer Gruppe 
wohlgenährter Brustkinder ergab die gegen Ende März ausgeführte 
klinische und radiologische Untersuchung, daß mehr als die Hälfte 
Rachitis hatten. Die Häufigkeit der Rachitis nimmt in der Zeit 
von Dezember bis März von Monat zu Monat zu. Untersucht man 
in der entsprechenden Jahreszeit und mit Aufbietung aller Hilfs- 
mittel (Röntgenstrahlen, chemische Untersuchung), so finden sich 
bei fast allen künstlich genährten Kindern Zeichen von Rachitis. 
7 H. Vogt. 


Calot, F. Die Osteochondritis auf dem Chirurgenkongreß. Der erbrachte 
Beweis, daß es sich dabei um eine verkannte angeborene MiBßbil- 
dung handelt. (Arch. de med. des enfants 26, 1923, S. 150.) 


Zwischen Bildern von ausgebildeter angeborener Luxation des 
Hüftgelenks und regelrechten Bildern finden sich alle Übergänge. 
In dies Bereich fallen auch sämtliche Fälle der sog. Osteochondritis. 
Eine genaue Überprüfung der Bilder des Hüftgelenkes von 3 solchen 
Fälle, die angeblich ein regelrechtes Verhalten vor Beginn der Er- 
krankung bewiesen, ergibt gleichfalls Abweichungen, die zur an- 
geborenen Hüftgelenksverrenkung zugerechnet werden müssen. 
Die Vorgeschichte der als Osteochondritis beschriebenen Fälle 
lehrt fast immer, daß von Geburt an Störungen im Gebrauch der 
Beine vorhanden gewesen sind. H. Vogt. 


Biehler, Matylda. Ein Fall von seltener Knochen- und Gelenkveran- 
derungen beim Säugling. (Pedjatrja polska 2, Nr. 3, 1922.) 
Ein vom 2. bis 9. Lebensmonat beobachteter Säugling hatte 
angeborenen. Mangel beider Hüftgelenke und biegsame sowie leicht 
brechliche Knochen, so daß Verf. angeborene Rachitis mit darauf 
sich entwickelnder Osteomalacie feststellte. Das Kind starb mit 
14 Monaten an Bronchopneumonie nach Masern ohne Sektion. 
Cieszynski (Warszawa). 
Duncker. Partieller Riesenwuchs und angeborenes Aneurysma. (Arch. 
f. orthop. u. Unfall-Chirurg. 21, 1922, S. 183.) 


Angeborener Riesenwuchs ist nicht selten. Uber seine Ursachen 
wissen wir vorläufig nichts. Um so mehr interessiert der beschriebene 


184 Wachstumskrankheiten und Wachstumsstörungen. Heft 2 


Fall, der eine Vergrößerung des rechten Fußes und Unterschenkels 
zusammen mit einem Aneurysma der Art. femoralis und iliaca 
externa darbietet. Auch nach traumatischem Aneurysma kann 
vermehrtes Längenwachstum auftreten. Damit ist ein weiterer 
Beweis dafür geliefert, daß vermehrter Blutzufluß oder chronische 
venöse Stauung (unter gewissen, uns noch nicht bekannten Um- 
ständen) das Wachstum anregen. Debrunner (Berlin). 


Aron. Aus der Pathologie des Wachstums im Kindesalter. (Klin. 
Wochenschr. 2, Nr. 8, S. 333.) 


Die Erkenntnis der das Wachstum beeinflussenden exogenen 
Faktoren (Ernährung, Krankheit, Jahreszeit, Klima, Lebensführung, 
Körperpflege, Sport) ist nicht nur von theoretischer, sondern auch 
von größter praktischer Bedeutung für manche Zustände im Kindes- 
alter. Der Hauptwert bei der Beurteilung der Körpermaße ist auf 
die Körperproportionen, auf die Art der Wuchsform zu legen. Die 
bei Kindern der wohlhabenden Stände, insbesondere der Stadt- 
bevölkerung nachgewiesenen höheren Zahlen für Länge und Gewicht 
gegenüber den entsprechenden Werten der ärmeren und besonders 
der ländlichen Bevölkerung sind, wenn man den Index ponderalıs 
als Ausdruck der Wuchsform zugrunde legt, das Kriterium einer 
rascheren Entwicklung, insbesondere des Längenwachstums; es 
handelt sich bei den Kindern höherer Stände um ein disproportionales 
Wachstum im Sinne des Hochwuchses, bei dem der Mangel an körper- 
licher Betätigung vielleicht ätiologisch zugrunde liegt. Die bekannten 
Klagen im Stadium des schnellsten Wachstums, die oft als Anämie 
erledigt werden, sind auf das einseitig beschleunigte Längenwachstum 
zurückzuführen. Hier kann man durch Verordnung passender 
körperlicher Arbeit, durch Einschränkung der einseitigen Eiweiß- 
ernährung versuchen, die Wachstumsreize etwas einzudämmen. 

Wolff (Hamburg). 


Aschenheim, Erich. Das Wesen der Rachitis. (Dtsch. med. Wochen- 
schr. 49, Nr. 3, S. 85. 1923.) 

Verf. steht ähnlich Stöltzner auf dem Standpunkt, daß das ent- 
scheidende pathogenetische Moment bei der Entstehung der Rachitis 
in innersekretorischen Störungen zu suchen ist, ohne allerdings für 
seine Ansicht genügendes Beweismaterial bringen zu können. Nach kri- 
tischer Besprechung der bisher aufgestellten wichtigsten Theorien über 
das Wesen der Rachitis kommt Verf. zu dem Schluß, daß keine der 
bestehenden Theorien mit der von ihtenen These einer pluriglan- 
dulären endokrinen Störung als letzter Ursacheder Rachitis in Wider- 
spruch steht. Fast alle neueren Erfahrungen über das Wesen der 
Rachitis sollen nach Ansicht des Verfassers logischerweise zu der von 
ihm vertretenen Theorie hinführen. Ernst Faerber (Berlin). 


Heft 2 Wachstumskrankheiten und Wachstumsstörungen. 185 


Wengrat, Fritz. Über Rachitis und Wachstum. I. Mitteilung. Aus 
der Reichsanstalt für Mutter- und Säulingsfürsorge, Wien. (Zeit- 
schr. f. Kinderheilk. 34, S. ı.) 


Die ganz abnormen Ernährungsverhältnisse der Wiener Kinder 
nach dem Kriege gaben Verf. Gelegenheit, auf einem indirekten 
Wege der Frage der Rolle des Vitamin A als Wachstumsfaktor beim 
Menschen nachzugehen. Fünf rachitische, hypotrophische, teilweise 
übererregbare Kinder, aus den ärmsten Wiener Bevölkerungskreisen 
stammend, alle extrem milcharm, daneben aber auch fett- und eiweiB- 
arm ernährt, hat Verf. in einer ersten Periode mit einer A-vitamin- 
armen (Magermilch, feinstes Weizenmehl Schweineschmalz), in einer 
zweiten Periode mit A-vitaminreicher Kost (Vollmilch, Butter) 
ernährt. Gewicht sowohl wie Längenwachstum, die beide während 
der ersten Periode gleich Null waren, wurden durch die zweite Kost- 
form in einer normale Verhältnisse noch übertreffenden Weise be- 
einflußt. Außerdem wurden die jeweils A-vitaminfrei ernährten 
Kinder gehäuft von Infektionen befallen, während die übrigen Kinder 
der Station verschont wurden. Die Ursache hierfür sieht Verf. 
ebenfalls in dem Unterschied der Kostform. Durch besondere Ver- 
suche an vier willkürlich gewählten Kindern schließt Verf. den etwa 
erhobenen Einwand aus, daß unterernährte Kinder ähnlich dem 
atrophischen Säugling ein KReparationsstadium durehzumachen 
hätten. Beck (Tübingen). 


Wengraf, Fritz, u. Barchetti, Karl von. Über Rachitis und Wachstum. 
II. Mitteilung. Aus der Reichsanstalt für Mutter- und Säuglings- 
fürsorge Wien. (Zeitschr. f. Kinderheilk. 34, S. 14.) 


Sämtliche Kinder der ersten Mitteilung wiesen neben den 
übrigen Symptomen äußerst schwere Zeichen von Rachitis auf. 
Nachdem ein ätiologischer Zusammenhang zwischen dem fettlös- 
lichen akzessorischen Faktor und der Wachstumshemmung fest- 
gestellt war, lag der Gedanke nahe, die Besserung der Wachstums- 
verhältnisse mit der Heilung der Rachitis in Zusammenhang zu 
bringen. Als Zeichen der Veränderung des rachitischen Prozesses 
werden sowohl Änderungen des Symptomenkomplexes der ‚cere- 
bralen Rachitis‘ der Czernyschen Schule wie auch im Röntgenbild 
nachgewiesene Veränderungen des rachitischen Knochenprozesses 
herangezogen. Röntgenuntersuchungen in 6 Fällen bestätigen in 
der Tat, daß die Rachitis bei A-vitaminreicher Kost gebessert bzw. 
geheilt wurde. Auch der Symptomenkomplex der cerebralen Rachitis 
wurde durch zwei verschiedene Kostformen so auffällig beeinflußt, 
daß die Zugehörigkeit dieser Symptome (Apathie, Bewegungsunlust, 
Reizbareit) zu den Ausfallserscheinungen durch Vitaminmangel 
bewiesen erscheint, wie auch der Schluß erlaubt ist, daß die erwähnte 
Wachstumshemmung rachitischer Natur war. Beck (Tübingen). 


186 Wachstumskrankheiten u. Wachstumsstérungen — Vitamine. Heft 2 


Ambrozig, Matija, und Wengrat, Fritz. Über Rachitis und Wachs- 
tum. III. Mitteilung. Aus dem Institut für experim. Pathol. und 
der Reichsanstalt für Mutter- und Säuglingsfürsorge Wien. 
(Zeitschr. f. Kinderheilk. 34, S. 24.) 


Wachstumshemmung, Rachitis und Mangel an fettlöslichem, 
akzessorischem Nahrungsstoff stehen in enger Wechselbeziehung 
zueinander. Bei Fehlen von Vitamin Bin der Kost sistiert das Wachs- 
tum z. B. junger Ratten sofort, während sich bei Fehlen von Vit- 
amin A, auch nach noch so gründlicher Reinigung der Nahrung 
auch von den letzten Spuren von Vitamin A ein gewisses Stadium 
des Weiterwachsens nicht ganz ausschalten läßt. Verff. versuchen 
festzustellen, ob in dieser Periode schon irgendwelche histologischen 
Veränderungen vorliegen. Junge Ratten werden auf die Dr um mond- 
sche A-vitaminarme Kost gesetzt. (Casein Hammarsten 20 Teie, 
Reisstärke 55 Teile, Salzgemisch ı5 Teile, gehärtetes Fett ı5 Teile, 
Marmite 5 Teile.) Kontrolltiere bei sonst gleicher Nahrung statt 
Pflanzenfett Lebertran. Nach 3 Wochen deutliche Wachstums- 
hemmung der Versuchstiere gegenüber den Kontrolltieren. Nach 
7 Wochen erkranken zwei der Tiere an Keratomalacie, alle Tiere 
sind viel kleiner als die Kontrolltiere, Gebiß brüchig, das Fell raudig. 
Die Tiere wurden in wöchentlichen Intervallen mit Chloroform 
getötet. Histologische Untersuchung des Skeletts. Nach 7 Tagen 
(„kurzfristige Periode‘‘) akut einsetzende Störung der Kalkverhält- 
nisse im Gebiet der provisorischen Verkalkungsschicht (P. V.). 
Nach weiteren 7 Tagen pathologische Vermehrung des Osteoids. 
Nach 21—36 Tagen (,‚mittelfristige Periode‘‘) Störung der enchon- 
dralen Ossification. Nach 47—55 Tagen steht die enchondrale 
Ossification völlig still. Die Knorpelwucherung setzt aus. Die 
P.-V. wird enorm niedrig und verkalkt. Infolge schwerst gestörter 
Wachstumsverhältnisse reichen die schwer gestörten Kalkverhält- 
nisse noch zu völliger Verkalkung der P.-V. (vgl. McCollum, 
„Heilung der Rachitis‘ durch Hunger). Die Auffassung der Rachitis 
als Hypovitaminose macht die chronische Natur des Leidens ver- 
ständlich, während avitaminotische Fälle wie diese nach Verf. als 
akute Rachitis aufzufassen sind. Beck (Tübingen). 


Vitamine. 


Lesn& und Dubrenilhe. Über die antiskorbutische Kraft der verschiedenen 
Milchantetle. (Le Nourrisson 11, 172. 1923.) 

Versuche am Meerschweinchen. Entrahmte Milch wirkt anti- 
skorbutisch, Kasein und Butter nicht; Molke wirkt antiskorbutisch, 
muß also neben Milchzucker und Salzen noch ein Vitamin enthalten. 

Rosenbaum. 


Heft 2 Vitamine. 187 


Hayashi, Yuzo. Experimentelle Studien über die Entstehung des Xeroph- 
thalmus beim Kaninchen. (The tohoku journ. ofexp. med. 8, Nr. 1, 2. 
1922.) | 

Verf. stellte seine Versuche an Kaninchen an, die er mit dem Rück- 
stand von gekochten Sojabohnen gefüttert hat. Das Futter wurde 
vorher auf 120—130° C erhitzt. Die charakteristischen Augenerschei- 
nungen traten bei den Tieren nach IO—90 Tagen auf. Schon frühzeitig 
konnte Verf. im histologischen Bild die degenerative Veränderung 
der Epithelschicht der Cornea feststellen. Im Stadium der Ulceration 
ist auch bei der histologischen Untersuchung eine starke leukocytäre 

Infiltration nachweisbar. Im Gegensatz zuGoldschmidt fand Verf. 

die Augenveränderungen bereits in einer Zeit auftreten, wo die Tiere 

an Körpergewicht noch zugenommen haben. Schiff. 


Powers, G. F., Park, E. A., and Simmonds, N. The influence of radiant 
energy upon the development of xerophthalmia in rats. (Der Einfluß 
der Bestrahlung auf die Entwicklung von Xerophthalmie bei Ratten.) 
(The journ. of biol. chem. 45, Nr. 4, S. 575. 1923.) 

Die Verff. haben sich die Frage vorgelegt, ob es gelingt, bei ent- 
sprechender Diät durch die Bestrahlung die Xerophthalmie ähnlich 
zu verhüten, wie die Rachitis. Junge Ratten wurden auf eine Rachitis 
und Xerophthalmie erzeugende Kost (Nr. 3127) gesetzt und in 4 Grup- 
pen geteilt. Die eige Gruppe der Tiere wurde bei gewöhnlichem Zim- 
merlicht im Laboratorium gehalten, die zweite im Dunklen, die 
dritte Gruppe von Tieren wurde mit Ultraviolettlicht bestrahlt, die 
vierte Gruppe wurde täglich ca. 4 Stunden lang dem Sonnenlicht 
ausgesetzt. Unter ähnlichen Bedingungen wurden Ratten auf eine 
nur Xerophthalmie erzeugende Diät gesetzt (Nr. 3392). Sowohl bei 
der einen wie auch bei der anderen Diät bekamen die Tiere, die im 
Dunklen, bei gewöhnlichem Licht gehalten und mit Ultraviolett- 
strahlen bestrahlt wurden, bald die Xerophthalmie und gingen ein, 
Bei der Kost Nr. 3127 verhinderte die Ultraviolettbestrahlung wie 
auch das natürliche Sonnenlicht die Rachitis, während die Tiere, 
die bei gewöhnlichem Licht und im dunklen gehalten wurden, rachi- 
tisch geworden sind. Ultraviolettlicht, bei einer Bestrahlungsdauer 
von täglich 30—60 Minuten, hatte die Tiere vor der Xerophthalmie 
nicht geschützt. Bei Ratten, die dem Sonnenlicht ausgesetzt waren, 
entwickelte sich die Xerophthalmie erst später und in milderer Form 
als bei den anderen Tieren. Die Xerophthalmie, die bei den sonnen- 
bestrahlten Tieren bei der Diät 3392 auftrat, verlief viel schwerer 
als bei der Diät Nr. 3127. Während also das Sonnenlicht das 
imLebertranvorhandeneantirachitische Prinzipersetzen 
kann, ist es nicht imstande, das ebenfalls im Lebertran 
vorhandene Xerophthalmie verhütende Prinzip zu er- 
setzen. Schiff. 


188 Haut. Heft 2 


Haut. a 


Hornhardt, Fritz. Ein Beitrag zur Frage der Erythrodermia desquama- 
tiva. (Aus der Universitäts-Kinderklinik ın Göttingen.) (Doktor- 
dissertation 1921.) 


Kasuistische Mitteilung von 3 Fallen, die sich durch das Be- 
stehen von Odemen bzw. Anämie auszeichnen. Zwei Säuglinge er- 
lagen der Krankheit, die in allen 3 Fällen mit Magen-Darmstörungen 
einherging. Diese Fälle unterscheiden sich von den übrigen durch 
den chronischen Verlauf und die bestehenden Ödeme, welch letztere 
gerade auch bei Brusternährung auftreten. Sie sind zum mindesten 
prognostisch wahrscheinlich auch nosologisch anders zu bewerten. 


Blühdorn (Göttingen). 


Haushalter, P. Langdauernde fieberhafte Urticaria. Desensibilisse- 
rung. (Arch. de méd. des enfants 26, 1923, S. 165.) 


Ein 8jähriges gesundes Mädchen, das ein Jahr zuvor nach 
Genuß von Erdbeeren an vorübergehender Urticaria gelitten hatte, 
erkrankt an hohem Fieber, das regelmäßig in den Nachmittags- 
stunden einsetzt, eingeleitet durch einen Schub von Urticaria. Das 
Fieber erreicht 39,5—40°. Dieser Zustand dauerte trotz Behand- 
lung einen Monat unverändert an. Da das Kind wenige Tage vor 
Ausbruch der Erkrankung frische Austern verzehrt hatte, wurde 
der Versuch gemacht, durch Zufuhr einiger Tropfen Wassers, in 
dem eine Auster verrieben war, eine Desensibilisierung herbeizufüh- 
ren. In der Tat hörte nach einigen Tagen das Fieber auf. In der 
väterlichen und mütterlichen Familie des Kindes waren Fälle von 
Urticaria nach Genuß bestimmter Nahrungsmittel (Fischkonserven, 
Spargel) vorgekommen. H. Vogt. 


Gillot, V., Fulconis, M., Attias, Mlle. Mongolenfleck in Algier. (Arch. 
de méd. des enfants 26, 1923, S. 170.) 


Unter 1450 in der Kinderklinik in Algier untersuchten Kindern 
hatten 67 einen Mongolenileck. Nie wurde er bei blonden Kindern 
angetroifen. In einer Familie mit ro Kindern hatte nur eines einen 
Mongolenfleck. H. Vogt. 


Langmead (London). Die Beziehungen einiger seltener Erkrankungen 
zueinander. Generalisierte Sklerodermata, Calcınosıs, Dermato- 
myositis, Myositis fibrosa. (Arch. of pediatr. 40, 1923, 
S. 112.) 

Die erwähnten Konstitutionsanomalien, zu denen noch Ray- 
mondsches Phänomen kommt, sind vielfach miteinander kombiniert. 


Rosenbaum. 


Heft 2 Haut. 189 


Hescheles, J. Klinische Untersuchungen über das Verhalten der 
Kinderhaus nach Flohstichen. (Pedjatrja polska 2, Nr. 4, 1922.) 


Die kindliche Haut reagierte auf experimentelle Flohstiche bei 
I2 Kindern von 2—12 Jahren in 8 Fällen mit einem Fleck (Reactio 
ruamlosa) und in 4 Fällen mit einer Blase (Reactio urticata), was 
von der Konstitution des Kindes allein abhing. Die Haut der ein- 
zelnen Körperteile reagierte nicht gleichmäßig. Durch wiederholte 
Stiche an derselben Hautstelle ließ sich eine Abschwächung der 
Reaktion, eine gewisse Allergie erreichen, aber die Reaktionsform 
blieb ungeändert. Cieszynski (Warszawa). 


Hennig, R. Vuztntherapte bei Hauterkrankungen der Säuglinge und 
Kinder in der Universitäts-Kinderklinik Göttingen (Prof. Göbbert). 
(Doktordissertation 1920.) 

Die Arbeit berichtet über die Behandlung von Furunculose, 
Impetigo contagiosa, Scabies und exsudat-diathetischem Ekzem 
mit Vuzin in Konzentrationen stärker als in der Chirurgie üblich, 
d.h. in I—2proz. Salben oder Spiritus-Glycerinlösungen. Kranken- 
geschichten von Furunculosefällen zeigen vergleichend mit Zink- 
oder essigsaurer Tonerde-Salben deutliche Virulenzschwächung, 
Wachstumshemmung und antileukotaktische Wirkung des Vuzins 
besonders in 2 proz. Salbenform. Von der Behandlung mit Alkohol- 
Gilycerin-Vuzinverbänden (Dauer bis 20 Stunden) wird abgeraten, 
da akute Dermatitis durch Alkohol auftrat. Bei zweimaligem Be- 
tupfen, täglich einige Minuten, jedoch gute Erfolge. Als Ursache 
wird die durch Glycerin bewirkte bessere Permeabilität der Epi- 
dermis mit kesserer Resorption des Vuzins angenommen. Auffallende 
Juckreizlinderung, glatte Narbenbildung. Alkohol-Vuzinlösung 1% 
keine Reizerscheinung, aber auch ohne Erfolg. Impetigo contagiosa: 
Keine Verbreiterung der Erkrankung am Körper durch desinfizierende 
Wirkung des Vuzins, deutliche Milderung des Juckreizes, schnelle 
Abheilung und Herabsetzung der Kontagiosität sprechen sehr für 
Vuzin in I—2 proz. Salbenform. Zwei Fälle von exsudativer Diathese: 
Kein Erfolg, deutliche Hautreizung. Pemphigus: gute Erfolge wie 
bei Furunculose. Scabies: wie vermutet mit Vuzin kein Mittel zur 
Abtötung der Krätzemilbe. Deshalb keine Anästhesierung. — 
Die vorgenommenen Versuche sprechen für die Behandlung mit 
Vuzin bei Erkrankungen der Haut der Kinder hervorgerufen durch 
Staphylo- bzw. Streptokokken. Beste Applikation in I—2proz. 
Salbenverbänden. Schwab (Göttingen). 


Keilmann, Klaus. Circumscripte, symmetrische Feitsklerose im Säug- 
lingsalter. Städt. Kinderheim Frankfurt a. M. (Zeitschr. f. Kinder- 
heilk. 83, S. 298.) 

Bei einem typischen Fall von Säuglingssclerodermie bei einem 

11 Tage alten Säugling ergab die Probeexcision aus dem Oberschenkel 


190 Haut. ` Heft 2 


in der Hauptsache nur eine Veränderung im subcutanen Fett. 
gewebe. Die äußeren Hautschichten waren völlig intakt, an der 
Peripherie der Fettläppchen fanden sich ödematöse Quellung der 
zwischen den Fettläppchen gelegenen Septen mit Fibroblasten, 
Fremdkörperriesenzellen und zahlreichen nadelförmigen Gebilden, 
die als Fettsäurenadeln gedeutet werden. Kaum einige gelappt- 
kernige Leukocyten. Verf. nimmt an, daß das Primäre der Erkran- 
kung vielleicht in irgendeiner chemischen Zersetzung des Fettes 
innerhalb der Fettzellen zu suchen ist. Dadurch soll ein Reiz auf 
die Umgebung ausgeiibt werden, der eine Wucherung von jugend- 
lichen Fettzellen, von Fibroblasten und die Entstehung von Riesen- 
zellen auslöst, Es besteht ein prinzipieller Unterschied hinsichtlich 
des klinischen Verlaufs und anatomischen Befundes zwischen der 
Sclerodermie der Säuglinge und der der Erwachsenen. Ätiologie 
unbekannt. | Beck (Tiibingen). 


Rautenberg, E. Peliosis rheumatica. (Dtsch. med. Wochenschr. 49, 
Nr. 4, S. 112. 1923.) 

23 Fälle von Peliosis rheumatica bei Erwachsenen konnten 
durch endolumbale Einspritzung von 4 ccm 0,5proz. Novocain- 
NaCI-Lösung sofort geheilt werden. Das klinische Bild (symmetrni- 
sches Auftreten an den unteren Extremitäten) sowie die therapeu- 
tischen Erfolge sprechen dafür, daß der Sitz der Erkrankung zentral 
(spinal) zu suchen ist. Bei mikroskopischer Untersuchung von Haut- 
stücken mit Peliosisflecken ergab sich, daß es sich hauptsächlich 
um Capillarerweiterungen mit Exsudation seröser leukocytenhaltiger 
Flüssigkeit handelt und daß eigentliche Blutungen nur in geringem 
Umfange vorhanden sind. Ernst Faerber (Berlin). 


Comby, Jules. Das Erythema nodosum im Kindesalter. (Arch. de 
med. des enfants 26, 329.) 


Gestützt auf die Beobachtung von 172 Fällen bespricht Comby 
das Erythema nodosum, das nach seiner Auffassung als selbständige 
Krankheit aufgefaßt werden muß. Die Beziehungen zur Tuberkulose 
sind so zu verstehen, daß diese wie andere Infektionskrankheiten 
(Masern, Grippe, Typhus) das Auftreten des Erythema nodosum 
begünstigen kann. Andererseits kommt es vor, daß eine bis dahin 
ruhende Tuberkulose durch ein Erythema nodosum zu neuer Aus- 
breitung angefacht wird. Die Häufigkeit des Erythema nodosum 
ist abhängig von der Jahreszeit. Während auf die Sommermonate 
nur ıg Fälle entfielen, kamen 57 im Frühjahr und 45 im Herbst 
zur Beobachtung. Mädchen werden stärker betroffen als Knaben 
(113 gegen 59 Fälle). Die ersten 2 Lebensjahre waren nur mit 5 Fällen, 
das 3. bis 5. Jahr mit 48, das 6. bis 10. mit 75 und das 11. bis 15. mit 
42 Fällen beteiligt. Ganz überwiegend waren (104 Fälle) an der 


Helt 2 Mund, Nase, Ohr, Kehlkopf. IQI 


Erkrankung die Beine ausschließlich beteiligt, nicht selten (67 mal) 
Arme und Beine und nur einmal ausschließlich die Arme. Der Aus- 
gang .der Erkrankung ist fast immer günstig, wenn sich auch die 
Erholung länger hinziehen kann. = H. Vogt. 


Mund, Nase, Ohr, Kehlkopf. 


Tanturri, O. Seltener, aus der Nasen-Rachenhöhle eines zweijährigen 
Kindes entfernier Tumor. (La Pediatria 30, April 1922, Nr. 7, 
S. 302.) Ä 

Das Kind litt seit der Geburt an schweren Schling- und Atem- 
beschwerden; mit dem Finger ließ sich eine harte, glatte, gut ab- 
grenzbare, am Keilbeinkörper haftende Masse von Nußgröße pal- 
pieren, die das Cavum ausfiillte. Nach der vom Autor beschriebenen 

Methode wurde der Tumor mit einer gliihenden, mittels eines Kathe- 

ters durch die Nase eingeführten Schlinge entfernt; es handelte sich 

um ein Fibrom mit beginnender sarkomatöser Entartung. 
Tezner (Wien). 


Przedborski, J. Einige Worte über Koryza bei Sauglingen. (Pedjatrja 
polska 2, Nr. 3, 1922.) 

Als Beispiel dafür, daß der gewöhnliche Nasenkatarrh als Hinder- 
nis für den Saugakt die Ursache einer schweren Entwicklungshem- 
mung werden kann, führt Verf. einen poliklinischen Fall beim 23 tägi- 
gen Säugling an, bei dem der vollständig atrophische Zustand durch 
Beseitigung des Saughindernisses in der Nase mittels Protargol 
und Adrenalin während Io Tage zum normalen übergeführt werden 
konnte (470 g Gewichtsansatz). Cieszynski (Warszawa). 


Gerstenberger, H. J., und Dodge, C. T. J. Die Verwendung strahlender 
Warme — des Lichtes — zur Behandlung der Mittelohreniziindung. 
(Americ. journ. of dis. of childr. 24, 1922, S. 320.) 


Die Behandlung, bestehend in täglicher Bestrahlung des Ohres 
in einem Abstand von Io cm und einstündiger Dauer, nach voraus- 
gegangener Reinigung des Gehörganges, hatte den Erfolg, daß es 
bei Fällen, die schon mindestens 4 Wochen lang vorher ohne Erfolg 
behandelt worden waren, zu sofortiger Beseitigung der Beschwerden 
und nach durchschnittlich 8, 7 Bestrahlungen zum Versiegen der 
Absonderung und Heilung des Trommelfells kam. H. Vogt. 


Hohlfeld. Erfahrungen mit der Intubation. Die Schluckstérung. (Jahrb. 
f. Kinderheilk. 97, 1922, S. 320.) 


Intubierte Kinder verschlucken sich leicht oder wollen nicht 
schlucken. Der Tubuskopf hindert beim Schlucken den VerschluB des 


192 Mund, Nase, Ohr, Kehlkopf. Heft 2 


Kehlkopfeinganges. Er läßt den Kehldeckel nicht an die Stimmbänder 
heran, und diese selbst werden durch den Hals des Tubus ausein- 
andergedrängt, die Stimmritze kann nicht geschlossen werden. Die 
Störung wird bei flüssiger Nahrung stärker als bei breiiger, denn diese 
überbrückt gewissermaßen die undichten Stellen des Kehlkopfein- 
ganges. A. Peiper. 


Seifert. Erfahrungen mit der Tracheotomia inferior bes kindlicher 
Larynxdiphtherie. (Zentralbl. f. Chir. 49, Nr. 17, April 1922, 
S. 585.) 

Verfasser empfiehlt auf Grund von 139 operierten Fällen die 
Tracheotomia inferior als Methode der Wahl bei der Larynxdiphtherie 
der Kinder. Die Tr. superior ist durchaus nicht technisch wesentlich 
einfacher als die inferior, wie gewöhnlich behauptet wird. Nachteile 
der Tr. sup. sind: Erschwertes Decanulement, Verbiegungsstenosen, 
Stimmstörungen. Die Vorteile der Tr. inf. dagegen: Leichtes Decanu- 
lement, Schonung des Ringknorpels und des Stimmapparates. Der 
Hauptvorwurf, der der Tr. inf. gemacht wird, ist die Gefahr der — 
meist tödlichen — Nachblutung. Unter den 139 Fällen des Verf. 
war nur I Fall von Nachblutung (= 0,71%). — Gestorben sind im 
ganzen 33 (= 23,7%). Todesursache hauptsächlich Bronchitis und 
Bronchopneumonie; außerdem Sepsis, Miliartuberkulose, Schrumpf- 
niere, Herzstörungen-und Marasmus. — Das Decanulement erfolgte 
frühzeitig, im allgemeinen zwischen 2. und 5. Tag. 

K. Wohlgemuth (Berlin). 


Viggo, Schmidt. Adenoide Vegetationen und exsudative Diathese. 
(Hospitalstidende 1923, S. 318.) 

193 Kinder mit adenoiden Vegetationen wurden in der oto- 
Jaryngologischen Klinik untersucht. Von diesen waren nur Ig unter 
5 Jahre alt. Nur 5 mn sichere Zeichen der exsudativen Diathese 
dar. Hertz (Kopenhagen). 


Wiliams, F. H. Die Curtotherapie bei Hypertrophie der Gaumen- 
mandeln. (Paris méd. 5, Februar 1923, S. 110.) 


Verf. behandelte ror Fälle von Gaumenmandelhypertrophie 
mit Radium mit dem Erfolge, daß die Mandeln im Volumen redu- 
ziert wurden, Rezidive von Entzündungen verhindert wurden und 
etwa bestehender Rheumatismus günstig beeinflußt wurde, während 
alte Kardiopathien nicht gebessert werden konnten. Irgendeine Ge- 
fahr besteht nicht, geringe Reaktionen waren schnell vorübergehend. 
Jede Mandel wurde 10— 20 Minuten lang mit 50 mg Radiumbromure 
bestrahlt je nach dem benutzten Filter, das 0,29, 0,58 oder 0,87 mm 
dick war. Die Anwendung ist einfach für den Patienten, es genügt, 
den Mund offen zu halten, während der Arzt den Applikator gegen 


Heft 2 Mund, Nase, Ohr, Kehlkopf. 193 


die Tonsille halt. Der Apparat ist von Zeit zu Zeit zu entfernen, 
damit der Patient den Speichel entleeren kann. Eine Cocaineinpinse- 
lung bei empfindlichen Patienten erübrigt sich in den meisten Fällen, 
Häufig genügt eine Sitzung, um die Hypertrophie zu beseitigen. Der 
Erfolg zeigt sich nach 2—3 Tagen; bei anderen Fallen sind 2—3 Sitzun- 
gen im Intervall von 2—3 Wochen nötig. Besonders empfehlenwsert 
ist die Methode für Erwachsene, bei denen eine chirurgische Behand- 
lung aus manchen Gründen nicht ratsam ist. Haber. 


Morgan, Edward A. Geschwürsge Mundhohlenentziindung und ihre 
_ Behandlung mit intravenösen Arseneinspritzungen. (Americ. journ. 
of dis. of childr. 25, 354.) 


Die auf Infektion mit dem Plaut-Vincentschen Erreger 
beruhenden geschwürigen Erkrankungen der Mundhöhle finden sich 
nur bei Kindern, die bereits Zähne haben. Der Erreger ist an gesun- 
den Zähnen bei 25 Untersuchungen 4 mal, an kranken Zähnen dagegen 
bei 90% der Fälle nachgewiesen worden. Die Erkrankung beginnt 
meist plötzlich, sie geht mit schweren Allgemeinerscheinungen, 
Fieber, mangelnder EBlust, Kopfschmerzen einher und führt zu 
Schwellung der Schleimhaut, die leicht blutet, und zu Nekrosen, 
besonders am Zahnrand. Durch intravenöse Behandlung mit Neo- 
arsphenamin wurde durchschnittlich in 5—6 Tagen Heilung erzielt. 
Von dieser Form der geschwürigen Mundentzündung ist eine andere 
abzutrennen, bei der es sich um oberflächlichere Geschwüre handelt, 
die an der Schleimhaut der Zunge und der Wangen auftreten, mit 
einem grauen Exsudat bedeckt sind und im Gegensatz zu den bei 
Angina Vincenti vorkommenden mit polymorphkerniger Leuko- 
cytose einhergehen. Sie werden durch Kali chloricum gut beeinflußt. 
: H. Vogt. 


Hohlfeld, M. Erfahrungen mit der Intubation. V. Die falschen Wege. 
(Aus der Universitäts- Kinderklinik in Leipzig. Jahrb; f. Kinder- 
heilk. 101, 1923, 349.) 

Galatti hob hervor, daB nur ,,unmaBig forziertes, ungeschicktes 
Vorgehen“ zu einem falschen Weg führen kann. Verf. verzeichnet 
unter 428 Intubationen 4 Todesfälle, alle in der zweiten Hälfte der 
Beobachtungen, trotz Kenntnis und Beherrschen der Technik. Sek- 
tion ergab stets den falschen Weg im Sinus Morgagni. Asphyxie 
kann klinisch fehlen, wie ein Fall zeigt. Widerstand bei der Ein- 
führung des Tubus erklärt sich wahrscheinlich durch Stimmbänder- 
krampf. In solchen Fällen seitliches Abweichen bei Anwenden von 
Druck, den leichter der Geübtere wagt. Jede Gewalt ist unerlaubt, 
ım Fall eines Widerstandes ist Narkose bei der Intubation oder recht- 
zeitige Tracheotomie zu wählen. W. Gottstein. 


Monatsschrift fir Kinderheilkunde. XXVII. Band. 13 


194 Chirurgie. Heft 2 


Chirurgie. 


Hagenbuch, M. Beitrag zur Osteochondritis deformans caxae iuvenilis 
(Perthes). (Deutsche Zeitschr. f. Chirurg. 169, H. 3/4, 1922, 
S. 289.) 

Beschreibung eines Falles von doppelseitiger Perthesscher 

. Krankheit der Hüfte bei einem ı2jährigen Mädchen. Die Erkrankung 
trat zunächst an der linken, nach einem Jahre an der rechten Hüfte 
auf. Während links unter Abduktionsgipsverbänden vollkommene 
klinische Heilung eintrat, blieb rechts.eine Ankylose des Hüftge- 
lenkes zurück. Der ganze Verlauf sowie der klinische Befund (Fieber!) 
der Erkrankung wies im vorliegenden Falle mit großer Wahrschein- 
lichkeit auf einen entzündlichen Prozeß hin, ein ätiologisch be- 
deutsames Moment. L. Frosch (Berlin). 


M. Bergamini. Osteosarkom des Wadenbeins. (Clinic. Pediatr. Jahrg. 
IV, H. ı.) 


Mitteilung einer Krankengeschichte, an der zwei Tatsachen be- 
achtenswert sind: I. die Entwicklung eines Osteosarkoms, das inner- 
halb von 9 Monaten zum Tode führt; ein 3 Monate vorher erlittenes 
Trauma ist in nicht ganz sicheren Zusammenhang damit zu bringen. 
2. war die Mutter der rojahrigen Pat. an einem malignen Tumor 
(Uterus-Ca) gestorben. Diesen beiden Dingen kommt ein gewisser 
ätiologischer Wert zu. Die Mehrzahl der Autoren gibt grade beim 
Sarkom, mehr als bei anderen Neubildungen, die Möglichkeit einer 
traumatischen Entstehung zu, besonders dann, wenn nicht weniger 
als 3 Wochen nach erlittenem Trauma und nicht mehr als 2 Jahre 
nach demselben die Neubildung in die Erscheinung tritt. Die para- 
sitäre Theorie kann sich der traumatischen sehr wohl zugesellen, in- 
sofern als ein Trauma zur Entwicklung der Keime sehr viel beitragen 
kann. Wegen der Verschiedenheit der histologischen Struktur er- 
scheint im vorliegenden Falle die mütterliche Neubildung ein Element 
von zu ungewissem Wert, um es als Argument zugunsten der direkten 
Heredität verwerten zu können; höchstens könnte man von einer 
generellen hereditären Prädisposition sprechen. Als praktische Folge- 
rung des mitgeteilten Falles gilt der Hinweis auf die Wichtigkeit der 
rechtzeitigen Diagnosenstellung. Sie allein ermöglicht die ausgiebige 
Entfernung der Neubildung, bevor es zum Auftreten von Metastasen 
kommt. Held (Berlin). 


Davis, Clara. Zwerchfellbruch bei einem Neugeborenen. Americ. joum. 
of dis. of childr. 24, 1922, S. 356.) 

Bericht über einen Fall von linksseitigem Zwerchfellbruch, bei 

dem die Diagnose am 8. Lebenstage mit Hilfe der physikalischen 


Heft 2 Orthopädie. 195 


Untersuchung gestellt und durch Röntgenuntersuchung gesichert 
werden konnte. Tod mit 5 Monaten; keine Leichenöffnung. 
| H. Vogt. 


Orthopädie. 


Bradford, E. H. Das Redressement des angeborenen Klumpfußes. 
(New York med. journ. 7. Februar 1923, S. 159.) 


Beschreibung eines Instrumentes zum Redressement des an- 
geborenen Klumpfußes. In einigen Fällen besteht die Notwendig- 
keit, den am Malleolus int. ansetzenden, sehr straffen Bandapparat 
Zu durchtrennen; dies kann subkutan mit Hilfe eines schmalen 
OÖsteotoms geschehen, welches, um Gefäßverletzungen zu vermeiden, 
unmittelbar am Periost des inneren Knöchels entlang geführt werden 
muß. Bei vollkommener Beherrschung der Technik können auch 
die schwersten Formen des angeborenen Klumpfußes tadellos re- 
dressiert werden. Wolff (Hamburg). 


Erlaeher, Th. Deformierende Prozesse der ,Epiphysengegend bei Kin- 
dern (Arch. f. orthopäd. u. Unfall-Chirurg. 20, H. ı, Jan. 1922, 
S. 81.) 


Verf. beschreibt g Fälle, bei denen sich deformierende Prozesse 
nicht im Gelenk, sondern im ‚„epiphysären‘ Teil der Diaphyse ent- 
wickelten. Besonders häufig ist der Schenkelhals betroffen; immer- 
hin sind auch geringfügige, aber deutliche Veränderungen am Kopf 
und an der Pfanne zu finden. Klinisch besteht zwischen den beiden, 
sonst gesondert auftretenden Erkrankungsformen (Coxa vara statica 
einerseits, Osteochondritis deformans juvenilis andererseits) stets 
eine gewisse Ähnlichkeit in Symptomen und Verlauf. Was Verf. zu 
entdecken glaubte, war also weder das eine, noch das andere, sondern 
„eine formverändernde Störung des wachsenden Röhrenknochens 
mit ausgesprochenem Erweichungsherd nahe der Wachstumsfuge‘“., 
Zu diesem neuen Krankheitsbild würde sowohl die Osteochondritis 
des Kopfes (Coxa vara capitalis) gehören, als auch die Coxa vara 
epiphysaria, sowie die Coxa vara cervicalis; dazu noch ähnliche Er- 
krankungen der Tibia, des Humerus und der Metacarpalia, die er 
genau beschreibt. Die Frage nach der Identität der deformierenden 
Gelenks-Knochenprozesse wird nach meiner Ansicht auch durch diese 
Arbeit nicht beantwortet. Es fehlt all diesen Untersuchungen nicht 
an spekulativem Schwung, wohl aber am nötigen Material. Denn 
weder aus Röntgenbildern, noch aus klinischen Beobachtungen lassen 
sich Schlüsse auf so feine histologische Gewebsumwandlungen ziehen. 
Das Mikroskop ist sicher bestimmt, auch hier eine wichtige Rolle zu 
spielen, da es die nötigen Grundlagen zu liefern vermag, auf denen erst 
die verbindende Gedankenarbeit ihren Bau errichten kann. Da es 


13* 


196 Orthopädie. Heft 2 


sich um lokalen Kalkmangel umschriebener, in starkem Wachstum 
begriffener Zonen handelt, entstehen statisch bedingte Deformi- 
täten, die sich zu Anfang unblutig korrigieren lassen. Die Heilung 
erfolgt stets; der bleibende Funktionsausfall entspricht den in- 
zwischen eingetretenen anatomischen Veränderungen. 


Debrunner (Berlin). 


Hernausek. Beitrag zur Behandlung der Skoliose durch Gipskorselte 
(Rev. d’orthopedie 29, Heft 2, März 1922, S. 127.) 


Hernausek beschreibt ein neues Verfahren zur Behandlung der 
Dorsalskoliose, das durch Originalität und Einfachheit imponiert. 
Er unterwirft das Abbotsche Verfahren einer Kritik und trifft, wie 
mir scheint, einige wesentliche Fehler, die dem Verfahren anhaften. 
Abbot bringt durch Kyphosierung die Wirbelsäule in eine Stellung, 
in der sie möglichst leicht umzukrümmen ist; Hanausek findet mit 
Recht dies Vorgehen unlogisch, da durch die Begünstigung der 
Redression ein Teil der aufgewandten Kraft und des durchlaufenen 
Weges brach liegen muß. Er selbst redressiert durch Gurtenzug im 
Stehen, ohne daß eine Extension dabei angewandt wird. Er redressiert 
also in natürlicher Haltung. Das Korsett umfaßt Becken und Rumpf 
bis unter die Arme und muß sehr exakt sitzen. Es wird nach dem 
Hartwerden in der Mitte entzweigesägt, so daß ein oberer und ein 
unterer Ring entstehen, die auf der konkaven Seite gelenkig mit- 
einander verbunden werden. Mit Hilfe langer hölzerner Hebel, die 
an den beiden Gipsringen befestigt werden, vermag er nun täglich 
die Rotation um ein weniges aufzurollen; die gewonnene Detorsion 
wird durch Verschraubung im Gelenk festgehalten. Auf diese Weise 
läßt sich die Skoliose nach und nach in Wochen und Monaten strecken. 
Einige Abbildungen zeigen die glänzende Wirkung in einem Falle. 
Über Dauerresultate verfügt der Verfasser noch nicht. 


H. Debrunner (Berlin). 


Frey, E. R. Die Entstehung der habituellen Dorsalskoliose und die 
Grundlagen ihrer chirurgische Behandlung. (Deutsche Zeitschr. f. 
Chirurg. 169, H. ı/2, Febr. 1922, S. 13.) 


Eingehende Besprechung zunächst der Entstehung und des We- 
sens der Dorsalskoliose, d.h. derjenigen Form der Wirbelsäulenver- 
biegung, die anscheinend ohne merkbare äußere Veranlassung in der 
späteren Kindheit und Pubertät auftritt. Als wesentlich wird ange- 
geben: unter der Voraussetzung konstitutioneller Minderwertigkeit 
der in Betracht kommenden Gewebe tritt eine Seitenneigung des 
Rumpfes ein, die zur vermehrten thorakalen Seitenspannung, Aus- 
biegung der hinteren Rippenpartien, Konvexrotation der Wirbel und 
exzentrischen Belastung der letzteren führt. Hierauf Besprechung 


Heft 2 -Orthopadie. — MiBbildungen. 197 


der unblutigen und schließlich der blutigen Behandlung der Dorsal- 
skoliose (Rippenraffung, beiderseitige Rippenresektion), Verfahren, 
die unter der Voraussetzung der eingangs genannten Überlegungen 
weitere Ausblicke hinsichtlich der Skoliosentherapie eröffnen. 


L. Frosch (Berlin). 


Kadza, F. Brüche des Brustbeines als Sturz- und Stützverletzungen 
beim Turnen. (Arch. f. orthopäd. und Unfall-Chirurg. 20, H. 1, 
Jan. 22, S. 106.) 


Die Brustbeinfraktur ist sehr selten, meist direkt oder als Riß- 
bruch entstanden. Der Rißbruch kann entstehen bei übermäßiger 
Lordosierung der Wirbelsäule. Die Rißstelle sitzt meist zwischen 
Manubrium und Corpus. Die Voraussetzungen sind gegeben bei so- 
genannten „Stützübungen‘‘, bei denen der Turner den stark lordo- 
sierten Rumpf aus dem Hang in Stütz zu ziehen hat. Als Therapie 
kommt Bettruhe in Rückenlage unter Lordosierung der Wirbelsäule 
zur Korrektur der Dislokation in Betracht. Debrunner (Berlin). 


Nové- Josserand, G. Palliativbehandlung der KONEENIEALEN Hüft- 
luxation. (Lyon méd. Nr. 6.) 


Es handelt sich hier um solche Kranke, die zu nutzbringender 
Zeit nicht behandelt werden konnten und nun in den Entwicklungs- 
jahren oder sogar im erwachsenen Alter ihr Leiden durch Schmerzen 
oder fehlerhafte Stellung des luxierten Gliedes verschlimmert sehen. 
Gewöhnlich beeinflussen sich diese beiden Dinge gegenseitig. Von 
allen unblutigen Behandlungsarten haben sich nachstehende vier 
am besten eingeführt: die Ablatio des Femurkopfes, die unblutige 
Transposition, die Osteotomia subtrochanterica und schließlich 
die Suche nach einer neuen Beckenstütze. Den Vorzug der Einfach- 
heit verdient die unblutige Transposition, deren Resultate konstant 
befriedigend sind. Sie ist aber nicht immer durchführbar; in einem 
Drittel der Fälle mißglückt sie, weil es nicht gelingt, den Kopf ge- 
nügend zu mobilisieren. Dann tritt die blutige Behandlungsweise 
in ihr Recht. Held (Berlin). 


Mißbildungen. 


Latta, J. St. Angeborenes Fehlen des Zwerchfells. (Americ. journ. 
of dis. of childr. 24, 1922, S. 297.) 

Bericht über einen Säugling, der gleich nach der Geburt ver- 
storben war und bei dem die linke Zwerchfellhälfte fast vollkommen 
fehlte. Beschreibung der Lage der Brust- und Baucheingeweide und 
Besprechung des Falles in Zusammenhang mit 127 aus der Literatur 
gesammelten einschlägigen Beobachtungen. Als einziger Rest der 


198 Mißbildungen. — Vergiftungen. Heft 2 


linken Lunge fand sich bei dem Kinde ein schmaler Gewebsstreifen 
im mittleren oberen Abschnitt der linken Pleurahöhle, daneben aber 
dicht oberhalb vom freien Rande des Zwerchfells eine kleine iiber- 
zählige Lunge in Gestalt einer dreieckigen Gewebsmasse. H. Vogt. 


Garrido-Lestache, J. Totales angeborenes Fehlen der Femora. (La 
Pediatr. Esp. 11, Nr. 113, Februar 1922, S. 33.) 


Verf. berichtet über ein Kind von 12 Tagen, Gewicht 2200 g, 
39 cm lang; von dem hervorragendsten Punkte der Hüfte bis zur 
FuBsohle miBt es 11cm; die Entfernung zwischen den beiden ent- 
ferntesten Punkten der Hüfteri mißt 10 cm; von der Regio perinealis 
bis zum Boden 6 cm. Das Röntgenbild ergibt vollständiges Fehlen 
beider Femora. Die Ursache ist in der Lues congenita zu sehen; Verf. 
nimmt an, daß es sich hier um eine direkte Keimschädigung handelt, 
daß in dem Spermatozoon oder im Ei die zur Bildung der Femora 
nötigen Anlagen fehlen. Lurje. 


Vergiftungen. 


Holt, Eınmet L. Bleivergiftung beim Säugling. (Americ. journ. of 
dis. of childr. 25, 1923, S. 229.) 


Bei einem 8 Monate alten an der Brust ernährten Mädchen ent- 
wickelte sich zunehmende Blässe, dann traten Krämpfe auf, die 
zunächst wegen der begleitenden Rachitis und festgestellter Über- 
erregbarkeit als spasmophil gedeutet wurden. Doch fanden sich bei 
dem Kind weite, träg reagierende Pupillen, Schwäche des rechten 
N. facialis, erhöhter Druck und leichter Eiweißgehalt der Spinal- 
flüssigkeit und im Blut zahlreiche rote Blutkörperchen mit baso- 
philer Körnelung. Die daraufhin angestellten Nachforschungen 
ergaben, daß die Brust der Mutter seit 8 Wochen wegen eines Ekzems 
mit Bleisalbe behandelt worden war. H. Vogt. 


Auban, Pierre. Anaemia pseudoleucaemica und erbliche Bleivergif- 
tung. (Arch. de méd. des enfants 26, 297.) 

_ Ein Kind im Alter von 18 Monaten, das als Achtmonatskind 
zur Welt gekommen war, wies das Krankheitsbild der Anaemia 
pseudoleucaemica auf und erlag im Alter von 26 Monaten einer 
Bronchopneumonie, ohne daB es gelungen war, den Zustand nennens- 
wert zu bessern. Die Mutter des betreffenden Kindes hatte vor seiner 
Geburt bereits 5 Aborte durchgemacht, die nach dem Geständnis 
des Ehemanns durch Einnehmen von Bleiacetat herbeigeführt worden 
waren. Beim letzten Kind hatte dies Verfahren versagt, obwohl es 
25 Tage durchgeführt war und zu Koliken, Delirien und Krämpfen der 
Mutter geführt hatte. Da der Übergang von Blei aus dem mütter- 
lichen in den kindlichen Körper sowohl beim Menschen wie im Tier- 


Heft 2 Vergiftungen. — Hygiene. 199 


wersuch schon friiher erwiesen worden ist, halt sich der Verf. fiir 
berechtigt, die Anaemia pseudoleucaemica des Kindes als Folge 
einer Bleivergiftung anzusehen. H. Vogt. 


Holt, L. E. Lead potsoning in infancy. Blesvergiftung beim Kinde.) 
(Amer. journ. of dis. of childr. Vol. 25, No. 3. 1923.) 
Bei einem 8 Wochen alten Brustkinde, das wegen Krämpfen 
in die Klinik gebracht wurde, bestanden Übererregbarkeitserschei- 
nungen, und die Diagnose wurde auf Spasmophilie gestellt. Trotz 
der Therapie konnten aber die Krämpfe nicht beseitigt werden. 
Erst die Blutuntersuchung ermöglichte die richtige Diagnose. Diese 
ergab die reichliche Anwesenheit von basophilen Zellen. Es wurde 
an eine Bleivergiftung gedacht. Diese Vermutung hat sich auch 
bestätigt, und als die Quelle der Vergiftung wurde eine Bleisalbe 
ausfindig gemacht, mit der die Mutter ihr Ekzem an der Brust be- 
handelt hat. Das Kind erholte sich nur langsam. Therapeutisch 
kam CaBr, gegen die nervöse Übererregbarkeit zur Anwendung. 
Die Basophilie bestand nur in der ersten Woche der Erkrankung. 
Schiff, 


Hygiene. 


Friedberger, E. Zur Frage der Milchhygiene, insbesondere über die 
Verhütung der Milichfälschung durch zweckmaBige Berechnung des 
Milchpreises. (Klin. Wochenschr. 2. Jg. 1923, S. 215.) 


Die Berechnung des Milchpreises lediglich nach dem Volumen 
gibt dem Produzenten den Anreiz zur Verwässerung der Milch; 
die gesetzliche Festsetzung eines Mindestfettgehaltes führt dazu, 
daß der Produzent keine Milch von höherem Fettgehalt auf den 
Markt bringt und die fetteren Portionen zum Buttern zurückbehält. 
So wird aus dem Mindestfettgehalt von 2,7% eine Norm gemacht, 
was durchaus den gesetzlichen Absichten widerspricht. Verf. will 
den Milchpreis lediglich nach dem Fettgehalt berechnet wissen 
auf Grund folgender Formel: Milchpreis = (m + f n) J, wobei 
m den Preis für Magermilch, / den Fettpreis, n die Prozentzahl des 
Fettes und J den jeweiligen Teuerungsindex bedeutet. Diese Art 
der Berechnung würde jeden Anreiz zum Pantschen der Milch neh- 
men, da der betreffende Händler wohl eine größere Anzahl Liter, 
aber nicht mehr Geld erhalten würde. Nach Feststellung des Fett- 
gehaltes müßte die Milch in plombierte Behälter gefüllt werden, die 
ein Abfüllen ermöglichen, aber jede nachtragliche Wassernachfiillung 
verhindern. Wolff (Hamburg). 


200 Schule. Heft 2 


Schule. 


Gross, M. Der Schlaf der Schulkinder. (Lancet Nr. 5148, 29. April 
1922, S. 836.) | 

Verf. betont, daß die Schulkinder im Winter nicht genug schla- 
fen. Die Kinder fühlen sich während’ des Tages schläfrig. Im Sommer 
ist es noch schlimmer, woran die Sommerzeit auch zum Teil schuld 
hat. Für Kinder sollte keine Sommerzeit bestehen. Man sollte den 
Eltern lehren, wie nützlich viel Schlaf für die Kinder ist. 

Koopman (Haag). 


Sanford, C. H. Gründe der Schulversäumnis in einer Knabenschule. 
- (Americ. journ. of dis. of childr. 25, 1923, S. 297.) 

Die Beobachtungen des Verfassers, die einen Zeitraum von 
3 Jahren umfassen, beziehen sich auf die Insassen eines Knaben- 
schiilerheims. Den Löwenanteil an den Erkrankungen bestritten 
die Krankheiten der Luftwege. Die Schulversäumnisse sind dem- 
entsprechend am größten in den Monaten Januar bis März. In 
zwei aufeinander folgenden Jahren waren je ıg Krankheitsfälle mit 
65 Tagen Schulversäumnis auf Überessen zurückzuführen. 

H. Vogt. 


Strauch (Halle). Die Beurteilung geistiger Erschöpfung im Schul- 
alter. Ein Beitrag zur Phosphorsäurebehandlung. (Med. Klinik 19, 
1923, S. 209.) 

Empfehlung von 2—3 mal täglich ı Tablette Recresal bei Fällen 
leichter Ermüdbarkeit von Schulkindern in Anlehnung an die Arbei- 
ten Embdens und die günstigen Erfahrungen v. Noordens und 
v. Mettenheims bei verwandten Zuständen. Rosenbaum. 


Lazar, E. und Tremel, F. Die klinisch-bädagogische Auswertung der 
Ergebnisse von Prüfungen bei Hilfsschulkindern. (Wien, Universit.- 
Kinderklinik, heilpädagogische Abteilung.) (Zeitschr. f. Kinder- 
heilk. 32, S. 54—104. 

Wie sich die neurologische Diagnose aus einzelnen zueinander in 
Beziehung gebrachten Untersuchungsergebnissen aufbaut, so können 
die einzelnen Funktionen, aus denen sich die Intelligenz zusammen- 
setzt, geprüft werden, und aus den Ergebnissen dieser Prüfung läßt 
sich ein Einblick in das Wesen der zu untersuchenden Intelligenz er- 
möglichen. Es zeigt sich dabei, daß häufig isolierte Defekte vor- 
kommen, die sich bei geeigneter Analyse gut unterscheiden lassen. 
Zu diesem Zweck wird ein umfangreiches Schema von Tests allge- 
meiner und spezieller Natur aufgestellt, durch welches es gelingt, die 
Leistungen so zu analysieren, daß die Fälle in gewisse Gruppen und 
Untergruppen eingeteilt werden können, wenn auch ausdrücklich 


Heft 2 Hygiene. — Vakzination. 201 


betont wird, daB es sich nur um Ahnlichkeiten handelt, und eine 
völlige Übereinstimmung zwischen 2 Fällen nie gefunden wird. Es 
werden Defekte der impressionalen Sphäre, und zwar rein auditive 
und rein visuelle, getrennt von Defekten der intentionalen Sphäre, 
der psychischen Aktivität. In jeder Gruppe lassen sich Untergruppen 
abgrenzen. Es wird darauf hingewiesen, daß es aussichtslos erscheint, 
den Schwachsinn durch einen gewissen Funktionskomplex zu er- 
klären. Das einzige, was mit Hilfe des psychologischen Experimentes 
möglich erscheint, ist die gruppenmäßige Bestimmung des Einzel- 
falls. Die Untersuchungen, die sich auf die in den Hilfsschulen eines 
Gtroßstadtbezirkes vorkommenden gewöhnlicheren Formen beschrän- 
ken, sollen später auch auf gewisse typische Krankheitsbilder aus- 
gedehnt werden. | Schall (Tübingen). 


Vakzination. 


White, Benjamin. Pocken und Impfung. (Boston med. a. surg. 
journ. 188, Nr. 15.) 

Das unvoreingenommene Studium von Pocken- und Impf- 
geschichte aller Länder führt unweigerlic* zu dem Schluß, der die Zeit- 
probe bestanden hat und überall von desyenigen anerkannt worden 
ist, denen die öffentliche Gesundheitspflege anvertraut ist. Zugunsten 
der Impfung sprechen folgende Tatsachen: ı. In richtiger Weise 
ausgeführt, schützt sie den Organismus vor der Pockenerkrankung 
genau wie das Überstehen der Krankheit selbst. 2. Sie schützt das 
Individuum gegen Pocken während eines Zeitraums, der zwar nicht 
mathematisch genau fixiert ist, der aber im Durchschnitt 7 Jahre 
umfaßt. 3. Der Schutz kann durch eine Wiederimpfung erneuert 
werden. 4. Personen, die zweimal erfolgreich geimpft worden sind, 
besitzen gewöhnlich eine lebenslängliche Immunität gegen Pocken. 
5. Der durch Impfung und Wiederimpfung erzeugte Schutz erstreckt 
sich über die gesamte Bevölkerung, und zwar ist er hier von größerer 
Dauer als beim Einzelwesen. 6. Ein Individuum, das einmal geimpft 
ist und später an Pocken erkrankt, übersteht die Krankheit leichter 
als ein nichtgeimpftes Individuum. 7. Der Impfschutz ist am 
ausgesprochensten bei denen, bei denen sich die Impfung in typischer 
Weise vollzogen hat. Die Impfgegner, welche Statistiken absichtlich 
entstellen, unverantwortliche und unbegründete Anklagen gegen 
Lymphhersteller, Impfüng und Gesundheitsbehörden erheben, bilden 
eine öffentliche Gefahr; denn sie treiben eine Propaganda, die sich 
gegen das Grundprinzip der modernen Medizin, die Prophylaxe, 
richtet. Held (Berlin). 


Buchbesprechungen. 





Czerny, A. und Keller, A. Des Kindes Ernährung, Ernährungs- 
` störungen und Ernährungstheradie. 1. Band, x. Teil. Verlag F. 
Deuticke-Leipzig und Wien. 2. vollkommen umgearbeitete Auf- 
lage. ` | | 

Die zweite Auflage des rühmlich bekannten Werkes von Czerny- 
Keller ist im Erscheinen begriffen. Vorläufig liegt nur die erste 
Hälfte des ersten Bandes vor. Der Stoff wurde vielfach umgeordnet, 
manches von der alten Literatur ist weggelassen und sozusagen 
alles aus der neuen Literatur bis in die allerletzte Zeit kritisch auf- 
genommen. Das Werk behandelt in ı2 Kapiteln I. den ersten 
Lebenstag, 2. Die Wahl der Nahrung nach dem ersten Lebenstag, 
3. Die Ernährung durch eine Amme, 4. Die künstliche Ernährung, 
5. Die Nahrung im ersten Lebensjahr, 6. Die Vorgänge im Stoff- 
wechsel während der ersten Lebenstage, 8. Die Nahrungsmenge im 
ersten Lebensjahr, 9. Das Verhalten des Körpergewichtes im ersten 
Lebensjahr, 10. Die chemische Zusammensetzung des Körpers, 
tr. Den Bau und Funktionen des Magen-Darmtraktus und seiner 
Adnexe, 12. Den Stoffwechsel im ersten Lebensjahr. 

Die Anforderungen, die ein Handbuch zu erfiillen hat, sind m. 
E. dreierlei Art. ı. Das Buch soll umfassend sein, d. h. möglichst 
die ganze einschlägige Literatur berücksichtigen, 2. es soll originell 
in der Bearbeitung und in der Stellungnahme zu wissenschaftlichen 
Fragen sein, und schließlich 3. soll es in einem angenehm lesbaren 
Stil abgefaßt sein. Wenn wir in der medizinischen Literatur Umschau 
halten, so gibt es nur wenige Werke, die diesen Anforderungen 
entsprechen. Das Buch von Czerny-Keller gehört zu diesen 
wenigen. 

Eine kritische Besprechung des allgemein bekannten und an- 
erkannten Werkes ist überflüssig. Diese Zeilen sollen nur das Er- 
scheinen der zweiten Auflage bekanntgeben. Schiff. 


Hausmann, W. (Wien). Grundzüge der Lichtbiologie und Lichtpatho- 
logie. Berlin und Wien 1923. Urban & Schwarzenberg. 


Auf dieses Buch, dessen Thema scheinbar weitab von den For- 
schungsrichtungen der Pädiatrie liegt, mögen die Kinderärzte auf- 


Heft 2 Buchbesprechungen. 203 


merksam gemacht werden, speziell jene, die sich mit Lichttherapie 
beschäftigen, die in der Kinderheilkunde immer größere Bedeutung 
erlangt. Es sei besonders auf das 5. Kapitel hingewiesen, wo die 
Wirkung des Lichtes auf Wachstumsvorgänge besprochen wird 
und sehr interessant sind im Io. Kapitel (Lichterkrankungen) die 
Beobachtungen über Zusammenhänge zwischen Belichtung und 
hämorrhagisaher Diathese, Auftreten von Barlow und Skorbut 
in Sonnenstationen, von Blutungen nach intensiven Sonnen- oder 
Quarzlichtbestrahlungen usw. Das Licht könnte bei Individuen, 
die zu Skorbut prädisponiert sind, eine auslösende Wirkung ent- 
falten, ebenso wie man dies für Infektionskrankheiten angenommen 
hat. Ein für den Pädiater wichtiges Kapitel behandelt die heilende 
Wirkung des Lichtes auf den tuberkulösen Prozeß, in 
welchem gezeigt wird, wie sich die einzelnen Faktoren, die bakteri- 
cide, entzündungserregende, pigmentbildende Fähigkeit der Licht- 
strahlen zu kurativer Auswirkungen kombinierten. Aber auch die 
anderen Abschnitte, die nicht direkt pädiatrische Fragestellungen 
berühren, seien jedem, der sich über biologische und pathologische 
Lichtwirkungen informieren will, zum Studium empfohlen. 


Lehndorff (Wien). 


Brüning-Schwalbe. Handbuch der allgemeinen Pathologie und der 
pathologischen Anatomie des Kindesalters. 2. Bd., 2. Abt. München 
und Wiesbaden. Bergmann. 


Die vorliegende Lieferung des Schwalbe - Brüningschen 
Handbuches enthält die pathologische Anatomie des Herzens und 
Kreislaufs, des Blutes, der Muskulatur und des Fett- und Unterhaut- 
zellgewebes sowie die Erkrankungen des Gehörorgans im Kindes- 
alter. — Die Mißbildungen des Herzens und der großen 
Gefäße sind von Berblinger verfaßt, dem das schwierige Unter- 
nehmen, Ordnung und System in die mannigfachen Möglichkeiten 
der Mißbildungen hineinzubringen, gut gelungen ist. Es fällt dem 
Referenten nur auf, daß der Verf. die von Linzen me yer veröffent- 
lichte Theorie des Verschlusses des Ductus Botalli auf diesen Autor 
zurückführt, während sie doch eigentlich von Döhle herrührt, also 
aus des Verf. eigenem (früherem) Institut stammt. — Die post- 
embryonalen Erkrankungen des Herzens und der Ge- 
fäße hat Jores beschrieben. Sein Beitrag ist unstreitig das beste 
und wertvollste Kapitel des Buches. Wenigstens vom Bedürfnis 
des Pädiaters aus betrachtet. Denn dieser erwartet von einem 
Handbuch wie dem vorliegenden, daß es ihm nicht nur eine Samm- 
lung von kasuistischen Fällen und eine vollzählige Wiedergabe der 
wichtigsten Theorien liefert, sondern daß es ihm vor allem auch 
ein kritisches, autoritatives Urteil des Fachmannes bringt, damit 


204 Buchbesprechungen. Heft 2 


er weiß, an welche der Theorien er sich zu halten hat. Dieser 
Forderung wird der Joressche Abschnitt vor allen anderen gerecht. 
— Der von Esser verfaßte, nach seinem Tode von Stursberg 
veröffentlichte Abschnitt über Blut und blutbildende Organe 
hat sich den Fortschritten der Blutforschung seit 1914 leider nicht 
angepaßt und ist deshalb, gerade in wichtigen, neueren Fragen, 
fast schon veraltet. — Von Brüning stammt das Kapitel über 
Muskulatur, Fett- und Unterhautzellgewebe, während 
Grünberg-Rostock die Pathologie des Gehörorgans geschrie- 
ben hat, wobei er namentlich die neuesten Anschauungen über die 
kindliche Otitis med. klar und kritisch verarbeitet, aber auch die 
anderen Krankheitsbilder in ansprechender und übersichtlicher Weise 
dargestellt hat. — Der eine der Herausgeber — Schwalbe — ist 
leider gestorben. Hoffen wir, daß nun wenigstens der andere es 
noch erlebt, daß das Buch endlich einmal fertig wird! 


Birk (Tübingen). 


Nobel, Edmund. Die Ernährung gesunder und kranker Kinder. 
Wien 1923. Rithola-Verlag. 74 S. 

Im Rahmen einer von Kyrle und Hryntschak herausgege- 
benen Serie von medizinischen Abhandlungen bespricht Nobel 
in einer für den praktischen Arzt geeigneten, mit zahlreichen Bei- 
spielen, Kurven und Tabellen ausgestatteten, überaus klaren Weise 
das Pirquetsche Ernährungssystem. Es wird hierbei auf die 
theoretischen Grundlagen nur so weit eingegangen, als es für das 
Verständnis notwendig ist, und gezeigt, wie sich an der Hand der 
Nemwerttabellen und der Sitzhöhe mit Leichtigkeit für jedes Kind 
die Mengen der erforderlichen Nahrungsmittel berechnen läßt. 
Das gilt sowohl für das gesunde wie für das kranke Kind. Beim 
kranken Säugling wird an der ursprünglichen Finkelsteinschen 
Einteilung der Ernährungsstörungen festgehalten, hier vorwiegend 
nicht auf gekünstelte oder komplizierte Milchmischungen, sondern 
auf die quantitative Regelung das Gewicht gelegt. Auch darin 
unterscheidet sich die Pirquetschule von den üblichen Lehren. — 
Einige wichtige Bemerkungen seien noch besonders hervorgehoben: 
Die Bedeutung der Vitamine, die Berechnung des Gesamtgewichts 
jeder Nahrung für den Wasserstoffwechsel, die Berechnung des 
Ernährungszustandes aus Sitzhöhe und Körpergewicht (Pelidisitafel). 
Das Büchlein wird jedem Arzte ein verläßlicher Führer durch das 
von Pirquet eingeführte System sein. 


a 


Knoepfelmacher (Wien). 


Heft 2 Buchbesprechungen 205 


Krasemann, Erich Dr. (Rostock). Sauglings- und Kleinkinderpflege 

- an Frage und Antwort. Eine Vorbereitung zur Prüfung für staatlich 
anerkannte Säuglings- und Kleinkinderpflegerin. 3. und 4. Auflage. 
Leipzig 1922. Georg Thieme. 

Die äußere Form des Buches (623 kurze Fragen mit Antworten) 
ermöglicht es, in engem Rahmen viele Einzelheiten zu bringen. Zur 
ersten Selbstbelehrung scheint es deshalb nicht geeignet, dagegen als 
Kompendium neben oder nach einem Lehrgang, der das Verständnis 
der Grundbegriffe auch der Anatomie und Physiologie vermitteln 
und dadurch die einzelnen Tatsachen und Vorschriften ins rechte 
Licht rücken müßte. So könnte doch nicht nur manches Grund- 
sätzliche unklar bleiben, sondern auch manche Einzelheit mißverstan- 
den werden. Soll z. B. die dicke ‚‚englische‘‘ Säuglingskleidung oder 
das Gummituch im Einschlag unterschiedslos empfohlen werden ? 
Oder ist etwa die Frage, ob man die geistige Entwicklung des Säug- 
lings zu fördern suchen soll, mit einem glatten Nein erledigt? (Psy- 
chische Verkümmerung in Anstalten!) Die Angabe, die Milch in 
den ersten Lebenswochen mit Wasser, erst später mit Schleim zu 
verdünnen, dürfte wohl auch Widerspruch finden. Erfreulich ist, daß 
auch das Kleinkindesalter und in einem besonderen Abschnitt die 
öffentliche Fürsorge berücksichtigt werden. Im ganzen ist. anzu- 
erkennen, daß das Büchlein seiner Aufgabe gerecht wird. 


Karl Benjamin (Berlin). 


Engel, St. Prof. Dr., und Baum, Marie Dr. Grundriß der Sauglings- 
und Kleinkinderkunde und Grundriß der gesundheitlichen Sãuglings- 
und Kleinkinderfürsorge. 11. und 12. Auflage. München 1922. 
J. F. Bergmann. 


Das Buch ist in erster Linie für die in beruflicher Säuglingspflege 
Tätigen bestimmt, für den Kinderarzt gewinnt es aber noch dadurch 
an Bedeutung, daß er wohl kein zweites Buch so unbedenklich auch 
der intelligenten Mutter empfehlen kann, die ihr Wissen vom Säug- 
ling und Kleinkind erweitern will. Denn es ist kein Nachschlagebuch 
mit schablonenhaften Pflegevorschriften und fragwürdigen Rezept- 
chen, sondern sucht wirkliches Verständnis für Wesen und Aufgaben 
der Kinderpflege zu erwecken, so daß manche Mutter neben der prak- 
tischen Belehrung sogar die Freude des wissenschaftlichen Erkennens 
beim Eindringen in die Biologie des werdenden Menschenkindes mit- 
erleben wird. Demgemäß überwiegt immer das Allgemeine über das 
Besondere, der Bericht über Art und Treiben des gesunden Kindes 
nimmt viel, die Besprechung des kranken Kindes nur wenig Raum 
ein, die Ernährung an der Brust wird in gebührender Ausführlichkeit, 
die künstliche mehr allgemein erörtert. Neben der körperlichen Ent- 
wicklung kommt auch die geistige und seelische zu ihrem Recht. 


206 Buchbesprechungen. Heft 2 


Von früheren Auflagen unterscheidet sich die vorliegende durch 
Einbeziehung des Kleinkindes, das in Sprache, Spiel, Haltung, Be- 
wegung und Benehmen, dann auch in seiner Pathologie eingehend 
gewürdigt wird. Mit besonderer Liebe wird dabei die Rachitis und 
ihre Verhütung besprochen. Sehr zweckmäßig sind ferner die Ab- 
schnitte über Sitten und Unsitten bei der Ernährung und bei Er- 
krankungen des Säuglings. Unter Berücksichtigung der Tatsache, 
daß in den letzten Jahren die Säuglingssterblichkeit an Ernährungs- 
störungen hinter der an Lungenentzündung immer mehr zurück- 
geblieben ist und der Gipfel der Sommersterblichkeit vom Herbst- 
und Frühlingsgipfel vielerorts schon überragt wird, hätte die Infektion 
der Luftwege und ihre Verhütung vielleicht noch mehr Beachtung 
finden sollen. ,,Die Entwicklung der körperlichen und geistigen 
Fähigkeiten von der Geburt bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr“ 
hat Dr. Ella Runge mit lehrreichen Bildertafeln illustriert. Der 
zweite Teil (von Dr. Marie Baum) behandelt das Säuglings- und 
Kleinkindesalter unter dem Gesichtspunkt der Sozialhygiene. Er 
berichtet über die Säuglingssterblichkeit in ihrer Abhängigkeit von 
den verschiedenen sozialen und wirtschaftlichen Faktoren, der Er- 
nährungsweise, der Ehelichkeit, der Geburtsordnung usw., über die 
Verbreitung und Bedeutung der natürlichen Ernährung, weiter über 
die hygienische und kinderpflegerische Erziehung der Mädchen, 
Mütterkurse, Mütterberatung, offene und geschlossene Fürsorge 
für Säugling und Kleinkind, die besondere Fürsorge für uneheliche 
Mütter und Kinder, schließlich über Gesetzgebung, Aufbau und Orga- 
nisation der gesamten Kinderfürsorge in Gemeinde und Staat. Selbst 
der Kinderarzt wird aus diesen mit vielem statistischen Material 
belegten Ausführungen noch manches lernen können. Allen, die 
beruflich mit der Säuglings- und Kleinkinderfürsorge zu tun haben, 
kann'dieses Buch die Verantwortung ihres Berufes zum Bewußtsein 
bringen und sie in Pflichtgefühl und Liebe bei ihrer Ausübung be- 
stärken. Der Wert des Buches wird durch die Güte von Druck und 
Papier und besonders durch die sehr zahlreichen guten Photographien, 
Zeichnungen und graphischen Darstellungen weiter erhöht. 


Karl Benjamin (Berlin). 


Berichte. 


Vereinigung Frankfurter Kinderarzte. 
7. Sitzung vom 27. Juni 1923 in der Universitäts-Kinderklinik. 
Vors.: Herr v. Mettenheim, Schriftf.: Frl. Türk. 


Tagesordnung: 


3. Herr Bruch: Über mongoloide Idiotie und Mongolenfleck. 
Anläßlich einer Demonstration eines zjährigen Knaben mit mongoloider 
Idiotie, handtellergroßen Mongolenfleck auf rechter Lendenseite und frag- 
lichen, ähnlich aussehenden Flecken auf der behaarten Kopfhaut (Zarpfl) 
wird festgestellt, daß diese letzteren keine Mongolenflecken sind, da im ex- 
cidierten Kopfhautstückchen bei histologischer Untersuchung die typischen 
Mongolenzellen fehlten, während sie in dem Lendenfleck zahlreich gefunden 
wurden. Das eigenartige dieses Falles besteht in dem gleichzeitigen Zusammen- 
treffen von Mongolenfleck und mongoloider Idiotie. 

4. Herr Mündel: Über Diagnose- und Prognosestellung der Säug- 
lings- und Kleinkinder-Tuberkulose mit besonderer Berücksich- 
tigung der Ausflockungsreaktion nach Math£eiy (Budapest). Es 
wurde die Ausflockungsreaktion kombiniert mit der Blutkörperchen-Senkungs- 
methode angestellt. Der gleichmäßige Ausfall dieser Reaktionen scheint 
eine Stellungnahme zur Frage der Aktivität des tuberkulösen Prozesses zu 
gestatten. Von besonderem, auch wirtschaftlich wichtigem Interesse wäre es, 
der Lösung der Frage näherzukommen, inwieweit Kinder mit latenter Bron- 
chialtuberkulose überhaupt einen spezifischen Behandlung (Tuberkulin und 
ähnliche Präparate) bedürfen. Nach unseren bisherigen Erfahrungen mit 
diesen beiden Reaktionen scheint eine spezifische Behandlung nicht in allen 
Fällen latenter Bronchialdrüsentuberkulose erforderlich oder auch nur 
wünschenswert. Die Auswahl der fraglichen Fälle dürfte mit Hilfe dieser 
Kombinationsmethode ermöglicht werden. Sollte sie sich weiterhin bewähren, 
so wäre sie schon wegen der Einfachheit der Ausführung namentlich auch 
für die Praxis zu empfehlen. 

Sämtliche Vorträge erschienen ausführlich anderwärts. 

Diskussion: Frl. Neumark, Herr Boehm, Cahen-Brach, Cuno, 
v. Mettenheim. 

ı. Herr Adolf Salomon berichtet über Lokalisation und Therapie der 
Chorea infekt. Nachdem er auf die Schwierigkeit der Differentialdiagnose 
zwischen Veitstanz und Encephalitis choreiform. hingewiesen hat, kommt 
er auf die neueren Sektionsbefunde bei Chorea min. zu sprechen, die ebenfalls 
eine auffallende Ahnlichkeit mit denen der Encephal. choreif. aufweisen. 


208 Berichte. Heft 2 


Ausgehend von den von Homburger geschilderten Motilitätsstörungen 
des Pubertätsalters wird eine Theorie entwickelt, die es ermöglicht, in gleicher 
Weise für die bekannte Beteiligung eines ganz bestimmten Lebensalter sowie 
für die überwiegende des weiblichen Geschlechts an Chorea eine Erklärung 
zu geben. 

S, empfiehlt die Vornahme der Lumbalpunktion mit der in frischen Fällen 
an der Frankfurter Kinderklinik ausgezeichnete Erfolge erzielt wurden, zu- 
nächst ohne Kenntnis der guten früheren Erfahrungen Passinis. Gerade 
in den schwersten Fällen verschwand die choreatische Bewegungsstörung 
unmittelbar nach der L. P. Während anscheinend die Punktionstherapie im 
Ausland häufig angewandt wird, dürfte sie bisher in Deutschland keine Nach- 
prüfung erfahren haben. 

2. Herr Paul demonstriert einen Fall von Lebererkrankung mit schwerem 
Ikterus, aber ohne Bilirubinurie und ohne Entfärbung des Stuhles, verbunden 
mit Symptomen von seiten des Zentralnervensystems (Opisthotonus, Rigidität 
der Muskulatur, Tremor und choreatische Bewegungen der oberen, Aneinander- 
wetzen der unteren Extremitäten). Nach Besprechung der Differentialdia- 
gnose in der wegen der ungestörten Darmpassage der Galle der kongenitale 
Gallengangsverschluß und wegen des fehlenden Milztumors die Splenomegalien, 
wie Banti und Gauscher und wegen der nicht herabgeminderten osmotischen 
Resistenz der roten Blutkörperchen auch der hamolytische Ikterus ausgeschlos- 
sen werden, wird der Fall als Lebercirrhose gedeutet. Entsprechend den 
klinischen und experimentellen Beobachtungen, welche seit der Beschreibung 
der Wilsonschen Krankheit über die Beziehung von Leberschädigung zu Ver- 
änderungen im Hirn, namentlich in den Stammganglien, gemacht wurden 
einerseits, der Lakalisation der festgestellten Hirnsymptom in den Stamm- 
ganglien andererseits wird angenommen, daß entweder eine primäre Leber- 
cirrhose zur sekundären Beteiligung der Stammganglien geführt hat, oder 
daß von einer Autointoxikation vom Darme aus Leber- und Hirnschädigung 
als coordinierte Erscheinungen aufzufassen sind. Letztere Annahme wird 
durch den Verlauf und der wenigstens bezüglich der Hirnsymptome erfolg- 
reichen Therapie wahrscheinlich gemacht. 


Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipz g. 


Aus dem Sauglingskrankenhaus Barmen. (Leit. Arzt: Dr. Th. Hoffa.) 


Das Schicksal der Frühgeburten. 


Von Dr. med. Paul Brandt, Frauenarzt in Köln a. Rh. 
(früher Assistenzarzt im Säuglingskrankenhaus Barmen). 


Die Frage nach dem Schicksal der Frühgeburten, ihrer körper- 
lichen und geistigen Entwicklung, erheischt nicht nur das Interesse 
von Kinderarzt und Geburtshelfer, sondern hat auch eine große 
volkswirtschaftliche Bedeutung. Ist die Aufzucht von frühgeborenen, 
also unreifen Kindern zum Vorteil der Menschheit? Das Herab- 
drücken der Mortalitätsziffer hat erst dann Sinn, wenn die Aussicht 
der Überlebenden eine gute ist. 

Was ist zunächst eine Frühgeburt ? Das Hebammenlehrbuch sagt: 
„Frühgeburten sind Kinder, die zwischen 29. und 39. Woche geboren 
werden. Gewicht ist meist unter 2500 g, Länge unter 48cm, zudem 
zeigen sie am Körper mannigfache Zeichen der Unreife.‘ 

Dieser Begriff ist weit, wir müssen ihn enger ziehen. Je näher die 
Geburt dem normalen Geburtstermin, um so mehr ähnelt dieses Kind 
ın seiner Lebensfähigkeit dem ausgetragenen, wenn es auch noch 
einzelne Zeichen der Unreife trägt. Für uns handelt es sich um 
Kinder mit ausgesprochenen Zeichen der Unreife, und das sind solche, 
deren Geburtsgewicht und -länge unter 2500g resp. 46 cm bleibt. 
Wenn auch das typische Gesamtbild maßgebend ist und Ausnahmen 
überall vorkommen, so ist doch zur Schaffung eines einheitlichen 
Begriffes der Gedanke des einfachen Schematisierens gutzuheißen, 
d. h. eine Grenze von Geburtsgewicht und -länge festzusetzen, bis 
zu welcher man Kinder als Frühgeburten bezeichnet. Die im all- 
gemeinen gültige Grenze von 2500 g : 45cm ist m. E. hinsichtlich 
der Länge zu knapp. Ich möchte dafür 46 cm setzen. Diesen Vor- 
schlag begründe ich mit dem Ergebnis meiner Nachforschungen 
über Verhältnis von Geburtslänge und -gewicht bei Kindern unter 
3000 g, wie es in Tabelle I und II niedergelegt ist. 

Monatsschrift für Kinderbeilkunde. XXVII. Band. 14 


210 Brandt. - Heft 3 


Tabelle I. 
angel REN 
SI Fee FE FR 
eg | | = bests EN.) ee wa 
e RORA HHHH HER 


unten die Zahl der weiblichen Kinder angegeben. 


Es bedeutet: A — Ausziehung. 


Zur Beachtung! 


In jeder Rubrik ist oben die Zahl der männlichen, 





Bj hei re" ee 

SEE a 

Seis aga es SL rrr aA AZIRAR 

Verhältnis von Geburtsgewicht und -länge bei Kindern unter 3000 g. (Nach- 

forschung an den im Zeitraum von g!/, Jahren, vom 1. 1. 1913 bis 1. VII. 1922 
in der Hebammenlehranstalt zu Oppeln geborenen Kindern.) 


Gesamtzahl. der Geburten 2 4-0 a and ea t o 28989 
davon. unter SoG PERKE: oa a oh es I2 
BOZEN EXEL giie ca n i a ah 45 





2II 


Das Schicksal der Frühgeburten. 


Heft 3 


65 
129 
315 
. 1167 


1000—1500 g exkl. 
1500— 2000 g exkl. 
2000—2500 g exkl. 


2500—3000 g exkl. 


Das wären an sogenannten Frühgeburten (d. h. Kindern unter 2500 g) 


insgesamt 566 = 10,4%, ein hoher Prozentsatz. 


Tabelle II. 


LA A E E EERE HHHH HHH 
AET E E EE a E 
E A A E AT 


MTT TTT 
Se ee eee ee 
EN TEILE TEN REIT IE 
OT FI RT A ee 


PTT CCCP 
IBERRERRREAZRRERRARARDROREBREBBTSBEREOEZENERE 


hi aa AS S a T E E S S A A 


BRRRCEARARZERARRES RRR BOECERETRSTEBSEDRERRRRER 


F 


SSS SESITFRRHERAABAG 
Wenn wir nun so eine Grenze nach oben haben, bis zu welcher 


wir die Kinder als Frühgeburten bezeichnen, so können wir diese 


Frühgeburten doch noch nicht alle in einen Topf werfen. Der Grad 


der Unreife ist für die spätere Entwicklung von ausschlaggebender 
Bedeutung, ebenso wie die Ursache der vorzeitigen Geburt Einfluß 


auf das spätere Gedeihen hat. Es ist verständlich und auch nach- 


gewiesen, daß die Aussichten eines Kindes, welches infolge Krankheit 
der Mutter vorzeitig geboren wird, weit schlechter sind als die eines 


solchen, wo Geburt aus äußeren Gründen verfrüht eintritt. 


Um über das Schicksal von Frühgeburten Aufklärung zu bekom- 
men, habe ich Nachforschungen gehalten über das weitere Gedeihen 


frühgeborener Kinder, die im Zeitraum von I2 Jahren (von 1907 


bis rọrọ) im Barmer Säuglingskrankenhaus Aufnahme fanden, 


14* 


212 Brandt. Heft 3 


teils gleich nach Geburt, teils kurze oder spätere Zeit danach, sei es 
wegen Erkrarfkung, sei es zur Pflege. Es handelt sich um 292 Fälle. 

Leider habe ich nur in wenigen Fällen ermitteln können, welche 
Ursache der zu früh eingetretenen Geburt zugrunde lag, so daß ich 
diesen wenn auch wichtigen Umstand überspringen muß. 

Auch der Grad der Uhnreife bei Geburt kann nur bei den Kindern 
berücksichtigt werden, die am Tage der Geburt oder am darauffolgen- 
den in Behandlung kamen. Diese Gruppe von 57 Kindern wird noch 
gesondert behandelt. 

Im allgemeinen habe ich mich bei der Auswahl der Fälle von den 
in den Krankengeschichten angegebenen Bemerkungen über charak- 
teristische Zeichen der Unreife der Kinder leiten lassen. 

Es fanden Aufnahme: 


ı. a) am Tage der Geburt. . .... 28 
Höchstgewicht . . . . . . . 2470 (44!/, 
größte Länge. . . . ... . 46 (1990) 


alle übrigen höchstens 45 und unter 2500, 
Tabelle III. 











Lebensalter in Jabren 


1—2 inkl. | 2—3 inki. | 3—4 inkl. | 4—5 inkl. 5—6 inkl. 32 ink.. 


cm kg ; cm kg cm kg : cm kg cm kg scm 











vorgestellt 








Ö | | Ä 
-10 +0,3|—9 +9 — 18 ? 8 — §,5 —2 155 —o,8 +9 
—14 +0,3| —3 oe | — 2,5 +0 | —11 +03|=-10 —2,4. —3,5 
— 4 —-07|-9 + () — 9 230 '-ıı #0 — vd 
—12 £0 [+1 -09|—-4 +0 | — | — +7 
= er. —IlI 02! — | — | — 
Q | | 
— 2 +0,6| —9,5 +0 — 2 +9 fee +2,5;—- 1 —2 | —4 
— 1 +0,3 — +1 4091-45 —ı | 45 —14, —8 
= 2 =r] — i a -—12  —0,2 — | = 
— 6 — 1,4 — = Sore 4-0,5 ei } = 
— 85 +05) — = | = a. 
=9 Ri = — | — — | 
= ei a Re z | 
brieflich 
Ö | | | 
mal +s <b [oe 418 = om: 
? 2 — | aun == | en | 
O | | | | | 
—7,5 +0,3, —2 -08 —ı #9 —10 —14 +2 -2 4 
? ? | — | — 3 —0,8 | — 3 4-0,8 os 6 +0 | = 
— — ‘— 1 —0,7 | +6 —3 | — | = 


Durchschnitt 
= 6,6 — 0,3 | — 5,2 —0,4 ' — 45 —0,1 | — 6.5 — 0,1 — 3,8 — 1,6! —27 


é 


Heft 3 Das Schicksal der Frühgeburten. 213 


b) am ersten Tage nach Geburt . . 29 
bei 3 Fällen war Länge nicht angegeben bei einem Gewicht 
zwischen 2400 und 2500, 
bei 2 Fällen war Gewicht und Länge 2280 : 46, 1700 : 46 
alle übrigen unter 2500 und höchstens 45 cm 


2. bis zum Alter von ı4 Tagen . . . 116 
3- » » i » © Monat... 44 
4. ” j » 3 Monaten . . 57 
5. ” „ os „ 6 ” .. 18 


Es konnte ermittelt werden das Schicksal 


von allen 292 Fällen bis zum Ende des ı. Monats 
von 286 s i ce m ar 3: Ss 
» 276 Pe Ae i s „» 6. u 
» 262 a a - z „ I. Jahres. 


Alle Aufnahmen liegen über ı Jahr zurück. 


Von den 262 Fällen, deren Schicksal bis mindestens zum Ende 
des ersten Lebensjahres verfolgt werden konnte, starben im Laufe 
dieses ersten Jahres III, d. h. 42,3%. 


Tabelle III. 





u — nn nm nn ne rn nn 








Lebensalter in Jahren 











7—5 iukl. | 8—9 inkl. , g—10 inkl. 10—ı1 inkl. | 11—12 inkl. Tamia inkl. 13—14 inkl. 
cm kg cm kg cm kg | em kg | cm kg | cm kg | cm kg 
vorgestellt 

i | ! 
im —O,7 + 3 e 2 250) 42". 5 —2,5|—4 — 55, re Ze 
2 +0 eh. 2 ent ST a 55 — — 
7 4 i = MOY ge ee, ee 
45 — 3,5! | — -— | — | — — 
| | 
35 —4 :— 2 42,8/-— 2 —2,5'— 3 —1,5|-—8 —2 | — 9 +1 
2 #1,2,—-14 30 |— 4 £0 | -ı18 —05|-9 —8,5| — — 
8 +0,7:':—10 -—138|—- I —25; -— — _— - 
15 +12 -1 0 —-235i+3 +, — = | — -- 
= '— 4 —0,5 ais | eae BEER: | 2x = 
== — 2 +Q | = i en — — — 
> mai eh Tr = — = = 
brieflich 
| i ! | 
3-3 1-4 Ponk. e E s — 1-6-5) — 
= ! 72 2: | a aa +8 59° = 
| | | | 
2  -+2,3'— 9 +3 | = Bee ee. ee 
2 ~~ bof Sa 6 =. 3 | en — a —6 +2,53 


Durchschnitt 
9 0—12,-3 +1,1/—2,4 -241-84 —2,1'-5 —5,4|+1 —4 1-6 +25 


214 Brandt. Heft 3 


Und zwar fallen: 


auf den 1. Monat ........... 52 = 46,9% 
1.—ı10. Tag: = 31,69 ; 
11.— 30. = F = En 46,9% 
auf 2. und 3. Monat .......... 25 = 22,5% 
» 4-—6. Monat. . . . 2 2 2 2 2 2 0. 23 = 20,7% 
„ 7—12. Monat . . 2.222220. 11 = 9,9% 
| 100 % 


In späteren Jahren starben noch 8 Kinder. 


Eine Zusammenfassung des Ergebnisses der Nachforschungen ergibt 
kurz folgendes Bild: 


gestorben . . . . 2... 119 
ermittelt . . . 2.2.2... 126 
vorgestellt: 72 
brieflich: 29 
lebend: 25 
fraglich . . . wa e% 47 
292 
(‚Brieflich‘‘ ermittelt heißt eine Ermittlung auf besonderem Fragebogen. 
Unter ‚lebend‘' verstehe ich solche Kinder, von denen wir durch Nachforschung 
nur ermitteln konnten, daß sie leben, während nähere Angaben fehlen. 


Was die körperliche Entwicklung der zur Vorstellung gekommenen 
resp. brieflich ermittelten Kinder anbetrifft, so ergibt Tabelle III 
eine gute Übersicht über Länge und Gewicht im Vergleich zu den 
Camerer-Pirquetschen Normalzahlen getrennt nach den einzelnen 
Jahresklassen. 

Der Allgemeineindruck dieser Übersicht ist der, daß die Kinder 
mit wenigen Ausnahmen mehr oder weniger in der körperlichen 
Entwicklung zurückgeblieben sind. 

Das stimmt überein mit dem subjektiven Urteil über die körper- 
liche Entwicklung, welches folgendes ist: 


vorgestellt brieflich 
kräftig ......4.. «14 T= d i 219%, 
mittelkraftig ...... #417 13 = 30, d. i. 30% 
schwächlich E = . ae 
sehr schwächlich . . . . f 4° 10 = 50, d. 1. 50% 


Vom Schulbesuch auf ein Jahr zurückgestellt wegen körperlicher 
Schwäche wurden von den 53 ermittelten Kindern, welche schon 
das 6. Jahr erreicht hatten: g, d. i. 17%. 

Was die Zeit des Laufenlernens und des Zahndurchbruchs betnifft, 
so sind beide Termine als spät zu bezeichnen. 


Heft 3 Das Schicksal der Frühgeburten. 215 


Laufenlernen (95 Kinder) Zahndurchbruch (44 Kinder) 

bis Ende des ı. Jahres -= 15 im 6. Monat Si 
a3 a” 2? ii a? = 20 pe 7- 1 ` == 6 
a) » ” il; 2 ” — 15 a? 8 » = 4 
» a »» isi a» = I3 o> 9. „ = 3 
>» 39 ay 2. vd ne 23 a? IO. = 5 
a? >» n all a? = 3 0 II. » = 9 
” n 3. „ = I ’ I2. — 9 

über 3 Jahre = 5 1 Jahr 1 Monat = i 
1 Jahr 2 Monate = 


ı Jahr 3 Monate 

Rachitis hat die Mehrzahl durchgemacht. Rachitische Verkrüm- 
mung stärkeren Grades sah man bei 20 von den 72 vorgestellten 
Kindern, d. i. 27,7%. 

Von Littlescher Erkrankung sind nachgewiesenermaßen 3 Kinder 
befallen gewesen, darunter ein Zwillingspaar. Diese drei sind mit 
1/, resp. 31/, Jahr außerhalb des Säuglingsheims gestorben. 

Einen nervösen Eindruck machten von den 72 Vorgestellten 36, 
d. i. 50%; sollen von den 29 brieflich Ermittelten machen Io, d. i 
34,5%- 

Sehr wichtig ist sodann die geistige Entwicklung. Von den 72 vor- 
gestellten Kindern machten einen geistig geweckten Eindruck 8, einen 
normalen Durchschnittseindruck 47, wenig regsamen Eindruck 9, 
psychopathisch 4, direkt geistig minderwertig 6. Bei den 29 brieflich 
ermittelten Kindern wurden geistige Defekte bei keinem beobachtet, das 
Urteil ‚sehr gut‘‘ wurde bei 3 gemeldet, ‚‚normal‘ bei 18, ‚‚mäßig‘“ bei8. 

Die 6 als geistig minderwertig bezeichneten Kinder erfordern 
besondere Betrachtung. Ich führe kurz die Krankengeschichten an. 
-H. = Säuglingsheim.) 

. 12 Jahre alt, 6, ehelich, 3. Kind (Mutter 3 mal ausgetragen, 5 mal Abort), 
Be 6 Wochen alt ins S.-H. wegen Unterernährung, Intertrigo und Hydro- 
cephalus. Im S.-H. 5!/, Monate, tägliche Zunahme durchschnittlich 10,18. 
Wassermann negativ. Laufen gelernt mit 3!/, Jahren. Alle Kinderkrankheiten. 
Bei Vorstellung. folgender Befund: Lang aufgeschossen, paralytischer Thorax, 
sehr schwächlich, kyphotische Haltung, stumpfer Gesichtsausdruck, Mund- 
atmung, auffallend große Ohren, Langschädel, schiefes Gesicht. Dürftige 
Ernährung (+ 2 cm — 8 kg). Dermographie. Reflexe o. B. Lungen und 
Herz o. B. Läppisches Wesen, besucht Hilfsschule. 

2. ıı Jahre alt, Ö), ehelich, 3. Kind, Mutter schwächlich, geistig schwach, 
Aufgenommen mit 4 Monaten wegen chronischer Ernährungsstörung. 6 Monate 
lang im S.-H. mit täglicher Zunahme von 12,7 durchschnittlich. Pirquet 
negativ. Laufen gelernt mit 2 Jahren. Bei Vorstellung schwächliches zartes 
Kind, keine Tuberkulose, keine rachitischen Erscheinungen, Neuropath, Im- 
bezillität. Insasse einer Blödenanstalt. 

3. 81/, Jahre alt, Ô, unehelith, zweites Kind, 6 Monate alt ins S.-H. wegen 
Tuberkuloseverdacht und chronischer Ernährungsstörung, Pirquet negativ. 


216 | Brandt. Heft 3 


Bleibt 5!/, Monate im S.-H. mit durchschnittlich täglicher Gewichtszunahme 
von 26,4 g. Kind stellt sich mit ı?/, Jahren, mit 14 Monaten noch kein Zahn. 
Bei Vorstellung außerordentlich ängstlich, weinerlich, Strabismus, links Kryptor- 
chismus, rechts verkümmerter Hoden. Ist Hilfsschüler. 

4. 7 Jahre alt, ©, ehelich, 4. Kind. Aufnahme am Tage der Geburt mit 
1150 : 42 bei 28,5 Temperatur. Bleibt im S.-H. ı!/, Jahr, Entlassungsgewicht 
8900 g. Tägliche Durchschnittszunahme 10,5 g. Die ersten Zähne im 7. Monat. 
Körperlänge bei Geburt 42cm, mit ı Jahr 67cm. Kopfumfang bei Geburt 
26,5, mit 1 Jahr 40!/,cm, mit 2 Jahren gelaufen. Bei Vorstellung schwächliches 
Kind mit grazilem Knochenbau. Soll unnatürlich viel essen (— 4 cm, — 1,7 kg). 
Herz und Lungen o. B. Fac. +. Sehr ängstlich, besonders nachts. Geistig 
minderwertig. Mikrocephale. 

5. 6 Jahre alt, Ô, ehelich, 8. Kind (5 Kinder tot, darunter 3 Frühgeburten). 
Wird 3 Monate alt mit Unterernährung aufgenommen, bleibt 5 Monate im S.-H., 
durchschnittliche Tageszunahme 16,2 g. Bei Vorstellung mäßig entwickelt, 
geringe Muskulatur. Verkümmerte Nasenscheidewand, mißbildete Ohrmuscheln, 
links Hüftgelenkluxation. Imbezillität. Wird einer Idiotenanstalt überwiesen. 

6. 5 Jahre alt, ©, ehelich, ı. Kind, Mutter bei Geburt tot. Kind gleich 
nach Geburt ins S.-H. mit 2180 g, bleibt hier 4 Monate, tägliche Durchschnitts- 
zunahme 6,3 g. Macht schwere Rachitis durch mit 2 Jahren. Fängt an zu 
laufen mit 3!/, Jahren. Bei Vorstellung im Wachstum zurückgeblieben. 
Rachitischer Körperbau. Überreiches Fettpolster, Sprache sehr schlecht. Geistig 
minderwertig, läppisches Wesen, Enuresis, Herz und Lunge o. B., Reflexe o. B. 


Von diesen 6 Kindern kamen also 2 gleich nach der Geburt in 
unsere Behandlung. Bei beiden ist keine erbliche Belastung nach- 
weisbar. Das eine mit 1150 g, das andere mit 2150 g Geburtsgewicht. 
Daraus läßt sich also keine größere Gefährdung der mindergewich- 
tigen Kinder herleiten. 

Betrachten wir sodann die Frühgeburten, die bald nach Geburt 
zur Aufnahme gelangt sind, wobei ich diejenigen, die am Tage der 
Geburt selbst sowie am darauffolgenden in unsere Behandlung 
kamen, zusammenfasse — der Gewichtsverlust der letzteren spielt 
keine so große Rolle —, so läßt sich folgendes sagen. 

Es handelt sich um 57 Kinder. Das Schicksal dieser konnte mit 
Ausnahme eines Kindes, das nur 6 Wochen beobachtet wurde, später 
nicht wieder zu Gesicht kam, von allen ermittelt werden. Eine 
kurze Übersicht gibt Tabelle IV (siehe unten). Hieraus ergibt sich: 


Es starben: 
innerhalb der ersten 10 Tage . . . . 20 (siehe unten) 
vom ıı. Tag bis Ende ı. Monat. 2 (r Lues, ı fraglich) 
a a oe ı (Lues) 
ie » 6. j 3 (2 Pneumonie, 1 Lues) 
os » I. Jahres . 2 (1 Brechdurchf., 1 Krampfe) 
später ı (Pneumonie) 


29 


Heft 3 Das Schicksal der Frihgeburten. 217 


Todesursache der in den ersten Tagen verstorbenen Kinder war: 
Debilitas romal, fraglich 6mal, Hirndruck 2mal, Leberschwellung 
Imal, perinephritischer AbsceB 1 mal. 


Es konnten lebend ermittelt werden insgesamt 27 Kinder, dazu 
I nur bis zu 6 Wochen. 


ı!/, Jahre alt: 3 43/, Jahre alt: 2 8 Jahre alt: 2 
2 a6 ae 4 5 ve ye 4 9 os y 2 
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Zusammenfassend ergibt sich folgendes Bild: 
Geburtsgewicht unter 1000: 5, davon tot: 5 (100%), lebt: o 


1000—1500: 16, : ,, „ It (68%), leben: 5 
Iı 500—2000: 18, ,, „ 8 (44.4%), n» I0 
2000—2500: 18, „, „5 (27.7%) » 13 

57 29 28 


Mortalitätsziffer der am Tage der Geburt und am darauffolgenden aufgenom- 
menen 57 Kinder im Vergleich zu anderen Statistiken. 
Barmen Crede Budin Betke Maygrin Bakker 
Geburtsgewicht unter 1000: 100% 
1000—1500: 68% 83% 97% 76% 674% 88% 
1500—2000: 44,4% 36% 85,9% 60% 27% 34% 
2000—2500: 27,7% 11%  68,2% 50% 6% 10,5% 

Hierbei muß in Betracht gezogen werden, daß die Kinder einen 
Transport von der Stelle der Geburt bis zum S.-H. hinter sich hatten 
und so auch teilweise mit gefährlichen Untertemperaturen eingeliefert 
wurden, wodurch besonders die stark untergewichtigen Kinder in 
ihrer Lebensfähigkeit sehr beeinträchtigt waren. Wenn Budin 
behauptet, daß Kinder mit Rectaltemperaturen von 32° und weniger 
fast stets zugrunde gehen, so zeigen unsere Beobachtungen kein so 
ganz düsteres Bild. 

Das Schicksal der mit Untertemperatur von 32° und weniger 
ins S.-H. eingelieferten Friihgeburten war: 

Aufnahme am Tage der Geburt und am darauffolgenden: 18, siehe 
Tabelle IV (niedrigste Temperatur 26,7°); davon 14 tot innerhalb 
der ersten 4 Tage, d. i. 77%, 1 Kind tot nach 15 Tagen, Todesursache 
unbestimmt; ı Kind tot nach 2!/, Monaten, an Lues; 2 Kinder 
leben. 

Aufnahme vom 2. Tage bis 14. Tage nach Geburt: ıı (niedrigste 
Temperatur 29,1°). Hiervon 5 tot innerhalb 8 Tagen nach Aufnahme, 
d.i. ca. 45%; I Kind tot nach 4 Wochen an Pneumonie; ı Kind 
tot nach 7 Monaten draußen; ı Kind tot nach 9!/, Monaten draußen; 
3 Kinder leben. 





Brandt. 


218 





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Das Schicksal der Frihgeburten. 219 


Heft 3 


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220 Brandt. Heft 3 


Die Durchschnittsentwicklung der iiberlebenden Kinder ist im 
Vergleich zu den Camerer-Pirquetschen Normalzahlen folgende: 


Geburtsgewicht zwischen 1000—1500: — 5,2 cm —1I1,0kg 
I 500—2000: — 5 a0 — 0,9 a1 
2000—2500: — 0,5 „, —o,8 ,, 


also eine bedeutende Besserung mit höherem Geburtsgewicht. 


. Das kleinste Kind, welches am Leben erhalten werden konnte, 
wog I150 : 42, Aufnahmetemperatur 28,5°. Sein Schicksal ist ein 
trauriges, denn das Kind ist geistig Munder WENNE; war bei Vorstellung 
7 Jahre alt. 

Fassen wir nunmehr das Ergebnis dieser Nachforschungen zu- ` 
sammen, so können wir sagen: das Schicksal der Frühgeburten ist 
kein rosiges. Trotz alledem lohnt sich aber die Mühe, die wir beson- 
ders in den ersten Lebenstagen und -wochen aufwenden müssen, 
um diese unreifen Kindchen am Leben zu erhalten; denn der größere 
Teil ist trotz Entwicklungsstörungen doch ein brauchbarer Bestand 
der Menschheit, wenigstens soweit diese Nachforschungen zeigen, 
die ja nur ein allgemeines Bild geben können. 

Leider ist es mir nicht möglich, an einem größeren Material zu 
zeigen, wie sich die Entwicklung bei den einzelnen Gruppen von 
Frühgeburten (ich meine solche 1. von r000—1I500 g, 2. von 1500 
bis 2000 g, 3. von 2000—2500 g Geburtsgewicht) voneinander unter- 
scheidet, ob Ylppö recht hat, wenn er sagt: ,,Rein volkswirtschaft- 
lich und rassehygienisch erweist sich die Aufzucht von kleinen und 
kleinsten Frühgeburten nicht als wünschenswert.“ 

Unser Material setzt sich zusammen aus gesunden und kranken 
Kindern, wobei letztere den größeren Prozentsatz stellen. Wenn 
daher unsere Statistiken nicht schlechter sind als andere bisher ver- 
öffentlichte, so ist das ein Zeichen, daß wir in Pflege, Wärmebehand- 
lung und Ernährung einen Weg gegangen sind, der erfolgreich ist. 
Welches ist dieser Weg? 

Uber Pflege brauche ich nichts Besonderes zu sagen, die auf- 
opferndste Pflege ist die richtige. — Wärmebehandlung! Wir haben 
in unserer Anstalt ein sog. Frühgeburtenzimmer. Dasselbe wird 
durch besondere Heizung auf einer Zimmertemperatur von 24° 
gehalten. Zugluft bei Öffnung der Türe wird durch Wandschirm 
von den Kindchen abgehalten, das Zimmer nur von der pflegenden 
Schwester und dem Arzt betreten. Die Kindchen liegen in Körbchen, 
die mit Leinen lose ausgeschlagen sind. Ganz kleine Kinder sind in 
Watte gewickelt. Über das Körbchen ist ein Mullschleier gedeckt, 
besondere Wärmezufuhr geschieht mittels Wärmekrügen. Jegliche 


Heft 3 Das Schicksal der Frühgeburten. 221 


Abkühlung wird aufs sorgfältigste vermieden, das Baden in den 
ersten Wochen unterlassen. Couveusen haben wir nicht, Wärme- 
krüge, wie dieselben draußen in der Praxis gebraucht werden, ge- 
nügen unserer Überzeugung nach vollkommen. Was sodann die 
Nahrung betrifft, so geben wir in den ersten Tagen und Wochen 
Frauenmilch, um dann über Zwiemilchnahrung mit Frauenmilch — 
Eiweißmilch — Buttermilch nach einigen Monaten auf Kuhmilch- 
mischung überzugehen. Phosphorlebertran wird bei allen Früh- 
geburten etwa vom zweiten Monat ab prophylaktisch in kleinen 
Mengen gegeben. . 

So durch die ersten gefährlichen Monate hindurchgebracht, be- 
dürfen die Frühgeburten aber auch noch weiterhin besonderer 
Pflege und Beachtung. Leider lassen es die Eltern oft selbst daran 
fehlen, namentlich bezüglich der Verhütung der Rachitis. Hier 
weiter aufklärend zu wirken und tatkräftig einzugreifen ist nötig, 
wenn der Erfolg der aufopfernden Mühewaltung der ersten Wochen 
nicht verlorengehen soll. 


Aus der Kinderklinik der königlich ungarischen Elisabeth-Universität, 
derzeit in Budapest. (Direktor: Professor Dr. Paul Heim.) 


Die Neugeborenen-Zeit in einer neuen Beleuchtung. 
Von Dr, Josef Duzär, Assistenten der Klinik. 


Es wurde früher der Säugling so lange als neugeboren betrachtet, 
bis der Nabelrest abgefallen, der initiale Gewichtsverlust ausge- 
glichen war. Im allgemeinen wird dieser Zeitpunkt im ro.—1}4. 
Lebenstage bestimmt, jedoch rechnet man heutzutage — wie sich 
Birk richtig ausdrückt — zum Neugeborenenalter gegebenenfalls 
so viele Wochen hinzu, wie viele eben erforderlich sind. Es werden 
nämlich immer mehr und mehr Erscheinungen beobachtet, dir 
zwar zu den sogenannten physiologischen Schwächezuständen des 
Neugeborenen [Reiche (2)] gehören, doch öfters weit über die Grenze 
des im engeren Sinne genommenen Neugeborenenalters hinaus- 
reichen. Im vollen Einklang mit diesen Erscheinungen berechtigen 
uns unsere kolloidchemischen Untersuchungen die Grenze der Neu- 
geborenenzeit noch weiter: bis zu Beginn des 2. Monats hinauszu- 
schieben. Danach könnten wir eigentlich von einem doppelten. 
und zwar im engeren und im weiteren Sinne genommenen Neu- 
geborenenalter sprechen. 

Die das erste Neugeborenenalter charakterisierenden Schwäche- 
zustände sind: die Unvollkommenheit der Temperaturregulation 
und der Nahrungsaufnahme, Haut- und Schleimhauterytheme, 
der initiale Gewichtsverlust, das transitorische Fieber, die Harn- 
sauresedimente und Albumin im Urin, der Icterus neonatorum, 
dessen Ursache nach unserer heutigen Auffassung eine Hypofunk- 
tion (wegen Unentwickeltheit) der Leber sei [Ylppö (3)]. Als soge- 
nannte Schwangerschaftsreaktionen werden Brustanschwellungen. 
Genitalödeme und Vaginalblutungen beobachtet. 

Für eine Mangelhaftigkeit der Leberfunktion, eine Trägheit des 
Intermediärstoffwechsels spricht noch außer dem Ikterus, wie es wieder 
Ylppö (4) nachgewiesen hat, auch ein für den Neugeborenen cha- 


Heft 3 Die Neugeborenen-Zeit in einer neuen Beleuchtung. 223 


rakteristischer acidotischer Zustand, der bis zum 2. Monate nur 
langsam aufhört. Weiter ist die Stickstoffausscheidung sehr groß 
(welche Größe sie — nach einer Verminderung in der ersten Woche — 
erst im 2. Monat wieder erreicht). Das ‚Restnitrogen‘ wird im Harn 
bedeutend erhöht vorgefunden [Birk (I)]J, um am 6.—8. Tage all- 
mählich auf ein noch immer hohes endgültiges Maß zu sinken (ent- 
sprechend der großen Menge von Polypeptiden (Simon (5), Oxypro- 
teinsäuren (I) und Arminosäuren (Glykokoll), welche letzteren am 
3. Tage noch eine weitere Erhöhung erfahren. Für eine unzurei- 
chende Desamidierungsfähigkeit der Leber scheint im Urin der 
niedrige Ammoniakgehalt zu sprechen. Ein abweichendes Verhalten 
der hämoklasischen Krise [Linzenmeier und Lilienthal (6)], eine 
starke Reaktion von Glykuronsäure ergänzen das geschilderte Bild. 
Die Ausnützung der nitrogenhaltigen Stoffe ist sehr schlecht, die 
Perspiration (und somit die \Vasserabgabe) sehr groß. 

Das Blut des Neugeborenen ist sehr eingedickt. Es weist 61/, 
bis 71/, Millionen rote Blutkörperchen auf, der Hämoglobingehalt 
ist 120—140, die Zahl der polynucleären weißen Blutkörperchen 
ist 36000, das spezifische Gewicht, die Viscosität, das Volum der 
roten Blutkörperchen, der Gesamteiweißgehalt ist bedeutend er- 
höht. 

Sachs und Öttingen (7) waren die ersten, die die große Kolloid- 
stabilität des Neugeborenenplasmas gegenüber Salzfällung mit dem 
Mangel an Immunstoffen parallel stellten. György (8) ging weiter 
und hielt sich auf Grund des Verhaltens der Senkungsgeschwindig- 
keit der roten Blutkörperchen, sowie des Befundes von Sachs und 
Öttingen berechtigt, eine „biologisch fundierte‘, bis zu dem 
2. Monat dauernde Neugeborenenzeit anzunehmen. Nun, es ist mir 
gelungen, zwischen den Strukturverhältnissen beziehungsweise der 
Labilität des Plasmas und Serums einerseits und zwischen den 
biologischen Eigenschaften des Neugeborenen andererseits enge 
Beziehungen zu finden, die die Annahme einer erweiterten, sich bis. 
zum 2. Monat hinziehenden biologisch fundierten Neugeborenenzeit 
auch zu beweisen scheinen. 

In einer kleinen Mitteilung habe ich (9) zuerst gezeigt, daß mit 
der Daränyischen Reaktion (Io), die eine kombinierte Salz-, Al- 
kohol- und Hitze-Fällungsmethode darstellt, eine hochgesteigerte 
Labilität der Neugeborenensera nachzuweisen ist. Diese Labilität, 
welche nach unseren neueren Untersuchungen oft auch die des 
Erwachsenenserums übersteigt, vermindert sich während der ersten 
10 Tage rapid, von da an bis zum 2. Monat langsam. Diese Angabe 


224 Duzär. Heft 3 


verschiebt die Grenze der Neugeborenenzeit bis zu Beginn des 2. Mo- 
nats. Da dieser Befund in einem scheinbaren Widerspruch mit den 
Angaben von Sachs und Öttingen (7) sowie von György (8) (und 
anderen) steht, haben wir (II) weitere Untersuchungen angestellt, 
und zwar mit der Da ränyischen Reaktion parallel, Plasmalabilitats- 
reaktionen [nach Frisch-Starlinger (I2)] und nach Gerloczy (13) 
sowie die Senkungsgeschwindigkeitsprobe nach Linzenmeier. 
Diese Untersuchungen konnten die Befunde von Sachs-Ottingen 
und die von György vollkommen bekräftigen. Die Neugeborenen- 
zeit ist bis zum 2. Monat (also im weiteren Sinne genommen) mit 
einer groBen Plasmastabilitat zu charakterisieren, die sich so in den 
negativen Ergebnissen der Frisch-Starlingerschen Reaktion wie 
in der sehr verzögerten (> 48 Stunden) Senkung der roten Blut- 
körperchen kundgibt. Diese große Stabilität reicht weit über die 
Grenze des Neugeborenenalters im engeren Sinne hinaus, geht bezüg- 
lich der Frisch-Starlingerschen und Gerloczyschen Reaktion 
auch über den 2. Monat hinaus, während die Senkung der roten 
Blutkörperchen aus der extremen Langsamkeit am Anfang des 
2. Monats in eine selbst die des Blutes erwachsener Frauen über- 
treffende Schnelligkeit umschlägt. Bis zur selben Zeit nimmt, wie 
oben erwähnt, auch die Labilität des Neugeborenenserums allmäh- 
lich ab, so daß wir zur Behauptung geneigt sind, daß der Anfang 
des 2. Monats, somit gleichzeitig das eigentliche Ende der 
Neugeborenenzeit, die allerstabilste Periode des Neu- 
geborenen- und Säuglingsalters darstellt. Von da an nimmt 
zuerst die Senkung der roten Blutkörperchen sogar sprungweise in 
Schnelligkeit zu, später, und nur stufenweise, vergrößert sich die 
Labilität des Serums und schließlich des Plasmas. 

Bevor wir die biologischen Eigenschaften dieses erweiterten 
Neugeborenenalters mit den obigen Blutstrukturverhältnissen in 
Parallele stellten, hielten wir es für notwendig, das Neugeborenen- 
plasma und Serum näher zu untersuchen, um die Diskrepanz 
zwischen denselben erklären zu können. Wir haben also im Plasma 
derselben (IIo) Fälle ausführliche Eiweißfraktionsbestimmungen 
gemacht [Duzär und Rusznyäk (11)]. 

Die Ergebnisse unserer Untersuchungen scheinen eine vollkon- 
mene Erklärung der obigen, scheinbar widersprechenden Befunde 
zu geben. Es wurde zuerst refraktometrisch (Abbe) der Gesamt- 
eiweißgehalt des Citratplasmas bestimmt; es stellte sich nun heraus, 
daß der verhältnismäßig große Eiweißgehalt des Neugeborenen- 
plasmas bis zum 10. Tage beträchtlich abnimmt [siehe Rott (15) 


Heft 3 Die Neugeborenen-Zeit in einer neuen Beleuchtung. 225 


und Russ (16)], um sich von da an nur langsam, stufenweise zu er- 
hohen und den Wert der Neugeborenenzeit erst zwischen dem 2. und 
3. Monat zu erreichen. Fiir das erweiterte Neugeborenenalter 
ist demnach auch der groBe Wasserreichtum des Blut- 
plasmas kennzeichnend. Dies entspricht vollkommen den 
Untersuchungen, laut denen die allmähliche Eindickung der Gewebe 
des Foetus in den ersten Tagen der Neugeborenenzeit abgebrochen 
wird [Birk (I)]. So wie das Blut, zeigen auch die Gewebe in dieser 
Zeit (10 Tage bis 2 Monate) den größten Wassergehalt während 
des ganzen Extrauterinlebens, und die weitere Eindickung derselben 
beginnt wieder erst zwischen dem 2. und 3. Monat, um sich bis zum 
Ende des Lebens ungestört fortzusetzen. Auf die Bedeutung dieser 
Tatsache werden wir im weiteren zurückkehren. 

“ Was die einzelnen Eiweißfraktionen betrifft, so wurde festgestellt, 
daß die Globulinfraktion jene ist, die im großen ganzen 
dieselbe Kurve beschreibt, welche von uns bei der 
Daränyischen Reaktion gefunden wurde. Nach einem an- 
fänglich hohen Wert sinkt sie erst rapid (nämlich bis zum ro. Tage), 
dann allmählicher bis zu einem sehr niedrigen Wert ab, welcher 
den 2. Monat charakterisieren wird. Von da an ist nur eine sehr 
langsame stufenweise Erhöhung der Globulinfraktion zu bemerken, 
welche aber den bei den Neugeborenen gefundenen Wert selbst bis 
zum 5. Monat nicht zu erreichen vermag. 

Die Labilität des Neugeborenenserums bei der Daränyischen 
Reaktion findet demnach ihre Erklärung in einer Veränderung 
des Globulingehaltes, mit dem die Daränyische Reaktion, wie 
wir es am anderen Orte ausführlicher demonstrieren, meistens ganz 
parallel verläuft. 

Wie für die Serumlabilität, haben wir mit den Eiweißfraktions- 
bestimmungen auch für die Plasmastabilität der Neugeborenenzeit 
eine Aufklärung finden können. Es ergab sich nämlich, daß die 
Neugeborenenzeit (im älteren Sinne) durch einen auf- 
fallend niedrigen Fibrinogengehalt charakterisiert ist 
(0,08% des Citratplasmas). (Das Nabelblut gerinnt oft gar nicht, oder 
nur sehr langsam.) Dieser niedrige Wert erhöht sich anfangs nur sehr 
langsam, später, nach dem 4.—5. Monat, schneller. Da unsere anderen 
Untersuchungen [l. c. (Ir)] zeigen konnten, daß die Frisch-Star- 
lingersche sowie die Gerloczysche Reaktion mit dem Fibrinogen- 
gehalt des Plasmas parallel verläuft, wird somit die mit Hilfe dieser 
Reaktionen nachweisbare erhöhte Stabilität des Neugeborenenplas- 
mas, wie die verzögerte Senkung der roten Blutkörperchen verständlich. 

Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 15 


226 Duzär. Heft 3 


Eins ist nur mit der allmählichen Steigerung des Fibrinogen- 
gehaltes nicht zu erklären. Nämlich der rapide Umschwung der 
Blutkörperchensenkung im 2. Monat. Hier wäre aber vielleicht die 
Viscosität des Blutes nicht außer acht zu lassen, die neben vielem 
anderen die Senkungsgeschwindigkeit gleichfalls beeinflussen kann. 
Es ist bekannt, daß sie bei Neugeborenen sehr erhöht ist und 
seltsamerweise ebenfalls zu Beginn des 2. Monats eine plötzlich 
auftretende beträchtliche Verminderung zeigt [Brünning (14)). 

Bezüglich des Albumingehaltes sei nur erwähnt, daß die Albumine 
mit dem Alter keine gleichmäßige Zunahme aufweisen. 

Der volle Einklang, den wir zwischen den Labilitätsreaktionen 
und zwischen den Eiweißfraktionen gefunden haben, die Folge- 
richtigkeit, mit welcher jedes Neugeborenenblut an den oben ge- 
schilderten Charakterzügen festhält, hat mich veranlaßt, weitere Be- 
ziehungen zwischen diesen Blutstrukturverhältnissen und zwischen 
den biologischen Eigenschaften des verlängerten Neugeborenenalters 
zu suchen. 

Die hier in Betracht kommenden biologischen Eigenschaften 
dieser Neugeborenenperiode wären: die selbst im Säuglingsalter 
allein stehende große Hydrolabilität, Schwäche der osmotischen 
Regulation, die erhebliche Durchgängigkeit der Darmwand, die 
erhöhte Veranlagung zu katarrhalen und infektiösen Erkrankungen, 
sowie zu Odemen, Zirkulationsstörungen und starken Gewichts- 
stürzen, der vollständige Mangel an Antikörperbildung, aber eine 
beträchtliche Menge der von der Mutter herstammenden Antikörper 
und endlich ein oft vorkommender negativer Ausfall der Wasser- 
mannschen Reaktion bei sonst floriden kongenitalen Luesfällen. 

Diese erweiterte Neugeborenenperiode wird ansonsten auch da- 
durch gekennzeichnet, daß die Formelemente des Blutes an Zahl 
allmählich abnehmen, bis zu Werten, welche den Säugling vom 
2. Monat her endgültig charakterisieren: die Zahl der roten Blut- 
körperchen ist 5 Millionen, der Hämoglobingehalt bloß 80%, die 
Zahl der Leukocyten ıI—13 000 (binnen welchen die Lympho- 
cyten die Polynucleären weit überwiegen). Das spezifische Gewicht 
ist kleiner, der Restnitrogengehalt vom 6.—8. Tage an ständig 
hoch. Die Stickstoffausscheidung vergrößert sich allmählich vom 
8. Tage her bis zum 2. Monat ständig, wo dann der Wert des Neu- 
geborenenurins erreicht wird. Der Aminosäuregehalt gelangt gleich- 
falls zu dieser Zeit zu seinem endgültig hohen Wert. Der Ammoniak- 
gehalt nimmt von dem niedrigen Wert der ersten Tage allmählich 
zu, bis zu einem den der Erwachsenen übersteigenden Wert. 


Heft 3 Die Neugeborenen-Zeit in einer neuen Beleuchtung. 227 


Nun, die erwähnten biologischen Eigenschaften dieser Zeit könn- 
ten vielleicht folgenderweise mit den oben geschilderten Plasma- 
strukturverhältnissen in Parallele gestellt werden. Die Hydro- 
labilität, die große Veranlagung zu katarrhalen und infektiösen Er- 
krankungen (Influenza, Pertussis, Diphtherie, Erysipel, Meningitis 
epid usw.), sowie die abnorme Durchlässigkeit der Darmwand 
finden ihre Erklärung mit der größten Wahrscheinlichkeit in dem 
erhöhten Wassergehalt und in der Schwäche der osmotischen Regu- 
lationsfähigkeit, die, wie es Salge nachgewiesen hat, ebenfalls bis 
zum 2. Monat reicht [Salge (17)). 

Die von Czerny, Moser (19) und Behring (18) zuerst beobachtete 
große Durchlässigkeit der Darmwand beginnt im großen ganzen 
erst beim 2. Monat aufzuhören, wo sich auch die endgültige Bakterien- 
flora des Säuglings einstellt. Eine Analogie mit der Durchlässigkeit 
des Darmes finden wir auch in der Ansässigkeit des Soors, der in 
dieser Zeit auch ohne Erkrankung des Neugeborenen selbst die 
Schleimhäute des Mundes und eventuell des Oesophagus durchzu- 
wachsen vermag. Zufolge dieser Durchgängigkeit dient der Darm 
in so vielartigen Sepsisfällen des Neugeborenen als Eintrittspforte; 
so daß die Darminfektionen meistens auch eine allgemeine Sepsis 
bedeuten. (In Tierversuchen hat Weigert (27) gezeigt, daß die Nei- 
gung des Meerschweinchens zu einer tuberkulösen Infektion mit dem 
Wasserreichtum seiner Gewebe in direkter Beziehung steht.) 

Die infektiösen Erkrankungen können weiter vielleicht auch 
mit der Globulinfraktion in Beziehung gebracht werden. Das Neu- 
geborenenblut verhält sich nämlich in bezug seines hohen Globulin- 
gehaltes ähnlich wie das Blut eines erkrankten und somit eine 
Globulinvermehrung aufweisenden älteren Säuglings. Es liegt der 
Gedanke nahe, eine Erklärung für die oft irreparierbaren und sich 
auf die geringsten Schädigungen einstellenden Verschiebungen im 
Säuglingsorganismus in dieser erheblichen Globulinvermehrung zu 
suchen, um so mehr, je jünger der Neugeborene ist. (Schwere 
Gewichtsstürze, Zirkulationsstörungen usw.) 

Es kann sogar vermutet werden, daß dieser Globulingehalt mit 
dem mangelhaften Eiweißabbau beim acidotischen Zustand des 
Neugeborenen im Zusammenhang stände. Noch plausibler scheint 
die Beziehung desselben zu dem Antikörpergehalt des Neugeborenen- 
blutes. 

Der Neugeborene weist, wie bekannt, trotz seiner mangelhaften 
Fähigkeit, Immunstoffe zu bilden, eine beträchtliche Menge von 
denselben auf (Morbilli, Diphtherie, Typhus, Tetanus usw.). [Ru- 


15° 


228 Duzar. Heft 3 


zicka und Luska (20) haben erwiesen, daß der Säugling Prä- 
cipitine erst vom 2. Monat an bilden kann. Kramär (21) hat das 
selbe für die Koliagglutinine nachgewiesen.] Ehrlich und seine 
Schule (23) erwiesen zuerst, daß die biologischen Eigenschaften 
des Kolostrums stärker sind als die der Frauenmilch, da in ihm 
die koagulabilen Eiweißstoffe (Lactoglobulin und Lactalbumin), 
die Träger der antitoxischen Wirkungen, in größerer Menge vor- 
handen sind. Es ist möglich, daß die Globuline auch 
im Blute des Neugeborenen die Träger der Anti- 
körper sind und der erhöhte Globulingehalt eigent- 
lich die vermehrte Antikörpermenge repräsentiert. 
Denn es ist aus der neuesten umfassenden Arbeit Bergers (28) 
bekannt, daß die Antikörper eine große Affinität zu den Präcipi- 
taten bestimmter Eiweißfraktionen (in erster Linie der Pseudo- 
globuline) besitzen. Es ist auch ansonsten nachgewiesen worden, 
daß die Wirkung der Antikörper größtenteils von der physikalischen 
Struktur der Blutflüssigkeit abhängt [Sachs-Öttingen (7) und 
andere]. Daher kommt es, daß das Plasma mehr bactericide Stoffe 
enthält als das Serum desselben Blutes [Gouzenbach und Ueme- 
ra (7)]. Sachs (24) und Georgi fassen im wesentlichen auch die 
lIytische Wirkung des Serums in diesem Sinne auf. Nach Dold (7) 
spielt bei der normalen Agglutination auch die Ausflockung der 
labileren Quote der Serumglobuline mit. — Auf die Beziehungen 
zwischen der Plasmastruktur und den biologischen Eigenschaften 
des Säuglings weisen noch jene Untersuchungen von Caspari, 
Eliasberg und Fiegel (26) hin, die zwischen den anaphylaktischen 
Erscheinungen und der Sedimentierung der roten Blutkörperchen 
einen regelmäßigen Zusammenhang feststellen konnten. 

Eine weitere, sehr wichtige Rolle können die Globuline bei der 
Wassermannschen Reaktion spielen. Die Wassermannsche Reaktion 
fällt nämlich oft bei floriden Kongenitalen Luesfällen negativ aus. 
Sachs und Öttingen (7) führten diese Negativität auf die große 
Stabilität des Nabelschnurplasmas zurück. Nun habe ich (g) aber 
gefunden, daß das Nabelschnurserum eine erhöhte Labilität auf- 
weist, die allmählich am Anfang des 2. Monats bis zur allergrößten 
Stabilität des Säuglingsblutes abnimmt. Hier ist sowohl das Plasma 
wie auch das Serum durch eine große Stabilität charakterisiert. So- 
weit ich aus der Literatur ersehe, beziehen sich die Wassermann- 
negativen Fälle auf dieses Alter. Die Neugeborenenzeit im engeren 
Sinne wird im Gegenteil durch eine erhöhte Serumlabilität gekenn- 
zeichnet, wodurch erklärlich wird, daß die Wassermannsche Reak- 


Heft 3 Die Neugeborenen-Zeit in einer neuen Beleuchtung. 229 


tion oft auch bei luesfreien Frisch-Neugeborenen positiv ausfällt. 
(Die Reaktion wird ja doch im Serum durchgeführt.) Diese Annahme 
scheint auch durch folgende Feststellung von Steinert und Flus- 
ser (22) (auch älteren Autoren) gestützt: „Die Wassermannsche 
Reaktion ist manchmal beim neugeborenen Kind, ohne daß Lues- 
symptome vorhanden sind, positiv und wird binnen kurzem ohne 
Behandlung negativ.“ 

Zuletzt kann der Mangel der Verteidigungsfähigkeit und der 
Immunstoffe des Neugeborenen nach Sachs und Öttingen mit 
der Stabilität des Plasmas, nach György mit den sehr niedrigen, 
beinahe negativen Werten der Sedimentierung der roten Blutkörper- 
chen parallel gestellt werden. Wir fanden aber, daß die Labilitäts- 
reaktionen des Plasmas mit dem Fibrinogengehalt desselben parallel 
verlaufen. Die große Plasmastabilität des Neugeborenenblutes kann 
demnach auf einen niedrigen Fibrinogengehalt zurückgeführt wer- 
den. Ob aber ein Zusammenhang zwischen Antikörpermangel und 
geringem Fibrinogengehalt bestehe, muß dahingestellt bleiben. 

Es sei noch erwähnt, daß bei Gravidität und auch noch zu Beginn 
der Laktation, wo bis zum Anfang des 2. Monats — ebenfalls die 
Globulinfraktion vermehrt, die Serumlabilität erhöht ist [Her- 
mann und Gännsle (29)], bei sonst gesunden Frauen auch positive 
Wassermannreaktionen vorkommen. 

Es ist klar, daß wir nicht ohne weiteres an kausale Zusammen- 
hänge denken, wenn wir die Verschiebungen der Eiweißfraktionen 
zur Erklärung der biologischen Eigenschaften der engeren oder 

«weiteren Neugeborenenzeit verwerten wollen. Zweifellos ist es aber, 
daß die kolloidchemischen Labilitätsuntersuchungen 
der Eiweißtraktionen, sowohl im Plasma, wie im 
Serum die Auffassung einer doppelten Neugeborenen- 
zeit ermöglichen, welches Doppelwesen auch in den 
biologischen Eigenschaften des Neugeborenen sich 
kundgibt. Weitere Untersuchungen sind berufen, die tiefere Er- 
klärung und Bedeutung dieser Zusammenhänge aufzudecken. 


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Birk, Kraus Brugsch Bd. 9, H. 1, S. 1. 

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Linzenmeier u. Lilienthal, Zentralbl. f. Geburtsh. u. Gynakol. 1922, 
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des legafu 1922, II. 


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. Zit. nach Birk (siehe oben Nr. 1), S. 485. 

. Sachs, Kolloid-Zeitschr. Bd. 24, 1919, S. 113; Therapeut. Halbmonatsh., 


34. Jg. 1920, S. 379. 


. Dold, Med. Klinik 1921, Nr. 2. 

. Caspari usw., Klin. Wochenschr. Bd. 2, 1923, Nr. 9, S. 26. 

. Weigert, Zieglers Beitr. Bd. 36, Nr. 1. 

. Berger, Klin. Wochenschr. Nr. 25, 1923. 

. Ganssle-Hermann, Minch. med. Wochenschr. 1922, 21. IV. 


Aus der Kinderklinik der städt. Krankenanstalten in Essen. 
(Chefarzt: Priv. Doz. Dr. Bossert.) 


Bauchmuskelkrampf als Symptom der Übererregbarkeit. 
Von Dr. Franz Boxbichen. 
(Mit 1 Abbildung.) — 


Die Mannigfaltigkeit der klinischen Erscheinungen, unter denen 
die Übererregbarkeit der ersten Lebensjahre sich äußern kann, bringt 
es mit sich, daß die Literatur darüber umfangreich und eingehend 
ist und es kaum möglich erscheint, neue Linien in das Gesamtbild 
einzufügen. 

Insbesondere lenkten von jeher die tonischen Muskelkrämpfe 
namentlich an den Händen und Füßen das allgemeine Interesse 
auf sich und gaben Veranlassung zu dem Namen ‚Tetanie‘‘. Im 
Gegensatz zur Tetanie der Erwachsenen und der späteren Kindheit, 
bei der diese Extremitätenkrämpfe im Verein mit andern, sensiblen 
Störungen häufig die einzigen in Erscheinung tretenden Symptome 
bilden, sind beim jüngeren Kinde außerdem fast immer die Muskeln 
des Stammes und des Gesichtes befallen, doch treten diese tonischen 
Krämpfe gegenüber denen der Extremitäten in den Hintergrund, 
und oft wird man bei kürzerer Beobachtung nur reine Carpopedal- 
spasmen zu sehen bekommen. 

Von diesem geläufigen Bild abweichend sahen wir kürzlich in 
unserer Klinik ein ausgesprochenes Dominieren von Spasmen der 
Bauchdeckenmuskulatur, ja zuweilen waren diese die einzige Mani- 
festation der Übererregbarkeit. Soviel ich aus der Literatur entneh- 
men konnte, ist ein derartiger Kontraktionszustand der Bauch- 
muskulatur nicht beschrieben, wenn man von dem Pseudotetanus 
Witzingers aus der Pfaundlerschen Klinik bei einem 10?/, 
Jahre alten Knaben absieht, der nach Abbildung und Schilderung 
an unsere Beobachtung erinnert. Wir werden nachher noch darauf 
zurückkommen. 


232 Boxbiichen. Heft 3 


In unserem Falle handelt es sich um den ıı!/, Monate alten 
W. D., der nach Angabe der begleitenden Mutter rechtzeitig und 
ohne Kunsthilfe geboren wurde und kein Zwillingskind ist. Früher 
soll er immer gesund gewesen sein, insbesondere wurden nie Krämpfe 
bei ihm beobachtet. Ungefähr fünf Wochen vor der Aufnahme 
traten plötzlich aus voller Gesundheit heraus allgemeine Krämpfe 
und hohes, aber wieder schnell abklingendes Fieber auf. Sonstige 
Krankheitserscheinungen fehlten, Husten, Schnupfen oder Durch- 
fall waren nicht vorhanden. Seitdem wird bei dem Kinde häufig 
angestrengt-ziehende, krähende Einatmung bemerkt mit Blauwerden 
und „Wegbleiben‘. Seit zirka 14 Tagen sind die Stühle vermehrt 
und «dünn, und vor 2 Tagen wiederholten sich die Krämpfe und das 
Fieber. 

Die Aufnahmeuntersuchung zeigt einen pastösen, etwas muskel- 
schwachen Säugling mit geringer Kopf- und Thoraxrachitis, mäßiger 
Epiphysenverdickung an den Handgelenken und deutlichen Perl- 
schnurfingern. Ab und zu ist laryngospastisches Ziehen hörbar, 
Blauwerden und Wegbleiben werden jedoch bei der Aufnahme 
nicht beobachtet. Facialis- und Peroneusphänomen sind bei dem 
heftigen Schreien und der motorischen Unruhe des Kindes nicht 
deutlich auslösbar. An Hand- und Fußrücken zeigen sich ziemlich 
derbe schwereindrückbare Oedeme. Die Temperatur beträgt 38,9 
Grad, das Sensorium ist frei. Die sonstige Untersuchung ergibt 
noch einen hochroten Hals und eine diffuse Bronchitis. Das Herz 
ist kräftig, der Urin frei von pathologischen Bestandteilen. Die 
bakteriologische Blutuntersuchung fällt negativ aus. 

Kurz nach der Aufnahme erfolgt ein eklamptischer Anfall mit 
Zuckungen an den Extremitäten und im Gesicht. Daneben finden 
sich tonische Kontraktionen an der übrigen Körpermuskulatur. Es 
entwickelt sich eine starke Cyanose bei kräftiger Herzaktion, und 
im Verlaufe des Anfalls treten typische Carpopedalspasmen in Er- 
scheinung. Das Facialisphänomen ist deutlich vorhanden. Nach 
rectaler Darreichung von 0,5 g Chloralhydrat sistieren die Zuckungen 
allmählich. 

Der Übererregbarkeitszustand charakterisiert sich demnach hier 
durch den Laryngospasmus, die tetanoiden Muskelkrämpfe, das 
Auftreten allgemeiner Konvulsionen und die mechanische Über- 
regbarkeit. Dazu kommt im weiteren Verlaufe der Erkrankung 
noch das zeitweilige Vorhandensein des Erbschen Phänomens und 
der kathodischen Übererrregbarkeit. Das Trousseausche Phä- 
nomen ist Immer negativ. 


Heft 3 Bauchmuskelkrampf als Symptom der Übererregbarkeit. 233 


Die sofort einsetzende Kalktherapie und diaetetische Behandlung: 
Ausschaltung der Kuhmilch und Wiedereinschleichen mit kleinen, 
langsam steigenden Mengen hat keine wesentliche Besserung der 
Ubererregbarkeitssymptome zur Folge, und auch die Darreichung 
von Frauenmilch, die trotz des Alters des Kindes noch versucht” 
wird, hat keinerlei Einfluß darauf. Durch die gleichzeitige Ver- 
schlimmerung des Infektes und Entwicklung einer Pneumonie 
wird bei ständigem Rückgang des Körpergewichts das Allgemein- 
befinden sehr in Mitleidenschaft gezogen, und schließlich resultiert 
eine rasch zunehmende Verstärkung des Übererregbarkeitszustandes 
trotz späterer allmählicher Besserung der Pneumonie. 

Und zwar sind es seltsamerweise die Bauchdecken, an denen der 
tonische Kontraktionszustand der Muskulatur zuerst imponiert, 
nachdem tagelang vorher wieder laryngospastisches Ziehen bemerkt 
wurde. Der Leib erscheint im ganzen aufgetrieben, breit ausladend 
und hart und ist anscheinend bei Berührung schmerzhaft. 

Die tonischen Kontraktionen der Bauchmuskulatur zeigen die 
Neigung zur Ausbreitung auf den übrigen Körper, und am folgenden 
Tage sieht man einen schweren tetanischen Allgemeinzustand mit 
Karpfenmund, schlitzförmiger Verengerung der Lidspalte, hartem 
aufgetriebenem Bauch und Beteiligung der Atmungsmuskulatur 
init EinschluB des Zwerchfells. Der Thorax ist gebläht, der Klopf- 
schall hypersonor, in der linken Axilla besteht an umschriebener 
Stelle eine Schallverkürzung mit Bronchophonie und bronchial- 
klingendem Atmen. Das Röntgenbild ergibt weite Intercostalräume, 
Hochstand des Zwerchfells und eine Verbreiterung der Herzfigur. 
Auch vasomotorische Störungen wie Rötung des Gesichtes und 
starker Schweiß fallen auf, Hand- und Fußrücken sind geschwollen. 

Trotz regelmäßiger Injektion von Magnesiumsulfat wiederholen 
sich die tetanischen Anfälle in der nächsten Zeit noch häufig in 
ähnlicher Form aber wechselnder Stärke. Während die Symptome 
von Seiten des Respirationsapparates und des Gesichtes mehr und 
mehr im Hintergrunde bleiben, treten seltsamerweise die Erschei- 
nungen an der Bauchmuskulatur immer mehr in den Mittelpunkt 
des äußeren Bildes. Der Leib wird nach Aufhören der jeweiligen 
Magnesiumwirkung immer wieder bretthart, er ist aufgetrieben 
und seitlich ausladend mit starker Zeichnung der Bauchdecken- 
muskulatur. Besonders die Mm. recti treten als plastische Längs- 
wülste sichtbar hervor mit deutlicher Diastase, die als verhältnis- 
mäßig flache Furchung mit ausgeprägt scharfen Rändern von der 
Gegend unterhalb des Processus xiphoideus bis zum Nabel reicht. 


234 Boxbiichen. Heft 3 


An den recti selbst zeigen sich mehrfache Querfurchen, bedingt 
durch die inscriptiones tendineae (s. Figur). 

Der weitere Verlauf bringt zusammen mit dem Riickgang einer 
noch dazugetretenen komplizierenden Pyurie und der Besserung 
des Allgemeinzustandes ein Abklingen der Ubererregbarkeitser- 
scheinungen, und nur noch das zeitweilig vorhandene Erbsche 
Phaenomen läßt neben einer ab und zu nachweisbaren mechanischen 





Übererregbarkeit noch die Bereitschaft zu äußeren Manifestationen 
der Krankheit erkennen. 

Das Krankheitbild erinnert, wie oben kurz angedeutet, rein auber- 
lich lebhaft an einen von Witzinger beschriebenen Fall von Pseudo- 
tetanus aus der Pfaundlerschen Klinik bei einem 10%/, Jahre 
alten Jungen. Auch hier fallt die starke Kontraktion der Bauch- 
deckenmuskulatur auf, deren Konturen scharf wie an einem ana- 
tomischen Präparat hervortreten. Doch stehen die Erscheinungen 
an den Bauchmuskeln nach der Beschreibung nicht im Vordergrund 
des äußeren Bildes, wie denn besonders auch Gesichts- und Rumpf- 
muskulatur in ausgesprochener Weise betroffen sind. Ferner fehlen 


Heft 3 Bauchmuskelkrampf als Symptom der Uberregbarkeit. 235 


sowohl die mechanische als auch die elektrische Ubererregbarkeit, 
und die Reihenfolge in der die einzelnen Muskeln des Körpers 
befallen werden, ist eine andere. 

Escherich, von dem der Krankheitsbegriff des Pseudotetanus 
stammt, ist geneigt, diesen dem Wundstarrkrampf ähnlichen, aber 
nicht durch den Tetanusbacillus hervorgerufenen Krampfzustand 
als eine Form der juvenilen Tetanie anzusehen. Diese Anschauung 
gründete er besonders auf das häufige Vorhandensein von Über- 
erregbarkeitssymptomen wie mechanischer und elektrischer Über- 
erregbarkeit. Einen dem Pseudotetanus ähnlichen Zustand mit 
mechanischer und elektrischer Übererregbarkeit haben Bossert 
und Leichtentritt bei paratyphuskranken Kindern mit ausge- 
sprochenen Carpopedalspasmen beobachtet. Die Autoren schreiben: 
„Beim Berühren der Extremitäten schreckt das Kind zusammen 
und wird nachher am ganzen Körper steif. Die Spasmen sind kaum 
lösbar, und das Bild erinnert an einen Tetanuskranken“. Sie führen 
den ‚‚Pseudotetanus‘‘ in diesen Fällen auf die Paratyphusinfektion 
zurück. 

Wir wollen es dahin gestellt sein lassen, ob sich diese einzelnen, 
in ihren AÄußerungsformen verwandten Krankheitsbilder unter einem 
Gesichtswinkel betrachten lassen. 

Das Wesentliche an unserer Beobachtung ist diese vorübergehende 
Beschränkung des Kontraktionszustandes auf die Bauchmuskulatur 
bei einem übererregbaren Kinde, die zu der eigentümlichen Form 
des Bauchdeckenreliefs geführt hat. 


Aus der Universitäts-Kinderklinik zu Breslau. 
(Direktor: Prof. Dr. Stolte.) 


Zur Differentialdiagnose der Nabelkoliken. 
Von Dr. Felix Metis. 


Leibschmerzen sind eine häufige Klage im Kindesalter, und oft 
ist die Frage, ob es sich um eine organische, vielleicht entzündliche 
Erkrankung oder um funktionell bedingte, rein nervöse Symptome 
handelt, nicht leicht zu lösen. Auch für die Nabelkoliken werden 
beide dieser ätiologischen Faktoren angeführt. 

Das Krankheitsbild der ‚rezidivierenden Nabelkoliken‘‘ (Moro) 
findet sich bei 4—ı4jährigen Kindern, und zwar in der Art, daß 
aus vollem Wohlbefinden heraus Anfälle von heftigen Leibschmerzen, 
mitunter von Erbrechen begleitet, einsetzen, die Minuten bis Stunden 
dauern, um ebenso schnell, wie sie auftraten, wieder zu verschwinden. 
Die Anfälle wiederholen sich in Abständen von Wochen oder Mo- 
naten. Geringe Temperaturerhöhungen werden gelegentlich beobach- 
tet. Häufig besteht eine chronische Obstipation. Die Schmerzen 
selbst werden von den kleinen Patienten in die Nabelgegend, in das 
Epigastrium, seltener in die rechte oder linke Seite des Abdomens 
verlegt. 

In ätiologischer Hinsicht gehen die Ansichten weit auseinander. 
Während die Chirurgen die Schmerzattacken durch eine entzündliche 
oder mechanische Komponente, wie z. B. Lageveränderungen der 
Appendix (Küttner) erklären, werden sie von allen Pädiatern als 
psychogen bedingt und als Folge neuropathischer Konstitution, evtl. 
hervorgerufen durch Darmspasmen, angesehen. So sind auch die 
für die Therapie gewiesenen Wege sehr mannigfaltig: Die Append- 
ektomie steht der Behandlung mit Belladonna, Atropin, Tct. 
Valerian., mit einem Heftpflasterverband oberhalb des Nabels, mit 
Faradisation und Verbalsuggestion gegenüber. 


Heft 3 Zur Differentialdiagnose der Nabelkoliken. 237 


Von 20 Nabelkoliken, die monatelang in unserer Beobachtung 
standen, betrafen 70% Madchen, 30% Knaben. Die Kinder standen 
im Alter von 6—13 Jahren. 

Auf die Wiedergabe der einzelnen Krankengeschichten glauben 
wir verzichten zu können; sie decken sich im allgemeinen mit dem 
vorher ausführlich geschilderten Krankheitsbild : Plötzlich auftretende, 
in Abständen — einmal präzise angegeben alle 4—5 Wochen — 
wiederkehrende Schmerzattacken, die nur einmal in das linke Ab- 
domen, sonst immer in die Nabelgegend lokalisiert wurden. Die 
Schmerzen stellten sich teils nach Mahlzeiten, teils ganz unabhängig 
vom Essen ein und traten bei 2 Kindern auch in der Schule auf. 
In 15% der Fälle fand sich als Begleitsymptom Erbrechen. Ein 
Unterschied in der Art und Zeit des Auftretens, der Lokalisation 
der Schmerzen oder sonstige Besonderheiten in den Fällen mit und 
ohne Erbrechen waren nicht festzustellen. Auffallend war, daß die 
mit Erbrechen einhergehenden Fälle durchweg kräftige, gesund und 
frisch aussehende Mädchen betrafen. Von sonstigen Nebenbefunden 
wären je einmal eine Bronchitis sowie Tonsillitis, Kopfschmerzen 
und Enuresis nocturna zu erwähnen. Druckempfindlichkeit der 
Nabelgegend wurde einmal angegeben. Ein pathologischer Organ- 
befund, der für die Koliken hätte verantwortlich gemacht werden 
können, war niemals nachweisbar, dagegen waren sämtliche Patienten 
ausgesprochene Neuropathen in meist gutem Ernährungszustand. 
Das frische, blühende Aussehen war bei vielen echt; bei anderen 
dagegen, durch Vasolabilität bedingt, machte es bald einer mehr 
blassen Gesichtsfarbe Platz. In 20%, war es das einzige, in 30%, das 
erste, in 30%, das jüngste Kind der Familie. 

Bei den oft beträchtlichen Schwierigkeiten, die die Diagnose- 
stellung macht, muß jedes Hilfsmittel willkommen sein. Deshalb 
versuchten wir festzustellen, ob sich mit Hilfe der Aciditätsbestim- 
mung im Magensaft und auf Grund des Verhaltens der weißen Blut- 
körperchen, da man nur bei entzündlichen Prozessen wenn nicht 
Leukocytose, so doch Linksverschiebung beobachtet, einheitliche 
Charakteristica finden lassen, die in Zweifelsfällen zur Klärung der 
Diagnose beitragen könnten. 
| In sämtlichen Fällen bestimmten wir bei dem nüchternen Kind 
nach dem Anfall — in der Klinik bekamen wir einen solchen nie zu 
sehen — die Zahl der Leukocyten und ihr Differentialbild. Die 
Leukocytenzahlen waren abgesehen von einem Falle, dessen Leuko- 
cytose auf eine akute Bronchitis zurückzuführen ist und dessen 
eigentliches Blutbild nach Abklingen der Bronchitis kontrolliert 


238 Metis. Heft 3 


wurde, normal. Das Differentialbild zeigte sonst überall innerhalb 
der Neutrophilen keine Besonderheiten, insbesondere keine Links 
verschiebung. Dies stimmt auch mit neueren Untersuchungen von 
Nassau und Schohl überein. In fast allen Fällen ergab sich eine 
mehr oder weniger erhebliche Lymphocytose, die von Schiff bei 
Vagotonikern gefunden wurde. Dagegen ließ sich die von ihm be- 
schriebene Eosinophilie nur in einem Falle nachweisen ; die Zahl der 
Eosinophilen war im Gegenteil ebenso wie die der Mononucleären 
und Übergangsformen im Allgemeinen der Fälle gering. 

Die normale Leukocytenzahl würde zwar an sich nicht gegen eine 
Entzündung sprechen, wohl aber ist dem Blutbilde nach eine solche 
sicher auszuschließen. 

Vergleichsweise vorgenommene Blutuntersuchungen bei akuten 
Gastritiden und Appendicitiden zeigten eine Leukocytose und eine 
nicht unerhebliche Linksverschiebung innerhalb der Neutrophilen. 

Eines besonderen Hinweises bedarf folgender Fall eines 6 jährigen 
Knaben, der mit der oben beschriebenen, für die Nabelkoliken cha- 
rakteristischen Anamnese in die Poliklinik kam. Die mehrmalige 
Untersuchung ergab außer zahlreichen neuropathischen Stigmatis 
keinen pathologischen Befund. Fieber bestand nicht. Die Aciditäts 
werte waren normal, ebenso die Zahl der Leukocyten. Dagegen 
zeigte das Differentialbild eine Linksverschiebung. Eine Nabelkolik 
wurde daraufhin abgelehnt. Die Nachfrage ergab, daß er 5 Wochen 
später wegen einer Pneumonie in einem anderen Krankenhaus auf- 
genommen wurde und dort nach weiteren 2 Wochen ad exitum 
kam. Die Sektion bestätigte die bereits in vivo diagnostizierte 
Pneumonie und zeigte weiter eine Pericholangitis chron. Von 
etwaigen Veränderungen am Wurmfortsatz ist nichts protokolliert. 
Wir möchten die Pericholangitis für die damaligen Schmerz- 
attacken und auch für die Linksverschiebung verantwortlich 
machen. Der Fall beweist jedenfalls, daß die Feststellung der 
Gesamtzahl der weißen Blutkörperchen nicht genügt, daß vielmehr 
ihr Differential bild mit herangezogen werden muß. Die Diagnos 
„Nabelkolik‘ wurde hier lediglich auf Grund des Differentialbildes 
abgelehnt. 

Zur Klärung der Frage, ob die Koliken nicht vielleicht doch mit 
der Appendix in Zusammenhang stehen könnten, bestellten wi 
7 Fälle, die vor I—51/, Jahren wegen Nabelkoliken in poliklinische 
Behandlung waren, zur Nachuntersuchung. Der Bericht über den 
damaligen Verlauf der Krankheit sowie die erneute Untersuchung 
ergaben keinerlei Anhaltspunkte, daß die Kinder seinerzeit einen 


S 


Heft 3 Zur Differentialdiagnose der Nabelkoliken. 239 


entzündlichen Prozeß durchgemacht hätten oder jetzt ein solcher 
bestehe. In 5 Fällen waren die Schmerzen bald nach der Behand- 
lung mit Tct. Valerian., Tct. Rhois arom. völlig geschwunden, bei 
2 traten noch vereinzelte Attacken auf. Eine Operation war niemals 
notwendig. 

Bei einem 13jahrigen Madchen war von einem Privatarzt im 
Januar 1921 eine Appendektomie ausgefiihrt worden. Uber den 
Befund der Appendix war nichts zu erfahren. Im November 1922 
traten anfallsweise heftigste Leibschmerzen auf, so daB die Chirur- 
gische Poliklinik aufgesucht wurde. Von dort wurde dann das Kind 
zwecks Behandlung unserer Poliklinik überwiesen. Ein besonderer 
Organbefund war außer einer Pharyngitis nicht zu erheben. Zahl- 
reiche neuropathische Stigmata. Die Schmerzen wurden um den 
Nabel lokalisiert. Kein Palpationsbefund am Abdomen, keine 
Druckempfindlichkeit, auch nicht der alten Operationsnarbe. Urin: 
Alb. neg. Sed.: ohne pathol. Formelemente. Leukoc. 9000, Diffe- 
rentialbild normal. Acidität nach Probefrühstück 27—55. 

Bereits beim nächsten Besuch war das Kind, das nur suggestiv 
behandelt wurde, wieder völlig beschwerdefrei, im Verlauf der fol- 
genden 3 Monate traten keine neuen Schmerzattacken auf. Nach- 
träglich gab die Mutter an, das Kind sei nach der Operation zu- 
sehends nervöser geworden. 

Dieser Fall ist deshalb so interessant, weil er zeigt, daß zwischen 
Appendix und Nabelkolik absolut kein ätiologischer Zusammenhang 
zu bestehen braucht. 

Über das Verhalten der Acidität nach Probefrühstück bei Nabel- 
koliken sind in der Literatur nur spärliche Angaben verzeichnet. 
So fand Gernsheim bei mehreren diesbezüglichen Fällen Hyper- 
acidität, in einem vollständige Anacidität, Ohly gibt für freie HCI 
Werte zwischen 36 und 58, für Gesamtacidität zwischen 46 und 
78 an. 

Unsere Untersuchungen geschahen in der Weise, daß der 45 Mi- 
nuten nach Einnahme des Ewald- Boasschen Probefrühstücks aus- 
geheberte Mageninhalt filtriert und nach Zusatz von Dimethylamido- 
azobenzol und alkoh. Phenolphtaleinlésung gegen 4/,, Normal- 
natronlauge titriert wurde. 

Es ergab sich in 35% der Fälle normale Acidität, in 45% Hyper- 
acidität und in 20%, Hypacidität. Die drei Aciditätsgruppen waren 
in gleicher Weise auf die Fälle mit Erbrechen verteilt. In einem 
weiteren Fall mit Brechreiz und Übelsein war die Acidität normal. 
Die Kinder mit Hyperacidität standen im Alter von 6—12, die mit 


240 Metis. Heft 3 


Hypaciditat von 8—13 Jahren. Auftreten, Lokalisation und das 
klinische Bild waren in allen 3 Gruppen gleich. Zum Vergleich fur 
unsere Untersuchungen wurden die von Briining fir normale 
Kinder festgestellten Zahlen herangezogen: 





-L Freie HCI c j Gesamtacidităt 
Für 2—rojabrige ; 11,5 | 46,9 
» II—-I5,, 26,1 | 52,8 nach Probefrühstück. 


Die so für die einzelnen Gruppen von uns gefundenen niedrigsten 
und höchsten Werte für freie HCl und Gesamtacidität gehen aus 
der folgenden Übersicht hervor: 












Hypacıdität 
Freie HCl | Gesamtacid. 


Normale Acidität Hyperacidität 
Freie HCl Gesamtacid.]| Freie HCl | Gesamtacid. 


6—10 6-10 Jahre |: 14—28 [43.350 35—50 , 55—90 9—16 | 25— 36 
11—13 25—27 | 48—55 35—30 |92,5—120| 13—22 | 39—44 

Die für freie HCI ermittelten Werte sind niedriger, die für 
Gesamtacidität höher als die von Ohly bei Nabelkplken an- 
gegebenen. 

Der Versuch, einen Durchschnittswert für die Acidität bei Nabel- 
koliken zu errechnen, ist, wie aus vorstehender Tabelle hervorgeht, 
zwecklos. Wenn sich bei Neuropathen die freie HCl auf 25,0 und 
die Gesamtacidität auf 57,7 (Brüning) beläuft, so können wir für 
Neuropathen mit Nabelkoliken diese Werte nicht als Mittel an- 
nehmen. Es wäre vielleicht naheliegend, die Fälle mit Hypacıdität 
auf Grund der augenblicklichen Ernährungsverhältnisse mit der 
während des Krieges gefundenen Verminderung der Salzsäure 
werte in Parallele zu setzen. Aber selbst dann liegen die beiden 
anderen Aciditätsgruppen noch so weit auseinander, daß eine 
Durchschnittszahl gar keinen praktischen Wert hätte. Damit 
kommt die Aciditätsbestimmung für die Diagnose der Nabelkolik 
in Fortfall. 

Am ungezwungensten erscheint es uns, die so verschiedenen 
Aciditätswerte als eine Vagusneurose, da ja der Vagus sekretions- 
hemmende undf-fördernde Fasern führt, zu deuten und diese Se 
kretionsneurose zum mindesten als ein begleitendes Moment der 
Nabelkoliken anzunehmen, ohne damit dieses Symptom als ätio- 
logischen Faktor zu betrachten oder gar die Schmerzattacken darauf 
zurückführen zu wollen. 

Es hat sich gezeigt, daß die Schmerzen in gar keinem Zusammen- 
hang mit den Aciditätsverhältnissen stehen; sie sind sowohl beı 











Heft 3 Zur Differentialdiagnose der Nabelkoliken. 24I 


normaler wie bei Hyper- oder Hypacidität vorhanden. Sie blieben 
auch bei „spezifischer“ Behandlung der Sekretionsneurose mit 
Na. bicarb., Magnesia usta bzw. mit Acidolpepsin bestehen. Bei 
anderen Kindern, denen Tct. Chinae, und Valerian., Calcaona, Pro- 
monta oder gar keine Medikamente gegeben wurden, schwanden sie, 
obwohl die Sekretionsstörung weiter fortdauerte.‘ Dies würde mit 
Untersuchungen von I. E. Schmidt übereinstimmen, der eine 
direkte spezifische Schmerzempfindung der Magennerven gegenüber 
hohen HCl-Werten bei gesunder Schleimhaut nicht feststellen konnte 
(zitiert nach Müller). | 

Wir möchten deshalb glauben, daß die Schmerzen bei diesen 
sensiblen, vasolabilen Kindern, bei denen die leichteste Erregung schon 
einen Farbenwechsel, d. h. eine Änderung in der Innervation der 
Kapillaren bedingt, durch Darmspasmen verursacht werden. Wissen 
wir doch, daß alle vom vegetativen Nervensystem versorgten Organe 
durch Stimmungen leicht beeinflußt werden (vermehrte Schweiß- 
drüsensekretion, Puls), daß diese auch auf die Darmperistaltik hem- 
mend oder fördernd einwirken können. Da zwischen dem Zentral- 
und dem autonomen Nervensystem Wechselbeziehungen bestehen 
(Peiper), sind die Koliken und die meist vorhandene Sekretions- 
neurose als für diese Krankheit charakteristische neuropathische 
Stigmata anzusehen. 

Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, behalten wir uns die Be- 
handlung mit Atropin, Belladonna, zumal ihr Erfolg vielfach nur 
als Suggestivwirkung anzusehen ist, für akute schwere Fälle vor, 
handelt es sich doch vielmehr darum, nicht nur einzelne Symptome, 
sondern möglichst das Grundleiden, also die Neuropathie, zu be- 
seitigen. Gerade der Umstand, daß wir mit den verschiedensten 
Medikamenten und Präparaten den gleichen Effekt erzielen konnten 
wie mit der Aufnahme in die Klinik oder ohne jede Behandlung, 
beweist die Richtigkeit unserer Ansicht. Wenn man daher neben 
der Suggestivtherapie, der bei der Behandlung eine nicht zu unter- 
schätzende Rolle zufällt, Medikamente, „ut aliquid fieri videatur“ 
für angezeigt hält, dann möge man sich solcher bedienen, die wirklich 
einen günstigen Einfluß auf den Allgemeinzustand des Kindes aus- 
zuüben vermögen. 


Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. Ih 


242 Metis: Zur Differentialdiagnose der Nabelkoliken. Heft 3 


Literaturverzeichnis. 


Moro, Minch. med. Wochenschr. 1913, Nr. 27. — Berl. klin. Wochenschr. 
1914, Nr. 8. 

Küttner, Berlin. klin. Wochenschr. 1914, Nr. 4. 

Nassau und Schohl, Monatsschr. f. Kinderheilk. Nr. 24, H. 1. 

Schiff, Monatsschr. f. Kinderheilk. Nr. 14, S. 245. 

Gernsheim, Jahrb. d. Kinderheilk. Bd. 80, S. 352. 

Ohly, Berlin. klin. Wochenschr. 1921, H. 8. 

Brüning, Dtsch. med. Wochenschr. 1920, S. 883. 

Peiper, Arch. f. Kinderheilk. 1921, Bd. 69. 

Müller, L. R., Münch. med. Wochenschr. 1919, S. 547. 


Sammelreferat über die dermatologische Literatur 
des Jahres 1922. 


Von Dr. Carl Leiner. 


| Syphilis. 

White und Veeder geben in ihren Arbeiten eine detaillierte 
Übersicht über eine durch 8 Jahre fortgeführte Evidenz einer großen 
Reihe kongenital luetischer Kinder, eine Besprechung wichtiger 
sozialer Fragen, der klinischen Symptome und der Behandlungs- 
resultate. Im ganzen wurden 396 Familien mit 1145 Kindern beob- 
achtet, von denen 233 kurz nach der Geburt starben. In einem 
hohen Prozentsatz (17,8%) wurden Störungen des Zentralnerven- 
systems gefunden; hierher gehören die Fälle von Hemiplegie, Diplegie, 
Labyrinthtaubheit, Epilepsie, Tabes und Hydrocephalus internus. 
Die Therapie bestand in intravenösen Injektionen von Neosalvarsan, 
intramuskulären Injektionen von Sublimat und in der internen 
Darreichung von Kalomel. Die Behandlung soll sich auf Jahre 
erstrecken unter ständiger Kontrolle durch die Wassermannsche 
Reaktion. Neben der antiluetischen Behandlung muß auch auf die 
richtige Ernährung, Pflege und Hygiene des Kindes geachtet werden. 
Wie bei jeder Syphilisfürsorge haben auch White und Veeder 
die Erfahrung gemacht, daß nur ein geringer Prozentsatz der Kranken 
einer gründlichen vollständigen Kur unterzogen werden kann und 
mehr als die Hälfte der Patienten aus der Behandlung ausbleibt. 
Im ganzen wurden von den 308 Fällen, deren Endresultat bekannt 
ist, 22%, geheilt, 35%, gebessert, 17% ungebessert und 25% erlagen 
der Krankheit. Das Endresultat ist nicht als günstig zu betrachten. 
Die Lösung des Problems der kongenitalen Syphilis. liegt nicht so 
sehr in der Behandlung als in der Verhütung der Erkrankung, somit 
in der Behandlung der schwangeren luetischen Mütter. 

Für die antenatale Behandlung treten auch Givan, Fardyce 
und Rosen ein. Die beiden letzten Autoren sahen die besten Er- 
folge bei der intramuskulären Injektion von Quecksilber und 
Neosalvarsan, welche Mittel wöchentlich abwechselnd gegeben 

16* 


244 Leiner. Heft 3 


wurden. Im ganzen werden 6—8 Neosalvarsaninjektionen und ebenso- 
viele Quecksilberinjektionen gemacht und für eine exakte Behandlung 
mindestens 3 Kuren empfohlen. Es ist bekannt, daß die kongenitale 
Lues oft längere Zeit latent bleibt, weshalb große Vorsicht am Platze 
ist, bevor ein Neugeborenes einer Amme übergeben wird, nament- 
lich dann, wenn irgendwelche Anhaltspunkte für die Möglichkeit 
einer Lues vorliegen. Daß trotzdem immer noch Verstöße gegen 
diese bekannten Regeln vorkommen, beweist ein von Zieler mit- 
geteilter Fall. Eine gesunde Amme infizierte sich an einem syphi- 
litischen Säugling und übertrug die Krankheit auf 3 Pflegekinder. 
Patzsch ke begründet an der Hand einschlägiger Fälle seinen Stand- 
punkt, bei klinisch luesfreien Kindern von syphilitischen Müttem 
sofort die Behandlung einzuleiten. Es genügt oft eine Kur. Frank 
bringt in seiner Arbeit einen Beitrag zur Kenntnis der Nierenerkran- 
kungen bei kongenitaler Lues. Sie gleicht im allgemeinen der nach 
Vollhard als septische Herdnephritis bezeichneten Nierenerkran- 
kung. Daneben kommt noch eine zweite Form vor, bei der nur das 
Parenchym der Nieren ergriffen wird und die sich ihrem klinischen 
Verlauf nach als Nephrose im Sinne von Vollhard präsentiert. 
Glomerulonephritis konnte bei kongenitaler Lues nicht beobachtet 
werden. Nonne teilt einige Fälle von Hypophysenstörungen wie 
Infantilismus, Dystrophia adiposo-genitalis, auf der Basis einer 
kongenitalen Lues mit. Besonders bemerkenswert sind einige Fille, 
bei welchen sich diese Störungen bei kongenitaler Lues in der dritten 
Generation einstellten. Der strikte Beweis, daß es sich hier um 
luetische Folgeerscheinungen handelte, konnte durch die anatomi- 
schen Befunde und durch mitunter auf antiluetische Behandlung 
sich einstellende Besserung erbracht werden. | 

Kraus teilt einen Fall von Syphilis der dritten Generation 
mit, der alle Postulate erfüllt, die bei der Stellung dieser Diagnose 
gefordert werden müssen. Der Patient, ein 4 Monate altes Kind. 
leidet an Osteochondritis beider Ellbogengelenke mit Parrotscher 
Parese. Die Mutter hatte am Ende der ersten Lebenswoche einen 
Ausschlag an beiden Fußsohlen, der als luetisch erkannt und an 
der Prager Klinik behandelt wurde. Die Wassermannsche Reaktion 
ist noch positiv. Die Großmutter des Kindes hatte nach der Anamnese 
vier Schwangerschaften durchgemacht, wovon die beiden ersten 
ım 8. Monat mit der Geburt toter macerierter Früchte endeten, die 
dritte im 5. Monat durch künstlichen Abortus unterbrochen wurde. 
Die vierte Schwangerschaft endete normal mit Geburt eines an- 
scheinend gesunden Kindes — der Mutter des Patienten — 


Heft 3  Sammelreferat über die dermatologische Literatur d. J. 1922. 245 


und zeigte dann, wie bereits erwähnt wurde, am Ende der ersten 
Lebenswoche einen syphilitischen Ausschlag. Weinstein demon- 
strierte ein Kind mit Spatlues (komplette Taubheit, Keratitis paren- 
chymatosa seit 2 Jahren) mit einer bisher nicht beobachteten Kompli- 
kation, einem gummösen Geschwür der Rachenwand, das sich unter 
Jodtherapie zurückbildete. 

Parounagian und Goodman weisen darauf hin, daß die ak- 
quirierte Syphilis im Kindesalter keineswegs gar so selten ist; sie 
findet sich im allgemeinen bei Mädchen häufiger als bei Knaben. 
Sie ist fast immer extragenital, nur äußerst selten genital. Einen 
derartigen Fall, einen 5!/,jährigen Knaben betreffend, teilen die 
beiden Autoren mit. Einen eigenartigen Fall einer Syphilisüber- 
tragung bildet der von Helmreich in der Wiener Gesellschaft für 
Kinderheilkunde demonstrierte. Es handelt sich um ein 6 Monate 
altes Brustkind mit erworbener Syphilis im Stadium der Generali- 
sierung, wofür der Milztumor und die positive Wassermannsche 
Reaktion sprechen. Die Infektion der Mutter erfolgte beiläufig 
31/, Monate nach der Geburt des Kindes. Es ist in diesem Falle 
daran zu denken, daß das Kind mit der Muttermilch Spirochäten 
übernommen hat, wenn auch der Nachweis von Spirochäten in der 
Muttermilch bisher noch niemals gelungen ist. 

Im folgenden sollen mehrere Arbeiten Erwähnung finden, die sich 
mit therapeutischen Fragen der kongenitalen Lues befassen. 

Ong und Selinger besprechen die in manchen amerikanischen 
Kinderspitälern bestehenden eigenen Stationen zur Behandlung 
der Säuglings- und Kindersyphilis und bringen einen kurzen Bericht 
über eine solche Station im Kinderspital zu Washington. Die Erfolge 
der ambulatorischen Stationsbehandlung sind zufriedenstellend. 
Die Kranken erhalten intravenöse Neosalvarsan- und intramuskuläre 
Sublimatinjektionen. Pinard und Girand berichten über die 
guten Erfolge, die sie mit Sulfarsenolinjektionen erzielen. Jede 
Kur besteht aus 3 Serien, jede Serie aus 8—ıo Injektionen, die sub- 
cutan in der Dosis von 0,0I—0,02 pro Kilogramm Körpergewicht 
verabfolgt werden. 

SchuBler teilt eine von ihm mit Erfolg geübte Heliandiungs- 
methode mit, deren Wesen in der Anwendung höherer Neosalvarsan- 
dosen besteht, als sie sonst üblich sind. Die Kur beginnt mit drei 
intravenösen Neosalvarsaninjektionen, die in zweitägigen Intervallen 
vorgenommen werden. Dann folgen durch 8 Wochen Quecksilber- 
einreibungen, und zwar an 3 Tagen in jeder Woche. Hierauf werden 
wieder 3 Neosalvarsaninjektionen gemacht und zum Schluß der 


246 Leiner. Heft 3 


Kur wieder wie früher durch 4 Wochen Quecksilber eingerieben. 
Das Neosalvarsan wird in auffallend hoher Dosierung gegeben. 
Dosis 0,15 bei einem Gewicht unter 12 Pfund, Dosis 0,30 bei einem 
Gewicht zwischen I2 und 22 Pfund, Dosis 0,45 bei einem Gewicht 
zwischen 22 und 35 Pfund. Zur ersten Injektion wird gewöhnlich 
die Hälfte der entsprechenden Dosis genommen. 

Müller tritt mit großer Wärme für die von ihm eingeführte 
energische Behandlung der kongenitalen Lues mit Neosalvarsan 
und intramuskulären Injektionen von Kalomelöl ein. Die chemische 
Fabrik Kade in Berlin stellt eine feine Kalomelemulsion in Ver- 
dünnungen von 3—9% her, von denen entsprechend dem Gewicht 
0,Io ccm injiziert werden. Die hierbei sich bildenden entzündlichen 
Schwellungen sind fast immer flüchtiger Natur. 

Stransky erörtert einige wichtige Ernährungsprobleme bei der 
kongenitalen Lues. Es wird darauf hingewiesen, daß die Erkrankung 
bei vielen Fällen ein mangelndes Gedeihen, oft einen Stillstand 
des Gewichtes mit sich bringt, welche Störungen sich erst auf eine 
spezifische Behandlung bessern ; in manchen Fällen ist die Schädigung 
so hochgradig, daß es zu einem parenteralen, irreparablen Gewichts- 
sturz kommt, dessen Grund in einer Störung des intermediären 
Stoffwechsels liegen dürfte. Bei vielen luetischen Kindern wurde 
ein erhöhter Energiebedarf beobachtet, so daß Gewichtszunahmen 
erst eintraten, wenn Nahrungsmengen zugeführt wurden, die einem 
abnorm hohen Energiequotienten (I50—200) entsprachen. 


Scharlach. 


Haselhorst und Blum befassen sich mit der Frage der Ver- 
wendbarkeit des Auslöschphänomens für die Scharlachdiagnose. 
Das Wesentliche der von Schulz und Charlton entdeckten Er- 
scheinungen besteht darin, daß Normalserum, ebenso Scharlach- 
rekonvaleszentenserum — nach dem 25. Tag entnommen — einem 
Patienten mit Scharlachexanthem intracutan injiziert, an der In- 
jektionsstelle eine Auslöschung, und zwar frühestens nach 6—8 Stun- 
den, erzeugt. Andererseits verursacht Scharlachfrühserum (in den 
ersten 5 Krankheitstagen entnommen), einem Patienten mit Schar- 
lachexanthem intracutan injiziert, an der Injektionsstelle keine 
Veränderung. 

Haselhorst kommt auf Grund einer längeren Beobachtungszeit 
zu dem Schlusse, daß gerade in den differentialdiagnostisch schwierigen 
Fällen mit geringem Fieber, ohne typischen Rachenbefund mit 
schwachem, flüchtigem Exanthem das Auslöschphänomen ım 


Heft 3 Sammelreferat über die dermatologische Literatur d. J. 1922. 247 


Stiche läßt. Blum fand bei Benützung eines Standard-Normalserums 
(inaktiviert und mit 0,5 proz. Phenol sterilisiert) bei jedem echten 
Scharlach ein positives Auslöschphänomen. Die sog. chirurgischen 
Scharlachfälle verhielten sich nicht so eindeutig. Unter zehn der- 
artigen Fällen war bei sechs ein positives, bei vier ein negatives 
Auslöschphänomen zu sehen. Bei einem Fall, bei dem die direkte 
Probe negativ wär, wurde Blut zur Anstellung der indirekten Probe 
entnommen, und es stellte sich heraus, daß das Serum viermal 
nicht imstande war, ein echtes Scharlachexanthem auszulöschen. 
Hier sprach die direkte Anwendung gegen, die indirekte für 
Scharlach. 

Degkwitz berichtet über die interessante und wichtige Frage 
der Scharlachprophylaxe. Von 509 der Scharlachinfektion aus- 
gesetzten Kindern erkrankten nach prophylaktischer Seruminjektion 
nur drei in leichtester Form. Die schützende Dosis betrug für Kinder 
bis zu 8 Jahren 5—6 ccm, für Kinder zwischen 9 und 14 Jahren 
to ccm. Rekonvaleszentenserum wurde nur von mittelschweren 
und schweren Fällen in der vierten oder bei- Nachkrankheiten in der 
fünften bis sechsten Krankheitswoche mit den Kautelen gegen Lues 
und Tuberkulose entnommen. Die Scharlachprophylaxe ist eine 
rein passive Immunisierung, der Schutz dauert nur einige Wochen. 

Simpson hat 35 Fälle der sog. „vierten Krankheit“ beobachtet, 
die nach seiner Ansicht zur Scharlachgruppe gehören, da sie eine 
Immunität gegenüber echtem Scharlach aufweisen. 


Masern. 


Nach Nöthen gibt es auch bei Masern ein Vorexantlıem, aller- 
dings nur in manchen Fällen, das sich von den Prodromalexanthemen 
anderer akuter Infektionskrankheiten durch stärkere Flüchtigkeit, 
wiederholtes Auftreten innerhalb kurzer Zeiträume, Mangel einer 
bestimmten Lokalisation auf der Haut und die wechselnde Form 
des Exanthems (Erythem, Roseolen, skarlatinöser und morbilli- 
former Ausschlag, Urticaria, Purpura) unterscheidet. Die Bedeutung 
des Vorexanthems für die Frühdiagnose der Masern ist gering, jedoch 
kann es bei bestehender Leukopenie, selbst wenn katarrhalische 
Erscheinungen fehlen, von Bedeutung sein. 

Schilling ist in der Lage, die guten Resultate mit der prophylak- 
tischen Masern-Rekonvaleszentenserumimpfung zu bestätigen. Seine 
Versuche einer unspezifischen Masernprophylaxe, mittels Injektion 
von artfremdem Eiweiß, Serum oder Caseosan, sind nicht ganz 
negativ ausgefallen. Von Io Kindern, die je ı ccm Caseosan erhielten, 


248 Leiner. Heft 3 


blieben sieben gesund, ein Kind erkrankte abortiv, bei 2 Kindem 
war das Exanthem blaß und flüchtig. 

Asal-Falk hat in mehreren Fällen von Grippe Koplikflecke beob- 
achtet. 


Typhus abdominalis. 


Kisters teilt 2 Fälle von Typhus abdominalis mit, die von der 
Norm abweichende Hautveränderungen aufweisen. Bei dem einen 
Falle, einem 12 Monate alten Kind mit schwerem, zum Exitu: 
führendem Typhus, kam es zu einer Umwandlung der Roseolen 
in Hämorrhagien, wobei noch hervorzuheben ist, daß das Exanthem 
auch auf der Kopfhaut und im Gesichte lokalisiert war. Bei dem 
zweiten Falle, einem gjährigen Knaben, bestand neben der typischen 
Roseola ein makulo-papulöses und urticarielles Exanthem am 
ganzen Körper. 


Varicella. 


Stooß demonstrierte.an der Hand eines Falles den Zusanımen- 
hang von Varicellen und Herpes zoster. 

Sack führt eine besonders heftige Eruption von Varicella bei 
einem Falle auf die mehrere Tage vorher vorgenommene Höhen- 
sonnenbestrahlung zurück. Er hält es für wahrscheinlich, daß 
diese Bestrahlung mit ultravioletten Strahlen die Haut stark 
sensibilisiert und den Eruptionsprozeß in hohem Maße aktiviert 
und mobilisiert. 

Nach den Versuchen von Thomas und Arnold gelingt eine 
Schutzimpfung gegen Varicellen auch mit dem Inhalt einer über 
einer Varicella-Efflorescenz erzeugten Katharidenblase. 


Variola und Vaccination. 


Morawetz befaßt sich in seiner Arbeit mit verschiedenen Fragen 
der Variola-Vaccineimmunität und kommt auch auf die angeborene 
Immunität zu sprechen. Auf Grund klinischer Erfahrungen scheint 
in den ersten Lebenswochen eine gewisse Immunität gegenüber der 
Variolainfektion zu bestehen. 

Frankenstein kann die Resultate‘ der intracutanen Impfung 
nach Leiner-Kundratitz bestätigen. Er verwendete eine Lymph- 
verdünnung von I : Io und damit sind einige Abweichungen im Ver- 
laufe der Impfung gegenüber Leiner-Kundratitz zu erklären. 
Der Vorzug der intracutanen Vaccination besteht darin, daß eine 
einzige Injektion, die keine Narbe hinterläßt, genügt. Sie vermeidet 





Heft 3 Sammelreferat über die dermatologische Literatur d.J.1922. 249 


bei gleichem Enderfolg die Nachteile der cutanen Impfmethode. 
Sie beweist auch, daB das Entstehen der Pockenvaccineimmunitat 
nicht an das Auftreten der Jennerschen Impfpustel gebunden ist. 


Mikrobielle Dermatosen, Mykosen und Dermatozoonosen. 


Diphtherie der Haut. 


Biberstein betont die Häufigkeit der ekzematoiden Form, 
die sehr oft von den Hautfalten, besonders der retroaurikulären 
Gegend, ihren Ausgang nimmt. Kinisch weist oft ein eigenartiger, 
schleierähnlicher Belag auf die bestehende Erkrankung hin, meistens 
führt erst die bakteriologische Untersuchung zur sicheren Diagnose. 
Der Verlauf der Erkrankung ist meist ein chronischer, das Allgemein- 
befinden nur wenig gestört. Erscheinungen von seiten des Herzens 
oder sonstige postdiphtherische Schädigungen wurden nie beob- 
achtet. 


Pyodermien. 


Lewandowsky unterscheidet eine streptogene und eine staphylo- 
gene Impetigo. Bei der Streptokokkenimpetigo ist das Bläschen- 
stadium rasch vorübergehend, oft gar nicht nachweisbar. Die Krusten 
sind dick, von gelber, gelbbrauner Farbe, meist von einem geröteten 
Hof umgeben. Hauptlokalisation ist das Gesicht; nach dem Ab- 
heilen bleiben oft noch monatelang rote Flecke zurück. Die Staphylo- 
kokkenimpetigo läßt das primäre Bläschenstadium gewöhnlich 
deutlich erkennen, die Krusten sind dünn, serös-durchsichtig. Bei 
manchen Fällen fehlt die Krustenbildung ganz. Circinäre Formen 
sind bei der Staphylokokkenform viel häufiger als bei der strepto- 
genen. Die streptogene Form steht dem Ekthyma nahe, die staphylo- 
gene der Dermatitis exfoliativa Ritter und dem Pemphigus neo- 
natorum. Fuchs behandelt das gleiche Thema und hebt noch her- 
vor, daß die Staphylokokkeninfektionen sich als ansteckender er- 
weisen und besonders gehäuft in den Sommermonaten auftreten. 

Die Arbeiten von Wieland und Weber befassen sich mit den 
Beziehungen des Pemphigus contagiosus zur Dermatitis exfoliativa. 

Wieland kommt auf Grund der Beobachtung einer kleinen 
Pemphigusepidemie von ı2 Fällen, von denen zwei in das schwere 
Krankheitsbild der Dermatitis exfoliativa übergingen, zu dem 
Schluß, daß die beiden Krankheiten zusammengehören. Auch Weber 
ist der Ansicht, daß der Pemphigus contagiosus, die Impetigo con- 
tagiosa und die Dermatitis exfoliativa eng verwandte .Krankheiten 


250 Leiner. | Heft 3 


darstellen, ja wahrscheinlich sogar nur verschiedene Erscheinungs- 
formen einer und derselben Krankheit sind. 

Kerley sah nach Tonsillektomie bei einem 2jahrigen Kind einen 
mit Fieber einhergehenden septischen ProzeB auftreten, der auf der 
Haut zu einem der Dermatitis exfoliativa ähnlichen Ausschlag 
führte. 

Dudden bringt in seiner Arbeit 3 Fälle von Ekthyma gan- 
graenosum, jener zuerst von Hitschmann und Kreibich 
beschriebenen Pyocyaneusinfektion. Das Wesentliche der Erkran- 
kung besteht in dem Auftreten von knotenförmigen Infiltraten, 
die rasch in Geschwüre sich umwandeln, ohne daß es zur Eiterung 
kommt. Dudden hält die Frage, ob hier eine endogene oder exogene 
Infektion vorliegt, noch nicht für entschieden. 

Hußler weist darauf hin, daß die Nephritis nach Impetigo con- 
tagiosa keineswegs selten ist und eine ausgesprochene Kinderkrank- 
heit vorstellt. Therapeutisch hat sich zur Entfernung der Krusten 
besonders das Schmierseifenbad bewährt. 

Barabäs hebt mit Recht hervor, daß das Erysipel der Kopf- 
haut oft übersehen wird, zumal bei lebensschwachen Kindern die 
Temperatur sogar subnormal sein kann. Nach dem Abflauen der 
Entzündung tritt eine leichte, kleienförmige Schuppung ein. Das 
Erysipel zeigt oft eine günstige Wirkung auf eine bestehende Haut- 
erkrankung. In einem Falle verschwand eine hartnäckige Prurigo. 


Mykosen. 


Nach Kumer kann der als harmloser Saprophyt normalerweise 
auf der gesunden Haut vorkommende Soorpilz unter besonders 
günstigen Bedingungen verschiedene Krankheitserscheinungen her- 
vorrufen. Als Primärefflorescenzen wurden kleine Bläschen oder 
scheibenförmige, zentral schuppende Erytheme beobachtet. Die 
Soormykose, die fast immer mit Soor des Mundes sich vorfindet, 
ist hauptsächlich in der Analgegend lokalisiert. Rayka beschreibt 
einen ausgebreiteten Fall einer Soormykose vom Typus des Ery- 
thema mycoticum Beck. Zur Ansiedlung des Pilzes genügt 
im allgemeinen eine leichte Maceration der Haut. 


Dermatozoonosen. 
Heilmann hebt als Unterschied der Säuglingsskabies gegenüber 


der des Erwachsenen hervor, daß die erstere auch die behaarte 
Kopfhaut und das Gesicht befällt. Zur Behandlung der Skabies, 


Heft 3 Sammelreferat über die dermatologische Literatur d. J. 1922. 25I 


auch des Gesichts, empfiehlt Heilmann die von Oppenheim 
angegebene Salbe: Sulfur. praecip., Cretae albae, Zinci oxyd. ää 15,0, 
Vaselin. puriss. 45,0. 


Dermatosen unbekannter Ätiologie. 


Die Arbeiten von Cooke und Wolf bringen interessante Beiträge 
zur Lehre der allergischen Reaktionen der Haut. Wolf spricht 
von ,Proteosen“ und versteht darunter die allergische Reaktion 
bestimmter Individuen auf die Einführung eines . oder mehrerer 
bestimmter fremdartiger Proteine; die Empfindlichkeit kann an- 
geboren sein oder sich erst später entwickeln. Die Reaktion besteht 
entweder in einem anaphylaktischen Schock — Kuhmilch-Idio- 
synkrasie — oder sie äußert sich als chronisches Leiden, was häufiger 
vorkommt. Zur letzteren Gruppe gehört das Asthma, die Urtikaria, 
das Ekzem, besondere Katarrhe der Luftwege und der Augenbinde- 
haut. Nach der Herkunft des verursachenden Eiweißkörpers zer- 
fallen die Proteosen in ı. Pollinosen, 2. Nahrungsproteosen, 3. Tier- 
schuppenproteosen und 4. bakterielle Proteosen. Die verschiedenen 
Proteine pflanzlicher und tierischer Nahrungsmittel, sowie der Bak- 
terien und der Pollen vieler Blüten sind in chemisch reinem Zustande 
isoliert worden und in Amerika käuflich zu erhalten. Die Impfung 
wird cutan oder intracutan ausgeführt und aus dem Ausfall der 
Reaktion auf die Empfindlichkeit des Kranken gegen ein bestimmtes 
Protein geschlossen. Entgegen den diagnostisch und therapeutisch 
guten Resultaten der amerikanischen Autoren kommen van Leeu- 
wen, Bien und Varlkamp auf Grund gleicher Versuche zu dem 
Schlusse, daß man mit diesen Reaktionen nur die allgemeine Diagnose 
der allergischen Disposition, nicht aber die spezifische Diagnose des 
kausalen Agens stellen kann. Nach Bloch kommen Urticaria und 
exsudative Arzneidermatosen dadurch zustande, daß im sensibili- 
sierten Organismus das Antigen, das ein körperfremdes Eiweiß, ein 
chemisch verändertes, körpereigenes Eiweiß oder ein exogener 
oder endogener, nicht eiweißartiger Stoff sein kann, kreist und durch 
Einwirkung auf meist zellständige Antikörper im peripheren Ge- 
fäßsystem Veränderungen im Sinne einer erhöhten Durchlässigkeit 
oder einer Entzündung hervorruft. Die Urticaria entsteht nach 
Mautner durch Kontraktion kleinster Venen während einer an- 
aphylaktischen oder idiosynkrasischen Reaktion. Wenn auch die 
Resultate aller dieser Arbeiten noch keine einheitlichen sind, so 
können wir doch erwarten, daß auf diesem Wege die Ätiologie ver- 
schiedener Dermatosen unserem Verständnis näher gebracht werden. 


252 Leiner. Heft 3 


Leiner befaBt sich in seiner Arbeit mit der Frage der Beziehung 
der Dermatosen des Säuglingsalters zur Ernährung. Von diesem 
Gesichtspunkte aus wird das Ekzem, der Strophulus und die Erythro- 
dermia desquamativa besprochen. Klinik und Pathogenese der 
einzelnen Krankheitsbilder werden genau erörtert, um auf diesem 
Wege gewisse Anhaltspunkte für einen möglichen Zusammenhang 
zwischen den Hautveränderungen und dem jeweiligen Ernährungs- 
zustand herauszufinden. Nach der klinischen Erfahrung scheint 
ein solcher Zusammenhang zu bestehen, während die wissenschaft- 
lichen Ergebnisse im großen und ganzen uns den exakten Beweis 
in dieser Frage noch schuldig geblieben sind. Völlige Klarheit besteht 
ätiologisch und therapeutisch nur in jenen Fällen, die auf echter 
Idiosynkrasie beruhen. In einem Fortbildungsvortrag bespricht 
Leiner die universellen Sduglingsdermatosen: die Dermatitis ex- 
foliativa Ritter, das seborrhoische Ekzem, das Erythéme 
seborrhoique Lebard-Moussous und die Erythrodermia 
desquamativa Leiner. Bei der Dermatitis exfoliativa wird auf 
die Beziehung zum Pemphigus contagiosus und auf die Ähnlichkeit 
mit gewissen Hautveränderungen, die durch Maceration entstehen, 
hingewiesen. Die Erythrodermia desquamativa wird als selbständige 
Dermatosa aufgestellt und von den übrigen seborrhoischen Haut- 
krankheiten abgetrennt. Haller beschreibt in seiner Abhandlung 
drei für das erste Säuglingsalter sehr wichtige Hauterkrankungen, 
die das Symptom der Hautabschilferung gemeinsam haben, sich aber 
in ihrer Natur, ihrem Beginn und Entwicklung und in der Häufig- 
keit, mit der man sie beobachtet, unterscheiden. Es handelt sich 
um die physiologische Desquamation der Neugeborenen, um die 
Dermatitis exfoliativa Ritter und um die Erythrodermia desquamativa 
Leiner. 

Hackel weist darauf hin, daß in den Jahren der Lebensmittelnot 
und Unterernährung, besonders in den Jahren IgIg und 1920, in 
Wien ein gehäuftes Auftreten der Erythrodermia desquamativa beob- 
achtet wurde. Von 44 Fällen, die in den Jahren 1918 —ı921 zur 
Aufnahme gelangten, starben 23, geheilt entlassen wurden 17, un- 
geheilt 4. Die Untersuchung des Blutbildes in 1o schweren Fällen 
ergab die Tatsache, daß in allen Fällen eine Vermehrung der Leuko- 
cyten bestand, die oft hohe Grade erreichte und in 8 Fällen zo 000 
bis 26 000 betrug. Die Vermehrung betraf hauptsächlich die poly- 
nucleären Formen. Die eosinophilen Zellen waren vermindert, fehlten 
oft ganz im Gegensatz zu dem Befunde bei exsudativen Erkrankungen. 
Dem Blutbild kommt eine gewisse differentialdiagnostische Bedeu- 


Heft 3 Sammelreferat über die dermatologische Literatur d. J. 1922. 253 


tung zu bei der oft schwierigen Abgrenzung der Erythrodermie gegen 
andersartige ekzematöse Erkrankungen. In einem sehr schweren 
Falle kam es bei Brustnahrung unter Zugabe von hohen Dosen 
Citronensaft (6 Kaffeelöffel täglich) zur Heilung, in anderen Fällen 
versagte die Zugabe von Citronensaft. Auch Nobel empfiehlt in 
schweren Fällen von Erythrodermia desquamativa die Zufuhr von 
Citronensaft, ohne ganz überzeugt zu sein, daß die Erythrodermie 
tatsächlich Beziehungen zur Avitaminosengruppe hat. Allerdings 
läßt das zeitliche Verhalten, die Verteilung der Erythrodermie auf 
die einzelnen Jahre vielleicht einige Beziehungen zur Häufigkeit 
anderer Avitaminosen besonders zum Morbus Barlow herausfinden. 
Nach einer Zusammenstellung der beobachteten Fälle aus den Jahren 
IQI4—I922 war eine auffallende Häufung in den ersten Nachkriegs- 
jahren und speziell in den Monaten Dezember, Januar und Februar 
zu beobachten. In einer zweiten Mitteilung berichtet Nobel über 
den Exitus eines Erythrodermiefalles, der nach Zufuhr von Citronen- 
saft in voller Abheilung sich befand. Als Todesursache wurde eine 
chronische Enteritis follicularis, Bronchopneumonie und Otitis media 
gefunden. 

Bosänyi konnte in 2 Fällen von Erythrodermia desquamativa 
bei der Obduktion als seltene Komplikation ein Duodenalgeschwür 
auffinden. In dem einen Fall war schon klinisch die Diagnose aus dem 
Bluterbrechen und Blutnachweis im Stuhl gestellt worden. 

Barab ás beschäftigt sich in seiner Arbeit mit der ,, Proteink6érper- 
therapie“ in der Kinderheilkunde und weist unter anderem auf die 
guten Erfolge von Menschenblutinjektionen bei Erythrodermie hin. 

In der amerikanischen Literatur häufen sich die Arbeiten über 
ein eigenartiges Krankheitsbild, das als „Erythroedema“ oder 
„Pink disease“ oder ,,Acrodynia® oder ,,Dermato-Poly- 
neuritis“ beschrieben wird. Ich erwähne die Arbeiten von Za- 
horsky, Stevens und Johnson, Thursfield und Paterson, 
Davis, Porter, Vipond, Comby und Weber. Es handelt sich 
um eine ausgesprochene Kinderkrankheit, die fast stets zwischen 
dem 4. Monat und 4. Jahr auftritt, meistens sporadisch, seltener 
in kleinen Epidemien. Die Krankheit beginnt meist mit hohem Fieber 
und ist charakterisiert einmal durch Hautveränderungen, die miliaria- 
ähnlich oder auch fleckig, morbilliform oder selbst knötchenförmig 
sein können; weiter durch polsterartige Schwellung der Hände 
und Füße mit Rötung der Handflächen und Fußsohlen, durch inten- 
siven Juckreiz, Schwellung des Zahnfleisches, ev. mit Ausfall der 
Zähne, Geschwürsbildung der Haut und Mundschleimhaut, Abmage- 


254 Leiner. Heft 3 


rung, Muskelschwäche, Unruhe, Schlaflosigkeit usw. Die Prognose 
ist im allgemeinen gut, die Dauer der Krankheit meist chronisch, 
oft über, Monate sich erstreckend. Ätiologisch herrscht noch völlige 
Unklarheit. Trotz mancher Ähnlichkeiten mit Beri-Beri oder Pellagra 
liegt kein Anhaltspunkt für die Annahme einer Avitaminose vor. 
Von mancher Seite wird die Krankheit als Trophoneurose aufgefaßt, 
durch irgendeine Infektion hervorgerufen. Die Therapie besteht 
in guter Ernährung, guter Pflege und entsprechenden symptomati- 
schen Medikamenten. Im Blute konnte oft eine deutliche Leukopenie 
nachgewiesen werden. 

Lehndorff und Leiner machen auf ein nicht seltenes, bisher 
noch nicht beschriebenes Erythem aufmerksam, das in manchen 
Fällen von akuter oder rezidivierender Endokarditis beobachtet 
werden kann. Es besteht in blaßvioletten, ringförmigen Flecken, 
die hauptsächlich am Stamme lokalisiert sind; es ist meist flüchtiger 
Natur, kann sich aber auch unter Nachschüben über Wochen er- 
strecken. Die Frage, ob es sich um ein bakterielles oder toxisches 
Erythem handelt, ist noch unentschieden. In den bisher unter- 
suchten Fällen sind die Kulturen aus Blut und Lokalefflorescenzen 
steril geblieben. Soviel läßt sich von dem Erythema annulare 
mit Sicherheit sagen, daß es für akute Endokarditis pathognomonisch 
zu sein scheint. 

Bernheim-Karer und Keilmann besprechen die Skleroder- 
mie der Neugeborenen. Die Entstehung, der Verlauf und Ausgang 
zwingen zu einer scharfen Trennung dieser Hautveränderung von der 
Sklerodermie der Erwachsenen und der älteren Kinder. Es handelt 
sich um eine umschriebene Veränderung des subcutanen Fettgewebes, 
die möglicherweise durch Geburtstraumen ausgelöst wird und zu 
der vor allem übergewichtige Kinder disponiert zu sein scheinen. 
Infolge der Traumen kommt es zu Blutungen in die Subcutis und 
anschließend zu Nekrosen des subcutanen Fettgewebes. Diese 
Nekrose führt weiter zu einer beträchtlichen entzündlichen Infil- 
tration der Subcutis und ödematösen Schwellung des Bindegewebes. 
Der Ausgang ist restlose Resorption und Heilung ohne Narben- 
residuum innerhalb von 2—3 Monaten. 

Jordan, Heidler, Lange und Schipper besprechen einige 
Fälle von Ichthyosis congenita. Jordan teilt 2 Fälle mit, die 
von einer luetischen Mutter geboren wurden. Der eine Fall zeigte 
die typischen Erscheinungen der Ichthyosis congenita und starb 
kurz nach der Geburt; beim anderen Fall entwickelten sich im Laufe 
des ersten Jahres langsam jene Hautveränderungen, die der Ichthyo- 


Heft 3 Sammelreferat über die dermatologische Literatur d. J. 1922. 255 


sis larvata entsprechen. Die Haut des ganzen Körpers, auch an den 
Beugen, ist trocken, schilfernd. Die Kopfhaare und Augenbrauen 
fehlen; es besteht ein Ektropium der Augenlider. Jordan faßt 
den zweiten Fall als Ubergangsfall zur Ichthyosis vulgaris auf und 
will beide Formen nicht scharf voneinander trennen. Heidler 
spricht sich für eine Zusammengehörigkeit beider Formen aus und 
erwähnt 2 Fälle von Ichthyosis vulgaris, bei welchen die ersten 
Erscheinungen bereits in den ersten Lebenswochen deutlich vorhan- 
den waren. Blotevogel beobachtete einen 8jährigen Knaben mit 
allen Veränderungen der verschiedenen Ichthyosisformen (Ichthyosis 
simplex, nitida und hystrix). Die Hystrixbildung war an den Gelenks- 
beugen ausgeprägt, außerdem zeigten die Handflächen und Fuß- 
sohlen stalaktitenartige Hornhautwucherungen. 

Siemens teilt 2 Fälle mit vom Typus der acneiformen bzw. 
comedoähnlichen Keratosis follicularis. Es handelt sich um ein 
kongenitales Leiden, das in der Regel in den ersten Lebensmonaten 
sich zu entwickeln beginnt. Die Primärefflorescenz ist ein comedo- 
ähnlicher, in den höchsten Stadien kuppelförmiger, harter Horn- 
pfropf, der auf einer mattroten oder schmutzigbraunen, runden 
Papel sitzt. Nach Herauskratzen des Hornpfropfes bleibt eine trich- 
terförmige Vertiefung zurück. Der Prozeß ist vornehmlich lokalisiert 
an den Ellbogen, Knien, den Streckseiten der Extremitäten, in ge- 
ringerem Maße an den Nates und in der Umgebung des Mundes. 
Gleichzeitig finden sich Nagelveränderungen, umschriebene Keratosen 
an Palmae und Plantae und an der Mundschleimhaut. Die Ätiologie 
des Leidens ist nicht geklärt, die Veränderungen können das ganze 
Leben hindurch bestehen und mit zunehmendem Alter etwas zurück- 
gehen. 

Leiner demonstriert in der Wiener Gesellschaft für Kinderheil- 
kunde ein gjähriges Mädchen mit einer eigenartigen, den Kinder- 
arzten wenig bekannten Hautaffektionen, einem Granuloma 
annulare. Charakteristisch sind die scheiben- oder ringförmigen 
Herde von elfenbeinartiger Farbe, lokalisiert an der Dorsalseite der 
Finger oder an dem Rücken der Hand. Die Ätiologie ist nicht ge- 
klärt. Von mancher Seite werden Beziehungen zur Tuberkulose 
angenommen. In dem Falle Leiners waren alle Tuberkulinproben 
negativ. 

Mayer und Katz nehmen an der Hand von 2 Fällen von „Epi- 
dermolysis bullosa hereditaria“ zu einigen Fragen in der 
Genese dieses Leidens Stellung. Bei beiden Kindern ist das Auftreten 
von Blasen bereits in den ersten Lebenstagen in Erscheinung getreten. 


256 Leiner. Heft ; 


Der eine Fall zeigte Veränderungen, die der sog. dystrophischen 
Form zugerechnet werden. Alle Versuche, beide Formen voneinander 
zu trennen, haben sich nicht als hinreichend beweiskräftig erwiesen. 
Zum Zustandekommen einer klinisch in Erscheinung tretenden 
Epidermolysis werden 2 Faktoren benötigt: I. die Anlage zu einer 
temporären ,Blasenbereitschaft“ der Haut, die durch einen be- 
sonderen Reizzustand der Capillaren oder der Gefäßnerven hervor- 
gerufen wird (erbliches Moment) und 2. ein mechanischer, von außer. 
wirkender Insult. 

Lewi demonstrierte in der Wiener Gesellschaft für innere Medızın 
und Kinderheilkunde (9. XI. 1922) einen Fall von Dermatitis 
herpetiformis Diihring. Bei einem luetischen, imbecillen Kind 
kam es 3 Wochen nach einer antiluetischen Kur eines scheiben- 
förmig angeordneten Exanthems am Stamme, das aus kleinen Blä- 
chenefflorescenzen sich zusammensetzte. Daneben bestanden an 
verschiedenen Stellen des Körpers auch Knötchenefflorescenzen 
und Quaddeln. Die Eruption erfolgte in mehreren von Fieber be 
gleitetenden Nachschüben. Eosinophilie war weder im Blute noch 
im Bläscheninhalte nachweisbar. Oliver und Eldrige haben dies 
Dermatose bei zwei Kindern im Alter von 18 Monaten bzw. ro Jahren 
beobachtet. 

König teilt einen Fall von Purpura fulminans bei einem 
19 Monate alten luetischen Kinde mit, das innerhalb von 2 Tagen 
zugrunde ging. Die histologische Untersuchung einiger punktförmiger 
Flecken ergab, daß sie kleine Blutaustritte darstellen, und zwar 
rings um die Hautgefäße, in denen Streptokokkenembolien saßen. 
Aus dem Blute wurden dieselben Kokken gezüchtet. McConnell und 
Weaver erwähnen einen Fall von Purpura fulminans, der während 
der Scharlachrekonvaleszens auftrat und ebenfalls letal ausging. 

Hoffmann bespricht einen Fall von Werlhofscher Krankheit 
bei einem sjährigen Mädchen im Anschluß an Varicellen. Der Fall 
ist insofern bemerkenswert, als die vorausgegangene Infektion 
nicht zu einer anaphylaktoiden, sondern zu einer Werlhofschen 
Purpura gefiihrt hat. 

Nobe&court gibt eine Übersicht über die chronischen Purpura- 
formen des Kindesalters. Zur Behandlung wird die Injektion von 
frischem Pferdeserum oder auch Menschenserum empfohlen, in schwe- 
ren Fällen kann die Splenektomie oder Röntgenbestrahlung der Milz 
in Frage kommen. 

Schuscik demonstrierte in der Wiener Gesellschaft für inner 
Medizin und Kinderheilkunde (g. III. 1922) ein ı!/sjähriges Mädchen 





Heft 3 Sammelreferat über die dermatologische Literatur d. J. 1922. 257 


mit multipler Gangrän. Unter Fieber, Erbrechen und Unruhe 
kam es zum plötzlichen Auftreten von einem hämorrhagischen 
Erythem und weiterhin zu multipler Gangränbildung an den oberen 
und unteren Extremitäten. An der Mundschleimhaut bildeten 
sich kleine Geschwüre. Die Wassermannsche Blutuntersuchung 
fiel negativ aus. Das Kind erlag der Krankheit außerhalb des 
Spitals. 

v. Bokay macht auf eine nicht unwichtige Hautveränderung 
aufmerksam, die in einer oberflächlichen Geschwürsbildung an und 
in der Umgebung der äußeren Harnröhrenöffnung bei circumzidierten 
Kindern besteht. Die Ursache dürfte in mechanischen und chemischen 
Momenten als Folge schlechter Hygiene und Pflege zu suchen sein. 

Schmidt bringt einen interessanten Beitrag zur Xanthomfrage. 
Er beobachtete die Xanthombildung bei 5 Geschwistern; Vater 
und Mutter waren frei von der Krankheit, so daß man annehmen 
muß, daß die Eltern die Erbanlage in äußerlich nicht sichtbarer 
Form in sich trugen. Die Prädilektionsstellen des Xanthoms sind 
dieselben wie bei Psoriasis, vor allem jene Stellen, die häufigen 
Traumen ausgesetzt sind. Bei der beobachteten Familie, auch bei 
Vater und Mutter, die nicht an Xanthom litten, tang sich Hyper- 
cholesterinämie. 

Bahrawy weist an der Hand einer groBen Untersuchungsreihe 
darauf hin, daB die 1m Corium gelagerten Pigmentzellen, die das 
Wesentliche des Mongolenfleckes ausmachen, auch bei der 
kaukasischen Rasse regelmäßig sich finden, Nur sind die Pigment- 
körnchen hier in so geringer Zahl vorhanden, daß die sie enthalten- 
den Zellgebilde nur schwer von der Umgebung differenziert werden 
können. Der Unterschied ist also nur ein quantitativer. Die Mon- 
golenzellen geben eine positive Dopareaktion und erweisen sich somit 
als Pigmentbildner (Melanoblasten). 

Nach Hashimoto hat Baltz im Jahre 1896 auf eine Verfärbung 
der Haut nach dem reichlichen Genuß von japanischen Orangen 
hingewiesen. Hashimoto beobachtete bei einer großen Zahl von 
Fällen diesen Pseudoikterus nach dem reichlichen Genuß von 
Kürbissen, die große Mengen von Carotin, einen lipoidähnlichen 
Farbstoff, enthalten, der auch im Blut resp. Serum der Fälle nach- 
weisbar war. 

Adam beschreibt eine männliche Frühgeburt im 8. Fötalmonat 
mit einem angeborenen Ödem der ganzen unteren Körperhälfte. 
Das Kind starb am 9. Lebenstage. Die Sektion ergab eine kompli- 
zierte Mißbildung: angeborene Striktur im Bereich der Pars pro- 

Monatsschrift für Kinderheilkunde KXVII. Band. 17 


258 Leiner. Heft 3 


statica, die zu starker Blasen-, Ureteren- und rechtsseitiger Nieren- 
beckenerweiterung geführt hatte. Eine rechtsseitige Nierencyste 
von Faustgröße hatte zu einer Kompression der Vena cava inferior 
Veranlassung gegeben. 


Therapie. 


Gralka empfiehlt namentlich in schwereren Fallen von Pemphigus 
neonatorum die Bestrahlung mit künstlicher Höhensonne, da auf 
diese Weise der Krankheitsverlauf wesentlich abgekürzt werden kann. 
Die Dauer der Behandlung beträgt bei der ersten Sitzung bei einem 
Lampenabstand von gocm 3—5 Minuten, bei den folgenden wird 
langsam bis zu 15 Minuten gesteigert. Die Bestrahlungen werden 
in der Weise vorgenommen, daß bis zum Sistieren der Nachschübe 
bzw. der örtlichen Ausdehnung der Blasen in der Regel täglich 
Vorder- und Rückseite des Körpers behandelt werden. 

Czepa berichtet über gute Erfolge mit der Quarzlampe beim 
Erysipel. Beim Gesichtserysipel tritt die Besserung, der Temperatur- 
abfall oft schon nach der ersten Bestrahlung ein. Gegen das milde 
reaktive Erythem werden Umschläge mit, stark verdünnter essig- 
saurer Tonerde oder o,ı proz. Resorcinwasser empfohlen. 

Wassermann empfiehlt zur spezifischen Lokaltherapie der 
Furunkulose das Histopinpflaster (Histoplast), das durch Ver- 
‚mengen der Wassermannschen Staphylokokkenextraktgelatine mit 
einer indifferenten, leicht resorbierbaren und bei Körpertemperatur 
schmelzenden Masse und Auftragung auf eine geeignete Grundlage 
gewonnen ist. | 

Eder und Freund haben eine neue Schutzsalbe gegen 
Lichtschäden — Gletscherbrand, Sommersprossen, Hydroa 
aestivalis usw. — eingeführt; das wirksame Prinzip dieser Salbe 
sind 2—4proz. naphtholsulfosaure Salze in lanolinhaltigen Fett- 
salben, die schon in dünnster Schicht nicht nur das ganze Ultra- 
violett, sondern auch das äußere Violett vollständig absorbieren. 
Das Mittel wird unter dem Namen ,,Cutilux“ in den Handel 
gebracht. 

Siemens betont die Wirkung des Salvarsans auf Warzen. 
Bei einer Reihe von Fällen genügte eine einmalige, entsprechend ver- 
dünnte Neosalvarsaninjektion (0,15 :40 bis 0,15 :15 in physo- 
logischer Kochsalzlösung), um die Warzen zur Heilung zu bringen. 
Die Warzen bzw. das unter ihnen befindliche Gewebe werden mit 
I—I}/, Teilstrichen einer Io-ccm-Spritze infiltriertt. Die Heilung 
trat nach Io Tagen, manchmal auch später, erst nach Monaten ein. 


Heft 3 Sammelreferat über die dermatologische Literatur d. J. 1922. 259 


StraBberg hat zur Milderung des Juckreizes bei verschiedenen 
Dermatosen mit Erfolg Autoserum oder Afenil oder 50 proz. Trauben- 
zuckerlösung in der Menge von 2 ccm angewendet. Die Mittel wurden 
intravenös injiziert. 


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262 Leiner. Heft 3 


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Mautner, Hans, Zur Entstehung der Urticariaquaddel. Klin. Wochenschr. 
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Schuscik, Demonstration: ı!/,jähriges Mädchen mit multipler Gangran. 
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Vipond, Akrodynia. Arch. of pediatr. Bd. 39, S. 699. 


` 


Heft 3 Sammelreferat über die dermatologische Literatur d. J. 1922. 263 


Weber, Case of erythroedema and the question of acrodynia. Brit. journ. - 
of childr. dis. Bd. 19, Nr. 217—219, S. 17. 

Wolf, Leo, Die Proteosen in der Kinderheilkunde. Klin. Wochenschr. Nr. 28, 
S. 1409. ` 

Zahorsky, John, The semeilogy of the pink disease. Journ. of the Americ. 
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Derselbe, Med. clin. of North america (St. Louis) Bd. 6, Nr. 1, S.97. 


Therapie. 


Czepa, A., Erysipel und Quarzbehandlung. Wien. klin. Wochenschr. 1922, 
Nr. 25. 
Eder und Freund, Eine neue Schutzsalbe gegen Lichtschäden. Wien. klin. 
Wochenschr. 1922, Nr. 32. 
Gralka, R., Künstliche Höhensonne beim Pemphigus neonatorum. Monats- 
schrift f. Kinderheilk. Bd. 23, S. 413. 

Ledermann, Münch. med. Wochenschr. S. 1777. 

Siemens, W., Über die Wirkung des Salvarsans auf Warzen. Arch. f. Der- 
matol. u. Syphilis Bd. 139, S. 113. 

v. Wassermann, Aug., Zur spezifischen Lokaltherapie der Furunkulose. 
Münch. med. Wochenschr. Nr. 16. 


Referate. 


Pharmakologie. 


Miltner, Th. von. Lobelin bet Asphyxte der Neugeborenen. (Monatsschr. 
f. Geburtsh. u. Gynäkol. 62, Febr. 1923, S. 60.) — 


Das aus der Lobelia inflata durch Heinrich Wieland isolierte 
Lobelin, das sich durch die pharmakologischen Untersuchungen 
Hermann Wielands als hervorragendes Excitans des Atemzen- 
trums erwiesen hat, wurde in einer Reihe von Fällen von Asphyxia 
neonatorum mit gutem Erfolge angewandt. Die Dosis von 3 mg 
subcutan injiziert, führte nach durchschnittlich 5 Minuten zur 
Wiederbelebung. In einigen Fällen mußte die Injektion wieder- 
holt werden, um eine volle Wirkung zu erzielen. Der Injektion 
muß natürlich die Entfernung der Schleimmassen aus den oberen 
Luftwegen vorangehen. Die intrakardiale Injektion scheint wegen 
der Wirkung konzentrierter Lobelinlösungen auf das Herz nicht 
unbedenklich zu sein; jedenfalls muß dann sehr langsam injiziert 
werden. Wolff (Hamburg). 


Serologie und Immunitätslehre. 


Sogen, J. Experimentelle Untersuchungen über den Einfluß der ver- 
schiedenen Bakterienioxine auf die überlebenden Darmbewegungen. 
(The tohoku journ. of exp. med. Vol. I. Nr. 3, 4, S. 330.) 


Die Untersuchungen wurden am iiberlebenden Kaninchendarm 
ausgefiihrt. Ruhrtoxin hemmt die Darmbewegungen, wahrschein- 
lich durch Ausschaltung des Auerbachschen Plexus. Choleratoxin 
beeinflußt die Darmbewegungen nicht. Auch das Colitoxin übt auf 
den überlebenden Darm keine nennenswerte Wirkung aus. Typhus- 
toxin hemmt in einer bestimmten Konzentration die Darmbewegung. 
Das Pneumotoxin zeigt keinen merkbaren Einfluß auf den über- 
lebenden Darm. Schiff. 


Heft 3 Serologie und Immunitätslehre. 265 


Ronchi, A. (Pad. Klin. Rom.) Ricerche sperimentale sul meccanismo 
di azione curativa e preventiva degli estratti leucocitari autolisati. 
(Experimentelle Untersuchungen über den Mechanismus der heilenden 
und vorbeugenden Wirkung der autolytischen Leukocytenextrakte.) 
(La Pediatria 31, 1922, S. 365.) 

Die therapeutische Wirkung der vom Autor hergestellten 
Extrakte bei der Infektion des Meerschweinchens mit Gärtnerbacillen 
ist hauptsächlich antitoxisch, nur indirekt antibakteriell. In den 
Extrakten läßt sich eine thermostabile Substanz von Ferment- 
natur nachweisen, die mit dem Gift des Gärtnerbacillus als Antigen 
Komplementablenkung zeigt. Die Wirkung der Extrakte ist auf 
die in ihnen enthaltenen Fermente zurückzuführen, nicht als un- 
spezifische Eiweißwirkung zu deuten. Es gelingt, Extrakte herzu- 
stellen, welche reich an mononucleären, und solche, welche reich 
an polynucleären Leukocyten sind. Das lipolytische Ferment der 
ersteren ist imstande, die Fetthülle der Tuberkelbacillen aufzulösen, 
das Ferment der letzteren, die tuberkulösen Gifte zu neutralisieren. 
In der Tat hat sich gezeigt, daß mit gemischten Extrakten behandelte 
Meerschweinchen eine Tuberkuloseinfektion im Gegensatz zu den 
Kontrolltieren ohne Erscheinungen überstanden. Bei der Autopsie 
erwiesen sich die Lymphdrüsen verkalkt und fibrös verändert, die 
Lungen waren frei. Tezner (Wien). 


Sogen, Junkichi. Experimentelle Untersuchungen über den Einfluß 
des Pneumotoxins 'auf den Kreislauf, insbesondere auf das Herz. 
(The tahoku journ. of exper. Med. 1, Nr. 3, 4, S. 287.) 


Romberg und Mitarbeiter fanden, daß die Kreislaufstörungen 
bei Infektionskrankheiten dem Bilde der vasomotorischen Lähmung 
gleichen. Sie fanden, daß bei experimentellen Infektionen während 
einer längeren Periode fortschreitender Blutdrucksenkung nicht 
Herzschädigung, sondern die Gefäßlähmung für die Kreislaufstörung 
verantwortlich zu machen ist. Gestützt wurde diese Auffassung 
noch durch die Untersuchungen von Pässler, der gefunden hat, 
daß bei der Kreislaufsschwäche infizierter Tiere (Pyocyaneus, Diph- 
therie, Pneumokokken) diejenigen Pharmaka am wirksamsten sind, 
welche die Erregbarkeit des Vasomotorenzentrums steigern. Von 
diesen Untersuchungen ausgehend hat Verf. die Wirkung des Pneumo- 
toxins auf den Kreislaufapparat mit moderner phaı makologischer 
Methodik untersucht. Er fand, daß das Pneumotoxin — genau so 
wie Chloralhydrat oder Kaliumsalze — auf die automotorischen 
Apparate des Herzens lähmend wirkt. Beim Krötenherz tritt erst 
eine Beschleunigung des Herzschlages ein, bald wird aber der Herz- 
schlag langsamer, die Systolen werden unvollkommener und schließ- 
lich kommt es zum diastolischen Stillstand. Hervorzuheben ist, 
daß dieser diastolische Stillstand durch Campher zu be- . 


266 Entwicklung und Sprache. — Emährung. Heft 3 


hebenist. Das Herz beginnt wieder zu schlagen, die Kontraktions- 
höhe steigt. Verf. glaubt, daß der Campher dem Toxin gegenüber 
als ein antagonistisches Mittel wirkt. Während des Pneumotoxin- 
stillstandes verliert das Herz nicht seine Reaktionsfähigkeit. Die 
Toxinwirkung ist am Froschherzen in situ dieselbe wie am Warm- 
blüterherzen. Auf die peripheren Gefäße beim Kaninchen wirkt das 
Toxin vasokonstriktorisch und nie dilatatorisch. Die Kreislauf- 
störung bei der Pneumonie beruht nicht allein aufeiner Gefäßlähmung, 
die primäre Schädigung des Herzens spielt dabei wahrscheinlich 
eine bedeutende Rolle. | Schiff. 


Entwicklung und Sprache. 


Angelis, F. de. (Päd. Klin. Neapel). Lo sviluppo corporeo in rapporto 
all’ eredolue e all infezione tubercolare. (Die körperliche Entwicklung 
mit Bezug auf die hereditärluetische und tuberkulöse Infektion.) 
(La Pediatria 31, 1923, S. 357.) 

Verf. kommt zu dem überraschenden Resultat, daß zwar die 
hereditärluetischen Kinder etwas zurückgeblieben sind, daß dafür 
aber jene, welche, ohne klinische Erscheinungen zu zeigen, luetisch 
und tuberkulös infiziert sind, eine bessere Entwicklung aufweisen 
als die normalen (beurteilt nach den Marken und dem klinischen 
Aspekt), offenbar weil die Abwehrmaßnahmen des Körpers gegen die 
Infektionen die Entwicklung beschleunigen. Weiter zeigt sich, 
daß die zum größten Teil im Lande untergebrachten Kriegswaisen 
viel besser entwickelt waren als die unterstandslosen, auf der Straße 
aufgelesenen Kinder. Dies beweist, daß die Entwicklung haupt- 
sächlich von äußeren Umständen bestimmt ‘wird. 

Tezner (Wien). 


Ernährung, Ernährungsstörungen und Ernährungstherapie. 


Schaps, L. Pathologie und Therapie der Ernahrungsstorungen. (Jahrb. 
f. Kinderheilk. 101, 1923, S. 315.) | 


In der Arbeit bringt Schaps nach einer geschichtlichen Zu- 
sammenfassung älterer Anschauungen über akute und chronische 
Ernährungsstörungen in einem Abschnitt ‚Allgemeine Pathologie“ 
physiologische, diagnostische und therapeutische Hauptlinien. (Die 
Bedeutung der artfremden Milch, Entwicklung der Gärungsflora, 
Störungen, die primär durch Reizung der Magenschleimhaut aus- 
gelöst werden.) Ursächlich vorgehende Behandlungsarten ruhen bei 
akuten Ernährungsstörungen auf dem Grundsatz der ‚Kontrast- 
wirkung“, bei chronischen wird das ..Komplementärprinzip‘““ erfolg- 


Heft 3 Ernährung, Ernährungsstörungen und Ernahrungstherapie. 267 


reich durchgeführt. Zahlreiche Erfahrungen (Schaps beschreibt in 
der Arbeit 25 Fälle), die seine theoretischen Erwägungen bestätigten, 
zeigen vor allem den Wert zweier Mittel: der Milchsäure und der 
Gelatine. Die Abschnitte „Spezielle Pathologie“ und „Therapie“ 
bringen Anwendungsbedingungen, Gegengründe im Einzelfall und 
Darreichungsweise. Milchsäure entweder in Höhe von 2—3g pro 
Tag oder vermischt mit Calcium lacticum (Acilacton, Firma Wülfing- 
Berlin enthält 40%, freie Milchsäure, pro die 2,5 mal Milchsäure zu 
verabfolgen). Anwendung bei echten und parenteralen Dyspepsien, 
leichteren Fällen von Pylorospasmus, Strophulus. Bei toxischen 
Zuständen wegen der Acidose verhängnisvoll. Hier wirkt Gelatine, 
nach Ansicht des Verf.s durch Kontrastwirkung, Förderung der 
Fäulnis. Eine Reihe von Fällen (r0—20 g Gelatine, mit 2 1 Wasser 
. angesetzt, auf I l eingekocht, innerhalb 24 Stunden verabreicht) 
bewirkte überraschend schnelle Beseitigung toxischer Erscheinungen. 
W. Gottstein. 


Langstein, Leo. Zur Systematik der Ernährungsstörungen und deren 
Behandlung. (Dtsch. med. Wochenschr. 49, Nr. 5, S. 137. 1923.) 


Langstein will eine Systematik der Ernährungsstörungen 
geben, die besonders den Bedürfnissen der Praxis und des Unterrichts 
angepaßt ist. — Erkrankt ein Kind akut mit Durchfall, so soll 
man von einer Durchfallerkrankung bzw. Enterokatarrh sprechen, 
nicht von einer Ernährungsstörung. Durch letztere Bezeichnung 
werden zu heterogene Zustandsbilder umfaßt, außerdem ist diese 
Bezeichnung weder in der allgemeinen Pathologie noch in der inneren 
Medizin gebräuchlich. Eine ätiologische Differenzierung des Entero- 
katarrhs ist sehr erstrebenswert, oft aber gar nicht durchführbar. 
Dagegen ist sehr in Betracht zu ziehen, in welchem Zustand das 
Kind von dem Enterokatarrh betroffen wird. Ferner ist eine Diffe- 
renzierung wichtig, ob Durchfälle aus pathologischen Zuständen 
des Magens, Nährdarms oder Dickdarms entstehen, entsprechend der 
internen klinischen Betrachtungsweise. Statt von Intoxikation 
sollte man lieber von einer komatösen Reaktionsform des Entero- 
katarrhs sprechen. Die Intoxikation ist keine Ernährungsstörung. 
— Der Ausdruck Ernährungsstörung kann für chronische Störungen 
beibehalten werden, die tatsächlich mit der Ernährung in ursäch- 
lichem Zusammenhang stehen, doch ist hierfür der Ausdruck Nähr- 
schaden (Czerny) besser geeignet. Abzulehnen aber ist der Aus- 
druck. Ernährungsstörung für chronische Störungen des Ernährungs- 
zustandes. Hierfür erscheint der Name Ansatzstörungen (Dystro- 
phien, Finkelstein) geeignet. Langstein unterscheidet zwischen 
primären Ansatzstörungen (die rein alimentär bedingt sind und sich 
zum großen Teil mit den Nährschäden decken) und sekundären, 
die durch chronische Infekte bedingt sind. Dabei ist ebenso wie bei 


268 Ernahrung, Ernahrungsstérungen und Ernadhrungstherapie. Heft 3 


den Enterokatarrhen zweckmäßig zwischen leichten und schweren 
Formen zu unterscheiden. Der Ausdruck Dekomposition ist nur als 
- funktionelle Bezeichnung beizubehalten, er ist nicht identisch mit 
Atrophie. Für Atrophie aus alimentären Gründen ist der Ausdruck 
Athrepsie (Parrot) zweckmäßig. — Bei der Behandlung der Durch- 
fälle ist Buttermilch der Eiweißmilch vorzuziehen, da Eiweißmilch 
eine insuffiziente Nahrung ist (Mangel an Albumin und Salzen) 
und ein Luxusangebot von Eiweiß darstellt. Nur bei akuten Durch- 
fällen älterer Säuglinge kann sie angewandt werden, bis normale 
Stühle auftreten. Bei dystrophischen Zuständen mit Durchfall ist 
zunächst der Durchfall zu behandeln.. Die Ätiologie der Inanition 
bei den Dystrophien wird überschätzt. Inanition führt meist zur 
Verstopfung, nicht zum Durchfall. Durchfälle sind also ganz all- 
gemein. mit vorübergehender Nahrungsentziehung zu behandeln. 
Ernst Faerber (Berlin). 


Faber, Harold K. Prüfung der Pirqueischen Ernährungslehre. Mit 
besonderer. Berücksichtigung der Grundgedanken. (Americ. journ. 
of dis. of childr. 25, 339.) 


Der Nembegriff unterscheidet sich vom Begriff der Calorie nur 
zahlenmäßig. Das Arbeiten mit dem Calorienbegriff ist in Amerika 
unter Ärzten und Laien so eingebürgert, daß die Ersetzung durch 
den Nembegriff nur verwirrend wirken könnte. Gegen die ganze 
mit dem Nembegriff verbundene Ernährungslehre werden schwer- 
wiegende Einwände erhoben. Die zur Berechnung des Nahrungs- 
bedarfs verwendete Sitzhöhe läßt sich nicht mit ausreichender Ge- 
nauigkeit bestimmen. Ein Vergleich zwischen Sitzhöhe und der zu- 
verlässigeren Stammhöhe ergab Fehler der Sitzhöhe bis zu 5 cm. 
Sie müssen stark ins Gewicht fallen, da schon ein Unterschied in 
der Sitzhöhe von I cm das Pelidisi um annähernd 2 Punkte verschiebt. 
Die Behauptung Pirquets, daß die Darmoberfläche in regelmäßiger 
Beziehung zur Sitzhöhe stehe, stützt sich auf Durchschnittswerte 
der Sitzhöhe und zwei grobe Schätzungen von Sappey für den 
geblähten bzw. leeren Dünndarm. Es ist von vornherein unwahr- 
scheinlich, daß gesetzmäßige Beziehungen zwischen aufsaugender 
Darmoberfläche und dem Nahrungsbedarf bestehen. Denn alle ge- 
sunden Organe sind mit größerem Leistungsvermögen ausgestattet, 
als sie für gewöhnlich brauchen. Auch sind die Aufgaben der einzel- 
nen Darmabschnitte hinsichtlich der Aufsaugung der Nahrung 
durchaus verschieden. Die Annahme, daß die Sitzhöhe gewisse Be- 
ziehungen zum Nahrungsbedarf habe, ist wahrscheinlich zutreffend. 
Das beruht aber darauf, daß Sitzhöhe und Körperoberfläche einander 
annähernd entsprechen. Die Beziehungen beider Größen zueinander 
sind aber nicht so enge, daß die Körperoberfläche mit ausreichender 
Genauigkeit aus der Sitzhöhe bestimmt werden könnte. H. Vogt. 


Heft 3 Ernahrung, Ernahrungsstérungen und Ernahrungstherapie. 269 


Bessau, G. Das Problem der künstlichen Dauerernährung des Säug- 
lings. (Klin. Wochenschr. 2, Nr. 19, S. 861.) 


Antrittsvorlesung. Für die in den Dienst der Bekämpfung der 
Säuglingssterblichkeit sich stellende Kinderheilkunde bildet die 
Frage nach der Pathogenese der bei künstlicher Ernährung entstehen- 
den Störungen ex alimentatione das Zentralproblem, aus dem sich 
das weitere Problem ergibt, eine künstliche Ernährung ausfindig zu 
machen, die sich als Dauernahrung bewährt, indem sie im Darm- 
traktus und im Stoffwechsel des Säuglings Verhältnisse schafft, die 
sich den Bedingungen bei Ernährung bei Frauenmilch möglichst 
annähern. Die Störungen ex quantitate werden dadurch am besten 
vermieden, daß man sich, was die Menge der zuzuführenden Nahrung 
und die Quantität der einzelnen Nahrungsstoffe betrifft, möglichst 
an das Vorbild der natürlichen Ernährung an der Brust hält. Für die 
Pathogenese der Durchfallsstörungen sieht Verf. auf Grund seiner 
und seiner Mitarbeiter Untersuchungen in der abnormen Keim- 
besiedlung der oberen Dünndarmabschnitte, wie sie sich besonders 
bei Stagnation des Darminhaltes einstellt, den Mittelpunkt des 
krankhaften Geschehens; es zeigte sich ferner, daß es möglich ist, 
durch peptische Vorverdauung des Kuhmilcheiweißes die Verweil- 
dauer des Chymus im Magen und oberen Dünndarm zu verkürzen 
und so eine Annäherung an die Verhältnisse bei natürlicher Ernährung 
zu erzielen. Die gleiche Maßnahme verspricht auch den Gefahren 
des Milchnährschadens gegenüber einen Erfolg: Bessau sieht in 
den hellen Stühlen ein Kardinalsymptom der Erkrankung, das durch 
abnorme bakterielle Umwandlungen des abgesonderten Gallenfarb- 
stoffes zustandekommt. Peptisch vorverdaute Milch verändert die 
Stuhlbildung im Sinne der Frauenmilch. Auf diesem Wege, ferner 
unter Berücksichtigung der eigenartigen physikalisch-chemischen 
Bedingungen der Frauenmilch, hofft Verf. der Lösung des Grund- 
problems der Pädiatrie näher zu kommen. Wolff (Hamburg). 


Kovacs, Edmund. Die Proteinkérpertherapie der Sduglingsatrophten. 
(Dtsch. med. Wochenschr. 49, Nr. 10, S. 320. 1923.) 

Bei Säuglingen mit primärer Atrophie (d.h. solchen, die trotz 
sachgemäßer Ernährung auf Grund von konstitutionellen Anomalien 
in ein atropisches Stadium geraten) wird der atrophische Zustand 
durch Pferdeseruminjektionen günstig beeinflußt. Bei sekundärer 
(symptomatischer) Atrophie bleibt die Proteinkörpertherapie erfolg- 
los. Ernst Faerber (Berlin). 


Weil et Bertoye (Lyon). Der Hitzschlag der Säuglinge. Abkühlung der 
Krippen durch Eisblocke. (Le Nourrisson 11, 145. 1923.) 

Es werden drei Formen des Hitzschlags bei Säuglingen nach 

dem Vorgang Lesages unterschieden: ı. Blässe, Schlafsucht, hohe 


270 Ernährung, Ernährungsstörungen und Ernährungstherapie. Heft 3 


Temperaturen. 2. Hohe Temperaturen, Trockenheit der Haut, 
Unruhe, Beschleunigung von Atmung und Puls ohne jede Verdauungs- 
störung. Die Lumbalpunktion ergibt in diesen Fällen auch bei Vor- 
handensein meningitischer Symptome keine Besonderheiten. 3. Er- 
brechen und Durchfall mit hohem Fieber, aber ohne tonische Sym- 
ptome. Ein anatomischer Befund wurde bei den 21 beobachteten 
Fallen (von 1—22 Monaten) nicht erhoben. Ursächlich wird Wärme- 
stauung bei feuchter Außenluft angenommen. Die Befunde Riet- 
schels und Siegerts werden besprochen. Kühlung der Krippen 
durch Eis wird empfohlen. Rosenbaum. 


Helmreich, E. und Kassowitz, K. Körperbau und Ernahrungszustand 
in ihrem Einfluß auf den Index der Körperfülle. (Wien, Universitäts- 
Kinderklinik.) (Zeitschr. f. Kinderheilk. 35, 1923, S. 67—78.) 


Der Pirquetsche Körperfüllenindex, eine Funktion der gesamten 
Körperbeschaffenheit hat bei Untersuchungen an großem Material 
eine Konstanz der Beziehung zwischen Gewicht und Sitzhöhe in allen 
Lebensaltern ergeben. Trotzdem kommen auch hier Abweichungen 
vor, die nicht mit dem Ernährungszustand des Kindes in Einklang 
zu bringen sind. Die Schwankungen nach oben und unten können 
nur auf den Ernährungszustand bezogen werden, wenn es sich um 
einen konstitutionellen Durchschnittstyp handelt. Verff. haben nun 
die Fälle, in denen Ernährungszustand und Index nicht in Überein- 
stimmung standen (27% der untersuchten Kinder) einer eingehenden 
Untersuchung unterworfen. Es ließ sich durch Berechnung ver- 
schiedener Partialindices (Beinhöhe : Sitzhöhe, Brustumfang : Sitz- 
höhe, Knochenbreite : Knochenlänge, Weichteilbreite : Extremitäten- 
länge) nachweisen, daß Beinlänge, Breitenentwicklung des Thorax 
und Massivität der Knochen und Muskulatur solche die Indexzahl 
beeinflussende Faktoren darstellen. Wenn eine Übereinstimmung 
zwischen Gesamtindex und Ernährungszustand nicht besteht, muß 
also nach solchen konstitutionellen Momenten gefahndet werden. 

Schall (Tübingen). 


Newman, S. Die Bestimmung der Pelidiss bei normalen Säuglingen 
und Kleinkindern. (Wien, Universitäts-Kinderklinik.) (Zeitschr. 
f. Kinderheilk. 35, 1923, S. 102—104.) 

Das Verhältnis zwischen Sitzhöhe und Körpergewicht, aus dem 


a en 

Pirquet den Pelidisiindex | ee a a =10= | ableitet, wird 
Sitzhöhe 100 

an 206 normalen Kindern im Alter von 8 Tagen bis zu 4 Jahren nach- 

geprüft. Das Pelidisi liegt ın der Mehrzahl der Fälle zwischen 94,5 

bis 99.5. Schall (Tübingen). 





Heft 3 Ernährung, Ernährungsstörungen und Ernahrungstherapie. 271 


Japha, A. Einige Fragen der Säuglingsernährung. Dtsch. "med. 
Wochenschr. Nr. 15, 49. Jahrg., 1923, S. 479. 


Verfasser polemisiert gegen die mißverständliche Anwendung 
des Begriffes Minimalernährung. Der Säugling soll so ernährt 
werden, daß er optimal gedeiht. Das sicherste Mittel bei Durchfall 
ist Eiweißmilch. Der Durchfall braucht nicht unter allen Um- 
ständen mit einer längeren Hungerperiode behandelt zu werden, 
dagegen stets mit Änderung der Ernährung. 

Ernst Faerber. 


Wülffing, E. Eın Beitrag zur Ernährung mit gekochter Frauenmilch. 
(Bonn, Universitätskinderklinik.) (Zeitschr. f. Kinderheilk. 835, 
1923, S. 56—58.) 

Bei einem Zwillingspaar sollte die noch bestehende Streifrage, 
ob das Abkochen der Muttermilch auf die Entwicklung einen Einfluß 
habe, während einer allerdings sehr kurzen Periode (Io Tage) geprüft 
werden. Ein Unterschied im Gedeihen fand sich in dieser Zeit nicht. 
Auch beim Absetzen. zeigte das mit gekochter Frauenmilch ernährte 
Kind kein besonderes Verhalten. Das Vergleichskind dagegen starb 
im Anschluß an den Versuch, was für dessen Bewertung nicht gerade 
sehr günstig ist. Schall (Tübingen). 


Sehiff, Er. und Caspari, J. Zur Pathogenese der Ernährungsstörungen 
besm Säugling. II. Chemische Leistungen der Kolibakterien. (Aus 
der Universitäts-Kinderklinik in Berlin.) Jahrb. f. Kinderheilk., 
102, 1923. S. 53. 

Nachdem eine vorangegangene Untersuchung von Schiff und 
Kochmann (Jahrb. f. Kinderheilk. 99, Heft 4/5) als Haupt- 
ergebnis feststellte, daß der Colibacillus Eiweißkörper und Pepton 
unter Bildung basischer Produkte zerlegt, wird in dieser Arbeit, die 
physiologische Verhältnisse eingehender berücksichtigt, der Einfluß 
von Colibacillen auf peptisch und tryptisch abgebaute Eiweißkörper 
(Kasein Merck und Albulaktin Wülfing) geprüft. Die bakterielle 
Vergärung des Traubenzuckers wird durch tryptische Verdauungs- 
produkte wesentlich stärker gefördert als durch peptische. In Nähr- 
boden, die keine vergärbare Substanz und als N-Quelle peptisch 
abgebautes Kasein oder Laktalbumin enthalten, werden durch Coli- 
bacillen aus den Eiweißabbauprodukten flüssige Säuren gebildet. 
Aus tryptischen Verdauungsprodukten entstehen Basen. Aus den 
peptischen Verdauungsprodukten bilden sich offenbar durch die 
Colibacillen selbst flüchtige Fettsäuren. Tryptische Verdauungs- 
produkte werden leichter zerlegt als peptische. Vor allem wurden 
in Nährböden, die außer der N-Quelle auch Traubenzucker ent- 
hielten, nicht nur der Zucker, sondern auch das Eiweiß und seine 
Abbauprodukte durch Colibacillen angegriffen. Am deutlichsten 


272 Ernährung, Ermährungsstörungen und Ernahrungstherapie. Heft 3 


verlief dieser Vorgang, wenn als N-Quelle im Nährboden tryptisch 
verdautes Eiweiß vorhanden war. W. Gottstein. 


Canelli, F. Anatomische Pathologie der Gastroenterstis bei Säuglingen 
(Hämorrhagien, Hämosiderosen, entzündlich-degenerative Verände- 
rungen. (Riv. di clin. pediatr. 1923, 11, H. 2, S. 93.) 

Vom pathologisch-anatomischen Gesichtspunkte kann man 
mindestens zwei große Gruppen von Gastroenteritis der Kinder 
unterscheiden: A. Gastroenteritis mit degenerativen (und entzünd- 
lich-degenerativen) Veränderungen der Organe, parenchymalen 
Blutungen, Hämosiderose und Magen- und Darmblutungen. B. Gastro- 
enteritis ohne sichtbare degenerative Organveränderungen, ohne 
parenchymale Blutungen, mit oder ohne Magen- und Darmblutungen. 
Die Blutungen, manchmal nur durch die histo-mikrochemischen 
Untersuchungen ersichtlich, befinden sich in den letzten Teilen des 
Duodenums und des Ileums, im Wurmfortsatz, in den Biegungen des 
Kolons, im Mastdarm, in der Leber, in den Nieren und im Pankreas. 
Vielleicht ist ein Verhältnis zwischen besonderen intertriginösen 
Ekzemen in der Perianal- und Perigenitalgegend: und den hämor- 
rhagischen Magenerosionen nachweisbar. Ein solches Verhält- 
nis könnte aus der von der Diarrhöe abstammenden Alkalıpenie 
und aus der folgenden Hyperacidität Ursprung nehmen. Die Hämo- 
siderose kommt oft in der Leber, in der Milz, in den Nieren, in den 
Hoden, in den Iymphatischen Bauchdrüsen vor. Die Entartungen, 
die am häufigsten vorkommen, sind: die Verfettung und die amyloide 
Degeneration. Sie greifen die Leber, die Nieren, die Darmblutgefäße 
und die Darmganglien an. Bei den atrophischen Kindern findet 
man die Hämosiderose sehr oft, und die Darmatrophie steht im 
kausalen Verhältnis zu den schweren Gastroenteritiden, von denen 
diese Kinder angegriffen werden. 


Holstein, D. Ein Beitrag zu der Frage nach dem Wesen der sog. Kuh- 
milchidiosynkrasie bei Säuglingen. (Köln, Universitätskinderklinik.) 
(Zeitschr. f. Kinderheilk. 35, 1923, S. 38—50.) 

Den zahlreichen Hypothesen über die der Kuhmilchidiosynkrasie 
zugrunde liegende schädigende Substanz wird eine neue zugefügt. 
Nach Holstein stellt die verschiedene anorganische Zusammen- 
setzung der Nahrung, namentlich das Überwiegen der Kalium- 
ionen, das schädigende Agens dar. Zunächst weist H. vergleichsweise 
auf die Eiidiosynkrasie hin, die nur mit Eiweiß, nicht aber mit 
Eigelb hervorgerufen werden kann. In der Asche des Hühnereiweißes 
findet sich dementsprechend auch eine ungleich größere Menge von 
Kalium. Der Unterschied zwischen Frauen- und Kuhmilch ist lange 
nicht so ausgesprochen, hier scheint ein Überwiegen des Chlors 
durch Verdrängen des Kaliums aus dem Organismus mehr indirekt 


Heft 3 Ernahrung, Em4hrungsstérungen und Ernahrungstherapie. 273 


zu wirken. Fälle aus der Literatur wie auch eine eigene Beobachtung 
werden herangezogen, um die Hypothese zu stützen. Die letztere 
gab erst den Anstoß zu diesen Überlegungen, sie wurde daher noch 
nicht in dieser Hinsicht experimentell verwertet. Immerhin zeigt 
es sich, daß bei den Nahrungsgemischen, die ertragen wurden, der 
Gehalt an artfremdem Eiweiß nicht maßgebend war, wohl aber eine 
gewisse Beziehung zum Kaligehalt im Sinne der oben besprochenen 
Hypothese zu bestehen schien. Schall (Tübingen). 


Wagner, R. Therapeutische Eynährungsversuche ber der Sduglings- 
tuberkulose. I. Mitteilung. 


Happ, W. M. und Wagner, R. II. Mitteilung. (Wien, Universitäts- 
kinderklinik.) (Zeitschr. f. Kinderheilk. 85, 1923, S. 127—151 und 
S. 152—175.) 

In der Einleitung geht Wag ner erst ausführlich auf die Frage 
der isodynamen Vertretung der Energieträger ein und bespricht 
die v. Gröerschen Versuche am fettfrei ernährten Säugling und deren 
Kritik. Es selbst will zu dieser Frage an einem anderen Material 
Stellung nehmen, und zwar am aktiv tuberkulösen Säugling, bei dem 
man jede dazutretende Infektion leicht an objektiv nachweisbaren 
Kriterien (Temperatursteigerung, physikalischem Befund usw.) 
feststellen könne. So lasse die Heilwirkung eines diätetischen Faktors 
sich besser beurteilen. Frühere Erfahrungen über den Einfluß 
der Ernährung bei tuberkulös infizierten Individuen, meist an 
Tieren erhoben, ergaben noch keine einwandfreie Erklärung darüber, 
ob das Fett, der fettlösliche A-Faktor oder das Eiweiß einen günstigen 
Einfluß auf die Infektion ausüben. W. studiert die Verhältnisse 
bei g Säuglingen mit aktiven tuberkulösen Prozessen, die er längeren 
oder kürzeren Perioden fettarmer Ernährung unterzog. (Praktisch 
waren die Fettmengen zu vernachlässigen, dagegen war die Nahrung 
nicht vollständig frei von dem A-Faktor.) Es konnte ein hemmender 
Einfluß auf Körpergewicht und Längenwachstum nachgewiesen 
werden, wenn auch nicht alle Fälle die Erscheinung gleich ausgeprägt 
zeigten. — In der II. Mitteilung werden dann die einzelnen Fälle 
ausführlich besprochen. Es wird die Frage diskutiert, ob ein Einfluß 
der fettarmen Ernährung auf den Ablauf der Tuberkulose zu be- 
merken ist. Die Verff. bejahen dies. Der tuberkulöse Prozeß wird 
i. a. durch die milchfett- und A-faktorarme Ernährung ungünstig 
und umgekehrt durch die milchfett- und A-faktorreiche Ernährung 
günstig beeinflußt. Es handelt sich dabei wohl nicht um einen direk- 
ten Einfluß, sondern um eine Hebung des allgemeinen Ernährungs- 
zustandes, der zwar nicht der einzige, die Prognose bestimmende 
Faktor ist, wohl aber insofern eine besondere Bedeutung gewinnt, 
als er am leichtesten willkürlich beherrschbar ist. Des weiteren 
konnten während der fettarmen Periode an den Kindern wenigstens 

Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 18 


274 Ernährung, Ernährungsstörungen. — Milchwissenschaft. Heft 3 


andeutungsweise die Zeichen des von Bloch als Dystrophia ali- 
pogenetica beschriebenen Krankheitsbildes beobachtet werden. 
Diese sind neben dem Wachstumsstillstand Blässe, schlaffe Haut 
und Muskulatur, Trockenheit der Haut, Herabsetzung der Beweg- 
lichkeit und des Appetits. Eine Resistenzverminderung gegenüber 
Infektionen läßt sich bei den schwierigen Verhältnissen im Säuglings- 
alter nicht eindeutig nachweisen. Für die Praxis ergibt sich als 
wichtige Folgerung, daß eine sahnereiche Ernährung bei tuberkulösen 
Säuglingen sowohl den Ernährungszustand als auch den Verlauf 
der Erkrankung günstig beeinflußt. Vielleicht kommt dem A-Faktor 
dabei die Rolle eines Heilfaktors zu, ähnlich wie dies bei der Rachitis 
angenommen wird. Schall (Tübingen). 


Guttmann, M. Ist eine objektive Beurteslung des Ernährungszustandes 
des Menschen möglich? (Arch. f. Kinderheilk. 72, 1922, S. 23.) 


Der Verfasser, ein Schulrat, hat sich der mühevollen Aufgabe 
unterzogen, die gebräuchlichen Indices darauf zu untersuchen, 
wieweit sie miteinander und mit der Wirklichkeit ın Widerspruch 
stehen und tritt auf Grund seiner sehr ausgedehnten Messungen 
an gesunden Schulkindern, die er durch mehrere Jahre verfolgte. 


für die weniger bekannte Bornhardtsche Formel ein. J = G— B. vi 


wobei G = Körpergewicht, B = Brustumfang in Mittelstellung, 
L = Körperlänge ist. Diese Formel, die für erwachsene Soldaten 
aufgestellt wurde, hat sich auch bei Messungen der Wachstums-, 
Ernährungs- und Pubertätskurven der Kinder bewährt. Besonders 
betont wird, daß grundsätzlich zwischen Ernährungszustand und 
Leistungsfähigkeit unterschieden werden muß. P. Karger. 


Milchwissenschaft und Molkereipraxis. 


Martin, A. Abgekochte Mutter- und Frauenmilch. (Klin. Wochenschr. 2, 
1923, Nr. 7, S. 299.) 

Auf Grund seiner Erfahrungen an 50 Neugeborenen und Säug- 
lingen, die vom ersten Tage an nur mit abgekochter Frauenmilch 
ernahrt wurden, kommt Verf. zu dem SchluB, daB die so aufgezogenen 
Kinder in keiner Weise weniger gutes Gedeihen als Brustkinder 
zeigten. Die Milch wurde durch manuelles Ausdrücken der Brust 
gewonnen, wobei sich zeigte, daß der Saugreiz durchaus nicht un- 
bedingt erforderlich ist, um die Milchproduktion in Gang zu bringen 
oder auf der Höhe zu halten. Da das Colostrum beim Abkochen 
gerinnen würde, mußte den Neugeborenen in den ersten Tagen 
fremde abgekochte Frauenmilch gegeben werden. Die Flaschen 
enthielten stets mehr als die für das betreffende Kind notwendige 


Heft 3 Milchwissenschaft und Molkereipraxis. 275 


Menge; auffallend ist, daB die Kinder trotz der erleichterten Saug- 
arbeit weniger tranken, als nach den Normalzahlen für Brustkinder 
zu erwarten war. Die initiale Gewichtsabnahme war im Durchschnitt 
von den bei Brustkindern tiblichen Werten nicht verschieden. Die 
weitere Beobachtung der Kinder nach Umsetzung auf Brustnahrung 
oder künstliche Ernährung ergab völlig normales Verhalten. Diese 
Tatsachen fordern zu einer Revision der These von den besonderen 
Eigenschaften der nativen Frauenmilch auf. Wolff (Hamburg). 


Mader, Alfons. Die essentiellen Aminosauren in der Kuh- und Frauen- 
milch. (Aus der Universitiäts-Kinderklinik 'in Frankfurt a. M.) 
(Jahrb. f. Kinderheilk. 101, 1923, 281.) 


Verf. bestimmte mit der von Ruhemann und Abderhalden 
eingefiihrten Ninhydrinreaktion, die von Riffart auf colorimetnschen 
Wege quantitativ ausgebaut wurde, in den Ultrafiltraten von Kuh- 
und Frauenmilch abiurete Eiweißstoffe nach Art und Menge. Es 
handelt sich um Aminosäuren mit einem N-Gehalt von 18—25 mg 
für Kuhmilch, 51—60 g für Frauenmilch im Liter. Die biologische 
Bedeutung dieser Stoffe ist noch ungeklärt. W. Gottstein. 


Cocchi, Cesare. Gebrauch der Milchpumpe. Modell einer solchen. 
(Riv. di clin. pediatr. 1923, 11, H. 6, S. 345.) 

Nachdem Verf. die verschiedenen Verwendungen des Milchsaug- 
apparates in der Therapie des Säuglings beschrieben hat, geht er 
daran, einen Apparat, von ihm erfunden und konstruiert, zu be- 
schreiben, welcher mit Leichtigkeit 50—100 g Milch von der mensch- 
lichen Brust in einer sterilisierten Flasche auffangen kann. Man 
kann die Milch auf diese Art aufbewahren und dem Säugling ein- 
geben, ohne dieselbe überschütten zu müssen, wobei der Gefahr 
von Unreinigkeit und Infektion vorgebeugt wird. 


Cavanaugh, G. W., Dutcher, R. Adams und Hall, James S. Die Wir- 
kung der Trocknung mittels Zerstaubung auf den Gehalt der Mtlch 
an Vitamin C. (Americ. journ. of dis. of childr. 25, S. 498.) 


Um ein zutreffendes Urteil iiber den Vitamingehalt getrockneter 
Milch zu erhalten, wurde die Schutzwirkung gegen Skorbut bei 
entsprechenden Mengen derselben teils frisch verfiitterten, teils 
getrockneten Milch an Meerschweinchen ermittelt. Es ergab sich, 
daß der Vitamingehalt beim Trocknen völlig unversehrt geblieben 
war. Die Haltbarkeit der Schutzstoffe in getrockneter Milch erstreckt 
sich nach den bisherigen Erfahrungen auf viele Monate. Damit 
ergibt sich die Aussicht, daß im Sommer gewonnene, an Schutz- 
stoffen reiche Milch in Form von Trockenmilch während der Winter- 


monate zur Säuglingsernährung verwandt werden kann. 
H. Vogt. 


18* 


276 Wachstum und Stoffwechsel. Heft 3 


Wachstum und Stoffwechsel. 


Demuth, Fritz. Magenfunktionsprüfungen beim gesunden Sauglıng. 
I. Mitteilung. Auguste-Viktoria-Haus. (Zeitschr. f. Kinder- 
heilk. 38, S. 276.) 


Verf. versucht zunächst, hinsichtlich der Verweildauer der 
Nahrung, der Acidität und des Bakteriengehaltes Normalwerte 
aufzustellen. Die Verweildauer wurde vor dem Röntgenschirm 
bestimmt. Von Fermentuntersuchungen wird wegen der großen 
Fehlerquellen abgesehen. Untersuchungen mit und ohne Barium- 
zusatz ergaben keinen Unterschied. Dabei ergab sich, daß eine dem 
Nahrungsbedürfnis entsprechende Menge annähernd die längste 
Verweildauer hat. Kleine Nahrungsmengen wurden relativ langsamer 
entleert als große. Da die Verweildauer bei den einzelnen Individuen 
bei denselben Nahrungsmengen in weiten Grenzen schwankt, stellt 
Verf. Verhältniszahlen auf, um die Unterschiede auszugleichen, 
wobei Frauenmilch als Bezugsnahrung gebraucht wird. Untersucht 
wurden Brust-, Halbmilch- und Buttermilch; dabei nimmt die Ver- 
weildauer von Brust- bis Buttermilch zu. Bei künstlich genährten 
Kindern zeigen Buttermilch, Eiweißmilch und Vollmilch besonders 
lange Verweildauer, während Malzsuppe den Magen immer schneller 
verläßt wie Frauenmilch. Die Verweildauer geht parallel mit dem 
Caseingehalt der Nahrung. Fett wirkt erst in späterem Alter hem- 
mend. Es wird im ganzen eine längere Verweildauer gefunden als 
von früheren Untersuchern. Bei einer bestimmten Nahrung hat 
jedes Kind eine spezifische Acidität des Mageninhalts, die ım Ver- 
lauf der Verdauung und mit zunehmendem Alter steigt. Direkte 
Beziehungen zwischen der Verweildauer und der Acidität bestehen 
nicht, eine gewisse Abhängigkeit von der Acidität zeigt jedoch das 
Bakterienwachstum, indem bei py unter 4,0 der Mageninhalt prak- 
tisch steril gefunden wird. Unterhalb fy 4,5 ist der Magen frei von 
Coli. Oberhalb 4,5 findet man in 69% der Fälle Coli im Magen, 
daher kann ein Colibefund oberhalb 4,5 nichts Pathologisches sein. 

Beck (Tübingen). 


Bakwin, Harry. Der Wassergehalt des Säuglingsblutes bei steilem 
Gewichtsanstieg. (Americ. journ. of dis. of childr. 25, 406.) 


Bei 5 Säuglingen wurde der Refraktometerwert des Blutes vor 
und nach der Zulage größerer Mengen Kohlehydrat bestimmt. Die 
Zufuhr der Kohlehydrate hatte regelmäßig steilen Gewichtsanstieg 
zur Folge, also Wasseransatz am Körper. Diese Verschiebung im 
Wassergehalt des Körpers kam in den Refraktometerwerten nicht 
zum Ausdruck. Es kann also erhöhte Wasserablagerung in den Ge- 
weben erfolgen, ohne daß es zu entsprechender Wasseranreicherung 
des Blutplasmas kommt. H. Vogt. 


Heft 3 Wachstum und Stoffwechsel. 277 


Koehler, A. E. Acid-Base Equilibrium. I. Clinical studies in alca- 
losis. (Säure-Basengleichgewicht. 1. Klinische Studien über Alka- 
lose.) (Arch. of intern. med. 81, Nr. 4, S. 590. 1923.) 


Im Fieber ist das Säure-Basengleichgewicht nach der alkalischen 
Seite verschoben. Die Fieberalkalose wird ähnlich wie die bei der 
Hyperpnoe durch die verstärkte Lungenventilation hervorgerufen. 
Die Verschiebung des Säure-Basengleichgewichtes nach der alkalischen 
Seite kann zu einer mangelhaften Sauerstoffbeladung des Blutes führen 
(Anoxämie). Im klinischen Bilde kann sich dies durch das Auftreten 
von Cyanose äußern. Mit der Beseitigung der Alkalose verschwindet 
auch dieCyanose. Andere konkommitierende Faktoren können hierbei 
allerdings auch von Bedeutung sein. Schiff. 


Hendrix, B. M., and Crouter, O. Y. Relation of the alkali reserve of 
the blood to glycosuria and hyperglycemia in pancreatic diabetes. (Die 
Beztehung der Blutalkalireserve zur Glykosurie und zur Hyper- 
glykamie beim Pankreasdiabetes.) (The journ. of biol. chem. 46, 
Nr. 1, S. 52. 1920.) 


Elias u. a. fanden, daß beim Hund Glykosurie und Hyper- 
slykämie auftritt, wenn dem Tier eine Mineralsäure zugeführt wird. 
Murlin und Kramer haben beim pankreaslosen Hund nach Zufuhr 
von Salzsäure das Ansteigen von Blut- und Harnzucker beobachten 
können. Murlin und Sweet fanden dann, daß der Pankreasdiabetes 
wesentlich leichter verläuft, wenn man dem Tier mit der Pankreas- 
drüse gleichzeitig auch den Magen entfernt. Sie glauben aus diesen 
Versuchen schließen zu dürfen, daß die‘ Pankreasdrüse den Kohle- 
hydratstoffwechsel in der Weise beeinflußt, daß sie die Magensäure 
neutralisiert und somit die Leber vor der Säureintoxikation schützt. 
Verf. hat nun an 5 Hunden diese Hypothese auf ihre Richtigkeit 
weprüft. Er fand, daß eine Abnahme der Alkalireserve im Blut nicht 
gleichzeitig mit dem Auftreten von Glykosurie und Hyperglykämie 
erfolgt. Ausgesprochene Acidose tritt beim pankreaslosen Hund 
erst verhältnismäßig spät ein. Am frühesten erfolgt die Abnahme 
der Alkalireserve im Blut 2 Tage nach der Operation, während die 
Hyperglykämie bereits einen Tag und die Glykosurie schon einige 
Stunden nach der Pankreasentfernung auftritt. Diese Befunde 
sprechen also gegen die Tätigkeit der erwähnten Hypothese von 
Murlin und Sweet. Schiff. 


Holt, L. E., und Fales, H. L. Calcium absorption in children on a 
diet low in fat. (Calciumabsorption bei Kindern bei einer Nahrung 
mit niedrigem Fettgehalt.) (Amer. journ. of dis. of childr. Vol. 25, 
No. 3. 1923.) 

Frühere Untersuchungen der Verff. ergaben, daß beim jungen 

Kinde die Fettabsorption dann am günstigsten ist, wenn sie in der 


278 Wachstum und Stoffwechsel. Heft 3 


Nahrung pro Kilo Körpergewicht mindestens 3g Fett zugeführt 
bekommen. Auch muß zwischen Fettgehalt und Ca der Nahrung 
eine gewisse Proportion bestehen. Am besten ist sie, wenn auf 
I g Fett 0,03—0,06 g CaO kommen. In 7 Fallen wurden jetzt wieder 
Stoffwechselversuche ausgeführt. Untersucht wurden 2- bis 6jahrige 
Kinder. Bestimmt wurde der Ca-Umsatz. Diät: Vollmilch, Brot, 
Fleisch, Butter und Eier. In der Hauptperiode wurde dann das Fett 
ausgeschaltet und durch Kohlenhydrat ersetzt. Calorienzufuhr, 
Eiweiß und Ca-Zufuhr wie in der Vorperiode. Nachdem die Kinder 
eine Woche lang bei dieser fettarmen Kost waren, wurde die Haupt- 
periode angestellt. Zwei Kinder bekamen mehrere Wochen hindurch 
die fettarme Nahrung. In 4 Fällen ist auch noch eine Nachperiode 
angeschlossen worden. Die einzelnen Stoffwechselperioden dauerten 
4 Tage lang. Bei fettarmer Kost verändert sich die Stuhlbeschaffen- 
heit. Die normalerweise alkalischen Stühle werden sauer und ent- 
halten reichlich unverdaute Nahrungsreste. Ob diese Änderung 
durch Fettmangel oder Kohlenhydratüberschuß oder durch beides 
hervorgerufen wird, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Bei 5 Kindern 
fanden Verff. die Ca-Absorption bei fettarmer Kost wesentlich 
herabgesetzt, in 3 Fällen waren die Bilanzen negativ. In zwei anderen 
Fällen zeigte die Ca-Bilanz keine Änderung. Eine Erklärung können 
Verff. für dieses abweichende Verhalten nicht geben. Die Mehr- 
ausscheidung an Ca erfolgt im Stuhl. Mit Ausnahme eines Falles 
ist bei den anderen Kindern auch der Gesamtaschegehalt der Stühle 
in der Hauptperiode vermehrt gewesen. Schiff. 


Talbot, F. B. und Moriarty, E. M. The value of basal metabolism in 
the diagnosis and treatment of cretinism. (Die Bedeutung des Grund- 
umsatzes in der Diagnostik und in der Behandlung des Myxödems.) 
(Amer. journ. of dis. of childr. Vol. 25, No. 3.) 


Verff. haben sich die Frage vorgelegt, ob die Untersuchung 
des Grundumsatzes nicht die Frühdiagnose des Myxödems ermög- 
licht, ferner ob man aus diesen Untersuchungen nicht auch gewisse 
Richtlinien für die Dosierung von Schilddrüsensubstanz in der Be- 
handlung des Myxödems erhalten kann. In Bestätigung früherer 
Untersuchungen fanden die Verff., daß der Grundumsatz beim 
Myxödem tatsächlich erniedrigt ist und auf dieser Grundlage die 
Diagnose in fraglichen Fällen von Hypothyreoidismus gestellt 
werden kann. Verff. vermuten, daß die therapeutischen Erfolge 
wesentlich verbessert werden könnten, wenn die Organtherapie 
möglichst bald einsetzt, d.h. bereits in einer Zeit, in der die klinischen 
Manifestationen noch nicht zu sehr ausgebildet sind. Aus diesem 
Grunde legen sie auf die Bestimmung des Grundumsatzes in allen 
myxödemverdächtigen Fällen einen großen Wert. Schiff. 


Heft 3 Wachstum und Stoffwechsel. 279 


Wilcose and Lyttle (Neuyork). Der diagnostische Wert der Zucker- 
konzentration im Liquor. (Archives of Pediatrics 60, 215. 1923.) 
Der Zuckergehalt der Spinalflüssigkeit, nach verschiedenen Me- 
thoden bestimmt, ergibt bei Normalen und bei den verschiedensten 
Krankheiten Werte zwischen 0,050 und 0,093 mg %. Bei tuberkulöser 
Meningitis ist der Zuckergehalt des Liquors herabgesetzt, bei der 
epidemischen Encephalitis ist er im Gegensatz dazu erhöht. Bei 
der Poliomyelitis anterior acuta bestehen keine eindeutigen Be- 
ziehungen. Rosenbaum. 


Haake, G. Dextroseausscheidung bei schweren Infektionen des Säug- 
lingsalters. (Aus der Unsversttats-Kinderklintk in Göttingen.) 
(Doktordissertation 1920.) 

Verf. fügt zwei alten zwei neu beobachtete Fälle von Säuglings- 
erkrankungen, die den Eindruck einer alimentären Intoxikation 
machten, hinzu. Durch die Bestimmung der Zuckerart, die aller- 
dings nur in 3 Fällen vollständig ist, ist der Nachweis erbracht, daß 
es sich um eine alimentäre Dextrosurie handelt, die nicht durch die 
Vorgänge im Darm, sondern durch die Allgemeininfektion bedingt 
ist. Die Unterscheidung einer alimentären Intoxikation von einer 
toxisch wirkenden Allgemeininfektion ist also auf diesem Wege 
möglich. Blühdorn (Göttingen). 


Underhill, F., Tileston, W., and Bogert, J. Stoffwechseluntersuchungen 
bei der Tetanie. (The journ. of metabol. research. 1, Nr. 6. 1922.) 


Untersuchungen an einer 35jährigen Frau, die an Tetanie und 
unklaren Durchfällen litt. Zur Kontrolle wurden dieselben Unter- 
suchungen auch an zwei gesunden Frauen ausgeführt. Bestimmt 
wurde: Ca in der Nahrung, im Urin und im Kot nach der Methode 
von Mc. Cruden. N nach Kjeldahl. H nach Henderson und 
Palmer, Gesamtazidität, Ammoniak, Kreatin-Kreatinin und Phenol 
nach Folin. Organische Säuren nach van Slyke und Palmer, 
Phosphat und Schwefel nach Benedikt, Indikan nach Ellinger. 
Ferner wurde auch durch Atherextraktion der Fettgehalt des Stuhles 
und der Blutkalk nach Marriott und Howland bestimmt. Im 
wesentlichen ergaben diese Untersuchungen, daß bei der Tetanie 
der Kalk, wenn Ca-reiche Nahrung verabreicht wird, in stärkerem 
Maße retiniert wird, als vom gesunden. Diese Ca-Retention ist aber 
labil, denn bei kalkarmer Ernährung wird der retinierte Kalk wieder 
bald ausgeschieden. Dies ist wahrscheinlich damit zu erklären, daß bei 
der Tetanie zwar ein Kalkhunger besteht, aber das Ca-Gleichgewicht 
gestört ist. Die Ca-Ausscheidung erfolgt zum größten Teil im Stuhl. 
Durch den Harn verlassen nur geringe Ca-Mengen den Organismus. 
Sowohl bei Ca-reicher wie auch bei Ca-armer Kost ist bei der Tetanie 
der Blutkalkgehalt erniedrigt. Eine Störung des N-Umsatzes konnte 


280 Wachstum und Stoffwechsel. Heft 3 


nicht festgestellt werden. Auffallend ist die stark vermehrte NH,- 
Ausscheidung im Urin, ohne daß im Harn andere Zeichen der Azıdose 
nachweisbar wären. Verff. glauben, daß die vermehrte Ammoniak- 
ausscheidung nicht ohne weiteres als ein Maß der Azidose betrachtet 
werden kann. Der Fettstoffwechsel war bei der tetanischen Patientin 
wesentlich gestört. Dies ist aber wahrscheinlich nicht von der Te- 
tanie verursacht worden, sondern von den Durchfällen, an denen dıe 
Frau zur Zeit der Untersuchungen gelitten hat. Schiff. 


Stoye, W. Uber das Gramverhalien der Kotbakterien des Sduglings 
und seine Abhängigkeit von der Art der Nahrung. (Kinderklinik 
Halle.) (Zeitschr. f. Kinderheilk. 33, S. 313.) 


Verf. stellt sich auf den Standpunkt von Stöltzner, daß dıe 
Gramfärbbarkeit auf Gegenwart von freien Fettsäuren und Wachsen 
beruht. Deshalb wırd der Name lipophile Bakterien vorgeschlagen. 
Es wird die Möglichkeit erörtert, daß die Grampositiven imstande 
sind, ihren Nährstoffbedarf aus durch Abspaltung aus Fettsäuren 
gewonnenen höheren Fettsäuren zu bestreiten. Diese Annahme 
wird gestützt durch die Beobachtung Salges, wonach bei gewissen 
schweren Endemien von Brechdurchfällen bei Säuglingen fast 
nur Grampositive ausgeschieden wurden. Diese vermuteten Erreger 
der „blauen Bacillose‘‘ wuchsen besonders gut bei Zusatz von olein- 
sauerem Natron zur Nährflüssigkeit, wobei das fettsaure Salz ver- 
braucht wurde. In eigenen Versuchen wird das Gramverhalten der 
Kotbakterien bei verschiedenem prozentualen Fettgehalt der Nahrung 
an 400 Einzeluntersuchungen geprüft. Daß durch Fette, in hinreichen- 
der Menge verfüttert, das Wachstum der Grampositiven im Darm 
des Säuglings begünstigt werde, wird aber durch diese Versucht 
nicht schlagend bewiesen. Beck (Tübingen). 


Adam, A. Über Darmbakterien. IV. Zur Biologie der Darmflora des 
Neugeborenen. (Ernährungsphysiologie der Knöpfenbakterien.) 
Kinderklinik Heidelberg. (Zeitschr. f. Kinderheilk. 38, S. 308.) 


Der Verwendungsstoffwechsel der Bakterienzelle erlaubt ge- 
wisse Rückschlüsse auf die erforderlichen Lebensbedingungen im 
Darmkanal, wie am Beispiel des Bacillus bifidus schon gezeigt wurde. 
Von den Bakterienarten, die im Meconium fast konstant zur Ent- 
wicklung gelangen, interssieren die bei nicht zu raschem Übergang 
zum Frauenmilchstuhl fast regelmäßig nachweisbaren von Escherich 
als grampositiv, schlank, sporentragend geschilderten Knöpfen- 
bakterien. Die ungünstigen Lebensbedingungen, die sie mit Auf- 
treten der Bifidusflora anscheinend mit einem Schlage zum Ver- 
schwinden bringen, liegen zum Teil wohl in der Reaktionsänderung 
des Milieus begründet, denn bei dem fiir den Bac. bifidus optimalen 
sauren Reaktionsgrad gehen sie sofort zugrunde. Neben der Eigen- 


Heft 3 Wachstum und Stoffwechsel. 281 


wasserstoffzahl ist aber von ganz besonderer Wichtigkeit die Art 
der Nährstoffe, die sie zum Aufbau brauchen. Die betreffenden 
Nahrungsstoffe hat Verf. in steigender Konzentration einer zucker- 
freien Fleischbouillon mit Kokszusatz zugefügt. Von den Eiweiß- 
körpern ermöglichten nur solche vom Peptoncharakter und in ge- 
wissem Grade Asparagin das Zustandekommen der normalen Form. 
Zucker und Zuckerabbauprodukte ließen überhaupt nur gram- 
negative, sporenarme Formen in Erscheinung treten. Fette hemmen 
ihre Entwicklung. Die günstigen Lebensbedingungen der K.-B. 
dürften von den Eiweißbestandteilen der Darmepithelien und Sekrete 
gebildet werden. Außerdem ist die alkalische Reaktion ihrer Ent- 
wicklung günstig. Demnach können aus der Analyse des Stoff- 
wechsels der K.-B. Schlüsse auf die Entstehung der Darmflora 
des Neugeborenen und die Abhängigkeit des Florawechsels von der 
Art der Ernährung des Kindes gezogen werden. 
Beck (Tübingen). 


Adam, A. Über die Biologie der Dyspepsiecoli und ihre Beziehungen 
zur Pathogenese der Dyspepste und Intoxtkatson. (Aus der Heidel- 
berger Kinderklinik. (Jahrb. f. Kinderheilk. 101, 1923, 295.) 


In dieser Arbeit sind drei Fragen erörtert und durch Versuche 
erläutert. Erstens werden bestimmte Colirassen festgestellt, die 
Dyspepsie erzeugen. Zweitens werden die Lebensbedingungen dieser 
Arten untersucht. Drittens wird geprüft, welche Wechselbeziehungen 
zwischen künstlicher Ernährung und Coliwachstum bestehen. Dys- 
pepsiecoli entwickeln im Gegensatz zu Normalcoli auf Agar Knopf- 
kolonien, der Geruch ist stärker aromatisch, sie gedeihen gut auf 
Malachitgrünagar. Sie wachsen besser als Normalcoli auf Frauen- 
milch. Durch Zuckerabbauprodukte werden sie stärker gefördert, 
Kalksalze lassen das Wachstum unter sonst günstigen Bedingungen 
unbeeinflußt. Dyspepsiecolistämme agglutinieren bei einem höheren 
u als Normalcoli. Sie zeigen im ganzen stärkeres Gärungsvermögen. 
Unter den zahlreichen physiologischen Einzeluntersuchungen über 
die Wachstumsbedingungen erscheint als eines der wichtigsten ein 
vom Verf. früher schon betontes Ergebnis, daß die Gärungsförderung 
durch Eiweiß von der Art des Eiweißes und dem spezifischen Ver- 
halten der Bakterien abhängig ist. Im dritten Abschnitt werden 
Schlüsse für klinische Fragen gefolgert. Es findet sich, daß die 
gleichen Eiweißkörper, Kohlenhydrate und Fettbestandteile, die 
Dyspepsie auslösen, nämlich Pepton, krystallinischer Zucker, Fett- 
säuren, auch die Colivermehrung fördern. Es ergibt sich als Reihe 
der Vorgänge: Gestörter Stoffwechsel durch äußere oder innere 
Schädigung. Verminderte Erzeugung alkalischer Valenzen, Ansied- 
lung von gärungstüchtigen Colirassen, Bakterienvermehrung durch 
wachstumsfördernde Nahrungsbestandteile. W. Gottstein. 


282 Wachstum und Stoffwechsel. Heft 3 


Gydérgy, P. Bestrag zur Frage der Aciditat 1m Saduglingsmagen. (Arch. 
f. Kinderheilk. 72, 1922, S. 1.) 

Die geringe Acidität des Säuglingsmagens nach Milchprobe- 
mahlzeit hängt mit dem isoelektrischen Punkt des Caseins zusammen, 
wie überhaupt der isoelektrische Punkt der Eiweißkörper einen 
starken Einfluß auf die Acıdität des Magensaftes hat. P. Karger. 


Schönfeld, H. Zur Lehre vom enteralen Kochsalzfieber. (Arch. f. 
Kinderheilk. 72, 1922, S. 120.) 


Wo es nach NaCl-Darreichung zu Dyspepsie und uncharakteri- 
stischen Temperaturerhebungen kommt, liegt kein echtes Kochsalz- 
fieber vor. Zwischen Fieber und Blut-Chlor-Kurve besteht ein 
zeitlicher Zusammenhang, aus dem hervorgeht, daß NaCl, falls es 
direkt fieberauslösend wirkt, vom Blut aus wirken muß. Auch ın 
Fällen, wo die Temperatursteigerung fehlte, stieg die Blut-Chlor- 
Kurve an. P. Karger. 


Röckemann, W. Die Beeinflussung der Chlorausschesdung durch 
Phosphorsäurezufuhr. (Arch. f. Kinderheilk. 72, 1923, S. 161.) 


Die Chlorretention, die nach Phosphatzufuhr auftritt, gleicht 
sich nach Aufhören dieser wieder aus, die Ausscheidungswerte beider 
zeigen deutlichen Antagonismus. P. Karger. 


Gernk, Grete und Blühdorn, Kurt. Der Kalkspiegel des Blutes und 
Lumbalpunktates bei tödlich verlaufenen Krankheiten des Sauglings- 
und Kindesalters. (Aus der Universitäts-Kinderklinik in Göt- 
tingen.) Jahrb. f. Kinderheilk. 102, 1923, S. 83. 

: . Ca‘? HCO! CC, 

Nach der Gleichung von Rona-Takahashi S ste k, 
welche die Beziehungen des ionisierten Kalkes zur Kohlensäure und 
dem n im Blute festlegt, könnte man annehmen, daß eine Acidose 
durch vermehrte Kalkzufuhr in das Blut ausgeglichen werden kann. 

Die Verfasser geben selbst an, daß ihre Untersuchungen an 25 Fällen, 

bei denen der Gesamtkalkgehalt im Serum nachgewiesen wurde 

(nach der de Waardschen Methode) unvollständig sind und vor allem 

die Anregung zu weiteren Prüfungen geben sollen. Ergebnisse an 

klinisch untersuchten Fällen und Tierversuche an mit CO, vergifteten 

Meerschweinchen sind z. T. nicht einheitlich. Immerhin zeigt sich 

die auffällige Tatsache, daß in den Fällen erhebliche Erhöhung des 

Serumkalkspiegels auftrat, wo die normale Regulation länger ver- 

sagte, wo eine Acidose ungehindert fortgeschritten war, vor allem 

bei schweren Graden der Intoxikation und Erkrankungen mit langer 

Agonie. W. Gottstein. 


Heft 3 Wachstum und Stoffwechsel. 283 


Steiner, Béla. Uber den Zuckergehalt des Liquor cerebrospinalis. (Aus 
dem Stefanie-Kinderspital Budapest.) (Jahrb. f. Kinderheilk, 102, 
1923, Heft 3/4.) 

Die Untersuchungen wurden wie die von SchloB, Schroeder 
und Suzuki quantitativ mit der Bangschen Methode durchgefiihrt. 
Der Zuckergehalt des Liquor nimmt bei Meningitis ab. Diese Ab- 
nahme ist sehr häufig die erste nachweisbare pathologische Ver- 
anderung. Der Zuckergehalt kann bei Meningitis tuberculosa haufig 
schon 24 bis 48 Stunden vor dem Tode mit der Bangschen Methode 
nicht nachgewiesen werden. Erreicht der Zuckergehalt nach an- 
fänglicher Abnahme wieder den normalen Wert, kann Meningitis tbc. 
mit Bestimmtheit ausgeschlossen werden. Bei unter meningitischen 
Erscheinungen verlaufendem Typhus, Gehirnabsceß, bei Beginn 
oder während des Verlaufes der Infektionskrankheiten auftretenden 
Cerebralerscheinungen ist der Zuckergehalt des Liquors normal. Bei 
Poliomyelitis, Tetanus und Gehirntumor ist der Zuckergehalt der 
Lumbalflüssigkeit erhöht. W. Gottstein. 


Scheer, Kurt und Müller, Fritz. Zur Physiologie und Pathologie der 
Verdauung beim Säugling. II. Mitteilung. Über den Gärungs- 
verlauf im Darm. (Aus der Universitäts-Kinderklinik in Frank- 
furt a. M.) Jahrb. f. Kinderheilk. 102, 1923, S. 93. 


Diese Arbeit bringt einen weiteren Ausbau der vorangegangenen 
Untersuchung; es wurden der Einfluß der Darmfunktionen und die 
Bedeutung der Peristaltik auf die Gärungsvorgänge geprüft. Ver- 
fasser betonten schon früher, daß nach ihrer Ansicht die Stärke des 

Gärsubstrat 


Pufferungsvermögen 
im Chymus abhängt. Auch diese letzten Versuche stützten 
ihre Annahme, denn unter verschiedenen Bedingungen verlängerte 
stets der schwer resorbierbare Zucker die Gärung, während ver- 
mehrter Puffergehalt in Form von Eiweiß und Salzen sie verlän- 
gerte. Es wurde ähnlich wie in der früheren Arbeit der Einfluß ver- 
schiedener Nahrungsgemische auf die Stuhlacidität, ferner die Fähig- 
keit der Nachgärung von Faeces im Brutschrank unter wechselnden 
Bedingungen ermittelt. Bemerkenswert erscheint eine Angabe, die 
im Einklang mit dieser Theorie der Verfasser steht. Kalomel, das die 
Peristaltik beschleunigt, erzeugt saure Stühle, während Opium- 
tinktur mehr alkalische Stühle verursacht. Erfolgt die Stuhlent- 
leerung so schnell, daß nach vollendeter Gärung eine rückwärtige 
Alkalisierung des Darminhalts durch den Eiweißabbau nicht mehr 
erfolgen kann, üperwiegt die saure Reaktion der Entleerungen. 

W. Gottstein. 


Gärungsablaufes vor allem von dem Verhältnis 


284 Wachstum und Stoffwechsel. Heft 3 


Gamble, J. L., RoB, G. S. u. Tisdall, F. F. Untersuchungen iiber Tetanie. 
I. Die Wirkung der Zufuhr von Calciumchlorid auf Saure-Basen- 
umsatz des Sãuglings. (Americ. journ. of. dis. of. childr. 25, S. 455.) 


Sorgfältige Untersuchungen, die sich auf die Zusammensetzung 
des Blutes, die Ausscheidung durch Stuhl und Harn erstreckten 
und an einem gesunden und einem tetaniekranken Säugling vor und 
nach Zufuhr von Calciumchlorid ausgeführt wurden, führten zu 
folgenden Ergebnissen. Calciumchlorid wirkt auf den Körper wie 
eine Säure, da verhältnismäßig vrel mehr vom Chlorion als vom 
Calciumion resorbiert wird. Die Aufnahme von Ig Calciumchlond 
hat dieselbe Wirkung auf das Säure-Basengleichgewicht im Körper 
wie die Aufnakme von 75cm ?/iọ Salzsäure. Die Ausscheidung 
des Säureüberschusses wird vom Körper bewältigt, indem die Harn- 
acidität und die Ammoniakausscheidung gesteigert werden, während 
die regelrechte Basenkonzentration im Blutplasma erhalten bleibt. 
Die nach Aufnahme von Calciumchlorid eintretende Verminderung 
im Bicarbonatgehalt beruht nicht auf einer Abnahme des Basen- 
gehaltes im Blutplasma, sondern auf einer Zunahme des Chlorid- 
gehaltes (Cl), wodurch der äquivalente Wert gebundener Kohlen- 
säure verdrängt wird. Nach Einnahme von Calciumchlorid steigt 
der Gehalt des Harns an festen Alkalien, besonders an Natrium 
und Kalıum, etwas an. Die erhöhte Basenausscheidung im Ham 
ist die Folge einer erhöhten Ausscheidung von Körperflüssigkeit 
und nicht etwa als Verarmung der Körpersäfte an Basen zu deuten. 
Der Gesamtbasengehalt des Serums wird auf gleichmäßiger Höhe 
erhalten durch eine außerordentlich feine Einstellung der Ausschei- 
dung der festen Alkalien durch den Harn. Diese Einstellung arbeitet 
erfolgreich, wie die Untersuchungen ergaben, obwohl dem Körper 
zu gleicher Zeit die Ausscheidung eines erheblichen Überschusses 
an Säure und eines Teiles der Körperflüssigkeit zugemutet wird. 
Die Herabsetzung des Bicarbonatgehaltes im Blut bedeutet keine 
Verminderung des Gesamtbasengehaltes. H. Vogt. 


Gamble, J. L. und Roß,G.$S. Untersuchungen über Tetanie. II. Der 
Einfluß der Verabreichung Salzsäure erzeugender Stoffe auf den 
Saure-Basenhaushalt des Säuglings und die vermutliche Art ihrer 
Wirkung bei der Behandlung der Tetanie. (Americ. journ. of dis. of 
childr. 25, S. 470.) 


Bei einem 13 Monate alten Kinde mit Tetanie wurde die Wir- 
kung der Verabreichung vom Calciumchlorid, Ammoniumchlorid 
und von Salzsäure auf den Säure-Basenhaushalt festgestellt. Es fand 
sich regelmäßig eine Abnahme des Bicarbonatgehalts im Blutserum. 
Sie ist als Folge eines erhöhten Salzsäureumsatzes im Körper anzu- 
schen, wobei der Chloridgehalt des Serums auf Kosten seines Bi- 
carbonatgehaltes zunimmt. Der Gesamtbasengehalt des Plasmas 


Heft 3 Wachstum und Stoffwechsel. 285 


bleibt dabei unverändert. Die Abnahme an Bicarbonat ist also nicht 
als die Folge eines verminderten Gehalts an festen Alkalıen anzusehen. 
Die Wasserstoffionenkonzentration des Serums betrug vor Ver- 
abreichung von Salzsäure Pu 7,39; nach zweitägiger Verabreichung 
u 7,22 und 3 Tage nach Aussetzen der Verabreichung Zu 7,34. Die- 
selbe Wirkung ist für Calcium- und Ammoniumchlorid anzunehmen. 
Unter der Einwirkung von salzsäureerzeugenden Substanzen stieg 
die Ausscheidung von Phosphaten und von festen Alkalien ım Harn. 
Eine Gehaltsverminderung an festen Alkalien in den Körpersäften 
ist nicht anzunehmen, vielmehr ist ihre erhöhte Ausscheidung offen- 
bar die Folge einer Abgabe von Flüssigkeit vom Körper, veranlaßt 
durch die diuretische Wirkung der zugeführten Substanzen. Am- 
moniumchlorid führt nicht zu Steigerung des bei Tetanie herabgesetz- 
ten Kalkgehalts des Plasmas. Die Heilwirkung des Salzes ist also 
nur auf den gesteigerten Umsatz an Salzsäure zurückzuführen, 
der zu einer Herabsetzung des Bicarbonatsgehalts und einer höheren 
Wasserstoffionenkonzentration im Plasma führt, das heißt, zu 
zwei Verschiebungen, die eine Ionisation des Calciums begünstigen. 
Es kommt also bei vermindertem Gesamtgehalt an Kalk ım Plasma 
zu einem regelrechten Gehalt an ionisiertem Kalk. Calciumchlorid 
und Salzsäure wirken in dieser Hinsicht wie Ammoniumchlorid; 
darüber hinaus aber steigern sie den Gesamtkalkgehalt des Plasmas. 
Es ist deshalb anzunehmen, daß Calciumchlorid und Salzsäure in 
der Behandlung der Tetanie mehr leisten als Ammoniumchlorid. 
Die Wasserabgabe vom Körper hat wohl mit der Heilwirkung der 
genannten Salze nichts zu tun. H. Vogt. 


György. Rachitis und Tetanie. (Aus der Heidelberger Kinderklinik.) 
Jahrb. f. Kinderheilk. 102, 1923, Heft 3/4. 

Während Hochsinger in dem soeben erschienenen I. Band 
der dritten Auflage des Pfaundler-Schloßmann eine erschöpfende 
Darstellung der pathologischen Anatomie und der äußeren Ursachen 
der Rachitis gibt, faßt György nun das Ergebnis langjähriger Unter- 
suchungen der Heidelberger Schule über die Stoffwechselvorgänge 
und die physikalisch-chemischen Grundlagen der Rachitis und Tetanie 
in dieser Arbeit einheitlich zusammen. Er verschweigt nicht die 
Schwierigkeit einer rein chemisch-dynamischen Deutungsweise, die 
histologischen Erscheinungen werden keineswegs in ihrer Bedeutung 
einseitig unterschätzt, den Zusammenhängen mit den ‚lokalen 
Momenten“ in der Pathogenese der Rachitis dient ein eigener Ab- 
schnitt, die Zwiespältigkeit zwischen Experiment und Klinik, daß 
zusammengehörige Krankheitsbilder wie Rachitis und Tetanie ent- 
gegengesetzten Entstehungsbedingungen unterliegen sollen, wird 
eingehend besprochen. Die alte Auffassung von der Acidose bei der 
Rachitis war nur eine Krasenlehre, die celluläre Vorgänge wenig 


286 Wachstum und Stoffwechsel. Heft 3 


beriicksichtigte. In Erweiterung der Untersuchungen von Pfaundler 
über die Austauschadsorption bei der physiologischen Ossification 
haben Freudenberg und György 3 Phasen bei dem Vorgang 
der Bindung von Calcium und Phosphor an das Knorpeleiweiß in 
Versuchen erwiesen. Gestörte Kalkaufnahme ist ursächlich bedingt 
durch Hemmung im Knorpelgewebe selbst oder in der umspülenden 
Flüssigkeit. Phosphate und Bicarbonate begünstigen vor allem die 
Össification, während tryptische und autolytische Eiweißabbau- 
produkte Ca-Bindung hemmen und Entbindung vorher gebundenen 
Kalkes verursachen. Wichtig erscheint die Kenntnis des Serum- 
kalkes und des Serumphosphors. Im florid-rachitischen Stadium 
findet sich eine geringe Erniedrigung des Gesamtserumkalkes und 
eine im Verhältnis weit stärkere Abnahme des Serumphosphor:. 
Auch für die Pathogenese der Tetanie sind die Ca- und P-Salze von 
Bedeutung. Eine Erweiterung der Aona-Takahashischen Formel. 
die außer den H, HCO,, und Ca-Ionen auch die HPO,-Ionen be- 
rücksichtigt, würde theoretisch alle bis jetzt bekannten Bedingungen 
der Nervenübererregbarkeit in sich schließen. Rachitis und Tetanie 
zeigen in mehrfacher Hinsicht eine entgegengesetzte Stoffwechsel- 
richtung. Bei Rachitis besteht Acidose, bei Tetanie Alkalose. Bei 
Rachitis sind die Blutphosphate erniedrigt, bei Tetanie relativ er- 
höht. Der Blutkalk ist bei Rachitis mäßig, bei Tetanie stark herab- 
gesetzt. Das bei Rachitis unveränderte Blutkalium wird bei Tetanie 
stark erhöht. Die Säureausscheidung im Urin ist bei Rachitis erhöht, 
bei Tetanie erniedrigt. Die Adrenalinblutzuckerkurve erweist sich 
bei Rachitis hyperglykämisch, bei Tetanie hypoglykämisch. Der 
Widerspruch mit der Klinik, daß die Tetanie ein ‚Negativ der 
Rachitis“ ist, erklärt sich nach György mit einem verschiedenen 
Reaktionsablauf auf die gleiche Ursache, wobei endrokin bedingte 
Umstimmungen des Organismus, z. B. durch die ,,hormonale Friih- 
jahrskrise“, eine Rolle spielen sollen. W. Gottstein. 


Furno, Alberto. Kindliche acetonamtsche Intoxtkation. (Riv. di clin. 
pediatr. 1923, 11, H. 5, S. 257.) 

Die kindliche acetonämische Intoxikation ist eine Krankheit 
des Fettstoffwechsels auf wahrscheinlich anaphylaktischer Grund- 
lage. Während der acetonämischen Krisen ist die Leber das am 
meisten angegriffene Organ. Das vegetative Nervensystem ist bei 
den acetonämischen Kindern im Sinne einer ausgesprochenen Ver- 
mehrung des Vagotonus alteriert, wie aus pharmakologischen 
Priifungen hervorgeht. Auf die anatomisch-pathologischen Befunde 
eines Falles sowie auf klinische Beobachtungen gestützt, hält Verf. die 
Acetonämie für eineVeränderung des Stoffwechsels, dessen anatomische 
Grundlage in primären Veränderungen der Thymus und der Schild- 
drüse und sekundären der Leber und des Pankreas zu finden ist. 


Heft 3 Wachstum und Stoffwechsel. — Neugeborene. 287 


Wimberger, H. Röntgenometrische Wachstumssiudien am gesunden 
und rachiiischen Säugling. (Wien, Universitätskinderklinik.) 
(Zeitschr. f. Kinderheilk. 85, 1923, S. 182—194.) 

Zur Messung wird auf der Röntgenplatte die Distanz der prä- 
paratorischen Verkalkungszonen an den Enden der Diaphyse benutzt. 
Am brauchbarsten erschien für die Messung die Tibia. Beim gesunden 
Säugling ergibt sich das beste Längenwachstum im Sommer, das 
schlechteste ım Winter, ein mittleres im Frühjahr und Herbst, wobei 
der Frühjahrsanstieg steiler erfolgt als der Herbstabfall. Im vor- 
rachitischen Stadium findet sich dagegen ein Wachstumsgipfel im 
Frühherbst und eine bedeutende Verlangsamung zur Winterstagna- 
tion noch bevor die Rachitis einsetzt. In der Rachitisrekonvaleszenz 
zeigt sich dann ein überschnelles Frühjahrswachstum, das die Verhält- 
nisse beim normalen Säugling weit übertrifft. Das Wachstum wird 
schon einige Zeit vor dem Röntgennachweis der Rachitis verlangsamt 
und sinkt unter das Maß des normalen Winterzuwachses. Durch 
das über das Mittelwachstum hinaus gesteigerte Frühjahrswachstum 
ım Rachitisrekonvaleszenzstadium wird aber eine Wachstumseinbuße 
verhindert. Schall (Tübingen). 


Neugeborene. 


Hishikawa, T. Die Regulation der Atemfrequenz beim Neugeborenen 
in den ersien Lebensjahren. (Schweiz. med. Wochenschr. 1923, 
Nr. 13.) . 

Die Atemfrequenz beim Neugeborenen ist auf eine begrenzte 
Frequenzzone einreguliert, welche für verschiedene Individuen bei 
verschieden hohen Frequenzen liegt. Im Laufe der ersten Lebenstage 
verkleinert sich dieser Schwankungsbereich, indem die Individuen 
mit hochliegender Frequenzzone sich den übrigen nähern. Die mitt- 
lere Atemfrequenz sinkt dadurch von der Geburt bis zum 3. Tage 
von 78 auf 61, die Schwankungsbreite von 106 auf 70 am 7. Tag, 
um im Laufe des ersten Lebensjahres annähernd auf diesem Niveau 
zu bleiben. Im Laufe des 2. und 3. Lebensjahres sinken Mittelwert 
und Schwankungsbreite auf etwa die Hälfte des Wertes im ersten 
Lebensjahr. Die Dauer aufeinanderfolgender Atemzüge zeigt wäh- 
rend des ganzen ersten Lebensjahres sprunghafte Veränderlichkeit, 
welche in den folgenden Jahren rasch abnimmt. Die Erscheinungen 
sind aufzufassen als eine schrittweise Anpassung und Verfeinerung 
der Regulationsmechanismen der Atemfrequenz. Held (Berlin). 


Conkey (Neuyork). Komplikationen der Geburt als Ursache intra- 

 kranieller Blutungen. (Archives of Pediatrics 60, 139. 1923.) 
Hinweis auf die in Deutschland insbesondere durch Beneke 

genugsam bekannten Folgen schwerer Geburten. Rosenbaum. 


288 Neugeborene. Heft 3 


Kuttner, Ann u. Ratner, Bret. Die Bedeutung des Colostrums für 
das neugeborene Kind. (Americ. journ. of dis. of childr. 25, 
S. 413.) 

Von neugeborenen Kälbern, die kein Colostrum erhalten, erliegen 
nach den Untersuchungen von Theobald Smith und seinen Mit- 
arbeitern bis zu 80% einer Colisepsis. Mit dem Colostrum werden 
Immunkörper, z. B. Agglutinine, vom Muttertier auf das Junge 
übertragen. Dagegen fehlt bei Kühen und Ziegen im Gegensatz 
zu den Nagetieren und zum Menschen der Übergang von Anti- 
körpern auf dem Wege über die Placenta. Die menschliche Placenta 
ist, wie in Bestätigung der von früheren Untersuchern erhobenen 
Befunde gezeigt werden konnte, für Diphtheneantitoxin durch- 
lässig. Mit dem Verfahren von Kellog wurde ermittelt, daß ım 
mütterlichen Blut wie in dem Blut der Nabelschnur wenigstens 
1/39 Einheit Diphtherieantitoxin vorhanden ist, wenn die Mutter 
keine Schicksche Probe gibt. Versagt die Schicksche Probe bei der 
Mutter, so fehlt sie auch bei dem von ihr geborenen Kinde. Dagegen 
ist die Schicksche Probe beim Neugeborenen nicht immer erfolgreich, 
wo sie bei der Mutter vorhanden war. Das liegt offenbar daran, 
daß die intracutane Einspritzung bei der dünnen Haut des Neu- 
geborenen auf Schwierigkeiten stößt. Will man sich über den Im- 
munitätszustand des Neugeborenen gegen Diphtherie unterrichten, 
so ist es am besten, die Schicksche Probe an der Mutter vorzunehmen. 
da am Übergang der Antikörper durch die Placenta kein Zweifel 
besteht. Der Antitoxingehalt des Nabelschnurblutes entspricht 
ziemlich genau dem des mütterlichen Blutes, so daß ein meßbarer 
Verlust beim Durchtritt durch die Placenta offenbar nicht erfolgt. 
In Versuchen an Meerschweinchen wurde gezeigt, daß menschliches 
Colostrum kleine Mengen Diphtherieantitoxin enthält, aber stets 
weniger als das zugehörige mütterliche Blutserum oder Nabelschnur- 
blut. In Übergangsmilch und in reifer Milch ließ sich kein Antitoxin 
nachweisen. Die Aufnahme von Colostrum führte nie zu meßbarer 
Zunahme des Antitoxins im kindlichen Blute. Die sorgfältige Beob- 
achtung von I8 Säuglingen, die bestimmt kein Colostrum erhalten 
hatten, ließ keine schädliche Folge des Ausfalles der Erstmilch 
erkennen. H. Vogt. 


Emmanuele, A. (Päd. Klin. Neapel). Ricerche sulle piastrine e sulla 
coagulabilita del sangue nel neonato. (Untersuchungen über di 
Platichen und die Gerinnungsfähigkeit des Neugeborenenblutes. 
(La Pediatria 1923, 31, S. 422.) 

Die Zahl der Blutplättchen nimmt in den ersten Lebenstagen 

ah; sie ist beständig höher bei den Frühgeburten (ungefähr 560 000 

im Mittel gegen 440 000 bei normalen Neugeborenen). Die Genn- 

nungszeit steigt von 2 Min. am ersten Tage auf 3 Min. 45 Sek. am 


Heft 3 Frihgeborene. — Infektionskrankheiten. 289 


fünften; bei Frühgeburten beträgt sie 1 Min. 30 Sek. im Mittel. 
Bei Kindern mit Hämorrhagien ist die Anzahl der Plättchen geringer, 
die Gerinnungszeit länger. Tezner (Wien). 


Frühgeborene. 


Hoffa, Lizzie. Siudien über den calorischen Bedarf der Frühgeburten. 
(Arch. f. Kinderheilk. 72, 1922, S. 6.) 


Ein theoretisch zu errechnender und bisher allgemein angenom- 
mener erhöhter Bedarf der Frühgeburten existiert bei klinischer 
Beobachtung nicht, der wirkliche Bedarf liegt in vielen Fällen sogar 
unter 100 Calorıen pro Kilogramm Körpergewicht. P. Karger. 


Schoedel, Johannes. Trinkmengen und Trinkfolge gut gedeihender 
Schwachgeburten bei Ernährung mit Mutter- oder Ammenmilch. 
(Aus dem Mütter- und Säuglingsheim der staatlichen Frauenklinik 
Chemnitz.) (Jahrb. f. Kinderheilk. 102, 1923, Heft 3/4.) 


Die Untersuchungen täglicher Trinkmengen wurden an 57 Kin- 
dern durchgeführt. Schwachgeburten und Frühgeburten wurden 
nicht getrennt, die Prüfung erstreckte sich überhaupt auf unter- 
gewichtige Kinder von der zweiten Lebenswoche an. Es ergaben 
sich als Trinkmengen am Ende der 2. Woche zwischen 130 und 175 g, 
am Ende der 3. Woche zwischen 140 und 190 g, am Ende der 4. Woche 
zwischen 145 und 210g, in der 6.—8. Woche 150—250g pro kg 
Körpergewicht. Für gutes Gedeihen der Schwachgeburten bei aus- 
schließlicher Ernährung mit abgedrückter Milch ist dagegen oft 
eine höhere Nahrungszufuhr erwünscht. Der Versuch größerer 
Nahrungspausen bleibt wegen der mangelhaften Saugkraft schwach- 
geborener Kinder nach Ansicht des Verfassers stets ein Wagnis; 
Schoedel zieht 6—8maliges Anlegen in diesen Fällen vor, steigt 
bei Ernährung mit abgespritzter Milch sogar auf 8—ıo Mahlzeiten 
und berichtet über gute Erfolge im Allgemeinzustand und in der 
Gewichtszunahme. W. Gottstein. 


Infektionskrankheiten und parasitäre Erkrankungen. 


Zingher, Abraham. Ausführung der Schickschen Probe an mehr als 
150 000 Kindern aus öffentlichen und Gemeindeschulen in Neuyork. 
(Americ. journ. of dis. of childr. 25, 392.) 

Beim Schulbeginn sind die Kinder, bei denen die Schicksche 
Probe positiv ausfällt, so zahlreich (60—80%,) vertreten, daß man 
auf die Ausführung der Probe verzichten und die Kinder sämtlich 
mit Toxin-Antitoxingemisch gegen Diphtherie immunisieren kann. 
Als geschützt sollte man die so geimpften Kinder aber erst betrachten, 

Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 19 


290 Infektionskrankheiten und parasitare Erkrankungen. Heft 3 


wenn eine nach 6 Monaten ausgefiihrte Schicksche Probe wir- 
kungslos bleibt. Die Zahl der Kinder, bei denen die Schicksche 
Probe eine Immunität nachweist, wächst mit den Jahren stark an 
bis auf 77% im Alter von 13—14 Jahren. Unter Kindern der wohl- 
habenden Bevölkerungskreise, die aus weniger dicht bebauten 
Stadtteilen stammen, finden sich 100—200% mehr mit Empfind- 
lichkeit gegen Diphtherietoxin als unter den Kindern der Armen. 
Dementsprechend ist die Zahl der diphtherieempfänglichen Kinder 
unter der ländlichen Bevölkerung sehr hoch, sie kann 85—90% 
betragen. Die sog. „natürliche Immunität‘ gegen Diphtherie ist 
offenbar auf häufigere Berührung mit Diphtheriebazillen zurück- 
zuführen. Beherbergen doch 2—3%, der Stadtbtevölkerung virulente 
Diphtheriebacillen im Rachen. Da Diphtherie für die Altersklasse 
von 3—5 Jahren die häufigste Todesursache darstellt, für die Kinder 
von I—3 Jahren unter den Todesursachen an 3. Stelle steht, so sollte 
die aktive Immunisierung gegen: Diphtherie bei Kindern im Alter 
von 6 Monaten bis zu 6 Jahren genau so regelmäßig durchgeführt 
werden wie die Pockenimpfung. H. Vogt. 


Kirch, Eugen. Über das Zustandekommen der Invasion von Diphtherie- 
bacıllen im menschlichen Körper bei dibhtherischen Affektionen 
der Lufiwege. Path. Inst. Würzburg. (Zeitschr. f. Kinderheilk. 
33, S. 229.) 

Die Möglichkeit einer intravitalen Invasion von Diphthene- 
bacillen in den menschlichen Organismus bei einer durch Diphthene- 
bacıllen hervorgerufenen Erkrankung der oberen Luftwege kann 
nicht mehr in Zweifel gezogen werden, wenn auch die verschiedenen 
Angaben über prozentuale Häufigkeit dieser Invasion noch sehr weit 
auseinandergehen, wofür Kirch, allerdings nur in geringem Maße 
teils den Umstand verantwortlich macht, daß die einzelnen Autoren 
den Kreis dessen, was sie als echte Diphtheriebacıllen bezeichnen. 
verschieden weit ziehen, teils daß ungleiche Materialmengen zur 
Verwendung kamen oder daß verschiedenartige Technik angewendet 
wurde. Viel maßgebender für den verschiedenen Ausfall der bak- 
teriologischen Prüfungen hält K. die inneren Verhältnisse des jeweils 
vorliegenden Materials. Zum Versuch einer Analysierung der ver- 
schiedenen Bedingungen, unter denen ein Diphtheriebacilleneinbruch 
ins Blut zustande kommt, stehen 32 Fälle zur Verfügung. Scharfe 
Trennung in eine Diphtherie im eigentlichen Sinne, die charakten- 
siert ist durch ein Tieferreichen der Beläge und vorwiegender Bevor- 
zugung plattenepitheltragender Schleimhautbezirke, und in einen 
Croup, bei dem die Pseudomembranen auf das Oberflächenepithel 
beschränkt sind, locker aufliegen und hauptsächlich zylinderepithel- 
tragende Schleimhautbezirke befallen. Bei ersterer reichen die 
Löffler-Bacillen entgegen weitverbreiteter Ansicht weit ins Tiefen- 


Heft 3 Infektionskrankheiten und parasitare Erkrankungen. 291 


gewebe. Eine Invasion in die durch Entzündung alterierten Gefäße 
kommt von hier aus recht häufig vor. Beim Croup dagegen fehlt 
Tiefenwanderung und damit der Einbruch ın die Gefäße. Ausführung 
der Tracheotomie und Komplikationen von seiten der Lunge sind 
für das Eintreten der Invasion ohne sonderliche Bedeutung. Eine 
starke Vermehrung der Diphtheribacillen im Blute findet nicht 
statt, sie verschwinden, wenn die Invasionsquelle in den Luftwegen 
versiegt. Besonders bevorzugt ist das Myokard. Die Diphtherie- 
bacillen, die hier offenbar besonders gut gedeihen, können auch hier 
gerade zu einer stärkeren Toxinentwicklung führen, indem hier 
lokal gebildete Toxine zu den im Blut kreisenden kommen und da- 
durch sich vielleicht das besondere Gefährdetsein des Herzmuskels 
bei der Diphtherie ganz allgemein erklärt. Eine absolute Kongruenz 
zwischen Bacillenbefund einerseits und geweblichen Veränderungen 
ım Herzmuskel besteht nicht. Beck (Tübingen). 


Graeser, Fritz. Zur Ätherbehandlung des Keuchhustens. (Dtsch. med. 
Wochenschr. 49, Nr. 17, S. 55I. 1923.) 


Verf. glaubt, intramuskuläre Ätherinjektionen (jeden zweiten 
Tag ı ccm bei Kindern bis zu einem Jahr, 2 ccm bei Kindern über 
ein Jahr) bei komplizierten Keuchhustenfällen empfehlen zu können. 

Ernst Faerber (Berlin). 


Bowditch und Leonard. Vorläufige Mitteilung über die Röntgen- 
strahlenbehandlung des Keuchhustens. (Boston med. a. surg. journ. 
188, Nr. 10.) 


26 Fälle von Keuchhusten wurden mit Röntgenstrahlen be- 
handelt; die Patienten im Alter von 3 Monaten bis zu 40 Jahren 
befanden sich in verschiedenen Krankheitsstadien, von I—IO Wochen. 
Die Bestrahlung erfolgte drei- oder viermal, ın Abständen von 
2—3 Tagen. Die Dosierung richtete sich nach dem Alter des Patienten, 
der Gesamtbetrag blieb unter der Erythemdosis. In einem kleinen 
Prozentsatz der Fälle gingen die Anfälle prompt zurück. Der größte 
Teil der Patienten fühlte sich wesentlich erleichtert, und nur ein 
kleiner Teil verhielt sich refraktär. Wenn auch die geringe Zahl 
von Beobachtungen keinen bindenden Schluß zuläßt, so scheint 
die Röntgenbehandlung des Keuchhustens doch anderen Heilmetho- 
den überlegen, auch der Serumbehandlung. Held (Berlin). 


Auriechio, L. (Päd. Klin. Neapel.) Ricerche immunitarie sul liquido 
cefalorachidtano nel? infezione tifoide. (Untersuchungen über 
Immunkörper im Liquor bet Typhus.) (La pediatria 1923, 31, 
S. 353.) 

Im Liquor von 1r Typhuskranken konnten Typhusbacillen 
nachgewiesen werden; Eiweiß und Zellen waren nicht vermehrt. 


19* 


292 Infektionskrankheiten und parasitare Erkrankungen. Heft 3 


Immunkörper fanden sich ım Liquor nicht; dies ist auch der Grund, 
weshalb im Liquor öfter als im Blut Typhusbacillen nachweisbar 
sind. Tezner (Wien). 


v. Torday, Franz. Die Bekämpfung der akuten Infektionskrankheiten 
des Kindesalterss. (Aus dem städtischen Kinderasyl Budapest.) 
(Jahrb. f. Kinderheilk. 102, 1923, Heft 3/4.) 


Verfasser bringt in übersichtlicher Darstellung allgemein be- 
kannte Forderungen der Seuchenbekämpfung. Besonderer Wern 
wird auf die geschichtliche Entwicklung gelegt; die Erfahrunger. 
der bakteriologischen Forschung, der Dispositionslehre und der 
Immunologie werden eingehend am Diphtherieproblem erörtert. 
Die Auffassungen von Szontagh über die geringe Kontagiosität 
mehrerer Infektionskrankheiten des Kindesalters werden bestnitter. 
Die Scharlachprophylaxe durch Einspritzen von Scharlachrekon- 
valeszentenserum bestätigt sich nicht. Bemerkenswert ist eine Be 
obachtung an 116 Kindern, daß Einspritzung von Blut der Masern- 
rekonvaleszenten statt Serum (20 ccm Blut am 2.—6. Incubation:- 
tage) den gleichen Schutz zu gewähren scheint. W. Gottstein. 


Geissmar, J. Zur Beurteilung der Schickschen Intracutanreaktion au! 
Diphtherteantitoxin. (Arch. f. Kinderheilk. 72, 1923, S. 194.) 
Paralleluntersuchungen sprechen für die Zuverlässigkeit der 
Methode, wenn die Giftbouillon rein ist, was immer erst dura. 
Kontrollen mit gekochtem Toxin geprüft werden muß. Die Be- 
sichtigung der Impstellen empfiehlt sich am besten nach zwei- oder 
viermal 24 Stunden. P. Karger. 


Kuhn, P. Beiträge zur Kenntnis der Noma. (Mainz, pathologisches 
Institut des Stadtkrankenhauses.) (Zeitschr. f. Kinderheilk. 8, 
1923, 5. 79—94.) 

4 Nomafälle, die im Anschluß an Keuchhusten, Ruhr, Diphthene 
und Masern auftraten, geben Verf. Gelegenheit, auf die ätiologische 
Bedeutung der von Perthes als Streptotrix aufgefaBten Noma- 
fäden einzugehen. Es wird dabei die Ansicht vertreten, daß dies 
nicht den Erreger, sondern nur einen Saprophyten in dem auf andere 
Weise beschädigten Gewebe darstellen. Ein endgültiger Beweis 
für die eine oder die andere Ansicht kann jedoch nicht erbracht 
werden. Daß der Noma aber eine Infektion mit pathogenen Mikro- 
organismen zugrunde liegt, scheint Kuhn sicher, dagegen wird 
offen gelassen, ob es sich um eine Krankheitseinheit handelt. 2 Falle 
traten im Zusammenhang miteinander auf, was eine schon früher 
behauptete Kontagiosität in den Bereich der Möglichkeit rückt. 
Eine vom Verf. beobachtete Beteiligung der Meningen kann auch 
als eine durch Keimembolie erzeugte Metastase der entzündlichen 
Krankheit aufgefaßt werden. Schall (Tübingen). 


Heft 3 Infektionskrankheiten und parasitare Erkrankungen. 293 


Widowitz. Klinische Beobachtungen über Masern. (Arch. f. Kinder- 
heilk. 72, 1923, S. 274.) 

Der Infektionsmodus ist durch den Luftstrom von Person zu 
Person gegeben. Das jüngste Kind war 4 Monate alt, jüngere er- 
krankten auch bei starker Infektionsmöglichkeit nicht. Kopliksche 
Flecken fehlten in einem Drittel der Fälle. Verf. befürwortet die 
Anzeigepflicht bei Masern. P. Karger. 


Bürgers, Th. J. Das Scharlachproblem. Eine epidemiologische Studie. 
(Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh., Bd. 99, H. 4, S. 323 
bis 344, 1923.) 

Der Verfasser wollte durch statistische Erhebungen nach- 
prüfen, ob die Beobachtung, daß die Scharlachmorbidität in den 
letzten Kriegsjahren und in der Nachkriegszeit abgenommen hat, 
zu Recht besteht. Diese Untersuchungen ergaben, daß im Jahre 
1915 in Preußen die Scharlachmorbidität und auch die Mortalität 
eine sehr hohe gewesen ist, ferner daß in den Jahren 1917—1920 
ein scheinbarer Rückgang der Scharlachmorbidität fast um 50% 
im Vergleich zu dem Jahre 1915 eintrat. Als scheinbar bezeichnet 
der Verfasser diesen Rückgang aus dem Grunde, weil der Berech- 
nung die Relativzahl der Gesamtbevölkerung zugrunde gelegt 
wurde, während ein richtiges Bild nur die Berechnung auf die einzel- 
nen Jahresklassen geben könnte. Verfasser fand, daß in der Zeit 
der Abnahme der Scharlachmorbidität die Altersklasse zwischen 
2—Io Jahren ebenfalls eine Abnahme von 50%, aufwies, ein Um- 
stand, der bereits den Rückgang der Scharlachmorbidität erklären 
könnte. Die weiteren Untersuchungen ergaben, daß sowohl der 
Verlauf, wie auch die Scharlachmorbidität große örtliche Schwan- 
kungen aufweisen. So fand sich z. B. die hohe Scharlachmorbidität 
Preußens im Jahre 1915, auch in Düsseldorf, Königsberg usw., 
weniger ausgesprochen in Köln, Schwerin M. und garnicht in der 
Stadt Berlin und in Nürnberg. Die soziale Lage ist auf die Schar- 
lachmorbidität scheinbar ohne Einfluß. Auch die Rationierung 
machte sich in dieser Beziehung bis zum Jahre 1922 nicht geltend. 
Es ist bereits von Hirsch gezeigt worden, daß der Scharlach in 
früheren Zeiten nicht nur seinen Charakter oft gewechselt hat, 
sondern daß zwischen den Epidemien auch epidemiefreie Zeiten 
gelegen sind. Die statistischen Kurven des Verfassers zeigen, daß 
eine so geringe Scharlachmorbidität, wie in den Jahren 1917—1920 
auch in den Jahren 1896—98, in Hamburg 1905, in Budapest 1884 
bis 1885, in Lübeck 1884 da gewesen sind. Diese periodischen 
Schwankungen der Scharlachmorbidität sprechen dafür, daß die 
Abnahme der Scharlachfälle in den letzten Jahren nicht ohne 
weiteres auf die Abnahme der Kinderzahl zurückgeführt werden 
kann. Verfasser erwähnt auch die Ansicht Czernys, der die Ab- 


294 Infektionskrankheiten und parasitare Erkrankungen. Heft 3 


nahme der Scharlachmorbidität in den letzten Jahren auf die knappe 
Ernährung, insbesondere auf die milcharme Ernährung zurück- 
führen will. Er lehnt diese Ansicht aber mit der Begründung ab, 
daß auch in Norwegen in derselben Zeit die Scharlachmorbidität 
ähnlich zurückging, in einem Lande, wo die knappe Ernährung als 
ursächliches Moment wohl kaum in Frage kommen kann. Nach 
den Untersuchungen von Nesemann soll zwischen Scharlach und 
Diphtheriemorbidität ein Parallelismus bestehen. Die Nachprü- 
fungen des Verfassers am Hamburger und Budapester Material 
konnten diese Beobachtung weitgehend bestätigen, während ein 
solcher Parallelismus mit der Pertussis sich nicht nachweisen ließ. 

Die Mortalitatskurve in Preußen zeigt von Ig0O2—IQI4 eine 
abfallende Tendenz. Seit ıgI4 ist die Scharlachmortalität auf die 
Hälfte, seit 1920 auf !/, herabgesunken. Da nun die Letalität beim 
Scharlach dem Alter umgekehrt proportional ist, und für Düssel- 
dorf sich zeigte, daß die Scharlachmortalität in den ersten Lebens- 
jahren in den Jahren Ig20—2ı auf Bruchteile eines %, herunter 
gesunken ist, so ist dies nur in dem Sinne auszulegen, daß der Schar- 
lach in den letzten Jahren einen gutartigeren Verlauf zeigt. Der 
Rückgang der Scharlachmorbidität in den letzten Jahren ist eine 
Erscheinung, die sich in der Geschichte des Scharlachs schon öfter: 
gezeigt hat. 

Schließlich wird die Frage ‚„Scharlach und Anaphylaxie“ kurz 
besprochen. Verfasser nimmt hierbei einen ablehnenden Stand- 
punkt ein. Die Anaphylaxietheorie kann nicht die große örtliche 
Divergenz der Scharlachmorbidität, das An- und Abschwellen der 
Scharlachkurve in verschiedenen Zeiten, ja auch in derselben Stadt, 
ferner das Fehlen des Scharlachs in manchen tropischen Gegenden 
erklären. 

Bemerkungen des Ref. 

Verfasser schreibt: „Eine Reihe anderer Autoren wie Schiff 
deuten den Scharlach als reine Anaphylaxie usw.‘“. Hier wird wohl 
— was meine Person anbetrifft — ein Versehen vorliegen müssen. 
Nie habe ich mich für diese Hypothese ausgesprochen, ja ganz ım 
Gegenteil, ich habe sogar versucht durch meine Untersuchungen 
den Beweis zu erbringen, daß das erste Stadium der Scharlacher- 
krankung mit anaphylaktischen Vorgängen nichts zu tun hat. 
Wenn „anaphylaktische‘‘ Prozesse bei der Scharlacherkrankung 
überhaupt eine Rolle spielen, so können solche höchstens nur für da: 
sogenannte zweite Kranksein in Betracht kommen. Schiff. 


Meyer, S. Der Scharlach als anaphylaktisches Phänomen. (Dt. med. W. 
Nr. 16, 49. Jahrg. 1923, S. 509.) 

Zusammenfassende Darstellung der epidemiologischen. klini- 

schen, seriologischen und haemotologischen Erscheinungen. welche 


Heft 3 Infektionskrankheiten und parasitare Erkrankungen. 295 


che Auffassung des Scharlachs als anaphylaktisches Phänomen . 
rechtfertigen. Die notwendige Sensibilisierung mit artfremdem 
Eiweiß erfolgt durch vorangehende Infekte (meist Streptokokken.) 
Die weitgehende Immunität der Säuglinge im ersten Lebensjahre 
erklärt sich durch die noch fehlende Sensibilisierung (geringe Aus- 
bildung des Iymphatischen Rachenringes, daher fehlende Eintritts- 
pforten für Streptokokken). Umgekehrt ist die gesteigerte Dis- 
position exsudativer Kinder mit der Hypertrophie des lymphati- 
schen Rachenringes und der dadurch bedingten Neigung zu Ka- 
tarrhen und Anginen zu erklären. Zweckmäßige antiexsudative 
Ernährung hält die Neigung zu Katarrhen in Schranken und kann 
auf diese Weise (gemäß der Czernyschen Auffassung) als Scharlach- 
prophylaxe angesehen werden. Ernst Faerber. 


de Lange, C. Herpes Zoster varicellosa (Bokay) und Varicellen. (Neder- 
landsch Tijdschr. v. Geneesk. 1923, 1, S. 1634.) 


Ein ätiologischer Zusammenhang zwischen Herpes Zoster und 
Varicellen, angenommen durch Bokay u. a., bestritten durch 
Comby u. a., soll durch die Erfahrung von de L. eine Stütze finden. 
In einem Kinderheim wird bei einem Pflegling Herpes Zoster thoracis 
lokalisiert vom 5. bis 7. linken Intercostalraum, konstatiert. Nachher 
traten bei drei anderen Kindern, die mit dem erstgenannten dasselbe 
Zımmer bewohnten, Varicellen auf in Zwischenräumen von einzelnen 
Wochen. Graanboom. 


Cantilena, A. (Zivilspital Venedig). Allattamento e pertosse. (Ernäh- 
rung und Keuchhusten.) (La Pediatria 1923, 81, S. 555.) 


In 8 von ıo Fällen mit schwerer Pertussis traten eklamptische 
Anfälle auf. Obwohl nur in 3 Fällen elektrische oder mechanische 
Übererregbarkeit vorhanden war, will Verfasser alle 8 Fälle zur 
Spasmophilie zählen, nur weil die Lumbalpunktion negativ war, 
bei jenen Fällen, welche seziert wurden, keine Meningitis gefunden 
werden konnte und in den übrigen die Anfälle auf Einleitung einer 
milchlosen Diät sistierten. Sämtliche Kinder waren künstlich ge- 
nährt. Verfasser tritt für die Brusternährung ein. 

Tezner (Wien). 


Hayano, M. Klassifikation des Keuchhustenbacillus, Vaccinetherapie 
und Keuchhustenprophylaxe. (Japan med. world 8, Nr. 5, Mai 1923.) 


Auf dem Wege der Agglutination gelingt es, vier verschiedene 
Typen des Bac. pertussis zu unterscheiden. Die Typen sind auch 
durch ihr kulturelles Verhalten gegeniiber verschiedenen Zuckerarten 
voneinander zu trennen. Empfehlung einer Behandlung des Keuch- 
hustens mit Injektionen einer polyvalenten Vaccine sowie Berichte 
über einzelne Versuche einer Vaccineprophylaxe. 

Wolff (Hamburg). 


296 Infektionskrankheiten u. parasitäreErkrankung. — Tuberkulose. Heft 3 


Hull, Th. G. und Nauss, R. W. Intracutaninjekitonen bet Keuchhusten. 
(Journ. of the Americ. med. assoc. 23. Juni 1923, 80, Nr. 25, 
S. 1840.) 


Die Berichte von Modiglani, de Villa und Orgel iiber diagno- 
stische Intracutanreaktion bei Keuchhustenkindern lieBen wesent- 
liche Fortschritte für die Frühdiagnose erhoffen, in einer kürzlich 
erschienenen Arbeit aber kam Riesenfeld zu wenig befriedigenden 
Resultaten. Verff. untersuchten an reichlichem Material (341 In- 
jektionen) die Wirkungsweise von Aufschwemmungen der Bordet- 
Gengouschen Bacillen in neunfach verschiedener Zubereitung. Sie 
verwandten ältere und frische Bacillenemulsionen, die durch ver- 
schieden hochgradige Erhitzung und den Zusatz von verschieden 
stark konzentrierten Chemikalien (Trittresol) avirulent gemacht 
waren. Die Versuche führten zu völlig ablehnendem Urteil über 
den Wert der Methode. Die positive Reaktion, die fast bei allen 
Kindern eintrat, hatte durchaus unspezifischen Charakter, sie war 
auch in Fällen von gesunden und bronchitiskranken Kindern vor- 
handen. Andererseits fehlte sie wieder in Fällen von klinisch sicher 
nachgewiesenem Keuchhusten. Kontrollversuche bei Erwachsenen 
zeigten, daß diese für die Injektionen bedeutend weniger empfäng- 
lich waren. Lehrnbecher (Eberswalde). 


Emmanuele, A. (Päd. Klin. Neapel). Su due cası d’infezione asso- 
ciata leishmaniosi interna-melitense. (Zwei Fälle von Doppelinfektion 
mit Kala-Azar und Maltafieber.) (La Pediatria 1923, 31, S. 603.) 


In einem Falle wurden beide Parasiten im Blut nachgewiesen. 
im zweiten Kala-Azar und eine Agglutination von 1 : 1000 fir 
den Micrococcus melitensis; das Fieber war in den ersten Tagen 
ungewöhnlich hoch und kontinuierlich, im übrigen wich der Verlauf 
nicht von dem einer gewöhnlichen Leishmaniosis ab; die Doppel- 
infektion ist daher nur auf Grund der Laboratoriumsuntersuchungen. 
nicht auf Grund klinischer Beobachtung zu erkennen. Da das Kind 
erst nach der Erkrankung rohe Ziegenmilch, mittels derer bekannt- 
lich der M. melitensis übertragen wird, erhalten hat, dürfte die 
Infektion mit Kala-Azar vorangegangen sein. Es wurde zuerst die 
Vaccinebehandlung gegen das Maltafieber, dann die Verabreichung 
von Tartarus stibiatus angewendet; die Kinder wurden geheilt. 

Tezner (Wien). 


Tuberkulose. 
Marfan. Der Zwei-Ton-Husten bei der Bronchialdrüsentuberkulose. 
(Le Nourrisson 11, 157. 1923.) 


Dieser „durchaus pathognostische‘““ Husten wird im Gegensatz 
zum normalen Hustenstoß durch 2 gleichzeitige Töne, einen hohen 


Heft 3 Tuberkulose. 297 


und einen tiefen, gebildet. Er ıst bei jungen Säuglingen mit ent- 
sprechender Lymphdrüsenschwellung häufiger als bei Kindern des 
2. Lebensjahres. Während Marfan ihn früher durch Rekurrens- 
Ummauerung erklären wollte, neigt er heute mehr dazu, die Ver- 
engerung der Trachea direkt für das Entstehen dieses eigenartigen 
Klangphänomens verantwortlich zu machen. Rosenbaum. 


Langer, Hans. Der diagnostische Wert der Wirbelsaulenphänomene 
ber der Bronchsaldriisentuberkulose im Kindesalter. (Kaiserin- 
Auguste-Viktoria-Haus, Berlin.) (Zeitschr. f. Kinderheilk. 34, 
S. 60.) 


Die Spinalgie, die nach de la Camp bei Erwachsenen sym- 
ptomatische Bedeutung besitzt, leistet bei Kindern als diagnostisches 
Zeichen einer Bronchialdrüsentuberkulose nichts, so wertvoll sie im 
Hinblick auf die Erkennung einer beginnenden Wirbelcaries ist. Auch 
das d’Espinesche Zeichen ist unsicher, denn abgesehen von der 
schwierigen eindeutigen Abgrenzung des Auscultationsergebnisses 
hängt es von der Stärke der Flüstersprache und von der Beschaffen- 
heit der Iymphatischen Rachenorgane ab. In den ersten Lebens- 
jahren, in denen die Bronchialdrüsentuberkulose auch ohne sinn- 
fällige Allgemeinsymptome an Ausdehnung gewinnt, ist es nicht 
anwendbar. Bei Kindern jenseits des 5. Lebensjahres erlaubt die 
Größe der Drüsenschwellungen keinen Rückschluß mehr auf die 
Aktivität. Sehr gut brauchbar ist die de la Campsche Wirbel- 
säulenperkussion. Jede Verlängerung der Dämpfung über den 
zweiten Brustwirbel hinaus hat etwa bis zum 6. Lebensjahr eine 
sichere pathologische Bedeutung. Als Maßstab für die Notwendig- 
keit oder Entbehrlichkeit einer Röntgenaufnahme kann aber auch 
dieses Symptom nicht gelten. Beck (Tübingen). 


Broca, Aug. Die tuberkulösen Osteoarthritiden im Säuglingsalter. 
(Le Nourrisson 11, Nr. 2, Marz 1923.) 

Hinweis auf die Wichtigkeit der Differentialdiagnose gegen den 
infantilen Skorbut. Die Spondylitis tuberculosa kann in diesem Alter 
mit einer rachitischen Wirbelsäulenverkrümmung verwechselt werden ; 
vor diesem Irrtum schützt die Untersuchung des Kindes in Bauch- 
lage, wodurch der rachitische Gibbus ausgeglichen wird. Die Be- 
handlung der tuberkulösen Gelenkserkrankungen im Säuglingsalter 
ist sehr undankbar; feste Verbände werden bei der Coxitis wegen 
der Durchnässung kaum zur Anwendung kommen können. Meist 
kommt es zur Fistelbildung mit nachfolgender Mischinfektion. In 
den wenigen zur Ausheilung kommenden Fällen tritt dieselbe in 
fehlerhafter Stellung ein, oder es kommt zur Ankylose. Diese Folge- 
zustände müssen später chirurgisch-orthopädisch korrigiert werden. 

Wolff (Hamburg). 


298 Tuberkulose. Heit 3 


Dehoff, Elisabeth. Die Bestimmung der Senkungsgeschwindigkail 
der Erythrocyten bei kindlicher Tuberkulose. (Dt. med. W., Nr. 18, 
49. Jahrg., 1923, S. 578.) 

Die Bestimmung der Senkungszeit bei kindlicher Tuberkulose 
ist ein wertvolles klinisches Hilfsmittel. Unter physiologischen 
Verhältnissen sind die Senkungszahlen für das junge Kind niedriger 
als für das ältere und den Erwachsenen. Die kindliche Lungen- 
tuberkulose zeigt im wesentlichen dieselben Zahlen wie beim Er- 
wachsenen (rein cirrhotische Prozesse 115—300 Min., nodöse Pro- 
zesse 56—80 Min., exsudative, bzw. produktiv verkäsende 20-44 
Min.). In Betracht kommt die Senkungsbestimmung besonders 
1. differentialdiagnostisch vor allem bei Deutung von unklaren 
Röntgenplatten, bei Beurteilung der Bronchialdrüsentuberkulose 
(ob aktiv oder latent), vor allem zur Unterscheidung epituberkulöser 
Infiltrate. 2. diagnostisch zur Beurteilung des Heilungsverlaufes 
bei Peritoneal-, Mesenterialdrüsen-, Knochen- und Gelenktuberku- 
lose. 3. prognostisch, indem hohe Senkungszahlen gegen aktive 
Prozesse sprechen. 4. therapeutisch, indem niedrige Senkungs- 
zahlen eine Kontraindikation gegen spezifische Behanlung bilden. 

Ernst Faerber. 


Aronson, A. Versuche über eine Sensibilisierung der Pirquetschen 
Reaktion. (Klin. Wochenschr., II. Jahrg., Nr. 27, 2. Juli 1923.) 


Ausgehend von den Versuchen von v. Groer und Hecht, 
die nachweisen konnten, daß kutane Applikation von Morphin 
nach Art der Pirquetisierung zu einer Dilatation der Hautgefäße 
bzw. zu Hyperämie führt, suchte Verfasser durch Morphinzusatz 
zum Alttuberkulin die Pirquetsche Reaktion zu verfeinern. Es 
zeigte sich aber, daß nur in einer ganz geringen Anzahl von Fällen 
auf diese Weise bei der Schlußablesung nach 24 Stunden eine po- 
sitive Reaktion erzielt wurde, wo die einfache Pirquetisierung ein 
negatives Resultat gezeitigt hatte; in einer Reihe von Fällen aktiver 
Bronchialdrüsentuberkulose war die Pirquetsche Reaktion unter 
Morphinzusatz deutlich intensiver als ohne diesen Zusatz. Das 
Ergebnis der Versuche gestattet nicht, dem Morphiumzusatz all- 
gemein diese Reaktionsverstärkung zuzuschreiben, so daß von der 
Empfehlung des Morphinzusatzes für die Praxis abgesehen werden 
muß. Wolff (Hamburg). 


Peyrer, K. Über das Verhalten des Tuberkulins im Organismus. 
(II. Kinderabteilung der Wiener allg. Poliklinik.) (Zeitschr. f. 
Kinderheilk. 35, 1923, S. 202—206.) | 

Nach Analogie mit anderen Toxinen wäre zu erwarten, dab 

Tuberkulin bei parenteraler Einverleibung bei tuberkuilosefreien 


Heft 3 Tuberkulose. 299 


Tieren lange im Organismus kreisen, bei infizierten aber rasch ver- 
schwinden würde. Peyrer kommt in einer Reihe von Versuchen 
zu einem anderen Ergebnis. In beiden Fällen ist das Tuberkulin 
nach 24 Stunden aus dem Organismus verschwunden. Es ist daher 
anzunehmen, daß die Inaktivierung unspezifisch erfolgt. Das Tuber- 
kulin kommt deswegen auch wohl nicht als eigentliches Antigen, 
das Receptoren spezifischer Art bildet, in Betracht. 
Schall (Tübingen). 


Riedel, G. Die Pirquetsche Hautreaktion mit Alt- und Morotuberkulin. 
(Klin. Wochenschr. 2, Nr. 32, S. 1503.) 


Auf Grund seiner Erfahrungen mit der gleichzeitigen Pirquet- 
impfung mit Alttuberkulin (Höchst) und Morotuberkulin bei einem 
Material von chirurgischer Tuberkulose kommt Verf. zu dem Er- 
gebnis, daß das diagnostische Tuberkulin nach Moro das wertvollere 
Präparat ist, da er mit demselben nie Versager gefunden hat, während 
er in 3 Fällen bei positivem Moro einen negativen Ausfall mit Alt- 
tuberkulin erlebte. In diesen Fallen handelte es sich um ganz junge 
Kinder; bei älteren Kindern stimmten beide Tuberkuline mitein- 
ander überein. Es empfiehlt sich, stets beide Tuberkuline anzuwenden, 
und zwar nur in der konzentrierten Form, da sich zeigte, daß das 
Morosche Tuberkulin in Verdiinnungen nie eine positive Reaktion 
ergab. Wolff (Hamburg). 


Duzar, Josef. Kollordchemische Blutuntersuchungen bei Sãuglings- 
tuberkulose. (Aus der Kinderklinik der Elisabeth-Universität 
Budapest.) (Jahrb. f. Kinderheilk., 102, 1923, S. 69.) 


Verfasser priifte unter Vermeidung richtiger Fehlerquellen an 
der Gesamtzahl von 50 Säuglingen die Kolloidlabilität der Serum- 
eiweißkörper nach der Ausflockungsreaktion von Daränyi. (Ge- 
meinsame Wirkung von Alkohol, Salz und Hitze. Dtsch. med. 
Wochenschr. 1922.) Das Serum gesunder Kinder wurde in 19 Fallen 
untersucht. 5 akute Erkrankungen und 26 tuberkulöse Säuglinge 
wurden ferner ausgewählt. Die wichtigsten Ergebnisse folgten aus 
den Serumuntersuchungen tuberkulöser Säuglinge. Die Prüfung der 
Kolloidlabilität der Bluteiweißkörper durch die Senkungsgeschwin- 
digkeit der roten Blutkörperchen und Fällungsreaktionen im Serum 
wurde bisher bei Säuglingen nicht so systematisch durchgeführt wie 
bei Erwachsenen; auch ist die Deutung schwieriger, da die Kolloid- 
labilität der Serumeiweißkörper im Laufe des ersten Lebensjahres 
anfangs fällt, dann ansteigt; sorgfältige Gegenüberstellungen nor- 
maler und pathologischer Verhältnisse sind hier besonders notwendig. 
Bei den vom Verfasser beobachteten Fällen von Säuglingstuberkulose 
deckte sich die Stärke der Ausflockungsreaktion mit der klinischen 


300 Tuberkulose. Heft 3 


Schwere des Falles. Schwerere Erkrankungen zeigten haufig einen 
so deutlich positiven Ausfall, daB die Flockenbildung bereits nach 
3 Stunden vollständig war. Klinisch und röntgenologisch nachweisbar 
leichtere Fälle wiesen eine deutlich schwächere Reaktion auf, die bei 
einer späteren Untersuchung oftmals stärker ausfiel, wenn die Krank- 
heitszeichen auch klinisch vorgeschritten waren. In 2 Fällen sicherte 
das Ergebnis dieser Prüfung eine klinisch nicht feststehende Diagnose. 
Schließlich fand Verf., daß die ‚Urinstalagmone‘‘ tuberkulöser 
Kinder, dem Normalserum zugesetzt, zum positiven Ausfall der 
Reaktion führen. W. Gottstein. 


Peiser, Julius. Über die Tuberkulose des Schulkindes. (Aus der Tuber- 
kulosefürsorge der Landesversicherungsanstalt Berlin.) (Jahrb. i. 
Kinderheilk. 102, 1923, Heft 3/4.) 


Die klinisch-statistische Arbeit von Peiser bringt einen zu- 
sammenfassenden Überblick zugleich mit langjährigen eigenen Er- 
fahrungen über die Altersverteilung der Tuberkulose, die Morbidität 
und Mortalität des Schulkindes, die Tuberkulosebedrohung und 
Gefährdung während des schulpflichtigen Alters. In den Kriegs- 
jahren fand sich, wie aus der Tuberkulindiagnostik hervorging, ein 
Ansteigen der Infektion mit dem Lebensalter. (Umber, Hoffa.) 
Die Zahl der tuberkulosekranken Schulkinder nahm nicht zu, doch 
war die Letalität größer. Auf Grund zahlreicher Krankenhaus- 
statistiken, die natürlich das Material nur einseitig erfassen, sind 
ı—2%, der Schulkinder tuberkulös. (Krankenhaus Westend, Leipzig. 
Erfurt, Chemnitz, amtliche Rundfragen bei deutschen Größstädten.) 
Die röntgenologische Feststellung der Bronchialdrüsentuberkulose 
des Schulkindes weist frischere, ausheilende und alte Herde nach. 
der Nachweis ist prognostisch wichtig wegen der Entstehung der 
Lungenschwindsucht des Reifealters durch die endogene Reinfektion. 
Unter Berücksichtigung aller Lokalisationen (einschließlich Piyk- 
taenen!!) ergaben sich in der Kinderabteilung der Tuberkulosefür- 
sorge der Landesversicherungsanstalt Berlin im Jahre 1922 12,4% 
der untersuchten Kinder als erkrankt an Tuberkulose. Von dieser 
großen Zahl ist jedoch bereits ein erheblicher Teil geheilt! Die ge- 
ringste allgemeine Abnahme der Tuberkulosesterblichkeit von 
1886—1913 zeigt das Schulkindalter. Die Tuberkulosesterblichkeit 
im schulpflichtigen Alter ist auch nach dem Kriege im Verhältnis 
zur Sterblichkeit aller Altersklassen auffallend gering (etwa 1,8% 
der Gesamtsterblichkeit an Tuberkulose). Die Schulzeit leitet aber 
das große Sterben an Tuberkulose im Reifealter ein. Kampfesmittel 
sind die Vorsorge und die Fürsorge, die sich gegen Bedrohung und 
Gefährdung ausgesetzter oder bereits erkrankter Schulkinder richten 
sollen. W. Gottstein. 


Heft 3 Tuberkulose. — Syphilis. 301 


Armand-Delille, P., Georges, J. und Ducrohet. Der therapeutische 
Pneumothorax bei der Lungentuberkulose der Kinder. (La Presse 
medicale Nr. 45, 6. Juni 1923, S. 506.) 


Der Pneumothorax beim Kinde ist in 22 von 230 Fällen mit 
gutem Erfolge angewandt worden. Die Bedingungen — vor allem 
Unilateralität des Prozesses — sind dieselben wie beim Erwachsenen, 
finden sich aber beim Kinde ungleich häufiger als bei diesem. 

Haber. 


Syphilis. 


Kundratitz, Karl. Über Lues congenita. Fürsorge, Schicksal und Be- 
handlung derselben. Liquorbefunde. (Aus der Säuglingsabteilung 
und der Internen Abteilung des Mautner-Markhofschen Kinder- 
spitals in Wien. (Jahrb. f. Kinderheilk. 101, 1923, 251.) 


Im ersten Teil der Arbeit bringt Verf. auf Grund mehrjähriger 
Beobachtung allgemeine Leitsätze für die ambulatorische Behand- 
lung kongenital-syphilitischer Kinder. Als Richtlinien kommen in 
Betracht: Gesetzlicher Behandlungszwang, rechtzeitiges Erfassen der 
Erkrankungen, vorgeschriebener Besuch der Fürsorgestellen, Auf- 
spüren der verdächtigen Fälle durch Fürsorgeschwestern, bessere 
Schulung praktischer Ärzte in der Differentialdiagnose. Schwierig- 
keiten und einige Einwände gegen diese sozialhygienischen Forde- 
rungen werden besprochen. Es folgen klinische Erfahrungen. Die 
Gesamtzahl der wegen Lues congenita von 1920—1922 behandelten 
Kinder betrug 107, davon 66 Säuglinge = 1% des gesamten Säug- 
lingsmaterials. Unter 66 Säuglingen während der Beobachtung 
16 Todesfälle. Therapie bestand, soweit die Kinder regelmäßig vor- 
gestellt wurden, in 3 Kuren im ersten Jahr, es folgten im zweiten 
Jahr 2, dann nach Bedarf 1—2 Kuren jährlich. (Kombinierte Hg- 
Neosalvarsankur, teilweise Silbersalvarsan, Mirion, oft Mischspritze.) 
Bei Säuglingen ausschließlich intravenöse Technik. Wassermannsche 
und Meinickesche Reaktion verliefen meist übereinstimmend. Er- 
reichen der negativen WaR ist erstrebenswert, die positiv bleibende 
WaR bedeutet oft nur Warnungszeichen, doch kann nach ausgiebigen 
Kuren praktisch und klinisch auch bei positiver WaR oft von Heilung 
gesprochen werden. Unter 41 länger beobachteten Fällen nur 13 
„Dauerheilungen“ mit negativer WaR. Die meisten pathologischen 
Liquorbefunde im ersten Lebensjahr, doch offenbar selteneres Er- 
griffensein des Zentralnervensystems bei der Lues congenita gegen- 
über der Lues acquisita. (Unter 45 Kindern 13 pathologische Liquor- 
befunde.) Metaluische Erkrankungen im Kindeslater nicht beob- 
achtet. W. Gottstein. 


302 Syphilis. Heft 3 


Guggenheim, Richard. Uber ein syphilitisches Nabelulcus. (Waisen- 
haus u. Kinderasyl der Stadt Berlin.) (Zeitschr. f. Kinderheilk. 33, 
S. 329.) 

Die Möglichkeit syphilitischer Natur der Nabelulcera ist in 
der deutschen Literatur nicht erörtert, wohl aber findet sie in 
der französischen Erwähnung (Hutinel). Deshalb verdient der Fall 
des Verfs., der sowohl durch seine klinischen Erscheinungen als auch 
den mit der Tuschmethode geführten Nachweis von Spirochaeta 
pallida sicher als kongenitale Lues charakterisiert war, besondere 
Beachtung. Verf. stellt sich auf den Standpunkt, daß als Art des 
Infektionsmodus die primäre Infektion des Nabelstumpfes und von 
dort aus die spätere Allgemeininfektion in Betracht zu ziehen ist. 
Zur Festigung dieser Annahme wäre die Beobachtung ähnlicher Fälle 
von besonderer Bedeutung. Beck (Tübingen). 


Frank, Max. Beitrag zur Kenntnis der Nierenerkrankungen bei kon- 
genttaler Lues. Deutsche Univ.-Kinderklinik Prag. (Zeitschr. 
f. Kinderheilk. 33, S. 248.) 


In der Regel erscheinen die Nieren bei Erblues makroskopisch 
normal. Erst die mikroskopische Untersuchung läßt die dort vor- 
handenen pathologischen Prozesse erkennen. Besprechung der 
größeren einschlägigen Arbeiten, aus denen hervorgeht, daß die 
Pathologie der Niere auf diesem Gebiet noch nicht endgültig geklärt 
zu sein scheint. Einteilung des Materials in 3 Gruppen: Neugeborene, 
unbehandelte und behandelte Säuglinge. Bei der ersten Gruppe 
fanden sich nie makroskopische Veränderungen, wogegen stets 
Entwicklungshemmungen am glomerulären Apparat wie chronisch 
entzündliche Prozesse des Interstitiums festgestellt wurden. Verf. 
lehnt es im Gegensatz zu Karvonen ab, aus dem Vorhandensein 
der neogenen Zone die Diagnose der kongenitalen Nierensyphilis 
zu stellen, weil es sich bei Erblues meist um frühgeborene Kinder 
handelt, bei denen auch die Entwicklung innerer Organe noch nicht 
abgeschlossen ist. Dagegen muß herdförmigen entzündlichen Pro- 
zessen im interstitiellen Bindegewebe und einer pathologischen 
Veränderung der Tunica externa der Gefäßhaut größte Bedeutung 
für die Diagnose Erblues beigemessen werden. Ohne andere luetische 
Symptome gestatterf sie schon allein die Diagnose Erblues. Fehlen 
von Spirochäten bei entzündlichen Veränderungen dieser Art spricht 
nicht gegen die Diagnose einer luetischen Nierenaffektion. Von 
9 untersuchten Säuglingen zeigten 6 mikroskopisch wahrnehmbare 
Veränderungen. 5 davon waren nicht, einer war behandelt. Verf. 
fand bei diesen Fällen zwei verschiedene Formen luetischer Nieren- 
affektion: Eine prinzipiell der bei Neugeborenen gefundenen 
gleichende interstitielle Form, die der septischen interstitiellen 
Herdnephritis (Volhard) gleichzusetzen und rückbildungsfähig ıst. 


Heft 3 Syphilis. 303 


und eine das Parenchym der Niere befallende, als Nephrose im 
Volhardschen Sinne anzusprechende Form, die anscheinend eine 
ernste Prognose bietet. Glomerulonephritiden hat Verf. nicht be- 
obachtet, ohne jedoch die Möglichkeit ihres Auftretens in Abrede 
stellen zu wollen. Beck (Tiibingen). 


Ravaut,P. Hereditäre Syphilis und die Phänomene der Sensibilisierung. 
(La Presse médicale Nr. 42, 26. Mai 1923, S. 473.) 


Verf. erkennt in der Syphilis, speziell der hereditären Syphilis, 
die Grundursache der Sensibilisierungserkrankungen, wie Urticaria, 
Asthma, Ekzeme, die auf dem Umwege endokriner Störungen aus- 
gelöst werden. Es besteht seiner Ansicht nach eine humorale Heredi- 
tät, die ein jenen Erkrankungen günstiges Terrain schafft. Eine in 
den acht beobachteten Fällen angewandte spezifische Kur, meist 
Kalomel und Novarsenobenzol, führte zu vollem Erfolge, während 
alle anderen Behandlungsmethoden versagten. Haber. 


Nitschke, W. Blutbefund bei angeborener Syphilis. (Arch. f. Kinder- 
heilk. 72, 1922, S. 136.) 

Auf Hb und Erythrocyten hat auch schwere Lues keinen Einfluß, 
erst während der Behandlung treten Abnahmen dieser Werte auf. 
Auch im weißen Blutbilde ist neben einer mäßigen Vermehrung 
keine regelmäßige Einwirkung zu finden, wohl aber eine Vermehrung 
des Lymphocytenanteils in manchen Fällen. Eine Spezifität besteht 
nicht. P. Karger. 


Milio, G. (Päd. Klin. Messina). Contributo alla terapta della sifilide 
ereditaria dell? infanzia. (Beitrag zur Therapie der Lues hereditarıa 
in der Kindheit.) (La Pediatria 1923, 31, S. 430.) 

Autor berichtet über Erfahrungen mit Silbersalvarsan bei 
Kindern von 3 Monaten bis 7 Jahren; es wurde !/, cgr pro kg, 5 cgr 
als Maximaldosis injiziert; außer gelegentlichem Schüttelfrost und 
Herxheimerscher Operation wurden keine Erscheinungen beobachtet. 
Kontraindikationen sind: schlechter Allgemeinzustand, Ernährungs- 
störungen, Nierenerkrankungen. Die Erscheinungen der Spiro- 
chätensepsis wie Exanthem usw. werden rascher beseitigt wie durch 
die übrigen Arsenobenzolpräparate. Die dystrophischen Erschei- 
nungen (Anämie, Splenomegalie) bleiben unbeeinflußt. 

Tezner (Wien). 


Gallo, C. (Päd. Klin. Neapel). Sifilide e gravidanza gemellare. (Syphilis 
und Zwillingsgeburten). (La Pediatria 1923, 31, S. 599). 

Marfan, Grancher und andere haben die Behauptung aus- 

gesprochen, daB Zwillingsgeburten besonders häufig seien, wenn 


304 Syphilis. — Respirationsorgane. Heft 3 


Lues der Eltern vorliege; auf Grund seiner Untersuchungen an 
690 Kindern kommt Verfasser zum entgegengesetzten Resultat. 
Tetzner (Wien). 


Respirationsorgane. 


Bergmann, E., und Kochmann. Preumonie und neuropathische 
Konstitution im Kindesalter. (Klin. Wochenschr. 2, Nr. 22, S. 1011.) 


Durch genaue Beobachtung des somatischen und psychischen 
Verhaltens einer größeren Reihe an Pneumonie erkrankter Kinder 
gelangten Verff. zur Bestätigung der bereits öfters beobachteten Tat- 
sache, daß für die Schwere des Krankheitsbildes bei der Pneumonie 
im Kindesalter in erster Linie die psychische Konstitution des Patien- 
ten maßgebend ist. Das psychisch normale Kind zeichnet sich durch 
das ruhige Verhalten während der Krankheit aus, es schont dadurch 
seine Kräfte und setzt sie ganz in den Dienst der Abwehr der Krank- 
heit. Im Gegensatz hierzu treten beim neuropathischen Kinde über- 
triebene Äußerungen seines Unbehagens und seines Krankheits- 
gefühls in die Erscheinung, jede therapeutische Maßregel wird zur 
Veranlassung zu einem heftigen Abwehrkampf, der die Kräfte des 
Kindes stark in Anspruch nimmt. In prognostischer Hinsicht spielt 
dieses verschiedene Verhalten eine bedeutende Rolle; für die Frage 
der Behandlung ergibt sich aus diesen Beobachtungen, daß beim 
neuropathischen Kinde große Zurückhaltung mit allen exzitierenden 
Maßnahmen, aber auch mit allen harmlos erscheinenden hydrothera- 
. peutischen Maßnahmen (Bäder, Brustwickel) zu üben ist; Ruhe ist 
hier das oberste Gebot. Die Freilufttherapie ist hierbei von größtem 
Nutzen. Wolff (Hamburg). _ 


Hallez. Bauchtympanie und Pseudo-Darmparalyse sm Verlauf schwerer 
Bronchopneumonien im Säuglingsalter. (Le Nourrisson 11, 167. 
1923.) 

Das allgemein bekannte Bild des großen Bauches im letzten 
Stadium schwerer Pneumonien wird an der Hand zweier Fälle aus- 
führlich beschrieben. Der Autor macht die Stauung im rechten 
Herzen mit nachfolgender Überfüllung des Darmgefäßsystems für 
dies Phänomen verantwortlich. Während postmortale Anfüllung 
der Därme mit Luft den Bauch nicht in gleicher Weise aufzutreiben 
vermag, soll dies durch Injektion der Darmgefäße möglich sein. 

Rosenbaum. 


Lemaire und Lestrognoy. Über das Röntgendreieck bei der Pneumonie 
der Sauglinge. (Le Nourrisson 11, 174. 1923.) 

Ein Dreiecksschatten im oberen Lungenfeld mit der Spitze 

zum Hilus ist nicht charakteristisch für Lobärpneumonie, sondern 


Heft 3 Respirationsorgane. 305 


kommt, wie an der Hand mehrerer Fälle demonstriert, auch bei - 
Bronchopneumonie und Tuberkulose vor. Rosenbaum. 


Marx, E. Psychogenität und Psychotherapie des Asthma bronchiale. 
Dtsch. med. Wochenschr., Nr. 15, 49. Jahrg., 1923, S. 477. 


Wendet sich gegen die generelle Auffassung des Asthma bron- 
chiale als Freudsche Neurose. Das Asthma entsteht auf psychischem 
Wege im Anschluß an eine Erkrankung der Atmungswege. Nach 
dem ersten Anfall bleibt eine Krampfbereitschaft zurück. Die Be- 
handlung muß die Beseitigung der erregenden körperlichen Ursachen 
sowie die Benebung der Krampfbereitschaft durch psychothera- 
peutisch-hypnotische Methoden erstreben. Ernst Faerber. 


Pritzel, Alfred. Zur Asthmabehandlung. Dtsch. med. Wochenschr. 
Nr. 15, 49. Jahrg. 1923, S. 478. 

In 40 Fallen von Asthma sollen durch Réntgenbestrahlungen 
der Lunge sowie der Schilddrüsen- und Nebennierengegend gute 
Erfolge erzielt worden sein. (Genaue Angaben fehlen.) Durch die 
Bestrahlung der Lunge sollte die katarrhalische Komponente des 
Asthmas beeinflußt werden, durch die Bestrahlung der Schilddrüse 
und Nebenniere die nervöse Konrponente. Verfasser konnte nämlich 
bei einem großen Teil der Fälle Schwellungen der Schilddrüsen 
beobachten und hält infolgedessen den engen Zusammenhang 
zwischen innersekretorischen Organen (Schilddrüse, Nebenniere) mit 
dem vegetativen Nervensystem für genügend bewiesen. 

Ernst Faerber. 


Maneinelli, Rocco. Interlobdres, metapleuritisches Empyem.. (Riv. 
di clin. pediatr. 1923, 11, H. 4, S. 217.) - 

Zwei Hauptursachen haben Verf. bestimmt, den interessanten 
klinischen Fall zu veröffentlichen, und zwar : erstens das nicht häufige 
Vorkommen der interlobären Pleuritis und zweitens die an sie 
geknüpften diagnostischen Schwierigkeiten. Nach Würdigung der 
Literatur über diese Krankheit bringt Verf. die klinische Kranken- 
geschichte vor und gelangt zu folgenden Schlüssen: ı. In allen jenen 
Fällen, in denen die Symptome auf eine nicht gut definierte Erkran- 
kung der Lungen schließen lassen und die Erkrankung hartnäckig 
andauert mit einem Verlauf, der sich der Lungentuberkulose nähert, 
denke man an die Möglichkeit einer interlobären Pleuritis! 2. Wenn 
nach einer abgelaufenen Lungenentzündung nach einigen Tagen 
Fieber, Dyspnöe und alle anderen den Thoraxaffektionen eigenen 
Symptome wieder auftreten, oder wenn bei noch nicht stattgefun- 
dener Krisis die Symptomatologie verharrt, unter den verschiedenen 
Komplikationen der Lungenentzündung; denke man an die Möglich- 
keit einer interlobären Pleuritis. 

Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 20 


306 Respirationsorgane. — Blut und blutbildende Organe. Heft 3 


Silliti, G. (Pad. Klin. Palermo.) Constderaziont sulla pleurite puru- 
lenta nell. infanzia. (Betrachtungen über die eitrige Pleuritis im 
Kindesalter.) (La Pediatria 1923, 81, S. 577.) 

Die eitrige Pleuritis tritt im Kindesalter besonders häufig in 
den ersten 3 Jahren auf, häufiger rechts als links, meist nach Broncho- 
pneumonie, sie ist in 70% durch den Diplokokkus Fränkel hervor- 
gerufen, in den übrigen Fällen durch Strepto- und Staphylokokken 
oder Influenzabazillen, in 8%, steril; die Diagnose kann nur durch 
Punktion, bei abgesacktem Empyem durch Radiographie gestellt 
werden; häufige Komplikationen sind Myocarddegeneration, Sepsis 
usw. Die Mortalität beträgt 24%. Wenn das Exsudat spärlich und 
der Prozeß gutartig ist, was oft bei Infektion mit Diplokokkus Fränkel 
der Fall ist, erfolgt bisweilen‘ spontane Resorption; bei reichlichem 
Exsudat ist Thorakotomie angezeigt, daneben spezifische Vaccine- 
therapie, die besonders bei Diplokokkus pneumoniae wirksam ist. 

Tezner (Wien). 

Muggia, Aldo. Über einen seltenen Fall von plötzlichem Tod durch 
Fremdkörper in den breiten Bronchienverzweigungen. (Riv. di 
‘clin. pediatr. 1923, 11, H. 1, S. 1.) | 

Ein 13 Monate altes Kind hatte ein Stück Hühnerknochen ver- 
schluckt. Kein Anzeichen von Okklusion der Luftwege, weder 
klinisch noch radiologisch. Plötzlicher Tod einige Stunden nach 
Aufnahme in der Klinik. Bei der Autopsie: Fremdkörper in der 
Mündung des rechten Bronchus, Emphysem an der betreffenden 
Lunge. Linke Lunge durchaus atelektasisch mit absolut freiem 
Bronchiallumen. Nachdem der Fremdkörper anfangs in den linken 
Bronchus gelangt war und diesen verschlossen hatte, gab er zu einer 
vollständigen aus Okklusion entstehenden Lungenatelektasie Ver- 
anlassung. Später erlitt er eine nachträgliche Verrückung, wodurch 
derrechte Bronchus verstopft und der plötzliche Tod verursacht wurde. 


Blut und blutbildende Organe. 


Condat, A. Akute Leukämie beim Kind. (Arch. de méd. des enfants 
26, 286.) 

An der Hand von 4 selbstbeobachteten Fällen, die z. T. nur einige 
Tage im Krankenhaus verweilten-und von denen nur einer obduziert 
wurde, bespricht die Verf. das Krankheitsbild der akuten Leukämie 
im Kindesalter. H. Vogt. 


Foot, Nathan Chandler und Jones, Gwendolyn. Myelogenes Chlorom. 
Bericht über einen Fall mit autoptischem Befund. (Americ. journ. 
of dis. of childr. 25, 379.) 

Ein dreijähriger Knabe erkrankt im Anschluß an einen Fall, 
der keine äußerliche Kopfverletzung herbeigeführt hatte, an einer 
rechtsseitigen Lähmung mit Beteiligung des Gesichtes. In den 


Heft 3 Blut und blutbildende Organe. 307 


nachsten Tagen trat schwer stillbares Nasenbluten auf mit aus- 
geprägter Anämie, das eine Transfusion nötig machte. Weiterhin 
kam es zu Nystagmus, Ungleichheit der Pupillen und zu Purpura. ` 
Tod nach 3monatiger Krankheitsdauer. Die anfangs regelrechte 
„Zahl der roten Blutkörperchen sank nach dem Nasenbluten bis auf 
2 Millionen. Im weißen Blutbild fand sich eine starke Verschiebung: 
die Zahl der polymorphkernigen Leukocyten sank bis auf 4%, Myelo- 
cyten und Myeloblasten bildeten etwa 78%, während Lymphocyten 
nur 20% ausmachten. Bei der Autopsie fand sich eine frischere Blutung 
in der rechten Parieto-occipitalgegend, im linken Schläfenlappen ein 
großer, bis dicht an die Fissura Rolando reichender Erweichungsherd. 
Auch in den Lungen war es zu großen Blutergüssen gekommen. Als 
Grundkrankheit fand sich ein Chlorom, das außer dem Knochenmark 
des Oberschenkels die Thymus, die Tonsillen, die mesenterialen 
Lymphknoten, die Schleimhaut der Nierenbecken und der Blase die 
Testikel befallen hatten. Die myeloide Natur der Geschwulstzellen 
wurde auch durch die Oxydaseprobe sichergestellt. H. Vogt. 


Stransky, W. Beiträge zur klinischen Hämatologie im Säuglingsalter. 
(Wien, Reichsanstalt für Mutter- und Säuglingsfürsorge.) Caen: 
f. Kinderheilk. 35, 1923, S. 195—201.) 

Stransky teilt zwei hämatologisch interessante an Säuglingen 
beobachtete Fälle mit. Der erste, 9 "Monate alt, leidet an einer kon- 
genitalen Pulmonalstenose. Neben der längst bekannten Poly- 
globulie wird eine im Kindesalter bei Vitium congenitum noch nicht 
beschriebene: Erythroblastose gefunden, die namentlich während 
einer Keuchhustenperiode sehr stark in Erscheinung tritt. Die 
weißen Knochenmarkszellen sind dabei nicht verändert, es besteht 
also nur eine Überfunktion des Knochenmarks ohne Erschöpfungs- 
oder Reizerscheinungen. Zugleich ist darin ein Zeichen zu sehen, 
daß die Neubildung der Blutelemente im Knochenmark streng 
differenziert geschehen kann. — Der zweite Fall betrifft einen 
3t1/. Monate alten Säugling, der unter den Zeichen einer schwersten 
Anämie akut zugrunde geht. Das Blutbild erinnert zunächst an Jaksch- 
Hayemsche Anämie. Durch histologische Untersuchung ließ sich jedoch 
nachweisen, daß es sich um eine Sepsis gehandelt hat und die Anämie 
als hämotoxisch aufzufassen war. Schall (Tübingen). 


Weil, A. J. Über Bluibildungsherde in der Prostata und in der Fuß- 
sohlenhaut von Neugeborenen und Föten. (Pathol. Institut des Städt. 
Krankenhauses, Mainz.) (Zeitschr. f. Kinderheilk. 35, 1923, S. 1—9.) 

Extramedulläre Blutbildungsherde sind in einer ganzen Reihe 
von Organen beim Neugeborenen und Föten nachgewiesen. Außer 
in der Fußsohlenhaut konnte Verf. nach dem Vorgang von Schlachta 
in 8 von ı2 Fällen in der Prostata solche feststellen. Die in Frage 
kommenden Zellen ließen sich als zur myeloischen Reihe gehörig 


20* 


308 Blut und blutbildende Organe. Heft 3 


identifizieren. Sie entsprechen morphologisch den Elementen des 
Knochenmarks, die als Jugendformen der Blutzellen dort anzutreffen 
“sind. Außerdem besteht eine enge Beziehung zu den Gefäßwandzellen 
der kleinen Gefäße und Capillaren, welche die Genese der Zellherde 
aus denselben Elementen wie im Knochenmark sehr wahrscheinlich 
erscheinen lassen. Ä Schall (Tübingen). 


Brusa, Piero. Hamatologische Untersuchungen in einem Falle von 
Hämophilie. (Rıv. di clin. pediatr. 1923, 11, H. 2, S. 65.) 

Untersuchungen des Blutes eines Irjährigen hämophilen Mäd- 
chens haben zu folgenden Feststellungen geführt: keine bedeutende 
Änderung der morphologischen Blutelemente mit Ausnahme einer 
deutlichen Trombopenie; Widerstandsfähigkeit der roten Blut- 
körperchen nicht nur im maximalen, sondern auch im minimalen 
Wert stärker als in der Norm; erhebliche Verspätung der Blutgerin- 
nung im Vergleich mit normalen Individuen. Diese letzte Tatsache. 
von größter Bedeutung bei der Hämophilie, konnte in diesem Falle 
weder in Zusammenhang mit einem Mangel an Kalksalzen noch mit 
Anomalien des Fibrinogens gebracht werden, sondern es fand sich, 
daß, außer einer verminderten Wirksamkeit des Thrombogens, ein 
bedeutender Mangel an Thrombokinase zu verzeichnen war, so daß 
nur die Zugabe dieser letzten Substanz zum Blute der Patientin 
normale Gerinnungsverhältnisse wiederherstellen konnte. In diesem 
Falle waren die hämorrhagischen Erscheinungen nicht nur mit einer 
Veränderung der Blutgerinnung, sondern auch mit einer abnormen 
Blutgefäßfragilität verbunden. 


Auricchio, L. (Päd. Klinik Neapel.) Un caso di emofilia in bambina 
lattante. (Hämophilie bei einem weiblichen Säugling.) (La Pediatnıa 
1923, 31, S. 532.) 

Das Kind zeigte bei der Geburt ein sehr ausgedehntes Kephalo- 
hämatom, das lange bestehen blieb; auf leichte Traumen traten 
beständig schwerere oder leichtere Blutungen auf. Gerinnungszeit 
und Blutungszeit waren stark verlängert. Rumpel-Leede war nega- 
tiv, ebenso Pirquet und Wassermann. Auf Grund der verlängerten 
Gerinnungszeit, sowie auf Grund des Fehlens spontaner Blutungen 
glaubt Verfasser Purpura ausschließen zu können und zählt den 
Fall zur Hämophilie, trotzdem das Kind ein Mädchen war und Here- 
dität fehlte. Angaben über Fibrinferment- und Fibrinogengehalt. 
Thrombocytenzahl, Retraktibilität des Serums werden nicht gemacht. 

. Tezner (Wien). 

Nasso, Z. (Päd. Klin. Neapel.) Un claso di cloroma in una bambina 
di sette mest. (Ein Fall von Chlorom bei einem Madchen von stchen 
Monaten.) (La Pediatria 1923, 31, S. 489.) 

Es traten Tumoren am Schädel, in der Orbita, im Abdomen 
auf. Die Orbitatumoren führten zu Hämorrhagien in den Lidern 





Heft 3 Blut und blutbildende Organe. 309 


und Atrophie des Nervus opticus; 1m peripheren Blut war lediglich 

schwere Anämie vorhanden, dagegen in den Blutbildungsstätten 

Myelocyten, Myeloblasten, Erythroblasten etc. Verfasser zählt den 

Fall zu den Chlorolymphosarkomen mit aleukämischem Blutbefund; 

er ist der jüngste, der bisher in der Literatur beschrieben wurde. 
| _Tezner (Wien). 

van der Zande. Hereditäre hämorrhagische Thrombasthenie (Glanz- 
mann). (Nederlandsch Tijdschr. v. Geneesk 1923, 1. S. 544.) 


Bei der Untersuchung der Familiengeschichten von seiner an 
Morb. Werlhofii leidenden Kranken hatte Glanzmann damals 
festgestellt, daß in der betreffenden Familie in der Regel eine Dis- 
position zu Blutungen, eine hämorrhagische Diathese, vorhanden 
war. Diese Diathese, welche u. A. sich kundgibt durch eine funk- 
tionelle Insuffizienz der Blutplättchen, sollte ebenso häufig 
sein wie die exsudative Diathese, und, ebenso wie diese, an die ersten 
Lebensjahre gebunden sein, obgleich bei den betreffenden Individuen 
auch noch in späterem Lebensalter Neigung zu Blutungen öfters 
bestehen bleibt. Die genannte funktionelle Insuffizienz der Blut- 
plättchen wird begleitet von Herabsetzung des Gehaltes an Fibri- 
nogen. Diese Diathese, Thrombasthenie (Glanzmann), sollte 
die Folge einer vererbten Schwäche des Knochenmarkes, eine Myel- 
asthenie sein. Während nun bei der Hämophilie nur die männlichen 
Abkömmlinge geschädigt werden, werden bei der Thrombasthenie 
die weiblichen ebensogut wie die männlichen in Mitleidenschaft ge- 
zogen. Bei der Hämophilie überträgt die Frau die Krankheit, ohne 
selbst Bluter zu sein. Weibliche Bluter können also nicht zu den 
Hämophilen gerechnet werden. Ein Fall, den v. d. Z. in der Kinder- 
klinik bei einem 7jährigen Knaben beobachtete, der an Hämatoma 
Genus und später an einer Blutcyste nach Trauma erkrankt war, 
gab die Gelegenheit, den Familienstammbaum von der Großmutter 
ab zu studieren. In dieser Familie kamen sowohl männliche als weib- 
liche Bluter vor. Bei der Untersuchung des Blutes des Knaben wurde 
konstatiert: I. Herabsetzung der Zahl der Erythrocyten, 2. Blut- 
plättchen von normaler Zahl, die die von Glanzmann beschriebenen 
morphologischen Abweichungen zeigten, 3. verlängerte Dauer der 
Nachblutung, 4. normale Dauer der Blutstillung und 5. Retraktion 
des Blutkuchens in der von Glanzmann beschriebenen Weise. In 
der Familie kam M. Werlhofii nicht vor. Bemerkenswert ist, daß bei 
dem betreffenden Knaben Gelenkblutungen vorkamen, im Gegensatz 
zu der Erfahrung von Glanzmann. Graanboom. 


Righi, Giuseppe. Beitrag zum Studium der Oxydase. (Riv. di clin. 
pediatr. 1923, 11, H. 4, S. 193.) 


Verf., die Technik von Sapegno gebrauchend, hat das Verhalten 
der weißen Blutkörperchen studiert, welche Oxydasekörnchen ent- 


310 Innere Sekretion. Heft 3 


halten, und zwar während der Entwicklung von verschiedenen 
Krankheiten und im gesunden Organismus. Davon hat er eine Pro- 
zentaufstellung gemacht. Von diesen zahlreichen Beobachtungen 
hat eine besonderes Interesse: nämlich die stürmische Erscheinung 
- zahlreicher Oxydasekörperchen einige Tage vor dem Auftreten einer 
Krankheit und vor dem Entstehen einer Krankheitskomplikation, 
während sie langsam einige Zeit. vor dem Auftreten der krankhaften 
Symptome verschwand. Von dem Prozentsatz der oxydasehaltigen 
Blutkörperchen verbleibt nichts während des regulären Verlaufs 
der Krankheit. Während der Konvaleszenz von verschiedenen Krank- 
heiten wächst der erwähnte Prozentsatz nach und nach an. In 
2 Fällen von Tuberkulose ohne Fieber blieb der Prozentsatz sehr hoch 
und beschrieb eine stark intermittente Kurve. Die weißen Blut- 
körperchen, welche Oxydasekörnerchen enthalten, sind mehr oder 
weniger lichtbrechend, und die Körnchen, von sehr verschiedener 
Größe, können mehr oder weniger zahlreich sein. 


Innere Sekretion. 


Bergamini, M. Kindliche Myopathien und endokrine Störungen. 
(La clinica pediatrica, 5, H. 1.) 

Verf. hatte in den letzten Jahren dreimal Gelegenheit, Fälle 
von progressiver Myopathie zu beobachten, die gleichzeitig das Bild 
endokriner Störungen boten. In den beiden ersten Fällen bestand 
eine deutliche Gleichgewichtsstörung der Schilddrüse, im 3. Falle 
schien sich das klinische Bild auf Störungen der Genitalsphäre zu 
beziehen. Die vielerörterte Frage der Erblichkeit der progressiven 
Muskelparalyse mußte in den beiden ersten Fällen verneint werden, 
im dritten Falle zeigten sich die männlichen Mitglieder der Familie 
in 3 Generationen betroffen, zugleich ein weiterer Beweis für die noch 
umstrittene Frage der Bevorzugung des männlichen Geschlechts. 
Mit Hilfe von Röntgenbildern konnte Verf. nachweisen, daß nicht 
nur der Muskelapparat, sondern auch der Knochenapparat an der 
Störung teilnimmt. Die direkte und konstante ätiologische Abhängig- 
keit der Myopathie von der Endokrinopathie hat noch niemand 
nachweisen können. Daher hat auch die Darreichung von Drüsen- 
präparaten bei progressiver Muskelparalyse bisher noch keine Heil- 
ergebnisse gehabt, bestenfalls wurde ein temporärer Stillstand 
erzielt. Immerhin kann man selbst aus dieser vorübergehenden Be- 
einflussung wohl den Schluß ziehen, daß sie der Ausdruck der kom- 
plizierten Beziehungen ist, die zwischen myopathischem Symptomen- 
komplex und funktioneller endokriner Störung bestehen. Wenn diese 
letztere auch nicht echte Myopathien auslöst, so hat sie doch die 
Möglichkeit, im Muskel Bedingungen geschwächter Widerstandskraft 


Heft 3 Innere Sekretion. 311 


zu schaffen, die die Wirkung der wahren ätiologischen Faktoren 
erleichtern. Eine weitere Begleiterscheinung der Myopathien, die 
Einschränkung der geistigen Fähigkeiten, steht zu den Intelligenz- 
störungen bei Endokrinopathien sicherlich in Beziehung. Ein ätio- 
logischer Zusammenhang zwischen primitiven Myopathien einer- 
seits, anatomischen und funktionellen Veränderungen der Blut- 
drüsen andererseits wird nicht von der Hand zu weisen sein, man 
darf ihn aber bis jetzt nur als konkausales Element betrachten, 
als beachtenswerten Koeffizienten bei der Determination der pro- 
gressiven Amyotrophien des Kindeslaters. Held (Berlin). 


Korenschevsky, V. The influence of parathyrotdectomy on the skeleton 
of animals normally nourished, and on rickets and osteomalacia 
produced by deficsent diet. (EinfluB der Parathyreotdektomie auf das 
Skelett von .Tieren, die mit normaler, rachitıs- bzw. osteomalacie- 
erzeugender Nahrung gefüttert wurden.) (The journ. of pathology 

„and bacteriology 25, S. 366. 1922.) 


Fragestellung: Führt die Entfernung der Nebenschilddrüsen 
beim gesunden, normal gefütterten Tier zur Rachitis oder Osteo- 
malacie? Ferner beeinflußt die Parathyreoidektomie die chemische: 
Zusammensetzung des Skeletts von Tieren, die mit calciumarmer, 
A-vitaminarmer Kost, bzw. mit .einer Nahrung ernährt wurden, 
die sowohl wenig Ca wie auch einen Mangel am fettlöslichen Vitamin 
aufweist? Zur Untersuchung kamen 21 Ratten, bei welchen die Ope- 
ratıon mit Erfolg ausgeführt wurde (histologische Kontrolle). 14 Rat- 
ten wurden als Kontrollen verwandt. Die Untersuchungen ergaben, 
daß nach der Entfernung der Nebenschilddrüsen bei den Tieren 
abnorme Erscheinungen an den Zähnen auftreten, sie bestätigen also 
die Befunde Erdheims. Dieselben Veränderungen können aber 
auch bei nicht parathyreoidektomierten Tieren auftreten, die mit 
einer Ca- bzw. A-vitaminarmen Nahrung gefüttert wurden. Rachitis 
sah Verf. nach der Operation, im Gegensatz zu Erdheim, nicht auf- 
treten. Die Entfernung der Nebenschilddrüsen scheint auf das Skelett 
normal bzw. mit Rachitis erzeugender Nahrung gefütterter Tiere 
keinen Einfluß auszuüben. Verf. findet die Ergebnisse seiner früheren 
Untersuchungen, daß der A-Faktor auf den Ca-Stoffwechsel von 
wesentlichem Einfluß ist und in der Ätiologie der Rachitis und 
Osteomalacie eine bedeutende Rolle spielt, ferner, daß die Skelett- 
veränderungen sich rascher und auch häufiger einstellen, wenn die 
Nahrung der Tiere sowohl an Ca wie auch an Vitamin-A arm ist, 
bestatigt. Bei solchen Versuchen ist das Alter der Tiere stets zu 
beriicksichtigen. Rachitis erzeugende Kost fiihrt bei Tieren, die ein 
gewisses Alter überschritten haben (bei Ratten nach dem 3. Lebens- 
monat), zu keinen nennenswerten Skeletterscheinungen, oder es tritt 
eine geringfügige Osteomalacie auf. Zwischen Rachitis und Osteo- 


312 Innere Sekretion. — Verdauungstraktus. Heft 3 


malacie bestehen keine Unterschiede. Die Divergenz im klinischen 
Bilde ist allein durch das Lebensalter dadurch bedingt, daß dieselbe 
Schädlichkeit, wenn sie auf Individuen in verschiedenem Alter ein- 
wirkt, verschiedene klinische Manifestationen in Erscheinung treten 
läßt. | : Schiff. 


Halbertsma, T. Mongolismus bei einem von Zwillingskindern und die 
Ursache des Mongolismus. (Americ. journ. of dis. of childr. 25, 350.) 
In sämtlichen 15 Fällen, wo Mongolismus von Zwillingskindern 
nur eines betroffen hat, führt zu dem wichtigen Ergebnis, daß es sich 
in diesen Fällen stets um Kinder verschiedenen Geschlechts gehandelt 
hat. Daß von Zwillingen verschiedenen Geschlechts beide vom 
Mongolismus betroffen worden wären, ist nie beobachtet worden. 
Wohl aber sind 2 Fälle bekannt, wo beide gleichgeschlechtliche Zwil- 
linge Mongolen waren. Diese Erfahrungen bestätigen die Auffassung, 
daß der Mongolismus auf einen Fehler in der ersten Anlage des Keim- 
plasmas zurückzuführen ist. H. Vogt. 


Verdauungstraktus. 


Morton, John J. Atresie des Duodenum und rechisseitige innere 
Hernie. (Americ. journ. of dis. of childr. 25, 371.) | 
Bis zum Jahre 1922 sind Berichte über 392 Fälle von angebore- 
nem Darmverschluß zusammengestellt worden, wovon nicht weniger 
als 134 auf den Zwölffingerdarm entfielen. Viel seltener noch sind 
die Fälle von rechtsseitiger innerer Hernie, deren nur 17 bis zum 
Jahre 1906 bekanntgegeben waren. Verf. berichtet über ein Kind, 
das beide seltenen Mißbildungen vereint aufwies. Auf Grund der 
klinischen Erscheinungen — Erbrechen bräunlicher mekonium- 
ähnlicher bluthaltiger Massen, Erweiterung des Magens — sowie des 
Röntgenbildes war ein Duodenalverschluß angenommen worden. 
Die Operation ergab, daß etwa die Hälfte des Dünndarms in einem 
Bruchsack lag, der durch eine vom Colon quer über die hintere Bauch- 
wand zum unteren Pol der rechten Niere verlaufende Bauchfellfalte 
gebildet war. Daß daneben auch noch der im Leben angenommene 
Duodenalverschluß bestand, wurde durch die Autopsie erwiesen. 
Der Bruchsack ist wahrscheinlich so entstanden, daß die in der Regel 
im 3. Fötalmonat erfolgende Verschmelzung des Mesenteriums des 
Duodenums mit der hinteren Bauchwand ausgeblieben ist. 
H. Vogt. 
Gehrt. Zur Pathogenese des periodischen Erbrechens bei Kindern. 
(Berlin, Kinderkrankenhaus der Stadt.) (Zeitschr. f. Kinderheilk. 
35, 1923, S. 51—55.) 
Bei cinem 13%/,jährigen Knaben mit kongenitaler Lues, der 
schon früher an periodischem Erbrechen gelitten hat, kommt es ım 


Heft 3 | Verdauungstraktus. 313 


Anschluß an eine Lumbalpunktion zu einem 86 Stunden dauernden 
Anfall von unstillbarem Erbrechen. Verf. spricht als auslösende 
Ursache ein Kopftrauma und die dadurch bedingten Druckschwan- 
kungen des Liquors an. Eine Ketonämie bestand, wenigstens zu 
Begınn des Zustandes nicht. Gehrt faßt das periodische Erbrechen 
von Kindern nicht als primäre Stoffwechselstörung, sondern als Stö- 
rung im vegetativen Nervensystem auf konstitutioneller Grundlage 
auf. Ein prinzipieller Unterschied zwischen den Formen mit Keton- 
ämie und denen mit migräneartigen Symptomen besteht nicht. 
Schall (Tübingen). 


Vaglio, R. (Päd. Klin. Neapel.) Ancora sui vomiti ... (Noch 
einmal das habituelle Erbrechen.) (La pediatria 1923, 81, S. 482.) 


Marfan hat zuerst die Ansicht ausgesprochen, daß das habi- 
tuelle Erbrechen oft auf Lues beruhe; Verfasser bestätigt dies, 
da in 75% von 20 Fallen Lues sicher oder doch mii groBer Wahr- 
scheinlichkeit anzunehmen war. Die Ursache liegt vielleicht in 
einer Reizung des Brechzentrums, das noch dazu dem vermehrten 
Druck durch den Hydrocephalus ausgesetzt ist, oder einer Schädi- 
gung der Verdauungsdrüsen durch die Lues. Quecksilber brachte 
oft Besserung. Die Diagnose Lues stellt Verfasser meist nur auf 
Grund von Lues des Vaters oder Abortus der Mutter oder Milz- 
und Lebertumor des Kindes; über Exanthem wird nie, über positiven ` 
Wassermann des Kindes nur 2mal berichtet.. Tezner (Wien). 


Redlin, Gotthold. Schicksale von Kindern mit Pylorospasmus. 
Deutsch. med. Wochenschr., Nr. 13, 49. Jahrg., 1923, S. 415. 


Von 19 Kindern mit Pylorospasmus starben drei im Verlaufe 
der Erkrankung. Etwa die Halfte der Kinder stammte aus Familien 
geistiger Arbeiter, ebensoviele zeigten sich nervös belastet. Männ- 
liche Brustkinder sind besonders von der Erkrankung befallen. 
%/, der Kinder zeigten später Symptome von Nervosität. 

Ernst Faerber. 


Timmer, H. Nabelkoliken bei Kindern. (Nederlandsch Tijdschr. v. 
Geneesk. 1923, 1, 2378.) 


In dem Streit zwischen Moro, der die Nabelkolik der Kinder 
als internes Leiden von psychogenem Ursprung, unabhängig von 
einer organischen Erkrankung der Appendix auffaßt, und Kattner, 
der im Gegenteil das Leiden als Folge eines organischen Leidens der 
Appendix, das nur durch chirurgischen Eingriff zu heilen sei, auf- 
faBt, wird von Timmer nach langjähriger chirurgischer Er- 
fahrung, die Seite der Internisten (Moro) gewählt. T. ist der Mei- 
nung, daß die Diagnose Appendicitis durch viele Chirurgen leicht- 
fertig gestellt wird. Er weist auch darauf hin, daß für die Diagnose 


314 Verdauungstraktus. Heft 3 


das Symptom von Mühsam, ebenso wie der Druckpunkt von Küm- 
mell wertlos ist. Die genuinen nervösen Nabelkoliken sind durch 
das anfallsweise Auftreten des Schmerzes mit völlig schmerzlosen 
Zwischenräumen bei normaler Temperatur charakterisiert. In diesen 
Fällen ist Druckschmerz auf der Appendix auch kein Beweis 
für das Bestehen einer Appendicitis. | Graanboom. 


Bischoff, H. Über einen bemerkenswerten Fall von Ascaridiasis. 
Dt. med. W. Nr. 15, 49. Jahrg. 1923, S. 479. 

Ausfiihrliche kasuistische Mitteilung eines schweren Falles von 
Ascaridiasis bei einem ız Monate alten Säugling. Innerhalb g Tagen 
wurden 151 Ascariden ausgeschieden. Nach Verschwinden der 
Ascariden stieg der Haemoglobingehalt von 55 auf 93%. Bemerkens- 
wert ıst, daß Eosinophilie während der Erkrankungsdauer fehlte. 

Ernst Faerber. 


Rheindorf. Über drei Fälle von akuter Appendicitis bei Schulkindern. 
(Berlin, pathol.-anatom. Abteilung des Kaiser- und Kaisenn- 
Friedrich-Kinderkrankenhauses.) (Zeitschr. f. Kinderheilk. 35, 
1923, S. 105—II9Q.) 

Vier Wurmfortsätze von Kindern, von denen zwei makro- 
skopisch keinerlei Veränderungen zeigen, geben Verf. Gelegenheit, 
sich ausführlich über die Rolle der Oxyuren in der Ätiologie der 
Appendicitis auszulassen. In einem Falle findet sich nur ein ab- 
gehobenes Epithel, eine oberflächliche katarrhalische. Veränderung, 
die eine toxische Reizwirkung der Würmer darstellen soll. In den 
beiden anderen Fällen finden sich Epitheldefekte, die den Oxyuren 
zur Last gelegt werden. In einer Abbildung wird ein in einem 
Schleimhautdefekt liegender Oxyuris dargestellt. Bei den übrigen 
Fällen, einer ulcerös phlegmonösen und einer perforierten Appen- 
dicitis mit Kotstein fanden sich ebenfalls Veränderungen, die Verf. 
auf die Tätigkeit von Oxyuren bezieht. Es wird aber offengelassen, 
ob nicht die durch den Kotstein des Epithels beraubte Schleimhaut 
den Ausgangspunkt der Entzündung darstellt. Der oft negative 
Nachweis von Oxyuren habe nichts zu sagen. An 62 Oxyurenträgern 
konnte bei der Obduktion nur 32 mal ein positiver Befund erhoben 
werden. Schall (Tübingen). 


Trinei, Ugo. Chronische Invagination des Wurmfortsatzes bei beweg- 
lichem Coecum. (Riv. di clin. pediatr. 1923, 11, H. .1, S. 10.) 
Madchen, 3 Jahre alt, mit beweglichem Coecum, chronischer 
Wurmfortsatzinvagination und Veränderungen ah den Wänden des 
Coecums. Durch eine erfolgreiche Operation wurde das Coecum 
abgetragen. Nach eingehender Erwägung der Ätiologie beider Krank- 
heitsformen und nach einer Übersicht des Zusammenhanges zwischen 


Heft 3 Leber und Gallenwege. — Urogenitalsystem. 315. 


denselben, beschreibt Verf. die anatomisch-pathologischen Befunde, 
die Symptomatologie dieser ungewöhnlichen ‚Krankheit und die 
verschiedenen Operationen, welche in cop verschiedenen Fallen an- 
gewandt werden sollen. 


Leber und Gallenwege. 


Hecht, Adolf, und Nobel, Edmund. Zur Frage der Leberfunktions- 
prüfung im Kindesalter. (Kinderklinik in Wien.) (Zeitschr. f. 
Kinderheilk. 34, S. 42.) ` 

Die Frage nach der Funktionstüchtigkeit der Leber ist für den 
Kinderarzt von großer Bedeutung insofern, als bei der Toxikose 
ernährungsgestörter Säuglinge zweifellos eine Herabsetzung ver- 
schiedener der Leber obliegender Leistungen vorliegt. Die Galaktose- 
probe wurde in 27 Fällen angestellt. Ihr Wert liegt nach Verf. nur 
in der Differentialdiagnose zwischen katarrhalischem Ikterus und 
anderen Lebererkrankungen, vor allem gegenüber Icterus haemo- 
lyticus. Ihr Verhalten ist auch bei lebergesunden Kindern schwan- 
kend. Icterus catarrhalis und progrediente Phthisen ergeben die 
niedrigste Toleranz. Zufuhr von 80g Milchzucker führte in einem 
Fall von Ikterus zur Ausscheidung eines Kohlenhydrats, das wahr- 
scheinlich auch Galaktose war. (Bestimmt mit der Schleimsäure- 
probe nach Richard Bauer. Gärungs- und Osaconprobe leider 
nicht angestellt.) Zur Prüfung der synthetischen Funktion der Leber 
wurde die Campherglycuronsäurepaarung herangezogen. 12 Cadechol- 
versuche ergaben beim lebergesunden Kind eine nicht so vollkommene 
Ausscheidung wie beim lebergesunden Erwachsenen, nämlich 71 bis 
78,5%. Beck (Tübingen). 


Condat. Lebergeschwulst bei einem Kind von 14 Monaten. (Arch. d. 
med. des enfants 26, 293.) 


Bisher sind etwa 50 Fälle von bösartigen Neubildungen der 
Leber im Säuglingsalter bekannt. Im vorliegenden Falle, der nicht 
obduziert wurde, kam unter Radiumbehandlung eine 6 Monate 
anhaltende weitgehende Besserung zustande. H. Vogt. 


Urogenitalsystem. 


Webb Hill, L., Hunt, F., Brown, E. W. The bacteriology of the urine 
in acute nephritis in children. Die Bakteriologie des Harns bei der 
akuten m der Kinder. (Journ. of dis. of childr. 1923, Vol. 25, 
No. 3.) 


Der steril entnommene Harn wurde zentrifugiert und je ein 
Ausstrich nach Gram und Ziehl-Nelson gefärbt. Dann wurden Agar, 
Endo- und Blutagarplatten beimpft. Untersucht wurden zı Fälle 


316 Urogenitalsystem. Heft ; 


von akuter hämorrhagischer Nephritis. In 16 Fallen ist der Ham 
steril gewesen. In 2 Fällen wuchs Staphylococcus alb. (Verunreir:- 
gung?), in einem Falle sind diphtheroide, in zwei weiteren Cah- 
bacillen gewachsen. In beiden letzteren enthielt der Urin Eiter. 
Wenn also die klinischen Zeichen der Nephritis da sind, dann ı:t 
der Harn meist steril. Immerhin ist die Möglichkeit nicht von de 
Hand zu weisen, daß die bakterielle Infektion der Nieren mit der 
Einsetzen der Nephritis erfolgt. Die Untersuchungen von Pa pper.- 
heimer, Hyman und Zeman fordern dazu auf, an diese Möglich- 
keit zu denken. Diese Forscher fanden nämlich, daß, wenn Meer- 
schweinchen direkt in die A. renalis Bakterien gespritzt werden. 
diese in wenigen Minuten von den polymorphen und Endothelzellec 
in den Glomerulis aufgenommen werden und bereits in einigen 
Stunden intracellular verdaut sind. Vielleicht werden hierdurch 
Toxine in Freiheit gesetzt; die dann die Nieren schädigen. Anderer- 
seits ist auch mit der Möglichkeit zu rechnen, daß die Toxine vom 
Infektionsherde aus zur Resorption gelangen und so die Nieren- 
schädigung herbeiführen. Schiff. 


Tow, A. Polycystic disease of the kidneys (Cystenntere). (Amer. jour. 
of dis. of childr. Vol. 25, No. 3. 1923.) 

Bei einem 6 Wochen alten Kinde waren beiderseits in der Lum- 
balgegend Tumoren tastbar, die bereits gleich nach der Geburt 
festgestellt worden sind. Wassermann, Pirquet negativ. Blutbefund 
normal. Im.Urin fanden sich Albumen, granulierte Zylinder und 
Leukocyten. Das Herz war vergrößert. Das injizierte Phenol- 
sulphophthalein wurde verzögert ausgeschieden, die Urinmengen 
sind niedriger als in der Norm gewesen. Bei der Sektion fand sich 
typische Cystenniere. Schiff. 


Vallery-Radot und Sales. Die Hydrocele beim Saugling, Zusammer- 
hang gewisser Formen mit hereditärer Syphilis. (La Presse médicale 
Nr. 37, 9. Mai 1923, S. 420.) 

Eine unilaterale Hydrocele, die länger als 4—5 Wochen besteht, 
muß den Verdacht auf hereditäre Syphilis erwecken, besonders wenr: 
der darunterliegende Hoden nach Entleerung der Flüssigkeit hart 
und atrophisch ist. Verf. rät in jedem Falle zu einer Punktion. um 
sich von dem Zustande des Hodens zu überzeugen; diese ıst nur dann 
zu unterlassen, wenn die Hydrocele so klein ist, daß bei der Punktion 
der Hoden verletzt werden könnte. Haber. 


Hoag, Lynne A. Bosartiges Hypernephrom beim Kinde. (Amen. 
journ. of dis. of childr. 25, S. 441.) 

Bei einem 3jährigen Mädchen fällt den Eltern schnelles Wachs- 

tum der Haare an den Genitalien auf. Im Alter von 4 Jahren 2 Mo- 


Heft 3 Urogenitalsystem. — Knochen und Gelenke. 317 


naten erkrankt das Kind’an Krampfen der linken Körperhälfte, 
die eine Trübung des Bewußtseins hinterlassen und sich ım Laufe 
der nächsten Wochen wiederholen, wobei abwechselnd beide Seiten 
beteiligt sind. Bei gutem Ernährungszustand weist das Kind auf- 
fallend tiefe Stimme, Bartwuchs an Lippen und Kinn auf. In der 
rechten Brustseite unterhalb der Leber fand sich eine Geschwulst, 
wie sich beim Versuch der Entfernung und bei Obduktion herausstellte, 
ein Hypernephrom. Zahlreiche Metastasen in den Lungen; im Hirn 
Arteriosklerose der Piagefäße und viele oberflächliche Erweichungs- 
herde der Rinde. Pathologische Zellanhäufung im Stiel der Hypo- 
physe. Wie eine Zusammenstellung der bisher bekannt gegebenen . 
22 Fälle von Hypernephrom im Kindesalter lehrt, entfielen ıg auf 
Mädchen, nur 3 auf Knaben. Bei den Mädchen zeigte die über- 
wiegende Mehrzahl Erscheinungen heterosexueller Frühreife: Be- 
haarung des Gesichts, tiefe Stimme, übermäßige Entwicklung der 
Klitoris. Von Metastasen waren meist die Lungen und die Leber 
betroffen, das Gehirn nur einmal, obwohl 4 Kranke schwere Krampf- 
anfälle erlitten hatten. Das Auftreten von Erscheinungen hetero- 
sexueller Frühreife in Fällen von Hypernephrom wird verständlich 
durch eine von Krabbe aufgestellte Hypothese. Nach Kohn 
ist das Ovarium in seiner Anlage hermaphroditisch und enthält 
in der Marksubstanz Zellbildungen, die Verwandtschaft mit solchen 
der Testikel haben. Die Nebennierenrinde des Menschen entwickelt 
sich aus der Genitalrinne in naher Beziehung zur Anlage der Ge- 
schlechtsdriisen. Krabbe vermutet, daß abgesprengte Zellen, 
die für gewöhnlich die rudimentären männlichen Bestandteile des 
Ovarıums bilden, in der benachbarten Nebennierenrinde eingeschlos- 
sen bleiben, sich dann geschwulstartig entwickeln und durch ihre 
innere Sekretion zum Auftreten der heterosexuellen Züge führen. 
H. Vogt. 





rT 


Knochen und Gelenke. 


Trèves, André. Allgemeine Polyarthritts. Wachstumshemmung an 
der rechten oberen Tibiaepiphyse. (Arch. de méd. des enfants 26, 365.) 


Ein bis dahin im wesentlichen gesundes Madchen von 18 Monaten 
erkrankt an Gelenkentziindung, die zuerst das rechte Knie-, dann 
das rechte Hiiftgelenk und im weiteren Verlauf ziemlich alle Gelenke 
des Körpers befällt. Die zuerst angenommene Tuberkulose konnte 
durch den weiteren Verlauf und den Ausfall der Hautreaktion aus- 
geschlossen werden. Alle Behandlung orthopädischer und sonstiger 
Art blieb erfolglos, bis die trotz fehlender Wassermannscher 
Reaktion eingeleitete Kur mit intravenösen Einspritzungen von 
Novarsenobenzol eine wesentliche Besserung und die daran an- 
schließende Behandlung mit Hectargyrum völlige Heilung brachte. 


318 Hospitalwesen. — Physiologie und allgemeine Pathologie. Heft 3 


Doch blieb das Wachstum an der oberen rechtsseitigen Tibiaepiphyse 
vollkommen stehen, so daß das rechte Bein um 4!/, cm kürzer blieb 
- als das linke. Die Natur der Krankheit, die der Verf. weder der 
Tuberkulose noch der Syphilis zurechnen möchte, blieb ungeklärt. 
2 H. Vogt. 


Hospitalswesen. 


Aschenheim, Erich. Über psychische Inanition der Säuglinge. (Aus 
dem Kleinkinderheim Remscheid-Ehringhausen.) (Jahrb. f. Kinder- 
heilkunde 101, 1923, 353.) | 

Da im Kleinkinderheim, das Verf. leitet, kaum akute Erkran- 
kungsfälle, hauptsächlich gesunde Säuglinge und Kleinkinder zu 
monate- oder jahrelanger Pflege aufgenommen werden, ist ein Haupt- 
ziel geistige und seelische Fürsorge, die in Kliniken bei kürzerem 

Aufenthalt zurücktritt. Verf. beobachtete zunächst bei nicht- 

rachitischen Kindern Verzögern statischer Funktionen, das sich 

schnell ausglich bei Übersiedelung älterer Säuglinge in den Klein- 
kindersaal. Ohne Rücksicht auf die Gefahr der Hausinfektion 
wurden früher Säuglinge im Laufstall vereinigt, im Sommer auf 
der Terrasse. Bei Einhalten von Vorsichtsmaßregeln (AusschlieBen 
von Rhinitis- und Bronchitis-Kindern) sind die Vorteile mehrfach. 

Nach bisherigen Erfahrungen offenbar Fortschritte statischer Funk- 

tionen durch gegenseitige Reize; der psychischen Inanition wird 

vorgebeugt; eine Schwester kann mehr Kinder versorgen. 
W. Gottstein. 


| HT — nn 


Physiologie und allgemeine Pathologie. 


Davidsohn, H., und Hymanson, A. Untersuchungen über den Saug- 
lingsspeichel. (Berlin, Waisenhaus und Kinderasyl der Stadt.) 
(Zeitschr. f. Kinderheilk. 35, 1923, S. 10—24.) 

Bei gesunden und kranken Säuglingen wird Reaktion, Menge 
und Fermentstärke des Speichels bestimmt. Normalerweise schwankt 
die Reaktion zwischen 6,8—7,8 pu. Es handelt sich also um eine 
leicht alkalische bis neutrale, bis spurweise saure Flüssigkeit. Tages- 
zeit, Nahrungsaufnahme, Alter oder Zustand des Kindes haben 
keinen erkennbaren Einfluß auf die Reaktion. Dagegen steigen 
Menge und Fermentkonzentration mit zunehmendem Alter. Erstere 
schwankt weniger um die Normalwerte als letztere. Bei kranken 
Säuglingen ist die Menge häufiger und intensiver verändert als 
der Fermentgehalt. Bei akuten Ernährungsstörungen scheint ¢s 
sich nur um eine durch Wasserverlust bedingte Mengeneinschränkung 
zu handeln, bei chronischen Ernährungsstörungen und schweren 
Infekten ıst auch die Fermentstärke beeinflußt. 

Schall (Tübingen). 


Heft 3 Physiologie und allgemeine Pathologie. 319 


Buchheim, Irene. Die Bedeutung der Rontgenologie des Magendarm- 
kanals im Säuglingsalter für seine Physiologie und Pathologie. 
(Arch. f. Kinderheilk. 72, 1922, S. 50‘) 

Ausfiihrliches Ubersichtsreferat mit reicher Literatursammlung; 
wegl. auch die Forschungen des Verf. ibid. S. 100, die sich mit den 

Verhältnissen beim älteren Kinde befassen. P. Karger. 


Demuth, F. Magenfunktionsprüfungen beim gesunden Säugling. 
IV. Mitteilung. (Charlottenburg, Kaiserin-Augusta-Viktoria-Haus.) 
Zeitschr. f. Kinderheilk. 85, 1923, S. 176—181.) 


In der IV. Mitteilung befaßt sich Demuth mit dem Zusammen-' 
hang zwischen Acidität und Verweildauer und der Säureproduktion 
cles Magens. Es wird nachgewisen, daß eine Salzsäuremenge, die 
14,5 ccm "/ıo-HCl entspricht, schon eine Steigerung der Acidität 
ın den meisten Fällen bedingt, sicher ist eine solche mit der doppelten 
Menge zu erreichen. Die Erhöhung der Acidität ist um so geringer, 
je saurer der Mageninhalt schon an sich ist. Die Verweildauer bleibt 
durch die Erhöhung der Acidität unbeeinflußt. Des weiteren wurde 
untersucht, ob. die im ausgeheberten Mageninhalt gefundene Wasser- 
stoffionenkonzentration nur von dem Pufferungsvermögen der Milch 
bestimmt wird, oder ob eine verschieden starke HCl-Sekretion 
angenommen werden muß. Das letztere ist der Fall. Es konnte 
nachgewiesen werden, daß Vollmilch und zwei Drittel Milch trotz 
größerer Menge an pufferungsfähigen Substanzen saurere Werte 
ergeben als Frauenmilch, was auf eine erhöhte HCI-Produktion im 
ersten Fall schließen läßt. Butter- und Eiweißmilch stehen der 
Frauenmilch in dieser Beziehung näher, wenn nicht besonders saure 
Nahrungen verfüttert werden. Es wird also gegenüber anderen 
Kuhmilchmischungen HCl gespart, was von praktischer Bedeutung 
für die ren der Magenacidität, z. B. bei Infekten, ist. 

Schall (Tübingen). 


Schippers, J. C., und de tance: C. Verdauungsleukocytose und Ver- 
dauungsleukopemie bei Kindern. II. Mitteilung. (Amsterdam, 
Emma-Kinderkrankenhaus.) (Zeitschr. f. Kinderheilk. 35, 1923, 
S. 95—I01.) 


Nochmals untersuchen die Verff. die Widalsche Reaktion auf 
ihre Brauchbarkeit beim Säugling und bei älteren Kindern. Der 
erste Einwand gilt der Untersuchung im Capillarblut, in dem die 
Leukocytenwerte ohne erkennbare Ursache recht erheblich schwanken 
können. Ob eine Neubildung von weißen Blutkörperchen stattfindet, 
läßt sich an einem vermehrten Auftreten von jugendlichen Formen 
und Stabkernigen, einer Linksverschiebung des Blutbildes feststellen. 
Aber ebensowenig wie die gesamte Leukocytenzahl ein typisches 
Verhalten zeigt, findet sich bei der Differenzierung etwas Typisches, 


320 Physiologie und allgemeine Pathologie. Heft ; 


und von einer Linksverschiebung nach Arneth kann nicht gesprochen 
werden. Die Verff. kommen zum SchluB, daB beim gesunden jungen 
Kind und beim Säugling das weiße Blutbild so vielen Einflüss 
unterworfen ist, daß man kein Regelmaß entdecken kann. 

Schall (Tübingen). 


Kochmann, R. Uber die klinische Bedeutung der hamoklasische: 
Krise im Kindesalter. (Arch. f. Kinderheilk. 72, 1923, S. 242. 


Die hämoklasische Krise fällt beim lebergesunden Kinde jenseit: 
des ersten Lebenshalbjahres negativ, beim leberkranken positiv aus. 
Nach ihrem Eintritt’ dauert beim jungen Kinde die „Immunität“ 
4 Stunden, beim älteren bis zu 8 Stunden. Bei schwer ernährung:- 
gestörten Säuglingen fällt die Krise auch nach Nahrungspausen 
von weniger als 4 Stunden positiv aus, was vielleicht klinisch ver- 
wertbar sein kann. P. Karger 


Mensi, E. (Spital „Königin Margerita“ Turin.) S#tstema endocrine 
e nervoso vegetativo nella clinica infantile. (Endokrines und vegetats- 
ves System in der kindlichen Klinik.) (La Pediatria 1923, 31. 
S. 465.) 

Verfasser hat Reaktion auf Pilocarpin, Atropin und Adrenalin. 
sowie das Verhalten des Vagus- und Bulbusdruckes bei 56 Kindern 
mit verschiedenen Krankheiten geprüft. Es reagierten 34%, nur 
auf Atropin, 7% nur auf Pilocarpin, 5% nur auf Adrenalin; dit 
übrigen auf 2 oder 3 Pharmaka oder auf gar keines; Bulbus- und 
Vagusdruckphänomen, das in 24%, positiv war, wurde durch alle 
3 Pharmaka bald gehemmt, bald hervorgerufen; das Alter hatte 
keinen Einfluß; öfters zeigte ein und dasselbe Kind zu verschie- 
denen Malen verschiedene Reaktionen. In einem Fall von Myxödem. 
von Basedow, von Idiotie, in 3 Fällen von Diabetes insipidus und 3 
von Typhus zeigte sich Vagotonie, bei den übrigen Krankheiten 
waren die Resultate nicht eindeutig. Verfasser schließt aus seinen 
Versuchen, daß die Einteilung von Heß und Eppinger in Vago- 
und Sympathikotoniker berechtigt ist, daß es aber auch Individuen 
gibt, die auf beide Arzneigruppen reagieren. (Die angewendete 
Dosis von 0,5 mg — I mg ist für Atropin und Adrenalin entspre- 
chend, für Pilocarpin sehr niedrig. Der Ref.) . Tezner (Wien). 


Druck der Spainerschen Buchdruckerei in Leipzig. 


MONATSSCHRIFT 


fiir 


KINDERHEILKUNDE 


Herausgegeben von 


sessau Birk Comba Czerny Dotti Göppert Graanboom 
Leipzig Tübingen Florenz Berlin Florenz Göttingen Amsterdam 
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3uciapsst New York Kristiania Hamburg Lübeck Wien 
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New York Frankfurt a. M. Wien Heidelberg Freiburg Breslau Magdeburg Basel 


Redigiert von 


Arthur Keller-Berlin 


Band XXVII. 





Leipzig 
Verlag von F.C. W. Vogel 
1924 


Spamersche Buchdruckere: in Leipzig 


Originalmitteilungen. 


Adam, A. Uber den Wert der Dia- 
stasebestimmung im Harn fiir die 
Beurteilung der Rachitis. 425. 

Beck. Vergleich einer Stillstatistik 
aus dem Jahre 1877 mit einer 
solchen aus dem Jahre 1922. 402. 

Behrendt, H. Die Messung der Ca- 
Ionenkonzentration im Liquor 
cerebrospinalis. 458. 

Birk. Thymusdrüse. 321. 

Boxbüchen, Franz. Bauchmuskel- 
krampf als Symptom der Über- 


erregbarkeit. 231. 
Brandt, Paul. Das Schicksal der 
Frühgeburten. 209. 


Brüning, Hermann. Helminthiasis, 
mit besonderer Berücksichtigung 
des Kindesalters. 113. 


Coerper. Das Konstitutionsproblem 
bei Säugling und Kleinkind. 457. 

Demuth, Fritz. Reaktionen des Ma- 
gendarmkanals auf Stoffwechsel- 
umstimmungen. 446. 


Dohnäl, Eugen. Über die Wirkung 
der Buttermilch auf die Magen- 
sekretion. 58. 


Duzär, Josef. Die Neugeborenen- 
Zeit in einer neuen Beleuchtung. 
222. | 

Freudenberg, E. Über den Inner- 
vationsmodus der Tetaniespas- 
men. 395. 

Gibitz, W. Ein Fall eines pulmo- 
nalen Granuloms besonderer 
Ätiologie bei einem ogtägigen 
Kinde. 129. 

Hainiss E., und Heller, Stefan. Das 
Verhalten der Leukocytenzahl 
während der Verdauung bei Neu- 
geborenen. 496. 

Heller, Stephan. Hämoklasische 
Krise bei ernährungsgestörten 
Säuglingen. 33. 

Herzfeld, Lili E. Über die Coffein- 
wirkung im Säuglingsalter. 4I. 

Hoffa, Theodor. Die Entstehung 
des rachitischen Beckens. 429. 


Jacobssohn, Erich. Zur Lehre von 
der Entstehung angeborener Miß- 
bildungen. 19. | 

Kohn, Jerome L. Energiestoffwechsel 
bei Kindern. 135. 

Krasemann, Erich. Masern ohne 
Exanthem bei drei Geschwistern. 
494- 

Landau. Über das Verhalten der 
Serumsalze bei Gewichtsschwan- 
kungen verschiedener Genese. 421. 

Lederer, Maria. Paralleluntersuchun- 
gen über Serumeiweißgehalt, 
Senkungsgeschwindigkeit und Li- 
pasegehalt des Blutes gesunder 
Kinder. 608. 

Leiner, Carl. Sammelreferat über 
die dermatologische Literatur des 
Jahres 1922. 

Lust, F. Zur Klinik des Oesopha- 
gospasmus. 9. 

Mallinckrodt, van. Erfahrungen mit 
Dubo. 438. 

Mautner, Hans. Die Innervation der 
Venensperre in der Leber. 385. 

Mendel, Leo. Die Stellung der Pädo- 
nephritis in der modernen Nieren- 
pathologie. 27. 


Metis, Felix. Zur Differentialdia- 
gnose der Nabelkoliken. 236. 
Müller, Fritz. Zur Methodik und 


Bedeutung der Magenfunktions- 
prüfung. 415. 

Opitz, Hans. Klinische und experi- 
mentelle Beweise für die Lebens- 
fähigkeit transfundierter körper- 
fremder Erythrocyten. 376. 

Paul. Zur Technik der Behandlung 
mit Eiweißmilch. 488. 

Petheö, Joh. v. Über Ekzemtod. 50. 

Pollak, Otto. Leberfunktionsprü- 
fungen bei Schilddrüsenstörun- 
gen. 38. 

Ranft, Gustav. Zur Frage der Leisten- 
bruchoperationen im Kindesalter, 
mit besonderer Berücksichtigung 
des Säuglingsalters. 545. 


ReuB, A. Zur Physiologie und Patho- 
logie der Neugeborenen. 65. 
Rosenbaum, S. Uber fettarme und 
fettreiche Säuglingsernährung. 

442. 

Saenger, Ernst. Anderungen des 
CO,-Bindungsvermögens im Blut 
von Säuglingen. I. 

Scheer, K., und Salomon, A. Wir- 
kungsweise und Erfolge der Salz- 
säuremilch bei Tetanie. 406. 


Schiff. Die Schilddrüse. 359. 


Schober, Wilhelm. Zur Differential- 
diagnose zwischen Relaxatio dia- 
phragmatica und Hernia dia- 
phragmatica. 504. 

Schönfeld, Herbert. Über den Ein- 
fluß der Varizellen auf die kutane 
Tuberkulinempfindlichkeit. 602. 


Stransky, Eugen. Experimentelle 
Beiträge zur Bakterienbesie- 
delung des Darmtraktes und ihrer 
Beeinflussung durch Nahrung. 
388. 

Talbot, Fritz B. Grundstoffwechsel 
im Kindesalter. 465. 

Tezner, Otto. Beitrage zur Tetanie 
frage. 398. 

Thomas, Erwin. Nebenniere. 343. 


Torday, Franz v. Infektionsver- 
hütung in Anstalten mit spezi- 
fischen und unspezifischen Schutz- 
impfungen. 422. 

Usener, W. Zur Kenntnis des vege- 

“ tativen Nervensystems. 392. 


Vollmer, H. Stoffwechselumstim- 
mung durch Intracutaninjektion 
und andere Hautreize. 452. 


Kongreß- und Sitzungsberichte. 


Berliner Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde. 
Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde. Originalbericht. 
35. Jahresversammlung der amerikanischen Pädiatervereinigung. 527. 
Munchener Gesellschaft fiir Kinderheilkunde. 
Niederländischer Verein für Pädiatrie. 
Sitzung der Vereinigung rheinisch-westfälischer Kinderärzte. 
Vereinigung Frankfurter Kinderärzte, 


624. 
321. 


25>” 


520. 


525. 
620. 


207. 


Daß es möglich wurde, diesen Bericht ungekürzt zu 
veröffentlichen, ist dem tatkräftigen Eingreifen der päd- 
satrischen Sektion der Gesellschaft für innere Medizin 
und Kinderheilkunde in Wien zu verdanken. Wir möchten 
es nicht unterlassen, auch an dieser Stelle den Kollegen 


ın Wien unsern wärmsten Dank dafür auszusprechen. 


FÜR DIE DEUTSCHE GESELLSCHAFT 
FÜR KINDERHEILKUNDE 


Czerny 


Erste Sitzung. 
Freitag, den 21. September 1928, vormittags 9 Uhr, 
in Göttingen. 


Vorsitzender: Herr Czerny. 
Schriftführer: Herr Hoffa. 


Thymusdriise. 
Herr Birk. 


Meine Herren! An Stelle einer Einleitung möchte ich meinen 
eigentlichen Ausführungen einen kurzen Überblick über die Anatomie 
der Thymus(drüse) vorausschicken. 

Die Thymusdrüse stammt vom Schlundepithel (III. Schlundtasche) 
ab. Sie hat also denselben Ursprung wie Schilddrüse und Epithel- 
körperchen, und wer will, kann aus diesem gemeinsamen ent- 
wicklungsgeschichtlichen Ursprung schon auf eine innersekretorische 
Verwandtschaft der drei Drüsen schließen. 

Ausnahmsweise kann sie sich auch mal — außer von der 3. Kiementasche 
aus — noch aus der 4. und 5. Thymusgewebe bilden. Das ist für unsere Frage 
hier nicht unwichtig, denn es wird vielfach in der Literatur, wenn man Thymus- 
exstirpationsversuche, die ohne Ausfallserscheinungen verlaufen sind, erklären 
will, darauf hingewiesen, daß in diesen Fällen vielleicht so ein Stückchen über- 
zähligen Thymusgewebes vorhanden gewesen sei, das die Ausfallserscheinungen 
ausgeglichen habe. 

Die Drüse liegt in einer Kapsel, von der aus Bindegewebszüge ins 
Innere gehen, durch die die Drüse in einzelne Läppchen aufgeteilt 
wird. Jedes dieser Läppchen erweist sich im mikroskopischen Bild 
als aus Rinde und Mark bestehend. Die Rinde erscheint dunkler als 
das Mark, ein Unterschied, der dadurch zustande kommt, daß die 
Zahl der Thymusrundzellen in der Rinde viel größer ist als im Mark. 
Histologisch besteht jedes Läppchen aus einem Grundgerüst, das 
von epithelialen Zellen gebildet wird, die dem ursprünglichen 
Schlundepithel entstammen. Sie sind in Form eines Netzwerkes an- 

Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 21 


322 Birk. Heft 4 


geordnet, in dessen Maschen der zweite wichtige Bestandteil der 
Thymus liegt, nämlich die Thymuslymphocyten. 

Dieser ganze Aufbau kommt dadurch zustande, daß in die ursprünglich reir 
epitheliale Thymusanlage — etwa vom 2. Fötalmonat an — von den Blutgefäßen 
her Lymphocyten einwandern, die die epithelialen Zellen auseinanderdrängen, 
so daß sie die Beschaffenheit eines Netzwerks bekommen. In dieses hinein legen 
sich die Lymphocyten, die auch fürderhin durch Einwanderung aus dem Blut 
wie durch Neubildung an Ort und Stelle sich, namentlich in der Rinde, al» 
normaler Bestandteil der Thymusdrüse erhalten. 

Indem ich von einem Auswandern der Thymusrundzellen aus dem Blut 
und einem Einwandern in die Maschen des retikulären Netzwerkes spreche. 
stelle ich mich auf den Standpunkt der sog. Immigrationslehre, die haupt- 
sächlich von Maximow, Hammar u. a. vertreten wird, und zu der die 
Transformationslehre, — vertreten von Tourneux, Stöhr, Hermann 
— im Gegensatz steht, die annimmt, daß die Thymusrundzellen keine echten 
Lymphocyten seien, sondern nur lymphocytenähnliche Gebilde von ebenfalls 
epithelialem Ursprung, also von derselben Herkunft wie die Reticulum- 
zellen. Diese Anschauung ist aber offenbar nicht richtig. 

Eines besonderen Hinweises bedarf es noch auf die Hassalschen 
Körperchen, jene eigenartigen, nur in der Thymusdrüse vorkommen- 
den und auch nur im Thymusmark sich findenden Gebilde. Sie sind 
epithelialer Natur und entstehen so, daß eine aus dem retiku- 
lären Verband losgelöste Zelle aufquillt, kugelförmig wird, und daß 
sich um sie wie um einen Kristallisationspunkt neue Zellen herum- 
legen, die sich konzentrisch schichten und so das Hassalsche Kör- 
perchen bilden. 

Daneben gibt es noch sog. irreguläre Zellverbände, wie sie Hammar 
nennt, die ebenfalls durch Vergrößerung und Aneinanderlegen von ursprüng- 
lich verzweigten Markzellen entstehen, sich aber durch die fehlende konzer- 
trische Schichtung von den H.-K. unterscheiden, im übrigen aber alle Über- 
gänge zu diesen erkennen lassen. 

Als wichtig ist noch das Vorkommen von reichlichen Mengen 
eosinophiler Zellen zu erwähnen, die sich namentlich in der 
Rinde finden, wo sie um die Gefäße herum sitzen, während sie 1m 
Mark nur in oder um die Hassalschen Körperchen herum vor- 
kommen. 

Das ist im wesentlichen der anatomische Aufbau der Thymus- 
drüse, der nun aber keine sich stets gleichbleibende Größe darstellt. 
sondern sich ändert, einmal unter dem Einfluß des Alters und zweitens 
unter dem Einfluß äußerer, akzidenteller Umstände. Die Änderung 
erfolgt stets im Sinne einer Rückbildung, die man im ersten Fall 
als physiologische Altersinvolution, im zweiten Fall als akzidentelle 

Involution bezeichnet. 


Heft 4 Thymusdrüse. 323 


Was zunächst die physiologische oder Altersinvolution 
anbetrifft, so ist ihr Beginn und ihr Fortschreiten am besten aus 
den Zahlen Hammars, des schwedischen Anatomen, auf den 
eigentlich unsere gesamten heutigen Anschauungen über Anatomie 
und Entwicklung der Thymusdrüse zurückgehen, zu entnehmen: 


Thymus-Gewicht Thymus-Gewicht 

in g in g 
Neugeborene. .. . . . 13,26 26.—35. Jahr. .. . . 19,87 
1.—5. Jahr... .. 22,98 30.—45. n»... . .  I6,27 
6.—10. , ..... 26,10 4$6.—55. n» . .... 412,85 
IL.—IS. 3 Gk we ie 37,52 56.—65. , ..... +168 
16.— 20. „o #8 eae a 25,58 66.—75. 2 ek 6,0 
21.—25. u « «+. . 24,73 


Die Driise ist am schwersten in der Zeit vom 11.—15. Jahr. Also 
etwa um die Pubertätszeit herum erreicht sie den Höhepunkt ihres 
Wachtsums. Dann bildet sie sich zurück. Mit dem Ende des Kindes- 
alters hat sie offenbar ihre Hauptaufgabe erfüllt, von da ab wird 
sie entbehrlich, was nicht bloß an sich bemerkenswert ist, sondern 
noch durch den Zeitpunkt, von dem ab die Aufgabe der Thymusdrüse 
als erledigt anzusehen ist, eine besondere Bedeutung erhält. 


Die anatomischen Vorgänge bei der Altersinvolution verlaufen (nach 
Schminke) so, daß schrittweise eine Verkleinerung von Mark und Rinde statt- 
findet. Die Thymusrundzellen wandern zuerst aus der Rinde ab, wodurch die 
Unterscheidung zwischen Mark und Rinde undeutlicher wird. Danach erfahren 
auch die Reticulumzellen eine Rarefizierung. Die Hassalschen Körperchen 
lassen ein verschiedenes Verhalten erkennen: zum Teil wandeln sie sich in 
Reticulumzellen zurück, zum Teil bleiben sie erhalten oder nehmen sogar an 
Größe zu. Mit der Reduzierung des Parenchyms tritt das Bindegewebe mehr 
in Erscheinung, und auch Fettgewebe wuchert nach. Es kommt aber niemals 
zu einer völligen Verödung der Drüse, vielmehr bleibt sie bis ins hohe Alter 
hinein als retrosternaler, thymischer Fettkörper (Waldeyer) erhalten, der 
noch alle Eigenheiten der Form wie des Baues, wenigstens angedeutet, er- 
kennen läßt. Es ist auch erwiesen, daß noch im späten Alter Kernteilungs- 
figuren sich nachweisen lassen sowohl in den Reticulumzellen, den Hassalschen 
Körperchen wie in den übrigen Zellen — als ein Zeichen, daß noch immer ein 
gewisses Leben, ein Rest der alten Funktion in der Drüse steckt. 

Der ganze Ablauf der Veränderungen geht wieder am besten aus einer Auf- 
stellung von Hammar hervor. Er unterscheidet: 

die Kindheitsthymus in der Zeit vom 1.—10. Jahr, die reichlich Paren- 
chym, aber nur schmale Bindegewebszüge enthält, und bei der die Rinde den 
überwiegenden Teil des Parenchyms ausmacht; 

die Pubertätsthymus vom 10.—15. Jahr, bei der zwar noch keine 
Verminderung des Parenchyms erkennbar ist, die aber schon viel breitere 
Bindegewebszüge enthält; 

die Jünglingsthymus vom 16.—2o. Jahr, bei der die Rindenfollikel 
schon verkleinert sind, und die breite Bindegewebszüge aufweist; 

dieMannesthymus im Alter bis zu 45 Jahren, bei der das Bindegewebe 


21* 


324 Birk. Heft 4 


schon zu Fettmassen umgewandelt ist, während die Parenchymläppchen 
spärlich, klein und verdünnt erscheinen; 

die Greisenthymus mit schmalen Parenchymzügen und verwischter 
Grenze zwischen Mark und Rinde. 


Dieselben histologischen Veränderungen finden sich nun auch bei 
der akzidentellen Involution, nur ist das Tempo ein viel 
schnelleres. Die Thymus ist eben ein Organ, das außerordentlich 
leicht und ausgiebig auf äußere Einflüsse reagiert: auf Ernährungs- 
störungen, Hungerzustände, Infektionen, überhaupt auf alle mit 
Körperschwund einhergehenden Erkrankungen. Die akzidentelle 
Involution kommt auch bei Frauen in der Schwangerschaft, bei 
Tieren im Winterschlaf, bei Einwirkung von Röntgenstrahlen vor. 
Bei letzterer unterscheidet sich die Involution dadurch von dem 
üblichen Vorgang, daß die Lymphocyten an Ort und Stelle zerstört 
und von den Reticulumzellen phagocytiert werden. 

Das, was uns hier nun am meisten von dem anatom:- 
schen Aufbau der Thymusdrüse interessiert, ist einmal 
die Tatsache, daß sie ein Organ ist, das sich aus zwei ver- 
schiedenen Teilen zusammensetzt, nämlich einem epi- 
thelialen und einem Iymphocytären, und daß man als 
die Stätte der angeblichen inneren Sekretion den epi- 
thelialen Anteil, das Thymusmark, ansieht, während der 
Iymphocytäre Anteil, namentlich also die Rindensub- 
stanz, nur als eine Art Sammelbecken für die aus dem 
Blut zugeströmten oder an Ort und Stelle neugebildeten 
Lymphocyten angesehen wird. 

Ferner ist bemerkenswert, daß die anatomische Ent- 
wicklung der Drüse eine zeitlich begrenzte ist. Das hat 
sie gemeinsam mit den Keimdrüsen, und zwar handelt es sich hier 
nicht bloß um eine rein äußerliche Zufälligkeit, sondern es bestehen 
zweifellos auch ursächliche Beziehungen zwischen Thymus und Keim- 
drüsen: die Thymus fängt dann ansich zurückzubilden, wenn die Keim- 
drüsen sich herangebildet haben, und die Annahme liegt nahe, daß 
die Ursache der Rückbildung der Thymus darin zu suchen ist, daB 
die, von der Pubertät an in Funktion befindlichen, Keimdriisen einen 
Teil der Funktion der Thymusdrüse übernehmen, wodurch diese 
entbehrlich wird. 

Drittens ist auf die Hassalschen Körperchen hinzuweisen, die 
Gebilde von einer so charakteristischen Eigenart darstellen, daß es 
verständlich ist, wenn sie von einzelnen als der morphologische Aus- 
druck einer spezifischen Funktion der Thymusdrüse angesehen werden. 


Heft 4 Thymusdrüse. 325 


Auf der andern Seite aber muß ich betonen, daß irgendein sicherer 
Anhaltspunkt dafür, daß die Thymusdrüse eine Drüse mit innerer 
Sekretion ist, ein Anhaltspunkt, wie wir ihn z.B. bei den Neben- 
nieren oder bei der Schilddrüse haben, sich aus dem anatomischen 
Aufbau nicht ergibt. 


Daraus erwächst uns nun die Aufgabe zu untersuchen, ob sich 
nicht anderes, klinisches oder experimentelles Material 
beibringen läßt, um die Auffassung von der innersekretorischen 
Funktion der Thymus zu stützen. 

Auch auf diesem Wege ist es nicht leicht, in das Wesen und die 
Bestimmung der Thymus einzudringen, jedenfalls nicht so leicht wie 
bei den meisten der anderen innersekretorischen Drüsen, wo man teils 
schon das darstellbare Inkret besitzt, oder wo man doch wenigstens 
die Ausfallserscheinungen nach angeborenem Fehlen der Drüse oder 
nach ihrer operativen Ausschaltung zum Ausgangspunkt der Er- 
örterungen über die Art ihrer Funktion machen kann. 

Was das angeborene Fehlen der Drüse anbetrifft, so stammen 
fast alle dahingehenden Beobachtungen aus der älteren Zeit, wo 
man noch nicht so gut wie heute von dem Vorkommen der akzi- 
dentellen Involution der Drüse unterrichtet war. Aus neuerer Zeit 
gibt es keine derartigen Beobachtungen. Ein Fehlen der Drüse kommt 
offenbar nicht vor außer bei schweren Mißbildungen des Kopfes, des 
Halses und des Herzens, also bei lebensunfähigen Kindern. 

Nur Lubarsch gibt einmal an, daß er bei einem 8 Wochen alten Säugling 
das Fehlen der Thymusdrüse beobachtet habe. 

Ebensowenig verwertbar sind die Fälle von angeblicher hypo- 
plastischer Entwicklung. Sieht man sich die in der Literatur 
niedergelegten Fälle an, so handelt es sich stets um Kinder, die als 
hochgradig abgemagert bezeichnet werden. Also die angebliche 
angeborene Hypoplasie ist in diesen Fällen offenbar auch nichts 
anderes gewesen als eine gewöhnliche akzidentelle Involution. Man 
täte gut, diese Fälle am besten ganz aus der Literatur verschwinden 
zu lassen. 

Was dann die radikale operative Entfernung der Drüse an- 
betrifft, so ist sie noch nie beim jungen Kind gemacht worden, ist 
nach dem Urteil der Chirurgen (Nordmann, Klose) technisch beim 
Kind auch gar nicht ausführbar. 

Man kennt dann noch Zerstörungen der Drüse durch Blu- 
tungen, Absceßbildungen und Geschwülste. Aber wo diese 


326 Birk. Heft 4 


Erkrankungen tiberhaupt Symptome hervorriefen, da waren es 
solche mechanischer Natur (Atembehinderungen), niemals aber 
waren es Ausfallserscheinungen im Sinne einer innersekretorischen 
Funktionsstörung. So fallen also bei der Thymusdrüse alle diese 
Möglichkeiten, denen wir bei den anderen Drüsen mit innerer Se- 
kretion so wertvolle, zum Teil ungewollt erlangte Einblicke in ihre 
Funktion verdanken, vollkommen weg, und wir haben keine Mög- 
lichkeit, uns in irgendeiner Weise auf klinischem Wege darüber zu 
unterrichten, was beim völligen Ausfall der Drüse im Körper des 
Kindes sich ereignen würde. 

Beim Erwachsenen hat man natürlich Thymusexstirpationen vorgenommen 
und große oder gar völlige Zerstörungen durch Tumoren gesehen. Aber die 
Thymus des Erwachsenen ist ein ganz anders zu bewertendes Organ als das 
des Kindes. 

Unter diesen Umständen müssen die experimentellen Unter- 
suchungen eine besondere Bedeutung gewinnen. Die ersten 
Versuche, die Thymus auszuschalten, stammen aus den vierziger 
Jahren des vorigen Jahrhunderts. Sie gehen zunächst von der Frage 
aus: Hat die Thymus überhaupt eine Bedeutung? Die umfassend- 
sten dieser Versuche stammen von Friedleben, der, wenn man 
seine Versuche von den damaligen Zeitverhältnissen aus beurteilt. 
sehr bemerkenswerte Ergebnisse erzielte, auf Grund deren er die 
Thymus für ein wichtiges, aber keineswegs lebenswichtiges und 
unentbehrliches Organ erklärte. Nach ihm ruhten die Thymus- 
untersuchungen, und erst mit Basch beginnt im Jahre 1906 eine 
neue Zeitspanne experimenteller Thymusforschung, aus der sich 
neben Basch noch die Namen von Fischl, Matti, Klose und 
Vogt sowie Hart und Nordmann hervorheben, um nur die wich- 
tigsten zu nennen. Denn die Thymusforschung stellt ein fast un- 
übersehbares Kapitel dar. 

Wenn man kritisch zu den mannigfachen und widerspruchsvollen 
Ergebnissen Stellung nehmen will, so kommt man zu zwei Fest- 
stellungen, die sich nun allerdings diametral gegenüberstehen: die 
einen Experimentatoren — zu ihnen gehören Basch, Matti, Klose 
und Vogt — finden, daß nach Herausnahme der Thymusdrüse die 
Tiere nach einer gewissen Latenzzeit im Wachstum zurückbleiben, 
Veibiegungen der Knochen bekcemmen, auch mikroskopisch an 
Rachitis erinnernde Veränderungen der Knochen zeigen, daß auch 
nervöse Störungen zu beobachten sind, daß es bei einzelnen zu einer 
Idiotia thymopriva kommt — Veränderungen, die nach Basch nur 
vorübergehender Art, nach Klose und Matti aber progressiver 


Heft 4 Thymusdrise. 327 


Natur sind und schließlich über ein Stadium der Cachexia thymo- 
priva zum Tode führen. 

Diesen positiven Erfolgen stehen unvereinbar gegenüber die Er- 
gebnisse von Fischl und von Hart und Nordmann, von denen 
namentlich die der beiden letztgenannten Autoren als besonders 
bedeutsam anzusehen sind, da sie an dem gleichen Tiermaterial 
und mit der gleichen Operationstechnik, mit der die genannten 
anderen Autoren arbeiteten, gewonnen sind, und deren Ergebnis 
ich mit den eigenen Worten Harts wiedergeben möchte: ‚Je besser 
die Operationstechnik wurde, je sorgfältiger alle die Momente be- 
rücksichtigt wurden, die Einfluß auf die Entwicklung des thym- 
ektomierten Tieres üben konnten, um so mehr stieg für die Ver- 
suchstiere auch die Wahrscheinlichkeit, am Leben zu bleiben, und 
schließlich ließ sich mit aller Bestimmtheit der Satz aufstellen, daß 
eine frühzeitig und vollständig ausgeführte — in zahlreichen Fällen 
durch genaueste histologische Untersuchung des Thymusbettes und 
seiner Umgebung kontrollierte — Thymektomie weder das Leben 
des Tieres zu gefährden noch dauernde Störungen des Organismus 
hervorzurufen braucht. Die Thymusdrüse ist für das Tier kein un- 
bedingt lebenswichtiges Organ.“ (Jahrb. f. Kinde: heilk. Bd. 86, S. 320.) 

Meines Erachtens kann an der Richtigkeit dieser, mit einwand- 
freier Methodik und von einwandfreien Untersuchern gewonnenen, 
Ergebnisse kein Zweifel sein, um so weniger, als auch diejenigen 
Untersucher, die die erwähnten Ausfallserscheinungen erhielten, von 
einzelnen negativen Ergebnissen zu berichten wissen, d.h. von Thy- 
musexstirpationen, die ebenfalls folgenlos für die Tiere verliefen. 
Diese negativen Ergebnisse werden zum Teil damit erklärt, daß 
hier möglicherweise jenes überzählige Thymusgewebe vorhanden ge- 
wesen sei, von dem ich eingangs sprach, also das Thymusmetamer 4 
oder das postbranchiale Thymusmetamer 5. Das kann natürlich der 
Fall gewesen sein. Aber damit nun die gesamten Ergebnisse von 
Hart und Nordmann wegdiskutieren zu wollen, geht wohl nicht 
an. Vielmehr komme ich zu dem Schluß, daß die Versuche von Hart 
und Nordmann zu Recht bestehen, und daß sie beweisen, daß 
die Thymektomie bei entsprechender Technik einen für das Tier 
belanglosen Eingriff darstellt, d. h. mit anderen Worten: der 
plötzliche Ausfall der inneren Sekretion der Thymus- 
drüse kann von den entsprechenden anderen inner- 
sekretorischen Organen so schnell und so gut auskom- 
pensiert werden, daß keinerlei klinische Erscheinungen 
bemerkbar werden. 


328 Birk. Heft 4 


Nun bleibt aber immer noch die Frage zu erörtern, was denn die 
von Basch und den anderen genannten Autoren beobachteten 
Folgeerscheinungen zu besagen haben. Und zwar zunächst die 
Knochenerscheinungen. Handelt es sich hier um Veränderungen, 
die nur mit dem Öperationstrauma oder sonstigen äußeren Um- 
ständen zusammenhängen, oder sind sie wenigstens zu einem ge- 
wissen Teil auf den Ausfall des Thymusinkretes zu beziehen? 

Was zunächst das Operationstrauma anbetrifft, so weiß jeder, 
der selbst einmal Thymusexstirpationen gemacht hat, daß es sich 
dabei um einen sehr schweren Eingriff für die Tiere handelt. Es 
muß das Brustbein weit gespalten werden, denn die Thymus ist 
bei jungen Tieren so butterweich, daß sie sich nicht mit Pinzetten 
hervorziehen läßt. Dabei kommt es regelmäßig zum Pneumothorax, 
es sei denn, daß man mit dem Überdruckapparat arbeitet. Es kommt 
sehr leicht zu Blutungen dadurch, daß man die Anonyma anreißt. 
Die Tiere müssen außerdem in sehr jungem Alter, vor der Geschlechts- 
reife, auf der Höhe der Entwicklung der Thymus, operiert werden. 
Zum Zustandekommen der Folgeerscheinungen spielt auch die Art der 
Versuchstiere eine Rolle. Bei Fröschen z.B. verläuft die Exstirpation 
folgenlos. Auch Pflanzenfresser reagieren wenig, weil sie schon in 
den ersten Lebenswochen ein sehr kalkreiches Knochenskelett haben. 
Am besten eignen sich Hunde dazu, und zwar entweder die hoch- 
gezüchteten, nervösen Rassen oder die hochwüchsigen, mit starkem 
Knochenwachstum ausgezeichneten Tiere. Sie sind das empfind- 
lichste Reagens für solche Exstirpationsversuche. Aber gerade darın 
liegt wieder eine große Gefahr, denn diese Tiere mit ihrem starken 
Knochenwachstum zeigen eigentlich bei jedem Eingriff, der ihre 
Entwicklung trifft, Störungen des Knochenwachstums. Ich erinnere 
z.B. daran, daß Pawlow bei seinen magenfisteloperierten Hunden 
auch solche ‚Rachitis‘‘ beobachtete. Aber ebenso wie hier nicht 
die Magenfistel die Rachitis verschuldete, sondern der Ein- 
griff in das Befinden des jungen Tieres, so hat nach meiner Über- 
zeugung auch in den Versuchen von Basch, Matti und Klose 
nicht die exstirpierte Thymus, sondern eben die Exstirpation an sich 
höchstwahrscheinlich die Knochenveränderungen hervorgerufen. 

Weiter zieht sich durch alle Thymusexstirpationsversuche die 
Klage der Experimentatoren, daß die Tiere so außerordentlich stark 
zu Infektionen neigten. Und nun weiß man, daß nach den Erfahrungen 
der Tierpathologie schon durch eine Infektion allein rachitisartige 
Knochenerweichungen bei Hunden hervorgerufen werden können. 
Nimmt man dann noch hinzu, daß solche operierten jungen Tiere 


Heft 4 Thymusdrüse. 329 


in der Regel noch anderen Schädlichkeiten ausgesetzt zu sein pflegen, 
daß sie namentlich im freien Herumspringen behindert sind, so 
kommt man zu dem Schluß, daß der einwandfreie Beweis dafür, 
daß die Knochenveränderungen der thymektomierten Tiere wirklich 
thymektogenen Ursprungs gewesen sind, noch nicht als erbracht 
angesehen werden kann. Vielmehr spricht alles dafür, daß äußere 
Umstände und individuelle Eigentümlichkeiten der Versuchstiere 
daran schuld gewesen sind — womit dann natürlich auch alle 
Spekulationen, daß die kindliche Rachitis etwas mit der Thymus- 
drüse zu tun habe, hinfällig sind. 

Nächst den Knochenveränderungen sind es die nervösen Stö- 
rungen nach Thymektomie, die eine Erklärung heischen. Sie sind 
von Basch zuerst beobachtet und genauer studiert worden. Es 
sind Erscheinungen, die an die Tetanie des Kindes erinnern, mit 
Krämpfen, elektrischer Übererregbarkeit usw. verlaufen, also mit 
Erscheinungen, die wir sonst eher auf einen Ausfall der Epithel- 
körperchenfunktion zurückzuführen gewohnt sind. Es ist meines 
Erachtens auch hier die Frage, ob die Tetaniesymptome wirklich 
mit der Thymus etwas zu tun haben. Ich trage jedenfalls gewisse 
Bedenken, hier eine rein thymogene Tetanie anzunehmen. Ich er- 
innere daran, daß es auch eine Schwangerschaftstetanie gibt, daß 
ferner in neuerer Zeit (Melchior) eine Anzahl Fälle beschrieben 
worden sind, in denen es nach Exstirpation der Hoden zu Krämpfen, 
Facialis-phaenomen und elektrischer Übererregbarkeit kam. Wollte 
man eine thymogene Tetanie annehmen, so hindert nichts, auch von 
einer testiculogenen Tetanie zu sprechen. Aber es scheint mir nicht 
wahrscheinlich zu sein, daß jede einzelne innersekretorische Drüse 
zu einer für sie spezifischen Tetanie führt; ich glaube vielmehr, 
daß diese Tetanieformen auf andere Art und Weise zustande kommen: 
Man kommt ja eigentlich immer mehr zu der Auffassung, daß wirk- 
liche monoglanduläre Störungen, also Störungen, die nur den 
Funktionsbereich einer einzigen Drüse betreffen, selten sind, und 
daß es sich in der Regel um polyglanduläre Störungen handelt. 
Die sämtlichen Drüsen mit innerer Sekretion bilden einen großen 
Verband, und außerdem bestehen zwischen einzelnen von ihnen noch 
besonders enge, gegenseitige Beziehungen. Ich erwähnte ja schon die 
Zusammenhänge zwischen Keimdrüsen und Thymus. Fällt eine der 
innersekretorischen Drüsen plötzlich aus, so werden auch sämtliche 
anderen in Mitleidenschaft gezogen, ohne daß das klinisch immer 
in Erscheinung zu treten braucht. Die Tatsache, daß Hart und 
Nordmann keine nervösen Erscheinungen bei ihren Versuchstieren 


330 Birk. Heit 4 


beobachteten, beweist ja, daB der Thymusausfall prompt von den 
anderen inneren Driisen ausgeglichen werden kann. 

Wenn nun in den Fallen von Basch u. a. Tetaniesymptome auf- 
traten, so besteht durchaus die Möglichkeit, daß sie entweder durch 
eine Störung des Gesamtverbandes der inneren Drüsen oder ver- 
mittels einer Fernwirkung des Thymusausfalles auf die 
Epithelkörperchen zustande gekommen sind. 

Die dritte Folgeerscheinung der Thymektomie ist die Verlang- 
samung des Wachstums. In diesem Befund stimmen sämtliche 
Tierversuche überein. Selbst da, wo die Herausnahme der Thymus 
sonst völlig folgenlos für die Tiere ausging, wo keine Knochenver- 
änderungen, keine nervösen Erscheinungen hervorgerufen wurden, 
wie in den Versuchen von Hart und Nordmann, fand sich doch 
ein Zurückbleiben im Wachstum. Dieser Befund findet nur bei 
Hart seine richtige Einschätzung. Die anderen Autoren erwähnen 
ihn nur nebenbei. Ihre Augen sind eben wie fasziniert immer nur 
auf das Knochensystem gerichtet gewesen. Und doch ist zweifels- 
ohne die Wachstumsverlangsamung des ganzen Körpers, mit der 
parallel natürlich auch immer eine Störung der Knochenentwicklung 
geht, das eigentliche und regelmäßige Ergebnis aller Exstirpations- 
versuche. 

In diese Richtung gehen nun auch alle sonstigen Versuche, die 
man zur Aufklärung der Funktion der Thymus angestellt hat. Man 
hat ja mehrere Wege, die physiologische Bedeutung eines inner- 
sekretorischen Organs festzustellen. Entweder schafft man durch 
Herausnahme der Drüse den Zustand des Funktionsausfalles, oder 
man stellt umgekehrt den Zustand der Hyperfunktion her, indem man 
das betreffende Organ einpflanzt oder Extrakt davon einspritzt 
oder das Organ verfüttert. Am wenigsten leistet das Einspritzen 
der Organextrakte. So ein Extrakt ist niemals ein einheit- 
licher Körper, sondern ist ein Gemenge von Substanzen. Man darf 
auch nicht annehmen, daß diejenigen Substanzen, die sich im Ex- 
trakt finden, nun in der gleichen Form auch in der lebendigen Drüse 
vorhanden seien, ebensowenig wie man annehmen darf, daß das 
Drüsensekret nur eine einzige, bestimmte Wirkung ausübe. Es er- 
füllt vielmehr eine ganze Reihe von Partialfunktionen, von denen 
bald die eine, bald die andere — je nach Bedarf — überwiegt. Und 
weiter muß man sich vorstellen, daß die Zellen des Körpers wohl 
auf die einzelnen Partialen eingestellt sind, aber keineswegs auch 
auf die Gesamtheit des Inkretes anzusprechen brauchen. So geben 
also schon die theoretischen Überlegungen keine große Hoffnung, 


Heft 4 Thymusdrüse. 331 


aus Einspritzungen von Organextrakten irgendwie sichere Auf- 
schlüsse über Organfunktionen zu erhalten. Die Praxis hat das 
auch bestätigt: Wenn man sich erinnert, daß es weder gelingt, mit 
Einspritzungen von Hypophysenextrakt eine Akromegalie oder durch 
Schilddrüsenextrakteinspritzungen einen Basedow hervorzurufen, so 
wird man sich keinen großen Erwartungen hinsichtlich der Thymus- 
extrakteinspritzungen hingeben. In der Tat ist denn auch nicht 
viel und vor allem nicht viel Sicheres dabei herausgekommen. 

Besser waren die Ergebnisse mit der Einpflanzung von 
Thymusgewebe. Auch hier kommt es auf eine bestimmte Technik 
an. Es genügt nicht, daß man einem Tier an irgendeiner Stelle 
ein Stückchen Thymusgewebe einpflanzt. Wenn man die intra- 
peritoneale oder die subcutane Einpflanzung übt, so wird die im- 
plantierte Thymus schnellstens — innerhalb 2 Wochen — aufge- 
saugt. Wenn man hingegen Thymus, und zwar von einem gleich- 
altrigen und gleichartigen Tier, in gefäßreiches Muskelgewebe ein- 
bettet, so bleibt sie wochenlang am Leben, und — was uns hier am 
meisten interessiert — zur Funktion der eigenen Thymus des Tieres 
addiert sich die der eingepflanzten hinzu, und das Ergebnis dieser 
gesteigerten Thymuswirkung ist ein gesteigertes Wachs- 
tum, wie zuerst Demel einwandfrei gezeigt hat. 

Man sieht also: vorhin, bei Ausfall der Thymusfunktion, ein 
verlangsamtes Wachstum, hier — bei gesteigerter Thymuswirkung — 
ein gesteigertes Wachstum. 

In dieselbe Kerbe schlagen nun auch die viel bekannteren Ver- 
suche von Gudernatsch mit Thymusfütterung. Auch hier bedarf 
es einer besonderen Technik, nämlich des Kaulquappenversuches. 
Füttert man Kaulquappen mit Thymussubstanz, so setzt ein mäch- 
tiges Wachstum ein, aber gleichzeitig verlangsamt sich die Meta- 
morphose, d.h. die Entwicklung zum Frosch. Umgekehrt ıst das 
Ergebnis bei Fütterung von Schilddrüsensubstanz, nämlich: so- 
fortige Einleitung der Metamorphose, aber Stehenbleiben des Wachs- 
tums. 

An den Grundversuch von Gudernatsch haben sich ausgedehnte 
weitere Versuche angeschlossen. Es lag ja auch nahe zu fragen: Wo- 
durch wirkt denn die Thymus? Durch ihren Eiweißgehalt oder ihren 
hohen Gehalt an Nucleoproteiden oder vielleicht durch ihre Lipoid- 
substanzen, die die Träger irgendeines wachstumsfördernden Vita- 
mins sein könnten, oder wirkt sie durch ihren Inkretgehalt? Bei 
Gelegenheit solcher Versuche hat sich herausgestellt, daß sich die 
beiden Teile der Thymuswirkung trennen lassen, daß die Verfütte- 


332 Birk. Heft 4 


rung des Acetonextraktes nur die Entwicklungshemmung, aber nicht 
die Wachstumsstörung hervorruft, und daß umgekehrt die fettfreie 
Trockensubstanz das Wachstum beeinflußt, aber keine Entwicklungs- 
hemmung hervorruft. Wie diese Versuche weiter ausgehen werden, 
läßt sich noch nicht übersehen. 

Auch von Abderhalden und seinen Mitarbeitern sind groß an- 
gelegte Versuche begonnen. Das Ziel dieser Versuche ist, die ein- 
zelnen innersekretorischen Drüsen stufenweise tief abzubauen, um 
dann festzustellen, bei welcher Abbaustufe die dem Organ eigen- 
tümliche Wirkung verschwindet. Die Versuche mit diesen „Op- 
tonen‘‘, wie Abderhalden sie nennt, haben bisher zu keinen — für 
den Kliniker bemerkenswerten — Ergebnissen geführt. Soweit sie 
feststellten, daß die betr. Wirkungen auch den allertiefsten Abbau- 
stufen anhaften, haben sie uns nichts Neues gesagt. Denn die von 
jeher geübte Verabreichung von Schilddrüsensubstanz per os gründet 
sich ja auf die schon lange bekannte klinische Tatsache, daß auch 
die Verdauung im Magen-Darmkanal die Wirksamkeit der Substanz 
nicht beeinträchtigt. Und wenn sich weiter (Pflügers Archiv 1921, 
Bd. 187, S. 243) ergeben hat, daß das Thymusopton am enucleierten 
Froschbulbus mydriatisch und am Löweschen Herzstreifenpräparat 
in 0,3% Lösung pulsverkleinernd, in 0,2%, Lösung dagegen puls- 
vergrößernd, am überlebenden Froschoesophagus tonussteigernd urd 
am überlebenden Uterus des Meerschweinchens tonusherabsetzend 
wirkt, so muß man gestehen, daß das alles zwar sehr interessant ist. 
aber uns für die Aufklärung der Funktion der lebenden Thymus- 
drüse des Menschen vorläufig noch nicht viel sagt. 

Dahingegen werden die Gudernatschschen Versuche ihre Bedeu- 
tung behalten, auch wenn sich später herausstellen sollte, daß die 
Schilddrüsenwirkung vielleicht auf das Jod zurückzuführen ist und 
die Thymuswirkung auf etwas anderes. Denn die Hauptsache bleibt, 
daß jede der beiden Drüsen eine für sie spezifische Wirkung her- 
vorruft, in dem Sinne, daß die Schilddrüse in der Richtung eines 
differenzierten Wachstums und die Thymusdrüse in der Richtung 
eines Massenwachstums wirkt. Und es ist namentlich den Guder- 
natschschen Versuchen zuzuschreiben, selbstverständlich in Ver- 
bindung mit den anderen Versuchen (von Basch usw.), wenn sich 
in den weitesten Kreisen der Ärzte und Naturforscher die Meinung 
gefestigt hat, daß die Funktion der Thymusdrüse in der Lie- 
ferungeines dasWachstum befördernden Hormons bestehe. 

Ich habe nun schon erwähnt, daß wir Grund zu der An- 
nahme haben, daß sich die Bestimmung einerinnersekre- 


Heft 4 Thymusdrise. 333 


torischen Driise nicht mit einer einzigen Funktion er- 
schöpft, sondern daß sie sich wahrscheinlich aus einer 
ganzen Reihe von Partialfunktionen zusammensetzt. 
Und so erhebt sich denn die Frage: Was für weitere Funktionen 
erfüllt das innere Sekret der Thymusdrüse ? 

Gehen wir von der Klinik aus, so müssen wir sagen, daß heut- 
zutage die ganze Klinik der Thymusdrüse nichts anderes ist als die 
Klinik der hyperplastischen Thymusdrüse. Die hyperplastische 
Thymusdrüse war es auch, die den Anlaß zu den vorhin schon er- 
wähnten Untersuchungen Friedlebens bildete. Es war kein auf 
bloßen theoretischen Fortschritt eingestellter Forschungsdrang, der 
Friedleben zu seinen Untersuchungen veranlaßte, sondern es war 
eine für die damalige Zeit höchst wichtige praktische Frage, näm- 
lich die des plötzlichen Todes der Kinder mit Thymus- 
hyperplasie. Seit den ältesten Zeiten war den Ärzten aufgefallen, 
daß sowohl bei Erwachsenen wie namentlich bei Kindern plötzliche 
Todesfälle vorkommen, für die die Sektion keine recht befriedigende 
Aufklärung liefert, und bei denen sich als Nebenbefund immer nur 
eine auffallend hyperplastische Thymus findet. | 

Der Alteste dieser Falle ist 1614 von Plattner beschrieben, der ein 5 Monate 
altes, bisher gesundes Kind beobachtete, das — wie früher schon zwei andere 
Kinder derselben Familie — plötzlich zugrunde ging und bei der Sektion 
nur eine hyperplastische Thymus zeigte?). 

Über diese plötzlichen Todesfälle bei Kindern mit großer Thymus war etwa 
20 Jahre vor Friedleben eine Arbeit von Kopp erschienen, die den plötz- 
lichen Tod mit der großen Thymus in ursächlichen Zusammenhang brachte. 
Kopp stellte die Lehre vom Asthma thymicum auf, einen sehr anfechtbaren 
Begriff, denn er bezog z.B. auch den Laryngospasmus des Säuglings in dieses 
hinein. Gegen dieses Asthma thymicum richteten sich die Untersuchungen 
Friedlebens, der nun seinerseits zu dem Ergebnis kam: es gibt kein Asthma 
thymicum — womit auch er wieder übers Ziel hinausschoß. 

In der weiteren Entwicklung dieser Frage kam es dann 1889 zur Aufstellung 
des Krankheitsbildes des Status thymico-lymphaticus durch Paltauf. Auf 
der Tagung in Karlsbad im Jahre 1902 beschäftigte sich schon mal die Ge- 
sellschaft für Kinderheilkunde mit dem Thema der plötzlichen Todesfälle der 
Kinder. Nach den Referaten von Ganghofner und Richter wurde dem Status 
thym. Iymphat. seine Existenzberechtigung im wesentlichen abgesprochen — 
mit dem Ergebnis, daß er heute eine Rolle spielt, die größer ist als je, so daß 
wir auch an dieser Stelle nicht an ihm vorübergehen können. 


Was uns hier am Status thym.-lymph. interessiert, ist die Frage: 
Inwieweit spielt bei ihm die innere Sekretion der Thymusdrüse eine 
Rolle? 


1) Barak, Inaug.-Diss. Berlin 1894. 


334 Birk. Heft 4 


Nach Paltauf ist der Status thym.-lymph. dadurch charakteri- 
siert, daB seine Trager (im Kindesalter) mit einer Hyperplasie der 
lymphoiden Organe und der Thymus ausgestattet sind. AuBerlich 
zeigen diese Kinder einen bestimmten Habitus, nämlich eine gewisse 
Adipositas, eine schlaffe, schlechte Muskulatur und gleichzeitig 
eine auffallende, an die Blässe und Gedunsenheit des Nephrotikers 
erinnernde weiße Färbung der Hautdecken bzw. des Hautfettes. Diese 
Kennzeichen sind nach Paltauf der Ausdruck einer lymphatisch- 
chlorotischen Konstitution, und die Todesursache liegt in einer — gleich- 
falls konstitutionellen — Labilitat des Herzens begriindet, das bei 
bestimmten Reizen funktionsuntüchtig wird und versagt. In der Be- 
schreibung Paltaufs spielt die Thymus zunächst gar keine be- 
sondere Rolle. Er ordnet sie völlig den Lymphdrüsen gleich. Beide, 
Thymusvergrößerung wie Lymphdrüsenanschwellung, sind ihm nur 
Kennzeichen der Konstitution, sind gewissermaßen dasEtikett,dasdem 
Menschen aufgeklebt ist, um ihn alsden Träger eineslabilen Herzens zu 
kennzeichnen. Dieses — das Herz — steht bei Paltauf im Vorder- 
grund des klinischen Geschehens, nicht etwa die Thymushyperplasie. 

Aber schon Escherich, der sich als einer der ersten mit zu Palt- 
aufs Lelire bekannte, wich insofern von ihm ab, als er an die Mög- 
lichkeit dachte, daß vielleicht als Grundlage dieser Konstitutions- 
anomalie eine Autointoxikation des Körpers durch abnorme Thymus- 
funktion in Frage käme. In der Folgezeit wurde, wenn ich das 
vorweg nehmen darf, die Stellung der Thymusdrüse immer be- 
herrschender, bis Hart schließlich sie bewußt an die Spitze des 
Symptomenbildes stellte, während er die — ihr von Paltauf noch 
als gleichwertig an die Seite gestellten — Lymphdrüsenschwellungen 
zu vollkommen sekundären Erscheinungen stempelte und auch 
die Labilität des Herzens nur zu ciner Folgeerscheinung der 
Thymushyperplasie machte, nämlich sie als eine Hypotoni- 
sierung des Herzens durch ein der inneren Sekretion 
der Thymus entstammendes Hormon erklärte. Man sieht, 
wie grundsätzlich sich der Begriff des Status thym.-lymph. und 
insbesondere die Stellung der Thymusdrüse in ihm gewandelt hat. 

Es ist nun die Frage, ob diese neue Auffassung vom Wesen 
des Status thym.-lymph. und von der Art des Thymustodes als 
klinisch begründet anzusehen ist. Seitdem Paltauf den Anstoß 
gab, sind die Untersuchungen zur Frage des Status thym.-lymph. 
im wesentlichen nach 3 Richtungen hin gegangen: 

Einmal suchte man nach weiteren anatomischen bzw. morpho- 
logischen Kennzeichen der von Paltauf geschilderten Konstitutions- 


Heft 4 Thymusdrise. 335 


anomalie und reihte nach und nach eine Fiille von neuen Symptomen 
dem Krankheitsbilde ein. Auf diese Weise wurde es immer mehr 
erweitert, aber auch immer mehr verwässert. Aus dem Status 
thymico-lymphaticus wurde der Status hypoplasticus 
von Bartels. Wenn man sich überlegt, was für ein Nutzen da- 
durch geschaffen wurde, so ist es höchstens der: daß sich heraus- 
stellte, daß die Menschen mit Status thym.-lymph. noch in vielfacher 
anderer Hinsicht als Träger einer abwegigen Körperkonstitution 
gekennzeichnet sind. Aber für das Verständnis des Wesens der 
Konstitutionsanomalie ist dabei nichts herausgekommen. 

Der zweite Weg führte in die entgegengesetzte Richtung: man 
suchte immer mehr abzubauen am Status thym.-lymph., ihn immer 
mehr einzuschränken, indem man durch möglichst eingehende und 
genaue Sektionen an die Stelle des vagen Begriffes des labilen 
Herzens gesicherte anatomische Veränderungen zur Erklärung des 
Thymustodes zu setzen suchte. 

Ich sagte schon, daß bereits im Jahre 1902 auf der Versammlung 
der Ges. f. K. in Karlsbad die Frage des Thymustodes Gegenstand 
von Referaten war, und daß die Existenzberechtigung des ganzen 
Krankheitsbildes teils stark in Frage gezogen, teils ganz abgelehnt 
wurde. Das geschah namentlich auf ein Referat des Pathologen 
Richter hin, über dessen Gründe von damals man heute denken 
mag, wie man will, aus dessen Referat mir aber eine Tatsache 
heute mehr denn je aktuell erscheint. Richter wies nämlich darauf 
hin, daß unser Blick hinsichtlich der normalen Entwicklung 
von Thymus und Lymphdrüsenapparat durch die üblichen 
Sektionen getrübt sei. Was wir zur Sektion bekämen, seien in der 
Regel Spitalsleichen, und wenn sich bei diesen mangelhaft entwickelte 
Thymen und Drüsen fänden, so seien wir gewöhnt, das für die 
Norm zu halten, ohne daran zu denken, daß es sich um Organe 
handele, die durch die dem Tode vorangegangene Krankheit atro- 
phisch geworden seien. Und wenn uns dann mal ein aus voller 
Gesundheit heraus gestorbener Mensch vorseziert werde, mit 
gut entwickelter Thymus und gut entwickelten Lymphdrüsen, dann 
hielten wir das für krankhaft, für Status thym.-Iymph. Aber gerade 
das Gegenteil sei richtig: gut entwickelte Iymphoide Organe seien 
die Norm beim Menschen. Diese Feststellungen Richters scheinen 
mir besonders wert, hervorgehoben zu werden. Denn sie sind offenbar 
nicht nur den Klinikern, sondern auch den Pathologen verloren- 
gegangen gewesen. Anders jedenfalls ist es nicht zu erklären, daß 
sie im Kriege wieder entdeckt wurden. Ich erinnere an die Fest- 


336 Birk. Heft 4 


stellungen Grolls und anderer Pathologen, die im Verlauf des 
Krieges berichteten, daß an die 50%, der Kriegssektionen den Befund 
eines Status thym.-Iymph. ergäben, und daß das nicht anders zu er- 
klären sei, als daß es sich bei den Sezierten um junge, gesunde, kräf- 
tige Leute, die plötzlich geendet seien, gehandelt habe, und daß die 
gut entwickelte Thymus nebst Lymphdrüsenapparat eben als cha- 
rakteristisch für den gesunden jungen Menschen aufge- 
faßt werden müsse. 

Richter hat übrigens aus Anlaß dieser Kriegsveröffentlichungen sich 
in der Münch. med. Wochenschr. (1919, S. 890) noch mal gemeldet und auf 
seine alten Feststellungen erneut hingewiesen. 

Wie beim Erwachsenen, so hat man meiner Meinung ‚nach auch 
beim Kind früher viel zu oft die Diagnose Status thym.-Iymph. 
gestellt. Denn aus dem Vergleich der Hammarschen Normalzahlen 
mit den bei manchen Sektionen gefundenen Thymusgewichten geht 
hervor, daß viele dieser Fälle überhaupt gar keine solche von 
Status thym. lymphat. gewesen sind, womit natürlich auch die 
Schlußfolgerungen aus diesen Fällen hinfällig geworden sind. 

Noch auf eine andere Feststellung muß ich in diesem Zusammenhang 
hinweisen: Von Lubarsch ist mitgeteilt worden, daß, wenn Leute durch 
Unfall getötet worden seien, und ihr Magen sich bei der Sektion als gefüllt 
erweise, die Verdauung also im Augenblick des Todes auf der Höhe gewesen 
sei, sich ein dem Status lymph. gleichender Befund erheben lasse. Dagegen 
fehle bei den mit leerem Magen getöteten Personen die Schwellung des 
Lymphdrfisenapparates. 

Wenn man diese Angaben, die natürlich auch für das Kindesalter ihre Geltung 
haben, liest, so fällt einem ohne weiteres ein, daß sich bei Kindern, die plötz- 
lich infolge eines Stat. thym. Iymphat. gestorben sind, überaus häufig die An- 
gabe findet, daß sie noch ganz fidel die Flasche genommen hätten und bald 
darauf tot gefunden seien. Man kommt nicht umhin, die Abhängigkeit 
des Zustandes des Lymphapparates von der Verdauung ın 
Berücksichtigung zu ziehen. Jedenfalls muß man diese Tatsachen berück- 
sichtigen, um zu verstehen, daß es Pathologen gibt, die (wie z.B.Benda) be 
streiten, daß der Status thym. eine Existenzberechtigung als besondere Kon- 
stitutionsanomalie habe. 

Noch in anderer Weise hat man am Status thym. lymphat. ab- 
gebaut: Schon vor Paltauf war es bekannt, daß ein sog. Thymustod 
auch durch die mechanische Wirkung der vergrößerten Thymus 
auf ihre Nachbarschaft hervorgerufen werden könne. Paltauf selbst 
hat die Beweiskraft dieser Fälle bestritten und immer nur den 
Herztod anerkannt. Nach ihm ist es aber durch einwandfreie 
klinische Beobachtungen der Art des Sterbens, durch genaue 
Sektionen, durch Härtung der Brusteingeweide vor der Sektion. 
gelungen, den Beweis zu führen, daß der Druck der hyperplastischen 


Heft 4 Thymusdrise. 337 


Thymus auf die Luftröhre zur Erweichung derselben und dadurch 
zum Tode führen kann, der mit dem eigentlichen Thymustod nichts 
gemeinsam hat, sondern eben ein Erstickungstod ist. 

Ferner kommt es zweifelsohne vor, daß die Druckwirkung 
der Thymus auf die großen Gefäße zur Herzhypertrophie 
und Dilatation und dadurch zum allmählichen Erlahmen des Herzens 
führen kann. 

Weiter erklären sich eine ganze Anzahl von angeblichen Todes- 
fällen infolge Status thym.-Iymph. daraus, daß eine Myokarditis 
bestand. Hierzu gehört z.B. ein großer Teil der sog. Ekzem- 
todesfälle. Auch sie haben nichts mit der Thymus zu tun, sondern 
sind den plötzlichen Todesfällen der Diphtheriekinder mit Myokar- 
ditis an die Seite zu stellen.’ 

In wieder anderen Fällen hing der Tod bei Status thym.-lymph. 
damit zusammen, daß sich lymphocytäre, nicht entzündliche 
Infiltrate im Herzfleisch fanden. 

Schließlich sind noch die plötzlichen Todesfälle bei gleichzeitiger 
Hypoplasie des chromaffinen Apparates der Neben- 
nieren zu nennen. 

Auf diese Weise erfuhr der mysteriöse Thymustod von allen Seiten 
her eine starke Einschränkung. Aber es blieben noch immer be- 
stimmte Fälle übrig, und zwar gerade die typischen, aus voller Ge- 
sundheit heraus erfolgenden, schlagartig eintretenden Fälle, wo der 
Sektionsbefund völlig negativ war, und wo man nun, gewissermaßen 
per exclusionem, auf den dritten Weg gedrängt wurde, nämlich den 
Tod auf den Status thymico-lymphaticus zu beziehen, d.h. darauf, 
daß die hyperplastische Thymus ein nach Menge oder 
nach Beschaffenheit abnormes Hormon liefere, das 
auf Herz und Gefäße schädigend einwirke. Damit stehen wir wieder 
vor der Frage der inneren Sekretion der Thymus. 

Diese Frage der Herzwirkung des Thymusinkretes wurde schon oft 
experimentell zu entscheiden angestrebt. Alle Versuche verfolgten das 
Ziel, eine blutdrucksenkende Wirkung des Thymusinkretes nach- 
zuweisen, durch die sich der plötzliche Tod erklären ließe. Aber alle 
sind sie widerlegt oder doch wenigstens ihrer thymogenen Spezifizität 
entkleidet worden. Auch die neueren Versuche von Adler und 
Yokoyama können noch nicht als beweisend angesehen werden. 
Sie suchen den Beweis auf einem Umweg zu erbringen, nämlich auf 
dem Weg über die Nebenniere: weil es bei bestimmter Versuchs- 
anordnung gelingt, durch Einspritzung von Ihymusextrakt die blut- 
drucksteigernde Wirkung des Adrenalins zu beseitigen, hat man 

Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVTI1. Band. 22 


338 Birk. Heft 4 


geschlossen, daß das Thymusinkret eine blutdrucksenkende Wir- 
kung besitze. 

Man ist noch weiter gegangen und hat geglaubt, bereits den chemischen Körper 
festgestellt zu haben, der das wirksame Prinzip des Thymusinkretes aus- 
mache, nämlich das Cholin. Cholin wirkt blutdrucksenkend und findet sich 
wie in allen parenchymatösen Organen so auch in der Thymusdräse. Dies 
Behauptung ist inzwischen von Vincent widerlegt worden. 

Man muß nach meinem Dafürhalten allen solchen Versuchen gegenüber 
eine große Zurückhaltung üben. Es erscheint mir als viel zu weit hergeholt, 
Schlußfolgerungen für die menschliche Thymus aus Versuchen zu ziehen. 
die am überlebenden Uterus des Meerschweinchens gewonnen wurden, 
denen man Thymusextrakt vom Kalb injiziert hatte. 


Im wesentlichen ergebnislos sind auch die Versuche verlaufen, 
durch Einpflanzung von Thymusgewebe oder Verfütterung von 
Thymussubstanz den Zustand der Dys- oder Hyperthymisation zu 
erzeugen. 

So bleibt nur übrig, aus klinischen Tatsachen heraus 
die Annahme eines hypotonisierenden Thymushormons zu stützen. 
und ich glaube, daß dazu folgende Beobachtung geeignet ist, dir 
zwar der Pathologie des Erwachsenen entnommen ist, sich aber 
zwanglos auf das Kindesalter übertragen läßt. Beim Erwachsenen. 
und zwar beim Erwachsenen mit Basedow, kommt auch eine Thymus 
hyperplasie vor, und auch diese Fälle sind dadurch ausgezeichnet. 
daß es bei ihnen zum plötzlichen Tod kommt, manchmal während 
der Kropfoperation, manchmal hinterher, manchmal auch schon 
vorher. Beim gewöhnlichen Basedow ist die Gefahr des plötz- 
lichen Todes nicht vorhanden, vielmehr ist dieser an das Vor- 
handensein der Thymushyperplasie geknüpft, d.h. also: Erst dadurch. 
daß die Thymushyperplasie im Bild des Basedow erscheint, daß sich 
zu der bereits vorhandenen endokrinen Störung nun noch eine be- 
sondere spezifische Wirkung der hyperplastischen Thymus hinzu- 
gesellt, wird das katastrophale Moment in das Krankheitsbild des 
Basedow hineingetragen. Die Verhältnisse liegen hier so klar wie 
selten, und es bleibt gar nichts anderes übrig, als auf eine toxische. 
der inneren Sekretion der Thymus entsprungene Ursache des Todes 
zurückzugreifen. Und wenn die hyperplastische Thymus des Base- 
dowkranken eine solche toxische, herzlähmende Substanz liefert, sc 
ist es nur folgerichtig, wenn man annimmt, daß auch die Thymus 
im Bild des Status thym. Iymph. dazu imstande ist. 

Auf diese Weise läßt sich eine gewisse Grundlage schaffen, auf 
der sich die Annahme eines Herz und Gefäße beeinflussenden, aus 
der inneren Sekretion der Thymus stammenden Hormons aufbauen 


Heft 4 Thymusdrüse. 339 


kann. Ob es sich dabei um eine Dysthymisation oder eine Hyper- 
thymisation handelt, ist eine Cura posterior. 

Wer diesen Analogiebeweis ablehnt, dem bleibt nichts anderes 
übrig, als sich auf den Standpunkt zu stellen, den Lubarsch ein- 
nimmt, d.h. in solchen Fällen, in denen sich eine wirkliche, organische 
Todesursache nicht feststellen läßt, sich mit dem Befund einer 
großen Thymus zufrieden zu geben, denn es sei immer noch besser 
— sagt Lubarsch — eine Unkenntnis einzugestehen, als mit 
einer ungenügend begründeten Annahme weiter zu arbeiten. 

Man kennt noch eine dritte Partialfunktion der Thymus- 
driise, die lymphoexcitatorische. Wenn man ein mikroskopi- 
sches Präparat der normalen Thymus ansieht, so haftet der Blick 
— abgesehen vielleicht von den eigenartigen Gebilden der Hassal- 
schen Körperchen — an der Unzahl von Lymphocyten. Von den 
epithelialen Reticulumzellen sieht man im allgemeinen nichts, man 
sieht nur Lymphocyten. Angesichts dessen kommt einem sofort die 
Frage: Was haben diese Unmengen von Lymphocyten zu besagen ; 
stehen sie in irgendeiner Beziehung zur Funktion der Thymus? 

Das Bemerkenswerteste ist, daß sich in solchen Fällen, in denen 
die Thymusdrüse hyperplastisch ist, auch im Blut wie in den 
Geweben eine Lymphocytenvermehrung findet. Man hat ja über- 
haupt den verhältnismäßig hohen Lymphocytengehalt des kind- 
lichen Blutes mit dem Vorhandensein der funktionierenden Thymus 
in Zusammenhang gebracht, und man findet nun bei hyperplastischer 
Thymusdrüse nicht nur eine noch weitere Erhöhung der Lympho- 
cytenzahl des Blutes, sondern es läßt sich auch durch Einspritzung 
von Thymusextrakt, z.B. von Thymoglandol, die Lymphocytose 
des Blutes noch weiter hinauftreiben. Weiter hat man bei hyper- 
plastischer Thymusdrüse auch im Gewebe, im Herzfleisch, im Gehirn, 
in den Muskeln, kurz überall Iymphocytäre Infiltrate gefunden. 
Daß sie mit der Thymusdrüse etwas zu tun haben, ergibt sich daraus, 
daß man sie außer beim Status thym. lymph. auch bei anderen 
mit Thymushyperplasie einhergehenden Krankheiten gefunden hat, 
so bei der sog. Myasthenia gravis, jener eigentümlichen Erkrankung, 
die dem Kinderarzt etwas fern liegt, bei der sich auch häufig ein 
Thymustumor findet. 

Diese Iymphocytären Infiltrate haben in den letzten Jahren eine 
größere Rolle in der pädiatrischen Literatur gespielt. Man hat sie 
teils als Metastasen, also als in die Organe verschleppte Lympho- 
cyten angesehen, teils hat man sie für entzündliche Herde 
erklärt. Auch das ist möglich. Sehen wir doch, daß Kinder mit 


22° 


340 Birk. Heft 4 


hoher Blutlymphocytose nicht selten bei Infektionen an Stelle der 
sonst üblichen neutrophilen Leukocytose eine Iymphatische Reaktion 
zeigen. Es gibt noch eine dritte Erklärung, daß es sich nämlich um 
autochthon entstandene Herde handelt, die unter dem Einfluß 
der Hormonwirkung der Thymus herangewachsen sind (Schminke). 

Im Sinne einer solchen Hormonwirkung sprechen auch die Wechsel- 
‘beziehungen zwischen Ovarien und Thymusdriise. Nimmt man 
Tieren die Ovarien heraus, so stellt sich eine Lymphocytose her. 
Exstirpiert man dagegen die Thymus, so sinkt die Lymphocytenzahl. 
Durch Einspritzung der betr. Organpreßsäfte läßt sich jederzeit 
vorübergehend der normale Zustand wiederherstellen. Die Ovarien 
müssen also einen Stoff produzieren, der die Lymphocytenzahl 
herabsetzt, während die Thymusdrüse einen Stoff liefern muß, der 
die Lymphocytenbildung oder zum mindesten die Lymphocyten- 
ausschwemmung anregt. Man sieht also, daß die Annahme eines 
Iymphoexcitatorischen Hormons sich mit gewissen klinischen Tat- 
sachen durchaus in Einklang bringen läßt. 

Eine ganz andere Vorstellung von der Funktion der Thymus hat 
nun Hammar. Für ihn sind die Hassalschen Körperchen der 
morphologische Ausdruck der Organfunktion, und diese Funktion 
selbst sei eine antitoxische. Die Lymphocyten regten die Bildung 
von Hassalschen Körperchen an, und diese selbst hätten die ge- 
nannte Funktion, zu der es aber noch eines besonderen sensibili- 
sierenden Einflusses von der Schilddrüse her bedürfe. Ham mar 
stützt sich dabei auf alte Versuche von Brieger, Kitasato und 
Wassermann, die angeblich festgestellt haben, daß Bakterien, 
die man auf Thymusextraktnährböden wachsen läßt, ihre Virulenz 
einbüßen. Damit hätten wir dann also noch eine vierte Funktion 
der Thymusdrüse, die allerdings aus dem Rahmen dessen, was man 
sonst als endokrine Leistung eines Organs anzusehen gewohnt ist, 
herausfallen würde. 

Ich will übrigens nicht unerwähnt lassen, daß man auch die Anwesenheit 
der eosinophilen Zellen in der Thymus als einen Ausdruck ihrer inneren Sekre- 
tion angesehen hat. Ich sagte schon einleitend, daß der Befund von eosino- 
philen Zellen in der Umgebung der Hassalschen Körperchen und an der Grenze 
zwischen Mark und Rindenzone als etwas Normales anzusehen sei. Bei Hunger- 
involution, wo die Funktion leidet, schwinden die eosinophilen, bei hyper- 
plastischer Thymus, wo die Funktion abwegig geht, sind sie verringert. Viel- 
leicht haben sie also etwas mit der Funktion zu tun. 

Zum Schluß möchte ich nochmal — der Vollständigkeit halber — 
daran erinnern, was ich an verschiedenen Stellen schon nebenbei 
erwähnt habe, daß nämlich für die Thymusdrüse genau dasselbe 


Heft 4 Thymusdröse. 341 


gilt wie für die anderen Drüsen, daß es sich bei etwaigen Störungen 
ihrer Funktion nicht um eine isolierte, rein thymogene, also mono- 
glanduläre Störung, sondern in der Regel um eine polyglanduläre 
Störung handelt, auch dann, wenn die Thymus sich in ausgesproche- 
nem Maße in den Vordergrund schiebt. Ich erwähnte schon die 
Beziehungen der Thymus zu den Keimdrüsen, zu den Nebennieren, 
zur Schilddrüse, zu den Epithelkörperchen, Beziehungen, die man 
teils als gegenseitige Förderung, teils als Hemmung auffaßt, und die 
äußerlich darin zum Ausdruck kommen, daß ein großer Teil der 
endokrinen Erkrankungen von einer Thymushyperplasie begleitet 
ist. Diese klinischen Tatsachen sind ja bekannt, sie spielen bei 
Kindern noch keine große Rolle, und ich kann deshalb darüber hin- 
weggehen, um so mehr, als wir noch gar keine Erklärung dafür 
haben, was in solchen Fällen, die den Kinderarzt nun wirklich 
interessieren, wie zum Beispiel die Fälle von Thymushyperplasie 
mit gleichzeitiger Schilddrüsenhyperplasie und Herzvergrößerung 
beim Neugeborenen — was da die primäre Störung ist. 


Das sind die Tatsachen und Theorien über die innere Sekretion 
der Thymusdrüse. Man wird vielleicht sagen: Wenig Tatsachen 
und viel Theorien. Aber wo die Tatsachen fehlen, müssen uns eben 
noch die Theorien helfen, natürlich Theorien, die was wert sind und 
als Arbeitshypothesen richtunggebend sind, die uns den Weg weisen, 
um zu den Tatsachen zu kommen. 

Wenn man von diesem Gesichtspunkt aus die Theorien gelten 
läßt und die Frage der inneren Sekretion der Thymus betrachtet, 
so wird man gestehen müssen, daß sich ihre Funktion heute doch 
schon ganz anders abzeichnet, als wie es vor Io oder 15 Jahren 
der Fall war. 


Diskussion. 


Herr Rietschel: Die Iymphocytäre Reaktion ist ein so häufiges Symptonı 
beim Säugling, daß ihr diagnostischer Wert sinkt, sodann frage ich: Wie 
diagnostiziert man klinisch einen Status thymico-Iymphaticus? Ich halte das 
für unmöglich. 


Herr Goeppert: Die Literatur über die Klinik der Hypertrophien der 
Thymus leidet unter der ungenügenden Feststellung, was ‚„pathologisch‘ ist. 
Die große Thymus wie die ‚markige Infiltration“ der- Mesenterialdrüsen 
und Peyerschen Plaques ist eine Funktion des Mastzustandes jedes durch- 
schnittlichen Ernährungszustandes. Dieselben Erscheinungen wie bei Thymus- 
bzw. Schilddrüsenfütterung finden wir, wenn wir Kaulquappen, besonders 


342 Birk: Diskussion. Heft 4 


aber Larven des Feuersalamanders beobachten: Wärme und schlechte Nahrung 
ergibt frühzeitige Metamorphose des kleinen Tieres, Kälte bei zureichender 
Nahrung (kalte Quelle) führt zur Verspätung der Metamorphose bei Riesen- 
wuchs der Larve. 


Herr Mautner: Sehr viele führende pathologische Anatomen stehen auf 
dem Standpunkt, daß die Thymus im Verlauf der Krankheiten kleiner wird 
und bei plötzlichen Todesfällen nur deswegen so oft sehr groß gefunden wird, 
weil dies eben der Normalzustand sei und für die Atrophie keine Zeit war. 
Zur Frage Thymus und Morb. Basedow ist von Interesse, daß Liebesny 
Basedowiker durch Thymusverfütterung heilt. 


Herr Kleinschmidt demonstriert Diapositive von Herzschnitten, aus 
denen hervorgeht, daß diffuse Lymphocyteninfiltration stärksten Grades 
beim Status thymico-Iymphaticus vorkommt, ohne daß irgendein Anhalts- 
punkt für überstandene oder noch vorhandene Infektion gegeben ist. Die 
Infiltrationen sind im übrigen von sehr wechselnder Ausdehnung und keines- 
wegs in jedem Falle vorhanden. Es sind aber auch makroskopisch nicht bei 
jedem Todesfall durch Status thymico-lymphaticus Herzveranderungen nach- 
weisbar. 


Herr v. Siegert: Die auch von mir angegebene Tatsache des plötzlichen 
Thymustodes ohne jede mechanische Ursache (Thymusdruck), s. Z. von Birk 
abgelehnt, wird jetzt von ihm anerkannt. Die ebenfalls mir gegenüber von 
ihm abgelehnte Verkleinerung der hyperplastischen Thymus durch Tiefen- 
bestrahlung erscheint also gerechtfertigt. Die exakte Beobachtung von zahl- 
reichen Fällen des plötzlichen Todes, der durch die Sektion sich als Thymus- 
tod erweist, steht fest. Prophylaktische Verkleinerung in Verbindung mit 
geeigneter Ernährung bleibt nicht nur berechtigt bei Geschwistern von am 
Thymustod gestorbenen Kindern. Sie ist so wirksam wie unschädlich. 

Herrn Rietschel kann ich nur darauf hinweisen, daß die Radiographie 
unabhängig vom Verdauungsstadium der betreffenden äußerlich und klinisch 
verdächtigen Kinder den einwandfreien Nachweis sowohl des Thymustumors 
wie seiner Dauerbeseitigung durch Tiefenbestrahlung erlaubt. In jedem Fall 
von Thymustod in einer Familie sollte bei weiteren Kindern das Verhalten 
der Thymus ärztlich beachtet werden. 


Herr Birk (Schlußwort) bestätigt Herrn Rietschel, daß die klinische 
Diagnose des Stat. thym. Iymphat. ebenso schwer sei, wie die der einfachen 
Thymushyperplasie leicht sei. Herrn Siegert gegenüber erinnert er daran, 
daß er ja selbst eine größere Anzahl von Fällen mit hyperplastischer Thymus- 
drüse, bei denen durch Röntgentiefenbestrahlung eine Verkleinerung erzielt 
worden sei, veröffentlicht habe. 


Nebenniere. 
Herr Prof. Dr. Erwin Thomas, Köln-I.indenburg. 


Meine Herren! Für das Verständnis der Nebennierenfunktion ist 
die Kenntnis der eigenartigen Entwicklungsgeschichte des Organs 
von großer Wichtigkeit. Es ist aus 2 Teilen, aus der Rinde, welche 
dem mittleren, und aus dem Mark, welches dem äußeren Keimblatt 
entstammt, also aus 2 Teilen von ganz verschiedener Entstehung 
zusammengesetzt. Bei den niederen Wirbeltieren, bei den Selachiern 
und Teleostiern sind, diese beiden Teile noch räumlich getrennt, 
man unterscheidet da einen der Rinde entsprechenden Interenal- 
und einen dem Mark entsprechenden Suprarenal-Körper. Schon bei 
den Amphibien findet eine teilweise Aneinanderlagerung beider 
Systeme statt, bei den Reptilien und Vögeln wird die Verbindung 
eine noch engere, und bei den Säugetieren kommt es zu einer 
völligen Vereinigung, indem das zentralgelegene Mark von der 
Rinde umschlossen wird. Hier wird nuninder Entwicklungdes 
Einzelindividuums die Stammesgeschichte wiederholt. 
Beim Menschen treten etwa in der 5. Fötalwoche an die Rinden- 
anlage von dem embryonalen Bauchsympathicus her Stränge und 
Haufen von kleinen, runden, ähnlich wie Lymphocyten aussehende 
Sympathicusbildungszellen heran, durchbrechen die Reihen der 
Rindenzellen und durchwandern so das Organ, bis sie im Zentrum 
angelangt sind. Dort bilden sie eine embryonale Markanlage, 
die sich nur sehr langsam weiterentwickelt. So haben wir gegen 
das Ende der Fötalzeit beim Menschen eine ziemlich große, fast nur 
aus Rindensubstanz bestehende Nebenniere vor uns, in deren Zen- 
trum die Sympathicusbildungszellen zu typischen Markzellen aus- 
reifen, indem sie allmählich die Fähigkeit erlangen, mit Chrom- 
gemischen sich braun zu färben, also chromaffin zu werden und 
Adrenalin zu produzieren. Das Organ besteht also beim neugeborenen 
Menschen fast nur aus Rindensubstanz; die teilweise noch unreife 
Marksubstanz ist zu unbedeutend, um makroskopisch erkennbar zu 
sein. Nun kommt es zu einer sehr merkwürdigen Umwandlung. 


344 Thomas. Heft 4 


Wie im Jahre 1910 gefunden wurde (1), geht die ganze zentrale 
Schicht der Nebenniere, soweit sie aus Rinde besteht, im Lauf des 
ersten Lebensjahres zugrunde, und ihre Stelle wird von dem sich 
entwickelnden und ausbreitenden Mark eingenommen, so da8 wr 
nach AbschluB des ersten Lebensjahres in groBen Ziigen das Bild 
des fertigen Organs vor uns haben. 

Nicht alle Sympathicusbildungszellen sind indessen in 
topographische Beziehung zu der Rinde getreten. Ein Teil der- 
selben bleibt selbstandig und entwickelt sich schon ziemlich frih 
zu chromaffinem Gewebe. Es handelt sich im wesentlichen um 
Körperchen, die an der Bauchaorta liegen und alssog.Zuckerkandl- 
scher Nebenkörper beschrieben sind, um die Karotisdrüse usw.; 
aber es gibt auch Teile der Rindensubstanz, die isoliert 
auftreten. — Verschiedene Vorgänge bewirken eine Abtrennung 
von Teilen der Rindensubstanz beim Embryo. Beim Herabsteigen 
der Geschlechtsdrüsen werden sie in die Genitalregion verschleppt 
und bilden die sog. Marchandschen Nebennieren, rundliche 
Körperchen vom Bau der Nebennierenrinde von 1—3 mm Durch- 
messer bei Neugeborenen und Kindern, von Marchand zunächst 
im breiten Mutterband in der Nähe des Eierstockes beschrieben. 
Bei ihnen ist im Gegensatz zu den selbständigen chromaffinen Ge- 
bilden eine weitgehende Fähigkeit zu vikariierender 
Hypertrophie nachgewiesen, wenn das Hauptorgan durch irgend- 
welche Prozesse zerstört wird. 

Wir haben also beim Neugeborenen außer dem Hauptorgan 
noch selbständige, aus Mark- oder aus Rindensubstanz bestehende 
Körperchen. Die ersteren werden mit dem Mark der Nebenniere 
zusammen als chromaffines System zusammengefaßt. Indessen 
ist es sehr zweifelhaft, ob sie wirklich untereinander und namentlich 
der Marksubstanz gleichzuachten sind. Die Nebennierenrinde 
und die versprengten Rindenkeime werden unter der Bezeichnung 
Interenal-System zusammengefaßt. Ihre Fähigkeit zu vika- 
riierender Hypertrophie zeigt an, daß sie funktionell sich in vieler 
Beziehung, vielleicht auch ganz, vertreten können. Während 
nun das Hauptorgan im Lauf des ersten Lebensjahres tiefgreifende 
Veränderungen erleidet, verfallen die beiderlei selbständigen 
Körperchen im ersten Lebensjahr einer weitgehenden Reduktion, 
so daß das Übergewicht der in der Nebenniere repräsentierten Rinden- 
und chromaffinen Substanz sich noch vergrößert. 

Der Untergang der zentralen Rindenschicht und die Reifung des 
Markes geht bei Anencephalen und Hemicephalen schon 


Heft 4 Nebenniere. 345 


intrauterin vor sich. Die Nebenniere eines Anencephalen zeigt 
bei der Geburt das Bild wie bei dem Säugling von 6 Monaten. Sie 
weist auch die verhältnismäßige Kleinheit und die Fältelung der 
Oberfläche auf, wie sie für dieses Alter charakteristisch ist. Die 
Beziehungen zwischen Gehirn und Nebenniere gehören zu den be- 
rühmtesten und ältesten Erkenntnissen der Pathologie. Während 
z.B. von Alexander (2) angenommen wurde, daß das Zurück- 
bleiben der Gehirnentwicklung durch eine zu geringe Lipoidproduk- 
tion der Nebenniere bedingt sei, ist jetzt die ursprüngliche Ansicht 
von Zander (3) durchaus anerkannt, daß das Primäre die Gehirn- 
mißbildung sei. Das Wachstum der Nebenniere geht nur dann 
ın normaler Weise vor sich, wenn das Großhirn, und zwar an- 
scheinend die vorderen Partien, intakt sind. In welcher Weise 
wir uns die Einwirkung des Gehirns auf das Wachstum der Neben- 
niere vorzustellen haben, ist gänzlich unklar. Es handelt sich um 
einen ausgesprochenen formativen Reiz, der vom Gehirn aus- 
geübt wird. Es soll hier an Versuche A. Czernys (30) erinnert 
werden, welcher bei Injektionsversuchen Lymphverbindungen 
zwischen Gehirn und Nebenniere finden konnte. Ist der Defekt des 
Gehirns vorhanden, so vollziehen sich die Umbauvorgänge, die wir 
sonst beim Säugling beobachten, schon vor der Geburt (4). Spätere 
Veränderungen des Gehirns scheinen ohne Einfluß auf die Neben- 
nierenentwicklung zu sein. Im übrigen dürfte die Nebenniere ein ge- 
eignetes Objekt sein für Einzelstudien über Entwicklungsgeschwindig- 
keit. Die Entwicklung der Nebenniere ist zeitlich viel besser markiert 
als die Entwicklung anderer Organe, z. B. der Schilddrüse. 

Die Nebennierenrinde hat auch ausgesprochene Beziehungen 
zur Entwicklung der Geschlechtsorgane. Das ergeben nicht 
nur experimentelle Untersuchungen von Raineri, Schenk, Kol- 
mer (5), Leupold u.a., sondern auch klinische und pathologische 
Beobachtungen. In weitaus den meisten Fällen finden wir eine 
Hypertrophie der Rinde zusammen mit einer Maskulinisierung 
weiblicher Individuen. Es handelt sich zweifellos um eine 
Hyperfunktion der Rindenelemente, auch Tumoren mit dem Bau 
der Nebennierenrinde können vorhanden sein, während z.B. die 
Sarkome, der spezifschen Zellen entbehrend, einen solchen Zu- 
sammenhang durchaus vermissen lassen. Aber auch unter den 
Tumoren, z.B. den Hypernephromen, die mit Vermehrung des 
Rindenparenchyms einhergehen, ist nur eine kleine Zahl, die ihn 
zeigen, und man kann es einem solchen Tumor mikroskopisch nicht 
ansehen, ob er die oben genannten besonderen Beziehungen auf- 


ee eee y 


346 Thomas, Heft 4 


gewiesen hat. Die Rindenhypertrophie oder der Tumor 
kann angeboren sein, und zwar scheint die Hypertrophie der 
Nebennieren gegen Ende der Fötalzeit zu entstanden, wie A pert (6) 
angibt, der eine eingehende Darstellung dieser Verhältnisse geliefert 
hat. Die Maßgebende ist in allen kindlichen Fällen eine Hyper- 
trophie der Klitoris und eine vorzeitige Schambehaarung. 
Im späteren Kindesalter kann auch eine übermäßige körperliche 
Entwicklung deutlich sein. Dabei ist, wie Neurath (6) hervorhebt, 
die Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale beschleunigt, 
ohne daß eine Keimzellensekretion mit Sicherheit anzunehmen 
ist. Es ist nichts Erstaunliches, daß das Auftreten männlicher se- 
kundärer Geschlechtscharaktere nicht mit einer vorzeitigen Ent- 
wicklung weiblicher Geschlechtszellen einhergeht, wissen wir ja, 
daß das Auftreten von solchen Rindenhypertrophien in der 
Periode der Sexualität außer zur Behaarung und Bartbildung zu 
einem Aufhören der Menses führt. Der außerordentlich großen 
Zahl von Fällen des Auftretens männlicher sekundärer Geschlechts- 
merkmale bei weiblichen Individuen stehen nur zwei Ausnahmen 
gegenüber: ein Fall von Bittorf: Feminisierung eines männlicheh 
Individuums, und ein Fall von Linser (7) - Dietrich: Frühreife 
und vorzeitige Körperentwicklung bei einem Knaben. Diese beiden 
Fälle zeigen, daß wir von einem Glied in dem Zusammenhang noch 
keine Kenntnisse haben. Apert hat diese starke Behaarung als 
das Hauptkennzeichen der Rindenhyperplasie aufgefaßt und sie als 
Hirsutismus bezeichnet, während die verringerte Ausbildung der 
Rinde eine Hypoepinephrie zur Progeria führe, welche durch 
harte Haut, Fettschwund, zurückgebliebene körperliche Entwick- 
lung, Hypotrichosis gekennzeichnet sei. 

Nach diesen mehr formativen Beziehungen kommen wir zu einer 
andersartigen Funktion der Nebennierenrinde, zur entgiftenden. 
Es gibt allerdings kein innersekretorisches Organ, dem nicht eine 
besondere entgiftende Funktion zugeschrieben worden wäre. Bei 
keinem aber ist diese Ansicht begründeter wie bei der Nebenniere. 
Unsere Kenntnisse übereine derartige Funktion der Neben- 
nierenrinde gingen aus von den Veränderungen, welche an den 
Nebennieren bei Infektionskrankheiten beobachtet wurden (1). 
Seitdem Behring, Roux und Xersin, Simon Flexner u.a. 
auf die außerordentliche Hyperämie des Organs und andere zellu- 
läre Veränderungen bei der Diphtherie-Infektion und -Intoxikation 
des Meerschweins aufmerksam gemacht haben, versuchte eine sehr 
umfangreiche Literatur für alle möglichen Infektionen und Intoxi- 


Heft 4 Nebenniere. 347 


kationen den Beweis einer Nebennierenschädigung zu erbringen. 
Letztere zeigt zu gleicher Zeit an, daß das Organ eine Stätte des 
Kampfes ist zwischen dem eingedrungenen Virus und den an Ort 
und Stelle besonders reichlich vorhandenen Abwehrkräften des 
Organismus. Während die Schädigung der Meerschweinchenneben- 
nieren so konstant sind und die Blutüberfüllung so deutlich, daß 
dieser Umstand beim Meerschweinchen als Test einer erfolg- 
reichen Infektion gilt, sind die Veränderungen beim Kind nicht 
immer so ausgesprochen. Doch können wir annehmen, daß in 
einem Viertel der Fälle Blutungen und so schwere degenerative 
Veränderungen der lebenswichtigen Rindensubstanz vorhanden sind, 
daß sie als Todesursache in Betracht kommen, daß ferner auch 
in den andern Fällen mehr oder minder erhebliche Veränderungen 
deutlich sind (I). Beträchtlich sind dieselben auch bei Scharlach 
und bei septischen Infektionen. Die Blutungen sind hier unbe- 
trachtlich,:im Vordergrund steht ein entzündliches Ödem der Rinden- 
substanz. Bei Scharlach und bei septischen Infektionen tritt die 
vakuoläre Degeneration, welche für Diphtherie charakteristisch 
ist, zurück gegenüber dem Ödem mit ausgesprochenen reaktiven 
Veränderungen am Gefäßbindegewebeapparat (I). Diese 
Veränderungen beim Scharlach usw., welche hauptsächlich auch 
von französischen Autoren hervorgehoben worden sind, erreichen 
nur selten die Intensität der Schädigung bei Diphtherie, ebenso 
wie diejenigen, welche bei anderen Infektionskrankheiten beobachtet 
worden sind (I). Wir werden bei der Besprechung des Neben- 
nierenausfalls noch darauf zurückkommen. Es möge hier nur 
kurz hervorgehoben werden, daß sie nur dann in genügendem Um- 
fang hervortreten, wenn sie an feinen Paraffinschnitten mit 
einwandfreier Methode studiert werden. 

Nicht nur diese degenerativen und reaktiven Veränderungen 
spielen sich bei Infektionskrankheiten in der Nebennierenrinde ab, 
sondern auch Veränderungen in dem wichtigsten und charakteristi- 
schen Bestandteilen der Rindenzellen, dem Lipoid (18). Nach Biedl 
besteht ein Drittel der gesamten Trockensubstanz des Organs 
aus Fetten und Lipoiden, schon in den Fötalmonaten ist der Gehalt 
ein beträchtlicher, aber wechselnder (Beumer [39]). Die Unter- 
suchungen der letzten 15 Jahre haben zu einer Aufklärung über 
die Natur ‘dieser Stoffe in vieler Hinsicht geführt, insbesondere 
haben Untersuchungen der Wiener Forscher sowie ganz beson- 
ders der Freiburger und der Münchener Schule aufklärend 
gewirkt. Die Ergebnisse, welche heute zu verzeichnen sind, ver- 


348 Thomas. Heft 4 


danken wir einer Zusammenarbeit chemischer und histologisch- 
chemischer Untersuchungsmethoden. Während lange Zeit 
das Adrenalin als der alleinige Repräsentant der Nebenniere bekannt 
war, sind erst neuerdings die fettähnlichen Stoffe in den Vorder- 
grund getreten, nachdem schon 1902 Kaiserling und Orgler 
das Auftreten doppeltbrechender Substanz in der Nebenniere nach- 
gewiesen hatten. Ich möchte deshalb etwas näher auf dieselben 
eingehen. 

Wir finden in den Nebennieren normalerweise, wenn wir einer 
Einteilung von Aschoff folgen wollen, einmal die Neutralfette 
undFettsäuren. Alszweiten Bestandteil dasdoppeltbrechende 
Cholesterin und seine Ester. Als dritten schließlich noch eine 
große Anzahl anderer nicht doppeltbrechender fettähn- 
licher Stoffe, Phosphatide, Cerebroside usw., die wir im folgenden 
als Lipoide im engeren Sinn bezeichnen wollen (8). 

Von diesen Bestandteilen hat das Cholesterin in erster Linie 
die Aufmerksamkeit erregt. Es tritt in der Nebenniere in beträcht- 
lichen Mengen auf, und zwar in zwei Formen. Einmal als reines, 
freies Cholesterin und dann als Cholesterinfettsäureester. 
Das freie Cholesterin ist verhältnismäßig stabil, während die Chol- 
esterinester außerordentlich wechseln. Nach Wacker und Hueck (o) 
können die Ester um das fünf- bis siebenfache steigen oder 
um ebensoviel abnehmen unter pathologischen Umständen. Die 
Nebennierenrinde hat, wie nunmehr von den meisten Autoren an- 
genommen wird, zunächst einmal die Fähigkeit der Stapelung 
des Cholesterin, wenigstens der Ester. Diese Tatsache, zuerst 
von Krylow (Io) festgestellt, ist seither von zahlreichen Nach- 
untersuchern bestätigt worden. Auf gesteigerte Zufuhr reagiert 
beim Kaninchen das Organ mit Massenzunahme. Zuerst werden 
die ausgereiften Zellen der mittleren Rindenschicht damit überladen, 
gleichzeitig aber geraten die Zellen der äußersten Schicht, die als 
embryonale, als Wachstumschicht zu bezeichnen ist, in beschleunigte 
Teilung, sie beladen sich rasch mit doppeltbrechenden Fetten und 
zeigen, daß es die Aufgabe der Nebennierenrinde ist, für 
eine rasche Stapelung des großen Cholesterinangebotes 
zu sorgen. Erst wenn zahlreiche Zellen der äußeren Keimschicht 
nicht mehr zu folgen vermögen, kommt es zu einer Beladung der 
anderen Organe. Nur die Endothelien des Knochenmarkes scheinen 
frühzeitig bei der Aufnahme des Cholesterins mitzuwirken. Die 
maßgebenden Versuche sind am Kaninchen gemacht, an 
Pflanzenfressern, und es fragt sich, ob man die Verhältnisse beim 


Heft 4 Nebenniere. 349 


Menschen und bei anderen Tieren damit vergleichen kann. In der 
Tat zeigten Weltmann und Biach (11), daB sich die Hyperchol- 
esterinämie, welche bei Einbringung von größeren Mengen Cholesterin 
folgt, beim fleischfressenden Tier nur unvollkommen und 
vorübergehend erzeugen läßt. Während die Herbivoren nicht die 
Fähigkeit besäßen, zu viel zugeführtes Cholesterin mit der Galle 
auszuscheiden, sollten die Carnivoren sich der großen Mengen leicht 
entledigen können. Nach neueren Untersuchungen von Verse& (I2) 
und Rotschild (13) ist hier aber nicht ein prinzipieller, sondern 
nur ein gradueller Unterschied vorhanden. Dafür, daß die Ver- 
hältnisse beim Menschen den Speicherungsversuchen am Kaninchen 
gleichen können, sprechen Untersuchungen über die Schwanger- 
schaftsnebenniere (31). In den letzten Monaten der Schwanger- 
schaft kommt es zu einer Hypercholesterinämie, vielleicht 
durch Abdichtung des Leberfilters. Das zurückgehaltene Cholesterin 
wird größtenteils in die Nebennieren eingelagert, gleichzeitig 
sehen wir auch in der äußeren Schicht, der Keimschicht, lebhafte 
Vermehrungsvorgänge der Zellen, die sich mit Cholesterin beladen. 
Wir haben hier also eine ziemlich genaue Wiederholung des oben 
angeführten Fütterungsexperimentes beim Kaninchen. Auch bei 
der Addisonschen Krankheit wurde öfters ein vermehrter 
Cholesteringehalt gefunden: die Nebennierenrinde konnte ihrer 
Funktion als Depotorgan nicht mehr nachkommen. Es ist also 
ein Vergleich der Verhältnisse beim Menschen und beim 
Kaninchen sicher bis zu einem gewissen Grade möglich. 

Welche Wirkungen sind nun dem Cholesterin, welches 
in der Nebenniere besonders aufgestapelt wird, zuzu- 
schreiben? Am bekanntesten ist wohl die antitoxische. Seit 
Ransom wissen wir, daß die hämolytische Wirkung des 
Saponins durch Cholesterin aufgehoben wird, und zwar entsteht 
die neutralisierende Wirkung durch Bildung einer inaktiven Doppel- 
verbindung zwischen dem Cholesterin und dem Saponin. Für eine 
Anzahl anderer Gifte ist das ebenfalls erwiesen. Diese Wirkung 
geht aber nur von dem freien Cholesterin aus, während wir doch 
gerade auf Grund der außerordentlichen Schwankungen, welche 
die Ester in der Nebenniere bei Infektionskrankheiten aufweisen, 
in erster Linie an eine besondere Rolle der Ester denken müssen. 
Diese scheint also keine rein chemische zu sein. Bei perakuten 
Infektionen wird eine Vermehrung der Cholesterinester in 
der Nebenniere gefunden (Dietrich). Offenbar reißt das Organ 
rasch die vorhandenen Mengen von Cholesterinestern an sich. Aber 


- — _— Lu. 


350 Thomas. Heft 4 


bei längerdauernden septischen und konsumierenden 
Prozessen kommt es zu einer Verarmung des Organs an diesen 
Stoffen, aber nicht stets, wie auch Beumer (I4) bei kachektischer 
Phthise mitunter keine Verringerung des Cholesterins beobachten 
konnte. Kawamura (8) fand bei septischen Prozessen und 
bei Intoxikation der Säuglinge eine Verminderung der doppelt- 
brechenden Substanz. Im übrigen hat schon Traina gezeigt, daß 
Inanition diese Stoffe wenig beeinflußt, ebenso wie auch bei 
chronischen schweren Ernährungsstörungen der Säuglinge normaler 
Cholesteringehalt der Nebenniere angegeben wird. Rotschild 
fand bei Inanition im Tierversuch nicht nur im Blut, sondern 
auch in den Nebennieren und in der Galle vermehrtes Cholesterin. 
Dies kann man wohl nur so erklären, daß bei dem Abbau 
des Neutralfettes zu energetischen Zwecken ziemlich viel Cho- 
lesterin frei wird, denn das Cholesterin findet sich stets in mehr 
oder minder großen Mengen und in mehr oder minder fester 
Bindung auch in den allgemeinen Fettdepots mit den 
Neutralfetten zusammen. Bei allen konsumierenden Krankheiten 
muß man an diese Möglichkeit des Erscheinens von Cholesterin 
denken. Inanition vermehrt also das Cholesterin in der Nebenniere, 
septische Prozesse aber belegen das Cholesterin mit Beschlag, welches 
aus den einschmelzenden Fettdepots frei wird. So könnten wir uns 
diesen Widerspruch erklären. Von Wichtigkeit ist es jeweils, welches 
Moment überwiegt. 

Ein günstiger Einfluß von Cholesterinfütterung bei 
verschiedenen Infektionen ist im Tierversuch festgestellt worden 
(Leupold und Bogendörfer[15]). Von anderer Seite (Hacker, 
Beck) wurde eine vermehrte Resistenz bei Säuglingen angenommen, 
die Cholesterin erhalten hatten. Danach mußten Zustände, die mit 
einer Anhäufung von Cholesterin im Blut und in den Neben- 
nieren einhergehen, zu einer vermehrten Abwehrkraft gegen 
Infektionen führen, so z. B. die Schwangerschaft, die Arteriosklerose, 
manche Lebererkrankungen, die meisten chronischen Nierenerkran- 
kungen. Das ist doch unwahrscheinlich. Nicht die einfache An- 
wesenheit oder Speicherung dieser Stoffe kann von Bedeutung sein, 
sondern die Fähigkeit der lebenden Zelle zu ihrer spezifischen Ver- 
arbeitung und Verwertung. 

Von einer gewissen Bedeutung scheint die Nebenniere auch für 
den Stoffwechsel der Vitamine zu sein. Nicht daß das Cholesterin 
gleichzeitig der Repräsentant des Vitamins A ist, sondern wir finden 
bei verschiedenen Avitaminosen der Tiere eingreifende Verände- 


Heft 4 Nebenniere. 351 


rungen in den Nebennieren. Bei Meerschweinchenskorbut kommt 
es, wie MacCarrison (16) zuerst festgestellt hat, zu einer Ver- 
größerung der Drüse, hämorrhagischer Infarzierung, Atrophie der 
Driisenelemente. Auch bei der Tauben-Beriberi kommen nach 
diesem Autor ähnliche Veränderungen der Nebenniere vor. Die 
Befunde sind von mehreren Autoren bestätigt, zuletzt von Iwa- 
buchi (17). Leider sind noch keine Nebennierenuntersuchungen 
bei menschlichen Avitaminosen, namentlich bei Möller- 
Barlowscher Krankheit, gemacht worden. 

Übrigens ist die Nebennierenrinde nicht der einzige Ort der 
Cholesterinspeicherung, das muß kurz erwähnt werden, denn aus 
diesem Umstand sind vielleicht manche Verschiedenheiten in den 
Untersuchungsergebnissen zu erklären. Zweifellos sehr früh beladen 
sich bei Hypercholesterinämie die Retikuloendothelien des 
Knochenmarks mit doppeltbrechenden Stoffen, später, bei noch 
größerem Angebot, der gesamte retikulo-endotheliale Stoff- 
wechselapparat. Weiterhin enthält die Thymus, wie schon 
Kaiserling und Orgler (18) nachwiesen, rasch nach der Geburt in 
den ersten Lebensjahren beträchtliche Mengen von doppeltbrechender 
Substanz, ebenso das Corpus luteum der Ovarien und — schlieB- 
lich nicht zuletzt — die akzessorischen Nebennieren. 

Welches ist nun die Rolle der Lipoide im engeren Sinne, 
der Phosphatide, des Kephalins, des Phrenosins, des Protagons usw., 
die ja in der Nebenniere reichlich auftreten, und zwar sehr häufig in 
einer Art lockerer Bindung mit dem Cholesterin und seinen Estern ? 
Wenn auch diese Verhältnisse noch dunkel sind, so kann man doch 
nicht annehmen, daß alle diese Körper in der Nebenniere nur einfach 
als solche abgelagert und dann wieder abtransportiert werden. 
Vielleicht ist die Rolle dieser einzelnen Bestandteile zu starr auf- 
gefaßt worden, und es finden fortwährende Umwandlungen statt. 

Wir können also wohl zweifellos über die Funktion der Neben- 
nierenrinde sagen, daß sie die Aufgabe hat, fettähnliche Körper 
zu speichern und bis zu einem gewissen Grade deren Stoffwechsel 
zu regeln; vielleicht hat sie auch die Fähigkeit einer ziemlich weit- 
gehenden gegenseitigen Umwandlunginnerhalbdereinzelnen 
Gruppen. Bei Infektionen und Intoxikationen kommt ihr eine 
wichtige Funktion zu, wahrscheinlich im Sinne einer Entgiftung. 

Die Repräsentantin der Rinde ist die lipoiderfüllte Zelle, die 
chromaffine Zelle jene des Markes. Diese hat die Eigenschaft, 
bei der Behandlung mit Chromgemischen sich zu braunen, und damit 
steht die Fahigkeit, Adrenalin zu produzieren, in Zusammenhang. 


352 . Thomas. Heft 4 


Die Stärke der Chromreaktion ist, wie zuletzt St6ltzner (19) und 
Ogata (19) gezeigt haben, ungefähr ein Maß des Adrenalingehaltes. 
indem Bichromatlösungen mit Adrenalin einen braunen 
Niederschlag unter Bildung von Chromoxyd (CrO,) geben. Da: 
größte Ansehen als quantitative Methode des Nachweises genießt 
die Bestimmung der vasoconstrictorischen Substanzen mittels 
des Läwen-Trendelenburgschen Froschmuskelpräparates. 
Nachdem O’Connor gefunden hat, daß durch Blutplättchenzerfall 
vasoconstrictorische Substanzen freigemacht werden, bedient man 
sich allgemein des Hirudinplasmas. Mißt man mit dem vaso- 
constrictorischen Effekt desselben den Adrenalingehalt, so findet 
man, daß die meisten direkten Methoden, denselben zu be- 
stimmen, andere Werte liefern. Dies gilt vor allem von vielen 
colorimetrischen. Durch die Verwesungsprozesse an der Leicht 
gehen Abbauprozesse an Adrenalin vor sich, und man findet, daß 
colorimetrisch ein höherer Wert herauskommt als mittels der phar- 
makolog schen Bestimmungsmethoden. | 

Was ist nun bisher mittels der gebrauchlichen histologischen. 
pharmakologischen und chemischen Methoden über quantitativ 
Schwankungen des Adrenalingehaltes gefunden worden? 

Beim menschlichen Foetus und bei der Frühgeburt werden kein: 
blutdrucksteigernden Substanzen und auch kein Adrenalin nach- 
gewiesen. Dies entspricht vollkommen ihrem entwicklungsgeschicht- 
lichen Verhalten. Schmorl und Ingier (21) fanden mittels de 
Commesatischen Methode von der Geburt ab ständig zunehmenden 
Adrenalingehalt. Wenn auch diese Methode am Leichenmatena! 
nicht die genauen Resultate gibt, so können wir doch annehmen. 
daß bei den verhältnismäßig geringen Zersetzungen in Kinderleichen 
die Fehlerquellen jedesmal ungefähr dieselben waren. Samelson 
hat wohl beim Säugling gegenüber dem Erwachsenen eine herab- 
gesetzte vasoconstrictorische Wirkung gefunden, allein keine Zu- 
nahme derselben entsprechend der Größenzunahme und Reifung der 
Marksubstanz. Freilich sind die Versuche von Samelson (21) nicht 
am Plasma sondern am Serum gemacht. 

Standardwerte über den Adrenalingehalt der Kindernebenniert 
sind nicht vorhanden. Schmorl und Ingier (21) fanden den 
Adrenalingehalt im Alter von o—g Jahren zu 1,52 mg, später zu 
4,8 mg. Doch sind diese Werte aus Sektionsmaterial natürlich 
nicht vollkommen zutreffend. 

Bei eitrigen und septischen Infektionen ist ziemlich regelmäßig 
eine herabgesetzte Chromierbarkeit gefunden worden. 


Heft 4 Nebenniere. 353 


Durchaus wechselnd sind die Befunde bei anderen Infektionen 
z. B. bei Diphtherie. Kramer (22) fand bei alimentärer Intoxikation 
und ähnlichen toxischen Zuständen fast immer Adrenalinmangel in 
der Nebenniere, während G. Grimm (23) den vasoconstrictorischen 
Effekt des Hirudinplasmas bei alimentärer Intoxikation mittels der 
Läwen-Trendelenburgschen Methode stets erhöht fand. Von 
anderen Zuständen wurde der Status thymico-lymphaticus auf eine 
Hypoplasie des chromaffinen Systems zurückgeführt. Die Befunde 
von Schmorl und Ingier ergaben einen wechselnden Adrenalin- 
gehalt der Nebenniere. Stöltzner (24) nahm bei Rachitis eine 
verminderte Funktion des Marks der Nebenniere an. Lehnerdt 
und Weinberg (25) haben bei dieser Erkrankung mittels Adrenalin- 
injektion gute Erfolge gehabt. Bei länger dauernden Inanitions- 
zuständen scheint die Adrenalinmenge vermindert zu sein. So hat 
Peiser (26) bei Kriegsunterernährung an Sektionsmaterial zu geringe 
Adrenalinmengen gefunden. 

Das große Gebiet der pharmakologischen Wirkung des Adrenalins, 
der Prüfung des vegetativen Nervensystems, und die Versuche, 
damit beim Kind verschiedene Konstitutionstypen zu unterscheiden, 
würde zu weit führen und soll an dieser Stelle nicht behandelt werden. 

Im vorausgegangenen haben wir uns bemüht, im Hinblick auf die 
Angaben der betreffenden Untersuchungen die Rolle der Rinde 
und des Markes gesondert zu betrachten. Wir treffen aber 
häufig, und zwar besonders in der französischen Literatur, auf die 
Bezeichnung der Nebenniereninsuffizienz. Man hat diese 
Bezeichnung besonders angewandt auf die Nebennierenblutungen 
der Neugeborenen, auf ihre Veränderung bei Infektionskrankheiten 
auf die Addisonsche Krankheit und endlich jene Veränderungen des 
Habitus, die im Gegensatz zum Hirsutismus stehend, als Progeria 
bezeichnet wurden; sie haben weiter oben bereits Erwähnung ge- 
funden. Vermutlich liegt ihr eine reine Rindeninsuffizienz zugrunde. 

Die Nebennierenblutungen bei Neugeborenen befallen in 
erster Linie jene zentrale Schicht der Rinde, welche im Laufe des ersten 
Lebensjahres normalerweise zugrunde geht. Man könnte fast sagen, 
diese Blutungen gehören zum Mechanismus dieses Unterganges, 
indem dadurch eine derartige Schädigung des Parenchyms zustande 
kommt, daß eine Erholung der Zellen nicht mehr möglich ist. An- 
dererseits könnte es möglich sein, daß diese Zentralschicht deshalb 
von Blutungen befallen wird, weil sie minderwertig geworden ist. 
Die jugendlichen Vorstufen der Markzellen, welche in geringer Menge 
im Zentrum angehäuft sind, überstehen allerdings, mit der Wachs- 

Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 23 


354 Thomas. Heft 4 


tumenergie wenig differenzierter oder ganz jugendlicher Zellen be- 
gabt, offenbar größtenteils diese Blutungen, wenn sie nicht allzu 
bedeutend sind. Die Hämorrhagie kann indessen so mächtig 
sein, daß das ganze Organ durch dieselbe bis aufs äußerste gedehnt 
wird, und die schmale Rinde kann sogar gesprengt werden, so daß 
eine Verblutung in das Nierenlager oder in die Bauchhöhle zustande 
kommt. Die in durchschnittlicher Stärke auftretenden Blutungen 
sind natürlich wohl auch nicht ganz gleichgültig. Derjenige Teil der 
Markzellen, welcher schon ausgereift ist, dürfte zweifellos geschädigt 
werden, und so beobachten wir, daß ein Organ, welches eben anfängt 
zu funktionieren, in dieser Beziehung wieder zurückgeworfen wird. 
Ob größere Blutungen, namentlich wenn sie im wesentlichen ein- 
seitig sind, den Tod herbeiführen können, auch wenn es nicht zur 
Sprengung des Organs und innerer Verblutung kommt, ist im Neu- 
geborenenalter zweifelhaft. Einerseits ist die Funktion des Organs 
hier an und für sich wahrscheinlich noch keine bedeutende, an- 
dererseits sind zunächst genügend akzessorische Nebennieren vor- 
handen. Die auf die Vernichtung von Rindensubstanz durch Blu- 
tungen beim Neugeborenen auftretenden Symptome sind zu un- 
bestimmt, als daß man daraufhin eine Diagnose in vivo stellen könnte. 
Ganz besonders ist es ausgeschlossen, daß in diesem Alter und beı 
dieser kurzen Krankheitsdauer Addison-Symptome auftreten können. 

Etwas sicherer ist bei Kindern, die über die ersten Monate hinaus 
sind, die Diagnose einer akuten Nebennierenblutung zu stellen. 
Friedrichsen (27) hat neuerdings eine große Anzahl von Fällen 
zusammengefaßt, und Viktor (28) hat zwei ähnliche Beobachtungen 
hinzugesellt. Gesunde Kinder erkrankten plötzlich mit beunruhigen- 
den Symptomen, vereinzelt mit Krämpfen. Unter sehr starker 
Cyanose kommt es ohne besondere Zeichen von Lungenaffektionen 
zu hyperpyretischen Temperaturen. Alsbald treten purpuraähnliche 
Efflorescenzen auf, und die Krankheit endet in den 24 Stunden 
nach dem Beginn tödlich. Bei der Obduktion werden stets beträcht- 
liche Blutungen in den Nebennieren nachgewiesen. Es ist möglich 
daß in vielen Fällen die Ursache der Nebennierenblutung eine per- 
akute Infektion ist, denn wir wissen ja, wie häufig Blutungen 
bei den Infektionen besonders dieses Alters hervortreten. Das ge- 
schilderte Krankheitsbild tritt am häufigsten auf im Säuglingsalter, 
auch bei Kindern, es befindet sich aber auch unter den eigenen 
Fällen Friedrichsens ein Knabe von 14 Jahren. 

Die Nebenniereninsuffizienz bei Infektionskrank- 
heiten ist oben schon erwähnt worden. Sichere Beweise haben 


Heft 4 Nebenniere. 355 


wir für die Schädigung der Rindensubstanz, aber auch das Mark 
scheint bei manchen schweren Infektionskrankheiten in Mitleiden- 
schaft gezogen zu sein. Es liegt nahe, besonders den Nachlaß des 
Blutdrucks bei Diphtherie auf einen Adrenalinmangel im Blut zu 
beziehen. Die histochemischen Befunde können eine derartige Auf- 
fassung nicht als gesichert erweisen. Das Splanchnicusgebiet steht 
unter der Herrschaft zentraler Regulatoren, und ebensogut könnte 
die Ursache des verringerten Blutdruckes eine unmittelbare Schä- 
digung des Zwischenhirns sein. 

Die bekannteste Form der Nebenniereninsuffizienz ist jene, welche 
durch die Addisonsche Krankheit hervorgerufen ist. Hier bildet 
die Schädigung der Rinde zweifellos das ausschlaggebende Moment, 
aber auch Schädigung des Markes ist nachweisbar. Im Kindesalter 
ist noch wenig über diese Krankheit berichtet worden, doch dürfte 
sie gegen die Pubertät zu ab und zu vorkommen. Leider sind die 
beschriebenen Fälle hauptsächlich in ausländischen Doktordisser- 
tationen aufgezeichnet, so daß sie nicht eingesehen und auf ihre 
Zugehörigkeit geprüft werden konnten. Immerhin ist es merk- 
würdig, daß die Erkrankung im Kindesalter so selten vorkommt. 
Die Tuberkulose dieses Alters hat anscheinend nicht die Neigung, 
die Nebenniere zu befallen. Von Wiesel ist die Addisonsche Krank- 
heit in Zusammenhang gebracht worden mit dem Status lym- 
phaticus. Wir müßten demnach erwarten, daß sie im Kindes- 
alter häufig sei, wo der Prozentsatz der mit dieser Konstitutions- 
anomalie Behafteten noch groß ist. 

Im Eingang haben wir festgestellt, daß Rinde und Mark, bei den 
niederen Wirbeltieren noch räumlich getrennt, in der aufsteigenden 
Tierreihe in immer engere topographische Beziehungen zueinander 
treten. Wir haben festgestellt, daß im Laufe der Ontogenese dieser 
Entwicklungsgang sich wiederholt. Wir sehen also, daß in beider 
Hinsicht Mark- und Rindenbestandteile in immer nähere Be- 
ziehungen zueinander treten. Beim Menschen kommen noch dazu 
die komplizierten Umbauprozesse nach der Geburt. Mit dem Unter- 
gang der zentralen Rindenschicht ist gleichzeitig eine Verkleinerung 
des ganzen Organs verknüpft. Wir haben also die merkwürdige 
Erscheinung, daß die Nebenniere des Neugeborenen viel 
größer ist als die des Säuglings und Kleinkindes. Spricht das nicht 
dafür, daß das Organ beim Foetus eine besonders wichtige Rolle zu 
erfüllen hat? Diese eigenartige Tatsache wird von Alfred Cohn 
auf andere Weise erklärt, nämlich durch den Vorgang der Synkatıno- 
genese. Darunter versteht er jegliche Störung, Abänderung oder 


23° 


356 Thomas. Heft 4 


Beeinflussung des autonomen Entwicklungsganges eines Placentalier- 
keimes, welche durch seine symbiotische Verbindung mit der graviden 
Mutter verursacht wird. In dem starken intrauterinen Wachstum 
der Nebennierenrinde erblickt er eine Beeinflussung durch den 
mütterlichen Organismus und verweist als Analogon auf die Keim- 
drüsen des neugeborenen Pferdes und anderer Organe, die dann 
eine Rückbildung erfahren. 


Mit dem Kleinerwerden des Organs durch den Untergang zentraler | 


Schichten wird das Aussehen der Nebenniere faltig, indem sich die 
äußeren Schichten nur durch starke Faltenbildung dem zentralen 
Schwund anpassen können. Damit wird, wie Landau hervorhebt, 
die Berührungsfläche von Mark und Rinde bedeutend vergrößert 
und dadurch auch die Möglichkeit eines engen Zusammenwirkens 
beider Teile. Diese ist natürlich schon seit langem erörtert worden, 
und man hat nachzuweisen versucht, daß die Rinde irgendeine 
Vorstufe des Adrenalins zubereitet, welches sodann vom Mark 
fertiggestellt wird. Genauere Angaben darüber haben sich indessen 
nicht als stichhaltig erwiesen. Indessen gibt es doch eine Reihe von 
Tatsachen, die einen engen funktionellen Zusammenhang beider 
Teile wahrscheinlich machen. Insbesondere ist es nicht an- 
zunehmen, daß beim Menschen das Mark einfach ein Stück 
des chromaffinen Systems ist, welches nun zufällig allseits von 
Rinde umschlossen ist. Dagegen sprechen zunächst die kom- 
plizierten Mechanismen, welche aufgewendet werden, um die 
fertige Nebenniere zu bilden. Die außerhalb der Nebenniere 
liegenden chromaffinen Komplexe reifen ungleich früher als die 
in:dem Organ liegenden und haben nicht die Fähigkeit der kom- 
pensatorischen Hypertrophie. Das sind gewichtige Unterschiede, 
welche Nebennierenmark und selbständige chromaffine Körperchen 
doch nicht ohne weiteres als gleichwertig erkennen lassen. So ist 
z.B. neuerdings die Karotisdrüse auch funktionell als andersartig er- 
kannt worden (32). Die ganze stammesgeschichtliche und ontogene- 
tische Entwicklung spricht dafür, daß beim Menschen, vielleicht 
auch schon bei dem Menschenaffen, die Schaffung der einheitlichen 
Nebenniere in der ganzen Tendenz des Aufwärtsschreitens liegt. 
Nur der Mensch zeigt den Untergang der zentralen Rindenschicht, 
und dadurch bedingt die faltige Oberfläche der Nebenniere, die eine 
besonders enge Zusammenarbeit beider Teile ermöglicht und die 
mit den Windungen des Gehirns verglichen worden ist. 

Im Sinne einer Zusammenarbeit spricht auch der Umstand, daß 
alle Schädlichkeiten, die das Organ betreffen, offenbar beide 


Heft 4 Nebenniere. 357 


Teile in Mitleidenschaft ziehen, wenn auch in ungleichem Maße. 
Vom Standpunkt der Annahme einer einheitlichen Nebenniere aus, 
ist das frühe Säuglingsalter, sagen wir die ersten 3—4 Monate, die- 
jenige Zeit, in welcher sich die Bildung des einheitlichen Organs 
vollzieht. Es braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden, 
von welcher Wichtigkeit gerade für den Kinderarzt die Klärung 
der Frage einer einheitlichen Nebenniere ist. Die Aufgabe zu- 
künftiger Forschung wird sich etwas verschieben: Bei Zuständen, 
welche eine Veränderung der Adrenalinbildung vermuten lassen, 
müßte besonders auch die Rinde, bei solchen, wo eine Veränderung 


des Lipoids wahrscheinlich ist, auch die Adrenalinbildung unter- 
sucht werden. | 


Literaturverzeichnis. 


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Ferner: | 
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Kinderärzte. Halle 1910. Ferner: Drüsen mit innerer Sekretion 
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baden 1913. (Lit.) 
2. Alexander, Zieglers Beitr. 1892, Bd. 11. 
3. Zander, Zieglers Beitr. 1892, Bd. 7. 
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21. Samelson, Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 3. — Schmorl u. Ingier, 
Manch. med. Wochenschr. 1911, Nr. 19. 
22. Kramer, Monatsschr. f. Kinderheilk. 1918, Bd. 13. 
23. Grimm, Monatsschr. f. Kinderheilk. 1918, Bd. 13. 


358 Thomas: Nebenniere. Heft 4 


24. Stöltzner, Med. Klinik 1908, Nr. 18—22. 

25. Lehnerdt, Weinberg, Münch. med. Wochenschr. 1921, Nr. 44. 
26. Peiser, Med. Klinik 1922, Nr. 19. 

27. Friedrichsen, Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 87. 

28. Viktor, Zeitschr. f. Kinderheilk. 1921, Bd. 30. 

29. Beumer, Monatsschr. f. Kinderheilk. Bd. 19. 

30. Czerny, Zentralbl. f. allgem. Pathol. 1899, Bd. Io. 

31. Sternberg, Zieglers Beitrage Bd. 60. 

2, Aszodi und Paunz, Biochem. Zeitschr. 1923, Bd. 136. 


Diskussion. 


Herr Aron: Die Nebennieren sind, wie der Vortragende betonte, ebenfalls 
durch die Ernährung beeinflußbar;- und zwar nehmen die Nebennieren bei 
Unterernährung und verschiedenen Nährschäden an Gewicht zu. Diese eigen- 
artige Hypertrophie bei allgemeiner Kachexie läßt sich vielleicht durch die 
zwischen den verschiedenen innersekretorischen Organen bestehende Korre- 
lation erklären. Da die meisten Organe mit innerer Sekretion, besonders 
Thyreoidea und Geschlechtsdrüsen bei Nährschäden usw. stark in Gewicht 
abnehmen, so hypertrophieren die Nebennieren ähnlich, wie etwa bei Lähmung 
einer Muskelgruppe die Antagonisten das übrige meist gewinnen. 


Die Schilddriise'). 
Herr Privatdozent Dr. Sehiff, Berlin. 


Meine Damen und Herren! Wenn ich heute dem ehrenvollen Auf- 
trage nachkomme, in diesem Kreise ein Referat über die Schilddrüse 
zu halten, so bin ich mir der Schwierigkeiten, die das Thema mit sich 
bringt, wohl bewußt. Über die innere Sekretion im allgemeinen wie 
auch über die Schilddrüse liegt eine kaum übersehbare Literatur 
vor. Klinik und experimentelle Forschung gehen hierbei nicht den 
gleichen Schritt. Zwischen den beiden den richtigen Mittelweg zu 
finden, ist oft schwer, auch aus dem Grunde, weil wohl kaum ein 
anderes Kapitel der Medizin von fruchtlosen Spekulationen so über- 
schwemmt ist wie das der inneren Sekretion. 

Ich werde mich bei meinen Ausführungen möglichst an die kli- 
nische Beobachtung halten und die experimentellen Erfahrungen 
nur soweit berücksichtigen, als sie uns einen tieferen Einblick in das 
pathologische Geschehen gewähren. — Ich möchte die Schilddrüsen- 
erkrankungen in zwei Gruppen getrennt besprechen, je nachdem, 
ob im klinischem Bilde eine veränderte Tätigkeit der Schilddrüse 
nachweisbar ist oder nicht. 

Die für das Kindesalter wichtigste Sekretionsanomalie ist die 
herabgesetzte oder fehlende Funktion der Schilddrüse. Das klinische 
Bild, das hierbei entsteht, wird als Myxödem bezeichnet. Auf die 
klinischen Erscheinungen einzugehen, ist überflüssig, schon allein 
aus dem Grunde, weil das Krankheitsbild allgemein bekannt ist und 
die Klinik des Myxödems in den letzten Jahren wohl kaum einen 
Fortschritt aufzuweisen hat. Bemerkenswert ist, daß auch bei totaler 
Aplasie der Schilddrüse die Ausfallserscheinungen nicht gleich nach 
der Geburt, sondern erst nach mehreren Wochen klinisch in Er- 
scheinung treten. Man führt dies’darauf zurück, daß der Foetus von 
der Mutter auf placeniarem Wege mit Schilddrüsenstoffen versorgt 
wird. Wenn dies aber so ist, dann kommt man ungezwungen zu 
dem Gedanken, daß die Schilddrüse im fötalen Leben kaum eine 


1) Referat erstattet auf der 34. Versammlung der Deutschen Gesellschaft 
für Kinderheilkunde in Göttingen 1923, 22. Sept. 


360 Schiff. Heft 4 


nennenswerte Rolle spielen diirfte. Leider sind unsere Kenntnisse 
über die Entwicklung der Schilddrüsentätigkeit noch recht mangel- 
haft. Man fand, daß gleich nach der Geburt eine fast vollkommene 
Epitheldesquamation und ein vorübergehendes Schwinden des Kol- 
loids stattfindet. Welche Bedeutung dieser Vorgang hat, ist kaum 
zu verstehen, und Siegert fordert auch noch weitere Nachprüfung 
und Bestätigung dieser Befunde. Tatsache ist, daß die fötale Schild- 
drüse kein Jod enthält, und bemerkenswert die Angabe, daß die kol- 
loid- und jodfreie Schilddrüse neugeborener Kinder im Froschlarven- 
versuch gänzlich unwirksam ist (C. Wegelin und J. Abelin). Ob 
das Schilddrüsenhormon in die Milch übergeht, ist eine Frage, die 
noch nicht mit Sicherheit entschieden ist. Wenn auch manches dafür 
zu sprechen scheint, so muß doch hervorgehoben werden — worauf 
ganz besonders Siegert hingewiesen hat —, daß trotz Ernährung 
an der Brust der gesunden Mutter das Myxödem doch zur Entwick- 
lung gelangt. Es ist demnach anzunehmen, daß das Schilddrüsen- 
hormon entweder gar nicht oder nur in so geringen Mengen in 
die Milch übergeht, daß sie praktisch kaum eine Rolle spielen 
dürften. — | 

Eine besondere Beachtung verdient die Frage des infantilen 
Myxödems. Pineles hat bekanntlich das infantile Myxödem vom — 
Congenitalen getrennt. Das congenitale Myxödem beruht auf einer 
totalen oder nach Thomas auf einer dystopischen Hypoplasie der 
Schilddrüse, während beim infantilen degenerative Vorgänge in der 
bereits fertigen, an normaler Stelle befindlichen Schilddrüse auf- 
treten. Während Pineles das Auftreten des infantilen Myxödems 
in das fünfte Lebensjahr verlegt, vertritt Siegert den Standpunkt, 
daß die Involution der Schilddrüse in jedem Lebensalter, ja sogar 
auch intrauterin erfolgen kann. Ich selbst möchte mich in dieser 
Frage der Ansicht Siegerts anschließen. 

Die Frage, ob angeborenes oder erworbenes Myxödem, glaubte 
man auf röntgenologischem Wege entscheiden zu können. Bekannt- 
lich treten beim Myxödem die Knochenkerne sehr verspätet auf. 
Beim gesunden Kinde sind schon im 4.—5. Lebensmonat die Kerne 
des Capitatum und Hamatum zu sehen. Beim Myxödem sind, wenn 
die Erkrankung frühzeitig eingesetzt hat, auch in den späteren Le- 
bensjahren keine Knochenkerne nachweisbar. Der Befund von 
Knochenkernen in der Handwurzel eines myxödematösen Kindes 
spricht also gegen angeborenes Myxödem, und aus der Zahl der 
Knochenkerne ist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit der Zeit- 
punkt des Einsetzens des Myxödems feststellbar. 


Heft 4 . Die Schilddrüse. 361 


Bis vor kurzem herrschte die Lehre, daß das congenitale Myxödem 
eine Hemmungsmißbildung ist, beruhend auf einer totalen Aplasie 
oder dyspotischen Hypoplasie der Schilddrüse. Die Richtigkeit dieser 
These wurde an der Tagung der pädiatrischen Gesellschaft in Jena 
(1921) von Siegert angezweifelt, und er versuchte den Beweis zu er- 
bringen, daß angeborenes wie infantiles Myxödem ‚‚auf der restlosen 
Involution vor wie nach der Geburt der in der Entwicklung gestörten, 
nachweisbar vorhanden gewesenen Schilddrüsenanlage‘“ beruhen. 

Klinik und Experiment haben eindeutig erwiesen, daß zwischen 
Wachstum und Schilddrüsentätigkeit die engsten Beziehungen be- 
stehen. Daß die Wachstumsvorgänge beim Myxödem des Kindes 
stark gekemmt sind, steht außer Zweifel und ist allgemein bekannt. 
Kinder, die an Myxödem leiden, sind Zwerge. Moro spricht von 
einem neotenischen Charakter des Myxödems. Welche Bedeutung 
die Schilddrüse für das Wachstum hat, ist in interessanten Unter- 
suchungen von Gudernatsch gezeigt worden. Werden Kaul- 
quappen von Fröschen mit Schilddrüse gefüttert, so wird das Wachs- 
tum gehemmt, die Metamorphose aber beschleunigt. Thymusfüt- 
terung hingegen hemmt die Methamorphose und regt das Wachstum 
an. Bemerkenswert ist die Beobachtung von Hart, daß bei Thymus- 
fütterung der Kaulquappen die Schilddrüse atrophiert, und er glaubt 
sowohl die gehemmte Metamorphose wie auch den gesteigerten Was- 
sergehalt, das Myxödem der so behandelten Tiere, hierauf zurück- 
führen zu müssen. Im besten Einklang mit diesen Befunden steht 
die Beobachtung E. Uhlenhuts, daß der Höhlensalamander 
(Typhlomolge rathbuni), der sich nur bis zum Larvenstadium ent- 
wickelt, keine Schilddriise haben soll. Es sei auch hervorgehoben, 
daB die spezifische Schilddriisenwirkung auch durch Schilddriisen- 
hydrolysate hervorgerufen werden kann (Abderhalden und Schiff- 
mann). 

Von den Wachstumsstörungen der Knochen beim Myxödem ist 
insbesondere die verlangsamte Knochenresorption zu erwähnen. 
Hierdurch entsteht gewissermaßen eine Osteosklerose, also ein gegen- 
sätzlicher Vorgang wie bei der Rachitis. Dies erklärt die von Siegert 
betonte Tatsache, daß Myxödem und Rachitis nebeneinander nicht 
vorkommen. Der Nachweis von Rachitis bei einem an Myxödem 
leidenden Kinde spricht also dafür, daß die Schilddrüseninsuffizienz 
bei diesen Kinde erst im einer Zeit einsetzen mußte, in der die Rachitis 
bereits bestand. | 

Von einer ganz besonderen Bedeutung ist die Beeinflussung des 
Nervensystems durch den Fortfall der Schilddriisentatigkeit. Ob es 


` 362 © Schiff. Heft 4 


„sich hierbei um eine direkte oder indirekte Wirkung handelt, läßt 
sich nicht sagen. Tatsache ist aber, daß beim angeborenen Myxödem 
‚eine beschränkte Entwicklung der Gehirnfunktionen besteht, die oft 
diè höchsten Grade erreichen kann. Ein anatomisches Substrat 

‚dieser cerebralen Anomalie ist bisher nicht gefunden worden. Die 


"histologischen Befunde zeigten entweder keine Veränderungen oder 


durchaus atypische Bilder (Hun und Prudden, Weygandt, 
Scholz, Bayon). Immerhin fehlt es auch hier nicht an Hypothesen. 
Marie, B. C. Tritiakoff und Stumpfer fanden in einem Falle 
von congenitalem Myxödem bei einem 36jährigen Patienten Gefäß- 
veränderungen in der weißen Substanz, in der Olive und im Linsen- 
kern. Sie glauben, daß die cerebralen Erscheinungen bei der Athy- 
reose auf einer durch die Gefäßerkrankung verursachte Nutritions- 
störung der Gehirnsubstanz beruhen. — 

Auch das vegetative Nervensystem wird durch den Fortfall der 
Schilddrüsentätigkeit in Mitleidenschaft gezogen. Nach Asher ist 
eine der wichtigsten Funktionen des Schilddrüsenhormons die Sen- 
sibilisierung der neuroplasmatischen Zwischensubstanz. Fehlt die 
Schilddrüsentätigkeit, so ist also die Reizbarkeit des Sympathicus 
gehemmt. Manche Erscheinungen, die beim Myxödem zu beobachten 
sind, könnten hierauf zurückgeführt werden. Z. B. die fehlende 
Adrenalinglykosurie und die gesteigerte Assimilationsgrenze für 
Traubenzucker (Hirschl, Knöpfelmacher). Diese Beobachtungen 
sind in letzter Zeit von Cori bei einem 4jährigen schwer myxödema- 
tösen Kinde bestätigt worden, dürfen jedoch nicht verallgemeinert 
werden. Freudenberg konnte z. B. bei einem r4jahrigen myx- 
ödematösen Kinde weder eine Steigerung der Zuckertoleranz noch 
das Ausbleiben der Adrenalinglykosurie beobachten. 

Worauf diese Divergenzen in der Reaktionsweise beruhen, ist 
schwer zu sagen. Etwas Ähnliches ist aber auch beim Basedow zu 
finden. Man spricht von einer vagotonischen und einer sympathico- 
tonischen Form des Basedow und glaubt, daß die Thymus hierbei eine 
wesentliche Rolle spielt. Ich vermute, daß auch beim Myxödem viel- 
leicht ähnliche Verhältnisse vorliegen. Wahrscheinlich steht auch die 
Hypotonie der Muskulatur beim Myxödem (Kassowitz, Siegert) 
mit der mangelhaften sympathischen Innervation im Zusammen- 
hang. Ich denke hierbei an die Arbeiten von holländischen Forschern 
und von Frank (Breslau). In den seltenen Myxödemfällen, bei 
welchen spastische Zustände in den Extremitäten bestehen (Kocher, 
Friedjung, Dieterle) ist an besondere, cerebral lokalisierte patho- 
logische Vorgänge zu denken. 


Heft 4 Die Schilddrise. 363 


In diesem Zusammenhange sei eine Beobachtung H. Zondeks 
erwähnt. Er fand beim Myxödem ein großes schlaffes Herz mit auf- 
fallend träger Kontraktion und im Elektrokardiogramm das Fehlen 
der A- und F-Zacke. Durch die spezifische Therapie wird das Herz 
kleiner, und das Elektrokardiogramm zeigt normale Verhältnisse. Ich 
konnte die Beobachtungen Zondeks im vollem Umfange bestätigen. 

Bekannt ist die Neigung zur Hypothermie bei der Athyreose. In 
Tierversuchen konnten Mansfeld und Ernst!) zeigen, daß thy- 
reoidektomierte Tiere bei künstlicher Infektion weder mit einer 
Steigerung der Wärmeproduktion noch mit einer solchen des Stick- 
stoffumsatzes reagieren. Auch Boldyreff betont, daß schilddrüsen- 
lose Tiere sich wie Kaltblüter verhalten. Ganz besonders sind an 
dieser Stelle die schönen Versuche Adlers an winterschlafenden 
Tieren zu erwähnen. — Durch spezielle Untersuchungen hat Cori 
unlängst bei einem 4jährigen myxödematösen Kinde die gestörte 
Wärmeregulation nachgewiesen. Wenn aber A. Mayer behauptet, 
daß Athyreotiker nur schwer fiebern, so kann ich dem auf Grund 
meiner Erfahrungen nicht beistimmen. Vielmehr habe ich den Ein- 
druck, daß myxödematöse Kinder besonders anfällig sind und recht 
häufig an fieberhaften Infekten erkranken. 

Oft, aber keinesfalls konstant, ist beim Myxödem eine Anämie 
mäßigen Grades nachweisbar, während Abweichungen von der Norm 
im Differentialbild der Leukocyten weniger häufig sind. Daß die 
Schilddrüse die Blutbildung beeinflußt, hat in Tierversuchen Mans- 
feld gezeigt. Er fand, daß bei schilddrüsenlosen Tieren die Ver- 
mehrung der Erythrocyten im Höhenklima ausbleibt, daß bei ihnen 
die Blutregeneration stark beeinträchtigt ist und schließlich, daß 
die Anämie der thyreoidektomierten Tiere durch Schilddrüsen- 
behandlung günstig zu beeinflussen ist. 

Ich möchte an dieser Stelle noch einiges über die Stoffwechsel- 
wirkung des Schilddrüsenhormons besprechen. Daß Schilddrüsen- 
stoffe den Stoffwechsel beschleunigen, ferner, daß bei Hyperthyreosen 
ein vermehrter Eiweißzerfall besteht, ist längst bekannt. Vollmer 
fand vor kurzem, daß die Stoffwechselbeschleunigung durch Schild- 
drüsensubstanz zu einer Alkolose führt. Nach Eppinger wird 
unter Schilddrüsenwirkung die Wasser- und Chlorausscheidung be- 
schleunigt. 

Die bisher erwähnten Eigenschaften der Schilddrüsensubstanz ver- 
werten wir hauptsächlich in der Therapie, während die bereits von 


) Grafe und Redwitz haben diese Beobachtungen nicht bestätigen 
können. Zeitschr. f. physiol. Chemie 1922, Bd. 119, S. 125. 


364 Schiff. Heft 4 


Magnus- Levy und von v. Bergmann festgestellte und wieder- 
holt bestätigte Tatsache, daß bei Hyperthyreose der Grundumsatz 
gesteigert, bei Hypothyreose erniedrigt ist, in den letzten Jahren 
in diagnostischer Beziehung eine ganz besondere Bedeutung er 
langt hat. 

Bei Versuchen, die ich über die Wirkung von Schilddrüsensubstanz 
auf den Säuglingsorganismus vor einigen Jahren ausgeführt habe!), 
ist es mir aufgefallen, daß bei diesen, trotz wochenlanger Zufuhr von 
täglich 0,5 g Thyreoidintabletten sich nicht die geringsten subjektiven 
Störungen einstellten. Die vorher gesunden Säuglinge nahmen un- 
gestört weiter zu. Czerny hat mir dann mitgeteilt, daß in seiner 
Praxis bereits wiederholt Kinder versehentlich eine ganze Packung 
von Schilddrüsentabletten zu sich genommen haben, ohne zu er- 
kranken. Auch Beckers 2!/,jähriger Patient verzehrte auf einmal 
go Tabletten (& 0,3 g) und blieb vollkommen gesund. Meine an drei 
gesunden und einem kranken Säugling ausgeführten Stoffwechsel- 
versuche ergaben kurz zusammenfassend folgendes: In dem einen 
Falle kam es in der Schilddrüsenperiode zu einer mäßigen, in den 
zwei anderen zu einer wesentlichen Steigerung sowohl der Stickstoff- 
wie auch der Kalk- und Phosphorbilanzen. Nur bei einem Kinde 
haben sich die Bilanzen etwas verschlechtert. Bei diesem trat in der 
Hauptperiode eine Pneumonie auf. Diese Beobachtungen sind auf- 
fallend, weil sie im Gegensatze zu den bisherigen stehen. Nun haben 
Hirsch und Blumenfeldt im Laboratorium von Fr. Kraus ge- 
funden, daß bei jungen wachsenden Hunden durch Zufuhr von 
Schilddrüsensubstanz der gesamte Stoff- und Energieumsatz ein- 
geschränkt wird. Diese Befunde stehen mit meinen Beobachtungen 
jedenfalls im besten Einklange. Bei Kindern im Schulalter hat 
Orgler die Stoffwechselwirkung der Schilddrüsensubstanz studiert. 
Er fand trotz reichlicher Zufuhr von Schilddrüsensubstanz keine 
subjektiven Störungen bei den Kindern, hingegen kam es wie beim 
Erwachsenen zu einer beträchtlichen Steigerung der Eiweißzer- 
setzung. In allen Fällen traten negative Stickstoffbilanzen in der 
Hauptperiode auf. Man kann also in den verschiedenen Lebens- 
perioden verschiedene Wirkungen der Schilddrüsensubstanz auf den 
Organismus beobachten. Beim Erwachsenen kommt es nach Zufuhr 
von Schilddrüsensubstanz in entsprechend hohen Dosen zu sub- 
jektiven Störungen und zur Steigerung der dissimilatorischen Vor- 
gänge im Stoffwechsel. Beim Kinde im Schulalter fehlen die sub- 
jektiven Störungen, der Stoffwechsel wird aber ähnlich wie beim 

1) Nicht veröffentlichte Untersuchungen. 








Heft 4 Die Schilddrüse. | 365 


Erwachsenen beeinflußt. Beim Säugling vermissen wir beide Wir- 
kungen in der Regel. Bei diesen scheint die Schilddrüse vielmehr 
eine assimilatorische Wirkung zu entfalten. Ich vermute, daß diese 
verschiedene Wirkungsweise als der funktionelle Ausdruck jener Ver- 
änderungen anzusehen ist, welcher die physiologische Korrelations- 
verschiebung des hormonalen Gleichgewichtes in den verschiedenen 
Lebensperioden zugrunde liegt. In diesem Sinne sprechen auch die 
Versuche von Swehla, der gezeigt hat, daß Extrakte der inkre- 
torischen Drüsen in verschiedenen Altersstufen verschieden wirksam 
sind. Beim Säugling steht an erster Stelle der Wirkungsintensität 
die Thymus, an letzter die Nebennieren, ein Verhalten, das sich im 
späteren Lebensalter umkehrt. Ich glaube, daß diese Beobachtungen 
auch für das Konstitutionsproblem nicht ganz belanglos sind. Im- 
merhin darf nicht verschwiegen werden, daß der erniedrigte Grund- 
umsatz bei der Athyreose des Kindes und die Steigerung desselben 
durch die spezifische Therapie zu den eben entwickelten Vorstel- 
lungen im Gegensatze stehen. Ich bin vorläufig noch nicht in der 
Lage, hierfür eine Erklärung zu geben. 

Stoffwechselversuche beim Myxödem des Kindes sind von Lang- 
steinund Hougardy, ferner von Benjamin und Reuß ausgeführt 
worden. Schließlich wäre noch aus der letzten Zeit das von Beumer 
und Iseke beobachtete Fehlen der Kreatinausscheidung und der 
niedrige Kalkgehalt des Blutes beim Myxödem (Leicher) zu er- 
wähnen. 

Die aus dem Experiment bekannten Wechselbeziehungen zwischen 
den einzelnen inkretorischen Drüsen treten auch im klinischen Bilde 
zutage. — Thyreoidektomie beim wachsenden Tier führt zu einer 
Vergrößerung des Hypophysenvorderlappens (Hofmeister, Gley, 
Biedl u. a.). Bei Athyreose hat Berblinger eine Hyperplasie der 
Hypophyse mit Vermehrung der Hauptzellen — ähnlich wie bei der 
Gravidität — beobachtet. In der pädiatrischen Literatur sind diese 
Verhältnisse unlängst von A. Roggen ausführlich erörtert worden. 
Roggen glaubt, daß Hypophysenveränderungen beim Myxödem 
nur dann auftreten, wenn vor der Erkrankung eine funktionierende 
Schilddrüse vorhanden gewesen ist. Sie fehlten in der Regel bei 
totaler kongenitaler Aplasie. Schließlich sei noch erwähnt, daß 
Leschke hypophysäre Adipositas beim Myxödem eines Erwach- 
senen beobachtet hat; die Hypoplasie der Genitalien, das Fehlen 
von sec. Geschlechtsmerkmalen beim Myxödem entsprechen Ver- 
hältnissen, wie sie bei schilddrüsenlosen Tieren zu beobachten sind. 
Bei diesen verkleinert sich auch die Thymus. Bei Myxödem des 


366 Schiff. Heft 4 


Kindes kann die Thymusdriise nach Siegert normal, atrophisch wie 
auch hypertrophisch sein. 

Anschließend an das Myxödem möchte ich kurz den endemischen 
Kretinismus behandeln. 

Ätiologie und Pathogenese dieser Erkrankung — das kann wohl 
ruhig behauptet werden — sind noch nicht aufgeklärt. Sicher scheint 
nur zu sein, daß der endemische Kretinismus an gewisse Territorien 
gebunden ist, daß endemischer Kretinismus, der endemische Kropf 
und die endemische Taubstummheit ätiologisch zusammengehören, 
und schließlich, daß beim endemischen Kretinismus noch nie eine 
normale Schilddrüse gefunden wurde. Sporadischer und endemischer 
Kretinismus sind ätiologisch sicher differente Zustände. Beiden ge- 
meinsam ist aber die Beteiligung der Schilddrüse an dem Krankheits- 
bilde. Bekannt ist, daß in Kropfgegenden die Schilddrüse schon 
normalerweise größer ist als in kropffreien Gegenden, ferner, daß an 
diesen Orten Kinder schon mit einer Struma auf die Welt kommen 
können, die unter Umständen durch ihre Größe schwere stridoröse 
Zustände veranlassen kann (Remy, F. Hamburger). Nach Feer 
ist Kropf bei Neugeborenen und Säuglingen in gewisssen Teilen der 
Schweiz sehr häufig, und er betont, daß bereits in den ersten Lebens- 
tagen des Kindes eine sicher feststellbare kretinische Physiognomie 
beobachtet werden kann. Feer betont dies aus dem Grunde, weil 
nach den Angaben der Literatur der kretinische Habitus beim Kinde 
erst nach Monaten (Kocher) bzw. erst mehrere Jahre nach der 
Geburt auftritt (E. Bircher). Das klinische Bild des endemischen 
Kretinismus kann unter Umständen mit dem sporadischen eine 
solche Ähnlichkeit aufweisen, daß nach dem Berichte erfahrener 
Ärzte im Endemiegebiet die Diagnose sporadischer Kretinismus die 
größten Schwierigkeiten bereiten kann. Vor kurzem beschrieb Feer, 
daß bei Säuglingen mit endemischem Kropf oft eine erhebliche Herz- 
vergrößerung festgestellt werden kann. Sie geht auf Jodbehandlung 
zurück. Häufig hat Feer bei diesen Kindern auch eine Thymus- 
hypertrophie gesehen. 

Bemerkenswert ist, daß beim endemischen Kretinismus die Heredität 
im Gegensatz zum sporadischen von Bedeutung ist, ferner, daß die 
Bevorzugung des weiblichen Geschlechts, wie diese beim sporadischen 
Kretinismus vorkommt, beim endemischen nicht zu beobachten ist, 
und schließlich die Angabe von Kutschera, daß Kinder von Kretinen 
nur wenig widerstandsfähig sind und eine Polyletalität aufweisen. 

Auf die Frage, ob manche Symptome des endemischen Kretinismus 
durch die Hypothyreose hervorgerufen werden (z. B. die Sprach- 


Heft 4 Die Schilddrüse. 367 


und Hörstörung), oder ob sie durch die strumigene Noxe direkt er- 
zeugt werden, möchte ich nicht eingehen. Auch glaube ich, die ver- 
schiedenen Kropftheorien (Trinkwasser, Jodmangel, Infektion usw.) 
übergehen zu dürfen. 

Ich möchte mit einigen Worten noch die abortiven Formen der 
Hypothyreose erwähnen. 

Wieland denkt in diesen Fällen an eine glanduläre Hypoplasie 
und erblickt in dieser die Disposition zur Schilddrüseninsuffizienz 
im extrauterinen Leben. Er spricht in diesen Fällen von einer hypo- 
thyreotischen Konstitution, während Siegert die Existenz einer 
solchen für nicht erwiesen hält. 

Ganz entschieden gibt es Kinder, die Andeutungen von hypo- 
thyreotischen Zeichen aufweisen. Wir finden die Haut trocken, da: 
Gesicht öfters etwas gedunsen, das Längenwachstum mehr oder 
weniger stark gehemmt usf. Ich habe diese Fälle stets mit Interesse 
verfolgt, muß aber gestehen, daB es mir recht zweifelhaft zu sein 
scheint, ob es berechtigt ist, bei diesen Kindern immer einen Hypo- 
thyreoidismus anzunehmen. Ebensowenig wie Husler konnte ich 
bei diesen durch die spezifische Therapie einen Erfolg erzielen, auch 
habe ich weder durch die röntgenologische noch durch die elektro- 
kardiographische Untersuchung Anhaltspunkte für das Bestehen 
eines Hypothyreoidismus gewinnen können. 

Immerhin kann das Vorkommen einer Hypothyreose beim Kinde 
— nach den Literaturberichten jedenfalls — nicht geleugnet werden. 
Solche Fälle sind von Siegert, Wieland u. a. in der in- und aus- 
ländischen Literatur beschrieben worden. Sie sind alle der Schild- 
drüsentherapie sehr zugänglich gewesen. Hervorzuheben ist, daß 
diese abortiven Formen des Myxödems beim Kinde ebenso pro- 
gressiv verlaufen (Wieland) wie beim Erwachsenen (Kocher). 
Für das Bestehen einer Hypothyreose möchte ich in diagnostischer 
Hinsicht die Progredienz der Erscheinungen jedenfalls höher ein- 
schätzen als die Diagnose ex juvantibus. Auf die Angaben von 
Hertoghe will ich nicht eingehen. Die Fälle, die er als gutartigen 
chronischen Hypothyreoidismus bezeichnet hat, haben mit einer ge- 
störten Schilddrüsentätigkeit sicherlich nichts zu tun. Jedenfalls 
liegen hierfür nicht die geringsten Beweise vor. 

Das andere Extrem veränderter Schilddrüsentätigkeit ist die 
Hyperthyreoset), wie sie z. B. beim Basedow vorkommt. Ich glaube 
mich bei dieser Erkrankung nicht lange aufhalten zu brauchen, weil 
sie beim Kinde sicherlich nur eine ganz geringe Rolle spielt. Sichere 

1) Die Frage, ob Hyper- oder Dysfunktion soll hier nicht erörtert werden. 


368 Schiff. Heft 4 


Fälle von Basedow beim Kinde gehören zu den größten Seltenheiten. 
Ob die abortive Form dieser Erkrankung, das sog. Basedowoid, 
häufiger vorkommt, scheint mir recht fraglich zu sein. Ob Fälle, 
wie z. B. der von Hochsinger — der nebenbei gesagt, noch durch 
Schilddrüsenzufuhr geheilt wurde — mit einer gesteigerten Schild- 
drüsentätigkeit überhaupt etwas zu tun haben, ist wohl sehr proble- 
matisch. Tatsächlich gibt es einen Typus von Kindern, bei welchen 
Symptome zu beobachten sind, die man vielleicht mit einer Hyper- 
thyreose in Zusammenhang bringen könnte. Es sind meist schlanke 
Kinder, die durch ihre weiten Lidspalten, glänzende Augen, Neigung 
zum Schwitzen, kardio-vasculäre Störungen usw. gekennzeichnet 
sind. Am meisten ausgeprägt sind diese Symptome bei Kindern im 
Schulalter. Ich möchte aber gleich betonen, daß ihr Auftreten nicht 
an die Zeit der Pubertät gebunden ist. Bei manchen dieser Kinder 
— meist sind es Mädchen — findet sich eine mehr oder weniger aus- 
gesprochene Struma, sie fehlt aber in der Mehrzahl dieser Fälle. 
Nie habe ich bei diesen Kindern den charakteristischen feinschlä- 
gigen Tremor der Hände, nie das Basedowherz gesehen. Von den 
Augensymptomen ist der Graefe öfter angedeutet, nur äußerst 
selten ist der Stellwag, und nie habe ich das Möbiussche Phänomen 
gesehen. Ob man in diesen Fällen — sie sind bereits unter verschie- 
denen Titeln beschrieben worden — einen Hyperthyreoidismus an- 
nehmen soll, bleibt vorläufig der reinen Willkür überlassen. Beweise 
für die Richtigkeit einer solchen Annahme liegen bisher jedenfalls 
nicht vor. Wenn Wieland den Nachweis leichter Augenstörungen 
oder einer Struma selbst bei Fehlen von Exophthalmus oder den 
Nachweis einer relativen Lymphocytose für die Diagnose Basedow 
als ausschlaggebend ansieht, so kann ich mich dem keinesfalls an- 
schließen. Wenn das richtig wäre, so wäre der Basedow zum min- 
desten in seinen abortiven Formen beim Kinde eine außerordentlich 
häufige Erkrankung. 

' Vor einigen Jahren hat Schlesinger zu dieser Frage Stellung ge- 
nommen. Nach ihm kommen bei Kindern im Schulalter kardiovasculäre 
"Störungen mit oder ohne Struma vor. Als Ursache dieser kardiovascu- 
lären Störungen nimmt Schlesinger in den meisten dieser Fälle 
cinen Hyperthyreoidismus an. Ich glaube, daß die Richtigkeit dieser 
Ansicht noch durch exaktere Untersuchungen gestützt werden müßte. 

Ich komme jetzt zur Besprechung derjenigen Fälle, die eigentlich 
nur durch einen abnormen lokalen Befund an der Schilddrüse charak- 
terisiert sind, und bei welchen eine Funktionsstörung der Thyreoidea 
nicht nachweisbar ist. 


Heft 4 Die Schilddrise. 369 


Die beim Kinde nur selten vorkommende Thyreoiditis sei nur kurz 
erwähnt. Sie kann nach den verschiedensten Infektionskrankheiten 
auftreten. Ich habe sie nach Scharlach und Typhus gesehen. In der 
Regel verursacht sie keine Funktionsstörung der Schilddrüse. Daß 
auch chronisch entzündliche Prozesse, wie Tuberkulose und Lues, 
hier und da in Form von einzelnen Tuberkeln bzw. Gummen in der 
Schilddrüse vorkommen können, sei nur kurz angedeutet. Ferner 
sei erwähnt, daß eine durch Hyperämie verursachte Vergrößerung 
der Schilddrüse schon bei neugeborenen Kindern vorkommen kann 
und vorübergehender Natur ist. 

Eine praktisch größere Bedeutung beanspruchen allein schon 
wegen ihrer Häufigkeit die in kropffreien Gegenden vorwiegend bei 
Mädchen in den Wachstumsjahren vorkommenden Strumen. Ich 
erwähne sie an dieser Stelle aus dem Grunde, weil ich mich in diesen 
Fällen von einer abnormen Schilddrüsenfunktion nicht habe über- 
zeugen können. Bemerkenswert ist, daß nach den Angaben der 
Literatur (Vas, M. Schick, Uffenheimer, Nobel und Rosen- 
blüth) diese Strumen in der Nachkriegszeit viel häufiger zu beob- 
achten sind als vorher. Die Ursache dieser Erscheinung ist unbe- 
kannt. Vas denkt.an die Möglichkeit einer infektiösen Genese, weil 
er in Budapest ein gruppenweises Auftreten dieser Strumafälle nur 
in ganz bestimmten Gegenden der Stadt wie auch eine familiäre 
Häufung beobachten konnte. | 

Meine Damen und Herren! Typische Fälle von A- oder Hyper: 
thyreose zu erkennen, ist eine leichte Aufgabe. Leichte Störungen 
mit nur angedeuteten Symptomen richtig einzuschätzen, ist unter 
Umständen außerordentlich schwierig, wenn nicht ganz unmöglich. 
Gerade in solchen Fällen wäre es aber wünschenswert, Methoden zu 
besitzen, die uns die sichere Entscheidung einer abnormen Schild- 
drüsenfunktion ermöglichen würden. 

Als eine solche wird in Amerika die Probe von Goetsch venandi: 
Man priift die Adrenalinempfindlichkeit, die bei Hypothyreosen 
herabgesetzt, bei Hyperthyreosen gesteigert sein soll. Auf Grund 
von eigenen Erfahrungen muß ich diese Methode ablehnen, wie sie 
auch in Amerika von verschiedenen Seiten angefochten wird. Neben- 
bei sei nur erwähnt, daß es mir niemals gelungen ist, beim Kinde, 
durch Verabreichung von Schilddrüsensubstanz eine Steigerung der 
Adrenalinempfindlichkeit hervorzurufen. 

In letzter Zeit ist die Bestimmung des Viscositätsfaktors im Blute 
zur funktionellen Schilddrüsendiagnostik empfohlen worden (Hell- 
weg und Neuschloß). Diese Methode bedarf noch der weiteren 


Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 24 


370 Schiff. Heft 4 


Nachprüfung. Sie wurde unlängst von Frey und Stahnke ab- 
gelehnt. 

Wesentlich mehr ist in der erwähnten Richtung von der Bestim- 
mung des Grundumsatzes zu erwarten. Nach übereinstimmenden 
Angaben der in- und ausländischen Literatur haben die bereits er- 
wähnten Befunde von Magnus Levy und Bergmann — daß der 
Grundumsatz bei der Hyperthyreose gesteigert, bei der Hypothyreose 
herabgesetzt ist —, eine allgemeine Bestätigung erfahren. In letzter 
Zeit wurde diese Methode von Talbot und Moriarty, M. Kroghu.a. 
sowohl zur Frühdiagnose des Myxödems, wie auch zur Kontrolle der 
Schilddrüsentherapie und der Dosierung von Schilddrüsensubstanz 
empfohlen. 

Schließlich könnte auch daran gedacht werden, das E.K.G. zur 
Beurteilung der Schilddrüsenfunktion heranzuziehen. Ob in abortiven 
Fällen von Hypothyreose die Ausschläge aber genügend deutlich 
sind, muß noch in weiteren Untersuchungen geprüft werden. In 
einigen Fällen, bei welchen ich den Eindruck einer leichten Hypo- 
thyreose hatte, konnte ich im E.K.G. keine Abweichungen von der 
Norm erkennen. 

Zum Schluß noch einiges über die therapeutische Verwendung der 
Schilddrüsensubstanz. 

In der Regel wird die Schilddrüsensubstanz per os verabreicht. 
Daß bei dieser Anwendungsform spezifische Wirkungen zu erzielen 
sind, ist um so bemerkenswerter, weil die Extrakte der anderen 
inkretorischen Drüsen vom Magen-Darmkanal aus unwirksam sind. 
Daß das Schilddrüsenhormon von den Verdauungsfermenten nicht 
zerstört wird, bringt Murray damit in Zusammenhang, daß bei 
gewissen Wirbeltieren (Amphyoxus, Fische) die Schilddrüse einen 
Ausführungsgang besitzt, durch den sie ihr Sekret in den Verdauungs- 
trakt entleert. Es wurde bereits erwähnt, daß das Schilddrüsen- 
hormon auch bei der Hydrolyse durch Säuren oder Laugen nicht 
zerstört wird. Das Thyroxin (Trijodindoxiindolpropionsäure), das 
wahrscheinlich dem Schilddrüsenhormon entspricht, ist eine Sub- 
stanz, die Kendall aus dem Naoh-Hydrolysat von Schilddrüsen- 
substanz isoliert hat. Eine dem Thyroxin nahestehende jodhaltige 
Substanz wurde bereits früher von Benno Romeis aus dem Baryt- 
Hydrolysat isoliert. Leider ist er durch den Krieg daran verhindert 
worden, seine Untersuchungen seinerzeit zu Ende zu führen. 

Therapeutische Versuche mit Schilddrüsensubstanz sind in den 
verschiedensten Richtungen ausgeführt worden. Sie wurde zur 
Behandlung des Ekzems, der Rachitis, der Tetanie, der Hypo- 


Heft 4 Die Schilddrüse. 371 


trophie usf. empfohlen. Ich glaube, daß wir diese Angaben heute 
wohl übergehen können. 

Die anderen Anwendungsgebiete der Schilddrüsentherapie basieren 
auf den physiologischen Wirkungen des Schilddrüsenhormons. Die 
beschleunigte Wasser- und Chlorausscheidung unter Thyreoidin- 
wirkung (Eppinger), die auch beim Kinde zu beobachten ist 
(Schiffund Peiper), hat Eppinger dazu veranlaßt, das Thyreoidin 
zur Behandlung von Ödemen zu verwenden. Insbesondere sollen 
die Ödeme bei der Nephrose günstig reagieren. In manchen Fällen 
von Nephrosen habe ich selbst gute Erfolge gesehen, während das 
Thyreoidin in anderen Fällen vollkommen versagte. Es sei nur 
kurz erwähnt, daß es mir niemals gelungen ist, das Ödem von spasmo- 
philen Kindern durch Thyreoidin zu beseitigen. 

Auf der dissimilatorischen Beeinflussung des Stoffwechsels durch 
Schilddrüsensubstanz beruht ihre Anwendung bei der Behandlung 
der endogenen Fettsucht. Wir in der Berliner Kinderklinik ver- 
suchen die Fettsucht hauptsächlich auf diätetischem Wege zu be- 
kämpfen. Über eigene Erfahrungen hinsichtlich der Beeinflussung 
der Fettsucht durch Thyreoidin kann ich somit nicht berichten. In 
diesem Zusammenhang sei nur auf folgendes noch hingewiesen. 
Bekanntlich wird in der Klinik von einer thyreogenen Fettsucht 
gesprochen. Man hat auf die Beteiligung der Schilddrüse bei diesen 
Formen von Fettsucht aus dem Umstande geschlossen, weil durch 
Thyreoidin in diesen Fällen eklatante therapeutische Erfolge zu 
erzielen sind. Bemerkenswert ist immerhin, daß wir in den typischen 
Fällen von Athyreose eine nennenswerte Fettsucht in der Regel nicht 
beobachten und ganz besonders hervorzuheben ist, daß bisher bei 
den Fällen von sog. thyreogener Fettsucht der Grundumsatz nicht 
erniedrigt gefunden wurdet). (M. Krogh, J. J. Means.) 

Der Einfluß der Schilddrüse auf die Blutbildung berechtigt den 
Versuch, Schilddrüsensubstanz zur Behandlung gewisser anämischer 
Zustände anzuwenden. Ich konnte mich von dem Nutzen dieses 
Verfahrens bisher nicht überzeugen. 

Ganz entschieden günstig sind die therapeutischen Erfolge bei der 
Behandlung der benignen Strumen der Kinder. Die Struma wird 
kleiner, aber ein vollständiges Verschwinden habe ich in Überein- 
stimmung mit den Beobachtungen anderer Ärzte nicht gesehen 
(Dobrowsky, Knöpfelmacher, Firbas). Ich darf allerdings 
nicht unerwähnt lassen, daß durch kleine Jodgaben in diesen Fällen 

1) R. Plaut fand allerdings den Grundumsatz bei der ,tyreogenen Fettsucht“ 
herabgesetzt. Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 142, H. 5/6. 

24* 


372 Schiff. Heft 4 


ebenfalls giinstige therapeutische Erfolge zu erzielen sind. Welche 
Bedeutung dem Jod in der Kropfprophylaxe sonst zugeschrieben 
wird, ist allgemein bekannt. 

Das Hauptanwendungsgebiet der Schilddriisensubstanz sind die 
A- bzw. Hypothyreosen. Es ist wohl überflüssig hier auf Einzel- 
heiten einzugehen. Ich möchte nur kurz erwähnen, daß man bei 
myxödemkranken Kindern mit der Dosierung der Schilddrüsensub- 
stanz etwas vorsichtig sein soll. In zwei Fällen haben wir nämlich 
bei der üblichen Dosierung unaufhaltsame Gewichtsstürze mit 
letalem Ausgang bei myxödematösen Säuglingen beobachtet. 

Die wichtigste Frage ist, welche Erfolge beim Myxödem des Kindes 
mit der Organtherapie zu erzielen sind. 

Die gewaltigen Veränderungen im Habitus des an schwerem 
Myxödem erkrankten Kindes, die sich unter Schilddrüsenbehand- 
lung bereits in wenigen Wochen einstellen, sind bekannt. Leider, 
aber muß gesagt werden, daß von einer.wirklichen Heilung nicht 
gesprochen werden kann. Auch bei dauernder Zufuhr von Schild- 
drüsensubstanz geht die Besserung nur bis zu einem gewissen Grade. 
Nach einem bestimmten Zeitpunkt zeigen sich weder im Wachstum 
des Kindes, noch in der geistigen Entwicklung irgendwelche Fort- 
schritte. Die Schilddrüsensubstanz, von der man im Beginn der 
Behandlung eine Wunderwirkung zu sehen glaubte, scheint auf 
einmal zu versagen. Daß sie noch eine gewisse Wirkung hat, zeigt 
sich jetzt nur darin, daß nach Fortlassen der Medikation wieder die 
bekannten Rückfälle in den schweren myxodematösen Zustand auf- 
treten. Wesentlich günstiger sind die therapeutischen Erfolge nach 
den Literaturangaben bei den leichten Fällen von Hypothyreosen. 

Meine Damen und Herren! Ich bin zum Ende meiner Ausfüh- 
rungen gelangt. Die kurze Zeit, die mir zur Verfügung stand, hat 
es mir unmöglich gemacht, mein Thema ausführlicher zu behandeln. 
Ich habe mich bemüht, die mir wichtig erscheinenden Fragen heraus- 
zugreifen und diese möglichst objektiv, ohne hypothetische Speku- 
lationen, darzustellen. — | 


Diskussion. 


Herr Siegert: Erfreulicherweise herrscht jetzt doch die Feststellung. 
daß meine viel angefochtenen Angaben betr. die Genese der Athyreosis, das 
Skelettverhalten, die Beurteilung des Beginnes. aus dem Handskelett, die 
sog. hypothyreotische Konstitution, durchaus berechtigt waren und bleiben. 
Was den Gehirnbefund anbelangt, den die Franzosen behaupten, so ist er 
ausgeschlossen durch die Tatsache, daß binnen 8 Tagen geistiges Erwachen 


Heft 4 Die Schilddrise. 373 


und geistige Arbeit auf die Therapie eintritt um so auffallender, je länger das 
Mxyödem bestand. Der Muskeltonus wird genau so rasch geändert, wie es 
die Bauchpresse, der Eintritt normaler Bewegung, beweisen. Betreffs der 
Therapie habe ich niemals unaufhaltsamen Gewichtssturz beim myxödematösen 
Säugling gesehen. Die Athyreosis erlaubt viel dreisteres Vorgehen mit Schild- 
drüsenmedikation als das Vorhandensein derselben. Ein weiterer Fortschritt 
liegt in den Resultaten der anatomischen Untersuchungen Sebastians und 
des Jodnachweises bei Frühgeburt und Neugeborenen durch Thomas und 
Delongne. Der Nachweis der ganz verschiedenen Reife im Sinne Salges, 
eines oft hochgradigen Geburtstraumas, der Verschiedenheit des Jodgehaltes 
erklären uns die rapide Entwicklung im ersten Lebenshalbjahr gegenüber der 
späteren Zeit. 


Herr Thomas: In neuen Untersuchungen habe ich gezeigt, daß die Schild- 
drüse der Frühgeburten oft, die Schilddrüse des Neugeborenen wohl immer 
Jod enthält. Das beweist noch nicht die spezifische Funktion der Drüse, denn 
nur ein Viertel des Jodes der Schilddrüse ist auf Thyroxin zu beziehen. Wahr- 
scheinlich ist der Hergang so, daß für die erste Lebenszeit dem Neugeborenen 
von der Mutter ein Thyroxindepot mitgegeben wird. Daher auch das Latent- 
bleiben der myxödematösen Symptome beim athyreotischen Neugeborenen. 
Ist das Depot verbraucht, so kommen die Symptome zum Vorschein. — 
Athyreotiker wachsen etwas auch ohne Therapie. Das ist entweder Wirkung 
anderer wachstumsfördernder inkretorischer Drüsen oder einfach eine Funk- 
tion der jugendlichen organisierten Materie überhaupt. — Ernährungszustand 
und Jodgehalt stehen oft in Zusammenhang. Chronisch abgemagerte Kinder 
haben in der Regel einen herabgesetzten Jodgehalt. Die Kriegshammelschild- 
drüsen sind wenig wirksam. Vielleicht bestehen gewisse Beziehungen zwischen 
Vitamingehalt und Jodgehalt. Sommerschilddrüsen sind jodreich (Vitamin- 
reichtum). 


Herr Goeppert: Die Unwirksamkeit der Thyreoidintabletten im und 
nach dem Kriege bleibt ein großes Rätsel. Denn die Hammel sind im Kriege 
nicht anders als sonst ernährt. Hier liegen wohl Fabrikhindernisse vor. 


Herr Opitz: Ich bin gemeinsam mit Kollegen Metis mit Versuchen be- 
schäftigt, den Einfluß innersekretorischer Produkte auf das Blutbild anämischer 
Säuglinge zu studieren und habe auch Thyreoglandolinjektionen angewandt. 
Die sofortige Reaktion scheint ziemlich übereinstimmend zu verlaufen: es läßt 
sich etwa eine Stunde nach der Injektion eine Erythrocytenvermehrung nach- 
weisen, die aber etwa ebenso schnell wieder abklingt. Die weitere Reaktion 
ist verschieden: z. T. zeigt sich keine Veränderung der Zahl, z. T. nimmt die- 
selbe nicht unerheblich wieder zu, um sich dann auf dem erhöhten Stande 
zu halten. Eine erneute Injektion kann zu einer weiteren Steigerung führen, 
doch scheint damit die Wirkung erschöpft zu sein. Die Versuche sind noch 
nicht abgeschlossen. 


Herr Tezner: r. In Wien hat der Kropf in der Nachkriegszeit sehr stark 
zugenommen; dabei zeigt sich in vielen Fällen gesteigerter Grundumsatz. 
Auf minimale Joddosen reagiert eine große Zahl dieser Kropfträger mit Abnahme 
des Kropfes und Verringerung des Grundumsatz. — 2. Völlige Heilung des 
Myxödems durch Thyreoidin scheint nicht vorzukommen. Es ist auffallend, 
daß in einem Teil der Fälle die körperlichen, in einem anderen Teil die geistigen 


374 Schiff. Heft 4 


Symptome besser reagieren; es ist sicher, daß Myxödeme unter Umständen 
stark fiebern; es wurde ein Myxödem beobachtet, das an Masern erkrankte, 
bis 40° fieberte und starb, 


' Herr Gött (München): Hypophyse (erscheint ausführlich im Archiv für 
Kinderheilkunde). Die verschiedenen Anteile der Hypophyse bilden unab- 
hängig voneinander verschiedene Sekrete von verschiedener Wirkungsweise 
und können anscheinend unabhängig voneinander erkranken. Das Sekret 
oder die Sekrete des Vorderlappens gelangen nach Biedl unmittelbar ins Blut, 
das des Zwischenlappens nach Aktivierung im Hinterlappen in die Hirn- 
substanz oder in den Liquor. Während dem Extrakt des Vorderlappens keine 
Wirkung auf das vegetative Nervensystem zukommt, besitzt das aus ver- 
schiedenen Stoffen zusammengesetzte Sekret des Zwischenlappens ausgedehnte, 
bekanntlich und therapeutisch ausgenutzte Wirksamkeit (Einfluß auf GefaB-, 
Uterus-, Darm- und Bronchialmuskulatur). Der Vorderlappen ist eine der 
wichtigsten Wachstumsdrüsen; krankhafte Störung seiner Tätigkeit wird daher 
gerade beim wachsenden Individuum, beim Kind, zu den Erscheinungen ge- 
störten Wachstums führen müssen. Sein Ausfall hat Zwergwuchs oder 
Ateleiosis zur Folge; bei ersterer bleibt nur das körperliche, bei letzterer 
auch die geistige Entwicklung stehen. Der hypophysäre Zwergwuchs ist von 
anderen Formen der Nanosomie (der primordialen, hypothyreotischen, kreti- 
nistischen) wohl abtrennbar, ob es tunlich ist, mit Biedl die Bezeichnung 
Ateleiosis, die von Gilford für eine allgemein hypoplastische, nicht endokrin 
verursachte Entwicklungsstörung geschaffen wurde, auch für die endokrin 
bedingte hypophysäre Rückständigkeit zu gebrauchen, mag dahingestellt 
bleiben. Zwergwuchs und Ateleiosis hypophysärer Genese sind durch Verab- 
reichung von Vorderlappenextrakten sehr auffällig zu bessern. Überproduktion 
von Vorderlappensekret (bei Adenomen des Vorderlappens) führt zum Riesen- 
wuchs, der auch beim Kind nicht selten mit akromegalieähnlicher Vergröße- 
rung der Extremitätenenden vergesellschaftet ist. Echte Akromegalie mit den 
charakteristischen Weichteilverdickungen, Periostauflagerungen und Binde- 
gewebswucherungen ist bisher nur einmal beim Kind mit Sicherheit nach- 
gewiesen (Fall von Schultze und Fischer); offenbar gestatten die dem 
Kindesalter eigenen Wachstumstendenzen die enormen Weichteilverdickungen 
der Pierre Marieschen Akromegalie nicht, oder es kommt beim Kind so gut 
wie nie zur Entwicklung solcher Adenome des Vorderlappens, die Akromegalie 
zur Folge haben. Hypophysärer Riesenwuchs dürfte ebenso wie der pituitäre 
Zwergwuchs kaum angeboren vorkommen; gekennzeichnet ist er durch evtl. 
Zeichen eines Hypophysärentumors, Sellaveränderungen im Röntgenbild oder 
spätere Kombination mit akromegalen Erscheinungen. Die Adipositas, die 
sich beim hypophysären Zwergwuchs wie in dem erwähnten Akromegaliefalle 
finden kann bzw. fand, kann auch ohne Wachstumsstörungen für sich allein 
oder zusammen mit Genitalatrophie oder Diabetes insipidus vorkommen. Sie 
hängt von Stoffwechselstörungen ab, die durch Funktionsausfall gewisser 
Hypophysenanteile — wie Biedl und viele andere vermuten, des Zwischen- 
lappens — verursacht sind. Sie ist durch auffallende Lokalisation der Fett- 
massen an Bauchmons veneris, Gesäß usw. ausgezeichnet. Wie Experiment 
und Klinik lehren, kann ebenso lokalisierte Adipositas mit und ohne Genital- 
atrophie und Diabetes insipidus, aber auch durch Läsion des Zwischenhirns 
bei intakter Hypophyse entstehen; daher faßt man heute Hypophysenzwischen- 


Heft 4 Diskussion. 375 


und Hinterlappen und die vegetativen Centren am Boden des Zwischenhirns 
als eine funktionelle Einheit auf und unterscheidet nicht nur bei der mit Genital- 
atrophie kombinierten Fettsucht (Dystrophia adiposogenitalis oder Fröhlich- 
sche Krankheit), sondern auch bei der isolierten hypophysäre und cerebrale 
Formen. Fettsucht bei Tumor des Zwischenhirns oder bei Hydrocephalus 
dürfte ebenso wie die nach epidemischer Encephalitis auftretende und die 
jüngst von Biedl beschriebene Form als cerebral aufzufassen sein, Fettsucht 
bei Lues kann ebensowohl auf spezifischer Hypophysitis wie auf Gehirn- 
erkrankung beruhen, Adipositas bei Hypophysentumor oder hypophysärem 
Zwergwuchs ist als hypophysär anzusehen. Nach Stoffwechseluntersuchungen 
von Kestner, Plaut u.a. ist der Grundumsatz bei solcher Adipositas nicht, 
wohl aber die ‚spezifisch dynamische Wirkung der Nahrung“ herabgesetzt. 
Mit Plaut hierin eine Folge des Ausfalls von Hypophysenhormonen zu sehen, 
besteht keine zwingende Notwendigkeit. Plaut konnte durch Hypophysen- 
vorderlappenzufuhr bei solcher Adipositas die herabgesetzte spezifisch-dyna- 
mische Wirkung der Nahrung deutlich erhöhen; das spricht nicht im Sinne 
einer ursächlichen Bedeutung des Zwischenlappens für die Entstehung der 
Dystrophia adiposogenitalis; da auch die anatomischen Befunde bei diesem 
Zustand keineswegs eindeutig auf den Zwischenlappen hinweisen, so ist vor- 
erst noch eine gewisse Zurückhaltung bezüglich der Pathogenese der Fettsucht 
empfehlenswert. Über das Zusammenspiel der Hypophyse mit den anderen 
endokrinen Drüsen sind manche Einzelheiten bekannt; die Formel, die die 
Einzelheiten miteinander verbindet, ist noch nicht gefunden. 


Herr Kleinschmidt: Bei Untersuchungen des Gasstoffwechsels von 
12—ı4jährigen Kindern mit einer der Dystrophia adiposogenitalis entsprechen- 
den Fettverteilung zeigte sich mehrfach, aber nicht regelmäßig Herabsetzung 
der spezifisch dynamischen Wirkung, ohne daß sonst Anhaltspunkte für eine 
Erkrankung der Hypophyse gegeben waren. Obes sich hier um eine Funktions- 
störung der Hypophyse handelt von ursächlicher Bedeutung für die Fettsucht, 
muß dahingestellt bleiben. Hypophysenvorderlappenpräparate waren ohne 
Wirkung. 


Klinische und experimentelle Beweise fiir die Lebensfahigkeit 
transfundierter körperfremder Erythrocyten. 


Von Hans Opitz, Breslau. 
(Mit 3 Kurven.) 


Seit 4 Jahren behandeln wir an der Breslauer Kinderklinik hoch- 
gradige Anämien im Kindesalter mit großen Bluttransfusionen. 
Diese Therapie gilt speziell für die das Säuglingsalter betreffenden 
Erkrankungen. Von den mehr als 150 Transfusionen, die wir bisher 
ausgeführt haben, entfallen 130 auf 33 Säuglinge mit Anämien 
alimentärer (26) oder infektiöser (7) Ätiologie. Sieht man von 6 Fällen 
ab, die mit bereits bestehender Bronchopneumonie fast in extremis 
in Behandlung kamen und wenige Tage darauf starben, so haben 
wir von 27 Fällen nur 3 verloren. Die Zahlen erhalten dadurch ihre 
besondere Bedeutung, daß nur ausgesprochen schwere Fälle dieser 
Behandlung unterzogen wurden. Von diesen 27 Säuglingen hatten 
25 < 2750 000, IJ < 2000 000, 7 < I 100 000 Erythrocyten; von 
diesen letzten ist nur ein einziger gestorben. Die hochgradigste 
Erythrocytenverminderung, die wir überhaupt beobachtet haben, 
betrug 640000. Der betreffende Säugling konnte nach 5 Wochen 
mit normalem Blutstatus entlassen werden. Meistens wurden zur 
Erreichung dieses Zieles nur I—3 Wochen benötigt, und gerade 
durch diese Abkürzung der Behandlung gewinnt der Wert dieses 
Heilverfahrens noch ganz außerordentlich. 

Über die Wirkungsweise der transfundierten Erythrocyten gehen 
die Ansichten diametral auseinander. Die überwiegende Mehrzahl 
der Autoren führt die guten Erfolge der Bluttransfusionen auf 
einen dadurch bedingten intensiven Reiz auf die blutbildenden 
Apparate zurück und nimmt an, daß die körperfremden Erythro- 
cyten sehr rasch zugrunde gehen und so Baustoffe für Neubildung 
liefern. Wir vertreten demgegenüber mit einigen wenigen anderen 
den Standpunkt, daß die zugeführten roten Blutkörperchen für län- 
gere Zeit lebensfähig und funktionstüchtig bleiben. Für unsere Auf- 
fassung lassen sich eine ganze Anzahl klinischer und experimentell 
gefundener Beweise anführen. 


Heft 4 Lebensfahigkeit transfundierter kérperfremder Erythrocyten. 377 


Ich erlaube mir, Ihnen zunächst an einem Beispiel den Einfluß 
der Bluttransfusion auf ein Blutbild zu veranschaulichen. 

Bei einem 9 Monate alten an Ziegenmilchanämie leidenden Säug- 
ling wurden vor der Transfusion etwa 1,5 Millionen Erythrocyten 
gezählt. Nach Zufuhr von 1,4 Millionen pro cbmm kindlichen Blutes 
steigen dieselben auf 2,9 Millionen an. In den folgenden acht Tagen 
macht sich keine wesentliche Änderung bemerkbar, bis eine neue 
Transfusion von 1,4 Millionen die Zahl der roten Blutkörperchen von 
3,2 auf 4,6 Millionen zunehmen läßt. In den folgenden 8 Tagen 
halten sie sich auf diesem Niveau, wie tägliche Zählungen beweisen, 
und im Verlauf von weiteren 3 Monaten ändert sich nichts Wesent- 
liches. 

Beide Male sehen wir die angeführten körperfremden Erythrocyten 
zahlenmäßig wieder in Erscheinung treten und auch späterhin nach- 
weisbar bleiben. Diese Tatsache ist mit der Annahme einer Reiz- 
wirkung unter Zugrundegehen der Erythrocyten unvereinbar. 

Auch die Betrachtung der andern Blutelemente spricht gegen eine 
solche. Vielfach zeigen die anämischen Säuglinge den embryonalen 
Blutbildungstyp als Zeichen einer sehr gesteigerten Tätigkeit der 
erythropoetischen Apparate. Bezeichnenderweise gehen die Norm- 
oblasten mit zunehmenden Erythrocyten sprunghaft zurück, um 
mit Erreichung normaler Werte gänzlich zu schwinden. In gleicher 
Weise verlieren sich Aniso- und Poikilocytose und Polychromasie. 
Setzte die Bluttransfusion einen Reiz, so müßte eine Vermehrung 
der unreifen Elemente eintreten. Ebensowenig findet sich außer 
gelegentlicher Linksverschiebung eine nennenswerte Reizwirkung 
am leukopoetischen Apparat; auch hier schwinden im Gegenteil im 
Laufe der Behandlung unreife Elemente und Leukocytosen. 

Mitunter finden sich nicht alle Erythrocyten zahlenmäßig wieder; 
hier mag ein mehr oder weniger großer Prozentsatz infolge schädi- 
gender Einwirkungen vor der Transfusion oder infolge endogener 
Faktoren zugrunde gehen, das Gros bleibt aber erhalten. Auch ein 
Plus gegenüber der errechneten Zufuhr oder ein weiterer Anstieg 
kann bisweilen festgestellt werden, wie die folgende Kurve Schön- 
felder zeigt. Die wagerechte unterbrochene Linie gibt jeweils die ' 
Höhe an, die die Erythrocytenkurve unter Berücksichtigung der 
zugeführten Blutmenge "hätte erreichen müssen. Zunächst lassen 
sich die zugeführten Erythrocyten zahlenmäßig nachweisen, dann 
erfolgt spontan eine weitere Zunahme. Hier kann einerseits vielleicht 
ein Reiz, der zu einer vermehrten Ausschwemmung aus den Blut- 
bildungsstätten führt, eine Rolle spielen, doch ist er offenbar nur 


378 Opitz. Heft 4 


von untergeordneter Bedeutung, andererseits darf man aber nicht 
vergessen, daB bei derartigen Schwankungen, die wir gerade kurz 
nach Transfusionen sehen, osmotische Vorgänge von Bedeutung 
sein können. 

Um festzustellen, ob dem mit dem Blute zugefiihrten Plasma ein 
Einfluß auf die Blutbildung zukomme, wurde dieses allein injiziert. 


Schönfelder, ı4 Monate. 


o A Š o O VVOO WO N Way 





8500 |1205 |6 ,0 
3250|10% |5,5 
8000 | 100% | 5.0 
2250} 90%|% ,5 
7500) 80%14 ,0 
2250 | %0%13.5 
2000 | 60% |3,0 
6%50| 50%|2,5 
6500| 40% |2,0 7 
6250 | 30%|1.5 
6000} 20% 14 .0 7 
5250| 10% 10,5 
5300| 0%10,C 


Plasma könnte ja im Sinne der Eiweißkörpertherapie oder infolge 
seines Gehaltes an innersekretorischen oder sonstigen Reizstoffen 
wirken. Wir sehen nach Injektion von 55 ccm Plasma am selben 
Tage zunächst eine Verminderung der Erythrocytenzahl der Ver- 
dünnung des Blutes entsprechend, die am nächsten Tage sogar noch 
deutlicher ist; am Tage darauf wird der Ausgangswert wieder erreicht. 
In den folgenden 13 Tagen zeigt sich nur eine Vermehrung um 


Hieft 4 Lebensfahigkeit transfundierter kérperfremder Erythrocyten. 379 


300 000 Erythrocyten, in den weiteren 18 Tagen eine solche von 
400 000. Zudem fällt diese Zunahme der roten Blutkörperchen in 
eine Zeit besten Wohlbefindens des Kindes. Eine neuerliche Injektion 
von 80occm Plasma bewirkt in 16 Tagen keinerlei Steigerung. Dem 
intravenös injizierten Plasma kommt demnach bei unseren Trans- 
fusionen kein nennenswerter Einfluß auf die Blutbildung zu. Dieser 
muß also an die Erythrocyten gebunden sein. Dies läßt sich in sehr . 
hübscher Weise direkt demonstrieren durch Injektion plasmafreier 
Erythrocyten. Am 67. Tage wurden dem Kinde mehrfach in 
Ringerlésung gewaschene Erythrocyten 
injiziert, und zwar 473 000 procbmm ¢ g = Saegner, 11 Mon. 
mit dem Erfolge, daB die roten Blut- Msc. 
körperchen genau um diese Zahl an- 90%14,5 
stiegen und sich bei 3wöchiger Be- 
obachtung ohne Schwankungen auf 
diesem Stande hielten. 10%| 3,5 
Die Beibehaltung des durch die 
Transfusion einmal erzielten Niveaus 6%|3.0 
scheint mir ein Beweis dafür zu sein, 
daß die zugeführten Erythrocyten zu- 
nächst lebensfähig bleiben und dann 40%|2.0 [> 
ganz unmerklich wie die körpereigenen 
abgebaut werden. Wenn sie wirklich 
nur als Reiz oder als Baumaterial 999|4.0 
wirkten, dann könnten die Zahlen sich 
nicht so konstant verhalten. Vor allem 10%] 0,5 
müßten sich aber ähnliche Erythro- 9g|0,0 
cytenkurven dort wiederfinden, wo die o—————- Srythroryptew 
angenommenen Verhältnisse tatsächlich ere ae 
vorliegen, d.h.in den seltenen Fallen, wo 
die transfundierten Erythrocyten durch Hämolyse zugrunde gehen 
oder wo die Abnahme der Erythrocytenzahl auf einen allmählichen 
Abbau schließen läßt. An Bausteinen für die roten Blutkörperchen 
kann es hier nicht fehlen und speziell die Hämolyse dürfte mit aller 
Wahrscheinlichkeit einen Reiz auf die blutbildenden Organe aus- 
üben. Hier ließ sich in unsern Fällen nicht einmal eine nennens- 
werte Neubildung nachweisen, geschweige denn eine der zugeführten 
Erythrocytenmenge entsprechende konstante Zahl roter Blutkörper- 
chen. Dies: soll die Kurve Saegner, die von einem II Monate alten 
an Ziegenmilchanämie von Jaksch-Haymschen Typ leidenden Säug- 
ling stammt, veranschaulichen. 





380 Opitz. Heft 4 


Hier tritt infolge einer mit Hämoglobinurie einhergehenden Hämo- 
lyse am selben Tage nur die Hälfte der zugeführten Erythrocyten 
in Erscheinung, in den nächsten Tagen vollzieht sich ein allmählicher 
Abfall zu den Ausgangswerten und erst nach 8 Tagen hatte es den 
Anschein, als ob eine geringe Neuproduktion einsetzte. Noch in- 
struktiver ist die folgende Kurve Olesch. 


Olesch, 6 Jahre. 






5S 9 2 30 35 O 5 © Sias 


—— buztine 


nn Hämogloßiw 


Es handelt sich um einen 6 Jahre alten Knaben mit thrombo- 
phlebitischem Milztumor, der infolge profuser Blutungen aus Oeso- 
phagusvaricen eine sehr erhebliche Anämie erworben hatte. Zu- 
nächst wurden dem Kinde tentaminis causa gewaschene Erythro- 
cyten injiziert, die aber in den nächsten Tagen abgebaut wurden, 
ohne daß Hämoglobinurie aufgetreten wäre. Nach 5 Tagen ist an- 
nähernd der Ausgangsstatus wieder erreicht, der sich im Verlauf 
von weiteren 8 Tagen nicht wesentlich ändert. Also innerhalb von 
14 Tagen keine Neubildung trotz reichlicher Zufuhr von Bausteinen. 
Jetzt wird etwa die gleiche Erythrocytenmenge in Form von Ge- 
samtblut injiziert mit dem Erfolge, daß das erwartete Niveau er- 
reicht und für die Folgezeit innegehalten wird. Nach 14 Tagen er- 
folgt dann infolge Hebung des E TEAS ein weiterer 
spontaner Anstieg. 


FIcft 4 Lebensfahigkeit transfundierter kérperfremder Erythrocyten. 381 


Dieses zufällige Zusammentreffen von Abbau und Erhaltenbleiben 
der Erythrocyten bei ein und demselben Patienten bildet eine schöne 
Ergänzung zu den Tierversuchen, die ich gemeinsam mit Kollegen 
M etis angestellt hatte und die ausführlich anderen Orts veröffent- 
licht werden sollen. Denselben lag folgender Gedankengang zu- 
grunde: Wenn die transfundierten Erythrocyten nicht als solche 
lebens- und funktionstüchtig blieben, sondern zugrunde gehend, teils 
als Reiz- teils als Baustoffe wirkten, so müßte bei zwei anämischen 
Hunden die Zufuhr von gleichen Mengen unveränderten und hämo- 
lWytischen Blutes denselben Effekt haben. Nachdem durch einen aus- 
gibigen Aderlaß eine Anämie erzeugt worden war, erhielt der eine 
Hund eine bestimmte Menge fremden Hundeblutes intravenös, der 
andere eine erheblich größere Menge hämolysierten Blutes an drei 
aufeinanderfolgenden Tagen zur Hälfte intraperitoneal und zur 
Hälfte intramuskulär. Der Unterschied war eklatant. Während 
letzterer erst nach I2 Tagen die vor der Venaesectio festgestellten 
Werte erreichte und auf den aus der Menge der zugeführten Bau- 
steine errechneten Erythrocytenstand auch trotz dreiwöchiger 
Beobachtung nicht kam, wurde bei dem Kontrollhund das erwartete 
Niveau sofort nach der Transfusion erreicht und auch in den fol- 
genden Wochen beibehalten, 

All diese angeführten Versuche und klinischen Beobachtungen 
beweisen unseres Erachtens, daß die durch Bluttransfusionen 
erzielten Steigerungen der Erythrocyten nicht auf einer vermehrten 
Bildung oder Ausschwemmung körpereigener beruhen, sondern auf 
der Lebensfähigkeit und Funktionstüchtigkeit der zugeführten 
körperfremden. 

Zum Nachweis der Lebensfähigkeit transfundierter Erythrocyten 
hat man auch Stoffwechselversuche herangezogen. Landois fand 
auf Grund seiner in den siebziger Jahren angestellten Versuche eine 
nur geringe Steigerung der U-Ausfuhr durch den Harn unmittelbar 
nach der Transfusion, die er auf das SerumeiweiB bezieht. Dieselbe 
Deutung gibt Pfliiger den noch älteren Versuchen von Forster und 
Tschiriew, die eine unbedeutende U-Vermehrung im Harn erst 
etwas langere Zeit nach der Transfusion feststellten. Andere Autoren 
(z. B. Lommel, Rona und Michaelis) dagegen sahen einen Rück- 
gang der N-Ausscheidung. Diese widersprechenden Befunde zeigen, 
daß der übliche Stoffwechselversuch für die Lösung der Frage, 
welches Schicksal das parenteral eingeführte Eiweiß erleidet, un- 
geeignet ist. Ich habe daher gemeinsam mit Klinke neben der Be- 
stimmung der Ú -Ausscheidung i im Harn den Versuch gemacht, einen 


382 Opitz. Heft 4 


Einblick in den intermediären Eiweißstoffwechsel nach Transfusionen 
zu gewinnen. Zu diesem Zwecke wurden teils stunden- teils tage- 
weise Bestimmungen der verschiedenen Eiweißabbauprodukte im 
Blute vorgenommen insbesondere der Albumosenfraktion, der ge- 
samten Reststickstoffgruppe und speziell der Aminosäuren- und 
Harnstofffraktion. Natürlich wird man auch hier keinen schema- 
tisch gleichen Ausfall der Untersuchung erwarten dürfen. Indi- 
viduelle Momente werden eine große Rolle spielen, ebenso die dar- 
gebotenen Eiweißmengen. So soll das proteolytische Vermögen der 
Organe begrenzt sein und gegenüber größeren Quantitäten versagen. 
Von Bedeutung sind ferner die Abderhaldenschen Schutzfermente 
und vor allem die Diffusionsvorgänge zwischen Blut und Gewebe 
(zeitweilige Verschiebungen von Stoffwechselprodukten vom Blut 
nach den Geweben und umgekehrt, wie wir das aus der Nierenpatho- 
logie kennen), Vorgänge, die vielleicht für die einzelnen chemischen 
Körper gesetzmäßig, uns aber vielfach noch unbekannt sind. Auch 
der zeitliche Ablauf der Abbauprozesse wird variieren, so daß man 
hier vielleicht die Albumosen — dort bereits schon die R. N-Fraktion 
sehr erhöht findet. Da man also bei der Betrachtung unserer Er- 
gebnisse eine Fülle von Faktoren berücksichtigen muß, auf die aus 
Zeitmangel hier nicht näher eingegangen werden kann, so sollen nur 
Ausschnitte der Kurven kurz erläutert werden, die in ihrer Deutung 
einfach sind, der Harnstoffkurven. 

Nach Injektion von gewaschenen Erythrocyten — 1 Million pro cbmm 
— in einem Gesamtvolumen von go ccm, zeigte sich eine entspre- 
chende Erhöhung der Erythrocytenzahl und eher ein Absinken des 
Harnstoffs in den folgenden 24 Stunden. Auch nach „5 Tagen sind 
diese Werte unverändert. Ganz anders verläuft die UÜ-Kurve nach 
Injektion von 83 ccm erythrocytenfreien Plasmas. Eine Abnahme 
der Erythrocytenzahl entsprechend der Verdünnung des Blutes und 
ein beträchtlicher Anstieg des tb —N von 13 mg% auf 21 mg%, der 
nach 24 Stunden noch nachweisbar ist. Wenn ein Erythrocyten- 
zerfall „erfolgte, so mußte sich wohl dieser in einer Vermehrung des 
Blut-17 bemerkbar machen, wie man es beim Abbau von Plasma- 
eiweiß sieht. Das ist jedoch bei Injektion gewaschener Erythrocyten 
weder sofort noch mehrere Tage später der Fall. 

In einem andern Falle wurden zuerst mit etwa 30 ccm Plasma 
I 190 000 Erythrocyten pro cbmm zugeführt, eine Menge, die mn 
der gefundenen Erythrocytenzahl zum Ausdruck kommt, dann 
55 ccm Plasma. Im ersten Fall ein Anstieg des Ü—N von 17 mg% 
auf 25 mg% mit ziemlich raschem Absinken; im zweiten eine 


Heft 4 Lebensfähigkeit transfundierter körperfremder Erythrocyten. 383 


prozentual stärkere Erhöhung, nämlich von 20 mg% auf 35 mg% 
ohne nennenswerten Abfall im Verlauf von 24 Stunden. 

Dies Ergebnis berechtigt zu dem SchluB, daB auch bei der Injektion 
vom Gesamtblut die Ü-N-Vermehrung durch den Plasmaanteil be- 
dingt ist. Der stärkere Ausschlag der Kurve im zweiten Versuch ist 
auf die hier injizierte größere Plasmamenge (30 :55 ccm) zurück- 
zuführen. In analoger Weise ist auch die U-Ausscheidung durch den 
Harn gegeniiber dem Versuch mit Gesamtblutinjektion vermehrt. 

Um dem Einwand zu begegnen, daB der Erythrocytenzerfall sich 
nicht sofort sondern erst nach einigen Tagen bemerkbar machen 
könnte, wurde ein weiterer Versuch über 5 Tage ausgedehnt. Auch 
hierbei ließ sich nicht ein gesteigerter Eiweißabbau an der Harnstoff- 
kurve nachweisen. Dagegen zeigte bei einem Zerfall der Erythro- 
cyten infolge intravitaler Hämolyse die Blutharnstoffkurve einen 
sehr erheblichen „Anstieg und protrahierten Verlauf und der Urin 
eine sehr starke U-N-Ausschwemmung. 

Fassen wir nun das Ergebnis dieser Versuche noch einmal kurz 
zusammen, so sehen wir, daß nach Injektion von Gesamtblut nicht 
ein größerer Eiweißabbau erkennbar ist, als nach Injektion erythro- 
cytenfreien Plasmas gemessen am Blut-Ü, daß dagegen ein nennens- 
werter Blutzerfall, wie er durch Hämolyse zustande kommt, in ganz 
eindeutiger Weise an einer enormen Vermehrung des Blut-U er- 
kennbar ist. Auch diese Versuchsanordnung spricht für das Er- 
haltenbleiben der zugeführten Erythrocyten. 

Auf Grund dieser nur ganz kurz mitgeteilten experimentellen 
Untersuchungen und klinischer Beobachtungen glauben wir den 
prinzipiell wichtigen Nachweis erbracht zu haben, daß körperfremde 
Blutzellen unbeschadet ihrer Lebensfähig- und Funktionstüchtigkeit 
überpflanzt werden können. 


Diskussion. 


Herr L. F. Meyer empfiehlt die Bluttransfusion bei Anämien ebenfalls 
eindringlich, weil sie rascher als jede Ernährungstherapie den Blutstatus 
zu heben imstande ist. Daneben empfiehlt er die intraperitoneale Infusion 
bei schweren Ernährungsstörungen. 


Herr Goebel: Der therapeutische Fortschritt, den die Behandlung der 
kindlichen Anämien durch Biluttransfusionen bezüglich der Schnelligkeit 
und Sicherheit des Erfolges gebracht hat, ist offenbar. Aber die Beobachtung, 
daß nach den Transfusionen die anfangs erhöhte Erythrocytenzahl wieder 
absinken und gleichzeitig der Hämoglobingehalt ansteigen kann, beweist, 
daß mindestens nicht allein das Überleben der transfundierten Erythrocyten 


384 Opitz: Diskussion. | Heft 4 


die klinische Heilung bewirkt, sondern auch eine Anregung und vor allem 
qualitative Verbesserung der Erythropoese. 


Herr Opitz (Schlußwort): Die Behandlung schwerster Ernährungsstörungen 
mit intraperitonealen Blutinfusionen haben wir gleichfalls auf Veranlassung 
von Herrn Professor Stolte bei einem Säugling mit schwerer Toxikose ange- 
wandt. In größerem Maßstabe soll das Verfahren erst zur Anwendung kommen 
nach Abschluß der im Gange befindlichen Tierversuche. Danach scheint das 
Blut sehr schnell ohne Zerstörung der Erythrocyten resorbiert zu werden, 
eine Beobachtung, die schon andere gemacht haben. — Die Angabe von 
Herrn Goebel über das Vorkommen von Hämolyse selbst bei Verwendung 
von elterlichem Blute kann ich bestätigen. Es scheint in dieser Beziehung 
kein Unterschied zwischen Verwandten- und Fremdblut zu bestehen. Neben 
der Prüfung auf Agglutinine und Hämolysine schützt am ehesten die Vor- 
injektion von 10—20ccm Blut vor Überraschungen. Daß vielleicht eine ge- 
ringe Reizwirkung mitunter vorkommt, habe ich selbst erwähnt, von Be- 
deutung ist sie jedoch nicht gegenüber der im Vordergrunde stehenden ent- 
lastenden Wirkung. Die Hundekurven scheinen mir insofern beweiskräftig 
zu sein, weil sie ja nicht mit den Verhältnissen beim Menschen sondern nur 
untereinander verglichen werden sollen. Blieben die transfundierten Erythro- 
cyten nicht lebensfähig, sondern lieferten sie nur zugrunde gehend Bausteine 
für Neubildung, so müßten eben beide Kurven gleich verlaufen. Die mit- 
geteilten Harnstoffkurven sind nur Ausschnitte aus ausgedehnteren Versuchen, 
die in toto jedoch aus Zeitmangel nicht berücksichtigt werden konnten. 


Die Innervation der Venensperre in der Leber. 
Herr Dr. Hans Mautner, Wien. © 


Die Kontraktion der abführenden Lebervenen unter Einfluß ge- 
wisser Eiweißabbauprodukte oder hypotonischer Lösungen ist ein 
theoretisches Kapitel der Physiologie, das, von Tierversuchen seinen 
Ausgang nehmend, erst in den letzten Jahren Aufmerksamkeit bei 
Klinikern gefunden hat. 

In den wenigen Jahren, die die Sperre bekannt ist, hat. sich abe 
ergeben, daß sie von weitgehender Bedeutung für die Kreislaufver- 
hältnisse, für die Entlastung des zu stark beanspruchten Herzens, 
ferner für die Aufrechterhaltung der Isotonie des Blutes, für die 
Lymphbildung und für den Wasserhaushalt ist. Bei dieser Fülle der 
Beziehungen ist auch ihre klinische Bedeutung klar, zahlreiche 
klinische Bilder werden von diesen neu aufgedeckten Beziehungen 
der Lebercapillaren beeinflußt. 

Es hat sich auch herausgestellt, daß das Verhalten der Leber- 
gefäße nicht prinzipiell, sondern nur graduell vom Verhalten der 
Capillaren im übrigen Organismus abweicht und daß die Venolen 
des ganzen Körpers die Hauptarbeit in der Regulation des Füllungs- 
zustandes der Capillaren leisten. Dadurch gewinnen unsere Fest- 
stellungen über die Innervation der Lebersperre, über die ich hier 
berichten will, an prinzipieller und praktischer. Bedeutung. 

Ob die Venensperre in der Leber geöffnet oder erschlafft ist, 
prüften wir neuerlich in der Weise, daß wir eine Klemme an der 
Arteria pulmonalis anlegten. Dadurch kam es zu einer Stauung im 
rechten Herzen, die sich bei offener Sperre sofort auf die Leber fort- 
setzt. Bei geschlossener Sperre hingegen bleibt das Lebervolumen 
unverändert oder es kann sogar wegen der geringeren Füllung der 
Vena portae durch die schlechtere Herzarbeit etwas abnehmen. 

Wir hatten mancherlei Ursache zur Annahme, daß der Nervus 
vagus die Sperre verschließt, der Sympathicus sie öffnet Denn der 
anaphylaktische Schock, den Biedl und Kraus durch Atropin 
unterdrückten, ist nach Leschke und seinen Mitarbeitern eine 
Reaktion des Vagus. Unsere Auffassung von der’ fast rein capillaren 

Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 25 


386 Mautner. Heft 4 


Entstehung des Schocks wird heute fast allseits anerkannt (Sim- 
monds). 

Nach Burton- Opitz hemmt die Reizung des Sympathicus den 
Lymphstrom, der direkt von der Venensperre abhängt. Dem 
Histamin sprechen Spor, Fröhlich und Pick eine vagale Kom- 
ponente zu, und die Leukopenie, die nach Sperre der Lebervenen 
eintritt (Cori und Mautner), ist nach Rüchel und Spitta nach 
Sympathicusdurchschneidung zu sehen. Die Widersprüche in den 
Arbeiten über die hämoklasische Krise werden ebenfalls durch die 
Annahme von einem Parallelgehen von Vagusreizung, Leberinsuf- 
fizienz, Lebersperre mit einem Schlag geklärt. 

Im Tierexperiment zeigte sich die volle Richtigkeit dieser Argu- 
mentation. Die Reizung des Nervus vagus gibt uns toto coelo ver- 
schiedene Bilder, je nachdem, ob wir ein Tier im Versuch haber., 
das eine Venensperre besitzt oder nicht. Bei Hund und Katze wird 
durch Vagusreizung die Lebersperre geschlossen und das Leber- 
volumen ist nur vom Füllungszustand von der arteriellen Seite her 
abhängig, es geht genau der Blutdruckkurve parallel. Beim Ka- 
ninchen hingegen, das über keine Sperrvorrichtung verfügt, schnellt 
das Lebervolumen bei Vagusreizung sofort in die Höhe, weil die 
Stauung im Herzen sich auf die Lebergefäße direkt fortsetzt. Wäh- 
rend starker Vagusreizung bei Hund und Katze setzt sich auch die 
Stauung, die wir durch Abklemmen der Art. pulmonalis erzeugten, 
nicht auf die Leber fort, die Adrenalinwirkung ist sogar noch durch 
einige Minuten völlig verändert. 

Diese Wirkung des Adrenalins auf die Venengefäße, die Reizung 
des Nervus sympathicus, bewirkt. bekanntlich eine deutliche Ver- 
kleinerung der Leber. Gegenteilige Angaben in der Literatur werden 
dadurch erklärlich,. daß manchmal, besonders beim Kaninchen mit 
seinem besonders labilen Herzen, nach Abklingen der vollen Adre- 
nalinwirkung eine Vergrößerung der Leber einsetzt, die wir in der 
Weise erklären möchten, daß das Herz nur solange, als es unter der 
Peitsche des Adrenalins steht, den erhöhten Blutdruck aufbringt, 
um die Kontraktion der Arterien zu überwinden. Wie das Herz 
nachläßt, wird der Blutdruck absinken, und da das Gefäßsystem 
noch kontrahiert ist, kommt es zur Stauung im Herzen, und, bei weit 
offener Lebersperre zur Stauung in der Leber. 

Daß aber Adrenalin auch aktiv die Sperre öffnet, geht aus Ver- 
suchen hervor, bei denen der Histaminverschluß, durch die Klemme 
an der Art. pulmonalis geprüft, sofort unter Adrenalinwirkung 
eröffnet wird und die Leberstanung vom Herzen her ermöglicht. 


Heft 4 Die Innervation der Venensperre in der Leber. 387 


Es erscheint uns also nicht zweifelhaft, daB der Nervus vagus die 
Sperre ebenso verschlieBt wie die EiweiBabbauprodukte Pepton 
oder Histamin und wie das Wasser. Ebenso eröffnet der Sympathicus 
die Sperre in derselben Weise wie die Diuretica und wie hyper- 
tonische Lösungen. 

Wenn aber unsere Auffassung richtig ist, daß die Capillaren des 
ganzen Körpers im Prinzip genau so reagieren, wie die Lebergefäße, 
und wenn wir den Grundsatz akzeptieren, daß die Weite der Capil- 
laren nicht von der Herzarbeit oder von der Kontraktion der Arterien 
und nicht vom aktiven Eingreifen der Capillarwand allein abhängt, 
sondern in erster Linie vom Verhältnis der Weite der zu- und ab- 
führenden Gefäße, daß also auch die Capillaren durch Vaguswirkung 
auf die Venen gefüllt, durch Sympathicuswirkung, die die Venen 
öffnet, geleert werden, dann wird begreiflich, daß die Beeinflussung 
der Venolen durch das autonome Nervensystem auch für die Kli- 
niker und Therapeuten von Wichtigkeit ist. Nur genaueste Kenntnis 
der Physiologie kann unser therapeutisches Handeln über die Stufe 
der tastenden Empirie zielbewußt emporheben. 


Diskussion. 


Herr Ebbecke: Die Tatsache, auf welche sich die Folgerungen des Herrn 
Vortragenden stützen, ist die Stauung und Schwellung der Leber nach Schock- 
giften. Diese Anschoppung und vermehrte Lymphbildung kommt aber ebenso 
durch eine primäre Erweiterung und Durchlässigkeitssteigeruug der Capillaren 
zustande, ohne daß es dazu einer Venensperre bedarf. Beispielsweise wirkt 
das Histamin, das in höheren Dosen die glatte Muskulatur sowohl an Arterien 
als an Venen zur Kontraktion bringt, schon in geringeren Dosen capillarerwei- 
ternd. — Die Venoconstrictoren verlaufen wie die Arterioconstrictoren im 
Sympathicus und haben nichts mit dem Vagus zu tun. — Adrenalin vermag 
eine Venensperre nicht aufzuheben, sondern bringt die Venen zur Kontraktion. 


Herr Mautner (Schlußwort): Der Ansicht des Herrn Ebbecke, daß die 
Anschoppung der Capillaren durch aktive Erweiterung derselben zustande 
kommt, stehen manche Befunde entgegen, besonders der Blutdruckanstieg 
nach Histamin in der Vena portae, den Bayliss und Starling nachgewiesen 
hat, ferner die Befunde von Inchley über Venenkrämpfe nach Histamin- 
injektion, wenn bei abgebundener Arterie und Incision in das Gewebe Histamin 
in die Venen injiziert wird. — Daß die Sperre zwischen Leber und Herz in den 
Venen selbst sitzt, wurde durch die Auffindung der Muskelwülste in der Vena 
hepatica von Arey und Simonds bewiesen. — Gegen die Venenkontraktion 
durch Adrenalin hat neuerlich Rominger berechtigte Einwände vorgebracht. 
Allerdings schiebt er irrtümlicherweise diese Auffassung Pick und mir zu, 
die wir diese Ansicht gar nicht vertreten. 


t 
n 


Experimentelle Beitrage zur Bakterienbesiedelung 
des Darmtraktes und ihrer Beeinflussung durch Nahrung. 


Herr Eugen Stransky, Wien. 


Die Erforschung der Darmbakterien und Beeinflussung derselben 
auf normale und pathologische Verdauungsvorgänge im mensch- 
lichen Darm bildet seit jeher ein Arbeitsgebiet der Pädriater. Seit 
Escherichs bahnbrechenden Untersuchungen und Entdeckungen 
wurde dieses Arbeitsgebiet stets von Kinderärzten in Anspruch ge- 
nommen. Moro und seine Mitarbeiter haben die Wichtigkeit der 
Darmbakterien für die Ernährungsstörungen im Säuglingsalter klar 
erkannt und den Begriff der endogenen Infektion bzw. endogenen 
Besiedelung des Dünndarmes geschaffen, der auch von Bessau und 
seinen Mitarbeitern weiter ausgebaut wurde. Wir wollen hier auch 
Passini erwähnen, der als erster sich mit der Frage der anaeroben 
Bakterien im menschlichen Darm beschäftigte und ihre Wichtigkeit 
erkannte. Außer ihm verdanken wir auch Blühdorn grundlegende 
Untersuchungen und Erkenntnisse auf diesem Gebiet. Trotz des 
großen Interesses vermissen wir aber bis nun tierexperimentelle 
Untersuchungen auf diesem Gebiete, die verschiedene Fragen, die 
die menschliche Pathologie interessieren, die aber beim Menschen 
nicht durchführbar sind, zu klären imstande wären. Erst in der 
letzten Zeit hat Bernheim-Karrer in der Czerny- Festschrift 
eine Untersuchungsreihe mitgeteilt, in der er sich mit der Frage 
beschäftigte, ob Invasion des Dünndarmes mit Bakterien mit einer 
Darmstörung zu idendifizieren wäre oder nicht. Dabei fand er, 
daß der Dünndarm durch Bakteriengifte geschädigter Kaninchen 
und Meerschweinchen voll von Bakterien ist, obwohl dabei kein 
Durchfall oder sonstige Darmerscheinungen mit im Spiele sind. 

Meine Untersuchungen unternahm ich auf Anregung meines Chefs. 
des Herrn Hofrates Prof. L. Moll, in der Wiener Reichsanstalt für 
Mutter- und Säuglingsfürsorge, zuerst um festzustellen, ob durch 
einseitige Milchernährung krank gewordene Kaninchen bezüglich 
ihrer Darmflora sich von gesunden Kaninchen unterscheiden oder 
nicht. Moll ist es gelungen, junge Kaninchen durch Milchernährung 


Heft 4 Experimentelle Beitrage zur Bakterienbesiedelung. 389 


elektrisch übererregbar zu machen; dabei entwickelte sich ein Krank- 
heitsbild,. das. dem Milchnährschaden der Säuglinge sehr ähnlich 
sieht, zuerst mit Gewichtsstillstand, später im letzten Stadium mit 
Gewichtssturz und Durchfällen einhergeht. Meine Methode war 
folgende: Junge Tiere, etwa 500 g schwer, wurden ausschließlich mit 
gekochter Vollmilch und Hafer ernährt. Sie wurden in Käfigen mit 
durchbrochenem Boden gehalten, daß Stuhl abfallen, Harn ab- 
fließen konnte. Die Nahrung wurde in drehbaren Näpfen gereicht. 
Es wurde Sorge getragen, daß die Tiere nie saure Milch genießen 
sollen. Die so ernährten Tiere bleiben in ihrer Entwicklung stark 
zurück, sind hypotonisch. Serienuntersuchungen zeigen eine ständige 
elektrische Übererregbarkeit; im Laufe der Zeit kommt es zu Kalk- 
seifenstühlen, die schließlich dyspeptischen Stühlen Platz machen. 
Manchmal gelingt es aber auch, die Tiere viele Monate am Leben 
zu erhalten. Diese Tiere im Stadium der Seifenstühle wurden zu 
den Untersuchungen verwendet. 

Die Tiere wurden narkotisiert, in der Narkose unter aseptischen 
Kautelen eine Laparotomie gemacht, die verschiedenen Darmab- 
schnitte freigelegt und aus ihnen mit fein ausgezogenen Glascapil- 
laren Darminhalt gewonnen, der teilweise für kulturelle Zwecke, 
teilweise für bakterioskopische Zwecke verwendet wurde. Der 
Darminhalt wurde in Bouillon oder Peptonwasser verdünnt, im 
Brutschrank 24 Stunden stehen gelassen und dann auf Platten über- 
impft oder fiir Stichkulturen verwendet. Die Abstriche wurden 
nach Gram gefärbt. Für die Züchtung von Bacterium coli wurden 
Drigalski- und Endo-Nährböden bzw. Stichkulturen in Trauben- 
zuckerragar verwendet. Ich kann mich nicht auf sämtliche näheren 
Details (so anaeroben Züchtung usw.) auf technische Einzelheiten, 
und Versuchsprotokolle ausbreiten, diesbezüglich verweise ich auf 
die zu erscheinende ausführliche Arbeit. 

Kulturen und Ausstriche wurden entnommen: aus dem Magen, 
aus dem Duodenum, aus den verschiedenen Dünndarmabschnitten, 
etwa 5—6, aus dem untersten Ileum, das immer die Verhältnisse 
des Dickdarms bietet, und schließlich aus Coecum und Dickdarm. 

Ich will nur die Versuchsergebnisse kurz zusammenfassen : 

Drei mit Milch ernährte Kaninchen hatten übereinstimmend in 
allen Darmabschnitten sowohl im Ausstrich als in Kulturen Bak- 
terien. Aus allen Darmabschnitten sind Colikolonien reichlich auf- 
gegangen. Daneben wuchsen selbstverständlich verschiedene andere 
Kolonien, wie auch im Ausstrich neben plumpen gramnegativen 
Stäbchen zarte, ebenfalls gramnegative Stäbchen, grampositive 


390 Stransky. Heit 4 


Stäbchen und Kokken, vereinzelte SproBpilze, verschiedene anaerobe 
Bakterien (die sich in der Kultur als solche erwiesen) gefunden wer- 
den konnten. Drei Kontrolltiere dagegen, die mit Grünfutter er- 
nährt wurden, hatten in den Ausstrichen aus dem Dünndarm ent- 
weder überhaupt keine oder ganz vereinzelte zarte gramnegative 
Stäbchen, die in den Kulturen nicht aufgingen. Im untersten Ileum 
sowie Coecum und Dickdarm eine sehr reichliche mannigfaltige 
Bakterienflora, Magen und Duodenum ergaben im Ausstrich ver- 
einzelte Stäbchen und Kokken. Die Platten vom Dünndarm blieben 
zum größten Teil steril, öfters wuchsen vereinzelte, spärliche Ko- 
lonien verschiedenster Art. Ähnlich war der Befund bei jungen, 
wenige Wochen alten Kaninchen, die noch beim Muttertier saugten 
und keine andere Nahrung genossen haben. Jedenfalls steht aus 
diesen Versuchen fest, daß bei normalen Tieren der Dünndarm 
praktisch bakterienfrei ist, bei ernährungsgestörten nichtdyspep- 
tischen Tieren dagegen sehr reichlich Bakterien enthält. 

Dieser Satz ist aber nicht für alle Tierarten von allgemeiner Gültig- 
keit. Untersuchungen an Hunden ergaben, daß der Dünndarm stets 
bakterienhaltig ist; nicht nur alle Kulturen waren positiv, sondern 
auch die frischen Ausstriche erwiesen sich stark bakterienbaltig. 
Dieser Satz gilt auch für junge, saugende Hunde. So wurde z.B. bei 
einem fünf Tage alten Hund und bei einem sieben Tage alten Hund 
vom Magen angefangen in allen Darmabschnitten reichlich Coli- 
gruppen sowie grampositive Kokken gefunden. Bemerken möchte 
ich, daß ich diese Befunde bei Hunden erheben konnte, die nach 
der Operation sich sofort erholten und weiter sehr gut gediehen sind. 
Bei Hunden dürfte also der Dünndarm in der Regel bakterien- 
haltig sein. 

Ähnlich wie beim Kaninchen liegen die Verhältnisse bei Ratten, 
obwohl hier ein Übergang zum Hundetypus zu verzeichnen ist. Bei 
gesunden, kräftigen Ratten findet man in den Dünndarmausstrichen 
mikroskopisch fast keine Bakterien. Trotzdem gelingt es, kulturell 
meistens auch im Dünndarm Bakterien (hauptsächlich Coligruppen) 
nachzuweisen. Im Ausstrich findet man Bakterien im Magen teil- 
weise, im Dünndarm nur ausnahmsweise. Kulturell findet man Coli 
in den oberen und in den unteren Dünndarmabschnitten ständig, in 
den mittleren Abschnitten fast nie. Dagegen findet man bei kranken 
oder infolge Vitaminmangel schlecht gedeihenden Ratten auch im 
Dünndarm bereits im Ausstrich massenhaft Bakterien verschieden- 
ster Art, hauptsächlich aber Coli. Dabei spielt es keine Rolle, welches 
Vitamin fehlt. Die einzige Bedingung ist nur, daß die Tiere durch 


Heft 4 Experimentelle Beitrage zur Bakterienbesiedelung. 391 


Vitaminmangel in ihrem normalen Gedeihen gestört sein sollen. 
Dies erreichte ich, indem die Tiere mit bei 120° getrocknetem Weiß- 
brot und Molke und Butter (Mangel an D-Vitaminen) oder ohne 
Butter (Mangel an A -Vitaminen), aber genügendem D-Faktor ernährt 
wurden. Auf nähere Einzelheiten kann ich leider nicht eingehen. 

Die Ergebnisse meiner bisherigen Untersuchungen möchte ich 
also in folgenden Sätzen zusammenfassen: | 

Wenn Tiere aus irgendeinem Grunde in ihrer Resistenz geschwächt 
sind, haben die Bakterien die Möglichkeit, im Dünndarm kräftig 
zu wuchern. Bakterienbefunde im Dünndarm sind nicht 
die Folge, auch nicht die Ursache einer Darmerkrankung, 
sondern einer Allgemeinstörung. Bei Kaninchen verursacht 
eine einseitige Milchernährung eine Ernährungsstörung, das Tier 
wird in seiner Resistenz gegenüber Bakterien geschädigt, und die 
Folge ist eine Überwucherung des Dünndarmes mit Bakterien. Im 
Dünndarm sind ständig vereinzelte Bakterien vorhanden, die bei 
gegebenen Verhältnissen leicht wuchern können. Weitere im Gang 
befindliche Untersuchungen dürften ergeben, daß im normalen 
Dünndarmsekret baktericide Kräfte innewohnen, die das Bakterien- 
wachstum auch in vitro hemmen können. Diese Sätze gelten für 
die Pflanzenfresser, vielleicht auch für Omnivoren, bei Fleischfressern 
dürfte der Dünndarm ständig reich an Bakterien sein. Untersuchungen 
an Ratten ergaben ferner, daß nach Nahrungsaufnahmen zahlreiche 
Bakterien durch die Nahrung in den Magen gelangen, und daß sie 
während der Verdauung auch im Dünndarm nachweisbar sind. 
Diese letzteren Ergebnisse sollen nur erwähnt werden, sie werden 
ebenfalls noch weiter verfolgt werden. 


Diskussion. 


Herr Prof. Bessau: Wie wurde eine Baktericidie des Darmsaftes nach- 
gewiesen ? 

Herr Adam: Im normalen Dünndarm kommt vorwiegend B. lactis aerogenes 
vor. 


Herr Stransky (Schlußwort): Die Wichtigkeit des Befundes bei Hunden 
wird hervorgehoben. Trotz normaler Darmtätigkeit ist der Dünndarm voller 
Bakterien. Der Beweis der baktericiden Kraft des Dünndarminbhaltes ist ex- 
perimentell festgestellt und wird in allernächster Zeit veröffentlicht werden. — 
Unter Coli wird immer die Coli-lactis-aerogenes-Gruppe gemeint ohne weitere 
Differenzierung. 


Zur Kenntnis des vegetativen Nervensystems. 
(Vorläufige Mitteilung.) 
Herr Stadtarzt Dr. W. Usener, Dessau. 


Auf Grund ihrer Studien über das vegetative Nervensystem und 
dessen Beziehungen zu Drüsen mit innerer Sekretion haben Ep- 
pinger und Heß angenommen, daß der Tonus im vegetativen 
Nervensystem von der Einwirkung innerer Sekrete abhängig sei, und 
haben hierin wesentliche Beziehungen der endokrinen Drüsen zum 
vegetativen Nervensystem gesehen; sie haben eine sympathico- 
tonische und vagotonische Disposition angenommen, eine Neurose 
Vagotonie aufgestellt und diese in Zusammenhang mit der exsu- 
dativen Diathese gebracht. Zur Abgrenzung dieser ihrer Ansicht 
nach durch periphere Tonussteigerung bedingter Zustände haben sie 
eine diagnostische Methode pharmakologischer Prüfung angegeben. 

Die Nachuntersuchung!) dieser pharmakologischen Prüfungs- 
methode ergab neben unsicheren Ausschlägen für Pilocarpin und 
Atropin keine Bevorzugung der Reaktion bei exsudativer Diathese, 
dagegen zeigten alle Kinder auf Adrenalin Glykosurie, so daß schon 
aus dieser Tatsache geschlossen werden muß, daß „sympathico- 
tonische‘“ und ‚vagotonische‘“ Kinder nicht sicher abzugrenzen sind. 

Modifiziert wurde die Methode dahin, daß nicht Einheitsdosen ge- 
geben wurden, sondern einschleichend für jedes Kind von kleineren 
Dosen ausgehend, die Grenzdosis ermittelt wurde, bei der Reaktion 
eintrat. Auf diesem Wege.wäre die Reizbarkeitsgrenze am ehesten 
im pathologischen Sinne festzustellen. Hervorzuheben ist die Ver- 
wendbarkeit des Atropins für Reizzustände im autonomen Nerven- 
gebiet diagnostisch und therapeutisch. 

Im Verlauf der Versuche, besonders deutlich auch bei größeren thera- 
peutischen Gaben, zeigte sich als eine wichtige Erscheinung, daß die 
Atropin- und Adrenalinwirkung durch den Schlaf unterbrochen wird; 
d.h. daß sie durch ein physiologisches, vom Zentralnervensystem 
abhängiges Moment ganz oder fast aufgehoben wird und unter Um- 
ständen nach dem Eı wachen wieder deutlich in die Erscheinung tritt. 


1) Die Versuche wurden an der Universitätskinderklinik Göttingen (Direktor: 
Prof. Dr. F. Göppert) 1913/14 ausgeführt. 


Heft 4 Zur Kenntnis des vegetativen Nervensystems. 393 


Es ergeben sich aus dieser Tatsache zwei mit den Vorstellungen 
von Eppinger und Heß unvereinbare Annahmen. I. Der Tonus 
im vegetativen Nervensystem kann nicht peripher bedingt sein, 
sondern ist wesentlich abhängig vom Zentralnervensystem und den 
Zentren der vegetativen Nervensystems. Die Adrenalinsekretion 
ist, wie wir von dem Zuckerstich her wissen, zentral bedingt, also ist 
auch die wechselnde Adrenalinsekretion (abgesehen von denkbaren 
direkten Beeinflussungen der endokrinen Drüsen untereinander und 
auf die Nebenniere) bedingt durch die sympathischen Zentren. Das 
Adrenalin ist ferner eine ausgesprochenes Reizgift, das den Tonus 
nicht unterhalten kann, da es sowohl bei fortlaufender intravenöser 
Applikation (Rietzmann) wie bei täglicher subcutaner Appli- 
kation (eigene Beobachtungen am Kaninchen und bei therapeu- 
tischer Darreichung an Kindern) nach einiger Zeit nicht mehr glyko- 
surisch wirkt. Das Physostigmin endlich, ein pharmakologisch aus- 
gesprochen tonussteigerndes Mittel, wirkt nur dann, wenn vom 
Zentrum oder Ganglion aus der Tonus noch unterhalten ist und nicht 
mehr nach Nervendegeneration (wie als Reizgift Pilocarpin); es ver- 
stärkt also nur den vorhandenen Tonus unter Umständen bis zum 
Reizeffekt. Dagegen ist die große Bedeutung der Sekrete innerer 
Drüsen (Sexualhormone, Hypophysen-, Schilddrüsen-, Nebennieren- 
hormone u. a.) auf das Zentralnervensystem und so auf die Zentren 
des vegetativen Nervensystems und auf deren Zustandsänderungen 
normaler und pathologischer Art hervorzuheben neben dem noch 
kaum: aufgeklärtten Wirkungsmechanismus innerer Sekrete auf die 
Zelltätigkeit (allgemeines und partielles Wachstum, Stoffwechsel usw.). 
Ähnliche Wirkungen haben andere Einflüsse wie Klima, Sonne, 
Jahreszeit u. a., vielleicht indirekt über die Haut und die inner- 
sekretorischen Drüsen. 

2. Physiologisch besteht ein normaler Wechsel von Sympathicus- 
tonus und autonomem Tonus durch den erhöhten Tonus im sym- 
pathischen Nervensystem bei Tag und den erhöhten autonomen Tonus 
bei Nacht. Der erstere ist, wie ich annehme, als der beherrschende 
anzusehen, wie denn das sympathische Nervensystem fördernde Ein- 
flüsse besonders auf alle animalen Funktionen (Blutzufuhr, Stoff- 
wechsel, Wärme, Muskeltonus u. a.) ausübt, während der nächtliche 
Vagustonus ein relativer ist und als Herabsetzung des Sympathicus- 
tonus aufzufassen sein wird. Das autonome Nervensystem versorgt 
fördernd besonders die vegetativen Funktionen innerer. Organe. 

Diesem physiologischen Antagonismus, dieser Schwankung im 
Tonus der gegensätzlichen sympathischen und autonomen Inner- 


394 Usener: Zur Kenntnis des vegetativen Nervensystems. Heft 4 


vation entsprechen wichtige andere biologische Antagonismen wie 
die Wärmeregulation, die Fieberregulation, Schock (als sympathischer 
Erregungszustand) und Kollaps. 

Von diesen Vorstellungen ausgehend können, abgesehen von vielen 
daraus sich ergebenden Beziehungen des vegetativen Nervensystems 
zu Erkrankungen aller Art, besonders den Infektionskrankheiten, 
vorerst 3 Gruppen von Neurosen des vegetativen Nervensystems 
aufgestellt werden. Es handelt sich nicht mehr um peripher bedingte 
Tonussteigerung, sondern um Zustände in Zentren des vegetativen 
Nervensystems, die, immer im Zusammenhang mit neuropathischer 
Anlage, latent sein oder manifest werden können. 

I. Eine allgemeine Neurose im Gebiet des autonomen Nerven- 
systems, bedingt durch einen neuropathisch-asthenischen Zustand 
des sympathischen Nervensystems. Die Labilität des letzteren 
ergibt wechselnd hervortretende, erhöhte Erregbarkeit im auto- 
nomen Nervensystem bei Reizbarkeit des sympathischen Nerven- 
systems. 

2. Die symptomatischen (meist monosymptomatischen) Neurosen 
im Gebiet des autonomen Nervensystems, d. h. das, was E ppinger 
und Heß unter anderer Deutung als lokale Vagotonie beschrieben 
haben: hypersekretorische und spastische Zustände an den inneren 
Organen. Diese sind bedingt vermutlich durch reflektorische Reiz- 
zustände, ausgehend von Erkrankungen des Endorgans meist ent- 
zündlicher oder toxischer, mitunter auch mechanischer Art. Es 
erklärt sich die häufige Beziehung solcher Neurosen zur exsudativen 
Diathese dadurch, daß akute oder chronische Schleimhauterkran- 
kung der Luftwege und des Magen-Darmkanals, der Blase und Geni- 
talien besonders zu diesen Störungen Veranlassung geben. Als ein 
typisches Beispiel dafür habe ich die Pathogenese der spastischen 
Symptome und des Stuhlbildes bei der Ruhr?) dargelegt. Das häufige 
Auftreten bei Nacht erklärt sich ebendaher. 

3. Die vasomotorischen, wesentlich sympathisch bedingten Stö- 
rungen und Erkrankungen, wobei zu unterscheiden sein werden 
einerseits Schwächezustände der sympathischen Gefäßinnervation 
(Ohnmachtsneigung, oft mit Reizzuständen im autonomen Nerven- 
gebiet verbunden) und anderseits Krampfzustände der sympathischen 
Gefäßinnervation, wie sie neuerdings für Absencen, Epilepsie, Migräne, 
vasomotorische Ödeme wahrscheinlich gemacht sind). 








1) Berl. klin. Wochenschr. 1916, Nr. 29. 
2) Curschmann, Minch. med. Wochenschr. 1922, Nr. 51. — Westphal, 
Klin. Wochenschr. 1923, S. 1008 u.a. 


Uber den Innervationsmodus der Tetaniespasmen. 
Herr E. Freudenberg, Marburg. 


Kürzlich habe ich mit Behrendt gezeigt, daß das spastische 
Stadium einer Atmungstetanie auch dann eintritt, wenn die spinal- 
motorische Innervation durch endoneurale Injektion 2—4 proz. 
Novocainlösung ausgeschaltet wird. So konnte nicht nur die noch 
in jüngster Zeit bestrittene Existenz eines von der spinalmotorischen 
Innervation unabhängigen Tonus bewiesen werden, es ergaben sich 
auch synergische und antagonistische Beziehungen der beiden Inner- 
vationsarten. Ein funktioneller Antagonismus ergibt sich daraus, 
daß Willkürbetätigung der Muskeln die Fähigkeit derselben, bei der 
Atmungstetanie mit Spasmen zu reagieren, hemmt. Diesem Anta- 
gonismus liegt der verschiedene biochemische Mechanismus der 
beiden Leistungen zugrunde: bei der Tetanie Alkalose, bei der Will- 
küraktion Lactacidose. 

Dieses Verhalten klärt einen bisher unverständlichen klinischen 
Befund auf: das Fehlen des Erbschen Zeichens und der mechanischen 
Übererregbarkeit in einer eklamptischen Krampfperiode oder nach 
gehäuften Laryngospasmen. Die Krampfacidose hebt vorüber- 
gehend die biochemischen Entstehungsbedingungen des ‚Erb‘ und 
„Chvostek“ auf. Diese Feststellungen erledigen gleichzeitig den 
Einwand Hochsingers, die Alkalose sei erst die Folge der Krämpfe. 

Ein auffälliger Gegensatz lag nun aber in unseren Experimenten 
am Menschen zu früheren Tierversuchen anderer Autoren vor. Bis- 
her war gefunden worden, daß Nervendurchschneidung die Ent- 
wicklung tetanoider Spasmen aufhebt. Ich hielt es daher für ge- 
boten, auch an Tieren zu experimentieren. In Gemeinschaft mit 
Läwen- Marburg habe ich an 6 Hunden tetanoide Spasmen erzeugt, 
nachdem zuvor an den Nerven einer Extremität, die hierzu frei- 
gelegt wurden, verschiedene Eingriffe vorgenommen waren. Die 
Spasmen wurden durch langsame, endovenöse Infusion halbmole- 
kularer, sekundärer Phosphatlösung hervorgerufen. Die Eingriffe an 
den Nerven bestanden in endoneuraler Injektion von !/,-, I-, 2- und 
4 proz. Novocainlösung, endlich im Einfrierenlassen der Nerven mit 
dem Vereisungsapparat von Läwen. 


396 Freudenberg. Heft 4 


Man kann zusammenfassend sagen, daß in dem Maße, in welchem 
die Parese eintrat, die Fähigkeit, mit tetanoiden Spasmen zu rea- 
gieren, herabgesetzt war, am schwersten also bei Vereisung und 
Anwendung 4proz. Lösung. Das Ergebnis war tatsächlich prinzipiell 
anders als beim Menschen. Wie ist der Unterschied zu erklären? 
Möglich ist folgendes: 

I. Bei den Versuchen am Menschen war die spinalmotorische 
Innervation nicht ausgeschaltet. 

2. Beim Hunde verlaufen die Tonusfasern im gemischten Spinal- 
nerven, beim Menschen außerhalb desselben. 

3. Die Cocainempfindlichkeit der Tonusfasern beim Hunde ist 
größer als die dieser Fasern beim Menschen. 

Wir können I. ausschließen, denn es bestand klinisch ausgesprochene 
Parese, und beim Versuche, willkürlich die betreffenden Muskeln zu 
gebrauchen, fehlten Aktionsströme. 2. ist als Annahme wenig an- 
sprechend und würde den Nachweis der angenommenen, außerhalb 
des Spinalnerven verlaufenden Fasern erfordern. Gelingt dieser nicht, 
so ist die dritte Möglichkeit als die wahrscheinlichste anzusehen. 

: Da H. Freund kürzlich angegeben hat, daß den Stoffwechsel des 
Muskels beeinflussende Fasern in den periarteriellen Geflechten ver- 
laufen, haben wir die Wirkung der Ausschaltung derselben mittels 
der Operation nach Lériche auf die Fähigkeit der zugehörigen 
Muskelgebiete, mit tetanoiden Spasmen zu reagieren, untersucht. 
Beim Hunde fehlt jede Einwirkung dieser Art. Beim Menschen 
hatten wir noch keine Gelegenheit, den Einfluß der Operation etwa 
auf eine Atmungstetanie zu prüfen. Ein Einfluß auf die indirekte 
elektrische Erregbarkeit konnte ich beim Menschen nach Sym- 
pathektomie nicht nachweisen. Als Ersatz der Operation haben wir 
bei 8 Erwachsenen periarterielle Umspritzungen der Arteria radialis 
am Vorderarm gemacht, um so die Ausschaltung der periarteriellen 
Geflechte zu erreichen. Die Experimente hatten aber kein klares 
Ergebnis, so daß der Versuch des Nachweises extraneuraler Tonus- 
fasern als gescheitert gelten muß. 

Es wäre nun noch eine Frage zu beantworten. Ist es überhaupt 
erforderlich, einen innervatorischen Einfluß auf die Tetaniespasmen 
anzunehmen, nachdem nachgewiesen ist, daß ein von der spinal- 
motorischen Innervation unabhängiger tonischer Zustand vorliegt ’? 
Genügt nicht die früher statuierte Ionenverschiebung zwischen 
Calcium und Kalium mit dem Angriffspunkt an der rezeptiven Sub- 
stanz von durch ihre Verkürzungsruhelage in erhöhtem Maße tonus- 
bereiten Muskeln ? 


Heft 4 Uber den Innervationsmodus der Tetaniespasmen. 397 


Ich halte die Annahme eines innervatorischen Einflusses für un- 
umgänglich. Den damals vorgebrachten Gründen möchte ich noch 
einen weiteren hinzufügen: das Zustandekommen des ‚Trousseau““. 
Schaeffer hat schon gezeigt, daß er von der Anämisierung unab- 
hängig ist, Behrendt und ich wiesen nach, daß es sich nicht um 
einen über das Rückenmark laufenden Reflex handelt. Neuerdings 
fanden wir, daß durch Reizung der Wand der Arterie, die freigelegt 
war, das Phänomen nicht zustande kommt, so daß also nur die An- 
nahme bleibt, daß der Druck im Sulcus bicipitalis die in den Nerven 
verlaufenden Tonusfasern reizt. Die durch den Druck vermittelten, 
in den Tonusfasern absteigenden Reize sind also befähigt, einen 
spastischen Zustand dann schon herbeizuführen, wenn die physiko- 
chemischen, peripheren Bedingungen noch nicht ausreichen, um 
einen spontanen Spasmus zu bewirken. 

Mit der Annahme des Mitwirkens nervöser Impulse bei den Tetanier 
spasmen führen wir neben dem physikochemischem ein neues Moment 
ein. Nach unseren dauernd fortgesetzten Untersuchungen über 
Atmungstetanie reagiert jeder Mensch, der eine genügend vertiefte 
Atmung genügend lange durchhält, mit tetanoiden Erscheinungen. 
Unterschiede gibt es aber in der Geschwindigkeit, mit der die Spasmen 
eintreten. Es liegt also nahe, sich vorzustellen, daß die Geschwindig- 
keit des Auftretens der Spasmen nicht nur an die Verschiebung des 
Ca/K-Quotienten gebunden ist, sondern auch vom Erregungszu- 
stande der Zentren abhängt, von denen die oben erwähnten Impulse 
ausgehen. Ist er erhöht, so wird eine geringere Änderung der physiko- 
chemischen Bedingungen als sonst genügen, um Spasmen auszu- 
lösen. Der Blutchemismus ist in diesen Fällen, soweit unsere geringen 
bisherigen Erfahrungen ein Urteil zulassen, nicht verändert. Die 
Besonderheit beruht also auf dem zentralnervösen Mechanismus, 
ohne daß die peripheren physikochemischen Bedingungen abgeartet 
sind. Wer in den Vorgängen, die zu dieser Abartung führen, das 
Wesen der Tetanie sieht, für den verliert damit die elektrische und 
mechanische Übererregbarkeit von ihrer üblichen hohen Bewertung. 


nee 


Diskussion. 


Herr Bessau (Leipzig): Wenn die spasmophilen Krampfe auf Alkalose 
beruhen, so müßte, da die Krämpfe selbst acidotisch wirken, sozusagen eine 
Selbstheilung eingeleitet werden. Nach allgemeinen Konvulsionen schwinden 
auch in der Tat die Latenzsymptome der Spasmophilie, trotzdem aber können 
sich die Krampfanfälle wiederholen. 


— 


Beiträge zur Tetaniefrage. 
Herr Otto Tezner, Wien. 


Die Frage über den Zusammenhang zwischen Tetanie und Alkalose 
hat ihren Ausgang genommen von den Erscheinungen bei Hyper- 
ventilation. Es schien daher dle Lösung der Vorfrage angezeigt, ob 
es sich bei der Hyperventilationstetanie wirklich um die Wirkungen 
der Alkalose handle. Zwar hatten schon Hill und Flak, Grant 
und Goldmann, Porges und Adlersberg gezeigt, daß die Über- 
erregbarkeitserscheinungen völlig ausbleiben, wenn CO,-haltige Luft 
eingeatmet und also die Alkalose verhindert wird. Und Behrend 
und Freudenberg lehren die Deutung der englischen Autoren 
Davies, Haldane und Kennaway, Bazett und Haldane, 
Morris ab, daß es sich hierbei um den Effekt eines Sauerstoff- 
mangels handle, der infolge der Hyperstabilität des Oxyhämoglobin: 
entstehe, da die ersteren Autoren durch Einatmung von reinem 
Sauerstoff die Tetaniekrämpfe nicht verhindern konnten. Es er- 
übrigte jedoch noch immer der Einwand, daß es nicht der Verlust 
der Säure, sondern des CO,-Moleküls als solchen sei, welcher die 
Erscheinungen hervorrufe. Um diese Frage zu entscheiden, wurden 
Hunde hyperventiliert, was nach Henderson durch leichte Äther- 
narkose bewerkstelligt werden kann, und nach ?/, Stunde wurde beı 
fortdauernder Hyperventilation "/-HCl infundiert; dabei 
wurde fortlaufend die py des Harnes und die elektrische Erregbarkeit 
bestimmt. Hierbei zeigte sich, daß tatsächlich die elektrische Erreg- 
barkeit während der Hyperventilation stieg und während der HCI- 
Infusion trotz fortdauernder Hyperventilation wieder sank; in einem 
Falle trat auch Trousseau auf, der bei HCl-Infusion wieder schwand: 
py des Harnes, die während der Hyperventilation gestiegen war. 
sank während der HClI-Infusion wieder ab. Ließ man andererseits 
einen Hund 15 1 Luft einatmen, welche 8 Volumprozent CO, enthielt. 
so fiel die elektrische Erregbarkeit ab; nach einer Zeit der Erholung 
wurden 300ccm 6 proz. NaHCO, infundiert, worauf die elektrischen 
Werte unter die Anfangszahlen sanken; eine neuerliche CO,-Ein- 
atmung bei fortdauernder Infusion brachte nur sehr geringes Sinken 


Heft 4. Beitrage zur Tetaniefrage. 399 


der Erregbarkeit hervor. Manifeste Tetanie sahen wir niemals auf- 
treten; trotzdem glauben wir diese Versuche dahin deuten zu dürfen, 
daß die Hyperventilationstetanie tatsächlich auf Alkalose beruht. 

Aus der erwähnten, auf Bicarbonatinfusion entstehenden Erreg- 
barkeitssteigerung. ist zu ersehen, daß beim Tiere auch Alkalose, 
welche nicht durch Hyperventilation entstanden ist, zur Übererreg- 
barkeit führt; zu denselben Resultaten sind auch zahlreiche andere 
Autoren gekommen; dagegen wurde die Wirkung der Bicarbonat- 
gaben auf gesunde Kinder nur von Henderson geprüft, der keine 
wesentliche Wirkung sah. Wir haben in Nachprüfung dieser Ver- 
suche zunächst 4 Säuglingen und 4 älteren Kindern Bicarbonat ver- 
abreicht. 7 Kinder waren gesund, I Säugling zeigte Zeichen von 
latenter Tetanie; die älteren Kinder erhielten 5—2o g, die Säug- 
linge 4g (und zwar 2g per os und 2g per rectum); hierauf wurde 
der Harn kontrolliert und die Erregbarkeit durch 4 Stunden stünd- 
lich untersucht; bisweilen sanken die Anodenwerte etwas ab, sonst 
zeigte sich keine besondere Wirkung. Etwas größeren Effekt zeitigte 
längerdauernde Verabreichung. Io Säuglinge erhielten durch 5 Tage 
je 6g, am 6. Tage vor der Untersuchung 4g auf einmal, Io ältere 
erhielten täglich 20 g, am 6. Tage 10—20 g auf einmal. Die K.S.Z. 
wurde auch hier wenig beeinflußt; dagegen sank öfters die A.Ö.Z., 
und auch die K.Ö.Z. sank einigemal unter 5 M.A., zweimal trat 
Ulnarisphänomen, einmal Facialisphänomen auf, niemals Trousseau 
oder Spontankrämpfe, ebensowenig wie bei den eben erwähnten 
Bicarbonatinfusionen bei Tieren. Nach Davies, Haldane und 
Kennaway genügten Gaben von 0,6g NaHCO, pro kg, um beim 
Menschen eine inkompensierte Alkalose herbeizuführen, dasselbe 
haben Dale und Evans beim Tier schon nach Infusion von 30 ccm 
6 proz. NaHCO, erzielt ; in unseren Versuchen wurden in beiden Fällen 
diese Mengen oft überschritten und trotzdem trat nie eine manifeste 
Tetanie auf. Die Hyperventilation muB nach Behrend und Freuden- 
berg oft bis ı!/, Stunden fortgesetzt werden, um Krämpfe hervor- 
zurufen; all dies scheint darauf hinzudeuten, daß die inkompensierte 
Alkalose zwar stets erregbarkeitsteigernd wirkt, daß sie aber offenbar 
einen sehr bedeutenden Grad erreichen muß, um manifeste Tetanie 
zu erzeugen. 

Schließlich soll noch über Versuche berichtet werden, die vielleicht 
zur Erklärung des Trousseauschen Phänomens etwas beitragen 
können. Kürzlich haben Behrend und Freudenberg mitgeteilt, 
daß der abgeschnürte Arm an den Spasmen bei Atmungstetanie 
nicht teilnimmt; sie fanden auch. daß nach vorübergehender Stei- 


400 Tezner. Heft 4 


gerung eine Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit in diesem 
Arm stattfindet, was sie auf die durch Stauung oder Anämie erzeugte 
Acidose zurückführen. Die Vorbedingung für das Zustandekommen 
des Trousseau und der Spontankrämpfe sei die Versorgung mit 
alkalotischem Blut; die: vorübergehende Erregbarkeitssteigerung sei 
ihrem Wesen nach unbekannt und habe mit dem Trousseauschen 
Phänomen nichts zu tun. Geigel hingegen hatte seiner Zeit fest- 
gestellt, daß im abgeschnürten Arm eine deutliche Steigerung der 
elektrischen Erregbarkeit, wenigstens der Öffnungswerte auftrete; 
es könnte sich hierbei um die „vorübergehende Erregbarkeitssteige- 
rung“ von Behrend und Freudenberg handeln. Um dies festzu- 
stellen, haben wir beinormalen, unbeeinflußten und bei bicarbonat be- 
handelten Kindern die elektrischen Werte 5—20 Minuten nach anämi- 
sierender Abschnürung untersucht. Nach 5 Minuten zeigte sich hierbei 
in mehreren Fällen wie bei Geigel ein Absinken der Öffnungswerte, 
namentlich der K.Ö.Z., die Schließungszuckungen: blieben unver- 
ändert oder stiegen sogar an. In einigen Fällen blieben alle Werte 
gleich oder zeigten leichten Anstieg. Läßt man die umschnürende 
Binde längere Zeit liegen, so kommt es, wie auch Behrend und 
Freudenberg hervorheben, zu einem Sinken der Erregbarkeit, 
doch erfolgt dies keineswegs gleichmäßig; am meisten steigt die 
K.S.Z., weniger die A.S.Z. und A.Ö.Z., letztere hielt sich in 3 Fällen 
noch unter dem Anfangswert; die K.O.Z. sank sogar in 2 Fällen 
noch weiter ab. Zu ähnlichen Resultaten kamen unabhängig von 
uns Elias und Kornfeld. Wir konnten jedoch ein weiteres, bisher 
noch nicht beobachtetes Symptom feststellen, das wir zuerst bei 
2 tetaniekranken Kindern mit fehlendem Trousseau beobachtet 
hatten; es trat nämlich wie bei diesen, so auch bei einigen der ge- 
sunden Kinder nach Abschnürung ein positives Ulnarisphänomen auf; 
dieses war maximal einmal nach 5 Minuten, ein andermal nach 20 Mi- 
nutcn und erschien manchmal erst, wenn die elektrische Erregbarkeit 
schon wieder im Sinken war. Ob dieses Sinken der Erregbarkeit 
tatsächlich auf Acidose beruht, soll hier nicht erörtert werden; es 
sei nur festgestellt, daß sich zwischen Kindern mit und ohne Bi- 
carbonatbehandlung, id est solchen mit weniger oder mehr alka- 
lotischem Blut kein Unterschied in der Reaktion finden ließ. So viel 
aber erscheint uns sicher, daß in den ersten Minuten nach der Ab- 
schnürung die Steigerung der elektrischen und mechanischen Erreg- 
barkeit das Feld beherrscht, d, h. in den Fällen, in denen überhaupt 
eine solche auftritt. Da dies jedoch gerade die Zeit ist, die für das 
Auftreten des Trousseau in Betracht kommt, glauben wir im 


Heft 4 Beitrage zur Tetaniefrage. 401 


Gegensatz zu Behrend und Freudenberg diese Erregbarkeits- 
steigerung sehr wohl zur Erklärung dieses Phänomens heranziehen 
zu können. Trousseau und Dauerspasmen bei Tetanie werden 
ja allgemein als wesensverwandt angesehen. Man muß nun nur 
noch die nicht unwahrscheinliche Annahme machen, daß die Er- 
reichung eines gewissen Schwellenwertes der peripheren Erregbarkeit 
nötig ist, damit Krämpfe auftreten, dann ist es klar, daß zur Er- 
reichung dieses Punktes entweder die tetanische Übererregbarkeit aus- 
reicht — Dauerspasmen — oder daß sich zu ihr noch die Abschnürung 
erzeugende Erregbarkeitssteigerung addieren muß — Trousseau. Man 
darf sich freilich den Schwellenwert nicht als fixen Punkt vorstellen; 
nicht nur vom Trousseau, sondern auch von den Spontankrämpfen 
ist es bekannt, daß sie bei hochgradiger peripherer Erregbarkeit 
fehlen können und umgekehrt. Biedl erklärt dies damit, daß außer 
der peripheren Übererregbarkeit auch eine zentrale bestehen müsse; 
es ist eine Ladung des gesamten Nervensystems nötig, um Krämpfe 
zu erzeugen. Es wird daher auch je nach dem Grade der zentralen 
Übererregbarkeit auch jener Schwellenwert des peripheren Systems 
wechseln müssen. Es ist für die oben gegebene Erklärung ganz 
irrelevant, ob wir den Trousseau als reflektorisches oder rein peri- 
pheres Phänomen auffassen; im letzteren Falle ist ja der Mechanis- 
mus ohne weiteres klar; im ersteren müßte man annehmen, daß die 
Abschnürung erstens die Erreichung jenes Schwellenwertes ermög- 
licht, dessen Überschreiten die Vorbedingung für das Auftreten des 
pathologischen Reflexes bildet und zugleich auch als reflexauslösen- 
des Moment wirkt. 


Diskussion. 


Herr Freudenberg: Gegen die Zurückführung des ‚„Trousseau‘‘ auf die 
Erregbarkeitssteigerung durch die Umschnüruug, sofern diese auf die Zirku- 
lation wirkt, spricht der Befund Schaeffers, daß es nicht auf die Anämi- 
sierung bzw. Stauung ankommt. Es wird auf die soeben vorgetragenen Ver- 
suche mit Reizung der Arterienwand bzw. der Nervenstämme bei Hunden 
im Vorstadium der Phosphattetanie hingewiesen. Die Erregbarkeitsförderung 
durch Wirkung auf die Zirkulation dürfte nur als Hilfsmoment bei der Aus- 
lösung des Trousseau anzusehen sein. 


Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 26 


Vergleich einer Stillstatistik aus dem Jahre 1877 
mit einer solchen aus dem Jahre 1922. 


Herr Beck, Tubingen. 


Im Jahre 1877 stellte der damalige wiirttembergische Oberamts- 
arzt Camerer eine Stillstatistik seines Oberamtsbezirks Riedlingen 
auf. Diese Statistik ist, soviel ich weiß, die älteste, die es überhaupt 
gibt. Sie liefert ein Bild von den überaus schlechten Verhältnissen, 
wie sie damals nicht bloß in Riedlingen, sondern überall herrschten, 
und ist dadurch ein Zeitdokument von größtem Werte, 

Aber jede Stillstatistik gewinnt dann doppelt an Wert, wenn man 
ihr eine andere zum Vergleich an die Seite stellen kann, sei es eine 
gleichzeitige Statistik aus einer anderen Gegend, oder sei es eine 
Statistik derselben Gegend, aber aus späterer Zeit, die dann zeigt, 
wie sich die Verhältnisse geändert haben, entweder in gutem oder in 
schlechtem Sinn. Eine solche Vergleichsstatistik aus demselben 
Oberamt — Riedlingen —, nur ein halbes Jahrhundert später, möchte 
ich Ihnen hiermit vorlegen. 

Diese neue Statistik verdanken wir dem jetzigen Oberamtsarzt 
von Riedlingen, Herrn Med.-Rat Missmahl, der sie uns liebens- 
würdigerweise zur Verfügung gestellt hat. Das Oberamt Riedlingen 
liegt im südlichen Württemberg, etwa zwischen Sigmaringen und Ulm, 
und hat in überwiegender Mehrheit landwirtschaftlich tätige Be- 
völkerung. 

Das Ergebnis zeigt nachstehende Tabelle. 

Zunächst sieht man, daß gemäß dem Ergebnis der alten Camerer- 
schen Statistik die Stillverhältnisse außerordentlich schlechte waren. 
Von 18 Ortschaften sind es nur vier, in denen in 50% und darüber 
gestillt wird, während in 14 anderen der Prozentsatz des Stillens außer- 
ordentlich tief liegt, und bis auf 15 und 13%, heruntergeht, so daB 
also von 100 Kindern nur 13—15 gestillt wurden. 

Das hat sich nun ganz außerordentlich geändert, und zwar so, daß 
in nicht weniger als 8 Ortschaften sämtliche Kinder wenigstens eine 
Zeitlang gestillt wurden. Das schlechteste Stillergebnis überhaupt 
ist heute dasselbe, wie es 1877 das beste war, nämlich 62%, damals 


Heft 4 Vergleich einer Stillstatistik aus den Jahren 1877 und 1922. 403 


in Pflummern, heute in Uigendorf. Man sieht dies auch aus der 
letzten Aufstellung, aus der sich ergibt, daß heute nur noch 29 Kinder 
überhaupt nicht gestillt werden, gegenüber 384 von damals. In 
Prozenten ausgedrückt bedeutet das, daß heute 88%, gestillt werden, 
gegenüber früher 33%. 











Gestillt 














U 
S Gemeinde 1877 Nicht gestillt 
2 
1.] Pflummern. ....... 62 a 16 100 | 18 15 — 
2. | Reutlingendorf...... 56 | 14 100 | 9 Owe as 
3.1 Kappel ......... 53 | 5 100: 8 8 — 
4. | Sauggart. . . . 2.2 2.. 50 8 100 ; 10 Ba 
5.4 Bechingen, Zell... ... 44 8 71 8 5 2 
6.| Dürmentingen ..... . 39; «II 100 8 17 | — 
7.1 Hundersingen ...... 37 : 12 80 Io 29 3 
8. | Dietelhofen, Möhringen, Unlingen 35 13 87 9 34 4 
9.| Binzwangen ....... 33 , Io 80 6 24 3 
10. | Zwiefaltendorf ..... . 33 | 14 86 | 10 8 I 
11.] Betzenweiler . . ..... 32 | 10 100 8 32 — 
12.] Uigendorf ........ 31 | 13 62 10 II 3 
13.| Riedlingen. ....... 30 9 100 ota l 54 | = 
14.] Kanzach. ........ 24 CC 9 100 8 24 — 
15. | Uttenweiler ....... 23 ` I2 96 9 37 I 
16. | Göffingen, Heiltingen. ..| 20 | 8 70 | 17 20 3 
17. | Dauzendorf ....... 15 | 8 70 8 28 5 
U Ne@uitas 55. oo 2.08 4 13 12 70 7 26 4 








Gesamtsterblichk. im I. Lebensj. | 190 — 32,9% 26 = 10,2% 


Diese Besserung kommt dann natürlich auch in der Besserung 
der Gesamtsterblichkeit zum Ausdruck. Einer Sterblichkeit 
von 190 Säuglingen steht eine solche von nur noch 26 gegenüber, 
bzw. in Prozenten ausgedrückt: Früher starb jedes dritte Kind, 
heute stirbt nur noch jedes zehnte Kind. 

In diesen Zahlen kommt die Veränderung der Verhältnisse 
außerordentlich deutlich zum Ausdruck, und es liegt hier natürlich 
nahe zu fragen: Worauf beruht diese Besserung des Still- 
willens? | 

Das eine Moment könnte die Einrichtung der staatlichen Für- 
sorge, also die Errichtung des Jugendamts und die Anstellung der 
Bezirksfürsorgerinnen sein. Beides ist aber erst im Jahre 1923 erfolgt, 
hat also diese Besserung nicht herbeigeführt. Diese Feststellung ist 
sehr wichtig, denn wenn wir unsere Statistik erst einige Jahre später 
gemacht hätten, würden wir die Besserung der Verhältnisse wohl 

26°% 


404 Beck. Heft 4 


ohne weiteres auf das Konto des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes 
gebracht haben. | 

Irgendwelche Einrichtungen der privaten Säuglingsfürsorge 
hat esin Riedlingen nicht gegeben. Also die eigentlich organisierte 
Fürsorge scheidet hier ebenfalls aus. 

Der größte Teil des Fortschritts dürfte meines Erachtens darauf 
zurückzuführen sein, daß einmal die Ärzte dank ihrer zwangsläufigen 
Ausbildung in Kinderheilkunde während ihrer Studienzeit nicht nur 
eine gewisse Kenntnis vom Wert der Frauenmilchernährung, sondern 
auch ein gewisses Interesse daran mit in die Praxis bringen, daß 
weiter die Hebammen, denen in solchen ländlichen Bezirken wie 
hier ein noch viel größerer Einfluß als woanders zugemessen ist, heut- 
zutage auch von den Frauenkliniken und den Hebammenlehranstalten 
viel bessere Anschauungen mitbringen und in der Regel nicht mehr 
fragen, ob die Mutter ihr Kind stillen will, sondern es ihr — gewisser- 
maßen automatisch — an die Brust legen. 

Daneben wird natürlich auch noch der Geist der Zeit, der heut- 
zutage auf das Selbststillen eingestellt ist, vielleicht auch noch die 
Gewöhnung an das Stillen durch die Stillprämien während des Krieges 
mitgewirkt haben. 

SchlieBlich ist zu erwägen, ob nicht auch das Sinken der Geburten- 
ziffer die Besserung mit veranlaßt hat. In einzelnen Dörfern ist ein 
geradezu erschreckendes Sinken der Geburtenzahl zu bemerken. 
z. B. in 


Reutlingendorf. .. .. . . . von I6 (1877) auf 2 (1922) 
Hundersingen . . . . . . . . von 46 auf 14 
Riedlingen. ......... von 79 auf 23 


Angesichts dessen kann man meines Erachtens gar nicht umhin, 
auch dieser Tatsache eine Bewertung für die Besserung des Stillens 
zuzumessen. Je weniger Kinder geboren werden, um so wertvoller 
sind sie, also um so mehr werden sie gestillt werden. 


Diskussion. 


Herr Bauer: Die Hebung des Stillens in einer Bevölkerungsgruppe wird 
stillschweigend hier als nationalökonomisch günstig angesehen. 
Ausdrücklich wird dabei der Einfluß der Belehrung durch Fürsorge abgelehnt. 
Um also einen volkswirtschaftlichen Nutzen in den höheren Stillzahlen zu 
sehen, muß man noch hinzufügen: Wieviel Säuglinge haben das erste Lebens- 
jahr überschritten, hat sich die Bevölkerung vermehrt, haben sich ihre Ver- 
hältnisse wirtschaftlich geändert (Ab- und Zuwanderung, Fabrikanlage), wie 
ist die Geburtlichkeit ? 


Heft 4 Diskussion. 405 


Herr Stransky: Mitteilung der Ergebnisse der Stillhäufigkeit in der 
Krippe in Hainburg (Niederösterreich). Vor der Stillprämie wurden in der 
Fabrikkrippe fast gar keine Kinder gestillt, seit der Gewährung derselben 
stillen alle Mütter. Es sind allerdings ziemlich viele, die Beinahrung geben 
mußten. Das Resultat ist die kolossale Verminderung der Sterblichkeit. Die 
Stillfähigkeit ist unvermindert vorhanden, wenn der Stillwille vorhanden ist. 


Herr Mautner: Die wichtigste Ursache der besseren Stillstatistik ist zweifel- 
.los die wirtschaftliche Lage. Die Kuhmilch ist entweder unerschwinglich 
oder wird von der Landbevölkerung lieber anders verwertet als durch Verfüt- 
terung an das Kind, das auch an der Brust aufgezogen werden kann. 


Herr Weiss: Die wertvollen Angaben über den Einfluß der Stillpropaganda 
durch die Hebammen in einer örtlich abgeschlossenen Bevölkerungsgruppe kann 
ich erweitern durch meine gleichsinnigen Ergebnisse in der fast zwanzigjährigen 
Tätigkeit der Wiener Stillkasse. Hier kann noch ein weiterer Beitrag 
für die moderne Familienforschung geliefert werden, weil das Mütter- 
material nach dem Stillerfolg ihres letzten der Stillkasse angehörigen Säug- 
lings gegenüber ihren vorausgeborenen Kindern in bezug auf die natürliche 
Ernährung nach zwei Methoden geprüft wurde. Für die älteren Kinder wurde 
die anamnestische Erhebung durch direkte Ausfrage der Mütter angewendet. 
Diese Resultate ergeben trotz scharfer Trennung der ausschließlichen Brust- 
milchperiode von der nachfolgenden Zwiemilchernährung eine Angabe von 
zumeist längerer Stilldauer, weil das für die Stillung erweckte Interesse der 
Mütter geneigt ist, in bester Absicht einer etwas längeren Stilldauer sich zu 
rühmen. Dagegen ist die Bestimmung der Stilldauer jedes Stillkassensäug- 
lings eine zahlenmäßig durch das jedesmalige Probestillen erhobene direkte 
Statistik von einwandfreiem Charakter. Nach dieser Gegenüberstellung haben 
die Mütter bei ihren früheren Kindern eine Stillhäufigkeit von bloß 85% 
(siehe Stillerfolg Becks im Jahre 1919) gehabt, während sie bei dem letzten 
Kinde, für dessen künftige Stillprämiierung der Beitritt schon in der Schwanger- 
schaft erfolgte, eine Stillfrequenz von 98,1% erreichten. Diese Ziffer 
ist bereits der in geschlossenen Anstalten erzielten Stillbetätigung gleich- 
gestellt und von der offenen Säuglingsfürsorge ohne vorausgehende Schwan- 
gerenfürsorge nicht zu erreichen. Was die Stilldauer anbelangt, so wurde 
eine Verlängerung derselben bei dem Stillkassensäugling um 48% 
gegenüber den älteren Geschwistern nachgewiesen. 


Wirkungsweise und Erfolge der Salzsäuremilch bei Tetanie. 
Herren K. Scheer und A. Salomon. 


(Mit 4 Kurven.) 


Meine Damen und Herren! Im Laufe der letzten Jahre ix 
das Gebiet der Tetanie ganz besonders eingehend erforscht 
worden, wobei weniger klinische Gesichtspunkte, deren Klärung 
es kaum noch bedurfte, als vielmehr ätiologische und thera- 
peutische Fragen maßgebend waren, Gebiete, die der Forschung 
großen Anreiz boten. 

In dieser Richtung sind dann auch bedeutungsvolle Beobach- 
tungen gemacht worden, die zur Aufklärung der Erkrankung wesent- 
lich beizutragen vermochten. Besonders das therapeutische Gebiet, 
das früher nahezu ausschließlich vom Caleium beherrscht war, wurde 
durch die Einführung der Säurebehandlung bereichert. Die Aera 
dieser Säuretherapie wurde eröffnet durch die Einführung der Salz- 
säuremilch durch Scheer. Hier wurde zum ersten Male Säure zu 
Behandlung der Tetanie angewendet, und Scheer konnte zeigen. 
daß allein durch Verabreichung von Salzsäure die Symptome der 
mechanischen und elektrischen Übererregbarkeit zum Schwinden 
gebracht wurden. 

Kurz darauf stellten Freudenberg und György ihre Versuche 
mit Salmiak an und führten dies ebenfalls erfolgreich in die The- 
rapie ein. 

Die Säuretherapie war um so bestrickender, als von den Amen- 
kanern Grant und Goldmann die Überventilationstetanie ent- 
deckt und als Folge einer Alkalosis des Körpers gedeutet wurde. 
Diese Erklärung wurde von Freudenberg und György über- 
nommen und weiter ausgebaut. So erschien denn nichts nabe- 
liegender, als daß durch die Säurezufuhr die angenommene Alkalosis 
beseitigt wurde. Diese Therapie würde dann auch umgekehrt eine 
bedeutsame Stütze dieser Theorie darstellen. 

Allerdings haben sich gewichtige Stimmen gegen diese Theone 
erhoben, an ihrer Spitze vor allem Greenwald, dann aber auch 


Heft 4 Wirkungsweise und Erfolge der Salzsäuremilch bei Tetanie.e 407 


Elias und Kornfeld, Calvin und Borovsky u.a., so daß man 
von einer allgemeinen Anerkennung nicht sprechen kann. Übrigens 
will auch Grant nur die Überventilationstetanie und die sog. Magen- 
tetanie mit Alkalose in Beziehung bringen und trennt streng davon 
die andere große Gruppe, die die idiopathische Kindertetanie, die 
parathyreoprive und die Guanidintetanie umfaßt und die er auf ein 
Calciumdefizit bezieht. 

' Die Frage der Wirkungsweise der Säuretherapie ist daher noch 
keineswegs vollkommen geklärt. 

Unsere ausgedehnten Untersuchungen an spasmophilen Kindern 
geschahen neben anderem auch unter dem Gesichtspunkte, Auf- 
schluß über die Wirkungsweise der Salzsäuremilch zu erlangen. 

In seiner ersten Arbeit über Salzsäuremilch hatte Scheer bereits 
gezeigt, daß bei dieser Behandlung eine starke Phosphatausscheidung 
durch die Nieren stattfindet und hat in dieser Phosphatverminderung 
im Organismus die hauptsächlichste Wirkung der HCI-Milch an- 
genommen. 

Es war daher einmal notwendig, auch den Phosphatgehalt des 
Blutserums, der von Howland, György u. a. bei Tetanikern als 
relativ erhöht angegeben wurde, während der HCl-Milchbehandlung 
in fortlaufenden Untersuchungen zu prüfen. Wir begnügten uns 
dabei nicht mit der Bestimmung des säurelöslichen Phosphors, son- 
dern stellten auch die Menge des lipoiden fest, wozu wir uns der 
Greenwaldschen Methode bedienten. 

Da wir seit Starkenstein wissen, daß der Phosphatgehalt in 
engem Zusammenhang mit der Calciumkonzentration steht, daß 
letzteres sogar durch Erhöhung des Phosphatgehaltes aufgefüllt 
werden kann, so war es wichtig, auch das Serumcalcium mitzu- 
bestimmen, was wir nach der de Waardschen Methode aus- 
führten. 

Anfänglich versuchten wir auch, die Säurebasenverschiebung im 
Blut nach Rohony nachzuweisen. Wie bereits von Scheer früher 
angegeben, konnten auch diesmal in etwa 60 Untersuchungen keine 
eindeutigen Resultate erzielt werden. Da auch Freudenberg 
darauf hinwies, daß die Methode zur Bestimmung der Alkalose 
unsicher sei, sahen wir von weiteren Untersuchungen mit dieser 
Methode ab. 

Neben der Bestimmung der beiden Phosphatfraktionen sowie des 
Calciums wurde auch das klinische Bild nicht vernachlässigt und 
die mechanische und elektrische Übererregbarkeit regelmäßig ver- 
zeichnet. Über Einzelheiten der Methodik sowie die zahlreichen 


408 Scheer und Salomon. Heft 4 


Ergebnisse, die auch nach anderer Hinsicht interessant sind, 
soll anderweitig berichtet werden. Hier sollen nur in großen 
Zügen an einigen charakteristischen Kurven unsere Befunde bei 
Tetanie und ihre Veränderung bei HCl-Milchbehandlung gezeigt 
werden. 

Vorweg sei erwähnt, daß wir zuerst die HCI-Milch in der ursprüng- 
lichen, von Scheer mitgeteilten Form, nämlich 740 Vollmilch und 
260 "/,, HCl mit 5% Zucker, gaben. Da wir in manchen Fällen 
keine genügend energische Wirkung sahen, gingen wir zu einer 
stärkeren Form über, bestehend aus 600 Vollmilch und 400 ”/,, HU. 
Diese Milch ist etwas saurer und entspricht einem py von etwa 3,5—4. 

Unsere Fälle können ‚wir in zwei Gruppen einteilen, einmal solche 
mit dem charakteristischen Befund der Tetanie. Zu diesen gehört 
der Fall Borst. 


Tetonie behandelt mit Salzsauremilch 





= E 
Eee 
QG49 On @ 8 % 1 6 17 8 19 20 21 Datum 


Kurve 1. 


Es handelt sich klinisch um eine mittelschwere Tetanie mit La- 
 ryngospasmus, starkem Facialis- und Peroneusphänomen, jedoch 
ohne Carpopedalspasmen. 

Aus der Kurve geht folgendes hervor: 

Die K.O.Z. ist zu Beginn 3,5 Mill. Amp. (Der Übersicht halber 
sind die Werte der anderen Zuckungsformen weggelassen.) 


Heft 4 Wirkungsweise und Erfolge der Salzsäuremilch bei Tetanie. 409 


Der Ca-Gehalt ist stark erniedrigt, 6,7 mg% gegen normal 
xx mg. Der sdureldsliche P. ist etwas erhöht, 6,8 mg% gegen 
normal 5,5 mg%; es bestehen also die charakteristischen Zeichen 
der Tetanie. | 

Unter HCI-Milch (starke Form) steigt im Laufe eines Tages die 
K.Ö.Z. auf einen normalen Wert von > 5. 

Gleichzeitig steigt das Ca auf 8 mg, der rn Phosphor 
hingegen fällt auf 4,5 mg. 

Dagegen steigt der Lipoidphosphor im gleichen Maße von 7,5 auf 
11,5 mg%. Alle Werte werden also normal oder nähern sich stark 
der Norm. Nach Aussetzen der HCl-Milch wieder pathologische 
Werte. Aus diesen Werten kann man charakteristische Verhältnis- 
zahlen herauslesen. 


György legt Wert auf den Quotienten =. 


Dieser betragt nach ihm im Durchschnitt: normal 1,95, bei Ra- 
chitis 3,5, bei Tetanie 1,4. 

Unser Material bestätigt diese Zahlen. In unserem Falle 
beträgt der Quotient zunächst 0,9, steigt bei zunehmender 
Besserung an, um dann bei einsetzender Verschlechterung wieder 
abzusinken. 

Doch noch einem weiteren Quotienten wollen wir Beachtung 
schenken, nämlich dem Verhältnis von säurelöslichem zu lipoi- 
dem Phosphor. Seine Ausschläge sind freilich geringer, doch äußerst 
typisch. Sein Wert beträgt normalerweise 0,56, ist bei Rachitis 
kleiner, bei Tetanie größer. Er verhält sich also umgekehrt, wie 


der Quotient a. (Diese Beziehungen sind eingehend besprochen in 


P 
der Arbeit über den Phosphatgehalt, die demnächst im Jahrbuch 
erscheint.) 

Man erkennt auf der Kurve deutlich das Verhalten des Phosphat- 
quotienten. Zunächst erhöht 1,0 sinkt er rasch auf unter 0,5, um 
dann langsam wieder anzusteigen. Also umgekehrtes Verhalten wie 

Ca 


bei 5 - 


Der andere Fall Büttner zeigt die gleichen charakteristischen Er- 
scheinungen. Es handelt sich klinisch um eine weniger stark aus- 
gesprochene Tetanie. 

Peron. Phänom. 

K.O.Z. nur 4,5 Mill. Amp. 


410 Scheer und Salomon. Heft 4 


Unter der Einwirkung der HCI-Milch sehen wir, wie in der 
ersten Kurve Ansteigen bzw. Absinken der pathologischen Werte 
zur Norm. 







BERRA RR RRP A 
Hm 





Kurve 2. 


Die zweite Gruppe von Tetanikern, von der wir 3 Fälle besitzen, 
verhält sich in mancher Beziehung abweichend. Klinisch handelt 
es sich um außerordentlich schwere Fälle von Tetanie. Dabei ist 
der Ca-Gehalt auffallend niedrig, der säurelösliche Phosphor enorm 
hoch, doppelt so hoch als sonst, der Lipoidphosphor ganz ungemein 
niedrig, nur die Hälfte der Norm. 

Säurelösl.P. 

Lipoid P. | 

Zur Veranschaulichung dieses Verhaltens ist der Fall Weider 
besonders geeignet. Klinisch manifestiert er sich durch schwere 
Krämpfe mit ‚Ausbleiben‘ und Lyrangospasmus. 

Das Facialis- und Peroneusphänomen ist von seltener Heftigkeit. 
K.0.Z. = 2,0. 

Der Ca-Gehalt, der zuerst 8,3 mg% beträgt, ist nicht sehr niedrig, 
der säurelösliche P. 11,3, hingegen sehr hoch. Der lipoide P. betragt 
nur 6 mg, ist also auffallend niedrig. 


Der Quotient muß somit ungewöhnlich hoch werden. 


Heft 4 Wirkungsweise und Erfolge der Salzsäuremilch bei Tetanie. 411 


Unter HCl-Milchbehandlung (schwache Form) gehen die Werte 
fiir P. zuriick, doch das Ca sinkt weiter. Die klinischen Erschei- 
nungen werden kaum gebessert. Auch bei CaCl,-Gaben in Dosen 
von 6, später 8 g pro die setzt keine Besserung ein. Erst auf 
HCl-Milchverabreichung in der neuen Konzentration schlagartige 
Besserung. Die Übererregbarkeitssymptome schwinden rasch, die 
K.Ö.Z. wird > 5 Mill. Amp. Wie aus der Kurve ersichtlich, nimmt 


a Säure. P 
lip. P 


-4 


x Surel. P 


» Ca 


” Lip.P 





1820 22 24 262830247 4 6 8 N W 1 6 20 
Kurve 3. 


der Ca-Gehalt zu, der säurelösl. P. dauernd ab, der lipoide hingegen 


wieder zu. Der. Quotient nähert sich der Norm, der Quotient 


P 
ap fällt dauernd ab. 

Der 2. Fall, Hoffmann, der leider kurz nach der Aufnahme im 
Anfall verstarb, zeigte die gleichen Werte, der 3. Fall, Geifrig, 
wies klinisch schwerste Krampfzustände auf. Seine Werte für den 
säurelösl. P. sind zwar nicht so hoch, die für den lipoiden jedoch 
auffallend niedrig. 

Auf diesem kleinen Material läßt sich natürlich keine Pnishi 
treffen, ob es sich hier um eine besondere Form der Tetanie mit 
abnormen Werten fiir P., ob es sich also um eine eigentliche ,,Phos- 
phattetanie‘‘ handelt, oder ob wir hier extrem schwere Fälle der 
allgemeinen Tetanie vor uns haben. Die äußerst schweren klinischen 
Erscheinungen sprechen für das letztere. Melee Untersuchungen 
würden diese Frage noch klären. | 


412 Scheer und Salomon. Heft 4 


Ganz allgemein läßt sich aus dem hier Gezeigten und zahlreichen 
anderen Fällen feststellen, daß die HCl-Milch besonders in ihrer 
starken Form eine rasche Veränderung der Blutzusammensetzung 
hervorzubringen vermag. Unsere Ergebnisse passen sehr gut zu der 
Annahme, daß wir die Wirkung der Salzsäuremilch in einer Phos- 
phatverminderung zu suchen haben. Die erhöhte Phosphataus- 
scheidung durch die Nieren wurde von Scheer bereits in seiner 
ersten Arbeit als Ergebnis von 3 Stoffwechselversuchen nachdrück- 
lich betont. Eine von uns neuerdings ausgeführte Nachprüfung be- 
stätigte die früheren Versuche. 

Da nun die Salzsäuremilch, ferner die Tetanie, so überaus günstig 
beeinflußt und die klinische Besserung mit der Stärke der Phosphat- 
ausscheidung durch den Urin gleichen Schritt hält, dürfen wir wohl 
hier einen ursächlichen Zusammenhang vermuten. Dies können wir 
um so mehr, als mit der Herabsetzung des Phosphors eine Steigerung 
des Calciumgehaltes einhergeht, worauf neuerdings auch Freuden- 
berg und György hinweisen. Der wieder normale Calciumgehalt 
bringt dann auch wieder normale nervöse Erregbarkeit mit sich. 
(Auch Freudenberg und György erklären übrigens die Wirksam- 
keit des Salmiak durch erhöhte Phosphatausscheidung.) 

Es ist nun sehr naheliegend, die Frage nach der Bekömmlichkeit 
dieser Heilnahrung aufzuwerfen, deren Zusammensetzung ja auf 
den ersten Blick ungewöhnlich anmutet und tatsächlich hat Blüh- 
dorn in seinem Sammelreferat Bedenken geäußert bei Dyspep- 
tikern noch HCI-Milch zu verabfolgen. Dies steht im Gegensatz zu 
neueren Anschauungen, die auch von den Amerikanern propagiert 
werden, nämlich stark angesäuerte Milch bei der kindlichen Darm- 
störung zu verwenden. 

Mit der Wirkung dieser Säuregaben hat sich auch Müller an der 
Frankfurter Klinik beschäftigt. | 

Zur Prüfung dieser Frage müssen wir zunächst feststellen, wie 
sich die Magensekretion zur eingeführten HCI-Milch verhält. Dazu 
bedienten wir uns der Bestimmung der Acidität. Es ist ja nach den 
Untersuchungen der letzten Jahre von Aron, F. Müller, und 
Demuth bekannt, daß das Säurebindungsvermögen, d. h. das 
Pufferungsvermögen der verschiedenen Nahrungen, recht verschieden 
ist, so daß man aus dem erreichten Säuregrad nicht unmittelbar 
auf die Menge der sezernierten Salzsäure schließen kann. So ist 
z. B. das Pufferungsvermögen von Kuhmilch dreimal so groß als 
das der Frauenmilch. Es müßte also der Magen um eine für die 
Verdauung der Kuhmilch günstige Acidität zu erzeugen, eine recht 


Hieft 4 Wirkungsweise und Erfolge der Salzsäuremilch bei Tetanie. 413 


große Menge Säure sezernieren. Vergleichen wir in dieser Richtung 
unsere HCl-Milch mit einer entsprechend starken wäßrigen Milch- 
verdiinnung, also mit gleichem Pufferungsvermégen, dann finden wir, 
wie aus Kurve IV hervorgeht, daß die 2/,-Milch von einem Anfangs-y 
von 7 nach 2 Stunden sich auf 3,4 erhöht hat, dagegen HCI-Milch 
mnit verschiedenem Ausgangs-f;;, schwankend zwischen 3,2—4,2, nach 
2 Stunden ein fy von 1,8—2,3, also rund py 2 erreicht hat. 








9% 058 
57 
46 . 
55 Chlorspiegel 
imSéerum 
54 
53 | 
52 === be Solasduremilch 
3 
PH 1 
2 
3 
; —— bei % Milch 
2 Taz bei NCI Milch 
6 
7 


gh gh n’ 12b 1h 


Kurve 4. 


Es wird also eine relativ hohe Acidität erreicht, die für den Ablauf 
der Verdauung im allgemeinen günstig ist. Trotzdem läßt sich zeigen, 
daß bei der HCl-Milchzufuhr weniger Magensalzsäure sezerniert 
wird als bei der gleichen wäßrigen Milchverdünnung. 

Die günstige Beeinflussung der Magenverdauung durch die HCI- 
Milch steht also im Einklang mit der Ansicht von Mariott, Demuth 
und F. Müller, die die starke Pufferung der Kuhmilch durch vor- 
herige Ansäuerung zu entlasten suchen. 

Zur Beurteilung der Verdauung sind wir ferner auf die Beschaffen- 
heit der Faeces angewiesen. 

Wie bereits früher mitgeteilt, konnten wir auch weiterhin fest- 
stellen, daß während der HCl-Milchdarreichung die Stühle salbig 
oder fest und stets gut verdaut waren. Selbst dyspeptische Stühle, 
wie sie z. B. häufig unter Calciumchloriddarreichung auftreten, 


414 Scheer und Salomon: Diskussion. Heft 4 


verschwanden bei Ernährung mit Salzsäuremilch prompt, so daß 
wir sogar in manchen Fällen von schlechten Stühlen HCI-Milch 
direkt als antidyspeptisches Mittel anwandten. 

Um es noch einmal zu betonen, verwenden wir die HCI-Milch jetzt 
immer in der stärkeren Konzentration, wobei auf 600 Vollmilch 
400 ”/,, Salzsäure und 5% Zuckerzusatz kommen. In einem Liter 
geben wir also 40g n HCI. 

Wir haben somit in der HCl-Milch ein stark antispasmogen wir- 
kendes Mittel, das gut vertragen wird, bei dessen zahlreicher An- 
wendung in vielen Fallen wir nie eine Schädigung und fast immer 
großen therapeutischen Erfolg gesehen haben, so daß wir glauben, 
es der Nachprüfung und Anwendung empfehlen zu dürfen. 


Diskussion. 


Herr Blühdorn hält die praktische Anwendung der Salzsäuremilch be- 
schränkt, weil sie sowohl an Quantität wie Qualität in vielen Fällen nicht die 
geeignete Nahrung darstellen wird. 

Herr Müller (Frankfurt): Man kann zur Herstellung der Salzsäuremilch 
auch nHCI statt ”/,, HCl benutzen. Die Säure muß dann tropfenweise zur 
Milch zugesetzt werden und nach Zusatz jedes Tropfens gründlich umgerührt 
werden. So kommt eine ganz feinflockige Gerinnung zustande. Die Milch 
wird sehr gern genommen. 

Herr Stolte möchte den Herrn Vortragenden fragen, ob es zulässig und 
empfehlenswert ist alle, auch schwerste Fälle mit HCI-Milch zu behandeln. 
Er selbst hat fast immer die Therapie wegen Verschlimmerung abbrechen 
müssen, nachdem er tagelang mit Sorge und Angst auf Besserung gewartet 
hatte. Auch wäre ein Auszug darüber wichtig, ob die verschiedenen Mani- 
festationen der Tetanie gleich gut ansprechen, da wir doch auch sehr ver- 
schiedene Momente kennen, die die einzelnen Formen hervorrufen. 

Herr Ibrahim: Auch mit den neuen Verfahren kommen noch Todesfälle 
an Tetanie vor. Am meisten gefährdet scheinen junge Säuglinge und Fälle 
mit Bronchotetanie zu sein. Es würde von Interesse sein, zu erfahren, ob in 
Frankfurt unter der Anwendung der Salzsäuremilch keine Todesfälle mehr 
vorgekommen sind. 

Schlußwort: Die Menge der verabfolgten HCI-Milch (bis 1000 g pro die) 
richtet sich nach Alter und Gewicht des Kindes. Obwohl stets große Milch- 
mengen, es handelt sich doch um eine Zweidrittel-Milch (!), verabfolgt 
werden, schwinden die Symptome oft innerhalb einiger Stunden. Es wurden 
daher auch die schwersten Fälle der Tetanie mit Erfolg der HCI-Milch- 
behandlung unterzogen. Wo anderwärts Versager beobachtet wurden, wurde 
nur die alte, schwache Konzentration angewendet, die auch an der Frank- 
furter Klinik in einigen Fällen nur geringen Erfolg zeitigte. 


Zur Methodik und Bedeutung der Magenfunktionsprüfung. 
Herr Fritz Müller, Frankfurt a. M. 


Wenn auch durch die systematischen Einteilungen der Ernährungs- 
störungen des Säuglings von Czerny, Finkelstein und Lang- 
stein dem therapeutischen Handeln wertvolle Richtlinien gegeben 
wurden, so ist dennoch die klinische Differenzierung der einzelnen 
Krankheitsbilder nicht immer mit befriedigender Sicherheit möglich. 
Zweifellos wird der erfahrene Kliniker durch ein geschultes Auge 
meist den einzelnen Fall richtig einregistrieren können, der jüngere, 
mehr auf Laboratoriumsmethoden eingestellte Arzt wird gern in 
objektiven Symptomen seine Stütze suchen, die ihm Ätiologie und 
Sitz des Krankheitsprozesses zu klären imstande sind. Naturgemäß 
mußte zunächst die Beschaffenheit der Faeces solche Handhaben 
bieten. Aber es ist bekannt, daß die Bedeutung der Stuhlunter- 
suchung an Kredit viel, vielleicht zu viel verloren hat. Experi- 
mentelle Arbeiten, wie klinische Beobachtungen haben gelehrt, daß 
Farbe, Schleimgehalt, Konsistenz und Acidität der Faeces an Be- 
dingungen geknüpft sind, zu deren Zustandekommen ganz ver- 
schiedenartig einzuschätzende Vorgänge beizutragen vermögen. 
Noch stärker machte sich die Resignation gegenüber der Magen- 
funktionsprüfung geltend. Festzustellen bleibt, ob diese an sich 
zweifellos berechtigte Resignation wirklich einer völligen Unmög- 
lichkeit entspricht, aus dem Verhalten des Magens Anhaltspunkte 
für gewisse pathologische Prozesse zu gewinnen oder ob es nur 
Fehler der bisherigen Methodik sind, die dieses Mißtrauen groß- 
gezogen haben. Danach wird zu prüfen sein, ob es wirklich bei 
exakter Methodik gelingt, durch einmalige Untersuchung zu dia- 
gnostischen Schlüssen zu gelangen oder ob nicht die physiologischen 
Schwankungen groß genug sind, um diese Hoffnung von vornherein 
zu zerstören; aber auch in diesem Falle wird eine genaue Kenntnis 
der Magenfunktionen es ermöglichen, gewisse Veränderungen der 
Motilität und Sekretionsfähigkeit mit konstitutionell oder rein, 
exogen bedingten Schäden in Parallele zu setzen. 


416 Müller. Heft 4 


Von allen neueren Untersuchern wie Theile, Krüger, Bessau 
und Demuth, wird zur Prüfung der Motilität des Magens allein 
die röntgenologisch festgestellte Verweildauer der gereichten Nah- 
rung bestimmt. Bei aller Exaktheit, die diese Methode für sich in 
Anspruch nehmen darf, und wenn auch die durch sie gewonnenen 
Ergebnisse in keiner Weise in Zweifel gezogen werden sollen, so ist 
doch der Auswertung der Resultate gegenüber gewisse Vorsicht am 
Platze. Beim genaueren Durchlesen der Protokolle der Theileschen 
Arbeit wird man finden, daß fast in der Mehrzahl der Fälle kleine 
Reste von der Mahlzeit 2!/,—41/, Stunden nach der Mahlzeit im 
Magen zurückgehalten werden. Auch Demuth gibt zu, daß oft 
ein kleiner Rest unverhältnismäßig lange retiniert bleibt. Will man 
aber den Zeitpunkt der Entleerung auf röntgenologischem Wege 
früher festlegen, so ist man, wie auch Demuth meint, großem 
Subjektivismus ausgesetzt. Vielleicht finden hierdurch die recht 
beträchtlichen Unstimmigkeiten in den Ergebnissen der Arbeit von 
Krüger einerseits, Bessau, Rosenbaum und Leichtentritt 
andererseits ihre Erklärung, ebenso die auffälligen Befunde der 
gleichmäßigen Entleerungsbeschleunigung durch Casein reduzierte 
Kuhmilch einerseits, durch molkenreduzierte Kuhmilch anderer- 
seits, obwohl die verantwortlich gemachte Eiweißkonzentration in 
ersterer nur etwa 1/,, der letzteren ausmacht, sowie die längere 
Verweildauer bei Casein + Molkenreduktion. 

Berücksichtigt man nun die teils auf eigene Untersuchungen ge- 
stützten Befunde, daß diese Reste im Magen nach 2!/, Stunden, die 
insbesondere bei der stärker sekretionserregenden Kuhmilch gefunden 
werden, zum großen Teil aus Magensaft bestehen und eine hohe 
Acidität aufweisen, so wird man die aus der röntgenologischen Ver- 
weildauer bestimmte Motilität anders beurteilen und ihre Bedeutung 
für die Pathogenese der Ernährungsstörungen bei Kuhmilchemäh- 
rung geringer einschätzen müssen, um so mehr, als meist ja Milch- 
verdünnungen gegeben werden. Um ein richtiges quantitatives Bild 
von der Magenmbotilität zu gewinnen, wäre es notwendig, die durch- 
schnittliche Aufenthaltsdauer der Nahrung unter Berücksichtigung 
der Magensaftsekretion zu gewinnen. Röntgenologisch die einzelnen 
Phasen der Entleerung einigermaßen quantitativ zu beurteilen, 
dürfte große Schwierigkeiten bereiten, eher dürften hier vielleicht 
in Reihenuntersuchungen vollständige Ausheberungen in verschie- 
denen Zeitintervallen zum Ziele führen. 

Zur Beurteilung der Motilität des Magens im Einzelfall vollends 
scheint die ein- oder zweimalige röntgenologische Bestimmung der 


Heft 4 Zur Methodik und Bedeutung der Magenfunktionsprifung. 4I7 


Verweildauer vor der alten, schon von Epstein in der Pädiatrie 
eingeführten Schlundsondenausheberung keine Vorteile zu besitzen, 
selbst wenn brauchbare Stundenwerte der Entleerungszeit ge- 
funden werden. Es empfiehlt sich zu diesem Zwecke an zwei auf- 
einanderfolgenden Tagen 5 Stunden nach der ersten Mahlzeit eine 
Menge einer Halbmilchschleimmischung zu reichen, die etwa 1/,, des 
Körpergewichts beträgt und nach 3 Stunden eine vollständige Aus- 
heberung vorzunehmen. Werden beidemal nennenswerte Reste ge- 
funden, die Kongopapier nicht bläuen, so ist eine abnorme Motilitäts- 
störung anzunehmen, durch den negativen Befund allerdings nicht 
anszuschließen. 

Magenverweildauer und Magenacidität stehen. ohne Zweifel in 
engem Zusammenhang; weniger in dem Sinne, daß der Säuregrad 
wesentlich die Entleerungsdauer zu beeinflussen imstande wäre; 
die bisher darüber vorliegenden Untersuchungen scheinen eher da- 
gegen zu sprechen. Jedoch muß gleiche Saftsekretion je nach der 
jeweiligen Mageninhaltsmenge verschiedene Acidität hervorrufen. 
Diese Verhältnisse sind, außer von Davıdsohn, nicht genügend 
beachtet. Aber auch Davidsohn scheint hieraus nicht die Kon- 
sequenzen gezogen zu haben, wenn er aus seinen Befunden schließt, 
daß bei Infekten sowohl die Motalität wie die Acidität, d. h. die 
Sekretion, herabgesetzt sei, denn nur das erstere ist zunächst be- 
wiesen. 

Überhaupt, während in der Magenpathologie des Erwachsenen 
gewisse Prüfungsmethoden sich fest einbürgern konnten, hat in der 
pädiatrischen Literatur fast jeder Autor einen eigenen Weg ein- 
geschlagen, am ehesten ist eine doch so notwendige Einigung über 
den Zeitpunkt der Untersuchung erzielt, nämlich 2 Stunden nach 
der Mahlzeit, weil dann der Magen auf der „Höhe der Verdauung“ 
stehen soll. Der Begriff ‚Höhe der Verdauung‘ scheint mir aber 
noch keineswegs hinreichend definiert, um so mehr, als man ja . 
gar nicht weiß, in welchen Formen fermentativer oder sonstiger 
Energie die Verdauung im Säuglingsmagen sich erschöpft. Bei 
einer so späten Untersuchungszeit müssen sich aber die Differenzen 
der Motilitat besonders empfindlich bemerkbar machen und 
die Vergleichbarkeit der gefundenen Werte unter der relativ 
bedeutend größeren Verschiedenheit der Mageninhaltsmengen er- 
heblich leiden. 

Als Probemahlzeit verwenden manche Autoren die gewöhnlichen 
Milchmischungen, andere Tee resp. Schleim wegen des hohen Salz- 
säurebindungsvermögens der Kuhmilch, was aber keinen Gegen- 

Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. > 27 


418 Miller. Heft 4 


grund bilden dürfte, wenn man diese Größe nur richtig in Rechnung 
zieht. Zu berücksichtigen ist der Fehler, der durch die Säurebildung 
aus der fermentativen Fettspaltung bei der Beurteiluug der Sekretion 
mittels Aciditätsbestimmung erwächst. Wenn dieser Fehler nach 
eigenen Messungen auch nicht erheblich zu sein pflegt, außer bei 
stark herabgesetzter Salzsäuresekretion, dürfte doch Magermilch als 
Probenahrung vorzuziehen sein. 

Während fernerhin früher die Acidität durch Titration, und zwar 
immer leider im filtrierten Magensaft gemessen wurde, wird neuer- 
dings fast ausschließlich allein die Wasserstoffionenkonzentration 
angegeben. Diese vermag aber an sich nur einen Einblick in die 
Fermenttätigkeit zu gewähren, über die Sekretionsfähigkeit sagt sie 
von vornherein nichts aus. Erst dann ist die Bestimmung der wahren 
Acidität zur Messuug der Magensaftsekretion zu verwerten, wenn 
man genau das Pufferungsvermögen der Probenahrung, sowie die 
durchschnittliche Verweildauer kennt. Dann besitzt sie aber einen 
großen Vorzug vor der Titration des unfiltrierten Magensaftes. Die 
Rücktitration vermag nämlich, wie eigene Untersuchungen ergeben, 
nicht die Menge der gebildeten Säure ganz zu erfassen, da die Laugen- 
bindung an die kolloiden Eiweißkörper zeitlich viel langsamer er- 
folgt als die Säurebindung. Die Bestimmung der Wasserstoffionen- 
konzentration kann aber eine gewissermaßen positive Titration er- 
setzen, wenn man die zur Erreichung verschiedener $,-Werte not- 
wendige Säuremenge in der Milch feststellt, d. h. wenn man ibre 
Pufferungskurve bestimmt. 

In einer früheren Arbeit wurde deshalb das Pufferungsvermögen 
der Milch genauer untersucht, außerdem die Verweildauer durch 
möglichst vollständige Ausheberung in verschiedenen Intervallen 
gemessen. Exakte Messungen des Pufferungsvermögens auch des 
Mageninhaltes ergaben, daß innerhalb der ersten Stunde nach der 
Mahlzeit sich die Pufferungskurve nur unwesentlich im Sinne einer 
relativen Caseinanreicherung ändert, was übrigens neben anderen 
Gründen ebenfalls gegen die Annahme Toblers über das rasche 
AbflieBen der Molke in den Darm spricht. Um ein Bild darüber zu 
gewinnen, wieweit aus den obengenannten Faktoren auf die Saft- 
menge geschlossen werden kann, wurde die Verdünnung nach der 
Methode von Hoffmann und Rosenbaum, in einigen Fällen 
Chlor sowie die aus Fett gebildete Fettsäuren direkt und durch 
Vergleich von Mager- und Vollmilch bestimmt. Ich glaube damit 
erstmalig bei den ad hoc angestellten Versuchen zu wirklich unter- 
einander quantitativ vergleichbaren relativen und vielleicht an- 


Heft 4 Zur Methodik und Bedeutung der Magenfunktionsprifung. 419 


nähernd richtigen absoluten Werten der während einer Mahlzeit 
entleerten Magensaftmengen gelangt zu sein. 

Auf die einzelnen interessanten, zum Teil mit früheren Unter- 
suchungen sich .deckenden Ergebnisse soll an anderer Stelle ein- 
gegangen werden. Es sei hier nur kurz zunächst auf den bedeutenden 
Einfluß der Acidität der Nahrung auf die Saftsekretion hingewiesen. 


Beispiel. 
Vollmilch + Natronlauge. . . . . 2.2 2220. PH 10,0 
nach 30 Min. sezernierte Magensaftmenge 40 ccm „ 7,7 
» 60 ae o> a” 48 o? » 6,2 
a, 90 a? ’ » 48 > ry) 6,2 
» 120 ” » » 48 » 0° 6,2 
viel Schleim. 
Vollmilch + Salzsäure ... . 2 2 2 2 200° PH 4,15 
nach 30 Min. sezernierter Magensaft 3 ccm... ,, 4 
os 60 yo os » Io a” . ° . » 3,8 
as 90 os os a. II oe s ° = 22 3:7 
ae 120 » ? ’ 13 a” . e o >» 3,3 


Vorführung von Kurven zur Demonstration der Einwirkung der Milch- 
konzentration auf die Sekretion. Zeitlicher Verlauf der Sekretion. 


Meine Damen und Herren! Bei der offenbaren Uneinheitlichkeit 
der Magensekretionsprüfung des Säuglings wäre es wünschenswert, 
zu einer einheitlichen Methodik zu gelangen, die die Ergebnisse ver- 
schiedener Autoren zu vergleichen gestattet. Ob wir wirklich damit 
differentialdiagnostisch weiterkommen, kann erst später ent- 
schieden werden. Hier sei nur zu einigen Fragen kurz Stellung ge- 
nommen. Als Probenahrung kann weder Schleim noch Tee empfohlen 
werden, einmal wegen des unphysiologischen Reizes, zweitens wegen 
der besonders unregelmäßigen Entleerungsverhältnisse, drittens, 
weil die bei diesen Nahrungen rasch ansteigende Acidität mit ihrer 
sekretionshemmenden Wirkung die dy-Werte stark nivelliert. Gut 
verwendbar erscheint eine Mischung aus halb Magermilch, halb 
Haferschleim. Als Mengen werden 3 Standardwerte gewählt bis zu 
einem Gewicht von 3500 g 120 ccm, 5000 g I60 ccm, darüber 200 ccm. 
Ausheberung nach ı Stunde (spätestens), möglichst vollständig. 
Feststellung der Inhaltsmenge und Messung der Wasserstoffionen- 
konzentration mittels Indicatoren. Ablesen der zu dem Py-Wert 
gehörenden Säuremenge aus der Pufferungskurve und Multiplikation 
je nach der Inhaltsmenge mit einem aus einer Tabelle entnommenen 
Faktor. 


27* 


420 Miller: Diskussion. Heft 4 


Diskussion. 


Herr Müller (Frankfurt), Schlußwort: Die Ergebnisse der röntgenologi- 
schen Motilitätsprüfung sind zum Teil noch widerspruchsvoll. Nimmt man 
als Endpunkt der Entleerung nicht die letzten röntgenologisch feststellbaren 
Reste, so ist man, wie schon Demuth ebenfalls bemerkt, großem Subjektivis- 
mus ausgesetzt. Hinsichtlich der in letzter Zeit in den Vordergrund gescho- 
benen pathogenetischen Bedeutung der verzögerten Magenentleerung der 
Kuhmilch muß betont werden, daß ja in der Säuglingsernährung fast immer 
Milchverdünnungen, Drittel- und Halbmilch gereicht wurden, die den Magen 
ebenso schnell verlassen wie Frauenmilch. -Die Pufferung der Milch ist bisher 
fast stets nur qualitativ in Rechnung gezogen worden. Die möglichst voll- 
ständige Ausheberung ist weniger, wie von Davidsohn wegen der wechselnden 
Acidität in verschiedenen Schichten zu fordern, vielmehr darum, weil bei 
gleicher Acidität die Sekretionsgröße von der jeweiligen Mageninhaltsmenge 
abhängig ist. 


Uber das Verhalten der Serumsalze 
bei Gewichtsschwankungen verschiedener Genese. 


Herr Landau. 


Blutuntersuchungen bei Intoxikationen ergaben bisher in jeder 
Beziehung eine Eindickung: Vermehrung des Eiweißes, der Chloride, 
der Zellen, Gefrierpunktserniedrigung. Wie sich aber die Kationen 
im einzelnen verhalten, darüber fehlten bisher Befunde. In ge- 
meinsamer Arbeit mit Nassau wurde festgestellt, daß eine der 
Eindickung entsprechende Vermehrung nur das Natrium zeigt, 
während das Kalium nur unwesentlich unter der Norm erniedrigt, 
das Calcium leicht erhöht gefunden wird. Diese Befunde stehen in 
guter Übereinstimmung mit Toblers Leichenbefunden, der auch 
in Fällen schwerer Demineralisation im wesentlichen Na-Verluste 
feststellte, während die übrigen Kationen nur bei hochgradigen 
Toxikosen vermindert waren. Die Serumsalze zeigen also infolge 
der ungleichartigen Ausschwemmung in die Blutbahn eine erheb- 
liche Veränderung der Kationen-Korrelation. Ein ähn- 
liches, allerdings weniger ausgesprochenes Bild ergaben Unter- 
suchungen bei den durch schwere akute Dyspepsien hervorgerufenen 
Gewichtsstürzen. — 

Im Gegensatze dazu sahen wir bei den oft beträchtlichen Gewichts- 
stürzen der Hydrolabilen entweder normale Werte oder aber eine 
ganz gleichmäßige Verminderung aller Kationen, der 
eine Herabsetzung der Eiweißwerte genau parallel geht, d. h. eine 
reine Hydoämie. Die Wasserwanderung scheint also hier bis zu 
einem gewissen Grade vom Fetthaushalt unabhängig zu sein. Es 
zeigte sich, daß die Ultrafitrationsgeschwindigkeit in den Fällen 
von Hydrämie bis zu 25%, gegen die Norm beschleunigt ist, daß 
es sich also hier wohl um eine Veränderung des Quellungsdrucks 
der Eiweißkörper handelt. Jedenfalls ist wohl das Wesen der Hydro- 
labilität als eine ‚‚clysosmotische Diathese‘‘ nicht erschöpfend 
charakterisiert. 


Infektionsverhiitung in Anstalten mit spezifischen 
und unspezifischen Schutzimpfungen'). 


Herr Prof. Franz v. Torday. 


Vortragender versuchte an der Sammelabteilung des Budapester 
staatl. Kinderasyls die unvermeidlichen, allzu häufig eingeschleppten 
Seuchen durch unspezifische Schutzimpfungen zu verhindern. Es 
wurden in nahezu 1000 Fällen die verschiedenen animalen Seren, 
Milch usw. in 5—Ioccm Einzeldosen eingespritzt. Der Versuch, 
durch unspezifische Schutzimpfungen die schlechten sanitären 
Verhältnisse der Abteilung zu sanieren, das Einschleppen von 
Infektionskrankheiten hintanzuhalten und der Verbreitung von 
Infektionskrankheiten Schranken zu setzen, ist gänzlich miß- 
lungen. 

Von den spezifischen Schutzimpfungen sprechend, will Vortragen- 
der das Masernrekonvaleszentenserum ausschließlich zur Abwehr der 
die Kinderspitäler, Säuglingsheime usw. bedrohenden Maserngefahr 
verwenden lassen. Für das tägliche Leben, für die Privatpraxis, wo 
wegen ausschlaggebender Gründe ein Schutz der Kinder gegen 
Masern notwendig erscheint, empfiehlt er Schutzimpfungen mit 
nicht sicher spezifischen Stoffen (Milch, Blut gemaserter oaer un- 
gemaserter Mütter oder Normaltierseren).. Zur Bekämpfung der 
Seuchen, Hausepidemien in Säuglings- und Kinderanstalten, überall, 
wo kein Isolierboxsystem vorhanden ist, aber auch dann, wenn 
Masern bereits eingeschleppt wurden, namentlich aber in Kinder- 
anstalten mit größeren gemeinschaftlichen Sälen mit hohem, ja 
überbelegtem Stand, sollen systematische Schutzimpfungen, wo- 
möglich mit spezifischem Impfstoff, nötigenfalls mit nicht sicher 
spezifischem Impfstoff gegen die einzelnen eingeschleppten Infek- 
tionskrankheiten vorgenommen werden. Durch dieses Verfahren 
kann nicht nur die Morbidität, sondern besonders die Mortalität der 
Anstalten bedeutend verbessert und ihre ungestörte Tätigkeit ge- 
sichert werden. 


I) Erscheint ausführlich im Jahrbuch für Kinderheilkunde. 


Heft 4 Diskussion. 423 


Diskussion. 


Herr SchloBmann: Die unspezifische Prophylaxe gibt sicher keine Er- 
folge, aber selbst bei der spezifischen Masernprophylaxe hat man Versager, 
darin die neuen Infektionen aufleben können. Es ist fraglich oder vielmehr 
nicht fraglich, ob der Arzt in Anstalten wirken darf, die derartig unhygienisch 
und überbelegt sind wie das staatliche Asyl. 


Herr Ibrahim: Die Degkwitzsche Prophylaxe ist zweifellos ein großer 
Fortschritt für die Anstaltsprophylaxe der Masern, besonders wenn man 
nicht über zahlreiche Isolierräume verfügt. Versuche mit Varicellenpro- 
phylaxe durch Rekonvaleszentenserum haben uns wenig Erfolge 
gebracht. Es mag sein, daß die Mißerfolge dadurch zu erklären sind, daß 
als Spender vorwiegend Kinder unter 2 Jahren in Betracht kamen. Blut 
eines erwachsenen Varicellenrekonvaleszenten schien in einem Fall Schutz 
zu verleihen, in einem anderen versagte sie. Leider steht aber den Anstalten 
zu Zeiten von Varicellenendemien fast ausschließlich Blut von Kindern unter 
2 Jahren zur Verfügung. 


Herr Rietschel: Gewiß ist das Rekonvaleszentenserum ausgezeichnet, 
aber leider haben wir Erfahrungen gemacht, die uns stutzig gemacht haben. 
Wir haben Fälle gesehen, wo das Serum mit Staphylokokken infiziert war 
und die Kinder schwer erkrankten, ja in einer anderen Klinik starben 2 Kinder. 
In der Praxis und auch im Krankenhaus ist und bleibt das Serum oder besser 
das Blut der Erwachsenen das einfachste Mittel, wie wir es auch empfohlen 
haben. 


Herr Kleinschmidt: Die Mißerfolge des Masernrekonvaleszentenserums 
lassen sich vermindern, wenn der erste Exanthemtag als fünfter Infektionstag 
betrachtet wird und wenn die Beschaffenheit des Serums einwandfrei ist 
(kein altes Trockenserum, Mischserum). Wir haben häufig starke Abschwächung 
der Erkrankung durch Erwachsenenblut, gelegentlich auch durch Aolen ge- 
sehen. Die Varicellenimpfung verdient in Anstalten Anwendung, weil man 
mit ihrer Hilfe sich sonst lange hinziehende Endemien abkürzen und ab- 
schwächen kann. 


Herr Bogen: Einspritzungen von 2occm Blut eines Erwachsenen, der 
Pertussis durchgemacht hatte, waren in einer großen Anzahl von Fällen (etwa 
90%) von dem Erfolge, daß die gespritzten Kinder 3 Wochen lang geschützt 
waren. 


(Schlußwort): Vortragender betont neuerdings, daß die verzweifelten, 
der allgemeinen schweren Lage zufolge unabänderbaren schlechten hygienischen 
Verhältnisse ihn gezwungen haben, den möglich erschienenen Schutz durch 
unspezifische Schutzimpfungen zu versuchen. Die Bedeutung der spezifischen 
Schutzimpfungen liegt eben darin, daß man auf wenige Versager zu rechnen 
hat, deren Absonderung keine Schwierigkeiten verursacht und die Anstalts- 
_ tatigkeit durch den Hausepidemen weniger gestört wird. Um das Verschaffen 
von unschädlichen Rekonvaleszenten zu sichern, scheint es empfehlenswert, 
daß die Kliniken und Spitäler bloß das Blut von den rekonvaleszenten Infek- 
tionskranken nehmen, die Zubereitung der Seren den bakteriologischen oder 
hygienischen Instituten überlassen sollen. 

Unbekümmert um die noch verbesserungsfähigen Resultate durch die 
Serumprophylaxe kann es als ein Fortschritt über den Rahmen eines Ver- 


424 v. Torday: Diskussion. Heft 4 


suches hinaus angesehen werden, wenn in derart elenden Milieuverhältnissen 
die systematische Serumverwendung eingeführt wurde. Vielleicht darf ich 
dieses ärztlich gerechtfertigte Vorgehen aus meiner eigenen Erfahrung bei 
den Masernepidemien im niederösterreichischen Flüchtlings- 
lager Gmünd, woselbst ich die gesamte Kinderfürsorge leitete, bestätigen. 
In den 4 Epidemien waren insgesamt ı0 ı74 Kinder erkrankt. Im Jahre 
1915 war die Lagerbevölkerung aus Ukrainern und Südslawen gemischt. Die 
Masernsterblichkeit betrug 45,93%. Die schon seßhafte Bevölkerung war 
allmählich durchgemasert; nur die neu zusammengezogene, immer wieder 
aus der Ukraine evakuierte Zuwachsbevölkerung wurde in den späteren Epı- 
demien ergriffen, hatte aber nur mehr eine Masernsterblichkeit von 15,53°, 
im Jahre 1917. Dieser Erfolg war durch die inzwischen verbesserte Lager- 
hygiene und strenge Isolierung im Frühstadium der masernver- 
dächtigen Kinder erzielt worden. In den ersten Jahren hatten die Mütter 
der Isolierung durch Verstecken der schon masernerkrankten Kinder unter 
den Betten und in Nachbarbaracken den allergrößten Widerstand entgegen- 
gesetzt. Nicht unerwähnt möge bleiben, daß vielleicht die Freiluftzufuhr 
durch die offene Bauweise der Baracken günstig gewirkt haben 
kann. Immerhin wäre eine Schutzimpfung damals den mit der Schwierig- 
keit in der Epidemiebekämpfung bei einer primitiven Landbevolkerung gut 
vertrauten Ärzten sehr willkommen gewesen. 


Ober den Wert der Diastasebestimmung im Harn 
fur die Beurteilung der Rachitis. 


Herr A. Adam, Heidelberg. 


Die Mannigfaltigkeit pathogenetischer Bedingungen und klinischer 
Erscheinung sprechen nach der am meisten verbreiteten Ansicht 
— ich berufe mich auf die Darstellungen von Czerny, Hochsinger, 
Klotz, Stöltzner — dafür, daß die Störung im Salzstoffwechsel 
zwar eine wesentliche, aber nicht die einzige, ausschlaggebende 
conditio des rachitischen Symptomenkomplexes sein kann. Die 
Eigenart der Knorpel-Knochenveränderung ist durch den beschleu- 
nigten Wachstumsvorgang bedingt, während das gesamte klinische 
Bild als eine besonders geartete Dystrophie bezeichnet wird. 

Ich versuchte, von einem anderen Gesichtspunkte an die Dystro- 
phiefrage heranzugehen. Eine Dystrophie, d.h. eine Auf- bzw. 
Abbaustörung, könnte auf einer Anomalie derjenigen Funktionen 
beruhen, welche diese Vorgänge beherrschen, nämlich der fermen- 
tativen Prozesse. 

Zunächst beschränkte ich mich auf eine Verfolgung der Fermente, 
welche die wichtigsten für den Aufbau sind, der glykolytischen, 
tryptischen und fettspaltenden, und suchte sie auf ihren Ausschei- 
dungswegen, in Blut, Stuhl und Harn, da hier Mangel oder Über- 
schuß zutage treten mußten. 

Wesentlich war eine geeignete Technik. Insbesondere mußte der 
gebräuchliche jodometrische Diastasenachweis umgearbeitet werden, 
da er bei Vergleichsuntersuchungen versagte. Die in der klinischen 
Wochenschrift 33 und 48, 1923 veröffentlichte Methode berücksich- 
tigt die bisher unvollständig beachteten Faktoren des spezifischen 
Gewichts, des Jodbindungsvermögens, des Optimum der H-Ionen- 
konzentration und der Salzkonstanz. Einwände, die Wohlgemuth 
für seine jodometrische Methode geltend macht, sind nicht stich- 
haltig. Die Versuchsdauer beträgt !/, Stunde. 

Systematische Untersuchungen im Frühjahr und Sommer d. J. 
in über 100 Fällen ergaben ein eindeutiges Resultat. Der rachitische 
Säugling scheidet in Harn und Stuhl unabhängig von der Art der 


426 Adam. Heft 4 


Ernährung regelmäßig mehr Diastase aus als das gesunde Kind 
gleichen Alters, in beginnenden Fällen nur im Stuhl. Es handelt 
sich um echte, Stärke und Glykogen spaltende Amylase, da die 
Zuckerreaktionen positiv werden. Die ausgeschiedene Menge ist 
etwa proportional der Schwere rachitischer Knochenveränderungen, 
mit Ausnahme beginnender Fälle, bei denen sie relativ stärker sein 
kann. Mit der Heilung nimmt die Höhe der Ausscheidung ab. Im 
Blute wird der Diastasespiegel nahezu normal gehalten. Trypsin- 
und Lipaseausscheidung scheinen ohne Abhängigkeit vom rachiti- 
schen Krankheitsprozesse zu sein, ich fand sie meistens normal. 

Unter den rachitischen Säuglingen fanden sich die höchsten Werte 
im 2. Halbjahr. Vorher sind sie durchschnittlich niedriger. Es können 
aber sowohl im I. sehr hohe, wie im 2. niedrige Werte vorkommen, 
je nach der Schwere der Rachitis. Es handelt sich nicht um eine 
Alterserscheinung, da auch im 2. Halbjahr nichtrachitische Kinder 
normale Ausscheidungshöhe haben. Das jüngste Kind mit geringer 
Diastase-Vermehrung war erst 14 Tage alt. Auch die Rachitis des 
Brustkindes zeigte sich in gleicher Weise an. 

Das Parallelgehen der Schwere rachitischer Knochenerkrankung 
und der Diastasemengen war bis zum 3. Lebensjahre ausgesprochen. 
Ältere Kinder und Erwachsene haben durchschnittlich höhere Werte 
als der Säugling. 

Eine enge Beziehung besteht zum Verlaufe der Krankheit. Zum 
Beispiel hatte ein 5 Monate altes Kind normale Werte. Im 8. Monat 
traten Symptome beginnender Rachitis auf (Bewegungsunlust, 
Hautblässe, Kopfschweiße) und zugleich war die Harndiastase ver- 
mehrt. Von besonderem Interesse war in diesem Zusammenhange 
ein Vergleich mit den Blutphosphatwerten. In einer Reihe von 
Fällen führte Herr Dr. György die Blutuntersuchung aus. In un- 
behandelten Fällen und bei gesunden Kindern war. stets Überein- 
stimmung vorhanden. Ein Unterschied trat dagegen bei behandelten 
Fällen zutage, insofern die Blutphosphatwerte bereits eine Um- 
stimmung des Stoffwechsels im Sinne der Heilung zeigen, ja normal 
sein konnten, während die Diastaseausscheidung wesentlich lang- 
samer abnahm. Diese entsprach mehr den klinischen Symptomen. 
Ein Beispiel: Bei einem r!/,jährigen Mädchen mit schwerster 
Rachitis waren die Phosphatwerte normal geworden, die der Diastase 
hatten nur wenig abgenommen. Das Kind konnte trotz guten Er- 
nährungszustandes noch nicht sitzen, der Zahndurchbruch sistierte 
seit Monaten; es bestanden starkes Schwitzen und schwere Knochen- 
deformitäten. Erst 2 Monate später hatte mit wesentlichem Fort- 


Heft 4 Uber den Wert der Diastasebestimmung im Harn. 427 


schreiten klinischer Besserung (Sitzen, Zahndurchbruch, Nachlassen 
der Schweiße) auch die Diastasehöhe beträchtlich abgenommen, 
war aber immer noch nicht normal. 

Von heuristischer Bedeutung ist der Befund bei Weichschädel. 
In 2 Fällen, davon einem mit Eindrückbarkeit des ganzen Schädel- 
daches ohne rachitische Befunde, fand sich keine Diastasever- 
mehrung (auch die Blutphosphatwerte waren normal). Ein 3. Fall 
mit latenter Spasmophilie und Rosenkranz hatte dagegen erhöhte 
Werte, die sich auch nach Beseitigung der Spasmophilie auf 
CaCl- Behandlung nur wenig änderten. Ich muß demnach die 
hauptsächlich von Wieland vertretene Ansicht unterstützen, nach 
der es eine Schädelweichheit gibt, die mit Rachitis nichts zu 
tun hat. 

Theoretisch wichtiger ist das Verhalten des Rachitikers mit 
Tetanie. Die Diastaseausscheidung ist hier ebenfalls erhöht, ja 
unter Umständen anscheinend mehr, als der Schwere rachitischer 
Erscheinungen entspricht, und sie ändert sich auch nur wenig nach 
Verschwinden der manifesten Symptome. Damit ist eine in dieser 
Beziehung gemeinsame Stoffwechselstörung bei Rachitis und Tetanie 
erwiesen. 

Fieber, septische Prozesse und Dyspepsie erwiesen sich ohne 
wesentlichen Einfluß auf die Ausscheidung. 

Schon im Jahre 1914 waren McClure und Chancellor (Zeitschr. 
f. Kinderheilk.) die hohen Diastasewerte im Rachitikerharn auf- 
gefallen, ohne daB sie die Bedeutung des Befundes wiirdigten. 
Dodds dagegen, dessen Mitteilung im British medical Journal 
1922 mir nach Beginn meiner Arbeit bekannt wurde, und der 
denselben Harnbefund erhob, schließt in Kombination mit einer 
von ihm angenommenen mangelhaften Fettspaltung des Rachitikers 
auf Vorliegen einer Pankreatitis. Diese Schlußfolgerung erscheint 
mir zu weitgehend, da Trypsin- und Lipaseausscheidung nach meinen 
Befunden mit der der Diastase nicht parallel gehen, sogar meist normal 
sind. Gegen eine so schwerwiegende Erkrankung wie Pankreatitis 
spricht meines Erachtens auch der Verlauf der Krankheit. Zudem 
ist gegen die früheren Untersuchungen der Einwand unvoll- 
kommener Technik zu erheben. 

Eine Pankreasfunktionsstörung nehme auch ich an, zumal 
die Erhöhung der Diastaseausscheidung auch im Stuhl nachweisbar 
ist, ja hier zuerst auftreten kann. Die von der Darmschleimhaut 
oder von Darmbakterien gebildete Diastase fällt wenig ins Gewicht. 
Außerdem hat diese Harndiastase dasselbe H-Ionenoptimum wie 


428 Adam: Über den Wert der Diastasebestimmung im Harn. Heft 4 


die des Pankreas (bei #47). Speicheldiastase ist infolgedessen auch 
auszuschließen, da ihr Optimum bei 2,6 liegt. 

Welche Bedeutung hat diese gesteigerte Produktion des zucker- 
spaltenden Pankreasfermentes ? 

Da sowohl bei Diabetes als experimentell ein Parallelgehen von 
Harndiastase und innerer Sekretion des Pankreas wahrscheinlich 
gemacht ist, wird die Annahme nahegelegt, daB die Hormonbildung 
des Pankreas bei Rachitis und Spasmophilie gesteigert ist. Es ist 
bekannt, daß das Pankreas des Säuglings relativ zur Organgröße 
viel reicher an Langerhansschen Inseln ist, als das des Er- 
wachsenen. Auch fand ich, daß Insulin (Bayer) die Harndiastase 
in vitro mäßig aktiviert. In diesem Zusammenhange ist bedeutsam, 
daß diejenigen innersekretorischen Drüsen, deren Funktionsstörung 
bei Rachitis, teils mono-, teils polyglandulärer Natur, von ver- 
schiedenen Seiten, zuerst von Stöltzner und Uffenheimer, 
später insbesondere von Aschenheim, angenommen wurde, gerade 
die Antagonisten des Pankreas sind. Hierzu gehören Nebennieren, 
Schilddrüse, Hypophysis, Thymus und Geschlechtsdrüsen. Es fehlte 
bisher an einer Vorstellung für die Ursache der relativen Dys- bzw. 
Hypofunktion dieser Drüsen, deren Inkrete eine, wenn auch nicht 
konstante, Heilwirkung auszuüben vermögen. Jetzt gibt die An- 
nahme einer Hyperfunktion ihres nn Antagonisten eine 
Deutung an die Hand. 

Eine Hyperproduktion des Pankreashormons bedeutet zum Teil 
eine Hemmung der durch die genannten anderen Drüsen geförderten 
Glykogenmobilisierung der Leber, vielleicht auch vermehrte Zucker- 
verbrennung, d.h. aber Kohlenhydrathunger der Gewebe. 

Der Befund weist auf die Notwendigkeit hin, dem Kohlenhydrat- 
stoffwechsel bei Rachitis und Tetanie mehr Aufmerksamkeit zu 
widmen als bisher geschehen ist. Die Bedingungen der rachitischen 
Dystrophie und ihre diätetische Beeinflussung (durch erhöhte 
Zuckerzufuhr) könnten dadurch weitere Klärung erfahren. 


Die Entstehung des rachitischen Beckens. 
Herr Dr. Theodor Hoffa, stadtischer Kinderarzt in Barmen. 


Die Untersuchungen, über die ich in folgendem kurz berichten 
möchte, wurden veranlaßt durch den Wunsch von Herrn Martin- 
Elberfeld, von mir als Kinderarzt etwas zu erfahren über den Zeit- 
punkt der Entstehung des rachitischen Beckens beim Säugling. Es 
sollte zunächst die Frage geklärt werden, inwieweit die Deformierung 
der Beckenknochen beim Säugling unter dem Einfluß der Körperlast, 
beim Sitzen und Stehen, erfolgte bzw. ob auch ohne diese Belastung 
eine Verbiegung der Knochen zustande kommen könnte. In der 
pädiatrischen Literatur findet sich nur spärliches Material zur Be- 
antwortung dieser Frage. 

Stöltzner!) erwähnt, daß die Beckenknochen ihre bekannten, für 
die Geburtshilfe so wichtigen Gestaltungsveränderungen schon sehr 
früh erleiden. 

Wieland?) bezieht sich auf die noch zu erwähnenden Unter- 
suchungen von v. Recklinghausen, wonach das Becken in allen 
Fällen von Rachitis mißgestaltet ist und schon vom 2. Lebensjahre 
an die Kartenherzform darbietet. Atiologisch wird von Wieland 
der Druck der Rumpflast angeschuldigt, bei Kindern, die bereits 
gehen und stehen, auch der Gegendruck von seiten der Femurköpfe. 

Czerny?°) äußert sich folgendermaßen: ‚Es ist bisher noch nicht 
genügend beachtet worden, wann diese pathologischen Becken- 
formen entstehen. Gibt dazu bereits die Rachitis der ersten Lebens- 
jahre oder erst die Spätrachitis Veranlassung? Nach meinen eigenen 
Beobachtungen übt auch schon die erstere einen deutlichen Einfluß 
aus. Daß dies nicht viel Berücksichtigung findet, erklärt sich aus 
dem Umstande, daß sich in den ersten Lebensjahren die patho- 
logischen Beckenformen klinisch nicht störend bemerkbar machen. 
Der Beckenrachitis muß aber wegen ihres Einflusses auf die Becken- 
stellung Beachtung geschenkt werden, weil diese maßgebend für 


1) Handb. d. Kinderheilk. von Pfaundler und Schloßmann, 2. Aufl. 

2) Handbuch der pathologischen Anatomie des Kindesalters von Brüning 
und Schwalbe, Bd. 2, S, 272. 

3) Kraus-Brugsch, Bd. 9, S. 32%. 


430 Hoffa. Heft 4 


die spätere Krümmung der Wirbelsäule ist. Vergleichen wir ein 
normales und ein rachitisches Kind zur Zeit der ersten Stehversuche, 
so fällt zunächst der Unterschied in der Breite der Beckengegend 
auf. Das Becken des rachitischen Kindes bleibt im Wachstum 
zurück, und eserscheint infolgedessen die ganze Beckenpartie schmäler. 
Ebenso wie beim Thorax gleicht sich auch meist die Entwicklungs- 
hemmung des Beckens in den späteren Kinderjahren aus. In schweren 
Fällen von Rachitis werden aber niemals normale Durchschnitts- 
werte erreicht. Neben dieser Größendifferenz fällt bei den Steh- 
versuchen ein großer Unterschied in der Beckenstellung auf. Beim 
normalen Kinde zeigt das Becken vorn eine geringe, beim rachitischen 
eine starke Neigung nach abwärts. Beim letzteren bildet die Mittel- 
linie der Beine mit der des Rumpfes, von der Seite betrachtet, einen 
Winkel, dessen Spitze in der Gegend des Steißbeines liegt. Diese 
Haltung erschwert den rachitischen Kindern das Stehenlernen. 
Durch fortgesetzte Übungen bessert sich allmählich die Stellung des 
Beckens, sie übt aber dauernd einen beachtenswerten Einfluß auf 
die Form der Wirbelsäule aus. Die Stellung des Beckens ist teils 
von der Konfiguration der Oberschenkel, teils von der des Kreuz- 
beines abhängig. Die Rachitis wirkt auf beide, dies bedingt mannig- 
faltige, von der Rachitis abhängige Varianten der Körperhaltung.“ 

Soweit Czerny, dessen Ausführungen ich wörtlich wiedergebe, 
weil in ihnen noch allerlei bedeutungsvolle Problemstellungen ent- 
halten sind. 

Hochsinger!) erwähnt, ebenfalls unter Beziehung auf v. Reck- 
linghausen, die frühzeitigen Wachstumsstörungen und Formen- 
veränderungen durch die rachitischen Knochenerweichungen. 

In der sonstigen pädiatrischen Literatur habe ich brauchbare 
Angaben zur Klinik des rachitischen Beckens beim Säugling und 
Kleinkind nicht gefunden. Es erscheint dies einigermaßen ver- 
wunderlich, nachdem in der großen Monographie von v. Reckling- 
hausen ‚„Rachitis und Östeomalacie‘‘, Jena 1910, und vor allem 
in dem klassischen Werk von Breus und Kolisko, ,,Die patho- 
logischen Beckenformen“, ein reiches Tatsachenmaterial beigebracht 
worden ist, das auch der Aufmerksamkeit und dem Studium der 
Kinderärzte aufs dringlichste empfohlen werden muß. Ich beschränke 
mich hier auf die Wiedergabe der -wesentlichsten Punkte. 

v. Recklinghausen?) fand regelmäßig in allen Fällen, denen die 
sichere Diagnose evidente Rachitis gegeben werden konnte, deutlich 


1) Pfaundler SchloBmanns Handb. Bd. 1, S. 686, 
2) 1. c. S. 303. 


Heft 4 Die Entstehung des rachitischen Beckens. 431 


das Becken mißgestaltet. Sogar schon im 2. Lebensjahre fand sich 
abnorme Form, durchschnittlich Kartenherzform, des Beckens. 
Schon bei 1—2jährigen Kindern kamen nach v. Recklinghausen 
die pathologischen Beckenformen, die bei den Erwachsenen auf- 
gestellt werden, in nuce wenigstens zum Vorschein. Die sogenannte 
Kartenherzform wurde in allen Fällen, welche spezieller untersucht 
und den Schilderungen der Befunde zugrunde gelegt wurden, regel- 
mäßig, ja fast ausnahmslos festgestellt, jedenfalls von der Mitte 
des 2. Lebensjahres ab. 

v. Recklinghausen!) fand ausgeprägte symmetrische Karten- 
herzform bei Kindern, die nie gelaufen waren, wie er in Überein- 
stimmung mit Breus und Kolisko annimmt, als Folge einer Wachs- 
tumshemmung, und er sah (Seite 395) die Beckenknochen manchmal 
stärker von der rachitischen Porosierung betroffen als die übrigen 
Knochen. 

Noch viel eingehender befassen sich Breus und Kolisko in 
Band I, 2. Teil ihrer ‚„Pathologischen Beckenformen‘‘ mit dem 
Becken rachitischer Kinder. Sie betonen vor allem die allgemeine 
rachitische Wachstumshemmung, welche auch die nicht qualitativ 
veränderten Appositionsstellen des Skelettsystems betrifft. Das 
Becken rachitischer Kinder ist niemals normal groß, auch wenn 
das Becken wie dessen Knochen und Knorpel, nichts von spezifisch 
rachitischen Veränderungen erkennen lassen. Das platte Becken 
rachitischer Kinder fällt auf durch die Kürze der Pars iliaca bei 
verhältnismäßig breitem Sacrum und langer Pars pubica. Am 
stärksten verkürzt ist die Conjugata vera. Bei besonderem Tief- 
stand des Promontoriums, wenn dieses unter das Niveau der Ter- 
minalebene herabgesunken ist, wird vom letzten Lendenwirbel eine 
stellvertretende Conjungata gemessen, die dann noch etwas kürzer 
als die Vera ist. 

Das Becken florid rachitischer Kinder weicht nach Breus und 
Kolisko stets in seiner Größe, meist auch in seiner Form vielfach 
ab und zeigt erhebliche, selbst gegensätzliche Differenzen gegen die 
Rachitisbecken Erwachsener. Während der Erkrankung ist es auf- 
fallend klein, plump, von verminderter Festigkeit und sehr oft 
mißgestaltet. Die Kleinheit des ganzen Beckens ist oft geradezu 
überraschend. Einzelne Knorpel sind analog den Epiphysenschwel- 
lungen der langen Röhrenknochen aufgetrieben. Bei der Kleinheit 
des ganzen Beckens erscheinen daher überwiegend knorpelige Par- 
tien, wie die Cristae ilei, die Symphyse und Pfannengegend, be- 


m a a 


1) }. c. S. 303. 





432 Hoffa. Heft 4 


sonders plump. Die Pfannengegend wélbt sich als wulstige Pro- 
tuberanz gegen den Beckeneingang vor und dominiert förmlich in 
dem Bilde eines solchen Beckens. Die Ileosakralgelenke sind nicht 
selten gelockert und zeigen eine gewisse Beweglichkeit. Es herrscht 
ein erhebliches Mißverhältnis zwischen der Breite des Kreuzbeines 
und der Kleinheit der Hüftbeine. Die Sacrumbreite erreicht zwar 
nicht das normale Maß, bleibt aber doch nur wenig hinter dem- 
selben zurück, dagegen ist die Kleinheit der Darmbeine eine enorme. 
Das Becken erscheint auffallend disproportioniert und ist entstellt 
durch die Formveränderung der Beckenknochen und die veränderte 
Situation des Kreuzbeines, durch die Auftreibung der Pfannen- 
gegend und die Lage der Pfannen an der vorderen Beckenwand. 
Es ist niedriger abgeplattet und mehr trichterförmig als das normale 
kindliche Becken. Die Darmbeinschaufeln sind klein, niedrig, ihre 
Cristae reichen weniger weit nach vorn, klaffen. Die innere Fläche 
der Darmbeinschaufeln ist stärker gehöhlt. Ihre Höhlung ist oft 
derart vertieft, daß eine trichterförmige Grube entsteht, welche 
etwas hinter dem Ileosakralgelenk liegt. Das Kreuzbein liegt weiter 
vorn und tiefer im Becken, ist stärker geneigt, der Terminalwinkel 
vergrößert. Der Beckeneingang ist stark abgeplattet, sein Quer- 
durchmesser bedeutend größer als der gerade. Die Begrenzung des 
Beckeneingangs hat Dreiecksform, die Seiten des Dreiecks sind ent- 
weder ziemlich gradlinig oder am Promontorium und manchmal 
auch in der Pfannengegend konvex einspringend. Das kindliche 
Becken scheint im Verlaufe der Rachitis seine Mißgestaltung sehr 
rasch zu erfahren und auch den hohen Grad derselben, in welchem 
es so häufig gefunden wird, sehr bald zu erreichen. Bei Unter- 
suchung einjähriger Becken fanden Breus und Kolisko noch 
meistens hauptsächlich bloß den Effekt der quantitativen Wachs- 
tumstörung neben anderweitigen Lokalisationen der Rachitis am 
Skelett. Es schien das zu dieser Zeit sonst besonders lebhafte Wachs- 
tum der Beckenknochen abgeschwächt. Im 2. Lebensjahre waren 
die spezifischen Ossificationsstörungen auch am Becken schon sehr 
ausgesprochen. Am Ende des 2. Lebensjahres fanden Breus und 
Kolisko schon alle charakteristischen Deformationen vollkommen 
ausgebildet vor. Nach dieser Zeit, vom 3. Lebensjahre ab, tritt 
nur noch eine graduelle Steigerung ein, der Kontrast zwischen Alter 
und Beckengröße wird immer auffallender. 

Auffallend häufig findet sich bei Kindern mit florider Rachitis 
die an QOsteomalacie erinnernde Beckengestalt, das sogenannte 
pseudoosteomalacische Becken. Es ist bei Kindern viel häufiger 


Heft 4 Die Entstehung des rachitischen Beckens. 433 


als bei Erwachsenen. Breus und Kolisko nehmen an, daB das 
pseudoosteomalacische Becken bei Kindern nicht nur in Fallen be- 
sonders schwerer Rachitis, sondern tiberhaupt bei allen Fallen von 
vollem Intensitatsgrade auftritt, daB in der Regel aus den pseudo- 
osteomalacischen Kinderbecken die gewöhnlichen plattrachitischen 
Becken Erwachsener werden und nur bei mangelhafter postrachi- 
tischer Wandlung, besonders bei abnorm langer Dauer der Rachitis, 
die pseudoosteomalacische Form bewahrt wird. Breus und Ko- 
lisko haben sich auch sehr eingehend mit den Heilungsvorgängen 
am rachitischen Kinderbecken beschäftigt und dem postrachitischen 
Kinderbecken ein eigenes größeres Kapitel gewidmet. Als die wich- 
tigste Erscheinung des postrachitischen Wachstums bezeichnen sie 
die Knochenapposition vom Faciesknorpel des Darmbeines aus, 
dadurch wird die während des floriden Stadiums der Rachitis im 
Wachstum zurückgebliebene Pars iliaca des: Darmbeines verlängert 
und die der Linea arcuata entsprechende Krümmung dieses Knochen- 
teils erzielt, der während des akuten Krankheitsprozesses flach 
gestreckt oder selbst gegen den Beckenraum einwärts gebogen ge- 
funden wird. Wenn so einzelne fehlerhafte Wachstumseffekte ge- 
mildert und abgeschwächt werden, so können doch nach Breus 
und Kolisko auch durch gesundes postrachitisches Knochenwachs- 
tum keine ganz normalen Relationen der einzelnen Segmente und 
keine regulären Formen des ganzen Knochens mehr zustande ge- 
bracht werden. ‚Der komplizierte Wachstumsplan des Becken- 
ringes in seiner Gesamtheit ist gestört und bleibt auch nach Heilung 
der Rachitis verzerrt. Seine Vollendung durch die Wachstums- 
einrichtungen ist entgleist und gelangt nicht mehr in korrekte 
Bahnen.“ 

Die wertvollen Befunde von v. Recklinghausen und von 
Breus-Kolisko am anatomischen Material mußten am lebenden 
Kinde nachgeprüft werden, wenn wir die von Martin aufgeworfene 
Frage ihrer Beantwortung näherbringen wollten. Vielfach rönt- 
genologische Aufnahmen ergaben wohl einzelne brauchbare Bilder, 
aber es bedurfte dazu einer umständlichen Vorbereitung (Darm- 
entleerung), und gerade bei den jüngeren Säuglingen, auf die es uns 
zur Beurteilung der ersten Äußerungen der Rachitis ankam, ver- 
sagte die Methode. Als einfache und durchaus genügende klinische 
Untersuchungsmethode zur Feststellung rachitischer Veränderungen 
am Becken des Säuglings und Kleinkindes bewährte sich die Aus- 
tastung des Beckens mit dem ins Rectum eingeführten Finger. 
Bei vorsichtiger Einführung des gut eingeölten Fingers gelingt es 

Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 28 


434 Hoffa. Heft 4 


ohne Verletzung und ohne allzu groBe Schmerzen fiir das Kind, 
das Innere des Beckens in allen Einzelheiten auszutasten, und auch 
leichte Formveränderungen des Knochens genau festzustellen. Ich 
habe gemeinsam mit Martin diese Untersuchungen an sehr zahl- 
reichen Säuglingen und Kleinkindern in Klinik und Sprechstunde 
vorgenommen. Über die Ergebnisse möchte ich nachstehend kurz 
berichten. 

Der erste Eindruck, den man bei der Austastung des Beckens 
rachitischer Säuglinge erhält, ist der der auffallenden Kleinheit des 
ganzen Beckens. Der untersuchende Finger stößt überall bald 
auf die Wandung des Beckens. Am stärksten ist das Becken in 
sagittaler Richtung verengt; die Conjugata vera ist so klein, 
daß bei jüngeren Rachitikern, etwa 7—8monatigen Säuglingen, 
der Abstand von Promontorium zur Symphyse oft kaum r!/, Quer- 
finger beträgt. 

Ein weiteres markantes Symptom der Rachitis am Säuglings 
becken ist das Vorhandensein eines ausgesprochenen Promontoriums 
schon bei Kindern im ersten Lebensjahr. Der erste Kreuzbeinwirbel 
ist gegen die Lendenwirbelsäule in einem deutlich fühlbaren Winkel 
abgesetzt; in hochgradigen Fällen sinkt das Promontorium unter 
die Terminalebene hinunter ins Becken, es wird dann, wie dies 
Breus und Kolisko (s.o., Seite 430) schon am Leichenpräparat 
festgestellt haben, vom 5. Lendenwirbel gewissermaßen ein zweites 
Promontorium gebildet. Diesen Befund des ‚doppelten Promon- 
toriums‘“ konnten wir bei zahlreichen Kindern, namentlich des 
2. Lebensjahres, feststellen. Gesunde, rachitisireie Kinder der beiden 
ersten Lebensjahre haben keinen deutlichen Promontoriumwinkel. 
Die Vorderfläche des Kreuzbeines liegt annähernd in der gleichen 
Ebene wie die Vorderfläche des untersten Lendenwirbelkörper:. 
Durch das Vorspringen und Herabsinken des Promontoriums kommt 
es beiderseits vom Kreuzbein, zwischen diesem und der Pars sacralis 
des Darmbeines, zur Bildung einer mehr oder weniger tiefen Nische, 
die oft so eng wird, daß der tastende Zeigefinger nicht bis zu ihrem 
Grunde vordringen kann. Der Umriß der Beckeneingangsebene er- 
hält im ganzen die bekannte Kartenherzform; ist die Nischenbildung 
nicht so ausgeprägt, so nähert sich die Form der Beckeneingangs- 
ebene mehr dem Dreieck. Bei florid-rachitischen Kindern fühlt man 
bisweilen eine knopfförmige Verdickung an der Hinterwand der 
Symphyse, ähnlich dem Knoten des rachitischen Rosenkranzes. 
Ebenso fühlt man in einzelnen Fällen die verdickten Spinae ischia- 
dicae lateral vom Kreuzbein. 


Heft 4 Die Entstehung des rachitischen Beckens. 435 


Die Gegend der Acetabula ist in schweren Fallen von Rachitis 
gegen das Beckeninnere vorgewölbt, so daß eine erhebliche Ver- 
engerung der Beckenmitte eintritt. 

Die Tubera ossis ischii sind dagegen eher auseinandergedrängt, 
der Beckenausgang erweitert. 

In den schwersten Fällen von Rachitis finden wir typisch aus- 
gebildet die sogenannte pseudoosteomalacische Form des Beckens: 
stark verkleinertes Becken; Promontorium stark vorspringend, 
tiefstehend, eventuell doppelt, ausgesprochene Kartenherzform des 
Beckeneingangs mit tiefen engen Nischen beiderseits vom Kreuzbein, 
schnabelförmig vorspringende Symphyse mit fast parallel ver- 
laufenden Schambeinästen. 

Die Schwere der Deformation des Beckens geht meist, aber nicht 
immer, parallel der Schwere des übrigen Krankheitsbildes der 
Rachitis. Bei einigermaßen ausgesprochener Rachitis an den anderen 
Skeletteilen fehlen aber rachitische Veränderungen am Becken nach 
unseren Beobachtungen wohl niemals ganz. 

Eine für die Pathogenese der Rachitis besonders wichtige Fest- 
stellung konnten wir gelegentlich unserer rectalen Untersuchungen 
noch bezüglich der Muskulatur machen: Bei kleinen Kindern gelingt 
es, mit dem tastenden Finger über die Linea terminalis hinaus nach 
oben vorzudringen. In solchen Fällen fühlt man bisweilen, nament- 
lich dann, wenn die Kinder stark schreien und pressen, beiderseits 
den Musculus psoas wie eine straffgespannte Sehne über die Linea 
. innominata herüberziehen. Der Muskel ist in diesen Fällen zweifellos 
stark hypertonisch, durch seine Contractur wird die für den Rachi- 
tiker so pathognostische Beugehaltung der Oberschenkel bedingt. 
Czerny!) hat schon für die Erklärung gewisser rachitischer Defor- 
mationen eine ungleiche Wirkung von Muskelgruppen postuliert. 
Er bezeichnet die Hypertonie einzelner Muskelgruppen als bc- 
kannten Befund und exemplifiziert dabei auf die eben erwähnte 
zwangsmäßige Beugestellung der unteren Extremitäten beim 
Rachitiker. 

Es unterliegt nach unseren Untersuchungen keinem Zweifel mehr, 
daß deutliche rachitische Deformationen am Becken von Säuglingen 
und Kleinkindern gefunden werden können, die niemals weder 
gesessen noch gestanden haben. Ich würde diesen Satz nicht mit 
solcher Bestimmtheit aussprechen, wenn ich für die Beurteilung der 
statischen Funktionen auf die anamnestischen Angaben der Eltern 
und Pflegemütter angewiesen wäre. Wir verfügen aber über einige 
| 1) 1. c. S. 339. 

28* 


436 Hoffa. Heft 4 


Beobachtungen an Anstaltskindern, Friihgeburten, Zwillingen und 
einem Falle von Drillingen, wo die Rachitis unter unseren Augen 
entstand und wo sich bei Kindern, die nie gesessen noch ge- 
standen haben, deutliche Symptome der Beckenrachitis feststellen 
ließen : Promontoriumbildung, Kartenherzform, Wachstumshemmung. 
Czernys Annahme, daß schon die Frührachitis die Beckenanomalien 
hervorruft, ist also in vollem Umfange bestätigt. Zu Beginn des 
2. Lebensjahres sehen wir häufig schon die allerschwersten Ver- 
änderungen ausgebildet. Die jüngsten Säuglinge mit Beckenrachitis 
waren 7—8 Monate alt. Über die Heilungsvorgänge am rachitischen 
Kinderbecken vermag ich auf Grund unserer klinischen und rönt- 
genologischen Feststellungen noch kein abschließendes Urteil zu 
fällen. Um einen vorläufigen Einblick in die Verhältnisse des post- 
rachitischen Beckens zu erlangen, habe ich eine Anzahl älterer, 
4—8jahriger Kinder, Besucher eines städtischen Kindertagesheimes, 
untersucht, von denen wir auf Grund persönlicher Beobachtungen, 
vom 2. Lebensjahr an wußten, daß sie an schwerer Rachitis gelitten 
hatten. Mehrere dieser Kinder hatten erst mit 2—3 Jahren laufen 
gelernt. Bei diesen Untersuchungen gewannen wir den Eindruck, 
daß die Becken der älteren (4 Jahre und darüber zählenden) Kinder 
sich in sehr weitgehendem Maße der Norm wieder angenähert und 
sich gestreckt hatten. Bei Kindern vom 6. Lebensjahre ab gelingt 
allerdings die Austastung vom Rectum her nicht mehr vollkommen. 
Bei einigen Kindern war das Becken im ganzen klein geblieben, 
zeigte ausgesprochene Kartenherzform und stark vorspringendes, - 
zum Teil doppeltes Promontorium. 

Daß eine weitgehende Ausheilung der rachitischen Beckendeformi- 
tät möglich und häufig ist, scheint mir nach diesen Beobachtungen 
erwiesen. Die Anschauungen von Breus und Kolisko (siehe oben, 
Seite 432), wonach auch durch gesundes postrachitisches Knochen- 
wachstum keine ganz normalen Relationen der einzelnen Segmente 
und keine regulären Formen des ganzen Knochens mehr zustande 
gebracht werden, scheinen mir hiernach dringend revisionsbedürftig. 
Klinische Befunde allein sind allerdings dafür nicht ausreichend. 
Es wird nötig sein, zur Nachprüfung der Breus-Koliskoschen 
Befunde auch die Röntgenographie hinzuzuziehen. Diese Nach- 
prüfung wird nicht nur von großem praktischem Interesse sein, 
sondern auch geradezu entscheidend für die Klärung der theoretischen 
Fragen, die Herr Martin auf Grund unserer gemeinsamen Unter- 
suchungen in Angriff genommen hat. 


Heft 4 Diskussion. 437 


Herr Koeller (Göttingen): Über die Verwendbarkeit der bio- 
logischen Untersuchungsmethode von Straub. (Niederschrift trotz 
wiederholter Anforderung nicht eingesandt.) 


Diskussion. 


Herr Kochmann: Die Straubsche Methode liefert nur dann beweisende 
Resultate, wenn die Versuche an ein und demselben Herzen ausgeführt werden. 
Wenn aber vor und nach der antirachitischen Behandlung Blutserum unter- 
sucht wird, ist diese Bedingung nicht erfüllbar. 


Herr Freudenberg: Das Straubsche Verfahren gibt nicht die Ca-Ionen- 
konzentration im Blute wieder, da der Einfluß der Kohlensäurespannung 
nicht zum Ausdruck kommt. 


Erfahrungen mit Dubo. 
Herr Dr. van Mallinckrodt, Elberfeld. 


Die Versuche, die in Anstaltspflege schlecht und nur mäßig ge- 
deihenden Säuglinge zu fördern, haben zur Einführung der an- 
gereicherten und konzentrierten Nahrungsgemische geführt. Die 
Arbeiten Czernys und Kleinschmidts, Moros und der 
L. F. Meyerschen Schule haben erfreuliche Ergebnisse gezeitigt. 

Schicks Verdienst ist es vor allem, bei seinen Ernährungsstudien 
an Neugeborenen eine ebenso einfach herzustellende wie brauch- 
bare Nahrung für Neugeborene, Frühgeburten und schwächliche, 
trinkschwache Kinder in seiner Vollmilch-Rübenzucker-Doppel- 
nahrung gefunden zu haben. Heller, Kahn, Grosser, Voigt 
und Davidsohn haben seine Ergebnisse zum größten Teil be- 
stätigt. 

Meine Versuche mit Dubo gingen davon aus: 

I. bei Nachlassen der Muttermilch eine geeignete Ergänzungs- 
nahrung zu finden; 

2. bei schlecht gedeihenden Flaschenkindern eine höherwertige 
erfolgreichere Nahrung zu geben. 

Ein weiterer Grund, der mich zur Verwendung von Dubo ver- 
anlaßte, war der, daß uns zur Herstellung anderer konzentrierter 
Nahrungen, Buttermehlnahrung, der Moroschen Nährmischungen. 
die dazu notwendige Butter wegen der Schwierigkeit sie aufzutreiben, 
sowie den bei uns sehr hohen Preis dafür zu bezahlen, fehlte und 
der Ersatz durch Margarine oder Schmalz nicht Gleichwertiges 
leistete. Als ich im Juli diesen Vortrag anmeldete, hatte ich fast 
nur Erfolge zu verzeichnen, die mich geradezu begeisterten. Im 
Verlaufe der weiteren Beobachtungen ergaben sich neue Gesichts- 
punkte über die Grenzen, welche auch der Verwendung von Dub 
gesteckt sind. 

Von etwa 5o Säuglingen des Mütter- und Säuglingsheims des 
Bergischen Diakonissen-Mutterhauses erhielten 31 im Laufe der 
letzten 5 Monate Dubo, in erster Linie 20 Brustkinder, bei denen 
Zwiemilch notwendig war. Diese 20 Kinder vertrugen sie gut und 
zeigten ausgezeichnete Zunahmen (Kurve von Zwillingen), bei II 


Heft 4 Erfahrungen mit Dubo. 439 


von ihnen wurde nach dem Abstillen Dubo weiter gegeben und 
erzielte bei 10 einen guten Erfolg, bei einem trat nach 17 Tagen 
eine Störung auf, die parenteraler Natur war und zum Nahrungs- 
wechsel führte. 2 erhielten sie bisher länger als ı Monat, 5 länger 
als 2 Monate und eins 92 Tage ohne irgendwelche Störung. 

Die täglichen Zunahmen lagen zwischen 20 und 30 g, bei 130 bis 
200 Cal. pro kg. 11 weitere Kinder bekamen Dubo, nachdem mit 
anderen Milchmischungen entweder keine oder nur mäßige Erfolge 
erreicht werden konnten; bei 5 war der Zuwachs wesentlich, bei 3 
nur etwas besser, 2, ließen jeden Erfolg vermissen; 7 von ihnen 
bekamen dem Alter entsprechend später Beikost dazu. Der plötz- 
liche Übergang zu der verminderten Nahrungsquantität kam, wie 
auch Schick hervorhebt, in der Gewichtskurve nicht zum Aus- 
druck. Die Dauer der Beobachtung erstreckt sich bei 3 dieser Kinder 
über I, bei weiteren 3 über 2 Monate bis zu 80 Tagen, so daß die 
Frage der Dauer der Verwendbarkeit als Alleinnahrung, die Hahn 
aufwirft, wohl im positiven Sinne beantwortet werden kann. 

Die Eindrücke, die ich erhielt, waren die gleichen, die neben 
Schick, Kahn, Grosser, Voigt und Davidsohn hatten. Dubo 
wurde gern genommen und gut vertragen. Speien beobachtete ich, 
solange parenterale Infekte fehlten, nur bei Kindern, die auch bei 
Brust und anderen Nährgemischen gebrochen hatten; in einem Falle 
sah ich durch Vorbehandlung der Milch mit Pegnin Erfolg. Auf- 
treten von Erythema gluteale, Gewichtsstillstand, Dyspepsie und 
Erbrechen nach etwa 8tägiger Gabe, wie Heller angibt, sah ich 
nicht. Die Stühle wurden ı—2mal täglich entleert, gleichartig, 
hellgelb, pastenartig, teilweise leicht knollig von etwa 20 g Gewicht. 
In dem strohgelben Urin nie Zucker, auch nicht bei parenteralen 
Infekten. Magenspülungen ergaben, daß nach 3 Stunden bis auf 
einige Flöckchen der Magen geleert war. 

Auch den Angaben Rietschels, daß die konzentrierten Nah- 
rungsgemische besonders im Sommer direkt gefährlich seien, durch 
Auftreten von Fieber und Durchfällen, kann ich für Dubo wenigstens 
nicht beipflichten. In den heißen Julitagen wurde von allen Kindern 
Dubo ausgezeichnet vertragen; bei einigen reinen Dubokindern 
machte sich eine gewisse Appetitlosigkeit und Gewichtsstillstand 
bemerkbar. Das Flüssigkeitsbedürfnis schien auch bei großer Hitze 
kaum gesteigert. Genaue Anweisung an die Pflegerinnen, gerade bei 
diesen Säuglingen auf etwa auftretenden Durst zu achten, machte 
nur an zwei sehr heißen Nachmittagen die Zugabe von 30—50g8 
Tee notwendig. Reines Durstfieber, wie es z.B. Freise in dem 


440 van Mallinckrodt. Heft 4 


Fall Kern bei Verabreichung von 400 g Buttermehlbrei beschrieben 
hat, habe ich bei Dubo nie erlebt, während ich im vorigen Jahre bei 
Vollmilchbuttermehlnahrung eine der Freiseschen ähnliche Be- 
obachtung machte (Kurve). Freise selbst läßt auch die Frage 
offen, ob bei diesem Durstfieber reine Konzentrationsbedingung 
oder die Anreicherung mit einem bestimmten einzelnen der beteilig- 
ten Nahrungsstoffe ausschlaggebend ist, schwand doch bei Freise 
das Fieber bei 2 mal 100 Wasser und 2 mal 100 Vollmilch, also der 
gleichen Flüssigkeitsmenge. Der Ansicht Kah ns, daß die gute Verträg- 
lichkeit der hohen Zuckergabe auf die Korrelation: Zucker zu Eiweiß 
zurückzuführen sei, kann man wohl beipflichten, ist doch das Ver- 
hältnis von Eiweiß zu Zucker das gleiche wie in der Frauenmilch, 1:7. 

Anders möchte ich die von Helmreich und Schick aufgestellte 
Indikation der Verwendung von Dubo bei infektionskranken Säug- 
lingen bewerten. Am 25. VII. erkrankten 3, am 3. VIII. weitere 10 
auf demselben Saale befindlicher Kinder während einer Periode 
regnerischer, kühler Tage an grippeartigen Erscheinungen, Angina 
und Bronchitis mit mäßigem Fieber (37,5—38,2). Von diesen waren 
Io nur mit Dubo ernährt. 

Schon einige Tage vorher hatten die von Grünfelder neuerdings 
wieder betonten prodromalen Dyspepsien eingesetzt, die sich mit 
einer Ausnahme, bei der sich regelrechter Durchfall einstellte, in 
großer Appetitlosigkeit und vor allem in starkem Erbrechen äußerten; 
die Zunge zeigte dicken weißen Belag; nur 50—60 g Dubo wurden 
bei jeder Mahlzeit angenommen. Diese geringe Nahrungsaufnahme 
in Verbindung mit dem Erbrechen, welches oft erst 3 Stunden nach 
der Mahlzeit auftrat, führte zu starkem WasserverJust und _ bel 
4 Kindern zu ausgesprochenen Intoxikationszeichen: groBer Hin- 
falligkeit, Benommenheit, groBer Atmung, welche durch Wasser- 
klistiere, deren Wert besonders Göppert hervorgehoben hat, und 
Absetzen auf !/, Milch mit Plasmon, in kurzer Zeit behoben werden 
konnten, so daß sich alle Kinder erholten. 

Die Stühle waren nur wenig vermehrt, 2—3mal täglich, mit 
dyspeptischem Charakter, gehackt mit sogen. Käsebröckeln, die sich 
mikroskopisch-chemisch als aus Fett bestehend erwiesen. Die Ge- 
wichtsstürze betrugen 300—700 g in 4—6 Tagen, nach Beginn des 
Erbrechens einsetzend. Bei 6 Kindern war das Erbrechen wesentlich 
geringer. Dubo wurde beibehalten und führte nach 8 Tagen wieder 
zum Ansatz. Bei 3 anderen, zu derselben Zeit erkrankten, mit 
wasserreicheren Gemischen ernährten Kindern war der Verlauf 
ähnlich, nur fehlten die schweren Intoxikationssymptome. 


Heft 4 Erfahrungen mit Dubo. 441 


Diese schweren Störungen bei einer leicht erscheinenden Grippe 
möchte ich darauf zurückführen, daß der Infekt, wie jüngst wiederum 
Krüger und Pewny nachwiesen, eine Verzögerung der Entleerung 
und Herabsetzung der Verdauungskraft des Magens herbeiführte. 
Mit einer so konzentrierten Nahrung wie Dubo wird der Magen nicht 
mehr fertig und es kommt zu Anorexie und Erbrechen. Das Er- 
brechen führt in Verbindung mit der geringen Nahrungsaufnahme 
wie Bessau, Rosenbaum und Leichsentritt in ihren eingehen- 
den Versuchen zeigten, zur Exsiccation und den dadurch bedingten 
Symptomen der Intoxikation. Daß besonders die gestörte Ver- 
dauungskraft des Magens in erster Linie daran schuld ist, glaube 
ich daraus zu erkennen, daß es mir in einem Falle gelang, durch 
Salzsäuregabe das Erbrechen zu stillen und ohne Nahrungsänderung 
den Infekt ablaufen zu lassen. 

Ein 14 Tage später an Pyelocystitis erkranktes Kind hatte eben- 
falls diese schweren Begleiterscheinungen, die wir aber auch sonst 
bei dieser Erkrankung erleben. 

Wir sehen nach dem Gesagten in Dubo eine Nahrung, die sich 
I. besonders eignet zur Zwiemilchernährung, vor allem bei schwäch- 
lichen, wenig Nahrung aufnehmenden Kindern; die 2. auch nach 
dem Absetzen mit Erfolg monatelang weiter gegeben werden kann; 
die 3. bei sonst schlecht gedeihenden Flaschenkindern infolge ihrer 
höheren Calorienmenge Erfolge verspricht ; die 4. auch in der heißen 
Jahreszeit nicht prinzipiell als gefährlich zu betrachten ist; 5. bei 
parenteralen Infekten, sobald Erbrechen auftritt, zweckmäßig sofort 
durch ein wasserreicheres Gemisch zu ersetzen ist, um die Gefahr 
der Exsiccation zu vermeiden; die 6. ohne Schwierigkeit sich auf 
andere Nährmischungen überleiten läßt, ebenso wie sich der Über- 
gang zu ihr ohne Störung vollzieht. 

Daß Dubo sich, genügendes Verständnis bei Mutter oder Pflegerin 
vorausgesetzt, auch außerhalb der Anstalt verwenden läßt, be- 
zweifle ich nicht. Auf die Gefahren bei Popularisierung haben 
Helmreich und Schick hingewiesen; wir erleben sie bereits oft 
genug bei Buttermehlnahrung, sobald ärztliche Aufsicht fehlt. 


Diskussion. 


Herr Mallinckrodt (Schlußwort): Die Kinder machten einen gesunden, 
kräftigen Eindruck, waren stets munter. Herrn Bessau erwidre ich, daß ein 
Hauptanlaß zur Verwendung von Dubo, wie ich bereits ausführte, eine gewisse 
Notlage war. 


Uber fettarme und fettreiche Säuglingsernährung. 
Untersuchungen an Zwillingen. 


Herr Dr. S. Rosenbaum, Leipzig. 


Die Not der Gegenwart zwingt zur Erörterung der Frage, ob und 
wieweit wir in der Säuglingsernährung auf das Fett verzichten 
können. Dabei ist es nicht ohne Reiz, zu beobachten, wie weit 
wirtschaftliche Bedingungen auch auf die Urteilsbildung der Forscher 
einwirken. Während noch vor kurzem die Wiener Klinik für eine 
sehr weitgehende Ersetzbarkeit des Fettes durch Kohlehydrate 
eintrat, fordern amerikanische Autoren einen Fettgehalt der Säug- 
lingsnahrung, der sogar weit über das vor dem Kriege bei uns Ubliche 
hinausgeht. 

Man könnte versuchen, dem Problem im Tierversuch näherzu- 
kommen. Bedenken wir aber, wie sehr bei jeder Tierart Besonder- 
heiten in der Einstellung auf bestimmte Nahrungen eine Rolle 
spielen, und wie weit diese von denen des Menschen entfernt sind, 
so wird nur der Versuch am Menschen zur Beantwortung der Frage 
geeignet erscheinen. Um möglichste Gleichheit der Bedingungen 
für eine Gegenüberstellung des Einflusses fettreicher und fettarmer 
Kost zu erreichen, wird man Zwillinge von gleichem Anfangsgewicht 
wählen müssen. Um den Einfluß klar zu erkennen, werden die 
Nahrungen bezüglich ihres Fettgehaltes sich recht weitgehend unter- 
scheiden müssen. Nur dann kann die fortlaufende Beobachtung 
des Massenwachstums, der Differenzierung, des Manifestwerdens 
etwaiger Konstitutionsanomalien uns ein Urteil über die Bedeutung 
des Fettes in der Nahrung erlauben. Daneben werden wir versuchen 
müssen, durch Feststellung aller möglichen Konstanten, insbesondere 
des Blutes, Unterschiede herauszufinden, die vielleicht als direkte 
Ursachen etwa beobachteter Abwegigkeiten in den Funktionen des 
Körpers anzusprechen sind. Von solchen Funktionen wird besonders 
das Verhalten gegenüber Infekten bedeutungsvoll sein. 

Eine Schwierigkeit bringt die Frage mit sich, ob der Brennwert 
der Vergleichsnahrungen gleich sein soll. Daß fettreiche Nahrungen 
im allgemeinen zur Erzielung gleicher Zunahmen einen größeren 











Heft 4 Uber fettarme und fettreiche Säuglingsernährung. 443 


Caloriengehalt haben müssen als fettarme, ist wohl allgemein an- 
erkannt. Da also diese Feststellung weniger interessierte, ver- 
suchten wir, immer eine möglichst gleichartige Zunahme bei beiden 
Zwillingen zu erreichen, also die Nahrungsmenge mehr durch die 
Rücksicht auf einen möglichst geradlinigen und gleichartigen Verlauf 
der Gewichtskurve zu regeln. 

So wurden 3 Zwillingspaare jedesmal mit recht differenten Nah- 
rungen aufgezogen. Alle drei traten im Alter von wenigen Wochen 
in den Versuch, 2 ganz gleichgewichtig, das 3. mit beträchtlichem 
Gewichtsunterschied. Die Dauer des Versuches betrug jedesmal 
21/ Monate. l 

Es gelang nur bei einem Paar, die Gewichtskurve bis zum Schluß’ 
identisch verlaufen zu lassen. Bei dem 2. erkrankte der fettarın 
Ernährte an einer Pyelitis, die mit Nierenabscessen zum Tode führte. 
Auch bei dem 3. Versuch trat eine sehr schwerwiegende Folge der 
fettarmen Ernährung ein: Es war der von Anfang Mindergewichtige 
auf Magerkost gesetzt worden; er verfiel einer schweren Atrophie, 
die auch nach Rückkehr zur normalen Frauenmilchernährung un- 
überwindlich war. 

Als fettreiche Kost wurden fettangereicherte Frauenmilch, Butter- 
mehlvollmilch und Buttermehlbrei verwandt, als fettarme Frauen- 
und Kuhmagermilch mit Mehl- und Eiweiß-Anreicherung. Der Fett- 
gehalt der Magermilch betrug meist 0,1%, im Maximum 0,3%. 

Der erforderliche Energiequotient war zwar im allgemeinen bei 
der fettreichen Ernährung etwas größer, aber auch bei fettarmer 
Kost wurden weit mehr als ıoo Calorien pro Kilo Körpergewicht 
gebraucht. 

Auffallend war bei den fettarm ernährten Säuglingen die immer 
wiederkehrende Durchfallsneigung. Im Gegensatz zu den fett- 
gemästeten Geschwistern beherbergten sie wiederholt Coli im Magen. 

Abgesehen vom Einfluß des Infektes bei dem 2. Zwillingspaar 
blieb der Blutstatus bei jedem einzelnen Kinde außerordentlich 
konstant. Auch die Übereinstimmung in allen Werten bei je 2 Zwil- 
lingen war erstaunlich. Erst unter dem Einfluß der beiden oben 
erwähnten Störungen, der Pyelitis und der Atrophie, zeigten sich 
mäßige Differenzen im Erythrocyten- und Hämoglobingehalt. Auch 
Serum-Eiweißgehalt und Viscosität zeigten eine starke Individual- 
konstanz. Völlig unbeeinflußt von der Nahrung blieb der Fibrinogen- 
und Komplementgehalt des einzelnen Kindes. 

Erkennbare Konstitutionsanomalien zeigte nur das erste Zwillings- 
paar. Eine latente Spasmophilie äußerte sich durch mechanische 


444 Rosenbaum. Heft 4 


und elektrische Ubererregbarkeit bei beiden Kindern genau gleich. 
Dagegen traten deutliche Symptome von Rachitis nur bei dem 
Fettmast-Saugling zutage, also dem, der reichlich Vitamin A erhalten 
haben diirfte. 

Diese Zwillinge wurden auch geimpft. Der Vaccinationsverlauf 
war völlig identisch. Infekte des Respirationstraktus traten niemals 
auf. Die Colipyelitis des Magermilchkindes bei Versuch II war von 
Anfang an schwer und blieb durch die üblichen therapeutischen 
Maßnahmen völlig unbeeinflußt. Die Obduktion zeigte zahlreiche 
kleine Nierenabscesse. 

Auch die allgemeine Körperreduktion, der das fettarm genährte 
Mindergewichtige des Versuches III zum Opfer fiel, war sehr aus- 
geprägt. Nach Umsetzen auf Frauenmilch traten am 3. Tage 
gehäufte durchfällige Stühle von völlig weißer Farbe auf: offenbar 
ein Versagen der Gallenproduktion, das Bild der Weißen Dyspepsie. 
Obwohl schließlich die Stühle wieder gelb wurden, und obwohl Herz- 
kraft und Stimmung des Kindes keineswegs schlecht waren, lag es 
plötzlich am 8. Tage der fetthaltigen Ernährung tot im Bett. Die 
Obduktion ergab keinen besonderen Befund. 

Was lehren uns also unsere Versuche? Daß bei einigermaßen 
widerstandsfähigen Säuglingen offenbar ein recht weitgehender 
Ersatz des Nahrungsfettes durch Kohlenhydrate und Eiweiß für 
längere Zeit möglich ist, daß aber auch in diesem Falle immer eine 
leichte Dyspepsieneigung besteht. Die Anfälligkeit gegenüber In- 
fekten bei fettarmer Kost, die die klinische Beobachtung längst 
gelehrt hat, kommt in der schweren Nierenaffektion des Versuches II 
zum Ausdruck. Der Versuch III, bei dem die Mindergewichtigkeit 
des Fettarmernährten die Bedingungen für diese Kostform von 
Anfang an erschwerte, beweist schließlich, daß für weniger resistente 
Säuglinge ein weitgehender Mangel an Nahrungsfett schwere Folgen 
nach sich zieht. So stützen unsere Versuche die klinische Erfahrung, 
wie sie erst kürzlich wieder von Rietschel ausgesprochen und von 
Wagner bei tuberkulösen Säuglingen festgelegt wurde, daß, wo es 
nur irgend möglich ist, nur ein reicher Fettgehalt der Nahrung 
einen guten Ernährungserfolg weitgehend verbürgt. 


Diskussion. 

Herr Koeppe: Buttermilchsuppe als fettarme Nahrung mit aus Mager- 
milch in gleicher Weise bereitete Nahrung ist nicht zu vergleichen. Butter- 
milch und Magermilch sind chemisch gleich, biologisch nicht. Buttermilch 
enthält die gesamte Katalase der Vollmilch, Magermilch ist katalasefrei. But- 


Heft 4 Diskussion. | 445 


termilchsuppe ist eine fettarme Nahrung, trotzdem sind die Ernährungs- 
ertolge mit dieser Nahrung auch als Dauernahrung während des ganzen acht- 
zehnten Lebensjahres und länger ausgezeichnete nach jeder Richtung. Bei 
Ernährung mit Magermilch gelingt die erfolgreiche Ernährung nicht. 


Herr Lasch hat neben einer großen Anzahl mehr oder weniger fettreich 
(darunter 7 Kinder mit Buttermilchfettnahrung) ernährter Kinder 9 Säuglinge 
beobachtet, denen er von einem Alter von ı4 Tagen bis 4 Wochen an eine 
calorienreiche, sehr fettarme Nahrung (Buttermilch mit reichlich Kohlenhydra- 
ten) verabreichte. Nur ein Kind, das von Beginn an ein relativ hohes Gewicht 
aufwies, gedieh dauernd prächtig bei guten, seltenen Stühlen, setzte auch 
Bauchpolsterfett an. Die anderen 8 zeigten trotz im allgemeinen leidlicher 
Gewichtszunahme (wöchentlich durchschnittlich 115 g; die fettreich ernährten 
136g) mit der Zeit ein immer mehr zunehmendes dystrophisches Aussehen, 
setzten auch so gut wie überhaupt kein Bauchpolsterfett an. Bemerkenswert 
ist, daß die Stühle bei all diesen 8 Kindern während eines großen Teils der 
Beobachtungszeit dyspeptisch waren. Nach 21/,—3 Monaten mußten diese 
Kinder, die schließlich zum größten Teil an Infekten und Ernährungsstörungen 
erkrankten, auf fettreiche Nahrung umgesetzt werden, woraufhin die Mehr- 
zahl der am Leben Gebliebenen wieder ausgezeichnet gedieh und Bauchpolster- 
fett einsetzte. Die recht guten Erfahrungen von Pädiatern mit holländischer 
Säuglingsnahrung in ihrer Praxis sind vielleicht auf den Unterschied zwischen 
Anstaltsverhältnissen und denen der Praxis oder auf den relativ hohen Fett- 
gehalt der Buttermilch vor dem Kriege zurückzuführen. 


Herr Aron: Der Wert der fettreichen Ernährung beruht hauptsächlich 
auf ihrem Gehalt an fettlöslichem Faktor oder Vitamin A. Während wir früher 
glaubten, daß mit dem Entfetten auch alles fettlösliche Vitamin aus der Milch 
entfernt würde, scheint doch ein Teil in der Milch, besonders in der Buttermilch, 
zurückbleiben zu können. Auch ich verfüge über die Beobachtung eines mehr 
als 6 Monate ausschließlich mit Buttermilch ernährten Kindes, das dabei 
tadellos gediehen ist. Die von mir früher kritisierten Auffassungen v. Pirquets 
und v. Groers bzw. die Versuche, auf die sich die Anschauungen dieser Autoren 
von der Entbehrlichkeit des Fettes stützen, können sich durch einen Gehalt 
der entfetteten Milch an fettlöslichem Faktor erklären. 


Herr Bessau (Leipzig): Der häufige Befund von Colibakterien im Nasen- 
rachenraum bei Säuglingen und Kindern scheint uns bemerkenswert, weil 
wir annehmen, daß von hier aus die Invasion ins Blut erfolgt, die zu der eitrigen 
Colinephritis (mit evtl. sich anschließender Pyelocystitis) führt. Der klinisch 
längst erkannte Zusammenhang zwischen grippaler Infektion und sog. Pyelitis 
dürfte dahin seine Erklärung finden, daß der grippale Infekt in dem Nasen- 
rachenraum eine lokale Gewebsschädigung hervorruft, die den Colibakterien 
das Vordringen in die Blutbahn ermöglicht. Selbstverständlich kann die 
Invasion auch vom Magendarmkanal aus erfolgen, selten nach den mehr funk- 
tionellen Ernährungsstörungen, häufiger bemerkenswerterweise nach Darm- 
infektionen (Ruhr), die eine schwerere lokale Gewebsschädigung setzen. 


Reaktionen 
des Magendarmkanals auf Stoffwechselumstimmungen. 


: Herr Dr. Fritz Demuth, Charlottenburg. 


(Mit 2 Kurven.) 


Von der Heidelberger Schule ist gezeigt worden, daB sich bei 
Rachitis eine Verschiebung des Stoffwechsels in acidotischem Sinne 
findet. Im Urin ist die aktuelle und die potentielle Acidität erhöht. 
Hochsinger hält die Beweisführung aus dem Urinbefund nicht 
für stichhaltig, weil die vermehrte Säureausscheidung im Urin durch 
eine verminderte Säureausscheidung, z.B. im Verdauungskanal, 
paralysiert werden könnte. Tatsächlich fand ich bei meinen Unter- 
suchungen über die Funktionen des Säuglingsmagens, daß bei Rachi- 
tis regelmäßig die Magenacidität deutlich herabgesetzt ist. Es lag 
nahe, diese Beziehungen durch experimentelle Erzeugung von 
Acidose und Alkalose näher zu studieren. 

Zu diesem Zwecke wurden Hormonpräparate!) nach dem Vorgange 
Vollmers benutzt, sowie eine Reihe stoffwechselumstimmender 
Mittel, Höhensonnenbestrahlungen, Proteinkörper- und Intracutan- 
injektionen, schließlich Pilocarpin und Atropin. Ich übergehe die 
Methoden und wende mich gleich zu den Ergebnissen. 

Auf der ı. Figur sind die Aciditätsveränderungen dargestellt. 
16 gesunde Säuglinge wurden untersucht. Die Normalwerte jedes 
einzelnen Kindes sind immer auf einer Grundlinie in eine gleiche 
Höhe gebracht. Die Säulen geben für jedes Kind die Größe der 
Aciditätsveränderung an. Ihre Richtung nach oben bedeutet Acı- 
ditatserhdhung, nach unten -herabsetzung. Die einzelnen Mittel 
sind in acidotische und alkalotische geteilt. Einige befinden sich 
aber unter beiden Gruppen, da sie 2 Phasen haben. Es kommt auf 
die Zeit an, zu der sie gegeben worden sind. Die angegebenen Zahlen 
zeigen an, wieviel Minuten vor dem Aushebern das betreffende 
Mittel gegeben worden ist. Soweit darauf untersucht worden ist, 


1) Diese wurden mir von der Firma Grenzach bereitwilligst zur Verfügung 
gestellt. 


Heft 4 Reaktionen d. Magendarmkanals auf Stoffwechselumstimmungen. 447 


haben alle benutzten Medikamente mit Ausnahme von Atropin, 

bei dem die Resultate unsicher sind, eine zweiphasische Wirkung. 
In der ersten Phase setzt Pituglandol und Pilocarpin die Acidität 

herab, während der Befund bei Suprarenin unsicher ist. Hier ist 

die Wirkung zu flüchtig, um 

sich gegenüber der stetig zu- | 

nehmenden Acidität bemerk- >UPRAR 50 

bar zu machen. Vielleicht 

spielt auch die langsame Re- 

sorption eine Rolle. Daß auch PITUGL 60 


Pilocarpin eine zweiphasische m I| aA ' 
all. 


12345678994 2ORSS 1234567898 NQONEY 


Wirkung hat, ist in letzter 

Zeit mehrfach angenommen THMO6L 

worden. Wir werden darauf 

noch zurückzukommen haben. 
In der zweiten Phase er- 

höhten Pitu-, Thymo-, Thyreo- 

und Ovoglandol, also die al- 

kalotischen Hormone, und TENMEOSL > 

Pilocarpin die Acidität. Testi- nn ci 

und Epiglandol, also die aci- 

dotischen Hormone, und das 

Acidose machende Afenil pe. aso’ 

setzen sie herab, ebenso Atro- 

pin. Auf die Magensäure- 

sekretion wirken also die 


AFENIL 120, 
Alkalose machenden Mittel 
wie Pilocarpin, die Acidose 


machenden wie Atropin. PILOC 
Eine Ausnahme fand sich 


bei Chloralhydrat. Narkose ATROPIN 120. 
macht Acidose. Gibt man nn 


OVOGL 


aber Chloralhydrat in groBen 
Dosen per Clysma, so be- 
kommt man in der Regel eine Kurve ı. Acidität. 
Erhöhung der Magensäure- 
werte. Der direkte Einfluß des Mittels auf den Verdauungskanal 
überwiegt offenbar die Allgemeinwirkung. 

Was die Unregelmäßigkeiten bei den Befunden angeht, so handelt 
es sich natürlich zum Teil um Fehler, die durch die physiologische 
Schwankung bedingt sind. Gelrgentlich findet man aber geradezu 


448 Demuth. Heft 4 


parodoxe Reaktionen, und zwar bei Kindern mit exsudativer 
Diathese. Eine Einteilung in Vago- und Sympathicotoniker ließ sich 
aber nicht durchführen. 

Durch Versuche an einem anderen Teile des Verdauungskanals 
wollte ich die gefundenen Resultate verallgemeinern. Parasympa- 
thischer Reiz erhöht bekanntlich den Bicarbonatgehalt des Speichels’). 
Die h, die natürlich auch vom Bicarbonatgehalt abhängt, ist beim 
Säugling, wie Jacobi und ich gezeigt haben, wegen der Art der 
Speichelentnahme nicht gut verwertbar. Der Speichel des Erwach- 
senen dagegen hat eine sehr konstante Aciditätskurve. Injiziert 
man kleine Mengen Pilocarpin, so bleibt während der ersten 2o bis 
30 Minuten die Acidität unverändert oder steigt etwas an, dann 
sinkt sie plötzlich ganz erheblich, um bei einigen Versuchspersonen 
stundenlang relativ niedrig zu bleiben. Injiziert man aber irgend- 
welche Hormone, so bleibt eine absolut eindeutige Wirkung auf die 
Speichelaciditat aus?). Wir kommen also hier nicht weiter. 

Es sei hier nebenbei bemerkt, daB die SchweiBsekretion oft un- 
mittelbar nach der Injektion von Pilocarpin, jedenfalls aber immer 
in der ersten Phase einsetzt, in der wir offenbar eine Sympathicus- 
reizung vor uns haben. Mit dieser Erklarung lieBe sich der Wider- 
spruch beseitigen, daß die Schweißdrüsen zwar anatomisch vom 
Sympathicus innerviert werden, aber auf Pilocarpin reagieren. 

Nun zu den anderen Stoffwechselumstimmungen. Höhensonnen- 
bestrahlung führt im Magen zwischen 1. und 3. Tag zu einer Acidi- 
tätserniedrigung, die dann langsam, zuweilen schon am 2. Tag, 
gewöhnlich über den Anfangswert hinausgehend in eine Erhöhung 
übergeht. Nach Novoprotin, einem Proteinkörperpräparat, sinkt 
der Säuregehalt etwas am 2. oder 3. Tag und steigt dann zwischen 
2. und 6. Tag sichtlich an. Intracutane NaCl-Injektionen, auf deren 
Bedeutung Herr Vollmer nachher eingehen wird, machen keine 
sichere Aciditätserhöhung, auch wenn man die Injektion mehrmals 
vornimmt. Die Wirkung ist offenbar zu kurzdauernd und wird 
außerdem wahrscheinlich dadurch paralysiert, daß die Verärgerung 
des Kindes durch die schmerzhaften Injektionen die Acidität herab- 
setzt. — 

Die Motilität wird folgendermaßen beeinflußt: Pituglandol, 
2 Stunden vor der Mahlzeit gespritzt, also nur in der 2. Phase wirk- 


1) Die Titration gibt wenig brauchbare Resultate. 

2) Einige Präparate zeigen bei einigen Versuchspersonen eine dem Pilo- 
carpin entsprechende Wirkung, in anderen Fällen findet man keine Verän- 
derung. 


Heft 4 Reaktionen d. Magendarmkanals auf Stoffwechselumstimmungen. 449 


sam, verzögert die Entleerung. Testi- und Epiglandol verändern 
die Motilität nicht. Pilocarpin in kleinen Dosen 2 Stunden vor der 
Mahlzeit gespritzt, verzögert, etwas weniger sicher, wenn die In- 
jektion gleichzeitig mit der Fütterung erfolgt, während bei In- 
jektionen 2 Stunden danach keine Veränderung der Verweildauer 
festzustellen ist, offenbar weil die entgegengesetzte Wirkung der 
beiden Phasen sich gerade die Wage hält. Atropin, zurzeit der 
Fütterung injiziert, verzögert ganz besonders stark. Per os wirkt 
es nicht so stark, doch kommen auch hier bei mittleren Dosen Ver- 
zögerungen bis zu 70% vor. Bei großen Dosen, die Rötung und 


234567839 NBS 23456789NDAS 25456789 NBAS 


PITUGL. 1200. TESTIGL 12 ea EPIGL. “T 


= 
F 


Kurve 2. Motilitat. 


PILOC. 27: ll eal PILOC. 0 PILOC. 120° 


ATROPIN 0’ 


Mydriasis machen, ist die Wirkung meist kleiner als bei kleinen 
Dosen. Die Aciditätsveränderungen bei Darreichung von Pilocarpin 
per os sind ebenfalls viel unsicherer als bei subcutaner Injektion. 
Das Bild der Beeinflussung der Magenmotilität ist also viel bunter 
als das der Aciditätsverschiebungen. Mit den Begriffen Vagus-, 
resp. Sympathicusreiz und -lähmung kommen wir hier nicht aus, da 
Atropin ebenso wie Pilocarpin in den Hauptphasen die Verweil- 
dauer verlängert, eine Beobachtung, die kürzlich auch von Löwy 
und Tezner an älteren Kindern gemacht worden ist. Ich möchte 
folgende Erklärung geben: Atropin verzögert durch Herabsetzung 
der austreibenden Kräfte, Pilocarpin durch Vermehrung der Saft- 
Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 29 


450 Demuth. Heft 4 


menge. Durch Vermehrung der Saftmenge möchte ich auch die 
verzögernde Wirkung des Pytuglandols erklären. Die Verweildauer 
ist ja abhängig von der Menge und der Art des Mageninhaltes einer- 
seits, von dem Pylorusspiel und der Stärke der austreibenden Kräfte 
andererseits. Bei Pilocarpin und bei Pituglandol überwiegt die 
Vergrößerung der Menge die Peristaltiksteigerung, die in Tierver- 
suchen festgestellt worden ist. 

Fassen wir zusammen: Dieselben Hormonpräparate, die eine 
vermehrte Säureausscheidung im Urin hervorrufen, setzen die 
HCl-Sekretion des Magens herab, und umgekehrt und ebenso ver- 
halten sich andere stoffwechselumstimmende Eingriffe. Daß es sich 
hierbei aber nicht um eine einfache Verschiebung der Säureaus 
scheidung vom Verdauungs- zum Nierensystem handelt, scheint mir 
aus folgendem hervorzugehen. 

Dieselben Reize, die im Magen HCI-Sekretion hervorrufen, fördern 
die Sekretion alkalischen Darmsaftes. Der Magen-Darmkanal hat 
also sein eigenes Säuren-Basengleichgewicht. Bei der Ähnlichkeit, 
die zwischen der Wirkung der Hormone und der vegetativen Gifte 
= besteht, dürfen wir wohl auch für sie den gleichen Mechanismus 
annehmen. Wäre nur die HCl-Sekretion durch die untersuchten 
Präparate verändert, so würden wir in kürzester Zeit Störungen des 
Verdauungsapparates beobachten. Man kann aber wochenlang 
Hormonpräparate spritzen, ohne eine Störung zu sehen, von Höhen- 
sonnenbestrahlung ganz abgesehen. Leider läßt sich über die Se- 
kretionsverhältnisse des Darmes beim Säugling nichts direktes aus- 
sagen. Ylppö fand bei seinen Intoxikationsstudien einen Antago- 
nismus von Stuhl- und Urinacidität bei Hunger und beim Umsetzen 
von Frauenmilch auf Kuhmilch. Wir wissen aber heute, welchen 
Anteil die Bakterien an der Bildung der Stuhlacidität haben, welche 
Bedeutung der Art der eingeführten Nahrung und der Schnelligkeit 
der Darmpassage zukommt. Da unsere Präparate auch die Motilität 
. nicht unbeeinflußt lassen, ist es also möglich, auf diesem Wege 
eine Entscheidung zu bringen. Tatsächlich wird die Stuhlacidität 
nicht verändert. Ich sehe aber gar keinen Gegengrund gegen die 
Annahme, daß bei einer allgemeinen Erhöhung der Zelltätigkeit die 
Magen- und die Darmdrüsen erhöht arbeiten. Setzen wir statt der 
Begriffe Alkalose-Acidose, Vagotonie-Sympathicotonie einfach Stoff- 
wechselerhöhung und Stoffwechselherabsetzung, so wird die gleich- 
artige Wirkung so vẹrschiedener Eingriffe wie Höhensonnenbestrah- 
lung und Injektion aktivierender Hormone, die sonst schwer er- 
klärbar wäre, ohne weiteres verständlich und legt die Annahme 


Heft 4 Diskussion. 451 


nahe, daß wir es hier nicht mit speziellen Einwirkungen auf einzelne 
Teile des Magen-Darmkanals zu tun haben, durch die erst sekundär 
die Urinacidität verändert wird, sondern mit den Folgen allge- 
meiner Stoffwechselumstimmungen. 

Mit diesen Untersuchungen ist aber nicht nur eine lediglich theo- 
retische Frage beleuchtet worden, indem der Zusammenhang zwischen 
allgemeinen Stoffwechselumstimmungen und den Magenfunktionen 
gewissermaßen experimentell reproduziert worden ist, sondern wir 
kommen auch zu klinisch interessanten Ergebnissen. 

Wir können mit den Alkalose hervorrufenden Mitteln eine dar- 
niederliegende Verdauungstätigkeit anregen. Der gute Einfluß von 
Höhensonnenbestrahlungen und von Proteinkörpertherapie auf den 
Appetit ist ja bekannt. Durch persönliche Mitteilung von György 
und Vollmer weiß ich auch von günstigen Ergebnissen einer 
Hormontherapie bei Rachitis und die fortschreitende Verbesserung 
der Säureverhältnisse im Magen konnte ich bei jeder Form von 
Aktivierung, wie Höhensonne, Serum- und Hormoninjektionen, 
experimentell verfolgen. 


Diskussion. 


Herr Rosenbaum: Bei Chlorverarmung des Körpers sinkt der Chlorgehalt 
und die Menge des Magensaftes (Cahn). Es ist möglich, daß bei Erhöhung 
bzw. Erniedrigung der Chlorausscheidung im Urin, deren zeitliche Verhältnisse 
zu berücksichtigen wären, der Chlorgehalt des Magensaftes vikarlierend ein- 
tritt, was bei einem genauen zeitlichen Vergleich der Aciditätskurve für Magen- 
saft und Urin erkenntlich werden könnte. Schließlich müßten die Resorptions- 
verhältnisse der Hormone berücksichtigt werden, möglicherweise spielen diese 
eine größere Rolle, als die Verschiedenheiten der Herkunft. 


Herr Mautner (Wien): Die Sekretionsverhältnisse sind äußerst kompliziert, 
wie etwa aus den Versuchen von Alphen am Magenfistelhund hervorgeht, 
der nach Adrenalin kurzdauernde, nach Pituitrin durch Tage anhaltende 
Sekretionsherabsetzung auf minimale Werte fand. Die Hormone sind anderer- 
seits nicht rein spezifische Substanzen, deren Wirkung sicher zu sehr großem 
Teil auf Eiweißabbauprodukte, Histamin usw., zurückzuführen ist. 


Herr Demuth (Schlußwort): Die Aciditätsveränderungen können nicht 
durch Chlormangel oder -überschuß erklärt werden, da die Urinausscheidung 
gerade die entgegengesetzte Wirkung haben müßte. Eine spezifische Hormon- 
wirkung muß angenommen werden, weil sich zwei ganz entgegengesetzt wir- 
kende Gruppen finden. Im übrigen glaubt Verf., daß die Verhältnisse viel 
komplizierter liegen, als es hier der Kürze und der Klarheit wegen dargestellt 
werden konnte. 


29* 


Stoffwechselumstimmung durch Intracutaninjektion 
und andere Hautreize. 


Herr H. Vollmer. 


Wir wissen, daB Hautreize, etwa die Höhensonnenbestrahlung, 
unmittelbar nur die Haut treffen, offenbar aber zugleich fundamen- 
tale Umstimmungen des gesamten Organismus bewirken. Welche 
Beziehungen zwischen dem Hautorgan und den vitalen Vorgängen 
bestehen, darüber wissen wir wenig. Die folgenden Untersuchungen 
sollen zur Klärung dieser Frage beitragen. 

Zu biologischen Untersuchungen der Haut eignet sich am besten 
die Intracutaninjektion, da durch sie genau dosierbare Reize gesetzt 
werden können, die tatsächlich nur die Haut treffen. Injiziert man 
einem Säugling 3mal 0,I ccm physiologischer Kochsalzlösung intra- 
cutan, so nimmt die Säureausscheidung mit dem Harn am Injektions- 
tag gegenüber den Vortagen ab. Diese Stoffwechselumstimmung 
war nicht regelmäßig festzustellen. Offenbar war die Wirkungsdauer 
der Intracutaninjektion so kurz, daß sie bei Tagesstoffwechselunter- 
suchungen gelegentlich nicht zum Ausdruck kam. Wir sahen uns 
darum zu Versuchen am Erwachsenen genötigt, wo Harnunter- 
suchungen in bestimmten kurzen Zeitabständen möglich waren. 
Alle Untersuchungen wurden im Selbstversuch ausgeführt, ihre 
Resultate durch Parallelversuche an Kollegen bestätigt. Als ge- 
eignete Tageszeit wurden die späten Nachmittagsstunden erkannt, 
in denen die Harnacidität stetig geradlinig oder parabolisch zu 
sauereren Werten ansteigt. Injiziert man während dieser Zeit 3 mal 
0,Iccm physiologischer Kochsalzlösung intracutan, so wird die 
normalerweise ansteigende Harnaciditätskurve jäh unterbrochen, 
es kommt zu einer wesentlichen Verminderung der Säureaussche- 
dung, die etwa nach 30—40 Minuten ihren tiefsten Punkt und 
häufig alkalische py-Werte erreicht, um nach 6o—ọ9o Minuten wieder 
zur normalen Höhe anzusteigen. 

Diese starke Stoffwechselumstimmung in alkalotischer Richtung 
nach Intracutaninjektion einer Flüssigkeit, die ihrer Menge und 
Natur nach fast als indifferent zu bezeichnen ist, erinnert an die 


Heft 4 Stoffwechselumstimmung durch Intracutaninjektion. 453 


Stoffwechselwirkung gewisser Hormone. Die Frage lag nahe, ob 
das Hautorgan, ahnlich wie die endokrinen Driisen auf einen intra- 
cutanen Reiz hin Fermente zu produzieren imstande ist, die auf. 
dem Blut- oder Lymphwege in den Körper gelangen und dort zur 
Wirkung kommen. Diese Möglichkeit ließ sich durch einen einfachen 
Versuch ausschließen. Unterbindet man den Arm bis zum Ver- 
schwinden des Radialispulses und injiziert man vor Eintritt mo- 
torischer und sensibler Lähmung distal von der Unterbindungs- 
stelle physiologische Kochsalzlösung intracutan, so treten die gleichen 
Erscheinungen ein wie bei Versuchen ohne Blutsperre. Es- müssen 
also nervöse Bahnen sein, die die Fernwirkungen einer Intra- 
cutaninjektion auf den Gesamtorganismus und dessen Stoffwechsel 
vermitteln. Es wurde darum versucht, an der Injektionsstelle die 
nervösen Elemente auszuschalten. Die Intracutaninjektion einer 
isotonischen Novocain-Kochsalzlésung führte jedoch ebenfalls 
zu einer Verminderung der Säureausscheidung mit dem Harn. 
Dieses zunächst überraschende Ergebnis schließt keineswegs die 
Möglichkeit einer nervösen Reizleitung aus. Kamen doch Freuden- 
berg und Behrendt bei ihren Untersuchungen über die Angriffs- 
punkte des tetanigenen Reizes zu der wohlbegründeten Anschauung, 
daß Novocain die parasympathischen Fasern intakt läßt. Es mußten 
also gerade vagische Fasern sein, die von der Intracutaninjektion 
physiologischer Kochsalzlösung betroffen werden und deren Reizung 
zu einer Tonuserhöhung des gesamten parasympathischen Systems 
führt. Tatsächlich blieb nach Intracutaninjektion von 1%/,, Atro- 
pin in 0,9pröz. Kochsalzlösung eine Stoffwechselwirkung aus, die 
Harnaciditätskurve verlief ohne jede Schwankung wie eine Normal- 
kurve. Pilocarpin setzte dagegen bei intracutaner Applikation 
die Säureausscheidung stark herab, allerdings erst nach einer 30 Mi- 
nuten dauernden acidotischen Phase. Diese zweiphasische 
Wirkung des Pilocarpins erklärt eine Reihe von Widerspriichen _ 
und Unklarheiten in der Pilocarpinliteratur. Gelang es durch lokale 
Vaguslähmung die Wirkung der physiologischen Kochsalzlösung 
auszuschalten, so war durch Sympathicusreizung eine Umkehr 
der Wirkung zu erzielen. Intracutaninjektion einer mit Kochsalz- 
lösung zur Isotonie gebrachten Adrenalinlösung führte zunächst 
zu einem starken Anstieg der Harnacidität, die nach etwa 30 Minuten 
wieder absank und nach etwa 2 Stunden tiefe Werte erreichte, die 
unter den Anfangswerten lagen. Auch hier wie in meinen früheren 
Versuchen mit Subcutaninjektionen ergab also das Adrenalin eine 
zweiphasische Wirkung, wobei die initiale Acidose, die mit den 


454 Vollmer. Heft 4 


klinischen Zeichen einer Sympathicusreizung zeitlich zusammenfällt, 
von einer alkalotischen Stoffwechselrichtung abgelöst wird. Der 
‚früher erbrachte Nachweis von Verschiebungen der anorganischen 
Blutsalze während dieser beiden Adrenalinphasen führte mich dazu, 
Sympathicotonie, Acidose und Calciumvermehrung bei Phosphat- 
und Kaliumverminderung einerseits, Vagotonie, Alkalose, Phosphat- 
und Kaliumvermehrung bei Calciumverminderung andererseits als 
antagonistische Zustände einander gegenüberzustellen, die sich in 
den vegetativ innervierten Erfolgsorganen funktionell manifestieren. 

Da nun die Intracutaninjektion offenbar die Möglichkeit bot, 
unmittelbar auf die vegetativen Nervenendigungen ein- 
zuwirken, lag es nahe, die Wirkung verschiedener Ionen auf 
diese zu prüfen. Als die wichtigsten kamen die H-, OH-, K-, HPO,- 
und Ca-Ionen in Betracht, deren grundlegende Bedeutung für das 
vegetative Nervensystem und die Stoffwechselintensität sich uns 
wiederholt aufdrängte. Und zwar war von den Hydroxyl-, Kalium- 
und Phosphationen eine Reizwirkung auf den Vagus, von den 
Wasserstoff- und Calciumionen eine solche auf den Sympathicus zu 
erwarten. Nach intracutaner Injektion von etwa tjn- 
Natronlauge und ebenso von isotonischer Kaliumphos- 
phat- und Kaliumchloridlösung trat eine Verminderung 
der Säureausscheidung ein, während etwa 7/,n-Salzsaure, 
Afenil und Calciumchlorat ohne Wirkung blieben oder 
zu einer Steigerung der Harnacidität führten. Die Wirkung 
der angeführten Ionen auf die Stoffwechselintensität des Organismus 
bei intracutaner Applikation kleinster Mengen entsprach also voll- 
kommen ihrer bereits bekannten Wirkung auf die Sauerstoffzehrung 
isolierter Zellen. Die Zellatmung wird nun auch vom osmotischen 
Druck der umgebenden Lösung gesetzmäßig beeinflußt, durch 
Hypotonie wird sie gefördert, durch Hypertonie gehemmt. In 
gleicher Weise ergaben Untersuchungen mit abgestuften Konzen- 
 trationen einer Kochsalzlösung eine gesetzmäßige Abhängigkeit der 
Stoffwechselwirkung und Säureausscheidung von den osmotischen 
Drucken der intracutan injizierten Lösungen. Hypotonische 
Kochsalzlösung führte zur stärksten Verminderung der Säureaus- 
scheidung, während stark hypertonische Kochsalzlösungen die 
Säureausscheidung vermehrten. 

Überblicken wir alle diese Resultate, so sehen wir uns veranlaßt, 
auch die intracutan injizierte physiologische Kochsalzlösung als 
keineswegs indifferentes Agens anzusprechen und ihre alkalotische 
Wirkung auf das Natriumion zurückzuführen. Tatsächlich er- 


Heft 4 Stoffwechselumstimmung durch Intracutaninjektion. 455 


wiesen sich isotonische Lösungen von physiologischen Elektrolyt- 
gleichgewicht, also Ringer, besonders aber Normosal, als un- 
wirksam. 

Nachdem wir den Wirkungsmechanismus in die Haut einge- 
brachter Stoffe pharmakologisch geprüft haben, können wir unsere 
Befunde dahin zusammenfassen: Hydroxyl-, Natrium-, Ka- 
lium-, Phosphationen und Hypotonie wirken vagus- 
reizend und ihrem atmungsfördernden Einfluß auf iso- 
lierte Zellen entsprechend stoffwechselbeschleunigend. 
Den Wasserstoff-, Calciumionen und der Hypertonie 
kommt eine antagonistische Wirkung durch Vermitt- 
lung sympathischer Bahnen zu. 

Sind wir nun berechtigt, die Veränderungen der Säureausscheidung 
mit dem Harn hier als Ausdruck einer wahren Stoffwechselum 
stimmung aufzufassen? Untersuchungen der anorganischen Blut- 
salze sollten zur Klärung dieser Frage beitragen. Tatsächlich fanden 
sich nach intracutaner Kochsalzinjektion Elektrolytverschiebungen 
wie sie bei der Tetanie gefunden wurden. Die Veränderungen waren 
sehr gering, fast innerhalb der Fehlergrenzen. Eine große Unter- 
suchungsreihe erlaubt jedoch die Feststellung, daß intracutane 
injizierte physiologische Kochsalzlösung zu einer Cal- 
ciumverminderung, einer Kalium- und Phosphatver- 
mehrung im Blutserum führt, also zu einer Elektrolytkon- 
stellation, welche die oxydative Zellfunktion fördern, mit anderen 
Worten die Stoffwechselintensität steigern muß. Hiermit ist der 
Wesenszusammenhang zwischen Vagusreizung und Stoffwechsel- 
beschleunigung über das Hypothetische erhoben. 

Schließlich wurden Blutzuckerbestimmungen vorgenommen, 
die zunächst nur als Kontrolle der übrigen Befunde gedacht waren, 
letzten Endes aber zur weiteren Klärung unserer Fragestellung 
beitrugen. Ich will nur die wichtigsten Ergebnisse herausgreifen. 
Physiologische Kochsalzlösung und Normosal, ebenso Atro- 
pin- und Novocainlösung, die mit Kochsalz zur Isotonie ge- 
bracht wurden, führten bei intracutaner Applikation nach 
15 Minuten fast regelmäßig — vereinzelte Versuchspersonen 
reagierten mit Hypoglykämie — zu einer ausgesprochenen 
Hyperglykämie. Nach dem Ergebnis gleichzeitiger Hämatokrit- 
bestimmungen war diese Hyperglykämie nicht auf eine Verschiebung 
der Relation Plasma : Erythrocyten zurückzuführen. Das Resultat 
war also das gleiche, ob die Kochsalzlösung bei Atropinkombination . 
nur die sympathischen oder bei Novocainkombination nur die 


456 Vollmer: Diskussion. Heft 4 


vagischen Fasern treffen konnte. Von den mannigfachen Deutungen, 
die diese Befunde zulassen, erscheinen mir nur die folgenden dis- 
kutabel. Entweder kann Hyperglykamie sowohl durch Sympathicus- 
als durch Vagusreizung ausgelöst werden, oder die Reizung des 
einen Systems trifft immer zugleich den Antagonisten. Demnach 
würde jede Intracutaninjektion einen Reiz auf das gesamte vege- 
tative Nervensystem ausüben. Das Übergewicht eines Systems 
über das andere wäre lediglich bedingt durch die Elektrolytkonstel- 
lation und andere chemisch physikalischen Eigenschaften der intra- 
cutan injizierten Agentien. 

Diese Untersuchungen zur Biologie der Haut sind nur Vorunter- 
suchungen und auf praktische Ziele gerichtet. Sie bringen den 
Wirkungsmechanismus in die therapeutische Technik eingeführten 
Hautreize unserem Verständnis 'näher. Durch thermische Reize, 
wie heiße und kalte Bäder, lokale Chloräthylabkühlung und Ver- 
eisung, konnte ich ähnliche Umstimmungen des Organismus erzielen. 
Auch die Stoffwechselwirkung der Höhensonne wird als Wirkung 
eines photochemischen Hautreizes aufzufassen sein, zeigen doch 
gerade die kurzwelligen ultravioletten Strahlen, die am meisten 
von der Haut adsorbiert werden und diese kaum durchdringen, die 
stärkste stoffwechselbeschleunigende Wirkung. Schließlich konnte 
ich zeigen, daß Hormone bei intracutaner Applikation schon in weit 
geringeren Dosen den Stoffwechsel umstimmen als bei subcutaner 
Injektion. Damit ist auch wahrscheinlich geworden, daß die Hor- 
mone unmittelbar auf die vegetativen Nerven wirken und erst auf 
diesem Wege die Elektrolytverschiebungen bedingen, auf die wir 
die hormonale Stoffwechselbeeinflussung zurückführen. 


Diskussion. 
Herr Ebbecke weist auf die Beziehung zu der von E. F. Müller nach 


intracutaner Injektion von Aolan und von anderen nach intracutaner Injektion 
der verschiedensten Mittel gefundenen Leukopenie hin. 


Herr Bauer (Hamburg) weist darauf hin, daß auch auf stomachale Reize 
(Nahrungsaufnahme, selbst Wasserzufuhr) Leukopenie, in gleicher Weise wie 
auf Hautreize, erzeugt werden kann. 


Das Konstitutionsproblem bei Säugling und Kleinkind'). 
Herr Coerper, Düsseldorf. 


Praktische Konstitutionsforschung bei Säugling und Kleinkind 
bedeutet zweierlei: ı. Erforschung der variablen Gestaltungen 
biologischer Gesetze und Regeln (Variationslehre); 2. Erforschung 
der Individualität (Individuallehre). Letztere leitet ihre Begründung 
als naturwissenschaftliche Forschung u.a. daher, daß in der ärzt- 
lichen Beobachtung Säugling und Kleinkind sich als einheitlich 
regulierte Gestalten darbieten, die als solche Beachtung finden 
müssen, will man der Wirklichkeit gerecht werden und nicht nur, 
wie es die Variationslehre tut, Teilausschnitte der Gesamtbeobach- 
tungen wiedergeben. 

Die Methode der Individuallehre ist Beobachtung und Beschrei- 
bung verständlicher Zusammenhänge. Die Wege dieser Forschung 
sind: 1. Erforschung der gewordenen Reaktionsbasis des Kindes, 
d.h. von Erbgang und Peristase; das bedeutet im wesentlichen 
Erforschung der Wesensart (Entwicklung und Zustand) der Eltern. 
2. Erforschung des Habitus von Eltern und Kindern unter Benutzung 
einer Typik und Vergleichung der ähnlichen Gestaltungen des Ha- 
bitus; auf Grund dieser Vergleichungen Forschung nach ähnlichen 
Individualentwicklungen bei Eltern und Kindern. Hierdurch wird 
eine möglichst gesicherte Prognose der Entwicklungsform und ihrer 
Beeinflussungsmöglichkeiten konstituiert. 3. Erforschung der Ge- 
bahrung (d.i. das qualitativ einheitliche Verhalten der Kinder, das - 
den die Individualität konstituierenden Allgemeinfunktionen und 
den aus ihnen resultierenden Gewohnheiten entspringt). Als Beispiel 
für die Betrachtung eines Kindes im Sinne der Gebahrung kann die 
„Agilität‘‘ gelten, auf Grund deren sich die Gesundheit eines Kindes 
viel sicherer beurteilen läßt als auf Grund einzelner Teilfunktionen 
des Kindes. — Der überwiegende Teil kinderärztlicher Tätigkeit bei 
Säugling und Kleinkind ist ärztliche Erziehung. Diese ist nur mög- 
lich auf Grund der Individualanalyse. Auf diesem Wege müssen 
die bereits vorliegenden Beobachtungen (s. vor allem A.Czerny, 
Der Arzt als Erzieher des Kindes. Deuticke, Wien 1922) erweitert 
und verständlich gemacht werden. _ (Autoreferat.) 


2) Ausführliche Veröffentlichung in der Klinischen Wochenschrift. 


Die Messung der Ca-lonenkonzentration 
im Liquor cerebrospinalis. 


Herr H. Behrendt, Marburg. 


Die direkte Messung der Ca-Ionenkonzentration im Blut ist eine 
methodisch noch nicht gelöste Aufgabe. Sie erschien von vornherein 
aussichtsreicher für die Untersuchung der Lumbalflüssigkeit. Nach 
der Methode von Brinkman und van Dam wurde unter Benutzung 
einer für kleine Flüssigkeitsmengen modifizierten Apparatur die 
Konzentration des ionisierten Kalkteiles direkt gemessen. Das 
Prinzip dieser nephelometrischen Methode beruht auf der Ermittlung 
derjenigen Menge Oxalationen, die zur beginnenden Entionisierung 
des Calciums notwendig sind, mit folgender Berechnung der Ca- 
Ionenmenge aus dem bekannten Löslichkeitsprodukt zwischen 
Ca+ und Ca,0,—. Ich erhielt folgende Resultate: Im Liquor ge- 
sunder Kinder ist im Mittel 20% des Gesamtkalkes in ionisierter 
Form vorhanden, also der gleiche Prozentsatz wie er im Blut von 
Rona und von Brinkman angenommen wird. Die absolute Menge 
betrug im Durchschnitt 1 mg% Ca.. bei þu = 7,7. Bei Säuglingen 
und Kindern mit cerebralen Affektionen, selbst eitrigen Prozessen, 
sind die gleichen Werte vorhanden. Auch manifest und latent teta- 
nische Säuglinge mit stark vermindertem Ca-Gehalt des Serums 
weisen im Liquor dieselbe normale Ca-Ionenkonzentration auf. In 
Übereinstimmung mit Leicher wurde die Gesamtcalciummenge im 
Liquor selbst bei sehr reduziertem Gesamt-Ca des Serums unver- 
ändert normal gefunden, im Mittel 5 mg%. Diese Feststellung steht 
im Einklang mit den neueren Ansichten über den Mechanismus der 
Liquorabsonderung und zeigt uns, daß Änderungen der Ionenkon- 
zentration im Blut nicht entsprechend in der Lumbalflüssigkeit zum 
Ausdruck kommen, wie dies auch für die Anelektrolyte gilt. Es ist 
also nicht möglich, die z. B. bei Tetaniefällen im Blut theoretisch 
angenommenen Veränderungen auf den Liquor zu übertragen und 
hier einem experimentellen Nachweis zugänglich zu machen, und es 
ist vor allem nicht angängig, aus negativen Liquorbefunden Rück- 
schlüsse auf die Ionisationsverhältnisse im Blut zu ziehen, weder 


Heft 4 Messung der Ca-Ionenkonzentration. 459 


in bezug auf die Mineralstoffe, noch auf das Säure-Basengleich- 
gewicht. | 

Sehr geeignet dagegen ist der Liquor cerebrospinalis zum Studium 
‘der Ionisationsverhältnisse des Calciums unter dem künstlich ge- 
setzten Einfluß besonders interessierender Faktoren. Die Möglich- 
keit, in einer physiologischen Flüssigkeit die Ca-Ionen unter will- 
kürlicher Variation des Milieus quantitativ zu messen, wies einen 
neuen Weg, um die Theorie von Freudenberg und György über 
die Bedingungen der Dissoziation des Blutkalkes bei der Tetanie 
experimentell zu prüfen. Freudenberg und György sehen in 
dem Zusammentreffen von alkalotischem Stoffwechsel und Phosphat- 
stauung das pathogenetische Prinzip der Tetanie. Sie haben mehr- 
mals betont, daß den Phosphaten als Pufferungssubstanz gerade in 
bezug auf die Kalkdissoziation eine größere Bedeutung zukomme, 
als den Bicarbonaten und György hat deshalb eine Erweiterung 
der Rona- Takahashischen Formel vorgeschlagen. 

Unter diesen Gesichtspunkten wurde daher 

I. der Einfluß der H-Ionenkonzentration auf die Calciumdisso- 
ziation im Liquor geprüft. Wie erwartet, war in der durch Kohlen- 
säureentweichung alkalisch gewordenen Portion stets die Ca-Ioni- 
sation stark zurückgedrängt. 

2. wurde die Veränderung der Ca-Ionenmenge durch Steigerung 
des sekundären Phosphatgehaltes in Liquor quantitativ verfolgt, und 

3. dasselbe mit Bicarbonatzusatz gemacht. 

Aus den Tabellen!) geht deutlich hervor, wie sowohl Phosphat- 
als auch Bicarbonatzusatz eine Entionisierung des Calciums bewirkt; 
aber gleichzeitig sieht man, wie verschieden die Intensität ihrer Wir- 
kung ist, um wieviel wirksamer sich die Phosphate erweisen, als die 
Bicarbonate. Wenn man nämlich die zu gleichem Effekt notwen- 
digen Mengen der beiden Salze in Prozenten ihrer ursprünglichen 
Konzentration im Liquor ausdrückt, so ergibt sich, daß Phosphat- 
zusätze von 28—50% der praformierten Menge in ihrer Wirkung 
aquivalent sind einer Steigerung des Bicarbonats um 130—170%. 

Damit ist ein Experimentalbeweis für die größere Bedeutung der 
Phosphate gegenüber dem Bicarbonat in bezug auf die Ionisation 
des Calciums in physiologischen Lösungen erbracht. 


1) Die ausführliche Veröffentlichung erfolgt an anderer Stelle. 


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i 


Aus der Kinderklinik Massachuselts, General Hospital. 


Grundstoffwechsel im Kindesalter. 
Neuere amerikanische Forschungen !). 


Von Fritz B. Talbot, M. D., Boston, Mass. 
(Mit 25 Kurven.) 


Die amerikanischen Forschungen über den Grundstoffwechsel 
beim Säugling und Kinde sind hauptsächlich im letzten Jahrzehnte 
vorgeschritten. Dieser Fortschritt wurde durch die im vorher- 
gehenden Jahrzehnte vervollkommnete Technik ermöglicht. Der 
mustergültige Ausbau und die Vereinfachung der Methoden hat 
den allgemeineren Gebrauch des Kalorimeters und seine Anwendung 
sowohl auf physiologische wie auf klinische Probleme möglich ge- 
macht. Die aus den Laboratorien von Prof. F. G. Benedict und 
Prof. Graham Lusk hervorgegangenen Arbeiten sind wesentlich 
beteiligt an dem schnellen Fortschritte unseres Wissens vom Grund- 
stoffwechsel, und durch sie ist auch unser Wissen über den Grund- 
stoffwechsel beim Säuglinge und Kinde so befestigt worden, daß 
das Thema jetzt auf gesunder Grundlage steht. 

Durch die Bemühungen Benedicts und seiner Mitarbeiter wurde 
eine Respirationskammer konstruiert, die es ermöglichte, sowohl 
die Kohlensäurebildung wie auch die Menge des verbrauchten 
Sauerstoffs zu messen. Der Apparat ist so konstruiert, daß man 
indirekt sowohl für lange Perioden wie auch für kurze Zeiten von 
einer halben Stunde oder weniger die Wärmeproduktion messen 
kann. Nachfolgende Abbildung zeigt das Schema des Respirations- 
apparates, der sehr ähnlich dem für ältere Kinder gebrauchten ist. 

Vom heutigen Gesichtspunkt aus ist der Grundstoffwechsel der 
Stoffwechsel eines Individuums mit normaler Körpertemperatur, 
bei absoluter Muskelruhe und im nach-absorptiven Zustande. Bei 
Säuglingen ist es nicht möglich, Momente völliger Ruhe bei völlig 
leerem Magen zu erreichen. Da die durch die Verdauungsarbeit 
hervorgerufene Wärme geringer ist als die durch Muskelanstrengung 


1) Übersetzung von Frau Emmy Keller. 
Monatsschrift für Kinderheilkunde. KXVII. Band. 30 


466 Talbot. Heft 5 


beim unruhigen Kinde produzierte, so ist der Stoffwechsel beim 
ruhigen Kinde nach der Nahrungsaufnahme, besonders wenn es 
schläft, eher als Grundstoffwechsel anzusprechen als beim unruhigen 
hungrigen Kinde. Die Bestimmung des Stoffwechsels fūr kurze 
Perioden ist besonders wichtig bei Säuglingen und Kindern, bei 
denen Zeiten absoluter Ruhe selten länger als zwei Stunden hinter- 
einander dauern, außer bei Nacht während des Schlafes. Die Zahlen 
für Grundstoffwechsel des Säuglings sind daher nicht den Messungen 
während des ,,post-absorptiven‘‘ Zustandes, sondern durchschnittlich 


Respirations Hamrver 


CO, produziert 
O> konsumiert 









Ne 
Oa 





Sauerstoff 
eıngefuhrt 








Mohlendioxyd Wasser 
absorbiert absorbiert 


N? CO, are mE, 
o, Verlust “A 0j Vertust 0, verlu 


Kurve ı. Schematische Skizze des Respirationsapparates. 


den Messungen während des Schlafes entnommen. Große Sorgfalt 
ist von den amerikanischen Forschern darauf verwendet worden, 
Grundperioden zu erreichen. Dies war nur mit einem Apparat 
möglich, der gegebenen Falles auch kurze Perioden messen konnte. 
Da in Europa hauptsächlich mit Apparaten gearbeitet worden ist, 
die stundenlange Messungen erforderten, so ist es nicht verwunder- 
lich, daß die Resultate oft von den in amerikanischen Laboratorien 
gefundenen abweichen, bei denen genaue basale Bedingungen ge- 
wahrt wurden. 

Die Möglichkeit, daß die direkte Messung der abgegebenen Wärme 
nicht mit der indirekten Messung der produzierten Wärme über- 


Heft 5 Grundstoffwechsel im Kindesalter. 467 


einstimmen könnte, wurde von Howland zum Gegenstand der 
Untersuchung gemacht. Er maß die Wärme direkt und indirekt 
bei drei Kindern in einem besonders konstruierten Kalorimeter im 
Laboratorium von Prof. Lusk der Russell Sage Foundation und 
fand, daß die indirekt gemessene Wärme, ohne Vorhandensein von 
Fieber und bei stabiler Körpertemperatur innerhalb 3%, der direkt 
gemessenen Wärme war (I). Diese Feststellung bewies die Ge- 
nauigkeit der Messungen der Wärmeproduktion mittels der in- 
direkten Methode bei Kindern. 

Einfluß der Muskeltätigkeit auf den Grundstoffwech- 
sel. Der Einfluß der Muskeltätigkeit auf den Grundstoffwechsel ist 
seit 1898 beobachtet worden, als Rubner und Heubner fest- 
stellten, daß beim unruhigen Kinde mehr Wärme entwickelt werde 
als beim ruhigen. 

Howland hat im Jahre ıgız die Tatsache betont, daß der 
„Einfluß aktiver Bewegung auf den Stoffwechsel, selbst auf den 
des jungen Säuglings, sehr groß sei“. Er fand, daß für Vergleich 
geeignete Bedingungen nur während des Schlafes erreichbar seien. 

Wenn auch Schloßmann die Stärke der Muskeltätigkeit durch 
Beobachtung zu schätzen suchte, so war es doch erst dann möglich, 
eine genaue Messung der Muskeltätigkeit anzustellen, als Benedict 
und Talbot (2) graphische Aufzeichnungen und häufige Zählungen 
‘ der Pulsfrequenz machten. 

Graphische Messungen der Muskeltätigkeit werden jetzt auf der 
geschwärzten Trommel eines Kymographen aufgezeichnet. Das 
Bett, auf dem das Individuum liegt, ist so eingerichtet, daß die 
leichtesten Bewegungen des Patienten die Stellung des Bettes 
ändern und diese Aktivität wird durch einen Porter-Pneumographen 
oder einen ähnlichen Apparat auf einen Zeiger übertragen, der sie 
auf die rotierende, geschwärzte Trommel des Kymographen auf- 
zeichnet. Wenn das Bett sorgfältig auf das Gewicht des Individuums 
eingestellt ist, so können leichte, durch die Atmung hervorgerufene 
Bewegungen oft von der geschwärzten Trommel abgelesen werden. 
Eine ruhige basale Periode wird durch eine ununterbrochene hori- | 
zontale Linie angezeigt. Eine genaue Beschreibung dieser Methode 
findet sich in der Veröffentlichung Nr. 201 der Carnegie Institution 
von Washington. 

Die Aufzeichnungen des Kymographen und die Aufzeichnungen 
über die zur selben Zeit durch ein auf der Brust des Kindes an- 
gebrachtes Stethoskop aufgenommene Pulsfrequenz ergeben sehr 
sichere Berechnungen der Muskeltätigkeit. Die Muskeltätigkeit kann 


30* 


468 Talbot. Heft 5 


auch mittels Tönen, die durch das Stethoskop dringen, festgestellt 
werden und es wird so nach einiger Übung und unter der Kontrolle 
durch die optische Prüfung möglich, subjektiv nachzuprüfen, was 
mit dem Kinde vorgeht. 

Es ist festgestellt worden, daß die Muskeltätigkeit den Grund- 
stoffwechsel um 30 bis 40%, in 24 Stunden erhöht. Bei einem ver- 
hältnismäßig ruhigen Kinde (E. S. (3) hat Verf. eine Gesamterhöhung 
von nur 20% in 24 Stunden gefunden. Zwei sechsmonatige Säug- 
linge zeigen jedoch oft eine Erhöhung von 70% über das Basale 
hinaus. In einem Falle bestand eine Erhöhung von 211%, hervor- 
gerufen durch Schreien. 

Grundstoffwechsel des Neugeborenen. Benedict und 
Talbot (4) sowie Bailey und Murlin (5) haben zu gleicher Zeit und 
unabhängig voneinander Studien über den Grundstoffwechsel bei 
einer großen Anzahl von Neugeborenen gemacht. Ihre Resultate 
stimmen überein. Diese Untersuchungen bestätigten die weiter 
zurückliegenden Arbeiten von Hasselbach (6), die 8 Neugeborene 
umfassen, und zeigten, daß die gesamte Wärmebildung in 24 Stunden 
bei sehr jungen Säuglingen nieder war und proportionell zu dem 
Alter des Säuglings anstieg. Hierzu Kurve 2 (4). 

Ein großer Teil der Kinder hielt sich in den Schwankungen von 
10%, die durch die helleren Linien an jeder Seite der dunkleren 
Linie bezeichnet sind, und die den durchschnittlichen Stoffwechsel, 
d. h. 42 Kalorien per Kilogramm Körpergewicht in 24 Stunden 
darstellen. 

Die basale Wärmeproduktion pro Quadratmeter Körperoberfläche 
in 24 Stunden (Lissauer) zeigte Schwankungen von 459 bis 732 
Kalorien und einen Durchschnitt von 612 Kalorien. Benedict 
und Talbot (4) fanden, daß folgende Formel in engen Grenzen den 
Stoffwechsel Neugeborener nach den ersten I!/, Lebenstagen vor- 
ausbestimme: 


Gesamt-Kalorien = L. X 12.65 X 10.3 | wt, 
L = Länge 
12,65 = Konstante 


10.3 y wt, = Lissauers Formel der Körperoberfläche. 


Wenn man die vorausbestimmte Warmeproduktion mit der 
tatsächlichen Messung des Stoffwechsels verglich, so stellte sich 
heraus, daß der Grundstoffwechsel innerhalb 6% des gemessenen 
Stoffwechsels vorausbestimmt werden kann. 


Körpergew. Kg. 


Heft 5 Grundstoffwechsel im Kindesalter. 469 


Respiratorischer Quotient während der ersten Lebens- 
woche. Während der ersten drei Lebenstage erhält der normale 
Neugeborene wenig oder keine Nahrung. Dann beginnt die Mutter- 
milch ‚‚einzuschießen‘, und die Nahrungsmenge nimmt zu, bis der 





"90 10 HỌ 120 130 10 150 160 ı70 180 190 _ 200 
Kalorıen ın 24 Stunden 


e Benedict ETaibot x Bailey & Muriin 4 Hasseibalch 


Kurve 2. Mindestwärmebildung beim Neugeborenen in 24 Stunden im Verhältnis 
zum Körpergewicht. 


Körperbedarf gedeckt ist. Die ersten drei Tage sind daher Bei- 
spiele für teilweises oder vollständiges Fasten. Das Studium des 
respiratorischen Quotienten des Kindes während der ersten Lebens- 
woche nach der Geburt zeigt bei Säuglingen den Einfluß des An- 
fangsfastens auf den respiratorischen Quotienten und ermöglicht 


470 Talbot. Heft 5 
es im allgemeinen, die Nahrungsbestandteile zu bestimmen, die 
die Quelle dieser Energie sind. Dies zeigt die folgende Tabelle (4): 


Tabelle I. 
Respiratorischer Quotient der ersten 8 Lebenstage. 


vag] eTu = 


3,32| 3,34 | 3,43 | ,51| 3,54 | 3,82 
0,73 | 0,75 | 0,79 | 0,82 | 0,81 | 0,80 










Durchschnitt bei 105 Säuglingen 8. Tag 









Körpergewicht kg .. . 
Respiratorischer Quotient . 





3,48} 3, 
0,80! o, 





41 
74 
Diese Tabelle zeigt, daß der respiratorische Quotient von der 
Geburt an schnell abfällt, bis er 0,73 am dritten Tage erreicht und 
so anzeigt, daß der Glykogenvorrat im Körper schnell aufgebraucht 
wird, sowie daß ein großer Teil der Energie durch Körperfett auf- 
gebracht werden muß. Klinisch geht der große Gewichtssturz, 
wenn man vom mechanischen Anfangsverlust durch die Ausschei- 
dung des Mekoniums und des Urins absieht, hauptsächlich auf 
Kosten des Körperfetts. Wenn reichlich Milch vorhanden ist, so 
wird der Verlust schnell ausgeglichen und erfolgt eine schnelle 
Gewichtszunahme. Dann steigt der respiratorische Quotient und 
nähert sich dem durchschnittlichen des älteren Säuglings. 
Frühgeborene. Neuerdings sind Untersuchungen über den 
Grundstoffwechsel beim Frühgeborenen von Talbot (7) und seinen 
Mitarbeitern, sowie von M urlin (8) unabhängig voneinander gemacht 
worden. Da Murlins Befunde als vorläufige Mitteilung veröffent- 
licht worden sind, kann man nicht darüber diskutieren, jedoch 
sind sie im allgemeinen denen des Verfassers konform. Es wurde 
festgestellt, daß beim Frühgeborenen und beim Neugeborenen ein 
Verhältnis zwischen der Gesamtwärmeproduktion und dem Körper- 
gewicht besteht; je kleiner das Kind, um so niedriger die Gesamt- 
wärmeproduktion. Ein Vergleich zwischen dem Stoffwechsel des 
Frühgeborenen und des normalen Säuglings läßt es möglich er- 
scheinen, daß der Grundstoffwechsel des Frühgeborenen auf die 
Wärmeproduktion des Foetus bei einem gegebenen Gewicht Schlüsse 
ziehen läßt. Der Stoffwechsel des Frühgeborenen ist wahrschein- 
lich höher als der des Foetus vom selben Gewichte infolge der größeren 
Inanspruchnahme durch das extrauterine Leben. Der Stoffwechsel 
des Frühgeborenen ist sehr gering im Vergleich mit dem des nor- 
malen Säuglings. Dies wird besonders deutlich, wenn die Wärme- 
produktion auf die Körperoberflächen-Einheit berechnet wird. In 
einigen Fällen betrug sie kurz nach der Geburt weniger als 400 
Kalorien per Quadratmeter Körperoberfläche. Diese Resultate 


Grundstoffwechsel im Kindesalter. 


Heft 5 


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472 Talbot. Heft 5 


stimmen im allgemeinen mit den weiter zurückliegenden von Hassel- 
bach überein, sie sind jedoch nicht vereinbar mit denen von Rubner 
und Langstein, deren Methoden es unmöglich machten, streng 
basale Perioden zu erreichen. 

Da die Körperoberfläche proportionell um so größer ist, je 
kleiner der Säugling ist, so müßte man bei kleinen Säuglingen einen 
höheren Stoffwechsel per: Oberflächeneinheit erwarten. Beim Messen 


Fall 6. a W.( weiblih) 


Gewicht 
| OF. 


"EREFFEEFFEEFFEET 
T i 


ARTEEN = 


KILL 
NA 


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Kurve 4. Grundstoffwechsel eines Frühgeborenen im Verhältnis 
zur Kalorieneinnahme und zum Körpergewicht. 


des Grundstoffwechsels stellte sich diese Annahme jedoch nicht als 
richtig heraus. Es fand sich, daß je kleiner das Kind, um so nied- 
riger die Wärmebildung sowohl beim Frühgeborenen wie auch beim 
normalen Säugling. Dieser Befund zeugt eindeutig gegen Rubners 
Oberflächengesetz. 

Das Verhältnis der Wärmeproduktion per Quadratmeter Körper- 
oberfläche beim Frühgeborenen zu der Wärmeproduktion beim älteren 
normalen Säugling geht aus der Kurve 3 hervor (7). 


Heft 5 Grundstoffwechsel im Kindesalter. 473 


- Vorstehende Abbildung 4 ist ein charakteristisches Beispiel fiir 
das Verhältnis des Grundstoffwechsels zu der Kalorieneinnahme und 
der Gewichtskurve eines Frühgeborenen (7). 

Dieser Fall ist für alle anderen Versuche, die gemacht wurden, 
charakteristisch und zeigt einen großen Überschuß der aufgenomme- 
nen Nahrung über den Bedarf des Grundstoffwechsels hinaus. Er 
zeigt zugleich die mit dem steigenden Gewicht und zunehmenden 
Alter erhöhte Wärmeproduktion. 

Grundstoffwechsel normaler Säuglinge und älterer 
Kinder. Untersuchungen über den Grundstoffwechsel normaler 
Säuglinge und Kinder sind angestellt worden von Murlin und 
Hoobler (9), Benedict und Talbot (Io), Du Bois (11), und 
Benedict und Hendry (12). Das charakteristische Merkmal bei 
diesen Befunden war der starke Einfluß des Wachstums auf den 
Grundstoffwechsel. Besonders deutlich trat dies im ersten Lebens- 
jahre, der Zeit des verhältnismäßig stärksten Wachstums hervor. 

Zur Feststellung der Veränderungen des Grundstoffwechsels 
durch zunehmendes Alter und ‚Gewicht wurden zwei Methoden 
angewendet. Erst wurde der Stoffwechsel beim selben Individuum 
bei verschiedenem Alter und Gewicht festgestellt und dann wurden 
Untersuchungen über den Stoffwechsel bei einer großen Anzahl 
von Kindern verschiedenen Alters, Gewichtes und Geschlechtes 
gemacht und miteinander verglichen. Zwei Beispiele der ersten 
Methode sind aus nachfolgender Kurve 5 ersichtlich (10). Bei einer 
Anzahl der Fälle war es möglich den Grundstoffwechsel lange Zeit 
hindurch zu beobachten. 

Der Ausfall der Stoffwechseluntersuchungen bei diesen beiden 
Individuen wurde durch die Untersuchung zahlreicher anderer 
Fälle verschiedener Altersstufen bestätigt und erweitert. Es bestand. 
ein normal ansteigendes Körpergewicht bei allen normalen Kindern 
und eine ziemlich nahe Parallele der Gesamtkalorien mit der Körper- 
gewichtskurve, d. h. eine Zunahme der Gesamtkalorien bei Zunahme 
des Körpergewichts. Jeder der Säuglinge und Kinder wurde in 
gewohnter Weise untersucht und hatte im Verhältnis zum Längen- 
maß und Alter normales Gewicht. Vergleicht man die Resultate 
der verschiedenen Untersuchungen und Arbeiten, so stellt sich 
heraus, daß sie im großen und ganzen für die ersten. Lebensjahre 
übereinstimmen, aber beim älteren Kinde sind große Unterschiede 
vorhanden. Da die experimentelle Technik der verschiedenen 
Autoren eine genaue war, so müssen die bei älteren Kindern beob- 
achteten Verschiedenheiten im Material selbst und in den äußeren 


474 Talbot. Heft 5 


Umständen, unter welchen die Untersuchungen ausgeführt wurden, 
liegen, und können wohl nicht Fehlern in der Technik bei der Messung 
der Wärmeproduktion zur Last gelegt werden. 


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Kurve 5. Grundstoffwechsel in verschiedenem Alter bei den Fallen 171 und 1 39. 


Heft 5 Grundstoffwechsel im Kindesalter. 475 


EinfluB des Alters auf den Stoffwechsel. Es ist festgestellt 
worden, daB die Gesamtwarmeproduktion in 24 Stunden mit zu- 
nehmendem Alter ansteigt. Diese Tatsache wird durch die nach- 
folgenden Kurven (10) 6 und 7 vorziiglich dargetan, auf welchen die 
Fälle von Benedict und Talbot, Du Bois und Mitarbeiter (11) 
und (13) sowie Murlin und Hoobler (9) illustriert sind. Auf 


Kal. Total Kal. ı.Bez. auf das Alter Knaben 





e Benedict and Talbot + Du Bois 
å Murlin and Hoobler 


Kurve 6. 


Kurve 7 ist die Kurve fiir die Madchen-Riege von Benedict und 
Hendry durch die Punkt-Strich-Linie angegeben (12). 

Die dunkle Linie gibt den Stoffwechselverlauf an, stellt aber 
keinen mathematischen Durchschnitt dar. Während des ersten 
Lebensjahres besteht eine schnelle Zunahme der Wärmeproduktion, 
später ist die Zunahme langsamer und abgestufter. 

Einfluß des Körpergewichts auf den Gesamtstoff- 
wechsel. Eine ähnliche Tendenz der Kurve beobachten wir, wenn 


476 Talbot. : Heft 5 


die Gesamtkalorien fiir 24 Stunden mit dem Körpergewicht ver- 
glichen werden (10), Kurven 8 und 9. 

Die Befunde zeigen ein regelmäßiges Ansteigen der Wärmebildung 
bei ansteigendem Körpergewicht. Die von Benedict und Talbot 
aufgestellte Theorie, daß die Wärmeproduktion von den aktiver 
Protoplasmageweben im Körper abhängt, stimmt mit diesen 


Kal. Total Kal. i. Bez. auf das Alter Madchen 





A Murlin & ane 
-— Benedict & Hendry 
e Benedict & Talbot 


Kurve 7. 


Kurven tiberein. Die aus den vorstehenden Kurven hervorgehenden 
Veränderungen des Stoffwechsels bei Veränderungen des Altes 
sind nicht das alleinige Produkt dieser Altersveränderungen, sondern 
beruhen auf der Tatsache, daß mit dem Alter zugleich sich auch das 
Gewicht ändert. 

Das Verhältnis zwischen der Wärmeproduktion und dem Körper- 
gewicht war bei Knaben so übereinstimmend, daß es möglich war. 


sn A = oa 


Heft 5 Grundstoffwechsel im Kindesalter. 477 


eine Formel zu finden, auf Grund deren man den Gesamtgrund- 
stoffwechsel der Knaben über einem Jahre vorausberechnen kann, 
wenn das Körpergewicht bekannt ist. Es ist die folgende Formel (14). 

H = 66,4730 + 13,7516 w + 5,0033 s — 6,7550 a. 

H = Gesamtwärmeproduktion in 24 Stunden. 

W = Gewicht in Kilogramm. 

S = Länge in Zentimetern. 

A = Alter. 


Kal Toral nal. i. Bez. auf das Gewior - Knaben 


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a Eintritt der Puberiät. 


Kurve 8. 


Mit Hilfe dieser Formel konnten Benedict und Talbot bei den 
männlichen Versuchskindern innerhalb von + 6,3% des aktuellen 
gemessenen Grundstoffwechsels die Vorausbestimmungen machen. 
Diese Formel ist aber unter einem Lebensjahre nicht mit Sicherheit 
anzuwenden und ist auch bei Mädchen nicht von gleicher Zuver- 
lässigkeit. 

Der Stoffwechsel der Mädchen jedes Lebensalters bewegt sich in 
weiteren Grenzen als der der Knaben. Die am meisten einleuchtende 


478 Talbot. Heft 5 


Erklärung hierfür ist, daß die Fettmenge bei Madchen verschie- 
dener ist. 

Kalorien per Kilogramm Körpergewicht in Bezug auf 
das Alter. Schon lange hat man festgestellt, daß die Wärmepro- 
duktion per Kilogramm Körpergewicht in Bezug auf das Alter bei 
mageren Individuen größer ist, als bei fetten. Der Gesamtstoff- 


Kal. Tota! Kal. i. Bez. auf das Gewicht Madchen 


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= Eintritt der Puberrär 


Kurve 9. 


wechsel per Kilogramm Körpergewicht in Bezug auf das Alter ist in 
folgenden Kurven IO und II zusammengestellt. l 

Betrachtet man Kurve Io und II, so zeigt sich eine Zunahme 
der Wärmeproduktion per Einheit des Körpergewichts bis zum 
Ende des ersten Lebensjahres, worauf die Kurve mit einer gewissen 
Regelmäßigkeit wieder absteigt. Während des dritten Jahres ist 
ein plötzliches Absinken in der Kurve bemerkbar, das besonders 
in Kurve ıı (Mädchen) hervortritt und wahrscheinlich damit 
zusammenhängt, daß nach dem zweiten Lebensjahre der Stoff- 


Heft 5 Grundstoffwechsel im Kindesalter. 479 


wechselversuch beim Fasten vorgenommen werden konnte und die 
stimulierende Wirkung der Nahrungsaufnahme wegfiel, während 
vorher die Säuglinge kurz vor der Überführung in die Respirations- 
kammer gefüttert wurden. 

Die weite Entfernung und Verstreuung der Punkte in den Kurven 
erklärt sich durch den verhältnismäßig geringen Stoffwechsel der 


Kal. proKg.i.Bezug auf das Alter Knaben 







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Kurve 1o. 





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fetten Säuglinge, die durchschnittlich unterhalb der glatten Linie 
ihren Platz haben und durch den verhältnismäßig starken Stoff- 
wechsel der mageren Säuglinge, die durchschnittlich über derselben 
liegen. 

Kalorien pro Quadratmeter Körperoberfläche. Die Mes- 
sung der Wärmeproduktion pro Einheit der Körperoberfläche wurde 
zuerst von französischen Autoren im Jahre 1839 vorgenommen. 


480 Talbot. Heft 5 


Die erste amerikanische Arbeit war die von Howland ıgrı. 
Durch eine Kombination der Formeln von Meeh und Lissauer 
errechnete er folgende Formel: 


y=mx-+b (y = Oberfläche; x = Gewicht in g; m = 0,483; 
b = 730 qcm). 







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e= Benedict & Hendry 


Kurve Itr. 


Du Bois und Du Bois (15) veröffentlichten später die Resultate 
ihrer Beobachtungen und verwendeten das Höhengewicht und die 
Linearformel von den tatsächlichen Körpermaßen. Die Höhen- 
gewichtsformel von Du Bois ist folgende: 


A = WS x H75 x 71,84 


A = Oberflache in Quadratzentimetern; W = Gewicht in Kilo- 
gramm; H = Lange in Zentimetern; 71,84 = Konstante. 


Heft 5 Grundstoffwechsel im Kindesalter. 481 


Benedict und Talbot (ro) fanden, daß die Körperoberflächen- 
messungen nach der Lissauer- und Linearformel für die Säuglings- 
zeit ziemlich genau sind, daß sie aber mit fortschreitendem Alter 
eine steigende Divergenz zeigen. Sie schlugen daher vor, die Kon- 
stanten für die verschiedenen Altersstufen und Geschlechter ver- 
schieden zu berechnen, wie folgt. 


ral. Kal. proO m.i Be2. auf das Alter Knaben 


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e Benedict & Talbot + Du Bois 
4M Murlin & Hoobler 


Kurve 12. 


Tabelle 2. Konstanten zur Berechnung der Körper- 
3 
oberflache (KYW). (Benedict und Talbot.) 


Knaben 





Madchen 


Körpergewicht (ohne Bekleidung) | Konstante 





Körpergewicht (ohne Bekleidung) | Konstante 














Bis u6ckg ....n 10,0 Bis zu 6 kg .... . 10,1 
6 bis 15 kg .... . 10,6 6 bis rokg .... . 10,6 
15 bis 25 kg .... . 11,2 15 bis 25 kg . ... . 10,8 
25 bis 40 kg .... . 11,5 25 bis 40 kg . ... i ILI 


Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 31 


482 Talbot. - Heft 5 


Die in Tabelle 2 angegebenen Konstanten stimmen im großen 
und ganzen gut bei normalen Kindern, aber sie können nicht mit 
gleicher Genauigkeit bei abnormen Individuen angewendet werden. 
Verfasser nimmt die für die Du Boissche Linearformel notwendi- 
gen Messungen in allen abnormen Fällen vor. Auf diese Weise 


Kal. Kai. pro O m. |. Bez. auf das Alrer mädchen 


1500 








1400 










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.— Benedict & Hendry 
e Benedict & Talbot 


Kurve 13. 


kommt man zu einer größeren Genauigkeit als bei Anwendung einer 
Formel. 

Dreyer (16) vertritt die Ansicht, daß die Oberfläche kein physio- 
logisches Maß darstelle, und sieht die Sitzhöhe als physiologisch 
normaler an. 

In den Kurven I2 und 13 sind die Befunde über den Stoff- 
wechsel von Kindern per Quadratmeter Körperoberfläche aus- 
gedrückt (Benedict u. Talbot: Modification of Lissauero formula). 


Heft 5 


Grundstoffwechsel im Kindesalter. 


483 


Diese Kurven zeigen, daB die Warmeproduktion per Quadrat- 
meter während der ersten achtzehn Lebensmonate schnell an- 


steigt und dann langsam abnimmt. 

Einfluß des Geschlechts auf 
den Grundstoffwechsel. Die 
Verschiedenheit der beiden Ge- 
schlechter in bezug auf die Be- 
schaffenheit und die Entwicklung 
führte zu der Zusammenstellung 
einer Kurve des Stoffwechsels von 
Kindern nach dem Gewicht und 
eines Vergleichs der beiden Ge- 
schlechter auf dieser Basis (10). Dies 
bringt nebenstehende Kurve. 

Ein Studium der Kurven zeigt 
eine deutliche Differenz zwischen 
dem Stoffwechsel der Knaben und 
der Mädchen über ıı kg Körper- 
gewicht. Verfasser glaubt eine ein- 
leuchtende Erklärung dieser Diver- 
genz in dem Umstande gefunden zu 
haben, daß die weiblichen Kinder 
weniger „aktives Gewebe“ als die 
männlichen Kinder, aber mehr Fett- 
gewebe haben. 

Bei Durchsicht der pathologischen 
Fälle erscheint der Unterschied im 
Stoffwechsel beider Geschlechter 
groß genug, um den Gebrauch einer 
verschiedenen Norm für jedes Ge- 
schlecht nach dem ersten Lebens- 
jahre gerechtfertigt erscheinen zu 
lassen. 

Einfluß der Pubertät auf 
den Stoffwechsel. Die erste gut 
aufgebaute Arbeit über den Ein- 
fluß der Pubertät auf den Stoff- 
wechsel wurde 1916 von Du Bois 
(11) geschrieben. Seine Beobach- 
tungen bei Knaben-Riegen zeigten 
eine Zunahme des Stoffwechsels 













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Knaben u. Manner 





Kal.proQ m.i. Bez. auf das Gewicht. 
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Kurve 14. 


484 = Talbot. Heft 5 


gerade vor dem Eintritt der Pubertät. Du Bois schloß, daß es 
besser sei, diese Zunahme irgendeinem unbekannten mit dem 
Wachstum zusammenhängenden Stimulus zuzuschreiben, aber er 
schließt die Möglichkeit nicht aus, daß sie eventuell theoretisch 
durch eine Zunahme der Schilddrüsentätigkeit erklärt werden könne. 
Nach dem Auftreten der physischen Pubertätsmerkmale fand er 
einen verringerten Stoffwechsel. 

Benedicts Beobachtungen an Mädchenriegen zeigten bei der 
Pubertät keine Abnahme des Gruppen-Stoffwechsels (group meta- 
bolism) (12). 

Verfassers Beobachtungen an einer Anzahl von Kindern mit 
einer Vergrößerung der Thyreoidea zeigten während der Pubertät 
eine deutliche Neigung zur Steigerung des Stoffwechsels. Wenn 
auch bis jetzt ein ausreichendes Material nicht vorhanden ist, um 
auf breiter Grundlage ruhende Schlüsse zu erlauben, so erscheint 
es doch wahrscheinlich, daß ein erhöhter Stoffwechsel bei der Pu- 
bertät eine Über-Aktivität der Schilddrüse anzeigt. Weitere noch nicht 
veröffentlichte Forschungen des Verfassers unterstützen diese Ansicht. 

Einfluß der Ernährung auf den Stoffwechsel. How- 
land (I) verursachte ein Ansteigen des Stoffwechsels um 10% 
bei einem drei Monate alten Säugling, indem er 15 g Nutrose 
(14,25% N) beigab, und ein Ansteigen von 26%, bei einem sieben 
Monate alten Säugling durch Beigabe von 30 g Nutrose. 

Murlin und Hoobler (g) schlossen nach einer kritischen Durch- 
arbeitung der Frage, daß wahrscheinlich die „dynamische Wirkung“ 
der Ernährungsweise bei den verschiedenen Individuen nicht weiter 
als ro bis 12%, schwankt. 

Benedict unf Talbot (ro) machten Versuche, um die Wirkung 
der „stimulierenden Aktion der Nahrung“ auf den Stoffwechsel 
von Säuglingen festzustellen. Es wurde gefunden, daß, wie schon 
Schloßmann und Murschhauser angedeutet haben, Azid- 
körper im Urin nach wenigen Stunden des Hungerns auftraten. 
Dadurch war es unmöglich, mit derselben Exaktheit wie beim Er- 
wachsenen die Zeitdauer festzustellen, in der die Nahrung den 
Stoffwechsel beeinflußte. 

Bei Säuglingen und sehr jungen Kindern ist es schwer, ruhige 
basale Perioden im ‚post-absorptiven‘‘ Zustande zu erreichen, da 
der Nahrungsmangel Unruhe und Schreien hervorruft. Man nimmt 
jedoch an, daß die Zufuhr kleiner Nahrungsmengen, die gerade 
genügen, um Muskelruhe zu erzeugen, nur eine kleine, wenn über- 
haupt eine Zunahme des Stoffwechsels hervorrufen. 


Heft 5 Grundstoffwechsel im Kindesalter. 485 


Benedict und Talbot (Io) schlossen aus ihren Fällen, daß die 
„stimulierende Wirkung‘ der Nahrungsaufnahme auf den Stoff- 
wechsel direkt durch die Menge der aufgenommenen Nahrung 
beeinflußt wird. Nach Aufnahme einer geringen Quantität von 
Milch beginnt wahrscheinlich der Grundstoffwechsel nach 41/, 
Stunden, während nach Aufnahme größerer Quantitäten die „sti- 
mulierende Wirkung‘ unter Umständen erst nach g bis 10 Stunden 
eintritt. Auch ging aus ihren Fällen hervor, daß die „stimu- 
lierende Wirkung“ der Nahrung den Stoffwechsel beim Säugling 
rund von 8 auf 15% über den wirklichen Grundstoffwechsel 
erhöht. Dies kommt den für Erwachsene berechneten Zahlen 
sehr nahe. 

Bei Neugeborenen zeigte ein Vergleich des Stoffwechsels während 
der ersten 24 Stunden, der den Hunger-Stoffwechsel darstellt, mit 
dem Durchschnittsstoffwechsel des dritten bis achten Tages (in- 
klusive), nachdem die Brust in Tätigkeit getreten war, eine Er- 
höhung um 14% nach der Nahrungsaufnahme. Wenn man auch das 
Wachstum ebenfalls während dieser Zeit in Rechnung zu stellen 
hat, so hat es doch wahrscheinlich eine außerordentlich geringe 
Wirkung auf den Stoffwechsel. 

Die auf der „stimulierenden Wirkung‘ der Nahrung beruhende 
Zunahme des Stoffwechsels beim Neugeborenen beträgt ungefähr 
14%, während sie im späteren Säuglings- und im Kindesalter in 
weiteren Grenzen von 8 bis 15%, schwankt. Die auf der stimulie- 
renden Wirkung der Nahrung beruhende Zunahme des Stoff- 
wechsels wird auch von der Menge und Qualität der aufgenommenen 
Nahrung beeinflußt. Wenn es auch schwer ist, zu bestimmen, wann 
der Einfluß der aufgenommenen Nahrung aufhört, so nimmt man 
doch im allgemeinen an, daß der „post-absorptive‘“ Zustand 
etwa zehn bis zwölf Stunden nach einer Normal-Mahlzeit be- 
ginnt. Azeton erscheint im Harn wahrscheinlich erst einige Stunden 
später. 

Stoffwechsel in 24 Stunden. Talbot (17) untersuchte den 
Stoffwechsel in 24 Stunden bei zwei normalen Säuglingen und 
erreichte viele basale sowie Tätigkeits-Perioden. Die Beobachtungen 
wurden ohne Unterbrechung durchgeführt bis auf die zur Fütterung 
notwendigen Unterbrechungen. In einem Falle wurde der Stoff- 
wechsel während 22 Stunden und 31 Minuten gemessen und im 
anderen während 23 Stunden und ıo Minuten innerhalb der 24 
Stunden. Die Resultate der Stoffwechseluntersuchungen bei diesen 
2 Fällen zeigt folgende Tabelle: 


486 Talbot. Heft 5 


Tabelle 3. 24-Stunden-Stoffwechsel beim normalen 
Saugling. 








I--- 


| Gesamt- 





Ä 25 Gesamt- | ne 








Kalorien , Zunahme Kalorien | Zunahme 
Grundstoffwechsel ....... | 285 338 
24-Stunden-Stoffwechsel . . . . | 372 30 404 20 
Maximum-Stoffwechsel für eine | 
Periode von 1/, Stunde. . . . | 428 50 487 43 


Diese Tabelle ist darum interessant, weil sie die Warmebildung 
sowohl während der Tätigkeit wie auch während der absoluten Ruhe 
zeigt und ein ziemlich genaues Bild der Veränderungen im Stoff- 
wechsel während eines Tages von 24 Stunden gibt. Bis jetzt ist noch 
keine Methode ausfindig gemacht worden, die es erlauben würde. 
den ununterbrochenen Stoffwechsel zu bestimmen oder die Energie 
zu messen, die beim Saugen aus der Flasche verausgabt wird. 

Grundstoffwechsel anormaler und pathologischer Kin- 
der. Wenn auch einzelne Arbeiten über den Grundstoffwechsel 
pathologischer Fälle in der Literatur aufgetaucht sind, bevor die 
oben angeführten Normalzahlen zur Verfügung standen, so war 
trotzdem eine Deutung dieser Fälle nicht möglich, da keine normalen 
Tabellen zum Vergleiche verfügbar waren. Es ist schon betont 
worden, daß vorstehende Normalkurven keinen mathematischen 
Durchschnitt darstellen, sondern daß sie nur die Tendenz des Stoff- 
wechsels zeigen. Eine sorgfältige Analyse der einzelnen Fälle (18) 
zeigte, daß 90%, von ihnen nicht mehr als 10% vom Durchschnitt 
abwichen. Die klinische Analyse hat auch gezeigt, daß, wenn das 
Verhältnis von Höhe zu Alter, von Gewicht zu Alter und von Ge 
wicht zur Höhe in Betracht gezogen wurde, eine sogar größere 
Proportion der Individuen sich innerhalb der 10%-Abweichung 
von der Norm befinden. Die Beobachtungen über den Stoffwechsel 
normaler Kinder sind also zahlreich genug, um sie als Vergleichs 
Normen für die anormalen Fälle zu gebrauchen. 

Ernährungsstörungen. Benedict und Talbot haben ın 
einer älteren Publikation (2) Untersuchungen über den Stoffwechsel 
zahlreicher Fälle von Ernährungsstörungen der Säuglinge ver- 
öffentlicht. Aber umfassende Studien über Ernährungsstörungen, 
als klinische Einheit betrachtet, wurden nicht gemacht, bevor 
Fleming (19) eine Anzahl seiner Fälle und zum Schluß Talbot (2o) 
eine weitere Serie veröffentlichte. Auch Murlin und Hoobler (o) 
sowie Howland (1) haben ihre Fälle publiziert. Ernährungsstörungen 


Heft 5 Grundstoffwechsel jm Kindesalter. 487 


bei alteren Kindern sind von Blunt, Nelson und Oleson (21) 
untersucht worden. | 

Während des Säuglings- und Kindesalters zeigt das Problem zwar 
verschiedene Seiten, doch sind die Resultate der Untersuchungen 
über den Grundstoffwechsel beider Perioden im allgemeinen die- 
selben. Es wurde festgestellt, daß je weiter unter dem Normal- 
gewicht das Individuum, um $ 5 
so höher der Stoffwechsel per Ernährungsstörung 
kg Körpergewicht war. Dies Hal. pro Kg. des aktuellen Gewidtts 
zeigt nebenstehende Kurve, 
die den Stoffwechsel von 
Kindern unter dem normalen 
Gewicht darstellt, wie er von 
verschiedenen Autoren be- 
obachtet wurde. 

Bei nebenstehender Kurve 
zeigt die gestrichelte Fläche 
die äußerste normale Schwan- 
kung des Stoffwechsels pro kg 


Körpergewicht bei beiden Ge- =: ne 
schlechtern und verschiedenen YH) 77 OORE 


schnittsgewicht des normalen 
Kindes dar. Je weiter die POS SHE das erwörter: gewdiis 
Punkte nach links fallen, um n r 
so mehr ist das Individuum 
unter dem normalen Gewicht. ; 
Diese Abbildung zeigt ab- Fleming 
schließend, daß, je tiefer das Murlin & Hoobler. 
Kind unter dem normalen Ge- Kurve 15. 
wicht steht, um so höher die 
Wärmeproduktion. Eine deutliche Zunahme des Stoffwechsels zeigt 
sich erst, wenn der Säugling 20% oder mehr als 20% unterhalb des 
„erwarteten“ oder Durchschnittsgewichts seines Alters sich befindet. 
Der Stoffwechsel dieser Säuglinge ist anscheinend hoch in bezug auf 
die Körperoberflächeneinheit und die Gesamtkalorien in bezug auf 
das Gewicht. Dies wird in den Kurven 16 und 17 gezeigt. 
Da das Element des Gewichts zu diesen Kurven gehört, so zeigen 
sie, daß bei Kindern mit Ernährungsstörungen eine größere Pro- 
portion des Körpergewebes Wärme bildet als beim normalen Kinde. 





Talbot (new Bari 
Benedict & Talbot. 


0D @o o 


488 Talbot. Heft 5 


Angenommen, daB das Fett ein inaktives Gewebe ist und keine 
_ Warmebildung verursacht, so kann man schlieBen, daB der Verlust 
an Körperfett für die relativ hohe Wärmeproduktion der Kinder 
mit Ernährungsstörungen verantwortlich zu machen ist. Es besteht 
jedoch eine geringere Gesamt-Wärmeproduktion als beim normalen 
Kinde desselben Alters. Die Kurve 18 zeigt dies. 


Ernährungssrörung 


Total Kal. i. Bez. auf das Gewicht 


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2 Kgs. 


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8 10 12 a 


Kurve 16. 


Diese Untersuchungen sind gemacht worden, um zu zeigen, dad 
sowohl ein Verlust von Muskelgewebe wie ein Verlust an Fett statt- 
findet, wenn die Ernährungsstörung einen hohen Grad erreicht hat. 

Ernährungssiörungen bei älteren Kindern (Mädchen) lassen sich 
in ihrem Einfluß auf den Stoffwechsel mittels der Folgerungen nach 
Blunt und Mitarbeitern (21) dahin zusammenfassen, daß der Grund- 
stoffwechsel der Kinder mit Untergewicht die Tendenz zeigt, höher 


Heft 5 Grundstoffwechsel im Kindesalter. 489 


zu sein als der der normalen Kinder., in manchen Fällen plus 40%. 
Der Durchschnitts-Prozentsatz des Überschusses über die Normal- 
zahlen von Benedict und Talbot hinaus war 24 für die Kalorien 
pro Quadratmeter Körperoberfläche. Dieser Überschuß würde 
sogar noch größer gewesen sein, wenn der Stoffwechsel mit dem 
neuerdings von Benedict veröffentlichten für Mädchen-Riegen 
verglichen worden wäre (12). 


Ernährungsstörung 
Kal.pro Dm. i. Bez. avf das Alter 








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Kurve 17. 





Klinischer Wert des Grundstoffwechsels. Untersuchungen 
über den Grundstoffwechsel des Säuglings und Kindes sind in zwei 
Beziehungen von Wert. Erstens, weil sie dem Forscher genaue 
Daten an die Hand geben, durch die er viele von den Problemen 
in der Physiologie des Kindesalters erklären kann, zweitens als Hilre 
bei der Diagnose und Behandlung pathologischer Fälle. 

Um ein klares Bild davon zu bekommen, was bei pathologischen 
Fällen vorgeht, muß man sich erst über die Ausnützung der Nah- 
rung beim normalen Säugling klar sein. Dies zeigt Kurve 19. 

Die Linie für Grundstoffwechsel, die die Anzahl von Kalorien 
anzeigt, die unter basalen Umständen in verschiedenen Monaten 


490 Talbot. Heft 5 


verbraucht werden, zeigt eine Steigung von ungefahr 14 Prozent 
über den post-absorptiven Grundstoffwechsel infolge der ‚spezifisch 
dynamischen Wirkung“ der Nahrung. Dies drückt sich in der 
unteren starken Linienkurve aus. 

Die nun nach oben folgende kleinstrichige Linie zeigt die hin- 
zugesetzten Kalorien, die gebraucht werden, um die Energie für 
mäßige Muskeltätigkeit zu erzeugen; die Menge des tür die Tätigkeit 
zu Berechnenden hängt von dem Charakter und der Entwicklung 


Ernährungsstörung 
Kal. Total Kal. i. Bez. auf das Alter 





Mon. ı 2 3 4 2 6 7 8 9 IO l 2 3 14 
Kurve 18. 


des Kindes ab. Bei ruhigen Kindern beträgt es etwa 20%, bei leb- 
haften Kindern manchmal bis zu 40% in 24 Stunden. 

Da etwa 5—10% der per os eingeführten Nahrung, die durch 
die breite Linie angedeutet ist, durch Excreta verlorengeht, so kann 
man diese Menge von der Gesamt-Nahrungseinfuhr abziehen, um 
so die Zahl der als Energie im Körper benutzbaren Kalorien zu be- 
rechnen. Die „zur Verfügung stehenden Kalorien“ sind in der Strich- 
linie ausgedrückt; der Raum zwischen den Punkt- und Strichlinien 
stellt die Kalorien vor, die neue Körpergewebe bilden. 

Bei dem wachsenden und sich immer weiter ausdehnenden Inter- 
esse, dem die Grundstoffwechsel-Bestimmungen begegnen und dem 
größeren Einfluß, den sie als Mittel zur Diagnose und Maßstab für 


Heft 5 Grundstoffwechsel im Kindesalter. 49I 


die Behandlung gewinnen, ist es aber nötig, vor zu schnellen Schlüssen 
und falscher Interpretation der Resultate zu warnen. In der Inter- 
pretation der Grundstoffwechsel-Zahlen entstehen viele Schwierig- 
keiten. Diese Schwierigkeiten sind bei der Deutung im Kindesalter 
weit größer als beim Erwachsenen durch die Komplikation der imnier 
wechselnden Norm infolge des Wachstums. Daher muß man in 
alle bei Befunden des Grundstoffwechsels vorschnell zustandegekom- 
mene Schlüsse ein entschiedenes Mißtrauen setzen, bis eine aus- 


Kg STOFFWECHSEL IM ERSTEN LEBENSJAHRE 





TOTAL KAL.IN FIUSSIOKEIT 


reichende Anzahl von Tatsachen beisammen ist. Trotz des Um- 
standes, daß relativ wenige Stoffwechselversuche an pathologischem 
Material gemacht wurden, ist es klar, daB solche Bestimmungen 
eine wertvolle Beigabe zu den anderen spéziellen Methoden der 
Diagnose zu sein versprechen. 

Wie schon erwähnt, sind Studien über den Grundstoffwechsel 
von größtem Interesse für die Pathologie. Durch sie ist es möglich, 
gewisse unbekannte Zustände zu erklären und eine Hilfe für Diagnose 
und Behandlung zu erlangen. | 


492 ‘ Talbot. Heft 5 


Gegenwärtig sind von höchstem Interesse die Beziehungen des 
Stoffwechsels zu endokrinen Störungen, von denen wiederum die 
der Funktion der Schilddrüse an der Spitze stehen. Durch Bestim- 
mungen des Grundstoffwechsels ist es möglich, zwischen Hyper- 
und Hypothyroidismus zu unterscheiden. 

Kretinismus. Die erste amerikanische Arbeit über den Grund- 
stoffwechsel beim Kretin stammt von Du Bois (22) aus dem Jahre 
1914. Er berichtete über den Grundstoffwechsel eines 36 Jahre 
alten Kretins, der die Mentalität eines 8 Jahre alten Kindes aufwies. 
Der Grundstoffwechsel war 18 bis 25% unter der Norm. Nach 
dreitägiger Schilddrüsenbehandlung war es möglich, den Stoffwechsel 
normal zu gestalten. 

Verfasser fand im Jahre 1916 (23) den Stoffwechsel eines 3?/, Jahre 
alten Kretins 20% unter der Norm. 

Means und Aub (24) fanden 1919 bei einem 20 Jahre alten 
Kretin 23% unter der Norm. 

Fleming (25) hat neuerdings Beobachtungen an 2 Kretins (einer 
von 23 Monaten, der andere von 4 Jahren und 8 Monaten) vor und 
während der Behandlung veröffentlicht. Es gelang ihm, eine Zu- 
nahme des Stoffwechsels durch Gaben von Schilddrüsenextrakt zu 
erreichen. 

Verfasser hat vor einiger Zeit Befunde bei einer Serie von 
ıo Kretins (26) publiziert. 

In nachstehender Tabelle ist das Gewicht und der Grund- 
stoffwechsel der unbehandelten Kretins dieser Serie mit der 
Norm verglichen. | 


Tabelle 4. 


Vergleich von Gewicht und Grundstoffwechsel unbehan- 
delter Kretins mit dem normaler Kinder. 


Fall Alter Alter nach dem Alter nach dem Grund- 
Gewicht stoffwechsel 














1. | R. T. ! 23 Mon. 8—9 Mon. 5—6 Mon. 
2: McA. 23 Mon 8—g Mon. | 4 Mon. 

3.1 A. DeL. . 3 Mon. | 3 Mon. | Neugeb. Säugling 
4. E.S. ` 41/, Mon. Geburt | Neugeb. Säugling 
Ä | 6 Mon. | ı Mon. | 1 Mon. . 

| | ıo Mon. | 3 Mon. 3 Mon. 
6.. J. P. 6 Jahre 2", Jahre | 6—7 Mon. 
7. W. G. 121/ą Jahre | ıı Jahre | 4 Jahre 
8. M. S. 26 Mon. | 8—9 Mon. 2 Mon. 
k C. G. 3 Jahre, 8 Mon. | 23 Mon. | 10 Mon. 
10.) M.M. 5 Jahre | 41/, Jahre | 2 Jahre 


Heft 5 Grundstoffwechsel im Kindesalter. 493 


Bei der Durchsicht von Tabelle 4 zeigt es sich, daB Gewicht und 
Grundstoffwechsel dieser unbehandelten Kretins tief unter das beim 
normalen Kind gewöhnlich beobachtete herabsinken. Auch zeigt sich 
die Altersentwicklung der unbehandelten Kretins dieser Serie. 










® Linbehandeir. Krerin], 
O Behandelt u 
© Teilweise behandelf. u 
+ Flemings unbehandell: + 
© » behandeit « 















ee ero 


ie ff te | bf ad th de lewd 
my aS 2 3 4 5 6 7 8 9 10 4 12 4 
Kurve 20. Grundshoffwedisel beim behandelten u. unbehandelten Kretin. 


Kabrien pro Om. tn Bez. auf das Alter. die Bedeutung der Zeichen ist 
dieseibe wie bei den übrigen Kurven. 


Weiter geht aus der Tabelle hervor, daß der Grundstoffwechsel 
und die physische Entwicklung eines Kretins vor der Behandlung 
wesentlich unter der Norm stehen und wird auf die Wichtigkeit 
der Schilddrüse als wachstumförderndes Mittel hingewiesen. 

In den begleitenden Abbildungen ist der Stoffwechsel bei un- 
behandelten und bei behandelten Kretins im Vergleich zur Norm 
zusammengestellt und die Wärmeproduktion pro Quadratmeter 


494 Talbot. Heft 5 


Körperoberfläche, die Gesamtcalorien in bezug auf das Gewicht 
und die Gesamtcalorien in bezug auf das Alter gezeigt. 

Kurve 20 zeigt die Wärmeproduktion für jede Körperoberflächen- 
einheit bei unbehandelten und bei behandelten Kretins in bezug 
auf den Normalstoffwechsel. 

Die nach unten stehende Verteilung der gefüllten Punkte und 
der Kreuze (unbehandelte Kretins) stimmt im allgemeinen mit den 
Resultaten der Stoffwechseluntersuchungen bei erwachsenen Kretins 
überein (der Stoffwechsel bei anormalen Erwachsenen wird gewöhn- 
lich mit der normalen Wärmeproduktion pro Quadratmeter Körper- 
beorfläche verglichen). Einige der Fälle in dieser Serie kommen den 
normalen Grenzen so nahe, daß, wenn der Grundstoffwechsel für 
jede Körperoberflächeneinheit das einzige angewendete Kriterium 
wäre, die Diagnose auf Kretinismus nicht berechtigt erschiene. Anderer- 
seits war bei diesen Fällen der Stoffwechsel außerordentlich niedrig. 

Ein Vergleich des Stoffwechsels beim behandelten Kretin mit der 
Durchschnittskurve für jede Körperoberflächeneinheit ist sehr irre- 
führend und bietet ein Bild, welches zu der Annahme berechtigen 
würde, man habe es mit Fällen von Hyperthyreoidismus zu tun. 
Daher kann ein Vergleich mit der normalen Wärmeproduktion für 
jede Körperoberflächeneinheit einen falschen Eindruck machen; 
die Wärmeproduktion für jedes kg Körpergewicht ist sogar von ge 
ringerem Werte. Da sorgsame und zahlreiche Messungen des Körpers 
nach der Du Bois-Linearformel angestellt wurden, so sind die 
Messungen der Körperoberfläche so genau wie möglich, ohne direkt 
die Oberflächenarea zu messen. 

Ein Vergleich der Gesamtwärmeproduktion in bezug auf das 
Gewicht und Alter gibt ein besseres Bild des Verhältnisses der un- 
behandelten und behandelten Fälle zu den Normalen. Kurve 21 
zeigt einen Vergleich der Gesamtwärmeproduktion beim behandelten 
und unbehandelten Kretin in bezug auf das Gewicht und im Ver- 
hältnis zur normalen Kurve. 

Der Stoffwechsel in bezug auf das Gewicht beim unbehandelten 
Kretin steh., mit Ausnahme von 2 Fallen (Fall xı und 4) unterhalb 
der Norm, beim behandelten Kretin steigt er meistens über die 
Norm an. In dieser Kurve besteht eine viel gleichmäßigere Ver- 
teilung der Fälle als wenn sie auf der Grundlage der Körperober- 
fläche verglichen werden. Die Befunde entsprechen den voraus zu 
erwartenden, da bei Schilddrüsenbehandlung ein Verlust von in- 
aktivem myxödematösem Gewebe und ein deutlicher Anstieg des 
Stoffwechsels gegen die Norm hin eintritt. 


Heft 5 Grundstoffwechsel im Kindesalter. 495 


Eine Patientin (Fall 4) litt an Ernährungsstörung, der für ihr 
Gewicht erwartete Stoffwechsel ist infolgedessen höher als die 
Norm. Im Vergleich zu dem Stofrwechsel von Säuglingen, die im 
selben Grade an Ernährungsstörungen litten, aber keinen Mangel 
der Schilddrüse aufwiesen, war ihr Stoffwechsel niedrig. Man mußte 
in diesem Falle genügende Mengen von Schilddrüse verabreichen, 












Kal. > 
CCEE EEC eee 

1100 

Li ae 
SECC eree 
a a ee et 
z LE 


Kurve 21. Grundstoftwechsel beim behandelten u unbenandelten Kretin. 
Totel- Kal. i. Bez. auf das Gewidır. 


wit 


um den Stoffwechsel auf die Höhe zu bringen, die bei Fällen von 
so schwerer Ernährungsstörung, wie sie bei ihr vorlag, normal ist. 
Der Stoffwechsel wird wahrscheinlich über dem für das Gewicht 
üblichen Standart bleiben, bis eine Gewichtszunahme ihre Klassi- 
fikation verändert. Die Höhe, die der Stoffwechsel nach der Be- 
handlung erreicht, ist deutlich aus Kurve 20 und 2I zu ersehen. 

Der Gesamtstoffwechsel der unbehandelten Kretins pro 24 Stun- 
den verglichen mit der für das Alter normalen Kurve zeigt eine regel- 
mäßigere Verteilung der Punkte als auf einer der anderen Kurven. 


496 Talbot. Heft 5 


In der Mehrzahl der beobachteten Fille trat die deutlichste kli- 
nische Besserung erst dann ein, wenn genug Schilddriise verabreicht 
worden war, um den Stoffwechsel auf die dem Alter angemessene 
Hohe zu erheben. 

Zwei der behandelten Falle auf Abbildung 22 liegen unterhalb 
der 10%-Grenze und es könnte die Frage entstehen, ob diese Pa- 
tienten genügende Mengen von Schilddrüse erhalten haben. Die 
Dosis ist mit Erfolg erhöht worden, aber der Stoffwechsel ist nicht 
festgestellt worden. Die Schwierigkeit, nach Beginn der Behandlung 
basale Perioden zu erhalten, ist in verschiedenen Fällen aufgetreten 
und erklärt bei manchen Fällen den Mangel an Daten nach der 
Behandlung. Fleming hatte mit denselben Schwierigkeiten zu 
kämpfen. 

Das Wachstum ist wahrscheinlich die Hauptursache bei der Ver- 
schiedenheit des Stoffwechsels beim Kinde und Erwachsenen, und 
infolgedessen spielt das Alter eine wichtige Rolle in der Interpreta- 
tion der Resultate. Kurve 22 zeigt, daß der Stoffwechsel der Kretins 
für ihr Alter stark zurückbleibt. 

Die niedere Verteilung der Punkte beim unbehandelten Kretin 
zeigt eine gewisse Gleichmäßigkeit und läßt annehmen, daß man 
vielleicht den Stoffwechsel eines unbehandelten Kretin von bekann- 
tem Alter voraussagen kann. 

Da der Zweck der Behandlung beim Kretin der ist, ihn auf die 
Durchschnittsnorm seines Alters zu bringen, so erschien es richtig, 
Schilddrüse in so großen Mengen zu geben, daß der Stoffwechsel 
auf den normalen Gesamtstoffwechsel gebracht wird. Unsere bis- 
herige Erfahrung zeigt, daß dies Niveau erreicht werden muß, bevor 
gute therapeutische Resultate eintreten. 

Die Untersuchung über den Grundstoffwechsel sind von unbe- 
streitbarem therapeutischem Werte als Indikation einer genauen 
Dosierung der Schilddrüsengaben. Dies geht aus Fall 5 (E. W.) 
dieser Serie deutlich hervor. Patient kam im Alter von 8 Monaten, 
nachdem 5 Monate vorher Schilddrüse in geringer Menge gegeben 
wurde, zur Beobachtung. Die Gaben von Schilddrüse wurden um 
3 Gran (0,195 g) pro Tag erhöht, und im Alter von ıı Monaten 
wurde der Stoffwechsel untersucht und der Befund ergab die Norm 
für das Alter. Aus dieser Tatsache wie auch aus der klinischen 
Besserung schloß man, daß man die richtige Dosierung angewendet 
habe. 

Es gelang Du Bois den Stoffwechsel eines erwachsenen Kretins 
in wenigen Tagen auf die Norm zu bringen. Bei einem Säugling 


Heft 5 | Grundstoffwechsel im Kindesalter. 497 


ist jedoch der sich entwickelnde Organismus empfindlicher, und es 
ist daher geraten, langsamer auf die Norm zuzusteuern. In Fällen 
von zweifelhafter Mangelhaftigkeit der Schilddrüsenfunktion sind 
die Untersuchungen über den Grundstoffwechsel ebenfalls von 
großem Nutzen. Wenn der Stoffwechsel bei diesen Fällen normal 


eh Ik a 


Kal. 
1200 


1100 











3 4 5 ) 7 8 9 1 


Jh. I 2 6 


Kurve 22 Grundstoffwedhsel beim behandelten u. unbehandelten retin: 


Total-Kal. i. Bez. auf das Alrer 


ist, so besteht eine klare Kontraindikation gegen die Schilddriisen- 
behandlung. Viele solche Falle sind beobachtet worden. 

Fall 7 dieser Serie ist ein Beispiel für Schwankungen im Stoff- 
wechsel, die durch eine intermittierende Anwendung von Schild- 
drüse hervorgerufen wird. Wenn es in diesem Falle möglich ge- 
wesen wäre, von der Geburt an hie und da Bestimmungen über 
den Grundstoffwechsel zu machen, so daß man, hierauf gestützt, 

Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 32 


S 


498 Talbot. Heft 5 


die Schilddrüsenbehandlung hätte einstellen können, so wären die 
Resultate weit besser gewesen. 

Je früher die Diagnose Kretinismus feststeht, um so früher kann 
die Behandlung begonnen werden. In dem hier angeführten Fall 4 
zeigt sich der Wert der Bestimmungen über den Grundstoffwechsel 
zum Zwecke einer Frühdiagnose des Kretinismus. Patient wurde 
im Alter von 3!1/, Monat zum erstenmal vorgestellt. Damals fand 
man: verdickte Zunge, etwas heisere Stimme und eine Spur von 
supraclaviculären Fettpolstern. Das Haar war weder grob noch 
fein. Die Zeichen waren so unklar, daß die verschiedenen Pädiater 
sich in zwei fast gleiche Lager teilten bei der Frage, ob Kretinismus 
zu bejahen oder zu verneinen sei. Bei diesen klinischen Zweifeln 
wurde Patient, trotzdem der mit 4!/, Monaten bestimmte Grund- 
stoffwechsel Hypothyreoidismus anzeigte, keiner Behandlung unter- 
zogen; hingegen wurde der Stoffwechsel von Zeit zu Zeit bis zum 
Io. Lebensmonate untersucht. Dieser Fall war also einige Monate 
lang ohne Behandlung geblieben, so daß zu unserer großen Be- 
friedigung bewiesen werden konnte, daß schon im dritten Lebens- 
monat eine Diagnose auf Kretinismus möglich gewesen wäre. In 
den ersten Monaten waren die Zeichen so unklar, daß damals eine 
Diagnose klinisch zweifelhaft gewesen wäre, aber im Io. Lebens- 
monat, als die Behandlung begonnen wurde, war auch die klinische 
Diagnose unzweifelhaft. Dieses zeigt, daß eine Frühdiagnose des 
Kretinismus mit Hilfe der Respirationskammer möglich ist. Schild- 
driisentherapie wurde nun begonnen und der Einfluß auf den 
Stoffwechsel zeigt sich bei Kurve 23. 

Der für das Alter des Patienten normale Stoffwechsel wurde 
erreicht, als 3/ Gran (0,038 g) Schilddrüse pro Tag erreicht waren. 
Zugleich wurde sowohl körperlich wie geistig ein schneller Fort- 
schritt beobachtet. Dieser Fall zeigt, daß eine klare Diagnose des 
Hypothyreoidismus mit Hilfe der Respirationskammer in Fällen 
gestellt werden kann, bei welchen eine klare klinische Diagnose 
nicht möglich ist. So kann die Behandlung früh einsetzen und 
bessere Resultate können erreicht werden. 

Hypothyreoidismus. Ein Beispiel für die Wirkung der 
Schilddrüsentherapie in einem Falle von Ekzem mit Hypothyreoi- 
dismus wird in Kurve 24 gezeigt. 

Der Anfangsstoffwechsel war 20% unter der Norm. Er wurde 
auf die Norm mittels ®/, Gran Schilddrüsenextrakt pro Tag ge- 
bracht. Geistig trat große Besserung ein und die vorhandene Erup- 
tion der Haut verschwand. 


Heft 5 


Grundstoffwechsel im Kindesalter. 


499 


Im April 1921 wurde die Schilddrüsenbehandlung ohne unser 
Wissen ausgesetzt. Es trat so schnell ein Rückschritt ein, daß die 
Eltern das Kind sofort ins Krankenhaus zurückbrachten und die 


Behandlung wieder auf- 
genommen wurde. Dort 
wurde, entgegen meiner 
Anordnung, die Dosis 
übermäßig erhöht, die 
Eruption der Haut trat 
wieder auf und wurde 
pronunziert. Das Kind 
wurde nervös und erreg- 
bar. Deram 10. Juli 1921 
gemessene Stoffwechsel 
zeigte Aktivität Num- 
mer III und war 73% 
höher als der Durch- 
schnitt. Der Schild- 
driisenextrakt wurde 
nun auf °/, Gran pro 
Tag reduziert, die Ner- 
vosität verschwand, die 
Haut wurde klarer, ud 
es trat eine fortgesetzte 
geistige und physische 
Besserung ein. Das 
Kind kann jetzt gehen, 
sprechen und spielen. 
Die Mentalität ist zwar 
unter der Norm, aber 
außerordentlich gebes- 
sett. Die Schwester, die 
das Kind zuerst gesehen 
hatte, sagte, es wäre 
„aus einem Idioten ein 
kluges Kind geworden“. 
Man kann die Wichtig- 
keit einerrichtigen Inter- 
pretation und Anwen- 
dung der Resultate nicht 
zu hoch einschätzen. In 


ng 


Schild druse 


von 





Kurve 23. Grundsroftwedhsel bei Fali 4. der Einflu® der Thyroideabehandiung auf 


die Warmeproduktion; Total-Kal.i.Bez. auf das Alter, 


Kurve 23. 


500 Talbot. Heft 5 


Fällen von Hyperthyreoidismus bilden Bestimmungen des Grund- 
stoffwechsels eine sichere und brauchbare Methode, um die 
Dosierung des Schilddrüsenextraktes zu bemessen. Das zeigt der 
obige Fall mit größter Deutlichkeit. Hier wurde die Dosierung 
der Schilddrüse genau durch Bestimmungen des Grundstoffwechsels 
festgesetzt. Diese Untersuchungen sind auch ein sichrerer Wegweiser 


© 
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E€ alkola 
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:3 0 
3 Eruption Klarehaur Eruprion > klare Hauf 
5 Kurve 24. Hypothyreoidismus. Einfluß des Schilddrüsenextrakts 
N auf den Grundstoffwechsel. 


als klinische Beobachtungen und sind bei unklaren Fällen ein Mittel 
zur Differentialdiagnose. 

Mongoloide Idiotie. Fleming (25) hat neuerdings über den 
Grundstoffwechsel einer Serie mongoloider Idioten berichtet. Er 
stellt fest, daß der Grundstoffwechsel normal war und daher keine 
Indikation zur Schilddrüsenbehandlung vorlag. Verfasser hat eben- 
falls den Stoffwechsel einer Serie von Säuglingen mit mongoloider 
Idiotie untersucht (unveröffentlicht) und wenn die Befunde am 
Grundstoffwechsel auch in einigen Fällen anscheinend normal waren, 


Heft 5 Grundstoffwechsel im Kindesalter. 501 


so waren sie doch in vielen anderen unter der Norm. Je älter das 
Individuum, um so subnormaler der Stoffwechsel. Einige der Säug- 
linge mit scheinbar normalem Stoffwechsel zeigen bei Schilddrüsen- 
behandlung eine deutliche Besserung. 

Zwerg. Talbot hat im Jahre 1920 (27) über den Stoffwechsel 
eines 7 Jahre alten Zwerges berichtet. Der Stoffwechsel war für 
das Alter niedrig, aber die Intensität des Stoffwechsels war hoch, 
was aus der Tatsache hervorgeht, daß sowohl der Gesamtstoff- 
wechsel pro Gewichtseinheit, wie pro kg Körpergewicht und pro 
Quadratmeter Körperoberfläche hoch war, nämlich 20% oder noch 
mehr über dem Durchschnittsstoffwechsel. Die Stoffwechselbefunde 
sind ähnlich denen der Säuglinge mit schweren Ernährungsstörungen. 

Stoffwechsel bei einem Falle von kongenitalem Fehlen 
der Hirnhemisphären. Der folgende Fall bei einem Säugling 
mit kongenitalem Fehlen der Hirnhemisphären wurde vom Ver- 
fasser im Jahre 1915 (28) beobachtet. Er sah das Kind zuerst im 
8. Lebensmonat. Das Kind war unfähig zu sitzen oder seinen Kopf 
hoch zu heben. Das Gesicht hatte einen idiotischen Ausdruck. 
Physisch war es ein großes Kind mit einer dicken Schicht von 
cutanem Fett. Die Untersuchung der Augen zeigte, daß es blind 
war. Die Untersuchung des Fundus zeigte Opticusatrophie mit 
beträchtlicher Cupping of the discs. Bei einer zur Herstellung des 
Sehvermögens ausgeführten Operation zeigte es sich, daß die Hirn- 
hemisphären ganz fehlten und dass an ihrer Stelle Cerebrospinal- 
flüssigkeit vorhanden war. 

Den Stoffwechsel zeigt nachstehende Tabelle: 


Tabelle 4. Stoffwechsel bei einem Falle von kongenitalem 
Fehlen der Hirnhemisphären. 


| Gesamtwärme 


Gewicht | Höhe 

Fall | Alter | ; pro Quadratmeter 

| in 24 Stunden | pro kg Körperobe fe 
kg | cm Cal. | Cal. Cal. 

J. J-M. | 8 Mon. | 8,43 | 735 | 245 | 27,0 |: 574 


Der Befund zeigt einen sehr niedrigen Stoffwechsel. Der Grund 
dafür scheint zu sein, daß vom klinischen Standpunkt aus der 
Körper des Kindes große Mengen von Fett und im Verhältnis hierzu 
kleine Muskelmengen aufwies. 

Stoffwechsel bei einem Falle von Dyspituitarismus. 
Verfasser hat im Jahre 1920 den Grundstoffwechsel eines sehr dicken 
Kindes mit kleiner Sella turcica, das dem von Frölich beschrie- 
benen Typus von Dyspituitarismus glich, veröffentlicht (29). Der Fall 


502 Talbot. Heft 5 


kam mit 2 Jahren und g Monaten zuerst zur Beobachtung. Das 
Kind wog damals 24,82 kg. Bis zum Ende des ersten Lebensjahres 
war er ein magerer und schlecht entwickelter Säugling; nach dieser 
Zeit nahm er schnell und dauernd an Gewicht zu. Als er zur Be- 
obachtung kam, machte er geistig den Eindruck eines Io Monate 
alten Kindes. Der Gesamteindruck war der: außerordentliche 
Obesität, heisere Stimme, träges Gebaren, glatte Textur der Haut 
und etwas rauhes Haar. Sein Grundstoffwechsel war sehr niedrig. 
Klinisch ist er durch Schilddrüsenbehandlung sehr gebessert. 
Die Dosis ist jetzt 6 Gran pro Tag. 

Amaurotische familiäre Idiotie. Talbot (30) untersuchte 
einen typischen Fall von amaurotischer familiärer Idiotie und fand 
den Stoffwechsel außerordentlich niedrig. Auch die Pulsfrequenz 
war niedrig und man hatte den Eindruck, als bestände eine Be- 
ziehung zwischen dem Stoffwechsel und der Pulsfrequenz. Da 
kein subcutanes Fett oder ein Übermaß von Wasser in den Muskeln 
vorhanden war, so muß die Bedeutung des niedrigen Stoffwechsels 
entweder darin bestehen, daß den Muskeln der normale Tonus 
fehlte oder daß ihre Menge verringert war. Es sind noch weitere 
Beobachtungen bei dieser Krankheit nötig, bevor man behaupten 
kann, daß der niedrige Stoffwechsel für sie charakteristisch sei. 

Die Anwendung der Untersuchungen über den Grundstoffwechsel 
in der klinischen Medizin war nicht eher möglich, als bis ein normaler 
Standard durch die Beobachtungen an einer genügenden Anzahl 
von normalen Kindern und Säuglingen geschaffen war. An diesen 
Standards ist Kritik geübt worden und man hat die Aufmerksamkeit 
auf Abweichungen von der Norm hingelenkt (18). Die Ernährungs- 
störungen verdienen besonders bei Säuglingen eine besondere 
Beobachtung, weil sie häufig als Komplikation anderer Krankheiten 
auftreten und daher bei der Interpretation der Resultate besonders 
berücksichtigt werden müssen. Da mit jedem neuen Falle auch neue 
Aufklärung und neue Probleme erscheinen, so sind in Zukunft 
große Fortschritte zu erwarten. Die Prinzipien, die bei Kindern 
und Säuglingen sich als richtig erwiesen haben, müssen auch bei 
Erwachsenen stimmen, abgesehen von dem Einfluß, den das Wachs- 
tum ausübt. Die proportionellen Unterschiede sind jedoch bei 
Kindern so viel größer als beim Erwachsenen, daß diese Verschieden- 
heiten bei ersteren mehr in Erscheinung treten. Die Unterschiede 
beim Erwachsenen können andererseits so gering sein, daß sie unklar 
sind. Es ist zu hoffen, daß die Untersuchungen über den Grundstoff- 
wechsel der Kinder Abweichungen von der Norm ausweisen werden, 


Heft 5 Grundstoffwechsel im Kindesalter. 503 


die im anderen Falle verborgen bleiben wiirden, und daB so viele 
Fragen aufgeklart werden, die bis jetzt unbeantwortet geblieben sind. 


We wp 


a 


S) 


13. 








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Aus der Universitäts-Kinderklinik Frankfurt a. M. 
(Direktor: Professor von Mettenheim.) 


Zur Technik der Behandlung mit Eiweißmilch. 


Von Dr. Paul, Assistenzarzt. 


Anläßlich von Untersuchungen über den Zusammenhang von 
Darmfäulnis und Capillarbild hatte Hochschild die Frage erwogen, 
ob es nicht möglich ist, aus der Menge der bei der Ernährung mit 
Eiweißmilch ausgeschiedenen Fäulnisprodukte einen Wegweiser bei 
der Technik der Eiweißmilch zu gewinnen. Er hatte beobachtet, 
daß in den Fällen, in welchen unter Eiweißmilch die Stühle sich nicht 
besserten und gleichzeitig hohe Werte für die Ausscheidung von 
Fäulnisprodukten gefunden wurden, die Zulage von Kohlenhydrat 
in Form von Mehl, Mondamin oder Nährzucker, in anderen Fällen 
dagegen, in welchen bei weiterbestehenden dyspeptischen Stühlen 
Fäulnisprodukte im Harn und Kot fehlten, die Anreicherung der 
Eiweißmilch mit Eiweiß anzuraten ist. Diese Untersuchungen 
wurden von mir weitergeführt, da aus den bisherigen Beobachtungen 
die Möglichkeit gegeben schien, auf genau feststellbaren chemischen 
Grundlagen eine Technik der Eiweißmilchbehandlung aufzubauen. 

Die erste Frage, die dabei zur Beantwortung steht, ist naturgemäß 
die: wann und unter welchen Umständen werden beim dyspeptisch 
kranken Säugling Fäulnisprodukte ausgeschieden? Daß aus ge- 
formten, im Dickdarm lange verweilenden Stühlen Fäulnisprodukte 
dort aufgenommen und im Urin und Kot abgegeben werden, ist 
selbstverständlich. Es entspricht dies einer alten Erfahrung, dıe 
erst kürzlich wieder von Scheer und Müller im Einklang mit den 
neueren physikochemischen Anschauungen gebracht werden konnte. 
Es gelingt nämlich auch bei lebhafter Gärung im Dünndarm mittels 
Stopfmittel diese noch im Darm zu Ende gehen zu lassen und einen 
alkalischen, fauligen Stuhl zu erzielen. Daß gerade in diesen Fällen 
die Ausscheidung von Fäulnisprodukten ziemlich erheblich sein 
kann, erklärt sich aus der dureh v. Noorden festgelegten Tatsache, 


Heft 5 Zur Technik der Behandlung mit Eiweißmilch. 505 


daß in wasserreichem Kote, wie er bei reichlicher Gärung aus den 
oberen Darmabschnitten in den Dickdarm übertritt, eine lebhaftere 
Fäulnis statthat als in wasserarmem. 

Wichtiger ist die Frage nach der Ausscheidung von Fäulnispro- 
dukten bei dyspeptischem Stuhlbild. Ohne weiteres verständlich 
erscheint ihr Auftreten bei solchen Darmerkrankungen, an welchen 
ausgesprochene Fäulniserreger, wie Ruhr- oder Pseudoruhrbacillen 
beteiligt sind, oder bei sonstigen infektiösen Enterokolitiden. Auch 
überall da, wo Ulcerationen oder andere Veränderungen vorliegen, 
die zu Blutaustritt in. den Darm Veranlassung geben, werden infolge 
des hohen Gehaltes des Blutes an fäulnisfähigem Tryptophan Fäulnis- 
produkte nachzuweisen sein. Besondere Beachtung hingegen ver- 
dient ihr Auftreten bei nicht infektiösen Dyspepsien, d. h. bei den 
im allgemeinen als Gärungsdyspepsie bezeichneten Ernährungs- 
störungen. 

Die pathologischen Prozesse, die den Dyspepsien zugrunde liegen, 
gehen nach den derzeitigen Anschauungen im Dünndarm vor sich. 
Im Hinblick auf diesen Umstand erschien die nähere Verfolgung 
desjenigen Fäulnisproduktes, das auch bei beschleunigter Darm- 
peristaltik zum größten Teil im Dünndarm der Resorption unter- 
liegt, nämlich des Indicas, von besonderem Interesse. Nach den 
Erfahrungen an Erwachsenen ist bekanntlich die Resorptions- 
möglichkeit des Indicans im Dünndarm am beträchtlichsten. In- 
folgedessen kann bei Stauung im Dünndarm, wie sie auch bei der 
akuten Dyspepsie statthat, die Indicanurie zu hohen Werten an- 
steigen, wenn dort gleichzeitig Fäulnisprozesse aufkommen. Daß 
bei Dyspepsie die Indicanresorption eher im Dünndarm als im 
Dickdarm vor sich gehen dürfte, wird auch durch die Beobachtung 
Kahns wahrscheinlich gemacht, daß bei Dyspepsien die Dickdarm- 
passage im Vergleich zur Norm weit mehr verkürzt erscheint als 
die Dünndarmpassage, wodurch im Dickdarm weniger Gelegenheit 
zu resorptiven Vorgängen gegeben ist. 

Von geringer Bedeutung erscheint die Feststellung der Fäulnis- 
produkte, besonders des Indols im Kote, da über den Ort ihrer 
Bildung im Einzelfall nichts ausgesagt werden kann. Ebenso kann 
die Phenolausscheidung im Harn für gewöhnlich unberücksichtigt 
bleiben, da bei gesteigerter Indicanausscheidung die Phenolausschei- 
dung fast regelmäßig vermehrt ist; freilich kann dabei eine vermehrte 
Fäulnis in allerdings sehr seltenen Fällen übersehen werden, da ein 
phenolreicher Harn nicht unbedingt ein indicanreicher zu sein braucht. 
Bezüglich der Atherschwefelsäuren sei hervorgehoben, daß nach 


506 Paul. Heft 5 


Hammarsten weder ihr absoluter Wert noch aber das Verhältnis 
von Neutralschwefel zu Sulfatschwefel zur Beurteilung der Stärke 
der Fäulnis herangezogen werden kann. 

So habe ich mich schließlich darauf beschränkt, das Indican im 
Harn nach der Methode von Strauß zu schätzen. Dies geschah 
auch aus dem Gesichtspunkte, eine für die Praxis möglichst einfache 
Methode zur Beurteilung des Erfolges der Eiweißmilchbehandlung 
zu finden, nachdem Versuche, die Urobilinurie, die bekanntlich 
parallel der Darmfäulnis ansteigt, heranzuziehen, an der Vieldeutig- 
keit der Urobilinentstehung gescheitert waren. In mehreren Fällen 
bestimmte ich auch den Blutindicangehalt, ohne daß dabei irgend- 
welche besonderen Gesichtspunkte gewonnen worden wären. 

Einige Male entstand neben dem in Chloroform übergehenden 
blauen Farbstoff eine Rotfärbung des Harns auf Zusatz der eisen- 
chloridhaltigen Salzsäure. Der gebildete rote Farbstoff ließ sich 
nicht in das Chloroform überführen. Dadurch gab es sich als Skatol- 
rot oder als das von vielen Autoren als mit diesem identisch ange- 
sehene Urorosein zu erkennen. 

Irgendwelche Beziehungen der Skatolrotbildung zur Ernährungs 
weise oder zu den klinischen Erscheinungen konnte ich nicht aus- 
findig machen. | 

Die Betrachtung der Indicanausscheidung bei der Gärungsdys- 
pepsie erfordert die Berücksichtigung der Anamnese des betreffenden 
Krankheitsfalles und des Zeitpunktes der festgestellten Indicanurie. 
Es ist einleuchtend, daß eine beim Eintritt des Patienten in die 
Klinik sich vorfindende Indicanurie, wenn schon eine Behandlung 
mit eiweiBreicher, zugleich kohlenhydratarmer Kost vorausgegangen 
ist, anders zu bewerten ist, als bei einer unbehandelten, sich noch 
im akuten Stadium befindenden Dyspepsie. Unter 32 solchen akuten, 
vor der Klinikaufnahme noch nicht therapeutisch beeinfluBten 
Fällen, konnte ich in 18, d. h. in 54% der Fälle eine, wenn auch meist 
sehr leichte Indicanurie feststellen. In 7 von diesen Fällen bestimmte 
ich auch den Blutindicangehalt, da eine vorhandene leichte Albumin- 
urie eine Minderausscheidung des Indicans durch die geschädigte 
Niere nicht ausgeschlossen erscheinen ließ. Doch konnte niemals, 
weder I noch 3 Stunden nach den Mahlzeiten ein nennenswerter 
Blutindicangehalt nachgewiesen werden. Eine Parallelität der 
Indicanurie zur Schwere der Dyspepsie besteht nicht; die Stühle 
werden dabei sauer. Okkultes Blut fand sich nicht. Auch einen 
bestimmten Zusammenhang zwischen der Konstitution des Kindes 
oder zwischen der vorher gereichten Nahrung und der Indicanune 


Heft 5 Zur Technik der Behandlung mit Eiweißmilch. 507 


vermag ich nicht aufzufirden. Parenterale Dyspepsien, soweit 
wenigstens die parenterale Infektion im Vordergrund des Krank- 
heitsbildes stand, wurden von den Untersuchungen möglichst aus- 
geschlossen. 

Nassau äußerte die Ansicht, die Indicanurie sei gebunden an: 

I. eine Darmwandschädigung, 
2. eine Bakterieninvasion des Dünndarms. 

Das letztere dürfte nach der jetzt herrschenden Ansicht wohl bei 
jeder akuten Gärungsdyspepsie der Fall sein. Die erste Forderung 
dürfte jedoch nicht mit einer Darmwandschädigung, wie man sie 
bei der Intoxikation annimmt, d. h. einer erhöhten Durchlässigkeit 
der Dünndarmwand gleichzustellen sein, wenn man die Häufigkeit 
der Indicanurie der Seltenheit der Intoxikation gegenüberstellt. 
Wenn man freilich unter Darmwandschädigung nur die Herabsetzung 
der Alkalität der Schleimhautoberfläche, die nach Adam zur Ent- 
stehung der Dyspepsie unerläßlich ist, versteht, ist allerdings auch 
dieser Forderung Nassaus entsprochen. Da aber nach den Er- 
fahrungen an Erwachsenen auch von nicht durchlässigem Dünn- 
darm Indican sehr leicht resorbiert wird, liegt es näher, auch beim 
Säugling die Aufnahme des Indicans durch die normale Dünndarm- 
wand anzunehmen, namentlich in Anbetracht des längeren Ver- 
weilens des Chymus im Dünndarm infolge der Stagnation. Nach 
Adam ist die Indolbildung, wenigstens im Reagenzglasversuch, 
am stärksten bei einer Reaktion die der Eigenwasserstoffzahl des 
B. coli entspricht. Da nun nach Schiff und Kochmann Eiweiß 
auch bei Anwesenheit von Zucker in bescheidenem Maße von Coli 
angegriffen wird, so dürfte die geringfügige Indicanurie aus dem 
Vorhandensein des dem Bact. coli eigenen Reaktionsoptimums im 
Darm ohne gesteigerte Durchlässigkeit desselben zu erklären sein. 
Daß bei Vorherrschen der Gärung eine, wenn auch geringe, Fäulnis 
vor sich gehen kann, darauf wiesen auch Schiff und Kochmann 
hin. Die Möglichkeit der Indicanbildung ist also gegeben, der Unter- 
schied zwischen Gärung und Fäulnis in der alten Form ist also nicht 
aufrecht zu erhalten, sondern beide Prozesse laufen nebeneinander her. 

Zu sehr hohen Werten der Indicanausscheidung kann es, wie 
bereits erwähnt, in Fällen infektiöser Darmerkrankungen kommen. 
Im Sommer 1922 wurden 135 frische Ruhrfälle, bei denen als Erreger 
der X-Bacillus festgestellt wurde, im Herbst 1922 6 Grippeenteritis- 
fälle mit z. T. blutig schleimigen Stühlen ohne epidemiologische Be- 
ziehung zur Ruhr und ohne Bacillenbefund bezüglich ihrer Indican- 
ausscheidung untersucht. In allen diesen Fällen waren sehr hohe 


508 Paul. Heft 5 


Mengen Indican im Urin vorhanden. Eiwei8faulnishemmende und 
gärungsfördernde Kost, wie die alte Liebigsche Malzsuppe, zeitigte 
bei allen diesen Fällen sehr gute Erfolge. Die Stühle besserten sich 
bald, auch die Indicanurie verschwand nach einigen Tagen. Bei ganz 
jungen Säuglingen dürfte freilich die Liebigsche Malzsuppe keine 
geeignete Nahrung darstellen, aber auch bei ihnen erwies sich die 
Verabreichung ähnlich kohlenhydratreicher Nahrung von großem 
Vorteil. Darauf haben schon v. Groer und mehrere amerikanische 
Autoren hingewiesen. (Spence, Bradley, auch Velasco Blanco.) 

Ähnlich liegen die Verhältnisse, wenn unter Eiweißmilchbehand- 
lung mit 3—5 evtl. sogar 8%, Kohlenhydrat das Indican, das an- 
fänglich, wenn auch in geringem Maße bei der Gärungsdyspepsie 
sich findet, nach zeitweisem Verschwinden wieder auftritt, ohne daß 
unter der bisherigen Behandlung eine Besserung der Stühle statt- 
gefunden hat. Klinisch gibt sich der Zustand meist durch die Ab- 
lösung des sauren Charakters der Faeces durch einen alkalisch fauligen 
zu erkennen. Bei solcher Sachlage ist nach den gemachten Er- 
fahrungen die wieder auftretende Indicanurie eine unbedingte An- 
zeige zur Steigerung des Kohlenhydratzusatzes der Eiweißmilch. 
Die Zugabe von Kohlenhydrat führte in allen, d. h. 12 Fallen, nicht 
nur zum Anstieg der meist bisher horizontal verlaufenden Gewichts- 
kurve, sondern auch zur Besserung der Stühle im Sinne des Auf- 
tretens typischer Kalkseifenstühle. 

Nicht so eindeutig zu bewerten ist der Befund fehlender Indican- 
urie bei Weiterbestehen schleimiger, saurer Stühle unter Eiweiß- 
milchbehandlung mit 3—8% Kohlenhydrat. 

Hochschild hatte in dem Mangel an Fäulnisprodukten i im Stuhl 
und Harn die Indikation zur Verabreichung konzentrierter Eiweiß- 
milch bzw. zur Anreicherung der Eiweißmilch mit einem Eiweiß- 
präparat erblickt. Im Laufe unserer weiteren Beobachtungen ergab 
es sich aber, daß das von Hochschild angegebene Verfahren zwar 
in der Regel zur Besserung der Stühle führt, meist auch die bis dahin 
mangelnde Gewichtszunahme bringt, wie es Nassau zuweilen auch 
bei Weiterbestehen der Durchfälle beobachtet hatte, daß aber ge- 
legentlich diese Methode doch versagt. In vereinzelten Fällen (2 von 
16) besserten sich die Stühle gleichzeitig mit dem Anstieg der Ge- 
wichtskurve bei weiterem Kohlenhydratzusatz trotz fehlender Indi- 
canurie. Allerdings wäre es falsch, daraus ableiten zu wollen, daß 
also in jedem Falle eine Steigerung der Kohlenhydrate am Platze 
ist, denn bei den Versuchen (6 Fälle), trotz fehlender Indicanurie 
die Kohlenhydrate auf 8 resp. 10% zu steigern, erlebte ich Fehl- 


Heft 5 Zur Technik der Behandlung mit EiweiBmilch. 509 


schläge, die mit weiterer Verschlechterung der Stühle und akuten 
Gewichtsstürzen einhergingen und die nur durch Einschränkung 
der Kohlenhydratzulage resp. Anreicherung mit Eiweiß wieder gut 
zu machen waren. 

Zusammenfassend läßt sich auf Grund unserer Beobachtung wohl 
folgendes sagen: Bestehen bei Gärungsdyspepsie unter der Behand- 
lung mit Eiweißmilch mit maBigem Kohlenhydratzusatz dyspeptische 
Stühle fort bei mangelnder Gewichtszunahme, so erwächst aus den 
Befund einer deutlichen Indicanurie die Indikation, den Kohlen- 
hydratzusatz der Eiweißmilch durch Zugabe von Mehl oder Nähr- 
zucker zu erhöhen. Bei gleichem klinischen Bild vermag hingegen 
der negative Ausfall der Untersuchung auf Indicanurie nicht mit 
Sicherheit die Anzeige zur Anreicherung der Eiweißmilch mit Eiweiß 
abzugeben, — wenn auch letzteres Verfahren dabei im allgemeinen 
zum Ziele führt. | l 

Daß diese Untersuchungen die Technik der Eiweißmilchbehand- 
lung nur von dem Gesichtspunkte des Kohlenhydratzusatzes be- 
treffen, nicht aber die Mißerfolge der Eiweißmilch bei schweren 
lokalen entzündlichen Prozessen im Darm oder bei zu langer Dar- 
reichung infolge von Vitaminmangel berücksichtigen, braucht kaum 
hervorgehoben zu werden.. 


Literaturverzeichnis. 


Siehe bei Hochschild. Zeitschr. f. Kinderheilk. Bd. 33, H. 1/2. 
Ferner: ; i 

Adam, Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 99, S. 88. 1922. 

Bradley, Ref.: Zentralbl. f. d. ges. Kinderheilk. Bd. 12, H. 1. 

Groer, v., Zeitschr. f. Kinderheilk. 1923. 

Hammarsten, Lehrb d. physiol. Chemie. 

Kahn, Zeitschr. f. Kinderheilk. Bd. 33, S. 49—53. 1922. 

Nassau, Zeitschr. f. Kinderheilk. Bd. 26, S. 170—181. 1921. 

Scheer u. Müller, Zeitschr. f. Kinderheilk. Bd. 99. 

Schiff u. Kochmann, Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 91, H. 4/5. 

Velasca, Blanco, Ref. Zentralbl. f. d. ges. Kinderheilk. Bd. 13, H. 1/2. 


Masern ohne Exanthem bei drei Geschwistern. 


Von Erich Krasemann, Rostock. 


Nassau ist der Ansicht, daB der relative Masernschutz der jungen 
Sauglinge nicht auf einem angeborenen Vorrat von Schutzstoffen 
beruht, sondern auf der Unfahigkeit der Zelle, in diesem Alter mit 
dem Maserngift in Wechselbeziehung zu treten. (Monatsschr. f. 
Kinderheilk. XXII, H. 1.) | 

Ich verfüge nun über eine Beobachtung an älteren Kindern, die 
diese These wenig wahrscheinlich sein läßt, sondern mehr für Immun- 
körperbildung spricht. Es handelt sich um einige Fälle von abortiven 
Masern. 

Masern mit sehr schwachem oder ganz fehlendem Exanthem 
sieht man seit der Degkwitzschen Serumprophylaxe häufiger, aber 
auch sonst bietet sich, besonders während Epidemien, des öfteren 
Gelegenheit, solche zu beobachten. 

In der ersten Hälfte dieses Jahres (1923) herrschte in Rostock 
eine schwere Masernendemie, während der ich in etwa 3% aller 
Fälle das Exanthem vermißte. Dabei rechne ich nur diejenigen, bei 
denen die Diagnose durch Nachweis der Infektionsgelegenheit, Auf- 
treten von Koplikschen Flecken und eventuell weitere Ansteckung 
gesichert werden konnte. Unter diesen befinden sich nun 3 Fälle, 
die deutlich erkennen lassen, daß von den Eltern resp. Großeltern 
her Schutzstoffe im Körper kreisen müssen, die die Maserninfektion 
zwar nicht ganz unterdrücken konnten, aber doch eine Abschwächung 
der Erkrankung zur Folge hatten. Es handelt sich um 3 Geschwister 
ım Alter von 2, 6 und 7 Jahren: 

Kind K. ]J., 6 Jahre alt, fühlt sich seit einigen Tagen nicht gut. Etwas 
Schnupfen und Husten sowie leichte unregelmäßige Temperatursteigerungen. 
Ein Schulfreund hat eben die Masern überstanden. 

Befund: Subfebril, leichte Conjunctivitis und Rhinitis, Rachenrötung. 
geringe Bronchitis. In der Mundhöhle auf der Wangenschleimhaut an typischer 
Stelle einige linsengroße rötliche Flecken, in der Mitte mit einer stecknadelkopf- 
großen weißen Stelle versehen. Die Diagnose lautete daraufhin: Masern. 


Ein Exanthem zeigte sich jedoch nicht, die katarrhalischen Erscheinungen 
yingen bald zurück; am nächsten Tag war der Patient fieberfrei. 


Heft 5 Masern ohne Exanthem bei drei Geschwistern. 511 


Eine Absonderung der beiden Geschwister von 2 und 7 Jahren wurde 
unterlassen, da die Ansteckung wahrscheinlich schon erfolgt war und es sich 
um kräftige, gesunde Kinder handelte. 

10 Tage später erkrankte der größere und nach 2 Tagen der kleinere Bruder 
unter den gleichen Erscheinungen. Bei dem älteren konnte ich wiederum 
Kopliksche Flecken entdecken, bei dem andern nicht. Auch bei diesen beiden 
erfolgte kein Exanthemausbruch. 

In diesen Tagen kam trotz meiner Warnung eine Freundin der Mutter mit 
ihrem 3jährigen Töchterchen zu Besuch. 14 Tage später bekam die Kleine 
Masern mit starkem Exanthem. 

Es handelt sich also um Morbillen, die vor und nach dem Passieren 
der drei Brüder mit gut ausgebildetem Exanthem einhergingen, 
während sie bei den erwähnten Kindern ohne Ausschlag verliefen. 

Interessant ist nun, daß auf mein Befragen die Mutter angab, sie 
selbst habe nie Masern gehabt, wohl aber sei ihre Mutter (also die 
Großmutter der Kinder) zweimal von schweren Masern befallen 
worden. 

Offenbar handelt es sich also bei der Mutter und ihren drei Kindern 
um eine auffallend starke Immunkörperbildung, deren Wirksamkeit 
bei der Mutter selbst noch voll entwickelt, bei den Kindern jedoch 
bereits soweit abgeschwächt war, daß zwar der Infekt haftete, die 
Krankheit jedoch nicht voll zur Entwicklung gelangte. 


Mitteilung aus der Kinderklinik der Franz-Joseph-Universität 
zu Szeged. (Anstaltsleiter: Privatdozent Dr. E. Hainiss.) 


Das Verhalten der Leucocytenzahl während der Verdauung 
bei Neugeborenen. 


Von Priv.-Doz. Dr. E. Hainiss und Dr. Stefan Heller. 


Seit Widals Mitteilung wird in jedem Spezialgebiet vielfach mit 
der hämoklasischen Krise gearbeitet. Einige Autoren meinen auf 
Grund der beobachteten Krise nach bestimmten Krankheiten auf 
die funktionelle Störung der Leber schließen zu können [Ma yer- 
Estorf (I)], andere beurteilen die Verwertbarkeit der Reaktion 
[Eisenstädt (2)], wiederum andere wollen ihr diagnostische Be- 
deutung bei unbestimmten Formen einiger Krankheiten beimessen 
[Scarlatina: Torday (3)]. Nach Schiff und Stranskys (4) allge- , 
meinen Untersuchungen bei Säuglingen stellte Heller (5) seine Expen- 
mente bei Ernahrungsstérungen an, welche ergaben, daß gegenüber 
der Verdauungsleukocytose gesunder Säuglinge bei hyperakuter und 
chronischer Ernährungsstörung nach der Nahrungsaufnahme aus- 
gesprochener Leukocytensturz auftritt. Seine wenigen vergleichs- 
halber bei gesunden Säuglingen angestellten Versuche widersprechen 
der Mitteilung von Schiff und Stransky und stimmen mit denen 
von Lesne und Langle (6) überein. Auch Schippers und C. de 
Lange (7) geben zu, daß bei größerem Versuchsmaterial die Zahl 
der ‚Ausnahmen‘ zunimmt, doch stellen sie sich der von Schiff 
und Stransky betonten Anschauung, daß die Verdauungsleukopenie 
physiologisch sei, nicht schroff gegenüber. 

Bei den an 12 Neugeborenen aus der Franz- Joseph-Universitäts- 
Frauenklinik!) während 8 Tage angestellten Untersuchungen war 


1) An dieser Stelle sei Prof. Dr. Kubinyi für die gefällige Überlassung 
des Neugeborenenmaterials Dank gesagt. — Die auf 12 Tage geplante Beobach- 
tung konnte leider nicht durchgeführt werden, da bei der großen Beanspruchung 
der Klinik die Wöchnerinnen nach normal verlaufender Geburt die Anstalt 
nach 8 Tagen verlassen mußten. 


Heft 5 Das Verhalten der Leukocytenzahl während der Verdauung. 513 


es unser Bestreben, ı. das Verhalten der Leukocyten während der 
Verdauung von der Geburt an in der ganzen Neugeborenenzeit zu 
beobachten, 2. zu bestimmen, ob bei dem Übergang in das Säuglings- 
alter die Verdauungsleukopenie oder die Leukocytose die regelmäßige 
Reaktion sein wird, 3. zu sehen, ob zwischen der Gelbsucht der 
Neugeborenen und der hämoklasischen Krise ein Zusammenhang 
besteht. 

Unsere Untersuchungen wurden dermaßen angestellt, daß am 
ersten Lebenstag bei der allerersten Nahrungsaufnahme mit der 
Beobachtung begonnen wurde. In den folgenden 7 Tagen wurde 
jedesmal die Wirkung der ersten Morgennahrungsaufnahme, welche 
der abends um 9 Uhr beginnenden Nachtpause folgte, beobachtet. 
Die Nahrungsdosen wurden dem physiologischen Nahrungsquantum 
sich nähernd bemessen und so wurde am ersten Tage 5, am zweiten 
10 g Colostrum, sodann vom dritten Tage an täglich um Io g steigende 
Menge Übergangs- bzw. Frauenmilch verabreicht. Die Blutkörper- 
chenzählung wurde mittels Kontrollpipetten nach der Nahrungs- 
aufnahme alle 15 Minuten eine Stunde lang fortgesetzt. Zur Ver- 
wertung unserer Ergebnisse, um hiervon reale Schlüsse ableiten zu 
können, muß auf Berücksichtigung verschiedener Standpunkte hin- 
gewiesen werden. Bei unseren Untersuchungen wird die Vermin- 
derung der weißen Blutkörperchen nicht in absoluten Zahlen (z. B. 
2000) angegeben, da dies Grund zu Irrealitäten bilden würde, wenn 
wir berücksichtigen, daß die Hungerzahl der weißen Blutkörperchen 
zwischen 3250 und 28300 schwankt. Es schien eher angezeigt, 
perzentuelle \Verte anzugeben, auf Grund welcher eine mindestens 
20%-ige Verminderung der weißen Blutkörperchen (auf Grund der 
erforderten Verminderung von 2000 :bei einem Nüchternwert von 
Io 000) als positive Reaktion, d. h. Krise bewertet wurde. Diesen 
Wert nicht erreichende Verminderungen der Leukocytenzahl rech- 
neten wir zu den negativen Reaktionen, ebenso wie die wesentlich 
unveränderten oder Leukocytose aufweisenden Fälle. Größere Über- 
legung beanspruchte die Bewertung jener Fälle, wo die Verdauungs- 
Leukocytosenkurve wellenförmig ausfiel. Hier bezeichneten wir mit 
„negativ“ jene, wo die Verminderung unter 20% blieb, und „positiv“ 
wenn 20%, überstiegen wurde und hierbei die Schwankung in Per- 
zenten ausgedrückt mehr als 10 ausmachte. Nicht bewertet und 
als unbestimmt bezeichnet wurden jene Fälle, wo die Verminderung 
der weißen Blutkörperchen zwar 20%, erreichte, der Prozent der 
Steigung jedoch kaum davon abwich und der Unterschied zwischen 
den zwei Prozentwerten kleiner als 10 war. Bei diesen sich wellen- 

Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 33 


514 Hainiss und Heller. Heft 5 


förmig verändernden Werten kann die erste Phasis (Verminderung 
oder Erhöhung) der Blutkörperchenzahlveränderung nicht als rich- 
tungsbestimmend angesehen werden, ist doch die Krise positiv bei 
solch allgemeinen und 20% übersteigende Leukopenie aufweisenden 
Fällen, wo eine initiale schwache Vermehrung der weißen Blut- 
körperchen stattfand. (Z. B. Fall 10, IV. Tag: 9600— 10 250— 7000 — 
8500.) Die Veränderung der weißen Blutkörperchenzahl während 
der Verdauung kann unserer Meinung nach nur mit solcher Kritik 
einer Einschätzung unterzogen werden, und es ist möglich, daß das 
Fehlen einer solchen für die sich widersprechenden Versuchsergeb- 
nisse bzw. für die unzutreffend gesogenen Schlüsse verantwortlich 
gemacht werden muß [z. B. Stransky-Langer (8) 7600 — 7200— 
7300—8000 Leukopenie? — 5%]. 

Die beigelegte Tabelle zeigt die Resultate der bei den 12 Neu- 
geborenen in den ersten acht Lebenstagen ausgeführten Unter- 
suchungen, wo die binnen einer Stunde beobachtete maximale Ver- 
änderung der Leukocytenzahl in Prozenten ausgedrückt wurde. 
wobei „+ Steigung „—‘“ Verminderung bedeutet. Die kursiv 
gedruckten Zahlen bezeichnen Krisen, die gewöhnlichen negative 
Reaktionen, die durchgestrichenen unbestimmtes Verhalten. 

Fall ı zeigt am I. und IV. Tag hämoklasische Krise, am II. und 
III. Tag unbestimmte Reaktion, vom V. Tag an wurde die Ver- 
dauungsleukocytose beständig. Bleibend ausgesprochene Steigung 
der Leukocytenzahl vom V. Tag an weist auch Fall 6 auf, mit 
erstem verglichen den Unterschied aufweisend, daß bei diesem die 
Krise der ersten zwei Tage folgend, am III. und IV. Tag die Leuko- 
cytenkurve wellenförmig verlief, doch mit zweimal so hohem Auf- 
stieg als Abfall, wonach schon am III. und IV. Tag negative Reaktion 
angenommen werden mußte. Bei Fall 2 tritt nach der Krise der 
ersten zwei Tage am IIT. und IV. Tag Verdauungsleukocytose auf. 
um am V. und VI. Tag wiederun der Krise Platz zu machen. Bei 
Fall 3, 5, 7, 9 und 10 läßt sich im großen und ganzen dasselbe Ver- 
halten verfolgen. Diese wiesen in den ersten Tagen keine Krix 
auf, an einem oder anderem der folgenden Tage trat sie ein- zwei- 
mal auf, um bald nach einer erneuten Steigung der weißen Blut- 
körperchenzahl in den drei folgenden Tagen launenhaft hie und 
da aufzutreten. Fall 4 und 8 reagierte in der ganzen Nev- 
geborenenzeit negativ, und endlich Fall ır und I2 reagierten ır 
den acht ersten Lebenstagen nur an einem Tage auf Nahrung:- 
aufnahme mit Krise, zeigten aber sonst Steigung der weißen Blut- 
korperchenzahl. 


Heft 5 Das Verhalten der Leukocytenzahl während der Verdauung. 515 





| { 3% Bu nr, 
Tage I m tm. m! vw "an" vm I vo. 








Durchschnittl. i 4 
Nüchternwert 17,976 













Fall 1 | — 22,5 











ty 








“I 











‚ 10 


Hämoklasische ! | 
Krise 3 ! 6 





i i 

Negative | | | i | 

Reaktion 8 5 ' oa |) 10 | 8 ' 9 8 | 12 

: | i 
Unbestimmte | | | | : | | 

Reaktion FL baan Dop Di y o I o 
Eine Regelmäßigkeit kann in unseren Fällen nur darin geschen 
werden, daß eine ausgesprochene Krise am VIII. Tage bei keinem 
derselben auftrat. Zwei Fälle (9. und 12.) zeigten zwar wellenförmige 


23% 
33 


516 Hainiss und Heller. Heft 5 


Leukocytenkurven an diesem Tage, jedoch entweder mit Verände- 
rungen unter 20%, (Fall 9) oder aber mit unverhältnismäßig höherem 
Aufstieg als Abfall (Fall 12). Auch diese zwei Fälle müssen demnach 
zu den negativen Reaktionen gezählt werden, nach unserer oben 
besprochenen Auffassung. Eines ist sicher, daß wir ausgesprochene 
Leukopenie am Ende der Neugeborenenzeit am VIII. Tage nicht 
gesehen haben. Dies kann nicht nur auf Grund unserer Reihe von 
12 beobachteten Fällen ausgesagt werden, sondern kann weiter mit 
25 am VIII. Tage vollzogenen Untersuchungen unterstützt werden. 
Diese Ergebnisse tragen dazu bei, unsere schon an anderer Stelle 
betonte Meinung [Heller (5)] zu bekräftigen, daß, in Widerspruch 
mit Schiff-Stranskys Untersuchungen bei gesunden Brustkindern 
die Verdauungsleukopenie nicht physiologisch ist, im 
Gegenteil — zugebend, daß wir selten auch Verdauungs- 
leukopenie gefunden haben — unserer Meinung nach bei 
gesundem Säugling die Verdauungsleukocytose die regel- 
maBige ist. Nach Schippers und C. de Lange steigen im großen 
Material die mit Schiffs Angaben widersprechenden Ausnahmen, 
doch Friedemann und Nubian glauben auf Grund ihrer orien- 
tierenden Versuche, daß der gesunde Säugling in dieser Beziehung sich 
nicht anders verhält, als der Erwachsene und machten für Schiffs 
Versuchsergebnisse die Überdosierung der Nahrung verantwortlich. 
Ihre Annahme, laut welcher bei gesundem Säugling die Verdauungs- 
leukocytose regelmäßig wäre, findet Unterstützung in unseren 
Untersuchungen, doch können wir nicht zugeben, daß die von Schiff 
beobachtete Verdauungsleukopenie ein Folgezustand der Über- 
dosierung der Nahrung wäre. Schiffs Nahrungsmengen können im 
allgemeinen nicht als zu große angesehen werden, und übrigens hat 
er theoretisch Friedemann und Nubians Auffassung bereits 
widerlegt. Wir gaben wiederholt die !/,—2fache Menge der physio- 
logischen Nahrung, um den Einfluß der Überdosierung auf die Ver- 
dauungsveränderung der weißen Blutkörperchenzahl zu beobachten. 
Von diesen seien nur 3 Fälle erwähnt, als je ein Beispiel des beobach- 
teten verschiedenen Verhaltens. Der eine Fall, ein vier Wochen alter 
3!/, kg wiegender Säugling, welcher auf seine gewöhnliche Mahlzeit 
von 100 g Frauenmilch mit Verdauungsleukocytose reagierte (9300— 
10 200—II 000—11 600—12 000), auf Darreichung von 180 g Frauen- 
milch, d. h. fast die doppelte Menge ebenfalls Steigung der weißen 
Blutkörperchenzahl aufwies (10900— 11300—12350—10500—10850). 
Die zwei anderen Fälle sind Neugeborene, welche nach der Geburt 
50 g Colostrum bekamen. Der eine antwortete auf die Überdosierung 


Heft 5 Das Verhalten der Leukocytenzahl während der Verdauung. 517 


mit Leukopenie (15 900—14 500—12 900—14 300—10 100), der 
andere mit Leukocytose (20 250—24 100—25 500—2I 900— 22 IO0), 
wahrend bei 5 g Colostrum beide Leukopenie aufwiesen (I. 14 000— 
II 300—10 250—9500—12 000, II. 18 700—16 300—15 400—16 300 
—17 500). Uberdosierung lést demnach nicht unbedingt 
Verdauungsverminderung der Leukocytenzahl aus bei 
cinem sonst mit Verdauungsleukocytose reagierendem 
Säugling oder Neugeborenem. 

Was die Veränderung der Leukocytenzahl der Neugeborenen an- 
belangt, stimmen diese mit den älteren Angaben von Scipiades 
überein: Die bei der Geburt hohe Zahl fällt allmählich ab, am III. 
und IV. Tag ziemlich gleichbleibend, um am VII. und VIII. Tag 
ein wenig steigend, seine bleibende Höhe zu erreichen. Individuelle 
Schwankungen sind ziemlich groß, am ı. Tag zwischen 28 300 (Fall 6) 
und 10 250 (Fall 9) schwankend. 

Linzenmeier (ro) hat jiingst mitgeteilt, daB aus der am ersten 
Tage auftretenden Krise beinahe mit Bestimmtheit die Erscheinung 
des Icterus neonatorum vorausgesagt werden kann. Er beobachtete 
die Leukocytenzahlveranderung an 30 Neugeborenen, bei 22 nach 
Verlauf der ersten 24 Stunden, bei 8 am III.—IV. Tag bei bestehen- 
dem manifestem Icterus. Nach seinen Untersuchungen wurden 
Neugeborene, welche nach Verlauf der ersten 24 Stunden hamo- 
klasische Krise aufwiesen, gelbsiichtig, die sich anders verhaltenden 
jedoch nicht. Die acht untersuchten icterischen Säuglinge aber 
wiesen Leukopenie auf. Dieser Zusammenhang schien interessant, 
und in Anbetracht dessen, daß von der hämoklasischen Krise auf 
eine funktionelle Störung der Leber geschlossen werden kann, auch 
wahrscheinlich zu sein. Unsere an großem Material bewerkstelligten 
Untersuchungen scheinen dies jedoch nicht zu bekräftigen. Unter 
109 untersuchten Neugeborenen bestand bei 46 sichtbare Gelbsucht, 
bei 63 keine. Von den 46 gelbsüchtigen reagierten auf Nahrungs- 
aufnahme 12 (26,08%) mit Leucopenie, 32 (69,56%) mit Leukocytose, 
und bei 2 (4,36%) war die Reaktion unbestimmt. Von den 63 Neu- 
geborenen ohne sichtbare Zeichen von Icterus (die jedoch schwach 
icterisch sein konnten) bei 24 (38,09%) war Krise, bei 33 (52,38%) 
Leukocytose, bei 6 (9,53%) war der Befund nicht bestimmbar. Diese 
letzte Gruppe außer acht lassend, bei der, wenn auch nicht sichtbar, 
doch mittels Blutuntersuchung Gelbsucht wahrscheinlich nachweisbar 
gewesen wäre, wollen wir nur das Material der ersten Gruppe be- 
rücksichtigen. Bei diesen war der Icterus sichtbar, demnach stark 
ausgeprägt, und doch bestand nur in 26% Krise, in 69% nicht. 


518 Hainiss und Heller. Heft 5 


Diese Verhältnisse zeigen an, daß zwischen der Gelbsucht der 
Neugeborenen und der hämoklasischen Krise kein Zu- 
sammenhang festzustellen ist, doch bekräftigt dies auch 
unsere ausführliche Versuchsreihe von 12 untersuchten Fällen, von 
denen wir nur die Fälle 4 und 8 erwähnen wollen als solche, die 
in der Neugeborenenperiode niemals mit Krise reagiert hatten, ob- 
zwar Fall 4 stark sichtbaren Icterus aufwies. Fall 8 jedoch über- 
haupt nicht gelbsüchtig wurde. Wir können uns auch Linzen- 
meiers Ansicht nicht anschließen, nach welcher aus dem Ergebnis 
der nach Ablauf der ersten 24 Stunden verrichteten Untersuchung 
auf das Auftreten des Icterus geschlossen werden könnte. Die Fälle 
2, 3, 5, 6, 7, IO reagierten zu dieser Zeit mit Leukopenie, doch 
wies nur Fall 13, 5, 7, 10 sichtbare Zeichen von Icterus auf. Um- 
gekehrt fanden wir nach Ablauf der ersten 24 Stunden ausgespro- 
chene Verdauungsleukocytose im Falle 9 und 11 (den II. Tag der 
von uns ebenso bewerteten Fälle 4, 8, 12 gar nicht mitgerechnet) 
und beide wurden stark gelbsiichtig, Fall II sogar in selten hohem 
Grade. Auf Grund unserer in Serien ausgeführten Untersuchungen 
können wir Linzenmeiers Angaben, welche aus einer einmaligen 
Beobachtung gezogene Schlüsse vorstellen, nicht zustimmen. In 
der Neugeborenenzeit ist vom Vorhandensein der hämoklasischen 
Krise entweder kein Schluß auf die unvollkommene Funktion der 
Leber zu ziehen, da die Krise ganz unerwartet auch an solchen Tagen 
wieder auftreten kann, an welchen die Funktion der ‚rückständigen“ 
Leber schon vollkommener geworden ist, oder — sollte der hämo- 
klasischen Krise ein sicherer diagnostischer \Vert zugegeben sein — 
ist die Leber der Neugeborenen nicht in einer funktionellen ‚„Rück- 
ständigkeit‘‘ sondern in einer funktionellen Unsicherheit. 
Nach den Ergebnissen unserer Versucheistinder Neugeborenen- 
zeit 
1. Verdauungsleukocytose und Leukopenie regellos wechselnd, 
2. hämoklasische Krise am häufigsten am II. Tage zu finden. 
3. Es gibt keine auf Nahrungsaufnahme immer mit Leukopenie 
reagierenden Neugeborenen. 
4. Vereinzelte Neugeborene reagieren in der ganzen Neugeborenen- 
zeit kein einziges Mal auf die Nahrungsaufnahme mit Krise. 
5. Am Ende der Neugeborenenzeit wird die Verdauungsleuko- 
cytose die Regel. 
6. Zwischen der Gelbsucht des Neugeborenen und der Veränderung 
der weißen Blutkörperchenzahl besteht kein Zusammenhang. 


Heft 5 Das Verhalten der Leukocytenzahl wahrend der Verdauung. 519 


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Literaturverzeichnis. 


. Mayer-Estorf, Klin. Wochenschr. 1922, Nr. 18. 

. Eisenstadt, Klin. Wochenschr. 1922, Nr. 36. 

. Torday, Orvosi Hetilap 1922, Nr. 22. 

. Schiff und Stransky, Jahrb. f. Kinderheilk. 1921, Bd. 95. 

. Heller, Orvosi Hetilap 1923, Nr. 14 und Monnatsschr. f. Kinderheilk. 1923, 


Bd. 26. 


. Lesne und Langle, Physiologie norm. et pathol. du nourisson 1921 (ref.). 
. Schippers und C. de Langle, Zeitschr. f. Kinderheilk. 1922, Bd. 33. 
. Stranskv und Langer, Klin. Wochenschr. 1922, Nr. 5. 

. Friedemann und Nubian, Klin. Wochenschr. 1922, Nr. 40. 

. Linzenmeier und Lilienthal, Zentralbl. f. Gynakol. 1922, Nr. 47. 


Aus der Universitäts-Kinderklinik in Breslau. (Dir.: Prof. Dr. Stolie.) 


Zur Differentialdiagnose zwischen Relaxatio diaphragmatica 
und Hernia diaphragmatica. 


Von Dr. Wilhelm Schober, Assistent der Klinik. 
(Mit 8 Abbildungen.) 


Die Atrophie des Zwerchfells, eine im ganzen recht seltene Ano- 
malie — die Literatur weist nur 22 sichere Fälle auf —, die sich 
pathologisch-anatomisch in einem Verlust oder wenigstens in einer 
erheblichen Reduzierung der zwischen Pleura und Peritoneum ge- 
legenen Muskelschicht dokumentiert, führt zu einem Krankheitsbild, 
das fast immer große differentialdiagnostische Schwierigkeiten 
bietet. Im Vordergrund der Symptome steht eine Hochdrängung 
des in seiner Kontinuität intakten Zwerchtells, weshalb von manchen 
Autoren von einem „idiopathischen Zwerchfellhochstand‘ ge- 
sprochen wird. Lange war die von Cruvelhier geprägte Bezeich- 
nung Eventratio diaphragmatica üblich, am treffendsten dürfte jedoch 
das Krankheitsbild nach dem Vorschlag von Wieting als Relaxatio 
diaphragmatica = Zwerchfellerschlaffung benannt werden, da mit 
diesem Ausdruck am besten der anatomischen Grundlage Rechnung 
getragen wird und die daraus resultierenden klinischen Verhältnisse 
sich leicht vermuten lassen. Frühere diagnostische Irrtümer, wie 
Verwechselungen mit Pleuritis exsudativa, Pneumothorax und 
echter Dextrokardie, lassen sich seit Einführung des Röntgenver- 
fahrens leicht vermeiden, nur die differentialdiagnostische Abgren- 
zung der Relaxatio diaphragmatica gegenüber der Hernia dia- 
phragmatica ist auch heute so schwierig, daß sie von manchen Autoren 
sogar für unmöglich gehalten wird. Die Schwierigkeiten erhellen 
vielleicht am besten aus der Tatsache, daß der in der Literatur oft 
genannte Fall Schneider (autoptisch: Relaxatio diaphragmatica) 
an verschiedenen Universitätskliniken und Krankenhäusern Deutsch- 
lands von berufensten Untersuchern bald als Hernia, bald als Rela- 
xatio diagnostiziert wurde. Und doch ist die Sicherstellung des 
Befundes für den Patienten von weittragendster Bedeutung, da die 


Heft 5 Zur Differentialdiagnose zwischen Relaxatio diaphragmatica usw. 52I 


Hernie wegen der Gefahr der Incarceration den chirurgischen Ein- 
griff erfordert, während ihn die Relaxatio unnötig und zwecklos 
erscheinen läßt. 

Im folgenden sei kurz über eine 'eigene Beobachtung berichtet, 
bei der wir die Klärung des Symptomenkomplexes als Relaxatio 
. für durchaus gesichert halten. 

Der ı2 jährige, gut entwickelte und aus gesunder Familie stammende Knabe 
Paul B. wurde vom Schularzt, dem er bei einer Reihenuntersuchung wegen 
eines linksseitigen Lungenbefundces aufgefallen war, zugeschickt. Bemerkens- 
wert erschien, daß das Kind, von einer Scarlatina mit Ohrkomplikation ab- 
gesehen, stets gesund gewesen war und auch zur Zeit keinerlei Beschwerden 
hatte. Als physikalischer Befund fiel zunächst eine Verlagerung der Herz- 
dAmpfung nach rechts auf (Herzgrenzen [relative Dämpfung]: 1. Parasternal- 
linie, r. Parasternallinie, 1. oben 3. Rippe). Über der linken Lunge fand sich 
hinten unten unterhalb des Angulus scapulae ein Dämpfungsgebiet mit tympani- 
tischem Beiklang, das sich nach der Wirbelsäule zu aufhellte. In diesem Be- 
zirk war das Atemgeräusch außerordentlich stark abgeschwächt, teilweise 
aufgehoben. Während bei der ersten Untersuchung, gestützt durch eine Tempe- 
raturerhöhung bis 38,5° (es hat sich wohl um einen vorübergehenden banalen 
Infekt gehandelt), die Vermutung eines pleuritischen Exsudates nahe lag, 
störte im Symptomenbild das Mißverhältnis zwischen der geringen Intensität 
der Klopfschallverkürzung und dem hohen Grad der Abschwächung des Atem- 
geräusches. Die Durchleuchtung vor dem Röntgenschirm gab rasch eine ge- 
wisse Klarheit: die Lungenfelder waren frei, ein Exsudat war nicht erkennbar, 
dagegen zeigte sich ein auffallender Hochstand des linken Zwerchfells. Auf 
den ersten Blick hatten wir den Eindruck, daß eine einfache Hochdrängung 
der in ihrem Verlauf etwas stärker als gewöhnlich gewölbten Grenzlinie zwischen 
Bauch- und Brusthöhle vorlag. also eine Relaxatio. 


Diese Diagnose versuchten wir durch genaue klinische Be- 
obachtung, durch ausgiebige Verwendung des Röntgenverfahrens 
und durch Messung des Mageninnendrucks in seiner Abhängigkeit 
von der Respiration zu sichern. Obwohl eine Reihe von Unter- 
suchern auf die röntgenologische Diagnose allein schwören zu 
können glauben, hielten wir doch eine Heranziehung der letztge- 
nannten von Hildebrand und Heß!) angegebenen Methode für 
angezeigt. Die mit beiden Verfahren gewonnenen Resultate stützten 
die Diagnose der Relaxatio voll und ganz, so daß auch wir trotz 
der von Becker?) gegen die Methode Hildebrands und Heß’ 
vorgebrachten Einwände der Ansicht Bergmanns?) beipflichten, daß 





1) Hilde brand und HeB: Zur Differentialdiagnose zwischen Hernia 
diaphragmatica und Eventratio diaphragmatica. [Münchner med. Wochenschr. 
1905, Nr. 16.] 

2) Becker: Röntgenuntersuchungen bei Hernia und Eventratio dia- 
phragmatica [Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen, Bd. 17 (1911).} 

2) Bergmann: Über Relaxatio diaphragmatica. [Ergebnisse der inneren Me- 
dizin und Kinderheilkunde, Bd. 12 (1913).] (Dort ausführliche Literaturangaben |) 


522 Schober. Heft 5 


man mit Hilfe der Magendruckmessung „mit an Sicherheit 
grenzender Wahrscheinlichkeit‘‘ die Differentialdiagnose zwischen 
Hernia diaphragmatica und Relaxatio diaphragmatica stellen kann. 

Die klinische Beobachtung ‘unseres Falles ließ bald eine gesetz- 
mäßige Abhängigkeit des physikalischen Befundes von der Nahrungs- 
aufnahme erkennen. Der wechselnde Befund wird vielleicht am besten 
durch die folgender Skizzen illustriert: 


Angulus scap 


Z A 








Dämpfung _- "=. (Rückansicht! 
> oo ` N 
a r N 
> 
a. 
ai 2, 
2) 5 
7| © 
DSS 
= 10. Brustwirbel 
Skizze 1. 
( Vorderansicht) 
o Mamille 
Nerzdämpfung: 


absolute Leberdämpfung 7 
_ :\ord. Mahlzeit 


-° : nach d. Mahlzeit 


Skizze 2. 


Heft 5 Zur Differentialdiagnose zwischen Relaxatio diaphragmatica usw. 523 


Das Bild vor dem Röntgenschirm ergänzt die Ergebnisse der 
Perkussion und Auskultation mit noch größerer Deutlichkeit. Er- 
wähnt mag noch werden, daß bei häufigen Nachuntersuchungen 
innerhalb von 4 Monaten stets die gleichen Befunde erhoben wurden. 





® 
(nüchtern) (nach der Mittagsmahlzeit) 
Skizze 3. Skizze 4. 


Die Skizzen 1, 2 und 4 werden natürlich durch einen stärkeren 
Füllungszustand des Magens und das dadurch bedingte Ausweichen 
des linken Zwerchfells, das einen locus minoris resistentiae darstellt, 
hervorgerufen. 

Unbedingt klar zu beantworten ist dabei die Frage: Stellt die 
Grenzlinie zwischen Abdomen und Brustraum einfach die Zwerch- 
fellkontur dar oder wird sie teilweise durch Zwerchfell und teilweise 
durch den Magen, der durch eine Zwerchfellücke hindurchgetreten 
ist, gebildet. Der springende Punkt bleibt also letzten Endes der: 
Befindet sich der Magen im Brustraum oder im Bauchraum ? 

Nur eiri Zusammentreffen mehrerer gleichsinniger Beobachtungen 
kann eine einwandfreie Entscheidung geben. Die gleichmäßig bogen- 
förmige Linie, die in unserem Fall Brust- und Bauchraum trennt, 
spricht für Relaxatio; bei der Hernie würde man eine mehr stufen- 
förmige Kontur erwarten können. Die Bogenlinie macht verhältnis- 
mäßig ausgiebige Exkursionen bei der Respiration, tritt bei der 
Inspiration ca. 4 cm tiefer, während im Fall einer Hernia diaphrag- 
matica durch den negativen Druck im Thoraxraum Magen und 
Darmteile aspiriert werden müßten und dann eine Aufwärtsbewegung 
der Bogenlinie, eine paradoxe Verschieblichkeit, eintreten müßte 
oder wenigstens könnte. ‘Indes liefern diese Beobachtungen nur 
gewisse Anhaltspunkte zugunsten der einen oder der anderen Auf- 
fassung. Den schlagenden Beweis für die Diagnose der Relaxatio 
diaphragmatica erbringt die Röntgenphotographie nach Wismutbrei- 


524 


Schober. 





ee 
— — u 





Heft 5 Zur Differentialdiagnose zwischen Relaxatio diaphragmatica usw. 525 


füllung des Magens, wenn es gelingt, Zwerchfell und Magenwand 
getrennt darzustellen. 

Figur I zeigt die hochstehende Bogenlinie, darunter fast senk- 
recht dazu 2 Konturen, die der Magenwand entsprechen dürften. 
Bei Drehung (Figur 2) gelangen diese beiden Konturen fast zur 
Deckung, die Bogenlinie bleibt unverändert. Auf Figur 3 endlich 





erkennt man den dichten Schatten des mit Kontrastbrei gefüllten 
Magens, daneben deutliche Dickdarmteile mit Zeichnung der 
Haustrien. Darüber hinweg zieht in unveränderter Gleichmäßigkeit 
vom Herzschatten zur Peripherie die Bogenlinie, deren Identität 
mit dem Zwerchfell besonders auf Grund der letztgenannten Röntgen- 
aufnahme nicht mehr in Zweifel zu ziehen ist. | 

Die Ergebnisse der nach Hildebrand-Heß’ Vorschlag vor- 
genommenen Druckmessungen bilden einen weiteren Stiitzpunkt der 
Diagnose. 

Um der Kurve noch mehr Beweiskraft zu verleihen, registrierten 
wir neben der Respiration und dem Mageninnendruck gleichzeitig 
die Druckschwankungen im Dickdarm, einem sicher im Abdomen 


526 Schober: Differentialdiagnose. Heft 5 


gelegenen Hohlorgan. Liegt der Magen im Bauchraum, so muß 
nach Schlippe?) der Innendruck bei der Inspiration erst absinken 
infolge Hebens der Rippen, dann bis zur Höhe der Inspiration an- 
steigen; bei Beginn der Exspiration muß der Druck infolge Er- 
schlaffung und Hochsteigens des Zwerchfells sinken, dann beim 
Inkrafttreten der Bauchpresse etwas ansteigen, um schließlich end- 


R | | x Pr 


h `t 


ww asi AN 


R = Respiration I = Inspiration, 

Me oe E = Exspiration, 

D == Darmdruck, Pr = Pressen auf der Höhe der In- 
spiration. 


gültig abzufallen. Die gleiche Forderung besteht unseres Erachtens 
für den Ablauf der Darmkurve. Da unsere Kurve in allen ihren 
Phasen diesen Forderungen gerecht wird, so schließen wir daraus 
mit aller Bestimmtheit: Weil die Magenkurve direkt gleichsinnig 
der Darmkurve verläuft, so muß auch der Magen in derselben Körper- 
höhle liegen wie der Darın, also kann es sich in unserem Falle nur 
um eine Relaxatio diaphragmatica handeln. 

Was die Ätiologie der Zwerchfellschädigung betrifft, so möchten 
wir eine kongenitale Mißbildung für am wahrscheinlichsten halten. 
Unsere Auffassung findet in autoptischen Befunden — hat man 
doch mehrfach bei Neugeborenen eine Zwerchfellatrophie feststellen 
können — ihre Begründung und deckt sich mit derjenigen der meisten 
Autoren. Ein Trauma scheint in unserem Fall nicht in Frage zu 
kommen, eine primäre Schädigung des N. phrenicus möchten wir 
bei der doch noch recht guten Bewegung des Zwerchfells ablehnen. 


1) Schlippe: Physikalische Untersuchungen bei der Anwendung des 
Magenschlauches. (Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 76 (1903).] 


Referate. 


Physiologie und allgemeine Pathologie. 


Slawik, E. Über Ödembereitschaft beim Säugling. (Arch. f. Kinder- 
heilk. 72, 1923, S. 178.) 
Es werden die verschiedenen Formen der Ödeme der Neugebore- 
nen und Säuglinge geschildert und nach ihrer verschiedenen Ätiologie, 
soweit diese bekannt ist, geordnet. P. Karger. 


Borrino, Angiola. Schwankungen der „Perspiratio insensibilis“. Ihr 
Wert für die Pathologie des Sauglings. (Riv. di clin. pediatr. 1923, 
11, H. 3, S. 151.) 

Mit dem für Kinder veränderten Galeottischen Apparat hat 
Verf. beträchtliche Schwankungen der ‚Perspiratio insensibilis‘ 
und der Hauttemperatur bei verschiedenen Kleidungszuständen 
feststellen können. Bei Neugeborenen, Säuglingen und auch älteren 
Kindern bewirkt die Beschwerung der Kleidung eine schnelle Steige- 
rung der Hauttemperatur und der ‚Perspiratio“, besonders bei 
schwer durchdringlichen Kleidern und bei hoher Umgebungs- 
temperatur. Diese Ergebnisse beweisen die große Bedeutung der 
Kleidungsart für den Wasser- und Wärmestoffwechsel im Kindes- 
alter und für die spezielle Pathologie des Säuglings (Sommersterblich- 
keit wegen Gastroenteritis). 


Diagnostik. 


Nizzoli, A. (Universität Modena). I} valore semetologico della pressione 
arteriosa in Pediatria. (Die diagnostische Bedeutung des Blutdrucks 
in der Pädiatrie.) (La Pediatria 1923, 31, S. 609.) 

Die auskultatorische Methode von Korotkow ist bei kleineren 
Kindern schwer anwendbar; sehr gute Resultate gibt das Oscillo- 
meter von Pachon. Senkung des maximalen und minimalen Blut- 
drucks findet man bei Vasomotorenlähmung, bei plötzlichen Blut- 
verlusten, bei Myokardeıkrankung und vielen Infektionskrank- 
heiten ; Steigerung des maximalen und normalen minimalen Drucks 
bei Aorteninsufficienz; erhöhten Maximal- und Minimaldruck bei 
Hypertension infolge von Nierenerkrankungen, normalen Maximal- 
druck und erhöhten Minimaldruck bei Fällen von Hypertension, 
die mit Herzinsufficienz kombiniert sind. Tezner (Wien). 


528 Diagnostik. Heft 5 


Koeppe, Hans. Die Perkussion des kindlichen Schadeis. (ÜUniver- 
sitäts-Kinderklinik Gießen.) Jahrb. f. Kinderheilk. 102, 1923, 'S. 13. 


Auf Grund langjähriger Erfahrungen, über die Verfasser schon 
ıgıg (Dtsch. med. Wochenschr. 1919, Nr. 6) berichtete, kommt er 
zu dem abschließenden Ergebnis, daß die Perkussion des kindlichen 
Schädels keineswegs die Diagnose bestimmter Krankheiten zuläßt. 
Der praktische Wert dieser klinischen Methode soll vielmehr darin 
liegen, ganz allgemein einen Anhaltspunkt für erhöhten intrakra- 
nellen Druck zu geben, in gewissen Fällen den richtigen Zeitpunkt 
für eine Lumbalpunktion zu bestimmen, gemeinsam mit anderen 
Symptomen die Diagnose erhöhten Hirndruckes zu festigen. Die 
Methode ist, wie Koeppe angibt, nicht neu, wurde von alten Tier- 
ärzten und namhaften Klinikern (Piorry 1828, Betz 1855, Bruns 
1897) geübt und verfeinert, kann bei fehlerhafter Technik leicht zu 
Trugschlüssen führen. Untersuchung erfolgt am besten in Rücken- 
lage des Patienten, der Kopf soll auf einem Kissen liegen. Die Schall- 
unterschiede sind wahrscheinlich in der verschiedenen Spannung der 
Schädelwandung begründet, eine genaue physikalische Erklärung 
ist schwierig. Das wichtigste klinisch verwertbare Symptom ist 
ein Auftreten von tympanitischem Schall und ,,Schettern‘ (bei 
direkter ganz kurzer Perkussion mit leicht gekrümmtem Zeige- oder 
Mittelfinger) das stets für erhöhten intrakraniellen Druck spricht. 
Die Befunde deckten sich in einer Reihe von Fällen (Hirntumor. 
Meningitis, Encephalitis, Hydrocephalus) mit den Ergebnissen der 
Lumbalpunktion (erhöhter Liquordruck) und der Augenhinter- 
grundsuntersuchung (Stauungspapille). Das Symptom ist bei Säug- 
lingen weniger brauchbar als jenseits des ersten Lebensjahres. 

W. Gottstein. 


Provinciali, U. (Päd. Klin. Parma). Sul valore diagnostico della 
reazione di Pandy nelle meningiti tuberculari de; bambini. (Der 
diagnostische Wert der Pandyschen Reaktion bet der tuberkulésen 
Meningitis der Kinder.) (La Pediatria 1923, 31, S. 409.) 

Die Pandy-Reaktion muß stets den Verdacht auf Meningitis 
tuberculosa erwecken, ist aber für diese nicht charakteristisch. 
Nur wenn außerdem noch ein Spinnwebgerinnsel auftritt, ist die 
Diagnose mit Sicherheit zu stellen. Tezner (Wien). 


Landau, A. Über einen tonischen Lagereflex beim ältern Säugling. 
(Klin. Wochenschr. II. Jahrg., Nr. 27, 2. Juli 1923.) 

Hebt man ältere Säuglinge aus der Bauchlage, in der sie be- 
kanntlich selbst den Kopf heben und das Kreuz durchdrücken — 
eine Lage, wie sie bei zurückgebliebenen Rachitikern therapeutisch 
verwertet wird —, von ihrer Unterlage auf, ohne sie dabei um ihre 
Längs- oder Querachse zu drehen, so verharren die Kinder, selbst 


Heft 5 Diagnostik. — Behandlung. 529 


wenn sie nur an den oberen Thoraxpartien unterstiitzt, gewisser- 
maßen schweben, in ihrer opisthotonischen Haltung eine geraume 
Zeit, bis sie dann plötzlich Kopf und Becken schlaff herabsinken 
lassen. Während des Stadiums der tonischen Schwebehaltung 
bewirkt passive Beugung des Kopfes sofortige Erschlaffung der 
Rückenstrecker. Diese Erscheinungen finden sich besonders aus- 
geprägt bei Kindern, deren Kopf und Oberkörper beim Versuch des 
Aufsetzens schlaff auf die Unterlage sinken. Kinder mit vollent- 
wickelten statistischen Fähigkeiten zeigen dieses Phänomen nicht 
mehr. Verfasser bringt diese Beobachtungen in Beziehung zu den 
von Magnus und seiner Schule studierten Stellreflexen. Die be- 
sondere Verknüpfung der Labyrinth- und Halsreflexe beim älteren 
Säugling dürfte für die Entwicklung der statischen Fähigkeiten 
von Wichtigkeit sein. Die Erscheinungen zeigen ferner, daß der 
klinische Eindruck vom Tonus der Muskulatur keinen Schluß auf ihre 
„wahre“ tonische Leistungsfähigkeit zuläßt. Wolff (Hamburg). 


Tebbe. Über den hemmenden Einfluß von Luesflocken auf die Saponin- 
hämolyse. (Arch. f. Kinderheilk. 72, 1923, S. 257.) 


Bei positiven Reaktionen hemmen die Flocken stärker als die 
abpipettierte Flüssigkeit allein, bei negativen kein Unterschied. 
Das Cholesterin, das als hemmender Faktor angesehen wird, muß 
also vornehmlich in den Flocken vorhanden sein. P. Karger. 


Behandlung. 


Herrmann, G. Vergleichende Untersuchungen über Heslwirkungen der 
Quarz- und der Heltollampe. (Arch. f. Kinderheilk. 72, 1923, 
S. 172.) 
Bei geringem Material gleiche Erfolge. Bei exsudativen Haut- 
erscheinungen erwies sich Heliollampe als besser, bei Rachitis kein 
Unterschied. P. Karger. 


Eckstein, A. und Möllendorff, W. v. Histophysiologische Untersuchun- 
gen über den Einfluß der Bestrahlung mit der Quecksilberquarzlampe. 
(Arch. f. Kinderheilk. 72, 1923, S. 205.) 


Weiße Ratten wurden mit Trypanblau injiziert und nach Be- 
strahlung mit mäßiger Dosis die Speicherung des Farbstoffes in der 
Niere histologisch geprüft. Die Speicherung erfolgte bei den be- 
strahlten Tieren schneller. Die Tätigkeit der Niere wird gesteigert 
durch Bestrahlung, was sich in beschleunigter Ausscheidung der 
Farbe manifestiert. Depots in der Haut werden durch die Bestrah- 
lung mobilisiert und in rascheren Umlauf gebracht, die stärkere Durch- 
blutung stellt dabei wohl ein ursachliches Moment dar. P. Karger. 


Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 34 


_* = a 


530 Behandlung. Heft 5 


György, P. und Gottlieb, K. Verstärkung der Bestrahlungstherapie 
der Rachitis durch orale Eosinverabreichung. (Klin. Wochenschr. 
II. Jahrg., Nr. 28, ọ. Juli 1923.) 

Durch orale Verabreichung von Eosin (0,1 Eosin cryst. bläulich 
Höchst tgl. auf die Mahlzeiten verteilt) kann die photodynamische 
Wirkung der Quarzlichtbestrahlung deutlich verstärkt und die 
Heilungsdauer der Rachitis wesentlich verkürzt werden, was bei 
den hohen Kosten des. elektrischen Stromes und des Krankenhaus- 
aufenthaltes sehr erwünscht ist. Der Heilungsverlauf wurde nicht 
nur klinisch, sondern auch röntgenologisch und durch Bestimmung 
des Blutphosphatwertes kontrolliert. Wolff (Hamburg). 


Bucky und Kretschmer. Röntgenbestrahlungen zur Hebung des All- 
gemetnzustandes schwächlicher Kinder. (Klin. Wochenschr. 2, Nr. 32, 
S. 1498.) 

Die bei der therapeutischen Röntgenbestrahlung tuberkulöser 
Kinder gemachte Erfahrung, daß schon nach den ersten Bestrah- 
lungen sich der Allgemeinzustand deutlich besserte, vor allem der 
Appetit auffallend zunahm und sich ein steiler Gewichtsanstieg zeigte, 
gab die Veranlassung auch bei sicher nichttuberkulösen, elenden 
Kindern einen Versuch mit Bestrahlungen mit Einzeldosen von 
ca. 1/, Erythemdosis, auf die Sternalgegend appliziert, zu machen. 
Der Erfolg war bei diesen Kindern, was den Allgemeinzustand an- 
langt, der gleiche wie bei den tuberkulösen Kindern. Nach einer 
einzigen Bestrahlung trat eine stark vermehrte Eßlust und ein 
starker Gewichtsanstieg auf; auch das Hämoglobin und die Erythro- 
cytenzahl nahm zu. Eine erneute Bestrahlung wurde erst dann 
vorgenommen, wenn der Erfolg der ersten nachzulassen begann, 
was nach 6 Wochen bis 3 Monaten einzutreten pflegt. Die Wirkung 
wird in Analogie gesetzt zu dem Effekt von Bluttransfusionen; in 
beiden Fällen handelt es sich um die Wirkung von Zerfallshormonen 
im Sinne Freunds. Wolff (Hamburg). 


Barabäs, Z. v., u. Torday, F. v. Proteinkörpertherapie in der Kinder- 
hetlkunde. (Arch. f. Kinderheilk. 7, 1922, S. 111.) 

Sehr skeptische Stellungnahme nach Versuchen an groBem Mate- 
rial. Bei Tuberkulose keine Erfolge, bei infektiösen Fieberprozessen 
oft Verschlimmerungen, kontraindiziert bei atrophischen Säug- 
lingen. Artfremde Eiweißkörper sind nicht zu empfehlen, am besten 
wirkt menschliches Blut, dann die Tiersera und Frauenmilch. 

P. Karger. 


Herbst, Käte. Über Behandlung der Säuglingsekzeme mit Witigal. 
(Arch. f. Kinderheilk. 72, 1923, S. 218.) 


Kurze Empfehlung des bekannten Antiscabiosum für die Be- 
handlung trockener Ekzeme. P. Karger. 


Heft 5 Pharmakologie. — Entwicklung. 531 


Pharmakologie. 


Siperstein, David M., und Kvenberg, Anna L. Die Wirkung von 
Arzneimitteln auf die Blutagglutinine. (Americ. journ. of dis. of 
childr. 26, S. 65.) 

Die Bestimmung der Gruppenagglutinine im Blut gab vor und 
nach Behandlung mit Chinin, mit milchsaurem Kalk, mit Ather 
(Narkose) und mit Arsen (Fowlersche Lösung) dasselbe Ergebnis. 

H. Vogt. 


Guy, Ruth A. Geschichte des Leberirans als Heilmittel. (Americ. journ. 
of dis. of childr. 26, S. 112.) 


Der Gebrauch von Fischtran zu Heilzwecken findet sich schon 
bei Hippokrates erwähnt, und Plinius schreibt, daß die Leber 
des Delphins bei langwierigen Hautleiden äußerlich und innerlich 
gebraucht wurde. An der Küste der Shetlandsinseln und des Nordens 
von Schottland galt die Leber des Kabeljau von jeher als ein Lecker- 
bissen, der Kranken und Schwächlichen verabfolgt wurde. Die 
erste Erwähnung der Verwendung des Lebertrans zu Heilzwecken 
findet sich im Jahre 1789, wo Darbey aus dem Krankenhaus in 
Manchester berichtete, daß bei chronischem schweren Gelenkrheu- 
matismus sehr schöne Erfolge damit erreicht worden seien. Offenbar 
hat es sich dabei um Fälle von Osteomalacie gehandelt. Im Jahre 
1822 schrieb die Gesellschaft für Wissenschaft und Kunst in Utrecht 
einen Preis aus für eine Arbeit über die chemischen Eigenschaften 
und die Heilwirkungen des Lebertrans. Im gleichen Jahre erschien 
in Deutschland die erste Abhandlung über den Lebertran als Heil- 
mittel (Schenck, Journal der prakt. Heilkunde 56, S. 31), und im 
Jahre 1824 brachte Schütte die ersten Krankengeschichten von 
Rachitisfällen, die mit Lebertran geheilt wurden (Arch. f. med. Er- 
fahrung 79. 1824). Seit dieser Zeit hat der Lebertran seinen Platz 
als Heilmittel der Rachitis behalten, wenn auch seine Wirksamkeit 
von Heubner, Salge, Baginsky, Biedert und Fischl geleugnet 
wurde. Die Untersuchungen der letzten Jahre haben über allen 
Zweifel sichergestellt, daß die bei Rachitis vorliegende Störung im 
Aschenstoffwechsel durch Lebertran behoben werden kann. 

H. Vogt. 


Entwicklung. 


Holt, L. E., und Fales, H. L. Beobachtungen über Gesundheit und 
Wachstum an Kindern einer Anstalt. (Americ. journ. of dis. of childr. 
26, S. I—22.) 

Die Entwicklung und die Ernährung einer größeren Anzahl 

Kinder im Alter von 4— 14 (Mädchen bis 16) Jahren konnte während 


34° 


532 Ernährung, Ernährungsstörungen und Ernährungstherapie. Heft 5 


31 Monaten genauer verfolgt werden. Der Gesundheitszustand war 
während der ganzen Beobachtungszeit gut, dank der regelmäßigen 
Lebensweise, einer reichlichen, aber einfachen Kost und der Ver- 
meidung von Ansteckung — die Kinder wurden im Hause unter- 
richtet. An 2 aufeinander folgenden Tagen wurde die Nahrungs- 
aufnahme der Kinder genauer festgestellt. Der Caloriengehalt der 
Kost war hoch. Dabei entfielen auf Fett durchschnittlich 22%, 
auf Kohlenhydrat 61% und auf Eiweiß 17%. Die Kinder verzehrten 
sehr viel Brot zu den Mahlzeiten, worauf der hohe Kohlenhydrat- 
verbrauch (61 statt 50%) zurückzuführen ist. Obwohl die Kinder 
7 verschiedenen Nationalitäten angehörten, fanden sich nur 6 
Knaben und ı Mädchen auf eine Gesamtzahl von 346, bei denen das 
Körpergewicht mehr als 10% unter dem für die Körperlänge berech- 
neten Durchschnittsgewicht zurückblieb. Auffallenderweise ergab 
die Beobachtung dieser Anstaltskinder, die das ganze Jahr hindurch 
unter sehr gleichmäßigen Bedingungen lebten, keinen Einfluß der 
Jahreszeit auf die Entwicklung. Der Jahreszuwachs an Körper- 
gewicht war sehr gleichmäßig, während sich für die einzelnen Monate 
sehr erhebliche Schwankungen, aber ohne jede Regelmäßigkeit, heraus- 
stellten. Beobachtung verdient, daß monatelange Gewichtsstill- 
stände vorkamen ohne erkennbare Gesundheitsstörung. H. Vogt. 


Ernährung, Ernährungsstörungen und Ernährungstherapie. 


Zimmermann, E. Zur Indikationsstellung der Czerny-Kleinschmidi- 
schen Buttermehlnahrung. (Doktordissertation der Univ.-Kinder- 
klinik Göttingen 1922.) 

Bei dem im großen ganzen sehr schwerkranken Säuglings- 
material mußte mit der Verordnung der Nahrung vorsichtig vor- 
gegangen werden. Es wurde daher nicht immer sofort die Voll- 
nahrung gegeben, sondern z. B. mit 400 Milch, 200 Wasser und 400 
Buttermehlschwitze angefangen und später 400 Milch und 600 
Buttermehlschwitze gegeben. Auch letztere wurde noch variiert 
von 4:4 :3 und 5:5:4 bis 7:7:5. Mehr als !/, des Körper- 
gewichts wurde nur nach längerer Zeit gegeben. Bei ganz jungen 
Säuglingen wurde mehrmals die Mischung mit Frauenmilch ver- 
ordnet. Die Erfahrungen erstrecken sich auf ein Material von 47 Säug- 
lingen und Kleinkindern im Alter von 5 Monaten bis 61/, Jahren. 
Die Resultate waren sehr günstig. Besonders zwei Indikations- 
gebiete haben sich ergeben, bei denen die Buttermehlnahrung durch- 
aus zu empfehlen ist, nämlich für den gewesenen Atrophiker und 
den schlecht gedeihenden Rachitiker. Eine dritte Gruppe von 
Säuglingen sei erwähnt, bei denen es sich sehr wahrscheinlich um 
schwere parenterale Schädigungen handelte, die auf die Buttermehl- 


Heft 5 Ernährung, Ernährungsstörungen und Ernährungstherapie. 533 


nahrung mit sehr gutem Erfolg reagierte. Schließlich wurden 8 Säug- 
linge mit Pneumonie, Lungentuberkulose, Knochen- und Hauttuber- 
kulose und Spasmophilie, die mit anderen Nährgemischen keine 
gedeihliche Entwicklung zeigten, zu guter Zunahme gebracht. Auch 
Mißerfolge blieben nicht erspart. Wenn sich eine Schädigung bei 
der Ernährung mit der Buttermehlnahrung einstellte, so wurde der 
Zustand des Säuglings meist sehr bedenklich, und eine Reparation 
war nur mit großer Mühe zu erreichen. Autoreferat. 


Brody, S., Ragsdale, A. C., und Turner, C. W. Der Einfluß der 
Gestation auf den Verlauf der Abnahme der Milchsekretion mit fort- 
schreitender Lactationsdauer. (Journ. of general physiol. 5, Nr. 6. 
S. 777.) 

Die Beobachtung des Verlaufs der Milchsekretion bei der Kuh 
ergibt, daß die im Laufe der Lactationsperiode eintretende Abnahme 
der Milchmenge zahlenmäßig ausgedrückt sich so verhält, daß sie 
eine Exponentialfunktion der Zeit darstellt; das bedeutet, daß die 
Milchproduktion eines jeden Monates einen gleichbleibenden Prozent- 
satz der Milchproduktion des jeweils vorhergehenden Monats beträgt; 
das entspricht, ins Chemische übersetzt, dem Ablauf einer sog. 
monomolekularen Reaktion: die Milchsekretion würde sich voll- 
ziehen entsprechend einer bei der Gebürt eingeleiteten chemischen 
Reaktion und würde abnehmen entsprechend der Abnahme der 
Konzentration des in Milch umzuwandelnden Stoffes. Mit Eintritt 
einer neuen Gravidität geht die Milchmenge schneller zurück, als 
dieser Kurve der unimolekularen Reaktion entspricht; dabei besteht 
eine deutliche quantitative Relation zwischen der Gewichtszunahme 
des trächtigen Tieres und der Abnahme der Milchsekretion über das 
bei nichtträchtigen Tieren zu erwartende Maß hinaus. 

Wolff (Hamburg). 


Angelis, F. de. Sul comportamento morfologico del sangue nei disturbi 
della nutrizione. (Das morphologische Verhalten des Blutes bei 
Ernährungsstörungen.) (Päd. Klinik Neapel.) (Pediatria 81, 
1923, S. 641.) 

Bei einfacher Dystrophie fand Verf. herabgesetzten Hämoglobin- 
gehalt bei normaler Erythrocytenzahl; zuweilen leichte Leukocytose 
und Polynucleose, bei Dystrophie mit Dyspepsie dieselben Verände- 
rungen ausgesprochener. Bei Dekomposition betrug der Hämoglobin- 
gehalt 40—50%, Sahli, die Zahl der Erythrocyten 2—3 Millionen, 
die der Leukocyten ungefähr 13 000 mit Vermehrung der Polymorph- 
kernigen. Bei akuter Dyspepsie findet sich Leukocytose, bei In- 
toxikation ist die Zahl der roten Blutkörperchen mäßig, die der 
weißen stark vermehrt, es sind bis 90%, Polynucleäre vorhanden, 
sowie Eosinophile und Mononucleäre in größerer Anzahl. 

Tezner (Wien). 


534 Ernährungstherapie. — Wachstum und Stoffwechsel. Heft 5 


Stephanie, Elisabeth. Pathologisch-anatomische Befunde bei Ernäh- 
rungsstörungen der Säuglinge. (Pathologisches Institut der Uni- 
versität Leipzig.) (Jahrb. f. Kinderheilk. 101, 1923, S. 201.) 


Die Arbeit bringt eine zusammenfassende Darstellung eigener 
histologischer Befunde an Leber, Milz, Nebennieren, Thymus. An 
dem reichen Material von ı2ı Fällen (99 Säuglingen, unter diesen 
44 verschiedenartige Ernährungsstörungen) werden die vorangegan- 
genen Untersuchungen von Lubarsch und Hübschmann teils 
bestätigt, teils erweitert. Obgleich sich nur in einem Bruchteil aller 
Ernährungsstörungen eindeutige histologische Veränderungen nach- 
weisen lassen, gibt es doch vor allem für die akuten klinischen Bilder 
anatomische Unterlagen. Kurzdauernde tödlich verlaufende Dys- 
pepsien und Intoxikationen führten zu Leberverfettung, Fettschwund 
in der Nebennierenrinde, Hämosiderinablagerungen geringen Grades 
in Milz und Leber. Chronische Fälle weisen auffallend starke Hämo- 
siderinablagerungen besonders in der Milz auf, dagegen keine Leber- 
verfettung mit Ausnahme des Mehlnährschadens, wo sich überein- 
stimmend mit den Befunden von Hübschmann regelmäßig die 
starke Fettleber zeigte. Das häufige Vorkommen der Fettleber nach 
ganz akuten Dyspepsien spricht für die Annahme von Finkel- 
stein (neben toxischen Eiweißabbauprodukten wirken starke 
Wasserverluste schädigend auf das Leberparenchym), Verfettung 
der Thymuszellen, dessen Grad dem Gewebeschwund entsprach, 
fand sich bei akuten und chronischen Störungen ohne Zusammen- 
hang mit der klinischen Verlaufszeit. W. Gottstein. 


Wachstum und Stoffwechsel. 


Scheer, Kurt und Müller, Fritz. Zur Physiologie und Pathologie 
der Verdauung beim Säugling. I. Mitteilung. Acidıtät und Puffe- 
rungsvermögen der Faeces. (Universitäts-Kinderklinik in Frank- 
furt a.M.) (Jahrb. f. Kinderheilk. 101, 1923, S. 143.) 


In dieser Arbeit ist der Versuch gemacht, die Acidität der Säug- 
lingsstühle nicht nur aus der Art der Nahrung (Frauenmilch, Kuh- 
milch, Milchmischungen, Zuckerzusätze, puffernde Eiweißsub- 
stanzen) zu erklären, sondern die Reaktion auch aus den rein mo- 
torischen Vorgängen (Darmperistaltik, Verweildauer, Zahl und 
Konsistenz der Stühle) abzuleiten. Messungen des py bestätigten 
die älteren titrimetrischen Ergebnisse, daß Frauenmilchstuhl ım 
allgemeinen eine höhere Acidität zeigt als Kuhmilchstuhl. Weitere 
Versuche, die teilweise an verschiedenen Kindern, teils an dem glei- 
chen Fall bei Wechsel der Ernährung (Frauenmilch, dann Vollmilch, 
Kuhmilch mit steigenden Zuckermengen, Steigerung des puffernden 
Eiweiß) angestellt wurden, zeigten, daß reichlicher Zuckergehalt 


Heft 5 Wachstum und Stoffwechsel. 535 


und geringes Pufferungsvermögen mehr saure, Verminderung der 
schwer resorbierbaren Zucker und Steigern der Puffersubstanzen 
alkalischere Stühle bedingt. Das Pufferungsvermögen wurde durch 
die zur Erreichung einer bestimmten Acidität verbrauchte Säure- 
menge — Pufferindex nach F. Müller — bestimmt. Wichtig er- 
scheint vor allem die Beobachtung, .daß zahlreiche Stühle sauer, 
seltenere alkalisch zu sein pflegen. Verf. nehmen eine Wechsel- 
beziehung zwischen Häufigkeit, Pufferungsvermögen und Acidität 
an (längere Verweildauer und Eindickung bewirkt höheren Puffer- | 
gehalt). W. Gottstein. 


Ederer, Stefan und Kramär, Eugen. Untersuchungen über Acidose 
und Hyperglykämie in dem toxischen Symptomenkomplex des Saug- 
lingsalters. (Kinderklinik und physiologisches Institut der ElIi- 
sabeth-Universität Budapest.) (Jahrb. f. Kinderheilk. 101, 1923, 
S. 159.) 

Verff. geben zunächst eine zusammenfassende Darstellung 
vorangegangener Arbeiten über die Acidose bei der alimentären 
Intoxikation. Die Czerny-Kellersche Säurehypothese fand 
durch die Untersuchungen von Yllpö (y des Blutes elektrom. be- 
stimmt) völlige Bestätigung. Alle Versuche (Yllpö, Krasemann, 
Verff.), teilweise elektrometrisch, teils nach van Slyke angestellt, 
zeigen, daß Acidose zum klinischen Bild der Intoxikation gehört. 
Es kann eine relative (niedriger Bicarbonatgehalt bei normalem Zu), 
eine unkompensierte -(niedriger Bicarbonatgehalt bei niedrigem fy), 
schließlich eine überkompensierte Acidose (Ylppö) (erniedrigter 
Bicarbonatgehalt und erhöhtes fy) in der Zustandsgleichung 
K [CO,] 
[HCO,] 
läßt jedoch der Grad der Acidose kein Urteil über die klinische 
Schwere des Falles und die Prognose zu. Die oft beobachtete, von 
Verff. bestätigte toxische Hyperglykämie (nach Hagedorn und 
Jensen bestimmt, etwas höhere Werte als nach Bang) läßt sich 
nicht durch überstürzten Glykogenabbau als Folge der Blutsäuerung 
erklären. Der Grad der Hyperglykämie entspricht durchaus nicht 
immer der Stärke der Acidose. Man muß annehmen, daß bei dem 
wechselvollen klinischen Bild der alimentären Intoxikation der 
Zellstoffwechsel im Einzelfalle in ganz verschiedener Weise an- 
gegriffen wird. W. Gottstein. 


gefunden werden. Nach zahlreichen Versuchen der Verff. 








Berichte. 


Münchener Gesellschaft für Kinderheilkunde. 


Sitzung vom 22. Februar 1923. 


Herr v. Lange: Die Haltungsfehler der Kinder. 


Die auf intrauterine Schädigung zu beziehenden Skoliosen und Kyphosen 
sind selten. Erstere beruhen auf Bildungsfehlern, letztere auf Fruchtwasser- 
mangel. Sie neigen zur Versteifung und sind schwer zu beeinflussen. Günstig 
ist die Prognose des durch Zwangshaltung bei Fruchtwassermangel bedingten 
Schiefhalses. Behandlung: Liegeschale in Uberkorrektur. Die Haltungsfehler 
im Säuglingsalter sind auf Rachitis zu beziehen. Kyphosen entstehen 
` durch frühzeitiges Sitzen bei abnormer Knochenweichheit. Versteifung ist 
häufig. Bei lockeren Kyphosen genügt zur Behandlung Bauchlage, bei ver- 
steifenden ist Liegeschale erforderlich. Skoliosen sind die Folge statischer 
Deformierung (Tragen auf einem Arm) bei rachitischen Kindern. In Japan, 
in dessen nördlichem Teil Rachitis häufig sein soll, fehlt die Skoliose, weil 
die Kinder auf dem Rücken getragen werden. Die Skoliosen sind sehr ernst 
zu nehmen, da fortschreitende Verschlimmerung eintritt. Behandlung: Liege- 
schale in Überkorrektur. Fast alle schweren Skoliosen sind auf Säuglings- 
skoliosen zurückzuführen. In der Vorschulzeit entstehen selten schwerere 
Haltungsanomalien. Der häufigste Fehler ist die unsichere Haltung. Während 
bei echten Skoliosen meist schon im Beginn leichte Unterschiede in der Dorn- 
fortsatzlinie bei Rechts- und Linksbeugen vorhanden sind, fehlen diese hier. 
Von den Haltungsanomalien des Schulalters ist die häufigste der runde 
Rücken (hohlrunder Rücken, Totalkyphose, die letztere in Zusammenhang 
mit Rachitis). Er entsteht auf dem Boden von Muskelschwäche und Muskel- 
faulheit. Die Wirbelsäule wird lediglich durch Bänderspannung fixiert, während 
die Schultern nach vorne sinken. Später Versteifung und Verkürzung des 
Pectoralis. Ziel der Behandlung, die dankbar ist, wenn sie vor völliger Ver- 
steifung einsetzt, ist die Dehnung der verkürzten Weichteile und die Lockerung 
der Versteifung durch Sayresche Schwebe und Gewichtszüge sowie Verstär- 
kung des Erektor Trunci und der Schulterrückwärtsstrecker durch aktive 
Übungen. Schreibhaltung ist zu beachten und durch geeignete Vorkehrung 
zu bessern. Geradehalter sollten nur 6—8 Stunden täglich getragen werden. 
Orthopädisches Schulturnen! Die meisten schweren Skoliosen entstehen im 
Säuglingsalter, doch treten leichtere auch späteı auf. Ein Teil dieser später 
auftretenden Skoliosen wäre auf Rachitis zu beziehen, die sich durch Vorhanden- 
sein cines Rosenkranzes manifestiert. Die Orthopäden sprechen dann von 
Rachitis tarda. Fehlt der Rosenkranz, so scheint die Skoliose mit Blutarmut, 


Heft 5 Berichte. 537 


Chlorose, lymphatischem Habitus in Beziehung zu stehen, Zustände, die die 
Knochen ebenfalls erweichen kénnten. 

Gewohnheitshaltungen führen ebenfalls zu Skoliosen (Bettlage, Violinspiel, 
Schultasche, Schreibhaltung). Da völlig versteifte Skoliosen nur schwer zu 
bessern sind, muß die Behandlung rechtzeitig einsetzen. Die Diagnose der Form 
der Verbiegung und der Gegenbiegung ist nicht einfach (zu beachten: seitliche 
Contractur, Dornfortsatzlinie, Schulterstand, Torsion, Beckenstellung, Ver- 
steifung). Bei Skoliosen mit beginnender Versteifung besteht die Therapie 
in passiver und aktiver Überkorrektur. Wenn Gegenbiegungen da sind, dürfen 
sie an der Überkorrektur nicht teilnehmen. Gipsbehandlung führt zu schnelleren 
und überrachenderen aber vorübergehenden Besserungen. Unterstützt wird 
die Behandlung durch passive und aktive Gymnastik, durch Liegeschalen 
und Korsetts, doch dürfen diese beiden letzten Methoden nie allein angewandt 
werden. 


Aussprache: Herren Schneider und Gött. 


Sitzung vom 22. März 1923. 


Demonstrationen aus der Kinderabteilung des Krankenhauses München- 
Schwabing. 


ı. Herr Cailloud (a. G.): Zwei Fälle primärer chronischer Poly- 
arthritis. 

a) 4jähriger Knabe, mit 3!/, Jahren an entzündlicher Schwellung beider 
Sprunggelenke erkrankt. Allmähliches Übergreifen auf fast sämtliche größere 
und kleinere Gelenke der Extremitäten, auch auf Halswirbel- und Kiefergelenke. 
Verschont blieben Hüft- und Schultergelenk. Die Schwellungen fühlen sich 
teigig, nicht deutlich fluktuierend an, Druckschmerzhaftigkeit und Bewegungs- 
einschränkung sind mäßig. Daneben hochgradigste Muskelatrophie, Schwel- 
lung der regionären Lymphdrüsen und unregelmäßiges, von häufigen Remis- 
sionen unterbrochenes Fieber von monatelanger Dauer. Weder Endo- noch 
Perikarditis, Milz nicht deutlich palpabel, stark herabgesetzter Hämoglobin- 
wert, negativer Pirquet. Réntgenologisch atrophische Diaphysen mit stellen- 
weiser ossifizierender Periostitis; geringe Knochendefekte waren im Bereich 
der erkrankten Gelenke nur an der Basis zweier Metacarpalien vorhanden. 

b) 12jahriges Madchen, seit dem 2. Lebensjahr an chronischer Gelenk 
erkrankung leidend. Beginn an den Fußgelenken, dann Mitbeteiligung anderer, 
auch der Halswirbelgelenke. Im Lauf der Jahre bald Besserung bald unter 
Beteiligung neuer Gelenke Verschlimmerung. Während einer 5/, jährigen 
Krankenhausbehandlung mit 5 Jahren wurden Lymphdrüsenschwellungen, 
Fieber und Exantheme beobachtet. Nach ruhigeren Jahren neue, weniger 
stürmische Attacke ohne Fieber und Drüsenschwellung, mit Beschränkung 
auf Hand- und Halswirbelgelenke. In letzter Zeit wieder Schmerzen in den 
Fußgelenken und urticarielle und prurigoartige Exantheme; Handgelenke 
nicht schmerzhaft, aber versteift. Herz stets intakt, Milz nicht palpabel, Pirquet 
negativ. Radiogramm der Handgelenke zeigt beiderseits Verschmelzung der 
Handwurzelknochen untereinander und mit Metacarpus II und III. An anderen 
Gelenken keine Veränderungen. 


538 Berichte. Heft 5 


Hier, also gleichzeitiges Vorliegen verschiedener Stadien der Gelenkerkran- 
kung (Ausheilung bzw. Stillstand, frische Entzündung, Endstadium der Ver- 
steifung und Verwachsung). 

In beiden Fällen außerdem einige ätiologisch wichtige Eigentümlichkeiten: 
auffallend geringe Entwicklung des Unterkiefers und mäßiger Exophthalmus, 
dazu beim ersten noch starke Pigmentierung und abnorme Gesichtsbehaarung. 
Familiäre Belastung liegt wohl in beiden Fällen vor. Es müssen daher für die 
Entstehung der Erkrankung konstitutionelle Momente verantwortlich gemacht 
werden; einer Infektion könnte unter Umständen die Rolle eines auslösenden 
Faktors zugebilligt werden. 

Therapeutisch hatten Wärmeapplikation und Bewegungsübungen einen 
gewissen Erfolg: alle gegen eine infektiöse Noxe gerichteten Versuche, wie auch 
Anwendung von Salicylaten blieben wirkungslos. 


Aussprache: Herren v. Pfaundler, Benjamin, Keins. 


2. Herr Stubenrauch berichtet über einen ernährungsgestörten Säugling, 
der in der Reparation einen perinephritischen Absceß mit Durch- 
bruch ins Nierenbecken durchmachte; Heilung. 


3. Herr Gött demonstriert: 


a) einen bald 2jährigen Knaben mit einer indolenten Hautaffektion: über 
die ganze Körperoberfläche verstreute, namentlich im Gesicht sitzende, ober- 
flächliche, gelblich-bräunliche, flach erhabene oder knötchenförmige, an der 
Oberfläche manchmal feingefältelte Einzelefflorescenzen von Hanfkorn- bis 
Linsengröße. Dermatologische Diagnose: Hämangioendothelioma cutis 
tuberosum multiplex. 

b) das Bild einer von einem kongenital luetischen Säugling stammenden, 
offenbar durch diffuse Infiltration der Schleimhaut hervorgerufenen, an ge- 
pflasterte StraBe erinnernden Lingua dissecata. 

c) Ubersichtskurven vom Krankheitsverlauf zweier ruminierender 
Sauglinge, die durch Breikost und Ablenkung nach der Mahlzeit im Laufe 
weniger Wochen geheilt wurden. Versuche ergaben, daß Geschmacksstörungen 
bei diesen beiden Kindern nicht vorlagen; der Lustgewinn beim Ruminieren 
schien also nicht auf gustatorischem Gebiet zu liegen. Zufütterung von Chininum 
tannicum zur Breimahlzeit hatte beim einen Säugling keinen, beim anderen 
einen zweifellos hemmenden Einfluß auf die Rumination, was gelegentlich 
vielleicht‘ der Therapie nutzbar gemacht werden kann. 

d) einen Fall von chronischer Nephritis bei einem ı2jähren Knaben, 
bei dem Herzhypertrophie, erhebliche Hypertonie und Einschränkung des 
Konzentrationsvermögens der Niere den Übergang zur Schrumpfniere 
wahrscheinlich machen. 

e) die Fieberkurve eines kongenital luetischen Säuglings, bei dem infolge 
schwerer, zu wochenlangem Sopor führender Encephalomeningitis und 
Pachymeningitis haemorrhagica interna (mit Blutcyste über der 
einen Hemisphäre und ausgedehnten Höhlenbildungen im Bereich der beiden 
Stammganglien und der weißen Substanz) völlige Anarchie der Körpertempera- 
tur mit Steigerungen auf 4I und Abfällen bis auf 31° bestand; Hinweis auf die 
analogen Fälle von Ylppö, Langer und Mader. 


Heft 5 Berichte. 539 


Sitzung vom 24. Mai 1923. 


ı. Herr v. Pfaundler zeigt einen Säugling mit Epidermolysis here- 
ditaria. Das Mädchen ist unter den vier Kindern der Familie das dritte, 
welches diese Anomalie darbietet. 


2. Herr Benjamin: Beobachtungen über Asthenie im Kindes- 
alter. 

Material: 116 Fälle. Überwiegen der Knaben (66%). Mädchen außerdem 
viel weniger schwer betroffen. 

Habitus: Es wird besonders auf die in 80%, der Fälle vorhandene Längen- 
wachstumspräcipitation bei zurückbleibendem Massenwachstum und auf die 
geringere Disharmonie zwischen staturalem und ponderalem Wachstum bei 
Mädchen hingewiesen, ferner auf die Bänderschwäche (Haltungsfehler, Platt- 
fuß, Gelenküberstreckbarkeit). Analogon zum Plattfuß schlaffe Hand. 

Begleitende Konstitutionsanomalien: 1. Exsudative Diathese 
bei älteren Kindern (Katarrhe) 50%, bei Säuglingen nur 10% (Haut). 2. Lym- 
phatismus 70% (meist auch Tonsillen und Adenoide, oft Bronchialdrüsen. 
3. Hypoplastische Konstitution, nicht selten auf angeborene Hypoplasie 
oder Frühgeborenheit zurückzuführen. Genitalgefäßhypoplasien. Lanugo- 
behaarung. 4. Neuropathie (90%). 5. Thyreotoxische Züge (?). 6. Bil- 
dungsfehler. 

Entwicklung: 88% Brustkinder, davon ein großer Teil als Säugling 
ernährungsgestört (Homodystrophiker). Spasmophilie nur 4%. Im Klein- 
kindesalter Habitus (besonders Wachstumspräcipitation) oft schon deutlich, 
ebenso Erscheinungen nervöser Dyspepsie, ferner Katarrhneigung, Enuresis, 
Schlafstörungen. Beim Schulkind Manifestation vor allem während erster 
Streckung. Von nervösen Erscheinungen vor allem: motorische Unruhe 
(57%), nervöse Dyspepsie mit Erbrechen, Appetitlosigkeit und (meist) Ver- 
stopfung (25%), viel seltener Durchfälle, Asthma (7%), Migräne (7%), Schlaf- 
störungen (25%), Angstzwangszustände (15%), Enuresis (9%), häßliche 
Angewohnheiten wie Nägelbeißen usw. (6%), Tics (4%), Facialisphanomen 
(33%). Katarrhneigung, Otitiden. Tonsillitiden, Adenoitiden. Rectale Hyper- 
thermien 88%, oft auch Hyperthermien bei Ruhe. Charakterbeanlagung bei 
Buben und Madchen sehr verschieden, erstere i. a. viel konzentrationsschwacher 
(schlechtere Schüler), ermüdbarer, gutmütiger, weicher. 

Erblichkeit: Bei 78%, arthritische Belastung (nichtasthenische Kontrollen 
nur 31%), meist von seiten der Mutter, die oft selbst frei bleibt. 

Therapie: Umgebungswechsel versagt oft, da Konstitution wichtiger als 
Milieuschaden. Lehre vom einzigen Kinde ist einer Revision zu unterziehen. 
Mastkuren (Beschreibung der Technik) erzielen oft überraschende Erfolge. 
Bei kleineren Kindern (3—5 Jahre) sind solche fast nie durchführbar. 


Aussprache: Herr v. Pfaundler: Der Vortragende bespricht unter dem 
Titel ‚Asthenie‘‘ einen großen Teil der an seinem Krankenmateriale beobachte- 
ten Störungen. Der Ausdruck aber ist als Terminus technicus für eine engere 
Gruppe von Erscheinungen bereits in Anspruch genommen und ihm, wie es 
in der ausgehängten Tabelle geschieht, verschiedene Zeichenkreise unter- 
zuordnen, die Stiller seinerzeit nicht aufgenommen hat, kann gewisse Bedenken 
finden. Herr Benjamin gelangt, wie viele seiner Vorgänger, bei dem Versuche 
die Grenzen einer konstitutionellen Abartung abzustecken zu einer Ärt von 


540 Berichte. Heft 5 


Pandiathese. In der Tat führen von jeder Diathese Brücken zu jeder anderen. 
Man spricht heute dem Arthritismus zugehörige Dinge, wie Gicht, Fettsucht, 
Diabetes zwar geradezu als „antiasthenische'‘‘ Krankheiten an, wird aber 
trotzdem zugestehen müssen, daß manche Symptomgruppen, beispielsweise 
etwa die Schleimkolik ebensowohl zur Asthenie wie zum Arthritismus Beziehun- 
gen haben, und daß man über diese Brücke von der einen Diathese zwanglos 
zur anderen gelangen könne, die aber beide streng zu differenzieren doch aller 
Anlaß vorliegt. In solcher Scheidung und Teilung, in der Analyse, aber sehe 
ich eine wichtigere und dankbarere Aufgabe als in der Synthese. 

Daß das Gros der Benjaminschen Fälle als Asthenien im Stillerschen Sinne 
anzusprechen ist, scheint mir nicht ausgemacht. Bei ihm überwiegen die Knaben 
stark, bei Stiller die Mädchen deutlich, bei Benjamin die Überlangen und 
Hypotoniker, bei Stiller die Unterlangen und die Hypotoniker. Die Protero- 
plasie der Asthenie anzugliedern, kann ich mich gleichfalls nicht entschließen; 
denn manchen gemeinsamen Zeichen stehen konträre gegenüber, wie z. B. 
bezüglich des Zwerchfellstandes und bezüglich gewisser Thoraxmaße und 
-proportionen. Auch ist die Proteroplasie durch ihren Frequenzrückgang 
im Kriege als eine vorwiegend paratypisch bestimmte Erscheinung charakten- 
siert — im Gegensatze zur wahren anlagemäßigen Asthenie. Manches von dem, 
was Benjamin schilderte, ist meines Erachtens Pseudoasthenie, nämlich 
erworbene Krüppelhaftigkeit infolge völligen Mangels an Körperübung im 
frühen Lebensalter und an Anregung sowie an elterlichem Beispiel in gleicher 
Richtung. Erblichkeitsfragen, sowie diätetisch-therapeutische Fragen fordern 
sicher gleichfalls strenge Analyse und Scheidung in enger umschriebene 
Zeichenkreise. Wenn heute noch über das Vorkommen einer angeborenen 
Asthenie die widerstreitendsten Urteile vorliegen, so rührt dies von der Kon- 
fusion des Status asthenicus mit dem Morbus asthenicus her. Folgeerschei- 
nungen der Muskel- und Bänderschlaffheit, wie beispielsweise die Splanchno- 
ptose, zähle ich zum letzteren; aber auch bei der Entstehung der charakteri- 
stischen Thoraxform nach Erlangung des aufrechten Standes mag jenes mecha- 
nische und sekundäre Moment im Spiele sein. Etwas anderes ist es. mit der 
Costa decima fluctuans. 

Bei der Beurteilung von therapeutischen Erfolgen gegen die wahre Asthenie 
wird man sich die Frage vorlegen müssen, ob idiotypische Schäden auf solchem 
Wege überhaupt beeinflußbar sind und inwieweit man sie verneinendenfalls 
zu verdecken vermag, ferner, was das Individuum für einen Dauernutzen 
von solcher Verdeckung hat. Daß die bisher geläufigen Ansichten über die 
Gefahren der Mästung bei neurolymphatischen und exsudativen Kindern ganz 
und gar irrtümlich seien, halte ich noch nicht für erwiesen, wenngleich man 
sicher in dieser Richtung sehr übertrieben hat. Was den Nahrungsbedarf 


fiir asthenische Kinder anlangt, so wird man auf Schwierigkeiten stoBen ihn 


zu ermitteln angesichts der artwidrigen Körpermaße und der Bedarfsunter- 
schiede, die zwischen verschieden muskelkräftigen Induviduen besonders 
nach Untersuchungen der E. Müllerschen Schule bestehen. 

Herr Wetzel: Er hat die 160 letztgeführten Krankengeschichten der Säug- 
lingsabteilung zusammengestellt. Sie betreffen 44 = 27,5% Astheniker und 
116 — 72,5%, Nichtastheniker. Unter den Asthenikern überwog unverhalt- 
nismäßig mehr als bei den Nichasthenikern das männliche Geschlecht. Der 
Partus prämaturus spielte keine Rolle in der Ätiologie der Asthenie. Letalität 
der Astheniker mit 45,50%, höher als die der Nichtastheniker mit 37,1%, UD- 


Heft 5 Berichte. 541 


geklärterweise die der Mädchen die der Knaben überwiegend. Dyspeptisch 
erkrankten von den Asthenikern 54,5%, von den Nichtasthenikern nur 22,4%. 
Pylorospastiker waren nur Asteniker, schwere Speier waren 50% aller Astheniker. 
Lues congenita betraf unverhältnismäßig mehr Nichtastheniker. Gering ist 
die Syntropie von Rachitis und Asthenie. Dystrophisch verhalten sich zur 
Asthenie exsudative Diathese und Spasmophilie Hinsichtlich des Verlaufs 
der Ernährungsstörungen zeigt sich bei den Asthenikern eher eine bessere 
Anpassungsfähigkeit als bei den Nichtasthenikern. Das ergab sich sowohl 
aus diesbezüglichen Letalitätsziffern, wie aus der Toleranz gegenüber Gewichts- 
abnahme wie aus der durchschnittlichen täglichen Zunahme des Rekonvaleszen- 
ten. Hingegen ist der Astheniker Infekten gegenüber wesentlich schlechter 
gestellt als der Nichtastheniker. Calorienbedarf der Astheniker mit durchschnitt- 
lich 170 Energiequotient höher als der der Nichtastheniker mit 150. Länge 
der Astheniker durchschnittlich tiefer unter den Camererschen Zahlen als die 
der Nichtastheniker; desgleichen -Längensollgewicht. Hernienverteilung bei 
Asthenikern und Nichtastenikern gleich. Einkindehe kam in der Tat eigentüm- 
licherweise in seinem Material auch bei Asthenikern etwas häufiger vor als bei 
"Nichtasthenikern. 


Niederländischer Verein für Pädiatrie. 
(Nederlandsch Tijdschr. v. Geneesk. 1923, 1, 1702.) 


1. Thiange zu Avitaminosen. Bericht über 3 Fälle, Säuglinge im Alter 
von 11—15 Wochen, mit chronischen Verdauungsstörungen, Durchfall und 
Zurückbleiben des Körpergewichts, bei welchen baldige Heilung der Darm- 
erscheinungen und Zunahme des Körpergewichts eintrat, nachdem pro Tag 
1/,g frische Hefe und pro Flasche ein Teelöffel Apfelsinensaft verabreicht 
wurde. 


2. Plantenga berichtet über Konstitution. Die alte Lehre der Diathese 
sollte für die Erklärung der Krankheitserscheinungen nur von zweifelhaftem 
Werte sein. Sie sollte ersetzt werden durch die Lehre von der Konstitution. 
Für die Verschiedenheit der Konstitution soll die Art, wie der Organismus 
gegenüber den verschiedenen Nahrungsstoffen, sowie Eiweißstoffe, Fette, 
Kohlenhydrate und Salze reagiert, maßgebend sein. 


3. C. de Lange. Einige Bemerkungen über Neuropathie bei 
Säuglingen. Bei 3 neuropathischen Säuglingen konnte eine stark nach 
hinten gebogene Haltung des Kopfes, der Genickstarre ähnlich, kon- 
statiert werden. Es fehlte Opistotonus. Eines dieser Kinder starb an De- 
komposition. Bei der Obduktion konnte keine Abweichung, auch nicht im 
Zentralnervensystem, festgestellt werden. 


4. van Gilse-West. Zur Frage der Flaschenreinigung. van Gilse 
ist der Meinung, daß die in vielen Milchküchen gebräuchliche Methode der 
Flaschenreinigung (Spülung und nachher Reinigung mit warmer Seifenlösung 
mittels einer Bürste) keine genügende Fürsorge gegen Infektion liefert. — 


542 Berichte. Heft 5 


Es hatte sich nämlich ergeben, daß, wenn dem Säugling, unmittelbar vor dem 
Trinken aus der Flasche, einige Teelöffel mit einer B. prodigiosus infizierte 
Milch verabreicht war, nachher diese Bakterie in den Milchresten der Flasche 
ebenso wie in dem Spülwasser des Spülbeckens zu finden war und daß also bei 
dem Trinken aus der Flasche Mikroorganismen aus dem Munde des Säuglings 
in die Flasche übergehen. In der auf die oben genannten Weise gereinigten 
Flaschen enthaltenden Milch konnte nach einigen Stunden immer der B. pro- 
digiosus konstatiert werden. 


5. Sthee mf£M-berichtet über calciprive Konstitutionsabweichung. 


6. Ligtenberg berichtet über einen eigenartigen Fallvon pylorospasmus- 
artigem Erbrechen bei einem Säugling. Knabe von 7 Wochen mit rezi- 
divierender Hämatemesis, hypotonisch, anämisch, sichtbare Magen- 
peristaltik; keine Geschwulst. Bei der Operation wird keine Pylorusstenose, 
sondern eine Verwachsung des Pylorus und Duodenums mit dem Colon trans- 
versum gefunden. Nach Lösung dieser Verwachsung trat Heilung ein. Ver- 
mutlich war also in diesem Falle ein Ulcus am Pylorus oder Duodenum, welcher 
zu einer lokalen Peritonitis mit Verwachsung geführt hat, die Ursache des 
pylorospasmusartigen Erbrechens. 


7. Arntzenius demonstriert a) einen Knaben von 2 Jahren mit Poly- 
arthritis rheumatica chronica nach akutem Gelenkrheumatismus, 
b) einen Knaben von 2 Jahren, der sich an einem Stückchen Haselnuß 
verschluckt hatte und seitdem während 2 Monaten an fieberhaften Lungen- 
infiltraten litt. Nach dem Aushusten des vorgezeigten Stückchen Haselnuß 
trat baldige Heilung auf, c) ein Mädchen von 6 Jahren mit vermutlicher 
Leontiasis hemilateralis. 


8. Becking berichtet über die Erfolge der Butterıinehlsu p pe bei klinisch 
und poliklinisch beobachteten Säuglingen. 


9. van Lohuyzen berichtet über Erfolge der Buttermehlsuppe bei 
verschiedenen Säuglingen, unter welchen mehrere Couveusekinder. Es ergab 
sich, daß wenn das Verhältnis von Butter, Mehl und Zucker, welches gewöhnlich 
ist 7,7 resp. 5, wurde geändert in 7,5 resp. 7, die Erfolge sich nicht änderten. 
Diese wurden aber schlechter, sobald die Butter ungebraten verabreicht 
wurde. Im allgemeinen war der Erfolg nicht günstiger als bei der Ernährung 
mit Eiweißmilch oder Buttermilch. 


10. Heybroek berichtet über Erfolge der Buttermehlsuppe bei 
60 Säuglingen einer Couveuscabteilung, welche im allgemeinen günstig waren. 
Die Suppe wurde erst verabreicht, nachdem durch Frauenmilchernährung der 
anfängliche Gewichtssturz ausgeglichen und die Temperatur normal geworden 
war, 


11. Hengeveld berichtet über zweifelhafte Erfolge mit der Butter mehl- 
suppe bei 57 Säuglingen der Rotterdamer Säuglingsklinik. 


12. v. d. Kasteele berichtet über günstige Erfolge mit der Buttermehl- 
suppe bei atrophischen Säuglingen einer Säuglingsfürsorgeanstalt. 
Graan boom. 


Heft 5 Berichte. 543 


35. Jahresversammlung 
der amerikanischen Padiatervereinigung 
in French Lick Spring vom 31. Mai bis I. Juni 1923. 
(Archives of paediatrics 40, 431. 1923.) 


H olt-New York schilderte in seiner Begrüßungsansprache die Fortschritte 
der amerikanischen Pädiatrie in den letzten 25 Jahren, die er besonders in 
dem Anwachsen der Laboratoriumsforschung zu sehen geneigt ist. Die künfti- 
gen Aufgaben der Pädiatrie werden wie die der gesamten Medizin in dreierlei 
Richtung liegen: Erstens in der Forschung, die immer an die Universitäten 
gebunden sein wird, zweitens in der praktischen Heilkunde im Hause, in 
Klinik und Poliklinik, drittens wird der sozial tätige Pädiater im öffentlichen 
Dienst eine besondere Bedeutung haben. Der medizinische Fachunterricht 
muß geeignet sein, den Studenten auf all diesen drei Gebieten die beste Aus- 
bildung zu geben. ; 


De Buys-New Orleans berichtete über Rachitis bei Brustkindern. Aus 
seinen Schlüssen ist bemerkenswert, daß Mangel an Fürsorge und Aufsicht 
Rachitis zu verschlimmern scheint, daß einfache akute Erkrankungen ohne 
Einfluß sind, daß die Zahl der Kinder in einer Familie ebenso wie die Reihen- 
folge ohne Bedeutung ist, daß Rachitis schon sehr bald nach der Geburt be- 
ginnt. In der Diskussion betonte H es s-Neuyork die Bedeutung der Rachitis- 
forschung unter verschiedenen geographischen Bedingungen. 


Anderson und Schloss berichteten über Antikörper gegen Kuh- 
milch im Blut von Säuglingen mit schwerer chronischer Ernährungsstörung. 
Sie fanden solche in 8o von 98 Fällen. 


Faber-San Franzisko sprach über Salzsäuremilch in der Säuglings- 
ernährung. Marriot-San Louis hält die Beigabe organischer Säuren für 
vorteilhafter, zumal ein pH von 4,0 bis 4,4 der verfütterten Kuhmilch optimal 
ist und zur Erreichung dieser Acidität zu große Salzsäuremengen hinzugefügt 
werden müßten. Er empfiehlt deshalb die Beigabe von 8 ccm Milchsäure auf 
1000 ccm Milch. 


A p t -Chikago empfahl eine elektrisch betriebene Milchpumpe, die ins- 
besondere für den Anstaltsbetrieb praktisch erscheint. 


Kerley und Craig-New York empfahlen zur Behandlung dyspepti- 
scher Säuglinge eine EiweiBmilch, die zur Halfte mit B. acidi lactici, zur an- 
deren mit B. bulgaricus 8 Stunden der Hitze ausgesetzt ist. 


Hess-Chikago rihmte Röntgenstrahlenbehandlung bei Keuchhusten, 
während Saunders-San Louis den prophylaktischen Wert von Pertussis- 
vaccine betonte. 


Taylor, Zeigler und Gordeau fanden weder bei chronischer 
Verdauungsinsuffizienz noch bei Gaben von Lebertran eine Veränderung im 
Gehalt des Duodenalsaftes an Gallenpigment und Gallensalzen. 


Über hereditäre Syphilis des Nervensystems berichteten Janes und 
Schwab-San Louis. Sie fanden bei Kindern unter 2 Jahren in 27, bei 
älteren Kindern in 20,4°%% positiven Wassermann im Liquor. Zwischen Schwere 


544 Berichte. Heft 5 


der cerebralen Symptome und Zellbefund im Liquor zeigte sich ein bemerkens- 
werter Mangel an Übereinstimmung. Ebenso zwischen Schwere der Infektion 
und Ausdehnung der Nervenbefunde. 


In einem Bericht über sekundäre akute Anämie im Kindesalter empfahlen 
Lucas und Hoobler-San Franzisko bei Hypoplasie und mangelnder 
Funktion des Knochenmarks wiederholte kleine Bluttransfusionen von 30 bis 
60 ccm. 


Marriot und Clausen-San Louis fanden bei akuter Nephritis den 
kolloid-osmotischen Druck des Blutes im Serum niedrig, ebenso war die Ober- 
flächenspannung im Blutserum in allen Fällen von Nephritis mit Ödem herab- 
gesetzt. Die Mehrzahl ihrer Patienten litten unter eitriger Erkrankung der 
Nebenhöhlen, nach deren Abheilung die Nephritis zurückging. 


Die Wirkung von Salzsäure und Ammoniumchlorid bei Tetanie bezieht 
Ga mble-Boston auf die Reduktion des Plasma-Bicarbonats und das An- 
wachsen der Wasserstoffionenkonzentration, womit ein Anwachsen des ioni- 
sierten Calciums verbunden ist. 


Cowi und Parsons-Ann Arbor empfehlen bei Diabetes der Kinder 
über längere Zeit hindurch fortgesetzte Insulinbehandlung mit kleiner Dosen. 


Geylin-New York vermißte bei Epilepsie eine in allen Fällen charak- 
teristische Wasserstoffionenkonzentration im Blut. 


Talbot-Boston fand, daß bei Hypothyreoidismus die Größenwachs- 
tumskurve dann der Norm entsprach, wenn durch Thyreoidingaben der Grund- 
umsatz auf das normale Maß gebracht worden war. 


Hess-New York berichtete über Studien betreffend den Einfluß der Er- 
nährung während Schwangerschaft und Lactation auf Rachitis der Kinder. 
Die Rachitis kann durch Lebertrangaben an die Mutter während der Schwanger- 
schaft nicht verhütet werden. Der Calcium- und Phosphorgehalt im Blut der 
Schwangeren ist ungefähr normal. Der Gehalt an anorganisch gebundenem 
Phosphor ist nicht derselbe, der des Kindes ist fast regelmäßig höher als der 
der Mutter. Frühgeburten zeigen keine Erniedrigung des Phosphatgehaltes. 
‚Der Gehalt an unorganischem Phosphor bei der Geburt und die Entwicklung 
der Rachitis im Winter stehen in keinem Zusammenhang. Hess hält zusam- 
men mit seinen Mitarbeitern eine bestimmte Grenze des Kalk- und Phosphor- 
gehaltes für gegeben, unterhalb deren eine Rachitis als im aktiven Stadium 
zu betrachten ist. Ist schwere Rachitis mit Tetanie kompliziert, so ist der 
Phosphorgehalt relativ hoch. 


Porter und Morris-San Franzisko behandeln das Emphyem mit 
wiederholten Punktionen. 


Gerstenberger-Cleveland glaubt, daß Stomatitis aphthosa und 
Herpes labialis durch einen Mangel an B-Vitamin verursacht werden. 


Rosenbaum. 


Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig. 


Aus der chirurgischen Abteilung der Universitats-Kinderklinth und 
-Poliklinik Leipzig. (Chefarzt: Prof. Dr. R. Ssevers.) 


Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter, 
mit besonderer Beriicksichtigung des Sauglingsalters. 


Von Dr. med. Gustav Ranft, Assistent der Abteilung. 
(Mit 9 Kurven.) 


Kovacs schreibt, daß über die Behandlungsweise der Brüche 
Erwachsener nicht nur die Ansichten der Chirurgen, sondern der 
ärztlichen Welt überhaupt bereits geklärt seien, die einzig richtige 
Methode sei hier die radikale Operation. Für die Frühoperation 
der Brüche im Kindes- und ganz besonders im Säuglingsalter stimmt 
diese Anschauung noch nicht in diesem Umfang. Die Frage nach 
der Berechtigung der Hernienoperationen im Kindesalter ist nicht 
zu allen Zeiten gleich beantwortet worden und wird es auch heute 
noch nicht. | 

Vor der Mitte der achtziger Jahre finden wir überhaupt noch 
keine Statistik über Radikaloperationen bei kleinen Kindern. Noch 
im Jahre 1880 lehnt Israelsohn in einer Dissertation die Operation 
der freien, einfachen Hernien im frühen Kindesalter ab, weil ein 
aseptischer Wundverlauf hier nicht zu erreichen sei. Auch König 
verhält sich noch 1885 in der 4. Auflage seines Buches der speziellen 
Chirurgie den Operationen der Kinder gegenüber ablehnend. Erst 
die Arbeiten englischer und französischer Chirurgen (Cham- 
ponniére, Trélat, Chirurgenkongreß 1888) brachten einen Um- 
schwung der bisherigen Anschauungen. Sie verfochten auf dem 
Chirurgenkongreß 1888 einen operativen Standpunkt schon zu 
einer Zeit, in der sich die deutschen Chirurgen noch in der Mehrzahl 
ablehnend verhielten. Erst im Anfang der neunziger Jahre änderte 
sich die Ansicht der deutschen Chirurgen im günstigen Sinne der 
operativen Behandlung gegenüber (Karewski). Das Säuglings- 
alter wollen sie jedoch auch jetzt noch prinzipiell ausgeschlossen ` 

Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 35 


546 Ranft. Heft 6 


wissen. Fraenkel vertrat 1899 in einer Arbeit, die viel Beachtung 
gefunden und in diesen Fragen befruchtend gewirkt hat, auch fir 
die Säuglinge einen operativen Standpunkt. Er will in seiner Arbeit 
(‚Über Radikaloperationen der Leistenbrüche bei Säuglingen“) 
die Hernien des allerjüngsten Kindesalters, d.h. des Säuglings, 
schon der Radikaloperation unterworfen wissen. Karewski trat 
ıhm entgegen, er rät immer noch, wie auch Wolff, ab, bei Säug- 
lingen und Kindern unter 2 Jahren prinzipiell zu operieren. Im 
Laufe der nächsten Jahre stellten sich jedoch eine Reihe von Chi- 
rurgen, ich führe an: Tillmanns, Broca, Gordon, Berger, 
Anschütz, Kremm, Stiles, Clogg, Großmann, Castenholz 
und andere, mehr auf den Standpunkt, daß man auch Kinder im 
ersten und zweiten Lebensjahr radikal operieren soll. Vor allem 
sehen sie, wie auch Karewski, Maas u.a. im Säuglingsalter nicht 
mehr eine absolute Gegenindikation gegen die Ausführung der 
Radikaloperation. Wenn auch heute wohl unter den Chirurgen volle 
Einheit herrscht, daß das Kleinkindesalter der Radikaloperation 
in jedem Falle zu unterziehen ist, so herrscht doch hinsichtlich der 
Indikationsstellung für den Säugling noch nicht diese Einheit. Im 
Jahrgang 1922 der Klin. Wochenschr. erschienen 2 Arbeiten von 
Gohrbandt und von Maas, die sich erneut mit der Frage, wann 
sollen Kinderhernien operiert werden, befassen, und in denen die 
genannten Autoren sich gegensätzlich gegenüberstehen. Gohrbandt 
schreibt als Resume seiner Arbeit: ‚Sonst aber gibt es keine so 
schnell zum Ziele führende, sichere und einfache Behandlungs- 
methode wie die operative. Ob es sich nun um ein älteres Kind 
handelt oder um einen Säugling, ist ganz gleichgültig; denn die 
Säuglinge vertragen, wie ich es zahlenmäßig erwiesen habe, die 
Operation genau so gut.‘ Maas steht dagegen, wie die meisten 
Pädiater und die Mehrzahl der praktischen Ärzte, auf dem Stand- 
punkt, daß ein nicht unerheblicher Teil der Säuglingshernien noch 
vor Ablauf des ı. Lebensjahres spontan zur Ausheilung komme — 
er spricht von 50%, solcher Spontanheilungen — und will deshalb 
nur bei besonderer Indikation (Einklemmung, enorme Größe, Ovarial- 
hernie) früh, d.h. im Säuglingsalter operieren, im allgemeinen aber 
die Operationen auf das 2. und 3. Lebensjahr verschieben, zumal die 
Mortalität des Säuglingsalters größer sei als die jenseits des 2. Lebens- 
jahres. Ä 

Es ist unseres Erachtens unbedingt erforderlich, daß heute, nach- 
dem große Statistiken und reiche Erfahrungen auf dem Gebiete der 
‘ operativen Behandlung der Säuglingshernien vorliegen, unter den 


Heft 6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 547 


Chirurgen in der Frage der Indikation Einheit herrscht. Zur Klärung 
dieser Fragen soll die vorliegende Arbeit beitragen, die das Material 
aus der chirurgischen Abteilung der Universitats-Kinderklinik 
Leipzig von der Übernahme ihrer Leitung durch Prof. Sievers 
vom I. Januar 1920 bis zum Juni 1922 umfaßt. 

Der Einwand gegen die Operation, der auch vor allem immer 
von den Kinderärzten (Goeppert-_Langstein) erhoben wird, daß 
die Brüche zum großen Teil ausheilen, ist unseres Erachtens nicht 
stichhaltig. Alle neueren Autoren stehen dem späteren Erwerb 
von Hernien besonders auf traumatischem Wege sehr skeptisch 
gegenüber. Traumatischen Ursprungs ist nicht der Bruchsack, 
sondern fast immer nur das Eintreten vom Bruchinhalt in den 
Bruchsack. Wir sehen also, daß die soviel gerühmte Spontanheilung 
oft nur eine scheinbare ist. Gewiß, es ist eine Tatsache, daß im 
späteren Kindesalter prozentual viel weniger Leistenbrüche diagnosti- 
ziert werden als im Säuglingsalter ; ob dieser Unterschied nur zugun- 
sten der Spontanheilung zu buchen ist, ist indes fraglich. Genaue, 
zahlenmäßige Unterlagen über die Spontanheilung habe ich in der 
Literatur, außer der Angabe von Maas, nicht finden können. Es 
wird sicher auch schwer sein, darüber genaue Angaben zu bekommen. 
Die Säuglingssterblichkeit ist an und für sich eine höhere als in den 
späteren Lebensaltern, und es ist sicher nicht unberechtigt, anzu- 
nehmen, daß sich gerade unter diesen oft sehr heruntergekommenen, 
atrophischen, unterernährten Frühgeburten und Säuglingen mit 
schlechtem Paniculus adiposus eine beträchtliche Zahl Hernien- 
träger befindet, die der Spontanheilung durch den Tod entgeht. 
Ich habe ferner den Eindruck gewonnen, daß die Mütter mit einem 
mit Bruch behafteten Säugling eher, ja fast in jedem Falle, den 
Arzt aufzusuchen scheinen, während sie dies mit ihren älteren Kin- 
dern nicht mehr zu tun pflegen. Erstens fällt den Müttern „die Ge- 
schwulst, der Knoten‘ bei dem stündlichen Umgange mit dem 
Säugling wohl fast in jeden: Falle auf, und zum anderen bringen sie, 
dies sicher nicht ganz zu Unrecht, Störungen im Wohlbefinden und 
Gedeihen des Säuglings bei Vorhandensein eines Bruches, wie 
Schreien, Unruhe, Erbrechen, schweren Stuhl mit dem Bruch selbst 
in ursächlichem Zusammenhang und verlangen Klarheit vom Arzt. 
Daß bei älteren Kindern die Eltern oft gar nichts wissen von der 
Existenz eines Bruches bei ihrem Kinde, geht daraus hervor, daß 
sie auf Anraten des Schularztes, der den Bruch entdeckt hat, erst 
die Klinik aufsuchen. Im Interesse der Klärung dieser Fragen 
wäre ein gemeinsames Zusammenarbeiten vor allem in den Fürsorge- 


35* 


548 Ranft. Heft 6 


und Mtitterberatungsstellen, ferner bei der schularztlichen Unter- 
suchung, die auf das Vorhandensein von Leistenbrüchen und deren 
evtl. Spontanheilung ihr Augenmerk richteten, eine gute Unterlage 
für die Spontanheilungsziffer zu finden. Nur an dieser Stelle ist es 
möglich, die Mehrzahl der Säuglinge und Kinder zu erfassen, die 
dem Chirurgen nicht zugänglich sind; vielleicht würde die Ziffer 
der im späteren Kindesalter erst diagnostizierten Brüche dann 
doch eine größere. Nicht in einseitigem Verharren auf 
einer vorgefaßten Meinung, sondern nur in gemein- 
samer vorurteilsfreier Zusammenarbeit zwischen Pa- 
diatern und Chirurgen können und müssen solche Grund- 
fragen .im Grenzgebiet der Pädiatrie und Chirurgie ge- 
löst werden. Viele kongenitale, angeblich spontan geheilte Brüche 
treten auch sicher erst dann wieder in Erscheinung, wenn die Kinder 
ins Erwerbsleben treten, und wie viele dann ins Lager der Kurpfuscher 
abwandern, ist auch zahlenmäßig nicht zu erfassen. Viele mögen 
sich auch aus Angst und aus Sorge, ihr Erwerbsleben unterbrechen 
zu müssen, der Operation später entziehen. Murray, der an 200 
Leichen 68 offene proc. vag. feststellen konnte, schreibt: ‚Ist 
einmal der Bruch durchgetreten, so ist kaum mehr auf eine Spontan- 
heilung zu rechnen.“ Fraenkel schreibt: ‚Wir sehen allerdings 
mit und ohne Bracherium in vielen Fällen die Bruchgeschwulst 
schwinden. Schon die normalen Wachstumsverhältnisse, durch 
welche sich der gerade Leistenkanal der frühen Kindheit durch sein 
allmähliches Schiefwerden verengt, können ein solches Schwinden 
einer Bruchgeschwulst bewirken. Die Bruchanlage ist aber nicht 
zum Sċhwinden gebracht.“ Also auch der Spontanheilung gegen- 
über ein ganz ablehnender Standpunkt. Desgleichen schreibt Esten, 
daß die Spontanheilung meist nur eine scheinbare sei. Schließlich 
finden wir auch bei Erwachsenen bei der Operation noch viele kon- 
genitale Bruchsäcke vor. Sich auf die Spontanheilung ver- 
lassen zu wollen und lediglich aus diesem Grunde allein 
bei einem gesunden Säugling die Operation ablehnen 
zu wollen, erscheint uns nicht berechtigt. Maas schreibt 
ferner, die Mortalität jenseits des 2. Lebensjahres sei nicht so groß 
wie die des Säuglingsalters. Er führt in einer seiner Arbeiten eine 
Mortalität von 16% für die Säuglinge an, d. h. es starben von 24 Kin- 
dern 4. Das ist allerdings ein unverhältnismäßig hoher Prozentsatz, 
dem andere Statistiken mit weit besseren Zahlen gegenüberstehen. 
So hatte Carmichael unter 152 Kindern, worunter 44 Säuglinge, 
nur einen Todesfall, der ein 3 Wochen altes Kind mit Einklemmung 


Heft 6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 549 


betraf. Gohrbandt verzeichnet in seiner Statistik eine Mor- 
talitat von 0%. Spitzy hatte unter ıroo Kindern, worunter 
20% Säuglinge = 220, keinen Todesfall. Unsere Statistik hat 
unter 61 Säuglingsoperationen Iı Todesfall aufzuweisen = 1,7%. 
Wie die folgende Beschreibung zeigt, handelt es sich dabei aber 
um das unglückliche Zusammentreffen einer schweren Mißbildung 
mit wahrscheinlich spasmophiler Diathese und Status thymo- 
lymphaticus, so daß man wohl berechtigt wäre, ihn als Ausnahme- 
fall zu betrachten und außerhalb der Statistik zu stellen, so daß 
im Grunde auch unsere Mortalität 0% wäre. Es war ein Säug- 
ling von ıo Monaten mit doppelseitiger Hernie und Blasenektopie. 
Er starb am Tage post operationem, wahrscheinlich in einem spasmo- 
philen Anfall. Die Sektion wurde leider nicht ausgeführt, jedoch 
die Wunde post mortem von Herrn Prof. Huebschmann unter- 
sucht und kein besonderer pathologischer Befund erhoben. Es ist 
bekannt, daß Kinder mit schweren Mißbildungen weit weniger 
widerstandsfähig sind. Im vorliegenden Falle mußte man den töd- 
lichen Ausgang ja als ein Glück ansehen und braucht in solchen 
Fallen wohl kaum besondere Ängstlichkeit in der Indikations- 
stellung walten zu lassen. Wohl aber bei Konstitutionsanoma- 
lien (Rachitis im Stadium floridum, exsudative Diathese, Spasmo- 
philie, Hämophilie), die nach Möglichkeit evtl. in gemein- 
samer Beratung mit dem Pädiater von der Operation 
ausgeschlossen werden müssen. Ganz vereinzelte Unglücks- 
fälle werden sich jedoch trotz größter Sorgfalt nicht vermeiden 
lassen. Die operative Mortalität des Säuglings bei der‘ 
Radikaloperation ist nicht höher als die der späteren 
Lebensalter. Die Ablehnung der Radikaloperation ist 
deshalb aus diesem Grunde nicht berechtigt. 

Ferner wird von Maas angeführt, daß die Säuglinge die Narkose 
schlechter vertragen sollen und Narkosenzufälle häufiger seien. 
Gohrbandt ist auch hier anderer Meinung als Maas, und wir möch- 
ten uns Gohrbandt anschließen, wenn er meint, die Narkosen- 
gefahr sei keine Gegenindikation gegen die Säuglingsoperation. 
Wir sind mit Gohrbandt darin einer Meinung, daß die Säuglinge 
die Narkose vorzüglich vertragen. Wir verwenden bei Säuglingen, 
im Gegensatz zu Gohrbandt, der die Äthernarkose bevorzugt, 
jetzt ausschließlich Chloroform. Auf 61 Operationen kommen 
41 reine Chloroformnarkosen und in 16 Fallen Chloroformather- 
narkosen. In 4 Fällen ist über die Art der Narkose in den Journalen 
nichts bemerkt, d. i. in 71,9% reine Chloroformnarkose und in 


550 Ranft. Heft 6 


28,0% Mischnarkose. Narkosenzufälle haben wir auf die 61 Ope- 
rationen 2 zu verzeichnen, d. i. in 3,2% der Fälle. 

Es handelt sich in dem ersten Falle um einen Säugling von 
3 Monaten, ı2 Tagen, mit doppelseitigem Leistenbruch, bei dem 
nach einer Narkose von 15 Minuten mit 3,0 g Chloroform ein kurzer 
Atemstillstand eintrat, der uns, um das Kind nicht zu gefährden, 
von der noch geplanten Hernienoperation der anderen Seite Abstand 
nehmen ließ. Der Verlauf post operationem war fieberfrei, das Kind 
bekam keinerlei Lungenerscheinungen, nahm gut zu und wurde 
am 7. Tage post operationem geheilt entlassen. Im 2. Falle bekam 
das Kind bei der Reposition des Intestinums einen Atemstillstand, 
sah cyanotisch aus, die Operation wurde unterbrochen und künst- 
liche Atmung eingeleitet. Nach einer Minute war der gefahrdrohende 
Zustand behoben. Die Narkose wurde ganz ausgesetzt und die 
Operation ohne Narkose beendet. Der Säugling war 3 Monate, 
20 Tage alt und hatte bei einer Narkosendauer von 24 Minuten 
2,0 g Chloroform und 1,0 Äther erhalten. Die beschriebenen Stö- 
rungen waren wohl stets auf Unachtsamkeit und Ungeschicklichkeit 
der narkotisierenden Person zurückzuführen. Auf eine gute Nar- 
kosentechnik, Gewissenhaftigkeit und Akuratesse ist noch mehr 
Gewicht zu legen als auf die Frage des verwendeten Narkoticums. 
Die Narkosen im ersten Kindesalter sind durch ihr unbemerktes 
Übergehen in das Toleranzstadium unter Ausfall der Exzitation 
gekennzeichnet und erfordern aus diesem Grunde doppelte Acht- 
samkeit und besondere Erfahrung. Wir führen über unsere Narkosen 
‘genau Buch, so daß wir zuverlässige Angaben über Dauer und Ver- 
brauch machen können. Die Dauer unserer Narkosen beträgt vom 
ersten Tropfen an gerechnet in 56%, der Fälle 25 Minuten. Die 
Durchschnittsmenge des Narkoticums bei unseren 4ı reinen Chloro- 
formnarkosen beträgt 4,1 g Chloroform (Tobler 4—5 g Chloroform). 
Tonka und ebenso Tobler bevorzugen übrigens gleich uns das 
Chloroform und heben ganz ausdrücklich hervor, daß sie keinen 
Narkosetod zu beklagen haben. Grunert berichtet über einen 
Narkosetod beim Säugling, der allerdings bei 7 Monaten 80 ccm 
Äther, Alkohol und Chloroform bekommen hatte, eine Menge, die 
selbst für einen Erwachsenen schon ganz beträchtlich ist. Wir 
haben übrigens in letzter Zeit mit gutem Erfolg auch im Säuglings- 
alter die Lokalanästhesie angewendet. Ein äußerst schwäch- 
liches, frühgeborenes, spasmophiles Kind mit schon lang bestehen- 
der Incarceration legte uns das erste Mal die möglichste Umgehung 
der Narkose nahe. Der gute Erfolg mit der Lokalanästhesie ermu- 


Heft 6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 551 


tigte uns zur Wiederholung auch in weniger dringlichen Fällen. 
Sind die Kinder gut festgebunden und beschäftigt sich eine ver- 
ständige Schwester mit dem kleinen Patienten (Sauger usw.), dann 
kommt man mit einem kleinen Rausch nach Eröffnung des Bruch- 
sackes zur Reposition des Intestinums, da hierbei, wie ja auch öfter 
beim Erwachsenen, trotz sonst einwandfreier, wohlgelungener 
Anästhesie, diese nicht ausreicht, völlig aus. Die Methode läßt sich 
sicher erweitern und die Narkosengefahr dadurch: sicher herab- 
mindern. Zur Zeit zwingt uns der französische Raubzug leider, 
die Fortsetzung der Versuche einzustellen. Auch Krause hat 
übrigens gleichfalls, um die Gefahren der Narkose zu umgehen, 
Säuglinge in Lokalanästhesie operiert. Ganz ohne Anästhesie Säug- 
lingsbrüche zu operieren, wie z.B. Spitzy, möchten wir ablehnen. 

Die Narkose bedeutet also für den Säugling keine 
erhöhte Gefahr. Auf eine einwandfreie Narkosentechnik 
ist großes Gewicht zu legen. Dem Chloroform ist der 
Vorzug bei der Säuglingsnarkose zu geben. Die Durch- 
führung der Radikaloperation des Säuglings in Lokal- 
anästhesie wird die geringen Narkosengefahren noch 
weiter herabmindern. 

Auf einen Einwand von Goeppert-Langstein, der in ihrem 
Lehrbuch ‚Prophylaxe und Therapie der Kinderkrankheiten‘ ge- 
sperrt gedruckt ist, soll noch kurz eingegangen werden. Sie schreiben: 
‚Dann aber ist das Loslösen erfahrungsgemäß beim Säugling aus 
seinen bisherigen Verhältnissen und die Unterbringung in einer 
Klinik, in der auf die Ernährungstechnik keine Rücksicht ge- 
nommen wird, eine Gefahr, deren ganze Bedeutung erst nach der 
Entlassung in Erscheinung tritt und somit in der chirurgischen 
Statistik nicht enthalten ist. Geradezu frevelhaft ist es, wenn das 
Kind zwecks Operation vorzeitig abgesetzt wird, weil die Mutter 
zu Hause unabkömmlich ist.‘ Hierzu ist folgendes zu bemerken: 
Wir erheben von jedem Säugling, der wegen einer chirurgischen 
Affektion auf unsere Abteilung kommt, eine ganz genaue Ernäh- 
rungsanamnese, lassen uns von der Mutter peinlich genau die Art 
und Zusammensetzung der Nahrung mitteilen und ernähren das 
Kind, wenn anders es gutes Gedeihen aufzeigt, guten Turgor, seinem 
Alter entsprechendes Gewicht, normale Stühle hat und die Art der 
Ernährung den modernen Anschauungen der Pädiatrie entspricht, 
in genau der gleichen Weise. Nur haben wir stets statt Ziegenniilch, 
die die Kinder hier und da bekommen hatten, unbedenklich und 
ohne Schaden davon zu sehen, auf Kuhmilch umgesetzt. Ist das 


552 Ranft. Heft 6 


Gedeihen des Kindes in der Klinik weiter gut, sind die Stiihle normal, 
steigt die Gewichtskurve, dann wird der Säugling am dritten Tag 
ohne Bedenken operiert. In Fällen, in denen keine Anamnese vor- 
liegt, richten wir uns nach den von den Pädiatern für die künstliche 
Ernährung des Säuglings gegebenen Prinzipien und beobachten 
auch hier vor der Operation in der gleichen Weise. Brustkinder 
haben wir in keinem Fall absetzen lassen und halten es für genau 
so frevelhaft wie Goeppert-Langstein. Wir behalten Brust- 
kinder in poliklinischer Beobachtung, machen die Mütter auf die 
Symptome und Gefahren der Incarceration aufmerksam, die selbst- 
verständlich auch beim Brustkind eine absolute Operationsindi- 
kation gibt, und operieren solche Kinder erst, nachdem das Still- 
geschäft seinen natürlichen Abschluß gefunden hat. Liegt die Mög- 
lichkeit vor, Mutter und Kind aufzunehmen bei einer besonderen 
Indikation, z. B. rasches Größerwerden, anhaltende Beschwerden 
und Einklemmungsgefahr, so sehen wir kein Hindernis, ein gesundes 
Brustkind zu operieren. In anderen Fällen prüfen wir die Möglich- 
keit, ob die Mutter zum Stillen hereinkommen kann, was sie in 
manchen Fällen, bei Gewissenhaftigkeit der Mutter, zumal wenn sıe 
auf die dringende Notwendigkeit des Stillens gerade jetzt vor und 
nach der Operation aufmerksam gemacht wird, auch gern tut. 
Die Zahl der reinen Brustkinder mit Hernien scheint auch viel 
geringer zu sein als die der künstlich genährten. Dies scheint mir 
auch darin seinen Grund zu haben, daß Brustkinder an und für 
sich in der Mehrzahl der Fälle sicher ruhiger sind und weniger schreien 
als künstlich genährte, die viel eher einmal einen Infekt erwerben, 
sei es von seiten des Digestions- oder Respirationstraktus, Störungen, 
die sicher einen Bruch bei offenen proc. vag. manifest werden lassen 
können. Sollte auch nicht das schöne, gleichmäßige, durch keine 
‘Form der künstlichen Ernährung zu erreichende Fettpolster des 
Brustkindes einen guten Schutz gegen das Eintreten des Intestimims 
in den Bruchsack abgeben können!? Wissen wir doch, daß bei hoch- 
gradiger Abmagerung auch beim Erwachsenen Brüche manifest 
werden können, was sich durch unsere Nachkriegserfahrungen be- 
stätigt hat. Im ganzen kamen 7 Brustkinder zur Operation, und zwar 
zwei mit rechtsseitigem Bruch, eines mit linksseitigem Bruch, vier 
mit doppelseitigen Brüchen. Von diesen 7 Säuglingen bekamen 
5 bereits Beikost. In allen Fällen war die Indikation zur Operation 
gegeben. Bezüglich der Ernährung konnte so verfahren werden, 
daß die zwei ausschließlich an die Brust gewöhnten Säuglinge mit 
sehr großen Brüchen, im Alter von 2 und 31/, Monaten, in der Klinik 


Heft 6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 553 


von den Müttern selbst weiter gestillt werden konnten. Von den 
übrigen konnte bei 3 Säuglingen, die in sehr gutem Ernährungs- 
zustand waren und im Alter von 5, 8 und 9 Monaten standen, die 
noch unerhebliche Brustmenge ruhig abgesetzt werden. Bei den 
2 übrigen kam beim einen die Mutter nach wie vor zu den zwei 
Mahlzeiten, die das Kind auch draußen erhalten hatte, herein zum 
Stillen und einem zweiten brachte die Mutter die abgespritzte Frauen- 
milch, da die Mutter wegen Hohlwarzen nicht stillfähig gewesen war. 
Das Gedeihen der Kinder ist durch diese Maßnahmen in keiner Weise 
„frevelhaft‘“ beeinträchtigt worden. Es kamen also unter 35 Säug- 
lingen bis zu einem halben Jahre nur zwei reine Brustkinder zur 
Operation, dies entspricht einer Häufigkeit von 5,7%. Schließlich 
müßte man sich in einem besonders dringenden Falle (z. B. Ein- 
klemmungsgefahr!), beim Brustkind, wo keine der oben angegebe- 
nen Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung des Stillgeschäftes gegeben 
ist, auch einmal zur ambulanten Operation entschließen, eine Not- 
wendigkeit, vor die wir bisher in keinem Falle gestellt wurden. Auch 
Clogg und Esten erwähnen ausdrücklich, daß man bei Brust- 
kindern bis zur Entwöhnung mit der Operation warten soll. Auf 
die sachgemäße Ernährung, Wartung und Pflege des 
Säuglings ist größtes Gewicht zu legen. Die Operation 
ist in jedem Falle erst dann zulässig, wenn der Säug- 
ling auf die Ernährung in der Klinik gut anspricht. 
Brustkinder sind nur zu operieren, wenu das Still- 
geschäft einwandfrei aufrechterhalten werden kann, 
in besonders dringenden Fällen, um dies zu ermöglichen, 
evtl. ambulante Operation. — Jedenfalls dürfen Brust- 
kinder zum Zwecke der Operation nicht ohne weiteres 
abgesetzt werden. 

Wir haben ferner gerade im Hinblick auf die Bemerkung im 
Goeppert-Langstein, ‚deren ganze Bedeutung erst nach der 
Entlassung in Erscheinung tritt“, bei unseren Nachuntersuchungen 
sorgfältig auf diesen Punkt geachtet und haben feststellen können, 
daß es bei nicht einem Säugling im Anschluß an die Operation zu 
Ernährungsstörungen kanı, akuten Dyspepsien usw. Ganz im Gegen- 
teil haben wir aus den Äußerungen der Mütter auf die Fragen: 
„Ist das Kind nach der Operation krank gewesen (insbesondere 
Durchfälle, Erbrechen, Gewichtsabnahme, Kinderkrankheiten, Hu- 
sten)“ nur den Eindruck gewinnen können, daß die Kinder sich in 
den meisten Fällen nach der Operation besser entwickelt haben, 
oft überraschend gut. Aussagen: ‚nach der Operation ging es erst 


554 | Ranft. Heft 6 


aufwärts mit dem Kind” — ,,es ist erst ein Kind nach der Operation 
geworden‘‘ — ,,das Schreien und Weinen blieb fort“ — ,,von dem 
Tage der Operation an schlief das Kind, während es früher nicht 
schlief‘ — ‚das Kind nahm zusehends zu nach der Operation und 
fühlte sich sichtlich wohler‘‘ — ,,das Erbrechen blieb nach der 
Operation weg“ — „das Kind war ruhig nach der Operation, ganz 
das Gegenteil von früher‘ — ‚ist außerordentlich gut gediehen 
nach der Operation, im Gegensatz zu vorher“ sind alles spontane 
Äußerungen der Mütter auf die Frage nach dem Verhalten des 
Kindes post operationem. Die Reihe ließe sich noch vermehren, 
und auch andere Autoren führen immer wieder solche Worte der 
Mütter an, dies nicht ganz zu Unrecht. Wir Ärzte sind wohl nirgends 
so als gerade beim Säugling auf die sorgfältige Beobachtung der 
Mütter angewiesen, und deshalb müssen sie auch immer wieder bei 
Erörterung solcher Fragen gehört werden. Sicher ist die Ein- 
stellung einer Mutter ihrem Säugling gegenüber auch auf diesen 
selbst in seinem Verhalten von Einfluß. Ich glaube, daß eine ängst- 
liche, besorgte Mutter, die einen Säugling mit großem Bruch zu 
pflegen hat, immer das Gespenst der Einklemmung vor Augen 
sehend, auch einen Säugling ungünstig beeinflussen kann. Wissen 
wir doch, daß zu Hause in einem nervösen Milieu sich aufhaltende 
Kinder und auch Säuglinge in der Klinik von ihren Müttern oft 
kaum wiedererkannt werden. Ist daher durch die Operation auch 
der Anlaß zur Besorgnis und Unruhe der Mutter zugleich mit be- 
hoben, dann wird dies veränderte Verhalten der Mutter nur im 
günstigen Sinne auf das Kind und sein Gedeihen einwirken können. 
Ernährungsgestörte Kinder, stark exsudative Säuglinge haben wir 
zur Regelung der Ernährung stets der inneren Abteilung überwiesen 
mit der Bitte, sie uns nach Regelung und nach gutem Gedeihen zur 
Operation wieder zuzuführen, und sind damit im Interesse der 
Säuglinge nur gut gefahren. Ganz im Gegenteil zu Goeppert- 
Langstein gibt gerade das Bestehen eines Bruches oft genug An- 
laß zu Störungen von seiten des Digestionstraktus, die nur durch 
die Operation dauernd behoben werden. Winternitz operiert 
z.B. Säuglinge gerade, um hartnäckige Verstopfung zu beheben, 
wie sie sicher durch sehr große Brüche allein zu erklären ist. So 
hatten wir auch einen Fall, wo sich im Scrotum ein derber, teigiger 
Tumor befand, der sich bei der Operation als eingedickter Kot erwies. 
Broca, Fraenkel, später Stiles, Tavel, Castenholz, Groß- 
mann, Martin weisen darauf hin, daß Verdauungsstörungen bei 
Säuglingen post operationem verschwinden. Leites schreibt, „daß 


Heft 6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 555 


das Abwarten mit Rücksicht auf die Ernährung des Säuglings nur 
bei ganz kleinen Brüchen empfehlenswert sei und nicht bei großen, 
denn in solchen Brüchen liegen große Darmpartien mit ihren Mesen- 
terien. Die dadurch verursachte Zerrung des Mesenteriums führt 
zu einer Störung in der Zirkulation in den Mesenterialgefäßen, in- 
folgedessen kommt es zu einer Schädigung des Darmes und seiner 
resorptiven Tätigkeit. Die Kinder leiden an Darmkatarrhen, ihr 
Ernährungszustand geht herunter, und die Gefahr eines operativen 
Eingriffes geht rasch in die Höhe.'‘ Auch Tobler weist ausdrücklich 
darauf hin, daß der kausale Zusammenhang zwischen Enteritis und 
Hernie nicht immer ohne weiteres von der Hand zu weisen sei. Sicher 
spiele die Stase, die Stagnation des Inhaltes bei der Ätiologie dieser 
Enteritis eine große Rolle. Wissen wir doch gerade aus den neueren 
Arbeiten der Pädiater, so vor allem von Bessau, welche große 
Rolle gerade der Stagnation des Darminhaltes für die Ätiologie der 
Verdauungsstörungen des Säuglings beigemessen wird, und daß 
alles beim Säugling auf Verhinderung der Stagnation und glatte 
Darmpassage ankommt, um eine Infektion der oberen Darmabschnitte 
zu verhüten. Wenn dann schließlich Goeppert-Langstein 
schreiben, alle Leistenbrüche, auch die, welche Einklemmungs- 
erscheinungen hervorgerufen haben, sind im ersten Lebensjahre 
konservativ zu behandeln, so müssen wir auf Grund unserer und 
auch anderer Erfahrung diesen Standpunkt als nicht gerechtfertigt 
abweisen. 

Bei sachgemäßer Beachtung der Ernährungsgrundsätze 
der. Pädiatrie für den Säugling wird dieser durch die 
Radikaloperation und den Aufenthalt in der Klinik 
in keiner Weise in seinem Gedeihen, auch nicht nach 
der Entlassung aus der Klinik, geschädigt. — Durch 
interne Therapie nicht zu behebende Verdauungsstö- 
rungen können die Radikaloperation des Säuglings als 
besonders indiziert erscheinen lassen. 

Auch Birk erwähnt die Operationsmöglichkeit in seinem „ Leit- 
faden der Säuglingskrankheiten‘ mit keinem Wort bei der Behand- 
lung der Hernien. Er schreibt: Ein großer Teil (d.h. der Brüche) 
verschwindet, wenn die Kinder älter werden und weiter „begünstigt 
wird die Heilung dadurch, daß man den Bruch durch ein Bruchband 
zurückhalten läßt, bei Säuglingen benutzt man Wollbruchbänder.“ 
Wir müssen also auch zur Frage des Bruchbandes, das beim 
Säugling vor der Operation den Vorzug verdienen soll, Stellung 
nehmen, dessen gute Erfolge angeblich die Hernienoperation im 


550 | Ranft. Heft 6 


Säuglingsalter überflüssig erscheinen lassen soll. Ich glaube nicht, 
daß sich eine Heilung immer auf konservativem Wege erzwingen 
läßt, und man wird oft nur zum Schaden des kleinen Patienten an 
diesem Dogma festhalten. Ein Fall aus letzter Zeit ist in dieser 
Hinsicht besonders lehrreich: Bei einem Säugling mit doppel- 
seitigern Leistenbruch, dem von anderer Seite ein Bruchband ver- 
ordnet worden war, kam es trotz Aufwendung aller Sorgfalt und bei 
peinlichster Pflege zum wiederholten Austreten der Brüche mit 
leichten Einklemmungserscheinungen, die immer schnell behoben 
werden konnten, bis der Bruch eines Tages nicht spontan zurück- 
ging und das Kind wegen des linksseitig incarcerierten Bruches, 
also unter viel ungünstigeren Bedingungen, operiert werden mußte. 
Ein Decubitalgeschwür, an der linken Seite durch das Bruchband 
entstanden, verbesserte die Prognose quoad sanationem nicht. 
Der Säugling überstand die Operation und entwickelte sich gut 
weiter. Wir rieten auch zur Operation der anderen Seite, die jedoch 
abgelehnt wurde, und das Kind wurde mit dem Versprechen der 
Spontanheilung konservativ weiterbehandelt. Die rechte Seite kam 
dann nachts zur Einklemmung. Die Eltern, in höchster Besorgnis, 
kamen nachts !/,ı2 Uhr mit dem Kind zur Operation in die Klinik. 
Die Worte der Mutter waren fast wörtlich: ‚Nun nehme ich mein 
Kind nicht wieder unoperiert mit nach Hause, diese fortwährende 
Sorge halte ich nicht aus‘, sie bestätigen sicher eindrucksvoll das 
vorher Erörterte. Es gelang in diesem Falle zunächst noch die 
Taxis, und die Radikaloperation konnte ein paar Tage später, nach 
Abklingen der akuten Erscheinungen der Incarceration, unter für 
das Kind günstigeren Bedingungen ausgeführt werden und wurde 
vom Kinde gleichfalls gut und ohne Störung überstanden. — Die 
Nachteile der Bruchbänder für den Träger, sowohl die der üblich 
käuflichen als die der Wollbruchbänder, sind von so vielen Seiten 
immer wieder betont worden, daß es sich eigentlich erübrigen sollte, 
darauf hinzuweisen. Dennoch erscheint es uns nicht überflüssig, 
da sie noch immer nicht aus dem therapeutischen Rüstzeug der 
Kinder- und vor allem auch praktischen Ärzte als alleiniges Hilfs- 
mittel verschwunden sind, auch in den Lehrbüchern der Pädiatrie 
(Goeppert-Langstein, Birk, Lust, Feer) usw. dem Studenten 
immer wieder warm ans Herz gelegt werden, während die Operation 
abgelehnt oder gar nicht erwähnt wird. Als letzter hat sie auch 
Gohrbandt wieder ausdrücklich abgelehnt. Auch wir möchten 
uns auf den Standpunkt stellen: wenn schon nicht operiert 
werden soll im Säuglingsalter, dann lieber gar keine 


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Heft 6 Die Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 557 


Behandlung. In der chirurgischen Literatur wird das Bruchband 
wohl überall verworfen. Nach allseitiger Erfahrung nützt das Bruch- 
band nur vorübergehend und hindert doch nicht das spätere Auf- 
treten eines Rezidivs. Es bedeutet eine sehr mühevolle Aufgabe 
und stellt an die Akuratesse und Intelligenz der Pflegeperson die 
höchsten Anforderungen. 

Es schädigt das Kind, indem es sehr leicht entzündliche Haut- 
verletzungen nach sich zieht (Ekzeme, Decubitus, Furunkulose), 
die Bruchpforte durch den zum Erfolg unentbehrlich anhaltenden 
Druck schwächt und so die evtl. operativen Aussichten beeinträchtigt. 
Das Kind bleibt, solange es an das Bruchband gefesselt ist, ein 
Krüppel und wird in seiner freien körperlichen und seelischen Ent- 
wicklung gehemmt. Oft werden die Kinder durch das Band gequält. 
Sie schreien erst recht und erweitern die Pforte, wenn das Bruch- 
band nicht exakt paßt. Ein ausschlaggebender Einwand gegen die 
Bruchbandbehandlung sollte aber der Umstand sein, daß gerade 
im Kindesalter eine große Zahl von Brüchen nicht ganz frei reponibel 
sind, sei es, daß es sich um Gleitbrüche handelt oder daß, wie so 
oft, der Wurmfortsatz den einzigen Inhalt darstellt und infolge 
Entzündungen Verwachsungen mit der Bruchsackwandung ein- 
gegangen ist. Solche Appendicitiden im Bruchsack werden sicher 
nicht selten durch Bruchbänder erst verursacht. Es genügt wahr- 
scheinlich schon eine geringfügige Quetschung des ziemlich exponiert 
liegenden Organs, um seine Serosa an umschriebener Stelle so zu 
schädigen, daß es zu Verwachsungen mit der parietalen Serosa 
kommt, wie wir sie gerade in letzter Zeit mehrfach beobachtet haben. 
Schmidt betont das häufige Vorkommen des Wurmfortsatzes im 
Leistenbruch zumal beim Säugling, er will auch wiederholt gerade 
beim Säugling Entzündung des Wurmfortsatzes im Leistenbruche 
gesehen haben. Aus diesem Grunde schreibt er, daß, wenn man 
hier die Operation aufgeschoben haben würde, die Kinder dauernd 
der Gefahr der Brucheinklemmung und der Wurmfortsatzentzündung 
ausgesetzt und in bezug auf letztere durch ein später angelegtes 
Bruchband noch ganz besonders gefährdet seien. Bajardi fand 
den Wurmfortsatz in 9,5%, der Fälle im Bruchsack und auch von 
anderen wird auf die Häufigkeit dieses Vorkommnisses hingewiesen. 
Wir fanden bei unseren Säuglingen den Wurmfortsatz in 14,6% der 
Fälle im Bruchsack. Kern in 25% (in ı2 Fällen 3mal). Von der 
Appendektomie sehen wir in solchen Fällen beim kleinen Kinde ab, 
um nicht die Operation zu verlängern und die Asepsis nicht zu ge- 
fahrden. Was zunächst die Dauerbehandlung der Bruchband- 


558 Ranft. Heft 6 


behandlung anbelangt, so sind die Mitteilungen Gordon’s von 
größter Wichtigkeit, die schreibt: ‚Unsere Ziffern zeugen von der 
Nichtigkeit des Bruchbandes in bezug auf die Radikalkur der Her- 
nien. In einzelnen Fällen wurde es 4, 5, 6, 7, 8 Jahre hindurch Tag 
und Nacht getragen oder vielmehr ertragen, ohne daß dadurch 
irgendeine Tendenz zur Verkleinerung der Bruchpforte hervor- 
gerufen worden wäre. Bei denjenigen Hernien, und dieselben bilden 
bei Kindern die überwiegende Mehrzahl, bei denen es sich um kon- 
genitale Malformationen des Leistenkanales, um Abwesenheit oder 
mangelhafte Konstruktion der Leistenpfeiler, um einen abnorm 
erweiterten Leistenring handelt, kann selbstverständlich mit der 
Behandlung durch die Bruchbänder kein irgendwie nennenswertes 
Resultat erzielt werden. Das Kind wird unter solchen Umständen 
niemals imstande sein, jenen adhäsiven, physiologischen Entzün- 
dungsprozeB hervorzurufen, der bei der Obliterierung des Processus 
vaginalis und der Verklebung des serösen Bruchsackhalses eine so 
bedeutende Rolle spielt.“ Ferner: ‚In einer kleinen Zahl von 
Brüchen kann man beim Kinde durch die methodische, mehrjährige 
Behandlung mittels des Bruchbandes in der Tat eine Heilung erzielen, 
aber um welchen Preis?! Es bedarf hierzu der unausgesetzten, 
peinlichsten Überwachung. Ausdauer seitens der Umgebung und 
größte Geduld und Fügsamkeit von seiten des kleinen Patienten. 
Und nachdem dem letzteren so die schönste Kindheit vergrämt 
wird durch ein Gebrechen, das ihm jede Anstrengung und Ermüdung 
verbietet, das ihn folglich von den Spielen und Erholungen seiner 
Kameraden, von allen Freuden der Jugend ausschließt, ist er nicht 
einmal sicher, daß der Bruch nicht nach Jahren, wenn man ihn 
längst radikal und definitiv geheilt glaubte, wieder erscheine.“ 
Aus den Ausführungen Gordon’s möchten wir als besonders wichtig 
die Unterscheidung zwischen solchen Hernien, die im wesentlichen 
Folge von Malformationen der Bruchpforte und Bruchwandungen 
sind und solchen, die allein durch das Offenbleiben eines Teils des 
Processus vaginalis peritonaei bedingt sind, hervorheben. Nur die 
letzteren lassen sich durch die vom Bruchband bewirkte seröse 
Obliteration mit einiger Aussicht auf Dauererfolg heilen. Jedoch 
ist hierbei stets zu berücksichtigen, daß an der Stelle, wo eine solche 
durch Druck zu erzielende Obliteration erhofft wird, nämlich am 
Anulus ing. internus, wegen der Weichheit der Teile und ihrer Aus- 
weichmöglichkeiten diese Wirkung äußerst hypothetisch ist und 
weiter unten am Anulus ing. externus erst den viel umfangreicheren 
Funiculus spermaticus quetschen miiBte. Schlechte Erfahrungen mit 


Heft 6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 559 


dem Bruchband hat u. a. auch Fraenkel gemacht. Er schreibt: 
„Ich habe mich um so leichteren Herzens nach diesen günstigen Er- 
fahrungen bei den vier Einklemmungen hierzu entschlossen (d. h. zur 
Operation), als ich trotz aller, durch Jahre fortgesetzten Bemühungen 
mit der Bruchbandbehandlung der Säuglinge die allerschlechtesten 
Erfahrungen gemacht habe. Ich kann wohl mit gutem Gewissen 
behaupten, daß die Säuglinge unter der Bruchbandbehandlung mit 
der unvermeidlichen Konsequenz der [Irritation der Haut durch 
die kot- und urinbeschmutzten Bracherien unverhältnismäßig mehr 
zu leiden hatten als durch die Operation.“ Schließlich hat Gohr- 
bandt auch mit Recht wieder auf die Kostspieligkeit der Bruch- 
bänder hingewiesen, ein heutzutage sicher nicht zu unterschätzendes 
Argument. Wichtig ist auch, daß Gohrbandt hervorhebt, daß 
man für den Fall der Notoperation bei Incarceration (s. vorn) durch 
die Bruchbandbehandlung, die diese absolut nicht verkleinert oder 
gar ausschließt, nur ungünstige Verhältnisse schafft; nicht nur, daß 
evtl. Ekzeme, Ulcera usw. die Prima intentio gefährden müssen, 
sondern auch die entstandenen entzündlichen Verklebungen er- 
schweren dann bei der Operation die Auslösung des Bruchsackes, 
machen verstärkte parenchymatöse Blutungen und verlängern die 
Operationsdauer. French führt unter den Ursachen der Rezidive 
u.a. mit an eine mangelhafte Entwicklung und Erschlaffung der 
tiefen Muskelplatte, z. B. nach längerer Bruchbandbehandlung, 
ein Grund, der auch mit gegen die Bruchbänder spricht. De 
Garmo schließlich weist noch auf die unerträglichen Schmerzen 
beim Tragen der Bruchbänder hin, was nach seiner Meinung eine 
direkte Indikation zur Operation gibt. 

Wir lehnen auf Grund unserer eigenen Erfahrungen das Bruch- 
band auch im Säuglingsalter im allgemeinen ab, da wir in 
keinem Falle irgendwelchen Nutzen von der Bruchbandbehandlung 
gesehen haben. Nur im ersten Quartal, wo wir mit anderen 
(s. oben) einen konservativen Standpunkt einnehmen, lassen 
wir es unter ganz bestimmten Indikationen gelten. 
Einmal, wenn der Bruch schnell größer wird und die operative Be- 
handlung wegen des Allgemeinzustandes des Kindes nicht erlaubt 
ist, andererseits die örtliche Beschaffenheit der Bruchregion, die freie 
Reponibilität des Bruches das Anlegen des Bandes gestatten. Ferner 
sind entscheidend die sozialen Verhältnisse: nur wo Sorgfalt und: 
liebevolle Fürsorge waltet, kann die Behandlung durchgeführt werden. 

Gelegentlich wird man wohl mal, wo man ohne Behandlung den 
Operationszeitpunkt abwarten könnte, den Angehörigen das Zu- 


560 Ranft. Heft 6 


gestandnis des ,,ut aliquid fiat'’ machen, da sie sonst in dauernder 
Unruhe sein wiirden. Aber das sind seltene Ausnahmefalle. — 
Wir haben der Frage: Wie war die Behandlung des Leisten- 
bruches vor der Operation und welchen Erfolg hatte sie vor 
allem auch in Hinblick gerade auf die Bruchbandbehandlung, be- 
sondere Aufmerksamkeit geschenkt. In vielen Fallen gaben die 
Miitter an, der Arzt habe den Bruch einfach hineingedriickt und 
gesagt, man könne nichts weiter tun, eine Operation käme vor Ab- 
lauf des ersten Jahres nicht in Frage. In 5 Fällen von den nicht 
komplizierten, einfachen Leistenbrüchen hatten die Säuglinge ohne 
Erfolg ein Bruchband getragen, teils waren die Bruchbänder dauernd 
entzweigegangen (Kosten) und der Ersatz den Eltern zu teuer, 
teils waren die sichtlichen Beschwerden der Säuglinge durch die 
Behandlung in keiner Weise behoben worden, teils kam es zu Wund- 
sein und Intertrigo und oft kam der Bruch trotzdem immer wieder 
heraus. Die geringe Zahl der verordneten Bruchbänder scheint doch 
dafür zu sprechen, daß das Vertrauen der Ärzte zu dieser Behandlung 
beim Säugling selbst nicht sehr groß ist, denn sonst wären sie sicher 
öfter verwendet worden. In der Mehrzahl der Fälle fand überhaupt 
vorher keine anderweitige Behandlung statt, die Mütter suchten 
direkt unsere Poliklinik auf. 

Es wurde schon oben erwähnt, daß bereits Israelsohn im Jahre 
1880 die operative Behandlung der Hernien im Säuglingsalter ab- 
gelehnt habe, weil ein aseptischer Wundverlauf nicht zu er- 
reichen sei, ein Einwand, den man heutzutage überhaupt nicht 
mehr zu entkräften braucht, denn die Zahlen reden eine beredte 
Sprache in diesem Punkt und lassen auch heute noch auf Grund 
dieses Punktes gegen die Operation beim Säugling vorgebrachte 
Bedenken als völlig unberechtigt erscheinen. Die Wundbehandlung 
bei den 75 operierten Brüchen war folgende: Bei keinem Bruch 
erfolgte eine Heilung per secundam. Nur in 4 Fällen lagen ganz 
belanglose, geringfügige Störungen vor, geringe seröse Sekretion, 
Dehiscenz kleiner Partien der Hautwundränder usw., die nur wenige 
Tage anhielten, ohne die Prima intentio zu stören. Solche kleinen 
Störungen kommen bei der weichen, beweglichen Haut des Kindes 
leicht einmal dadurch zustande, daß die Nähte nicht exakt adaptiert 


sind und sich die Ränder übereinander schieben. Es kommt also 


auf eine sehr sorgfältige Ausführung der Hautnaht viel an. Auch 
Kovacs weist auf diesen Punkt besonders hin. Er nimmt ebenso 
wie wir übrigens von der Verwendung der Michelklammern wegen 
Decubitalstellen und unschöner Narbenbildung Abstand. Erst bein 


Heft 6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 561 


größeren Kind, wenn die Haut derber geworden ist, werden sie ver- 
wendet. In einem einzigen Fall war infolge äußerer Beschmutzung 
des Verbandes bei dem sehr unruhigen Kinde ein Verbandwechsel 
schon am vierten Tage post operationem nötig, während wir sonst 
erst zur Entfernung der Fäden 7 Tage post operationem den ersten 
Verband abnehmen. Hier kam es zu einer oberflächlichen Störung 
der Wundheilung. In 59 Fällen, d.i. in 94,5% der Fälle, hatten wir 
eine einwandfreie per-primam-Heilung. Die Zahlen zeigen, daß 
man mit Wundinfektion bei der aseptischen Radikal- 
operation nicht mehr zu rechnen hat. Allerdings ist hierbei 
nicht nur die selbstverständliche, peinlichste Asepsis bei der Ope- 
ration und ihre möglichst einfache, schnelle Technik von Bedeutung, 
sondern sehr wichtig auch die richtige Vorbereitung und vor allem 
Nachbehandlung. 

Besonders aber sind Säuglinge mit Unreinheiten der 
Haut, auch entfernt von der Operationsstelle (Pyodermien, 
Ekzemen, Furunkeln, Intertrigo usw.) und sonstigen Infektio- 
nen (Lymphome, Otitis media, Angina, Cystitis) von der Ope- 
ration zuriickszustellen. 

Leichtere intertriginöse Ekzeme heilen bei der unten gleich zu 
erörternden Lagerung der Säuglinge oft überraschend schnell ohne 
jede weitere Therapie ab, so daß es uns gelingt, in kürzester Zeit, 
innerhalb 2—3 Tagen, solche Kinder zur Operation geeignet zu 
machen. 

Der Reinigung des Kindes zur Operation mit Bad folgt Waschung 
mit Äther und Alkohol und aseptische Bedeckung des Wundgebietes 
am Abend vor dem Operationstage. Schon jetzt werden die Kinder 
so gelagert, wie sie post operationem zu liegen haben. Riickenlage, 
Anbinden der unteren Extremitäten und Fixation des Oberkörpers 
mit Tüchern am Bett, Anlegen eines am Boden durchbohrten Reagens- 
glases an den Penis, das mit Heftpflaster am Mons pubis befestigt 
wird. Das Glas taucht in eine Flasche und fängt den Urin sicher auf. 
Unterstellen eines Gefäßes (Unterschieber, Eiterbecken) unter den 
After zum Auffangen des Stuhles. So kann es von dem After aus 
12 Stunden vor der Operation nicht mehr zur Verunreinigung des 
Wundgebietes kommen, und so wird nach der Operation der Ver- 
band sicher vor derselben geschützt. Eine besondere Art des Ver- 
bandes ist absolut unnötig. Wir betupfen post operationem die 
Wunde mit Jodtinktur und legen darauf einen Jodoformgazestreifen, 
der mit einem Mullschleier durch Mastix festgelegt wird. Wichtig 
ist, daß die Operationswunde möglichst hoch angelegt wird (?/, über 

Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 36 


562 Ranft. Heft 6 


dem Anulus ing. externus) und der Klebeverband sie abwärts nicht 
weiter, wie eben nötig, zur sicheren Bedeckung überragt, damit er 
möglichst weit von der unsauberen Region entfernt vor Beschmutzung 
mit Urin sicher ist. Kompliziertere Verbände, das Bestreichen der 
Wunde mit dicker Paste u.a., wie es angegeben worden ist, halten 
wir für völlig entbehrlich, ja ungeeignet. 

In der Chirurgischen Abteilung der Leipziger Universitäts-Kinder- 
klinik wurden in der Zeit vom 1. I. 1920 bis Anfang VI. 1922 81 Säug- 
linge wegen Leistenbruches aufgenommen, und zwar handelte es 
sich um: 

20 Falle Hernia ing. indir. reponibilis dextra 


25 » „ ” » si sinistra 

I5 » „ 7 és bilateralis 

10 ,, ii re »,  irreponibilis incarcerata 
11 ,, wurde die Operation zur Zeit abgelehnt. 


Die incarcerierten Hernien sollen hier zunächst als Krankheits- 
bild sui generis ausscheiden und werden für sich besprochen. Die 
Gründe für die Ablehnung der Operation in den ıı Fällen seien kurz 
angeführt. 


Fall 1. 4 Monate, 27 Tage alt. Lag zur Beobachtung des vom Kassenarzt 
festgestellten Leistenbruches auf Station. Wurde jedoch ohne Operation ent- 
lassen, da sich ein Bruch nicht nachweisen ließ. 

Fall 2. 1 Monat, 17 Tage alt. Abgelehnt wegen ausgiebigem, intertriginösem 
Ekzem. 

Fall 3. ı Monat, 23 Tage alt. Entlassen ohne Operation wegen des dürftigen 
Allgemeinzustandes. 

Fall 4. 3 Monate alt. Entlassen wegen zur Zeit bestehender Furunkulose 
und Intertrigo. 

Fall 5. 3 Monate, 7 Tage alt. Operation des angeblich eingeklemmten 
Leistenbruches wegen des schlechten Allgemeinzustandes zur Zeit abgelehnt. 

Fall 6. ı Monat, 5 Tage alt. Operation wegen des schlechten Allgemein- 
zustandes abgelehnt. 

Fall 7. 5 Monate alt. Operation wegen zur Zeit bestehender Dyspepsie 
abgelehnt. 

Fall 8. ıı Monate, ıı Tage alt. Operation wegen starker Bronchitis zur 
Zeit abgelehnt. 

Fallg. 3 Monate, 21 Tage alt. Operation wegen Furunkulose und Bronchitis 
zur Zeit abgelehnt. 

Fall ro. 8 Monate, 26 Tage alt. Die Operation wurde bei dem schwer- 
kranken, tuberkulösen Kinde abgelehnt. 

Fall ıı. 2 Monate alt. Operation wegen zur Zeit bestehender Dyspepsie 
abgelehnt. 


Wir kamen also in 13,6% der Fälle zur Ablehnung der 
Operation bei den uns überwiesenen Säuglingen. In den 13,6% 
der Fälle handelt es sich also um folgende Ablehnungsgründe: 


Heft 6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 563 


ı x Bruch nicht nachweisbar, 3 x zu elender Allgemeinzustand 
(Untergewichtigkeit), 3 x Furunkulose und Intertrigo, 2 x Ernahrungs- 
störungen, I x Bronchitis, r x Tuberkulose; zu denen evtl. noch 
hinzukommen können: alle sonstigen Infektionen, Konstitutions- 
anomalien, alle manifesten Erkrankungen sonstiger Art, insbesondere 
noch Lues!). 

Es wurden also an 60 Säuglingen 75 reponible Leisten- 
brüche operiert. Unter diesen waren 57 Knaben = 95%, und 
3 Mädchen = 5% der Fälle. 

Das Alter der Säuglinge am Operationstage betrug: 

bis zu !/, Jahr in ıo Fällen 


” ’ 1, 9 » 25 oe 

oe ’ 3/, »» a” 13 ’ 

über. Ji seo ec. u 
612) Fälle 


Die Operationsmethoden waren in unseren Fällen folgende: 
I1. Kochers Invaginationsmethode . 36 Fälle = 48,0% 


2. nach Karewski........ 33°» =440% 
3. mach Bassini ......... 4 » = 53% 
4. atypisch. ........... 2 «¢ =] 242% 


Die Tabelle zeigt, daß wir in einer großen Zahl von Fällen die 
Invaginationsmethode Kochers angewandt haben. Wir haben 
sie in etwas veränderter vereinfachter Form ausgeführt: nach nicht 
besonders hoch gelegter Ligatur des Bruchsackhalses wird der 
Bruchsackstumpf mit einer leicht gebogenen Führungszange hinter 
der vorderen Bauchwand aufwärts geführt und nach Anlegen einer 
kleinen Längsincision auf das vordrängende Maul der Zange in 
Aponeurose des Externus und Muskulatur mittels Seidennaht am 
meist nicht eröffneten Peritonaeum und Muskelschicht so fixiert, 
daß er sich beim Herausholen der Führungszange nicht mehr herab- 
ziehen läßt. Wir sehen jetzt von dieser Hilfsoperation ab und re- 
servieren sie nur für die Fälle, wo die hohe Ligatur des Bruchsackes 
wegen Gleitbrüchen oder aus anderen technischen Gründen sich 
nicht exakt durchführen läßt. Sonst beschränken wir uns auf 
die hohe Ligatur. Ein plastischer Verschluß der Bruch- 


1) Es ist noch zu bemerken, daß diese 13,6%, noch nicht alle Säuglinge, 
bei denen wir die Operation ablehnten, umfassen, sondern nur die, die bereits 
zwecks Operation auf der Station aufgenommen waren. Die in der Poliklinik 
als ungeeignet abgewiesenen Fälle (Brustkinder usw.) sind in dieser Zahl nicht 
enthalten. 

2) Nb.: 61 statt 60, da ein doppelseitiger Leistenbruch zweizeitig operiert 
wurde. 

36* 


564 Ranft. Heft 6 


pforte ist, darin stimmen wir mit Karewski u. a. tiberein, im 
Säuglingsalter in den allermeisten Fällen unnötig. 
Karewski schreibt, daß der gute Erfolg der Operation nicht allein 
in der größeren Plastizität der kindlichen Gewebe, sondern auch 
in dem Umstand liege, daß sich die Bruchpforten des Kindes, sobald 
sie nicht mehr durch das Heraustreten der Intestina auseinander- 
gedrängt werden, sehr schnell spontan verengen, und daß im beson- 
deren der Leistenkanal mit dem fortschreitenden Wachstum nicht 
nur länger werde, sondern auch einen viel schrägeren Verlauf 
annehme. Besser als irgendwelche künstliche Verengung der Bruch- 
pforte sichere dieser Vorgang den Dauererfolg und mache die an 
sich so ausgezeichneten, plastischen Verfahren entbehrlich. Mit 
Karewski hält auch Tavel bei Kindern die Ablösung des Sackes 
mit Abtragung des distalen Teils nach Ligatur ohne Fixation für 
die Methode der Wahl. Sie machen beide vor der Abbindung noch 
eine Torsion des Sackes, um ihn so gut aus seiner Umgebung 
abzulösen. Diese hat unserer Meinung nach vor allem noch den Vor- 
teil, daß sie den Inhalt des Bruchsackes sicher bauchhöhlen- 
wärts zurückdrängt. Auch Spitzy hat bei Kindern die ein- 
fachste Methode für die beste erklärt. Er sagt sogar einmal, daß 
die Muskelnaht und Neubildung des Kanales nach Bassini bei 
Kindern nach seinen Erfahrungen bei der Dünne der Muskulatur 
fast unmöglich sei. In gleicher Weise äußert sich Stiles, der nur 
noch eine oder zwei Pfeilernähte zur Verengerung der Bruchpforte 
macht. Nur in den Fällen, in denen eine Einklemmung am Bruch- 
sackhalse bestand, kam bei ihnen der Bassini zur Anwendung. Auch 
Buessel hält jede plastische Operation für unnütz, die Resektion 
allein genüge. Großmann schreibt zur Technik der Operation, 
man könne heute ruhig behaupten, daß bei der Radikaloperation 
der Kinder die Resultate ebenso günstig, ja noch günstiger seien 
als beim Erwachsenen, da man kompliziertere Methoden nur in 
den seltensten Fällen benötige und der Eingriff sich rasch und ein- 
fach abspiele. In der Raschheit des Eingriffes liegt ja gerade 
beim Säugling ein so wesentlicher Vorteil; aus diesem Grunde lehn- 
ten wir ja schon oben die prinzipielle Appendektomie, 
wie sie übrigens auch Großmann verurteilt, ab. Karewski 
sagt einmal, wenn die blutige Behandlung einer Hernie bei einem 
Säugling indiziert erscheine, so muß die einfachste Methode, welche 
schnell und ohne Gefahr ausgeführt werden kann, den anderen vor- 
gezogen werden, sofern sie gleich zuverlässig wie diese sei. Auf 
letzteren Punkt soll bei Besprechung der Nachuntersuchungen noch 


Heft 6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 565 


eingegangen werden. — Wir verwenden, wie schon gesagt, bei den 
Säuglingen fast ausschließlich die hohe Ligatur. Auf ein völliges 
Auslösen des Bruchsackes wird verzichtet. Von einem zu zwei 
Drittel oberhalb, zu einem Drittel unterhalb des Anulus ing. sub- 
cutaneus gelegenen Hautschnitt aus wird der Bruchsack freigelegt, 
seine Hüllen mit glattem Schnitt bis auf das Peritonaeum durch- 
trennt, die Gebilde des Samenstranges an der Außen- und Hinter- 
seite des Bruchsackes bis zum Anulus ing. internus abgelöst, der 
Bruchsackhals bis zu dieser Höhe exakt isoliert und nach Inspektion 
seines Inneren, evtl. Reposition seines Inhaltes, mittels so hoch wie 
möglich gelegter Durchstechungsligatur unterbunden, wonach ledig- 
lich der proximale Stumpf reseziert, das periphere Stück aber be- 
lassen und mit dem Testikel in das Scrotum zurückversenkt wird. 
Über den Bruchsackinhalt besagen unsere Krankengeschichten 
folgendes: 


Leer . . . . 2 2 2.2... 22mal 
Keine Angabe. . . ... 20 „, 
Netz ...... oa Sar sg a N 
Appendix. ....... or 
Appendix und Dünndarm. 6 ,, 
Ovarium und Tube 2 +63 
Ovarium und Uterus .. I ,, 
Dickdarm. ...... 6 ,, 
Dünndarm ...... the 33 
Dünn- und Dickdarm I 


Wichtig erscheint uns, darauf hinzuweisen, daB in den drei Fallen, 
wo es sich um weibliche Säuglinge, die einzigen überhaupt, 
die zur Operation kamen, stets um Adnexe handelte, die sich 
im Bruchsack vorfanden. Die drei Fälle seien deshalb ausführlich 
erwähnt: 


Fall ı. B. E., 3 Monate, 5 Tage alt. 2980 g schwer, etwas schwächlich, 
innere Organe gesund. In der linken Leistenbeuge befindet sich eine, bis zu 
kleinpflaumengroße Vorwölbung, die beim Schreien des Kindes noch zu- 
nimmt. Die Vorwölbung ist wenn auch schwer, reponierbar. Im Bereich der 
Vorwölbung fühlt man noch eine harte Resistenz von etwa Bohnengröße. 
Dieser Tumor läßt sich nicht reponieren, er macht den Eindruck einer Hydro- 
cele. Durch Punktion wird aus dem Gebilde fadenziehende Flüssigkeit ge- 
wonnen, die sich schnell ersetzt. — Operationsdauer ı2 Minuten. 1,5 Chloro- 
form. Typischer Schrägschnitt, Freipräparieren des Bruchsackes. Der Bruch- 
sackinhalt fühlt sich derb und höckerig an. Der Bruchsack reißt beim Frei- 
präparieren ein. Der Inhalt des Bruchsackes besteht aus dem Uterus, den 
beiden Tuben und den cystisch entarteten Ovarien. An einer besonders großen 
Cyste ist eine blutunterlaufene Stelle, von der vorhergegangenen Punktion her- 
rührend, sichtbar. Vollständiges Eröffnen des Bruchsackes. Die Reposition 
des Inhaltes gelingt erst nach Spaltung des äußeren Leistenringes. Durch- 


566 Ranft. Heft 6 


stechungsligatur. Resektion. Invagination. Verschluß des Anulus ing. sub- 
cutaneus. Naht der Bruchsackhüllen. Hautnaht. 6 Tage post operationem 
Fäden entfernt, Heilung per primam. 

Fall 2. S. I., 9 Monate, 20 Tage alt. Kind in nur mäßigem Ernährungs- 
zustand. 4780 g schwer. Zeichen der Rachitis. Epiphysenlinien aufgetrieben. 
Innere Organe o. B. Oberhalb der rechten Leistenbeuge findet sich eine etwa 
bohnengroße, harte Geschwulst, die auf der Unterlage gut verschieblich ist. 
Beim Schreien des Kindes zeigt sich oberhalb dieser Drüse (?) eine deutliche 
Vorwölbung, die, wenn das Kind ruhig ist, wieder in die Bauchhöhle zurückgeht. 
— Operation 33 Minuten Dauer. 4,0 Chloroform. Typischer Schrägschnitt. 
Freipräparieren des Bruchsackes. Im Bruchsack kann man die oben beschrie- 
bene harte Geschwulst tasten. Sie besteht nach Eröffnen des Bruchsackes aus 
dem cystisch entarteten Ovarium und der Tube; letztere ist mit der Bruch- 
sackwand ziemlich fest verwachsen und nur mit Mühe von ihr zu lösen. Die 
Reposition des Bruchinhaltes gelingt erst nach Spaltung des äußeren Leisten- 
ringes. Hohe Ligatur. Naht des Anulus ing. subcutaneus. Hautnaht. 6 Tage 
post operationem Fäden entfernt. Heilung per primam. 

Fall 3. P. S., 5 Monate, 3 Tage alt. Zur Anamnese: Mit 3 Wochen be- 
merkt, daß ein Bruch rechts besteht. Links besteht ebenfalls ein Bruch, aber 
er ist nicht so ‚‚hart‘‘ als der rechte. Zeitweise soll der Bruch sehr hart werden, 
das Kind schreit dann stark und wird unruhig, kann oft nicht urinieren. Be- 
fund: Säugling in dürftigem Ernährungszustand. 3820 g. Innere Organe o. B. 
In der rechten Leistenbeuge wölbst sich ein kleiner Tumor von Kirschkerngröße 
vor, der sich beim Schreien und Anspannen der Bauchdecke noch vergrößert. 
Er läßt sich zum Teil reponieren, eine Geschwulst von Erbsengröße bleibt 
jedoch immer zurück. — Operation: Dauer und Narkosenmenge unbekannt. 
Typischer Schrägschnitt rechts, Freipräparieren des Bruchsackes. Bruchsack 
sehr dünn. Eröffnen des Bruchsackes. Inhalt: Ovarium. Tube und Fimbrien, 
die mit dem Bruchsack stark verwachsen sind und sich nicht reponieren lassen. 
Freipraparieren; selbst dann ist die Reposition unmöglich, da der Uterus 
auch noch mit dem Peritonaeum verwachsen ist. Hervorziehen des Uterus, 
lösen desselben, erst jetzt gelingt die Reposition. Vernähen des Bruchsackes. 
Versenken des Stumpfes. Zwei Aponeurosennähte. Hautnaht. 6 Tage post 
operationem Fäden entfernt. Wundheilung per primam. 


In allen drei Fällen mußte, um die Reposition zu ermöglichen, 
erst der Anulus ing. subcutaneus durchtrennt werden. Tobler 
hat schon darauf hingewiesen, daß man bei Kindern so oft die Adnexe 
im Bruchsack vorfinde. Unter 6 Fallen fand er 2mal die Adnexe, 
das wäre in 33,3%, der Fälle. Wir hatten unter unseren Fällen 3 mal 
Adnexe, das ware sogar 100%. Corner hat sich besonders mit den 
Leistenbrüchen bei Kindern weiblichen Geschlechts befaßt. Er 
schreibt, daß dieselben, wenn sie irreponibel sind, fast immer ein 
Genitalorgan enthalten. Er berichtet über 103 weibliche Kinder. 
wovon 90 reponible, 4 irreponible und 9 incarcerierte Hernien hatten. 
13 enthielten ein Genitalorgan, und zwar meistens Tube und Ovarium. 
Das wären auf 100 Kinder weiblichen Geschlechts 12,6%, der Fälle, 
in denen ein Genitalorgan im Bruchsack vorliegt. Auch wir fanden 


- 


Heft6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 567 


in unseren drei Fällen in jedem Falle eine noch irreponible Ge- 
schwulst, die sich in jedem Falle bei der Operation als ein Genital- 
organ erwies. Daß für diese Fälle die Operation nur die einzige 
Möglichkeit der Behandlung ist, möchten wir noch besonders unter- 
streichen. Die Bruchbandbehandlung wäre geradezu verhängnis- 
voll wegen der Irreponiblität. Andererseits erleiden die dystopischen, 
steten mechanischen Reizen ausgesetzten Genitalorgane mit der 
Zeit Schädigungen, wie die cystisch entarteten Ovarien beweisen. 
Ihre normale Entwicklung ist sicher ernstlich gefährdet. Watson 
weist auch noch darauf hin, daß die Torsion der Adnexe eine häufige 
Komplikation der Hernie des Ovariums und der Tube bei Kindern 
unter 2 Jahren sei. Als Symptome führt.er an: Unruhe, unmoti- 
viertes Schreien und Reizbarkeit, Erbrechen, Aufblähung des Leibes 
seien selten. Vor allem sei die Hernie irreponibel, druckempfindlich 
und schmerzhaft. Bei Strangulation stelle sich dann Übelkeit, Er- 
brechen und Stuhlverhaltung ein; Peritonitis sei selten. Die Be- 
handlung der irreponiblen Hernien des weiblichen 
Säuglings hat unbedingt in der Frühoperation zu be- 
stehen. 

Das Verhalten der Temperaturkurve post operationem 
bei den Säuglingen haben wir besonders genau verfolgt. Das Vor- 
kommen erhöhter Temperatur beim Säugling gehört fast zur Regel, 
und auch von anderen Beobachtern wird auf diese Tatsache beson- 
ders hingewiesen. Nevarro hat z. B. unter 70 Fällen bei 52 Kin- 
dern leichte Temperaturen, ohne Störung der primären Wundheilung 
beobachtet. So schreibt Tobler, daß er das Vorkommen von Tem- 
peraturen bei ganz unkomplizierten Brüchen, bei lokal absolut 
reaktionslosem Wundverlauf, und ohne daß die geringste Andeutung 
einer Lungen- oder anderweitigen Komplikation bestände, beobachtet 
habe. Er fand in der Regel gleich am Abend des Operationstages 
die Temperatur 37,5—38,5°, doch auch Temperatur 39,0° und 
darüber. Wir haben versucht, aus 49 Fällen, die postoperativ bei 
genauer klinischer Beobachtung, ohne jedwede Störung der Wund- 
heilung, glatte prima intentio in allen Fällen, keinerlei Störung von 
seiten des Respirations- und Digestionstraktus boten und ander- 
weitige Infekte auszuschließen waren, eine Durchschnittskurve für 
den operierten Säugling aufzustellen. Natürlich ist eine solche 
Kurve schematisch, sie soll auch nur ein ungefähres, anschaulicheres 
Bild des Verhaltens der Temperatur der operierten Säuglinge geben. 
Das Alter der Säuglinge haben wir bei der Aufstellung der Kurve 
nicht besonders berücksichtigt. Möglich, daß jüngere Säuglinge 





Heft 6 


Ranft. 


568 


feiner reagieren als ältere. Das Maximum liegt bei 38,0° am ersten 


Tage post operationem friih, von da ab lytischer Abfall der Kurve. 


Die Kinder sind am 3. Tag 


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Bur nygeg aaziotz9do YOnaAquaysio9y ue u»ap ayjaAaınyınyesıodwoaysyYItruy>osydınaq 


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früh 

in 

Aus dieser 
Darstellung 
Normal- 
bzw. 


Unsere Unter- 


peratur am 2. Tag post 
operationem 37,5’ 

und 37,3° abends noch als 
leichte Steigerung ansieht 
da der Durchschnittswert 
vor der Operation bei 37,2° 
einzelnen Tage graphisch 
dargestellt, um zu zeigen, 
wieviel Fälle unter, 
und über der Tagesdurch- 
schnittstemperatur liegen. 
selben; nur einige wenige, 
ganz extreme Steigerungen 
drücken den Durchschnitt 

In der 

suchung ist eine neue Be- 
stätigung, daß selbst sehr 


in die Höhe. 


graphischen 


post operationem entfie- 
bert, wenn man die Tem- 
liegt. Außerdem wurden 
die Temperaturen für die 
Das Gros liegt unter der- 
kann man unseres Erach- 
tens auch ein anschau- 
licheres Bild gewinnen über 
die Entstehung der Normal- 
kurve. 

kurve haben wir übrigens 
in punktierter Linie über 
bzw. unter dem Normal- 
wert die an dem jeweiligen 
Tage zur Beobachtung ge- 
kommene Maximal- 
Minimaltemperatur einge- 
hohe Temperaturen 
beim Säugling an den 


zeichnet. 


Heft 6 


Frih: 


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bed she We hae ty tere re 
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19Xunter damNormalw 8XNW 2 TXuberdemNW 48x 






Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 569 


Abends: 


'39|Abends- | | Operation | | | 
Be a ind vt 
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APO OF, 
WE |, 
‘Co 
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19xunterdemNormaba TOW 18xiber demi 4 49x 


39] | TTay postop! | | |} 
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2xunler demNormalw 12xNW 1 TAXNW TextberdemNW4 7X 


SSS = 
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Graphische Darstellung der Entstehung der Durchschnittstemperaturkurve 
(Operationstag bis einschließlich III. Tag post operationem) für den am 
Leistenbruch operierten Säugling. 


570 Ranft. Heft 6 


ersten beiden Tagen post operationem uns nicht eine 
Störung des Wundverlaufes oder das Auftreten anderer 
Komplikationen fürchten zu lassen brauchen. Man ver- 
meide es daher, den Wundbereich unnötig zu eröffnen. Es ist ja 
eine bekannte Tatsache, daß kleine Kinder viel schneller mit Tem- 
peraturen reagieren als Erwachsene. Das Wärmezentrum spricht 
leichter auf Resorption von Zellzerfallstoffen und anderen Giften an, 
und die Wärmeregulierungsmechanik arbeitet noch nicht so exakt. 
Wichtig erscheint uns auch gerade für den Säugling die Beant- 
wortung der Frage nach der Dauer des Krankenhausaufent- 
haltes, legen doch Goeppert-Langstein gerade hierauf so 
großen Wert und betonen die Gefahr, die für ein Loslösen des Säug- 
lings aus seinem bisherigen Milieu bestehen soll. Da wir zunächst 
keinen Säugling sofort nach der Aufnahme operieren, möchte ich 
unterscheiden in ı. Krankenhausaufenthalt einschließlich der Be- 
obachtungszeit vor der Operation und 2. den Tag festlegen, an dem 
die Mehrzahl der Säuglinge post operationem entlassen werden 
konnten. Die Beobachtungszeit vor der Operation ist ,,Conditio 
sine qua non‘, um die sonstige Gesundheit und Resistenz des Kindes 
festzustellen. Sie ist für Temperaturmessung, Bestimmung der 
Gewichtskurve, Regelung der Diät, Beobachtung der Stühle, des 
Schlafes usw. von Wert. Auch können in verdächtigen Fällen Tuber- 
kulosereaktionen angestellt werden. Bei normalen gesunden Säug- 
lingen genügen 2 Tage. Es beträgt in 83%, der Fälle der gesamte 
Krankenhausaufenthalt nur ı2 Tage, und in 88,1% der Fälle konnten 
die Säuglinge schon am 8. Tage post operationem geheilt entlassen 
werden. Zu einer ambulanten Behandlung post operatio- 
nem haben wir uns bisher nicht recht entschließen 
können, da wir durch diesen nur kurzen Aufenthalt für die 
Säuglinge hinsichtlich ihres weiteren Gedeihens keinerlei Schaden 
gesehen haben. Es kommt doch für einen glatten, komplikations- 
losen Ablauf, für eine einwandfreie prima intentio zuviel auf 
die Nachbehandlung an, so daß wir nach dieser Seite hin nichts 
riskieren möchten und vor der prinzipiellen ambulanten Be- 
handlung lieber warnen möchten. Sehen wir doch gerade in 
anderen Fällen — ich denke hier an die ambulante Behandlung 
der Luxationen —, wie schwierig gerade das Sauberhalten der Kinder 
für die Angehörigen ist. Außerdem kommt ein so kurzer Aufent- 
halt im Krankenhaus auch heute noch immer wesentlich billiger 
als die teueren, ewig zu erneuernden Bruchbänder und das Verband- 
material. 


Heft 6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 571 


Schließlich soll noch ein Fall erwähnt werden, bei dem es im An- 
schluß an die Operation zweimal zu blutigen Stühlen kam, Der 
Fall betraf ein 3 Monate, 28 Tage altes Kind mit rechtsseitigem 
Leistenbruch. Bei der Operation, die sonst technisch keinerlei 
Schwierigkeiten bot, fand sich als Inhalt im Bruchsack das Coecum 
mit dem Wurmfortsatz sowie Dünndarm. Das sehr lange Coecum 
war teilweise mit dem Wurmfortsatz verwachsen, die Reposition 
des großen Darmkonvolutes war erst möglich nach Incision des 
Anulus ing. subcutaneus. Darauf hohe Ligatur und Verlagerung. 
Die Operation dauerte 27 Minuten, Chloroform wurde 4,0 verwandt. 
Am Tage nach der Operation Temperatur früh 38,6° und zweimal 
rein blutige Stühle. Das Fieber war am 2. Tag post operationem 
wie auch die Blutung verschwunden, und am 6. Tag konnte das 
Kind post operationem geheilt entlassen werden. Der Fall betraf 
eines der Brustkinder, die in der Klinik von der Mutter weiter ge- 
stillt wurden. 

Ducastaing berichtet über „Note sur un cas d’hemorragie in- 
testinale précoce consécutive 4 la kélotomie“. Es handelt sich 
um eine akute Brucheinklemmung, an die im Anschluß an die Ope- 
ration nach einer halben Stunde und etwas später zum zweiten 
Male profuse Darmblutungen auftraten. Ungestörte Heilung. Bei 
der Operation fand sich eine sehr starke Einschnürung und ein 
großes Konvolut von Dünndärmen mit einem beträchtlichen Mesen- 
terialsegment im Bruchsack. Ducastaing führt die Blutung auf 
die arterielle Ischämie infolge der Brucheinklemmung zurück. Aloi 
berichtet auch einmal über 3 Fälle von gastrointestinalen Blutungen 
im Anschluß an Hernienoperationen. Der erste Fall betraf eine 
Rezidivoperation mit Netzresektion, in dem zweiten Fall war es eine 
Blutung aus einem Geschwür in einer eingeklemmt gewesenen Schlinge, 
und im 3. Fall kam es nach anfänglich glattem Verlauf 7 Tage nach 
der Operation zur Blutung. Aloi nimmt eine Schädigung durch die 
Narkose, der drüsigen Organe bzw. der endokrinen Drüsen an. 
Unser Fall hat meiner Meinung nach in manchem mit dem von 
Ducastaing Ähnlichkeit: zwar keine akute Einklemmung, aber 
schwere Reponiblität (Incision des Anulus ing. subcutaneus war er- 
forderlich). Hier wie dort ein großes Darmkonvolut, hier wie dort 
bald nach der Operation die Blutung und schließlich in beiden 
Fällen ungestörte Heilung und glatter Verlauf. Vielleicht haben 
in unserem Fall, der einen Säugling betraf, schon die geringen 
Stauungen genügt und zur arteriellen Ischämie und Blutung post 
operationem geführt. 


572 Ranft. Heft 6 


Der postoperative Verlauf unserer operierten Säug- 
linge, bot bis auf den eben erwähnten Fall keinerlei 
Besonderheiten, insbesondere kamen schwere Lungen- 
erkrankungen und schwere Verdauungsstörungen in 
keinem unserer Fälle zur Beobachtung, auch blieben 
anderweitige Komplikationen aus. 

Unsere Nachuntersuchungen hatten folgendes Ergebnis: 
Von den 59 Säuglingen wurden von uns selbst in der Klinik nach- 
untersucht 45 Fälle, d. s. 76,3%. In 7 Fällen erhielten wir durch 
die Eltern Nachricht (11,9%), in 4 Fällen keine (6,8%,) und in 3 Fällen 
(5,1%) waren die gesund entlassenen Kinder aus nicht mehr mit 
der Operation in Zusammenhang stehender Ursache gestorben; 
2 an Pneumonie, bei einem 3. Kinde hat, trotz eingehendster Nach- 
forschungen, die Todesursache nicht festgestellt werden können. 
Unter den 45 selbst nachuntersuchten Kindern mit zusammen 
56 Brüchen sind 3 Rezidive. In den 7 Fällen mit zusammen acht 
Brüchen, wie die Eltern berichten, kein Rezidiv. Das macht auf 
65 Brüche 3 Rezidive, das wäre in 4,7% der Fälle. Nach Garré 
sollen die Rezidive für das Säuglingsalter schwanken zwischen den 
Zahlen 0,5—3%. Die Rezidive seien ausführlicher angeführt: 

Fallı. E.K. 7 Monate 14 Tage alt. Operation Mischnarkose. Bruchsack 
sehr zart. Bruchsack reißt an mehreren Stellen beim Abpräparieren ein. In- 
halt: Dünndarm, Coecum, Appendix. Reposition gelingt erst nach Incision 
der vorderen Wand des Leistenkanales in Beckenhochlagerung. Im Kanal 


eine divertikelartige Ausstülpung des Bruchsackes. Durchstechungsligatur 
Bassini, Wundheilung per primam. Am 8. Tage post operationem entlassen. 


Fall 2. I. G. 4 Monate ı9 Tage alt. Operation typischer Schrägschnitt 
links. Freipräparieren des Bruchsackes. Isolierung vom Ductus def. und Ge- 
fäßen. Bruchsack dünnwandig, kein Inhalt. Durchstechungsligatur. Invagi- 
nation. Hautnaht. Rechts gleichzeitige Operation in der gleichen Weise, 
hier jedoch nur hohe Ligatur. Heilung per primam. Entlassen am 7. Tag 
post operationem. Rezidiv links. 


Fall 3. M. H. 2 Monate ı8 Tage alt. Operation zunächst links Schräg- 
schnitt. Freilegen des Bruchsackes und Abpräparieren des mit ihm eng ver- 
wachsenen Samenstranges. Bruchsack sehr dünnwandig, enthält nur wenig 
Netz. Durchstechungsligatur. Stumpf schnurrt nach Resektion gut zurück. 
Rechts Punktion einer Hydrocele, alsdann Radikaloperation nach Kocher. 
Bruchsack enthielt Darmschlingen war derbwandiger als links. Heilung per 
primam. Am 7. Tage post operationem entlassen. Rezidiv rechts. 


In allen 3 Fällen weicht die Operationsmethode von 
der einfachen, hohen Ligatur ab. Im Fall ı, Rezidiv nach 
Bassini. Im Fall 2 und 3, die deshalb besonders instruktiv sind, 
zeigt sich, daß die einfache hohe Ligatur nach Karewski nicht 


Heft 6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 573 


rezidivierte, sondern stets die nach Kocher operierten Falle. Kein 
Rezidiv kommt auf die hohe Ligatur von Karewski, 
die wir deshalb als die Methode der Wahl beim Säugling 
hinstellen möchten. Karewski selbst schreibt: Eine Unter- 
bindung läßt keine Rezidive zu, offenbar weil die natürliche, beim 
Wachstum sich einstellende Veränderung des Leistenkanales eine 
dauernde Sicherung nach Fortschaffung der Peritonealausstülpung 
schafft. Im Fall 3 fand sich bei der Rezidivoperation ein Gleit- 
bruch, der wahrscheinlich auch schon bei der ersten Operation dieses 
Falles, im Entstehen begriffen, vorgelegen und nur nicht richtig 
erkannt worden war. Nach Gleitbrüchen tritt aber erfahrungsgemäß 
aus bekannten Gründen häufiger als bei anderen Brüchen ein Rezidiv 
auf. Brunzel schreibt, daß ein hohes Abbinden bei Gleitbriichen 
unmöglich sei; daher die Neigung zu Rezidiven; die Methode, nach 
der man operiere, sei ganz gleichgültig. Wir möchten indes glauben, 
daß bei zuverlässiger Durchführung des beschriebenen Verlagerungs- 
verfahrens doch eine wesentlich größere Sicherheit gegen das Rezidiv 
gegeben ist,und wir werden daraufhin später unser Gleitbruchmaterial, 
das mit der Zeit schon zahlreich geworden ist, nochmals durch- 
prüfen. | 

Zwischen Operationstag und Nachuntersuchungstag lagen in 
7 Fällen über 2 Jahre = 13,2%, in 22 Fällen über ı Jahr = 41,5%, 
in ı6 Fällen über !/, Jahr = 30,2%, unter !/, Jahr in 8 Fällen = 
15,1%. Da wir in unserer Arbeit nur die bis Anfang Juni 1922 ope- 
rierten Kinder aufgeführt haben, liegt also in allen Fällen die Ope- 
ration jetzt über ein Jahr zurück. Wir haben die Eltern bei der 
Nachuntersuchung ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, ja 
auf die Operationsstelle zu achten und uns irgendwelche Änderung, 
Auftreten einer neuen Geschwulst usw. sofort im Interesse des 
Kindes mitzuteilen und wieder vorstellig zu werden. Ich glaube 
deshalb, daß man mit Sicherheit sagen kann, daß wir alle Rezidive 
erfaßt haben und weitere an den in der Arbeit zugrunde gelegten 
Fällen nicht zu erwarten sind. Eine Nachuntersuchung aller Fälle, 
um absolute Sicherheit zu haben, ist nochmals geplant, und es soll 
seinerzeit darüber berichtet werden. — Über das zeitliche Auftreten 
des Recidivs post operationem schreibt Coley, daß, wenn ein Rezi- 
div eintrete, sich dasselbe innerhalb des ersten Jahres nach der 
Operation manifestiere. In 2 Fallen wurden die Rezidive, die von 
den Eltern gar nicht bis zur Nachuntersuchung bemerkt worden 
waren, von uns gelegentlich, einmal 10 Monate, das zweite Mal 
I Jahr, ıı Monate nach der Operation festgestellt. Im dritten Falle 


574 Ranft. Heft 6 


war das einwandfreie Rezidiv schon einen Monat nach der Operation 
in Erscheinung gerteten. Lobmayer (Budapest) schreibt sogar, 
daß später als 6 Wochen nach der Operation Rezidive nur äußerst 
selten auftreten. Sertoli schreibt zu dieser Frage, daß die Chirurgen 
noch nicht darüber einig seien, nach welchem Zeitpunkt man einen 
mit Radikaloperation behandelten Bruch als definitiv geheilt betrach- 
ten darf. So habe er sich dem Kriterium der Mehrzahl angeschlossen, 
welche 2 Jahre als genügend annehmen, da die meisten Rezidive 
sich im ersten oder zweiten Jahre einstellen. Schwartz schreibt 
zur Frage der Rezidive nach Bassini, daß er unter 207 Operationen 
Ir Rezidive und davon g (!) im ersten Jahr nach der Operation 
gefunden habe. Hessert hat festgestellt, daB mit zunehmendem 
Lebensalter sich die Rezidivgefahr erhöhe, was für die Frühoperation 
der Säuglinge sprechen würde. Galeazzi hat so z. B. bei 1411 Nach- 
untersuchungen festgestellt, daB 

im ersten Dezennium 1,5% 

, zweiten s 4,2% 

‚ dritten = 6,9% 
Rezidive auftreten. Kelbing weist auch mit Recht darauf hin, 
daß Rezidive im jugendlichen Alter viel seltener als später sind, 
da der Vernarbungsprozeß beim jugendlichen Gewebe ein besserer 
sei. Kovacs schließlich betont gleichfalls, daß die Zahl der Rezidive 
bei Erwachsenen weit höher sei als bei Kindern. Die guten Dauer- 
resultate der Radikaloperation des Säuglingsleisten- 
bruches, die im Vergleich zu anderen Lebensaltern 
nicht erhöhte Rezidivgefahr sprechen sehr zugunsten 
der Frühoperation des Säuglings. 

Wir glauben durch unsere Ausführungen die Meinung 
derer, der Nutzen der Frühoperation des Säuglings- 
leistenbruches werde mit einer zu großen Gefahren- 
quote erkauft, widerlegt zu haben. Wir unterstreichen 
als besonders wichtig auch für einen guten chirurgi- 
schen Erfolg: 

I. Genaueste Beachtung der Vorschriften der Ernäh- 
rung, Wartung und Pflege des Säuglings. Nur, wo dies 
absolut sichergestellt ist (geschultes Säuglingspflegepersonal, 
einwandfreie Zubereitung der Nahrung), dürfen Säuglings- 
operationen vorgenommen werden. 

2. Die Operationstechnik, die an und für sich einfach 
ist, erfordert ein genaues Vertrautsein mit den beson- 
ders diffizilen Verhältnissen des Säuglingsalters. Die 


Heft 6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 575 


Operation darf deshalb nur von in Säuglingsoperationen 
besonders Erfahrenen ausgeführt werden. 


Auf 8ı Säuglinge, die mit der Diagnose ‚„Leistenbruch‘“ auf- 
genommen wurden, kommen ı0 Fälle mit Einklemmung. 
Dies entspricht einer Häufigkeit von 12,3%. Im Vergleich zu älteren 
Autoren ein verhältnismäßig hoher Prozentsatz. Koenig berichtet 
in der 4. Auflage seines Lehrbuches der speziellen Chirurgie, daß er 
nur zweimal während seiner bisherigen Tätigkeit im ersten Lebens- 
jahre Einklemmungen erlebt habe. Von Nußbaum erlebte unter 
54 000 Kindern in 25 Jahren 2 Fälle. Holmes in London sah in 
13 Jahren keinen Fall, Buchanan in 4 Jahren ı Fall. Stern 
berichtet, daß er unter 138 741 klinischen und poliklinischen Fällen 
in 4 Jahren keine Herniotomie wegen Einklemmung bei Kindern 
verzeichnen kann. Er berichtet in seiner Arbeit aus dem Jahre 
1894 über das umfangreiche Material der Kliniken Basel, Prag, 
Breslau, Krakau, Wien, Frankfurt, Amsterdam, Bern und Göttingen. 
Nach ihm kommen auf 108 Herniotomien’ bei Erwachsenen eine 
bei Kindern wegen incarcerierter Hernien. 

Tscherepinin ist gleichfalls der Ansicht, daß Einklemmungen 
bei Kindern sehr selten sind, und auch Dubs, der in neuerer Zeit 
über 3 Säuglingsincarcerationen berichtet hat, hebt ausdrücklich 
die Seltenheit dieses Krankheitsbildes hervor. Im Gegensatz hierzu 
berichtet Krause aus der Königsberger Klinik im Jahre 1921, daß 
er 8 Fälle = 4% der in 2 Jahren beobachteten Fälle von Bruch- 
einklemmungen bei Säuglingen fand. Er glaubt, daß trotz der ent- 
gegenstehenden Angaben der Literatur das Krankheitsbild der Ein- 
klemmung keine so seltene Komplikation des Säuglingsbruches sei, 
wie es den Anschein habe. Er meint, daß die Fälle von Einklem- 
mungen in diesem Alter sehr häufig dem Arzt überhaupt nicht zu 
Gesicht kommen, die Einklemmung gehe entweder spontan zurück 
oder werde in vielen Fällen durch Manipulationen von seiten der 
Mutter zurückgebracht. Sicherlich werden auch vom Allgemein- 
praktiker und Kinderarzt viele Einklemmungen reponiert, die der 
chirurgischen Statistik verloren gehen. Ich habe ferner des öfteren die 
Beobachtung gemacht, daß uns Kinder von auswärts mit der Diagnose 
„incarcerierte, nichtreponible Hernie‘ eingeliefert wurden, die sich teils 
durch den Transport mit Wagen auf schlechtem Pflaster, teils durch 
die gleichmäßigen Erschütterungen einer Eisenbahnfahrt spontan 
bei der Einlieferung schon gelöst hatten. Krause ist den Gründen 
für das gehäufte Auftreten der Säuglingsincarcerationen gegenüber 


576 Ranft. Heft 6 








Alter am | Dauer der, | 
Name Operations- Ein- | Diagnose Befund bei der Operation 
tag klemmung 
| : ! \ 


1 





+ i 1 m nn nn 








— 





| K., Kurt 5 Mon. Nicht ' Hern. ing. indirecta | — 
5830 g 7 Tage genau |irreponibilis incarce- 
bekannt 


rata dextra. | 


- | Nummer 





2 |W., Gerhard 8 Mon. Uber | Hern. ing. indirecta — 
6600 g 5 Tage 12 Std. |irreponibilis incarce- ! 





rata dextra. 


j 


G., Margot 1 Mon. Uber Hern. ing. indirecta | Adnexe, Ovarium und 





| 
| 

J Hem. ing. in 
| 37708 20 Tage ı Tag irreponibilis incarce-| Tube mit Bruchsack 
| | rata dextra. ~ fest verwachsen. 
| | | | 

4 M., Kurt 4 Mon. Über | Hern. ing. indirecta ' Blutig seröses Bruch- 
| 4000 g 5 Tage I Tag ;irreponibilis incarce- | wasser. Stark gestauter 


| rata sinistra. | Dünndarm. 


| | 


"5 IN., Karl Hz.| 7 Mon. 4!/, |Hern. ing. indirecta | Blutig seröses Bruch- 
6330 g 8 Tage Stunden|irreponibilis incarce- | wasser. Stark gestauter 
rata dextra. Dünndarm. 





6 | V., Werner | 7 Mon. | Schon |, Hern. ing. indirecta | Blutig seröses Bruch- 





6380 g 9 Tage | 36 Std. |irreponibilis incarce-| wasser. — Dünndarm- 
| rata sinistra. schlingen. 

7 W. Klaus | 7 Mon. | Nicht | Hern. ing. indirecta| Blutig seröses Bruch- 
| 98508 8 Tage | genau jirreponibilis incarce- | wasser. Stark injicier- 
| bekannt ' rata dextra. ter Dünndarm. 

: 
8 K., Herbert | 2 Mon. Über | Hern. ing. indirecta | Rein blutiges Bruch- 
2770 g 3 Tage | 1 Tag ‘irreponibilis incarce- | wasser. — Stark inji- 
rata dextra. ciertes, dunkel verfarb- 
| | |tes Coecum. Schwere 
| Ä | Adhäsionen. 

9 | Sch., Walter) 3 Mon. 2—3 Hern. ing. indirecta| Reposition des Brucb- 
| 6800 g 10 Tage |Stunden irreponibilis incarce-| sackinhaltes vor seiner 

| rata dextra. Eröffnung. Bruch- 


| wasser stark getrübt. 


10 , Kl., Rudolf | 7 Mon. ' Über iHern. ing. indirecta | Blutiges Bruchwasser. 
| Gew. nicht | 27 Tage ı2 Std. irreponibilis incarce- |Gangränös gewordene 
bekannt. | rata dextra. Dünndarmschlinge. 


Heft 6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 577 





Geheilt 

















men Bad nur teilweise. op. Bauchwand- 


bruch; s. diese 
Arbeit. 


po {ae N 
oe ge + | Besonderes Nachuntersuchung 
post P si 
Taxis in Hanglage 7. Tag | Kind wurde am 3. Tag post [an Monate post 
des Kindes gelungen. Taxim operiert. Im Bruch-|op. + an Stimm- 
sack fand sich noch blutiges | ritzenkrampf. 
Bruchwasser. Modifizierter 
Kocher. 
Taxis gelingt; im 7 Tagı — Kin wurde am 4. Tag| Kein Rezidiv. 
warmen Bad | | post Taxim operiert. Modi- 
i | | fizierter Kocher. — Trug 
| | | von der 6. Woche bis zum 
Tag der Einklemmung ; 
| | Bruchband. 
Taxis gelingt im war- | 8. Tag' — iKind wurde am 2. Tag ı!/), Jahr post 
| 


fizierter Kocher. Vgl. 
| ‚ausführlichen Bericht in 


| 
| post Taxim operiert. Modi- 
der Arbeit! 





Sofortige Operation. | 11. Tag | 
Radikalop. nach _ | 
| 


2 Mon. post op. 
Rezidiv.—4 Mon. 
nach der 1. Op. 
: wieder operiert, 
starb 2 Mon. spä- 
ter an Grippe. 


| 
Re Bruch bestand seit der Kein Rezidiv. 
| 6. Woche und hatte wieder- 

| holt Einklemmungen ge- 
| 


Bassini. 


Sofortige Operation. 8. Tag | 
Hohe Ligatur nach 
Karews ki. 
"habt, war mehrfach vom 
Arzt immer wieder repo- 
niert worden. 


Sofortige Operation. 11. Tag 
Hohe Ligatur und mo- 
difizierter Kocher. | 


Sofortige Operation. | 15. Tag 
Hohe Ligatur nach | 


— ‚Bruch bestand seit der Kein Rezidiv. 
8. Woche! 





— | Bruch seit der 4. Woche. Kein Rezidiv. 
‘ Trug bis zum halben Jahr: 





Karewski. | | Bruchband! 
Sofortige Operation. | 24. Tag: — Bestehen des Bruches seit Kein Rezidiv. 
Hohe Ligatur nach | | Geburt. Schwere chro- 
Karewski. | | nische Obstipation. 
Ä | 
Sofortige Operation. , 7. Tag) — Bestehen des Bruches seit Kein Rezidiv. 
Hohe Ligatur nach ' Geburt. Schwere chro- 
Karewski. | nische Obstipation seit der 
| | 7. Woche!!! 
Sofort. Operation. Re- — + Bestehen des Bruches seit | — 
sektion von 6cm Partis wenige Geburt! 





intestini ilei. Hohe Li- Steer 
gatur n. Karewski. | | 


Monatsschrift fir Kinderheilkunde. XXVII. Band. 37 


578 Ranft. Heft 6 


älteren Angaben nachgegangen und kommt zu folgenden Schlüssen. 
Die Zahl der Hernien hat sich in den Kriegsjahren auch für Erwachsene 
um etwa das Doppelte vermehrt, und die Zahl der eingeklemmten 
Hernien hat eine Steigerung von 10,2%, auf 17,6%, aller behandelnden 
Hernien erfahren. Das gleiche gilt nach seinen Untersuchungen auch 
im speziellen für die Säuglinge. Die besonderen Gründe sind: 

I. gehäuftere Störungen des Darmtraktus, 

2. die verminderte Wartung und Pflege des Kindes, 

Die Untersuchungen, die aus den Kriegsjahren 1917/18 stammen, 
haben sicher auch noch für die heutige Zeit ihre Gültigkeit. Wir 
haben in der Tabelle S. 576/577 das Wichtigste über unsere 10 Fälle 
zusammengestellt. Von einer Aufführung der Krankengeschichten im 
einzelnen soll Abstand genommen werden. Unter den ıo Fällen 
lag 3mal eine Einklemmung der linken Seite und 7mal eine solche 
der rechten Seite vor. Auf 9 Knaben kam nur r Mädchen. Die 
Häufigkeit des männlichen Geschlechtes und die Bevorzugung der 
rechten Seite werden immer wieder in der Literatur betont und finden 
auch durch unsere Angaben eine erneute Bestätigung. Die Gründe 
für beides sind bekannt und bedürfen nicht eingehender Erwähnung. 
Ausführlich hat sich auch Krause erst kürzlich wieder darüber 
geäußert. Zwei Kinder standen im ersten, 3 im zweiten und 5 im 
dritten Quartal des Lebens. Im vierten Quartal stand keines unserer 
Kinder. Zwei Drittel der Einklemmungen sollen nach Knobloch auf 
die ersten I2 Lebensmonate kommen und nach Krause soll im ersten 
Lebensjahr hauptsächlich die zweite Hälfte betroffen werden, wohin- 
gegen in anderen Statistiken wiederum die ersten 3 Monate bevorzugt 
sind. Unsere Statistik ist mit 5 Fällen im dritten Quartal eine Be- 
stätigung der Angabe Krauses. Kovacs fand bei 253 Kindern 
21 Einklemmungen und unter diesen Io Fälle im ersten Lebensjahr. 
Wir finden für das ganze Kindesalter unter 189 Kindern in 2!/, Jahren 
12 Fälle, was einer Häufigkeit von 6,2%, und für die ersten beiden 
Lebensjahre mit ıo Fällen einer solchen von 9,9% entspricht. 

Salzer errechnete für die ersten beiden Lebensjahre eine Häufig- 
keit von 11,5% der Einklemmungen unter 352 Kindern. Unsere 
Mortalität beträgt mit einem Todesfall 10%. Die folgende 
kurze Beschreibung des Falles (Nr. ro der Tabelle) wird jedoch 
zeigen, daß es sich in vieler Beziehung um einen seltenen Aus- 
nahmefall handelt. 

Etwa 8 Monate alter Säugling. Einklemmung bestand bei der 
Operation schätzungsweise I2 Stunden. Genaue Zeitangabe fehlt 
leider. Taxis gelingt nicht mehr. Sofortige Operation, Dauer 


Heft 6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 579 


der Operation 110 Min. Narkosenmenge 8,0 Chloroform. Beim 
Eröffnen des Bruchsackes entleert sich reichlich blutiges Bruch- 
wasser. Eine dicht oberhalb der Valvula Bauhini gelegene Dünn- 
darmschlinge ist fast in ihrem ganzen Umfange blutig infarciert, die 
Wandung stark verdickt und blaurot verfärbt. Zu- und abführen- 
der Schenkel zeigen nach Lösung bald normales Aussehen, die in- 
carceriert gewesene Schlinge jedoch nicht. Im zugehörigen Mesen- 
terium keine Pulsation, keine Peristaltik nachweisbar. Resektion 
von 6 cm Intestini ilei, End-zu-End-Vereinigung. Plötzlicher Exitus 
letalis kurze Zeit nach der Operation. Sektion (Prof. Hübsch- 
mann). Status post resectionem partis intestini ilei. Degeneratio 
hepatis (narcosi effectu ?). 

Epikrise: Zunächst trägt sicher die Hauptschuld am Exitus 
des Kindes die bei der Operation sich als nötig erweisende Darm- 
resektion. Gelingt es auch hin und wieder, unter besonders günstigen 
äußeren Bedingungen bei ausgezeichneter Technik einen Säugling 
mit Darmresektion durchzubringen, so verschlechtert jedoch dieser 
Eingriff die Prognose quoad vitam in jedem Falle. Im vorliegenden 
Falle kommt als weiteres ungünstiges Moment die unverhältnismäßig 
lange schädliche 'Narkosendauer 110’ — Degeneratio hepatis! — 
hinzu, die sich aus dem Umstand erklärt, daß die Operation von 
einem mit der Technik der Darmresektion noch wenig erfahrenen 
Assistenzarzt ausgeführt werden mußte. Schließlich müssen wir 
die bei der Operation festgestellte Gangrän, die sich innerhalb 12 Stun- 
den entwickelt hatte, für dieses Alter als auBergewöhnlich bezeichnen. 

Nach den Angaben Wimmers hinsichtlich der Dauer der In- 
carceration und Prognose beim Kinde ist diese bei einer Dauer 
bis zu 24 Stunden als durchweg günstig zu bezeichnen. Wenn auch 
Gürtler über einen Fall von Darmgangrän beim Säugling nach 
erst einstündiger Dauer berichten konnte, so ist man im allgemeinen 
doch der Ansicht, daß Darmbrand beim Kinde später und seltener 
auftrete. Einmal fehlt in diesem Alter dem einschnürenden Bruchteil 
die Starre und Unnachgiebigkeit des späteren Lebensalters, und 
zum anderen soll der Darm eine größere Lebensenergie besitzen. — 
Eine viel größere Gefahr im Säuglingsalter ist der durch die Intoxi- 
kation bedingte Schock. Keimer macht bezüglich des Darmbrandes 
folgende Angabe: ‚Wir sehen eine Zunahme der Gangrän von 
Lebensalter zu Lebensalter, ihre höchste relative Zahl erreichen 
sie im letzten Jahrzehnt mit etwa 70%. Bei Kindern fehlten dagegen 
Fälle von Darmbrand ganz.“ Schließlich hat auch Krause wieder 
in seiner Publikation die Verschlechterung der Prognose quoad 


37° 


580 Ranft. Heft 6 


vitam beim Säugling betont, wenn Darmresektion erforderlich ist. — 
Die Bezeichnung des Falles als einer seltenen Ausnahme erscheint 
uns nach dem Gesagten als gerechtfertigt. — Krause hat für das 
Säuglingsalter bei Einklemmungen auf 44 Fälle ıı% Mortalität 
errechnet. Jedenfalls ist Sterns Angabe mit 22%, Mortalität zu 
hoch. Wir müssen allerdings berücksichtigen, daß seine Angabe aus 
dem Jahre 1894 stammt und sich seit dieser Zeit die Technik der 
Operationen ganz wesentlich verbessert hat, ein Punkt, den auch 
Krause ausdrücklich betont. Jedenfalls liegen, wenn man für die 
Einklemmung der Erwachsenen einen Durchschnitt von 20% Mor- 
talıtät nimmt, die Zahlen für das allerjüngste Kindesalter immer 
noch günstiger, allerdings ist die größere Sterblichkeitsziffer beim 
Erwachsenen zum großen Teile sicher durch die oft schon sehr alten 
decrepiden Individuen mit Einklemmung bedingt. 

g Fälle gingen in Heilung aus. In 2 Fällen gelang noch die Taxis. 
Die Radikaloperation wurde am 2. bzw. 3. Tag später angeschlossen 
Die restlichen 7 Fälle mußten bis auf den weiblichen Säugling sofort 
operiert werden, da die Taxis nicht mehr gelang. 

Wir versuchen die Taxis in jedem Fall. Krause will sie 
nur bei schwächlichen Säuglingen mit kurzdauernder Bruchein- 
klemmung zulassen und betrachtet sie sonst als Kunstfehler. Spitzy 
will sie nur für die Fälle vorbehalten wissen, in denen die Einklem- 
mung nicht über 12 Stunden besteht. Gelingt die Taxis nicht gleich 
beim ersten Handgriff, dann werden die Versuche in Hängelage 
und schließlich im warmen Vollbad wiederholt, wobei alle forcierten 
Manöver strengstens vermieden werden. Wichtig erscheint uns. 
darauf hinzuweisen, daß man bei allen Taxisversuchen den Anulus 
inguinalis subc. exakt mit Zeigefinger und Daumen der- einen Hand 
umgreifen muß, während die andere einen gleichmäßigen Druck 
auf die Geschwulst ausübt. Die Taxis völlig verwerfen, wie dies 
Krause für die Incarcerationen des Erwachsenen tut, ist nach 
unseren Erfahrungen für das Säuglingsalter nicht berechtigt. Sicher 
aber sollten alle Fälle mitEinklemmung oder Irreponibli- 
tät im Säuglingsalter unmittelbar dem Chirurgen zu- 
geführt werden, damit keine unnötige und kostbare Zeit verloren 
geht, sondern sofort, wenn die Taxis nicht gelingt, die Operation 
unmittelbar angeschlossen werden kann. Es gilt unserer Ansicht 
nach für die eingeklemmte Säuglingshernie das gleiche Prinzip wie 
für den Ileus im Säuglingsalter, über den Spitzy schreibt: „Ge- 
lingt die hohe Irrigation nicht, so ist es ein Verbrechen, mit der 
Operation zu warten.“ Der gelungenen. Taxis schließen wir die 


Heft 6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 581 


Radikaloperation nicht unmittelbar an. Einmal, um sich das Kind 
von dem Trauma (Schock) der Einklemmung wieder erholen zu lassen, 
Abklingenlassen von schon oft nach kurzer Zeit auftretenden Intoxi- 
kationserscheinungen, Abwarten der normalen Wiederherstellung 
der Darmtätigkeit, schließlich um auf Grund eingehender klinischer 
Beobachtungen zur Zeit für die Operation ungeeignete Säuglinge 
ausschließen und für einen günstigeren Operationstermin zurück- 
stellen zu können. Wir möchten uns hierin Graser anschließen, 
wenn er sagt, „daß bei ganz kleinen Kindern es manchmal rätlich 
erscheinen kann, die Einklemmung durch Taxis zu beseitigen und die 
Radikaloperation auf bessere Zeiten zu verschieben“. Ferner sollen 
sich die gedehnten succulenten Gewebe wieder normal zurück- 
bilden können. Wenn wir auch für die eingeklemmte Hernie des 
Säuglings hinsichtlich der Operationsmethode gleich anderen Autoren 
die hohe Ligatur nach Karewski als Methode der Wahl bezeichnen 
möchten, so können andererseits doch einmal besondere Verhält- 
nisse gerade beim eingeklemmten Bruch ein plastisches Verfahren 
wie z. B. den Bassini erfordern. Operiert man in derartigen Fällen 
sofort nach gelungener Taxis, so besteht bei der Operation in dem 
pathologisch veränderten Operationsgebiet eher die Möglichkeit 
eines Rezidives, als in den Fällen, wo man noch zugewartet hat. 
Das einzige Rezidiv, das wir bei unseren Nachuntersuchungen . 
fanden, betrifft einen Fall (Nr. 4), der sofort operiert werden mußte, 
und bei dem außerdem wieder eine Bassini-Operation ausgeführt‘ 
wurde, deren Unzuverlässigkeit beim Säugling schon einmal erwähnt 
wurde, und deren Vorkommen unter diesen pathologischen Verhält- 
nissen des Operationsgebietes uns noch leichter erklärlich als unter 
den Verhältnissen der unkomplizierten reponiblen Säuglingshernie 
erscheint. Das Rezidiv trat bereits 21/, Monate nach der Operation 
auf. Das Kind wurde später nochmals operiert und blieb dann 
rezidivfrei. Im Januar 1923 ist es an einer Grippe verstorben. Ein 
Kind entging der Nachuntersuchung durch den Tod, es starb 
2!/,. Monate nach der Operation nach Angabe der Mutter am Stimm- 
ritzenkrampf. In den restlichen 8 Fällen lag die Operation bei der 
Nachuntersuchung in 3 Fällen über 2 Jahre und in den anderen 
Fällen über ı Jahr zurück, es fand sich kein Rezidiv. Also auf 
g Fälle ı Rezidiv (12,5%). Die Wundheilung erfolgte in 
allen Fällen per primam, nur in 2 Fällen geringfügige ober- 
flächliche Störungen der Wundheilung, jedoch ohne Störung der 
prima intentio. Die Nachbehandlung der Kinder weicht in nichts 
von der der unkomplizierten reponiblen Hernien ab und bedarf 


582 Ranft. Heft 6 


nicht nochmaliger Erwahnung. Bis-zum 11. Tage nach der Operation 
waren als geheilt 7 Kinder entlassen. Besonders erwähnt werden 
sollen noch die Fälle Nr. 8 und 9, in denen es sich um Brust- 
kinder handelte. Der Bruch bestand seit Geburt, und es wurde von 
den Eltern in beiden Fällen über seit der Geburt bestehende chronische 
Verstopfung geklagt, die nach der Operation in beiden Fällen ver- 
schwand, bei guten Gedeihen der Kinder. Der Hinweis erscheint 
uns wichtig, da er erneut beweist, daß selbst bei optimaler Ernäh- 
rung eines Säuglings mit Brust, die an und für sich dünnere und häu- 
figere Stühle macht und den Darm schneller passiert als Kuhmilch 
— Pseudoobstipation an der Brust konnte in beiden Fällen aus- 
geschlossen werden —, das Bestehen eines Bruches wieder Verdauung*- 
störungen gemacht hatte. Ich glaube, sicherlich besteht in diesen 
beiden Fällen mit der chronischen Verstopfung auch ein kausaler 
Zusammenhang mit der erfolgten Einklemmung. Ausführlich soll 
noch der Fall Nr. 3 erwähnt werden. 


Krankengeschichte: G. Margot. 1 Monat 20 Tage alt. Gesunde 
Eltern. Brustkind. Die Eltern bemerkten gestern das Heraustreten einer Ge- 
schwulst in der rechten Leistenbeuge, die nicht wieder zurückging. Der tags 
darauf zugezogene Arzt stellt eingeklemmten Leistenbruch fest und reponierte 
denselben, was verhältnismäßig leicht gelang. Außerdem machte er einen 
Einlauf, da heute noch kein Stuhl, wohl aber Winde abgegangen waren! Nach 
‘der erfolgten Reposition am Nachmittag war der Leib des Kindes sehr hart. 
es schrie viel, hat auch etwas erbrochen und war sehr unruhig. Das Kind 
wurde deshalb mit der Diagnose ‚„Bauchfellentzündung nach Leistenbruch- 
Reposition rechts“ der Klinik überwiesen. Befund nach der Aufnahme: 3770 8 
schwerer Säugling weiblichen Geschlechtes, blasse Gesichtsfarbe, Sensorium 
frei, Turgor und Tonus gut. An den inneren Organen (Herz, Lunge) kein 
krankhafter Befund. FingergliedgroBer Nabelbruch, reponible Bruchpforte 
fir die Fingerkuppe eben einlegbar. Leib weich, nicht aufgetrieben, kein 
Milz-, kein Lebertumor, keine Druckschmerzhaftigkeit. In der rechten Leisten- 
gegend tastet man einen etwas weiten Leistenring, von einem Bruch ist zur Zeit 
nichts nachweisbar. Linke Leistenbeuge o. B. Der abgegangene Stuhl ist von 
normaler Beschaffenheit. 

Ein paar Tage später, als bereits geplant war, das sehr schwächliche Kind 
wegen Untergewichtigkeit und zu großer Jugend (7 Wochen) ohne Operation 
zu entlassen, ist der Bruch rechts wieder ausgetreten. Es findet sich ein fast 
taubeneigroßer, ziemlich fester Knoten, der zunächst nicht, auch nicht in 
Hängelage des Kindes, zu reponieren ist; im warmen Bade gelingt schließlich 
die Taxis. Wegen der dauernden Einklemmungsgefahr wird die Operation 
beschlossen. 

Operation (Prof. Sievers): Chloroformnarkose 1,0. Schrägschnitt rechts 
über dem wieder ausgetretenen Bruch, Freilegen des Bruchsackes. Nach 
Eröffnen findet sich als Inhalt zum Teil mit der Wand verwachsenes Ovarıum 
und Tube. Beides läßt sich nicht durch den Schnürring reponieren. Erst nach 
Einkerben des An. ing. subc. gelingt die Reposition. Durchstechungsligatur. 


Heft 6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 583 


möglichst weit oben, Verlagerung. Pfeilernaht, Hautnaht. Primäre Wundhei- 
lung, gutes Gedeihen des Kindes bei Muttermilch und H.-S.-Nahrung. Verlauf 
völlig fieberfrei. 


Epikrise: Im vorliegenden Falle finden sich bei dem einzigen 
weiblichen Säugling wieder Adnexe als Inhalt des Bruchsackes. 
Wahrscheinlich sind Darmschlingen niemals eingetreten gewesen. 
Ob die Taxis bei der zweimaligen Einklemmung restlos gelungen ist, 
möchte ich auf Grund des Operationsprotokolles, daß die Verwach- 
sungen des Eierstockes und seine Irreponiblität ausdrücklich her- 
vorhebt, bezweifeln. Die Anamnese scheint für die Annahme der 
nur teilweise gelungenen Taxis beim ersten Male auch sichere An- 
haltspunkte zu geben. Es bestanden zunächst noch am Nachmittag 
bei dem Kind große Unruhe, unmotiviertes Schreien, Erbrechen, 
Meteorismus (harter Leib), Winde gingen ab! Diese Symptome 
finden wir bei weiblichen Säuglingen unter 2 Jahren als Folgen einer 
Torsion der Adnexe der Ovarien und Tuben. Ich möchte daher 
glauben, daß vielleicht auch der Uterus zunächst mit austrat 
(s. Krankengeschichte fester Knoten!). Dieser wurde allein leicht 
reponiert, während das Ovarium und die Tube, deren Stieldrehung 
die akuten Symptome nach der ersten Taxis auslöste und den Arzt 
draußen zur Diagnose Peritonitis, eine Verwechselung, die leicht 
möglich ist, veranlaßte, noch eine Zeitlang bestehen blieben und dann 
spontan zurückgingen, nachdem der Uterus reponiert war; nach der 
_ Einlieferung in die Klinik waren die Erscheinungen dann restlos 
abgeklungen. Das in diesem Alter noch sehr winzige Ovarium und 
die Tube sind vielleicht der Palpation entgangen, denn daß sie 
irreponibel waren, geht doch mit Eindeutigkeit aus dem Operations- 
protokoll hervor. Es handelt sich also um den immerhin seltenen 
Fall einer Einklemmung der Adnexe mit Stieldrehung bei einem erst 
I Monat 20 Tage alten Säugling, der in Heilung ausging. Wir glaub- 
ten uns zu ausführlicherem Bericht dieses Falles für berechtigt zu 
halten. Bei der Nachuntersuchung dieses Falles fand sich folgender 
Befund: In der rechten Leistenbeuge 3,5 cm lange lineäre Narbe, 
die im unteren Drittel ein wenig eingezogen ist. Beim Husten und 
Pressen wölbt sich rechts neben der Narbe etwas oberhalb des oberen 
Narbenendes eine halbkugelige kleine Geschwulst vor, die beim 
Pressen praller wird und sich leicht wegdrücken läßt. Sie hat zum 
Leistenkanal keine Beziehung, sondern liegt außerhalb desselben 
und scheint durch einen Defekt der Fascie des Obliquus externus 
hindurchzutreten. Die Operation bestätigte die Richtigkeit. Es 
lag kein Leistenbruchrezidiv sensu strictiori vor. Es hatte sich 


584 Ranft. Heft 6 


an der Stelle der Aponeurose, wo dieselbe zur Ausführung der Durch- 
stechungsligatur am Peritonaeum parietale des bei der ersten Ope- 
ration verlagerten Bruchsackstumpfes incidiert worden war, ein 
Bauchwandbruch gebildet. Auf einen exakten Nahtverschluß des 
kleinen Fascienschnittes war bei der Operation des erst 7 Wochen 
alten Kindes, um dieselbe nach Möglichkeit abzukürzen, verzichtet 
worden. Der Fall zeigt aber, daß in jedem Falle auf einen exakten 
Nahtverschluß des Aponeurosenschnittes Wert zu legen ist, um 
nicht einen Locus minoris resistentiae zuriickzulassen. Krause 
schreibt in seiner Publikation zur Technik der Operation: ,,Es gibt 
in dieser Hinsicht Schnelligkeits-Rekord-Operateure, doch muB, 
wie überall, so auch hier eine übermäßige Geschwindigkeit mit Be- 
einträchtigung der Gründlichkeit bezahlt werden.‘ Auch wir stehen 
hinter solchen Rekordleistungen der Bruchoperationen in 4—5 Mi- 
nuten (Spitzy) gleich Krause zurück, wie aus unseren Angaben 
über die Dauer unserer Narkosen schon eingangs im ersten Teile 
deutlich hervorgeht. 

Wir fassen unsere Ansicht über die Incarcerationen der Eee ge 
dahingehend zusammen: 

I. Im Hinblick auf die im Säuglingsalter nicht allzu 
selten vorkommenden Incarcerationen ist grundsätz- 
lich jeder Leistenbruch im Säuglingsalter der Radikal- 
operation zu unterziehen. 

2. Jeder Fall von Irreponiblität und Incarceration 
im Säuglingsalter gehört beschleunigt in die Hand des 
Chirurgen. Ein Versuch mit schonsamer Taxis ist be- 
rechtigt. Gelingt die Taxis jedoch nicht sofort, so sind 
‘ein weiteres Zuwarten und weitere konservative Maß- 
nahmen ein Verbrechen am Leben des Kindes. 

3. Einer gelungenen Taxis soll in jedem Falle ein paar 
Tage später die Radikaloperation angeschlossen werden. 

4. Die Resultate der operativen Behandlung der Säug- 
lingsincarcerationen sind gut, auf ıo Fälle kam ı Exitus 
und I Rezidiv. 


Im folgenden soll noch kurz über die Erfolge unserer Operatio- 
nen jenseits des ersten Lebensjahres bis zum I4. Lebens- 
jahre berichtet werden. Wir teilen diese Kinder in 2 Gruppen. 
Gruppe A: Kinder des 2. Lebensjahres. Das erste Lebensjahr 
hat seine eigene Indikationsstellung, die sich bei der Abtrennung 
vom 2. Lebensjahr schärfer herausarbeiten läßt. Andererseits schien 


Heft 6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 585 


es wichtig, auch das zweite Jahr für sich zu behandeln, da die Stel- 
lungnahme der Chirurgen zur Operabilität wohl erst vom 3. Lebens- 
jahr ab eine einheitlich positive ist. Im zweiten Lebensjahr standen 
53 Kinder. Von diesen wurden 51 mit zusammen 55 Briichen 
operiert, und zwar handelte es sich in 

21 Fallen um Hern. ing. ind. rep. dextra 


24 ’, >? oy 9 >39 os sinistra 
ae 3 » oo» » »  Ddilateralis 
2: 5 „» incarcerata irreponibilis 


In 2 Fallen, d. 1. in 3,8% de Fälle, wurde die Operation abgelehnt. 
Einmal wegen starker Gewichtsabnahme des Kindes, das zudem 
an einer Furunkulose litt, im anderen Falle konnte der bisher allein 
von der Mutter beobachtete Leistenbruch klinisch nicht nachgewiesen 
werden, die Operation wurde deshalb abgelehnt. Die 2 Fälle von 
Einklemmung werden wieder für sich erörtert werden. Auf 49 ope- 
rierte Kinder mit nichtkomplizierten Hernien kommen 2 Mädchen, 
dies entspricht einer Häufigkeit von 4,1% für das 2. Lebensjahr. 
Die beiden Fälle boten keine Besonderheiten, der Bruchsack war 
in beiden Fällen leer. Unter den 53 operierten Brüchen heilten 
einwandfrei per primam 48, d. s. 90,5%. In 3 Fallen kam es zu 
einer geringen Störung der Wundheilung ohne eigentliche Störung 
der Prima intentio, d. s. 5,6%. Zusammen in 96,1% der Fälle pri- 
märe Wundheilung. In ı Fall kam es bei einem nichtkomplizierten 
linksseitigen Leistenbruch zu einer Wundinfektion und Heilung per 
secundam, ohne daß ein besonderes Moment hätte angeschuldigt 
werden können, also in 1,8% der Fälle Heilung per secundam. Ein 
Fall, der einen Bluter betrifft, nimmt eine Sonderstellung ein und soll 
für sich ausführlicher besprochen werden. In 46 Fällen konnten die 
Kinder schon bis zum 10. Tage nach der Operation, d. i. in 93,9% der 
Fälle, und in 57,1% schon am 7. Tage geheilt entlassen werden. Über 
den Bruchsackinhalt besagen unsere Krankengeschichten folgendes: 


Leer 3 u 1.20. anra eg et Ge a a 24 Fälle 
Netz o e a e i d a a n edi 2 
Dünndarm .......... 10 
Dickdarm . . . os er ae ee, Fra I 
Harnblase .......... 2 
Hoden ; ».. 2 wanna a 2% I 
Dünndarm, Netz u. Dickdarm . . 1 
Appendix, Coecum u. Dünndarm. 4 
Appendix und Netz ...... I 
Keine Angabe. ........ 7 


In 9,4% der Falle fanden wir den Blinddarmfortsats als Bruchsack- 
inhalt. 


586 Ranft. Heft 6 


Die operative Mortalität der Kinder im 2. Lebensjahr ist 0° . 
Die Operationsmethoden waren in unseren Fällen folgende: 


1. nach Karewski ı8 Fälle = 32,7% 
Z; 3 Kocher . 27 `$ == 49,0% 
3. 4, Bassini . 7 „ = 12,7% 
4. atypisch. ... 3 „ = 54% 


Das Alter der Kinder am Operationstag war: bis I Jahr 3 Monate 
alt 18 Fälle, bis ı Jahr 6 Monate alt ı3 Fälle, bis ı Jahr 9 Monate 
alt g Fälle, bis ı Jahr 12 Monate alt g Fälle. Alle Kinder wurden in 
Narkose operiert. Die Zeit der Dauer der Narkose ist in 4ı Fällen 
bekannt. Sie betrug in 28 Fällen, vom ı. Tropfen an gerechnet, bis 
30 Minuten und weniger, das entspricht 68,3% der Fälle. Von 
47 Narkosen sind 28 reine Chloroformnarkosen, 19 Chloroform- 
Ather-Narkosen. Die Durchschnittsmenge des Chloroforms betrug 
6,1 g. In.ı Fall wurde ein leichter Narkosenzufall bei einem 1 Jahr 
4 Monate alten Kinde beobachtet, der durch künstliche Atmung und 
Sauerstoffzufuhr schnell wieder behoben werden konnte. Das ent- 
spricht einer Häufigkeit von 2,0% Narkosenzufällen. Alle Kinder 
hatten sich nach der Operation tadellos, in den meisten Fällen sogar 
besser, entwickelt und waren in keiner Weise durch die Operation 
in ihrer Weiterentwicklung ungünstig beeinträchtigt worden. Be- 
sonders erwähnenswert erscheinen uns folgende Fälle dieser Gruppe. 


1. Rechtsseitiger Gleitbruch. 1 Jahr 5 Monate 7 Tage alter Knabe. Im 
Bruchsack liegt neben einer Dünndarmschlinge das Coecum mit dem Wurm- 
fortsatz. Der Wurmfortsatz wurde, da er Zeichen alter Entzündungen auf- 
wies (er war durch noch leicht lösbare Verwachsung am Coecum adhärent), 
entfernt. Der postoperative Verlauf war ohne Besonderheit. Ein mäßiges 
Scrotalhämatom resorbierte sich spontan. Am 8. Tag post operationem geheilt 
entlassen. 

2. Zwei Fälle von Gleitbruch der Harnblase, die in dem einen Fall ver- 
sehentlich incidiert wurde. Der Fehler wurde sofort erkannt, Catgutnaht der 
Blasenschleimhaut, darüber 2 Reihen Peritoneal-Seidenknopfnähte. Verweil- 
katheter, völlig komplikationsloser ungestörter postoperativer Verlauf, Heilung 
per primam. Am 9. Tag post operationem Katheter entfernt, tags darauf 
geheilt entlassen. Störungen von seiten der Blase sind auch später niemals 
beobachtet worden. Der andere Fall bot keine Besonderheit. 

3. Fall von Hämophilie. Die Krankengeschichte sei ausführlicher be- 
richtet. ı Jahr 3 Monate altes Kind. Im Anschluß an die glatte Operation 
der linksseitigen Leistenhernie und des linksseitigen Wasserbruches (nach 
v. Winkelmann) kommt es gegen Abend zunächst ohne Fieber zu einer 
starken Schwellung des Scrotums einschließlich des ganzen Wundgebietes. 
Das Kind ist blaß, der Puls stark beschleunigt. Abends subcutan 0,75 Coagulen. 
Tags darauf: Zunahme der Blässe, Puls 140, Temperaturanstieg, die Schwellung 
des Scrotums hat zugenommen, sein Umfang mißt 22,8 cm. Operation ohne 
Narkose. Nach I.ösen der Nähte Ausräumung des Hämatoms. Genaueste 


Heft 6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 587 


Wundrevision, nirgends findet sich ein blutendes Gefäß. An einzelnen Stellen 
wird das Wundgebiet nach dem Tupfen sofort wieder feucht, ohne daß fest- 
zustellen ist, woher das Blut sickert. Diese Stellen werden zur Sicherheit 
unterbunden. In die Wundhöhle selbst werden 2 ccm Coagulenlösung ge- 
gossen, ein kleiner Gazestreifen eingelegt. Hautnaht. Steriler Verband, 
manuelle Kompression durch 2!/, Stunden. Das steril aufgefangene 
Hämatom wird filtriert, mit etwa 100 ccm Normosal verdünnt und subcutan 
unter Brust- und Oberschenkelhaut injiziert. Gegen Abend war das Kind 
ruhiger. Immer noch sehr blaß, verlangte viel zu trinken, die Temperatur 
39°, der Puls 186, das Scrotum fing bereits wieder an anzuschwellen. Tags 
darauf hat die Blässe wieder mehr zugenommen. Das Scrotum ist wieder 
stärker geschwollen. Puls noch 186, Temperatur früh 38,6. Das Kind macht 
einen sehr bedrohlichen Eindruck. Mittags: Erste Bluttransfusion. Das der 
Mutter aus der Armvene entnommene Blut wird mit Natrium citricum versetzt 
und dem Kinde in die Armarterie — etwa 40 ccm — injiziert. Nach der Trans- 
fusion leise Rötung der Wangen. Nachmittags Puls 160, kräftig. Kind etwas 
lebhafter, Wangen und Finger leicht gerötet. Trinkt viel und hat etwas gegessen. 
Die Schwellung des Scrotums hat wieder zugenommen. Am Io. Tag nach der 
Operation — die bedrohliche Blutung war nach der ersten Bluttransfusion im 
wesentlichen zum Stehen gekommen — wurden der Mutter nochmals ıo ccm 
Blut aus der Armvene entnommen und dem noch sehr stark anämischen Kinde 
in die Streckmuskulatur des rechten Oberschenkels injiziert. Seit dem Tage 
der Operation hatte das Kind hoch gefiebert, war sehr elend und anämisch ge- 
worden. Am Tage der 2. Transfusion ergab die Blutuntersuchung durch Herrn 
Dr. Gelpke folgendes: 

Das der Vene entnommene Blut scheidet sich kurz nach der Entnahme 
in einen weißen und einen roten Teil, das überstehende Plasma bleibt länger 
flüssig als das rote Coagulum. Eine Einschnürung an der Grenze beider Schich- 
ten bleibt aus. Die Gerinnung beginnt innerhalb ıo Minuten. Die Retraktion 
des Gerinnsels ist verzögert, beginnt aber nach 2 Stunden und erfolgt schließ- 
lich vollständig mit vermehrter Serumabscheidung und reichlichem Sediment 
roter Blutkörperchen. 


Hämoglobin.. . . 2. 2 2 2 2 a 25,69, 
Erythrocyten ........... =... 23115 Mill. 
Leukocyten . . . a a Ne 13 620, und zwar 
Neutrophile polymorphkernige. EEE 32,50%, 
Kleine Lymphocyten. ......... 23. Ny 

Große Lymphocyten . . . 2.2.2.2... 31 2. 
Riederformen ............. 3. 25 
Plasmazellen. . . .. 2.2 22 2200. 1:50, 
Eosinophile . . . . eh 0,75 % 
Mononucleare und Übergangszellen a 4,25% 
Myelöcyten . „=. o 2,7520 
Mastmyelocyten ............ o 2570 
Mastzellen. :: =. 2... 0% wa 1 % 
Thrombocyten. . . . . 163 800, wobei 


Mikrothrombocyten und Riesenplättchen. 


Im weiteren Verlauf unter lytischem Abfall der Temperatur bis zur Norm 
langsame Erholung des Kindes. Vorübergehend ein leichter Ikterus. Urin 


588 Ranft. Heft 6 


stets ohne krankhaften Befund. Am 21. Tage nach der Operation wird das 
Kind in ambulante Behandlung entlassen. Das Scrotum war völlig abgeschwol- 
len, das Wundgebiet bis auf einige Sugillationen reizlos. Irgendwelche Ent- 
zündungserscheinungen im Wundgebiet waren niemals beobachtet worden. 
Eine Nachuntersuchung dieses Falles war aus äußeren Gründen leider nicht 
möglich. 

Es handelt sich um einen Fall von Hämophilie im Anschluß an 
die Operation einer linksseitigen Hernie mit Wasserbruch bei einem 
11/, Jahr alten Kinde, der in Heilung ausging. Nachträglich gab uns 
die Mutter an, daß das Kind nie frei von blauen Flecken gewesen 
sei, sobald es sich irgendwo gestoßen habe, sei sofort ein solcher Fleck 
entstanden. Bei einer eingehenderen Anamnese hätte man auf 
Grund dieser typischen Angabe die Hämophilie vorher erkennen 
und von der Operation ausschließen können. Der Hinweis auf diese 
für den Chirurgen so wichtige Konstitutionsanomalie erscheint uns 
nicht unberechtigt. 

Unter den 53 Kindern des 2. Lebensjahres befanden sich 2 Ein- 
klemmungen, dies entspricht einer Häufigkeit von 3,8%. 


Im ersten Falle handelte es sich um einen ı Jahr 2 Monate 3 Tage alten 
Knaben. Der Bruch bestand seit Geburt und hatte schon des öfteren Einklem- 
mungserscheinungen gemacht, war aber bisher noch stets zu reponieren ge- 
wesen. Die Einklemmung bestand seit dem Tage vor der Aufnahme. Die 
genaue Zeitangabe fehlt leider in dem Protokoll. Kein Abgang von Stuhl 
und Winden seit gestern. Es fand sich bei dem sonst kräftigen Kind ein über 
mannsfaustgroßer Tumor in der linken Leistenbeuge. Die Taxis gelang nicht. 
Sofortige Operation — Dauer ı Stunde 24 Minuten — Dr. Frommolt: 20° 
Chloroform, Schrägschnitt über der Bruchgeschwulst, Eröffnen des freigelegten 
Bruchsackes, aus dem sich reichlich Bruchwasser entleert. Als Inhalt 
findet sich eine Dünndarmschlinge, das Coecum mit dem Wurmfortsatz. In- 
cision des schnürenden äußeren Leistenringes, Hervorziehen der Darmschlingen. 
Am Coecum deutliche Schnürfurche mit einem Serosadefekt ‚der übernäht wird. 
Dünndarm hochgradig gestaut blaurot. Mesenterialgefäße pulsieren noch, 
Reposition erst nach Freilegen des Leistenkanales bis zum inneren Leisten- 
ring möglich. Tabaksbeutelnaht am bis hoch hinauf isolierten Bruchsackhals, 
Radikaloperation nach Bassini. Hautnaht. Abends Entleerung von etwas 
blutig gefärbtem Stuhl. Im Anschluß an die Operation entstand ein gering- 
fügiges Scrotalhämatom, das sich allmählich spontan völlig resorbierte. Post- 
operative leichte Bronchitis, Wundheilung bis auf eine geringe oberflächliche 
seröse Sekretion per primam. Am 12. Tage nach der Operation geheilt ent- 
lassen. Nachuntersuchung ı!/, Jahr später, kein Rezidiv. 

Zweiter Fall. Gleichfalls ein Knabe, ı Jahr 2 Monate 3 Tage, mit rechts- 
seitig eingeklemmtem Leistenbruch. Der Bruch bestand seit der Geburt und 
war bisher stets zu reponieren gewesen. Die Einklemmung bestand bereits 
den zweiten Tag. Wiederholtes Erbrechen, kein Abgang von Stuhl und Winden 
seit der Einklemmung. Mittelgut genährtes Kind, etwas zart, von blasser 
Gesichtsfarbe. In der rechten Leistengegend eine über hühnereigroße, bis in 
das Scrotum reichende pralle Bruchgeschwulst, die sich nicht mehr reponieren 


Heft 6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 589 


14Bt. Sofortige Operation (Prof. Sievers), 24 Minuten, 2,0 Chloroform. Schnitt 
über der Geschwulst, Freilegen und Eröffnen des Bruchsackes. Inhalt: stark 
infizierter Dünn- und Dickdarm sowie der Wurmfortsatz. Die Taxis wurde 
offenbar durch die Flex. ileocoecalis behindert, die sich mit dem Wurm bei 
dem Repositionsmanövern vorn am Bruchsackhals fing. Reichlich blutig- 
seröses Bruchwasser. Innere Herniotomie. Hohe Ligatur. Wundnaht. Kom- 
plikationsloser postoperativer Verlauf, am 7. Tag geheilt entlassen. ı?/, Jahr 
später nachuntersucht. Kein Rezidiv. 

Die Mehrzahl der Kinder des 2. Lebensjahres wurde vor der Ope- 
ration nicht behandelt. In dem einen Fall, in dem es zur Einklem- 
mung kam, hatte das Kind !/, Jahr lang ohne jeden Erfolg ein Bruch- 
band getragen, das schließlich von den Eltern, da das Kind dauernd 
wund war, nicht mehr angelegt worden war. In 5 weiteren Fällen 
wurden gleichfalls bis zur Dauer von ı Jahr ohne Erfolg Bruchbänder 
getragen! 

Von den 49 operierten Kindern konnten wir 37 selbst nachunter- 
suchen. Einmal erhielten wir Nachricht durch die Eltern, in ı Fall 
war das Kind 1/ Jahr nach der Operation an einer Lungenentztin- 
dung gestorben. In ıo Fällen war eine Nachricht nicht mehr zu 
erhalten. Unter den 38 lebenden nachuntersuchten Kindern fand 
sich I Rezidiv auf 42 Brüche, das wären 2,4% Rezidive. 


Dieser Fall betrifft einen ı Jahr 4 Monate alten Jungen, der insofern beson- 
dere Schwierigkeiten bot, als im eröffneten Bruchsack neben einer Dickdarm- 
schlinge der Wurmfortsatz lag, der mit der Bruchsackwand zum Teil verwachsen 
und sehr gefäßreich war (alte appendicitische Attacken). Es mußte deshalb 
die Appendektomie im Bruchsack ausgeführt werden. Die Reposition durch 
den äußeren Leistenring war sehr schwierig und machte seine Spaltung sowie 
die Spaltung der Aponeurose nötig. Radikaloperation nach Bassini, p.p. 
geheilt am 6. Tage entlassen. Nachuntersuchungsbefund ıı Monate nach der 
Operation: 4,3 cm lange Narbe in der rechten Leistenbeuge. In der unteren 
Hälfte der Narbe beim Pressen eine deutliche, etwa 2 cm lange Vorwölbung. 
Testikel normal und beiderseits etwas hochstehend. Keine Beschwerden an 
der Operationsstelle. Die Eltern hatten bisher nichts bemerkt. 

Möglicherweise war die Technik der Operation nicht ganz auf der 
Höhe, da ein junger, noch unerfahrener Assistent dieselbe ausgeführt 
hat. Bemerkenswert ist aber, daß das Rezidiv wieder eine Bassini- 
Operation betraf. In allen Fällen liegen die Nachuntersuchungen 
über ı Jahr, in 57,5% der Fälle über 2 Jahre zurück. 

Wenn wir schon den Nachweis führen konnten, daß 
die Operation im Säuglingsalter gut vertragen wird, 
so gilt dies natürlich erst recht für das 2. Lebensjahr. 
Es besteht kein zwingender Grund, der es berechtigt 
erscheinen ließe, das 2. Lebensjahr noch von der Ope- 
ration zurückstellen zu wollen. 


590 Ranft. Heft 6 


Wir möchten sogar glauben, daß es nicht nur für die körperliche, 
sondern vor allem auch für die seelische Entwicklung des Kindes besser 
ist, wenn es einer an und für sich unvermeidlichen Operation mög- 
lichst frühzeitig unterzogen wird. — Das Kind wird die Trennung 
vom Elternhause um so weniger schwer empfinden, je kleiner es ist. 
Die unvermeidlichen postoperativen Maßnahmen — feste Lagerung 
und Anbinden des Kindes — werden ihm weniger roh erscheinen 
und das Kind nicht erheblich in seinem Wohlbefinden beeinträch- 
tigen. Die Erinnerung an das ganze Erlebnis in der Klinik — bei 
labilen neuropathischen Kindern doch immerhin ein psychisches 
Trauma — wird um so eher aus dem Gedächtnis verschwinden, 
je früher der Eingriff erfolgte. So läßt es sich sicher auch oft ver- 
meiden, daß eine die ganze Kindheit anhaltende Furcht vor dem 
Arzt nur zum Schaden des Kindes zurückbleibt. Auch aus diesen 
Gründen setzen wir uns für eine möglichst frühzeitige, d. h. Operation 
im Säuglingsalter ein und halten es gar nicht für ratsam, sie bis zum 
2. Lebensjahr aufzuschieben. 

Die rein statistischen Erhebungen aus unserem Material und die 
Ergebnisse unserer Nachuntersuchungen zeigen, daß das 2. Lebens- 
jahr im Vergleich zum späteren Kindesalter in keinem Punkte eine 
Sonderstellung einnimmt. : 

Gruppe B (3.—14.Lebensjahr): 68 Kinder mit zusammen 
75 operierten Brüchen. Auf 49 Knaben kommen rg Madchen, d.s. 
28% Madchen und 72% Knaben. Es handelte sich in 


40 Fallen um Hern. ing. ind. rep. dextra 
2I „ i 7 » oo „» Sinistra 
7 » 4 i » o oo  Dilateralis 


Irreponible incarcerierte Hernien kamen nicht zur Beobachtung. 
Das Alter der Kinder am Operationstage betrug: 


Im 3. Jahr standen. ....... ıı Kinder 
bis 6 Jahr alt waren. ...... 19 
9 ,, ji sie «hy Sy e e a 19 
p T2 y j bet We Me ae ALR? VE, 13 
über ı2 „, a pe Ba ee 6 


Von den 75 operierten Brüchen heilten einwandfrei per 
primam 6ọ Fälle, d. s. 92%. In den restlichen 6 Fällen mit Stö- 
rungen der Wundheilung handelte es sich einmal um eine Rezidiv- 
operation (das Kind war anderweitig operiert worden). Bei der 
Operation wurde ein staphylokokkenhaltiges Gewebsstück — wie 
die angelegte Kultur ergab — excidiert, und so erklärt sich die 
Infektion und sekundäre Wundheilung. Im zweiten Falle erkrankte 


Heft 6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 591 


das Kind unmittelbar im Anschluß an die Operation an Scharlach, 
in dessen Verlauf es zur sekundären Infektion des Wundgebietes 
und infolgedessen zur Heilung per secundam kam. Die Störung 
der Wundheilung in den restlichen 4 Fällen war stets belangloser 
Natur, eine schwere Infektion lag in keinem Falle vor. 60 Kinder 
waren bereits bis zum Io. Tage nach der Operation geheilt entlassen, 
d.s. 88,3% der Fälle. Die Operationsmethode war folgende: 


ı. nach Bassini ........ 40 Fälle 
2. mach Karewski. ....... 8 

3. modifizierter Kocher ..... 21 

å: atypisch = a s roe a we we wa 4 » 


In 2 Fällen fehlt das Operationsprotokoll. 

Obwohl unter dieser Gruppe die hohe Ligatur nach Karewski 
nur 8mal vertreten ist, möchten wir trotzdem glauben, daß sie auch 
für das spätere Kindesalter als Methode der Wahl zu bezeichnen 
ist. — Alle plastischen Verfahren möchten wir für bestimmte Fälle, 
wie z.B. besonders mangelhafte Entwicklung der Leistenpfeiler, 
vorbehalten wissen. Die Dauerresultate der hohen Ligatur sind 
gleich zuverlässig, wenn nicht sogar zuverlässiger, kein Rezidiv 
kommt unter unserem gesamten Material auf die hohe Ligatur. 
Zum Teil mag dies sicher darin begründet sein, daß der operative 
Eingriff entschieden phsyiologischer ist. Der anatomische Aufbau 
der Leistengegend und ihre normale Weiterentwicklung wird durch 
den operativen Eingriff in keiner Weise zerstört und getrennt. Der 
Eingriff ist ferner entschieden kürzer und bietet hinsichtlich der 
Wundheilung eine noch größere Gewähr für eine glatte prima in- 
tentio. Die hohe Ligatur nach Karewski beseitigt in sehr voll- 
kommener Weise nur das pathologische — den noch offenen Pro- 
cessus peritonaei vaginalis — und beseitigt somit für immer die Mög- 
lichkeit der Entstehung eines indirekten Leistenbruches. In letzter 
Zeit verwenden wir die hohe Ligatur in allen Fällen von Leistenbruch- 
operationen im Kindesalter, ohne Rücksicht auf das Alter des Kindes. 

4ı mal wurde in Lokalanästhesie, 16 mal in Narkose operiert, 11 mal 
ist über die Narkose bzw. Anästhesie im Protokoll nichts vermerkt. 
Unter den in Narkose operierten Kindern befinden sich nur 5, die 
älter als 6 Jahre sind. In diesen Fällen mußte auf die Lokalanästhesie 
verzichtet werden, da die Kinder überängstlich und zu unruhig waren. 
Es waren bis 6 Jahre alt 30 Kinder. Unter diesen konnten 17 in Lokal- 
anästhesie operiert werden, d. s. 56,6%. Über 6 Jahre alt waren 
38 Kinder, davon wurden 24 in Lokalanästhesie operiert, d.s. 63,1%. 
Der Bruchsackinhalt war in unseren Fällen folgender: 


592 Ranft. Heft 6 


Keine Angabe. x 4.5. 2.05. 5 ee 28 Fälle 
Deer s-e ao at He RE ee te G 25 
Netz a re a a en s Ue seen, TA 
Dünndarm 3 u. 2.2, a 2 Ks 3 
Dickdarm u 5: 2 ew “es ar Bd we SRO S I 
Tube und Ovarium . . 2. 2. 2 2 2 2 2 2 0. I 


Kein Bruch bei der Operation nachweisbar. . 3 „ 


Die Fälle der Gruppe B boten bis auf folgende vielleicht erwäh- 
nenswerte Einzelheiten nichts Besonderes. Alle Kinder überstanden 
die Operation gut und haben sich nach ihr ohne jede Störung weiter 
entwickelt. 

Besonderheiten: In 2 Fällen war bei der Operation das Vas de- 
ferens versehentlich durchtrennt, jedoch sofort wieder genäht wor- 
den. In beiden Fällen keine Atrophie des entsprechenden Testis. 
In einem weiteren Fall kam es im Anschluß an die in Lokalanästhesie 
ausgeführte Operation zu einer leichten Pneumonie, das Kind wurde 
am 18. Tag post operationem geheilt entlassen. Bei einem Mädchen, 
2 Jahr ıg Tage alt, handelte es sich um einen linksseitigen Ovarial- 
Gleitbruch. Das cystisch entartete Ovarium war breit mit dem 
Meßovarium am Peritonaeum adhärent. Es wurde mittels zweier 
Längsschnitte in das Peritonaeum von der Bruchsackwand gelöst. 
So gestielt konnte Ovarium und Tube reponiert werden. Hohe 
Ligatur nach Karewski, Hautnaht, per primam geheilt. Die ope- 
rative Mortalität der Gruppe B beträgt 0,0%. 

10 Kinder waren mit Bruchband vorbehandelt worden. In keinen 
Falle kam es daher zur Ausheilung. Die Bruchbänder waren: 

2mal bis !/, Jahr lang 


1/ 
3 le 
3/ 


ee 
SONS we 


getragen worden! 

Von den 68 Kindern konnten wir 58 selbst nachuntersuchen. 
Durch die Eltern erhielten wir Nachricht in 5 Fallen, in den rest- 
lichen 5 Fallen erhielten wir keine Nachricht. Ein Rezidiv kam 
nicht zur Beobachtung. Uber 1 Jahr lagen die Nachunter- 
suchungen in 40 Fällen zuriick. Zur Zeit liegen alle Nachunter- 
suchungen über ı Jahr zurück und ist uns von einem Rezidiv nach- 
träglich nichts bekannt geworden. 

Der statistische Bericht über die Kinder vom 3.—14. Lebensjahr 
einschließlich bestätigt das bisher in der Literatur darüber Bekannte. 


Heft 6 Zur Frage der Leistenbruchoperationen im Kindesalter. 593 


Die operativen Resultate auch dieser Gruppe sind gut. Ein Todesfall 
und ein Rezidiv kamen nicht zur Beobachtung. 


Zusammenfassung. 


Im vorstehenden wird über 215 Leistenbruchoperationen im 
Kindesalter berichtet. Aus den Ergebnissen, besonders auch der 
Nachuntersuchungen, lassen sich folgende Leitsätze für die Frage 
der Frühoperation aufstellen: 

I. Grundsätzlich ist jeder Leistenbruch im Kindesalter der Radikal- 
operation zu unterziehen, da mit Spontanheilung nicht zu 
rechnen ist, die Entwicklung des Kindes durch den Bruch ge- 
hemmt, das Leben des Kindes durch die durchaus nicht sel- 
tenen Incarcerationen gefährdet wird. 

2. Das Bruchband kann nicht als vollgültiger Ersatz der Operation 
angesehen werden, da es trotz jahrelangem Gebrauche nicht 
sicher zur Dauerheilung führt, eine sehr mühevolle, für das 
Kind lästige, ja manchmal quälende, in der Hand Unerfahrener 
gefährliche Behandlung darstellt und zudem die Chancen der 
Operation verschlechtert. 

3. Die Radikaloperation des Leistenbruchs im Kindesalter hat 
nur in der hohen Ligatur zu bestehen, alle plastischen Verfah- 
ren sind bei einfachen Fällen entbehrlich, die Durchtrennung 
und Naht der Externusaponeurose zu verwerfen, da sie die 
Rezidivgefahr erhöht. Beim Gleitbruch oder bei Verwach- 
sungen zwischen Bruchsack und Bauchinhalt (Appendicitis 
im Bruchsack) erscheint die Kochersche Invaginationsverla- 
gerung in der von uns gewählten einfacheren Form aussichtsvoll. 

4. Die Resultate der Radikaloperation sind gut: auf das gesamte 
operative Material kommen 

94,1%, Primärheilungen 

2,3% Rezidive 

0,5%, Todesfälle, 
wobei der eine Todesfall, wie im Texte nachzulesen, als ganz 
besonderer Ausnahmefall evtl. noch abzuziehen wäre, so daß 
sich eine Mortalität von 0,0% ergibt. Auf die Altersklassen 
verteilt, ergeben sich im 




















ersten | zweiten | 3- Tr Lebensjahr 
94,5 | 96,1 19 2,0%, Primärheilungen 
4,7 | 2,4 o 0% Rezidive 
1,7 0,0 | 0,0%, Mortalität 


Motatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 38 


594 


Ranft. | Heft 6 


Rezidive kamen bei einfacher hoher Ligatur nicht vor. Sie 
wurden beobachtet 2mal nach Bassini, ımal beim Invagi- 
nationsverfahren infolge mangelhafter Verschließung der In- 
cisionsstelle in der Externusaponeurose, ımal bei Gleitbruch. 
Sie sind daher abhängig von den anatomischen Verhältnissen 
des Bruches und der Operationstechnik, nicht aber vom Alter 
des Kindes. 


. Das Säuglingsalter hat keine ungünstigeren Resultate und er- 


fordert daher auch im allgemeinen keine Abweichung vom 
Grundsatze der Frühoperation. Nur im ersten Quartal machen 
wir, obgleich unsere Erfahrungen auch hier keinen Anlaß dazu 
geben, noch den Anhängern konservativer Bruchbehandlung 
Konzessionen, insofern wir nur unter ganz bestimmten An- 
zeigen zur Operation raten, bei schnellem Wachstum des Bruchs, 
bei Irreponibilität, Neigung zur Einklemmung, oder wenn 
durch keine Ernährungstechnik zu bekämpfende Verdauungs- 
störungen als Folge des Bruchs anzusprechen sind und der 
Allgemeinzustand des Kindes den operativen Eingriff gestattet. 


. Grundbedingung für jede Bruchoperation im ersten Kindes- 


alter ist sonstige Gesundheit des Kindes. Um diese zuverlässig 
zu eruieren, ist ein zweitägiger klinischer Aufenthalt vor der 
Operation erforderlich. Im Säuglingsalter ist vor allem die 
Verdauungstätigkeit so zu regeln, daß die Gewichtskurve an- 
steigt. Die externe Kost wird dabei nach Möglichkeit bei- 
behalten, insbesondere die natürliche Ernährung im ersten 
Lebensjahre niemals ohne Not unterbrochen. 


. In allen Fallen, wo die Radikaloperation aus irgendwelchen 


Griinden noch nicht vorgenommen werden kann, findet eine 
örtliche Behandlung des Bruches nicht statt, außer der stets 
notwendigen Hautpflege. Die Anlegung von Bruchbändern, 
die nur unter Kontrolle eines damit: vertrauten Arztes statt- 
finden darf, gestatten wir nur, wenn der Allgemeinzustand des 
Kindes die im übrigen indizierte Operation noch nicht zuläßt, 
wie bei Katarrhen der Atmungswege, Herzleiden, Blutkrank- 
heiten (Hämophilie) und Tuberkulose, in Fällen also, wo das 
Grundleiden voraussichtlich nicht in kurzer Frist zu beheben ist, 
andererseits die Beschaffung des Bruches eine örtliche Behand- 
lung unbedingt angezeigt erscheinen läßt durch großen Umfang, 
Einklemmungsneigung, Schmerzen und Digestionsstörungen. 


. Die Anzeigestellung zur Bruchoperation ist Sache des mit der 


Chirurgie des Kindesalters besonders vertrauten Chirurgen. 


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IO. 


Ja 


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10. 


II. 


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Ihm sollten daher alle Brüche des Kindes ohne Ausnahme 
zugeführt werden. 


. Nur auf solche Art lassen sich die im Kindesalter durchaus 


nicht mehr seltenen Einklemmungen auf ein Minimum redu- 
zieren, Todesfälle durch sie unbedingt verhindern, da die ope- 
rative Behebung der Incarceration auch unter ungünstigen 
äußeren Umständen fast immer mit gutem Erfolge durchführ- 
bar ist. 

Wir versuchen in jedem Falle von Einklemmungen im Kindes- 
alter die Taxis unter evtl. Zuhilfenahme der Hängelage, des 
heißen Bades und unter Vermeidung aller gewaltsamen Maß- 
nahmen. Gelingt sie nicht, wird die Herniotomie und Radikal- 
operation sofort angeschlossen, glückt sie, so wird einige Tage 
bis zur Erholung des Kindes, Wiederherstellung reizloser Ver- 
hältnisse an der Bruchpforte mit der Radikaloperation gewartet. 


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167. 


168. 
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Aus der Universitäts-Kinderklinik zu Leipzig. (Direktor: Prof. Bessau.) 


Über den Einfluß der Varicellen auf die cutane 
Tuberkulinempfindlichkeit. 


Von Herbert Sehönfeld, Assistent der Klinik. 
(Mit 3 Tabellen.) 


Daß abgesehen von den Masern noch manche anderen fieberhaften 
Infekte gelegentlich die cutane Tuberkulinempfindlichkeit herab- 
setzen können, ist von einer Reihe von Autoren beschrieben worden, 
so für die Varicellen von Hamburger (1). 

Voraussetzung für die Beweiskraft derartiger Beobachtungen ist 
die Ausschaltung einer wichtigen Fehlerquelle, auf die Bessau (2) 
hingewiesen hat und deren Nichtbeachtung unter Umständen zu 
Täuschungen Veranlassung geben kann. Fällt nämlich die Reaktion 
— erstmalig zur Zeit des Infektes angestellt — negativ oder schwach 
positiv aus und kommt es bei der Wiederholung der Prüfung, nach- 
dem inzwischen das Fieber abgeklungen ist, zu einer stark positiven 
Reaktion, so braucht hierbei der Infekt gar keine Rolle zu spielen, 
sondern eskann und wird sich sehr oft um die bereits von v. Pirquet 
(3) beschriebene und später von Bessau und Schwenke (4) genauer 
untersuchte ‚sekundäre Reaktion“ handeln. Beweisend für eine 
tatsächliche Unterdrückung der Tuberkulinreaktion durch einen 
Infekt können demnach nur solche Fälle sein, in denen das biologische 
Verhalten des betreffenden Individuums schon vor dem Auftreten 
des jeweiligen Infektes genau bekannt war. 

Unter derart einwandfreien Versuchsbedingungen haben wir im 
Laufe eines halben Jahres in 8 Fällen den Einfluß der Varicellen- 
infektion auf die Tuberkulinreaktion studieren können. In einem 
dieser Fälle haben wir eine vorübergehende völlige Aufhebung 
der cutanen Tuberkulinempfindlichkeit beobachtet (Tabelle 1). 


Die Messung der Reaktion erfolgte erstmalig 24 Stunden nach der intra- 
cutanen Injektion und wurde nach jeweils 24 Stunden bis zum Abklingen 
der Reaktion wiederholt. In der Tabelle bedeuten die untereinander stehenden 
Zahlen die Resultate je zweier gleichzeitig am gleichen Bein (Oberschenkel) 
ausgeführter Injektionen. Bei den während der Varicellenerkrankung aus- 
geführten täglichen Prüfungen wurde jedesmal nur eine Injektion vorgenom- 
men. Die Registrierung erfolgte nach v. Pirquet: Die Zahl bedeutet das 
arithmetische Mittel zweier aufeinander senkrecht stehender Durchmesser 


Heft 6 Einfluß der Varicellen auf die cutane Tuberkulinempfindlichkeit. 603 


der Reaktion in Millimeter; die Zeichen über der Zahl geben den Grad der 
Infiltration, die unter der Zahl stehenden den Grad der Rötung an. 


BA m | es we] | | PE (ae Pal EB N A A ei 
10 \kling 
ee BERENERBEBENEN 
200 2223| |25| | 
AEE E 
ab 
anne 
PLL lee ele T a 




















Fejes 


{||| jejje || 
=> blass 
[rele a pee 





=a [ria leer 


ll T 
Maximum: 


KO 
E erete 
zahl: 


Tabelle I. Latente Hilusdrüsentuberkulose. 


* T =0,1 ccm einer Alt-Tuberkulinverdünnung I : 10 000. 
Über der Zahl bedeutet: “~ starke Infiltration 
~ schwache ,, 
— keine 7 
Unter der Zahl bedeutet: ~ starke Rötung 
- schwache ,, 
— keine s$ 


604 Schönfeld. Heft 6 


Zwischenstufen werden durch Kombination verschiedener Zeichen dar- 
gestellt, wobei Hinzutreten eines ` Verstärkung, Hinzutreten von ~ eine 
Abschwächung bedeutet: z. B. A sehr starke Infiltration, = = etwas geringer 
als ~~ Infiltration (s. a. Bessau, Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 81, S. 185). 


Zwei weitere in den beiden folgenden Tabellen dargestellten Fälle 
zeigten eine starke Herabsetzung der Tuberkulinempfindlichkeit: 


ee I III 


zezlelatsleleı I 11 
8787 
Pa Be 


pate 


See 
F ee 


TIR E 





Wrizellenausbruch 
ancene Blaschen 
Neve dıchte 


| 
ST 








P lee 
entlassen 
esse 
PURO 
zahl 
sl al ll A OO 


Keine weiteren Schübe IT 
cter: eae | 5700 a B650 | 6000 
Tabelle II. Bronchialdrüsentuberkulose. 


Von den übrigen 5 in der gleichen Weise durchgeprüften Fällen 
zeigten 2 eine mäßige, aber doch noch deutliche Abschwächung der 
Tuberkulinreaktionen im Verlaufe der Varicellenerkrankung, während 
die anderen 3 keine Beeinflussung der Reaktionsfähigkeit durch 


Heft 6 EinfluS der Varicellen auf die cutane Tuberkulinempfindlichkeit. 605, 


den Infekt erkennen ließen. Von einer Gesetzmäßigkeit, wie sie für 
die Masern erwiesen ist, kann demnach keine Rede sein. 


ee pet TT 


Ec 
Q 

NY 
as 
eS 
ve 
se 
zu 





Tabelle III. Hilusdrüsentuberkulose. 


Die Herabsetzung der Tuberkulinempfindlichkeit trat ausnabnıs- 
los nur ganz im Anfang der Erkrankung deutlich hervor, mit Ab- 
klingen des Exanthems oder wenige Tage nachher war die frühere 
Reaktionsfähigkeit wiederhergestellt. 


606 Schönfeld. Heft 6 


Zur Entscheidung der Frage nach einem etwaigen Zusammenhang 
zwischen der Schwere des Infektes und der Beeinflussung der Tuber- 
kulinempfindlichkeit ıst das Material wohl noch etwas zu klein, 
wenn auch ein gewisser Parallelismus unverkennbar ist. Das Exan- 
them war in fast allen Fällen sehr intensiv, nur ein einziges Mal 
bestand es aus einigen wenigen Bläschen. Die Tuberkulinreaktion 
zeigte bei diesem Falle eine nur geringe Abschwächung. — Tempe- 
raturen bis 39° wurden bei allen Kindern beobachtet, wiederum mit 
Ausnahme eines einzigen Falles, der völlig fieberlos verlief und bei 
dem keinerlei Beeinflussung der Tuberkulinempfindlichkeit zu er- 
kennen war. 

Am schwersten verlief zweifellos der in der ı. Tabelle dargestellte 
Fall F. Th., bei dem die Tuberkulinempfindlichkeit vorübergehend 
vollständig aufgehoben war. Er zeichnete sich vor allen anderen 
Fällen aus durch ziemlich schwer gestörtes Allgemeinbefinden, 
durch einen sehr intensiven, mehrere Tage lang bestehenden scarla- 
tiniformen Rash, durch eine sehr starke Leukopenie und durch 
eine positive Diazoreaktion. Diese Erscheinungen können wohl auf 
eine stärkere Beteiligung einer anaphylatoxischen Komponente im 
Vergiftungsbilde schließen lassen und die Beeinflussung der Tuber- 
kulinempfindlichkeit im Sinne einer Giftantianaphylaxie — wie 
es Bessau für die Masern getan hat — zu deuten erlauben. Und 
bei der zwischen Masern und Varicellen ohne Zweifel bestehenden 
nahen Verwandtschaft handelt es sich wohl in bezug auf anaphyla- 
toxische Komponente und Giftantianaphylaxie im Prinzip bei 
beiden Krankheiten um gleichartige Erscheinungen, aus dem bei 
den Masern im Vergleiche zu den Varicellen gesetzmäßig viel schwere- 
ren Vergiftungsbilde erklärt sich die weit größere Gesetzmäßigkeit 
der Giftantianaphylaxie bei der ersteren Krankheit. 

Als eine Folgerung für die Praxis ergibt sich aus obigen Beob- 
achtungen, daß wir aus dem gleichen Grunde, aus dem wir in den 
Masern eine für tuberkulosekranke Kinder bedenkliche Kompli- 
kation sehen, auch die Varicellen, besonders wenn sie mit schwereren 
toxischen Erscheinungen einhergehen, nicht als das harmlose Er- 
eignis betrachten dürfen, für das sie im allgemeinen gelten. Hier 
müßten wohl noch klinische Beobachtungen gesammelt werden. 


Zusammenfassung. 


Unter acht fortlaufend auf ihre Tuberkulinreaktion 
untersuchten Varicellenfällen zeigte sich einmal ein 


Heft 6 Einfluß der Varicellen auf die cutane Tuberkulinempfindlichkeit. 607 


vollständiges Verschwinden, zweimal eine starke, zwei- 
mal eine geringe Herabsetzung und in drei Fällen keine 
Beeinflussung der cutanen Tuberkulinempfindlichkeit. 


Literaturverzeichnis. 


1. Hamburger, Fr., Die Tuberkulose des Kindesalters. Leipzig und Wien. 
1912. 

. Bessau, Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 81, S. 293. 1915. 

. v. Pirquet, Verhdlg. d. Ges. f. Kinderheilk. Dresden 1907. i 

. Bessau und Schwenke, Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 79, S. 123. 1914. 


> WN 


Aus der Heidelberger Kinderklinik. 


Paralleluntersuchungen über Serumeiweißgehalt, 
Senkungsgeschwindigkeit und Lipasegehalt des Blutes 
gesunder Kinder (hämoklinischer Status). 


Von Dr. Maria Lederer. 


Im vergangenen Jahre wurde an obiger Klinik bei sämtlichen 
tuberkulosekranken und tuberkulin-positiven Kindern der hämo- 
klinische Status — das ist die gleichzeitige Bestimmung des Serum- 
eiweißgehaltes, der Lipase und der Blutsenkungsgeschwindigkeit — 
angestellt, der sich als ein sehr brauchbares Hilfsmittel für die Be- 
urteilung der Aktivität und Schwere des pathologischen Prozesses 
erwies. 

Erlaubt die Feststellung eines Wertes in manchen Fällen schon 
eine Beurteilung des pathologischen Zustandes, so erschließen uns 
solche Paralleluntersuchungen tieferen Einblick in die Statik der 
humoralen Abwehrkräfte beim kranken und der Reaktionskräfte 
im gesunden Organismus. Mit der einmaligen Untersuchung ist 
natürlich nur ein Urteil über den augenblicklichen Stand der Ab- 
wehrkräfte zu gewinnen, nicht dagegen über die Dynamik, Ansprech- 
barkeit und Reaktionsfähigkeit. 

Im folgenden soll das Ergebnis der Untersuchungen an 92 gesunden 
Kindern dargelegt und damit die physiologische Vergleichsgrundlage 
zu den von Asalund Falkenheim bei kranken Kindern ermittelten 
Werten gewonnen werden. Damit erscheint die Lücke der Normal- 
werte, auf die in der Arbeit von Asal und Falkenheim hingewiesen 
ist, ausgefüllt. 

Über Serumeiweiß liegen in der Literatur ausgiebige Unter- 
suchungen auch bei gesunden Kindern und in jedem Alter vor (Reiss, 
Nast, Russ, Rominger-Grunewald, Meyer-Bisch. 

Die Lipase ist nur in wenigen Fällen bei gesunden Kindern unter- 
sucht (Beumer, Caro, Kollert- Frisch, Falkenheim und 
Gottlieb). 


Heft 6 Paralleluntersuchungen über Serumeiweißgehalt. 609 


Über die Senkungsgeschwindigkeit lagen bis vor kurzem keine 
systematischen Untersuchungen bei Kindern vor. Es ist neuerdings 
zu verweisen auf die Untersuchungen von Dehoff, György. 

Über die Untersuchungsbedingungen soll einiges vorausgeschickt 
werden. Bei den Untersuchungen hat es sich herausgestellt, daß 
sowohl der Lipasetiter, wie die Senkungsgeschwindigkeit, wie auch 
das Serumeiweiß bei den Kindern mit positiver Tuberkulinhaut- 
reaktion in ihren Werten von denen der Norm abweichen. Dies 
findet seine Erklärung in der Tatsache, daß eine positive Haut- 
reaktion im Säuglingsalter gleichbedeutend ist mit einer aktiven 
Tuberkulose. Im späteren Alter reagiert ein großer Teil der Kinder 
positiv auf Tuberkulinproben, und es ist mit klinischen Untersuchungen 
ohne Zuhilfenahme von biologischen Untersuchungsmethoden oft 
kaum zu beurteilen, ob ein Prozeß abgelaufen oder noch aktiv ist. 

Daher wurden zur Aufstellung der Durchschnittswerte nur solche 
Kinder untersucht, die klinisch als vollkommen gesund zu betrachten 
waren, sämtlich negativ auf Tuberkulinproben reagierten und keine 
erhöhte Temperatur zeigten. Zum Teil wurde dazu die Pirauetsche 
Cutanreaktion mit diagnostischem Tuberkulin, zum Teil die Ein- 
reibung mit Moroscher diagnostischer Tuberkulinsalbe angewandt. 

Die Untersuchungen wurden im Herbst 1922 begonnen und bis 
zum Frühjahr 1923 weitergeführt, um auf einen Einfluß der Jahres- 
zeit zu fahnden. Da neuerdings an der Klinik bei Skrofulösen eine 
Veränderung der Senkungsgeschwindigkeit beobachtet wurde, so lag 
der Gedanke nahe, daß im Frühjahr, wo häufig Erkrankungen an 
Skrofulose sich manifestieren, die Blutbeschaffenheit sich ändern 
könnte. Es soll in einem späteren Abschnitt darüber berichtet werden. 


Das zur Untersuchung nötige Blut, etwa 3 ccm, wurde bei Säuglingen 
durch Sinuspunktion und bei älteren Kindern nach kurzer Stauung durch 
Venenpunktion in nüchternem Zustand oder mindestens 4 Stunden nach der 
Nahrungsaufnahme entnommen. 

Die Senkungsreaktion wurde nach der von Linzenmeier angegebenen 
Methode ausgeführt. Das Blut wurde dazu mit dem fünften Teil seines Vo- 
lumens mit einer fünfprozentigen Natriumcitratlösung versetzt. Es wurde 
kein Senkungsstundenwert errechnet, sondern die Zeit angegeben, in der das 
Niveau der roten Blutkörperchen die unterste Marke (18 un) im graduierten 
Röhrchen erreicht hatte. 

Die Serumlipase ist mit der von Rona und Michaelis ursprünglich an- 
gegebenen Methode bestimmt worden, die von Gottlieb und Falkenheim 
vereinfacht und für klinische Zwecke brauchbar gemacht wurde. Es wurde 
die Zeit bestimmt und in Minuten angegeben, in der das Serum bzw. die Lipase 
die Oberflächenspannung einer mit Phosphatlösung gepufferten Tributyrin- 
lösung so verändert, daß sie die Höhe einer zur Hälfte mit Wasser verdünnten 
Tributyrinlösung erreicht. 


Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 39 


610 Lederer. Heft 6 


Das Serumeiweiß wurde mittels Refraktometrie mit dem Pulfrichschen 
Eintauchrefraktometer festgestellt. 

Eine Einteilung in drei Altersklassen erscheint nach den gefundenen 
Werten als zweckmäßig. 

Die erste Klasse umgreift das Säuglingsalter, die zweite das Klein- 
kindesalter, die dritte Kinder über 6 Jahre. Es soll damit kein festes 
Schema gesucht werden — ebensowenig wurde Wert gelegt auf 
prozentuale Berechnung der Normalwerte, da eine Untersuchung 
von etwa 100 Kindern nicht die Festlegung von allgemein 
gültigen Prozentzahlen erlaubt —, vielmehr wurde nur die physio- 
logische Variationsbreite innerhalb der Norm dargestellt. 


Serumeiweiß. 


Das Blut ist beim Säugling, wie schon von früheren und im letzten 
Jahr erschienenen Arbeiten (Lust, Reiss, Russ, Rominger) be- 
kannt, hydrämisch, und zwar besteht ein Unterschied zwischen dem 
jüngeren (bis zu 3 Monaten) und dem älteren Säugling. Beim jüngeren 
Säugling bis zu 3 Monaten kann ein Serumeiweißgehalt von ca. 5% 
als die Norm angesehen werden. Schwankungen nach oben (bis 6%) 
und unten kommen, dem Turgor, der Körperfülle, dem Fyne tangy: 
zustand und Körpergewicht entsprechend, vor. 

Die Körperfülle, der Turgor und vielleicht auch die Wachstums- 
tendenz scheinen in inniger Beziehung mit der Höhe des Serum- 
eiweißwertes zu stehen. So wiesen magere und untergewichtige Kinder 
mit schlechtem Turgor höhere Werte auf als solche mit gutem Turgor 
und dem Alter entsprechend hohem Körpergewicht. 

Vom 3. Monat an aufwärts bis zu 2 Jahren variieren die Werte 
in der Breite von 5,5—6,5%. Einen höheren Eiweißgehalt von 7,7% 
zeigt ein I2 Monate altes Kind mit leichter Dystrophie, das in die 
Tabelle aufgenommen wurde, um darzutun, welche Rolle der Unter- 
gewichtigkeit beizumessen ist. 

Auch beim älteren Kind ist für die Größe der Schwankung innerhalb 
der physiologischen Variationsbreite die Größe der Untergewichtig- 
keit und der Körperfülle maßgebend. Mit dem Alter steigt der 
Serumeiweißgehalt an, so daß für das Alter von 2—6 Jahren die 
Grenzen zwischen 6,5 und 7,8% liegen und beim 6—14jahngen 
Kinde der Mittelwert um ca. ı%, höher ist und zwischen 7,5 und 
8,2%, variiert. Dabei ist noch einmal zu betonen, daß nur Kinder 
mit negativer Cutanreaktion in den Tabellen aufgezählt sind. Es 
mag daher die höchste Grenze von ca. 8%, als niedrig erscheinen 
gegenüber den von Reiss beobachteten Zahlen, der in seiner grund- 


Heft 6 Paralleluntersuchungen über Serumeiweißgehalt. 611 


legenden Arbeit über die Refraktometrie bis zu 9% als Normal- 
wert ansieht. 


Blutlipase. 


Der Säugling ist bekanntlich ein schlechter ‚Antikörperbildner“, 
und die Abwehr gegen Krankheitskeime stellt an ihn wesentlich 
höhere Anforderungen als an das ältere Kind. In diesem Sinne ist 
auch der niedrige Lipasetiter bzw. die lange Zeit, die das Serum des 
Säuglingsblutes zum Abbau des Tributyrins erfordert, zu verstehen. 
Je jünger der Säugling ist, desto länger die Reaktionszeit. Der nied- 
rigste Lipasetiter wurde bei 3 Frühgeburten gefunden in der Höhe 
von 48, 64 und 57 Minuten; Werte, die bei älteren Säuglingen und 
erst recht bei älteren Kindern nicht mehr als physiologisch zu be- 
zeichnen wären. Etwa mit 3 Monaten wird der Bereich der physio- 
logischen Schwankungen des späteren Alters erreicht, wenn auch 
meist die obere Grenze der Norm noch eingehalten wird. Es bewegen 
sich die physiologischen Schwankungen gewissermaßen um eine höher 
gelegene Abszisse, 

Der junge Säugling im ersten Trimenon unterscheidet sich also 
von sämtlichen anderen Altersstufen. Es ergeben sich daher zwei 
Gruppen: die des jungen Säuglings und eine große, die das gesamte 
spätere Alter umfaßt. Bei der ersten Gruppe berechnet sich der 
Durchschnittswert auf etwa 40 Minuten, während er bei der zweiten 
Gruppe etwa 30 Minuten beträgt. Die Schwankungsbreite ist eine 
ziemlich beträchtliche; indes wird etwa bei 70% der Bereich der 
Variation zwischen 25 und 35 Minuten Reaktionszeit eingehalten. 

Bemerkenswert scheint die Tatsache zu sein, daß bei Nachunter- 
suchungen im Frühjahr sich in den meisten Fällen eine längere Re- 
aktionszeit herausgestellt hat. Ob dies mit einer durch den Winter 
bedingten Domestikation zusammenhängt oder ob durch andere 
Einflüsse ebenso wie andere Abwehrkräfte auch die lipolytische 
Kraft geschädigt wird, mag erwogen werden. Es sei dabei an die 
Tatsache erinnert, daß häufig im Frühjahr Erkrankungen an Tuber- 
kulose exacerbieren und bei Skrofulösen PEIN und sonstige 
Manifestationen erscheinen. 


Senkungsreaktion. 

Von physiologischen und pathologischen Zustandsänderungen des 
Organismus in höchstem Maße abhängig ist die Senkungsgeschwindig- 
keit, wie schon aus der zahlreichen Literatur darüber bekannt ist. 
Es interessiert uns hier die Entwicklung der Kolloidstabilität in 


39* 


612 Lederer. Heft 6 


den verschiedenen Altersstufen. Sie soll im folgenden betrachtet 
werden. 

Wie schon G yörgy festgestellt hat, besteht im ersten Säuglings- 
alter eine beträchtliche Kolloidstabilität, die ihren meßbaren Aus- 
druck in einer langen Dauer der Blutkörperchensenkung findet; 
diese Höchstwerte (bis zu Io Stunden) werden später nur in Aus- 
nahmen erreicht. Die Periode dieser größeren Kolloidstabilität um- 
faßt etwa die ersten 2 Lebensmonate. Darauf stellt sich eine wesent- 
liche Beschleunigung der Senkung ein: der normale Durchschnitts- 
wert ist mit wenigen Ausnahmen bis zum 2. Lebensjahr etwa 
1!/, Stunden. Ein faßbarer Grund für die große Schwankung inner- 
halb der Variationsbreite ist nicht zu ermitteln. Auf die Periode 
der raschen Senkung folgt ein Anstieg der Zeit um etwa I— 2 Stunden 
bis zum 3. und 4. Lebensjahr, um wiederum einer Periode der größeren 
Kolloidlabilität Platz zu machen (Durchschnittswert 2 Stunden), die 
um das 5. und 6. Jahr festzustellen ist. Nach dem 6. Lebensjahr 
beobachten wir eine Zunahme der Senkungsdauer, so daß nach dem 
10. Jahr die Werte sich allmählich denen der Erwachsenen nähern. 
Diese betragen für die Frau 4—6 Stunden, für den Mann 6—8 Stunden. 
Ein Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Individuen 
ist im ersten Kindesalter nicht zu konstatieren, wohl aber später. 
Nach dem 10. Lebensjahr ist die Senkungsdauer des weiblichen 
Blutes um 1—2 Stunden kürzer als die des männlichen Blutes. Nach 
oben sind beim gesunden Kind keine Grenzen zu setzen, wohl aber 
nach unten: jeder Senkungswert, der nach dem 6. Lebensjahr unter 
2 Stunden beträgt, ist als pathologisch zu betrachten. 

Eine bemerkenswerte Beobachtung hat sich bei den Untersuchungen er- 
geben. Bei einer Anzahl von Kindern im Spielalter fiel die außerordentlich 
kurze Senkungszeit auf und stand außerhalb der Reihe des Normalen. Es 
stellte sich heraus, daß diese Kinder sämtlich mit Impetigo und ähnlichen Haut- 
erkrankungen behaftet waren. Größtenteils waren es nur kleine, vereinzelte, 
höchstens pfenniggroße, über den Körper oder im Gesicht verteilte, teils näs- 
sende, teils eitrig borkige Stellen, dabei ein Fall von Pyodermie des Kopfes und 
Panaritium subcutaneum. Da sämtliche Kinder sich bei der Erhebung des 
Status sonst als vollkommen gesund erwiesen, sonstige Fehlerquellen also aus- 
geschaltet waren, darf der Schluß gezogen werden, daß Erkrankungen der Haut, 
und zwar solche, die durch lebhafte Entzündung charakterisiert und pyogenen 
Ursprungs sind, eine wesentlich beschleunigende Wirkung auf die Senkung 
der roten Blutkörperchen ausüben und sie ins Pathologische zu verschieben 
imstande sind. Weiterhin kann der Schluß erlaubt sein, daß diese Erkrankungen, 
mithin die Haut, einen ausschlaggebenden Einfluß auf die Zusammensetzung 
des Blutes und die Beschaffenheit der Plasmakolloide hat. Nach der Ab- 


heilung der impetiginösen Hauterkrankungen stellten sich bei sämtlichen 
Kindern wieder normale Werte der Senkungsreaktion ein. 


Heft 6 Paralleluntersuchungen über Serumeiweißgehalt. 613 


Die im Frühjahr nachuntersuchten Kinder zeigten häufig 
ohne sonstigen klinischen Befund eine Beschleunigung der 
Blutkörperchensenkung bis herab zu ı!/, Stunden. Es ist dem- 
nach wahrscheinlich, daß im Frühjahr eine Veränderung der 
Kolloidstabilität eintritt. 

Eine weitere Beobachtung mag hier Platz finden. Der als Frühgeburt 
mit normalen Werten angeführte Fall K.S. zeigte bei der Untersuchung bis 
zur 12. Lebenswoche normale Werte und verriet auch klinisch keine Zeichen 
einer latenten Krankheit. Auch die Wassermannsche Reaktion, die dann 
wegen Auftretens eines Lebertumors angestellt wurde, war negativ. Bald darauf 
entwickelte sich bei dem Kind ein luetisches Exanthem, und die Senkungszeit 
erfuhr eine Beschleunigung auf 25 Minuten (vgl. György, Senkungsgeschwin- 
digkeit bei Lues). Die daraufhin angestellte Wassermannsche Reaktion 
war positiv. Dieser Fall zeigt, daß nicht jede kongenitale Lues sich durch 
eine Beschleunigung der Blutkörperchensenkung anzeigen muß, solange sie 
nicht manifest ist. Andererseits erscheint gerade hier die Senkungsreaktion 
als ein willkommenes Behelfsmittel, das uns anzeigt, wann die Ausführung der 
Wassermannschen Reaktion Aussicht auf ein eindeutiges Resultat gewährt. 
Es ist das um so wertvoller, als die Senkungsprobe einfacher, rascher und billiger 
auszuführen ist als die Wassermannsche Reaktion. 


Säuglinge. 





I. | K. S. g' | 17 Tage | 2,4 | 48’ ‘toh 12’ | 4,81 Frühgeburt 
2.;ıR.K.O| 24 „ 2,4 | 64’ | ıh20°| 5,3 u 
3.1K. K. £| 24 . 2,0 | 57 | ıh 30° | 5,03 = 
4I L.G. S | I4 2,0 | 41°! 2b ı0| 5,13 . Gesund 
5. || R. W. 21, |31|47| 717| 515 x 
6. E. B. g 2 Mon 3.0 | 34’ | 2ħ 40| 5,96 | Gesund, untergewichtig. 
7- i| K. S. EAI 2. ss 4,2 | 49’ | 35 27 5,5 Gesund 
8.) K. O. ot} 21/, Mon. | 5,1 | 42’ | ıh 6 5,3 j 
9. || K. F. t| 2 | 4.5.1 37” | 228 30°] 5,96 ss 
10.) A. L. ot} 284, 3,8 | 42’ | ıh 30° | 5,85 | Untergewicht., sonst ges. 
11. K. R. ot! 3 Mon. | 4,0 | 43’ | 12 46’ | 4,7 Geheilte Scabies 
ı2.|EB.d'| 3 „ 4:2 | 29 | 1b 15 | 64 Untergewicht., sonst ges. 
13. W. B.Ọ| 4 „ 40 | 37 | 18 527| 4,8 i u 
14. || H. W. "| 4?/, Mon. | 6,3 | 20’ | ıh ı9 | 6,3 Gesund 
15.10. W. J'| 5 Mon. | 6,7 | 20’ | ıb 28° | 5,9 5 
16. || L. J. ot | 54/g Mon. | 4,0 | 38’ | ıb 43’ | 5,68 Geheilte Dyspepsie 
17.| H.L.Q 15%, „» 5,9 | 20° | ıh 30° | 6,29 Gesund 
18.|| F. F. gt} 6 Mon. | 4,2 | 40’ | ıh ı1° | 6,07 | Untergewicht.,sonstges. 
1g. | H. R. 6?/, Mon. | 5,7 | 32° | 1515’) 6,2 Gesund 
20. || E. F. I x 72 | 32| zb 35’| 6,2 = 
21.| A. Z. 9 , 7,8 | 24’ | 7415’! 6,46 ie 
22.| H. E. ţ'| 10 „, 7.1) 47 | 1835| 5,29 | 5 
23. N. R. 12 , 5.7 | 417 | 1h 41’| 7,73 Į|Dystrophie mittl. Grad. 
24. A. N.Q | 14 8,9 | 33’ | rh 15’ | 6,7 Gesund 
25.|| E. H. | 16 „ | 8,8 | 30° | 1h 25’| 6,63 | Latente Spasmophilie, 
| | 


sonst gesund 














614 Lederer. 
Kleinkinder. 
Ge- ‘ Serum- 
Name Alter n p = poder ing eg 
26. || K. F. ot | 2 Jahre {11,9} 35’ | 32 51’ | 7,37 
27. K. W. 2-3, 11,5| 22’ | 4h 7,1 
28.|| E. S. g 21a» [13.1] 42 | 18 38| 7,24 
29. || F. C. S| 2e » I1,0| 37’ | 22 7,49 
30. | R. H. F| 2th 13,2| 23° | 22 10’ | 6,45 
31. || A. D. 2 11,2| 217 | 12 35’ | 7,98 
32. || E. BS 3 » 12,5| 27’ | ıh24 | 7,05 
33.1J.H.f| 3 „ 13,4| 21’ | 5h 12’ | 6,55 
34.| E.N.Q | 3%/, „ |13,9| 41’ | 2b 35’ | 7,8 
35-1 A.L. ot] 4, 12,0; 47’ | 2b 29 | 7,8 
36. || W.W. oo] 4, 14,8; 41’ | 32 20’ | 6,76 
37.|H.B.g'| 4 „n |14,7| 28° | 22 6,29 
38.1G.S.0'|4 » 17,8| 28’ | 3b 8,02 
39. | F. H. | 41/2 n» |14.8| 35’ | 2b 56 | 7,85 
40. | W. W. 44/o,, |14,2| 49 | 1} 18| 7,09 
41. || L. W. g 4a» 12,7, 21’ | 22 37 | 7,74 
42.| A. Z. of = 16,0| 33 | 1B 41 | 7,1 
43.|G. N. QO] 5%/.., |171| 45°! 12 32’) 8,06 
44.|| H.S.o7) 54/2, 113.9! 41” | 1B 49 | 7,37 
45. || W. S. S| 5th . 17,2| 28’ | 1b 20 | 7,32 
46. |W. D. S| 5ta » 15,6| 27 | 3b 15 | 6,9 
47.| R. Z. 5e» 16,9| 25’ | 12 18’ | 7,98 
48.|| P. SS 53/4 » 18,7; 447 | 22167! 7,5 
Kinder über 6 Jahre. 
49.| A. Z. g'| 6 Jahre |18,1| 35’ | 4b 30° | 7,35 
50.|W. P. of] 6, 20,3} 35’ | 3% 6,9 
51.|W. D. ot] 6 „ |17,6| 34’ | ıh 25’! 7,91 
52..|R.B.y|6 „, 19,5 | 33° | gb 36’, 7,28 
53-1 J. R. ot] 6  ,, 1 18,5] 26’ | 35 47’ | 75 
54. A. K. ot] 6 „ | 18,9] 23’ | 32 15’ |. 7,8 
55.1K. 0. Z| i 18,5| 21’ | 22 47’! 7,56 
56.!R.W. J'| 6'/, „ | 18,7] 187 | 4B | 7.8 
57.|R.B. "| 61% „ | 20,2] 377] 55 19% | 7,5 
§8.||W. D. "| 64/2 ,, 16,5| 34’ | 1525’ 7,91 
59.||W. M. o4| 64/2 ,, | 20,0] 297 | 52 24’ | 7,85 
60. || H. W. G4] 6th ,, 17,0] 29’ | 3h | 7,45 
61.| R.W. "| 61), „, 17,8| 29’ | 2b 7 7,5 
62. |H. W. F| 6/i n 17,4) 18° | ıb 20° | 7,91 
63. J. R. 7 » |185| 39 | 4} 19! 7,48 
64. | D. S. g a g 18,3| 37° | 2Þ | 8,5 
65. | P. A. 7 » {19,4} 32’ 4 15’ | 7,03 
66. | R. L. 7 „ °{17,8) 29% | 15 27 | 7,7 
67. || R. W. la 17,8| 29’ | 2b 7’ 7,5 
68. | R. L. Ua 17,1| 25’ | zh | 8,28 
69. | K. E. €| Ph. 17,3| 14’ | 2b 46 | 7,54 
70. | M.S.Ọ18 ,, 25,6!) 37’ | ıb 23° | 8,5 
71. K. H. g 8 22,0| 27 | 6 41° | 7,82 
72.. A, F. 81/, ,, 19,9 23’ | 4216’ 7,41 


Heft 6 


Gesund 


Untersuchung im März 
Gesund 
Untersuchung im März 


’ Gesund E 
Untersuchung im 
Gesund 


Marz 


Gesund 


Untersuchung im Marz 


Gesund 


Untersuchung im 
Gesund 


Untersuchung im 


_ Gesund 
Untersuchung im 

Gesund 
Untersuchung im 


"Gesund 


Untersuchung im 
Gesund 


Heft 6 


So Hott pt ee BF |] 





G. 
SS 
T. g 
K. g 
G. o 
J. 0" 
w.g' 
L. S. 
M. 0 
K. Š. f 
R. Z. g 
R. Z. 
W. F 
P. R. 
A. ae 
A. N. 
M. N. 
A W. È 
K.T. 
E H.O 


Kinder über 6 Jahre. 


21,3 


Paralleluntersuchungen über Serumeiweißgehalt. 


615 






9 24,0 Untersuchung im März 
9 „ 24,2 ” » on 
9 » 19,3 Gesund 
9 u 24,0 ” 
9/2 ., |25,6 . 
fe. | 25,6 i 
Kinder über io Jahre. 
ıo Jahre |25,6| 33° | 3b 57’ | 7,7 Gesund 
II „1289| 36’ | 3b 8,1 ki 
ııl/s „ 128,1| 35 | 1B 47 | 7,63 | Untersuchung im März 
10 /, 4, 127,3) 20° | 58 37 | 8,1 Gesund 
12 ,, |30,0| 38° | 5b 7,89 {Untersuchung im Marz 
I2 „1298| 317 | 38 7,74 Gesund 
124/, ,, | 35,0| 40° | 22 48’ | 7,74 ee 
13 4, |40,1] 387} 12 44’ | 89 Untersuchung im Marz 
13 „1350| 30° | 4b >’ 8,8 Gesund 
13 „1298| 29° | 426 | 7,8 2 
14 5 |41,2| 41° | 2b 53’ | 8,03 a 
i4 4, 1373| 327 | 4246 | 7,7 Re 
14» | 39,8 20’ | 2h 35’ | 7,85 u 





PE Towa ma 
TETAP ORUP Y 
TOIL TOIIQ 


a 





15,2 
14,4 
16,2 
22,3 


49,0 


7,49 


7:47 
8,57 
7.41 
7:99 
8,04 


Am Rumpf und am Kopf einige 
wenige kaum pfenniggroße frische 
Impetigostellen. 
Impetigo wie im vorigen Fall, aber 
meist nahezu abgeheilt, geringe 
Infiltration der befallenen Haut- 
partien. 

Noch etwas Rötungder wenigen mit 
Impetigo befallenen Hautpartien 
und z. T. Narbenbildung. 
Befund wie im vorigen Fall. 


Rhagaden am Mund, Impetigo am 
linken Ohr. 
Befund wie bei Fall Nr. 3. 


Ausgebreitete Pyodermie am be- 
haarten Kopf. 
Panaritium subcutaneum am lin- 
ken Zeigefinger. Noch keine Pu- 
bertatsentwicklung. 


616 Lederer. Heft 6 


Nachschrift. 


Der von meinen Assistenten (Asal, Falkenheim, Gottlieb 
und Heller) zur Beurteilung des tuberkulésen Zustandes im Kindes- 
alter herangezogene und von Asal und Falkenheim beschriebene 
„Hämoklinische Status‘‘ steht an meiner Klinik nunmehr bereits 
seit über 2 Jahren in ständigem Gebrauch. Bisher wurden über 
200 Fälle in dieser Weise, zumeist wiederholt, untersucht. Hätte- 
sich die Methode als wertlos erwiesen, so wären wir sicher bereits 
davon abgekommen, um so mehr, als deren Ausführung einen immer- 
hin nicht unbeträchtlichen Aufwand von Mühe, Zeit und Erfahrung 
erfordert. Darin liegt zweifellos ein gewisser Nachteil, und es würde 
mich nicht wundernehmen, wenn sich das Verfahren gerade deshalb 
nicht leicht Eingang in die Klinik verschaffen wird. Allein wenn 
man bedenkt, wie oft die Frage an uns herantritt, ob ein tuber- 
kulöser Prozeß bei Kindern noch als aktiv oder bereits als inaktiv 
zu gelten hat und wie außerordentlich schwierig diese Frage in 
einzelnen Fällen zu entscheiden ist, sollte man jedes Bestreben 
begrüßen, das dahin abzielt, uns die Antwort wenigstens einiger- 
maßen zu erleichtern und klinische Beobachtung, Tuberkulinreaktion 
und Röntgenbild nach irgendeiner Richtung zu ergänzen. 

Hamburger scheint uns jedoch selbst diesen Schimmer von 
Anerkennung versagen zu müssen, indem er sich veranlaßt fühlte, 
in der III. Auflage des Handbuches Pfaundler-Schloßmann, 
II. Bd., S. 700, den ganzen hämoklinischen Status kurzerhand als 
ein „zusammengekünsteltes Hypothesengebäude‘“ abzufertigen. Ich 
will nicht darauf eingehen, daß das Prinzip der Methode von Ham- 
burger anscheinend nicht mit der erforderlichen Schärfe erfaßt 
wurde und mich nicht bemühen darzutun, daß bei einer Ver- 
schmelzung von 3 an den verschiedensten Orten inaugurierten, 
gut studierten und in ihrer Einzelanwendung bereits vielfach be- 
währten Methoden zu einem synergischen System — und etwas 
anderes vorzustellen hat ja unser hämoklinischer Status niemals 
beansprucht — von einem „Hypothesengebäude‘‘ unsererseits doch 
wirklich nicht die Rede sein kann, sondern hier nur feststellen, daß 
der hämoklinische Status an der Grazer Klinik nicht ein 
einziges Mal ausgeführt wurde. 

Ein auf solcher Basis gefälltes Urteil pflegt man sonst als leicht- 
fertig und anmaßend zu bezeichnen; ich will mich jedoch an diesem 
Ort damit begnügen, Hamburger die gleichen Worte entgegen- 
zuhalten, deren er sich bei anderer Gelegenheit einem anderen 


Heft 6 Paralleluntersuchungen über Serumeiweißgehalt. 617 


Autor gegenüber zu bedienen beliebte, wonach nie und nimmer das 
Recht eingeräumt werden kann, ‚gegen Beweise und Tatsachen, 
welche mit Mühe und Fleiß festgestellt wurden, Zweifel laut werden 
zu lassen, wenn den genannten Tatsachen und Beweisen nicht 
einmal der Versuch entgegengestellt wird, die Zweifel mit eigener 
Beobachtung oder der Beobachtung anderer zu stützen. Dabei 
müßte selbstverständlich verlangt werden, daß solche Beobachtungen 
bzw. Tatsachen in extenso veröffentlicht werden. Es kann nicht 
das Resultat von redlicher Arbeit und jahrelanger Forschung durch 
ein hingeworfenes Wort entkräftet werden‘. (S. 631 des gleichen 
Artikels.) Moro. 


Literaturverzeichnis. 


I. Blutlipase. 


. Frisch u. Kollert, Brauers Beitr. z. Klin. d. Tuberkul. Bd. 43. 1920; 
Bd. 47. 1921; Bd. 48. 1921. 

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. Abderhalden u. Rona, Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 75. 911. 

. Much, Dtsch. med. Wochenschr. Nr. 11. 1914. 

. Frisch, Brauers Beitr. z. Klin. d. Tuberkul. Bd. 48. 

. Falkenheim u. Gottlieb, Minch. med. Wochenschr. Nr. 40. 1922. 

. Asal u. Falkenheim, Münch. med. Wochenschr. Nr. 10. 1923. 


Did 


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618 Lederer: Paralleluntersuchungen über Serumeiweißgehalt. Heft 6 


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OO ON ONE NA 


II. Serumeiweiß. 


. Reiss, Ergebn. d. inn. Med. Bd. 10. 1913. 
. Frisch, Brauers Beitr. z. Klin. d. Tuberkul. Bd. 48. 


Nast, Zeitschr. f. Kinderheilk. Nr. 11, H. 2. 1914. 
Rominger u. Grunewald, Klin. Wochenschr. Nr. 29. 1922. 
Reiss, Inaug.-Diss. Straßburg 1904. 

Reiss, Jahrb. d. Kinderheilk. 1909. 

Russ, Monatsschr. f. Kinderheilk. Nr. 10. 1911. 
Meyer-Bisch, Klin. Wochenschr. Nr. 3. 1922. 


. Rominger u. Grunewald, Zeitschr. f. Kinderheilk. Bd. 33, H. 1/2. 
. Lust, Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 73. 1911. 


III. Blutsenkungsgeschwindig keit. 


. Linzenmeier, Arch. f. Gynakol. Bd. 113. 1920. 


Linzenmeier, Zentralbl. f. Gynakol. Jg. 46, S. 535. 1922. 
Westergren, Klin. Wochenschr. Nr. 27. 1922. 


. Frisch u. Starlinger, Med. Klinik Nr. 38/39. 1921. 


Grafe, Klin. Wochenschr. Nr. 19. 1922. 

Westergren, Brauers Beitr. z. Klin. d. Tuberkul. Bd. 46. 1921. 
Fahräus, Biochem. Zeitschr. Bd. 89, H. 5/6. 1918. 
Linzenmeier, Pfligers Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 181. 1920. 


. Herzfeld u. Klinger, Biochem. Zeitschr. Nr. 87, S. 37. 1918. 


Westergren, Acta med. scand. Bd. 55. 1921. 


. Katz, Zeitschr. f. Tuberkul. H. 6. 1922. 

. Fahräus, Biochem. Zeitschr. 1918. 

. Höber, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. S. 607. 1904. 

. György, Münch. med. Wochenschr. Nr. 26. 1921. 

. Linzenmeier, Zentralbl. f. Gynäkol. Nr. 10. 1921. 

. Abderhalden, Münch. med. Wochenschr. Nr. 31. 1921. 
. Geppert, Berl. klin. Wochenschr. Nr. 10. ıgı1I. 

. Schürer u. Eymer, Berl. klin. Wochenschr. Nr. 42. 1921. 
. Linzenmeier, Zentralbl. f. Gynakol. Nr. 25. 1922. 

. Héber u. Mond, Klin. Wochenschr. Nr. 49. 1922. 

. Westergren, Klin. Wochenschr. Nr. 44. 1922. 

. Sadlon, Klin. Wochenschr. Nr. 40. 1922. 

- DreyfuB8B, Klin. Wochenschr. Nr. 18. 1922. 

. Horvat, Minch. med. Wochenschr. Nr. 50. 1922. 

. Eliasberg, Klin. Wochenschr. Nr.9. 1923. 

. Dehoff, Dtsch. med. Wochenschr. Nr. 18. 1923. 


Referate. 


Wachstum und Stoffwechsel. 


Malmberg, Stockholm. Uber den Stoffwechsel des gesunden, natürlich 
ernährten Säuglings und dessen Beeinflussung durch parenterale 
Infektion und Intoxikation. (Acta paediatrica 2, 1923, S 209.) 

Fett-, Stickstoff- und Mineralumsatz wurden bei zwei in jeder 

Hinsicht gesunden Frauenmilchkindern unter normalen Verhält- 

nissen sowie nach Vaccination und nach Typhusimpfung unter- 

sucht. Die bisher vorliegenden Stoffwechselversuche bei natürlichen 

Ernährungsbedingungen werden gleichzeitig einer eingehenden Kritik 

unterzogen. In der Normalperiode beträgt die Fettresorption 97%, 

das unresorbierte Fett besteht zum überwiegenden Teil aus freien 

höheren Fettsäuren. Die. Menge des retinierten Stickstoffs beträgt 

38—49% (0,44—0,79 g). Die Retention an Gesamtasche beträgt 

22—39% (0,252—0,754 g), im einzelnen: K,O 26—28%, Na,O 

46—66%, CaO 42-47%, MgO 21-27%, P20; 43—79%, Cl 19-35%. 

Die Vaccination beeinfluBt ebensowenig wie die Typhusimpfung den 

Fettumsatz, nur nimmt im Stuhl die Menge der Seifen im Verhältnis 

zum Neutralfett und zu den höheren Fettsäuren ab. Die Stickstoff- 

retention wird durch beide Eingriffe verschlechtert (Steigerung der 

N-Ausscheidung durch den Urin). Ebenso wird die Retention der 

Mineralstoffe sowohl vor wie in und nach der Fieberperiode ver- 

schlechtert. Zuerst erfolgt ein Anstieg der Na- und Cl-Ausscheidung 

im Urin; in der Fieberperiode wird Na, K, Cl und P im Urin und 

Ca und Mg in den Faeces vermehrt ausgeschieden. :In der Nach- 

fieberperiode wurden Ca, Mg und Pin den Faeces, P auch im Urin 

vermehrt ausgeschieden. Die Erhöhung der Cl-Ausscheidung scheint 
vom Fieber unabhängig zu sein. Rosenbaum. 


Wilkins, L., und Kramer, B. Untersuchungen über den Kalium- 
gehalt des menschlichen Serums. (Arch. of internal med.. 81, Nr. 6, 
S. 916.) 

- ‘Zur exakten Bestimmung des Kaliums im Serum ist es un- 

bedingt erforderlich, jegliche Hämolyse zu vermeiden und das Serum 

von den Blutkörperchen möglichst schnell zu trennen. Der normale 

K-Gehalt des Serums ist ziemlich konstant, er beträgt 18—22 mg 


620 Wachstum und Stoffwechsel. Heft 6 


in 100 ccm Serum. Erhöhte Werte fanden sich nur bei einigen Fällen 
von Nephritis und Tetanie. Bei den Nierenerkrankungen wurden 
Werte bis zu 26 mg gefunden, bei Tetanie bis zu 29 mg. Die Er- 
höhung der K-Werte im Tetanikerserum ging nicht mit einer Er- 
niedrigung der Ca-Werte einher. Zufuhr von Jodkali bis zu 1,3 g 
führte nicht zu einer Erhöhung der K-Werte im Serum, dagegen 
konnte nach massiven Dosen von Chlorkali eine Erhéhung der Werte 
bis auf 35 mg festgestellt werden. Dabei traten keinerlei subjektive 
Beschwerden, wohl aber Veränderungen im Elektrokardiogramm auf. 
Wolff (Hamburg). 


Park, E. A., Guy, Ruth A., und Powers, G. F. Ein Beweis für den 
beherrschenden Einfluß des Lebertrans auf den Kalk und Phosphor- 
umsatz. (Americ. journ. of dis. of childr. 26, S. 103.) 


Junge Ratten im Alter von 36—44 Tagen wurden während 
35 Tagen auf einer Grundkost gehalten, der wechselnde Mengen von 
Calciumcarbonat und Dinatriumphosphat beigegeben waren. Als- 
dann wurde die Hälfte der Tiere aus jeder der 5 Gruppen durch 
Verbluten getötet und der Kalk- und Phosphorgehalt ihres Blut- 
serums ermittelt. Die andere Hälfte der Tiere verblieb noch für 
Io Tage bei der gleichen Nahrung, der aber 2%, Lebertran zugefügt 
wurde. Sämtliche Versuchstiere wurden bei zerstreutem Licht im 
Zimmer gehalten. Es zeigte sich, daß unter diesen Bedingungen ent- 
sprechend der Zusammensetzung der Versuchsnahrung sehr starke 
Verschiebungen im Kalk- und Phosphorgehalt des Serums auftraten. 
Unter dem Einfluß des Lebertrans wurde der Erfolg einer unzweck- 
mäßigen Zusammensetzung der Nahrung weitgehend ausgeglichen; 
es näherten sich die Werte an Kalk und Phosphor im Blutserum den 
für gesunde Tiere geltenden weitgehend an oder erreichten sie. Wie 
diese Wirkung des Lebertrans zustande kommt, ist vorläufig un- 
erklärt. H. Vogt. 


Rühle, Reinhold. Zur Pathogenese der akuten alimentaren Ernäh- 
rungsstorungen. X. Mitteilung. EtwetB und Gärung. (Aus den 
Kinderkliniken der Universitäten Marburg und Leipzig.) (Jahrb. 
f. Kinderheilk. 101, 1923, S. 127.) 


Verf. erklärt aus einer Reihe chemisch-bakteriologischer Ver- 
suche die Ursache der Gärungsbeförderung durch Eiweiß. Während 
Blühdorn bei gleichgerichteten Experimenten verschiedenen Nähr- 
lösungen Bakteriengemische (Stuhlfiltrate) hinzusetzte und dadurch 
leicht Zufallsergebnisse erzielen konnte, wählte R. ein einheitliches 
Nährmedium, das mit Colireinkulturen beimpft wurde. Der Ein- 
fluß steigender Kohlenhydratmengen, stufenweise erhöhten Eiweiß- 
gehaltes (Nutrose) im Nährboden, wechselnder Bakterienzabl auf 
die Vergärung des gleichen Nährgemisches wurde in 12 Haupt- 


Heft 6 Wachstum und Stoffwechsel. ` 621 


versuchen geprüft. Bei gleichbleibendem Eiweißgehalt genügte ein 
Zuckerzusatz von etwa 1% schon zur Erreichung des von Michaelis 
und Marcora festgestellten maximalen Säuerungsvermögens für 
Coli. Während höhere Zuckerkonzentrationen die Gärung nicht 
weiterförderten, erzielte Steigern der hinzugefügten Nutrosemenge 
bis zu 10% bei gleichem Zuckergehalt des Nährbodens stetiges An- 
wachsen der Gärung (übereinstimmende Ergebnisse mit Kayser, 
Blühdorn, Langer und Wolff). Vorverdautes Eiweiß wirkte 
besser als unverdautes. Von physiologischem und klinischem Wert 
ist vor allem die Feststellung, daß die größeren Säuremengen, welche 
infolge des Eiweißzusatzes bei Coligärung aus Zucker entstehen, 
an das Eiweiß selbst gebunden werden. (Methode: Ultrafiltration. 
Getrennte Filtration von Rückstand und Filtrat.) Die wahre Acidität 
der Lösung bleibt die gleiche. Wahrscheinlich können nach Ansicht 
des Verf. Bakterien im eiweißreichen Gärsubstrat mehr Säure bilden, 
weil sie an Eiweiß gebunden und dadurch für die Darmschleimhaut 
unschädlich gemacht wird. Die antidyspeptische Wirkung des Eiweiß 
bedarf noch weiterer Aufklärung. W. Gottstein. 


Camescasse, J. Steigerung der Assimilation durch Mangan. (Arch. 
de méd. des enfants 26, S. 406.) 


Unter den ııo Knaben und ebenso vielen Mädchen, die vom 
Wohlfahrtsamt der Stadt Paris nach Forges-les-Bains zur Erholung 
geschickt werden, findet sich immer eine gewisse Zahl, die nicht an 
Gewicht wie die anderen zunehmen. (Höchstmaß bei einem Mädchen 
Zunahme von 40% des Anfangsgewichtes in 115 Tagen.) In solchen 
Fällen erwies sich die Verabfolgung von Manganpastillen, täglich 
einmal 0,07 g Mangandioxyd während 14 Tagen, als erfolgreich. 
Gleichzeitig damit, daß die Gewichtskurve nunmehr in die Höhe 
ging, besserte sich der Allgemeinzustand der Kinder. Während ein 
solcher Erfolg unter 10 Mädchen gmal durchschnittlich eintrat. 
blieb er bei Knaben viel öfter aus. H. Vogt. 


Talbot, F. B., Sisson, Warren R., Moriarty, M. E., Dalrymple, A. J. 
Der Grundstoffwechsel der Friihgeburten. III. Stoffwechselbefunde 
bei 21 frühgeborenen Kindern. (Americ. journ. of dis. of childr. 26, 
S. 29.) 

Der respiratorische Quotient der Frühgeburten beträgt durch- 
schnittlich 0,96. Danach sind die Kohlenhydrate als Hauptquelle 
der gebildeten Wärme anzusehen. Inden ersten Lebenstagen schwankt 
der respiratorische Quotient des Säuglings stark und sinkt bis zum 
dritten Tage nach den Untersuchungen von Benedict und Talbot 
auf 0,73, steigt dann wieder an, bis zum 8. Tage auf 0,80 und er- 
reicht im späteren Säuglingsalter gelegentlich Werte über 0,90. 
Die Wärmeerzeugung der Frühgeburten wächst mit steigendem 


622 _ Wachstum und Stoffwechsel. — Neugeborene. Heft 6 


Lebensalter, bleibt aber zurück hinter der Wärmeerzeugung gleich- 
altriger ausgetragener Kinder. Wird die Wärmeerzeugung der Früh- 
geburten zu ihrem berechneten ‚wahren Lebensalter‘ in Beziehung 
gesetzt, so nähern sich die Werte den für ausgetragene Säuglinge 
ermittelten. Die Wärmeerzeugung der Frühgeburten von mehr als 
1,8 kg Gewicht ist größer als die von gleichaltrigen ausgetragenen 
Säuglingen. Dasselbe Verhältnis besteht auch bei atrophischen 
Säuglingen. Der Grund liegt wahrscheinlich in beiden Fällen in der 
Fettarmut des Körpers. Die Körperlänge steht nicht in gesetz- 
mäßiger Beziehung zur Wärmeabgabe. Die auf das Kilogramm 
Körpergewicht berechnete Wärmeerzeugung bleibt bei Frühgeburten 
in der ersten Lebenszeit hinter der gesunder ausgetragener Säuglinge 
zurück, während sie etwa vom 40. Lebenstage ab sie meist über- 
trifft. Da auch bei ausgetragenen Säuglingen verschiedenen Körper- 
gewichts in den ersten Tagen des Lebens die Wärmeerzeugung oft 
auffallend niedrig ist, so ist wohl der Grund in beiden Fällen darin 
zu suchen, daß der Säugling zunächst die Fähigkeit erwerben muß, 
sich seiner Umgebung anzupassen, wozu bei Frühgeburten eine längere 
Zeitspanne erforderlich ıst. Die auf den Quadratmeter Oberfläche 
berechnete Wärmeerzeugung der Frühgeburten ist in der ersten 
Lebenszeit oft überraschend niedrig: 330 und 360 Cal.! Im allgemei- 
nen steigt mit zunehmendem Körpergewicht die Wärmeerzeugung 
auf die Einheit der Oberfläche bezogen. Durch körperliche Betäti- 
gung kommen Steigerungen der Wärmeabgabe um 40%, des Grund- 
stoffwechsels zustande. H. Vogt. 


Neugeborene. 


Falls, F. H. Bluttransfusion bei Neugeborenen. (Journ. of the Americ. 
med. assoc. 80, Nr. ıo, Io. März 1923, S. 678.) 


Für die Anwendung der Bluttransfusion bei Neugeborenen 
kommen verschiedene Methoden in Frage. Die mehrmals wiederholte 
subcutane oder intramuskuläre Injektion von IO—20 ccm Blut, 
die direkte Transfusion durch Anastomose der Venen des Spenders 
und Empfängers und die Injektion in den Sinus longitudinalis haben 
gewisse Nachteile. Die erste Methode ist zu unsicher in ihren Er- 
folgen, die zweite kann nur bei erheblicher chirurgischer Geschick- 
lichkeit vorgenommen werden, die dritte ist unter Umständen ge- 
fährlich. Als relativ einfache Methode, die auch von jedem einiger- 
maßen geschickten Allgemeinpraktiker ausgeführt werden kann, 
wird die Transfusion in eine periphere Vene unter Zugabe von Natrium- 
citricum-Lösung empfohlen. Es wird zweckmäßig nicht die Vena 
mediana cubiti gewählt, die bei Neugeborenen so klein ist, daß nur 
die Einführung einer allerfeinsten Kanüle möglich ist, sondern die 
Vena jugularis. Die Kinder müssen sorgfältig fixiert werden, bei 


— -= -= ne 


Heft 6 Neugeborene. — Orthopädie. 623 


starker Rotation des Kopfes ist es mit Leichtigkeit möglich, die 
Vene zu finden, namentlich wenn die Kinder schreien. Die Technik 
ıst dieselbe wie bei jeder intravenösen Infusion. 


Lehrnbecher (Eberswalde). 


Bakwin, Harry, und Morris, Ruth M. Die Leukocytenzahl von Neu- 
geborenen mit Durstfieber. (Americ. journ. of dis. of childr. 26, 
S. 23.) 

Zählungen an einer größeren Zahl gesunder fieberfreier Neu- 
geborener ergaben 20—25 000 weiße Blutkörperchen gleich nach der 
Geburt, einen schnellen Abfall auf etwa 5000 in der ersten und einen 
Anstieg auf IO—I2 000 in der zweiten Lebenswoche. Die starken 
Schwankungen der ersten Lebenszeit sind nicht abhängig von Än- 
derungen im Wassergehalt des Blutes, wie durch gleichzeitige Ver- 
folgung des Refraktometerwertes festgestellt wurde. Ebensowenig 
ergab sich eine gesetzmäßige Beziehung der Leukocytenzahl zu dem 
sog. Durstfieber der Neugeborenen. H. Vogt. 


Ratnoff, Hijman L. Zur Frage von dem Wesen des Icterus neonatorum. 
(Chemische Abteilung des Rudolf-Virchow-Krankenhauses in 
Berlin.) (Jahrb. f. Kinderheilk. 101, 1923, S. 187.) 


Weder vorangegangene Infekte noch die Bilirubinämie oder 
Leberschädigung reichen aus, um das Wesen des Icterus neonatorum 
zu erklären. Von ursächlicher Bedeutung ist wahrscheinlich auch 
Übertritt von Bilirubin in die Gewebe infolge erhöhter Durchlässig- 
keit der Gefäßwand, wie Eppinger, Schiff und Faerber gleich- 
falls annehmen. Mangelhafte Ausbildung der Kittsubstanz der 
Gefäßwand tritt vielleicht hinzu. Die von Verf. oft bei Icterus 
neonatorum (im Gegensatz zu nichtikterischen Neugeborenen) nach- 
gewiesenen okkulten Blutmengen im Stuhl sprechen nach seiner An- 
sicht für erhöhte Durchlässigkeit feiner Capillaren auch für andere 
Bestandteile als Bilirubin. W. Gottstein. 


Orthopädie. 


Estor und Aimes. Die angeborene Luxation der Peroneussehnen. 
(Revue d’orthopéd. 1923, 30, S. 5.) 

Sie ist sehr selten und macht häufig keine erheblichen Be- 
schwerden, so daß man sie zufällig entdeckt. Oft ist sie bleibend, 
oft handelt es sich um habituelle oder besser gesagt intermittierende 
Luxationen. Die Mißbildung ist meist doppelseitig. Interessant 
ist die Tatsache, daß in dem beobachteten Falle das Fußzewölbe 
eine übertriebene Höhe aufweist, während die meisten Beobachter: 
Plattfußbildungen feststellen. Die Therapie richtet sich haupt- 
sächlich gegen die Beschwerden des SenkfuBes. Operation ist nur 


624 Orthopädie. Heft 6 


selten nötig. Estor und Aimes vertieften die retromalleoläre 

Grube und fixierten die Sehne durch Herstellung eines künstlichen 

Retinaculums, das sie mit einem Silberdraht armierten. 
Debrunner (Berlin). 


Mouchet und Roederer. Einige Bemerkungen über die angeborene 
Skoliose. (Rev. d’orthoped. 1923, 30, S. 19.) 

Mouchet und Roederer lenken der Leser Aufmerksamkeit 
auf die angeborenen Skoliosen, deren Häufigkeit in Deutschland 
durch Arbeiten von Böhm bekannt geworden ist. Die verhältnis- 
mäßig seltenen Skoliosen ohne Knochenanomalien werden auf 
fehlerhafte Kindslage zurückgeführt. (Die Deutung hat wenig 
Wahrscheinlichkeit für sich.) Manchmal findet man Hemiatrophien 
des ganzen Körpers. Vielleicht spielt die Vererbung eine gewisse 
Rolle. 

Häufiger sind die Skoliosen mit nachweisbaren Knochenmiß- 
bildungen. Am meisten finden sich Schaltwirbel.e. Die Prognose 
ist überraschenderweise nicht schlecht, was auch unsere eigenen 
Erfahrungen bestätigen können. Die kurzen scharfen Bogen werden 
verhältnismäßig leicht und unauffällig kompensiert. Ähnlich sind 
die Skoliosen zu bewerten, die durch unregelmäßige Ausbildung 
eines rechtzähligen Wirbels entstehen. Grobe Veränderungen der 
Wirbelsäulenform bilden sich meist bei schweren Rachischisen aus, 
während die leichte spina bifida höchstens kleine Abweichungen 
nach der Seite hervorruft. Ob es sich um Folge oder Gleichzeitigkeit 
handelt, ist allerdings noch nicht klargestellt. 

Mit Nachdruck weisen die Verfasser auf die große Anzahl von 
Skoliosen hin, die durch Mißbildung des V. Lumbalwirbels ent- 
standen sind, und die bei uns noch wenig bekannt geworden sind 
Die Form des V. Lendenwirbels ist solchen Schwankungen unter- 
worfen, seine Variationsbreite, die seine phylogenetische Umwand- 
lung zu beweisen scheint, ist so groß, daß man eine Normalform 
gar nicht aufstellen kann. Die Skoliose entwickelt sich oft spät 
und langsam. Wahrscheinlich findet sich die Ursache manch einer 
leichten Lumbalskoliose in Asymmetrien der Lendenkreuzbein- 
gegend (Lumbalisation, Sakralisation). 

Debrunner (Berlin). 


Rey. Die praktische Bedeutung der postpleurstischen Skoliose im 
Kindesalter. (Arch. f. Kinderheilk. 72, 1923, S. 261.) 


Skoliosen auch nach nichteitriger Pleuritis sind häufig. Sie ent- 
stehen am schnellsten da, wo das Exsudat rasch resorbiert wird 
und die Lunge mit ihrer Entfaltung nicht so schnell nachkommt. 
Prophylaktisch wird das Gipsbett in Überkorrektur empfohlen 
oder eine Art Abbottscher Verband, der das Aufrichten der eingesun- 


Heft 6 Mißbildungen. 625 


kenen Thoraxpartie erleichtert. Später kommen Atemübungen 
nach Hofbauer, die Kuhnsche Saugmaske, Trompetenblasen usw. 
in Frage, die ein ‚Pumpen der Lunge gegen die starre Thoraxwand““ 
darstellen. P. Karger. 


Mißbildungen. 


Cozzolino, O. (Päd. Klinik Parma). Emupertrofia congentta in un 
lattante. (Angeborene Hemihyperirophie bei einem Säugling.) (La 
Pediatria 1923,81, S. 521.) - 

Es handelt sich um eine rss der en linken 
Körperhälfte; sie war in den distalen Partien der Extremitäten 
ebenso ausgesprochen wie in den proximalen; der Blutdruck war 
links etwas niedriger als rechts; die Knochen waren an der Hyper- 
trophie nicht beteiligt; dennoch handelte es sich nicht um Elephan- 
tiasis, da die Haut nicht wie bei dieser verdickt, sondern weich 
und zudem der Zustand angeboren war; es ist also das Verhalten 
der Knochen nicht als differentialdiagnostisches Moment heranzu- 
ziehen. Die Hemihypertrophie beruht auf einer fehlerhaften, embryo- 
nalen Anlage. Tezner (Wien). 


Macera, José-Maria. Aibo multiple Dystrophie des elastischen 
Gewebes. Doppelseitige angeborene Pneumocele. (Arch. de méd. des 
enfants 26, S. 412.) 


Bei einem 4 Monate alten Säugling fanden sich ein Nabelbruch, 
ein großer Leistenbruch sowie eine Schwellung, die zu beiden Seiten 
des Halses bis zu einem Drittel seiner Höhe reichte und lufthaltig 
war, bei Einatmung . verschwand, bei Ausatmung wieder auftrat 
und als Pneumocele gedeutet wurde. Da auch die äußeren Schlüssel- 
beingelenke wiederholt eine Subluxation erkennen ließen, wird bei 
dem Kind eine verbreitete angeborene Schwäche in der Entwick- 
lung des elastischen Gewebes angenommen. H. Vogt. 


Monatsschrift für Kinderheilkunde. XXVII. Band. 40 


Berichte. 


Berliner Verein fiir innere Medizin und Kinderheilkunde. 
(Pädiatrische Abteilung.) 
Von Albrecht Peiper. 


Sitzung vom 14. Mai 1923. 


Krankenvorstellungen. 


Finkelstein: Knabe mit juveniler Arteriosklerose und Schrumpfniere, 
Mädchen in der Genesung nach Encephalitis epidemica. 

Japha: Demonstrationen aus dem Gebiete der Syphilis. 

Landau: Demonstration eines tonischen Lagereflexes beim Säugling. 
Hält man einen Säugling mit dem Rücken nach oben in der Hand, so beugt 
er das Becken nach unten, wenn der Kopf plötzlich passiv nach unten gebeugt 
wird. 

Hauschild: Vorstellung von Mikrosporiefällen. 

Färber: Vorstellung eines Neugeborenen mit Oesophagusattresie. 

Peiper: Stammbaum, in dem der Mann die Anlage zur Zwillingsschwanger- 
schaft vererbt hat. 

Eliasberg: Kind mit rezidivierendem Empyem auf tuberkulöser Grund- 
lage. 

Schiff: Kind mit Ödemen unklarer Ätiologie. 


Sitzung vom II. Juni 1923. 


Ockel: Über den Einfluß saurer bzw. alkalischer Kost auf 
die elektrische Erregbarkeit bei Kindern. Es wurde die elektrische 
Erregbarkeit bei Kindern untersucht, die eine überwiegend saure oder alkalische 
Nahrung erhalten hatten. Die Kinder hatten eine leichte Rachitis, sie standen 
im Alter von 9 bis ıı Monaten. In einzelnen Fällen sank die Erregbarkeit 
in der alkalischen Periode, während gleichzeitig ein Facialisphänomen auftrat, 
in anderen Fällen ließ sich dies Verhalten aber nicht beobachten. Ein sicherer 
Zusammenhang zwischen der Ernährung und der elektrischen Erregbarkeit 
war also nicht festzustellen. Bei saurer und alkalischer Nahrung kam eine 
elektrische und mechanische Übererregbarkeit zustande. Verf. zieht aus 
seinen Beobachtungen den Schluß, daß Alkalosis nur eine Begleiterscheinung 
der Spasmophilie ist, aber nicht ihre Ursache bildet. 


E. Schiff: Das Spasmophilieherz. Sch. fand bei Kindern, die an 
Spasmophilie erkrankt waren, häufig ein auffallend großes Herz. Die Herz- 


Heft 6 Berichte. 627 


veränderungen zeigten sich aber nicht nur an der Röntgenplatte, sondern auch 
in den Elektrokardiogrammen dieser Kinder traten manche Besonderheiten 
zutage. Als charakteristischer Befund konnte die hohe, stark ausgeprägte 
Finalschwankung verzeichnet werden. Sch. betont, daß trotz der erwähnten 
abnormen Befunde am Herzen niemals bei diesen Kindern klinisch Erschei- 
nungen zu beobachten gewesen sind, aus welchen auf eine bestehende Kreis- 
laufsinsuffizienz hätte geschlossen werden können. Klinisch verhielt sich die 
Zirkulation ganz normal. Vortragender bringt seine Befunde in Analogie mit 
den experimentellen Befunden von Fr. Kraus und S. G. Zondek. Er ver- 
mutet, daß es sich bei der Spasmophilie um ein Vagusherz handelt, und bringt 
dies mit der bei der Spasmophilie bestehenden Elektrolytverschiebung — 
Ca-Verminderung und Kalium-Vermehrung im Blute — in Zusammenhang. 
Bei der operativen Tetanie von jungen Hunden fand Sch. im Röntgenbild 
und im Elektrokardiogramm dieselben Veränderungen wie beim spasmophilen 
Kinde. — Des weiteren wird die Frage der Herztetanie als Todesursache bei 
der Spasmophilie erörtert. Schiff trennt zwei Todesarten voneinander. 
ı. Die plötzlichen, unerwarteten Todesfälle. In diesen handelt es sich wahr- 
scheinlich um einen Sekundenherztod. 2. Die Todesfälle, in denen das Aus- 
setzen der Atmung das primäre ist und die Herztätigkeit erst sekundär erlischt, 
wie bei der exspiratorischen Apnöe oder im laryngospastischen Anfall. Diese 
sind nicht als Herztod, sondern als Atmungstod aufzufassen. 


Aussprache. Finkelstein: Die Theorie von Freudenberg uud 
György vernachlässigt die konstitutionelle Übererregbarkeit. Auch Rachitiker 
haben oft ein großes Herz, das später verschwindet. Bei dem plötzlichen 
Tode der Spasmophilie handelt es sich doch um einen Herztod, denn auch künst- 
liche Atmung bringt keine Rettung. Das Tetanieherz bildet sich später wieder 
zurück. 


Zondek: Empfehlenswert für die vorliegenden Fragen sind Untersuchungen 
des Blutes, und zwar der Reaktion, der Alkalireserve und des Kalkspiegels. 


Guggenheim: Der Wintergipfel der Säuglingssterblichkeit. 
Seit 1920 liegt der Gipfelpunkt der Säuglingssterblichkeit in den Wintermonaten. 
Die Todesursache bilden überwiegend Pneumonien. Klimatische Faktoren 
spielen eine Rolle, besonders Wohnungsnot und Kohlenmangel. Außerdem 
sind Infektionen wichtig. Die Rachitis begünstigt im Winter die Pneumonien. 


Sitzung vom 9. Juli 1923. 
Nassau: Demonstration einer Serumreaktion bei Ernährungsstörungen. 


Meyerstein: Referat über Gonorrhöe und Fluor im Kindes- 
alter. Die Anfälligkeit der Mädchen für Gonorrhöe beruht auf dem Klaffen 
der großen Labien, der alkalischen Reaktion des Sekretes und der noch feh- 
lenden Verhornung der Vulva und Vagina. Das Rectum ist meist miterkrankt 
und muß mitbehandelt werden. Die Behandlung besteht hauptsächlich in 
bäufigen Spülungen mit Silberpräparaten. Der nicht gonorrhoische Fluor 
kann mechanisch bedingt sein, mit exsudativer Diathese oder Neuropathie 
zusammenhängen oder durch Oxyuren hervorgerufen sein. Die Onanie wird 
wahrscheinlich durch den Fluor veranlaßt, nicht umgekehrt. 


40* 


628 Berichte. Heft 6 


Sitzung der Vereinigung rheinisch-westfälischer Kinderärzte 
in Barmen, Städt. Krankenanstalten, am 18. November 1923. 


I. Demonstration. Herr Hoffa stellt ı. Fälle von Pylorospasmus 
vor, die nach Weber - Ramstaedt operiert wurden. Er macht darauf auf- 
merksam, daß gute Erfolge nur bei sorgsamer Nachbehandlung in der schwie- 
rigen postoperativen Zeit erreicht werden. Bei Kindern jenseits des 3. Lebens- 
monates sind die Erfolge zweifelhaft. 2. 5'/, Jahre altes Kind mit Still- 
schem Syndrom, seit ı!/, Jahren krank. — Herr Vahrmeyer stellt 2 Fälle 
von Situs viscerum inversus totalis vor (Röntgenbilder) und ı Fall 
mit Situs inversus partialis (Mesokardie nach Hochsinger); in letzterem 
Falle bestand an erkennbaren Abwegigkeitszeichen außerdem noch Stridor 
congenitus und Mikrognathie. — 3. Herr Mothes stellt einen Fall (13j. Junge) 
von bulbärer, pontiner Poliomyelitis vor (in Abheilung begriffen) und 
einen Fall (12j. Junge) von Residualzustand nach Encephalitis. 


In der Aussprache betonen die Herren Hoffa und Rosenbaum die 
Erscheinungen der postencephalitischen Charakterveränderung, die bald als 
moralisches Irresein, bald allgemein als Asozialismus bezeichnet werden können. 
Im vorliegenden Falle ließ sich diese Erscheinung auch an Hand der Schul- 
zeugnisse instruktiv beweisen. 


Herr Waethjen als Gast demonstriert anatomische Präparate von iso- 
lierter Pulmonalsklerose im frühen Kindesalter (rımonatiges 
Mädchen). Angeborene Enge der Pulmonalvenen, Ausbuchtungen der Gefäße 
(Arterien wie Venen), offener Ductus Botalli und offenes Foramen ovale, 
Hypertrophie des r. Ventrikels und Dilatation des r. Vorhofes; aneurysmatische 
Bildungen in den Gefäßen, Endarteritis productiva der Gefäße, nicht nur 
sklerotische Prozesse der Arteria pulmonalis. Von Vaters Seite her Blutungs- 
übel (4 Fälle), sowie ein Fall von „Vergrößerung der Lungenschlagader" er- 
bringt den Beweis konstitutioneller Verursachung des Erscheinungskomplexes. 
Tod des Kindes infolge banaler Grippeinfektion. Herr Martin fragt, ob nicht 
fötale Infektion von seiten der Mutter einen Teil der Erscheinungen erkläre. 
Herr Waethjen hält in diesem Falle erbmäßig präformierte Prozesse für vor- 
liegend. Herr Hoffa sieht den Beweis der konstitutionellen Bedingtheit des 
Erscheinungskomplexes vor allem auch durch die erwähnten Erbverhältnisse 
erbracht. Herr Coerper hält den Fall für eine Kombination einer Mißbildung 
mit sekundären Erscheinungen auf Grund einer mehr weniger örtlich beschränk- 
ten Variation des mittleren Keimblattes. Es konkurrieren wie so oft bei konsti- 
tutionellen Leiden Variationen der Anlage (hier die angeborene Enge der 
Pulmonalvenen) mit sekundären, physikalisch bedingten Folgeerscheinungen 
an den anlagegemäß in ihrer Leistungsfähigkeit verminderten Gefäßen. Be- 
achtenswert erscheint die familiär verschiedene Lokalisation der Keimblatt- 
erkrankung (im Gehirn und am Herzen) in verschiedenem Grade und mit 
Vordatierung des Manifestationstermines. 


II. Vorträge. ı. Herr Martin: Über die Zusammenarbeit von Gynä- 
kologe und Kinderarzt bei der Säuglingsfürsorge. Die Mutter darf mit dem 
Kinde nicht eher die Anstalt verlassen, bis die Unterbringung beider sicher- 


Heft 6 Berichte. 629 


gestellt ist. Organisatorische Anregungen. — Korreferat. Herr Hoffa: 
In der Fürsorge dürfen die Personalwerte — auch von seiten der Verwaltung — 
nicht hinter die Sachwerte gerückt werden. Der Lebensnotbedarf für Kinder 
des ersten Lebensjahres ist !/, 1 Milch. Es besteht mehr als angenommen 
‚„unbewußte Fürsorgebedürftigkeit‘‘, auch in sog. gebildeten Familien. Er- 
fassung der Ehelichen durch Hausbesuche der Fürsorgeschwestern notwendig: 
es sind zahlreiche Fälle von wochenlanger Schleimernährung ohne Milch neuer- 
lich festzustellen. Hinsichtlich der Unehelichen wird auf ihre Zunahme in 
Barmen von 3 auf 10%, hingewiesen. Die Pflegegelder betragen nicht !/, der 
Selbstkosten der Pflegeeltern; Versuch der Unterbringung von gesunden 
Säuglingen in Heimen (nicht Säuglingskrankenhäusern), die hierfür entsprechend 
einzurichten sind. Hinweis auf die Zunahme der Tuberkulose bei unehelichen 
Müttern des Barmer Mütterheimes: Von 6 Müttern nur eine ohne klinische 
tuberkulöse Erscheinungen, unter den 5 tuberkulösen eine mit floriden Er- 
scheinungen. Herr Aschenheim: Die Säuglingssterblichkeit ist die Sterb- 
lichkeit der ersten Lebenstage, die von seiten der Pädiater nur wenig herab- 
gedrückt werden kann. Herr v. Mallinckrodt hält eine womöglich noch 
straffere Organisation in der Säuglingsfürsorge für angezeigt. Herr Martin 
will bei auftretender Kollision der Pflichten: Kollegialität oder Patient in der 
Fürsorge, die Pflichten beiden gegenüber aufrechterhalten wissen, sicher aber 
auch nicht das kranke Kind in seiner Hilfsbedürftigkeit hinter der Kollegialität 
zurücktreten lassen. Herr Gaumitz: Besuche bei sog. Gebildeten von seiten 
der Fürsorgerin werden als selbstverständlich aufgenommen. Irgendeinen 
polizeilichen Zwang soll man nicht in der Fürsorge anwenden. Die Zeitumstände 
erfordern Milchverbilligungen durch die Fürsorgestellen auf ?/, 1 Milch täglich. 
Herr Hoffa: Die Erforschung der „Lebensschwäche‘‘, als Todesursache der 
ersten Lebenstage, ergibt nur wenig Hoffnung auf Verminderung der Sterbe- 
fälle. Doch könnten noch eine ganze Reihe von Kindern erhalten bleiben 
bei besserer Zusammenarbeit zwischen praktischem Arzte und Kinderarzt. 
2. Herr Coerper: Über Reizwechseltherapie in der Kinderheilkunde. 
Unter Reizwechsel verstehen wir die Änderung genereller biologischer Vor- 
gänge quantitativer wie qualitativer Natur. Die physiologische Entwicklung 
erfordert eine relativ kleine Anzahl von Reizwechseln. Ein notwendig wer- 
dender oftmaliger Reizwechsel weist auf Individualvarianten der Konstitution 
hin. Die Qualität der Reize ist, abgesehen von symptomatischen Indikationen, 
bei organischen Erkrankungen innerhalb einer gewissen Indikationsbreite 
nicht so ausschlaggebend wie der Reizwechsel an sich. Beweise liefert im 
Kindesalter die Ernährung, die Rachitis, die sog. Avitaminosen, die Protein- 
körpertherapie. Reizwechseltherapie ist Konstitutionstherapie (Schlußzusam- 
menfassung). Herr Aschenheim bestätigt den häufig notwendig werdenden 
Reizwechsel bei Neurotikern. Als Reiz dürften auch wohl Gifte benutzt werden. 
Die Frauenmilchanämien könnten als Avitaminosen aufgefaßt und so auch 
durch Reizmangel erklärt werden. Herr v. Mallinckrodt macht auf die 
enge Koppelung physischer und psychologischer Reize aufmerksam. Herr 
Rosenbaum führt praktische Versuche bei Kleinkindern an, die er auf An- 
regung des Vortragenden mit gutem Erfolge durchgeführt hat. Grundsätzlich 
sollte man festhalten daran, daß der Reizwechsel durch klinische Erschei- 
nungen erst notwendig indiziert werden müsse. Herr Hoffa hält die vor- 
getragene Betrachtungsweise für brauchbar. So lasse sich die Lehre von der 
Kontrasternährung, der Korrelation der Nahrungsmittel, die Wirkung des 


630 Berichte. Heft 6 


Pflegewechsels verstehen. Der Reizwechsellehre stinde die Lehre von dem 
Eisendepot als der Erklärung für die Säuglingsanämie entgegen. Herr Coerper: 
Handelt es sich bei einer Säuglingsanämie lediglich um die Folgen eines zu 
kleinen Eisendepots, so kann einzig schon durch Beigabe von Eisen (sympto- 
matische Therapie) ein Erfolg ohne weiteren Ernährungswechsel erzielt werden; 
handelt es sich aber zugleich auch um einen funktionellen Schaden des Blut- 
bildungssystems,.so muß außerdem ein Reizwechsel angewandt werden, was 
beides durch entsprechende Beobachtungen bestätigt wird. 


3. Herr Aschenheim: Zur Klinik der Rachitis. Die Klinik der Rachitis 
beweist die rachitische Erkrankung der Muskulatur, die palpatorisch durch 
Vergleichsuntersuchungen mit dem Tonus normaler Muskeln diagnostiziert 
werden kann. Gerade an dem Muskelsystem lasse sich die Rachitis der Schul- 
kinder noch weit in die Entwicklungsjahre hinein erkennen. Hinweis auf 
Rachitiker in Hilfsschulen und bei der ärztlichen Berufsberatung. Herr 
Martin teilt Beobachtungen aus seiner umfassenden Untersuchung über das 
rachitische Becken und seine Entstehung mit (Ergänzung zu Hoffas Unter- 
suchungen, mitgeteilt auf der Tagung der Gesellschaft deutscher Kinderärzte, 
Göttingen 1923). Bei der Tonusminderung rachitischer Muskeln kann es sich 
nur um antagonistische Erscheinungen handeln. Einer Entspannung ent- 
spricht die Überspannung des Antagonisten. Ein rachitisches Becken (Ver- 
treter des Promontoriums, später auch Schnabelform der Symphyse) wird 
auch bei Kindern gefunden, die nie gestanden oder gelaufen haben, oft als 
erstes Zeichen der Rachitis. Erklärung: Zugwirkung des Psoasmuskels. Herr 
Roepke als Gast wendet sich gegen die Meinung, als ob die Entspannung 
bzw. Spannung eines Muskels nicht durch einen schmerzlosen Knochenprozeß 
hervorgerufen werden könne; längst bevor Schmerzen geäußert würden, z. B. 
bei der tuberkulösen Coxitis, falle die Zwangshaltung der Muskeln auf. Die 
Knochenerkrankung sei das Primäre, die Reaktion des Muskel- und des Nerven- 
systems das Sekundäre. 


4. Herr Rosenbaum: Zur Klinik der Lebererkrankungen im Säuglings- 
alter. Fall von Leberatrophie. Demonstration von mikroskopischen Prä- 
paraten. Eingehende Besprechung der Verursachungsmöglichkeiten. 


Coerper (Düsseldorf). 


Namenverzeichnis. 
(Die fettgedruckten Zahlen bezeichnen Originalartikel.) 


Adam 280, 281, 425. 
Adam, A. 150. 
Anderson 543. 


Angelis, F. de 266, 533. 


Ambrozig 186. 
Apt 543. 


Armand-Delille 182, 301. 


Arntzenius 542. 
Aron 184. 
Aronson, A. 298. 


Aschenheim 318, 628. 


Aschenheim, E. 184. 
Attias 188. 
Auban 198. 
Auricchio 291, 308. 


Bakwin 276, 623. 
Barabas, Z. v. 530. 
Barchetti, K. v. 185. 
Bartlett, F. H. 174. 
Baum 205. 
Baumann 156. 

Beck 403. 

Becking 542. 
Bebrendt 180, 458. 
Benjamin 539. 
Bergamini 194, 310. 
Bergmann, E. 304. 
Bernard, L. 163. 
Bernstein 170. 
Bertoye 269. 
Bessau, G. 269. 


Biehler, M. de 158, 183. 


Birk 821. 
Bischoff 314. 
Bittmann, F. R. 159. 
Blühdorn 282. 
Bogert 279. 
Borrino 527. 
Bowditch 291. 
Boxbüchen 231. 
Boyd, G. L. 150. 
Brandt, Paul 209. 
Bradford 195. 
Broca, Aug. 297. 


Brody, S. 533. 
Brokman 172, 177. 
Brown 315. 
Brown, E. W. 165, 172. 
Bruch 207. 
Brüning 118, 203. 
Brussa 308. 
Buchheim 319. 
Bucky 530. 
Bühling 112. . 
Bürgers 293. 
Buthenut 177. 


Buys, de 543. 


Cailloud 537. 
Calot, F. 183. 
Camescasse 621. 
Canelli 272. 
Cantilena 295. 
Caspari J. 271. 
Castana 165. 
Cavanaugh 275. 
Cieszyhski 112. 
Claussen 544. 
Cocchi 275. 
Collin 179. 
Comby 190. 
Condat 179, 306, 315. 
Conkey 287. 
Coerper 457, 627. 
Cowi 544. 

Craig 543. 
Crouter 277. 
Culloch, H. Mc. 145. 
Czerny 202. 


Dalrymple 621. 
Davidsohn 318. 
Davidsohn, H. 111. 
Davis 194. 

Davison, W. C. 150. 
Dehoff 298. 

Demuth 276, 319, 446. 
Dodge 191. 

Dohnäl 58. 


Ducrohet 301. 
Duken 181. 
Duncker 183. 

Dunn 167. 

Dutcher 275. 

Duzär 163, 232, 299. 


Eckstein, A. 529. 
Ederer 535. 
Emmanuele 288, 296. 
Engel 205. 

Erlacher, Th. 195. 
Erlich 112, 172. 
Eustis, R. S. 157. 


Faber 543. 

Fales, H. L. 153, 154, 
277, 531. 

Findlay, L. 169. 

Fischer, Franz 178. 

Foot 306. 

Frank, Max 302. 

Frankenstein, C. 147. 

Freudenberg 155, 180, 
895. 

Frey, E. R. 196. 

Faber, H. K. 268. 

Friedberger 199. 

Fulconis 188. 

Furno 286. 


Gallo 303. 

Gamble 284, 544. 
Garrahan, J. P. 165. 
Garrido-Lestache 198. 
Garvin 161. 

Gehrt 312. 

GeiBmar 292. 
Gernert 176. 

Gernk 282. 
Gerstenberger 19I, 544. 
Geylin 544. 

Gillot, V. 188. 

Gilse, van 541. 
Gordeau 543. 


632 


Gordon 165. 

Gött 538. 

Gottlieb 530. 
Gragert 160. 

Graeser 291. 

Gröer, v. III, 160. 
Gros 159. 

GroB, M. 200. 
Grosser, F. 168. 
Gibitz 129. 
Guggenheim 302. 
Guttmann 274. 

Guy, R. A. 531, 620. 
György 155, 282, 285. 
György, P. 530. 


Haake 279. 
Hagenbuch 194. 
Hainiß 512. 
Halbertsma 111, 312. 
Hall 275. 

Hallez 304. 
Hauhart 176. 

Happ 273. 
Haushalter, P. 188. 
Hausmann, W. 202. 
Hayano 295. 
Hayashi 187. 
Hayos 171. 

‘Hecht 315. 

Heile 170. 

Heller 38, 166, 512, 
Helmreich 270. 
Hendrix 277. . 
Hennig 189. 
Herbst, K. 530. 
Herdmann 159. 
Hernausek 196. 
Herrich, W. W. 175. 
Herrmann, G. 529. 
Herzfeld 41. 
Hescheles 189. 

Heß 543. 

Heß, A. F. 182. 
Heybroek 542. 
Hilarowicz 171: 
Hill 172. 


Hirschfeld, Hanna 162. 


Hishikawa 287. 

Hoag 314. 

Hoffa 429, 627. 
Hoffa, L. 289. 
Hohlfeld 191, 193. 
Holstein 272. 

Holt 543. 

Holt, E. L. 198, 199. 


Namenverzeichnis. 


Heft 6 


- Holt, L. E. 153, 154, 277, ' Lemaire 180, 304. 


531. 
Hoobler 544. 


Hornhardt, F. 188. 
Hull 296. 

Hunt, E. F. 172. 
Hunt 315. 
Hymanson, A. 111. 
Hymanson 318. 


Jacobsohn 19. 
Japha, A. 271. 
Jones 306. 


‚Kadza 197. 


Kassowitz, K. 270. 
Keilmann 189. 
Keller 202. 

Kerley 543. 
KeBler, Adolf 155. 
Kirch, E. 290. 
Kochmann 304, 320. 
Koehler 277. 

Kohn 188. 

Kopec 166. 
Koeppe 528. 
Korenschevsky 311. 
Koväcs 269. 
Kramär 535. 
Kramer, B. 619. 
Krasemann 205, 510. 
Krauß, T. F. 158. 
Kretschmer 530. 
Krumwiede 146. 
Kuhn, P. 292. 
Kundratitz 301. 
Kurzweil 178. 
Kuttner 288. 
Kvenberg 531. 


Lampe, K. 176. 
Landau 421. 
Landau, A. 528. 
Lange, v. 536. 
Lange, C. de 295, 319, 
541. 
Langer, H. 297. 
Langmead 188. 
Langstein, L. 267. 
Latta 197. 
Lazar, E. 200. 
Lederer, Maria 608. 
Leebron, J. D. 148. 
Leenhardt 174. 
Leicher, H. 154. 
Leiner 248, 


Leonard 291. 
Lereboullet 167. 
Lesné 186. 
Lewkowicz 173. 
Ligtenberg 542. 
Linder 165. 
Lisbonne 174. 
Lohuyzen, van 542. 
Lucas 544. 

Lust 9, 


Lyttle 279. 


Mader 275. 

Magnus 181. 

Mallinckrodt 488. 

Malmberg 619. 

Maucinelli 305. 

Marfan 296. 

Marine 156. 

Marriott 544. 

Martin 274, 626. 

Marx, E. 305. 

Mautner 885. 

Melzner 162. 

Mendel 27. 

Mensi 320. 

Metis 286. 

Meyer, S. 294. 

Meyerstein 625. 

Milio 303. 

Miller 171. 

Miltner, Th. v. 264. 

Mishulow, L. 146. 

Modighiani 165. 

Möllendorff, W. v. 329. 

Morgan, E. A. 193. 

Moriarty, M. E. 153. 

Moriarty 278, 621. 

Morris 623. 

Morton 312. 

Muggia 306. 

Müller Fritz 283, 415, 
534- 

Mündel 207. 

Munro, D. 157. 


Nasso 308. 
Nauß 296. 
Nevin, M. 159. 
Newman 270. 
Nitschke 303. 
Nizzoli 527. 
Nobécourt 164. 


| Nobel 204, 315. 
| Nové-Josserand 197. 


Heft 6 


Ockel 624. 
Oldenbuch, C. 146. 
Opitz 876. 


Parat 164. 
Park 187, 620. 
Parsons 544. 
Paul 208, 504. 
Peiser, J. 300. 
Perrin 163. 
Petheö, v. 50. 
'Peyrer, K. 298. 
Pfaundler, v. 539. 
Plantenga 541. 
Pollak 38. 


Povitzky, O. R. 147. 


Powers 187. 
Powers, G. F. 620. 
Pritzel, A. 305. 
Progulski 160. 
Provinciali 528. 
Przedborski 191. 


Ragsdale, A. C. 533. 
Ranft, Gustav 545. 
Ratner 148, 288. 
Ratnoff 623. 
Rautenberg 190. 
Ravaut 303. 
Redlin 313. 

Regan 159. 

Reh 161. 

Remy 163. 

Réquin 179. 

Reuß 665. 
Rheindorf 171, 314. 
Riedel, G. 299. 
Rietschel 149. 
Righi 309. 
Réckemann 282. 
Ronchi 265. 


Rosenbaum 442, 628. 


RoB 284. 
Rühle, R. 620. 
Rupe, W. 145. 


a ee ee 


ee ee ee Se a al ema ee tae 


Namenverzeichnis. 


Sahea 179. 

Sales 316. 

Salomon 207, 406. 
Samet-Mandels 178. 
Sanford, C. H. 200. 
Saenger 1. 

Saxl 178. 

Schaps, L. 266. 

Scheer 155, 283, 406, 


543. 
Schiff, Er. 271, 860, 624. 
Schippers 319. 
Schloß 543. 
Schober 520. 
Schoedel, J. 289. 
Schénfeld 282. 
Schénfeld, H. 602. 
Schwalbe 203. 
Seifert 192. 
Sidbury 157. 
Sieburg, Ernst 155. 
Silliti 306. 
Simmonds 187. 
Siperstein 166. 
Siperstein, D. M. 531. 
Sisson 621. 
Slawik 527. 
Sogen 264. 
Stankiewicz 159. 
Steiner 283. 
Stephanie 534. 
Stoem, H. 145. 
Stoye 280. 
Stransky 307, 888. 
Strauch 200. 
Stubenrauch 538. 
Szulizewski 178. 


Takenomata 164. 

Talbot 465, 544. 

Talbot, F. B. 153, 278, 
621. 

Tanturri 191. 

Taylor 543. 

Tebbe 529. 

Tezner 898. 

Thiange 541. 


nr Dr nn 


633 


Thomas 848. 
Thursfield 158. 
Tileston 279. 
Timmer 313. 
Tisdall 284. 
Torday, F. 292. 
Torday, von 422, 530. 
Tow 172, 316. 
Tremel, F. 200. 
Tréves 317. 

Trinci 314. 
Tumpeer 170. 
Turner, C. W. 533. 


Underhill 279. 
Unger, L. J. 182. 
Usener 892. 
Utheim, K. 151. 


Vaglio 313. 
Vallery-Radot 316. 
Viggo 192. 
Vollmer 180, 452. 


Wagner, R. 273. 
Webb Hill 315. 

Weil 269, 307. 
Wengraf, F. 185. 
Westphalen, F. v. 175. 
White 201. 

Widowitz 293. 

Wilcose 279. 

Wilkin 619. 

Williams 192. 

Wilson 159. 
Wimberger 287. 
Wollstein, M. 152, 174. 
Wilffing 271. 


Zakrzewski 170. 
Zaude, van der 309. 
Zeigler 543. 

Zielihski 174. 
Zimmermann, E. 532. 
Zingher, A. 160. 
Zuber 163. 


Sachverzeichnis. 
(Die fettgedruckten Zahlen bezeichnen Originalartikel.) 


Adenoide Vegetationen und exsuda- 
tive Diathese (Viggo) 192. 

Alkalose (Koehler) 277. 

Aminosäuren in Milch (Mader) 275. 

Anaemia pseudoleucaemica (Auban) 
198. 

Anatomie, pathologische, bei Er- 
nährungsstörungen (Stephanie) 534. 

Anatomische Pathologie der Gastro- 
enteritis (Canelli) 272. 

Aneurysma, angeborenes (Duncker) 
183. 

Antikérper gegen Kuhmilch (Ander- 
son und Schloß) 543. 

Appendicitis (Rheindorf) 171. 

—, akute (Rheindorf) 314. 

Appendix, Invagination (Trinci) 314. 

Askariden (Bischoff) 314. 

Asthenie (Benjamin) 539. 

Asthma, Behandlung (Pritzel) 305. 

— bronchiale (Marx) 305. 

— —, EiweiBreaktionen (Kai) 148. 

— durch Kaninchenhaare (Ratner) 
148. 

Ataxie, hereditäre (Hauhart) 176. 

Atmung, Frequenz bei Neugeborenen 
(Hishikawa) 287. 

Atmungstetanie (Behrendt u. Freu- 
denberg) 180. 

Avitaminosen (Thiange) 541. 

Azetonaemie (Furno) 286. 

Azidose und Hyperglykamie im to- 
xischen Symptomenkomplex (Ede- 
rer u. Kramär) 535. 


Bact. coli, Säurebildungsvermögen 
(Scheer) 156. 
Bakterien, EinfluB der Toxine auf die 
Darmbewegungen (Sogen) 264. 
Bericht, Deutsche Gesellschaft für 
Kinderheilkunde 321. 

—, Berliner Verein f. innere Medizin 
und Kinderheilkunde 624. 

—, Vereinigung rheinisch-westfäli- 
scher Kinderärzte 626. 


Bericht, Frankfurter Kinderärzte 207. 

Blei, Vergiftung (Holt) 198. 

Blut, Wirkung von Arzneimitteln auf 
die Agglutinine (Siperstein und 
Kvenberg) 531. f 

—, Alkalireserve (Hendrix und Crou- 
ter) 277. 

—, Kaliumgehalt des Serums (Wil- 
kins und Kramer) 619. 

—, Kalkgehalt (Gernk und Blühdorn) 
282. 

—, Serumsalze bei Gewichtsschwan- 
kungen (Landau) 421. 

—, Wassergehalt bei Gewichtsanstieg 
(Bakwin) 276. 

—, CO,-Bindungsvermögen (Saenger) 
1 


—, Morphologie bei Ernährungsstö- 
rungen (de Angelis) 533. 

—, Plättchen u. Gerinnungsfähigkeit 
beim Neugeborenen (Emmanuele) 
288. 

—, Senkungsgeschwindigkeit der Ery- 
throcyten bei Tuberkulose) (De- 
hoff) 298. 

—, SerumeiweiBgehalt, Senkungsge- 
schwindigkeit und Lipasegehalt 
(Lederer) 608. 

—, Transfusion (Halbertsma) 
(Leebron) 148. 

—, intraperitoneale Transfusion (Si- 
perstein) 166. 

—, Transfusion bei Anämie (Lucas 
und Hoobler) 544. 

—, Transfusion bei 
(Fails) 622. 

—, Transfusion durch die Nabelvene 
(Sidbury) 157. 

—, Lebensfähigkeit transfundierter 
körperfremder Erythrocyten 
(Opitz) 876. 

Blutdruck (Nizzoli) 527. 

Blutungen, intrakranielle (Conkey) 
287. 

Bronchitis fibrinosa (Kopec) 166. 


IIl; 


Neugeborenen 


Heft 6 


Bronchopneumonie (Hallez) 304. 

Bronchus, Fremdkörper (Muggia) 306. 

Buttermehlnahrung (Zimmermann) 
532; (Becking) 542. 

Buttermilch, Wirkung auf die Magen- 
sekretion (Dohnäl) 58. 


Chlor, Ausscheidung und Phosphor- 
zufuhr (Röckemann) 282. 

Chlorom (Nasso) 308. 

—, myelogenes (Foot und Jones) 306. 

Chorea (Szulizewski) 178; (Salomon) 
207. 

Coffein, Wirkung im Säuglingsalter 
(Herzfeld) 41. 

Cystitis (Hirst) 173. 


Darm, Bakterien (Adam) 280. 
—, Bakterienbesiedelung (Stragsky) 


— , Gärung (Scheer und Müller) 283. 

Dermatologie, Sammelreferat (Leiner) 
248. 

Dextrose, Ausscheidung bei Infek- 
tionen (Haake) 279. 

Diaphragma, Hernie (Davis) 194. 

—, Relaxatio und Hernie (Schober) 
520. 

—, angeborenes Fehlen (Latta) 197. 

Diastase im Harn bei Rachitis (Adam) 
425. 

Digitalis, Toleranz (Mc Culloch und 
Rupe) 145. 

Diphtherie des Kehlkopfes, Behand- 
lung mit Absaugen (Gros und 
Herdmann) 159. 

—, Lähmung (Regan) 159. 

—, Invasion von Bacillen (Kirch) 
290. 

—, Bacillentrager (Gragert) 160. 

—, Dosierung des Serums (Stankie- 
wicz) 159. 

—, Wirkung des Serums (Gröer und 

Progulski) 160. 

— , Prophylaxe (Zingber) 160. 

Dubo (Mallinckrodt) 488. 

Duodenum, Atresie (Morton) 312. 

Durchfälle, akute (Wollstein) 152. 

Durstfieber und Leukocytenzahl bei 
Neugeborenen (Bakwin und Mor- 
ris) 623. 

Dysenterie durch Amöben (Perrin, 
Remy und Zuber) 163. 

Dyspepsie (Adam) 150. 

—, Colirassen (Adam) 281. 


Sachverzeichnis. 


635 


Eiweiß und Gärung (Rühle) 620. 
Eiweißfieber, dynamisches (Rietschel) 


149. 

Eiweißmilch (Kerley und Craig) 543; 
(Paul) 504. 

Ekzemtod (v. Petheö) 50. 

Elektrische Erregbarkeit, Einfluß sau- 
rer resp. alkalischer Kost (Ockel) 
624. 

Empyem, metapleuristisches (Man- 
cinelli) 305. 

Encephalitis (von Westphalen) 175. 

—, epidemische (Collin und Réquin) 
179. 

—, Behandlung der meningitischen 
Form (Herrich) 175. 

Endokrines und vegetatives System 
(Mensi) 320. 


Energiestoffwechsel, Sammelreferat 
(Kohn) 135. 
Enuresis (Fischer) 178; (Saxl und 


Kurzweil) 178. 

Epidermolysis, hereditäre (v. Pfaund- 
ler) 539. 

Epilepsie (Vollmer) 180. 

Epiphyse, deformierende Prozesse (Er- 
lacher) 195. 

Erbrechen, periodisches (Gehrt) 312; 
(Vaglio) 313. 

Ernährung, Handburh (Czerny und 
Keller) 202. 

— (Nobel) 204. 

—, künstliche Dauerernährung (Bes- 
sau) 269. 

— mit abgekochter Frauenmilch 
(Martin) 274. 

— mit gekochter Frauenmilch 
(Walffing) 271. 

—, Störungen (Langstein) 
(Schaps) 266. 

—, chronische Störungen (Utheim) 
151. 

Erythema nodosum (Comby) 190. 

Erythrodermia desquamativa (Horn- 
hardt) 188. 


267; 


Faeces, Gramverhalten der Bakterien 
(Stoye) 280. 

—, Acidität und Pufferungsvermögen 
(Scheer und Müller) 534. 

Facialis, Lähmung auf otogener 
Grundlage (Lampe) 176. 

Femur, angeborenes Fehlen (Garrido- 
Lestache) 198. 

Fettarme und fettreiche Säuglings- 
ernährung (Rosenbaum) 442. 


636 


Fettsklerose (Keilmann) 189. 

Fibula, Osteosarkom (Bergamini) 194. 

Flohstiche, Verhalten der Kinderhaut 
(Heschells) 189. 

Fontanelle, nicht geschlossene (Erlich) 
112. 

Frühgeborene, Grundstoffwechsel 
(Talbot, Sisson, Warren) 621. 

—, calorischer Bedarf (Hoffa) 289. 

Frühgeburt, Trinkmenge (Schoedel) 
289. 

—, Schicksal (Brandt) 209. 


Gärung im Darm (Scheer und Müller) 
283. 

— und Eiweiß (Rühle) 620. 

Gastroenteritis, anatomische Patho- 
logie (Canelli) 272. 

Gonorrhöe und Fluor (Meyerstein)625. 

Granulom, pulmonales (Gübitz) 129. 

Grippe, cerebrale Erscheinungen 
(Melzner) 162. 

Grundriß der Säuglings- und Klein- 
kinderkunde (Engel und Baum) 
205. 

Grundstoffwechsel (Talbot) 465. 

— bei Frihgeborenen (Talbot, Sisson, 
Warren) 621. 

— bei Kretinismus (Talbot und Mory- 
arty) 153. 

Grundumsatz bei Myxödem (Talbot 
und Moryarty) 278. 


Haltungsfehler (v. Lange) 536. 

Hämatologie (Stransky) 307. 

Hämoklasische Krise (Heller) 88; 
(Kochmann) 320; (Hainiß und 
Heller) 512. 

Hamoklinischer Status (Lederer) 608. 

Hämophilie (Auricchio) 308; (Brusa) 
308. 
Handbuch (Czerny und Keller) 202; 
(Brüning und Schwalbe) 203. 
Harn, Bakteriologie bei akuter Ne- 
phritis (Webb, Hunt und Brown) 
315. 

Hefe (Davison) 150. 

Heliollampe (Herrmann) 529. 

Helminthiasis, Sammelreferat (Brü- 
ning) 113. 

Hernia diaphragmatica (Schober) 520. 

Hernie, Leistenbruchoperationen 
(Ranft) 545. 

Herpes zoster und Varicellen (de 
Lange) 295. 

Hilfsschule, Prüfungen (Lazar und 
Tremel) 200. 


Sachverzeichnis- 


Heft 6 


Hirn, Tumoren (Wollstein und Bart- 
lett) 174. 

Hitzschlag (Weil und Bertoye) 269. 

Hüfte, kongenitale Luxation (Nové- 
Josserand) 197. 

Hydrocele (Vallery-Radot und Sales) 
316. 

Hydrocephalus (Zieliński) 174. 

Hygiogenese (Gröer) ııı. 

Hypernephrom (Hodg) 316. 

Hypophysäre Dystrophien (Lereboul- 
let) 167. 

Hypothyreoidismus, Wachstum (Tal- 
bot) 544- 


Icterus neonatorum (Ratnoff) 623. 

Idiosynkrasie gegen Kuhmilch (Hol- 
stein) 272. 

Immunisierung, aktive (Frankenstein) 
147. 

Inanition, psychische (Aschenheim) 
318. 

Index (Guttmann) 274. 

— der Körperfülle (Helmreich und 
Kassowitz) 270. 

Infektionen, Verhütung (v. Torday) 


Infektionskrankheiten, Bekampfung 
der akuten (v. Torday) 292. 
Insulin (Cowi und Parsons) 544. 
Intoxikation, akute (Boyd) 150. 
Intubation (Hohlfeld) ror. 


Kala-Azar und Maltafieber (Emma- 
nuele) 296. 

Kalk, calciprive Konstitutionsab- 
weichung (Stheemann) 542. 

—, Bindung (Freudenberg und Gy- 
örgy) 155. 

—, Gehalt des Blutes (Gernk und 
Blühdorn) 282. 

—, Gehalt des Blutserums (Leicher) 
154. (Sieburg und Keßler) 155. 
Kalium, Gehalt des Serums (Wilkins 

und Kramer) 619. 

Kalk, Ionenkonzentration im Liquor 
(Behrendt) 458. 

Kalorien, Verteilung in der Nahrung 
(Holt und Fales) 153. 

—, Einfluß des Lebertrans auf den 
Stoffwechsel (Park, Guy und Po- 
wers) 620. 

—, Absorption bei fettarmer Nah- 
rung (Holt und Fales) 154, 277. 

—, Zufuhr von Calciumchlorid und 
Säurebasenumsatz (Gamble, Roß 
und Tisdall) 284. 


Heft 6 


KlumpfuB, Redressement (Bradford) 
195. 

Kochsalzfieber, enterales (Schönfeld) 
282. 

Kolibakterien bei Dyspepsie (Adam) 
281. 

— , chemische Leistungen (Schiff und 
Caspari) 271. 

Kolostrum (Kuttner und Ratner) 288. 

Konstitution (Coerper) 457; (Plan- 
tenga) 541. 

Koryza (Przedborski) 191. 

Krampfe, Nachuntersuchungen (But- 
henut) 177. 

Kretinismus, Grundstoffwechsel (Tal- 
bot und Moryarty) 153. 


Laryngospasmus (Brokmann) 177. 

Leber, Funktionsprüfung (Hecht und 
Nobel) 315. 

— , Funktionsprüfungen bei Schild- 
drüsenstörungen (Pollak) 88 

—, Innervation der Venensperre 
(Mautner) 385. 

—, Erkrankungen (Rosenbaum) 628. 

—, Cirrhose (Paul) 208. 

—, Echinokokkus (Hilarowicz) 

—, Tumor (Condat) 315. 

Lebertran (Guy) 531. 

— , Einfluß auf den Kalk- und Phos- 
phorumsatz (Park, Guy und Po- 
wers) 620. 

Leistenbruch, Operationen (Ranft) 
545. 

Leukämie, akute (Condat) 306. 

Leukocyten, Extrakte (Ronchi) 265. 

Leukocytenzahl während der Ver- 
dauung (Hainiß und Heller) 512. 

Licht, Biologie und Pathologie (Haus- 
.mann) 202. 

Liquor, Zuckergehalt (Steiner) 283. 

—, Zuckerkonzentration (Wilcose und 

Lyttle) 279. 

Lobelin bei Asphyxie (von Miltner) 
264. 

Lymphdrüsen, tastbare (Dunn) 167. 


(Buchheim) 


171. 


Magen, 
319. 

— , Acidität (György) 282. 

—, Funktionsprüfung (Demuth) 276, 
319; (Miller) 415. 

—, Wirkung der Buttermilch auf die 
Sekretion (Dohnäl) 58, 

Magendarmkanal, Reaktionen auf 
Stoffwechselumstimmungen (De- 
muth) 446. 


Röntgenologie 


Sachverzeichnis. 


LT, a a 


‘Nephritis, 


637 


Malaria im Säuglingsalter (Duzär) 163. 

Maltafieber und Kala-Azar (Emma- 
nuele) 296. 

Mangan und Assimilation (Cames- 
casse) 621. 

Masern ohne Exanthem (Krasemann) 


510 
. Mathelys Ausflockungsreaktion (Mün- 


del) 207. 

Meningitis, cerebrospinale (Lewko- 
wicz) 173. 

— cerebrospinalis (Samet-Mandels) 
178. 


— durch Pfeifferschen Bacill. 
bonne und Leenhardt) 174. 

Milch, Hygiene (Friedberger) 199. 

—, antiskorbutische Kraft (Lesné und 
a) 186. 
‚ Einfluß der Schwangerschaft auf 
Er Lactation (Brody, Ragsdale 
und Turner) 533. 

Milchpumpe (Apt) 543; (Cocchi) 275. 

Mißbildungen, Entstehung angebore- 
ner (Jacobssohn) 19. 

Mongolenfleck (Gillot, 
tias) 188. 

Mongolismus (Bruch) 207. 

— und Zwillinge (Halbertsma) 312. 

Morbillen (Widowitz) 293. 

—, experimentelle (Nevin und Bitt- 
man) 159. 

Myopathien und endokrine Störungen 
(Bergamini) 310. 

Myositis fibrosa (Langmead) 188. 

Myxödem, Grundumsatz (Talbot und 
Moriarty) 278. 


(Lis- 


Fulconis, At- 


Nabelkoliken (Metis) 286; 
313. 

Nahrungsbedarf (Holt und Fales) 153. 

Nebenniere (Thomas) 848, 

—, Einfluß der Involution auf die 
Wärmebildung (Marine und Bau- 
mann) 156. 

Neosalvarsan, rectale Therapie (Modi- 
gliani und Castana) 165. 

Bakteriologie des Harns 
(Hill, Hunt und Brown) 172. 

Neugeborene, Physiologie und Patho- 
logie, Sammelreferat (Reuß] 65. 

—, Durstfieber (Bakwin und Morris) 
623. 

—, Blutungen in der Schädelhöhle 
(Munro und Eustis) 157. 

Neugeburtszeit (Duzär) 222. 

Neuropathie (de Lange) 541. 


(Timmer) 


638 


Niere, Paedonephritis (Mendel) 27. 

—, Erkrankungen bei kongenitaler 
Lues (Frank) 302. 

—, Cysten (Tow) 316. 

—, polycystische Erkrankung (Tow) 
172. 

Noma (Kuhn) 292. 


Ödem, Bereitschaft (Slawik) 527. 

Opium, Dosierung (Storm) 145. 

Oesophagospasmus (Lust) 9. 

Osteochondritis (Calot) 183. 

— deformans coxae juvenilis (Hagen- 
buch) 194. 

Osteomalacie (de Biehler) 183. 

Otitis media, Luftbehandlung (Gers- 
tenberger und Dodge) 191. 

Oxydase (Righi) 309. 

Oxyuriasis, Behandlung mit Salvar- 
san (Hayos) 171. 


Paedonephritis (Mendel) 27. 

Pandysche Reaktion (Provinciali) 528. 

— in der Cerebrospinalflüssigkeit 
(Cieszynski) 112. 

Parathyreoidektomie, Einfluß auf das 
Skelett (Korenschevsky) 311. 

Pelidisi (Newman) 270. 

Peliosis rheumatica (Rautenberg) 190. 

Perspiratio insensibilis (Borrino) 527. 

Pertussis, Bacillus (Krumwiede, Mishu- 
low und Oldenbuch) 146. 

—, Bacillus (Povitzky) 147. 

—, Atherbehandlung (Graeser) 291. 

— (Hirschfeld) 162. 

—, Intracutaninjektionen (Hull und 
NauB) 296. 

—, Réntgenbehandlung (Bowditch u. 
Leonard) 291. 

—, Vaccinebehandlung (Hayano) 295. 

— und Ernährung (Cantilena) 295. 

Pirquets Ernährungslehre (Faber) 268. 

Pleuritis, eitrige (Silliti) 306. 

Pneumonie, Röntgendreieck (Le- 
maire und Lestrognoy) 304. 

— und neuropathische Konstutution 
(Bergmann und Kochmann) 304. 

Pneumothorax (Armand-Delille u. 
Ducrohet) 301. 

Pneumotoxin (Sogen) 265. 

Polioencephalitis anterior acuta (Con- 
dat) 179. 

Poliomyelitis anterior acuta (Sahea) 
179. 

— anterior acuta, Behandlung (Ger- 
nert) 176. 


Sachverzeichnis. 


Heft 6 


Polyarthritis (Cailloud) 537; (Tréves) 
317. 

— rheumatica (Arntzenius) 542. 

Prostata, Blutbehandlungsherde (Weil) 


307. 

Proteinkörpertherapie (Barabäs und 
v. Torday) 530. 

— der Atrophie (Koväcs) 269. 

Proteinreaktionen bei Asthma bron- 
chiale (Baagöe) 148. 

Pyelitis, Gehirnsymptome (Brok- 
mann und Erlich) 172. 

Pylorus, Spasmus (Heile) 170. 

Pylorospasmus (Redlin) 313. 

Pylorus, Stenose (Findlay) 169; (Gros- 
ser) 168; (Tumpeer und Bernstein) 
170. 


Quarzlampe (Herrmann) 529. 
Quecksilberquarzlampe (Eckstein und 
v. Möllendorff) 529. 


Rachitis (Aschenheim) 628; (Heß und 
Unger) 182. 

—, Ätiologie (Aschenheim) 184. 

—, orale Eosinverabreichung zur Ver- 
starkung der Bestrahlungstherapie 
(György und Gottlieb) 530. 

—, Einfluß der Ernährung der Mutter 
während der Schwangerschaft und 
Laktation (Heß) 544. 

—, Behandlung (Magnus und Duken) 
181. 

—, Sonnenlicht (Armand-Delille) 182. 

— bei Brustkindern (de Buys) 543. 

— und Tetanie (György) 285. 

— und Wachstum (Ambrozig und 
Wengraf) 186; (Wengraf und von 
Barchetti) 185. 

Rachitisches Becken (Hoffa) 429. 

Reizwechseltherapie (Coerper) 627. 

Relaxatio diaphragmatica (Schober) 
520. 

Riesenwuchs, partieller (Duncker) 183. 

Röntgenbestrahlung zur Hebung des 
Allgemeinbefindens (Bucky und 
Kretschmer) 530. 

Roseola (Reh und Garvin) 161. 

Rumpel-Leedesches Phänomen (Büh- 
ling) 112. 


Salzsäuremilch (Faber) 543. 

Saponinhämolyse (Tebbe) 529. 

Säuglings- und Kleinkinderpflege 
(Krasemann) 205. 


Heft 6 


Schadel, Perkussion (Koeppe) 528. 

Schicksche Probe (GeiBmar) 292; 
(Zingher) 289. 

Schilddrüse (Schiff) 860. 

Schlaf der Schulkinder (GroB) 200. 

Schule, geistige Erschépfung (Strauch) 
200. 

—, Gründe der Versaumnis (Sanford) 
200. 

Skarlatina (Bürgers) 293; (S. Meyer) 


294. 

—, plötzlicher Tod (Krauß) 158. 

—, Vaccin (de Biehler) 158. 

Skleroderma (Langmead) 188. 

Skoliose, habituelle dorsale (Frey) 196. 

—, Korsettbehandlung (Hernausek) 
196. 

Spasmophilie (Scheer) 155. 

—, Herz (Schiff) 624. 

Speichel (Davidsohn und Hymanson) 
318; (Hymanson und Davidsohn) 
III. 

Sternum, Frakturen (Kadza) 197. 

Stillstatistik (Beck) 402. 

Stoffwechsel unter Einfluß parente- 
raler Infektion (Malmberg) 619. 

Stoffwechselumstimmung durch Intra- 
cutaninfektion (Vollmer) 452. 

Stomatitis ulcerosa (Morgan) 193. 

Syphilis, kongenitale (Kundratitz)301 ; 
(Milio) 303. 

—, Sensibilisierung (Ravaut) 303. 

—, Blutbefund (Nitschke) 303. 

—, hereditäre Ataxie (Linder) 165. 

—, hereditäre des Nervensystems 
(Janes und Schwab) 543. 

—, Nabelulcus (Guggenheim) 302. 

— , Einfluß auf körperliche Entwick- 
lung (de Angelis) 266. 

—, Schicksal kongenital syphilitischer 
Kinder (Heller) 166. 

— und Zwillingsgeburten (Gallo) 303. 


Tetanie (Tezner) 898. 

—, psychische Störungen (Lemaire) 
180. 

—, Salzsäuremilch (Scheer und Salo- 
mon) 406. l 

—, Wirkung von Salzsäure und Am- 
moniumchlorid (Gamble) 544. 

—, Stoffwechsel (Underhill, Tileston 
und Bogert) 279; (Gamble, RoB 
und Tisdall) 284. 

— und Rachitis (György) 285. 

Thrombasthenie, hereditäre hämor- 
rhagische (van der Zaude) 309. 


Sachverzeichnis. 


639 


Thymus, Asthma (Thursfield) 158. 
Thymusdrise (Birk) 821. 
Thyreoidea, Leberfunktionsprüfungen 
bei Störungen (Pollak) 88. 
Tonischer Lagereflex (Landau) 528. 
Tonsillen, Curiotherapie (Williams) 
192. 
Tracheotomia inferior (Seifert) 192. 
Trockenmilch, Vitamingehalt (Ca- 
naugh, Dutcher und Hall) 275. 
Tuberkulin, Reaktion (Aronson) 298; 
` (Peyrer) 298; (Riedel) 299. 
—, Empfindlichkeit unter Einfluß 
der Varicellen (Schönfeld) 602. 
Tuberkulose, Erreger (Gordon und 
Brown) 165; 

— der Bronchialdrisen (Langer) 297; 
(Marfan) 296. 

—, Pleuritis der Lungenspitze (Gar- 
rahan) 165. 

—, Osteoarthritis (Broca) 297. 

—, Diagnose und Prognose (Mindel) 
207. 

—, fettarme Ernahrung (Happ und 
Wagner) 273. 

—, kolloidchemische Blutunter- 
suchungen (Duzar) 299. 

—, Serodiagnostik (Takenomata) 164. 

— des ersten Lebensjahres (Nobé- 
court und Paraf) 164. 

—, Einfluß auf körperliche Entwick- 
lung (de Angelis) 266. 

— des Schulkindes (Peiser) 300. 

— und Mutterschaft (Bernard) 163. 

Typhus, Immunkörper im Liquor 
(Auricchio) 291. 


Übererregbarkeit, Bauchmuskel- 
krampf (Boxbüchen) 281. 

Urticaria, langdauernde, fieberhafte 
(Haushalter) 188. 


Vakzination und Variola (White) 201. 

Variola und Vakzination (White) 
201. 

Varizellen, Einfluß auf die Tuberku- 
linempfindlichkeit (Schönfeld) 602. 

— und Herpes zoster (de Lange) 295. 

Vegetatives Nervensystem (Usener) 
892. 

Verdauungsleukocytose (Haini8 und 
Heller) 512, (Schippers und de 
Lange) 319. 

Verdauung, chronische 
(Miller) 171. 


Insuffizienz 


640 Sachverzeichnis. Heft 6 


Vitamin, Mangel an B-Vitamin als | Wachstum von Kindern in einer An- 
Ursache von Stomatitis aphthosa | - stalt (Holt und Fales) 531. 
und Herpes labialis (Gerstenberger) | Witigal (Herbst) 530. 
544- 
Vuzin bei Hauterkrankungen (Hennig) | Xerophthalmus (Hayashi) 187. 
189. —, Einflu8 der Bestrahlung (Powers, | 


Park und Simmonds) 187. 
Wachstum, Pathologie (Aron) 184. 


—, réntgenometrische Studien (Wim- | Zucker im Liquor (Steiner) 283; (Wil- 
.berger) 287. cose und Lyttle) 279. 


Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig. 


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