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w
MoDateschrift
für
GEBURTSKUNDE
•
und ^
FrauenkrankheiteiL
Im Verein mit der
Gesellschaft für Geburtshülfe in Berlin
henasgegeben ron
Dr. C. S. F. Credi,
Hofrmib , ord. Prof. und Director der fintbindungs • Anstalt in Leipzig eto.
Dr. C. Becker,
ord. Prof. nnd Director der Entbindungs • Anstalt in Mflncben, Ritter etc.
Dr. Ed. Martin,
Qek R*tfa, ord. Prof. nnd Director der Bntbindangs-Anstalt in Berlin/Ritter etc.
Dr. F. A. Ton Ritgen,
Q«b. Rath, ord. Prof. nnd Director der Entbindung« -Anstalt in Oiessen,
Comtbnr etc.
Eimdzwaiiigster Baad«
Mit vier Tafeln Abbildungen und einem Holzschnitte.
Berlin, 1863.
Yerlac ▼on Anglist Hirschwald,
68 U. d. Linden, Ecke der Schadow-Strasse.
• ( «' «V*
Inhalt«
Heft I.
SetU
L Verhandlniii^en der Gesellschaft für Gebartshülfe in Berlin :
GttMeroio: üeber swei Missbildnngen. (Mit iwei Ab-
bildungen.) 1
Wimek4l: Oeschichte einer Bauchhöhlenschwangerschaft 7
L, Maifer: Eine Beobachtung Ton Extranterinschwanger-
Schaft 25
n. Untersnchnngen von AbortiTeiem aus früheren Sehwanger-
sehaftsmonaten. Von Dr. Dohm^ PriTatdocent in Kiel.
(Mit 43 Abbildungen.) 30
IIL Geechiehte einer Drillingsgeburt Von Dr. WaUher Franke^
PriTatdocent in Halle 61
IV* Notiien aus der Journal -Literatur:
Klob: Anatomische Studien Aber Peritonitis 68
Niswumn: Drei Fftlle Ton Buptur des Uterus 69
Hugenb€rg0r: Uterusruptur 70
Robert Barns»: Eine neue Methode lur Einleitung der
kfinttUchen Frühgeburt ' 71
Baui: Vieraehn Falle von Eclampsie 72
OUrt: Eelampsie wfthrend einer Zwillingsgeburt, Becken-
▼erengerung, üterusstrictur und Placentarretention 73
B. KSberles Eine mit Erfolg Torgenommene OTariotomie 75
Baker Brown: Resultate tou neuniehn OTariotomieen 76
ToaU: Zwei FSIle Ton OTariotomie 77
Brtaton Hieke: Verschluss der Vagina nach einer
schweren Entbindung • • . . 77
IV Inhalt.
Seite
y. Literatur:
Dr. Herrn. Franz Naegele, weiland Professors an der
Uniyersitftt Heidelberg, Lehrbach der Gebnrtshülfe.
Fünfte Auflage, den Fortschritten der Wissenschaft
entsprechend bearbeitet u. vermehrt von Dr. JVoldemar
Ludung örenserf KÖnigl. Sachs. Hofrathe, Director
des Entbindungsinstituts u. Professor der Gciburtshülfe
an der chirurgisch • medicinischen Academie su
Dresden etc. Mit 81 Holsschnitten. Mains, Verlag
Ton Victor v. Zähem, 1863. 8. XVII. u. V99 . . . . 78
Albert DueeUiez : Einfluss der Uterus - und Tuba - Erection
auf den Mechanismus der Befruchtung. Thise.
Strasbourg, 1861 80
Victor Timoihde FeUz: üeber verlängerte Schwanger-
schaften. Thise. Strasbourg, 1860 80
Berichtigungen 80
Heft n.
VI. Verhandlungen d. Gesellschaft für Geburtshülfe in Berlin :
Winekel: Ueber Kephalothrypsie 81
JSggel: Fall von Elephantiasis vulvae 83
Zander: Ueber Icterus während der Schwangerschaft 89
Outaeroto: Ueber Prolapsus uteri gravidi 99
VII. Ein Kaiserschnitt nebst Bemerkungen von Johann Ludwig
Diener f Besirksarst in Esslingen, Canton Zürich . . . 108
VIII. Die Katheterisation der Luftröhre bei asphyctisch
geborenen Kindern. Von Dr. V. HiUerf Privatdocent
in Marburg 123
IX. Eine Zwillingsgeburt. Von Dr. Damdaohn in Schneide-
.mühl 16J
X. Notisen aus der Journal -Literatur:
Tanner: Ein Fall von ungeahnter Schwangerschaft
und Geburt 163
Dunean: Ueber die Innenßäche des Uterus nach der
Geburt . 163
Braxtdn Hicke: Eine Abdominalschwangerschaft.
Bauchschnitt 164
8oyre: Fall von künstlicher Frühgeburt 166
Jamee Campheü: Ueber den Eintritt der Menstruation
bei den Mädchen in Slam 166
r
^
Inhalt. V
Seit«
Albert: Der Stnn des Kinde^ bei präclpltirten Ge-
barten 156
Westrand: Zwei Fftlle von Frnchtabtreibnng, hervor-
gemfen dnrch Dräcken anf den Unterleib des Weibes 168
Mi*Cl{fUock: Inversio uteri. Ezstirpatio 169
Dumont'PaUier: Sectionsbefnnd bei einer in der
Bildnn^ begriffenen Haematocele retro- uterina . . 159
Hdr9chelmann: Zwei Fälle von CoccjgodTnie .... 160
Heft m.
XI. Fall Ton sackförmiger Erweiterung des hinteren unteren
Gebärmutterabschnittes nebst Bemerkungen über Situs
obliquns posterior und Retroversio uteri am recht-
ceitigen Ende der Schwangerschaft Von Dr. WdUher
Franke, PriTatdocenten an der Universität Halle . . 161
Xn. Zar Lösung der Arme bei Geburten mit nachfolgendem
Kopfe. Von Dr. F. Hüter, Privatdocent in Marburg . 193
XIII. Ueber einen Fall von acuter, gelber Leberatrophie
bei einer Schwangeren. Von C Hecker 210
XIV. Exstirpation eines 2V, Pfund schweren, intrauterinen,
festverwachsenen Uteruspoljpen. Allongement durch
den Spiralschnitt. Von Dr. Alfred Hegar in Darmstadt 220
XV. Ueberwanderung des Eies bei einem Schafe. Von
Dr. F, Ä, Kehrer jun. in Giessen 226
XVI. Notisen ans der Journal -Literatur:
V. Franqud: Krampfwehen, Selbstwendnng, intra-
uterines Athmen 229
O» Braun: Neuer Beitrag sur Lehre von den amnio-
tischen Bändern 230
Hireck: Ein seltener Schwangerschafts - und Geburts-
▼erlauf 232
XVU. Literatur:
Die Mnskulatur am Boden des weiblichen Beckens,
▼on Dr. Hvbert Luschka, Mit 4 Tafeln. Wien 1861. 233
Lueehka: Die Milchdrüsen des Menschen 237
Spöndli: Die unschädliche Kopfzange, casuistisch
bearbeitet für Studirende und praktische Aerste.
Zärich 1862 240
VI Inbalt.
8«lto
Heft IV.
XVIII. Verhandlangen der Gesellschaft für Gebartsbfilfe in
Berlin 241
Öroethuyaen: Ueber eine ojstoide Geschwnlst, von
den inneren Geschlechts tbeilen aasgehend. (Mit
einer Abbildung.) 243
Martin: Ueber eine dnrch Function des Eisaokes
und Ausstossung der Frnchtknochen glücklich
beendigte Extrauterinschwangerschaft 245
Kaufmann: Ueber einen Beckenabscess mit Durch-
bruch in die Blase '. . . 250
LwM Mayer: Ueber einen Fall von Fistula intestino-
Tesicalis nebst Bemerkungen über Arten und Vor-
kommen d. Blas encontinuit&tsstörungen überhaupt 252
Martin: Fall von Darmblasenfistel 270
OeUtler (in Grftfenhainichen) : Ueber eine gewalt-
same Zerreissung der Bauchdeoken und des
schwangeren Uterus mit Austritt eines lebenden
Kindes 272
XIX. Ovariotomie mit nachgefolgtem Tode. Von Prof.
Dr. Breslau in Zürich 274
XX. EmpfKngniss , Schwangerschaft , Geburt und Wochen-
bett bei Uterusknickungen. Von Dr. Johannes Holst^
Professor in Dorpat 289
XXI. Ueber die Operation des gerissenen Dammes in
späterer Zeit des Wochenbettes. Von Dr. Johannes
Holst, Professor in Dorpat 803
XXII. Notiien aus der Jonmal - Literatur :
Lusehka: Die organische Muskulatur innerhalb ver-
schiedener Falten des menschlichen Bauchfelles 310
Zepuder: Neue Beobachtungen über den Werth der
Frahkerihäuser^uchen Theorie 311
G. Braun: Drei Fälle von nicht verschiebbaren
Beckentumoren 812
Haake: Ein Fall von Cranioklasma und Kephalo-
thrypsie 314
C, Braun: Ueber Wendung der Querlage durch
Palpation wilhrend der Schwangerschaft 314
Dupareque: Accouchement forc^ anstatt des Kalter-
Schnittes 315
Inhalt. VII
Seite
C Ma^hofer: Ueber äta Vorkommeii von Vibrionen
bei Wöchnerinnen 816
Bretlau: Voraohlag zu einer neuen prophylaktischen
Deeinfectionsmethode des Pnerperalfiebermiasma
in Gebftranstalten 316
Bretlau: Ueber die günstige Wirkung starker
Pnrgantien beim Puerperalfieber 317
BraxUm Hiekä: Zwei Fälle von extrauteriner
Schwangerschaft 817
m
XXin. Literatur:
* Küneke: üeber das Erkennen der Zwillings-
schwangerschaft. Göttingen 1861 319
Heft V.
XXrV. Ueber krampfhafte Zusammensiehungen des Uterus,
speciell über spastische Stricturen des Süsseren
Muttermundes in der Eröffiiungsperiode. Von Dr. J.
Poppet in München 321
XXV. Ein Becken mit Ueberhebelung der Lendenwirbel
Ton hinten nach Tom. Von Dr. Friedr, O. H. Birnbaum,
Direetor der Provincial- Hebammenanstalt in Cöln.
(Mit drei Figuren.) 340
XXVI. Drei F&lle Ton Eclampsia parturientium. Mitgetheilt
von J. O, QHUUehf prakt. Arste und Geburtshelfer
in Neu-Gersdorf bei Löbau ., ... 357
XXVII. Zur Entfernung der Nachgeburt. Bericht aus der
stationären geburtshülflichen Klinik des Herrn Geh.
Medicinalrathes Prof. Martin. Von Dr. F, Winekel,
. Assistensarst der Königl. UniTcrsitäts- Entbindungs-
anstalt in Berlin .^ . 865
XXVin. Seitoner Fall einer eigenthnmlich gestalteten und
gelagerten Placenta praeria mit Erhaltung von Mutter
und Kind. YonDi, Bernhard Sehuchardt, Obergerichts-
und Landphjsikus lu Nienburg in Hannorer. (Mit
einem Holischnitte.) 880
XXIX. Notisen aus der Journal -Literatur:
Cfrche: Ueber den Bau und das Wachsthum des
menschlichen Eierstockes und über einige krank-
hafte Störungen desselben 387
Vni Inhalt.
Seite
Laberte: Ueber die Rolle der Symphysen während
der Gebart 391
Hennig: Die Kysten des menschlichen Eileiters . 892
MeUiner n. KVickwmeUier: Entfernung von Schleim-
polypen in der Gebärmntterhöhle dnrch ein
eigens dasn eonstmirtes Instrument 394
Lewie Brittain: Wiederholte Zwillingsschwanger-
schaften 894
Hecker: Bericht über die Vorkommnisse in der
Gebftranstalt in München im Etatsjahre 1861—1862 396
Heft VI.
XXX. Verhandlangen der Gesellschaft für Geburtshulfe in
Berlin:
Martin: üeber tonische Krampf wehen 401
C. Mityer: Ueber Anteversio ateri and ihre Be-
handlang mit Hülfe Ton Gammiringen 416
XXXI. Beitrag aar Vorausbestimmang des Fotalgeschlechtes
darch Z&hlang des Fötalpalses. Von Dr. F. A. Sehurig 459
XXXII. Notiaen aus der Journal - Lite ratar:
Barnes: Fall von Osteomalacie 474
TT. Chapman: Anschoppung der Menses während
aweier Jahre 476
Langmore: Abort Ton Zwillingen (?). Snperfötation 476
Parker: Tartarus stibiatus als wehenbeförderndes
Mittel 477
HeufiU: Theorie über die Wirkung des Seeale
comntum • 477
Boeei: Thrombus der Matterscheide, grossen Scham-
lippe und des Dammes nach der Gebart 478
Jaeol^ei Eine vierte Gesichtslage 478
Cappie: Eine neue Zange 479
Keith Macdonald: Ueber Nachgebartoblntungen . . 479
ValeriuM: Ein fibroser Polyp bei einer Wöchnerin 479
Matthewe Dunean: Ueber Uterin -Haematocele . . 480
I.
Verhandlungen der Gesellschaft ftlr Oeburtshttlfe
in
B e r 1 i D.
Sitzukg vom 14. October 1862.
Herr Cfusseroto legte
zwei Missbildungen
Tor und gab dazu folgende Erläuterungen. (Hierzu zwei
Abbildungen.)
Am 20. August wurde in der Poliklinik ohne Kunsthulfe
ein lebendes Mädchen leicht geboren, das aber bereits nach
zwei Stunden starb. Bei der von mir angestellten Section
ergab sich folgender Befund^^n der J7 Zoll laugen Leiche
zeigte sich zunächst ai^^Q>^els(Jifig^^H^enscharte mit
Spaltung des harten unCweichefT&ldrTren, ?ij^\eiden Händen
überzählige kleine Fitfger unjk ibei^ öl|ei:zähl^e|kleine Zehen
an beiden Fftssen. Au^ dem Os sacrum aer ^platzte Sack
einer Spina bifida. dW N^bel-i)ia«cg-4)erviorge>ölbt. so dass
sich die Insertion des NapHfttiiatjges aufrjjnrf^ etwa haselnuss-
grossen Geschwulst befand, ein wahrer Nabelschnurbruch
also vorbanden war (Fig. 1, a). Neben diesem Nabelschnur-
brache dringt aus dem Nabelringe, nicht bedeckt von Epidermis,
eine etwa V/^ ^^H lange, V« Zoll dicke fleischige Masse
hervor, die einen wurstförmigen tief dunkeiroth gefärbten Strang
bildet, etwa von der Consistenz des Leberparenchyms. (Fig. 1, b.
Herr Stud. Dönitz hatte die Freundlichkeit, die beiden vor-
zfi^ich gelungenen Zeichnungen anzufertigen. Der Strang b
ist in natürlicher Grösse nach dem Spirituspräparat gezeichnet
and durch die Einschrumpfung etwas kürzer und dicker
HonatMehr, f. Oebartsk. IMS. Bd. XXL, Hfl. 1. 1
2 I. VerbandhlugeD der GesellschHft
geworden, als es im frischen Zustande der Fall war.) In
der Brusthöhle sind heide Lungen atelektatisch, nur an dem
vorderen Rande der rechten, einige lufthaltige Parthien. Auf
dem Pleurauberzug der Lungen einige stecknadelknopfgrosse
Ecchymosen, eben solche auf der Herzoberflache. Bei Er-
öffnung der Bauchhöhle fallt zunächst eine eigenthümliche
Vorlagcrung der Eingeweide auf; der Magen ist mit seiner
grossen Curvatur ganz nach links, die kleine Curvatur mit
dem Pylorus stark nach rechts verzogen, indem das ganze
Omentum in den Nabelring hereintritt und hier in die er-
wähnte nach ausseu hängende strangartige Masse übergeht.
Dadurch ist auch das Colon transversum ganz nach rechts
hinübergezogen und die Dünndärme mehr nach links gelagert.
Jene fleischige Masse, die auf dem Durchschnitte eine sulzige
Beschafl'enheit zeigt und eine trübe seröse Flüssigkeit austreten
lässt, ist also das nach ausseu prolabirte und degenerirte
Omentum, dafür spricht auch die uiikroskopische Unter-
suchung, indem der Ueberzug dieser Masse aus einer Lage
grosser, etwas geschrumpfter platter Epithelzellen besteht,
die Masse selbst aber nichts weiter als Bindegewebe mit
glatten Muskelfasern, zahlreichen Gelassen und kleinen Lymph-
drüsen enthält. Das Ligamentum Suspensorium faepatis geht
mit der Nabelvene in die oben erwähnte herniöse Hervor-
treibung des Nabels und endigt hier in einen etwa bohuen-
grossen Körper, der äusserlich dem Leberparenchym gleicht
und mikroskopisch auch aus Leberzellen besteht. Der Nabel-
ring ist weit und bildet eine etwa Y4 Zoll breite Oeflnung,
die Nabelgefdsse verlaufen ohne Anomalien durch denselben.
Die Leber ist sehr gross und auf ihrem Peritonäalüberzug
einige narbenähnliche Trübungen. Milz etwas vergrössert.
Die linke Niere nebst Ureter normal. Bei der rechten Niere
ragt eine Pyramide so tief in das Nierenbecken hinein, dass
eine vollständige Verdoppelung desselben entstanden ist und
die Niere vollständig aus zweien zusammengesetzt erscheint,
dies wird noch mehr dadurch bestätigt, dass aus jedem Becken
ein Ureter entspringt und somit zwei Ureteren rechterseits
zur Blase verlaufen und mit getrennten Oellnungen dicht
übereinander in dieselbe münden. Der Uterus ist ein Uterus
bicornis duplex. An der Spitze eines jeden Börnes inserirt sich
ffir Gebtirtshiilfe in Berlin. 3
ein OTarhim, Tuba und Ligamentum rotundura, beide Tuben
Iragea an ihren Fimbrien kleine Kosten. Durch ein Septum
and die Hörner des Uterus vollständig von einander gesondert
und. ragen, jedes mit einer Yaginalportion, in eine Vagina, die
durch eine Scheidewand vojlständig von der anderen getrennt
ist — Das Schädeldach zeigt an einzelnen Stellen mangelhafte
Verknöcherungen, besonders an der kleinen Fontanelle, so dass
diese die Grösse eines Zweigroschenstucks hat. Die Seiten-
Ventrikel des Gehirns sind etwas ausgedehnt und enthalten
eine geringe Quantität Serum.
Der zweite Fall betrifft ein ausgetragenes Kind weiblichen
Geschlechts, das in Steisslage, der Röcken nach rechts ge-
richtet, leicht und glücklich geboren wurde, nach einigen
Stunden jedoch starb. Die äussere Besichtigung des Leichnams
ergab Folgendes: Doppelte Hasenscharte mit Wolfsrachen;
an jeder Hand ein überzähliger kleiner Finger; am Röcken
der gephitzte Sack einer Spina bifida der letzten Lenden- und
ersten Kreuzbeinwirbel. Vollständige Atresia ani, an Stelle
der Aiialöfinung ist nur eine leichte narbenähnliche Einkerbung
der äusseren Haut zu bemerken. Die Section ergab nichts
Bemerkenswek'thes in der ftrustböhle. Bei Eröff^tiung der
Bauchhöhle fiel zunächst ein feiner Faden auf, der von der
Mitte des Mesenteriums aus durch den Nabeiring in die Nabel-
schnur hinein verlief und auf den ersten Blick an ein Gefass
erinnerte, so dass man verrauthen konnte, ein persistirendes
Yas omphalo-meseraicum vor sich zu haben, allein bei
genauerer Untersuchung erwies sich dieser Faden als ein
einfach bindegewebiger Strang, der nur einzelne kleine Gefässe
enthielt und sich etwa IV2 Zoll von der Nabelinsertion in die
Suize des Nabelstranges verlor. Die öbrigen Baucheingeweide
boten nichts Abnormes dar, dagegen erwies sich der Uterus
wiederum als ein Uterus bicornis duplex mit doppelter Scheide,
ganz wie in dem ersten Falle. Der Dickdarm war strotzend
mit Meconium gefüllt und der Mastdarm ging etwa 1 Zoll
▼OD der Stelle, wo die Möndung des Afters liegen sollte, in
einen dönnen bindegewebigen Strang aus (Fig« 2, c)! An
dieser Stelle war die Hastdarmschleimhaut gefallet (Fig. 2, i),
wie beim natürlichen After, und von hier aus fühlte ein
kleiner Gang (e) in eine fast walbiussgrosse Geschwulst (d),
4 1- Ve^bandluDgen der GeüelUehaft
die zwischen hinterer Mastdarmwand, ntit der sie in der eben
beschriebenen Weise zusammenhängt, und Steissbein gelegen
ist Die Geschwulst selbst besteht aus zahlreichen Kysten
von Stecknadelknopf- bis Erbsengrösse , die durch ein spär-
liches bindegewebiges Stroma verbunden sind. Der mit dem
Mastdärme comraunicirende Gang erweitert sich in der Ge-
schwulst gleichsam zu einem Uilus, in den die einzelnen
K\sten hineinragen. Der Inhalt dieser Kysten, eine schleimige
Hasse, ist bald mehr, bald weniger klar, je nachdem er
reich an Zellen ist oder nicht. Herr Dr. v. Recklinghausen
hatte die Gute, noch eine genauere Untersuchung des Inhaltes
vorzunehmen. In einer K^ste fanden sich geschichtete
Körperchen, die ganz dem Bilde der amyloiden Körper ent-
sprachen, wie sie in der Prostata gefunden werden und mit
lod auch die bekannte amvioide Reaction geben. Ausserdem
fanden sich mehr oder weniger zahlreiche Zellen der ver-
schiedensten Form; zunächst kleine runde stark glänzende
Zellen mit ziemlidi grossen Kernen, diese geben mit lod ohne
Schwefelsäurezusalz die bekannte amyloide Reaction. Daneben
waren grosse glatte Epithelzellen vorhanden, die hell und
nicht glänzend waren, gleichwohl aber dieselbe Reaction mit
lod gaben. Die Wandungen der einzelnen Kysten sind mit
einem geschichteten Epitliei ausgekleidet, das keine amyloide
Reaction zeigt Neben diesen beschriebenen Formelementen
sind noch zahlreiche Körnchenkugeln vorhanden.
Diese beiden Fälle bieten gewiss an und für sicli genug
des Interessanten dar, allein dies wird noch gesteigert durch
die überraschende Aehnlichkeit beider, und diese lässt auf
eine gemeinsame bestimmte Ursache für derartige Missbildungen
schliessen, die leider hier nicht aufzufinden war.' Uebei^haupt
so zahlreich in der Literatur die Beispiele derartigen Zu-
sammentreffens von Uterus bicornis duplex mit Atresia ani,
Hasenscharte und Spaltbildungen sind, ist eigentlich bis jetat
nur für eine kleine Reihe dieser Missbildungen eine gemeinsame
Ursache aufgefunden worden. Diese betrifft jene Fälle von
Uterus bicornis duplex mit doppelter Scheide und Atresia ani.
wo es gelungen ist, eine besondere Bauchfellfalte zu entdecken,
welche das blinde Ende des Darmes an die hintere Blasenwand
fixirt. Krieger^ der zwei Fälle derart beschreibt (Monatsschrift
für Gebnrtehulfe in Berlin. 5
lir Gd>url5kaiide, 1858, XU.), deutet dieses Ligamentum
ab eio^i abnormen Rest der AUantois, der die Bildung des
Fondos Qteri und das Hioabrücken des Darmkanals, der sich
▼on aussen bildenden Analöffnung entgegen, hindern soll.
Eine Anzahl derartiger Fälle citirt Kussmaul in seinem Werke:
Deber den Mangel etc. der Gebärmutter, Würzburg 1859;
M> erwähnen das Vorkommen eines solchen Ligamentes Carus,
Cassany Roküansky, Dumas, Thilo etc. (Die Citale sind
a. a. 0. nachzusehen, da mir die Originalarbeiten nicht zu
Gdk>te standen.) Die übrigen Fälle von Uterus bicornis duplex
mit anderen Hissbildungen will ich soweit erwähnen, als mir
die einscUägliche überaus zerstreute Literatur zugänglich ist.
Bei Kussmaul (s. oben) finde ich Fälle von Uterus bicornis
duplex mit theilweisem Mangel des Gaumengewölbes , über-
Eähligen Fingern und Zehen beschrieben von Tiedemann, Pole,
Rokitansky. Otto (Monstrorum sexcentor. descriptio, p. 290)
beschreibt einen Fall von Uterus bicornis duplex mit doppelter
Scheide bei Hydrocephalus, doppelter Hasenscharte und Spina
bifida, femer an derselben Stelle (S. 298) einen gleichen Fall
mit Nabelbruch. Weiterhin machte schon Mayer (s. Kussmaul)
auf das häufige Zusammentreffen dieser Uterusmissbildung mit
Hasenscharte und Wolfsrachen aufmerksam. Aehnliche Fälle
sind bei Kussmaul noch weiter angeführt, und ich erwähne
nur noch, dass auch die ßoivin einen Uterus bicornis duplex
mit doppelter Scheide beschrieben hat, wo gleichzeitig Atresia ani
bestand, Förster (Die Missbildungen des Menschen, Jena 1861)
bildet auf Tafel XXU. und XXUI. ähnliche Missbildungen ab,
die zum Tbeil von Meckel, Otto, Vrolik etc. entlehnt sind;
sie betreffen Verdoppelung der Gebärmutter mit Cloakenbildung
and hochgradiger Baucbspalte, Atresia ani (Fig. 8, 9^, Nabel-
schnurbrueh (Fig. 10, 11), Uterus didelphys mit Cloakbildung,
Nabelschnurbruch, Spina bifida, fehlendem Afler (Fig. 12).
Der Fall von Vrolik betrifft eine Verdoppelung der Gebär-
aratter mit Atresia recti. Endlich finde ich in Braune^ s
neuem Werke über Doppelmissbildungen und angeborene Steiss*
geschwulst, Leipzig 1862, ein Citat eines hierher gehörigen
Falles von Heschl, den ich noch specidler erwähnen werde.
Pur alle diese Missbildungen ist niemals der Versuch gemacht
worden« das Zusammentreffen derselben zu erklären, gleich-
Q I. VerhandliingeTi der Gesellscbaft
wohl muss dasselbe einen gemeinsannen Grund haben, denn
dafür spricht nicht allein das häufige derartige Vorkommen,
sondern auch der Nachweis, dass die hauptsächlichsten der
eben angeführten Missbildungen zu derselben Zeit des Fötal*
lebens entstehen, und zwar ist dies die sechste bis achte
Woche, denn um diesen Zeitraum herum kommt der Schhiss
der Bauch wand zu Stande, der Schluss des Gaumens; ferner
bildet sich die Analöflnung in der achten Woche und am
Ende des zweiten Monates wachsen die Homer des Uterus
in ihrem unteren Ende zusammen. Es liegt also gewiss nahe,
eine im zweiten Monate des Fötallebens eingetretene Störung
anzunehmen, die jene Hemmungsbildungen des Uterus, der
Bauchwand etc. veranlasst hat; leider ist die Art jener Störung
bis jetzt aus den bekannten Fällen nicht zu ermitteln.
Im Einzelnen will ich über die beiden von mir be-
schriebenen Missbildungen nur noch erwähnen, dass im ersten
Falle neben dem geringen Grade von Bauchspalte (Nabelschnur-
bruch), der sehr häufig ist, jene Verlagerung des Omentum
nach aussen um so seltener zu sein scheint, wenigstens habe
ich in den Sammelwerken von Otto, Vrolik, Ammon und
Förster keinen Fall der Art gefunden. Während die Ver-
doppelung der Niere und Ureteren nach Förster nicht häufig
ist, gehört es nach ihm zu den grössten Seltenheiten, dass
diese Verdoppelung der Ureteren bis zur Mündung in die Blase
bestehen bleibt, dazu kommt noch, dass von Rokitansky etc.
bei Uterus bicomis häufiger Mangel einer Niere beobachtet
ist, niemals aber, wie hier, die Verdoppelung derselben. Im
zweiten Falle ist gewiss jene Geschwulst zwischen Mastdarm
und Steissbein von grossem Interesse. Wie ich oben erwähnte,
beschreibt HescM (Oesterreichische Zeitschrift für praktische
Heilkunde, 1860, ich citire nach Braune) eine Missbildung,
die ganz der vorliegenden gleicht, er fand doppelte Hasen-
scharte mit Wolfsrachen, Atresia ani, Verdoppelung der
Gebärmutter und Scheide und zwischen Mastdarm und Steiss-
bein eine Geschwulst von der Grösse einer Nuss, deren
einzekie Hohlräume mit einer cbolestearinähnlichen Masse
gefüllt waren. Soweit aus Braune*s Angaben hervorgeht,
wurde angenommen, dass diese Geschwulst von der Steiss-
drüse (LikscAka) ausgehe, obwohl der bestimmte Nachweis
fSr Oeburtshülfe in Berlin. 7
daAr fehlt In unserem Falle spricht der ganze Sitz der
Geschwulst entschieden aach für den Zusammenhang mit jener
Druse, gleichwohl ist ein Beweis dafür nicht zu führen; nach
der Steissdrüse zu suchen, deren Vorhandensein ein Gegen-
beweis sein wurde, war nicht möglich, da die Geschwulst
erst nach der Herausnahme des Hastdarmes gefunden wurde.
(Dwieweit jene Communication mit dem Mastdärme dagegen
spricht, dass wir es hier mit einer Degeneration der Steiss-
dröse zu thun haben, möchte schwer zu entscheiden sein.
Herr Winckd gab die Krankengeschichte einer
Bauchhöhlenschwangerschaft
Frau Mathilde Schwarz geb. Steffen, 24 Jahre alt,
war als Kind stets gesund. Ihr Vater lebt noch; die Mutter
desselben soll an Geisteskrankheit gelitten haben. Ihre eigene
Motter starb im Wochenbette. Seit dem 14. Lebensjahre
meist onregelmässig menstruirt und viel an Fluor albus leidend
wurde Frau S, nach normalem Verlaufe ihrer ersten Schwanger-
schaft, .14 Tage nach ihrer Verheirathung, im März 1859
leicht von einem lebenden Knaben entbunden. Damals war
sie so kräftig und gesund, dass sie das Bett schon am dritten
Tage nach der Entbindung wieder verliess. Sie säugte diesen
Knaben vier Monate lang und diente dann noch sieben Monate
als Amme.
Da sie sich aber am Ende derselben von Neuem schwanger
fohlte, gab sie die Aromenstelle auf und reiste zu ihren
Eltern aufs Land. Hier soll sie im vierten Monate der
zweiten Schwangerschaft abortirt haben, nachdem sie vergebens
versucht, vor den Eltern ihren Zustand zu verbergen. Bald
nach dem Abortus, als sie bereits ausser Bett war, trat eine
ünlerleibsentzöndung mit Anschwellung beider Füsse ein und
sie bekam wiederholt Blutegel und Schröpf köpfe auf die rechte
Seite des Unterleibes. Sie erholte sich jedoch ganz vollständig
und kehrte Ende Juli 1861 zu ihrem Hanne hierher zurück,
im Jnui, Juli und August war sie nach Aussage einer
Freundin sehr blähend, munter und lebenslustig; ihre Ehe
war sehr glücklich. In dieser Zeit — Genaueres konnte
nicht ermittelt werden — soll die Menstruation ein Mal in
g I. Verhandlongen der GesellBohalt
gewöhnlicher Weise eingetreten, dann aber im September
oder October ganz ausgeblieben sein, so dass sie glaubte,
wieder schwanger zu sein.
Am 20. October Nachnällags, bis dahin noch ganz wohl,
bekam sie plötzlich starkes Erbrechen und lebhafte Leib-
schmerzen, ohne Blutabgang aus den Genitalien. Sie hatte
am Tage vorher sich beim Waschen sehr angestrengt; Durch
warme Umschläge auf den Leib Hessen die Schmerzen nach;
doch kränkelte sie seitdem noch öfter.
Anfangs December bekam sie einen noch stärkeren Anfall
von Erbrechen und Leibschmerzen. Auch dies Mal ging kein
Blut aus der Scheide ab. Durch den herbeigeholten Arzt
wurden ihr Blutegel und warme Umschläge verordnet, worauf
wiederum Besserung eintrat, sie lag aber meiu*ere Tag im
Bette. Bald nach dieser Erkrankung zu Eude des Jahres 1861
verlor sie einige Male beim Gehen auf der Strasse so viel
Blut aus den Geschlechtstheilen, dass sie einer Freundin die
Vernmthung aussprach, von Neuem abortirt zu haben; allein
kurze Zeit später fühlte sie die erstp Kindsbewegung, die ihr
lebhafte Schmerzen verursachte. Seitdem begann eine lange
Kette von Leiden für sie. Die erwähnten Leibschmerzen
kehrten häuOger wieder, die Kindsbewegungen wurden stärker
und so schmerzhaft, dass ''sie zuweilen aufschrie und ihren
Mann bat, sich selbst durch das Gefühl zu überzeugen, wie
stark die Frucht sich rubre. Sie empfand öfter Schwindel,
das Treppensteigen meist sehr mühsam , da eine starke Kurz-
athmigkeit sich einstellte. Sie erbrach noch öfter; war meist
verstimmt und eigensinnig und zeilweise so matt und hinfSUig,
dass sie immer zu sterben wünschte. Der Stnhl war regel-
mässig, der Appetit noch ziemlich gut, doch wurden die
Leibschmerzen jedes Mal viel stärker, wenn sie feste Speisen
genossen hatte. Gegen Ende des Winters begann sie öfter
am Tage und in der Nacht zu frösteln. Die Blutung aus den
Genitalien kehrte noch zwei biis drei Mal wieder; endlich sah
sie sich denn Anfangs April 1862 genöthigt, fortwährend das
Bett zu hüten, und als sie auch da noch keine wesentliche
Besserung spürte, d^^r Frost — besonders im Mai ein Mal
sehr stark und Anfangs Juni von Neuem eine Genitalblutung
rar Gebartshiilfe in Berlio. 9
Mcb eiDstrilten» coiisultirte m von Neuem einen Arzt, der sie
am 1& Jimi d. J. der EntbindungsanstaU zuwies.
Frau S. war von mittlerer Grösse, brünett, mit gracilem
EnocfaeDbau, sehwacher Muskulatur, ziemlich mager und
anftinisch.. Der Leih war stark ausgedehnt; der Nabel quer-
verzogen, grubig; in der Regio hypogastrica einige Striae
gravidarum. Vom Mons Veneris zeigte sich in der Mittellinie
fio deotlicfaer Pigmentstreif; die Wölbung des Leibes war
ziemlich gleicbmässig. Die Palpation des Abdomen schien
sehr schmerzhaft; trotz alles Zuredens spannte sie die Bauch*
iDüskelo bei jeder Berührung so stark, dass die den Leib
ausdehnende Geschwulst ihrer Gestalt und Grösse nach gar
nicht genaa abgegrenzt werden konnte; Fötalherztone waren
nirgendwo zu boren , ebensowenig Uteringeräusch. Die äusseren
Genitalien boten nichts Abnormes, — der Scheideneingang war
f^was eng, die Scheide schlüpfrig, glatt, — der Scheidentheil
stand hoch, war Vi ^o^^ lang* d^>* Muttermund war geöffnet,
so dass man ungefähr Vs Zoll weit eindringen konnte, und
es schien, als wenn man hier in ein schwammiges Gewebe
dringe, weiches hei Berührung stärker blutete, sonst war der
Blutabgang nur massig. — Hinter diesem Gewebe und durch
das Scheidengewölbe war eine grosse harte Geschwulst zu
fohlen, die sich scheinbar etwas in die Höhle heben Hess. —
Das Becken war normal. — Die Brüste ziemhch gut entwickelt,
der Warzenhof dunkel pigmentirt, frei von Montgofnery^Ächen
Drösen. Auf Druck entleerte sich etwas gelbe Milch aus
den Warzen.
Frau S. klagte über Kreuz - und Leibschmerzen. — Die
Haut wv trocken und blass, ihre Temperatur beträchtlich
erhöht. Die Zunge war rein, der Appetit gering, der Durst
stark, — der Stuhl retardirt. — Lungen und Herz waren
voUsländig gesund. Leber und Milz, soweit sie durch Per-
cussion zu bestimmen, auch nicht ungewöhnlich vergrössert.
Da weder Fötalherzlönc zu hören, noch Kindestheile
irgendwo mit Sicherheit durchzufühlen waren und die Frau
nur 9^r unvoDständige anamnestische Angaben machte, so
konnte nur mit grosser Wahrscheinlichkeit auf Schwangerschaft
gesctdoftten werden. Es war aber anzunehmen, dass der
FötttB abgestorben sei.
}Q T. VerhandlvngeD der Gesellschaft
Die Blutung liess sehr bald nach und es zeigte sieh mir
noch ein übelriechender rahmgelber Ausfluss. Der Muttemittnd
blieb noch einige Tage geöffnet, schloss sich dann aber
allmälig. Die Schmerzen im Leibe, namentlich rechts neben
dem Nabel milderten sich bei fortdauerndem Gebrauche
teraperirter WasserumschlSge. Nur dann und wann empfand
sie ein leises Frösteln mit geringen Kreuz - und Leibschmerzen.
Der sehr geringe Appetit schien sich bei der Anwendung von
Elix. Aurantior. composit. etwas zu bessern; gegen die Ob-
struction wurden Clysmata mit Erfolg gebraucht. Auffallend,
blieb stets dif starke p^chische Depression der Patientin und
der leidende bleiche Gesichtsausdruck. Meist ganz ruhig auf
dem Rucken liegend oft Tage lang, fast ohne ein Wort zu
sprechen, zeigte sie immer Neigung zu weinen und schien
auf Nichts in ihrer Umgebung zu achten.
Die täglich zwei Mal vorgenommene Untersuchung mit
dem Thermometer zeigte denn auch bald das Vorhandensein
eines hectischen Fiebers, welches sehr deutlich ausgesprochen
war. Zum Beweise hierfür mögen hier kurz die Temperatur-
werthe von den ersten zwei Wochen ihres Aufenthalts in der
Entbindungsanstalt Platz finden.
17. Juni Morgens TV« Uhr Puls 96, Temp. der Scheide 38,5 <> C.
Abends 5V4
»»
„100,
M
w
n
39,2.
18. Juni Morgens 7 V2
n
„ 88,
♦>
n
n
38,45.
Abends 5V4
»)
„ 102,
»»
M
»»
39,05.
19. Juni Morgens 7 V2
»»
„ 88,
n
M
»1
38,357.
Abends 6
n
„ 92,
n
»»
w
38,95.
20. Juni Morgens 77«
n
„ 92,
w
W
i>
38,7.
Abends 6
»»
„ 9o,
rt
»»
«
39,5.
21. Juni Morgens 7 V2
»1
„ 96,
»»
?»
7*
39,12.
Abends ö%
V
«112,
n
>»
M
40,3.
22. Juni Morgens 7%
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„100,
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»
38,72
Abends 5%
n
„108,
n
»»
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39,85.
23. Juni Morgens 7%
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»
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38,45.
Abends 5%
»»
„ 96,
M
n
»»
39,3.
24. Juni Morgens 7%
n
„ 88,
♦»
M
Tf
38,85.
Abends 6%
n
„104,
»»
n
n
39,75.
25. Juni Morgens 7%
rt
„ 84,
n
♦»
n
88,75.
Abends 5%
w
« 88,
n
n
Tl
40,05.
für GebartshOlfe in Berlin. II
S6. Juni Morgens 7 V4 ühr Puls 84, Tenip. der Scheide 39,05 <^ C.
Abends b% „ „ 108, „ „ „ 40,8.
27.Jani Morgens 8 „ „ 72, „ „ „ 38,65.
Abends 5^4 „ „ 84, „ „ „ 40,1.
28.Jiini Morgens 8 V4 n « 82, „ „ „ 88,85.
Abends 5V4 w « 96» »» »» »» 40,89.
29.Jani Morgens 8 V2 »»' « 96, „ „ „ 39,05.
Abends 5% „ „ 96, „ „ „ 40,2.
SO.Ioni Morgens 9V2 » m 84, „ „ „ 38,35.
Abends 574 „ „ 100, „ „ ' „ 40,2.
I.Juli Morgens 9 „ „ 92, „ „ „ 38,75.
Abends 5% „ „ 100, „ „ „ 40,02.
2. Juli Morgens 9 Vs ., „ 94, „ „ „ 38,89.
Abends b^U » « 10*» »♦ >» »» 40,3.
Während — wie hieraus erhellt — gewöLnlich Morgens
die Temperatur der normalen sich fast näherte, sie kaum
am einige Zehntel überschritt, war sie Abends meist un-
gewöhnlich hoch und seit dem 25. Juni sogar immer über
40^ C. , so das8 die Differenz zwischen Morgen und Abend
zuweilen (28. 30.) fast 2^ C, betrug. Diese Febrib hectica
ging periodenweise sogar in eine Febris continua über ?om
24. — 25., 26., 27., 28., 29., und erst wenn diese einige
Tage bestanden, zeigte sich Morgens wieder eine der normalen
»ehr nahe Temperatur.
Um die Mitte des Monats Juli war die Kranke Morgens
eiuige Male so viel kräftiger, dass sie aus freien Stücken das
Bett verliess und kleine Gänge in der Stube machte. Allein
gar bald trat wieder ein starker Frost mit lebhafter Fieber-
exacerbation ein, welche sie von Neuem in*s Bett trieb.
Ausser ihrem weinerlichen Wesen, welches alle Untersuchungen
Qod Fragen sehr erschwerte, fiel Anfangs August noch die
Sehnsucht auf, wieder nach Hause zu kommen. Sie zwang
sich nochmals zum Aufstehen, musste aber bald wieder davon
ablassen, da beide Fnsse nicht unerheblich anschwollen. Dabei
war die Diurese gering, der Urin hell, klar und nicht eiweiss-
baldg. Dieses Oedem verlor sich freilich bald wieder bei
mUger Lage, doch machte die Macies, da die Kranke fast gar
Biehts als Wasser zu sich nahm, sehr sichtliche Fortschritte,
htwiscben hatte sich in dem oben geschilderten Status praesens
12 f> Verhandlnngeo der OesellschHft
kaum irgend etwas geändert. Noch immer war kein Kindes-
theil durchzufühlen, noch immer der Scheidenlheil V2 — 1 Zoll
lang und etwas Fluor albus vorhanden, — aber die Ver-
muthung, dass der gewiss vorhandene Fötus nicht in utero
sei , wurde mehr und mehr zur Gewissheit. — Am 22. August
trat in der Mittagsstunde, nachdem Patientin in den letzten
Tagen besonders still, verschlossen und ängstlich gewesen,
plötzlich eine Art „Weinkrampf* ohne jede Veranlassung
bei ihr auf, der, als ich hinzukam, inr einen Krampf der
Digastrici, Gertiohyoldei , Genioglossi und Hyoglossi überging,
so dass sie auf einmal die Zunge heran sstrecktc, deren stark
zitternde Spitze sich ziemlich fest an das Kinn anlegte. Sobald
der Krampf nachgelassen hatte und der Mund geschlossen
war, genfigte eine Berührung der genannten Muskeln, diesen
Spasmus von Neuem hervorzurufen. Gefragt, weshalb sie die
Zunge herausstrecke, gab sie an — sie müsse das. — Ein«*
Dosis Tinct. thebaica verschaffte ihr Ruhe und Schlaf.
Von dieser Zeit an trat mehr und mehr eine psychische
Erkrankung zu Tage, — sie starrte stets angstvoll den sie
Besuchenden an, gab auf Fragen gar keine oder sehr leise
Antwort; weigerte sich namentlich Arznei zu nehmen, genoss
gar keine Speisen und verschmähte zuweilen auch das Wasser.
Einige Male äusserte sie sogar den Verdacht, dass man
dasselbe vergiftet habe. Kurz, man sah, dass sie unter dem
Eindrucke der mannichfaltigsten Hallucinationen stand. So
erhob sie sich zuweilen leise, griff* nach ihren Kleidern, um
sich zu entfernen und sagte, die anderen Frauen wünschten,
dass sie ginge, da ihre Zeit längst vorbei sei. In dieser
Zeit stieg das Fieber ausserordentlich und war Ende August
eine Febris continua mit sehr geringen Remissionen. Jetzt
trat auch — zuerst seit ihrer Ankunft in der Anstalt —
galliges Erbrechen ein und vermehrte den rasch zunehmenden
Collapsus. Mit Händen und Beinen sträubte sie sich vor
jeder Untersuchung, schrie oft schon, wenn man sie kaum
anrührte, und erst als diese Zeit der höchsten Aufregung
vorüber — gegen den 27. — 28. August — war eine genauere
Feststellung der längst gestellten Diagnose möglich. Die Ab'^
magerung war sehr vorangeschritten, die Intercostalräume
sehr vertieft, die Brüste klein, welk geworden, enthielten
für Oebnrtshfilfe in Berlin. 13
keine Spur von Colostrum mehr. Der Leib war etwas nach-
gieluger, die Ausdehnung desselben war auf der rechten Seite
slarker als auf der linken, und unter dem rechten Rippen-
rande liess sich nun ein Tumor, der sich früher schon durch
stärkere Resistenz dieser Stelle zu erkennen gab, als über
fflannsfaostgrosse, runde, harte Geschwulst abgrenzen , welche
io eine schmale Parthie übergeht, die ganz rechts vom Nabel
liegt und etwas über diesem einen kleinen Ausläufer zu haben
scheint. Bei vorsichtiger Palpation fühlte man entlang des
ganzen Tumors ein ziemlich starkes emphysematöses Knistern.
Zo beiden Seiten von dem Tumor war der Percussionston
hell tympanitisch. Diese fühlbaren Theile sind bei Veränderung
der Lage nicht immer auf derselben Stelle. Patientin liegt
meist halb auf dem Rücken, halb auf der rechten Seite und
kann wegen spannender Schmerzen nicht immer auf der linken
Seite liegen. Die Schmerzhafligkeit des Abdomen hat sonst
etwas nachgelassen und bei Druck -auf dasselbe treten auch
weder Uebelkeit noch Erbrechen auf. Die äusseren Genitalien
sind blass und welk, der Scheideneingang noch enge, der
Scheidenthei] hoch, V2 Zoll l^^g') ^^^ Muttermund geschlossen;
die Sonde dringt ziemlich leicht gerade bis an ihren Knopf
io den Uterus ein und zeigt entfernt eine Spur rahmigen
Schleimes. Der Uterus ist also nicht mehr verlängert; der
AasOuss hat fast ganz aufgehört. Durch das Scheidengewölbe
ist überall hin ein ziemlich resistenter Tumor zu fühlen.
Derselbe ist auch im Rectum fühlbar, ohne dass man ihn
hier genau vom Uterus abgrenzen könnte.
Die Diagnose einer sogenannten primären Bauch-
schwangerschafl war unter diesen Verhältnissen und nach
Vei*vollstandigung der Anamnese durch den Mann der Frau
und eine Freundin derselben nicht mehr zweifelhaft. Der grosse
nnde und harte Tumor unter dem rechten Hypochondrium
musste der Kopf des Kindes sein, — der Rücken von rechts
nach links unter dem Nabel liegen und links eine Extremität
zo fohlen sein. Zugleich liess sich aber mit hoher Wahr-
scheinlichkeit auf eine Abscedirung des Fruchtsackes aus dem
continuirlichen sehr intensivem Fieber schliessen.
Bei dem enormen Kräfteverfall konnte es sich nur noch
am Beförderung der Euthanasie handeln: Tinctura thebaica
14 I Verhandlangen der Gesellschaft
gab ihr meist noch einige Ruhe. Das Erbrechen peinigte
sie noch öfter, doch schien seit Ende August das Sensorium
wieder etwas freier zu werden. Durch die flach auf das
Abdomen gelegte Hand fühlte man die Pulsationen der Aorta
abdominalis sehr stark, woraus anzunehmen, dass der Frucht-
sack an einzelnen Stellen direcl bis auf die Wirbelsaule sich
erstreckte. Am 9. September trat nach starkem Erbrechen
* uochmals der oben beschriebene Krampf der Mm. digastrici und
Geniohyoidei etc. ein , war jedoch von kurzer Dauer. Wasser
und dann und wann ein Bissen von einem Zwieback war ihre
einzige Nahrung. Der grösste Umfang des Leibes betrug jetzt
72 Centimeter. Der retardirte Stuhl wurde durch Clysmata
erzielt. Die Paeces sahen blass, lehmig aus, waren bröckelig
und sehr übelriechend.
Das Erbrechen kehrte von nun an taglich wieder, die
Mattigkeit stieg, Leibschmerz, war nicht vorhanden, — immer
behielt sie halb nach rjechts gewandt die Rückenlage bei;
klagte zuweilen über Rückenschmerzen zwischen den Schulter-
blättern und über Kreuzschmerzen, die von einem beginnenden
Decubitus herrührten. Am 14. stellten sich lebhafte Seiten-
stiche ein, sie war sehr unruhig, fing Nachmittags an zu
frösteln, entleerte den Urin unter sich. Die Hauttemperatur
sehr hoch, sank am 15. September Morgens beträchtlich und
bei peinigender Neigung zum Erbrechen und ziemlich leb-
haften Leil)schmerzen trat am 15. September^ eine profuse
Eiterausleerung per rectum ein; hierauf rascher Verfall, so
dass sie bereits am 17. September Morgens 3 Uhr starb.
Die am 17. September Nachmittags 4 Uhr von Herrn
Dr. V, Kecklinghausen gütigst angestellte Section ergab
Folgendes:
Aeusserst starke- Abmagerung, sehr trockene Haut mit
starker Epidermisabschuppung. Leichte Schwangerschaftsnarben
am Bauche. An beiden Unterschenkeln, namentlich am rechten,
sind zahlreiche dunkelblaue Ecchymosen in der Haut, von
denen einzelne mit ganz kleinen wnisslichen ßiäschi^n bedeckt
sind. Die Bauchdecken sind nur in der Gegend des Nabels
vorgetrieben.
Nach Durchschneidung der sehr dünnen, ganz leicht grau
gelarbten Bauchdecken zeigt sich, dass das Netz mit den-
für Gebortsliiilfe ia Berlin. 15
adbeo io seiner ganssen Ausdehnung verwachsen ist; rechts
}i4nd die Verwachsungen besonders derb, indessen lassen sie
üth auch hier noch trennen. Netz und Perilonäum zeigen
ein« stark schieferige Färbung. In der linken Seite ist das
Netz in ziemlich grosser Ausdehnung defect; vom linken
Hypocbondrium her schieben sich einzelne Dünndarm schlingen
vor. Durch den Defect im Netze dringt eine schmutzig grau
dterige mit einzelnen schwärzlichen Fetzen untermischte
Flüssigkeit hervor.
Weiterhin findet sich, dass von dem Netze fast ganz
bedeckt ein Fötus vorhanden ist, welcher eine Höhle ein-
nimmt, die von rechts und oben nach der linken Fossa iiiaca
heruntersteigt, jedoch so, dass sie auch in der rechten Seile
die Fossa iiiaca erreicht. Nach links und oben grenzen an
diese Höhle unmittelbar die Dunndarmschlingen, weiche indess
durch duone schieferige, ziemlich derbe Massen mit einander
verbunden sind. Nach oben erreicht sie fast die Leber, nach
rechts und aussen wird sie von dem Col. ascend. begrenzt
und bedeckt nach hinten oben die rechte Niere. Nach
hinten unten liegt diese Höhle unmittebar au die
Wirbelsäule, und zwar entsprechend den beiden letzten
Lendenwirbeln. Die Innenfäche der Höhle zeigt überall
einen grau gefärbten stark fetzigen Belag. Ihre Wand
wird meist durch derbe peritonitiscbe Schwarten gebildet,
welche fest mit den anstossenden Theilen der Bauchhöhle
verwachsen sind, jedoch lässt sie sich stellenweise, namentlich
in der Fossa iiiaca und an der hinteren Fläche des Netzes
als .eine selbstständige Membran abtrennen. Fettlröpfchen,
welche an der vorderen Fläche des Netzes noch deutlich
wahrzunehmen sind, sind an der hinteren nicht mehr zu
erkennen.
Im Grunde dieses Sackes, am Eingange des kleinen
Beckens liegt eine stark fetzige Masse, nirgends mit den
Eiugeweiden verwachsen. Zu dieser geht der namentlich in
seinen unteren Theilen sehr bruchige, schmutzig graue Nabel-
strang. An dieser Masse lässt sich sehr deutlich erkennen:
1) eine imiere ziemlich glatte den Eihäuten entsprechende
Membran, 2) eine sehr bruchige, filzige Masse, welche
offenbar als stark macerirte Placenta aufzufassen ist. In
lg I. Verhandlungen der Oesellschaft
letzterer Substanz sind namentlich die Blutgefassstamme noch
ziemlich erhalten und auf weite Strecken hin blosgelegt.
Nach Entfernung dieser Massen tritt im kleinen Becken
eine noch sehr rauhe Oberfläche zu Tage mit schwärzlicher
Farbe und kleinen Leisten.
Auch von der hinteren Fläche der Blase lässt sich eine
dicke Membran allerdings nicht ganz continuirlich ablösen,
welche sich unmittelbar in die durch das Netz gebildete
vordere Wand des Sackes fortsetzt. — Der Fötus liegt
stark zusammengedruckt der Art im Sacke, dass der Kopf
den oberen Ausläufer des Sackes im rechten H}pochondrium
einnimmt, dass der Rücken nach rechts und etwas nach vom
gewendet ist und Steiss und (Jnterextremitäten den unteren Theii
des Sackes einnehmen. Der Fötus ist 1672" und 11 V2'' lang
und wiegt 2 V2 Pfd. (Kopfdurchmesser 27/, 3V/, 4V/, 3"). —
Seine äusseren Bedeckungen sind namentlich am Kopf sehr
bruchig und haben sich daselbst auf grössere Strecken
abgelöst. Die anderen Theile sind wohl ausgebildet, aber
durch die Maceration welk und teigig anzufühlen. Ausserdem
ist, namentlich an den Extremitäten und am Rücken
die Haut leicht emphysematös. Aus der Schnittfläche
entleeren sich kleine Luflbläschen, in einem öligen
Fluidum. Daneben finden sich im Unterliautfettgewebc einzelne
weisse breiige Massen, welche Brocke) eines geronnenen
Fettes enthalten. — Die Eingeweide der Bauchhöhle des
Fötus zeigen eine stark schwärzliche Farbe. Aus den grossen
Unlerleibsdrüsen entleert ein Einschnitt sehr wenig schwärz-
liehe Flüssigkeit. Ausserdem sieht man in ihnen ebenso wie
in den Lungen und im Herzfleische intensiv gelb weisse,
glänzende Punkte, die sich zu stellenweise ver-
ästelten Figuren vereinigen; am zahlreichsten sind sie
in der Leber. Sie zeigen einen schillernden, etwas fettigen
Glanz; die gleich hernach angestellte mikroskopische Unter-
suchung wies nach, dass sie aus grossen Klumpen von
körnigem Fett, bisweilen flüssigen Fetltropfen und sehr
schönen, oft nadeiförmig kryslallinischen Abscheidungeu von
Hämatoidin bestanden.
Auch die Eingeweide der Brusthöhle zeigen eine
schwärzliche Beochaflenheit, namentlich die Pleura puimonalis
Ar Oeburtsbfilfe In Berliiu 17
md costalis, die auch mit einem schwärzlicben Fluidum
bedeckt sind. — Das Herz, sehr schlaff, eotbfilt wenig
sehwinlicbe Flüssigkeit, ist sonst regdmässig gebiMet Bdde
Lmigen ebenfalls normal, ganz luftleer, lassen aus ihrer
Scfanittfläehe etwas schwSrzliche Flüssigkeit austreten.
Die schmutzig graue Flüssigkeit im Fötalsacke betrug
im Ganzen höchstens 8 Unzen.
Beide Lungen der Mutter sind in den hinteren
unteren TheQen etwas adhärenL Im Herzbeutel klare gelbe
Flüssigkeit Das Herz ist massig gross, ziemlich schlaff.
Die Klappen sind normal, nur am Mitralisrande kleine Ver-
dickimgen. Das Herzfleiscb hat eine etwas gelbliche, sehr
blasse Farbe. Das Blut ist dünnflässig, mit geringen speck-
kiotigen Abscheidungen. In den hinteren Theilen beider Lungen
starkes Oedem, massiger Luft- und Blutgehalt. Die oberen
Tbeile stark anämisch und pigmenüos. Festere Adhäsionen
nirgendwo. Die Bronchien eng, ihre Schleimhaut blass, die
Wand derselben ziemlich dick. In den Lungenarterien nichts
Besonderes.
In der Bauchhöhle ist die Milz etwas ?ergrössert,
6 Zoll lang, schlaff, ziemlich brüchig. Auf der Schnittfläche
zahlreiche Follikel ?on etwas weisser Farbe. Diese sind
^egen die Umgebung etwas abgegrenzt Die Pulpa hat eine
sehr glatte Schnittfläche, eine eigenthümlich kaffeebraune
Farbe, ausserdem ist sie sehr feucht.
Die linke Niere ist massig gross, ausserordentlich
derb und blass. Die Kapsel trennt sich leicht von der
glatten Oberfläche; auf der Schnittfläche dieselbe Blässe. Eine
Trübung ist in der Rinde nicht vorhanden. Rechts ist der
Ureter leicht dflatirt Hier ist die Niere etwas kleiner,
zeigt aber sonst dieselbe Beschaffenheit wie links und ist hier
noch eine geringe Erweiterung des Nierenbeckens zu
bemerken. Im Magen ist eine geringe Quantität gelblicher
Flüssigkeit Die Leber ist durch einzelne 6trangf5rmige
Adhäsionen mit dem Zwerchfell verbunden. Die untere* Fläche
ist an einer kleinen Stelle nahe dem Rande und zwar bis
zur Umbiegung des vordo'en in den rechten Seitenrand von
dem Fötalsacke erreicht. An dieser Stelle lässt sich von dem
VoMUtekr. f. Oebttrtek. 1868. Bd. XXI., Bft. 1. 2
^8 I* Verhandlungen der Geselltehaft
BAUcbfollüberzuge der Leber mit ciuiger SchwierigkeU eiae
besondere Membran abtrennen. Der Peritonäalüberzug
Zfigl alsdann eine schieferige OherDäche und beträchtliche
Verdickung. Die Schnittfläche der Leber zeigt starke
Anämie. Das Gewebe ist durchscheinend, die Consisienz des
ganzen Organs ziemlich gross. Auch von den Dünndarm-
schlingen, welche von links und oben don Sack di^s Fötus
abgrenzen, lässt sich in einzelnen Fetzen eine dünne
Membran abtrennen, unter welcher die Serosa eine starke
schieferige Farbe zeigt Ebenso kann man eine schieferige
Membran von der vorderen Fläche der Wii*beisäule sowie von
dem Peritonäalüberzuge der Fossa iliaca sinistra ablösen,
jedoch ist an letzterer Stelle die Abtrennung äusserst
schwer. Auch hier zeigt das Peritonäum eine stark
schieferige Färbung. An derjenigen Stelle der linken Fossa
i)iaca, wo die Fötalhohle am höchsten nach oben
hinaufreichte, ist in dem oberen Theile derFlexura
sigmoidea eine fast sechsergrosse Oeffnung, aus
welcher der gelbe sehr dünne Darminhalt hervordringt Durch
diese OeOnung spannt sich ein Faden, welcher dieselbe in
einen oberen kleineren und einen unteren grosseren Abschnitt
scheidet
DiQ Lurabardrüseii sind ziemlich stark schiefeng und
etwas vergrössert Die Harnblase, ziemlicli gross, enthält
einen braunen, leicht trüben Urin, ihre Schl^mhaut ist un-
verändert. Im Rectum ist eine ziemlich reichliche, dünne,
hriui^iche Flüssigkeit Der obere Theü des Rectum zeigt
dabei eine «ehr starke Dilatation, dieselbe erstreckt sich auch
ijiber ^en imteren Theil der Flexur. Die Schleimhaut dieser
Theile zeigt ^ine zieoilich starke Röthung; entsprechend der
Düatatiom kleioe hämorrhagi^hc Ueerde, übrigens ist die
SchleimksiUt de^ Rectum glatt und ziemlich stark grau gefärbt
fintspirechend der erwähnten Perforation im S roma-
Qum «eigt sich ein fast thalergrosser Defect der Schleimhaut
mii, ^^ uoregelmässige«, Qacben, zum Theil abgelösten
Rändern. Der Gruod lä£>st die Muscularis zu Tage treten,
sie ist ziemlich glatt und etwas schieferig. In dieser Ulcenation
der Mucpsa ^nd^ Submucosa liegt der äussere Defect excentf isch,
so dass nach unten die Ränder beider sich unmittelbar decken.
für Oebnrtebfllfe in Berlin. 19
Die Scheide ist Dur massig wdt, ziemiich stark g^eekt
Das Orificium externum ist sehr starii schieferig, bildet eine
Längsspalte mit mehi*eren Nabotfiseiem. Der Uterus ist
massig gross, die Länge seines Cervicalkanals beträgt % Zoll,
die der übrigen Uterushöble ly^ Zoll, die Dicke der Wand
gegen Vs Zoll. Die Geßsse derselben sind stark geschlängelt
ond in den äusseren Schichten ziemlich weit Die Uterus-
sdileimhäut ist Mass, glatt, nur ganz spärliche Gelass-
nmificationen schimmern durch. Die Drüsen sind ziemlich
gross. An der hinteren Wand befindet sich etwa V2 ZoU
aber dem Orificium internum eine kleine tiefe Grube, deren
Grund stark geröthet ist
Die rechte Tuba verläuft innerhalb der Wand
des Sackes, welche sich von der rechten Possa iliaca her
abtrennen lässt, und zwar grösstentheils in den äusseren
Schichten derselben; dagegen mit ihrem abdominellen
Theile an der inneren Seite. Sie mändet alsdann frei in
den Sack hinein in der Nähe der oben erwähnten
mit Leisten bedeckten Theile. Dieser abdominelle Theil
zeigt eine ziemlich starke Erweiterung, er enthält
eine ähnliche schmutzig graue puriforme Flüssig-
keit, wie sich innerhalb des erwähnten Sackes vorfand. Der
übrige Theil der Tube zeigt dagegen normale Beschaffenheit
Der rechte Eierstock ziemlich gross, derb, liegt, von der
Wand des Sackes bedeckt, ganz in der Nähe des Uterus
nd enthält ein etwa erbsengrosses schieferiges Corpus.
Linkerseits ist von dem Dot^jf^aa'scben Räume noch etwas
erhalten, all^dings ziehen sich durch denselben einige zer-
reissliche membranöse Stränge hindurch , welche sich auch
ober die (H)erfläche des linken Eierstocks hinspannen;
dieser ist kleiner als der rechte, ziemlich derb, enthält
mehrere Corpora nigra. Mit ihm ist die linke Tuba durch
einzefaie Adhäsionen verbunden. Dieselbe zeigt in ihrer ganzen
Ausdehnung nur eine geringe Weite, aber auch an ihr hat
der abdominelle Theil eine stark schieferige Innenfläche. Die
Fimbrien sind etwas klein, doch wohl erhalten; eine Oeffnung
io ihnen lässt sich jedoch nicht nachweisen. Auch die voi*dere
Pbcbe des linken Ligam. lat ist mit der Beckenwand fast
in ihrer ganzen Ausdehnung verwachsen. Der obere Theil
2*
20 !• Veriiaadlnngeii der Oetelliohaft
des Uterus ist durcb die Waod dos Sackes an das Rectum
unmittelbar angeheftet und dadurch der erhaltene Theil des
Z)ot«^{ar'schen Raumes, ebenso die linke Tuba und der linke
Bierstock ?oIlständig von der Pötalhöhle abgespannt.
Die Schwarten, welche die Wand des Fötalsackes her-
stellten, bestanden mikroskopisch aus einem Iheils älteren,
theils jüngeren Bindegewebe; von Zügen muskulöser
Elemente Hess sich nichts wahrnehmen.
Durch diese Seclion wurde also die früher gestellte
Diagnose in jeder Beziehung bestätigt Die Hauptpunkte, auf
welche sich dieselbe stützte, sind kurz folgende:
Zunächst war es das Verhalten des Scheidentheils«
welches zur Annahme einer Extrauteriuschwangerschaft Ver-
anlassung gab. Namentlich der Umstand, dass der bei der
Ankunft ziemlich weit geöffnete Muttermund in kurzer Zeit
sich vollkommen wieder schloss, dass der bis dahin nur
V2 Zoll lange Scheidentheil noch länger und schlanker zu
werden schien und seitdem in mehreren Wochen gar keine
Veränderung mehr durchmachte.
Zu der speciellen Diagnose einer Bauch Schwangerschaft
brachte uns darauf besonders der Verlauf und die Dauer
der Schwangerschaft. In Betreff des ersteren wissen wir
durch Hecker^s ^) mühsame Arbdt, dass die Tubarschwanger-
Schäften fast ausnahmslos durch Ruptur und innere
Blutung (von 48 Fällen 40 innerhalb 48 Stunden) enden,
dass ebenso die InterstiCialschwangerschaften sämmüich einen
plötzlichen Tod mit sich führten. Die Symptome, die bei
diesen Ereignissen eintreten, sind immer zu gewaltig, als dass
sie übersehen oder — falls wirklich eine Heilung nach den-
selben eingetreten — vergessen werden könnten. Dasselbe gilt
auch als Regel von den sehr seltenen Ovarialschwangerschaften.
Eine stattgehabte Ruptur oder innere Blutung konnten wir
aber in unserem Falle mit Sicherheit ausschliessen, da Frau 3.
von Nichts derart angab, da ferner die öfter eingetretenen
starken und plötzlichen Leibschmerzen bei Behandlung mit
1) Hecker f Zar Lehre von der Schwangerachsft aaiierhalb
der Gebftrmatterhöble. Monsttsohrift fSr Gebnrtokande, Bd. Xlil.,
S. 81 — 123.
Ar Gebortohälfe in Berlin. 21
Umsehlägen nachliessen , ja sogar einmal von dem
herheig^ohen Arzte durch Blutegel beseitigt wurden.
Becker hat ferner in Bezug auf die Dauer der
Extraoterinschwaogerscbaft nachgewiesen, dass die Tubar-
sehwangerschaft gewöhnlich schon in den ersten Monaten
dsreh den Tod endigt Von 46 FUlen derart starb das
betreffende IndiFiduum
37 Mal schon im ersten bis dritten Monate,
7 Mal im vierten Monate,
1 Mal im fünften Monate
und nur ein einziges Mal (Saxtorph) soll eine Tubarschwanger-
Schaft angeblich bis zum normalen Ende der Schwanger-
schaft gediehen sein (?).« Ebenso verliefen von 26 Interstitial-
Schwangerschaften 19 schon vor dem fünften Monate lethai
and dies ist auch der gewöhnliche Ausgang für die Ovarial-
Schwangerschaft.^) — Zwar hat WcUter in neuerer Zeit^)
einen Fall von Ovarialschwangerschaft mitgetheilt, bei dem die
EihiiHen platzten, das Fruchtwasser sich in das Cavum peri-
lonaei ergoss, hier resorbirt wurde, wahrend der Fötus, durch
den Riss ausgetreten, im Zusammenhange mit seiner Placenta
durch die Nabelschnur, ausserhalb der Eiböhle weiter lebte und
wobei die Frau erst viel später einer acuten Peritonitis erlag;
allein diese Möglichkeit ist so selten, dass sie diagnostisch
kaum in Frage kommt. — Für die grössere Mehrzahl der
FäDe von Bauchschwangerschaft ist dagegen constatirt, dass
das Kind ausgetragen wird (Hecker 1. c), ja in vielen
FSMen ist sogar eine abnorm lange Schwangerschafts-
dauer nachgewiesen worden. In unserem Beispiele ist der
■
Beginn der Schwangerschaft mit grösster Wahrscheinlichkeit
anf die erste HUfte des Monats October zu setzen, denn am
20. October trht der erste Anfall einer acuten Peritonitis
auf — bis dahin war Frau S. sehr wohl gewesen — und
Ende Januar oder Anfang Februar will sie schon die erste
Eindesbewegung gespürt haben.
Am sichersten liess sich freilich die Dauer der Schwanger-
schaft bestimmen, als es nach Erschlaffung der Bauchdecken
1) Cf. s. B. taUey, Med. Times et Ossette, Sept. 1868.
2) Monattsclirift fttr Gebnrtskiinde , Bd. XVIII., H. 3, S. 174.
22 I* Verhandlangen der Oesellsehaft
möglich wurde, den Kopf des Fötus zieoilich genau
abzugrenzen. Die Grösse derselben entsprach der eines
Kindes von acht bis neun Monaten, und da der Fötus schon
Anfang Juni abgestorben sein musste, so war der Termin
der Conceptiou höchst wahrscheinlich Anfang October. Die
Kopfdurchmesser, die Länge und Enlwickelung des später
herausgenommenen Fötus bestätigten diese Annahme voll-
kommen. Die Dauer der ganzen Schwangerschaft betrug
daher ungefähr 830 Tage.
Diese drei Punkte: nämlich das Fehlen aller Er-
scheinungen Ton Ruptur und innerer Blutung in der
Anamnese, sodann die Dauer, besonders die abnorm lange
Dauer der Schwangerschaft und namentlich die Grösse der
fühlbaren Kindestheile machten es uns möglich, nach der
allgemeinen Diagnose „Extrauterinschwangerschaft" — speciell
eine Bauchschwangerschaft — anzunehmen. Es ist
daher der Ausspruch Scamoni's: „dass es während des
Lebens unmöglich sei, die einzelnen Arten der Extrauterin-
Schwangerschaft zu unterscheiden,** wenigstens insofern zu
berichtigen, dass sich eine Bauchschwangerschaft öfter sicher
Ton der Tubar-, Interstitial- und Ovarialgravidität abgrenzen lässt
Unter den beschriebenen Symptomen sind einige besonders
auffallend. Zimächst die sich allmälig ausbildende „Geistes-
krankheit**. Patientin hatte zwar eine hereditäre Anlage und
soll auch^frQher oft „eigensinnig und störrisch** gewesen sein;
aUein die Masse der eigentlichen Hallucinationen zeigte sich
erst auf der Höhe des continuirlichen Fiebers und liess mit
diesem etwas nach.- Jede Untersuchung und Behandlung wurde
durch diese Affection sehr erschwert.
Ob die oben erwähnten Krämpfe der Geniohyofdei,
Genioglossi, Digastrici und Hyoglossi mit dem psychischen
Leiden in directem Zusammenhange standen, oder ob sie mit
den durch das Austrocknen der Hundhöhle bedingten spastischen
Dysphagieen in Verbindung zu bringen waren — liess sich
schwer entscheiden. Für das erstere schien ihre Aeusserung:
„ich muss** zu sprechen; für letzteres die Zeit ihres Auf-
tretens.
In Betreff der Lage einer an Bauchschwangerschaft
leidenden Frau macht Hohl darauf aufmerksam, dass die
mr Gebtirtsbülfe in Berlin. 23
Rückenlage inHaer eine Steigerung der Beschwerden
▼er^mlasse. Unsere Kranke konnte dagegen ohnig fte-
scbw^den auf dem Röcken liegen — der Sack reichte all
einzelnen Stellcai bis auf die Wiitelsäule — , in der Regel
fiaund idi sie aber halb nach der rechten Seite gedreht, in
welcher die grössere, schwerere Hälfte des Fötus
lag. Sie gab an, ddss sie beim Herumdrehen auf die linke
Seite in der rechten spannende Schmerzen empfinde, welche,
da der Fötus in seinem Sacke beweglich war, wohl dunsh
die Zerrung des mit dem unteren Leberrande verwachsenen
FfQchtsackes bedingt waren.
Die Schmerzen, über die Frau S. sonst klagte, waren
entweder massige Kreuzschmerzen oder Leibschmerzen, welche
meist rechts neben dem Nabel am stärksten waren. Aber
rock weise entstehende, periodisch wiederkehrende, wehen*
artige Empfindungen äusserte sie nie. Bekanntlich will Hohl
in der Wand des Fötalsackes bei einer BauchschwangerschafÜ,
ausser wellenförmigem Bindegewebe, organische Muskelfasern
nachgewiesen haben und erklärt die eigen thömlich drängenden,
periodisch auftretenden Schmerzen bei der Bauchschwanger-
sctiaft durch eine in Folge jener Muskeln entstehende periodische
Spannung und Erschlaffung des Sackes. Ein solches Hinein^
wölben des Sackes in die Vagina vom vorderen ScheideO''-
gewölbe konnte ich auch einmal bei der Untersuchung
wahrnehmen; allein das dauerte nur kurze Zeit und war
bloss durch das Schreien der Patientin bewirkt. SobaM
sie sich beruhigte, flachte sich die fühlbare elastische Ge-
schwulst ab, welche nicht von der Blase herröhren konnte,
da ich kurz voriier ded Urin mit dem Katheter entleert hatl^
Diese Spannung des Sackes war also offenbar eine meobamsche,
dorefa Zwia-cbfell- und Bauchmuskeldruck bedingte. Und die
mikroskopische Unlersuchung der Wand derselben muss diete
Annahme bekräftigen, da sich keine Muskelfaseni in derselben
aoffinden Uessen. — Dieselbe bestand vielmehr hauptsächlich
aois derben peritonitischen Schwarten, zeigte an den dicksten
Stellen f&nf- bis sechsfache Schichten übereinander und von
deren Innenseite Hessen sich stellenweise die zerstörten Eihäute
aMösen.
24 I- VerhasdlungOB der Qesellieliaft
Für die periodiseb auftretenden Schmerzen b«i Baucb^
schwangerscbafl, die den Wehen ähnlich sind, niuss man also
in den Fällen, bei denen sich keine Muskelfasern in dem
Fötalsacke finden, in der allroäligen Ausstossung der Decidua
durch den Uterus eine Erklärung suchen. Diese erfolgt durch
öfter auftretende Contractionen der Gebärmutter, ähnlich der
Austreibung von Blutgerinnseln oder von Polypen. Da in
unserem Falle die hypertrophische Decidua offenbar mit der
Anfangs Juni auftretenden Blutung schon grösstentheils ent*
femt worden war , so konnten wir derartige Sdimersen seihst
nicht mehr beobachten; sie müssen aber wohl vorhanden
gewesen sein, weil Frau S, bei ihrer Ankunft glaubte, in der
Geburt begriffen zu sein, und der Muttermund allerdings
so weit geöffnet war, dass man V^ Zoll weit ein-
dringen konnte.
Die namentlich rechts vom Nabel bei Druck entstehenden
lebhaften und länger dauernden Schmerzen standen offenbar
mit einer an dieser Stelle vorhandenen partiellen Peritonitis
im Zusammenhange. So lange diese vorhanden waren, blieb
auch die Spannung der Bauchdecken.
Höchst interessant war die Wahrnehmung des emphysema*
tosen Knisterns, welches, sobald die Bauchhaut nachgiebiger
geworden, bemerkt wurde. Der Ort derselben musste die
Haut des Fötus sein, da die Bauchwand der Mutter döon
und schlaff war und das Knistern an allen sichtbaren Theilen
des Fötus wahrgenommen wurde. Besondere prognostische
Schlüsse Hessen sich freilich m'cht aus demselben ziehen.
Im Uebrigen unterschied sich die Symptomatologie und
der Befund unseres Falles durch Nichts von vielen früheren
veröffentlichten.
Was femer die Aetiologie anlangt, so ist diese im
obigen Beispiele ziemlich klar. Deprimirende Gemuthsaffecte,
auf welche in neuerer Zeit namentUch Walter (1. c) auf-
merksam gemacht hat, Hessen sich, trotz aller Bemühungen,
zur Zeit der Conception keineswegs constatiren. Dagegen
konnte mit Sicherheit eruirt werden, dass Frau S, nach jenem
Abortus an einer partiellen Peritonitis erkrankt war, die
besonders die rechte Seite des Unterleibs betrpffen haben
Ar GaburUlilllfe in Berlin. 25
da sie nach Aussage der Schwester ao dieser stark
godiwotten war und dorthin Blutegel gesetzt bekam. Da nun
aocfa dureh die Section nachgewiesen, dass das befruchtete
EieheD toid rechten Ovarium ausgegangen, so ist es also mehr
ab wahrscheinlich, dass die rechte Tuba in Folge irgend einer
aaeh jener Peritonitis zurückgebliebenen Adhäsion yerhindert
«wde, das aus dem Oraaf Beben Follikel austretende Qvuium
aubofangeo — eine Adhäsion, welche sie keineswegs hinderte,
te redpirte Sperma auf das rechte Ovarium hinzuleiten.
Da der grösste Theil der rechten Tuba in den hier
ziemlicb dicken Fötalsack eingebettet und dieser überall mit
der Nachbarschaft verwachsen war, so iiess sich naturiich
ifacr jene ursprüngliche Adhäsion nichts Bestimmtes mehr
emitteki. — Doch ist das Uebereinstimmen des Sitzes der
partieOen Peritonitis mit der Seite, Yon der das befruchtete
Eichen ausging, zu wichtig, um es in dieser Beziehung ausser
Acht zu lassen; um so mehr, da Hecker gerade solche
peritMiitische Adhäsionen als Hauptursache der Extrauterin«
Schwangerschaft hervorgehoben hat.
Wie in den meisten bis jetzt veröffentlichten Fällen von
Baachschwangerschaft trat auch in unserem Falle schliesslich
eine Entleerung des Fruchtsackinhaltes durch den Darm ein.
Die Natur hatte dadurch einen Weg zur Genesung geöffnet —
alleitt zu spät; nach jener Perforation nahm der Kräfteverfall
80 rasch zu, dass der Tod binnen Kurzem folgte. Zu einer
activea Behandlung, von der auch die statistischen Nachweise,
die von Hecher u. A. gemacht wurden , entschieden abralhen,
lag hei Eowägung aller Momente im Befinden der Frau 8*
gar keine Berechtigung vor.
Herr X. Mayer schloss daran
eine Beobachtung von Extrauterinschwangerschaft,
die er im Jahre 1858 zu machen Gelegenheit- hatte. Leider
kennten hier die anatomischen Verhältnisse nicht zur Klarheit
gielangen, da die Section nicht zugegeben wurde. Der Fall
ist deshalb nur hinsichtlich der Entwickelung und des Verlaufs
vsn praküaehem Interesse.
26 ^* Verhandlungen der Gesellschaft
Er beliifit eine 38 jährige Frau 8. aus J., welche, kdrpei^
Itcb normal entwickelt, im 19. Jahre ?erheirathet, darauf
zwei Hai, zuletzt in ihrem 21. Jahre, geboren hatte. Im
letzten Wochenbette erkrankte sie an Metritis und Peritonitis.
Seit dieser Zeit war sie leidend, während sie sich bis dabin
der Regelmässigkeit aller Functionen, Oberhaupt völliger
Gesundheit erfreut batte. Die Menses traten Ton da an
unregeimässig alle vierzehn Tage bis drei Wochen ein, waren
profus und schmerzhaft, dazu gesellten sich Störungen in
den Digestions -Apparaten: Appetitlosigkeit, Obstruction,
Cartlialgien, ferner Kopfschmerzen, Verstimmung, allgemeine
Abspannung und Leistungsunlahigkeit. Erst neun Jahre später
gebrauchte sie mit Erfolg Seebäder und kehrte ohne Be-
schwerden nach Hause zurück. Bald darauf fühlte sie sich
wieder schwanger. Anschwellung und Ziehen in den Bi*Osien,
Zunahme des Leibesumfanges, Uebelkeiten , Sistirung der
Menses machten ihr dies unzweifelhaft. Dazu gesellten sich
alsbald Beschwerden, die sie in ihren ersten Schwanger-
schaften nicht gehabt halte. Es fanden sich nämlich Kreuz-
schmerzen, Strangurie, heftige Schmerzen im ganzen Leibe,
besonders in der rechten Hälfte. Im dritten Monate der
Schwiangerschaft verlor sie bei massiger Metrorrhagie und
nicht lebhaften Schmerzen ein häutiges Gebilde. Sie glaubte,
ein Abortus sei erfolgt. Als aber der Leib beständig an
Umfang zunahm, wobei sich in der rechten Hälfle eine votn
Becken fn die Bauchhöhle steigende, runde elastische Ge-
schwulst unterscheiden liess, gewann sie die Ansicht, sie
habe sich getäuscht und die Schwangerschaft nehme ihren
Fortgang. Dies wurde ihr zur Gewissheit, als sie im fünften
Monate Kindesbewegungen filhlte. Es fiel ihr aber auf, dass
dieselben schwächer waren, als in den ersten Schwang^-
schaflen, mehr noch, dass sie im siebenten Monate ganz
aufhörten, und dass sich von da an der Leib nicht mehr
vergrösserte, ja sogar vom neunten Monate wieder an Umfang
abnahm. Es erfolgte weder eine Geburt, noch traten die
ehie bevorstehende Geburt andeutenden Erscheinungen ein.
Die erwähnte Geschwulst in der Regio iliaca dextra wurde
ailniälig kleiner. Gleichzeitig mässigten sich die Besobwerden,
Ar GebartabSlfe in Beriin. 2T
scIlwaiideD aber nicbt viffiig, ▼Mmehr i»aren UriDbefM^bwerdeii)
Knu2- und LeibsdimerzeD, Cardialgien, Obstraction, Sdunws^o
im Rectum beim Stuhigange fast unausgesetit vorhaadeii, aueh
beUelt der Leib eineo beträcbtlicben Umfang. Sie co&aiiltirte
deshalb M. im Juni 1868, zwei Jahre nach der Coneeption^
Die Untersuchung ergab Folgendes: Die Baucbdecken
waren gespannt^ die rechte Leibesbälfle stfirker als die Hnke.
In ersterer lag ein länglich runder, elastischer, glatter, beim
Druek wenig sdimorzbafter Tumor, der nach oben die Nabel-
befae ein wenig äberragte, sich nach unten in das kleine
Becken verlor. Bei der Untersuchung durch die Vagina föhlte
msa das untere Segment der Geschwulst,, welche beüäufig
6 — 7 Zoll lang und Sy^ bis 4^/^ Zoll breit war, prall und
koglicbt in das Scheidengewölbe hineinragen und die rechte
Hälfte des kleinen Beckens ausfUlen. Fötustheile waren durch
die Wandungen der Geschwulst nicht durchzufühlen. INe
äusseren Genitalien zeigten sich schlaff, der Introitus weit,
Schleimhaut der Vulva und Vagina normal. Die Vaginalportioft
stand nach hinten, von der Föhningslim'e abweichend, mit
Tohiminösen aufgelockerten Muttermundsiippen. Das Onfieium
extemum fand sich als eine nach hinten gerichtete, geöffnete
Qo^rspalte. Der Uterus war vergrössert, retoitenförmig nadi
vom geneigt, der Geschwulst dicht anliegend, und von dieser
nach links verdrängt. Durch die Untersuchung per rectum
liessen sich diese Verhältnisse noch deutlicher nbersehen.
Die Uterussottde drang leicht ohne Schmerzenserregung etwas
Aber 3 Zoll in das Cavum uteri.
Wiewohl sich ans den anamnestischeh Momenten hin-
reidiende AnhaUepunkte für die Annahme einer Lithopädtum-
bfldong ergaben, so waren die Untersucbungsresultate nicht
geeignet, dieselbe unzweifelhaft zu machen. Dessenungeachtet
wurde die Diagnose auf Abdominalscbwangerschaft mit Ueber-
gang in Lithopädiumbfldung gestellt. Die Prognose schien in
Anbetracht des bisherigen giückliehen Verlaufs ziemlich günstig.
Die Verordnungen bestanden in gelinden auflösenden Mitteln
und Soolbädern.
Als sidi die Frau einige Zeit in Berlin aufgebahen hatte,
wurde If . zu ihr gerufen, weil sie sieh durch zu weite Wege
ausserordcsitllch angegriffen, dazu den Hagen dberladen hatte.
98 I* V«rh«iidliinfem der G«fellfehaft
M. fand sie fieberad, mit gastrischen Beschwerden, belegter
Zunge, Kopfsehmerz, Appetitlosigkeit, Cardialgien und fciw
mebrter Schraerzhaftigkeit in der Gesehwulst, und hoflte, dass
dieser Zustand ein Torübergehender sein würde, was aber
nicht der Fall war. Vielmehr steigerte sich das Fieber, und
mit diesem die übrigen Erscheinungen trotz energischer
antiphlogistischer Behandlung zu einer heftigen Peritonitis.
Die Schmei*zen im Leibe waren ausserordentlich heftig, der
Durst brennend. Meleorismus, glühende Hitze, Delirien,
trockne schwärzlich belegte Zunge, kleiner sehr frequenler
Puls, mehrere heftige Schüttelfröste, bei raschem VeHall der
Kräfte, machten die Prognose am 13. Tage der Erkrankung
sehr ungünstig. Am 14 Tage ti^aten sehr reichliche eiterige
Diarrhöen von fölidem Gerüche und schmutzig graugelber
Farbe ein, die mehrere Male des Tages erfolgten und einen
Nachlass der Schmerzen zur Folge hatten. Einige Tage später
entleerte sich unter heftigen Schmerzen ein Knochen per
rectum — das rechte Femiu* eines etwa siebenmonatlichen Fötus.
Die beiden Tibiae und Fibulae wurden am selben Tage,
in den folgenden das andere Femur, Beckentheile und Wirbel
theils spontan, theils künstlich per anum entfernt Die Knochen
hatten eine schmutzig graubräunliche Färbung, waren fast
aller Weichtheile, zumeist auch des Periostes beraubt, nur
hier und da hafteten noch einige schmierige, graue Fetzen
an ihnen. Anfänglich schien nach diesen Entleerungen eine
Besserung im Befinden der Kranken einzutreten, indessen
währte dies nicht lange. Die Schmerzen steigerten sich als»
bj|ld wieder, häufiges Erbrechen grünen Schleims und Singultus
traten ein, und unter schneller Abnahme der Kräfte erfolgte
der Tod.
M. knüpfte an diese Krankengeschichte folgende kurze
epikritische Bemerkungen.
Es lag hier eine Abdominalschwangerschaft vor, die
a^wei Jahre vor dem Tode der Mutter ihren Anfang genommen
hatte, und bei der sich der Fötus in der rechten Bauchhälfte
bis zum achten Monate entwickelte, alsdann ohne nachweisbare
Ursache abstarb. Der. Uterus zeigte in den ersten drei Monaten
eine thatsäcUiche Betheiligung an dem Processe im Abdomen
dmxsh Deciduabiidung. Letztere wurde zwar im dritten Monate
Ulf GelrarUhilfe in B«rlim. 2%
atfeflioflsen, aach kehrten die M^iees wie früher wieder,
indessen war selbst noch zwei Jabre später ein Ein&uss der
EitraDlerinschwangerscbaft auf den Uterus unverkennbar.
Denn sein unteres Segment war auijgelockert und sein Volumen
niebt unbeträchtiich vergrössert Hinsichtlich der Symptoma^
lolegie ist benierkenswerth , dass hier nicht/ wie es meist
za geschehen pflegt , nach Ablauf der gewöhnlichen Schwanger-
sdiaftszett Wehen eintraten, die so häufig bei Abdomiiiai-
gnTiditSt eine nahe bevorstehende Geburt vortäuschen. Möglich
ist es, dass in unserem Falle das frühe Absterben des Fötus
md die begonnene retrograde Metamorphose desselben Ursachen
zam Niehio-scheinen dieses fast constanten Symptoms abgal>en,
über dessen finistehungsweise bekanntlich noch jetzt dis-
seolirende Ansichten herrschen.
Die ganze Zeit, zunächst bis zum Absterben des Fötus
and demnach die 17 bis 18 Monate der Lithopädiumbildung
Teriiefen unter veriiältnissmässig gönstigem Befinden der Mutter.
Die Grösse des Fötalsackes nahm ailmälig ab, bis wahrscheinlich
durch äussere schädliche Einflüsse enlzöndliche Processe in
der Kyste und von dort in der Peritonäalhöhle hervorgerufen
wurden. Es erfolgte Perforation des Rectum und theilweise
Eotleerang des flüssigen Inhaltes und des niacerirten Fötus.
Schädelknochen, Thorax und obere Extremitäten desselben
waren nicht ausgestossen, als der Tod in Folge von Peritonitis
und völliger Entkräftung erfolgte. Was das Auftreten dieser
AkdorainalgraviditSt angeht, so traf sie eine Frau im vierten
Akersdeeennium, die zwei Mal vorher geboren, im letzten
Wedienbetle durch entzfindiwhe Processe wahrscheinlich krank-
hafte Verinderongen in den Sexualapparaten und vielleicht
Ueibende Lageveränderungen der Tuben durch Adhäsionen
erworben hatte. Nenn Jahr concipirte dieselbe nicht. Dies
sind Facta, die bekanntlich mit Resultaten äbereinsämmen,
wie sie Hecker aus statistischen Zusammenstelliftigeri von
EztrSHterinsdiwangersefaaften gewonnen.
ffinaicbtlich der Therapie ist zu erwähnen, dass kein
finmd nmi operativen Eingreifen bis zur Erkrankung der
Mmter vorhanden gewesen, und dass qiäter bei der acuten
Mtonilis eine Operation behufs Entfernung des
90 ^I* Dokm, Unterflachon^eB Von AbortiTeiern
F6tu8 als BeschieoDigangSDioment Ar den Tod der Mutter
angegeben werden. itniBste.
Herr Brandt erzählte die Geschichte eines Abortus mit
Vorlegung der drei Monate alten Frucht.
IL
Untersuchungen von Abortiveiern aus früheren
Schwangerschaftsmonaten.
Von
Dr. Dohrn,
Priyatdocent In Klei.
(Mit dreiandvierzig Abbildungen.)
In Nachstehendem gebe ich die Beschreibung mehrerer
Abortiveier aus den früheren Schwangerschaftsmonaten, welche
mir von besonderem Interesse zu sein schienen. Nicht bei
aUen konnte die Untersuchung eine so eingehende sein, als
idi wünschte, einzelne waren mir von befreundeten Collegen
zu zeitwaser Benutzung tiberlassen, und erforderten, weil sie
aoch zur Demonstration dienen sollten, besondere Schonung,
bei andern war wegen stattgehabter unpassender Behandlung
die Ermittelung verschiedener Punkte unmöglich geworden. —
S^ häufig geschieht es, dass jüngere Abortiveier gleich
nach ihrem Abgange in Weingeist gelegt werden, in der
Absicht, sie besser zu conserviren. Sind aber die Eihäute,
wie es das gewöhnliche Vorkommen ist, mit Coagulis
durchsetzt, so wird ihre spätere Untersuchung ganz ausser-
ordentlich dadurch erschwert, in vielen Fällen unmöglich.
Sttcht man so behandelte Präparate wieder in Wasser auf-
zuweichen, 80 zerbröckeln oder faulen sie häufig eher, als
dass sie entsprechend der früheren Anordnung eine Zer-
legung nach den einzelnen Hauten gestatten. In den ailer-
'«'ällen ist es gut, jüngere Abortiveier gleich nach
r
iiiu fr&herom Sobwsa^ft^bftitfmoaAteii. 31
ihrfr AnssloBsuDg in Waasinr %^ legen uq4 ewige Zeil darin
aotoweidMn, am besten, sie einem flieBsenden Wasseratroin
Bit Vorsicbt aussuseUen, um die Goagula in ausreichender
Weise forUuapülen. Ebenso muBs die weitere Untersu^uiig,
wo die Gebilde zartei* sind, unter Wasser vorgenommen werden.
Wo diese Gautelen nicht beachtet werden, läuft man nehr
leicht Gefahr, alle £igebilde zu äbersehen und ich habe mehr*
Cach Gelegenheit gehabt, «u beobachten, wie Coagula, als ohne
bemerkeDswerthcin Inhalt, ßlschlich bei Seite gelegt waren,
aoTt wdi sie nicht eine entsprechende Behandlung erfahren
hallen.
Beobachtung I.
Abnorme Deciduabildung, Umstülpung des
Chorions.
•
Das Präparat stammt von einer Hehrgebarenden» welche
im Anfang Februar 1861 suletxt menstruirte, und am 9. Apiil,
während sie mit ihren Kindern spielte, von einem Blutabgange
befallen wurde, dem vier Tage später ohne besonderen Wehen*
schmerz der Abgang einer hantigen Masse folgte. Ich unler-
aschie diese kurz nach ihrer AiKstossung.
Die erste Besichtigung Hess die äussere HöUe als Decidua
erkeuBcn, die Form gab einen getreuen Abdruck der Ulerin-
höhle wieder, das Gewebe war locker, mit kleinen Veriiafu9gen^
Gruben und Uchem durdiseUt. Oben 2" 2'" (P. BL) breit,
verschmälert die Haut sich nach abwäi'ts, indem sie eiiie Lange
voo ^" S'" erreicht An der dem Oriflcium extemuo» enl-
^»rechenden SteUe findet sich eine Oeffnung, welcdhs die
Fingerspitze aufniount. Auch entsprechend den Tuben*
mundungen scheinen kleine Oeffnungen vorhanden. Doch
kann darüber eine Täuschung obwalten, weil zablreifhe kleine
Oeffnungen die Decidua durchsetzen.
Anflallig war bei äusserer BeUrachtuug eine straUige Ein«
xiehung in der Nähe des der Tubenmundung entsprechenden
Winkels. Eine durch dieselbe eingefäbrte Sonda drang in
das Innere der Deciduahöhle ein und schien hier in freier
seilbcher Beweglichheii nicht behindert Es wurde der Läqge
nach durch die Decidua ein Schnitt geföbrt und ihre (loble
erUfoet (t. Fig. 1). Die durchschnittenen Wandungen sind
32 1^* Dokm^ üntflrsnehangtfn you Abortiireiern
locker, zeigen oben geringere Dicke, nach unten erreicben
sie eine Mächtigkeit von 4^'. In das Innere der BßUe hhtein
ragt ein stielförmiges Gebilde, welches von der Stelle, wo
aussen die strahiige Einziehung bemerkt wurde, seinen
Ursprung nimmt. Die Wandung desselben geht direct in die
Decidua über. Nach unten zu schnürt sich der Stiel ab.
Hier hSngt an ihm eine sackförmige, von der Decidua schon
durch ihre GUitte abweichende röthliche Membran, aus deren
unterem perforirten Ende sich Zotten hervordrängen. Durch
die Länge des Stiels und der an ihm befestigten Membran
wurde ein Schnitt geführt, es erwiesen sich beide als hohl
(s. Fig. 2). Seiner Innenwand sitzen bei c kleine, mit blossem
Auge eben erkennUicbe Chorionzöttchen auf. Der Membran-
sack am unteren Ende des Stiels ist in seinem Inneren mit
Zotten angefüUt, die, einer zarten Membran aufsitzend, gegen
die Membranhöhle hin sich ausbreiten. Von sonstigen Theilen
einer Frucht, von Resten eines Fruchtkörpers, einem Nabel-
strang war nn*gends, weder im Stiel, noch in der Decidua*
höUe eine Spur aufzufinden.
Es ist hier das abnorme Verhalten der Decidua hervor-
zuheben. Das in ihre Höhle hineinragende stielförmige Ge-
bilde war von Dedduawänden gebildet und trug an seinem
nnteren Ende Eireste. Wh* haben sonach ein Recht, dasselbe
als Decidua reflexa aufzufassen. Diese Reflexa weicht' durch
ihre langgestreckte Form, sowie durch den Umstand, dass
sie die Eitheile nicht einschliesst, sondern von ihnen perfoiirt
ist, von dem gewöhnlichen Verhalten ab. Ferner hat das
Chorion seine Lage verändert Anstatt die Zotten nach aussen
zu kehren, wuchern dieselben gegen den inneren Hohlraum
hinein.
Es kann nicht fraglich sein, dass hier eine Umstülpung
des Chorions stattgefunden hat. Ich denke mir den Vorgang
folgendermaassen: Das in den Uterus gelangte Ei wurde un-
vollkommen von der Decidua überwuchert Es bildeten sich,
etwa bei a und b (s. Fig. 3) festere Verwachsungen zwischen
Ghorion und Decidua, der Raum zwischen a und b blieb frei,
von^l^ Deddua unbedeckt. An dieser Stelle, die eines Stütz-
itbehrte, erfolgte Ruptur der Chorionwand udd durch
ene Oeflhung hindurch stülpte sich der Eisack
«u friberta SehwangertoliAlUmoiMiUD. 33
vm; worauf dam auch das untersle Ende desselben, welches
frfiher nach auTwftrts gekehrt war, nipUirirte. Dass diese
ErkUning die richtige ist, beweist das Vorhandensein einzelner
Cborionzotten in c (s. Fig. 2). Die übrigen Eitheile niussten
dabei heiausEallen, sie sind, von der Schwangeren unbemerkt,
nefeicfai unter der Blutung am 9. April abgegangen.
Ein dem vorlieg^den sehr nalie stehendes Abortivei ist
TOD SackreuUr und MeUeiJieimer (diese Zeitschr., Bd. L,
& 2) besdirieben worden. Auch dort fand sich die Decidua
slielfSrmig nach innen hinabgezerrt und trug an ilu*em unteren
Ende ein Ei, das indess nicht, wie in untrem Falle, eine
ümslülpung erfahren hatte. Die Verfasser verwerthen ihren
Fall u«€h im Sinne der alten Anschauung, wonach die Decidua
als eine Exsudation der Uterinschleimheit zu betrachten war.
Gerade solche Fälle indess scheinen mir einen gewichtigen
Beweis fOr die Richtigkeit der Auffassung der Decidua als
retner Hypertrophie d^ Uterinschleimbaut, und der Ein-
Senkung des Eies von der Uterinhöhle aus zu lieiern. Nimmt
man an, dass das im Uterus angelangte Ei die Decidua wie
eineo Sack vor sich herstülpe (und diese Annahme wäi*e mit
der Vorstellung einer durch Exsudation entstandenen Decidua
geboten), so würde der Befund in diesen beiden Fällen sich
nur in ,sehr gezwungener Weise deuten lassen. Man müsste
/bmn folgern, dass das Ei bei fortschreitendem Wachsthume
die Decidua durchsetzt, zugleich aber an seiner der Tube
cugewandten Seite sich Adhärenzen mit der Decidua ausge-
bildet hätten. Eine solche Perforation der Decidua durch
das sich vergrössemde Ei hat man nicht nöthig, anzunehmen,
wenn man davon ausgeht, dass das Ei sich von der Uterin-
böUe aus in die Decidua hineinsenkt und dass ein Abschnitt
seiner Circumferenz von dieser unbedeckt blieb, auch bei fort-
schreitettdem Wachsthume der Decidua nicht von ihr über-
wuchert wurde.
Es war also eine abnorme Bildung der Decidua, welche
in unserem Falle die Ruptur des Eies einleitete. Es schien
in der That die Decidua im Vergleiche mit anderen von auf-
Bllig loekerem GefSge, doch liess sich in unserem Falle nicht
der Nachweis fuhren, wie es Siickrmier und Mettenheimer
lf»a«tMehr. f. Gebwrtak. 1S68. Bd. XZI., Hft. 1. 8
gelang, dass bereits hei früheren MeoBiriiaiionen der JBftr
treffenden eine abnorme Deciduabildiing stattgefunden hatte*
Beobachtung IL
Ei von vierwöchenliichem Alter.
Eine 30jährige Funftgebäreiide glaubte sieli nach dem
Ausbleiben ihrer Menses im dritten Monate schwafiger, als
Ende März 1861 ein stärkerer Blutabgaug eintrat. Dieser
wiederholte sich am 6. April und am gleichen Tage folgte
die Ausstossung des Eies. Dasselbe war Nachts 12 Uhr ge-
boren und hatte den Tag über in Wasser gelegen, als e|
Abends mir zugestellt wurde.
Es bildet das Ei einen glatten, unzerrissenen, mit w^sser^
beller Flüssigkeit erfüllten, durchsichtigen Sack von 15'" Länge,
10'" Breite. Man .siebt an seinem Boden einen kleinen Embryo
liegen, der durch kurzen Stiel mit einer der Eihülle ein-
gebetteten Blase verbunden ist, die durch ihre weisslich trübe
Farbe von der angrenzenden durchscheinenden Eihaut abstiebt
(s. Fig. 4). An der einen Seite liegt der Eihülle, fast bis
zur Hallte derselben, das Chorion an. Man kann das Chorion
noch weiter abzielten, bis auf einen V/^'" dicken Stiel, der
fest adbärent Ueibt und es gewinnt das Ei dann ein ballon-
artiges Ansehen (s. Fig. 5),
Es wnrde die Eihülle durch Längsschnitt eröii'net, ihr
wasserbeller Inhalt aufgefangen und der auf ihrem Boden
liegende Embryo einer näheren Untersuchung untei*worfen.
Derselbe zeigt eine Länge von TVs'", der Kopf ist reichlich
IVa" breit. Einzelne Theile haben sieb durch Maceration
abgelöst und hegen neben der Frucht auf dem Boden der
Eihohle. Die rechte Seite der Frucht ist besser erhalten
als die linke. Bei Anwendung einer stark vergrossernden
Loupe und Betrachtung von vorne erkennt man (s. Fig. 6)
bei a seitliche Stirnlappen mit einer mittleren sie trennenden
Incisur, in welche der kleine mittlere Stirnlappen b hinab-
ragt. Die Einschnitte zwischen diesen drei Lappen J)ezeichnen
die Stelle, wo später die NasenöfTnungen sich entwickeln,
von deneti jetzt noch eine weitere Andeutung fehlt. Die An-
lage des Auges ist rechterseits sehr undeutlich, bei c ist ein
schwarzer Punkt zu erkennen, der seiner Lage nach für das
MM§ frfiber«« SchwAngerschafttmoBaten. 35
Aage gdialten werden muss, finkerseits erscheint das Auge
ak schwarzer Punkt ittOiitten geschlossener Massen, der Lage
Dich € entsprechend (s. Fig. 7, a), d ist für den Oberkiefer*
(brtsaUv e für den Dnterkieferfortsatz zu halten, bei/ findet sich
m breiter geschloasener Bogen, der vielleicht mehrere ge*
soblossene Halsbögen in sich vereinigt. Es muss freilich
sehr aufidlen, dass hier bereits ein Schluss stattgefunden
hat, während die Unterkieferfortsätze sich noch nicht ver-
dau hab«i, aber die Lage des Auges und das Vorhandensein
eaws mittleren Stimlappens, scheinen mir zu n5thigen,«(2 für
dea Oberkiefer-, e für den Unterkiefeifortsatz anzusprechen.
Zvisehen den noch nicht geschlossenen Fortsätzen findet
sidi eine weite Höhle, deren Grund uneben, rauh erscheint
Anlage einer Zunge ist hier nicht zu entdecken , ebenfalls
Uden Bildungen, die man zu dem Gehörorgane in Beziehung
aetien könote.
Nadi abwärts von dem Halse wird nun der Fruchtkörper
ilefect Es ist hier das ganze Schleimblatt mit dem Darm-
Tiaerblait abgerissen und liegt die vordere Fläche der Wirbel-
anlagen frei vor. Bei g findet sich ein- Stumpf der rechten
Oberextreoiität, die abgelösten Theile bei h sind vielleicht
IM^erUeibsel der entsprechenden Unken. Die untere Extremität
ist finkerseits als abgerundeter kurzer Stumpf gut erhalten
(8. Flg. 7, J).
Der Inhalt des Bauches ist hervorgetreten und hängt mit
der Fruebt nur mehr durch einen dünnen Stiel zusammen.
VieDeidit sind die rundlichen Körper bei i Leber und Milz,
vielleicht ist hier das nach abwärts geschlagene Herz zu suchen.
Das unta^. Ende der Frucht wendet sich bei der Be-
trachtung von vorne gegen den Beschauer in die Höhe. Kurz
oberhaO) der Sdiwanzspitze kommt hier aus dem Fruchtkörp^
ejo l'"' langer Stiel hervor (Fig. 6, k), von durchscheinender,
lier Eihülle gleicher Membran gebildet. Dieser Stiel durch-
^«UL bei Z ein defeetes Hembranstuck, wahrscheinlich Rest
der Baocbdecken, und inserirt sich dann in das Bläsdien m,
wekbes bei der ersten Betrachtung des Eies als der durch-
icbeinenden HöHe eingebettet bemerkt wurde, geht aber nur
■it seiner rechten Kante in das Biä^hen über, mit der linken
Mtzt er sieb in die Eihnlle fort
8*
S6 '1* Dokm^ Untersnehangeii von AbortiTeieni
Das weissliche Bläschen (Fig. 4, a) ist gut 3" lang, 2^
breit und liegt der durchscheinonden EihiHle, die wir ihrer
Lage nach für das Amnion halten müssen und fortan als
soldies bezeichnen wollen, dergestalt an, dass es von zwei
Platten derselben umfasst zu sein scheint. Die (^talseitige
Platte adhärirt dem Bläschen ziemlich fest, viel leichler nacli-
zuweisen ist aber der Ueberzug einer Membranschidit auf
der äusseren entgegengesetzten Seite, denn es lässt sich hier
ganz deutlich eine membranarlige Schicht über das Büschen
verschieben. Betrachtet man das Bläschen mit starker Loupe,
so bemerkt man einen körnigen, leicht gelblich tingirten In-
halt, der bei Bewegungen flottirt, obwohl die Wände des
Bläschens ziemlich nahe an einander liegen nnd nur wenig
Raum zwischen sich lassen. Ob der zum Embryo führende
Stiel Gefässe oder sonstige Gebilde enthielt, Hess sich mit
starker Loupe nicht entdecken; nur soviel wurde deutlich,
dass seine rechte Kante trüber, verdickter schien als die linke.
Das Amnion erscheint mikroskopisch einschichtig, und
auf beiden Flächen mit vereinzelten rundlichen, deutlich kern-
haltigen Zellen und kleinen Körnchen besetzt (s. Fig. 8).
Das Chorion ist 0,2 Millimeter dick und trägt in seiner
gan2en Ausdehnung lange Zotten, dieselben stehen da, wo
das Chorion mit dem Amnion zusammenhängt, nicht dichter,
noch sind sie hier länger, als an den übrigen Stellen. Ihre
Enden sind zum Theil kolbig, meist vielfach verästelt (s. Fig. 9).
Nach aussen zeigen sie eine Schicht geschrumpfter kleiner
Zellen, in ihrem Innern langgestreckte, etwas geschlingelte
Kerne in einer schwach längsgestreiften Intercellularsubstanz.
Nach der optischen Erscheinung und nach dem Verhalten
gegen Säuren ist dies das Innere der Zotten ausfüHende Ge-
webe als Bindegewebe anzusprechen. Nirgends finden
sich in den Zotten Gefässe, auch nicht da, wo das
Chorion dem Amnion adhärirt.
Das Chorion zeigt zwei Schichten, eine zeliige und köm-
chenhaltige Schicht an der äusseren Fläche, deren Elemente
sich continuirlicb in den Zottenüberzug fortsetzen; darunter
eine hellere Schicht, die Längsstreifen und langgestreckte
Kerne zeigt, sich ebenso wie das Innere der Zotten gegen
Säuren verhält, und die, wie ich mich, nachdem ich sehr
frübereii SchwangerschaftsmoDatttn. 37.
fMe Pii^anite darauf untersucht, ao Einem gaoz deutlich
äbeneii^le« <rime Zweifel ebenfalls in die Zotte übergeht
(s. Fig. 10). Man würde von dieser zweiten Schicht noch
wieder eine dritte abgrenzen können nach der Amnionseite
Mo, demi es werden die Kerne hier kürzer, rundlicher, das
Gewebe atfirker pigmentirt. Ich lege indess kein Gewicht
auf die Aufetelhing dieser dritten Schicht, denn sie setzt
aicfa nur stellenweise etwas deutlicher gegen die mittlere ab
wmI ist vielieicbt nur dasselbe Gewebe, welches sich, als der
Imbibition, der Aufbewabrungsflüssigkeit leichter zugänglich,
hier so verändert hat
Ich halte das dem Amnipn eingebettete Bläschen für die
NabeU)la8e. Seine Form, der körnige Inhalt, die weissgelblicbe
Farbe, die Abziehbarkeit des Chorions über diese Stelle — ^
das Alles spricht dafür, hier die Nabelblase zu suchen.
Woher der Ueberzug an ihrer äusseren Fläche stammt, ist
nicbt deutlich und um so weniger zu erklären, als im Amnion
an alleo übrigen Stellen keine mehrfache Schichtung nach-
weisbar war. Ist dieser Ueberzug vielleicht ein Rest der
Tunica media? Worauf die, Adhärenz des Chorions und
Amnions bei b (s. Fig. 5) zu beziehen sei, blieb mir zweifelhaft,
bb es Prof. Panum gelang, einen feinen Strang aufzufinden,
der von dem Bläschen a (s. Fig. 5) nach b verläuft. Es war
non klar, dass bei b sidi die Allantois an das Chorion inserirt
habe. Betrachtet man diesen Allantoisstrang unter dem Mi-
kroskope, so gewahrt man, dass derselbe stellenweise unter-
brochen ist und aus körnigen Massen besteht; Gelasse sind
'm ihm nicht zu entdecken. Die Länge des Stranges beträgt
11 Linien.
Es muss auffallen, dass die Insertion der Allantois sich
so wot von der Nabelblase entfernt hat und dass der Stiel
der Nabelblase so kurz ist. VjeUeicbt war diese Kürze eine
Folge der festen Adhärenz des Amnions an. der Fötalseite
der Nabelblase und wurde weiter zur Veranlassung der vor-
geftindeneo Abnormitäten, indem durch die stattfindende Zer-
nmg die Bauchseite der Frucht abgerissen wurde. Eine
andere Möglichkeit ist, dass dies Letztere erst unter der
ficburt erfolgte.
98 11* Dohm^ ÜotersQcbnii^eti ▼on Aborthreieni
Das Ei wird vier Wochen alt sein, das Ergebniss der
Anamnese ist im voriiegenden Falle nicht zu verwertben.
Beobachtung III.
Ei von drei- bis vierwöchentlichem Alter.
Zusammenfaltung des Fruchtkörpers.
Das Ei wurde mir von einem befreundeten Collegen zu-
gestellt. Die Ausstossung desselben war am 19. Noy^mber er-
folgt und die Dame, von welcher es stammte, hatte angegeben,
nicht länger als höchstens 30 Tage schwanger sein zu können,
da sie seit- längerer Zeit nur am vorhergehenden 21. Octofoer
den Beischlaf gepflqgen habe. «Ein leichtes mehrtägiges Un-
wohlsein war der Ausstossung vorausgegangen. Ich ertitdt
das Ei kurz nach seinem Abgange, der in unverletzten Häuten
orfolgt war.
Die Decidua war reichlich mit Blut durcfafilzt und es
wurde nöthig, sie zwei Tage lang in Wasser aufzuweichen, bis
sich Coagula von Eihäuten trennen und in den letzteren unter
sorgfältiger Präparation verschiedene Schichtungen nacliwetsen
liessen. Die Decidua war an ihrem unteren Ende missfarbig
und hier von fauligem Geruch, an den öbrigen Steilen zeigt
sie ein normales Gefuge. Die Breite des dem Fundus uteri
entsprechenden Theils beträgt 1" 4*^, die Länge von oben
nach uuten 2^' (s. Fig. 11 mit der Loupe vergrössert), die
Dicke der Decidua variirt etwas an verschiedenen SteHen,
beträgt im Mittel 2"'. In der unteren Hälfte der Decidua
findet sich der Chorionsack und in dem unteren Abschnitte
des letzteren wiederum ein kleiner durchscheinender Membran-
sack, der den Embryo einschliesst , demselben ziemlich eng
anliegend. Es adhärirt dieser innere Eisack der inneren Wand
der Chorionhöhle, gleich als bestehe er nur in einer Ein-
stülpung der Membran, welcher die Chorionzotlen aufsitzen,
doch konnte bei der Zartheit und Kleinheit der Theile, viel«'
leicht auch infolge staltgehabter Veränderung derselben nach
der Wasserbehandlung nicht ermittelt werden, ob der Zu-
sammenhang der beiden EihöUen durch einen hohlen Stiel
oder durch einen soliden Faden vermittelt wurde. Das Chorion
ist reichlich mit Zotten besetzt, doch verhalten sich diese
wäm Mhensii SvhwftiigercrthftflBinoiiateii. 39
jmMei&n,' locket and sehr lang ah dein Ehnbryo zu^
gewaodteiD Ab^cbnitte, stehen sie diebCer und sind sie kdrzer
im fibrigen Umfang des Chorions.
Der Embryo zeigt eine eigenthumliche Form. Ein grösserer
Theil an seinem breiteren Ende entspricht dem Kopfe, es ist
die Afdage des Auges hier deutlich ersichtlich. Vom Kopfe
ans wendet sieb der Halstheil nach abwärts, biegt sich dann
nach Tom und sehliesst zwischen sich und Kopf einen lang-
lieb mnden Wulst ein. Durch eine Furche trennt er sich
dann fon den weiter abwärts gelegenen Theilen. Das untere
buchtende hat sich in die Höhe geschlagen und liegt dem
oberen Kfirperende fost parallel laufend an. Fig. 12 zeigt
den Yergrösserten Embryo von der linken Seite. Man be>-
merkt eine Membran, welche, ausgehend vom hinleren Rande
des oberen Körpertheils sich an das Kopfende inserirt und
wm hier aus mit kurzem Stiele den Embryo in seiner Eihöble
befestigt. Dieselbe ist stellenweis defect, so scheint sie bei
a aach am umgeschlagenen unteren Ende adhärirt zu haben.
Fig: 13 giebt das Bild von der rechten Seite. Auch hier
bemerkt' man die Anlage eines Auges, darunter einen mittr
lereB breiteren und zwei schmälere seitlicU'e Lappen. Zieht
man das hinaufgeschlagene Körperepde b etwas vom übrigen
Körper ab, so bemerkt mau bei c kurze parallele Furchen,
die Wirbeianlagen gleichen. Bei d treten aus dem unteren
Körperende zwei sdunale sich wie Gefasse (Darmschlingen?)
ansBebmeDde Bögen hervor, die nach kurzem Emporsteigen
sieh eeidich abwärts wenden. Die Länge des Embryo beträgt
3**, die des umgeschlagenen Körpertheils reichlich 2"', die grösste
Breite IV«'^« Deutlicbe Spuren einer Nabelblase oder AUantois
sind nicht vorbanden.
Die mikroskopische Unto^uchung konnte ich erst, nach^
dem das Ei längere Zeit ui Weingeist aufbewahrt war und
auch dann nur mit besonderer Schonung vornehmen. f)k&
Choriottsetten sind sehr lang und vielfach verästelt; in der
Membran, welcher sie aufsitzen, gelang mir nicht der Nach-
web verschiedener Scbiditongen.
Ueher die Deutung ier einzelnen Fruchttheile kann man
in ZweiM sein. Dass die Membran a (Fig. 11) für das Chorion
ni haken sei, b fir das Amnion., geht aus Lage und Aq-
40 I'- Dokmy üntonnohvnf^ii Ton Abortivalem
Ordnung derselben henror. Das Amnion adliliriri indoM dem
Embryo in abnormer Weise. Anstatt an der Bmicbseite fiiirt
zu sein, finden wir es über die BBuchfläche hinweg geheod
und an der RdckenflSche, und zwar nahe dem K«(rftbeile
adhärent, von wo es sich an das Cborion befestigt Es ist
möglich, dass diese abnorme Adhärenz sich ausscUiesslioh
seitens des Amnions ausgebildet hat, wahrschritilicber indess,
dass der Stiel, mit welchem der Kopftheil dem Eisacke
adhärirt, durch Verwachsungen, der Nabelbiase oder AUantois
mit Kopf lind Eihäuten gebildet wurde, dass sonach die
Membran e (s. Fig. 12) als UeberbleibseJ einer dieser Blasen
zu betrachten ist Die Umscblagung des unteren Fruehtendes
war jedenfalls geeignet, solche Verwachsungen zu erleichtern,
indem sie die Ursprungsstellen dieser Blasen dem Kopfe
näher rückte.
Der obere Theil des Embryos Iftsst sich leicht als Kopf
erkennen. Während die Augen hier bereits deutlich hervor-
treten, findet sich von der Anlage des Ohres noch keine Spur.
Der Lappen / (Fig. 13) entspricht dem Stirnlappen, die Lappen
g wären ihrer Lage nach für Oberkieferfortsätze zu halten,
doch ist ihre LInge und Schmalheit auffällig. Von den uu*
teren Visceralbögen fehlt jede Andeutung. Der etwas zer-
klüftete Wulst h (Fig. 12) entspricht seiner Lage nach dem
Herz, ohne dass sich indess hier die Formen des Herzens
erweisen lassen. Das hinaufgeschlagene untere Körperende
zeigt keine charakteristischen Formen; weder Wirbelanlagen
noch sonst Anlagen anderer Fruchttheile lassen sich in der
glatten Masse entdecken. Als "was die beiden Bögen d
anzusprechen sind, steht dahin. So sehr ihre Form auf-
forderte, hier Herz und grosse Gefasse zu suchen, so stinmit
doch ihre Lage durchaus nicht damit überein, denn sie
sprossen aus dem unteren hinaufgeschlagenen Körperende
hervor, stehen daher ziemlich weit vom Kopfe entfernt An-
lagen von Extremitäten sind am Fruchtkörper nicht erkenntUeh.
Das Alter der Frucht würde zu hoch gegriffen sein,
wenn wir es auf 30 Tage taxirten, sie war wohl schon' einige
Zeit abgestorben, bevor sie ausgestossen wurde. Was die
Ursache der zahlreichen Abnormitäten war, die die Frucht
zeigt, lässt sich nur vermuAen. VielleichC war es die abnorme
AAirais «in KopMieile der Frucht, weMie da« untere KCrper^
ende Unasfzerrle und durch diese Zenrung logieich die reget-
nteige Entwickelttog der eiuselnen Theile des dbrigeo Fruchi-
kfrpen likiderte, wie vcm Pcmum (Entstebiuig der Mieebildoogen,
Berliii 1660) der Emflnss dieser AdbArenaen auf die Eotalehuiig
iFon HissbUdungai naehgewieseo worden ist
Beobachtung IV.
Eiböble mit knopTförmig endender Nabelschnur.
(Fig. U-17.)
Das Ei hatte länger in Spiritus gelegen, als ich es zur
Untersuchung bekam. Prof. Panum hatte es frisch erhalten
und die Decidua vorsichtig unter Wasser von den inneren
Eihäuten mit unversehrter Erhaltung der letzteren abpräparirt.
Es hatte sich dabei in der klaren Eiflfissigkeit nur eine kurze
Nabdschnur, aber durchaus keine sonstigen in der Flüssigkeit
8Qt{iendirten festen Theile vorgefunden.
Die Eihäute sind, wie sie jetzt vor mir liegen, sehr ge-
schrumpft, die EihöUe lang gestreckt, 1^ lang, b'" breit. Ein
^^ langer, in seinem Verlaufe 78*^, an seinem Ende gut 1 ^
dicker Nabeistrang hängt in die Eiböble hinab (s. Fig. 14,
natflri. Grösse). Der Nabelstrang trägt Windungen, es lassen
sich ihrer im Ganzen fünf erkennen. Die Anlage der Placenta
ist noch nicht deutlich. Das Chorion trägt in seiner ganzen
Ausdehnung Zotten, es ist an der Stelle der Nabelschnur-
insertion nur gering verdickt und hier mit etwas längeren
Zotten besetzt Das freie Ende des Nabeistrangs zeigt eine
stumpfe ovale Anschwellung. Fig. 15 giebt die Ansicht von
der rechten, Fig. 16 von der linken Seite, Fig. 17 die von
vorne, sämmtlich bei Vergrösserung durch die Loupe.
Man kann bezuglich der Deutung der Anschwellung am
Nabelstrangende schwanken, ob UebeiTeste des Fruchtkörpers
oder das retrabirte Ende des Nabelstrangs darin zu suchen
-sei; Ist ein Analogieschluss nach dem Vorkommen bei Thieren
gestattet, so wird der von mir bei einem Hasen (cf. FircAotc's
Archiv, Bd. XXI.) beobachtete Schnimpfungsprocess des ge-
trennteD Nabehchnurendes auffordern, Fruchtkörpertheile in
dkser Ansehwelkmg zu suchen, weil andernfalls das Ende
lugeifhirtt aeinwfirde* Die oberen Wdlste scheinen indess
4S n. IM»», UntomielNnfeii tmi AWrtlv^ieni '
•
jedeofalb der NibetociiiMr aaiugelifiren; ob dhs iveüer «b-
wftrto gelegene Stack üeberbleibsel des Fötalkörpers eDtbik
ood eben dadurdi eine Zuscbärlniig des «eb retrahireiideD
AabebebiiOKiidie varfaiDdert wurde, sldil dabm. Am ebeateii
fieasen «cb nocb in Fig. 16 Formen eise» FVaehtköipers
erblicken, a könnte dem Röcken, b dem Ko|rfe, c einer Eir
tremität entsprechen.
Beobachtung V«
Eihöhle mit defeclem« circa 4 Wochen altem Embryo.
(Fig. 18 and 19).
Ueber die Ausstossung dieses Eies wurde mir Nichts
bekannt In der kleinen Amnionhöhie hängt an einem Nabel-
strang von Cast l"' Länge der Ueberrest eines Embryos und
zwar das untere Körperende desselben. Der Truncus ist un-
gefähr von der Mitte an defect und auch hier hatte sich in
der von Prof. Fanum durchsuchten Eihöhle durchaus kein
weiterer Ueberrest vom Fruchtkörper vorgefunden. Fig. 18
giebt die Ansicht von der linken, Fig. 19 die von der rechten
Seite, beträchtlich vergrössert. Man bemerkt beiderseits das
abgerundete Schwanzende, die Anlagen der Wirbel, sowie
das erste Rudiment einer untern Extremität. Bei a umzieht
die rechte Seite des Fruchtkörpers ein halbringförmiger Streifen,
der sich bei b und c befestigt, wahrscheinlich ein Product
der Maceration, denn von dieser Stelle an beginnt der Körper
jde(ect zu werden. Hervorzuheben ist, dass die Stümmelchen
cf, welche als Anlagen der unleren Extremitäten zu betrachten
sind, ihre Convexitäl nach dem Röcken zu wenden und bei
sanftem Abheben ihren Stiel der Bauchseite zugewandt zeigen,
also bis jetzt, anstatt nach vorn, nach hinten zu gewachsen
sind. Das Entwickelungsalter des Embryos wird reichlich
vier Wochen betragen.
Beobachtung VI.
Ei vom Ende des zweiten Monats. Die Entwickeiuog
des darin enthaltenen Embryos nur bis zur dritten
bis vierten Woche vorgeschritten.
(Fig. 30—22).
Eine an Desc^sus uteh leidende Frau verlor Ende Mai
1862 die liit« dahin regelmässigen Menses. Vieriebn Tage
mm IrfiftiiBnia^SkkirMiganeluiftsiiimHktMi. . 48
ladi 4eiii Termine, wa sieh die Heoetraation bMe wieder
eJosleHen soUen, -trai heftige Blutung ' ein. Hil.^AHsnaliiiie
einzehier Tage dauerte dieee Biutang in wechsebider HefUg>-
keil sieben Weehen lang an. Da begannen am 3. Angnal
Wdien aafsutreten und nach kurzer Geburtsdiwier erfolgte
die Ausftossung des Eies. Dasselbe wurde von dem be^
handelnden Arzt in schwachen Weingeist gelegt und mir
obersandt Nach zwei Tagen kam es in meine HSnde und
ZBT Unteraachung.
Das von der Decidua bekleidete Ei ist (unter Wasser
gemessra) 3'' breit, 4" lang, ly/ tief. Die Deetdua zeigt
an der dem Orif. uteri ent^rechenden Stelle einen Defect,
der die Fingerspitze aufnimmt. Sie besteht aus zwei ver*
schiedenen Schichten, einer äusseren V4"' dicken, hellen,
zahlreich durchlöcherten Schicht, welche der Vera entspricht,
tmd darunter einer vielfach mit Coagulis durchsetzten Reflexa,
welchi; 2 — 4"' dick ist und an ihrer Innenfläche gegen das
Chorion bin vorspringende halbnussgrosse Buckel trägt. Die
hmenflSche dieser Reflexa gewährte ein ganz ähnliches Bild,
wie es von Virchoto und neuerdings von Stras9mann (diese
Zeitschr., Bd. XIX., S. 4) als Hyperplasie der Decidua he*
schrieben worden ist, aber die durchschnittenen kugeligen
Vortreibungen zeigten weder zahlreiche Gefösse, noch von
dem gewöhnlichen Vorkommen abweichende Zellen. Die
mikroskopische Untersuchung wies in der Reflexa Gefasse nach,
in der dönnen Lamelle der Vera, welche dem Ei anhaftend
geblieben war, Hessen sich solche nicht auffinden.
ich schälte unter Wasser die Decidua von dem Cborion
los. Obwohl die Verbindung beider Hfiute nur durch ganz
vereinzelte €horionzotten vermittelt wurde, so war doch BSk
diesen Steilen die Adhärenz so fest, dass es nicht gelang,
das Chorion in seiner ganzen Ausdehnung unversehrt zu er-
halten, sondern unter der Präparation der schwarzbraune
blutige Inhalt der Eiböhle theilweise ausfloss. Das Amnion
zeigte sich fest mit dem Chorion verbunden, so fest, dass
mit der Verietzung des Letzteren zu^eich die Khölile er-
Mhet war. Die Chorionzotten sind sehr sparsam und derb,
die ganze änssere Fläche des Chorions rauh und mit zahl*
rndien kadiraliMniBgen gelblich gefilmten Erhebungen besetzt
44 n. Ihfkm, UnterncbmigeB tob Abortlyei«rn
Mit der Pinoelle gelingt es nicht, das Amnion von dem Chorioo
»Jizitziehefi. Macht man einen feinen Querschnitt durch die
Membran, so kann man bei mikroskopischer Betrachtung die
bisweilen auf leichten Druck gegen das Deckglas erfolgende
Trennung des Amnions von dem Chorion beobachten. IUI
dem Amnion vereint, zeigt das Cborion drei Schichten, eine
innere stnicturlose mit zahhreichen Körnchen besetzte, die dem
ereteren entspricht, eine mittlere, die Kndegewebsfasern ent-
hält und dann nach den Zotten hin gewandt eine dicke starke
pigmentirte, Zellen und Körnchen haltige Schicht Gefasse
sind weder im Chorion, noch in den Zotten zu entdecken.
Nach völliger Eröffnung der Eihöhle fiel neben einem
kleinen, an kurzem Nabelstrang befestigten Embryo eine gelb-
liche, käsige, sich weich anfühlende Masse in die Augen,
die an verschiedenen Stellen der Eihöhle zu erbsengrossen
Conglomeraten zusammengeballt frei beweglich lag. Diese
Substanz erwies sich als in Aether unlöslich und gab mikros-
kopisch das Bild von körnigem, mit einzelnen Schleirokörperdieu
untermischten Detritus, konnte sonach weder auf stattgehabten
Erguss des Inhalts der Dotlerblase bezogen, noch als zer-
fallenes Fibrin gedeutet werden. Die weitere PrQfung ergab,
dass diese zahlreich in der Eihöhle vorhandenen StQckchen
aus Eiweissstoffen zusammengesetzt waren.
Der Embryo misst S'^ Lange und ist an einem ver-
haltnissmässig derben, undurchsichtigen, fast 1*^ langen Nabel-
Strang befestigt, er ist nach der Bauchseite zu gekrümmt und
diese Krümmiing in der Nacken- und imteren Rumpfgegend
am ausgesprochensten. Fig. 20 und 21 zeigen den Embryo
unter der Loupe betrachtet An dem kleinen Kopfe ist die
Anlage des Auges ersichtlich. Der vordere Theil des Hirns
scheint verkümmert In der Nackengegend deutet eine seichte
Vertiefung auf die Anlage des vierten Ventrikels. Aus der
Mitte des Truncus tritt rechts ein runder (a), links ein zwei-
getheilter (b) Wulst hervor. Welcher späteren Bildung derselbe
entspricht geht aus seiner Form und Lage nicht hervor (etwa
deforme Rudimente der Extremitäten?) An der voiMiereD Hals-
gegend spannt sich, namentlich rechts, die äussere Umhüllung
des Embryos über eine Einbuchtung seines Körpers hinweg
(c), so dii^ zwischen beiden eine durchscheinende Lücke
hUkL — DoUerbhse oder AHaotofe liesseo sich in d«r Eiwand
oicbl attfBnden.
Die enorme KleiDheit des Embryos im Vergleicb 2u dem
Umfang der Eibüllen ist sehr aufiUltg, Es ist eine lüngat
Mannte Thalsaehe, dass einzelne Eitheile fertwaobsen liönnen,
wihread andere in der EJntwickelung zurAckbleiben. Der vor-
liegende Fall ist ein schlagendes Beispiel dafür. Die Fig. 22
diene dazo, Aes Missverhälloiss zwischen der Grösse des
Embryos ond der' Peripherie des Eies näher zu veranschau-
liehen.
* Es ist mir wahrscheinlich, dass in den an der Deeidoa
reflexa vorfindlichen Veränderungen der Ausgangspunkt der
Torliegenden Bildung zu suchen sei. Die zahlreidie Durch-
setzung derselben mit Goagulis, welche zu ausgebreiteter Ver-
dickung ihrer Masse geführt hatte, musste die Ernährung dm*
inneren Eitheile beeinträchtigen. Schon an dem Chorion
sehen wir diesen störenden Einfluss in der Vereinzelung ond
Schrumpfung der Zotten ausgesprochen. Die Tunica inter-
media ist geschwunden, das Amnion dem Ghorion fest ad->
häreui, der flössige Inhalt der Eihöhle verändert — Dass
unter diesen Umstanden auch der Embryo in seiner Ent-
wiekelniig aufgehalten wurde, kann nicht befremden.
Schätzt man nach der Grösse der Eibüllen die Zeitdauer
der Schwangerschaft ab, so wird man nicht unter das Ende
des zweiten bis Anfang des dritten Monats zurückgreifen
können, wie dies auch mit der Angabe der Schwangeren
übereinstimmt; der Fruchtkörper dagegen zeigt ein Ent-
wickeiungsalter, das nicht bis über die dritte, höchstens vierte
Wocbe vorgerückt sein kann.
Beobachtung VII.
Ei von fünf- bis sechswöchentlichem Alter. Be-
ginnende Hydatidenentartung der Chorionzotten«
(Pig. 23 — 28.)
Fran N. hat drei Mal geboren und, da sie gewöhnlieh
nur alle 6—8 V^ochen und dann sehr reichlich menstruirte,
wahrscheinlich öfter abortirt. Ende Juli d. J. glaubte sie
sich im (bitten Monate schwanger, ids sie, angebikh nach
einem Sdireck, Wehen bekam. Der Bhitabg»ng war be*
deutend ubd der berbeigerufeae Arte fand die Palkntia oi
ausgesprochenen Zeichen der Anämie. Am 22. Juli erfoigfce
die AasslosBung des Eies bei äusserlioh auf den Uterus durch
den Arzt ausgeübtem Druck.
Noch anl gleichen Tage erhielt ich das von der Decidua
umhüUte EL Seine Hehle war 4urch einen kleincfn Einscfaniit
eröffnet worden und das Fruchtwasser abgeflossen. Es hatte
sieh bei diesenl Einschnitte in der Eibohle ein defecter voa
der Nabelschnur abgerissener Fruchtkörpef gezeigt, ander-
weitige feste Partikelchen sollen indess nach Versicherung
des behandelnden CoUegen in der Eiflüasigkeit nicht auffind-
bar gewesen sein. In Wasser gelegt, maass die güösste Breite
des Eies 1%", die Länge 2" 10'".
Die Decidua ist an ihrem breiteren Ende mit Coagulis
dnrchBetst und hier 2*" dick, unten misst sie 1 — IVa'"* 'br
Gcfuge ist sehr locker. Die Refiexa lässt sich noch sehr
leicht ?on der Vera trennen. Von der letzteren haftet eine
massig dönne Lamelle dem Ei an. In beiden Deciduen sind
Gefasse, zahlreicher indess in der Reflexa. Die spindelförmigen
Zellen, welche die Vera zusammensetzen, haben sich an ver-
schiedenen Stellen zu Reihen neben einander gelagert
Das €horion trägt in % seines -Urafanges gedrängt
stehende Zotten. Zwischen Chorion und Amnion findet sich
oben eine 2'" dicke Schicht von coagulirtem Blute. An einer
Stelle hat das Blut das Amnion perforirt und ein Coagulum
von der Grösse eines Pflaumenkemes hängt hier durch den
gebildeten Riss in die Eihöhle hinein.
Von den Gborionzotten haben sieh einige stellenweise
blutig imbibirt und kolbig aufgetrieben. In Folge davon ge^
währte das frische Präparat dieser Stellen ein zierliches Bild
gleichsam eines rothe Beeren tragenden Strauches. Fig. 23
giebt die* Umrisse desselben, wie es nach dem fKschen Prä-*
parate entworfen wurde (Vergr. 72); an den schattirten Stellen
fand sich die blutige Färbung. — Die genauere Untersuchung
dieses Chorions konnte ich erst vornehmen, iKichdem es fünf
Wochen lang in Weingeist aufbewahrt war. Sehr aufiallig war
mir dabei die an manchen Zotten wahrnehmbare Schrumpfungi
Es betrjfit diese Schrumpfung nur die äussere Zottensehiebt.
während de^r Bindegewebsstock gerade und uoverkörzt die
r
nai fTtlker«s-8«hwftii|^noh«fbiin«MlaD. 42
IMB ^Brekeetet (s. Fig. 24, Vergr. 176). Aa di«ien g^-
sefarampTlen, wit Querrumieln Teraehonen Stdten ist die
Zottenwand meist doppelt contourirt (Fig. 24, ua) und
iwiBchen diesen Contooreii stärkere PigidentiruDg l)eiiierfcb«r.
Mes Verhalteo liess nüch Anlaiigs ▼ermutii^n, d$M die^e
Doppeleontmiren an die Waod gedrängten Geßssen ept*
sprächen, tu» so mehr, da von denselben aii9 eioxeJne Strä9gp
iD das Innere der Zotte zu Yerianfen sckitmeil (s, Fig* 24, &)»
doch gelang es nicht mit Sicherheit in den verdieiollichen Ge-
Asswäaden Kerne zu entdecken und femer rotisete die wand-^
ständige Lage aufläUig bleiben. Nach längeren üntersvchungeu
gewann ich ein Präparat, welches den eigenibdmlichen Befund
ntiärt. fai Fig. 25 (Vergr. 100) gewahrt man bei a da«
kolbig auigetnelM'ne Ende einer gra^aeren Zoite, OMigeben
Ton einer hyalinen Scheibe. Das Epithel ist hier auf dei*
Zotte eriialten, die Zellen indess klein. An der Basis diesef
Auftreibung liegt eine gefaltete, stark p^raentirte, den Stiel
ketchartig umgebende Membran b^ unterhalb dieaer folgt der
säiMB Epithels entblösste Zottenstiel c (welcher des Raumes
wegen nur halb so lang gezeichnet ist, als ibn das Mikroskop
zeigte). Demnach "wird es. sehr wahrscheinlich, dasa die
Epithelscbicht sich vom Zoltenstiel infolge der Sprung der
Auaaenwände bei der oben entstehenden Anftreibung abgelöst
hat und in die Höhe gezerrt ist. Bei stärkei*er Vergrösserung
liessen sich auch in der That in der Masse b stellenwäse
die einzelnen zu zusammenhängender Hembnm mit einander
fferbnndenen Zellen erkennen. Ebenso verhält es sich mi^
der cylindriscben Anschwellung c, nur mit dem Unterschiede,
dass sich hier auch an der aufgetriebenen Stelle selbst der
Epitheläberzug abgelöst hat. Ob sich diese stellenweise
Zwächstreifung und Faltung des Epithels erst nach der
Anfbewabniog in -Weingeist entwickelt hat oder am frischen
Präparate, von welchem ich nur einige Stellen untersuchte,
von mir übersehen worden ist, wage ich nicht, mit Sicherheit
zu entscheiden, doch ist mir das Letztere viel wahrscfaein«-
licher, denn es ist nicht anzunehmen, dass die aufgetriebenen
Zottenatellen im Weingeist noch grössere Aufti*eibuog erfahren
haben, als vorhin, wie dies aucb der Vergleich mit der von
frisdien Präparate angefertigten Zeichnung darthut, und ebenso
48 11- XMr», IMifinobwif*» vqb AlMirtiv*iern
w«Big kal eine Sdummpfting der ZoUoi . im Wewgeist atall*
geftmden, wie die an den kolbigen Steilen vorfindtidien Con-
touren beweisen. Aus diesem Verbalten ergielit sich, dase
die beginnende Hydatidenbildung, mit weicher wir es hier
in thun haben, nicht in der £pitbelscbicht» sondern unterhalb
derselben ihren Ausgangspunkt nahm. Allerdings rouss es
auffallen, dass sich das Epithel hier gleich einer elastischen
Membran zu cohüiwten Falten zusammengelegt hat, wenn es
auch bekannt ist, dass das Epithel sich biswdlen in zusammen-
biingenden Massen wie ein Handschubfinger vom Zotteostock
abhebt, aber der sichere Beweis, dass die kelcbartigen Falten
in unserem Falle wirklich ans Epithel bestanden oder mindestens
dasselbe mit enthielten, liegt darin, dass überall, wo sich diese
kelchartigen Falten unt^ dem Mikroskope zeigten, in einem
anstossenden Zottentheile das Epithel fehlte, und dass in den
Falten selbst, wenngleich vereinzelt, sich Zellencontouren nach-
weisen liessen. — Gefasse habe ich in den Zotten nirgends
entdecken können. Ebenso erwies sich das Chorion als ge*
fässlos. Es besteht dasselbe aus zwei Schichten, einer inneren
iaserigen Bindegewebsschicht und einer äusseren stark pig-
menttrten kömig zeHigen Lage. Das Amnion bietet nichts
Besonderes.
In die Eihöhle hinein ragt ein AV^ langer, l" dicker
Nabelstrang, welcher in seinem Innern Gefissstränge durch-
scheinen ttssL An semem Fötalende hängt ein kleines Stock
der aus dem Embryo herausgerissenen Bauebdecken. IVt'*
von der Nabelschnurinsertion entfernt liegt unter dem Amnion
ein l*^ grosses, rundes helles BUschen, das am frischen Prä-
parate mit wasserheller Flüssigkeit erfüllt war, bei der Los-
schihing der Eihäute von der Decidua indess leider einen
Einriss erhidt Es kann dies Bläschen nidits anderes sein,
als die Allantois. In der entgegengesetzten Bichtung vom
Nabelstrange aus liegt die Dotterblase, X^^^ breit, l^a'^ l<uiSt
ihre Bänder sind |[eschrumpft, ihre Farbe gelbgrau, der
kömige Inhalt flottirt bei Bewegungen, obwohl das Bläschen
anstatt der kugeligen Form bereits eine mehr abgeflachte
angenommen hat. Die Entfernung des Dottei*bläschens von der
Insertion des Nabelstrangs beträgt ll'^ und lässt sich daliin
IM9 filllMrea S«hw«Bfenebftftsmoiia4eii. 49
•ckBMkr wmtlidier» bei sebwacherVergrtflfleriBig Kftraclmi
sldleDweis unterbrochemr Strang yerfolgen.
Der vom und unten defecte Embryo misst S'* Länge
(k Fig. 86 — 28, vergrössert). Die beiden Seiten des 6e-
achtes sind Terschieden weit entwickelt Während liokerseits
(F%. 27) der sebwane Reif nm das Auge noeb nicht toU-
stlndig geschlossen erscheint, sondern innen und unten das
Rettduom der Eänstölpung des Glasiiörpers erkemitKdi ge-
blieben, ist recht^rseits nichts mehr davon su erMicken. Der
Tbefl o entspridit der Lage nach dem Oberkiefer^, u dem
Dttterkieferfortsatz, beide scheinen linkerseits defect, recbter-
•eits durch den in der Mitte belegenen rauben Wulst a, in
weidiem die Zunge und Belegmasse zu suchen sind, aus der
normalen Lage gedrängt. Bei h Schemen Rudimente eines
Habbogens. Ton der Anlage des Ohres findet sich keine
Spur. Die obere Extremität h erscheint rechterseits bereits
gebogen, ist hier indess bei e eine abnorme Adhärenz ein-
gegangen. Die untere Extremität ist neben den umliegenden
Theilen rerloren gegangen. Der Schlauch d entspricht einem
DarmstQcke. Die Betrachtung von vorn (Fig. 28) ergitbt für
die GesichtsbHdang keinen näheren Aufschluss. Bei e treten
ans der Stirn zwei kleine bläschenförmige, weisslicbe Hörnchen
henror (auch Fig. 26, e), deren Deutung mir dunkel ist.
Bei / wird das Herz, bei g die Leber zu suchen sein. Ueber
der letzteren wird die Aberziehende Haut defect.
Die Entwickdnng der Frudit wird bis zum Ende der
Unfteo Woche vorgeschritten sein. Wovon die vorgefundenen
Anomalien des Eies abzuleiten, ob etwa von der Erkrankung
eines Tbrils der Chorionzotten, ist nicht zu entscheiden. So-
viel steht fest, dass bereits längere Zeit, bevor die Geburt
erfolgte, beträchtliche EmährungsstArungen der Frucht statt-
gefunden hatten. Vielleicht ist die Abreissung der Frucht
vom Nabelstrange erst unter der Geburt erfolgt, nachdem be-
reits frfiher der Znsammenhang der Bauchdecken gelockert
war. Bemerkenswerth ist auch in diesem Falle wieder, dass
ein Theil des Fruehtk6r|)ers in der EMüssigkeit zerflossen
war, ohne (nach den zuverlässigen Angaben des behandelnden
Arztes) Spuren zu hinterlassen.
lfMiatM6lir.f.G6bBrt«k. 1S6S. Bd. XXT., Hft. 1. 4
so II. Dbhrfit Unteriiiichmigeii tob Abortivetern
AnoDialieD der N a Im*! schau r.
Beobachtung VIII. — XIIL
(S. Fig. 29 and 30).
Fig. 29 «iebt das Kid eines Emlnryos, der, 1 " 5"' lang,
nach der EnlwicbeiiMig seiner einzelnen Theile aur T\mn bis
aebnwöchenütebes Alter zu schätzen ist. Der 1%" messeode
NnbelMrang ieigt an verschiedenen Sietien seines Verlaufes
Einschnürungen, am ausgeprägtesten bei a (s. Fig. 30, unter
der Loupe gezeichnet) am FöLaiende. Die Anzahl der Win*
dungen beträgt 1^, ^dief9|^e^|N(^laureu von oben rechts nach
links unte0 uird' reie^eQ^^l^i^^ die Placentariasertion.
Nach dem {Hace^i^ren AbschniU^b^ verdünnt sich der Nabel-
strang S0, dasi: 0r)st^e|f^|
Am Nabelende folgt auf die SleWe eine beträcbtüche An-
Schwellung JkC;wM£a^^^^ Verlaufe des Stranges
lüsst sich luf^lilT nte4nn ^Itfr verengten Stellen eine An-
schwellung folgend bemerken. Der linke Unterschenkel ist
mit der Anschwellung b durch einen ligamenUlsen Strang
verbunden und es hat sich am Unterschenkel eine beträchl*
tiche Schnurfurche gebildeL — Die vorhandeoe Torston der
Nabelschnur ist in diesem Falle evident.
Beobaclitung IX.
(S. Fig. 31 nnd aS).
Dies Eä wurde mir, in Weingeist aufbewahrt, ohne nähere
Angabe der Art seiner Ausstossung zugestellt. Es ist utth
btöllt von der Decidua, welche nur in der Nähe des unteren
Endes etwas defect ist und misst in dieser UmhäUuag 27«''
Länge, 2" Breite. Die '4 — T" dicke Decidua vera lässt sicli
leicht von der Reflexa abziehen. Sie enthält deutliche G«-
fiisse, wenngleich nicht so zahlreich, als die IV^ — 2"' didie
Refiexa. Das Ghorion trägt sparsame * do<!h fest an der De-
cidua anhaftende Zollen und liess' sich auch entfenit von dem
Ort der bereits deutlichen Plaeentaranlage nur schwer abziehen;
Amnioa und Chorion liegen so fest einander an, dass sie
sMi mit der Pincette nicht trennen lassen. Die Eihdhie ist
mit braunroth gefärbtem Detritus derart angefüllt, dass der
Embryo unbeweglich in dt^nsolhcn eingflieltol liegt. (Diese
aofl ffük«reB SehwaagersebAfttmottitMi. . , 51.
Msisa wurde weder durch Kali noeh diircli Seien
4ve, aucb Dkbt io der Eütae» geiößt, quiüt in Eaeigi&nre
ni und hiesleht oiikroekopiach aus feinem kömigem Deiritua
mit eiozelnen Zellenhaufcben unlermiaebt.) Nach Entfenumg
das Deiritua wurde die wellig unebeae iooere Eiwaud ersiebt*
Kek Eio 1" langer Embryo ist an 8"' langem Nabektrange
ia d«r EihöUe befestigt. An der PlacentartDaertion dea Nabel«-
sbraoga ist die Siwand betracbtlieb verdicki und es treibt hier,
ain über, nuaagroeaer Buckel, das Amnion gegen die EihöUe
hin vor.
. Die Frucht, welebe eine ca. aohtwöcbeolliche Entwickeluog
leigt, isi regelmässig gebildet. Der Nabelstrang trägt Win^
düngen und scheint mit seiner Scheide um die Axe gedreht.
Am Placentarende beträchtlich angeschwollen, verdünnt er
sich stark gegen das Nabelende. Fig. 32 zeigt den Nabel-
slraagi belrächtlich vargrdssert, a ist das Fötal-, b das
PteixsBtarende, bei o finden sich zwei Kyaten. Der Gefissverlauf
innerhalb des Stranges läast sieh nicht erkennen, da die
Nabelechnuraebeide . ihre Transparenz verloren hat. Unleilialb
der Piaceatarinsertion findet sich ein beträchtliches Blutr
e&travaeaL Die Eiwand hat hier dadurch eine Verdickung
bis auf 1" erfahren. Die Piacentarzolten sind unter dem
Ezlravasat aeitUch nach abwärts gedrängt und überall so von
Bzlffavaaat umbölll, dass es schwer gelingt, sie finzefai und
völlig fipei zur mikroskopisohen Anschauung zu bringen. Ihre
Pona Ueftet nidils Besonderes. Ge&sse sind in einzelnen
dentlkk zn eritennen, Zeichen von VerCattung oder Pigmen«
tinng nicht zu bemerken.
Ob im vorliegenden Falle Torsion der Nabelschnur alar
Todesursache der Frucht zu betrachten sei, laasi sich an*^
zveiieln. Die Form des Nabelstrangs, das Veriiandensein
zweier Kysten unter seiner Scheide, das Bluteitravasat unter-
halb der Piacenlarinsertion, sowie der Umstand, daas bei so
Uhzeitigem Alier der Frucht sich hier schon deutüeh aus*
gaaK^>cliene Windungen zeigen, könnte für eine abnorme und
zvar durch passive. Fniobtbewegungen hervorgebrachte Azen-
ih^ung des Nabelstrangs angeführt werden; aber es fehlt
liier die Anschwellung der Nabelschnur unmittelbar neben
der. engeren Stelle, und diese ist eine der gewöhnlichsten.
4*
52 II- DoAMiy Uiit«rftaeli«ifea tob AbortiT^lern
Begieitendieinungeii der Stenose. Als Effect der beUadtrleB
GirenlatioD pflegt sie sieh mit ziemtieber CoDStanz an dem
ymt der Stenoee placentarwirts belegenen Abadmitt au est*
wickehi. Man kann sich zwar vorstellen, dass da, wo die
AxendrdiQng derNabelscfamir eine plötzliche und heftige war,
die Circiiletion rasch stocken kann und der Tod eintreten,
bevor die charakteristische Dilatation der Vene sich aus-
gebildet^ doch llsst sich das in unserem Falle, wenn auch
die Zeichen der Atrophie an den Placentarzotten fehlen und
das Blutextravasal Qber der Piacenta die Circulation dieses
Organs stark beeintrScbtigen musste, nicht mit Steherlieit
hinstellen.
Beobachtung X.
(Fig. 38—86.)
Diese Fracht war in einer Sammlung als mit Hemia
umbilicalis behaftet aufgetthrt Sie zeigt bei einer LSnge
von l'' ö''' die gleiche Entwickelang wie die vorhergehende.
Die ExIremitUen sind am Tmncus in abnormer Weise adhSrent.
Oberarm und Vorderarm sind durch eine feine hyaline
Membran, wdche sich bei Versuchen den Arm absabebea,
anspannt, an den Thorax angezogen. In gleicher Weise ist
die untere Extremität bis zum Knie an den Truncus an-
geheftet Die Nabelschnur ist 10 V«^' lang, recbtsge wunden.
Am Nabelringe findet sich eine zwar kurze, doch sehr betrdcbt-
lidie Stenose, neben dieser eine Kyste von 2V^ DurefamesaerJ)
Auch im- weiteren Verlaufe zeigt der Nabelstrang Verdönnongen,
am placentaren Abschnitte bis auf V»*^. Die Anzahl der
Windungen betrSgt neun, die Placentarinsertion erscheint
hervofgezenrt
Dass die Anschwellung am Nabelende durch eine Rysle
und nicht durch hen'orgetretene Eingeweide bedingt ist, er-
giebt sich aus der Stenose an der Nabelinsertion und an den
sonst am Nabelstrange vorhandenen Zeichen der Torsion. In
den meisten Fälen wird die Unterscheidung beider Zusttede
leicht sein. Gewöhnlich ist bei diesem Fruchtalter der NdMit*
1) üeber das Vorkommen tod Kysten neben Nabelschnur«
toreion cf. Wedl, Grnndsfige der pathol. HiKtolog^e. W!en 1864.
früheren SohwangertchMfUmonaten. 53
•
slnog transparent und beb&U dieae Transparenz, wenn er
passend aufbewahrt wird, lange bei, auch die Form der An-
schweUuBg giebt nicht selten für die Unterscheidung Anhalt
Rg» 35 aeigt eine solche, der ¥orliegenden fast gleichaltrige
Fracht, bei welcher die Darmsefahnge sieb noch nicht aus der
Nabelschnur xurückgezogen baft. Hier ist die Nabelschnur
dB ihrem Fötalende breit und die Umrisse der Darmscbliqge
leichnen sich khr durch die Nabelstrangscheide ab«
Beobachtung XI.
(S. Fig. 36.)
Dieses Ei, von dessen Ausstossung mir nichts bekannt
wurde, enthält einen t nach Yorgenoromener Streckung 2^^"
langen Embryo, dessen Geschlecht noch nicht deutlich, das
AMer auf den Airfiuig des dritten Monats zu schitien.ist Die
Fracht halt die Extremitäten angezogen, der Kopf ist seidich
gedreht. Die iV^" l^iMt^ siebzehnmal linksgewundene Nabelr
schnür liegt zwischen beiden Beinen eingeklemmt, ohne indess
hier Spuren von Druck hinterlassen zu haben und umwindet
dann das rechte Handgelenk, wo sich eine Schnörfurübe ge«-
bildei bat Dann folgt eine 4^^ lange, etwas YerdQnnte Stelle «
und daneben eine Anschwellung i* Im weiteren Verlaufe
das Stranges sind keine EinschnCkrungen zu bemerken. Die
Placentarinserüon erscheint etwas berrorgezerrt, lang gedehnt«
der Anmionuberzug ist von der Placenta in grosser Aus*
dehnmg abgehoben, unter demselben ein Bhitextra?asat An
Plaeentarsotten und Decidua nichts Besonderes.
Ob die Verdünnung a durch Torsion die Girculation so
weil beeinträchtigt hat, dass der Tod der Frucht erfolgte,
erscheint fraglich, weil in eben dieser Strecke sich keine
Windungen finden, doch lässt sieh eine dort stattgehabte
BeUndening der Girculation aus der daneben befindlichen
Aaachwellnng Tennutben. Dass eine vermehrte Axendrehung
der Schnur stattgefunden, ist bei der für dies Fruchtalter
grossen Windungszahl, der Fonn der Placentarinsertion und
dem hier vorfindlichen Bhileztravasat wahrscheinlich. In Ver*
bindung mit der Gompression des Stranges durch die Um-
aehnOrnng des Handgetonka trugen vielleicht diese sämoitlicben
Momente zum Tode der Frucht bei.
54 n. Dohm, Uotersnehangen Ton AborUreiern
Beobachtung XII.
(8. PIg. 87.)
Die Frucht ist mSnnlich, 2" W hmg, drei Monate alt,
die Extremitäten sind lang und mager. Die Nabelschnur misst
8"^ 7'*, sie umwindet den Bauch, indem sie vom Nabel aus
nach rechts verläuft und macht, bis sie wieder am rechten
Oberschenkel angelangt ist, acht Windungen von links nach
unten rechts. Diese sind bis auf 2*^ Breite platt gedrückt
und der Nabelstrang hat eine beträchtliche Schnurfurche,
namentlich am RQcken zurückgelassen. Vom rechten Ober-
schenkel an beginnen Tünf Windungen in entgegengesetzter
Richtung, die dicht gedrängt stehen und wobei sk^b der Strang
auf Vt'^ verdünnt (s. Fig. a—b), dann folgt eine viermal
rechtagewundene AnschweHung und endiieh das in gleichem
Sinne gedrehte, bis auf V«'^ verdünnte Plaeentarende. Die
Gesamnitzahl der Windungen beträgt 19. Die Placenta ist
Dtcbt erhalten, nur das Amnion vorhanden.
Der Umstand, dass die Nabelschnur in dreifach ver-
schiedenem Sinne gewunden ist und dass die ilhif Ifiotropiscben
Windungen gerade an der Stelle ihren Anfang nehmen, wo
die Nabelschnur zwischen Oberschenkel und Bauch fixirt ist,
weist darauf hin, die letzteren von Axendrehungen der Frucht
abhängig zu machen. Wahrscheinlich war der ganze Strang
ursprünglich rechCsgewonden. Nachdem die Umschlingung
um den Bauch erfolgt war, rotirCe dann die Frucht und eine
den Bauch von rechts nach links schneidende Horizontalaxe.
Die Folge dieser Bewegung waren die fünf läoiropischen
Windungen a—b. Dass bei dieser Bewegung der Strang in
entgegengesetzter Richtung gedreht und nicht vielmehr die
Windungen a — o dabei aufgedreht wurden, mag aufllllig er*
scheinen. Der Grund dieses Verhaltens muss in einer ab-
normen Festigkeit der Windungen o — e gesudit werden, und
die Verdünnung des Stranges am Plaeentarende in Verbradung
Ait den hier noch ausgesprochenen Windungen beweist es, dass
hier eine stnrk drehende Kraft eingewirkt hatte. Das« unter
der Axendrehung der Frucht eine Behinderung der Gkreolation
eingetreten, geht einerseits aus der wahrnehmbaren Ver*
dümiuBg, andererseits aus der placentarwärls von o belegenen
Anschwellung hervor.
MM frilberen Scliwaiigersehsflsnioiiateii. 56
BeobacliteiDg XIII.
(8. Fig. 38—40.)
Eioe Multipara, die früher regelmässig menstruirt und
iDebrmals kurz hinter einander geboren hatte, verspürte im
Frühjahre d. J., sechs Jahre nach der zuletzt stattgehabten
GehurL. die Zeichen neu eingetretener Schwangerschaft. Die
Menses waren zuletzt am 22. Januar erschienen und ihr Aus-
bleibi*!! von demselben Uebelbefindeu begleitet, wie es sich
in den fi-üheren Schwangerschaften während des ganzen Ver-
laufs gezeigt hatte. Mit Rücksicht auf ihren Zustand enthielt
die Schwangere sich aller körperlichen Anstrengungen, im
Anfange des ersten Monats hatte sie noch einer Tanzgesell-
Schaft beigewohnt; als das Ausbleiben der Menses die Ver-
oiuthung eiogetretener Schwangerschaft bestätigte , vermied
sie sorgsam jede stärkere anhaltende Bewegung. Im Anfange
Mai trat ohne nachweisbare Ursache eine Verändenmg im
Befinden ein, es verschwanden die bisherigen Erscheinungen
und es wurde keine weitere Volumszunahme des Leibes be-
merkt. Am 26. Mai erfolgte Abgang klarer massiger Flüssig-
keit aus den Geschlechtstheilen, am 29. ein nicht unbeträcht-
licher Biutabgang und am 31. die Ausstossung einer kleinen
Frucht. Dieselbe blieb von Manipulationen verschont und
wurde mir zur Untersuchung zugestellt.
Die Decidua hat sich bei Ausstossung des Eies bis zum
Placentarende zurückgestülpt, so dass das Chorion von ihr
nicht verdeckt wird. Es wurde zunächst dieses eröffnet und
dadurch die graubraun verfärbte gallertige Tunica media,
sleilenweis bis 4^^' dick, freigelegt. Die gleiche Färbung halte
das in der prallen Amnionhöhle enthaltene, gegen 2 Unzen
betragende Fruchtwasser.')
2) Diese FSrbnng des Fruchtwassers habe ich wiederholt bei
nnxeitig geborenen Frachten beobachtet. Das Mikroskop wies
grflDbrftanliehe, theilweise an kleinen Haufen agglomerirte Körnchen
in der Plfissig|[e{t nach. Bei Coagulation des Eiweisies durcli
Kochen unter EssigMuresasats adhürirte der Farbstoff den Coagulis
ToHstllndig, B9 da«s das Fihrat klar blieb. Es wnrde dann mit
Alkohol «ztrahirt nnd die Untersuchung auf Gallen farbstoff an-:
goatoUi. Das Besaltat war ein negatives, im vorliegenden Falle
sowohl, wie bei zwei Früchten ron yiormoiiatlichom AUer« -^
56 II- Doktm^ üatorsaehaageii tob Abortiv«i«ni
Die Frucht zeigte eine dgenlhfimiiehe Haltung (s. Fig. 38).
Beide Beiue sind in die Höhe geschhigeD, der rechte Fuss ist
gegen die Achselhöhle angestemmt, der linke hängt mit sei-
nem Rücken in einer Nabelschnurschlinge. Die Nabelschnur
windet sich um dien Fruchtkörper herum, indem sie oberhalb
des rechten Handgelenks sich zur rechten Achselhöhle und
zum Rücken wendet, von wo aus sie nach der der linken
Fruchtseite zugekehrten Placenta verläuft Aus ihrer Lage
gebracht, haben die Extremitäten grosse Neigung, dieselbe
wieder anzunehmen. Der Nabelstrang zefgt da, wo er den
Extremitäten anliegt, keine Abplattung noch Verdünnung. Die
Länge der Frucht beträgt 4" 1 '"^ vom Scheitel bis zum Nabel
2*" 8^ vom Nabel bis zur Ferse 1" ö**. Die Extremitäten
sind gut gebildet, die Haut durchscheinend, Augliderspalt
getrennt, Genitalien noch nicht deutlich geschieden. Die Nabel*
schnür ist 9^' lang und 85 Mal von oben rechts nach unten
links gewunden, sie verdünnt sich in der Nähe der Placentar-
insertion. Ausserdem zdgen sich an verschiedenen Stellen ihres
Verlaufes Verdünnungen, namentlich gegen die beiden Enden
hin. Die zweite und dritte Spiraltour vom Nabel aus sind
verdickt (s. Fig. 39). Der Amnionüberzug ist an der Pia-
centarinsertion in Form einer 8'" langen bimförmigen Scheide
hervorgezerrt und durch diese lündurcfa sieht man die Gelasse
auch hier noch spiralig gewunden verlaufen (s. Fig. 40). Unter
dem Amnion finden sieb auf der Placenta zwei Blutexlravasate,
ein nussgrosses jüngeres gerade unter der Insertion des Nabel-
Strangs^ ein wallnussgrosses älteres mit verschieden geschich-
teten wandständigen Coagulis weiter seitlich. Die Placenta
zeigt normale Structur; auch unter den Blutextra vasaten hat
das Gewebe keine bemerkenswerthe Compression, die Zotten
keine Veränderung erfahren. — Die Decidua giebt getreu die
Form der Uterinhöhle wieder. Die Breite der dem Fundus
entsprechenden Kante ist 27«', die Länge von oben nach
Zneker habe ieh ebenfalls, bei 'einer ▼ierwSchentlichen, einer
dreimonatlicben nnd swel yiermonatUohen Frfichten Tergebent
im Fraebtwasser gesncbt nnd Icann lonaoh die Angabe to«
Mt^ewM (De snbst. qoae liq. amn. eto. Oorpat 1868), data der
Zneker dem Frnchtwaseer dee menschlichen Fötas fehle , If&r
diese Periode beatfttigen. . .
fHii Mkflren SchwangarsdiaflsiiMmtttdfi. fiff
mten fiMt 4". Iii ihre äusseren Schichten sind zieoriich be«-
iaieode Coaguh eingrimttet, sonst ist das Gewebe normal,
ae ist im unteren Abschnitte 1 — 2"', am Fundus ä^^"' dick.
Die Entwickehing der Frucht lässl darauf schliessen, daes
■e ein Alter bis zum Anfange des vierten Monats erreichte,
es stimmt dies auch mit den Angaben der Schwangeren
AeroD. Ohne Zweifel ist die Frucht bereits einige Zeit vor
der Geburt abgestorben gewesen, denn es würde sonst ihre
Entwickelung weiter vorgeschritten sein, und es liegt nahe,
ihr Absterbet! von Anfang Mai her zu datiren, zu welcher
Zeit die bis dahin bestehenden Schwangerschaflszeichen er-
Jescfaen. Eine Schrumpfung des Eisacks ist in solchen Fällen,
wo die Gebart wenige Wochen nach dem vermeintlichen Tode
der Fracht erfolgte, nicht immer nachweisbar. Der am 26. Mai
stattgeAindene und auf seröse Ansammlung zwischen den Ei*
häuten zurdckzufubrende Wasserabgang leitete die Ausstossung
der Frucht ein.
Das Absterben der Frucht wird durch das Verbalten der
Nabdechmir erklärt Ich möchte weniger Gewicht legen avf
die Compression des Nabelstranges durch die Extremitäten;
i^ire der nacbtheilige Einfluss derselben von Belang gewesen,
so wirde sich entweder eine Verdünnung des Stranges an
deo betreflenden Stellen ausgebildet oder die Nabelschnur
Furchen an den Fötaltheilen, denen sie anlag, hinterlassen
haben. Die Todesorsadie der Frucht sehe Kb in den par-
tiellen Stenosirungen des Nabelstranges. An der Fötalinsertion
tritt der Eüea der behinderten Girculation in der Anschwellung
der zweiten und dritten Spiraltour, welche vornehmlich durch
eine Ausdehnung der Vene bedingt war, zu Tage, an dem
Placentarende deuten die Blutextravasate auf Gefasszeming
oder Behinderung des venösen Rückflusses. Ob die abnorm
proaee Windungszahl einen belangreichen Einfluss auf die
Grculatioo ausübte, lasse ich dahingestellt, denn eine Messung
der Gefösslumina in ihrem ganzen Verlaufe wurde durch ihre
Uefaiheit bdiindert; vielleicbt wurde die grosse Windungszahl
nur insofern verderblich, als sie, gewissermaassen eine Vorstufe
der Torsion, die partiellen Stenosirungen einleitete.
Es sind^ bis jetzt die Fälle nicht zahtareich, in weiohi»i
eioe SCenese des Plaoentarendes der Nabelsobnur beobachtet
t8 ^^* Dphrn, üntenmchnn^ii T»n Ab«lrtiT«ieni
wunic (vergl. meineo Aufsatz dber Tors. d. Nabelsok. Diene
Zeitschrift. Bd. XVIII., H* 2). in unserem Falle war die
Stenose an dieser Stelle deutlicher, als am Nabeiende und
die Gefasae, welche meist in ihrem placentaren Abschnitte
gestreckter verlaufen, erschienen hier sogar noch unter
dem Amnionuberzug dei* Placenla mannichfach um einander
gewunden; ausserdem spricht auch die Verdönnuiig' des
Placentarendes für eine hiex durch vermehrte Drehung staU-
gehahte Compressiou.
Ein besonderes hiteresse gewinnt dieser Fall dadurch,
dass hier die Möglichkeit gegeben war, bei vorhandener
Torsion der Nabelschnur die Räumlichkeiten der Eihöhle all-
zuschätzen, denn die Frage, ob eine abnorm erweiterte oder
abnorm verengte Eihöhle das Zustandekonmien einer Torsion
begänsligte, hat noch keine abscliliessende Beantwortung «er-
fahren. Es ist freilich auch- im vorliegenden Falle möglich,
dass sich die Torsion zu einer Zeit ausbildete, wo das
Volumverhsiltniss zwisdien Fötus und der Eihöhle noch ein
anderes war, als es die geborne Frucht zeigt, so unwahr-
scheinlich auch eine stattgefundene Schrumpfung bei dei*
prallen Beschaflcnheit des Amnionsackes ersdieint Nehmen
wir dies aber auch au, so würde doch bei der seitlichen
Insertion der Placenta und der grossen Lange der Nabel-
schnur die Voraussetzung einer freien Beweglichkeit und
Suspension der Frucht am Nabelsirange unberechtigt, die
Annahme einer durch die Reibung der Eiwandungen nicht
behinderten Rotation der am Boden der Eihöhle übenden Frucht
bedenklich erscheinen. Es ist in hohem Grade wahrschein-
lich, dass schon vor und in di^m dritten Monate sicli abnoi*uie
Drehungen des Nabelstrangs und unter ihi*em Einflüsse das
vorgefundene grössere filtere Placentar^xtravasat ausbildeten,
die tödtlich gewordene Vermehrung derselben aber wird erst im
Anfange des vierten Monats eingetreten sein. Es entbehrt vor
der Hand die Annahme, dass früher ausgebildete Torsionen
der Frucht erst bei weiterem Wachsthume verderblich werden,
eines genügenden Anhalts.
Vielleicht begünstigte im vorliegenden Falle, wie Prot
PafMcm hierselbst diese Vennullumg gegen mich aussprach,
Lage der Frucht am Beden der EMhle die Entatehuag
ans früheren Schwangerschaftsmonateit. 09
emer abnorm grossen Windtingszahl des Nabelstrangs, denn
die Högiichkeit liegt nahe, dass freie Suspension der Frucht
ao der Nabelschnur die Entstehung zahlreicher Windungen
erschwert. In dieser Beziehung wäre es von Interesse, bei
Fällen von Placenta praevia genauer auf die Windungszahl
der Nabelschnur zu achten, worflber meines Wissens keine
Däberen Angaben vorliegen.
Die Gewalt, mit welcher die Nabelschnur um ihre Längs*
axe gedreht wurde, muss beträchtlich gewesen seiu, grösser
jedenfalls, als dass sie durch eigne Muskelaktion des Fötus
hatte bewirkt werden können. An der Placentarinsertion be-
merken wir die taschenarlige Hervorzerrung des Amnionöber-
zuges, wie sie in analoger Weise an der Bauchhau l in der
Nähe des Nabels öfter beobachtet worden ist.
Beobacbtimg XIV.
Amnionhöhle mit Dotterblase und Nabelschnur,
vom Frucbtkörper nur wenige fetzige Ueberreste
vorhanden.
(S. Fig. 41.)
Das vorli^ende Präparat besteht aus der wasserhellen
eingerissenen Amnionbiase, welche Herr Prof. Panutn vor
zwei Jahren ans dem frischen Eie herausgeschält hatte, ohne
in dem Fruchtwasser abgelöste Tlieile des Embryos zu finden.
Von Wasser ausgedehnt misst das Amnion 2" Länge, 1' T^
Breite. Behufs der Zeichnung wurde dasselbe umgestülpt.
Man bemerkt den y langen Nabelstrang mit seiner trans-
parenten Amnionscheide, durch welche Längsslreifen hindurch-
schimmern. An seinem Fötalende hängen kleine gelbliche
Fetzen, die einzigen Ueberreste des Embryonalkörpers. 2^ von
der Nabelstranginsertion entfernt liegt die mit gelblichen
Körnchen gefüllte, 2Va^ lange, V/^"' breite, flache Dolterhlase.
Von dieser bis in den Nabelstrang hinein ist ein dünner weisser
Streifen (Dotlerblasengang) zu verfolgen. So weit sich ohne
Zerstückelung des Präparates erkennen lässt, trägt das Dotter-
bläschen beiderseits einen zarten durchscheinenden Ueberzug.
Mikroskopisch bietet das Amnion das gewöhnliche Verhalten.
00 n. Dokm^ Vni9T$uehnng9n ron AbortiTvieni etc.
Beobachtung XV.
Kleine Eihöhle, der Fruchtkörper zerfallen.
(S. Fig. 42 and 48.)
Das reichlich mit Flocken besetzte Chorion ist zerrissen
und in die Höhe geschlagen. Sein Lingendurchoiesser beträgt
nach der Ausbreitung %". Ein helles lartes Bläschen a sitzt
i^it breiter Basis der Mitte des Chorions auf. In seiner
Höhlung liegen kleine gelbliche unregelmässige Stückchen,
die sich im Laufe der zweijährigen Aufbewahrung aus dem
früher klaren Inhalt niedergeschlagen haben, sonach nicht als
Ueberreste des Fruchtkörpers zu betrachten sind. Von diesem
fehlt vielmehr jede Spur. An der Basis des Bläschens liegt
ausserhalb desselben ein kleines, anscheinend solides, gelbes
Körperchen i, Va'^ breit, Vs'^ '^"(^i ^^^ ^^^ <^i^ geschrumpfte
Dotterblase zu halten sein wird. Ein dahin von irgend einem
Punkt des Bläschens aus verlaufender Strang lässt sich indess
nicht aufGnden. — Die Chorionzollen sind stellenweise au
ihren Enden zu kolbigen Blasen aufgetrieben. Gefasse habe
ich in den Zotten nicht auffinden können. Das Chorion zeigt
(Fig. 43, nach Essigsäurezusatz, Vergr. 295) zwei Schichten,
nach den Zotten hin eine zellige, schmale, pigmentirte Schicht,
daran stossend eine breitere, mit der Länge nach verlaufenden
Kernen, welche nach innen in einen hellen, mit zahlreichen
kMiien Körachen besetzten Saum übergeht, ohne sich indess
deutlich von diesem abzugrenzen.
m. Frmmk$, G«Ml4elit« •Immr I>rUlliig»g«b«H. Q],
m.
Oeachiohte einar DriUingsgeburt.
Von
Dr. Walther Franke,
Priratdoecmt an d«r Unlrertltät Halle.
Praa JT., PabrikarbeitersfraH, ,89 Jabre alt, proas imd
kriftig gebaut, v^riangte am 8. Mai 1861 bei ibr^ acbley
Ifiederkunft meinen BeisUnd. Ihre, fruberen Geborten waren
regelmiaoig Teriaufmi, nur die erste, angeblich wegen Wehen-
scfawicfaey mit Bflire der Zange beendet Immer sind lebende
Kinder gi^oren, nor eins davon in den ersten Monaten an
^Rrimpfen'' gestorben! Die Scbwangerscbafien waren immer
einfaclie, eliensowenig hat die Mutter der Frau oder eine ihrer
iwei Sehwestem Zwilling« lur Welt gebracht. Mitte August
1860 iBi die Frau xum letzten Mal menstruirt gewesen, (die
Schwan^sehaft hal also fast ihr gewöhnliches Ende erreichl),
di« ftindesbewegOBgen wurden aur gewohnten Zeit fühlbar
und bald darauf stellten sich mancherlei Beschwerden ein:
Kunathoiigkeit, Uidiehölffichkeit beim Geben, Unmoglicbkeil
auf den Seifen zu liegen, die Fasse sehwdlen an und
crreidten im neunten Monate eine solche Höhe, dass die
Sdiwangere, wenngleich mit grösstem Widerstreben, genötfaigt
war, ihr Geschift, sie ist eine Hökerin, liegen zu lassen, und
die ganze Familie nor auf den kargen Verdienst des Mannes
angewiesen war. Während der letzten viersehn Tage haben
jene Unbequemlichkeiten etwias nachgelassen, die Frau sas«
wieder mit ihrem Krame anf dem Markte und wurde auch
heute frAh dasdbst durch den Abgang von Fruchtwasser
Abenvschi, da sie ihre Niederkunft erst in 8 — 10 Tagen er*
wartete» Sie eilten so rasch als es ihr Zustand erlaubte, nach
Hause, tmf die nöthigen Vorkehrungen, sclnckte nach der
Hebamme und erwartete jeden Augenblick den Eintritt von
Wehen« Diese lieasen aber bis gegen Mittag auf sich warten,
kaoMn seken, waren too hurzer Dauer, aber von ziemlich
fabhallem Scbmene begleitet, bei und nach jnler flow noch
Fruchtwasser forU So zog sidi der Zustand mehrere Stunden
hin; die Kreissende, ohnehin schon von heftigem Naturell,
durch die früheren Geburten ferwöhnt, wurde ungeduldig
und auch die Hebamme theilte letzleres Gefühl, da sie nicbi
l>egreifen keimte, oder woike-, weshalb BBOh «ekrslündigeni
Abflüsse des Fruchtwassers, bei yolisländig erweitertem Mutter-
munde, die, wenn auch nicht starken Wehen, gar keinen Ein-
fluss auf Vorbewegang des voriiegenden Theils, des Sleisses,
ausübten. So wurde denn einmflthig beschlossen, die Bülfe
eines An|es zu beaübprochnB« . Bei der äusseren Uotersii^hung
fand ich' doi Unterleib ia einer Weise ausgedehnt, wie bi^
dabin und. seitdem zu sehen, mir niobt TeiD&nnl wifft. Dem
das Maximiim. des Umfanges betrag noch jetzt« naol^. 4bfluft4
nicht unbedeutender Mengen Fruehlwassers 12&Cetttimeler» 0er
Unterleib, «ehr in die Beeile awgedelmt» war ohne Thetlungdurcb
eine quer oder schief laufende. Furche; die Haut, weicheneben
vieleo gtänaeoden weissen Narben von den früheren Schwanger*
schalten« sahbreiobe, frische röthlich -braune Streifungen zeigte»
war gieichmässigstraiT gespannt; der Uterus mit seinem, Grunde
ziejutich in der MitteUinie, fast, bis an die Hersgrabe. reichend,
hei Druck etwas empfindlich. Die Palpatiem des UnterJbibet
war bei aolchen Verbtitnissen nkht so zuverlässig, ab sonst«
doch Hessen sich mit ziemUcber Sicberheit nicht zusünmienr
gehörige Kiodestbeile unterscheiden, indem sowohl zu. beide»
Seiten festere Massen durcbfuhlbar waren, auch- im Grunde
der Gebärmutter ein Uirterer Theil, acbeinhar «in Kopf, be-
merkbar war« Kleinere Tbeile lieaaen sieb oben rechts, ober-
halb jenes, von mir fär einen Kopf gebaltenen Tbeiles, welcher,
mehr nach hnka hinöberragle, undunlenJinks erkemei^; Kinde»?
bewwsgnngen ton der Kreissenden ,^m ganien Leibe'* gefahb»
aoeh der aufgefegten Hand sehr deutlich fttilbar«. Die.wieder**
l)oli angestelte Auskuhatien ei^ab Aber de» ganzen Grund
veiibneitetes Uteringerausoh, links unten ond redits, in. der,
H6he des ganz verstricheoen Nabels kindliche Becslönei. Die
weitere Untersuchung zeigte, bei normalen iuaaeren Gc^
seblechMbeilen, die imieren gut zur Gebiwl vorbereitet 9. des
Huttennimd vollständig verstrichen, den Steiss in erster Lsge^
Büebeo naeb vom und.linksi» fast im Baekent deasen Uiiler->
aeohnngt wie zu erwarten, ganz regelmSssige VeilfeMteisse
in. JViifci, €leMW«ht« •MMT Drillihgsgebnrt« ^
mmtd der CHtea als mioh der Form e^ab, siriieiid. Bi#ie.
mkn EjJnaiiVUm mA massig oedBoiaiös gaschwoU^. Dfis
A%e9eiiibeQiideii der Kreisseoden ist uagetrAbi. Die •Wfjtien
fluefaen lang« Paiiseo, sind von kurzer Dauer und in der
Thal ohne wahruehmbare Wirkung auf den voriiegßuden
Tbefl; sie sind aher zjepiilicb sclunerKhafl, der Uterus ivii-d
aucb in den Weheopauseu nicht ganz weich und ist, .wie
bereits erwähnt, etwas empfindlich ' bei Druck. Die Wehen
gehören eotscUeden noch der ersten HäUie der Geburl, der
Zeit der Vorbereitung an, denn es fehlen alle charakteristischeil
Encheimingen für die der Vorbewegung.
Das Vorhandcoseiu einer niehrfaelien Schwangerschaft
konte nach d«>n Resultaten der Untersuchung wohl keineiq
Zweifei uuterlieg/iti. Dafür sprachen , der subjectiven Er-
scheimuigeti nicht zu gedenken, ausser dem grüssei*en UiiifaiÄg^
iks Unterleibes, nanieutiich die M5gUchkeit, nicht zusauiUAeur
leborige Kiadestheile durchfühlen zu können, die verschiedeneq
Herztöne und der Verlauf der Geburt« Eine fthnliche Ver*
ttg^ung des. Gebiirlsherganges bei der Geburt des ersten
Kindes^ bei Abwesenheit von meichaoisclien oder anderen
Ursachea ist durchaus niclit selten und liifft nach meiner
Eriahmog namentlich die erste Hälfte der Geburt , kann abef
in gleiciier Weise aucb die Zeit der Vorbewegung ungewohnt
Mch ferJaogern« Sie findet in der zu grossen Ausdehnung
des Utenia durch die in seiner Höhle behndlicheB ContenU
ttod in der dadurch verhinderten Möglichkeit desselben« auf die
Brweileniog des Muttermundes oder Vorlieweguug des Kindes
zu wirkeii, eine gendgende Erklärung. Hecker hat. iu der
oeoesten Zeit diese InsufiBcienz der Wehenthatigkeit bei der
Geburt des ersten Kindes bei mehrfacher Schwongei*schaft
ab ein Symptom hingestdll, aus dessen Auftreten er einzig
und allein wiederholt eine Wahrscheinlicbkeitsdiagnese steilen
konnte (Klinik der Geburtok. etc., S. 76). Die ResulUle der
äusseren «nd inneren Untersuchung stuumten aber nicht über-
m\ nach jener war zu vernuthen, dass eine Kopflage vor-
saoden seia würde, während diese eine Steisslage ergab. Doch
lind ja Tauschuagen bei jener sehr mögUcb, zumal, wenn wie
in gegebenen Falle, das Durchfühlen von Kindestfaeil^n bei der
Mpation durch die gespannten Bauchdecken und die Einpiiiid*
IkUreit des Uterus nidit begfinstigt wird. So komte aseh
ich mich sehr leicht geirrt haben. War Atr letöleres nicht
der Fall, so konnte man an die Gegenwart eines dritten Kindes
denken, und diese Idee stieg auch in nur auf^ zumal die un^
geheure Ausdehnung des Unterleibes fftr jene Annahme sprach.
Doch da nach Hohl bei Drillingen und Vierüiigen die IM.
nach den HerzschlSged nicht zu bestimmen ist, wie er selbst
es in zwei Fällen erfahren hat und wir nach Seamoni Kr
die Diagnose von Drillingen, Vieriingen etc. kein einziges zu-
veriässiges Zeichen besitzen, begnügte ich mich mit dem Ge-*
danken au die Möglichkeit einer Drillingsschwangersehaft um
so mehr, da ja mein Handeln nicht von der Zahl der in- Uterus
befindlichen Kinder abhangig war oder sein konnte. Der
Kreissenden, die selbst, ich muss sagen, Zwilhnge förchteCe,
verschwieg ich allerdings nicht, da^s diese ihre BefQrßhtttiig
wohl zur Gewissheit werden würde und liess von einer Ver-
wandten noch mehr Kinderzeug herbeischaffen. Activ in das
Geburtsgeschäft einzugreifen, hielt ich durchaus fükr unzulässig,
ich verordnete nur in Rficksidit der Wehenthätigkeit und
Empfindhchkeil des Uterus einige Dosen Borax mit P. Ipe-
cacnanha opiatus. Diese wirkten in günstigster Weise. Die
Wehen verloren an SchmerzhafUgkeit, gewannen an Häufig-
keit und Stärke und in einer Stunde, Nachmittags 4 Uhr,
wurde das Kind in erster Steisslage ohne Beihülfe der Kunst
geboren. Es lebte, war weiblichen Geschlechts, mit den Zeichen
der Reife, 5 Pfund 10 Loth schwer, 48 Centimeter lang;
die Kopfdurchmesser beüugen 3V/, 4V/, 4%^ der Schädel-
umfang 34 €entimeter. Die nun angestellte Untersuchung liess
über die Gegenwart noch zweier Kinder keinen Zweifel auf-
kommen. Die äussere ergab den Umfang des Leibes 110 Conti*
raeter; links seitlich eine festere Slasse, welche als Rücken
angesprochen werden musste, desgleichen rechts, mehr nach
der vorderen als seitlichen Wand des Uterus, und im Grund,
etwas nach links hin, ein harter, voluminöser Theil, der um
so ^sicherer für einen Kopf gehalten wurde, als die wegen
hohen Standes mit halber Hand angestellte innere Unter-
suchung, als vorliegenden Theil mit Sicherheit einen Kopf
erkennen Hess. Jetzt war auch eine von links oben nach
rechts unten laufende Furche schwach augedeutet. Die Herz-
Bl. M¥miÄ6, ^eteMebU einer DriHiiigsi^biire. ^
Um wand noch an dersebeo Stelle wie zuvor, zu Mrea,
ifaick Unke eine Hand breit unter dem Nabel, reolits in
ifer Hfthe desselben. Die Wahrscheinlichkeit sprach also
Mv, dass das dritte Rind sich wieder in einer Beckenendlage
tsr Gebort sielten wfirde. Ich hielt es nun für meine Pfficbt,
die Kreis8c»de ond die Angehörigen von der in Auseicht
liehenden starken Vennebrnng der Familie in Keunlniss zu
sdaen; der Mann schflttelte stumm das Haupt, die Schwester
weinle bkteriieh, und wunderbar genug, die Kreissende, welche
sich Tor Zwillingen gelttrchtet, freute sich auf DrilHnge und
war angstlich besorgt, ob auch alle am Leben sein worden.
(Ne Gdburt des zweiten Kindes erfolgte gleichfalls durch die
Fbtorkrifle allein und zwar 11 Uhr Abends, also sieben
Stunden nadi der Geburt des ersten Kindes, in erster Scheitel*-
bemdage. Audi bei dieser war jene oben aAgefUtt*te Yer^
iflgerong aafflfflig. Nach fAnfstundiger Ruhe begannen gegen
9 Uhr Abends die Wehen von Neuem und traten wieder in
nemlich langen Pausen auf, so dass erst nach 10 Uhr die
Blase sprang und der Kopf, der bis dahin ziemlich hoch
«tehe» geblieben war, nun in das Becken herabtrat und
gegen 10 Uhr zum Durchschneiden kam. Das geborene Kind
Mite, war abermals ein M9dchen, vollständig reif, 10 LoA
idiwerery als seine ältere Schwester, nämlich 5 Pfund 20 Loth;
SOCentimeter hng, die Kopfdurchmesser betrugen SVa» ^Vs» &^
der Scfaftdelumfang 36 Centimeter. Die Nabelschnur wurde mit
blauen Bändchen unterijunden und das Kind durch
Schleifchen gleicher Farbe gekennzeichnet Der Uterus
lag nun mit seinem Fundus bedeutend nach der rechten Seite
hinüber, aber der von mir vorher daselbst iür den Kopf ge*
hdtene Theil war nicht mehr aufzufinden. Viehnehr ergab
die Untersuchung Rücken links, kleine Theile oben rechts,
Herztöne links, kurz und gut alle Zeichen einer ersten Sdieitel-
beinslage. In der That lag auch der Kopf und zwar in erster
Scheilelbenislage vor und war das Hinterhaupt nach der linken
Seite ausgewichen, so dass. die grosse Fontanelle in der
Ptthnmgslinie des Beckens zu fQhlen war.
Idi hatte mich also entweder wiederum geurt, wenn ich
voriwr den Kopf im Grunde zu ftihlen glaubte, und eine
lli|itMthr.f.Oebartek. 1S68. B4. ZZL, Hft 1. 6
TäiMcbung i«t ja hierbei imiQer oiuglich. ^«%2 bat also w<)U
Recht, wenn er von der Unmöglichkeit der Erkennung des
Kopfes bei starken Bauchdecken und Uteruswandungen spricht
und sagt: „Wenn daher Seanzoni in seinem Lehrbucbe
^hauptet, dass eine runde, feste voluminöse Kugel, iro Gebär-
muUergrunde gelagert, keinen Zweifel über die Steisslage
zulässt, so müssen wir unsere Schüler vor dieser Zweifellostg-
koit warnen/' Oder es lag vor der Geburt des zweiten Kindes
das dritte wirklich in einer BeckenendJage und dann musste
eine vollständige Umdrehung desselben stattgefonden haben,
die durch die grosse Beweglichkeit desselben in dem stark
ausgedehnten Uterus ermöglicht und begünstigt worden war.
Dass derartige Lageveränderungen wirklich, und ;Kwar
öfter, vorkommen, als man gewöhnlich anzunehmen geneigt
ist, beweisen *die Mittheilungen Hecker's über diesen Gegen-
stand (a. a. 0. S. 16 — 24),, wo unter anderen ein Fall mit-
getheilt ist, in dem man während der Geburt die vorliegenden
Füsse bequem betastet hatte, das Kind aber dennoch in einer
Kopflage geboren wurde.
Die fehlerhafte Kopfstellung wurde sehr leicht mitteis
Einstellung durch äussere HandgrilTe gehoben, die Blase ge-
sprengt, worauf der Kopf, bei leidlich guten Wehen, im Quer*
durchmesser bis auf die Bodentheile des Beckens trat. Als er
hier einige Zeit stehen blieb ohne die Drehung mit der kleinen
Fontanelle nach vorn zu machen, die Wehen auch an Stärke
verloren, legte ich gegen 1 Uhr Nachts die Zange an und
entwickelte mit drei Tractionen das dritte Kind. Auch dieses
war ein lebendes Mädchen, kleiner und schwächer als seine
Geschwister; es wog 5 Pfund, war. 48 Cenlimeter lang, die Kopf*
durchmesser betrugen 37«, 4« 47,", der Schädelumfang 32 Centi-
meter. Die Nabelschnur wurde mit .einem weissen Bändchen
unterbunden, das Kind durch ein Schleifchen von derselben
Farbe bemerklich gemacht Bald nach der Geburt des dritten
Kindes stellten sich Nachgeburtswehen ein, es erfolgte die
gewöhnliche Blutung und ich schritt, da damals die Crede^sche
Methode noch nicht bekannt war, zur Entfernung der Placenten
in alter Weise. Ich ergrilf zunächst den Nabelstraiig des
ersten Kindes, kenntlich an der gewöhnlichen rotben Ligatur
und da bei leisem Zuge an demselben die Placenta zu folgen
m. JWmic, GMeUehto einer PHllingtgebort.
sdMeo, gkig ich mit der anderen Hand ein ond entfernte
mit Leichtigkeit die in der Scheide liegende Nachgeburt. Diese
war Ton gewöhnlicher Grösse, mehr in die Dicke als Breite
eotwickelt, 1 Pfund schwer, mit excentrischer Insertion des
Nabelstrangs. Darauf ergriff ich die Nabelschnur des zweiten
Kindes, ging an ihr in die Scheide ein und" versuchte auf ge-
vehDiiche Weise die Placenta zu entfernen. Da diese aber
noch zum Theil im Muttermunde lag, fährte ich, statt ver-
geblicb mit zwei Fingern lange zu manövriren und Schmerzen
m roadien, die halbe Hand ein und kam so leicht und rasch
zoni Sele. Diese Placenta gehörte den beiden letztgeborhen
Sindem gemeinsam an, war mehr ovaler Gestalt, hatte ein
Chorion und eine doppelte Araniosfaöhle; sie wog IVs Pfund,
Reebnet man för jedes Kind 1 Pfand Fracbtwtsser, so bat
die Frau zusammengenommen 21 V2 Pfund, allerdings keine
leichte Börde, mit sich herumgeschleppt Vom Eintritt der
ersten fühlbaren Wehen an gerechnet bis zur Beendigung der
Nachgeburtsperiode hatte die Geburt circa 13 Stunden ge-
dauert Als nun die drei, wirklich netten Mädchen, von denen
jedes manchem Bnzig-gebornen nichts nachgab, der Reihe
nach der Matter gereicht und von derselben unter Thränen
geküsst wurden, dachte ich lebhaft an die herrlichen Worte
des trefflichen Beer, dass jede Gebärende im Webendrange
me Heldin im edebten Sinne des Wortes werde und auch
eben solche Mutter sein würde: „nisi puerperam, dum primum
ohimmnque fortasse osculnm nato figit, tristis saepe inter
iaerimas cogitatio subiret: Ad quid te peperi!'*
Das Wochenbett verlief ohne Störung, trotzdem die eigene
sinnige Frau nur mit Mähe und Noth vier Tage im Bett zu
erhalten war. An den Kindern bewahrheitete sich die alte
Erfahrung, dass Drillinge selten am Lieben bleiben. Denn das
Drittgeborne starb drei Wochen alt, das Erstgeborne in der
sechsten Woche, nur das Zweitgeborne stärkste Rind blieb
MH Leben, gedieh vortrefflich und ist zur Zeit für sein Alter
sehr kräftig entwickelt.
6*
M IV. MötiMB tLUM der Jo«fa«l-UtMr»«^.
IV.
aus der Journal -literatar.
Klßb: Anatomiiohe StndieD über Peritonitis.
Nech einer knrsen Bespreehnng der ▼erachiedenen Stellen
der BeckenorgAne, aa welchen Peritonitis noh sn entwickeln
pflegt, sowie der Ansgänge dieser fintsiindnngen, beeehrelbt Verl
eine von ihm gefundene eigentbümliche Stmctnryerftnderang des
Uteras nach Perimetritis. Die periphersten Maskelfssern des
Uterns findet man bei frischer Perimetritis oft in einer siemlichen
AiHidehnnDg tbeils trflbe and vergrössert, Ton feinkörnigem Inhalte,
oder aber in deutücber Verfettung nnd twar raanohmal in vb«c»
rasohend bedentendem Grade. In einseinen Fällen erstreckt sieh
die Fettmetamorphose über 2 Linien tief in das Uteringewebe
hinein und swar am deutlichsten am Gründe der Gebärmatter. Es
stellt dieser Befand eine vollkommene Analogie za Virehmo^s
Beschreibung der acuten Fettmetamorphose des Herafleisches bei
Perlearditis dar. Mit diesem Zustande von trüber SehwelkiAg
und Fettumwandlung scheint dem Verf. ein anderer Beftind im
Zusammenhange su stehen, nämlich dass er in mehreren Fällen
▼on spontaner Ruptur des meistens sehr massigen Uterus eine
gans deutlich und scharf abgegrenste subperitonäale Rinden^
schichte von einer bis swei Linien DIeke fand, welehe sich durch
ihre Dichte und SUihigkeit , durch ihre blassgraue Farbe , deutlieh
Ton der übrigen Uterusmuskulatnr abhob; beim Durchschnitte
blieb diese Schichte starr und prominirte deutlich und oft sehr
bedeutend über die sich noch einigermaassen retrahirenden,
muskulösen I inneren Uterusschichten; die mikroskopische Unter-
suchung dieser Rindenschichte ergab immer ein sehr bedeutendes
Ueberwiegen des Bindegewebes über die Muskelfasern, ja nnnh
aussen hin waren die letsteren gans geschwunden und- dureh
ein sehr dicht verfilstes, kemarmes Bindegewebe substituirt.
Immer waren neben diesem Befunde auch die Reste einer
vorausgegangenen Perimetritis in Form von Pseudomembranen
SU finden.
Y%rt, nimmt demnach an; dass bei der Perimetritis die a»-
grensende Muskelschicht häufig auf dem Wege der trüben
Schwellung und Verfettung lu Grunde gehe, und dass sich die
im Gefolge der entsündlichen formativen Reiiung entwickelnde
peritonäale Bindegewebswucherung auch auf das subserüse und
peripherische Bindegewebe des Uterus erstrecke, dass femer
. diese Bindegewebswucherung eine Art derber incontractiler
IT. Noilsen «lu der JoVfnal • Literatur.
des Uten» bilde , welche wKlireiid der Sehwangei
•dball aa der HaeseDiiinahine des Utenm Tbell tiimmt.
(Wiener aiedie. Woehenselirift, 1862» No. 48, 49.)
m»: Drei FSlle Ten Raptnr des Uteras.
1. Nach leichter Geburt des Kindes ging die Nacbgebnrt
sieht ab, Angst, Aaftreibang nnd Schmershaftigkeit des Leibes,
UriBTerfaaltang, Kälte der Extremitftten , aashafter Oemch stellten
■ich ein. Der am Tierten Tage gerufene Geburtshelfer fand die
inaeren Geschleehtstheile brennend heiss, den Muttermund weit
geolBset, die Placenta auf der hinteren Wand der Gebärmutter
feataitsend, gleich daneben eine mehrere Zoll lange Ruptur der
letsteren, durch welche ein Dannoonvolnt Torgefallen war. Bei
4«iB fruchtlosen Yersnchen, die Nachgeburt au lösen, fielen die
Dftnoe in Masse vor; der Arst suchte sie yergeblich au reponiren
■ad — schnitt sie sodann mit der Scheere ab. 38 Stunden
daraof starb die Wöchnerin. Durch die Seetion wurde ausser dem
Fehlen der betreffenden Darmpartie eine 2'/^ Zoll lange, mit
wnlstig aufgeworfenen, dunklen Bändern Tersehene, bis nach
dem Halse verlaufende Ruptur an der hinteren Wand des Oebir-
oMitlerkdrpers constatirt; die Dicke der lettteren verjfingte sich
gegen die Ruptur hin von Vt ^^^ *^^ ^ Linien. Die Frage , ob
sehen vor Eintreffen des Geburtshelfers der Uterus gerissen was»
nnd ob der Tod auch ohne das kunstwidrige Verfahren desselben
•rfalgt sein wfirde, konnten nicht mit Bestimmtheit beantwortet
werden.
2. Bei einer schon fBnf Mal ohne Knnsthfilfe entbundenen
OebSrenden war plötslioh Ohnmacht, Blässe, heftiger Leibschroem,
AttIhSren der Wehenth&tigkeit eingetreten. Der dasu gerufene
Arst fand das Gesicht bleich , die Lippen blänlich , den Puls kaum
flbibar, den gansen Körper kalt. Die Frau war theilnahmlos,
klagte nur über heftigen Durst und Leibsehmers. Keine PStaU
tSne. Beim Anlegen der Zange an den vorliegenden Kindeskopf
stSrate eine Masse schwararothen Blutes aus den Geschlechtstheilen
berana, die Gebärmutter aog sich kugelförmig tusammen. Es
wurde Austritt des Kindes in die Bauchhöhle vermuthet, die
Zange abgenommen. Nach einer Stunde Tod der Frau. Bei der
Seetion ergab sich Austritt des reifen Kindes sammt der Placenta
in die Bauchhöhle , in derselben 12 Unsen geronnenen BIntes , am
Halae der Gebärmutter sn beiden Seiten oberhalb des Seheiden*
gewölbes und innerhalb der Bauchhöhle eine 4 Zoll lange, in
querer Sichtung verlaufende Ruptur; ütenusubstans und Becken-
dnreknieeaer normal; Hyperiimie dar harten Hlrnhant und des
gteeaVn Oehlms. -^ Das Königi. Prenss. Medielnal-CoHagitem der
70 I^' Kolltea MS der Jonnxil'UMratvf.
Provim Sachsen entsobied, dass die Rtiphir bereits vet AtAmtak d*6
Geburtshelfers eingetreten war, und wurde die Okiterlaosnng de«
Baacbschnittes in Bficksicfat anf Beffirwortnng soIebiBr dnrch
gebnrtshülfliche Antoritäten (Denmafif OnaTider)^ sowie anf den
Anstritt der Placenta in die Banchhöhie nicht ais Knnstfehler
betrachtet.
3. Enrie Zeit nach regelmKsaiger Geburt des Kindes ging:
eine Hebamme behufs der Entfernung der Nachgeburt mit der
Hand in die Scheide ein, riss die Nabelschnur ab und brachte,
nachdem die Frau einen lauten Schrei gethan, ein CouTolnt von
D&rmen herror, Ton dem der Dickdarm abgerissen war. Drei
Tage darauf Tod der Frau. Bei der viersehn Tage darauf yor-
genommenen Section seigte sich ein bedeutender Bisa der Gebär-
mutter an der Stelle, wo sie sich mit dem Scheidengewolbe
▼erbindet, das Gewebe beider Organe von fester Structnr, Zer-
reiasung des aufsteigenden Dickdarmes, wenig Koth in dej
Bauchhöhle. Das Medicinal-Colleginm schloss in Anbetracht der
regelmässigen Geburt des Kindes und der normalen Beschaffenheit
von Uterus und Scheide eine spontane Ruptur des Frnchthaltera
aus und entschied, dass die Zerreissnng der Gebärmutter und
des Dickdarmes durch die Hebamme bewirkt war.
(Senke*B Zeitschr. f. d. Staatsarzneikunde, 1862, Heft 4.)
Hugenherger: ITterusruptur.
Wie E. in der Sitanng des allgemeinen Vereins St. Petera-
bnrger Aerite vom 2Q. August dieses Jahres berichtete, w'nrda
•ine regelm&ssig gebaute MehrgebXrende nach dreitägiger Gebnrts-
daner und nach Abfluss des Wassers in die SntbindnngsanstaU
gebracht, wo das Gesiebt des Kindes mit nach hinten gewandtem
Kinne im .Beckeneingange stehend' gefanden wurde. Vier Stunden
darauf plötslicher Tod der Frau unter , Aufbäumen des Unter-
leibes **. Nach fruchtlos versuchter Zangenextraction wurde daa
todte Kind, dessen gerader Kopfdurchmesser 5 Zoll betrug,
mittels des Kaiserschnittes in der Linea alba ans dem an-
•oheinend nicht gerissenen Uterus entwickelt. Peritonitische
Symptome wnrden dabei nicht bemerkt; vor Eröffnung der Gebär-
mnUer entleerten sich 2 — 3 Pfund seröser Flüssigkeit aus des
Bancbhöhle. Die Section erwies Hyperämie der Hirnhäute, der
Himsinns, der Lungen, Leber, Mils; geringe Insufficienz der
etwas sklerotischen Aortenklappen; in der Bauchhöhle kein Blut;
in der Uterinsnbstana, dem Promontorinm entsprechend, ein Riss
von iVt Centimeter mit merscben Rändern ohne Bluterguss.
In einem Shnliebea FaUe, den Dr. Sehnes in Arehan^lak
baobsditefe, war der Rita dvroh einen Fall anf eina TtBobkaate
!▼. NdÜSMi am der Journal •Literatur. 71
▼fraalaMt, dfe Fracht durch jenen ausgetreten, nad die Fran auf
der 8laRe rersehieden.
Itt aiiMni TOB Dr. KetUer ersihlten Falle trat UternerQptnr
■ft Baebfolgendem totalem Austritte der Fracht in die Bauchhöhle
tia. Es ^lang, das Kind durch den Riss der GebHrmntter und
sor Scheide heraus au entwickeln; die Frau genas.
(8t. Fetersb. med. Zeitschr., 1862, Heft 16.)
itobert Bamet: Eine neue Methode zur Einleitung der
künstlichen Frühgeburt.
Alle bisher gebräuchlichen Methoden, die künstUohe Frfih«
ffebnrt aiaBaleiton, haben einen Nachtheil, den nftoilieh, daM
sich nie die Zeit auch nur annähernd bestimmen Ittssi, in
«olch«r die gewOnsohte Wirkung eintreten wird; der Verfasser
glaabt nun ein Mittel gefunden su haben, durch welches dieser
Hafihtheil tob nnn an aufgehoben, eine bedeutende Schnelligkeit
in der BeendigUBg der Geburt eraielt, sugleich die Dauer der-
selbea Biit liemlicher Sicherheit Toransbestimmt und die ganae
Operation unter die Controle des Arates gestellt werden könne.
Dw Verfasser braucht, um die wesentliche Bedingung aur
Sinleitong der künstlichen Frühgeburt su erfülleii, einen Kautschnk-
cyliBder Ton der Gestalt einer Sanduhr, dessen eines Ende in
eine lange, dünne Bohre auslauft; durch dieselbe kann das gaase
Inatnunent mit Wasser angefüllt werden. Die Tordere Anschwellung
BOB wird Termittels einer Uterussoade, deren Spitae in eine an
der oberen Hälfte des Cylinders angebrachte Tasche gesteckt
wird, fai den CerTtcalkaaal bis über des iaaereB Muttermund
hinanlgebracht; der dduBe Theil des sandnhrförmigen Cylinders
keaai ii^ den Susseren Muttermund su liegen, seine untere An*
sehwellnag in die Vagina. Auf diese Weise wird Tcrhindert,
dass nachdem eine hinreichende Quantitttt Wasser Termittels
einer gewöhnlichen Gebttrmutterspritse injicirt worden ist, der
ganse Cylinder entweder in den Uterus hinein oder in die
Vagina heranssehlfipfe. Die DilatatioB geschieht auf diese Weise
iusseist schonend und sehr schnell. Der Verfasser gebraucht
su der Operation drei Terscbiedeu grosse Dilatatoren, die er
nach nnd nach, wenn dies noch erfordedioh istj einführt» Zur
Torhergehenden Ausdehnung der Vagina ist kein besonderer
Colpenrynter nöthig, sondern einfach einer der Dilatatoren.
Treten wHhrend der Erweiterung keine Wehen auf, so ist nach
des Verfassers Bath nur ein Theil Fruchtwasser, jedoch Tor der
ToUkomseBeB Erweiterang. des Mntisrmundes , abaulassen, der
DiUtBlar aber sofort an seine frühere Stelle snrfiekaubringen;
die SBsfiefcfehliebene Menge Pmchtwssser ist für die Erhultnng
73 I^- Kotiseti am der Jantnal-Lliei'atar'.
Am Lebenf der Fnicbt, als anoli f8r die Erleiohtemttg eiiief M/mm,
n5thigen Wendung von grossem Belang.
*Der Verfasser tfaeilt nitJi Tier Fülle mit, bei welclMn die
compleie Eröffnung des Mnttermnndes in iwei, böchsten» fttnf
Standen eintrat.
(Edinbonrgh Medical Joamal« Jnly 1862, No. LXXXV.)
Boss».* Viersebn Fälle von Eclampsie.
B, beschreibt 14 FKUe Ton Eclampsie, welche innerhalb
81 Monaten nnter einer Gesammtsahl Ton 4600 Schwangeren,
GebArenden nnd Wöchnerinnen an der gebnrtshfilflichen Klinik
in Oras beobachtet wurden. In 6 F&Uen wurden im Harn«
Faserstoffcylinder und Ei weiss nachgewiesen, in 8 nur Eiweisa,
In 1 weder Cylinder noch Eiweiss; in 1 Falle wurde der Harn
nicht untersucht.' Oedem der Haut wurde in 8 FftlUn wahr-
genommen und swar immer an den unteren Extremitäten, nur
2 Mal auch im Gesichte. Die Zahl der Anfalle überstieg 8 Mal
die Zahl 20, 5 Mal die Zahl 10 und erreichte diese 4 Mal nieht;
2 Mal blieb die Zahl der Anftlle unbekannt. Die Daner derselben
war 2 — 6 Minuten und blieb in Tielen Fällen während des Ver-
laufes gleich; in 2 Fällen nahm dieselbe allmälig ab, in 8 an.
Das Bewusstsein schwand meist gleich nach dem ersten Anfalle
und kehrte erst naoh dem Aufhören der Eclampsie wieder.
Sechs Mal traten die Anfälle ohne Vorboten auf, 6 Mal gingen
denselben Mattigkeit, Kopfsohmers, Schwindel, ausserdem 1 Mal
Erbrechen, 2 Mal Trübsehen, 1 Mal Amaurosis Torau«, .in 2 Fällen
konnte darüber nichts In Erfahrung gebracht werden. Die An-
fälle traten 1 Mal im achten, 1 Mai im neunten Sehwangersehafts-
monate auf, ohne dass Wehen sngegen waren; im ersten Falle
wurde die Schwangerschaft dadurch nidit, im swetten durok
Einleitung der künstlichen Frfihgeburt unterbrochen. In allett
übrigen Fällen hatte die Schwangerschaft ihr normales Ende
erreicht. Drei Mal erfolgte der erste Anfall gleich beim Beginne
der Wehen, 2 Mal während der Eröffnung des Muttermundea,
6 Mal während der Austrittsseit, 1 Mal naoh Vollendung der
Geburt; 1 Mal war die Zeit nicht lu ermittein. Vier Mal hörten
die Anfälle naoh ToUendeter Geburt gans auf, 2 Mal wurden sie
sehwäoher, 3 Mal dauerten sie in gleicher Stärke fort, 3 Mal nahm
ihre Dauer und Intensität nach der Geburt zu. Geburtsanomalien
wurden nur 6 Mal beobachtet; 2 Mal frühieitlger Blasensprung,
|e 1 Mal Versögerung der Eröffhung des Muttermundes durch
itegidität desselben, Conjugata you SV« Zoll, doppelte Frueht.
Aw der Anamnese gingen keinerlei der Geburt Torausgeliende
soUf^dliche Momente hervor. Von den Befallenen waren IB Erst*
IV. . NalMen aua der Journal- Literatur. 78
ftfehviacatte , 2 hUUm da» M. Jabr noeh aiebt alrreiclit, 8 da« S4^
1 las MK nbersehritten. 18 Kinder wurden in regelmftasigeB
Kifflafan, 1 Zwilling in einer Steisslage geboren. In dem FaUe^
ve die .Sakwasgerachaft fortdaaerte , warde ebenfalla eine Kopf-
lage gefnndaa. Von den Kiodem wurden 2 todt geboren, die
ibrigen lebten fort, nur daa au früb Geborene «tarb in den eraten
Lebenetagen, Von den Weibern wurden 7 ala genesen entlassen,
daTOtt 1 nnentbnnden, 1 genas in Krankenbause , 6 starben, und
swar alle in sopordsem Zustande, mit Ausnabme einer, welebe
ia Kmnkenbaase an Peritonitis Teratarb. Bei den Sectionen
ergab aieh 6 Mal exquisite Brigbibiscbe Erkrankung der Mieren,
1 Mal Hyperftmte der Meningen, 1 Mal Hyperämie des Hirns
■id der Meningen, 1 Mal Hyperämie der Meningen und Oedem
dee OeUma, 1 Mal Oedem der Meningen und des Gebims; 1 Mal
war ein maasenhaftes purulentes Peritonäalezsudat Torbaoden,
in den übrigen 6 FUlen Lungenödem, 1 Mal mit tbeilweiser
bbnllrer Hepatisatioa. B. hält sieb ffir berechtigt, für 8 Fälle
mi% Beattnuntheit Morbus Brightbii als Ursache der Eclampsie
aaannebnien; die gleiche Kntstehungsweise hält er in 6 Fällen
ftr wahraeheinlieb, in einem Falle sei die Eclampsie Tielleicbl
dnreh einen Ton den peripheren Nerven ansgegangenen Beis und
dnreii Reflex Tom Bückenmarke bedingt gewesen.
Die gebuftshulfliobe Behandlung gedachter Fälle bestand
Ins Einleitung der Frühgeburt (1 Mal), Colpeuryse l2 Mal),
Bigitaldilniation dee Muttermundes (8 Mal), Extraetioa mit der
Zeage (10 Mal), an den Füssen (1 Mal), Perforation mit Kephalo-
Ihfypaie (1 Mal). Die Behandlang der Eelampsie bestond in
Aderiäeaen 8 Mal (1 Mal bei acutem Lungenödem, beide Male
ahne Sriolg), Chloroforminhalation 1 Mal (ohne Erfolg), Opium
als Tf. Opli spL au Vs Drachme im Klystier, wiederholt (7 Mal),
gieiehaeitig Innerlich als Opium purum lu % Gr. pro dosi 2 Mal
(8 staiben, 4 geaaaea), subeatanen Iigeetioaen von Morphium*
tteung 4 Mal (8 starben, 8 genasen), Eisfemeatea und kalten
Begiesanngen auf den Kopf, säuerlichem Getränke in allen Fällen,
8 Mal aliein (alle 8 genasen).
(Bpitals-Zeltnng, 1862, Ne. 88, 40, 42, a.)
OUrt: Eclampsie während einer Zwillingsgebnrt,
BeckenTcrengerung, Cterusstrictur und Plaoenta-r»
retention.
O* wnide wegen aögemder Geburt au einer 26jährigen
iMtgebärenden gerufen, welche am regelmässigen Ende der
Üshwenfataehalt gkaad und immer gesund gewesen war bis
stechende BehaMiaen im linken Hypoohondrium, die sie seit
74 I^' Hotfien aoB d6r Journal -Literslar.
fanften Monate öfters ▼erspttrt hätte. Er fand die Geb&rende to«
hoher Statur und krHftigfem Kf^rperbnue, die Hüfteil schmal, deti
Unterleib sehr stark ausgedehnt, riugs um den Nabel F5talt8fte}
den Muttermund — nach iweit&giger Webendauer — kaum t Zell
im Durchmesser, mit glatten, gespannrten Rändern, die Blaa«
OTal, nach rückwärts Tersogen, in und ausser den TiertelstflBdlieh
eintretenden Wehen gespannt. Ueber die Eindeslage komite
nichts Bestimmtes ermittelt werden. Acht Stunden darauf traten
eclamptische Anfiilte mit Verlust des Bewosstseios und des 8eb*>
Termögens ein. Der Harn enthielt Elweiss. Die' Gebart w«r
nieht weiter fortgeschritten, die WeheathStigkeit sohwäeher ge-
worden. 0. sprengte nun die Blase, worauf sieh der Unke Fusa
mit der Hacke nach hinten stellte. Nach Antiiehen desselben
konnte auch der rechte Fass erfasst und herabgeleitet werden;
bei der wetteren Entwickelnng wurde der RQcken naeh vorn
gebraoht, der Kopf mittels der Zange durch den verengten
Beckeneingang befördert. Die Fracht trug die Spuren eines
bereits vor längerer Zeit erfolgten Todes. Der Unterleib blieb
rechts stark ausgedehnt; der Fötalherssohlag hörbar, eine aweite
Blase stellte «ich* Die Anfälle hatten mittlerweile etwas nach*
gelassen , doch war die Besinnung noch nicht roUständig wieder-
gekehrt. Nach Einflössen von etwas Wein trat nenerdings ein
über fünf Minuten dauernder heftiger Anfall ein. Während desselben
wurde die Blase gesprengt, und das «weite, grössere Kind, das
sich in derselben Lage wie das ernte prisentifte, an den Fiiasen
extrahirt; der Kopf mnsste auch hier mit der Zange extrahirt
werden. Die ganse Aussiehung war des verengten Beckeneingangs
wegen schwierig, das Kind starb dabei ab. Beide Frü oh te hatten
harte, grosse Köpfe mit sehmalea Nähten; die sweitgeborena,
etwas grössere, war 18 Zoll lang. Nach der Geburt dcraelben
trat eine ihässige Blutung ein, dor Uterus stand bis an denNahel
und war massig, aber nngleiehförmig zusammengesegen. Bei
Fortdauer der Blutung und sehr achwaehen Zusammen sie hangen
ging 0. naoh einer halben Stunde mit der. rechten Hand in die
Gebärmuter ein, wobei der Beckeneingang als rund, die- Du rcH«
messer als knapp 8 Zoll betragend erkannt wurden. Hoch oben
im Mnttergruade wurde eine glatte, derbe, sehr grosse Placenta
erreicht, in der Hohlhand eusammengepresst und mit den Fingern
umspannt, konnte aber vom Muttergrunde an einem kleinen
Segmente unter keiner Bedingung losgelöst werden; bei dem
Yersnohe, dies durah sägende Bewegungen au bewirken, gelangte
0. plötxlich wie durch einen knorpeligen Ring am Muttergrunde
in eine iweite Höhle, in welche auch einer der beiden Nabel-
stränge hinaufreichte; diesen yerfolgend- gelangte er bis sur
oberen Grenxe der Höhle, wobei er durch- ihre dtlnne, saok-
{5rnrige Wandung den Herssehlag fühlen konnte. Naeh Enifemnng
4v arUllviteD Band ans dton Qe«ebleolit»lb6il«ft starker BliitfliMt
va^en nur tbeilWeiser Lösung der im oberan Absobnitte des
Ottma sitaenden Plscenta. Deravf giDg er sofort mit der lioke«
HtBd bis in den Fnndns ein, löste anter Beistand der aneien
•oiSselegten rechten die oben fest aqfsitaei^dd Placentarpartiej
nabm nie m die velle FaOflt und sog sie derart herab, dass ibr
der im nnteren Geb&rmatterranme befindliche Mntterkneben» mit
welchem jene thellweise sinsammenbing, bis bq den Gescfalechte-
theilea heraos naohfolgte. Es seigte sieh dabei, dass beide Placentei|
TenetSaidig abgegangen waren. Sogleich hörte jede Blntung auf.
Die ganse Dauer der Operationen hatte 2y, Standen betragen.
Die Bownsstlosxgkeit lüelt noch 24 Standen an; abgetsben Ton
einigen clonischen Zncknngen trat kein weiterer Anfall ein.
Beim Erwachen erfrente sich die Entbundene yollkommener Be-
sinnong und angetrabten Sehvermögens, konnte sich aber an den
Hergang der Geburt nicht im Mindesten erinnern. Das Wochen-
bett endete mit gKnalicher Genesung in drei Wochen. •
(Wien. med. Woehenschr., 1862, No. 88 u. 39.)
B.KSkmi4: Eine mit Erfolg Torgenommene Ovariotomie.
Patientin war 26 Jahre alt, seit, swei Jahren verhelrathet
and hatte seit iVs Jahren die Gegenwart einer bewegliche^
.Gesehwulst im Untexleibe bemerkt: Diese war eine multilocnläre
OTarienkyate und hatte das Abdomen schon auf 106 Centimeter
Umfang ausgedehnt. KöberU nahm am 2. Juni die Ovariotomie
Tor: er machte einen 9 Centimeter langen Einschnitt auf der
Hedianlioie in der Mitte zwischen dem Nabel und den Scham-
beinen, dann pnnktirte er den Tumor und zog ihn ji^- mehr er
sich leerte um so mehr mit der Aftf«sua;'scben Hakenzange hervor.
Da die Geschwulst jedoch für die gemachte Incision zu gross
war, so wurde letztere noch um 3 Centimeter vergrössert; auf*
diese Weise konnte der Tumor herausgezogen werden, jedoch
entstand hierbei ein Eljuriss ,in denselben, wodurch eine dickci
albaminose Flüssigkeit sich in die Beckenhöhle ergoss; diese
mischte sich hier mit einer grossen Quantität sanguinolenter
PeritonSalflüssigkeit und mit Blutgerinnsel t welche durcbrissenen
AdhKaionen der Ryste in der Beckenhöhle ihre Entstehung ver*
dankten. Um den Stiel wurde eine Ligatur gelegt und dann
derselbe ganz nahe am Tumor durchschnitten. Nachdepa hierauf
die ganze Beckenhöhle mit einem Schwämme ausgetupft worden
war, wurden die vorgefallenen Darmschlingen reponirt und zwei
Ligaturen an Venen angelegt. Den Stiel brachte hierauf KSberle
in einen halbmondförmigen Ecraseur (^craseur semi-lunalre) und
sog ihn in den unteren Wundwinkel ; den oberen Theil der Wunde
vereinte er dnrch vier omschlnngene Nähte. Die ganze Operation
76 rr. 9^iea mtti d*r J««iii«t- Literat«».
daaefte V« 8tiiii4«$ avt der Kyste batleii ridi it Liier ehiM-
bränilHeheik Flüssigkeit ergossen, die Kyste selbst wog iVi KU»-
framm. Der Stiel wurde, vm seine rascbe Potreseem m rer*
bindern, mit Mnrias ferri bestriebe.n; er rerblieb bis snm seebeten
Tage, im Eorasevr, dann wurde derselbe dnrcb swei Sonden ,
die an ibren beiden Enden fest rerbanden waren, ersetst; swisebea
iienselbea blieb der Stiel , bis er am 18. Tage abfiel. Am 1. Jnli
neigte sieh an der Stelle der 18 Oentimeter langen Wnnde eine
lineare, 4 Centimeter lange Karbe, an deren unteren Ende sich
eine nabeiförmige Einiiehnng seigte. Das Allgemeinbefinden
war gut.
(Gasette bMomadaire, 1862, No. 38.)
Baker Brown: Resultate toq neunsehn Oyariotomieen.
In der Obstetrieal - Soeiety theilt der Verf. mit, dass tob
19 Füllen, in denen er die OTariotomie ansgefQhrt habe, 18 mit
Genesung, 6 mit dem Tode geendet haben. Das Alter der Ton
ihm Operirten rarürte swischen 18 und 56 Jahren. Von den 13
glfteklieh Operirten waren 8 wnter 80 Jahren, 6 darüber; tob
den nqglaeklieh Operirten eine im 21. Lebensjahre, fünf 80 und
darüber. Die Dauer der Krankheit war in den glfickltehen Flllen
4 Monate bis 6 Jahre gewesen, und swar waren 10 Im sweitea
Jahre; 9 waren unverheirathet, 4 verheirathet und Ton diesen'
hatten nur 2 geboren; 5 waren 1 bis höchstens 8 Mal punktirt
worden. Die unglücklichen F&lle hatten 2 bis 10 Jahre bestanden,
4 waren rerheirathet gewesen, davon hatten 8 geboren, 4 waren
punktirt worden, und swar 1 bis 6 Mal. Was die Beschaffenheit
der Geschwülste anlangt, so waren unter den mit glücklichem Aus-
gange entfernten Kysten 11 multiloculKre und 2 uniloculXre, unter
.den mit unglücklichem Ausgange 4 multiloculSre , jl uniloculllre
und 1 fester Tumor mit Haaren, der angeboren war. Adhäsionen
waren iil allen Fillen dagewesen, ausgenommen in 4 glücklichen
und 1 unglOcklichen. Die 6 TodesfKlle traten 2 Mal direct durch
den Einflnss der Operation ein, ron den 4 anderen war 1 Fall,
wo sieh neben dem entfernten festen Tumor viele andere Organ-
erkrankuogen (welche?)* gefunden haben, 1 Fall betraf ein dem
Trünke ergebenes Individuum mit Ascites in Folge einer Leber-
erkrankung, 2 Personen starben an profusen Diarrhden; wobei
ein Mal der Grund in einem Cancer Duodeni su suchen war.
(Medieal Times, Mftrs 1862.)
IV. NoUmb mm dM JMnuü-Litontar. 77
T§d$i Zwfti FKlle tob OTAriotonrie.
Eine iOjShri^ Person hatte einen OrarUltnmor , der »elt
■wei Jahren heetändig wnehe, ohne dasi therapeutisch dagegen
•ingeiehritten war. Bei der Operation fand man ihn Tom rechten
OTarinm anegehend ohne Adhilsionen. Die Kranke wnrde die
•rst« Zeit mit Klystieren Ton Beef-tea und Brandy ernXhrt.
Haeh drei Wochen wurde sie Tollstftndig geheilt entlassen.
Der sweite Fall betraf eine 37j&hrige unTerheirathete Person,
deren Orarialkyste in den letsten Wochen ungemein cngenommen
hatte. Bei der Operation fand sich der Tom linken Ovarium
anagehende Tumor nach vom mit dem PeritonKum Terwachsen.
Der Tod erfolgte am fSnflen Tage nach der Operation an
Peritonitis.
(Hadieal Times. Hftn 186S.)
Brmsdan Sicks: Verschluss der Vagina nach einfi
schweren Entbindung.
Patientin, 26 Jahre alt, war Tor drei Jahren Ton einem
lebenden Kindd ohne Hülfe entbunden worden, nach 96 stündiger
Geburtsdaner, wobei der Kopf 12 Stunden in der Vagina gestanden
haben soll. Im Wochenbette erkrankte sie an Entsflndunge*
enehainvttgen der Vagina und des Uterus mit starkem Eiter*
ansflnase. Als sie nach sechs Monaten gehellt war, selgte sich
die Ansflbnng des Beischlafes unmöglich und die Menstruation
sehr sehmenhaft. Verf. fand bei der Untersuchung die Vagina
bis auf 1 Zoll so durch Narben Terschlossen , dass nicht die
kleinste Oel&inng su finden war. Erst gelegentlich der Men-
struation fand man eine feine Oeffhung, die allmilig durch
Sehaitl erweitert und dann ein Bougle eingelegt wurde. Unter
Narkose wurden die Narben unter Leitung eines Fingers nach
allen Saiten Torsichtlg incidirt, bis man einen Zoll weiter
auf den gesunden Uterus stiess. Nach einer Woche wurde dies
wiederholt, so dass man swei Finger einführen konnte. Dann
wurden starke Bougles eingelegt. Nach swei Monaten war
Patientin so weit hergestellt, dass der Ooltus mügllch war.
(Medical Times, Mai 1892.)
TS y. Ll«»raiar.
V.-
Literatur.
Dr. Herrn. Franz Naegele^ weiland Professors an der Uni-
▼ersitKt Heidelberg, Lehrbuch der Gebnrtsfaülfe. Fünfte
Auflage, den Fortschritten der Wissenschaft ent-
sprechend bearbeitet und vermehrt yoxiX>x,Wold€mar
Ludwig Qrenaer, Königl. SUchs. Hofrathe, Director des
Entbindungsinstituts und Professor der Geburtshfilfe an der
chirurgisch - mediclnischen Academie au Dresden etc. Mit
31 Holzschnitten. Mains, Verlag von Victor v. Zobern. 1868.
S. XVII. und 799.
Das Erscheinen einer neuen Auflage von einem Werke, das
die Orundsfttze nnd Lehren eines nm die Geburtshtilfe hoch-
verdienten Mannes, des seligen Professors Franz Oarl Na€g$U,
enthült, ist ein freudiges Ereigniss, zumal da der Verfasser
desselben, Herrn, Franz Xaegele, ebenfalls schon über ein
Decennium nic&t mehr su den Lebenden gehört. Der Heraus-
geber derselben, Herr TT. L, Qrenser^ ist bemüht gewesen,
durch ZnsKtze im Texte und in den Anmerkungen und durch den
Nachtrag der wichtigsten neueren Literatur das Buch den Fort-
schritten und Errungenschaften der Wissenschaft allenthalben
entsprechend an machen, es zu vervollständigep und zu ver-
vollkommnen. Die Anordnung der Lehrgegenstände und die
Darstellungsweise der ersten Auflage sind gewissenhaft beibehalten.
Der Herr Harausgeber hat die vielfachen Bereicherungen,
die in den letzten acht Jahren seit dem Erscheinen der vierten
Auflage dieses Werkes der Geburtshülfe durch Anatomen, Physio-
logen, Pathologen und Geburtshelfer geworden sind, sorgfältig
geprüft und benütst. Berücksichtigt wurden die Untersuchungen
von KoUiker über die M. decidua vera und reflexa (§ 89 und 90),
von SekMUze fiber das Nabelbläschen als constantes Gebilde in
der Nachgeburt des ausgetragenen Kindes (§ 94, Anm.), von
Ntugehauer über die Windungen der Nabelschnur (§ 103), von
Simpeon, Krieteller nnd Hecker über Haltung und Lage der
Fmoht (§ 128, Anm., und § 129, Anm. 2), von Oassner über
die Gewichtszunahme des Körpers der Schwangeren (§ 138), von
Ored^ fiber die narbenfthnlichen Streifen in der Haut bei Schwangern
nnd Entbundenen (§ 169), von Ed. Martin und M€nt9r fiber die
Einwirkungen der Contraotionen des Uterus auf den Pnls der
Kreissenden (§ 244, Anm. 2), von Simpeon und Goodeir, sowie
der Wiener Schule über die wahrscheinlichste Ursache des so
y. LUerAtar. 79
4
kiif^ftn Votkooimuki der S«hii4ell«g«n (§ 26S, Anm. 1), too
MuuoHf WhiUi Jo$. Clafk4 und CrsdS ttber die cweekmSssii^te
Methode der Entfeinaog der Nachgeburt (g 841, Anm. 1), von
22«efc«r Temperatnrbeobaehtangen bei Wöchnerinnen (§858, Anm. 1),
foD Heeker nnd Qaatnef über Gewiehtsrerändernngen bei gesunden
l^Sehnerinnen (S S58, Anm. 2) nnd Bfaaes- nnd Gewieht8«>
bestimmangen €ber Involution des Uterus im Wochenbette (g 868,
Anm.), ¥00 Litwnann^ KiHan, ThotncUf VirehoWj BreBlau, G.Braun^
Lmnhlf 8toU», ValetU, Meyer ^ BOeington, H, Stapf nnd Martin
ober Beckenanomalien (§§ 575, 68S, 683, 686, 687, 690, 691,
596 u. s. w. nnd Anmerkungen), von Heeker über Gomplieation
TOD Krankheit mit Schvangersehaft und Geburt (§ 711, Anm. 1),
▼OB SokUanekif über Lahmung der Placentastelle des Uterus
(§ 744, Anm. 2), Ton Bohitttnehy und Kuaemaul über Schwanger-
ichaft in einer rudimentär gebildeten Uterushälfte (§ 772, Anm. 2)
und fiber aecundftre Seheideu- und Cenrical-Söhwangersehaft
(§ 775, Anm«). Viele andere Paragraphen haben weseniliebe
Zus&tse, manche eine Umgestaltung erhalten.
Der Spondylolistbesis ist in der fünften Ausgabe ein
eigener Paragraph (§ 591) gewidmet, während sie in der viertett
Auflage nur in einer Anmerkung berührt worden ist.
Der § 733 über fehlerhafte Geburten wegen Zer-
reissung der BeckenknochenTerbindnngen, die §§ 886
bis 839 über die Anästhesirung der Gebarenden durch
Chloroforminhalationen und die §§ 840 bis 848 über den
Seheintod der Neugebornen sind neu hiningekommen. Die
Eilehre gewinnt durch die Figuren au § 86 und § 90 an Klarheit.
Berücksichtigungswerth wären bei Schilderung der Becken-
knochen die Bemerkungen Joe, HenU^s (Handb. der systematischen
Anatomie des Mens<Aen , Bd. I., Abth. 1, S. 241) und G. H, Mejfer'u
(Lehrb. der physiologischen Anatomie des Menschen, Bd. I., 8. 114)
über die Einthellnng in Darm-, Scham- und Sitsbeine, wie auch
bei Beacbroibung der wefUlehtn lArAiio die Untersuchungen der
Herren derselben Ton C Etkhard (Beiträge sur Anatomie und
PhTiiologie, H. 1, S. 1 f.) gewesen.
Dieses Lehrbuch empfiehlt sich durch übersichtftche An-
ordnung der Materie und durch gedrängte und bündige Darstellung
der Lehrgegenstftnde yorsugsweise als Leitfkden bei academiechen
Vorlesungen, wie auch durch seine Vollständigkeit, die durch
Greiiser*s Zusätse sehr gewonnen hat, tum Kaehsehlages für
Praktiker, was durch das geitauB Bugister erieicbtert wird.
Dr. F. L; Feiet.
gO ▼. Utofitar.
Athen DueelUe%: Eiafl««« der Uter««- n4 Tufcs*
EreetioB mnf des Meehsaitin«« der 'Befr«elitiiag.
TbAie. Stretboiirt, 1861.
Sich etötxend eaf die B«k«npiiiiig tob Mom§U^ woaacli die
UteriageAtM so endea soDeDi dast im Utems eiae Art ereetllea
Oewebee eBteteht, eaeht der Verf. ia der Torliegeadea Diese rtaUoa
MMhsaweieea, dmee beim Ceitae durch die BlaUafuhr e« dea
QeaitBliea atoe Erectioa dm Ute nie oad der Tabea einträte.
Hierdarcfa eolle eiae UBfangtsoBabme des Utenu and eiae Ver-
grl^eeeraag seiner Höhle eiatretea (?), nad der eo eateteadeae
leere Baam eolle eiae Avfeaugaag dec Sperma bewirkea.
VieiQt Timotkie Feltn: Ueber Terl&agerte Schwaager-
•ehaften. Th^se. Straebenrg, 1860.
Verf. ffihrt ans der Literatur und aus eigener Beobachtuag
Fille an, wo die Geburt erst am 300. Tage der Sebwangerechaft
eingetreten. Das Neue, was über diesen Punkt beigebracht
wird, bescbr&nkt sieb auf den Vorschlag, die Sympbjsiotomie (f)
SU machen, wenn die Geburt durch die abnorme GrBsce dee
Kindes bei einem Partus serotinus erschwert sei! Er citirt eiaen
Fall Ton Duerimx in Villeneuve sur Lot (Gaaette h^bdomadaire,
1867), der die Sympbjsiotomie gemacht hat, weil die Schultern
des stark entwickelten Kindes nicht folgten, nachdem der Kopf
mittels der Zange entwickelt war. (!!)
Q.
BwieliticiiiiseiL
Monatsschrift fttr Geburtskunde etc., Band XZ., Heft 6.
Seite 889 Zeile 19 t. o. lies: was statt noch.
890
9 T.
0.
II
ISSft statt 1866.
891
1 T.
0.
t
Frage statt Frage dabin.
891
16 T.
0.
9
abnorm statt oberen.
898
9 ▼.
0.
n
enormer statt normaler.
896
5 T.
u.
9
S Zoll statt 8 Zoll.
Ja •
898
fi ▼.
0.
9
4 Linien statt 4 ZolL
r
VI.
Verhandlungen der Gesellschaft für Geburtshttlfe
in
Berlin.
Sitzung vom 11. November 1862.
Herr Winckd legt mehrere Schädel von Neugeborenen
vor, die vermittels der
Kepfa'^lothrypsie
zar Welt befördert waren.
Um die Wirkung der Operation auf den Kindeskopi'
kennen zu lernen, genüge es nicht, Versuche an Kindesleichen
anzustellen, da ausser der Wirkung des Instrumentes auch
der Einfluss des Beckens maassgebend sei. An den vor-
gelegten drei Schädeln sei nun die Rephalothrypsie während
des Geburtsverlaufes vorgenommen und die Uebereinstimmung
iu den Erscheinungen an allen dreien scheine ein allgemeines
Gesetz zu begründen. Bei Anwendung des Kephalothryptors
werde das Instrument gewöhnlich in mehi*eren Durchniessern
nach einander angelegt und das beim Zusammenschrauben jedes
Mal erfolgende Krachen errege a priori die Ansicht, dass die
Hehrzahl der Knochen ui kleine Stücke zerbrochen werden
müsse. An sämmtlichen drei Schädeln erweise aber die
Obduction, dass immer nur ein Knochen, und zwar meist
je nach der Lage des Kopfes, ein Scheitelbein erheblich zer-
brochen und die ihm gegenüberliegende Stelle des Kopfes
also gewöhnlich die Basis cranii nur einfach und unbedeutend
geborsten sei. An allen drei Schädeln erscheine aber eine
bedeutende Eiiiwärtsdrückung des Hinterhauptbeines, so dass
die Wirkung des Kephalothryptors darauf hinauszulaufen
MooaU4ehr. f. Ocbuitik. 1868. Bd. XXI.. Uft. 2. 6
82 ^^* Verbandlangen der Gesellschaft
scheine, beim ersten Drucke einen oder unter Umstanden
auch den zweiten Knochen zu zertrümmern, bei jeder ferneren
Application aber nur eine Verschiebung säramtlicher Knochen
und namentlich des Hinterhauptsbeines zu Wege zu bringen.
Dass dies nur möglich sei, indem das Gehirn aus der Knochen-
hölle heraustrete , liege auf der Hand , und in der That hatte
sich auch in allen drei Fällen dasselbe zum Theile zwischen
Knochen und Galea gedrängt. Die Galea selbst sei aber in
nllen Fällen vollständig unverletzt geblieben.
Aus diesen Resultaten gehe nun hervor, dass erstens
die Kephalolhrypsie die für die Mutter schonendste Art der
Kopfzertrüniuiorung sei, da kein scharfer Knochensphtter mit
den Geburlswegen in Berührung komme, und in vielen Fällen
auch die vorhergehende Trepanation, um dem Gehirne Abiluss
zu verschaflen, überflüssig sei, da dieses sich unter dem
Kephalothryplor einen Ausweg unter die Galea suche.
Uebrigens bemerke er noch, dass die Operation in zwei
von diesen Fällen am vorliegenden Kopfe gemacht und zu
Ende gefübrt sei, im dritten sei sie am vorhegenden Kopfe
begonnen, dann aber die Wendung gemacht worden, da
die Entwickelung nicht gelang und schhesslich sei an den
nachfolgenden Kopf der Kephalothryptor abermals augelegt
und mit ihm auch die Entwickelung des Kopfes vollführt
worden. ^)
Herr H. Strassmann entgegnet, unter den vier Malen,
wo er bisher den Kephalolbryplor angewendet, habe er den-
selben bei vorliegendem Kopfe nicht ausreichend befunden
und deshalb die Perforation voranschicken müssen. In den
1) Nach der Verlesang des ProtocoUes in der Sitsnng am
25. November legte Herr Winckel den Schädel eines Neugeborenen
vor, an dem er erst die Perforation gemacht und dann den
Kephalothryptor vier Mal angelegt hatte. Die Knochen waren
erheblich verletzt, in höherem Grade, als in den oben be-
aprochenen Fällen, indes» zeigte die Dura mater keine andere,
als die durch das Perforatorium gesetzte Oeffnnng in der grossen
Fontanelle, so das» Herr W. daraus schliesst, dass auch ohne
Perforation durch den blossen Druck des Kephalothryptors das
Gehirn spontan in derselben Weise aus der SchMdelhöble aus-
getreten sein würde
fttr Gebartshülfe in »erlin. 83
Patten iodess, wo die Wendung vorangegangen war, sei auch
der Kopf ohne Perforation dem Kephalothryplor gefolgt.
Herr Martin hält die Entscheidung der Frage, wann
die Perforation der Kephalothrypsie vorangehen müsse, für
sehr schwer und wifl sie hauptsächlich durch die Erfahrung
erledigt wissen. Nach seinen eigenen Erfahrungen könne er
nur sagen, dass er bei zuletzt kommendem Kopfe jederzeit
nur die Kephalothrypsie ohne Perforation gemacht habe,
schon aus dem Grunde, weil letztere in diesem Falle sehr
schwielig auszuführen, und er auch olme dieselbe immer
zum Ziele gekommen sei. Läge der Kopf indess vor, so
richte er sein Verfahren danach, ob er noch hoch stehe und
die Wendung zulasse; in diesem Falle wende er. Bei lief-
stehendena Kopfe indess habe er theils die Perforation gemacht,
theils unterlassen, ohne zur Zeit jedoch bestimmte Indicationen
für das eine oder andere Verfahren angeben zu können.
Herr Eggel trägt die Krankengescliichte einer Frau mit
Ejephantiasis vulvae
vor.
Die Mitlheilung des folgendes Falles von Elephantiasis
der weiblichen Genitalien, den ich als Vertreter des Herrn
Dr. Louis Mayer in dessen Armenpraxis - zu beobachten Ge-
legenheit hatte und dessen Beschreibung mir derselbe gütigst
erlaubt hat, scheint niir durch die Seltenheit dieser Affection
in unserer Gegend gerechtfertigt zu sein. Dass die Er-
krankung aber zu den selteneren jedenfalls gehört, dürfte wohl
aus der Angabe Scanzonfs (Lehrb. der Krankh. der weibi.
Sexnalorgane, S. 522) hervorgehen, dass er sie nur ein Mal
beobachtet habe. In den südlichen Gegenden tritt die Krank-
heit bekanntlich bedeutend häußger auf, findet sich aber, wie
BardeUben (Lehrb. der Chirurgie, Bd. H., S. 281) angiebt,
auch in Norwegen und Esthland, sowie an der Pommerschen
Koste nicht selten. Auch in den Gegenden jedoch, wo die
Elephantiasis häufiger beobachtet wird, ist die Erkrankung
der wriblichen Genitalien seltener.
Der mir zur Beobachtung gekomniene Fall betrifil eine
Frau von 38 Jahren. In ihrer Jugend ist sie, wie sk an-
6*
84 ^I* Verhaiidlting^en der GeselUcbaft
giebt, stets gesund gewesen. Die Menstruation trat im
17. Jahre ein und hielt einen vienvöchentiichen Typus bei
einer Dauer von vier bis ffinf Tagen regehnässig ein. Nach der
\ Yerheiratliung im 23. Jahre, traten Schmerzen während der
Menses ein, die in der Zwischenzeit nicht vorhanden waren.
Vor etwa 10 Jahren fiel die Frau mit einem Waschfasse und
will sich damit an die Genitalien gestossen haben. Sie hatte
von dieser Zeit an Schmerzen und bemerkte eine Anschwellung,
die allmälig zunahm. Als im Verlaufe eines Jahres die Ge-
schwulst etwa huhnereigross geworden war, suchte sie Hülfe
in der Charite, wurde aber als unheilbar nach 14 Tagen
wieder entlassen. Die Menstruation wurde nun u'nregelmässig,
stellte sich nur alle fünf bis sechs Monate ein und war sehr
spärlich; Veränderungen an der Geschwulst während der Zeit
der xMenstruation wurden nicht bemerkt. Während der Tumor
allmälig wuchs, bildete sich vor etwa fünf Jahren Schwierig-
keit, den Urin zu halten, aus, die allmälig zu völliger In-
continentia sich entwickelte. Bei Beginn dieses Leiden», also
vor etwa fünf Jahren, will sie im königlichen chirurgischen
Klinikum gewesen sein, die Operation des Tumors soll aber
ebenfalls für unausführbar erklärt worden sein.
Die Kranke ist abgemagert, die Bauchdecken dünn, etwas
straff, etwas Abnormes ist durch dieselben nicht zu fühlen,
an den Schenkeln, namentlich am linken, sind ziemlich starke
Varicen zu bemerken. An den Genitalien hängt eine 13,5 Centi-
meler lange, 9,5 Ceutimeter breite und eben so dicke Geschwulst
herab, die Aehnlichkeit mit einer colossalen Glans Penis hat
Die Oberfläche derselben erscheint uneben, von mehr oder
weniger tiefen Furchen durchzogen, was namentlich am unteren
Theile stärker hervortritt, während der obere glatter erscheint
und nur zahlreiche Gruben zeigt, die den Ausfülirungsgängen
von Drüsen gleichen und in deren mehrere eine feine Sonde
ungefähr 1 — 1 Va Millimeter weit eingeführt werden kann, wobei
eine fettige Masse an derselben haften bleibt. Nach oben verläuft
die Geschwulst mit einem etwa 2 Centimeter dicken Stiele ohne
scharfe Abgrenzung in die normale Haut des Mons Veneris,
mit dem linken Labium majus ist sie in dessen oberer Hälfte
verwachsen, während das rechte Labium von ihr getrennt ist,
von Clitoris ist Nichts zu bemerken. Hebt man die in der
für Geburtshülfe in Berlin. 85
Röckeniage der Frau den Aous bedeckende Geschwulst in die
Hhe, so zeigt sich eine glatte, etwa dreieckige, etwas ver-
iiefte Fläche, zu deren beiden Seiten sich 1 — ly^ Centimeter
breite fallenartige Verbindungen mit den grossen Schamlippen
befinden , die sich ringförmig bis etwa an den halben Umfang
des Tumors nadi oben erstrecken und daselbst in demselben
veriiereo. Die Verbindungsfalte der linken Seite zeigt in ihrer
Mitte eine etwa 2 Centimeter lange Spalte. Nach unten und
hinlen geht die glatte untere Fläche in die vordere Vaginalwand
ober. Der Introitus Vaginae ist yon mehreren kleineren bohneu-
bis kirschengrossen Tumoren umgeben; hinter einem quer*
▼erlaiifenden Wulste, ungefähr 1 Centimeter über dem dadurch
gebildeten scheinbaren Scheideneingange, liegt die Urethra,
die för einen mittleren Katheter bequem durchgängig ist und
aas der fortwährend eine ziemlich reichliche Menge klaren
Urins abfliesst Am rechten unteren Rande des grossen
Tamors hängt ein 5,2 Centimeter langer, an der Basis
4,9 Centimeter, am unteren Rande 3,3 Centimeter breiter und
1,4 Centimeter dicker kleinerer Tumor herab; die Labia majora
sind beide, besonders das linke, ziemlich bedeutend vergi'össert.
Ad den inneren Genitalien findet sich nichts Abnormes. Der
Uterus steht etwa 3 Centimeter hoch in normaler Stellung,
die Vaginalportion ist kegelförmig, das Orifjcium klein, rund,
die Sdüeimhaut glatt, ebenso ist die Vagina oberhalb des
Introitus normal. Am Anus sind mehrere Hämorrhoidalknoten
zu bemerken. Die Haut des ganzen Körpers zeigt keine Ab-
normität. Was die Beschafienheit der erwähnten Tumoren
betrifft, so sind dieselben von ziemlich fester Consistenz,
nirgends fluctuirend, die Oberfläche i^t überall von glatter,
wie es scheint, nirgends erheblich verdickter Epidermis über-
zogen. Die Geschv^lste dürften somit wohl als partielle
Neubildungen von Bindegewebe zu betrachten sein, und zwar
scheint der grössere Tumor eine Degeneration der Chtoris
und der linken Nymphe zu sein, in welcher diese vollkommen
verschmolzen und aufgegangen sind; der an diesen herab-
hängende kleinere Tumor ist wohl jedenfalls die degenerirte
rechte Nymphe. Ich glaube daher die Erkrankung als
Elei^ntiasis der Vulva bezeichnen zu müssen.
gg VI. VerhandlnngeB der GeseUscbaft
Das Weseotlicbe der Elephantiasis Arabum besteht ja
eben in einer partiellen mehr oder weniger ausgebreiteten
Neubildung von Bindegewebe in der Haut und der subcutanen
Gewebe. Während aber die Meisten diese Hyperplasie als
eine selbstsländige Erkrankung betrachten, nehmen einige
Beobachter eine chronische Lymphangitis als die erste Ursache
der Geschwulstbildung an. So bezeichnet Barddeben (1. c.
Bd. H., S. 287) die Elephantiasis geradezu als Lymphangitis
chronica, und auch die von Simon (Lehrbuch der Haut-
krankheiten, S. 57) angeführte Beschreibung der Krankheit
^on HU^Jbry und Rollo, welche sie aui Barbados beobachtet
hatten, entspricht ganz dem Bilde einer Lymphangitis. Es
kann danach, sowie nach den Angaben von Hendt/, Fttchsj
Wiedel (Simon 1. c. S. 56) nicht zweifelhaft sein, dass bei
vielen Fällen von Elephantiasis eine Affection der Lymph-
gefasse besteht, ob diese aber das Wesen der Krankheit
ausmacht und nicht vielleicht erst eine Folge der Bindegewebs-
Wucherung ist, bin ich nicht in der Lage, zu entscheiden
In dem eben mitgetheilten Falle ist von einer Betheiligung
der Lymphgefässe Nichts zu bemerken, und ebenso ist in den
Fällen von Elephantiasis der Genitalien, welche ich auffinden
konnte. Nichts erwähnt.
Folgendes sind die Fälle, welche ich habe auffinden
können :
1) Eichard (Arcb. gen. de Med., 1854, Avril). Eine
Frau von 23 Jahren litt an ^nem Tumor der äusseren
Genitalien, weicher operirt wurde; nach acht Monaten hatte
sich aber der Tumor wieder entwickelt und stellte eine drei-
bis viermalige Vergrösaerung der rechten Nymphe dar. Gleich-
zeitig bestand an der Urethra eine eben solche harte, etwas
elastische Geschwulst
2) Thompson (Monatsschr. f. Geburtsk., Bd. VU., S. 487).
Bei einer 46jährigen kräftigen Frau bestand ein Tumor an
den Genitalien, der am Stiele einen Umfang von 15 Zoll, am
unteren dicken Ende von 24 Zoll hatte. Nach der Operation,
die mit dem Messer voUzogen wurde, wog die Geschwulst
4 Pfund. Sie bestand aus Bindegewebe, elastischem Gewebe
und etwas Fett. Die Oberfläche war höckerig und mit Fissuren
durchzogen.
»r GeburtBhiilfe in Berlin. 87
3) Breslau (Monatsschr. f. Geburlsk., Bd. XIL, S. 76)
beobachtete bei einer 45 jährigen Frau, die an Inconünenlia
Diuae litt, einen birngrossen Tumor an der Vulva, der sieb
als die vefgrösserte linke Nymphe erwies, die rechte war
etwa halb so gross, die Urethra für den kleinen Finger
zugänglich. Nach Entfernung der linken Nymphe mit dem
Ecraseur trat Besserung ein, bald aber vergrösserte sich die
Geschwulst der rechten Nymphe und es trat wieder die
Incontinentia urinae auf. Der Tumor wurde deshalb mit dem
galTanocaustischen Apparat entfernt, wobei sich jedoch eine
ziemlich beträchtliche Blutung einstellte. Nach dieser Operation
trat dauernde Heilung ein.
4) Abbildung eines Falles von Elephantiasis vulvae in
Martin, Atlas für Geburtshülfe, Taf. 27, Fig. 5.
5) Scanzoni (Lehrb. der Krankheiten der weibl. Sexual-
organe, S. 522) erwähnt eines in Prag beobachteten Falles,
bei welchem eine Vergrösserung der Labien bis zu der Grösse
eines Maimskopfes bestand.
6) Bardeleben (Lehrh. der Chirurgie, Bd. IV., S. 383)
giebt die Abbildung eines Falles von Elephantiasis nach Rigal^
wo die Labia niajora ebenfalls sehr stark vergrössert sind. ^)
Was schliesslich, die Möglichkeit einer Operation in dem
von mir beobachteten Falle betriflt, so glaube ich, dass sie
sich kaum ausfuhren lassen dürfte, so sehr auch die Be-
seitigung des Leidens wünschenswerth wäre. Denn jedenfalls
könnte die Operation nur in den krankhaft veränderten Theilen
ausgeführt werden; es wurde sicherlich eine sehr langwierige
Eiterung entstehen, welche die Kräfte der Kranken erschöpfen
dürfte; auch ist die Möglichkeit eines ietlialen Ausganges
durch Pyämie dabei wohl nicht von der Hand zu weisen.
1) Durch die Güte dea Herrn Dr. Frentztl erhielt ich nach-
träglich noch folgenden von Bührig (Deutsche Klinik, 1851 , No. 42)
mitgetheilten ,Fall. Bei einem 25 Jahre alten, sonst gesunden
IfSdchen zeigte sich eine kindskopfgrosse Geschwulst beider grossen
Sebainlippen, die eine warzige- Oberfläche hatte und in ülceration
übergegangen war. Ausserdem fanden sich an mehreren Stellen
des Korpers dunkel pigmentirte warzige Degenerationen der Haut
Yor. Die ron Herrn Geheimen Rath Jüngken ausgeführte Operation
fSbrte die Heilung herbei.
gg VI. Verhandlongen der Gesellschaft
Herr Lücke spricht sich gegen die Ansicht aus, dass
eine Operation bei Elephantiasis nur im Gesunden gemacht
werden dürfe. Erst kürzlich sei ein ähnlicher Fall in der
Langenbeck*sdien Klinik in der Weise operirt wbrden, dass
ein Theil der entarteten SteUe excidirt wurde und nach acht
Tagen sei die betreifende Person mit gut verheilter Narbe
entlassen worden.
Herr L. Mayer sagt, dass, obgleich er nicht in der
Lage sei, die Frage zu entscheiden, ob Elephantiasis mit so
colossaler Massenzunabme wie im vorliegenden Falle auf Er-
krankung der Lyniphgefässe oder auf Hyperplasie des Bhide-
gewebes zurückgeführt werden müsse, er die weniger excessiven
Hypertrophien der Genitalien für einfache Hyperplasien des
Bindegewebes halte; nämlich die Hypertrophien der Nymphen,
welche nicht nur bei Hottentottinnen, sondern auch bei
Europäerinnen nicht selten in beträchtlichem Grade beobachtet
würden. Er habe wiederholt zur Abtragung derselben mit dem
Messer schreiten müssen, eine Operation, die keine Schwierig-
keiten mache, aber öfter von starken Blutungen begleitet sei.
In einem dieser Fälle sei die eine Nymphe gegen 27^ ZoÜ
breit, IV2 Zoll lang und an einzefaien Stellen 3 — 4 Linien
dick, die andere Nymphe etwas kleiner gewesen. Von
Elephantiasis sei der eben von Herrn Eggel vorgetragene
Fall der einzige, der ihm zur Beobachtung gekommen wäre;
er würde Bedenken tragen, bei der Ausdehnung, den die
Erkrankung hier genommen, einen operativen Eingriff zu
machen, weil sie nach oben bereits den Hons veneris und
nach innen den Introitus vaginae ergriffen hätte und durch
.eine theilweise Abtragung eine gründliche Abhülfe ihrer Be-
schwerden nicht zu erwarten sei.
Herr L. Mayer besprach darauf in Bezugnahme auf die
in der letzten Sitzung erwähnten Fälle von Extrauterin-
schwangerschaft, die dahin einschlägliche Literatur der neueren
Zeit und knüpfte daran einige allgemeine praktische Be-
merkungen.
für Gcbnrtohiilfe in Berlin. 89
Sitzung vom 26. lifoTember 1862.
Von Herrn Dr. Zander in Eschweiler ist der Gesell-
selJschaft die Krankengeschichte eines
schweren Icterus während der Schwangerschaft
eingescbickt worden, die demnächst vom Secrelär verlesen wird.
Der Fall betrifft eine im siebenten Monate schwangiere
Frau, die, von einer catarrhalischen Gelbsucht befallen, im
Verlaufe der zweiten Woche der Krankheit, scheinbar ohne
alle äussere Veranlassung, von bedeutendem Kopfschmerze,
mehrmaligem Erbrechen und vermehrten Schmerzen in der
Regio hypochondriaca dextra ergriffen wurde. Herr Z. fürchtete
bei der insidiösen Natur der Gelbsucht Schwangerer eine
Eotwickelung der acuten gelben Leberatrophie, konnte indess
weder im Harne noch in dem nach der Verdunstung desselben
zurückbleibenden Rückstande Leucindrusen oder Tyrosinkugeln
Dachweisen. Der gefürchtete Uebergang trat auch nicht ein,
Patientin besserte sich allmälig und soU zur Zeit auch voll-
ständig genesen sein.
Auf Grund dieses Krankheitsfalles legt Herr Z, der Gesell-
schaft folgende drei Fragen vor:
1) Ob überhaupt die Gelbsucht bei Schwangeren eine
häufige Erscheinung ist;
2) in wie vielen Fällen unter diesen der Uebergang
in acute gelbe Leberatropbie beobachtet ist;
3) unter welchen Verhältnissen dieses stattfand.
Er fahrt fort: AuffaUender Weise findet sich in den
Werken über Geburtshülfe, soweit ich dieselben nachschlagen
konnte, Nichts erwähnt; nur Spaeth theilt mit, dass er unter
33,000 Schwangeren zwei Mal den Tod in Folge von acuter
Leberatrophie habe eintreten sehen. Hätte er nur bemerkt,
wie viele unter diesen 33,000 gelbsuchtig gewesen seien,
so würde dies für den praktischen Arzt von wesentlichem
Wertbe für die Stellung der Prognose sein.
Herr Dr. Lexis von hier erinnert sich nur zweier Fälle
▼on Gelbsucht Schwangerer, die ihm während seiner dreissig-
90 ^1* VerhandlaiiKeii der C^seÜBchaft
jährigen Praxis vorgekommen sind. Beide Frauen leben noch,
und habe ich sie deshalb persönlich nm Auskunft gebeten.
Die eine, Frau P., wurde während ihrer vierten Schwanger-
schaft im vierten Monate derselben gelbsüchtig und blieb es
bis 14 Tage nach der Geburt, die zur rechten Zeit eintrat
Die andere, Frau St., wurde im zweiten Monate ihrer ersten
Schwangerschaft gelbsüchtig und blieb es drei Monate lang,
ohne zu abortiren. — Einen weiteren todtlich verlaufenden
Fall finde ich in den Mittheilungen des königl. rheinischen
Medicinalcollegiums nach Physicatsbericbten. Da das Werkchen
Ihnen vielleicht nicht zur Hand ist, so will ich den Fall
hier wörtlich anfuhren.
Acute Leberatrophie von Dr. Brandts in Linnich.
„Bei einer im sechsten Monate schwangeren Frau ent-
„wickelte sich eine Gelbsucht; einige Tage nach dem Aus-
^,bruche derselben tralen plötzlich Bewusstlosigkeit, heftige
„Krämpfe und in Folge derselben bald die Geburt ein. Nach
„derselben steigerten sich die Krämpfe in der heftigsten
„Weise, so dass die Frau acht Stunden nach der Entbindung
„eine Leiche war. Die Krankheit bot ganz das Bild einer
„acuten Leberatrophie dar, und auch die Section wies eine
„ungewöhnlich kleine, erweichte und entartete Leber und die
„mikroskopische Untersuchung derselben die „„dieser Krank-
„„heit angehörigen, eigenthumlichen pathologischen Ver-
„„änderungen**" nach."
Herr Martin bemerkt, dass Spaeth allerdings die Zahl
der Icterischen (5) angegeben habe. Der Irrthum des Herrn Z.
erkläre sich wohl daraus, dass derselbe den Aufsatz von
Spaeth wahrscheinlich nicht selbst in Händen gehabt, sondern
nur aus einem Excerpte kennen gelernt habe.
Herr Virchow erklärt, dass er, soviel er sich erinnere,
noch nie einen Fall von acuter Leberatrophie mit tödtlichem
Verlaufe bei Schwangeren beobachtet habe. Ein Fall von
Gelbsucht sei ihm allerdings erinnerlich, wo die Obduction
erwies , dass diese auf einer sogenannten Schnörleber beruhte,
wo durch den wachsenden Uterus eine fast vollständige Ura-
kiappung der unteren Hälfte der Leber nach vom und oben
herbeigeführt war, ohne indess die Erscheinungen der Atrophie
für Qebartshülfe in Beriin. 91
berforgerafen zu haben. Alle Beobachter stimiiiten darin
Dberein, dass Gelbsucht bei Schwangeren eine sehr seltene
Erankheit sei, und da nicht jede aus einer acuten Atrophie
eatspringe, so müsse das Vorkommen der letzteren noch
um so viel seltener sein.
Lebererkrankungen, insbesondere acute parenchymatöse
Hepatitis, bei Wöchnerinnen ohne Gelbsucht seien indess
nicht selten. Man finde häufig die Leber geschwollen und
bröchig, die Zellen vergrössert und getrübt, ähnlich wie in
den Nieren. Eben jetzt herrsche in der Gharite eine Epidemie
von Puerperaldiphtheritis, wo die Leber immer bedeutende
acate Veränderungen zeige, ohne dass Gelbsucht wähi*end des
Lebens beobachtet werde. Lasse man eine solche Leber einige
Tage liegen, so scheide sie reichlich Tyrosin und die der acuten
Atrophie pathognomisch zugeschriebenen chemischen Stoffe ab.
Was die acute Leberatrophie betreffe, so gehöre er hier
zu den Skeptikern, denn zuerst glaube er nicht, dass es sich
überhaupt um einen ganz acuten Process dabei handele.
Ausser dem Zerfallen der Zellen landen sich Wucherungen
ood Verdickungen des ßindege wehes und der Gelasse und
diese deuteten auf einen präexistirenden chronischen Process.
Somit scheine ihm die acute Atrophie nur den Schluss einer
seit längerer Zeit bestehenden Erkrankung der Leber zu be-
deuten. Dann sei ihm aber auch sehr zweifelhaft, ob die
schweren Zulalle auf die Erkrankung der Leber zu beziehen
seien. Noch immer habe er gleichzeitig acute parenchymatöse
Erkrankung der Nieren mit Albuminurie gefunden, und so
scheine es ihm viel glaublicher, dass es sich um Urämie,
complicirt mit Gelbsucht handle. Das Gewicht, welches auf
das Vorkommen von Tyrosin und Leucin gelegt werde, köime
er nicht anerkennen, da dieselbeu Stoffe auch in vergi*össerten
Ld)em vorgefunden würden, z. B. bei fieberhaften Puerperal-
erkranknngen.
Es sei deshalb zunächst zu untersuchen, ob sich die
sogenannten Fälle von acuter Atrophie nicht audi als Urämie
aafiassen liessen, welche vielleieht erschwert sei durch die
g^ichzeitig bestehende Leberaffecüon; sodann ob diese Fälle
sich in cbarakleristischer Weise von denen unterscheiden,
92 VI. Verhandinngen der Oesellschaft
wo die Leber ohne Icterus erkrankt sei und gleichzeitig die
Nieren leiden.
Das Material, welches bis jetzt vorliege, berücksicbtige
diese Fragen gar nicht und sei deshalb gänzlich unbrauchbar. Er
schlage daher vor, die gestellten Fragen dahin zu beantworten:
1) Dass Icterus eine sehr seltene Erkrankung der
Schwangeren und Wöchnerinnen sei.
2) Dass in den schweren und tödtlichen Fällen von
Icterus möglicherweise jedes Mal zugleich eine
schwere Erkrankung der Nieren bestehe und die
nervösen ZufäUe vielmehr dieser zugeschrieben
werden müssen.
Auf die Anfrage des Vorsitzenden, ob einer der An-
wesenden die Gelbsucht bei Schwangeren beobachtet habe,
theilte
Herr L. Mayer eine Beobachtung mit, welche sich der
von Virchow erwähnten hinsichtlich der Genese anschliesst,
insofern es sich hier ebenfalls um Compression der Leber
durch den schwangeren Utems und Behinderung in der Eni*
leerung des Gallensecrets handele. Es sei zwar kein Schnur-
läppen, aber eine bedeutend vergrösserte Leber vorhanden
gewesen, deren grosser Lappen mit gewölbter glatter Ober-
fläche und scharfem Rande den Rippenbogen um 4 — 5 Zoll
überragte, während der kleine Lappen sich bis unter den
linken Rippenbogen erstreckte und nach unten fast bis zum
Nabel reichte.
Die Beobachtung betrifil eine 35jährige Frau, welche
drei Mal leicht geboren und ein Mal abortirt hatte. Seit dem
15. Jahre regelmässig menstruirt, sei sie im 18. Jahre in
Folge einer Erkältung an gastrischen Beschwerden mit Leber-
affection erkrankt, die einen chronischen Charakter an-
genommen und sich durch wiederholte Migräne, Gardialgien,
Aufstossen, Meteorismus, Darmkoliken mit galligem Erbrechen
u. s. w. geäussert hätten. Die beiden ersten Schwanger-
schafteil wie der Abortus 'seien ohne Störungen verlaufen,
ebenso die Entbindungen und Wochenbetten. In der vor vier
Monaten durch leichte Geburt beendeten vierten Schwanger-
schaft seien in der letzten Hälfte vermehrte Schmerzen im
für Oebnrtahülf» iii BerliD. 93
rccbleii Hjpochondrium eingetreten und drei Tage vor der
GeiNirt ein intensiver Icterus, der zwei Tage nach der Ent-
Undung wieder völlig verschwunden und nicht wiedergekehrt sei.
Herr Martin bemerkte, dass er ebenso wie Spaeih
die Gelbsucht bei Schwangeren für eine seltene Erscheinung
halten roösse. Die bereiLs von Anderen gemachte Unter-
scheidung derjenigen Gelbsucht, welche in Folge von Druck
des hochschwangeren Uterus und von dem mit Koth
gefüllten Dickdarm auf die Gallenwege auftrete und dann
nicht besonders gefährlich zu sein pflege, von einer durch
Erkrankung des Leberparenchyms bedingten meist mit Nieren-
degeneration verbundenen erscheine nicht ohne praktischen
Werth. Herr M. erinnerte sich nur folgender drei Beobachtungen
des Icterus gravidarum, von welchen der erste Fall in seiner
Klinik vollständig beobachtet wm*de, der zweite nur an der
Leiche zu seiner genaueren Wahrnehmung gelangte, der dritte
höchst wahrscheinlich von einer Phosphorvergiflung herrührend
zu einer Sectio caesarea post mortem Anlass gab.
1) Intensive Gelbsucht im achten Schwanger-
schaftsmonate. Geburt eines fast zeitigen
todten Rindes. Langsame Genesung nach
Metritis im Wochenbette.
PauUne Kuenney 22 Jahre alt, aus Berlin, als Kind
stets gesund — namentlich frei von Bachitis — , menstruirt
seit ihrem 15. Jahre regelmässig drei- bis vierwöchentlich
und seit Anfang October 1861 zum ersten Male schwanger,
erkrankte , nachdem sie in den ersten Monaten der Gravidität
öfl«* an „Uebeikeit*" gelitten, Mitte Mai 1862 unter Uebelkeit,
Appetitlosigkeit y grosser Mattigkeit, lebhaften Kopfschmerzen
und anhaltender Obstructio alvi an einem intensiven Icterus.
Die Leber war nicht nachweislich vergrössert, die Lebergegend
nicht schmerzhaft, die Zunge grau belegt, der durch Clysmata
erzielte Stuhl grau; der Urin enthielt sehr viel GallenfarbstofT
und die äussere Haut, die Conjunctivae, das Palatum moUe
waren stark gelb geflärbL Die Ausdehnung des Leibes war
nicht beträchtlich.
Dabei war die in die königl. Universitäls- Entbindungs-
anstalt aufgenommene Gravida vollkommen fieberfrei; die
94 ^I* Verbandhuigen der Gesellschaft
Temperatur der Scheide schwankte zwischen den normalen
Grenzen: 37,9 <> C, — 38,2 » C. Durch Pulver aus Natr.
bicarbon., mit Cremor tartari, und als diese nicht hinreichend
wirkten durch Calomel, und später durch ein Inf. cort. Rhamn.
frangulae mit Kai. acet. wurde für regelmässige LeibesöfEaung
gesorgt.
Am 30. Juni begann die Wehen thätigkeit; es zeigte sich
eine zweite Fusslage, zu der nach sechsstündiger Dauer der
ersten Periode bei erfolgtem ßlasensprunge ein Nabelschnur-
voifall trat. Mit dem abfliessenden Fruchtwasser war viel
Meconium abgegangen. Die aus dem Muttermunde heraus-
getretene Nabelschnurschlinge war fast vollständig pulslos. —
Die eiligst vorgenonmKUie und in wenigen Minuten beendetr
Extraction förderte ein todtes Mädchen von 5 Pfund 27 Lotli
zu Tage. Die Placenta, nach zwei Hinuten herausgedrückt,
wog 1 Pfund 5 Loth, entliielt eine dicke fibröse Schwarte,
ziemlich viel Kalkconcremente. Die grünlich gefärbte Nabel-
schnur war sehr gedreht und mit vielen falschen Knoten
versehen. Der Eihautriss dicht am Rande der Placenta.
Der Uterus blieb nach der Entbindung gut contrahirt.
Kaum 24 Stunden nach der Geburt stellte sich bei fast
voüständig fehlenden Schweissen ein sehr lebhaftes Fieber
mit Kopf- und „reissenden*' Nackenschmerzen ein. Dazu
trat sehr bald eine starke Schmerzhaftigkeit der Unken Uterus-
seite, welche durch acht Blutegel auf die schmerzhafte Stelle
und temperirte Umschläge etwas verringert wurde. Die
höchst übelriechenden Lochien besserten sich durch Leinsamen-
einspritzungen und nach Gebrauch von Oleum Ricini folgten
mehrere gelbliche Stühle. Die gelbe Haut- und Conjunctiva-
Farbe schien bei den stärker auftretenden Schweissen etwas
geringer zu werden. Am neunten Tage verliess Puerpera
zuerst das ßett und war auch am zehnten Tage ziemlich
wohl. Dann aber trat, wahrscheinlich in Folge einer Er-
kältung von Neuem mit Frost und lebhaftem Fieber eine
hohe Schmerzhaftigkeit der linken Uterusseite ein. Der Uterus
war tiocli immer zwei bis drei Finger breit über der Symphyse
zu fühlen, seine Rückbildung mithin eine mangelhafte.* Es
wurdf'n von Neuem Blutegel angeordnet, da diese aber nur
palliative Linderung brachten , die Kranke behufs weiterer Cur
Ar GebQrtohillfe iB Berlin. 95
»D 19. iiili d. J. zur gynäkologischen Station des könig^
Cbantekrankenhauses befördert.
Am 20. Juli trat daselbst unter gelinden Fiebererscheinungen
eio Blutabgang ein; wobei das Blut flüssig abging und die
Vermutbung nahe lag, dass die Menses sich wieder eingestellt
häUea. Der Blutabgang dauerte zwei Tage. Der Muitergrund
itaoil am 23. Juli noch drei Finger breit über der Symphysis
pubis. In der linken Regio inguinalis fühlte man eine sträng-
förmige vom Uterus ausgehende Geschwulst, weiche spontan
und auf Druck sehr schmerzhaft erschien. Muttermund, eine
Querspalte, war gerüthot, Scheidentheil ziemlich gut zurück-
gebildet. Massiger Fluor albus. Die temperirten Wasser-
umschlage wurden fortgesetzt und Einspritzung von Decoctum lini
nut Bleiwasser verordnet , später auch wiederholte Vesicaulien
auf den Unterleib applicirt.
Unter dieser Behandlung verloren sich die Schmerzen
im Unterleibe und die Geschwulst in der linken Weiche
bikiete sich vollstSndig zurück. Die icterischen Erscheinungen
schwanden allmälig, doch behielt Patientin einen schmutzigen
Teint Am 12. August wurde Pat. als voUkommen geheilt
entlassen.
2) Icterus bei einer am dritteuTage des Wochen-
betts Verstorbeneu.
Eine 23 Jalire alte Primipara hatte auf der Fahrt zur
Gebäranstalt eines Krankenhauses in der Droschke geboren,
und war, als sie am zweiten Tage von einem Froste befallen
und imter Fiebersymptomen betäubt worden war, auf eine
andere Station des Krankenhauses verlegt worden, wo sie
am Abend des dritten Tages bewusstlos starb. Die Secüon,
welcher Herr if. beizuwohnen Gelegenheit hatte, zeigte ausser
dem intensivsten Icterus Lungen und Herz gesund, die Bauch-
böhle frei von Exsudate, die Leber von massiger Grosse,
gelber Farbe, glatter Oberfläche; auf dem Dui*chschnitte der
Leber traten kleine hirsekorngrosse gelbe durch rötlüiche
geschrumpfte Streifennetze geschiedene Körner hervor, die
Gallenblase enlliielt wenig grünliche dicke Galle; der Magen
war weit, die Schleinihaut des Zwollfingerdarms gewulslet,
in der Mündung des Ductus choledochus ein zäher Schleim-
96 VI. VerhuidliueeB der Geiellicbmft
pfropf. Die Milz ziemlich dick, gross, derb. Die beiden Nieren
zeigten stark verfettete Corticalsubstanz , welche daher blass
matt getrübt von der Hedullarsubstanz deutlich abstach. Diir
Harnblase war frei, der. Uterus entsprechend zusammengezogen,
Substanz gesund , Innenfläche mit wenig Blutgerinnsel bedeckt ;
am Halse enthielt ein Lymphgefass ein Gerinnsel. Die Ovarien
erschienen etwas ödematös mit kleinen Eccbyroosen am Rande.
Eileiter frei. Scheide gesund.
3) Gelbsucht einer Hochschwangeren durch ein€>
Phosphorvergiftung bedingt. Sectio caesarea
post mortem.
Frau A^., 28 Jahre alt, war vier Mal und zuletzt vor
IVs Jahren mit Hülfe der Zange entbunden und hatte iiu
letzten Augenblicke an Uterinblutung, sowie später au
hysterischen Zufallen gelitten, welche von einer C^bärmutter-
hypertrophie herzurühren schienen und deshalb von ihrem
Arzte durch wiederholtes Ansetzen von Blutegeln an den
Scheidentheil bekämpft wurden. In der gegenwärtigen
Schwangerschaft, welche aus dem Ende Mai 1861 datirle,
hatte sie, wie schon früher, viel an Kopfschmerz und Er>
brechen gelitten und sich in neuerer Zeit sehr verzagt gezeigt.
Nachdem sie am 15. December heimlich die phosphorhaltigen
Köpfe von einem Paket Zündhölzchen verschluckt hatte, er-
krankte sie unter den Symptomen eines heftigen Gastro-
intestinalcatarrhs mit Fieber. Der behandelnde Arzt erfulir
erst am 17., nachdem die Gelbsucht eingetreten war, die
Ursache und forderte Herrn Martin am Vormittage des 18.,
als die Symptome einen nahen Tod voraussehen Hessen, auf,
den Kaiserschnitt zu machen. Herr M, fand die im achten
Monate befindliche Schwangere intensiv icterisch, in grosj$er
Beklemmung und Unruhe mit heftigem Durst und zeitweisen)
Erbrechen geringer Mengen schwärzlich blutigen Schleimes.
Gloiche Ausscheidungen waren auch durch den Darm erfolgL
Puls kaum zu fühlen, Haut an den Extremitäten kühl, mit
klebrigem Schweisse b^eckL Der Scheidentheil war noch
1 Zoll lang und fest, der Mutterhalscanal Hess zwar den
Finger eindringen, bot aber keine Aussiebt, die Entbindung
auf dem gewöhnlichiTi Wege zu bewerkstellig<»n. Der mit dem
ftir Gebartshiilfe in Berlin.
97
Kaüieter entleerte Urin zeigte bei der Unlersuchuüg mit
Salpetersäure in der Siedhitze etwas Eiweiss und Gallenfarb-
stoff. — Nachdem Mittag 1 Uhr der Tod erfolgt war , vollzog
Herr M. den Kaiserschnitt in der Linon alba, sah dabei
keine Flüssigkeit aus der Bauchhöhle austreten, fand das Blut
dunkel schwarzroth und flüssig. Der Schnitt in die vordere
Wand der Gebärmutter traf auf den Mutterkuchen, dessen
oberer Rand etwa IV2 Zoll unterhalb des Muttergrundes
begann. Nach theilweiser Ablösung der Placenta und Zer-
mssung der Eihäute fand man die Frucht in erster Schädel-
lage, forderte dieselbe sofort heraus, konnte aber trotz aller
Belebungsversuche den circ^ acht Monate alten Knaben nicht
zum Athmen bringen. Die Eihäute waren mit der Innenfläche
der Gebärmutter so hmig verklebt, dass man sie von der
Wand ablösen niusste. Die vordere Gebärmuttervvand , welche
längs der Mittellinie . eingeschnitten war, erschien schlaff,
7 Linien dick. Nach Herstellung des Verbandes mussten die
Leichen sowohl der Mutter wie des Kindes der gerichtlichen
Section überlassen werden; nur die Nachgeburt wurde auf
Phosphorgehalt untersucht , ergab jedoch keine erkennbare Spur.
Durch die Gute des Herrn Dr. Liman kann ich aus dem
am 21. December aufgenommenen Sectionsbefunde Folgendes
hier mittheilen. Die Leber, von nicht grösserem Volumen als
gewöhnlich, war ockergelb von Farbe, fest in der Substanz,
fettig. Lnter dem Mikroskop zeigen sich vielfach freie Fett-
tropfen, welche in den Leberzellen selbst nicht wahrgenommen
werden konnten. Gallenblase fast leer. Netze fett und
ecchymotisch. Der Magen, dessen Aussenfläche ausser gelb-
süchtiger Färbung und stellenweiser Verwesungsimbibition
nichts Abnormes bietet, ist mit einer schmutzig schwärzlichen,
anscheinend blutigen Flüssigkeit (circa zwei Tassen voll) an-
gefüllt. Seine Schleimhant, auf welcher einige schwärzliche
Gerinnsel liegen, zeigt nichts Abweichendes. Dieselbe schwarz-
Oüssige Masse resp. die einzelnen Gerinnsel derselben finden
sich auch noch auf der ganzen Innenfläche des Darmcanales.
Der Koth im Dickdarme ist thouartig weiss. Die Milz schon
sehr weich. Di|B Nieren sind blutreich und haben eine
schmutzig gelbliche Färbung. Die herausgenommene Gebär-
mutter ist 9ya Zoll lang, t> Zoll in ihrem Grunde breit, ihre
lC«oaU«ehr. f. Oeboruk. 1868. Bd. XZI., Hft. 3. 7
()3 ^I- Verhandlungen der Gesellschaft
Wände sind % Zoll dick; ihre Innenfläche ist durchweg mit
(Mner liniendicken geronnenen Blutschicht bedeckt Harnblase
h>er. Hohlader blutleer. — Lungen gesund und blutleer. Auf
der Aorta Ecchymosen. Herz ziemlich weich, fast blutleer.
Das Blut dunkelkirschfarben und dünnflüssig. Die grossen
Gefässstamme leer. LufLröbrenschleimhaut blass , darauf
Mageninhalt. Speiseröhre normal. Im Schädel nichts Auf-
fallendes; die Dura mater an der Schädelbasis gelb geßrbt.
Gehirn, Adergeflechte, Hirnhäute bleich. Blutleiter leer. Die
mikroskopische Untersuchung des Blutes zeigt nichts Besonderes.
Das todt zur Welt geforderte Kind wog 3% Pfund und
war 16 V2 Zoll lang. Die weiche blutreiche Lebersubstanz
zeigte unter dem Mikroskop massig viel Fetttröpfchen. Magen,
Milz, Därme wie gewöhnlich. Nieren nicht aufTallend blutreich.
Harnblase strotzend voll Urin. Die Hoblader enthielt wenig
ziemlich flössiges Blut. Auf Thymus, Lungen und Pericardium,
Petechialsugillationen, Lungen sehr fest anzufühlen, ihr Blut-
gehalt sehr massig. Das Herz und die Kranzadern der rechten
Hälfte aufTallend viel ganz geronnenes Blut haltend; die linke
Herzhälfte leer. Luftröhre leer und normal. Gehirnhäute
ziemlich blutreich; auf dem Gehirnzelte liegt eine dünne
Schicht geronnenes Blut. Blutleiter leer. — Die chemisciie
finlersuchung hat in den untersuchten Theilen der Mutter
und des Kindes Phosphor nicht nachgewiesen; derselbe dürfte
auch bereits in phosphorige Säure umgewandelt gewesen sein«
Herr Scholz hatte bei seinem früheren Aufenthalte in
Breslau an der dortigen Klinik einen Fall von tödtlich ver^
laufendem Icterus beobachtet. Eine bis dahin gesunde Schwangere
erkrankte im siebenten Monate an Icterus mit ziemlicli heftigen
Schmei*zeu in der Leber und Gelbsehen. Am vierten Tage
der Erkrankung verfiel sie in Coma und gebar durch spontane
frühzeitige Entbindung ein todtes Kind. Nach der Entbindung
blieb sie comatös und starb 12 Stunden später. Es sei ihm
erinnerlich, dass der Harn bei der Untersuchung einen be-
deutenden Eiweissgehalt gezeigt habe; doch könne er über
die Section nichts Bestimmtes mehr berichten. Uebrigens
sei auch dort die Gelbsucht bei Schwangeren sehr selten
gewesen, denn unter den 3000 Schwangeren, die in jener
mr Gebvrtohaife ia Berlin. 99
Zeit ia der dortigen Anstalt entbunden seien, wjiren etwa
iier oder (nnf Erkrankungen an Gelbsucht vorgekommen.
Herr Martin meint, dass man wohl zwei verschiedene
Arten von Gelbsucht Schwangerer unterscheiden müsse,
leiditere und schwerere, die auf gänzlich verschiedener
pathologisch -anatomischer Grundlage beruhten. Es schienen
die Erkrankungen in den letzten Monaten der Schwangerschaft
dnrdischnittlich mehr zu den leichteren Fällen zu gehören
Dod vielleidit aus einer mechanischen Belästigung der Leber
hervorzugehen, während die Gelbsucht in den früheren
Sehwangerschaftsnionaten, bei der das mechanische Moment
naldiiich ausfiele, schon um deshalb auf tiefere Destructionen
der Leber deute, und deshalb auch die schwereren Fälle
anzeige.
Herr JSggel legt eine Traubeumole vor, deinen nahei*e
Beschreibung er in der nächsten Sitzung geben wird.
Herr Gusseroto spricht über
Prolapsus uteri gravidi.
Der sogenannte Vorfall dei* Gebärmutter bei vorgerückter
Schwangerschaft ist im Allgemeinen selten und wenn aucti
die Anzahl derartiger Fälle, die in der Literatur bekannt
gemacht worden sind, eine nicht ganz geringe ist, so herrscht
über diese Störung der Schwangerschaft, resp. der Geburt
noch manches Unklare und deshalb mag es mir erlaubt sein
drei hierher gehörige Fälle, die in letzter Zeit zu meiner
Beobachtung kamen, kurz zu referiren. Der erste Fall ist
bereits von Martin (Verlängerung des Scheidentheils als
Ursache des Gebärmuttervorfalls etc. Monatsschrift für Geburts-
kunde, Band XX., Heft 3) nach meiner Beobachtung be*
schrieben mid ich will ihn daher hier nur uoch einmal kurz
wiederholen. Es betri£ft dies eine 34 Jahre alte Frau, die
10 Mal leicht geboren hat und schon bei der letzten Schwanger-
schaft einen Vorfall bemerkt haben will, der aber bald wieder
verschwanden ist. In der Jetzigen eiliteu Schwangerschalt
besteht schon seit einigen Monaten wiederum ein Vorfall.
Die Untersuchung ergab einen geringen Grad von Hängebauch ;
7*
100 ^^ Verbaadhiiigen der Geffellsrhaft
der Fundus uteri etwa vier Finger breit über dem Nabel stehend,
die kleinen Theile nach links hin zu fühlen. Aus den äusseren
Genitalien ragt die Portio vaginalis als eine dicke aufgewulstete
teigig anzufühlende Masse über Handbreit heraus, so das»
der Patientin das Gehen bedeutend erschwert ist Der Mutter*
mund ist eine Querspalte mit vielen seitlichen Einrissen und
Erosionen auf beiden Lippen, die einen schmierigen Belag haben
und bei ßerührung leicht bluten; aus dem geöffneten Mutter-
munde dringt eine grosse Quantität eitrigen Schleimes. Eine
eigentliche Dislocation des Utenis ßndet somit nicht statt,
ebensowenig eine solche der Blase; auch ist das Uriniren
nicht erschwert. Sowohl die liinlere als die vordere Scheiden-
wand sind so gut wie gar nicht herabgetreten und man kann
neben der hervorgetretenen Vaginalportion nt»ch den Fundus
der Scheide erreichen. Den Scheidentheil konnte ich unter
Schmerzen unvollkommen in die Höhe drängen, allein sobald
ich die Finger entfernte quoll die Masse wieder heraus. Ein
vorliegender Theil war nicht zu erreichen. Die Frau war
somit nach der Untersuchung im letzten Schwangerschafls-
monate und nach einigen Tagen meldete sie auch dass ihr
Fruchtwasser abgegangen sei, der hingeschickte Praktikant
fand dies richtig, jedoch war von emem Vorfall des Scheiden-
theils keine Spur mehr vorhanden, der Kopf war in zweiter
Schädellage vorliegend zu fühlen. Die Wehen waren anfanglich
auf die dicken Muttermundslippen ohne rechte Wirkung, so
dass erst etwa 36 Stunden nach Abfluss des Fruchtwassers
die Geburt eines lebenden ausgetragenen Knaben erfolgte.
Im Verlauf des Wochenbettes und nach demselben war, so-
lange die Frau in der Behandlung blieb, von einem Vorfall
der Gebärmutter oder der Scheide nichts zu bemerken.
Im August d. J. wurde mir durch einen befreundeten
CoUegen die Behandlung einer 34jährigen Frau Seh. über-
tragen, die bereits sechs Mal geboren hat. Die erste Niederkunft
eines nicht ganz ausgetragenen aber lebenden Kindes erfolgte
sehr leicht, sie bekam jedoch nach dieser einen massigen
Prolapsus uteri et vaginae, ihrer Beschreibung nach. Die
zweite Entbindung an einem ausgetragenen Kinde erfolgte so
rasch, dass sie davon auf der Strasse überrascht wurde.
Seitdem nahm der Vorfall immer mehr zu, besonders in jeder
für Oebortthälfe in Berlin. 101
IMQCO Schwangerschafl etwa vom Alnften Monate an , so dasp
irifderbolte Repositionen vorgenommen werden mussten. Die
folgenden vier Schwangerschaften endeten immer mit der Geburt
mes 7 — Smonaüicben Kindes; Als ich am 31. August die
Frau luerst sah, befand sie sich im Anfang des siebenten Monats
ihrer siebenten Schwangerschafl. Der Fundus uteri stand einige
Finger breit über dem Nabel, kleine Theile waren nirgends
deatlich zu fühlen. Herztöne rechts zu hören. Aus den
Genitalien ragte die Portio vaginalis etwa 4 Zoll weit als
dicker geschwollener, tief blaurother Wulst hervor. Der
Nuitennund war eine klaffende Querspalte, ein Geschwur
umgab d«*n8elben etwa von der Grösse eines Zweithalerstnckes,
das schmierigen Eiter absonderte. Die vordere Scheidenwand
war mit der Blase ebenfaUs. vorgefallen, so dass Patientin seit
beinahe 24 Stunden ausser Stande war den Urin zu lassen.
Die hintere Scheidenwand war auch vorgefallen und ödematös
inflltrirt, so dass sie eine besondere schwappende Geschwulst
bildete. Wie in der Schwangerschaft bei den geringsten
Bewegungen der Prolapsus sich eingestellt hatte, so hatte ihn
Patientin audi immer selbst zurückbringen können, jetzt aber
war derselbe formlich incarcerirt. Erst nachdem die Blase
entleert war, wobei der Katheter ganz nach unten gerichtet
werden musste, gelang es mir den Vorfall unter leichter Nar-
kose nicht ohne Kraftanstrengung zu reponiren. Gleichwohl
trat er in den nächsten Tagen trotz absolut ruhiger Lage
noch einige Male heraus, aUein ohne sich einzuklemmen.
Ein vorliegender Theil war durch den Muttermund niemals
lu fühlen gewesen. Am 9. September Abends verlor Patientin
das Fruchtwasser und leise Wehen stellten sich ein. Als ich
am 10. untersuchte fand ich den Scheidentheil in der JScheide,
wenn auch tief stehend, die Muttermundslippen dick wulstig
geschwollen, den Muttermund selbst etwas geöffnet, ein vor-
liegender Tbeil nicht zu fühlen. In der Nacht vom 10. zum
11. September stellten sich ganz plötzlich die heftigsten Wehen
ein und gleich darauf wurde ein lebender siebenmonatlicher
Knabe in Sieisslage geboren, ohne dass irgend welche ärztliche
Hülfe zugegen war; als die Hebamme hinzukam wurde unter
erneuten kräftigen Wehen ein voOständiges Ei geboren mit
zerrissenen Eihäuten, wobei auch beide Placenten mit abgingen;
102 VI. Verhandhiiis^en der Gesellschaft
obgleich die Eihäute gleich zerrissen wurden war das Kind,
dn Mädchen, todt. Der Knabe starb zwei Tage später.
Die Mutter überstand das Wochenbett sehr glücklich.
Ich habe dieselbe noch vor 'einigen Tagen untersucht, der
Uterus steht etwas tiefer im Becken als gewöhnlich, ragt
jedoch nicht bis an die äusseren Genitalien, dagegen besieht
ein ziemlich bedeutender Prolapsus der hinteren Scheidenwand
mit einer geringen Bectocele. Ein dritter Fall ging an dem-
selben Tage der Entbindungsanstalt zu und gelangte dadurch
mit zu meiner Beobachtung. Hein College Dr. Winckel hat
mir gestattet die betreffende Krankengeschichte hier mit an-
zufflhren. Die Frau M, ist 26 Jahre alt, stammt aus gesunder
Familie, hat aber bis zu ihrem fünften Jahre an Bhachitis
gelitten. Im December 1860 wurde sie mittels der Zange
nach zwölfstündigem Kreissen von einem lebenden Knaben
entbunden. Schon 14 Tage nach der Entbindung, bei welcher
der Damm bis an den Sphincter eingeiissen war, breitete
sich ein Vorfall der hinteren Scheidenwand und des Uterus
aus, der jedoch durch ein Zioanck'sches Pessarium. zurück-
gehalten wurde. Seit Anfangs April d. J. befand sie sich
wiederum in anderen Umstanden und ist demnach im sechsten,
höchstens siebenten Monat der Schwangerschaft. In den ersten
beiden Monaten gelang es ihr den Uterus mit dem Hysterophor
zurückzuhalten, seit Anfang Juni war dies jedoch nicht mehr
möglich und seitdem ist die Portio vaginalis etwa 3 Zoll
weit hervorragend. Der Fundus uteri steht etwas über dem
Nabel, kleine Theile sind links zu fühlen, Herztöne rechts zu
hören. Die Beckenmessung ergiebt ein ziemlich bedeutend
geradverengtes Becken, nämlich: Sp. II. 9^4", Cr. 9*/«^ Conj.
ext 7V4", Conj. diag. 3" 7'" (mithin eine Conj. vera von
3" 1 — 2'"), die beiden schrägen Durchmesser des grossen
Beckens betrugen 8V4''. Aus den äusseren Genitalien ragt eine
über zwei Fäuste grosse blassrotlie Geschwulst etwa 4 — 5''
lang heraus, an deren untersten Spitze die beiden dicken mit
grossen Ulcerationen besetzten Muttermundslippen zu sehen
sind. Der hintere und vordere Theil der Geschwulst wird
von den trockenen, etwas gerunzelten Scheidenwänden gebildet.
Durch den offenen Muttermund kann man weit eindringen
und fühlt in der Höhe des Beckeneinganges den kleinen Kopf
für Gebnrtshülfe in Berlin. 103
baÜetirend. Die Wehen bestanden an dem Tage ihres Ein-
tritles in die Anstalt (10. September) schon seit dem vorigen
Tage jedoch äusserst schwach und unwirksam. Es war eine
Meatende Endometritis colli vorhanden, indem bei jeder
Wehe eine beträchth'che Menge Eiter aus dem Muttermunde
herausquoll. Abends 9 Uhr wurde die Reposition der vor-
getretenen Yaginalportion gemacht, dieselbe drang jedoch bei
der Application eines Clysma wieder hervor. Bei jeder
Wehe konnte man übrigens ein leichtes Zurückziehen der
Mattennundslippei^ bemerken, wobei sich die nach aussen
gekehrte Scheidenschleunhaut leicht runzelte. Nach einer
zweiten Reposition blieb der Scheidentheil in der Vagina,
nachdem die rechte Seitenlage der Frau angeordnet war und
jedes Hitpressen untersagt Die Wehen besserten sich nach
den geeigneten Mitteln bald und Nachts 12 Uhr floss das
Fruchtwasser ab. Kräftige Wehen trieben den kleinen Kopf
herunter, ohne dass der Uterus mit heraustrat und nachdem
der Kopf zwei Stunden in der Beckenenge gestanden hatte,
wobei sich eine Kopfgeschwulst bildete, wurde er glücklich
geboren. Der lebende Knabe wog 4 Pfd. 4 Lth., war 17 Va"
lang, seine Kopfdiurchmesser betrugen: die beiden queren
2%" und 2" 11"", die beiden geraden: 4" und 4%" die
Höhe: S''. Auf dem linken Scheitelbein war eine beträchtliche
Kopfgeschwulst, während entsprechend auf dem rechten sich
eine rothe Dnickstelle zeigte. Bei dem Herausdrücken der
Placenta trat die vordere Scheiden wand etwas heraus. Der
Uterus blieb reponirt auch im ganzen Verlauf des normalen
Wochenbettes.
Wenn man als Hauptcriterium des Gebärmuttervorfalls
die wirkliche Lageveränderung der Gebärmutter im Auge be-
bäh, so haben wir es in unserem Falle sicher nicht mit einem
wirklichen Prolapsus uteri gravidi zu thun. Der Stand des
Fupdus uteri war in allen drei Fällen unverändert dem Zeit-
punkt der Schwangerschaft entsprechend, also kann von einem
Herabgesunkensein des Uterus im Ganzen keine Rede sein
und nur die Vaginalportion war vor die äusseren Genitalien
getreten. Im ersten Fall war dies entschieden durch eine
Hypertrophie derselben bedingt, für die wir aUerdings ver-
geblich nach einer Ursache suchen. Dafür spricht zunächst
104 VI. Verhandlnnu^ii der Geselliehaft
■
der Umstand, dass weder vor der Schwangerschaft noch nach
derselben ein Prolapsus uteri oder vaginae stattgefunden hatte,
hauptsächlich aber das Resultat der Untersuchung selbst,
indem die Yaginalportion als dicker gewulsteter Zapfen aus
der Scheide frei herausragte, ohne diese weit eingestülpt zu
haben, daher war es mir auch unmöglich eine eigentliche
Reposition zu bewerkstelligen, indem es mir nur gelang, die
ödematöse Masse auf Augenblicke durch Druck zu verkleinem
und so zum Verschwinden zu bringen, nicbt aber sie nach
oben hin zu verscbieben. Die Reposition war in den andereo
beiden Fallen möglich, weil in beiden ein Prolapsus vaginae
gleichzeitig iteben der Anscbwollung des Scbeidentheiles be-
stand. Im zweiten Falle war durch die frühere Sturzgeburt
der Damm verletzt und es hatte sich so eine Rectocele aus-
gebildet, die von mir ja auch nach dem Wochenbett gefunden
wurde, diese batte natürlich eine Zerrung des Uterus nach
abwärts bedingt und mit der Zunahme seines Volumens in
der Schwangerschaft war die Vaginalportion noch tiefer ge-
treten und so bis zum Scheideneingang gekommen, hier fand
nun bei jeder Bewegung natürlich eine Reizung derselben
statt und die Folge davon war eine bedeutende Schwellung
derselben, die dann wieder in diesem Falle die andere Scheiden-
wand mit der Blase soweit herabgezerrt hatte, dass es, wie
beschrieben, zu einer vollständigen Incarceration kam. Aehn-
lich dürfte sich der Vorgang im letzten Fall gestaltet haben,
nur dass hier wirklich seit der letzten Entbindung ein Pro-
lapsus uteri bestanden hatte, der durch einen Vorfall der
hinteren Scheidenwand, eine Folge des Dammrisses, bedingt
war. Dass hier überall allein die Veränderung der Portio
vaginalis das Bild eines Prolapsus uteri gab, geht auch aus
dem Umstand hervor, dass überall der voriiegende Kindestheil
nicht mit herausgetreten war, sondern sich im oder über dem
Beckeneingang befand, dass also die Hauptmasse des Uterus
ihren normalen Stand hatte und nur der untere Gebärmutter-
abschnitt d. h. der Scbeidentheil gewachsen war. Für die^e
Auffassung spricht ferner das Verhalten des Scheidentheils
während der Geburt, derselbe verstrich unter dem Eintluss
der Wehen langsam, zog sich in die Scheide und dann über
den vorliegenden Theil allmälig zurück, blieb also nicht wie
für Geburtahulfe in Berlin. 105
dies «flerdings sonst wohl beobachtet ist wibread der Gebart
vor den änssereD Genitalien. Hätten wii* es endlieh in unseren
Fäieo mit einem wirklichen Vorfall der schwangeren Gebär-
loaUer zu tbun gehabt, so wäre es geradezu undenkbar, dass
derselbe nicht nach Ausstossung des Kindes bestehen {^lieben
wäre, deiui der so verkleinerte Uterus würde doch um so
mehr mit den ausgeweiteten Weichtheilen der Scheide nach
aussen gelagert bleiben müssen, wenn kurz vorher noch der
gesammte Uterus mit Inhalt vorgefallen gewesen wäre.
Es kann nun überhaupt wohl keinem Zweifel unterliegen,
dass der Vorfall der Gebärmutter bei vorgerückter Schwanger-
schaft ein Ding der Unmöglichkeit ist. Bedenkt man zuvörderst
das Volumen der Gebärmutter mit ihrem Inhalt, so dürfte
kein Becken den Baum bieten um diese Masse zu gleicher
Zeit hipdurcbtreten zu lassen; wenn man aber annehmen
wollte, dass ein Uterus in den ersten Monaten der
SchwaBgerschaft gänzlich prolabire und sich dann ausserhalb
des Beckens weiter entwickele, so ist dies ebenfalls unmöglich,
denn die Scheide kann sich nicht so colossal erweitern, dass
der hochschwangere Uterus in ihrer Ausstülpung liegen könne
und es muss demnach der Uterus, wie dies meist auch dann
geschiebt, sich in das Becken zurückziehen mit dem weiteren
Fortschreiten der Schwangerschaft oder es kommt zum
Abortus. Diese Deduction der Unmöglichkeil des Gebärmutter-
vorfalls in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft ist übrigens
in letzter Zeit erst wieder von 0. v. Franque (der Vorfall
der Gebärmutter, Würzburg 1860) geführt worden und damit
stimmt auch öberein, dass nach der fieissigen Zusammen-
stellung von Hüter über Prolapsus uteri während der
Schwangerschaft und Geburt (Monatsschrift für Geburtskunde,
Bd. XVI.) in der gesammten Literatur kein wohl constalirter
Fall der Art vorhanden ist, indem jedes Mal, wo ein scheinbar
derartiger Fall beschrieben, entweder der Stand des Fundus
ateri nicht angegeben ist oder derselbe die gehörige Höhe
ttber dem Nabel hatte. Alle diese Beobachtungen sind also
wie die unsrigen entweder Hypertrophien der Vaginalportion
oder auch wohl wie Franque glaubt häufig nur Scheiden-
vorfille gewesen. Ebenso sind auch die Fälle von Prolapsus
uteri gravidi aufzufassen wo der vorliegende Rindestbeü
106 V* VerfaMidlimgeii der Gesensehaft
»dieiDbar mit prolabirt war. Hier dörfte es sich auch nm
Hypertrophien der Yaginalportion handln, wobei ^e Geburt
eingetreten und der angeschwollene ScheidentheO nicht ver-
strichen, sondern der Kopf durch das Becken getreten also
«igentlieb geboren ist, während der Muttermund nicht hin-
KlBglioh geöffiiet war. Hierfür spricht der Umstand, dass
nach Hütef^s Zusammenstellung niemals eine Beobachtung vor-
gekommen ist, wo der vorliegende Kindestheil schon während
der Schwangerschaft in den prolabirten Theilen zu fühlen
gewesen wäre, sondern dass dies stets erst unter der Geburt
beobachtet wurde, wo dann auch gewöhnlich die Unnachgiebig-
keit des Muttermundes zu Einschnitten und anderen operativen
Eingriffen geführt hat. Dieses eben beschriebene Vorkommen
ist nun wohl auch eigentlich die Hauptgefahr für die Geburt
bei einem sogenannten Prolapsus uteri, denn nicht allein die
Einrisse des Muttermundes können Gefahr bringen, sondern
noch weit gefährlicher kann die Quetschung des Uterin-
segmentes werden, die dasselbe bei einem derartigen Durch-
schnitt des Kopfes erleidet. Dagegen sind solche Einklemmungen,
wie sie in unserem zweiten Falle beschrieben sind , wohl nur
dann von grösserer Bedeutung, wenn dieselben schon lange
bestanden haben, ehe ärztliche Hülfe aufgesucht worden ist,
wo dann allerdings Gangraen etc. bereits eingetreten sein kann.
Herr L, Mayer sprach sich dahin aus, es sei für den
Verlauf der Schwangerschaft und Geburl bei Prolapsus wichtig,
ob wirklich die Vaginalportion hypertrophisch sei oder es
sich um Vergrösserung des Cervix uteri handele. In den
vorgetragenen Fällen sei jedenfalls das letztere der Fall ge-
wesen. Hypertrophien und besonders Verlängerungen des
Cervix uteri seien bekanntlich bei Proläpsus uteri ausser-
ordentlich häufig; Hypertrophien der Muttermundslippen ge-
hörten dagegen zu den Seltenheiten. Hierauf hätte C, Mayer
wiederholentlich in der Gesellschaft aufmerksam gemacht; er
selbst habe 5 — 600 Prolapsus und unter flmen die colossalsten
Formen beobachtet, Hypertrophien der Vaginalportion unter
ihnen aber ebenfalls sehr selten gesehen. Wenn nun bei
einem Prolapsus uteri gravidi diese Hypertrophie der Mutter-
mundsiippen auch nicht unbedingt die Eievation des Uterus
Ar OttbnrtshIlfB in Beitbi. {07
bekindere, so scheine ^s ümn doch zweifellos, dass die dicken
ripim HBttennmidslippen oft mit lederaiügein Ueberaiige
abe fast unAberwindiiche Uonachgiebigkeit des Orific. ex-
Cenmm zur Folge hätten, wodurch nidit nur ein Geburts*-
kittdemids gegeben sei, sondern auch dardi die Wehen and
nameotlidi durch die Bauchpresse Uterus und Scheide aait
dem FdUis tiefe* herab und zur Vulva heraus treten k^^nnten
(wie dies von Hcuffthon, Merriman^ AshwM^ Lsstmann
und Anderen bescbriebeu sei). Er selbst habe keine dahin
einsefalägige Beobachtung gemacht
Was die Formen von Prolapsus ohne Hypertrophie der
Hnttermandslippen beträfe, so schräe es bei dteseii Ar den
Verlanf der Schwangerschaft und Geburt ohne wesentliche
Bedeutung, ob das Collum uteri yergrössert sei oder nicht.
Dies Resultat hätte er aus der grossen Zahl von Prolapsus,
die er beobachtete, gewonnen; denn viele, wohl die grössere
Hälfte der Frauen hatten eine oder mehrere Male Schwanger-
schaft und Geburt ohne besonders auffallende Störungen
durchgemacht. Abortus sei seltener, als man a priori an-
nehmen möchte und als von Levret angegeben sei; es träte
vielmehr fast constant in der letzten Hälfte der Schwanger-
schaft eine Elevation des Uterus aus der Beckenhöhle in die
Bauchhöhle ein. Wie wenig Einfluss in der Regel selbst
hochgradige Vorfalle auf den Verlauf der Schwangerschaft
auszuüben pflegten, ergebe z. B. f<rfgeader Fall. Frau P.,
46 Jahre alt, als Kind gesund und seit dem 18. Jahre
menstruirt, verheirathete sich mit 29 Jahren und wurde ein
Jahr später von einem starken Kinde in der Fusslage mit
Entwickelung des Kopfes durch die Zange entbunden. Obgleich
sie erst in der dritten Woche aufgestanden, habe sich doch
bald ein Prolapsus vaginae gezeigt, der in jeder der folgenden
Schwangerschaften im sechsten Monate alimälig zurückging,
so dass er beim Eintritte der Geburten vollständig ver-
schwunden sei Als Herr Mayer die Kranke zuerst sid),
befand sie »ch im sechsten Monate der vierten Schwanger-
schaft, klagte M)er Drängen nach den Geschlechtstheilra,
Schmerzen in den Region, iliac. Urinbeschwerden und
Störungen der Defaecatton. Aus der weit klaifenden Scham-
spalte traten vordere und hintere Scheidenwand beim Stehen
108 ^'I* Diener, Ein Kaisercebnitt nebst Bemerkangen.
Über faiMtgros8 hervor; der Muttermund selbst stand im
Introitus vaginae. Auch in diesem Falle Mg sich der Pro-
lapsus in den letzten Monaten vollständig raräck. Die Gebart
war schwierig, auch das Wochenbett nicht ohne Störung,
doch genas die Frau; als sie aufstand, trat der Prolapsus
wieder sehr bedeutend vor und lag in der Grösse eines kleinen
Kindskopfes vor den Genitalien. Es wurde ihr deshalb ein
Zioani'sches Hysterophor angelegt und mit bedeutender Er-
leichterung getragen. Als Herr Jf. sie dann spater wieder
sah , war sie abermals im dritten Monate schwanger und hatte
das Hysterophor ohne Beschwerde oder Störung getragen.
Herr M. hielt aus Besorgniss, Abortus herbeizuführen, es
nicht gerathen, das Hysterophor längier tragen zu lassen und
empfahl ausleerende Mittel und Röckenlage. Auch in dieser
Schwangerschaft zog sich der Prolapsus schon im fünften
Monate zurück und die Geburt trat zu rechter Zeit ohne
Störung ein.
VII.
Ein Kaiserschnitt
nebst Bemerkungen
▼on
Johann Ludwig Diener,
BesirksArxt in EssUngan, Canton Zürich.
Die Ffille, welche den Kaiserschnitt erforderlich machen,
bieten sich im Canton Zürich äusserst selten und vielen
Aerzten gar nie.
Die Hittheilungen von darauf bezüglichen Erfahrungen
können daher nur erwünscht sein, sollten zur Nachahmung
aufmuntern und verdienen, obgleich sie vereinzelt stehen und
nur durch Zusammenfluss vieler Glieder eine Kette bilden,
entschuldigt zu werden.
Frau W. F, geb. E. in Esslingen, 32 Jahre alt, von
der frühen Jugend an schwächlich, jedoch gesund, wohnte
yiL Dimii»^ Bin KaUenelmiit nebst BemarknngeD. 109
tfets m einer oft ffNicbteD Stube, in der jederzeit dM* oöthige
IMiif an Effectoi gewaschen und getrocknet wurde, wob
Tom iwölfliai Lebensjahre an Seide und war äu88ei*$t thStig.
Sie genoss meistens wenig nahrhafte und vegetabilische Speisen,
hatte eine kleine Statur, verheirathete sich im Jahre 1850
mit einem kräftigen, jungen Bauer und gebar während des
gleichen Jahres leicht den ersten Knaben. Sie kam während
des folgenden Jahres (1861) wieder bei einer regeimässigeB
GetMirt mit einem Knaben nieder und fohlte sich von daher
oft unwohl. Am 6. Febr. 1804 musste sie mii der Zange
entbunden werden. Vierzehn Tage später litt sie während
circa zweier Wochen an vagirenden Schmerzen im Röcken und
den Gliedern. Der damals geborene Knabe starb nach vier
Monateo an Atrophie. Im Jahre 1866 — am 22. Mai — gebar
nie zum vierten Male, nachdem die Bewegungen des Kindes
während einiger Tage nicht mehr föfalbar gewesen waren, —
ein todtes Mädchen. Dasselbe hatte einen tiefen Eindmck
im Stirnbeine. Sie litt vier volle Monate vor dieser Nieder*
knnll beständig an ziehenden Schmerzen im Kreuze und in
den Extremitäten, wurde bei jedem Bewegungsversuche mK
dem rechten Schenkel durch Steigerung der Schmerzen
besonders in den unteren Extremitäten und in der Kreuz*
gegend in hohem Grade gequält und musste deswegen stets
im Bette bleiben.
Sie nahm am 8. Juni 1855 wegen einer unvollständige»
Paralyse der unteren Extremitäten zum Spitale Zuflucht, blieb
daselbst 78 Tage lang und kehrte erleichtert aus dieser An*
statt zurück. Wegen des nämlichen rückfällig gewordenen
Leidens hielt sie sich während des Jahres 1856 150 Tage,
während des Jahres 1859 — 80 Tage lang im Spitale auf
und kam jedes Mal, das letzte Mal jedoch nur mit Rücksicht
auf die Schniersen von daher erleichtert nach Hause. (Jeher
jene Erkrankungen mangeln mir die näheren Thatsachen und
daher muss Kfa mich auf die blosse Erwähnung derselben
beschränken. — Sie musste vom October des letzterwähnten
Jahres (1869) an bis zum April 1861 wegen Unfähigkeit zu
gehen sieb stets im Bette aufhalten, beschäftigte sich daselbst
aub «iiaigste und sitzend mit Stricken, Nähen und Brodiren
110 Vli. DUmr, Bin KaisenelinUt nelMt Bome^kungen.
und nahoi auf meine Mahnungen, welche ich 3ir di^ea
haltenden Sitzens wegen zofallig geben konnte, keioe RuckMcbli.
Obgleich sie während dieser Zeit täglich wiederholt von
Oleum jecoris aselli mit einem kleinen Zusatz von Brannt-
wein Gebrauch machte, dieses Mittel als eine wahre Panacee
betrachtete und deswegen Massen vei^schlang, so deformirie
sich durch die constante Einwirkung dei* Rumpflast bei der
zulange angewandten sitzenden Körperstellung die Wirbelsäule,
der Brustkorb und das Beck^ und bildete sich Gibbus, Scoiiose
Hühnerbrust und Verkleinerung des Körpers und also die
prognosticirte allgemeine und asymmetrische Verkrüppeiung,
Mit dem Anfange des Monates April (1861) konnte sie
das Bett wieder verlassen, eigenthumlich wackelnd gehen, sich
mit Winden von Seide an einer Haschine beschäftigen und
später Seide weben. Sie wurde wieder schwanger, wob bis
zur zweiten Hälfte der Schwangersdiafl fünf ganze Seiden-
sticke, nusste dann aber zur Besorgung leichter Hausgeschäfte
Zuflucht nehmen und war stets thätig und froh.
Am 14. Januar 1862 stellten sich bei ihr Erbrecht und
Krämpfe im Unterleibe ein. Sie hatte bis jetzt die Be*
wegungen des Kindes deutlich geffihlt, glaubte schon gebären
zu mässen, war deswegen ängstlich und liess mich mien.
Daselbst angekommen, traf ich die Schwangere im Bette. Ich
schritt nun zur Exploration, vernahm schon beim ersten Ver*
such, den Z^efinger in die Scheide zu fuhren, laute Klagen
der Schwangeren ober bedeutende Schmerzen und fond die
Vagina durch eine stellenweise Verengenmg in zwei correspon-
dirende Eingänge, von denen der vordere oder obere enger
und der hintere oder untere weiter war, getfaeilt
Bei genauerer Untersuchung derselben mit dem gleichen
Finger und nachheriger Messung seiner Dicke an der be*
trefienden Stolle zeigte sich, ungeföhr % Zoll unterhalb der
Schambeinfuge, die Verengenmg durch ein gegenseitiges Amr
einanderstehen der Schenkel vom Schoossbogen auf 4 Linien
beschränkt und unter Schmerzen auf 5 Linien dehnbar, also
wn 1 Linie erweiterungsfähig. Zwischen beide Sitzbeinhöckec
konnten in der Gegend der vorderen Enden zwd neben-
eiaanderliegende Fingerspitzen eingelegt werden und betrug
Tu. Diemm'y Ein Kaia«r8chi)Ut nebst Bemerkung«!!. Hl
ik Kotfernung dasdbst drca 1 Zoll; an den hioterai Endas
doseiben drangen diese Finger tiefer ein und iiessen einen
Darehmesser von etwa IV2 Zoll. Zwischen den Sitzbein-
atacbeln schien die Ausdehnung circa in 2 Zoll zu bestehen.
Das Promontorium war eingesunken, sass tief, ragte
sehr stark hervor und beschränkte den zwischen ihm und
dein susammeogedrückten Schoossbogen befindlichen Raum in
hohem Grade.
Die Pfanneugegenden hatten sich in der Beckenmitte
dnwarts gewölbt, einander genähert und standen nach vpra.
Dadurch hat der Schambogen eine schnabelförmige Gestalt
erhalten.
Das grosse Becken war zusammengedrängt und mass
im Querdmnchmesser 8 Zoll. Die grossen Trochanter standen
6Vt Zoll auseinander. Die linke Darmbeinschaufel stand det*
Wirbelsäule näher und der betreffende Kamm höher als der-
jenige zur rechten Seite; das linke Hinterbecken zeigte sieh
bei aufrechter Stellung schmaler und stärker als das rechte;
die Gesdssfurche schien von der Mitte etwas abzuweichen und
mehr nach links gerichtet zu sein« Der Zwischenraum vom
hinteren oberen Daimbeinstachel der rechten Seite zu den
Domfortsätzen des Kreuzbeines war ein Zoll kürzer als zui*
Unken Seite.
Aus vorstehenden Erscheinungen gipg evident hervor,
dass alle drei Aperturen des Beckens in hohem G^ade
Tereogt waren und Uess sich die Diagnose auf Oe^omahKÜe
besonders des Beckens mit Sicherheit stellen.
Von einer kunstlio^en Frühgeburt war also bei der so
weit vorgerückten Schwangerschaft und einem solch ver-
engerten und zu wenig dehnbaren Becken kein günstigef
Erfolg für Hutter oder Kind zu erwarten.
Die Sectio caesarea bot sich als einziges m^ i^?
venneidliches Hülfsmittel zur Entbindung der Hutter und zur
Reitung des Kindes.
kh verordnete nun eine Emulsio gummi arahici mü
Magnesia carbon. und Aqua lauro-cerasi, stillte damit das
Erbrechen, beseitigte durch die Anwendung von OL Hyoscyam
die Krämpfe bald und rieth dem Cheniaun, seine Frau
112 VII. DteiMr, Bin Raisenichnitt nebst Bemerkungen.
«ntwedf r fH)hz(*itig in die Gebäranstait in Zfirich zu schaffen
oder im Ablehnungsfalle mich beim Eintritt der ersten Wehen
sogleich in Kenntniss zu setzen.
Herr Dr. WendmüUer" Ziegler, dieses Falles wegen
consultirt, fiberzeugte Mch am 3. Februar durch sein«
Exploration von der Unmöglichkeit der Entbindung der
Schwangeren vermittels einer Operation durch's Becken un<l
rieth auch zum Kaiserschnitt.
Am 13. Febniar Nachts um 11 Uhr wurde ich zu der
Schwangerengerufen, mit der Angabe: sie habe gestern und
heute mitunter an Krämpfen im ganzen Unterleibe gelitten
und werde seit 8 Uhr Abends durch diese in der Unter-
bauchgegend öfter und bedeutend belästigt. Ich begab mich
sogleich zu derselben und fand Wehen, konnte aber bei der
Exploration mit dem eingebrachten Finger den Muttermund
weder in der Rücken- noch in der Seitenlage der Kreissenden
erreichen. Die Wehen erneuerten sich oft , waren nicht selten
kräftig, wurden aber durch die Puerpera nicht unterstatzt.
Während der Nacht floss Fruchtwasser ab.
Meine befreundeten CoUegen, die Herren Dr. Heusser
und WendmiJÜer^ Ziegler j zur Mitwirkung bei der bevor-
stehenden, geburtshfilflichen Operation sofort eingeladen,
fanden sich bald ein.
Die Gebärende wurde nun auf die Nothwendigkeit der
Operation und die Gefährlichkeit des Kaiserschnittes aufmerksam
gemacht und ertheilte mit bewundernswerther Entschlossenheit
ihre Einwilligung.
Die Länge ihres Körpers betrug 42 Vs Zoll oder 127 Cenü-
meter, der Umfang des Unterleibes, ein starker Hängebauch,
38 Zoll oder 96 Centimeter und die Stelle von der Herz-
grube zum oberen Rande des Schoossbogens 14 Zoll oder
4S Centimeter.
Nachdem die Kreissende Stuhlgang gehabt, urinirt hatte,
die Nacht verschwunden und das Tageslicht eingetreten war,
wurde sie, Freitag, den 14. Februar, Morgens circa halb
«eben Uhr, auf ihrem gewöhnlichen Bette in der hellen Wohn-
stube vollständig chloroformirt.
Meine Herren CoUegen, zur linken Seile der in der
Rückenlage befindlichen Operandin stehend, fixirten mit den
VII. DimteVt Ein Kaiaencimitt nebst Bemerkungen. 113
Hiodeii den Unterleib derselben, und icb, zur rechten Seite
der Anaesthesirten stehend mich befindend, durchschnitt mit
eiueiu bauchigen Scalpeli in mehreren Messerzügen zuerst
die Bauchdecke über der Linea alba und zwar von oben
nach unten, zwei Zoll oberhalb des Nabeis beginnend, diesen
Ms umgehend und die Wunde auf 5 Zoll ausdehnend, —
Iternach das Peritonäum und dann die blossgelegte Stelle
der Gebärmutter in gleicher Länge.
Das Kind bot sich mit dem Steiss in der Schnittwunde,
wurde bald ganz entwickelt und herausgezogen, war aus-
getragen und gab während der Abnabelung durch kräftiges
Schreien und Munterkeit sein Leben zur Freude aller Um-
stehenden zu erkennen.
Die Placenta war an der linken und hinteren Wand lest
adhärirt und musste auf gleichem Wege gelöst werden.
Nachdem die wenigen, i'r^igelegenen Flüssigkeiten in der
Bauchliöhie durch den Schwamm aufgesogen und entfernt
worden waren, wurden die Wundi*änder der Gebärmutter
sorgföltig an einander gelegt, diese zum Becken leicht berab-
gedräckt und die Wundränder der Bauchdecken in gegen-
seitige, vollständige Berührung gebracht. Bei Anlegung der
blutigen Naht (Hefte) trat Brechreiz ein und wurden dadurch
einige Darmpai'thieen aus der Wunde hervorgetrieben aber
auch bald wieder zurückgebracht. Es wurde nun über die
Naht eine lmu*eichende Zahl von Heftpflaslerstreifen, welche
den Bauch zur Hälfte umgaben, und um den Unterleib eine
diesen unterstützende Binde gelegt.
Die Operation dauerte mit dem Verbände circa zwanzig
Minuten und hatte einen Blutverlust, welcher den einer
gewöhoiiciien Geburt kaum erreichte, keineswegs aber über-
sehriu, zur Folge.
Gereinigt und von der Narcose ziemlich munter auf-
gewacht, freute sich die Opcrirte über die Erfüllung ihres
Wunsches, ein lebendes Töctilerlein zu haben, niütterlich.
Es wurde ihr körperliche und geistige Ruhe empfohlen
und eine ölige Emulsion mit Sydenhams Opium -Tinctm*
verordnet
Sie blieb den Tag über ruhig, sprach wenig, klagte picht
über Schmerzen und war bei vollem Bewusstsein. Aus der
MouKt "«cbr r.GeburUk. 1863. Bd. XXI., Hft.8. ^ . ,
114 VII. Dienert Ein Kaiierschnitt Debat Bemerkangen.
Scheide floss etwas Locbialfluss. Der Puls zeigte sich aoraiaJ
frequent aber sehr schwach. Der Verband war Abends an
der unleren Steile der Wunde etwas unrein. Sie konnte
während der folgenden Nacht von ein bis Morgens sechs
Uhr ziemlich ruhig schlafen, erwachte dann munter, klagte
den Tag (Samstag den 15. Februar) über etwas über Schmerzen
im Unterleibe und fühlte sich Abends sehr schwach. Der
Inzwischen eingetretene Reiz zum Erbrechen schwand bald auf
die Anwendung von Magn. carb. .in einer Emuls. gummi arabici.
Fat geuoss mitunter Lindenblütheuthee und urinirte ziemlich
regelmässig, aber sparsam. Der Lochienfluss war gering.
Die Operirle war während der Nacht vom Samstag zum
Sonntag anfänglich unruhig, erholte sich später, trank Thee
und sprach kräftig, verschob aber den Vei*band.
Am Sonntag, den 16. Februar, Vormittags sprach sie
nur leise und schwach und befand sich noch bei vollem
Bewusstsein, es schwoll der Bauch etwas an und musste der
verunreinigte Verband durch einen neuen ersetzt werden.
Mittags war sie noch schwächer, der Puls kaum fühlbar.
Abends stellte sich Meteorismus, Bewusstlosigkeit, Agonie ein
und um 6 Ulu* schlief sie ein, um nicht mehr zu erwachen.
Section.
Die Section wurde von mir und meinem CoUegen Heuaserj
Dienstag, den 18. Februar 1862 vorgenommen.
Die Inspection zeigte den Leichnam ganz abgeniageri,
den Unterleib meteoristisch aufgetrieben, den Mund beinahe
zahnlos, die Brustwirbel zu einem Gibbus geformt, alle Rippen,
sowie die Schlüsselbeine mehrfach winkelartig verbogen und
durch Vordrängen des verkrümmten Sternum zu einer Hühner-
brust umgestaltet, die Lendenwirbel zur linken Seite scoliosirt
und die Beckenknochen von ihren normalen Formen bedeutend
abweichend.
Die Section ergab nach Entfernung der an den Bauch-
decken befindlichen Hefte Schwunde und blasse Huskehi und
Hervordrängen der mit Lufl erfüllten Därme.
Diese befanden sich, wie das Bauchfell, im normalen
Zustande und ohne die geringste Spur von Eutzündungs-
merkmalen.
YIL DUMTy Ein Kaberftchnftt nebst Böin«rkimgen. 115
I Der Uterus war grösstentheiis zu einer Kugel zusammen-
gezogen, lag in geregelter Richtung in der oberen Becken-
apertur und hatte seine Höhle längs der Wunde vollständig
geschlossen. Die äusseren Parthieen der Wundränder be-
rahrten sich öberall ganz, boten, auseinandergezogen, zoll-
dicke Schnittflächen, wiesen sich am Mtittergrunde in gerader
Richtung von hinten nach vorn und waren theilweise mit
pbstischer Lymphe bedeckt Die innere Fläche der Gebär-
matter hatte an der hinteren und linken Seite unter dem
Grunde, wo die Placenta gesessen hatte, ein flockiges An-
sefaeu, war aber sonst normal. In der Höhle des Uterus lag
eia kleines Fragment von der Decidua nahe beim offenen
Muttermonde und wenig Blut Auch in der Vagina fanden
sich noch einige Blutspuren. Die Bauchhöhle aber war
äowohl von Blutgerinnsel als von Exsudaten frei.
Alle Unterleibs- und Brustorgane zeigten, wie die blassen
muskulösen Gebilde, bedeutende Spuren von Anämie, bi den
Lungen faudeu sich einige Tuberkeln. Die Knochen boten
sich bei Dorchsägung der Wirbelsäule sowohl als der der
Oberschenkel — behufs Wegnahme des Beckens — fest
und hart
Die Körper der Lendenwirbel sind zur rechten Seite etwas
eingedruckt, verkürzt und neigen sich mit ihrer Mitte schief
gegen die linke Pfannengegend des stark verbildeten Beckens.
im Becken sind nämlich das Promontorium eingesunken,
das Sacrum geknickt, die schiefstehenden Darmbeinschaufehi
eingerollt, der Schambogen schnabelförmig hervorgetrieben
und schlüsselahnlich gestaltet und die Sitzhöcker zusammen-
gedifkckt
Das Becken selbst hietet folgende Distanzen;
ZoU. Linien.
1. Abftand der beiden Spinae oss. ilinm ant. Bup. . 6 4
2. ,, der Cristae ilinm 7 6
3. n der beiden Spinae oss. iL post snp. . . . S 5
4. , von der Spina oss. il. post. snp. sinistra
mm Dornfortsats des «weiten Lenden-
wirbels • • • t 8
6. , fur rechten Seite t 1
6. ^ der Spina anter. snp. dext. snr Spina
post. sup. sin 6 4
7. , in der umgekehrten Richtung 6 4
8*
116 VI^* Diener f Ein Kaiserschnitt nebst Bemerkungen.
Zoll. Linien.
8. Abstand Tom Dornfortsatke des zweiten Lenden-
wirbels snr tspina ant. snp. dextr. . . ö —
9. „ vom gleichen Fortsatz zur Spina ant.
sup. sinistra 4 2
10. f, vom Trochanter maj. dezt. snr Spina
post. sup. sinistra 7 8
11. B in umgekehrter Richtung 6 3
12. „ vom unteren Rande der Symphysis pubis
zur Spina post. sup. sin 5 8
13. „ von daher zur Spina post. snp. deztra , 5 2
14. n vom Tuber ischii dext. zur Spina oss.
ilei post. sup. sin 6 4
15. „ von der gleichen Stelle des linken Sitz-
knorrens zur nämlichen Spina des
rechten Darmbeins 6 7
16. „ der beiden horizontalen Aeste der Scham-
beine von einander — .S
17. LHnge der schnabelförmigen Vortreibnng durch
die horizontalen Aeste der Schambeine 1 6
18. Abstand von der Spina ischii sin. zum Heiligbeln-
rand 1 5
19. „ von der Spina ischii deztra zum Heilig-
beinrand 1 7
20. „ vom Körper des untersten Lendenwirbels
bis zar Pfannengegend der linken Seite — 6
21. „ von daselbst zur rechten Seite 1 1
22. f, . vom oberen Rande des Körpers vom
obersten falschen Wirbel des Heilig-
beins bis zur Pfannengegend der linken
Seite 1 1
23. 9 daselbst zur rechten Seite 1 2
24. ,1 vom unteren Rande des Körpers vom
zweiten falschen Wirbel des Krens-
beins zur linken Pfannengegend ... 3 1
25. ,, daselbst zur rechten Seite 3 —
26. I, zwischen dem ersten und fünften falschen
Wirbel des beim zweiten and dritten
Wirbel zusammengeknickten Kreuz-
beins ... — 6
27. „ zwischen dem unteren Rande des untersten
Lendenwirbels und der Spitze des
Steissbeins 1 5
28. ff zwischen den beiden absteigenden Schen-
keln der Schambeine (ein Zoll unter
der SyiiiphyKe uud der grössten Ver-
engerung) . — 5
r'
▼Tl. Diener f Ein Kaiserschnitt nebst Bemerlcangen. 117
Zoll. Linien.
29. ibstand derselben znnKchst beim Bogen •*- 7
Die (innere) Umfangslinie der oberen Apertur
der Beckenhöble beträgt mit Einrechnnng
des durch die Schambeine gebildeten
Schnabels 39 Centimeter 18 3
ohne den Schnabel 31 ^ 10 6
Durchmesser in der Beckenhöhle.
o) In dem Beckeneingange.
30. Conjngata von der Symphysis der schnabel-
förmigen Vortreibang 2 9
31. „ von dem hinteren Ende der Schenkel
»
dieses Schnabels 1 3
32. Qnerdarchmesser . . ., 3 4
33. Erster sehr&ger Darchmesser 3 2
34. Zweiter schräger Durchmesser 3 6
b) Die mittlere Apertur.
36. Der gerade Durchmesser 4 7
36. Der qnere Darchmesser 2 9
37. Der schräge Durchmesser von yorn und rechts
nach hinten und links 3 —
38. Derselbe von vorn und links nach hinten und rechts 2 3
c) Die dritte Apertur.
39. Der gerade Durchmesser 3 5
40. Der qnere Durchmesser 2 2
d) Der Beckenansgang.
41. Der gerade Durchmesser 3 —
42. Der quere Durchmesser {vom yorderen Ende des •
Sitfknorrens) — 9
43. Der quere Durchmesser (yom hinteren Ende des
Sitsknorrens) 2 3
44. Die schrägen Durchmesser, a. (Von dem vorderen
Ende des rechten Sitzbeinhöckers zur
Spitze des Steissbeins) 2 2
45. 6. (Derselbe yom hinteren Ende) 1 6
44. c. (Vom vorderen Ende des linken Sitzbein-
höckers zur Spitze des Steissbeins) . 2 1
47. d. (Derselbe vom hinteren Ende) .... 1 7
Das vollsUindig ausgetragene Mädchen wog 6 Pfd. , hatte
fine Länge von 16 Zoll und maass im Umfange des Kopfes
12ZolL
118 VII. Diener ^ Ein Kaiiepsohnitt nebst BesMrknngen.
Von den Durchmessern am Kopfe betrug
'der kleine quere .... 3 Zoll — Linien,
der grosse . . ,
der senkrechte .
der gerade . . .
der diagonale * .
Die Breite der Schultern . 4 „ 7Vs
Die Breite des Steisses . . 3 „ 5
3 „ 5
4 „ 5
4 „ 2%
5
1» »»
»1 «^ n
Allgemeine Bemerkungen.
Unterlegen wir Jen vorstehenden Fall einer allgemeinen
aber kurzen Betrachtung, so bietet er sowohl mit Bficksicbt
auf die Entwickelung der allgemeinen Osteomalacie als auf
die Indicationen für den Kaiserschnitt einiges Interesse.
Osteomalacie.
Obgleich die Fälle der Osteomalacie im Allgemeinen
nicht zu den Seltenheiten geboren und sich mitunter gleich-
zeitig bei mehreren Gliedeni der nämlichen Familien bieten,
so kommen sie doch nur ausnahmsweise zur Behandlung
der Aerzte.
Diese Krankheit schlummert nämlich oft Jahre lang als
blosse Disposition in Organismen, entwickelt sich meistens
nur langsam und auf Einwirkung besüinmter schädlicher
Potenzen und kommt gewöhnlich erst zur Kenntniss der
TherapeuXen, wenn sie sich durch bedeutende Deformität des
Körpers auszeichnet.
Als ursächliche Momente dieser Abnormität üben aber
Beschäftigungen, Vegetation und schlechte Ernährung und
Gewohnheiten oft einen wichtigen Einfluss aus.
So entstanden bei zwei zartgebauten Geschwistern, welche
vom zwölften Lebensjahre an vom frühen Morgen bis späten
Abend in einer beengten Stube mit der grössten Behändig-
keit Seide woben, bei einer grösstentheils aus vegetabilischen
Speisen bestandenen Kost, im Zeitraum von vier bis fünf
Jahren Gibbus, Scoliose und Hühnerbrust mit beschränkter
Vegetation des Organismus.
Diese pathologischen Zustände wurden unzweifelhaft
durch die übermässige Consumtion und die mangelhafte
VII. lyUner, Ein KaisemehnUt nebst Bemerknngeii. 119
Reproducüon der Kräfte bei den stets in sitzender Körperstellung
TorgeDommeDen, anstrengenden Arbeiten, während der Evolution
des Organismus bedingt.
Aehnlicbe Beispiele fanden sich hier und da.
Auch Frau D^ welche von der frühen Jugend an schwäch-
heb war, meistens vegetabilische Speisen genoss, bald nach
dem Austritt aus der Primarschule (im 12. Lebensjahre)
niiD Seideweben angehalten wurde und übermässig arbeitete,
blieb in der körperlichen Entwickelung weit zurück. Als die
schwache Frau dann zum zweiten Male geboren hatte, fühlte
sie sich oft unwohl. Nach der dritten Niederkunft (Zangen-
geburt) traten vagirende Schmerzen im Kreuz und den Gliedern
ein und hatte das bei der vierten Geburt todt zur Welt ge-
kommene Mädchen einen tiefen Eindruck im Stirnbein gehabt.
Bei diesem Krankheitsfalle wurde also die Anlage für
das Knochenleiden durch die ursprüngliche Schwäche oder
maDgelbafte Ernährung des Organismus in Verbindung mit
einem Missverbaltniss zwischen dem übermässigen Verbrauch
der körperlichen Kräfte und dem unzureiclienden Ersatz der-
selben — gegründet; die Disposition im Verfolg durch die-
selben Einflüsse mehr entwickelt, durch die zu frühe und zu
lange fortgesetzte sitzende Lebensart oder den beständigen
Einflttss der Rumptlast auf das Becken zur Gelegenheitsursache
für dieselbe Krankheit umgewandelt und die allgemeine Osteo-
malacie mit den mehrfachen Deformitäten im Brustkorb, in
der Wirbelsäule und im Becken durch die öfteren wieder-
holten Anstrengungen bei dem Geburtsgeschäfte, die reich-
haltigste Quelle für die Knochenerweichung, hervorgerufen.
Die Krankheit selbst gab ihr Entstehen und stufenweises
Fortschreiten zuerst durch die vagirenden Schmerzen im Rücken
and den Extremitäten im zweiten Wochenbette, dann durch
die Steigerung derselben bis zur Unfidiigkeit das Bett zu
verlassen in der vierten Schwangerschaft, noph mehr aber
durch den Eindruck vom Stirnbein des zu dieser Zeit ge-
borenen Kindes und endlich durch die mehrfach aufgetretenen
paralytischen Erscheinungen in den unteren Extremitäten dieser
Frau — kund.
WerCen wir noch vergleichend einen Blick auf die Osteo-
malacie mit der Rhachiti», so finden wir, obgleich diese aus-
1
i
120 VIT. Diener f Kin Kaiserschnitt nebst Bemerkungen.
schliesslich bei Kindern vorkommt unci jene sich meistens
bei Erwachsenen entwickelt, im Allgemeinen nicht nur grosse
Aehnliclikeit, sondern eine nahe Verwandtschaft zwischen
beiden Krankheiten.
Die Aehnlichkeit der Erscheinungen, wie sie auf die Ent-
stehung jenes Leidens bezüglich beschrieben worden sind
und bei der Entwickelung der i^rwähnten Kinderkrankheit
vielfach beobachtet werden können, die Form des durch beide
Krankheiten veränderten Beckens und die Structur der aflicirten
Knochen vermögen die betreiTende Verwandtschaft deutlich nach-
zuweisen und die Differenz nur durch die Altersverschiedenheit
darzustellen.
Will man tiefer in die Ermittlung der Causalverhältnisse
dieser Knochenkrankheiten eindringen und die Dyscrasie in
Abrede stellen, obgleich besondere Tendenzen im Knochen-
system bei Gicht, Scropheln und Syphilis erkennbar vor-
walten, »o erkennt man in den oft weit ausgebreiteten Structur-
und Texturveränderungen bei der Rhachitis eine besondere
Beeinträchtigung der Integrität des Knochensystems, abhängig
von dem Einfluss des Gehirns und Ruckenmarkes.
Wie die Anlage zur Rhachitis, analog mit der Scrophu-
losis, nämlich als eipe Nervenkrankheit des ^ssimilativen
Vegetationsprocesses dargestellt und als ' ein Missverhältniss
der Wechselwirkung zwischen dem Gehirn und Ruckenmark
betrachtet wird, ebenso erscheint bei Osteomalacie die Krank-
heit der Knochen als die Wirkung eines Missverhältnisses
zwischen dem Ganglien- und Cerebralsystem auf der Alters-
und Entwickelungsverschiedenheit beruhend und äussert sich
dieselbe durch physische und psychische Verstimmung.
Diese Verstimmung giebt sich in der Schwangerschaft
durch Zunahme an Intensität der Vegetation und durch
Alienation der Sensibilität zu erkennen.
Bei denjenigen Frauenspersonen, welche durch öfters
wiederholte Anstrengungen beim Geburtsgeschäfte betheiligt
worden sind, zeigt sich, wie bei der Decrepitationsstufe, eine
theilweise Einbusse an .Energie in der von der Vegetation
und Sensibilität abhängigen Reproduction , die dadurch be-
dingte Veränderung im somalischen und psychisdien Leben
und eine hochgesteigerte Disposition oder die eigentliche
VII. DUn^Tf Ein Km'ierschnitt nebit BemerknngeB. 121
QKlIe sur Osteomalacie, indem die grossen Nerrenstämme
welche Tom unteren Theil des Röckenmarkes entspringen;
durch die Geburtsarbeit hauptsächlich leiden und sich in
Übmongsartigen Erscheinungen zu erkennen gehen.
Erwähnenswerth erscheint, dass Hoebek s. Z. unter
den Einflössen, welche Osteomalacie hervorrufen, die An*
Wendung von Oleum jecoris aselli, das seit einer langen
Reibe von Jahren zur Bekämpfung der mit der Knochen-
erweicfaung nahe verwandten Rhachitis mit günstigem Erfolg
gereicht und hochgepriesen worden ist, genannt hat.
Hoebek beruft sich zur Begründung der diesfl^lligen
Wirkungsweise des Lebertbrans auf viele Fälle von Osteo-
roakicie, welche auf den Gebrauch desselben entstanden sind
und erwähnt dabei besonders fünfzehn Fälle, bei denen wegen
Deformität des Beckens der Kaiserschnitt vorgenommen werden
musste.
Obgleich Frau D. zur Zeit ihrer Erkrankungen Massen
von Ob. jecor. aselli. verschlungen hat, so musste doch ein
Schluss auf die daherige Entwickelung der Osteomalacie
ebenso gewagt wie unnachweisbar erscheinen.
In Ermangelung «iner chemischen Untersuchung über
die diesfaUigen malacischen Knochen verweise ich auf eine
Analyse, aus der ein gewisser Bus von Knochen in der
Mollities ossium folgendes Resultat erhalten hat:
Mollities.
1
Normal.
Erdige
' Thierische
Erdige
Thierische
SnbstanseD.
Snbs tanzen.
SnbBtanzen.
1
Substanseo.
Fibula
32,60
67,60
60,02
39,06 .
Kippe
30,00
70,00
57,49
42,51
Wirbel
26,13
73,87
67,42
1
42,66
Indicationen für den Kaiserschnitt
Räcksichtlich der Indicationen, welche sich dem Falle
flfar den Kaiserschnitt darboten, zeigten sich folgende:
123 ^^I* iH'^iMT, Ein Kais«rf»cbniU nebat B^merlmngaa.
1. Die bedeutende Verengerung aller Aperturen des
Beckens, besonders aber
2. die beim Eingange in die Vagina zuerst wahr-
genommene und durch die schnabeUiSnnig vorgetretenen und
Süsammengedräckten Schoossbeine bewirkte Verengerung, so-
wie die daselbst dargebotene relative Verkürzung des geraden
Durchmessers.
5. Die tiefe Vorwölbung des Promontoriums und das
nahe Beieinanderstehen der Pfannengegenden in der mittleren
Apertur.
4. Die zwischen den Schenkelenden des Schoossbogen-
Schnabels und dem Promontorium berechnete und unter zwei
Zoll verkürzte Conjugata.
ö. Der hohe Stand des bei der Einführung des Fingers
durch die Scheide weder in der Rücken- noch in der Seiten-
lage der Schwangeren zu erreichenden Muttermundes.
Dieser Stand des Muttermundes klärte sich durch die
beim Kaiserschnitte vorgekommene Eröffnung des Muttergrundes,
welche nur bei vollständigem Hinaufsteigen des Uterus in die
freie Bauchhöhle und dui*ch die den starken Hängebaucb
bildende Pronation der Gebärmutter stattfinden konnte, deut>
lieh auf.
6. Die sicheren Spuren vom Leben des Kindes.
7. Die Einwilligung zum Kaiserschnitt von Seite der
bei vollem Bewusstsein befindlichen Kreissenden, und
8. Die Unmöglichkeit, die Schwangere durch eine andere
Operation, Perforation, Embryotomie, Symphysiotomie etc. zu
entbinden und die Gewissheit bei diesen Operationsversueben
nicht nur das Leben des Kindes zu zerstören, sondern auch
die Mutter zu opfern.
Esslingen, Canton Zürich, im Mai 1862.
▼m. Mim, Die KaihAt«riMtios dar Lnllrdhra «te. ISg
vm.
IKe Kaiheteriflation der Luftröhre bei asphyctisch
geborenen Eindem.
Von
Dr. Y. HAter,
Privatdooent in Marburg.
Es »t ba dem jetzigen Stande der Wissenschaft als fest-
stehende Thatsache zu betrachten, dass die Asphyxie der
Neagd)orenen durch eine Störung der respiratorischen Function
der Phcenta während des Geburtsacts hervorgerufen wird.
Der Austausdi zwischen dem mfitterlichen und dem fötalen
Blute kann in seltenen Fällen durch Krankheiten und Tod
der Mutter unterbrochen werden, häufiger tritt die Störung
dieses Aastausches durch die vorzeitige Ablösung der Placenta
oder durch Gompression der Nabelschnur ein. Am häufigsten
wird jedoch die respiratorische Thätigkeit der Placenta
durch die Gontractionen des Uterus gehemmt Je mehr
Dämlich diese an Intensität und Frequenz gewinnen, um so
stärker werden die uterinalen Blutgefässe comprimirt und ihr
Lumen verengert, so dass der Zufluss des mOtterlichen aiHerielkn
Blutes behindert werden muss. Begünstigt wird diese schäd-
Ikhe Wirkung der Wehenthätigkeit ausserdem dadurch, dass
eine geringe Menge Fruchtwasser vorhanden, ein Theil der
Frucht schon aus dem Uterus herausgetreten ist, die Wandungen
des UtMiis in der Wehenpause nicht gehörig wieder er-
schlafTen, und die Placenta nicht die Zerklüftung zwischen
ihren Cotyledonen besitzt, welche ihr gestattet, sich der sich
verkleinernden Uterinwand zu accommodiren.
Das Blut des Fötus leidet hierdurch Mangel an Sauer-
stoff, die hellrothe arterielle Beschaffenheil desselben weicht
einer dunkein, durch den Ueberschuss an Kohlensaure be-
dingten Farbe. Eine uothwendige Folge dieser veränderten
Blutmischung beim Fötus ist der Eintritt von inspiratoriscboi
Bewegungen. Diese müssen bei Fortbestehen der ursächlichen
Momente erfolglos sein, da nur unter sehr günstigen
124 ^'<I- ä^Uer, Die Kathete risation der Luftröhre
Bedingungen eine geringe Quantität Lufl in die Uterinhöhle
eindringen und, wenn der Mund des Kindes frei liegt, in die
Lungen dieses gelangen kann. Statt der Luft wird dagegen
die FIdssigkeit, welche das Gesicht des Kindes gewöhnlich
umlagert, nämlich Geburtsschleim und Fruchtwasser, welches
mit Vernix caseosa, Blut und Meconium gemischt sein kann,
aspirirt. Diese Flüssigkeiten dringen in die Nase, den Hund,
den Schlund, in die Speiseröhre und den Magen, in den Kehl-
kopf, die Luftröhre und die Bronchien des Kindes und können
bei Sectionen an diesen Stellen aufgefunden werden.
Verzögert sich das Ende der Geburt noch mehr, so
machen sich die Folgen des bereits vorhandenen asphyctischen
Zustandes in noch viel höherem Grade geltend. Die Reflex-
reizbarkeit verliert sich, es folgt eine allgemeine Erschlafl'ung,
die Frequenz und die Kraft des Herzschlags sinkt, und das
Leben des Kindes erlischt allmälig. Es ist nun nicht allein
von der Zeitdauer, sondern auch von dem Grade der Störung
in der respiratorischen Function der Placenta abhängig, ob
die Kinder in niederem oder höherem Grade scheintodt,
sterbend oder lodt geboren werden.
Diese Vorgänge, welche von Schwartz (Die vorzeitigen
Athembewegungen, Leipzig 1858) ausführlich beschrieben
worden und durch beweisgültige Beobachtungen als erwiesen
zu betrachten sind, schliessen somit die früher übliche An-
nahme des Unterschiedes zwischen einem apoplectischen, einem
sufTocatorischen und einem Scheintod aus Schwäche oder
des Unterschiedes zwischen einem hyperämischen und einem
anämischen Scheintode gänzlich aus. Ein anämischer Zustand
kann nur dann bei einem asphyctisch geborenen Kinde an-
getroffen werden, wenn eine Blutung nach Zerreissung der
Nabelschnur oder nach Zerreissung der in den Eihäuten ver-
laufenden Nabelschnurgefasse vorangegangen ist.
Hat die Störung der Placentarfunction nur einen ge-
ringen Grad und eine kurze Zeitdauer gehabt so finden wir,
dass die Kinder nach Beendigung des Geburtsactes eine ver-
minderte Frequenz der Herzpulsation zeigen, zögernd und unter
Rasselgeräuschen, welche gewöhnlich auch von Hüsteln und
Niesen begleitet sind, zu respiriren beginnen. Diese können
eine verschiedene Stärke und Dauer haben, je nachdem eine
bei MSpbyctisch geboreo«n Kindern. 125
grtoere oder geringere Menge Flüssigkeit von dem Kinde
aspirirt worden isL Es i&oninU hierbei besonders in Betracht,
ob das Kind seine Athemversuche in dem Uterus häufig
wiederholt hat, und ob die Eingänge m den Luftwegen von
Geburtsscbleim und Fruchtwasser reichlich umspult waren.
Wenn wir diesen Zustand des Kindes als den ersten
Grad von Asphyxie bezeichnen, so beobachten wir hei den
Kindern, bei welchen sich die Störung der Placentarlunction
in höherem Grade und längere Zeit hindurch geltend gemacht
hat« dass ihre Haut immer mit Meconium beschmutzt ist,
dass die Herzpulsation noch seltener und mehr geschwächt
ist, und die Respirationsbewegungen in längeren Pausen und
anfangs ohne Rasselgeräusche stattfinden. Diese stellen sich
erst allmälig ein, wenn durch geeignete Mittel die Frequenz
der Respirationen gehoben ist, und in Folge dessen die Luft
tiefer in die Lungen dringt Oder die Rasselgeräusche treten
gar nicht ein, besonders wenn die Kinder sich selbst über-
lassen bleiben, oder wenn man nur ungenügende Hautreize
anwendet. Die Respirationsbewegungen werden, weil sie
wegen der die Luttwege verschliessenden Flüssigkeiten ohne
Wirkung bleiben, seltener, hören allmälig ganz auj, und den
sicheren Tod des Kindes bekundet das zuletzt eintretende
Erlöschen der Herzbewegung. Wir wollen die eben ge-
schilderten Symptome unter dem Namen der Asphyxie zweiten
Grades begreifen.
Fehlen bei den asphyctisch geborenen und mit Meconium
beschmutzten Kindern in den ersten Minuten nach der Geburt
auch die Respirationsbewegungen, ist die seltene Herzpulsation,
welche durch das Gefühl oder durch das Stethoskop nach-
zuweisen ist, die einzige Lebensäusserung , so kann dieser
Zustand als Asphyxie dritten Grades bezeichnet werden.
Bei den Kindern, welche mit den Erscheinungen der
Asphyxie ersten Grades zur Welt kommen, hat man, wie
die Erfahrung lehrt, gewöhnlich zur Wiederbelebung nichts
zu Ihun. Unter Hüsteln und Niesen folgen die Respirations-
bewegungen, welche noch einige Zeit lang von Rasseln
begleitet sind, einander häufiger und haben gar bald ihre
regelmassige Frequenz. Zugleich kehrt auch das normale
Verhalten der Herzthätigkeit wieder. Wenn dagegen die
126 VIII. Hüter, Die Kathete risation der Luftröhre
Respirationsbewegangeii und die Herzpulsationen selten bleiben,
so genügen die gewöhnlichen Hautreize, welche in allen Lebr*
büchern der Geburtshülfe empfohlen werden, um auf deoi
Wege der Reflexthätigkeit die Respirationsbewegungen zu be-
schleunigen und so zu kräftigen, dass Niesen nnd Husten
eintritt.
Dieselben Mittel reichen auch bei dem zweiten Grad
der Asphyxie gewöhnlich aus. Unter ihrer Anwendung können
die Rasselgeräusche, welche anfangs bei den seltenen
Respirationsbewegungen fehlten, eintreten und geben durch
ihr Erscheinen, besonders wenn sie mit Husten, Niesen und
Erbrechen verbunden sind, für die Wiederbelebung des Kindes
immer eine günstige Prognose. Vermögen wir jedoch nicht,
durch die Hautreize den Respirationsbewegungen eine solche
Intensität und Frequenz zu verleihen, dass die Rassdgerausche
auftreten, nimmt im Gegentheil die Häufigkeit der Respirationen
und der Herzschläge ab, so müssen wir den Grund hiervon
zum Theil in der geschwächten Reflexreizbarkeit, welche
durch die asphyctische Intoxication herbeigeführt worden ist,
suchen. Zugleich aber ist nicht zu übersehen, dass die vor-
zeitig eingeathmeten Flüssigkeiten, welche bei solchen Kindern
die Luftwege verschliessen, der eindringenden Luft zuweilen
ein bedeutendes Hinderniss bieten. Es tritt deshalb an den
behandelnden Geburtshelfer die Indication heran, die Flüssig-
keiten aus den Luftwegen zu entfernen und ddnn
die atmosphärische Luft so tief als möglich in die-
selben einzuführen. Aus selbst verstandlichen Gründen
darf man sich von der Anwendung der Mittel, welche die
zweite Indication fordert, erst dann günstigen Erfolg ver>
sprechen, wenn man durch geeignete Mittel der ersten In-
dication Genüge geleistet hat.
Schon Mauriceau '(Traite des maladies des femmes
grosses etc. VL edit. Tome L Paris 1721, p. 481) giebt den
Rath, bei scheintodten Kindern den Mund halb offen zu halten
und die Nasenlöcher mit kleinen Wieken von Tuch (petites
tentes de linge) zu reinigen. In vielen der späteren Lehr-
bücher für Geburtshülfe findet sich bei der Behandlung der
scheintodten Kinder angegeben, dass man aus der Mund- und
Rachenhöhle die angehäuften Schleimmassen mit dem Finger
bei «apbyotiteh geboreaen Kindern. 127
entfenieo und hierauf den Schlund mit einem Federbarte reizen
soUe, um hierdurch die Respirationsbewegungen zu erwecken,
oder wann solche schon vorbanden, diese zu kräftigen und
zu Temiehren. Es mögen diese Mittel, um die Respiration
in den Gang zu bringen, dann genügen, wenn die aspinrte
Flüssigkeit nur in den Mund, die Nasen- und die Rachen-
höhle vorgedrungen und nur wenig oder gar nichts von der-
selbeD In die Trachea und in die Bronchien gelangt ist. Sind
diese jedoch mehr angefüllt, und kann desshalb die Luft nicht
gehörig in die Lungen dringen, so kann man, wie Marchatd
(L'Umon 8, 9, 1852; vergi. Schmidt* s Jahrb. d. ges. Med.
Bd. 74, S. 207) anrälh, das Kind auf den Bauch mit hoch-
eriiobenen Füssen lagern, um auf diese Weise das Ausfliessen
der aqiirirten Flüssigkeit zu erleichtern. Auch C. Braun
(Lehrbuch der Geburtshülfe, Wien 1857, S. 264) empfiehlt,
um den im Munde und Rachen befindlichen Sclüeim heraus-
znbefördern, das Kind an den Füssen emporzuheben, oder
dasselbe auf eine Seite zu lagern. Ist vorzugsweise Frucht-
wasser in die Trachea gelangt, so ist die Möglichkeit vor-
banden, dass ein Theil desselben durch die eben angegebene
Haltung des Kindes herausfliesst, während der Rest durch
die mittels der Hautreize häufiger gewordenen Respirations-
bewegungen, welche von Uüstehi, Niesen oder Erbrechen be-
gleitet sind, entfernt wird.
Ist dagegen die Flüssigkeit, welche die Trachea und die
Bronchien des Kindes anfüllt, eine mehr zähe, besteht sie
aus Geburtsscbleim, Meconium und Blut, so haftet dieselbe
den Wandungen der Trachea und der Bronchien so fest an,
dass wir kein Ausfliessen bemerken werden, sobald wir das
untere Ende des Kindes höber halten. Kommt nun so eine
solche Verschliessung der tieferen Athemwege zu Stande,
dass weder auf natürliche Weise durch die Respirations-
bewegungen, noch durch künstliche Manipulationen Luft in
die Lunge dringen kann, so ist nur durch das nunmehr zu
beschreibende VerfSaibren der Weg zur Lunge für die Luft
zugängig zu machen.
Am 2. September 1861 um 5Va Uhr Morgens entband
ich eine Erstgebärende, welche wegen ungenügender Wehen-
thätigkeit eine sehr lange Geburtsdauer überstanden hatte.
128 VIII. HUUr, Die Käthe terisation der Luftröhre
leb fand bei meiner Ankunft die Längenachse der FruchC in
der ej'sten Diagonale des Uterus, den Rucken und den Fötal-
puls vorn links. Dieser hatte ausser und während der Weh«
die geringe Frequenz von 7 Schlägen in 5 Seeunden. Die
Fruchtwasseriuenge war massig, ßei der inneren Untersuchung
fand ich den Muttermund retrahirt und den Kopf mit Geschwulst
versehen in erster Sciiädelstellung im ßecken. Der unter-
suchende Finger war mit Meconium beschmutzt. Die Zangen-
Operation ging leicht und unter ßeihülfe der doppelseitigen
Episiotomie rasch, von Statten. Das Kind, ein Knabe, welcher
stark mit Meconium beschmiert war, hatte unmittelbar nacij
der Geburt in 5 Seeunden 5 Pulsationen an seiner Nabel-
schnur und machte einige seltene Respurationsbewegungeu.
Diese wurden, als das Kind abgenabelt und ihm hierbei etwas
Blut entzogen war, noch seltener, wesshalb ich mich anschickt«,
dasselbe durch Lufteinblasen wieder zu beleben. Ich führt«
daher einen dünnen elastischen Katheter in die Luftröhre
und blies mittels desselben Luft ein. Allein b& dem Ein-
blasen fühlte ich einen solchen Widerstand, dass nur sehr
wenig Lufl die Augen des Katheters verlassen haben konnte.
Ich nahm daher denselben, weil ich den Grund des Wider-
standes in einer Verstopfung des Katheterlumens vermuthete,
wieder aUs der Trachea heraus, überzeugte mich jedoch als-
bald, dass der Katheter nicht verstopft war, die Luft vielmehr
völlig frei durch denselben hindurch ging. Das Hinderniss
musste somit in der Trachea oder in den Bronchien liegen.
In. dieser Voraussetzung führte ich den Katheter wieder in
die Trachea, machte nunmehr mit meinem Munde, welcher
sich an dem oberen Ende des Katheters befand, eine kurze
aspirirendc Bewegung und zog sogleich den Katheter wieder
zurück. Noch während des Herausziebens antwortete das
Kind mit einer tieferen Respirationsbewegung, welche von
geringem Rasseln begleitet war.
In den beiden Augen des Katheters haftete grünlichzäiier
Schleim, welchem, und zwar an dem unleren Auge, auch einige
Partikelchen Vernix caseosa beigemengt waren. Als ich die
Augen des Katheters wieder frei gemacht hatte, wiederholte
ich das Einführen und' nach demselben wiederum das
Aspiriren mit nieinein Munde. Die Wirkung war etwas geringer,
bei aapbyctisch geborenen Kindern. 129
iDdem nur an dem anteren Auge des herausgezogeneu
Kjlbeters etwas grünlicher Schleim haftete. Das Lufteinblasen
nift dem Katheter ging nun, nachdem so die Luftwege, frei
geworden waren, ohne Widerstand von Statten, und die Wieder-
beJebong des Kindes gelang.
Bei noch zwei anderen Kindern, welche nach der Ge-
bort die Symptome der Asphyxie zweiten Grades darboten
wendete ich das Aspiriren mittels des in die Trachea ge-
ächobeoen Katheters, bevor ich zum Lufteinblasen schritt,
mit demselben günstigen Erfolge an. In beiden Fällen haftete
an den Augen des herausgezogenen Katheters etwas grünlich
läber Schleim. Das eine dieser Kinder war von einer Erst-
gebarenden in erster Steisssteliung geboren worden. Die etwas
schwierige Lösung der beiden Arme hatte die Geburts-
Verzögerung bewirkt und deshalb den asphyctischen Zustand
des Kindes zu der angegebenen Höhe gesteigert. Der Kopt des
anderen Kindes, welcher in erster Schädelstellung im Becken
stand, war mit der Zange extrahirt worden. Bei der Mutler,
einer Mehrgebarenden, welche das Fruchtwasser fi*äh verloren
hatte, hing die Gebärmutter stark vorn über. Der Fötalpuls
hatte bei meiner Ankunft die Frequenz von 9 Schlägen während
5 Secunden in der Wehenpause und wurde während der Wehe
aaf 7 Sehläge verlangsamt.
Wenn die Kinder die Symptome der Asphyxie dritten
Grades darbieten, nämlich ihr Leben um* durch schwache
und seltene Herzpulsation bekunden und in den ersten Mi-
nttten nach der Geburt keine Respirationsbewegung machen,
so tritt die Indicatlon, die Luftwege von den vorzeitig aspi-
rirlen FIdssigkeiten gehörig zu reinigen und dann die atmo-
sphärische Luft in die Lungen einzufahren, noch viel dringender
in den Vordergrund. Würde man die erste Zeil mit der An-
wendung der gewöholiehen Hautreize, welche nach meinen
bisberigen Erfahrungen in solchen Fällen ganz wirkungslos
bleibeo, UAnütz hingehen lassen, so kann während dessen die
Erregongsßihigkeit des verlähgerten Markes ganz und gar
erlöacfaen. Diesem ist nur durch die schleunige Zufuhr von
arteriellem Blute vorzubeugen. Daher ist, sobald die Wege
zur Lunge frei sind, alsbald atmosphärische Luft in diese
UoBaUM^hr. r. Oobortnk ISBS B<1. XXI., Hfl. 8. ^
130 ^^'^* HUUr, Die Katheterbation der Luftröhre
hineinzufAhren, damit die Umwandlung des an KobJenaMire
überreichen Blutes in arterielles ermöglicht wird. Das Reinigen
der .Trachea und der Bronchien geschieht am sichersten auf
die oben beschriebene Weise, indem der Arzt mit seinem
Hunde an dem oberen Ende des in die Trachea eingeführten
Katheters aspirirende Bewegungen ausführt.
Auch noch aus einem anderen Grunde halte ich dieses
Verfahren für nothwendig und unerlässlich, weil die Kinder,
welche den dritten Grad der Asphyxie zeigen, gewiss häufiger
innerhalb des Uterus Respirationsbewegungen gemacht haben,
als die Kinder, welche nur die Symptome des zweiten Grades
von Asphyxie darbieten, und deshalb bei jenen, sobald ihr
Mund uud ihre NasenölTuungen von Flüssigkeiten umlagert
waren, die Luftwege mit grosseren Mengen vorzeitig aspirii*ter
Flüssigkeiten angefüllt gefunden werden müssen. Dass dies
wirklich der Fall ist, vermag ich durch die Erfahrung zu
bestätigen.
Ein Kind, das zweite Zwillingskind einer Mehrgebärenden,
war nach Angabe der Hebamme mit den Füssen voran bis
zu dem Kopfe geboren. Derselbe befand sich bei meiner An-
kunft in der Beckenhöhle mit dem Gesichte in der Aushöhlung
des Kreuzbeins, mit dem Hinterhaupte hinter der Symphyse.
Die Hebamme berichtete mir später, dass der Kopf nach der
Geburt der Schultern in dem eben beschriebenen Verhalten
über V4 Stunde lang bis zu meiner Ankunft verharrt habe,
ohne dass sie im Stande gewesen sei, ihn zu extrahiren.
Die manuelle Extraction des Kopfes, welche ich äugen*
blicktich vornahm, gelang leicht. Das Kind, welches mit Me-
conium beschmiert war, schien todt. Die Nabelschnur, welche
alsbald unterbunden und durchschnitten wurde, war puislos.
Nur das Herz zeigte noch etwas Bewegung. Ich zählte drei
Pulsationen desselben in fünf Secunden. Nachdem ich mit
meinem Zeigefinger den Schleim, welcher sich in dem Munde
und in dem Schlünde des Kindes vorfand, entfernt hatte,
führte ich einen dünneu elastischen Katheter so tief als mög-
lich in die Trachea und machte alsdann mit meinem Munde,
welcher mit dem oberen Ende des Katheters in fester Be*
rührung war, eine aspirirende Bewegung. An dem hierauf
herausgezogeneu Katheter waren beide Augen durch grün-
bei asphyctitteb geborenen Kindern. ]31
lieiieB ScUeim verstopft. Dem Schleime, welcher sich in dem
oberen Aage befand, waren zwei kleine Blutcoagula beigemengt.
Nftehdem ich die Augen des Katheters gereinigt hatte, führte
icb ihn wiederum ein, und es gelang mir noch drein^al, eine
flcbieioiige Flüssigkeit auf die eben beschriebene Weise herauf-
tafordem. Ueber das Resultat des hierauf mit dem Katheter
bewirkten Lufteinblasens werde ich später berichten.
Zu einer Mehrgebärenden wegen NabelschnurvorfaU ge-
rufen fand ich bei meiner Ankunft den Kopf des Kindes in
erster Sch&ddstellung tief im Becken, den Muttermund völlig
retraliirt und eine pulslos scheinende Nabelschnurschlinge aus
der Schamspalte heraushängen. Zu der Vornahme der äusseren
Dotersnchung nahm ich mir unter den angegebenen Umständen
keine Zeit Ich appiicirte vielmehr sofort die Zange und
extraiyrte mittels derselben das Kind sehr rasch. Es war
stark mit Meconium beschmiert und bot nur das einzige
Lebeoszeicben dar, dass sein Herz 5 Mal in 10 Secunden
pnlsirte. Durch das Asptriren an dem in die Trachea ein«
geführten Katheter waren drei Mal die Augen desselben mit
sehr dunkelgrünem Schleime gefüllt. Heber die Wirkung des
hierauf bewerkstelligten Lufleinblasens komme ich ebenfalls
spüter noch einmal zurück.
Bei meinen Nachforschungen, ob schon von anderen Ge-
burtshelfern in ähnlicher Weise die vorzeitig aspirirte Flüssig-
keit aus der Trachea und den Bronchien herausbefördert
worden, fand ich, dass zuerst auf dem Wege des Vorschlags
dieses Verfahrens Erwähnung geschehen ist Bei Velpeau
(Traite complet de Tart des accouchemens etc. II. edit Tome U.
Paris 1835, S. 582) findet sich nämlich folgende Stelle:
Cependant, si les experiences tentees par Winslow, Hdroldt^
Sehdde ^ Viborg, Schmidt et Bdclard prouvaient sans
F^plique, comme le pensent leurs auteurs, que Teau de
ramaios penetre jusqu'aux bronches pendant la vie intra-
utMoe, ^ serait peut-^tre utile d'en debarrasser la trachte-
artere par aspiration ou autrement, avant d'essayer Tin-
»flhtion; mais il existc encore trop d*incertitude sur ce point,
poar qn'il pnisse servir de base ä n*importe quel plan de
pntique.
9*
132 VIII. £RU«r, Die Katfaeterisation der Luftröhre
Albert (Henke*s Zeitscbr. f. d. Staatsarzneikunde. 23. Bd.
Erlangen 1832, S. 279) rätb, statt bei Scheintodten Luft ein-
zublasen, diese aus den Lungen anzuziehen. Er beruft sich
auf die Experimente an 47 in Scheintod versetzten Thieren,
von denen 41 durch Anziehen der Luft aus den Lungen
wieder zum Lieben kamen und empfiehlt zur Vornahme dieses
Aktes einen Apparat, dessen ein Ende eine mes^ngene
gekrümmte Röhre in die Nähe des Kehldeckels zu liegen
kommt.
Derselbe machte später (Neue Zeitscbr. f. Geburtskunde
3. Bd. 2. ffeft. Berlin 1835. S. 291) auch seine Resultate,
Welche er durch dieses Verfahren an scheintodten Menschen
erhalten hat, bekannt. Von 10 Individuen rettete er 3, näm-
lich ein 8 jähriges Mädchen, welches im Wasser verunglückt
war, ein durch die Wendung und ein natürlich geborenes
Kind. Bei diesem ging, während er einige Mal kräftig Lufl
anzog, viel zäher Schleim mit Blut gemischt, durch die Röhre
ab. Albert empfiehlt jetzt zu der Operation des Luftanziehens
eine silberne gebogene Röhre, welche auf die Zungenwurzel
zu liegen kommt. .
Waeckerling {Casper'syfochenschr,, 1838, No. 8; vergl.
Schmidts Jahrb. II, Supplbd. Leipzig 1840. S. 257) gelang
es zwei Mal, scheintodt geborene Kinder durch das Luft-
ansaugen zum Leben zu erwecken und zwar unter Umständen,
die wenig Hoffnung des Erfolges versprachen.
Cazeaux (Gazette medicale de Paris. No. 17. Annee
1850, p. 316) räth, indem er von dem Lufteinblasen bei
scheintodten Kindern spricht, die Canüle von Zeit zu Zeit
herauszuziehen, um sie von dem Schleime, welcher dieselbe
verstopfen kann, zu befreien und f^hrt fort: Quand la trach^
renferme des mucosites abondantes, facilement indiqu^es par
un gargouillement manifeste, on peut, ä Taide de quelques
aspirations, en engager, dans ia canule des quantit^ con-
siderables et rendre ainsi plus efficaces les insufflations
ult^rieures.
Ein Unbekannter (Journal für Kinderkrankheiten von
Behrend und Hildehrand, Heft 11 und 12, 1857, S. 352)
glaubt, dass viele Neugeborene die scheintodt sind, dadurch
verloren gehen, dass der Athmungsprocess durch angesammelte
bei asphyefcUeh geborenen Kindeni. 13S
FMsagkeit oder Schleim in den Luftwegen verhindert wird,
«eiche Stoffe das Kind aus Schwäche nicht austreiben kann.
Eb giebt sich dies durch einen eigenthCunlich gurgelnden Ton
bei den Athniungsversuchen, die das Kind macht, zu erkennen.
Mit einem Instrumente, welches aus einei* neusilhemen Röhre
und einem Ball aus vulkanisirtem Kautschuk besteht, gelang
es ihm, in mehreren Fallen grosse Mengen Flüssigkeit aus
den Lullwegen herau&uziehen und so dieselben frei zu machen,
worauf dann das Athmeli leicht von Statten ging.
Breslau theilt (Monatsschrift für Geburtskunde. 20. Bd.,
I. Heit, Berlin 1862, S. 62.) einen Fall mit, in welchem ein
durch den Kaiserschnitt bei einer eben verstorbenen Frau zu
Tage gefördertes scheintodtes Kind wiederbelebt würde. Er sagt
TOD demselben: Das Kind hatte offenbar vorzeitige Athem-
bewegungen gemacht, denn Mund, Rachen und Nase waren
voll zähen mütterUchen Schleimes, der sich dem Eindringen
der Luft hartnäckig widersetzte. Ihn zu entfernen gelang
mir erst dann, als ich meinen Mund auf den des Neu-
geborenen setzte und die in ihm enthaltene zähe Flüssigkeit
aspirirte. Dieses Geschäft war wohl etwas Ekel erregend,
aber es half.
Das Verfahren des Luftanziehens, welches Albert empfiehlt,
ist h& AnfuUung der Trachea und der Bronchien mit FUissig-
keil gewiss nutzlos. Obwohl derselbe beobachtet hat, dass
bei diesem Verfahren viel zäher Sciüeim mit Blut gemischt
aus den Luftwegen eines scheintodten Kindes herausgefördert
wurde, so scheint er doch die Wichtigkeit hievon nicht er-
kannt zu haben. Dass auf die Weise, wie Breslau ver-
fahren hat, das Reinigen der Trachea und der Bronchien
ebenso sicher und gründlich, wie durch das Aspiriren mitteis
des in jene eingeführten elastischen Katheters bewerkstelligt
wird, möchte ich bestreiten. Obwohl ich das Reinigen der
Luftröhre, welches Caseaux mittels der Aspiration durch
die Canüle und der Unbekannte mit seinem Instrumente
dann anrätb, wenn ein gurgelndes .Geräusch beim Athmen des
Kindes sich zeigt, auch zu dieser Zeit für zweckmässig halte,
80 kann ich es doch nicht mehr für absolut nothwendig
erklären, weil wir eben in diesem Geräusche den sicheren
Beweis erblicken, dass die Luft in die Lungen ein- und aus-
134 VIII. Attor, Die K«th6teritat|«ii der Luftröhre
Strömt und hierdurch die in den Bronchien und in der Trachea
befindlichen Flüssigkeiten in Bewegung gesetzt worden sind.
Die Nothwendigkeit, dass bei Kindern, weiche in einem
höheren Grade von Asphyxie geboren werden, als erstes Wieder-
belebungsmittel des Reinigen der Trachea und der Bronchien
in Anwendung kommen muss, mag wohl nunmehr, als fest-
stehend angenommen werden können.
Das zweite Wiederbelebungsmittel, dessen man sich un-
mittelbar nach der Anwendung des ersten zu bedienen hat,
besteht in dem Lufteinblasen. Dasselbe ist schon früh geübt
worden, um scheintodte Kinder wieder in das Leben zuräck-
zurufen. Das gebräuchlichste Verfahren besieht darin, dass
der Arzt seinen Mund auf den des Kindes setzt und so die
Luft einblast. Dabei muss man jedoch die Vorsicht gebrauchen^
die Nasenlöcher des Kindes zu schliessen, damit die ein-
geblasene Luft nicht wieder aus diesen entweicht. Man kann
auch den Rath befolgen, die Nasenlöcher im Beginne des
Lufteinblasens offen zu lassen, damit der in der Nasenhöhle
angehäufte Schleim berausgeblasen wird. Erst wenn dies ge-
schehen ist, muss der Verschluss derselben aus dem vorher
angegebenen Grunde bewirkt werden. Wir müssen jedoch
von diesem Verfahren, obwohl es von H. A- Pagenstecher
(Ueber das Lufteinblasen zur Rettung scheinlodter Neu-
geborener, Heidelberg 1856) vor allen anderen Metboden des
Lufteinblasens angepriesen wird, wegen seiner unsicheren
Wirkung absehen. Durch das Lufteinblasen von Mund zu
Mund bei zugehaltenen Nasenlöchern dringt nämlich die meiste
Luft durch die Speiseröhre in den Magen und nur wenig«
ja in manchen Fällen gar keine Luft in die Luftröhre. Es
kann daher die Lufl nur danu mit Sicherheit in die Lungen
gebracht werden, wenn man sie mittels einer in den Kehl-
kopf oder in die Luftröhre geschobenen Canüle einbläst
Es mag hier des sonderbaren Vorschlags Erwähnung
geschehen, das instrumentelle Lufteinblasen schon während
der Geburt des Kindes in Anwendung zu bringen. Weid-
mann (Wemel$*s aligem. geburtshülfl. Betrachtungen, S. 28)
hat ein Instrument: vectis aeroductor, construirt, weiches in
den Mund des bei der Geburl nachfolgenden Kopfes gebracht
%«i aipbyotiMb gebor«D6ii Kiiid«ro. 136
I, dl«) Kinde LafI znAhren und so das Attmieli wUirend
der fiebmt mdglicb machen soll
BKck (Lancet, Nr. 221, vergl. Kleineres Repertorium,
E Jahrg., 8. Heil, Leipzig 1828, S. 24) besorgt för das
LebfD eines bis an den Kopf geborenen Kindes, der nun aus
Wehemiiangel zuröckUieb, brachte einen mit dem Rohre
caes Blasebalgs in Verfaindong stehenden silbernen Katheter
in deo Mund des Kindes und mit Hfllfe des Lofteinbiasens
die Reqiiration binnen wenigen Minuten so in den Gang, dass
das Kind schrie. Er legte darauf die Zange an und entwickelte
dm Kopf ohne weitere Sehwierigkeit
Banddocque (vergl. v. Froriep's Notizen aus dem Ge-
Uate der Natur- und Heilkunde, 33. Bd., No. 14, April 1832,
& 234) giebt den Rath, um bei Steiss-, Knie- und Pusa-
geboten dem Kinde das Leben zu erhalten , die Nabelsdinur
durchioschneiden und Luft mittels einer langen Röhre in den
Dtenis, mit einer etwas kürzeren Röhre in den Mund des
Kindes zu bringen.
J, Couper (New-York Journ. of Med., Mai 1844. vergl.
C0M9tai£% Jahresbericht d. ges. Med. im Jahre 1844, II. Bd.,
S. 569) will, wenn die Nabelschnur comprimirt wird, bei hoch-
striiendem Munde des Kindes ein elastisches Rohr in diesen
hineinbriDgen und durch Lufteinblasen die Respiration zu er-
wecken suchen. Es hat ein solches Verfahren gewiss darum
keine weitere Nachahmung gefunden, weil, wenn man die
Hand in die Geschlecbtsiheile der Mutter einffihren kann, um
den Kinde wShrend der Geburt eine Röhre in den Mund zu
sehieben, die Bedingungen zur Vornahme der schleunigen Ent-
bindung, nach deren Beendigung der Zutritt der atmosphfi-
risehen Lnft zu dem Munde des Kindes frei gestattet ist, sicher
varhanden sind.
Dem instnimentellen Lufleinblasen nach Beendigung der
Gdiort hat man dagegen sdion früh und bis auf die neueste
Zeit grosse Aufmerksamkeit geschenkt SmeUie (Treatise
on tbe Theory and Practice of Midwifery, IV. Edit., Vol. L,
London 1762, p. 229) scheint der erste gewesen zu sein,
der ein solches Verfahren erwähnt: and the child has been
sometiniea reoovered by blowing into tbe mouth wiüi a sHver
Canola, so as to expand the lungs.
136 ^^I^- BUUr, Die Kathete rUation der Luftröhre
Chauasier (Historie de la Societe Royale de MeÜecine,
Annees 1780 et 1781, Paris 1785) macht eine ?on ibtn er*
fuodene silberne Röhre, tiibe pour insoufHer Tair dans les
pomnons, bekannt, beschreibt deren Einführen in den Kebi-
köpf und das hierauf mittels derselben stattfindende Luft-
einblasen. Damit die cingeblasene Luft nicht gleich wieder
aus dem Kehlkopfe entweicht, ist an der Röhre eine mit
Schwamm versehene Scheibe angebracht, welche die Glottis
verschliessen soll.
Aüken (Grundsätze der Entbindungskunst nach der
3. Ausg. aus d. Engl übersetzt von C H. Spohr. Nürn-
berg 1789, S. 220) beschreibt ein Werkzeug, mit welchem
man reine Luft unmittelbar in die Lungen bringen kann.
Es besteht aus einem elastischen Sacke mit einem Ventile,
an dessen Ende eine biegsame silberne Röhre, welche in die
Stimmritze gebracht wird, sich befindet.
D. Biü (Practicdl Observations on the use of Oxygen or
vital air etc., London 1800, vergl. Medic. Chirurg. Zeitung,
Jahrg. 1802, No. 3, S. 33) hat ebenfalls einen Apparat er-
funden, mit welchem er atmosphärische Luft in die Lungen
der Kinder treibt.
BlundeU (The Lancet, Nr. 224, V. I., Dec. 1824, vergl.
Kldnert'^ Repertorium, H. Jahrg., XII. Heft, Leipzig 1828,
S. 4) bringt ein silbernes Röhrchen, dessen Ende unten ge-
schlossen, aber auf jeder Seite eine lang(3 breite Oeffnuog
hat, in die Stimmritze, bläst mit dem Munde Luft ein und
entleert sie wieder, indem er mit der Hand auf den Thorax
und den Unterleib drückt. Dieses soll 25 — 30 Mal in der
Minute geschehen. Das Kind macht dabei bisweilen eine
Respirationsbeweguug. Wenn dieses Zeichen der beginoeiidett
natürlichen Respiration wieder verschwindet, so wird die künst-
liche wieder von neuem begonnen, bis das Kind athmet.
Leroy d'Etioles (vergl. Kktnerfa Repertorium, 1. Jahrg.,
X. Heft, Leipzig 1827, S. 112) giebt zum Lufteinblasen einen
mit einem Quadranten versehenen Rlasebaig an, mit welchem
ein Apparat zur Erwärmung der einzublasenden Luft ver-
bunden ist Ausserdem steht mit dem Blasebalge eine Canüle
von Gummi elasticum, welche in die Luftröhre eingeführt wird,
in Verbindung.
Die HebaiBine Bandet (vergl. Kleinert'% Reperloriuin
IV. Jahrg., 4. Heft, Leipzig 1830, S. 82) hat der 4cad.
reyale de Med. eine Spritze (Pompe laryngienne) zum Luft-
emhlasen bei asphydischen Neugeborenen vorgelegt. Das In-
stminenl besteht aas C'haus9iei'% tube laryngien und einer
Eaytchookflasche, welche beide durch ein kupfernes und
mit Klappen versehenes Mittelstöck verbunden sind. Es ist
zugleich die Notiz beigefügt, dass Evrat seit vielen Jahren
eine elastische Larynxröhre von Kautchouk zum Lufleinblasen
mit dem Munde im Gebrauche bat
Madame Baivin (Handbuch der Gcburtshülfe 3. Ausgabe,
übersetzt von F. Robert, Cässel und Marburg, 1829, S. 399)
empfiehlt bei asphyctiscb Neugeborenen das Lufteinhlasen
in die Lungen mittels des tube laryngien von Chaussier,
ond zwar entweder mit dem Munde oder mit einem kleinen
Blasebalge.
«/. WencU (Die Kinderkrankheiten, 3. Ausg., Breslau,
1835, S. 60) giebt ebenfalls dem Lufteinblasen mittels des
Röhrchens von Chaussier bei der Asphyxie der Neugeborenen
den Vorzug.
Vdpeau (1. c.) erwähni, dass Guiüon den tube laryngien
von Chaussier der Art verbessert bat, dass derselbe genau
die Glottis ausfällt, und fährt fort: mais une simple sonde
de gomme elastique, in3trument qu'on trouve partout, est
presque aussi commode.
Lafargue (Bull, de therap., Tom. XIU., p. 340, vergl.
Sehmidfs Jahrbächer, 20. Bd., Leipzig 1838. S. 89.) hält
seinen Pumpeuapparat, den er zur Entleerung des Magens
in FiUen von Vergiftungen erfunden bat, auch in den ver-
schiedenen* Asphyxien für das beste Mittel, um entweder
Schaum oder Wasser aus den Bronchien oder auch aus dem
Magen zu schaffen, oder um Luft in die Lungen zu blasen
oder aus denselben zu entfernen.
Depavl (Jonm. de Chirurgie par Malgaigne, Mai et Juni,
1845, vergl. Journal für !Kinderkrankheiten von Behrend
und HOdebrand, Bd. VL, Heft 3., Berlin 1846, S. 183)
benatzt und empfidilt sehr angelegentlich die Chaussier^sche
Wxre zum Lufteinblasen bei sobeintodten Kindern. Er bat
an derselben nur die Modilication angebracht, dass statt des
188 "^^11- ^Nlter, Die Rfttfaetcriffttton der Lilltr6lire
bünden Endes und der beiden Seitenöflhungm fine einzig«*
End/(flnung vorbanden ist.
jSoMni«r^ (Bemerkungen über den Scheintod der Neu-
geborenen im Journal (Qr Kindei^kraokbeiten von Behrend
und Hüdebrand, Bd. VI]., Heft 2., Berlin 1846, & 99)
schiebt zum Zweck des Lufteinblasens bei sdieintodten
Kindern einen recht dicken (!) Kautscbukkatbeter durch den
Hund oder besser noch durch die Nasenlöcher bis in den
Hals hinein, und wenn es möglich ist, was jedoch nicht
immer gelingt, bis durch die Stimmritze.
M'Clintock and Hardy (Practfcal observations, p. 35Q,
i^rgl. Journal fär Kinderkrankheiten von Behrend u. Süde^
brand. Band XU., Heft 3 o. 4, Erlangen 1849, S. 303)
empfehlen zum Zweck des Lufteinblasens, das scheintodte Kind
in eine horizontale Lage zu bringen, den Kopf desselben
etwas nach hinten zu biegen, damit der Hals sich streckt;
dann wird ein männlicher Katheter in den Mond geschoben,
und, während die Lippen und die Nasenlödier zusammen-
gedrückt werden, Luft eingeblasen. Auch empfehlen beide
die Anwendung eines Blaserobrs.
Ctizeanx (Gazette m^dicale de Paris. Nr. 17, Avril 1850,
S. 316) beschreibt und empfiehlt das Lufteinblasen mit dem-
selben Röhrchen, welches Depaul als modificirtes Rdhrchen
von Chaussier angegeben hat
Marchant (L'Union 8. 9., 1852, vergl. SchmidVs Jahr-
bücher, 74. Bd., Leipzig 1852, S. 207) führt mit Daumen
und Zeigefinger der linken Hand einen Federkiel oder der»
gleichen in das rechte Nasenloch des Kindes ein. Das andere
Nasenloch wird mit den Fingern gänzlich verschlossen und
die rechte Hand wird glatt auf den Mund des Kindes gelegt,
um den Austritt der eingeblasenen Luft zu verhüten.
Cr«^^ (Klinische Vorträge über Geburtshülfe, Berlin 1858,
L Abthl., S. 350) giebt den Rath: Entweder halte man
die Nasenlöcher fest zu und blase von Hund zu Hnnd Luft
ein, oder bequemer, aber nicht so zweckmässig ist es,
den Mund des Kindes zu schliessen und durch das eine
Nasenloch mit einem dünnen Röhrchen, einem Tubulus, einer
Federpose, einem Stückchen Rohr, die Communication voä
bei atphycftiMh g«bor«neB Kiad^m. 1B9
i» Lange la femittdo » während das «idere Naseoloeh mit
da das Robrchen haltenden Fingern zugedrüclct wird.
Ein Dngeiiannier (Journal filr Kinderkrankheiten von
Bekrend und Hildebrand, Heft 11 u. 12., Jahrg. 1857,
& 952) macht folgendes Instrument zum Einblasen der Lungen
bei scheintodten Kindern bekannt Es besteht aus einem
BaU von irnlkanisirtem Kantschufc, an welchem sich eine 6 ZoU
Inge, nach dem Ende hin etwas gekrümmte Rdhre aus Neu*
oHwr befindet Das Ende der Röhre, welches geschlossen
ist, aber nicht weit von der Spitze zwei Augen, wie ein weib-
iidier Kathet«* hat, wird in den Kehlkopf des Kindes ein«-
gescboben. Drückt man den Ball zusammen, wobei man
«sne dritte Oeffnung, welche sich in dem Röhrchen 1 Zoll
lon seinem Ansätze an den BaD befindet, mit dem Daumen
sckliessen nuiss, so dringt die Luft in die Luftröhre und
dwdi diese in die Lungen. Ehe die zweite Compression des
Balles stattfinden soll, muss man den Daumen wieder ent-
fern«!, damit reine Luft wieder in den Ball eindringen k»in.
Nach jeder Compression des Balles muss die Brust gedrückt
werden, um die Luft wieder aus den Lungen auszutreiben.
J» O. Wilson (Pamphlet, Glasgow 1859. Aus Ranking
and Baddiff*s „Half-Yearly Abstract^ 1860, VoL 30, vergl.
Honatascfarift für Geburtskunde, XVL Bd., 1. Heft, 1860, S. 72)
hat ganz denselben Apparat, nur mit dem einzigen Unterschied,
dass die neusilbeme Röhre 6 Zoll lang ist . und zugleich
seine Anwendungsweise beschrieben.
Ich selbst übe sdion seit mehreren Jahren und zwar
mit sehr günstigem Erfolge das LufteinUasen bei asphyctisch
geborenen Kindern mittels eines dünnen elastischen Katheters,
weidier IVs Linien dick und 11 Linien lang ist, an 8ein<»n
Ende geschlossen, aber seitlich mit zwei Augeii versehen ist
In dem letzten Jahre bin ich, auf Erfahrungen gestützt, zu der
Oeberzeugung gekommen, dass man bei manchen Kindern,
weiche die Zeichen des zweiten Grades der Asphyxie dar- '
Meten, die Trachea und die Bronchien durch die beschriebene
Aspiration mit dem Katheter vorher reinigen muss, und dann
erst das Lnfleinhlasen mit Erfolg anwenden kann, während
man bei anderen Kindern, bei welchen durch die vorzeitigen
Respirationsbewegungen nicht viel Flüssigkeit in die Luftwege
(I4f) VIII. EMier, Die Kathete riiaiion der LvftrÖhre
«ingedrangen ist, gleich mit dem Lufleinhlasen begiimen kann.
Dagegen halte ich es bei allen Kindern, welche in dem dritten
Grade der Asphyxie geboren werden, aus den oben angefAhrten.
Granden für durchaus noth wendig, dem Lufteinblasen das
Aspiriren, um die fremden Flüssigkeit^ aus den Luftwegen
zu entfernen, voranzuschicken.
Das Einführen des elastischen Katbeters in die Luftröhre,
mag man Luft einbiasen oder Flüssigkeiten aspiriren woUeo,
bietet gewöhnlieh keine Schwierigkeiten. Ich führe zu diesem
Zwecke den Zeigefinger meiner rechten oder linken Hand, nach-
dem ich vorher mit demselben die Mund- und Racbenhöhle
von dem in ihnen befindlichen Schleim befreit habe, zu dem
Eingang der Speiseröhre, schliesse diese so völlig ab, bringe
dann den mit den Fingern der andern Hand scbreihfederartig
gefassten Katheter mit dem Ende, an welchem sich die Augen
befinden, bis zur Glottis, lasse denselben unier Ueberwachung
meines Zeigefingers in diese eindringen und dann soweit in
der Luftröhre vordringen, bis ich Widerstand fühle. Hierauf
entferne ich den Zeigefinger.
Einige Mal habe ich die Ueberzeugung gewonnen, dass
das Ende des Katheters beim Einführen die Stelle der Bi-
furcation der Trachea überschritten haben und in einen
grösseren Bronchus eingedrungen sein musste. Wenn ich
nämlich vor dem Herausnehmen des Katheters mir die Stelle,
bis zu welcher er eingeführt war, au den Lippen des Kindes
mit den Fingern markirte und nach der Herausnahme des
Katheters die Entfernung zwischen dem Ende desselben und
der markirten Stelle äusserlich von den Lippen bis zu der
Brust des Kindes anlegte, so kam jenes tiefer zu stehen, als
der ungefähren Schätzung nach die Bifurcation der Trachea
liegen konnte.
Depavl und Cazeaux (1. c.) beschreiben die Einführung
des Röhrchens von Chaus^ier in der Art, dass man dasselbe,
wenn es bis zu dem Eingange des Larynx gelangt ist, gegen
die linke Comroissur der Lippen neigen und durch einige
leichte Bewegungen den Kehldeckel zu erheben suchen möge.
Wenn dies geschehen, brauche man. das Instrument ein wenig
zu wenden und zugleich gegen die Mittellinie hinzuführen,
damit sein Ende in die Glottis gerathe.
l;
t«i aapliyotiaeh geboreaAB Kiii4*ni. 141
» »
Diese BeschreibuBg ist auf der Annahme baairt, dass
bei fötalem Zustande der Athmungsorgaue die Stiminrttze ?on
den Kehldeckel bedeekt werde. Maässer (Untersuchungen
iber die Veränderungen im. Körper der Neugeborenen durch
Atbaeo and Lufleinblasen u. s. w., Stuttgart 1853, S. 16)
bezweifelt mit vollem Rechte die Richtigkeit dieser Annahme,
■id Marehant (1. c.) spricht es mit äberzeugender Gewiss-
heil aus, dass die Epiglottis immer aufgerichtet ist und ein
Hinderniss von dieser Seite her nicht existirt. Ich kann dies
oaeh meinen bisherigen Erfahrungen vollkommen bestätigen,
indem ich niemals, seliist nicht bei Kindern, welche in niace-
rirtetn Zustande geboren wurden, das Anliegen der Epiglottis
auf der Glottis gefunden habe. Jene war immer aufgerichtet,
und daher ein Erheben derselben mit dem Katheter nie nötliig.
Ea scheint daher, dass Depaul und Cckzeaux bei dem Ein-
führen des Röhrchens nicht richtig und sicher gefühlt haben,
oder dass sie die gegebene Beschreibung, ohne gehörig
praktisch mit der Katheterisation des Kehlkopfs geübt su sein,
mehr auf theoretischer Basis zu Stande gebracht haben.
Hat man sich durch den Zeigefinger nochmals überzeugt,
das9 der Katheter wirklich in den Kehlkopf eingedrungen
und durch Weiterschieben in die Luftröhre vorgedrungen ist,
so kann man auf die oben beschriebene Weise die fremden
FIfissigketten zu entfernen suchen und schreitet dann zu dem
Lufleinblasen, oder man beginnt gleich mit diesem, wenn
das erstere nicht nöthig ist, d. h. die Luft freien Zutritt zu
den Lungen hat. Man bläst zu diesem Zwecke die Luft, welche
man nach einer etwas starken Inspiration noch in dem Munde
hat, in die OeWnung des Katheters hinein. Die Kraft, welche
man hiebei anwenden muss, lässt sich nicht beschreiben,
man lernt sie am besten durch die Uebung kennen. Dem
Anfinger ist zii rathen, dass er nicht zu zaghaft das Ein-
blasen bewerkstelligt, aber zugleich muss vor der Anwendung
einer zu grossen Gewalt, welche, wie wir später sehen
werden, schädlich werden könnte, gewarnt werden. Wenn
die Trachea und die Bronchien^ nach Möglichkeit von den
Flüssigkeiten befreit sind, und der Katbeter gehörig lief,
weoigslens bis zu der Bifurcation der Trachea eingeführt
ist, so ist mau sicher, dass die eingeblasene Luft in die
/"
142 VIII. JBRBter» DU Kfttheteritaaou der Laftrökr«
Lungen dringt, und man hat nicht nöthig, wie dies bei der
Anwendung der C%au««t6r*sGfaen Canäle, welche nur in den
Kehlkopf zu liegen kommt, empfohlen wird, die Speiseröhre
zu comprimiren und den Mund, und die Nase des Kindes
beim Eiublasen zu schliessen, damit die Luft keinen andern
Weg, als in die Trachea und in die Bronchien nehme.
Auf die künstlich bewirkte Inspiration muss jedesmal
die künstliche Exspiration folgen. Es hat schon Chaussier
hierauf aufmerksam gemacht, und die meisten Autoren, welehe
sieb später mit dem Lufteinblasen bei scheintodten Neu-
geborenen beschäftigt haben, legen hierauf Gewicht. Man
verfahrt, um die kunstliche Exspiration zu bewerksteUigeo,
am besten so, dass man erst beiderseits gleichzeitig die
Wandungen des kindlichen Thorax mit den Fingern comprimirt
und unmittelbar darauf in der Magengrube .einen Druck an-
bringt, um das Zwerchfell nach aufwärts zu bewegen.
Eine einzige künstliche Inspiration mit der nachfolgenden
Exspiration genügt niemals, um die natürliche Respiratioii
des Kindes in den Gang zu bringen, man muss das Einblasen
öfter wiederholen, y^ean Blunddl räth, dasselbe 25 — 30 Mal
in der Minute auszufuhren, so ist dies, wie ich mich über-
zeugt habe, in dem angegebenen Zeiträume gar nicht möglich.
Auch ein funfzehnmaliges Lufteinblasen während einer Minute,
welches Depaid bisweilen gelungen ist, liabe ich nie bewerk-
stelligen können. Ich konnte höchstens 10 — 12 Mal in
einer Minute kunstlich inspiriren und exspiriren.
Die erste Wirkung, welche wir während der künstlichen
Respiration an dem Kinde wahrnelmien, besteht darin, dass
die Frequenz der Herzpulsation zunimmt. Es' wird nämlich
durch jeden Act der AnfüUung der Lungen mit atmosphärischer
Luft eine Attraction auf das im rechten Herzen beflndliche
Blut, welches nun durch die Lungenarterie in reichlicher
Menge herzuströmt, ausgeübt. Die nädiste Folge hiervon ist,
dass der linke Ventrikel mit gutem, arteriellen Blut versehen
wird. Ist dieses, welches durch die Arterien rasch fort-
geführt wird, im Stande, die noch nicht völlig erloschene
Erregbarkeit der Ncrvencentra wieder anzufachen, so sehen
wir nach einiger Zeit eine selbstständige Respirationsbewegong
des Kindes eintreten. Man muss nun das Lufteinblasen
^
bei MpbyotiBob geboreoen Riii4«nii. 143
I, um eine zweite abzuwarten. .Z6g^t der Eintritt
derselben aber, eo muss mil der künstlichen BespiraUon
alsbald wieder begonnen und so lange fortgefahren werden,
bis die selbststandigen Respirationen des Kindes häufiger
wiederkehren. Stellt sich auch unter diesen Trachealrasselu
ein, so darf mau dies als ein giknsüges prognostisches Zeichen
betrachten.
Während der künstlichen Respiration hat man Sorge zu
tragen« dass der kindliche Körper nicht erkaltet. Man muss
daher das Kind öfters in das warme Bad zurückbringen,
oder es während des Lufleinblaseos wiederholt in warme
Tücher halten. Es lässt sich die künstliche Respiration auch
ausfahren, während das Kind in der erhöht gestellten Bade«
wanne von einer anderen Person gehalten wird.
Treten die selbststandigen Respirationen des Kindes
häufiger ein, dann kann man auch von der Anwendung der
Hautreize einen günstigen Effect erwarten. Namentlich habe
kh das Bespritzen mit kaltem Wasser auf die Brust und
den Nacken des Kindes wirksam gefunden. Noch wirksamer
aber erweist sich das wiederholte Eintauchen des Kmdes in
ein Gefass, welches kaltes Wasser enthält. Es darf dies nur
einen Augenblick dauern, worauf das Kind sogleich wieder
in das warme Bad zurückzubringen ist Dieses Verfahren
wird besonders von SchöUer (Med. Zeitung v. Verein f.
Heilk. in Preussen, Berlin 1841, No. 17) sehr angelegentlich
empfohlen. Sehr oft habe ich gesehen, dass scheintodte
Kinder zu der Zeit, in welcher sie in das Wasser eingetaucht
wurden, den ersten Schrei zugleich mit einer kräftigen Ex-
spiralionsbewegung, welche auch von Hüsteln begleitet war,
von sich gaben. War dies Ereigniss eingetreten, so kam das
Athnien ohne weiteres Zuthun bald regelmässig in den Gang.
Es ereignet sich zuweilen, dass man bei asphyctischen
Kindern nur die W^irkupg der künstlichen Respiration
beobachtet, dass der Herzschlag kräftiger und häufiger vnrd,
dagegen eine selbstständige Respirationsbewegung des Kindes
nicht eintritt, mag man die künstliche Respiration Va bis
1 Stunde lang ununterbrochen fortsetzen. Bei solchen Kindern,
deren Herzaction man nach der vergeblichen Anwendung
der kräftigsten Wiederbelebungsmittel allmälig erlöschen sieht.
144 y^^^- SWer, Die Kathete rUation der Luftröhre
iftt die ErreguDgsfäbigkeit der Medulla oUongata in Folge der
asphyctischen fntoxication gänzlich erloschen. Durch diese
Erfahrungen darf man sich aber nicht abschrecken lassen,
an allen Kindern, wenn sie nur noch eine Spur von Herz-
action zeigen, die Wiederbelebung durch die künstliche
Respiration zu versuchen, weil man nie voraus wissen kann,
ob die Erregungsfahigkeit des verlängerten Markes noch in
gewissem Grade vorhanden ist oder nicht.
Dass dieselbe sehr lange Zeit hindurch erhalten bleiben
kann, beweisen die Beobachtungen von Weese (ßad. Ann. f.
Staatsarzneik., 1845, X., 2.) und von Maschka (Prag. Viertel-
jahrschrift, XL, 3, 1854), in welchen eine Zeit lang unter der
Erde vergraben gewesene Neugeborene nach dei* Ausgrabung
wieder belebt wurden. Auch werden viele Beobachtungen
mitgetheilt, dass Kinder durch Bemühungen, welche über
eine Stunde gedauert hatten, wieder ins Leben gerufen wurden.
Ich will mich hier darauf beschränken, noch mitzutheilen,
dass das erste der Kinder, welches die Zeichen der Asphyxie
dritten Grades darbot und bei welchem ich nach vorher-
gegangener Reinigung der Luftwege die künstliche Respiration
in Anwendung brachte, nach 18 Minuten die erste selbst-
standige Respiration machte. Es dauerte IV4 Stunde, bis
das Athmen regelmässig wurde. Dasselbe blieb noch den
ganzen Tag lang mit Rasseln verbunden. Das Kuid wurde
nur drei Wochen alt und starb, nachdem es einige Tage
vorher Convulsionen gehabt hatte. Die Section wurde von
den Angehörigen verweigert.
Bei dem anderen Kinde, welches wegen Vorfall der Nabel-
schnur' in die Asphyxie dritten Grades versetzt war, dauerte
es nach der Entbindung 12 Minuten, bis sich die erste selbst-
ständige Respirationsbewegung des Kindes zeigte. Bis das
Kind vollkommen wieder belebt war, vergingen IV2 Stunden.
Auch bei ihm war das Athmen über 24 Stunden mit Rasseln,
welches zuweilen von Husten begleitet war, verbunden. Es
scheint mir hierdurch bewiesen zu sein, dass, wenn auch
bei dem Aspiriren mit dem Katheter an den Augen dieses
nichts mehr von der im Uterus eingeathmeten Flüssigkeit
hängen bleibt, doch noch kleine Quantitäten von derselben
in den Luftwegen zurückbleiben. Von einer schädlichen Ein^
bei asphyctiseh g^eborenen Kindern. 145
«Mimg dieser braucht man darum nichts zu furchten, weil
sie, wie das Rasseln beweist, in Bewegung gerathen sind und
ober kurz oder lang durch Husten aus der Luftröhre (ent-
fernt werden. —
Es würde die vorliegende Arbeit gewiss lückenhaft und
QOfoUeodet genannt werden, wenn ich die Einwürfe, welche
man gegen das Lufteinblasen bei scheintodten Rindern er-
hoben hat, mit Stillschweigen übergehen wollte. Man hat
besonders den Einwand geltend gemacht: Die eingebiasene
Lull dringt gar nicht in die Lungen, geht vielmehr durch
die Speiseröhre in den Magen und ist so ohne wesentlichen
Nutzen. Dieser Einwand trifft mit Recht besonders die Art
des Lofteinblasens, wenn der Arzt seinen Muiid auf den des
Kindes setzL Aber auch das instrumentelle Lufteinblasen
acheint wirkungslos, wenn die Canüle, mit welcher eingeblasen
wird, nur in den Hund zu liegen kommt. Denn Albert (1. c.)
ist es sogar nicht gelungen, mit dem in den Mund geschobenen
Blasebalg Luft in die Trachea zu injiciren. Wir haben bereits
früher diesen Einwand für völlig begründet erklärt und glauben
oiefat, dass durch den Rath einiger Schriftsteller, beim Luft-
embiaseD den Kehlkopf gegen die Speiseröhre anzudrücken,
dieser Einwand als beseitigt zu betrachten ist, weil durch
dieses Verfahren das Lumen der Speiseröhre wohl etwas
verengt aber diese nicht geschlossen werden kann. Der
Einwand wird jedoch völlig aus dem Wege geräumt, indem
wir das Lufteinblasen in der Art inslrumentell ausführen,
dass wir eine Canüle oder einen dünnen elastischen Katheter
tief in die Trachea hineinschieben. War vorher diese und
die B^oDcbien auf die oben beschriebene Weise von ihrem
flüssigen Inhalte nach Möglichkeit befreit worden, so kann
die io den Katheter hineingeblasene Luft nirgends anders
hin, als in die Lungen dringen.
Der zweite Einwand ist des Inhaltes, dass die von dem
Arzt ausgeatbmete und dem Kinde eingeblasene Luft schäd-
lich wirke. Wie es scheint, hat zuerst Blumenbach (Medic.
Bibliothek, L Bd., 1. Stück, Göttingen. 1783, S. 173) auf
die sehädliche Wirkung der ausgeathmeten Luft aufmerksam
gemadit Er fand nämlich bei Versuchen, welche er an Hunden
lloMU*efer.f.€lebBrttk. 1868. Bd. XXI., Hft.9. 10
146 VIII. HüUr, Die Katheterisation der Luftröhre
ansteUte, dass die ausgeatbmete Luft, welche wieder zum Ein-
atbmen verwendet wird, den Tod verursacht und warnt daher
vor dem Lufteinblasen mit dem Munde bei Ertrunkenen.
Auch Leroy (vergl. Kleinerfs Repertorium, I. Jahrgang,
VI. Heft, Leipzig 1827, S. 5) fand, dass Thiere, denen
Luft eingeblasen wurde, alsbald starben. Arneth (Die ge-
burtshölf liehe Praxis u. s. w., Wien 1851, S. 245) hält das
Lufleinblasen für sehr schädh'ch, wenn das leiseste Bestrdlien
des Einathmens bemerkbar wird, wagt aber nicht zu ent-
scheiden, ob dies den irrespirabeln Gasarten zuzuschreiben
ist, die durch die ausgeatbmete und dem kindlichen Organis-
mus mitgelheilte Lufl, nachdem die Schleimmassen entfernt
worden waren, viel sidierer und unmittelbarer bis zu den
Lungenzellen gelangen können.
Indem man an dem allerdings richtigen Grundsatze fest-
hielt, dass die ausgeatbmete, an Kohlensäure überreiche und an
Sauerstoff sehr arme Luft einem scbeintodten Kinde nichts
nützen könne, gab man sich Mühe, möglichst sauerstoffreiche
Luft in die Lungen der scbeintodten Kinder einzuführen und
erfand zu diesem Zwecke besondere Apparate. Ich will hier
nur an die ErGndungen von Attken, Hül^ Leroy, Rondet,
Lafargue, von dem Ungenannten uiid von Wilson erinnern.
Durch die Anwendung dieser Apparate wird allerdings der
vorliegende Einwand gänzlich beseitigt. Allein man muss
bedenken, dass die Luft, welche aus Bällen von vulkanisirtem
Kautschuk hervorgedruckt wird, was namentlich bei den
Apparaten der Hebamme Eondet, des Ungenannten und von
Wilson geschieht, einen schwefeligen Geruch besitzt und
darum zum Einführen in die Lungen scheintodter Kinder
ungeeignet erscheint. Ausserdem trifft alle die namhaft ge-
machten Apparate noch ein anderer Tadel, welchen wir
später kennen lernen werden, weshalb ihre Anwendung nicht
empfohlen werden kann.
Toogood (London med. et phys. Journal, Aug. 1827,
vergl. Siebold^s Journal für Geburtshülfe u. s. w. , Vlli. Bd.,
1. Stück, Frankfurt 1828, S. 284) und MarshaU HäU
(vergl. Journal für Kinderkrankheiten von Behrend und
Hildebrand, VII. Bd., 2. Heft, Berlin 1846, S. 102) ratben,
dass man bei dem Lufteinblasen von Mund zu Mund ein
bei asphyotiseh geborenen Kindern. 147
Stdek Tudi zwischen den Mund des Arztes und den des
Eindes legen möge. Dass durch ein solches Verfahren die
dem Kinde nachlbeiligen Bestandtheile dier ausgeathmeten Luft
des Arztes abgehalten werden, möchte ich sehr bezweifeln.
' Viel beachtenswerther dagegen ist der Rath von Marshall
EaO, dass der Arzt vor dem Lufteinblasen einige Mal in
kurzen Zügen athmen und dann eine sehr kräftige Ein>
atbmung machen möge. Auf diese Weise werde die aus den
Langen des Operateurs in die des Rindes eindringende Luft
mehr Sauerstoff und weniger Kohlensäure als die gewöhnlich
ausgeathmete enthalten und daher besser im Stande sein,
die Respiration und die Circulation anzuregen.
Depaul glaubt, dass, wenn man vor jedem Einblasungs-
act zuerst eine tiefe Einathmung macht, die Luft noch immer
gut genug, und die geringe Einbusse an Sauerstoff fßr un-
bedeutend zu erachten sei.
Ich habe mit wohlüberlegter Absicht oben angegeben,
dass man die Luft, welche man nach einer etwas starken
Inspiration noch in dem Munde hat, jedesmal in die Oeffnung
des Catheters hineinblasen möge. Denn diese Luft kann
nach eben beendeter Inspiration noch keinen für das Kind
nachtheiligen Ueberschuss an Kohlensaure besitzen und ist
daher in Bezug auf ihre Qualität für die Lungen eines
scheintodten Rindes vollkommen geeignet. Dagegen enthält
die am Ende jeder Exspiration aus den Lungen des Arztes
hervordringende Luft in zu bedeutender Menge Kohlensäure
und darf daher nicht in die Lungen eines scheintodten Kindes
eingeblasen werden. Nach meinen Erfahrungen ist die nach
jeder etwas starken Inspiration in dem Munde eines Er-
wachsenen zurückbleibende Luft auch an Quantität für die
kindlichen Lungen völlig ausreichend.
Der dritte Einwurf, welcher gegen das Lufteinblasen
bei aspbyctisch geborenen Kindern erhoben worden ist, bezieht
sich darauf^ dass mit etwas zu starkem Lufteinblasen Lungen^
emphysem imd Zerreissung des Lungenparenchyms bewirkt
werden könne. Dieser Einwurf trifft mit Recht besonders das
Lttfteioblasen mittels der blasebalgartigen Apparate. Magendie
and Dumirü (vergl. Kleinert\ Repertorium, IV. Jahrg.,
V. Bttt, Leipzig 1830, S. 54) fanden, indem sie in die Luft-
10*
148 ^I^- ff^tier, Die Katheteritstion der Luftröhre
röhre von Leichnamen erwachsener Menschen Luft einbliesen,
dass das Lungengewebe zerriss, und Luft zwischen die Pleura
costalis und pulmonalis austrat. Bei dem todten Fötus und
bei Kindern, welche nur einige Stunden gelebt hatten, ver*
ursachte die, mit grosser Kraft in die Lungen geblasene Lull
keinen Austritt und nur hier und da fand man unter der
Lungenpleura einige Luflbläschen. Beide tadeln daher das
zu gewaltsante Einblasen und das Einblasen mit Blasebälgen.
Rosshirt (Neue Zeitschrift für Geburtskunde, IL Bd.,
2. Heft, Berlin 18.'^4, S. 239) rälh wegen der schädlichen
Folgen von dem Lufleinhlasen ganz und gar ab.
Dass scliädliche Folgen bei dem Lufteinblasen durchaus
nicht zu fürchten sind, hat Depaul (1. c.) durch eine Reihe
von Versuchen an Kinderleichen mit Sicherheit nachgewiesen.
Er hat nämlich sowohl die Lungen von todten Neugeborenen
als auch die Lungen von Kindern, welche einige Zeit gelebt
hatten, mit Luft und zwar mittels der Chaussier^^chen
Canülf aufgeblasen. Er musste dabei viel KraU aufwenden,
um die Erweiterung aller Lungenbläschen zu bewirken. Bei
der genauesten Untersuchung der Lungen, welche sogar mit
Hülfe des Mikroscop*s auch von Lebert vorgenommen wurde,
fand sich nirgends eine Zerreissung der Lungenbläschen, auch
keine Erhebung der Pleura, man erkannte vielmehr überall
die vollständigste Integrität der aufgeblasenen Lungen.
Auch von Ameth (1. c.) wird dieser dritte Einwurf als
ein ganz unbegründeter hingestellt Er sagt nämlich: die
bisweilen verbreitete Furcht, die Lungenzellen selbst durch
das auf die gewöhnliche Art durch den Mund verrichtete
Lufleinhlasen zum Platzen zu bringen, müssen wir nach den
vielen gemeinschaftlich mit Semmelweis angestellten Ver-
suchen für überflüssig halten. Es war — ausser bei schon
in der Fäulniss begriffenen Lungen — kein geringer, bei
den Belebungsversuchen, wohl nie angewendeter Grad von
Kraftaufwand nöthig, um vorsätzlich die Luftzellen zu zer-
sprengen.
Obwohl ich selbst keine Versuche in dieser Richtung
hin aufweisen kann, so bin ich doch fest überzeugt, dass
die Resultate der eben citirten Autoren hinlängliche Beweis-
^^besitzen. Die letzte Schranke, welche sich der Operation
r-
bei asphyotiteh geborenen Kindern. 149
des Loftemblasens hindernd in den Weg gestellt hat, ist daher
aJs beseitigt zu betrachten. Mögen in Folge dessen die
Geburtshelfer Katheterisatiou der Trachea bei asphyctisch
geborenen Kindern von jetzt an mehr Aufmerksamkeit schenken,
als dies in manchen der neueren Lehrbücher für Geburts-
hülfe geschehen ist, und sich von der wohlthätigen Wiriiung
dieses Verfahrens durch eigene Beobachtungen überzeugen.
Der dünne, elastische Katheter, welchen ich seit mehreren
Jahren zu jeder Geburt mit mir führe, kann, abgesehen von
dem sehr geringen Kaufpreise, ohne Schwierigkeiten in dem
geburtsbüinichen Bestecke untergebracht werden und wird
gewiss manchmal nicht umsonst in der Praxis mitgeführt
So sehr ich mich durch meine Erfahrungen für berechtigt
halte , das in der vorliegenden Abhandlung beschriebene Ver-
fahren als ein im hohen Grade sicheres Mittel anzupreisen,
um asphjctische Kinder von dem gewissen Tode zu retten,
so kann ich doch nicht verschweigen, dass die Anwendung
desselben eine gewisse Beschränkung erleidet. Wir haben
bisher in ätiologischer Beziehung nur von der Asphyxie ge-
handelt, welche sich während des Geburtsactes ausbildet und
wollen gerade bei dieser, welche man auch den primären
Scheintod nennt, das beschriebene Verfahren in Anwendung
gebracht wissen. Der secundäre Scheintod tritt erst mit
dem Zeitpunkte ein, wenn die Geburt des Kindes beendet
ist und dieses nun sein selbstständiges Leben durch Athmen
beginnen soll. Es kann nämlich hieran verhindert sein durch
QQgenügende Entwickelung durch angeborene Missbildungen und
Erkrankungen, durch Zustände, welche der atmosphärischen
Luft den Eintritt in die Luftwege verwehren u. s. w. Wie
wenig Nutzen man bei den erstgenannten Zuständen von dem
Lufteinblasen zu erwarten hat, brauche ich gewiss nicht näher
auseinander zu setzen. Nur wenn bei einem Neugeborenen
der primäre und der secundäre Scheintod gleichzeitig vor-
handen, d. h. der letztere auf einer Verschliessung der Luft-
wege durch Flüssigkeit beruht, so hat die Katheterisation
der Trachea, wie aus den bisherigen Mittheilungen genügend
bekannt geworden ist, die günstigste Wirkung.
Es mag mir vergönnt sein, hier zum Schlüsse einen Fall
von secundärer 'Asphyxie deshalb mitzutheilen, weil ich in
150 VIII. HüUr, Die KstheteritatioD der Luftröhre
demselben die Katheterisation der Luftröhre in AnwmiduBg
gebracht habe.
Bei einer Bauernfrau, welche ihre drei ältesten noch
lebenden Kinder natürlich geboren hat, endete die vierte und
fünfte Schwangerschaft zu früh durch die Geburt von mace-
rirten Früchten. Die sechste Schwangerschaft verlief bis zu
ihrem rechtzeitigen Ende. Am 18. und 19. April dieses Jahres
fühlte die Schwangere iieine Kindesbewegungen mehr, wurde
deshalb für das Leben ihres Kindes sehr besorgt und lies«,
als sich am Nachmittage des 19. April die ersten Wehen ein-
stellten, mich rufen. Um 8V2 Uhr Abends fand ich bei der
Gebärenden die Längsachse der Frucht in der ersten Diagonale
des Uterus, den Rücken und den Fötalpuls rechts. Der
letztere hatte die bedeutende Frequenz von 13 — 14 Schlägen
in 5 Secunden, welche, ohne dass Kindesbewegungen nach-
zuweisen waren, auch während der Wehe dieselbe blieb. Die
Fruchtwassernlenge war die gewöhnliche. Der Kopf lag in
zweiter Stellung im Beckeneingange. Der Muttermund hatte
die Grösse eines Fünfsilbergroschenstücks.
Kurz vor 11 Uhr ging bei völlig retrahirtem Muttermunde
das Fruchtwasser ab. Bis zu dieser Zeit hatte ich sehr häufig
auscultirt und stets dieselbe hohe Frequenz des Fötalpulses
ausser und wahrend der Wehe gefunden. Bei dem gänzlichen
Mangel einer nachweisbaren Erkrankung der Gebärenden sagte
ich der Hebamme und dem Ehemanne der Gebärenden, dass
das Kind zwar lebend, aber sehr wahrscheinlich krank (vergl.
meine Beobachtungen über den Fötalpuls in der Monatsschr.
für Geburtskunde, 18. Bd., Supplementheft, Berlin 1862,
S. 23) geboren würde. Um IIV2 tihr fand ich, dass der
Fötalpuls während der Wehe auf 11 Schläge herabsank, sich
in der Wehenpause jedoch wieder auf 14 Schläge erhob. Der
Kopf stand in zweiter Stellung tief in dem Becken.
Um 12 Uhr Mitternachts wurde das Kind, ein Knabe,
natürlich geboren. Es schrie und respirirte alsbald unter
zweimaligem Hüsteln. Auch während des Abnabeins, welches
bald vorgenommen wurde und während des Badens schien
das Respiriren des Kindes regelmässig. Als aber die Heb-
amme anfing, das Kind anzukleiden, nahm die Häufigkeit der
kindlichen Respirationen ab und dieselben folgten einander
bei —phytthch geborenen Kin4em. 151
immer seltener. Ich schob in diesem Zustande des Kindes
den dönnen elastischen Katheter in die Trachea desselben
ond begann Luft einzublasen. Hierbei fühlte ich aber einen
beträchtlichen Widerstand, so dass nur sdir wenig Luft die
Augen des Katheters verliess. Ich machte nun mit meinem
Monde eine aspirirende Bewegung, weil ich es für möglich
hielt, dass die Trachea oder die Bronchien durch Flüssigkeit
rerstopft seien. Es war dies jedoch nicht der Fall, denn
die Augen des herausgezogenen Katheters erwiesen sich leer.
Auch röhrte der Widerstand nicht von einer möglichen Ver-
stopfung des Katheters her, weil die Luft frei durch denselben
hindurch geblasen werden konnte.
Unter diesen Umständen versuchte ich das Lufleinblasen
mit etwas grösserer Gewalt. Indessen brachte ich auch hier-
durch nicht viel mehr Luft in die Lungen hinein.' Es kam
nicht eine Spur von Trachealrasseln zu Stande. Die An-
wendung der übrigen mir zu Gebote stehenden Wieder-
belebungsmittel blieb ebenso erfolglos. So musste ich die
Respirationen des Kindes immer seltener werden, ganz auf-
hören und auch am 20. April IVa Uhr Nachts die Herzaction
des Kindes erlöschen sehen.
Die Section und zwar nur die der Brusthöhle wurde mir
nach wiederholtem Bitten bei den Angehörigen am 21. April
gestattet. Das Parenchym beider Lungen war nur inselförmig
mit Luft erfüllt, der bei weitem grössere Tbeil desselben
zeigte die fötale Beschaffenheit. In beiden Pleurahöhlen fand
sich ein beträchtlicher Erguss einer trüben serösen Flüssig-
keit, welche rechts reichlicher als links vorhanden war. Auch
war die rechte Pleura puhnonalis mit mehr zarten Fibrin-
fiden belegt, als die linke. In den beiden Ventrikeln des
Herzens fand sich etwas coagulirtes Blut, das Foramen ovale
war offen, der Ductus arteriosus Botalli zeigte ein grosses
Lumen.
152 I^* I>^f9id$okm, EIb« ZwÜliiigfselmrt.
IX.
Eine Zwillingsgebnrt.
Von
. Dr. Davlilsohn in Schneidemühl.
Am 15. August wurde ich nach dem V4 Meile entfernten
Dorfe K. zur Assistenz bei einer Entbindung verlangt. Ich
fand eine mehrgebärende schwächliche Bauernfrau im höchsten
Stadium der Anämie und allen Vorboten nahen Todes, den
Folgen einer nach der vor einer Stunde erfolgten Steissgeburt
entstandenen unaufhörlichen Blutung. Die Berührung der
äusseren .Bauchdecken bestätigte die von der sonst unzuver-
lässigen Hebamme gestellte Behauptung von der Anwesenheit
eines zweiten Kindes, „das wohl, weil es sich gar nicht bt-
wege und die Blutung so stark sei, todt sein würde.*' Nach
der Darreichung eines Glases Branntweins (ein Anaiepticum,
auf dessen Anwesenheit die Landhebammen bekanntlich nicht
ohne Grund halten), wollte ich zur raschen Entfernung des
Kindes schreiten, fand aber unter Leitung der, trotz der Vor-
schrift des Hebammenbuchs nicht unterbundenen Nabelschnur
die festansitzende Nachgeburt, und während ich durch die
immer heftigere Blutung gedrängt, deren Trennung versuchte,
folgte unter vorsichtiger Anziehung der Nabelschnur nicht
nur diese Nachgeburt, sondern auch die mit ihr gleichsam
dos ä dos verbundene dem zweiten Kinde zugehörige Nach-
geburt, dessen Entwicklung an den vorliegenden Pässen
schleunigst gelang.
Trotz der grössten Unwahrscheinlichkeit und der grössten
Ungunst der Aussenverhältuisse sind Mutter und beide Kinder
am Leben geblieben, obgleich letztere kaum athmend auf
dem mich zurückfahrenden Wagen sofort zur Erlangung der
(von mir vergeblich der Hebamme zugewiesenen) Nothtaufe
hierher transportirt wurden.
X. Notissn ans der Joimial-Litoratar. ]^
X.
Notizen aus der Journal -Literatur«
TniMr.- Ein Fall von nngeahnter Schwangerschaft und
Gebnrt
Dr. Taftm&r wnrde den 17. April an Mrs. /., 42 Jahre alt,
fernfeii. Die Patientin klagte seit 11 Uhr in der verflossenen
Nacht nber grosse Sohmersen im Unterleibe, ist mehr denn
drei Jabre verheiratbet und niemals schwanger gewesen. Die
Katamenien waren seit Jnni 1861 ansgebiieben , — das wnrde
iedoeh, da sie fSnf oder sechs Monate vorher sehr reiehlioh
gewesen waren, der Verandernng der Lebensweise sngeschrieben.
Ti^t Schmers im Ünterleibe kam in Parozysmen und hatte sich
weder durch Medicin, noch darcb einen Senfteigübers oblag ge-
mässigt. Der Assistent eines benachbarten Arstes erklärte, dass
die Sehmeraen von Flatulenz nnd Entsfindnng herrührten. Dies
stimmte gans wohl mit der Meinong der Patientin, ihres Mannes etc.
iiberein. Bei der näheren Untersuchung fand man die Frau in
Wehen, die Eihäute geborsten, den Muttermund ungefähr -so
gross wie ein Zweigroscbenstüek und den vorliegenden Kopf
in das Becken eintretend. Wenige Stunden darauf eztrahirte
Dr. Tawktr das Kind mit der Zange — wohl sn nicht geringer
Befriedigung der erstaunten Eltern. Dieser Fall beweist, dass
eine Frau empfangen, vollkommen austragen und 10 Stunden lang
Wehen haben kann, ohne nur im geringsten su ahnen, dass sie
schwanger ist«
(Madical Times and Gasette, Vol. I., 1862, No. 620.)
'Duncani Ueber die Innenfläche des Uterus nach der
Geburt.
In der Londoner geburtshiilfliehen Gesellschaft wurdp am
7. Mai 1862 von Dr. Diineaa über das Verhalten der Innenfläche
des Uterus nach der Kiederknnft ein längerer Vortrag gehalten.
Die Meinung (7rtc«s»Atsr^s , dass die ganse Schleimhaut ab»
gestossen und dann die Muskelschicht „ gleichwie bei einem
Amputatiossstumpfe* nackt daläge, die Heilung aber dann durch
Eiterung und Granulation bewirkt werde, verwarf der Spreeher
sIs dorehans unhaltbar; er behauptete, dass au keiner Zeit das
Miskelatratiim blosagelegt werde, sondern dass dasselbe fort-
während von einem Scbleimhautbelege bedeckt sei, dass femer
in demselben Maasse wie der Uterus sich verkleinere, diese an
154 2* Notisen ans der Jonnial- Literatur.
Dicke snnehme and die Heilung analog wie bei der Haut oder
der Schleimhaut, die ron ihrer oberflächlichen Schicht entbldset
worden wären, vor sich ginge. Besonders betonte er die Wahr-
heit dieser Behanptnng für den Placentarsits , bei dem die f&r
immer offen bleibenden Sinns zeigten, dass keine neue Schleim-
haut, sondern dieselbe aas den Besten der Decidua serotina
gebildet werde. Femer bemerkte er, dass er nicht PriefÜey
and Rohin beipflichten könne, welche annahmen, dass nngefllhr
nm die Mitte der Schwangerschaft die alte Schleimhant sich los-
stosse nnd sich dann eine nene bilde. Dies sei abermals gana
nnhaitbar für den Placentarsits und stimme ebenfalls nicht mit
der wohlbekannten Thatsache ttberein, dass die Innenseite dea
Uteras sa keiner Zeit yon der Schleimhant entblösst gefanden
werde ; übrigens spräche anch die Abwesenheit der Entsündang
nnd die Natnr des Aasflasses bei normalem Wochenbette for die
nene Ansicht.
Dr. Pri4iU$y bemerkte hiergegen, dass er ebenfalls glaabe^
die Mnskelschicht werde niemals blossgelegt; die Regeneration
der Schleimhant sei jedoch eine andere; die Epithelialsellen
derselben nämlich Terwandelten sich nach der Conception in
anregelmässige Zellen, dafür aber bildeten sich in der «weiten
Hälfte der Schwangerschaft von der Basement membrane ans
kleine embryonale, regelmässige Zeilen, welche anr Zeit der
Niederknnft noch denselben Charakter hätten, — das könne man
nnter dem Mikroskop in den Lochien beobachten, indem sie
sich manchmal anter den aasgestossenen anregelmässigen Zellen
vorfinden.
(Medical Times and Gasette, Vol. I., 1862, No. 620.)
Braxton Hieks: Eine Abdominalschwangersohaft. Banch-
schnitt.
Mrs. H — , 40 Jahre alt, mehrgeschwängert, Hess sich, da
nach ihrer Berechnnng schon 12 Monate nach der Conception
verflossen waren und die Kindesbewegnngen aufgehört hatten«
▼or drei Jahren von Dr. Hiek» nntersnchen; er fühlte eine ovale,
schräg nnd mehr anf der linken Seite des Abdomen gelagerte
nnd vom Uteras wohl abgegrenste Geschwnlst. Längere Zeit
daranf wurde die H. wegen Schmersen in der Blase and oberhalb
des Tamor, der sich jedoch nach und nach verkleinerte, behandelt«
Im Mai 1862 wurde Dr. Hickt gerufen; sie hatte eine acute
Cystitis, eitrigen Harn; mit Hülfe des Katheters fühlte man in
der Blase Knochen. Die Patientin klagte Über grosse Sohmaraen,
schlechten Schlaf und Appetit, überhaupt über ein aohlechtea
Allgemeinbefinden. Die Geschwulst reichte bis aar Mitte awischen
Nabel und Schambeinen.
X. Notisen ans d«r JaunU- Literatur. 155
Ajb 16. Mai wurde Patiesün chloroformiri and recbu Ton
äjBT Meditaliaie miiteii auf den Tnmor ein Einschnitt bis anf da«
Paiitonaam gemmcht; letateras wnrde ebenfalls dnrehschnitfen
und an die Gesohwnlst Tollkommen angelöthet gefnaden. Die
OeffiboBg wurde der Länge nach auf 2y, Zoll erweitert and an
gleieJier Zeit der Sack eröffnet; dieser war den Knochen adh&rent,
reo diesen lagen die geraden im Centrum, die flachen in der
Peripherie; letstere worden erst snletat mit der grÖssten Yor-
ticht entfernt, damit die Wand des Sackes nicht beschädigt
würde. Ein kleiner Knochen wurde aus der OeflFnnng in der
Blase, die eine Fingerspitse einliess, herausgesogen; so hat
Dr. Hieka nach und nach 168 Knochen, nachdem sie alle von
einander getrennt worden waren, mit einer gewöhnlichen Korn-
sänge entfernt, alle waren nur Ton sehr wenig Mnskelmasse
bedeckt, von der Plaoenta fand eich keine Spur. . Da keine
Blntung in den Sack stattfand, so wurden die oberen swei
Drittbeiie der Susseren Wunde gen&ht, der antere Theil blieb,
am den Eiter ausfliessen zu lassen, offen.
Nach der Operation hat Patientin nicht die geringsten
Peritonftalerscheinungen gehabt, sondern in rapider Weise sich
erholt. Am vierton Tage erfolgte eine gesunde Eiterung. In
der Blase lag um den Scbluss der Fistelöffhung su beschleunigen,
fortwähreikd ein Katheter. Bis sum 17. Tage floss manchmal
Urin aus der Wunde, später nur noch einmal, als wegen einer
Verstopfung des Katheters sich 8 ünsen Urin in der Blase an«
gesammelt hatten.
Dr. H%ck$ theilt noch einen anderen ron ihm operirten
Pall Ton Abdominalschwangerschaft mit; hier war jedoch nach
vorn das Peritonäum nicht mit der Kystenwand verwachsen und
der lethale Aasgang erfolgte. Bei der Section fand man Darm-
teUingen, die durch die Oeffnang, wahrscheinlich während eines
Breehactes , in die Kyste hineingeschlüpft waren. Der Verfasser
bemerkt doshalb, er werde bei allen künftigen Fällen, wo er
die Kystbnwand nicht an das Peritonäum adhärent fände, ror
der Eztraetlon des Fötns, die Hchnittränder der Kyste mit den
änsseren WundrSndem rereinen.
(The Laneet, Vol. II., 1862, No. XI.)
8<fjfre: Pall von künstlicher Frühgeburt.
Verfasser wendete bai einer mit einem verengten Becken
▼srsehenan Frau, welche das erste Mal eine sehr schwere Geburt
Inrdhgemacht hatte, in der 86. Woche der sweiten Schwanger*
•chaft die Methode tou Tarmer sur Erregung der künstlichen
Piiihgebart an (s. Monatsschr., Bd. 20, S. 487). Am SO. September
18C8 Mittags wurde der Apparat in die Uterinhöhle eingeführt
156 ^- Notisen ans der Journal- Literatur.
mit lauem Wasser gefQIIt , aber nnglttelclieher Weise serriss dabei
die Kautsebakblase and eine neue mnsste eingelegt werden.
Schon V4 Stunde darauf seigte sieh die erste kräftige Zusammon-
■iehung und die weiteren folgten alle Vi Stunden. Abends 10 Uhr
war die Erweiterung des Muttermundes bereits 5 Centimeter im
Durchmesser, wfthrend der Nacht w&brten die Zusammensiebungen
fort und Morgens 6V, Uhr drKngte der Apparat aus dem ▼oll»
ständig erweiterten Muttermunde hervor.
Im weiteren Verlaufe der Geburt wurde die künstliebe
Blasensprengung, dann die Zange und da diese nicht tum Ziele
führte und nachdem in Folge eines Nabelsehnurvorfalles das Rind
abgestorben war, die Perforation und Kephalothrypsie nöthig. ^ —
Die Wöchnerin blieb gesund.
(Gas. des hdpitaux, 1862, No. 140.)
JamtB Oampbell: Ueber den Eintritt der Menstruation
bei den Mädchen in Slam.
Nach des Berichterstatters Untersuchungen beginnt die
Menstruation in Slam weit später, als es sonst in südlichen und
unter gleicher Breite liegenden Ländern der Fall ist« Campbell
beobachtete keinen eiuzigen Fall, bei dem sich die Menses vor
12 Jahren und 5 Monaten zeigte; von 30 Mädchen menstruirten
6 nach snrückgelegtem swölften, 8 nach dem dreisehnten, 8 nach
dem vierzehnten, 16 nach dem fünfzehnten, 2 nach dem sechs*
sehnten, eine nach dem siebenzebnten Jahre. Das Resultat der
Untersuchungen zeigt, dass der Eintritt der Menstruation meist
nach surückgelegtem dreizehnten bis sechszehnten Jahre erfolgt.
(Edinbargh Medical Journal, September 1862, No. 87.)
Albert: Der Sturz des Kindes bei präcipitirten Geburten.
•
Verfasser hält sich zu der Annahme, dass bei allen, selbst
Kopfgeburten, das Kind keineswegs mit dem Kopfe zuerst, sondern
mit qnergelagertem Körper den Boden berühre , fSr berechtigt,
zunächst durch Beobachtung des Geburtsmechanismus, welche
ergiebt, dass das Kind in der Richtung der verlängert gedachten
Beckeurtze austritt, ausserdem durch die Erwägung, dass, da
die Entfernung der Kusseren Geschlecbtstheile einer Gebärenden
▼om Boden grösser ist, als die durchschnittliche Länge der
Nabelschnur, der KindeskÖrper nur In querer Richtung den Boden
berühren könne. Diese Annahme werde durch fremde sowohl als
eigene Versuche und Beobachtungen des Verfassers bestätigt.
Was die Versuche des Verf. anlangt, so beschränkt er sieh
auf die Versicherung, häufig ein neugeborenes, an der Nabel*
X. Notisen aus der Joamal- Literatur. 157
schnnr gehaltenes Kind an Boden fallen gelassen an haben , wobei
et nie mit dem Kopfe auerst, sondern in Querlage an jenem
gelangt sei, mindert aber die Beweiskraft dieser Versicherung
erbeblich durch den Mangel jeder näheren Angabc über die
Modalitaten des Experimentes. Auch die angeführten Beob-
achtungen sind nicht geeignet, jene Behauptung wesentlich sa
unterstützen, — so schliesst er auf Berührung des Bodens in
Querlage in dem einen Falle, wo die Nachgeburt zugleich mit
dem Kinde abging, aus dem von der Mutter angegebenen
klatschenden Geräusche beim Aufschlagen, sowie ans dem lieber-
viegen der Entfernung der Genitalien vom Boden über die Länge
der Nabelschnur um 8 Zoll, in einem zweiten aus einer Haut-
abschürfung am Unterkiefer, in welcher Bestandtheile des Bodens
eingedrückt lagen, in einem anderen aus einigen Eindrücken
▼on Stoppeln an Schulter und Hüfte.
£a möge gestattet sein, von den mancherlei Bedenken,
welche sich den AnfGhrungen des Verfassers gegenüber auf-
drängen, eines der naheliegendsten hervorzuheben. Ein nur
einigermaassen bedeutendes Ueberwiegen der Entfernung zwischen
dem Boden und dem Befestigungspunkte der Nabelschnur, wobei
es gleichgültig ist, ob der Mutterkuchen noch fest dem Frucht-
halter adhärirt, oder, wie wohl meist der Fall, schon gelöst
bloss durch den Muttermund knopflochartig zurückgehalten wird,
dürfte eher geeignet sein, dem Kinde das Berühren des Bodens
nur mit dem einen Körperende zu gestatten, in Querlage dasselbe
jedoch unmöglich zu machen, immer unter der Voraussetzung
des Fortbestandes jener Verbindung zwischen Mutter und Frucht.
Welches Körperende dies aber in den meisten Fällen sein wird,
dürfte sich aus der Betrachtung des Schwerpunktes des kindlichen
Körpers, sowie des Verhältnisses der Insertion des Nabelstranges
zu jenem ziemlich ungezwungen ergeben.
Für den Fall nun, dass das Kind beim Herabstürzen den
Boden wirklich mit dem Kopfe zuerst berühre, was Verf. nur für
die Fälle als möglich zugiebt, wenn die Geschlechtstheile dar
Gebärenden dem Boden ganz nahe wären, ist doch bekanntlich
die Gewalt des Sturzes, wie die Beschaffenheit des kindlichen
Schädels und Gehirns nie der Art, um es zu einer Leben
oder Gesundheit gefährdenden Beschädigung kommen zu lassen.
Verf. beobachtete einige Fälle von Sturz aus bedeutender Höhe
mit dem Kopfe voraus ohne Nachtheil , sah auch bei Fallversuehen
an todtgeborenen Kindern und neugeborenen Thieren (Kalb,
Ziegen, Hunde, Katzen, Kaninchen) niemals eine Verletzung,
oder bei letzteren eine Gefährdung des Fortlebens entstehen.
{Henkels ZeiUchr. f. d. Staatsarzneikunde, 4. Heft, 186S.)
258 ^* Kotiien att0 der Jonrnsl- Literatur.
Wistrand: Zwei PKlle von Fraehtabtreibnng, berTor-
gerufen darcb Drücken auf den Unterleib des Weibes.
Bei der Obduction des Leichnams eines Mädchens, welcbeü
nach einer heimlichen frühzeitigen Geburt unter starken Blutungen
und brennender £mpfindung in der Magengrube schnell gestorben
war, fanden sich ausser Sugillationen der Magenschleimhaut
mehrere kleine Eztrarasate unter dem parietalen Blatte des
Bauchfelles. Der Bauchfellüberxug der Därme zeigte keine Qefäse-
injection. Am grossen wie am kleinen Netze fanden sich grössere
und kleinere Flecken von eztravasirtem und geronnenem Blute.
Ungefähr Ton der Mitte des Oekröses des Jejunum ab in der
Nähe des Darmes einzelne hellrothe Flecken von eztravasirtem
Blute; das Gekröse des Blinddarmes blauschwarz you I^ztra-
vasaten; yerschiedene grosse, erhabene, geronnenes Blut ent-
haltende Flecken im Gekröse des Colon transrersum und descendens.
Hinter dem Bauchfellüberzuge der hinteren Bauchwand fanden
sich in dem die Psoasmnskeln bedeckenden Zellgewebe grosse
Masseki eztravasirten Blutes , kleinere an den Mm. iliaci. In den
Nierenkapseln grössere Blutaustritte; die Substanz der Nieren
fest, blutarm; in den Becken beider Nieren Extravasate im Um-
kreise der Papillen. Zahlreiche Blutaustritte unter dem Bauchfell-
überzuge des Uterus und in den breiten Mutterbändem. Die
Schleimhaut der Scheide stark blaurotb, unter derselben dunkles
eztravasirtes Blut. Durch die chemische Untersuchung des Magen •
Inhaltes wurde die Gegenwart von Eisen und mit hoher Wahr-
scheinlichkeit die von Aloe constatirt.
Der begutachtende Gerichtsarzt nahm an, dass die früh-
zeitige Geburt, die Blutung, und in Folge deren der Tod durch
Einnehmen gedachter Substanzen, sowie durch einen starken
äusseren Druck auf die untere Hohlader erfolgt sei. Dass letzterer
stattgefunden, wurde aus den bedeutenden Blutaustritten unter
dem Bauchfelle und in den Nieren geschlossen , welche nur durch
ein Hindernisa des Blutlaufes im unteren Hohlade rsjsteme ent-
standen sein konnten; da sich aber innen kein derartiges Hindemiss
fand, musste ein von aussen wirkender Druck angenommen werden.
Ein anderes Mädchen hatte sich wiederholt den Leib in
der Absicht drücken lassen, dadurch eine Unterbrechung der
Schwangerschaft herbeizuführen. Der Druck war in der Art
aasgeübt worden, dass theils der Bauch von einer Seite zur
anderen zusamniengepresst, theils mit den Fingern von vorn her
atark gegen denselben gedrückt wurde. Der Zweck wurde erreicht,
das Mädchen aber in Folge der Schmerzen für längere Zeit
bettlägerig.
(Aus der Hjgiea, Bd. 23, in Htnkt'a ZeiUchr. f. die StaaU-
arzueikunde, 1863, 1. Heft.)
X. Notiseo ans der Journal -Literatur. 159
ifiXataek: Inversio ateri. Ezstirpatio.
Dr. M*Clintoek berichtete in der Dabliner gebartshülflichen
Geiellschaft folgenden Fall Yon Inversion des Uterns : Mary O^Hara^
66 Jahre alt und niemals yerheirathet, wurde den 1. April 1862
ixi's Hospital anfgenommen ; ihre Regeln verlor sie vor 15 Jahren,
niemals hatte sie an irji^end einer Gebärmutterk rankheit gelitten.
Vor sechs Wochen bekam sie starkes Erbrechen und hatte während
desselben das Gefühl, als ob plötzlich etwas aus ihrem Unterleibe
beriinterfalle ; aus der Vagina war eine grosse Geschwulst von
7 Zoll Länge hervorgetreten, die trotz mehrfacher Bepositions-
rersnche immer wieder ihre frühere Stellung einnahm; ihre Basis
bildete die herausgestälpte Vagina, dann folgte der vollständig
inverürte Uterus; auf seinem Grunde zeigte sich mit kurzem
Stiele ein fibröser Polyp von der Grösse einer Kastanie; in die
Oeffiinngen der Eileiter konnte man mit einer Sonde ungefähr
einen Zoll eindringen. Auf der Oberfläche des Uterus und der
Vagina waren mehrere Ulcerationen und ein reichlicher schleimiger
Eiter vorhanden. Am 14. wurde der Polyp mit dem Ecraseur
•ntfemt, eine dabei stattfindende Blutung konnte nnr durch Com-
pression mit den Fingern gestillt werden. Am 21. wurde hierauf
eine Ligatur nm den Uteras nahe bei seiner Verbindung mit
der Vagina angelegt; die Patientin klagte während des Zusammen-
schnfirena derselben über bedeutende Schmerzen. Drei Tage darauf
wurde die Ezstirpation des Uterns mit dem Eoraseur ausgeführt;
die Kette wurde in die Einschnürungsrinne gelegt; letztere war
onr, obgleich die Ligatur ungemein fest angelegt worden war,
in sehr geringem Maasse in die Uterinsubstanz eingedrungen.
Wahrend der Operation wurde der Puls sehr matt und eine
geringe Blutung durch kaltes Wasser gestillt. Die Heilung der
Wunde ging gut von Statten; die Patientin befindet sich jetzt
ganz wohl.
(The Dublin Quaterly Journal, August 1862, No. LXVll.)
Dutncnt' Pallier: Sectionsbefund bei einer in der Bildung
begriffenen Uaematocele retro-uterina.
An der Leiche eines 16jäh;-igen Mädchens, welches nach
IStägigem Kranksein am enterischen Typhus gestorben und bei
dem die Menstruation nur ein einziges Mal (2V« Monate vor dem
Tode) eingetreten war, wurden keine Spuren von Peritonitis, in
der Beekenhöhle gegen 6 Unzen röthlich gefärbter, seröser Flüssig-
keit und eine hühnereig^rosse Geschwulst gefunden, welche von
dem rechten Eierstocke ausging. Dieselbe war braun, zeigte
keine Verbindung mit den benachbarten Theilen, nach unten ein
derbes Blutgerinnsel, welches durch eine Gescbwürsöffnung in
160 X. Kotisen ans der Journal -Literatur.
dem Tumor mit einem grösseren , in der H5Me desselben befind-
liehen Gerinnsel snsammenhing. Die GeschwürsÖffnnnfj^ war nicht
vollständige durch die Gerinnsel verleget, so dass Flüssigkeit
tropfenweise anscreten konnte. Die Wandung der Eyste bestand
ans der Serosa des Eierstocks, an deren Innenfläche sich Faserstoff-
niederschlfige gebildet hatten. In verschiedenen Graa/*8chen
Follikeln desselben Eierstocks wurden kleine Apoplexieen gefunden;
mit der Höhlang des einen derselben stand die Höhle der Kjste
in directer Communication. Die rechte Tube enthielt eine geringe
Menge eiterigen Schleimes; die linke war gesund, ebenso der
Uterus, der/Iymen intact. Ausserdem wurden in den Peyer*Bcheu
Plaques reichliche und tiefe Verschwärungen angetroffen, von
denen sich einige bereits im Reparationsstadium befanden.
(Gas. m^d. de Paris, 1862, No. 24.)
Hdr»chelmann: Zwei FXUe von Coccygodjnie.
Der erste Fall betraf ein Mädchen von fünf Jahren , weiches
beim Spielen plötslich von einem heftigen Sehmerse in der
Steissbeing^gend befallen wurde, der sie namentlich am Sitaen
verhinderte und den Stuhlgang äusserst beschwerlich machte.
Ausser lebhaftem Schmerzgefühl beim Berühren des Steissbein«
Hess sich daselbst nichts Krankhaftes wahrnehmen. Die ver-
schiedensten Mittel blieben ohne Erfolg; Chinin, bei dem eine
Zeit lang typischen Eintreten des Schmerzes angewandt, bewirkte
nur vorübergehende Besserung. Darauf wurde Tr. aconiti lu drei
Tropfen zweistündlich Tag und Nacht hindurch gegeben, worauf
die Anfälle nicht mehr wiederkehrten und die Stuhlentleerung
allmälig schmerzlos frurde.
Einen zweiten ganz ähnlichen Fall beobachtete Verf. bald
darauf bei einem sonst vollkommen gesunden vierjährigen Mädchen,
welches ebenfalls ganz plötzlich von lebhaftem Steissbeinschmerze
befallen wurde. Auch hier verschwand das l^eiden nach dem
Gebrauche des Aconit in derselben Gabe und Form, und zwar
nach 24 Stunden.
(Petersb. med. Zeitschr., 1862, 16. Heft.)
XL
Fall von sackförmiger Erweiterung des hinteren
unteren Gebflrmutterabsohnittes
nebst
Bemerkungen über Situs obliquus posterior
und Retroversio uteri am rechtzeitigen
Ende der Schwangerschaft.
Von
Dr. Walther Franke,
Privfttdocenten an der Universitit Hallo,
Bekanntlidi senkt sieb im zehnten Schwangerschaftsmonale
der Uterus mit seinem Grunde mehr oder weniger nach vorn,
der im ualeren Gebärmutterabschnitte quer liegende Kopf
macht dadurch eine Drehung um seinen geraden Durchmesser,
80 dass das nach vom liegende Scheitelbein tiefer herabtritt,
und so ein kleinerer Durchmesser des Kopfes für die Coiyugata
gewonnen wird. Diese Drehung wird, abgesehen von der
Neigung des Beckens durch den Umstand, dass die vordere
Wand des schwangeren Uterus langer und die vordere
Bälfte des unteren Abschnittes stärker gewölbt, als die hintere
ist, wesentlich unterstutzt. Es durchtheilt daher in Folge
dieser Drehung die Pfeilnaht den Muttermund nicht in zwei
gleiche, sondern in eine vordere grössere und hintere kleine
Hälfte, vorausgesetzt, dass jener sich in der Führungslinie
des Beckens befindet Da aber gleichzeitig der höhere oder
tiefere Stand des Kopfes bestimmend auf die Lage des Mutter-
mundes wirkt und Jener, namenthch häufig bei Erstgebärenden,
wenn das Becken gehörig weit und wenig Fruchtwasser
zwischen Kopf und Eihäuten sich befindet, schon am Ende
Moaatsaelir. f. Q«bartak. 188S. Bd. XZI., Hfl. 8. 1 1
162 ^I* Fremket FaU tod sackförmiger Erweitemng
der Schwangerschaft oder gleich beim Beginne der Geburt tief
und fest im Becken sieht: so wird unter solchen Verhältnissen
jene Wölbung im vorderen Gebärmutterabschnitte noch verroehrt
und der Muttermund kommt dann nach ^hinten und oben zu
liegen. Naegde d. V. schildert in seinem Hebammenhuche,
das sich ja bekanntlich vermöge seiner Darstellungsweise und
seines Inhaltes mehr als ein Lehrbuch für höhere Geburtshülfe
eignet, diesen Befund sogar als den regelmässigen, denn er
sagt: „An dieser Halbkugel (dem tief in die Beckenhöhle
herabragenden Kindeskopfe) fühlt man nach hinten, voll-
kommen der Kreuzbein -Aushöhlung zugekehrt imd hoch den
Muttermund etc." Das untere Uterinsegment kann in solchen
Fällen in dem Grade verdünnt werden, dass es gelingt, durch
dasselbe Nähte und Fontanellen deutlich zu erkennen, und
dass man bei unvorsichtigem und übereiltem Untersuchen
glauben könnte, den von den Eihäuten bedeckten Kopf zu
fühlen. Der Verlauf solcher Geburten ist in der ersten Hälfte
meist ein sehr langsamer, weil es längerer Zeit bedarf, bis
die vordere Wand des Uterus über den Kopf zurückgezogen
wird, die vordere Muttermundslippe schwillt dabei um s<7
leichter an, als häufig das wenige Fruchtwasser, welches vor
dem Kopfe sich befindet, zu früh abfliesst, und so kann
allerdings öfter Kunsthülfe nothwendig werden. Man ist aber
deshalb nkiht berechtigt, alle Fälle, in denen die angegebenen
Verliältnisse in Bezug auf Lage und Stellung des Muttermundes
und des Kopfes statt haben, als pathologische zu bezeichnen.
Will man aber das doch thun, so gehören sie zu den, nicht
durch fehlerhafte Lage des Uterus, sondern durch fehlerhafte
Gestalt desselben, regelwidrigen Geburten. Denn wenn wir
Boer^s Definition, der ja bekanntlich zuerst jene beiden Ab-
weichungen: Schief läge und Schiefheit unterschied, beibehalten
wollen, nach welcher, viscus obliquum ex sua soiiditate ipsum
est, dum ilKas os non ubique pari a fundo spatio distat (Libn
de arte obstetricia, Vienne 1830, über H.: de obliquitate
uteri, p. 49): findet allerdings in jenen Fällen eine gewisse
Schiefheit statt, während diese, wenn man darunter eine
Richtung des Grundes und des Muttermundes nach hinten
oder nach einer und derselben Seite versteht, zur Zeit der
Geburt wohl nur äusserst selten beobachtet wird.
d«« hinteren nnteren Oebärmntterabschnittes etc. 133
Das eDtgegengeseUte Verhältniss, Stand des Muttermundes
am Eode der Schwangerschaft oder beim Beginn der Gebart
nach oben nnd vorn, ist sowohl an und für sich, als auch
im Vergleich zu dem erstgenannten ein ziemlich seltenes
Vorkommen, und ich nehme daher keinen Anstand einen von
mir beobachteten derartigen fa\l zunächst mitzutheilen , um
daran einige Bemerkungen über die Ansichten der verschiedenen
Autoren ni Betreff der bedingenden Ursachen jener Erscheinung
zn knöpfen.
Frau L.y eine 21jährige, äusserst kräftige Primipara,
wurde am 16. Februar Abends durch den plötzlichen Abgang
•
grosser Mengen Fruchtwassers überrascht. Die Schwanger-
schafl, welche ohne irgend welche Beschwerden, abgerechnet
einen ziemlich profusen Fluor albus in der zweiten Hälfte
derselben, verlaufen war, hatte zwar ihr gewöhnliches Ende
erreicbt, doch wusste die Frau recht gut, dass beim gewöhn-
fidien Gebnrtshergange die Wasser erst später abfliessen,
und war daher wegen dieser Unregelmässigkeit besorgt Die
eiligst herbeigerufene Hebamme suchte die Frau jedoch nach
Iräflen su beruhigen, sagte ihr, dass nur falsches Frucht-
wasser abgeflossen sein könne, da sie durchaus nicht im
Stande sei, Oeffnung des Muttermundes zu fühlen, auch seien
noch keine Wehen vorhanden. Die Frau war mit dieser Er-
kiftrang zufrieden, schlief die Nacht ganz gut, der folgende
Tag, der 17., verging auch ohne weitere Unbequemlichkeiten,
mir fioss noch immer zeitweise Fruchtwasser ab, und erst
am Morgen des 18. wurde sie durch schmerzhaftes Ziehen im
Kreuze und Unterleibe im Schlafe gestört. Die Wehenthätigkeit
begann nun bald regelmässig zu wirken, zwar machten die
Weben den Tag über noch ziemlich lange Pausen, gewannen
jedoch gegen Abend an Häufigkeit und Stärke und dennoch
war die Hebamme immer noch nicht im Stande, den Mutter-
mund zu fühlen , geschweige denn der ängstlichen Kreissenden
melden zu können, er sd so und so gross, der Kopf liege
gut vor etc; So wurde ich noch spät am Abend um einen
Besuch gebeten. Bei der äusseren Untersuchung fand ich
ganz normale Verhältnisse: Fundus uteri nach rechts gewandt,
eine Handbreit über dem Nabel, kleine Theile rechts, links
der Ricken fttibar; in dieser Seite waren auch die kindlichen
11*
]g4 XI. Franke f Fall von saekförmig^er Erweitamn^
Herztöne sehr deuUicb zu hören, während das Uleringeräusdi
ober den ganzen Fundus verbreitet war. Weder in Lage
nocli Gestalt des Uterus war ich irgend eine UnregelmSssigkeil
zu entdecken im Stande, auch eontrahirCe sich derselbe
während der ziemlich häufigen Wehen gleichmässig, wurde
aber in der Wehenpause vollständig weich und war bei Druck
durchaus nicht empfindlich. In gleicher Weise Hess die
äussere Untersuchung des Beckens auf regehnässige Form
und Grössenverhäitnisse schliessen. Die äusseren Geschlechts-
theile waren normal beschaffen; bei der inneren Untersudiung,
neben der durch Vaginitis granulosa bedingten Raobheit der
Schleimhaut, sofort die Kürze der hinteren Scheidenwand
auffällig, da der untersuchende Finger alsbald gegen das
«Scheidengewölbe stiess, so dass diese Wand, bei regel-
mässigen Verhältnissen bekanntlich um circa % ^^ länger,
als die vordere, in diesem Falle ungefähr bis auf 2Va Zoll
verkürzt war. Diese Verkürzung war bedingt durch die aus-
gebuchtete hintere Uteruswand, weiche der tief herabgetretene
vorliegende Theil, der Kopf, in diesem Grade vor sich her-
getrieben hatte. Denn die ganze Beckenhöhle, namentlich in
ihrem hinteren Abschm'tte, war von einer schweren, festen
Halbkugel ausgefüllt und nur an der vorderen Wand soviel
Raum frei, dass man an dieser Stelle einen Finger in die
Höhe schieben konnte. Aber auch beim Stehen der Kreissenden
und mit gesenktem Ellenbogen und nach vom gewandter
Rückenfläche der Hand war es nicht möglich, in jener Gegend
den Muttermund zu fühlen, und doch musste er den ganzen
Verhältnissen nach dort gesucht werden. Die Untersuchung
verursadite der Kreissenden übrigens keine erheblicben
Schmerzen, namentlich war die Empfindlichkeit der vorderai
Beckenwand keine erhöhte. Soweit die eigenthümlichen Ver-
hältnisse es gestatteten, bestätigte die innere Untersuchung
die bei der äusseren gewonnenen hinsichtlich der Form und
Grösse des Beckens; sprach ja fiberhaupt schon der tief in
der Beckenhöhle stehende Kopf gegen eine wesentliche Be-
schränkung der oberen Apertur. Die Neigung des Beckens,
welche schon bei der äusseren Untersuchung für vermehrt
gehalten wurde, erwies sich durch die innere in der Tbat
als eine solche. Die Webenthätigkeit war eine regelmässige,
dM hiateren uate/en Gebürmotterabschoittes etc. 16Ö
»eaigsteos in Bezug auf Periodicitäl, Dauer und Stärke der
Wehen; ob auch hkisichüich der Wirkung auf Erweiterung
des Huttemiundes blieb zweitelhafl, da es ja zur Zeil nicht
■öglich war, den Fortgang der Geburl durch die an jenem
wahmefambaren Veränderungen zu constalireu. Da das AUgemein-
befinden der Kreissenden zu keinen Besorgnissen Anlass gab,
auch die vorhandene Regelwidrigkeit zu denen gehörte, welche
woU die Natur, keineswegs aber die Kunst ohne Nachlheil
itt beseitigen vermochte, suchte ich die Kreissende soweit
afe möglich zu beruhigen, mahnte sie zur Geduld und suchte
Alles, was ihre Kräfte vor der Zeit erschöpfen oder ihren
Körper aufturegen im Stande war, von ihr zu entfernen und
entfernt zu halten« Die Nacht verging nicht, ohne dass die
Frau einige Zeil ungestört schlafen konnte, und erst am
Morgen des 19. traten wieder kräftigere, häufigere Wehen
ein, und nun gelang es mir, im Stehen der Frau, mit stark
gesenktem Ellenbogen und nach vorn gewandter Ruckeniläcbe
der lland, den Muttermund da zu en*eichen, wo ich ihn bis
jetzt vergeblich gesuclit hatte. Er stand nach vom und
oberhalb der Symphyse, war mehr in die Quere, circa IVa"
gross, ausgedehnt, deutlich in eine vordere und hintere Lippe,
welche letztere ziemlich wulstig war, getheilt; in ihm fühlte
ich, fra von den Eihäuten, den Kopf und ziemlich in senk-
rechter Riditung den Mutternmnd durchschneidend eine Naht,
welche, wie sich später ergab, ein Theil der rechten SuUu'a
coronalis gewesen sein muss. Die Wehen kehlten nun bald
in kürzeren Pausen wieder, äusserten aber nur einen geringen
EinOoss auf Gestalt und Lage des Muttermundes ; nur wurden
dessen Ränder dünner. Erst in der zwölften Stunde änderte
lieh die Sceue; der Muttermund wurde sichtlich erweitert
Dttd zwar vorzäghch in seinem hinteren Abschnitte; dadurch
worde eine grössere Partie des Kopfes betastbar, und ich
fnblte nun deutlich die grosse Fontanelle, mehr der vorderen
Beckenwand zugekehrt, in ähnUcher Stellung, wie man sie
bei Aufstellen des vorderen Scheitelbeins auf den Schambeinen
lu finden Gelegenheit hat Je mehr sich nun der Muttermund
erweiterte, um so tiefer trat er auch herab und wurde um
60 leichter erreichbar, und um so ergiebigere Drehungen
oadite der Kopf, frei vom Zwange desselben, so dass die
Ißß Xi. Franke y Fall von aBokförmiger ErweUtttong
Pfeünabt sich mehr dem rechten schrägen Durchmesser näherte.
In gleicher Weise wurde auch allmälig die zu starke Drehung
um den geraden Durchmesser ausgeglichen, so dass, als der
Kopf endlich den Muttermond gänzlich verlassen hatte, das
vordere rechte Scheitelbein nun nicht mehr höher stand, als
das linke, und das linke Ohr nicht mehr föhlbar war. Der weitere
Verlauf war nun ein ziemlich rascher. Gegen 2 Uhr Nachmittags
begannen Treibwehen zu wirken, die Kreissende unterstützte
durch die Bauchpresse deren Wirkung in bester Weise, und
gleich nach 3 Uhr war ein starker, lebender Knabe geboren,
dem die Nachgeburt alsbald folgte. Der Uterus contrahirte
sich dann gut und dauernd, auch jetzt war, bis auf die
Kürze der hinteren Scheiden wand, keine Unregelmässigkeit zu
erkennen.
Forschen wir nun nach den Ursachen der oben an-
gegebenen Regelwidrigkeit in der Stellung des Muttermundes,
so müssen wir zunächst 1) fehlerhafte Kopfstellung als Grund
derselben ausschliessen. Bei wenig geneigtem Becken, bei
stärkerer Verkrümmung der Wirbelsäule nach vom kann be-
kanntlich der Kopf bei seinem Eintritte in die obere Apertur
auf der vorderen Beckenwand einen Stützpunkt ünden, das
nach vorn liegende Scheitelbein stemmt sich dort also auf,
der Kopf macht in Folge dessen eine stäi*kere Drehung um
seinen geraden Durchmesser, und das nach hinten* liegende
Scheitelbein tritt tiefer, als gewöhnlich, herab. Man fühlt
bei solchen Vei'hältnissen den Muttermund mehr nach vorn,
die vordere Lippe nicht zurückgezogen, wohl aber an-
geschwollen, die Pfeünaht nahe der vorderen Beckenwand,
zwischen dieser und dem Kopfe ist man nicht im Stande,
mit dem Finger einzudringen, ein Druck von innen nach
aussen gegen die Symphyse ist schmerzhaft etc. Gegen solche
fehlerhafte Kopfstellung sprachen abei* in unserem Falle, ab-
gesehen von der .Abwesenheit der bedingenden Ursachen,
namentlich und vor allen Dingen der ^tand des Kerfes selbst,
denn dieser war bereits so tief in die Beckenhöhle herab*
getreten, dass von Aufstemmen desselben gar nicht mehr die
Rede sein konnte. Ausserdem war man sehr gut im Stande,
zwischen Kopf und vorderer Beckenwand den Finger vor^
zuschieben, jene Gegend schmerzte bei Druck durchaus nicht,
de» hiateren uatoren OebUriDiitterabscfaiiiite« etc. 167
iml die •igenüiöisliche Bescbaffeoheit des biuleren unteren
GeInnouilerabsGhoittes konale doch auch unmöglich auf
RechDUDg dieser unregelmässigen Kopfstelhing gesetzt werden.
Aer hohe Stand des Muttermundes und der allerdings yor-
bandene tiefere des nach hinten liegenden Scheitelbeins musste
also durch andere Verbaltnisse bedingt sein, und konnte man
2) ao eine fehlerhafte Lage des Uterud, Schief läge nach
Uotea, Situs obUquus posterior, denken, wobei sich der
Gmnd der Gebärmutter, wenn eine derartige Lageabweicbung
in der Natur wirklich möglich ist, nach hinten gegen die
Rjickeowirbelsäule anlegt und der untere Abschnitt derselben
nach fom emporsteigt Deve^nter^ welcher ja bekanntlich
durch SMoe Lehren, welche die Schieflagen, bedingt durch
entsprechende Anheftung der Placenta, als die häufigsten
Ursachen von schweren Geburten hinstellten, die besondere
Aufmerksamkeit der Geburtshelfer auf diesen Gegenstand lenkte,
nahm ausser den gewohnlichen drei Arten ?on Schief läge:
Hutlergnind nach • der einen oder anderen Seite oder nach
foni geneigt, auch einen Situs obliquus posterior an. Er
lählt diesen in seinem „Neuen Hebammenlieht, 3. Auflage,
Jena 1728,'* TlieU 1, Cap. XI., S. 82 sogar zuerst: „Die
trsle unrechte Stellung der Mutter ist, wenn der Muttergrund
an das Zwerchfell und das Uebrige von der Mutter an das
Bdekgrad zu sehr angedruckt wird. Denn auf solche Weise
wird der Mutterm und tu weitin die Höhe und vom an das Eis-
oder Schambein angetrieben, dass daher die Kinder mit den
Köpfen leicht an ^ Schambeine anstossen etc. Diese Geburt
kann unmöglich geschehen, und müssen Mutter oder Kind,
oder gar beyde sterben, wenn ihnen nicht durch eine ge^
schickte Hand Hülfe geleistet wird.'' Und im 47. Capitel,
& 397, welches bandelt: Von den schweren Geburten, da
die Mutter zu sehr an das Rückgrad angedrückt ist, sagt er:
^Die Erfahrimg bat mich gelehrt, und wird auch alle Wahrheit
liebende, die sich auf die Hebammenkunst legen und ihr
feigen, lehren, dass die Mutter, wenn sie aus ihrer beborigen
Lage gekoDuhen, oft alleusehr rückwärts liege, oder an das
Rückgrad angedrückt werde, daher der Muttermund nicht
nur zu hooh, sondern auch dermaassen schief im Leibe zu
Heben kommt, dass er nicht mehr gerade nach der Scheide
16g XI. Franke f Fall 7011 snckformig^er Erweitening
zustehet, sondera diese von oben her so eingebogen und
geknlmmt wird, dass sie nDehr einen Winckel- Hacken als
gerade Linie vorstellt, nachdem die Mutter mehr oder weniger
an das Ruckgrad angedrückt, und die Lenden bei der
Kreisenden sehr oder wenig erweitert sind.^ Und weiterhin,
8. 401: „In dieser bösen Stellung der Mutter, wovon wir
jetzt schreiben, kann die Hebamme, wenn sie recht Achtung
giebt, den Muttermund entweder gar nicht oder sehr wenig
berühren, es sey denn, dass er schon weit genug offen sej,
und sodann lässt sich noch ein Theil seiner Rundung fällen,
und stehet das Kind mit dem Köpfgen oben an den Schaam-
fieincn. Ist demnach der gantze obere Rand des Mutter-
mundes mit den Fingern gar nicht zu erreichen, sondern nur
der Untertheil des geöffneten Muttermundes. Und bei solcher
Beschaffenheit solte man die Finger behutsam und bedSchtlich
zwischen den Blasenhals und den Mutterhals einlassen. Denn
es trifft die Hebamme, wenn sie dieselben hinten zu nah dem
Mastdarm einschiebt, nichts als ein geschlossenes Sackgen
an, und bildet sich, wenn sie'ein wenig stark drückt, leichtlioli
aus Unverstand ein, sie fühle des Kindes Köpfgen; kann
nicht begreifen, dsrss dieses noch in der Mutter eingeschlossen
stecke, und die erwartete Senkung vergeblich sei. Eine
kluge Hebamme findet bey diesem Zustande nächst am Blasen-
Halse einen Rand, wie einen halben Mond, weldier vom
Muttermund ist; wenn sie mit den Fingern hier hindurch-
gedrungen, so wird sie auch ein hart, rund, platt Theil des
Köpfgens, oder die Oefihung des Wirbels fohlen. Hieraus
mag sie unfehlbar schiiessen, das Kind werde sammt der
Mutter zu sehr an das Rückgrad angedrückt Weil nun mehr
als gewiss ist, dass, jemehr das Kind an diese Beine durch
die Wehen angetrieben und eingeklemmt wird, je schwerer
sey es von da wieder wegzubiingen, ja der Hirnschädel könne
gar eingedrückt und zerbrochen werden, dass es plötzlich
sterben müsste, so soll selbigem ungesäumt geholfen und
folgende Stücke beobachtet werden etc.*' Es werden dann
empfohlen: Massiges Verarbeiten der Wehen, Entleerung von
Blase und Mastdarm, Rückenlage auf dem ausgeschnittenen
Stuhle ; ferner soll die Hebamme den Rand des Muttermundes
vorsichtig anfassen und hinten nach dem Mastdarm au drücken
dei blntereii iiiiteren GebUrmitt^rabaebBUtes etc. 169
oder zidien, doch soll sie dies nicht eher vomehmen, sie
habe daDn ihre Hand auf den Bauch, njichst ober die Schaam-
Mne gelegt; denn es gehet besser an, wenn sie mit beyden
HSnden zugleich arbeitet. „Nehmlich mit der Hand aussen
auf dem Leib schiebet sie erstlich des Kindes Kopf ein wenig
luröcke und dröcket es darauf unterwärts; mit der Hand
in Leibe aber ziehet sie den Muttermund gleichfalls abwärts
gegen den Mastdarm."* Dann soll die Kreissende sich mit
dem Oberklirper aufrichten, sidi vorwärts beugen, und die
Wehen, so gut sie kann, Terarbeiten. Schliesslich räth
DeverUer, „wenn ein Kind gar zu sehr zusammengedrückt
würde und sein Kopf ailzugross wäre, dass er ohne grosse
Arbeit nicht in*8 Becken gebracht werden konnte, dass demnach
vielmehr eine langweilige Marter als erwünschte Einbildung,
wie es bei dergleichen Zustande pflegt, zu besorgen, dass
man sich bemühe der Füsse habhaft zu werden/' War nun
DeverUer zwar von der Richtigkeit seiner Ansichten ebenso
sicher üb^^eugt, „als er gewiss wusste, dass zwey und zwey
vier, drey und drey sechs machen,*' so fürchtete er doch
auch schon Opposition gegen seine neue Lehre, denn er
sagt am Schlüsse jenes XI. Capitels: „Ich sehe zwar schon
im Geiste vorher, dass die Meisten diese Meinung nicht vor
glaubwürdig, andere Naseweise aber sie höhnischer Weise
vor falsch und neu halten, ja gar verwerfen werden."* Diese
Ahnung ging aber erst in verhältnissmässig später Zeit in
ErfüUuDg. Denn wenn audi jene Lehre in England nie
Eingang fand, so wiederholten doch deutsche und französische
Geburtshelfer in Menge die Angaben* des Holländers, und so
wurde denn auch speciell ^ Lehre von der Obliquitas posterior
oft genug »nachgebetet und selbst in der Neuzeit, trotz Boer'6
und Baudelocqtie^s gründlicher Widerlegung des Deventer*hchen
Systems, welches auf dem falschen Satze, dass der Mutter-
mund immer den Mutlergrund gegenüber stehe, basirt war,
spuckt dieselbe noch in den Köpfen einiger Geburtshelfer.
So Mirte O. A. Fried 6, S. „Anfangsgründe der Geburts-
hülfe, Strasaburg 1769, S. 80'' als besondere Zeichen dieser
fehlerhafllen Lage des Uterus folgende an: 1) „wenn der
Bauch nicht viel hervorragt, sondern mehr glatt ist, 2) der
Muttermund oben am Schoossbeiii zu fühlen ist, 3) <ler
170 X'- Franke^ Fall von sacIi förmiger Erweiterasg
Kopf dem Sohoossbeioe aufstehet"' Rucksiditlich der
handkiBg wird gelehrt, dass der Geburtshelfer mit den Fingern,
„den unteren Lefzen gegen dem Hdligbein zu hinter deo
Kopf bringt''
So beBchrieb Boeder er in „Elemeota artis ohstetriciae.
Edidit Wrieberg, Göttingae 1766'' sehr ausfOhrlicb Gap. 17,
Secl. II. die „ob situm uteri obliquum" schwere und unnatürliche
Geburt «und speciell den Situs posterior § 471 — 474, und
sein Schfder O. W, Stein d. 0. in seiner „PracttscheB An-
leitung zur Geburtshälfe, 5. Auflage, Marburg 1797," S. Aß
fast wörtlich wie sein Lehrer, indem er anführt: 1) Die
Frau ist mehrentlieils verwachsen; 2) der Leib hat sich gar
nicht gesenkt, und die Gebärmutter steht deswegen noch sdir
hoch, odor der Muttermund steht wenigstens sehr nahe an
den Schoossbeinen ; dennoch kann man den Gebärmutterround,
obwohl nur die hintere, halbmondförmige Lippe desselben,
leicht erreichen. 3) Beides, die Verdauung und das Athem-
holen leiden mehr als gewöhnlich. 4) Der Kopf liegt grössten-
theils über den Schoossbeinen und macht den freien Abgang
des Urins beschwerlich. 5) Statt der hinteren Fontanelle
findet man zunächst den Schoossbeinen die vordere Fontanelle.
6) Nach hinten findet sich ein leerer Raum im Becken.
7) Die hintere Wand der Gebärmutterscheide ist ungewöhnlich
kurz. 8) Der Leib ist nicht so, wie gewöhnlich, nach vorn
zugespitzt« sondern der Bauch macht gleichsam einen doppelten
Berg, deren oberer so hoch in die Höhe reicht, dass die
Schwangere nicht weiss, wo sie die Röcke biestigen soll.
Das Gedärm liegt zum Theil vor der Gebärmutter." In ähn-
licher Weise bespricht auch wieder Stein'% Schäler, Fr. B.
Oslander d. V. in seinem „Grundriss der Entbindungskunst,
2. Tbl., GötUngen 1802," S. 188 als dritte Gattung fehler-
hafter Lage der Gebärmutter die Abweichung ihrer Aclise
von der Achse des mütterlichen Leibes nach hinten. „Der
schwangere Leib macht in solchem Fall zwei Hügel üb^
einander; das Anlegen der Röcke wird der Schwangeren
äusserst beschwerlich und sie hat viel von Bauchschmerzen
und Drängen auf die Urinblase zu leiden. Bei der inneren
Untersuchung fühlt man den Muttermund nahe an der Harnröhre
in der Vorderwand des Mutterganges, den Grund desselben
des liiiitdroii unteren Qeber»iittereb8clii(iitte8 etc. 171
ettweder ganz leer, oder bei angehender Geburt 8«nn>t dem
Snteriiaupte in die Aushöhlung des uiibeweglicheu Endknochens
gedrockt. Die Wehen wir km sehr wenig auf die Ausdehnung
des Mattermundes, beschweren die Urinklase und das Urin-
lasscD ausserordentlich; der Kopf, der gemeiniglich mit dem
Gesicht nach den Sdioossbeinen gekehrt ist, bleibt entweder
mit dem Hinterhaupte auf dem herforragenden Wirbel stehen,
oder sinkt tief lierab in's Becken, ehe noch der Muttermund
geöflnei ist, verhindert den Abgang des Darmunraths, der
nähotigen und des Urins, und das Liegen auf dem Röcken
wird der Gebäreria äusserst lästig, sowohl in der Schwanger-
schafl, als bei der Geburt. Die Geburt selbst kann gewöhnlich
ohne Hälfe der Kunst nicht beendigt werden/' Als Ursachen
dieser fehlerhaften Lage führt Oeiander , ausser starker Ver-
krümmuiig der Wirbelsäule, an 1) Vwwachsen des Mutter-
halses mit der vorderen Wand des Hutterganges ausser
der Schwangerschaft, durdi Vaginalentzöndungen bedingt,
2) Sitz des Mutterkuchens völlig in der Vorderwand der
Gebärmutter und Lage der Frucht mit dem Rucken nach der
IMnterwand. Die Hälfe der Kunst besteht 'nebst passender
Lage der Kreissenden, künstlicher Ausdehnung des Mutter*
nandes, Entleerung des Darmcanals und der Urinblase,
hauptsaddieh in Beendigung der Geburt mittels der Zange,
wenn d^a* Kopf schon tief eingetreten ist, oder bei hohem
KopÜBtande durch die Wendung auf die Füsse, indem man
diese bei der Lage der Gebärerin auf der Sdle oder auf den
Kflieen herabholt und in der Rückenlage die Fussgeburt
voHendet
hl späterer Zeit nahmen die Geburtshelfer schon Anstand,
die Lehre von der Obiiquitas posterior uteri gravidi in bis-
heriger Art und Ausdehnung vorzutragen, sondern beschränkten
das Vorkommen dieser Regelwidrigkeit auf vereinselte, seltene
Fälle, wie dies bereits Solayres in seiner Dissertatio de partu
vnibas raaternis absolute, Paris 1771, § 11 de utero oblique
gethiin hatte, denn er meint, dass die Schieflage des Gebälk
ORittergruiides nach der Wirbetsäuie selten vorkommen möchte,
nnd wenn sie doch dann und wann in der Praxis zu beobachten
sei, haiq>tsäcbUch von dem Widerstände der Bauchmuskeln
■Dd dem hohen, durch die Verbmdung der Wirbelsäule mit
172 XI- Franke, Fall tob »«ckforini^f Br#eft*niog
dem Kreuzbeine herröfarenden Vorsprimg abhänge. Erklärte
doch schon Mursinna in seinen „Abhandhingen von den
Krankheiten der Schwängern, Gebärenden etc., 2. AufL,
Beriin 1792, TU. 1,'^ 8. 159, dass die Gebärmutter hauptr
sächlich nach vier Gegenden von der natürlichen Lage abweiehen
könne, nach beiden Seiten oder nach vom und hinten, „doch
hier am allerseltensten, oder doch, wenn das Rackgrad nicfai
ausg^ölt, widernatürlich gekrümmt ist, nur sehr geringe,^^
und warnte schon Elias von Siebold, Lehrbuch der theo-
retischen Entbindungskunde , 3. Aufl., Nürnbei*g 1812, Bd. 1,
S. 341, vor dem Aberglauben an Häufigkeit und üble Folgen
der Schieflagen der Gebärmutter« da solche in der That
in der Natur seltener vorkämen, als sie in der Idee der
Geburtshelfer gegründet und ihrer in Beobachtungen gedacht
würde. Er unterscheidet dann aber auch die schiefetehende
Gebärmutter mit dem Grunde nadi vom und nach hinten,
nach der linken und nach der rechten Seite. „Jede Art wird
daraus erkannt, dass die Scheidenportion jederzeit in der
dem Grunde entgegengesetzten Seite gefühlt wird — ein
trügerisches Kennzeichen , besonders da man in der Schwanger-
schafl die Vaginalportion sehr oft in einer Seke findet, ohne
eine Abweichung des Grundes und Körpers der Gebärmutter
von der FührungsUnie des Beckens wahrzunehmen.^'
Jörg (Handbuch der Geburtshulfe, 2. Aufl., Leipzig 1820,
S. 221) sagt: „Eine vierte Schief läge, wo sich nehmlich
der Gmnd des Uterus nach hinten und der Ntind nach vom
hin geneigt hätte, kann vermöge der Rücken- und Lenden*
Wirbel nicht vorkommen. Nur wo diese in einem sehr hohen
Grade nach hinten hinausgel)ogen wären, also eine ausser-
ordentliche Kyphosis bildeten, da nur Hesse sich eine solche
Abweichung von der rechten Lage denken.'' Meissner be-
hauptet in seinen „Dislocationen der Gebärmutter und Mutter-
scheide, 2. Theil, Leipzig und Sorau 1822,'' S. 27: „dass die
Schief läge nach hinten, Reclinatio, in dem Grade, in weldbem
der Hängebauch oft angetroffen wird, niemals vorhanden sei,
ausser wenn ein bedeutender Grad von Kyphosis der Wirbel-
säule dieses Rückwärtsneigen des hochschwangeren Uterus
zulässt (S. 14 wundert sich aber der Verfasser, dass Jahn
in seiner 1785 zu Helmstadt ersdiienenen Dissertation „df
des hinteren natereii Gebarmatterabsebnittea ete. 173
fltero obliqoo'* Verkrumtnangen der Wirbdsaiile als alleinige
Unachen dieser fehlerhaften Lage ansieht). Nach seiner
Aasidii findet man jene Regelwidrigkeit in geringen Grade
gar nicht selten, und dann sei der Unterleib sehr gleicbmässig
au%elreten, keineswegs zugespitzt und selbst zu Ende der
Schwangerschaft wenig stark und her?orragettd , so dass man
erst nach mehreren Monaten, dem äusseren Scheine nach,
die Gebort erwarten sollte. Bei bejahrten Erstgebarenden,
wahrscheinlicb weil die fiauchbedeckungen nicht mehr so
nachgebend und zur Ausdehnung geschickt seien, sowie bei
solchen Personen, die um ihre Sdiwangerschaft zu verbergen,
den Unterleib durch Schnärleiher anhaltend und fest zusammen-
drucken, zeige sich diese Abnormität am häufigsten. Heftige
und äusserst schmerzhafte Spannung des Unterleibes, namentlich
Hl der Schamgegend, wo der Kopf der Frucht liegt, seien
zugegen, und es werde dadurch erklärlich, warum die Blasen-
gegend so schmerzhaft, warum die Urinexcretion so erschwert,
sogar der AusOuss desselben oft ganz unterdrückt sei. Ausser
diesen Störungen tfeten noch andere, äusserst beunruhigende
Symptome henror, als z. B. bedeutende Störungen der Ver-
dauung und Respiration, Blutspucken, Schwindel, Kopf-
schmerzen, Ohnmächten, welche sämmüich von der heftigen
Einkleounung der Därme, von der gestörten Circulation des
Blutes im Unterleibe und von den davon abhängigen Congestionen
nach Brust und Kopf herrähren. Verwachsene an Kyphose
der Rückensäule leidende Frauen seien den höheren Graden
des Uebeb ausgesetzt, doch seien bei ihnen die Symptome
weniger beuuruhigend, weil die Gedärme der schwangeren
Gebärmutter besser ausweichen können. Bei der Geburt
selbst sei diese Schiefläge am seltensten und werde, da sie
nur in geringem Grade vorkomme, kaum bemerkt. Der Uterus
stehe in solchen Fällen immer mehr gerade und der Mutter-
mund etwas nach vom fahlbar. Das Becken sei, besonders
nach dem Kreuzbeine zu, leer, und der Kopf des Kindes
stelle auf dem miUterlichen Schamknochen, so dass man ge-
wöhnlich ein Fontanell fühle. Bezuglich der Therapie wii*d
gelehrt, da, wo die Regelwidrigkeit bei bejahrten Erstgebärenden
von der StrafiTheit und Umiachgiehigkeit der Bauchdecken
abhängt, durch Einreibungen fettiger Salben in den Unter-
174 X'« Fr«mk€, P«I1 von sMkfSrini^r Erw^teniiig
leib und durch massig warme B&der die Ausdehnung der
Bauchbedeckungen, soweit sie nöthig ist, möglich zu machen.
Im anderen Falle, wo unvemdnftiges Zusanunenschnfiren und
Kneten des Unterleibes das Uebel hervorgebracht hat, lehre
der gesunde Menschenverstand, dass die Heilung nur mit
Unterlassung solch* heftigen Zusammenschnürens eintreten
könne. Zur gificklichen Beendigung von Geburten, wo Schief-
lage beobachtet wird, gehöre nichts, als die pönktliche ErfAllung
der beiden Indicationen, nämlich 1) der Gebärmutter eine
bessere Lage zu geben und 2) das Kind in bestmöglichster
Richtung durch das Becken zu leiten.
Michaelis^ welcher in dem normalen Verhalten der Bauch-
decken die Ursache der normalen Lage <!er Gebärmutter und
in der abnormen Beschaffenheit jener Theile die Ursachen
regelwidriger Lagen hauptsächlich sucht, theilt daher die eben
angeflihrte Ansicht Mei$sner's („Ueber die Anwendung der
äusseren mechanischen Hölfsmittel bei regelwidrigen Geburten''
in Pf äff'» ., Praktischen und kritischen Mittheilungen etc.
Neue Folge, 4. Jahrg., 3. u. 4. Heft Altona 1888, S. 1— S?"").
Er nimmt also auch an, dass bei mangdnder Ausdehnung
der Bauchdecken d^ Gebärmuttergrund so weit nach hinten
gedrängt werden könne, dass die Axe der Gebärmutter mit
der des Beckeneingangs einen nach vom vorspringenden
Winkel bildet, fährt auch einen derartigen Fall an. Auch
die Behandlung solcher Regelwidrigkeiten in der Schwanger-
schaft durch erweichende Bäder, wie Meissner angiebt,
verdient nach seiner Meinung allen Beifall, während von einer
allgemeinen passenden Behandlung bei der Geburt sich wenig
sagen lässt und eine bestimmte Lage am wenigsten zum ZicJe
fßhrt. Die Bequemlichkeit der Kreissenden sei allein in An-
schlag zu bringen, und wurde man ihr eine sitzende, vornüber
gebückte Stellung nicht versagen, wenn sie sich in dieser
behaglicher fahle. Nach Froriep's Meinung (Theoretisch-
praktisches Handbuch der Geburtshülfe, 8. Ausg., Weimar 1827,
S. 250) ist eine Schieflage des Uterus nach hinten zu Ende
der Schwangerschaft nur bei ganz defoi*roirtem, gleich über
dem Kreuzbeine convex nach hinten gekrümmtem Rückgrate
möglich: „der Unterleib ist in diesem äusserst seltenen Falle
nicht gewölbt; sondern sehr platt und der Muttermund ganz
des biatereB unteren Oebarmiitterabtehnfttes eta. 175
furo aber den Scho^ßsbemen fühlbar f'^ und Ca^us (Lehrbuoh
der Gynäkologie, 3. Aufl., Leipzig und Wien 1838, Tbl. 2,
& 231) bezweifelt das Vorkommen der Schieflage mit dem
■üttergninde nach rückwärts bei weiter vorgerückter Schwanger-
achaft wegen der Wirbelsäule, insofern diese mcbt etwa durch
beträchüiche Kyphosis vm*unstaltet ist. Und während Osiander
d. S. (die Ursachen und Hulfsanzeigen der unregelmässigen
Qod schweren Geburten, 2. Aufl.-, Tübingen 1833, S. 144) in
den letzten Monaten der Schwangerschaft oder bei der Geburt
nie etwas wahrgenommen hat, was auf eine Abweichung der
Axe des Uterus nach hinten zu deuten gewesen wäre, Seanzoni
(l^iiiuch, 3. Aufl., Wien 1855, S. 444) die durch Kyphose
der Wirbelsäiile oder Straffheit der Bauchdecken bedingt sein
^oHende Rfickwartslage des boehsohwangeren Uterus för eine
physidogiftche Unmöglichkeit erklärt, Naegde d. 8. (Lehrbuch,
4. Aofl. edidin Orenser, Mainz 1854, S. 523) die genannte
Abweichung in der Wirklichkeit wenigstens nicht in der Art,
wie sich Deventer einbildet, zugiebt, sie eigentlich gänzlich
läognet, andere Autoren, wie z. B. Nctegde d. V., j&ToA^ nicht
einmal der Möglichkeit des Vorkommens Erwähnung thun:
finden wir die alte Lehre wieder vorgetragen in dem „Lehrbuche
der Gebartskunde für die Hebammen in den Königl Preuss.
Staaten, Berlin 184D'S wo es S. 357 heisst, dass diese Lage-
abweidiungen an folgenden Merkmalen erkannt wird: 1) Der
Leib bleibt selbst bei höherer Schwangerschaft mehr flach.
2) Der Muttermund ist der Schoossfuge nah und gewöhnlich
ist nur die hintere Lippe desselben zu fühlen. 3) Der vor-
Kegende Kopf des Rindes liegt meistentiieils über den Schooss-
Stücken und hindert entweder das Harnlassen, wenn er auf
die Harnröhre drückt, oder die Schwangere kann den Harn
gar nicht halten, wenn der Kopf auf die Harnblase drückt.
4) Bei der ersten und zweiten Scheitellage ist bei der Greburt
das grosse Plättchen leichter zu fühlen, als das kleine. 5) Nach
hinten findet sich ein leerer Baum im Becken. 6) Die hintere
Wand der Mutterscheide ist nach oben und rom gezogen.*^
Auch Busch und Moser geben das Vorkommen der Obliquitas
posterior, wenn gleich sie durch die Bückenwirbelsäule in der
Regel verbindert werden wüi'de, selbst bei normaler Bildung
derselben in geringem Grade zu, während eine roHkomineue
176 ^1* Franke, Fall von «ackföriiii^er Erweiteran^
möglich sein soll, wenn in Folge von Kyphosis das Zurück-
treten des Muttermundes nicht weiter verhindert wird (Handbuch
der Geburtskunde in alphabetischer Ordnung, 2. Bd., Berlin 1841,
Artikel: Gebärmutter, S. 495): „Man findet alsdann den Unter-
leib hier gieichmässig aufgetrieben, aber nicht zugespitzt, selbst
gegen das Ende der Schwangerschaft ist der Unterleib nicht
sehr stark ausgedehnt. Die Bewegungen der Frucht sind
schwach und nur undeutlich wahrzunehmen, die Mutter soll
sie nach Deventer nur hinterwärts und in der Tiefe, nach
Faber nur in der Nabelgegend wahrnehmen, was jedoch nicht
constant ist Bei der inneren Untersuchung per vaginam
findet man den Muttermund nach vorn hinter den Scham-
beinen, auch vom Unterleibe aus nimmt man die tietere Lage
der Gebärmutter wahr/^ Bücksichtlich der Behandlung halten
sie die Lage auf dem Bauche für indicirt! Fast wörüicli
ebenso spricht sicli Busch auch in seinem „Geschlechtsleben
des Weibes etc., 3. Bd., Leipzig 1841, S. 612 fg."" über den
Gegenstand in Bede aus.
Auch Levret, welcher glaubte, dass durch Kyphose der
Lendenwirbelsäule jene Lagenabweichung bedingt werden könne
(L'art des accouchemens etc.^ Paris 1753, § 635) fand in der
Neuzeit bei seinen Landsleuten Anhänger seiner Lehre, obwohl
Baudelocquej die LachapeUe und die Mehrzahl der neueren
französischen Geburtshelfer diese Lageahweichnng läugnen. So
hält namentlich, ausser Vdpea/Uy Dugi» die „obliquit^
posterieure'' für sehr gut möglich und beschreibt (Pratique
des accouchemens etc. par M. Lachapeüe^ publies par
Ant. Dug^s, Tom. 3, Paris 1825, S. 295, Note 2, 318,
342 fg.) als ihr eigenthümlich: den hohen Stand des Kopfes,
seine Lage nach vorn (position suspubienne) und die Leere
der hinteren Beckenwand. Auch er hat diese Abnormität
namentlich bei Erstgebärenden beobachtet, „c'est qu*alors les
parois de Tabdomen, n*ayant pas encore ete relachees, repoussent
en arriere le fond de la matrice et le coi*ps de Tenfanf Gehen
oder Aufreditstehen der Kreissenden genügt nach ihm, uro
den Kopf in die Beckenhöble zu dirigiren, was vielleicht noch
besser durch die Knie -Ellenbogenlage gelingen würde.
Fragen wir nun zunäclist nach der Möglichkeit des Vor-^
koinmens dieser Deviation des Uterus am rechtzeitigen Ende
d«8 hiiiter«a unteren Gebftrmotterabschnittes etc. X77
der Schwangerschaft oder im Beginiie der Geburt, so gestehen
nir offen, dass wir selbige nicht filr möglich halten und daher
Rauben müssen, dass die Beobachtungen, welche für jene
Lagmveränderung zu sprechen scheinen, entweder ungenaue
and irrtbämliche waren, oder falsch gedeutet wurden. Denn
wenn auch die normale I^age der schwangeren Gebärmutter
durchaus keine constante ist, so gilt doch als Regel, dass
die Adise derselben beinahe parallel zu derjenigen des Becken*
eingaiigs, also, schräg zur Körperachse, steht. Der Uterus
sldit dabw am Ende der Schwangerschaft nicht senkrecht,
ebensowenig als das Kind, sondern neigt sich mehr nach
fom liher. so dass er, wenn man die Neigung des Becken-
eingangs zu 50 — 60^ annimmt, unter einem Winkel von
30 — 40^ zum Horizont liegt. Wie nun slraffe und un-
nachgiebige Bauchdecken oder Kyphose der Wirbelsäule be-
wirken soUen oder vielmehr können, dass der Uterus nicht
mir eine mehr senkrechte Stellung einnimmt, sondern sogar
mit s^nem Fundus nach rückwärts sinkt, ist nicht einzusehen,
da seine eigene Schwere, sein Bestreben, sich gegen die
Bauchdecken zu stutzen, und die Gedärme ihn daran ver-
hindern werden. Dass straffe Bauchdecken die gewöhnhche
»Senkmig mit dem Grunde nach vom im zehnten Schwanger-
sebaftsmonate mehr oder weniger beeinträchtigen können imd
bei Erstgebärenden in vorgerückteren Jahren auch wirklich
ttaun, ist eine bekannte Sache, berechtigt aber noch keines-
wegs zur Annahme einer Schiefläge nach hinten. Ebensowenig
rechtfertigt die von den meisten Autoren als bedingende
Ursache jener Richtungsabweichung angeführte Kyphosis der
Lendenwirbelsäule in der Wirklichkeit jene Ansicht, da erstens
viele Gebortshelfer jene Krümmung nur als Hypothese auf-
stellen, während keiner eine derartige Abweichung in diesem
Falle wirklich beobachtet oder beschrieben hat. Zweitens
aber lassen sich, wenn wirklich jene Symptomengruppe bei
Kyphosis beobachtet wird, andere, mehr wahrscheinliche
ErkläruBgsgrfinde für dieselbe auffinden.
Wenngleich nämlich bei Kyphose das Becken im All-
gemeinen gerämoDig und von bedeutender Höhe, die Conjugata
der vorwaltende Durchmesser ist, und daher die schon
älteren GeburtsheUem bekannte Thatsache, dass nämlich
Muiifttitehr. f. aeburtak. 1868. Bd. ZXI., Hft. 8. 12
178 ^I* Franke y Fall von sackförmiger Erweiterung
Buckelige meist gut gebären, leicht erkUrbar ist, so kano
doch auch beim primitiven Sitz der Krümmung im Lenden-
Üieile, ein allerdings seltenes Vorkommen, namentlich weno
die Verkrümmung bedeutend ist und in der untersten Lendea-
gegend sich befindet (und diese beiden Verhältnisse werden,
wie wir im Vorhergehenden gesehen haben, von verschiedeneu
Selten stark betont), die Neigung des Beckens, welche bei
Kyphose in höheren Regionen unverändert oder sogar ver-
mehrt zu sein pflegt, verringert und der Beckeneingang voll-
kommen horizontal gestellt werden. Es folgt aus diesem
Verhältnisse dann eine geringere Wölbung der Bauchfläclie,
Verkürzung des Rumpfes und eine Beengung seiner beiden
Cavitäten, und man kann in einem solchen Falle die Schwanger-
schaft für weniger weit vorgerückt halten, als sie es in der
That ist. So erklären sich dann auch sowohl die subjecüven
Eracheinungen bei der Scbwangera, bedingt durch grössere
Beengung, namentlich der Bauchhöhle, als auch namentlicli
die objectiven, Gestalt des Unterleibes, Stand des Fundus uteri
und die eigenthümliche Kopfstellung. Denn gerade b^ wenig
geneigten und hohen Becken findet sich jene fehlerhafte Kopf-
stellung, deren wir unter 1) Erwähnung getbau haben und
welche von einigen Geburtshelfern als besonders charakteristisch
für den Situs obliquus posterior betrachtet wird. Fand mau
nun also jenen Stand des Kopfes und des Muttermundes, so
schloss man, freilich nicht richtig, auf eine entgegengesetzte
Lage des Fundus uteri, zumal wenn die Untersuciuing im
Liegen der Kreissenden vorgenommen wurde, während doeh
in der Wirkhchkeit der Grund der Gebärmutter seine ge-
wöhnliche Lage beibehalten hat. Es kommt übrigens jene
fehlerhafte Kopfstellung, wenn auch in geringerem Grade,
auch bei regelmässigen Beckenverbäitnisseo vor, und in dieser
Richtung Hessen sich denn auch vielleicht die Fälle von Dwgea
deuten^ welcher eine Krümmung der Wirbelsäule nicht er-
wähnt, sondern, wie bereits angeführt, mdbr geneigt scheint,
von der Unnachgiebigkeit der Bauchdecken jene Deviation des
Uterus abzuleiten, wenn niqht jene Fälle, nach Naegde des
Sohns Ansicht (a. a. 0.) eine viel einleuchtendere Erklärung
in jener eigenthümlichen Configuration des Uterus finden, wo
sich an dessen unterem Segmente nach vor» und meist
dos hiotereD unteren Oebürmutterabsobnittes etc. 179
etwas links hin eine sackartige Erweiterung gebildet hat, in
wefeher der Kopf der Fracht sich befindet, so dass er dwht
dbcr den Sehoossbeinen einen Vorftprung bildet (siehe weiter
nttien). Unserer Meinnog nach ist also ein Situs obliquus
posCflrior oder eine Reciination der hochschwangeren Gebär-
matter nicht möglich, und können .wir nur zugeben, dass
der Uterus zuweilen mehr senkrecht auf der schiefen Fläche
des Beckeneingangs steht. Wir müssen daher för unseren
FaH eine andere Erklärungsweise suchen, und hatten die ob*
JediTen Erscheinungen bei demselben eine gewisse Aehnhch-
keit mk
3) Rftckwärtsbengong, Retro?ersio uteri, einem höheren
Grad der eben besprochenen Reelinatio (bei dieser Abweichung
der Längenadise des Dtotis von der Ffihrungslinie des Beckens,
bei jener vollkommene Kreuzung der Längenachse des Uterus
imt der Pührungslinie des Beckens, wenigstens in höheren
Graden des Uebels), wenn man anders nicht die Meinung
▼on Boßr^ Dreier , 8aaetorphy El, v. Siebold ^ Mende,
Tiedematm, Hohl u. A., nach welcher mit der Rückwärts-
beugung nicht nur in den meisten Fällen eine Umbeugung
▼erbonden, sondern diese aus jener ihren Ursprung nehmen
soH, tbeüen wiM. Dieser gefährliche Zustand ist nun zwar
nach fast einstimmiger Ansicht der deutschen Geburtshelfer
anr in den drei bis vier ersten Monaten der Schwangerschaft
möglich, weil in der späteren Zeit derselben der Längen-
dnrchoiesser des Uteras grösser ist, als der kleine der oberen
Apertur, jener überhaupt eine viel zu grosse Ausdehnung
erreicht hat, als dass er m der Beckenhöhie Platz finden
könnte. Die Richtigkeit der Beobachtungen emes Hunter
Qod Smdlie von Retroversionen im f&nften Monate ist daher
schon vielfach bezweifelt worden, und dasselbe Loos trifft
wohl auch den Fall von Vermandoia, welchen W. J, Schmitt
in seinen „Beobachtungen und Erfahrungen über die Zaruck-
beogung der Gebärmutter etc., Wien 1820, S. 29*" mittheilt,
wo bei einer im fünften Monate Schwangeren, nachdem
Repositionsversiiche ohne Erfolg geblieben waren und die
Empfindliebkert der Theile eine solche Höhe erreicht hatte,
dass sie keine Berührung mehr vertrugen, sich spontan alhnälig
die Zufalle verloren und die Genesung ohne künstliche Reposition
12*
180 X'* Franke^ Fall von sackfärmiger Erweiterung
erfolgte. Merriman ging nun aber noch weiter und bemöhte
sich in seiner Abhandlung ^,Ä Dissertation on Retroversion
of the Womb etc., London 1810'' zu zeigen, dass der in
jener mitgetheilte Fall eine mehlr oder weniger voUkomnaene
Relroversio uteri war, welche schon sehr früh in der Schwanger-
schafl sich ausbildete und bis an das volle Ende derselben
fortdauerte. In gleicher Weise beschreibt derselbe die dritte
Art der Dystocia ectopica (Die regelwidrigen Geburten und
ihre Behandlung. Aus dem Englischen von H. Fr. KiUan^
2. Ausgabe, Mannheim 1845, S. 67), bei welcher der Matter-
mund nach vorn sieht und iiber die Symphysis ossium puhis
berausragt. Er hält diese Lage, wenngleich für eine seltene,
so doch durch Beobachtungen als unläugbar bewiesen, glaubt
auch, dass manche Fälle von angeblicher Bauchhöhlen-
schwangerschaft eigentlich gar nichts anderes, als Fälle von
Retroversio uteri waren, üevees dagegen behauptet in einer
Kritik der von Merriman mitgetbeilten Beobachtung steif
und fest, dass in allen Fällen, welche jener beschreibt oder
anführt, das Kind ausserhalb des Uterus lag, und dass eine
Retroversio uteri am Ende der Schwangerschait unmöglich
und nie vorgekommen sei, noch jemals vorkommen werde
(Philadelph. Journ., Vol. IL, S. 76). Merriman führt dann
auch in dem 14. Anhange (a, a. 0. S. 251) zwei Fälle der
Art an, welche ihn zu der bestrittenen Meinung veranlassten,
und versichert ausdrücklich, dass Denman und sein Onkel
ebenso vollkommen überzeugt waren, als er selbst, dass das
Os uteri über der Schamknochenfuge und der Gebärmuttergrund
in der Aushöhlung des Kreuzbeins lag. „Wie man aber eine
solche Stellung des Uterus anders als Retroversio benennen
soll, weiss ich in der That nicht'* Sein Landsmann Bwm9
theilt in gewisser Hinsicht seine Meinung, wenn er sagt (Handbuch
der Geburtshülfe etc. Nach der achten Ausgabe herausgegeben
von H. Fr, Kilian, Bonn 1834, S. 271), dass der Uterus
in einem gewissen Grade bis zum Ende der Schwangerschaft
in jener fehlerhaften Lage verbleiben kann. „In einem solchen
Falle kann man, genau genommen, nicht sagen, dass der
Uterus retrovertirt sei; denn er ist bis zu dem Grade an-
gewachsen, dass er im Unterleibe fast denselben Raum, wie
auch sonst einnimmt; aber sein Wachsthum ist in einer
de« hinteren nntereu GebUrmatterabschnittes etc. 181
«genthdmlichen Richtung rorwärt« gescbritten, so dass sich
der Muttermand nach der Symphysis hinneigt oder vielleicht
dieselbe gar noch öberragt Bei solch* einem Ereignisse,
welches übrigens äusserst selten ist, muss die Geburtsthätigkeit
sehr langwierig und anstrengend sein. Es währt sehr lange,
ehe man den Muttermund gewahrt und man fühlt ihn zuerst
am Schambeine. Dem Dr. Merriman verdanken wir diie
Darstellung dieser Thatsache, sowie audi die Bemerkung,
dass diesm- Fall einen gleichen Ausgang wie Extrautei*in-
Schwangerschaft bähen kann, nämlich den Ausgang in Eiterung.*"
h der neuesten Zeit hat auch Oldham eine während der
Gehurt bestehende Ruckwärtsbeugung beobachtet und in den
^Obstetric. transact. of the obst. Societ of London, Vol. I.,
p. 317, London 1860"" beschrieben. Der Fundus uteri lag
mit dem Kopfe im kleinen Becken, der Cervix stand nach
vom Aber der Symphyse, oberhalb desselben war das Becken-
ende des Kindes zu ffihlen. Ed. v. Siebold, welcher in
CaiMtott's Jahresbericht, 4. Bd., 1860, Leistungen der Geburts-
hlilfe, S. 428 diesen „sehr seltenen und interessanten Fall^^
anfahrt, fügt hinzu, dass durch denselben, da nicht nur eine
blosse Ausbuchtung der hinteren Wand des unteren Gebär-
muttersegments, wie sie Scaneani als paitielle Retroversion
beschreibt, auch nicht eine Steigerung einer solchen vor-
handen gewesen sei, die früheren ähnlichen Beobachtungen
Merriman's bestätigt und die Zweifel späterer Autoren
widerlegt würden. Freilich wandert er sich selbst, wie die
Schwangerschaft so ivigelmässig bis zu ihrem rechtzeitigen
Ende verlaufen konnte! Früher war übrigens Siehold selbst
anderer Meinung über diesen Gegenstand, denn in seinem
Lehrbuch (2. Aufl., Braunschweig 1854, S. 107) sagt er:
„Bei der Zurüokbeugung der Gebärmutter, welche indessen
Dor in den ersten vier Monaten der Schwangerschaft vor-
kommen kann etc.'*
Wir aber halten auch jetzt noch eine Retroversion in
der zwdten Hälfte der Schwangerschaft, geschweige denn am
Ende derselben für rein unmöglich und glauben, dass ein
nur oberflächliches Betrachten der anatomischen Verhältnisse
schon genügt, um mit Seanzoni gleicher Meinung zu sein,
wekher sagt, dass die Fäfle, welche man in den späteren
n
]g2 ^I- ^«"^f l'^ftlt ▼on sackförmiger Erweiteraiic
Periodeo der Schwauigerscbaft gesehen haben wiB, gewke einen
diagnoBÜschen Iirtbum einschlieKsen, oder um Naegde d. &
beizustimmen, wenn er sie für unvollsUndig enihlt oder
überhaupt unklar halt
Anders gestaltet sich aber die Sache, wenn man von
einer Relrorersion des ganzen Organs Abstand nimmt und
4) nur eine partielle desselben am Ende der Schwangerschaft
annimmt Auf dieses Vorkommen hat nicht Kiwisch zuerst,
wie er selbst glaubt und von Anderen gleichfalls vorausgesetzt
wird, aufmerksam gemacht, sondern dies Verdienst gdiührt
Mende, welcher in seiner Zeitschrift: Beobachtungen und
Bemerkungen aus der Geburtshülfe und gerichtlichen Medicin etc.,
2. Bändchen, Göttingen 1825, in einem Aufsatze „über
Zuröckbeugung der Gebärmutter im geschwängerten und un-
geschwängerten Zustande ** S. 150 — 214 von einer wahren und
falschen Zuruckbeugung der Gebärmutter spricht Es heissl
daselbst S. 199: „Die erstere ist diejenige, weiche dem ge-
wöhnlichen Begriff, den man von diesem Uebel hat, entspridit,
die andere aber, deren wahre Natur in dieser Besiehung bis
jetzt ganz übersehen worden zu sein scheint, ist eine sack-
förmige Ausdehnung der hinteren Wand der Gebärmutter,
mit der sie in den Zwischenraum zwischen dem Mastdarme
und der Mutterscheide herabsinkt, ohne dass die Stellung
des übrigen Theils der Gebärmutter auf den ersten Blick
beträchtlich verändert erscheint/' Und S. 212 werden die
näheren Zeichen derselben folgendermaassen beschrieben:
„1) Sie erscheint erst in den spateren Monaten der Schwanger-
schaft. 2) Der ausgedehnte Theil der Gebärmutter dringt
nicht vollends so tief nach unten, als ihr Grund bei der
wahren. 3) Die Stellung der ganzen Gebärmutter wird weniger
dabei verändert, doch ist der Grund auch etwas nach hinten
gezogen und daher weniger gewölbt und mehr platt Die
Ausdehnung dieses Werkzeugs ist nach oben, daher im Ver-
hältniss zu der seitlichen geringer. Der Mutterhals und
Muttermund stehen mehr in der Mitte des Beckens. 4) Nacli
der Verschiedenheit der Lage der Frucht können wohl Theile
derselben zugleich in den ausgedehnten Sack hineingetrieben
sein, doch dürfte sich dies wohl nicht oft ereignen. Da
jedoch die Gebärniulteriiöhle, hierbei oberhalb von oben nach
dw htstereii ontereo GebftnnuUerabsebnittes etc. Ig3
mtm, und in der Mitte und mehr nach unten, von vom
mdb hinten zusanamengedrnckt wird, so dass sie eine fast
dreieduge Figur bekommt, so wird fast allemal die ganze
Fracht und besonders ihr Kopf so gepresst, dass sie ab-
stirbt und bemach ganz breit gequetscht erscheint. Es hängt
fcs jedoch YOtt dem Grade und der Dauer des Uebels ab.
5) Die ZufäHe haben mit denen bei der wahren Zurfickbeugung
Aefanlicbkeit, sie treten aber langsamer ein und bleiben in
der Regel gelkider. Die Harnausieerung ist weniger gestört,
als bei jener, der Stuhlgang aber öfters sehr schwierig.
Q Gemeiniglich entsteht eme Frühgeburt, die mit sturmischen
Erteheinungen von Krampf, grossen Schmerzen, starkem
Bkilllusse u. s. w. begleitet zu sein pflegt 7) Ereignet sich
flfies nicht gleich im Anfange, so werden die Beschwerden,
statt, wie bei der wahren Zurückbeugung, mit dem Fort*
schreiten der Schwangerschaft unter gänstigen Umstanden
abzunehmen, mit jedem Tage heftiger. 8) Der allgemeine
Gesandheitszostand leidet sehr, die' Kranken magern ab, be*
kennien geschwollene Fasse, allgemeine Wassersucht und
Zehrfieber, die sie bald aufreiben. 9) Bei den Versuchen,
die Gebarmutter zu reponiren, findet man den zuruckgebeugten
Theil nicht so hart und unnachgiebig, als bei der wahren,
dennocb aber lässt er sich viel schwerer zurückschieben,
weil er Iricbier eingedruckt, als sdnem ganzen Umfange nach,
ms der Lage, in welcher er sich befindet, herausgeschoben
werden kann. Mit zweien Fingern Hebtet man gemeiniglich
nicbts dabei ans, sondern man muss gewöhnlich die halbe,
und wenn es angeht, die ganze Hand nehmen, um den aus*
gedehnten und niedergesenkten Theil zugleich gleichsam
zusammenzudrücken. 10) Ist die Reposition wirklich gelungen,
so ist es ungemein schwierig, das Zurücksinken der sack*
ßmig ausgedehnten Gebärmutter, und also Ruckfälle aller
Torbergegangenen Uebel zu rerhüten.'' Mende empfiehlt
dum nodi in Hinttcht auf das unter No. 10 Erwärote;
ausser dem bestandigen Liegen auf der Seite, das Ansslopfen
der ganzen Hutterscheide mit gezupfter Leinwand, die durch
einett rorgdegten Schwamm, Compresse und T-Binde fest*
gehalten werden raüsste. Wenn der Wiedereintritt des Uebels
gar nicht zu verhüten wäre, so dürfte dies, nach Mende*^
Ig4 XI. Framke, FhU von Kackförmtgvr Erw«ileruBf
Ansicht, ein Fall iur die AnweDdang der künstlicbeR Früh-
geburt sein. Nach Mende war es dann allerdings Küoistk^
der in seinen „Küifischen Vorträgen aber specielle Pathologie
und Therapie der Krankheiten des weihlichen Geschlechts,
3. Aufl., Prag 18Ö1,'' 1. Abth., S. 197 auoh zwei Formen
von Kuckwärtsbeugung des schwangeren Uterus unterschiede
„Es wurden nämlich,'' sagt er, „Beobachtungen von Rückwirts*
beugung im zweiten bis zum siebiNaten Schwangersehafts-
nionate mitgetheilt und dabei nicht immer berücksichtigt, dass
eine melir als vier Monate schwangere Gebärmutter nicht
wohl iini unteren Beckenraume Platz finden, demnaeh nie
vollständig zurückgebeugt sein kann, dass demnach die
Retroversiou in den ersten Schwangerschaftsmonaten von jener
in den späteren in Bezug auf die Form der Dislocation
wesentlich verschieden sein müsse. Nach unseren genau an-
gestellten Untersuchungen findet in den späteren Schwanger-
Schaftsmonaten nur ein partielles Herabsinken der hinteren
Wand der Gebärmutter statt, die sich sackförmig in den
DougUis' Bchen Raum herabdrängt, während der obere und
vordere Theii der Gebärmutter im unteren Bauchraume hegen
bleibt, so zwar, dass von hieraus die Erkenntniss der
Dislocation unmöglich ist. Dieses partielle Herabsinken der
hinteren Uteruswand hat übrigens alle anderen Erscheinungen
mit der vollständigen Retroversion gemein, ja es erhebt sich
sogar auch der Vaginaltheil im gleichen Masse nach vom, als
die hintere Wand tiefer herabsteigt Auf dieses Verhalten hat
unseres Wissens noch Niemand aufmerksam gemacht, obgleich
die Rückwärtsbeugung in den späteren Monaten auf eine andere
Weise gar nicht denkbar ist." Die Disposition zu dieser Form
von Rückwärtsbeugung beschränkt sich, nach seinem Dafür-
halten, nur auf die Mittelzeit der Schwangerschaft, indem in
den ersten Woclien derselben der Uterus einen viel zu resistenten
Körper bildet, als dass er die bezeichnete Zerrung seiner
Wände zuliesse, und in den letzten Monaten die grösser
gewordene Frucht für den Uterus eine natürUche Stötie
bildet, die die angegebene Dislocation gleichfalls nidit leicht
zulässt Beiläufig bemerkt, soll auch, nach JTfWscl's Ansicht,
im puerperalen Zustande des Uterus, bei Schlafflbeit und be-
deutender Ausdehnung desselben diese partielle Retroversion
des bister«!! nataren G^bärmvUerabsohnitteft etc. 185
entrelen können. Robs^H (Lehrbucfa der Geburishölfe,
Erfongen 1851, S. 348) wiederholt die eben mitgeibeilien
AngiAicn von Kiwiach über diesen Gegenstand. Auch Scanzoni
ODtanclieidei die zwei durch ihr anatonüsches Verhalten, ihre
Symptome, ihre Gefahriichkeit wesentlich von einander uuter-
scUede&oi Formen (Lehrbuch, 3. Aufl., Wim 1855, S. 307):
„Die partielle Retrotersion, eine den qiftteren Schwangerschaft»-
BonaleD eigentbümiiche Affection, wird dadurch bedingt,
daas sich die Untere Wand des Uterus sackförmig in den
jDottjjFJcw'schen Raum herabsenkt Sie ist immer bloss durch
den Drodi des Torliegenden Kindestheils auf den hinteren
Umfang des unteren Uterinsegments bedingt, und man
beobachtet m vonüglich dann, wenn sich bei geringerer
Beekenneigung der Grund des Uterus durch die erschiaflEten
Baachdecken stark nach vorn übemeigt, der Rumpf des Kindes,
nach vorn äbersinkend, den vorliegenden Kopf nach der
Aushöhlong des Kreuzbeins hintreibt und das erschlaffte
Utiiiisparenchym kugelförmig vor sich herdrangt. Dass die
Vaginalportion hierdurch nadi vom getrieben wird liegt in
der Natur der Sache.*" Scanzarri hat diesen Formfehler nur
in den zwei letzten Schwangerscbaftsmonaten gesehen, wo der
Fötus den nöthigen Grad von Resistenz zeigt, die Uterus-
wandungen aber bedeutend dünner, nachgiebiger und leichter
ausdehnbar sind. In den ersten Monaten, wo die entgegen-
gesetzten Verhaltnisse stattfinden, hält er diesen Formfehler
Ar unmöglich. Eine schädliche Einwirkung dieser Ausbuchtung
der hinteren Wand auf den Schwangerschaftsverlauf an und
für sich, hat er nie gesehen, höchstens die Symptome der
Vorwärtsneigung des Uterus beobachtet, zu welchen sich
io emzelnen Fällen solche der Compression des Mastdarms,
aber nur in unbedeutendem Grade, gesellten. Die Diagnose
kann nicht schwierig sein, wenn man bei einer Hoch-
schwangeren den hinteren Umfang des Beckens durch den
herdigetretenen , die hintere Uteruswand kugelig vor sich
hertreibeBden Kindestheil mehr oder weniger ausgefüllt und
die Vaginalpartion der Schambeinsymphyse regelwidrig genähert
findet Oie Therapie ist bloss symptomatisch, auf Milderung
der durch die comprimirten Nachbarorgane des Uterus hervor-
gerolenen Erscheinungen beschränkt.
186 X'< Frtmlu^ Fall Ton sackförmiger Erwettonuig
Solch' eine sogenannte partiefle Retroversion durfle woM
auch in unserem Falle vorbanden gewesen sein, denn die
eigenthtimlicben bei demselben beobachteten Verhäitnifise,
deren wir bereits Erwähnung gethan haben, als: Regel*
massiger Sland des Fundus uteri, Hervortreibung des hinteren
unteren Gebfirmutterabschnitts durch den tief herabgetreieneD
Kopf, Lage des Mottermundes nach oben und vorn, Verlauf
der Geburt, entsprechen ganz dem von den versdiiedenen
Autoren entworfenen Bilde dieses allerdings seltenen Zustandes.
Und ebenderselbe wird auch, nach unserer Ueberseugung, in
anderen, namentlich aber dem zweiten von Merriman mit-
getheilten Fällen zugegen gewesen sein, nur wurde derselbe
von Merriman im hohen Grade verkannt, da er ghiubte,
dass die Ausfüllung der hinteren Wand des Beckens durch
den Körper oder gar Grund der Gebärmutter bedingt, und
er so zu der Annahme einer vollständigen Retroversio uteri
am Ende der Schwangerschaft verleitet wurde. Burns äussert
sich dagegen viel vorsichtiger, wenn er ausdräeklich sagt,
dass man in einem solchen Falle nicht behaupten könne,
der Uterus sei retrovertirt, sondern nur, dass sein Wachsthum
in so eigenthnmlicher Weise vorwärts geschritten sei, dass
sich der Muttermund nach der Symphysis hinneigt oder gar
dieselbe noch überragt.
Wir aber möchten jenes eigenthumliche Verhäkniss nicht
einmal als partielle Retroversion der hintere Wand be-
zeichnen, insofern mit jenem Namen immer euie Lagen-
Veränderung des Gebärorgans bezeichnet wird, eine solche
aber in solchen Fällen nur insoweit gegeben ist, als ein
Theil des Uterus im Verbältnisse zu dem dbrigen Organ seine
Lage geändert hat, also ein Formfehler vorhanden ist Sagte
doch schon Boer in dieser Beziehung, a. a. 0. S. 56:
„Quodsi demum, ut subinde solet, elattun es ipsa sub pube
ita absconditur, ut vix, aut nullatenus attingas, erit aliquis,
qui tantam deviationem nou induci ex eo posse nesciat, quod
Uterus siropliciter oblique incubet, sed ex eo potissioiiim,
quod simul saltem perperam et noxie sit configuratus?'' und
nennt doch auch JScanzom a. a. 0. die partielle Retroversion
eher einen Formfehler, als eine Lagendeviation! Wir haben
sio daher auch schon in d^ Ueberschrift als sackförmige
des hiBtereii nDtereo GebBrmnUerabschaittee etc. 187
Erweiterung bexeicbnet, weil dieser Namen gleich den Zustand
seftfit kennzeidmet und . auch schon von Wigand ebenderselbe
gewählt wurde. Dieser beschrieb nämlich zuerst (Die Geburt
des Menschen etc., herausgegeben von Fr. C. Naegde^
Berlin 1820, Bd. 2, S. 115) als eine der vier Arten von
Gebärmutterschiefheit die sackförmige Erwekerung derselben
(Saccus coecus uteri) folgendermassen: „Der Uterus hat sich
kicr in jeder anderen Rücksicht gehörig entwickelt und aus-
gedelmt, Muttermund und Mutterboden und ihre Längenachse
stehen in einem ganz normalen Verhältnisse unter sich selbst
und zum Beckeneingange, nur dass nach unten und vom oder
seitwärts ein ungewöhnlicher Sack aus dem Uterus heraus*
tritt, der demselben eine schiefe, bauchigte, ganz unförm-
liche Gestalt giebt Dieser blinde Sack zeigt sich immer nur
an der untersten Hälfte des Uterus, und hier wieder am
öftersten nach vom und links hin, dicht aber den Schambeinen,
und erscheint, je nachdem die Theile des Kindes beschaffen
sind, die er enthalt, bald härter, bald weicher, und ist dann auch
bald leichter, bald schwerer zu bewegen und in die Höbe zu
schieben.'' Das für Wigand unerklärliche häufige Vorkommen
dieses Sackes nach links und vorn dürfte vielleicht weniger
beft*emden, wenn man im Hinblicke auf die Entwickelungs-
geschichte des Uterus aus den beiden ifttZ7er*schen Gängen,
annimmt, dass das eine ursprüngliche Hörn sich mehr in die
Höhe, das andere mehr in die Breite entwickelt habe, wo-
durch dann, bei der gewöhnlichen Axendrehung des ganzen
Organs von links nach rechts, jene eigenthumliche Gestalt
entsteht Keinesfalls aber vermag ich einzusehen, warum nur
am vorderen nnd seitlichen Umfange des Uterus jene Blind-
sacke «ch bilden sollen, bin vielmehr geneigt anzunehmen,
dass jene Gegenden sich nicht ausschliesslich des Vorrechts
solcher Ausbuchtungen erfreuen, sondern dass auch an der
hinteren Wand derartige entslehen können. Wigand fährt
fort: „Besteht diese sackförmige Erweiterung für sich allein,
dann sind die Schwierigkeiten fSr den Geburtsverlauf nur
gering; durch das Hinzukommen aber von einer der drei
anderen Arten von Gebärmutterschiefheit ertialten sie grosse
Bedeutung, weil dann das Kind nicht nur um so stärker
dadurch aus seiner normalen Lage verrückt werden kann,
Igg XI. Frafdce, Fall von sackförmiger Erweiteraog
sondern auch um so schwieriger einzurichten und von den
Wehen herauszutreiben sein wird/' Solche eine Complicaiion
roösste man dann für unseren Fall aus dem Grunde statuiren,
als nach Wtgand's Angabe bei der einfadien sackförmigeti
Erweiterung Muttermund und Muttei^und im normalen Ver-
hältnisse zu einander und zum Becken stehen, d. b. der
Grund des Uterus seine regelmässige Lage hat, und ebenso
der Muttermund in der Führungslinie des Beckens gefunden
wird. Es müsste dann die erste Art von Retortengestalt des
Uterus angenommen werden, von welcher Wigand sagt: ^In
der ersten imd leichtesten Art von Verdrehung hat sich die
Höhle des Uterus so entwickelt oder ausgedehnt, dass einer*
seits die Längenachse von Mutterboden und Mutterkörper
ganz parallel läuft mit der Centrallinie der oberen Becken-
öffnung, andererseits aber die Längenacbse des Mutterhalses
und Muttermundes stark von dieser Centrallinie abweicht.
Wu* erkennen diesen FaU daraus, dass dieselbe Gebärmutter,
weiche, von aussen betrachtet, eine durchaus ganz normale
Lage, gute und gerade Stellung zum Beckeneingange hat, und
also nirgends wohin schief stehet, bei der innerlichen Unter-
suchung einen Mund darbietet, der offenbar von der Central-
linie abweicht und nach vorn oder hinten (was am häufigsten
vorkommt , unter zehn Malen wenigstens acht Mal) oder gegen
eine Beckenseile hin, stark verdrehet ist/' Unserer Meinung
nach genügt aber .schon die sackförmige Erweiterung um
jene Lagenveränderung des Muttermundes hervorzubringen,
sobald sie nicht den Körper, sondern eben den unteren
Abschnitt trifft, wodurch dann, sobald der Kopf in jene
Ausbuchtung hereintritt, die Vaginalportion naturlicher Weise
nach vorn und je nach dem Umfange jener Ausbuchtung
und den höheren oder tieferen Stand des vorliegenden Theils
nach oben gedrängt wird. Es erscheint somit die hintere
Wand des Uterus verlängert, die vordere verkürzt und da-
durch wird eine Schiefheit des Organs bedingt. Es ist daher
dies Verhältniss dem gewöhnlichen, am Anfange dieses Auf-
satzes von uns erwähnten, gerade entgegengesetzt. Und
wenn wir oben sagten, dass die Schiefheit, welche durch
Verlängerung der vorderen Wand bedingt werde, ausser wenn
sie einen bedeutenden Grad erreicht, sogar als regelmässig
des hinteren unteren Oeb&rmntterabscbnitt^s etc. 189
annisebeD sei, so müsaen wir von der in Rede stehenden
das Gegentbeil behaupten und in ihr immer eine Unregei*
näsäigkeit erbUcken. Unserer Auffassung nach können wir
ts uns daher anch nicht in den Sinn kommen lassen, diesen
FonnreUer, wie Bums es thut, Von einer frühw bestandenen
tolaJen Retroversion ableiten zu wollen, obwohl auch Mende
a. a. 0. S. 201 eine ähnliche Ansicht, wenn auch in be-
schränkterer Weise, aufstellt, wenn er sagt, dass der in die
Dougla8*sche Falte eingedrungene Theil bisweilen seine Lage
behauptet, ohne dass die Ausdehnung der übrigen GebärmuUer
ganz dadurch gehindert wird. „Dies scheint jedoch nur bis
zu einem gewissen Grade bin geschehen zu können, indem
gemeiniglich in oder bald nach dem fünften Monate Wehen
eintreten, und unter heftigen Schmerzen im Bauche, ja ujiter
wahrhaft entzündlichen Zufallen eine Fehlgeburt erfolgt
Dieser Fall hat mit der falschen Zurückbeugung die grösste
Ähnlichkeit, doch nimmt er immer von einer wahren seinen
Ursprung, was bei jener wenigstens noch sehr un-
gewiss isf Die eigentlichen bedingenden Ursachen dieses
LVbels können wir wohl nur im Uterus selbst suchen, ohne
dabei das Verbalten des vorliegenden Theils gänzlich ausschlieseen
zu wollen. Die ungleichmässige Entwicklung und Ausdehnung
des hinteren unteren Gebärmutterabschnittes im Verhältniss zu
den anderen Gegenden des Organs kann das Primäre sein, sie
bewirkt, da jener Theil keinen anderen Platz als zwischen
Sehade und Mastdarm findet, jene eigenthfimliche Hervor^
U^ung im hinteren Umfang des JBeckens und die Kürze der
hinteren Scheidenwand , und dies um so mehr, als der vor-
liegende Theil in jene Ausbuchtung hineintritt Scarusoni
ist zwar anderer Ansicht und hält den Druck des vorliegenden
Theils auf jene Uteruspartie für das ursächliche Moment, daher
er denn auch nur in den letzten Schwangerschaftsmonaten bei
dünnen, nachgiebigen Uteruswandungen und resisteoiem Kindes-
körper diesen Formfehler für möglich hält. Für seine Meinung
spricht auch der Umstand, dass er jene Abweichung vorzüglich
da beobachtet hat, wo sich bei geringerer Beckenneigung
der Grond des Uterus durch die erschkfflen Bauchdecken
stark nach vorn übemeigt, der Rumpf des Kindes nach vorn
ubersinkend, den vorliegenden Kopf nach der Aushöhlung des
190 XI. AimJk«, Fall Toa sackfSrmiger Erweilerttog
KrenzbeiDs hiotreibt und das ersehlaflte Uterusparenohym
kugelförmig vor sieh h^dringL Wer sieht nicht ein, dass
unter solchen Umstanden, wie sie im Gesagten vorausgesetzt
werden, jene Unregelmässigkeit entstehen kann, und also die
Brklärungsweise gewiss för' viele eine richtige ist? Wenn
wir es aber wagen, nicht zu sagen „überhaupt 'S so geschiehl
dies 1) weil Mende a. a. 0. ausdrucklich bemerkt, dass
wohl nur selten KindestlieUe in den ausgedehnten Sack hinein-
getrieben werden; 2) Kiwisch nur für die mittlere Zeit der
Sdiwangerschaft, wo dann jene Bedingungen noch nicht vor-
banden sind, die Möglichkeit der Entstehung des Uebels zu*
giebt, worin er allerdings zu weit geht, wie unsere eigene
Beobachtung beweist; 3) in unserem Falle weder verminderte
Neigung des Beckens, noch vermehrte Ersehlalfung der Bauch-
decken voriianden waren. Ueber die Ursachen dieser regel-
widrigen Gebärmuttergestalten, die Zeit ihres Entstehens,
ihren Einfluss u. s. w. im Allgemeinen verweisen wir auf
Wigand a. a. 0. S. 127 fg.
Was die Erkennung dieses Zustandes anlangt, so können
wir, freilich nur auf den einzigen Fall gestützt, Scanzani
vollständig beistimmen, wenn er sie für nicht schwierig hält,
denn wir waren, mit Berücksichtigung der Resultate der
äusseren Untersuchung, auch keinen Augenblick in Zweifel
über die Natur jener kuglichten Hervortreibung und konnten
somit die Gegenwart von Fremdbildungen im Dauglas'stAen
Räume von vornherein ausschhessen. Die subjectiven Symptome
werden verschieden angegeben, vollständig identisch mit denen
bei Retroversio uteri, mit denselben Gefabren für Mutter und
Kind, wie bei jener, vergesellschaflet, oder nur unbedeutende,
von der Gompression der Nachbarorgane ausgehend. Sie
fehlten in unserem Falle gänzlich (und das war auch der
Grund, warum die Untersuchung per rectum unterblieb), und
werden wohl, abgesehen von der Grösse und dem Umfinge
hes Sackes, namentlich auch mit von den räumlichen Ver-
dältoissen des Beckens abhängig sein , welche in unserem Falle
allerdings sehr günstig waren. Dass das untere Gebärmutter^
Segment auch bei diesem Verhältniss eine ähnliche Verdünnung
erleiden kann, wie bei dem analogen, wo die vordere Wand
die stärker gewölbte und der Muttermund nach hinten und
das kinteren oBteren GebUrmattembfchnittes etc. 191
oheD gerichtet ist, scheint der Fall von Michctelis zu beweisen,
a. a. S. 40, den m freilich als eine Schieflage nach hinten
beschreibt Hier war bei einer dreiundvierzigiährigen Ersl-
gebäreiideii, deren Schwangerschaft erst die 32. Woche erreicht
hatte, nach vienindzwanzigstnadiger Dauer der Geburt der
Kofif des Kindes ganz tief in's Becken getreten, bedeckt von
dem so verdönntea^^unteren Absclinitte, dass dessen Feinheit
Miehaelts tauschte und ihn glauben machte, der Muttermund
sei schon verstrichen, und der Kopf nur von den Eihäuten
bedeckt, während der Muttermund in der That ganz dicht
biBter der Schamfuge stand und kaum zugängig für die
Fingerspitze war. Uebrigens zeigte in diesem Falle die ganze
Gdiannutter eine ausnehmende Dünne, weil sie in dieseoj
iUter ihre Fähigkeit mit der Ansdehnung auch Substanz
iBsunehmen grossentheils eingehfisst hatte. Dass aber das
Kind absterben und mit losen und breilgedrückten Schädel-
knocfaen geboren werden kann, dafür spricht namentlich der
zweite Fall von MerrimaUf wo der Kopf des Kindes im
Zastaade vollkommener Fäulniss mit getrennten Schädelknochen
oBd beiaabe völlig aufgelöster Gehurnmasee gefunden wurde
(und ^doch worde derselbe perforirt!). Dasselbe behauptet
Mende und führt gleichzeitig an, dass sowohl in der Göttinger
Sammlung ein derartiges Präparat befindlich, als auch in der
Dissertation eines Dr. Heinrich Eichorn eine gelungene
Zeichnung einer solchen Frucht enthalten seL Diese Schrift,
welche den Titel führt: „Ueber die Zurückbeugung der nicht
schwangeren und schwangeren Gebärmutter *S und welche nach
Mendels Angabe ohne Nennung des Druckorts im Jahre 1822,
■ach V. Fvoriep^s und Hoht& Notiz in Wurzburg 1822,
nach Küiwn ebenda 1823, nach «7. Fr. Oslander in Nürnberg
1823 erschienen ist, habe ich leider nicht einsehen können,
was ich um so mehr bedauere, als in derselben ein Fall von
Monate lang dauernder Zurückheugung beschrieben ist, von
den schon Mende sagt, dass er zu den höchst seltenen
gehöre und zu den scheinbaren zu rechnen sein durfte. Der
langsame Verkuf einer Geburt bei solchen Verhällnissen,
wenigstens in der ersten Hälfte derselben, fmdet eine genügende
Erklärung in den gegebenen Umständen, da ja lüer, ebenso
wie bei dem entgegengesetzten Verbältnisse, längere Zeit nolbig
192 ^I* FritttkBy F«U von aAekfönni^er Erweiterang etc.
ist, bis jene sackftrinige Erwekening durch die CoDtractioaeo
heraufgezogen und ausgeglichen wird und der Muttermund
seine regelmässige Lage erhält Dodi* gilt auch hier der
Ausspruch Naegele d. V. (Lehrbuch der Geburtshöife für
Hebammen, Heidelberg 1847, S. 262): „In seltenen Fällen
findet man den Muttermund, anstatt nach hinten, nach vom
gerichtet, unmittelbar hinter den Schoossbeinen, ohne dass dies,
wenn sonst keine widrigen Umstände vorhanden sind, einen
nachtheiligen Einfluss auf den Geburtshergang hat'' Denn
auch die zu starke Drehung des Kopfes um den geraden Durch-
messer, welche wir auch bei entgegengesetzten Verhältnissen
selten vermissen, so dass das nach hinten liegende linke Scheitel*
bein tiefer stand , wurde durch die Natur ausgeglichen und so
wieder der Beweis geliefert, dass dieselbe Unregelmässigiceiten,
die sie selbst hervorbringt, oft auch am unschädlichsten und
besten wieder zu heben vermag; w.ähreud unzeitige und un-
geschickte Hulfsleistungen von Seiten der Kunst, wie z. B.
Versuche, den Muttermund mit den Fingern herabzuziehen, wohl
auch in diesem Falle wieder sich selbst gerächt haben würden.
Wenn wir zum Schlüsse unsere Ansicht über den Gegen*
stand in Rede noch einmal kurz zusammenstellen wollep, so
wird dieselbe lauten:
1) Ein Situs obtiquus posterior uteri gravidi kommt nicht vor ;
die von den verschiedenen Autoren für denselben, zum
Theil als ganz charakteristisch bezeichneten Erscheinungen
sind einer anderen Deutung föhig. Ebenso wenig ist
2) eine Retroversio uteri in der zweiten Hälfte der Schwanger-
schaft oder gar am Ende derselben und im Beginne der
Geburt möglich. Die seltenen Beobachtungen, die für
das Vorkommen derselben zu sprechen scheinen und aucli
als solche beschrieben wurden, finden ihre Erklärung •
durch Annahme
3) einer sogenannten partiellen, scheinbaren oder falschen
ZurQckbeugung der Geliärmutter. Diese selbst aber besieht
nicht in einer Lageabweichung, sondern einem Formfehler,
einer Schiefheit des Uterus, bedingt durch eine sack-
förmige Erweiterung des hinteren, unteren Gebärmutter-
abschnittes.
XII. HMUr, Znr Lösnng der Arme etc. 193
XIL
Zur Lösung der Arme bei Geburten mit
nachfolgendem Kopfe.
Von
Dr. Y. HAter,
PriTatdoeent in Marburg.
1d der unter dem Präsidium v. Ritgen'^ in Giessen ver-
oflenüiciiten Dissertation von W. F. Thurn (Beiträge zur
Geschicble imd Kritik des Verfahrens bei freihändiger Aus-
nebuDg des Kindes. Friedberg, 1860), welche, wie die meisten
«nier v. Bügen^s Präsidium erschienenen Dissertationen auf
sehr gründlichem Studium der Literatur basirt ist, wird nach-
gewiesen, dasB die Behandlung der Arme bei Geburten mit
nachfolgendem Kopfe eine sehr verschiedene gewesen ist.
Man hat nämlich 1. den Rath gegeben, nur einen Arm
2u lösen und den Kopf zu extrahiren, während der andere
Arm an diesem anliegt, oder die Ausziehung des Kopfes mit
beiden an ihm anliegenden Armen auszuföhren. Es ist dies
Verfahren auch in einigen neueren LehiMchern der Geburts-
hälfe besprochen worden.
2. Man hat versucht, einen der beiden bei Fussgeburten
an dem Rumpfe anliegenden Arme aufwärts zu schieben, um
dem Rumpfe Raum zu geben und später den Durchgang des
Kopfes zu erleichtem.
3. Man bat das Auswärtsgleiten der Arme bei Fuss-r
geburlen zu verhüten gesucht.
4. Man hat den Rath gegeben, die beiden Arme, wenn
das Kind bis an den Sleiss oder bis an den Bauch geboren
ist, an den Rumpf herabzubringen.
6. Die Arme werden gelost, wenn das Kind bis an die
Schultern geboren ist
6. Man hat das Kind an den Händen und Füssen zu-
gleich auszuziehen versucht Durch die erwähnte Dissertation
bin ich der Kritik über diese verschiedenen Behandlungs-
weiseo der Arme bei Geburten mit zuletzt kommendem Kopfe
»•oatatebr. f. aebortik. 1808. Bd. XXI., Hft. 8. 13
194 ^^^' HüUr, Zur Lösnng der Arme
vöUig öberhoben und ich will daher nur für die jetzt allgemein
übliche Lösung der Arme, welche dann vorgenommen wird,
wenn das Kind bis zu den Schultern geboren ist, die Auf-
merksamkeit der Geburtshelfer in Anspruch nehmen.
Auf die Schwierigkeit des Actes des Armlösens und der
hiedurch für das Kind erwachsenden Gefahren weisen alle
neueren Schriftsteller hin. Sie stimmen darin überein, dass
das Lösen der Arme nur dann leicht gelingt, wenn dieselben
der Brust des Kindes, dessen Rücken nach ?orn und seit-
wärts gerichtet ist, anliegen, so dass man mit dem operirenden
Zeige- und Mittelfinger das EUenbogengelenk erreichen und
an diesem die gewöhnliche Manipulation aosführen kann.
Wenn aber bei nach vorn und seitwärts gerichtetem Rücken
des Kindes die Arme an den beiden Seiten des Kopfes in
die H{9ie geschlagen sind, und hierdurch das EUenbogengelenk
für die Finger schwer oder gar nicht zugänglich wird, so
ist das Armlösen bedeutend erschwert Der Kopf kann sieb
dabei noch hoch oberhalb des Beckeneingangs befinden, oder
schon in das Becken hcrabgetreten sein.
Ist das letztere der Fall, so empfielilt Rosshirt (Die
geburtshülf liehen Operationen, Erlangen, 1842, S. 168), „durdt
gelindes Hinaufdrücken des Rumpfes, gleichsam als wollte
man die Schultern wieder in das Becken zurückschieben und
durch gleichzeitiges Emporheben des Kinnes mittels der
Finger das Hinderniss zu entfernen."^
Der hohe Stand des Kopfes und das hierdurch schwierige
Erreichen des Ellenbogengelenks kann nach Rosshirt darch
die Grösse des Kindes oder durch Beckenenge bedingt sein.
Derselbe fahrt weiter fort: „Es ist hier gewöhnlich schon
schwer, den Rumpf des Kindes bis zur Achselhöhle zu ent*
wickela *- Es wird angerathen, den Rumpf des Kindes
gegen diejenige Beckenseite, in welcher der zu lösende Arm
liegt, in die Höbe zu heben und in das Becken zu drücken.
Hierauf soll man in einem etwas raschen Zuge den Rumpf
auf die entgegengesetzte Seite und nach unten bewegen,
indem man ihn zugleich sanft um seine Längenachse dreht.
Dieses wiederholt man, wenn es nöthig ist, einige Male, bis
der zu lösende Arm abwärts gestiegen ist, um ihn nach der
angegebenen Regel herausleiten zu können. — Wir bedienen
bei Gebarten mit naqbfolgendem Kopfe. 195
eines eigenen Handgriffes. Wir fuliren dnn Zeige- und
KtteifiDger nach der angegebenen Weise bis zur Schulter,
nd suchen die beiden Pinger so hoch wie möglich über die-
selbe lu bringen, um sie hakenförmig auf dieselbe legen zu
können, so dass die Fingerspitzen wenigstens bis zum Schlüssel-
Mne reichen. Die so gefasste Schulter wird nun nach ab-
wärts ond seitwärts gezogen. Es ist uns in vielen, sehr
schwierigen Fällen gelungen, den Arm so weit herabzuhruigen,
dass wir nun die Finger bis zum Ellenbogen führen konnten,
um die Lösung des Armes zu bewerkstelligen. Niemals
sahen wir einen Nachtheil daraus einwachsen. Es scheint
ans unmöglich, dass* ein Bruch des Schlüsselbeins hierdurch
entstehen könnte, da dasselbe nicht gedrückt wird."
Kutan (Operationslehre für Geburtshelfer, 2. Aufl.,
3. Lieferung, Bonn 1844, S. 442) warnt bei dem Armlösen
for einem eigentlichen Anziehen des Armes oder gar vor
einem Anziehen des Oberarmes oder des Schultergeienkes
mittels des hakenförmig gebogenen Zeigefingers, denn Luxation
und Bruch des Schlüsselbeines könnten in dem einen, Bruch
des Oberannknochens in dem anderen Falle sich nur gar zu
schnell ereignen. „Ausdrücklichst wollen wir indessen hier
bemerken, fahrt Kutan fort, dass der Act des Armlösens
jedes Mal um so sicherer und leichter gelingt, je bequemer
man mit den operirenden Fingern an das Ellenbogengelenk
der zu lösenden Oberextremität gelangt, daher man sich doch
ja nicht früher an das Armlösen wagen möge, als bis der
Brustkorb des Kindes tief genug in das Becken herabgekommen
ist und sollten etwa die bereits geschilderten Manipulationen
nidit dazu hinreichen, die Achselhöhle dem Scheideneingange
näher zu bringen, so hat man zur Erreichung dieser Absicht
an dem stumpfen Haken das zuverlässigste Mittel. Man Hihrt
diesen nämlich in der Aushöhlung des Kreuzbeins bis empor
zur Schulterhöhle des Kindskörpers, führt ihn vorsichtig über
dieselbe hinweg und macht, sobald man von der guten Lage
des Instrumentes hinlänglich vergewissert ist, damit kräftige
Tractionen nach abwärts." Küian ertheilt (S. 444) noch
folgenden Rath: „Uebrigens wollen wir für die schwierigsten
Fälle des Armlösens noch darauf aufmerksam machen, dass
nicht selten gerade die Rückenlage der Kreissenden unserem
13*
J96 ^^'- ^i^^f Zur Lösung der Arme
Bestreben hinderlich wird, wohingegen die Operation in der
Seitenlage leicht gelingt. Namentlich aber gilt es als Regel:
die Frau auf diejenige Seite zu legen, wohin der schwer zu
lösende Arm des Kindes gerichtet ist.''
Kiwisch (Beiträge zur GebuHtskunde, 1. Abthlg., Würz*
bürg 1846, S. 64) macht, um den wichtigen Operationsacl
des Armlösens in schwierigeren Fällen zu erleichtern, auf einige
ihm wiclit^ scheinende Handgriffe aufmerksam.
„Der eine Handgriff besteht hi dem vorläufigen Herab*
drücken derjenigen Schulter, über welcher der Ann gelöst
werden soll. Zu diesem Zwecke führt man einen oder zwei
Finger über das entsprechende Schulterblatt bis über das
Schlüsselbein und zieht so die nach oben gezerrte Schulter
gegen den Brustkorb, wodurch das Ellenbogengelenk um ein
beträchtliches tiefer zu stehen kömmt und leichter erreichbar
wird. Dieser Kunstgriff, so unscheinbar er ist, hat uns doch
sdir wesentliche Dienste geleistet
Ein anderer Handgriff ist der, dass man ja nicht mi(
schulgerechter Unbeugsamkeit zuvörderst immer zur Lösung
des nach hinten gelegenen Armes ^) schreite. In der Mehr-
zahl der Fälle finden wir sogar dies Verfahren viel schwieriger
und unzweckmässiger, indem der nach hinten gelegene Arm
schwerer erreichbar ist, so dass es ohne die halbe oder ganze
Hand in die Scheide einzubringen, nicht möglich ist, bis zum
Ellenbogengelenke zu gelangen, während die kurze vordere
Beckenwand das Erreichen des Armes viel früher gestattet*"
Weiter unten (S. 65) heisst es: „Hat man den einen
Arm gelöst, und ist das Ellenbogengelenk des zweiten Armes
zwischen Kopf und Becken feststehend und der Kindesrumpf
nicht sehr voluminös, so kann man durch eine massige
Drehung des letzteren um seine Längenachse das Ellenbogen-
gelenk mehr gegen die Gesichlsfläche leiten, und sich Iso
dessen Lösung erleichtem.
In einzelnen, seltenen Fällen ist das Lösen der Arme
durch blosse Handgriffe nicht ausführbar, und man kann bei
1) V. Ritgen (Lehr- und Handbnch der Qebnrtshiilfe für
Hebammen, Mainz 1848, S. 198) eujp6eblt, die Lösung des ^tf
Scboossfuge sanäcbat gelegenen Armes immer saerst vorsunehmeD.
bei Geborten mit nachfeilendem Kopfe. . 197
gestelltem Tode, des Kindes sich eines runden, stumpfen
flakens bedienen, mit welchem man die Schulter, aber welche
San denselben leitet, vorerst kräftig herabzieht, und hierauf
dpn Oberarm erfasst und gleichfalls nach abwärts zieht, wobei
dieser in der Regel bricht, was aber bei todten Kindern
nicht zu beröcksichtigen ist, da nach stattgefundenem Bruche
die weitere Entwiekelung des Armes meist mit Leichtigkeit
eHolg[f*
HoM (Lehrbuch der Geburtshülfe, Leipzig 1855, S. 1037)
sagt bei der Beschreibung der Lösung des nach hinten liegenden
Annes: „Bei gesenktem Rumpfe bringen wir Zeige- und
WltelOnger, auch wohl die halbe rechte Hand bei noch hoher
Lage der Schulter, seitlich an der rechten Schulter in die
Scheide und legen sie auf die Schulterhöhe, drücken diese
soweit als möglich herab und gleiten mit den Fingern am
Oberarme zu dem Ellenbogengelenk hin/*
Unter den praktischen Regeln, welche Hohl (S. 1038)
in Bezug auf den Act des Armlösens giebt, heisst es: „Bei
dem Herabdrücken der Schultern mit dem Zeige- und Mittel-
finger ist es nicht ohne Bedeutung, diese Finger dem Halse
des Kindes nicht zu nahe zu legen, weil, wenn es geschieht,
der Kopf mehr als der Arm herabgezogen wird, wodurch
dann tbeils die Erreichung des Ellenbogengelenks schwierig
Meibt, theils und besonders die Leitung des Armes an dem
Gesichte nach der andern Seite hin erschwert wird. Wir
können daher die Vorschrift von Kiwisch, die zwei Finger
ober das entsprechende Schulterblatt bis über das Schlüssel-
bein zn fähren, nicht richtig -finden, sondern geben den Ralb,
diese Finger am äussersten Ende der Schulterhöhe aufzusetzen,
um nur den Arm herabzuleiten/*
tf. Ritgen hat, wie aus der Dissertation von R. Weyprecht
(lieber Spirale Auszidiung des Kindskörpers, Giessen 1860)
hervorgeht, [in zwei Fällen die Ausziehung des wegen
Armlage auf die Fasse gewendeten Kindes in der gewöhn-
lichen Weise nicht bewerkstelligen können. Das Hindeiiiiss,
welches der Ausziehung entgegenstand, lag beide Mal in einer
kreisförmigen Strictur des inneren Muttermundes, v. Rügen
kam, weil der Zug an den unteren Extremitäten ganz er-
folglos blieb, auf den Gedanken, durch schraubenförmige oder
t98 • ^11- Hütkr^ Zar Lösong der Armq
Spirale Beweguogen den kindlichen Körper aus der kreis-
förmigen Strictur herauszuwinden. Die Extractioo geJani^
beide Mal auf diese Weise. Die besondere Lösung der Arme
war dabei nicht nöthig, indem die Brust mit den derselben
anliegenden Armen zu Tage trat.
Herr Geheime-Ratb v. Ritgen hat die Güte gehabt, mir
sein spirales Drehungsverfahren für die Armentwickelung bei
zuletzt geboren werdendem Kopfe in der nachfolgenden Be-
schreibung mitzutheilen : „Die zuerst zu entwickelnde Schulter
wird unter Umfassung des Rumpfes mit beiden Händen dahin
gedreht, wo der Bücken des Kindes im GeburUwege liegt;
hierdurch wendet sich das Gesicht, sodann der Hals und
endlich die Brust des Kindes unter den vom Geburtswege
festgehaltenen Arm, und dieser wird durch die schrauben-
förmige Abwärtsbewegung des Rumpfes zugleich auf der
Brust liegend abwärts bewegt Ist der Arm zu Tage ge-
treten, so wird für die Entwickelung des andern noch un-
geborenen Armes die schraubenförmige Drehung des Rumpfes
in der Richtung vorgenommen, welche der früheren Drehungs-
richtong entgegengesetzt ist. Auf diese Weise wird wiederum
die zu entwickelnde Schulter in die Gegend des Geburlsweges
bewegt, an welcher sich der Rücken des Kindes befindet,
und das Gesicht, dann der Hals und endlich die Brust des-
selben unter den vom Geburtswege fest gehaltenen Arm ge-
bracht. Bei fortgesetzter schraubenförmiger Abwärtsbewegung
des Rumpfes tritt der Arm zu Tage. Bei der sclirauben-
förmigen Abwärtsbewegung des Rumpfes für die Entwickelung
des ersten Armes wird der zweite oft hinter den Kopf ge-
bracht, allein bei der entgegengesetzten schraubenförmigen
Abwärtsbewegung des Rumpfes für die Entwickelung dieses
Armes wird derselbe wieder zur Seite des Kopfes, zum Ge-
sichte, zum Halse und endlich zur Brust des Kindes bewegt."
Dieses erst kürzlich mir bekannt gewordene Verfahren
in der Praxis zu versuchen, habe ich noch nicht Gelegenheit
gehabU
Der Rath von Kilian^ mittels des stumpfen Hakens die
hochgelegene Schulter herabzubringen, darf, wie Kiwisch
mit Recht hervorhebt, gewiss nur bei festgestelltem Tode des
Kindes befolgt werden. Nach meinen Erfahrungen kann das
bat Gtfbarten mit imokiblgeoddkn Koi^fe. 199
geaannte Inslriuneni $ehwere VerktaiMigeii an dem Körpur
iks Kindes henrcMibringen.
Aas Verfabreii, welches Ro9shirty Kimseh und HoU
iici ersebweiter Lösung der hoeliliegenden Arme anralheiH
■inlacb die Sdiulter durch den anf sie gesetzten Zeige- und
MittriÜBger herafazudrücken, ist erforderlidien Falles immer an-
nwenden, fährt aber nicht in jedem Falle ztnn Ziele. Wenigstens
blieb es bei einer Fa8sgd[>urt, welche ich am 23. Mai d. h
m behandeln hatte, erfolglos und ich sah mich genöthigt,
nr Liö6iiog des hinten hoch gelegenen rechten Armes einen
Hdodgriff anzuwenden, welchen ich bis jetzt nirgends be^
schrieben gefunden habe. Derselbe wird dur^ die Mittbeilung
der betreffenden Geburtsgeschichle am besten klar und ¥er-
sCäsdlieh gemacht werden.
Frau JS., eine kräftige Zweitgesehwängerte, welche vor
drei Jahren ihr erstes Kind in Schädelstellung natürlich ge*
baren hatte, fühlte in der Nacht vom 22. zu dem 23. Mai
die ersten Weben und verlor am 23. Mai 12 Uhr Mittags
da« Fmeblwasser. Die Hebamme konnte bei noch weni^
efföfinetem Muttermunde den hochliegenden Fruchttheil nicht
diagnoeticiren. Erst am Nachmittage gegen 5 lihr, als der
Muttermand weiter geworden war, merkte sie, dass der vor-
hegende Fruchttheil nicht der Kopf sei und liess midi rufen.
Un 6 Uhr fand ich bei der äusseren Untersuchung die Frucht
in der ersten Diagonale der Gebärmutter. Rechts im Grunde
derselben fühlte ich einen grossen Fruchttheil. Es war nur
wenig Fruchtwasser vorhanden. Den Fötalpuls hörte ich
hnks vom und zählte in der Wehenpause nur 8 Schläge in
5 Secuoden. Während der Wehe sank die Zahl auf 6 bis
7 Schläge^ hob sich aber in der Wehenpause wieder auf
die vorher angegebene Zahl. Die Intensität und die Frequenz
der Wichen war massig.
Bei der inneren Untersuchung fand ich das linke Bein,
dessen Fiiss bereits die Schmnspalte verlassen hatte, in der
Vagina« Neben demselben lag eine Schlinge der Nabelschnur,
an welcher ich dieselbe Zahl der Piilsationen, welche ich bei
der Auseultation gefunden hatte, nachweisen konnte. Der
Stciss mit dem ihm anliegenden rechten Fusse, welcher rechts
hinten gefohlt wurde, befand sich in dem Beekeneingange.
200 ^11- HüUr, Zur L5siug der Arme
Die Genitalien (weiUiche) lagen rechts, das Strissbein und
die AfteröflTnung fühlte ich links. Der untersachende Finger
war mit Meconium beschmutzt. Dieser Umstand, die geringe
Zahl der fötalen Herzschl&ge und das wiederholte Zucken der
vorliegenden Extremität gaben mir sichere Kunde von der
Gefahr, in welcher das Kind sich befand, und ich entschloss
mich zu der fixtractton, obwohl die Retraction des Mutter-
mundes, von welchem noch ein schmaler Saum zu fühlen
war, noch nicht vollkommen zu Stande gekommen war.
Widerstand von dieser Seite war bei der Vornahme der
Exlraclion nicht vorhanden, aber ich wurde von der Wehen-
thätigkeit. so wenig begünstigt, dass ich beim Anziehen einen
gehörigen Grad von Kraft aufwenden mnsste. Indessen ge-
lang es mir, den Fruchtkörper, wetoher wiederholt zuckende
Bewegungen machte, mit nach vom und links gerichietera
Rücken so weit hervorzuziehen, dass die Herzgegend an der
redilen Schamlippe sichtbar wurde. Bei dem Versuche, den
nach hinten gelegenen rechten Arm zu lösen, drang ich mit
Zeige- und Mittelfmger bis zur Schulterhöhe vor, konnte die-
selben aber bei dem zu hohen Stande des Kopfes nicht an
dem diesem anliegenden Oberarme in die Höhe führen. Ich
machte daher den Versuch, den nach vorn gelegenen linken
Arm mit meiner linken Hand zu lösen, musste aber auch
hiervon abstehen, weil meine Finger nicht weiter als bis zu
der linken Achselhöhle gelangten. Unter diesen Umstanden
forderte ich die Gebärende zum starken Mitpressen auf, liess
von der Hebamme die Gebärmutter äusserlich reiben, während
ich durch einen kräftigen nach abwärts gerichteten Zug an
den unteren Extremitäten die Schultern der Schamspalte näher
zu bringen suchte. Es gelang mir jedoch nicht, denn Zeige-
und Hittelfinger meiner rechten Hand fanden die rechte Schulter
um nichts liefer stehend. Ein Druck, wehshen ich mit den
beiden Fingern auf die Schulterhöhe einwirken liess, blieb
ebenso wirkungslos. Ich gönnte nun meiner kraftlos gewordenen
rechten Hand einige Secunden lang Ruhe, während welcher
ich mit meiner linken Hand noch einige schwache Pulsationen
der Nabelschnur in der Nähe des Nabels wahrnahm. Dies
bestimmte mich, den in mir aufsteigenden Gedanken an eme
möglicherweise günstig wirkende Manipulation alsbald zu
bei Geburten mit nnchfolgeodem Kopfe. 201
reaüaren. Ich ergriTf mit meinen beiden Händen
die Oberschenkel des Kindes, erhob dieselben und
näherte sie, während ich zugleich zog und den Zug
alinälig verstärkte, der Mitte der mötterlichen
Rauchwand. Ich erhielt sie in dieser Stellung mit meiner
finken Hand allein, während ich mit meiner rechten unter-
sodile. Die gewünschte Wirkimg war eingetreten. Die rechte
Schulter stand tiefer, das Ellenbogengelenk war för meinen
Zeige- und Hittelfinger zugängig geworden, und der Arm
konnte auf die gewöhnliche Weise gelöst werden. Während
ich dies ausführte , senkte ich den Fruchtkörper wieder. Die
weilere Untersuchung ergab, dass der linke Arm über das
nach links geriehtete Hinterhaupt lag. Mit meiner rediten
Hand, welche ich so hoch wie möglich einführte, schob ich
densefiien von dem Hinterhaupte nach dem rechten Scheitel-
bein, drehte dann unter Umfassung des Thorax mit beiden
Händen den Rumpf des Kindes um seine Längenachse, dass
der linke Arm nach hinten zu liegen kam, welche Lagerung
jedoch erst bei Wiederholung dieses Drehens erzielt wurde.
Die Lösung des zweiten Armes mit Zeige- und Mittelfinger
menier linken Hand gelang dann leicht. Die Extraction des
in das Becken getretenen Kopfes konnte ich ebenso leicht
ausfuhren, indem ich meine rechte Hand vom Rücken des
Kindes her gabelförmig über die Schultern legte, Zeige- und
Mittelfinger meiner linken Hand in den nach hinten gelegenen
Mund des Kindes führte, dieselben auf die beiden Ränder
des Unterkiefers setzte und so anfangs abwärts und dann
bogenförmig nach aufwärts zog. Das tief asphyctische Kind
wurde mit HnKe der Katheterisation der Trachea wieder belebt.
Die fünfte Geburtszeit und das Wochenbett veriiefen
normal.
Einige Zeit später machte ich hei einer Drittgebärenden
wegen Schulterlage die Wendung auf das rechte Knie. Bei der
Frau, weiche 24 Stunden vorher das Frhchtwasser verloren
hatte, fand kh den Grund der Gebärmutter kaum über dem
Nabel stehend, dagegen zeigte dieselbe eine grosse Ausdehnung
nadi betden Seiten hm, weshalb es mir sehr wahrscheinlich
wurde, dass das Kind mit seiner Längenachse in querer
Biditttng gelagert war. In der Nähe des Nabels fühlte ich
202 Xn. HMUTj Zor Lösnag der Arn«
kleine Kindsüieile. Den FöUlpuis konote ich nirgends auffiodeo,
dagegen borte ich an beiden Seiten sehr lautes Uteringeräusch.
Die Wehenthätigkeit war gering.
Bei der inneren Untersuchung fand ich den Mutteraiimd
bis auf einen schmalen Saum retrahirt. Hinter der Syiapbyfia
hing eine pulslose Nabelschnurscblinge herab. Die weitere
Untersuchung ergab, dass die rechte Schulter in den Becken-
eingaug herabragle, der Röcken des Kindes nach vorn lag
und somit der Kopf desselben in der linken Mutterseite sich
befand. Bei dieser Schulterlage führte ich meine Unke Hand
vor der rechten Synchondrose ein, erreichte das rechte Knie,
führte meinen Zeigefinger hakenförmig in die Kniekehle, und,
als das Herabbewegen des Knies nicht gelang, fügte ich den
Mittelfinger, um den Zug zu verstarken, hinzu. Nachdem
das Knie durch den Muttermund hindurch geführt war, streckte
ich den Fuss in die Vagina herab und vollendete die Um-
drehung. Die Nabelschnurschlinge trat bei dem Anziehen
des Fusses nicht mit herab. Die linke Hand, welche die
Operation verrichtet hatte, war mit viel Meconium beschmutzt.
Die Wehen wurden kräftiger, und die Austreibung des
Kindes, dessen Rucken nach rechts und etwas nach vom
gerichtet war, kam unter geringer Beihülfe von meiner Seite
bis zu den Schultern zu Stande. Als das Kind bis au den
Nabel geboren war, wurde die vorher gefCäilte Nabelschnur-
scblinge an dem Böcken sichtbar. Vor der Geburt d&r
Schultern überzeugte ich mich durch die Untersuchung genau
von der Lage der oberen Extremitäten. Die beulen Arme
lagen auf der Brust, die beiden Hände an der vorderen Gegend
des Halses. Die hintere Schulter lag in der AushoUung des
Kreuzbeins. Während einer Wehenpause erfasste ich nun
die beiden Oberschenkel des Kindes und näherte sie, indem
ich allmälig etwas stärker an denselben zog, der Mitte des
mütterlichen Leibes. Mfährend dieses Handgriffes sah ich,
dass die nach hinUfu gelegene linke Schulter mit dem linken
Arme über das Mittelfleisch zu Tage trat* Es wurde nun
nach der bekannten Methode der Rumpf des Kindes, welchen
ich vorher etwas aufwärts zu schieben versuchte, so um seine
Längenachse gedreht, dass der Rücken des Kindes nach der
inken Seite dei* Mutter, und somit der rechte Arm, wetcber
bei Geburten mit nacbfolgoBdem Kopfe. 20ß
Usher vorn g«degen hatte, nach hinten zu liegen kam. Durch
Wiederholung des zur Geburt der linken Schulter und des
linkea Annes ausgeführten Handgriffes, indem ich nämlich
die erfassten Oberschenkel wiederum unter gleichzeitigem
AnsiebeD der Mitte des mütterlichen Leibes näherte, trat
Mcfa die rechte Schulter mit dem rechten Arme über das
Mittelfleisch zu Tage, ohne dass ich diesen mit meinen
Fingen zu berühre nötbig hatte. Der Kopf des todten
Kindes, eines Hädcheifö, wurde manuell extrahirt, nachdeiu
mehrere Wehen ihn nicht hervortreten Hessen.
Die Nachgeburtsperiode verlief regelmässig. Die Mutter
blieb in dem Wochenbette gesund und verliess schon an dem
sechsten Tage wieder das Bett. —
Obgleich es nicht in meiner Absicht lag, die Extraction
des Kindes an den Schultern nach der Geburt des Kopfes
hier auch zu besprechen, so kann ich doch das Verfahren,
welches v, Ritgen bei dieser Operation anwendet, darum nicht
unerwähnt lassen, weil es mit dem Handgriffe, welchen ich
zur Lösung der Arme bei nachfolgendem Kopfe in den beiden
mitgetheilten Geburtsgeschichten als neu beschrieben habe,
grosse Aehnlichkeit hat. v. Rügen legt nämUch auf ein
sorgfaltiges Durchführen der Schultern durch die Schamspalte
sehr viel Werth, weil er mit Recht der Ansicht ist, dass die
Gefahr des Entstehens eines Dammrisses viel grösser beim
Durchtritte der Schultern als bei der Geburt des voran-
gegangenen Kopfes ist Hat dieser nur den Einriss des
Frenulums bewirkt, so können die Schultern bei ihrem Durch-
tritte eine von dem zerrissenen Frenulum ausgebende grössere
Ruptur des Hittelfleisches veranlassen, v. Ritgen (Lehr- und
Handbuch der Geburtshülfe für Hebammen, Mainz 1848, S. 124)
will daher zum Zwecke des Dammschutzes den Zeigefinger
nur in die Achselgrube einhaken, welche der Schoossfuge
zugewendet ist, und beim Anziehen die ^andere Schulter am
Mittelfleische durch die andere Hand zurückhalten lassen,
damit nicht beide Schultern zugleich durchtreten.
Wenn die vorstehende Achselgrube aber noch hoch steht
und darum nicht zu erreichen ist, so macht v, Ritgen,
um dieselbe zu senken, hebelartige Bewegungen an dem
geborenen Kopfe. Er legt zuerst die flache Hand auf die
204 XII. Hüter, Zar Lösnng der Arme
nach oben und vorn gerichtete Seitenfläche des KopFes and
drückt diesen bei Seitenlage der Kreissenden, deren Kniee
nahe an den Bauch angezogen, aber mittels eines zwischen-
geschobenen runden Polsters von einander entfernt sind, so
gegen die Aussengegend des Steiss- und Kreuzbeins, dass
an dieselbe die andere Seitenfläche des Kopfes angedrückt
wird. Hierauf wird dem Kopfe die entgegengesetzte Bewegung
gegeben. Der Kopf wird nämlich wieder freigelassen, die
andere flache Hand an die Seitenfläche des Kopfes, welche
an die äussere Gegend des Steiss- und Kreuzbeins angedruckt
gewesen war, angelegt und mit derselben der Kopf so bewegt
dass die andere Seitenfläche des Kopfes aussen an die Gegend
des Schoossbergs gedrückt wird. Diese zwei entgegengesetzten
Bewegungen des Kopfes werden abwechselnd so oft wieder-
holt, bis die Schultern tief genug getreten sind, um in die
Achselgrube an der Schoossfuge mit dem Finger leicht ein-
dringen zu können.
Die Bewegungen, welche demnach v, Rügen an dem
geborenen Kopfe ausführt, sollen denselben Erfolg erzielen,
wie die Bewegungen, welche ich in den beiden mitgetheiiten
GeburtsfäUen an dem geborenem Rumpfe ausgefühi't habe.
Es soll nämlich eine Schulter gesenkt werden. Die Ver-
schiedenheit zwischen beiden besteht nur darin, dass v, Ritgen
durch den auf den geborenen Kopf einwirkenden nach ab-
wärts gerichteten Druck die vornstehende Schulter zu senken
beabsichtigt, ich dagegen durch das Erheben des geborenen
Rumpfes nach aufwärts 'die nach hinten gelegene Schulter
zu senken suche.
Der Vollständigkeit wegen habe ich noch hinzuzuftigen,
dass V. Ritgen bei sehr engem Scheideneingange das Ein-
haken in die Achselgrube verbietet, dagegen die flache Hand
über den Rucken des Kindes einführt und mit derselben den
der Schoossfuge zugewendeten Arm über die Brust des Kindes
herausfuhrt. Nachdem so der Arm geboren ist, fasst er den
Oberarm und zieht ihn gegen den Nabel der Mutter aufwärts,
während die andere Schulter, durch die an das Mittelfleisch
gelegte andere Hand am zu raschen Hervortreten gehindert wird.
Betrachtet man den in den beiden mitgetheiiten Geburts-
geschichten beschriebenen neuen Handgriff, namftcli das Be-
bei Geburten mit naobfolgeDdem Kopfe. 205
wegen der beiden OberscbeBkel unter gleichzeitig an denselben
aogebrachteni Zuge nach der Hitle des mutterlichen Leibes
hiD, genauer, so erscheint als die wesentlichste Wirkung
hierron, dass der kindliche Körper an der vornstehenden
Schuller um ein Hypomochlion , welches der untere Rand der
Symphyse darbietet, gedreht wird, während der geborene Rumpf
mit seiner Längenachse sich in der Fortsetzung der Führungs-
linie des Beckens befindet. Die unausbleibliche Folge hiervon
ist, dass die hintenstehende Schulter nach dem Mittelileische
hiD tiefertretefi rouss. Liegen die beiden Arme des Kindes
auf der Brust, was bekanntlich die vortheilhafteste Lagerung
zor Lösung der Arme bei Geburten mit nachfolgendem Kopfe
ist, und ist die hintengelegene Schulter in die Beckenliöhle
harabgelangt, so tritt dieselbe mit dem ihr zugehörigen Arme
unter der Anwendung des beschiiebenen Handgi'iifs, wie wir
in der zweiten Geburtsgescbichte gesehen haben, zu Tage,
ohne dass man nöthig hat, den Arm mit den Fingern aus
den Geschlech istheilen herauszufuhren.
£s lag mir nach diesem Erfolge der Gedanke nahe , durch
Senken und Ziehen des kindlichen Körpers nach hinten und
abwärts auch die vom hinter der Symphyse stehende Schulter
mit dem zugehörigen Arme, wenn dieser der Brust anliegt, zu
Tage zu fordern. An dem Phantome habe ich dies wiederholt
ausgeführt, niuss aber von der Ausführung dieses Verfahrens
in der Praxis darum dringend abrathen, weil bei dem Senken
und Ziehen des kindlichen Körpers nach hinten und abwärts
die Gefahr, einen Dammriss zu erzeugen, zu gross ist. Die
nach vorn stehende Schulter muss daher, will man auch zu
ihrem Austritte das neue Verfahren in Anwendung bringen,
ebenfaOs an dem Mittelfleische hervortreten. Es ist deshalb
nach der bekannten Methode der- Rumpf des Kindes, nachdem
man ihn vorher etwas aufwärts zu schieben versucht hat, so
um seine Längenachse zu bewegen, dass die hinter der Symphyse
gelegene Schalter nach hinten und der bereits geborene Arm
nach vom zu liegen kommL Ist diese Lagerung herbeigeföhi*t
worden, so findet die Wiederholung des Handgriffs statt. Ukt
gefassien Oberschenkel werden unter allraaUg verstärktem Zuge
wieder dem niätterlicben I^eib genähert, und die zweite Schulter
mit dem ihr zagehörigen Arme tritt an dem Mittelfleische zu
206 Xn. Emer, Zar Ldsnns der Arme
Tage. Wiederholte Versuche an dem Phantome, bei welchen
ich den beiden Armen der Kindesleidie die Lagerung auf der
Brost gab, und die als zweite oben mitgelheilte Geburts-
geschichte constatiren vollkommen die Thatsache, dass der
Austritt der beiden Schultern und der Arme aus den mütter-
lichen Geschlechtstheilen durch den beschriebenen HandgrilT
erzielt wird, ohne dass man die letzteren mit den Fingern
hervorzuleiten nöthig hat Ich will jedoch hierbei zu bemerken
nicht unterlassen, dass bei den Versuchen an dem Phantonne
zuweilen eine Hand beim Hervortreten der Schulter und des
Armes an einer Schamlippe hängenblieb und von derselben
entfernt werden musste.
Die weiteren Erfahrungen in Betreff des neuen Handgriffes
habe ich bis jetzt ausschliesslich an dem Phantome gemacht,
halte sie aber der Veröffentlichung werth, um durch die
Mittheilung der überaus gönstigen Resultate dem neuen
operativen Verfahren bei meinen Herren Collegen Eingang
zu verschaffen.
Wenn ich den Kopf der stark entwickelten Kindesleiche
mit seitwärts oder hinten und seitwärts befindlichem Gesichte
oberhalb des Beckeneinganges stehen und die beiden Arme
an den Seiten des Kopfes in die Höhe geschlagen liess, so
dass mein Zeige- und Mittelfinger das Eilenbogengelenk des
nach hinten gelegenen Armes nicht erreichen konnte, so
brachte das Emporheben der Oberschenkel unter gleichzeitigem,
allmälig verstärktem Anziehen derselben die hintengelegene
Schulter mit dem Arme so tief herab, dass das Eilenbogen-
gelenk zugängig, und die Lösung dieses Armes auf die
gewöhnliche Weise leicht ausgeführt wurde. Es wurde nun
der Körper des Kindes etwas aufwärts geschoben und dann
so um seine Längenachse gedreht, dass der hinter der Symphyse
liegende Arm nach hinten zu liegen kam, und der bereits
gelöste Arm nach vorn trat. Die Wiederholung des Hand-
griffes brachte dann den Ellenbogen des zweiten Armes so
tief herab, dass dieser ebenfalls mit Leichtigkeit Aber dem
Mittelfleische hervorgeführt werden konnte.
Wenn ich den Kopf mit dem Gesichte seitwärts nnd mit
den beiden an des ersteren Seitenflächen emporgescblagenen
Armen tief in das Becken eintreten Hess, und hierdurch d«^
bei Geborten mit siaohfo1g(ind«in Kopfe. 207
Erreieben des Ellenbogengelenkeg sowohl des hinten als des
Toni gelegeoen Armes sehr erschwert war, so brachte dei*
beschriebene Handgriff das hinten gelegene EiJenbogengelenk
S0 tief herab, dass der Arm leicht gelöst werden konnte.
Auch die Lösung des vorn gelegenen Armes wurde auf die
rorher erwähnte Weise vorgenommen. Hierbei will ich eus-
drücUich darauf aufmerksam machen, dass man, wenn man
anfingt, die gefassten Obersehenkel des Kindes aufwärts zu
führen, nicht zugleich stark anziehen darf. Thut man es
dennoch, so zieht man den Kopf gleichzeitig mit der hinten
stehenden Schulter herab, und die Schwierigkeit, das Ellen-
bogengelenk zu erreichen, ist nicht gehoben. Der Kopf soll
vielmehr in seiner Stellung bleiben, und nur die Schuller mit
dem Anne soll tiefer geführt werden. Es wird dies erzielt,
wenn der Zug an den erfassten Oberschenkeln anfangs gering
ist und erst dann verstärkt wird, wenn diese schon eine
Strecke weit aufwärts fortgeführt sind.
Man Uest in manchen Büchern, dass bei nach hinten
gerichtetem Gesichte des zuletzt kommenden Kopfes die rechte
Schalter Knks seitwärts und die linke Schulter rechts seitwärts
im Becken sich befindet. Es ist dies jedoch nach meinen
bisherigen Erfahrungen nicht der Fall, die genaue Unter-
suchung l<^irte mich vielmehr stets, dass die eine Schulter
inmier etwas nach hinten und die andere etwas nach vom
gerichtet war. Hat man die Diagnose gesteiU, dass die
rechte Schulter etwas nach hinten gewendet ist, so wird man
die Obersd^enkel bei der Vornahme des Handgriffes so fassen
und nach oben fähren, dass ihre Vorderfläche nach der rechten
Seite der Mutter sieht. Ist die linke SchuHer diejenige, welobe
hinten heräbgeMtet werden soll, so mass die VorderOäcbe
der aufwärts zu föbrenden Oberschenkd nach der hnken
Mtttterseite gerichtet sein.
Ist das ungünstige Ereigm'ss, dass bei der Vornahme
der Lüsong der Arme die Vorderfläche des Kindes nach vorn
gerichtet ist, nicht abzuwenden gewesen, so ist bekanntlich
dieser Act durch die angegebene Lagerung sehr erschwert.
Bne der Schultern wird immer etwas mehr nach hinten ge«
richtet sein, als die andere, und man hat daher sein Augen-
merk darauf zu richten, zunächst jene so weit wie möglich^
208 XII. Hmer, Zar Ldsang der Arme
berabtreten zu lassen, um die Lösung des betreffenden Armes
zu erleicbtern. Es ist mir dies an dem Phantome durch den
beschriebenen Handgriff so gelungen, dass der Arm der sehr
starken Kindesleiche mit der grössten Leichtigkeit über die
vom gelegene Brust herab bewegt werden konnte, mochte
derselbe vorher schon an der Brust, oder an dem Halse,
oder an der Seitenfläche des Kopfes gelegen haben. Die
Lösung des anderen Armes gelang, wenn ich denselben durch
Drehen des kindlichen Rumpfes nach hinten geführt hatte,
ebenfalls leicht unter Beihölfe des bekannten Handgriffes.
Ohne auf die von Levret, Oslander, Kutan, Hohl
und anderen zur Lösung der über den Nacken gekreuzten
Arme gegebenen Vorschriften, welche ich als bekannt voraus-
setze , näher einzugehen , will ich mich nur darauf beschränken
anzugeben, welche gunstige Wirkung unser Handgriff bei
dieser zuletzt genannten Lagerung der Anne an dem Phantome
hervorgebracht hat. Die nach hinten gelegene Schulter konnte
mittels desselben so tief gesenkt, und dadiu*ch der Ober- und
Unterarm eine solche Strecke lang an dem Nacken vorbei
bewegt werden, dass das Ellenbogengelenk für den die Lösung
ausfuhrenden Zeige- und Mittelfinger zugängig wurde, und
diese somit bewerkstelligt werden konnte. Der Erfolg war
derselbe, mochte ich den Arm der nach hinten gelegenen
Schulter zwischen den Nacken des Kindes und den anderen
Arm oder zwischen diesen und die Beckenwand gelegt haben.
Ich drehte nun den Rumpf des Kindes so um seine Längen-
achse, dass die bisher vorn gelegene Schulter nach hinten
zu liegen kam, wobei der betreffende Arm seine Lagerung
an dem Nacken des Kindes beibehielt Der nun in Anwendung
gezogene bekannte Handgriff hatte den günstigen Erfolg, dass
die Schulter an dem Mittelfleische, der Oberarm an der einen
Schamlippe sichtbar und der Unterarm mit der Hand unter
der Symphyse frei wurde. Wiederholte Versuche, bei denen
ich durchaus nicht viel Kraft während de^ Ziehens anwendete,
haben mich von dieser günstigen Wirkung und der leichten
Ausführbarkeit des beschriebenen Verfahrens hinlänglich
überzeugt.
Wenn es mir nun zu zeigen gelungen ist, dass bei der
verschiedenen Lagerung der Arme, mag dieselbe eine günstige
bei Geborten mit oachfolgendem Kopfe. 209
ungteslige sein, der beschi'iel)ene neue Handgriff deA
entschiedensten Vortheü zur Heransbefordeitmg der Arme
gewlhrt, so halte ich mich für berechtigt, den Vorschlag zu
BMdieD, den Handgriff stets in Anwendung zu bringen, wenn
es sich am den Act des Armlösens handelt Denn liegen
die Arme auf der Brust, so treten sie unter Anwendung des
Handgriffes zu Tage, ohne dass man sie zu berubren nötbig
bat Haben die Arme diese Lagerung nicht, so werden
wenigstens durch den Handgriff die Schultern und dadurch
auch die Ellenbogen so gesenkt, dass die Lösung der Arme
auf die gewohnliche Weise hierdurch sehr bedeutend erleichtert
wird. Einen Nachtheil bringt somit der richtig ausgeführte
Handgriff niemals, die Arme mögen jede beliebige Lage ein-
nehmen. Nur wenn der Handgriff in der Weise ungeschickt
ausgeführt wird, dass der Zug bei dem Aufwärtsfuhren der
Oberschenkel zu früh verstärkt wird, so kann der bereits
erwähnte Nachtheil entstehen, dass man den Kopf zugleich
mit der hintenstehenden Schuller herabzieht. Dies wird jedoch
Termieden, sobald der Zug erst dann verstärkt wird, wenn
man mit den gefassten Oberschenkeln wenigstens ein Vieribeil
fliner Kreisbewegung beschrieben Hat.
Zu Gunsten des neuen Handgriffes habe ich noch Folgendes
aKoffihren? Sehr häufig habe ich bei Erstgebärenden, welche
das Kind in Beckenendlage geboren, Dammrisse entst<^hen
aehen, trotzdem ich mit dem allergrössten Fleisse, ja sogar
mit Hölfe der Episiotomie auf die Erhaltung des Mittelßeisches
bedacht war. Der Dammriss kam niemals bei dem Durchtritte
des Steisses, sondern erst bei dem der Schultern zu Stande.
Derselbe wäre mit WahrseheinHchkeil gar nicht eingetreten,
bitte wenigstens keine grosse Ausdehnung erlangt, wenn der
Austritt der Schultern natürlich gewesen wäre. Wenn man
aber zur Lösung der Arme abwechselnd bald die eine bald
die andere halbe Hand neben dem Thorax des Kindes in die
Vagina einzuftthren und noch dazu mit der Hand ausgedehnte
Manipulationen anzustellen hat, so ist zur Entstehung eines
Dammrisses Grund genug vorhanden. In dem neuen Hand-
griff kann ich nun mit der vollkommensten Ueberzeugung ein
Mittel empfeMen, welches, wenn die Arme des Kindes an
MoiiatMebr. f. Oebaruk 1868. Bd.XXI., Ilft. S. 14
210 XIII. Heeker, Ucber einen Fall von acuter, g^elber
der Brust anliegen, die Manipulationen ganz unndihig inacbt
und diese sehr erleichtert und abkürzt, wenn die Arme eine
andere Lagerung hahen.
Möge sich der neue Handgriff in der Praxis tächtig be-
währen und mit Erfolg zur Erhaltung des Lebens vieler
Kinder in Anwendung gebracht werden!
XIII.
üeber einen Fall von acuter, gelber Leber atrophie
bei einer Schwangeren.
Von
C. Hecker.
Es bietet sich, selbst bei einem grossen Material, die
Gelegenheit, die genannte Krankheit zu beobachten, so flberaus
selten, dass es noch immer gerechtfertigt erscheint, den
einxekien bierhergehörigen Fall sorgfaltig zu beschreiben. Mii
dem Folgenden soll dies so weit wie möglich geschehen , doch
muss gleich bemerkt werden, dass er in der geburtshfilf lieben
Polikliuik vorkam, wo die Umstände, wie so oft, eine ganz
correcte und in's Detail gebende Erforschung des Krankheit«*
processes nicht gestatteten.
Am 7. August 1862 Morgens 1 Uhr wurde die HiUfe
der geburtshulflichen Poliklinik zu einer acbtundzwanagjäbrigen
Köchin requirirt, welche, allein in der Wohnung ihrer ab-
wesenden Herrschaft, am 5., etwa 36 Stunden vorher, . unter
lieftigen Erscheinungen erkrankt sein sollte. Erkundigimgen
ergaben, dass diese Symptome besonders in Diarrhoe, Kopfweli
und grossem Durst bestanden, und dass die herbeigerufeneii
Verwandten, von der Plötzlichkeit derselben überrascht, den
Verdacht ausgesprochen hätten, Patientin sei durch den an
Hittage des 5. erfolgten Genuss einer grossen Portion Sebwäaime
vergiftet worden; im Laufe des 6. hatte sich Erbrechen und
Leberatrophie bei einer Scbwangereo. 211
Sehoierzhaftigkeit des Unterleibes hinzugeselit, diese letztere
sei TOD der Kranken, die im sechsten Monate ihrer zweiten
Schwangerschaft sich befand, als beginnende Wehenthätigkeit
w^efasst worden und V.eranlassung gewesen, geburtshulflichen
Rith in Ansprach zu nehmen. Man brachte weiterhin noch
heraus, dass die Kranke in ihrer Kindheit gesund gewesen
sei, Yor zehn Jahren den Typhus und vor acht Jahren die
Cholera ohne weiteren Nachtheii durchgemacht habe; vor fünf
Jahren sei sie mit einem lebenden Kinde leicht und ohne
lonsthnlfe niedergekommen; im Verlaufe der jetzigen Schwanger-
schaft endlich habe sie nie über Unwohlsein geklagt.
Auf den ersten Blick bot die Patientin das Bild einer
acuten, schweren Erkrankung dar: am meisten fiel die enorme
Schmerzbaftigkeit der Oberbanchgegend bei der leisesten Be-
rührung auf bei vollständig fehlendem Meteorismus und
normalen Ergd)nissen der Percussion, in Bezug auf Leber
imd Magen; es zeigte sich auch sehr bald, dass dieses
Symptom nicht von einer abnormen Betheiiiguiig der Bauch-
decken an einem etwa vor sich gehenden Gebäracte herrühren
konnte, denn der mit seinem Grunde etwas über den Nabel
reichende, und wie es schien, mit einem normalen, dem Anfange
des siebenten Mondsmonates entsprechenden lebenden Kinde
erfüllte Uterus liess keine Znsammenziehungen wahrnehmen,
and bei der Inneren Untersuchung fand man wohl den äusseren
Nuttermund geöffnet, aber den inneren völlig geschlossen;
man hatte demnach eine Schwangere, aber keine Kreissende
vor sieb.* Neben den Schmerzen in der Regio epigastrica
klagte die Kranke auch über solche in der Lendengegend ; sie
zeigte sich daselbst auf tiefen Druck empfindlich ; der gelassene
Drin konnte nicht untersucht werdea Zur Zeit der ersten
Beobachtung waren Erbrechen und Durchfall verschwunden,
letzterer schon seit dem Morgen des 6. nicht mehr ein-
getreten; dagegen klagte Patientin über ganz ungewöhnlichen
Durst, hatte eine trockene Zunge, schmerzhaften Gesichts-
aaadruck, grosse Unruhe, heisse Haut und einen Puls von
circa 112 Schlägen; das Bewusstsein war ungetrübt. Eine
symptomatisehe Therapie führte keine Veränderung herbei,
im Gegentheil hatten die Krankheitserscheinungen 9 Uhr
Morgens, also nach acht Stunden, an Intensität bedeutend
212 XIII. Becker, lieber einen Fall von acuter, gelber
•
zugenommen, es war abundantes Erbrechen einer cfaocolade-
farhenen, mit einzelnen Speiseresten untermischten Flüssigkeit
erfolgt, die Physiognomie war noch ängstlicher geworden,
und die Scbmerzhaftigkeit des Unterleibes hatte sich über
grössere Abschnitte desselben verbreitet. Dazu bemerkte man
deutlich eine gelblichfahle Verfärbung der Haut, einen be-
ginnenden Icterus, der im Laufe des Tages immer deutlicher
hervortrat, sich aber auf die obere Körperhälfte beschränkte.
Hit der intensiven Verfärbung der Haut wurde auch das
Gehirn afficirt; die grosse Unruhe der Patientin ging über
in blande Delirien, der Verfall der Kräfte nahm noch nach
mehnnaliger Wiederholung des Erbrechens in rapider Pro-
gression zu, der Puls wurde unzählbar frequent und klein,
die Extremitäten kühl, Coma entwickelte sich und der Tod
trat den 8. Morgens 3 Uhr, also etwa 62 Stunden nach
dem Beginne der Krankheit ein; von einer kunstlichen Ent-
bindung in der Agone oder gleich nach dem Tode nahm
man Abstand, weil die Frucht als nicht lebensfähig betrachtet
werden musste.
Die Section wurde 28 Stunden nach dem Tode vor-
genommen. Bei Betrach tung der Leiche fiel noch mehr, als
im Leben, auf, wie die icterische Färbung hauptsächlich das
Gesicht und die obere Körperhälfte einnahm, während die
unteren Partieen ein schmutzig- weisses durch viele Todten-
flecke unterbrochenes Colorit zeigten. Von den Organen der
Brusthöhle fanden sich die Lungen ganz normal, nur auf dei*
Oberfläche stark pigmentirt, die Bronchien enthielten etwas
schaumige Flüssigkeit; im Gegensatze zu diesem Befunde
erschien das Herz ganz ungewöhnlich schlaff, von entschieden
gelbrother Farbe, an se in er Oberfläche, namentlich am Ursprünge
der grossen Gefasse mit vielen punktförmigen Ecchymoseo
besetzt und vollkommen blutleer; auch die grossen Gewisse
enthielten sehr weniges flüssiges Blut; das Endocardium war
icterisch gefärbt, der Klappenapparat normal. Bei mikro-
skopischer Untersuchung sah man die Muskelprimitiv-
bündel des Herzen s in vorgeschrittener fettiger
Degeneration; man konnte keine Spur von Querstreifung
mehr erkenneu , sondern beobachtete nur mit Fettmolecfilen
rTrilltp Röhren. Die Leber erscJiii'n nicht verkleinert, sondern
Leberatrophie bei einer Schwangeren. 213
ragtf in normaler Weise unter den falschen Rippen hervor,
war aber von intensiv ockergelber Farbe; herausgenommen
zeigte sie eine Weite von 27 Centinieter und ein Gewicht
Ton 1870 Grammes; ihr linker Lappen war 16 Centiroeter
lang und 4 Centimeter dick, der rechte maass in der Höhe
21 Centimeter, in der Dicke 8 Centimeter. Die Gallenblase
war zusammengefallen und enthielt eine geringe Quantität
einer braunen, dönnflössigen Galle. Der Ductus cysticus
und choledochus waren durchgängig. Auf dem Durchschnitte
erkannte man an dem Leberparenchym keine Läppchen-
zdchmmg, es quoll vielmehr ein gelblicher Brei hervor, welcher
anter dem Mikroskope sich wie Milch verhielt; das ganze
Gesichtsfeld war mit FettkOgelchen der verschiedensten Grösse
bedeckt, zwischen denen einzelne noch intacte, aber mit
Fettkörpereben vollgepfropfte, sich daher wie Colostrum-
körperchen verhaltende Leberzellen bemerkt wurden. Die
Milz war in ihrem Volumen durchaus nicht verändert,
soodem von normaler Grösse, ihre Kapsel glatt anliegend,
das Parench]iii von dunkelbraunrother Farbe und massig
weicher Gonsistenz. Die Nieren befanden sich im zweiten
Stadium der parenchymatösen Entzündung, das
Gewicht jeder einzelnen betrug 190' Grammes, die Rinden-
substanz zeigte sich gelblich entfärbt, aber von normaler
Breite, die Epithelien der gewundenen und geraden Harn-
canälchen ganz mit Fettmolecülen erfnUt. Der Uterus wurde
sammt Scheide und äusseren Geschlechtstheilen der Leiche
entnommen, um fär den Unterricht aufbewahrt zu werden;
ohne die genannten Anhänge aber mit seinem ganzen Inhalte
(Kind, Placenta, Fruchtwasser) wog er 3600 Grammes oder
7,2 Pfbnd Zollgewicht, seine Länge vom Grunde bis zum
äusseren Muttermunde betrug 28 Centimeter, seine Breite an
den Tubenmündonge» 22 Centimeter; an der Vorderfläche
vorsichtig aufgeschnitten zeigte er Wandungen von 1 Centi-
meter Dicke, nach deren Durchtrennung man in der ganzen
Schnittlinie nur Placentarparenchym wahrnahm, so dass dieses
Organ bei einer etwaigen Sectio caesarea umfänglich hätte
getroffen werden müssen. Das Kind, ober welches nichts
Näheres ausgesagt werden kann, weil es in seiner Lage, von
den Eihäuten überkleidet, gelassen wurde, befand sich in
214 XIII. Hecker t Ueber einen Fall von acnter, gelber
erster Sdieitellage in der GebärmutterboUe, der äussere und
inaere Muttermund waren etwa einen Zoll weit geöffnet,
durcb diese hindurch der Kopf, vor demselben die Frucht-
blase deuliich fühlbar. Das Corpus luteum fand sich im
rechten Eierstock, war schwefelgelb und hatte eine sehr ge-
zahnte, fettige Peripherie. Die Harnblase yoUkonunen leer.
Die Schleimhaut des Rectum, der Flexura sigmoidea, des
Colon descendens und transversum strichweise mit tbon-
farbigen Kothresten überzogen, vom Colon ascendens aber
über die Klappe hinaus bis in den mittleren Theil des
Dünndarmes fand sich ein weinhefe&rbiger, grauröthlicher,
schmieriger Inhalt, aus zersetztem Blute und Darmschleime
bestehend. Der übrige Theil des Tractus intestinalis, auch
der Magen vollkommen leer, im Umkreise der Cardia eine
kranzförmige Injection der venösen Gefasse. Die Schädelbohle
konnte nicht geöffnet werden. Das Blut war im Allgemeinen
dünnflüssig.
Wenn der mitgetheilte Fall auch, wie schon oben er-
wähnt, nicht zu den genau beobachteten zu zählen ist, wenn
während des Lebens keine Untersuchung des Urins statt-
gefunden hat, und nach dem Tode nicht nach Zersetzungs-
producten in der Leber,' nach der mikroskopischen Beschaffen-
heit des Blutes u. s. w. geforscht werden konnte, so will
ich die Gelegenheit doch nicht vorübergehen lassen, einige
Bemerkungen an denselben anzuknüpfen, weil das wirklich
Beobachtete dazu in der That Veranlassung giebt, und ich,
wenn man aus der Angabe von Spaeth^^) dass er unter
33,000 Schwangeren nur zwei Mal acute Leberatrophie ge-
sehen hat, einen Schluss ziehen darf, in ganz unbestimmter
Zukunft vielleicht wieder einen solchen zu studiren Gelegen-
heit haben könnte. Gerade die Geburtshelfer und Gynäkologen
erscheinen aber besonders verpflichtet, mit ihren Beobachtungen
nicht zurückzuhalten, denn nach den statistischen Nach-
weisungen von Frerichs^) sind sie noch eher, als Andere,
in der Lage, das nöthige Material in die Hände zu bekommen;
unter 31 Fällen der Krankheit kamen 9 auf Männer und
1) Wiener medicinische Wocheiuchiift, 1864.
3) Klinik der Leberkrankheiten, 1868, Bd. L, S. 243.
L«b«r»trophi0 bei ehier Schwangeren. 215
22 aitf Frauen, uild Von den 22 waren 11 , also ober ein Drktd
der ganzen Zahl, im Zustande der GravidiUit. Das Wichtigste
ist, dass durch den Sectionsbefund die Ansichten, welche
Bukt wiederholt, zuletst ausführlich in der ron uns gemein-
schafUich herausgegebenen Klinik der Geburtskunde, 8. 24ä ff.
über die acute Leberatrophie ausgesprochen hat, in vollem
Maasse bestätigt werden« Er hat dort nachdrücklich betont,
dass bei der mit diesem Namen belegten Krankheit die Yer-
inderungen der Leber stets nur Theilerscheinung einer mehr
oder weoiger intensiven Ernährungsstörung des Körpers ist,
wekhe noch andere zur Erhaltung des Lebens ebenso wichtige
Organe als die L^er, nämlich Herz und Nieren befällt, dass
dieselben nur in direr weitesten Entwickelung wirklich mit
dem Ausdrucke „gelbe Atrophie" bezeichnet werden können,
dass sie dagegen oft genug vorhanden sind, während die. Leber
weder gdb aussieht noch atrophisch ist Ueberdies ist es
B^hl gelungen , eine bislier räthselhafte Erkrankung der Neu-
geborenen , welche früher als tödtiicher Icterus oder unstillbare
Nabel* resp. Darmblutung beschrieben wurde und der er den
Namen „acute Fe ttdegeneratiouen der Neugeborenen'' ^) gegeben
bat, in die innigste Beziehung zu der acuten Leberatrophie
seiner Auflassung zu setzen, indem er von der ersteren sagt:
„Die Krankheit schliesst sich einer gleichartigen bei Er-
wachsenen an, bei welcher ebenfalls bald mehr die Myocarditis
mit der zugehörigen LungenafTection (Oedem und hämorrha-
gischen Infarcten), bald mehr der Morbus Brightü mit acutem
Anasarca und Albuminurie bald mehr der Icterus auf Grundlage
einer acuten Lebera^rophie mit der Affection des Darmcanals
und der Hutung in den Vordergrund tritt und zur Diagnose
erbeben wird/' Dass in diesen Anschauungen von BtM
Aber die acute Leberatrophie ein wesentlicher Fortschritt
begründet ist, wird Jeder gern zugeben, der mit der Literatur
des Gegenstandes vertraut ist; denn selbst die neuesten Forscher
auf diesem Gebiete, wie Bamberger ^) und Freriehs^*)
haben für die Pathogenese der Krankheit eine weit beschränktere
1) L. c. S. 296.
2) HaDdbnch der speciellen Patholog^ie nnd Therapie, redigirt
▼on VirehaWf Bd. VI., £rlangeii 1866.
8) L. c.
216 XIII. H^ektr, Ueber einen FhU von aenter, gelber
Perspective eröfläiet. Dem Ergleren gebfihrt das V^^nst,
den durchweg auf Hypothese beruhenden Ansichten früherer
Autoren gegenüber die Erkrankung der Leber ak einen sehr
rapid verlaufenden Entzündungsprocess, analog dem acuten
Morbus Brightii, bezeichnet zu haben, aber die gleichzeitige
Erkrankung von Herz und Nieren ist ihm völlig entgangen,
er spricht nur von einer secundären Veränderung der
BItttmischung , und leitet diese allein ab von der totalen Un*
möglichkeit der Ausscheidung der Gallenbestandtheile aus dem
Blute in Folge gänzlicher Zerstörung des secemirenden Organs.
Der Letztere erkannte die in den Nieren vor sich gehenden
Veränderungen, indem er die Drösenepithelien kömig infiitrirt
und meistens fettig zerfallen, das Gewebe selbst schlaff und
welk fand; nach ihm bleibt es dahingestellt, ob diese Störung
allgemein vorkomme; die eigenthümliche Veränderung des
Urins, das Verschwinden des Harnstoffs aus demselben und
seine Anhäufung im Blute, ferner die vorübergehend bemerkte
Albuminurie u. s. w. sind für ihn sichere Anzeichen für die
wesentliche Mitleidenschaft der Nieren. Aber hierbei ist er auch
stehen geblieben; an dem Gefasssysteme in seinem Central-
Organe und in den grösseren Stämmen hat er, abgesehen
von der icterischen Färbung der inneren Auskleidung und
der schlaffen, welken Beschaffenheit der Herzmuskel nichts
Abnormes gefunden. Ueberhaupt ist von Niemandem vor
Buhl eine Beiheiligung des Herzens an dem Krankheit«-
processe irgendwie hervorgehoben worden, denn Lebert sagt
in seinem die Literatur statistisch zusammenfassenden Aufsatze
über Icterus typhoides^) wörtlich: „Die wenigen Fälle ab-
gerechnet, in welchen eine Gomplieation mit Herzkrankheiten
bestand, bot dieses Organ durchaus niclils Auffallendes dar.""
In meinem Falle hat die Obduction das vollständige Bild
der aculen Fettdegeneraüon ergeben, und dürfte dieser Befund
um so bemerkenswerther erscheinen, als sich hierdurch die
Buhtsche Ansicht auch bei einer acuten Leberatrophie einer
Schwangeren, die so selten zur Beobachtimg kommt,
bewahrheitet hat. Herz, Leber und Nieren waren einer
gleichzeitigen parenchymatösen Entzündung verfallen, die auch
1) Virehow'» Archiv fdr pathologische Anatomie, Bd. VII., S. 376.
Leb»r«trophie bei einer Sehwangperen. 217
kl den drei Organen zu gleicher H^he der Entwickeluog
gedidien zu sein schien, und im Leben durch bestimmte
Symptome sich iiennüich gemacht haben niuss; wenn von
diesen nor das der Herzerkranlmng angebörige, nImHeh die
Hstungeo, und das die LeberaCfection begleitende, der Icterus,
beobaefatet worden sind, so bin ich äberzeugt, dass, wenn
maa eine Untersuchung des Urins vorgenommen hätte, bei
dieser ein starker Eiweissgehalt desselben gefunden und da-
darch die Veränderung in den Nieren documentirt worden
Ueber Schmerzen in der Lendengegend hatte Patientin,
aus der Krankengeschichte erhdlt, ausdrücklich geklagt.
Diese gleichzeitige und gleichroässige Erkrankung von
Ben, Leber und Nieren führt mit Nothwendigkeit zu dem
SeUnsse, dass hier eine gemeinsame Ursache gewirkt haben
; es ist unm^lich noch zu sagen, die Krankheit sei
acute parencbyroat()se Entzündung der Leber und der
ganze Symptomencomplex einfach die Folge der Zerstörung
dieses Organs, sondern es muss ^ne primäre Erkrankung
des Notes snpponirt werden, welche die Ernährungsstörung
in den genannten Körpertbeilen zu gleicher Zeit setzt und
den ganzen Process einleitet; dass später die Aufhebung der
Leberfanction eine sehr wichtige Rolle spielt, wird deshalb
keineswegs zu läiignen sein, aber ebenso wie die nicht mehr
erfolgende Abscheidung der Gallenbestandtbeile aus dem Blute
Riase dann die Zurückhaltung der Nierensecrete und die
durch die fettige Entartung des Herzmuskels hervorgebrachte
Absehwächung der Circulation zur Erklärung der Erscheinungen
in die Wagschale geworfen werden. Eine solche primäre
Zersetzung des Blutes lässt sich natürlich nicht direct nach-
weisen, und bleibt deshalb die Annahme einer solchen eine
Hypothese, aber wenn man auf der einen Seite ihre Be-
rechtigung nach dem Gesagten, wie mir scheint, nicht in
Abrede stellen kann, so will ich auf der anderen doch an
eine Tbatsacbe erinnern, die ihr als Stütze dienen könnte.
Bei der acuten Fettdegeneration oder dem schweren Icterus
d«r Neugeborenen, von welcher Erkrankung ich mehrere
exquisite FftDe erlebt habe, pflegt das hervorstechendste
Sjmptom eine Blutung, meistentheils -aus dem noch mit dem
Nabelsdmorreste bedeckten oder kurz vorher von demselben
218 Xlll. Hacker y lieber einen Fall von acntor, gelber
befreilea Nabel, seltener aus deu) Darmcanale zu sein; diete
BUtttUDg hat von vornherein den Charakter der UnstiUbarkeii,
und das Blut, dessen Ausfliessen man auf keine Weise
hemmen kann, ist von eigenthämlich wässeriger, krankhafter
Beschaflenheit; später erst entwickelt sich die Gelbsucht, mit
in der Regel bald darauf folgendem lethalem Ausgange; auf
diese Weise war ich mehrere Haie im Stande, bei dieser
Krankheit eine primäre , nicht von der Leberaffection abhängig
zu machende filutdissolution lu constatiren.
Was nun die Entstehung der primären Bluterkrankuiig
bei acuter Leberatrophie betrilil, so fehlt es fär die Erklärung
derselben allerdings noch sehr an Anhaltspunkten; indessen
hat aud) hier BuM wesentlich durch den Nachweis genötzi,
dass bei verschiedenen Infecüonskrankheiten , namenliieh
Typhus und Puerperalfieber ganz ähnliche, nur meist weniger
ausgeprägte Befunde an Leber, Herz und Nieren zu erheben
sind, als bei der typischen Form der Krankheit; vielleicht
möchte sich an diese auch noch das gelbe Fieber an-
reihen lassen, denn dieses hat nach aller fieschreihimg die
entschiedenste Aehnüchkeit mit Leberatrophie. Für die ex-
quisiten, selbslständigen Formen derselben ist aber bisher
niemals eine Infection nachgewiesen worden, und auch in
unserem Falle ist davon nirgends eine Spur zu entdecken:
Die Kranke befand sich in durchaus günstigen hygieinischea
Verhältnissen; Niemand von ihrer Umgebung ist gleicbxeiUg
mit ihr erkrankt, und auf die Schädlichkeit, welche als
aetioiogisches Moment angeklagt wui^e, nämlich auf den
GeuMss von Schwämmen ist gewiss gar kein Gewicht zu legen.
Die Annahme einer Infection bei der gleichartigen Erkrankung
der Neugeborenen ist gleichfalls problematisch, namentlich
st von der Einwirkung eines puerperalen Miasma gewiss
dabei nicht die Rede, denn die Fälle meiner Erfahrung er-
eigneten sich nicht in de€ Gebäranstalt, sondern in der Stadt,
und die puerperale Infection der Neugeborenen giebt ein
specifisch verschiedenes Krankheitsbild. Wenn wir also die
Leberatrophie mit einer Infection von Aussen nicht in aetio*
logischen Zusammenhang bringen können, so bleiben wir vor
der immerhin auffallenden Thatsacfae stehen, dass sie relativ
am häufigsten bei Schwangeren und neugeborenen Kindern
Leberatropfaie bei einer Schwange ren. 219
vorfcomint. In diesen Lebenfiepoebeii ist aber ohne Zweifel
Hue krankhafte Veränderung der Blutmiscbung von innen
keiaus eher möglich, als zu irgend einer anderen Zeil; in
der Gravidität macht <Ue lange dauernde Abgabe von BUdungs-
material an die Frucht das Blut ärmer an festen Bestand*
Ikeiien; auch ist dasselbe noch nach anderen Richtungen
verändert, bei Neugeborenen wird mit dem Eintritte der
Respiration, den Veränderungen in dem Kreisläufe und der
JEntwiGklang der Hautthätigkeit, endlich mit der Nabrungs-
zufuhr von Aussen &ne Revolution erzeugt, die ofl zu leichteren
Kraukheiteerscheinungen, wie sie sich in der iclerischen Fär-
bung der Haut, in dem Auftreten von Harnsäureinfarct in den
Nieren documentiren, Veranlassung gegeben. Es scheint mir
nun eine keineswegs gewagte Anschauung zu sein, wenn man
!»ich Torstellt, dass unter, uns freilich völlig unbekannten,
jedenfalls sehr selten eintretenden Umständen in beiden Zeit-
epochen die schon vorhandene Veränderung der Blutmasse
plötzlich in eine acute Zersetzung umschlägt , als deren Folge
wir dann die Ernährungsstörung, die uns beschäftigt, aufzu*-
fassen haben. Jedenfalls aber, selbst wenn die letztere Hypothese
sich keine Geltung verschaffen sollte, haben wir durch die
Lehre von Buhl, und durch die Illustration, welche der
vorgetragene Fall zu derselben giebt, so viel gewonnen, dass
die acute gelbe Leberatrophie der Schwangeren aus ihrer
bisherigen unverständlichen Isolirtheit herausgerissen und einem
Kranheitsprocesse einverleibt worden ist, der in vielfachen
Variationen, aber immer unter dem Bilde einer acuten Er-
nährungsstörung durch Fettdegeneration ein grosses Gebiet
des Krankseins belierrscbt.
Aus dem Obductionsbefunde will ich noch hervorheben,
dass keine Veränderungen an der Milz aufgefunden werden
konnten. Dies ist jedenfalls eine grosse Ausnahme von der
Regel, denn bei Frerichs^) finden wir die Angabe, dass
unter 23 Fällen, wo dieses Organ genauer berücksichtigt
wurde, dasselbe 19 Mal vergrössert, drei Mal normal und
ein Mal klein erschien ; ob die Anschwellung in Folge starker
Blutung in das Darmrohr nicht zu Stande gekommen war.
1) L. e. 8. 234.
220 ^I^* Segar, EzstirpatioD eines 2*/^ Pfand schweren,
ging aus dem Leichenbefunde nicht hervor, es wäre indessen
möglieb, dass durch die profusen und nicht controlirten
Diarrhöen im Beginne der Erkrankung viel blutiger Darm*
inhalt entfernt worden war. Dass die gelbe Färbung der
Haut nur an der oberen Körperhälfte zum Vorschein kam,
stimmt dagegen mit den Beobachtungen des eben citirten
Schriftstellers Qberein;^) auch ist nicht uninteressant, dass
an der Leiche der innere Muttermund zollweit eröffnet ge-
funden wurde, während er im Anfange der Krankheit ge-
schlossen war; diese Veränderung deutete darauf hin, dass
eine gewisse zur Gebm*t vorbereitende Thäligkeit des Uterus
während des Lebens eingetreten sein musste.
XIV.
Exstirpation eines zweiundeinhalb Pfand schweren,
intrauterinen , festverwachsenen üteruspolypen.
AUongement durch den Spiralschnitt.
Von
Dr. Alfred Hegar in Darmstadt.
Im Deceuiber-Hefl. 1862 der Monatsschrift befindet sich
ein Aufsatz von Professor Simon in Rostock, betreffend
die operative Verlängerung fibröser Gebärmutterpolypen. In
der Schlussanuierkung ist eine Notiz ^) öbei* eine derartige
Operation beigefOgt, welche ich im Fröhjahre 1862 voll-
zogen habe. Da mein Verfahren hierbei, zu welchem ich
allein durch die Schwierigkeiten bei Vornahme der Polypen-
•xstirpation geführt wurde, von dem iStmon'scben abweicht,
mir auch der Erklärungsversuch Simonis kein genügender
scheint, so theiie ich hier kurz die Krankengeschichte nebst
1) L. c. 8. 224.
2} Irrthümlioher weise ist der Polyp als ein extraateriner
beseichnet.
intrauterinen, festrerwachsenen Uteraspoljpen etc. 221
eiliigen Bemerkungen mit Der Fall wird auch in anderer
Beiiehung manches Interesse bieten.
Mein CoUege, Herr Dr. Orth dahier, ersuchte mich,
mit ihm gemeinsam eine 44jährige Frau zu untersuchen,
welche, froher stets gesund, seit 2 — 3 Monaten an profusen
Blutungen litt. Bei der PaJpation des Abdomens fanden wir
eine etwa 6 Zoll breite, feste Geschwulst, welche sich von
der Symphyse bis zum Nabel erhob. Der Finger stiess im
oberen Theil der Scheide auf einen Tumor. Obgleich man
das vordere Scheidengewölbe vollständig un^ehen konnte,
war es nicht möglich, eine vordere Muttermundslippe zu ent-
decken;, die Wand des vorderen Scheidengewölbes schien
unmittelbar in die Geschwulst überzugehen. Führte man den
Finger über diese nach hinten, so gelangte man, 1 Zoll
oberhalb der Spitze des Tumors auf den scharfkantigen Saum
der hinteren Muttermundslippe, welcher Saum sich seitlich
nach unten und vorn zog, um endlich vorn vollständig mit
dem Tumor zu verschmelzen. Eine Sonde, an der hinteren
Flache eingeführt, stiess etwa 1 Zoll oberhalb des Mutter-
raundes auf eine resistente Stelle.
Die verschiedensten äusseren und inneren blutstillenden
Mittel waren ohne allen Erfolg gebraucht worden. Die Frau
war sehr herabgekommen. Wir beschlossen daher, noch
einmal in der Chloroformnarkose zu untersuchen und, bei
nur einigermaasseh günstigen Chancen, die Operation vorzu-
nehmen. In Gegenwart von Dr. Orth, Dr. Tenner und
Dr. Fuchs führte ich zuerst das Speculum ein. Auch hier-
mit gelang es nicht, eine Abgrenzung des Tumors von dem
vorderen Scheidengewölbe, es gelang nicht auch nur eine
Spur der vorderen Muttermundslippe zu entdecken. Alsdann
legte ich mit Nadelhalter und Nadel einige starke Faden-
bäodcfaeD durch das untere Segment der Geschwulst. Ich that
dies, tun mir nicht durch die Anwendung der Muzeiix'scheu
Zangen den Platz unnötbigerweise zu versperren. Mit der
rechten Hand zog ich alsdann die Fadenbändchen stark an,
mit der linken ging ich in die Scheide und über die
hitttere Flache der Geschwulst in den Uterus ein. Wie bei
der SoiidiroDg stiess ich, 1 Zoll oberhalb des Muttermundes
auf die Stelle, an welcher der Tumor fest mit der Gebär*
222 XIV. HegoTf Exstirpatfon eines 2*/» Pfand schweren,
motterwand zusammenhing. Seitlich schien jener noch weiter
nach unten in fester Verbindung mit' dem Uterus zu stehen.
In der Meinung, ein grosses Fibroid vor mir zu haben, welches
mit enorm breiter Basis vom Grunde und von der vorderen
Wand des Corpus und Cervix entspringe, wollte ich schon
die Operation ganz aufgeben, als ich bemerkte, dass die
seitliche Adhärenz keine sehr feste war. Es gelang mir mit
der Hand diese Adhäsionen etwa in ähnlicher Weise zu
trennen, wie man eine festhaltende Placenta loslöst. Immer
Weiler von der Seite nach vorn fortschreitend, konnte ich
endlich das ganze untere Segment des Polypen freilegen. Zu-
letzt hob sich auch die vordere Muttermundslippe, als ausser-
ordentlid) feiner Saum von diesem ab.
Nach diesem ersten Act stellte sich die Sache in folgender
Weise dar. Der Tumor war etwas tiefer in die Scheide
herabgezerrt worden, so dass etwa V4 Zoll unterhalb des
Muttermundes lagen. Ein Zoll von diesem nach oben, be-
gannen feste Adhärenzen in der ganzen Circumferenz des
Polypen, welche allein mit der Hand nicht mehr zu trennen
waren. Ich löste dieselben mit der Scheere , so weit ich
konnte. Dies hatte jedoch bald ein Ende, da die Hand und
das Instrument zwischen den straff anliegenden Wänden des
Uterus und der Geschwulst nicht weiter nach oben geführt
werden konnten. Ich richtete daher die Spitze der Scheere
gerade auf die Geschwulst und schnitt erst von vorn, dann
seitlich, dann von hinten tief in dieselbe ein. Sehr bald
folgte nun der vorher äusserst unnachgiebige Polyp dem Zuge
mehr und zugleich wurde der Raum für Instrument und Hand
freier. Dies benutzend drang ich weiter nach oben vor, in-
dem ich stets kreisförmig die Adhärenzen trennte und dabei,
sowie mich der Tumor irgend hinderte, tief in denselben
einschnitt. Zuletzt hatte sich der Polyp wurstformig aus-
gezogen und so verlängert, dass sem freies Ende vor dem
Scheideneingange lag und hier mit der Hand gefasst und an-
gezogen werden konnte. Als ich den Uterus, wenn auch
noch ausgedehnt, etwa vier Querfinger hoch oberhalb der
Schoossfuge fübke, schnitt ich den Polypen, in der Meinung
den Stiel vor mir zu haben, durch. Ich schrieb die noch
bestehende Vergrösserung des Uterus einer gleichzeitigen
iatmoterineii, festrerwAchsenen UterospolypAii ete. 22S
Hypertrophie und dem zoräckbleibeDden Stielreste zu, wichen
ich der Verschriimpfung überlassen zu können glaubte. Die
entfernte Masse wog IV2 Pfund. Sie stellte eine 12 — 14 Zoll
lange, etwa 1 — IV2 Zoll breite und dicke cylindriscbe Masse
dar. Legte man sie zusammen, so dass sie etwa die ur-
sprdngücbe Form wieder annahm, so erhielt man einen, in
den Dimensionen seiner Länge» Breite und Dicke fast gleichen
Körper, in dessen Umfang ein tiefer, fast regelmässiger Spiral-
sdmitt gelegt war, dessen Windungen eng zusammen lagen.
Der Blnlveriust war ein sehr unbedeutender.
Die Kranke wurde am nächsten Tage ron heftigem Fieber
befeUen. Der Unterleib trieb sich auf. Es entstanden sehr
heftige Schmerzen, welche zeitweise einen wehenähnlichen
Charakter annahmen und mit Dysurie, Blasenkrämpfen ver^
bmideii waren. Auch stellte sich ein profuser, dbelriechender
Ausflnss ein. Unter abwechselnder Besserung und Yer-
sddimmoruDg dauerte dieser Zustand 8 Tage, als idi bei
Patpation des Abdomens bemerkte, dass der Uterus viel weniger
boA stand, als nach der Operation. Bei der sogleich vor*
genommenen inneren Unter»uch«ng fand ich, dass der Rest
des Polypen tberiweise durch den kJatfenden Muttermund in
dra Seheide getreten war. Es war eine zweite Operation
nöthig, durch welche jener Rest-, welcher noch sehr nm-
fingliehe Adhärenzen mit dem Grunde der Gebärmutter und
einen 2 Zoll dicken Stiel besass, auf dieselbe, oben be-
sefariebene Weise entfernt wurde. Dieser Rest wog 30 Lotfa.
Hierauf erfolgte rasche Genesung.
Drei Umstände waren im voriiegenden Falle vorhanden,
weldie die Operation so schwierig machten: 1) die ausser-
ordentliche Grösse des Polypen, 2) der intrauterine Sitz,
8) die feste Adhärenz an der Gebärmutterwand.
Diese Verhältnisse machten es vollständig unmöglich,
anf die gewöhnliche Art mit einem schneidenden Instrumente
oder einer Schhnge bis zum Stiele oder bis in die Nähe des^
selben voraudringen. Um ku diesem Ziel zu gelangen, war
eine Verkleinerung des Umfanges des Polypen durchaus noth-
wendig. Einfache Querschnitte, auch an verschiedenen SteHen
der Peripherie angelegt, hätten wenig genützt Um sie in
den dickeren Theil des Tumors legen ara können, hätte man
224 ^IV. Eegar, Bxttirpation «ine« 2'/, Pfand schweren etc.
nothwendig die Adhärenzen vorUofig trennen mllsHen. Dien
wäre bei der Höbe, in welcher jene Partie des Polypen
stand, kaum möglich gewesen. — Dagegen fahrte- ein spiral-
förmig in die Geschwulst gelegter Schnitt, mit welchem zu-
gleich die Verwachsungen getrennt wurden, verbältnissmässig
leicht zum Ziele. Auch ist ein grosser Vortheil mit diesen
Einschnitten verbunden, welcher mir sehr der Berücksichtigung
werth erscheint. Dies ist die Möglichkeit, eine zu grosse
Gewaltanwendung bei dem Herabzielien der Geschwulst ver-
meiden zu können. Die Verlängerung und entsprechende
Abnahme des Polypenumfanges durch den Spiralschnitt ist
so bedeutend, dass man sehr tief in die Uterinhöhle ein-
dringen kann. Wenn ich mich nicht in der Diagnose bezüglich
des Stieles getauscht und wenn ich eine etwas längere Scbeere
bei mir gehabt hätte, so wurde ich die Operation in einer
Sitzung abgemacht haben. Uebrigens war die Geschwulst so
ausserordentlich gross und die Verhältnisse so complicirt, wie
sie wohl selten vorkommen. Wenigstens erinnere ich mich
keines Falles in der Literatur, bei dem ein 2V2 Pfund schwerer,
intrauteriner, fest verwachsener Polyp exstirpirt wurde.
Die Erklärung, welche Simon von der Wffkung der
Einschnitte giebt, scheint mir keine genügende zu sein Die
Spaltung der Schleimhautkapsel des Polypen , verbunden mit
dem lockeren Zusammenhange der Faserbundel, sollen das
Allongement ermöglichen. Allein diese Kapsel ist bei einer
grossen Zahl von Polypen durchaus keine feste. Sie ist im
Gegentheil oft sehr dünn, leicht zerreissbar, nachgiebig und
hat sich gerade bei den umfangreichsten Geschwülsten meist
schon über das untere Segment derselben zurückgezogen.
Allein auch abgesehen davon, kann man jede gleichmassig
feste, harte, durchaus unnachgiebige Masse zum Allongement
bringen« Dies geschieht dadurch und hierauf sclieint mir
Simon nicht den gehörigen Werth zu legen, dass man die
Einschnitte bis in die Mitte der Geschwulst und selbst etwas
über diese hinaus einlegt. Das bekannte «Kinderspielzeug der
Schlange, welche sich aufrollen lässt, liefert hierfür die beste
Anschauung. Eine solche Schlange besteht aus einer festen
Masse, in deren Peripherie ein eng zusammenstehender Spiral-
schnitt geführt ist, wekber bis zur Mittelaxe dringt. Es lässt
r
XY. Kßkrer^ UeberwAnderong clea Eies hei einem Schafe. 225
sich so der uDoacbgiebige Körper bis auf 40 — 60 fache Länge
dcbneo. — Das Wesentliche ist daher die Einschneidung bis
m Mittelaxe und die Trennung dieser seihst. Geschieht
dies nicht, so bleibt in der Mitte ein fester Gewehscylinder,
welcher der Ausdehnung hartnäckig widersteht. Nach ver-
schiedenen Versuchen, welclie ich mit festen Fleischniassen,
festen Gummistöcken anstellte, fand ich, dass man durch den
Spiralschnitt, welcher bis in die Mitte eindringt, auch ohne
alle Anwendung von Gewalt, sehr leicht eine Verlängerung
ttm das 20 — 30 fache erzielen kann, womit natürlich eine
entsprechende Abnahme des Dickenduixbmessers verbunden
ist. Der Spiralschnitt kann in seinen Windungen dicht neben-
einander gelegt werden, ohne dass man eine Trennung des
ZusaRimenhanges zu furchten hätte.
Möge liiermit dieses Verfahren der weiteren Prüfung durdi
Fachgenossen empfohlen sein. Vielleicht lässt es sich aucli
an anderen , schwer zugänglichen Körperstelleo mit Vortheil
verwenden. Bei der Exstirpation von Uterustumoren ist es
nicht allein dadurch von Nutzen, dass man Geschwülste weg-
zunehmen vermag, welche vorher nicht zu operiren waren,
sondern auch durch die Möglichkeit, eine zu starke Gewalt
bei dem Hervorziehen des Tumors vermeiden zu können.
XV.
Ueberwanderung des Eies bei einem Schafe.
Von
Dr. F. A« Rehrer jun. in Giessen.
Kuasmaul hat in einem Aufsatze der Monatsschrift für
Geburtskunde, Bd. 20, S. 295, die Frage der Ueberwanderung
von Eiern einer erneuten Untersuchung unterworfen. Seine Be-
merkung, dass Transmigration bis jetzt bloss beim Menschen,
Hunde, Reh und Meerschweinchen beobachtet worden,
giebt mir Veranlassung nachstehenden Fall mitzutheilen , den
ich jüngst bei einem Schafe beobachtete.
Moiu^tA^elir. f. Ctobaitsk. 1863. Bd. XXL, Hft. 3. t^
226 ^^- f^^r^t Ueberwandernng des Eies bei einem Schafe.
Der betreffende Uterus stammte von einem dreijährigen,
l^eiläufig zwei Monate trächtigen Schafe und war schon stark
vergrössert. Was aber schon auf den ersten Blick aufliel und
nach blosser Inspection zur Diagnose: Zwillinge berechtigte,
war die vollkommen symmetrische Hypertrophie beider Hälften,
welche bekanntlich bei einfacher Gravidität dieser Thiere nur
im allerersten Graviditatsstadium besteht und schon frähzeitig
einer sehr asymmetrischen Entwicklung Platz macht
Das linke Ovarium, 20 Millimeter lang, 10 Millimeter
hoch, 7 Millimeter breit und 14 Gran schwer enthielt drei
kaum mohnkorngrosse gelbe Körper.
Im rechten Ovarium, 20 Millimeter lang^ 13 Millimeter
hoch, 8 Millimeter breit und 26 Gran schwer, fänden sidi ausser
einem obsoleten gelben Fleck zwei Corpora lutea graviditatis.
Beide ragten stark aus dem Ovarium hervor, waren halb-
kugelig, mit einwärts gerichteter glatter Seite, je 7 Gran schwer,
9 und 10 Millimeter hoch, 8 Millimeter breit. An ihren
freien Flächen fanden' sich die bei den Wiederkäuern gewöhn-
lichen nabelartigen Hervorragungen, deren Ueberzug dünner
und durchscheinender erschien und am Rande der Hflgel mit
dem circulären Rande der Thec^ folliculi sehr innig verwachsen
war. Jeder geibe Körper in seine besondere Bindegew^s*
kapsei eingebalgt; das Parenchym weich lappig und von
zahlreichen feinen Bindegewebszfigen durchsetzt, die stern-
förmige Figuren bildeten. Die Farbe röthlich mit einem
Stich ins Braungeibe. Das subperitonäalc Gefassnetz massig
entwickelt, im Parenchym spärliche CapUlaren. Eine Central-
höhle fehlte.
Der eine gelbe Körper sass auf der Mitte der oberen
freien Kante des Ovarium und war der hintere Fimbrienzipfel
dem Rande seines Nabels und dem angrenzenden Peritonäal-
Überzuge bis zum äusseren Ende des Ovarium angeheftet.
Der zweite gelbe Körper sass viel tiefer an der hinteren
Fläche des Ovarium , stand mit den Fimbrien weiter nicht
in Berührung, es war vielmehr der Rand seines Nabels si^en
Millimeter von dem nächsten Fimbrienrande entAsmt
Der Franzentrichter wie die Tube beiderseits offen und
vollkommen durchgängig. Nirgends Pseudomembranen an dem
Peritonaalüberzuge der Genitalien.
. Kehret, Ueberwanderung des Eies bei einem Schafe. 227
Bei Eröffnung des Uterus fand sich ein scheinbar ein-
fofber Chorionsack, der beide Hörner und das Corpus uteri
ansfüllte und ziemlich fest den mütterlichen Cotyledonen an-
hing. Bei genauerer Untersuchung zeigte sich an einer
mittleren, im Uteruskörper liegenden und in grösserer Aus-
dehnung verengten Stelle des Chorionsackes ein schmaler
geßissloser Gürtel, über welchen die Chorionfläche glatt
wegging. Die Seitenränder des Gürtels wurden von den
capOlär^n Endschlingen der beiderseitigen Nabelgefässe be-
grenzt. Anastomosen zwischen den beiden Nabelgefäss-
systemen fehlten.
Die in den Spitzen der Uterushörner liegenden beiden
Enden des Eisackes mit 10 und 14 Centimeter langen colla-
hirten, noch offenen Allantoisdivertikeln besetzt.
Unter dem erwähnten geßsslosen medianen Gürtel lagen
die inneren blinden Enden der beiden AUantoiden, locker
durch Bindegewebe zusammengeheftet, auf eine kurze Strecke
sich einander deckend; das eine dieser Enden trug einen
kurzen gelben, geschruropflen Divertikel, der in die Chorion-
höfale hineinragte.
In dem Parallelstocke eines jeden Bornes und in den
ektatischen Uteruskörper hineinragend fand sich jederseits
ein Amnion. Die Nabelstränge inserirten an den gewöhnlichen
SteDen (Mitte des Mesomelrialrandes des Parallelstückes der
Homer) und zwar ganz symmetrisch.
Die im rechten Amnion enlhaltene Frucht 125 Granmi
schwer, 140 Hilh'meter lang, in Steisslage; die des linken
Amnion 120 Gramm schwer, 130 Millimeter lang, in Kopf-
lage. Beide Früchte weiblich.
Nach diesem Befunde handelt es sich also um die Ueber-
wanderung eines Eies der rechten in die linke Seite, und
zwar vermuthiich von einem intrauterinen Vorgange.
Es bestätigt dieser Fall aufs Neue KusamauCs These,
dass zum Zustandekommen einer wenigstens intrauterinen
Ueberwanderung die Verbindung der beiden Ostien der Homer
durch ein unpaares Mittelstück (Corpus uteri) gehöre. Und
in der That, wenn man die Enge des Cervicalcanals und die,
ich möchte sagen, vollkommene Auspfropfung desselben mii
dem zähen fest an den Wänden klebenden Cervicalschleinie
16 •
228 ^^- ^tihrer, Ueberwandernng des Eies bei einem Schüfe.
betrachtet, wird man begreifen, wie ein Ovulum eher in die
entgegengesetzte Uterushälfte übergeht als durch diese Schleim-
massen hindurch in die Vagina.
Ausser dieser anatomischen Disposition scheint aber zum
Zustandekommen der Ueberwandernng eine gewisse Energie
der Uteruscontractionen zu gehören. Denn ich habe wieder-
holt Zwillinge gerade beim Schafe in Einem Hörne und
zwei Corpora hitea graviditatis im homonymen Ovarium ge-
funden und für pluripare Säuger ist ja das bekannt. Es sei
mir gestattet eine Vermuthung über die Genese auszusprechen,
die sich an den mitgetheillen Befund direct anschliesst.
Die Lage der beiden Corpora lutea gegenüber den Fim-
brien war derart, dass man ein gewisses Recht hat, anzu-
nehmen, das Ovulum, welches unmittelbar am Fimbrienrande
austrat, sei früher in den Franzentrichter eingetreten, als das
andere tiefer liegende, vom Trichter weiter entfernte, voraus-
gesetzt, dass, was Bischoff u. A. annehmen, die Follikel
eines Ovarium ziemlicli gleichzeitig bersten. Wenn nun jenes
wohl früher und zuerst in die Tube gelangte, so mochte es
während seines Durchganges durch den Tubencanal vor dem
letzteren einen Vorsprung behalten. Denn wenn man mit
Kussmaul das Ei die Innenfläche der Tuben reizen uod
reflectorische Bewegungen der Tuben auslösen lässt, die es
in den Uterus fortschieben, so müssen diese Contractionen
alsbald erwachen, wenn das Ovulum mit dem Tubenschleime
hart in Contact gekommen und mindestens so lange energisch
wirken als ein Ovulum noch in dem engen Tubencanal sich
befmdeL War nun das erste Ei schon in einem Home, das
andere noch in der Tube, so musste das letztere noch Con-
tractionen erregen , die gewiss von den Tuben auf den Uterus
übergehen. Dieselben Contractionen, diev das letzte Ei an den
Ort seines späteren Sitzes beforderten, mussten das erste tiefer
herab in das Corpus uteri drängen und weiterhin in das
heteronyme Hörn. Vielleicht, dass man sich den Vorgang
etwa so vorstellen darf.
XVI. Notixen aus der Journal Literatur. 229
XVl.
Notizen ans der Journal -Literatur.
ro« Franqu^ : Krampfwehen, Selbstwendnng , intra-
aterines Atbroen.
Bei einer 23jährigen kräftigen Erstgebärenden erkannte man
in dor Entbindungsanstalt sbu Würsburg su Anfang der recht-
m«iti^eii Oebnrt eine Querlagernng der lebenden Frucht mit dem
Kopfe aach links und dem Bücken nach vorn und versuchte bei
rei^ilich Yorhaudenem Fruchtwasser den tiefer stehenden Steiss
dnreh passende Lagerung der Kreissenden, wie durch äussere
Handgriffe dem Beckeneingange zu nShern , anfangs mit dem
Keiinitate, dass jener, wenn auch schwer, Yon der Scheide nns
erreicht werden konnte. Die sehr schmershaften Zusammen-
Btehnngen waren jedoch ohne Einfluss auf die Eröffnung des nur
für eine Fingerspitse geöffneten Muttermundes, dessen Bänder
fest und derb anaufUblen waren. Der linke untere Theil des
Uterus soll dabei viel stärker contrahirt, yon der Gebärenden
daselbst weit heftigerer Schmerz empfunden worden sein , als an
den übrigen Partieen. Der Unterleib wurde bei der leisesten
Berührung auch in den Wehenpausen schmershaft. Da unter
diesen Umstanden weder die SeitenUgerung, noch die äusseren
Handgriffe vertragen wurden, stellte sich bald die frühere Quer-
lagerung wieder her. Die Wehen erreichten den höchsten Grad
Ton Schmershaftigkeit — Opium innerlich und in Klystieren,
warme protahirte Vollbäder, Einathmen von Chloroform, Ein-
spritsnngen von warmem Wasser in die Uterushöhle blieben da-
gegen ohne jeden Erfolg. Nach viertägiger Geburtsdauer war
der Kopf hoch oben im Scheidengewölbe links zu fühlen, und
der Muttermund etwas weiter geworden; die Bänder desselben
waren fest und gespannt geblieben, der Uterus zeigte sich an
allen Stellen gleichmftssig steinhart, und klagte die Kreissende
beständig über die heftigsten Schmerzen in der ganzen Uterin*
gegend. Unmittelbar nach dem nunmehr erfolgten Blasensprunge
war der Sehüdel mit nach links gerichtetem Hinterhaupte im
Becken eingange zu fühlen, der Muttermund blieb fest contrahirt,
der überall steinharte Uterus zog sich fest um die Frucht zu-
sammen. Nach längerem Zuwarten, und nachdem sich bei der
Gebärenden heftige Fiebererscheinungen mit Schüttelfrösten und
Erbrechen eingestellt hatten, wurden drei tiefe Einschnitte in die
Bänder des Muttermundes gemacht, worauf sich derselbe mich
beträchtlich erweiterte. Der Uterus, der bis dahin gleiebmässig
230 XVI. NotiBep aUB der Jonrnal- Literatur.
hart ansnföhlen gewesen und in «einer gansen Aaadebnnog eineo
leeren Percnssionston gegeben, soll unmittelbar nacb den In-
oisionen weicher, teigiger, der Percnssionsschall darüber Übersoll
ein tympanitischer geworden sein. Bei noch nicht völlig er-
weitertem Muttermunde wurde sodann — nach mehr als ffinftigiger
Dauer der Geburl — an den noch hoch- und querstehenden Kopf
die Zange angelegt, wobei unter einem deutlich hörbaren GerUnsche
Luft aus der Gebärmutterhöble durch die Scheide nacb aussen
entleert worden sein solL Die Extraction des Kopfes war schwierig^,
ebenso, der die Frucht noch immer fest umschnürenden Utems-
Wandungen wegen, die des Rumpfes. Das Kind, dessen Hers-
schlag man schon längere Zeit nicht mehr gehört hatte, war todt.
Nach dem bald erfolgten Abgange des Fruchtkuchens trat eine
profuse Gebärmntterfolutung ein, welche durch Injectionen Ten
salssaurem Eisen sistirt wurde. 27 Stunden nach der Entbinduni^
starb die Wöchnerin in tiefster Erschöpfung, ohne daas ausser
Schmerzhaftigkeit der Uteringegend irgend ein hervorragendea
Symptom aufgetreten wftre. Man fand bei der Section den Uterus
an seiner Innenfläche mit einer schwarzgrauen gangränösen Masse
bedeckt, seine Muskulatur an einzelnen Stellen mehr oder weniger
tief gangränös zerstört, die Vaginalportion vielfach zerrissen und
zerklüftet, in der Unterleibshöhie kein Exsudat. An der Leiehe
des Kindes zeigten sich die Unterleibsorgane hyperämisch , die
linke Lunge rosenroth, ausgedehnt, auf dem Wasser schwimmend,
beim Einschneiden knisternd, die rechte nur wenig lufthaltig, im
Wasser sinkend.
(Wärzb. medic. Zeitschr., III. Bd., 6. Heft, 1862.)
Q, Braun: Neuer Beitrag zur Lehre von den amnio-
tischen Bändern.
Die Amnionbildung kommt zu Stande durch Zellenvermehrnng
und besondere Wachsthumsverhältnisse der äusseren Schicht der
Keimblase. Durch ein starkes Flächenwachsthum an einer be-
schränkten Stelle entstehen die ersten Amnionfalten, diese werden
in bestimmter Richtung nach dem Rücken des Embryo empor*
getrieben, und es geschieht die endliche Verwachsung der ge*
näherten Falten in einem Punkte, worauf das Amnion noch eine
Zeit lang mit der serösen Hülle iu Verbindung bleibt: Anomalieen
dieser Verbindung, am häufigsten verursacht durch Mangel einer
hinreichenden Menge von Amnionflüssigkeit oder durch zu späte
Absonderung derselben, können auf verschiedeiie Weise die
embryonale Entwiokelung stören, wovon' Verf. zwei interessante
Beobachtungen mittheilt.
In dem einen Falle fand sich an der Leiche eines neu-
geborenen, 4}/^ Pfund schweren, 19^' langen Mädchens am hinteren
XYI. Notisen ans der Journal Literator. 231
Omfange dec SehAdeU ein häutiger, schlaffer Back, der naob
rfiekwärta eine 2" lange Ri^astelle aeigte und an der äusseren
Oberfläche ogit 2 — 8'" langen, dem Amnion in Ausgehen und
Stmctar ähnlichen Fetaen bedeckt war. Das rechte ätimbein,
die Seiten wand beine und die Hinterhauptsschnppe waren ver-
kümmert. In der Schädelhöhle selbst sah man serofibröse Stränge,
▼on einer Seite snr anderen verlaufend, ein Gebälk darstellen.
Der Gaumen war rechterseits gespalten. An der rechten Hand
waren die ersten drei Finger vollständig amputirt; vom Mittel-
kandknochen des Zeigefingers bis zum Stumpfe des Mittelfingers
verlief ein serofibröser Strang, welcher an seinem Endpunkte ein
erbeeagrosses, von normaler Haut überiogenes Anhängsel hatte.
Aa der linken Hand fanden sich mehrfache Sträng^, welche
dea Daumen unvollständig abschnürten, den Zeigefinger in awei
aagleiohe Hälften theilten, den Mittelfinger einschnürten und
beaglen, statt des vierten und fünften Fingers ein mehrfach ab-
gesclinürter kleiner Wulst mit hautähnlicher Bedeckung. Am
linken Fusse waren die sweite und dritte Zehe verwachsen, am
rechten durch einen serofibrösen Strang die dritte mit der vierten
verbnodea, das Nagel glied der zweiten vollständig amputirt. An
der Plaeenta fanden sieh stellenweise Andeutungen von amnioti-
achen Bändern.
Bei der sweiten Beobachtung handelte es sich um die Leiche
eines lebend geborenen, löVs" lAUgen Knaben, wo an der Stirn
bei Verkümmerung der 'Stirnbeine mehrfache häutige Narben
gefandea wurden, die nach innen mit der Dura mater und mittels
dieeer stellenweise mit den inneren Hirnhäuten verwachsen waren,
and von welchen mehrere abgerissene pseudomembranöse Stränge
abgingen. An der Stelle der Nase war ein rechter kleinerer und
ein linker grösserer Spalt; die Oberlippe war rechts gespalten
und in ihrer Spalte an der rechten Nasenspalte angeheftet; ausser-
dem war dieselbe, besonders links, sammt dem Alveolarfortsatse
nach aussen umgeworfen. An der rechten Hand waren die End-
itHeder der drei mittleren Finger verkümmert, von der Spitse
des Bingfingers ging ein etwa 2" langer Strang unter dem Mittel-
finger sur Ulnarseite des Zeigefingers. An der linken Hand waren
ausser dem Daumen sämmtliche Finger verkümmert, die drei
loteten gebeugt, mit einander verwachsen, und die Endphalangen
durch Hantbrfioken mit einander verbunden. Rechts Kl umpfuss;
der Unke Fnss war in seiner Richtung normal; die Phalangen
der vierten und fünften Zehe sehr rudimentär, die übrigen nur
aus einer rudimentären Phalanx ohne Spur einer Nagelbildung
bestehend und durch eine Hautbrücke mit einander verbunden; an
der sweiten Zehe ausserdem ein abgerissener, *//' lenger, psendo*
membrandser Strang. Von der Innenfiäche des in Glans und
Farbe normalen Amnion gingen mehrere Stränge ab, welche frei
2-— 11" in die Amnionhöhle hineinhingen oder sich an gegenüber-
232 XVl. Notizen ans der Jonrnal- Literatur.
liegenden Stellen desselben einpflanzten. An der Insertionsstelle
des Nabelstranges nftcbst dem Placentarrande fand sieb eine vom
Amnion entblösste, beiläufig 1" lange anfgefranste Stelle mit
mebrfacb abgehenden dünnen Fäden nnd Strängen.
(Medic. Jahrbücher, Zeitschr. der Gesellschaft derAerste
in Wien, 1862.)
Hirsch: Ein seltener Schwangerschafts- and Geburts-
verlauf.
Bei einer S8jährigen Fran zeigten sich im März 1861 die eraten
Schwangorschaftsflymptome, Uebelkeit, Erbrechen, Strangurie,
Anschwellung der Brüste. Im Juli hatte der Leib an Umfang'
entsprechend zugenommen, der Uterus war zwischen Nabel ond
Symphyse zu fühlen, in den Brüsten dünnwäseerige Flüssigkeit
zu bemerken; seit dem März war statt der bis dabin immer
reichlich geflossenen Regeln eine leichte blutig schleimige Ab-
sonderung ans den Genitalien alle vier Wochen erschienen, welche
sich jedoch vom August an nicht mehr zeigte. Da die Niederkunft
nicht, wie erwartet, im December erfolgte, wurde Verf. zu einer
Untersuchung der Person aufgefordert und fand dieselbe am Ende
einer regelmässigen Schwangerschaft stehend, namentlich den
Uterus bis zur Magengrube ausgedehnt und in diesem eine sich
deutlich bewegende Frucht. Es verstrichen jedoch der Januar,
Februar, März, April und Mai unter immer stärkerer Zunahme
des Leibesumfanges, bei sonst vollkommenem Wohlbefinden der
Frau. Endlich — Ende Mai, nach fünfzehnmonatlicher Ter-
meintlicher Schwangerschaft — stellten sich mit Abgang des
Fruchtwassers schwache Wehen ein, welche erst nach drei Tagen
die vollständige Erweiterung des Muttermundes bewirkten. Die
nunmehr wegen drohender Erschöpfung der Gebärenden von zwei
Aerzten gemachten Versuche, den noch hoch und beweglich
stehenden Kopf mittels der Zange zu extrahiren, misslangen.
Der darauf herbeigezogene Verf. fand den Kopf, dessen Knochen
leicht verschiebbar, und in dessen Bedeckungen eine V, ^^'^
grosse, rauthmaasslicb von der Zangenapplication herrührende
Oeffnnng zu finden war, beweglich am Beckeneingange und ging,
um die Wendung auf die Füsse auszuführen, am Rumpfe des
Kindes bis zu den Rippen in die Höbe, wo ein weiteres Vordringen
durch eine kugelrunde, enorm grosse, fluctnirende Geschwulst
gehemmt wurde, welche nach rechts durch bandartige Streifen
angeheftet war. Verf. drang nun mit der Hand dareh die schon
erwähnte Oefihnng in die Schädelhöhle und entfernte möglichst
das Gehirn, -worauf die manuelle Extraction des Kopfes and
Rumpfes gelang. Das Kind wog 8 Pfund, war aormaP gebildet
und trug die Zeichen der Reife. Bei Lösung des Fruchtkuchens
XVII. Literatur. 233
wnrde jene Oeschwolst nocb im Fnndas sitzend gefunden. Die
gf^nslieb erschöpfte Frau starb nach wenigen Standen. Die Section
wurde nlelit gestattet; doch nahm Verf. Gelegenheit, die nnterdess
theilweise sn den äusseren Genitalien herausgetretene Geschwulst
an untersuchen. Dieselbe hatte die Grösse eines Mannskopfes;
man konnte neben ihr mit der Hand in den Uterus durch den
ausgedehnten Muttermund dringen und fühlte an ihrer oberen
Hälfte noch die erwähnten ligamentösen Str&nge. Ihr äusseres
▼or den Geschlechtstb eilen liegendes Segment bot eine glatte,
feste, seröse OberflKche. Beim Einschneiden in ihre etwa Y, Zoll
dicke , feste , fleischige Wandung zeigte sie sich als eine hohle
Kugel, mit blassröthlicher Flüssigkeit erfüllt, in welcher dicke
Blutgerinnsel und ausserdem einzelne feste, zusammengeschrumpft«,
fleischige, den Rudimenten eines Embryo ähnliche T1|iei1e herum-
schwammen.
Verf. vermuthet, dass nach Entartung des zuerst befruchteten
Eies und theilweiser Verwachsung desselben mit der Gebärmutter
eine sweite Conception erfolgt sei. Durch die räumliche Aus-
dehnnng und die gesteigerte productive Thätigkeit der Gebär-
mutter bei der normalen Entwickelnng des zweitbefruchteten
Ries sei die Wetterentwickelung der Mole, durch deren dabei
stattflndende Gewichtszunahme die Ausdehnung der Adhäsionen
zu jenen bandartigen Strängen begünstigt worden.
(Würzb. medic. Zeitschr., Bd. III., Heft 6.)
XVII.
Literatur.
Die Muskulatur am Boden des weiblichen Beckens,
▼ on Dr. Hubert Luschka. Mit vier Tafeln. Wien 1861.
Verfasser unterzog die Lehre Yon den Muskeln am Boden
des weiblichen Beckens einer gründlichen Revision und gelangte
SU Resultaten , die nicht unerheblich von den bisherigen Angaben
abweichen, welche er zum Theil für blosse Uebertragungen der
Verhältnisse am männlichen Körper hält.
Von willkürlichen Muskeln finden sich am Ende des Mast-
darmes der Heber und der äussere Schliesser des Afters. Der
Levntor ani ist ein dünner, fast membranöser, aus zwei symmetrisch
gebildeten Seitenhälften bestehender Muskel, welcher baupttächlich
die fleischige Grundlage des Beckenbodens darstellt. Seine glatten
234 ^^11- Literatur
Bündel sind gewöhnlich nnr loee mit einander verhonden , laaeen
swischen sich einielne grossere, von fetthaltigem ZellstoiFe er-
fBHte Spalten nnd verlanfen schrKg ron ohen naeb unten und
innen. Er. entspringt beiderseits vom horisontalen Schambeinaste,
▼on der Beckenbinde und von der inneren Seite des Sitsbein-
Stachels, mit einaelnen Bündeln häufig auch von der Aussenseite
des Ligamentum pubo-yesicale laterale , sowie rom aufsteigenden
Aste des Sitsbeines. Die vom Schambeine und die etwa von
genanntem Bande, sowie vom aufsteigenden Sitabeinaste ent-
springenden Bündel sieben neben der Scheide, an welche sie
durch kurzen, straffen Zellstoff angeheftet sind, herab, ohne
dass jedoch ein einsiges in der Wand derselben endigte; dabei
schneiden sie deren Aze unter einem fast rechten Winkel , — es
kann daher die Scheide durch sie keineswegs gehoben, sondern
höchstens der vorderen Beckenwand genähert, auch wohl von
beiden Seiten einigermaassen comprimirt werden. Die Oesammt-
heit der dem Afterheber angehörigen Muskelbündel scheidet sich
während ihres Verlaufes nach rück- und abwärts spitswinkelig
in swei Abschnitte , von welchen der eine vor dem Mastdarme,
der andere an den seitlichen und hinteren Umfang desselben an
liegen kommt Der vordere Abschnitt ist ein glattes, nur wenige
Linien breites Bündel, dessen tiefstgelegener Punkt sich l,2Centi-
meter über der Afteröffnung befindet, und dem Verf. beim Weibe
kaum irgend welche functionelle Bedeutung anerkennt. An dem
hinteren Abschnitte lassen sich drei Faserzüge unterscheiden,
von denen der hintere, kleinste sich sehnig an der vorderen
Fläche des vierten Steissbeinstiickes anheftet, der mittlere in
Sehnenbündel übergeht, welche .vor der Spitze des 'Steissbeina
mit entsprechenden der anderen Seite zusammenfliessen, der
vordere, umfänglichste mit den Bündeln der anderen Seite, ohne
sehnig zu werden, zusammentrifft. Einige Bündelchen des After-
hebers, die aus seinen tieferen Schichten hervortreten, können
zwischen den oberflächlichen Bündeln der Längsfaserschicht des
Mastdarmes bis in das die Aftermtindung umgebende Unterbaute
Zellgewebe herab verfolgt werden. Der Levator ani zieht den
Mastdarm nach vor- und aufwärts gegen die vordere Beckenwand
hin, so dass ^ie Analöffnung nach rückwärts gewendet und zu-
gleich die hinlere Darmwand der andrängenden Kothsäule ent-
gegengebracht nnd schliesslich über dieselbe hinweggesehoben
wird. Der grösste Theil der hinter dem Mastdarme herab-
tretenden Fasern hat auf denselben keinen directen Einflnss,
sondern stellen den schief abfallenden Beckenboden dar, der
durch eigene Contraction aus jeder Lageverändernng wieder in
seine frühere Stellung zurückkehren kann.
Der äussere Aftersehliesser besteht tbeils aus ringförmigen,
nur dem Anus angehörigen Bündeln, welche elliptisch gekrümmt
und und sich nn mittelbar um das untere Ende der Langsfaser»
XVIJ. Literatur. 235
s«]iiehi hammUg^B, tbeils aus 8 förmigen Z^gen, welche nacli
•«■aaa von jener Portion gelagert sind,, hinter dem Mastdarme
apitewinkelig snsammenfliessen nnd in einen platten, sehnen*
nitigen, an der hinteren FlKehe des vierten Steissbeinstüokes
angehefteten Streifen äbergehen, vor dem Bectnm aber eine
■eehrfaehe Dnrchkrensnng erfahren, aus der jederseits ein st&rkeres
Bändel hervorgeht, welohes sich an den inneren Rand des Con*
atrieior cnnni anlegt, anf den Bücken des BUtslers gelangt und
aahnig mit dem der anderen Seite susammenflieest , wXbrend ein
»weites viel schwächeres Bündel sich enr Haut an der vorderen
Grense des Dammes begiebt.
Von organischer Moskalatnr besiebt am £nde des Mast-
darmes ausser dem Sphineter ani internus und der dahin statt-
findenden Fortsetanng der Längsfaserschlchte des Rectum, welche
■ieht am Levator ani aufhört, sondern sammt den neu hinsu-
Ipetretenen Fasern in elastische , bis sum subcutanen Bindegewebe
der Aftergegend reichende Sehnen fibergeht, auch einzelne Bündel
»nr Wand der Scheide schickt, ein Muskel, welcher aus swei
0,3 — 0,4 Centimeter breiten, platten Seitenhälften besteht, welche
an der vorderen Fl&che des Steissbeines unter einem spitien
Winkel snsammenfliessen , in der Richtung nach vorn aber derart
divergiren, dass jedes Bündel an den seitlichen Umfang des Mast-
darmes gelangt, — von Treit» M. reotococcygens s. retractor recti
genannt.
An der Scham' nnd dem unteren Ende der Scheide finden
sich vier Muskeln.
Der M. ischiocavernosus stellt eine fleischig fibröBe Kapsel
dar, in welcher der Schenkel des Kitslers verborgen liegt und
welche diesen am ganaen Umfange vollständig umfasst. An seinen
Fleischbfindeln sind dreierlei Züge su unterscheiden. Es findet
sieh erstens eine mittlere, longitudinale, schwach S förmig ge-
krümmte Pasernng, welche das sehnig- fleischartige hintere Ende
des Maskeis fast gani allein darstellt, in der hinteren Hälfte
desselben vorwiegend fleischig ist, dann aber in einen platten
Sehnenstreifen übergeht, welcher ausschliesslich auf den Rücken
des Kitslers gelangt. Zweitens sind schräg verlaufende Moskel-
bundel vorhanden, die von der inneren Lefse des aufsteigenden
Sitsbein- nnd des absteigenden Schambeinastes ausgeben, sich
um den hinteren Umfang des Schenkels der Clitoris nach ans-
nnd aufwärts herumschlagen und sich unten an die longitudinalen
Fleisohbündel anlegen, weiter oben dagegen in den medianen
Sehnenstreifen nnd schliesslich in die Endaponeurose über-
gehen. Drittens ezistiren zarte, schräg verlaufende, grössten-
theils von der longitudinalen Faserung gedeckte Fleischbündel,
•atopreehend dem vorderen Rande des Muskels, welche nur der
oberen Hälfte desselben angehören, vom medianen Sehnenstreifen
ettta]Hringen nnd schief nach aussen und oben si(*hen, um theils
236 XVII. Literatur.
sieb an die vordere Lefie den absteigenden Scbambeinastes an-
SQsetsen, tbeils in die Endaponearose übersngehen. Das obere
Ende des M. isebiocayemosns stellt ein membranartiges Sehnea-
blatt dar, welches in der Mittellinie mit jenem der anderen
Seite SU einer fibrösen Hülse znsammenfliesst » welche die hintere
Hälfte der Clitoris aufnimmt. Gedachter Muskel vermag den
Schenkel derselben sowohl eoncentrisch als auch longitudinni
snsammenzupressen, wie auch durch Druck seiner Aponeuroae
auf die Vena dorsalis elitoridis den Rückfluss d^a Blutes sn
hemmen.
Der M. compressorbulborum vestibuli (sonst Constrictor eunni
genannt) ist ein platter, bandartiger, unpaariger, auf der Aussen-
seite der Vorhofsswiebeln liegender Muskel, welcher mit seinem
mittleren, grosseren und selbststKndig entspringenden Abschnitte
mit lose zusammenhängenden, gespreisten Bündeln swischen
After5ffnung und Sitabeinhöcker jederseits von der Binde des
Dammes ausgeht. An den inneren Rand * legt sich eine schmale
Fortsetzung von Fleischfasern an, welche aus der vor dem After
eingetretenen Durchkreuzung von Bündeln des Sphincter ani
extornus hervorgegangen ist, wKhrend sich an seinen Susseren
Rand ein Bündelchen begiebt, das sich von dem vorderen Rande
des M. transversus perinaei superf. abgelöst hat. Die drei Portionen
vereinigt bilden einen 6 — 7 Millimeter breiten, bandartigen Streifen,
welcher schräg über den vorderen äusseren Umfang derVorhofa-
Zwiebel hinwegzieht, um sich in der Nähe des Zusammenstosses
dieser und des Kitzlers in zwei Partieen zu sondern, von denen
die oberflächliche sich auf den Rücken des Kitzlersehaftes begiebt
und in eine Aponeurose übergeht, welche, mit jeder der anderen
Seite verschmolzen, über der Vena dorsalis elitoridis sich aus-
breitet, wKhrend die tiefere sich zwischen Ritzler und oberes
Ende der Vorhofszwiebeln hineinschiebt und mit dem ent-
sprechenden Gebilde der anderen Seite zu einer Aponeuroze
zusammenfliesst, welche sich über die das Blut aus den Zwiebeln
zurückführenden Venen hinweglegt. Der in Rede stehende Muskel
ist hauptsächlich dazu bestimmt, durch Compression der von
seinen Endsehnen bedeckten Venen die Fällung des Schwell-
apparates zu sichern; das Orificiam vaginae vermag er dadurch
zu verengern, dass er bei seiner Zusammenziehung die strotzenden
Zwiebeln nach innen zu drängen im Stande ist.
Der Constrictor vestibuli s. sphincter vaginae liegt un-
mittelbar hinter den Vorhofszwiebeln und zieht unter der Vena
dorsalis elitoridis und über die obere Seite des vorderen Endes
der Harnröhre und den ganzen von dieser nicht gedeckten Um-
fang des unteren Scheidenendes herum. Er ist oben und unten
schmaler, als an den Seiten, aber auch da höehstens 4 Millimeter
messend. Der an d^r unteren Scheidenwand befindliche Abschnitt
flteRst meist mit dem vorderen Rande des M. transver^ns perinaei
XVII. Literatar. 237
profund, zosammen. Er yermag die Harnröhre rd die vordere
Wand der Scheide ansapressen und sie in verschliesnen, die
Passage für Vena dorsalia und Venae profundae clifcoridia unter
dem Ligament, arouat. inf. su erweitern, sowie den Öcheideu-
eingaag xa verengeru.
Der Heber der Scheide beateht aas einer blasarötblichen
Mvakelachicht, welche der Höhe des unteren Drittels jener eni-
Bprieht and aus sehr dünnen, schmalen, zum Theil geflechtartig
in einander geschobenen Bündelchen besteht, die in einen an
elastischen Fasern sehr reichen Zellstoff eingelagert sind. Diese
Bändelchen entapringen aus dem Gewebe der inneren Becken-
binde und yerliereu sich im submucösen Bindegewebe des
Seheideneingangs , so dass durch sie das Ende der Scheide ge-
hoben and einwärts gesogen werden kann.
Das die Schleimhaut der Harnröhre umgebende m&cbtige
Fasergewebe besteht vorsüglich aus kreisförmigen Zügen orga-
nischer Muskelfasern , die in einen an elastischen Elementen sehr
reichen Zellstoff eingebettet sind. Die quergestreifte Muskulatur
der Harnröhre besteht ans einer von einem Venennetse über-
lagerten Schiebt quer verlaufender, nur sehr lose zusammen-
hängender Bündelchen, welche den oberen Umfang und die
leiten der gansen Harnröhre umziehen, sich ohne scharie Grenze
zwischen den organischen Muskelfasern verlieren und an der
vorderen Wand der Scheide inseriren, — durch Anpressen an
diese können sie Verschluss der Harnröhre bewirken.
Dem Damme ausschliesslich gehören an die Mm. transversi
pertnaei superficialis und profundus. Ersterer ist der mächtigere,
nnpaar, platt, fast bandartig; er entspringt jederseits mit einer
dünnen, breiten Sehne von der inneren Fläche des Anfangs des
aufsteigenden Sitzbeinastes; seine querlaufenden Bündel be-
schreiben einen nach rück- und abwärts schwach convexen Bogen;
er stützt den Damm und spannt ihn in querer Richtung an. Der
M. uansrersuB perinaei profundus ist kaum 2 Millimeter breit,
entspringt beiderseits von der Innenfläche des Kamus ascendens
088. ischli hinter dem Ursprünge des Superficialis und schllesst
sich mit seinem vorderen Bande an das untere Segment des
M. constrictor vestibuli an; er unterstützt diesen Muskel und
vermag während der Schwellung der Vorhofszwiebeln durch Druck
auf die BatihoUn^echen Drüsen, hinter welchen er verläuft, zur
Ausscheidung des Secretes derselben beizutragen.
Lutehka: Die Milchdrüsen des Menschen.
Ans dem Werke Luschka^s: »Die Anatomie der Brust des
Menschen, Tübingen 1863 '^j welches üieh vielfach auch luLt deui
weiblichen Organismus beschäftigt, heben wir den Ab.sr-bnjtt über
238 XVTI. Literatur. *
die Milchdräsen des Meoscben heraas, um die Aufmerksamkeit
der Facbgenossen auf das gedieg^ene Werk su lenken.
Die Milchdrüse erscheint bei Neug^eborenen beiderlei Ge-
schlechtes als ein deutlich abgegrenster, 4 — 8'" breiter, 1'" dicker
Körper, welcher aus 0,1 — 0,5'" weiten Follikeln, den Anlagen
der späteren Sinus lactei , besteht. Dieselben münden mit einem
gemeinsamen Ansführungsgange, durch welchen trübe, Fett-
tropfchen enthaltende Flüssigkeit entleert werden kann. Bis sur
Pubertät entwickelt sich die Drüse bei beiden Geschlechtern
gleichmässig fort, indem ihre Ginge seitliehe, bernienartig»
Ausstülpungen treiben. Von da an beginnt beim Mädchen ein
üppiges Wachthum der Drüse durch immer weitere Verästelung
der Gänge; Drüsenbläschen, vor der Menstruation noch gar nicht
vorhanden, treten auch jetat nur sparsam auf. Die jungfräuliche
Brust bildet eine nicht deutlich gelappte, fest zusammenhangende,
halbkugelige Mmase. Die höchste Entwickelung erreicht die
Drüse SU finde der Schwangerschaft durch Besetaung aller Gänge
mit Endbläseben. Bei der Greisin schwinden die Bläschen all-
roälig; nur die mit fettig entartetem Epithel versehenen Milch-
gänge bleiben erhalten.
Die Bläsehen sind 0,05 — 0,07'" gross, von verschiedener,
im Allgemeinen rundlicher Form und sitien theils in dünne
IStielehen ausgesogen, theils ungestielt auf den feinsten Milch-
gängen; ihre structurlose , glashelle Grundmembran besitst an
ihrer inneren Oberfläche ein Plättchenepithel, welches aus rund-
lichen und polygonalen Zellen besteht, in denen während der
Laotation die Milchkügelchen auftreten. Die Milchgänge erfahren
im Bereiche des Warsenhofes eine bis 8 Millimeter betragende,
spindelförmige Ausbuchtung (Sinus lactei) und verjüngen sich
dann bis sur Mündung auf derWarse Ms su V^ Millimeter Breite.
Die feinsten Milchcanäle sind ganz wie die Aeint gebaut; bei
den grösseren ist die structurlose Membran nach aussen von einer
aus sarten, vorsngsweise longitudinal angeordneten elastischen
Fasern zusammengesetsten Schicht, nach innen von einem aus
konischen Zellen bestehenden Epithel bekleidet. Organische
Muskelfasern sah Verf. nirgends in der Wandung der Milchgänge.
In die structurlose Bindesubstanz der primitiven Drüsen-
läppchen sind sehr schmale, dunkel conturirte, oblonge Kerne
in linearen Zügen eingestreut. Das Stroma der grösseren Drüsen-
lappen besteht aus fibrillärer Bindesubstans , welche nur wenig
elastische Fasern, aber sehr viel kernartige , bei Essigsäuresusats
deutlicher hervortretende Elemente enthält. Gegen die Peripherie
der Drüse erhält das interstitielle Gewebe reioliliche elastische
Fasern und gewinnt überhaupt dl^ Qualitäten einer Fascie; nach
der Haut zu setzt es sich in ein wabenähnliches, sur Aufnahme
des Panniculus adiposus bestimmtes Fachwerk fort, während es
nach hinten sur Ausbildung einer dickeren, nur los^ und ver-
r
XVII. Literatar. 239
•chiebbar mit der Binde des grossen Bmstmiiskels Bnsammen-
hXngenden Lismelle kommt.
Hinsichtltcb der sogenannten Afoii<^omery*8chen Drüsen ist
Yerf. mit J. Duval der Ansicht, dass sie von kleinen, unter der
Usnt des Warsenbofes liegenden, im Bau volIstHndig mit dem
Parenchym der Hauptdräse übereinstimmenden Drüsenläppchen
berrnhren, deren AusfnhrungsgHnge jedoch die Bmstwarie nicht
erreichen.
Die Haut der Mamma ist nicht wesentlich yersohieden von
der des abrigen rorderen Thoraxumfangas bis auf die Pigmentirang
des Warzenhofes und der Papille und die Unebenheit derselben,
herrührend ron zahlreichen grossen, einfachen und zusammen-
gesetzten, namentlich an der Papille gedrängt stehenden WKrzchen,
welche meist nar Oefässschlingen enthalten, — nur zu wenigen
begeben sich an Gorpuscula taetus geknüpfte oder als sehr kleine
Pae%nt*8che Körperohen endende Nervenröhren. Die conoentrischen
Runzeln des Warzenhot'es sind der Ausdruck ebenso vieler Beiben
dieser Papillen.
Die organischen Muskelfasern des Warzenbofes und der
Papille bilden zum grössten Theil ein ringförmiges Flechtwerk,
des durch grössere Maschen räume die Milchgänge durchtreten
läset und durch diese Anordnung die Bedeutung eines 8phincters
derselben gewinnt. Einige Muskelfaserbündel durchziehen die
Papille in ihrer Längsrichtung, — dass die Tendenz derselben
dahin gerichtet sein wird, die Warze zu verkürzen, läset sich
zieht beatreiten, wohl aber, dass sie, wie Verf. annimmt, selbst
eine völlige Einziehung dieser bewirken können.
Die Arterien stammen hauptsächlich aus den ftUif oberen
Bami perforantes der Mammaria interna und aua der Thoracica
longa ond anastomosiren auf das Mannichfaltigste unter einander
wie mit Zweigen der Thoraoieo • acromialis und dor oberen
lotercostalarterien. Das Capillarsystem umspinnt hauptsächlich
die Aoasenseite der DrÜaenläppchen. Die Venen begleiten theils
die Arterien, theila bilden sie ein suboutanes, weites Maschen-
wetk; von letzteren mündet ein Theil über die Clavicula hiJaweg
in die Jugularis externa. Zuweilen findet sich anter der Haut
des Warsenhofes eine stärkere, im Bogen, auch Kreise ver-
Isefettde Vene (Cireulas venosus Halleri).
Die sehr zahlreichen Saagadem stellen gröbere und feinere
Netze dar, die theils das Parenchym in der Tiefe durchziehen,
ibeiLs, oberflächlich ausgebreitet, mehr der Cutis angehören,
und stehen in Zusammenhang mit den Achseldrüsen, anderseits
dzrcb Verbindung mit den Saugadern der Intercostalräume mit
dsn Lymphdrüsen der Brusthöhle.
Die Nerven der Mamma sind vorwiegend spinaler Natur.
Beimischung sympathischer Elemente lässt sich nicht stringent
beweisen, aber ans den mächtigen, in centrifogaler Richtung
240 ZVII. LUeratnr.
sich mit den Nervi inte reo Btales verbindenden Rami commnnicanteii
ana dem Brasttfaeile des Grenzstranges, wie ans dem Consens
zwischen den Brüsten und der an sympathischen Nerven so
reichen Gebärmatter yermatheu. In das Parenchym der Mamma
erstrecken sich besonders Zweige des vierten bis sedisten
Intercostalnerven, den grösseren Milohgängen folgend and, wie
ans dem Einflasse gewisser psychischer Erregungen ea vermuthen,
an den Wunden der Bläschen endigend. Die meisten Nerven
sind för die Haut bestimmt, stammen von den Nervi supra-
clavionlares interui und giedii, sowie aas den Ranii extern! and
interni des zweiten bis sechsten Intorcostalnerven , veiiaafeu
radiär gegen Hof and Warze und enden hauptsächlich In diesen
Theilen. Die Verbindung des Ramus externus des zweiten und
dritten Intercostalnerven mit den inneren Hautnerven des Armes
macht bei verschiedenen Erkrankungen der Brust den Schmerz
bis in den Arm anstrahlen.
Spöndli: Die unschädliche Ropfzange, casuistisch be-
arbeitet für Studirende und praktische Aerzte.
Zürich 1862.
Die vorliegende Arbeit zerfällt in einen theoretischen und
einen praktischen Theil. In ersterem bespricht Verf. die Wahl
des Instrumentes, wobei er sich für die lange Loc^r*sche Zange
und von den kleineren für eine Boer*sche mit Handhaben ent*>
scheidet, die Wirkung der Zange im Allgemeinen, die Indicationen
zu ihrem Gebrauche und die Operation selbst, ohne jedoch wesent-
lich Neues zn bringen. In dem Umstände, dass das Werkchen
für Anfänger bestimmt ist, durfte die ausserordentliche Detstilirung
des Stoffes eine gewisse Berechtigung finden — derselbe Umstand
macht aber einzelne kleine Uebertrei bangen, z. B. die wohl
Hchwerlieh ernst gemeinte Behauptung der Nothwendigkeit dreier
Assistenten bei jeder Zangenoperation, zu wirklichen Fehlern,
im zweiten Theile findet sich die ausführliche Erzählung von
50 Fällen gedachter Operation aus der Privatpraxis des Verf.
Diese Casuistik dürfte wohl geeignet sein, um mit Verf. zu reden,
den Anfänger neben technischen auch moralische Vortheiie:
Geduld, Mutb, Emancipation von vorgefassten Metnangen zu lehren.
XVllI.
▼«rhaadlnngen der OeseUschaft für Geburtahttlfe
in
Berlin.
Sitzung vom 9. December 1862.
Nach der Verlesung des Protocölls der Torigen Sitzung
nimmt Herr C Mayer ^ anknöpfend an den letzten Vortrag,
das Wort Die reinen Hypertrophien der Vaginalportion, die
von HuguMft als so überwiegend häufig dargestdlt wilrden,
dass er fast alle Gebärmuttenrorfftlle auf Vergrösserung des
Cenrix uteri zurückführe, seien nach seinen Erfahrungen sehr
selten im Vergleiche zu den wirklichen Senkungen der
Gebärmutter und Scheide. Dies erkläre auch das so seltene
Vorkommen des VorfiiDes der schwangeren Gebärmutter, denn
er theile ganz die Ansicht des Herrn L, Mayer y dass ein
einlacher Vorfall ohne erhebliche Verdickung der Vaginalportion
flieh im Verlaufe der Schwangerschaft meist zurückziehe und
überhaupt der normalen Eröffnung des Muttermundes kein
Ifinderniss entgegensetze; während allerdings in einzelnen
Fällen» wo die Vagioalportion bedeutend hypertrophirt und
wulstig sei, eine Störung des Geburtsverlaufes daraus hervor*
gehen werde. Diese letzte Eventualität sei aber im Ganzen
sehr selten und erkläre sich auch die Seltenheit dadurch«
dass bei so beschaflener Vaginalportion meist die Conception
sehr gehindert sei und somit in der Hehrzahl derartiger
Fälle eine Schwangerschaft gar nicht eintrete.
Herr Kauffmawn erwähnt einer Beobachtung, die er
vor langer Zeit als Praktikant der uBuacA'schen Klinik gemacht
Zu einer Gebärenden gerufen, fand er die Vaginalportion wie
lC«nataMlir.f.a«l>ortil(. 1868. Bd. XXI., Bfl, 4, 10
242 XVIII. Verhandlnngfen der Gesellschaft
einen ßorsdorfer Apfel aus den Genilalien hervorragend. Der
Kopf stand noch im Becken, wurde aber bald in den Becken-
ausgang getrieben und schob die Vaginalportion vor sich her.
Trotz der sehr beträchtlichen Hypertrophie derselben fing
sie doch allmälig an zu verstreichen, während der Kopf bei
jeder Wehe mit der Hand am zu starken Vordringen gehindert
wurde und nach Verlauf von zwei bis drei Stunden hatte sich
die Wulstung so weit verloren und das Orificium so weit
geöffnet, dass die Unterstützung mm unterlassen und auch
bald darauf ein lebendes Kind geboren wurde.
Herr H. Strassmann berichtet über einen ähnlichen Fall.
Eine neunzehnjährige Erstgebärende, die sieben Monate ihrer
Schwangerschaft ohne alle Beschwerden durchgemacht hatte,
bemerkte in den letzten Monaten einen fremden Körper aus
der Schamspalte hervorragen. Als Herr StroBsmaw^ sie
untersuchte, fand er, dass der Kopf des Kindes tief in's
Becken herabgetreten war und die vordere Wand des Uterus
vor sich her herabgedrängt hatte; ganz nach hinten in der
Aushöhlung des Kreuzbeins lag die zapfeniormig verlängerte
2 — 3 Zoll lange Vaginalportion, die zum Theii aus der
Schamspalte hervorragte. Bei der Entbindung trat durohaiis
keine Störung ein, durch die Wehen zog sieb die Vaginal-
portion mehr und inehr zurück, verstrich zuletzt ganz und
die Gebort des Kindes ging ungehindert vor sich.
Herr L. May^ bemerkt, dass dieser Fall von den
ft*Aher erwähnten wesentlieh darin witerscbieden sei, dass cn»
smb hier eben um keine veraltete und in<}urirte HypettropfaK
der Vaginalportion, sondern um eine weiche und lockere
Verlängerung derselben mit Vorfall gehandelt habe; daraus
erkläre sich auch sehr gut der normale Geburtvserlauf.
Herr H. Strassmann giebt diesen Einwand zu.
Herr Gusser ow bemerkt indess, dass in zwei der von
ihm erwähnten Fälle allerdings die Vaginalportion verdickt
gewesen sei. Der Zweck seines Aufsatzes sei aber weniger
der gewesen, diese Unterschiede zu beleuchten, als einige
sichere Beobachtungen über den Stand des Fundus uteri
vorzuführen, da man noch immer hin und wieder von einem
Prolapsus uteri gravidi completus reden höre, eine Bereicbnung^
für QeburUliulf« io UerUn. 243
die ganz falsch, weil unmöglich sei, denn der Fundus könne
aie so. weit berabUreten, dass der ganze Inhalt der Gebär-
miUtar zam grössten Tbeile ausseiiialb des Beckens läge.
Herr Oroethuyaen legt ein Präparat (s. die Abbildung)
vor, welches
eine grosse cystoide Geschwulst, Ton den innere»
weiblichen Gescblechtstbeilen ausgehend,
belraf.
Jf. R.f 45 Jahre alt, wurde in ihrem fünfzehnten Jahre
nuenstniirt und vpr zwölf Jahren einmal leicht entbanden.
Die Menaes waren immer regelmässig gewesen bis vor zwei
Jahren, wo heim Beginne derselben starke Schmerzen im
Unterksibe aoflraten, welche zwei Tage anhielten und sich
bei jedesmidigem Biotritte der Regel wiederholten.
Von der Zeit an bemerkte Patientin, dass ihr Unterleib
afliDäfig an Umfang zunahm; es stelltan sich Sehmerzen bei'
der Stuhl- and Harnentleerung ein, die Respiration wurde
immer mdhsamer, so dass im Mai 1862 eine Punction gemacht
wurde, der ein paar Monate später eine zweite folgte; es
soU jedes Mal ein Eimer v<ril einer gelblichen Flüssigkeit
entleert werden sein.
Im Allgast wurde die Patientin in das Königl. Klinikmn
aufgenoHMHeii. Der Unterleib war wieder stark angeschwollen;
die Geschwukt gleichförmig kugelig, überall deutlich fluctuirend
sowohl durch die Bauchdecken, als auch durch das Seheiden-
gewäbe und den Mastdarm, wenig beweglich. Die Vaginal*
portion stand etwas nach Rechts und sehr hoch. Da die
Beepirationsbeschwerden einen bedeutenden Grad erreicht
hatlea, so wui'de sofort die Flüssigkeit entleert, welche von
gelbUcfa grüner Farbe wai* und gegen 18 Quaii betrug. Sodann
wurden 2 Unzen LugoTfxXkev Losung injicirt. Die Reaetioo
war unbedeutend; aber bald sammelte sich die FlüssigkMt
wieder an, und um das Ldden der Kranken zu lindern, musste
von drei zu drei Wochen die Punction wiederholt werden.
Während dieser Zeit nahmen die Kräfte alhnälig ab,
Oedem der Bauchdecken und der unteren Extremitäten trat
ein, der Appetit schwand und so ging die Patienlin im
November an Marasmus zu Grimde,
16*
244 XVIII. Verhandlniifreii der ÜeBellsehaft
Schon bei Lebzeiten der PatM*iitin war die Fmge der
Ovarioiomie discutirt worden; jedoch der hohe Grad von
Hydramie und die geringe Beweglichkdt der Geschwulst liessen
von der Operation Abstand nehmen. An der Leiche wollten
wir uns von den durch die Adhäsionen bedingten Schwierig-
keiten oder der Unausfuhrbarkeit derselben überzeugen. E»
wurde deshalb die Section mit der Ovariotomie begonnen.
Nachdem die ßauchdecken in eino.r Ausdehnung von 3 Zoll
in der Linea alba bis dicht oberhalb der Symphyse durch-
schnitten und das Peritonänm eröffnet war, wurde die Ge-
schwulst mit scharfen Haken gefasst, punctut und entleert
Dies gelang nur zum Theil. Die zurückbleibenden festen
Massen waren zu bedeutend, als dass man den Sack aus der
Wunde hätte herausziehen können. Es musste daher letztere
um 2 Zoll diiatirt werden. Die nun folgende Loslösung der
Adhäsionen konnte zum grössten Theile mit Leichtigkeit aus-
geführt werden, sdbst an den Punctionsstellen; nur in der
linken BeckenhäUte war die Anhd'tung so fest, dass nur mit
dem Scalpeü, wobei mehrere grosse Geflsse durchschnitten
werden mussten, die Lostrennung der Geschwulst ermögficbt
wurde. Dann Hess sich diesdbe aus der Wunde frei ent*-
wickeln, bis sie zuletzt noch an einem Stiele befestigt war,
der bis tief in das kleine Becken hineinreichte und einen
ungewöhnlich starken Durchmesser hatte. Bei näherer Unter-
suchung ergab sich, dass es die Vagina und dass der Uterus
aufs Genaueste mit der vorderen Fläche der Geschwulst Ter-
wachsen war. Nach Durchschneidung der Vagina konnte die
ganze Masse herausgenommen werden.
Die kreisförmig runde Geschwulst hat einen Längen- un4-
Breitendurchmesser von 9 Zoll , einen Dickendorcfamesser von
Sy« Zoll. Den vorderen unteren Abschnitt bildet der Uterus,
welcher bis zu ihrer Mitte emporragt und überall so hinig
mit ihr verschmolzen ist, dass zwischen Beiden an keiner
Stelle eine deutliclie Abgrenzung besteht. Die Wandungen
desselben sind massig verdickt; seine Höhle etwas ausgedehnter
als normal. Das rechte Ovarium nebst der Tube ist vor-
handen und nicht mit Geschwulst verwachsen. Dahingegen
kann das linke Ovarium nirgendwo aufgeiVuiden werden, und-
die Tube dieser Seite liängt auf das Genaueste mit der
^ GebnrMhfilfe in Berlin. 245
Geschwalbt xiMiilnieii und Kiebt sich ober ihrc^ Vorderfläche
als ein uogefähr 7 Zoll langer und % Zoll breiter Strang
hin* Geschwaht, Uterus Und linke Tube sind von einer
derben serösen Membran öberkleidet
Dfts Innere der Geschwulst besieht aus einer Masse in-
einandergefilzter Baiken eines derben rolhbraunen Gewebes,
wekbes auf dem Ikrchschultte eine gleichförmige Fläche bildet,
werin überall kleine Hohkäume eingestreut sind. Die Balken,
welche an einzelnen Steüen grössere compacte Massen bilden
md sonst von jeder Dicke bis zu der eines Seidenfadens
Torkommen, schliessen Hohlräume der yerschiedensten Grösse
ein« wekbe meistentbeiis miteinander communiciren, so dass
gewissermaassen ein cavernöses Gewebe entsteht. Die grösste
ftyste findet sich links oben in der Geschwulst in der Gegend,
wo mehrfach die Function gemacht wurde. Der Inhalt der
Kysle war dieselbe Flüssigkeit, wie sie bei Lebzeiten entleert
wurde, theilweise aber fand sich besonders an den Wänden
der kleineren Kysten ein dicker eiteriger Belag.
Das Gewebe der Geschwulst besteht aus einem derben
Bindegewebe, das nur an einzelnen Stellen eine lebhafte Kern-
wucherung und Entwickelung von leicht isolirbaren, kleinen
Spindelzellen. bietet Die kleinen hirsekorngrossen Kysten bilden
sich nachweisbar aus einer fettigen Degeneration der zelligen
Elemente und des Stroma's selbst. Eine besondere Kysten-
membran existirt nirgends. Das Gewebe der Geschwulst geht
ohne markirte Grenze direct in das Parenchym des Uterus über;
in der hinteren Wand des letzteren findet man eine haselnuss-
grosse von der Geschwulst aus gegen das Cavum uteri, von
dem sie nur noch durch eine 1 V2 Linien dicke Schichte getrennt
ist, vordringende Kyste mit eiterigem Inhalte. Glatte Muskel-
fasern sind nur im Bereiche des Uterus, etwa bis zur Mitte
der vorderen Fläche der Geschwulst nachweisbar.
Herr Martin berichtet
über eine durch Function des Eisackes und Aus-
stossung der Fruchtknochen glucklich beendigte
Extrauterin seh wanger Schaft.
Frau Z.y eine 29 Jahre alte Bärgersfrau in C, von
kräftigem Körperbaue und stets gesund, hat innerhalb sieben
246 XVIII. VcrbandlaagaB der GeselUchaft
Jahre drei Wochenbetten glQiOklich überetandtto. Die nach
Entwöhnung des jüngsten, vor IV2 Jähren geborenen Knaben
eingetretenen Menses erschienen pünktlich und reichlich, bis
Anfang Februar d. J., wo ^ie blasarotb und spärlich nur
einen Tag hindurch währten, ohne dass das Allgemeinbefinden
eine Störung erfahren hätte. Im März trat ein geringer
dunkel gefärbter Blutabgang acht Tage nach der erwarteten
Zeit unter heftigen tief im Becken empfundenen Schmerzen auf,
welchem ein von Zeit zu Zeit wiederkehrender schmerzhafter
Druck tief im Schoosse, zumal bei dem Niedei*setzen folgte.
Am 8. April 1862, um die Zeit der Menses, fand der
hinzugerufene Hausarzt, Geheime Sanitätsrath Dr. Eummel,
nach dessen gefaUigen Mittheilungen, eine bedeutende Metritis
mit reichlichem blutigem Schleimgange aus der Vagina und
bekämpfte dieselben mit den geeigneten Mitteln. Diese ent-
zündlichen Erscheinungen wiederholten sich ohne nachweisbare
Ursache am 23. April, schwanden aber wieder auf beruhigende
Mittel. Während der folgenden Monate befand sich Frau Z.
leidlich wohl, obschou die Schmerzen und die Schwere im
Schoosse fortdauerten. Der Unterleib erschien aufgetrieben
und gespannt.
Mitte Juli trat plötzlich unter sehr heftigen, wehenartigen
Schmerzen ein bedeutender Blutverlust ein; mit grossen Coagulis
wurden auch häutige faserige Gebilde ausgestossen , so dass
die Hebamme einen Abortus annahm; Geh. Sanitätsratli 22.
fand, als er die Kranke am 19. Juli nach sieben Wochen
wiedersah, das Aussehen derselben auffallend verändert; das
Gesicht erschien eingefaUen, blass, ganz entstellt, die Ex-
tremitäten kühl, die Zunge trocken, heiss, der Puls 120 — 132.
Dabei die entsetzlichsten Schmerzen tief im Becken, ins-
besondere ein unerträgliches Drängen auf den Mastdarm,
so dass Patientin keine Ruhe zu finden vermochte, indem
Obstruction und Ischurie sich hinzugesellt hatten. Die Be-
tastung des Unterleibes liess eine kugelige Geschwulst oberhalb
der Schamfuge erkennen; bei Druck darauf, zumal linkerseits,
folgte in der Tiefe des Beckens ein empfindlicher Schmerz-
Das Becken erschien von einer gleichmässig prallen Geschwulst
ausgefüllt. Die gepeinigt« Kranke fand nur vorübergend in
der Bauchlage einige Erleichterung.
für GeburtohtUfe in Berlin. 247
Am 3S. Juli sah icfa die in Folge der andauernden
hefligeti Schmerzen und Nachtwachen im höchsten Grade
faenbgekommene Kranke zuerst und fühlte hinler den BauclH
decken den' etwas vergrösserten, deutlich zu umgrenzendeii
Uteras gleich unterhalb de& Nabels; neben demselben nach
beiden Weichen hin zeigte der Leib eine ungewöhnliche
Resistenz. Die Beckenhöhle war durch eine kindskapfgrosse
undenüich elastische Geschwulst so vollständig ausgefüUlt, dass
der mit Anstrengung hinter der Schamfuge emporgeschobene
Zeigefinger den Muttermund nur in der Knie- und Ellenbogeu-
lage erreichen koni^. Die vordere Muttermundslippe erschien
halbmondförmig um die hintere verzogen, welche letztere un-
mittelbar m die erwähnte kindskopfgrosse Geschwulst überging.
Dieselbe zeigte sich bei einem Versuche, die das Becken aus-
fällende Masse stet und vorsiditig emporzudrängen, unbeweglich;
jedoch stieg bei diesem Versuche der Muttermund ein wenig
herab, und jetzt erschien die hintere Lippe gleich einem
flachen Saume an der Geschwulst, während der dem Zeige-
finger zugängige Mutterhalscanal eine aufgelockerte körnige
Oberfläche darbot Harnblase und Mastdarm waren vorher
entleert worden.
Die Diagnose der das kleine Becken und insbesondere
die Kreuzbeinaushöhlung ausfüllenden Geschwulst schwankte
zwischen einer adhärenten Ovari algeschwulst oder einer
Kyste an der hinteren Wand des Mutterhalses oder in der
hinteren Mutterlippe (wie ich sie bei einem sich später ent-
wickelnden Uteruscarcinom vor zwei Jahren unmittelbar nach
dem Wochenbette beobachtet habe) ^) und einer Extrauterin-
schwangerschaft im Douglas'schen Räume. Die
Auscoltation ergab jedoch keinen Anhaltepunkt für die Er-
kenntniss der letzterea Jedenfalls rousste, um die von Tage
zu Tage steigenden Qualen der Kranken zu erleichtern, eine
Verkleinerung dei^ unbeweglichen Geschwulst erzielt werden.
Deshalb machte ich am 2. August d. J. eine Function mit
1) S. Monatsschrift für Gebartskand«, XVJ., S. 421~-433.
Bei dieser Gelegenheit will ich zwei sinnentstellende Druckfehler
S. 422 Zeile 14 von nnten nnd Zeile 2 Yon unten corrigiren;
dort muss es statt , rechten'' linken, hier statt „August^ April
heissen.
248 XVIIT. VerhaiMlIufigefi d«r Gesellschaft
dem Explorativtroikar von d(>r Scheide aus und entleerte eine
geringe Menge einer theils wässerigen, thetls blutigen Flüssig-
keit. Nachdem während der folgenden Tage allmäiig noch
eiemlich viel Flüssigkeit abgeffossen war, fühlte sich die Kranke
sehr erleichtert und klagte nicht mehr ilber die quälenden
Kreusschmerzen. Die Exploration ergab am 5. August eine
merkliche Verkleinerung der Geschwulst und die hintere
Muttermundsiippe erschien jetzt wieder deutlich forroirt; die
Uterussonde konnte ohne Muhe in den un) 1 Zoll verlängerten
hinter den Bauebdecken liegenden^ Uterus eingeführt werden,
so dass der Sondenknopf fast in der Höhe des Nabels durch
dte Bauchdecken gefohlt werden konnte. Am 14. August
zeigte sich die Geschwulst nicht allein abermals kleiner,
sondern auch weidier, emporgewichen, der noch bestimmter
forroirte Muttermimd hinter der Schamfuge herabgerückt, der
Unterleib hingegen stärker aufgetrieben. Die Kranke konnte
jetzt, wenn auch nur für kurze Zeit, das Bett veriassen. Sie
bemerkte von dieser Zeit an oftmals einen weissen, eiter-
artigen Schleimabgang bei dem Stuhlgange , welcher bisweilen
auch damit gemischt sein sollte. Anfangs Sq^teniber fühlte
sie am After ein Stechen, als ob ein spitzer Körper hervor-
trete, worauf sie einige dünne Knöchelchen, die sie mit
Taubenrippen verglich, auszog. Sie war davon um so mehr
überrascht, als sie in den letzten Monaten keine Tauben ver-
zehrt hatte. Es wurde nun jede Stuhlausleerung sorgfältig
beobachtet und dabei noch eine Anzahl von Fötusknoclien
aufgefunden. Am 21. September klemmte sich endlich ein
grösseres Skeletstück im Mastdärme- ein und wurde endlich
durch die Mutter der Patientin glücklich hervorgezogen. Seit
dieser Zeit ist trotz sorgfältiger Ueberwachung der Ercreniente
kein Knochenstück weiter abgegangen. Ich fand am 1. und
26. October 1862 die Kranke Tollkommen zufrieden mit ihrem
Befinden, Appetit und Ausleerungen geordnet. Die früher im
höchsten Grade abgemagerte Patientin hatte wieder Fleisch
und frische Farbe gewonnen; sie ging nicht allein im Hause
umher, sondern besorgte auch die häuslichen Geschäfte und
beaufsichligte ihre früher geborenen Kinder. Der Abgang von
Schleim bei der Stühlausleerung war allmäiig geschwunden,
die Defacation erfolgte ohne Schmerzen, nur über der rechten
für GebvrtiliilUe i» Berlin. 8^
Weiche klagte sie noch zeitweise, ein Ziehen, ohne dass man
daselbst eine Geschwulst nachzuweisen vemiochte. Der Uterus
hat seine normale Stellung wieder eingenommen, der abwärts
und etwas nach hinten gerichtete Scheidentheil ist noch ver-
dickt und aufgelockert Die Scheideuwandungen zeignn nichts
Abnormes. Dagegen ist der untere Theil des Rectum er-
weitert und zeigt an der rechten Seite eine schräg von oben
nach unten verlaufende "Narbe. —
Die in der Sammlung der Königl. Entbindungsanstalt zu
Berlin aufbewahrten durch den Mastdarm ausgeleerten Fdtus-
koochen bestehen:
1) Ans dem vollständig erhaltenen Becken nebst Lenden'-
und Rückenwirbeln and den beiden Oberschenkeln.
Mit den Brustwirbeln sind mehr oder weniger lose
jederseits fönf grössere oder eine kürzere Rippe ver-
bunden. Im Becken zeigt sich die Harnblase, vor den
Wirbeln Reste der Leber und andere Eingeweide, in
der Gegend der Scham sieht man die beiden sehr ent-
vrickelten Schamlefzen und die Clitoris.
2) Ein völlig isolirtes linkes Scbulterlilatt
3) Der gan^ rechte Arm sammt den Fingern. Das Oberarm-
bein misst 1" 2"' Par. Maass.
4) Eine Tibia, welche 1'' V" misst, durch Weichtlieile mit
einer Fibula verbunden.
Diese Fötustheile entsprechcff nach ihrer Grösse und Aus-
bildimg einem Alter von vier bis fünf Monat(*n , welches auch nach
der Geschichte der Schwangerschaft anzunehmen sein dürfte.
Dass das Ei in dem Z>ot<^^*schen Räume seine Ent-
wickelungsstatte gefunden habe, möchte kaum zu bezweifeln
sein. Dafür spricht theils die auffallende Heranziehung der
hinteren Mutterlippe zu dem Eisack and die Emporschiebung
des Uterus hinter die Linea alba, theils die auffallend rasche
und von verhältnissmäs^g geringen Beschwerden begleitete
Ausscheidung der Fötastheäe durch den Mastdarm. Die von
mir verrichtete Function des Eisackes bat höchst wahr-
scheinlich das hier wünschenswerthe Absteiiieu des Eies herbei-
geführt und damit den heftigen, immer steigenden Leiden der
Schwangeren ein Ziel gesetzt
250 XVni. VerhaBdlaBgen der Geiellsohaft
Sitxang vom 13. Januar 1868.
Herr Kauffmann berichtet
Aber einen Beckenabscess mit Durchbruch in die
Blase»
Am 22. November Torigen Jahres wurde ich zur Frau J^.
gerufen, welche am 16. Abends nach normaler Schwangerschaft
von ihrem ersten Kinde leidit und glücklich entbunden war,
sich die zwei ersten Tage auch wohl befunden hatte, indess
seit drei Tagen über heftige Schmerzen im Unterleibe klagte.
kh fand die Frau in lebhaftem Fieber mit glänzenden Augen
und exaltirtem schweissbedecktem Gesichte (Pulsft*equenz 120),
und die Untersuchung des Unterleibes ergab eine beträchtliche
Empfindlichkeit des unverkleinerten Uterus, der sich faustgross
durch die Bauchdecken deutlich umgreifen liess. Die Lochien
waren dabei missfarbig und übelriechend, und da sich die
Krankheit somit als eine Endometritis mit Reizung des
Peritonäalüberzuges der Gebärmutter darstellte, so wurde
eine innere Exploration nicht angestellt Ich liess den Unter-
leib mit warmen Cataplasmen bedecken, reinigende Ein-
spritzungen von lauem Cbamillenthee in die Scheide machen
und verordnete innerlich kühlende Antiphlogisüca. Schon am
folgenden Morgen hatten sich die Schmerzen sehr gemildert,
die Pulsfrequenz blieb aber dieselbe und sank erst nach
mehreren Tagen bis auf 90 herab, ohne indess die normale
Zahl zu erreichen. Da sich die subjectiven Beschwerden
allmälig ganz legten (mit Ausnahme einer Strangurie, die mir
indess verschwiegen wurde), so fand ich keine Veranlassung,
die Kranke noch einmal zu untersuchen und war, auf eine
allmälige Lösung hoffend, einige Tage ausgeblieben, als idi
wegen erneuter heftiger Unterleibsschmerzen am 5. December
aufs Neue zu der Kranken gerufen wurde.
Ich fand ziemlich denselben Zustand wie bei meinem
ersten Besuche, lebhaftes Fieber und eine enorme Erapfindlich*
keit der Untei'hauchgegend ; zugleich klagte die Frau über
heftige Schmerzen beim Urinlassen und gestand auf Befragen,
dass sie diese eigentlich schon seit der Entbindung gehabt,
indess als eine natürliche Folge derselben betrachtet und
^r Geburtohfilfe in fi«rliii. 251
deshalb iiidK weiter beacblel habe. Der Urin, den ich un-
Tcrmisdit erhallen konnte, war spärlich, sehr saturirt und
zeigte dae schleimige Trübung. Ich untersuchte deshalb
durch die Scheide > fand die Vaginalportion in der normalen
Höhe und Lage, den Uterus nach vom in eine Geschwulst
obergdieiid, die ongeßhr fiiustgross und etwas nach rechts
abweichend sich oberhalb der Symphyse deutlich umgreifen
liess, sehr schmerzhaft war und mit dem noch ziemlich aus-
gedehnten Uterus die ganze rechte Hälfte und Bütte des
8cheidengrundes ausfüllte. Die Diagnose stellte ich deshalb
auf eine umschriebene Entzündung in den Mutterbandeni und
der PUca utero -vesicalis, vielleicht mit abgesacktem Exsudate.
Es wurden vier Bhitegel an den Scheidengrund, aufs Neue
Cataplasmen über den Unterleib und antiphlogistische Evacuantieii
Innerlieh verordnet Die Blutung war sehr ergiebig, die
Schmerzen liessen nach, und als ich am folgenden Tage die
Frau sah, war sie fast vollständig schmerzfrei, zeigte mir aber
den Urin, den sie ungetähr eine Stunde vor meinem Besuche
unter heftigen Schmerzen gelassen hatte, und der im Nacht-
geschirre eine ungefähr 17s Zoll starke Lage von dickem
Eiter abgesetzt hatte. — Die Geschwulst war somit unzwei-
deutig ein eiterig zerfallenes Exsudat, welches sich einen Weg
in die benachbarte Blase gebahnt hatte, dnlier auch die längere
Zeit bestehenden Flarnbeschwerden , die wohl auf eine ent-
zündliche AfTection der Blasenwand zurückgeführt worden
möseen, hervorgerufen durch die Durclibruchsbestrebungen
des Abscesses.
Die Untersuchung durch Bauchdecken und Scheide ergab
eine unbedeutende Verkleinerung der firemden Geschwulst; der
Druck auf dieselbe wurde jetzt ohne grossen Schmerz er-
tragen, und da der Urin in den nächsten Tagen noch immer
kleinere Mengen Eiter mit sieh führte, die sich alimälig ver-
loren, ohne eine neue Schmerzhaftigkeit der Geschwulst
herbeiauführen, so liess sieh hoffen, dass die Abscessfaöfale
alimälig obhtmren und die Genesung eintreten würde. Die
Behandlung bestand deshalb in roborirender Diät und Dar-
reichung von Decoct. Chinae, da Patientin sehr geschwächt
war und namentlich in beständigen Schweissen zerfloss. Die
Harnausleenmg war noch längere Zeit schmerzhaft, doch mit
35S XVni. YefkaAdlatigto dar GeMlIschaft
dem Beginne des' neuen iAhtes legte« sich auch diite B^
$ch werden, die Kräfte nahmen zu, die Ndgniig tum Schwitzen
ferringerte sieh und zur Zeit kami die Fr«u als genesen be^
trachtet werden.^)
Beckenobscesse mit Durchbriicb nach der Bhs» gehören
immer zu den selteneren Beobachtungen. Charles We9t sagt,
dass er diesen Ausgang nur zwei Mal gesehen, Bell zftMt
unter 45 Fallen perforirender Beckenabscesse nur drei, die
sich durch die Blase entleerten u. s. w. Interessant ist indess
der rasche Verlauf in diesem Falle, der Kiwisek's Ausspruch
bestätigt, dass, wenn der Abscess den Darm oder die Blase
perforirt, meist nach kurzem Bestände der Entzfindungszufölle
plötzlich mit Erleichterung durch den Anus oder die Urethra
Eiter entleert wird. Die Entbindung fand am 16. November
statt; am 22. fand sich ausser einer entzQndlichen Reizung
des Peritonäalöberzuges des Uterus und der Blase (Strangurie)
noch keine Spur von Exsudat und am 6. Deeember, also
gerade 14 Tage später, war die Bildung des betrachtidien
Abscesses und sein Dorchbruch bereits vollendet.
Herr Louis Mayer berichtet
fiber einen Fall von Fii^tula intestino-vesicalis
nebst Bemerkungen über Arten und Vorkommen
der Blasencontinuitätsstörungen überhaupL
Meine Herren! Id) beabsichtige, Ihnen die KraniM«-
geschichte einer Communication zwischen Blase und Darm
Vorzutragen, wiewohl ich gestehen muss, dass ieh anfänglich
Bedenken getragen habe, mit dieser Mittheihmg sdion jHzi
hervorzutreten , bevor durch die Section eine exacte Basis ffit*
die anatomischen Verhältnisse gewonnen hi, zumal dieser
Mangel nicht durch Vergleichung ant einer grdsser^ Zahl
1) B«i einer »m 22. jAnnar angestellten Untersuohang^ fünd
sidi der Uterus in volUlindig nornaler liage und Grösse. Der
Raum zwischen der Blase und Gebarmatter war fast vollständig
frei , die ionen und aussen untersuchenden Finger begegneten
sich and es Hess sich nur eine unbedeutende Verdickung der
▼orderen BauchfelldupHcatnr durchfühlen. Die ganae Unter-
■nehnng erregte keine Schmeraempfindung.
für Gebnrtl^ülfe in Berlin. 353
Ündielier Flile aus der- Lileratur 2» ersetzen sein wird.
Demi e» sind gerade dta^gleichen ContinuitSUstörungen sehr
stltan, während das Capiiel über Blasenflsteln Oberhaupt
bekamtGch eine umfangreiche Bearbeitung in Lehrbüchern
imd Monographien erfahren bat und der Casuislik einen
reichen Stoff bietet
Vidleichl gewährt es Ihnen einiges Interesse, zuvörderst
einen kurzen Blidc auf die Arten und das Vorkommen der
BlaseneoQtinuitatsstdningen überhaupt zu werfen.
Wür lassen die congenitaien Continuitätsstörungen der
Blasenwandungen ausser Acht und ziehen nur die erworbenen
in unsere Betrachtung.
Der grössere Theü aller Continuitätsstörung der Blase,
abgesehen von denen, wekhe durch tiefere Zerstörungen,
durch Urioinfillnition oder Peritonitis schnell den Tod herbei-
laiMreii, werdm Fisteln, sofern wir den Begriff der Fistel als
wMeraalurliclie Oeffnung bissen, die mit einem seci*etorischen
Organe oder deren Ausführungsgängen in Verbindung
steht, und das Secrel von diesem in eine andere Höhle oder
■ach aussen entleert. Ausserdem giebt es jedoch Continuitäts-
störungen der Blase, die keine Fisteln sind, und für
wekhe daher die BezeichniHig Fistel am besten ganz ver-
uMdeo würde, nämlich Oeffnungen, durch welche sich in
die Hase verschiedenartige Körper und Flüssigkeit aus patho-
logischen Bildungen entlieeren. Na<^ allgemeinem Sprach-
gebrauche bezeichnet man diese bekanntlich als unvollkommene
inuere Blasenflsteln. Die sogenannten äusseren unvoUkommenen
Blasenfistrin fallen nicht in das Bereich unserer Betrachtung,
ila es sich bei ihnen um keine Verletzung der Blase bandelt.*
Wir heben drei pathologische Bildungen hervor, die zu
Bheenperferation ohne Pistelbildung führen können. Nämlich
Ov^rialkysten, sodann Abscesse, welche in der Bauch-
böMe, nicht im Cavum des Beckens liegen, und endlich
Fötal«äcke bei Bauchschwangerschaft.
Den anatomischen Verhältnissen entsprechend, wird hier
die Perforation der Blase meist in. den oberen Theüen der-
selben stattfinden, so dass, nach dem Gesetze der Sdiwere,
kein Urin in die mit der Blase communicirenden geschlossenen
^54 XVIII. V«rbaadlongen der OeielUchaffc
Höhlen tretea wird, so lange der Abflugs nach nnlen
durch die Urethra nicht aufgehoben ist Die Per-*
foratioD der Blase geschiebt in der Regel unter acut ent-
zündlichen Erscheinungen nach vorhergegangener unmitlelbarer
Verklebung der Wandungen des Sackes mit dei* Blase, oder
oiittelbarer Vereinigung durch zwischenliegendes Gewebe. Das»
diese Blasenperforationen nicht sehr häufig sind, kann man
a priori annehmen, weil es kaum denkbar ist, dass nichl
schon von der ersten Entstehung dieser, mit chronischen
oder acuten Entzündungsprocessen begleiteten Geschwülsten,
Darmpartieen in das Bereich der Entzündung gezogen werden
sollten und nicht mit ihnen verkleben. Bei der Dünnwandigketi
der Därme im Vergleich zu den dicken muskulösen Blasen-
wandungen ist einzusehen, dass im Falle des Contacts beider
mit dein Entzündungsheerde der Durchbruch des Darmes
Regel sein wh'd. Die gleichzeitige Perforation «des Darmes
und der Blase werden wir bei den Fisteln zu besprechen
haben. Ebenso den Durebbruch von Geschwülsten, die mit
der Blase communiciren , nach aussen«
Von Communicationen der Blase mit Ovarialkysten
sind Ihnen zwei Fälle bekannt Den einen tbeilte Rüge 1846
in unserer Gesellschaft mit.') Die Perforation hatte geges
2V2 Jahre bestanden und ununterbrochen Eiter, Jauche,
ausserdem aber mit Haaren verfilzte Fettklumpen in die Blase
entleert Einen zweiten Fall beobachtete ich vor einigen
Jahren. Die betreffende Kranke liess sich in das Hedwigs-
krankenhaus aufnehmen und Ulrich gab die Krankengescbidite
in der Sitzung unserer Gesellschaft vom 23. November 18Ö8.
Es handelte sich hier um eine Ovarialgescbwulst, aus welcher
sicli reichliche Mengen flüssigen Fettes und Eiters in die
Blase ergossen. Eine dritte ähnliche BeobacbtuQg findet sich
von Seutin.^) Bei einer 58 jährigen Frau wurden durch
Lithotomie Steine aus der Blase entfernt, von denen der
eine als Kern einen Zahn hatte. Die Frau starb einige Zeit
1) Fall von Haaren in der Urinblase einer Fran. Terbandl.
der a«Boll8ohart för Gebnrtsbülfe in Berlin, I., 1846, S. 179.
2) Annat de m^d. bellte, D^cbr. 18SS.
fUr QetertshüUe io R«dfn. 25g
darwC. Bei der Section faad sieb eine Ky$ie des liakea
Ovariam und ia dieser ein BQscbei Haare und Knochen-
firagmenie, das Cavmn der Kyste Terengerte sich nach der
Blase XU in einen Canal, der sich in die letztere öffuete und
eine Zahnkrone harg. Diese Zahnkrone, wie die Haare und
Knochenstöcke waren mit einem Präcipitat bedeckt, woraus
erhellte, dass Harn in die Höhle gelangt war. Dies erklärt
sich aus dem durch die Steine gehemmten Abfluss des Urins
aus der Urethra. Eine Beobachtung yon Obrien^) gehört
ebenfalls hierher. Derselbe entfernte bei einer 50jährigen
Frau zwei ziemlieh grosse Steine aus der Blase, deren jeder
einen Backenzahn zum Kerne hatte.
Die Entleerung ?on Abscessen durch die perforirteu
Biasenwandungen ist nicht selten. Kauffmann bat uns soeben
einen Fall der Art vorgetragen. Ich erwähne hier nur eine
interessante Mittbeilung, die Mercier^) macht. Bei einem
Greise iand sich in der hinteren Blasenwand ein bühnereigrosser,
vom Bauchfelle bedeckter, mit Eiter gefüllter Abscess, welcher
durch vier Oeffnungen mit der Blase communieirte. Wie ich-
bereits oben angedeutet habe, werden nur die oberhalb der
Blase oder doch nicht tiefer als der Blasengrund gelegenen
Exsiidatsäcke ihren Inhalt in die Blase übertreten lassen,,
ohne dass Urin sich wiederum in sie ergiesst, wogegen die
mehr nach unten, sei es in der Umgebung der Blase, sei
es innerhalb ihrer Wände befindlichen durch Austreten von
Urin zu Urininfiltrationen, Verjauchungen oder zu Urinfisteh»
Veranlassung gehexL
Für die Durchbräche der Blase von den extrauterinen
Pötalsäcken aus sind nächste Ursache die sich im Inneren
des letzteren und in ihrer Umgebung, oft nach langer Rübe,
estwickelnden Entzöndungs- und Suppurations-Procease.
Analog den Entleerungen von Abscessen durch die Blase ist
die Eliminirung der extrauterinen Frucht auf diesem Wege
selten, während Durchbruch nach dem Darme den Verhältnissen
1) Zwtti Blaaeaifelne am der Bbuie einer Fran n^esogen,
welch* Ma»itchea«ahne eBthiellen. Dablia Joarnal, Vol. V.,
M&r» 1834.
2) Gas. tn^d. de Paris, No. 63, 1836. — Schmidia Jahrb.,
XV., S. 206.
g56 XVni. Verbandlun^on d«r Oeftolldchfift
am entsprechendsten tmd deswegen auch bei Weitem häufiger
beobachtet ist. Qiessler ^) fährt am Schlüsse seiner Dissertation
an, dass er in der Literatur sechs Beobachtungen sogenannter
secundSrer Hamblasenschwangerschalt gefunden habe.*)
Wir kommen nun zu den Blasen fisteln. Diese sind
entweder Urinfisteln, oder Fisteln gemischten Charakters,
d. h. Koth- und Urinfisteln zuglekfa. Ihrer Gestalt nach
unterscheidet man canalförmige und loch (lippen)förmige.
Die Urinfisteln sind bei Weitem die häufigsten und unter
diesen wieder bieten das grösste Contingent die Blasen-
scheidenfisteln, so dass wohl Niemand unter uns ist, der
nicht eine oder mehrere dieser häufigen Continuitätsstörungen
beobachtet und behandelt hat Es muss deshalb auffallen , dass
die Kenntniss dieser Fisteln erst Tom Anfange des siebenzehnten
Jahrhunderts datirt, da bekanntlich Plater und Mercaius
die ersten waren, durch welche derselben Erwähnung geschieht
Seitdem ist die Lehre von den Blasenscfaeidenfistein mehr und mehr
cuUivirt und in den letzten Decennien bekanntlich namentlich
durch O. Simon, Simpson, Jobert^ Maisonneuve, Hayward
in Boston, Pancocut in Philadelphia, Sims, Bozemamn u. A.
gefördert Wir verdanken den Beobachtungen und Arbeiten
der Neuzeit nicht nur die erfreulichen Fortschritte auf dem
tlierapeutischen Gebiete, sondern auch klarere Ansdiauungen
in den anatomischen VerliAltnissen und der Nosologie sowohl
der Blasenscheidenfisteln, als auch der übrigen Fisteln des
weiblichen Sexualsystems. Von den letzteren kommt die
Harnröhrenscbeidenfistel nicht so häufig vor, als die
Biasenscheidenfistel. Dasselbe gilt von den ßlasenscheiden-
gebärmutterfi stein. Die Blasen gebär mutterfistel
scheint noch seltener zu sein. Zuerst hat sie Stolz in
Strassburg 1828 beschrieben. Derselbe ') tbeilte einen zweiten
Fall von Fistula utero «vesicaüs in Verbindung mit einer Fistiila
1) lieber einen PaU von Abdominalfchwangeraubaft. Inang.
Disa., Marbnrg 1856.
2) Josephi, Ueber einen PaU von Hamblaseniehwangersebaft,
AoBtook 180S; WiUmanni v. d, WUl; Bonnte; Dimdemtmi, gemeias.
dentflobe Zeitschrift für Oeburtsk., II. Bd., 2. Heft; Hanulin.
S) Gas. da Strasb., No. 5, 1847.
für Ottb«rUhüUe in li^orM ii. 2i!>7
iilHt)>«iMloiiiiii«U8 miu Peiiier beschrieb J, Barrisan^) eine
GebäriDuUerscheidenfiätel, desgleicheo Mickcuüs ^). G. Simon
beubacbtete sie drei Mal ChnrchiU ') ein Mal. Nucli seileoer
sind, beiläufig gesagt, die Harnieiteilisteln. Von Elariileiter*
Scheidenfisteln hat G. Simon*) zwei gesehen; eine be*
schreibt Alquie,^) eine Panas^^) eine HegarJ) Harnlei ler
gebärmutterfibteln iheilte mit B^rard,^) Puech,^)
W. A, Freund. ^^) Einer Harnleiterbiasengebärmutter-
fistel finden wir von G. Simon ^^) erwähnt
Ausser diesen dem weiblichen Gescbleclite eigentliüadiciicn
Urinfisteln kommen seltener durch mehr oder weniger lange
Fistelgänge au die Oberfläche des Körpers fuhrende ürinfisteln
bei beiden Geschlechtern zur Beobachtung. Sie finden sich
in der Nabel-» der unteren vorderen Bauch- und Inguinal*
Gegend. Beim Manne nicht selten am Perinänin. Sie sind
Pdigen von Operationen, Verwundungen und Quetschungen
der Blase» können aber auch durch Beckenabscesse. besonders
durch Urinabscesse in Folge von Harnröhrensiricturen, ferner
durch Cariea der Beckenknocheu, parenchymatöse Entzündung
der Bhise und Krebs herbeigefdhrt werden. Sie entstehen
auch wohl durch das spontane Austi*eten von Blasensteinen
durch die Blasenwandungen. Solche Fälle beschreiben Abbe^ '^)
Duboteitzkjf^ ^') Maisonneuve. '^) Einen Grund zur Yesico«
. 1) Proy. JoariL, II., 24, }846.
2) P/aff'B Mittheilnngen, Heft 1 n. 2, 1839.
H) The Dubl. Qnart. Jonrn. of Med. Sc, May 1869, p. 474.
4) Deutsche Klinik, 1856, 80, und Beitrage zur Geburtskunde
oBd Gynftkologie von Seantani^ Bd. IV., 1860, 8. 3.
6) La presfe med. beige, No. 30, Brnx. 1867«
6) Oas. des h6pit., No. 69, 1860.
7) Monatsschrift f. Geburtsk., Hd. XX., 8. 29.
8) Prager Vicrteljahrschr., Bd. IV., 1866.
9) Gas. des hdpit., No. 183, 1850.
10) Inaag. Dies., Vratisl. 1860.
11) Ueber Heilung der Btasenscheidenfisteln , Glessen 1864.
12) Ein grosser Stein im Mittelfleisch. Oestr. Medic. Wochen-
fschrift, No. 46, 1842.
18) 8«lle«er Fall von spontanem Austritte eines Blasensteint
an dar Warsei det mftnnl. Gliedes. Petersb. Med. Ztg., 1846, 11., 84.
14) Freiwillige Auseieasung eines Harnsteins durch das Peri-
näum. Qhs. des hdpit., 1861, 67.
ll«ii*l«««hr. f. Usbortak. 1868. Bd XXL, Uft.4t H
258 XVIII. Verhaiidlfmg^ii der OeMllflcbaft
imbilicaifisUl gieLt die ErÖffnang d«s IVachus im Folge habitneH^r
Urinretention. Wir findeD^) eine Beohacblung, wo hei einem
fEuidunüKwanzigifihrigen Manne in Folge von Urinretention
durch Härnröhrenstricturen der Urachus dergestalt erweitert
war, dass der Urin reichlich aus dem Nahel floss. Auch der
von Ftdd?*) aus den „M^moii-es de l'acad. des sc, 1769**
angeföbrte Fall von Fistula vesico- umbilicalis möchte hierher
gehören. Ein zweiundneunzigjäfarig<*r Greis entleerte sechs
Monate vor seinem Tode, der durch Altersschwäche, nieht
in Folge der veränderten Urinsecretion eintrat, mehr und
mehr Urin aus dem Nabd, während durch die Blase ent-
sprechend weniger und vier Wochen lang gar kein Urin mehr
durch dieselbe abging. Eine merkwürdige Urinfistel, nämlich
in der rechten Gesässgegend V2 Z<>U oberhalb der Gelenk-
hdhlc theilt Bauden$*) mit. Ein Schuss durchbohrte einem
jungen Krieger beide Darmbeine und die Seitenwfinde der
Blase. Während durch die Austrittsöfinung der Kugel in der
linken entsprechenden Gesässgegend kein Urin abfloss, ent-
leerte sich durch die Eintrittsöflhung 38 Tage hindurch Harn.
Alsdann trat Heilung ein. Eine Fistel, die sich in die Regio
hypogastrica öffnete, beschreibt H, Larrey.^) Es handelte sieh
hier ursprönglich um eine Ovarialkyste nach Art der sclion vorher
bei Bläsenperforation erwähnten. Bei einer dreiunddreissig-
jährigen kräftigen Frau brach dieselbe erst in die Blase , alsdann
durch die Bauchdecken nach aussen. In der Blase hatte sich
ein Stein mit einem Centrum, welches aus einem Haarbüschel
bestand, gebildet. Durch Anwesenheit dieses Steines war der
Urin genöthigt, fast stets durch die Bauclihöhlenöffnung ab*
zufliessen. Die Kranke wurde durch glückliche Operation
geheilL Zwei Fistulae vesico - inguinales finden wir bei VidcU
aus den „Memoires de Tacad. de chirurg.*', IV., p. 19 u. 22,
von Verdier ^ angeführt. Von Fistulae vesico -perinaeales
erwähne ich die von James Syme^) beobachtete mit vier
1) Tn Hannov. Ann., Bd. 14, Heft 2. Schmidt^» Jntirbih;ber,
8nppk-Bd. III., 8. 167.
S!) Lcthrbncb der Chirtirgie n. Operatiansiehre, 1869, IV. j 242.
3) Lancette fran^., 18S4. — 8difiridt*ft Jahrb., V., 8. S22. -
4) M4in. de Tacad. toy, de m^d., PaHs 1846.
5) Edinb. med. and sarg. Jonrn. , Vol. 40, Oct. 18SS.
Ifir QttburUhüUe in Berliu. 2:!>7
Utero -«bdomiiialis miu Fei-uer beschrieb J. Harrisan ^) eine
GebärinuUerscheidenfiätel , desgleicheo Michcuiis ^). G. Simon
beubacblete sie drei Mal. Ckurchiü ') ein Mal. Nocli selleoer
sind, beiläufig gesagt, die Harnleitc^rtisteln. Von Hariileiter-
Scheidenfisteln hat O. Simon*) zwei gesehen; eine be-
sclireibt Alquii^^) eine Panas^^) eine HegarJ) Harnleiter
gebärmutterfistein Iheilte mit B4rard,^) Fuech,^)
W. A.Freund. ^^) Einer Harnleiterblasengebärmutter-
fistel finden wir yoü 6. Simon ^^) erwähnt
Ausser diesen dem weiblichen Gescblechte eigentliünilichen
Drinfisteln kommen seltener durch mehr oder weniger lange
FislelgäQge au die Oberfläche des Korpers führende Urinfisteln
bei beiden Geschlechtern zui* Beobachtung. Sie finden sich
in der Nabel-, der UBteren vorderen Bauch > und Inguinal*
Gegend. Beim Mannen nicht selten am Perinänm. Sie sind
Folgen von Operationen, Verwundungen und Quetschungen
der Blase» können aber auch durch Beckenabscesse. besonders
durch Drinabscesse in Folge von Harnröhrenstricturen, ferner
durch Caries der Beckenknocheii, parenchymatöse Entzündung
der Blase und Krebs herbeigeführt werden. Sie entstehen
auch wohl durch das spontane Austi*eten von Blasensteinen
durch die Blasen Wandungen. Solche Fälle beschreiben Abi^^ '^)
Dubatottekif, ^') Maißonneuve, ^^) Einen Grund zur Vesico*
. 1) ProY. Jonrn., JI., 24, 1845.
2) P/aff's Mittheilangen, Heft 1 n. 2, 1839.
3] The DubL Quart. Jonrn. of Med. Sc, May 1859, p. 474.
4) Deatsche Klinik, 1856, 30, and Beiträge zur Gebartskunde
ond Gyn&kologie von Seantonij Bd. iV., 1860, 8. 3.
6) La presse med. beige, No. 30, Brux. 1867.
6) Qas. des höpit., No. 69, 1860.
7) Monatsschrift f. Geburtsk., Hd. XX., 8. 29.
8) Prager Vierteljahrschr., Bd. IV., 1866.
9) Oaz. des hdpit, No. 133, 1869.
10) Inaug. Diss., Vratisl. 1860.
11) Ueber Heilang der Biasenscheidenfisteln, Oiessen 1854.
12) Ein grosser Stein im Mittelfleiscfa. Oestr. Medic. WoQfaen-
f^chrift, No. 45, 1842.
18) Seltener Fall Ton spontanem Anstrittp eines Blasensteios
aD der Warsei des männl. OUedes. PeAersb. Med. Ztg., 1845, II., 84.
14) Freiwillige Ausstossnng eines Harnsteins durch das Peri-
Däom. Qas. des höpit., 1851, 57.
ll«osU««lir. f. Usboruk. 1868. Bd. XXI., UÜ, 4, 17
260 XVIII. VerbAndlangfCD d«r Oeitllachftft
wurde. Ob eine dauernde vöilig« Heilung erfolgte, konnte
wegen mangelnder Weiterbeobachtung nicht angegeben werden.
Lassen Sie uns nun, meine Herren, auf die zweite Reihe der
Blasenfisteln, nämlich auf die Fisteln gemischten Charakters,
etwas näher eingehen. Fisteln gemischten Charakters ent*
stehen, wenn zwei secretorische Organe oder deren Aus-
fuhrungsgänge miteinander communiciren und ein Uebergang
▼om Inhalte des ekien in das Cavun) des anderen und um-,
gekehrt stattlindet. Bei der Communication von Blase und
Darm entsteht dadurch eine Vereinigung ?on Koth- und
UiinfisteL Wir wollen die Aetiologie dieser seltenen Fisteln
etwas näher in unsere Betrachtung ziehen. Dickdarmblasen-
fisteln entstehen beim Manne, analog den Urinfisteln, durch
•OperationsTerietzungen , Quetschungen und Verwundungen.
Die Lithotomia recto-vesicalis wird fast immer eine Mastdarm-
blasenüstel nach sich ziehen. Dass aber die Heilung hier
nicht völlig ausgeschlossen ist, dafür spricht eine Beobachtung
von Jame9 Datoson. ') Derselbe machte diese Operation
bei einem 3V2Jähngen Knaben und sah schon nach 10 Tagen
Töllige Heihing. Auch bei der Lithotomia urethro^prostalica
kann eine Verletzung mit resultirender Fistula recto-vesicalis
leicht eintreten. Beispiele von Verletzungen des Perinäum
durch Fall, Stoss etc. mit nachfolgender Darmblasenfistel
finden wir, wenn auch selten, in der Literatur. In der Regeil
führen derartige Verletzungen schnell zum Tode. AMhtan*)
berichtet eine Zeireissung des Rectums und der Blase durch
das Eindringen eines Stuhlfusses durch den Damm bei einem
vom Tische fallenden Manne. Der Tod erfolgte nach 21 Stunden.
Meekel^) theilt eine Einreissung des Blasenhalses durch
Trauma mit, wo Fisteln nach dem Rectum entstanden.
Eine zweite Reihe von Darmblasenfisteln haben ihren
Entstehungsgrund in pathologischen Zuständen des Darmes.
Sie betreffen beide Geschlechter und können, dem Sitze der
primären Darmerkrankung entsprechend, Dönndarm- oder
Dickdarmblasenfisteln sein. In der Literatur habe ich von
1) TraiiMct. of the med. and sorg. Astoc, 18S4, Vol. II.
2) Die KrankheiteD, TerietsnngeD und lliesbildungeB des
Rectum und Anas, Würsbnrg 1863, 8. 166.
8) lllast. med. Zeitschrift, 1,4, 1852.
für Oebnrtsliiilfe in Berlin. 261
primäreo Darmleiden, wekhe Darmblaseufisteln herbeizufuhren
geeignet sind, zunächst Carcinom und Gallerlkrebs gefunden.
Hingeston^) tbeilt eine Beobachtung mit, wo durch einen
Damiscirrhua mit Strictur, Coromunicationen sowohl des Rectum
als des Colon, wie auch des Dünndarmes mit der Blase be-
standen. Ich lasse diese Beobachtung in Kürze folgen.
Ein Haan aus den besseren Ständen, der seit Jahren zu
Diarrhöen und Catarrhen der Respirationsschleimliäute neigte,
erkrankte in seinem 58. Lebensjahre an einer Pleuresie,
welcher bald eine Haemoptoe nachfolgte. Im 59. Jahre machte
er eine Bronchitis durch und erwarb durch heftigen Husten
eine rechte Inguinalhernie. 1837 in seinem 60. Jahre wurde
er von der damals in London herrschenden Influenza befallen,
worauf sich bald die ersten Spuren einer Blasendarmflstel
zeigten und zwar vier Jahre vor seinem Tode. Anfanglich
wurden die Symptome derselben wenig gewürdigt, vielmehr
als Strangurie in Folge Blasencatarrlis behandelt In seineui
62. Jahre gingen aber schon mehr Darmgase und Faeces durch
die Urethra als durch das Rectum ab. Das Allgemeinbefinden
verschlechterte sich von Monat zu Monat. Die Beschwerden
und Faecalausleerungen aus der Urethra dauerten bis zum
Tode fort. In seinem letzten Lebensjahre trat eine aber-
malige Haemoptoe, darauf eine Peritonitis ein, welcher der
Kranke in seinem 65. Jahre erlag. Bei der Secüon fanden
sich Cavernen in den Lungenspitzen. In der Bauchhöhle
Serum, das Peritoneum opak; Gedärme leicht zerreisslich.
Flexura coli sigmoidea. Rectum, Ueum und Coecum hingen
en masse am Blasengrunde fest. Das Colon war hypertrophisch,
sehr muskulös, mannsarmstark. Fünf Zoll vom Anus begami
eine 2 Zoll lange Darmstrictur, die kaum den kleinen Finger
durcbliess« Ihre Wände waren scirrhös. Unmittelbar oberhalb
dersettN» waren die Darmhäute mit Verschwärungen und
Oeflnungen durchzogen, die in einen die Blase von den
Därmen trennenden Ganal einführten. Dieser Canal war ein
fäculenter Abscess, nahe beim Peritonäalumschlage zwischen
Blase und Darm gelegen, mit einer dunkelen Membran aus-
1) OufB hospital Rep., Vol. VI., p. 400. — Schmidt'9 Jabr-
bächer, 1844, Bd. 41, 8. 326.
262 XVIII. TerliHBdlnngfeii der Oesellschftft
gekleidet und sebleimig eiterigem Seeret gefUlt. Nach fora
dlTnete er sich in den Blasengrund, nach oben in*8 Colon,
nach unten in's Rectum, nach hinten durch das Colon in*s
Ileuni. Die Blasenöifninig des Pistelcanals war mit einer
fcmgösen klappenartigen Hautverdickung überwadisen.
Eine Durchbohrung des Coecnm und der Urinblase durch
eine Collöidgeschwulst des erstei*en hat Fuehs beschrieben. *)
Ich finde sie in Virchow'» „Handbuch der speciellen Pathologie
und Therapie'* erwähnt.*) Sie stand nur aber weder m
Auszuge noch im Originale zu Gebote.
Als Ursache einer ferneren Darmblasenfistel beobachtete
van Geun$ ') eine seltene und interessante Darmerkranknng,
nämlich eine ausgedehnte Geschwürsbildung im Colon
desccndens mit einer ^bedeutenden Verengerung im unteren
Tlieile desselben. Dieser Fall betrifft eine Patientin, welche
vier Jahre vorher an Cholera erkrankte, seitdem nicht wieder
völlig gesund geworden war, immer an Diarrhöen oder Ver-
stopfung gelitten hatte, ausserdem wahrscheinlich syphiKtisch
gewesen war. Längere Zeit hatte sie die Erscheinungen einer
Fistula intestino - vesicalis geboten. Bei der Section fand
sich Folgendes. An der grossen Magencurvatur sassen zwei
runde Geschwüre mit scharf abgeschnittenen Rändern, ohne
schon zu perforiren. Die V^ände des Dönndarmes waren nur
auffällig dünn. Coecum und Colon ascendens dagegen sehr
ausgedehnt, Colon transversum und descendens aber sehr
verengt mit zerstreuten unregelmässigen rundlichen Geschwüren
bedeckt. Am Uebergange vom Colon descendens in die Flexura
sigmoidea befand sich ein Geschwür mit buchtigen, scharf
abgeschnittenen Rändei*n. Von hier an bis wenige Zolle vom
Afler war die Schleimhaut in ein ununterbrochenes Geschwür
umgewandelt, die Darmwände waren verdickt Durch Ver-
klebung zeigte der Darm, wo er an den Gebärmutterkörper
zu liegen kam, eine schlingenförnn'ge Einknickung und war
hier zugleich bis auf die Dicke eines Federkiels verengt. An
i) Nederl. Waekbl., Oet. 1851.
2) Bd. VI., 2, S. 163.
3) Nederl.Woekb]., Jaly 1854. — Sd^id^B Jahrbücher, 1856,
Bd. 92, 8. «1.
fi&r i}ttbiir(»hU)C«i in Berlin. figg
dwser Slnoinr iprar der Dar» zw«i Mal perforirtt und beide
ParforatiQuen «tmden mit eimM» Gang« in Verbindyag , der
aHsaeclialb Ae& DarmcaDaioa befindlich war und d«rch den
GebtasttUerkörjMsr und die seröse Darmwand begrenai waide.
Die Oeflhuogen in diesen Gang waren IricblerRrinig und die
OarmscUeinihaui bildete an iboen concentriscba Falten. Eia»
fernere PerC(»ration des Darmes befand äcb gleich uuler dbr
UniknickuBg, «a war eine kreiaßrniige aoUgixMae OeffnMBg,
durch welche der Fiatelgang mtl dem Mastdärme communicirte.
Eioüo Cenümeter unterhalb dieser OeOhunig endlich befiuid
isidi die Perforation, wodurch der Darm und die Blase mitp-
einander communicirten. Darm und Blasenwandung Ligen hier
aneinander. Die Oeffuuiig war ürichlerförmig, etwa 2 Linien
im Durchmesser. Der unterste Tlieil per rectnm war frei
voa Verscbwärung* Die Harnblase zeigte ausser der Perforation
ihres Grundes nichts Abnormes.
Eine dritte Reihe tou Darmblasenfislelu kann, wie
schon augedeutet wurde, in Folge des Durchbruchs extrar
uieriner Graviditäten, sowie von Abscesseo in Darm
und Blase zu Stande kommen. Aucb sie können Düimdarm-
oder DickdarmMasenfisleln sein.
Der in dei* HiUer'schen Gebärklinik zu Marbiu*g beoh-
achtete Fall, welchen QiessUr ausfährhch in seiner Dissertation')
beschreibt, betrifll eine Frau, die etwa ein Jahi* nach Beginn
ibrer zweiten Gravidität, unter Erscheinungen von Peritonitis,
Eiter sowie Knochen einer siebenmonatlidien Frucht per rectum
verlor. Einige Zeit darauf stellten sich hellige Urinbescbwerden
ein« Es wurden mittels des Katheters entdeckte Knochen aus
der Blase durch die Harnröhre entfernt Die Deiacation ging
bald durch das Rectum, bald durcli die Blase vor sieb.
Unter unerträgUchen Schmerzen und zundunendem CoUapsns
starb die Kranke etwa drei Wochen nadi der Blasenperforation
an Erschöpfung. Bei der Section fand sich eme Höhle durch
Verwachsung der Blase, des Uterus und des Rectum gebildei,
in der der Fötus gelegen hatte und die durch fistelartige
Oeftmngen in den Blasengrund und in das Rectum führten.
1) Mlkrbarg 1866.
2M XVIII. VeTtisttdIiitigem der Gesellschaft
Die (Uirch Abscesse entslehfinden DarmUftsenfifitHii
sind ebenfalls selten. Es findet sich ein Fall von George
Glen ') beschrieben. Eine (»iebenundzwanztgjährige Frau hatfe
baM nach einer schweren Geburt Erscheinungen entzdndlidier
Proeesse im Leibe mit heftigen Blasenbeschwerden geboten.
Das Leiden nahm einen chroni.<3fhen Charakter an, schien
aber nach acht Monalen in Besserung überzugeben. Sechs
Monate darauf kehrten indessen die alten Beschwerden ge-
stiert zurück und mil ihnen zuerst sehr schmerzhafte Ab-
ginge von Darmgasen, alsdann von Koth aus der Urethra.
Ein Jahr nach dem Auftreten dieser Entteerungen starb die
Frau. Bei der Section fanden sich die Darme mit den ßaurli^
Wandungen besonders in der Regio hypogastiir^ verwachse».
An dieser Verwachsung betlieiligte sich das in Vereiterung
Abergegangene Netz. Der Uterus war gesund, das OvariniD
dextrum um das fünf- bis sechsfache vergi'össert im Zustande
der Verschwörung. Am Grunde der Blase , deren Wandungen
▼erdünnt waren, fand sich eine Oeffnung, die mil dem Rectum
(yommunicirte. In Folge schwerer Entbindung hatte sieh hier
adhäsive Entzündung mit Abscessbildung etnblirt, deren Gfinge
Rectum und Blase perforirt und zu der Darmblasenfistel ge^
fährt hatten.
Ich gehe jetzt auf die Mittheilung der von mir beobachtetmi
Blasendarmfjstel fiber. Frau T. aus Boizenburg, 28 Jahre
alt, von kleiner Statur, hatte sich in den Kinder- uml
Mfidchenjahren völliger Gesundheit erfreut. Vom 14. Jahre
an war sie mit regelmässigem Typus und sechstägiger Dauer
menstruirt. Im 19. Jahre verheirathete sie sich und gebai*
in den darauf folgenden vier Jahren zwei Mal. Schwanger-
schaften, Geburten wie Wochenbetten verliefen ohne Störung.
Sechs Monate nach der zweiten Entbindung vor fflnf Jahren
Btolllen sich, ohne angebbare Ursache, profuse Diarrhöen und
Auftreibung des ganzen Leibes ein. Pulsiren ni der rechten
Regio iliaca und Schmerzen an dieser Stelle fanden sich
aMmälig hinzu und hatten bereits einen ziemlich intensiven
Grad erreicht, als Fi-au Tk eben hier eine beim Drucket
1) London Med. Gaz., Vol. 18, p. 801. — SohnUdVi Jahr-
bücher, Bd. 14, 8. 211.
mr GebdrUibiiir» fai Bvrlln.
8cbiiN»niNrfle Geschwulst darch die Bauchdecken filkke. DkM
Gflschwiilsc, die Scfamenen in derseften und die Diarrhöen
wieheA trotz melirraelier« medicamentöser Eingrifie nicht wieder
und efithrtfteten die FVaii mehr und Hiehr. Sechs Mo«aU
nach der ersten Erkrankung gesellten sich -sii den angegebene«
Krankheilmrschänoiigen anfanf^h kiehtere, allmalig eu einer
qaMeQden Höhe sich stdgemde Bksenb^chwerden. Tr«ts
dieser Leiden hatte die Frau leidlichen Appetit, war im Stande
umherzugehen. Ihre Brustorgane fuiictionirten normal Die
Menses kehrten regehnässig wieder, waren aher in Quantitfit
gegen frvher vermindert. Dies war das Krankheitsbid, welches
FVau T. drei Jahre geboten hatte, als sie vor zwei Jahi^n
wieder schwanger wurde. In den ersten Monaten der Gravidität
änderte sieh Nichts in ihrem Leiden. Da fühlte sie etwa
in der Mitte der Gravidität eines Tages ohne grosse Schmerzen
Damigase dorch die Uretbraimöndung abgehen. Bald darauf
bemerkte sie, dass der Urin zuweilen grunlid), grau, sehr dick,
flockig, mit versrliiedenartigen Körpern gemischt war, die
es zweifellos machten, dass sie Koth ans der Harnblase
entleere. Denn sie erkannte im Urin unverdaute Ingesta,
KaartollelstAckdien, Muskelfasern, entleerte Chocolade drei bis
vier Stunden nach dem Genüsse ziemlich unverändert Speisen,
die den Darminhalt eigenthundich zu färben pflegen, z. B.
Blaubeeren, gaben dem Um die entsprechende Färbung.
So sehr sich auch die Kranke über diese Wahrnehmung ent-
setzte, so war sie andererseits einigermaassen erfreut, dass
sich die Blasenbeschwerden insofßm besserten, als mehr oder
weniger lange Bemissionen in den Schmerzen eintraten. Die
ScbwangerschafI nidim inzwischen ungestört ihi'en Fortgang.
Die Geburt eines gesunden Kindes musste durch die Wendung
auf die Pilsse wegen vorhandener Querlage künstlich beendet
werden. Es stellten sicii aber weder hierbei noch im
Wochenbette besondere Unregelmässigkeiten ein. Nach dem-
selben kehrte die Periode nicht wieder, ausserdem wurden
die Diarrhöen häufiger, ganz besonders des Nachts, wo sie
sechs bis neun Mal imter Schmerzen im ganzen Leibe und
quälendem Tenesmus erfolgten. Die Stuhlgänge waren meist
ganz dünn, flockig, graugrünlich mit luiverdauten Speiseresien,
den Blasenentleerungen ähnlich, nur von föculenterem Gerüche.
egg XVIII. VcffhaadlttOgcBi der GeMUsehaft
Aiifong de« lalu^es 1862 lernle ieh die JKraoke keoiMiD. Sie
war zum Enlseteen abgemalt, elend und schwiMb m\4
janMueite gar sebn War iudesaen immer ttoeh im Sla^«,
Meine Wege zu Pubs airäckiulAgen und batle 4iB Beiae ans
ibrar Heimatb nach Berlin ohne Naebibeil nacbeu köaneu.
Ibr Pols war fadenförmig, frequeni, die Zunge gldniend roib
nach der Wcmsel mit gdbliohem Belage. Herz und Langen gesund»
Der Leib aufi;etrid>en» die Bauchdecken g«spannt, beim Druck«
fiberaB scbmerzbaft, ganz besonders in der Begio iliaca dexira.
Hier fohlte man eine unregelmässige, teigige Geschwulst, die
von dem Bamus horizonlalis pubis bis zur Bäbe dar SfMiia
üiiim siqierior anterior, seitlich rechts gegen die innere Flache
dos Os iKuffl, links fast bis zur Nabellinie reichte. Die recht«^
BauchbäJfle erschien durch dieselbe ausgedehnter, ab die linke.
Di» Leber hatte normalen Umfang. Die äusseren GenitaUeii waren
wenig behaart, überliaupt in allen Theilen wemg entwickelt,
äbrigens bis auf geringe Böthuug der weiten Ureüuralmändung
normal. Die Exploration per vaginam erregte keine Sdimerzen,
so lange man den Tumor in der rechten Begio iliaca» welcher
mit seinem unteren Segmente in das kleine Becken hinein-
ragte, nicht berührte. Dasselbe galt von der Untersuchung
per rectum. Die Vaginalportion lag ganz nach hinten und ein
wenig nach rechts verschoben, schwer beweglich. Die Mutter^
mundslippen fanden sich verkürzt, weich, das Orificiuia ex-
ternum quei^gespalten nach unten gerichtet. Die Sonde drang
ohne Schmerzerreguug 2% Zoll in das Cavum uteri. Im
Specnktm erschieu die Sühleimhaut der Vagina und der
Muttemumdsüppen blass, aber gesund. Die erwälinte Ge-
sdiwulsl ragte vom grossen Becken durch den BeckefieiBgang
in das kleine Becken hinein und erfüllte dea rechten
vorderen oberen Theil desselben. Die Bectumschleimhaut
war von normaler Beschaffenheit, das Bectum selbst verlief
m normaler Bichtung nach ohea Was endlich die Blase an-
betrifil, so konnte ein 2 Linien dicker Katheter mit Leiditig-
keit in dieselbe etugeföhrt werden, ohne lebhafte Schmerzen
zu erregen. Kehrte man aber die Spitze des eingeführten
Katheters nach reclits, so klagte die Kranke über Schmerzen.
Es gtöckte nicht, die Fistelöffnung zu finden, wie überhaupt,
ausser der angegebenen Schmerzhafligkeit, weder mit elastisolHin
für QobwrühüKe hi Berlin. £67
noch mtC ineUlNeneiii Kaliieter irgend welche Anomalie sii
enldeGkni war. Nur einmal, unter wiedarhoken Katlieterisationeii,
entleerte sidi eine geringe Menge trüben gelblichen Drint
ohne KotbbeiniiBctiung. Bei der mikrogkcfiischen Untersiicbiing
ziHgten s^ch in diesem schwach miier reagirendeii , • Spuren
TOB Aibmnen enthaltenden Urin, viele Eiterkörper, Pflaster-
nnd UebergaBgs- Epithel, zum Theil in zusammenhAngaiden
Abschnitten, Detritus, Fett, hamsaure Salze. Bestandtheile,
die auf eine Nierenerkrankung schliessen liesaen, fanden sich
nicht Dagegen waren hei anderweitigen UntersucbiiBgeti des
willköriich oder durch den Katheter entl^rten Harnes, stets
pflanzliche und thierische Zellen in grosser Menge zu sehen.
Die Kranke versicherte, sie habe, wenn der Darminhall in
die Mase Iräte, das Gefühl, als ob ihr eine hrenncndi'
Plfissigkeit in dh Blase eingespritzt wArde, sofort entstehe
in derselben ein quälendes Drängen zum Harnen. Währemi
des Urinirens seien die Schnterzen in der Blase krampfhaft,
erstreckten sich in die Urethra bis zum Orificium, und auf
diese ganz besonders heftig, wenn Stucke Kothes abgingen.
Die Therapie bestand in einem roborirenden zugleich die
häiiligen Diarrhöen hokäropfenden Verfahren. Ich ordnete oitic
leichte, nahrhafte Diät iu öherwiogend flussiger und breiiger
Form an ; gab innerlich anfangs Mucilaginosa mit Natr. caiinm.
depur., kleine Dosen Pulv. Dower., später loichtes China-Decoct
mit'Acid. pliosph. und endlich Pillen aus Fei taur. insp., Ex(r.
trifol. fibr. und Natr. carbon. dop. In die schmerzhafte rechte
Hälfte des Leibes Hess ich anfänglich Ungl. belladonn., später
dasselbe mit lod-Kali einreiben. Das Befinden der Frau
besserte sich insofern, als die Diarrhöen seltener, zuweilen
selbst breiige mehr bräunliche Faeces per rectum entleert
wurden; ferner darin, dass die Scbmerzhafligkeit der Ge^
schwulst nur noch bei stäi'kcrem Drucke hervortrat Die
Kranke kehrte in ihre Heimatti zurück. Die letzten Nachrichten,
welche von Ende November datirten, lauteten relativ gunstig.
Zmn Schlüsse gestatten Sie mir, meine Herren, einige
epikritisdie Bemerkungen zu dieser Krankengeschichte hinzu-
zofllgen.
Als Entstehungsorsachf dieser Danablasenfisti*]
möchte am ehesten eine primäre Darmerkrankung anzunehmen
268 XViri. VerbHadlungen dex Gesellsohftft
sein. Es scheiiU dies daraus zu iolgen, dass die ereteo
MrankbeitserscheinuiigeD in einem hartnäckigen InlestinaJ-
Catarrh bestanden, als dessen einzige begleitenden Symptmne
sich bald Palsiren und Schmerzempfindungen in der Regio
iliaca dextra hinzugesellten. Später erst wurde eine Geschwulst
an dieser Stelle bemerkt Daraus, dass das uropoetische
System in den ersten sechs Monaten intact war und sich
alsdann erst leichtere, allmälig intensivere Blasenbescbwerden
entwickelten, möchte zu folgern sein, dass durdi adhäsive
Entzündung in der Umgebung der erkrankten Darmpartie,
VerklebuDg der letzteren mit der ßiase und somit Reizung
derselben zu Stande kam, welche bei Fortschreiten des Leidens
an Intensität zunahm. Die Bildung eines Abscesses innerhalb
des Bauchfellsackes, als primäres Leiden wird deshalb aus-
zuschliessen sein, weil die, einem solchen entsprechenden
Entzundungserscheinungen zu Anfange der Erkrankung fehlten.
In dem weiteren Verlaufe scheint ein den Durchbruch des
Darmes und der Blase begünstigendes Moment in der Gravidität
gelegen zu haben. Andererseits möchte aus dieser zu schliessen
sein, dass das Leiden ein locales, die Sexualorgane nicht
beröhrendes gewesen ist. Das Darmleiden selbst ist walur-
sclieinlich krebsiger Natur. Gegen die Annahme einer solchen
könnte die lange Dauer der Krankheit ohne Generalisation
angeführt werden. Indessen sehen wir ähnliche Verbältnisse
bei Magenkrebs. Audi ünden wir in dem Falle von ffingesion
eine langjährige Dauer eines solchen Leidens ohne alle An-
zeichen der specifischen Erkrankung.
Als die Stelle des Darmes, an welcher der Durch-
bruch stattgefunden, möchte ich den untersten Theil des
Dünndarmes bezeichnen. Hierfür scheint zu sprechen, dass
leicht vViedei'zuerkenriende Ingesta schon drei bis vier Stunden
nach dem Genüsse im Urine zum Vorschein kamen. Daneben
mag, ähnlich wie in den vorher beschriebenen Fällen ein
mit anderen Darmpartieen bereits comrounicirender oder
Durchbrüche dahin vorbereitender Kothabscess bestehen.
Im Allgemeinen geben die Erscheinungen unseres
Krankheitsfalles ein mit den anderen angeführten Beobachtungen
überaBstioimendes Bild. Wir sehen namentlich heftige Blasen-
für OebmrUhütfe in Berlin. 269
besehwerdm dareh Eintritt des Koibes in die Hase, anhaltende
Diarrhöen mit fast unertriglichem Teneanius durch UebertriU
des Urins in den Darm. In unseren) Falle scheint die liegende
Stellung begünstigend für den Austritt der Harnes in den
Darm gewesen zu sein, wenigstens war alsdann der Tenesmus
nnd der Schmerz im Darme gesteigert
Auch die Prognose möchte hier, wie bei Blasen^
damifisteln, im Allgemeinen eher ungünstig als günstig zu
stellen sein. Die Kranken siechen, trotz momentaner Er-
leichterung' und scheinbarer Besserung, langsam dem Tode
entgegen. —
Herr Münntch erwähnt, dass er im Winter 1857 — 1858
in der Chariie einen ähnUchen Fall beobachtet habe. Er
betraf einen Mann in den mittleren Jahren, der mit allen
Zeichen eines cnrcumscripten peritonitischen Exsudates in der
rechten Fo^a iliaca in die Anstalt aufgenommen wurde. Etwa
nenebn Tage darauf seien heftige Schmerzen in der Vesical*
gegend eingetreten, der Urin habe ehi schleimig- eiteriges
Sediment abgesetzt und zugleich sei eine merkliche Abnahme
des Exsudates beobachtet worden. Ein später auftretender
faculenter Gerudi des Harnes und die durch mikroskopische
UntersQchong desselben nachgewiesenen Beimischungen von
Darminhalt stellten eine Communication zwischen Darm und
Blase ausser Zweifel. Sdion nach 10 — 12 Tagen sei indess
die Obliteratjon der Fistel erfolgt, denn von der Zeit an seien
keine Darmcontenta mehr im Urine nachzuweisen gewesen.
Der Urin habe zwar noch längere Zeit Eiter enthalten, indess
etwa acht Wochen nach der Aufnahme sei Patient als geheilt
entlassen. Die vor seiner Entlassung noch einmal angestellte
Untersuchung des Unterleibes habe ergeben, dass das Exsudat
in der Fossa iliaca gänzlich verschwunden gewesen und habe
man dort nur durch die schlafTeii Bauclidecken noch deutlich
eine strangartige harte Masse durchfühlen können, die wenigstens
thölweise für den obliterirten Processus vennifoniiis an-
gesprochen worden sei.
2TO XVill. VurhuodluDifan 4«r GasttUBchaft
Herr MwtUn erzaUle idgendeD in der von «hm gelejl«iea
gynäkologischen Klinik des Charit^ -KnoLeiihause» bekandeliett
Fall von Darmblasenfistel.
Frau £., 48 Jahre all, war seil dem sochszehnieB
Lt^bensjahre regelmässig alle vier Wochen nicnslruirl und
halte im siebenundzwanzigslen Jahre zuerst und im vierzigslen
Jahre ihr fünftes Kind geboren. Obschon die Geburten stets
schwierig gewesen sein sollen , wurde doch ärztliche Hülfe
nicht nöthig, und war die am 27. April 1862 i» die gyndko^
logische Klinik aufgenommene Patientin ausser von Zeit 2IA
Zeil auftretenden Magenkrämpfen bis vor fünf Monaten an-
gebUch stets gesund gewesen. Um Weilinacht 1861 erkrankte
dieselbe ohne bewusste Veranlassung an einer Unterleibs«
enlzundung, welche sie mehrere Wochen an das Bett fesselte
iHjd heftige Schmerzen in beiden Weichengegenden sowie
Beschwerden bei dem Urinlasaen hinterliess. Da die nack
dem Beckenausgange ausstrahlenden Schmerzen des Nachts so
heftig exacerbirten, dass sie der Kranken den Schlaf rMibteo
und der Appetit fehlte, kam PaL sehr herab und erschien
bei üirer Aufnahme auch äusserst mager und anümisch. Die
Ziuige war massig bekgt, Stuhlgang spärlicli selten , Fieber
nicht nachweislich. Die Gebärmutter war duix^h eine vor
dem Mutterhalse durch das Scheidengewölbe fühlbare gegen
Diuck empHndiiche Geschwulst nach hinten in die Kreuzbein-
anshöhlung gedrängt. Lulem die Ulcrussonde in gewöhnlicher
Richtung eindrang, war erwiesen, dass der Tumor vor dem
ScheideiUheile des Mutlerkörpers nicht sein konnte; die Länge
des Gebärmuttercanales übertraf das Norinalmaass um V4 ^^U.
Der Muttermund bildete eine Querspalte, die Mutterlippeu
zeigten sich etwas geschwollen und geröthet Die Gescliwult^
zwischen Harnblase und Uterus erschien rfechtshin etwas
breiter, lieas sich jedoch durch gleidizeitige innere und
äussere Exploration nach oben nicht scharf begrenzen. Die
Untersuchung des Urins ergab niclit allein reichlichen Eiter«-
und Schleimgehalt und Eiweiss, sondern es fanden sich in
dem grünschwärzlichen beträchtlichen Sediment bei der
mikroskopischen Untersuchung deutliche Speisereste, so z. B.
rötlihche Fasern von Sauerkraut, Partikeln von Grünkohl,
r
ftlr Gebiirtftl^lfo in Berlin. 271
ja sogar zahlreicho Käniinelsa»i«ii a«s «^mh genosBSAnen
Brodc — Nach diesen Befunde uottrlag es keinem Zweifel^
dass eine abnorme Couirounication zwischen Dann und Harn-
blase bestand, und zwar wies die im vorderen Scheiden-
gewölbe fahlbare Geschwulst darauf liin, dass hier in der
Plioa vesico- uterina das den Darm und die Harnblase ver-
klebende Exsudat als Rest einer vorausgegangenen Unterleibs-
eoiiftndiing liege. leb verordnete, um eine möglichst compacte
Kotbsäule zu erzielen, deren Theile weniger leicht die Fistel-
Ü&nng passiren würden, eine breiigte Kost und liess zur
Bekämpfung der bestehenden Reizung der inneren Genitalien
einen Thee von Leinsamen mit Bleiwasser gemischt in die
Scheide einspritzen und temperirte Wasserumsehläge auf den
ünlerieib legen.
Am 2. August zeigte sich die Geschwulst eriiebUch ver-
kMnert und nidit mehr schmerzliafl; der Urin setzte zwar
■och ein, jedoch viel geringeres Sediment, dassell)e bestand
bei ausschliesslich aus Bilerkörperchen und enthielt nur selir
AfMirsame kleine Partikeln der genossenen Speisen. Die
Kranke hatte sich bereits trefflich erholL
Am 8^ September fühlte sieh Patientin bereits so wohl,
dass sie ihre Entlassung aus der Klinik verlangte«
Herr Wegscheider erinnert sich, zwei ähnliche Falle
beobachtet zu haben. Der erste betraf eine lange Zeit von
der Hallenser Klinik behandelte poliklinische Kranke, die
scherzweise mit dem Namen der „ Luflschifferin '* belegt wurde,
weil sie angab , öfters Luft mit dem Urine durch die Harn-
röhre zu entleeren. Anfänglich habe man diese Angabe für
Simulation gehalten, eine genauere Beobachtung habe indess
den Thatbestand constatirt und ausserdem durch Nachweisung
von Rosinenkemen und dergl. im Harne die Verbindung des
Darmes mit der Blase ausser Zweifel gestellt. — Der zweite
Fall habe einen hiesigen Collegen betroffen, der ebenfalls Koth
durch die Urethra entleerte. Wenn er sich recht erinnere,
habe übrigens der verstorbene Formey an derselben Krank-
heit gelitten. (Von mehreren Anwesenden bestätigt.)
278 XVIII. VerhMMllaiigea 4ar G«MlIscliaU
Herr Stuienraueh theät aus einem Briefe des Herro
Dr. Q&issler in Gräfenbainichen folgeade
gewaltsame Zerreissung der Bauchdecken and des
schwangeren Uterus mit Austritt eines lebenden
Kindes
mit.
Von den Kindern des Höfners R, in Z., die
auf dem Hofe spielten, hörte ein kleines Mädciien am Nadi-
mittage des 16. Octobers plötzlich Geschrei wie von einer
Katze, welches aus einem Stalle heimzukommen schien, worin
sich der Gemeindebulle beliand. Das Mädchen ging in den
Stall hinein, kam jedoch sofort wieder heraus und rief einem
in der Nahe befindlichen Knechte zu: ,,der Bulle hat meine
Mutter unter/' Dieser ging in Begleitung eines zufällig an-
wesenden fremden Mannes in den Stall und fand die Ehefrau
des Ilufners B. auf der Kette, woran der Bulle befestigt war,
hängend , aber bereits im Sterben und nur noch ein paar Mal
Athem holend. Am Fussboden unter der Krippe dicht neben
dem Bullen lag ein mit Blut und Koth bedecktes, anscheinend
unverletztes neugeboi^nes Kind.
Sowohl die entseelte Mutter als auch das Kind wurden
in die Stube getragen, woselbst das letztere lebhaft zu
sclu*eien begann.
Die Verletzungen der Gctödteten waren folgende: Das
Hörn des Thieres war einige Zoll unter dem Bande der
unteren Bippen im rechten Hypochondrium eingedrungen,
wie aus den nach einwärts gerichteten sehr zerrissenen Wund-
rändern ersichtlich war, und hatte die Bauchdecken in beinahe
querer Richtung von jener Stelle bis in die linke Seite hinüber
zerrissen. Die Wunde bildete eine etwas gebogene Linie mit
der Convexität des Bogens nach unten. Die Gedärme waren
thei|weise herausgerissen und zerrissen. Der obere Abschnitt
der Gebärmutter fehlte gänzlich, ein Theil des rechts und
oben an ihr noch haftenden Mutterkuchens soll noch vor-
gefunden sein; der Muttennund soll geschlossen gewesen sein.
Die Kleidungsstöcke der Verletzten waren vom zerrissen und
stark mit Blut getränkt. Weitere Beschädigungen waren an
der Getödteten nicht ersichtlich.
für Qebitrtelilllfe in Berlin. 278
Das Kind war voUkominen ausgetragen, männlichen Ge-
schlechU, gänzlich unversehrt, die Nabelschnur war inehrnuiis
um den Hals geschlungen und trug an dein freien Ende noch
ein StAck des zerrissenen Mutterkuchens
Herr O. spricht sein Bedauern aus, dass er durch
Abwesenheit vom Hause um die eigene Beobachtung dieser
Verletzungen gekommen sei und diesen Bericht nur nacli ver-
sdiiedenen Zeugenaussagen geben könne.
Sitzuug vom 27. Januar 18C3.
Ke Gesellschan beschäfltigte sich ausschliesslich mit
inneren Angelegenheiten.
Zu neuen Mitgliedern wurden erwählt:
als ordentliches:
Herr Dr. Ghrassniek in Berlin;
als auswärtige:
Herr Prof. Dr. 6. Simon in Rostock,
Herr Prof. Dr. G. Braun in Wien,
Herr Prof. Dr. John Clay in Birmingham,
Herr Dr. Seitz in Hamburg,
Herr Dr. ,de la Camp in Hamburg,
Herr Prof. Dr. Streng in Prag,
Herr Dr. Kaufmann in Dürkheim.
Bei der Neuwahl der Beamten wurden die früheren
wieder gewählt.
lloDfttMelkr.f.a«bartok iSAd. Bd. XlCI., Hfl. 4. IB
274 ^I^- Brealtm, OvAriotoinie mit Baeh^efolgtem Tode.
XIX.
Oyariotonüe mit nachgefolgtem Tode.
Von
Prof. Dr. Breslau in Zürich.
Zur Statistik der Ovariotoniie , welche Operation gemäss
der letzten von Prof. Simon ^) verölfentlichten Zusammen-
stellung in Deutschland so wenig gluckliche Erfolge gegenüber
den neuesten in England erzielten Resultaten^) aufzuweisen
bat, hätte ich gern einen Fall von Heilung beitragen mögen,
um der nach meiner vollen UebiTzeugung in manchen Päilen
gerechtfertigten und indicirten Ovariotonüe vielleicht einen
neuen Aufschwung in unserem grossen Vaterlande zu geben,
allein das Missgeschick hat einen unglücklichen Ausgang
gewollt und meine Hoffnung vereitelt. Gleichwohl stehe ich
nicht an, den folgenden Fall diesem vielgeleseneh Journale
zu übergeben, in der Meinung, dass es die Pflicht des
Klinikers ist, auch dasjenige nicht zu verschweigen, was,
ohne seinen eigenen Ideen Vorschub zu leisten, doch geeignet
ist, das allgemeine Urtheil zu läutern und den Kreis allgemeiner
Anschauung zu erweitern.
E. £...., 35 Jahre alt , Fabrikarbeiterin aus dem
Kanton Schwyz, giebt an, in ihrer ersten Jugend an Haut-
ausschlägen besonders am Kopfe und am Halse gelitten zu
haben, welche mit knotenförmigen Anscfawelhmgen begamnen,
mit Eiterung endeten und bis zum zehnten Jahre andauerten.
Von der Zeit an zeigten sich wiederholt Drüsenanschwellungen
in der Hals- und Unterkiefergegend, welche mitunter auch in
Eiterung übergingen. Im 19. Jahre trat zum ersten Male die
Menstruation ein , welche von da au regelmässig alle vier Wochen
wiederkehrte, reichlich war und bis jetzt ununterbrochen sich
1) 8ean%onVB beitrUge sar Geburtskunde nnd GynSkologie,
Band HI.
2) QurWn Vortrag über Ovariotomie im XX. Bande der
Monatiicbrift für Geburtekande etc.
'
XIX. JI^mIii«, Ovariotomto mit iiHchgfefolgtetn Tod^. 275
ermitH-te. Im 31. Jahre Mt B an einem Mammarabscess,
welebfir nach 13 Woehen abgelaufen war. Im 27. Jahtt^,
wibrend der Reconralescenz ton einer h) der Fabrik eHittenen
HaitdTerietKung wurde die Urinentleerimg beschwerlich, es
flössen häußg nnr einige Tropfen Urin mit einem über den
ganzen Körper sich erstreckenden Geföhle von Schauer ab,
zugleich war Stechen tn der rechten Nierengegend vorhanden
and etwa ^/^ Jahr spSter kamen auch heftige Schmerzen im
Hypogastrium und im Epigastrium dazu. Damals bemerkt«
Patientin zum ersten Male eine begmnende Auftreihung des
ünterieibes und eine ungewöhnliche Härte in dessen linker (?)
Seite, die je nach der gröstsoren oder kleineren Flatulenz
bald mehr bald weniger von ihr geffihlt werden konnte und
nie ganz verschwand. Vor zwei Jahren und im letzten Jahre
litt sie mehrere Wochen lang an habituellem Erbrechen, vor
einem Jahre schwollen vorübergehend die beiden unteren
Extreraitöten om die Fusswurzelgek^nke herum an, die Grösse
und Spannung des Unterleibes nalmi allmälig zu, Schmerzen
läffrgs der vorderen Seite der Oberschenkel und ein gewisser
Grad ven Unbeweglicfakeit gesellten sich lunzu. Die arme
Kranke, unfäiiig, sich ferner ihr Brod durch die Arbeit ihrer
Bände in einer Fabrik zu verdienen, grossentheils bettlägerig,
ohne Pflege und Mlfe, auf nothdArftige Unterstützung an-
gewiesen, suchte und fand Aufnahme auf meiner gynäkologischen
Klinik mit dem festen Vorsatze, nicht mehr oder gebeilt in
ibre Heimalb zurückzukehren.
Status praesens vom 6. October.
Patientin ist von starkknodiigem, fast männlichem
Körperbaue mit geringem Fettpolster und wenig entwickelten
Brüsten, bräunlichem Warzenhofe und ziemlich deutlkhen
M(mtgomery*^chea Di*üschen, obwohl sie nie schwanger ge«
Wesen ist. Die Ernähniog ist massig gut, das Aussehen be«
friedigend, die Gemüthsstimmung im Ganzen heiter, Respiration,
Pulsfrequenz normal bei ruhiger Lage. Leberdämpfung beginnt
am oberen Rande der sechsten Rippe. Heradämpfung in
geringem Umfange, Uerzstoas an normaler Stelle zwiacbeii
fünftem und sechstem Intercostalraume schwach fühlbar. Hers^»
töne normal, desgleichen das Respirationsgeräusch. Uiterleib
ist stark aufgetrietien, Form und Grösse äbnKoh wie bei
18*
276 21^ Breslau, Oyariotomie mit naeligefolgie«! T«4«.
hochsdiwaogereni Ulenis. UmfaDg um den Nabel beträgt
96 Centfroeter, LiniB vom Proc. ensifoniriis zur Schambein*
Symphyse 39 Centimeter. Die Oberflache der stark gespannten
Bauchhaut ist etwas ungleich hügelig, an einigen Stellen mehr
erhoben, an anderen etwas eingezogen, vertieft Dieser Wahr-
nehmung durch den Gesiehtssinn entspricht das Gefühl, indem
man mit den über* den Unterleib gleitenden Händen einige
Partieen als etwas vorragende Segmente eines kugeligen Körpers
fählt und dazwischen in seicht rinnenfönmige Vertiefungen
gelangt Als Gnmd der Ausdehnung des Unterleibes erkennt
man femer durch die Palpation und Percussion ^inen grossen
aus dem Becken aufsteigenden Tumor, dessen Grenzen nach
oben nahezu bis zur Magengrube und bis unter die falschen
Rippen in die beiderseitigen Hypochondrten deutlich zu ver-
folgen sind, Während sie nach rückwärts in die Lumb^lgegend
unbestimmbar tief sich verlieren, da die hier angehäuften und
mit Gas gefüllten Darmschlingen sich zwischen Bauchwand
und Tumor eiliscliieben. Mit Ausnahme dieser tiefstgelegenen
Stellen giebt die Percussion im ganzen Umfange des Tumors
einen matten Toii. Fluctuation kann man zwar in allen
Theüen des Tumors wahrnehmen, sie ist aber nirgends ganz
prägnant und erstreckt' sich nicht von einer Seite zur anderen,
sondern i^t nur dann unzweifelhaft fühlbar, wenn man beide
Hände bis auf eine gewisse Strecke da und dort einander
uäherL Der Tumor ist in toto elastisch^ einige Partieen
mehr, die anderen weniger, man hat deutlich bei Druck mit
den Fingerspitzen das Gefühl, als ob man auf stark gefällte
nahe an einander grenzende Hohlräume stosse. Ueber Be-
weglichkeit des Tumors kann man auch bei Lageveränderung
der Kranken kein klares Urlheil gewinnen. Hin- und Her-
schieben gelingt nur in massigem Grade. Die Auscultation
ergiebt ein' negatives BesultaL. 'Eine Explorativpunction eine
Hand breit links neben dem Nabel liefert . eine geringe Menge
einer trüben, graugelben ^ massig leicht fliessenden, etwas
finlenziehenden Flüssigkeit. (Vergleiche auch weiter unten.)
Bei der Untersuchung durch die Scheide findet sich das
Hymen zwar zerstört, aber sonst jungfräuliche Genitalien.
Die Vaginalportion ganz nach hinten links ist nur mit grosiser
Nähe zu erreichen, der Uterus, von dessen Korper kein
XIX. MnümUf Ovadotooiie nii naehgt* folgUm Tode. 277
Tbea 20 fühlen ist, ist nach der liiikeü Seila g^erade in die
Höbe gezogen. Kein Tlieil des Tumors drückt die Scheide
herab und isi von hier aus nichts von deniselbeu zu fühlen»
Die Sonde konnte hei der Enge des kleinen, kreisrunden
4
Muttermundes und dem hoben seitlichen Rande des Uterus
niehi in' dessen Höhle vergeschoben und so leifler über
deren Beäcbaffenheit and über- die Beweglicbkeit des Uteirus
kein AufscUuss gewonnen werden, welche übrigens, so weit
es der an die Vaginalportion gesetzte Finger zu eruiren ver-
mochte, Yorbandten zu sein schien.
Die Püsse sind nicht geschwollen, der Urin ist ohne
Eiweiss, sparsam. Klagen der Kranken . hauptsächhch über
Druck in der Magengegend, Stehen und Gehen fa)|t schwer;
Gefühl von Druck und Schwere ist in ruhiger L|^e massig.
Die Diagnose konnte der- Anamnese und dem gegen-
wärtigen Befunde gemäss auf nichts» Anderes als ayf einen
grossen, Flfissigkeil enthalUmden Tumor des Ovariums, wahr*
scbeinlich des rechten, da der Uterus nach links verdrängt
war, gestellt werden, und es war nur die Frage zu erörtern,
ob wir es mit einem uni- oder multiloculsren Cystoid zu
ünin haben. Das Ansehen, die Palpation, die eigenthumliche
Art der Fluktuation sprachen entschieden dafür, dass mehrere
Hohb^aume, grössere und kleinere, vorhanden seien, mid um
ganz über alle Zweifel erhaben zu sein und ganz sicher zu
geben, besdiloss idi noch an mehreren entfernt von einander
liegenden Stellen einen feinen Ezplorativtroikar einzustos^n,
um aas der gteich- odo* ungleicbmassigen Beschaifenheit der
Flüssigkeit einen Schluss auf die Existenz einer oder mehrerer
Kyaten sieben zvf können. Solche Functionen wurden nun
ausser der schon bei dem Status praesens . erwähnten noch
drei in den folgenden Tagen vorgenommen, eine eine Hand
breit rechts vom Nabel, eine in der Linea alb^, .eine eine
Hand breit finks vom Nabel. Dabei ergab ^ichmit Evidenz,
dass die Flüssigkeit nicht aus Einem Hohlräume . s^if nien
könne, da die Farbe der links vom Nabel und in.der Lin^ alba
entleerten Fttseigkeit grau, die der rechts entleert^ hi|ig€|$en
gelb, eüerartig war. Die Gonsistena war bei allen ziemlich
dieselbe, eihe Probe chemisch untersucht ergab ausser vielem
etwas ScMeinistoff , bei der mikroskopischen Unter-
378 ^1^- A^^ovt OTariotofiii« mit aAchg^folBtom Tode.
8Cieh««ig einer Probe fanden sieh ausser 2ahlreichen rooleciitiiren
PetUr6pfchen und grossen Fettköniehenselien, eme Meng«
von rundlichen Zellen Hiii grossen fast wandständigeu Kemeo,
wie man deren in Sarcomen nicht selten su sehen pflegt.
Eiterkörpereben fehlten, Bhitkörperchen waren nur vereinteil.
Alles sprach also daf&r, dass wir keinen jener seltenen
FVOIe von Degeneration des Eierstocks reit Einer grossen Kyste
mit serösem Inhalte vor uns hatten, welche für die Tiierapie
eine verhältnissmässige sehr günstige Seite bieten, sondern
dass unsere Kranke an einem der leider nur su häufigen und
wenig trostreichen multilocuUren Cystoide des Eier-
stocks leide, deren Inhalt je nach dem Gnitidgewehe der
die Wandungen belreflenden EntzAndungen und zufälligen
Beimischungen bald ein colloider, eiteriger, blutiger, fettiger,
halberweichter oder .ganz flüssiger zu sein pflegt.
Nachdem die Diagnose festgestellt war, handelte es sich
um die Therapie. Vei*schiedene Wege komiten eingeschlagen
werden, man konnte so viel wie nichts thun, sich rein
exspectativ verhalten und nur einzelne Symptome zu be-
kämpfen suchen, man konnte etwas thun, zu palliativen
Mitteln seine Zuflucht nehmen, mau konnte endlich viel thun,
eine radicale Heilung anstreben. Bei genauerer Ueberlegung
blieb aber doch nur die Wahl zwischen „nichts*' und „viel'',
denn leider giebt es, den vorliegenden Erfahrungen gemäss,
bei den multiloculären Gystoiden des Eierstocks keinen goldenen
Mittelweg, kein „juste milieu**. Einfache Functionen, Functionen
mit nachfolgender lodinjection. Liegenlassen einer €anük;
Durchziehen eines Haarsetles, partielle Eicision eines Stfickes
der Geschwulst und ähnliche Methoden, welche zum Zwecke
haben, den Inhalt zu entleeren oder doch zu vermindetn und
die Wiederansammlung wo mögUch zu verhindern, können im
günstigsten Falle nur die Entleerung und Veröilung Einer oder
einiger Kysten bewirken, ohne im Stande zu sein, das
Wachsthum der übrigen meist zahlreichen Kysten aufzuhalten,
und das durch solche opei*ative Eingriffe erreichbare Resultat
steht in gar keinem Verhältnisse zu ihrer Gefährlichkeit. Die
grosse Mehrzahl aller Ovarienkranken geht frülier orter später
nach einer Function und geradezu in unmittelbarer Folge
einer solchen, sei es mit, sei es ohne lodinjection etc. an
XIX. BruUmt OyAriotojiiie jnil mtoikgefolgteoi Tode. 279
PcfitiMUlk, Vaneitmiag der Kjsteuwaiid, Bliiiutig uach iniittii,
Erguss de» Kysteninhaltes in die Baudiböble uud äbnJicben
Zttlättep zu Grunde, eine radicale Ueiluiig einer zusaiuiumi-
geseUten Kyateugettcbwutei kann der Natur der Sache gemabs
duidi Puoclion und dergteicbeu oicbt erfolgen, und zu den
Auauafamea gehört es, dass durch eine längere Reihe voa
Jahren hindurch palliative Functionen einer oder mehrerer
Kj&tea von den Krauken gut vertragen werden.
bt e» gerechtfertigt, eine Kranke der Gefohr einer Operatioa
auezuaet^eo, wenn die Aussicht auf Gewinn eine so geringe
und die Chance des Misslingens eine so gi^osse ist? Gewiss
nicht, denn unverantwortlich sind alle Operationen, bei denen
voraussichtlich wenig erreicht, aber Alles verloren werden kann.
So verhielt es sich in der That in unserem Falle. Nachdeai
einmal die Beschaffenheit der EierstocksgeschwuL^ erkannt
wordea war, konnte uud musste von allen Operationen mit
Ausiuhme der Ovai'iotomie abslrabirt werden, da keine nicht
bloss nicht zur Heilung, sondern kaum zu einer vorüber-
gehenden Besserung führen, eine jede aber das Leben dei*
Kranken gefährden konnte. Es blieb also einzig übrig, die
Sache als ein „noli me längere'' zu betrachten und die
Kranke ungebeilt aus dem Spitale zu entlassen oder Alles
zu wagen, nämlich die totale Exstirpation des degenerirten
Eierstocks. Ich verhehlte der Kranken nicht, in welcher
Alternative sie sich beßnde, dass sie auf der einen Seite
Aussicht habe, mit ihrem Leiden freilich unter allmälig zu-
nehmenden Beschwerden noch Jahre lauK zu leben, dass sie
auf der anderen Seite von ihrem Leiden gänzlich befreit
werden könne, aber auch sehr leicht bei der vorzunehmenden
Operation ihr Leben verlieren könne; ich liess der Kranken
Zeit zur Ueberlegung und machte es wesentlich von ihrem
freien und. bestimmten Willen abhängig, ob ich sie der
Ovariotomie unterziehen werde oder nicht. Ihr Eutschluss
sollte mein eigener »ein. Nachdem sie wiederholt erklärt
hatte, dass sie, um ihre Gesundheit zu gewinnen, ihr Leben
auch der grössten Gefahr aussetzen wolle, uud nachdem sie
ihre irdischen und geistigen Angelegenheiten für alle Fälle
in. Ordnung gebracht hatte, wurden Vorbereitungen für die
Operati«» geUroflen. Ich liess in Ermangelung eines Operations-
380 ^'^- Breslau y Ovariotomie mit Dachgefolgtem Todu.
saales zwei aneinanderstosisende gewöhnlich für Kranke und
Wöchnerinnen gebrauchte Zimmer am 22. und 23. Octoher
räumen, gründlich reinigen, lüften und dann * beizen. • In dem
grösseren, geräumigeren, helleren Zimmer sollte operirt, in
das unmittelbar angrenzende die Opiefirte transferirt werden.
In jenes lies»* ich am 23. October Abends mehrere grosse
weite Geßisse mit Wasser gefüllt stellen,' um die stark er*
wärmte Luft mit WasserdOnsten zu schwängei*n. Die Kranfce^
bei welcher am 20. October die Menses eingetreten waren,
welche bis Mittwoch Abend anhielten, erhieh am 23. October
ein Laxans aus Bitterwasser und es wurde ihr der Gemiss
möglichst weniger Speise anempfohlen.
Am 24. October, wenige Hinuten vor 11 Uhr, wurde
die Kranke auf das Operationsbett in horizontaler Lage ge-
bracht. Bei Entblössen derselben zeigte sich, dass ihr Hemd
etwas von Menstiiialblut verunreinigt war, welches wahr-
scheinlich in Folge des Tags zuvor gereichten Laxans in der
Nacht vom Donnerstag auf Freitag sparsam wiedergekehrt
war. So unangenehm auch diese Entdeckung war, so glaubte
ich doch hierin keine absolute Conlraindication zur Operation
und keine genugende Veranlassung zu einem Aufschübe zu
finden, da die Henstruationsperiode entschieden doch schon
abgelaufen war und ein Vertagen der Operation sehr nach-
theilig auf den Gemüthszustand der in gerechter Angst
schwebenden Kranken hätte einwirken müssen. Unter den
mitwirkenden und mit Rath und That mich unterstützenden
Collegen befanden sich u. A. auch die Herren Professoren
Locher 'Ztotnglt, Biüroth, Homer, Assistenten, wie man
sich bessere nicht wünschen kann.
Die Chloroformnarkose gelang nicht ohne Schwierigkeit,
indem die Kranke sehr aufgeregt wurde, bald nadi be-
gonnenem Hautschnitte Erbrechen eintrat und verhältnissmassig
sehr viel Chloroform verbraucht werden nrasste. Auf der
linken Seite stehend eröffnete k^h die PeritonäalhöMe mit
einem von unten nach aufwärts in der weissen Bauchlinie
geführten ungefähr 7 Centimeter langen Schnitte zwischen
Schambeinsymphyse und Nabel. Nach Durchschneidung des
Peritonäums drängte sich sofort in den oberen Wundwinkel
eine Partie des grossen Netzes, von der man bald gewahr
XH. Br^aUf Oviiriotoinie mit iiftch^e#iilg;t6iii Tode. 281
wurde, daes sie tiiii der darunter liegenden vorderen
Wand 6ef pmH gespannten Geschwulst verwachsen sei. In
diese wurde nun ein beinahe kleinfingerdicker Troikar ein*
gestosseh, worauf sich ein^ massige Menge graulich -grun«r
Flüssigkeit in anhakendem Strome entleerte.' Während der
Entleerung wurden von mehreren* Seiten« scharfe Haken in
den Sack der vorliegendcti "Kyste ' eingeseCzt und wir ver-
suchten die Kyste an- und vorzuipfehen. Dies gelang aher
nur unvollständig, denn es war nur eine verhlltnissmS^sig
kleine Kyste ihres Inhalts herauht worden. Jetzt wurde der
Troikar ohne ihn herauszuziehen , in ' di» Tiefe in gleicher
Richtung, in welcher er eingestossen worden war, fast gerade
nach nickwäiis durch eine Scbeidenwand durohgestossen,
worauf sich eine der ersten ähnliche, aher nicht ganz gleiche
Flüssigkeit durch die Ganitte nach aussen ergoss und mehrere
grosse Gefösse anfüllte. Nachdem dies geschehen war, konnten
wnr den nun mehr zusammenfallenden Tumor weiter aus
der Bauchwunde herausziehen, bei welchem Manoeuvre auch
em Theil des Netzes nach aussen gebracht wurde. Die
Adhäsionen desselben an dem oberen und vorderen Theile
der Geschwulst waren sehr ausgedehnt, grösstenlheils aber
nur filamentöser Natur und konnten sämmtlidie mit den
Fingern von der Oberfläche der Geschwulst abgetrennt wwden
in einer Weise, wie man eine adhärente Placenta vom Uterus
ZV 16sen pflegt. Rechts oben zeigten sich auch flächeuartige
Adhäsionen der Geschwulst mit einigen Darmschlingen, welche
dem Zage folgten und mit einem Theile des Netaas vor die
Bauchwunde zu liegen kamen. Auch diese anomalen Ver*
bindangen konnten mit den Fingern allehi ohne Hesser und
Scheere und ohne'tluterbindung gelöst werden. Die Blutung
war unbedeutend, nur eine parenchymatöse iiml nk^t aus
grösseren GefSssen stammend. So weil schien die Sache
noch erträglich gut zu gehen, ' zumal nirgends weitere
Verwachsungen der Geschwulst weder mit den ülurtgen Ein-
geweiden noch mit dem ganzen Umfange des parietakn Blattes
des Peritonäums gefunden wurde , aber die Hauptschwierigkeil
sollte doch erst jetzt beginnen. Versuche, die nun oben und
vorn frei gewordene Geschwulst wo möglich bis zu ihrem
Stiele herauszuziehen, misslangen. Von der Tiefe her woUte
2g2 :&IX. J^mI«», Ov»rioiomie mU D«ohg6folc«MiiT»4«.
m
me oiebt weioben. Zun&chst wurde, um mehr PkU und
Einsicfat lu erkingen, iler BauebacbiiiU nach unten Aoob 001
BMhr als 3 Ceatkneter veirlängerU Darnaeh 2«ig(e*6Hdi, dae«
die ganze untere Partie der Geaclmidst in grosser Auadduiung
und innig mit dem Grunde des Uterus und dem hinteren
Douj^<m'sc1^d Räume vorzügtiob gegen die reehte Seite bin
verwachsen sei und zwar in einer Weise, dass eine Grenze
zwischen physiologischen und pathologischen Gebilden kauu)
nachweisbar war. Eine niehrere Linien dicke fibrinöse, theil-
weise organisirte Schwarte verband . den Uterus mit der
Gescbwukt und diese mit dem Peritouaum des kleinen Beckens.
Einige Augenblicke sdiien es,- als ob wegen der vielseitigen
und schwer abgrenzbaren anomalen Verbindungen von weiteren
operativen Eingriffen abgestanden werden müsse, und nur
durch vereinte Bemühungen gdang es nach und nach, die
Geschwulst zu isoliren, tlieils indem wir sie wiederum mit
den Fingern von ihrer Umgd>ung abtrennten, tbeils indem
nach dreimaliger Durchstechung und Unterbindung der dicksten
sehwartenarligen Pseudomembranen und nach darauf folgender
Durchschneidung derselben endlich der von der rechten Seite
des Uterus ausgdiende zwei Finger breite und einen starken
Finger dicke Stiel erreicht und die Geschwulst aut diesem
allein noch in Zusammenhang stehend erkannt wurde. Der
Stiel «wurde möglichst lang, ungelabr eine Hand breit vom
Uterus entfernt mit einer Klammer^) gefasst und dann die
auf die Bauchdecken gelegte Geschwulst abgeschnitten« Gkiob
nach.Durohschneidung rutschte zwar die Klammer ab, indessen
blutete ftk* diesen Augenblick keines der den Stiel durch*
ziehenden grossen Geßsse; Dei' Stiel wurde zur Beobacbtung
einem Assistenten übergeben und nachdem wir uns nach
möglichst sorgfaltiger Reinigung mit neuen, früher iMich nie
gebrauchten Schwämmen überzeugt halten, dass die Blutung
stehe, und nachdem der vorgezogene Theil des Nelzes und
einiger Dunndarmschhngen voi*sichtig repönii*t worden war,
gingen wir an die Verschliessung der Bauchwunde. Durch
1) Die Klammer, deren wir uns bedienten, ist keine tlor
allernenesten Coftstructton , sondern eine ältere, die ich vor drei
Jahren von dem iDatrumenteomaeher Lu^r in Peris erhielt.
XUE. BM^m, OTMiotMDM mit Mcb^efolgltfi Tod«. £89
fUe mMiie ükke der BauohdeekeD, 4as Perilcoäum nüifasBeod,
«ttrden vier kige, gernie^ laDseiifi^niiige Nadein, ?<Nn oberen
Wimdwiiikel beginnend, dtirchgesioehen, die Wuodränder dureb
die ijfliiiehlungeBe Nabt aneinandergeaogeii und zwiaelieB jenen
fier Nadebi drei Knopftittite mit starttem Seidenfaden an-
gcbracbL Der am unteren Wundwinkel neben drei Ligaturen
nach aussen geleitete IV« Zell versiebende Stiel wurde mit
der ihn nnifassenden Bauchwunde in der Weise vereinigt,
dass dureb ihn und die lUnder der Baucbwonde biodureb ein
starker Silberdrabt gelegt «nd aacb aussen geknüpft wurde,
nnd überdies wurde, um ein Zurilckzieheb tu verbindem,
wozu er übrigens gar keine Neigimg zeigte, an seinom äusseren
Ende eine Setdenfadenscfabnge befestigt. Endlieh wurde er
nahe an der äusseren Bauchwunde- mit einem Silberdrahl in
der Mitte durchstochen und nach beiden Selten hin unter-
bunden, tbeils um Nachbhitung zu verhindern, tbeils um das
Miasere Ende zum AbBtei*ben zu bringen, ein Verfahren,
welehes bh* ebenso sieher als rationell zu sein scheint, als
das jelzt vielfach übliche Liegenlassen einer Klammer, bei
welcher doch immer ein Tlieil der Bauchwunde verdeckt, ihre
Reinigung und die Erneuerung «des Verbandes erscbwori
werden muss. Die Operation war nun vollendet und hatte
mit InbegrilT der zögernden Ghlorofommarkose gerade eine
Stande gedauert Gegen Ende der Operation trat bei der
Kranken eine bedenkliche Blässe und Verfall der Gesichtfizäge
ein, welclie imlessen nach Aussetzen des Ghlorofonus und
nach Anwendung einiger belebender Mittel baki so ziemlieh
verschwanden. Als die Operirte zum Bewusstsein kam, befand
sie sich in einem relativ befriedigendem Zustande und wurde,
mit frischer Wäsche versehen, in das im Nebenzimmer be»
fiDdUehe erwärmte Bett transforirL
Beständiger Reiz zum Erbreclien und heftige krampfartige
Sehmerzen in dem gebeugt gehaltenen rechten Ofierschenkel
liessen die Operirte in den ersten Stunden gar nicht zm
Ruhe konimen. Rothweiu mit Eiswasser wurde verordnet.
Nachmittags 3 Ubr war der Puls 94, seine Qualität ziemhcb
normaL Um 3V« Uhr leichte Nachbhitung aus dem Stiele,
welche durdi doppelte Umschuurung uikI Silberdrahl alsbaUl
8g4 ^'X* Br^9Um, Ovariotonit€ mit naehKeMgien Ted«.
gestillt wurde. Klagen ober Brennen iq der mit einem in
Oe) getattchteii Läppchen bedeckten Wunde. Crrosse Unniln»,
Gesichtssflge entsielli, Deblichkeit, Seh weiss auf der StifiN».
Von 4V2 Uhr an werden GVsgrfinige OpiumpulTer halbsttndlieh
gegeben, worauf etwas Ruhe und Sehhjmnier eintrat. Dm
7 Uhr eh paai* Essidffel voll' Schleimsuppe genommen, ßegeii
8 Uhr reichliches Erbrechen. Verordnet wird fleissige Verab*
reichung ?oii Eispillen und 'Eiswasser , und gegen 10 Uhr werden
fönf Tropfen Tr. nuc. tomic. gereicht. Bald darauf zum xweüen
Male Ei*breche!ki, das sich von nun an einige Male . wiederboH.
Um 12 Uhr NächU war der Puls schon auf 132 gestiegen
und sehr klein geworden. Am Morgen des 25. October war
der C<Ulapsus' bedeutend, die Unruhe und das Gefühl von
Präcördialangsl gross, der Puls fadenförmig, fast un^blbar
schnell, der ühterleib im Ganzen empfindlich, aber wenig
aufgetrieben. Gegen 10 Uhr war kein Puls mehr zu fühlen)
das Aussehen der Kranken war< 'ühiilich dem im Stadium
asphycticum bei Cholera. Champagner brachte keine Reaclion
mehr hervor, Eri)rechen erfolgte noch ein paar Mal. Um
I2V2 Uhr, also geradle mit der vollendeten 24. Stunde nach
der Operation, trat der Vod ein.
Section am 26. October.
Die Wandränder' dta-ch die ganze Dicke der Wunde hin-
durch sind mit einander frisch verklebt Das Peritonäum
der vorderen Bauchwand ist in sehr viele parallel verlaufende
Falten gelegt, welche von der Schambcinsympbyse nach oben
und aussen ausstrahlen. Es ist missfarbig, grauroth, mit
einer ziemlich dicken, abziehbaren, weisslichen^, weichen
Exsudatscbichte überzogen. Aehnlich verhält sich die Ober-
fläche des visceralen Blattes des Peritonäums. Beide Blätter
sind durch zahlreiche frische membranöse, leicht trenid^are
Adhäsionen mit einander verbunden, welche zum Theil in
grösseren «Maschenraumen eine rötUiche, ziemlich klare
Flüssigkeit enthalten. Eine etwas trübere Flüssigkeit befindet
sich frei im Peritonäalsacke. Das sehr grosse, vielfach ge-
fältelte, angeschwollene, hyperäraische Netz ist in Zwisclien-
räumen Iheils der Gedärme, theils zwischen diesen und den
inneren Geuitalorganen eingelagert und mit den letzteren durch
eine friache Verklebungsseliiehl^ yerbund^n. Aus der Tiefe
des kleinen Beckens fliesst eine blutige, eiwas tröbe Flüssig*
keit in ziemMch gros^r Menge, etwa 6 Unzen, aus, die sieh
besonders in der Plica reclottterina angesammelt hat Der
lilenis ist durch Ugamentöse StriDge an seiper, ganzen Circum»
ferenz nüt den benaehbarleu Th^len adbarent Die Länge
des ganzen Uterus beträgt 13 Centiou^fjer^ wovon öy^ auf
den Körper und TV« auf den sehr in di^ Unge gezogeiieo
Cerviealtheil treffen. Die Schleimhaut der Uterusböblc ist mit
rdthUebeni Schkime bede«kt, «chwach.gewulstet, die Schleim*
baut der Cervicalböhle und. der Scheide, ?eigt die Charaktei'e
eines cturoniscfaen Catarrbs. Die. Serosa am Gcunde und am
oberen Drittheil der hinteren Seite des. Uterus ist zeirkluilet,
fetzig, ' einzelne Stöcke fehlen und die. Musculari^ \si hier
eathlösst und oberfl&eiüi^h tbeilweise zerstört Drei Fäden
einfiich abgesdmHten umscbliess^i die Restß der abgebundenen
■od durchschnittenen ^ i stellenweise . laehrere Linien dicken
scbwarteoarügen Pseudomembranen, wovon ein TlieU noch
am Uterus und dem Becke^pcritonium iiängt, d^r andere
Theil mit der Geschwulst herausgenommen wurde.. An dem
linken nngefähc um das Dfi^pelte vergrössertfq und init einer
reichlichen Menge iheils äkorer« theils frischer Qorpus lutea
vertiebeneiki Ovariam sitzen obeRfläcUieh mehrere subseröse
bis bobnengrosse Kysten, deren Flüssigkeit klar, zum Theai
aber auch mit stark, glitzernden körnigen Massen (Gholestearitt)
durchsetzt ist. In den ftbrigeu Organen der Bauchhöhle ergab
sich nichts Abnormes. Brust- und Schädelhöhle wurde niesbt
geMheL.
Das Gewicht der bei der Operation aufgefangenen Flussig-
keil betrug: 4374 Grammes.
Das Gewicht des exstirpirten Ovarientumors ohne Flüssig-
keit betrug: 843 Grammes.
Die Geschwulst vor der Operation im Leibe der Kranken
wog also: 5217 Grammes oder 10*'Vöoo ^idgen. Pfund.
Das specifische Gewicht der aufgefangenen Flüssigkeit
betrug: 1,0398.
286 Xnc. BrttUm, Ovariotontie mit Diichgtifo)gt6iti Tode.
Anatüiuisclie Beschreibung des exslirpirten Tumors.
(Gegeben tod d«iD patbologlscheo Pra«ee(Or Herrn Dr. Rin^fei^ek,
welcher auch die Leiche secirte.)
Die voriiegemle Geseh^oJst ist vom rechten Ovarium
aasg«gaTigen. Sie stand mit dem Uterus durch einen finger-
dicken, über 2 ZoU langen Strang in Verbindung, welcher
ausser der fast oblfterirten Tube eine Anzahl collabirier Vene«
«nd zwei etwa rabenfederdicke Ailerien enthielt. Da wo
dieser Stiel in die Geschwulst ilbergehl , enthAlt er eine Amaltl
sehr kleiner Kysten in ein 5ti*afles, Hhrftses Bindegewefie
eingebettet, im Uebrigen ist jede Spar normalen Eierstocks-
gewebes versckwunden. Das ganze Ovarium ist zu einem
Aber mannskopfgrossen unregehnfissig gelappten Tumor ent-
artet, welcher sieh bei nälierer Unlersuchmng als ein muM-
[oculares fiierstoekacystoid aoswies. Was zunächst die Ikissere
Foi*m anlangt, so stellt sicti dieselbe als aus zwei ziemKfli
gleich grossen, baNikugeligen Abschnitten gebildet dar, welche
diii*ch eine mittlere, quer von vom nach hinten laufende
Furcli« getrennt werden. Neben dieser Furche rechterseits
liegt an der hinteren Fläche ier Geschwulst eine dritte
hallikugelförmige Pi*oluberan2, welche von weit geringerem
KrAinnuHigshalbniess^r ist «nd sich daher wie eine besondere
Geschwnlst auf ^r Hauptgeschwulst erhellt. Die OberÜäebe
köimte man glatt nennen, wenn sie nicht durch ämsersl
sabh*eiche zum nieü nar dfmne, faden- oder membranart^,
zum Theü sehr starke, bandartige Adhäsionen mit den Nachbar-
llieilen verwachsen gewesen wäre. Nun geben die stehen
gei>liebenen Reste dieser bei der Ovariotomie durchrissenen
Bindegewebslränge der Oberfläche ein zottiges Ansehen. Die
Geschwulst ist in ihrer H^^uptmasse aus zwei sehr gi'ossen
Kysten gebildet, welche durch eine sehr derbe Scheidewand
bindegewebiger Natur getrennt sind. Diesem Verbältnisse
entsprich! die äussere Form, wie wir sie bereits kennen gelernt
habeu, vollkommen. Durch Troikarstiche ist zunächst die
linke und von dieser aus die rechte Hauptkyste ihres Inhaltes
entleert. Die erstere ist verhältnissmässig dünnwandig, die
Wandung aus concentrisch geschichteten Bindegewebslamelien
JUX« JBfwiM», OT«f iotomlo mit lUMligaMgtoiD Tod«. SfSI
gdbildel und aD ibrer OberOäebe bier und da mk fleek^nartig
vertheilten, bräunlich gefärbten, samrolartig«« Rauhigkeitüli
¥erMhen, welche vielleichi als erste Andeutung einer Granu-
lalionabildung 2tf betrachten ist, weiche wir in den übrigen
Kjsten der Geschwulst ausserordentlich entwickelt finden.
Erwihnt sei noeh, dass diese Kyste durch ein sehr dünn*-
häutiges Septum, in welehem ein ziemlich starkes Blutgefäss*-
stinnincben yerlänft, in zwiei unf^iche HiftUllen getrennt ist
Darcb ein thalergrosses ovales Loch in der Mitte des Septums
comiDunioirea beide Hälften nit iMnander. Vie) manniehfaltigere
Entwichelungen zeigt die zweite rechte ttanptkyste. Sie kit
Tiel grösiser und dickwandiger als die erste; auch hier sind
die Wandungen aue conoenirisch geschichleten Bindegewebs-
lamdlen gebildet. Der Hauptraun ist durch ein> ganies System
UDVoUkoamiener ScheidewandbiMungen in eine Reihe uagleioh
grosser, communidrender Blume getheilt Die Wandungen
des gri^ssien zeigen ausser gelbürhen samnitartigen Flecken,
wekhe wir bereits in der ersten KyMe funden, eine deutlichere
Neigung zu dentritischen und granulären Vegetationen. Die
ietxtere tritt in den Nebenhöh|fo so sehr ki den Vordergrund,
dass die näehstgröBsle an ibf&r ganten koneren OberAäche
nit papillären Wucherungen besetzt ist, drei kleinere, lAngliehe
NebieRh6hlen aber ganz damit erfIBlH seheinen. Abgesondert
foft dieser Hauptkysle mit ihren Unlerabtheilaugen liegt an
der hinteren Seite der Geschwulst eine apfdgrosse mit einem
atberoinalftsen Brei gefüllte Kyste (vergleiche die Besehreibung
der äusseren Gestalt der Gesammtgescbwulst) und an der
unleren Seite eine nur wallmissgresse Kyste, welche indeeeen
trotzdem einen setir interessanten Befund darbietet. Sie ist
ciettlieh glattwandig, doch spannt sich von einer Wand znr
anderen, quer. durch das Lumen ein Blutgefäss, welches an
seiner ganzen Peripherie mit sehr zahlreichen papillären
Hyperplasieen bedeckt isL Endlich ist noeh erwähnenswerlh
eine kleine gestielte Geschwulst, welche ungefähr in der Mitte
der vorderen Fläche der ersterwälmten grösseren Kyste auf-
sitzt. Der Stiel, ungefähr 1 Zoll lang, enthält ein thrombotisch
verschlossenes Blutgefäss. Die Geschwulst selbst ist kirschen-
gross, aus Bindegewebslamellen gebildet, welche eine kleine
dreifacherige Kyste einschliessen.
28g XIX. Bre$l€m, Ovanotoniie mifc iiftchgefolgteJii To40.
Zum Schlüsse will idi nur einige wenige epikrlUaebe
Bemerkungen aofi^;en.
1) Die Ricbtigkdt der Diagnose wird durcb den anaio^
mischen Befund an der Gesciiwulst heslätlgL Kein Zweifiel
ist mehr übrig, dass die Ovariotomie allein zur Heilung luhreii
koiirile und dass diese Operation indicirl war, nachdem die
Kranke ilu*e volle Zustimmung gegeben halte.
2) Wie lange das Leben der Kranken ohne Operation,
ohne jeglichen Eingriff erhalten geblieben wäre, ist un-
bestimmbar; soviel ist aber skher, dass früher oder später
der Tod durch das Wachsihum d^r Goschwulst, wozu in ihr
alle Bedingungen lagen, unausweicblich erfolgt wäre.
3) Hätten die zahlreichen und innigen Adhäsiooen vor-
siiglich der Basis der Geschwulst im Voraus diagnosticirt
werden können, so halte die Ovariotomie unterbleiben müssen.
Der hohe Stand des Uterus verhinderte, mit Sicherheit dessen
nritlelbaren oder unmittelbairen . Zusammenhang mit der Ge-
schwulst 211 erkennen; bei tieferem Stande v^^kre es möglich
gewesen.
4) Die Ursache des rapid^ erfolgenden Toiles ist weniger
in der be^nnenden Peritonitis und deip verjhältnissmässig
geringen , der Operation folgenden. Qlutergus^ in das kleine
Becken zu suchen, als wahrscheinlich in d^m ^rschiltternden
Eingriffe der Operation seihst, bei welcher die Bauchhöhle
ange eröffnet blieb, Netz und DarmsQhlingen etc der Luft
lange ausgesetzt waren und zahlreiche dem Gebiete des
• I •
Sympathicus und des Cerebrospinalnervensystems angehörige
Nervenfaden getrennt, zerrissen, gedehnt wurden, von wekhen
aus man sidi refleclorisch eine Betheiligung der Cenirahierven-
o^ane und vorzvglicb eine Reizung des Vagus entstanden
denken kann, welche sich in -der Ueblichkeit, im Erbrechen,
in der bis zur Erlahmung des Herzens steigenden Frequenz
der Herzcontractionen kundgab.
Zürich, den 31. December 1862.
XX. Boldi l&mpUAgBitinj Sehwangerf clmft^ Qebart etc. 209
XX.
Emp&ngnisB» Schwangerschaft , Geburt und
Wochenbett bei ütemsknickungen.
Von
Dr. Johannes Holst,
Professor in Dorpat.
So Tielfach die Gebärmuiterknickungen besprochen uod
TOD den verscbiedensten Standpunkten sind beleuchtet worden,
so versdiieden sind noch die Ansichten über dieselben, und
es dürfte kaum behauptet werden, dass die entgegengesetzten
Meinungen, namentiich in Bezug auf die Behandlung, sich
genähert, geschweige denn geeinigt hätten. Es muss deshalb
jeder Beitrag, der einiges Licht über streitige und unklare
Punkte verbreiten kann, nicht vergraben und unbeachtet
bleiben.
Ich tlieile zuerst eine Reihe von Beobachtungen aus dei*
Privatpraxis und meiner gynäkologischen Klinik mit, in denen
nach Beseitigung dei- Inflexio, zum allergrössten Theile aber
währeml des Bestehens derselben, Schwangerschaft eintrat
und werde einige kurze Bemerkungen daran schliessen.
Erste Beobachtung. Frau &, die Frau eines ärzt-
lichen CoUegen aus Russland, meldete sich bei mir 1847 zur
Behandlung. Etwa 30 Jahre alt, lebte sie, nachdem sie eine
normale Entlnndung g<*liabt und bald darauf aborlirt hatte,
seit mehreren Jahren in unfruchtbarer Ehe. — Das Aussehen
war anämisch, hysterische L<Mden in hohem Grade vorhanden.
Die Verdauung, im Ganzen regelmässig, neigte zur Trägheit.
Die Regeln waren schwach, ohne Schmerzen und traten regel-
mässig ein. Seit zwei Jahren bestand starker Fluor albus. —
Bei der Untersuchung zeigte sich die Vagina in hohem Grade
welk und schlaff, das Fett in der Umgebung der Vagina war
geschwunden und durch die Vagina der ganze Bänder- und
Muskelapparat des Beckens, die Knochenrauder, die Spina ischü,
soweit diese Tlieile dem Finger erreichbar sind, fast wie am
skelettirteo Becken zu fulilen. Die Portio vaginalis» welk und
MoamUaebr.r.a^bartak 1868. Bd. XXI., Ufl. i. 1^
290 ^^* f^^^j EiiipfMiigiiiis, 8«hwjin^er8oli*ft,
schlair, war tiacli vom gerichtel, der Uleras deutlich reti*o-
flectirt; der Uterus selbst welk und schlaff, zeigte die Höhle
uro V2 Zoll verlängert, ohne chronische Metritis, nur wenig
Schleim entleerend. Es wurde durch drei Monate die Sonde
täglich eingeführt, der Uterus aufgerichtet und die Sonde
eine halbe bis eine Stunde liegen gelassen, ausserdem wurde
täglich ein und zwei Mal die kalte Douche gegeben und
innerlich Eisen mit Ergotin angeweiidet. — Als die Kranke
nach drei Monaten nach Hause zuiückkehren musste, war
das Allgemeinbefinden bedeutend gebessert« Die Knickung
war nicht beseitigt, der Uterus aber derber und nicht
mehr verlängert und schien der Winkel weniger stark zu sem.
Nach zwei Monaten concipirte die Frau; die Scliwangerschafl
und Geburt verlief normal, ebenso das Wochenbett Nach
zwei Jahren wurde ein zweites Kind geboren.
Jetzt, nach Veriauf von bald fünfzehn Jahren, habe ich
die Frau wiedergesehen, aber nicht untersuchen körnien.
Anämie und Uysteiie sind in hohem Grade vorhiHKien, und
Frau S, bietet ganz das Aussehen einer Uterusleidendan. Da
die Frau nicht in meiner Behandhing ist, habe ich nicht er-
mitteln können, ob das frohere Leiden wieder da ist oder niclit
Zweite Beobachtung. Frau i/., eine kleine jtigendliche
Blondine, lebte seit acht Jahren in kinderloser Ehe. AI«
meine Hülfe gesucht wurde, war Anämie deutlich ausgesproclieo ;
die Frau gut genährt und die Verdauung in bester Ordnung.
Die Menses kehrten schwach, aber regelmässig ohne Schmerzen
aller vier Wochen wieder. Fluor albus war nicht vorhanden.
Abortus war nicht dagewesen. — Der Uterus war deiillich
anteflectirt, die Portio vaginalis, ebenso wie der ganze Uterus
welk und schlaff, die Portio vaginaHs nach hinten gerichtet,
der Uterus wenig verlängert, seine Schleimhaut gesund. Eine
Trennung der Eheleute war schon für längere Zeit durch
eine gleichzeitig vorhandene schmerzhafte Reizung des Scheiden-
eingangs geboten. Es wurde mit grosser Consequenz dM
JTtWtfcA-ifayer'sche Instrument durch vier Monate ohne
jeden Erfolg gebraucht, und nach Aussetzen dieses Gebrauchet
mit der schon vorher angewendeten kalten Douche, dem Ei8€«i
und Ergotin foi*tgefahren und so nach einem halben Jahre
die Knickung beseitigt, wie dat$ die Untersui'lHiiig ergab.
Gelmrt mid Wedhenbett b«i Utcrnsktiiekaitgdn. 291
letst wurde d«r Beischlaf gestatlel. Bald darauf trat Con-
eeplion ein. Schwangerseiiaft, Geburt und Wochenbett veiw
liefen ganz normal. Das Kind lebend, war kräftig und lebt
beute noch.
Dritte Beobachtung. Dieselbe Frau fühlle sich kurze
Zeit nach dem Entwöhnen jenes ersten Kindes wieder krank.
Es war wieder Anänrie eingetreten, und der Uterus gab bei
d«r Untersuchung den obigen Befund. Dieselbe Behandlung
beseitigte wieder die Knickung, doch wurde die d|ir«if
folgende Schwangersdiafl im Sommer 1867 durch eine Früh-
geburt im sechsten Monate unterbrochen. Im folgenden Wintor
zeigten sich dieselben Stiftrufigen des Allgemeinbefindens. Die
Untersorhong fand den Uterus welk und schlaff, die Höhle
um 1 Zoll verlängert, aber nicht geknickt. Dieselbe fie«-
handhtng beseitigte in. ztvei Monaten den Zustand. Seit der
Zeit ist Frau M, gesund und hat zwei normale Schwanger-
schallen, Geburten und Wochenbetten überstanden.
Vierte Beobachtung. Firau C7., eine gesunde, fiische,
blühende Frau, hatte in ihrer Ehe zwei Kinder nach nonnalen
Srhwangerschaflen leicht geboren. Im zweiten Wocbenhetle
trat nach einer Plar,entarlösung Endomelritis und Peritonitis
«n, die einen leiditen Verlauf nahmen. Die Frau saugt« ihr
Kind nicht selbst Die Regeln Iraten drei Monate nach iler
Geburt des Kindes mit Schmerzen ein, uud waren wie<)er
drei Monate ausgeblieben, als mein Rath gesucht wurde, im
Juni 1858. ich fand die fnlher kräftige blühende Frau im
hohen Grade blutleer und enlkhlftet, sonst über keine Be-
schwerden, namentlich keine localen, klagend. — Die Unter-
sueiwng «vgab die Portio vaginalis an ihrer rechten Seite
zerstört und mit dem Scheidengewölbe, verwachsen, nickt
stark nach hinten, den Fundus mehr nach links gerichtet,
den Utems zugleich anteflectirt und seine Höhle um 1 Zoll
r^rlingert. Kein infarct. Die Frau ging in's Seebad, kehrte
mit ihrer AnteTlexio zurück und es wirde eine weitere
Behandlung nicht gewünscht. Es trat Schwangerschallt mu
Bei der Geburt wurde ich consultirL Es war eine ver^
nachlässigte Querlage. Der Tetanus uteri machte da« Ein-
dringen der Hand unmöglich, und da das Kind todt war,
witde, da der Aucbenister sich- nieltt anlegen liess, mit der
19*
292 ^^' ffoUt, EmpAngnist, S^w«iig»mclwft,
gekrumiuten Scheere die Decapitalio yorgenemmeii. SpilM*
musste noch die Placenta gelöst werden. Frau C erlag eiB«r
septischen Endometritis.
Fünfte Beobachtung. Frau B., eine gesunde, friseiie,
kräftige Frau, KU seit ihren Enlwickeiungsjaliren an sehnierz-
hafler Menstruation und weissem Flusse, und kble seit zwei
Jahren in unfruchtbarer Ehe, als mein Rath eingeholt wurde.
Ich fand bei der sonst gesunden Frau, ausser etwas Bysterie,
den Uterus anteflectirt, die Portio vaginalis stark nadi hinten
geri('.htet, in geringem Grade angeschoppt, Catarrh der
Sclileimhaut der Cervicalportion , Excoriationen am Miiltei^
munde. Die Complicationen wurden beseitigt; die Ante-
flexio blieb. — Es trat Conception ein und nach normaler
Schwangerschaft wurde in scfamerthafter Gciiurtsarbeit ein
gesundes Mädciien geboren. Die Anteflexio war dadurch be*
seitigt und der Uterus vollkommen gesund.
Sechste Beobachtung. Frau £., aus öaer FaaMlie
stanunend, in der Gebärmutterleiden zu Hause sind (alle
Schwestern leiden in ähnlicher Weise, die Mutter, Grosetante
und Grossmutter starben an Gebärmutterleiden), war bei
ihrer Verheiratfaung gesund und regelmässig menstruirt. Nach
einem Jahre wurde ein Knabe geboren. Als die Kranke in
meine Behandlung kam, war sie seit zwtif Jahren unfruchtbar
und hatte vielleicht vor sechs Jahren einen Abortus gehabt.
Seit drei Jahren wurden beim Stehen Schmerzen im Kreuze
empfunden, ebenso im Unterbauche. Die Periode ist stark»
dauert fünf Tage mit mehr oder weniger heftigien Schmerzen.
Bei der Menstruation gehen öfter hautartige Fetzen ab, die sidi
unter dem Mikroskope als croupöse Ausschwitzungen erkennen
lassen. Das Au8se(ien war im Ganzen gut, der Appetit und
die Verdauung normal. Sausen in den Halsvenen. Die Unter-
suchung der Geschlechtstheile zeigte eine normale Vagina,
den Uterus wenig vergrössert. Die Gebärmutter war beim
Drucke schmerzhaft, namentlidi an dem Kniekungswinkel
famten, anteflectirt, die Portio vaginalis nach hinten gerichtet.
Die Muttermundslippen waren excoriirt, die Schleimhaut der
Cervicalporlion gelockert und blutreich, aua dem Uterus
reichliciier Abfluss eines klaren, fläasigeB Schleime«^ Es
wurde eine allgemeine und «ntsprecheade k>cale Behandlang
Gebvurt «nd Woohenbett bei Uterui»kiiiokuDg«ii. 293
eiQgeleiUt BhUigel, Aetzmätel u. s. w. Nach sieben Nonaien
steUie skb, nachdem sich der Zustand im Ganzen bedeulend
gebesaerl, drei Tage vor dem £intriUe der HensLrualion , eine
Melritis ein, nach deren Beseitigung und sorgfältiger Nach-
behaadhiDg, die die Knickung complicirende chronische £ndo-
metriti&t wenn lycht ganz beseitigt, so doch bedeutend
gebessert war. — Zwei Monate später trat, bei Fort-
bestehen der Flexion, Sciiwaugerschaft ein» Die Flexion
schwand erst im vierten Monate. Namentlich zur Zeit, wo
die Regeln hätten wiederkehren müssen, aber auch ausser
diesen Zeiten waren häufige und starke Schmerzen vorhanden,
so namentlich nach einem längeren Spaziergange im siebenten
Monate. Zur regelmässigen Zeil stellten sich, im Juli 1861,
die Weben ein, waren sehr schmerzhaft. Es wurde ein ge-
sundes Mädchen geboren. Im Wochenbette erkrankte Frau B.
ernstlich, und liessen die sich zehn Tage hindurch wieder-
holenden Frostanfalle in Verbindung mit den anderen Symptomen
wohl kaum an Phlebitis uterina zweifeln. Langsam erholte
sich die Kranke und säugte ihr Kind selbsL Nach sechs
Wochen stellte sich die Periode ein. Im October blieb sie
aus, und war der Verdacht einer Schwangerschaft begründet,
^^ mancherlei Erscheinungen auftraten, die in den beiden
fnlheren Schwangerschaften regelmässig dagewesen waren.
Acht Tage später erfolgte Abortus, und konnte trotz sorg-
faltiger Pflege nicht verhütet werden, dass sich chronische
Endometritis und Metritis entwickelte, an der Frau JB. noch
jetzt leidet Die Anteflexio ist geschwunden.
Siebente Beobachtung. Klinik, Semester IL, 1862.
EmüU Paulsen, unverheirathet, 23 Jahre all, seit dem
zwölften Jahre regelmässig und mit Schmerzen menstruirt,
erschien am 17. August 1861 auf der Klinik, über mancherlei
Beschwerden klagend. Die Untersuchung der stark anämischen
Kranken ergab eine Anteflexio uteri mit in der Ffibrungs-
linie stehender Portio vaginalis. Ausserdem leichter Catarrhus
uteri und Metritis. Im November zeigte sich der Körper
des Uterus bedeutend vergrössert und war an beginnender
Schwangerschaft kaum zu zweifeln. Die weitere Beobachtung
belehrte uns aber die Richtigkeil dieser Annahme; die
Schwangerschaft verlief unter vielfachen Beschwerden und
2^»4 XX- iloUtt EiiipfAngniss, Schwangcrscliaft,
Schmerzen. Gegen Ende des vierten Monats war die Knickung
ausgeglichen. Weiteres vemiag icfi nicht antugeben, die
E, P, ist, um ihr Wochenhelt ahzuhalten, in einen Nachbarort
gereist.
Achte Beobachtung. Eis LatM, esthnische Bäuerin,
28 Jahre alt, von anämischem Aussehen, erschien, ober
Schmerzen im Kreuze und der Herzgrube klagend, den
14. August 1859 auf der Klinik. Die l]ntei*suchung der
Genitalien ergab eine Anteflexio uteri. Die Poitio vaginalis
stand nacli hinten; der Uterus, hei der Untersuchung schmerz-
hafl, zeigte leichte Anschoppung. Patientin wurde ambulatorisch
längere Zeit behandelt. Am 3. September 1860 erschien die
Frau nach längerer Abwesenheit wieder auf d<T Klinik und
wurde, da sie über starke Schmerzen klagte, in die stationäre
Klinik aufgenommen. Der Fundus des geknickten Uterus
war sehr vergrössert und liess die ganie Untersuchung eine
beginnende Schwangerschaft vermulhen. Sic blieb in der Klinik
und wurde, noch über hefligc Schmerzen im Uterus klagend,
in der 16. Woche der Schwangerschaft, als das Bailottcment
wahrgenommen wurde, entlassen. Zur Entbindtmg kam sie
in die Klinik, die Knickung war geschwunden. Die Geburl
nahm einen raschen, leichten Verlauf, doch geschah die Ruck-
bildung des Uterus sehr langsam, es entwickelte sich eine
chronische Metritis und Perimetritis, an denen die Patientin
noch am heuligen Tage, über ein Jahr nach der Entbindung
leidet. Die Knickung ist üt)rigens nicht mehr vorhanden.
Aus den obigen Beobachtungen möchte nun wold liervor-
gclien, dass Conception bei vorhandenen Knickungen nicht
so selten vorkommt, wie man wohl glaubt, vor Allem a!»er
durch dieselben klar bewiesen sein, dass wenn Conception
wahrend der Beiiandlung einer Knickung eintritt, nicht daraus
gCbclilossen werden darf, die Knickung sei beseitigt gew(»sen.
Beachten wir nun im Folgenden:
I. Warmn bei Knickungen die Frauen in den meisten Fallen
nicht concipiren?
II. Wodurch bei Knickungen die Conception möglich wird?
Gelmfi a»d Wochenbett bei Uteriisknickungen. 296
SO wird sidi hieraus, wenn wir «uch der Ueberzeiigung sind,
du» die Kaickungeii nur seJteu heilbar »ind, ergeben:
Hl. Welche Behandlung wir einzuleiten haben, um Cou-
ceplion lu erfloöglichen.
IV. Beachleu wir den Verlauf der Schwangerscliaft der Geburt
uod des Wochenbetts in solchen Fällen.
I. Warum tritt bei Knickungen so häufig nicht
Conception ein?
£ia Grund liegt in den Complicatioueu. Die
cfaroniaehe Entzönduog des Parenchyms und namentlich der
Schleioibaut, die Catarrhe der Portio cervicalis, die diese
Partie mit einem zähen Schleime ausfüllen, die Erosionen
ttud Granulationen, sind in ihrem Einflüsse in dieser Beziehung
hinreichend bekannt, als dass sie mehr besprochen zu werden
brauclilen. Die Amenorrhoe, die wir nicht nur bei blutleeren
Frauen, welche an Knickungen leiden, beobachten, erklart
ferner eine wobl auf den Eierstock zu beziehende Sterilität.
Doch sind dte ersten Goniplicatioiien kein absokites Uiuder-
niss iur die Eiopfängniss , wie ja wohl ufler bei cbroniscbcT
Metritis Conceptiun slatLfiudel. Auch unter jenen oben auf-
gezahlten Fälieu sind der sechste, siebente und achte Fall
solche.
Bei übrigens gesundem Uterus liegt das Hinderniss der
Conception in der Lage der Vagiualportion stark
nach hinten oder nach vorn, und der dadurch bedingten
Schwierigkeit, dass das Os uteri externum und
Orificium uretbrae mit einander in Berührung
komtnen. Eine solche Berührung ist nicht nur möglich
nach dem Bau der Vagina und der Krömumng des in Erection
befindlichen GUedes, sie scheint vielmehr nothwendig zu sein.
Eine solche Nothwendigkeit der Benihrung und des unmittel-
baren Ueberstromens des Samens in den Uterus scheint mir
ferner durch die Unfruchtbarkeit bei der bei weitem grössten
Zahl von Versionen und Flexionen bewiesen zu sein, denn
genügte eine einfache Injection in die Vagina, so ist (wenn
wir die obigen complicirten Fälle ausschliessen , wo man
meinen könnte, die Complicalion sei das Hinderniss) nicht
einzusehen, warum in diesen Fällen die Frauen nicht concipiren
sollten, da namentlich beim AneinanderKegen der Yaginai*-
wände, nach Entfernung des Gliedes, die Vaginalporlion in
der Rückenlage der Frau bei den häufigen Fällen von Aule-
flexionen, von dem Samen nrnsputt werden miiss und hin-
reichende Gelegenheit zum Eintritt des Samens in den Uterus
gegeben ist Es möchte wohi gar nicht bexwetfelt werden
dürfen, dass für die Conception eine Berührung des Os uteri
externum und des Orificium urethrae nöthig ist, und dass
hier ein unmittelbares Ueberströnien des mit Kraft hervor-
getriebenen Samens bis in die Hohle des Uterus stattfinden
muss. Diese gewaltsame Ejaculation, die bei Injection in die
Vagina gar keinen Grund halte, muss den Samen wenigstens
über den inneren Muttermund befördern, da im Canale der
Cervicalportion es keinen Apparat giebt, der den Samen
weiter bef5rdem könnte, hier selbst das in seiner Wichtigkeit
für diese Function wenigstens sehr fragliche Plimmerepithel
fehlt. — Bei den Knickungen, noch mehr bei den Versionen,
bei denen meiner Erfahrung nach Conception viel sehener
vorkommt, kann aber die Urethra und die Höhte des ganzen
Uterus nicht diesen fortlaufenden Canal bilden, wie er ent-
steht, wenn die Portio vaginalis ihre normale Stellung hat,
vielmehr wird die Eichel beim Coitus nur die vordere Fläche
der Portio vaginalis bei der Anteflexio berühren, die Portio
vaginalis noch mehr nach oben drängen irod den äusseren
Muttermnnd von der Harnröhrenmündung um so mehr ent-
fernen, als das Glied tiefer in die Vagina eindringt; bei der
Rctroflexio aber wird das Glied der Portio vaginalis vorbei-
gehen .und diese vor sich lassen. ') — Von meinen Beobaditungen
zeigen zwei, die vierte und siebente, wie durch normale
Stellung der Portio vaginalis die Empfangniss erleichtert wird.
Es führt uns das auf den Einfluss der Knickungen
als solche, auf die Conception. Diese wurden häufig
als Hauptursache der Unfruchtbarkeit angesehen, indem man
meinte, der Samen könne nicht über die geknickte Stelle
1) Ich glaubte hier nicht «af jeoe mehr als sweifelhaften
Fälle eingehen zu dürfen, wo Ejaculation nicht in die Vagina
stattgefunden habeu soll und Conception folgte, und noch weniger
auf jene, wo ein noch vorhandenes Hymen beweisen sollte, dass
keine Immisslo penis stattgefonden?
Gebwri «ad WockonbeU bei Ui6ru8kiii«kaii^o. 297
liioiberdriffig«!!. Iti dieseiu Simie hoflle loan von der
iDStruRwotelieii Behandlang ^ wenn nichl Geradrichtung, so
decii Erweilflnmg des durch die KnickuBg verschlossenen
MttUemiundes. Sehen wir von den inil Melritis coinplicirten
FäHen ab, so finden wir bei Knickungen, mk sellr.nea Aus-
nahmen, das Menstruatblul ohne Sehwierigkeii durch diese
Stelle hervortreten; es ist nichi einzoseben, warum der Samen
nicht ebenso über diese Stelle dringen solle. Es liegen die
Schleiitthantflächen allerdings aneinander, doch besitzt die
Schleiniiiaut und die Uterussubsfanz sicher jene Nachgiebigkeit,
die ein solches Eindringen des mit Krall ejaculirten SanM^as
in den meisten Fällen ohne Schwierigkeit gestattet, wie sich
das an frischen Präparaten mit einer Spritze, die mit stumpTem
Ansätze den äusseren Muttermund scbliesst, bei dem kisesl4*ii
Drucke nachmachen lässL Ausnahmen durften sich nur bei
sehr spitzwinkeliger Knickung ergeben. Ich glaube also, das»
die Knickung als solche nur höchst selten Ursache
der Unfruchtbarkeit ist, wir diese jedenfalls mit weit
gr§sserem Rechte in den oben besprocheucn Verbältnissen zu
suchen haben.
II. Wodurch wird bei Gebarmutterknickungen die
in den meisten Fällen nicht eintretende
Conception möglich?
Heilung der Knickung beseitigt die Form- und Lage*
Veränderung, die Portio vaginalis nimmt ihre normale Stellung
ein und der Conception steht kein Hindemiss im Wege.
Das zeigt auch meine zweite und dritte Beobachtung; da aber
HeihiDgen zu den grössten Seltenheiten gehöi*en. so werden
auch diese Beobachtungen selten sein. Nach meinen schon
an einem anderen Orte ausgekrochenen Erfahrungen und
Ansichten dber die Heilbarkeit der uns beschäiligenden Krank*
heit, kann ich nicht umhin, die Vermutbung auszusprechen,
dase viele von den gerühmten Erfolgen auf Täuschung be-
ruhen, und dass Beobachter, die von der Ueberzeugung aus-
gingen, dass, so lange eine Knickung bestehe, Conception
unmöglich sei, sich verleiten liessen, aus stattgehabter
Conception auf vorhandene Heilung zu schliessen,
während es sich nur um Conception handelte, die
298 ^^* ffoi't, P^mpfHngniaB, Sehwnngeraoliail,
bei bestehender Kuiokuug etwa nach Beseitigung
der Complieationeii eintrat. Die Umetande, die aber
betni Fortbestehen der Knickung die Conception raögtidi
machen, haben wir in Foigeudem su besprechen.
Die Beseitigung der Complicationen dürfte, wenn
auch nicht für alle FftUe, so doch für die grösste Zahl der-
s<;lben, die nothwendigste Bedingung sein. Es bedarf das
keines weiteren Eingehens. Dass aber hehn Fortbestehen
der Complicationen, selbst bei Knickungen doch CoDcepUon
erfolgen kann, ebenso wie bei denselben Zuständen des Uterus
ohne Knickung, 2eigen auch meine drei letzten Fölle.
Normale Stellung der Vaginalportion beim Fort-
bestehen der Knickung dürfte ohne Zweifel der Umstand sein,
d(*r Conception am häufigsten zu Stande koifinien lässt, w(«il
dieselbe der wichtigste Behelf ist, den wir deshalb bei der
Behandlung am meisten anzustreben haben. So wurde in
den von mir citirten Fällen, in dem siebenten durch diesen
Stand, trotz des Catarrhs, EmpfÜngniss möglich und ebenso
im vierten durch Verwachsung der Portio vaginalis mit der
Scheidenwand die Berührung mit der Mündung der Harnröhre
und Ucberströmen des Samens in den Uterus herbeigeführt
Normale Form des Uterus, die vorübergehend ein-
tritt, könnte ebenfalls von Wichtigkeit sein, indem sie normale
Stellung des Scheidentheils in jenen Fällen herbeiführen
dürfte, wo die Lagenveränderung in Folge der Knickung und
des Herabsinkens des Fundus eintrat, und bei nicht zu langer
Dauer die Bänder und das Scheidengewölbe, die dem Uterus
die normale Stellung geben, noch nicht so erschlafft sind,
dass bei Geradrich (ung des Utenis auch eine Einstettoug in
normaler Bichtung möglich wäre. . Wo aber eine Versio vorher-
ging und sich spater Knickung bildet, pflegt, wie ich aus
Erfahrung weiss, selbst nach Beseitigung der Knickung, die
Lagenveränderung fortzubestehen.
Eine normale Form des Uterus könnte aber auf dreifache
Weise entstehen.
Erstens wollte mir bei längerer Behandlung und Benbachtting
einer Knickung Schemen, dass diese, wenn auch auf kurze
Zeil, schwinde oder sich bessere, namentlich wenn die Com-
plicationen beseitigt wurden, und ein kräftiges, tonisirendes
Gebtirt und Wochenbett b«f Uteruji1cfiie1<nafi^«ii. 299
Verfaliren eingeleilcl worde, welche» die ErecUatrung des
Uterus zeitweHig beseitigte. Gern gebe ich zu, dass hier
öfters Täasdiuii^fi vorkommen können, indem durch aUe
llmstSnde, die die Untersuchung zeitweiNg erschweren, man
iix Versuchung kommen kann, weil sich nicht so gmiao wie
frfdier untersuchen lässt, eine Abnahme der Knickung an-
zunehmen; andererseits aber, bei schlaffen Bauchdeckeu, dui*ch
^ineii kräftigen Druck von oben und lieft^res Herabdriugen der
Hand in's kleine Becken, die Knickung für die Zeit der
Untersuchung vergrössert werden kann, ja man selbst einen
normalen Uterus be(jebig in Anteversio oder Retroversio ver-
setzen kann. Immerhin glaube ich mich von zeitweiliger
Besserung selbst Beseitigung der Inflexio Aberzeugt zu haben.
Zweitens wurde eine solche normale Form, imd in Folge
dessen wohl öfter richtige Einstpllung eintreten, wenn die
Untersuchungen von Rouget in Bezug auf die Erection zur
Zeit der Menstruation sich bestätigen sollten, und* wie Ronffet
das bei Injectionen der Geflsse des seiner Meinung nach,
als erectiles Organ anzusehenden Uterus, beobachtet haben will.
Drittens liess sich an eine ähnliche Erection denken, die
durrh eine Hnskelcontraction entstände, welche durch den
Reiz des Goitus reflectorisch hervorgerufen würde, bei der
sich denn, um die Knickung auszugleichen, namentlicli die
gedehnte Wand zu contraliiren hatte. Es ist das eine An-
nahme, gegen die sich vom theoretischen Standpunkt wenig
einwenden lässt, wenn das Organ sich nicht in einem Zu>
Stande grosser ErschlaflVmg befindet.
Berührung des äusseren Muttermundes und des Orificium
nrethrae könnte durch einen glücklichen Zufall wohl
hin und wieder möglich werden.
Stublverstopfung mit Ueberfnllun^ des Mast-
darmes verdrängt selu* häufig, selbst bei .schwangerem Uterus,
die Vaginalportion in der Weise, dass wenn wir bei der
inneren Untersuchung dies; Ueberffillung des Mastdarmes
übersehen, erstaunt sind, die Vaginalportion, die wir vor
wenigen Tagen nach hinten gerichtet im hinteren Räume des
Berkens fanden, jetzt in der Führungslinie, oder selbst vor
der Spina ischii im vorderen Räume des Beckens anzutreffen.
Dasselbe findet auch ohne Schwangerschafl statt, nur nicht
SO oft» weil hier das R«eUiiu selleo in deoi Grade augefulU
isi, wie bei schwangeren Frauen. Eine solche Lageoverinderung
der VaginalporUon macbi ein unmittelbares Beruhren der be*
treffenden Theile und ein fiindringeD des Samens in den
Uterus möglieb.
III. Wolche Behandlung habrn wir einzuleiten, um
Conception möglich zu machen.
Nach dem bisher Besprochenen darf ich kurz sein.
Heilung der Knickung wird, wenn möglich, naturiick
obenan sieben.
Da diese meist möglich ist, wird die Beseitigung
der Complicationeu anzustreben, also namentlich die
Melritis, Endometritis u. s. w. zu bekämpfen sein.
Tonisiren des Uterus, wenn schon in seltenen Fällen
zur Heilung führend, wird jene Vorgänge der freiMch noch
h]fpothetiscben Erecüon befördern und wohl seihst eine zeit*
weilige Heilung, wenn auch für kurze Zeit, herbeifuhren
können. Also Kälte, Eisen, Ergotin und Seeale in ver-
schiedenen Applicationsweisen und vielleicht Galvanismus.
Bei der geringen Aussicht auf Erfolg vrird es aber nach
Beseitigung der Complicationen nameutlicb darauf ankommen,
da die Knickung als solche kein Hinderniss für Conception ist:
Die Vaginalportion in die richtige Stelluug zu
bringen. Zu diesem Zwecke braucht man Charpiekugelii,
kleine Schwämme, Binge, und um letztere noch sicherer mit
der Portio vaginalis in die richtige Stellung^ zu bringen, empfahl
Hutin in seinem „Etüde de la sterilite, Paris 1859'' diesen
Ritig noch mit einer schmalen Platte von der Länge der
Vagina zu versehen. Diese Apparate, über deren Nutzen mir
keine eigenen Beobachtungen zu Gebote stehen, wurden viel-
fach empfohlen, gebraucht und wie es scheint mit Erfolg.
Ein Theil der Aerzte brauchte diese Apparate, um den Uterus
auf- und gerade zu richten, um die Knickung zu heilen,
und glaubte bei eingetretener Schwangerschalt auf voran-
gegangene Heilung schliessen zu dürfen; während die anderen
nichts anderes im Sinne halten, als durch dieselben, die
während des Beischlafs liegen bleiben, die Vaginalportion dem
r
Gebart und WoeboDbett bei UieraskniekiiBgcu. 90 1
Biiitritle des 8anieB6 zugänglich za mache». Es dfirfte wohl
ka6M fregiich tma , iIms durch diese Apparate eine Aenderuug
der Poria und Lage des nieisl schlaffen Utei'us nicht erzielt
werden kann* Um so mehr aber muss der Gebrauch dieser
Apparate, von denen die Schwämme uud Charpiekugehi bei
Anteflexio natürlich hinter die Portio vaginalis und umgekehrt
anzulegen sind, dringend empfohlen werden, um den Eintritt
des Samens durch Einstellung der Yaginalportion zu er-
möglichen, und wird selbst, wenn jene Apparate für die Zeil
ÜMner Wirksamkeit die Knickung verstärken, indem der Fundus
seine Lage behalten wird, doch trotzdem der Samon in den
Uterus eindringen können.
Wo wir solche Mittel besitzen, kann nicht die Rede
davon sein, durch Herbeiführen der stets schädlieheu Ueber-
föUung des Rectum eine Einstellung des ScheidenÜieils zu
versuchen.
Ist Schwangerschaft eingetreten, so verläuft dieselbe in
jenen Fällen, wo Heilung vorherging, gewiss ohne alle Be-
schwerden und Unterbrechung, wie das mein zweiter und
dritter Fall beweisen , und es auch nicht anders zu vermuthen
ist. Dasselbe gilt gewiss und zeigen auch meine Beobachtungen,
f&r jene Fälle, wo Schwangerschaft bei Knickung, ohne Com*
pKcationen mit sonstigen Leiden des Uterus, verlief. — Anders
gestaltet es sich in jenen Fällen, wo ein Uterus im Zustande
der chronischen Metritis geschwängert wurde , doch hängen
die Störungen der Schwangerschaft hier gewiss nur von der
Erkrankung des Gewebes und nicht von der Knickung ab,
jedenfalls nur zum geringsten Tbeile von dieser. Die Knickung
sah ich stets im Verlaufe des fünften Monats schwinden,
aber die pathologischen Erscheinungen dauerten fort. Häufige
Schmerzen, namentlich zur Zeit des Menstruationseintrittes
gesteigert, selbst leichte Wehen, machen solche Schwanger-
schaften, wenigstens für Zeiten, sehr quülend. Stärkere Be-
wegungen und Anstrengungen steigern die Schmerzen und
gd>en in dem kranken Organe leicht Gelegenheit zu Abortus
und Frühgeburt. Auch das Allgemeinbefinden ist oft gestört,
die Verdauung träge, die Blutbereitung unvollkommen, Anämie
mehr oder weniger ausgeprägt.
302 X^- //«M, KH.pAtigiiiM, 5(ehwMig6r«rh«il, Oebnrt etc.
Die Geburt isl bei diesen UmsCindc«! leicht durch die
sehr Rchnierzhaften Wehen sehr angreifeu4l und erschöpfäMi.')
Im Wochenhßtte beobachtete ich in einem Falle eint«
bedeutende Erkrankung , wahrscheinlich Phlebitis uterina.
Häufiger als solclu; schwerere Leiden dürfte aber langsam«
RAekbildung des Uterus sein, chronische Metritis, Endometritis
und Perimetritis namentlich oft vorkommen, und zumal
durch diese Gelegenheit nur Anlass zu RecidiTen der Knickung
geboten sein, die allerdings in anderen Fallen durch Schwangei^
Schaft und Wocbenbetl beseitigt wird, wie es drei meiner
Beobachtungen zeigen.
Dass daher das Wochenbett mit besonderer Sorgfalt zu
überwachen ist, braucht wohl kaum ervvfdnit zu werden. Es
nmss die schon früh auftretende Knickung zeitig und die
Entzündungen des Uterus und seine Umgebung energisch
bebandelt werden.
Dorpat, am 21. März 1862.
1) Die Ton Balandin (Petersburger med. Zeitang^, 1862,
Heft II., Seite 67) auRgesprocheBe VerAalasming^, dam in itwei
FHUen, wo in der Gebnrt Riiptar des Utertis eintrat, diese «n
der atrophirten Kniekanffnstelle eingetreten, ist blosse Ver-
mathnngr, da vor der Conception die Kniclcung nicht diagnosti-
cirt war.
XXI. MaUirV^i^*ir d. Oporali^e d. gt^riftNenan DHtnmi's ete. QQ8
XXL
üeber die Operation des gerissenen Dammes
in späterer Zeit des Wochenbettes.
Von
Dr. Johannes Holst,
Profesüor In Dorpat.
Durch die sorgfältige PHi'ge und Ueberwaf'iiung der
Geburten von Seiten töchtigei-er Heiiainmen und Aerzie,
namratlich aber durch die in ihrer Ausführung so einfachen
und in der Wirkiuig so nnübertreßlichen Einschnitte in die
Schamspaite, ist in neuerer Zeit die Zahl der Danuurisse
eilte geringere gewoi'den. Immer werch^n aher noch die
Geburten in den Hntten der Arniutli und selbst hei iler
besten Pflege, die Rigidität des Dammes imd die mechanisi^heii
Mi86verh2linisse zwischen Beckenausgang und Kopf, eine Zahl
von Dammrissen zu Stande kommen lassen.
Während vor niefat gar langer Zeit die Meinungen der
erfahrenslen GehnrtsheUer und Chirurgen in der Art aus
einander gingen, dass die einen gleich nadi der Geburt, die
anderen erst nach Wochen, nach vollendeter Ueberhäutung,
operin wissen wollten, dilrfle jetzt der Satz kaum Widn*-
spruch erfahren, dass wenige Stunden nach Entfernung der
Narhgeburt opei*irt werden muss imd dann hei richtigem
Verfahren die Resultate als gute bezeichnet werden können«
Auch ich muss mich, meiner Erfahrung nach, für dieses
Verfahren aussprechen, indem mir noch kehie Operation
missglückt ist, sondern hei allen der Erfolg ein vollkommeuer
war, selbst FiHe, in denen der Sphincter ani durchrissen
war, heilten ToUstündig. So nahe ich deim jeden Daromriss
nach der gleich zu besprechenden Art 4 — 12 Stunden nach
der Geburt. Ich habe es mir auch zur Kegel gemacht, selbst
kleinere Risse zu nähen, weil nameuUich bei der ärmei'en
Volksklasse, bei der anstrengenden Körperbascliaütiguiig selbst
scIioD ein klebiei* nicht geheilter Riss der hinteren Wand der
Scheide die nöthige Stütze nimmt, und Veranlassung zum
Vorfall der Gebärmutter wird.
304 XXT. HolH, Ueber die Operation de» ^erieaoneB DuDines
Ganz anders sind die Resultate bei der Operation schon
vernarbter Dammrisse. Die verschiedensten Methoden haben
die tüchtigsten Op<*rateure im Stich gelassen und wir dürfen
es sagen, der Erfolg on(s|irach nicht nur nicht der gehabten
Muhe, sondern war enlschi(HH»n ein schlecliter.
Diese Operationen mussteu vermieden werden, und es
lag nahe, in allen Fällen, wo das frühzeitige Operiren ver-
säumt wurde, oder nicht möglich war, die Naht in späterer
Zeit des Wochenbettes zu versuchen, und dieses um so mehr,
als diese Fälle recht häufig sind. Es giebt Wöchnerinnen,
die sich der Operation in den ersten Tagen widersetaen;
bei anderen ist der Ri^s von der Hebamme äbersehen; andere
sind ohne llölfe niedergekommen, erst die Schmerzen beim
Harnen (ordern sie auf, Hälfe zu suchen; bei anderen miss-
glnckle die erste Naht und es erfolgte die Vereinigung nicht.;
bei noch anderen wagte man zur Zeit von herrschenden
Puerperalilebem nicht gleich zu operiren. In allen diesen
Fällen musste es wunsdienswerth sein, noch in späterer Zeil
des Wochenbettes operiren zu dürfen.
Von diesen Betrachtungen ausgdiend, operirte ich einen
Fall, der mir am achten Tage nach der Entbindung in die
Klinik gebracht wurde. Der Riss ei'Streckte sieh bis an den
Sphincter, der wie präparirt dalag, und die ganze Wunde
granuKrte. Der Erfolg war ein sehr günstiger, indem voll-
kommene Vereinigung erfolgte. In der Folge liabe ich noch
drei solche Fälle zu operiren Gelegenheit gehabt, von denen
zwei sich bis an den Schliessmuskel und ein dritter sich bis
auf zwei Drittheile des Dammes erstreckten. Einer wurde
am fänften, einer am achten und einer am neunten Tage des
Wochenbettes operirt. Der Erfolg war in allen der beste.
Ist auch die Zahl eine geringe, so machen diese Erfolge es
mir doch zur Pflicht, sie den ärztlichen CoUegen vorzulegen,
und zur PrAfung dieser nicht neuen, al>er doch etwas über-
sehenen und vergessenen Operation aufzufordern.
Einer genauen Beschroibtmg der einzelnen Falie glaube
ich fiberhoben zu sein, da eine solche ohne NuUen und
Interesse wäre und was dieselben holen, bei Besprechung
der sogleich zu schildemden Operation angeführt werden wird.
in späUrar Zieit de« W««h«BlieUQa. 805
Ich verfahre bei diesen verspäteten OperatioDen nait ge-
rtogen Me^catiooeii gaos so, wie bei der Mäht gleich nach
der EnltMnduDg.
Idi nShe stets mit dem Nadelhalter, mit stark gekrümmten
Nadelu und je nach der Starke des Fadens, mit doppelten
oder vierfachen Seidenfaden.
Nachdem Stahl und Harn entleert sind, wird die zu
Operirende in die Ruckenlage auf einen mit einer Matratae
bedeckten Tisch gebracht, in der Weise, dass die Geschlechts*
theile voUkommen frei liegen. Durch Gehilfen werden die
Oberscboikel stark abdueirt, und die Wundflache stark au»»
einander gezogen. Jetzt wird die Wnnde durch eine la-
jectioii in die Vagina gereinigt
Jetzt wird der Zeigefinger der linken Hand in den Mast^
dann geföhrt und mit dem Finger die vordere Wand des
Darmes in die Wunde gedrangt So wird erst die Tieie
des Risses recht sichtbar. Reicht der Riss in dem Binde-
gewebe zwischen Mastdarm und Scheide liöher hinauf, und
bis an die Wand des Rectum, so sieht man in diesem Falk
die hinteren Grenzen der beiden Wundflichen an dem in die
Wunde gedrängten Rectum nach den Seiten herabgleiteu, so
dass wir nicht zwei vor dem Rectum sksh in einen Winkel
vereinigende Wundfläcben, sondern drei vor uns haben: zwei
seitliehe von den durchrissenen Parthien der Scheide und
des Dammes gebildete und eine hintere, das Rectum. Gebt
der Riss nicht ganz bis an die Wand des Mastdarms über
dem Sphincter, so haben wir nur zwei seitliche, sich in dem
Bindegewebe zwischen Mastdarm und Scheide berührende
Wundflachen.
Nur auf diese Weise wird es mögUch, die Verletzung
in ihrem ganzen Umfange gehörig zu erkennen und zu um^
stechen, was für das Gelingen der Operation eine notbwendige
Bedingung ist Es bleibt deshalb der Finger im Mastdarme
bis alle Nähte angelegt sind. Von der Seitenlage zum Zwecke
der Operation kann also nicht die Rede seiji.
Ich lege dann meist vier Nähte an, und ist es im Ganzen
einerlei, welche Nalit zuerst' angelegt wird; der Blutung wegen,
die leicht die Operation aufhält, lege ich meist zuerst das
MoBfttMcbr. r. Oeburtsk. 1S83. Bd. XXI.,Hrt.i* 30
306 X^I* HoUt, Ueb«r d&e Op«ratioo des icerisiiMieii Dammes
ttiiterH Hell. £« vereteht sich wohl von selüM^ dass wenn
der Riss sich höher hinauf in die Scheide ersireckt, diese
sorgfältig genäht wird.
Die Nadel wird drei Linien vom Wundrande eingestochen,
ehenso wek von demselben auf der andern Seite heraus-
geführt und hat die ganze Wunde zu umstechen. Liegt auf
dem Mastdarme noch eine Schicht nicht dorchrissenen Binde-
gewehes, so wird in der Wunde die Nadel nicht siclitbai*.
Ist aber das Bindegewebe bis auf den Mastdarm durchrissei^
so tritt die Nadel vor dem Mastdärme hervor; ich durchsteche
jetzt die obern Schichten des Mastdarmes mit der Nadel,
und fähre . dieselbe dann auf der andern Seite der Wunde
weiter fort. Es erscheint in diesem Falle die Sutur im linken
Wund Winkel, geht durch einen Theil der Wand des Mast-
darmes, wird wieder sichtbar, um hinter dem hintern Rande
der rechten Wundfläche zu verschwinden.
Wenn alle Nähte liegen, wird die Wunde nochmals aus-
einander gezogen und sorgfältig gereinigt. Jetzt tra^ ich
mit einer ober die Fläche gekrümmten Scheere alle stärkeren
Granulationen ah, um eine glatte Fläche zu erhalten und in
möglicher Ausdehnung eine rasche Vei*einigung zu erreichen.
Dieses muss mit besonderer Sorgfalt an der hinteren Ver-
einigung der Schamlippen geschehen, da dieses die Stelle ist,
an der, wenn irgend möglich, eine rasche Vereinigung ensielt
werden muss, denn hat sich hier nur eine ganz, schmak
Brocke gebildet, so fällt sich, wenn die Wunde auch sonst
lanvereinigt blieb, dieser Raum bald und es bildet sich ein
vollständiger Damm. Etwa an den Rändern vorhandene Un*
ebenheiten und Fetzen werden natärlich abgetragen.
Die Blutung fand ich nie stark, wohl aber lange an-
dauernd. Sie wird mit kaltem Wasser und Eis gestillt und
dann die Wundfläche mit Sorgfalt von allem Blutgerinnsel
gereinigt. Jetzt werden die Nähte geknäpft, dabei die Fäden
reclit fest angezogen. Wenn die Wundränder nicht g»t an-
einander liegen, kann noch eine oder die andere oberfläddicbe
Naht angelegt werden.
Jetzt wird die Operirte auf ihr Lager getragen und lasse
ich derselben eine volle Gabe Opium geben, um den Stuhl
anzuhalten, und in den Fällen, wo nicht cbloroformirt wiu*de.
r
ia «pftterer 2&«U do» Wo«heiibeUM, 307
die oft ¥«rh«iiiei)e mid' stets ntcfathoilige Aufregiiag zu be-
aaligen. Die zwei bis di*ei ersten Stunden nach der Operation
lasse icb kühle Umschlage Ober die Sobaani niacbeo, um
einen Blutergnss zwischen die Wundfläcben zu verhiLiten.
Die Nachbehandlung leite icb stets sojrgßltig und
halte fiie für sehr widitig. Den Stuhl halte ich durch tag*
üche Gaben Opium acht bis zwölf Tage ohne Beschwerden
Iftr die Operirte zurück, was leicht siöglich wird, wenn man
nebenbei eine wenig substanzreiohe Nahrung gieb^. Meldfit
sich endlich das Bedurfnfss zur Darmentleerung, so ist uorh
binreiclieffede Zeit, durch eine Gabe Ol. Ricini und ein Klystir
die Fäcalmassen zu erweichen, die Wunde ist dann auch
schon so weit und fest vereinigt , dass die Gefahr des Auf-*
reissens gering ist. ') Die Schenkel werden über dem Knie
zusammengebunden und ist es einerlei, welche Lage die
0|p«rirte einneiimen will, nur ist Aufsicht notb^, dass die
oft lästige Binde nicht entfernt werde.
Der mühsamste Theil der Nachbehandlung ist die Be-
wahrung der Naht vor Benetzung mit Harn und die fleissige
Entfernung der Lochien aus der Vagina. Alle drei Slundea
(sind die Lochien sehr reicblicb und niolit mild, alle zwei
Stunden) wird eine laue Vaginalinjeetion gemacht» und der
Damm selbst mit Wasser angespritzt. Ebenao oft wird der
Harn mit dem Katheter entleert, und lasse ich stets
bei Entfernung des Instrumentes unter die Harnröhre ein
SehwänNnchen andrucken, um selbst die letzleji Tropfen
Uara, die sich beim Entfernen des iaelnimentes aus diesen
«ad der ttaernrölire ergiessen, von. der Wunde fern zu lialten.
Die dem Aller nächste Sutur entferne ich nach drei,
hfiebstens vier Tagen, die übrigen einen Tag Spater, und
lasse dann das olien bHsprochene Verfahren noch acht fernere
Tage einhalten.
Meine Erfolge waren gute. Ich habe in allen FäUen
vttUslandige Veriieilung erzielt, in den frisch «perirten, wie
ia den verspäteten. Spreche ich hier nur von den letzteren,
1) In einem Falle, wo der Sphinct<^r ani mit durcbrisRen
war, wurde ich durch unwillkiirlicheD Abgang deft ernten Stuhles
erschreckt. Der zweite aber nchon erfolgte nicht mehr ttnwilt-
kiirUch.
20*
30g XXI. Hoktf Ueb«r die OperRtioB des geiitMBeB DammM
80 war bei zweien ^e Vereinigung' am fantten Tage voll*
endet, and nur ein Paar kleine wonde Stellen mmsten leicht
mit Höllenstein cauterisirt werden. Im dritten Falle war
äusserlieh die Heilung eine vollständige, doch war die Scheiden-
wunde nicht Tollkommen geheilt, sondern an der hinteren
Vereinigung der Schamlippen erstreckte sich gegen dea
Mastdarm hin eine kleine Vertiefung, die sich Tollkommen
durch Granulationen füllte, so dass in vierzehn Tagen die
Heilung vollendet war. in dem vierten Falle waren die
Wundflftchen hei Entfernung der Nähte uur vor dem After
und an der hinteren Comissur vereinigt. Zwischen beiden
Stellen fRhrte vom Damme ein Canal in die Scheide. Bei
grosser Reinlichkeit und q^ter hei einem reizenden Ver-
faliren hatte sich dieser Raum so weit gefällt, dass nach
drei Wochen die Heilung vollständig zu sein schien, doch
liess sich immer noch eine dünne Sonde in die Scheide
hineinfuhren. Zwei Aetzungen mit Höllenstein genügten, um
auch diese Fistel in zehn Tagen zur vollständigen Heilung
zu bringen. Eine Anfangs noch bemerkbare Einziehung dieser
Stelle war später nicht mehr zu bemerken.
Ganz dieselben Vorgänge beobachtete ich auch in den
Fällen, wo ich gleich nach der Geburt nähen konnte, wenn
auch hier die Heilung öfter durch erste Vereinigung erfolgte,
als bei den obigen Fällen.
Ich habe in allen Fällen einen vollständigen Damm her*
gestellt, und so lange ich die Kranken beobachtet habe, keine
Narltencontraction nachweisen können, die die Heilung nicht
als vollständig hätte ansehen lassen. Ueber den Verlauf
späterer Geburten liegt mir jetzt nur eine Beobachtung vor,
und ist es immer fraglich, wie sich in den Fällen, die zum
Theil durch Granulation heilten, der Damm bei späteren Ge«-
burten verhalten wird, in diesem einen Falle blieb der Damm
bei der folgenden Geburt unverletzt
Immerhin dürfte mit Entschiedenheit selbst bei der ge»
ringen Zahl von Beobachtungen aus dem Besprochenen hervor*
gehen, dass in späterer Zeit des Wochenbettes mit dem besten
Erfolge operirt werden darf und deshalb operirt werden muss.
Der Erfolg wird stets viel sicherer sein, als wenn nach er-
in spKUrer Zfit des Woch«nbettea. 309
folgter Vernaii)iuig operirt wird. Bei einem richtigen Ver-
fahren wird in wenigen Fällen» wenn wir die ausnehmen,
wo eine tiefe Bluterkrankung bei Puerperalfieber die Heilung
unmöglich macht, der Erfolg nicht ein gewünschter sein, und
nur selten werden wir es nicht erreichen, dass Darm und
Sdieide ihre normalen Verhiltnisse wieder erlangen, und
selbst in den Fällen, wo die Heilung nur eine theilweise
sein sollte, ist dadurch immer viel erreicht, sowohl in Bezug
auf die Vorbeugung von Scheiden- und Gebärmuttervorfallen,
als für eine spätere Operation. Selbst Fälle, wo der Sphinoter
ani durchrissen und der Riss sich bis ins Rectum erstreckt,
ist diese Methode nicht contraindicirt , es mflssten diese Ge-
bilde nur richtig angefrischt werden.
Nothwendig erscheint es für das Gelingen der Operation,
die ganze Wunde sorgfältig zu umstechen, selbst
das Rectum in das Bereich der Naht hineinzuziehen,
was am sichersten geschieht, wenn der Zeigefinger in den
Mastdarm gefuhrt wird. Es müssen die Granulationen
abgetragen und die Nähte stark angezogen werden,
und ist peinlich für Reinlichkeit durch Abhalten des
Harns und fleissiges Entfernen der Lochien zu sorgen,
selbst das Fernhalten der letzten Tropfen Urin nicht
zu versäumen.
Dorpat, am 30. März 1862.
310 XXIl. Notizen ans der JoiimaY-Lltciattir.
XXII.
Notizen aus der Journal -lateratiir«
Luschka: Die organische Mnsicnlatnr innerhalb ver-
schiedener Falten des menschlichen ßanchfelles.
J. J. Sue lehrte suerst, dass Mnskelfasern der Gebärmutter
sich nicht allein in die Ligamenta orariorum et nteri teretia
fortsetsen, sondern dass auch die breiten Mntterbänder qner-
lanfende Muskelfasern enthalten , welche von den SeitenwKnden
des Uternn abgehen und sich nach aussen allmälig verlieren. Diese
▼on der äussersten Querfaserschicht des Uterus zwischen die
beiden Blätter der breiten Mutterbänder ausstrahlenden Fleisch-
btindelchen nehmen während der Schwangerschaft bedeutend an
Masse zu und gewinnen auch unter anderen Uniständen eine
aussergewöhnliche Starke. L. fand dieselben namentlich in Fällen,
in welchen die Ligamenta lata dauernd eine bedeutende Zerrung
erfahren hatten, insbesondere bei lange bestandenem Prolapsus
uteri, in ausgezeichnetem Grade entwickelt.
Auch in die sogenannte Dou^{a«*sche Falte sind organische
Muskelfasern eingelagert. Diese die Excavatio rectouterina
seitlich begrenzenden Duplicaturen fliessen an der hinteren Seite
des Gebärmutterbalses unter Bildung eines querltegenden, nach
hinten concaven Vorsprunges zusammen. Diesen fand L. in
Leichen von Personen, welche noch niemals schwanger waren,
schärfer ausgeprägt, als bei solchen, welche schon geboren
hatten. Derselbe wird durch Muskelfasern bewirkt, welche zum
grossen Theil von der hinteren Seite des in das Gewebe der
Scheide nicht hineinragenden Abschnittes des Collum uteri und
vom oberen Ende der hinteren Wand der Scheide stammen, wahrend
eine Anzahl derselben, nämlich diejenigen, welche bogenföruiig
unter sich zusammenflicssen, eine in gewissem Sinne selbstständige
Formation darstellen. Diese Muskelzügc bilden %in diehteff,
blassröthliches, seitlich etwas abgeplattetes Fleischbändel nnd
folgen der Plica rectouterina bis gegen den seitlichen Umfang
des Mastdarmes in der Nähe des zweiten Kreuzbeinwirbels.
Insofern sie das untere Ende der Gebärmutter in der Richtung
des nach ab- und rückwärts verlaufenden Segmentes der Hocken-
achse ziehen, weshalb sie L. in ihrer Gesammtheit als M. retractor
uteri auffuhrt, können sie als Antagonisten derjenigen Fort-
setzungen der Uterussusstanz angesehen werden, welche den
Inhalt der runden Mutterbänder ausmachen. Die Muskulatur
derselben wird im Leistencanale verstärkt durch quergestreifte,
vom M. obliquus abdontinis internus nnd vom M. transversus
XXII. Notiaen aas der Journal -LiterftUir. 311
kerrtibrende, dem Cremasler vergleichbare Bündel.
Knweiiie aarte Biindelchen treten ans den rnnden Motte rbändem
ab, um swiecben den BlÜttera der Ligamenta veeicouterlna anp-
aastrablan. Der dncch diese in gewöhnlichen Verhftltnitaen höchst
mbedentende Biindelchen zwischen Uteras und Harnblase be-
werkstelligte Verband könnte in anomal starker Aueprügnng an
baAcbtenswerthen Erscheinungen, namentlich während der Geborta-
tbmigfceit, Veranlassnag geben.
Von denjenigen Falten des Bauchfelles , welche dem Systeme
der abdominellen Digestionsorgane angehören, hat L, beini
Menschen bisher nnr eine einaige gefanden, awischen deren
BlSItem organische Mnskelfasern ausgebreitet sind, eine Falte,
die er, da sie sich an der Grenae von Blind- und Dünndarm
erbebt, PHca ileocoeealis nennt; sie liegt am ▼orderen und seit-
lieben Umfang des Danndarmendes, hat eine awischen 1 und
2,6 Centimeter wechsulnde Höhe und einen sichelförmig aus-
geschweiften Kand.
(Archiv f. Anatomie u. Physiologie, 1862, 8. 202.)
Zepuder: Neue Beobachtungen über den Werth der
Franhenhäuter^ Hchen Theorie.
Zepuder in Laibach beobachtete bei 54 Schwangeren dir
Freqnena des Fötalherapulses ; fünf Zählungen wurden während
der Geburt, die übrigen in einer Zeitperiode von mindeBteos
sechs Stunden bis längstens 26 Tage vor der Entbindung notirt;
danach stellte sich als , Differenz awischen der Normalzahl des
FüUlpnlses für Knaben (130) und für Mädchen (144) 14 heraus (nach
Steinbach beträgt derselbe 15). Die Diagnose bewährte sich für
49 Fälle 45 Mal, in drei Fällen stimmle die Voraussage nicht.
Aasserdem stellte sich nach seinen Beobachtungen heraus, dass
sich in der letzten Kpoche der Gravidität oder während der Geburt
das Geschlecht schwer oder gar nicht bestimmen läsat, besonders,
wenn nur Eine Untersuchung möglich ist. Man kann also für
diese — gerade wichtigste — Zeitperiode nnr von einem glück-
liehen Erratben sprechen.
(ZeiUchrift für praktische Heilkunde, 1863, No. 2.)
G. Britun: Drei Fälle von nicht verschiebbaren Becken-
tnmoren.
1. Bei einer 26jährigen, kräftigen Person, welche angeblich
vor drei Jahren ein reifes Kind leicht geboren und sich seither
▼ollkommen wohl befunden hatte, fand Verf. den Stand des Uterus
beiläufig der 34. Scbwangerschaftswoche entsprechend, im Fnndqq
312 XXII. Notiven aus der Jounwl* Literatur.
einen stSrker eonvexen Kindeetheil, die F^talheratfSne Bie«ili€>ii
hoch in der Gegend des Nabels h<$rbar. Bei der Scheiden-
nntersnohnng stiess er an der linken fieekenwand auf eine oonvexe,
glatte, eiförmige, orangen grosse, mit der Basis TOn oben nach
nnten laufende | an dem Bitabeine haftende, knochenharte Ge-
schwulst, die nur bei grösserem Drucke von oben nach abwarte
eine sehr geringe Beweglichkeit snliess. Der Beokenmnm war
im Eingange nicht vereng^, wohl aber drftngte sieb die Geeohwulst
gegen den rechten Sitaknorren so weit vor, dass der Becken-
ausgHUg im Qoerdurchmesser bis auf 27/' verktirat war; nach
hinten in der Gegend der Hüftkreusbeinbänder betrug der Quer-
durchraesser ungcffthr SV/'- Hinter dem Tumor, etwas nach links
▼om Promontorium und ungefKhr im Beckeneingange, wurde
die Vaginalportion, durch das vordere Beheidengewölbe ein un-
ebener, runder, xiemlich umfönglicher Kindestheil gefohlt. Durch
das Rectum, welches durch die Geschwulst nach rechts rerdrängt
war, konnte man dieselbe deutlich begrenzen.
Die Diagnose wurde auf einen seit der letsten Geburt ent-
stfindenen fibrösen Tumor gestellt, und des bei rechtseitiger Ge-
burt als gefährdet erachteten kindlichen Lebens wegen die künst-
liche Frühgeburt — nach der Methode von KiwUch — eingeleitet.
Nach drei Tagen stellten sich Wehen ein, die in derselben Frist
den Muttermund eröffneten, worauf der vorliegende Steiss in das
Becken horabtrnt. Da derselbe nunmehr xwiseben der rechten
Beckenwand und der Geschwulst befindlich, nach Verlauf mehrerer
Stunden trots kräftiger Wehen nicht vorwärts rückte, wurde er
manuell bis vor die Schamspalte entwickelt, wobei sich die
Frucht als bereits macerirt erwies. Erhebliche Schwierigkeiten
machte die Lösung der Arme, namentlich die des hinter dem
Tumor gelegenen rechten, während die Extraction des Kopfes
mittels des modificirten 8meUie*8chen Handgriffes rasch und ohne
Kraftanwendung gelang. Derselbe war sehr compressibel, seine
Knochen auffallend weich; die Länge des Kindes betrug 18"
das Gewicht 4 Pfund.
Die Frau, welche schon seit drei Tagen vor der Entbindung
fieberte, mit Frostanfällen und Schmershaftigkcit des Uterus, starb
am «weiten Tage nach derselben unter den Erscheinungen des
Lungenödems. Bei derSection wurden Endometritis, Lymphangoitis,
eiterige Peritonitis und Infiltration des retroperitonäalen Zell-
gewebes gefunden. Der Tumor sass über dem linken Foramen
obturatum auf, nahm mit seiner Basis beinahe die gause linke
Beckenwandung ein und ragte mit seiner glatten, convexen
Oberfläche bis über die Mitte der kleinen Beckenhöhle vor. Er
bestand aus fasrigem und grossentheils aus gallertartigem Binde-
gewebe und war dem Ligamentum spinoso-sacrum nächst dem
Sitsbeinstachel und der Membrana obtnrstoria in der Umgebung
ihres Loches eingewebt. Sein Durchmenser von vorn nach hinten
XXII. Nolixeo ftU8 der Joiini«l-Lit«rtt«r. 313
betrog 3V«"i s«ino Dicke, eotsprechend dem Querdurch messer
des Becken«, 2Vs"-
2. £ine 40jHbrigre Fmii hatte vier Mal in normaler Weise
reife Kinder geborea und öftere abortirt. Ein llinftee Kind war
▼er 6 Jahren naeh einem eehweren GebnrtsTerlanf millele der
2an|fe extrahirt worden. Am Ende einer eeeheten regelmSeeigen
Sehwange rschaft stellten stob Wehen ein, welche jodoch den vor-
liegenden Kopf dos reffen Kindes nicht herabsnbewegoa ver»
moebtott. C firaiin, awei Tage nach dem Beginn der Oebnrt
gerufen, fand die äusseren BeokcnyerkälUiisse normal, dagegen
bei der Sobeidenexploration einen fanstgrossen, sehr harten Tumor
Ton knolliger OberflXcbe, welcher von dem Vorberge und der
oberen H&lfte des sweiten KrensbAin wirbeis ansging, sieb über
die rechte Hüftkrenebeinf^ge ausbreitete und sich durch rinen
lehr energischen Drock nicht rerschieben Hess. Er verengt«
den Beckeneingang bis auf 2Vb"> verflachte sich nach recht«,
fiel nach links steil ab und bildete mit der vorderen Kreuabein*
wand in ihrer unteren Hftlfte einen scharfen Winkel. Der Mast-
darm war nach links und vorn von der Geschwulst gelegen.
Dieselbe, welche bei den ersten vier Entbindangen bestimmt
nicht vorhanden gewesen sein konnte, bei der fttnften dagegen
vielleicht schon einen störenden Binfloss ausgeübt hatte, erkUrte
C. Brtmn fUr von dein Becken ausgebend und entweder durch
Knochenneubildnng, durch ein Enchondrom oder ein Fibroid
entstanden — er vollsog die Trepanation und Kephalothrypsie
mittels der von ihm angegebenen Instrumente ohne Nachtheile
für die Mutter.
S. Bei der Section einer 70jährigen Frau, welche in jüngeren
Jahren mehrmals geboren hatte, fand sieh bei einem Becken von
sonst normalen Verhältnissen ein kindskopfgrosses Enchondrom.
Dasselbe ging vom Kreuabeine aus, welches eine runde, knollen-
äbnlicb aufgetriebene, mit vielfachen Einkerbungen, Lücken und
spahähnlieken Oeffnungen versehene Geschwulst darstellte. Es
sjnostosirte vollkommen mit der Facies auricolaris des rechten
Darmbeins; der rechte Wirbelflü|fel war massenhafter, als der
linke. An der linken Facies anricnlaris war die Synostose nur
an der hinteren Verbindangsfläebe bemerkbar, der ganae linke
Flfigel verkümmert. Durch diese partielle Synostose wurde das
Heeken nicht asymmetriaek. Das Präparat befindet Hieb im Ba-
sitse der geburtshdlflieh- gynäkologischen Klinik an Wien and
wurde in der ^Tsitdkmonn'sohen Papier- niaohä- Fabrik an Nürn-
berg abgeformt. Beschrieben wurde der Fall bereits von C. Brann
(lieber die Einklemmung der Hemia crurio * vaginalis und ihre
Behandlung. Wien, med. Woohensohrift, 1869, Nr. 40).
(Wien. med. Wochenschrift 1868, No. 1, 2, 8.)
314 XXII. Notisev aus der Journal - Literatur.
Haake: Ein Fall ron CranioklaBmu und Kephalo-
thrypsie.
Haake veröffeBtlicht wabraoheinliob den ersten Fall, in dam
die 8imp9ön'Beh9 Metliode der SehftdeWerkUinerung angewandt
wurde. Dae Becken war ein rhachitiaches , seine Conjugata
diagonalis maass knapp 3 Zoll, das Kind war todt, der Kopf
Torltegend. Nachdem mit dem LevreVtich^n Instrumente perforirt
und das Gehirn mit der BoSr'schen Pincette möglichst ausgiebig
entfernt worden war, wurde der Simpson" AchQ Craniaklast ein-
gebracht} schon dies war wegen Mangel einer Beokenkrünimung
nicht gans leieht; durch drehende Bewegungen des Instrumentes,
welches, um einem Auseinanderweichen der Löffel yonnbeuKen,
an den Griffen stark susammengedrfickt werden musste, wurde init
A.B Wendung siemlicher Kraft eine Zertrfimmerung der Schade i-
knocken verursucht. Beim Ansiehen des Instrumentes jedoch,
um die £xtracUoa zu vollenden, glitt der Cranioklast ab uud
förderte dabei einen grossen Knochensplitter sn Tage, — deshalb
musste noch jetsl die ^usc&*sche Rephalotribe angelegt werden.
Die Qeburtsgeschichte wurde bereits in einer Dissertation
▼eröffeutlicbt {Schniebs^ NonnuUa de embryoclaseos methodis,
dissert. Lipsiae 1861).
(Deutsche Klinik, No. 2, 10. Jan. 1863.)
C. Braun: Ueber Wendung der Querluge durch Pnl-
pation während der Schwangerschaft.
Braun empfiehlt angelegentlichtit die in seiner Klinik »chon
seit Jahren ron den Prakticirenden emsig und häufig geübte
Wendong der Querlagen in die besten Längenlagen, nämlich in
Kopflagen, durch Pal pation wHhrend der letzten Seh wangerschafts-
monatc. Den Act selbst beschreibt er in folgenden Worten:
„Die Patientin wird auf dieselbe Heite gelagert, auf welcher
der Kopf des Fötus sich befindet, der Arzt stellt sich an die
RQckBctte der Frau, legt beide Hilnde auf die Stelle, an welcher
der ballottirende Fötuskopf gefunden wird, nimmt abwechselnd
knetende Bewegungen ror, bis der Kopf an dem Beckeneingange
erscheint, derSteiss in den Fundus uteri, die Fasse in ein HoAi
des Uterus getreten sind und die Fötalherztöne nicht mehr in
der Kabelgegend, sondern davon 4 Zoll seitlich entfernt hörbar
bleiben. Zur vollkommenen Sicherstellung der eraielten Kopflage
rauss durch eine Untersuchung durch das vordere Laquear der
ballottirende Kopf mit Sicherheit erkannt werden.* Jede Patientin
mass hierauf allwöchentlich explorirt worden, um sicher zu sein,
dass ein Ausweichen des Kopfes nicht wieder stattgefunden habe;
XXII. NotUen atts der JoamaULIteratnr. 815
ist dies geschehen, was wohl manchmal eintreten mag, ho wi«d«p*
hole man die Palpation.
(Allgem. Wiener Medic. Zeitnng, Dec. 1862, No. 61.)
Ihtpärequs: Äccoachement forc^ anstatt des Kaiser-
schnittes.
In der Socf^t^ de m^decine dv d^partement de la Seine
berichtet Dupareque die Resnitate, die Prof. Verardini in Bologna
bei der Ausfuhrnng des Accouchement forc6 an Verstorbenen
gehabt hat. Seine Ansichten hierüber habe Dupareque schon im
Torigen Jahre mitgetbeilt, besonders aber das Aeconchement forc^
auch auf in Agone liegende und solche, wo der sichere Tod fn
kursor Zeit sn entarten stehe, ausgedehnt. Verardini. ffihre nun
fönf Fälle auf, bei denen das Aeconchement forc^ stattgefunden
habe, — alle seien jedoch nicht näher beschrieben und der Zu-
stand des Muttermundes etc. vor der Operation nicht erwahiit.
Bei den Sectionen sollen sich dann keine Verletzungen der inneren
nnd Husseren Genitalien vorgefunden haben. Was endlieh das
Resultat der Operationen in Bexug auf die Rinder anlange, so
seien vier davon lebend extrahirt worden; in einem Falle war
die Schwangerschaft nur bis zum fünften Monate vorgeschritten;
zwei andere Fälle betreffen Kinder aus dem siebenten Monate,
der andere ein reifes. Endlich wird noch ein Fall erwähnt, in
dem die Operation glücklich sowohl für die Mutter, als auch
für das Kind gewesen sein soll, — das ziemlich ausgetragene
Kind wurde lebend extrahirt, die Mutter aber, die für todt ge*
■
halten worden war, wieder in das Leben zurückgerufen.
(Gazette h^bdomadaire, 1802, IX., No. 42.)
C. Mayrho/er: Ueber das Vorkommen von Vibrionen bei
Wöchne rinnen.
Maprhoferf zweiter Assistent in der Brat«n*schcn, Klinik stellt
schon seit längerer Zeit verschiedene Vprsnche an, nm die
Ursache der Pnerperalerkrankungen zu entdecken : er ist nun zu
der Tbfttsache gekommen, dass .hierbei Vibrionen als Ferment
wirken und dieeelben bei Thieren unter die Haut oder in
den Uterus nadi- dem Wurf«.* gebrfCcht, örtliche und allgemeise
Krankheitserscheinnngen hervorrufen können. Auch fand Af itiyrAo/st'
unter 79 gesunden Wöchnerinnen Vibrionen bei 1,9 Procent am
fiinften, bei 3,7 Procent vom sechsten bis nennten Teg, bei
6,2 Procent wnrden sie nicht gefunden. Bei zwölf an Puerperal-
Processen erkrankten Wöchnerinnen fanden sich schon vor dem
sechsten Tage in sehn Fällen Vibrionen. Bei dreissig vor dem
816 XXII. Kotlses ans der Journal -Litern tu r.
füfiften WocbenbetteUge «m Loohialsecrete Torgenommener
Unternnchnngen wurden in keinem einaigen Falle Vibrionen
gefunden.
(Wochenblatt der k. k. Gesellschaft der Aerate in Wien,
1863, No. 8.)
Breslau : Vorschlag an einer neuen prophylactischcn
Desinfectionsmethode des Pnerpe ralfieber miasma
in Gebäranstalten.
Der geringe Erfolg, den bisher die verschiedensten Vor-
kehrnngen gegen Fortbestehen and Weite rverbreitnng des Puer-
peralfiebermiasma in Gebäranstalten hatten, bestimmt Verf., die
Entstehung desselben und deren möglichste Verhütung in*s Ange
au fassen. Die Hauptquelle des doletären Stoffes yermuthet er
in einem chemischen Umsetaungsprocess der Lochien. Wie alle
Proteinkörper werden auch deren eiweisshaltige Restandtheile
unmittelbar durch atmosphärische Einwirkungen ru Zersetsungen
diaponirt und können dann, als Fermente wirkend, andere für
sich nicht fänlnissffthige Substanaen zu einer entsprechenden
Umsetaung ihrer Elementaratome veranlassen. Diesen Zer-
setaungsprocess der Lochien unterbrechen oder verhindern und
so der Entstehung des fermentartigen Miasma zuvorkommen au
können, glaubt Verf. durch Benetsen der betreffenden Wäsche
und Mobilien mit einer starken Lösung des hypermangansauren
Kali (Jij; aq. dest. fSjJ, welches bekHuntlich, mit organischen
Substanzen in Berührung gebracht, durch schnelle Abgabe eines
Theils seines Sauerstoffs ozydirend wirkt und so eine Ver-
änderung und Unterbrechung der elem^taren Umsetzung ver-
anlasst.
(Wien. med. Wochenschrift, 1863, No. 6.)
Breslau: Ueber die günstige Wirkung starker Pnr-
gantien-beim Puerperalfieber.
Nachdem Verfasser ohne befriedigenden Erfolg die ver-
schiedensten Mittel gegen die Puerperalfieber in Anwendung ge-
sogen hatte, adoptirte er die Methode, die daran Erkrankten
mit starken Purgantten zu behandeln, wie sie von Sejifert in Prag
im ausgedehntesten Maasse angewendet wird. Die 26 Fälle, in
denen er seither auf diese Weise verfuhr, und von denen er es
bei sechs aweifelhaft lässt, ob sie dem eigentlichen Puerperal-
fieber zuzuzählen seien, führt er in genauen Einzelberichten,
wie in tabellarischer Uebersicht vor. Der Tod trat nur in drei
Fällen ein, in den übrigen erfolgte Genesung; einmal entwickelte
XXII. Noftiaeii ans der Jouriukl - Litertknr. i)X7
sieh als Nachkrankheit ein Beekenabseess , ein andermal eine
wahrsehefnlich metastntisehe Mastids. Der Einflnss der Abfuhr-
mittel war in allen Füllen henrorsteehend, nicht bloss hinsichtlich
der ihrer n&cheten Wirkung folgenden snbjectiren Srleiohtemng,
sondern auch In Beang anf die Höbe des Fiebers (Temperatur,
Pnb), den Meteorlsmns and die Involntion des Uterus. Die auf
Grand dieser Beobachtnngen gewonnenen Erfahmngen fasst Verf.
in den folgenden Sitaen ansaamen. Das Purgans ist mdgliobst
frühaeitig (in den ersten 24 Standen nach Beginn des Fiebers)
an geben. Es ist gleich anfangs ein kräftiges Abführmittel
an reichen and nöthigenfalls aa wiederholen. Acute, allgemeine
oder nnseheinbare Peritonitis contraindicirt die Abfahrmethode
nicht, iadeiD dieselbe kräftig antiphlogistisch wirkt, and es anter
ihrem Einflasse selten aa Bildung grösserer Exsudate, meist so
einem Zarfickgehen des entsttndlichen Processes kommt.
Verf« bedient sich gewöhnlich des infasum Sennae coropos.
an 2— S Unaen mit Zusata Ton 1^-4 Drachmen dal. Seignetti oder
8al. maar., ohne jedoch demselben einen unbedingten Voraug Tor
%nileren Abfahrroitteln Tindieiren au wollen. Die Wirkung er-
folgt meist in den ersten 6 Standen. Die ersten Stühle bestehen
häufig ans geballten Fäcalmassen, die weiteren entleeren halb-
weiche, meist mit vielen Darmgasen gemischte, die folgenden
Iwlb- oder gansflüssige, acrös • schleimige Massen. Die günstige
Wirkung hängt nicht ab yon der Menge der Stühle» sondern von
ihrer Ergiebigkeit und Qualität, wobei namentlich sehr massen-
hafte Bntleemng auf einige Male, bald nach einander, einen recht
wohlthätigen Einflass ausüben kann, und halbweiche oder gana
ilAaeige Stähle, wirkliche Diarrhöen, über den weiteren Verlauf
entacheidender wirken, als die blosse Entleerung der im Diok-
darme aarückgehaltenen Fäces. In den wenigsten Fällen genügt
die einmalige Oabe eine« PurganM — hei nicht entscheidende m
oder nicht nachhaltigem Einflnsse desselben auf den Krankht'itn-
▼erlauf ist eine, selbst öftere, Wiederholung des Verfahrens un-
geaetgt. Verf. wechselt dann die Mittel, indem er als sweites,
drittes etc. Pnrgans Ol. Bicini aa 1 — 2 Uasen, Calomel cu 6 bis
20 Gr. allein oder mit Jalappe giebt.
(Archiv der Heilkunde, t86S, 2. Heft).
BraOBton HieJu: Zwei Falle von extranteriner Schwano^er-
Schaft.
Der Verfasser veroff'entlicht swei Fälle von extrauteriner
Schwangerschaft. Der erste Fall betraf eine 32 Jahre alte Frau,
die schon vor acht Jahren das erste Mal geboren hatte. Sic
sowohl, als ihr Mann hatten deutlich mit der auf den Unterleib
aufgelegten Hand Kindesbewegungen gefühlt; diese verschwanden
318 XXII. Nötigen aus der Journal Litcrator.
jedoch im September 1861 im nennten Monate, en welcher Zeit
anch der im Unterleibe befindUehe Tnmor seine grdMte Ana-
dehnnn^ erreieht hatte. Ende Jtonar 1862 fand der Verfaater
einen im Abd^nen siemlieh eentralen Tomor, der sieb % Zoll
ttber den Nabel aoMdehnte, kogelrnnd and elaetieeh war und
Pliisaigkeit enthielt; der Cervicaltheil des Uterus war ver^röseert,
doch war der Mattermund aelbst nicht für eine dünne Sonde
dnrchg&n(^g; der Ute ras selbst lag Tor dem Tnmor mehr nach
rechts hin nnd ragte bis zu den 8chambeinen empor. Die Winde
der Geeehwulst waren nicht sehr dick , durch sie hindurch konnte
man einen soliden und beweglichen Körper fühlen. Acht Tage
nach dieser Untersuchung rerminderte sich plötslich der Tumor
in seiner Grösse, es erfolgte £rbrechen und fStid riechender,
flüssiger Stuhl; früher sehr starke Schmeraen in der linken
Hälfte des Tumor mftssigten sich hierauf. Ungefllhr awei Wochen
später aeigte sich die Geschwulst um 2 Zoll in ihrer Grösse
▼ermindert, war resonant und breitete sich mehr von einer
Fossa sur anderen aus.. Der Allgemeinanstand verschlinmerte
sich mehr und mehr, es entstand Oedem der unteren Extremitäten
und man schritt deshalb am 2. April sur Operation. Hicks machte
in der Medianlinie eine 3 Zoll lange Incision, — hierbei aeigte
sich aber leider, dass der Back nicht mit dem Peritonäam
verwachsen war. Durch leichten Druck hielt man die Banch-
wandnngen mit denen der Kyste in Contact; der putride Fotos
wurde dann Torsiehtig in seinen einaelnen Theilen entfernt,
der Sack mit Schwämmen vorsichtig ausgetnpft nnd der obere
Theil der Wunde mit awei Suturen vereinigt. Leider hatte
aich während der ßntfemuog dos Kopfes ein Theil der Kjatan-
wand aurückgeaogen nnd hatten dadurch einige Darmsohling^n
hervortreten können. Nach 12 Stunden erfolgte der Ted. Die
Seetion aeigte, diiss der ganse Hack im grossen und kleinen
Becken überall adhärent war mit der einsigen Ausnahme der
vorderen rechten Seite von der Medianlinie an. Der Ute ms fand
sieh vorn in der Mitte des Sackes, um ihn herum aeigte sich
adhäsive Bntanndung, wodurch eine Compression der Venae iliacae
und dadurch das Oedem der unteren Extremitäten entstanden war.
Ebenso aeigten sich feste Adhäsionen an das ileum, an die
Pleznra sigmoidea und an einen Theil des Rectum. Die Oeffnung,
durch welche das Fruchtwasser abgeflossen und die Luft ein-
gedrungen war, konnte nicht aufgefunden werden.
Der andere Fall betrifft eine 40 Jahre alte Frau, Mutter
mehrerer Kinder; seit vier Jahren hat sie eine Geschwulst im
Unterleihe, die sich stationär verhielt, doch in der letaten Zeit
etwas an Grösse verlor, so dass sie zwischen Schambeinverbindnng
und Nabel stand und sich dabei mehr nach links neigte. Am
finde des vierten Jahres nach der Oonception aeigte sich im
Ürlne viel Eiter, die Blase war sehr reisbar, das Harnlassen
XXIIl. Literiitiir. 319
Mihr beaeliwerUoh ; 4ie«e Syaptome worden immer heftig^er, e$
••tatsiid Oytnrie. Bain Katheterisireo konnte men in der üUse
folide Körper entdeeken. Der AUgemeiosnataBd der JCraakea
pnnle iniBer bedenklicher, die Abmagerung bedeutender. £«
wnrde deehalb die Entfernung der Beete de^ Fütas bes^sljLlosBen.
HUks machte so diesem Behufe einen 2'/« Zoll langen Kinschnitt
Unke Ton der Medianlinie, — glücklicher Weise war der Sack
mit dem Peritonftnm Terwachsea. Die tchon vollkommen von
einander getrennten Knochen wnrden mit einer Kronsange eut-
lernt» die Wunde hieranf in ihrem oberen Tbeile geschlossen
nnd ein S- Katheter in die Blase gelegt. Die Kranke erholte
sich anegeaei ebnet, vom 17. Tage an bis sam Ende des aweiten
Ifoaats nach der Operation iat kein Urin aus der äusseren Wunde
anegetreten, der Urin kann ohne Beschwerde eine Stunde lang
in der Blase gehalten werden und seigt keinen Eiter mehr.
{Gup'B Hospital Keports, Tbird iäeries, Vol. VIll.)
XXIIL
Literatur.
Kün»k4s Ueber üas Erkennen der Zwillingssch wanger-
sehaft. Göttingen 1861.
Nach Zusammenstellung der Ansichten der Autoren über
Zwiilingsscbwangerscbnft und einer Uebersicht über die als Zeichen
derselben angenommenen allgeuieineu und Örtlichen Zeichen der-
.««elben theilt Verfasser die von ihm beobachteten sechs Fülle
von Zwillingsscbwangerschaft mit. Unter Zugrundelegung dieser
scheidet er die ZwillingsfichwangerschaftMzeichen in nicht constunte,
auf&Uige, accessorische einerseits, und in constante, abRolnt
charakteristische. Letstere sind nach ihm: die Grösse und eine
gewisse eigenthümliche Gestalt der Gebärmutter, das Vernehmen
eines aweifacben, an gesonderten Stellen uAi tonlosem Zwinchen-
ranme liegenden Doppelf(>talbers8cblages, der Asynchrouisnins
desselben. Das erste dieser Zeichen ahiangciid soll der Uterus
in allen Dimensionen zugleich eine sehr beträchtliche Ausdehnung
erfahren, beide Seiten des Bauches ausfüllen und beiderseits
mehr oder weniger die Wirbelsäule erreichen , oben sich an oder
unter die falschen Rippen und in die Herzgrube erstrecken,
ausserdem eine median uder etwas srbräg verlaufende, sich
360 XXIII. Litoratar.
früher oder spftter verliereode Furche oder AbpUttvn^ wahr^
nehmen lassen. Dieses Zeiehen dürfte Jedoch ksnin den Wertb
betitsen, den Verfasser ihm suschreibt, da eine derartig^ Farcha
nicht selten aach bei einfacher Froeht, eine gleichmllBsig^, atarka
Ausdehnung des Uterus auch bei anderen Znstftnden beobachtet
wird. Hinsichtlich der diagnostischen Wichtigkeit des an awei
durch einen tonlosen Zwischenraum getrennten Orten hSrbareii
P5tnlherssch1ages wird dieselbe durch die meisten Beobachter
bestUtigt. Verfasser geht so weit, die Ansicht ausausprechen,
dass mittels beider Zeichen die Diagnose der Zwillingsschwange^
Schaft immer möglich sei. Das dritte jener Zeichen beruht in
der Chronologie, und twar in dem Asynchronismus sweier gleich-
seitig perclpirter Fötalhersschläge. Schon Kergaradee halte
denselben als diagnostisches Hnifsmittel Tor geschlagen. Die
bisherigen Beobachter (Du^ott, NaegtU^ Depaul) waren se
keinen sicheren Resultaten gelangt. Verfasser weist ihnen indesa
swei Fehlerquellen nach, einmal eine Begriffsverwechselnng,
indem sie gleiche Frequens und Synchronismus als identisch
aufgefnsst haben, sweitens die absolute Unmöglichkeit, bei der
Art ihres experimentellen Vorgehens über die Chronologie ver-
schiedener HersschlSge su entscheiden. Alle Beobachter haben
bisher die Zwillingshersschläge nur nacheinander, niemals neben-
einander gehört, und auch nicht hören können, da es an einer
anscultatorisohen Vorrichtung mangelte, die es £lnem Unter-
suchenden ermöglicht, die Herstöne sweier Früchte gleicbaeitig
au auscultiren. Eine solche fand Verfasser in swei Stethoskopen,
die er je mit einem Guttaperchaschlauch yerband, dessen freies
Ende er sich in das betreffende Ohr klemmte. Vermittele dieses
Doppelhörrohres vermochte er die Herascblilge sweier Er-
wachsenen, sweier mehrere Tage alter Kinder, sowie der Früchte
von swei verschiedenen Schwangeren seu gleicher Zeit gesondert
SU hören, — dagegen hatte sich ihm seitdem noch kein Fall
dargeboten, Zwillingsherstöne in ihrer chronologischen Wechsel-
besiehung damit nachsuweisen.
XXIV.
lieber
krampfhafte Zusammenziehungen des Uterus,
speciell über spastische Stricturen des äusseren
Muttermundes in der Eröffnungsperiode.
Von
Dr. J. Poppel in München.
Einige Fälle, die ich als Praktikant in der hiesigen
geburtshülflichen Poliklinik zu beobachten Gelegenheit halte,
geben zu den folgenden Bemerkungen über obengenannte
Weheuanomalien Veranlassung. Herr Prof. Heck&r hat mir
neben diesen auch noch einige hierhergehörige im Gebärhanse
Torgekommene Geburtsfalle zu veröffentlichen erlaubt. Ich will
mich nicht auf die von den Autoren aufgestellte Eintheiiung
der krampfhaften Contractionen in allgemeine und partielle,
klonische und tonische, primäre und secundäre, rein spastische,
rheumatische, inOamma(orische näher einlassen, so wenig wie
auf die-Aetiologie und Symptomatologie, von denen ich nur schon
längst Bekanntes wiederholen könnte, nur die therapeutischen
Maassregi'ln scheinen mir eingehender Besprechung würdig.
Was zunächst den allgemeinen tonischen Krampf, den
Tetanus uteri, betrifft, so findet man in den Lehrbüchern
so präcise Angaben über die Behandlung desselben, dass der
Anfänger, wenn ihm auch wohl am Schlüsse der betreffenden
Belehrungen gesagt wird, es könnten in seltenen FäHen alle
Mittel im Stiche lassen, und man sei dann auf ein rein
exspeclatives Verfahren beschränkt, doch zu leicht sanguinischen
Hoffnungen sich hingiebt und in Aderlässen, Bädern, Opium,
CUoroform bei nur consequenter und energischer Anwendung
die sichersten Garantieen für eine gluckliche Behandlung zu
MoMtosehr. f. aebartsk. 1868. Bd. XXI., Hfl. 6. 2 1
322 XXIV. Poppet, lieber krampfhafte Znsammensiehuiigen
besitzen glaubt Ich beobachtete erst vor einigen Wochen
einen solchen sogenannten Schulfall, bei dem man sich über
den eclatanten Erfolg freuen musste, und den ich mir gerade
deswegen kurz anzufüliren erlaube.
Erster Fall. Bei einer 26jährigen Drittgebärenden,
bei der die zwei vorhergehenden Geburten normal verlaufen
waren, hatte die Eröffnungsperiode am 1. November 1862
sieben Stunden gedauert, als bei fast erweitertem Mutter-
munde das Wasser abfloss; kurz darauf änderten sich die
bislter regelmässigen Wehen plötzlich der Art, dass eij»
tonischer Krampf des Uterus eintrat, der der Kreissenden
die heftigsten Schmerzensäusserungen erpresste. Der Uterus
fühlte sich steinhart an, war äusserst empfmdiich bei Be-
rührung, und es erfolgte gar keine Pause der Schmerzen
und Contractionen ; auch der Muttermund participirte an dein
Krämpfe und hatte sich strangartig um den vorliegenden
Kopf des Kindes auf Kronenthalergrösse zusammengezogen.
Die Herztöne waren hnks anfangs noch regelmässig zu hören,
doch schon nach V4 Stunde nahmen sie einen unregelmässigen
Rythmus an. Durch energische Narkotisirung mit Opium (inner-
lich 2 Gr., durch Klystiere 1 Gr. innerhalb einer Sumde), und,
als dasselbe nicht sclmell genug den gewünschten Erfolg zu
haben schien und die Herztöne des Kindes immer schwacher
und unregelmässiger wurden und bis auf 80 in der Minute
sanken, durch ein V2 Stunde dauerndes sehr warmes Vollbad^
zu dem man sich trotz Abfluss des Fruchtwassers und trotz
fast erweiterten Muttermundes entschloss, da durch längeres
Wai'ten das Leben des Kindes sicher verloren gegangen wäre,
hatte man die Genugthuung, nach Vollendung des Bades,
während dessen die Sclmierzen schon ganz nachgelassen
hatten, nicht nur die Herztöne der Frucht wieder auf 120
steigen, sondern auch nach kaum einer halben Stunde die
Geburt eines schwach asphyctisciien Knaben erfolgen zu sehen.
S# einfach und sicher in diesem Falle die Behandlung
zum Ziele geführt hatte, so erfolglos blieb sie in einem anderen
von ungemein hartnackigem Tetanus uteri; derselbe kam im
Gebärhause zur Beobachtung.
Zweiter Fall. Eine 33 Jahre alte Zweitgebärende
wuixle am 21. November 1861 in die Gebäranstalt auf*
4»s Ut«ras, «peeiell über spattiaefae Strieturen ete. 828
geooHioieii; die Anamnese ergab, dass sie bei ihrer ersten
Ceburt am 8. Jaonar 1856 tetaniscbe Wehen gehabt haben
soll, weshalb ihr ein Aderlass von 16 Unzen gemacht, und
das Kind, ein lebendes Mädchen, später mit der Zange
entwickelt wurde. Nachdem sie in der gegenwärtigen
Schwangerschaft ausser der Anstalt Weben bekommen und am
31. November früh Sy^ Ulur das Fruchtwasser verloren hatte,
fand man um 7 Uhr Morgens den Muttermund kronentfaaler*
grosa erweitert, scharfrandig, den Kopf ziemlich fest in dem
Beckeoeingange stehend, von links her eine Nabelschnurschlinge
wenig aus dem äusseren Muttermunde hervorgetreten; dieselbe
pulsirte deutlich, auch waren die Herztöne am Abdomen
regelmässig rechts zu hören; während einer Webe hörte die
Pulsation in der Nabelschnur auf. Unter Chloroformnarkose
wurde sofort die Reposition der letzteren mit der rechten
Hand vorgenommen, sie gelang vollkommen, indem die
Nabelschnur sehr bald, nachdem die halbe Hand in den
Muttermund eingeführt worden war, oberhalb des inneren
Muttermundes verschwemd, welcher sich gleich darauf fest
um den Kopf herumlegte; die Herztöne waren nach der
Reposition deutlich zu hören. Nach dem Erwachen aus der
Chlorofonnnarkose zeigten sich an dem plethorischen Individuum
convulsivische Erscheinungen: feste tetaniscbe Schliessung des
Unterkiefers, leichte Zuckungen der oberen Extremitäten,
atiere glänzende Augen, sehr geröthete Wangen, ein langsamer
drahtartig gespannter Puls. Auch die Wehen nahmen sehr
bald einen tetaniscben Charakter an, der sich in anhaltend
steinharter und schmerzhafter Reschaffenheit des Uterus
manifeatirte. Es wurde sofort ein Aderlass instituirt, innerlich
eine Potio Riveri mit Opium gegeben, jedoch blieb dieser
krampfhafte Zustand des Uterus durch volle zwei Tage ganz
derselbe: weder fortgesetzte grosse Gaben Opium, noch Räder,
noch Einreibungen von Relladonnasalbe auf den Unterleib
konnten eine Aenderung herbeiführen; das Leben des Kindea
war notorisch sdion lange erloschen, denn am 22. November
früh 5 Uhr hatte man die Herztöne das letzte Mal gehört,
und man k/>nnte an dem vorliegendeo Kopfe einen rasch
lörtachrcitonden Fäulnisspmeess durch BcUottrigwerden der
Kopf knocbeo und durch Rildung einer beutelförfnigen Fäulniss*
21 *
324 XXIV. Poppet y lieber krampfhafte ZatRmnensiebtnageii
geschwulst der Kopfschwarle , die später selbst emphysematöses
Knistern wahrnehmen Hess, constatiren, auch verbreitete sich
bei jeder Untersuchung ein höchst penetranter Verwesungs-
geruch. Dabei flösste das Befinden der Mutler allmälig immer
mehr Befürchtungen ein; nachdem schon am ersten Tage ein
einmaliges starkes Erbrechen erfolgt war, wiederholte sieh
dasselbe am folgenden Tage öfters und forderte viel grün
gefärbte Massen zu Tage, auch Febricitationserscheinungen
mit einem Pulse von 120 und einer Scheidentemperatur von
38,2 C. waren aufgetreten. Man sah sich also durch voMe
zwei Tage nicht in der Lage, anders als medtcamentös in
den Geburtsverlauf einzugreifen, und erst am 23. November
früh 9 Uhr schien der Muttermund der Zangenanlegung kein
bedeutenderes Hindemiss mehr entgegenzusetzen. Di^ An-
legung, die in dem bedenklichen Zustande der Mutter ihre
dringende Indication fand, war wegen der schlotternden Kopf-
knochen etwas schwierig; als man damit zu Stande gekommen
war und vorsichtige Tractionen zu machen anfing, folgte zwar
der Kopf und man brachte ihn bis in den Beckenausgang,
aber das Instrument war dabei mehrmals vollständig ab-
geglitten, oder hatte wenigstens der Art seinen Halt verloren,
dass man die Löffel wieder in die Höhe schieben oder ganz
neu anlegen musste. Zur gänzlichen Herausbeförderung be-
nutzte man zuletzt, da die Zange an dem nachgiebigen Kopfe
Immer wieder abrutschte, nach vorangegangener Perforation
den Stmpson'schen Cranioklasten, ohne auch mit diesem
und der Mesnard'schen Knochenzange die Schädelknoch^n
fest fassen zu können, so dass man noch die Finger durch
Einführung in die Augenhöhle zu Hülfe nehmen musste. Die
Entwicklung der Schultern gelang erst, als man den rechten
Arm hervorgezogen, an eine Schlinge gelegt und an dieser
wie an dem Kopfe angezogen hatte. Bei diesen Manövern,
namentlich der Zangenanlegung und dem Ausziehen des Rumpfes
hörte man wiederholt ein gurrendes schlürfendes Geräusch,
wie wenn sich Luft im Uterus befände. Das Kind war ein
Knabe von 6^Vi6 Pfund Zollgewicht und 55—57 Centimeter
Länge und hatte einen unerträglich intensiven Fäulnissgeruch.
Wegen Gefahr der Resorption deletärer Stoffe wurde sofort
die Placenta, die an der vocderen Wand des Uterus adhärent
'
4mi UtonM, ap^ci«!! iil>«r fpAatiach« StmUren et«. 325
manuell eotfernt Die Nabelschnur war 88 Centimetei*
Jaog und seitlich inserirL Die Wöchnerio bekam eine Stunde
post partum einen heftigen Schüllelfrosl ; Empfindlichkeit und
AufgeUriebenheit des Abdomens, heftiges Fieber, Erbrechen,
Diarrhöen ToUendeten das Bild einer Metroperitonitis, der sie
am 29. November erlag.
Folgender Fall war für das Kind von gleich ungünstigem
Ausgange, nur gestattete die Beschaffenheit des Muttermundes
schon zu einer früheren Zeit die operative Beendigung der
iör die Mutter so überaus qualvollen Geburt.
Dritter Fall. Eine 37jährige Erstgebärende (Geburts*
bülfliclie Poliklinik) fing am 18. November 1862 an zu kreisen.
Die Wehen waren den ganzen Tag über schwach und selten,
aber schon ziemlich empfindlich. Nachdem bei immer schmerz-
hafter werdenden Wehen und fast eröffnetem Muttermunde in
der Nacht vom 18. auf den 19. um 10 Uhr das Fruchtwasser
abgeflossen war, stellten sich nach Aussage der Hebamme
bald Gontinuirliche tetanische Uteruscontractionen ein, die die
Kreissende in die grösste Unruhe versetzten. Früh 7^8 Uhr
am 19. November sah ich dieselbe zuerst und fand den
besdiriebenen Zustand in noch immer gleich heftigem Grade
aadaaem. Der Uterus fühlte sich durchweg steinhart an und
durfte kaum leise berührt werden, ohne dass man der Frau
die grossten Schmerzen verursachte, der Muttermund war
vollkommen erweitert und nahm nicht Theil am Krämpfe;
vorliegend fand sich der Kopf, an dem wegen starker Kopf-
geschwulst keine Nähte zu fühlen waren, er stand in der
Beckenenge; der kindliche Herzschlag konnte nicht entdeckt
werden. Da demnach das Kind als abgestorben betrachtet
werden musste, sah man naturlich vor der Hand von einer
Operation ab und versuchte medicamentös einzuwirken. Jedoch
weder Opium innerlich in grossen Dosen, noch Morphium
subcutan, noch (in Ermangelung eines Bades) Cataplasmen
auf den Leib, noch Chloroforminhalationen konnten auch nur
einigerraaassen die Aufregung der Kreisseuden, die mit Ungestüm
die Befreiung von ihrem qualvollen Zustande forderte, beseitigen.
Man entschloss sich nun zu vollständiger Narkotisirung mit
CUoroform, um dann einen Versuch der Zangenoperation zu
maehen. Die Narkose trat sehr langsam und nach Verbrauch
326 XXIV. Foppti, Ueber krampfhafte ZMamm^mielraiigen
TOD Ober einer Unze Cbloreform ein. Die Anlegung der
Zange um 10 Uhr Vormittags mit den grössten Schwierigkeilen
verbunden; man konnte schon mit den Fingern in der Gegend
des inneren Muttermundes ein straffes Umscfaiiessen des
Uterus um den kindlichen Kopf constatiren, und wurde dieses
Hindernisses auch beim Vorschieben der Zangeiriöfibl nur
langsam Herr, wobei sich dieselben jedes Mal so warfen, dass
man mit dem Schlüsse der Zange nicht zu Stande kam.
Man war gezwungen, die Löffel drei Mal von Neuem anio*
legen, bis endlich die Schliessung gelang. Nach fönfzehn
mit aller Kraft ausgeführten Tractionen wurde der Kopf erst
zum Durchschneiden gebracht, und auch dann noch mussle
man bei der £leyation mit grosser Kraft ziehen, um ihn
vollends zu entwickeln; die Extraction der Schultern und des
Rumpfes ging leichter von Statten. Das Kind war todi,
weiblichen Geschlechts, hatte 35 Centimeter Kopfumfang und
60 Centimeter Körperlänge. Auffallend an dem Kinde war
ein sehr langgestreckter Hals, als ob ein starker Zog an ihm
ausgeübt worden wäre, und grosse Steifigkeit des ganzen
Körpers, namentlich auch der Extremitäten, die man wohl
als schon intrauterin aufgetretene Todtenstarre deuten mnsata
Nach Vollendung der Geburt gingen grosse Klumpen geronnenea
Blutes ab, auch rieselte fortwährend flüssiges nach, obwohl
der Uterus gut contrahirt war. Bei einem schwachen Zuge
an der Nabelschnur riss die Hebamme dieselbe vollständig ab.
Da die Blutung in nicht unbedeutendem Grade anhielt, ging
ich mit der ganzen Hand durch den schon stark contrahirten
inneren Muttermund ein und musste noch eine sehr mühsame
Lösung der theilweise adhärenten Placenta vornehmen, mühsam
deswegen, weil die Frau inzwischen aus der Narkose erwacht
war und aufs heftigste gegen den durch die Hand ausgeübten
Reiz reagirte. Die Placenta schien bis auf ein sechsergrosses
Stück vollständig zu sein, der Nabelstrang war velamentös
inserirt gewesen. Die ersten. Tage des Wochenbettes gaben
zu den ernstesten Befürchtungen Veranlassung. Das Fieber
war sehr stark (144 Pulsschläge in der Minute). Der Le3i
trieb sich trommelartig auf, war äusserst empfindlich, es trat
mehrmaliges Erbrechen grüner Massen auf, der Lochialfluss
war sehr übelriechend; nachdem man jedoch am dritten Tage
des VUfnmj «p«cieB ilber «pftsÜMbe fitriottrea «U. 9S7
ä&reh Klystire und ein funfgrfiniges Calainelpulver die Ent-
leerung einer cok>ssalen Menge von Fäces bewirkt hatte,
besserte sich der Zustand der Wöchnerin von Tag zu Tag,
so dass sie nach vierzehn Tagen aus der Behandlung ent*
fassen werden konnte.
Man hatte in diesen beiden Fällen so 2iemMch atte
Mittel energisch angewendet, ohne auch nur eine Spur tob
Erfolg zu bemerken. Fär das Kind wird man in ähnlichen
Fallen selten nn Stande sein, auch nur das Geringste zu
tlran, denn es wird, wenn nicht bald der Krampf gehoben
werden kann, unfehlbar eher durch die Stönmg des Placentar*
kreislaufes zu Grunde gehen, als operative HöMe geleistet
werden kann und darf; und worin soll die operative
Hülfe bestehen, selbst angenommen, dass der Muttermund
k^n Hindemiss mehr darbieten sollte? Bei hochstehendem
Kopfe könnte doch wohl von der Wendung keine Rede sein,
da der Uteras das Kind zu fest umschliesst, als dass die
Hand dazwischen eindringen könnte; im Gegentheü wurde <»n
V^such den Zustand nur verschlimmern. Aber auch die
Zangenanlegung hat ihre grossen Bedenken, denn wenn es sich
einmal um Lebensgeföhr für das Kind handelt, wird man die
Operation nie früh genug beenden können, weil man, abgesehen
von der Schwierigkeit der Einfuhrung der Zangenlöffel, die
grössten Widerstände von Seite des das Kind straff um-
spannenden Uterus zu überwinden hat; deshalb erforderte
gewiss auch in den beiden Fällen die Entwickelung des Kopfes,
und in dem einen auch noch die des Rumpfes, so beträchtr
Kche Kraftanstrengungen, denn bei beiden war kein Hinderniss,
das vem Becken ausgegangen wäre, zu beschuldigen gewesen.
Werai für das Kind fast gar nichts, so ist für die Mutter in
sdchen hartnickigen Fällen, wie der No. 2 erzälilte war,
sehr wenig zu thun. Von Stunde zu Stunde wird die Indication
der Entbindung dringender, und doch verbietet meist der am
Krämpfe theilnehmende Muttermund ein Einschreiten der Kunst.
Soll man sich zur blutigen Erweiterung desselben entschliessen?
Ich glaube, dass die Gefahr des Weiterreissens des Schnittes
in dem unnachgiebigen Gewebe davon abhalten muss. Und
auch dann, wenn die Erweiterung des Muttermundes zu
(^>mrai erlaubt, kann die Zangenanlegung und die Extraction
328 XXI Y. Pof»ptf{, I7«ber Ikiampfluifte ZMainiD««si0biiiigen
nicht nur, wie diese zwei Fälle beweisen, ungewihnliebe
Kraflanstrengangen erfordern, sondern es kann selbst die
Entbindung unmöglich sein. Am gefährlichsten scheinen solche
krampfhafte Contracüonen zu werden, die nur an dem unteren
Abschnitte des Uteruskörpers als sogenannte ringartige Stricturen
auftreten. Ihr Sitz ist insofern Gegenstand des Streites, als
manche Autoren ^) behaupten, am unteren Theile des Uterus*
körpers sei nach der anatomischen Anordnung der Muskel*
fasern eine ringförmige Striclur nicht möglich, und in den
beschriebenen Fällen habe eine Strictur des inneren Mutter-
mundes, welcher Kreisfasern besitzt, bestanden.
Wie dem auch sei. Von der Trostlosigkeit der Behandlung
zeugen wohl hinlänglich jene zwei berüchtigt gewordenen Fälle
Yon Böcker ^) und Erhardt,^ die eine Zeit lang zu der
Ventilation der Frage Anstoss gaben, ob nicht als letztes Mittel
der Kaiserschnitt erlaubt und gefordert sei. Zwei ähnliche
Fälle erzählt Prof. L. Lehmann^) in Amsterdam, in welchen
die Mütter unentbunden sterben mussten. Da dieselben in
holländischer Sprache erzählt sind und wohl deswegen, so yiei
mir bekannt, in deutschen Journalen bis jetzt keine weitere
Erwähnung gefunden haben, durfte es am Platze sein, wenigstens
den einen derselben, der von Lehmann seihst beobachtet
und näher mitgetheilt worden ist, hier kurz anzuführen.
Bei einer 32jährigen Drittgebärenden, die das erste Mal
von Lehmann selbst, das zweite Mal von einem anderen
Arzte durch die Zange von einem lebenden Kinde entbunden
worden war, und bei der eine geringe Verengerung der Gonjugata
bestond (SVs Zoll), fingen die Wehen am 30. Juli 1854 Abends
an und floss das Fruchtwasser um 7 Uhr ab. Als darauf bei
erweitertem Muttermunde einige Stunden lang die Geburt keine
Fortschritte machte, legte ein Arzt die Zange an, musste sie
1) Eohl, Lehrbuch der Oeburtshtilfe , 2. Aufl., 1862, S. 486.
2) Dentsche Zeitschrift für StaAtsarsneiknnde n. s. w., von
Sekneider and Sahürmeier, Bd. III., Heft 1, 1854, S. 199.
3) Deutsche Zeitschrift für Staatsarsneiknnde , neue Folgei
Bd. I., Heft 4, 8. 337.
4) Bidrage tot de strictura uteri (Rapport der Commisie
▼oor verloskunde van den geneeskundigen kring de Amsterdam,
aitgebragt in de rergadering van Janaarij 1856) door L, JMmcmft.
d«fl ütonw, speeiell f9>«r tpAstisebe Sirieturen elo. 329
aiber nach einigen fruchtlosen Tractionen wieder bei Seite legen.
Lehmann fand bei seiner Ankunft in der Nacbt vom 30. zura
31. Juli folgenden Zustand: Der Umfang des Leibes war gross,
imd es schien dieser in zwei ungleiche Hälften geschieden,
deren untere mit einer stark ausgeddmten Harnblase zu ver-
gleichen war. Der Fundus uteri stand in der Herzgrube.
Die fötalen Herztöne waren links und rechts zu hören. Die
Scheide war mit einigen Blutcoagulis gefuUt, der Muttermund
ganz Terstrichen; der Kopf stand mit der Pfeilnaht im Quer-
darchmesser des Beckeneingangs und zeigte eine Kopfgeschwulst.
Der Puls der Kreissenden war klein, schnell, die Wehen
anregelm&ssig. Am 31. Juli Nachmittag 2 Uhr war, nachdem
man bisher exspectatiye verfahren war, d. h. ein Decoctum
Bttrosnm yerabreicht hatte — denn zu einem Aderlasse konnte
man sich wegen des cachectischen Aussehens der Kreissenden
Bicbt entschtiessen — hatte sich der Befund in Nichts ver-
ändert. Nachdem man jetzt viel Urin mit dem Katheter
entleert hatte, blieb die unregelmässige Form des Unterleibes
ganz dieselbe, und man konnte deutlich sehen, dass diese
dorch eine spastische Strictur im Uteruskörper bedingt war.
Eine Handbreit unter dem Nabel war eine fingerbreite, sträng*
(5nnige, steinhart anzufühlende Einschnürung des Uterus durch
die Bauebdecken zu fühlen. Die Wehen waren immer unregel*
massig und schmerzhaft. Um das Kind zu retten, wurde,
da der Kopf noch beweglich war, ein Versuch der Wendung
gemacht, jedoch die Hand stiess an der Stelle der von
aussen fohl - und sichtbaren Strictur auf ein unüberwindliches
Hinderniss, denn der Uterus scfaloss sich wie ein eiserner
Kranz um die Schultern des Kindes fest herum. Man ver-
sachte nun mit warmen Cataplasmen und grossen oft dar*
gereichten Dosen Opium eine Erschlaffung zu bewirken, aber
vergebens; bis zum 1. August Mittags blieb Alles beim Alten,
nur war der Zustand der Mutter bedenklich geworden; die
Wehen hatten fast ganz aufgehört. Die nun angestellten Ver-
suche, die Entbindung zu vollbringen, missglückten alle; die
lange Ostander^sche Zange rutschte nach kräftigen Tractionen
ab, die Kepbalotribe brachte den Kopf etwas tiefer, glitt
jedoch auch ab und riss Theile des zerquetschten Kopfes mit
ab, auch em nochmaliger Versuch der Wendung schhig fehl,
880 XXIV. Pof]>p«l, UeberkrsmpfhaileZtt^AmmoBsi^bQilgeii
und so musste man rieh entschliessen, von allen weiteren
Versuchen abzustehen und nur die Euthanasie der aufs äoseerste
erschöpften Frau zu befördern. Der Tod erfolgte am 2. Aegust
früh 6 Uhr. Selbst hei der Scction noch fand sich die
Striclur eine Hand breit unter dem Nabel und verlieh dem
Uterus eine sogenannte Sanduhrform; an der 1 Zoll breiten
eingeschnürten Stelle war der Uterus nur 3 — 4 Zoll breite
ober- und unterhalb bedeutend weiter, das Gewebe war da^
selbst bläulich verfärbt und theil weise gangränescirt, beim
Einschneiden floss eine ichoröse Flüssigkeit ab. Uas Kind
war ein Knabe, von mittlerer Grösse; vom Kopfe desselben
waren nur noch Reste des Hinterhauptes vorhanden. Die
ßeckenverengung von Sy^ Zoll bestätigte sich.
Eine günstigere Prognose als die besprochenen Krampf-«-
formen des Uterus erlauben die spastischen Stricturen des
äusseren Muttermundes, in Bezug auf das Kind deswegen,
weil es dadurch nicht direct Gefahr läuft, durch Piacentar-
kreislaufsstörungen sein Leben einzubüssen, für die Mutter,
weil die Behandlung eine sicherere ist. Damit meine ich,
dass bei dem Krämpfe des äusseren Muttermundes, wenn die
medicamentösen Mittel im Stiche lassen, die Möglichkeit gegeben
ist, das Hinderniss mechanisch zu beseitigen und zwar durch
Incisionen. In den Lehrbüchern werden auch bei dieser
Form vor allem erweichende Einspritzungen, narkottscbe
Klystire, an den Muttermund zu applicirende Belladonnasalbe
oder in denselben einzuschiebende Belladonnasuppositorien,
Bader, Chloroform, Aderlass empfohlen; der Incisionen wird
zwar überall als letzten Mittels gedacht, aber nicht nur sind
einige Autoren, wie Busch und Hohl ganz gegen die blutige
Erweitening, sondern auch diejenigen, die in seltenen Fälen
ihre Noth wendigkeit anerkennen, wie Kilian^ Scamoniy
C. Brown, Späth etc. sprechen sich über den Zeitpunkt,
wo sie indicirt sind, ziemlich zurückhaltend aus, so dass
der Anfänger von dieser Operation doch immer den Eindruck
erhält, sie sei eine möglichst lange zu verschiebende und nur
in den äuss^sten Nothfallen zu machende. Auch Herr Prof.
Hecker erklärte sich bisher in seinen Vorträgen gegen diese
Indication der blutigen Erweiterung des Muttermundes, hat
sich jedoch in Folge der Beobachtung der sogleich mitzo-
d«B ITtenra, tpeeieü Über spMtlsoM Strletttren eto. 831
tkeüenden Fälle von ihrer Zniässigkeit genilgend äberzeugt.
Vor näherer Besprechung, ob und wann die Operation ihre
ImKcation findet, erlaube ich mir mehrere, tbeils ohne, theih
mit Inctsionen behandeile Fälle kurz zu beschreiben.
Vierter Fall. Eine Söjährige Ei*stgebärende bekam
im Gebärhause am 7. August 1861 die ersten Wehen. Als
der Mottermund auf Halbguldengrösse erweitert war, blieb er
trotz gntm* Wehen auf dieser Stufe stehen, und spannte sich
während jeder derselben, wie wenn ein Drahtring hindurch
gesogen wäre. So dauerte die Eröffhungsperiode 98 Stunden;
man war mit Bädern, Opiaten, warmen Einspritzungen um-
sonst 2U Felde gezogen, man hatte das Kind, nachdem das
Fruchtwasser gleich im Anfange der Geburt abgeflossen war,
altsterben sehen mässen, da man bei so geringer Eröffnung
des Muttermundes Einschnitte nicht riskiren durfte, und auch
nach d8 Standen war der Muttermund noch nicht vollkommen
erweitert, dagegen so tief durch den immer mehr herab-
drückenden Kopf vorgedrängt, dass man ihn beim Auseinander-
hrilen der Schamlippen sehen konnte. Man entschloss sich
letzt, da doch die Geburt beendet werden musste, zur Per-
foration des längst abgestorbenen Kindes, und zur Anlegung
der Kephalotribe, mit der man schonender als mit der Zange
die Extraction machen zu können glaubte/, der Einlegung des
Instrumentes bot der Muttermund noch immer nicht uner-
hebliche Schwierigkeiten dar, die Extraction ging gut von,
Statten. Dais Kind war ein Knabe von 6% Pfund Zoilgewicht
und 56 Centimeler Länge. Die Mutler fing, nadideni sie
sich unmittelliar nach Beendigung der Geburl und noch zwei
Tage nachher, mit Ausnahme leichter Febricitation , wohl
beftuiden hatte, am dritten Tage des Wochenbettes stärker
so fiebern an, bekam die Symptome einer leichten Metro-
peritonitis, von der sie jedoch, nach nicht näher bekannter
Zeit im Krankenbause, wohin sie Iransferirt worden war,
genatb
Fünfter Fall. Bei einer 22jährigen Erstgebärenden
(Geburtshülfliebe Poliklinik) dauerten die Wehen vom 23. März
1862 Abenda 6 Uhr an die ganze Nacht in regelmässiger
nur etwas mehr als gewöhnlich schmerzhafter Weise. Nach
sechs Stunden war der Muttermund auf Guldengrösse er-
ggg XXIV* P^ijg»«!, Deber krAmpfliAlke Znstmnieiuiiehiingen
weitert) uad blieb von da ao 24 Stunden lang bei «ebr
bäufigen und scbmerzhaften Wehen auf dieser Grösse stehn.
In den Wehenpausen erschialile er vollkommen, war aber
nicht scharfrandig und dünn ausgezogen, wie bei Erstgebärenden
gewöhnlich, sondern mehr wulstig mit breitem Rande; während
jeder Wehe fühlte der Finger den Muttermund sich stränge
artig anspannen, und konnte eine grosse Empfindlichkeit
desselben Consta tiren. Die warme Douche, Chloroform^
einreibungen auf den Unterleib und die Kreuzgegend, Einreibung
von Belladonnasalbe an den Muttermund, subcutane MorphiuD>-
injectionen hatten nicht den geringsten Erfolg, nur linderten
Chioroformeinreibungen und die subcutanen Injectionen immer
zeitweise die sehr heftigen Schmerzen. Erst nach 30 Stunden
fing der Muttermund an nachzugeben, und erweiterte sich
dann rasch vollkommen, nachdem kurz vorher erst das Frucht-
wasser abgeflossen war. Nach weiteren zwei Stunden wurde*
die Geburt eines scfaeintodten , mit schwachem Herzschlage
geborenen aber nicht wiederbelebten Mädchens in erster Scheitel-
lage durch die Natur beendet; die Herztöne waren 10 Minuten
vorher noch deutlich, wenn auch langsam gehört worden,
und man war überzeugt gewesen, dass die Geburt bei der
zuletzt erwachenden enormen Wehenthätigkeit jeden Augen-
blick erfolgen müsse, was auch, wie gesagt, innerhalb «ebn
Minuten geschah, zu spät jedoch, um das Kind wiederi>eleben
zu können.
Sechster Fall. Bei einer 30jährigen, Erstgebärende
(Geburtshülfliche Poliklinik) dauerte die Erö(Tnungq[»eriode
während des 3. und 4. Juli 1862 40 Stunden, nachdem das
Fruchtwasser schon vor Beginn der Wehen abgeflossen war.
Schon einige Stunden nach begonnener Geburtsthätigkeit
war der Muttermund kronentbalergross, machte von da an
aber keine weiteren Fortschritte ' mehr in der Erweiterung,
sondern spannte sich während der sehr häufigen und schmerz-
haften Wehen strangartig um den tief in der Beckenhöble
stehenden Kopf; Opium innerlich, Morphium subcutan, hatten
so wenig wie die warme Doucbe einen Erfolg. Als die
Mutter zu febricitiren anfing und der mit grosser Geschwulst
versehene Kopf den Muttermund immer tiefer vor sich herab-
drängte, wurden mit dem Bistouri zwei seitliche Incisionen
r
49» Üteitiv, ipeeiell über spastische Strietnren etc.- g83
m defiselben gemacht, worauf er sich sogleich zurftekzog,
und schon nach 10 Minuten kaum mehr zu fahlen war. Enge
des BeckenaQsganges zwangen, da der Kopf trotz sehr guter
Wehen fest stehen blieb, und die Beendigung der Geburt
filr Mutter und Kind ratbsam erschien, zur Anlegung der
Zange, mit der ungefähr zwanzig sehr krSflige Tractionen
aasgef^rt werden mussten, um einen asphyctischen, nach
V4 Stunde wieder belebten Knaben von fast 7 Pfund Zollgewicht
und 48 Centimeter Länge in erster Scheitellage zu entwickeln.
Das Rind zeigte, da die Zange etwas schief gefasst hatte,
eine durch den Druck derselben hervorgebrachte sehr stark
ausgesprochene Facialislähmung der linken Seite, die sich
nach einigen Tagen ganz verlor. Die Mutter erkrankte im
Wochenbette anscheinend an den Symptomen der acuten
Phthise, eriiolte sich jedoch nach zwei Monaten vollständig
'wieder.
Siebenter Fall. Ber einer 41jährigen Erstgebärenden
(Geburtshöifiiche Poliklinik) war am 10. Juli 1862 das Wasser
ohne Wehen abgeflossen. Am 11. Morgens begannen die
Wehen und bewirkten bis Abends eine guhlengrosse, von da
an aber keine^fernere Erweiterung des krampfhaft sich zu-
sammenziehenden Muttermundes. Auch hier hatten Opium
innerlich , Morphium subcutan, nebst einem warmen Bade
nur schmerzstillende Wirkung; nach 24 ständiger Dauer ent-
schloss man sich zu Incisionen in den Muttermund, worauf
«ierselbe sich langsam zurückzog und der Kopf tiefer trat;
IV2 Stunde nach Ausführung der Incisionen musste wegen
Langsamerwerden. der kindlichen Herztöne die Zange applicirt
werden, die durch acht kräftige Tractionen das Kind in erster
Vorderscheitellage mit fast querem Stande des Kopfes ent*-
wickehe; dasselbe war ein Knabe von 6^/^, Pfund Zollgewicht
und 48 Centimeter Länge, der nach V4Stöndiger Asphyxie
wiederbelebt wurde; auch dieser trug eine Facialislähmung
der rechten Seite davon. Die Placenta musste wegen Ver-
klebung in handtellergrossem Umfange manuell entfernt werden,
da V2 Stunde lang fortgesetztes Kneten des Uterus nicht zum
Ziele führte. Die Mutter machte ein normales Wochenbett
durch. Vier Wochen darauf hatte ich Gelegenheit, sie zu
384 ^UUV.. Pof9!fMl, Ueber krsmpflisfte-ZiiSftmineiijiifhfiiigeii
uQtersucben, und fand die beidergeitigen locisioaeo noch ab
tiefe Kerben im Muttermunde fühlbar.
Achter Falll Bei einer 18jährigen firslgebarenden
(Geburtsbulflicbe Poliklinik) fingen die Wehen am 30. Jirii
1862 Abends an; bis zum 31. früh 10 Uhr war der Motter-
nmnd kronentlialergross geöffnet, die Blase stand noch. Der
Rand des Muttermundes war dick, wulstig, und spaaate sich
während der Wehen drahtartig um den in der Beckenenge
stehenden Kopf. Die Wehen waren äusserst schmerzhaft, und
auch in der Wehenpaüse blieb der Uterus äusserst empfind-»
lieh und hart anzufühlen. Die heftigsten Kreuzschmerzen
quäken die Kreissende. Bis 9 Uhr Abends blieb Alles beim
Alten, trotz warmer Einspritzungen, Opium, Chloroform^
einreibungen auf den Unterleib und die Kreuzgegend, und eines
allgemeinen warmen Bades, auf das sich allerdings die grosse
Aufregung und Schmerzhaftigkeit für kurze Zeit bescbwichtigteiL
Auch ein Abends 8 Uhr inslituirter Aderlass von 12 Unzen
übte keinen Einfluss auf Wehen und Erweiterung des Mutter-
mundes. Um 9 Uhr wurde derselbe mittels einer Cooper'scbßa
Scheere auf beiden Seiten incidirt; sogleich war ein Erfolg
ersichtlich und bis 11 Uhr der Muttermum)»vollständig ver-
strichen; die Blase stand noch immer und wurde jetzt ge-
sprengt. Die erwünschte Wehenthätigkeit stellte sich jedoch
nicht ein, sondern war immer gleich schmerzhaft und wirkungs-
los auf das Vorrücken des Kopfes. Die Aufregung der Mutter
steigerte sich auf das Höchste, der Puls zählte 144 Schläge^
und so gab ihr Befinden um 12 Uhr Nachts die Indicatiou
zur Beendigung der Geburt durch die Zange. Die Anlegung in
Chloroformnarkose gelang leicht, 4 — 5 Tractionen genügten,
um den Kopf auf den Beckenboden zu leiten. Bei der Elevation
der Zange erwachte die Mutter aus der Narkose und riss
unversehens mit solchem Ungestüm an dem Instrumente, dass
sie zugleich mit demselben den Kopf förmlich über den Damm
herausschleuderte, der trotzdem intact blieb. Die Placeota
musste wegen tlieilweiser Adhärenz^ manuell entfernt werden.
Das Kind, ein Mädchen von 49 Gentimeter Länge, war nicht
asphyctisch. Die Mutter blieb im Wochenbette gesund, nacli-
dem sich schon am ersten Tage die fieiierbafte Aufregung
fast ganz gelegt hatte.
Neunter Fall, ßei eiaer 24jährigen ErstgebSrenden
(Geburtshülfliche Poliklinik) floss am 8. September 1862 fvub
9 Ubr 4as Frucbtwasser gleicb bei Beginn der Weben ab.
Der Muttermund erweiterte sich bald anf Tbalergr^sse und
blieb dann bis zum 9. September Abends 10 Ubr auf der-
selben Stufe der Erweiterung stehen in Folge spastischer
Suiciur. Das Promontwum war mit der Spitze des Mittel*
fingers 2U erreichen und wurde die Conjugata vei*a auf 3 Zoll
6 Linien geschätzt. Auch hier konnten Opium und warme
Einspritzungen keine Besserung bewirken. Die Wehen waren
häufig und sehr schmerzhaft. Abends 10 Uhr am 9. September
wurden zwei seitliche Incisionen mit einer langen Kniescheere
gemacht. Erst am 10. September früh 6 Uhr konnte hei
endlich ganz erweitertem Muttermunde und querem Stande
des Kopfes in der Beckenenge die Zange applidi^t werden,
die in der Beckenverengeruog ihre Indication fand. Vorher
konnte man die Herztöne ganz deutlich links hören; zwölf
sehr kräfüge Tractioneu brachten den Kopf, der über Gesicht
und Hinterhaupt gefasst war, zum Durchschneiden in erster
Scheitellage. Das Kind, ein Knabe von 35 Centimeter Kopf-
uiBfaag und 49 Centimeter Länge war todt, und konnte man
die Ursache in nichts anderem, als einem Drucke des rechten
Zangenloffels auf den Hals des Kindes finden, da die Zange
selir hoch gofasst hatte. Auf dem Unken Scheitelbeine war
ein kleiner EpidermisYerlust vom Promontorium herrührend.
Die Mutter blieb gesund.
Alle die aufgeführten Fälle haben eine grosse Aehnlichkeit
unter einander, und ich würde nicht in dieser Ausführlich-
keit dieselben mitgetheilt haben, wenn es mir nicht darauf
ankäme, die Operation der blutigen Erweiterung des Mutter-
mundes nicht nur als zulässig, sondeni als nothwendig dar-
zustellen. Man findet in der neueren journalistischen Literatur
sehr wenig speciell mitgetheilte hierher gehörige Geburts-
geschichten; unter andern hat Orenser,^) Crede,^) Domerk,^)
1) Monatsschrift für GeburtskuDde, Bd. III., S. 138.
2) Monatsschrift für Geburtskunde, Bd. VII., S. 242.
3) Gazette des hopitaux, No. 141, 1857.
336 XXfV. PoppeZ, Ueber krampfhafte ZasftniBieiiviehiiii^eB
KriHeUer^) einzelne veröffentlicht, in denen sie sich ge-
nöthigt sahen, Incisionen zu machen. Namentlich hat lelzterer
eine eingehendere Besprechung veröffentlicht, in der er der
Operation auch bei spastischen Contractionen das Wort redet,
und die Einwürfe, die gegen dieselbe gemacht werden, wider^
legt. Er machte darauf aufmerksam, dass von geföhrlichen
Nervenzufallen, die von manchen gefürchtet werden, in Felge
des Reizes der Verwundung bei der gewöhnlich schon vor-
handenen grossen Aufgeregtheit der Kreissenden, nicht die
Rede sein könne, dass im Gegentbeil, abgesehen von der
Schmerzlosigkeit der Operation, durch dieselbe gerade die
Ursache der Schmerzen gehoben wird. Die Gefahren eines
pracipitirten Yorschreitens der Geburt nach Ausführung dei*
Incision können doch da nicht gefürchtet werden, wo die
Natur schon Tage lang Anstrengungen und Vorbereitungen
zur Beendigung der Geburt machte, und wo gerade die lange
Dauer, wenn sie für Mutter und Kind nachtheilig zu werden
droht, die Indication zur künstlichen Beschleunigung gibt.
Die Furcht vor Weiterreissen der Schnittwunde kann, glaube
ich, bloss daim gerechtfertigt erscheinen, wenn nicht nur der
Muttermondsrand, sondern auch der Uterashals höher hinauf
an der krampfhaften Affection Theil nimmt, und der Aus-
dehnung einen beträchtlichen Widersland entgegensetzt; es
eignen sich auch darum bloss solche Fälle zur Operation, wo
das augenscheinliche Hinderniss am Rande des Susseren Mutter-
mundes sitzt, während höher oben die normale Dehnbarkeit
stattOndet: nadi Hebung der Slrictur wird der Uterushals
wie bei jeder normalen Geburt sich leicht durch den vor-
dringenden Kindestheil erweitern lassen; sonst mussten aucli,
wie Kristeller sehr (reffend bemerkt, jene Risse, die fast
immei: bei Erstgebärenden durch die Natur im Muttermunde
gebildet werden, sich leicht nach oben verlängern. Von einer
gefahrlichen Blutung, wegen welcher man die Operation fürchten
müsste, kann kaum gesprochen werden.
Was die anderen Mittel, die natürlich jedesmal immer
als die milderen vorher consequeni angewendet werden müssen,
betrifft, so waren sie alle in den oben erzählten Fällen ohne
1) Monat8«chrift für Gelmrtskunde, Bd» X., S. 162.
r
dea Uteras, specieli über spastUche Strictaren etc. 337
Erfolg. Die Narcotica haben allerdings den grossen Wertli
der Scfamerziinderung, und können so indirect auf bessere
ausgiebigere Wehenüiätigkeit hinwirken. Es komml, da die
Spannung des Muttermundes durch die Wehen immer sehr
schmerzbafl ist, in diesen Fällen eigentlich nie recht zu
energischen Wehen, namentlich wird von den Kreissenden
alles Mitpressen sorgfältig vermieden; durch Abstumpfung der
Empfindlichkeit können auch die Wehen eine grössere Wirkung
auf die Erweiterung des Muttermundes erlangen. Wie ich
in den Geburtsgeschichten angeführt habe, machte ich öfters
in dieser Absicht von subcutanen Morphiuroinjectionen mit
Erfolg Anwendung. Nur wai* ihre Wirkung, wie sie sehr
schoell eintrat, so auch meist nach kurzer Zeit wieder ver-
schwunden, so dass man in etwa einstündigen Pausen das
Mittel wiederholen musste; auf einmal wurde Vs — V4 ^^^^
eingespritzt. Ich weiss nicht, ob Beobachtungen von schäd-
lichem Einflüsse der Narcotica, wenn sie in grösseren Dosen
öfters gegeben werden, auf das kindliche Leben bekannt sind ;
aus diesem Grunde wagte ich aber doch nie, zu lange mit
den> Mittel fortzufahren, und setzte es nach drei- bis fünf-
maliger Anwendung aus. In ähnlicher Weise wendet Herr
Prof. Hecket schon seit längerer Zeit die subcutanen In-
jectionen von Morphium bei sehr schmerzhaften langanhaltenden
Nachwehen mit bestem Erfolge an; sie sind wie überall, so
auch hier durch ihre überraschend schnelle und sichere Wirkung
gewiss bestimmt, in immer gi'össerer Ausdehnung versucht
zu werden.
In Betreff der von Chaussier empfohlenen Pommade
dilatoire aus Belladonnaextract, die örtlich an den Mutter-
mund applicirt werden soll, habe ich mich nur überzeugt,
dass man ohne einen der verschiedenen dazu angegebenen
Salbeuträger nicht im Stande ist, ausgiebig den Muttermund
damit zu besti^eichen, und ich habe daher das Mittel in Er-
mangelung eines solchen Instrumentes nicht weiter benützen
können. Dagegen scheinen mir Chloroformeinreibungen auf
den Unterleib und die Kreuzgegend, in welch' letzterer nament-
licli die Kreissenden immer die heftigsten Schmerzen haben,
Beachtung zu verdienen. Nicht nur bei diesen Fällen in Rede,
Monatsschr. f Gebnrtsk. 1863. Bd. X:XI., Hft.6. 22
338 XXIV. PojD|pe2, Ueber krampfhafte ZnaammensiehnDgen
sondern überhaupt bei schmerzhaften Wehen habe ich oft
die Schmerzen nachlassen sehen, wenn von 10 Minuten zu
10 Minuten Einreibungen von Chloroform, das zu diesem
Zwecke am besten mit einem gleichen Theile Olivenöl ge-
mischt wird, verordnet wurden. Warme schleimige Ein-
spritzungen mögen immer von Zeit zu Zeit applicirt werden,
sie haben wenigstens den Yortheil, die Theüe gegen den
Reiz der Untersuchung etwas abzustumpfen, und vielleicht
auch die Auflockerung des Muttermundes zu begünstigen.
Ob die warme Douche, wie ÄcaMzom *) empfiehlt , als Wehen
verstärkendes Mittel, so dass die Contractionen mit Gewalt
das Hinderniss am Muttermunde überwinden sollen, benatzt
werden darf, ist doch sehr fraglich, und erklären sich andere
Autoren entschieden dagegen.^)
Von allgemeinen warmen Bädern wird man, wo es geht,
gewiss immer Gebrauch machen müssen, da sie einen un-
gemein günstigen Einfluss auf das Allgemeinbefinden ausüben,
und die Aufregung und Unruhe der Kreissenden wenigstens
für einige Zeit beschwichtigen. Ob der vor einigen Jaliren
namentlich von England ') aus so warm empfohlene Tartarus
enieticus in brechenerregender Dosis weitere Berücksichtigung
fand, ist mir nicht bekannt.
Wie lange nun soll man, wenn alle Mittel im Stiche
lassen, das letzte, die blutige Erweiterung, hinausschieben?
Gewiss so lange, als aus längerem Zuwarten weder der Mutt^
noch dem Kinde Gefahr erwächst. Das ist nun freilich
namentlich in Bezug auf die Mutter schwer zu bestimmen, wenn
die langedauernde resultatlose Geburtsarbeit einen ungünstigen
Einfluss auf den weiteren Verlauf der Geburt und des Wochen*
bettes ausüben könnte. Dass das Kind, wenn die Geburt
über das Maass verzögert wird, schliesslich durch Störungen
im Placentarkreislaufe oder durch anhaltende zu lauge dauernde
Compression des Schädels zu Grunde gehen muss, ist be-
kannt, und zeigen auch die erzählten Fälle No. 4 und 5, wo
man aus dort angegebenen Gründen nicht zur rechten Zeit
1) Lehrbuch, Bd. II., S. 296.
2) Hohl, Lehrbuch, S. 495.
3) Oilmour, Lancet, IL, 20. Nov. 1858.
des Uterus, npeciell tiber spnstisehe Stricturen eto. 339
operativ eingreifen konnte. Wollte man jedoch in Rücksicht
anf das Kind immer so lange warten, bis die verlangsamten
Herztöne eine schleunige Beendigung der Gehurt erheischten,
so wörde man gewiss meist zu spät die Operation der blutigen
Erweiterung des Muttermundes vornehmen, um noch das Kind
retten zu können; denn unmittelbar an die Incision etwa die
Zangenanlegung anzuschliessen ist nicht rathsam, da man
doch auch den oberen Partien des Uterushalses Zeit lassen
muss, sich aJImälig auf die für den Durchtritt des Kopfes
geeignete Weite auszudehnen. Diese Gefahren also abzuwägen,
lassen sich keine bestimmten allgemein gültigen Regeln auf-
stauen, und muss darauf hin jeder einzelne E'all beurtheill
werden; man kann nur sagen, dass die blutige Dilatation des
unvollkommen erweiterten, spastisch conlrahirten Muttermundes
dann indicirt ist, wenn halbe Tage und Tage lang der Mutter-
mund trotz guter Wehen sich nicht weiter eröffnen will, so dass
er ein sichtliches Geburtshiuderniss abgicbt, indem er von dem
vorliegenden Theile tief ins Becken vorgetrieben wird, voraus-
gesetzt, dass vorher die anderen oben bes|)rochenen Mittel
mit Ausdauer ohne Erfolg angewendet wurden. Die Gefahr-
losigkeit der Operation erlaubt gewiss, sie nicht zu weit
hinauszuschieben, und man wird seltener Gelegenheit haben,
ein zu frühes als ein zu spätes Eingreifen zu bereuen. Denn
dass ein zu langes Abwarten sich auch durch Einrisse in den
Muttermund, die dann gewiss weiterreissen , da sie eine grosse
Gewalt voraussetzen, selbst durch Abreissen^) des ganzen
Ute ruslialses rächen kann, ist durch einzelne Fälle constatirt.
Die Ausfährung der Operation soll nach den Lehrbüchern
mit einem geknöpften Bistouri am leichtesten zu bewerk-
stelligen sein; es scheint mir aber, dass man dabei weder
vor eigenen Verletzungen so gesichert ist, noch die Tiefe des
Schnittes so genau vorher bestimmen kann, wie bei einer
passend c<Histruirten Sdheere, deren beide Branchen man
innerhalb und ausserhalb des Muttermundrandes bequem mittels
zweier controllirender Finger anlegen und in der beabsichtigten
Tiefe vorschieben kann; eine gewöhnliche (7oc>p6/sche Scheere
1) Herbert Barker , Obstetr. Soc. London. Med. Times,
15. Dec. 1860.
22*
340 XXV. Birnbaum t Ein Becken mit Ueberbebelohg
ist ZU klein , die SiebolcTsehe Polypenscheere hat zu stumpfe
Spitzen, als dass man sie leicht zwischen den Kopf und den
eng anschliessenden Muttermundrand einhringen könnte; sehr
hequem operirt man mit einer ziemlich langen mit ab-
gestumpften Spitzen versehenen schwach knieförmig gebogenen
Scheere und ist eine solche zu diesem Zwecke für die
gehnrtshnliliche Poliklinik angeschafft worden. Dass man die
Incisionen seitlich und lieber einfach von hinreichender Tiefe
als mehrfach und seicht macht, bedarf keiner besouderen
Erwähnung.
XXV.
Ein Becken mit XTeberhebelung der Lendenwirbel
von hinten nach vorn.
Von
Dr. Friedr. H. G. Birnbaum,
Dircctor der Provincial-Hebammenanatalt In Göln.
(Mit drei Figuren.)
In meinem früheren Aufsatze über Lordose und Kyphose
des Lendenwirbelantheiles der Wirbelsäule habe ich auf die
Bildung eines Zwischenbeckenraumes zwischen grossem und
kleinem Becken hingewiesen, welcher an die Stelle des ein-
fachen Beckeneingangsreifes tritt und die Geburt eigenthüm-
lich erschwert.
Es zeigte sich dabei, dass dieser Z wischen hecken-
räum je nach der Art der Verbiegung der Wirbelsaule ganz
in das grosse Becken hinauf sich erstreckt, und zu einer
Verlegung dieses Raumes führt, wie bei der Kyphose der
Lendenwirbel oder ganz in das kleine Becken hinabsinkt,
dessen obere Hälfte einnehmend , wie bei der Spondyloiisthesis,
oder zwischen das grosse und kleine hineinfällt, wie bei
der Lordose des Lendenantheiles.
Durch eben diesen Zwischenbeckeuraum ist dann auch
die Eigenthümlichkeit des spondylolisthetischen Beckens tmd
der Lendenwirbel Ton hinten nach vorn. 34 1
seine geburfshölfliche Bedeutung besttramt und gerade diesem
eigenthümlicbai Bestimmungsgrunde gemäss ist es auch in
gebitrishölf liebem Sinne nicht als Becken sui generi, sondern
als Schlussglied einer ganzen Reihe gradweise in einander
ibergehender Beckenformen zu betrachten, indem die rhachi-
liscbe und osieomalacische Lordose sich bis zur wahren
Spondylolisthese steigern kann, und so in ihrem geburts*
höiriicben Einflüsse den Uebergang zu der Kilian*scheu
Spondylolisthese bildete.
Es möchte für diese Beckenformen ihrem gemeinsamen
Merkmale nach die Bezeichnung Pelvis depresso elevata
die richtigste sein, indem, wenn die Lordose der Lenden-
oder Lendenkreuzparthie so stark hervortritt, dass sie in
Spondylolisthese übergeht, sei nun rhachitische oder osteo*
nialacische Knochenerweichung die Ursache, oder Hydrorrhachis
(Ktltan und Lambl) oder entzündliche Auflockerung mit
oder ohne Knochenbruch (Breslau , Lenoir) oder Garies
{Olshauseri) , die hintere Wand des Beckens niedersinkt, die
Tordere steigt oder gehoben wird.
Sehen wir von der rhachitischen oder osteomalacischen
Spondylolisthese ab, die nur in geburtshölflichem Sinne einerlei
Geltung mit der eigentlichen, directen Spondylolislhesis hat,
80 weist die von Braun und Lambl nachgewiesene Spondylon
parembolie auf eine doppelte Ursache der einfachen
Spondylolisthese hin, indem die Lendenwirbelparti«) entweder
durch uDvolikommene Ausbildung und geminderte Widerstands-
kraft der Kreuzbeinwirbel zum Niedersinken und Herabgleiten
gebracht wird, oder in theilweiser Erhebung ihres hinteren
Umfanges in eine regelwidrige Stellung zu den Kreuzwirbeln
gebracht wird, welche deren Entwickelung einseitig bestimmt
und hemmt Bald wird mehr die eine, bald mehr die andere
Ursache einwirken, bald auch ein gLeichmässiges Zusammen-
wirken beider sich bemerklich machen und danach der Grad
der Spondylolisthese manche Verschiedenheiten zeigen. Der
Ansdnick Spondyloparembolie weist aber nicht genug auf
diese gegensätzliche Verschiedenheit hin, indem er nur das
Zwischengeschobensein andeutet, aber nicht die Wirkung des
Zwischengeschcfbenen , während Spondylon sthesis nidit die
Ursache als solche, sondern die Richtung, in welcher sie
342 ^^^' Bimhmmt Ein Beeken mit Ueberhebelung
wirkt, andeutete. Und in diesem Sinne möchte der Ausdrnek
Spondylomochleusis oder schärfer noch Spondylhy per eb-»
mochleusis dem Ausdrucke Spondylolisthesis gegeoöber
der bezeichnendere sein, das Niedersinken wegen mangelnder
entsprechend widerstandskräftiger Grundlage gegenüber der
Hioüberhebung durch eine von hinten her hebende, hebelnde
Kraft
Ich werde zu dieser schärferen Bezeichnung hauptsäch-
lich veranlasst durch ein Becken der Cölner Sammlung,
welches die Spondylolisthese in ihren allerersten Anfangen
nachweist, so dass man es kaum eben zu den spondylo-
listlietischen zählen kann, die Spondylomochleusis aber in
der allerunverkennbarsten Weise in die Augen treten lässt,
wie dieselbe eben nur zur Eindrückung des Kreuzbeines als
ersten Anfang der Spondylolisthese hinführt, ohne dass solche
bei der grösseren Widerstandsfähigkeit des Kreuzbeias sich
weiter ausbilden kann. Es weist dieses Becken eben auch die
Möglichkeit ganz anderer Ursachen der Ueberhebelung nach,
als sie in Gegenwart verkümmerter Schaltwirbel gegeben sind,
und lässt auch in diesem Sinne mir den Ausdruck Spondylo-
parembolie nicht bezeichnend genug erscheinen.
Auf den ersten Blick bietet es einige Formähnlichkett
mit dem osteomalacischen Becken dar, unterscheidet sich aber
wiederum sehr wesentlich davon, theils in den EinzeUieitea
der Form, theils in der ungemein kräftigen, starken Ent-
wickelung des Knochengewebes, der Schwere und Massigkeit
seiner Knochen. Denn es zeigt bei Vorhandensein zweier
Lendenwirbel und der halben Oberschenkel ein Gewicht von
2 Pfund 15 Loth, während ein osteemalacisches der Sammlung
bei fast gleichen Verhältnissen nur 1 Pfund 12 Loth wiegt
Es fallt ferner sogleich die Erhebung der vorderen
Wand des Beckens gegen die Mitte hin und die Herab*
drückung des Kreuzbeines unter deren Niveau in die Augen.
Buht das Becken auf beiden Sitzknorren und dem Kreuzbeine
auf, so fällt der obere Band der Schoossfuge in eine
Horizontalebene mit einem Punkte des fünften Lendefi-
wirbeis, der vom oberen Bande seines Körpers 4'" absteht,
vom unteren b"', und der obere Band des ersten Kreuz-
wirbels fallt um 1" unter das Niveau dieser Horizontale, um
I
der Leadenwirbel tob binleo n«oh f^orn. 343
BMdirere Linien unter und hinter den oberen Rand des fünften
Lendenwirbels (Fig. a.).
Das Yoräbergestinkensein der Lendenwirbel ist durch die
Maasse gerade Ton der vorderen Wand des Beckens her an-
gedeutet, welche a) genau von dem oberen Rande der
Scboossfuge oder b) von dem Scheitel einer kleinen vor-
springenden Knochenleiste an der Symphyse 8'" unter deren
oberen Rande genommen sind.
Dieselben betragen bis zu . . a, b,
vom unteren Rande des vierten Lenden-
wüteb 2" 7'" 2"6'"| ^,„
von dem oben erwähnten Niveaupunkte 2 8 2 7. '
vom unteren Rande des fünften Lenden- [ ^m
wirbeis 29 2 8 '
vom oberen Rande des ersten Kreuz- | 5'",
wirbeis 3 2 3 V^ '
Die Kreuzbeinflügel differiren oicht in der Breite,
wdil aber etwa in Form und Richtung^ denn der linke
weicht entschieden etwas nach hinten und oben zurück, der
rechte nicht
Der hintere Umfang der Bogenlinie zeigt nahe an
der Incisura ischiadica eine Knickung nach unten, indem
dieser Punkt 3'" unter dem Niveau des oberen Randes der
Scboossfuge li^t, als dem Maasse der vorderen Erhebung.
Es setzt sich aber diese Knickung nach aufwärts durch die
ganze Darmbeinschaufel bis zum hinteren Theile der Crista fort.
Der grosse Hüflausschnitt ist dadurch in seinem oberop
Umfange zu einem genau abgegrenzten engen Bogen von 7%'"
grötsier Spannweite zusammengedrückt und erweitert sich
dann plötzlich rechu bis 1" 5'" links bis 1" 6'" grösste
Spannweite.
Der Vorberg fallt in eine Linie mit dem weitesten
Abstände der Bogenlinien von einander. Der Abstand der
Synostosen von einander beträgt 4" bei 47^" Pfannen-
abstand, und der Abstand einer sie verbindenden Linie
vom oberen Rande der Scboossfuge beträgt 1" 6'", so wie
der Parallelabstand der horizontalen Schambeinäste 8'"
weiter gegen die Scboossfuge hin nur 2" ö
m
344 XXV. Birnbaum, Ein Becken mit Üeberhebelnng
Der rechte Scfaoossbogenschenkel ist etwas tiefer
herab und in der Sitzknorrengegend etwas nach einwftrts
gedruckt, darum stärker gebogen; der linke ist mehr nach
aussen und oben gedrängt, und darum im Verhältnisse zum
rechten mehr gestreckt.
Dabei sind aber beide Schoossbogenschenkel nach unten
einander der Art genähert, dass die Schoosbogenweite
in den höheren Partieen des Schoossbogens, beinahe im
Niveau des oberen Kreuzbeinrandes, in gar keinem Ver-
hältnisse zu der diesem nach viel verminderten unteren
Schoossbogenweite steht. Es betragen:
der Abstand der Synostoses pubo-
ischiadicae von einander l"10'*'j jq»
der Abstand der vorderen Enden der Tubera 2 8 | .^w
„ Mitte der Tubera 3 8
„ „ „ hinteren Enden der Tubera 4 2^2] " '• '
Schoosfugenhöhe 1 10
Schoossbogenhöhe 2
Seitenhöhe der vorderen Becken wand rechts 3 6
„ „ „ „ Imks o 5
Der obere Theil der Schoossbogenschenkel hat darum
die richtige Stellung, die unteren Theile sind dagegen
einander genähert, rechts jedoch entschiedener, als links,
indem rechts die Gewalt der von hinten her druckenden
Einwirkung in voller Concentration wirkte, links dieselbe
mehr gemildert erschien.
* Demgemäss steht auch der linke Schoossfugenrand
um 1"' etwa höher, als der rechte, und ist in der
unteren Hälfte der Schoossfuge um 1'" breit in den rechten
mehr hinein und nach rechts hinübergedröckt, während
in der oberen Hälfte der Schoossfuge dieser in gleidier
Weise nach links hinöbergedruckt erscheint. Die Schooss-
fuge bildet daher statt einer geraden Linie ein die Richtung
des vorschiebenden Druckes sehr bezeichnendes Zickzack,
von der linken Seite oben durch die Mitte zur rechten unten.
Für die Configuration des Beckens ist ein Vergleich der
Distantiae sacrocotyloideae mit den von den ent-
sprechenden Synostosen beginnenden schiefen Durchmessern
bezeichnend. Er beträgt:
d«r LeiidantHrbdl toh- hinten niieb Torn. 345
Didtant sacroeotyL Diameter obliqua.
rechts 2*'3'" . . / 4" 8'" (H.),
links 2"2y/' VT" (1.),
dem MtUelmaass gegenüber 1" 3 — 2^/^" weniger, 2 — 1'" mehr.
Die Darinbeinschaufeln haben eine directe Breite ycm
der Spina anterior znr posterior superior gemessen von 4" 9'",
bei vorderer Höhe rechts von 2" 1'", links von 2" 4'" und
mitüerer Höhe von der Incisura ischiadiaca major an gemessen
von rechts 4" links 4" 3'". Die Tiefe der Ausbiegung beträgt
ao der tiefsten Stelle in gerader Linie 1" T".
Die rechte liegt dabei etwas flacher nach aussen und ist
etwas mehr nach vorn vorgeschoben, während die linke etwas
gerader ansteht und mehr nach hinten und oben zurück^
gedrängt erscheint. Der Druck hat sich auf den hinteren
Umfang der Darmbeinschaufeln concentrirt, während Bogen-
linien und Schoossfuge in geringer Erhebung nach vorn aus-
wichen;, darum gehen auch jene feinen Koochenwulstungen
der Knickung an beiden Seiten am Ende der ßogenlinie und
Anfange der Oberfläche bis zur halben Schaufelhöhe hinauf
und als flache Furche bis zur Grisla weiter, und ist der
hintere Umfang der Darmbeinscbaufeln oben stärker nach vorn
umgelegt, der vordere ihm ungewöhnlich stark entgegengestellt.
AUe diese Umstände weisen auf die hintere Wand des Beckens
als Ausgangspunkt hin, welche auch die Regelwidrigkeiten in
höchster Concentration zeigt.
Das Kreuzbein zeigt eine aulTallende Verminderung
seiner Höhe als hintere Tiefe des Beckens, welche bei 4" 6^
directer Länge nur 2" 6'" betragt, bei 1" 8*" Aushöhlungstiefe.
Es hat je fünf Kreuzbeinlöcher und sechs Kreuzbein-
wirbel.
Die Seitenflügel sind vom stark nach unten gebogen,
nach hinten oben und aussen stark zurück- und hinaufgezogen,
so dass die den Seitenkemen entspi*echenden Flügelstüeke
glatt und .niedrig nach vom abfallen, die den Querfortsätzen
entsprechenden stark vortretende Wülste bilden. Der rechte
ist dabei etwas schmaler und stärker umgebogen.
Die obere Hälfte des ersten Kreuzwirbeis zeigt sich nach
vom und unten wulstig vorgedrängt, die untere stark zurück-
346 ^^^* Bimb^mmt Bin Be«k«n mit DeberUb^long
weichend. Bei 14'" Gesammthöhe hat diese Wulstung bei 3"^
von oben her den stärksten Grad erreicht und endet bei 8'"
in fein aber scharf maricirter Abgrenzung yon dem zurück-
weichenden Theile. Das Zurückweichen hinter die stärkste
obere Wulstung beträgt dicht über der Verbindung mit dem
zweiten Kreuzwirbel 5'\ am zweiten selbst 7'", am dritten
5V2" und ist am fünften ausgeglichen.
Es beginnt demnach die Biegung des Kreuzbeines in
der unteren Hälfte des ersten Wh*bels und wird bei
dem dritten und vierten zur wahren Knickung. Der dritte
hat so bei 7V/' Länge 6*^ Höhe, der vierte bei ÖV/' Länge,
4V2'^ Höhe, und der Abstand der stärksten Aushöhlung Ton
der Mitte der Schoossfuge beträgt
für den vierten Kreuzwirbel 5" 2'*^,
„ „ fünften „ 4" 11
m
Der Abstand der Sitzstacheln von einander misst 3" 7
die Distantia spinososacralis dextra 1'^ S'*,
sinisira 1" 5".
»» »» »» 1»
Die Vorbergmitte am Kreuzbeine bildet mit den Flügeln
ein Dreieck, dessen Grundfläche, von einer Flügelspitze zur
anderen, V 1'" beträgt, der rechte Schenkel 2" 11*^, der
linke 3" 2'" bei 2" 2'" Höhe und dessen Spitze bei 2" 11*^
Abstand vom Beckenboden um 1" 3'" unter das Niveau der
Grundfläche mit 4" 2'\ Abstand vom Beckenboden fällt.
Dass der Druck sich am meisten auf den dritten,
vierten und fünften Kreuzwirbel concentrirte, wird
durch die bedeutende Verminderung ihrer Höhe, die starke
Wulstung ihrer Verbindungsstellen bei starkem Zurückfallen
der Wirbelmitte, das rasche Abfallen der Trennungsleisten
ihrer Wirbel in schräger Richtung von oben und aussen
nach unten und innen an den dritten und vierten Wirbelloche
erwiesen. Es geht aber noch mehr aus dem verschiedenen
Umfange der Wirbellöcher, namentlich des dritten und
vierten im Verhältnisse zum ersten und zweiten einerseits,
zum fünften andererseits hervor. Hier ergeben sich folgende
Verhältnisse :
der I/Mideiifirirl»«! toa Mateo naeli vorn.
247
Vorderes
Kreuzbeifiloch.
Rechts. Links.
Hinteres Kreuzbeinloch. '
Rechts.
Links.
Erstes.
Zweites
Drittes
Viertes
Fünftes
Breite.
■7///
11
7
3
4V,
Höhe.
4'/."'
5
3
IV.
3
Breite.
3'"
3
3V,
3
5
flöhe.
3V4
2V9
1V4
3V4
Breite*
2V,'"
2
4
2V4
5
Höhe.
4".
2.
2V,.
IVv
2»/4.
Die Lendenwirbelkörper sind an den Seiten slark
eingebogen mit weit überstehenden Rändern, nach rechts vom
am stärksten, zwischen den Querfortsfitzen am schwächsten,
\iuk& umgekehrt Sie erscheinen so von oben und hinten
nach unten und vom zusammengedrückt und etwas von rechts
nach links um die Längenaehse gedreht
Ihre Höhe beträgt:
rechts in der Mitte links
des vierten 13" IS'U'" 14'/,'",
des ronaen 11'/, 12V, 11,
Differenz ... IV. V4'*' • • • l'A*".
V. X ... 1 /2«
Die Stachel Fortsätze beider Lendenwirbel sind platt,
hakenförmig an der Spitze nach unlcn gezogen, und der
vierte etwas von rechts nach links, der fünfte von links
nach rechts abgebogen, während der des ersten Kreuz wirbeis
wieder gerade steht.
Links findet sich zwischen ihren Gelenkfortsätzen
eine slark l*" dicke verknöcherte Exsudatschichte, theils
mit der oberen Gelenkfläche verschmolzen, theils markirt
getrennt Dieselbe drückt den je oberen Wirbelkörper etwas
mehr nach aussen vorn, und unten hinüber, dreht ihn dabei
etwas von links nach rechts um seine Axe und fuhrt so zur
Verbiegung der Stachelforlsatze. Die Gelenkflächen stehen
dabei unten am weitesten von einander, nähern 'sk:h oben
wieder einander.
Rechts sind sie dagegen eng aneinandergedröckt,
nur dass am fünften Lendenwirbel der obere schiefe FortsaU
348 ^^y* Binibmwi^^ Eim Be«k0n mit U«berhel|elQng .
den unteren des fünften Lendenwirbels etwas umfasst und nach
einwärts drückt , gestützt von einem kleinen Knochenexsudate.
Die viel dickeren und scharf markirten zwischengelagerten
Knochenscheiben linker Seite liegen den unteren Gelenkfläcben
der oberen Wirbel an und greifen tief zwischenein.
Rechts zeigen die unteren Gelenkflächen am vierten uixl
fünften Lendenwirbel schwache, wenig diu*chgreifende Spuren,
während die geringe Exsudatmasse an der Wurzel des schiefen
Fortsatzes des ersten Kreuzwirbels dem Drucke von links her
bidi entgegenstemmt.
Der Querfortsatz des vierten Lendenwirbels ist links
etwas von dem fünften abgehoben, rechts demselben stark
genähert, und ähnlich ist es zwischen dem fünften Lenden^
Wirbel uud ersten Kreuzwirbel.
Die Stachelfortsätze der drei ersten Kreuzwirbel
sind geschlossen, der des vierten fallt, links von dem dritten
durch eine platte vertiefte Fläche getrennt, in zwei Wülste
auseinander, einen grösseren, quergestellten, linken, einen
kleineren, schräg gestellten rechten, der von jenem anderen
durch eine flache Längsfurche getrennt und mit seinem oberen
£nde durch eine schmale, dünne Knochenlamelle mit dem
dritten Stachelfortsalzs verbunden erscheint. Dicht unter
seinem unteren Ende ist noch ein dritter kleinerer Wulst
befindlich.
Unter dem oberen breiten Quorwulst beginnt hinten die
Umbiegung des Kreuzbeines nach vorn und springt die ganze
Gegend zwischen dem vierten und fünften Kreuzwirbelloche
in voller Breite in unregelmässiger Gestalt stärker vor. Die
Mitte dieser Fläche zeigt eine längliche, 3V4" lange, IV4"
breite Oeffnung im Wirbelcanale (Fig. 6.), die sich
rechts um einen breiten schräg nach aussen gehenden stumpfen
Höcker herumwindet, welcher dem gespaltenen fünften Stachel-
fortsatze entspricht, im ganzen oberen, linken und unteren
Umfange dagegen dünn scharfirandig begrenzt erscheint. Denn
jenem getrennten Höcker des fünften Stachelfortsatzes ent-
spricht hier nur eine niedrige kleine Querleiste. Unter ihrer
unteren scharfen Begrenzung zieht sich rechterseits ein neuer
breit und flach vorstehender Knocfaenwulst halbmondförmig
um das fünfte Kreuzbeiidoch herum und etwas tiefer berab,
der Lendenwirbel ▼oai faihten nsek Torn. 349
dem Imkerseits ein anderer etwas höher liegender flacher
and niedriger Knocbenwulst von ganz geringem Urofauge
gegenübersteht Beide sind mit einer dünnen, scharfrandigen
Knoehenlamelle miteinander verbunden, welche den Wirbel-
canal wieder schliesst nnd entsprechen so dem gespaltenen
Portsalze des sechsten Ki'euzwirbels , zwischen welchem der
Wirbelcanal solcher Gestall nicht frei ondei, sondern über-
brückt nnd geschlossen erscheint.
Es sind dies offenbar Ueberbleibsel einer Spina
bifida sacralis, die vom dritten Wirbel an sieb ganz nach
abwärts erstreckte und später theilweise durch Knodieubildung
geschlossen wurde. Der grosse Abstand des dritten von dem
gespaltenen vierten Stachelfortsatze, welcher eine schwadi
gekrümmte, rechts bis zu jener Querwulst 1" links bis zu
jenem schrägen Wulste 10'" lange Fläche darstellt, die durch
jene Knochenlamelle zum dritten Stachelfoi^tsatze getbeilt er-
scheint und gerade zwischen die dritten Kreuzbeiniöcher fallt,
spricht zunächst dafür, dann die halbmondförmige um die
unke Querwulst herumgehende flache, rimienförmige Vertiefung.
Dieser ganze Theil der Spalte ist aber durch Knochenbildung
geschlossen und hatte seine Ausbiegung nach links gekehrt,
seine Wölbmig nach rechts. Der fünfte fireuzwirbel findet
seinen Stachelfortsatz links neben dieser Furche durch den
umfangreichen breiten grossen Querwulsl vertreten, rechts
durch die zwei kleineren oben beschriebenen Wülste.«
Noch mehr spricht dafür jene halbmondförmige nach
rechts gebogene Oeifnung, welche um einen stumpfen grösseren
Höcker rechts herumgehl, dem eine schmale quere Knochen*
leiste links ents))richt, beide den gespaltenen fünften Stachel-
fortsatz darstellend. Hier ist dann wieder die Spina bifida
lamelenartig durch Knochenbildung gesclilossen, zwiscfien der
stark wulstigen, baldmondförmig um das fünfte Kreuzbeinloch
lienimgebenden rechten und der niedrigen flach leistenförmigen
linken Hälfte des sechsten Kreuzstachels. Das untere £nde
des Krenzbeincanales läuft daher in einen ganz kurzen
knöchernen Biindsack aus, unter dem frei und ofien ge-
bliebenen Ueberreste der Spina bifida.
Diese stark vorragende Mittelpartie zwischen den Kreuzbein-
löchern tritt demnach rechts besonders stark in vier grössei*en
S60 XXV. B»r»6attm, Bin Becken mit Ueberhetielüng
und kleineren schief von innen nach aussen reriaatenden
Knochenwülsten hervor, ist links mehr flach, mit jener grossen,
breiten Querwulst und zwei niedrigen flachen Querleisten,
der linke Seitentheil des Kreuzbeins erscheint nach aussen
neben dem dritten, vierten und fünften Kreuzbeinloche mehr
breit und flach, glatter. Der rechte Seitentheil ist kürzer
zusammengedrängt, schmaler und neben dem dritten und
vierten Kreuzbeinloche wie in zwei Knochenninzelungen in zwei
stark von oben nach unten und aussen laufende Wülste ge-
hoben, unter denen, zwischen ihnen und dem rechten Rande
des Mitteltheiles, in starker ebener Vertiefung sich das fünfte
Kreuzbeinloch befindet. Das Steissbein setzt mit seinem ersten
Wirbel nach links etwas höher an, als nach rechts, so dass
die Kreuzbeinspitze schief von links nach rechts abfallend
erscheint
Das eben besdiriebene Becken ist weniger um seiner
Formausbildung willen interessant, als wegen der Be-
stimmtheit, mit welcher die Art seines Zustandekommens
ihren formalen Ausdruck gefunden hat. Es ist durdi den
deutlich nachweisbaren Widerstand in seinem Enlwickelungs-
gange auf halbem Wege, auf einer Uebergangsstufe stehen
geblieben, der fünfte Lendenwirbel ist durch die eingeschalteten
Knochenlamellen wohl in jene schiefe Stellung zum ersten
Kreuzwirbel gebracht, welche ein Herahgleiten einleitete, aber
in der * kraftigen Entwickelung des ersten Kreuzwirbels und
der übrigen Beckenknochen, sowie in dem rasch wuchernden
Schlüsse der Wirbelspalte hat er seinen entsprechenden
Gegenhalt gefunden. Daneben wirkte aber auch die Erbebung
der vorderen Beckenwand mit, um die in der Knickung an
Bogenlinie und hinterm Darmbeinschaufelumfang gegebene
Niederdröckung des Beckens zu compensiren und der Druck
von hnks hinten und oben nach rechts vorn und unten wurde
durch den Gegendruck von vorn und unten nach hinten und
oben von der rechten Pfanne aus in der Schooasfuge coro-
pensirt, wodurch die Zickzackgestalt der Schoossfuge ent-
stehen musste.
Solchergestalt ist es aber ganz besonders geeignet, den
Gegensatz derSpondylolisthesis undSpondyiomochleusis
um so vollkommener darzulegen.
der Lendemriribel Ton hiatoa :melk vorn. 351
Leider fddt zu unserem Becken jeder historische Nachweis.
Wenn die Hydrorrbachis zur Bildung spondylolistbeüseher
Bedien Anlass giebt, so sehen wir in unserem Falle diesen
ihren schädlichen Einfluss durch die slark vorschreitende
Knochenbüdung, welche die Lücke rasch schloss, aufgehoben.
Die Ueberhd[)elung des fQnflea Lendenwirbels von links und
oben nach rechts unten ist aber als Causa movens der ganzen
Beckendefonnitit unverkennbar und theilweise ausgeglichen
durch die dünnen, feinen Knochenexsudate rechts theilweise
durch eben jene vorgeschrittene Knochenbildung. So kam
nur ein Niederdrücken des ersten Krenzwirbeis mit Zurück-
dringung des gesammten Kreuzbeins zu Stande, kein weiteres
Heruntergleiten der Lendenwirbel.
Ich ^ube die Bezeichnung dieser Beckenform als P elvi s
depresso elevata im obstetrischen Sinne vollkommen ge-
rechtfertigt, welche dann als Gattungsbegriff die Arien der
a) Spondylolisthetica simplex oder directa, b) Spondylo-
mochieutica, c) Spondyk>listhetica rhachitica und osteomalacica
umfassen würde.
Als gemeinsames Gattungsmerkmal dieser Arten
erscheint daboi, abgesehen von der Raumbeschränkung, eine
auffallende Verminderung selbst Aufhebung der Neigung
des oberen Beckencanales, anfTallende Steigerung der
Neigung des unteren Beckencanales, indem ein Theil der
das grosse Becken regelmässig umgrenzenden Knochenpartieen
zur Bildung des Zwischenbeckens theilweise oder ganz in
das kleine Becken hinabsinkt
Den geraden Gegensatz zu dieser Beckenform bildet
dann die Kyphose des Lendenantheiles, von der ich in
einem früheren Aufsätze ein Beispiel geliefert hatte.
Hier rückt der Zwischenbeckenraum in das grosse
Becken hinauf, dessen Stelle er ganz einnimmt und welches
er über sich hinaus in die Bauchhöhle verdrängt Die Bauch-
höhle muss demnach hier das grosse Becken vertreten,
das anatomische grosse Becken ist in obstetrischen Sinne
Zwischenbeckencanal, und an diesen schliesst sich die
eigentliche Beckenhöhle als Beckencanal an. Hier wird
die Richtung des Kindes zum Beckeneingange durdi die
252 ^^y* Jßimbaum, £in Becken mit Ueberhebelangr
Ueberbiegufig des oberen Theiles der Lendenwirbelsäuie vor
das tiefer liegende Kreuzbein hoch oben bestimmt.
Der Zwischenbeckencanal erscheint demnach hier
zu stark geneigt, das kleine Becken diesem Verhältnisse
gegenüber und ganz allgemein zu gering geneigt, und
diese Beckenform hindert die Geburt möglicherweise gar nicht
durch Raumbeschränkung, welche dabei ganz fehlen kann,
immer aber durch diese verkehrte Richtung der einzelnen
Beckenräume gegeneinander, welcher der Kopf des Kindes
nicht folgen kann.
In beiden einander gegenüberstehenden Formen kommt
in Bezug auf den Gang der Geburt neben dem Umfange
des Kopfes, der für die erste Form sehi* wichtig, für die
zweite an sich oft ganz gleichgültig, ganz insbesondere noch
seine Höhe in Betracht, von der es allein abhängt, ob er
seinerseits in diese verschiedeneu Richtungen des Becken-
raumes hinübergehen oder vielmehr hinubergeleitet werden
kann, ohne Schaden zu nehmen, oder nichL
Wenn wir die erste Form, die hochgradige Lordose
der Lendenwirbel mit Niedersinken derselben, als Pelvis
depresso elevata bezeichneten, so würde diese andere
Form, mit Kyphosis lumbalis als Pelvis recte antorsum
depressa zu bezeichnen sein, und als Indication des Partus
arte praematurus zu gelten haben, wälirend die Kyphosis
dorsalis oder dorsolumbalis, wo die Compensirung noch in •
den Lendenwirbelautheil fallt, nur durch die stärkere Becken-
neigung geburtshulflich bedeutend ist, aber gar keine Be-
und Erschwerung der Geburt bedingt
Von der ersten Gattung liatte ich noch vor Kurzem
in hiesiger Anstalt einen Fall, der, auf Rhachitis beruhend,
mir die Wichtigkeit der Ausdehnung der Maassbestimmungen
der äusseren schrägen Conjugata auf die übrigen Lendenwirbel
wiederum erwies.
Bei der Person, einer Erstgebärenden, 6V9 Monate
schwanger, fühlte man das stark umgebogene Kreuzbein in über-
mässiger Neigung stark nach hinten und unten zurückgedrängt
und den fünften Lendenwirbel stark vor und herabgescboben.
In der Kreuzgegend fühlte man eine tiefe, zwischen die Lenden
der Lenden Wirbel von hinten nach vorn. 353
hinauf ?erfolgbare Rinne. Die innere Schrägconjugata maass
3V/, die äussere 6V4" und der IV«" über dem Stachel-
fortsalz des fünften Lendenwirbels in jene Rinne eingedrückte
Tasterzirkel ergab GV«', so dass die Verengerung als liocli
hinaufgehend erwiesen war. Der Querdurchmesser des grossen
Beckens von Spina zu Spina zeigte Q^l^\ der von Crista zu
Crista 8V2". Ich hatte in der 28. Woche die künstliche
Frühgeburt einleiten wollen, die Natur aber kam mir in der
26. zuvor. Die Wehen waren sehr regelmässig und ergiebig,
so dass nach zwölfstündiger Geburtsarbeit der Mutlerhals ver-
strichen, der Muttermund ganz eröffnet, die Blase tief auf
den Boden des Beckens niedergedrückt war. Der Kopf blieb
aber hoch oben auf der vorderen Wand des Beckens und dem
Beckeneingange stehen. Die Nacht über erreichten die Wehen
eine ausserordentliche Höhe, zuletzt in anhaltenden, stürmischen
Drang übergehend, ohne den kleinen Kopf des, wie sich
nachher auswies, nur 27« pfundigen Kindes tiefer zu bringen,
und die Sache änderte sich auch dann nicht, als die Blase
gesprengt wurde, so dass ich mich zur Anlegung der Zange
entschloss. Dieselbe war bei dem hohen Kopfstande nicht
ohne Schwierigkeit weil genug nach vorn herüberzubringen,
haftete aber nachher an dem kleinen Kopfe sehr gut 'und
krachte ihn ohne Mühe mehr nach hinten durch den Zwischen-
beckenraum in das eigentUche Becken herab und nach
aussen vor.
Von der zweiten Gattung, der reinen Lumbokyphose,
mit Pelvis recle antorsum depressa, hatte ich ebenfalls Ge-
legenheit,. einen zweiten Fall zu beobachten und will hier
nur noch bemerken, dass bei der Person, welche ich in
Trier zwei Mal mit der Zange entbunden hatte, mein Nach-
folger, Herr Dr. Endet, das dritte Mal mit gutem Erfolge,
die von mir immer beabsichtigte, aber jedes Mal durch die
Person vereilelle künstliche Frühgeburt eingeleitet hat, aber
ebenfalls zuletzt zur Zange seine Zuflucht nehmen mussle.
Mein CölAer Fall betraf eine magere, bleiche, cachectisch
aussehende, nicht ganz 4 Fuss hohe Person, 42jährige Erst-
gebärende. Sie schrieb den Ursprung, ihres Leidens einem
in ihrem dritten Jahre erlittenen Falle zu.
Monmtoscbr. f. QebartKk. 1868. Bd. XXI., Hit. 6. 2.H
354 XXV. Birnbaum, Ein Becken mii Uebethebelnng
Der Brostkorb war sehr stark nach vorn herausgedrängt,
der obere Theil des Rückens tief nach vorn eingesunken
und eine ganz auf die Lendenwirbel beschränkte
Kyphose vorhanden, welche in dem unbedeutend kypfaotisdi
gestellten zwölften Brustwirbel und dem Kreuzbeine endete*
Die Compensationskrummung nach oben bildete eine
sehr starke lordotische Einbiegung der Röcken wirbelpartie,
welche zwischen dem sechsten und siebenten Ruckenwirbel
ihren Culminationspunkt fand. Das Kreuzhein war gerade
nach vorn und unten geschoben und die Schoossfuge
stand fast vertical gegen den Fussboden, so dass
bei aufrechtem Stande der Person die I^abia majora vulvae
fast gerade herabgingen und die Vulva mit mehr wie zwei
Dritteln ihrer Länge nach vom sichtbar erschien, der Anus
in der Mitte zwischen den Schenkeln gefohlt wurde.
Der tiefste Punkt der vom eingesunkenen Wirbelsäule
fällt daher zwischen den sechsten bis siebenten Brustwirbel,
die prominirendsten auf den ersten Brustwirbel nach Com-
pensation der Lordose und den dritten Lendenwirbel als
Gipfel der Kyphose.
Durch die Lendenwirbelkyphose erschien die Bauchhöhle
niedriger, abgeflacht, mit Erhebung der Darinbeinschaufeln
nach vorn, durch die Loinlose der Brustwirbel der Brustkorb
niedriger, nach vorn stärker herabgedröckt. Die letzten Rippen
standen links au niveau, rechts einen Finger tief unter dem
Huftkamme. Die directe Länge der Kyphose betrug etwas
aber 5", die höchste Erhebung l'/a — 2".
Die Abstände des oberen Schoossfugenrandes betrugen:
Von der Kreuzheinspitze 4" 3'"
Vom ersten Kreuz wirbel 7" 9'" =
Vom fünften Lendenwirbel 8"
„ vierten „ 9V4"
„ dritten „ 9%"
„ zweiten „ 10"
„ ersten „ IOV4"
„ zwölften Brustwirbel 10 V4"
„ neunten „ 10 V4"
„ sechsten „ 10 '4"
] Differenz 3
"6".
sr
15*.
6"».
„
a*.
3'".
] I
0.
] .
0.
] .
3'".
I
Aer Lendenwirbel Ton hinten naoh rorn. 355
Die Trochanterenbreite maass . . 11" 3'^
Abstände der Spinae ant. super. 10'' 9*^.
„ Cristae 11" 6'".
Der dünnwandige, gespannte Uterus war mit seinem
Grunde in scharfer hakenförmiger Krümmung besonders
sräier vorderen Wand gerade nach abwärts gekehrt, bis
zur Mitte des Oberschenkels herabreichend, mit wenig Frucht-
wasser, eng um das Kind herumgehend, ganz gleich, wie
ich es in meinem ersten Falle beobachtet hatte.
Die Scheide war sehr eng, niedrig, das Scheidengewölbe
faerabgedrängt, der untere Abschnitt gegen die Kreuzbein-
aashöhlung hin ganz entfallet, sehr dünn, der Mutterbals
Terstrichen, der Kopf stark in die Aushöhlung des Kreuzbeines
hineingedrängt.
Die Vulva war klein, kurz, der Beckenausgang etwa um
1' verengt.
Bei dem geringen Umfange des Uterus und der starken
Ausfüllung des oberen Beckenraumes durch den Kopf, dessen
Nähte weit, die Kopfknochen weich erschienen, hielt ich die
Vornahme der künstlichen Frühgeburt nicht erforderlidi.
Der Kopf musste aber auch, da er in zweiter Scheitelsfellung
quer stehend sich nicht drehte und nicht nach vorn kam,
sondern immer in die Aushöhlung des Kreuzbeines gedrängt
wurde, mit der Zange entwickelt werden, wobei durch die
starke Ueberblegung desselben ein Scheitelbein in eine Falte
mit Fractur zusammengepresst wurde und das Kind durch
starkes Blutextravasat an der Basis cranii zu Grunde ging.
Es war ein siebenpfündiger Knabe.
Die Mutter starb unter den Erscheinungen lähmungsartiger
Schwäche ohne Spur von Entzündung.
Die Bauchhöhle war mit einem blutigen, keine Spur von
Eiweissflocken oder FaserstoiTgerinnseln enthaltenden Serum
gefüllt, die verschiedenen Eingeweide scblalT, aber sonst
normal. Keine Spur von Entzündung.
Die Lungen waren ebenfalls bis auf Adhäsionen normal,
aber das Herz in seiner ganzen rechten Hälfte in fast voll-
ständiger Fettmetamorphose.
In lUchlung des rechten Psoas fand sich ein grosser,
mit jauchichteoi, weiterhin dicklichem, schmierigem, mit kalk-
23*
356 XXV. BirfAaum, Ein Be^en mit Ueberhebelang etc.
artigen Concrementen vennigchtem Eiter gefällter Congestions-
abscess von carioser Zerstörung der nach vam zusammen-
gepressten Lendenwirbel und des oberen Theiles der inneren
Kreuzbeinfläche, welcher sich bei Lebzeiten durch kein einziges
Zeichen zu erkennen gegeben hatte.
Die Weichheit der Lendenwirbel und daher rührende
grosse Veränderung in der Richtung des Reckens zum Brust-
körbe , indem in der Rückenlage der Leiche die letzten Rippen
um drei Finger breit von der Crista ilium abstanden, machten
leider innere Messungen so wie Einsicht in die Verhältnisse
während des Lebens unmöglich und nur so viel war fest^
zustellen, dass das Becken oben breit auseindergerückt, untea
enger zusammengeschoben war.
Nach diesen Angaben würde sich im geburtshülfiiche^
Sinne folgende Eintheilung der Becken als in Rezug auf die
Wirkung derselben übersichtlichste wohl empfehlen:
L
IL
IIL
Pelves arctae indefinita
Pelves arctae definita
Pelves per
directione.
directione.
accideos
a. Infundibuliformis.
a. Antorsum compressa.
arctatae.
1. Supera.
Rhachitica 1. gradus.
Exostotica.
2. Infera.
b. Bilateraliter com-
Fracta.
3. Fauciformis.
pressa.
Spinosa.
b, Universaliler justo-
c. (Jniversaliter com-
minor.
pressa.
1. Aequabiliter.
1. Asymmetrica.
2. Irregulariter.
2. Oblique arctata
ovaita.
d. Elevato depressa*
1. Spondylolisthetica.
2. Spondylomochleu-
tica.
3. Lumbolordotica.
Rhachitica 2. gradus.
e. Antorsum depressa.
Lumbokyphotica.
/. Undique compressa
osteomaiacica.
Rhachitica 3. gradus.
'
XZVI. CMOM, Drei FUle TOB EeUmpsU partiirieAtiain. 357
Erklärung der Figareo.
Figur I. ist die vordere Ansicht des Beckens, in welcher die
Punkte der vorderen und hinteren Beckenwand , wie die-
selben in eine horizontale fallen, hervortreten. Der vierte
Lendenwirbel steht frei, der fünfte au niveau des oberen
Tlieiles der Schoossfuge, die Kreuzbeinaushöhlung au niveau
des untersten Theiles derselben und des Schoossbogens.
Figur II. ergiebt an den Punkten a. und b. die zwischen
die Processus obliquos eingeschobenen Exsudatscheiben.
HL ergiebt bei c* die hydrorhachitiscbe Stelle.
XXVL
Drei Fälle von Eclampsia parturientium.
Mitgetheilt
von
J. G. Grülllch,
prakt. Arzte and Gebnrtihelfer xn Neu - Goradorf bei Ldbau.
In einer dreissigiäbrigen ärztlichen Praxis hatte ich nur
fänf Mal Gelegenheit, Eclampsie Gebärender zu beobachten,
war aber so glöcklich, sämmtliche Frauen genesen und drei
Mal lebende Kinde gebären zu sehen.
Die drei wichtigeren Fälle, welche Gebärende vor, bei
und nach der Geburt betrafen, erlaul)e ich mir mitzutheilen,
enthalte mich aber aller epikritischen Bemerkungen um so mehr,
als alle gelehrten Auslassungen über das Wesen der Eclan^sie
Dicht stichhaltig scheinen.
I. Eclampsia post partum.
Frau Hoffmann von Alt*Gersdori, 26 Jahre alt, bidier
fast immer gesund and seit dem 18. Jahre regehnässig
menatniirt, concipirte im 26. Jahre und machte eine regel-
mäsaige Schwangerschaft durch.
358 XXVI. GHU^MÄ, Drei PXll« von EclumpsU pariniie.ntivDi.
Durch Erkältung hatte &ie sich am 23. und 24. September
1861 eine Diarrhoe mit heftigen Unlerleihsschmerzen zugezogen,
welche am 25. September früh um 8 Uhr die Geburt eines
lebenden Knaben zwei bis drei Wochen vor Beendigung dep
Schwangerschaft nach sich zogen. Die Placenta folgte in
wenigen Minuten.
Ungefähr eine halbe Stunde nach der Geburt trat der
erste eclamptische Anfall ein, mit welchem sogleich das Be*
wusstsein erlosch. Mit kurzen Intermissionen waren mehrere
Paroxysmen aufeinander gefolgt
Um 10 Uhr Vormittags fand ich die Wöchnerin von
den fürchterlichsten eclamptischen Krämpfen befallen. Die
Kranke stand im Bette auf, wollte fort, warf sich herum,
stürzte wieder zusammen. Zackungen im Gesiebte, tetanisches
Strecken der Extremitäten, Ziehen des Kopfes nach der
rechten Seite, Zuckungen durch den ganzen Körper gleich
electrischen Schlägen folgten. Das Gesicht wurde verzeixt,
die Zunge mehrmals zwischen die Zähne geklemmt und zer-
bissen. Die Augen bewegten sich zuckend mit eigenthümlich
leuchtendem Glänze. Stossweises stöhnendes Athmen, blutiger
Schaum vor dem Munde, eine tiefe cyanotische Färbung be»
sonders des Gesichtes, Halses und der oberen Extremitäten,
Auflreibung des Gesichtes und Halses, Strotzen der Hais-
und Kopfvenen, starkes Pulsiren der Carotiden vollendeten das
Bild. Die anomalen Herzcontractionen und Pulsfrequenz liessen
sieh bei den Convuisionen kaum richtig beobachten, obwohl
die Zahl der Pulsschläge über 140 stieg.
Nach einigen Minuten schwiegen allmälig die Convuisionen
und die Kranke verfiel auf 20 Minuten in einen tiefen soporösen
Schlaf mit stertorösem Athmen, intensiv rothem Gesiebt,
geschlossenem Hunde, erhöhter Temperatur besonders im
Gesichte, Stirn und einer Pulsfrequenz von 130.
Der fortbestehende Lochienfluss und die kurz vorher-
gegangene Diarrhoe bestimmten mich vor der Hand nicht zur
Vornahme einer Venäsection. Es wurden daher zwölf starke
Blutegel am Kopfe applicirt und eine reichliche NaehblutuDg
unterbaitea Näehstdero kalte Umschläge auf den Kopf,
Epispastica abwechsehid an die Extremitäten. Innerlich eine
Elmuls. sem. pap. alb. et amygd» dulc» cum eitr. Hjosc.
f
XXVi. 6MIIidk, Drei FSUe von EdftmpfiUpartarieiiUam. 359
Bis Nachmittags 2 Uhr keine Yerftnderung. Die Anfälle
kehrten mit erneuter Heftigkeit alle 20 bis 30 Minuten
wieder. Unterdessen war Eis herbeigeschafft worden, uro
damit gefüllte Blasen über den Kopf zu legen. Innerlich eine
SduL natr. nilr. c. syr. ruh. id. Epispastica im Nacken, auf
dem Thorax etc.
Im Laufe des Nachmittags und Abends kein Nachlass.
Pulsfrequenz 140 — 160, cyanotische Erscheinungen grossartig,
Respiration steigend stertoröser, Lungenödem drohend.
Da der Puls während der Intermission abwechselnd noch
eine gewisse Völle zeigte, wurde mit Zustimmung eines herbei-
gerufenen CoUegen um Mitternacht ein Aderlass von 8 Unzen
gemacht Eine noch reichlichere Blutentziehung widerrieth
das rasche Sinken des Pulses.
Am 26. September früh 1 Uhr zeigte sich noch kein
Nachlass in der Intensität und Frequenz der Anfalle. Nach
einigen Dosen von Morph, acetic. Vi^ Gr. schien jedoch die
Intensität der Anfalle abzunehmen. Gegen 4 Uhr früh, als
der letzte Paroxysmus eintreten wollte, reichte ich die achte
Dosis. Er war ziemlich anhallend, jedoch die Erscheinungen
beruhigender.
Nachdem nun in 20 Stunden über 40 Anfalle sturmvoll
Tonibergegangen, -verharrte zwar die Kranke in soporösem
Zustande, jedoch es trat reichlicher Schweiss ein, das Athmen
wurde freier, die Hitze des Kopfes geringer, die Pulsfrequenz
sank auf 120 bis 130. Statt der Eisblasen einfache kalte
Ueberschläge. Innerlich von Zeit zu Zeit noch Solut natr. nitr.
In den Vormittagsstunden gegen 10 Uhr mochte die
Kranke das Schreien des Kindes vernehmen, blickte einen
Moment auf, schlief jedoch wieder fort. Angeregt öffnete sie
das erste Mal den Mund und schlang mit Begier das dar-
gereichte Wasser.
Während des übrigen Tages Abnahme der Temperatur
und Pulsfrequenz. Das Bewusstsein noch sehr gestört, die
Kranke, obwohl sie bisweilen aufblickte, war noch theil-
oahmslos.
Abends 10 Uhr sank die Temperatur auffallend, das An-
adien wurde blass, den Körper bedeckte ein mehr kühler
wasseriger Schweiss* Puls mehr matt, klein, 100.
360 XXVI. Qrüüieh, Drei FKlle von EcUmpsU partnrienllBm.
Die kalten Ueberschläge waren schon einige Stunden
weggelassen worden. — Infus, rad. ipecac; zum Getränk
etwas Wein mit Wasser.
Die Kranke schlief die Nacht zum 27. September ziemlich
rahig, die Haut bedeckte in den Morgenstunden ein duftender
warmer Schweiss, der Puls hatte an Völle zugenommen.
Pulsfrequenz in den Vormittagsstunden 90. Die Kranke er-
kannte ihre Umgebung, wusste aber weder von ihrer Nieder-
kunft, noch Yon dem übrigen Vorgange etwas. — Sie genoss
mit Appetit etwas Suppe.
Die Lochien flössen regelmässig, keine Spuren einer
krankhaften Aflection des Uterinsystems. — Stuhlausleerung
war bisher nicht, Harnexcretion mehrmals unwillkärlich
erfolgt. — Therapie wie gestern. Nächstdem Application
eines Clysm. emoU., worauf bald Stuhl- und Harnentleerung
folgten.
Schlaf in der Nacht zum 28. September gut. Kopf beim
Erwachen freier, Bewusstsein klarer. Spuren von beginnender
Milchsecretion. Solut. chinin. sulphur. cum syr. cort. aur.
und einige Tropfen Aeth. acet.
Der allgemeine Zustand bessert sich am 29. September
bid auf eine gewisse Kraftlosigkeit wesentlich. Alle Functionen
gehen regelmässig von Statten. Harn, der früher nidit
beobachtet werden konnte, normal. Milchsecretion beginnt
reichlicher zu werden, deshalb wird die Stillung des Kindes
fortgesetzt, wenn gleich in grösseren Zwischenräumen.
Vom 3. October ab keine besonderen Erscheinungen.
Reconvaiescenz ging ziemlich gut vorwärts.
Zur wirklichen Erholung bedurfte die Kranke mehrerer
Monate. — Dass die Krankheit tief in das Leben eingegriffen
hatte, zeigte nicht nur die lang andauernde Vergesslichkeil,
sondern auch der theilweise Verlust des Haupthaares.
n. Eclampsia parturientis.
Der zweite Fall von Eclampsie betraf die 20 Jahre alte
Frau Chr. L. Rudolph^ Weberin zu Walddorf, vor Beendigung
des sechsten Monats der ersten Schwangerschaft
Frau R. erlitt weder in den Kinderjahren, noch im
jungfräulichen Zustande besondere Krankheiten, nur dass sie
XXVI. QHOlieky Drei F&Ue von Eclampeia partvrientiani. 361
in den Evolatioosjahren ziemlich cblorotisdi wurde. Sie
menstrairte regelmässig schon luil Beginn des 15. Jahres,
obwohl das Menstruationssecret blassroth wässerig war. Im
18. Jahre traten in Folge eines bei einer Menstruation zuföUig
erüttenen Schrecks die Katamenicn zwar regelmässig, aber
jedes Mal mit krampfhaften Schmerzen ein. Die chlorotischen
ErscbeinungeD hatten sich zum Theil verloren, ihr Körper war
äemlieh kräftig musculös ausgebildet, nur blieb das Ansehen
anämiseh. Im 19. Jahre concipirte sie das erste Mal und
▼erheirathete sich 19 Jahre 9 Monate alL Die Schwanger-
schaft war bisher normal veriaufen.
Ohne nachweisbare Ursachen stellten sich am 2. November
1861 den Tag über eine Art Gastralgie, Kopfschmerz ein,
denen Abends 9 Uhr Würgen, Erbrechen von Speisen, Schleim
und etwas Blut folgten. In der Nacht V2II ^^ ^a^ plötzlich
der erste eclamptische Anfall ein mit folgender Bewusstlosigkeit
und soporösem Zustande. Die Nacht hindurch waren stündlich
drei bis vier Paroxysmen vorübergegangen. Bei den raschen
Aufeinanderfolgen derselben und der gänzlichen Bewusstlosig-
keit der Kranken hatten die Angehörigen von Hinute zu
Minate den Tod erwartet.
Am 3. November. Früh 5 Uhr gerufen, fand ich die
Kranke während einer Intermission in bewusstlosem soporösem
Zustande mit stertorösem Athmen, einer Pulsfrequenz von 140«
Yor dem Munde stand noch blutiger Schaum, die Zunge war
sehr zeii>i8sen. Gesicht blassroth. Temperatur allgemein
erhöbt, doch minder als im ersten Falle.
Die Exploration der inneren Genitalien ergab noch kein$
Vorbereitung zur Geburt.
In wenigen Minuten begann ein neuer Anfall unter den
gewöhnlichen edamptischen Erscheinungen. Das cyanotische
Ansehen war ziemlich stark ausgeprägt, obwohl sich der
grosse Orgasmus bei dem mehr anämischen Individuum weniger
bemerklich zu machen schien. Die nervösen Zufalle die ge-
wfthnlicben, Contractionen des Uterus wahrzunehmen. Es
worden 6 Dos. Morph, acet. zu Viq Gr.* alle zwei Stunden
ein Pulver zu geben. Kalte Fomentationen über den Kopf,
Epiq[>astica im Nacken und auf die Extremitäten abwechselnd.
362 XXVI. OrUUiehf Drei Fälle von Eclampsia parturieDdam.
Um 10 Uhr Vormittags Application von zehn starken
Hirud. an Kopf. Zweistündlich 1 Gr. Calomel, bis Ausleemng
erfolgt.
Abends 6 Uhr war der Zustand derselbe. StAndlich zwei
bis drei Paroxysmen. Die Blutegel hatten viel Blut entzogen.
Nachblutungen stark. Aus der verwundeten Zunge hatte vier
Stunden lang eine ziemliche Blutung stattgefunden. Die Ver-
wundung konnte man nicht genau beurtheilen, weil der Mund
festgeschlossen war. — 4 Dos. Calomel waren ohne Winkimg
verabreicht werden. Harn war unwillkürlich abgeflossen.
Puls 140. — Kalte Fomentationen , Epispastica fortgesetzt
Ein geschärfies Klystier, worauf eine massige Entleerung folgte.
Tart. stib. gr. ij., solv. in aqu. destiil. Sij. S. Stündlich ^^E^»-
löffel. — 4 Dos. Morph, acet. zu Vi« ^r. S. Alle 2 Stunden
ein Stück.
Nachdem mehr als 60 Anfalle vorübergegangen, war in
der Nacht des 3. zum 4. November V2I2 Uhr Stillstand ein-
getreten, nur gegen 2 Uhr fVüh den 4. November hatte steh
die Kranke etwas herumgeworfen.
Nachmittags 2 Uhr erfolgte überraschend die Geburt eines
ziemlich sechsmonatlichen todten, Spuren der Verwesung
zeigenden Fötus -mit geringem Blutergusse.
Die Kranke verharrt im schlafsüchtigen Zustande, ver*
nimmt wohl den Ruf ihres Mannes, blickt aber nur momentan
auf; verräth Empfindlichkeit beim Drucke auf die Utering«gend.
Gesicht massig geröthet, Temperatur massig, Haut feucht,
Puls 130. Das eingeflösste Wasser wird willig geschluckt —
Lochienfluss mehr fleischwasserähnlich, unbedeutend.
In den folgenden Tagen tritt allmälige Besserung ein,
das Bewusstsein ist hin und wieder freier, die Functionen
regeln sich. Der Harn, der bisher nicht zu erhalten war,
blassgelb, normal, ohne Eiweiss. Puls zwischen 100 — 110;
am 9. November anhaltendes Nasenbluten, danach Eingenommen-
heit und Schwere des Kopfes.
Seit dem 15. November ist der Zustand wesentlich ge*
bessert, Kräfte zii|[enommen , jedoch Schlaf noch unruhig.
Gedächtnissschwäche besteht fort, denn die Kranke erinnert
sidi nicht der Vergangenheit, nicht einmal ihrer Verheirathung.
Gesicht mehr blass, etwas üdematös, wie die Füsse. Milch-
XXYJ. 6^Ha{ie&, Drei FKIla von ßdaroptia partarientkun. 363
secrelioD vorfiber, Lochien gering. Stuhl selten. Appetit
massig. Puls 95 — 100.
Im Laufe einiger Wochen bat sich Patientin so vollkonmien
^■^^9 dass die Krankheit lüs auf einige Vergessb'chkeit keine
nacbthetlige Folgen zurückgelassen hat
in. Eclampsia ante partum.
Frau Amalie Auguste Halang von Alt-Gersdorf, Nähterin,
weniger kräftiger Röq)ercon8titution, wurde in den Evolutions-
jahren ziemlich chlorotisch und menstruirte mit vollendetem
18. Jahre regelmässig. Sie concipirte im 21. Jahre das erste
MaL Im 7. und 8. Schwangerschaftsmonate trat ohne nach-
weisbare Erkrankung der Nieren anfangs Oedem der Genitalien,
dann der Pässe, allmälig der ganzen unteren Extremitäten,
des Gesichts ein. Verdauungsstörungen oder krampfhafte
Erscheinungen waren nicht beobachtet worden.
Zu Ende des achten Monats am 29. October 1860 früh
gegen drei Uhr bemerkte Frau Halang ein krampfhaftes
ZiebeD in den unteren Extremitäten, dem sehr bald Ein-
genommenheil des Kopfes, Bewuastlosigkeit und kurzer Schlaf
folgten. Nach einer kurzen Intermission wiederholte sich ein
ähnlicher Krampfanfall. Früh gegen sechs Uhr gerufen, fand
ich die Frau in einem so eben begonnenen einige Minuten
andauernden vollkommenen eclamptiscben Anfalle mit den
gewöfanlkhen Erscheinungen.
Hierauf folgte die Intermission mit soporösem Schlaf,
stertorösem Athmen, beschleunigtem (140), weniger kräftigem
Pulse, massig erhöhter Temperatur.
In einer halben Stunde erwachte die Kranke, war etwas
befangen, wusste nichts von dem Vorgange. Ihr Ansehen
war mehr bydrämisch oedematös, Schamlippen und untere
Extremitäten bedeutend oedematös. Zunge stark verwundet,
blutend. Harn unwillkörlich abgegangen. — Keine Spur von
Geburtswehen. Exploration der inneren Geburtstbeile ergab
noch keine Vorbereitung zur Geburt. — An den Brust- und
Unterleibsorganen keine besonderen krankhaften Erscheinungen
bemerklich.
Für den Augenblick verordnete ich ein paar Gaben
Liq. amm. succ, zwei Pulv. Morph, zu V^ Gr. und Mosch.
364 XXTI. €hiaaeh, Drai FSlle ron Eelamptia partnrientiam.
zu ^Z, Gr. S. Sogleich 1 Stück, das andere nach 4 Stnnd<»
zu reichen. Kalte Fomentation auf die Stirn, Epispastica
an die oberen Extremitäten.
In den Nachmittagsstunden zwei AnfUle, Abends 5 Uhr
Zustand nicht verändert, bis auf grössere Eingenommenheii
des Kopfes. 1 Pulv. Morph, und Mosch, wiederholt. Nächst-
dem eine Emuls. sem. pap. alb. Amjgd. dulc. c. extr. hyosc.
et aqu. lauroc.
In der Nacht zum 30. October drei Anfälle in Zwischen-
räumen von 2 bis 3 Stunden und während des Tages noch
fünf intense Paroxysmen mit folgender grösserer Bewusst*
losigkeit und tieferem Sopor. Nachmittags ö Uhr Aufhören
der krampfhaften Erscheinungen, anhaltender ScUaf, reich-
licher Schweiss, ruhigeres Athmen. Puls etwas Voller, 110*
Am 31. October und 1. November schlief die Kranke
abwechselnd, nahm die dargereichten Getränke willig, war
aber theilnahmslos.
Nachmittags wurde sie von einem ziemlich heftigen
SchütteltjTost befallen, welcher das Absterben des Foetus an«
zudeuten schien. Weder Zeichen erwachender Geburtsthätig«*
keit, noch krankhafte Erscheinungen in den Sexualorganen
beroerklich. Dieselbe Behandlung wurde fortgesetzt
Aus dem am 2. November erhaltenen mehr blassen Urin
schied sich beim Kochen etwas Eiweiss aus.
Erst im Laufe des 5. Novembers traten Geburtswehen
ein und Nachmittags erfolgte die Geburt eines (odten Foetus
mit vorgeschrittener Verwesung.
Der Verlauf des Wochenbettes war ohne Krankheits*
erscheinungen, Lochien massig und Milchsecretion bloss an-
gedeutet. Das Oedem der Extremitäten und des Gesichts
nahm bei fortbestehender Hautthätigkeit sehr bald ah, jedoch
das der äusseren Genitalien war sehr hartnäckig und schmerz*
haft, erforderte somit eine längere örtliche Behandlung.
Unter guter Haltung und bei nährender Diät erholte sich
Patientin gänzlich.
XXyn« ITiiidfeeZ, Zur EntlerBnng der Naohgebvrt. 366
xxvn.
Zur Entfemiing der Nachgeburt.
Bericht aus der stationären gehurtshülflichen Elhnik
des Herrn GeL ^Medicinakathes Prof. Martin.
Von
Dr. F. Winckel,
Assiitenxant der KSnigl. Unirersitäts- Entbindungsanstalt in Berlin.
Die Behandlung der Nachgeburtsperiode, seit Jahrhunderten
ein StreitapM der Geburlshelfer, ist mit dem bekannten Vor-
schlage CredS^B ^) in eine neue Phase getreten. Das Verfahren,
die Nachgeburt durch Druck aus den Genitalien zu entfernen,
ist zwar nicht neu; auch ist es schon lange „von Einzelnen*'
methodisch angewandt worden. Historisch wichtig sind in
dieser Beziehung namentlich die Notizen zweier Autoren, die
zur Vervollständigung der von Riedel^) und Crede an-
geftihrten Data hier Platz flnden mögen. So sagt Thom,
Bariholinua: „Nee minus peccant, qui frictionibus manu
rudi validis secundas conantur deducere. Tantum pro-
ficiunt ut excoriata cute dolores augeant et tormenta, undc
postea vigiliae, febres aliaque mala sub sequuntur etc. Noch
interessanter ist aber die Mittheilung von Joh. David Busch : ')
»Ebenso habe ich seit mehreren Jahren ein behutsames
Manipuliren ausserlich am Gebärmuttergrund durch einen mit
voller Hand angebrachten Druck von oben nadi hinten und
unten immer sehr vorlheilhaft und dem gefahrlosen Abgange
der Nachgeburt sehr beförderlich gefunden. Ich mache auch
alle Wehemütter, die ich unterrichte, ganz vorzüglich auf
diese Regehi aufmerksam, weil ich fest überzeugt bin, dass
1) Oreddf U^ber die sweekmässigste Methode der Entfernung
der Nachgeburt, Monatsschrift, Bd. XVII., 8. 274.
2) Rtedelf Verhandlongen der Gesellsohaft für Gebortshiilfe
in Berlin, Jahrgang 2, S. 61 sqq.
3) Btuehf Beschreibnng sweier merkwürdigen menschlichen
Missgebnrten nebst einigen anderen Beobachtungen ans der
praktischen Entbindangskonst, Marburg 1803, S. 66, 8.
366 XXtn. Winckel, Zur Entfernang der Nachgeburt.
dadurch mancher Mutterblutfluss verhindert und die Neu-
entbundene mancher schmerzhaften Nachwehe entubrigt wird.*^
Von den späteren Geburtshelfein wurde das Verfahren aber
von Neuem verworfen und unter Andern besonders von
Naegde d. V. als gefährlich geschildert und den Hebammen
geradezu untersagt. Es bleibt daher Crede*s Verdienst,
diese Entfernungsart der Nachgeburt von Neuem untersucht,
methodisch ausgebildet und zur wahren Geltung gebracht
zu haben.
Von den verschiedensten Seiten sind seitdem sehr günstige
Berichte über die mit diesem Verfahren angestellten Prüfungen
eingelaufen. Trotzdem durfte es, bei der Menge von Gegnern,
welche diese Methode noch heute zählt, nicht überflüssig sein,
die Resultate anzuführen, die in der geburtsbulflichen Klinik
des Herrn Geh. Medicinalraths Dr. Martin damit erzielt wurden.
Seit der Einführung der fast alleinigen Anwendung dieser
Methode kamen hierselbst etwas über 400 Geburten zur
Beobachtung, bei welchen die Methode in dec aus der unten
als Anhang angefügten Tabelle ersichtlichen Weise genau
geprüft wurde. Mit Hinweis auf alle bisher beobachteten
Fälle, deren vollständige tabellarische Veröffentlichung zu weit
führen würde, gebe ich die erzielten Erfolge hier im Zu-
sammenhange.
Was zunächst die Ausführung dieser Methode betrifft,
so macht Credd darauf aufmerksam, dass der Handgriff zwar
etwas eingeübt werden müsse, aber verhällnissmässig schnell
sicher angeeignet sei. Ich kann dem vollständig beistimmen
und glaube sogar, dass diese Art der Entfernung viel leichter
zu lehren ist als die bisher gebräuchliche. Man hat nur
hauptsächlich auf folgende Punkte zu achten. Zunächst ist
es sehr gut, was schon Strassmann ^) besonders hervorhob,
direct nach Ausstossung des Rindes durch ein festes Umfassen
des Fundus uteri das noch in der Gebärmutter befindliche
Fruchtwasser ganz auszutreiben und so die Krafl des Uterus
auf die Lösung der Placenta allein zu concentriren , wodurch
die Dauer der Nachgeburtsperiode wesentlich abgekürzt wird.
1) Siraasmann ^ Erfnhrungen über die CredS^Bche Methode
sar Entfemang der Nachgeburt, Monatsschrift, Bd. XIX., S. 132.
XXYII. TPtiMM, Zur Entfernung der Nuchgebnrt. 367
Man hat ferner darauf zu achten, das Reiben und Drücken
genau von einander zu trennen. So lange der Uterus nicht
allseitig contrahirt ist, hilft ein Druck gar nichts, da ist nur
ein sanftes kreisförmiges Reiben desselben zu empfehlen;
besonders derjenigen Partieen, welche weniger hart sich an-
fühlen, als andere. Ist aber die Contraction vollständig und
aUseitig, so ist der Fundus voll und fest zu umfassen und
ein nach Umständen verschiedener Druck mit voller Hand
auf ihn auszuüben. Dieses letzte Manoeuvre lässt sich sehr
leicht den Studirenden beibringen. Man fordert sie auf, den
Fundus uteri wie eine Kugel mit der rechten Hand fest zu
umspannen, überzeugt sich davon, ob derselbe genau gefasst
ist und drückt nun seihst mit der auf jene rechte Hand
gelegten linken die Placenla heraus. Der Praktikant drückt
dabei gar nicht, sondern lernt nur durch unsere Hand die
Höbe und Richtimg des nothwendigen Druckes kennen, sowie
die Veränderung der Stellung und Grösse des Uterus, die
während des Herausgleitens der Nachgeburt vor sich gehen.
Es giebt freilich einige Zustände, welche die Ausübung
dieses Verfahrens manchmal sehr erschweren. Dahin gehört
zuerst eine zu starke Anspannung der Bauchmuskeln.
Es gelingt zwar öfter, durch Anziehen und Beugen der
Schenkel, diese zu vermindern, oft aber ist sie recht hinder-
licb und wird nur allmälig durch ein Eindringen der Hand
zwischen die Recti abdominis und durch allmälig verstärkten
Druck fiberwunden. — Fast noch hinderlicher sind sehr
fette Bauchdecken, die ein festes Umfassen des Gebär-
muttergrundes ausserordentlich erschweren. Glücklicherweise
sind diese Fälle selten. — Hinderlicher aber als beide Um-
stände ist noch die Ungeduld des Geburtshelfers.
Es ist nicht zu leugnen, dass diese bei diesem Verfahren
leichter eintreten kann, weil die Zeit, während welcher man
den Fundus uteri umfasst hält, in der Regel länger erscheint,
als sie wirklich ist. Sucht man sie ohne Uhr zu taxiren,
80 wird sie gewöhnlich fast verdoppelt und die Langeweile
verleitet uns zu vorzeitigen Druckversuchen, welche nicht
sehen ermüden. Dies ist sicher die Hauptklippe, an der
Anfanger und die, welche mit der anderen Methode vertraut
«nd, sehr oft scheitern. So allein sind die Fälle erklärlich.
338 XXTII. Wincka, Zur Entfernang der Nachgeburt.
in denen nach vergeblichen Druckversuchen die bisher
gebräuchliche Methode leicht zum Ziele geführt haben solL
Der Hauptzweck der Methode ist der, die ganze
Placenta bis v«r die äusseren Genitalien zu schnellen,
darin beruht aber auch ihr Hauptuutzen und so lange dies
nicht erzielt ist, ist die Operation nicht vollendet. Dadurch
allein wird die MögUchkeit einer Infection durch inter partum
entstandene Schleimhautrisse fast unmöglich gemacht und
ein Abreissen von Nachgeburtstheilen so weit als möglich
verhütet Ganz zu vermeiden ist das letztere freilich nicht, —
aber es betrifft immer nur Eihautreste und nicht Theile von
Cotyledonen der Placenta. Es sind namentlich die uneingestülpt
heraustretenden Nachgeburten, denen die Eihäute ganz
nachfolgen, bei welchen ein Abreissen derselben öfter vor-
kommt. In der Regel ist aber die Uterinfläche durch die
rasche Austreibung von den Eihäuten überdeckt, die Fötalfläche
erscheint zuerst zwischen den Genitalien (unter 100 Fällen
61 Mal) und dann sind die Eihäute immer ganz vollständig.
Uebrigens haben Cred6, Straasmann, Spiegelberg^
Bossi u. A. die Vorzüge dieser Methode vor allen anderen
bereits so ausführlich dargethan, dass ich diese hier ganz
fibergehe.
Die Dauer der Nachgeburtsperiode anlangend, so
habe ich dieselbe für diese Metliode in- 125 durchaus normalen
Fällen genau nach Minuten bestimmt; sie schwankte zwischen
2 und 15 Minuten und betrug im Durchschnitte nur 57$ Minuten.
Dabei habe ich mich zugleich sehr oft überzeugt, dass die
Nisus ad secundinas keineswegs so spät auftreten, wie z. B.
von Hegar angegeben wird und wie die meisten neuen Lehr-
bucher der Geburtshuife behaupten. Nicht selten kann man
in den ersten 2 — 3 Minuten nach der Ausstossung des Kindes
schon ein mehrmaliges Härlerwerden des Uterus wahr-
nehmen, auch ohne dass man ihn reibt.
In Bezug auf die Reaction der Halbentbundenen
gegen dieses Reiben und Drucken des Uterus erwähne ich
das Verhalten von 120 Individuen. Von diesen klagten zu-
nächst gar nicht 55, darunter 31 Erstgebärende und
24 Melirgebärende. Kaum stöhnend, wenig klagend
verhielten sich 46, 32 Primi-, 14 Multiparae. Als lebhaft
XXVIL Wimtäa, flw JBnaenMttig dtor Nacbsebmrt 368
r«agireiid, laat stöhnend oder schreiend sind 19
■otirt, bei denen das Verfahren gleichwohl mit gutem Erfolge
beendet wurde« Unier diesen 19 waren 12 Erstgebärende
und 7 Mebrgebärende, und es konnte als Ursache der un-
gewöhnlich starken Reaction nachgewiesen werden: besonders
larte Constitution; grosse Empfindlichkeit; Schmerzhaftigkeit
des Uteros bedingt durch Entzöndung seiner Innenfläche.
Keine derselben zeigte aber eine irgend erhebliche Erkrankung
im Wochenbette.
Von 150 Fällen dauerte sieben Mal die Austreibung der
Nachgeburt länger als V4 Stunde und zwei Mal sogar % Stunde,
aber ancb bei dieser yerzögerten Äusstossung hatte das mit
Erfolg gebrauchte Verfahren keinen nachtheiligen Einfluss
anf das Wochenbett
Ebenso wie bei den rechtzeitigen bewährte sich dies
Verfahren auch bei den bis jetzt Torgekommenen unzeitigen
and fröhzeitigen Geburten. Bei einem Partus immaturus im
sechsten Monate der Schwangerschaft wurde die Placenta
nach 10 Minuten leicht durch Druck entfernt; bei drei Ge-
burten im siebenten Monate in 3 und 5 Minuten. Die übrigen
18 Frühgeburten , von denen 6 im achten und 12 im neunten
und zehnten Monate stattfanden, zeigten bei dieser Methode
eine mittlere Dauer der Nachgeburtsperiode von 4 — 5 Minuten.
Vier Mal kam Placenta praevia unter 400 Geburten zur
Beobachtung: zwei Mal fast central, zwei Mal lateral. Die
eine der ersten Kategorien wurde schon nach zwei Miuuten
leicht bis vor die äusseren Genitalien geschnellt, die andere
15 Minuten nach der Geburt des Kindes mit Zurücklassung
eines Theiles der Eihäute hervorgedruckt In den anderen
Fällen wurde die Nachgeburt nach je 1 und 3 Minuten leicht
durch Druck entfernt
Unter diesen 400 Geburten ereigneten sich femer vier
ZwiUingsgeburten und zwar zwei rechtzeitige und zwei im
Anfange des zehnten Monats. Auch hier wurden beide
Plaeenten in der Regel auf einmal hervorgedrfickt in je 4,
5 und 5 Minuten; nur ein Mal dauerte die Austreibung
10 Minuten.
Wir beobachteten femer eine Frühgeburt im achten
Monate bei einem Prolapsus des stark hypertrophirten Collum
lCoaatMebr.f.O«barUk. 1S68. Bd. XXL, Hfl. 6. 24
370 XXVU. WinOul, KVT fisIfenMng dw Nkcbgehsrt
uteri, welche College Ghusßeroto in den „VerhapdliiDgeD der
Gesellschaft für Geburtshfilfe'' beschrieben hat Fünf HinulM
nach der Ausstossung des Kindes, welche nach Reposition des
Prolapsus trotz beträchtlicher Beckenenge ziemlich rasch vor
sich gegangen war, gelang es mir, die Placenta leicht bis
vor die äusseren Genitalien zu drücken, ohne dass dabei das
hypertrophische Collum uteri von Neuem heraustrat. Der
Uterus blieb auch reponirt, so lange die Wöchnerin in der
Anstalt war.
Auch bei vorangegangenen Wehenanomalien konnte
man mit dem Erfolge dieses Verfahrens* ganz zufrieden sein.
Unter fünf Fällen von exquisiter Wehenschwäche gelang
es drei Mal, die Nachgeburt in je 2, 3 und 4 Minuten durch
Druck zu entfernen; ein Mal dauei*te dies aber 16 Minuten
und in dem fünften Falle sogar volle 45 Minuten. Selbst
diese Person, welche nach drei Mal vierundzwanzigstundigem
Kreissen mit dem Forceps entbunden worden, blieb im
Wochenbette fi*ei von jeder Erkrankung^
Nach vorangegangenen „Krampfwehen'* dauerte die
Ausstossung der Placenta meist etwas länger als gewöhnlich.
Wir notirten dieselbe in 19 Fällen
zu 2 Minuten 2 Mal,
»3 „2m
w ö „ O „
rt * M 2 „
» ö w •■■ w
„10 »1 3 „
»» «^0 „ 1 „
w 45 ^„ 1 „
19 Mal.
Durchschnittlich dauerte die dritte Periode ako 9,5 Himiten.
Da femer das Eingehen mit der Hand in den Uterus
auch oft störenden Einfluss auf die Wehenthätigkeit ausübt,
so erwähnen wir, dass nadh acht vollzogenen Wendungen,
von denen vier bei Placenta praevia ausgeführt wurden (s. o.),
die Nachgeburt ein Mal 10 und drei Mal 15 Minuten nach
XXVII. Wimkd, 2«r ISütfenMng d«r Hacbgebwt. S7l
der AoBStosiuDg des Kindes dorcb Drudi volständig entfernt
wurde.
So wertbvoll sieh also in allen diesen Fällen das be-
sdiriebene Verfahren erwies, so waren wir doch nicht so
glucklich mit demselben wie Cred4, Denn unter jenen
400 Fällen musste zwei Mal die Nachgeburt künstlich von
der Uleniswand abgeschält werden.
Der erste Fall betraf eine Person, die in der ersten
Geburtsperlode an Wehenschwäche gelitten, aus welcher sich
allmälig Krampfwehen entwickelten: es ist der Fall, den ich
bereits in der „Monatsschrift," Bd. XX., S. 444, ausführlich
mitgetheilt habe. Nach vierstündigen vergeblichen Druck-
versuchoi wurde die nur wenig gelöste Placenta mit der Hand
aus dem Uterus entfernt Dieselbe war in der rechten und
hinteren Seite des Uterus massig fest adhärent. Die Lösung
gelang Herrn Geh. Rath Martin nach Ueberwindung des
fest contrahirten inneren Muttermundes ziemlich leicht Der
Blutverlust war unerheblich. Die Placenta wog 28 Loth, die
kunstlich gelöste Partie war stark kalkhaltig, aber ohne
fibröse Stellen. Die Eihäute ziemlich stark zerrissen, jedoch
vollständig. Die Cotyledonen ziemlich dick und resistent.
Die bereits jnter partum mit dem Thermometer constatirte
Endometritis setzte sich im Wochenbette weiter fort und es
bildete sich sehr rasch eine Hetroperitonitis mit Lymphangitis
aus, welcher die Puerpera am Morgen des neunten Tages
unterlag.
Glücklicher endete der zweite Fall, in welchem nach
sehr raschem, kaum dreistfmdigem Geburtsverlaufe bei einer
Primipara die Placenta mit der Hand aus dem Uterus ent-
fernt werden musste, da dreiviertelstflndige Druckversuche
ganz erfolglos, der Uterus ausserordentlich hart und empfind-
lich und gleichwohl kaum der Rand der Placenta im Mutter-
mund zu fßhlen war. In der rechten Seitenlage wurde
während der Narcose die Placenta von Herrn Geh. Rath
Martin gelöst mid vollständig entfernt. Dieselbe, sehr
klein und weich, wog kaum 20 Loth.
An der blassen Uterinfläclie zeigten sich einige knorpel-
harte Gefasspartieen, sonst wenig Kalk und keine fibrösen
Degenerationen. Eine Nachblutung trat hier nicht ein und
24*
872 xxvn.
, Zw fiadbiwMig der Nftchgpebvrt
Puerpera yerfiess sciion am zwölfteo Tage des WochedbeUes
die Anstalt —
Wenn auch durch diese zwei Fälle wiederum constatirt
wird, dass es abnorme Adhärenzen der Placenta giebt, bei
denen man mit der genannten Methode nicht ausreicht, so
sind wir gleichwohl der Ueberzeugang, dass diese Fälle bei
der Ausübung der Cred6*achen Methode sich seltener zeigen,
als man früher immer annahm.
Was endlich den Gesundheitszustand der Wöchnerinnen
betrifit, bei denen die Nachgeburt durch Druck entfernt
worden, so war derselbe in der ganzen Zeit so günstig,
dass wir durchaus keine Veranlassung fanden, dies Ver-
fahren wieder aufzugeben.* Eine von den Genitalien aus-
gehende septische Erkrankung kam im Zeiträume eines Jahres
nur drei Mal vor — im August und October 1862 und
Februar 1863 je ein Fall — , jedes Mal Melrolymphangitis
mit Peritonitis; alle drei endeten tödtlich. Bei den beiden
letzteren folgte die Nachgeburt auf Druck sogar ziemlich leicht
Die Anzahl der bis jetzt hier so behandelten Geburten
ist natürlich zu klein, um statistisch nachzuweisen, dass bei
diesem Verfahren auch die Nachblutungen, Nach weben u. s. w.
seltener und geringer werden. Doch ist dieser Nachweis kaum
lieh«!
No.
der Beob-
achtung
und Zahl
der
Geburt.
Verlanf
früherer
Gebarten.
Verlauf
der
jetsigen Gebart.
Personal-
Terbftltnisse.
Verhalten
der
Gebärenden.
Empfindlich«
keit
während der
Entffarnan^
der
Nachgeburt
46.
Erste
Gebart
49.
Erste
Geburt.
Geburtsdaoer
12 Stunden; etwas
vorzeitiger Wasser-
abfluss; kräftige
Wehen. Ein Knabe
von 6*/« Pfd.
Gebartsdaaer
Sy, Stunden; sehr
kräftige Wehen.
Ein Knabe von
8Vr Pfd.
Mittelgross,
blond,
sehr kräftig.
21 Jahre.
Mittelgross,
sehr kräftig.
22 Jahre.
Bahig
and gut
mitp rossend.
lyDer Druck
nicht so
scbmershaft
wie eine
Wehe.«
Ruhig Nicht im
und gut Mindesten
mitpressend. ' reagirend.
XKVU. WincM, Zur Eatllftntmg d4r Kachgebnrl. 373
i
nocli nSffiig, da gegen erstere das Reiben und Kneten des
Uterus als sehr gutes und sicheres Mittel längst bekannt ist,
und wie schon firüher die Deutschen (s. o. den Ausspruch
▼OD Busch), so in neuerer Zeit namentlich die Engländer
sich desselben bedienen, um Hehrgebärende rascher von ihren
Nacbwehen au befreien.
So sind also die Resultate, zu denen wir auf Grund
Torurtheilsfreier Prüfung dieses Verfahrens gelangt sind, die,
dass die Credd*sche Methode die zweckmässigste und
beste von allen bis jetzt gebräuchlichen Weisen zur
Entfernung der Nachgeburt ist,
dass sie daher immer zuerst ausgeübt werden müsse;
dass sie ferner in der Regel nach 5 — 6 Hinuten schon
zum Ziele führt, wenn man direct nach Ausstossung
des Kindes den Uterus anfangt zu umfassen;
dass sie endlich zwar nicht überall ausreicht; jedoch
das Vorkommen von Adhärenz der Placenta ent-
schieden seltener macht
Als Anhang gebe ich folgende Tabelle über einige
ausgewählte Fälle, bei denen etwas Resonderes notirt werden
musste, zugleich um die Art der Prüfung darzulegen, wie sie
in allen Fällen angestellt wurde.
Imehen
lerGe-
pTt def
indes n.
Miirt.
StSrke
des
Dmckes
bei Ent-
' feranag
der Nach-
geburt.
Art
des
Austrittes
der
Nach-
gebart.
Beschaffenheit
des
Frnchtkachens.
Blutung.
Wochenbett.
6
Cauteo.
3
Hmutes.
MSssig
starker
I>ruek.
Ein-
gestülpt.
1 Pfd. 8 Loth ;
enorm yiele Kalk-
concremente und sehr
rauhe Uterinfl&che.
Leichter
Druck.
Ein-
gestülpt.
iPfd. 10 Loth;
eine dicke fibröse
Schwarte an der
Uterinfläehe; ziem-
lich Tiel Kalk;
Bisa leitlich.
Nein.
Ohne jede Störung.
Blutung
aus einem
Schleim-
hautrisse
am
Introitus
Taginae.
Ohne besondere
Störung.
874 XXVII,
y 2«f fitttfiniug der Kftcligdrott
No.
der Beob-
Bchtnng
und Zahl
der
Gebort.
Verlauf
f ruberer
Gebarten.
Verlauf
der
jetiigen Geburt.
Personal-
Terbttltnisse.
Verbauen
der
Gebärenden.
£mpfiadl
koit
während
Bntferai
der
Naeh^eln
51.
Erste
Gebart.
69.
Erste
Gebart.
68.
Erste
Geburt.
Geburtsdauer
lOy, Standen;
kräftige Wehen.
Ein Knabe von
6V, Pfd.
Geburtsdauer
19 Vs Stunden;
kräftige, doch nicht
ausreichende
Weben. Forceps.
Placenta praevia
marginalis.
Lebendes Mädchen
von 6V, Pfd.
Erste Periode
10 V, Stunden ;
sweite Perlode
1 Stunde;
sehr gute Wehen.
Mädchen von
7Vr Pfd.
Klein,
gut genährt,
kräftig.
fii Jahre.
Klein,
scoliotisch,
dunkelblond,
anämischi
durch
Blutungen.
29 Jahre.
Buhig,
gut
mitarbeitend.
Suhig,
aber
erschöpft.
ZiemlU
•tArk
stöhnen
Mittelgross,
blond,
kräftig.
22 Jahre.
Buhig
und gut
mitpressend.
Nicht im
MindestaBi
reagirend.
XXfSL FTOmM, Sbwt ttilfaniug tor »Mbflvbitft 375
Art
des
StSrke
des
Druckes
bei Ent- Austrittes
ii.f femasg ^««^
-der Nach- Nach-
geburt.
Starker
Druck.
geburt.
Beschaffenheit
des
Fruchtknobeiis.
Wochenbett.
Ein-
gestülpt.
MXssig
starker
Druck.
Unein-
ge-
stülpt.
8
buten.
1 Pfd.;
dSnn, weich, marginaler
Eibaotriss, sehr viele
Kalkablagernngen.
IPfd. 6V,Loth;
sehr gross; Biss am
Bande; Nabelschnur
29" lang; viel Kalk-
ablagerongen und alte
BlutgerinnteJn.
Nein.
Sehr
geringe
Nach-
blutung
bald
beseitigt.
Leichter
Drpek.
Ein-
ge-
stfllpt
.
29 Loth;
dann; sehr viel Kalk;
Eihltute sehr serrissen,
fast marginale Insertion
der 19" langen Sdinnr.
Nein.
Sehr gut
Am sweiten Tage.
Frost, Fieber, Leib-
schmers; Peritonitis —
allmälige Genesung
innerhalb dreier
Wochen, nach Dnrch-
bruch des Exsudates
und Entleerung in den
Darm. In der vierten
Woche bereits ausser
Bett — - Difttfehler, —
Becidiv der Peritonitis.
Tod in 24 Stunden, ~
im Anfange der
sechsten Woche na«h
der Geburt. —
Section:
Die Genitalien voll-
stftndlg gesund und
normal surfickgebildet ;
diffuse Peritonitis,
faustgrosse Höhlen und
Echinococcusblasen
der Leber (an 30 Stück);
apfelgrosser Abscess in
derselben. Darminhalt
in die Bauchhöhle er-
gossen durch die ge-
trennte frühere
Perforationsstelle.
Die übrigen Organe
normaL
Sehr gut
S7& XXyn. W(nMl,^T Biliforamg ieir KtchgbiMin..
No.
der Beob-
achtung
and Zahl
der
Gebart.
Verlauf
früherer
Geburten.
Verlauf
der
jetzigen Gebart.
78.
Erste
Geburt.
78.
Zweite
Geburt.
7«.
Zweite
Geburt»
81.
Zweite
Geburt
83.
Zweite
Geburt.
Erste Entbin-
dung dauerte
2y, Stunden.
Nachgeburt
durch Reiben
des Leibes Ton
der Hebamme
entfernt.
Erste
Entbindung
dauerte
24 Stunden.
Kaehgeburt
auf die „alte
Art entfernt <<.
Erste Entbin-
dung dauerte
lOVa Stunden.
Nachgeburt
künstlich
Yon der
Hebamme
gelöst.
Erste Periode
8 Stunden;
•weite Periode
ly. Stunden;
sehr kräftige Wehen
(verengtes Becken,
Nabelschnunrorfall.
Todtes Band von
6 Pfd. 21 Loth.
Erste Periode
6 Stunden;
aweite Periode
1 Stunde;
sehr kräftige Wehen.
Knabe von 9Vio P^d.
Erste Periode
5'/4 Stunden;
iweite Periode
2 Stunden;
sehr starker
Hängebauch;
sieml. gute Wehen.
Knabe von 77, Pfd.
Erste Periode'
12 Stunden;
zweite Periode
1% Stunden;
„ Krampfwehen " ;
Knabe von 1*/^ Pfd.
Personal-
Verhältnisse.
Verhalten
der
Gebärenden.
Empfindlieli
keit
während d«
EntfemuniQ
4er
Nachgeburt
Erste Periode
3 Stunden;
sweite Periode
ly. Stunden;
kräftige Wehen.
Mädchen von
67^ Pfd.
Klein,
brünett,
Bcoliotisch,
kräftig.
31 Jahre.
Gross,
blond,
sehr kräftig.
32 Jahre.
Klein,
brünetty
stark
scoliotisch,
aart.
26 Jahre.
Gross,
blond,
blasB,
schwächlich.
26 Jahre.
Gross,
blond,
liemlich
kräftig.
26 Jahre.'
Ziemlich
ruhig.
Nicht im
Mindesteoi
reagirend.
Gut
mitpressend
und ruhig.
. Kaum
stSbnend. {
Ruhig,
gut
mitpressend.
Gar nicht
st6hnen4.^
Sehr
unruhig,
laut
schreiend.
Etwas
stöhnend, i
Laut '^^
schreiend.
Gar nicht
stöluiea4. ^
r'
XX?1L WimeM, Znr Eatrernvag.dar Haobgebatt» 377
Stftrke
^^^^B i
dee
Art
Dmekai
bei Ent-
fennag
des
Aastrittes
der
Bescbaffenbeit
des
Fmcbtknebens.
Blutung.
Wochenbett.
Ubck*
der Nach-
Nacb-
gebort.
gebnrt.
C^
Krifligor
Xin-
1 Pfd. 4 Lotb;
Nein. '
Am achten Tage.
■ileB.1
1
(
Dmdc«
gestiilpt.
dO" Isnge Schnnr (ein
Mal nmschlnngen);
viele fibröse
Schwarten; blut-
leere Plaoenta
ohne Kalk.
Durch Erkältung
Darmcatarrh , sonst
ganz gesund.
ptttan.
M&esig
XTnein*
IPIIi. Mlioth;
Nein.
Länger (6— 8 Tage)
starker
ge-
sehr viel Kalk;
dauernde blutige
Dmek.
stfilpt.
fast marginale EihKnte,
Lochien, — ohne
!
86" lange Nabelscbanr.
Fieber bei Un-
wohlsein. Am
achten Tage ent-
lassen.
s
Missig
Ein-
IV4 P«.;
Nein.
Am 11. Tage gesund
hataa.
starker
?•-
gross; schlaff;
entlassen.
Dntek
stnlpt.
mit fibrösen Par-
(linke H.)
tieen der Uierin-
fläcbe*
4
Missig
ünein-
1 Pfd. 4 Lotb;
Eine
1. Befinden Biemlicb
laaten.
starker
g*-
mit fibrösen
Stunde
gut. 2. Frost,
Dmek.
stfilpt.
Schwarten mit
nach der
Fieber, lebhafter
m
vielem Kalk;
Geburt
Leibschmers.
getrennte EihKnte;
siemlich
8. Frost, lebhaftes
seitlicher Riss.
beträcht-
liche
Blutung
durch
Reiben
Fieber.
4. Perimetritis ohne
Ezsudation ; lang-
same Bfickbildung
des Utems;
and Seeale
gestillt.
Besserung mit pre-
fosen Schweissen.
Am 14. Tage gesund
entlassen.
4
Leiebter
Unein-
1 Pfd.;
Nein.
Sehr gut.
Unataa.
Draek«
ge-
stülpt.
Biss fast marginal;
geringe fibröse
Partieen;
kein Kalk.
378 XXYII« WhtM, Z«f JSiitfenivng dM IftchenibiiTli
No.
i
EmpfinS
w&hren^ ^
Entferoi
Nach^
der Beob-
achtang
und Zahl
der
Verlauf
frfiherer
Geburten.
Verlauf
der
Jetzigen Geburt.
Personal-
yerhältnisse.
VerhalfteB
der
Gebärendes.
Oebnrt.
85.
Pau^r der
Erste Periode
Gross, 1
Sehr laut
Laut
Zweite
ersten Geburt
6 Stunden;
kräftig.
brüllend.
stöhne«^
Gebi;rt
drei Stunden;
Bweite Periode
ausser-
Blutung nacb
1 Stunde;
ordentlich
Entfernung der
kraftige Wehen.
fett.
Plaeenta durcb
Mädchen von
die Hebamme.
6V, Pfd.
89.
_
Erste Periode
Mittelgross,
Schreiend,
Kanw
Erste^ 1
5 Stunden;
blond,
doch gut
stöhn M||
Geburt.
zweite Periode
8 Stunden:
sehr kräftige
Wehen; Nabel-
schnur ein Mal
umschlungen.
Ein todter Knabe
kräftig,
gut genährt.
mitpressend*
von ey, Pfd.
1
90.
__
Erste Periode
Mittelgross,
Schreiend,
1
Etwmi
Erste
4 Stunden;
blond,
doch
etohiieii4
Geburt.
zweite Periode
kräftig,
ziemlich gut
2 Stunden;
gut genährt.
mitpressend.
sehr gute Wehen.
-
Knabe Yon S% Pfd.
92.
.»
Erste Periode
Mittelgross,
Laut
Gar nicU
reagireal
Erste
6 Stunden;
blond,
schreiend«
Geburt.
aweite Periode
V4 Stunde;
sehr gute Wehen«
Ein Knabe von 5 Pfd.
ziemlich
kräftig.
97.
Erste
Dauer ^% Stunden
Gross,
Sehr ruhig,
Gar nicht
Zweite
Entbindung
zweite Periode;
blond.
gut pressend.
stöhnendi
Geburt.
6 Vs Stunden,
gute Wehen.
ziemlich
Nachgeburt
Knabe von
kräftig.
durch Beiben
6 Pfd. 19 Loth.
des Leibes
leicht entfernt.
■1
XXYlh Win^M, Ziof Estfetoang 4of Naohgeburt. 379
Lm i StSrko
pulen ' des
Ari .
iGe- ! Dmekee
■ dM bei Ent-
pe lu femmig
Iheh- derNeeh-
des
Austrittes
der
Nach-
Beschaffenheit
des
Frnchtkachens.
Blutung.
•
Wochenbett.
^^ gebart. [ geburt.
1
1
Uteras Eln-
25 Loth;
Nein.
Etwas Nachwehen,
keam i geetülpt.
19'' lange Schnur;
sonst das Befinden
genau ,
seitlicher Biss der
sehr gut.
1
i
»bsu-
1
▼erklebten Eihäute;
grensen,
kein Kalk.
daher
i
sehr
mIOieelig.
1
[4
Ziemlich
Ein-
1 Pfd. 4 Loth;
Nein.
Befinden sehr gut.
Mea. ! letehter
gestfilpt.
26" lange Schnur;
r
Draek.
Riss 2" V. E.;
grosse obliterirte
Pia c enterst eilen;
alte hämorrhagische
Heerde.
•
8
Storker
Ünein-
1 Pfd. 4 Loth;
Nein.
Ohne jede Störung.
■eten. Druck.
stülpt.
20" lange Schnur;
ausserordentlich
▼iel Ealky daher
die Uterinfläche
sehr rauh.
S
Sterker
Ein-
95 Loth ;
Nein.
AnCsngs Befinden
nten.
Druck.
gestülpt.
5—6 dicke
gut: nach dem
Aufstehen noch
** ♦
obliterirte Lappen,
sehr rauhe Uterin-
etvM blutiger
fläche; getrennte
1
Anßfluss^ gesund
Eihäute.
entlassen.
4
Ziemlich
Ein-
1 Pfd. ly, Loth;
Nein.
ßßbT gut.
outen, kräftiger
gestülpt.
26Vs" lange Schnur;
Druck.
iwei obliterirte
Lappen; kein Kalk.
SSO XXVIII. Sckuehardt, Seltener F«ll einer eigenthQmltch ^
XXVHL
Seltener Fall einer eigenthümlich gestalteten
und gelagerten Flacenta praevia mit Erhaltung
von Mutter und Kind.
Von
Dr. Bernhard Schuchardt,
Obergerichts - und Landphysikas eu Nienburg in Hftnnoyer.
(Mit einem Holzschnitte.)
Vor einigen Monaten beobachtete ich eine eigenthümliche
Gestaltung und Lage einer Placenta praevia, wodurch ein
glücklicher Ausgang für Mutter und Kind bedingt wurde.
Es bildet diese Beobachtung in gewisser Beziehung ein
interessantes Seitenstuck zu dem Falle, welcher von Küneke
(Monatsschrift für Gefourtskunde etc., Bd. XIII., Heft 5, 1859,
S. 344 etc.) mitgetheilt ist. Der von mir beobachtete Fall
war folgender:
Den 1. December 1862 gegen Mittag kam der Mann der
mir seit mehreren Jahren bekannten Frau H. aus H. (dreiviertel
Meilen von Nienburg entfernt) und theilte mir mit, dass seine
Frau, welche sich bis dahin in ihrer Schwangerschaft ganz
wohl befunden habe, seit vorgestern Abend, ohne sich irgend
angestrengt oder sonst einer Schädlichkeit ausgesetzt zu
haben, heftige Blutungen aus den Geschlechtstheilen bekommen
habe, welche mit Unterbrechungen bis jetzt fortdauerten. Es
waren nach der genauen Rechnung der zum vierten Haie
schwangeren sechsunddreissigjährigen Frau kaum noch acht oder
höchstens vierzehn Tage bis zum normalen Ende der Schwanger-
schaft übrig; Wehen waren bis dahin nach der Mittheilung der
Ortshebamme an den Mann noch nicht eingetreten, und der
Muttermund war noch nicht so geöffnet, dass der unter-
suchende Finger durch denselben hätte eindringen können. Es
wuitle ruhige horizontale Lage, kühles Verhalten und innerlich
Elix. add. Halleri verordnet und der Mann angewiesen, bei
strenger Beaufsichtigung der Frau Seitens der Hebamme,
geüftlUtttn mid g«Ug«rift» PUeeat» prMTia ete. 381
midi sofort boieo zu lassen, sobald sich wieder eine be-
deutendere Blutung einstellen sollte. Gegen Abend traten
Wehen ein, aber nur in sehr massiger Weise, der Mutier-
Binnd begann sich zu öiihen, und nun konnte die Hebamme
Theile des Muttarkuchens deutlich durchfühlen. Die Blutung
war jetzt fortwährend nur gering. Nachts, nach Mitternacht,
dagegen war wieder eine heftigere Blutung eingetreten, doch
hatte dieselbe gegen Morgen nachgelassen. Die Weben
dauerten inzwischen regeknässig, wenn auch langsam und
nicht kräftig, fort, der Muttermund hatte sich bis zur Grösse
eines Fünfgroachenstücks erweitert, und da die Hebamme
mit Recht den Wiedereintritt heftiger Blutungen ohne sofort
vorhandenen ärztlichen Beistand fürchtete, so wurde ich
geholt Ich war gegen 10 Uhr Morgens (den 2. December)
bei der Frau. Die Blutung, welche überhaupt nie ganz sistirl
hatte 9 war unbedeutend nur in fortdauerndem Abtröpfeln von
Blut; der Muttermund war bis zu einem Durchmesse von
SVa Centimeter geöffnet, in der Mitte und von da nach vorn
und rechts waren die Eihäute etwas rauh durchzufühlen, und
nach rechts und hinten, nach hinten, nach links und nach
links und vorn waren die weichen, rundlichen Cotyledonen der
Placenta zu erkennen. Der Kopf des Kindes lag vor und
war besonders durch das Scheidei^ewölbe ballotirend durch-
zttfiihlefL Die Füsse waren an dem ziemlich ausgedehnten
Bauche nach rechts vom Nabel, der Rücken des Kindes nach
linka von demselbc» bemerkbar; links unten waren die Herz-
töne des Kindes wahrzunehmen. Da im Augenblicke keine
eriiebliche Blutung vorbanden war und die Wehen, welche
bis dahin nur spärlich stattgefunden hatten, nach und nach
anfingen, kräftiger zu wirken, so -verhielt ich mich abwartend,
tumal da die Frau bis dahin durch die vorangegangenen
Blutungen durchaus nicht entkräftet, oder in irgend be-
deutendem Grade blutleer geworden war. Der Puls ^ war
kräftig, voll und hatte 96— 100 Schläge in der Minute. Die
Frau bebnd sich sonst in jeder Beziehung wohl. Von Zeit
zu Zeit überzeugte ich mich durch vorsichtiges Untersuchen,
dass der Muttermund sich nach und nach erweiterte, der
Kopf sieh tiefer stellte und dass mit der Erweiterung des
Muttermundes, dessen Rand sehr weich und nachgiebig war,
QS2 ZXVin. iSelkfcdkarctt, SeÜeiier Fall einer eigeatMlaillch
die Cotyledonen der Placenta sich etwas von d«a* Mitte rar
Seite schoben, so dass die mittlere von piacentarmasse frei
gewordene Stelle der Eihäute innerhalb des Muttermundes sieh
etwas Tergrösserte. Gegen 12 V2 Uhr, als nach 2 V^ stündigem
Verweilen bei der Kreissenden die Wehen schon recht kräft%
geworden waren, der Kopf sich tiefer gestellt hatte, aber
noch immer ober dem Beckeneingange stand, und als der
Muttermund sich so weit eröffnet hatte, dass sein Durchmesser
ö Centimeter betrug, stellte sich wieder eine heftigere Blutung
ein, und ich hielt nun den Zeitpunkt gekommen, die Geburt
zur Rettung für Mutter und Kind rasch durch Kunsthülfe zu
beendigen. Da ich sicher annehmen konnte, dass nach vom
und rechts die freieste Stelle für das Loslösen der Placenta
war, ja zu vermuthen stand, dass ich hier, ohne erheblich
von der Placenta loslösen zu müssen, sofort auf die Eihäute
kommen wurde, und da auch in der rechten Seite der Gebär^
mutter nach vom sicherlich die Fasse zu vermuthen waren,
i»o ging ich zur Ausfuhrung des Accouchement forc^, naolidem
die Kreissende auf das Querbett gelegt war, mit der linken
Hand ein, erweiterte den Muttermund, welcher, ohne er*-
belieb einzureissen , sich bei seiner grossen Nachgiebigkeit
scharf ringförmig, etwas wulstig, wie ein Kautscfaukring, uro
meine Hand und um meinen Arm legte und hatte rechte
vom beim weiteren Eindringen in die Utemshöhle fest gar
nichts von der Placenta zu lösen, sondern drang raseh
zwischen Uterus und Eihäuten hinauf und sprengte etwas
oberhalb der Mitte, als ich gegenüber die Fnsse des Kindes
fühlte, die Eihäute. Es floss sehr viel Fruchtwasser ab.
Ich ergriff nun den Unken Fuss, fährte ihn heranter und
leitete dann in gleicher Weise den rechten Fuss b^witer,
so dass nun weiterhin nach halbentwickeltem Körper der
Kopf im ersten schrägen Durchmesser, mit dem Hinteriiaupte
nach vom und links, stand. Die Lösung der Arme und die
Entwicklung des Kopfes ging darauf leicht und rasch von
Statten. Das Kind, ein Knabe, welches voUkonunen aus-
getragen war und zwischen 6 und 7 Pfund wog« kbte und schrie
sofort sehr lebhaft und kräftig. Schon vorker, als nach dem
Geborensein des unteren Theiles des Körpers bh zun SteisB
der Penis des Kindes aus der Schamspalte hervoiirat, entlieae
das Kind daen kräftigen Strahl klaren Urins in einem Bogen«
wai ebenso drang Meoemuni ans dem Aft^ hervor. Un»
mittelbar naefa der Geburt und Abnabelong des Kindes wunde
mit derselben linken Hand wieder eingegangen und die
Placenta, welche zu einem kleineren Theile nach rechts und
hinten f zu einem grösseren Theile nach links sass, gelöst
und mit den Eihäuten entfernt. Die Blutung, welche während
der Geburt kaum von irgend welcher Erheblichkeit war, war
auch während und nach der Lösung der Placenta nicht
beträchtlich. Gleich nachher wurde die Wöchnerin in ihr
Bett gelegt, erhielt 10 Gran Seeale comutum, und ich über-
wachte während einer halben Stunde durch Auflegen der
flachen Hand auf den Grund der Gebärmutter die Contractionen
derselben. Es traten sehr bald nicht unbedeutende Nach-
wehen ein, bei denen jedes Mal etwas zum Theil flüssiges,
zum Theil geronnenes Blut aus den Geschlechtstheilen sich
entfernte. Nach einer halben Stunde wurde der übrigens
durchaus nicht sehr erschöpften oder blutarmen Wöchnerin
ein halbes Glas Rotbwein dargereicht und kurz nachher erhielt
sie 45 Tropfen Zimmttinctur. Darauf wurde eine feste Leibbinde
angelegt, und, da eine halbe Stunde lang das Bluten fast ganz
nachgelassen- hatte und nur von Zeit zu Zeit ein paar Tropfen
Hut abflössen und da der Uterus sich kräftig zusammen-
gezogen hatte, 80 konnte ich nun, eine Stunde nach beendigter
Geburt, die Wöcfanerin ohne Gefahr verlassen.
Ab^Kls gegen 6 Uhr, als ich bei einer zufalligen An-
wesenheit im Dorfe die Wöchnerin wieder besuchte, fand ich,
daas dieselbe noch nicht geschlafen hatte und dass ab und an
noch einige Tropfen Blut abgegangen waren. Die Nach wehen
waren noch zeitweise aufgetreten, jetzt aber seit einiger Zeit
ganz auagebUeben. Die Gebärmutter war gut zusammen*
gesogen, nicht schmerzhaft, die Haut duftend, der Mund war
ein wenig trocken und etwas Durst vorhanden, der Puls, voll
und gut entwickelt, machte 108 Schläge in der Hinute. Das
Wochenbett verlief durchaus ohne weitere Störung und die
MilGhaecretion trat regelmässig, wenn auch spärlich, ein.
Müller und Kind befinden sich jetzt, Ende Januar 1863,
durchaus wohl.
384 XXTIU. fiefauiarA, fi«U«MiF*llBlMr«lgMtUbalia]i
Die Placenla seigle eine eigenthOmlidie GesUU, wie die«
in der folgenden m Dnttel-GrJisse gerert^D Abbildung
deutlich wird. Sie war m zwei un^eich growe nindbche
HaQptlappeD getheilt, von denen der rechts gelegene kleinere (B)
etwas mehr als >/,, der nach Unks gelegene grösser« (Ä)
beinahe V, der ganien Placenta bildete. Jede dieser beidm
Abtbeilungen halte eine b^nabe kreisrunde, nur etwas linglicbe
Gestalt, wobei die kleinere einen mittleren Darcbmesser von
9 Ceutimeter, die grössere einen solchen von 15 Centimeter
leigte (die Nabelschnur inserirte in gewöhnlicher Weiae dem
Puncte O gegenüber, und es strahlten ausser anderen Ge-
tissen (wei grössere Gefässe mit ihren VenweignogMi von
da etwas divergirend nach dem kleineren Lappen B hinäher),
und beide hingen durch eiae schmale, etwa 6 CentiBetcr
ursprünglich breite Brücke {DC) insammen, weklie gjeicb-
misag von insammenhängender PlaceDtarmasse gehiUet wurde.
Mit dieser Brücke hatte die Placenta nun in der Weise auf
dem Muttermunde aufgesessen, dass lunächst dieselbe weU
neben dem inneren Muttermunde gdegen war, nach und
nach aber bei der Annibemng der inneren and insserea
Huttermundsöffiiang in Folge der successiveo Verkfinung des
CerTicalcanales im weiteren Verlaufe der Schwangerschaft über
den Muttermund mit ihren betreffenden Cotjledonra hinüber
gelagerten und gestalte ten Placenta praevia etc. 385
gewachsen war, so dass vor Beginn der Ei-öflbung des Mutter-
tnnndes bei der Gehurt der noch geschlossene Muttermund
ganz von Placentarmasse innen bedeckt, gewissermaassen von
der Seite her überwachsen war. Dabei haben ganz sicher
die benachbarten Gotyledonen des grossen und kleinen Haupt*
lappens der Placenta die in der Figur dunkler schraffirte im
Gentrum der Muttermundsöffnung gelegene Eihantpartie bis D
hin ganz bedeckt gehabt, und erst mit der Eröffnung des
Mattermundes, welche gewiss schon begonnen hatte, als die
erste Blutung sich zeigte und welche bis zu meiner Ankunft
den 2. December Morgens um 10 Uhr die durch den
inneren Kreis E bezeichnete Grösse der Eröffnung (während
der Kreis F die Eröffnung des Muttermundes unmittelbar
vor Ausführung des Accouchement force bezeichnet) erreicht
hatte, waren durch diese Eröffnung die am Rande des Mutter-
mundes innen festsitzenden Gotyledonen beider Placentar-
iappen zunächst von den Eihäuten losgerissen worden und
zur Seite auseinander gewichen, und hierdurch, sowie durch
das weitere Lostrennen derselben von der inneren Seite des
Muttermundes waren die ersten und weiterhin die folgenden
Blutungen entstanden. Dem entsprechend sah man auch
nachher nur an der dunkler schraffirten , im Bereiche des
erweiterten Muttermundes gelegenen Gotyledonen der Placenta
geronnene Blutstucke auf- und zwischensitzen, als Zeichen
der hier stattgehabten Blutungen. So fand sich demnach
auch bei der ersten Untersuchung von mir um 10 Uhr Morgens
der Muttermund zur Grösse des Kreises E erweitert und
innerhalb desselben fühlte man in der Mitte bis beinahe nach
vom und rechts die Eihäute frei, dabei aber rauh, nicht
ganz glatt, und nach rechts und hinten und im ganzen linken
Umfange des Muttermundes traten hinter dem Rande desselben
die blutenden Gotyledonen der Placenta hervor. Diesen eigen-
thümlich gunstigen Umständen der Lagerung der Placenta ist
es denn auch gewiss zuzuschreiben, dass bis zum Beginne
der Geburt und dem Anfange der Erweiterung des Mutter-
mundes keine Blutung eintrat, indem gewiss erst im Verlaufe
des Verkürzens des Gervicaltheiles des Uterus und des Zuziehens
desselben zur grossen Höhle des Uterus die Placenta ober
die innere Muttermundsöffnung hinüber wuchs. Bis zu dieser
Monalitehr. f. Oebnrtsk. 1868. Bd. ZXI., Hfl. 6. 25
386 XXVIII. Sehuehardt, Seltener Fall eiii«r eigen thfimlich etc.
Zeit konnte demnach die nur seitwärts gelegene Placenta zu
Blutungen keine Veranlassung geben. Als der Cervicalcanal
ganz zur Bildung der grossen Uterusböhle mit benutzt worden
war, zeigte sich nun allerdings der innere Muttermund ganz
von der Placenta bedeckt, allein es ragten soeben nur die
betreffenden Gotyledonen derselben über die innere Oeffnung
des Muttermundes herüber, und dieser Umstand ermöglichte
es, dass mit dem Eröffnen des Muttermundes bei der Geburt
durch das Auseinanderreissen der entsprechenden Gotyledonen
(wobei die beiden grossen Lappen der Placenta, durch beider-
seitige Drehung um einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt nach
hinten, vom (bei D) etwas von einander sich entfernten,
nach hinten zu (bei C) mehr etwas sich näherten) und durch
entsprechende Lostrennung der betreffenden Eihautpartie für
einige Zeit noch ein beträchtlicheres Lostrennen der Placenta
von der inneren Uteruswand und somit eine erheblichere
Blutung vermieden wurde. Erst bei der Erweiterung des
Muttermundes selbst, wie sie durch den Eintritt der Geburt
bedingt wurde, kam es zu erheblicheren Lostrenuungen der
Placenta und demgemäss zu entsprechenden Blutungen. Allein
auch jetzt konnte die Geburt noch einige Zeit sich selbst
überlassen werden und so der immerhin gewaltsame Eingriff
des nothwendigen Accouchement force, was besonders die
gewaltsame Erweiterung des Mutterrmundes betrifft, so weit
hinausgeschoben werden, dass der wirkliche Augenblick des
Eingreifens die für Mutter und Kind günstigsten Chancen
darbot. So kam es denn auch, dass, weil bei dem Vordringen
zu der Stelle der Eihäute, wo die Sprengung derselben vor-
genommen wurde, fast gar kein Theil der Placenta von der
inneren Uterin wandung losgetrennt zu werden brauchte, und
weil bei der schon erheblich von Seiten der Natur statt-
gehabten Vorbereitung der betreflenden Theile zur Geburt die
Kunsteingriffe keine sehr bedeutenden, verletzenden zu sein
brauchten, die Geburt durch die Kunst sehr rasch (innerhalb
etwa 6 — 7 Minuten) beendet werden konnte und dass die
dabei stattfindende Blutung keine das gewöhnliche Maass bei
normalen Geburten um ein irgend Erhebliches übersteigende war.
XXIX, Kotiaea aiM der Joarnäl - Literftinr. 387
XXIX.
Notizen ans der Journal-Literatur.
Qrohe: Ueber den Baa and das Wacbsthnm des mensch-
lichen Eierstockes and über einige krankhafte
Störangen desselben.
Verf. beschäftigte sich haaptsäcblicb mit den Veränderangen
des mensehlichen Eierstockes nach der Gebart. Die Methode,
deren er sich bei seinen Untersachahgen bediente, bestand darin,
dass die Ovarien in Alkohol oder Ohromsäare erhärtet und
Darchschnitte davon darch Natron, Essigsäure and Glycerin
aufgehellt wurden.
Bei Kindern von 1 — 2 Jahren und darunter lässt die Substane
des Eierstockes Bwei mehr oder weniger scharf begrenste Theile
erkennen: eine fast nur ans in feinfaserigen Nerven eingebetteten
Eisäckchen bestehende Rindenschicht und eine centrale, dem
Hilus entsprechende , hauptsächlich aus Stroma und Blutgefässen
bestehende, nur wenige und unregelmässig eingestreute Eisäckchen
enthaltende Marksubstanz. An Neugeborenen ist dieser Gegen-
satz bei kleineren Dimensionen minder scharf; im späteren Alter
verwischt er sich durch Rückbildung von Follikeln wie durch
pathologische Processe.
In der letzten Zeit des Fotallebens und bei der Geburt besteht
das Stroma aas kleinen spindelförmigen Zellen, die meist einen
länglichen oder ovalen Kern und ein punktförmiges, glänzendes
Kernkörper eben besitzen, ferner aus rundliehen Kernen und
Zellen mit scharf ausgeprägtem Ke'rnkörperchen und endlich aus
Zögen von ziemlich zartem, lockigem Fasergewebe, in dem die
zelligen Elemente und Kerne eingestreut liegen. Diese Znsammen-
•eisiiDg des ovarialen Stroma dürfte sich in der ganzen Säugethier-
retfae wiederholen. Die faserige Beschaffenheit des Stroma ist
in der Marksubstanz am frühesten ausgesprochen, während in
der Rindensubstana zunächst nur sehr zarte Ausläufer davon
zwischen den Eisäckchen sich verbreiten. Die Blutgefässe folgen
im Allgemeinen dem Verlaufe der Faserzüge. In derselben Periode
besteht die Rindensubstanz aus einer Masse von Zellenhanfen,
^e sich aus kleinen rundlichen und ovalen, kernhaltigen Zellen
und freien Kernen zusammensetzen, in deren Mitte gewöhnlich
ein grösseres, bläschenförmiges, scharfconturirtes Gebilde mit
deutlichem Kerne hervortritt. Ijetzteree stellt das Keimbläschen
mit dem Keimflecke dar; die daAselbe umgebenden Zellen und
Kerrn« sind die Vorgebilde für die Membrana grannlosa. Von
26*
388 XXIX. KotUen aus der Joarnal- Literatur.
diesen Zollen nimmt ein Theil an der Peripherie der Gruppen
die Spindelform an, wodurch deutliche Fasersellen mit lungeren
und kürzeren Ausläufern entstehen, die, mit dem faserigen Stroma
der Marksubstanz in Verbindung tretend, Faserzüge bilden, welche
jene Zellenhaafen concentrisch umgeben und zugleich von der
Marksubstanz nach der Oberfläche des Ovarinm radienförmig
ausstrahlen. Auf diese Weise bildet sich die Begrenzung der
Follikelräume , wie ihre Anordnung in Reihen und Gruppen nach
einem gewissen Typus. Der Durchmesser der Faserzüge zwischen
den einzelnen Eisäckchen ist von wechselnder StKrke, so dass
man primäre, secundäre etc. Groppirungen unterscheiden kann.
Von Wichtigkeit erscheint, dass nicht selten zwei, selbst drei
Keimbläschen in einen Follikel eingeschlossen werden, wodurch
die anatomische Grundlage für Mehrgeburten, neben denen di«
durch das gleichzeitige Platzen mehrerer Follikel zu Stande
kommen, sich sehr leicht nachweisen lässt.
In der Periode, wo das Stroma in der Bindensubstanz noch
nicht die feste, faserige Beschaffenheit angenommen hat, sondern
aus den spindelförmigen Zellen mit schwach fibrillärer Zwischen-
substanz besteht, ist der Zusammenhang freier einzelner Theile
ein sehr loser. Bei der Präparation von Schnitten, namentlich
beim Zerreissen mit Nadeln, erhält man leicht Objecte, in denen
die Keimbläschen in regelmässigen Längsreihen gelagert und von
den zarten, spindelförmigen Zellen und feinen Fasern des Stroma
begrenzt sind, — ein Bild, welches die Annahme eines röhren-
förmigen Baues des Ovarium in dieser Entwickelungsperiode
durch Vcdentin und Pfiüger veranlasst haben mag.
Das Keimbläschen zeichnet sich schon bei der Geburt durch
beträchtliche Grösse (0,014 — 0,017 Millimeter), durch scharfe
Begrenzung und durch den leicht körnigen Inhalt aus; der Keim-
fleck ist bald deutlieh, bald kaum zu erkennen. Das Keim-
bläschen ist von einer helleren, feinkörnigen Schicht umgeben,
welche die erste Anlage des Dotters darstellt und gewöhnlich
den ganzen übrigen Raum des Follikels erfüllt, ohne dass jedoch
schon eine besondere Begrensungshaut vorhanden wäre. Ausser
dem Keimbläschen und der Dotterzone findet sich in dem Follikel
eine grössere oder geringere Zahl von kleinen runden oder
ovalen Zellen und Kernen, die das Keimbläschen umgeben und
gewöhnlich als Fplthel des Follikels beschrieben werden. Die
Grösse dieser Zellen, deren Kerne zur Zeit der Geburt sehr
gross sind, ist sehr verschieden und steht mit der Vergrösserung
des Follikels in directem Verhältniss. Dass sich um diese Zellen
eine zarte, struoturlose FoUikelwand bilde, längnet Verf., —
nach ihm wird die Begrenzung des Primordial- wie des ent»
wickelten Follikels nur durch die Fasermasse des Stroma gebildet.
Hei der Bildung Oniaf ^»cher Bläschen ans den Primordialfollikeln
XXnC. KoÜBen ans der Journal -Literatur. 389,
finden äberbanpt falgende Vorgänge statt: endogene Vertoiehrung
der Epithelsellen mit Bildung der Membrana granulosa und des
Ditene, Abscheidung des Liquor folliculi und der Zona pellacida
mit den weiteren Verttndernngen des Eies uod endlich Neubildung
Ton Blatgefassen in der aus dem faserigen Stroma bestehenden
Theoa folliouli mit Vergrösserung derselben im Verhältnisse sur
Massensunahme des Inhaltes.
Bei und bald nach der Geburt besitst der grösste Theil der
Primordialfollikel, insbesondere diejenigen in der Bindensubstane,
einen annähernd gleichen Grad von Ausbildung; jedoch ist ihr
Wachsthnm , das in dieser Periode verhältnissmässig rascher von
Statten geht, als unter manchen Verhältnissen in der späteren
Lebensseit, ein sehr ungleichmUssiges. Bei Thieren, bei denen
überhaupt eine frühere Geschlechtsreife eintritt, ist die Ent-
wickelung der (Traa/^schen Follikel, sowohl in Hinsicht der
Grösse als der Zahl, in der lotsten Zeit des embryonalen Lebens
und bei der Geburt ungleich weiter vorgerückt als beim Menschen.
Jedoch sind auch bereits bei menschlichen Neugeborenen aus-
gebildete, schon für das blosse Auge bemerkbare (Traa/'sche
Follikel gefunden worden und schon innerhalb des ersten Lebens-
jahres sind sie nichts weniger als selten. Die am meisten ent-
wickelten Follikel haben in dieser frühen Periode sowohl beim
Menschen, als bei Thieren ihren Sitz in den mittleren und
inneren Lagen des Ovarium, obgleich gerade hier die Zahl der
Primordialfollikel verhäUnissmässig am geringsten ist Diese
auffallende Thatsache steht nach Verf. in Verbindung mit der
reichlicheren Gefässverbreitung in der Nähe des Hilus und in
den mehr centralen Theilen des Ovarium.
Die Arterien des Eierstockes sind schon sehr frtthseitig
stark entwickelt und mit verhäUnissmässig starker Muskulatur
versehen. Die grösseren Stämme im Hilus haben gewöhnlich
einen einfach gewundenen Verlauf, während die nach der Peripherie
und den Graa/'schen Follikeln abgehenden Aeste zahlreiche
Windungen und korksieherartige Drehungen erkennen lassen.
Bei dieser Einrichtung muss sieh die Blntfülle und der Druck
in den arteriellen Gefässen sehr leicht steigern können , wodurch
das Hervortreten der Oraqf*Bchen Follikel an die Oberfläche des
Ovarium in derselben Weise begünstigt werden dürfte, wie bei
erhöhter Spannung der Circulation in Folge von Herzfehlern etc.
ein stärkeres Hervortreten des Augapfels und der Schilddrüse.
Hinsichtlich des Vorkommens von glatten Muskelfasern im
Ovarium schlieast sich Verf. Äeby an. Bei Rindern sind sie in
der Marksubstans und im Hilus ungleich deutlicher zu erkennen
als in der Bindensubstanz. In den Eierstöcken Erwachsener,
welche zahlreiche grössere Graa/'schen Follikel enthalten , lassen
•ie sich fast bis an diese heran verfolgen. Besonders deutlich
390 XXIX. Nottien aus der Journal- Literatur.
and stärker entwickelt sind sie bei WÖcknerinnen. Eanm sa Bt*
kennen sind sie bei Ovarien, welche eine ausgedehnte fibröse
Degeneration eingegangen oder sehr atrophisch sind. VoIUtttndig
schwinden sie im höheren Alter, bei chronischer Oophoritis, bei
eiteriger oder ödeniatöser Infiltration der breiten MntterbSnder
und Eierstöcke. Sehr deutlich lassen sie sich erkennen in den
Ovarien von mehrere Wochen alten Schweinen. Sie begleiten
auch hier vom Hilus aus als siemlich breite Züge die Gefaase,
schliessen sich jedoch weiterhin in etwas geringeren Dimensionen
den breiten Fasensügen des Stroma an, in deren Mitte sie
gewöhnlich verlaufen » und bilden um die grösseren Follikel
sehr deutliche concentrische Schleifen, nach aussen von der
fibrösen Wand.
Den Ursprung der Muskelaellen anlangend, fand Verf., das«
gleichseitig mit dem Ligamentum ovarii'aus dem Uterus ein
derber Strang von der Dicke eines Rabenfederkieles austritt^
der sich sofort unter einem spitzen Winkel von gedachtem Bande
nach dem Hilus des Ovarium wendet und aus Bindegewebe, Ge-
f&ssen und aahlreichen glatten Muskelfasern besteht, die vom
Hilus in das Stroma des Eierstockes ausstrahlen und die Bolle
eines Adductor oder Tensor ovarii spielen. Vielleicht stehen die
Muskelfasern am Stroma des Ovarium in einer näheren BeBiehung
au den Blutgefässen, mit denen sie in ihrem ganzen Verlaufe eng
verbunden sind, und awar in derselben Art wie bei den Corpor»
cavernosa, so dass möglicherweise durch die Steigerung des
Blutdruckes Bersten der Blutgefässe und der Follikelwand bewirkt
werden kann.
Die Frage , ob nach der Geburt noch eine Neubildung von
Eiern, oder eine Vermehrung derselben durch Theilung statt-
finde, beantwortet Verf. dahin, dass bei der Geburt alle Keim-
bläschen mit einem bald mehr bald weniger deutlichen Reimfleck
und mit der Anlage des Dotters vollständig vorhanden sind, von
denen jedoch nur ein sehr geringer Theil eine regelmässige
Entwickelnng bis sur vollständigen Reife durchmacht, während
der bei weitem grössere Theil nicht oder doch nur in einer un-
vollkommenen Weise dasu gelangt und lu Grunde geht.
Von pathologischen Zuständen des Eierstockes kommen die
Entwickelungshemmungen in der Evolution der Oraaf^schen
Follikel am häufigsten vor. Von den Tausenden von Eikapseln,
welche sich in den Ovarien von Neugeborenen finden, gelangt
nur ein sehr kleiner Theil zur Reife, der grössere verharrt, wie
eben bemerkt, auf einer niederen Stufe der Fortbildung nnd
geht zu Grunde. Die Ursachen dieses Zerstörungsprocesses sind
ausserordentlich manniehfaltig und kaum zu übersehen. Ein
Hauptmoiuent liegt zunächst in der ungemeinen Weichheit, Zart»
hext und Hinfälligkeit dieser Gebilde, so dass krankhafte Zuständet,
XXIX. Notiben aus der Journal* Literatur. ^91
nani^atHeh im kindlicben Alter, welohe die Erofthrung bedeutender
herabfltimmen, auch in den Ovarien Abnahme und Schwund des
selligen Inhaltes der Primordialfollikel hervorrufen. Das Stroma
der Eierftöeke ersoheint unter diesen Verhältnissen derber, fester,
•ft etwa» feuchter und die Fasersüge breiter. Das längere
£rhaUenbleiben der Follikel in den centralen Theilen des Stroma
dirfte Bum Theil von den günstigen Ernährungsverhältnissen ab-
bSagen, unter denen sich diese Partie des Ovarinm wegen des
grösseren Qef&ssreichthnmes und der stärkeren FoUikularkapseln
befindet«
Als Excessbildung beseichnet Verf. die frühzeitige und un*
gewöhnlich reichliche Bildung von Graa/'schen Follikeln. Er ist
geneigt, einem derartigen Vorgange die Fähigkeit sususchreiben,
eine frühe Cessation des Ovulationsprocesses und Involution des
Organes herbeizuführJBn. Während von der Zeit der PubertXt
an unter dem Einflüsse der menstrualen Vorgänge die reifen
Graaf^achen Follikel platsend ihren Inhalt entleeren und die
oollabirte Kapselmembran unter Bildung des Corpus luteum sich
allmälig suriickbildet, so machen auch im kindlichen Alter die
reifen Follikel verschiedene Rückbildungsprocesse durch, ohne
jedoch ihren vorher Inhalt bu entleeren. Die regelmässige
Involution seheint dabei in der Weise vor sich bu gehen, dass
unter allmäliger Resorption des Liquor folliculi die Membrana
granulosa fettig degenerirt und unter fortschreitender Ver-
kleinerung der Follikularhöhte die sich berührenden Flächen der
Faserkapsel verwachsen. Die hierbei gesetste Narbe ist aus sehr
deutlich entwickelten kleinen Bindegewebskörperchen zusammen*
gesetzt; seigt aber niemals Ueberreste einer Blutung oder
Pigment bildung.
Dies in kurzen Umrissen das Hauptsächlichste aus der vor-
liegenden, von sehr guten Abbildungen begleiteten Arbeit, welche
einen nicht unerheblichen Fortbcbritt in der Detailforschong des
betreffenden Organes bezeichnen durfte.
{Virehaw'a Archiv, XXVI. Band, 8. u. 4. Heft.)
Labarie: Ueber die Rolle der Symphysen während der
Geburt.
Der Autor las in der medioinischen Akademie zu Paris eine
längere Abhandlung über die Rolle der Symphysen während des
Geburtsactes und kommt dabei zu folgenden Schlüssen:
1) Beinahe alle Geburtshelfer nehmen an, dass die Liga-
mente, welche die Arttculationen des Beckens vereinen, während
der Schwangerschaft erweichen; dadurch erhalten diese Gelenke
392 XXIX. Notisen aus der Joamal- Literatur.
einen bestimmten Grad von Beweglichkeit, deren Qrosee jedoch
sehr unentschieden ist.
2) Alle Anatomen stellen jetat die Symphysis sacro-iliaoa
und pubica in die Classe der Arthrodien. Nach unseren Beob*
achtungen an den Becken küralich entbundener Frauen jedoch
gehören diese Gelenke einer ganz besonderen Classe an: einer-
seits nämlich zeigen sie durch die Form der Gelenkflächen , die
auf dem einen Knochen concay, auf dem anderen eonvez sind^
den Charakter der Enarthrosen, andererseits aber den tob
Gingljmen dadurch, dass sie nur in einer Bichtnng beweglich
zu sein scheinen.
3) Der Einflnss, der durch die Beweglichkeit der Symphysen
— sei dies nun ein Auseinanderweichen oder ein Abgleiten der-
selben — auf den Geburtsact ausgeübt wird, ist im grossen
Beoken Null oder beinahe Null.
4) Nur wenn das Kind in das kleine Becken eintritt und
schon darin ist, spielt die Beweglichkeit der Symphysen eine
bedeutende Bolle.
6) Der Mechanismus, durch den die Erweiternng des kleinen
Beckens geschieht, ist sehr einfach ; der ganze Widerstand findet
sich hier im queren Durchmesser; der Druck jedoch, mit dem
der Kopf durch die Wehenthfttigkeit gegen die Sitsbeinhöcker
angepresst wird, ist kräftig genug, um ein Auseinanderweichen
zu bewirken ; dies geschieht ganz nach den Gesetzen des Hebels,
den langen Hebelarm stellt die Entfernung zwischen Symphysis
sacro-iliaca und Tuberositas ischii dar; diese ist 128 Millimeter
lang. So gestattet ein Auseinanderweichen der Symphyse von
nur 2 Millimeter an ihrem unteren Ende, dem äusseren Ende des
Hebels, d. i. dem queren Durchmesser, eine Verlängerung von
beinahe 2 Centimeter, und alles deutet darauf hin, dass dieselbe
noch viel bedeutender sein kann.
6) Da bei Frauen, die über 30 Jahre alt sind, die Beweg-
lichkeit der Symphysen gleich Null oder doch nur sehr beschränkt
ist, so concentrirt sich die Schwierigkeit der Geburt im kleinen
Becken ungeachtet des sonst regelmässigen Baues desselben ;
Öfter muss deshalb hier die Geburt mit der Zange beendet
werden.
(Gazette höbdomadaire, Tome IX., No. 34, 1862.)
Hennig: Die Kysten des menschlichen Eileiters.
Verfasser theilt die Tubarkysten nach ihrer Entstehungs-
weise ein in
Glandularkysteu. Unter 100 darauf untersuchten Leichen
gelang es ihm erst zwei Mal , die Eileiterdrüsen kystös erweitert
zu finden. In dem einen Falle zeigte sich die Schleimhaut des
XXIX. Notiaen «as 4er Jeanml-Iiiteratiir. 393
FraBseneiidefl der sonet normal beschaffenen Eileiter jederseite
etwas hervorgewölbt nnd durch feine, im Darohmeaser höchatene
1 Millimeter haltende Blftaehen nneben. Dieaelben standen an
einsetnen Abschnitten reihenweise und liefen radiär anf das
Abdominalostiom sn. Dnroh die mikroskopische Untersnchung
wurden sie als Drosen erkannt} deren Wände kurz vor der Stelle
der normalen Mündung plötslich triohterfSrmig auseinandergingen
und mit einer frei auf die Fläche ragenden sphKroiden An-
aehwellnng abschlössen. In dem anderen Falle betraf die Kysten-
bildung weniger das Fransenende , als die Mitte des Canals. Die
rechte Tube, an der die Wandung bis 4 Millimeter und die
Schleimhaut bis 1 Millimeter dick war, zeigte sich dabei sehr
▼erkürst, ihr Lumen meist aufgehoben. Nahe dem blind ab-
geschlossenen Fransenende , in dessen Höhle man neben mehreren
kleineren eine erbsengrosse Kyste von un regelmässiger Gestalt
mit klarem, gelblichem Inhalt erkannte, befand sich eine «weite
abgesackte Steile mit grauweissem, dünnflüssigem, schwach
alkalischem Schleim. Die linke Tube , ursprünglich 9 Centimeter*
lang, war auf ein 4 Centimeter langes Convolut verwachsen, am
Bauchhöhlenende ebenfalls geschlossen. Die Dicke ihrer Wand
nahe .der OebSrmutter betrug 6, in der Mitte 4, am Ende 8 Milli-
meter, die der Schleimhaut 0,8 — 0,9 Millimeter, ihr Lumen bis
2 Centimeter. Die Kystenbildung erstreckte sich in dieser Tube
siemlich gleichmSssig von 1,6 Centimeter von der Uterininsertion
ab bis Bum Abdominalende, wo die grösseren Bläschen sassen.
Sie ragten wenig fiber die freie Fläche hervor nnd waren kugelig
oder llnglieh. Die Erweiterung der kranken Drüsen betraf meist
ihren Ausfühmngsgang. Bei manchen dagegen sass der erweiterte
Theil nahe dem Grunde der Drüse, tiefer in der Schleimhaut.
Den oberen Besug der Kjeten bildete eine dünne Schicht reifen
Bindegewebes, auf welcher gewöhnliches Flimmerepithel sass.
Ihre nächste Umgebung im Schleinihautlager bestand ans fettig
entarteten, selten noch unveränderten Faserzellen. In der klareui
alkalisehen KystenflÜssigkeit fanden sich ausser wenigem Fette
viel freies „ Hyalin^ und sparsame rundliche oder cylindrische,
selten gewimperte Zellen. Die Uterinostien beider Eileiter waren
vielfach untereinander und mit ihrer Umgebung verwachsen, die
Gebärmutter etwas hypertrophisch, in ihrer Höhle eine massige
Menge flüssigen Blutes, im äusseren Muttermunde ein bohnen-
grosser Kystenpolyp.
Aenssere Kysten; mohnsamen- bis hanfkorngrosse,
colloide Bläschen, welche meist in groaaer Anzahl den Bauchfell-.
Überzug und die Schleimhautfläche der Fransen der Tuben be-
aetsen nnd sich schon durch ihre grossere Härte und mehr
gelbliche Farbe von den Glandularkysten unterscheiden. Verfasser
fand sie unter 80 Fällen 8 Mal beiderseits , 9 Mal auf eine Tube
beichränkt.
894 XXIX. Notisen ms der Joamal - Literfttar.
Ansserdem rechnet VerfsBeer noch hierher
die Endhydatide, Eileitersebwangereohaft, wobei
er die mikroskopische UnterBachtiBg der hinfiUligen H«at «af
Tnbardrtisen monirt, Hydrops tabae saecatas, wovon er
einen 8eciionsbefand in extenso mittheilt, Hydrops oyario-
tnbaris.
(Arehir der Heilkunde, 1863, 8. Heft.)
JUeüsnernndKüchenmeitter: Entfernung von Schleimpolypen
in der Gebärmntterhöhle durch ein eigens dazu
constrnirtes Instrument.
M, und K, hatten in einem gemeinschaftlich behandelten
Falle eine Schleimpolypenmasse, die sich nach einer Blasen-
molenschwangerschaft in der Uterinhöhle entwickelt hatte, durch
die Terschiedensteu Verfahrungsweisen zum grössten Theile ent«
*fernt; doch gelang ihnen die gänsliche Beseitigung derselben,
und damit der Quelle andauernder Blutungen, erst durch ein
Instrument, welches K, nach einem ähnlichen, von Bruiu sur
Entfernung ron Kehlkopfspolypen angegebenen, anfertigen liess.
Dasselbe stellt eine gewöhnliche krumme, gefensterte Polypen-
flange dar; das vordere Ende enthält unter Benntsung eines
kleinen Tb eiles der Fenster beiderseits eine Oese, in deren jede
ein kleines Messerchen eingeschraubt wird, das die. Breite der
Zangenbranehen an der Stelle, wo es eingeschraubt wird, nicht
überreicht. Indem sich die Branchen nähern, sollen die Messerchea,
wie swei Seheerenklingen , einander glattschneidend decken. Das
Instrument sollte ursprunglich sum Abschneiden des damit a«
fassesdeu polypösen Gewebes dienen, wurde aber sum „Auskrataen^
der Gebärmutterhöhle benust, wodurch der Best der polypösen
Wucherungen entfernt und dauernde Heilung ersielt worden
fein soll.
{KüehmmeUtw'B Zeitschr. f. Med., Chir. n. Geburtsh., 1868,
1. Heft.)
Lmria Brüttnn: Wiederholte Zwillingsschwangersohaftem
Der folgende äusserst interessante Fall wurde in der geburts-
hülflicben Gesellschaft zu Edinburgh besprochen. Mrs. /.,
47 Jahre*'alt, wurde zuerst im 26. Jahre schwanger. Im Ganzen
war sie 14 Male schwanger und gebar V6 Kinder; hierbei waren
11 Zwillingsschwangerschaften. Folgende Tabelle giebt uns
hierüber nähere Angaben:
1839. 9. Sept. Knabe n. Mädchen. Ausgetragen. Beides Schädellagen.
1840. Juli. Mädchen. Vier Monate. Nicht beobachtet.
XXIX. HotiftOB «na 4er JowriMl-'LiteratQr. g95
1841. 13. Januar. Knabe. Angg^etrageti. Seh&delUg^e.
1M2. 23. Norember. Mädeben. Aasgetragen. Schädellage.
1843. Jnli. Knabe n. Mädeben. Vier Monate. Nicht beobachtet.
1844. 21. Jnli. Knabe n. Mftdchen. Ansgetragen. Beides Schädellagen.
1846. 8. Jnli. Knabe n. M&dchen. ,, n n
1847. 10. April. Knaben. Mädchen. „ Erste Fusslage.
Zweite Schädellage.
1849. 26. Jnli. Knabe. „ Schädellage.
1861. 24.JaDnar. Beides Mädchen. « Erste Schädellage.
Zweite Fusslage.
1862. 7. Mai. Beides Mädchen. „ Erste Steisslage.
Zweite Fasslage.
1853. 2. Angast. Mädchen. „ SchSdellage.
1854. 17. Aognst. Beides Knaben. , Beides Schädellagen.
1855. 17. NoYember. Knabe „ Schädellage.
nnd ein Knabe im April abortirt.
1857. 7. April. Knabe a. Mädchen. Ansgetragen. Erste Fasslage.
Zweite Schädellage.
(Edinbnrgh Medical Joarnal, No. 89, Nov. 1862.)
Hecker: Bericht über die Vorkommnisse in der Gebär-
anstalt za München im Etatsjahre 1861 — 1862.
£s fanden in gedachtem Zeitranme 913 Oebnrten statt bei
804 Eni-, 332 Zweit-, 157 Dritt-, 59 Viert-, 85 Ffinft-, 16 Sechst-,
6 Siebeat-, 4 Acht-, 1 Zwolftgebärenden. Von diesen Gebarten
waren 5 nnseltige, 80 frühaeitige and 828 zeitige. Kinder
wnrdttD geboren 928 (15 Mal Zwillinge), wovon 479 Knaben and
449 Mädchen; yor der Geburt waren abgestorben 18, während
derselben starben 20, an Lebensschwäche 30, an Krankheiten 42,
gesnnd ans der Anstalt entlassen worden 818. Von den Wöchnerinnen
erkrankten 186; hiervon genasen 122, starben 7 and wnrden 57
in ein städtisches Krankenhaus transferirt, von welchen 31 ge-
nasen nnd 26 starben.
Hinsichtlich des Gebnrtsmechanismns wnrden beobachtet
868 Sefaeftellagen (576 erste, 265 »weite Soheitellagen , 1 erste,
11 aweite Vorderscheitellagen — letstere 12 ereigneten sich bei
Mehrgebärenden nnd waren ohne naohtheiligen Einflass anf die
Oebnrt; 8 derselben waren Zwillingskinder), 7 Gesichtslagen
(4 erate nnd 3 aweite — »4 bei Erst-, 3 bei Mehrgebärenden),
43 Beekenendlagen (10 erste-, 3 aweite Steisslagen, 14 erste,
6 aweite Fasslagen, 1 erste Knielage — 13 bei Erst-, 20 bei
Mehrgebärenden — , 24 Kinder wnrden lebend, 5 todtgeborea«
4 waren eehon vor der Qebnrt abgestorben; 2 Kindeir waren ans
dem teolitten Monate [1 todtfaal], 1 aae dem siebenten [todtfaal],
896 XXIX. Notisen vom der Jovmal-Litaratar.
1 aas dem achten [todtfanl] , 9 ans dem nennten [1 todt, 1 lebend
geboren], 6 ans dem sehnten Monate [2 todt geboren] nnd
21 aasgetragene Rinder [2 todt geboren, 1 todtfanl]; die übrigen
10 Beckenlagen betrafen Zwillingskinder) , 9 Schalterlagen (erste
Schalterlage erster Unterart, erste Schalterlage sweiter Unterart,
aweite Schalterlage erster Unterart, zweite Schalterlage sweiter
Unterart je 2 Mal, zweite Rückenlage 1 Mal — bei 1 Erst- and
8 Mehrgebärenden — 2 Mal bei Zwillingsgebarten; die Wendung
wnrde 7 Mal bei stehender Frachtblase, 1 Mal kars nach Abfloss
des Frachtwassers , 1 Mal % Stande danach vorgenommen ;
6 Kinder wnrden lebend, 3 todt geboren; die Mütter warden
sämmtlich gesand entlassen), 16 anbestimmte Lagen.
Die 16 Zwillingsgebarten ereigneten sich bei 3 Erst- and
12 Mehrgebärenden; von den Kindern stellten sich beide in
Kopflagen 6 Mal, das erste in Kopf-, das zweite in Beckenlage
4 Mal, das erste in Becken-, das zweite in Kopflage 4 Mal, das
erste in Becken-, das zweite in Qaerlage 1 Mal, das erste in
Qaer-, das zweite in Beckenlage 1 Mal. Der Zwischenraum
zwischen der Gebart des ersten and des zweiten Kindes betrug
6 Minuten 2 Mal, V« Stunde 8, Mal, % Stunde 1 Mal, Vt Stunde
2 Mal, 3% Stunden 1 Mal. Gleichgeschlechtliche Kinder wurden
9 Mal geboren. Die Fruchtkuchen waren 8 Mal vollständig ge-
trennt, 7 Mal verwachsen; unter den letzteren Fällen fand man
2 Mal gemeinsames Chorion, aber getrennte Amnien.
fieekenverengerungen wnrden 12 beobachtet, 6 bei Erst-,
8 bei Zweit-, 8 bei Drittgebärenden, 1 bei einer Viert- und
1 bei einer Achtgebärenden. In allen Fällen, mit Anznafame
eines, bei dem es «ich um chronische Cozitis handelte, war die
Verengerung durch Bhachitis gesetzt. Die Conjugata wurde ge«
sohätst 1 Mal auf 3" 6'", 2 Mal auf 3" 8'". 8 Mal auf 8" 2"',
2 Mal auf 3", 1 Mal auf 2" 10'" nnd 1 Mal auf 2" 6'". Die
Früchte stellten sieh 3 Mal in erster, 5 Mal in zweiter Seheitel-
lage, darunter 1 Mal mit Vorfall des rechten Armes, 1 Mal in
erster Steiss- nnd 2 Mal in erster Fnsslage, darunter 1 Mal mit
Vorfall der Nabelschnur. Ein Mal waren Zwillinge vorhanden,
von denen sieh der eine in Becken-, der andere in Kopflage
einstellte. Die Dauer der ersten Geburtsperiode betrug 2 Mal
bis 6 Stunden, 2 Mal bis 12, 4 Mal bis 24, 3 Mal bis 86, 1 Mal
bis 60 Stunden, die der zweiten, 4 Mal bis V4» ^ Mal bis 1,
1 Mal bis dV<|, 1 Mal bis 9 Stunden, ~ zwei Mal wurde gleieh
nach Erweiterung des Muttermundes operirt. Ein natürlicher
Verlauf hatte statt in 6 Fällen, in den übrigen machte sich
Kunsthülfe erforderlich, 2 Mal durch Anlegung der Zange, 1 Mal
durch Reposition des vorgefallenen Armes, 8 Mal durch £x-
traction bei Beokenendlagen, 1 Mal durch den Kaisersohnitk
Von den Kindern wurden 9 lebend gebogen (davon 5 aepfax^^Mb)«
XXIX. Noiiseii ans der Journal - Literatar. 397
4 firdt (daYon 1 längere Zeit vor der Gebart abgeBtorben). Von
^en Mfittern bliebeD 10 gesund, 2 starben.
In drei FSlIen war neben dem Kopfe ein Arm Yorgefallen;
die manneile Reposition gelang ohne Schwierigkeit, woranf die
Gebart der Katar überlassen werden konnte.
Drei Mal war dnrch die angewöbnliche Loge des vorliegenden
Kopfes der Aastritt desselben behindert. In dem einen Falle
war der Kopf, dessen Umfang 38 Centlmeter betrag, in erster
8cheitellage io das Becken getreten und dabei so am seine
Langenaxe gerollt, dass das rechte Ohr hinter der Schamfnge
leicht erreicht werden konnte; nach sehnstündigem Verharren
in dieser Stellung and Bildang einer starken Kopfgescbwalst
warde derselbe darch die Zange mit acht schweren Traetionen
entwickelt, — das Gesicht trat vollkommen nach hinten über den
Damm , das Kind lebte. Femer warde der Kopf nach fünfstündigem
Qaerstande in der Beckenenge bei einer Erstgebärenden mittels
der Zange entwickelt; er behielt die quere Richtung auch beim
Durchtritt durch die Schamspalte. In einem dritten Falle wurde
wegen sögernder Austreibung die Zange entsprechend dem ersten
schrägen Durchmesser an den im Beckenausgange querstehenden
Kopf angelegt, — bei der Entwickeinng wurde das Hinterhaupt
ohne Mühe nach vorn gebracht und der Schädel schnitt in
normaler Richtung durch.
Bei einer Erstgebärenden war die Geburt in erster Steiss-
lage bis sum Dnrchtritte des oberen Rumpfendes ganz normal
verlaufen; nach Lösung der aufgeschlagenen Arme machte die
Entwickeinng des nachfolgenden Kopfes beträchtliche Schwierig-
keiten, konnte indess manuell beendet werden. Das Kind lebte
. eine Stunde unter auffallend tiefer und langsamer Respiration.
Der Schädelumfang betrug 40 Centimeter; es war Hjdrocephalus
internus und Zerreissung der die Schädelknochen verbindenden
häutigen Zwischenräume in bedeutendem Umfange mit Austritt
einer grossen Menge Blutes unter die Kopfschwarte vorhanden.
Ein Fall von präcipitirter Geburt, in dem eine Erstgebärende
ein Kind auf dem Wege anr Anstalt, ein cweites auf der Treppe
derselben geboren hatte, verlief günstig für Kinder und Mutter
bis aaf eine aiemlich starke Blutung aus der atonischen Gebär-
matter fünf Stunden nach der Entbindung.
Vorfall der Nabelschnur fand sich 3 Mal bei Kopflagen (bei
1 Zweit- and 2 Viertgebftrenden , — ein Mal konnte dnrch Zangen-
eztraetioD, ein anderes Mal durch manuelle Reposition das Leben
des Kindes sichergestellt werden; im dritten Falle wurde die
Vabelsehnar reponirt, darauf 90 Standen der Heraschlag des
Kindes regelmässig gehört, 60 Standen darauf dasselbe, ab-
gestorben in Folge tetanischer Contraction des Uterus, geboren),
4 Mal bei Beeken - und Querlagen (sämmtliehe Kinder wnrden
398 XXIX. Kotisen ans der ionnial-Literata».
todtgeboren). In 6 FXlIen davon übertraf die Lftn^ der Habet-
Bchnnr die normale bedeutend, in allen befand rieh der Blfaaii^
riBB am Rande de« Mntterkuchene.
FXlIe von Piacenta praevia kamen awei vor, bei Ervt-
gebärenden, mit l^istining der Blntang nach Sprengung der
Eihäute nnd Todtgeburt der unreifen Kinder.
Bintnngen ans anderen Ursachen ereigneten sieh 13 Mal,
sämratlicb in der Nachgebortsperiode oder nach dieser nnd weni|^
bedeutend. Die Nachgeburt wurde nur drei Mal operativ, im
Uebrigen nach der Ored4^scben Methode entfernt.
Dammrisse erfolgten 32, 27 bei Erst-, 6 bei Mebrgebarenden;
keiner erstreckte sich bis in den Schliessmuskel des Afters.
Eine vollstfindige Heilung durch erste Vereinigung wurde in
17 Fällen erzielt, in 8 theilweise, in den übrigen keine.
Im Ganzen sind von Operationen aufzuführen Wendoug auf
die Füsse 9 Mal, Extraction 16 Mal (worunter 7 Mal nach
Wendung), Zange 21 Mal, Kaiserschnitt 1 Mal, Reposition der
Nabelschnur 2 Mal, eines vorgefallenen Annes 3 Mal, Entfernung
der Nachgeburt 3 Mal.
Der Kaiserschnitt wurde vorgenommen bei einer 23jährigen
Erstgebärenden, welche mit hochgradiger Eclampsie in die Anstalt
aufgenommen wurde. Dieselbe war eine Person von zwergbaftem,
verkrüppeltem Wüchse mit ungewöhnlich kurzen Extremitäten, —
die Conjugata wurde auf 2" 6'^' geschätzt. Bei noch stehender
Fruchtblase wurde die Kranke chloroformirt, ein 10 Centimeter
langer Hautschnitt der weissen Linie entsprechend angelegt,
darauf Bauchfell und Uterus eingeschnitten; das Kind, ^*/^Vfnxkd.
schwer, wurde durch Herausheben des im Cervix liegenden
Kopfes rasch entwickelt und aus hochgradiger Asphyxie bald
erweckt. Durch die Wunde drängte sich darauf die Fruchtblase
eines zweiten Kindes, welches mit dem Steiss voran heraus*
befördert und ebenfalls aus Asphyxie wieder erweckt wurde ; es
wog 4y, Pfund. Die Fruchtkuchen wurden einzeln aus dem Uterus
herausgenommen, worauf sich derselbe kräftig zusammenzog. Es
wurden drei das Bauchfell mitfassende nnd zwei oberflächliche
Ligaturen, darüber ein Heftpflasterband gelegt und sohliesslich eine
Einspritzung von Morph, acet. gr. ß in die Bauehdecken gemacht.
Nach der Operation trat kein eclamptischer Anfall mehr auf,
dagegen tiefer Sopor, der Leib trieb nicht auf, die Wunde war
sehr empfindlich. Tod nach 40 Stunden. — Bei der Seetion «eigte
die Wunde der Banohhaut nirgends eine beginnende Vereinigung,
die des Uteme klaffte betr&chtKeh, in der UntetieibshSble viel
dfinnftüssiges Blut, in deriGebärmutter eine nlUeige Menge Blntei
im geronnenen Znstande, nirgend eine Spar v)a& Bancfafeli«
entsttndnng. Die Nieren befanden sich im sweiten Btadlnm der
BrigM''Bch&tk Erkrankung. Die Oonjugata vera maats 2" 9"'. Di«
XZIX. NotiBen aas der Journal -Litentor. 399
▼erbladmg swischen erstem und sweitem Krensbeinwirbel ragte
mla falscher Vorberg in die Beokenböhle herein, die Sehamfagen*
ebene schnitt den Horicont unter einem so spitaen Winkel, dass
dar Abaug yod der Conjugata dlagonalis nur 5'"' betrug. Die
Zwillinge entwickelten sich sehr kräftig.
Die Indication zu den Zangenoperationen (von denen 18
bei Erst-, 8 bei Mehrgebärenden ausgeführt wurden) fand man
2 Mal in Beckenenge, 4 Mal in ungewöhnlichem Stande des
Kopfes, 2 Mal in Missverhältniss swischen Kopf und Becken,
3- Mal in Vorfall der Nabelschnur, 9 Mal in ünsulänglichkeit der
Wehen, langer Dauer der Austreibungsperiode und Qefahr fKr
das Leben des Kindes, 1 Mal in Gefahr fQr das Leben des Kindes
an sich. Durch die Zange entwickelt wurden lebende Kinder IT,
wovon 4 aus Asphyxie erweckt werden mussten, todte 4, wovon 1
vor der Geburt abgestorben. Mit Ausnahme eines schon erwähnten
Falles von abnormer Lage des Schädels wurde das Instrument
im queren Durchmesser des Beckens angelegt Lageverbessernng
durch die Zange ist nach H. i}ur in Fällen von tiefem Schrftg-
und Querstand des Kopfes statthaft. Man bediente sich einer
Busck'acheTk Zange mit derart ausgefüllten Fenstern, dass die-
selben an der Innenfläche durch Ausstemmen angedeutet bleiben,
wodurch ein grösserer Halt am Schädel gewonnen und derselbe
in seinen Weichtheilen weniger leicht verletzt werden soll.
Von den Wöchnerinnen erkrankten 186. Davon litten 44
an geringfügigen Affectionen, wie Wundsein der Brustwaraen etc.
Es starben 32. Der Höhepunkt in Bezug auf die endemischen
Wochenbettserkrankungen fiel auf den December (31 Erkrankungen,
3 Todesfälle) und Januar (47 Erkrankungen, 8 Todesfalle); mit
Ablauf des April trat ein relativ günstiger Gesundheitsznstand
ein, der im August wieder einem minder günstigen Platz machte,
der nicht sowohl in der Zahl der Erkrankungen, als in der
Heftigkeit und Tödilichkeit der Krankheit begründet war. In
den leichteren Fällen erkrankten die Wöchnerinnen unter den
Erscheinungen einer mehr oder weniger lebhaften Gefässaufregung,
fast immer mit Empfindlichkeit der Gebärmutter und ihrer An-
hänge, wosu sich sehr häufig Diarrhöen gesellten. Oft deutete
die Sble Beschaffenheit der Lochien eine Erkrankung der Uterus-
sebletmhaut an. Die schweren Fälle boten in überwiegender
Menge das Bild der sogenannten Peritonitis lymphatica, während
nur in einer verhältnissmässig kleinen Zahl derselben ein Leiden
des Venensystems angenommen werden musste; letztere zeichneten
sich gewöhnlich durch einen verschleppten Verlauf aus. Von
304 Erstgebärenden erkrankten 66 und starben 15, von 609 Zweit-
gebärenden erkrankten 76 und starben 17, welches Verhältniss
nach H, seinen Grund darin hat, dass bei Erstgebärenden die
Geburt im Allgemeinen länger dauert und die Weichtheile daher
400 XXIX. Kotisen «us der Jonrnal- Literater.
einer grosseren Qaetscbnng aaegesetst sind. Von den 142 £r^
krankten waren bei der Geburt nicbt verletst worden 97, dagegen
verletst bei natürlicher oder künstlicher Entbindung 46. Ans
der chronologischen Uebersicht geht hervor, dass die Benutsnng
des Materiales für den Unterricht der Stadirenden während des
Sommersemesters and der Hebammenschülerinnen während der
diesem folgenden drei Monate einen Einfluss aaf Entstehnng nnd
Uebertragung der Krankheit nicht gehabt haben kann. Ebenso-
wenig war ein durchgreifender Unterschied in Besug auf die
Erkrankungen cwischen der klinischen und zahlenden Abtheilung
des Hauses zu bemerken. Erwähnenswerth ist, dass von den
Kindern der erkrankten Wöchnerinnen etwa 22 Procent an dem
Kindbettfieber ganz ähnlichen Vorgtlngen zu Grunde gingen, dass
ferner eine Reihe von Kindern gesunder Wöchnerinnen an den
schwersten Infectionsvorgängen, Sepsis des Blutes, jauchiger
Pneumonie, septischer Bauchfellentzündung etc., schnell starben.
Von dem nach seiner Vorstellung allen diesen Vorgängen zum
Ausgang dienenden Miasma des Kindbettfiebers nimmt H. an,
dass es sich unter gewissen Umständen, zu welchen namentlich
mangelhafte Ventilation und relative Anhäufung von Wöchnerinnen
zu rechnen sind, aus den Effluvien derselben entwickelt, sich
den verschiedenen Käumen des Hauses, der Luft beigemengt,
mittheilt und nach Ablauf einer gewissen Zeit wieder selbst
zerstört. Die Maassregeln, die zur Beschränkung des Uebels
getroffen wurden, waren derart, dass auch den Anforderungen
der Anhänger der Contagionstheorie entsprochen wurde, nnd
bestand namentlich in Sorge für ausgiebige Luftemenerung nnd
strengste Reinhaltung von Räumen und Utensilien, sowie in
Trennung der Kranken von den Ge8un4en durch Verlegung in
andere Zimmer oder in das Krankenhaus.
(Aerztl. Intelligenzbl. baierscher Aerzte, Jahrg. 9, 1862,
S. 686, 706, 722.)
Verhandlungen der Oesellschaft für Oeburtshülfe
in
Berlin.
Sitzung vom 24. Februar 1862.
Herr Martin sprach
über tonische Krampfwehen,
vorzüglich bei Schädellagen mit Beziehung auf einen Fall,
in welchem eine blaurothe Färbung der vorangehenden Kindes-
theile durch eine Strictur bedingt war.*
Augu8te D., 22 Jab*e alt, gross, wohlgenährt, Brünette,
will als Kind stets gesund gewesen und seit dem fünfzehnten
Lebensjahre regelmässig menstruirt sein. Ende Mai 1861 trat
die Menstruation zuletzt auf, doch soll die erste Cohabitation
am 13. Juni stattgefunden haben. Im September begannen
angeblich die Fruchtbewegungen der Schwangeren fühlbar zu
werden, während das Befinden durchweg befriedigend blieb.
Am 28. November meldete sich die Schwangere in der geburts-
bulflichen Klinik und im Januar 1862 trat dieselbe in die
Königliche Entbindungsanstalt ein. Der Beckenumfang betrug
90 Centimeter, Sp. I. = 9", Cr. I. = 10»//, Conj. ext = TV/,
beide schräge Durchmesser des grossen Beckens = S^/^",
Die äusseren Genitalien und die Scheide waren gut vorbereitet,
als am 9. Februar 1862 Nachmittags sich einzebe Wehen
einstellten, welche in der Nacht zum 10. allmälig stärker
wurden, den Scheidentheil zum Verstreichen brachten und den
Muttermund bis 8 Uhr früh zu l'' im Durchmesser erweiterten,
indem die Fruchtblase sich zu stellen begann und der Schädel
in erster Stellung vorlag. Da die Wochensäle der Künik
M onatoaehr. f. Gebortok. 1868. Bd. XXL, Hfl. 6. 26
402 XXX. Verbandlimgeii der GeselUohaft
gefüllt waren, so wurde bei der Morgenvisite angeordnet, dass
die bis dahin völlig gesunde Kreissende mittels Droschke in
die Gebäranstalt des Charile- Krankenhauses befördert werden
soUe. Als dieselbe dies hörte, gerieth sie in die heftigste
Aufregung, fing an laut zu weinen und heftig zu stöhnen,
schlug die Hände über den Kopf zusammen und bat wiederholt
flehentlich, dass sie in der Anstalt belassen werde, welchem
Wunsche dann auch nachgegeben wurde. .In Folge dieser
psychischen Emotion zeigte sich die Wehenthätigkeit wesentlich
gestört; M. fand gegen 10 Uhr den vor zwei Stunden weichen
dilatablen, jetzt kaum 1 Zoll weiten Mutteimund von einem
harten und unnachgiebigen Rande umgeben und die Kreissende
behauptete, dass sie nur von Zeit zu Zeit ein lästiges Drängen
und lebhafte Kreuzschmerzen empfunden habe, während der
anwesende Praktikant l)ehauptete, die Wehen seien ganz ver-
schwunden; — Klystier, ruhige Lage im Bette. — Abends
7 Uhr erschien der Muttermund kaum merklich weiter, die
Blase stellte sich in demselben; der Puls schlug 88 in der
Minute, die Haut war trocken, Temperatur nicht erhöht.
Die Fötalherztöne wurden oberhalb der linken Weiche, darüber
lautes Uteringeräusch gehört. Nach mehreren Dosen Ipeca-
cuanha (gr.j.) erfolgte gegen 10 Uhr Abends Erbrechen und
dabei der Blasensprung. Nach Mittemacht schlief die Kreissende
kurze Zeit. Dennoch zeigte sich am Morgen des 11. Februar
die vordere Wand der Gebärmutter hinter den Bauchdecken
anhaltend gespannt und der noch nicht mehr erweiterte
Muttermund unausdehnbar. An dem in erster Stellung im
Beckeneingange stehenden Kopfe hatte sich eine kleine Kopf-
geschwulst gebildet, die Fötalherztöne betrugen 140. Unter
diesen Umständen wurde Pulvis Doveri ^ß. zwei Mal in zwei
Stunden gereicht Erst am Nachmittage traten wieder periodische
Contractionen des Uterus mit fortdauerndem Abgange von
Fruchtwasser auf. Dieselben erweiterten den Muttermund bis
7V« Uhr Abends, wo die Temperatur der Scheide auf 39,5® C,
gestiegen war, vollständig und drängten, zumal nachdem drei
Dosen Seeale cornutum (gr. xv.) gereicht waren , den Kopf
bis zu dem Beckenausgange herab. Als endlich der Kopf um
8V9 Ulir mit der jetzt beträchtlichen Kindestheil -Geschwulst
im Scheidenausgange sichtbar wurde, gerieth die bis dahin
Ifir Gebnrtflliülfe In Berlin. 408
rohige Kreissende während der Wehen in einen sehr auf-
geregten Zustand, sprang auf, ergriff ihren Rook, um fort-
zugehen, weil sie gerufen werde, und war nur mit Mühe auf
dem Bette zu erhalten. Deshalb und da die Fötalherztdne
sich jetzt erheUich verlangsamten, Hess M. nach eingeleiteter
Chloroform -Narkose einen Praktikanten unter seiner Leitung
die Zange appliciren. Die Entwickelung des Kopfes forderte
eine ungewöhnliche Anstrengung; noch weit grössere Mühe
verursachte trotz vollkommen normaler BeckenbeschafTenheit
die nach den Regeln der Kunst von M. selbst vollendete
Ausziehung der Schultern und des durchaus nicht ungewöhnlich
grossen Rumpfes. Die Nachgeburt kam nicht zu Tage, trotzdem
dass eine Stunde lang das regelrechte Reiben und Drflcken
des Mutterkörpers durch die Bauchdecken fortgesetzt wurde,
sondern musste mit den eingeführten Fingern aus dem wieder
festzusammengezogenen Mutterhalse hervorgeholt werden; die-
selbe wog nur 22 Loth. Der Mutterkuchen war oval, der
Riss der verklebten Eihäute seitlich, die Nabelschnur, 19 Zoll
lang, inserirte fast central.
Das todtgeborene wohlgebildete Mädchen war 12 Zoll
resp. 18 Zoll lang, wog 6 Pfund 2 Loth, erschien an Rumpf
und Extremitäten steif und unbeweglich, wie im tonischen
Krämpfe, und zeigte am Kopfe, Halse und Schultern eine
gleichmässig intensiv blaurothe Hautfärbung, welche
in einer scharf begrenzten, schräg von der rechten Schulter
über die Brust bis unter die linke Brustwarze und am Rücken
unter dem linken Schulterblatte nach der Mitte des linken
Oberarmes herumlaufenden Linie von dem übrigens blassrothen
Rumpfe, Vorderarmen und Bdnen auffallend abstach. Diese
tief blaurothe Farbe, welche in den Achselhöhlen fehlte, bestand
auch noch am folgenden Tage, au welchem das Kind den
sämmtlichen klinischen Zuhörern vorgezeigt und der Section
unterworfen wurde. Die Haut an den blaurothen Stellen liess
dabei kleine Blutextravasate wahrnehmen, das Hirn und die
Hirnhäute zeigten eine enorme Hyperämie und am Herzen
fanden sk^h Ecchymosen, sonst nichts Abnormes.
Das Befinden der Neuentbundenen war völlig befriedigend ;
der Uterus blieb gut zusammengezogen und war nicht
empfindlich. Ueberhaupt verlief das Wochenbett ohne alle
26*
404 XXX. Verhandlnngen der Oesellschaft
Störung, keine Spur von Endomeiritis, keine Anschwellung
der äusseren Genitalien, keine HarnYerhaltung. Die normale
Schwellung der Bräste am dritten und vierten Tage verlor
sich wieder ohne Störung des Allgemeinbefindens, so dass
die völlig genesene Wöchnerin schon am 22. Februar aus
der Klinik entlassen werden konnte.
1. Woher stammte die scharfbegrenzte tief
blaurothe Färbung des Kopfes, Halses und der
oberen Brustgegend des todtgeborenen Kindes?
Die eigentbämliche blaurothe Färbung hatte die grösste
Aehnlichkeit mit derjenigen, welche man bisweilen an dem
Kindskopfe dann auftreten sieht, wenn derselbe aus der
Schamspalte herausgetrieben längere Zeit verweilt, bevor der
Bumpf folgt. In unserem Falle zeigte sich dieselbe jedoch
schon als der Kopf hervorgezogen wurde. Bei der scharfen
Abgrenzung in einer schräg um Brust und Arme herum-
laufenden Linie und der gleichmässigen Färbung aller oberhalb
derselben, wie dem völligen Mangel dieser Farbe an allen
unterhalb gelegenen Theilen hat man wohl, wie dort am
Kopfe, eine heftige circuläre Einschnürung an der Grenzstelle
als Ursache anzunehmen.
Erwägt man die günstigen räumlichen Verhältnisse (Mittel-
maasse des Beckens und ein Kind unter dem Durchschnitts-
gewichte) und die vorausgegangene deutlich fühlbare, starre
Spannung des unteren Gebärmutterabschnitts, die zögernde
Erweiterung des Muttermundes, die Unnadigiebigkeit seines
Bandes trotz dem langen Stehen der Fruchtblase, das Aus-
bleiben der periodischen Contractionen bei lästigem Kreuz-
schmerze, so kann ein Zweifel darüber kaum erhoben werden,
dass ein tonischer Krampfzustand der Gebärmutter
hier das eigentliche Geburtshinderniss abgegeben habe. —
Betrachten wir den Geburtsverlauf aber näher, so stellte sich
dieser Tetanus uteri — denn so hat man den Gebärmutter-
krampf in unserem Falle zu bezeichnen, weil die absatz weisen
Contractionen dermaassen cessirten, dass der anwesende
Praktikant wiederholt behauptete, es seien gar keine Wehen
vorhanden, obschon die Kreissende auf Befragen ein zeitweises
Abwärtsdrängen und empfindliche Kreuzschmerzen klagte —
fttr GebortohüUe in Berlin. 405
nicht gleich zu Anfang der Gebart, sondern erst nach regel-
mässig erscheinenden und wirkenden Wehen, in Folge einer
bestimmt nachweislichen Veranlassung (nach einer heftigen
Emotion) ein. Dieser Tetanus uteri währte über 30 Stunden.
Nur ganz allmälig, nachdem endlich wieder regelmässige
periodische Contractionen aufgetreten waren, wurde, der Mutter-
mund vollständig erweitert, und der in erster Schädelstellung
eingetretene Kindskopf in die Beckenhöhle herabgetrieben.
Nachdem sodann zur Beförderung der wieder seltener ge-
wordenen und nicht mehr recht ausgiebigen Druckwehen bei
aus dem Muttermunde heraus in die B^ckenhöhle herab-
getriebenem Kopfe drei Dosen Seeale cornutum gereicht waren,
stellte sich die mit Gehörs -Uallucinationen verbundene be-
denkliche Aufregung der Kreissenden zugleich mit der beträcht-
lichen Verlangsamung der Herztöne der Frucht ein, welche
zur Extraction drängten. Unserer Meinung nach kann, da
die Herztöne bis zum Einschneiden des Kindskopfes völlig
regelmässig blieben, nicht jene früher bestandene andauernde
krampfhafte Zusammenziehung des ganzen unteren Gebärmutter-
abschnitts bis zum äusseren Muttermunde, der Tetanus uteri
die Ursache jener Umschnürung der Brust gewesen sein,
welche die beschriebene blaurothe Färbung veranlasste, sondern
nur eine später kurz vor Beendigung der Geburt
aufgetretene Strictur in der Gegend des inneren
Muttermundes. Abgesehen von der darauf hinweisenden
Phänomenenreihe an der Kreissenden (die erwähnte plötzliche
Aufregung derselben), wie an den Herztönen der Frucht (auf-
fallende Verlangsamung) nöthigte zu dieser Annahme theils
die beträchtliche und gleichmässige Ausdehnung der blauen
Färbung über den ganzen Kopf, Hals, Nacken und oberen
Theil der Brust, sowie des linken Oberarmes, welche Theile
nicht ausserhalb des äusseren Muttermundes in der Scheide
Raum geiiinden haben würden, theils die Beschaffenheit der
blauroth gefärbten Theile, welche keine Spur von Oedem zeigten.
Die einschnürende Stelle muss sich oberhalb des Beckeneingangs
befinden haben; denn die nach vorn gelegene rechte Schulter
zeigte auf ihrer Höhe den Ausgang der Grenzlinie, welche
Brust und Rücken nach der linken Seite hin immer tiefer
umkreisend in der Mitte des nach hinten in der Gegend der
406 XXX. Verluuidlaiig«B der OesellioliAft
linken Synehondrose , entsprechend der ersten Schädetetellung
der Frucht, gelegenen linken Armes endigte. Nur bei Berück«
sichtigung der beträchtlichen, oll mehrere Zoll betragenden
Verlängerung des Mutterhalses wird es erklärlich, dass diese
ganze ausgedehnte Körperfläche einige Zeit vor der Auaziehung
unterhalb der Einschnürung sich befinden konnte. Die An-
nahme einer Strictur in der Gegend des inneren Muttermundes
wurde endlich auch bei der späteren unerlässlichen manuellen
Entfernung der Nachgeburt constatirt, —
Dass die stattgefundene Emschnörung eine intensive,
jedoch nur verhältnissmässig kurz dauernde gewesen sei, geht
aus dem Umstände hervor, dass die blaue Färbung zwar auf
einer Blutstockung in den Capillaren beruhte, aber nicht mit
Oedem verbunden war.
2. Das Vorkommen tonischen Gebärmutter-
krampfes bei Längslagen der Frucht, insbesondere
bei den Schädellagen ist dann und wann bezweifelt
worden. Es mag sein, dass bei fehlerhaften Kindeslagen
(Schief- und Querlagen) diese Complication häufiger beobachtet
wird, — - wobei jedoch nicht übersehen werden darf, dass
das hier meist gebotene Einführen der Hand zur Wendung
auf die Füsse die Diagnose der Strictur u. s. w. erleichtert; —
dass der tonische Uteruskrampf durch Schädellagen aber
nicht ausgeschlossen ist, ja nicht einmal zu den grössten
Seltenheiten gehört, wird jeder aufmerksame Beobachter,
dem eine hinlängliche Anzahl von Fällen zu Gebote steht,
zugeben, der zahhreicben Mittheilungen classiscber Autoren,
wie eines Wigand, KiwUch und vieler Anderen, nicht zu
gedenken« Um einige Beispiele aus eigener Anschauung
anzuführen mögen folgende Fälle hier eine Stelle finden.
In den Nachmittagsstunden des 27. October 1847 wurde
die Hülfe der unter üf.'s Leitung stehenden geburtshülflichen
Poliklinik zu Jena für eine Kreissende in einem drei Stunden
entfernten Städtchen gesucht, welche, obschon sie bereits
sechs Mal ausgetragene Kinder leicht und glücklich geboren
hatte, am Ende ihrer siebenten Schwangerschaft, seit 24 Stunden
im Kreissen lag. Der zunächst mit einem Praktikanten dorthin
für Gebartshtilfe in Berlin. 407
eniseadete Assistent, ein wohlgeöbter sehr kräftiger junger
Mann, fand den äusseren Muttermund über thalergross, weich
und wulstig, den Kopf im Beckeneingange in erster Schädel-
Stellung. Da die Kreissende sehr erschöpft schien, hielt er
sich für verpflichtet, die Zange anzuwenden; die Application
sollte keine besonderen Schwierigkeiten geboten haben, allein
trotz der kräftigsten fortgesetzten Tractionen folgte der Kopf
nicht, so dass endlich Martin* s Beistand verlangt wurde.
M. fand den Muttermund einige Stunden später geschwollen,
den Kopf zwar gehörig in den Beckeneingang eingetreten,
allein noch nicht in die Beckenhöhle herabgerückt. Die Becken-
messung ergab keine Verengung, auch Hess der Umfang des
Leibes so wenig wie die Exploration des vorhegenden Schädels
eine ungewöhnliche Grösse der Frucht oder Härte der Kopf-
knochen annehmen. Die Herztöne der Frucht waren nicht
mehr zu hören. Der Befund und der bisherige Geburtsverlauf
deuteten auf eine Strictura uteri als das Geburtsbindemiss;
M. verordnete der kräftigen, obscbon mageren Frau daher
Abends gegen 12 Uhr Taftari emetici gr.iv. in Aq. comm. Siv.
Tr. opii s. ^j. halbstündlich einen Esslöifel voll, und wartete
in Gesellschaft seines Assistenzarztes und des anwesenden
Praktikanten den Erfolg ab. Gegen 4 Uhi* des folgenden
Morgens stellten sich, ohne dass Erbrechen oder Durchfall
eingetreten war, kräftige Druckwehen ein, der Kopf des
Kindes rückte durch den Mutterniund in das Becken herab,
und gegen 5 Uhr früh war die Geburt durch die Wehen
allein vollendet Das todte Kind zeigte gewöhnliche Grössen-
und Gewichtsverhältnisse. Das Wochenbett verlief, ohne dass
irgend eine unangenehme Nachwirkung des Tartainis ematicus
bemerkt wurde, glücklich.
Eine 24 Jahre alte kräftige Töpfersfrau in ß«, einer
kleinen Stadt bei Jena, hatte sich bei sehr ungünstiger
Witterung im März 1852 gegen das Ende ihrer ersten
Schwangerschaft auf dem Markte heftig erkältet; das Frucht^
wasser war vorzeitig abgeflossen, die Wehen erschienen sehr
schmerzhaft Nach 30 Stunden wurde der am Orte wohnende
Gd>ttrtshelfer Dr. 4f* hinzugerufen und sah sich nach An-
wendung mehrerer Arzneien veranlasst, die Zange zu ge-
brauchen; allein ohne Erfolg. Ebenso wenig gelang einige
408 XXX. Verhandlimgeii Aer Gesellschaft
Stunden später dieExtracüon dem hinzugezogenen Collegen Dr. J?.
Beide Aerzte glaubten jetzt das Hindemiss in einem räum-
lichen Missverhältnisse zu finden, weshalb M. ersucht wurde,
die Verkleinerung des Kindskopfes vorzunehmen. Als Af.
fünf Stunden später hinzukam, hatten die inzwischen regel-
mässig gewordenen Wehen den Kopf der Frucht bis zum
Beckenausgange herabgetrieben, so dass jetzt nur, um die
bereits in Folge der mannichfaltigen Insulten bis zur Agone
erschöpfte Frau möglichst bald zu befreien, die Extraclüon
des nicht ungewöhnlich grossen oder harten Kopfes mittels
der Zange ohne alle Hübe bewirkt wurde. Die Section der
bald darauf gestorbenen Frau ergab vollkommen normale
Beckenverhältnisse und liess somit keinen Zweifel, dass eine
Strictur des Uterus das ursprüngliche Geburtshinderniss ab-
gegeben habe.
Im Mai 1860 wurde M*s Hülfe für eine 25 Jahre alte,
wohlgebaute kräftige Erstgebärende verlangt, welche seit
16 Stunden kreissend bereits von Seiten eines anderen Arztes
einem mit Abgleiten der applicirten allzu kurzen Zange und
3 Zoll langer Zerreissung der Scheide endigenden Entbindungs-
versuche unterworfen war. Die heftige Blutung hatte den
anwesenden Collegen von einer Wiederholung des Versuchs
abgeschreckt. M. fand den mit einer beträchtlichen Geschwulst
bedeckten Kopf des nicht mehr lebenden Kindes hoch im
Beckeneingange und den wulstigen eingerissenen Muttermund
zu kaum 2 Zoll im Durchmesser erweitert. Die Kreissende,
deren Becken keine Anomalie wahrnehmen liess, klagte über
lebhafte Kreuzschmerzen bei den sehr empfindlichen Wehen,
welche den in zweiter Schädelstellung befindlichen Kopf nicht
faerabbeförderten. Demgemäss konnte M. nicht zweifeln, dass
das Geburtshinderniss in einer Strictur des inneren Mutter-
mundes liege und liess sofort von einer Lösung des Tartari
emetici (gr.ij.) in einer massigen Kaffeetasse mit Wasser
halbstündlich einen Esslöffel voll mit Pulv. Rad. Ipecacuanh. gr.j.
gemischt darreichen. Nach vier derartigen Dosen stellten sich
unter einmaligem Erbrechen Treibwehen ein , welche den Kopf
durch den sich allraälig erweiternden Muttermund hindurch
etwa drei Stunden nach M.*s Ankunft bis zu dem Becken-
ausgange herabtrieben. Als jetzt die kräftigen Wehen nach-
fBr Gebnrtohülfe in Berlin. 409
liessen, hob M. den Kopf mittels seiner Zange ohne Mühe
hervor. Die Frau genas unter langsamer Vernarbung des
Scheidenrisses vollständig.
Für das nicht minder häufige Auftreten dieser Wehen-
fehler bei Beckenendlagen durften folgende Fälle, in welchen
die Extraction des nachfolgenden Kopfes durch krampfhafte
Zusammenschnurung des Muttermundes erschwert wurde,
einen Beweis Hefern.
Eine sehr derbe wohlgenährte Tagelöhnerfrau in J. hatte
schon wiederholt wegen fehlerhafter Kindeslage mittels der
Wendung auf die Fösse entbunden werden müssen, als M.
im August 1850 zu deren dritten Geburt gerufen wurde, bei
welcher das Fruchtwasser vorzeitig abgeflossen und der Steiss
über dem 1 Zoll weiten unnachgiebigen Muttermund lag. Unter
Anwendung verschiedener Mittel erweiterte sich endlich die
Oefihung so weit, dass der Steiss zum Beckenausgange herab-
rückte. Als jetzt die Herztöne der Frucht auf 96 in der
Minute herabgingen, unternahm M, die Extraction des Steisses,
fand aber schon bei der Lösung der Arme erhebliche Schwierig-
keiten; noch grössere jedoch als er zur Ausziehung des Kopfes
schritt Durch den um den Hals wiederzusammengezogenen
Muttermund wurde die Einführung der Finger auf das nach
hinten gerichtete Gesicht schon sehr erschwert, noch mehr
die Herabziehung des Kopfes. Das Kind von mittlerer Grösse
und Gewicht war bereits in Folge des Druckes, welchen die
Nabelschnur durch die emporgeschlagenen Beine erlitten hatte,
abgestortien; die Mutter genas, nachdem sie eine Metritis colli
überstanden hatte. ^)
Im September 1857 liess ein geachteter College Martin
dringend um Beistand bei emer 36 Jahre alten zum zehnten
Male gebärenden Schullehrersfrau in einem über zwei Stunden
Yon Jena entfernten Dorfe bitten, bei welcher er wegen
Placeuta praevia die Extraction an den Füssen eines nicht
ganz zeitigen lebenden Kindes unternommen, aber als er den
Kopf mittels des sogenannten Prager Handgriffes entwickeln
1) In einem ähnlichen Falle sah Hohly Lehrbach der Gebnrts-
hülfe, 2. Aufl., 1862, S. 496, rings nm den Hals des todten
Kindes einen fast fingerdicken Eindmck und diesen an einseinen
Stellen blinlich gefKrbt.
410 XXX. Verliandliiiif en der G«BelLiohaft
wollte, zwar den Rumpf, jedoch nicht den Kopf heraus-
befördert hatte. Der abgerissene Kopf war durch den sich
sofort zusammenziehenden Mutterhals dermaassen in die
Gebärmutterhöble zurückgedrängt worden und die Muttermund-
öffnung jetzt so eng, dass der erwähnte wohlgeübte Geburts-
helfer mit der sofort eingeführten Hand nicht hindurchzudringen
vermochte. Nach Ablauf von ein Paar Stunden war unter
dem Gebrauch von Opium der Muttermund durchgängig ge-
worden und der abgerissene Kopf, bevor M. hinzukam, durch
die Wehen herabgetrieben und von dem anwesenden Geburts-
helfer bereits ausgezogen worden. Dass Beckenenge hier
nicht im Spiele gewesen, zeigte die 10 Tage später angestellte
Section der in Folge von Metrophlebitis gestorbenen Wöchnerin.
Wenn durch diese aus einer grösseren Anzahl aus-
gehobenea Beobachtungen das Vorkommen des tonischen
Uterinkrampfes bei Längslagen von Neuem bestätigt wird, so
dürfte es an der Stelle erscheinen, die Unterscheidung der
einzelnen Formen in Striclur, Trismus und Tetanus
hier mit einigen Worten zu besprechen, da gerade in dieser
Beziehung abweichende Ansichten auch noch in neuester Zeit
geltend gemacht sind. Wenn z. B. Hohl die Bezeichnung
Strictur für alle partiellen ringförmigen Einschnürungen des
Uterus, mögen sie in der Gegend des inneren oder äusseren
Muttermundes oder unter einer Tuba -Mündung stattfinden,
anwendet, so kann M, deshalb nicht beistimmen, weil der Befund
am äusseren Muttermunde wesentlich verschieden sich darstellt,
je nachdem der Krampf seinen Sitz am äusseren oder inneren
Muttermunde, d. h. am unteren Abschnitte des Scheidentheües
oder an der Uebergangsstelle des Mutteilialses in den Gebär-
mutterkörper bat. Im ersteren Falle erscheint der Muttermund
von einem derben gespannten, daher unnachgiebigen, in der
Regel mehrere Linien dicken Ringe umgeben, bei der krampf-
haften Zusammenschnürung des inneren Muttermundes hingegen
findet man den äusseren Muttermund meist weich wulstig nacii-
giebig, ähnlich wie bei den Quetschungen jener Gegend des
Uterus zwischen dem Kopfe und dem verengten Beckeneingange,
eine Aehplichkeit, welche deshalb hervorgehoben zu werdeii
verdient, weil sie den minder sorgfaltigen Beobachter zu einem
verhängnissvollen Irrthume verleiten kann, indem diese beiden
Ar G«bQrt8hälfe in BerUn. 411
Zustände die entgegengesetzte Behandlung ei^ieischen. Bei
einem so erheblichen Unterschiede des mit dem Tastsinne zu
erhellenden Befundes wird die Bezeichnung Trismus neben
Sirictur gerechtfertigt seien.
Weshalb eine krampfhafte Zusammenziehung gerade in
der Gegend des inneren Muttermundes häufiger vorkommt,
wird erklärlich, wenn man erwägt, wie gewöhnlich die Gebär-
routterwandung in dieser Gegend bei bald nach der Geburt
Gestorbenen eine auflallende Dicke gegenüber den merklich
Terdönnlen, zu 2 und mehr Zoll lang ausgezogenen Mutterhals
zeigt; ein Verbältniss, welches M. bei Frauen, die durch
Strictur behinderte Geburten überstanden hatten, besonders
evident gefunden haU
Der Unterschied zwischen Trismus und Tetanus uteri
hingegen, bei wdchen tonischen Krampfzuständen des ge-
bärenden Uterus der untere Abschnitt vom äusseren Mutter-
munde aufwärts Sitz der pathologischen Zusammenziehung ist,
liegt hingegen darin, dass die krampfhafte Spannung bei
letzterem an den Mutterkörper weiter hinauf sich ausbreitet
als beim Trismus, und daher die durch die Bauchdecken
fühlbare trockene Uteruswand bleibend härter und gespannter
erscheint als bei diesem. Die Verschiedenheit ist somit nur
eine graduelle von der grösseren oder geringeren Ausbreitung
der almormen Contraction aufwärts vom äusseren Mutter-
munde abhängige, während bei beiden Formen die harte
unnachgiebige Spannung des äusseren Muttermundes dieselbe
ist. Es dürfte somit die Unterscheidung im einzekien Falle
schwierig und aus nabeliegenden Gründen überflüssig er-
scheinen.
Bei den sämmtlichen Arten tonischer Krampf-
wehen ist die permanente Contraction der Gebärmutter
local abnorm gesteigert, während die periodischen Gon-
tractionen des Uterus scheinbar, wie in dem am Eingange
erzählten Falle, fehlm, oder aber umgekehrt von extremen
Schmerzen begleitet, jedoch unwirksam sind. Der Grund
dieser auffallenden Divergenz der Symptome wird einleuchten,
wenn vrir die Entstehung der tonischen Krampfwehen in's
Auge fassen.
412 XXX. Verhandlimgeii der Oesellfcliaft
3. Die Entstehung der tonibchen Krampfwehen
bedarf bei der noch ungenögenden Kenntniss der Uterus-
contractionen überhaupt noch vieler, insbesondere experi>
menteller Untersuchungen. Vorläufig mag das, was die
Beobachtung am Kreissbette lehrt, als Andeutung zu weiteren
Studien hier folgen.
Eine unverkennbare Disposition zu dieser Wehenst5rung
zeigt sich bei ungewöhnlicher Gestalt der Gebär*
mutterhöhle, daher bei fehlerhafter Kindeslage (Schief- oder
Querlage), sowie bei übermääsiger Ausdehnung durch zu vieles
Fruchtwasser. Diese Disposition mag im einzelnen Falle auf
einem abweichenden Bau oder auf einer auch wohl erworbenen
krankhaften Beschaffenheit der Wandungen beruhen.
Dass Gemüthsaffecte einen grossen Einfluss auf die
Uteruscontraction ausüben können, ist nicht allein durch die
Fälle von Spätblutungen im Wochenbette bewiesen, welche
unter Ausschluss anderer Ursachen (wie verhaltene Eireste,
Thrombosis und Phlebitis, Gestalt und Lageveränderung der
Gebärmutter etc.) wiederholt nach heftigen AOecten von Martin
beobachtet wurden, sondern auch durch jene Beobachtungen
dargethan, in welchen ein heftiger Schrecken, z. B. durch
Feuerruf in der Nähe des Kreisszimmers^ die Wehen sofort
und för viele Stunden völlig cessiren machten. Bemerkens-
werth ist ferner, dass viele der Kreissenden, welche wegen der
heftigsten tonischen Uteruskrämpfe bei der Geburt ärztlicher
Hülfe bedurften, während der vorangegangenen Schwanger-
schaft tiefen und anhaltenden Gram, Kummer und Aerger
erduldet hatten. In dem zuerst erzählten Falle war ein anderes
ursächliches Moment der anfanglichen plötzlichen Wehen-
umänderung als die heftige psychische Emotion nidit auf-
zufinden; insbesondere wies die lange Erhaltung der Frucbt-
blase und der glückliche Verlauf des folgenden Wochenbettes
den etwa zu hegenden Verdacht einer Endometi*itis in partu ab.
In allen von M. beobachteten durch psychischen Affect
hervorgerufenen tonischen Krampfzuständen des gebärenden
Uterus zeigten sich die periodischen Zusammenziehungen auf-
fallend schwach und schmerzlos, so intensiv die permanente
Contraction hervortrat
r
Ar Oeburtshülfe in Berlin. 413
Id anderen Fällen war der Druck und die Quetschung,
wdchen der untere Gebärmutterabscbnitt, zumal bei durchweg
zu engen Becken, bisweilen während des Eintrittes des Kinds-
kopfes erleidet, die einzig nachweisliche Ursache der krampf-
haften Zusammenschnurung des unteren Gebärmutterabschnittes;
Martin verweist in dieser Beziehung auf eine frühere Mit-
theilung, ^) welcher er eine Reihe ähnlicher Fälle hinzuzufügen
Termöchte. — Eine der Wirkung nach verwandte örtliche
Ursache von Stricturen an dem einen oder anderen Seiten-
tbeüe des Muttergrundes kennt man in der andauernden
örtlichen Reizung des Gebärorganes da, wo die Placenta partiell
fest.adhärirt.
Weit häufiger jedoch sah M. Stricturen und die übrigen
tonischen Krampfwehen sowohl in der Nachgeburtsperiode
als auch vorher durch Erkältung der unteren Ex-
tremitäten, wie des Beckenendes hervorgerufen. In
zwei exquisiten Fällen krampfhafter Nachgeburtsverhaltung
war diese nach bis dahin normalem Geburtsverlauf dadurch
veranlasst, dass unbesonnene Hebammen die schwitzenden
Kreissenden während der Austreibung des Kindes aus dem
Kreissbette auf den kalten Fussboden gestellt hatten, damit
das Bett nicht verunreinigt werde! — Die Erkältung als
Ursache des Uteruskrampfes bedingt meist zugleich eine
Endometritis, welche, wenn sie in der ersten Geburtsperiode
auftritt, um so nachtheiliger wirkt, als sie dann gewöhnlich
einen vorzeitigen Wasserabfluss herbeiführt und, auch ab-
gesehen von der lästigen Geburtszögerung, eine bedenkliche
Erkrankung für das Wochenbett in Aussicht stellt. Gleiches
gilt von der durch Infection mit Leichen- und anderen
contagiösen Stoffen veranlassten Endometritis. Hier, sowie
überall da, wo Endometritis den tonischen Krampfwehen zu
Grunde liegt, pflegten die periodischen Contractionen un-
gewöhnlich schmerzhaft zu sein.
Als eine besondere Ursache des tonischen Uteruskrampfes,
zumal der Stricturen glaubt üforft'n endlich den unpassenden
Gebrauch des Secale cornutum bezeichnen zu müssen,
indem nicht allein in dem am Eingange erzählten, sondern
1) S. MonatBschrift, 1862, Bd. XIX., Januar-Heft, S. 70.
414 XXX. Verhandln ogen der OesellBchaft
auch noch iü mehreren andei*en Fällen tonische Krampfwehen
nach dem Gebrauche dieses Mittels sowohl in der Klinik als
auch anderwärts beobachtet wurden. M. mag nun nicht
behaupten, dass das Mutterkorn diesen Wehenfehler bei vorher
ganz normaler Wehenthätigkeit hervorrufe, hat aber die
Ueberzeugung, dass dieses übrigens sehr werthvolle Arznei-
mittel dens^ben bei einiger Disposition dazu und besonders
bei schon vorhandenem Krämpfe wesentlich steigere. In dem
oben ausführlich erzählten Falle hatte sich der Tetanus uteri
soweit verloren, dass regelmässige Expulsivwehen den Kopf
durch den vollständig erweiterten Muttermund bis hinter die
Scbamspalte herabtrieben; als hierauf die Wehen in ihrer
Energie nachliessen, wurden, um die langersehnte Ausstossung
zu befördern, drei Dosen von Seeale comutum (gr.xv.) in
Zwischenzeiten von je 20 Minuten gereicht. Eine halbe Stunde
später steUte sich jene Aufregung ein, nach welcher die
Herztöne der Frucht auffallend verlangsamt erschienen, so dass
die durch Strictur des Uterus so erschwerte Ausziehung un-
erlässlich wurde. — In einem anderen genau beobachteten
Falle der Klinik hatte der wachführende Praktikant Seeale
comutum gereicht, bevor der Muttermund völlig erweitert
war, um die Geburt zu beschleunigen. Die nach einiger Zeit
auftretenden Krampfwehen ergaben bei der wiederholte^
Temperaturmessung der Scheide eine bemerkliche Steigerung
und nur erst nach mehrstündigem Zuwarten unter Gebrauch
von Pulv. Doveri legte sich die krampfhafte Wehenstörung,
worauf die Geburt durch die geregelten Wehen glücklich
vollendet wurde.
4. Um schliesslich mit einigen Worten der von M.
erprobten Therapie bei tonischen Krampfwehen zu gedenken,
so haben sich ihm als die wirksamsten Mittel die Nauseosa
und das Opium bewährt Von den ersteren wurde am
häufigsten Rad. ipecacuanhae und zwar gewöhnlich in Dosen
von einen halben oder ganzen Gran halbstündlich gereicht;
nicht selten folgte schon nach zwei bis drei Gaben Erbrechen
bisweilen mit rascher Besserung. Bei weniger empfindlichen
Individuen mit gesunder Magen - und Darmschleimhaut bedurfte
es bisweilen einer Lösung des Tartarus emcticus, in einzelnen
Fällen zu gr.j. auf die Unze allein oder mit Ipecacuanha
fUr Qebiutshfilfe in Berlin. 415
oder mit Tinct. opii, um die gewöDSchte Wirkung zu erzielen;
und M. entsinnt sich keines Falles, in welchem eine un-
angenehme Nachwirkung dieser Medication stattgefunden. In
der Mehrzahl der Fälle erfolgte früher oder später gleich-
massiger Schweiss und damit Nachlass des Krampfes. In
vielen anderen FäUen gab M. entweder gleich zu Anfang,
zumal wo die Wehen sehr schmerzhaft auftraten, Opium
theils fftr sich, z. B. die Tinctur oder das Extr. opii aquosum
mit gutem Erfolg auch als Klystier, theils in Verbindung mit
Ipecacuanha im Pulv. Doveri. Der Krampf wich, zumal wenn
Ruhe, Schlaf und Schweiss erzielt ward, doch verzögerte nicht
selten das Opium den Eintritt der kräftigeren Wehen und
damit das Ende der Geburt in merklicher Weise. Um den
Schweiss zu fördern, wurden häufig auch Dunstbäder meist
im Bette der Kreissenden selbst, oder noch häufiger Senf-
pflaster auf die Kreuzgegend oder den Unterleib mit Erfolg
applicirt. Allgemeine Bäder kamen nur selten in Gebrauch,
öfter warme Sitzbäder, auch wohl von Kleie -Absud und zwar
mit Befriedigung, ebenso zumal bei Trismus warme Scheiden-
Doudien, seltener warme Breiumschläge auch mit FoL hyoscyami,
Flor. Chaniomillae u. dergl. Von geringerem Nutzen zeigte
sich der mit warmem Wasser gefüllte Colpeurynter bei tonischem
Krämpfe. Ebenso wenig bewährte sich das im Anfange seiner
Praxis von M. häufig gebrauchte Extractum belladonnae mit
oder ohne Opium in Salbenform oder im Suppositorium. —
Wo die Endometritis in den Vordergrund trat, leisteten Blut-
egel auf den Unterleib gelegt oder Schröpf köpfe auf das Kreuz
applicirt nicht selten gute Dienste; von Aderlässen kann M.
bei tonischen Krampfwehen weniger Erfolg rühmen. Die
Valeriana, die Tinctura Hoschi c. Ambra und ähnliche Reiz-
mittel wurden gelegentlich versucht, jedoch bei tonischen
Krampfwehen kein sicherer Erfolg beobachtet. Dann und
wann schien das Castoreum sibiricum, sowie der Borax von
Vortheil, doch kamen diese Mittel meist nach Vorausschickung
anderer zur Anwendung, so dass es fraglich erschien, ob
nicht die Nachwirkung jener oder die Zeit Nachlass des
Krampfes gebracht hatte.
Von der grössten Wichtigkeit erschien immer ein gleich-
massig ruhiges und warmes Verhalten, und stets forderten
416 XXX. Yerbandlangen der Gesellschaf«
diese Krampfwehen grosse Geduld und stunden-, ja tagelanges
Zuwarten.
Von den operativen Eingriffen hatte die Entbindung mittels
der Zange bei tonischen Krampfwehen, so lange der Krampf
bestand, fast immer einen ungünstigen Erfolg, entweder eine
Steigerung der krankhaften Zusaromenziehung und daher
Unmöglichkeit, die Geburt sofort, zu beenden, oder mehr
oder weniger tiefe Einrisse in den Muttermund. Die Wendung
auf den Fuss war im Allgemeinen heilsamer für Mutter und
Kind, falls der wiederkehrende Krampf bei der Extraction
nicht hartnäckig den Kopf der Frucht zurückhielt und dadurch
beide gefährdete. —
Herr C. Mayer fragt an, ob dieser Fall vereinzelt da-
stehe oder ob in der Literatur schon ähnliche Beobachtungen
veröffentlicht seien.
Herr Martin erwiedert, dass in den Lehrbüchern ein
Fall von Löffler citirt werde, doch heisse es in HufelancPs
Journal, XXL Band, 1805, S. 73, dass das nach einer durch
Strictur des Uterus verzögerten Geburt todl zur Welt ge-
kommene Kind einen drei Finger breiten rothblauen blutigen
Streif um den Leib zeigte, während vorn und an der Seite
die Haut fast wie abgestreift, auch das Scrotum der nämlichen
Seite aufgetrieben, blau und enthäutet gewesen sei. Ob
dieser Fall mit dem erzählten zu vergleichen sei, möge indess
unentschieden bleiben.
Herr (7. Mayer sprach
über Anteversio uteri und ihre Behandlung
mit Hülfe von Gummiringen.
Er macht als Einleitung zu seinem Vortrage darauf auf-
merksam, dass er dies alte bekannte, in der neuesten Literatur
vielfach und ausführlich besprochene Thema nicht etwa gewählt
habe, weil er ganz neue Thatsachen zur Sprache bringen wolle,
sondern nur, uro seine eigenen Erfahrungen über Vorkommen,
über Complicationen der Anteversionen und sein in den letzten
Jahren mit Nutzen angewandtes Heilverfahren mitzutheilen und
daran den Wunsch zu knüpfen, die verschiedenen Ansichten
tiir Oebnrtshülfe in Berlin. 417
der Praktiker und der Autoren, besonders über die Zweck-
mässigkeit und Nothwendigkeit einer örtlichen und mechanischen
Behandlung der Deviationen des Uterus einer allgemeinen und
gründlichen Discussion zu unterwerfen.
Eine ganz kurze historische Uebersicht erinnert daran,
dass die Lageveränderungen des Uterus schon den Aerzten
des Alterthums bekannt waren, dass Htppocratea in seinem
Buche „de morbis mulierum^ dieselben bespricht, ihren
£influss auf die Menstruation und auf Gonception hervorhebt
und von der freilich unrichtigen Annahme einer Wanderung
des Uterus nach oben bis zum Halse und nach den ver-
schiedenen Seiten hin ausgehend, die verschiedensten hysterischen
Affectiouen, Strangulationen, Suflbcationen u. s. w. daraus er-
klärt Seine Ansichten gingen bekanntlich auf die Arabischen
Aerzte und auf die Schriftsteller der späteren Jahrhunderte
über, die zum Theil einander abschrieben und wir finden
wohl erst bei Morgagni genauere anatomische Beschreibungen
von Retroversion und Anteversion, wenn auch schon AeHus
einen Fall von Retroversion mittheilt, bei welchem er durch
eine Hebamme emen 4 Zoll langen Wachscylinder in den
Mastdarm einbringen Hess. Die bis zu Anfang des achtzehnten
Jahrhunderts vorkommenden Miltheilungen betreffen grössten-
theils den schwangeren Uterus, und es blieb der neueren
Zeit vorbehalten, die Lage Veränderungen des nicht schwangeren
Uterus genauer durch Untersuchungen an Lebenden und an
Leichen nachzuweisen und ihre Wichtigkeit, ihren mächtigen
Einfluss auf das Befinden der damit Behafteten festzustellen.
Wenn auch schon seit Anfang dieses Jahrhunderts fast gleich-
zeitig von den Gynäkologen in Frankreich, England und
Deutschland diesem Gegenstande grosse Auünerksamkeit zu-
gewendet wurde, so steigerte sich dieselbe doch entschieden
durch die Discussion in der Pariser Academie de medecine
im Jahre 1849 und noch mehr durch die zweite im Jahre 1854,
und wir verdanken derselben gründliche Bearbeitungen der
verschiedenen Deviationen, unter denen die gekrönte Preis-
schrift von Dunal „sur les deviations uterines'' besondere
Beachtung verdient.
Nach einigen Worten über die bekannte Eintlieilung der
Deviationen in Flexionen und Versionen und über ilire grosse
MonaUaehr. f. Gebartsk. 1868. Bd. XXI., Hft. 6. 27
418 XXX. Yerhandliuigeii der GaselUchaft
Wichtigkeit, über ihren mächtigen Einfluss auf den weiblichen
Organismus, wendet sich C. M. auf den eigentlichen Gegen-
stand seines Vortrages auf die Anteversion.
Die Symptome derselben seien im Allgemeinen dieselben
wie die aller übrigen Deviationen, theils örtliche Beschwerden,
die sich entweder* im Uterus selbst oder in den benachbarten
Organen kund geben, theils Functionsstörungen, die als
Menstruationsstörungen f als Sterilität auftreten, theils sym-
pathische Nervensymptome, welche sich verschiedentlich als
Digeslionsstörungen , Magenbeschwerden« Migräne, Brust-
beklemmung u. s. w. zeigen und in der Regel ein Sinken der
Ernährung, schlechte Blutbereitung, Bleichsucht, Abmagerung,
Neuralgien, hysterische Krampfformen aller Art, GemGths-
verstimmungen u. s. w. zur Folge haben. Der Anteversion
als solcher kommen keine besonderen Symptome zu, man
habe ihr wohl in Folge des Druckes auf die Blase Urin-
beschwerden als ihr eigenthfimUch zugeschrieben, indessen
fehlen dieselben sehr oft bei ganz exquisiten Formen, während
sie gar nicht selten auch bei Retroflexionen beobachtet werden.
In allen Fällen, wo das allgemeine Krankenexamen auf den
Verdacht einer Deviation des Uterus hinleilet, kann daher
nur eine genaue Exploration die Art derselben bestimmen.
Die Ansichten über die relative Häufigkeit der Ante-
versionen sind sehr getheilt Während von vielen Autoritäten
die Anteversion für die häufigere Art der Deviationen gehalten
wird, erklären andere gewichtige Stimmen sie seltener als die
Retroversionen. Der Vortragende theilt, nach seinen Er*
fahrungen, die erste Ansicht, welche er auch schon in seinem
Vortrage über „Sterilität'' im Jahre 1856 ausgesprochen
und seitdem entschieden bestätigt gefunden hat. . Schon die
normale Lage des Uterus, bei welcher der Fundus etwas
nach vorn geneigt sei, giebt für die leichtere Entwickelung
einer Anteversion ein prädisponirendes Moment, da ein Druck
von oben her, eine mit Massenzunahme verbundene Erkrankung
des Uterus, welche eine grossere Schwere und Gewichts-
zunahme des Körpers bedinge, leichter eine Anteversion
hervorrufen wird.
Die Grade der Anteversion sind verschieden, der Uterus
kann von der diagonalen Richtung in eine horizontale über-
fOr Gebartshülfe in Berlin. 419
gehen, bei welcher letzteren die Vaginalportion mit dem
Orifieium ganz gegen das Os sacrum gerichtet ist.
Eine einfache Anteversio, d. Ii. ohne Erkrankung des
Utems, gehört zu den Seltenheiten, wenigstens kommt sie
an Lebenden nur selten zur Beobachtung, weil bei dem
Mangel an Beschwerden keine Veranlassung vorliegt, eine
Exploration vorzunehmen, wenn nicht die Frauen bei aus-
bleibender Conception einen Arzt zu Rathe ziehen und auch
in den Fällen von Sterilität nach mehrjähriger Ehe wird man
nur seilen den Uterus ganz gesund finden.
Die Untersuchung ergiebt verschiedene pathologische
Veränderungen des Uterus, — Metritis, Endometritis, Para-
metritis, gleichzeitig erkrankt die Schleimhaut und es zeigen
sich Erosionen, Excoriationen derselben an den Muttermunds-
lippen und im Cervicalcanal, von denen dann die vorhandene
Blennorrhoe herrührt Diese pathologischen Veränderungen
der Schleimhaut sind im Speculum zu erkennen, doch ist
dies in einzelnen Fällen sehr schwierig, wenn nämlich das
Orifieium uteri ganz nach dem Os sacrum gerichtet ist und
die Erkrankung sich mehr auf die innere Fläche der oft sehr
wulstigen, voluminösen Lippen erstreckt, — es kann dann
die vordere Lippe sich in's Speculum drängen, oder beide
Lippen können durch das Speculum an einander gepresst
werden, so dass von der inneren wunden Fläche derselben
nichts sichtbar wird und dann wird, wenn die Lippen äusserlich
gesund aussehen-, die oft vorkommende Täuschung leicht
möglich. Da bekanntlich die Excoriationen schon durch das
Geffilü sich erkennen lassen, wird in allen solchen Fällen
durch eine passende Einführung des Speculum, durch eine
vorangeschickte Hervorziehung der Vaginalportion u. s. w. das
Vorhandensein derselben sich immer constatiren lassen.
Ausserdem können andere Erkrankungen in und ausser dem
Uterus, Fibroide, Tumoren, Adhäsionen u. s. w. bei den
Anteversionen vorkommen, auf welche bei der Untersuchung
die nöthige Aufmerksamkeil zu richten ist.
Die Frage, ob die Anteversio das primäre Leiden sei
und ob skh in Folge derselben Endometritis und weitere
Erkrankungen des Uterus entwickeln , oder ob umgekehrt die
zu Metritis und Endometritis sich gesellende Gewebsveränderung,
27*
420 XXX. Yerbandlangen der Oesellschaft
Anschwellung und Gewichtszunahme der Gebärmutter die
Anteversion bedinge, ist vielfach von den Schriftstellern,
auch in der Pariser Akademie besprochen, aber nicht ent-
schieden worden und durfte noch Gegenstand einer Discussion
werden. So viel steht fest, dass Anteversion selten ohne
Erkrankung des Uterus, aber diese oft ohne Anteversion
vorkomme und die Ansicht, dass eine Beseitigung der Metritis
oder Endometritis genüge, um die Anteversion zu heben, ist
jedenfalls irrig, wird nicht durch die Erfahrung bestätigt, sie
ist aber für die Behandlung von der grössten Wichtigkeit,
weil dann die örtliche, mechanische Behandlung zur Auf-
richtung und Geradestellung des Uterus überflüssig wäre.
Die Diagnose ist, vrie schon oben angedeutet wurde,
nur durch eine Exploration festzustellen, diese muss aber sehr
genau gemacht werden, weil sonst, wie häufige Erfahrung
lehrt, bei diesem scheinbar leicht zu erkennenden Leiden
Irrthümo* zum Nachtheil der Krauken vorkommen können.
Es bedarf kaum der Erwähnung, dass eine im Stehen vor-
genommene Exploration allein nie eine genügende Auskunft
geben kann, es ist vielmehr immer die Rückenlage mit etwas
erhöhtem Kreuze nöthig und für eine richtige Diagnose
geeigneter als die Seitenlage. Wenn in einer solchen Rücken-
lage der untersuchende ausgestreckte Zeigefinger fast horizontal
fortgeschoben wird, so stösst er bei normaler Stellung des
Uterus auf die Vaginalportion und auf das Orificium , ist dagegen
eine Anteversion vorhanden, so findet der Finger, wenn er
dieselbe Richtung beibehält, einen leeren Raum und stösst
endlich auf die vordere Fläche des nach vom geneigten Uterus
und muss, um die Yaginalportion und das Orificium zu er-
reichen, mehr oder weniger, je nach dem Grade der vor-
handenen Anteversion, nach unten und hinten, nach dem
Os sacrum zu gesenkt werden. Bei diesem höchst einfachen
Verfahren wird auch die geringste Abweidiung von der
normalen Stellung leicht erkannt werden, bei höherem Grade
der Anteversion wird die Vaginalportion hinter dem horizontal
ausgestreckten Finger liegen, das gegen das Os sacrum ge-
richtete Orificium dagegen wird oft nur erreicht werden
können, wenn die Fingerspitze sich zwischen Vaginalportion
und Os sacrum drängt, während der Fundus der Gebärmutter
für Oebnrtflhttlfe in Berlin. 421
mehr oder weniger nach vorn geneigt ist Bei jedem be-
deutenderen Grade von Anteversion gleitet das Speculiun bei
der Vaginalportion vorüber, drängt dieselbe mehr nach hinten;
dasselbe findet beim Coitus durch den Penis statt, wodurch
die Sterilität in diesen Fällen erklärt wird, da die Ejaculation
oben im leeren Räume der Vagina erfolgt und das Sperma
natürlich nicht in das Orificium dringen kann.
Die für die Behandlung der Anteversionen unentbehrliche
Sonde ist auch für die Diagnose von Wichtigkeit, insofern
sie über die Grössenverhältnisse des Uterus und über das
Vorhandensein von Adhäsionen, Tumoren u. s. w. Aufschluss
giebt. Die Application selbst macht bei hohen Graden von
Anteversion oft viel Schwierigkeiten. Man muss die Spitze
der Sonde in solchen Fällen bis tief gegen das Os sacrum
fähren, um dann in das Orificium und in den nach vorn
gegen die Symphyse geneigten Uterus zu gelangen. Bei dieser
Gelegenheit sprach (7. M. über die Anwendung der Sonde
überhaupt und machte darauf aufmerksam, dass die grösste
Vorsicht, die grösste Schonung, die grösste Behutsamkeit von
Seiten des Arztes bei der Einführung noth wendig -sei. Nach
erfolgter Einführung wird man bei der Aufrichtung des Uterus,
mit Hülfe derselben, vorhandene Adhäsionen vermuthen können,
wenn diese Versuche sehr heftige Schmerzen nach einzelnen
Richtungen hin erregen und die Aufrichtung deswegen nur
schwer oder gar nicht erreicht wird, man wird auch bei
diesen Versuchen und nach erfolgter Aufrichtung eine richtigere
Anschauung von Ovarial- und anderen Tumoren, von etwa
vorhandenen Fibroiden erhalten.
Die Behandlung der Anteversionen, sowie die der Deviationen
überhaupt, ist von den Aerzten der neueren Zeit in der ver-
schiedensten Weise ausgeführt worden, indessen scheint doch
die schon erwähnte Ansicht, dass eine medicamentöse Be-
handlung zur Beseitigung der fehlerhaften Lage ausreiche,
mehr und mehr zu verschwinden und die Ueberzeugung, dass
mit dem nothwendigen therapeutischen und diätetischen Ver-
fahren eine locale Behandlung verbunden werden müsse, mit
Recht die Oberhand zu gewinnen.
Da, wie schon gesagt, fast immer bei den Anteversionen
eine Erkrankung des Uterus und am häufigsten Endometritis
422 XXX. Verhandlongen der Gesellschaffc
oder Meü*itis gefuDden wird, so wird diese natürlich immer
berücksichtigt werden müssen und bei höheren Graden derselben,
bei grosser Schmerzhaftigkeit und erheblicher Anschwellung
des Uterus, oder der Vaginalportion, bei beträchtlichen Ex-
coriationen der Schleimhaut der Lippen und des Cervicalcanals,
wird eine passende medicamentöse Behandlung dieser Affectionen
immer der localen, mechanischen, instrumenteilen vorangeschickt
werden müssen. Man wird durch locale Blutentziehung, durch
Blutegel an den Uterus, durch Scarificationen der Lippen
und des Cervicalcanals die entzündliche Reizung, die vor-
handene Hyperämie zu mindern suchen müssen und darr
dabei das gewöhnlich vorhandene anämische Aussehen der
Kranken nicht fürchten, ja es können solche örtliche Blut-
entziehungen durch drei bis vier Blutegel nöthigenfalls öfter
wiederholt werden und mit dem Nachlass der örtlichen Be-
schwerden wird man eine Besserung des Allgemeinbefindens
eintreten sehen. Laue Injectionen, nie kalte, von Wasser,
Leinsamenthee oder schmerzstillenden Kräuter -Infusen, in
reichlicher Quantität, mehrere Mal täglich, werden die Zer-
theilung der Anschoppungen unterstutzen, dabei muss für
tägliche Leibesöfinung durch die lüildesten Mittel, zu denen
vorzugsweise die Magnesia usta gehört, gesorgt und eine
einfache Diät, ein körperlich und geistig ruhiges Verhalten und
Abstinentia a coitu angeordnet werden. Die etwa vorhandenen
Excoriationen der Schleimhaut können, nach geminderter
Hyperämie, durch die passenden äusseren Mittel behandelt
werden und der Gebrauch von lauen Bädern wird den guten
Erfolg des Verfahrens unterstützen.
Sind die genannten pathologischen Zustände des Uterus
durch das angegebene Verfahren gemindert, oder ist übei*-
haupt keine bedeutendere Erkrankung des Uterus wahrnehmbar,
so muss die mechanische, instrumenteile Behandlung, die
Aufrichtung des Uterus, ihren Anfang nehmen, denn ohne
dieselbe kehrt der antevertirte Uterus nicht in seine normale
Lage zurück, und jede beträchtliche Lageveränderung bedingt
CÜrculationsstörungen im Uterus und verhindert die vollständige
Heilung der Erkrankung desselben.
Herr Mayer bedient sich zur Aufrichtung des ante-
vertirten Uterus der einfachen Sonde, — er führt dieselbe in
[
fdr GebarUhülfe in Berlin. 423
horizontaler Rückenlage auf einem Sopha, mit der empfohlenen
Vorsicht ein, richtet behutsam und langsam den Uterus auf,
wenn nicht Adhäsionen oder andere pathologische Zustände
es verhindern, empfiehlt den Kranken dann die YoUkommenste
Ruhe, legt unter den Stiel der Sonde ein zusammengelegtes
Tuch, um sie in ihrer Lage zu erhalten und lässt dieselbe
anümgs kurze Zeit, eine Viertelstunde, eine halbe Stunde,
nach und nach länger bis zu zwei und drei Stunden liegen
und nimmt sie sogleich fort, wenn sich Schmerzen einstellen.
Dies Verfahren wird taglich, mit Ausnahme der Menstruations-
zeit, Monate lang fortgesetzt, wenn nicht Schmerzhailigkeit,
grössere Reizung des Uterus oder Blutungen eintreten, wo
dann eine Unterbrechung nothwendig wird, welche zur An-
wendung der indicirten Mittel, zu Blutegeln u. s. w. benutzt
werden kann. Ohne sich auf Aufzählung und Kritik der
unzähligen zu diesem Zwecke empfohlenen Methoden und er-
fundenen Instrumente einzulassen, erklärte er sich nur ganz
entschieden gegen das zuerst von Simpson empfohlene und
ausgeführte tage- und wocbenlange Liegenlassen vonRedresseurs,
weil er die bösen Folgen bei in solcher Weise behandelten
Kranken aus eigener Anschauung kennen gelernt habe.
Der Uterus sinkt zwar anfangs immer sogleich nach
dem Fortnehmen der Sonde wieder in die fehlerhafte Lage
zurück, aber nach und nach wird doch eine Besserung
merklich. Um diese zu unterstützen sind ebenfalls unzählige
Mittel und Methoden empfohlen, die er nicht weiter anführt.
Er selbst hat früher zu diesem Zwecke Schwänune, Tampons
von Charpie oder Watte hinter den aufgerichteten Uterus
geschoben, indessen hat dies Verfahren seine Uebelstände
und besonders den, dass die Tampons nicht immer liegen
bleiben und dann mehr schaden als nützen, — er hat des-
wegen in den letzten Jahren Gummiringe benutzt, welche er
aus fingerdicken Stäben von vitlkanisirtem Gummi anfertigen
liess und welche er der GeseUschaft vorlegt Diese finger-
dicken Ringe sind von verschiedener Grösse, haben einen
Durchmesser von 2V4 — 2% Zollen und müssen möglichst
elastisdi sein. Sie werden fest zusammengedrückt in die
Scheide geschoben, was bei engen Genitalien steriler Frauen
oft Mühe und Schmerzen verursacht, die jedoch nachlassen,
424 XXX. Yerhandlnngen der Gesellschaft
wenn sie den Sphincter passirt haben. Wenn der Ring sich
in der Scheide befindet, so wird der hintere Theil zuerst
hoch hinauf hinter die Vaginalportion und dann der vordere
nach vom hinauf vor die Yaginalportion geschoben, so dass
diese bis zum Cervix vollständig vom Ringe umgeben und
frei durch denselben in die Scheide herabreicht, wovon man
sich durch eine genaue Untersuchung überzeugen muss. Der
Zweck, auf diese Weise die Yaginalportion und gleichzeitig
den aufgerichteten Uterus möglichst in seiner Lage zu erhalten
und zu fixiren, wird sehr gut erreicht und die Erfolge sind
oft überraschend, denn nicht allein, dass bei lang fortgesetztem
Gebrauche die normale Lage desselben rascher hergestellt
wird, es heilen auch in viel kürzerer Zeit, die bei sehr be-
deutenden Graden von Anteversionen vorkommenden, gewöhnlich
sehr hartnäckigen Excoriationen und Ulcerationen der Lippen,
die vorhandenen Anschwellungen mindern sich dabei und die
vorhandenen, durch die Anteversion bedingten örtlichen Be-
schwerden nicht nur, sondern auch die quälenden sympathischen
Nervenaffectionen sind oft augenblicklich wie durch einen
Zauberschlag beseitigt, so lange der Ring gut liegt
Anfangs lasst Herr M. die Ringe, deren Grösse sich
nach dem Umfange der Yaginalportion richtet, nur 24 Stunden
liegen, später bei fortschreitender Heilung, länger und länger
bis zu vier und mehr Wochen, da sie, wenn sie die passende
Grösse haben und gut liegen, in keiner Weise belästigen,
sondern vielmehr sogar das Gefühl einer grösseren Sicherheit
beim Stehen und Gehen geben und selbst schwächliche Kranke
zu ungewohnten, grösseren Spaziergängen befähigen. In
mehreren Fällen hatten sie auf den Verlauf der Menstruation
gar keinen Einfluss, in einigen anderen dagegen schienen sie
Schmerzen hervorzurufen, und es dürfte daher rathsam sein,
sie während dieser Zeit zu entfernen, immer aber erfordern
sie grosse Reinlichkeit, häufige, mehrmalige, tägliche reinigende
Injectionen, weil sie sonst leicht durch eine vermehrte Schleim-
secretion belästigen könnten.
Vor Allem ist eine sorgfältige Application nothwendig,
denn wenn der Ring nicht die Vaginalportion in der an-
gegebenen Weise umgiebt, sondern nur gegen dieselbe
gedrückt wird, so kann er nicht nur eine Verschlechterung
för Geburtohülfe in Berlin. 425
der fehierhaflen Lage, sondern, wie M. dies einige Male bei
kranken zu beobachten Gelegenheit hatte, bei welchen der
Ring von nicht geübten Händen eingebracht war, die heftigsten
Schmerzen zur Folge haben.
Da bekanntUch die Phantasie bei den Frauen eine grosse
Rolle spielt und ein neues Mittel, eben weil es neu ist, oft
wunderbare Wirkungen hat, so pflegt if., um sich von der
Wirkung der Ringe zu überzeugen, den Kranken bei der
ersten AppUcation derselben nichts davon zu sagen und ist,
wie viele Collegen bezeugen können, fast immer mit der
Nachricht überrascht worden, dass die Kranken sich plötzlich
auffallend wohler fühlten und dass eine Reihe von nervösen
Aflectionen verschwunden seien, dass sie ohne die früheren
Beschwerden länger stehen, leichter und weiter gehen könnten,
dass die bei den Anteversionen häufig vorkommenden Mastdarm-
be;$chwerden und Schmerzen im Kreuze nachgelassen hätten.
Das Nachlassen der örtlichen Beschwerden im Mastdarme,
in der Blase u. s. w., in Folge des Tragens der Ringe, bietet
noch ein anderes, ein wissenschaftliches Interesse. Bekanntlich
schreibt man diese Beschwerden bei den Anteversionen ge-
wöhnlich dem Drucke des Mastdarmes durch die oft sehr
voluminöse Yaginalportion oder der von dem Fundus gedrückten
Harnblase zu, indessen das Verschwinden oder der auffallende
Nachlass derselben, nachdem der Uterus aufgerichtet und ein
Ring applicirt ist, beweist unverkennbar, dass nicht der
supponirte Druck die Beschwerden hervorruft, sondern dass
sie von einer Zerrung der Nerven in den Ligamenten und
den betbeiligten Organen ausgehen, denn die Ringe üben bei
ihrer beträchtlichen Dimension und bei ihrer festen, derben
Beschaffenheit entschieden einen stärkeren Druck aus als die
Vaginalportion und der Fundus uteri.
Herr Mayer bedauerte sehr, dass die Zeit ihm gefehlt
habe, um Auszüge aus seinen Journalen zu einer statistischen
Zusammenstellung über das Vorkommen der Anteversionen
zu machen und einige passende hierher gehörende Kranken-
geschichten auszuwählen, aber er verspricht, das Versäumte
später nachzuholen und bittet die Collegen, ihre Erfahrungen
in der nächsten Versammlung mitzutheilen und sich auf die
Discusnon vorzubereiten.
426 XXX. Verhandlungen der GeselUchaft
Sitzung vom 24. März 1863.
Vom Präsidenlen wird die Discussion über den von ihm
in der Sitzung am 24. Februar gehaltenen Vortrag über
Änteversion eröffnet.
Herr L. Mayer äusserte sich in folgender Weise:
Er gehe von dem Gesichtspunkte aus, dass bei einem
Capitel, wie das zur Discussion gestellte, welches schon vielfach
Gegenstand wissenschaftlicher Behandlung geworden sei und
bei welchem, trotz der Häufigkeit des Vorkommens der in
Rede stehenden Abnormität, noch manche Fragen offen seien,
eine Förderung vielleicht am ehesten durch Zusammenstellung
vieler exacter Beobachtungen erzielt werde. Er habe deshalb
der Gesellschaft möglichst umfangreiche statistische Uebersichten
über Anteversio uteri geben wollen, habe jedoch der Kfvze
der Zeit wegen sich auf einen kleineren Kreis von Beobachtungen
beschränken müssen, als es ursprunglich seine Absicht gewesen
sei. Für diesmal habe er aus der Zahl seiner Kranken, der
durch die Zeit der Consultationen bedingten Reihe folgend,
von 1000 an den Sexualorganen leidenden Frauen und Mädchen
die Lage und Gestaltveränderungen des Uterus in Betradit
gezogen und behalte sich Mittheilungen weiterer Zusammen-
stellungen für eine andere Gelegenheit vor. Er bemerke,
dass diese 1000 Kranke den höheren und mittleren Ständen
angehören, da sich hinsichtlich der Lageveränderungen des
Uterus Differenzen zwischen diesen und der ärmeren Volks-
classe ergeben, insofern Descensus und Prolapsus uteri unter
den Armen bedeutend häufiger vorkommen, als unter den
mittleren und höheren Volksschichten, worauf schon wieder-
holentlich aufmerksam gemacht worden.
Bevor Herr L. Mayer nun zur Betrachtung der zu-
sammengestellten Lage- und Gestaltveränderungen des Uterus
überging, machte er einige Bemerkungen über diesen Gegen-
stand im Allgemeinen und kam hier zunächst auf die Frage,
ob eine bestimmte normale Lagerung des nicht schwangeren
Uterus überhaupt existire. Er erwähnte der hierüber dis-
sentirenden Ansichten und sprach seine eigene Meinung dahin
aus, dass die ausserordentliche Beweglichkeit und die häufigen
für GeburtBhülfe in Berlin. 427
Abweichungen in der Lagerung des Uterus niclit berechtigen,
eine beslinimte normale Lagerung des Uterus ganz zu läugnen.
Die Schwierigkeit, hier ein Gesetz aufzustellen, liege lediglich
darin, dass grössere Reihen von Messungen fehlen und diese
audi in der That schwer zu bewerkstelligen seien. Am
meisten empfehlen sich für die Bestimmung der Lage des
Uterus und für die Veranschaulichung der dabei in Betracht
kommenden Verhältnisse Beckendurchschnitte. Herr L. M.
legte der Gesellschaft die schematische Zeichnung eines
solchen Beckendurchschnittes in der Längenachse des Körpers,
von hinten nach vorn geffihrt, vor. Es war in derselben das
normale Lagerungsverhältniss der Beckenorgane bei mittlerer
Füllung des Rectum und der Blase dargestellt. Diesem Bilde
hatte Herr L, M. theils von ihm selbst nach der Natur ge~
fertigte Zeichnungen, theils ähnliche von Kiwisch, le Jendre
und KohlrauBch, mit Berücksichtigung der Resultate, welche
sich ihm durch die Untersuchung an Lebenden ergaben, zu
Grunde gelegt Die Hauptmomente der Lagenmg des Uterus
liessen sich in Kürze dahin zusammenfassen, dass der Fundus
des gesunden, nicht schwangeren Uterus im normalen Becken
unter der Ebene des Beckeneinganges, die Längenachse der
Gebärmutter in dem geraden Theile der Führungslinie des
Beckens liege und dass die Portio vaginalis in der mittleren
Beckenapertur stehe.
Zur Eruirung der Frage, welchen Einfluss die Ausdehnung
der Blase im Leben auf die Lage des Uterus übe, habe er
eine Reihe von Experimenten gemacht und dabei beobachtet,
dass die Füllung der Blase auf die Lage des Uterus weniger
von Einfluss sei, als man a priori anzunehmen geneigt sein
möge. Er habe laue Vt^asserinjectionen bei liegender Stellung
der Frauen in die Blase ausgeführt. Bei unbedeutender Aus-
dehnung der Blase habe sich weder der Stand der Portio vaginalis
noch der des Gorpus uteri merklich verändert. Sei aber die
Blase so weit ausgedehnt worden, dass sie bis zum Nabel
oder bis dicht unter denselben reichte, so sei die Vaginal-
portion im Minimum um 7 — 8 Millimeter, im Maximum um
1,4 — 1,5 Gentime ter nach oben gestiegen und habe sich
gleichzeitig gegen das Os sacrum um dieselbe Distanzen ge-
senkt Die in den Uterus eingeführte Sonde habe sich dem
428 ^XX- Verhandlongen der Geaellaohaft
entsprechend nach hinten gesenkt Gleichzeitig habe ausser-
dem eine Senkung des Knopfes um % bis IV4 Centimeter
stattgefunden, indem sich das ausserhalb des Körpers befind-
liche Ende der Sonde um diese Entfernung gehoben. Der
Uterus erfahre mithin eine Elevation, erleide dabei gleichzeitig
eine Rückwärtsrückung und zwar die letztere so, dass das
Corpus uteri mehr von der Achse nach hinten abweiche, als
der Cervix.
Was nun die Abweichungen der Lage des Uterus
von seiner Norm betreffe, so seien sie zurückzuführen 1) auf
Veränderungen in der Stellung der Läugenachse des Uterus
gegen die Beckenachse, d. i. auf die eigentlichen Didocationen,
2) auf Abweichungen der Längenachse des Uterus selbst von
der geraden Linie durch Krümmung oder Knickung, welche
man gewohnt sei, von jenen als Formfehler des Uterus zu
trennen, 3) auf Combinationen beider Abnormitäten.
In die erste Kategorie gehören die Elevationen, der
Descensus, der Prolapsus und die Ante-, Retro-, Lateral-
Versionen des Uterus. Den Verhältnissen entsprechend sei
bei den letzteren das Orificium uteri externum nach der der
vorliegenden Version entgegengesetzten Richtung, d. i. bei
Vorwärtsbeugungen nach hinten, bei Neigung nach links nach
rechts u. s. w. gestellt. Ausser diesen Lageveränderungen
gehöre in dieselbe Kategorie eine Dislocation, bei welcher
der Uterus seiner normalen Richtung parallel nach hinten
oder vorn oder nach den Seiten gerückt sei. Er bezeichne
diese Lageveränderung als Retro ^, Ante-, Latero-Posiüo,
Vorwärts-, Rückwärts-, Seiten -Rückung und ist, gestützt
auf eine nicht unbedeutende Reihe von Beobachtungen, der
Ansicht, dass diesen Dislocationen eine keinesweges geringere
praktische Bedeutung als den Versionen beizulegen sei.
Die zweite Kategorie, nämlich die Abweichungen der
Längenachse des Uterus selbst von der geraden Linie durch
Krümmung oder Knickung, umfasse alle Inflexionen, nämlich
Ante-, Retro-, Lateral -Flexionen. Bei diesen liege bekanntlich
die Knickungsstelle zumeist in der Gegend des Orificium in-
ternum uteri. Das Corpus uteri stosse hier in einem Bogen
oder einem Winkel auf den Cervix. Dieser habe entweder
seine Lage nicht verändert, oder er sei parallel seiner Achse
für Gebnrtshülfe in Berlin. 429
nach hinten gerückt Das Orificium uteri extemum bleibe
nach unten gerichtet Von diesen Flexionen des Uterus seien
winkelige Abweichungen in der Stellung der Uterusachse zu
trennen, wo die Knickungsstelle tiefer unten in der Portio supra-
vaginalis oder an der Grenze derselben und der Portio vaginalis
liege, die Theile des Uterus oberhalb der Knickungsstelle
aber in normaler Lagerung blieben. Bei diesen Knickungen,
die übrigens ziemlich selten seien und die man zum Gegen-
satze zu den Inflexionen des Uterus, als Inflexionen der
Portio vaginalis bezeichnen könne, stehe das Orificium je
nach der Richtung der Knickung nach vom, nach hinten oder
den Seiten. Eine dritte Inflexion, die wie die Flexion der
Portio vaginalis nicht ohne praktische Bedeutung sei, bezeichne
Herr L, M. als Incurvatio oder fnflexio duplex. Es handle
sich hier um doppelte Knickung des Uterus nach derselben
Richtung, indem Fundus wie Cervix winkelig zur normalen
Achse des Uterus stehen. Je nach der Richtung dieser Zu*
sammenkrümmung ergebe sich Incurvatio duplex nach vorn,
nach den Seiten oder nach hinten. Die Stellung des Orificium
extemum entspreche der Richtung der Incurvatio duplex,
sei also bei Incurvatio duplex nach hinten ebenfalls nach
hinten gerichtet u. s. w.
Die zur dritten vorher aufgestellten Kategorie von Lage-
abwachungen des Utems gehörigen Fälle seien häufig und
vielseitig. Es kommen Combinationen nicht nur zweier,
sondern mehrerer verschiedener Lageabweichungen vor, und
es sei oft nicht leicht, eine derselben als vorwiegende zu
bezeichnen.
Nach diesen Voraussetzungen, welche Herr L, M. an
Zeichnungen demonstrirte, gab er die Ueberskht der unter
1000 Kranken beobachteten Abweichungen von der normalen
Lage des Utems. Der besseren Uebersichtlichkeit wegen wurden
von ihm in der folgenden Zusammenstellung bei Combination
mehrerer Lageabweichungen immer nur die hervorragendsten
aufgeführt
Im Ganzen haben sich unter 1000 an Krankheiten der
Sexualorgane leidenden Frauen und Mädchen 369 Lage-
abweichungen des Utems gefunden. Es sind also etwa auf
430 XXX. Yerhandlnogen der Gesellschaft
27 Kranke immer 10 mit dieser Abnormität gekommen oder
36,9 Procent.
Unter diesen 369 Fällei> sind gewesen
120 Anteflexionen , also 12 Procent,
95 Retroflexionen , also 9,5 Procent,
80 Anteversionen, also 8 Procent,
26 Retroversionen, also 2,6 Procent,
27 Probpsus und Descensus uteri, also 2,7 Procent,
14 Lateralflexionen und Lateral Versionen, also 1,4 Procent,
5 Retropositionen, also 0,5 Procent,
2 Incurvatio duplex, also 0,2 Procent
Es bestätige sich aus dieser Zusammenstdiung, bemerkte
Herr L. M,^ das relativ häufige Vorkommen der Anteversio uteri.
Sie schiiesse sich hierin der Anteflexio und Retroflexio, den
beiden häuflgsten Formabweichungen des Uterus, an, während
die ihr in obiger Zusammenstellung zunächst in der Häufigkeit
folgenden Lageabweichungen , des Prolapsus und die Retroversio
um das Dreifache seltener seien. Für die selteneren von ihm
oben beschriebenen Inflexionen und Dislocationen bemerke er,
dass er sie längere Zeit nicht gebührend gewürdigt, deshalb
vielleicht öfter öbersehen habe. Nach seinen Beobachtungen
der letzten Jahre seien sie wenigstens häufiger als in jener
Zusammenstellung. Femer sei nicht zu öbersehen, dass diese
Zahlenverhältnisse wegen ihrer Kleinheit nicht flberall der
Wirklichkeit genau entsprechen möchten. Sie seien aber
gross genug, um annähernd richtige Resultate zu geben und
hier verwertliet werden zu können. Dasselbe gelte von den
folgenden Zusammenstellungen über Anteversio, auf welche
Herr L. M, nunmehr überging.
Unter obigen 80 Fällen von Anteversio uteri befinden
sich alle Grade dieser Lageverändenmg von spitzwinkeliger
Stellung der Achse des Uterus zur Beckenachse bis zur an«
nähernd rechtwinkeligen. Auch sind darunter fünf Fälle von
Combination der Anteversio mit Anteflexio uteri begriffen.
Intrauterine Graviditäten blieben ausgeschlossen.
In einer verbal tnissmässig geringen Zahl dieser 80 Ante-
versionen konnten determinirende Ursachen für die Dislocation
in dem anatomischen Vorhalten der Gebärmutter und ihrer
Nachbarorgane nachgewiesen werden. Nämlich fünf Mal waren
für GebortsBülfe in Berlin. 43t
beträchtliche Fibroide, drei Mal in den Wandungen, zwei Mal
im CaYum uteri vorhanden; drei Mal grosse Ovarialtumoren,
drei Mal Beckenabscesse. Unzweifelhaft seien in diesen Fällen
durch die Fremdbildungen secundäre Anteversionen entstanden.
Zu derselben Art von Yorwärtsbeugungen gehören ferner
sieben Fälle, in welchen die Gebärmutter durch peritonäale
Verwachsungen in der anomalen Lage fixirt worden. Unter
diesen sieben Beobachtungen sei nur zwei Mal der obere
Theil des Uterus vorn fixirt erschienen, fünf Mal dagegen das
untere Uterinsegment nach hinten gezogen und mit dem Rectum
verlöthet gewesen. Im Ganzen seien dies nur 18 Beobachtungen
von consecutiver Anteversion oder 20 Procent. Rechne man
von den übrig bleibenden 62 Vorwärtsbeugungen noch die-
jenigen ab, welche mit anderen Lagevevänderungen combinirt
gewesen, nämlich zwei mit Deviationen des Uterus nach den
Seiten, sieben mit Descensus uteri und Prolapsus vagtnae,
fünf mit Anteflexion, also im Ganzen 14, so bleiben 48,
d. i. 60 Procent Anteversionen, die zu den sogenannten
primären gerechnet werden müssen. Unter diesen 48 Ante-
versionen haben sich 45 mit chronischer Metritis gepaart
gefunden, unter diesen wieder
3 ohne Erosionen der Muttermundslippen und ohne wahr-
zunehmende entzündliche Schwellung des Uterus, nur
Schmerzhaftigkeit uiid Hyperämie desselben,
18 mit Erosionen ohne Schwellung,
7 ohne Erosionen mit Schwellung,
17 mit Erosionen und mit Schwellung.
Zwei von jenen 48 Anteversionen haben eine nicht un-
erhebliche Hypertrophie des ganzen Organs gezeigt. Es seien
Hypertrophien überhaupt, ausser in diesen beiden Fällen, noch
fünf Mal im Ganzen beobachtet worden, und zwar drei Mal
unter den fünf mit Anteflexio combinirten Anteversionen,
zwei Mal bei Fibroiden. Bedeutendere Vergrosserungen des
unteren Uterinsegments seien zwei Mal und zwar bei chronischer
Metritis mit Intumescenüa uteri gefunden.
Als fernere Complicationen seien aufzuführen:«.
3 kleine dicht am Orificium extemum wurzelnde Schleim-
polypen,
13 Endometritis chronica.
432 XXX. VerhAndlangen der Gesellschaft
2 Cysütis chronica,
11 Intumescentia hepaüs,
14 Vaginiüs und Vulvitis,
4 Oophoritis chronica,
6 Catarrhus bronchialis,
4 Tuberculosis pulmonum,
1 Tabes dorsualis,
1 Hemia inguinalis.
Unter allen 80 Auteversionen sei nur eine einzige ge-
funden, bei welcher keine Complicationen wahrzunehmen
gewesen. Der Uterus habe hier eine fast horizontale Richtung
gehabt, sei nicht schmerzhaft, dabei beweglich und leicht
zu reponiren gewesen. Es betreffe diese Beobachtung eine
31jährige, gracile Frau, die in ihrem letzten vierten Wochen-
bette am fünflen Tage nach der Geburt das Bett verlassen
und unvorsichtiger Weise häusliche Beschäftigungen verrichtet,
sich eine Anteversio uteri zugezogen und seit dieser Zeit an
Meteorismus, Obstruction, Schmerzen bei der Deiacation, Dnick
im Kreuze und Schwere in den Schenkeln gelitten habe. Eine
fernere Erscheinung der abnormen Lage sei hier die gewesen,
dass die Frau nicht wieder concipirt, während sie vorher
jedes Jahr geboren habe. Diese Vorwärtsbeugung, welche
übrigens beweise, dass Krankheitssymptome nicht nur von
den vorhandenen begleitenden krankhaften Zuständen, sondern
von der Anteversio allein abhängen können, gehöre hinsichtlich
der Genese zu den häufigen Vorkommnissen. Denn gerade
der puerperale Uterus habe sehr oft Lageabweicbungen zu
erleiden. Das Auffallende hierbei liege darin, dass sich trotz
der Dislocation des Uterus, derselbe zur normalen Grösse und
Beschaffenheit zurückgebildet habe. Als Regel will Herr L. M.
Folgendes festgehalten wissen. Bei gewissen disponirenden
Zuständen des Uterus, wohin zu rechneu Aenderungen in der
Beschaffenheit seines Parenchyms , im Tonus seiner Muskulatur
wie in seiner Grösse seien vorübergehende oder dauernde
schädliche Einflüsse geeignet, Dislocationen und Inflexionen
hervorzubringen. Vorübergehende Ursachen seien gewaltsame
Entbindungen oder Placentalösungen , heftige Wirkungen der
Bauchpresse bei starkem Husten, Heben u. s. w., violenter
Coitus, Erschütterungen des ganzen Körpers durch Fallen,
r
Ar QebarUhiUfe in Berlin. 433
Reiten, Springen u. s. w. Zu den dauernden Einflüssen seien
alle die zu rechnen, welche die sogenannten secundSren Ante-
▼ersionen erzeugen. Es präexistiren nun in Fällen neu ent-
standener Lageabweichung des Uterus entzündliche Processe
mit oder ohne Anschwellung des ganzen Organs, oder sie
seien gleichzeitige Folgen, des schädlichen Einflusses, Alsdann
sei die Lageabweichung nicht nur Ursache der Unterhaltung,
sondern geeignet, neue krankhafte Zustände hervorzurufen.
Im Puerperium behindere sie die normale Rückbildung der
Gebärmutter. Die krankhaften Veränderungen wiederum be-
günstigen das Fortbestehen und die Verschlimmerung der
Lageabweichungen. Es etablire sich also ein Circulus yitiosus.
Dass gerade Entbindungen und Vt^ocbenbetten eine reiche
Quelle für Lageabweichungen des Uterus seien, bestätige sich
für die in Betracht gezogenen Anteversionen.
Von Mehrgebärenden litten 43 an Anteversio uteri.
M Erstgebärenden „ 20 „ „ „
„ sterilen Frauen „ 14 „ „ „
„ Mädchen „ 3 „ „ „
Noch beweisender sei, dass in 36 Fällen (13 Mal bei
Erstgebärenden, 23 Mal bei Mehrgebärenden) diese Lage-
abweichung mit grösster Wahrscheinlichkeit auf Vt^ochenbetteii
zurückzuführen gewesen und nur fünf Mal auf mechanische
Einflüsse ausserhalb des VVochenbettes. In 37 Fällen sei
keine Ursache anzugeben gewesen.
Hinsichtlich der Symptomatologie äusserte sich Herr L. M,
dahin, dass es angemessen erscheine, die schon erwähnten
beiden Gruppen der Anteversionen, für die er der Kürze
wegen die Bezeichnung der primären und secundären oder
consecutiven beibehalten wolle, von vornherein zu trennen.
Bei den secundären nämlich trete die Dislocation des Uterus
in der Regel in den Hintergrund, mindestens bleibe es
zweifelliaft, ob überhaupt und welche Symptome der Dis-
location zuzuschreiben. Die Combinationen verschiedener
Lageabweichungen mit Anteversio wolle er aus nahe liegenden
Ursachen auch . hier wieder den consecutiven anschliessen.
Was die primären Anteversionen angehe, so bleibe es bis zu
einem gewissen Grade auch bei ihnen unentschieden, weiche
Erscheinungen den vorhandenen entzündlichen Reizungen und
MonaUMhr. f. Geburtsk. 1868. Bd. XXI., Hit. 6. 28
434 XXX. Yerhandlnogen der GeBellBchaft
sonstigen Complicationen, welche der Dislocation des Uterus
zuxuschreiben. Wie es nun nach der einen Seite zu weit
gegangen sei, wenn man überhaupt leugne, dass die Anteversiu
einen eigenen Symptomencomplex biete, so scheine es ihm
auch nach der anderen Seite unrichtig, den Lageabweichungen
eine gewichtigere Rolle zuzuertheilen, als den Complicationen
derselben. Beide, Complication wie Lageabweichung des
Uterus haben ihre Berechtigung in der Symptomatologie.
Beide wirken auf den Organismus, wieweit der Einfluss der
einen oder der anderen sich erstrecke, richte sich nach den
Verhältnissen jedes einzelnen Falles.
Von Symptomen, die in das Bereich gestörter Functionen
des Sexualapparates fallen, sei am öftesten mehr oder weniger
profuse, schleimig eiterige Blennorrhoe beobachtet:
unter 32 secundären Anteversionen 7,
„ 47 primären „ 24.
Unregelmässigkeiten im Typus der Menstruation 0 und 2,
Menorrhagien 5 und 6,
Sterilität 6 und 8.
Von subjectiven, in dasselbe Bereich fallenden Symptomen:
Dysmenorrhoe 4 und 8,
Schmerzen in der Regio iliaca dextra 2 und 1,
desgl. in der Regio iliaca sinistra 2 und 3,
desgl. im Os sacrum 6 und 10,
Gefühl von Pressen nach unten 0 und 3,
Schmerzen im Hypogastrium 1 und 3.
Die Blase habe öfter als das Rectum Erscheinungen der
Betheiligung geboten. Von häufigem Drange zur Blasen-
enlleerung bis zur quälendsten Strangurie sah Herr Z. M.
9 und 15 Fälle, ausserdem zwei Mal Cystitis chronica mit
Eiterabgang.
Erschwemiss der Defacation und Tenesmus 1 und 9.
Anderweitige Störungen in den Verdauungsapparaten 8 und 17.
Hartnäckige Obstruction 5 und 18.
Chronische Diarrhöen 0 und 1.
Ein nicht unbedeutendes Contingent zur Symptomenreilie
liefern die consensuellen Neurosen. Unter diesen besonders
die Hyperästhesien. Nämlich Neuralgien des Nervus quintus,
des Schenkelgeflechts, Brennen und Kältegefühl, Formicationen,
für Geburtoholfe in Berlin. 435
Vertigo, Gastrodynien , Angina pectoris, Hemicranie. Selten
seien die Anästhesien und die beobachteten nur auf einzelne
Nervenbahnen beschränkt gewesen. Von Motilitätsneurosen
haben sich besonders zum Gebiete des Sympathicus gehörige
gehend gemacht. Er führe an Globus bystericus, Nausea,
Vomituritionen. Alle zusammengefasst seien es 10 und 26.
Der der Tabes dorsualis angehörige Symptomencomplex sei
ein Mal beobachtet.
lieber die in den 80 zusammengestellten Anteversionen
angewandte Therapie fährt L. M. an, dass sich bei dem
grösseren Theile der consecutiven Anteversionen die Behandlung
auf die determinirenden Krankheiten beschränkt habe. Aber
auch bei allen übrigen Anteversionen sei den begleitenden
Eotzündungsprocessen der Gebärmutter und ihrer Umgebung
in der Regel anfänglich eine grössere Aufmerksamkeil zugewandt
worden, als den Dislocationen selbst Zumeist sei erst nach
Hebung derselben ein die Lage rectificirendes Verfahren ein-
geschlagen und zwar eben nur in den Fällen, wo es durch
fortbestehende Krankheitssymptome geboten erschienen. Häufig
sei dies aber bei geringeren Graden von Anteversio uteri
nicht mehr erforderlich, weil mit Hebung der begleitenden
Krankheitszustände, auch alle Symptome geschwunden seien.
Von 80 Kranken mit Anteversionen seien 49 ohne eine, die
Lage normirende Behandlung geblieben; 31 dagegen einei*
solchen unterzogen. Von den ersteren seien 8 geheilt, 29 haben
Besserung, theils geringere, theils bis zur fast völligen Hebung
der Beschwerden erfahren. Bei 12 sei die Behandlung ohne
Erfolg geblieben. Mehrere dieser Kranken haben jedoch die
Beendigung der Cur nicht abgewartet
Er übergehe die Behandlung der Complicationen als nicht
]iierlier gehörig. Der Application des Speculum erwähne er
als eines nicht unerheblichen Mittels für die Rectification
leichtgradiger Anteversionen. Insonderheit übe es einen Ein-
fluss, wenn es öfter längere Zeil liegen bleibe. Es bedürfe
hier kaum der Erwähnung, dass von einem Nutzen nur die
Rede sein könne, wenn das Orificium externum uteri mitten
in das Speculum und möglichst in die Führungslinie gebracht
sei. Dass dies häutig nur mit Schwierigkeit zu bewerkstelligen,
oft auch erst allmälig nach wiederholter Application völlig
SS*
436 XXX. Verhuidlaiigeii der OeaeHscliAft
glücke, sei jedem Frauenarzte bekannt Er habe mit Be-
seitigung der entzündlichen Erscheinungen und Heihmg der
Erosionen nicht selten eine alhnälige Besserung der Lage bis
zur Normirung durch diese Anwendung des Speculums erzielt,
unter 49 behandelten Anteversionen acht Ma] Heilung. Bei
hochgradigen Anteversionen glücke eine Nonnirung durch dii'
Application des Speculum nicht leicht In der Regel genfige
aber auch hier die Beseitigung der Complicaüonen nicht Er
habe unter den 80 Fällen von Anteversio als weitere Mittel
zur RecüGcation, die Sonde, Schwämme und Charpietampons
in Anwendung gezogen. Die fortgesetzte Behandlung mit der
Sonde, fügte Herr L. M. hinzu, ersetze er im AUgemeinen
am Uebsten überall, wo es sich thun Hesse, durch andere
Verfahren. Er sei deshalb kein Feind der Sonde, leugne
auch nicht, dass ein vorsichtiger Gebrauch derselben von
geübter Hand, in Fällen, wo keine Contraindication für ihre
Application vorliege, ohne Nachtheil, ebenso dass sie bei den
Flexionen und oft zur Sicherung der Diagnose unentbehrlich sei
Sie bringe aber nicht seilen einen Reizungszustand der Mucosa
des Uterus hervor und rufe krankhafte Secretionen hervor odar
steigere solche. Er habe daher auch die Sonde in den 80 Fällen
von Anteversionen nicht häufig und immer nur da in Gebrauch
gezogen, wo die Reposition des Uterus mit der Hand oder
durch Schwämme oder durch Charpietampons, welche mit
Hülfe einer geeigneten Zange möglichst hoch in den vorderen
Vaginalgrund hinauf geschoben werden, nicht geglückt;
Charpietampons, die auch durch Watte zu ersetzen und deren
Grosse, wie die eines Schwammes, nach dem vorliegenden
Falle zu bemessen seien, gebe er deshalb im Allgemeinen
den Vorzug vor den Schwämmen, weil sie das Vaginalgewülbe
weniger leicht erodiren, auch Secrete nicht so leicht in sich
aufnehmen und zersetzen. Sowohl Charpie als Schwämme
lasse er einen bis zwei, nie länger als drei Tage liegen und
ersetze sie dann durch frische. Mit Schwämmen seien im
Ganzen von den obigen Kranken 20 behandelt Von diesen
gelangten 17 zur Besserung des Befindens und der Gebär-
mutterlage bis zur fast volligen Herstellung. Drei Frauen
wurden geheilt Charpietampons seien im Ganzen fünf Mal
in Anwendung gezogen, in allen Fällen bedeutende Besserung
tnr Gebartohülfe in Berlin. 437
erreicht; die Sonde endlich sechs Mal mit einer Heiliing und
fünf Besserungen. Die Dauer der Behandlung sei sehr ver-
schieden gewesen. Die grösste Zahl der Kranken, nämlich 27,
seien zwei bis drei Monate behandelt ; 16 von einem Viertel-
jahre bis zu einem Jahre und eben so viel ober ein Jahr.
Herr L. M. fügte hieran einige Bemerkungen Ober Er-
fahrungen, die er im Laufe späterer Jahre mit anderweitigen
rectificirenden Behandlungsweisen der Anteversionen gemacht.
Die iSimpaon'schen Redresseure seien von ihm nur selten in
Anwendung gezogen. Er habe gefunden, dass sie leicht be-
denkliche Reizungen hervorbringen, selbst wenn sie anfänglich
gut vertragen wurden. Seiner Ueberzeugung nach seien diese
Instrumente nur bei völliger Atonie und SchlaiTheit des Uterus
und Abwesenheit aller Complicationen ohne Gefahr, und selbst
in diesen Fällen zweifle er nicht, dass durch länger fort-
gesetztes Tragen derselben hartnäckige Blennorrhöen des
Uterus ausgebildet werden. Er habe es deshalb vorgezogen,
von wdteren Experimenten mit ihnen abzustehen und lieber
den sicheren Weg zu gehen. Ferner habe er Versuche mit
selbstgeformten, in der Fläche gebogenen Gutta -Percha- Ringen
gemacht Sie seien für jeden vorhegenden Fall zu formen
und haben zum Theil günstige Resultate ergeben. Er müsse
aber bemerken, dass sie bei nicht weiten Genitalien schmerz-
haft zu apphciren seien, da das Gutta -Percha nach dem
Erkalten hart und unelastisch werde. Derselben Eigenschaft
wegen verursache es Druck auf die inneren Theile, wenn die
Ringe nicht sehr passend gearbeitet seien, sitzen auch dann
nicht fest Anders verhalte es sich mit den elastischen
Carl Ifayer'schen Gummi -Ringen. Sie lassen sich nicht
nur leicht und ohne grosse Schmerzen appliciren, üben
auch weniger Druck und sitzen fester. Sie werden deshalb
leichter als andere Apparate selbst bei geringen Graden
chronischer Metritis vertragen. Er habe sie sogar bei Ovarial-
geschwülsten , bei bedeutenden Intumescenzen des Uterus,
bei Cystitis chronica, bei Polypus in cavo uteri, sowie bei
Verwachsungen und Verdickungen als Residuen abgelaufener,
entzündlicher Processe mit Nutzen in Anwendung gezogen.
Die Heilung der Erosionen wird durch sie eher befördert als
veriiindert. Frdlich sei die Grösse der Ringe mit Vorsicht
438 XXX. VerbandliingeB der Oetellschaft
für jeden einzeliien FaU zu bemessen, da zu grosse Ringe
leicht Reizung erzeugen. Auch dürfe bei reizbaren Personen
der Ring nicht zu lange Zeit liegen bfeiben. Der Organismus
gewöhne sich häufig erst aUmälig an denselben. Es sei dann
nothwendig, ihn in längeren oder kürzeren Zwischenräumen
zu entfernen und wieder einzubringen. Sobald die nöthige
Gewöhnung eingetreten, werde der Ring von den Patienten
ohne Beschwerden lange Zeit, selbst während der Menses
vertragen. Contraindicirt seien die Ringe bei acuter,
subacuter und hohem Grade chronischer Metritis, sowie bei
entzündlichen Processen in der Umgebung des Uterus besonders
um den Cervix. Nicht bloss in diesen, sondern überhaupt
bei Weitem in den meisten Fällen müsse der Application der
Gummiringe eine local antiphlogistische und allgemeine, sich
nach den Verhältnissen richtende Behandlung vorhergehen.
Er habe von* den Fällen, in denen er während der beiden
letzten Jahre den Gummiring angewandt habe, 64 zusammen-
gesteUt, und unter diesen nur vier Mal sofort mit Application
des Ringes vorgehen können. Unter jenen 64 Fällen be-
finden sich
6 Anteflexionen,
37 Anteversionen,
3 Combinationen von Anteflexio und Anteversio,
4 Retroflexionen,
6 Retroversionen,
1 Combination von Retroflexio und Retroversio,
1 Retropositio mit Retroflexio,
1 Antepositio,
2 Descensus uteri mit Prolapsus vaginae,
3 Inflexio duplex.
Es liege ausser der Grenze dieser Besprechung näher
auf eine Betrachtung der Anwendung des Ringes in sämmt-
liehen, soeben angeführten Lageabweichungen einzugehen, er
wolle deshalb nur kurz die Resultate der Behandlung mit
dem Ringe in den 64 Fällen angeben, und dann etwas aus-
führlicher die Ergebnisse bei den Anteversionen vorführen.
Es seien in allen 64 Fällen 17 Heilungen, 36 Besserungen
verschiedenen Grades erzielt Sieben Mal sei die Behandlung
mit dem Ringe ohne Eifolg geblieben und vier Mal habe
I
für Gebartehfilfe in Berlin. 439
dieselbe wegen zunehmender Beschwerden aufgegeben werden
rodssen. In den sieben vorletzten Fällen seien bedeutendere
Hypertrophien des Uterus, Combination mit Anteflexio, In-
flexio duplex mit Adhäsionen und eine RetroQexio vorhanden
gewesen. Die vier zuletzt angefahrten Beobachtungen fallen
in das Bereich der Anteversionen. Von jenen 37 Anteversionen
seien 9 geheilt, 21 gebessert, 7 ohne Erfolg behandelt.
Unter den vier bereits erwähnten Anteversionen, bei
welchen die Behandlung mit dem Ringe wegen heftiger Be-
schwerden nicht fortgesetzt werden konnte, seien in dem
einen eme Febris gastrica und locale Peritonitis während der
Behandlung, wahrscheinlich durch Erkältung, hinzugetreten.
Im zweiten habe es sich um eine bedeutende Intumescentia
uteri gehandelt Im dritten und vierten Falle sei die Ante-
versia mit Lateral -Positionen des Uterus combinirt und der
Uterus in den oberen Theilen durch Adhäsionen fixirt gewesen.
Der Ring sei hier ziemlich leicht eingebracht worden, die
Yaginalportion habe sich aber beim Gehen schief gestellt und
dm Ring aus der ihm zukommenden Lage gedrängt, wodurch
lebhafte Schmerzen entstanden wären. Die Normirung der
Lage glücke überhaupt nicht immer sofort vollkommen durch
den Ring, zumal wenn der Uterus nicht frei beweglich sei.
Aber auch im entgegengesetzten Falle stelle sich der Ring
anfanglich nicht selten schräg von unten vom nach hinten
oben, es müsse alsdann der vordere Theil des Ringes immer
wieder aufs Neue hochgeschoben werden und der Uterus
bequeme sich alhnälig dazu, in die normale Lage zurück-
zukehre. Unter sämmtlichen 64 Beobachtungen sei die Lage
sofort 19 Mal vollkommen, 45 Mal unvollkommen normirt
worden. Unter den 37 Anteversionen 12 Mal vollkommen
und 25 Mal unvollkommen. Den Effect, welchen der Gummi-
ring auf die subjectiven Erscheinungen hervorbringe, sei sehr
verschieden, nicht selten aber überraschend günstig. Es seien
hervorgetreten :
Sofortige Hebung fast aller Beschwerden oder bedeutende
Bessenmg derselben 18 Mal.
Ailmälige Besserung 23 Mal.
Anfänglich Vermehrung, dann Besserung der Beschwerden
12 Mal.
1
440 XXX. Verbaadlangen der Gesellschaft
Keine merkliebe Wirkung 7 Mal
Anhaltend sich steigernde Beschwerden 3 Mal.
Anfänglich Erleichterung, dann Vennehrung derselben 1 Mal.
Herr Martin gab das Resultat seiner Erfahrungen über
Anteversio und Anteflexio uteri vacui in folgenden
Sätzen.
Bei der beweglichen Stellung der nichtschwangeren Gebär-
mutter, welche wesentlich nur durch die normal beschaflene
Fasda pelvis und die Ligamenta pubo-yesico uterina und
sacro-recto- uterina vor dem Herabsinken bewahrt wird, in
ihrem Verhältnisse zur Achse des Beckeneinganges aber im
physiologischen Verhalten vorzfiglich yon den FüUuqgszuständen
der Harnblase und des Mastdarmes abhängt, ist zunächst der
Begriff der Anteversio uteri genau festzustellen. Nach
Jlf.'s Meinung können nur andauernde, sowohl beim aufrechten
Stehen als auch bei der horizontalen Ruckenlage bemerkliche
derartige Lageabweichungen, bei welchen die Längsachse des
Uterus mit dem Fundus nach vom in einem dem rechten
sich nähernden Winkel die Achse des Beckeneinganges schneidet,
so dass nicht allein der Muttermund mehr als ge-
wöhnlich gegen die hintere Beckenwand gerichtet,
sondern auch die vordere Wand des Mutterkörpers
vorn durch das Scheidengewölbe fühlbar ist, als
Vorwärtsneigungen bezeichnet werden. So lange dieser
Winkel ein sehr spitzer ist, dürfte die Anteversio immer
noch in das Bereich der Varianten oder des Physiologischen
zu zählen sein. Die erheblicheren Vorwärtsneigungen sind
aber nach M*s Erfahrung selten ohne Beugung der Achse
des Uterus selbst anzutreffen, und es bleibt daher hier die
Betrachtung der Anteflexionen um so weniger auszuschliessen,
je allmäliger die Uebergänge der Vorwärtsneigung in die
Beugung sowohl bei mehreren Fällen neben einander als auch
bei der Entwickelung des Fehlers in dem gegebenen einzelnen
Falle sich darstellen. Wenn auch anatomisch die Flexionen
von den Versionen wesentlich verschieden erscheinen, so ist
doch für den Kliniker die Grenze, abgesehen von den höheren
Graden der Flexionen , eine ohne Willkür kaum zu ziehende.
mr GebnrtBhülfe in Berlin. 441
falls man nicht dabei in das Bereich der Spitzfindigkeiten
fallen und etwa jede Richtung des Muttermundes nach hinten
allein für maassgebend erklären will.
Nach Martin'^ Erfahrung genügt es aber weder für die
Prognose noch für die Therapie zu constatiren, dass im vor-
kommenden Fall eine Vorwärtsneigung und Beugung
bestehe; vielmehr müssen die besonderen Verhältnisse,
unter welchen der gedachte Gestalt- oder Lagenfehler des
Uterus sich zeigt in Betracht gezogen werden: Die sorgfaltige
Beobachtung zahlreicher Fälle von Anteversionen des Uterus
hat ihn in dieser Hinsicht folgende wesentliche Unterschiede
gelehrt, welche M. folgende, bestimmt begrenzte Gruppen
zu statuiren veranlassen:
1. Vorwärtsneigungen und Beugungen mit Be-
weglichkeit des Uterus.
Diese findet man: a) bei Personen, welche noch nicht
geboren haben und wenn verheirathet meist steril sind. Der
Uterus ist dabei entweder überhaupt sehr klein, mangelhaft
entwickelt, ungewöhnlich beweglich, oder ungleichmässig
entwickelt, so dass die hintere Wand länger und stärker
ausgdbildet erscheint als die vordere. Biswdlen fand Jfor^n
dabei den Muttermund auffallend eng, den Uterus dann
merklich verlängert. Die Beschwerden waren in den hier in
Betracht kommenden Fällen, abjgesehen von der Sterilität
meist gering, jedoch fanden bisweilen Unregelmässigkeiten
der Menstruation und zumal bei Stenose des Muttermundes
gewöhnlich Dysmenorrhöe statt
In einzelnen seltenen Fällen von Anteflexion mit frei
beweglichem Uterus bestand eine Sdirumpfung an der vorderen
Wand, wie gelegentliche Sectionen erwiesen, entweder durch
Narben von Geschwüren oder nach Exsudaten.
d) Anteversionen und Flexionen mit freier oder doch
nur durch das Volumen des Uterus erschwerter Beweglichkeit
kommen nicht selten in und nach Wochenbetten zur
Beobachtung, mag die Geburt eine zeitige oder eine vor-
zeitige, ein Abortus gewesen sein. In diesen Fällen besteht
eine mangelhafte Rückbildung der Placentarstelle, daher
finden fast immer mehr oder weniger heftige und anhaltende
Blutungen statt Der oft noch sehr voluminöse Gebärmutter-
442 XXX. Yerhandlongeii der Oesellf chaft
körper bildet mit dem bisweilen regelmässig formirten
Scbeidentheil bald eioeo fühlbaren Winkel nach vorn, bald
nicht ') In diesen Fällen finden sich Hambescbwerden öfter,
jedoch keineswegs constant, meist Verstopfung, Blähungs-
verhaltung und bisweilen gesteigerte Empfindlichkeit oder
spontane Schmerzen im Unterleibe. Als ursächliche Momente
zeigte sich häufiger Endometritis, indem diese die Rückbildung
der PlacentarsteUe hinderte, als vorzeitiges Aufstehen und
Anstrengungen, welche keineswegs in allen beobachteten Fällen
vorangegangen waren.
2. Vorwärtsneigungen und Beugungen mit
Fixation der Gebärmutter.
Die Unbeweglichkeit des Uterus zeigte rieh entweder:
a) durch Fixirung des Muttergrundes nach
vorn, häufig auf der einen Seite mehr als auf der anderen,
daher die Gebärmutter nicht bloss antevertirt, sondern oft
auch seitlich nach rechts oder links gezogm erschien. Die
eigentliche Ursache dieses Lagefehlers lag in einer Verkürzung
beider oder eines runden Mutterbandes, deren Vorkommen
die Section erwiesen hat. Bemerkenswerth erscheint, dass
in mehreren derartigen exquisiten Fällen die Leidenden frei-
willig erklärten, dass sie seit ihrer Jugend Onanie mittels
äusserer Reibungen anhaltend getrieben hätten. Erwägt man,
dass regelmässig der innerhalb des Abdominalringes gelegene
Theil bis einen Zoll vom Muttergrunde, bisweilen aber auch
das ganze runde Mutterband, wie auf Jlf.*s Veranlassung vom
Professor Lieberkühn angestellte neuere Untersuchungen
bestätigten, quergestreifte Muskelfasern enthält uqd eine Gon-
traction derselben bei geschlechtlichen Erregungen angenommen
werden darf, so möchte die Verkürzung gedachter Bänder
bei habituellen Onanistinnen der gedachten Art erkläriich
sein. — Solche Kranke zeigten nicht sdten eine erhebliche
Verlängerung des oft massig anteflectirten Uterus und dann
meist profuse Menstruation, mit welcher häufig, jedoch nicht
immer erhebliche Schmerzen verbunden waren. Andere
derartige Kranke zeigten keine Verlängerung, ja sogar eine
1) Abbildungen nach Legendre in ifarCtVs Handatlas der
Gynäkologie and Oebartsbalfe. Berlin 1862. Taf. XXXIV., Fig. 8. 4.
für Gebnrtshülfe in Berlin. 443
auffallend gelinge Entwickelung des Gebärorganes. Steril
waren sie säflimüich bis nach der Hdlung des Geslalt- und
Lagefeblers. Dass jene Verkürzung eines oder beider runden
Multerbänder auch durch andere Ursachen, z. B. schrumpfende
Exsudate nach vorausgegangenen Entzündungen herbeigeführt
sein können, ist selbstverständlich.
b) In «ideren, eine bestimmt charakterisirte Gruppe
bildenden Fällen, in welchen meist die Anteflexion vorwiegend
ausgebildet ist, erscheint der Hutterhals gegen die hintere
Beckenwand herangezogen und fixirt. Der Scheidentheil
ist dann nicht immer gegen das untere Ende des Kreuzbeines
gerichtet, oft sogar nach vorn, während die vordere Wand
des Mutterkörpers vor der Portio vaginalis durch das Scheiden-
gewölbe gefühlt wird. Bei dieser Art der Vorwärtsneigung
und Beugung fand ein Schrumpfungsprocess in den Ligamentis
sacro-recto-uterinis (Douglas'sche Falten) statt, der ebenso-
wohl bei Frauenzimmern vor dem geschlechtlichen Umgange,
als nachdem sie geboren, auftreten kann, wie Martin
beobachtet hat. In einer Reihe von Fällen bekam Martin
solche Kranken während der Entzündung, welche gewöhnlich
fi^ Unterleibs- oder Hastdarmentzündung gehalten war, zur
Begutachtung und Behandlung. Die Kranken klagen dabei
über mehr oder weniger heftigen Schmerz im Steisse, welcher
bei jedem stets sehr beschwerlichen Stuhlgänge sich steigert;
sie sagen wohl, es sei ihnen, als ob der Mastdarm zu-
gesdinfirt werde, zuwachse. Die Exploration durch Scheide
und Mastdarm (durch welchen man die einschnürende Stelle
bisweilen erreichen kann) verursacht in frischen Fällen die
heftigsten Schmerzen, selbst Reflexkrämpfe, sie bleibt auch
später, zumal bei Versuchen, den Scheidentheil zu bewegen,
sehr schmerzhaft; erst nach längerer Zeit und unter
pass^der Behandlung mildern sich diese Schmerzen; alsdann
erscheint auch wohl der Uterus wieder etwas beweglicher als
früher. — Die Veranlassungen dieser Schrumpfungsprocesse
der Doff^/a^'schen Falten können, wie begreiflich, sehr
mannichfaltige sein; vor Allem z. B. Erkältungen bei der
Menstruation. Sehr wahrscheinlich ist es Martin nach einigen
Beobachtungen, dass auch Reste von sogenannter Haematocele
dabei im Spiele sein können. Eine feste Verwachsung der
444 XXX. Verliuidlaiigeii der OeiellBchaft
hinteren Wand des Mutierhalses mit dem zweiten Kreuzbein-
Wirbelkörper nadi früheren schweren Entbindungen wegen
Beckenenge traf Ma/rtin einmal in der Leiche.
c) Scliwer oder gar nicht beweglich erscheint der ante-
vertirte Uterus endlich auch dann, wenn grössere Fibroide
an der hinteren Wand oder dem Muttergrunde, oder Ovarium-
tumoren, z. B. Cystoide und dergleichen die Vorwärtsneigung
bedingen, wie Martin in mehreren Fällen sah.
Die Symptome der Anteversionen und Flexionen
sind in den einzelnen Fällen sehr verschieden, theils nach
dem zu Grunde liegenden, bald noch fortbestehenden, bald
vor längerer Zeit abgelaufenen ursächlichen Processe und
den hierdurch bedingten wesentlichen Verschiedenheiten des
Fehlers, wie in dem vorher Erwähnten bereits angedeutet ist,
theils nach den vorhandenen Complicaüonen, theils nach der
Individualität. Da wo z. B. Endometritis, wie nicht selten, besteht,
tritt Fluor albus, auch wohl profuse Menstruation hinzu, wo
Stenose des inneren oder äusseren Muttermundes vorhanden
ist, pflegt die Dysmenorrhöe nicht zu fehlen. Bei verweich-
lichten reizbaren oder Aberreizten Frauenzimmern, z. B. den
Onanistinnen, treten die mannichfaltigsten Reflexerscheinungen
auf, welche man bei anderen ebenso stark entwickelten
Anteversionen nicht beobachtet.
Die Erkenn tni SS der Vorwärtsneigung und Beugung
des Uterus wird zwar in vielen Fällen durch eine sorgfältige
innere und äussere Palpation gewonnen werden können, unter
Umständen, z. B. bei sehr fettreichen Bauchdecken bedarf
es aber, um Verwechselungen zu vermeiden, sowie fast immer,
um die oben geschilderten für die Prognose und Therapie
so wichtigen besonderen Verhältnisse der Vorwärtsneigungen zu
bestimmen, einer anderweiten Exploration, insbesondere falls
man nicht schon eine etwas mehr als gewöhnliche Richtung
des Muttermundes gegen die hintere Beckenwand für ein
genügendes Kriterium der Anteversion erklären will. Vor
Allem warnt Martin vor Verwechselungen der pathologischen
Anteversion mit der physiologischen des schwangeren Uterus
im dritten und vierten Monate, auf welche als auf ein
wichtiges Kennzeichen der Schwangerschaft M. schon 1849
för Gebnrtshülfe in BerliD. 445
aafmerksaiD gemacht haU^) Bei dem geringsten Verdachte
auf Schwangerschaft warte man mit weiteren Explorationen
einige Wochen ab, welche durch das fortschreitende Wachs-
thum des Uterus stets Aufklärung bringen werden. — Ist
mit Sicherheit eine Schwangersdiaft auszuschliessen, so kommen
ferner Fibroide der yorderen Uteruswand und ab-
gesackte Exsudate zwischen Uterus und Harnblase
in Betracht, welche einen der Anteversion und Anteflexion
ähnlichen Befund bieten können. Hier wie Aber die Fixirung
des Uterus u. s. w. wird die vorsichtige Exploration mit der
Utenissonde ^) allein den vollständig sicheren Aufschluss ge-
währen. Dass dieser Exploration eine sorgfältige Erwägung
der concurrirenden Umstände vorausgehen müsse, dass sie
ein feines Gefühl voraussetze, alle Gewalt ausschliesse und
bei floriden Entzündungen des Uterus und seiner Umgebung
in den Ligamentis sacro-recto-uterinis unterbleiben müsse,
bedarf keiner Auseinandersetzung.
Die Voraussage bei den Anteversionen und Ante-
flexionen ist wesentlich sowohl in Betreff der Heilbarkeit als
der Folgen je nach den verschiedenen oben unterschiedenen
Gruppen und kann daher nicht im Allgemeinen für den in
Rede stehenden Gestalt- und Lagefehler ausgesprochen
werden. Bei den durch mangelhafte und ungleiche
Ent Wickelung bedingten Anteveruonen und Flexionen pflegen,
falls nicht Stenosen damit verbunden sind, die Symptome
geringfügiger, die Heilbarkeit leichter zu sein, während bei
den Anteflexionen durch Schrumpfung der vorderen
Uteruswand die Symptome sehr lästige und die Heilbarkeil
als eine kaum möglidie erscheint. Der im Wochenbette durch
mangelhafte Rückbildung entstandene Gestalt- und
Lagefebler kann unter günstigen Verhältnissen spontan
sdiwinden, falls die Involution endlich noch zu Stande kommt,
1) Martin, üeber Gestalt- nnd Lageverandeningen der
schwangeren Gebärmatter in den ersten vier Schwangerschafts-
monaten, in Jenaischen Annalen der Physiologie nnd Medicin,
Band I., 8. 23.
2) Martin'B nach der Fühmngslinie des Beckens gebogene,
daher bei Anteflexionen besonders leicht einsnffihrende Uterus-
sonde, 8. in dessen Handatlas etc., Taf. XVIII., Fig. 3.
^
446 XXX. Verbandlnng^en der Gesellschaft
jedoch können hier die nicht selten anhaltenden Blutungen
erhebliche Gefahren bringen. Jedenfalls gelingt die Heilung
hier der Kunst am bestimmtesten. In weit geringerem Grade
gilt dies von den durch Veriiürzung der runden Mutter-
band er bedingten Anteversionen, obschou Martin auch hier
erfreuliche Resultate sogar mit nachfolgender Schwangerschaft
und glücklicher Geburt erzielt hat. Weit bedenklicher sind
sowohl hinsichtlich der Symptome und Folgen als hinsichtlich
der Heilbarkeit die durch Retraction der Ligamenta sacro-
recto uterina bedingten Anteversionen und Anteflexionen ;
dennoch gelingt bei richtiger und ausdauernder Behandlung
auch hier manche Heilung, zumal wenn der Arzt zeitig hinzu-
kommt. Die Prognose der durch Geschwülste an und
neben dem Uterus veranlassten Lage- und Gestaltfehler
richtet sich, wie erklärlich nach der Natur der ersteren.
Hinsichtlich der Therapie räth ilfarttn zunächst, wenn
es irgend Ihunlich erscheint, die Ursache der Anteversion
und Flexion zu beseitigen, daher bei noch bestehenden eni-
zündlichen Processen dieselben zu bekämpfen. Zu diesem
Zwecke erschienen ihm nach eigenen und nach Beobachtungen
an solchen Kranken, welche von anderen Aerzten damit be-
handelt waren, weniger die wiederholten Applicationen von
Blutegeln an den Scheidentheil heilsam, indem die-
selben nur allzu oft (wahrscheinlich in Folge von Verletzung
grösserer Venen am Scheidengewulbe) übermässige Blutverluste
und unerwünschte Erschlaffung des Uterus veranlassen, ab-
gesehen von den bleibenden Verunstaltungen der lilr die
ersehnte Conception so wichtigen Muttermundslippen. Nur
bei lebhaft schmerzenden entzündlichen Anschwdlungen des
Scheidentheils war der Erfolg der localen Biutentziehungen
überraschend. In anderen Fällen ist die Anwendung von
Schröpf kröpfen auf den Rücken , von Blutegeln auf die Weicben-
gegenden vorzuziehen. In der Mehrzahl der Fälle hat der Arzt
entweder chronische Endometritis und Metritis parenchymatosa
oder Exsudate z. B. in den Dou^Zo^'schen Falten zu be-
kämpfen und hier bewährten sich (heils laue Sitzbäder (c. 2b^E.)
mit Soda oder mit Krankeuheiler Seife und Salz, oder mit
Kreuznacher Mutterlauge auch wohl neben dem inneren Ge-
brauch von Kali accticum, Kalium jodatum oder broroaturo.
für Oeburtahfilfe in Berlin. 447
sowie der entsprechenden Mineralwässer trefflich, falls sie
hinlänglich lange fortgesetzt zur Anwendung kamen. Bei der
chronischen Endometritis, welche so gewöhnlich Ursache
raangelliafter Rückbildung des Uterus im Wochenbette ist,
erprobte M, vielfach die täglich zwei bis drei Mal wieder-
holten Vaginaleinspritzungen mit Lösungen von Tannin, von
Plumbum aceticum, Cuprum sulphuricum oder aluminatum
oder Ferrum sulphuricum, während bei vorgängigen Infectionen
mit Trippergift Lösungen von Argentum nitricum oder von
Sublimat sich heilsam bewährten. Dabei bemerkt Jlf., dass
er den Gebrauch der anhaltenden Douchen mit stärkerem
Strahle, wie sie mit den verschiedenen Clysopompe*s oder mit
dem Irrigateur in Gebrauch sind, ihrer reizenden Eigenschaften
wegen, bei entzündlichen Affectionen minder nützlich gefunden
hat, als die Bespülung der kranken Theile mittels einer ein-
fachen aus einem Kautschukbeutel mit Beinaufsatz und einem
biegsamen Rohre bestehenden Scheidenspritze. Jene Scheiden-
oder Uterusdouchen, zumal mit 27^ R. warmem Wasser,
zdgten sich M. hingegen recht nützlich, da wo es galt, die
verzögerte Entwickelung der Uteruswandungen zu erregen.
Die kalten Douchen verursachten nicht selten lebhafte Schmerzen.
In den erwähnten Fällen mangelhafter Entwickelung als
Ursache von Anteversionen und Flexionen, so wie da wo
mangelhafte Rückbildung nach vor längerer Zeit überstandenen
Geburten oder Verkürzung eines oder beider Ligamenta uteri
rotunda die Ursache des Lagen- oder Gestaltfehler waren,
brauchte M. in nahezu 50 Fällen mit grösserem oder ge-
ringerem Erfolge die von 8imp9on angegebenen Intrauterin-
pessarien und zwar theils aus Zink und Kupfer, theils aus
Elfenbein und Cocosnuss gefertigt. In der Regel wurde der
Knopf kleiner, als er von Simpson angegeben ist, gewählt.
Diese einfachen Rectificatoren ^) hatten zumal bei den
mit Knickung des Uterus verbundenen Fällen der genannten
Arten, falls keine entzündlichen Processe mehr stattfanden,
meist ausgezeichneten Erfolg, insbesondere verschwanden die
oft so peinlichen Schmerzen bei der Menstruation und deren
Folgen, die Migränen u. s. w. Der mangelhaft entwickelte
1) S. Martin'a Handatlas, Taf. LXVIII., Flg. 7. 9.
448 XXX. Verhandlangeii der Oetollscliaft
Uterus z. B. wie der nicht gehörig zurückgebildete , holten
das Versäumte nach, und es erfolgte, wo bis dahin hartnäckige
Sterilität bestanden hatte, nicht selten, nach Entfernung des
Instrumentes Conception und gliicklich verlaufende Schwanger-
schaft In einzelnen Fällen fiel das Instrument nach einigen
Tagen oder Wochen, z. B. zur Zeit der Menstruation oder
nach derselben, heraus; alsdann legte Jf., wenn der Fehler
noch nicht gehoben war, den Rectificator wieder ein und
brachte einen aus Elfenbein oder Cocusnuss gefertigten,
gestielten, tellerförmigen Träger^) unter den Knopf in die
Scheide.
In der Mehrzahl der Fälle trugen die Kranken den
Rectificator Wochen oder Monate lang, gingen, fuhren, reisten
damit ohne alle Beschwerde; bisweilen zeigte sich eine etwas
vermehrte und länger dauernde Menstruation und eine geringe
Schleimabsonderung, welche auf Einspritzungen von Leinsameur
Ihee, auch wohl mit Theerwasser versetzt, oder mit Tannin-
lösung nachliess. Wurde das aus Kupfer und Zink gefertigte
Instrument nadi längerer Zeit weggenommen, so zeigte sich die
Kupferhälfte glänzend unverändert, währ^d die Zinkseite mit
einer fest anhaftenden derben Masse ungleich bedeckt erschien,
welche nach Hofrath LehmarC^ auf If.'s Wunsch 1856 in
Jena vorgenommenen chemischen Untersuchung aus einem
Zinkalbuminat bestand. Die Zinkseite fand sich dann immer
stark erodirt und uneben.
Wie bestimmt die Beschwerden der Kranken durch die
Geraderichtung des Organs behoben wurden, dürfte aus dem
wiederholt beobachteten Erfolge hervorleuchten, dass Kranke,
welchen das Instrument vor vollständiger Heilung weggenommen
war, zwar noch für einige Male so lange die Geradrichtung
bestand, keine, oder doch geringere Schmerzen bei der
Menstruation klagten, als vor der Application, allmälig aber
mit wiederkehrendem Gestalt- und Lagefehler auch die früher
erlittenen Beschwerden wieder bemerkten, welche zur neuen
Einlegung des Instrumentes drängten. In mehreren Fällen
erfolgte erst nach wiederholtem jahrelangem Tragen des
1) Die Abbildung 8. in Martin^B Handatlas der Gynäkologie
and Qebnrtshfilfe. Berlin 1862. Taf. LXVIIF., Fig. 8.
für Qftbnrtsbülfo in Berlin. 449
Rectificator YoUständige HeQong und die Uiigst ersehnte Con-
ception. — Wie streng iibrigoos die Auswahl der geeigneten
Fälle f&r ietk Gebrauch dieser Rectificatoren getroffen wurde,
mag daraus hervorgehen « dass Jf. seit 1860 nur circa 50 Mal
unter mehr als 200 behandelten Anteflexionen das beschriebene
bstrument anwendete. Dieser sorgnUtigen Erwägung aller
Verbaltnisse glaubt er es zuschreiben zu mflssen, dass ihm
kein Unfall bei dem Gdirauche der Rectificatoren begegnet ist.
Von dem zeitweisen Einführen der Uterussonde sah
M. nur selten einen günstigen Erfolg, sogar nicht bei vielfach
in Anwendung gezogener Verbindung derselben mit dem
electrischen Strome; nur bei den auf mangelhafter Ent-
wickdung oder auf verzögerter Involution nach Wochenbetten
beruhenden Fehlem erfolgte danach bisweilen Genesung.
M. muss nach seinen Erflsdunngen das öftere, etwa tägliche
Einfuhren der Sonde für bedenklicher erklären, als das Liegen-
bleiben des Rectificator.
Zur Beseitigung der seltenen Anteversionen ohne alle
Beugung benutzte M. da, wo der Uterus beweglich erschien,
theils die, den früher bei Prolapsus uteri gebräuchlichen von
Holz gefertigten ähnlichen Kautschukringe, theils die be-
kannten Pessaires k contraversion, nicht selten mit
unverkennbarem Nutzen,, insbesondere mit entschiedener Er-
leidit«rung der Beschwerden. —
In manchen Fällen treten einzehae Symptome der Ante-
versionen und Flexionen so selur in den Vordergrund, dass
es palliativer Mittel oft genug bedarC Dies gilt ganz
vcMTzügUch von den Blutungen bei frischen Fällen im Wochen-
bette; hier hat Martin von dem mehrtägigen Gebrauche
vier- bis sechsmaliger Gaben von Seeale comutum (gr.v.),
auch wohl zugleich mit Ferrum sulphuricum neben wieder-
holten temperirten Vaginalinjectionen mit Tanninlösung mittels
der oben erwähnten Kautschukspritze den entsdiiedensten
Vortheil gesehen. Bei heftigen Schmerzen in den Genitalien
verordnet er entweder Halbklystiere von Stärkeschleim mit
Bxtractum opii aquosum gr.j. — ij. oder kleine Scheiden-
zäpfehen von Cacaobutter 5/3 mit Morphium acet gr. Vi — /},
sowie bei den lästigen Migränen mit Erbrechen Chloroform
lfooatotebr.f.aebartok. 1868. Bd. XXI., Hft 6. SO
450 XXX. VerbABdlans^en der Gesellschaft
g[utLij. — iij. mit Rad. Aithaeae q. s. zu Pillen gemischt, wdche
er wirksamer gefunden hat, als die üblichen Coffdn- Pastillen
und Paulinien- Pillen. Dass die Wildbider zu Schlangeobad,
Liebenzell, Landeck u. s. w. unter Umstftnden bei derartigen
Leiden zur Palliative mehr leisten als Eisenquellen und See-
bäder ist eine unleugbare Thatsache. Die Eisenquellen erhalten
ihre Indication ohne Zweifel sehr häufig erst durch die voraus-
gegangene Behandlung mittels Blutegel an das Scheiden-
gewölbe, welche zur Anämie fahrte.
Herr C, Mayer stimmt Herrn L. Mayer darin bei, dass
die Anteversion häufiger, als die Retroversion sei; in seiner
Praxis sei das Verhältniss so überwiegend, dass er die Allgemein-
gültigkeil dieser Regel für ausser Zweifel halte. Ebenso müsse
>r der oben geäusserten Ansicht desselben, dass Version und
Flexion wesentlich von einander zu schaden seien, vollständig
beistimmen. Gegen die Therapie des Herrn Martin indess habe
er sdir gegründete Bedenken und könne er namentlich den
intrauterinen Pessarien nur das schlechteste Zeugniss ausstdlen.
Als Simpson seine fiehandlungsweise veröffentlichte, habe
er (Jf.) dieselbe ebenfalls versucht, sei aber durch die stets
darauf erfolgende Verschlinmierung aller Leiden belehrt, bald
davon abgestanden. Später indess sei seine Ansicht von der
Schädlichkeit dieser Instrumente mehr und mehr befestigt
worden, da er manche von Simpson und Anderen auf
diese Weise bebandelte Frau in seine Behandlung bekommen
habe und Irider oft die erschrecklichsten Verschlimmerungen
als Folge derselben beobachtet habe. Entzündungen, An-
schwellungen der Gebärmutter, unstillbare Metrorrhagien,
Bienorrhoen, Exulcerationen der Innenfläche des Uterus und
Zerrüttung des Nervensystems, die er lediglich dem Gebrauche
der intrauterinen Pessarien zuschreiben könne. Freilich
sprächen sich diese Folgen erst in späterer Zeit aus, aber
Pflicht des Arztes sei, solche Kranken nicht aus den Augen
zu lassen; aber die scheinbare Besserung bei der ersten
Application verführe zu falschen Schlüssen, sowie unter anderen
der Gebrauch kalter Sitzbäder, eiskalter Einq>ritzungen u. s. w.,
denen so günstiger Erfolg nachgerühmt werde, von ihm auf
das äusserst» bekämpft werde, da der dauernde Gebrauch
für Oebnrtshfllfe in Berlin. 451
derselben die allerungunstigsten Wirkangen hervorbringe. Auch
die nach der Beckenacbse gekrdmmte Sonde scheine ihm
nicht zweckentsprechend. Die grössere Hälfte seiner Kranken
seien junge sterile Frauen, die wegen Kinderlosigkeit seinen
Ralh suchten. Da sei die Untersuchung schon meist eine
äusserst schmerzhafte und schwierige: Enge, gereizte Scham,
entzAndete Scheide und Uterus, wo die Einführung des Fingers
schon die grössten Beschwerden hervorrufe; da eine Sonde
in so grosser Bogenkrümmung einzuführen, scheine ihm ein
Ding der Unmöglichkeit; er benutze nur die 8ifnpson*8che
oder Kttoisch^Bche Sonde und habe schon mit dieser oft
Schwierigkeiten genug zu überwinden. Doch gebe er zu, dass
dies nur eine theoretische Abstraction sei, in praxi habe er
die in Rede stehende Sonde noch nicht versucht.
Wegen vorgerückter Zeit wurde die Debatte verlagt.
Sitzung vom 14. April 1863.
Herr L. Mayer geht nochmals auf den principiellen
Unterschied der beiden Lageveränderungen ein und räumt
namentlich in diagnostischer Hinsicht der Stellung des Orificii
uteri, ob nach unten oder nach hinten ein entscheidendes
Gewicht ein. Was ferner den von Herrn Martin so eng be-
grenzten Wirkungskreis örtlicher Blutegelapplicationen an die
Vaginalportion betreffe, so theile er durchaus nicht diese An-
sicht ; eine isolirte Entzündung der Vaginalportion ohne gleich-
zeitige Theilnahme des ganzen Uterus, sei ihm unklar und
dem entsprechend sei er auch der Ansicht, durch örtliche
Blntentziehungen an der Vaginalportion zugleich auch den
ganzen Uterus von Blut zu entlasten. Die angegebenen
nachtheiligen Wirkungen geregelter örtlicher Blutentziehungen
könne er nicht anerkennen und ziehe diese deshalb jeder
Anwendung von Schröpfköpfen u. s. w. zu diesem Zwecke
unbedingt vor. Zuletzt halte er die Diagnose verkürzter
Ligamenta rotunda während des Lebens für schwer, wenn
nicht unmöglich, so dass es ihm unrichtig scheine, darauf eine
bestimmte Unterart der Anteversionen zu begründen.
29*
452 XXX. Vorhuidliuigeii der OeioUschaft
Herr Martin vertheidigt die von ihm als unwesentlich
behauptete Stellung des Muttermundes; da & ausgesprochen
habe, eine strenge Grenze zwischen Flexion und Version nicht
zu ziehen, so könne naturlich auch die Stdlung des Mutter-
mundes für die Lagerung des ganzen Organs nicht massgebend
sein. Mit seiner Einschränkung der directen Blutentziehungen
am Uterus stehe er übrigens nicht allein. In Paris seien be-
reits gewichtige Stimmen dagegen aufgetreten und erst neuer-
dings habe Seanzoni auf einzelne dadurch hervorgerufene
Krankheitserscheinungen (Urticaria) aufmerksam gemacht;
heftige Schmerzzußlle habe ohnehin gewiss jeder, der die
localen Blutentziehungen oft vornehme, beobachtet und so
habe er deshalb in vielen Fällen entferntere Stellen zur
Depletion erwählt.
Was nun den fraglichen Schaden betreffe, den die An-
wendung der /Stmjp^on'schen Intrauterinpessarien mit sich
führe, so habe er sich erlaubt, zum heutigen Abend zwei
Frauen mitzubringen, deren eine das von Faye empfohlene
Aufrichtungsinstrument (mit einer kleinen von ihm selbst an-
gegebenen Aenderung) seit dem 22. Januar, deren andere es
seit dem 14. März ununterbrochen trage. Beide Frauen seien
in beklagenswerthem Zustande zu ihm gekommen, hätten un-
mittelbar nach der Application eine bedeutende Erleichterung
gefühlt und würden auf Befragen auch nach so langem Tragen
noch jetzt günstiges Zeugniss fi&r dieses Instrument ablege«
Die betreffenden Patientinnen wurden demnächst in der
Gesellschaft vorgestellt. Beide waren verheirathete Frauen,
hatten mehrfach geboren und gaben an, die Instrumente mit
wesentlicher Erleichterung zu tragen. Die erstere, die das
Instrument schon seit einem Vierteljahre trug, hatte es auch
während der Menstruationen bei sich behalten und gab an,
durchaus keine schmerzhaften Zufälle dabei erlitten zu haben ;
allerdings sei die Periode seitdem stärker geworden, so dass
sie jetzt wohl acht Tage dauere, während sie früher nur drei
bis vier Tage gewährt habe. Die andere Kranke wusste über
diesen Punkt noch nichts zu sagen.
Herr (7. Mayer untersuchte im Nebenzimmer die
Kranken und gab an, die Instrumente in richtiger Lagerung
för Gebnrtflliftlfe in Berlin. 453
gefundeo zu haben. Er erklärte von Faye selbst in der
ersten Zeit nach seiner Veröffentiichung dieses Instrumentes,
dassebe zugeschickt erhalte und mit vieler Hoffnung auch
angenommen zu haben. Seine Hoffnungen hätten sich indess
so wenig erfüllt, dass er es jetzt nie mehr anwende, sondern
immer nur die Sonde in Gebrauch ziehe.
Herr Ma^rtin kommt darauf zurück, dass sein ganzer
Vortrag dahin gehe, die Auteversion nicht als solche als einen
unverrückbaren Begriff darzustellen, sondern gerade durch ge-
naue Definition der Complicationen und Ursachen jeden ein-
zelnen Fall als einen individuellen aufzufassen. So gehe seine
Empfehlung dieser Redresseurs also nicht auf alle antevertirten
Gebärmutter; sondern wie er eben schon früher angegeben,
eigne sich nur ein geringer Theil derselben zu dieser mecha-
nischen Behandlung, und schreibe er es desshalb seiner Aus-
wahl der Fälle zu, dass er bis jetzt noch keinen nachtheiligen
Einfluss von dem Tragen der Redresseurs gesehen habe.
Ein etwas stärkerer Blutverlust bei der Menstruation oder
etwas weisser Fluss scheine ihm kein so wichtiger Umstand,
um einer so entschiedenen Besserung des Allgemeinbefindens
die Wage zu halten.
Die von Herrn Z. Mayer angezweifelte Möglichkeit der
Diagnosticirung verkürzter Lig. rotunda scheine ihm ziemhch
einfach. Deim wenn die Vaginalportion beweglich sei und
sich nach vorne und hinten, so wie auch etwas nach unten
verschieben lasse, dabei aber der Fundus uteri beständig
seine Lage nach vom behalte und dem Gefühl deutlich die
Empfindung des Fixirtseins mittheile, so scheine ihm keine
andere Erklärung möglich , als dass er durch die Lig. rotunda
fixirt werde. Veraltete Exsudate zwischen Blase und Uterus
würden, da die Blasenwand selbst beweglich ist, den Uterus nicht
fixiren können, es könnten also nur Veränderungen in den
Mutterbändem sein ; ob diese indess in früheren entzündlichen
Voi^ängen ihren Ursprung hätten, oder durch Muskelactionen
bedingt seien, das möge unentschieden bleiben.
Auf Herrn L. Mayer^s Einwand, dass im Umkreise der
Muttertiänder gesetzte Verbildungen denselben Einfluss haben
müMtoD, entgegnet Herr Martin^ dass er dies auch für ein
454 XXX. Verha&dlmigeii der Gesellschaft
und dasselbe halle; Exsudate in den Mutterbandern oder um
die Mutterbander herum seien wohl in ihrer Wirkung gleich,
insofern sie in ihrer Consolidirung eine Schrumpfung derselben
heiteiführten.
Herr Wegscheider nahm darauf das Wort und äusserte
sich folgendermaassen:
Es kann mir nicht beifallen, zur Debatte über die Be*
handlung der Deviationen der G^ärmutter irgend etwas Ent-
scheidendes beizubringen; ich bin nicht Special -Gynäkolog,
und wenn ich auch das, was in meiner hausärztlichen Praxis
an Frauenkrankheiten vorkam, mit einer gewissen Vorliebe
stets selbst untersucht und selbst behandelt habe, so können
sich doch meine Erfahrungen den hier von den beiden Herren
Mayer und Martin mitgetheilten auch nicht annähernd an
die Seite stellen. Dennoch scheint es mir nicht ohne Nutzen
zu sein, dass zu dem in Rede stehenden Gegenstand auch
einmal von nicht specialistischer Seite ein Beitrag geliefert
werde. Wir Hausärzte haben denVortheH, mit unseren Kranken
in der Regel länger und allseitiger in Verbindung zu stehen,
als die Specialisten , und haben dadurch Gelegenheit, Verlauf
und Complicationen eines Uebels bei unseren Patienten von
mannichfaltigeren Gesichtspunkten aus zu betrachten.
Ich kann nur versichern, dass ich Deviationen der
Gebärmutter recht häufig in meiner Praxis beobachtet habe,
ich kenne eine ganze Anzahl damit behafteter Frauen. Ich
sehe dabei ab von den senilen Schrumpfungen und damit ver-
bundenen Lageveränderungen der Gebärmutter, wie dieselben bei
alten Frauen so häufig im Leben und bei Sectionen geftmden
werden, auch im geschlechtsreifen Alter existirt das Uebel
meiner Ueberzeugung nach viel häufiger als man gewöhnlich
annimmt Viele Frauen mit schlaflem Unterleibe und besonders
mit, durch vorausgegangene reife oder unreife Geburten er-
schlafllen Genitalorganen , leiden an Versionen. Dieser Befund
trat mir oft, wenn ich die Untersuchung wegen Verdachts neuer
Sdiwangerschaft oder wegen profuser Menstruation oder Fluor
albus machte, mehr als ein zufölliger entgegen. Herr Martin
bat schon hervorgehoben, und muss ich das bestätigen, dass
namentlich zwei bis drei und mehr Monate nach Aborten
Hr GebnrtohOlfe in Berlin. 455
oder nach Entbindungen der Uterus oftmals antevertirt ge*
funden wird. In solchen Fällen klagen allerdings die Frauen
häufig ober ein Gefühl der Unsicherheit im Unterleibe, über
ein Gefühl, als könne etwas fortiaUen, über ein Gefühl von
Offensein oder auch über ganz unbestimmte Sensationen; in
bestimmte Beziehungen zu dem Vorwärts- oder Rückwärts-
Gebeugtsein der Gebärmutter konnte ich aber diese Klagen
und Beschwerden nicht bringen, sie gelten mir nur als ein
Symptom der allgemeinen Erschlaffung und zögernden Rück-
bildung der durch die vorangegangenen Entbindungen aus-
gedehnten inneren und äusseren Genitalorgane.
Ich habe mich deshalb auch in allen solchen Fällen einer
(sgentlichen orthopädischen Behandlung der Gebärmutter ent-
halten und habe viele dieser Versionen allmälig mit der Wieder-
kehr einer grösseren Körperfülle und der Wiederkehr eines
erhöhten Turgor in den betreffenden Theilen verschwinden,
andere ohne weiteren Nachtheil fortbestehen gesehen. Eine
zweite Reihe von. gewöhnlich mit Km'ckungen verbundenen
Versionen der Gebärmutter findet sich bekanntlich mit ander-
weitigen Erkrankungen des Uterus, chronischen, entzündlichen
Intumescenzen, Katarrh, Fibroiden, oder Druck des Uterus,
den er von benachbarten krankhaften Organen erleidet, oder
endlich mit peritonäalen Verwachsungen complicirt Auch bei
diesen Lageveränderungen ist es mir immer erschienen, als
sei die Lageveränderung an sich das Minderwesentlicbe, die
Erkrankung des Organs die Hauptsache, ich habe wenigstens
ganz dieselben Leiden und Beschwerden auch ohne die Lage-
veränderung gesehen und habe mich daher nach einigen in
früheren Jahren angestellten Versuchen durch Sondenbehandlung
die Lage zu verbessern, in neuerer Zeit durchweg darauf be-
schränkt den kranken Uterus zu bebandeln, nicht aber
den geknickten oder den gebeugten. Ich bin in dieser
Beziehung den Vorschriften von Bennet, P. Duboie, Scansoni,
Veü und von anderen Gynäkologen gefolgt, es schien mir
dieser Weg vom bausärztlicben Standpunkte aus, jedenfalls
der skherere. Denn, dass die fortgesetzte Sondenbehandlung
and mehr noch die /Stmp^cm'schen und £»u^cA'scben
Radresseurs ihre Gefahren haben und in einzelnen Fällen recht
ernste ZufUle, sogar tödtliche Metritis und Peritonaeitis zur
466 XXX. VerhaiidliuigOB der Gesellicliaft
Folge gehabi haben, daför habe ich aus der Praxis anderer
ktnle Beispiel.
Ich bin nun übrigens weit davon entfernt, die günstigen
Erfolge unserer Specialisten in der Orthopädirung des Uterus
äberhaopt in Zweifel zu ziehen, ich begreife namentÜGb
yollkommen , dass unter Umstanden Tampons und Gummiringe
sehr heilsam wirken können, ich mochte aber gern zur
Würdigung dieser Therapie noch auf einige dabei concurrirende
Momente auhnerksam machen.
Zunächst, glaube ich, darf man nicht vergessen, dass die
Phantasie der Frauen bei ihren krankhaften Empfindungen eine
sehr gewichtige RoUe spielt Bei einer grossen Anzahl von
Frauen, welche in ihren gescUechdichen Beziehungen nicht
normal leben (und wie viele sind dies!), bei Frauen, welche
firüher onanirt haben, bei solchen, welche geschlechtlich nicht
recht befriedigt werden oder bei welchen der eheliche Umgang,
der früher häufiger stattfand, aus irgend welchen Gründen
unterbleibt, femer bei aus irgend welcher Ursache sterilen
Frauen nimmt die Phantasie nur gar zu leicht eine krank-
hafte Richtung an, zumal wenn Unthätigkeit, unbefriedigende
äussere Verhältnisse, unzweckmässige Lebensweise, Mangel an
Bewegung, Unterleibsstockungen, Hämorrfaoidalreiz etc. hinzu-
kommen. Solche Frauen sind nur gar zu geneigt unbestimmte
von den Genitalien ausgehende Empfindungen durch weiteres
Grübehi zu steigern. Kommen nun noch Mittheilongen von
in diesem Gebiete erfahrenen Freundinnen hinzu, ßUt ihnen
eine diese Leiden schild^mde Annonce, ein AuerbtMeVsches
Extrablatt oder dergL- in die Hände, so gerathen sie in eine
angstvolle Stimmung, die ihnen hinter jedem Fluor albus
Mutterkrebs , hinter jedem Unbehagen im Unterleibe schweres
Gebärmutterleiden als Schreckgespenst aufsteigen lässt In
dieser Stimmung kommen sie zum Arzt. Schwer ist es
dann bei den übertriebenen Klagen zu unterscheiden, was
von den Leiden mehr psychischer, was reeller, auf materiell
nachweisbare Veränderungen basirter Natur ist Der Arzt
kann dann bei der Untersuchung sehr leicht in die Ver-
sudiung gerathen, einer an sich vielleicht sehr schuldlosen
Deviation des Uterus, die möglicherweise auch schon sehr
lange bestanden hat, mehr Gewicht beizulegen, als sie es in
filr Gebnrtobillfe in Berlin. 457
Wahrheit Terdient Sagt man der Kranken, sie habe eine
Lageverandening der Gebärmutter, so ist der Schrecken gross,
und ontemimmt man irgend eine örtliche Behandlung gegen
das Leiden, so ist man eines günstigen Erfolges in den
meisten Fällen gewiss. Das Vertrauen zu dem Arzte, die
bemhigende Gewissbeit, dass nun etwas Gröndliches gegen ihr
Leiden geschieht, lässt der Patientin bald ihre Beschwerden
in einem milderen Lichte erscheinen. — Ich bin seit 16 Jahren
Arzt hei einer übrigens ganz verständigen Burgersfrau von
59 Jahren, die seit 40 Jahren in kinderloser Ehe lebt. Diese
Frau litt in ihren Vierziger Jahren lange Zeit an recht er-
hebhchen Beschwerden, welche durch eine chronische entzünd-
liche Intumescenz des Uterus bedingt waren. Wiederholte
locale Blotentziehungen imd andere Mittel curirten die Frau
endlich und hatte sie nach dem Aufhören ihrer Regehi sechs
Jahre lang absolut keine Beschwerden, da bekam ihre Phan-
tasie durch einen in ihrer Familie vorgekommenen Todesfall
an Mutterkrebs wiederum eine krankhafte Richtung auf ihre
schon von ihr vergessene Gebärmutter. Fast alle zwei bis drei
Monate quält mich seitdem die wunderliche Frau mit den
entsetzhchsten Klagen und mit der Behauptung, es sei ihre
Gebärmutter aus der Lage. Die Untersuchung ergiebt das
Gegentheil und sie lässt sich jedes Mal durch eine solche und
durch die Versicherung, nun sei die Gebärmutter wieder ge-
hoben, voDständig wieder beruhigen. Di^se Comödie bat sich
schon wenigstens ein Dutzend Mal wiederholt, alle Klagen, alle
Druckersdieinungen, alle vermeintlichen Urin- und Stuhl-
Beschwerden verschwinden jedes Mal unmittelbar nach der
Untersuchung. Solche Erfahrungen, denen ich eine ganze Reihe
ähnlicher an die Seite stellen kann, haben mich aUmälig bei
Beurtheilung localer Genitaltherapie etwas vorsichtig gemacht
Dem Psychischen ist indess keineswegs allein oder auch
nur vorzugsweise der günstige Erfolg der localen Behandlung
d^ Uterusdeviationen zuzuschreiben, ein viel Wichtigeres ist
in meinen Augen die wirklich materieUe Seite der Localbehand-
lung, nur mödite ich bezweifeln, dass diese lediglich in der
Orthopädie des Uterus bestände. Ich glaube, dass jedwede
mechanische Einwirkung auf den Uterus bei krankhaften Sen-
sationen, die von diesem Organe ausgehen, unter Umständen
458 XXX. Verluuidliiiigeii der Qeselliehafl eto.
wohllhätig wirken kann. Die alten Aerzte behandelten Hysterie
vom Uterus ausgebend, und, wie sie versicherten, mit Erfolg,
durch Einlegen von Suppositorien aus Castoreum in die
Vagina; Scanzoni rühmt bei Anteversionen den Erfolg eines
längere Zeit bindurdi anzuwendenden etwas modificirten und
mit einem Schwammknopf versehenen iSot^i^schen Gebärmutter-
trägers, Mayef's sahen die besten Erfolge von Gharpietampons
hoch hinauf geschoben und neuerlichst von Gummiringen,
Andere loben die Ceinture hypogastrique. Ich bezweifle
die günstigen Erfolge dieser Mittel, sofern sie vertragen
werden, nicht einen Augenblick, ich selbst mache häufig von
dem Dnterbaucbgürtel Gebrauch und habe mir vorgenommen,
auch die Gummiringe künftig anzuwenden, — aber ich bin
nicht davon überzeugt, dass diese Mittel durdi Beseitigung
der Lageabweichung der Gebärmutter wirken, eine sokhe
Wirkung ist meist gar nicht mögUch, sondern ich glaube, dass
ihr Nutzen darin besteht, dass sie einestheils mechanisch den
dislocirten und krankhaft reizbaren Uterus vor Zerrungen und
Erschütterungen sicher stellen, andemtheils durch Ausübung
eines selbst bis zu einem gewissen Grade unbequemen und
schmerzhaften Druckes manche leise, krankhafte Reizempfia-
dungen, die von der Gebärmutter ausgehen und die consensuell
weiter wirken, zum Aufhören bringen. Aehnlicb verhält es
sich mit manchen Empfindungen und Schmerzen in den Ex-
tremitäten, in den Gelenken, aber auch in den Unterleibs-
Organen, den Brüsten u. s. w., die wir durch einen passend
angebrachten Druckverband wesentlich mildem. Ja, ich glaube,
dass auch das Sondiren des Uterus in dieser Richtung günstig
wirken kann, wie ja auch manche unbequeme und lästige
Empfindung in der Harnröhre und am Blasenhals unter Um-
ständen durch Einführung eines Bougies, ohne dass dasselbe
eine Strictur zu erweitern ßnde, gemildert oder ganz be-
seitigt wird.
XXXI. Sehurig, Beitrag sur Voraoabeatimmniig eio. 459
XXXI.
Beitrag sur Voraasbestiininung des Fötal-
geschlechtes durch Zahlung des
Fötalpulses.
Von
Dr. F. A. Sehorlg.
Nach den sehr widersprechenden Resultaten bei den bis-
her angestellten Untersuchungen zur Yoraud^iestimmung des
Pötalgeschledites durch Zählung der Pulsfrequenz des Fötus,
erachtete ich es nicht für undankbar, diesen Gegenstand einer
weiteren Prüfung zu unterwerfen.')
Die Gelegenheit zu meinen Untersuchungen bot mir Herr
Hofrath Prof. Dr. Cred^ in der geburtshOlflichen Klinik zu
I^eipzig. Ich verwendete zu meinen Beobachtungen eiound-
dreissig Schwangere, welche sich meist in den letzten Monaten
der Schwangerschaft befanden, und suchte soviel wie möglich
den Bedingungen Genüge zu leisten, welche Steinbcich (Monats-
schrift für Geburtskunde, Bd. XVIII., H. 6) als unerlässlich
hinstellt, und namentlich die Umstände zu vermeiden, welche
die Vorausbestimmung des Fötalgeschlechtes beeinträchtigen,
nämlich 1) zu kurze Beobachtungszeit bei gleichzeitig nicht
unbeträchtlichen Pulsschwankungen; 2) die letzten Tage der
Schwangerschaft; 3) nicht gehörige Berücksichtigung der
nöthigen Vorsicht beim Untersuchen selbst; 4) mehrfache
Schwangerschaft (?) ; 5) diejenigen Fälle, in welchen die Puls-
frequenz nach den festzuhaltenden Regeln für beide Ge-
schlechter zugleich sprechen, Fälle also, wo die Mittelzahlen
in Frage kommen ; 6) Krankheit der Schwangeren ; 7) Nabel-
schnurdruck; endlich 8) die Fälle, in welchen die Puls-
differenzen bisher noch keine Erklärung haben.
Von meinen Schwangeren wurden 17 sowohl Vor- als
auch Nachmittags, 14 jedoch nur Nachmittags untersucht, und
1) S. Ueber die VoraasbostimmuDg dof Fötalgeschlechtef.
InaogaraldiftertAtion von F. Ä. Schurig, Lcipsig 1868.
460 XXXI. Sdmrigf Beitrag nur Voravsbestliiimiiiig
zwar so, dass vor der Untersuchung darauf gesehen wurde,
dass die Schwangeren keine grosse körp^liche Bewegungen
gemacht hatten, und jedesmal erst eine kurze Zeit auf dem
Untersuchungsbette vor Beginn der Zählung der Pulsschläge
des Fötus ruhig liegen bleiben mussten. Die Zählungen sdbst
geschahen in der Rückenlage der Schwangeren unmittelbar
durch einfaches Anlegen des Ohres an den Leib derselben,
es wurde immer nach 15 Secunden gezählt und zwar wurden
bei einer jedesmaligen Beobachtung mehrere Zählungen vor-
genommen und die dann constant erhaltene Zahl notirt Fand
bei irgend einer Beobachtung eine lebhafte Bewegung des
Kindes oder irgend eine andere Ursache statt, bei wdcher
I.
Richtige
Diagnose
Fötolpulf.
Diiroh-
Anfang
No.
Name.
sohnittf-
der
Gebort.
Vor-
Nach-
sahl.
Beobftchtmig.
mittags.
mittags.
1
8ehu>arB6
128
120
124
124
124
21. Juli.
23. Juli.
124
2
lApfwt
•
128
128
128
182
124
124
128
132
132
132
182 — 36
128
182
128
126
120
132 — 86
136
129
24. Joli.
8. Sept.
129
129
8
ThMt
182
132
132 — 36
186 — 40
128
128
182
128
131
24. Joli.
1. Ang.
•
186
184
129
deB Fötelgesohleohtos daroh ZUhlnnf des Fötalpultes. 461
sich der Pols des Fötus beschleunigte, so wurde die Unter-
suchung ausgesetzt, oder wenigstens so lange gewartet, bis
der Puls wieder dieselbe Höhe erreicht hatte, welche in der
Ruhe gefunden wurde. Trotzdem treten manchmal zwischen den
?erschiedenen Beobachtungen nicht unbeträchtliche Differenzen
des Pulses ein , weldie wir, wie schon Haake (Monatsscbrift
für Geburtskunde, Bd. XV., H. 6) angiebt, „durch uns noch
unbekannte Zustände entweder der Frucht selbst oder Tielleicht
auch des mfltterlichen Organismus bedingt ansehen mässen.**
Der Uebersichtlichkeit wegen, theile ich zunächst die
Tabellen mit, welche zur besseren Vergleichung nach dem
▼orber bestimmten Geschlecht geordnet sind:
pci Knaben.
Geachlocht
RfSer
pwpteg.
Wirk-
liclios.
Alter
der
Sehwon-
geren.
Wievielte
Schwan-
gerachaft.
Lage
des Kindes
bei der
Geburt
Bemerknngen.
iasbe.
Knabe.
26Jabre.
Vierte.
ketbe.
Knabe.
23
Erste.
Zweite aas
der dritten
Schädellage.
Erste
Scbftdellage.
Kubs.
Knabe.
80
Dritte.
Erste
Schlidellage.
462
{f, Beitraf Biir VoraaabettiHMiiag
No.
Name.
Fötolpali.
Dnroh-
sehDitts-
Anhing
der
Geburt.
1
Vor-
Nach-
sahl.
Beobaehtoog.
mittags.
mittags.
1
4
Sehwennger.
144
140
136
182
134
182
182
182
128 •
124
120
132
182
128
124
128
124
120
182
132
130
182
180
26. Jnli.
2. Sept.
128
6
AUenbwrg.
132
183
136
182
183
138
21. Aog.
27. Aag.
6
Frtmeke.
186
128
136
133
134
132
183
138
18. Aag.
2. Sept.
7
Kai»er,
^
132
134
ISO
136
130
128
130
136
132
132
27. Aag.
6. Sept.
8
Krüger.
186
182
182
186
128—32
136
186
182
120
132
132
128—32
132
131
181—182
27. Aug.
13. Ocl.
133
des FStftli^sehledites daroh Zfthlnog dei F^tolpnliei. 463
Getebleobt.
Torher-
Mtimm-
t«s.
Kaabe.
Kaabe.
Knabe.
Kaabe.
Knabe.
Wirk-
liobea.
Knabe.
Knabe.
Knabe.
Knabe.
Knnbe.
Alter
der
Sobwan-
geren.
38Jabre.
34
34
31
20
Wievielte
Sebwan
gertebaft.
Zweite.
Dritte.
Dritte.
Dritte.
Erste.
Lage
des Kindes
bei der
Geburt
Bemerkungen.
Zweite
ScbXdellage.
Dritte Quer-
lage, «weite
Unterart
Erste
Scbftdellage.
Zweite
ScbHdellage.
Erste
Scbftdellage.
Fruchtwasser stark
meconinmbaltig, Nabel-
schnur dünn und stark
gewunden. Bei 7 Beob-
achtungen seigte lieh
Nabelscbnu rgerSusch.
Zeitweiliges Kabel-
scbnnrge rausch.
464 ZXXI. ^oibiinjf, Beitrag inrVomiubMtimmiiiig
Fötalpnls.
Durch-
Anfaaff
i
No.
Naiiie.
iolmitts-
der
Geburt
1
Vor-
Nach-
nhl.
BeobaehtviBg.
mittagB.
mittagi.
9
BuekUUehel
128
182
182
184
130
182
131
30. Aog.
2. Sept.
180
10
Taubert.
140
132
186
136
182
186
182
186
128
132
184
184
27. Aug.
26. Sept
11
ünUrdSr/a.
182
132
130
182
136
136
186
186
128
134
183
10. Sept
•
28. Sept
182
12
Bergmann,
132—36
182
186
128
128
182
136
132
128—82
124
136
128
182
136
140
144
182
182
183
182—138
26. Sept.
4. Not.
132—83
21. Sept.
6. Oet
18
Dobfils.
136
144
186
136
128
144
124
128
132
134
138
6. Oct.
16. Oet
14
Fueher.
132
136
132—86
132
140—44
136
128
136
124
128
132
129—30
183—134
dea FStali^sehleehtes durch Zählnng des FStalpnUei. 465
GeseUeclit.
Torher-
timm«
Im.
d
Wirk-
licheB.
Alter
der
Schwan-
geren.
Wievielte
Schwan-
gerichaft.
Lage
des Kindes
hei der
Gehört.
Bemerknngen.
Kiebe.
latbe.
bähe.
Knabe.
Kaahe.
Knahe.
4SJahre.
Knahe.
Knahe.
Xaabe. i Knahe.
20
20
23
Knahe.
Knahe.
22
36
Dritte.
Erste.
Erste.
Erste.
Zweite.
Zweite.
Erste
SchSdellage.
Erste
SchHdellage.
Erste
Sehadellage.
Sehr deatliche Hers-
tone, rahiges Kind.
Nahelschnnrgeränsch.
Kind 8 Pfd. 12 Loth.
Erste
Sch&dellage.
Erste
SchSdellage.
Erste
Schädellage.
Menatuelur. f. aebnrtak. 1863. Bd.ZXI., HA. 8.
Naheis chnn rge rSnsch
immer vorhanden. Wäh-
rend der Gehnrt auch
nachAhflnss des Wassers.
Kind sehr kr&ftig. 8 Pfd.
6 Loth.
Bei allen Beohach-
tangen seigte sich Nahel-
schnargerKnsch , konnte
jedoch wShrend d. Gehurt
nicht gefunden werden;
d.l8.0ct. Pnis d.Mutter 72.
Kind 7 Pfd. 10 Loth.
80
466 XXXI. Sdmrifff Ein Beitrag inr VoranabesÜnunmig
D
. Falsche
Diagnoi
No.
Name.
Fötalpnls.
Dnrch-
schnitts-
Anfang
der
Gebnrt.
Vor-
Nach-
sahl.
Beobachtung.
mittags.
mittags.
15
Jäknigen,
140
136
182—86
124-28
132
122
186
182
136
182
21. Jali.
80. Jali
•
131
134
16
Hoffmann.
124
124-28
124
124
128—82
124
128
120
182
182
128
120
118
124
125
28. Jnli.
6. Angni
127
122
17
Wiedebaeh.
132
180
186—40
136
182
124
128
136
140
138
186
140
144
132
182
182
182
184—135
2. Angnst.
13. Sept.
187
18
Hombach.
128
182
124
184
132
180
ISO
16. Angnst.
26. August
19
KuUcher.
186
186
186
140
132
132
182
136
132
136
140
136
185
27. Angnst.
7. Oct.
dos FSUlgesehleehtei durch Zfthliing dei Fötalpolses. 467
li Knaben.
Gswhloeht.
irfaer-
M
Wirk-
lichei.
Alter
der
Schwftn-
geren.
Wieyielte
Sehwan-
gerichaft.
laabe.
Midchen.
kitb«. Midchen.
laibe.
habe.
tstbe.
M&dchen.
Mädchen.
Mädchen.
ilJahre.
21
34
18
26 ,
ErBte.
Erate.
Vierte.
Erste.
Zweite.
Lage
des Kindes
bei der
Gebart.
Erste
SehSdellage.
Erste
SchKdellage.
Zweite
Gesichtslage
Zweite
Schädellage.
Ente
Schädellage.
Bemerkungen.
Kind sehr beweglich.
Sohwangerschaftswehen
kräftig. Kind 3 Pfnnd
27 Loth.
Cirea 14 Tage sa früh.
Nabelschnar ly^ Mal an
den Nacken geschlnngen.
Aasser der Wehe 188
Pols des Kindes. Nabel-
schnar einmal am den
Hals geschlnngen. Linke
Hand dem linken Ohre
anliegend.
Nabelschnar ein Mal
am den Hals gesehlangen.
80*
46S[ - XXXI. S<^rig, Beitrag inr Yoranfibefitimmiing
B
m.
Richtige
Diagni
Fotalpule.
Daroh-
Anfang
No.
Name.
schnitts-
der
Geboi
'
Vor-
Nach-
sahl.
Beobaehtang.
mittags.
mittags.
20
GoKU,
140
140
144
144
136
140
144
136
144
136
140
144
148
141
141
14. Aug.
8. Se]
21
Silber,
•
140
144
142
142
16. Aog.
17. Am
22
Rudert,
140
144
140
162
140
162
144
140
140
148
144
140
143—144
16. Ang.
3. Oct
144
144
,
148—44
23
Sachse,
148
140
144
144
140
148
144
144
186
140
142-48
142—143
27. Ang.
19. Not.
des FdUlgescUechtes durch Zählung des Fötolpalses. 469
iii Madcheo.
Gesebleeht.
rwher- t
>.!
tM.
Wirk-
liches.
Alter
der
Schwan«
geren.
Wievielte
Schwan-
gerschaft.
Lage
des Kindes
bei der
Geburt.
Bemerkungen.
•D. MSdchen.
28 Jahre.
Zweite.
r
ichen.
eben«
Mädchen.
MSdchen.
m
eben.
MSdchen.
26
22
82
Erste
Schädellage.
Nabelschnur ein Mal
um den Hals geschlungen.
Zweite.
Erste.
Erste.
Erste
Schädellage.
Erste
Schädellage.
Zweite
Schädellage.
Zeitweiliges Nabel-
schnurgeräusch. Kind
7 Pfd. 15 Loth.
470 XXXI. Sehtrig, Btiing zur YorBnBhtBiinunnnz
No.
Name.
FStolpnls.
.Vor-
mitUgt.
Naeh-
mittags.
Dnrch-
sehnitto-
lahL
Anfang
der
Beobachtnng.
Gebiiii_
34
BMm.
26
Pohk,
36
V$U.
97
186
144
140
148
128
140
189
144
140
142
140
140
144
140
144
141
140
144
140
144
148
186
142
186
128
140
182
140—44
164 d.
10.Oot.
140
186
140
188
141
142
140
140
1. 3ept
7. Sept.
12» Sept.
7. Oet.
6.
21. Sep%
Li
11. OeU
S. Oot. I
IV. Falsche Diagnose
28
PttdUbd.
148
144
140
140
144
142
148
144
156
145
148
144
140-46
140
144
148
144—145
21. Joli.
1. Avgiutif
dei Fl^telgMcbleohtes durch Zählung des FötolpnliM. 471
GcMhleeht.
Wirk-
liches.
Alter
der
Schwan-
geren.
WievieUe
Schwan-
gerschaft.
Laffe
des Kindes
bei der
Qebnrt.
Bemerkungen.
Mädchen.
NehsB.! Mädchen.
iMek
en.
ftdeken.
Mädchen.
Mädchen.
25Jahre.
Zweite.
17 .
29
23
Erste.
Zweite.
Dritte.
Zweite
Scbädellage.
Kind 7 Pfd. 6 Loth.
Erste
Schädellage.
Nabelschnur ein Mal
nm den Hals geschlungen.
Erste
Sohädellage.
Den 10. Oct. Pols der
Mntter 104.
Erste
Schädellage.
Kind vier Wochen sn
früh.
bei Mädchen.
Bdcken.
Knabe.
86Jahre.
Sechste. , Erste
Schädellage.
Nabelschnnrgeränsch
immer Torhanden. Nabel-
schnur ein Mal ttber den
Nacken gelegt.
472 XXXI. Schurig f Beitrag inr Voraasbestimmnng^
•
Fötalpais.
Dnreh-
Anfang
" - -^^
No.
Name.
schnitts-
der
Geburt. {
Vor-
Nach-
lahl.
Beobachtung.
1
mittags.
mittags.
29
nUme.
148
140
144
182
140
144
186
148
140
132
140
27. Jali.
26. Inguek^
-
■
186
144
140
140
■
140
30
Zoitrow.
150
144
140
152
144
146
21* Aagost.
28. Angnei.)
•
144
152
146
81
8^M.
140
14U
140
132—86
132
152—56
140—141
17. Sept.
2. Oet.
;
>
1
'
186
140
»
140
(
Betrachten wir das Resultat der UntersuchungeD, so haben
wir 22 Hai eine richtige und 9 Mal eine falsche Diagnose.
Wenn aber Steinbach die zu kurze Zeit der Beobachtungen
und die letzten Tage der Schwangerschaft als Momente an-
giebt, die Diagnose des Fötaigeschlechtes nicht mehr stellen
zu können, so widersprechen diesem No. 1, 9, 21 und 27
meiner Untersuchung, denn gerade bei diesen, wo die Unter-
suchung 1 — 2 Tage vor Ende der Schwangerschaft stattfand,
zeigte sich ein ziemliches Gleichbleiben des Pulses, und auch
eine richtige Vorausbestimmung, ein Verhältniss, welches mir
um so mehr erklärlich erscheint, da in den letzten Tagen der
Schwangerschaft in den meisten Fällen, bei nicht übermässigem
Fruchtwasser und Kleinheit des Kindes, der Fötus diejenige
Lage eingenommen hat, in welcher er sich zur Geburt ein-
des Fötalgeschlecbtes durch Zählung des Fötalpulses. 473
Geschlecht.
Wirk-
liches.
Alter
der
Schwan-
geren.
WicTielte
Schwan-
gerschaft.
Lage
des Kindes
bei der
Qeburt.
Bemerkungen.
bdcheo. I Knabe.
Idehen.
Knabe.
kUchen. Knabe.
37 Jahre.
Zweite.
24 ,
Zweite.
21 ,
Erste.
Zweite
Schädellage.
Zweite
Schädellage.
Zweite
aus der
dritten
Schädellage.
Während d. Schwanger-
schaft untere Extremi-
täten stark geschwollen.
Eclampsie während der
Qeburt. Ei weiss im Harn.
Nabelschnur zwei Mal um
den Hals geschlungen.
Sehr ToUer Puls bei
Mutter und Kind. Puls
der Mutter 100. Fötal-
töne sehr deutlich.
Wurde bisher am
Schanker behandelt und
hat einen Bubo in der
linken Leistengegend.
stdit. Suchen wir einen Grund fQr die neunmalige Täuschung
in No. 15, 16, 17, 18, 19, 28, 29, 30 und 31, so stimmen
mit Steinhach No. 16, 18, 19, 28, 29 und 31 überein, und
zwar zeigte in den ersten 5 Fällen jedes Mal die Nabelschnur
ein abnormes Verhalten, wenn auch nicht immer Nabelschnur-
geräusch damit verbunden war, sondern nur in No. 28. Ob
aber auf dieses Yerhältniss ein Gewicht zu legen ist, möchte
ich bezweifeln, da in No. 6, 10, 13, 14 und 22, wo die
Diagnose eine richtige war, Nabelschnurgeräusch theils bei
allen, Üieils bei einzelnen Beobachtungen gehört wurde, in
No. 20 aber und 25 bei ebenfalls richtiger Diagnose die
Nabelschnur um den Hals geschlungen war.
No. 31 ist mit Steinbach übereinstimmend, da bei
diesem Falle Krankheit der Mutter vorhanden war.
474 XXXII. Notisen aus der Joamal -Literatur.
Um einen Grund zu finden, warum No. 15, 17 und 30
eine falsche Vorausbestimmung bedingten, so kann bei No. 15
wohl das Alter der Frau und die grosse Beweglichkeit des
Kindes die falsche Diagnose bewirkt haben, No. 30 kann
vielleicht durch den hohen Puls der Mutter erklärt werden,
wie wir dies auch in No. 26 bei der letzten Beobachtung sehen.
Für No. 17 habe ich keine Erklärung, wenn wir nicht
die Gesichtslage als solche ansehen wollen.
Uebersehen wir nun noch einmal das Resultat meiner
Untersuchungen, und nehmen hier hinzu die Ergebnisse der
anderen Arbeiten über die Bestimmung des Fötalgeschlechtes
nach der Frequenz der Fötalherztöne, so müssen wir uns ge-
stehen, dass mit Sicherheit das Geschlecht des Kindes durch
diese Methode nicht bestimmt werden kann. Denn 1) ist
der Fötalpuls vielen Einflüssen von Seiten der
Mutter unterworfen, welche ihn beeinträchtigen'
können (z. B. Krankheit der Mutter), 2) Anomalien im
Kreislaufe des Fötus selbst können den Puls
ändern (z. B. Nabelschnuranomalien) , 3) auch bei diesen
Anomalien kann der Puls des Fötus die zur Be-
stimmung des Geschlechts (nach Frankenhäuser'scher
Theorie) nöthige Pulsfrequenz besitzen, 4) die Ano-
malien im Kreislaufe (z. B. Nabelschnuranomalien) können
wir erst mit Sicherheit nach der Geburt feststellen.
XXXIL
Notizen aus der Journal -Literatur.
Bamu: Fall Ton Osteomalacie.
Eine 40jfthrige Person , die 10 Jahre verheirathet war, ohne
je schwanger gewesen su sein, war seit einigen Jahren unter
den gewöhnlichen Symptomen an der Osteomalacie erkrankt,
ohne dass irgend eine Ursache dafür in ihren LebensTerhUltniisen
»uf^nfinden gewesen wäre. Die Verbildung des Beckena and der
XXX IT. Noiisen aiu der Journal- Literatur. 475
anderen Skeletttheile war gani charakteristisoh und der Dauer
der Krankheit entsprechend.
Im December 1860 untersuchte Ltthehy den Urin der Kranken
und fand ihn frei von Eiweiss, Zucker oder anderen organischen
Bestandtheilen , alkalisch und stark nach Ammoniak riechend,
spec. Gewicht 1018; Wasser 962,60; feste Bestandtheile 37,40.
Diese bestanden ans:
Harnstoff . . . 10,0. Schwefelsaure Salse 3,12.
HamsKure . . 0,41. Phosphate 2,93.
ExtraetiTstoff 14,59. Erdphosphate .... 1,99.
Chloride . . . 4,34.
Diese ZahleUi nach Procent der festen Bestandtheile berechnet
und mit festen Bestandtheilen des Urins Gesunder Terglichen,
geben:
Pro 100 Pro 100
fette Bettondthefle feste Bestandtheile
des untersnohten Urins. normalen Urins.
Harnstoff 26,80 Procent. 44,50 Procent.
Harnsäure 1,10 , 1,50 «
EztractiTstoff .... 89,01 „ 24,20 «
Chloride 11,60 „ 10,25 „
Schwefelsaure Salse 8,34 „ 12,35 «
Phosphorsaure Salse 7,83 « 5,40 ,
Erdphposphate . . . 5,32 „ 1,80 „
Abgesehen von der Verminderung des Harnstoffes, die wohl
durch inftUige Zersetsung des Urins bedingt war, so findet man
eine bedeutende Vermehrung der Eztraotivstoffe und sämmtlicher
Phosphate. Zwei andere Proben ergaben folgendes Resultat:
Die Beaotion war leicht alkalisch in beiden Fällen, das spec.
Gewicht A. 1024. B. 1014.
Feste Bestandtheile A. 38,4 per mille. B. 21,4 per miUe.
Die festen Bestandtheile enthielten per cent:
A. B.
HarastoflT 51,7 Procent 53,8 Prooent.
HamsKure, Extraetivstoffe und Zucker 25,1 „ 18,8 «
Alkalien 21,2 „ 24,6 »
Erdphosphate _^_^ 2,0 „ 2,8 ^
iöö,ä iööVo.
Nachdem durch längeren Gebrauch Ton Leberthran ein
mehrmonatlicher Stillstand in der Krankheit eingetreten war,
untersuchte lAtkthy den Urin wiederum und fand: spec. Ge-
wicht 1014; 1000 Gr. enthielten 24,5 feste Bestandtheile, davon
waren Salse 7,0 und von diesen Phosphate 3,2.
(Medico-ChirurgicalTransaotions. London 1862. Bd. 45.)
G.
476 XXXII. Notiien au der Joamal -Literatur.
W. Chapman: AnBchoppang der Menses während iweier
Jahre.
Ckapmtm beschreibt einen Fall, wo sich bei einer 40 jährigen
robnsten Fran, die drei Mal geboren hatte, die Menses im Uterna
während mehr denn zwei Jahre angeschoppt hatten; die Gebär-
mutter war so gross, wie im sechsten Monate der Schwangerschaft,
bei der inneren Untersuchung konnte jedoch der Muttermund
nicht entdeckt werden; durch das Speculum wurde hierauf das
hermetisch geschlossene Os uteri erkannt und mittels des Zeige-
fingers dilatirt. Es entleerten sich sofort 10 — 12 ünsen dunkel-
rothe, nicht im geringsten übelriechende Flüssigkeit. Amdritten
Tage zeigte Patientin Symptome von Peritonitis, die sich jedoch
nach einigen Tagen su verlieren schien. Am 11. Tage jedoch
starb Patientin, nachdem sie schon die Nacht vorher sich
sehr unwohl gefühlt hatte. Die Seetion wurde nicht gestattet.
Tyler Smith glaubt, die Ursache des Todes liege entweder in
Berstung eines Abscesses in das Peritonäum oder in Anstritt von
Menstrualblut durch die Tuben (?); dies finde manchmal statt,
wenn der Uterus schon theilweise seines Inhaltes entleert worden
sei, so I. B. nach Geburten, während Abort oder in manchen
Fällen von Menorrhagien.
(The Lancet, 1863, No. 11, Vol. I.)
Langmore: Abort von Zwillingen (?). Superfötation.
Der der geburtshülflichen Gesellschaft su London vorgetragene
Fall betrifft einen Abort im vierten Monate. Der ausgestossene
Fötus war der Grösse nach der erwähnten Zeit entsprechend und
aller Wahrscheinlichkeit nach schon einige Zeit abgestorben. Nach
der Geburt dieser Frucht wurde noch ein sweites Ei ausgestossen ;
in den wohlerhaltenen Eihäuten zeigte sich ein ungeföhr fünf bis
sechs Wochen alter Embryo, der noch vollkommen frisch und
wohlerhalten war und in ganz klarem Fruchtwasser flottirte.
HarUy und Tanner halten dies für einen klaren Beweis von
Superfötation; wäre nämlich das sechs wöchentliche Ei das Product
derselben Conception, so mässte es schon 10 Wochen lang ab-
gestorben und jetzt vollkommen verfault ausgestossen worden
sein, da ja schon der erste Fötus Spuren von Fäulniss zeigte.
Referent dieses macht aber darauf aufmerksam, dass gerade bei
Zwillingsschwangerschaften die Entwickelung der Früchte eine
ungemein verschiedene ist und somit wohl bescheidene Zweifel
über diesen Fall von Superfötation gehegt werden können.
(Medical Times and Gazette, 1862, No. 632, Vol. II.)
XXXII. Notisen aas der Jonrnal- Literatur. 477
Parker: Tartarus stibiatos als wehenbeförderndes
Mittel.
Dr. Parker empfiehlt, gestütst auf seohsaehnjährige Erfahrung
nnd eine grosse Anzahl von Fällen, den Tartarus stibiatus als
wehenbefördemdes Mittel und stellt hierüber folgende Erfahrungs-
sätse auf:
1) Tartarus stibiatus erschlafft sowohl willkürliche als un-
willkürliche Muskeln, die den Wehen Widerstand leisten,
er überwindet also , um es mit anderen Worten aus-
ludrüoken, die Rigidität des Muttermundes und der Damm-
muskeln.
2) Er vermehrt die Schleimabsonderung der Vagina, macht
dadurch ihre Oberfläche schlüpfrig und nützt hierdurch bei
der Geburt wesentlich.
3) Er vermehrt die contractile Kraft der Längs- und Quer-
fasem; dies ist keineswegs bloss scheinbar, wie man leicht
nach üeberwindung der Rigidität des Muttermundes durch
Tart. stib. annehmen könnte. Auch bei Fällen von Inertia
uteri bei vollkommen geöffnetem Muttermunde hat ihn
Verfasser mit Erfolg angewendet.
4) Er bewirkt nicht, wie Seeale, ununterbrochene Zusammen •
liehungen, sondern kräftigt in den meisten Fällen die
regelmässigen Wehen. Ebensowenig bewirkt er in der
Naehgeburtsperiode partielle Contractionen , wie Seeale,
und hindert dadurch nicht die Ausstossung der Nachgeburt.
Dr. Parker sagt ferner, dass Tart. stib. der Patientin in
der Weise, wie er es verordne, nicht unangenehm sei; er giebt
gr.j. — ij. auf ein Weinglas Wasser nnd lässt dann alle 10 bis
15 Minuten einen Kaffeelöffel so lange geben, bis das nauseose
Stadium eingetreten ist; übrigens sei seine Wirkung auf den
Uterus dieselbe wie auf den Darmoanal; hier würden ebenfalls
heftige Contractionen der Kreis- (I) und Längsfasem bewirkt,
während die Sphinoteren (I) erschlafft würden.
(Edinburgh Medical Jonmal, Jan. 1863, No. XCI.)
HewiU: Theorie über die Wirkung des Seeale cornutum.
Dr. HewiU stell^ über die Wirkung des Seeale folgende
Theorie auf: Ipecacuanha bringt Contractionen des Uterus hervor
und bewirkt sugleich Erbrechen, — wahrscheinlich also sind die
Contractionen gans oder wenigstens meist vom Erbrechen abhängig.
Wenn man nun die Wirkung des Seeale, Zusammenziehungen
der Gebärmutter hervorzurufen, bedenkt, zugleich aber auch
erwägt, wie oft dasselbe Erbrechen oder einen nauseosen Zustand
hervorruft, so kommt man zu dem Schlüsse, dass die Wirkungs-
478 XXXII. Notizen aus der Jonrnal- Literatur.
weise des Seeale, Uterincontractionen he rvorsn rufen, voin Er
brechen abhangig ist.
(Tha Lancet, Januarj 17, 1863, No. S, Vol. I.)
BoBsi: Thrombus der Mutterscheide, grossen Scham-
lippe und des Dammes nach der Geburt.
In der geburtshülflichen Klinik su Gras wurde bei einer
kräftigen, gesunden Person eine Stunde nach der in normaler
Weise erfolgten Entbindung von frühreifen, lebenden Drillingen
die rechte hintere Hälfte des Mittelfleisches und das untere
Drittel der rechten grossen Schamlippe stark herrorgewolbt,
ebenso die rechte Wand der Vagina stark nach links und Tom
gedrängt gefunden. Allmälig sah man sowohl die der Geschwulst'
entsprechende Scheidenschleimhaut, als auch die äussere Haut
in der Gegend des Afters blauroth, glänaend werden und die
Geschwulst über den untersten Theil der rechten Hinterbacke
sich ausbreiten. Der Mntterhals seigte sich vollkommen un-
verletzt, hochstehend, ebenso das Scheidengewölbe unversehrt
und leer. Bei der Untersuchung barst die Geschwulst in der
Gegend des Scheideneinganges, und aus der nur lur einen Finger
durchgängigen Bissstelle ergoss sich theils coagulirtes, theils
flüssiges Blut in grosser Menge.
Durch Einführen des mit kaltem Wasser gefüllten Colpeurynter,
später durch Einlegen von Eisstücken in die Scheide gelang es,
die Blutung au stillen. Das Wochenbett verlief günstig. Nach
allmäliger, durch lauwarme Einspritzungen beförderter Entleerung
des geronnenen, schwärzlichen, übelriechenden Blutes schloss
sich die Bisswunde rasch unter Injectionen einer schwachen
Todlösung.
(Oesterreich. Zeitschr. f. prakt. Heilkunde, 1863, No. 16.)
Jacobs: Eine vierte Gesichtslage.
Zu einer 42jährigen gesunden Erstgebärenden gerufen, erfuhr
Verfasser, dass dieselbe seit zwei Tagen die heftigsten Wehen
habe und das Wasser seit 12 Stunden abgeflossen sei, und fand
den Muttermund thalergross erweitert, seine Bänder leicht dehnbar,
das Gesicht in der Beckenhöhle mit nach links hinten gerichtetem
Kinn, die Herztöne auf der linken Mutterseite hörbar, die Wehen,
welche gut verarbeitet wurden, kräftig und häufig. Er beschränkte
sich unter diesen Umständen darauf, die Frau auf die linke Seite
zu legen. Ein zugezogener College stimmte hierin, wie in der
Diagnose überein. Achtzehn Stunden später wurden die Wehen
schwächer und seltener, die Fötalherztöne unregelmässig und
XXXIJ. Notiien ans der Journal- Literatur. 479
undeutlich; die Kreissende, deren Pnls klein nnd beschleunigt
wurde, klagte über Schwäche. Nach Verlauf Ton weiteren yier
Stunden, während welcher einige Gaben Seeale eine wesentliche
Veränderung der Situation nicht bewirkt hatten, entsohloss sich
Verf. sur Anlegung der Zange. Die heftigsten Tractionen mit
dem wiederholt angelegten Instrumente bewirkten endlich eine
Vorwärtsbewegung des Gesichtes bis in die Schamspalte, während
alle Versuche einer Lageverbesserung vergeblich blieben. Eiue
kräftige Wehe trieb sodann das Gesicht mit dem Kinne über den
Damm hervor; auch jetat blieb das letztere noch immer nach
hinten gerichtet. Darauf erschien die Stirn, dieser folgte die
grosse Fontanelle, und, indem das Kinn sehr nach hinten unter
den Damm gedrückt wurde, auch das Hinterhaupt. Das Gewicht
des todten Kindes betrug 8 Pfd., die Länge 19", der gerade
Durchmesser des Kopfes 4", der quere 3'/,", der schräge 5".
Das Wochenbett verlief normal.
Zu bedauern ist, dass jede nähere Angabe über die räum-
lichen und sonstigen Verhältnisse des Beckens fehlt.
(Deutsche Klinik, 1863, No. 12.)
Oappie: Eine neue Zange.
Dr. Cappie hat die gewöhnliche lange Zange von Simpton
serlegbar gemacht. Die Löffel sind aus Messing und werden
vermöge eines Bajonettschlosses mit den Griffen in Verbindung
gebracht. Beaüglich der näheren Beschreibung verweisen wir
auf das Jonmal.
(Edinbourgh Medical Journal, Dec. 1862, No. XC.)
KeUh Maedonäld: üeber Nachgeburtsblutungen.
Macdanäld empfiehlt bei den Blutungen in der Nachgeburts-
periode statt aller medicamentösen Behandlung mit Seoale, Säuren,
Blei und Opium, die ja gewöhnlich nicht sogleich an Ort und
Stellen seien nnd auch su langsam wirkten, den einfachen Druck
auf den Uterus mit der Hand, die Injectionen von kaltem Wasser
und das Einführen der kalten Hand in den Uterus — eine in
Deutschland längst bekannte und bewährte Methode.
(The Lancet, 1862, No. 26, Vol. II.)
VäUriut: Ein fibröser Polyp bei einer Wöchnerin.
In der medicinischen Gesellschaft su Antwerpen wurde von
Dr. Valeriu9 folgender interessanter Fall berichtet: Eine 32 Jahre
480 XXXII. Kotisen aas der Joamal- Literatur.
alte Frau kam mit ihrem aweiten, Tollkommen ausgetragen eti
Kinde, das kurze Zeit nach der Gebart starb, nieder. Zwei
Standen vor der Entbindung war ein kindskopfgrosser Polyp vor
die äusseren Genitalien getreten, der jedoch trotz seiner Gegenwart
die Ezpolsion des Kindes sowohl, als aach der Placenta nicht
hinderte. Der Polyp, der mit einem sehr breiten Stiele innerhalb
der Uterinhöhle sass, wurde abgebunden.
Die Frau hatte weder vor, noch während der Schwanger-
schaft Beschwerden gehabt, ausser seit einem Jahre von Zeit
zu Zeit eintretende Urinretentionen.
Der erwähnte Fall ist beispiellos; HamiUon erzählt einen
Fall, bei dem jedoch die Frau an Erschöpfung starb.
(Gazette M^dicale, Oct. 1862, No. 42.)
Matthew» Duncan: Ueber Uterin-Haematocele.
Dr. Dunean yeröffentlicht eine längere Abhandlung über
Haematooele, die er in uterine, retrouterine und periuterine
classificirt. Im Ganzen beschreibt er sechs sehr interessante
Fälle. Bei vier derselben wendete er in Beziehung auf die
Behandlung die Function an, der er überhaupt hierbei nicht
abgeneigt ist; denn in dem einen Falle wäre ein Bersten des
Sackes in*s Peritonäum sehr zu fürchten gewesen, in den anderen
aber über kurz oder lang jedenfalls eine Perforation in die
Vagina oder das Rectum erfolgt. Durch die Function geschah
dies schneller, die Patientinnen wurden durch dieselbe erleichtert,
ihre Kräfte erhalten und geschah dadurch ihre Wiederherstellung
in kürzerer Zeit. Der fünfte Fall endlich ist deshalb interessant,
weil trotz einer nöthig gewordenen Function und der dadurch
herbeigeführten Ausstossung von Blut der von aussen fühlbare
Tumor sich dennoch vergrösserte. — Ausserdem wurde mit
dem zersetzten Blute stinkendes Gas ausgestossen. Im ersten
Falle machte er die Function von den Bauchdecken aus; bei
retrouterinen Haematocelen empfiehlt er unbedingt die Function
▼on der Vagina aus.
(Edinburgh Medical Journal, Nov. 1862, No. 89.)
Druck Yon A. Tb. Engelhardt in Lelpzigr.
MoDateschrift
^ '
für
GEBÜRTSKUNDE
und
Frauenkrankheiten.
Im Verein mit der
Gesellschaft für Geburtshülfe in Berlin
herauigegeben von
Dr. C. S. F. Cred^,
Hofrath , ord. Prof. und Director der Entbindunffs - ADutalt in Leipcifr etc.
Dr. C. Hecker,
ord. Prof. und Director der Entbindung:. • Anstalt in Mttncben, Kitter etc.
Dr. Ed. martin,
Och Rath, ord. Prof. und Director der Entbindang«-An«talt in Berlin, Ritter etc.
Dr. F. A. von Bitgen,
Q«b. Rath, ord. Prof. und Director der Entbindungn -Anstalt in Oiessen,
Comthur eto.
BiMvadzwanzigster Baad. Siippleaieat-Ilefte
Mit vier Tafeln Abbildungen.
BerUo, 1863.
Yerlag von August Hirachwald,
Ott U. d. Linden, Ecke der Schadow-Strasie.
Inhalt*
I. Reiträg^e sar Pathologie des Ries und enm Abort in
den ersten Sehwangerscbaftsmonaten. Von Dr. Alfred
Hegar in Darmstadt. (Mit drei Tafeln Abbildungen.) 1
II. Beitrag zur Würdigang des Ho/aeker-SadUr* sehen
Gesetsses, betreffend das GeschlechtSTerhHltniss der
Kinder bei relativer Altersverschiedenheit der Aeltern.
Von Prof. Dr. Breslau in Zürich 67
III. Ueber den Mechanismus der Geburt im massig verengten
rbaebitischen Becken. Von Medicinalratb Dr. Franz
Ludwig FeUt in Mainz 87
IV. Mittheilungen über dieThätigkeit und die Verhandlangen
der Gesellschaft für Geburtshülfe zu Leipzig im achten
Jahre ihres Bestehens :
I. Jahresberiehtf erstattet durch den d. Z. Secretär
Dr. Smil Apollo Meissner 104
II. Zur Aetiologie und pathologischen Anatomie der
Kxtrauterinschwangersohaften.
1. Correspondens von Prof. Dr. Bernhard Breslau
in Zürich. (Mit einer Abbildung.) 119
2. Mittheilung über einen Uterasbefund neben
LithopRdion. Von Dr. C. F. W, Uhlieh . . 124
III. Beitrag zur Diagnostik der Unterleibsgeschwülste
von Dr. Theodor Kirsten 12.'»
IV. Ueber Proctocelo vaginalis als Geburtshinderniss
von Dr. Emil Apollo Meissner 131
V. Intrauterine perforative Peritonitis bei einem hydro-
cephalischen Kinde. Von Prof. Dr. Breslau in Zürich.
(Mit einer Abbildung.) 141
VI. Mittheilungen aus der Geb&ranstalt zu Jena aus den
Jahren 1859 — 1861. Von Dr. Kochf enier. Assistenten
der Anstalt 146
IV Inhalt.
Seite
VII. Notisen ans der Journal -Literatur:
Soltau: Ovarialkyste mit wiederholter Ruptur in die
Bauchhöhle 169
Dewes: Ovariotomie 170
Henry: Ovariotoniie 171
Tyler- Smith: Vier Fälle von Ovariotomie ITl
Spencer WelU: Sieben Ovariotomieen 172
John Clay: Neu«« IiMtrunient, um AdhäRi'onen und
den Stiel von Ovarialkysten zu trennen 17S
Spencer WelU: Trokar für die Ovariotomie 173
Hall Davis: Verschluss den OriBciuiii uteri nach einer
schweren Entbindung 174
Mitchell: Schwere und anomale (leburtcn inZusunmien-
hang mit angeborenem Blödsinn 174
Levy: Bericht, über die Entbindnng einer Zwergin .' 175
Levy: Beschreibung einer fixtrAUterinschwauLrersehaft
mit Einverleibung des Sackps in den Darmcanal . 176
Levy: Fall von Kaiserschnitt, indic.irt durch voll-
ständigen Verschluss der Mutterscheide und des
Mnttermnndes 178
Nivert: Ueber die spontane EnUnndung der varicösen
Venen der unteren Extremitäten im Wochenbette 179
König: Die perimetritischen Exsudate im Becken der
Wöchnerinnen 183
Kuaemaul: Ueber geschlechtliche Frühreife 189
Bohr: Ueber das Athmen der Kinder vor der Geburt 192
Hugenberger : Das Puerperalfieber im St. Petersburger
Hebammeninstitute Ihrer Kaiserl. Hoheit der Oross-
färstin Fawlowla von 1345-- 1869 etc ,196
S^yfert: Klinische Bemerkungen über chronischen
Uterusinfarct • • • • 201
VIII. Literatur:
Baker Brown: On surgical diseases of women. Zweite '
Auflage. Londonl841. 410S.mit9Taf.u.22HolBschn. 202
Die Hämatocele retrouterina und die freien Blut-
eztravasate in der Beckenhöhle von A. Voinn,
In*s Deutsche übertragen von Dr. med. Ed. Langenbeckf
Obergerichtsphysicus u. pract. Arzte in Göttingen.
Qöttingen 1862 206
KUoitahe Beiträge aur Gynäkologie. Herausgegeben
vonp. p. BetMchler^ Ä. Freund nnd B, Freund au
Breslau. Erstes Heft. (Mit 1 Tafel.) Breslau 1862,
bei E. Morgenstern 207
L
Beiträge zur Pathologie des Eies und zum Abort
in den ersten Schwangerschaftsmonaten.
Von
Dr. Alfred Hegar in Darmstadt.
Vorliegende Untersuchungen und Studien erstrecken sich
vorzugsweise auf die pathologischen Processe in der Decidiia.
Vor dem Eingehen hierauf hielt ich es für nothwendig, einige
Punkte der normalen Verhältnisse dieses Gebildes in Kürze
zu besprechen.
Vormale Anatomie der Decidua.
I. Decidua vcra.
Ausbreitung der Decidua vera. </. Müller und
R. Wagner^) nahmen an, dass das Verhalten der Decidua
an den Mündungen des Uterus sich nicht gleich bleibe, dass
diese Membran bald an den Tubarostitni und dem innern
Muttermunde geschlossen, bald an einer dieser Stellen offen
sei. Seiler^) lässt auf der Innenseite der Vera eine glatte,
dünne, gefasslose Membran entstehen, welche die bis dahin
offenen Uterinmündungen verschliesse. Ziemlich allgemein
ist jetzt die Ansicht vorherrschend, dass die Uterinmündungen
durch die Decidua keinen Verschluss erhalten.
Virchow^) beobachtete bei Sectionen in den ersten
Schwangerschaflsmonaten, dass die Hypertrophie der Schleim-
1) J, Müller, Handbach der Physiologie. Koblenz 1830. II. fid.
8. 709.
2) B. W.Seiler, Die Gebärmatter and das Ei des Mensoheit.
Dresden 1832. S. 29.
3) Gesammelte Abhandlangen. Frankfurt 1856. S. 776.
MonatMebr. f. QebarUk. 1863. Bd. XXI., Snppl.-Hft. 1
2 I. HegaTf Beiträge sur Pathologie des Eies
haut am inneren Muttermunde plötzlich endigte. Kussmaul^)
und Scanzoni^) fanden, bei Schwangerschaft in einem ver-
kümmerten Gebärmutterhorne, die in dem Jeeren Hörne ge-
bildete Decidua scharf am inneren Muttermunde und den
Tubarostien abgesetzt. H. Müller^) lässt die angeschwollene
Schleimhaut des Uteruskörpers continuirlich in die Schleim-
haut des Halses übergehen; an den Tubarostien war dieselbe
aufgelockert und gefassreich, aber nicht regelmässig areolirt
wie im Uterus selbst. Kölliker*) schreibt der Hucosa des
Cervix keinen Antheil an der Bildung der hinfälligen Haut
zu. Sie soll ihr Epithel wahrend der Schwangerschaft be-
halten, sich jedoch auch aufwulsten und vergrössern, besonders
in ihren Schleimbälgen.
Ohne die Gültigkeit der gangbaren Meinung für die grosse
Mehrzahl der Fälle bestreiten zu wollen, scheinen mir doch
manche Beobachtungen für die ältere Ansicht von «7. Müller
zu sprechen.
1. Bei einem Abortivei (Fall 6) fand ich einen voll-
ständig geschlossenen Sack zwischen Vera und Reflexa. Er-
stere zeigte auch nicht die geringste Lücke.
2. Bei anderen Eiern (Fall 3 und 7) war zwar die
Vera vielfach zerrissen und hing grösstentheils in Lappen an
der Uebergangsstelle herab. Allein diese Eier hatten an dem
Pol, welchen ich als den untern bezeichnen zu müssen glaube,
weil er der Serotina entgegengesetzt lag, einen zarten, häutigen
Ueberzug, welcher nicht der Reflexa angehörte. Schlug man
denselben nach oben zurück, so passte er an einigen Stellen
an den zerrissenen Rand der Lappen des obern Poles. Bei
Ecker ^) ist ein schwangerer Uterus der 12. — 13. Woche
abgebildet, in welchem die Vera am innern Muttermunde 2
platte Lappen bildet, welche, wie es in der Erläuterung aus-
drücklich heisst, den innern Muttermund verschlossen.
1) Von dem Mangel etc. der Gebärmatter. Würxbargl869. S.77.
2) Ibid. S. 159.
3) Ueber den Bau der Molen. Würzburg 1847.
4) Handbuch der Gewebelehre des Menschen. Leipzig 1852.
S. 520.
5) Jcoues Phjsiolog. Leipzig 18ö1~59. Taf. 27, Fig. 9.
and B11II1 Abort in den ersten Sobwangersobaftsmonaten. 3
3. Bei einer Decidua meDStrualis (Fall 9) fand ich, ent-
sprechend den Tubarostien, zwei kleine Löcher. Am unteren
Ende befand sich eine grosse Lücke. Allein an der einen
Wand sah man einen Umschlag, dessen Rand genau auf den
zerrissenen untern Rand der andern Wandung passte.
4. Das Vorkommen der Placenta praevia centralis scheint
mir dafür zu sprechen, dass auch die Vera, so gut wie die
Serotina, den innem Muttermund decken könne.
Das Verhältniss der Vera zu den Uterinmündungen ist
gewiss wesentlich abhängig von der grösseren und geringeren
Weite dieser. Bei engem Muttermunde werden sich die an-
geschwollenen Schleimhäute allseitig berühren und auch gewiss
mit einander in Verbindung treten können.
Dicke der Decidua vera. Ueber die Dicke herrschen
die verschiedensten Angaben. Die Scheidung der Schleimhaut
Ton der übrigen Substanz des Uterus ist eben keine scharfe.
Ausserdem wechselt die Beschaffenheit nach den Schwanger-
schaftsmonaten, nach der Gegend der Gebärmutter und auch
individuelle Verschiedenheiten änd gewiss vorhanden. Nach
Seiler ^) ist die Vera 1 bis höchstens IVo Linien dick, andere
Verhältnisse sind pathologisch. Weber ^) fand jene 3 Linien
dick. Nach H. MuUer ') trenlHe sie siob im fünften Monate,
in der Tiefe von 1 — IVs Linien am leichtesten von dem unter-*
liegenden Gewebe. KölUker^) lässC die Schleimhaut in der
zweiten Sehwangerschaflsvroche bis zu 2 — 3 Linien Dicke auf-
sdiwellen. Virchoto ^) giebt die Dicke im vierten Monate auf
2 Linien an. Die Decidua des leeren Uterus, bei Schwanger-
schaft in einem rudimentären Home, wird von Kussmaul^)
im zweiten Monate auf 3 — 5 Millimeter, einmal in der vier-
zehnten Woche auf 5 — 6 Millimeter, von ßoa$izom^) im vierten
bis fünften Monate auf 2 — 3 Linien Dicke geschätzt — Von
den meisten Autoren wird ausdrücklich augegeben, dass sich
1) O. a. S. ».
2) H. MÜUer, o. o. S. 80.
8) Ibid. S. 77.
4) O. c. S. 520.
5) O. e. S. 776.
6) O. e. 8. 152. 326.
7) Ibid. 8. 159.
1*
4 I. HegoTf Beitrüge snr Patholof^e des Eies
die Decidua in der Nähe der Tubarostien und des inneren
Muttermundes allmälig verdünne.
Ich fand die Vera bei Abortiveiem in soleben FäUei»,
in welchen diese Membran eine normale Beschaffenheit besass,
in den ersten zwei Monaten 3 — 4 Millimeter, in dem dritten
Monate IV2 — 2 Millimeter dick. — Die Dicke einer Dec. men-
strualis beti*ug an der vorderen und hinteren Wand 2 — 3 Milli-
meler, nahm aber gegen die Seitentheile, den Fundus und
den inneren Muttermund hin, sehr erheblich ab, bis auf 1
und V2 Millimeter.
Structur und Textur der Vera. An einer spontan
abgegangenen oder künstUch entfernten Decidua der ersten
Schwangerschaflsmonate, welche im Allgemeinen einem Lappen
Feuerschwamm ähnlich ist, lassen sich zwei Flächen unter-
scheiden. Die äussere Fläche, welche mit dem Uterus in
Verbindung stand, ist mit zahlreichen rundlichen, warzen-
ähnlichen oder cylindrisch gestreckten, kleinen Erhabenheiten
oder Höckerchen besetzt. Die Durchmesser derselben sind
verschieden. Sie erheben sich bis zu 2 — 3 Millimeter über
das Niveau; ihre Breite wechselt von V4 — ly, Millimeter.
In der Nahe der Serotina sind sie gewöhnlich länger, so dass
die Membran ein zottiges Ansehen erhält. Diese Höcker be-
stehen häuGg aus einer einzigen hypertrophirten und oft
ausgedehnten Utriculardrnse. Man bemerkt alsdann auf ilu*er
Spitze ein einziges, gewöhnlich rundes Löchelchen. Dabei
hat diese Drüse nicht selten das Aussehen eines kleinen,
runden Sackes, der sich von der Basis aus etwas bauchartig
erweitert und gegen die Spitze hin wieder verschmälert. Letztere
zeigt eine oll'ene Mundung und ist nur selten geschlossen. In
anderen, zahlreichen Fällen bemerkte ich jedoch, dass ein
solcher Höcker aus mehreren, dicht aneinanderstehenden
Drüsen besieht. Auf seiner abgerundeten Spitze sind alsdann
3 — 6 kleine Oeffnungen vorhanden, welche unter der Loupe,
von einem kreisförmigen Falze umgeben erscheinen (Fig. 10,
A, und B.)
Die innere Fläche der Decidua vera ist im Allgemeinen
glatt, doch wird sie durch seichte Furchen, welche der Länge
und Breite nach verlaufen, gewöhnlich etwas ungleich und
nicht selten in viereckige oder polygonale Feldchen getheilt.
und snm Abort in den ersten Schwangarschaftsmonaten. 5
Die Farbe der Vera wecbseh nach ihrem Blutreicbthume
von 6e]b bis Rotb und Brannroth. Im Allgemeinen wird die
Vera der ersten Monate als eine sehr gefässreiche Membran
geschildert. Sie besteht im Wesentlichen aus der hypertro-
phirten Drösensubstanz, einem sparsamen interstttiellen Ge-
webe und zahlreichen Gefässen.
Bei der mikroskopischen Untersuchung findet man in
den tieferen Schichten der Decidua, dicht zusammenhangende
Lagen spindelförmiger Zellen, mit starkem Kerne, oft sehr
verlängerten, umgebogenen Enden. Nicht ganz selten sind
stemfönnige Zellen. Dabei findet man, auch in den tieferen
Schichten, oft noch andere Zellenformen und zwar reichlich
vertreten. Grosse, runde Zellen mit starkem Kerne und fein*
körnigem Inhalte, oblonge Zellen, polygonale Zellen, welche
den epithelialen Charakter an sich tragen. Auch bemerkt
man, besonders in den vorgerückten Stadien der Gravidität,
Schichten eines fibrillären Bindegewebes. Nach der inneren
Fläche, welche ein zusammenhängendes Epithel besetzt, neh-
men die Zellen stufenweise den epithelialen Charakter an.
Involution der Decidua vera. Schon im dritten
Monate beginnt eine rückgängige Metamorphose der Decidua
vera. Wenigstens konnte ich eine solche an Eiern, deren
Placentarbildung begonnen hatte, stets nachweisen. Die Ver-
änderung zeigt sich zuerst auf der inneren Fläche. Schon
Seiler^) beobachtete dies und schilderte den Vorgang so,
als wenn sich auf jener eine neue Platte bilde, welche dünn,
gefasslos, einen, wie aus geronnenem Schleim zusammen-
gesetzten, röthlichen oder gelblichweissen Ueberzug darstelle.
— Dabei nimmt die Dicke der Membran erheblich ab und
sinkt auf 2 — 1 Millimeter. — Die äussere Fläche verliert
ihre höckrigen Vorsprünge, wird glatter und zeigt ein streifi-
ges oder grobmaschiges Gefnge. Von beiden Flächen hingen
hier und da weissliche Läppchen herab. Die Drüsenlöcher
erweitem sich, werden schlilzartig und sind zuweilen so zahl-
reich und gross, dass nur einzelne Streifen und Balken des
Gewebes sie trennen. Virchoto^) fand diese Erweiterung
1) O. c. S. 29.
2) O. e. S. 764.
6 I. H9gar^ Beiträge sor Pathologie dot Eiei
der Drüseidöcher, besoDders dem Grunde und den Seiten-
theilen des Uterus entsprechend und erklärt dies aus der
Umwandlung des vorher mehr platten Organs zur Kugelform,
welche zunächst durch die Ausdehnung jener Gegmden
zu Stande komme. Die geringere, ursprüngliche Dicke der
Schleimhaut an diesen Stellen mag jedoch auch wesentiidi
mitwirken.
Mit diesen Veränderungen verbindet sich eine leichtere
Trennbarkeit der Decidua von dem unterliegenden Gewebe.
Virckow ^) beobachtete, dass schon im dritten Monate die
lockere Schleimhaut sich leicht derart von der Muscularis
losziehen liess, dass die tieferen Schichten auf jener sitzen
blieben. Am ausgesprochensten war die leichte Trennbarkeit
am Grunde und den Seitentheilen. H, MiUler^) konnte
die Decidua im fünften Monate in der Dicke von 1 — IV2 Li-
nien am leichtesten vom Uterus trennen ; doQh war dies nicht
ohne vielfache Gefässzerreisung mdglich. Die Schleimhaut
stellte sich als eine gefassreiche Membran dar, welche im
Gänzen ein netzartiges Gefuge besass, mit einzelnen derben,
faserstof&gcn Vorsprüngen und anhängenden Fetzen versehen.
Geschlossene Drüsenbälge waren nur noch einzehi vorhanden.
Dieser Veränderung der ganzen Membran entspricht
die Veränderung der Gewebselemente. Die Zellen nehmen
im Allgemeinen den epithelialen Charakter an. R. Wctgner
fand im dritten und vierten Monate die Decidua ganz aus
platten, pflasterförmig neben- und übereinanderliegenden
Zellen mit dunklem Kerne und feinkörnigem Inhalte zusanunen-
gesetzt H. Müller ') fand, an der freien Fläche der Schleim-
haut im fünften Monate, Zellen der verschiedensten Gestalt,
zumal grosse Platten, zum Theil mit Körner besetzt, in eine
structurlose Substanz eingebettet Nach dem Uterus zu wurde
das Gewebe allroälig fasrig, indem die Zellen in glatte Muskel-
fasern übergingen. Dazwischen grosse, meist sehr dünn-
wandige Gefasse. Genauere Angaben über das weit^e Ver^
halten der Decidua in den späteren Schwangersdiaftsmouaten
1) O. c. S. 761.
2) o. 0. S. 77.
8) Ibid.
und znm Abort in den ersten Sehirangerschaftsmonaten. ^
Miien. Es ist auch seilen Gelegenheit gegeben, dasselbe
unter nonnalen Verhältnissen zu beobachten. Für die Zeit,
kurz vor der Geburt, sprechen die Autoren^) von der Deci^
dua, als von einer, aus structurloser Substanz gebildeten
Membran, in welcher sich gleichzeitig Zellen von epithelialer
Form und zahlreiche, freie Kerne vorfinden.
An dem reifen Ei findet man an der Aussenfläche des
Chorions meist . dünne Schichten eines maschigen, weichen,
faserigen Gewebes, welches oft noch deutlich die Elemente
des jungen Bindegewebes und Epithelien zeigt Nicht selten
sind, besonders in der Nähe der Placenta, wohlerbaltene
Gefässe. In anderen Fällen finden sich blos Zellenrudimente,
Körnchenzellen, freie Kerne in fettreicher, molekularer Masse
eingebettet. Man sieht alsdann gelbe oder gelbbraune Schwarten
auf dem Chorion aufsitzend. Die Veränderungen scheinen
hiemach sehr verschieden und bald mehr in einer einfachen
Rarefieirung des Gewebes durch die enorme Ausdehnung' des
Uterus, bald in einem detritusarügen Zc9*fa]le der einzelnen
Gewebselemente selbst zu bestehen.
II. Decidua reflexa.
Diese Membran stellt einen nach unten geschlossenen
Sack dar, dessen Aussenfläche im Allgemeinen glatt, doch
stets mit flachen Längswiilsten und entsprechenden Vertief-
ungen versehen ist. Die innere Fläche ist rauh, mit den
Verzweigungen der Chorionzellen verbunden. Die Dicke der
Haut ist verschieden, beträgt % — IV^ Millimeter, nimmt
nach der Umschlagsstelle hin bedeutend zu, nach dem unteren
Eipole hin erheblich ab. Die Sieblöcher sind in der Nähe der
Serotina sehr zahlreich und nehmen von da an stufenweise
ab. Das Gewebe ist gewöhnlich locker, spröde und leicht
zerreisslich. Die Farbe ist röthlichgrau oder rothgelb.
Was den feineren Bau der Reflex a betrifft, so ist bis
jetzt kein wesentlicher Unterschied von dem der Vera auf-
gefunden. Sicher ist^ dass die regressive Metamorphose in
derselben früher und intensiver eintritt. Schon an sehr klei-
nen Abortiveiern kann man den Beginn des Zerfalls am unteren
1) O. c. 8. 80.
g I. Hegar^ Beiträge inr Pathologie des Eies
Eipole nachweisen. Nach der Umschlagsstene hin behielt die
Reflexa, soweit meine Untersuchungen reichen, sehr lange
ihren ursprünglichen Charakter.
Seüer ^) lässt die Reflexa als äussere Platte des Chorions
an jedem Ei bis zum Ende der Schwangerschaft persistiren.
H, Müller^) sah im fünften Monate eine dem Cfaorion beim
Wegdrängen folgende und genau anliegende Schichte, welche
aus structurloser, feinkörniger Masse mit eingelagerten Kernen
bestand. Letztere waren, gegen das Chorion zu, in der ge-
ringsten Menge vorhanden, hatten an der freien Fläche eine
pflasterartige Ausbreitung, wobei jedoch die Intemuclear-
Substanz in der Regel nicht in Zellen getrennt war. Virchow ^
lässt die Reflexa durch Fettmetamorphose zu Grunde gehen,
wofür das häufige Vorkommen von Fettkömchenzellen in dieser
Membran spricht. Er fand nur ein einzigesmal, bei einem
Fötus von fünf bis sechs Monaten, den grossem Theil des
Chorions von einer sehr feinen, gelblichen, stellenweise fast
ununta'brochenen Lage der Reflexa überzogen.
IIL Höhle zwischen Decidua vera und reflexa.
Diese Höhle, welche nach Seiler sich stets auf der hin-
teren Fläche des Eies befindet, was jedoch nicht begründet
ist (so fand sie Virchow vorn), verschwindet, nach den über-
einstimmenden Angaben der Autoren, im dritten Monate. Ich
hatte nur einmal Gelegenheit, sie an einem Abortivei, wohl-
erhalten und geschlossen, zu sehen und verweise auf die Be-
schreibung (Fall 6). — Die gewöhnliche Angabe geht dahin,
dass durch die Ausdehnung des Eies der Inhalt der Höhle
allmälig abnehme, beide Platten der Decidua in Benihmng
kämen und sich mit einander vereinigen. Bedenkt man je-
doch, dass die Reflexa und die innere Fläche der Vera schon
im dritten Monate die Spuren der rückgängigen Metamorphose
deutlich zeigen, so wird eine solche Verschmelzung und Ver-
wachsung durchaus unwahrscheinlich. Es ist gewiss weit
wahrscheinlicher, dass nur eine Juxtaposition beider Häute
1) O. c. 8. 80.
2) O. e. S. 78.
3) 6. A.
und sam Abort In den ersten Sehwang^erschaftsmonaten. 9
stattfindet. Man muss daher jenen oben beschriebenen
isascbigen, netzartigen, weissen Ueberzug des Chorions, wie
er sich am ausgetragenen Ei stellenweise vorfindet, als einen
üeberirest der Beflexa betrachten. — Eine innige Verschmel-
zung beider Membranen ist höchstens an der Uebergangsstelle
anzunehmen. Allein hier ist der Uebergang überhaupt kein
scharfer und man findet ausserdem nicht selten in seiner
Nähe feine, theils fadenförmige, theits lameilöse Brücken,
welche sich von einer Membran zur andern spannen. Da
der Deciduauberzug des reifen Eies im Umfange der Placenta
stets ein dichterer ist, so ist anzunehmen, dass diese Bildungen
hierbei keine unwesentliche Bolle spielen.
IV. Decidua serotina.
Man hat diesem Theile der Decidua während der ersten
Schwangerschaftsmonate bis jetzt wenig Aufmerksamkeit ge*
schenkt Die Kenntniss ihres Baues und ihrer Ausbreitung bietet
jedoch für die Lehre vom Abort und anderen pathologischen
Verhältnissen die wichtigsten Anhaltspunkte. Die folgenden
Angaben begründen sich freilich allein auf die Untersuchung
pathologischer Objecte. Da jedoch über die normalen Ver-
bältm'sse keine Angaben vorhanden sind, so glaube ich im
Bechte zu sein, hier jene Untersuchungen benutzen zu dürfen,
insofern sie ein Licht auf die physiologischen Verhältnisse
werfen.
Am meisten fiel mir die ganz ausserordentliche Ver-
schiedenheit in der Ausbreitung der Serotina auf. Während
bei dem einen Ei die Serotina nur einen Theii des einen
Eipols 'bedeckte, nahm sie bei dem anderen den halben Um-
fang und noch mehr des Eies ein. Ich habe versucht, diese
verschiedene Ausbreitung an Längsdurchschnitten von Eiern
darzustellen (Fig. 9, 12—17). Die naturliche Grösse ist dabei
gewahrt. Man kann drei Kategorien der Serotinaausbreitung
unterscheiden :
1. Die stiel artige Serotina. Die Serotina nimmt
nur den einen Eipol, nur einen Theil desselben oder ein kleines
Segment desselben und eine kleine Partie der angrenzenden
Seitenwand ein. Der Durchmesser beträgt 74 — IV2 Centini.
bei einem Ei, welches 7—8 Centim. lang ist (Fig. 12, 13
10 I* Hegar, Reitrftge lur Pathologie des Eies
ff
u. 14). Dieser geringe Umfang giebt, wie ich glaube, Ver-
anlassung zu patbologischen Processen, auf weldie ich suröck-
kommen werde. In Fig. 11 ist eine solche stielartige Serotina
nach der Natur abgebildet
2. Die gewöhnliche, normale Ausbreitung de>
Serotina (Fig. 15, 16). Ein Theil oder der ganze eine
Eipol nebst einer Partie der angrenzenden Wand, bis zur
Hälfte oder Dreiviertel derselben ist von der Serotina bedeckt.
Ihre Durchmesser betragen 3 — 5 Centim. bei einem Ei von
7 — § Centim. Länge.
3. Abnorm grosse Ausdehnung der Serotina
(Fig. 9, 17). Sie bedeckt die Hälfte und noch mehr des
ganzen Eiumfanges. Auch hier entstehen leicht pathologische
Processe.
Was den Bau der Serotina betrifft, so zeigt er gewisse
Verschiedenheiten von dem der Vera. Bekannt ist der grössere
Gefössreichthum, welcher übrigens schon in der benachbarten
Vera beginnt Bringt man an einem Ei, dessen Serotina gut
erhalten ist, die Theile in ihre naturliche Lage, indem man
die Vera aber die Beflexa herabschlägt, so bemerkt man,
dass die Vorsprunge und Höcker der Vera am Umfange der
Serotina dichter, zahlreicher und dabei länger und . oft breiter
werden, so dass die Membran ein zottiges Ausseien gewinnt
In der Serotina selbst werden die Drüsenhöcker noch massen-
hafter. Sie haben nicht selten eine breite Basis von mehreren
Millimeter Durchmesser. Von der Basis aus verschmälern sie
sich gegen die Spitze, welche zuweilen 4 — 5 Millimeter über
die Oberfläche vorragt (Fig. 2, 11). Auf der Spitze und
den Seitenflächen dieser oft k^elartigen Gebilde bemerkt
man zahlreiche, rundliche oder schlitzartige Löcherchen. Die
Seitenflächen sind dabei ungleich und faltig. Bei einem- Längs-
durchschnitte bemerkt man nach aussen eine ziemlich gleich-
förmige Gewebsschichte. im Innern ist der Höcker durch
zahlreiche, in verschiedenen Richtungen verlaufende Lamellen
constituirt, in deren Zwischenräume die Zotten eindringen. —
Diese Drüsenaggregate bilden die Hauptmasse der Serotina.
Sehener sind einzeln stehende, ausgedehnte Drüsenbälge. Die
Serotina zeichnet sich von der Vera daher nicht allein durch
und iiira Abort in des ersten Sehwnngersoliaflfmonaten. W
ihren GaAssreiehthuin, sond^n aach durch die bedeaiendere,
hypertrophische Entwickelung ihrer Drüsensuhstanz aus.
Bei der Serotina des dritten Monats zeigt die Ober-
fläche mehr flache, rundliche, warzenähnliche Henrorragungen,
ähnlich wie die Vera der zwei ersten Monate. Die Drfisen-
höoker sind weniger lang und spitz geworden, indem die in
ihre Suhstani eindringenden Zotten eine Auseinanderdrängung
der Drüsenwände und so eine Verflachung der-Höcker hervor-
bringen. Fig. 6 stellt den Durchschnitt einer in Placenten-
bildung begriffenen Serotina bei Loupenvergr6sserung dar.
Die Lamellen der Decidua waren durch eingebettete Uut-
eztravasate, welche grösstentheils entfernt sind, noch mehr
auseinandergebalten.
Pafhologie der Deeidiia.
A. Pathologie der Decidua Vera.
1. Atrophie der Decidua vera.
H. Milüer ^) macht darauf aufmerksam, dass die äussere
Oberfläche der Decidua an Abortiveiern nicht selten dichter,
eben, sogar glatt erscheine, während doch eine Abtrennung
dieser Membran in der ersten Hälfte der Schwangerschaft
nur mit vielfacher Zerreissung und daher rauher, schwammige
Trennungsfläche geschehen könne. Zuweilen sei dies nur stellen»
wdse der Fall. Auch sei zuweilen nur die dem Uterus zu-
gekehrte Fläche etwas dichter und ebener geworden, während
die andere Fläche ihre weiche, schwammige Beschaffenheit
erhalten habe. In noch anderen FäUen sei die ganze Mem-
bran in ihrer ganzen Dicke zu einer trocknen, derben Masse
verdichtet.
Euie solche vorzeitige Verödung der Decidua ist kein
seltener Befund. So besitzt das Fig. 5 abgebildete Ei eine
derartige Vera. Ihre Dicke ist gering, übersteigt selten 1 Milli-
meter. Die Oberfläche ist ohne alle Hervorragungen. Beide
Flächen sind nicht wesentlich verschieden, zeigen ein streifiges
balkenartiges, zerreiasliches Gewebe, mit anhängenden, weissen
Läppchen. Die DrQsenlöcher sind sehr erweitert. Der Embryo
1) O. e. 8. ao.
12 !• HegoTj Beiträge lar Pathologie det Eies
entspricht dem zweiten Monate, in welchem die Deddua noch
eine rauhe, schwammige Beschaffenheit zeigen sollte. Auch
im Fall 6 war eine ähnliche Beschaffenheit der Vera vor-
handen.
Die mikroskopische Untersuchung lasst einen Zerfisdl der
Gewehselemente oft schon dann nachweisen, wenn die Mem-
bran, dem äusseren Anschein nach, sich noch ziemlich normal
yerhält. Bei d^n höheren Graden der Atrophie, welche schon
mit blossem Auge erkennbar ist, besteht sie oft aus einer
amorphen, fettreichen, molekularen Masse mit zahlreich ein-
gestreuten runden oder ovalen Kernen oder es findet sich
wohl auch ein streifiges Grundgewebe mit reihenweise ge-
oi*dneten Fetttröpfchen versehen oder mit feinkörniger Masse
bedeckt. Bei geringeren Graden der Veränderung, die oft
mit blossem Auge nicht erkennbar ist, sind noch die der
Decidua eigenthümlichen Zellenformen nachzuweisen. Nur sind
dieselben von feinkörniger Masse bedeckt, und zeigen einen
reichlichen kömigen und fettigen Inhalt Die Spindelzellen
haben ihre Ausläufer und Spitzen verloren. Oblonge und
polygonale Formen herrschen vor.
Diese Atrophie der Decidua ist stets eine erworbene.
Man kann die Uebergangsstufen bis zu einem völligen Zerfall
des Gewebes nicht blos an verschiedenen Eiern, sondern auch
an verschiedenen Stellen desselben Eies nicht selten auffinden.
Fast immer sind dabei andere pathologische Processe, be-
sonders Eztravasationen vorhanden.
2. Hypertrophie der Vera.
Die Hypertrophie betrifil vorzugsweise die Drüsen-
substanz. Die ganze Membran ist verdickt, bis zu 6 — 8
Millimeter. Die äussere Fläche ist sehr ungleich, mit theils
langen, zottigen, flaschenförmigen, theils breiten, runden Her-
vorragungen besetzt, welche dicht neben einander stehen. Die
innere Fläche ist ebenfalls ungleicher, mit tieferen Furchon
und entsprechenden, länglichen Wülsten versehen und da-
durch in polygonale Felder abgetheilt. Dabei findet sich ge-
wöhnlich ein bedeutender Blut- und Gefässreichthum; nicht
selten sind Ekchymosen und Extravasate in die erweiterten
Drnsenbälgc. (Vergl. Fall 3, Fig. 3).
and Ewn Abort in den ersten Schwangemohafltmonaten. 13
Virchow ^) uod später StrtMsinann^) beschreiben eine
andere Form der Hypertrophie, weiche vorzugsweise das
interstitielle Gewebe betrifft. Die Membran ist verdickt, auf
ihrer inneren Fläche mit polypösen Wucherungen (V2 Zoll
lang, V4 Zoll breit, % Zoll hoch) versehen, welche breit
aufsitzen, gegen die stumpfrundliche Spitze hin, sich ver-
schmälern, so dass sie Dreimastern gleichen. Diese Höcker
hatten eine glatte, dichte Oberfläche von röthlicher Farbe,
ohne Drüsenlöcher. Die oberflächliche Schichte war auf dem
Durchschnitt sehr dicht, dunkelroth, die tieferen Theile mehr
porös, nach unten hin fast cavernös. Bei der mikroskopischen
Untersuchung zeigte sich das interstitielle (interglanduläre) Ge-
webe hyperplaslisch. Es bestand aus einer schwach fasrigen
Grundsubstanz mit grossen, linsenförmigen Zellen. Keine
Fettdegeneration. I» den oberen Lagen fanden sich zahlreiche
Durchschnitte von Gefässen, namentlich dickwandige Arterien
mit concentiischen Höfen eines dichten Scheidengewebes.
Gegen die Tiefe hin wurde das Ganze locker, die Gefässe
wurden sinuös, schliesslich ein weitmaschiges Balkenwerk.
— Virchow betrachtet diese Bildung als das Product einer
Endometritis, welche höchstwahrscheinlich Syphilis zur Ursache
habe. Durch jS^^ra««7nann's Beobachtung, welcher diese Form
bei einer, nachweisbar nichtsyphililischen Frau vorfand, ist
jedoch bewiesen; dass ein solcher Process auch ohne Ein-
wirkung von Syphilis vor sich gehen kann.
Nicht ganz selten sind die Gefasse der Decidua vera
vorzugsweise zahlreich und stark. Man bemerkt an dieser
Membran, auch entfernt von der Serotina, ektatische Gefass-
bildungen, oft von beträchtlicher Dicke und Ausdehnung. Man
kannte diesen Zustand schon lange und bezeichnete solche
Bildungen als Placentae spuriae.
Auch an dem rechtzeitig gebornen Ei lässt sich auf eine
vorhanden gewesene, hypertrophische Entwicklung der De-
cidua schliessen, wenn die, besonders in der Nähe der Placenta
dem Chorion aufsitzenden Schichten, noch deutlich eine frisch
zerrissene, ranhe, schwammige Beschaffenheit besitzen und
1) Archiv für patbol. Anatomie, 2. Bd., S. 118.
2} MoDatsBchr. für Gebartsk., Bd. 19, Heft 4, S. 242.
14 !• Begar, Bcltrft^ snr Pathologie d«t Eiet
man, wie dies nicht selten der Fall ist, sebst grössere, frisch
getrennte GefSsse bemerkt
3. Kystenbildang in der Deeidaa.
Die Uebergänge der einfachen Drüsenhypertrophie in
Kystenbildung lassen sich leicht auffinden und sind diese
Formen, wenn auch unToUständig, schon beschrieben worden.
Die Botvin^) spricht Ton kleinen Bläschen an der Innen-
flftche einer von ihr Ghorion genannten Decidua. HaUer^)
beobachtete ungestielte, in der Placenta sitzende, mit ein-
ander verwachsene, eine unlösliche Gallerte enthaltende Bläs-
chen, welche dem Zellgewebe angehörten. H. Müller^) fand
in einer fünfmonatlichen Decidua Bläschen, welche mit einer
dünnen Gallerte gefüllt waren. Auch an verschiedenen Wein-
geistpräparaten konnte er solche nachweisen.
An verschiedenen Abortiveiern traf ich kleine, erbsen-
grosse, mit gelblicher Colloidmasse gefällte Säckchen auf
der Aussenfläche der Vera, ohne dass des Gewebe sonst Ver-
änderungen zeigte. In anderen Fällen war dabei die Ent-
wickelung der Drüsen und Drüsenaggregate eine auffallend
bedeutende und unter jenen einfach hypertrophirten Utricular-
drüsen befanden sich jene mit Kolloid oder hellem Serum
gefüllte Bläschen.
Ein prägnantes Beispiel solcher Bildungen bietet die
Fall 5 (Fig. 3) beschriebene Vera. Ich fand hier runde, mit
Colloid oder hellem Serum gefüllte, erbsengrosse Bläschen,
flaschenähnliche Säckchen mit stielartigem Ausführungsgange,
eine haselnussgrosse mit seröser Flüssigkeit gefüllte, dünn-
wandige Kyste.
Die Entstehung der Kysten und der drüsigen Hyper-
trophie schreibe ich einer katarrhalischen Entzündung
der Dterinscbleimhaut zu. In dem erwähnten Falle be-
stand vor und nach der Conceplion ein intensiver Ctenis-
und Scheidenkatarrh.
1) Neue Nachforschungen über die Blasenmole. Weimar 18Ü8.
8. 27.
2) Eiern. Phys., VIU., S. 2S6.
S) 0. c. 8. 51.
and iiUD Abort in den eraten^Sehwangenohftftsmonaten. 15
4. BlntoKtravaMite der Vera.
«
Man kann Extravasate an der Aussenfiache und Ionen»
fläche der Vera, sowie solche im Gewebe derselben selbst
uDterscheideD.
An der Aussenfiache der Vera findet man, theils klumpige,
theils in Schichten anhängende Massen, rother und entfärbter
Coagula der verschiedensten Beschaffenheit. Zuweilen liegen
dichte, geschichtete Lagen entfärbter, gelber Faserstofimassen
fest anklebend auf der Membran. In anderen Fällen ist der
Erguss noch theilweise flussig und das ganze Ei in eine halb-
geronnene, halbflüssige Blutmasse eingebettet.
Auch an der Innenfläche der Vera liegen ähnliche Extra-
vasate. Scanzoni will ihre Communication mit den äusseren
durch die erweiterten Drusenlöcher nachgewiesen haben.
In dem Gewebe tritt die Extravasation in sehr ver-
schiedenen Formen auf.
Zuweilen hat die Membran ein gleichmässig hellrothes
bis dunkelrothes Colorit, ohne dass ihre Form und Dicke
bedeutend geändert wäre. Sie scheint gleichmässig mit Blut
durchtränkt. Häufig sind ausgedehnte oder auf kleinere Stellen
beschränkte, inselförmige Ekchymoson; bald stärker nach der
inneren, bald stärker nach der äusseren Fläche vorspringend.
Die Membran ist an diesen Stellen verdickt und, je nadi
Alter und Metamorphose des Ergusses, weisslich entfärbt,
rosenrotb, roth, blau- und schwarzroth. Auf dem Durch-
schnitte bemerkt man grossere oder kleinere Schichten und
Klumpen weisslichen Fibrins oder rothe, selbst schwarzrothe
Blutgerinnsel. Zuweilen ist das Blut noch flüssig oder es
findet sich' in dem festen Coagulum eine centrale Höhle mit
flüssigem Inhalte. Nicht selten ist das Gewebe durch den
Erguss in der Vl^eise auseinandergetrennt, dass es sich in
dünne, lamellöse Schichten theilen lässt Auch capilläre
Apoplexien kommen vor. Bei den massenhaftesten Er-
güssen findet man an dem Ei durch einen dünnen Stiel mit
der Reflexa verbunden eine fast unkenntliche Vera. Diese
bildet nach H. MiiUer's^) trefi'ender Beschreibung einen
platten, scheibeoähnlichen oder zusammengerollt, einen cylin-
3) O. c. 8. 68.
16 I. ffegar^ Beiträge air Pathologie des £ie8
drischeD oder, mit Blat und Faserstoff durchsetzt, eioeD un-
regelmässig lappigen Klumpen, der hier und da einige ZoU
im Durchmesser hat
Ausser diesen, schon vielfach beschriebenen Extravasaten,
kommen jedoch auch andere vor, welche sich der Aufmerk-
samkeit der Beobachter bis jetzt entzogen haben. Es sind dies
Extravasate, welche dadurch, dass der Bluterguss in die
Zwischenräume des Gewebes und in die ausgedehnten Drüsen-
bälge erfolgt, ganz eigenthömliche Formen zeigen, so dass
man aus ihrem Aussehen mit Sicherheit auf ihren Ursprung
in der Uterinschleimhaut schliessen kann.
Man findet diese Extravasate, wenn auch oft nur in ge-
ringer Menge, fast an jedem Abortivei und sie sind offenbar
bloss deswegen übersehen worden, weil man die scheinbar
formlosen, homogenen Coagula, welche mit dem Ei aus-
geschieden wurden, nicht näher untersuchte.
Ist die Decidua in weitem Umfange und in grösseren
Stücken apoplectisch destruirt, so findet man, das Ei um-
hüllend oder gesondert abgeschieden, scheibenförmige Coagula,
welche eine schichtenweise Aufeinanderlagerung, besonders am
Rande, deutlich erkennen lassen. Diese Scheiben haben einen
Durchmesser von 1 — 4 Centimeter in Länge und Breite. Ihre
Dicke wechselt von V4 — ^ Centim. Die eine Fläche dieser
Scheiben ist meist ziemlich glatt, deutlich mit Grubeben, den
Sieblöchern der Decidua entsprechend, versehen. Auf der
anderen Fläche sitzen kolbige, flaschenförroige, gestielte Kör-
perchen oder stehen reihenweise geordnete Zacken. Diese
Gebilde stehen meist sehr eng beisammen und zeigen nicht
selten eine traubenförmige Anordnung, so dass an einem
grösseren Stiele mehrere mit kleinerem Stiele versehene kolbige
Körperchen aufsitzen (Fig. 20). Am besten lässt sich die
Anordnung verfolgen, wenn man das Ganze unter Wasser
flottiren lässt. Diese Coagula besitzen einen Gewebsüberzug,
welcher aus streifigeim Bindegewebe mit eingelagerten Kernen
besteht. Die geschichtete Anordnung der Scheiben wird da-
durch hervorgebracht, dass lameUöse Strata des Gewebes die
einzelnen Lagen des Coagulums trennen. Nicht selten lässt
sich an den Scheiben eine zusammenhängende Lage pflaster-
förmiger Epithelien erkennen, welche blasse Contouren, da-
und mm Abort in den ersten Sohwangertfchaftfinonaten. 17
gegen einen starken Kern besitzen. Der Gewebsüberzug der
kolbenf5rmigen Körper ist nicht immer nachzuweisen. Dagegen
bestehen die Stieichen deutlich aus Deciduagewebe.
Das Ganzd besteht aus der apoplectisch destruirten und
abgestossenen Decidua. Die Scheiben gehören wohl der ober-
flächlichen, die kolben- und traubenförmigen Gebilde den
tieferen Lagen der Schleimhaut an. Das Extravasat» welches
in die Drusen erfolgt, daselbst gerinnt und meist mit der
Wandung der Drüsen nach aussen entleert wird, giebt einen
Abguss der Drusenräume, welcher die Form und Anordnung
der Uterindräsen in vielen Beziehungen bessnr erläutern kann,
als jede känstliche Präparation. i
Die Decidua wird jedoch nicht stets in grossem Umfange
in dieser Weise apoplectisch zerstört und ausgestossen. An
vielen Eiern fand ich solche Formen bloss an beschränkten
Steilen. So zeigten sich Fall 3 u. 7 (Fig. 1 u. 8) bloss in
der Nähe des unteren Eipols traubenföi*mige Anhänge aus
linsenförmigen, kleinen Coagulis bestehend, welche durch
einen Stiel mit der übrigen, mehr oder weniger unversehrten
Decidua zusammenhängen. An der cystös entarteten Decidua .
(Fall 5, Fig. 3) fanden sich kleine, gestielte Kystchen, welche
nicht mit Serum oder Kolloid, sondern mit einem Bluterguss
gefällt waren. An einer Stelle spaltete sich der von der
Fläche der Membran entspringende Stiel in mehrere Zweige,
welche grösstentheils kurz abgerissen waren. An der Theilungs-
stelle zeigte sich eine mit Blut erfüllte Ausbuchtung und an
der Spitze eines davon ausgeheuden Zweiges war ein, eben-
falls mit Blut erfülltes, ausgedehntes Säckchen vorhanden.
(Fig. 3. c.)
Es ist nicht stets die Vera, welche in dieser Art apoplec-
tisch zerstört wird. Auch die Reflexa und Serotina (s. Fall 11)
zeigt zuweilen dieselben Formen.
Mein College, Dr. Eigenbrodt dahier, machte die erste
Beobachtung, einer, in der oben beschriebenen Weise, in
grösserem Umfange apoplectisch ausgestossenen Decidua. Der-
sdbe wird in Kürze den betreffenden interessanten Fall mit-
theilen. Bei gemeinschaftlichen Untersuchungen zahlreicher
Abortiveier entdeckten wir diese Formen in den versclüedenen
Abschnitten der Decidua. Es gelang uns, ihre Entstehung
Monatesehr. f. 0«barUk. VdßA. Bd. XXI.,Sapp1.-Hft. 2
1^ I. Hegar^ Beitrüge zur Pathologie dea Kie«
und Bildung genauer zu verfolgen. Der Nachweis binde-
gewebiger Strata auf der Oberfläche der Scheiben- und
traubenförmigen Gebilde, zwischen den gescbichleten Lagen
der Scheiben, die Anwesenheit siebförmiger Grübchen auf
der Oberfläche, sowie die Auffindung von Epitbellagen,
setzten es ausser Zweifel, dass diese Formen durch einen
Biuterguss entstehen, welcher zwischen die Gewebstheile der
Schleimhaut und in die Hohlräume der Drüsen eindringt.
Die Mucosa, deren Verbindung mit der Uteruswand sich
lockert, wird mit dem sie durchsetzenden Blutcoagulum aus>
gestossen.
Es erscheint mir von höchstem Interesse, dass auch die
Schleimhaut eines nicht schwangeren Uterus, in solcher Weise
apoplectisch zerstört, ausgeschieden werden kann. Meine
weiteren Forschungen, deren Mittheiluug ich mir vorbehalte,
zeigten mir, dass eine Ursache hartnäckiger und sehr schmez-
hafter Dvsmenorrhoe darin besteht, dass zur Zeit der Men-
struation nicht bloss ein Erguss auf die freie Schleimhaut-
fläche, sondern auch in die tieferen Schichten der Mucosa
erfolgt, welcher eine Abtrennung dieser selbst zur Folge hat,
einen Zustand, welchen ich am besten mit dem Namen Dys-
menorrhoea membranacea apoplecüca bezeichnen zu können
glaube. Auch bei hartnäckiger Blutung in den klimaterischen
Jahren beobachtete ich diese apopleclische Destruction der
Uterinscbleimhaut (Fall 14). Ich habe diesen Fall unten mit-
getheilt, weil die Zeichnung (Fig. 20) davon herrührt.
5. ExBudationsprocesse der Vera.
Unter Hypertrophie sind Befunde beschrieben, welche
man als Producte eines chronischen Entzündüngsprocesses be-
trachten kann, welcher mit hypertrophischer Entwickelung
des drüsigen oder des interstitiellen Gewebes einhergeht.
Man findet auch Deciduen, welche gleichmässig mit einem
Exsudat infiltrirt scheinen. Die Membran ist in solchen
Fällen bedeutend verdickt, bis zu 6 Millimeter, weich, s(ic-
culenl, schwammig und sehr blutreich. Unter dem Mikroskop
sieht man die Gewebselemente oft zerfallen oder in eine
molekulare Masse eingebettet. Diese enthält zahlreiche &enie
von runder oder ovaler Form, oft mit mehreren Kemkörper-
und snm Abort in den ersten Schwangerschaftsinonaten. 19
eben und grauem, feinkörnigem Inhaito, eckige Eiweissmolekule,
Fftttlröpfchen. Auch Schleim- oder Eiterkörperchen sind
vorhanden. Sind die Zeilenformationen ganz verschwunden,
so hat man eine structurlose Exsudatmenibran vor sich. Dn
dies bei Abortiveiern kein ganz seltener Befund ist, so ina^
hierin die Veranlassung liegen, dass man die hinfällige Haut
für ein blosses Exsudationsproduct hielt Es scheint, dass
bei einer, Tielleicht durch frühere Krankheitsprocesse ver-
luderten Uterinschieinihaut sich schon in früher Zeit der
Gravidität ein solcher Exsudativvorgang ausbilden könne. Der
Abort ist die nothwendige Folge. Das Ei findet keine Nalirung
in einer solchen Decidua und degenerirt. Diese selbst treimi
sich leicht vom Uterus ab oder giebt Veranlassung zu Extra-
vasattouen, welche eine Loslösung zur Folge haben.
H, Müller^) ist geneigt, eine pseudomenibranuse Aus-
seh witzung in der Decidua anzunehmen. Er spriclil von
Faserstoffmassen, welche so frei von Blutkörperchen sind,
dass man sie nicht als von Bluterguss herrührend betrachten
könne. Es ist mir Nichts dieser Art vorgekommt^n.
Ä Pathologie der Decidua reflexa.
1. Mangel und Atrophie der Refieza.
H. Müller'^) spricht sich für die Wahrscheinlichkeit
eines vollständigen, primären Mangels der Reflexa aus.
Er will Eier beobachtet haben, bei welchen die Chortonzotten
im ganzen Umfange oder im grössten Theile desselben in eine
Membran eindrangen, welclie alle Charaktere der Vera besass.
— Die Deutung solcher Befunde imlerliegl übrigens vielen
Schwierigkeiten. Das, was man für Vera hält, kann Reflexa
sein. Man kann erstere übersehen haben, da sie, vielleicht
abgerissen, im Uterus zurückblieb oder vollständig atrophirt
war. Indessen glaube ich den vollständigen Mangel der
Reflexa durch die Beobachtung eines Falles (Fall 12, Fig. 18)
sichergestellt zu haben.' Auch für Fall 8 (Fig. 9) ist mir
ein totaler, in der Entwickelung begründeter Hangel der
1) O. c. S. 86.
vS) O. c. S. 86.
2
2(j I. Hegitr , Koiträg^e znr Pfttholo^iV de« Eios
Reflexa wahrscheinlich. Ich verweise auf die Beschreibung.
Der Einfluss einer solchen Bildungsanomalie auf die Ent-
Wickelung des Eies scheint ein sehr bedeutender zu sein.
In dem ersten Beispiele waren bloss Rudimente des Chorions,
als einzige Ueberbleibsel der Eigebilde, vorhanden. In dem
zweiten Beispiele bildete sich eine enorm grosse Placenta aus.
Der Mangel der Reflexa wird leicht eine zu umfängliche,
ausgedehnte Kuchenbildung hervorbringen, da die Chorion-
zotten überall in die gefSssreiche Vera einwuchem. Hierdordi
ist aber ein ursächliches Moment pathologischer Processe und
des Aborts gegeben, welches später noch besprochen wird.
Ausser diesem Bildungsmange) der Reflexa existirt aber
noch ein erworbener Mangel oder Schwund dieser
Membran. SackreiUer-Mettenheimer^) und Rokytansky"^)
lieferten Beschreibungen, welche eine solche Anomalie nach-
weisen und ihre Entstehung aufklären. — Die ersteren Au-
toren beschreiben ein Ei, welches nach dreimaliger Sistirung
der Menses geboren wurde. Dasselbe war taubeneigross,
von einem, sparsam mit Zotten versehenen Chorion umhüllt
und hing an einem längsfaltigen, hohlen Stiel, welcher, sich
nach aussen umwerfend, in einen, locker das Ei umhüllenden
Sack überging. Dieser Sack zeigte sich als eine krankhaft
veränderte Vera, welche nach unten eine weite Oeflbung hatte.
Nach Eröffnung des Stiels stiess man auf eine kreuzergrosse,
rauhe Stelle, den Ueberrest der abgerissenen Serotina. Das
Ei selbst, hatte, abgesehen von dem Stiele, keinen Decidua-
überzug, so dass die Zotten ganz frei standen. Die Verfasser
nehmen an, dass das Ei durch seine Schwere die ebenso
wie die Vera entartete Reflexa gezerrt und gedrückt habe, so
dass sich diese, atrophirt, über das Ei zurückzog und schliess*
hch nichts weiter davon übrig blieb, als der faltige Stiel.
Auch vermuthen sie, dass bei der Grosse des inneren Mutter-
mundes, welche sie aus der weiten Oeffnung der Vera er-
schliessen, das Ei keinen Halt gehabt habe und deshalb seine
Schwere noch mehr zur Geltung gekommen sei.
1) Monatsschr. für Gebartsk., I. Bd., S. 82.
2) Zeitschr. d. Ges. d. Aerzte su Wien. Neae Folge. 1860.
m., S. 83.
and snm Abort in den ersttii Schwaiigerschaftsinonateii. 21
1
Hieran schliessen sich die BeobacI^uDgen Bokitansky's.
Bei deoselbep hingen die Eiblasen an einem dünnen Stiele
an dem Fundua und der vorderen Wand des Uterus fest und
erstreckten sich in den erweiterten Cervicalcanal. Der Stiel
bestand aus einem Büschel ausserordentlich vtrlangerter
Utriculardrüsen und war von einer dünnen, in dem zweiten
Falle excoriirten, defecten Refleza überzogen. Diese bildete,
ehe We das untere Eisegment überzog, eine wulstförmige
Ouplicatur, welche durch gewaltsames Zuruckgedrängtsein
der Reflexa, vom Umfang der Blase nach ihrem Stiele hin,
entstanden zu sein schien. Die Eiblase war von einer sehr
dünnen Reflexa umschlossen, welche bei dem zweiten Falle
am untern Eipole nekrotisirt und geborsten war.
Rokitansky nimmt an, dass durch vorzeitige Con^
ti*actionen der Gebärmutter das Ei in den erweiterten Cervix
gelangt sei und dass sich durch den Druck und die Zen'ung
hierbei die Verlängerung der Serotina und die Anomalien der
Reflexa ausgebildet hätten.
Auch bei dem, Fall 13 (Fig. 19), beschriebenen Abortivei
fand ich eine gegen den unteren Eipol an Dicke sehr ab-
nehmende Reflexa, welche, nach oben hin, in Form einer
Scheide die durch Blutextravasat destruirte und in die Länge
gezogene Serotioa umgab.
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass man es in
solchen Fällen mit einer durch Zerrung entstehenden Atrophie
der Reflexa zu thun habe.
2. Hypertrophie und Kystenbildnng der Refleza.
Da die Dicke der Reflexa sehr variirl, audi wenig über die
normalen Durchmesser derselben in den einzelnen Schwanger-
schaftszeiten bekannt ist, so ist die Entscheidung oft schwierig,
ob man es in einem gegebenen Falle mit einem pathologischen
Zustande zu thun habe. ^ Ich fand die Reflexa in ihrer Dicke
von V4 — 2 Millimeter schwankend, wage jedoch nicht, das
eine oder andere Verhalten als ein abnormes zu bezeichnen.
Man muss sich auch sehr vor Beobachtungsfehlern hüten.
Die Reflexa ist häufig durch Extravasate im Gewebe und
durch geschichtete Coagula ungewöhnlich verdickt — Den
einzigen Befund, welcher für eine cystöse, hypertrophische
22 ^« Hegar, Beiträge zur Pathologie des Eies
Entartung der Reflexa spricht, der mir daher von besoadereni
Werth erscheint, finde ich bei H, MvUer. ^) Derselbe fand
die Reflexa einer Blasenmole an ihr^ äusseren Fläche glatt,
nur mit seichten Furchen versehen. Die innere, concave, mit
Anhängsehi von Zotten bedeckte Fläche, war weich, uneben,
mit vielen, cylindrischen Hervorragungen besetzt, zwischen
weichen Furchen sich befanden. Die Höhe dieser Hervor-
ragungen war verschieden, je nach der Dicke der Membran,
weiche zwischen 1 Linie bis Ya ^loll wechselte. An dieser
Fläche befanden sich stellenweise Oeffnungen, die in gleich-
weite, nach der äusseren Schicht der Decidna sich er-
streckende Hohlräume führten. Zuwmlen war die Oeffnung
des Hohlraumes auch kleiner, al6 sein übriges Lumen, so
dass ein solcher einem Drusenbalg glich. Auch völlig ge-
schlossene, mit graurötblicher Gallertmasse gefüllte Bläschen
waren vorhanden. Manche der Hohlräume standen in Corn-
munication. Da, wo viele dicht beisammen lagen, erhielt die
Decidua ein fächeriges, bienenwabartiges Ansehen. Oefftiungen
an der äusseren Fläche wurden nicht bemerkt.
3. Eactravaaate der Reflexa.
Man kann, je nach dem Sitz, drei Arten der Extravasate
unterscheiden.
a) Blutergusse an der Aussenfläche der Reflexa und in
der Höhle zwischen Vera und Reflexa. Diese stammen oft
aus der Vera, aus einem Erguss, welcher diese zertrümmert
und bis auf die Reflexa gelangt oder aus der Serotina, wobei
eine Partie der Umschlagsstelle zerrissen wurde. Häufig ist
die ganze Oberfläche der Reflexa von theils flüssigem, tlieils
coagulirtem Blute bedeckt. Die Coagula sind oft sehr ver-
schieden metamorphosirt Nicht selten liegen schichtweise
spaltbare, entfärbte, weisse Fasersloflmassen fest an der
Membran auf. In der Nähe der Umsdilagsstelle sind die
Gerinnsel zuweilen sehr massenhaft, eingefilzt zwischen ifie
zerrissenen Gewebstheile der Vera und Reflexa und zwischen
die zarten Brücken und Fäden, welche zuweilen jene Mem-
branen in der Nähe des Umschlags verbinden. Auch sieht
1) O. c. 8. 33.
und snm Abort in -den ersten Schwangeräobaftamonaten. 23
man oft gestielte, lappige oder kolbenförmige Gebilde in den
Zwisefaenrautn beider Hmite herabhängen. Diese Gebilde be-
stehen aas Blut- oder Faserstoffniassen, bekleidet von einer
dünnen Gewebaschichte. An dem unteren Eipol fand ich
häufig Blutei*güsse, welche das Gewebe der Vera und Reflexa
zertrümmernd, geschichtete Lagen oder wulstige Körper
oder traubenförmige, gestielte Anhänge darstellten, ebenfalls
aus BlutcoaguUs bestehend und von Gewebsschichten umhüllt.
(Fig. 1). Bei dem Ei, welches einen vollständig geschlossenen
Sack zwischen Vera und Reflexa besass, fand sich an jener
Stelle ein festes Coagulum, welches beide Membranen verklebte.
b) Blutergüsse zwischen Refleia und Chorion. Diese
sind, meinen Beobachtungen nach, oft secundär und stammen
aus der Seroüna. Ihre Form und Ausbreitung ist sehr ver-
schieden, je nach Grösse und Masse des Extravasats, nach
seinem Sitze und Metamorphose. So ist oft der ganze Raum
zwischen Chorion und Reflexa durch ein gleichförmig rothes
oder schwarzrothes , festes oder weiches Coagulum einge-
nommen. Dasselbe erreicht an einzelnen Stellen eine Dicke
von 2 — 4 Centimeter. Springt es an solchen in Höckern
oder Buckehi nach der Chorionhöhle zu vor, so entstehen
die vielgenannten bosselures Velpeau*», Gewöhnlich ist ein
Theil der Reflexa in bedeutend geringerem Grade von dem
Extravasate eingenommen und es ist dies stets die Wand des
Eies, welche am entferntesten von der Serotina liegt. V^äbrend
der Erguss an anderen Stellen obige Dicke besitzt, bildet
er an jener Wand oft nur eine dünne Lage von 2 — 3 Milli-
meter Dicke oder fehlt ganz. Die plattgedrückte Eihöhle
wird alsdann ganz nach dieser Seite hingeschoben und kann,
wenn sie keine Fötalgebilde enthält, leicht übersehen werden.
— Die Zotten des Chorions sind in dem massenhaften Coa-
gulum oft schon theilweise atrophirt. Man sieht sie auf dem
Durchschnitte meist als zarte Fäden und Balken von einer
Membran zur andern ziehen.
Ist der Erguss weniger massenhaft, so findet man den-
selben gewöhnlich stark nur in der Nähe der Serotina, während
an anderen Stellen bloss vereinzelte rothe oder entfärbte Coa-
gula streifig zwischen den Zotten stecken (Fig. 5). Zuweilen
24 ^* HegoTy Beitrftg^e snr Pathologie des Eies
scheint sich der Erguss zu senken. So fand idi am unteren
Eipole ein starkes Coagohim, in der Mitte des Eies eiozeloe
Gerinnsel zwischen den Zotten und in der Nähe der Serotina
wieder einen starken Erguss. (Dieselbe Figur). — Bei einem
Ei hatte der Erguss das Cborion durchbrochen und war in
die Eihöhle gelangt. (Fall 6, Fig. 7).
c) Blutergusse in das Parenchym der Reflexa. Die Mem-
bran ist verdickt, gelbroth, roth, schmutzig braunroth gefärbt,
gewöhnlich der Länge nach, in blättrige Schichten leicht spalt-
bar. Zuweilen ist die Reflexa in ihrem Gewebe stark durch
das Extravasat destruirl, so dass sie in dünne Lappen, ge-
stielte, traubenformige Massen auseinanderfallL Doch ist dies
meist nur an einzelnen Stellen der Fall.
Man hat den Blulextravasaten der Reflexa die ver-
schiedensten Folgen zugeschrieben. So sollen durch Or-
ganisation des Ergusses feste Verwachsungen des Chorions
mit der Reflexa, dieser mit der Vera entstehen. Ich habe
nichts der Art beobachten können. — Auch nahm man an,
dass diese Apoplexien, besonders die zwischen Reflexa und
Chorion, durch Compression der Eihöhle das Absterben, den
Schwund und zuletzt die vollständige Resorption des Embryo
hervorbrächten. Es ist mir das für die meisten Fälle selur
unwahrscheinlich. Oft lässt sich, bei Gegenwart einer voll^
ständig leeren Eihöhle, aus der Beschafienheit des Extravasats
dessen ganz frischer Ursprung nachweisen. Auch findet man
häufig andere pathologische Processe, wie insbesondere Dege-
neration der Decidua, welche den Tod des Fötus weit ge-
nügender erklären, als jener Druck von Seiten der apoplec-
tischen Heerde. Ausserdem findet man bei Gegenwart starker
Blutergüsse den Fötus oft gut erhalten oder einen kleinen
Embryo aus den ersten Schwangerschaftswochen, während
das Ei selbst dem zweiten bis dritten Monate angehört Es
ist dies ein Beweis, dass andere Ursachen zur Resorption
des Fötus einwirken müssen. Ueberhaupt ist wohl für die
grosse Mehrzahl der Fälle die Annahme sicher die plausibelste,
dass das Extravasat nur als Endproduct anderer pathologischer
Processe auftritt Icli werde hierauf noch weiter zurück-
kommen.
and sam Abort in den ersten Sehwangersohaftemonaten. 2Ö
4. BjEcadaiivprooeMe der Reflexa.
Hierober fehlen mir alle Beobachtungen. Auch fand ich
in der Literatur keine Beschreibung, welche für das Vorkommen
eines solchen Processes spricht. —
Die aus Bindegewebe bestehenden Fäden und Lamellen,
welche zuweilen zwischen Vera und Reflexa, besonders in der
Nähe der Umschlagsstelle, ausgespannt sind, sind nicht mit
Bestimmtheit als Producte eines entzündlichen Vorgangs zu
deuten. Es mag diese Vereinigung beider Membranen in der
ursprunglichen Bildung liegen.
Bekannt ist die feste Adhäsion der Eihäute an der Uterin-
wand, wie sie nicht selten, auch bei ausgetragenen Frachten,
beobachtet wird. Man findet an der Aussenfläche des Cho-
rions mehr oder weniger dicke (bis zu einigen Linien), ge-
wfihntich weiche, schwammige, zuweilen mit Geßssen ver-
sehene, selbst placentaähnliche Auflagerungen. Da mir die
Annahme einer Verwachsung der Reflexa und Vera unter
normalen Verhältnissen nicht gerechtfertigt erscheint, so ist
dieser Befund entweder einem entzündlichen Processe, welcher
mit Exsodation, Verklebung beider Membranen, Verklebung
mit der Uterinwand endigte oder einem Bildungsfehler zu*
zuschreiben. Letzteres erscheint mir als das wahrscheinlichste
und ich glaube, dass au solchen Stellen die Vera und Reflexa
nicht geschieden waren, dass hier eine stärkere Zotten- und
Gefässent Wickelung eintrat, welche die feste Verbindung bis
zum Ende der Schwangerschaft bewirkte.
C. Pathologie der Decidua serotina.
1. Abnorm geringer Umfang und Atrophie der Serotina.
Bei der anatomischen Beschreibung der Serotina wurde
bereits erwähnt, dass dieselbe zuweilen sehr wenig umfang-
reich sei (Fig. 12 — 14). Tn solchen Fällen tritt nur ein sehr
kleiner Theil des Eiumfanges, wie ein Abschnitt des oberen
Poles, ein Abschnitt des seitlichen Umfangs in unmittelbare
Berührung mit der wandständigen Uterinschleimhaut. Man
findet hierbei die Serolina meist auffaUend verlängert, so dass
sie eine stielartige Form annimmt Die Drüsen und Drüsen-
aggregate sind in die Länge gezogen, so dass sie als spitze
26 I- Hegar, Beiträge 211 r Patholo{?ie de« Eie«
Zotten und Höcker über die FiSche hervorragen (Fall 10,
Fig. 11). Bei höheren Graden ist die Serotina, stielartig
verlängert, in die Scheide der Reflexa hineingezogen, in deren
unterem Abschnitt die Chorionblase liegt (Fall 13, Fig. 19).
So beschreibt Rokitansky den Serotinastiel eines Eies als
sehr wenig umßnglich, aus einem Büschel ausserordentlich
verlängerter Utriculardrusen bestehend, und von einer becher-
förmigen Reflexascheide umgeben. —
Das Ei ist in seiner Lage befestigt durch die Reflexa,
in welcher es gleichsam hängt, durch die Stütze der um-
gebenden Uterin wand und durch die Serotina, durch welche
es mit der Gebärroutterfläche in Counex steht.
Ist die Serotina von sehr geringem Umfange, so wirkt
die Schwere des Eies zerrend auf diesen Ansatz. Die Ge-
fasse werden in die Länge gezogen, comprimirt, das Gewebe
wird atrophisch und es kommt so allmälig zur Lostrennung
des Eies. Auch kommt es leicht durch die Zerrung der
Gefasse zu Extravasaten, welche die Serotina zuweilen so
vollständig destruiren und den Stiel des Abortiveies so un-
kenntlich machen, dass er bloss aus Faserstoflinassen und
Blutcoagulis, umkleidet von einer Deciduaschichte, zu bestehen
scheint, wit' er vielfach von den Autoren beschrieben wird.
Bei den Apoplexien der Serotina wird davon weiter die Rede sein.
Ausser der ursprunglichen Kleinheit tragen zur Bildung
eines solchen Serotinastieles noch alle Momente wesentlich
bei, welche den Halt des Eies in der Uterinhöhle verringern.
Mangelhafte Entwickelung der Reflexa, vorzeitige Atrophie
derselben, Erscblaflung der Gebärmutterwand, besonders io
ihrem untern Abschnitte, abnorme Weite des Innern Mutter-
munds, zu grosse Oefl'nung der Vera an dieser Stelle, höhlen-
artige Ausdehnung des Cervicalkanals sind hierher zu rechnen.
Bei bedeutender Grösse der Serotina werden solche Ver-
hältnisse weniger zur Geltung gelangen, als bei geringer
Ausdehnung. Auf der andern Seite wird diese von weniger
Belang sein, sobald alle Jene ungünstigen Momente weg-
fallen. Es kommen sehr kleine Placenten bei vollständig
ausgetragenen Früchten zuweilen vor. —
Rokitansky nimmt auch an, dass vorzeitige Uterin-
contractionen das Ei in den unteren Gebärmutterabschnilt und
and snm Abort in den ersten Schwangerschaftsmonaten. 27
in den weiten Hals hineinlreiben und . so die Serotina stiel*
artig yerlängern.
Nicht selten findet man die Serotina, sie mag einen
normalen oder abnormen Umfang besitzen, in einem Zustande
der Atrophie, wie er bei der Vera beschrieben wurde. Ge-
wöhnlich sind dabei alle Theile der hinfSBigen Haut gleichzeitig
erkrankt. Die Serotina ist von geringer Dicke, hat sehr
zahlreiche, weite Dnlsenlöcher. Die Aussenfläche ist streifig,
ohne vorragende Höcker, mit sich loslösenden, zarten, weissen
Läppchen bedeckt, in ihrem Gewebe leicht zerreisslich, zu-
weilen selbst matsdi. Die Gewehselemente sind in einem
mehr oder weniger vorgeschrittenem Zerfall begriffen. Man
bemerkt mit feinkörniger Masse erfüllte Spindel- oder poly-
gonale, runde Zellen, in amorphem fettreichem Detritus ein-
gebettet oder es findet sich eine streifige Grundsubstanz,
bedeckt von fetthaltiger, amorpher Masse oder man sieht nur
eine molekulare Masse, in welcher zahlreiche, runde und ovale
Kerne liegen.
2. Hypertrophie der Serotina.
Man sieht zuweilen die Dnisen und Drusenaggregate der
Serotina so dichtgedrängt nebeneinanderstehend, dabei massen-
haft, breit und laug, dass man eine Anomalie anzunehmen
versucht ist. Bei der Serotina des Falles 4, dessen Vera die
Drnsenhypertrophie und cystöse Entartung zeigte, schien es,
als ob der krankhafte Process sich auch auf jene Men)braii
fortgepflanzt habe. Wenigstens zeigten die nicht zu bedeutend
durch Bluterguss veränderten Stellen der Serotina so breite
Hervorragungen und Höcker, dass eine solche Annahme ge-
rechtfertigt erschien.
Sicher ergab sich aus meinen Untersuchungen eine hyper-
trophische Entwickelung der Serotina in Bezug auf ihre Aus-
dehnung. Dieser Theil der Decidua hat nicht ganz selten
einen abnorm grossen Umfang. In dem Falle 8 nahm die
Serotina mehr als die Hälfte der Eiperipherie ein. In dem
Falle 5 nahm sie etwa die Hälfte derselben ein. Wird ein
solches Ei ausgetragen, so hat sich eine enorm grosse Pia-*
centa gebildet, welche nicht selten bis in den Cervix oder
bis zum inneren Muttermunde reicht So wurde im Falle 8
28 ^ Begar, Beitrüge ear Pathologie def Eieg
die Iheii weise Insertion der nidimentären Placenta im Hals-
kanal der Gebärmutter nachgewiesen. Es kommt zur Bildung
der Placenta praevia. Ich suche eine Ursache dieser ge-
fürchteten Anomalie in einem Fehler der ersten Bildung, in
einer zu umfänglichen Serotina. Eine abnorme Grösse des
Mutterkuchens bei Placenta praevia ist auch von vielen Au-
toren ausdrücklich erwähnt. Ich fand dies ebenfalls in drei
Beispielen bestätigt. In dem einen konnte ich bei der Ob*
duction der vier Stunden nsich der gewaltsamen Entbindung
verstorbenen Wöchnerin die Grösse der InsertioussteUe des
umfänglichen Mutterkuchens nachweisen. Diese nahm die
ganze vordere Wand des Uterus, einen Theil der Seiten-
fläche ein und erslrekte sich vom Fundus bis einige Conti*
meter in den Cervix hinein. In dem zweiten Falle hatte die
Placenta ebenfalls einen sehr bedeutenden Umfang und in
dem dritten waren zwei grosse, getrennte Zwillingsplacenten
vorhanden.
Meist wird die abnorme Ausdehnung der Serotina zum
Abort führen. Die Ausdehnung des Uterus hält, besonders
im unteren Abschnitte, keinen gleichen Schritt mit dem Wachs-
thume des Eies. Es entstehen Zen*ungen der Uteroplaoentar-
gefösse, Extravasate und Loslösung der Verbindung des Eies
mit der Gebärmutter. So waren solche Exti*avasate in der
Placenta bei den, Fall 5 u. 8, beschriebenen Eiern die nächste
Ursache der Fehlgeburt.
3. Extravasate der Serotina.
Die Serotina wird einstimmig als der Theil der hin-
falligen Haut bezeichnet, in welcher primäre Blutergüsse am
häufigsten vorkommen. So bemerkt E. Müüer,^) dass oil
bloss der Theil der Decidua, in welchen die Chorionzotten
sich einzusenken begriffen sind, durch Blutextravasat ver-
ändert sei, während sich der übrige Umfang normal verballe.
Auch Scanzoni^) spricht sich dahin aus, dass die Bildungs-
stätte der Placenta am häutigsten Extravasate zeige. Bekannt
1) 0. c. S. 86.
2) Beitrag zar Pathologie d. menschl. Eies. Prager Viertel-
jahraichrift, 1849, I. Bd., 8. 34.
uud zniu Abort in den ernten Schwange rschaftstnonateu. 29
ist das sehr gewöhnliche Yorkommen alter Extravasatresle
in den Kuchen reifer oder doch schon weiter entwickelter
Pröcbte.
Die Form der Blutergüsse ist eine verschiedene. Zu-
weilen ist die ganze Membran ziemlich gleichmässig mit Blut
infiltrirt, ohne dass einzelne bedeutendere Heerde sieh auf-
finden lassen. Das Gewebe ist weich, succulent; auf dem
Durchschnitte quellen zahlreiche Blutpunkte vor. Die Ober-
fläche ist sehr ungleich. Die Drüsenhöcker sind breit und
ausgedehnt.
Häufiger sind mehr oder weniger ausgedehnte, massen-
hafte Heerde. So findet man oft eine dicke, rothe, schwarz-
rothe oder entfärbte Coagulumschichte zwtschen Ghorion und
Serotina. Die Zotten durchdringen als zahlreiche, weisse
Fäden den Blutheerd, ähnlich wie bei den Extravasaten
rwischen Chorion und Reflexa. Das Gewebe der Serotina ^
ist zuweilen wenig oder nicht betheiligt und diese nur von
dem Chorion abgedrängt. Meist jedoch sind Ergüsse im
Parenchym der Serotina selbst vorhanden. Eine der häufigeren
and sehr charakteristischen Formen besteht m cylindrischen,
ober die Oberfläche der Membran von*agenden Wülsten, welche
eine Länge von 1 — IV2, eine Breite von V^ — 1 Cenlimeler
besitzen. (Vergl. Fall 4 u. 6, Fig. 7). Eine solcher Wulst
hat einen 1 — 2 Millimeter dicken üeberziig von Decidua-
gewebe uud man kann meist deutlich die Sieblöcher darauf
erkennen. Im Innern findet sich ein mehr od^r weniger
entfärbtes Coagulum, welches jedoch das Innere nicht gleich-
massig ausfüllt, sondern durch weissliche, lamellöse Septa,
welche in verschiedenen Richtungen verlaufen, geschieden
ist. Nach dem Chorion zu, sieht man Zotten zwischen den
Lamellen, welche oft fächerförmig auseinanderlaufen, ein-
dringen. Ein solcher Wulst entsteht dadurch, dass ein apo-
plectischer Erguss in ein grösseres Drüsenaggregat erfolgt
Man bemerkt daher auf dem Längsdurchschnitt die durch-
geschnittenen Wandungen der einzelnen Drüsen als weissliche
Lamellen, gewöhnlich in schiefen Richtungen, das Innere
durchziehen. —
Diese Form der Extravasate kommt vorzugsweise, doch
nicht ausschliesslich, in der Serotina vor, weil hier sich die
i
^
^
2a I. H«^ar, Beitr&ge »ur Pathologie de* B^*^
die Iheilweise Insertion der rudimentären Place»»^ ,
kanal der Gebärmutter nachgewiesen. Es kommt «^ j. ^^
der Placenta praevia. Ich suche eine Ursache ^ ^ | i
fürchteten Anomalie in einem Fehler der «^^^^ ^ "^ ^
einer zu umfänglichen Serotina. Eine abnaf'^
Mutterkuchens bei Placenta praevia ist aii^'^ ^ ^ ^
toren ausdrucklich erwähnt. Ich fand d'| f- ^' ^ |
Beispielen bestätigt. In dem einen ki?|f g- ^' ^^
duction der vier Stunden noch der /| ^ f ^' ^' :ä f^
vei-storbenen Wöchnerin die Grösy/ ^^ I 1 '^^ ^ ^ f^
umfönglichen Mutterkuchens nac' l\'f.\>% % gl '
ganze vordere Wand des üter/ | ^ I |J' f' | 1 'j
fläche ein und erstrekte sich/^ f ^ - i; ^- ^ t^ ^
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Placenta ebenfalls einen ./^ I l" | f ^
dem dritten waren zweV <;, | g, •
I a I
vorhanden. * / | *?
Meist wird die / ^ ^ **^ bedeutead
Abort fähren. D'// ^ ^.uehnt. Oft sind sie
im unteren Absc» '/ -^ vergrössert. In anderen
thume des Eie .. ^ - usenhöcker auseinandergesprengt,
gefösse, Exr -.ugsweise nach der Spitze zu, so ent-
mit der C .iissenen laraellösen Scheidewände nach Art
Placenta -• (S- Fig- 2 u. 11). Nach dem Chorion zu
Ursach j der Stamm des Höckers noch unterscheiden, welcher
oh&a in Blätter auseinandertällt. Schreitet der Process
/^ vor, so wird die ganze Serotina in blättrige Lamellen
^andergerissen , welche eine Neigung zum Zusammen-
tuen besitzen. — Ist der Erguss sehr massenhaft, so ver-
schwindet jede Form, bis auf einzekie geschichtete, durch
faserstoffmassen verdickte, blättrige Lagen.
Ist die Placentenbildung vorgeschrittener, in welchem
Falle die Höcker der Serotina weit flacher sind und der
Oberfläche nur ein mehr oder weniger ausgeprägtes, wellen-
förmiges Ansehen geben, so kommen die erstbeschriebenen
1) O. c. 8. 38.
2) Beobachtungen über Molen. Zeitschr» d. Gesellschaft Wiener
Aerzte. II. Jahrg., 1846. I. Bd., S. 3G6.
V
rt in den ersten Sehwangerschaftsmonaten. 31
mehr vor. Doch kann man auch dann noch
nlagerung der Extravasate zwischen die, nun
L^ker eingewucherten Zotten de» Chorions aus^^
:en Septa der Drusen wahrnehmen. In Fig. 6
schnitt einer in Bildung hegi*iflenen Placenta
her durch die Blutergüsse die Lamellen der
r auseinandergedrängt waren.
'ge der Serotinaapoplexien betrifft, so
'nen stets zum Abort. Der Erguss
'ben Reflexa und Chorion, zerreisst
stelle und gelangt so zwischen
v^ veränderte Apoplexien in der
Beschaffenheit nach offenbar
sprechen übrigens dafür,
selbst ausgedehnte Exlra-
. nj-nährung des Eies bis an das
ouaft forlbestehen können. Ob diese
Organisation iahig sind, ist sehr zweifelhaft
.iiiicher erscheint es, dass sie durch den Reiz auf
llmgebung eine stärkere Gewebswucherung, vielleicht
ucb ^^^^ adhäsiven Entzundungsprocess hervorrufen können.
Uas zuweilen selu* feste Anhaften des Stiels der Blut- oder
pi^gcbinole und das, wenn auch nicht häufig beobachtete,
laDg^ Verbleiben eines solchen degenerirten Eies in der Uterin*
l^e spricht dafür.
Da die apoplectischen Ergüsse der Serotina in den
meisten Fällen von Abort der ersten Schwangerschaftsmonate
als die nächste Veranlassung der Fehlgeburt zu betrachten
sind, so erscheint ihre Aetiologie von besonderem Interesse.
Sdien siod diese Extravasationen primär. Selten sind sie
durch eine plötzlich eintretende Hyperämie hervorgerufen.
Gewöhnlich ist in länger bestehenden Abnormitäten der
Decidua und der eigentlichen Fötalgebüde die Ursache des
hämorrhagischen Voi^angs zu suchen. Zu diesen Ursachen
rechne ich abnorm geringen und abnorm grossen Umfang
der Serotina, Atrophie derselben, hypertrophische Entwickeluug
da* Drüsensubstanz. Ausserdem ist aber noch das Absterben
des Embryo, die mangelhafte oder nicht stattfindende Ent-
Wickelung des Fötalkreislaufs, die fehlerhafte Insertion der
24 ^- Stgar^ Beitrftg^e sar Pathologie des Eies
scheint sich der Ergnss zu senken. So fand ich am unteren
Eipole ein starkes Coagulum, in der Mitte des Eies einzelne
Gerinnsel zwischen den Zotten und in der Nähe der Serotina
wieder einen starken Erguss. (Dieselbe Figur). — Bei einem
Ei hatte der Erguss das Chorion durchbrochen und war in
die Eihöhle gelangt (Fall 6, Fig. 7).
c) Blutergusse in das Parenchym der Reflexa. Die Mem-
bran ist verdickt, gelbroth, roth, schmutzig braunroth geförbt,
gewöhnlich der Länge nach, in blättrige Schichten leicht spalt-
bar. Zuweilen ist die Reflexa in ihrem Gewebe stark durch
das Extravasat destruirt, so dass sie in dünne Lappen, ge-
stielte, traubenförmige Massen auseinanderfallt Doch ist dies
meist nur an einzeJnen Stellen der Fall.
Man hat den Blutextravasaten der Reflexa die ver-
schiedensten Folgen zugeschrieben. So sollen durch Or-
ganisation des Ergusses feste Verwachsungen des Chorions
mit der Reflexa, dieser mit der Vera entstehen. Ich habe
nichts der Art beobachten können. — Auch nahm man an,
dass diese Apoplexien, besonders die zwischen Reflexa und
Chorion, durch Compression der Eihöhle das Absterben, den
Schwund und zuletzt die vollständige Resorption des Embryo
hervorbrächten. Es ist mir das für die meisten Fälle sehr
unwahrscheinlich. Oft lässt sich, bei Gegenwart einer voll-
ständig leeren Eihöhle, aus der Beschaffenheit des Extravasats
dessen ganz frischer Ursprung nachweisen. Auch findet man
häufig andere pathologische Processe, wie insbesondere Dege-
neration der Decidua, welche den Tod des Fötus weit ge-
nügender erklären, als jener Druck von Seiten der apoplec-
tischen Heerde. Ausserdem findet man bei Gegenwart starker
Blutergüsse den Fötus oft gut erhalten oder einen kleinen
Embryo aus den ersten Schwangerschaftswochen, während
das Ei selbst dem zweiten bis dritten Monate angehört Es
ist dies ein Beweis, dass andere Ursachen zur Resorption
des Fötus einwirken müssen. Ueberhaupt ist wohl für die
grosse Mehrzahl der Fälle die Annahme sicher die plausibelste,
dass das Extravasat nur als Endproduct anderer pathologischer
Processe auftritt, loh werde hierauf noch weiter zurück-
kommen.
tiiid Bam Abort in den ersten Scbwangersehaftsmonaten. 2ö
4. Sawadaiivprocesae der Reflex«.
Hierüber fehlen mir alle Beobachtungen. Auch fand ich
in der Literatur keine Beschreibung, welche fQr das Vorkommen
eines solchen Processes spricht —
Die aus Bindegewebe bestehenden Fäden und Lamellen,
welche zuweilen zwischen Vera und Reflexa, besonders in der
Nähe der Umschlagsstelle, ausgespannt sind, sind nicht mit
Bestimmtheit als Producte eines entzündlichen Vorgangs zu
deuten. Es mag diese Vereinigung beider Membranen in der
ursprünglichen Bildung liegen.
Bekannt ist die feste Adhäsion der Eihäute an der Uterin-
wand, wie sie nicht selten, auch bei ausgetragenen Früchten,
beobachtet wird. Man findet an der Aussenfläche des Cho-
rions mehr oder weniger dicke (bis zu einigen Linien), ge-
wöhnlich weiche, schwammige, zuweilen mit Gelassen ver-
sehene, selbst placentaähnliche Auflagerungen. Da mir die
Annahme einer Verwachsung der Reflexa und Vera unter
normalen Verhältnissen nicht gerechtfertigt erscheint, so ist
dieser Befund entweder einem entzündlichen Processe, welcher
mit Exsudation, Verklebung beider Membranen, Verklebung
mit der Uterinwand endigte oder einem Bildungsfehler zu-
zuschreiben. Letzteres erscheint mir als das wahrscheinlichste
und ich glaube, dass au solchen Stellen die Vera und Reflexa
nicht geschieden waren, dass hier eine stärkere Zotten- und
Gefässentwickelung eintrat, welche die feste Verbindung bis
zum Ende der Schwangerschaft bewirkte.
C Pathologie der Decidua serotina.
1. Abnorm geringer Umfang and Atrophie der Serotina.
Bei der anatomischen Beschreibung der Serotina wurde
bereits erwähnt, dass dieselbe zuweilen sehr wenig umfang-
reich sei (Fig. 12 — 14). In solchen Fällen tritt nur ein sehr
kleiner Theil des Eiumfanges, wie ein Abschnitt des oberen
Poles, ein Abschnitt des seitlichen Umfaugs in unmittelbare
Berührnng mit der wandständigen üterinschleimhaut. Man
findet hierbei die Serotina meist aufiaUend verlängert, so dass
sie eine stielartige Form annimmt Die Drüsen und Drüsen-
^Sgregate sind in die Länge gezogen, so dass sie als spitze
34 I- Hegar, Beiträge zur Pathologie des Eies
kleiner Körper auflinden, von dem ein zarter, feiner, weisser,
gewundener Faden nach dem Nabelstrange zu lief.
Verkümmerte Embryonen wurden in zwei Fällen entdeckt.
Einmal war der Embryo nur 2 — 4 Millimeter lang, so dass
er etwa dei; zweiten bis dritten Scliwangerschaflswoche ent*
sprach, während das Ei, seiner Grösse und dem Menstruations-
termine nach, der siebenten bis neunten Woche angehörte.
Der Embryo hing mittels eines kurzen, feinen, weissen
Fädchens an einer Stelle der Eihäute, welche der Reflexa
entsprach, weit entfernt von der Serotina. Der zweite Embryo,
1 Ceutimeter lang, stammt aus einem Ei, welches fünf bis
sechs Monate getragen wurde. (Fall 8).
Ein wohlerhaltener Fötus, dessen Entwickelung der des
gesammten Eies und der muthmaasshchen Schwangerschafls-
dauer entsprach, wurde nur ein Mal aufgefunden.
Ehe ich zur Mittheilung eim'ger der interessanteren Be*
obachtungen übergehe , welche der vorliegenden Arbeit zu
Grunde liegen, erlaube ich mir noch einige Bemerkungen
über die Fehlgeburt der ersten Schwangerschafts-
monate im Allgemeinen. Die Wichtigkeit dieses Gegen-
standes, sowohl in praktisch-geburtshülf lieber, sowie in ge-
richllich-medicinischer Beziehung wird einige Weitläufigkeiten
rechtfertigen.
Die Zahl der Fehlgeburten in den ersten zwei bis
drei Monaten der Schwangerschaft ist eine ausserordent-
lich bedeutende. Es gelang mir, innerhalb eines halben
Jahres 35 Abortiveier zu sammeln. Nur etwa acht meiner
CoUegen steuerten hierzu bei und fast alle Objecto stammten
aus meiner Vaterstadt. Die Zahl der rechtzeitigen Geburten
beträgt daselbst jährlich etwa 650. Es ist mir gewiss bloss
ein kleiner Theil der stattgefundenen Abortfälle innerhalb eines
halben Jahres zugekommen. Die grösste Mehrzahl meiner
CoUegen hat mir keine Objecte übergeben und eine gute
Zahl solcher Fehlgeburten, selbst abgesehen von solchen,
welche aus verbrecherischer Absicht erregt sind, geht ohne
Zuziehung eines Arztes vorüber oder wird selbst von diesem
übersehen. Es ist schwer, in solchen Dingen eine Schätzung
and snm Abort in den ersten SchwangerBcbuftsmonaten. 35
anzustellen. Doch glaube ich nicht in der Annahme zu irren,
dass auf acht bis zehn rechtzeitige Geburten wenigstens
ein Abort der ersten Schwangerschaftsnjonate fallt
Die Entstehung der pathologischen Verände-
rungen oder Bildungsanomalien, welche* man als
die primäre oder Hauptursache der Fehlgeburt zu
betrachten hat, fällt fast nie mit dem Zustande-
kommen des Aborts, mit der beginnenden Aus-
stossung des Eies zusammen. Die Fälle sind selten, in
welchen nach Einwirkung eines Trauma, einer Gemuthsbewegung,
einer fieberhaften Krankheit, ein apoplectischer Erguss in die
Eihäute gesetzt wird, der soiort zur Lostrennung und Aus-
scheidung des Eies fuhrt Ich konnte nur ein einziges Beispiel
dieser Art auffinden. Ueberhaupt hat man, wie ich glaube,
mit Unrecht einer reinen Hyperämie der Eihäute mit folgende]-
Extravasation, eine grosse Rolle bei Entstehung der Fehlgeburt
zugetheilt Es ist allerdings richtig, dass fast jedes Abortivei
hämorrhagische Ergüsse an der Oberfläche und im Gewebe
seiner Membranen zeigt. Diese Blutergüsse sind jedoch, wie
sich Jeder leicht überzeugen kann, oft von keinem sehr alten
Datum. Sie sind Begleiterscheinungen eines jeden Aborts
und häufig erst während der beginnenden Wehenthätigkeit,
während der Ausstossung des Eies entstanden. Die Gelegen-
heitsursache der Fehlgeburt ist oft ein Trauma oder eine
heftige Gemuthsbewegung und unter der Einwirkung dieser
Gelegenheitsursache entstehen Contractionen des Uterus und
Hämorrhagieen. Man findet aber gleichzeitig an dem Ei meist
verschiedenartige, pathologische Veränderungen anderer Art,
deren Entstehung nachweisbar sehr weit zurückfallt und nicht
selten in die erste Zeit nach der Couception datirl. Diese
Veränderungen sind es, welche man als primäre und Haupt-
ursache des Aborts anzusehen hat. Sie sind es, welche
früher oder später nothwendig zur Ausstossung des Eies
führen mussten und welche erst die Pradisposition zu Apo-
plexien herbeiführten.
Diese pathologischen Veränderungen oder Bildungs-
anomalien lassen sich in zwei Kategorien bringen, je
nachdem sie mehr dem mütterlichen oder mehr
dem fötalen Antheil der Eigebilde angehöreiL Zu
8*
36 '• Hegar^ Beiträge zur Pathologie des Eies
dem mütterlicheD Theil gehört die Decidua in ihren ?er-
schiedenen Abschnitten, zu dem fötalen der Elinbryo mit
Nabelslrang, Chorion und Amnion. Die Entscheidung, welchem
dieser Theile die primäre Veränderung zukommt, ist in be-
stimmt ge*gebenen Fällen oft eine äusserst schwierige. Die
Veränderungen des einen Antheils bringen sehr bald Ver-
änderungen des andern hervor. Doch glaube ich, dass mau
den Unterschied beim Studium des Aborts mit Vort})eil fest-
hält. Das Ei erhält, schon durch den Einfluss des Spermas
eine selbstständige ßewegungsrichtung. Es ist ihm, auch un-
abhängig von der Mutter, ein bestimmter Bildungstypus vor-
gezeichnet. Es kann also selbstständig erkranken, selbst-
ständig missbildet werden. Indem die älteren französischen
Geburtshelfer dieser Anschauungsweise Rechnung trugen, be-
zeichneten sie ein degenerirtes Ei als faux-gerrae. — Andrer-
seits wirken allgemeine Krankheitszustände der Mutter und
locale AiTectionen im Generationsapparate derselben wesentlich
auf die Bildung und Entwickelung des Eies ein. Das Organ,
durch welches diese Einflüsse schliesslich auf das Ei über-
tragen werden, ist die hypertrophirte Uterin Schleimhaut, die
Decidua, durch deren Vermittelmig das Ei in der ersten Zeit
sein Ernährungsmaterial bezieht. Das Studium der Decidua
und ihrer pathologischen Veränderungen bleibt daher der
Uauptweg, auf welchem wir zur Kenntniss des Einflusses
gelangen, weichen der mutterliche Körper auf die Entwickelung
des Embryo ausübt. Es existirt freilich noch ein anderer
Factor, durch welchen der mütterliche Organismus die Frucht
influenzirt. Dies ist der directe Austausch zwischen dem
Blut der Mutter und den Säften des Embryo. Aliein hier
liefern die Untersuchungen noch zu wenig Anhaltspunkte,
um ein Resultat von weilerer Forschung erwarten zu können.
Auch muss man unterscheiden zwischen der Einwirkung,
welche eine veränderte Blutbeschaflenheit durch den Aus-
tausch der Säfle der Mutter und des Embryo ausübt und
der Einwirkung, welche eine veränderte Blutbeschafi'enheit
auf die Bildung der Uterinschleimhaut hat. Letztere Ein-
wirkung ist constatirt und der Untersuchung zugänglicher.
Ich erinnere in Bezug hierauf an die Uterinkatarrhe bei
Anämischen, an die Bildung der Decidua menstrualis bei
and anm Abort in den ersten SchwangerschAftsmonaten. 37
Sehwäcbezuständen, an die Bildung der Pseudodecidua bei
verschiedenen Krankheiten.
Die pathologischen Zustände des mütterlichen
Antheils, welche man unter den Ursachen des Aborts auf-
Täbrenkann, sind, wie ich glaube, folgende: Primärer Bildungs-
mangel der Beflexa, acquirirter Schwund der Reflexa, abnorm
geringer und abnorm zu grosser Umfang der Serotina, Hyper-
trophie der Drüsensubstanz und Kystenbildung der Vera und
wohl auch der Serotina, die von Virchow beschriebene
interstitieUe Hypertrophie der Vera, Exsudationsprocesse dieser
Membran, vorzeitige Involution und Atrophie der Vera und
Serotina. Hyperämien und Blutextravasate sind, wie es scheint,
selten die alleinige und primäre Ursache der Felilgeburt.
Alle diese Ursachen wirken in der Art auf die Hervor-
bringung des Aborts, dass sie die Verbindung des Eies mit
der Üterinwand lockern und Hyperämieen und Gelasszer-
reissungen in dem gezerrten, atrophirenden Gewebe bedingen.
Die Apoplexieeu sind demnach als secundäre Producte voraus-
gegangener, pathologischer Veränderungen zu betrachten. Diese
wirken jedoch auch noch dadurch auf das Zustandekommen
des Aborts ein, dass sie entweder die Bildung des Embryo
ganz hindern oder seiner Fortentwickelung in den Weg treten
oder den Schwund einer schon entwickelten Frucht hervor-
bringen. Da die gesammte Decidua in der ersten Schwanger-
schaftszeit zur Emährnng der Fötalgebilde dient, so ist diese
Einwirkung pathologischer Processe in jenem Organ leicht
erklärlich. Auf diese Art erklärt sich die mangelhafte Ent-
wickelung und der Schwund des Embryo viel besser, als
durch die Annahme einer Coropression, welche Blutergüsse
zwischen Reflexa und Chorion auf den Inhalt der Eihöhle
ausüben. Man hat früher auf diese Compression ein be-
sonderes Gewicht gelegt Ich habe mich schon oben gegen
diese Ansicht erklärt und die Gründe angeführt, welche da-
gegen sprechen.
Was den Einfluss von Lageveränderungen des Uterus,
Geschwülsten, Infarcten etc. auf die Eigebilde betrifft, so ist
derselbe dadurch bedingt, dass in der Decidua und in den
eigentlichen Fötalgebilden, pathologische Veränderungen, ge-
wöhnlich allmälig, gesetzt werden. Dieselben sind bedingt
N
I
38 I- Hegar^ Beiträge znr Pathologie des Eies
durch Hemmung und Stockung der Circulation und fffliren
nach und nach zur Lostrennung des Eies. So finde ich in
einem mir gerade vorliegenden Fall von Abort des vierten
Monats bei hochgradiger Retroversion des Uterus alle Ab-
schnitte der Decidua atrophisch , fettig degenerirt , stellenweise
von apoplectischen Ergüssen durchsetzt, die Placenta nur
unvollkommen gebildet, mit zahlreichen frischen und alten
Blutheerden, die Gefasse des dünnen Nabelstrangs undurch-
gängig, den 8V2 Centimeter langen Fötus missbildet, mit
offenen Kiemenspalten, zahlreichen merobranösen Anhängen
versehen. Auch die Amnionhöhle enthält membranüse und
fadenförmige Brücken und Anhänge.
Schwierig ist es, die Bildungsanomalien und Krank-
heitsvorgänge zu bezeichnen, welche, primär in
den eigentlichen Fötalgebilden entstanden, auch
als primäre Ursachen der Fehlgeburt zu betrachten
sind. Meist findet man an den Abortiveiern StrucUirver-
änderungen der Decidua, welche die Abnormitäten der Fötal-
gebilde und die Entstehung des Aborts erklären. Doch ist
dies nicht stets der Fall. Es kommen auch Objecte vor, in
welchen die hinlaUige Haut nicht in dem Grade oder in der
Art verändert ist, dass man den Tod oder den Schwund des
Embryo davon ableiten könnte. Es bleibt daher nichts übrig,
als in diesem selbst die Ursache zu suchen. Untersuchungen,
welche sich hierauf erstrecken, sind ausserordentlicb schwierig,
weil die normalen Verhältnisse noch zu ungenügend bekannt
sind. Insbesondere gilt di^s von der Art und Weise, in
welcher die Allantoisgefasse mit dem Chorion in Verbindung
treten, auf welchen Vorgang sehr viel anzukommen scheint
Das einzige Resultat, welches meine Beobachtungen ergeben,
wurde bereits erwähnt Ich fand, dass der Nabelstrang oder
überhaupt der Verbindungsstrang des Embryo (denn in einem
Falle war keine Nabelschnur vorhanden) an ^iner Stelle in-
serirte, welche nicht der Serotina, sondern einer, von dieser
entfernten Stelle der Refiexa entsprach. Einmal konnte man
noch deutlich erkennen, dass die sich theilenden Gefasse,
theilweise im Chorion nach der Serotina hinliefen, theilweise
jedoch direct nach der Reflexa hin eindrangen. — Der Embryo
atrophirt in solchen Fällen deshalb, weil er aus der weniger
ond znm Abort in deo ersten Schwangerschaftein onaten. 39
gefösßreicben Reflexa keine genügende Nahrung bezieben kann.
Kommt selbst die Verbindung mit der Serotina dadurch zu
Stande, dass ein Theil der Gefässe im Chorion nach dieser
iinläuft, so erklärt doch der langgestreckte Verlauf derselben
d«n nachtheiligen Einfluss auf die Fötalentwickelung.
Von besonderem Interesse ist die nähere Kenntniss der
Bedingungen, unter welchen die Nichtentwickelung
ode.^ der Schwund des Embryo den Abort berbei-
fährv. Auch wenn der Tod der Frucht nicht primär durch
abnorne Bildungsverbältnisse, sondern secundär durch Er-
krankungen der Decidua herbeigeführt ist, übt er doch, wie
es scheut, einen wesentlichen Einfluss auf den Gang der
Fehlgeburt aus. Dieser Einfluss kommt in der Zeit zur
Geltung, h welcher sich der Mutterkuchen entwickelt, während
die Choriorjzotten in dem übrigen Umfange des Eies atrophiren.
Der Mutterkichen kann sich nur dann vollständig bilden, wenn
der Zottencomplex, in welchen die Fötalgefasse eindringen
(PI. foetalis), mit der Serotina (PL matema) in Verbindung
tritt. Stirbt jer Embryo ab, in Folge von pathologischen
Processen in der Decidua, atrophirt er in Folge einer fehler-
haften Insertion üer AUantoisgefösse an einer Stelle der Reflexa,
wird auf irgend velche Art der Nabelschnurkreislauf gar nicht
gebildet oder wie<Ser unterbrochen, so ist die Entwickelung
einer vollständigen Placenta unmöglich. Die Serotina ist nun
an sich schon gefössreicher und in ihrem Gewebe dichter,
als die übrigen AbscJinitte der Decidua. Dieser Gefassreich-
thum steigert sich, die Bildung ectatischer Gefässräume geht
auch dann vor sich, wenn die Vereinigung der Fötalgefösse
mit den Zotten an dieser Stelle nicht stattfindet. Mit einem
Wort, die Plac. materna entwickelt sich auch dann, wenn
die Fötalplacenta nicht mit ihr in Connex tritt Man kann
die Ausbildung solcher rudimentärer Placenten nicht selten
an Eiern beobachten, welche eine leere Amnionhöhle oder
einen verkümmerten Embryo oder nur einen abgerissenen
Nabelstrang enthalten. Eine Function eines solchen rudimen-
tären Mutterkuchens kann natürlich nicht eintreten. In dem-
selben entstehen, früher oder später, Hyperämieen und Extra-
vasationen, wodurch der Abort herbeigeführt wird.
40 I* Etegar^ BeitrKge snr Pathologie des Eies
Der Zeitpunkt, in welchem die Fehlgeburl zu Stande
kommt, ist daher ein ziemlich bestimmter. Es ist das Ende
des zweiten oder der Anfang des dritten Monats, also der
Termin, in welchem die Placenta in einem raschen Ent-
wickelungsprocess begriffen ist. Es können hier die primäresi
Ursachen des Aborts in Folge der Hyperamie in der Seroti«a
leichter zur Wirksamkeit gelangen. Selbst die Eier, wekhe
eine, aus den ersten Wochen der Gravidität herröhnnde
Degeneration in sich tragen, werden noch häufig so iange
bewahrt. Uebrigens sind die Fälle, in welchen entartete Eier
auch noch länger im Uterus verweilen, nicht ganz selten.
Den bestimmten Zusammenhang einer Menstruatiorsepoche
mit dem Beginne des Aborts konnte ich nicht ermifteln.
Die Diagnose pathologischer Veränderungen des
Eies hat nur schwache Anhaltspunkte. Man hat mhaltendes,
hartnäckiges Würgen und Erbrechen, allgemeines Unwohlsein,
Abmagerung, allerlei nervöse Symptome der sogenannten
Molenschwangerschaft zugeschrieben. Allein (lese Erschei-
nungen sind zu häufig auch bei Gegenwart eines gesunden
Eies vorhanden, als dass man viel Werth darauf legen könnte.
Mehr Bedeutung ist ehier dem supponirten &hwangerschafts-
termin nicht entsprechenden Ausdehnung der Gebärmutter
zuzuschreiben. Natürlich kann dies nur beobachtet werden,
wenn die Gravidität den zweiten oder dritten Monat über-
schritten hat. In dem Falle 8, in welc^iem das degenerirte
Ei bis in den sechsten Monat getrag^^n wurde, war dies
Symptom nicht zu verkennen. Auch wurde hier eine Er-
scheinung constatirt, welche mir der weiteren Aufmerksamkeit
werth erscheint. Es betrifit dies Veränderungen der Vaginal-
portion. Man bemerkte, dass die Wände des Muttermundes
an der Stelle, welcher entsprechend das Ei im Cervix ansass,
sehr dünn, scharf, in die Höhe gezogen waren, so dass sie
wie ausgebuchtet erschienen. Zugleich fand sich hier eine
auffallende Empfindlichkeit vor. Es mag unter günstigen
Umständen gehngen, aus sokhen Abnormitäten der Vaginal-
portion zur Diagnose einer Gervicalschwangerschaft zu ge-
langen.
Die Prognose des Aborts iti den ersten Schwanger-
schaftsmonaten ist eine günstige. Die meisten Fälle
nnd TORI Abort in den ersten Schwangerechaftsmonaten. 41
gehen, bei sonst zweckmässigem Verhalten, ohoe Kunstbölfe
Yorfiber. Doch hüte man sich, die Sache auch zu leicht zu
nehmen. Es sind Todesfalle durch copiöse Blutungen zu-
weilen beobachtet worden. Häufiger, als ein solcher lethaler
Ausgang, sind hartnäckige Uterinkatarrhe, Menstruations-
störungen, Perimetritiden die Folge der Fehlgeburt. Unzweck-
mässiges Verhalten und fehlerhafte Behandlung sind hier jedoch
gewiss schuldiger, als diese selbst
Die Therapie muss wesentlich eine prophylaktische
sein. Man behandelt die Allgemeinerli rankungen der Mutter
und die localen Affectionen ihres Geuerationsapparates nach
den gültigen Regeln. — * Bei der Behandlung der Fehlgeburt
selbst möchte ich sehr vor der voreiligen, manuellen Heraus-
nahme des Eies warnen. Zur vollständigen Trennung der
nicht selten in grösserem Umfange fest adhärenten Dec. vera
und Serotina gehört eine gewisse Zeit, während welcher die
Contractionen des Uterus auf diese Gebilde einwirken müssen.
Nimmt man das Ei zu früh weg, so entfernt man gleichzeitig
den Hauptreiz, welcher die Zusammenziehungen der Gebär-
mutter bedingt. Diese lösen aber am sichersten und voll-
standigsten die festsitzenden Deciduaabschnitte los und zwar
weit besser, als die eingeführten Finger. Man giebt daher
durch die manuelle Entfernung des Eies leicht Veranlassung,
dass ein Theil jener Membranen zurückbleibt. Diese Reste
werden nur langsam abgestossen und führen Hämorrhagieen
und besonders hartnäckige, profuse Ausflüsse herbei. Man
bat in den Injectionen, dem Tampon und wehenbefördenden
Mitteln, geeignete Hülfsmittel um heftige Blutungen zu ver-
hindern oder zu massigen. Nur eine ziemlich vollständige
Lösung des Eies, bei erweitertem Muttermunde und eine,
durch kein anderes Mittel zu stillende Hämorrbagie gelten
mir als Anzeigen zur manueUen Herausnahme.
Beobachtungen.
1. Fall. Habitueller Abort im zweiten bis dritten
Scbwangerschaftsmonate. Abortiveier ohne
Fötus ü^ ' **^' 'sträng. Infarct des Uterus.
Frau ^ gesunde, kräftige Frau, hat sieben
Ttchtzeit' ehaht und zweimal, angeblich im
42 '• Hegar, Beitrüge snr Patholojj^id dos Eies
vierten Monate, abortirt Die letzte Fehlgeburt erfolgte im
Juni 1859. Die Periode trat hiernach regelmässig alle drei
Wochen ein, wie früher auch. — Am 8. Januar 1860 spürte
Frau F. Schmerz im Kreuz und Unterleib mit etwas Blut-
abgang. Die Menses hatten einmal sistirt und sollten um die
angegebene Zeit zum zweitenmal wieder erscheinen. Am
11. Januar starker Blutverlust mit wehenartigen Schmerzen.
Uterus steht einige Querfinger oberhalb der Schoosfuge und
fühlt sich hart an. Muttermund in der Grösse eines Sechsers
geöffnet. Da die Hämorrhagie trotz ruhiger Lage, Säure,
kalten Umschlägen und T. Opii fortdauert, wurde tamponirL
Es traten heftige Wehen ein. Nach acht Stunden wird der
Tampon entfernt und das vollständig gelöste Ei leichl aus
dem weitgeöffneten Halskanal des Uterus entfernt. — Nach
der Ausstossung des Eies, einige Tage lang leichter Blutabgang,
später eine fleischwasserähnliche Ausscheidung. Der Uterus
konnte noch lange vergrössert oberhalb der Schamfuge ge>
fühlt werden. Hartnäckiger Magenkatarrh, der bis in die
vierte Woche anhält.
Das Ei ist 7 Centimeter lang, 2% Centimeter breit.
Von seinem einen Pole hängt, an einer schmalen Brücke mit
der Reflexa verbunden, ein breiter 3 — 4 Millimeter dicker,
mit Blut durchtränkter Lappen der Vera herab. Das Ei ist
von der etwa 1 Millimeter dicken Reflexa überzogen, nach
deren Eröffnung man in einen 4 — 8 Millimeter breiten
Zwischenraum gelangt, der durch die Zotten des Chorions
und dazwischen eingefilzte, feste, rothe Coagula ausgefüllt
wird. Die Eihöhle ist von einem, fest am Ghorion anliegenden
Amnion ausgekleidet und enthält nichts als seröse Flüssigkeit.
Nachdem die Menstruation wieder regelmässig, wenn
auch stets etwas copiös, eingetreten war, blieb dieselbe Ende
Juli desselben Jahres aus. Vierzehn Tage später eine leichte
Blutung. Am 23. September starke Hämorrhagie und baldige
Ausstossung eines Eies, welches dieselbe Grösse und Be-
schaffenheit, wie das oben beschriebene besass. Nur waren
an demselben bloss ganz kleine Reste der Vera zu entdecken.
In den folgenden acht Tagen schieden sich mit Blutgerinnseln
stets nodi Theile jener Membran ab. Die Involution des
Uterus war sehr langsam. Man fühlte denselben noch nach
nnd sQm Abort in den ersten Schwangerschaftamonaten. 43
vier Wochen deutlich oberhalb der Symphyse. Sehr heftige
gastrische Beschwerden. Die später regelmässig eintretende
Periode sehr copiös.
Am 28. Januar 1861 nach neunwöchentlichem Ausbleiben
der Menses derselbe Vorgang und desgleichen Anfangs Juni
desselben Jahres nach siebenwöchentlichem Cessiren der
Periode.
Eine im Juli angestellte genaue Untersuchung ergab eine
bedeutende Vergrösserung des Uteruskörpers, Anschwellung
der vorderen Muttermundslippen, oberflächliche Excoriationen
am Orificium, Fluor albus uteri et vaginae. Menses sehr copiös.
Pat gebrauchte längere Zeit kalte Rheinbäder mit sehr gutem
Erfolg. Der weisse Fluss verschwand. Die Menses wurden
normal. Seit Januar 1862 sistirt die Periode. Anfangs
März traten leichte Blutungen ein. Die wieder eingetretene
Schwangerschaft erleidet bis jetzt keine Unterbrechung.
2. Fall. Abortivei des zweiten Monats. Keine Fötal-
gebilde. Extravasate in der Serotina, zwischen
Chorion und Reflexa.
Frau 8ch,j 36 Jahre alt, gesunde, kräftige Wäscherin,
hat ^zwei normale Niederkünfte vor 7 und 8 Jahren durch-
gemacht Sechs Monate nach der letzten Geburt trat die
Periode wieder ein, war regelmässig, aber viel schwächer,
als früher und stets von heftiger Migräne und Erbrechen
begleitet. Am 12. October 1861 hatte sie ihre Menstruation,
aber sehr unbedeutend. Am 26. November spürte sie, nach
Aufheben einer schweren Last, heftigen Leibschmerz und Blut-
abgang. Am Abend des folgenden Tages erfolgte unter
leichten Uterinkoliken und Blutungen die spontane Aus-
scheidung des Eies. •
Das Ei ist 3 Centim. lang, IVa— 2 Centim. breit. Die
Wand desselben wird von der 1 MiUim. dicken Reflexa ge-
bildet, welche, flache Längsfurchen und entsprechende Er-
habenheiten abgerechnet, glatt erscheint. Sie ist an dem
einen, spitzeren Eipol zerrissen und quellen hier Zottenbüschel
heraus. Nach dem andern Eipol zu, schlägt sie sich über
einen verengerten Ring in die Vera um, von der übrigens
nur noch einzelne kleine Läppchen erhalten sind. Zwischen
44 1- Begar^ Beiträge cur Pathologie des Eiee
Beflexa und Chorion findet sich ein 2 — 3 Hillim. hreiter
Zwischenrauro, welcher durch, überall ziemlich gleichniä&sig
entwickelte Zotten und zwischen sie eingefilzte rothe, feste
Coagula ausgefüllt ist. Die Eihöhle ist voUkonmien leer. Von
dem Choriou lässt sich nur stellenweise eine dünne, glatte
Membran abziehen. Die Serotina hat etwa % Cenlim. im
Durchmesser. Sie besteht aus höckerigen, zottigen Massen,
zwischen und in welchen Extravasate sitzen. Von der Ober-
fläche hängen lamellöse Fetzen herab, welche sich in zarte,
häutige Schiebten spalten lassen. Nach dem Chorion zu ge-
langt man bei einem Durchschnitte auf reichliche Zotlenmassen,
welche durch festen und flüssigen Bluterguss comprimirt sind.
3. Fall. Abortivei des dritten Monats. Extravasate
in die Serotina, Vera, zwischen Reflexa und
Chorion. Verkümmerter Embryo, welcher der
dritten Schwangerschaftswoche entspricht.
(Hierzu Fig. 1 u. 2.)
Dieses Ei verdanke ich der Güte des Herrn Dr. SchtUz
aus Grossumstadt, welcher es mir mit folgendem Berichte
überschickte: „Die etwa 32 Jahre alte Lehrersfrau N. N.
ist mehrmals normal niedergekommen. Seit 5 Jahren war
keine Schwangerschaft vorhanden. Ich behandelte sie seit
vielen Monaten an hysterischen Zufallen mit unregelmässiger
Menstruation. Bei einer Untersuchung vor einem halben
Jahre, fand ich die Vaginalportion verbogen und immobil. Seit
zwölf Wochen ist keine Menstruation vorhanden gewesen.
Das Allgemeinbefinden besserte sich unter tonisirender Be-
handlung. Am 3. und 4. December traten Blutungen auf
und nach Anwendung von Seeale comutum wurde das Ei
ausgestossen.''
Die Länge des Eies beträgt, ohne die später zu be-
schreibenden Anhänge 5 Centim., die Breite 2 — 2V2 Centiro.
Die eine Wand desselben ist durch einen Einschnitt geöffnet,
welcher Reflexa, Chorion und Amnion gespalten hat und den
Inhalt der Eihöhle frei zu Tage treten lässt Legt man die
Schnittwunde zusammen, so hat man eine mit flachen Längs-
wulsten versehene, fast glatte Reflexa vor sich (Fig. 1, 6).
Diese Membran ist IV2 Millim. dick und durch einen 3 bis
und zum Abort in den ersten Schwangerschnftsmonaten. 45
4 Millim. breiten Zwischenraum von dem Cborion geschieden,
welcher durch Zotten und schwarze, feste Coagula ausgefällt
ist. Der grössere Theil des breiteren Eipois und ein kleinei*
Tbeil des benachbarten seitlichen Eiumfangs wird durch die
Serotina gebildet, welche durch anhängende Lappen der Vera
scharf markirt erscheint. Ihr Durchmesser beträgt IV2 ^'^
2 Gentim. Die Oberfläche ist äusserst rauh und höckerig.
Die Drüsen und Drüsenaggregate werden, von der Vera nach
der Serotina hin, immer grösser und länger, so dass sie an
letzterer spitze, lange Höcker bilden, deren Oberfläche' mit
kleinen Löcherchen versehen ist. Zwischen denselben und
die Höcker selbst durchsetzend, finden sich rothe, tlieils feste,
theils weiche Blutcoagula. An manchen Stellen, an welchen
innerhalb der Höcker selbst Extravasate liegen, sind jene
nach ihrer Spitze hin aus einandergerissen und es hängen
hier faltige, oft zusammengerollte Lappen an. Der Höcker
gleicht einer Knospe, welche sich entfaltet hat. (Fig. 2).
Nach dem Chorion zu zeigt sich ein starkes Extravasat,
welches zwischen den hier reichlich entwickelten Zotten liegt. —
In der Nähe der Serotina ist das Extravasat zwischen
Reflexa und Chorion viel stärker, als an den übrigen Stelleu
dieser Häute.
Die an dem Umfange der Serotina herabhängenden Lappen
und Fetzen der Vera sind 3 — 4 Millim. dick, mit Blut infiltrirt,
stellenweise, besonders auf der äusseren Fläche, mit starken
Ecchymosen versehen. Diese ist sehr rauh, höckerig und
zottig. Schlägt man die Vera nach abwärts, so dass sie ihre
natürliche Lage annimmt, so passen ihre Ränder auf die
Ränder von zarteren und düimeren Lappen, welche den
schmäleren Eipol überziehen. (Fig. la')- Die Lappen ver-
dünnen sich nach diesem zu immer mehr, so dass sie, an
demselben angelangt, sehr zarte Lamellen darstellen, welche
sich übrigens noch immer in mehrere Schichten spalten
lassen. Zwischen diesen Schichten finden sich au vielen
Stellen grössere oder kleinere Extravasate, welche sich eine
Höhle innerhalb des Gewebes gemacht haben. An einem
Punkt (Fig. Id) zeigt sich ein IV2 Centim. langer, V^ Centim.
breiter Wulst, welcher aus einer zarten Deciduahülle besteht,
welche ein festes, rothes Goagulum einschliesst. Dies Cua-
46 '• B^gar, Beitrftge zur Pathologie des Eies
gulum selbst ist wieder von weisslichen, in schiefer Richtung
verlaufenden, lamellösen Scheidewänden durchsetzt, welche
aus Deciduagewebe bestehen. An der Seite und nach unten
von diesen Gebilden hängen zahlreiche, linsenförmige, kleine
Blutcoagula (Fig. 1 6), in traubenförmiger Anordnung. Stets
sitzen an einem Stiele mehrere solcher Unsenförmiger, röth-
lieber Gerinnsel, zwischen welchen der Stiel sich dann wieder
verdünnt. Der Stiel und die Umhüllung der Coagula besteht
mikroskopisch aus einer fibrillären Grundsubstanz, auf welcher
stellenweise ganze Lagen grosser, platter Epithelien mit blassen
Zellencontouren, aber deutlichem, starkem Kerne, aufliegen.
Die geöffnete Eihöhle zeigt ein sehr zartes Amnion, welches
sich leicht vom Chorion abziehen lässt. In seinen Falten
liegt ein 3 — 4 Miliim. langer Embryo (Fig. 1^), mit deut-
lichem Kopf- und Schwanzende, dem grossen Hunde und
zwei darunter befindlichen Kiemenbogen. Er hängt an einem
ganz kurzen, zarten, weissen Strange, welcher in 3 — 4 noch
feinere, weisse Fädchen auszulaufen scheint. Der Ansatz des
Embryo entspricht nicht der Serotina, sondern befindet sich
in der Nähe des schmäleren Eipols.
Die mikroskopische Untersuchung der Decidua ergiebt
die gewöhnlichen Elemente. Die innere Fläche der Vera und
die äussere der Reflexa zeigt eine sehr vollständig erhaltene
Epithellage. Die untere Partie der Reflexa enthält viel zer-
fallene, molekulare Massen mit eingestreuten Kernen, Zellen-
rudimenten, Zellen mit fettigem Inhalte.
4 Fall. Retardirte Involution des Uterus. Gatar-
rhus uteri et vaginae. Abort im dritten Monate.
Hypertrophie und Kystendegeneralion der
Orüsensubstanz der Decidua. Extravasate in
der Serotina, zwischen Chorion und Reflexa
und in die Drüsenbälge der Vera. Kein Fötus.
Abgerissener Nabelstrang. Verfettete Nabel-
blase. (Hierzu Fig. 3 u. 4).
Frau M.^ etwa 30 Jahre alt, früher stets gesund, hat
mehrere normale Schwangerschaften durchgemacht. Im Mai
1861 kam sie im achten Monate einer neuen, bis auf sehr
hartnäckiges Erbrechen, ungestört verlaufenen Gravidität mit
and satn Abort in den ersten Scbwan^eracbaftsmonaten. 47
einem todtfaolen Kinde nieder. Bei und nach der Frühgeburt
litt sie an sehr heftigen, eclamptischen Anfallen, Der Urin
enthielt nie Eiweiss oder Faserstoifcylinder. Leichte Fieber-
zustande, Symptome von Geistesverwirrung, bedeutende Ge-
dächlnissschwäche, Schwindel, Kopfweh, etwas erweiterte
Pupillen, sehr blasses Aussehen blieben noch mjehrerc Mo-
nate lang zurück. Dabei litt Fr. M. an einem äusserst pro-
fusen, fast immer mit Blut leicht tingirtem Ausfluss aus Uterus
und Scheide. Die Gebärmutter blieb vergrösserL Anfang und
Mitte September 1861 fand eine ziemlich reichliche blutige
Ausscheidung statt und es soll dabei ein leichter Krampfanfall
mil Bewusstlosigkeit und Einschlagen der Daumen vorhanden
gewesen sein. Von da an war kein Blut mehr in den stets
noch fortdauerndem, copiösem, weissem Fluss. Am 27. Dec.
erfolgte unter leichter Weheuthätigkeit und Blutung die Aus-
stossung eines Eies.
Länge des Eies 7 Gentim., Breite an dem oberen Pole,
an welchem die Serotina sich befindet, SYs Centim., eben so
viel in der Mitte, nach dem unteren Eipol jedoch nur 2 Gentim.
Die eine Wand des Eies fehlt fast ganz ; bloss nach oben
und unten sind noch Reste des Ghorions und der Reflexa
erhalten. Man sieht daher die eine Wand der Eihöhle frei-
liegend und durch Bluterguss convex vorgetrieben. (Fig. 4).
— In der Nähe des breiteren Eipols hängt an einer, 1 Centim.
breiten Brücke, ein grosser Lappen der Vera. Diese ist auf
ihrer inneren Fläche ziemlich glatt, mit einigen seichten, der
Lange und Quere nach verlaufenden Vertiefungen und ent-
sprechenden Erhabenheiten versehen. Die äussere Fläche ist
äusserst rauh und ungleich (Fig. 3). Man bemerkt runde,
erbsengrosse und grössere, solide oder mit gelber CoUoidmasse
oder mit Blutextravasat gefüllte Drüsenbälge und Drüsen-
aggregate. Zuweilen sind sie sehr in die Länge gezogen und
zungenförmig. Es finden sich mehrere kleine Kystchen mit
dünner, seröser Flüssigkeit. Eine Kyste, mit äusserst dünnen
Wandungen, hat 1 Centim. im Durchmesser (a). Eine andere
ist flaschenförmig und besitzt einen ganz engen Ausführungs-
gang (i). An einer Stelle sitzt ein röhrenförmiges Gebilde (c),
welches an einem Punkte eine durch Blut bedingte Anschwellung
zeigt Hiervon gehen mehrere meist abgerissene Zweige aus.
48 1- Hegar^ Beitrüge sur Pathologie des Eins
An einem derselben bangt ein mit Extravasat gefülltes Bläschen.
Die ganze Membran ist 4 — 6 Millim. dick.
Die Serotina, welciie den breiteren Eipol einnimmt, hal
etwa 27^ Centim. im Üm'cbmesser und ist an vielen Stellen
bis zu 1 Centim. dick. Sie ist im höchsten Grade ungleich,
zerrissen und durchsetzt durch zwischen sie eingebettete Blut-
coagula. Es ßnden sich mehrere dicke, längliche Wülste,
umkleidet vun einer verschieden dicken, an der Spitze ufi
1 — 2 Millim. dicken Deciduaschichte. Das Innere wird durch
ein festes, rothes Coagulum constituiil, das durch schief ver>
laufende laroellöse, weisse Septa getrennt ist. Nach dem
Chorion zu dringen Zotten in diese Masse ein.
Die erhaltene Wand des Eies ist durch eine flache \m%^-
wuistige Reflexa gebildet, zwischen welcher und dem Chorion
sich ein enormes, 2 — 3 Centim. dickes Blutcoagulum be-
findet, welches mit dem der Serolina unmittelbar zusammen-
hängt. Das Chorion hat nur stellenweise einen Üeberzug
von dem vielfach zerrissenen Amnion. In der Mitte der
offenen Eihöhle iuserirt ehi 3 Centim. langer, 1 V^ — 2 xMillim.
breiter Nabelstrang, dessen eines, unregelmässig abgerissenes
Ende gelblichweisse, molekulare Massen im Innern zeigL In
dem Strange lassen sich deutlich drei weissliche Stränge er-
kennen. Von der Insertionsstelle aus laufen auf dem Chorion
zahlreiche weisse Fäden, theils nach der Serotina, theils. nach
dem entgegengesetzten Eipol hin; theilweise scheinen sie un-
mittelbar von der Anheflungsstelle des Strangs nach dem
gegenüberliegenden Theil der Reflexa hinzulaufen. — Die
Zottenentwickelung des Chorions ist in der Nähe der Um-
schlagsstelle sehr stark und nimmt nach dem entgegen-
gesetzten Eipol hin ab. In der Nähe der Nabelschnurinsertion
ist sie nicht bedeutend. 1 Centim. entfernt von dieser, be-
findet sich ein platter, 2 — 3 Millim. breiter, weissiicher
Körper an der Aussenfläche des Amnion, von welchem ehi
feiner, spiralig gewundener Faden nach dem Nabelslraug
hinläuft.
Mikroskopisch zeigt die Serotina eine streifige Grund-
suiistanz, sehr grosse Spindelzelien, oft mit langen gewundenen
Ausläufern und Spitzen und starken Kernen. Das Gewehe
der Vera und Reflexa ist schon sehr zerfallen. Man findet
'and snm Abort in den ersten Schwangerschaftsmonaten. 49
neben den verschiedensten Zellenformen, neben einer streifigen
Grundsubstanz, sehr viel molekularen Detritus mit zahlreichen,
eingestreuten Kernen.
öl. Fall. Abortivei des dritjten Monats. Beginnende
Placentenbilduog. Abuorm grosser Umfang
der Placenta. Blutextravasate in der Placenta
und zwischen Ch orion und Reflexa. Atrophische
Vera. Marginale Nabelschnurina#rtion. (Hierzu
Fig. 5, 6 u. 17).
Dieses Ei wurde mir von Herrn Dr. Heumann in Pfung-
stadt ohne Anamnese uberschickt. Es hatte einige Zeit in
Spiritus gelegen, war übrigens sehr gut erhalten.
Das Ei ist 8 Centim. lang, etwa 4V2 Centim. breit. Die
ganze eine Hälfte des Eiumfangs von einem Pol zum andern
wird von der Serotina, resp. von der schon rudimentär ent-
wickelten Placenta emgenommen. (Fig. 17). Diese ist an
dem einen Eipole, in dessen Nähe sich die Nabelschnur in-
serirt, 6 — 8 Millim. dick. Die Dicke nimmt jedoch nach
dem andern Pole hin erheblich ab und beträgt daselbst nur
3—4 Millim. Die äussere Oberfiäche der Serotina ist rauh
und ungleich durch zahlreiche, rundliche Erhabenheiten, auf
welchen grössere und kleinere Dnlsenlöcher zu erkennen
sind. ' Macht man einen senkrechten Durchschnitt, so be-
merkt man nach aussen eine ziemlich gleichmässige , V2 ^^^
2 Millim. dicke, weisse Gewebsschichte. Nach der Eihöhle zu
sieht man die Durchschnitte zahlreicher, vielfach gefalteter,
weisser Lamellen, zwischen welche die Verzweigungen der
Chorionzotten eindringen (Fig. 6). Durch feste Blutcoagula
sind die Lamellen stellenweise stark auseinandergedrängt, so
dass ihre Anordnung leichter in die Augen fallt.
Die Decidua vera, welche die ganze Peripherie der
Placenta umgiebt, ist nur V2 — 1 Millim. dick, röthlich von
imbibirtem Blut. Beide Flächen zeigen ein ziemlich gleiches,
streifiges, fast glattes Ansehen. An einzelnen Stellen, be^
sonders in der Nähe der Nabelschnurinsertion sind die Drüsen-
löcher sehr zahlreich, gross und schlitzartig ausgezogen.
Die Reflexa überzieht als eine, nur V« — V« Millim. dicke,
bräunlichgelbe Schwarte die Wand des einen Eisegments. Ihre
MonaUiehr. f. Qebartak. 1S68. Bd. XXI., Sappl.-Hft. 4
f.
50 ^' ttegar^ Reiträg^«^ zur Pnrhologie de« VAv% s
OberfläeLe ist glatt, der Zwiscbenraum zwischen Reflexa und
ChorioQ ist durch einzelne ZoLten, zwischen welciien harte,
trockene Coagula eingeOlzt sind, ausgefüllt Der Zwischen-
raum und das Extravasat ist am bedeutendsten in der Nähe
der Serotina. An dem, der Nabelschnur entgegengesetzten,
Eipol befindet sich ein IY2 Centim. breites, ö — 7 MUliro.
dickes, Testes, hartes Coagulum zwischen Reflexa und Chorion.
Es hängt sehr fest an der ersteren Membran. Das Chorion
ist in weitem 0mfang davon blutig imbibirt. Der Embryo
ist 2,9 Centira. lang, hat deutlich Finger und Zehen. Er
hängt au einem 2,5 Centim. langen, vom Amnion lose um-
hüllten Nabelstrang, welcher marginal in die Placenta inseriiL
6. Fall. Abortivei des dritten Monats. Vollständiger
Sack zwischen Dec. vera und Reflexa. ßlut-
extravasate in die Serotina, zwischen Reflexa
und Chorion. Durchbruch des Chorions. Blut-
erguss im Amnion. Kein Fötus. (Hierzu Fig. 7).
Das Ei verdanke ich der Güte meines Collegen, des
Herrn Dr. Plagge dahier, welcher es mir mit folgendem
Berichte zustellte:
„Frau ü/., 40 Jahre alt, hat drei Mal geboren, das letzte
Mal vor acht Jahren. Die am 28. Sept. 1861 erwartete
Periode blieb aus. Mangel an Appetit, Uebelkeit, Schmerz
im Leibe bei der angestrengten körperlichen Arbeit der Frau
stellten sich ein. 25. Dec. Blutung mid Wchenschmerz.
26. Dec. unter leichter Hämorrhagie, Ausstossung des Eies.
Vier Tage später verrichtete die Frau wieder ihre häuslicben
Geschäfte.''
Länge des Eies 7 Centim., Breite 3 — 37« Centim. Die
Vera ist vollständig erhalten und umschliesst als ein loser
Sack das Ei, ohne irgend eine Locke zu zeigen. Sie
erstreckt sich au dem einen Eisegmente von einem Pole zmn
andern, umkleidet diesen, um an dem andern Segmente noch
etwa ein Drittbeil einzunehmen, worauf sie in die Serotina
übergeht. Die Membran ist 2 — 3 MiUim. dick, gleichförmig
blassroth. Die äussere Fläche ist weniger rauh und uneben,
als an andern Eiern; die Drusenlöcher sind zahlreich, gross,
und sum Abort in den ernten Schwangerschaftsmonaten. 51
schlitzartig ausgezogen. Die inneie Fläche ist glatt, mit flachen
Längswölsten.
Die Serotina, welche einen Theil des breiteren EipoU
und etwa % der einen Eiwandung einnimmt, ist sehr un>
gleich, rauh, mit Extravasaten durchsetzt. In der Nähe deh
breiteren Eipols ist das Extravasat am stärksten; hier be-
findet sich ein etwa 1 Centini. langer, % Ccntim. breiter
höckriger Wulst (g), wie er schon mehrmals beschrieben
wurde. In der Nähe desselben hängen mehi*ere zerrissene,
stark mit Blut durchtränkte Lappen, welche sich schichtweise
spalten lassen (/), davon entfernt ist der Bhiterguss geringer.
Die, Serotina ist mehr membranös. Die Zotten des Chorions
quellen reichlich aus der Schnittfläche vor.
In der von Re>flexa und Vera gebildeten Höhle ist ein
starkes, theils flüssiges, tlieils geronnenes Biutextravasat vor-
handen. An dem breiteren Eipole ist dasselbe massenhaft, fest
coagulirt und verklebt, doch nur locker, beide iMembranen.
Die Uebei*gangsslelle von der Reflexa zur Vera ist ziemlich
scharf, doch spannen sich zarte bindegeweliige Fäden und
Brücken zwischen beiden Häuten aus. Auch hängen gestielte
Coagttla von dieser Stelle in die Höhle hinein.
Die Reflexa ist an ihrer Aussenfläche, bis auf flache
Läiigswolsle glatt, gelbroth gefärbt. Dünne, geschichtete La-
mellen fester Faserstoflinassen liegen auf der Oberfläche.
Der Zwischenraum zwischen Reflexa und Chorion ist mit
Biutextravasat gefüllt, in welchem sich die Zotten hinziehen.
Die Zottenentwickelung ist nach dem breiteren Eipole hin am
stärksten und nimmt nach dem entgegengesetzten hin all-
roälig ab. An diesem hängt die eigentliche Chorionmembran
durch eilt starkes Gerinnsel verklebt an der Reflexa und es
findet sieh hier in dem Chorion ein schmaler Riss, durcli
welchen das Extravasat in die Eihöhle gelangt ist
Die Eihöhle wurde an der, der Serotina entsprechenden
Wand der Länge nach geoflhet Man gelangt auf das blutig
imbibirte Chorion, an welchem das Anarnios nur theilweise
und lose anhängt Dasselbe hat sich der Länge nach zu-
saiaaiengerollt (Fig. 7) und ist in grösstem Umfange von rothen
und eotiärbten, in seinen Falten eingefltzten Coaguüs bedenkt
und so zusammengedruckt und verändert, dass sich eine Hdhld
4*
52 1- Hegar^ Beitrügre snr Pathologie de« Eie.««
nicht mehr nachweisen lässL Bloss in der Nähe des obern
Eipols lässt sich noch eine kleine Höhle bemerken. Hier
befindet sich in den Falten des Amnion eingebettet, ein erbsen-
grosses, birnförmiges, gallertig durchscheinendes Bläschen,
auf dessen Spitze eine kleine, weissliche Masse aufliegt
Die mikroskopische Untersuchung zeigt in den Deciduen
die gewöhnlichen Elemente, fasriges Gewebe, Spindelzellen,
runde und polygonale Zellen. Die Refiexa zeigt viel mole-
kularen Detritus, mit eingestreuten runden oder ovalen Kernen.
Die weissliche Masse auf der gallertigen Blase des Amnion
besteht aus schwärzlicher, amorpher Masse, welche Fett und
Kalksalze enthält.
7. Fall. Abortivei des dritten Monats. Blutextra-
vasate in der Serotina, Vera und zwischen
Refiexa und Chorion. Abgerissener Nabel-
strang. Nabelblase. Kein Embryo. (Hierzu Fig. 8.)
Frau £., 26 Jahre alt, litt in Folge ihrer letzten, im
Oct. 1860 erfolgten, zweiten rechtzeitigen Niederkunft, bei
welcher eine atonische Blutung stattgefunden hatte, an anä-
mischen Erscheinungen. 14. Sept. 1861 trat die Periode
zum letzten Mal ein. Am 8. Dec. starke fortdauernde Blutung,
welche den Gebrauch des Tampons nöthig machte, noch dessen
Anwendung starke Wellen eintraten, welche die fast voll-
ständige Eröffnung des Muttermunds und die Lösung des
Eies erzielten, so dass dasselbe leicht mit den Fingern ent-
fernt werden konnte. Bei der Herausnahme merkte ich mir
das obere und untere Ende desselben.
Das Ei ist 8 Centim. lang, SV^ — 4 Centim. breit In der
Nähe des oberen Eipols hängt ein Lappen der Vera (a). Der-
selbe ist unregelmässig zerrissen, 4 Millim. dick, stark mit
Ecchymosen durchsetzt Die äussere Fläche ist sehr ungleich,
rauh, zottig. Die Drusen und Drüsenaggregate springen 2 bis
3 Millim. über die Fläche vor. Am unteren Eipol befinden
sich, denselben überkleidend, dünne Lamellen, welche sich
leicht von der Refiexa abheben lassen und der Vera anzu-
gehören scheinen. Es hängen von diesem Pole traubenfönnige
Büschel gestielter Gebilde herab (i), von derselben Beschaffen-
heit, wie sie Fall 3 beschrieben wurden.
and xDin Abort in den ersten .Schwinge rschaftsmonaten. 53
Die Serotina nimmt den grössten Theil des obern Eipols
and einen Theil der einen Eiwandung ein. Der Durchmesser
beträgt 27^ — 3 Centim. Stellenweise fehlt die Serotina und
die Zottenbfiscbel quellen frei hervor. Sie ist äusserst un-
gleich, rauh, zerrissen, von schwärzlichen Gerinnseln durch-
setzt, mit anhängenden Fetzen und Lappen.
Die Reflexa zeigt die gewöhnliche Beschaffenheit. Zwischen
ihr und dem Chorion befindet sich ein dickes (bis zu IV2
Centim.), festes, rothes Coagulum, von feinen, weissen Strängen
durchzogen. Dies Extravasat ist übrigens bloss an dem Ei-
Segmente so stark, an welchem sich die Serotina befindet. An
der gegenüberliegenden Wand beträgt seine Dicke nur einige
Millimeter.
Die Eihöhle wird durch einen Längsschnitt in der, der
Serotina entgegengesetzten Wand geöffnet und dabei das dicht
am Chorion liegende Amnion verletzt. In der Eihöhle be-
findet sich ein 2% Centim. langer, 2 Millim. breiter Nabel-
strang, mit handschuhförmig zerrissenem Fötalende {g). Er
inserirt, entsprechend der Serotina, mit einer breiten, ange-
schwollenen Basis und ist von drei weisslichen Strängen durch-
zogen. Zwischen Chorion und Amnion liegt ein 3 — 4 Millim.
langer, 1 Millim. breiter, weisser Körper (/), von welchem
aus ein sehr zarter, spiralig gewundener Faden nach dem
Nabelstrang hinläuft
Fall 8. Abortivei des sechsten Monats. Enorme
Ausdehnung der Serotina resp. Placenta,
welche theilweise im Cervix uteri inserirt.
Primärer Mangel (?) der Reflexa. Apoplexia
placentae. Verkümmerter Embryo, welcher
etwa aus der vierten Schwangerschaftswoche
stammt (Hierzu die schematische Zeichnung. Fig. 9.)
Dieses merkwürdige Ei verdanke ich der Güte des Herrn
Dr. Fuchs dahier, welcher es mir mit folgendem Berichte
zustellte:
Frau N. N.^ 27 Jahre alt, stets gesund und kräftig, hat
zweimal rechtzeitig geboren, zuletzt vor V/^ Jahren. Regel-
mässige Menstruation, welche Ende Juli 1861 zum letzten
54 '• Begaty Beitrfti^e snr Patholog^ie des Eies
Hai erBchien. Im August und September sehr hartnäckiges
Erbrechen. Fast alle Nahrung wurde herausgebrochen und
die Schwangere magerte sehr ab. Die verschiedeosien Mittel
blieben ohne allen Erfolg, bis Ende September spontane Besse-
rung eintrat. Anfangs October massiger Blutabgang, der nach
24 Stunden sistirte. Mitte November 2 — 3 intensive Frost-
anlalle. Der etwas dickere Leib nahm von da an nicht weiter
zu. Am 11. Januar 1862 nach einer starken, körperlichen
Bewegung massiger Blutabgang und Leibschmerz. Letzterer
hielt in den folgenden Tagen an, wurde am 18. Jan. stärker.
Leichte Blutung gesellte sich wieder hinzu. 19. Jan. wurde
eine genauere Untersuchung vorgenommen. Der Uterus stand
etwa in der Mitte zwischen Nabel und Schambein. Linke
Weicbengegend sehr empfindlich gegen Druck. Daselbst auch
spontaner Schmerz, selbst in der wehenfreien Zeit. Mutter-
mund sechskreuzergross geöffnet Man fühlt durch denselben
eine kleine Eiblase, deren Umfang man auf allen Seiten frei
umgehen kann, bis auf eine Stelle vorn und links, wo sie
mit der Cervicalwand fest zusammenhängt. Hier ist die Uterus-
wand sehr empOndlich gegen Berührung. Die Bänder des
Muttermunds sind daselbst sehr dann und scharf, nach oben
ausgebuchtet, in die Höhe gezogen. Am folgenden Tage ist
der Muttermund guldengross. Ein Segment der Blase hängt
% Zoll lang ans demselben hervor. Man überzeugt sich
noch deutlicher von dem festen Ansätze des Eies an der
vorderen, linken Seite des Cervix. 22. Jan. Ausstossung des
Eies. — Geringe, blutig-seröse Ausscheidung in den nächsten
Tagen. Bald voUkommnes Wohlbefinden."* —
Das Ei hat 8,3 Centim. in der Länge. Breite nach
oben 3,2, in der Mitte 3,2, nach unten 2 Centim.
Die Placentarstelle nimmt den ganzen obern Eipol ein,
erstreckt sich an der einen Wand 6,7, an der anderen 3,5
Centim. nach abwärts. In letzterer Länge nimmt sie auch
den ganzen Umfang des Eies ein, weiter nach abwärts etwa
die Hälfte. Zwei Drittheile des Eiumfanges sind so von Pia-
centarmasse bedeckt Die Dicke dieser beträgt nach oben
1 Centim. und nimmt nach unten allmälig bis auf 3—4 Millim.
ab. Sie zeigt ein cavernöses Gewebe, welches von hartem.
und zam Abort in den ersten Schwangerschtiftanionaten. 55
festem oder oodi flflssigem, schwärzlichem ExtraTasate durch-
setzt ist. Die Oberfläche ist höckerig, mit einzelnen anhängen-
den, zarten, weissen Läppchen yersehen.
Vom Rande dieser Placenta hängen 1 Millim. dicke,
gelbweisse, sehr weiche, selbst breiweiche, leicht zerreissliche
Lappen einer mit zahlreichen, rundlichen oder schlitzartigen
Löchern versehenen Membran herab. Der nicht von der Placenta
umhüllte Theil des Eies lässt das Chorion frei zu Tage ti*eten,
auf welchem einzehie spärliche Zotten aufsitzen.
Von einer Membran, welche man als Reflexa deuten
könnte, ist keine Spur vorhanden. Ich bin daher sehr geneigC
hier einen ursprängJichen Mangel oder wenigstens eine mangel-
hafte Entwickelung dieser Membran anzunehmen. Aus dem
normalen Umfange der Placenta geht offenbar hervor, dass
die Zotten von Anfang an in grösster Ausdehnung in die
wandständige Uterinschleimhaut einwucherten, was bei nor-
maler Bildung der Reflexa unmöglich ist.
Nach Eröffnung der Eihöhle, welche eine blutig -seröse
Flüssigkeit einscbloss, bemerkte man einen Embryo von
1 Centim. Länge, gelbbrauner Farbe, weicher Consistenz,
mit deutlichen Extreroitätenstummeln. Er war an einem kurzen
Nabelstrange befestigt, welcher in der Nähe des Placentarrandes
inserirte. Gefasse waren in jenem nicht sichtbar.
9. Fall. Decidua menstrualis. (Hierzu Fig. 10, A, Bj C.)
Diese Beobachtung findet hier ihren Platz, weil sie mir
über den Bau, die Ausbreitung, die verschiedene Dicke der
Decidua Aufklärung zu geben scheint
Frau N. N., 45 Jahre alt, früher stets gesund, hat elf
Mal rechtzeitig geboren. Im Juli und August 1861 litt sie
an einem sehr intensiven, fieberhaften Brustkatarrh. Sie kam
dabei sehr herab. Verdacht auf Tuberkulose. Die bis dahin
regelmässige Menstruation sistirte vollständig bis Anfang
October, wo sie sehr schwach auftrat, nur 24 Stunden dauerte
und von einem, kurze Zeit dauernden, weissen Flusse gefolgt
war. In derselben Weise wiederholte sie sich von da an
regelmässig alle vier Wochen. Im December und Januar
56 ^* Begar, Beiträge znr Pathologie des Eifts
z^gte sieb wieder eis heftiger Brustkatarrh mit grosser Hin*
falligkeit verbunden. Am 22. Januar wm-de, zur Zeit der
Henstruationsepoche, unter geringem Blutabgange das zu be-
schreibende Gebilde abgeschieden.
Dasselbe hat etwa die Form eines Weiberhemdes. Die
Basis ist 4,2 Centim. breit. Die Breite beträgt in der Mitte
2,2, nach unten 1,8 Centim. Länge 3,3 Centim. Es ist ein
flach zusammenliegender Sack, an welchem man einen oberen,
untern und zwei seitliche Ränder, sowie zwei Wände unter-
scheiden kann. Die eine Wand (Fig. 10 A) ist 3 Hillim.
dick, mit sehr zahkeicheh, 1 — 2 Hillim. hohen, 1 Hillim.
breiten, warzenartigen Höckerchen besetzt, auf deren Ober-
fläche sich je 2 — 5 rundliche Löcher befinden, unter der
Loupe stellt sich ein solches Drüsenaggregat, wie Fig. 10 B,
dar. Die andere Wand des Sackes ist nur 2 Hillim. dick.
Die Drüsenhöcker sind weniger entwickelt. Auf derselben
befinden sich, den Aermeln des Hemdes entsprechend, zwei
kleine Lücken von 1 — 2 Hillim. Durchmesser. (Fig. 10 (7, aa).
Nach dem oberen Rande und den Seitenrändern hin, verdünnen
sich beide Wände sehr merklich. Die Dicke sinkt hier auf
1 — Va Hillim. und an dem einen Seitenrande zeigt sich sogar
eine, in der Richtung desselben verlaufende, längliche Lücke,
durch welche man die glatte Beschaflenheit der inneren Sack-
oberfläche wahrnehmen kann. Ebenso verdünnt sich die
Membran nach dem unteren Rand hin. Es findet sich hier
eine breite Lücke, von welcher es jedoch sehr zweifelhaft
erscheint, ob sie ursprünglich vorhanden war. Betrachtet
man nämlich die eine, dickere Wand, so bemerkt man nach
unten einen Umschlag. Schlägt man denselben nadi der
anderen Seite, so deckt er jene Lücke und sein zerrissener
Rand entspricht dem zerrissenen, unteren Rand der anderen
Wandung (Fig. 10, B, b).
Die mikroskopische Untersuchung zeigt ausser einer
faserigen Substanz, Spindelzellen, polygonale und nindUche
Zellen, freie Kerne, molekularen Detritus.
r
i
und snm Abort in den ersten SchwangerschaftsmonAten. 57
10* Fall. Abortivei des dritten Monats. Kleine,
sthslartige Serotina. Blutextravasate in die
Serotina, zwischen Reflexa und Chorion.
Amnionhöhle /obne Fötus, mit Nabelstrang
und Nabelblase. (Hierzu Fig. 11.)
Dies Ei befindet sich im Besitze des Herrn Dr. Eigen-
brodt dahier. Es zeichnet sich durch die verlängerten Drüsen-
aggregate der wenig umfänglichen Serotina aus (c). Die Höcker
sind dabei mit Blutextravasat durchsetzt, theilweise dadurch
auseinandergesprengt, so dass sich die Lamellen knospenartig
entfalten. Der Nabelstrang inserirt entsprechend der Reflexa,
an einer Stelle, welche von der Serotina eine gute Strecke
entfernt ist.
11. Fall. Abortivei des dritten Monats. Atrophie
der Dec. vera, reflexa und serotina. Blasen-
degeneration des Ghorions. Leere Amnion-
höhle.
Frau üf., 40 Jahre alt, stets gesund, hat acht Mal recht-
zeltig geboren. Am 20. Nov. 1861 hatte sie zum letzten
Mal ihre Periode. Vierzehn Tage vorher war eine geringe,
blutige Ausscheidung aus den Genitalien vorhanden. Sonst
war ihre Menstruation stets regelmässig gewesen. Am 9. Febr.
erfolgte unter massiger Blutung und Wehenschmerz der Abort.
Das Ei ist 5 Centim. lang, 3 Ceutiro. breit Die 1 V^ bis
2 Millim. dicke Vera hängt in grösseren und kleineren Lappen
an der UmschlagssteUe. Beide Flächen sind obne alle Vor-
sprunge und Höcker, glatt, streifig, reich an runden und
schlitzartigen Sieblöchern, mit anhängenden, zarten, weissen
Läppchen. An einer Stelle, in der Nähe der Serotina, ist
sie roth und durch Ecchymosen verdickt
Die Reflexa ist fast von derselben Bescbaflenbeit und
noch dünner.
Die Serotina, welche fast die Hälfte des Eiumfanges ein-
nimmt, ist in der Mitte auseinandergerissen. Ihre Oberfläche
ist streifig, ohne Vorsprünge, mit anhängenden feinen, weissen
Läppchen. Die Dicke beträgt 2 Millim. An einer Stelle finden
sich traubenförmige, gestielte Gebilde, wie sie sdion öfters
beschrieben wurden.
58 I- Hfffor, BeitrKge snr Patliologfe des Eie»
Das Gewebe aller Thcile der Decidua bestebt aus eioT
feinstreifigen Substanz. Dabei indet sich viel amorph'e, körnige
Masse, Pettpartikeln, Felttröpfchen, freie Kerne. Zellenformen
sind nicbt vorbanden.
Das Cborion i«t in seinem ganzen Umfange mit degenerirten
Zotten besetzt. Besonders stark ist die Zottenentwickelung
der Serotina entsprechend. Bier hängen an weissen, V2 Millim.
breiten, kurzen Stielen, Zoltenbäumchen mit angeschwollenen,
kolbigen Enden. Zwischen Cborion und Reflexa sind die
Stiele sehr zart und dünn, dagegen die Blasen grösser, mit
durchscheinendem, hellem Serum gefüllt und mit sehr zarler
Wand. Mikroskopisch zeigen alle Zotten zahlreiche, grössere
und kleinere Sprossen.
Nach Eröfi'nung der Chorionhöhle präsentirt sich eine
wallnussgrosse , durchscheinende, mit hellem Serura gefüllte
Amnionblase, welche durchaus nichts anderes enthielt. Das
Amnion hing nur ganz lose am Chorion an.
12. Fall. Abortivei des dritten Monats. Decidua
Vera und Reste des Chorions vorhanden. Man-
gel aller übrigen Eigebilde. (Hierzu die schema*
tische Zeichnung Fig. 18.)
Dieses Ei wurde mir von meinem CoUegen Dr. Bern-
hardt mit folgendem Berichte zugestellt
„Die gesunde, 22jährige Frau H. ist seit zwei Jahren
verheiralhet , ohne concipirt zu haben. Die Menstruation,
weiche stets regelmässig war, erfolgte Anfangs Januar 1862
zum letzten Mal. Fünf Wochen später litt sie an leichtem
Blutabgang. Vom 14. — 20. März stellten sich wiederholt
massige Hämorrhagieen ein, mit welchen am letzteren Tage
das Ei ohne viel Leibschmerzen ausgeschieden wurde.**
Das abgegangene Gebilde stellt den Abklatsch einer langen
und dabei schmalen Uterinhöhle dar. Länge 6,2 Centim. Breite
oben 2,2 Centim. Es verschmälert sich allmälig nach unten,
bis es, 1,9 Centim. von dem obern Rand entfernt, 1,5 Centim.
in der Breite misst. In dieser Breite geht es ziemlich gleich-
massig nach unten zu. An dem unteren Rande ist es etwa
1 Clm. breit Hier beflndet sich eine Lücke mit zerrissenen
Rändern.
und zam Abort in den ersten Schwang^erBchaftBiuonaten. 59
Das Ganze büdet einen Sack mit zusammengefallenen
Wandungen. Die Wand ist ^verschieden dick IVa — 3 Miilim.
An den Seitenrftndern ist die Membran auffallend dünner, mit
grossen, scblitzartigen Sieblöchern verseben. Am dicksten
ist die Wandung am oberen Rande, wo sie durch Eccfaymosen
innerhalb des Gewebes aufgetrieben erscheint. Die äussere
Fläche ist überall rauh, ungleich, mit zahlreichen Höckerchen
versehen. Die Wände zeigen überhaupt alle Charaktere der
Dec. Vera.
Bei Eröffnung des Sackes fand ich den oberen, breiteren
Tbeil vollständig leer. Nach unten zu, wo schon die Yer*
schmälerung des Gebildes eingetreten war, zeigten sich Blut-
roagula, welche diesen Theil vollständig ausfüllten. Nach
längerem Auswaschen in Wasser Hessen sich zwischen den
Blut- und Faserstoffgerinnungen einzelne, von einander ge-
lrennte, kleine Reste des Chorions wahrnehmen. Dieselben
hatten theilweise normale, theilweise blasig ausgedehnte Zotten,
welche sich unmittelbar in die Sackwand einsenkten. Spuren
einer Membran, welche man als Reflexa hätte deuten können,
waren nirgends vorhanden.
Diese Beobachtung scheint mir für einen primären Mangel
der Reflexa zu sprechen. Das Ei fiel durch eine der Tufoen-
mündungen in den Sack der Vera; es bildete sich keine Be-
Oexa, das Ei sank in den untern Abschnitt des Uterus, in
welchem es sich, wenn auch nur rudimentär, entwickelte.
13. Fall. Abortivei des zweiten Monats. Scheiben-
und traubenfömige, apoplectische Destruction
der Vera. Extravasation in das Gewebe der
atrophischen Reflexa. Apoplectisch zerstörte
und in die Länge gezogene Serotina. Kleine
Eihöhle ohne Embryo. (Hierzu die schematische
Zeichnung Fig. 19.)
Frau O., gesunde, 28 jährige Frau, hat zwei rechtzeitige
Niederkünfte gehabt, deren letzte vor IV^ Jahren erfolgte.
Seitdem regelmässige Menstruation. Letzte Periode Mitte Januar
1862. Der Abort erfolgte am 4 März unter leichten Blutungen
und Wehenschmerzea
60 '• Hegar^ Beiträge sur Pathologie des Eies
Mit dem Ei wurde mir eine Menge scheinbar einfacher
Blatcoagula übergeben. Suspendirte man sie in Wasser, so
erhielt man die schönsten Scheiben- und traubenformigen
Gebilde, deren Beschreibung ich hier übergehe, da sie die-
selbe Form hatten, wie die im nächsten Falle zu schildernden,
apoplec tischen Zerstörungen der Uterinschleimhaut,
Länge des Eies 6 Centim., Breite an dem einen Pol und
in der Mitte 3 Centim. ; nach dem anderen Pol hin verschmälert
sich das Ei auf 1% — 1 Centim. Es ist von der Reflexa
bedeckt. An der Uebergangsstelle hängen einige kleine Reste
der Vera.
Die Reflexa ist dann, besonders am unteren schmäleren
Eipol (1 Millim). Oberfläche glatt, weiss und roth gesprenkelt,
bloss nach oben zu mit Drüsenlöchem versehen. Im Gewebe
zahlreiche grössere und kleinere, flache, apoplectische Heerde
nach dem obern Eipol hin. Mikroskopisch sind kaum be-
stimmte Formelemente mehr in der Reflexa zu erkennen. Sie
besteht fast ausschliesslich aus einer molekularen, fetthaltigen
Masse, in welcher runde und ovale Kerne eingestreut liegen.
Nach Eröffnung der Reflexa zeigt sich im unteren Ab-
schnitt des durch sie gebildeten Sackes, eine 2 Centim. hohe,
1 Centim. breite Chorionblase und in derselben das nur mit
einem dünnen, hellen Serum gefüllte Amnion. Das Chorion
ist durch ganz kurze Zotten nach unten zu mit der dünnen
Reflexa verbunden: seitlich und nach oben werden stärkere
Zottenbäumchen sichtbar, welche in letzterer Richtung in ein
Blutcoagulum einwuchern. Dies Blutcoagulum befindet sich
im obern Theile des Reflexasackes (Fig. 19, c). Nach sorg-
faltiger Auswässerung in Wasser bemerkt man bei einem
Durchschnitte durch dasselbe, weisse, lamellöse Strata, welche
der Länge nach, doch auch theilweise in schiefer Richtung
verlaufen. Diese Schichten bestehen aus einem feinstreifigen
Gewebe und ausserdem sind auch noch zahlreiche Spindel-
zellen vorhanden. Das durch Extravasat destruirte Gebilde
ist die in die Länge gezogene Serotina, welche von einer
Reflexascheide umhüllt wird.
and snm Abort in den ersten Schwangerschaftsmonaten. gl
14. Fall. Heftige Blutungen in den klimakterischen
Jahren. Apoplectische Destruction und Aus-
stossung der Uterinschleimhaut. (Hierzu Fig. 20.)
Die Mittheilung dieses Falles erfolgt hier, weil ich kaum
bei einem Abort eine so scharf ausgeprägte Form der eigen-
thömlichen Schleimhautapoplexie des Uterus vorfand, leb
benutzte daher diese Gelegenheit, um eine genaue Zeichnung
abnehmen zu lassen. Zugleich ist es mir darum zu thun,
die Aufmerksamkeit der Beobachter auf eine, bis jetzt nicht
beschriebene Ursache und Form hartnäckiger Gebärmutter-
blutungen zu lenken.
Frau J7., kräftige, stets gesunde Frau, bat acht Kinder
rechtzeitig geboren, das letzte vor 12 Jahren. Die Men-
struation war stets regelmässig. Seit einem Jahre ist dieselbe
irregulär, blieb zuweilen 8 Wochen aus oder kehrte in 14 bis
21 Tagen wieder, war stets sehr profus, mit Ausscheidung
starker Gerinnsel verbunden. Nie die geringste Schmerz-
hafltigkeit dabei.
Nachdem 8 Wochen lang die Menses cessirt hatten,
traten sie am 19. März 1862 sehr profus ein. Ausser hellem
und schwärzlichem flussigem Blute wurden dicke, schwarze
Coagula unter leichten Kreuzschmerzen entleert Diese Ab-
gänge dauerten trotz ruhiger Lage, Seeale cornutum, Säuren,
welche der behandelnde Arzt verordnet hatte, fort bis zum
1. April, an welchem Tage ich consultirt wurde. Ich fand
die Frau in hohem Grade anämisch. Die Bauchdecken waren
so dick und fettreich, dass die Palpation des Unterleibes kein
Resultat ergab. Der Muttermund stand sehr weit nach oben
und etwas nach hinten. Vaginalpartion kaum vorhanden.
Das Scheidengewölbe geht fast unmittelbar in die Cervical-
wand des Uterus über und die Lippen sind nur in Form
schmaler Säume angedeutet Der Cervicalcanal ist weit ge-
öffnet Die Wände des Halses fühlen sich dünn und schlaff
an. Bis zum inneren Muttermunde kann man, wegen des
hohen Standes der Gebärmutter nicht vordringen. Die Ver-
bindung der inneren Untersuchung mit der Palpation des
Abdomens ergiebt als Resultat, dass keine Vcrgrusserung des
Uterus vorlianden ist. Auch dringt die Sonde nur 6 Ctm. vor.
60 I. Hegar, Beiträge «ur Pathologie des Eies
Mit dem Ei wurde mir eine Menge scheinbar t\vf ,
Blatcoagula übergeben. Suspendirte man sie in War/ ' -«
erhielt man die schönsten Scheiben- und traul^ / »*ss,
Gebilde, deren Beschreibung ich hier übergehe; ^ bis
selbe Form hatten, wie die im nächsten Falle Va bis
apoplectischen Zerstörungen der UterinschleV Rändern
Länge des Eies 6 Centim., Breite an «» ^^%^^
in der Mitte 3 Centim. ; nach dem andere «» zuweilen
sich das Ei auf Vk—l Centim. F • kolbenartigr
bedeckt An der üebergangssteUe \ * stehen reihen-
der Vera. 6^" V«— IV2 Ctm.
Die Reflexa ist dünn, bese ^ sehr dichtgedrangi
Eipol (1 Mülim). Oberfläche p ^^^ Fläche der Scheibe
bloss nach oben zu mit Dr" ^er grössten Scheiben mit
zahlreiche grössere und k' .edergegebeu.
nach dem obern Eipol lersuchung des Häutchens, welches
stimmte Formelementf den Stiel der traubenförmigen Massen
besteht fast ausschl" .,t theilweisc überzieht, zeigt eine librilläre
Masse, in welche- ^/^aeten runden oder ovalen Kernen. Audi
Nach EröF^eu sind sichtbar. An den Scheiben sind
schnitt des d' /J^enhängende Lagen grosser, länglicher Epi-
1 Centim. ^^^em Kerne vorhanden. Auch linden sich zu-
einem ^^^y'^che Schleim- oder Eilerkörperchen.
ist durf*^^jgj,gänge, mit welchen zeitweise solche Massen
Refle' ^,^^^ wurden, dauerten trotz EinspriUungen con-
Zot' ^^. Chloreisen- und Tanninlösungen, wenn auch iii
B^ /^fld geringerem Grade fort, bis zum 19. April, wo
' ^ach Ausstossung eines gi'össeren Coagulums plötzlich
^tirten- Der oflen stehende Cervix verengerte sich nur
^l,r alimälig.
Vier Wochen später traten die Menses wieder ein, dauerten
5 Tage und waren sehr massig. Es waren flbrigeus von
Anfang an Einspritzungen eines concenlrirten Decocts von
Eichenrinde gebraucht worden. Bis jetzt ist die Periode noch
melu-mals in normaler Art vorhanden gewesen.
und
Abort in den ersten Schwaogerschaftsmonaten. g3
^ Erklärung der Abbildungea«
\
Tafel I.
\ T^ X^^^' ^^^ dritten Monats. Fall 3. Das Ei ist an
^^^s Umfangs geöffnet, an welcher die Serotina
•^'*-. ♦, '^v '• Vera am breiten (obern) Eipol.
Vera am schmalen (untern) EipoL
.iiorion.
'^^A ige, feste Blutcoagula, in das zerklüftete
5^ * ^Ornsenaggregate) der Decidua eingobetlet.
il iiforn&ige, gestielte Gebilde in traubenförmiger
jordnung.
j. Amnion, g. Verkümmerter Embryo.
jUr 2. Die Serotina dieses Eies mit anhängenden Lappen
der Vera.
aaa. Rauhe Fläche der Vera mit langen, schmalen,
zottenartigen Vorspröngen.
b, Serotina mit langen und breiten Drusenhuckern,
welche durch Blutextravasat theilweise zerstört sind
und in Lamellen auseinanderfallen.
Figur 3. Decidua vera eines dreimonatlichen Abortiveies.
Fall 4.
A«assere Fläche der Vera. Hypertrophie der Drusen-
substanz. Ausdehnung einzelner Drösen zu Kysten. Extra-
vasate in die Drusen.
a. Grosse, dünnwandige Kyste, mit hellem Serum gefüllt.
b. Flaschenförmige Kyste mit engem, gewundenem Aus-
führungsgange.
c. Extravasate in die erweiterten Drüsen.
Figur 5* Abortivei des dritten Monats. Fall 5.
Das Ei ist durch einen Längsschnitt, welcher Reflexa und
Chorion spaltet, geöffnet. Die Reflexa ist vom Chorion
abgezogen, um die zwischen beiden Membranen befind-
lichen, streifigen Coagula zu sehen.
aa, Dünne, atrophische Vera.
b b. Reflexa.
c. Chorion. d. Festes, geschichtetes Blutcoagulum auf
der Reflexa.
64 I- Hegar, Beiträge aar Pathologie des Kies
Figur 6. Durchschnitt der in Bildung begriffenen Placenta
desselben Eies unter Loupenvergrösserung. Die Lamellen
der Serotina waren durch Blutextra?asat, welches grössten-
theils entfernt wurde, auseinandergedrängt.
a. Chorion mit seinen Zotten.
bbbb. Lamellen der Serotina.
Figur 7. Abortivei des dritten Monats. Fall. 6.
Eröffnung mit einem Längsschnitte, welcher die Wand
des Eies spaltet, welche theilweise durch die Serotina
gebildet ist
a. Vera.
b b. Ein Theil der Umschlagsstelle.
c. fieflexa. d. Chorion. e. Serotina.
/. Mit Blut getränkte, lamellöse Anhänge der Serotina. .
g, Wulstförmiger, mit Extravasat durchsetzter Drüsen-
höcker der Serotina.
In der Mitte der Eihöble beiludet sich das zusammen-
gerollte Amnion, welches mit Coagulis verfilzt und be-
deckt ist.
Tafel n.
Figur 8. Abortivei des dritten Monats. Fall 7.
Das Ei ist durch einen Längsschnitt an der von der Serotina
nicht eingenommenen Seite seines (Jmfaiigs geöffnet.
aa. Lappen der Vera.
b. Traubenförmige, gestielte Anhänge am untern Eipol.
CO. Reflexa. d, Chorion. e. Amnion. /. Nabelblase.
g. Nabelstrang.
Figur 10. ABC. Decidua menstrualis.
A. Die äussere Fläche der einen Wandung des Decidua-
Sackes mit ihren zahlreichen Drusenhöckerchen und darauf
befindlichen kleinen Oeffnungen.
a. Umschlag am imtern Rande.
B. Ein Drüsenhöcker unter Loupenvergrösserung.
C. Die äussere Fläche der anderen Wandung des Decidua-
sackes.
aa, Lücken, wahrscheinlich den Tubarostien ent-
sprechend.
und sam Abort in des ersten Schwang« rschaftsmonaten. g5
b, Lacke, entsprechend dem inneren Muttermunde. Man
siebt den zerrissenen Rand des Umschlags, dessen
Beschaffenheit es wahrscheinlich erscheinen iässt,
dass hier ursprünglich die Lücke durch eine, wenn
auch dünne Deciduaschichte ?erschiossen war.
Figur 11. Abortivei des dritten Monats. Fall 10.
a. Vera.
b. Reflexa.
c. Serotina. Die Drüsenhöcker derselben sind lang und
umfangreich, theil weise durch 61utextra?asat aus-
gedehnt, an der Spitze zersprengt, oder ganz in
Lamellen auseiiiandergefallen.
Figur 20. Apoplectisch desti*uirte und ausgestossene Uterin-
schleimhaut. Fall 14.
Man sieht in Schichten getrennte, scheibenförmige Coagula,
auf welchen gestielte, flaschenförmige und kolbenförmige
Gebilde, traubenartig geordnet, aufsitzen. Letztere stellen
gewissermaassen einen Abguss der ausgedehnten Drüsen
des Uterus dar.
Tafel lU.
Figur 4. Durchschnittszeichnung des Fall 4 beschriebenen Eies.
Die eine Hälfte der Eiwand fehlte.
a a, Vera, b b. Reflexa. c. Serotina, e) Nabelstrang,
welcher entfernt von der Serotina inserirt. Man
sieht die Ausbreitung seiner Gefässe, von welchen
ein Theil nach der Serotina, ein anderer Theil nach
anderen Stellen der Eiwand hinläuft. Zwischen Reflexa
und Chorion, Serotina und Chorion befindet sich ein
massenhaftes Blutextravasat
Figur 9. Figur 12 — 17. Schematische Längsdurchschnitte
verschiedener Eier , welche hauptsächlich dazu dienen , die
ausserordentliche Verschiedenheit in der Grösse der Sero-
tina zu veranschaulichen. Die natürliche Grösse der Eier
ist dabei streng gewahrt.
Figur 9. a. Serotina. b. Vera, c c. Chorion.
Figur 12 — 17. aa, Vera. b. Reflexa. c. Serotiua.
d. Chorion.
Monatstebr, f. Oebartak. 1868. Bd.XXI.,Sappl.-Hft. 5
QQ J. Hegar, Beiträge zar Pathologie des Eies etc.
In Figur 9, 14, 15, 17 sieht man die verschiedene In-
sertion des Nabelstrangs, welche in Fig. 9, 17 excentriscb,
in Fig. 15 centrisch stattfindet. Fig. 14 befindet sich die
Insertion ganz entfernt von der zukünftigen Placenta.
Figur 18. Schematiscber Längsdurchschnitt eines dreimonat*
liehen Abortiveies. Fall 12.
a. Decidua vera.
b b, Blutgerinnsel, darunter Reste des Chorions mit
seinen Zotten.
Figur 19. Schematiscber Längsdurchschnitt eines iweimonat-
lichen Abortiveies. Fall 13.
a. Vera. b. Reflexa. c. In die Länge gezogene und
durch Blutextravasat destruirte Serotina, d, Ghorioo.
e. Eihöhle.
II. Brealou, Beitrag lar WUrdigang etc. 67
IL
Beitrag zur Würdigung des Hofacker-Sadler'schen
Gesetzes, betreffend das Oeschlechtsverlialtniss
der Kinder bei relativer Altersverschiedenheit
der Aeltem.
Von
Prof. Dr. Breslau in Zürich.
Seitdem Johann Peter Süssmihh *) nachgewiesen hat,
dass eines der constanteslen Gesetze der Natur oder „der
göttlichen Ordnung'' darin bestehe, dass im Ganzen und Grossen
jederzeit und überall und unter allen Verhältnissen mehr
Knaben als Mädchen und zwar in dem Verhältnisse von 21 : 20
oder 26:25 geboren werden, hat es nicht au Versuchen
gefehlt, die Gründe für den constanten aber doch innerhalb
enger Grenzen schwankenden Knabenüberschuss aufzudecken.
Ganz enge mit der Erforschung dieses Verhältnisses zusammen-
hängend ist die Frage über die Ursache der geschlechtlichen
Entwickelung nach der männlichen oder weiblichen Seite hin
ohne Rücksicht auf das oder — und es versteht sich, dass
wenn man einmal dazu gelangen würde die Gründe oder einen
der wesentlichsten Gründe aufzudecken, welche auf die Pro-
duction der Knaben und der Mädchen einwirken, es leicht
wäre zu erkläi^en, wie bei dem Vorwalten des noch mibe-
kannten X für die Knabenproduclion die Anzahl der Knaben
im Vergleiche zu der der Mädchen sich erhebt oder wie diese
unter Umständen häufiger werden können, wenn das X der
Knabenproduction dem X der Mädchenproduction nachsteht.
Meine Absicht ist nicht, historisch zu verfolgen und nach-
zuweisen, wie weit sich der speculative, menschliche Geist
in der Verfolguug auf der angedeuteten Bahn gewagt hat, zu
welchen Scheingründen und a priori unhaltbaren Hypothesen
1) Die göttliche Ordnung in den Veränderongen des mensch-
lichen Geschlechts o. s. w. von Johann FeUr SüumÜek, IV. Ausgabe.
Berlin 1775. II. TheU, S. 241.
6*
g^ II. Breslau t Beitrag zur Würdig^nng
man gekommen ist. Die ganze Angelegenheit ist bis jetzt
nur um weniges weiter gediehen als sie vor fast 100 Jaliren
stand und es wurde sich kaum der Mühe lohnen, Das und
Jenes wieder hervorzuheben, was grossentheils schon von
Andern widerlegt ist, oder beim ersten Anblick von selbst
zusammenstürzt. Was einzig von den vielen Erklärungs-
versuchen über die das Geschlechtsverlialtniss der Kinder be-
dingenden Ursachen übrig bleibt, nachdem die neueste Hypo-
these des Herrn Dr. Ploss theilweise durch mich ^) und ganz
unabhängig von mir durch Prof. Wappaeus^) ihre Erledigung
gefunden hat, ist das sogenannte Hofacker-Sacller*sche Gesetz,
welches bis jetzt allen Gegenproben siegreich widerstanden
hat und berufen zu sein schien, in der Populationistik eine
sehr hervorragende Rolle zu spielen. Es war dieses Gesetz
bei den Physiologen ^) sowohl wie bei den Statistikern schon
so sehr zum Ansehen gelangt, dass es fast frevelhaft erscheinen
muss, an demselben rütteln zu wollen, aber bei einer genauen
Revision der vorhandenen von Andern gegebenen statistischen
Belege für oben genanntes Gesetz und bei einem Versuche
aus den mir zu Gebote stehenden Angaben, das Gesetz be-
stätigen und in gleicher Richtung weiter bauen zu können,
haben sich bei mir die gegründetsten Zweifei an dessen
Richtigkeit erhoben, und ich werde im Verlaufe der folgenden
kleinen Abhandlung Gelegenheit haben zu zeigen, mit welcher
Vorsicht die von vielen Hypothesen noch übrig gebliebene
Hypothese aufzunehmen ist und wie sehr sie noch von all-
gemeiner Verwerthbarkeit entfernt ist. —
Dr. Hofacker, Professor der Medicin in Tubingen, hat
im Jahre 1828 eine kleine Schrift: „über die Eigenschaften,
welche sich bei Menschen und Thieren von den Aeltern auf
die Nachkommen vererben u. s. w." herausgegeben, in welcher
1) Cfr. Oeaterlen'a Zeitschrift für Hygieine und SutiBtik, H. 2,
und Monatflächrift für Gebnrtäknnde, Bd. XVIII., H. 6.
2) Wappäus, Allgem. Bevülkerangsstatistik, II. Bd., 8. 167 u. f.
3) Leuekart in R. Wagner^a Handwörterbuch der Physiologfie,
Bd. IV, S. 774, wo es u. A. heisst; „Die Thatsache, dass die
relativen AUersverschiedenheiten der Kitern von grösstem Kinflus»
auf das Geschlecht der Nachkommen seien, wird sich nicht lauger
besweifeln lassen **.
des Sadler-Hofacker^achen Gesetzes etc. 69
sieb, neben einer Reihe sehr lesenswertber, interessanter Be-
obachtungen auch ein Capitel: „über den Einfluss des Alters
der Zeugenden auf das Geschlecht des Kindes'' findet. An-
knöpfend an eine Bemerkung von Aristoteles über den Ein-
fluss des Altei^ auf die Erzeugung von Knaben und Hädchen
geht Hofacker auf die Untersuchungen über, welche Morel
de Vinde im Jahre 1812 und 1813 anstellte, um die bei
den Schäfern verbreitete Meinung, dass junge Schafmutter
mehr weibliche, ältere dagegen mehr männliche Lämmer ge-
bären, zu prüfen. Morel de Vind4 schloss aus seinen eigenen
Beobachtungen, dass das Alter der Mutter durchaus keine
Folgerung auf das zu erwartende Geschlecht der Lämmer er-
laube, aber aus denselben Zahlen, welche Morel nicht weiter
verwerthen zu können glaubte, zog später Girou de Baza-
reingues eine Reihe von Gesetzen über die Abhängigkeit des
Geschlechtes der Schafe vom Alter des Zeugenden. Das war
der Ausgangspunkt für die Untersuchungen, welche Hofacker
über den Einfluss des Alters der Aeltern bei Menschen auf
das Geschlecht des Kindes anstellte, mit welchem Gegenstande
sich vor ihm Niemand befasst hatte. Er benutzte das Tübinger
Familienregister und zog aus demselben 2000 Kinder aus,
welche ihn in den Stand setzten, den wahrscheinlichen Ein-
fluss des Alters der Aeltern auf das Geschlecht des Kindes
nach ziemlich mannigfaltigen Verhältnissen zu berechnen. Das
Verliältniss der Knaben zu den Mädchen unter diesen 2000
(eigentlich nur 1996) Kindern war wie 107,5 : 100. Die
2000 Kinder stammten aus 38G Ehen. In 242 dieser Ehen
war der Yater älter als die Muttor und es verhielt sich bei
diesen Ehen, welchen 1283 Kinder, darunter 684 Knaben
und 589 Mädchen entsprangen, das Geschlecht der Knaben
zu dem der Mädchen wie 117,8 : 100.
In 27 der 386 Ehen waren Vater und Mutter gleich
alt. Bei diesen Ehen, welchen 145 Kinder, nämlich 70 Knaben
und 75 Mädchen entsprangen, war das Verhäitniss der Knaben
zu den Mädchen wie 92 : 100.
In einer dritten Glasse von 117 Ehen endlich, bei welchen
die Mutter älter als der Vater war, und welchen 568 Kinder,
darunter 270 Knaben und 298 Mädchen entsprangen, ver-
hielten sich Knaben zu Mädchen wie 90,6 : 100.
70 I^* BrealaUf Beitrag cur Würdigung
Hof acker spaltete ferner die EKen, in welchen der Vater
älter war, in mehrere Classen, je nachdem die Altersdifferenz
1 — 3 Jahre, 3 — 6 Jahre, 6 — 9 Jahre und 9 — 12 Jahre und
darüber betrug und berechnete auch hi^ das Geschlechts-
verhältniss der Kinder.
Stets war hierbei die Zahl der Knaben grösser wie die der
Mädchen, nur schien es Hofacker auffallend, dass wenn der
Vater 3~-6 Jahre älter war, als die Mutter, das Ueberge wicht
der Knaben nicht so gross war, wie wenn er nur 1 — 3 Jahre
mehr hatte.
XvS Hofackef^s Veranlassung stellte auch Pfarrer Dörr
in Hagelloch, einem nahe bei Tübingen gelegeneu Dorfe, Unter-
suchungen in gleicher Richtung an, welche in Bezug auf die
Hauptmomente zu ähnlichen Resultaten führten wie die Hof-
acier'schen. Sie erstrecken sich aber nur über 265 Kinder,
welche 17 Ehen, in denen der Vater, und 43 Ehen, in welchen
die Mutter älter war, angehörten, und es versteht sich, dass
auf so kleine Zahlen kaum irgend eine Bedeutung zu legen
ist Auch Pfarrer Boasert in Entringen stellte ähnliche Unter-
suchungen an; indess theilt Hofacker die wahrscheinlich
sehr kleine Zahl derselben gar nicht mit und sie müssen
desshalb ganz unberücksichtigt bleiben.
Noch nach einer andern Richtung suchte Hofacker den
Einfluss des Alters der Eltern auf das Geschlecht der Kinder
zu erforschen. Er theilte Väter und Hütter in drei Alters-
classen, in junge, mittlere und alte. Junge Väter nahm er
an als zwischen 24 — 36 Jahren stehend.
Einen mittleren zwischen 36 — 48 Jahren.
Einen allen „ 48—60 „
Eine junge Mutter „ 16 — 26 ^
„ mittlere „ „ 26 — 36 „
„ alte „ „ 36—46 „
Nun verglich er die neun zwischen den drei Altersdassen
beider Geschlechter möglichen Combinationen wie es auch
Girou de Bazareinguea bei den Schafen gethan hatte , und
berechnete wie das Geschlechtsverhältniss der Kinder d) bei
jungen Männern mit jungen Weibern, h) bei jungen Männern
mit Frauen mittleren Alters, c) bei jungen Männern mit alten
Frauen, d) bei mittleren Männern mit jungen Frauen, e) bei
des Sadler- ffcfaeker^schen Gesetzes etc. 71
mittleren Männern mit mittleren Frauen sei u. s. w. in gleicher
Weise durch alle neun Combinationen hindurch. Auf diese
Weise wurde nicht bloss auf das relative Alter der Aeltern,
sondern auch auf das absolute Alter Rücksicht genommen,
und jedenfalls gebührt Hofacker das Verdienst den Weg zu
Untersuchungen ähnlicher Art hiermit vorgezeichnet zu haben,
wenngleich andrerseits nicht zu läugnen ist, dass die Hof-
acX;6r'sche Eintheilung in jung, roitteljung und alt, wenn sie
auch den angenommenen Jahren nach ziemlich richtig sein
sollte und in der Natur selbst vielleicht begründet ist, doch
bei kleinen Statistiken wie seine eigene ist, zu keinem nur
irgendwie maassgebenden Resultate führen kann, indem ganz
ungleiche und zum Theil verschwindend kleine Grössen mit
einander verglichen werden, bei grossen Statistiken aber auf
grosse Schwierigkeiten in der Ausscheidung der neun Classen
gestossen werden muss, besonders wenn es sich um die lieber-
sieht über mehrere Jahre oder Jahrzehute handelt, da z. B.
ein Vater, der zur Zeit der Erzeugung des ersten Kindes
35 Jahre und somit noch jung war, 5 Jahre später, bei Er-
zeugung des zweiten Kindes, 40 Jahre alt ist und in die
Classe der Männer mittleren Alters gehört Hofacker selbst
hat einen grossen Fehler darin begangen, dass er bei seiner
Zusammenstellung nach den neun angedeuteten Classen auf
das Alter der Aeltern zur Zeit, als die Kinder geboren wurden,
Rücksicht nahm, aber übersah, dass die gleichen Eltern,
denen die 2000 Kinder entsprangen, zur Zeit der Verhei-
rathung und successiven Erzeugung der Kinder in anderen
als den voii ihm berechneten Altersclassen sich befanden.
Es scheint mir daher unnöthig, die Hofacker*^hen Resultate,
die er aus dem Vergleiche des absoluten und relativen Alters
der Aeltern gewonnen und in seiner . Abhandlung S. 52 — 55
ausführlich mitgetheilt, weiter zu verfolgen. Anders verhält es
sich mit der Rücksichtnahme auf das relative Alter der Aeltern
allein, worüber sich, wie oben erwähnt, die Hofacker'schea
Untersuchungen auch ausbreiten.. Das relative Alter, nur nach
drei Seiten variabel, je nachdem Vater oder Mutter älter oder
beide gleich alt sind, erleidet natürlich keine Aenderung, ob
sich die Betrachtung auf ein oder mehrere Kinder gleicher
Eltern erstreckt Immer beibt durch das ganze Leben hin-
72 n. Breslau j Beifrag snr Wiirdigung
durch der Vater so und so viel älter, junger oder gleich alt
als die Mutter und es kann, wenn überhaupt die relative Alters-
verschiedenheit einen Einfluss auf das Geschlecht des Kindes
hat, verhältnissmässig leicht eine Uebersicht gewonnen und
eine oder die andere Folgerung deducirt werden. Wollen
wir uns vorerst bei denjenigen Folgerungen aufhalten, welche
Hofacker aus der von ihm mitgetheilten relativen Alters-
verschiedenheit der Aeltern gezogen hat, so sind es folgende :
1) Es werden im Allgemeinen mehr Mädchen ge-
boren, wenn die Mutter aller ist als der Vater,
(während, setzl Hofacker hinzu, sonst in Europa die
Zahl der Knaben zu derjenigen der Mädchen sich ver-
hält wie 104 : 100, in Tübingen wie 107,5 : 100).
2) Es werden gleichfalls mehr Mädchen als Kna-
ben geboren, wenn Vater und Mutter gleich
alt sind, (indem eine Frau, die in demselben Jahre
wie der Mann geboren ist, durch alle Altersstufen hin-
durch als alter, denn ilir Mann, angesehen werden muss).
3) Es werden im Allgemeinen mehr Knaben als
Mädchen geboren, wenn der Vater älter als
die Mutler, und zwar in fortschreitender Pro-
gression mehr Knaben als der Vater älter ist
(Nur wenn der Vater 3 — 6 Jahre älter war, war das
Uebergewicht nicht so gross. Es hat sich dabei das
Verhältniss von 103,4 : 100 herausgestellt, wie es bei-
läufig in ganz Europa ist und es findet wahrscheinlich
in den meisten europäischen Ehen, besonders auf dem
Lande, ein solches Altersverhällniss der beiden Gatten
statt, dass nämlich der Mann 3 — 6 Jahre älter ist, als
die Frau).
Bevor wir nun zum Vergleiche mit andern Statistiken
über gleichen Gegenstand übergehen, versuchen wir die
^o/acX;6r'sche Statistik und seine Folgerungen etwas kritisch
zu beleuchten. Vor Allem ist gegen Hofacker einzuwenden,
dass die Zahlen, mit welchen es operirl, viel zu klein sind,
um bis dahin verborgene Naturgesetze aufzufinden. Sie würden
hinreichen, um bereits aufgefundene zu bestätigen. Ferner
ist uns von Hofacker nicht mitgetheilt, aus welchem Zeil-
abschnitt des Tübinger Familienregisters die Zahlen entnommen
des SadUr'Hofaeker^Heheu Gesetzes etc. 73
sind, ob gleiche Verhältnisse in Tübingen früher schon be-
standen, und endlich wissen wir nicht, ob bei der Anzahl
der Geborenen die Todtgeborenen mit eingerechnet sind oder
nicht, ein Umstand, der auf das Geschlechtsverhältniss der
Kinder einen nicht unbedeutenden Einfluss hat. Was Hof"
acker*8 Folgerungen betrifil, so hätte sich Hofacker durch
seine eigene, übrigens auf falschen Prämissen beruhende Be-
obachtung^), dass in ganz Europa das Geschlechtsverhältniss
der Kinder wie 100 Mädchen zu 104 Knaben sei, während es
in Tübingen wie 100 : 107,5 sich verhalte, zu vergleichenden
Forschungen über die Altersverschiedenheit der Aeltern in
andern Ländern veranlasst sehen müssen, um dadurch einen
sichern Anhaltspunkt für seine Hypothese zu gewinnen. Das
ist aber nicht geschehen und es entbehrten schon deswegen
seine Folgerungen einer soliden Grundlage. Weiter ist zur
zweiten Folgerung zu bemerken, dass, wenn es auch phy-
siologisch richtig ist, dass eine gleichaltrige Frau im Ver-
gleiche zum Manne älter ist, da sie früher gereift ist und
früher der Decrepidität entgegen geht, und wenn deswegen
bei gleich alten Aeltern die Mädchenzahl immer noch über-
wiegend ist, es doch eine Zeit geben muss, in welcher die
AltersdifTerenz zwischen Mann und Frau physiologisch sich
ausgleicht, mag dies nun sein, wenn diese 1, 2, 3 oder 6 Jahre
jünger ist, und es müsste erwartet werden, dass bei einer
gewissen Altersverschiedenheit männliches und weibliches Ge-
schlecht bei den Kindern gleich an Anzahl stehen, was aber
Hofacker, so nothwendig es für seine Hypothese auch wäre,
seihst nicht nachzuweisen vermag.
Wollen wir uns aber bei den Einwendungen gegen die
immerhin viele Anerkennung verdienende Arbeil Hofacker'^
nicht zu lange aufhalten, sondern auf einen Statistiker grossen
Namens übergehen, der einige Jahre nach Hofacker und
ohne von dessen Berechnungen Kenntniss gehabt zu haben,
von selbst auf die Erforschung der Ursachen der Geschlechts-
proportion der Kinder mit Bezug auf das Alter der Aeltern
seine Aufmerksamkeit richtete.
1) 8. weiter unten das im AUgeraeinen geltende Geschlechts-
TerhSltniss.
74 I^- BrealaUf Beitrug zur Würdigung
Michael Thomas Sadler hat im 3. Capitel des IV.
Buches seines berühmt gewordenen Law of population, Lon-
don 1830 eine Uebersicht über 2068 Kinder gegeben, welche
381 ersten und fruchtbaren Ehen der englischen Peerage
entsprangen.
Das Verhältniss der 1105 Knaben zu 963 Mädchen war
wie 1147 : 1000.
Der Mann war in 54 Ehen jünger als die Frau. Diesen
54 Ehen entsprangen 122 Knaben und 142 Mädchen. Das
Verhältniss der Knaben zu den Mädchen war also wie 865
zu 1000.
Das Alter der Eltern war in 18 Ehen gleich. Diesen
18 Ehen entsprangen 54 Knaben und 57 Mädchen oder 975
Knaben zu 1000 Mädchen.
Der Mann war 309 Mal älter als die Frau und diesen
309 Ehen entsprangen 929 Knaben und 765 Mädchen. Die
Knaben verhielten sich also zu den Mädchen wie 1214 : 1000.
Weiter ist für diese letzte Classe von Sadler noch ähn-
lich wie von Hofacker die Unterabtheilung gemacht worden,
je nachdem der Mann 1 — 6, 6 — 11, 11 — 16, 16—21 und
21 und darüber Jahre älter war als die Frau und es fand
sich, dass in dem Maasse, wie der Vater älter war, die An-
zahl der erzeugten Knaben grösser wurde. Sadler hält sich
durch seine in Form einer Tabelle gegebene Statistik zu
folgendem Schlüsse berechtigt:
Das Geschlechtsverhältniss der Kinder wird in
solcher Weise durch die Altersdifferenz der Aeltern
geleitet und regulirt (govemed and regulated), dass
durchschnittlich das Geschlecht desjenigen Theils
der Eltern vorherrscht, dessen Alter vorwiegt.
Es ist wirklich zu verwundern, dass Sadler, ein Statis-
tiker von Fach, der mit grossen Zahlen zu arbeiten gewohnt
war und das Trügerische der kleinen Zahlen wohl kannte,
so unbedingt und über allen Zweifel erhaben (S. 342) aus
dem Vergleiche der relativen Altersverschiedenheit von 762
Geburten mit dem Geschlechte von 2068 Kindern eines seiner
Populationsgesetze abzuleiten wagte, und es kann Sadler
doch unmöglich entgangen sein, dass eine Summe von 2068
Kindern, bei welchen das ganz anomale Verhältniss eines
des Sedier -Ho/acker* sehen Gesetzes etc. 75
Knabenuberschusses von 1147 : 1000 Mädchen sich findet,
schon deswegen nicht gut zum Ausfindigroachen eines Gesetzes
sich eignet, was auf grosse Bevölkerung anwendbar' werden
soU, in welcher Knaben zu Mädchen ungefähr wie 1060 zu
1000 sich verhalten.
Zwei andere Tabellen, deren Zahlen ebenfalls der eng-
lischen Peerage entnommen sind, fuhren Sadler zu den
Polgerungen, 1) dnss das vorgerückte Alter des Mannes die
Zahl der männlichen Geburten vermehre und 2) dass das
Alter der Frau keinen Einfluss auf das Geschlecht der Kinder
ausübe. Hier ist also auf das absolute Alter der Aeltem
Rücksicht genommen, weiter oben auf das relative Alter der
Eltern. Mit jenem haben wir nichts weiter zu thun, mit
diesem allein haben wir uns zu beschäftigen und es ist in
der That recht auifallend, wie sehr im Allgemeinen die Hof-
acker*schen und Sadler'sichen Resultate mit einander über-
einstimmen. Was man also Hofacker-Sadler^sches
Gesetz nennt, kann mit folgenden Worten zusammengefasst
und ausgedrückt werden:
1) Ist der Vater älter als die Mutter, (das gewöhn-
lichste der Verhältnisse) so werden mehr Knaben
als Mädchen producirt.
2) Sind beide Aeltern gleich alt, (das zweit gewöhn-
liche Verhältniss) so werden weniger Knaben als
Mädchen producirt, aber die Anzahl der Kna-
ben und Mädchen nähert sich einander.
3) Ist die Mutter älter als der Vater, (das unge-
wöhnlichste Verhältniss) so werden überwiegend
mehr Mädchen als Knaben producirt.
Das Sadler- Hof acker'sche Gesetz wurde nun lange
Zeit nicht weiter verfolgt, vermuthlich weil in den wenigsten
Ländern bei den Geburtslisten Rücksicht auf das Aller der
Eltern genommen wurde, bis erst in den fünfziger Jahren
die Sache von Neuem aufgegriffen wurde.
Im Jahre 1854 legte Herr J. Vtnc. Goehlert der kaiser-
lichen Academie der Wissenschaften zu Wien ^) Untersuchungen
1) 8. die Sitsangsberichte der philosophisch -historischen
Classe der kaiserl. Akademie der Wissenschaften, Bd. XII., S. 510.
76 II Breslau, Beitrug zur Würdigung
aber das Sexual- Verhältniss der Gebornt'n vor, welche an die
von Hofacker und Sadler anknüpfend gleichen Gegenslaad
behandeln. Herr Goehlert unterzog sich der mühevollen
Aufgabe, aus 25 Jahrgängen des Gotha'schen genealogischen
Almanachs, welcher die fürstlichen Familien der meisten euro-
päischen Länder umfasst, die erforderlichen Daten zu ent-
nehmen, wobei nur erste Ehen und solche mit wenigstens
zwei Kindern berücksichtigt wurden, um hierdurch (?) allen
die Berechnung störenden Einflüssen anderer Momente im
Vornhinein zu begegnen. Die in solcher Weise gewonnenen
Angaben umfassen 953 Eben, in welchen 4584 lebende Kinder,
nämlich 2351 Knaben und 2233 Mädchen geboren wurden.
Es crgiebt sich daraus eine Goschlechtsproportion von 1053
Knaben gegen 1000 Mädchen, was mit der allgemeinen Sexual-
proportion von ganz Europa gut übereinstimmt.
Bei Ausscheidung nach dem relativen Alter der Aeltern
wurden geboren:
1) Bei geringerem Alter der Frau 2017 Knaben und 1865
Mädchen oder 1081,5 Knaben : 1000 Mädchen.
2) Bei gleichem Alter der Aeltern 263 Knaben und 282
Mädchen oder 932,6 Knaben : 1000 Mädchen.
3) Bei geringerem Alter des Mannes 71 Knaben und 86
Mädchen oder 825,6 Knaben : 1000 Mädchen.
Somit sind auch die Resultate von GoeJdert mit denen
von Hofacker und Sadler gut übereinstimmend, und es
verdienen die GoehleH'schen Resultate der Menge der bei-
gebrachten Zahlen wegen schon mehr Vertrauen als die seiner
Vorgänger.
Eine weitere statistische Angabe über gleichen Gegen-
stand fand ich in den etudes statistiques sur la mortalite et
la duree de la vie dans la ville et Tarrondissement de Dqon
von Af. L. Noirot 2, Ausgabe, Paris 1852.
In dem 4. Capitel dieser kleinen, in vieler Beziehung
recht lesenswerthen Schrift wirft Noirot die Frage auf: ob
die stets grössere Anzahl männlicher Geburten ein unveränder-
liches Gesetz ist und beantwortet diese Frage dahin, dass ein
rein zufalliger Einfluss, von der relativen Altersverschieden-
heit der Aeltern herrührend, eine grosse Rolle in der ge-
schlechtlichen Bestimmung des Eies ausübe. Das relative
des 8adler-Hofacker*Bchen Gesetses etc. > 77
Alter der Aeltern von 4000 Kindern, worunter 2034 Knaben
und 1965 Mädchen, welche in Dijon geboren wurden, lieferte
ihm folgende Verhältnisse:
1) Vater jünger als die Mutter: 441 Mädchen 514 Knaben
= 100 : 116.
2) Vater 1—5 Jahre älter: 702 Mädchen, 660 Knaben
= 100 : 94.
3) Vater 5 — 10 Jahre älter: 822 Mädchen, 860 Knaben
= 100 : 104.
Man sollte nun meinen, es -sei eine leichte Aufgabe, aus
den angegebenen Zahlen in klaren und bestimmten Worten
die Resultate zu sammeln und etwa zu sagen:
1) War der Vater jünger als die Mutter, so wurden be-
deutend mehr Knaben als Mädchen geboren.
2) War der Vater 1 — 5 Jahre älter als die Mutter, so
wurden weniger Knaben als Mädchen geboren.
3) War der Vater 5 — 10 Jahre älter als die Mutter, so
wurden wieder mehr Knaben als Mädchen geboren,
aber nicht so viel Knaben als wenn der Vater jünger
war als die Mutter.
Diese Folgerungen aber, die jeder unbefangene Leser
sich selbst ziehen kann, wenn er obige Zahlen liesst, hat
Noirot nicht gezogen. Seine Folgerungen passen zu seinen
Zahlen wie eine Faust auf ein Auge. Lassen wir ihn selbst
reden und führen wir, um alle Missverständnisse einer lieber-
Setzung zu vermeiden, den französischen Text an: „Ainsi,
lorsque la femme est plus ägee que le marl, les naissances
feminines l'emportent sur celles du sexe oppose. On observe
an rapport inverse lorsque le p^re est de quelques annees
seulement plus ige que la m^re, mafs ce rapport change et
les naissances masculines deviennent de nouveau les moins
nombreuses, lorsqu'il y a entre Tage des conjoints assez de
disproportion pour que Favantage de la force soit cense appar-
tenir ä la mere."
Ich habe vergebens nach einem Schlüssel zur Lösung
des Widerspruchs zwischen Zahlen und Folgerungen gesucht
und kann ihn nicht finden. Man kann keinen Druckfehler
supponireii, denn man weiss nicht, wohin man ihn zu setzen
78 n. BrM^au, Beitrag sarWfirdigang
hat, man sucht vergebens nach einem Rechnungsfeliler; er
ist nicht vorhanden, man möge mich auch keines lieber-
setzungsfehlers beschuldigen, denn Sätze wie: „Pere plus
jeune que ia mere'' u. s. w. können nicht anders übersetzt
werden als ich es gethan habe. Es bleibt somit für mich
und meinen Zweck nichts anderes übrig, als mich an Noirof&
Zahlen allein zu halten, die, so weit ich sie einer Controle
unterziehen konnte, bis auf eine, die veimuthlich ein Druck-
fehler ist, richtig sind. Es soll nämlich oben: Unter 1 bis
5 Jahre älter u. s. w. heissen: 100 : 91 statt 100 : 94
•
Was bei Noirofs Zahlen auffallend ist und leider einen
Vergleich nur zu % ^^^ ^^^ Hofacker'Sy Sadler'^ und
GoeMerfs Angaben erlaubt, das ist der Umstand, dass er
nur die Gesclilechtsproportion der Kinder anführt, bei welchen
der Vater entweder älter oder jünger als die Mutter war;
aber diejenigen ganz ausser Auge lässt, bei weichen die
Aeltern gleich alt waren, und doch 'dient dieses überall und
gewiss auch in Dijon vorkommende relative Altersverhältniss
gewissermaassen als verbindendes Mittelglied zwischen dem
relativ höheren oder niederen Alter des einen der beiden
Theile der Aeltern.
Die grössten Zahlen zur Kenntniss des Einflusses der
relativen Altersverschiedenheit der Aeltern auf die Geschlechts-
proportion der Kinder hat Legoyt, der Chef der division de
la statistique in Paris geliefert. Durch eine Anmerkung S. 198
des II. Bandes der vortrefflichen allgemeinen Bevölkerungs-
statistik von Prof. Wappaeus auf Legoyt hingewiesen, habe
ich getrachtet, die Angaben dieses Forschers im Originale
selbst, wie ich es bei Hofacker^ Sadler etc. gethan habe,
nachzulesen. Leider ist es mir aber trotz mancher Bemühung
nicht gelungen, das Legoyt*Bche Buch zur Einsicht zu er-
halten. Indess hat Herr Prof. Wappaeus die Freundlichkeit
gehabt, aus Legoyt*& Statistique de la France, deuzieme Serie,
Tome IV. Strassbourg 1857 S. 25 die betreffenden in einer
Note enthaltenen Stellen wortwörtlich für mich copiren zu
lassen, und ich bin hiedurch in den Stand gesetzt, in getreuer
Ueberselzung Legoyfs Zahlen und Folgerungen anzugeben.
Für die ersteren behalte ich die tabellarische Form bei.
des SadUr-Hofaeker^Bahen Oesetxes etc.
79
Eheliche Geburten, welche in. Calais von 1833 — 1852
'ch ereigneten: '
1. 1 2.
Vater Vater
ftlter und
als die Matter
Matter, gleich alt.
3.
Vater
jünger
als die
Mutter.
4.
Summe
der Geburten.
Knaben . . .
Mädchen. . .
1510
1373
• 109,98
1171
1085
437
430
«^^« 1 6006
2888 1
Geschlechts*
Proportion
107,92
101,63
107,97 . . 107,61.
„Hieraus ginge nun hervor, (sagt Legoyt) dass das Vor*
wiegen des männlichen Geschlechts den grösstniöglichsten
Grad erreicht bei denjenigen Conceptioaen , welche in Ehen
sich ereignen, in denen der Vater älter ist als die Mutter;
es nähert sich das Sexualverhältniss dem Mittel, wenn beide
Aeltern gleich alt sind, und es steht beträchtlich tiefer, wenn
der Vater junger ist. Diese Resultate werden durch eine
ähnliche Beobachtung bestätigt, welche in Paris in den Jahren
1854 und 1855 gemacht wurde, wovon man sich durch die,
folgende Tabelle überzeugen kann, welche sich über 52311
FäUe erstreckt*'
1.
Vater
älter
als die
Matter.
2.
Vater
und
Mutter
gleich alt.
3.
Vater
jünger
als die
Matter.
4.
Summe
der Gebarten.
Knaben . . .
Mädchen . .
21748
20814
1618
1684
3232
3315
'-^«^^« 52311
25713
•
Qeschlechts-
Proportion
104,49
102,14
97,50
102,97 . . 108,44.
Weitere Bemerkungen zu dieser zweiten Tabelle von
Seite Legoyfs finden sich nicht. Einzig die wenigen voran-
gebenden Worte beziehen sich auf die erste und zweite tabel-
larische Uebersicht. — Die Resultate der Beobachtungen in
Paris sollen diejenigen der Beobachtungen in Calais bestätigen.
In Calais hatte der Knabenüberschuss den grösstmöglichsten
80 II- Breslau, Beitrag zur WOrdignng
Grad erreicht, bei Ehen, wo der Vater älter war, er war bis
auf 109,98 gestiegen. In Paris betrug aber der Knaben-
überschuss unter gleicher relativer Altersverscbiedenheit der
Aeltern nur 104,49, blieb somit unter dem gewöbnlicbeo
Mittel zurück. Ist dies eine Bestätigung für die Resultate
von Calais?
In Calais näherte sich der Rnab^nüberschuss mit 107,92
bei gleichem Alter der Adlern dem Mittel, blieb aber immer
noch darüber stehen, in Paris war bei gleichem Verhältnisse
zwar auch noch ein Knabenüberschuss, nämlich 102,14 vor-
banden, aber er war 3—4 Proc. unter das Mittel gefallen.
Wo ist hier eine Bestätigung der Beobachtungen in Calais
durch die Beobachtungen in Paris?
In Calais fand sich, wenn der Vater jünger war als die
Mutter, dass der Knabenüberschuss mit 101,63 beträchtlich
unter das Mittel herabsank, in Paris gab es bei gleichem
relativen Altersverhältnisse gar keinen Knabenüberschuss,
sondern einen Mädchenüberschuss, denn die Knaben ver-
hallen sich zu den Mädchen wie 97,50 : 100. Kann man
dies eine Bestätigung der Beobachtungen von Calais nennen?
• Ein einziger Unterschied ist bei den Beobachtungen von
Calais und Paris durchgreifend. Es ist der, dass die meisten
Knaben von Calais und Paris aut die 1. Rubrik (Vater älter),
weniger Knaben auf die 2. Rubrik, die wenigsten Knaben
auf die 3. Rubrik fallen, und insofern werden allerdings die
einen Beobachtungen durch die andern bestätigt. Es liegt aber
gewiss ein grosser Unterschied darin, ob ich sage : „Bei gleichem
Alter der Aeltern nähert sich der Knabenüberschuss dem Mittel,
bleibt aber immer noch darüber stehen,^' oder ob ich sage:
„Bei gleichem Aller der Aeltern giebt es weniger Knaben,
als wenn der Vater älter ist als die Mutter, aber es bleibt
unbeslimmt, wie sich die Zahl der Knaben zu der der Mädchen
verhält" u. s. w.
Abgesehen nun von der Unrichtigkeit, die sich Legoyt
in der Deutung der vorliandenen Zahlen offenbar hat zu Schul-
den kommen lassen, ist noch ein Umstand zu rügen, der nicht
geeignet ist, unser Vertrauen zu der Le^o^fschen Statistik
zu erhüben. Unter den wenigen Zahlen der beiden kleinen
Tabellen finden sich nämlich zwei Rechnungsfehler. In der
des Sadler-Hofaeker^achen UesetzeB etc. ^1
TabeUe von Calais soll es (wie oben durch Punkte angedeutet
ist) bei der Gescblechtsproportion der Gesammtsumme der
Kinder staU 107,97 heissen: 107,61 und in der Tabelle von
Paris soll es bei der entsprechenden Zahl statt 102,97 heissen:
103,44.
Wird nun auch durch die Correction beider fehlerhafter
Zahlen nichts Wesentliches für die Gesanimtübersicht geändert,
so kann man doch nicht umhin, mit Horn^) Herrn Legoyt
der Leichtfertigkeit zu beschuldigen, weqn wir auch nicht so
weit wie Hörn gehen wollen, der aus Aerger über LegoyV^
mangelhafte Rechnung gar Iceiiien Gebrauch von seinen An-
gaben machen will.
Andere statistische Beiträge über die Frage von dem
Einfluss der Alters Verschiedenheit der Aeltern auf das Ge-
schlechtsverhällniss der Kinder als die voranstehenden von
Hofacker^ Sadler, Göhlert, Noirot und Legoyt vermag
ich aus der Literatur nicht beizubringen, und sind auch meines
Wissens keine weiteren derartige verößentlicht worden. Ich
wende mich nun zu eigenen Untersuchungen, zu welchen ich
mir die nöthigen Daten aus der Statistik des (lantons Zürich
verschafft habe.
Als Ende 1860 neue Tabellen für sämratliche Hebammen
des Cantons Zürich von der Medicinaldirection ausgefertigt
wurden, wurden auf meine VerRiilassung zwei Rubriken ein-
geschoben, die eine betreffend das Geburtsjahr des Vatei%
die andere belrefTend das Geburtsjahr der iMutter. Die Tabellen
werden nach abgelaufenem Jahre der Medicinaldirection von
den Hebammen eingeliefert und es sind die deutlich und prilcis
gestellten Fragen im Allgemeinen gewissenhaft und vollkommen
beantwortet. Die nach der neuen Anordnung ausgefüllten
Tabellen von 1861 wurden mir bereitwilligst von der Medicinal-
direction zur Benutzung überlassen, und sie bilden die Grund-
lage meiner Angaben. Da in denselben das Geburtsjahr beider
Aeltern erwähnt ist, so konnte leicht das absolute und relative
Älter beider Aeltern berechnet werden. Mein Augenmerk
war aber (s. oben) nur auf die relative Altersverschiedenheit
1) Hörn, BcvÖlkeruDgswisseDschaftliche Studien aus Belgieu.
Bd. l. Brief X. Nachschrift, S. 103.
Monatascbr. f. Qebortsk. ISas. Bd. XXI., Sappl.-Hft. ^
82
'II. Br$9lau^ Beitrag sor Würdignsf
iür diesmal gerichtet, bei einer andern Gelegenheit kann auch
das absolute Alter berücksichtigt werden.
Alle Geborenen sind in die nachfolgende Tabelle aut-
genommen, sowohl die Lebendiggeborenen als die Todt-
geborenen, reife Kinder und unreife, einfache und ZwiUiiigs-
kinder, Kinder erster Ehe und zweiter und dritter Ehe, Erst-
geborene und Nacbgeborene, und endlich Kinder aus allen im
CaiUon Zürich vertretenen Ständen. Von den wenigen un-
ehelichen Kindern, zwischen 300 und 400, ist das Alter des
Vaters grossentheils unbekannt geblieben und «e konnten
desshalb fast nicht für unsern Zweck berücksiditigt werden,
was aber natürlich nichts zu sagen hat.
Namen
der
Beiirke.
Zürich .
Affoltern
Borgen .
Meilen .
Hin'weil
Uster . .
Pfäffikon
Andelfiogen
Bübach . . .
Regensberg
Winterthur
1.
Gesammt-
gebnrten
im
Jahre
1861.
904 865
200 166
382 368
267 i 248
447; 429
283 ; 249
291 289
256 232
413 ' 355
229 I 238
500 473
2.
a.
Vater
älter
als die
Mutter.
K.
652
163
281
183
306
174
185
11)0
310
M.
654
140
266
178
305
165
188
170
274
171 I 180
340 1 322
Summe
4172 3912 2955 2842
8084
5797
Verh'ältnifls
der Mädchen
zu Knaben
wio 1000:
1066
1039
3.
b.
Vater
u. Mutter
gleich
alt.
4.
c.
Vater
jünger
als die
Mutter.
5.
Ge-
barten
von a.
in
Proc.
6.
Ge-
burten
von 6.
in
Proc.
K.
M.
K.
M.
K. u. M.
50
53
202
158
73,8
12
9
25
17
82,7
30
27
71
75
72,9
23
23
61
47
70,1
36
23
106
101
69,7
26
26
83
58
63,7
33
24
73
77
64^3
8
17
58
45
73,7
25
22
78
59
76,0
21
19
37
39
75,1
34
45
126
106
68,0
297 288
585
920 i 782
1702
1031
1176
71,7
K. n. M.
5,8
5,8
7,6
8,9
6,6
9,7
9,8
5,1
6,1
8,5
8,1
7,1
4.
Ge-
borten
von e.
• in
Proc.
K.u. M
20,3
11,4
19,3
20,9
23,6
26,5
25,y
21,1
17,8
16,2
23,«
'21,0
Die voranstehende Tabelle könnte zu einer grossen Reihe
von Betrachtungen führen, aber um meinem Zwecke nicht
untreu zu werden, niuss ich mich nur auf wenige beschränken.
Das Verhältniss der Mädchen zu Knaben bei sammtlichen
8084 Geburten ist wie ICOO : 1066 und nähert sich sehr der
des 8adler-Ho/a4^cw*a6hen Oeaetses otc. gj
allgemeinen Geschlechtsproportion wie sie von Wappaeus^)
mit 1000 : 1063 nacb einer Berechnung aus einer Zahl von
58 V4 Millionen Geborenen gefunden wurde. Wir stehen also,
was die allgemeine Geschlechtsproportion betrifil, auf ganz
normaler Operationsbasis, auf welcher wir keinem AngriiTe
ausgesetzt einen kleinen Feldzug gegen das Hofacker-
Sadler'sdjLe Gesetz um so eher unternehmen können, da,
wie wir gesehen, ohne Ausnahme alle unsere Vorgänger bei
der Gesammtsumme der Geborenen eine dem gewöhnlichen
Mittel entferntere Geschlechtsproportion ihren weiteren Be-
rechnungen zu Grunde legen als wir, und es doch wesent-
lich darauf ankommen muss, dass man es nicht von vorn-
herein mit Unregelmässigkeiten zu thun hat, die bei weitern
Unterabtheilungen nicht ohne störenden Einfluss bleiben können.
Werfen wir zunächst einen Blick auf die Columne 2, hi
welcher die Zahl der Kinder verzeichnet ist, welche den ge-
wöhnlichen oder den Normal-Ehen, wie wir sie nennen
wollen, entsprungen sind, in denen der Vater älter war als
die Mutter, so finden wir, dass sich die Mädchen zu den
Knaben wie 1000 : 1039 verhalten. Der Ueberschuss der
Knaben war also vermindert, statt nach dem Hofacker-
Sadler'scheti Gesetz vermehrt zu sein.
Bei Normal-Ehen (Vater älter) fand:
1) Hofacker: 2) Sadler:
100 : 1 17,8 oder 1000 : 1 1 78. 1000 : 1214. .
3) Göhlert: 4) Noirot:
1000 : 1081. 1000 : 997. '
5) Leg^t nach der Statistik 6) Legoyt nach der Statistik
von Calais: von Paris:
100 : 109,98 od. 1000: 1099. 100 : 104,49 od. 1000 : 1046.
Am meisten übereinstimmend sind unsere Zahlen mit
denen von Legoyt nach der Pariser Statistik, und da diese
die einzige ist, welche unsere Statistik an Grösse ribertrifft, und
somit der gesetzmässigen Ordnung am nächsten zu kommen
verspricht, so gewährt es einige Beruhigung, dass unsere
Knabenproportion bei Normal-Ehen zu 1039 gefunden, an
1) A. «. O. Ijd. II., 9. 160.
6*
g4 M- ßreslaUf "Beitrag «ur 'Würdi^nnt^
die Pariser Knabenproportion von 1045 enger sich nnpchlifssl
als an alle übrigen.
Gehen wir aber nun einen Schritt weiter, wenden wir
uns zur Columne 3, in welcher die Zahl und Geschlechts-
proporlion der Kinder derjenigen anomalen Ehen aufgezählt
sind, bei denen Vater und Mutter gleich alt waren, so finden
wir zwar nur noch einen Ueberschuss von Knaben, nämlich
1031 Knaben zu 1000 Mädchen, aber geringer als in der
vorigen Columne. Die Zahl der Knaben und Mädchen näherte
sich also einander, aber die Mädchen waren nicht vorherrschend,
wie es doch nach dem Hofacker-Sadler' sehen Gesetz sein
sollte. Ueberblicken wir auch für dieses Verbal tniss die nach
andern Statistiken vorliegenden Daten, so ergiebt sich
1) bei Hofacker: 2) bei Sudler: 3) bei GöhleH:
100 : 92 oder 1000 : 920. 1000 : 947. 1000 : 9ä2,6.
4) bei Legoyt nach der 5) bei Legoyt nach der
Statistik von Calais: Statistik von Paris:
1000 : 1079. 1000 : 1021.
Somit nähern wir uns in dem Resultate, betreffend die
Geschlechlsproportion der Kinder bei Ehen mit gleichem Alter
der Aeltern, ebenfalls am meisten dem von Legoyt aus der
grossen Pariser Statistik gewonnenen Resiütate, wenngleich
die Uebereinstimmung nicht vollständig ist. Es hat nun fast
den Anschein, als ob wir uns an die Legoyf sehe Paris«3r
Statistik vollständig anschliessen könnten, wenn wir nicht
durch ^ie Disharmonie in der nächsten Columne eines Andern
belehrt würden.
Die Columne 4 giebt Aufschluss über Zahl and Ge*
schlechtsproportion der Kinder anomaler Ehen bei welchen
der Vater jünger war. Der Ueberschuss der Knaben ist hier
sehr bedeutend gestiegen. Die Knaben verhalten sich zu den
Mädclien wie 1176 : 1000, Nach dem Sadler'Hofacker'scben
Gesetz sollte es bei dieser Classe anomaler Ehen weniger
Knaben als Mädchen geben.
Vergleichen wir auch für diese Classe die Resultate der
übrigen Statistiken, so findet sich
1) bei Hofacker: 2) bei Sudler:
100 : 90,6 oder 1000 : 906. 1000 : 865.
des Sadler- Hof aek0r* scheu Gesetaes etc.
85
3) bei Göhlert: 4) bei Notrot:
1000 : 932,6. 100 : 116 oder 1000 : 1160.
5) bei Legoyt aus der Statistik 6) bei Legoyt aus der
von Calais: Pariser Statistik:
1000 : 1016. 1000 : 975.
Unsere Resultate stimmen somit, was die Geschlechts-
proportion bei Ehen betrifll, in denen der Vater jünger war,
fast gar nicht mit denen der übrigen Statistiken überein.
Einzig bei Noiroi ist die Geschlechtsproportion eine der
unserigen ziemlich gleiche. Bei vier Statistiken und darunter
auch hei der umfassendsten Pariser sinkt die Zahl der Knaben
so beträchtlich, dass sie von der Zahl der Mädchen übertroffen
wird, und in der Statistik von Calais bleibt die Zahl der Knaben
zwar noch überwiegend, aber bei weitem nicht in dem Maasse
wie in der unsrigen.
Es schien mir nun von Werth, zu sehen wie sich das
Geschlechtsverhältniss der Kinder gestalte, wenn ich bei der
II. Classe der anomalen Ehen die relative Altersvei'schieden*
heit der Aeltern noch weiter verfolge, je nachdem der Vater
1—3 Jahre, 4—6 Jaljre, 7 — 9 Jahre. 10—12 Jahre und
13 Jdhre und darüber jünger war als die Mutter. Die folgende
Tabelle giebt die gewünschte Aufklärung.
Vater jünger
als die Matter.
Gesanimt-
zahl
der
Kinder.
Knaben.
Mädchen.
s
MHdchen:
Knaben
= 1000 :
1
2
3
4
5
1—3 Jahre . .
4-6 , . .
7— 9 ,
10—12 „
13 Jahre und mehr
1074
420
136
51
21
1
'591
218
84
24
8
483
207
52
27
13
l
'' 1223
1 1028
1 1615
1 888
1 614
Es zeigt sich demnach, dass die Geschlechtsproportion
der Kinder nur bei der 4. und 5. Classe der relativen
Altersverschiedenheit der Aeltern mit dem Hofacker-
Sadler*9ch^n Gesetze übereinstimmt, in den übrigen Classen
aber geradezu ihm widerspricht Auf das Resultat der 4. und
5. Classe ist aber kein Gewicht zu legen, da wir es nur mit
ganz kleinen Zahlen zu thun haben, deren Bedeutung gegen-
über den weit grösseren Zahlen der 1., 2. und 3. Classe ganz
in den Hintergrund tritt.
g6 II. Bre$laut Beitrag snr Wiirdigong^ etc.
Wollte ich nun die Gesammtresultate unserer Züricher
Sta^stik zu einem Gesetze formuliren, so könnte ich midi
folgendermaassen ausdrücken:
1) Ist der Vater älter als die Mutter, so werden zwar
mehr Knaben als Mädchen producirt, aber doch un-
gefähr 2V2 Proc. weniger als im Grossen Ganzen.
2) Ist Vater und Mutter gleich alt, so werden auch mehr
Knaben als Mädchen producirt, aber noch um beinahe
1 Proc. weniger als wenn der Vater älter ist.
3) Ist der Vater jünger als die Mutter, so werden bei
weitem mehr Knaben als Mädchen producirt.
4) Unter allen relativen Altersverschiedenheiten der Aeltern
überwiegt die Zahl der Knaben die der Mädchen.
Ich bin aber weit entfernt davon, dieses sein sollende
Gesetz wirklich als solches proclaroiren zu wollen; so wenig
als ich andrerseits mich denjenigen anschiiessen will, welche
die Resultate der Hofacker'scheu, /S^acüZer'schen, OöMerifschm
Untersuchungen u. s. w. so ohne V^eiteres als richtig und
maassgebend betrachten wollen und der Meinung sind, dass
man durch dieselben den Ursachen des Geschlechtsverhält-
nisses der Kinder wirklich auf die . Spur gekommen sei
Mangelude Uebereinstimmung und offenbare Widersprüche
wie wir deren eine Reihe im Verlaufe unserer kleinen Ab-
handlung gefunden haben, sind weder geeignet Vertrauen zu
dem Hofacker-Sadler^schen Gesetze zu erwecken, noch
geeignet, die Hoffnung zu nähren, dass überhaupt die relative
Altersverschiedenheit der Aeltern irgend einen constanlen
Einfluss auf das Geschlecbtsverhältniss der Kinder ausübe.
Freilich muss man bedenken, dass alle Untersuchungen über
unsern Gegenstand zusammengenommen, erst eine Uebersicht
über 79053 Kinder zu Gebote steht, und dass diese Zahl,
verglichen mit andern, deren man sich in der Bevölkerungs-
statistik zu bedienen pflegt, um Das oder Jenes beweisen
zu wollen, ausserordentlich klein ist. — Bin ich auch durch
meine m'cht müheWe Arbeit zu einem im Ganzen negativen
Resultate gekommen, und liegt darin auch keine grosse Be-
friedigung, so werde ich mich doch reichlich belohnt sehen,
wenn die Statistiker von Fach die Frage über den Einfluss
der relativen Alters Verschiedenheit der Aeltern auf das Ge-
III. F^iy Ueber den Mecbanbmiu der Geburt etc. 87
achlechtsverfailüiiss der Kinder als eine noch ^offene^' be*
trachten woUen, zu deren Lösung noch ein reiches Material
beigebracht werden muss. Die Hebanunentabeyen des Cantons
Zürich werden mich zwar in den Stand setzen, ?on Zeit zu
Zeit weitere Beiträge zur Kenntniss des in Frage stehenden
Gesetzes zu bringen, — indessen hoffe ich, dass auch von
anderen Seiten und mit grösseren Zahlen ein Gegenstand
beleuchtet werden möge, der in zweifacher Beziehung, vom
Standpunkte des Statistikers und von dem des Naturforschers
aus ein grosses Interesse bietet
Zürich, im August 1862.
IIL
lieber den Mechanismus der Geburt im massig
verengten rhachitischen Becken«
Von
Medicinalrath Dr. Franz Ludirig Feist in Mainz.
Welch' grossen Einfluss das enge Becken auf Schwanger-
schaft und Geburt ausübt, ist allgemein bekannt. Schief läge
der Gebärmutter, ffingebauch, fehlerhafter Geburtstrieb, regel-
widrige Lage des Kindes, ungünstige Stellung des voriiegenden
Theiles bei der Geburt, Vorfall einzelner Fruchttheile neben
dem zum Eintritte gestellten Kopfe u. s. w. sind ausser der
Behinderunf der Geburt an und für sich häufig die Folgen
der^ Beckenverengung. Nicht immer sind die Folgen bei
gleichengem Becken dieselben. Es sind Fälle genug bekannt,
dass eine Frau mit einem engen Becken mehrmal ohne Kunst-
hälfe glücklich niedergekommen ist, welche zu andern Zeiten
nur durch Kunsthülfe, mitunter der eingreifendsten Art, ent-
bunden werden konnte, ohne dass während dem in der Form
und Räumlichkeit des Beckens sich etwas geändert hatte.
Darum hat die Eintheihmg der Beckenenge in Grade für die
Praxis bei weitem nicht den Werth, den manche Lehri)ücher
gg III. Feist, üeber den Meehaniflmn« der Geburt
ihr beilegen, ja diese Eintheilung kann zu sehr verderblichen
VerfahruDgsgruDdsätzen fuhren und verleiten. Wie sdiwankend
die Ansichten bezuglich der Hälfeleistungen bei engen Beck(>n
sind, davon kann man sich Jeicht durch Vergleicbung unserer
bekanntesten deutschen Lehrbücher von Stein sen. und jan.,
Oslander, Bo'er, Joerg, Frortep, El, v, Siebold, Busch,
Carus, Kilian, Naegtle-Grenser, Ed, v. Siebold, Kiwisck,
Scanzoniy Rosshirt, Lumpe, Chiari- Braun Spaeth, Crede,
Krause, Hohl, C. Brami u. A. überzeugen. — Bei der
Geburt im engen Becken sind nicht bloss die Art und da*
Grad des Beckenfeblers , sondern auch der Geburtstrieb, die
Grösse und Lage, das Leben oder der Tod des Kindes, die
Stärke, Nachgiebigkeit, Verschiebbarkeit und Stellung des Kin-
deskopfes und die Beschwerden, welche der Frau durch lange
Dauer der Geburt und durch Druck, insbesondere auf den
Plexus hypogastricus magnus und die Sacralnerveugeflechte,
bereitet werden, in Anschlag zu bringen.
Von Solayres {J. L, Baudelocgpie, Tart des accouehe-
mens etc., IV. edit., Tom. l, § 963, Tom. IL, § 1624, Note),
Baudelocque (Ebendaselbst), der Lachapelle (Pratique des
accouchemens etc. Publ par Ant. Duges. Paris 1821 — 1825,
Tom. IIL, p. 463), Martin, le Jeune (Memou^es etc. Lyon
1835, p. 270), Busch (Neue Zeitschr. für GeburUk., 1837.
Bd. V,, S. 162, 1850, Bd. XXVIIL, S. 205, Monatsschr. für
Geburtsk-, 1854, B. IV., S. 53), Naegde (Lehrb., 3. Aufl., 1850,
§ 599, Anm. 2, IV. Aufl., § 598, Anm. 2), Michaelis (Das
enge Becken, S. 190 f., S. 241 f., S. 292 f.), Braun (Klinik der
Geburtshilfe und Gynäkologie. Von Chiari, Bräun und Spaeth.
Erlangen 1852, S. 557), Crede (Verhandlungen der Gesell-
schaft für Geburtsk. 1853, J. 7, und klinische Vertrage aber
Geburtsh., Berlin 1854, S. 79 f.), Wegscheider (Verfaandl.
der Gesellschaft für Geburtsk. , J. 8) , Hohl (Lehrb., S. 665,
§ 112) u. A. sind Fälle veröffentlicht, wo bei einer Conjugata
von 3V2 — 2", ja bis zu 1" 8'" ausgetrageue Kinder, in
manchen Fällen selbst lebend, johne Kuusthülfe zur Welt ge-
kommen sind. Mag auch von Einigen die Grösse der Becken-
enge hier zu hoch angeschlagen worden sein, so gebt doch
aus dem Angeführten hervor, dass die Natur selbst bei sehr
im mttssig Terengten rhachitUchen Beeken. %Q
beträchtlicher Beckenenge "unter sonst verhällnissinftssig gün*
sltgeD Umständen Hftlfe zu schaffen weiss.
Stein in Bonn, der scharf zu beobachten und das Beob*
achtete mit grossem Scharfsinn zu deuten und zu verwerlhen
?erstebt, hat zuerst auf den Hergang der Geburt im rhachi-
tischen Becken aufmerksam gemacht Ihm folgten Betschler^
der jede zu enge Maassbeslimmung zurückweist und die Ge*
sammtbeit der Erscheinungen zu beräcksichtigen anräth, und
später H. F. Naegele. v. Rügen hat 1851 den Mechanis-
mus des Durchtrills des hei der Geburt vorliegenden Schädels
durch den Beckeneingang bei verengerter Gonjugata einer
vorzugsweise. theoretischen Betrachtung unterzogen, wogegen
Michaelis und später Krause denselben von der praktischen
Seite zu würdigen gesucht haben.
Bei verengten , zumal rhachitisch verengten Becken ist die
Wehenkraft, ihre Bichtung und allmälige Steigerung von
hoher Bedeutung. Gerade bei rhachitischen Personen äussert
sich, worauf schon Stein aufmerksam macht, der Wehentrieb
sehr lebendig und stark. Diess röhrt wohl einestlieils daher,
dass der Kopf des Kindes, überhaupt der vorliegende Theil,
lange Zeit oberhalb des kleinen Beckens verweilt, wodurch
lange jeder Druck auf die Lenden- und Kreuznerven vermie-
den wird, anderntheils mag diess aber auch darin begründet
sein, dass jeder Widerstand eine grössere Kraftentwickelung
erzeugt. Bei weiterm Herabgedrängtwerden des Kindeskopfes
entsteht nicht selten ein sehr heftiger Rückenschmerz
durch Druck auf die Plexus hypogastrici inferiores, den Plexus
uterinus anterior et posterior und Plexus vesico* vaginalis.
Dieser Schmerz in Folge des Druckes ist oft von grossem
Einfloss auf den Geburtstneb und dessen Richtung und über-
haupt auf den ganzen ferneren Verlauf der Geburt.
Ebenso sind die Grösse, Härte, Nachgiebigkeit
und Verschiebbarkeit des Kindskopfes, wie auch des-
sen Stellung von grosser Bedeutung für den Hergang der
Gehurt im engen Becken. Die Erfahrung lehrt, dass die so-
genannten weichen Köpfe wie Pergament sich drücken lassen.
Wird der Kindskopf im engen Becken durch die WehenkrafI
berabgepresst, so wird er allraältg nachgiebiger und erlangt
nach und nach die Beschaffenheit, sich der Gestalt des Beckens
90 11^* F^itt, Uaber den M«chaiii«iiui8 dar Geburt
anzupassen. Verkleinert er sich in der einen Uditang, so
yergrösaert er sich in der anderen, wodnrch eine allmälige
Gestalt Veränderung eintritt, die weniger dem Gehirne durch
Druck nachtheilig wird, als eine plötzliche, durch künstlichen
Druck henrorgehrachte. Der Querdurchmesser des Kindskopfes
kann dadurch um y^' — %" und darüber verkleinert werden,
während der schräge Durchmesser um 1'^ und du*uber ver-
grössert wird. Die Verkleinerung des zwischen Promontorium
und der Schoosfuge gelegenen Kopfdurchmessers wird nicht
selten noch dadurch vermehrt, dass die gegen den Vorberg
gedrückte Stelle des Schädels einwärts gebogen, ja selbst ge*
brechen wird. Seltener findet man Druckstellen auf beiden
Seiten des Kopfes; wo dann die zweite Einbiegung oder Ab-
flachung von der Schoosfuge oder einem horizontalen Aste
des Schoosbeins herrührt. Die Verschiebungen, Einbiegungen
und Eindrucke der Kopfknochen verlieren sich öfter nach
der Geburt ohne alle Folgen, mitunter aber wird auch eine blei-
bende Verschiebung erzeugt, die durch ungleichmässigen Druck
auf das Gehirn dessen Entwickeiung beeinträchtigen und da-
durch Geistesschwäche veranlassen kann. Eindrücke, Fissuren,
Frakturen der Kopfknochen verlieren sich zuweilen ohne Nach-
iheil, mitunter aber werden sie für Gesundheit und Leben
nachtheilig; Zerreissungen der Nähte haben gewöhnlich den
Tod zur Folge. — Die Abflachungen, Abschilferungen, Ein-
biegungen, Eindrücke und Knochenbräche sind, me Stern
richtig bemerkt, werlhvolle Mittel zur Diagnose der Beck^-
enge und zur Ermittelung der Art des Kopfstandes. Zusammefi-
Pressungen der Schultern und der Brust kommen seltener vor,
namenljjch im rhachitischen Becken.
Auch die sich bildende Kopfgeschwulst ist in Anschlag
zu bringen. Sie wird gewöhnlich bei starkem Wehentriebe
dMrch den Widerstand der weichen Geburlswege bei längerer
Dauer der Geburt nach Abflüsse des Wassers erzeugt. Sie
entsteht am leichles^ten bei weichen Köpfen, da dksse durch
Fugen in die Form der Geburtswege leichter räen Druck,
als harte unfügsame Köpfe erleiden. Das Becken übt nur
bei dem Eintritte des Kopfes in dasselbe einen Einfluss auf
deren Bildung. Am stärksten und ausgebreitetsten entwickelt
sich gemeinlich die Kopfgeschwuist bei Krampf im Isthmus
im ttit«ig T*reiigte& rhaehüischen Boeken. 91
der Gebärmmtter. Eine tief herabtretende Kopfgeschwulst
hat liftufig die Tlnacbung veranlasst, diese für den yermeint*
Kkh eingetretenen Kojif lu halten und nichl selten zu fehler-
haften Hftlfen verleitet Im Allgemeinen muss bei engem Becken
die Kopfgeschwulst als ein Merkmal angesehen werden, dass
dds Missverhältniss zwischen Kopf und Becken noch der Art
ist, dass der Durchgang des Kopfes möglich wird. Sie zeigt
an, dass der Kopf in einer nicht ungünstigen Stellung im
Herabtreten begriffen und der Geburtstrieb ergiebig ist; denn
bei ungünstiger Stellung und schwachem Gebiirtstriebe würde
er über dem Becken stehen bleiben. Nebenbei trägt sie zur
Feststellung des Kopfes auf den Beckeneingang bei, ind«a
sie den Wechsel seines Standes verhindert; auch dürfte sie
nicht ohne allen Einfluss auf die Verschmälerung des ein-
tretenden Kopftheils sein. Indem durch die Geschwulst der
Kopf verlängert wird, spannt sich die Haut an den Seilen-
tbeilen, wodurch die beweglidien Kopfknochen etwas zu*
sammengeschoben werden. Ausserdem Idsst sich von der
Kopfgeschwulst ein Schluss auf das Leben oder den Tod des
Kindes ziehen, welcher Schluss durch die Auscultation an
Werth gewinnt Gewiss mit Unrecht hat man eine starke»
weitverbreitete Kopfgeschwulst, in dem Glauben, dieselbe sei
für das Kindesleben gefährlich, häufig als Indication zur künst-
bcben Hülfe angesehen. In Abrede ist nicht zu stellen, dass bei
stärkeren Kopfanschwellungen öfter auch bedeutende Schädel-
verletzungen vorkommen. In solchem Falle bewirken aber
diese, nicht jene, den Tod des Kindes.
Die grösste Berücksichtigung verdient die Gestalt- und
Raumveränderung des durch Rhachitis fehlet baft
gewordenen Beckens. Die Knochen desselben sind keiner,
schmaler und schlanker, glätter und von weisserer Farbe, als die
eines normalen Beckens. Das ganze Becken erscheint kleiner^
schmächtiger und niedriger als ein fehlerfreies weibliches
Becken. Beim rhachitischen Becken verschieben sich tlieil-
wcise durch den Druck der Schwere, theilweise durch ilie
ÜBskelthätigkeit die steifen durch weiche Verbindungsstellen
getrennten Theile des Beckens so, dass das Promontorium
nach vom und etwas seitwärts, gewöhnlich nach links binab-^
tritt, während der Bogen der Scboosknochen hinaufsteigt, und
92 ^11* F€i$tj Ueber den Mechanisnras der Oebiirt
zugleich etwas flacher wird. Durch die in peripherischer
Richtung um die Pfannen wirkenden Momente werden die
Silzbeinhöcker und die Symphyse dem Vorberge entgegen-
gedrängt und sonach gehoben. Der Schoosbogen wii*d aus-
gedehnt, weit, die Sitzbeinknorren treten weiter auseinander.
Das Kreuzbein ist gemeinlich etwas breiter, die Fiügei des*
seiben sind gleichsam zurückgezogen, aber kürzer; öfter ist
dasselbe gerade herabgestreckt, flacher, weniger ausgehöhlt,
kürzer; mitunter sind dessen Flügel bloss in der oberen
Hälfte zurückgezogen, wodurch die obere Körperhälfte des
Kreuzbeins als eine Erhabenheit, eine Wulst erscheint, welche
einwärts und meist nach einer Seite, zumal der linken, ragt,
so dass der Vorberg nach vor- und seitwärts, meist links»
gerichtet, wahrend die Spitze des Kreuzbeins auswärts und
nach der anderen Seite gekehrt ist. Die ganze untere Hälfte
des Kreuzbeins ti*itt gewöhnlich im massig verengten rhachi-
tischen Decken zurück. Die Pfannen sind weniger tief, mehr
nach vorn gedrängt, so dass man, das Becken von vorn be-
trachtet, in beide zugleich hineinsehen kann; die Höhlen der
Pfannen sind abgeflachter, wodurch die Schenkelköpfe, zumal
der linke, wie Stein richtig bemerkt, nicht ganz, aufgenommen
werden. — Die Inclination ist gewöhnlich grösser.
Das schwach verunstaltete rhachitische Becken zeigt so«
nach die Verengung vorzugsweise in der oberen Apertur und
zwar von vorn nach hinten, während die anderen Aperturen
gewöhnlich die regelmässige, ja mitunter eine etwas ver-
mehrte Weite darbieten. In der bei weitem grösseren Mehr-
zahl der rhachitischen Becken Irifll die grössere Enge nicht
strenge die Conjugata selbst, sondern mehr den Abstand
zwischen dem Promontorium und der Gegend über der Pfanne,
die Distantia sacix>-cotyloidea, derjenigen Seite, nach welcher
der Vorberg (meist links) gerichtet ist
Bei grösserer rbnchitischer Verunstaltung nehmen auch
die Seitenbeckenknochen (ossa coxarum) und die Schoosbeine
AntheiL Die Seitenbeckenknochen sind dami kleiner und
schmäler, häufig ist das eine, meist das Unke, kleiner, als
das andere und höher stehend. Die Darmbeine sind hier
kleiner, flacher, weniger breit und nach vorn weiter ausein«-
andergebend. Die ungenannte Linie ist verkürzt. Die Schoos-
Im mXssii^ yerengrteii rhachitischen Becken. 98
beme «ind unter diesen VerhSknissen etwas abgeflacht, selbst
mitunter, besonders der eine (linke) horizontale Ast, etwas
einwärts gedrängt. Bei der Verkleinerung des geraden Durch-
messers im Eingange erleidet nur selten der Querdurchmesser
eine Beschränkung, ja nicht selten findet man in querer Rich^
Inog das normale Maass etwas überschritten; nur in den
höheren Graden rhachitischer Verengung nimmt auch der
Querdurchmesser Theil, aber nicht im Verhältniss zur Be-
schränkung in gerader Richtung. Die Beckenböhle und der
Ausgang erleiden selten eine Beeinträchtigung ihrer gewöhn-
lichen Maasse, diese äberschreit^i nicht selten die normalen.
In den höheren Graden der rhachitischen Verunstaltung wird
allerdings mitunter die Räumlichkeit in allen Aperturen be-
schrankt.
Die seltene Form von rhachitischen Becken, deren Miss-
staltung der von Osteoniaiacia adultorum erzeugten ähnlich
ist, wovon Hidl, Bums, Naegele-ClausiuSf Goochj Davis,
Voigtel, Krombholz, BetscMer^ Orenser, Lange,, Kiwisch,
Rokitansky, Hohl u. A. Beispiele anfuhren, beweist nur.
dass die von ^S^i^etn jim. für das rhachitische Becken auf-
gestellten e h a r a k te r i s t i sc h e n Merkmale keine absolute
Gilltigkeit haben, beeinträchtigen aber im Ganzen die von
Stein gegebene Charakteristik des rhachitischen Beckens nur
wenig, da jene nur Ausnahmen sind, und diese in der bei
weitem grösseren Mehrzahl ihre Geltung behält, namentlich
rOr die geburtshilfliche Praxis. Ich stimme selbst mit den-
jenigen fiberein, welche die Rhachitis infantum und die Osteor
malacia adultorum für eine und dieselbe Krankheit halten
und bin mit Ritgen von dem Vorkommen eines Rhaehitis«-
mus des Fötus-, des Kindes-, des Jungfrauen- und Frauen-
alters überzeugt, wie auch davon, dass hei höheren Graden
der Rhachitis bei Kindern eine Osteoporose eintreten kann,
wodurch das rhachitische Becken zum Thtile die Form des
osteomaiacischen annehmen wird; allem dennoch muss ich
SteMs Charakteristik des rhachitischen und osteomaiacischen
Beckens ihren Werth für die geburtshfdfliche Praxis vindiciren.
Der Hergang der Geburt im rhachitischen Becken ist ein
anderer als der im osteomaiacischen ; der im Pelvis simpliciter.
jfisto minor ein anderer, als der im rhachitischen u. s. w.
94 ^U. FtUtf Uaber d*a Mecbanitmu« d«r Qaburt
Eine gleiche Enge in A&t oboren Apertur im PelviB & justo
minor hat eine andere Bedeutung, als im rhachitisefaen Becken
ffir die Praxis.
Will man sich eine klare Vorstellung von der Geburt
eines reifen, mitteigrossen Kindes im massig verengten rhachi*
tischen Becken machen, so muss man das Bild von diesem
genau sich vergegenwärtigen.
Ist die Räumlichkeit des rhachitischen Beckens so wenig
beschränkt, dass sie die Möglichkeit der Geburt eines aus-
getragenen Kindes von mittlerer Grösse ziilasst, so ist der
Hergang der Geburt, wie ihn die Natur einleitet und voll-
fahrt, für das Verhalten des Geburtshelfers von der grössten
Wichtigkeit. Dieser Hergang giebt ihm einen Fingerzeig für
ein vernünftiges Zuwarten, und lehrt ihn, auf welche
Weise und mit welchen Mitteln die Natur öfter scliwierige
Verhältnisse zu überwinden weiss, wo ein zu frühzeitiges
mechanisches Eingreifen Gefahr für Matter und Kind bedingt
— Bei einer Conjugata oder dem ihr entsprechenden Raum
bis zu Sy^^ des rhachitischen Beckens geht die Geburt eines
mittelmässig starken, reifen Kindes nicht selten ohne beson-
dere Schwierigkeiten von Statten. Beschränkt sich dagegen
die Conjugata oder die Distantia sacro-cotyloidea auf SV/',
3" oder gar 2%'' bis 2^l^\ so treten grosse Schwierigkeiten
ein, und die Geburt ist, selbst bei starkem Wehentriebe, häufig
nicht ohne Kunsthülfe und in den extremen Fällen oft nicht
ohne die eingreifendste Kunsthälfe zn vollenden; allein den*
noch sind Fälle bekannt, wo auch unter solchen Umständen
bei sonst günstigen Verhältnissen die Geburt durch die Kräfte
der Natur beendigt worden ist, wenn auch meistens mit naeh-
tbeiligem Erfolge für das Kind.
In einer gedrängten Uebersicht will ich hier angeben,
wie ich den Hergang der Geburt im rhachitischen Becken
bei nicht zu beschränkter Räumlichkeit beobachtet habe. Ich
stelle dadurch nicht in Abrede, dass nicht auch andere Her-
gangsweisen möglich sind, allein diese liegen nicht im Bereiche
meiner Erfahrung.
Zu Anfange der Geburt steht der Kopf des Kindes, wenn
er der vorliegende Theil ist, sehr hoch, oft so hoch, dass er
mit dem untersuchenden Finger gar nicht oder nur kaum zu
im mäsiig ▼er engten rhaehttiaehen Becken. 9^
eireicben ist. Nicht selten ist eine Untersuchung mit vier
Fingern, selbst mit der ganzen Hand erforderlich, um sich
über den vorliegenden Theil Gewissheit zu verschaffen. Dieses
Hochstehen des Kopfes rührt besonders daher, dass sich
ziemlich frühe schon in der Schwangerschaft ein Hängebaucli
tbeils durch die Enge, theiis durch die starke Tnclination de^
Beckens gebildet hat, wodurch die vordere Wand des Uterus
nach vom vom Kindskopfe ausgebuchtet wird. Diese aus-
gebuchtete und durch den Kopf gedruckte Stelle entbehrt
anfangs der nöthigen Kraft, um denselben gegen den Mutter-
mund und den Beckeneingang ^u drängen. Wegen nicht ge-
höriger Configuration der Gebärmutter liegt das Kind häufig
in schräger Richtung, mit dem Kopfe über einem Scboosbein-
aste mit dem Steisse in der entgegengesetzten Seite des
Muttergrundes oder bei einer Geradstellung mit dem Kopfe
über der Schoosbeinfuge. Der Muttermund eröffnet sich
äusserst langsam, und es verstreicht eine lange Zeit, bis sich
die Fruchtblase stellt. Diese tritt meistens wurstförmig in
den etwas eröffneten Muttermund, ohne sich besonders zu
spannen oder sie wird weit herabgetrieben und das Frucht-
wasser fliesst vor der Zeit ab, früher, als der Muttermund
gehörig eröffnet ist. Der Kindskopf schwebt lange über der
oberen Apertur hin und her, bis endlich sein gerader Durch-
messer über den Querdurchmesser des Beekeneingangs zu
stehen kommt. Nach dem Wasserabgange findet man einen
auffallenden Raum zwischen dem schlaff herabhängenden Muttei^
munde und dem vorliegenden Kindskopfe, wobei dieser noch
längere Zeit über dem kleinen Becken bleibt Wird er endlich
bei stets sich steigernder Wehenkraft allmälig weiter herab-
gedrängt, so nähert er sich nach meinen Beobachtungen auf
zwei Arten dem verengten Eingange: Entweder tritt
1) das hinter den Schoosbeinen gelegene Seitenwandbeio
tiefer herab, wobei das andere äeitenwandbein nach
oben und hinten gegen die untersten Lendenwirbel der
Mutter gerichtet ist, wodurch man die Pfeilnaht gerade
vor dem Promontorium bei der Untersuchung fühlt,
oder* tritt
2) die Gegend der Kranznaht in dit* Conjogata, indem sich
der Hinterkopf etwas erhebt und nach ihm hin die Gegend
96 ^II- FeUtf (Jeher den Mechanisinu» der Uebnrt
der Scheitelbeinböcker dem hervorragenden Vorbergf
ausweicht.
Boi der ersten Art Irin im weitereu Verlaufe der Gebun
das vorliegende Scheitelbein etwas tiefer in den herabhängenden
Muttermund und der Rand des hinteren Scheiteibeins schiebl
sich unter den des vorderen. Es bildet sich auf diesem eine
Kopfgeschwulst, mitunter von beträchtlicher Grösse und Aus-
dehnung, wodurch der wenig erfahrene Geburtshelfer zu der
Meinung verleitet wird, der Kopf selbst dränge auf den Mutter-
mund. Wird nun bei kräftigen und schnell sich folgenden
Wehen der Eintritt des vordei'en Seitenwandbeins in die obere
Apertur verzögert, so bilden sich nicht selten an dem gegen
das Promontorium gerichteten Seitenwandbein Quetschungen.
Hautabschilferungen , mehr oder minder tiefe Einbiegungen,
Eindrücke, selbst Fissuren und Fracturen, was auch bisweilen
der Fall ist, wenn das erste bei grossem Widerstände des
Beckens durch sehr starke und anhaltende Wehen rascb
herabgepresst wird. Zu Zeiten, doch seltener, zeigt sich
auch auf der entgegengesetzten Seite des Kopfes eine Druck-
stelle, vom Schambein herrührend, und zwar trifil man diese
gewöhnlich unter und hinter dem Scbeiteiheinhöcker oder
dicht an der Kranznaht. Tritt nun unter verstärktem Wehen-
triebe das vorliegende Scheitelbein tiefer in den Eingang und
ragt es etwas in die Höhle, so Ondet man zwischen dem
Kindskopfe und dem Kreuzbeine gerade unterhalb des Vor-
bergs einen leeren Raum von mehr als einem Zoll, der durch
die Abweichung des Kreuzbeins nach hinten und aussen er-
zeugt ist. Gelangt endlich durch die angestrengteste Thätig-
keit der Gebärmutter und der Bauchpresse der Kindskopf
vollständig in den Querdurchmesser des Beckeneingangs und
wird er in dieser Stellung herab in die Beckenhöhle gepresst,
so macht er hier eine Drehung um seine Querachse, und man
fühlt dann öfter beide Fontanellen in gleicher Höhe oder die
kleine etwas tiefer als die grosse, ist dieser Uebergang er-
folgt, so ist im Aligemeinen jedes Hindernrss gehoben, die
unter^a Aperturen leisten, da die rhachitische Verengung sich
nicht auf sie erstreckt, keinen Widerstand, und *der weitere
Verlauf der Geburt ist nicht behinderL Schultern und Brust
im mft80i|^ ▼ereni^ten rbaebi tischen Becken. 97
erleiden bei Kopfgehurten im mSssig engen rhachitischen
Becken nur selten eine siebtbare Zusammenpressung.
Bei der zweiten Art tritt im weiteren Verlaufe der Ge-
burt die Stirn oder der Vorderscbeilel, mit grösserer oder
kleinerer Geschwulst, weiter herab, der 'Scheitel ist mehr nach
oben und hinten gerichtet und die grosse Fontanelle steht
fast in der Mittellinie des Beckeneingangs. Sobald die Gegend
der Kranznabt zu Zeiten bis gegen den oberen Rand des
Obres herabgepresst ist, folgen die Seitenwandbeine, da^t
hintengelegene meist schneller, als das vorngelegene, ge-
wöhnlich ohne weiteren Aufenthalt, und das Hinterhaupt drangt
sich derart herab, dass es nach vollbrachter Drehung unter
den Schoosbogen zu stehen kommt. — Diese Art des Becken-
eintritts in das rh^chitisch enge Becken bietet offenbar, so
sehr sie auch den gesteigerten Geburtstrieb in Anspruch nimmt,
viele gunstige Momente für den Geburtsverlauf dar; da die
Gegend der Kranznaht eine viel geringere Breite als die Gegend
der Scheitelbeinhöcker hat, und der Kopf in jener Gegend
gegen den Druck des Beckens wegen der naheliegenden Naht
viel nachgiebiger und leichter zusammenschieb- und driickbar
ist Findet man bei diesem Hergange der Geburt eine Druck-
stelle, so trifft diese meist die Gegend der Kranznabt, zumal
deren Mitte. Zeigen sich zwei Druckstellen, so ist die zweite
gewöhnlich in der Gegend der Scbuppennaht der entgegen-
gesetzten Seite.
Stellt sich im missig verengten rhachitischen Becken
das Kind mit dem Steisse zur Geburt, so bleibt auch dieser
längere Zeit nach dem Beginne der Wehenthätigkeit so hoch
über dem Beckeneingange stehen, dass man häufig bei der
Untersuchung keinen Kindestheil fflblt. Der Muttermund hängt
erschlafft in die obere Beckenapertur herab. Auch der Steiss
bleibt oft eine längere tmi in einer Ausbuchtung der vorderen
Gebärmutterwand über den Schoosbeinen. Die Blase tritt
auch hier wurstfßrroig durch den schlaffen, nicht gehörig
geöffneten Muttermund und die Wasser gehen ebenfalls häufig
zu frühe ab. Gewöhnlich ist auch unter diesen Verhältnissen
der Geburtstrieb sehr stark. Nach dem Wasserabgange
kommt öfter eine grössere Energie in die ausgebuchtete
Monatitiebr. f. Oebortuk. 1868. Bd. XXT., Snppl.-Hft. 7
98 ^I^* Feiit, Ueber den Mechanismus der Geburt
Stelle der Gebärmutter, der Steiss wird dann etwas empor
und nach der Millellinie der oberen Apertur gehoben und
triu endlidi quer und schiefstehend in den Eingang. Man
findet nun die eine Hfide nach vorn gegen die Schoossbeine,
wählend (he andere uach iiinten gegen die letzten Lenden-
wirbel über dem Vorberge steht Aucii hier zeigt sich zwischen
der vorliegenden IJüile und der hinteren Beckenwand ein
leerer Raum. Alhnälig rückt, dann unter kräftigen Wehen
diA vorliegende Hüfte tiefer herab, bis der Steiss mit seinem
grössten Umfange in den Eingang gelangt Dieser Herabtrilt
des Sleisses fordert gewöhnlich eine geringere Anstrengung,
als das flerabtreten des vorausgehenden Kopfes. Doch sind
Sieisslagen im rhachitisch verengten Becken viel seltener, ja
seltener, als im fehlerfreien Becken, WQgegeA Fusslagen häufiger
vorkommen. Durch das lange Verweilen des Steisses über
dem engen Eingange bei Fortdauer kräftiger Wehen wird
nicht selten durch die Natiu* die Steisslage in eine Fusslage
verwandelt, welchen Vorgang bei langen vergeblichen An-
strengungen des Wei^entriebes die ILunst durch Herableiten
eines Fnsses wolil nachzuahmen hat Ist der Bumpf bis zu
den Schullern geboren, so treten diese im Durchschnitte in
den Querdurchmesser des Eingangs und in dieser fiicbtung
durch denselben, drehen sich in der Beckenböhle in einen
der schrägen und am^ Ausgange in den geraden Durchmesser,
die eine Schulter unter den Schoosbogen, die andere über
deu Damm vordringend gewöhnlich mit den Eiienbogea voraus-
gehend. Entfernen sich beide Arme oder einer vim der Brust
und schlagen sich diese in die Höhe, so erfordert dieser Um-
stand im eiigen Becken Kunsthülfe. Der zuletzt kommende
Kopf, mit dem Kinne auf die Brust giestützt^ tritt mit seinem
grossen Durchmesser in den Querduixhmesser des Eingangs
ufid bei gesteigerter Wehenkraft durch denselben, wenn un-
geeignete Hülfe nicht angewendet wird. In der Beckeabohle
niaclit er die gewöhnliche Drehung, stemmt sich beim Aus-
tritte aus der Schamspalte mit dem Hinterkopfe uoter den
Sdioosbogen an und es erscheint am Rande des Dammes
das Kinn, worauf das Gesiebt über denselben gleitet utul der
Kopf austritt Wird aber das Kinn bei dem Durchgänge
im massig ?eroDgteD rhachitischen Becken. 99
des Kopfes zurückgehalten und von der Brust entfernt, was
durch einen Zug an den Füssen, dem Steisse oder Rumpfe
leicht veranlasst wird, so ist die Geburtsthütigkeit gewöhnlich
zur Vollendung der Gehurt nicht ausreichend.
Zur Vollendung der Geburt im massig verengten rhachi-
tischen Becken ist nicht bloss eine regelmässige, sondern
eine gesteigerte Thätigkeit der austreibenden Kräfte erforder-
lich. Die Steigerung des Geburtstriebes muss um so grösser
sein, je grösser das Missverhällniss zwischen dem voran-
gehenden Kindestheile und dem Becken ist. Eine schwache,
regelwidrige Wehenthätigkeit führt hier nicht nur nicht zum
Ziele, sondern bedingt auch nachtheilige Folgen für Mutter
und Kind, denn bei schwachen Wehen behält die Cebäi-mutter
ibi*e schlechte Form, das Kind verharrt in einer nicht günstigen
Lage oder die günstige Lage wird allmälig diux:h sie jn eine
schlechtere verwandelt. Im Allgemeinen ist bei rhachitischen)
Becken der Geburtstrieb kräftig. Die Hindernisse, welche
dem Durchgänge des Kindes sich entgegen stellen, wirken
als Reiz auf die Gebärmutter und zwingen diese zu ent-
sprechenden Zusammenziehungen. Die Steigerung der Gebär-
routter-Thfttigkeit erreicht oft eine unglaubliche Höhe und
erlangt eine Ausdauer, wodurch das kaum Glaubliche geleistet
wird. Durch den gesteigerten und andauernden Wehen trieb
wird häuGg mehr erzwungen, als je die Kunst hätte ei'ringen
können. Uebrigens ereignet sich mitunter bei starken Wehen
ein Umstand, der leicht schlimme Folgen haben kann. Es
zieht sich nämlich der Muttei*inund, da der vorliegende
Kindestheil in den engen Eingang nicht frühe eintreten kann,
vor dessen Einstellung zurück, wodurch die Scheide eine
ausserordentliche Ausdehnung und Zerrung erleidet, ja seihst
zerreissen kann. Dieses Ereigniss habe ich nicht selbst
beobachtet, allein Michaelis glaubt, dasselbe sei häufiger,
als die Hittheilungen vermut^en Hessen, indem er acht Mal
Zerreissung der Scheide beobachtet habe. Aber andere
Nachtheile für die Mutter habe ich bei sehr energischen
Gebärmutterzuaammenziehungen und lange dauernder Geburt
wahrgenommen. Es wurden nämlich bei grossem Widerstände
des Beckens die mütlerlicben Weichgebilde, welche zwischen
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100 ni. Feist f lieber den MechaniKmus der Gebnrt
dem herahgetriebenen Kinde und zwischen dem Promontorium
(seltener die zwischen den Schoosknochen) lagen, heftig ge*
druckt, mitunter durchgerieben oder zerrissen. Dies triflt
insbesondere den unteren Gebärmutterabscbnitt, allein mel^r
bei Kunst-, als bei Naturhülfe.
Die Dauer der Geburt im rhachitischen Becken ist selbst
bei sehr starken und wirksamen Wehen sehr langwierig, oll
auf 3 — 4 Tage und noch darüber sich erstreckend; das dritte
und vierte Geburtsstadium zieht sich gewöhnlich sehr in die
Lauge. Diese überdauert die einer gesundheitgemässen Ge«>
burt öfter um das Drei-, Vier- und Fünffache. Solche An-
strengungen erzeugen häufig heftige Reactionen im Nerven-
und Gelässsystenie , Krampfzufalle, Congestionen nach Kopf
und Brust, selbst Gefasszerreissungen. Frostanfälie mit darauf
folgender brennender Hitze, starke Fieberregungen, Umnebelung
der Sinne, Betäubung, heftiges Erbrechen sind zuweilen deren
Begleiter. Gewöhnlich setzen die Wehen unter solchen Um-
ständen kürzere oder längere Zeit aus, oder werden wenig-
setns schwächer und unwirksamer. Ist der Nachlass der
Weben bloss eine Folge des angestrengten Geburtstriebes,
so beruht er häufig nur auf einer Ermüdung, Ermattung, Er-
schlaffung der Muskelfasern. Nach einer Ruhe von Va — 1
bis mehreren Stunden erwacht die Kraft von Neuem, es ti*eten
abermals stärkere und nicht selten wirksamei*e Wehen ein.
Solche Wehenzwischenräume stellen sich bei langer Dauer
der Geburt mitunter mehrere Mal ein. Allein die Contrac-
tionskrafl hat auch ihre Grenzen. Wird das zu überwindende
Ilinderniss zu bedeutend, so erfolgt Erschöpfung der Thätig-
keit der Gebärmutter, wie der Hülfskräfte, es tritt ein iäb-
mungsartiger Zustand des Uterus ein oder es können in Folge
intensiver Contractionen Fasern zerreissen; wodurch die Ge-
bärmutterthätigkeit ungenügend, unergiebig wird oder gar ganz
aufhört. Der Druck auf die den^Becken nabeliegenden Nerven
scheint auf die Gebärmutterthätigkeit Einfluss zu üben. Dieser
Druck erzeugt einen heftigen eigentbnmlichen Rückenschmerz,
der selbst in der wehenfreien Zeit fortwährt und nicht selten
zu einem ständigen Drängen zwingt. Angst und Unruhe be-
mächtigen sich der Kreissenden. Mit Ungestüm wirft sieb
im mKssig verengten rbachitischen Becken. IQl
die Gebärende oft bin und her; selbst der kräftigste Wille
yerinag liäufig nicht Herr dieser unwillkürlichen Unruhe zu
werden. Leider sind die Erschöpfung, wie die nervösen und
congestiven Zufalle o(t mehr die Folge ungeeigneten Behandehis,
als der Geburtsanslrengung. Zu frühes Veraibeiien der Wehen,
Mitdrängen, der Genuss belebender, erhitzender Mittel, un-
bequemes Lager, Beunruhigung des Gemüthes u. s. w. erzeugen
oft solche.
Nicht immer trifft man in der Geburt bei engem Becken
kräftige, sich allmälig steigernde, ergiebige Wehen, mitunter,
doch selten, bleiben die Wehen schwach. Am seltensten fin-
det man dies bei rhachitischem Becken, häufiger bei dem
Pelvis simpl. justo minor. Bei reizbaren Personen ensteht
durch die Schmerzhaltigkeit der Wehen und den schon be-
seidmeten Rückenschmerz eine Aufregung des ganzen Nerven-
systems. Es zeigen sich nicht selten Krampfwehen, Schmerzen
in den Schenkeln, wodurch der Geburtstrieb unwirksam wird,
körperliche und geistige Unruhe entsteht. Einfache, krampf-
stillende, beruhigende Mittel, Beschwichtigung der Gemüths-
aufregung durch freundliches Zureden, bequeme Lage ver-
bessern gewöhnlich diesen Zustand.
Bei massiger Verengung des rhachitischen Beckens und
guter Lage des Kindes hat sich der Geburtshelfer exspeclativ
zu verhalten. Er muss neben dem Becken die Grösse des
Kindes, die Fügsamkeit des Kopfes, die Wehenkraft und den
Zustand der Kreissenden selbst ins Augenmerk fassen. Er
hat sich bei verhältnissmässig günstigen Umständen passiv
zu benehmen, nur muss er nach Möglichkeit jede Störung
des Herganges abhalten. Den Naturkräflen muss er Zeit
lassen, sich zu entwickeln. Ein früheres Verarbeiten der
Wehen, ein Mitdrängen von Seiten der Gebärenden ist in
vielfacher Hinsicht nachtheilig. Es stört die allmälige Ent-
wickelung des Geburtstriebes, reibt vor der Zeit die Kräfte
auf, begünstigt einen zu frühen Abgang des Fruchtwassers.
Eine allmälige Entwickelung der Gebärroulterthätigkeit, das
Erhallen der Kräfte, der späte Abgang des Fruchtwassers
sind gerade Momente, die neben der Fügsamkeit des Kindes-
kopfes von der grössten Wichtigkeit für einen günstigen Ver-
102 11^* Feiitf Üeber den Mechanismns der Geburt
lauf der Geburt im rbachitischen Becken sind. Dem Geburts-
helfer steht hier die Anordnung der Seitenlage der Kreisseodeii
als ein trellQiches Mittel zur Verhinderung eines unseitigen
Drängens zu Gebote. Es versteht sich wohl von selbst, dass
man 'bei der langen Dauer einer solchen Geburt nicht be-
ständig eine Seitenlage beibehalten lassen kann, allein die
Neigung zum zufruhezeitigen Mitdrängen ist aueb nicht an-
haltend vorhanden. Die Dauer der Geburt darf, so lange
keine anderweitigen gefahrdrohenden Erscheinungen eintreten,
zu einem activen Eingreifen nicht veranlassen. Besondere
Rücksicht hat der Geburtshelfer auf die Lage und Stellung
des Kopfes» dessen Nachgiebigkeit und Verschiebbarkeit zu
nehmen. Stellt sich bei kräftigen, wirksamen Wehen der
Kopf im Beckeneingange fest, sind die Knochen desselben
nachgiebig, schieben sie sich allmälig übereinander und be-
reiten sie sich so zur Vorbewegung vor, so ist ein mecha-
nischer Eingriff, selbst bei weit ausgebreiteter Kopfgeschwulst,
nicht zu rechtfertigen, einmal weil meistens der Kopf wegen
seines Querstandes nicht gehörig mit der Zange gefasst werden
kann, und dann weil ein Druck auf den nicht passend ge-
fassten Kopf des Kindes diesem nachtheilig werden kann.
Ausdauer und Geduld des Geburtshelfers werden allerdings
oft auf eine harte Probe gestellt, allein er muss diese im
Interesse der Mutter und des Kindes bestehen und darf sich
durch die Länge der Geburlsdauer und das Drängen der um-
gebenden Personen zu unzeitigem Eingriffe nicht verleiten
lassen. Besondere Geduld erheischt der Krampf des Isthmus.
Oft bleibt hierbei der Muttermund bei geringer Eröffnung unter
sehr schmerzhaflen Wehen gleich einer straff angezogenen
Darmsaite lange Zeit gespannt, einen scharfen Rand darbietend.
Die Kreissende wird in einem hohen Grade unruhig, wirft sich
ungeduldig umher, über die heftigsten Schmerzen im Rücken
und dem unteren Theile des Unterleibes klagend, die selbst
in den wehenfreien Zeiten fortwähren und zu einem bestän-
digen Drängen nölhigen. Ist die Empfindlichkeit dui*ch den
Reizzustand der Gebärmutternerven und ihre Verbindung mit
dem Cerebro- Spinalnervensystem so gross, dass gefährliche
Nervenzufalle zu befurchten sind, so muss, ausser Anwendung
im mftsttig verengte» rbaeliltiseheii Becken. 103
der passenden Arzneimittel, eine Lagerung der Kreissenden
angeordnet werden, welche ein plötzliches, stürmisches An-
dringen des vorliegenden Kindestheiles gegen den Mutter-
muml schwächt und TeriiinderL Die Seiteulage entspricht
dieser Anforderung. Es wird durch sie ein Tbeil des Druckes
auf die zunächst den grösseren Nervengeflechten gelegenen
Theile der Gebärmutter und auf die in der Nähe des Promon-
toriums gelegenen Plexus abgebalten.
Nimmt die Kunst an der Beendigung der Geburt in dem
massig verengten rhaclii tischen Becken keinen eingreifenden
Antheil, so verläuft selbst bei langer Dauer der Niederkunft
das Wochenbett im Durchschnitte auffallend günstig. Die ge-
ringeren Grade der rhachilischen Beckenverengung sind so-
nach, wenn keine ungeeignete Kunsthülfe in Anwendung kömmt,
für die Mutter viel weniger gefährlich, als für das Kind, wel-
ches häufig bei den nicht selten stürmischen Wehen und dem
lange andauernden Drucke auf den Kopf insbesondere durch
das vorragende Promontorium Verletzungen, selbst öfter den
Tod erleidet. Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, dass
höhere Grade von rhaclütischer Beckenverengimg bei reifen
Kindern besondere geburlshülfllche Operationen nöthig machen,
dass solche, wenn sie wälirend der Schwangerschaft erkannt
werden, eine künstliche Frühgeburt indiciren.
104 IV. Mewner, Mittheilniigeii fiber die Tli&%lEeit
IV.
Mittheilnngen über die Thätigkeit und Ver-
handlungeB der Gesellschaft für Oebnrtshttlfe
zu Leipzig
im achten Jahre ihres Bestehens.
I. Jahresbericht,
erstattet durch den d. Z. Seeretair
Dr. med. Emil Apollo Meissner.
Vorgetragen am 14. April 1862.
Da unter Verweisung auf das in unserem Kreise zur
Geltung gelangte Princip des Wechsels, dem er seine- Er*
wäblung zum Director für*s 7. Geschäftsjahr zuschreiben müsse,
Dr. Ploss entschieden die Fortführung diesen Amtes ab-
gelehnt halte, berief die Gesellschaft für das mit heute ab-
laufende 8. Jahr Hofrath Prof. Dr. Cred^ wieder an die
Spitze und hatte die Freude, diese Wahl von demselben nach
2jähriger Unterbrechung wieder angenommen zu sehen. Unter
seiner Aegide fungirten die früheren Vorstandsmitglieder:
Dr. Sickel als Vicedirector, Dr. Hennig als Cassirer und der
Berichterstatter als Secretair, aufs Neue erwählt, fort und
sind heute in der glucklichen Lage, die gedeihliche Weiter-
entwickelung unseres Vereinslebens berichten zu können, ob-
wohl wir auch in diesem Jahre leider niclit vom abermaligen
Verluste eines Mitgliedes durch den Tod verschont blieben.
Es ist dies Dr. Friedrich Rilltet in Genf, über den ich in
der 89. Sitzung den nachfolgenden Nekrolog zu erstatten hatte.
Friedrich RiUiet, geboren zu Genf am 14. Juli 1814,
widmete sich daselbst dem Studium der Natur- und Heilkunde
mit grossem Eifer; und wendete sich 1833 nach Erlangung
des Grades eines Baccalaureus mit mehreren Studiengenossen
nach Paris, wo er zunächst im Externat unter Leitung des
Dr. Lovis sein Glück machte. 1836 zum Internat gelangt,
a. d.YerbADdl. d. Gesellschaft f. Gebnrtshtilfe in Leipsig etc. 105
sammelte er unter Dr. BieU eine gros&e Anzahl von Beobachtungen
ober Hautkrankheiten« dann im Hospital St. Louis über Kinder-
krankheiten, und als er 1838 diese Stellung aufgeben musste,
fand er gläcklicber Weise einen gleichen Platz im Hospital
Necker. Am '3. Januar 1840 erhielt er von der Facultät zu
Paris die Doclorwörde, worauf er einige Zeit zu seiner Familie
zunickkebrte und vor der Facultät zu Genf seine Examina
erfolgreich bestand, dann aber seinen Platz im Pariser Kinder-
hospitale wieder einnahm, der ihm nach Krönung seiner Ar-
beiten bei der Preisbewerbung der Internen auf zwei Jahr
wieder übertragen worden war. Hier schloss sich seine von
der ersten Amtsführung her datirende Freundschaft mit seinem
Collegen Dr. Ernst BartheZf jetzt Arzt im Hospital St. Eugenie
zu Paris enger, und vereint mit ihm sammelte er hier die
Materialien zu dem berühmten Werke über Kinderkrankheiten,
das. zuerst 1843 erschien. Trotz der glänzenden Aussichten
aber, die sich ihm zu Paris boten, kehrte er im letzgenannten
Jahre nach Genf zurück, wo er sich als praktischer Arzt
niederliess. Hier, wohin ihm sein Ruf vorangeeilt war, ge-
langte er alsbald zum höchsten Ansehen, besonders als Kinder-
und Frauenarzt, so dass namentlich nicht leicht eine Consol-
tation mehrerer Aerzte am Krankenbette eines Kindes ohne
ihn abgehalten wurde; zumal er in therapeutischer Hinsicht
keinem exclusiven Systeme huldigte, sondern immer nur Er-
fahrung und Vernunft zu seinen Führern wählte. 1848 wurde
er Chefarzt des (lospitals zu Genf, in welcher Stellung er
sich besonders während der Choleraepidemie 1855 auszeichnete,
sowie Gelegenheit zu den bedeutenden Forschungen fand, die
er in seinen zahlreichen Schriften über verschiedene Krank-
heiten der Kinder, wie der Erwachsenen, zuletzt über den
constitutionellen Jodismus, niederlegte. Daneben übernahm
er auch das Lehrfach der Anatomie und Physiologie an einem
freien Gymnasium für Vorbereitung junger Leute zu den Fach-
studien in seiner Vaterstadt Mehrmals war er Präsident der
medicinischen Gesellschaft zu Genf; mit den Ritterkreuzen
der franz. Ehrenlegion, des russischen Stanislaus- und des
sardinischen St. Hauricius- und Lazarusordens geschmückt
war er auch Mitglied von 7 Akademieen der Medicin und
23 mediciniscli-nalurwissenschafllichen Gesellschafleu, darunter
106 IV. MMtner, Mittheilungen über die ThStigkeit
auch (ler unsrigen seit dem 16. Februar 1857. — Dabei
glflcklkher Gatte und Vater blieb er aber doch auch nicht
von belrfibenden Erfahrungen in seinen lebhaften Besti^ebungen
verschont, die Würde des Standes und der Facultät gegen-
über den bedauerlichen Maassnabnten des Staatsrathes unter
Juhß Fazy aufrecht zu erhalten. Als im Jahre ]856
Dr. Coindet unter nichtigem und ungerechtem Verwände
seiner Stellung als Oberarzt des Cantonhospitals für Geistes-
kranke, die er seit 22 Jabren bekleidet halte, entsetzt wurde,
war Rilltet der Erste, der eine Manifestation hervorrief, welche
gegen diese Bescbimpfung profestirte und zu der sich die medi-
cinische* Gesellschaft und eine grosse Anzahl der Aerzte zu
Genf vereinigte, die aber Rilltet um seine Stellung als Oberarzt
am Hospitale brachte. Am 2. Juni 1861 Morgens 2 Uhr von
seiner letzten Visite bei einem Kranken zurückgekehrt, der
ihn hatte rufen lassen, legte er sich noch gesund nieder, als
er plötzlich wenige Hinuten vor 5 übr Morgens von Frost-
schauer, Brechneigung und heftigem Schulterschmerze befallen
wurde, weshalb er sich frottiren liess, doch alsbald erfolgte unter
Trismus und einigen starken Inspirationen der Tod. Seine
Menschenfreundlichkeit und ärztliche Geschicklichkeit sichern
ihm in Genf ein gleich ehrenvolles Andenken, wie seine fleissigen
Studien in der gesammten wissenschaftlichen Welt! —
Dagegen sind die weiteren Vorgänge im Personalbestände
unserer Gesellschaft fast durchaus erfreulicher Art. Cnser
Ehrenmitglied, Herrn Medminalrath Ritter Dr. Güntz begrössten
wir durch eine Deputation am 3. Mai 1861 als dem 26jShrigen
Jubelfesttage der von ihm gegründeten Irrenheil- und Pflege-
anstalt Thonberg unter Ueberreichung eines Gratulations*
Schreibens und freueten uns, an selbigem Tage ihn mit dem
Ritterkreuze des Königl. Sachs. Verdienstordens geschmückt zu
seilen. — Die Zahl der ordentlichen Mitglieder erfuhr die
Ernennung Dr. Germann'» zum ausserordentlichen Professor
der Medicin, Dr. Hadke'% Habilitatioh zum Privatdocenten
und einen neuen Zuwachs durch die Aufnahme des Assistenz^
arztes Ferdinand Jacobi hier. — Hinsichtlich der corre-
spondirenden Mitglieder ist nur die Zutbeilung des Nilitair-
Oberarztes Dr. Edmund Paul Meissner in Dresden zur
medicinischen Poliklinik bei der medicinisch- chirurgischen
n. d. Verhandl. d. Gesellscbaft f. Gebnrtsbülfc zn Leipsig etc. 107
Akademie daselbst in Folge eines von der Hedicinaldirection
der Armee verfOgten und am 1. Januar a. c. eingetretenen
Wechsels in der Dienstleistung, und die Erwälilung des
Dr. Horace Charles Victor Gavtier in Genf, des Prof.
Dr. Franz Christian Faye in Christiania und Dr. Ludteig
Adolf Neugehauer, Lehrer an der Kaiserl. Königl. mediclnisch-
chirurgischen Akademie in Warschau zu berichten.
Als Geschenke ITir das Archiv der Gesellschaft gingen
ein : &. F. Hoere de tiimore cranii recens natorum sanguineo,
Diss. Berolin. Dr. F. Oautter du rhumatisme de Tut^rus,
Gen^ve 1858 und Observations de deux epanchements san*
guins dans la cavite pelvienne (aus TUnion medicale du
23. Febr. 1860); Dr. Alfred Hegar^s Pathologie und The-
rapie der Placenlar- Retention, Berlin 1862 ; Prof. Dr. F. C.
Faye'^ Uterus duplex cum Vagina simplici ; partus praemalurus
— Emhryotomia; und über Puerperalfieber Diagnose und
Behandlung, sämmtlich in norwegischer Sprache; Dr. Z. A,
Keugebauer^B Lehrbuch der Geburtshillfe in polnischer
Sprache 1. Theil, Warschau 1860; Prof. Dr. Breslau'» Bericht
über die Ereignisse in der Züricher Gebäranstall im Jahro
1860 (ans dem Jahresbericht über die Verwaltung des Medicinal-
Wesens im Canton Zürich); Dr. Hennig^s Verhärtung des
Zellgewebes bei Neugeborenen (aus dem Archiv der physio-
logischen Heilkunde IL) und dessen Katarrh der inneren
weiblichen Geschlechtstheile, Leipzig 1862. — Hinsichtlich
des Ciruilirens dieser und der von der Gesellschaft käuflich
erworbenen Schriften unter den hiesigen Mitgliedern wurde
zu Ende October v. J. eine bestimmte Regulirung mit 14 tagiger
Lesezeit vereinbart und ein Bücherlräger angenommen.
Ihre Thäligkeit entwickelte die GeseHschaft im ab-
gelaufenen Jahre lediglich in eilf am 15. April, 13. Mai,
17. Juni, 15. Juli, 16. September, 21. October, 18. November,
16. December 1861, 20 Januar, 17. Februar und 17. März
1862 abgehaltenen (der 86.-96.) Sitzungen, deren einer auch
Herr Privatdocent Dr. Benno Schmidt von hier als Gast
beiwohnte.
Unter den Gegenständen der Verhandhingen, welche, wie '
bisher, systematisch zusammenzustellen vorziehen muss, prinnere
108 IV. Meümer, MittheiloDgen über die Th&tigkeit
zunächst an die in der letzten Sitzung des abgelaufenen Gesell-
sehaftsjabres erfolgten Hittheilungen aus dem Bericht über
die Ereignisse in der hiesigen Königl. Entbindungs-
schule und der damit verbundenen geburtshülflicben
Polikliniii in der Zeit vom 1. Octbr. 1859 bis 30. Septbr.
1861 durch den Director Hofrath Prof. Dr. Credi. Da der- '
selbe später in der Monatsschrift für Geburtskunde in extenso
erscheint, begnüge ich mich, nur darauf hiermit zu verweisen.
Von ganz ausserordentlichem Interesse war eine vom
27. November 1861 datirte Correspondenz des Prof. Dr. Breslau
in Zürich zur Aetiologie und pathologischen Anatomie
der Extrauterinschwangerschaften, die in der 94.
Sitzung zum Vortrag gelangte, und die wir zugleich mit der
beigefügten Abbildung des betretenden Präparates unter häß-
lichstem Danke für den geehrten Herrn Verfasser, dessen
Wunsche gemäss in der Beilage sub No. 2 um so freudiger
mit veröffentlichen, als die darauffolgende Versammlung eine
Hittheilung Dr. UhlicVs als treffendes Seitenstück dazu liefeite
und so das nicht vereinzelte Dastehen eines solchen Befundes
über allen Zweifel erhob. Letztere Mittheilung wurde deshalb
im Anschlüsse an Prof. Dr. Breslau'» geschätzte Arbeit mit
abzudrucken beliebt.
In der 93. Sitzung gab Dr. Ploss die Einleitung und
das Schlussresume einer sehr umfangreichen und deshalb nicht
zur vollständigen Vorlesung geeigneten Arbeit über die Sitten
und Gebräuche verschiedener Völkerschaften bei
der Geburt, welche einen ebenso interessanten Beitrag zur
allgemeinen Culturgeschichte, als unwiderleglichen Beweis für den
eminenten Sammelfleiss unseres verehrten Collegen liefert und
seiner Zeit veröffentlicht werden wird. Auf den Wunsch des
Verfassers wird darum eine nähere Inhaltsangabe auch diesem
Bericht nicht mit einverleibt.
Die in der Pariser Akademie gepflogenen Verhandlungen
über die Vornahme des Kaiserschnittes nach dem
Tode und die ersten Referate darüber von Depaul und
Kergaradec besprach Hofrath Prof. Dr. Credd in der 87.
Sitzung kürzlich mit Rücksicht auf die vorjährige Bearbeitung;
der Leichen - Entbindungen durch den Berichterstatter.
a. d.Verbandl. d. GesellRchafr f. Oebartshülfe zu Leipsig etc. 109
In der 95. Sitzung gab der Referent einen kleinen
Vortrag über Proctocele vaginalis als Geburtsbinder-
niss, der sich diesem Jahresbericbt sub No. 4 angefügt vorfindet.
Den vom Geh. Med.-Rath und Ritter Prof. Dr. Eduard
Martin in Berlin empfohlenen Apparat zur Transfusion
bei Blutungen Neuentbundener zeigte Dr. Helfer in
der 91. Versammlung vor und gab Veranlassung zu einer
Besprechung über die Verblutungsgefahr bei Placenta praevia
und die daraus resultirende Indication zur Transfusion. Hof-
rath Prof. Dr. Cred^ machte dabei auf das Fehlen eines
sicheren Anzeichens für die Notliwendigkeit der Transfusion
im einzelnen Falle um so nachdrücklicher auftnerksaro, als
auch ohne die Vornahme dieser Operation so manche fast
verblutete Wöchnerin sich wieder erhole, und die Gefährlich-
keit des Lufteintrittes in die Vene nicht zu gering angeschlagen
werden dürfe, um auch bei weniger dringenden Fällen allent-
halben dieselbe zu erproben.
In der 89. Sitzung brachte Dr. Beck folgende Mit-
theilungen über Anwendung der Inductions-Eleklri-
cität gegen plötzliche, durch Gemüthsbewegungen
eingetretene Unterdrückung der Milchsecretion der
Wöchnerinnen: Dr. Oppenkeimer, Privatdocent in Heidel-*
herg führt in seinem Lehrbuche der physikalischen Heilmittel
unter dem Capitel: die Gefassveränderungen durch den
elektrischen Strom und ihr Nutzen für die Therapie, und
speciell unter der Rubrik: die Erweiterung der Gefässe auch c.
die Beförderung der Milchsecretion au, und spricht sich darüber
ausführlich aus. Eigene Erfahrungen oder Fälle führt Oppen-
heimer wie im ganzen Werke, auch unter dieser Rubrik aber
nicht an, und ich {B,) bin zu geringer Kenner der Literatur
über Elektricität, um genau zu wissen, ob Fälle in dieser
Beziehung bereits bekannt gemacht wurden. Sollte es der
Fall sein, so würde ich um Nachsicht bitten, wenn ich meine
Beobachtungen darüber, die sieb auf nur drei Fälle beschränken,
mitzutheilen mir erlaube. — Ich {B,) verfuhr ganz in der
von Opperiheimer angegebenen Weise, d. h. ich wandte den
Inductionsstrom 2 — 3 Mal täglich an, und wich nur insofern
ab, als ich den Strom niqht 5 — 10 Minuten auf jede Mamma
und ihre Umgebung, sondern jedes Mal volle 10 Minuten ein-
110 ^^' ifeiMner, Mitthelluogen über die Tfaätigkeit
wirken lie^s, wofür icb den Strom, um den Schmerz wegen
der Länge der Dauer zu verbülen, nur schwacli anwandle
und nur ganz allmälig steigerte. Zuvor niuss ich noch er-
wähnen, ddss in keinem der drei Fälle irgend ein anderes
Heilverfahren,, als das Auflegen und Liegenlassen wollener
Tücher auf die Brüste und Emporbinden derselben angewandt
wurde, und dass sänuutliche drei Frauen ihre erste Nieder-
kunft abgehalten hatten. — Im ersten Falle stillte die Frau
28 Tage nach völlig normalen Geburls- und Wochenbetts-
verhältnissen, die Brüste waren gut gebaut, stets reichlich
mit Milch gefüllt, die Warzen dick und lang. Das Kind
nährte sich nur von der Mutter, die dasselbe am Tage un-
gefähr alle zwei Stunden, Nachts dagegen selten häufiger als
zweimal anzulegen benothigt war. Als sie am 29. Tage des
Stillens um 6 Uhr Morgens durch ein Geräusch auf der Strasse
erwacht, sieht sie das ihrer }Vohnung schräg überliegende
Haus in Flammen t^tehen, und von Stunde an stockt die Milch
in Folge des Schreckens vollständig. Nach circa 2 Stunden
war ich nicht im Stande, nur einen Tropfen Milch aus einer
Brust zu drücken, die beide nun ganz schlaff waren. Ich
liess der Frau nur Bouillon trinken und begann meine Kur
mit einer dreimaligen Application des Stromes an diesem
Tage, und zwar früh 9 Uhr, Mittags 3 und Abends 9.Uhi*; —
dasselbe Verfahren, nur unterstützt durch zeitweises kurzes
Anlegen des Kindes schlug ich am zweiten Tage ein, an dem
ich Abends 9 Uhr aus der rechten Brust (an der die Frau
'zuletzt gestillt hatte) ein kleines Tröpfchen eines wasserhellen
colostrum-ähnlichen Serums drücken konnte. Ich liess das
Kind sofort an diese Brust anlegen und bemerkte nach wenigen
Zügen, als das Kind, weil es wenig bekommen, ungeduldig
geworden war, an der Warze bei Druck einen Tropfen Milch.
An der hnken Brust war weder Serum noch Milch zu ent-
decken, offenbar aber hatten beide Brüste am Ende des zweiten
Tages an Volumen zugenommen. Am dritten Tage, nachdem
das Stillen während der Nacht zu wiederholten Malen versucht
worden war, fand ich früh 8 Uhr die rechte Brust bedeutend
voller als die linke, aus der sich zwar jetzt auch Colostrum-
ähnliche Flüssigkeit ausdrücken liess, während dagegen die
rechte entschieden bereits deutliche, wenn auch nur wenige
a. d.Verbandl. d. OesellscbAft f.GebnrtohüIfd zu Leipzig etc. Hl
Secrelion zeigte. Ich iDducirle die rechte Brust no€h«inmal
und Hess das Kiod darauf fleissig anlegen, das geduldig genug
war, immer so gut wie vergebens zu ziehen, und wi<lmete
mich dann ganz der linken Mamma, die ich im Laufe des Tages
noch zweimal inducirte, worauf am Abende ebenfalls Milch
eintrat, nachdem die Brust ebenfalls bedeutend angeschwollen
war. Aus der rechten Mamma Hess sich am Abende des
dritten Tages die Milch schon reichlich ausdrücken, so dass
ich dem Kinde wo möglich nichts anderes mehr zu geben
verordnete, damit der Reiz durch Zug von Seiten des Kindes
auch mit auf die Secretion wirke. So wie am dritten Abende
die rechte« fand ich am vierten Morgen auch die linke Mamma,
und das Säugungsgeschäd konnte, wenn auch noch niclit als
normal, so doch als bereits gut im Gange betrachtet werden.
Am fünften Abende war die Milchsecretion wieder normal.
Erwälmen .will ich noch, dass ich die Frau vom zweiten Tage
an, als der Schreck so zu sagen, vergangen war, reichlich
mit kräftiger Flüssigkeit nährte, um auch von dieser Seite
her Aach Möglichkeit zu wirken. — Ich habe diesen Fall
ausführlicher als es vielleicht nothwendig gewesen wäre, mit-
getheilt, muss es aber dem Urtheile dos Einzelnen überlassen,
ob der Wiedereintritt der Secretion der Natur oder der
Elektricität allein oder beiden zugleich zuzuschreiben seL Ich
bin geneigt das letztere anzunehmen, denn jeder wird zugeben,
dass der spontane Eintritt der Secretion ohne Hinzulhun der
Kunst wohl selten so zeitig wie im vorliegenden Falle erfolgt. —
Im zweiten Falle stillte die 25jährige Frau seit 16 Tagen
nach gleichfalls glückiiehem Geburts- und Wochenbetlsjreriaufe,
als sie dufch die Arretur ihres Mannes wegen WediselachuM
in eine Art Gemüthsaqfregung versetzt wurde, die volle 4 Tage
während welcher der Mann im Wechselarrest sass, anhielt
Zwei Stunden nach Abgang des Mannes in die sogenannfe
WechselsILube wiU sclion die Frau keinen Tropfen Milch mehr
gehabt haben, sie habe das Kind zwar angelegt, dasselbe habe
indessen bald schreiend die Warzen fahren lassen, und sie
selbst, die Frau, bftbe bei diesen Versuchen zu stillen stechende
Schmerzen in den Brüsten empfunden, gegen ilie sowohl, als
zur Wiedererzeugung der Milch sie die Brüste eingerieben
und mit Watte verbunden hatte. Als ich (B ) zwölf Siuuden
112^ '^- MeUmer, Mittheilnnges ober die TbKtig^keit
nach ^rretur des Mannes consullirt wurde, fand ich di«*
Brfiste ziemlich voll, derb und straff^ ihre Temperatur schien
zu der des übrigen Körpers niedriger zu sein, bei stärkerer
Belastung klagte die Frau über einen dumpfen Schmerz.
Die Waczen waren kurz und fühlten sich prall an. Trotz
aller Mühe war nicht das Mindeste aus den Brüsten hervor-
zudröcken. Sofort schlug ich dasselbe Verfahren wie im
ersten Falle ein, unterstützte es mit Einreiben von Baumöl
und Auflegen von Watte, und beobachtete gleich günstigen
Erfolg. — Im dritten Falle war ein häuslicher Zwist die
Ursache der Milchstockung gewesen, aber «ucb hier war bei
gleicher Anwendung alsbald die günstige Wirkung zur Wahr-
nehmung gekommen/' — Dr. Bloss wünschte nähere Aus-
kunft darüber, wie lange und wie stark die Elektricitat auf
die milchenden Brüste angewendet werden könne, z. B. ob
bis zur Hautröthe, und über die mögliche Steigerung der
Wirkung durch das Auflegen nasser Tücher. — Wähi'end der
sich anschliessenden Debatte wurde auch einerseits vorge-
schlagen, die Einwirkung auf nur eine Brust zu einer Controlo
über die Wirkung der Elektricitat überhaupt dienen zu lassen :
andererseits aber die Trüglichkeit dieses Experimentes wegen
der zwischen beiden Brüsten stattfindenden Sympathie dagegen
geltend gemacht.
lieber die Sterblichkeit der Wöchnerinnen machte
Dr. Hennig in der 88. und 91. Sitzung Angaben, die zunächst
auf seiner Thätigkeit als begutachtender Arzt einer hiesigen
Lebensversicherungsanstalt basirt waren. Es fand sich in sehr
vielen Anträgen resp. den dazu gelieferten dreifachen (und
darum glaubwürdigen) Attesten die Angabe, dass nahe An-
verwandte der zu Versichernden (d. h. nur die Mutter oder
die Schwestern) im Wochenbette oder überhaupt in Folge der
Entbindung verstorben seien. Zur Sammlung von 100 solchen
Fällen mit genauer Altersangabe der Verstorbenen waren bei
der betr. Gesellschaft (welche mit den verschiedenen Theilen
Deutschlands, ausgenommen Oesterreich, Versicherungsverträge
abschliesst) im Ganzen die Durchsicht von 721 Versicherungs-
anträgen nothwendig. Damach starben vor erreichtem 33. Jahre
22, vom 34. — 40. Jahre 57, vom 41. — 50. Jahre 19, vom
51.-^55. Jahre 2 Frauen Das 86.' Lebensjahr zeigte sich
o. d. Verbmndl. d. GesellschAft f. G«bartBhttlfe lu Leipzig etc. 1 IS
alB das gefährlichste. AuBserdem fauden sich noch 39 weitere
Angaben vom Tode verstorbener Anverwandten nach der Nieder-
kunft ohne Bezeichnung des Lebensjahres, in dem sie zuletzt
standen; so dass sich also eine Sterblichkeit von 19,417 Proceni
im Ganzen ergiebt. Bezüglich der Heimath ergaben sich von
70 Anträgen aus Sachsen und den Herzog- ' S
thumem . . . , . .60 TodesfäUeJ c
53 ,, ,, Preussen und Anhalt . 48 . „ 1^ ä
13 „ „ Bayern 13
«
>
5 „ „ den Rbeinlanden . . .• 6 y,
10 „ „ dem nordwestJ.' Deutsch- 1*^^
land und Hannover . . 8 „ lg
13 n f« dem südwestl. Deutschland 4 ., / g
Es zeigte sich sonach das günstigste Verhältniss im südwest-
lichen Deutschland wie 3^^ : 1, dann im nordwestlichen
Deutschland wie 5:4, in Sachsen 7:6, in Preussen 9 : 8,
in Bayern 1:1, das ungünstigste am Rhein 5:6. — Ab-
gesehen von der politischen Länderausdehnung kamen im
geographischen Norddeutschland auf 133 Anträge 116 JVochen«
betts-Todesßlle (33 : 29), in Süddeutschland auf 31 Anträge
nur 23 (31 : 23). — Femer vertheilten sich 48 Fälle auf
grössere Städte, 91 auf kleinere und Dörfer. 3^ Anträge
röhrten aus Gebirgsgegenden, 101 aus Thälern her. — Im
Allgemeinen ist das Resultat für die Erstgebärenden ein mehr
als doppelt so ungünstiges wie bei Mehrgebärenden, wenn aber
das Puerperalfieber als Criterium angenommen wird, zeigt
sich eine gleiche Gefahr bei Erst - wie bei Mehrgebärenden. —
Ueberdem starben in Folge von Fehlgeburten 1, von Früh-
geburten 3. Angeblich in Folge von zu häufigen Nieder-
künften starben 7 an galoppirender Schwindsucht, nächstdem
an Verblutung 2, an Peritonitis 1, am Kindbettfieber 6, an
Pneumonie 1. an Apoplexie 1.** — „Deberhaupt besteht nach
Mittheihing eines Lebensversicherungsstatistikers eine 17 Procent
schlechtere Lebensaussicht bei Geschwängerten als bei anderen
Frauen — setzte Dr. Mass hinzu, der selbstständig in der
94. Sitzung, wie schon an den gedachten Abenden im Vereine
mit Dr. Hennig geschehen war, noch eine grössere Anzahl
von Verhältnisszahlen aus der Statistik ganzer Länder, wie
besonders einzelner Gebäranstalten im Anschlüsse vortrug.
MonaUtelur. f. O^bnrUk. 1S88. Bd. XXI.. Sappl.-Hft. ^
114 IV. MeiBsner, Mittfaeilung^en uler die ThfItfgrIieU
Als Gegenslöck zu der Im letzten JahreBberichle er-
wähnten Entbindungsgeschichte eines AffenweibcheBs
durch Prof. Dr. Bock tbeilte Dr. PI088 in der 88. Sitzung
eine weitere Beobachtung von Dr. Theodor Opd im Journal :
Der Zoologische Garten von Weinland, 1. Jahrgang, 1860,
No. 7, Seite 121 mit, wo abweichend von dem erstgedacbten
Falle eine siebenmonatliche Trächtigkeit, während ihr Anfangs
Fresslust, dann aber sonderbare GelQste und Absterben der
Frucht der Geburt vorausgegangen war, auch der Nabelstrang
durchschnitten werden musste.
Die Verhandlungen über rein gynäkologische Fragen be-
gann Hofrath Prof. Dr. Cred6 in der 89. Sitzung mit einer
Besprechung über Pessarien unter Bezugnahme auf die
früher (vgl. 6. Jahresbericht) von Dr. Sack in Marienberg
angegebene Spiralform, die sich zwar in praxi nicht empfehlens-
werth gezeigt hätte, aber doch ein Princip enthielte, das
weiter berücksichtigt zu werden verdiene. Darauf hin wurden
kleine aus Holz gefertigte Gebärmutterträger mit Wendeltreppen
— uncf Tellerartigen Vorsprüngeii gezeigt, welche von den
sich um diese herumlagernden Sciieidenwandungen getiageii
werden, und so eine die Patientinnen nicht sehr belästigende
Stütze gewähren, ohne wie jene Drahtspiralen einzuschneiden
oder gar zu verletzen.
An demselben Abende regte Dr. Ploss die Aufmerksamkeit
hinsichtlich der neuen Theorie Roser's über das Ectrepiupi
der Huttermandslippen an, auf welche dieser alle Ul-
ceraliooen und Excoriationen dersett>en zurückführen, aucli
L^franc*» Erfahrungen und BeobacbtAogeii beviehen will,
60 dass das Studium der Gesellschaftsmitgtieder wohl darauf
gelenkt zu werden verdiene. Hofrath Prof. Dr. Crsdd weist
in dieser Beziehung auf betr. Abbildungen in Duges Atlas
hin und bedauert die Seltenheit der einschlagenden Fälle su
weiteren Forschungen darüber.
In der 95. Sitzung theilte Dr. Kinten den ausfüfariicb
in der Beilage sub No. 3 veröffentlichten Beitrag zur
Diagnostik der Unterleibsgeschwülste mit, in deren
Anschluss eine allgemeine Besprechung der Mitglieder über
Probepunctionen stattfand. Dr. Kirsten mahnte angesichts
u. d. Yerhaadl. d. GeselUcbaft i. Uebnrtshülfe an Leipsig etc. 1 15
des erzdUien Falles zur Vorsicht, während Hofrath Prof.
br. Cred4 deren Gefahrlosigkeit im Gegensatze zu der Be-
handlung fint Jodinjectionen (wie solche l)e8ond6rs bei Ovarien-
geschwfiJsten üblich) entschieden verti^at — Eben ähnlichen
Fall, wie den yon Dr. Kirsten erzählten, mit Acephalocysten-
colonieen der dislocirten Niei*engeschwulst, berichtete Ref. in
der Preussischen Medicinalzeitung, 4. Jahrgang, No. 40 vom
2. October 1861, p. 318, als vom Physikat Oppeln mitgetbeilt,
gelesen zu haben.
In der letzten Versammlung des abgelaufenen Geschäfts-
jahres setzte Dr. Hemnig seine dem letzten Jahresberichte
beigegebenen Hittheilungen über Eierstocksopera-
tionen, in spede die Exstirpation des degenerirten
Organs — Oophorotomie — durch das Referat eines
neueren Falles fort, zu dem er namentlich durch die günstigen
Resultate Baker Brownes und Spencer Wells ermuthigt
worden war. Die den bisherigen deutschen Erfolgen nicht
entsprechenden Erfahrungen der Engländer und Amerikaner
darüber, Ton denen mehr denn die Hälfte der Operirten
gerettet wurden, scheinen darauf sich zu gründen, dass dort
meist zeitiger und ohne vorherige Punctionen .operirt wird.
Diese vorherige Punctionen sah der Redner als die gewöhn-
lichsten Ursachen der später vielfach störenden und namentlich
bei der Operation seJir incommodirenden Adhäsionen an, wie
mkiß jüngste Exslirpation zeige: Frl. 8,^ 42 Jahre alt, litt
von Jpgend an Eczema, später an unregelmässiger Henstruaiion.
Vor zwei Jahren machte sie eine 12 Stunden währende
Eisenbahnfiibrt, (»hne den Urin zu entleeren; seitdem hörten
die ürftber in beiden Knieen bestehenden Schmerzen und das
Eczema auf, dafür entstand Schmerz in der rechten, später
auch linken hypogastriscben Gegend. Die Schwellung des
Leibes wurde erst später bemerklich, nachdem Pat ihren
kranke» Vater gehoben baitte. Am 12. December 1861 wurde
fiine Punction rechts in der hypogastrischen Gegend gemacht,
und dadurch an 10 Pfund bräunlichen, leimartigen Serums
entleert; die Erleichterung war nur gering und sehr vorüber-
gehend, trotzdem dass constant eine Leibbinde getragen worden
war. Seitdem waren Füsse und Lenden ungeachtet der durch
lnfu9um baccarum Juniperi sehr beförderten Urinaussonderung
8*
116 iV. M$i99ner, Minhtilnngen über die Tbfttigkeit
bis zur Unbewegiichkeit schmerzbafl angeschwolietr, Leib
116 Centimeter im Lofange. — Am 19. Januar 1862 Mor-
gens 10 Uhr wurde Pat. durch Dr. Kuschke diloroforaiirt,
wachte aber während der 15 Minuten dauernden Operation
wieder auf, ohne Aber lebhafte Schmerzen zu klagen. Während
Dr. Berger und Dr. Hermsdorf die Därme zurückhielteo,
machte H, in der Linea alba einen 4 Zoll langen Schnitt,
gpaltete auf der Hohlsonde das Bauchfell, aus dessen Höhle
sich ein^Skrupel klai'en Serums ergoss, stach die Kyste mit dem
Troicart au, erweiterte die Wunde der Kyste nach unten und
oben mit dem Bistouri, weil der Ausiluss stockte, und löste
nach Entfernung von gegen 20 Pfund brauner Flüssigkeit
und schlaffer, weicher, bräunlicher Massen den Sack des linken
Ovariums fast ringsum von der Bauchwand, dem Netz, Zwerch-
fell und einigen Därmen mit der Hand. Die festesten An-
heftungen waren an der früheren Punctionsstelle und links
oben zwischen der vorderen Bauthwand dem Magen und
Zwerchfell; ihre Losung verursachte üebelkeit, Brechneigung
und Verfall des Gesichtes. An beiden Stellen hatte Pat nach
der früheren Function einige Tage lang Schmerzen gefühlt.
btr 4 Zoll lange und 2 Zoll breite Stiel wurde durchstoclieu,
nach beiden Seiteu zu mit einfachen Seidenschnurchen von
Dr. Benno Schmidt unterbunden und 1 Zoll über der Ligatur
durchschnitten. Die Obf^^fläche des Stumpfes zeigte eine
kleine Blutlache» die sich nach dem Abtupfen regenerirte, oboM
dass die Quelle (wahrscheinlich eine bei der UnterbipduBg
angestochene Arterie) entdeckt werden konnte. Da PaL sich
umherwarf, wurde die Bauchwunde mit vier Knophäthen ge»
schlössen, ein leichter Druckverband und darüber Eisamschläge,
Nachts PrUsenüz'hiAie Umschläge angebracht. Plds 110 bis
120. Es trat einmaliges Erbrechen ein, Abends wurde Y« gr.
Morphium gegeben. Nachts: fester ruhiger Schlaf. Die bisto«^
logische Untersuchung der Geschwulst zeigte sarcomatoese
Natur, die in coUoide Entartung übergegangen war, und zahl«-
reiche ziemlich frische SugiUate der Sackwand. — Die Dtäi
in den folgenden Tagen bestand hi dünnen Griessuppen,
Mittags mit Hühnerbrühe. Am 4. Tage nach der Operation
wurde eine Auster gegeben, auf die Brechdurchfall mit schneller
Abnahme des Oedems erfolgte. Bis zum 6. Tage, wo etwa&
a. d. Verhandl. d.OeselUchaft f.Gebnrtsbülfe so Lelpsigf etc. 1 17
Hosten auilli*at, war das Fieber sehr gering, Temperalur
zwisebeD 30 udU 31 ^ R, Hinsidillich des AUgemeinhefindcos
machte sich eine so grosse Erleichterung geltend, dass Pat.
freimdthig eridärte, sie sei mit dem Erfolge der' Operation
durchaus zofriede», auch wenn ihr Leben nicht erhalten wurde.
Am 6. Tage mit hohem Fieber trat Collapsus, zuletzt Delirien
Yor dem Tode ein. — Der Urin wurde zwei Mal täglich mit
dem Katheter entleert — Die Section zeigte circa zwei Ober-
tassen noch nicht geronnenes Blut in der Bauchhöhle (wahr-
sebeiDlicb noch von der Operation hejrröhrend), die Därme
an einigen Stellen untereinander frisch verklebt, massige all-
gemeine Anämie, stärkere der Leber und des Herzens. Theil-
weises Lungenödem. — Nach Baker Breton sei bei und nach
der Operation die Pflege einer nur massigen Zimmertemperatur
und Entwickelung feuchter Dämpfe, femer hauptsächlich auch
das Einwickeln der bei der Operation nicht betheiligten Theile
in wollene Binden zu beobachten.
Die Hittbeilungen aus dem Gebiete der Pädia tri k er-
öffnete in der 88. Sitzung Hofrath Prof, Dr. Crede unter
Vorzeigung eines im 5. Schwangerschaftsmonate geborenen
Fötus mit hochgradiger Hydrorrhachis; die Spaltung, am
Hinterhaupte beginnend ging durch sämmtiiche Halswirbel
bis zum 3. Ruckenwirbel. — Dr. Hagen, ans dessen Praxis
das Präparat stammte, berichtete: dass nach der glucklich
verlaufenen ersten Geburt die Mutter sich auch während dieser
Ihrer zweiten Schwangerschaft bis dahin ungestört wohl be-.
fanden habe, auch durch die plötzlich aufgetretenen starken
Wehen die Frucht schnell geboren worden sei. Die Blase
sei so gross gewesen, dass die Hebamme in dem Glauben, das
Kind sei in den unverletzten Eihäuten ausgestossen worden,
dieselbe öffnete; angeblich, wie sie sich später entschuldigen
wollte: um das Geschlecht der Frucht zu bestimmen!!! —
Der Berichterstatter sprach darauf in der 91. Versamm-
lung über Inversion der Kniegelenke bei Neu-
geborenen, wie solche bisher schon von Dr. H. Bird zu
Troy in Vermont (Boston Journal Bd. XI. Nr. 16 und Schmidfs
Jahrböcher, XIV. Bd., S. 46) und ihm selbst {Hennig's Lehr-
buch der Krankheiten des Kindes. 1. Auflage. Leipzig 1854,
Ilg TV. Meiuner, Mittheilnngen über die ThStigkeit
S. 418) beobachtet wurde. Die gleiche Anomalie zeigte sieli
an beiden Schenkeln eines circa 4 Wochen zu früh geborenen
Mädchens neben beiderseitigem Pes varoequinos. Die Matter,
eine tuberkulöse imd sehr empfindliche Buchdruckergehtklfens-
frau W. zeigte nach dem Tags zuvor bereits abgegangenen
Fruchtwasser am 25. September v. J. den Hutterhals yerstricheii,
die Portio vaginalis sehr spröde, weshalb ein Sitzdaropfbad
mit darüber gespanntem Fischnetz nach J, H, Schmiidtf^
Angabe (zur gerichtlichen Geburtshilfe, Berlin 18Ö1. 8.) an-
gewendet, und ein Skrupel Seeale comutum verordnet wurde.
Trotzdem musste schliesslich noch *die vordere Muttermunds-
lippe leponirt und die Zange an den in vierter Scheitellage
vorliegenden Kopf angelegt werden. Der Schädel zeigte an-
dauernd die Form einer Thurmkrone, das Athmen nnd Schreien
war sehr schwach, der Nahrungstrieh sehr unlerdrdckl. Die
öfters wiederholten Untersuchungen Hessen die Patella auf
der vorderen Fläche der Oberschenkel fAhlen. Leider starb
das Kind am 18. October, noch ehe die beabsichtigte Vor-
stellung des Kindes in der Gesellschaft selbst erfolgen konnte
und ohne dass die Section von den Eltern gestattet wurde.
— Ein ausgetragenes, wohlgenährtes und ausserdem wohl-
gebildetes Kind weihlichen Geschlechts mit gleicher Deformität
der Kniee war in der Familie eines geachteten Rechtsgelehrten
zu Annaberg am 25. Septhr. 1861 (also an gleichem Tage)
geboren worden.
In der 90. Sitzung bildete Dr. Hmmig's Arb^l über
die Häufigkeit des Herzschlages der Frucht (vgl. Wiener
Medicinal- Halle, U.Jahrgang, No. 34, vom 26. August 1861.
p. 320) den Gegenstand der Besprechung.
Dr. Hadke hatte im Anschlüsse an Prof. Dr. Breslau!?^
Autsatz in der Denkschrift der medicinisch - chirurgischen
Gesellschaft des Kantons Ziirich vom 7. Mai 1860 (S. 111)
die Gewichtsveränderung der Neugeborenen weiteren
Untersuchungen unterworfen, welche in der 92. Sitzung zum
Vortrag gelangten, und in der Monatsschrift für Geburtsknnde,
Dd. 19, Heft 5, Seite 339, erschienen sind. Dr. PIobs
gedachte darauf der älteren Arbeiten von Elsaesser und
von Siebold darüber.
n. d. Verlandk d. Geselleohaft f. Ciebürtsbülfe sn Leipslg etc.. ]J9
"lM>^r die vulkanisirten Warzenhöt^hen und
Saugsiopsel, vor denen neuerdings vielseitig durch Erlasse
verschiedeMer Regierungen und sonstige Pressereeugnisee,
naraeotlich auch Locaiblätter, als giftig gewarnt w«rd«) war,
trug Stadtbezirksarzt Prof. Dr. Sonnenkalb in der 86. Sttaung
den seitdem in der deutsehen Zeitschrift für Staatsarzneikunde,
Neue Folge, 18. Band, Seite 164 — 167 abgedruckten Ar^
iikel vor.
In derselben Versammlung zeigte Hofrath Prof. Dr. Crede
eine Flasche neuen norwegischen geruchlosen Leher-
thrans von Carl Baschin in Berlin vor.
Endlich wurden folgende neu erschienene Schriften vor-
gelegt: Küneke, über ZwOlingsschwangerschaft; Hecker und
Buhl, Klinik der Geburtskunde; Thomas, schräg verengtes
Becken; Carl Mayer, klinische Mittheilungen aus dein Ge-
biete der Gynäkologie, 1. Heft; Eduard Martin, Atlas der
Gynäkologie und Geburtsbulfe; von Siebold, geburthulfliche
Briefe; Birnbaum, regelmässige Geburl des Menschen und
ihre Pflege (für Hebammen) und Betechler und Freund,
(uterque) Beiträge zur Gynäkologie, 1. Heft.
IL Zur Aetiologie und pathologischen Anatomie
der Extrauterinschwangerschaften.
1. Correspondenz yon Prof. Dr. Bernhard Breslau in Zürieh.
Vorgetragen am 20. Janaar 1862.
(Hierzu eine Abbildung, Taf. IV., Fig. 1.)
. Hit Vergnügen ergreife ich die sich mir durch
Acquisition eines Präparates aus der Pnvatpraxis meines Col-
bßgen Herrn Ds. SpoendU darbietende Gelegenheit, Ihnen för
Ihre Verhandlungen und Annalen einen kleinen Beitrag liefern
SU können, dessen götige Beurtheilnng ich Ihrer Nachsicht
anterwerfe. Die beiheftende Abbildung, getreu nach der Natur
und in wirklicher Grösse gefertigt, überhebt mich einer in das
kleinaie Detail eingehenden Beschreibung und i^ird tum Ver-
ständniss des Falles wesentlich' beitragen.
120 IV. iftiMüM-, Mittheilviigen ober die ThiH^tU
Das Präparat, der hiesigen geburtshülflicben Sammluiig
einverleibt, stammt von einer 30jährigen Frau, welche im
vorigen Fröbjahre nach einer secfasmonatlichen Ehe, nacfaK
dem sie früher ganz gesund gewesen und nicht an Menstma*
tionsanomalien gelitten haben soll, plötzlich ohne nachweisbare
Ursache unter den gewöhnlichen Erscheinungen einer intra*
abdominellen Blutung erkrankte und schon iünf bis sechs
Stunden später starb. In der Leiche fand sich ein grosser
Bluterguss in die Bauchhöhle und als Quelle der Blutung er-
kannten die Herren Dr. Spoendli und Prot. Ernst sehr
bald die geborstene linke Tuba, aus welcher der Embryo
ausgetreten war, ohne dass wir im Stande gewesen, ihn in
den roasseuhafl angehäuften Blutcoagulis aufzufinden. Der
Uterus wurde nun so abgeschnitten, dass dessen Cervicaltbeü
in der Leiche zurückblieb, weil bei tieferem Abschneiden,
etwa durch das Scheidenrohr, ein Herausfallen der Eingeweide
durch das Becken zu befürchten war, was man bei einer
Privatsectiou, zu welcher die Erlaubniss nur mit Mühe zu
erhalten gewesen, möglichst vernieiden musste. Zur Beur-
theilung des Präparates bat aber dieser kleine Defect des
Cervicaltheiles des Uterus nichts zu sagen. — Da die vordere
Wand des Uterus durchschnitten ist, so sehen wir in der
Abbildung das Präparat en face, zu unserer Rechten die linke
Tuba, zu unserer Linken die rechte Tuba, den rechten Eier-
stock etc., den Hintergrund bildet die hintere Wand des Uterus,
die Ovarien sind hinter den durchschnittenen Ligamentis latis
vorgewogen. An dem mit a bezeichneten Uebergangstheile
der linken Tuba in den Uterus an einer 3 V2 Centimetres langen
und bei einiger Anspannung ungefähr eben so breiten Stelle,
die halb dem Ulerusparenchyni, halb der Tuba angehört, ist
der nach oben geborstene Eisack, in welchem sich noch eine
Unmasse mit freiem Auge und unter dem Mikroskope erkenn-
barer, ringsum sich ausbreitender, mit Blutcoagolum verfitzter
Chorionzotten befindet, welche lose an der den Sack aus-
kleidenden einer sehr verdünnten Decidua ähnlichen Membran
anhaften. An der Rissstelle nach oben zu ist der Sack zur
Papierdünne geschwunden und man begreift, wie bei der ge-
ringsten Vermehrung des intracapsulairen Druckes ein Bersten
ganz unvermeidlich sein musste. Der Grösse des geborstenen
Q. d.yerk»n€ll. d. Geiellsdiaft f. G^bartwhülf« i« Letpsi; etc. 121
Sackes naeh su schiiessen, dftrfte der darin enthalten ge-
wesene, verloren gegangene Embryo etwa 2V, bis 8 Centini.
hng gewesen ond die Schwangtfscbaft dfirfte etwa die sechste
oder siebente Woche erreicht haben, lieber das Aasbleiben
der Menstruation oder Aber andere Anhaltspunkte zur Be>
rechnong der Schwangerschaftsdaoer habe ich keine Notiten
erhalten können. Das eigentliche Uterusparenchym hat an
der Schwangerschaft nur wenig Antheil genommen. Die Mus-
cotaris ist vielleicht um einige Milhm^tres dicker, als sie im
flicht schwangeren Zustande gewesen sein mochte, die SchleinH
haut ist nur wenig aufgelockert und seigt nicht jenen, andi
hei Extraoterin- Schwangerschaften nicht selten beobachteten
hypertrophischen oder hyperplastischen Zustand, der unter
dem Namen der Decidua bekannt ist Was aber an dem
aufgeschnittenen Uterus ganz besonders in die Augen flHt
und worauf ich ganz speciell Ihre Aufmerksamkeit zu richten
noir erlaube, das ist ein dünngestielter länglich ovaler, unge-
ßdu* Orangenkern-grosser Schleimhautpolyp, der sich et-
was unterhalb der Stelle befindet, wo die linke Tuba in die
Uterinhöhle einmündet. Ein Schnitt schräg nach oben dmnch
die Mnscularis des Uterus geführt, bat, ohne dass ich dies
mit Besthnmtheit bei der grossen Feinheit des Uterastheiles
der Tuba behaupten möchte, denselben geöffnet und fährt
nach aufwärts in den zerrissenen Eisack. Zwei kleine Steck-
nadelkopf-grosse Oeffnungen mit b b bezeichnet, nahe dem
einen zur linken Hand des Beschauers liegenden Rissende
des Sackes gehören einem oder zwei durchschnittenen Bhit-
gelassen an und können mit der Sonde eine kurze Strecke
in die Huscularts des Uterus verfolgt werden. Meine Yer-
muthung geht nun dahin, dass man in diesem Falle in dem
oben erwähnten keinen Uteruspolypen das ätiologische Moment
für die Entstehung einer ausserhaft der Uterinhöhle zur Ent^
Wickelung gekommenen Schwangerschaft erblicken darf, einer
Schwangerschaft, die man wegen ihres Sitzes eine interstitielle
oder eine Utero-tubar-Schwangerschaft nennen kann, da ein
Theil der Tuba und ein Theil der Muscularis des Uterus
zur Bildung des Eisackes verwendet wurden. Denkt man sich
unseren Uterus geschlossen, so konnte der kleine gestielte,
jedenfalls sehr bewegliche Uternspolyp je nach den wechseln*
122 iV. Meiuner, MittfaeilQDgeii über die Thitigkcii
<leß Coiiftii€4ioB80U8taiiden des Uterus, je nach der grossem
oider gerin^^en Turgaeeesc der ÜMfebiiBg und seiner soHisi,
wd vieUdcbA aueh j« oacb der Lage der Frau : sekie eigoK
Lag® li^erlndem, er konnte sich unter Unsiäwiea vor die
TubenÜTnuDg legen, oder dieselbe aueh ganz frei lassen.
Wenn nun ungldckikber Weise das ersiere geschah gerade
in dem Augenblicke, als das iMsfiruchtete Bi in die UterusböUe
eintreten solUe; wenn der kleine Polyp wie ein hewegficfaes
Ventil, nachdem er früher den Durchgang der Spermatosoen
in der Richtung gegen das litike 0?arhiin gestaltet hatte,
jetxt den Austritt des Eies verhinderte, so musste dieses
entweder zu Grunde gehen, oder es konnte in seinen weiteren
Entwickelungsstadien fortfahren, nachdem es viellekht einige
retrograde Bewegungen gemacht hatte, bis es wieder au eine
etwas geräumigere Stelle der Tuba gekommen war. Ich bin
weit entfernt davon, diesen Vorgang als unumstösslich sicher,
den kleinen Polyp als die unzweifelhafte mechanische Ursache
für die in unserem Falle gefundene Extrauterin-Schwauger-
schaft hinzustellen, aber da es nahe liegt, dass sämmtlichen
Entrauterin-Schwaugerschaften mechanische Hindernisse in der
FortleiUmg des Eies zu Grunde liegen, so darf man wohl,
ohne dass man deswegen einer zu kühnen Hypothese be-
schuldigt zu werden braucht, zu einer Erklärung seine Zu-
flucht nehmen, die bei den noch deutlich nachweisbaren Ver-
hältnissen an unserem Präparate eine ungezwungene und un-
gekünstelte ist. Wenigstens halte ich die von mir für unseren
Fall gegd)ene Erklärung des mechanischen Grundes einer
Extrauterio-SchwangerschafL für nicht minder berechtigt, als
Becker*^ Ansicht, der in seiner werth vollen Schrift: „Beiträge
zur Lehre von der Schwangerschaft ausserhalb der Gebär-
mutter, Marburg 1858" durcii seine Untersuchungen und die
vergleichende kritische Zusammenstellung der Untersuchungen
Anderer aidi veranlasst gefunden hat, auf die partiellen Peri-
tonitiden mit Nachdruck als auf eine häufige Ursadie der
Extrauterin-Schwangerscbaften aufoierkfHim zu osachen (S. 14),
indem er hervorhob, dass bei der durch sie erzeugten Un-
regelmässigkeit in dem Lumen der Tuba die Eileitung leicht
eine Unterbrechung erfahren und zu einer Entwickelung an
einem ungewöhnlichen oder gefahrlichen Platze fähren könne.
n. d. Verfc«ndl. d. Gesellschaft f. Gebnrtshfilf« su L^ipsig^etc. |^
An BRserem Präparate findet eieb keine Spur vmi pträdkt
Peritonitis, keine Verztehiing, keine Vtrkruniinitng der Tuba
iHid es kann scmit dieses »eliefegisehe Moment Mr die Extra*
uterin-Schwangersehaft in unserem FaUe niebt in Betriebt
komnien. Ein zweiter FaJl, in wekhe» man mit so viel
Wahrscheinlichkeit wie in dem unsrigen ein mechanisches
Hinderniss gegen den Eintritt des Eies in die Uterusb^hle
und als Ursache seiner extra -uterinen Entwickelung nachge-
wiesen hätte, ist mir aus der Literatur nicht bekannt, allein
mechanische Hindernisse von weniger auffallender Grösse und
doch gross genug, um so bedeutende Störungen in dem Fort-
pflanzongsgeschäfte des Weibes herTorzubriiigen, m^gen wohl
oft vorhanden, aber auch ebenso oft öbersehen worden seitf.
Ist auch in unserem FaUe der kleine Sebleimhautpolyp nicht
die Ursache einer länger dauernden Sterilität gewesen, indem
die Verstorbene etwa vier Monate nach ihrer Verbeiratfaung
concipirte, so sind doch gewiss in anderen Fällen soldie kleine
Excrescenzen , besonders wenn sie durch ihren ungünstigen
Sitz nahe an den Tubenranndnngen oder im Cervicalcan«!
den Eintritt der Spei*matozoen erschweren oder ganz ver*
hindern, die Ursache lange oder fär das ganze Leben dauern^
der Sterilität und reihen sich auch in dieser Hinsicht an die
peritonitiscben Adhäsionen etc. an, weiche Hecker als ge»
meinscbafUiche Ursache von vorangegangener Unfruchtbarkeit
und nachfolgender Extrauterin-Schwang^schaft anzunehmeB
alle Ursache hat, denn es ist klar, dass AUes, was den Samen
verhindert, zum Ei zu gelangen, mch dieses verhindern kann,
seine regelmässige Bildungsstätte in der Höhle des Uterus
aufzuschlagen.
Schliesslieh habe kh noch zu erwähnen, dass es mir
mit einer feinen Pischbeinsonde gelang, von der linken Ab-
dominaKTubenöffnung aus bis wenige Linien gegen den zet^
rissenen Eisack, aber nicht in denselben zu dringen und
dass, da sich auch in dem linken Abdominal-Tubenende kein
Hut fand, es mir wabrsebeinlicb erseheint, dass während des
kurzen Bestehens der Schwangerschaft eine Abschliessuag der
Tuba gegen den Eisack zu stattgefunden habe. UnzweifeAmfl
stammte aber aus dem linken Eierstock das befruchtete Ei,
denn hier findet sich ein frisches V/^ Centim. im grössten
}24 I^- Mmtwer, Blittfaeilnngeii über die Thitigkeit
Durchmesser haltendes corpus luteam, während in dem rechten
Eierstocke neben ganz obsolescirten FoUiceln nur ein söge*
nanntes falsches Corpus luteum von gelber Farbe, aber ge*
ringer Ausbildung, zu sehen ist
Zürich, 27. November 1861. Prof. Breslau.
S. Hittheilung Aber eines ütemabefdnd neben Lithopftdion.
Von
Dr. C. F. W. Üblich.
Vorgetragen am 17. Febraar 1862.
im Jahre 1829 oder 1830 wurde ich von den Herren
Prof. Dr. Carus und Dr. Walther aufgefordert, die Section
der verstorbenen Frau Ä'. vorzunehmen, die zwei Tage vor-
her nach jahrelanger Krankheit verstorben war. — Die von
einer circa 60 Jahre alten Frau herrührende Leiche war
mittelgross, abgemagert, die Muskulatur sclüaff, die Häutfarbe
intensiv gelb, in der rechten Leistengegend eine eingesunkene
Narbe, ähnlich denen, weiche nach cariösen Geschwfiren zu-
rückbleiben. Der Unterleih aufgetrieben, die Lebergegend
hervorragend und oberhalb der rechten Inguinalgegend am
Abdomen deutlich eine grosse harte Geschwulst fühlbar. —
Die Krankheit, welche den Tod der Frau K, herbeigefdhrt
hat, war als chronische Entartung der Leber diagnosticirt
worden. — Die Untersuchung der Unterleibshöhle ergab vor-
zflglich Vergt^össerung und fettige Entartung der Leber, die
Gallenblase enthielt 12 — 15 Stuck erbsengrosse Gallensteine.
— Der hypertrophisdie durch eine mit demselben in Ver-
bindung stehende ungelahr Kindeskopf-grosse Geschwulst oacli
der linken Seite gedrängte Uterus zeigte in seinem Inneren
zahlreiche polypöse Entartungen der Schleimhaut und an der
Einmündung der rechten Tuba einen Polyp von dem Umfange
eines Silbergroschens von fßster lederartiger Gonsistenz. Die
Oeffming der Tuba Hess eine feine Sonde einfahren. Dicht
unterhalb derselben befand sich eine zweite Oeffiiung, welche
der Sonde ebenfalls den Eingang ungefSibr 1 Zoll tief ge>
stattete und vermittels eines in fettig entartetes pathologisches
Gewebe gelagerten Canales in das Innere der oben genannten
mit dem Uterus zusammenliängenden Geschwulst, welrh»*
u d. Verhandl. d. Geflellich^ft f, Gebnrttiililf« su ii«ip9ig etc. 1^5
gleicliblls äussarlich aus feltig ftnlarletem Gewebe besUad,
führte. — * Die Saude konnte io dieseo Canal nicht weiter
eingebracht werden, dn weiteres Vordringen wurde durch
den hartf>n Inhalt der Geschwiibt verhindert. ~ Im Inneren
des Tumor» befand sich ein mumieoartig aussehendes Kirnt
von der Grösse wie Kinder im vierten bis fimften Uonate
der Schwangerschaft sind. Die Hautfarbe desselben war
dunkelgraugelb. Das Kind war von kalkartigen Hassen be-
deckt und befand sich in einem lederartigen Sacke, weicher
el)enfalls mit kalkigen Massen incrustirt war. Um denselben
herum war wachsartiges Fett gelagert, welches nicht nur das
Litbopaedion, sondern auch die rechte Tuba und das reeble
Ovarium einbuIltR und die den Uterus nach li&ks verdrängende
Geschwulst bildete, welche ausser an dem Uterus auch an
der in der rechten Inguinalgegeud befindlichen Narbe adhärirte.
Am rechten Ovarium fanden sich gleichfalls kalkartige erbsen-
grosse Concrcinente. — Die eingezogenen Erkundigungen er-
gaben, dass die Yerstoiiiene vor ungefähr 26 Jahren ein Kind
geboren, welches zur Zeit der Section noch lebte, dann mehr-
mals, zum letzten Haie im 50. Jahre, abortirt hatte und darauf
noch einige Zeit regelmässig menstruirt gewesen war. — Zehn
bis zwölf Jahre vor ihrem Tode hatte sich in der rechten
Ingiiinalgegend eia Abscess etablirt, welcher geöfliiet worden
war und die oben genannte Narbe zurückgelassen hatte. —
Die Mitnahme des Litbopaedion wurde von den Verwandten
der Verstorbenen verweigert.
Leipzig. Uhlich.
IIL Beitrag zur Diagnostik der UflterleibsgeschwUlste.
Von
Dr. Theodor Rlvsten.
Vorgetragen am 17. Februar 18t>2.
Wenn ich mir erlaube, Ihnen einen Fall aus der
Praxis mitzutheilen, hei dessen Diagnosticirung ich, weil ich
mit einer gewissen Voreingenommenheit zu Werke ging, ein
durchaus falsches Resultat erhielt, ohne deshalb glücklicher
136 1V\ MMwer, MilOiDiliiiigen über die ThKtlgkeit
Weise eine fehlertiafle Behandlung eiAzuleiten, so thue icli
dies aus dem Grunde, weil icb die oftoe [»ariegang Yorge-
komuiener IrrlbOmer und Fehler ebenso sehr für Pflichl
hiftite, als die Bekanntmachung glänzender Erfolge auf den)
Felde unserer Tbätigkeit. Dann aber auch glaube ich, dasis
aus erkannlen Irrüiumern manche Lehre von praktischeo)
Werth zu ziehen sei.
Ohne mtcl) jedoch bei allgemeinen Betrachtungen länger
AitfzuhQlteu, will idi sofort zur liittheilung des in seiner Art
gewiss seltenen Falles selbst äbergehen.
Im Mai 1860 äbernahm ich die Behandlung einer 32
Jahre alten Frau, die sich zu diesem Zwecke eine Zeit lang
bei ihrer hier ansässigen Mutter aufhielt. Schon als Mädchen
war dieselbe stets kränklkb und wurde lange Zeit wegen
Chlorose ärztlich behandelt. Am lästigsten war ihr zu jener
Zeit der oft auffallend starke Leib, der sie bei denen, die sie
liicht kannten, ofL in den falschen Verdacht von Schwanger-
schaft brachte. Eine bestimmt fühlbare Geschwulst will sie
jedoch zu jener Zeit nicht wahrgenommen haben, sondern
nur eine allgemeine Auftreibung des Leibes, die sie selbst
manchmal Wassersucht befiirctiten liess. Nach dem längeren
Gebrauche der ihr verordneten Mittel besserte sich ihr Zustand
in so weit, dass sie sich im Jahre 1855 verheiratbete und
ein Jahr später wurde sie ziemlich schwer von einem Knaben
entbunden, den sie selbst nährte. Das Wochenbett verlief
ohne Störung, nur will sie nach Verlauf desselben eine Ge-
schwulst etwa von der Grösse einer kleinen Faust gefühlt
haben, die ihr keine grossen Beschwerden verursachte und
anfangs sich auch nicht zu vergrössern schien. Nach der
Entwöhnung des Kindes trat die Menstruation regelmässig
wieder ein, ^ar jedoch sehr sparsam. Im Jahre 1859 blieb
dieselbe jedoch wieder aus und die Geschwulst nahm schnell
an Umfang zu und vtrursicbte die gi^sste Belästigung. Pat
wurde bei jeder stärkeren Bewegung kurzathmig, vermochte
kaum im Bett zu liegen, die Verdauung war gestört, indem
sie n«fr kleine Mengen v«n Speisen zu sich nehmen konnte,
wenn sie nicht brechen wollte, der Stuhlgang obstruirt, die
ürinsecretion vermindert, die FAsse ödematös geschwollen.
Dabei inagi^rte sie sichtlidi ab und ihre Kräfte schwanden
u. d. Verliaikdl. d. OeselUchaft f. €kb«rt»hülfe u Leipsig^ etc. lg?
auffallend. AI« atte diese Erscheinungen aufs flMchate ge^
stiegen waren, kam sie hierher, um sich anderweit ftrzüich
behandeln zo lassen. Bei der forgenomnienen Unlersuebvn^
fand ich nun, ausser den angeführte Erscheinungen starker
Abmagerung und Anämie, den Leib ausgedehnt, wie iui
neunten Schwangerschaflsmonate. Diese Ausdehnung wunh*
bedingt durch eine Geschwulst, die in der Tiele der linken
BeCkenhftIfte zu entspringen schien und sich nach rechts hinauf
bis an die Leber erstreckte. Die Eingeweide waren tbeik
nach der Seite, theils nach oben verdrängt und selbst pei*
vnginam konnte man die Gesehwulst wahrnehmen, die dem
Uterus gleichzeitig eine seitliche Abweichung gegeben hatte.
Mittels der Palpation konnte man deutlich einen dünnflüssigen
Inhalt wahrnehmen, ebenso erschien es wahrscheinlich, daet»
<lie Kyste eine einfache sei. Adhäsionen, namentlich mit der
Baochwand schienen nicht vorhanden zu sein, da eine Ver-
schiebung der Kyste nach den Seiten mit Lek;htigkeit auBgeführt
werden konnte.
Ich sagte, dass ich mit Vormngenoranienheit bei der
Diagnose zu Werke gegangen sei. Ich hatte nämlich zufaHig
zu jener Zeit einige Fälle von Ovarienkysien zu behandehi
gehabt und glaubte auch Iner besCimnit eine seiche vor mir
zu haben« wozu kh wohl, bei den vorgefundenen Erschei-
nongen, l>ereGhtigt schien. Zur Vornahme einer Operation
konnte ich mich in diesem Falle eben nicht eiitschliessen,
theils weil mir die Erfahrung gezeigt hatte, das« Staniioni
mehr beizupflichten sei, wenn er sagt, dass die grösseren
Ovarienkysten als ein Noii me längere zu beCrachlten seien,
entgegen den Ansichten Aranzösiseher Autoren, namentlich
Bmne€s, die uns die Resultate dieser Operation in einem
sehr verlockenden Lichte dargestellt haben; dann aber auoh
fand ich den Kräftezastand der Patientin zu sehr herabge-
kommen, um einen operativen Eingriff wagen za können.
Ich versuchte daher zuerst durch Medicamente den Um-
fang der Geschwulst zu vennindem, um dadurch möglieh zu
machen, dass Pati<»ilin mehr Nahrung zu sidi nehme , um iHie
Kräfte zu heben. Zu diesem Behufe verordnete ich äusseriieh
Jodeinreibungen, innerlich gab ich Digitalis, wodurch eine
reichfichere Urinsecretion und bald auch einige Erleichterung
126 IV. MeMwner, MiUbeiinngen äb«r die Tbütigkeit
lierbeigetiUai wurde, tcb wiit hier nicht der R^ihe oach jed«*
eioz^e Verordnung aufzählen, die in) Laufe d<*r Zeit noibi^
wurde, es sei einfach gesagt, dass hauptsächlich Jod äuasei*-
Jich, wie innerlich, Broni, Eisen und Digitalis, hierzu nocii
lauwarme Bäder, mit sichtbarem Erfolge ihre Anwendung fanden,
so dass sich allmälig die Kyste verkleinerte, das Oedem dei*
Fösse schwand, die Verdauung und mit ihr die Kräfte sich
besserten. Kurz Ende September konnte Patientin bedeutend
gebessert nach ihrer Heimath zurückkehren, woselbst sie
jedoch immer noch die genannten Mittel fortbrauchte, die sie
nur aussetzte, wenn die wieder eingetretene Menstruation sich
zeigte. Nach den mir von dort zugekommenen Berichten
blieb der Zustand leidlich und die Geschwulst unverändeil.
Ende Mai vorigen Jahres kam Patientin wieder hierher, leidei*
aber im dritten Monate schwanger. Während ihres Aufent-
haltes, der bis zum 8. Juli dauerte, konnte man die Ver-
grosserung des Uterus genau verfolgen, wodurch die Kyste
wieder mehr nach oben gedrängt und die früheren Beschwerden,
wenn auch nicht in demselben Grade, herbeigeführt wurden.
Da Patientin wegen ihres Hauswesens nach Hause verlangte,
so musste kh von einer weiteren Kur abseben und reiste siv
am genannten Tage wieder zurück.
Am 18. November erhielt ich die Nachricht, dasa sie
den 16. November gestorben sei, nachdem sie am 22. October
von einem kaum siebenmonatlichen Mädchen entbunden worden
war, das 24 Stunden später starb. Der behandelnde Arzt
Dr. WaUenberg war so freundlich, mir den hier folgenden
Bericht zukommen zu lassen :
„Am 19. September wurde ich zu der im sechsten Monate
Schwangeren gerufen, weil sie über Frostschauer, Rücken-
schmerzen, verbunden mit allgemeinem Unwohlsein, klagte.
Eine drohende Frühgeburt vermuthend, wurde horizontale
Lage und Morph, verordnet, wonach nach 1 — 2 Tagen Besse-
rung eintrat. Seit längerer Zeit war der Schlaf sehr ver-
mindert, kaum eine Stunde des Nachts, ebenso geringer
Appetit und vermehrter Durst, jedoch ohne Fieber. Am 18.
October Abends trat heftiger Schüttelfrost ein, der sich in
den nächsten Tagen gewöhnlich Morgens und Abends wieder-
holte, ohne sich an eine bestimmte Stunde zu binden, Vt bis
Q. d. Verhandl. d. Gesellschaft f. Gebartshülfe zu Leipsig etc. 129
2 Stunden anhielt und von einer verhältnissmSssig geringen
Hitze ohne Schweiss gefolgt war. In der Zwischenzeit fast
vollständiger Nadijass mit leidlichem Befinden. Hierzu ge-
seihe sich sehr bald ein stechender Schmerz in der linken
Seite des Ahdonien und zwar in der Tiefe, der sich durch
Druck steigerte, aber auf ein bestimmtes Organ nicht zurück-
zuführen war. In den folgenden Tagen breitete sich derselbe
über das ganze Abdomen aus, während er an der Ursprungs-
steUe gelinder wurde, so dass nun das ganze massig ge-
spannte Abdomen gegen Druck massig empfindlich wurde.
Die Diagnose musste unter solchen Umstanden eine schwierige
sein, doch schien es am wahrscheinlichsten, dass sich in irgend
einem Theile der Geschwulst ein Entzündungsprocess ent-
wickle. An eine beginnende Frühgeburt konnte man weniger
denken, weil die fniher vorhatidenen Röckenschmerzen gänz-
lich fehlten. Die Behandlung bestand anfangs wieder in Dar-
reichung einer Solut. Morph, und Emiils. aroygd. Ein wegen
eintretender Obstruction am 19. gegebenes Klystier blieb
ohne Erfolg, ebenso am 20., weshalb bei zunehmender Span-
nung des Leibes und öfterem Aufstossen zweistündlich 2 Gr.
Calom. gegeben wurden, die am 21. früh mehrere leichte
breiige Stöhle herbeiführten und die Spannung des Leibes
verminderten.
In der Nacht vom 21. — 22. 1 Uhr wurde Vgrfasser ge-
rufen, weil Patientin ein Drängen nach unten fühlte und un-
willkürlich Wasser abgegangen war, wie vor der Geburt und
nach kaum einer Stunde erfolgte die Ausstossung eines kaum
siebenmonatlichen Mädchens in der Kopflage, das noch circa
24 Stunden lebte. Der Zustand der Wöchnerin schien in
den ersten beiden Tagen ein befriedigender, die Schuttel-
fröbte steUten sich nicht wieder ein, dagegen wurde vom
zweiten bis dritten Tage der Puls me^Eir und mehr beschleu-
nigt, die Haut trocken, brennend heiss, ebenso die Schleim-
häute, Durst nicht zu stillen. Leib empfindlich, mehr ge-
spannt, hartnäckige Obstruction, nur nach Klystiren Stuhl,
Nächte ohne allen Schlaf. Schweisse ohne Erleichterung mit
Beängstigung verbunden. Ordin. Acid. phosph. Umschläge
von Wasser mit Essig auf den Kopf, frische Luft. Die Geistes-
MoDAtMobr. f. Qebaruk. 1868. Bd. XXI., Suppl.-Hft. 9
130 iV. MeUmer, MittheUungen über die Thfttigkeit
krafle blieben vollkommen klar. Am 2. November trat an
mehreren Körperslellen eine Purpurrothe auf, welche sich
sehr bald in dem ganzen Körper verbreitete, worauf bald
unter Angstgefühl ein dichtes Friesel ausbrach. Das Fieber
wurde dabei noch heftiger, die Zunge belegte sich dicker,
ward trocken, Durst unlöschbar, dagegen Citronenwasser,
Essigwaschung des Körpers. Nachdem am dritten bis vierten
Tage die Eruption des Frieseis beendigt, liess die Hefügkeit
des Fiebers nach, der Puls fiel von 120-130 auf 100—110.
Am 9. — 10. trat bereits die Abschilferung der Haut in ganzen
Fetzen ein, die Röthe der Haut, welche erst mehr ins Livide
gegangen war, verschwand jetzt gänzlich, die Zunge reinigte
sieb vollständig, so dass sie glatt und glänzend war. Sowie
diese Remission eintrat, wurde die Mixtur, c. acid. phosph.
weggelassen und nur Em. gegeben. Die Kräfte waren sehr
geschwunden, doch der Zustand noch nicht hoffnungslos. Der
Unterleib fand sich weniger gespannt, doch erfolgte Oeffnung
nur nach Klyslieren, Appetit fehlte gänzlich, nur Flüssigkeit
in kleinen Mengen wurde vertragen, alles Andere erregte
Uebelkeit und Würgen. Am 13. traten mehrmals hinter-
einander Durchfälle ein, die aber dann gleich wieder sistirten.
dabei nahm aber der Meteorismus wieder zu. Am 15. wieder^
holten sich diese Durchfalle und es wurde dagegen Vg — Vä Gr.
Morph, gegeben, wonach wenigstens einige Stunden Schlaf
eintrat. Puls mehr accelerirt und klein. Empfindlichkeit des
Leibes massig, Exsudat nicht nachweisbar. Am 16. Nach-
mittag leiser Schuttelfrost mit erhöhter Empfindlichkeit des
Leibes und Auftreibung. Ein Klystier blieb ohne Wirkung.
Den ersten Theil der Nacht verbrachte Patientin ziemlich
ruhig. Um 12 Uhr verlangte sie zu uriniren, was bis dahin
immer reichlich und häufig erfolgt war, — es erfolgte Nichts
— sie wurde ohnmächtig, sehr kalt und blass. Verf. fand
die Augen eingesunken, Puls 130, klein. Haut kühl mit
klebrigem Schweiss bedeckt, Abdomen sehr empfindlich. Eine
Peritonitis war nicht zu verkennen und Exsudat in kleiner
Menge nachzuweisen, Puls immer schneller und kleiner. Der
Katheter entleerte wenig trüben Urins. Tod Abends 10 Uhr.
Sectio n 13 Stunden p. m. Nur die Bauchhöhle ge-
öffnet: Hydronephrose; es war eine grosse Kyste, welche
Q. d. Verhandl. d. GeselUohaft t Ueburtshttlfe sa Leipsig etc. 131
zwei Nachttöpfe voll einer grauen haferschleim&bnlichen
Flüssigkeit enthielt. Der Sack war derb, enthielt in seinen)
Innern die aus den Nierenkelchen entstandenen Fächer, von
Nierensubstanz war nichts übrig geblieben. Der Ureter war
gleich bei seinem Austritte aus der Geschwulst verwachsen.
Auf der Innenfläche des Sackes waren mehrere Geschwüre,
angefressne Stellen von einem Durchmesser von einigen Linien
bis % ZoU und ziemlich tief mit lividem Grunde. In der
Bauchhöhle trübe Flüssigkeit, in welcher Faserstoflüocken
schwammen. Eingeweide mit dünnem Exsudat bedeckt, zum
Theil verklebt. Die linke Niere war um das Doppelte ver-
grossen, sehr blutreich. Die übrigen Organe zeigten keine
Abnormität
Demnach scheint es Verf. am wahrscheinlichsten, dass
die Entzündung, Geschwürs- und Eiterbildung im Inneren
der Kyste, die Ursache der anfanglichen Schüttelfröste, einer
subacuten Pyämie war, welche die Frühgeburl zunächst be-
wirkte, in weiterer Folge zu einer gänzlichen Aufzehrung der
Kräfte und Verderbniss der Blutmasse führte, als deren letzte
Folge wieder, verbunden mit der Stagnation der Fäces die
allgemeine Peritonitis (dyscrasische) erschien..
Die Kyste war nach oben von der Leber, nach links
vom Duodenum und Hagen, nach rechts und unten vom Colon
ascendens und transversum, die sehr aus ihrer Lage ver*
drängt waren, begrenzt, während sie hinten an der Stelle,
wo normaler Weise die Nieren liegen, begann.
Dr. Wattenberg.''
IV. lieber Proctocele vaginalis als Oeburtshindemiss.
Von
Dr. Bmll Apollo MelMner.
Vorgetragen am 17. Februar 1862.
Unter den Hindernissen, welche sich in den weichen
Geburtswegen dem vorröckenden Kinde entgegen setzen können,
sind zwar schon längst ausser der completen Verwachsung,
132 I^- ^«'««^«^1 MittheiluDgen fiber die ThStigkeit
der Verengerung , der Polypen der Vagina auch die verscbie^
denen Scheiden-, auch wohl (der tDöglichen Verwechalung
wegen) nicht ganz passend so bezeichneten weichen Beckeu-
gesch Wülste mit genannt und in allgemeinen Umrissen
auch die von Seiten der Geburtshelfer dagegen eingeschlagenen
Verfahrungsweisen angegeben worden. Mehr Licht in diesei*
Hinsicht verdanken wir aber erst der Neuzeit, in der man
klinisch und pathologisch-anatomisch die in und auf dem 6e-
webe der Scheide sitzenden Neubildungen zu untersuchen,
wie die Dislocationen der Becken- und Unterleibsorgane und
die Natur der verschiedenen pathologischen Gesdiwdlste ge-
nauer kennen zu lernen sich bemühete, welche entweder
schon bestehende VorföUe der einen oder (resp. und) der
anderen Scheidenwand ausfüllen, oder erst divertikelartige Ein-
und Unistnlpungen der Scheide hervorrufen. Namentlich äher
die letzteren, gleichsam indirecten Vaginaltumorea ist
neuerdings unsere Kenntniss durch eine reiche Casuistik wesent-
lich gefördert worden.
Mit Vorfall der vorderen Scheidenwand ver-
bunden ist fast nur die in Form einer Hernia erfolgte Dis-
location der angefflllten Blase, als Blasenscheidenbrucli
(Cystocele vaginalis), diese aber sehr vielfach als Geburts-
hinderniss beobachtet worden, so früher durch Brandy Robert,
Merrtmariy Hamilton; auch neuerdings ausführlich derartige
Fälle durch R. Newmann (Lancet, Dec. 1851), Mc. Kee
(Phil. med. Examen, Oct, 1855), Ramsbotham (Med. Times
and Gaz., Jan. 1859), C. S. Carson (ibid. Febr. 12), Leo-
pold (Monatsschr.. f. Geburtk., 14. Bd., S. 58) und E. Ba-
landin (Petersburger medicinische Zeitschr., 1. Jahrg., 11. Hell,
S. 324) beschrieben worden. In allen Fällen hat sich der
Katheter, obwohl er mitunter damit verbundener Dislocation
der Urethra halber nicht leicht einzuführen ist, als das einzige,
aber auch untrüglich sichere Mittel bewährt, indem allent-
halben (die Patientinnen waren sämmtlich Mehrgebärende)
unglaublich schnell nach Entleerung der die heftigsten pressen-
den Schmerzen verursachenden Geschwulst die Geburt glück-
lich beendigt war. Bei besonders verzogener Harnröhre möchte
nach Kiichenrneister*^ Vorschlage die Anwendung eines männ-
lichen Katheters am Platze sein. — Rührt die Ausdehnung
n. d.Yarhandl. d. GeaelUchaft f. Gebartshfllfe sn Leipsi^ etc. 133
der Blase aber nicht von der Anfüllung durch Urin allein,
sondern von einem oder mehreren Steinen her, so wüide
bei ausbleibeadem spontanem Abgange derselben bei der Ge-
burt, wie ihn Smellie beobachtete, sobald ein Geburtshinder-
niss daraus entstände, bei günstiger, d. h. tiefer Lagenmg
nahe der Harnröhre zunächst zu versuchen sein, nach HoMh
Vorschlage die Extractiou durch die Harnröhre mit dem Finger
oder mit einer Pincette vorzunehmen; ausserdem aber, wie es
£«eA;mann. (Medical Times and Gaz., January 1858, S. 21)
mit nachfolgendem leichten Verlaufe der Geburt glückte, den
Stein über die Schambeine zurückzuschieben sein. Die Re*
Position gesdiieht mittels der Pinger von der Vagina aus, da
nöthig mit Unterstützung durch einen in die Blase selbst ein-
geführten Katheter. In Fällen, wo dies nicht möglich ist,
mag man, wie Monod (Prager Vierteljahrsschrifl, 61. Band,
Analecten S. 51) that, nach vorangegangener Chloroformirung
durch die vordere Scheiden- und hintere Blasenwand einen
Einsdmitt machen, den Stein mit dem Finger entfernen und
den Kopf des Kindes sodann mit der Zange entwickeln ; das
letztere that Dubois ohne vorausgeschickte blutige Operation.
Nach Verlauf von 20 Tagen soll die Schnittwunde bei Monod%
Wöchnerin schon .vollständig geheilt gewesen sein.
Weit zahlreichere Beobachtungen besitzen wir über die*
jenigen Geschwülste, welche im Douglae'^d^eü Räume und
an der hinteren Scheidenwand hervortreten. Von diesen
nehme ich die Exostosen, Enchondrome und carcinomatösen
Tumoren des knöchernen Beckens hier ausdrücklich aus, wo
es mir einleitungsweise nur darauf ankam, die aus den
sogenannten weichen Beckentumoren resultirenden Geburts*
hindemisse in ihren verschiedenen Varietäten, deren Bedeutung,
Prognose und möglichste therapeutische Ueberwindung in all*
gemeiner Uebersicht kurz anzuführen. — Lehmann in Amster-
dam {8chfnidr% Jahrbücher, 1855, Bd. 85, S. 58) führt sieben
Fälle von umfänglichen Fibroiden des Uterus an, welche
als Geburtshindernisse eintretend sämmtlich die Sectio Cae-
sarea nothig machten und lethal endigten. Ein gestieltes
Fibroid auf der Peritonaealfläche des Uterusgrundes, welches
zur Incarceration im Beckenkanale während Schwangerschaft
und Geburt gelangte, reponirte Spaeth (Zeitschrift der k. k.
134 IV. MeUsnw, Mitfheilnn^D aber die Tha%keit
Gesellschaft der Aerzte in Wien 1860, Nr. 10.) und wen-
dete wegen secuudärer Querlage das lebend geborene (acht
Tage später im Findelhause gestorbene) Kind, wShrend
die Mutter spSter an Peritonitis zu Grunde ging. Dr. Habü
theilte (ebendaselbst No. 41) noch vier Fälle mit, in denen
der Verlauf der Schwangerschaft und Geburt durch Uterus-
fibroide gestört wurde. Zweimal erfolgte Tod der Schwangeren
(im sechsten und achten Monate) durch blutige Himapoplexie
nach Eclampsie, im dritten Falle musste wegen .zu heftiger
Schmerzen (wahrscheinlich durch Zerrung der Uterusmus-
culatur bedingt) die künstliche Frühgeburt durch die Utenis-
douche eingeleitet werden, im vierten Falle machte sich ein
im unteren Gebärniutterabschnitte sitzendes Fibroid als anfangs
nicht reponibles Hinderniss bemerklich, doch wurde dasselbe
nach emem warmen Bade durch eine kräftige Wehe über-
wunden, indem diese den Kopf ins Becken eintreten machte,
während bei der nächsten Wehe ein todter Knabe geboren
wurde. — Hohl erzählt (MeckeVs Archiv für Anatomie und
Physiologie, 1828, S. 188), dass bei einer Frau in zwei Ge-
burtsßUen den besten Treibwehen zum Trotz durch eine in
der linken Beckenseite betindlichep Geschwulst Zögerung ein-
trat, ohne dass schliesslich Kunsthülfe noch nöthig geworden
wäre, und dass die spätere Section jene Geschwulst als die
an der inneren Seite des Muse, psoas, tief unten liegende
dislocirte linke Niere erwies. — Ueberaus reichliche
Mittheilungen besitzen wir über die den Verlauf der Schwanger-
schaft und Geburt mannichfach störende Oophorocele
vaginalis, Ovari engeschwülste durch seröse und fett-
haltige Kysten wie Cystosarcome , colloide und carcinomatöse
Entartung; — denn selbst Carcinom beider Ovarien hinderte
das Auftreten einer Schwangerschaft nicht. Ueber den stören-
den Einfluss der Ovarientumoren auf die höheren weiblichen
Geschlechtsverrichtungen sammelten die älteren Fälle PueheU
(De tumoribus in pelvi partum impedientibus, Heidelberg 1840)
und Litzmunn (Deutsche Klinik, 1862, No. 38, 40, 42). Weitere
Hittheilungen verdanken wir C R. Braun (Wiener medicin.
Wocheuschrift, 1859, No. 48, 49, 51), Habü (a. a. C),
MoaUr (Monatsschrift für Geburtskunde, Bd. 16, Heft 2)
Scanzoni (Würzburger medicinische Zeitschrift, I. Band,
Q. d. Verhandl. d. GeftelUehaft f. Gebartshtilfe in Leipzig 6tc. 135
Sitzungsberichte S. 21), Clay (Med. chir. Monatshefte 1860.
Decbr. S. 548), Wild (Zeitschria für Wundärzte und Ge- *
burtsheifer. Stuttgart 1861, 1. HeR, S. 3.) und Anderen.
Unter den zalilreichen Störungen der Scbwängerschafl traten
besonders lucarcerationserscheinungen der Ovariengeschwulst
häufig ein, die selbst einen anerkannten Meister der Kunst
zur irrthooiiichen Diagnose einer Retroversio uteri ex puer-
perio proxime superato adbuc lumidi und Anwendung der
Uterussonde veranlasste. Was hier unwissentlich und unwill-
kürlich geschah, sahen sich nicht seilen die Geburtsärzte,
durch die Sdiwere der Erscheinungen und Zufälle gedrängt,
zu tbun: die Einleitung der künstlichen Frühgeburt; weit
öfter trat dieselbe spontan ein. Bei der Geburt wurde einige
Male das Hinderniss durch die Naturkräfle allein gehoben;
wo dies nicht geschah, gelang oft die Reposition (wenngleich
mitunter erst nach wiederholten mühsamen Versuchen) in
einzelnen Fällen schritt man behufs Erhaltung des durch die
Reposition gewonnenen Raumes zur Colpeurysis; nicht selten
wurde die Function (wegen schneller Wiedererzeugung der
Flüssigkeit im Eierstocksturoor) selbst wiederholt; auch einige
Male die Incision des Tumors (theits durch die Bauchdecken,
theils durch den Mastdarm, theils endlich durch die Vagina)
vorgenommen; endlich trat auch spontan (selbst wiederholt
in einzelnen Fällen) Berstung des Sackes ein. Aber auch
trotz theilweiser Verkleinerung der Ovariengeschwulst konnten
mitunter die schwersten geburtshulflichen Operationen nicht
umgangen werden, (die natürlich auch ausserdem vorkamen)
und bald in Anwendung der Zange, bald der Perforation,
bald in Wendung und Extraction an den Füssen, bald in Ex*
traction mit Hand und Haken, endlich sogar m der Embryo*
tomie bestanden. Soviel ich die Fälle selbst nachlesen konnte,
wurden bei Concurrenz der Ovarientumoren 40 Mütter er-
hallen, 28 dagegen starben; 12 Kinder wurden lebend, 41
todt geboren, bei 16 war der Ausgang nicht angegeben. —
Dr. Pauls (Preuss. Vereinszeitung, N. F. IV., 28. 1861.
Schmidt* s Jahrbücher, Bd. 113, S. 65) giebt j^otiz von einem
seltenen Geburtshinderniss, einer Hydatide mit schwärzlich
flussigem Inhalte, in welchem dicht zusammen unzählige, fast
erbsengrosse , runde, mehr hellgräuliche und etwas durch-
136 I^- ÜMinery Mitth^üaogen ober die ThStigkeit
sichtige Körper Bchwamiuen. Zwischen Scheide und Hast-
darm eingebettet, wurde sie durch leichtes Kratzen mit dem
Zeigefinger hinter der Scheidenwand hervortretend gemacht,
worauf die vorher kein Resultat gewährende schwere Zangen-
Operation baldigst durch die Geburt eines todten Mädcfanis
beendigt wurde, während die IMutter bald genas und ohne
Regeneration des Tumors später mehrere Male ohne Kunst-
hülfe gebar.
Von den nun noch übrigen indirecten Scheidengeschwülsten
als der Haematocele, Pyocele und Enterocele vagi-
nalis behauptete (7. B. Braun in seiner oben citirten Ab-
handlung über die Einklemmung der Hernia ovario - vaginalis
und ihre Behandlung in partu : dass sie höchst selten nur in
der zweiten Schwangerschaftshälfte vorkommen, auch zu einem
geburtshälflichen Missverhältniss und den hierbei indicirten
Operationen niemals eine Veranlassung gäben. Hinsichtlich
derHaematocele finden sich beide Behauptungen in einer
neuen Arbeit desselben Verfassers (über die Pathogenie der
Haematocele retro- uterina in Wiener med. Wochenschrift, 1861,
No. 28, 29, 30, 34, 35.) schon thatsächlich widemilen, wo
unter Anderen auch eine Haematocele, allerdings ante -uterina
(8. Beobachtung) am rechtzeitigen Ende der Schwangerschaft
ein gefahrliches Geburtshinderniss und räumliches Missverhält-'
niss erzeugte, nach vorgängiger Akidopeirastik durch den
Troikart entleert wurde, worauf ein asphyctisches aber bald
belebtes Kind geboren, auch die Mutter geheilt wurde. —
Eiterdepots und peritonitische Exsudate sind neben Ova-
riengeschwülsten im Dougla8*schen Räume aber bereits früher
durch Sectionen neben Schwangerschaft constatirt worden,
mögen aber nicht auflallende Behinderungen für den Gehurts-
Terlauf ergeben haben.
Obwohl nun Enterocele und Proctocele vaginalis
in den meisten Lehrbüchern der Geburtshülfe gleichfalls als
mögliches und in der That auch vorkommendes. Hindemiss
aufgeführt sind, Fälle derselben geringeren Grades auch wohl
wiederholt vorgekommen sein mögen, so habe ich doch in
der Literatur keinen so exquisiten und schwierigen Fall auf-
gezeichnet finden können, wie mir ein solcher in der Privat-
praxis am 19. Juni 1860 vorkam, so dass ich mich angesichts
n. d. Verhandl. d. Gesellschaft f. Geburtsbülfe su Leipzig etc. 137
der Würdigang, welche die übrigen weichen Beckengeschwülste
nach dem bisher Gesagten bereits erfahren haben, doppelt
verpflichtet fühlen musste, denselben in weiteren Kreisen be-
kannt zu machen. Für die lange, gegen meine ursprüngliche
Absicht unv(»*hdltnissmä8sig ausgedehnte Eicdeitung wird mich
hoffentlich das lebhafte Interesse entschuldigen, welches so
mancher Vergleichspunkt des Hastdarmscheidenbruches mit
den übrigen weichen Beckengeschwülsten in ihrer Einwirkung
auf den Geburtsverlauf in mir erregte, und das ich in ähnlicber
Weise auch bei Ihnen voraussetzen durfte.
Die chirurgisch-anatomische Natur der Proctocele va-
ginalis als Ihnen hinlänglich bereits bekannt voraussetzend,
erlaube ich mir heute nur die recht lesenswerthe Dissertation
unseres Collegen Joseph Adolph Schlesinger (Leipzig am
3. April 1846 vertheidigt) vorzulegen und beschränke mich
allein auf die Darstellung vom Verhalten derselben in Schwanger-
schaft und Geburl. Da ein Vorfall der hinteren Scheidenwand
immer ein Begleiter , oft sogar die nächste und alleinige Ur-
sache des Mastdarmscheidenbruches ist, so wird derselbe mit
dem Herabsteigen des Uterus in den ersten Schwangerscbafte-
monaten fast immer wesentlich vergrossert, wogegen er später,
namentlich in der zweiten Hälfte, meist un) so vollständiger
verschwindet, je höher die Portio vaginalis emporsteigt, also
bei Beckenverengung, obwohl auch bei dieser mitunter eine
scbhngenförmige Vorwölbung der unteren MastdarmparLhie
noch vorkommt. Die vielfachen Beschwerden bei der Defae-
caüon vermehren sich während der Schwangerschaft durch-
gängig mit der verminderten Beihülfe der Bauchpresse, und
die stercoralen Anhäufungen können selbst die Fi*ühgeburt
veranlassen. Eine consequente Anwendung von Klystieren
(je nachdem auch von kaltem Wasser bei hochgradiger Er-
schlaffung des Mastdarmes) ist aber darum nicht minder, wie
wegen ihrer prophylactiscben Wirkung für den Geburtsverlauf
ausserdem dringend geboten. Dass die Geburtsthätigkeit In-
carcerationserscheinungen der nachsinkenden Dünndarmsclilingen
beii>eiführen kann, hat erst kürzlich Scamoni wieder be-
stätigt (Lehrbuch der Krankheiten der weiblichen Sexualorgane,
Wien 1857. 8. S. 441). Obgleich 8. dort lediglich vom
Darmscheidenbruche spricht, muss ich doch diese Stelle auch
138 I^- MeUiMT, Mittheilongen über die ThKtigkeit
hier mit anziehen, da bei jedem grösseren Mastdarnischeiden-
brucbe Dunndarmscblingen nachsinken können, die Enio'ooele
vaginalis also nicht immer von der Proctoeele vag. getrennt
werden kann. Allerwegen findet sich nun die Reposition
der in den Scheidenvorfall eingelagerten Darm- resp. Mastdarm-
partbieen angegeben, es ist dieselbe in GeburtsfaUen aber
durch die Wehenthätigkeit und die im Becken abwärts streben-
den Kindesllieile mitunter wesentlich erschwert, wie die nach-
folgende Beobachtung weiter dartbun wird.
Die Frau des Polizeidieners B. hatte bereits drei Mal
ohne Runstbiüfe geboren , doch war der Geburtsverlauf, na-
mentlich bei der letzten Niederkunft ein schwieriger und lang-
samer gewesen ; angeblich aber bisher noch nichts von einem
Scheidenvorfall gefühlt. Jetzt am rechtzeitigen Ende ihrer
vierten Schwangerschaft angelangt, waren kräftige Wehen
eingetreten, doch trotzdem der vorliegende Kopf des Kindes
in den Beckenkanal nicht hereingeruckt. Als ich, deshalb
hinzugerufen, ankam, fand ich einen betrachtlichen Hänge-
bauch, der kurz vorher nach Abgang missfarbigen Frucht-
wassers zu einem Spitzbauche geworden war, das Becken in
massigem Grade schräg verengt, indem die Symphysis ossium
pubis der linken Kreuzdannbeinvereinigung , nicht dem Pro-
montorium, gegenüberstand. Die Ränder der Schambeine
erschienen beiderseits am Ramus horizontalis und der Sym-
physe gleichsam wie durch Dmrollung verdickt, der Mutter-
mund ziemlich vollständig erweitert, doch hing die vordere
Multermundsiippe noch schlaff herab, während der Kopf des
Kindes auf der Schambeinvereinigung aufstand. Diese abnorme
Kopfstellung schien weniger durch die geringe Beckenverengung
bedingt, die auch früher kein wesenlJiches Hinderniss für die
Gebuil abgegeben hatte, als vielmehr durch eine vom Introitus
vaginae sanft anhebende, nach oben zu aber immer umfang-
reicher sich gestaltende weiche Geschwulst, die sich, wie die
Controle-Exploration per anum ergab, als Scheiden-Mastdann^
brueh zu erkennen gab. Da bereits vor meiner Ankunft durch
ein Clysma der Mastdarm entleert worden war, liess ich der
Gebärenden die krumme Seitenlage einnehmen und versuchte
zunächst mittels vier in die Scheide eingebrachter Finger
die Mastdanngeschwulst, welche durch die nachsiukende
n. d. V«rbandl. d. Oeaellschaft f. Geburtshilfe sa Leipsig ete. 189
Pleziira iliaca und DüiiDdariDscMingeii bedeutend vergrösseri
war, links vom Promontorium sanft hinaufzuscbieben und durch
die möglichst hoch gegen den Unterleib der Nutter hinauf-
gezogenen Kniee den Kopf des Kindes leichter in die Becken-
böhie hineinlreten zu machen. Von der Zweckmässigkeit
dieses Verfahrens durch vielfache Erfahrungen bei den ganz
analogen Fällen von umfangreichen Vorfallen der Nabelschnur
neben beweglichem Stande des Kopfes auf der Schoosfuge,
lebhaft überzeugt, Hess ich es an Ausdauer hei dem Miss-
lingen der ersten Versuche nicht fehlen, aber icb unternahm
hier nur eine stete Sisyphusarbeit: denn zugleich mit der
Darmgeschwulst wich der Kopf bei jedem Repositionsversuche
höher ins grosse Becken hinauf, jede neue Wehe Meh aber
immer wieder den Kindskopf auf die Schambeine auf und die
Därme in den Scheidengrund hinab, so dass meine prophy-
lactisch daselbst unausgesetzt lagernden Fingerspilzen als voll-
ständig ungenügend sich erwiesen, dem Andrängen allenthalben
den nöthigen Widerstand zu leisten, denn neben meinen Fingern
drängte die Geschwulst mächtig wieder f abwärts, ja der Druck
meiner Finger' einestheils, der des durch die Wehenthätigkeit
andrängenden Kindskopfes andemtheils reizte offenbar die
Därme immer mehr. So hatte ich nach zweistündigem Mühen
nur eine durch Gasauftreibung wesentlich vergrösserte Darm*
geschwulst, welche endlich die Scheide ganz ausfüllte, daneben
trat heftiges Aufstossen, Schluchzen und sell)st wiederholtes
Erbrechen ein, und auf noch schlimmere Erscheinungen vom
Darmkanale niusste ich mich jeden Augenblick gefasst machen:
nicht minder war der Puls weit über 100 gestiegen, die
Temperatur der Mutter eine beträchtliche. Aber auch von
Seiten des Kindes traten die Indicationen zur künstlichen
Beendigung der Geburt immer dringender hervor, blutiges
Serum mischte sich mit dem schon vorher grünlichen Frucht-
wasser, die Kopfgescbwulst hatte eine beträchtliche Höhe er-
reicht — Die Wahl der einzuschlagenden Operationsmethode
war dagegen nicht leicht, denn bei dem hohen, von einem
„zangenga*echten'* himmelweit noch entfernten Kopfstande
schien die Anlegung der Forceps ein allzuschwieriger Versuch,
um Erfolg zu versprechen; die Wendung und Extraction des
Kindes an den Füssen aber des zum Tbeil schon längst, jetzt
140 ^' MeUtn^r, Mitiheilangen über die ThKtigkeit ete.
aber vollstäDdig, abgeflossenen Fruchtwassers halber schon
schwierig auszuführen, dann aber wegen der räumlichen Hinder-
nisse beim Lösen der Arme und bei der Entwickelang des
Kopfes dieser Plan einem vollständigen Verzichtleisten auf
ein lebendes Kind gleichzustellen; abgesehen davon, dass
ich furchten musste, bei der Extraction des Kindes an den
Füssen nur die Darmgeschwulst immer mehr, ja selbst müg*
lieber Weise durch die Nachfolge der Arme und des Kopfes
unbeweglich fest in das Becken herabzuziehen. Ich entschied
mich daher für einen Zangenversuch; — nachdem ich das
Os sacrum der Gebärenden durch Unterlegen mehrerer Kissen
eine ungewöhnlich erhöhte Lage gegen das übrige Bett hatte
einnehmen lassen, fährte ich, obwohl mit grossen Schwierig-
keiten, die Zangenlöffel ein, und nach einigen Versuchen ge-
lang es mir, das Instrun>ent zu schliessen. Während ich nun
so den Kopf in seiner Lage fixirte, stand ich zunächst so lange
von der Vornahme von Tractionen ab, bis mir die Reposition
des grössten Theiles der Mastdarmgeschwulst gelungen war,
und fährte erst dann durch sanfte, mit der Unken Hand diri-
girte Zangenbewegungen, den Kopf in die Aushöhlung des
Kreuzbeines herab, während die Fingerspitzen der rechten
Hand die hintere Scheidenwand unausgesetzt beobachteten.
Nachdem ich so durch ein vorsichtiges und langsames Operiren
mit der Zange den Kopf in das- kleine Becken herabgeleitel,
war die Geburt alsbald glücklich mit der Entwickelung eines
grossen Knaben und der darauffolgenden spontanen Ausschliessung
der Placeiita beendet. Der Wochenbeltsverlauf war durchaus
günstig, die Mutter nährte das Kind aber nicht selbst, sondern
versuchte, dasselbe mit Kuhmilch aufzuziehen, dafür sah sie
es aber schon am 16. Juli als Opfer eines Brechdurchfalles
verscheiden. Später sollen sich bei der Mutter vielfache
Beschwerden des Scheidenvorfalls eingestellt haben, ich selbst
aber habe sie seitdem nicht wieder zu sehen bekoomien,
da sie meist auf einem benachbarten Dorfe bei Diners in den
Villen hiesiger Bürger und in verschiedenen Tabagieen als
Kochkünstlerin fungirt und ihren Gesundheitszustand zu wenig
beachtet, als dass sie zu bewegen gewesen, irgend welche
diätetische Vorsicht obwalten zu lassen.
y. Breslau, Intrauterine perforative Peritonitis etc. 141
Was nun den mitgetheilten Geburtsfali anlangt, so hat
der gluckliche Ausgang meines Operationsversuches allerdings
för mich entschieden; — doch glaube ich deshalb denselben
nicht für alle derartigen Fälle unbedingt empfehlen zu dörfen,
vielmehr möchte in manchem anderen Falle die Extraction
vorzuziehen sein. Wenn im vorliegenden Falle nicht das
Fruchtwasser schon längst abgeflossen gewesen, würde ich
auch die Anwendung des Colpeurynter nicht unterlassen
haben. Um so interessanter musste es mir aber sein, die
Erfahrungen und Behandlungsweisen anderer CoUegen bezüg-
lich dieser Anomalie kennen zu lernen, und zögerte daher
nicht, auch mit einer einzigen Beobachtung hervorzutreten.
Die Erfahrung hat ja gelehrt, dass wenn mit einem oder zwei
Fällen die Bahn gebrochen, das wissenschaftliche Interesse
geweckt wird, dann bald darauf auch weitere Mittheilungeii
zur Veröffentlichung gelangen und so die Kenntniss über eine
bisher wenig bearbeitete Anomalie wesentlich gefördert wird.
V.
Intrauterine perforative Peritonitifl bei einem
hydrocephalischen Einde.
Von
Prof. Dr. Breslau in Zürich.
(Mit einer Abbildang, Taf. IV., Fig. 2.)
Im Uecember vorigen Jahres wurde mir von meinem
verehrten Collegen, Herrn Dr. Spöndli^ die Leiche eines
hydrocephalischen nahezu ausgetragenen Kindes weiblichen
Geschlechts zur näheren Untersuchung überlassen. Herr Dr.
Spöndli war Tags zuvor zu einer Gebärenden in der Nähe
von Zürich gerufen worden, bei welcher der anwesende Arzt,
Herr Dr. B. das in einer Beckenendlage sich einstellende Kind
bis auf den nachfolgenden Kopf extrahirt hatte. Dr. B. die
Ursache des Geburlshin demisses in einem enormen Hydro-
^
142 ^' Breslau, Intraaterine perforative Peritonitis
cephalus erkenüend, hatte bereits einen vergeblichen Zangen-
versuch gemacht und einen scharfen ? Haken durch die rechte
Augenhöhle in die Schädelhöhle eingestossen, war jedoch mit
der Entbindung nicht zu Stande gekommen, obwohl aus dei'
durchbohrten Orbita des Kindes viel Wasser abgeflossen war.
Dr. Spöndli legte den Kephalotrib an, zerquetsdite die
Schädelbasis und entwickelte den wie eine leere Blase sich
zusammenfallenden Kopf ohne besondere Mühe.
An der noch ganz frischen Leiche fanden sich ausser
dem Hydrocephalus noch mehrere äussere Bildungsfehler.
Beiderseits waren hochgradige KlumpfQsse, an der linken Hand
waren Ringfinger und kleiner Finger mit einander verwachsen,
Mittel* und Zeigefinger rudimentär angelegt
Der Hydrocephalus war wie gewöhnlich ein internus.
Das Gehirn zusammengefallen, von Blut und Serum durch*
tränkt lag auf der Basis. Deutlich konnte man aber noch
sehen, wie die nun entleerten Seitenventrikel zu grossen Blasen
ausgedehnt gewesen sein mussten. Die Grösse des Schädels
war ungefähr die eines dreijährigen KiAdes. Mit Rosshaareii
ausgestopft, maass sein horizontaler Umfang 54 Centimeter.
Brusthöhle. Die rechte Lunge enthielt ziemlich viel
Luft, die Hälfte des oberen Lappens und grössere Stücke
des unteren und mittleren Lappens schwammen leicht auf
dem Wasser, waren rosenroth gefärbt, etwas marmorirt und
bei Druck knisternd, die übrigen Theile der rechten Lunge
in fötalem Zustand. Die linke Lunge enthielt nur Spuren
von Luft.
Ohne Zweifel hatte also das Kind bei den ersten Ex*
tractionsversuchen einige vorzeitige Athembewegungen ge-
macht, wahrscheinlich als Dr. B. seine Hand einführte, um
Zange und Haken aii den nachfolgenden Kopf anzulegen, bei
welchem Manoeuvre der Luftzutritt zu den über dem Becken
befindlichen Respürationsöffnungen möglich war.
Weitaus das grösste Interesse lieferte der Befund in der
Bauchhöhle. Der Unterleib zeigte bei äusserer Besichtigung
in Form, Grösse und Farbe nichts Abnormes. Nachdem ich
aber die Bauchhöhle durch den gewöhnlichen Schnitt erolTnet
hatte, sah ich die ganze blossgelegte Oberfläche der Ein*
geweide und die innere Fläche der zurückgeschlagenen vorderen
bei einem hydrocephnUeoheii Kinde. 14S
Baiicbwand ziemlich gleirhmässig mit gnlnbraunem Heconium
aberzogen. Ich versuchte das Heconium mit dem Schwämme
abzutupfen^ allein ich fand sehr bald, d^ss nur der geringste
Theil davon zu entfernen war, und dass die grösste Menge
mit fibrinöS'Sulzigem Exsudate innig vermengt so-
wohl auf dem visceralen wie auf dem parietalen Blnlte des
Peritonaeuro fest anklebe, dass das mit Meconium vermengte
Exsudat auf Leber und Milz unter das Zwerchfell sich er-
streckte und dass bereits schwache Verklebungen der Unter-
ieibsorgane unter sich zugegen waren.
Fast bis zu Messerriickendicke war der ganze seröse
üeberzug der Leber von dem schmutzig braungelben Exsudate
aberzogen und es war dasselbe nicht ohne kleine Substanz-
verluste des Leberparenchyms von der Serosa der Leber ab-
zustreifen. Aus der Tiefe der rechten Seite gegen die Fossa
iliaca quoU bei leisem Drucke auf die daselbst befindlichen
Darmschlingen neues flüssiges Meconium in den geöffneten
Peritonaealsack aus, und nach einigem Suchen fand ich eine
ungefähr erbsengrosse feuerrothe Oeffnuog einer Darmschlinge,
welche den Darminhalt lieferte.
Zur genauem Untersuchung wurde nun der ganze Tractus
intestinalis herauspräparirt. Es fand sich nicht die geringste
Abweichung im Bau, keine Stenose, keine Atresie, keine
Divertikelhildung. Der Magen enthielt eine massige Menge
scbleimig*seroser mit weissgelblichen kleinen Bröckelchen ver-
mischter Flüssigkeit, (Schleim mit verschlucktem Fruchtwasser
und Vernix caseosa) im Dünndarm fand sich gelblicher, einer
Oeleniulsion ähnlicher Brei, im Dickdarm, wo die perforirte
Stelle war, fand sich eine massige Menge des gewöhnlichen
Meconiums sowohl unterhalb wie oberhalb der Perforation.
Gas war weder im Dünn- noch im Dickdarm. Die Schleim-
haut in dem unteren Theile des Ileum und durch das ganze
Colon war lebhaft roth, sammtartig aufgelockert Ulceration,
follikuläre Abscesse, Infiltrationen des drüsigen Apparates
der Darmschleirtihaut waren durchaus nicht zu finden. Die
Perforation war gerade am Uebergange des Colon ascendens
zum Colon transversum, an der vorderen Darmwand, 4 Centim.
vom Proc. ensiformis entfernt. Durch das erbsengrosse Loch
der Serosa und Muscularis des Darms war nach aussen eine
144 V. Breilau y Intrauterind perforatfve Peritonitis
feuerrothe Falte der Schleimhaut vorgestölpt, ein wirklicher
ringförmiger Prolapsus der Schleimhaut, lebhaft in Form und
Farbe an Prolapsus ani oder an Prolapsus der Blasenschleim-
haut bei grösseren BlasenscheidenGsteln erinnernd. Der
vorgestülpte Schleimhautwulst zeigte sich an zwei ein paai-
Mililmeter grossen durch eine zarte Brücke von einander ge-
trennten Stellen perforirt (cfr. die Abbildung). Von innen, tod
der Schleinihautoberfläche betrachtet, hatte man einige Mühe
die perforirte Stelle zu finden. Kleine Schleimhautfalichen
legten sich aneinander, strahlen- oder radienförmig, und ohne
dass man sie auseinanderzog, konnte man das Loch in der
Darmwand nicht von innen aus erkennen.
Epikritische Bemerkungen.
Vorliegender Fall von Perforation eines Darmes und nach-
folgender Peritonitis bei einem Fötus ist meines Wissens ein
Unicum. Ich habe nie etwas Aehnliches gesehen und kenne
aus der Literatur nichts dergleichen. Als ich nach Eröffnung
der Bauchhöhle alle vorliegenden Theile mit Meconium über-
schwemmt sab, war mein erster Eindruck, es müsse bei den
gewaltsamen Extractionsversuchen durch Druck auf den Unter-
leib des halb geborenen Kindes eine Ruptur eines Darmes
erfolgt sein und Meconium unmittelbar vor oder nach dem
Tode des Kindes in die Bauchhöhle ausgetreten sein. Diese
Meinung, a priori die annehmbarste, musste ich aber sofort
aufgeben, als ich mich überzeugte, dass neben dem ausge-
tretenen Meconium aller Wahrscheinlichkeit nach durch den
Reiz desselben auf das Bauchfell veranlasst, eine frische ex-
sudative allgemeine Peritonitis vorhanden war. Zu deren Ent-
stehung bedurfte es doch wenigstens eines ganzen oder auch
nur eines halben Tages, und schon aus diesem Grunde darf
man die Perforation nicht mit dem Akte der Extraction in
Verbindung bringen, bei welchem das bis dahin lebende Kind
sehr bald sein Leben verlieren musste. Weiter dachte ich
daran, die Perforation des Darmes möchte vielleicht ihre Ur-
sache in einer Atresie oder Stenose des Darmrohres haben,
allein wie schon oben bemerkt, fand sich hiervon nicht die
Spur, und ich muss noch ausdrücklich hervorheben, dass der
Auus wie gewöhnlich durchgängig war und etwas Meconium
bei einem bydrocepbjüiBeben Kinde. I4b
leicht aus ihm herausgepresst werden konnte. Ferner liegt
es nahe, den Grund der Peiibralion in einer Erkrankung
der Schleimhaal des Colons zu suchen. In ^ der That fand
sich ein Zuslanc^ von Rötbe, Schwellung und sammtartiger
Auflockerung, den man als Enteritis mucosa bezeichnen kann.
Aber genügt denn die Annahme einer Enteritis mucosa ohne
Geschwiirsbildung zur Erklärung der Perforation? Gewiss
nicht, es müsste denn sein, dass sonderbarer Weise an einer
ganz beschränkten Stelle ein foUiculärer Abscess entstanden
wäre, der äusserst schnell Muscularis und Serosa durch-
brochen hätte, bevor es zu adhäsiver Entzündung in der Um-
gebung, bevor es zu einer flächeuartigen Ausbreitung auf der
Schleimhaut, zu einer Geschwürsbildung gekommen ist. Dies
kann man sich allenfaUs so vorstellen, aber ich bin' weit
eatfenit davon, diese Entstehungsweise der Perforation be-
weisen zu wollen oder zu können. Ich gestehe offen, dass
ich keine genugende Erkläiting für die vorgefundene Perfora-
tion des Colons zu geben vermag, und leiste darauf Verzicht,
zu unwahrscheinlichen Hypothesen, deren man noch mehrere
aufstellen könnte, meine Zuflucht zu nehmen. Einzig steht
fest die Thatsache: dass die Perforation während des
intrauterinen Lebens des Kindes vor der Geburt,
vor den operativen Eingriffen entstanden sein muss,
und Peritonitis zur Folge hatte.
Indem ich es für angemesseu hielt, meine Beobachtung,
eine seltene und seltsame, einem weitern Kreise von Fach-
geuossen mitzutheiien, gebe ich mich der Hoffnung hin, dass
sich vielleicht ähnliche Fälle daran reilien und das Dunkle
erhellen mögen.
Erklärung zur Abbildung.
Die Zeichnung stellt das perforirle Stuck Colon von der
rauhen mit Exsudat bedeckten Serosa aus gesehen, dar. Die
Sonde ist durch die grössere der beiden Perforalions-
Oeffnungen von innen nach aussen durchgesteckt. Deutlich ist
die einem prolabirtem After ähnliche Vorstfilpung der zwei-
fach durchlöcherten Schleimhau L
MonaUftchr. f. Gkbortak. 1S08. Bd. XXL, Sappl.-Hft. 10
146 VI. Ehehy MUth«ikiDgpii aus der OehMransult
VI.
Mittheilungen aus der Oebäranstalt zu Jena
aus den Jahren 1859—1861.
Von
Dr. Koch,
einer. Asslatenten der Anstalt.
In dam Zeiträume von 18Ö9 — 61 wurden 319 Schwangt
aufgenommen, von denen 308 niederkamen, und zwar 140
Erstgebärende, 168 Mehrgebärende (126 Zweit-, 29 DdU-,
8 Vieri-, 3 Fünft-, 2 Sechstgebärende).
Wöchnerinnen wurden 6 vom Jahre 1858 übertragen,
8 Personen als solche aufgenonunen (Gassengeburten), giebt
2usammen 317 Wöchnerinuen.
Und da unter den 308 Geburten vier Mal Zwillings-
geburten stattlanden , so giebt dies ein Material von 321 Kin-
dern (die Kinder der 9 als Wöchnerinnen aufgenommenen
Personen mitgerechnet). Diese 321 Kinder setzten sich zu-
sammen aus 175 Knaben und 146 Mädchen. 268 Kinder
waren rechtzeitig geboren, 50 frühzeitig, 3 unzeitig.
Von den 319 Schwangeren erkrankten 6, starb keine.
Von den 317 Wöchnerinnen erkrankten (alle leichten
Fälle mitgerechnet) 147, starben 21, (nämlich 1859 = 4,
1860 = 7, 1861 = 10).
Unter den 321 Kindern waren 8 todtfaul geboren, 6
starben unter der Geburt, 44 kamen asphyktisch zur Welt,
von denen 9 nicht wieder zu beleben waren, 90 erkrankten
in der Anstalt und 20 der letzteren starben.
Entlassen wurden 7 Schwangere vor ihrer Niederkunft,
4 auf das Jahr 1862 übertragen. Von den W^öchnerinnen
und Kindern wurden alle, welche nicht starben, gesund ent-
lassen, 1 Wöchnerin auf die medicinische Abtheilung des
Krankenhauses transferirt, 2 auf das Jahr 1862 überti*agen.
Dies ist das Material, aus welchem ich einiges Interessante
hervorzuheben gpclenko.
in Jena ans den Jahren 1850 — 1861. 147
Zuvörderst aus der Zeit der Schwangerschaft:
Hervorragung der Striae gravidarum in der Re-
gio hypog a st. ist bei Hängebauch und Oedem dieser Gegend
beobachtet worden. Sehr stark war dieselbe bei einer an
allgemeinem Anasarca leidenden Schwangeren, bei welcher die
Striae des Unterleibes wulstig hervorgetrieben waren.
Einmal ward ein schwirrendes systolisches Ge-
räusch in der Art. epigast. inf. dextra gehört, welches
der anatomischen Lage und seiner Oberflächlichkeit nach nur
diesem Gefasse entsprungen sein konnte. Es fand sich bei
einer Drittgebärenden mit starkem Hängebauche und konnte
bei späteren Untersuchungen nicht mehr wahrgenommen werden.
Ferner fand sich bei einer Primipara mehrere
Wochen lang vor der Geburt der Muttermund 1 Zoll
im Durchmesser geöffnet, die Portio vag. voilkoinmon
verstrichen. Kopf fest vorliegend. Eihäute fest an dem Kopfe
anliegend. So blieb der Zustand bis zur Geburt.
Eine Unterbrechung der Schwangerschaft vor
dem normalen Ende kam 53 Mal zur Beobachtung. Als
Ursachen wurden aufgefunden:
1. Tod des Kindes, in vier Fällen. Letzterer war
wieder die Folge zwei Mal von Torsion der Nabelschnur,
zwei Mal von fester Umschlingung derselben um den
Hals. Einer der letzteren Fälle bietet mehrfach Interesse:
ÜT., Erstgebärende, 24 Jahre alt. Letzte Regel Ende
December 1859. Am 16. Juni 1860 steht der Fundus uteri
gerade in Nabelhöhe. Port. vag. zierlicher harter Zapfen.
Hattermund ein rundes Grübchen. Herztöne links ober der
Symphyse. Kindesbewegungen deutlieh fühlbar. — Der Furn
dus uteri steigt nun allmälig höher. Port vag. wird kürzer
und weicher. Herztöne sind stets zu huren. Kindesbewe-
gungen sehr lebhaft. Kind passiv sehr beweglich. Schwangere
durchaus wohl.
8. August (32. Woche). Fund. ut. Querhand über dem
Nabel. Herztöne gerade unter demselben. Kindesbeweguugen
deullicb sichtbar. Kopf vorliegend.
17 August: Herztöne nicht zu hören. Kindesbewegungen
nicht zu fühlen, ebenso später. — Der Tod des Kindes ist
also zwischen dem 8. und 17. August eingetreten.
10*
148 ^I* Koehf Mittheilang^en aus der Gebäranstatt
11. September: Der Fund. ut. ist nicht bulior gestiegen.
Kopf liegt nicht mehr vor. Man fühlt rechts und links
grössere Kindestheüe, die sich wie ein todler Körper hin und
her schieben lassen. Aus dem etwas geöffneten Mutter-
munde dringt rostfarbenes stinkendes Blut Das Pla-
centargeräusch ist noch deutlich vernehmbar. Die
Schwangere hat öfters Frösteln und Uebelkeit.
12. September erfolgt die Geburt eines todtfaulen Knaben,
nach Abfluss von dunklem, fötidem Fruchtwasser. Schädel-
knochen ganz verschoben, Kopf sackartig in die Länge ge-
zogen. Die Nabelschnur zwei Mal sehr fest um den Hals
geschlungen, 27 V2 Zoll lang. Wochenbett vollständig normal.
Milchsecretion so reichlich, dass Person sich als Amme
verdingt.
2) Contractionen de^ Uterus, hervorgerufen durch:
a) Grosse körperliche Anstrengungen, grosse Märsche.
b) Heftige Gemöthsbewegungeu.
c) Erkältung.
d) Diarrhöen.
e) üteruspolyp (ein Mal).
/) üebennässige Ausdehnung des Uterus durch Zwillinge
und viel Fruchtwasser.
g) Katalepsie.
R., Zweitgebärende, 32 Jahre alt, schlecht genährt, mit
15 Jahren menstruirt, früher immer gesund. Gebar vor sechs
Jahren einen lebenden Knaben. Geburl und Wochenbett nor-
mal. Zweite Schwangerschaft verläuft ohne Stöning (ausser
dass etwa in der 28. Woche eine tiefe Ohnmacht eintrat).
In der 32. Woche bricht, nachdem Unbehagen, Gefühl von
Mattigkeit vorausgegangen war, Mittag 1 Uhr ein Anfall von
Starrkrampf aus. Die Schwangere steht aufrecht, mit halb
geschlossenen Augen. Puls 68, Respiration ruhig. Die Glieder
behalten die ihnen aufgenöthigte Haltung längere Zeit bei.
Im rechten Vorderarme klonischer Krampf. Dauer des An-
falls IV2 Stunden. Die Schwangere befand sich nachher ganz
wohl und ging an ihre Geschäfte, wusste aber von dem ganzen
Anfalle nichts. Die Herztöne der Frucht waren während des
Anfalls frequent. (Die Schwester soll ähnliche AußUe haben.)
sn Jena aus den Jahren 1869 — 1861. 149
Patientin schläft aber Nacht gut. Am Morgen stelieii
sich Wehen ein. Die Frubgebart wird durch warme Um-
schläge auf den Unterleib, Opiumklystiere vergeblich hintan-
Inhalten gesucht Abends ffiesst das Fruchtwasser ab und
am nächsten Morgen 2 Uhr wird ein tief asphyktischer Knabe
von 16 Zoll Unge und 4 Pfund I2V2 Lotli Zoll-Gewicht ge-
boren, welcher belebt wurde. Bei der Wöchnerin tritt am
dritten Tage eine befuge Peritonitis auf, am zwölften Tage
kommt Pleuritis und Pneumonie hinzu, dabei heftiges Fieber,
Apathie, Decomposition der Gesichtszüge. Am achtzehnten
Tage erfolgt der Tod. Bei der Section findet sich: beider-
seitige Pneumonie, pleuritisches Exsudat; in der Bauchhöhle
öieke Exsudatschwaiten, Verklebungen der Organe. Milz ver-
grössert, brüchig. Leber etwas fetthaltig. Uterus in Exsudat
eingebettet. Nieren normal. * Schädel nicht geöffnet. —
Es muss endlich eingestanden werden, dass in mehreren
Fällen durchaus keine Ursache für die Frühgehurt aufzu-
finden war.
Einmal erfolgte der Beginn der Wehen unmittelbar
nach vorgenommener Sarification der ödematös
geschwollenen Labien. Die Geburt war zwar rechtzeitig,
acheint aber doch durch den operativen Eingriff eingeleitet
worden zu sein.
P., Erstgebärende, 22 Jahre alt, kräftig gebaut, stets
gesund gewesen, ward Ende Juni 1859 zum ersten Male
schwanger. Bekommt den 27. März 1860 über Nacht Oedem
des Gesichts, der unteren Extremitäten, der Bauchdecken.
Der Urin entliält grosse Mengen Eiweiss und auch Faserstoff-
cylinder. Im Uebrigen ist das Wohlbefinden ganz ungestört.
Ord.: Rohige Lage, Citronensaft zum Getränk.
29. März: Oedem hat an Schenkeln und Bauchdecken
abgenommen. Dagegen ist das Lab. min. sin. zur Grösse
einer Männerfaust angeschwollen. Haut daselbst stark ge-
spannt — Aromatische Umschläge.
31. März: Die noch mehr angeschwollenen Labia min.
werden scarificirt, worauf sie rasch zusammenfallen.
1. April: Da über Nacht die Geschwulst wieder zu-
genommen hat, wird eine zweite Scarification vorgenommen.
Das Oedem schwindet. Es treten Wehen auf. Die Geburt
150 ^^' ^<f^f MUtlieiliiiigen aoi d«r GdEiftraHBtalt
geht rasch und oormal vor sieb. Ein lebendes, kräftiges,
reifes Kind wn*d in ScbadeUage geboren.
Arn dritten Tage des Wochenbettes ist das Oedem der
Labien beseitigt. Am vierten Tage kein Eiweiss mehr im Uriu,
Sp|U«r schwellen die Labien in Folge von durch die Geburt
entstandenen Schleimhautrissen, welche in Ulceration ober*
gingen, von Neuem an. Hit Heihing derselben weicht auch
das Oedem.
Die Wöchnerin bleibe vollständig gesund, bis auf eine
Abscedirung der Mamma, welche am 20. A{M*il sich bildet
INe Backen der Gebärenden sind meistens gemessen
worden. Fojgende Abnormitäten sind notirt:
1. Verengerung in der Richiang der Coquguta ward
26 Mal gefunden.
d) 22 Mal beträgt die Verengerung nicht über V^ ZoU
(Conj. 3Va — ^ Zoll.) Sie erheischt sechs Mal Anlegung der
Zange, während ein Mal das querliegende Kind auf die Füsse
gewendet und der Kopf mittels des Prager Handgriffs eot-
wickelt wird. Die Austreibungsperiode ist in der Mehrzahl
der Fälle verlängert (in einem Falle, bei einem Kinde von
17 ZoU Länge, dagegen Partus praecipit.) Unter den 22 Kin-
dern werden 20 lebend geboren (9 mehr oder weniger
asphyktisch) , 1 kommt todtfaul zur Welt und nur 1 6tii*bt
unter der Geburt (Krampfwehen, lange Austreibungsperiode).
b) Zwei Mal ist die Conj. 3 Zoll 4 Linien lang. Ge-
burten leicht Kinder gesund.
c) Ein Mal wird die Conj. nur 3 Zoll lang gefunden.
— Geburtsverzogei*ung, Anlegung der Zange, asphykUscheB
und nicht zu belebendes Kind.
2. Eine geringe Verengerung im queren Durchmesser. —
Gleichzeitig Plac. praevia. Das Kind auf die Fusse gen^ndet
und extrahirt
3. In niederem Grade schräg verengte Becken wurden
sechs Mal gefunden. Fünf Mal war keine Hälfeleistung bei
der Geburt nöthig, ein Mal wurde die Zange angelegt und
ein asphyktisches, aber wiederbelebtes Kind entwickelt Ein
Mal zog sich die Geburt in die Länge und das Kind kam
t,odt zur Welt. Die übrigen Kinder waren gesund.
811 Jen* ani den Juhrab 1860^1661. 151
4. Endlieb fwden zwei SUicheJbeGkfen «n<deekl. Die Gristo
08S. pnb. sin. war beide Mal stark Yorspringend und ung«^
wohnlich scharf. Beide Wöcfanerintieo eriageo einero pyämi*
sehen Prooesse und zeigten einen öhnlichen Leichenbefund.
a) 8,y Zweitgebärende, 28 Jahre alt. Conj. 3% Zoll.
Querlage im Anfange der Geburt. Wendung des Kindes auf
den Kopf durch äussere Handgriffe. Protrahirte Austreibungs»
Periode. AnomaUe an den Wehen. Mehrmalige Versuche,
den Kopf mit der Zange zu eitrahiren. Der Kopf folgt den
krMigen Tractionen nicht Nach Absterben des Kindes Per*
foration des Schädels, Kephalotbrypsie und Extraction, welche
leicht gelingt. Am zweit«) Tage des Wochenbettes Erkran*
knng. Diagnose: Pyämie, Tod 48 Stunden nach der Geburt
Section: Grista oss. pub. sin. ungewöhnlich scharf. Im hin-
teren Scheidengewdlbe links eine 2 Zoll lange Trennung tter
Vaginalschleimhaut, undiegendes Gewebe iM'andig. An der
Blase ist IV^ Zoll Yom Blasenhals entfernt, ein injicirter Ring
über die Blasensdileimhaut gezogen, auf dem in einzelnen
UnleriHrechungen oberflächliche gangränöse Parthien sich fin-
den, jede 1 bis ö Linien im Durchmesser haltend. Das darunter
liegende Gewebe ist stark sugillirt Das Zellgewebe zwischen
linker Blasenwand und Becken ist in grosser Ausdehnung
gangränös. Uterusgewebe normal. Ebenso die übrigen Organe.
b) jB., Drittgebärende, 30 Jahre alt Stark vor*
springendes Promontorium und scharfe Crista oss. pub. sin.
Zwillingsgeburt. Anomalie der Wehen. Protrahirte Austreibungs-
periode. Spontane Geburt des ersten Kindes in Steisslage.
Anisen der Zange wegen Webenschwäche an den Toriiegen-
den Kopf des zweiten Kindes. Sehr leichte Extraction
eines lebenden, im geringen Grade asphyktischen Knaben mit
einer Impression des linken Stirnbeins (kommt weiter unten
noch emmal zur Sprache). Die Wöchnerin, deren Placenta
wegen Strictur des inneren Mnttermimdes kunstlich entfernt
worden war, erkrankte am zweiten Tage des Wochenbettes.
Diagnose: Pyämie mit Metastasen in der Lunge und mehreren
Geloiken, Peritonitis univers. Tod am zehnten Tage. Be«-
statigung der Diagnose durch die Section, bei welcher man
ausserdem ein stark vorspringendes Promontorium und am
Imken horizontalen Sehaambeinast eine etwa 2 Linien hohe
152 VI. K09k, Ifitikeilwigen mm der OeUiMMah
scharfe Knocbenleisle vorfand Ke Sditeimiiaal der Banvohrf
war stark iniicirt, an der hinleren Blasevwand amtkat m
der Schleimhaut der Blase gelegene SugühtkuMD. —
Was die Wehen und ihre Anomalien belriil, so tA
zu erwähnen, dass Wehenscbwäche niefal seilen beobachtet
wurde, primäre und secundäre. Zu starke Wehen hattra
drei Mal sogenannte Gassengeburten zur Folge.
1. Der erste Fall ist interessant dadurch, dass die Kreis-
sende zum Theil im Gehen gebar. Dieselbe, eine Zweiige-
bärende, zu Hause (eine Stunde von der Anstalt) von Webea
überrascht, macht sich auf den Weg nach der Anstalt Cnler-
wegs wii*d der Steiss des in Steisslage liegenden Kindes ge-
boren. Person, welche den vor der Vulva hegenden Körpw
spurt, marschirt trotzdem weiter, bis sie den Hof der Gebar-
anstalt erreicht, wo der herbeieilende Assistent Fnsse und
Steiss bereits geboren vorfindet. Das Kind lebt, ist 17 Vi
Zoll lang.
2. Viertgebärende, Nachts auf der Strasse durch die
Geburt überrascht. Eine einzige Wehe treibt das Kind aus,
weldies, an den Beinen der aufrecht stehenden Mutter herab-
gleitend, von ihr zwischen den Knieen aufgefangen wird. Die
Kreissende, nun sich niederkauernd, wartet die Ausstossung
der Nachgeburt ab, und trägt dann Nachgeburt und Kind in
der Schurze in die Anstalt. Das Kind fand man todt, es hatte
aber geathmet.
3. Zw(Migebärende, gebar auf der Landslrasse in kauern-
der Stellung. Die Nabelschnur des, mit der Hand von
der Mutter aufgefangenen Kindes riss einige Linien vom
Nabel entfernt ab. Die Nachgeburt wurde beim Besteigen
eines die Gebärende aufnehmenden Wagens ausgestossen.
Mutter und Kind blieben gesund.
Krampfwehen sind 32 Mal notirt. Ais ihre Ursache ist
meist Beckenverengerung und frühzeitiger Abfluss des Frucht-
wassers erkannt worden.
Dem Abschnitte von den Wehen gehört noch ein Fall
von vollkommener Schmerzlosigkeit der ganzen Ge-
burt an. Das betreffende glückliche Individuum war fäne
Erstgebärende von robustem Körperbaue, welche während der
3 — 4 Stunden lang dauernden Geburt und trotz eines kleinen
so Jen« aoB don Jabren 1869—1861. 153
Dammrisses» welehen das 17ztilige Kind hervorbrachte, nicht
mir keinen Schmersenslaut von sich gab, sondern selbst bei
fröhlicher Laune blieb.
Schmerslosigkeit der ganzen Eröflhungsperiode ist uns
einigemal vorgekommen.
Von Abnormitdten der weichen Geburlstbeile ist noch
zu nennen:
1. Rigidität des Muttermundes, zwei Mal beobachtet
und beidemale durch warme Injectioneii in die Scheide und
Pouchen gehoben.
2. Oedematöses Anschwellen der vorderen Muttermunds-
lippe, drei Mal beobachtet
3. Zwei Mal ward die vordere Muttermundslipiie durch
den herabnickenden Kopf mit herabgedrängt. Es gelang in
den Wehenpausen, dieselbe am Kopfe vorbei zurfickzuschieben.
4. Es ist nur eine Ruptur des Uterus vorgekommen
und zwar eine spontane, bei einer Sechstgehärenden. Die
Einrisse (3) Hefen quer im unteren Theile des Uterus und
waren bis % Zoll tief (s. unten Fall von Wendung durdi
äussere Handgriffe nach Abtluss des Fruchtwassers).
ö. Ueber Dammrisse vergleiche unten die Worte über
Dammnaht.
Nun zu den Kindeslageu. Es ist beobachtet worden:
Kopflage 295 Mal.
Beckenendlage 8 Mal.
Querlage 9 Mal.
Alle Kopflagen sind Schädellagen. Unter den 295 Fällen
sind 12 Fälle notirt, in denen beim Beginne der Geburt das
Hiuteriiaupt mehr nach hinten stand (alte dritte und vierte
Schädellage) und zwar acht Mal nach hinten und rechts (dritte),
nur vier Mal nach hinten und links (vierte).
In sieben dieser Fälle erfolgte bei der Geburl die Ro-
tation des Hinterhauptes unter den Schaainbogen, einigemal
noch im Beckenausgange, und zwar erfolgte sie zwei Mal
selbst bei unreifen Kindern von 17 und 16 Zoll Länge und
mcht verengtem Becken. Derselbe Mechanismus ward in zwei
Fällen begonnen, aber nicht zu Ende geführt , sondern der
Kopf blieb in querer Stellung (kleine Fontanelle rechts) stehen
und schnitt einmal spontan quer durch, während das andere
154 Vr. Kooh, Mittbeilmigt'ii aiui der Gebärnstah
Mal er sich fest in querer SteUung etnkeike uiNi mit der
Zange in einen schrägen Durchinesscr gedrebi werdea nuissle,
worauf er durbh die Wehen ausgetrieben wurde.
Drei Hai eodüch blieb die Stirn vorn stehen und das
Hinterhaupt entwickelte sich über den Damm (Yordersdieiiel-
lagen). Ich fähre die drei Falle kurz an:
1. Dritlgebärende mit normalern Becken. ZwülingageburL
Kopf des zweiten Kindes anfangs mit der kleinen Fontanelle
nach hinten und links vorliegend, wird mit der Stau' nach
vom geboren. Dauer der Austreibungsperiode V4 SUui^.
Kind lebend, reif, ein Mädchen.
2. Drittgebärende, Becken normal. ' Zwühngsgehurt Das
zweite Kind, dessen Kopf mit der kleinen Fontanelle nach
rechts und hinten vorlag, wird wegen Wehenschwäche durch
die Zange, mit vornstehender Stirn, leicht entwickelt Es- ist
ein lebender reifer Knabe.
3. Bei einer Primipara mit schräg verengtem Becken
lag der Kopf mit der kleinen Fontanelle nach rechts und
hinten vor und bUeb so auf der Beckenenge stehen. Mit der
Zange ward ein tief asphyktischer, aber wiederbelebter reifer
Knabe mit vomstehender Stirn extrabirt.
Einmal hatte ich Gelegenheit, den seltenen Mechaniamus
einer Drehung des Kopfes aus der sogenannten zweiten in
die dritte SchädeUage zu beobachten. Bei einer Erstgebärenden
mit normalem Becken fühlte man nämlich anfangs die kleine
Fontanelle rechts vorn, grosse links hinten, Pfeilnaht im zweiten
schrägen Durchmesser. Der Kopf rückte schneU herunter
und drehte sich im Beckenausgange mit der kleinen Fontanelle
nach hinten rechts, so dass endlich das Hinterhaupt sich über
den Damm hervorwälzte. Dauer der Austreibungsperiode V4
Stunde. Kind 18 Zoll lang, 6 Pfund IIV2 Lotli ZoU-Gewicht
schwer. Kopfdurchmesser: 5V4 (gr. sehr.), 4V4 (ger.), SV«
(quer.)
Von den 8 Beckenendgeburten kommen 6 auf einfache,
2 auf Zwillingsgeburten. Sie zerfallen in 6 Steiss- und 2
Fussgeburten, oder in ö erste und 3 zweite Beckenendgeburten
und betreffen 7 Mal Mehrgeburten, 1 Mal Erstgeburten. Von
den Kindern sind 1 todtgeboren (mit Pemphigus behaftet).
1 asphyktisch und nicht wiederzubeleben (Arme gelöst, Kopf
rnn Jena ans den Juhren 1869—1861. 155
init der Zange entwiokeU), 3 asphykliseh, aber zu beleben,
die übrigen gesund. Vier Mal erfolgt die Geburt spontan,
zwei Mal wird der modif. Handgriff Yon STneUie angewandt,
2wei Mal der Kopf mit dem Forceps entwickelt.
Unter den neun Querlagen, welche sämmtiicb Mehrgeb.
betrafen, ereignete sich zwei Mal eine Rectification der Kindes-
lage, begünstigt durch zweckmässige Seitenlagerung der Kreis-
senden. Einmal fand der Vorgang der Selbstwendung statt,
nämlich bei einem 24 Wochen alten Fötus. Letzterer an-
fangs quer liegend, wendet sich nach Abfluss des Frucht-
wassers selbst auf den Kopf. Neben dem Kopfe ist der
rechte Arm und rechte Fuss vorgefallen, und wird das Kind
in dieser Haltung geboren. Es ist ein lebender Fötus von
12 V4 Zoll Länge, weicher wimmert, die Glieder bewegt, die
Augen aufschlägt und einige Stunden lang lebt.
In zwei Fällen gelingt die Wendung durch äussere Hand-
griffe, darunter einmal sogar nach Abfluss des Fruchtwassers.
H., Sechstgebärende, 34 Jahre alt, wahrscheinlich mit
secund. Syphilis behaftet, gebar ein lebendes Kind, und dann
vier Mal todte Kinder, mit Ausnahme des einen, welches drei
Wochen lang lebte. Abgang des Fruchtwassers vor Beginn
der Wehen. Wehen anfangs sehr schwach. Durch Seiten-
lageniBg und äussere Manipulationen ward 17 Stunden
nach Abfluss des Fruchtwassers die Querlage in
eine Schädellage verwandelt. Zur Erweiterung des
Muttermundes ward die warme Douche, später der Colpeu-
rynier angewendet, aber erst nach 3Vt Tagen ist der Mutter-
mund vollständig erweitert und erfolgt nun binnen V^ Stunde
die Geburt eines reifen, vollkommen munteren Kna-
ben. Wenige Minuten nach Beendigung der Geburt tritt eine
Blutung aus dem schlaffen Uterus ein, welche durch kein Mittel
zu stillen ist un^i welcher die Wöchnerin erliegt Selbst die
Transfusion hilft nichts. Bei der Section finden sich mehrere
quere, Jbis Vs Zoll tiefe Einrisse im unteren Theile des Uterus
und um den Muttermund eine coUoide Einlagerung.
In den vier noch anzufuhi*enden Fällen von Querlage
ward die Wendung durch innere Handgriffe ausgeführt, und . .
zwar 1 Mai auf den Kopf, 3 Mal auf die Fnsse. In zwei
Fällen liess man der Wendung die Extraction und Ent-
156 Vr. Koeh, MUiheilan^en ans der GebXnuuult
Wickelung des Kopfes, ein Mal durch den Präger Haodgriff,
ein Mal durch die Zange folgen.
Drei von den neun Kindern wurden iodt geboren. &
war in diesen drei Geburten zwischen Abfluss des Frucht-
wassers und der Geburt des Kindes lange Zeit Terflossen.
(9 St., 23 St., 48 St.)
Interessant ist die Bildung einer Querlage aus
einer Schädellage wahrend der Geburt. Man hatte
bei einer Zweitgebärenden den Kopf durch das vordere Schei*
dengewölbe vorliegend gefunden, vor dem Kopf die vorUegende
Nabelschnur. In der Eröffnungsperiode trat der anfangs durch
den Muttermund nicht zu erreichende Kopf von der rechten
Beckenseite her über den Muttermund ein, war aber stets
nach rechts hin leicht verschiebbar. Nach dem Blasensprunge,
bei welchem eine ungewöhnliche Menge Fruchtwassers abfloss,
fand sich der Kopf wieder abgewichen, und nach wenigen
Minuten hatte sich unter kräftigen Wehen eine vollkommene
Querlage (zweite, zweite Unterart) ausgebildet.
Vorfall der Hand bei Schädellagen ist 16 Mal vor-
gekommen, stets ohne Nacbtheil für das Kind. Vorfall der
rechten Hand und des rechten Pusses zugleich ist schon oben
erwähnt.
Von Operationen sind ausser den oben genannten
noch folgende zu nennen:
Kunstliche Eröffnung der Eihäute ward 41 Mal
vorgenommen und zwar 21 Mal wegen Webenerlahmung nach
vollständiger Erweiterung des Muttermundes, 20 Mal wegen
Herabtreibung der Blase in oder vor die Vulva. Nie hat
diese Operation einen nachtheiligen Einiluss auf Mutter oder
Kind gezeigt
Die Zange ist 29 Mal applicirt worden, ein Mal mussle
von ihr abgestanden und zur Perforation ^s Schädels ge-
schritten werden.
Die Indication zur Anwendung der Zange gab ab:
12 Mal VVehenschwäche.
14 Mal ' Missverhälliiiss zwischen Kind und Becken
und zwar:
Beckenvereiigerung 11 Mal. Ungewöhnliche Grösse
des Kindes 2 Mai. Tiefer Querstand des Kopfes 1 Mal.
SQ Jena aus den Jahren 1859 — 1861. 157
8 Mai Gefahr vcm Seiten des Kindes (nSmlich 2 Mal
Zögerung des lelztkommendeD Kopfes, 1 Mal Viufall
der Nabelschnur).
Von den 28 mit der Zange extrahirten Kindern lebten
24, von denen 17 bei der Geburt mehr odei* weniger tief
aspbyktisch waren, 4 Mal trat der Tod während oder. gleich
nach der Geburt ein. Es geschah dies in den drei Fällen,
in welchen die Zange wegen Gefahr des Kindes angelegt
worden war und ein viertes Mal nach einer schwierigen
Zangenexlraetion bei einer Conj. von 3 Zoll und starker
Beckenneigung.
Ohne die Erkrankungen der Wöchnerinnen immer in
einen causalen Zusammenhang mit den Zangenoperationen
bringen zu wollen, erwähne ich, dass von den 29 Wöchner^
innen 9 vollständig gesund blieben, 1 bekam Strangurie und
Neuralgie des einen Schenkels, 1 vorübergehend Fieber, 2
Endometritis, 13 Peritonitis (von denen 1 starb), 2 endlich
Pyämie, welche tödllicb verlief (cf. den einen Fall von Stachel-
becken).
Die Wendung und zwar auf die Fösse ist ausser den
erwähnten Fällen noch einmal, nämlich bei Plac. praevia und
Schädellage behufs der raschen Beförderung der Geburt vor*
genommen worden. Das Kind starb unter der Geburt, die
Mutter am 18. Tage des Wochenbettes.
Von den Wöchnerinnen, bei denen die Wendung vor-
genommen wurde, starb ausser den schon genannten zwei
Fällen noch eine an Peritonitis, eine andere erkrankte an
Endometritis, die übrigen bilden gesund.
Einmal ward die Perforation (Perf. von Busch, in
einer Naht eingestossen) und Kephalothrypsie (Kephal. von
Scanzoni) ausgeführt. Die Wöchnerin starb am dritten Tage
(s. erster Fall von Stachelbecken).
Die Durchschneidung der fest um den Hals geschlun-
genen und nicht zurükstreifbaren Nabelschnur ward 2 Mal
vorgenommen, beidemal ohne Nachtheil für die Kinder.
Ich komme zur Episiotomie. Dieselbe wurde 25 Mal
ausgeführt und zwar wurden der Schnitt 23 Mal seitlich von
der hinteren Cornmissur geführt (nach der Prager Metljode;,
2 Mal das Lig. Iriang. incidirt. 23 Mal betraf die Operation
158 VI. Koeh, Mitthdilan^en ana dar Oabiümistalt
Erstgebärende, machte sieh einmal bei einer Zweitgebirenden
wegen ungewöhnlicher Grösse des Kindes^ einmal bei fbea
einer solchen wegen Narbengewebes im Damme nöthig (letz-
teres entstanden dnrch Heilung eines alten Dammrisses). Der
Erfolg dieser kleinen Operation war ein guter. Der Damm
blieb jneist ganz erhalten; wo nicht, zerriss er in ganz un-
bedeutender Ausdehnung.
hie blutige Dammnaht (Knopfnaht mit Seidenfaden),
13 Mal vorgenommen, brachte 10 Mal vollkommene Vereini-
gung der Wunde zu Stande, ein Mal eine theilwetse, 2 Mal
trat keine Vereinigung ein. Eine heftige puerperale Erkranr
kung hatte in diesen zwei Fällen die Operirteh befallen.
Ich habe unter den Operationen um* noch der künst-
lichen Lösung und Entfernung der Placenta zu ge-
denken, welche 9 Mal vorkam, 6 Mal bei ErstgebIrendeB,
3 Mal bei Mehrgebärenden. 3 Mal ward sie vorgenonmieii
wegen Atonie des Uterus und Blutungen aus demselben (iVe
3 Geburten waren vorher feliierhaft. Die Wöchnerinnen er^
krankten). 6 Mal wegen zu langer Retention derselnenv woran
einmal eine Strictur des inneren Muttermundes, 5 Mal eine
partielle Verwachsung mit dem Uterus schuld war. Von den
6 Wödmerinnen blieben 3 gesund, eine bekam eine geringe
Perimetritis, die fünfte unterlag einem pyämischen Processe.
Die neugeborenen Kinder hatten ein Durchschnitts-
gewicht von 6,52 Pfund Zoll-Gewicht. Die Knaben ein grös-
seres als die Mädchen:
Knaben = 6,58 Pfund.
Mädchen = 6,46 „
Ebenso wogen die Kinder von Hehrgebärenden mehr als
die der Erstgebärenden:
Mehrgebärende = 6,58 Pfund.
Erstgebärende = 6,46 „
Das höchste Gewicht war das eines Knaben einer Mehr-
gebarenden mit 8 Pfd. 26*4 Llh. Z.-G.
Missbildungen kamen nicht vor. Nur hatte ein leben-^
der Knabe von 17 V2 Zoll Länge eine leichte Hypospadiasis.
Verletzungen des kindlichen Schädels durch
den Gebiirtsact kamen 3 zur Beobachtung. Es folgt eine
kurz«' Beschreibung:
SQ Jens Mts den Jahvos 1869 -- 1861. 159
1. Fractur beider Stirnheine bei spontaner
Geburt — Zweitgebärende, mit geringer Beckenverengerung,
kam ohne Beistand nach Regulirung der anomalen Wehen
und einer protrahirten Austreibungsperiode mit einem, nur
wenige Lebenszeichen von sich gebenden Kinde in erster
Schadeilage nieder, welches bei der Section eine Fractur
beider Stirnbeine zeigte. Von der Stirnnaht nach beiden
Seiten auswärts laufen zwei fast 1 Zoll lange klaOende Con-
tinuitätstrennungen des Knochais. Das Periost ist erbalten,
ebenso nach binen die Dura mater. Zwischen diesen Häuten
und dem Knochen liegen Blutextravasate. £in ebensolches,
erbsengrosfi, liegt in der Rindensubstanz der linken Gross-
hirnhemisphäre. Wochenbett vollständig normal.
2. Impression des linken Stirnbeins. — (cf. oben
zweiten Fall von Stachelbecken). — Drittgebärende mit stark
vorspringendem Promontorium und scharfer Crista oss. pub.
sin. Zwillingsgeburt. Anomalie der Wehen. Piotrahirte Aus^
treibungsperiode. Spontane Geburt des ersten Kindes in
Steisslage. Anlegen der Zange wegen Wehenschwäche an
den vorliegenden Kopf (kleine Fontanelle hinten und rechts)
des zweiten Kindes. Sehr leichte E&traction eines lebenden,
in* geringem Grade asphyktischen Knaben mit vom stehender
Stirn. Auf dem linken Stirnbeine (auf dem Tuber front.) eine
Impression des Knochens. Der Knabe starb nach 9 Wochen
an Darmcatarrh. Bei der Section fand sich räie ziemlich
kreisrunde, 1 Zoll im Durchmesser haltende Stelle des linken
Stirnbeins zu einer Tiefe von 2 — 2^^ Linien iroprimirL Der
Knochen ist an dieser Stelle stark porös. Die Gehirnhäute
unter dieser Stelle bieten nichts Abnormes. Das Gehirn
selbst zeigt eine leichte Abflachung. Die Wöchnerin stii*bt
an Pyämie.
3. Impression des linken Stirn- und Scheitel-
beins. — firstgebärende mit normalem Becken. E^rste Schädel-
lage. Schwierige Zangenextraclion. Am Kinde eine Impression
des linken Stirn^ und* Scheitelbeins. Das Kind war asphyk-
tisch, wurde aber wiederbelebt Die Wöchnerin überstand
eine leichte Perimetritis.
Asphyktisch geboren wurden, wie schon oben er*
wähnt ist, 44 Kinder. Diese vertheiien sich auf 27 Knaben
130 VI. Koeh, Mittbeiliin^en an« der Gebftranstalt
und 17 Mädchen. Nicht wiederzubeleben waren 9 Kinder.
7 Knaben und 2 Mädchen. Grund zur Asphyxie gab ab:
Verzögerung der Austreibungsperiode, Druck der Zangenlöffel,
Umschlingung, Knoten und Vorfall der Nabelschnur, langsamer
Austritt des Kopfes nach gebornein Rumpfe. Von den
asphyktisch geborenen Kindern starben später noch 5, da?on
3 an Atelect. puhn., 1 an Pneumonie, 1 an Darmcatarrb.
Unter der Geburt waren 6 Kiuder gestorben. Die
Ursachen waren 2 Mal ein langer Geburtsverlauf mit operativen
Eingriffen (Wendung, Extraction, Zange — Zange), 2 Mai eine
zu frühe Lösung der Placenta (einmal Plac. praev.), dann
Vorfall der Nabelschnur, und ein Kind wurde mit Pemphigus-
blasen geboren.
Todtfaul endlich kamen 8 Kinder zur Welt. In drei
Fällen war es möglich ^ den Termin des Abgeslorbensejps
der Kinder zu bestimmen, es war der 2., 8.« und etwa 32, Tag
vor der Geburt Ursache des Todes war: 2 Mal Torsion,
2 Mal feste Umschlingimg der Nabelschnur um den Hals,
1 Mal Dysenterie, 1 Mal Syphilis der Mutler, 2 Mal endlich
war keine Ursache zu ermitteln. Von den 8 Wöchnerinnen
erkrankten 3 an Endometritis, eine bekam eine Perimetritis,
4 blieben gesund. Eine Wöchnerin, deren Kind 4 Wochen
vor der Geburt abgestorben war, hatte so viel Milch, dass
sie sich als Amme verdingte.
Aus den Sectiousbefunden ist noch Einiges hervorzuheben:
1. Pemphigus adnatus. -^— Die Mutter Irägt keine
Spur von Syphilis an sich. Das erste Kiud war auch todt*
geboren. Das jetzige, zweite in Steisslage geborene und
während der Geburt abgestorbene Mädchen hat eine Länge
von 17 Zoll und ein Gewicht von 4 Pfd. 47» Lth. Z.-Gew.
Körper ziemlich mager. Haut blass. Am linken Fusse und
unteren Tlieile des Unterschenkels finden sich 19, am rechten
ö, an der Hi)ken Hand 8, an der rechten 6 Blasen, am übrigen
Körper keine. In der Bauchhöhle imd im Herzbeutel etwas
gelbes Serum. Hirn und I^ber hyp^ämisch. Die Lungen
enthalten in allen Lappen zahhreiche, meist hasehmssgrosse,
derbe, gelblich gefärbte, zum Theil in der Mitte erweiclite
Inliltrationslieerde. An den Bronchien liegen geschwollene,
gelbe Lymphdrüsen. Sonst normal.
SQ Jen» aas den Jahren 1869 — 1861. ' 161
2. Harnstein in der Blase eines todtgeborenen
Mädchens. — Im Körper eines lodtgeborenen Mädchens
fand sich die Harnblase vergrössert und vollkommen aus-
geföllt durch einen braunen Harnstein mit rauher Oberfläche.
3. Niere mit zwei Ureteren. — Bei einem asphyk-
tischen, nicht zu belebenden Knaben fanden sich 2 Ureteren
von der rechten Niere ausgehend, welche sich vor ihrer Ein-
mündung in die Blase zu einem Schlauch vereinigten.
Bei demselben Kinde fand sich unterhalb der hinteren
linken Seitenfontanelle auf dem Periost sitzend eine erbsen-
grosse, mit Haaren, Epithel und Serum gefüllte Kyste.
Ueber das Fruchtwasser ist Folgendes zu bemerken:
Einmal schien gar kein solches, resp. sehr wenig vor-
banden zu sein, denn man bemerkte keinen Abgang desselben.
Der Fall betraf eine Drittgebärende. ErölTnungsperiode 7 Stunden,
Austreibungsperiode Y4 Stunde. Kind reif, gesund, wird Kopf
und Schuhern in Eihäute eingehüllt geboren. Letztere sind
überall gleichweit vom Placentarrande abgerissen.
Ueber Hydramnios ist nichts besonderes zu bemerken.
Abgang schmutzigen (durch Meconium gefärbten) Frucht-
wassers habe ich einige Mal bei uachlier ganz gesund -ge-
borenen Kindern lange vor der Geburt wahrgenommen.
Abfluss des Fruchtwassers vor der Eröflhung des Mutter-
mundes, 28 Mal beobachtet, brachte 5 Mal eine. Verlängerung
der Eröffnungsperiode mit sich, 5 Mal Krampfwehen, 4 Mal
Wehenschwäche, 3 Mal wurden lodte Kinder geboren. Von
deo Wöchnerinnen bekamen 2 Endometritis, 2 Perimetritis,
eine starb an Verblutung.
Bei diesem letzen Falle fand sich auch eine theilweise
Verwachsung der Eihäute mit dem Uterus.
Die Placenten reifer Kinder haben meist ein Gewicht
zwischen 26 und 39 Loth. Das Minimalgewicht betrug 237«
Loth, das grösste 1 Pfund I6V4 Loth. Das Gewicht der
Placenten steht zu dem Gewichte der Kinder in
einem bestimmten Verhältnisse, wie folgende, für reife
(d. h. 18 Zoll lange) Kinder aufgestellte Tabelle zeigt:
Monnt^sctir f. OeburUk. 18ß3. Bd. XXI., Suppl -Hfl H
»)
»»
»
»1
»1
1(52 VI. iToc^, Mittheilnxigeti aus der GebKransUlt
Gewicht der Placenten: Gewicht der Kinder!
23-25 Loth = 6,31 Pfund ZoU- Gewicht.
26-30 „ =6,47 „
31 — 35 „ == 6,56 „ r,
36-40 „ = 6,94 „
41-50 „ = 7,18 „
Es gilt dies Gesetz auch für vorzeitig 'geborene Kinder
(freilich ist die Zahl der Fälle hier sehr gering):
Gewicht der Piacenten: Gewicht der Kioder:
21 Loth = 1,16 Pfund (nur ein Fall).
22—25 „ = 5,47
26-30 „ = 5,55
31—35 , = 6,26
36-40 „ = 6^ „
Zwei Mal ward eine Plac. snccenturiata gefunden
(ein Hauptlappen und ein kleiner Nebenlappon), wobei einmal
der Hauptlappen eine Plac. praevia bildete.
Kalkablagerungen in der Placenta kamen zwei Mal vor,
einige Mal alte Apoplexien, einmal eine Fibrinablage-
rung in Ringform auf der FötalflSche der Placenta. Einmal
war der Befund dieser:
* Die Placenta enthält 10^ — 12 nussgrosse, gelbe, harte
Steilen. In jeder derselben befindet sich ein Venenlumen,
mit weichen Coagulis gefüllt (Phlebitis placentaris). Kind
30 Wochen alt, lebend. Mutter erkrankt am dritten Tage
an Peritonitis.
Abnormer Sitz, nämlich Placenta praevia lat. kam
einmal vor:
Eine Primipara bekommt im Qeginne der Eröflhungs-
periode die erste, aber eine gleich sehr heftige Blutung. Es
wird ein Kautschuktampon, mit Eiswasser gefüllt, eingelegt,
bis der Muttermund ziemlich erweitert ist, dann die Blase
am Placentarrande gesprengt, das mit dem Schädel Vorliegende
Kind auf 1 Fuss gewendet und extrahirt. Es ist todt. Die
Placenta wird spontan ausgestossen. Eine neue Blutung
wird durch Eiswasserinjectionen beseiligL Im Wochenbette
sept. Enmetritis, am 18. Tage der Tod unter pyäroischen
Erscheinungen.
SQ Jena aas den Jahnen 1859 — 1861. 163
lieber Retention der Placenten vergl. oben deren künst-
liche Lösung und Entfernung.
Der Nabelstrang hatte im Durchschnitte eine Länge
Too 19 Zoll, der kürzeste war 9 Zoll (ohne Schaden für
Mutter und Kind), der längste 35 Zoll lang. Seine Insertion
war ineist lateral, 30 Hai tnarginal, 3 Mal velamentös, 2 Mal
btfercal. In einem von diesen letzteren Fällen fand sich eine
Etgenthümlichkeit des Nabelschnurrestes. Derselbe
war am zweiten Tage der Geburt vollständig matsch und
faulend. Er wird bis zum Nabel mit der Scheere abge-
tragen, der Nabel selbst fleissig gereinigt. Am 14. Tage ist
die eiternde Fläche am Nabel vollständig vernarbt. Das sehr
kräftig entwickelte Kind war und blieb gesund. Die Nabel-
schnur war sulzarm.
Kkioten wurden 3 Mal im Nabelstrange gefunden, alle
3 schienen frisch geschürzt, d. h. erst während der Geburt
entstanden zu sein; eins der Kinder war gesund, das zweite
etwas asphyktiscb (langsamer Austritt des Rumpfes nach ge-
borenem Kopfe), das dritte todt (Vorfall der Nabelschnur).
Umschlingung der Nabelschnur um den Hals
kam 64 Mal vor, 57 Mal einfache, (einmal bei beiden Zwil-
lingen), 6 Mal zweifache und 1 Mal dreifache. 2 Hai konnte
dieselbe nach geborenem Kopfe nicht gelockert und musste
deshalb durchschnitten werden. Asphyktiscb waren nur 6
von den 64 Kindern. Dagegen wurden 2 todtfaul geboren
und konnte keine andere Todesursache als eben die Um-
schlingung der Nabelschnur aufgefunden werden (s. oben Fall
von Frühgeburt in Folge von Absterben des Kindes).
Reiten auf der Nabelschnur sah ich einmal.
Vorliegen der Nabelschnur kam einmal zur Beobach-
tung (s. oben Bildung einer Querlage aus einer Schädellage)
und war vorübergehend.
Vorfall gab 2 Mal die Todesursache des Kindes ab,
er betraf eine Erst- und eine Zweitgebärende, beide mit nor-
malem Becken. Die Reposition der 28 und 30 Zoll langen
Nabelschnüre gelang nicht Das eine Kind zeigte, geboren,
kerne Spar von Leben mehr; das andere war tief asphyktisch
und nicht zu beleben.
11*
1G4 ^I- Koeh, Mittheilongen aU8 dur GobUraustalt
Starke Torsi ou des ganzen NahHslrauge» ward 4 Mal
l)ei reifen, gesunden Kindern gefunden. £ine Zusammen-
dreliung zu Bindfadendicke in der Nähe des Nabels 2 Mal
bei in macerirtem Zustande geborenen Mädchen ?on 15 und
18 Vs Zoll Länge.
Von einer Zerreissuug der Nabelschnur durch die
Geburt sprac^h ich oben bei der einen Gassengeburl, und
thue hier nur noch des Nabelschnurgeräusches Er-
wähnung, welches unter 100 Fällen 7 Mal vernomwen wurde.
Es war stets vorübergehend. Man fand bei der Geburl 3 Mal
Umschlingung der Nabelschnur um den Hals, und 2 Mal die
Kinder asphyktisch (Knoten der Nabelschnur — lange Aus-
treibungsperiode).
Blutflüsse während der Gebiu*t und im Anfange des
Wochenbettes kamen 14 vor und zwar 3 im Beginne der
Geburt, veranlasst durch vorzeitige Lösung der Placenta (ein
Mal Plac. praev.), 10 in der Nachgeburtsperiode, beruhend
auf Atonie des Uterus, einmal zugleich auf Einrissen desselben.
Dieser Fall war übrigens der einzige von einer sehr profusen
Blutung, welche hier durch kein Mittel zu stillen war und
die eben Entbundenen, auch trotz der mit meinem Blute an-
gestellten Transfusion, in wenig Minuten dahinraflte. — Im
Wochenbette beobachtete ich einmal Blutung, bedingt durch
zurückgebliebene Piacentarreste.
m
Ehe ich zu den Erkrankungen im Wochenbette komme,
muss ich eines Falles gedenken, in welchem wälu*eud desselben
ein Uteruspolyp spurlos verschwand. Letzterer war
vor der Niederkunft aus dem etwas geölTnetem Muttermunde
an einem Stiele von 1 Zoll Länge heraushängend gefunden
worden» Geburt normal, ebenso anfangs das Wochenbett.
Vom sechsten Tage an tritt aber häufiges Frösteln und Uebel*
keit auf, am zwanzigsten Tage Uteruskolik, Blutung aus dem
Uterus. Am siebenundzwanzigsten Tage eine neue Blutung.
Vom Polypen ist Jetzt nichts mehr zu sehen, auch mit der
Sonde nichts wahrzunehmen. ' Das Befinden der Wöchnerin
ist von jetzt ab gut
Was die beobachteten Ei*krankungen der Wöchnerinnen
und Säuglinge belrim, so muss ich den Zeitabschnitt vom
BU Jena ans den Jahren 1859—1861. 165
Eegiitne des Jahres 1859 bis Mai 1860 trennen von der
späteren Zeit bis Ende des Jabres 1861. Üenn nicht allein,
dass in dem späteren Zeitabschnitte die Zahl der Erkran-
kungen und Sterbefalle bedeutend grösser war, sowohl der
Wöchnerinnen als auch der Säuglinge, sondern es tratej*
auch gewisse Krankheitsformen vorwiegend häufig auf und
zeichneten sich durch Rapidität und Bösartigkeit des Verlaufs
aus. Eine Vergleichung wird dies lehren:.
In dem ersten Zeitabschnitte (155 Wöchnerinnen und
157 Kinder)
erkrankten Wöchnerinnen = 56,
starben „ =4,
erkrankten Kinder . . = 36,
starben „ . . = 8.
In dem zweiten Zeitabschnitte (162 Wöchnerinnen und
164 Kinder)
erkrankten Wöchnerinnen = 91,
starben „ = 17,
erkrankten Kinder . . = 54,
starben „ - . . =12.
Der Grund zu dem ungünstigeren Verlaufe des Wochen-
bettes (1856 starb nur 1, 1857 = 4, 1858 = 2 Wöchnerin-
nen) und Säuglingsaiters in dieser Zeit lag mit Wahrscheinlich-
keit in einer Luftverunreinigung der Gebäranstalt, welche von
dem Abtritte und den von demselben aus durchfeuchteten
Wänden des Gebäudes ausging. Die Entfernung der feuchten
Wände und Trockenlegung der Senkgrube verbesserte nicht
nur die Luft, sondeni veiringerte auch die Zahl der Erkran-
kungen und Sterbefalle. — Aus dieser letzteren Zeit mögen
noch einige Beobachtungen folgen:
1. Ein Aufenthalt der Schwangeren von 1 — 8 Tagen
in der Anstalt erhöhte die Disposition zu erkranken, während
der Eintritt in die Anstalt mit Wehen, ebenso wie ein mehr
als einwöchentlicher Aufenthalt dieselbe verringerte.
2. Es erkrankten mehr Erstgebärende als Mehrgebärende.
3. Eine sehr lange Austretbungsperiode hatte fast aus-
nahmslos Wochenbetlserkrankung zur Folge.
4. Grössere Operationen brachten meist Erkrankung.
Von 21 operativ Entbundenen erkrankten 17.
IQß VI. KoA, Mtttheiliingeii au der GebilrMstali
5. Die Mehrzahl der erkrankten Kinder gehörte erkraokleii
Mfiltern an, nämlich von den 54 Kindern 38.
Die hauptsächlichsten Formen der Erkrankungen der
Wöchnerinnen waren:
1. Periloneitis47 Hai beobachtet (die Periton., welche
Theilerscheinung der Pyämie waren, sind nicht mit gerechnet),
8 Mal allgemein werdend, aber immer vom Uterus ausgebend.
Endigte nur in zwei Fällen lethal, in weichen in Folge von
Durchbruch abgesackter Exsudate nach der Bauchhöhle der
Tod am 34. und 81. Tage des Wochenbettes eintrat.
Zwei Mal trat auf eine Venäsection eine rasche und ent-
schiedene Besserung ein.
2. Eiidometritis, 14 Mal beobachtet.
3. Mastitis, 11 Mal.
4. Fieber ohne Localisation, 27 Mal, wovon 23 Fälle
auf den zweiten Zeitabschnitt fallen, am zweiten bis vierten
Tage auftretend und rasch vorübergehend.
5. Septicämie, 17 Mal, (15 Fälle gehören der zweiten
Periode an), stets lethal endigend. Ausgezeichnet durch den
raschen Verlauf, die sofortige Betheiliguug des Nervensystems.
Beginn mit Fieber, der Puls steigt schnell bis über 120, ist
klein, weich. Haut zuweilen brennend heiss und trocken,
bisweilen feucht. Ein Schuttelfrost leitet die Kraiikheit ein
oder kommt später, wiederholt sich gern. Schnell kommt
hinzu Prostration der Kräfte, Apathie, Decomposition der Ge-
sichtszüge. Dabei vollständige Euphorie. Meist schwillt de^
Bauch durch Darmgas rasch an, im Peritonäum iässt sich
öfters flüssiges Exsudat nachweisen. Durch Hinaufdrängen des
Zwerchfelles wird das Athmen erschwert. Dyspnoe ist meist
das erste die Kranken belästigende Symptom. Dazu kommt
oft Husten, nachweisbares pleurit. Exsudat oder Pneumonie.
Einigemal sah ich galliges Erbrechen, Durchfall nur selten
(vielmehr trotzt die auf Paralyse der Darmmuscularis be-
ruhende Verstopfung allen gegen sie aufgebotenen Mitteln),
mehrmals Icterus und Entzündung von Gelenken.
Nachdem dieser Zustand länger oder kürzer bestanden,
steigt der Puls bis 140 — 160, wird verscbwimlend klein,
die Haut bedeckt sich mit klebrigen Schweissen (Sudamina
8« Jentk aus 'd»tt Jahrea 18§9— 1861. 167
bätifig), Delirien treten hinzu und unter den Erscheinungen
der Dy$pnoe oder des Sopors gehen die Kranken zu Grunde.
Der Tod trat ein:
1 Mal am 2. Tag. 1 Mal am 10. Tag.
1 ^ im
4. f^ 1 14.
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6ectionsbefun«de: Immer sehr rasche Zersetzung,
cadaveröse Imbibition der Gewebe mit Blut. Blut selbst dünn,
wenig Fibrinklumpen enthaltend. Trat der Tod nicht sehr
schnell ein, so fand sich ausserdem:
Uterus wenig involvirt, schlaff, so dass einigemal Ab-
drucke von Därmen auf seiner Oberflache sich fanden. Innen-
fläche mit einer schmierigen, stinkenden Masse bedeckt. Schabt
man diese ab, so findet man das unterliegende Uterusgewebe
meistens normal. Tubenlumen meist weit, öfters mit Eiter
gefüllt. Letzterer ist vom Peritonäalende der Tube her ein-
gedrungen, denn er verliert sich meist nach dem Uterinende
der Tube zu. Venen des Uterus wurden stets normal ge-
funden. Lymphgeiasse öfters varicös erweitert, mit Eiter ge-
füllt, welcher zuweilen die Gefässwaudungen durchbrochen
halte und Abscesse bildete. Einigemal findet sich ein grün-
liches, gallertiges Infiltrat im Gewebe des Uterus oder in den
breiten Mutterbäadern. Ovarien meist geschwellt, bergen
einigemal Abscesse. Sie, der Uterus, sowie die übrigen
Bauchorgane, sind meist mit Exsudatflocken bedeckt. In der
Bauchhöhle meist ergiebiges flüssiges Exsudat, theils serös,
theils albufflinös, theils eitrig. Serum häufig in der Brust-
höhle, einigemal im Herzbeutel. Lungen zeigen sich im unteren
Lappen meist hypostatisch iufiltrirt, die oberen Partbieen häufig
ödematös. Leber meist stellenweis verfettet. Milz fast immer ge-
schwellt, matsch. Nieren einigemal im Zustande der Brighfscheji
Degeneration.
6. Convulsionen.
a) Eclampsia wurde zwei Mal im Wochenbette und
zwar in zwei hinter einander folgenden Wochenbetten einer
und derselben Person und ein drittes Mal in der NachgeburLs-
16^ VI. Kockf Mittheünngeii uns der'Oebäranstalt xu Jena etc.
periode auftretend beobachtet. Anzahl der AniSHe gering,
Ausgang in Genesung, Urin enthält ein Mal kein Eiweiss,
zwei Mal nur vorübergehend, wahrend der Zeil der AnfaUe.
b) Einmal wurden hysterische Krämpfe beobachlel
bei einer exquisit hysterischen Person, nicht allein in der
Schwangerschaft und im Wochenbette, sondern auch vorher
und nachher. Auch hier wurde während der Anfälle
der Urin eiweisshaltig gefunden, auch hier war bei star-
ken Aufallen Bewusstlosigkeit und Reactionsroangel
bei starken Reizen vorhanden, dagegen fehlte ganz das
soporose Stadium nach den Convulsionen. —
Einmal trat hei einer Erstgebärenden am zwölften Tage
eine Apoplexia cerob. sang, an der Gebimbasis ein. Die Section
ergab keine weitere Störung als entzündliche Auflageningen
auf der Vorhofsseite der Valv. Bicusp.
Bei emer Puerpera, welche an Peritonitis erkrankte,
später Pleuritis und Bronchitis bekam, fand sich Inversio
viscerum (Aufsatz vom Prof. Schulze in Virchoto's Arcim
1861).
Aus den Sectionsbefunden der Wöchnerinnen theile ich
noch mit, dass sich unter den 21 Fällen drei Mal eine Aus-
dehnung der Ureteren in ihrem oberen Theile, und zwar
ein Mal des rechten, zwei Mal beider fand, wobei dieselben
indess ganz^ durchgängjig waren. In dem einen Falle be-
stand neben der Ausdehnung der Ureteren Hydronephrose:
Kelche stark ausgedehnt, Nieren atrophisch, Papillen verdrängt,
Spitzen der Pyramiden verkalkt, in der rechten Niere stärker
als in der linken, wie auch der rechte Ureter stärker aus-
gedehnt war.
Die Erkrankungen der Neugeborenen und Säuglinge be-
treffend, muss ich erwähnen, dass ausser den gewöhnlich
vorkommenden Erkrankungsfonnen viel pyämische Processe
sich fanden, und dieselben nicht nur in die Zeit der vielen
Wochenbettserkrankungen fielen, sondern auch gerade Kinder
kranker Mütter betrafen. Als Ausgangspunkt der Pyämie
waren einigemal Zeilgewebseiterungen (Abscess im Nacken,
eiternde Brustdrüse), einigemal die NabelgefSsse nachweisbar.
Von den 18 Kindern der an Pyämie verstorbenen Wöch-
nerinnen wurden 2 todtgeboren, und 4 starben später. Von
VII. Kotisen au« der Jouraal- Literatur. 169
dieseD mussten 2 schon im Uterus erkrankt sein. Denn das
eine starb 23 Stunden nach der Geburt und hatte ein starkes
pleuritisches Exsudat; das andere starb schon 12 Stunden
nach der Geburt und zeigte bei der Seclion mehrere Lungeu-
abscesse und ein eitriges pleuritisches Exsudat. Beide Matter
erkrankten am dritten Tage des Wochenbettes.
Ich schliesse mit einem Falle von Tetanus, welcher
am dritten Tage ausbrach und in Gehesung endigte:
Knabe, 18 Vt Zoll lang, 6 Pfd. 6 Ltli. schwer, asphyk-
üsch geboren (Umschlingung der Nabelschnur um den Hals),
nach V4 Stunde zu regelmässiger Respiration gebracht, be-
kommt am dritten Tage Tetanus. Die leiseste Berührung
ruft einen Anfall hervor. Ord. : Eisumschläge auf den Kopf,
2 Mal CalomeJ gr. V4, ein Blutegel in den Nacken.
Am vierten Tage: Anfalle sind geringer, weniger leicht
hervorzurufen. Der Nabelschnurrest ffillt im Bade ab. Ord.:
2 Mal ein warmes Bad, 2 Mal gr. V4 Calomel. Seil dem
Abend kein neuer Anfall. Das Kind gedeiht gut bei künst-
licher Ernährung.
VII.
Notizen aus der Journal -Literatur.
SoUau: Ovarialkyste mit wiederholter Ruptur in die
Bauchhöhle.
Bei einer 34ji&hri^en Person, die zwei Mal geboren hatte,
entwickelte sich 20 Monate nach der letzten KnthindnnfTf im
Jahre 1856| ein OvariaUnmor , der den Unterleib wie im achten
Schwangerschaftsmonate ausgedehnt hatte. April 1857 traten
heftige Schmereen ein und eine Function entleerte 1*/, Gallonen
trüber Flüssigkeit. Im August desselben Jahres wurde eine
zweite Function ncSthig, diese wurde eines Xnsseren Grundes
wegen noch etwas aufgeschoben, und ehe sie angestellt worden,
fällt Fat. eine Treppe herunter, indem sie mit dem Leibe auf-
schlägt; sie fühlt einige Schmerzen und legt sich ins Bett und
entleert in der Nacht 27, Quart kUren, nicht coagnlirenden
170 ^II* Kotiien »na der Journal- Li teraimr.
Urins; diese massenhsfle Urinsceretion bKlt Tier Tage an nnd
mit ihr geht eine stetige Verkleinerung des Leibes einher, so
dass derselbe am fünften Tage gans schlaff war nnd erst nach
▼ier Monaten die Kyste sich wieder anfing zn fBlIen nnd rapid
wnchs. Im April J868 erwachte sie in einer Kacht mit den
heftigsten Schmersen im Leibe, kühlen ExtremitKten nnd kann
sn fühlendem Pnlse; der Leib war sehr ausgedehnt, tympanitiseh.
Unter der geeigneten Behandlung erholte sich Fat., and der
Leib war ganz schlaff npd begann erst nach sechs Wochen wieder
an Umfang «aznnehmen, so dass im Jnli 1858 die zweite Pnnction
nSthig wnrde, wobei 11 Quart klarer Flüssigkeit entleert wurden.
Vom Juli 1668 bis December 1861 musste nun die Pnnotion
37 Mal vorgenommen werden. Die Masse der entleerten Flüssig«
keit yariirte zwischen 16 und 26 Quart und betrug im Ganzen
180 Gallonen und 2 Quart. Dabei war das Allgemeinbefinden
wenig gestört. Einmal traten im Juni 1869 nach einem Falle
wiederum die Erscheinungen einer Peritonitis ein mit nach-
folgender Verkleinerung des Leibes, so dass erst nach fönf
Monaten wieder eine Function nöthig worde. Nach der letstan
Function im December 1861 starb die Patientin unter den Er-
scheinungen einer Pisritonitis. In der Bauchhöhle fanden sich
.S — 4 Quart eiteriger Flüssigkeit, eine grosse Kyste, die vom
linken Ovarinm ausging und mit den Bauchdecken verwachsen
war. Daneben war eine grosse Zahl kleinerer Kysten, die Ver-
wachsangen waren so allseitig und fest, dass etwaige Durchbmeh-
stellen nicht aufzufinden gewesen waren. Die Ovariotomie war
früher von der Kranken verweigert worden.
(Medical Times, April 1862.)
Dewea: Ovariotomie.
Eine 23jährige Person, die ein Mal geboren, erkrankte unter
den Erscheinungen einer Peritonitis, als sie im dritten Monate
schwanger zu sein glaubte, da sie eine Zunahme des Leibes
bemerkt hatte. Als sie geheilt war, stellte sich heraus, dass sie
an einer Geschwulst des rechten Ovariums litt. Diese wuchs so,
dass sie im MKrz 1862 punctirt werden musste, wobei 5 Quart
dunkler albnminöser Flüssigkeit entfernt wurden und sieh sogleich
herausstellte, dass die Kyste vielfScherig war.
Bei der Ovariotomie zeigte sich der Tumor nach allen Seiten
verwachsen , doch konnten die Adhäsionen leicht getrennt werden.
Beim Herausheben des Tnmor zeigte sich auf seiner OberfiXehi*
fächerförmig ausgebreitet und fest damit verwachsen ein grosses
Stück des Omentum. Da es eingerissen War und stark blutete,
war nicht daran zu denken, es vom Tumor abzulösen nnd in die
Bauchhöhle zurückzuschieben , sondern es wurde mit CZay*a
yjl. NoUsen »os der Jc^ani*!- Literatur. 171
Iminmeiit getrennt nnd mit der Geschwulst eDtfernt. Das so
weggeDommene Stfick des Omentum war 9 Zoll lang nnd 7 Zoll
breit. Der Stiel der GeeehwnAt wnrde anf dieselbe Weise ge-
trennt, die Baochhöhle mit Sohwamm gereinigt and die Wunde
durcli awei tiefe, das Peritenäum mitfassende und drei ober-
flftchliehe Silbersntnren geschlossen. Patientin wurde auerst
dareh Clyamata ernährt. Am vierten Tage wnrde der Stiel ent*
ferat, am neunten Tage die letate Naht Bald darauf war Patientin
▼ollst&ndig geneaen. Die Oeachwnlst wog ohne Inhalt , der
U Pinten betrug, 4 Pfund.
(Medical Times, Juni 1862.)
Heuvry: Ovariotomie.
■
Eine 21 Jahre alte Person leidet seit einem Jahre an einer
sehmerahaften, allmälig entstandenen Zunahme des Leibes. Bei
der Untersuchung seigt sich eine Orarialkyste , wobei der Leibe^-
nmfang 86V9 Zoll beträgt; bei der Pnnction wird nur eine Kyste
entleert und bald ist der Umfang des Leibes 40 Zoll. Die Ge-
schwulst seigt sich bei der Operation mit dem Omentum ▼er-
wachsen, dieses wird mit den Fingern abgelöst. Bei der Entfernung
borst eine Kjste in die Bauchhöhle hinein. Der Stiel wurde
mittels der Klammer abgequetscht und nach aussen in der Wunde
befestigt. Achtsehn Stunden nach der Operation trat nnter den
Erscheinungen des plötalichen Collapsus der Tod ein. Bei der
Section fand sich in der Bauchhöhle eine grosse Menge Blut aus
den Gefftssen des Omentum stammend.
(Medical Times, August 1662.)
TyUt-SmUkt Vier Fälle von Ovariotomie.
1. Eine 59 Jahre alte nnverheirathete Person litt Reit
.36 Jahren an yielHicberigen Kysten beider Ovarien. Bei der
Trennung der zahlreichen Adhäsionen wurde das Rectum leicht
verletzt. Sechs Stunden nach der Operation trat der Tod ein.
2. Vieir&cherige Kysten beider Ovarien, die zwei Jahre
beatanden; dabei Hydrops und Anasarca der Extremitäten. Bei
der Operation fand man zahlreiche feste Adhäsionen, das Peri-
tonäum mit zahlreichen scirrhösen Massen durchsetzt. Die Stiele
wurden beide unterbunden. Tod drei Tage nach der Operation
an Peritonitis.
3. Eine vielfächerige Kyste mit bedeutenden festen Massen
wnrde nach zweijährigem Bestehen durch die Operation entfernt.
Adhäsionen mit dem Omentum, den Eingeweiden u. s. v:. Per
172 VII. Notisen ans der Joaroal- Literatur.
Stiel war sehr dick, wnrde mit der Klammer von CHaif {^trennt.
Heilnng ▼ollstftndig.
4^ Eine vielfScberi^e Kyste ^ea linken Ovarinm wurde durch
die Operation entfernt. Adhfteionen mit dem Omentum. Der
Stiel wurde mit Seidenfäden unterbunden, kurs abgeschnitteD
und mit der Ligatur in die Bauchhöhle geachoben. Die Bauch«
wunde, ganz sngeuAht, heilte per primam. Die Kranke war ift
10 Tagen gesund. Dies ist der sweite Fall , wo der Verf. den
Stiel in die Bauchhöhle suräckb rächte. Verf. - hat überhaupt
ewölf Mal die Ovariotomie gemacht und neun Heilungen und drei
Todesfölle danach eintreten sehen. Eine von den Geheilten hat
wiederum geboren.
(Medical Times, Juli 1862.)
Spencer Wells: Sieben Ovariotomieen.
Der erste Fall betraf ein 20 Jahre altes Mädchen, das swei
Jahre lang an einer Ovarialkjste litt und nie punctirt war. Die
entfernte Geschwulst wog 40 Pfund. Die Kranke befand sich am
achten Tage nach der Operation gan« wohl.
Die B weite Patientin war 30 Jahre alt, unverhelrathet und
litt seit zwei Jahren an einer yielfächerigen Kyste. Bei der
Operation fanden sich Adhäsionen mit dem Colon, die mit der
Hand getrennt wurden. In die Bauchhöhle gelangte dabei viel
Flüssigkeit. Neunundzwanzig Stunden nach der Operation starb
die Kranke an allgemeiner Peritonitis.
Der dritte Fall betraf eine SOjAhrige Person, der durch die
Operation eine vielfächerige Kyste, die mit dem Omentum ver-
wachsen war, entfernt worden war. Sie schien auf dem Wege
der Genesung, als am zwölften Tage nach der Operation Tetanus
eintrat, dem sie am 14. Tage erlag. Die Section zeigte keine
Entzündung des PeritonXum; auch fSr den Tetanus konnte keine
locale Ursache aufgefunden werden.
Vierter Fall. Eine 41jährige Person, Mutter von sechs
Kindern, litt an einer vielfächerigen Ovarialkyste , die ihr grosse
Schmerzen bereitete. Bei der Operation wurde das adhnrente
Omentum leicht getrennt, der Stiel einer Blutung wegen doppelt
unterbunden. Am zwölften Tage wnrde ein entstandener Becken-
abscess mittels des Troicart durch die Scheide entleert. Vier
Wochen nach der Operation war sie ganz geheilt.
Fünfter Fall. Bei einer 35jährigen Person wurde ein fester
Ovarialtumor, der mit dem Omentum verwachsen war, leicht
entfernt. Drei Wochen darauf war Patientin vollständig genesen.
Sechster Fall. Eine multiloculäre Kyste wurde nach erfolg-
loser Function bei einer 26jährigen Kranken entfernt. Der Stiel
wurde mittels des Ecraseurs getrennt. Vier Stunden nach der
VJI. Notisen ans der Joaraal- Literatur. 17^
Operation musste wegen Zeichen innerer Blutsng die Wunde
wieder geöffnet und die Coagnla ans der Banchhöhle entfernt
werden. Der i^tiel wurde unterbunden. Peritonitis folgte; ein
Abseess zwischen Uterus und JKectum wurde durch die Scheide
entleert. Heilung. Verf. verwirft den Ecraseur) weil man vor
Nachblutungen nicht sicher ist, ebenso lässt er den unterbundenen
Stiel nur dann in der Bauchhöhle, wenn er so kurz ist, dass
seine Einheilung in einen Wundwinkel den Uterus zerren würde.
Siebenter Fall. Ein fester Ovarialtumor war so innig mit
dem Uterus rerwachsen, dass er nur durch den Ecraseur entfernt
werden konnte. Am 19. Tage war Fat. geheilt.
Spencer Weil» hat überhaupt bis jetzt 40 Mal die Ovariotomie
gemacht und darunter 24 Heilungen und 16 Todesfölle.
(Medical Times, Juli 1862.)
John Clayi Neues Instrument, um Adhäsionen und den
Stiel von Ovarialkysten zu trennen.
Dieses Instrument besteht aus zwei starken Blättern, die
getrennt sind und an denen das eine unter die Adhäsion ge-
schoben wird, das andere darüber. Das letztere ist kürzer als
das erstere und passt in einen falzähnlichen Vorsprung, der an
dem ersten angebracht ist. So geschlossen hUlt dies Instrument
die Adhäsion mit ziemlrchem Drucke fest. Ausserdem ist das
zweite schmäler als das erste, und so entsteht in geschlossenem
Zustande eine Rinne, auf der man, wie auf einer Uohlsonde, die
Adhäsion trennen kann. Diese Trennung geschieht mit einem
besonders geformten stumpfspitzen Instrumente, das entweder
an einer Spiritusflamme erhitzt als Glüheisen zu gebrauchen ist
oder kalt angewendet nur reibend oder quetschend wirkt, wie
ein Ecraseur, ohne so zu zerren wie dieser. Der Vortheil des
ganzen Instrumentes soll darin bestehen, dass man ohne Zerrung
einen bedeutenden Druck auf den zu trennenden Theil vor der
eigentlichen Trennung ausübt und so jede Blutung vermeidet.
(Medical Times, Juni 1862)
Speiticer WelU: Trokar für die Ovariotomie.
Spencer WelU beschrieb in der medicinischen Gesellschaft
zu London einen Trokar, der sich besonders für die Ovariotomie
eignen soll. Statt des gewöhnlichen soliden Stabes ist hier eine
R8hre, die an ihrem Ende spitz zugeschärft ist, gebraucht; diese
gleitet in der gewohnlichen Canüle hin und her; letztere ist an
einen Schlauch befestigt, au welchen dann auch, wenn Saugkraft
(.•rforderlich ist, eine Spritze angebracht werden kann. Der
174 ^1'* Notisen aas der Joarnal-Kfteratur.
HanptQUtseii de« Instniinaats soll der «ein, daes keine Luft
während der Operation in die Kyste eindringen kann. Die nibere
Besohreibang^ mit Abbildang siebe in
(Medieal Times and Gaaette, Vol. I., 1862, No. 696.)
HeUl Davis: Verschluss des Orificium uteri nach einer
schweren Entbindung.
Bei einer Entbindung, die durch an frühen Wasserabfluss
und mangelnder Erweiterung des Muttermundes sich 56 Stunden
hingezogen hatte, wurde nach vorangegangenen Versuchen snr
kunstlichen Erweiterung des Muttermundes ein todtes Kind mit
der Zange entwickelt. Nach dem Wochenbette bestand drei
Monate lang ein eiteriger Ausfluss. Fünfzehn Monate später
traten heftige Sohmersen im Unterleibe ein, nachdem die Regel
noch nicht wieder erschienen war. Der Uterus war aasgedehnt
wie im vierten Monate der Schwangerschaft, aeigte deutliche
Flactuation, der Muttermund gänzlich verwachsen. Mittels eines
Troioart wurden mehrere Unzen Blut entleert, die Oeffnnng er-
halten und die Menstruation erfolgte regelmässig.
(Medieal Times, April 1862.)
Mitchell: Schwere und anomale Ocrburtcn in Zusammen-
hang mit angeborenem Blödsinn.
Unter 554 Idioten war über 60 in Bezug auf ihre Geburt
nichts zu erfahren, da ihre Angehörigen keine Auskunft geben
konnten, so bleiben 494 Blödsinnige, die im Kreise ihrer Familie
lebten, so dass genaue Auskunft zu erlangen war. Ueber die
Geburten dieser erfuhr er Folgendes: 1) Verlangsamte und
schwere Geburten (36 Stunden Dauer und mehr) hatten bei 67
oder bei 1 auf 8,7 stattgefunden. 2) Unnatürlich schnell ver-
laufene 4 Mal. 3) Die Zange war bei 22 applicirt worden oder
1 Mal bei 22,5, während in Edinburgh unter 472 Geburten nnr
1 Mal die Zange in Anwendung kommt und nach dem Verf. dies
ziemlich auch das Verhältniss für ganz Schottland ist. Bei 9 von
diesen 22 sollen noch Spuren der Zange bemerkbar gewesen
sein, als Narben etc. 4) Mittels der Wendung wurden aui' Welt
gefördert 4. 5) In fehlerhaften Lagen (Steiss- und Fusslagen
kamen zur Welt 6. 6) Zwillingskinder waren 11. 7) Frühzeitig
geboren wurden 9. 8) Scheintodt kamen zur Welt 29, oder
1 auf 17. 9) Von den 443 Idioten waren 135 lilrstgeborene«
89 die Letztgeborenen.
(Medieal Times, Juli 1862.)
VII. Notiaen ans der Joarnal- Literatur. 175
L&vjfi Beriebt über die Entbindung einer Zwergin.
Der Fall ist folgender: 39jährige Zwergin, 44 Zoll hocb,
proportionirt gebaut; feiner Knochenbau; Vater und vliterlicher
GrosBvater waren zwerghaft gewesen, die Mutter ron gewöhnlioher
Grösse. Die Menstruation erschien ¥001 19. Jahre ab in normaler
Weise; Kum letsten Male in der ersten Hälfte des Juli. Erste
Wehen den 4. April Abends. Den 7. April Abends Abfluss der
Wässer. Leib stark in die Quere ausgedehnt; kein Hängebauch;
Fundus uteri im Scrobiculus cordis. Sohambogen eng; Becken
niedrig und nach allen Dimensionen verengt. Knochen äusserst
gracil. Die Conj. vera wurde nach der mit den Fingern aus-
geführten Messung auf 3 Zoll geschätzt. Bei guten Wehen war
den 8. April 4 Uhr Nachmittags der Muttermund röllig erweitert;
der Kopf stand noch hoch; 8 Uhr Abends vier Doben Seoale
cornut. 2U gr. z. Um Mitternacht, da der grötste Theil des
Hinterhauptes im Becken stand und die Wehen fehlten, wurde
die Zange applicirt und mit 10 — 12 Tractionen ein mageres todtes
Mädchen von 4V4 Pfund Gewicht entwickelt. Am 9. April Abends
geringe Metritis bei der Wöchnerin. Den 11. April Abends
plötslicher Gollapsus. Tod, ohne Agonie, 10 y, Uhr Abends.
Section. Im Peritonäum nur einige Unsen dünner, gelber
Fliissigkeit. Uterus gut contrahirt. Linkes Ovarium und Tuba
mit der Hfnterseite des Uterus verwachsen; Corpus luteum rechts.
In der Nähe der rechten Tube fanden sich die Venen an der
Hittterseite des Uterus mit dickem, gelbem Eiter gefällt. Innen-
fläche des Uterus gesund; keine Verletzungen. Die Ausmesanng
des Körpers ergiebt: Länge 44"; vom Nabel zum Scheitel «: 18";
zur Fusf sohle » 26". Abstand der Spin. il. a 8"; der Crist. il. »
9y,"; der Spin. post. sup. *» 2*//'; Breite des Kreuzbeins = 3" 7'".
Die Verbindungen der Beckenknoohen normal. Unerhebliche
Seoliose nach rechts iwischen dem fünften und zwölften Brust-
wirbel. Linke Beckenhälfte ein wenig enger als die rechte.
Conj. Vera » 3" IV«'"; Querdurchmesser des Eingangs »4" 3'".
Abstand der Spin, ischii ^ 3" 6'". Winkel des Schambogens » 7b^.
Höhe der Symph. o. p. =» 11'"; Conj. ext. = 6" 47,"'; Conj.
diag. » 3" 8"'. Gewicht des ganzen Skeletts » 37« Pfund.
Das Becken gehört zu derjenigen Art von Zwergbecken,
welche proportionirt und echt weiblich sind, wie dies bei Zwergen
mit weiblichem Charakter und gut entwickelten Zeugungsorganen
der Fall zu sein pflegt. Es ist nicht auf einer kindlichen Ent-
wickelungsstufe stehen geblieben. Die Synostose der Scham«,
Bits* und Hüftbeine ist hier vollständig erfolgt, was sonst bei
Zwergbecken nicht der Fall an sein pflegt.
(Bibliothek for Lager, Oetober 1860.)
17ü ^H. Notisen «ns der Joamal-LiteraUr.
Levy: Beschreibang einer Eztraatoriatahwangarflchaft
mit Einverleibung des Sackes in den Darmcanal.
Eine 40jährige Fraa, stets regelinäsüig lueustruirt, verlor
gegen das Ende des Jahres 1854 die Menses. Im Jannar 1855
erklKrte eine Hebamme, sie sei einige Monate schwanger; einen
Monat später traten Nachts plötzlich heftige Unterleibsschmerien
anf, mit karsem Verlaste des Bewassiseins und Convulsionen.
]m Juli hörten die schon gefühlten Kinde.sbeweguugen wieder
auf. Es ging eine faulige, fleischähnliche Masse »b (Decidna):
danach trat ein übelriechender Ausfluss ein, welcher bis cum
Frühjahre 1856 dauerte. Um diese Zeit fühlte Levy in dem massig
aasgedehnten Unterleibe eine tiefliegende Geschwulst, vom Nabel
bis iVs" oberhalb der Schamfuge hinabreichend. In der linken
Seite fühlte man an der Geschwulst, kleine, knochenharte Theile;
rechts einen grösseren harten Theil.
Im Sommer 1857 lag die Geschwulst den ßanchdecken näher,
war in ihrer Breite vermindert und härter. Neigung so Diarrhöen
war vorhanden. October 1857 gingen per rectum die Knochen
ab (drei halbe Wirbelbogen und ein Os mbtAtarsi). Uectisches
Fieber trat auf. Die Geschwulst war fast auf die rechtü Regio
iliaca und hypogastrica bcHchränkt; bei Druck .empfand man
Crepitation und emphysematöses Knistern. Per rectum konnte
eine Perforationsöffnung nicht gefühlt werden. AUmälig trat
Besserung ein; im Mai 1858 neues Fieber und Schmersen. Ein
grösserer Knochen wurde unter den Bauchdecken so deutlich
fühlbar, dass man sich schon zur Eröffnuug der Unterleibshöhle
un dieser Stelle durch Caustica entschloss, als am 14. Juni eine
allgemeine Peritonitis deoi Leben ein Ende machte.
Section. Geringe Flüssigkeitsmenge im Peritonäum. Därme
injicirt und mit Exsudat bedeckt. Der Sack, welcher die Kindes-
theile enthält, hängt oben nnd zu beiden Seiten mit dem Mesenterinra
und einem Theile des Dünndarmes zusammen und wird nach
unten von der mit ihm verwachsenen Harnblase bedeckt. Am
obersten Theile schienen in die Geschwulst die beiden mit einander
verwachsenen Schenkel einer Darmschlinge überzugehen; in der
VerwachsungsUnie beider Schenkel war eine 3'" — 4'" lange
Ulcerationsöffuung bemerkbar, aus welcher die scharfe Kante
eines Schädelknoehens hervorragte. Blase, Milz, Leber, Nieren
und die Brustorgane waren gesand.
Nach seiner Entfernunir aus der Unterleibshöhle war der
Tnmor 5V4" lang und 4'/," breit. Die Vorderwand lag mit ihren
zwei oberen Dritteln den Kauchwandungen an und hatte soweit
eine peritonäale Bekleidung; übrigens war sie nur gebildet von
der ausgedehnten Wandung einer Partie des Dünndarmes, in
welcher der Fötus von hiuttiu her hineingedrängt war. Das
untere Drittel der Vorderfläche erstrockt sich hinter die Blase
vir. Notisen ans der JonrsAl -Literatur. 177
und den obersten Tbeil des Utems nach abwfirts nnd iat ron
einer fibrösen Hant gebildet, welche naeh nnten so so sart int,
dass sie beim Ablösen Ton der Blase zerreisst. Anf der Mitte
der rechten Seite der Geschwulst geht eine Dtinndarmschlinge
in sie über, als deren nKchste Fortsetsung die erwähnte Darin-
sehlinge am oberen Ende der Geschwulst zu betrachten ist. Als
letzte Fortsetsung derselben sieht man endlich aus der Mitte der
linken Seite der Geschwulst noch eine Darroschlinge hervortreten.
Die HinterflKche der Geschwulst wird nach oben su von
einer Schlinge des lleum bedeckt, welche von rechts naeh links
verläuft und dann sich umbiegend wieder nach rechts geht. In
den ZwischenrSumen zwischen allen erwähnten Darmschlingen
bildet jene fibröse Hant die Wandung des fötalen Sackes.
In der vorderen Mastdarrowand findet sich, n" über der
Analöfi^nung, eine erbsengrosse Perforationssteile, welche in den
Fotalsack führt. Der Uterus ist von normaler Grösse, aber mit
dem Fundns nach links geneigt und gebogen. Beide Tuben sind
mit djen Wandungen des Fötalsackes verwachsen; die rechte
übrigens normal; die linke 4" lang gestreckt, ohne deutlich
erkennbare Fimbrien, in dem äusseren Theile ohne Lumen. Die
Ovarien atrophirt ; das linke nicht einmal sicher mehr nachweisbar.
Die innere Untersuchung des Sackes ergab, dass da, wo
Husse/lich die Wandung desselben mit Peritoneum überzogen
war, innerlich Schleimhaut mit deutlichen Valvulae conniventes
sich befanden. Itlntsprechend den zwei an der Hinterwand vorbri-
laufenden IleuDistücken fand sich eine Schleimhaut, welche der
hinteren Wand jener Darmstücke angehörte. Auf beiden Seiten
führten unregelmässige Oeffnungen aus dem Inneren des Sackes
in das Lumen verschiedener Darmschlingen. Der Fötalsack endete
nach unten blind im Douglcu^Bchen Räume. Die Höhle enthielt
das Skelett eines achtmonatlichen Fötus, welcher zusammen-
gebogen mit dem Kopfe nach oben nnd dem Rücken nach hinten
lag. Es fehlten an dem Skelette nur einige Wirbelbögen und
Endknochen der Extremitäten. Die Knochen hingen theils durch
Ligamente, theils durch eine schleimige Masse lose zusammen,
waren nur an wenigen Stellen von den in eine fettige Masse
übergegangenen Weichtheilen bedeckt.
Auf und zwischen den Skeletttheilen fand man Ueberreste
vegetabilischer Nahrungsmittel, unter denen Mohrrüben und
Spargelreste deutlich zu erkennen waren. Diese Speisereste
waren am meisten angehäuft in der Richtung der Queraze der
Geschwulst, zwischen den von rechts und links her einmündenden
Darmtheilen, und es zeigten einige der hier gelegenen Knochen
in Folge dieser Passage der Speisen eine bedeutende Resorption
ihrer Oberfläche. — Spuren einer Placentarstelle oder des Nabel-
stranges waren nicht zu entdecken.
Monattaohr. f. aeburtak. 1063. Bd. XXI., Suppl.-Uft. l2
178' ^^^* Kotisen «ob der Journal -Literatar.
Die Entstehnng des FötaUacke» kano man sich folgender-
maassen denken. Eine Tubo- abdominal -Schwangerschaft der
linken Tobe ging in Baochschwangerschaft über. Der hinter dem
Qterus belegene Frachtsack verwachs mit den Darmpartien und
durch Destraciion theils des Sackes, theils der Darmwandungen
wurden die übrig bleibenden Darmwandungen zugleich Wandungen
des Sackes. Die den Darm passirendeu Speisen mussten die
Höhlci besonders vor, zum Theil auch hinter den Fötusresten
durchwandern. Zu der tÖdtlich werdenden Peritonitis gab natür-
lich jene Perforation an der Vorderwand des Sackes Veranlassung,
flinter dem Fruchtsacke fehlten deshalb die Spuren von Ent-
zündung.
Die Schwangerschaft begann Ende 1854. Der Fötus starb
im Juli 1855. Die einige Zeit nach dem Tode des Fötus per
VHginam abgegangene Masse war wohl Decidua.
(Bibliothek for Lager, October 1860.)
Levy: Fall von Kaiserschnitt, tndicirt durch voll-
ständigen Verschluss der Mutterscbeide und des
Muttermundes.
Die 25jährige ii..., seit mehreren Jahren menstruirt, wurde
im März 1857 schwanger; bei dem öfters an ihr vollzogenen
Beischlafe soll immer eine vollständige Immissio penis statt-
gefunden haben. Im August wurde wegen eines Geschwüres an
den Geschlechtstheilen und starken Ausflusses eine Hebamme zu
der Schwangeren gerufen. Diese fand die Vagina für den Finger
unzugänglich. Am 10. December 4 Uhr- Morgens begann die
Geburt. Tags darauf fand der hinzugerufene Arzt an dem 2"
breiten Mittelfleische eine grosse Narbe, welche ringförmig auch
den After umgab. Die Scheide war 1" oberhalb ihres Introitus
verwachsen; auf ihrer hinteren Wand befand sich eine Narbe,
welche in die des Mittelfleisches überging. Per rectum fühlte
man den auf dem Beckeneingange liegenden Kindesschädel und
schien es, dass die Wandungen der Scheide im oberen Theile
vollständig mit einander verwachsen waren. Den 11. December
Abends 11 Uhr wurde der Kaiserschnitt in der Linea alba voll-
zogen. Der durch den Schnitt getroffene Mutterkuchen wurde
vollständig durchschnitten. Die Naht wurde durch dieSutura clavata
hergestellt und durch Heftpflaster unterstützt. Am folgenden Tage
Frostanfall, Erbrechen, Leibschmerzen. Tod den 13. September
Morgens.
Section. Die Biiuchwunde iHt verklebt; im unteren Ab-
schnitte der Wunde auf dem PeritonMum beginnende Exsudation;
Uterus gut contrahirt; die Wunde de» Uterus klaffte nach unten
SU, um den zurückgebliebenen Theil des Mutterkuchens. Levy
Vn. Notisen ans der Jonnial- Literatur. 179
untersveftte nun das Ton dem behandelnden Arste ihm ingesehickte,
ans der Leiche geschnittene Präparat der Beckenorgane; er fand
die Innenfläche des Uterns normal. Die Scheide ist von 2"
unterhalb des Muttermundes an bis zu diesem hin su einem
soliden I ^brÖsen Strang, ohne Spur von Schleimhaut oder von
einem Lnmen verwachsen. Aenssere Geschlechtstheile minder
entwickelt als gewöhnlich in der Schwangerschaft. Die Scheide
endet als Blindsack V/' über dem Introitus vaginae; der Fundus
vaginae mit Schleimhaut übersogen; die Narbe an der hinteren
Wand und am Perinäum sind so, wie oben schon erwähnt wurde.
Levy glaubt nun, dass die Verwachsung der Vagina schon
im sechsten Schwange rbchaftsmonate vorhanden gewesen ist,
dass ein diphtheritischer Process ausgab reitetcre Zerstörungen der
anliegenden Soheidenschleimhaut und auch wohl anderer Gebilde
bedingt haben müsste. Er kommt deshalb auf den Gedanken,
dass Aetzmittel die Verwachsung bedingt haben könnten. Ein-
spritsnngen von Scheidewasse r dienen nun in Schweden (wo sich
unser Fall ereignete) sum criminellen Abort und hierdurch lässt
sich Alles erklären: die Beschränkung des Processes, der Sitz
der 'Narben an der hinteren Wand der Vagina und dem Perinäum
und der Umstand, dass die Patientin in der, die Verwachsung
bedingenden Krankheit keine ärstliche Hülfe gebraucht hat. —
Bei so vollständiger Verwachsung der Vagina muss übrigens dtfr
Nutzen des Kaiserschnitts immer problematisch bleiben, da die
Lochien nur durch die Bauchwnnde ausfliessen können. Es kann
deshalb in einem solchen Falle gerathen sein, durch die vordere
Wand des Rectum und den Cervicaltheil des Uterus und die
Höhle des letzteren su dringen , was bei normalen Verhältnissen
des Peritonäum ohne dessen Verletzung geschehen kann ; in Vor-
liegendem Falle wäre das tiefe Herabtreten des Peritonäum im
Dougleu^schen Räume dieser Operation nicht günstig gewesen.
(Bibliothek for Lager, October 1860, p. 331.)
Niv0rii Ueber die spontane Entinndung der varicösen
Venen der unteren Extremitäten im Wochenbette.
Verfasser machte bei der letzten Puerperalfleberepidemie
in der Matemit^ zu Paris interessante Beobachtungen über obige
Krankheit.
Die Phlebitis der oberflächlichen Venen der unteren Ex-
tremitäten kann nach M. Cruv^lhier in zwei verschiedenen Formen
auftreten: sie kann nämlich suppurativ und nicht suppurativ
•ein. Erstere kann sich encystiren, der Eiter also nicht in den
Blutstrom hineingebracht werden, oder die eiterige Entzündung
kann eine freie sein und dann die purulente Infection herbei-
führen. Die nicht suppurative Phlebitis ist bald obliterirend
12*
180 ^I'- Notisen «ob der Joarnal- Literatur.
and adhäsiv nnd kann dann eine radicale Heilung der Varicen
folgen oder sie ist eine freie, d. h. die Entzündung giebt keine
Veranlassung £nr Eiterbildang, unterbricht also nicht oder unter-
druckt nur momentan die Circnlation im entzündeten Gefäsae,
doch auch diese Art der Phlebitis kann schwere Folgen haben
und Embolie bewirken.
Supparative Phlebitis. Bei den Wöchnerinnen, über
welche die Beobachtungen mitgetheilt werden, zeigte sich die
Entzündung der Venenwände nicht im ersten Anfalle, es traten
vielmehr vorher Symptome auf, welche an den Einflnss ' einer
puerperalen Epidemie glauben lassen: mehr oder minder heftige
Schmerzen im Unterleibe, ein beschleunigter Puls, der sich im
Mittel auf 108 erhob, ein heftiger Kopfschmerz, Fröste verschieden
an Intensität und Dauer waren die ersten Symptome, welche
sich zeigten.
Am Ende des zweiten oder dritten Tages erst kamen die
Zeichen der Phlebitis hinzu. Die Kranken klagten an ver-
schiedenen Stellen der unteren KxtreDiitäten über einen heftigeu
and stechenden Schmerz. Dieser Bchmerz, der an den mehr oder
wtiniger gekrümmten Lauf der Vene gebunden war, wurde durch
Drnck sehr vermehrt und war oft von einer brennenden Hitze
be«jrleitet, eine rothe Linie zeigte sich auf der Haut und folgte
allen Krümmungen der varicösen Vene, ein harter, resistenter,
schmerzhafter Strang erhob die Haut und von Distance zu
Distance fanden sich im Niveau der partiellen Ausbuchtungen der
Vene Knoten. Alle diese Zeichen waren sowohl für das Auge,
als auch für den Finger sehr leicht zu constatiren.
In keinem Falle konnte man Oedem der kranken Extremität
bemerken; das Zellgewebe, welches die Vene umgab, nahm an
der Entzündung Theil und eine phlegmonöse Induration konnte
leicht an den Stellen, wo Phlebitis vorhanden war, wahr-
genommen werden. In sehr kurzer Zeit zeigten sich Symptome
der schwersten Bedeutung; die Eiterung nahm schnell in den
Venenstämmen Platz und so wurde der Eiter in den Blutatrom
gebracht. Ein einziges Mal nur war die suppurative Phlebitis
eine encystirte, es bildeten sich kleine und oberflächliche Abscesse,
aus denen ein weisser, rahmiger, nicht mit geronnenem Blute ge*
mischter Eiter heraustrat. Die Heilung war in diesem Falle eine
vollfitändige, die Vernarbung Hess jedoch lange auf sich warten.
Die drei anderen beobachteten Fälle endigten mit der
purulenten Infection und dem Tode; Fröste vom einfachen Frost-
gefühle bis zum Zittern mit Zähneklappern folgten in kuriea
Zwischenräumen auf einander und zeigten die Mischung des
Eiters mit dem Blute au; die Zunge wurde trocken, die Zähne
und die Lippen bedeckten bich mit einem schwarzen Belege; ein
unauslöschlicher Durst, (Jebelkeit und m«^hr oder minder häufiges
yil, Notizen anR der Journal -Literatur. lg}
Erbrochen zeigten dich; eine gallige Diarrhoe, 10 — 15 Stühle in
24 Stunden, widerstand allen Verordnungen. Trotz dieser furcht-
baren »^yhiptoine klagten die Kranken dennoch über Hunger,
konnten jedoch nichts im Magen behalten.
Der Pnls war sehr beschleunigt, 106 — 132, gewöhnlich gross,
ohne Härtp, manchmal w.eich, einige Mal sehr markirt dicretisch.
Die Respiration wurde schwierig, die Ursache hiervon wnr,
wie sich später bei den Sectionen zeigte, entweder eitriger £r-
guss in die Pleuren oder metastatische A bscesse, Lungenödem
oder hypostatisehe Pneumonie.
Die Haut war ungewöhnlich heiss, von profusem 8ch weiss
bedeckt.
Was die cerebralen Symptome anlangt, so zeigten sich die
drei Kranken vollkommen rnhig und hatten kein Schmerzgefühl
mehr — sie befanden sich, sagten sie, sehr wohl. Endlich nahm
das Gesicht eine erdfahle, manchmal sogar eine subikterische
Färbung an und die Kranken starben ohne auf ihrem Oesichte
die Zeichen einer schmerzhaften Agonie zurückzulassen.
Die Seotion ergab in den zwei Füllen, in denen sie über-
haupt vorgenommen wurde, Resultate, wie man sie gewöhnlich
bei Phlebitis findet, an einigen Punkten des Gefässes fand man
Blutcoagula, sie waren schwarz, consistent, zwischen den Fingern
zerdriickbar und ganz ähnlich denen, welche man oberhalb einer
arteriellen Ligatur vorfindet. An einigen anderen Punkten war
der Blutpfropf, der schon in einem bestimmten Grade verändert
war, aus concentrischen, fibrinösen Ablagerungen bestehend,
von denen die finssersten am resistentesten und am wenigsten
gefärbt waren. In der Mitte fand sich' eine schwärzliche, leicht
mit den Fingern zerdrückbare Masse. An anderen Stellen waren
die Veränderungen bedeutend, im Centrum des Pfropfes sah
man eine weiche, schwärzliche, manchmal grauliche, eiterähnliche
Masse. ^ £ndlieh fand sich fast im ganzen Verlaufe des kranken
Gefässes eine Flüssigkeit, welche Eiter in den verschiedensten
Stufen der Umwandlung zu sein schien, sie hatte bald das An-
sehen des gesunden Eiters, bald das von Jauche. Diese röth-
liche, grauliche oder rahmige Flüssigkeit, die manchmal ganz
ähnlich dem phlegmonösen Eiter war, fand sich frei in der Mitte
der Gefässe, deren ganzen Canal sie ausfüllte.
An verfcohiedenen Punkten einiger Venen zeigten sich an
der inneren Gef&sswand Ulcerationen, in welche der Eiter sich
ergossen hatte und kleine Heerde bildete, die sich manchmal
zu grossen Abscessen vereinigten.
Was die Veränderungen der Gefässwände betrifft, so zeigten
si(t verschiedene Abstufungen, die Tunica interna war bald roth,
injicirt, runzelig und ihrer Glätte beraubt, bald von einer
körnigen Masse bedeckt, die sieh manchmal abziehen Hess, meist
182 ^I^* KotUen aas der Jonroal-Literatar.
jedoch der Gefaaswand anhing^. Diese plastische Ezsndation war
an einigen Punkten so stark, dass sie das Caliber des Oef&sses
▼erengte; die Tnnica media hatte eine sehr grosse Festigkeit,
die noch dadurch vermehrt wurde, dass sie mit der Tuniea externa
snsammenhing, welche verdeckt und von Serum und plastischer
Lymphe infiltrirt war. Das ganse Gefäss blieb, wenn es durch-
schnitten wurde, wie eine Arterie, offen stehen.
Was das Peritonäum anlangt, so war es in einem Fall gans
intact, im anderen Falle bot es dagegen eitrige Peritonitis dar —
in beiden Fällen war der Uterus der Dauer des Wochenbettes
nach gut involvirt, seine Innenseite war jedoch mit einer schwärs-
liehen, stinkenden Masse bedeckt. Alle Venen waren jedoch toU-
kommen intact, ebenso die Musculatur des Uterus.
Der Tod erfolgte in zwei Fällen am achten, in einem am
swansigsten Tage.
Der Verfasser nimmt nun an, dass die Phlebitis eine Folg^
von allgemeiner Blutveränderung sei und erster« dann die Pyämie
veranlasst habe; gestützt auf die sehr genaue Beobachtung der
drei Fälle, welche wir hier nicht näher mittheilen können, sieht
er folgende Schlüsse:
1) Die oberflächlichen und varicosen Venen oder unteren
Extremitäten können sich bei Wöchnerinnen spontan
entzünden.
2) Diese suppurative Phlebitis kann von der Epidemie be-
dingt worden sein.
8) Die purulente Infection ist die Folge der freien suppu-
rativen Phlebitis.
4) Diese suppurative Phlebitis kann sich ency stiren und
dann die Heilung möglich sein.
Spontane, adhäsive Phlebitis. Die Entzündung der
Varicen im Wochenbette hat nicht immer die traurigen, oben
beschriebenen Folgen, sehr oft ist sie' nur eine einfache' Throm-
bose, eine einfache vasculäre» Verstopfung durcb ein Blutcoagulum,
dieses kann einfach durch Compression herbeigeführt worden
sein, kann man aber diese Ursache nicht auffinden, so nimmt
man an, dass es das Resultat einer Mischung des Blutes mit
einer von aussen eingedrungenen Materie sei. Das Blutcoagulum
kann nun losgelöst werden und dann eine Embole bewirken oder
es können sich auch die fibrinösen Concretionen organisiren,
die Oefässe verstopfen und so eine radieale Heilung der Varicen
herbeiführen. Blot stellte der chirurgischen Gesellschaft zwei
Beobachtungen der radicalen Kur bedeutender Varicen vor; es
waren dies zwei Frauen, die im siebenten Monate schwanger
waren. Die varicösen Tumoren waren vierzehn Tage nach
der Entzündung total verschwunden, an ihrer Stelle zeigten sich
nur härtliche Stellen. Der Verfasser hat ebenfalls zwei Fälle
VIT. NotiBen aas der Joarnal-Literatar. Igg
hiervon beobachtet and dieselben in seiner Arbeit genan be-
schri«ben.
(Archives Genörales de M^decine, Aoüt 1862.)
König: Die perimetritischen ExSjiidate im Becken der
WSchn-erinnen.
>
Der primäre Sitz dieser perimetrftischen (parametritischen,
Virchow) Exsudate ist das lockere Bindegewebe zwischen den
breiten Mntterbäudern) welches nnnnterbrochen in das snbperi-
tonSale Gewebe der Nachbartheile übergeht. Verfasser studirte
die eigenthumliche Verbreitungsweise dieser Exsudate und stellt,
gestützt auf die Beobachtung einer grösseren Anzahl von Fällen,
sowie auf Injectionsversucbe an geeigneten Leichen folgende
Sätze auf:
1. Ein in der Nähe der Tuben und der Eierstöcke in dem
Bindegewebe des breiten Mutterbandes sich entwickelndes Ex-
sudat breitet sich primär nach dem Verlaufe des Psoas und Iliacus
aus; erst dann senkt es sich in das kleine Becken.
2. Die Exsudate, welche sich primär in dem tieferen Binde-
gewebe an der vorderen seitlichen Gegend des Ueberganges der
Gebärmutter in den Halstheil entwickeln, füllen zuerst das Zell-
gewebe des kleinen Beckens seitlich von den tieferen Theilen
der Gebärmutter und der Blase und gehen dann erst meist mit
dem runden Mutterbande nach dem jPoupar^'schen Bande und dem
Leistenringe. Von da gehen sie in die Fossa iliaca nach aus-
und rückwärts.
3. Die von der hinteren Basis des Mutterbandes sich ent-
wickelnden Abscesse füllen erst die hinteren Seitentheile des
Beckens und verfolgen dann den unter 1. geschilderten Weg.
4. In der späteren Zeit der Entwickelung. gleicht sich dies
aus, indem die genannten Theile des Bauchfelles gleichmässig
abgehoben werden.
5. Bei Versenkung des Eiters nach dem PouparV »chen
Bande hin löst sich schon beim Vorhandensein einer geringen
Menge von Flüssigkeit das Bauchfell so weit von dem genannten
Bande- ab, dass ein Stich etwa IV9 Finger breit über demselben
noch diesseits des Bauchfelles die Bauchdecken durchdringt.
Durch diese Verschiedenheit des Ortes wird die Verschieden-
heit der Symptome erklärt. Localer Schmerz fehlt fast nie, ist
meist bedeutend, besteht spontan oder wird nur durch Druck
hervorgerufen. Auf die Gegend eines breiten Mutterbandes
iixirter Schmers deutet in vielen Fällen den Anfang der Ent-
aündung an. Durch Druck des Exsudates auf die durch das
Becken verlaufenden Nerven werden neuralgische Empfindungen
]Lg4 VlI. Notisen aas der Journal -LHeratiir.
henrorgerufen, welche sich bald als reissende, bohrende Schmer-
Ken, bald mehr als abnormes Gefühl von Kälte, Warme, Ameisen«
kriechen darstellen — besonders häufig wird der N. cutan. ext.,
in andern Fällen mehr der cruralis oder ischiadicus betroffen.
Eine sehr lebhafte Schmerzempfinduug wird durch die Spannung
des von Exsudat umspülten Psoas bei Bewegungen hervorgernfen;
das Bestreben des Kranken, dem Schenkel eine für den be-
treffenden Muskel möglichst schmerzlose Haltung cu wahren, be-
dingt daher zugleich Störung in den Functionen des Oberschenkels
von leichtem Hinken bis zu spitzwinkliger Contractur im Hüft»
gelenke. Ausserdem sind meist schmerzhafte Empfindungen in der
Tiefe des Beckens, durch den Druck hervorgerufene Schmerzen in
den Organen des Beckens vorhanden, doch selten von hervor-
ragender Intensität. Durch Druck auf die GefUsse entstehen zu-
weilen Schwächung des Pulses und Gefühl von Kälte an dem be-
treffenden Fusse, häafig Oedeme, meist von venöser Stase, selten
von weitverbreiteter Venenverstopfung abhängig. Stuhl Verstopfung
wird meist beobachtet, als deren Ursache namentlich auch die
Fixirung des Darmes durch den Druck des Exsudates und die
ontznndliche Verhärtung des umgebenden Gewebes zu betrachten
ist. Durchfall findet nich häufiger im Beginn der Krankheit und ist
dann mehr bedingt durch einen begleitenden Katarrh der Darm-
schleimhaut; später auftretend ist er meist als Eiterentleerung in
das Rectum aufzufassen. Ausserdem findet sich noch häufiger durch
Druck auf die Blase bedingter Trieb zum Urinlassen, oft auch
Katarrh der Blase und der Scheide, wohl zu unterscheiden vom
Eiterdurchbruche in die nämlichen Organe.
Fast in allen Fällen kann man von den Banchdecken aus
das Exsudat fühlen. Seiton fehlt jede äusserlich erkennbare
Schwellung. Meist fühlt man schon früh eine harte, runde
Schwellung in der Gegend des Ovarinm, in anderen Fällen ent-
deckt man eine harte Geschwulst, welche mehr die seitlichen
Theile der Blaser einnimmt und von da nach dem inneren Drittel
des Poupart^BchQU Bandes sich ausdehnt. Meist aber findet man
die Grenzen der Schwellung schon weiter gehend. In ver-
schiedener Höhe, 1 — 2 Zoll hoch, handhoch und mehr über dem
Poifpar^ sehen Band sich erstreckend, die ganze Breite desselben
einnehmend oder auch den innersten oder äussersten Theil frei
lassend, findet man eine harte, wenig- gewölbte, nach oben mit
runden Grenzen in das kleine Becken sich verlierende Schwellung.
Am Pottjoar^'schen Bande, wo meist zuerst die innere Hälfte be-
troffen ist, so dass die Schwellung dann bis etwa einen Zoll von
der Mittellinie reicht, ist dieselbe selten scharf umschrieben.
Die Härte geht allmälig in ein weiches Oedem über, welches in
Verbindung mit den leicbt geschwollenen Drüsen die Schenkel-
beuge ausfüllt. Die Breite einer halben Hand gilt wohl als
VII. Notiien am der Jonrtial-LUeratar. 185
Dnrehsehiiitt f&r die obere Orettse des Exsudates ober dem Bande.
Die Gesobwnlst seichnet sich meist darob ihre Härte ans.
Flttetvation findet man anch bei bedentenden Eiteransammlnng^ea
selten über grössere Strecken der Geschwulst verbreitet. Klei-
nere flnctnirende Stellen sind dagegen öfter über dem Pou-
parf 9ehen Bande an bemerken, noch h&nfiger aber kleine, schmers-
hafte wetehe Grübchen in dem harten Gewebe, welche anf eine
Krweichnng der den Abscess deckenden Gewebe dnrch den der
Oberfläche sich nähernden Eiter deuten und vom Verfasser mit
dem Namen „Gewebslücken" beieichnet werden.
Von den PereussionsTerhältnissen hebt Verfasser nur die
Dfimpfnng am Boden der Geschwulst als tür die Ablösung des
liauchfoHs sprechend hervor. Bei den höher gelegenen Theilen
war bald uesgesprochene DUmpfung, bald wieder bei Torge-
ld chobenen Darmschlingen weniger gedämpfter Ton au hören,
meist war die Dämpfung wenigstens stärker, als anf der entgegen-
^esetatcn Seite. Bei Beschränkung der 'Schwellung anf die Gegend
der breiten Mutterbänder und Vorlagerung von lufthaltigen Darm-
schlingen ward natürlich keine Dämpfung auf der Geschwulst
gefunden.
Findet nmn bei der Untersuchung durch Scheide und Mast-
darm eine Schwellung, so ist dieselbe meist durch beide Organe
gleichseitig zu bemerken; sie stellt sich je nach ihrer Ent-
wickelung in Bezug auf Grösse, Lage und Gestalt verschieden
dar. In ausgedehnten Fällen werden Gebärmutter, Blase und
Darm herunter und nach der Seite gedrängt. Wegen der harten
Schwellung des die Wandung des Exsudatheerdes bildenden Ge-
webes ist auch von hier aus die Fluctuation selten in früher
2^eit fühlbar, doch konnte Verfasser auch hier die oben er-
wähnten „Gewebslücken" fühlen. Zuweilen findet man nicht
die Geschwulst selbst, aber mit derselben in Zusammenhang zu
bringende Symptome, s. B. Fixirung des Uterus, zuweilen mit
einem auffallenden Hochstehen desselben, wahrscheinlich bei
Entwickelung des Exsudates in den höchsten Theilen des breiten
Mutterbandes.
Die die Krankheit begleitenden Allgemeinerscheinungen
sind Fieber mit abendlichen Exacerbationen, welches fast nie
fehlt und zuweilen mit einem oder wiederholten Schüttelfrösten
beginnt, gastrische Erscheinungen von leichter Störung des
Appetites bis zu vollkommenstem Darniederliegen der Verdauung,
und die ans beiden Symptomengruppen resultirende Anämie und
Abmagerung, welche selbst den leichtesten Fällen eigen ist. (?)
Wenn anch der Anfang der Entzündung schon in der letzten
Zeit der Schwangerschaft stattfinden kann, so sind doch die
ersten vior Wochen nach der Geburt die Zeit, in welcher sich
am häufigsten die puerperalen FJxsudate entwickeln. Die Dauer
186 VII. Notiien aus der Jon mal- Lite ralur.
der Krankheit hängt ab yon der Art, in welcher dieselbe endigt.
Tritt Resorption ein, 00 scheint dieselbe wohl meist in der Tierten
Woche sa be^nnen. Die sich frtthseitig mit gehörig den Eiter ans-
fliessen lassender ErÖfinang durch Blase oder Dann entscheidenden
Exsudate heilen meist in Terhllltnissmässig ebenso rascher Zeit,
3 — 6 Wochen, wie die kfinstlich mit gehörig grossem Schnitt er-
öffneten. Die längste Daner haben die sich spät mit langen
Fistelg&ngen öffnenden Abscesse.
Anf die Anwesenheit von grösseren Mengen Eiters lassen
Berücksichtigung der Zeitdauer des Exsudates, sowie des mehr
acuten oder chronischen Verlaufs, abendliche Exacerbation des
Fiebers und Vermehrung der Schmershaftigkeit schliessen. Der-
gleichen Exsudate können in die einaelnen Beckenorgane per-
foriren; am häufigsten und mit der günstigsten Prognose ge*
schiebt dies in den Darm, oft und meist ebenfalls mit günstigem
Ausgange in die Blase. Eintreten des Inhalts der perforirten
Organe, in die Absces^höfile, wodurch Zersetsnngsprocesse ein-
geleitet werden könnten, kommt nicht zu Stande nach DMpuyiren
wegen der allmäligen Entleerung der Abscesse, wegen der schiefen
Richtung der Oeffnung, wegen Ablösung des dann als Ventil
dienenden Darmes. Verfasser fugt diesen Gründen hlnsu die
trockene Beschaff'enheit der Stühle, den Druck der Bauchpresse
auf die peritonäale Oberfläche der Abscesswandnngen, günstige
Lage und Schiefheit der Oeffnung. Erwähnt sei noch, dass die
Nähe des Darmes an der Abscesshöhle genügt, um dem Eiter
Kothgeruch mitzntheilen, so dass dieser Oeruch des auf irgend
welchem Wege entleerten Eiters kein Beweis für Communication
des Darmes mit der Abscesshöhle ist. Perforation des Uterus
ist selten wegen der Dicke und Festigkeit seines Gewebes; der
Eiter erhält aus demselben Grunde auch meist nur ungenügenden
Ausfluss, wober die betreffenden Fälle des Verfassers einen sehr
protrahirten Verlauf zeigten. Weit günstiger und häufiger sind
die Eröffnungen in die Scheide; die Einführung des Spiegels ist
bei Schenkelbeugung, Schamlippenödem, Schmerzhaftigkeit , au
unterlassen. Durchbrucb nach der äusseren Haut kann statt-
finden oberhalb des Lig. Poupartii, wie unterhalb desselben,
und hier besonders an drei Stellen , entsprechend den Austritts-
stellen der Gefässe, der Muskeln und des N. cutan. ext. Die
Abscesse, welche aus den vorderen tiefen, die Basis des Lig.
latum bildenden Bindegewebe sich entwickeln, versenken sich
mit dem Lig. rotundum auf die innere oder äussere Seite der
Sühenkelgefässscheide und kommen dann entweder aussen am
Schenkelringe zum Vorschein, oder versenken sich noch weiter
nach unten oder seitlich nach innen unter dem Gracilis durch
nach den Adductoren. Die mit dem Psoas von der Gegend des
Ovarium kommenden Eiterungen haben wohl auch wesentlich
'>VII. Notiien ans der Journal- Literatur. 187
die Tendenz, sich auf der Aussenseite der Schenk elgef&iiecheide
oder mit der Mnskelscheide su Teraenken, oder sie kommen
noch weiter aussen, etwa 1 — IV, Zoll Ton der Spina superior in
der Gegend des Cutan. ext. aum Vorschein und liegen dann ent-
weder an der Innenseite neben dem Sartorius, oder sie senken
sich unter demselben nach der Aussenseite des Schenkels hin.
Auch in der Lendengegend bricht der Eiter suweilen durch,
indem er anr Seite der Sehne des Quadrat. lumb. aus dem Becken
tritt; ebenso beobachtete man Olutaeenabseesse nach Versenkung
durch das Foramen ischiadicum. Sehr selten ist Versenkung
nach der Haut des Mittelfleisches, am allerseltensten Perforation
nach dem Bauchfell. Die h&ufigsten Senkungen sind die unter-
halb des PotipaW*schen Bandes; dann folgen die in den Darm;
nach diesen stehen sich die in Blase und Scheide hu Häufigkeit
(vohl gleich, während die übrigen gleich selten vorkommen.
Die Entleerung des Eiters ist von ausserordentlich günstiger
Einwirkung auf das Befinden der Kranken; Schmerzen un^ Fieber
nehmen rasch ab, Appetit, Kräfte und Körperfülle kehren zurück ;
dies alles jedoch nur da, wo der Eiter frei abfliessen kann. Da-
liegen werden die Kräfte der Kranken aufgerieben bei mangel-
hafter Entleerung and Verschleppung des Processes; ebenso er-
liegen die Kranken bei später Eröffnung eines Abscesses von
bedeutender Ausdehnung, indem dann ein grosser Theil der in
sein Bereich fallenden Gewebe in den Zerstörungsprocess mit
einbezogen ist, durch rasch eintretende Verjauchung oder lang-
. wierige, erschöpfende Eiterung. Verhältnissmässig seltene Aus-
gänge sind Tod durch Pyämie, sowie durch Perforationsperitonitis.
Nach der Heilang können hinkender Gang, Unfruchtbarkeit,
Störung der Menses, Schmerzen beim Coitus zurückbleiben.
Was die differenzielle Diagnostik anbelangt, so kann bei
Hüftcontractur, Schwellung und Schmerz in der Gegend des
Hüftgelenks die Ausschliessung einer Affection dieses Gelenks
von grosser Schwierigkeit sein, oder bei gleichzeitiger Fest-
stellung eines solchen die Entscheidung über die Priorität.
Ausserdem macht die meisten Schwierigkeiten die Ausschliessung
eines intraperitonäalen Exsudates. Die absolute Unwahrschein-
lichkeit eines solchen ergiebt sich jedoOh für eine Reihe von
Fällen, welche ganz ohne primäre peritonitiscbe Symptome auf-
treten. Sehr unwahrscheinlich ist auch, dass die Exsudate,
welche sich rasch nach dem Schenkelringe, dem Foramen isch
etc. versenken, intraperitonäale sind. Für diejenigen Fälle,
welche sich nach deutlichen peritonitischen .Symptomen ent-
wickelten, und deren Symptome auch allenfalls auf ein abge-
kapseltes peritonitisches Exsudat schliessen lassen, entscheidet
der £nt wickelungsgang. Die intraperitonäalen Exsudate sind
gleich im Entstehen mehr gross und weich, sie werden erst
igg VII. Notiien aos der Journal -Literatur.
härter mit dem Callöswerden ihrer Kapsel and intt der Resorption;
be! den eztraperitonäalen, welche mit einer harten kleinen
Schwellung anfangen, zeigt sich die Erweichung erst spKt mit
dem starken Wachsthnme der Geschwulst. Bei intraperitonäalen
Exsudaten erreichen die durch den Druck derselben hervor-
gerufenen Erscheinungen wohl nie die Hohe, wie bei den
zwischen das Bauchfell und die betreffenden Organe sich hinein-
schiebenden«
Die perimetritischen Exsudate entstehen bei Wöchnerinnen
entweder als selbstständige Krankheiten, analog den acuten
Abscessen an andern Körperstellen, wohei in der vorausgehenden
Geburt, wie in derRückbildung des Uterus mancherlei begünstigende
Momente aufzufinden sind, oder secundSr als Theilcrscheinnng
eines Puerperalfiebers und bleiben nach Verschwinden der übrigen
Symptome gleichsam als selbstständige Krankheit surfick. Für
die selbstst&ndige Form ist der Ausgang viel hKufiger günstig,
als für die secnndHre, bei welcher die Prognose' von dem heftigen
puerperalen Fieber und der Neigung der Exsudate zum Necro-
siren getrübt wird.
Hinsichtlich der Therapie verwirft Verfasser Alles, was
geeignet ist, die Kräfte der Kranken noch mehr zu erschöpfen,
namentlich auch Blutentziehungen, empfiehlt dagegen leicht ver-
dauliche, nährende Speisen, Sorge für offnen Leib», möglichst
ruhige Lage, Narcotica, eine Eisblase auf den entsprechenden
Theil, oder, wo diese nicht vertragen wird, kühle oder warme
UmschlUge nach dem Befinden der Kranken. In der Eiterungs-
periode ist durch geeignete Diät auf Erhaltung der Kräfte, sowie
auf Linderung der Schmerzen durch Opiate, starke Chloroform-
linimente, ruhige Lage, Unterstützung des Schenkels, nöthigen-
falls durch eine schiefe Ebene, hinzuwirken. Eine Hauptsache
bleibt die frühzeitige Entleerung des Eiters. In leichteren Fällen,
bei Abwesenheit dringender Symptome kann man das Auftreten
einer umschrieben fluctuirenden Stelle abwarten; verläuft da-
gegen die Affection mit schweren Symptomen, wie bedeutender
Schwellung, sehr heftigen Schmerzen, zunehmender Hüftcontractur,
und lassen die Allgemeinerscheiuungen auf Eiterung schliessen,
80 ist die Operation unter Leitung der „Gewebslücken'' vorzu-
nehmen; bei Nichtauffindbarkeit derselben schlägt Verfasser^
gestützt auf Reine subperitonäHlen Injectionen , vor, die Stelle
nach auswärts von der Oefassscheide etwa einen halben Zoll
breit über dem FovparVschen Bande zu wählen, wo man vor Ver-
letzungen von GefäFsen wie des Bauchfells sicher ist, oder man
kann nach Roter den Schenkelring bioslegen, an seiner äusseren
Seite eine Kornzange einfuhren und durch Ausdehnen derselben
die OeiTnung erweitern. Verfasser räth au schichtenwetser Prä-
parirnng und Erweiterung mittels der Kornzange, verwirft da-
VTI. Notiien ans der Jounial-Literatar. Ig9
gegen den Gebrauch des Troicart wegen der Möglichkeit, einen
Dann damit lu verletien, sowie wegen der Kleinheit der durch
ihn gesetzten Wunde, welche dem Eiter keinen genügenden Ab-
fluss gestattet.
Erwähnt sei noch» dass der Werth der verdienstTollen Arbeit
erhöht wird durch den Nachweis der betreffenden Literatur, wie
durch Miftheilung eigener Beobachtungen des Verfassers.
(Archiv d. Heilkunde, 1862, 6. Heft.)
Kussmaul: Ueber geschlechtliche Frühreife.
Ein 1 Jahr 7 Monate altes MXdchen, dessen Aeltern und
fünf Geschwister vollständig gesund waren, war bisher ebenfalls
gesund gewesen bis auf eine starke Anschwellung des Unterleibes,
die sich seit einigen Wochen eingestellt hatte. Dr. QeinitZy nach
dessen Aufseiohnungen K. den Fall beschreibt, fand jene von
Wasseransammlung in der Bauchhöhle herrührend, das Kind im
Uebrigen gesund, leidlich genährt, seine Grösse dem Alter ent-
sprechend, dabei aber beide Brustdrüsen entwickelt, gerundet,
ohne Härte, die Brustwarsen herro r ragen d , die grossen Scham-
lippen gleichfalls stark entwickelt, mit '/Z' langen, etwas gelockten
Haaren besetzt, in jeder derselben einen rundlichen, weichen,
beweglichen Körper an einem Strange hängend, welcher bis in
den Leistenoanal hinein zu verfolgen war. Der Tumor in der
rechten Schamlippe hatte die Grösse einer Haselnuss , der in der
linken die Grösse eines Taubeneies; letzterer ging später in
Eiterung über. Aus den Geschlechtstheilen waren vor einiger
Zeit Tropfen Blutes geflossen, und vier Wochen später trat
förmliche Menstruation ein. Nach Entleerung von 5 preuss. Quart
Wasser fühlte man im unteren Theile des Bauches ziemlich in
der Mittellinie eine faustgrosse, ovale, glatte Geschwulst von
der Consistens eines Fibroides, die sich leicht nach beiden Seiton
und nach unten ver.'ichieben liess, jedoch nicht nach oben, so dass
sie nach unten und hinten an einem Stiele zu sitzen schien.
Wiederholung der Paracentese nach drei Wochen; darauf erneute
Anschwollnng, Erbrechen, Durchfall, Fieber, Abmagerung; Tod
4 Wochen nach der zweiten Function. Die Section ergab Peritonitis
mit serös - faserstoffiger Ezsndation; die inneren Oeschlechtstheile
wurden K. zugesendet. Dieser fand die Scheide in starke Quer-
mnzeln gelegt, den Uterus von einer Entwiekelung, wie sie bei
beginnender Pubertät getroffen wird, die Ligg. lata und rotunda
durch Zunahme ihrer glatten Muskulatur verdickt. Das rechte
runde Mutterband war in seinem äusseren, in der grossen Scham-
lippe befindlich gewesenen Ende zu einem länglich eiförmigen,
derben, aus glatten Muskelfasern bestehenden Körper von 7
r* '**
190 ^^I* Notizen kob der Jonrnal- Lite rata r.
Länge; 4'" Breite und 2V«'" Dicke angeschwollen, der eine erbeen-
groBse, glattwandige, rnnde» mit eingedicktem Eiter erfQllte
Höhle in sich schloss; der an dem linken befiodlich gewesene
Körper war durch Verjauchnng zerstört worden. Der rechfe
Eierstock war 30'" lang, 21'" breit und bis zu 8"' diek, sonst
von der Gestalt und Consistens eines reifen Eierstocks, auf der
Durchschnittsfläche granlichweiss und grangelblich marmorirt,
eine fibrilläre Streifung erkennbar. Unter dem Mikroskope zeigten
sich starke Gefässzüge, die sich durch die Geschwnlst verzweigten
und' maschenförmig Gewebsmassen umgriffen , die aus zahllosen
dichtgedrängten, spindelförmigen Zellen mit Kernen bestanden,
in den peripherischen Theilen einzelne Eikapseln mit den Eiern.
An dem linken Eierstocke wie an den Tuben wurden keine be-
deutenderen Veränderungen gefunden. Die Neubildung betrachtet
K. als Sarkom, die Kosten der runden Mutterbänder als die ab-
geschnürten untersten Endstücke der Divertleula Nuckii. Im
Uebrigen ist er der Ansicht, dass die krankhaften Veränderungen
am Eierstocke auf die übrigen Geschlechtstheile zurückgewirkt
und hier vorzeitiges Wachsen und Reifen hervorgerufen haben.
An diesen Fall anknüpfend verbreitet sich Verf. zunKchüt
über die Krankheiten des kindlichen Eierstockes mit Ausscbinjts
der schon beim Fötus sehr oft vorkommenden Entzündung des
serösen Ueberzuges und der Dislocationen. Folgende primäre
Krankheiten des Eierstockes sind bis jetzt beim Kinde beobachtet
worden: Blutungen in das Parenchjm mit Ausdehnung desselben
zu einem kystoiden Maschenwerke, Abscessbildung, seröse Kyzten,
Dermoidkysten , sarkomatöse und krebsige Neubildungen.
Zur Besprechung der vorzeitigen geschlechtlichen Ent-
Wickelung übergehend bemerkt Verf., dass in den von ihm zn-
sammengestellten Fällen sich die ursächlichen Momente in der
Regel nicht auffinden Hessen; drei Mal trat sie im Gefolge von
Sarkomen und Krebsen eines oder beider Eierstöcke ein, einige
Male in Begleitung von Rhachttis und Hydrocephalus ; auch kann
sie Folge vorzeitiger Erregung des Geschlechtstriebes, namentlich
der Vollziehung des Beischlafes vor dem Eintritte der Reife
sein, — in den letzten drei Kategorieen wird vielleicht die
prKcipitirte Reife der Geschlechtstheile eonsensuell durch gewisse
Veränderungen angeregt, welche das centrale Organ des Ge-
schlechtstriebes erleidet.
Die geschlechtliche Frühreife kann schon in der Periode
des Fötallebens ihren Anfang nehmen. Viel öfter beginnt die
vorschnelle Reifung der Geschlechtstheile erst nach der Geburt,
zuweilen vor Ablauf des ersten Lebensjahres, gewöhnlieh erst
später. Doch zeichneten sieh auch solche Kinder, falls die
Pnliertät überhaupt in den ersten Lebensjahren eintrat, meist
schon bei der Geburt durch eine Ansehnliche, selbst ungewöhn-
VII. Notizen aaa der Jonrnal-Literfttar. 191
Hebe Körpergrösse aus, so dass die Triebfeder der vorzeitigen
Entwiekelnng schon in der intrauterinen Zeit des Lebens sn
wirken scheint und die betreffenden ITüUe daher den angeborenen
Bildangsfeblern sagesählt werden dürfen. Vollendpte Reife ist
bei Neugeborenen noch nicht beobachtet worden. Bei Knaben
kann die Geschlechtsreife schon im Verlaufe des zweiten Lebens-
jahres ganz oder nahezu vollendet sein, — der früheste Terniin,
in welcbem ein vor der Zeit körperlich und geschlechtlich toU-
koramen reif gewordenes Mädchen concipirte, ist das »chte Jahr.
Die Monatsblutung erschien zuweilen unter den ersten Symptomen
der Frühreife, andere Male gingen ihr andere Zeichen voraus,
in den meisten Fftllen werden genaue Beobachtungen über das
auccessive Eintreten der einzelnen Erscheinungen vermiHüt. Die
Behaarung der Geschlechtstheile ging der Menstruation bald
voraus, bald na eh.
Besüglicb des Verhältnisses der vorzeitigen geschlechtlichen
£ntwickelung zu dem Wachsthume des Körpers unterscheidet
Verf. drei Hauptformen: die einfache vorschnelle Körperreife,
die monströse vorschnelle Körperreife, die isolirte geschlechtliche
Frühreife.
Bei der einfachen vorzeitigen Körperreife handelt es sich
am ein ungewöhnlich rasches Durcheilen der beiden Entwickelungs-
stnfen der Kindheit und des Jünglingsalters, so dass in der
Hälfte der gewöhnlichen Zeit oder noch schneller nicht nur die
Geschlechtsreife, sondern auch das Wachsthum vollendet wird.
Doch hält mit der körperlichen die geistige Entwickelung niemsls
gleichen Schritt; diese bleibt nicht selten sogar hinter der von
gleich alten Kindern zurück. Die gewöhnliche Ordnung, in
welcher der Mensch die Stadien des ersten Zahnens, des Zahn-
wechsels und der Geschlechtsreife zu durchlaufen pflegt, wird
bei der präcipitirten Entwickelpng fast nie genauer eingehalten;
in der Regel tritt die Pubertät vor dem vollendeten Zahn Wechsel,
oft selbst vor oder doch mit dem ersten Zahnausbruche ein, auch
wenn dieser und der Zahnwechsel gleichfalls vorzeitig erfolgen.
Dab Verhftltniss der geschlechtliehen Frühreife zum Körper-
waohsthume pflegt der Art zu sein, dass bald ein vorschnelles,
kräftiges Körp erwachs thum die vorzeitige Pubertät einleitet, bald
Zeichen der letzteren das erste ankündigen. Das vorschnelle
Wachsen pflegt anfangs am rapidesten vorzuschreiten und mit
zunehmender Geschlechtsreife abzunehmen; nach Vollendung
derselben hört das Längenwachsthum auf. Die einfache prä-
cipitirte Körperentwickelung kann, wenigstens bei Mädchen,
schliesslich zu einem gftiz ebenmässigen Bau führen ; in seltenen
Fällen ist dabei die Entwickelung der Gesohlechtstheile nicht
nur eine vorschnelle, sondern auch eine excedirende. Die
Annahme, dass frühreife Menschen auch früh altern. und sterben
mn.«sten, ist irrig.
192 ^11- Notisen ans der Journal- Literatur.
Bei der monströsen vorzeitigen Körperretfe conlbinirt sich
die vorschnelle Korperreife mit eioer excedirenden, ein monströses
Aussehen bedingenden Fettbildung. Sie ist bei weitem selten«"?
als die einfache vorzeitige EÖrperreife, doch seheinen Uebergangs-
formen vorzukommen. Man darf die monstrOse vorieitige Körper-
reife weder mit der einfachen Fettsucht 4^r Kinder noch mit
einer monströsen vorzeitigen Entwickelnng des Körpers ohne
Bethelligung der Geschlechtssphäre verwechseln» Schon in der
frühesten Kindheit, sogar beim Fötus, kann das Fettgewebe bp-
deutend wuchern, ohne dass der Körper oder die Oeschlechti^-
theile sich vorzeitig entwickelten; eine solche frühzeitige Fett-
sucht kann von selbst mit fortschreitendem' Wachsthume wiediT
schwinden; kräftige Personen erreichen zuweilen mit früh be-
ginnender und zunehmender Fettsucht das Mannes-, selbst das
Qreisenalter. Bei der vorschnellen Entwickelung des Körpers
mit Fettsucht ohne Betheiligung der GeschlechtssphKre geht da«
Wachsthum in die Länge und Breite vorschnell vor sich, Knochen.
Muskeln und Fettgewebe entwickeln sich mächtig, aber die
Sezualorgane bleiben kindlich.
Die isolirte vorzeitige geschlechtliche Entwickelung wurde
bei Knaben nie gesehen, höchstens überwog die geschlechtliche
Entwickelung anfangs eine Zeit lang beträchtlich die der übrigen
Systeme. Bei Mädchen wurde dagegen nicht nur mitunter eine
überwiegende, sondern auch in einzelnen, äusserst seltenen Fällen
eine isolirte vorschnelle geschlechtliche Entwickelung beobachtet.
(Wurzb. med. Zeitschr., 3. Bd., 4. u. 5. Heft, 1862.)
Bohr: Ueber das Athmen der Kinder vor der Geburt.
Nach einem historischen (Jeberblicke über die mannichfachen
hierher bezüglichen physiologischen Controversen nimmt Verf. die
JSVaAf»0r*sche Theorie der voraeitigen Athmnngsbewegnngen zum
Ausgangspunkte seiner Beobachtungen. In allen Fällen, wo der
Wechselverkehr zwischen kindlichem und mütterlichem Binte
unterbrochen wird, sei es durch pathologische Zustände vor oder
während der früh- oder rechtzeitigen Gebnrt, sei es durch die
physiologische Ausstossung des Kindes, treten rythmische Hebungen
des Thorax ein, ausgelöst auf reflectorischem Wege durch die
Medulla oblongata, welche ihrerseits dadurch erregt wird, dass
die peripherischen Nerven den jeweiligen Zustand ihrer eigenen
Stoffmetamorphose, also hier die relative Kohlensäureüberladnng
des zu ihrer Ernährung dienenden .dhtes, in centripetaler
Richtung zum Gehirn fortleiten. Dem bekannten physikalischen
Gosetze folgend tritt jedes geeignete, in unmittelbarer Nähe
befindliche Medium in die Canalsysteme des erweiterten Brust-
kastens ein.
VII. Notisen aiu der Joarnal- Literatur. 193
D«8 Trachealsjstem fallt sich nur dann mit Luft, wenn
diese frei einströmen kann, was während der Geburt nur nnter
gans besonderen Verhältnissen der Fall ist, und wenn die
Traoheal- nnd Rippenknorpel bereits genügende Elastieität and
Besistens besitsen, am der Drackdifferens zwischen der äusseren
und der inspirirten Luft gegenüber das Lnmen des Canals o<fen
SU erhalten. Diese Kesistens fehlt aber vor der 24. Woche
des Fötallebens. Sind die Respirationsöffnungen von anderen
Medien amgeben, so werden auch diese aspirirt und füllen die
T|«cheulversweigongen. Das Eindringen von Flüssigkeiten erfolgt
höchstens bis in die feineren Bronchialzweige , da jene nicht
elastisch genug sind, am eine massenhafte Zertheilung in die
unendlich vielen, feinen und noch nie ausgedehnten Lungen-
bläschen snsulassen. Das Eindringen von Flüssigkeit in das
Tracheairohr ist bei unreifen Früchten eher möglich, als das
von Luft, weil die Druckdifferenz zwischen dem umgebenden
und eingesaugten Medium weit geringer ist, als die bei der
Luftathmung, und weil das unentwickelte Lumen der Knorpel
durch das consistentere Wasser leichter entfaltet und auseinander-
gehalten wird, als durch die dünne und comprimirbare Luft.
Die inspiratorische Einsaugung flüssiger und fester Medien ist
mit Schlingbewegungen verbanden, die beim Fassiren des Schlund-
kopfes hervorgerufen werden. Qänsliches oder theilweises Leer-
bleiben des Trachealsystems bei vorzeitigen Athembewegungen
kommt SU Stande bei Verschliessung der Respirationsöffnungen
durch enges Anliegen mütterlicher Theile.
Die Ausdehnung des Thorax bewirkt aber auch gleichzeitig
eine stärkere Füllung der Lungenblutbahn. Das Blut des rechten
Ventrikels wird bei den ersten Inspirationen zuerst in einem
atärkeren Strome aus seinem fötalen Laufe abgelenkt und in die
Bahn der Pulmonalarterienäste und Capillaren eingepumpt. Bei
Behinderung des Luftzutrittes muss natürlich das Missverhältniss
in dem sich entfaltenden Räume durch Zuströmen einer grösseren
Blutmasse ausgeglichen werden. Bei Fortdauer der Ursache pflanzt
•ich dann die Stauung rückwärts zum Herzen und den venösen
Gefiissen fort. Wegen der Dnnnwandigkeit und leichten Zer-
reiesliehkeit der Capillaren äussert sich beim Fötus wie beim
Neugeborenen jede stärkere Hyperämie der Lungen durch Blnt-
austritte der verschiedensten Art.
Voneitiges Athmen zieht nicht immer den Untergang der
Frucht nach sich, — der Grad der nsphjctisehen Intoxication
und die Möglichkeit der Exspiration der eingesaugten Massen
durch Husten, Würgen nnd Brechen entscheiden über das Fort-
leben des Kindes.
Was die Diagnose des vorzeitigen Athmens während der
Qeburt anbelangt, so gelingt es in seiteneu Fällen, die Athem-
Monauaohr. f. Oeburtuk. 1868. Bd.XXI..8oppl.H/t. 13
194 ^n. Notiien' ans der Jonrnal-Literatar.
bewegnngen des Kindes direct sn sehen nnd zn fühlen , letxieres
zuweilen selbst dann, wenn sich das Kind noch ganz im Uterus
befindet. Von Wahrnehmung der Athembewegnngen innerhalb
der Gebärmutter mittels der Anscultation liegt nur eine einselne
Beobachtung vor. Vagitns uterinns und vaginalis wird sehr selten
beobachtet — bei passender Lagerung der kindlichen Bespirations-
Öffhnngen, Klaffen der mütterlichen Oeburtswege, Application
von Manualhülfe am nachfolgenden Kopfe.
Aus den vom Verf. tabellarisch zusammengestellten F&llen,
in denen die sorgfältige Beobachtung des Geburtsactes und dps
durch ihn bedingten Absterbens des Kindes mit der nachherigen
Untersuchung der kindlichen Leiche Hand in Hand ging, gebt
hervor, dass bei Todtgeborenen meist, bei sterbend geborenen
Kindern etwas weniger häufig, keine Luft in den Lungen an-
getroffen wird. Theilweiser Luftgehalt bei Leichen von Kindern,
die vorzeitig geathmet haben, kann gefunden werden, wo die
Respirationsöffnungen passend gelagert und die Gebortawege
klaffend erweitert waren (letzteres also namentlich bei Konst*
hälfe) , wenn die letzten Athembewegungen des sterbenden Kindes
noch nach der Ausstossung, wenigstens^ seines Kopfes, erfolgten,
wenn dem asphyctischen und nicht athmenden Kinde oder der
Leiche Luft eingeblasen wurde. Selbst unter diesen Bedingungen
kommt ein selbst nur theilweiser Luftgehalt nicht immer vor;
ohne sie ist er niemals zu erwarten. Der rechte Mittel- und
Oberlappen füllen sich, vermuthlich wegen der grösseren Weite
des rechten Bronchus, selbst bei spärlichem Luftzutritte am
leichtesten. Marmorirte Färbung, Knistern, Entleeren von
blutigem Schaum, Schwimmfähigkeit, Aufsteigen von Luftblftschen
sind auch hier die Charaktere des geathmet habenden Lungen-
parenchyms. Rührt der Luftgebalt von Einblaeen her, so findet
sich statt der Marmorirung gleiehmässige zinnoberrothe Färbung,
Zerreissnng von Lungenzellen, Hyperaerie, Mangel des blutigen
Schaumes, was indess bei kleineren Partieen oft schwierig zu
constatiren ist.
Aus derselben Zusammenstellung ist ersichtlich, dast in des
meisten Fällen abnorme Füllungen des Traehealrohres mit Massen
gefunden wurden, denen zum Theil Meconium, zum Theil nur
Geburtsschleim, Fruchtwasser, mitunter auch Blut oder Vernix
caseosa beigemischt waren. Die Rückschlüsse, die sieh an den
Befund solcher Massen in den Lüftwegen knüpfen lassen, sind
1) mit absoluter Ocwissheit, dass Athembewegungen stattgefunden
haben, 2) mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass dieselben vor oder
während der Geburt stattgefunden haben. Keineswegs aber ist
der Befund von specifischer riüssigkeit in den Luftwegen an nnd-
für sich ein Beweis, dass das Kind wirklioh während der Geburt
abgestorben und todtgeboren sei, ausser wenn sie in reichlicher
VIT. Notisen aas der Joarnul- Literatur. 195
Men^e eingedrungen und durch grössere Bronchialgebiete ver-
breitet ist. Das Fehlen Ton dergleichen Flüssigkeit berechtigt
nicht SU dem Schiasse , dass keine vorzeitigen Athembewegnngen
gemacht sind. In zweifelhaften Fällen bieten unter dem Mikroskope
die von den galligen Bestandtheilen des Meconium herrührenden
Cholestearinkry stalle, unter der Loupe die an dem Mangel einer
Markröhre kenntlichen Wollhaare und die amorphen, mit Epidermis-
zellen gemischten Massen des Räseschleims einen werthvollen
Anhalt.
Blutfiille in den Lungen ist das allgemeine und vorwiegende
Symptom des Erstickungstodes, in Verbindung mit allgemeiner
oder vorwiegender Luftleere specifisches Zeichen der fötalen
Erstickung. Die Zeichen der Lungenblutfülle sind zu unter-
scheiden in solche, die in kurzer Zeit spurlos schwinden
können (blosse Blutanhänfungen), und in solche, die noch längere
Zeit hindurch erkennbare Spuren hinterlassen (Blutaustrittc,
namentlich in Form von punktförmigen Ecchymosen). Letztere
sind nicht in allen Fällen anzutreffen.
Die Befunde der übrigpn Organe nach vorzeitigen Athem«
versuchen können in Zusammenhang mit denselben stehen, —
dahin gehören namentlich das Auffinden von specifischen Stoffen
in den oberen Theilen des Darmcanals, dahin gelangt durch gleich-
zeitige Schlingbewegungen, meconiale Imbibitionsfärbung der
Adnexen des Fötus, die an den Erstickungstod gebundenen weiteren
Ausbreitungen der Lnngenblutstase im Gefässsjsteme. Von zu
fälligen, aber mehr oder weniger häufigen Complicationen im
Sectionsbefunde unter der Gebart erstickter Kinder sind vor-
süglioh zu erwähnen Hyperämieen der SchädelhShe, Apoplezieen
des Gehirns, verschiedene örtlich beschränkt bleibende Blnt-
anhäufungen in äusseren oder inneren Organen; die Haapt-
bedingungen, unter welchen diese Erscheinungen ganz unabhängig
von der sich rückwärts fortgepflansten Staanng in den Pnlmonal-
gefässen zu Stande kommen können, sind directer, langdanernder
Druck einzelner Körpertheile, besonders des Kopfes, durch die
mütterlichen Geburtstheile , sowie Circulationsstörungen, welche
der Fötus bei lange dauernder Gebart mit stürmischer Wehen-
thtttigkeit als directe Folge des Druckes der Placenta und des
Nabelstrangs erfährt. Untersoheldungsmomente zwischen der
Entstehung der Hyperämie dnrch directe Kreislaufshemmang in
Placenta und Nabelstrang und der darch Weiterverbreitung der
Stauung aus den Pulmonalgefässen ergeben sich aus dem Ver«
halten der Blutgefässe zwischei| den Lungen und den betreffenden
mit Blut überfüllten Organen.
(Henke^B Zeitschr. f. d. Staatsarzneikunde, 1863, L Heft.)
13 •
196 ^^^' Notiien uns der Joarnal-LiteraUir.
Hug&nberger: Das Puerperalfieber im St. Petersburger
Hebammen-Institute Ihrer Kaiserl. Hoheit derGross-
fürstin Helena Pawloiona von 1845 — 1859 etc.
Im fünfsebnjilhrigen Cjclns Ton 1845 bis 1859 erkrankten
im Hebammeninstitute von 8036 Wöchnerinnen 1614 oder 20 Proc.
nnd starben 806 oder 3,81 Procent.
Hiervon litten 220 Wöchnerinnen an allgemeinen, der
weiblichen Fortpflansangsperiode nicht ausschliesslich eigenen
Krankheitssaständen und 160 an verschiedenen Folgeaustfinden
der Geburt und allgemeinen Wochenbettsübeln , die susammen
betläufig 68 TodesföUe boten. An Pnerperalprocessen im' engeren
iSinne aber erkrankten 1234 Wöchnerinnen oder 15,35 Proc. und
starben 238 oder 2,96 Proc. Zu letzteren wurde auch jede im
Wochenbette auftretende acute Erkrankung hinzugerechnet , die
sich unter dem bekannten Symptomencomplez des einleitenden
heftigen Frostanfalls mit consecutivem Hitzestadinm, Pulsfrequenx
von 100 bis 120 Schläge , Störung der Wochenbettsfunctionen etc.
manifestirte. Denn wenn auch Verf. als Essentielles des Puerperal-
fiebers im engeren Sinne nur acute Blutkrankheit anerkannte, so
konnte er doch die häufig fragmentarischen Annäherungen an
dasselbe um so weniger ansschliessen, als sie einerseits klinisch
keine ausreichende Differentialdiagnostik gestatteten, anderer-
seits durch nicht seltenes Hinzutreten des pathognomonischen
Blntleidens selbst die volle Identität mit demselben gewannen.
Verf. unterschied folgende Puerperalfieberformen:
Ä. Localisirte Pnerperalprocesse.
1. Leichtgradige Metroperitonitis 278 FftUe ohne Todte.
2. „ Endometritis 806 n n n
3. Hochgradige Metroperitonitis 346 „ mit 116 Todten.
4. „ Endometritis 79 „ « 80 „
5. n MetrophlebitisundPyämie 123 » „ 78 «
B, Nichtlocalisirte Pnerperalprocesse.
1. Leichtgradiges entzündliches Fieber 88 Fälle ohne Todte.
2. Hochgradige acute Septicämie 14 Fälle mit 14 Todten.
Bezüglich der Todesfalle musa erwähnt werden, dass hänfig
noch schwerkranke Wöchnerinnen die Anstalt verliessen and
somit gewissem Tode entgegengingen.
Mit Bezugnahme auf den jedesmaligen Wöchnerinnenbestand
ergaben sich für die vier meteorologischen Jahreszeiten folgende
Verhältnisse :
Im Winter wurden 2106 Wöchnerinnen verpflegt, von denen
405 oder 19,23 Proc. erkrankten und 88 oder 4,18Proc. starben.
Im Frühling wurden 1934 WÖehuerinnen verpflegt, von denen
292 oder 15,09 Proc. erkrankten und 66 oder d«41 Proc. starben.
VTI. Nottsen ans der Journal -Literatur. 197
Im 8ommer wurden 1927 WÖehnerinnen verpflegt, ron denen
227 oder 11,77 Proc. erkrankten und 89 oder 2,02 Proc.Btarben.
Im Herbst wurden 2069 Wöchnerinnen verpflegt, von denen
310 oder 14,98 Proc. erkrankten und 46 oder 2,17 Proc. starben.
Mitbin vindicirte sich der Winter ein Mortalitätspias von
1 Proc, der Frühling von V, Proc. und boten der Sommer und
Herbst dagegen ein Minus von nicht ganz 1 Proc. MortalitXt
gegen das mittlere Verhältniss der ganzen Zeit von 2,96 Proc.
Die Monate Juli, August, September und Ootober fielen um das
Doppelte günstiger aus, als der December, Januar, Februar
und April.
Hinsichtlich der jährlichen £rkrankungs - und MortalitAts-
eurse ist zu erwKhnen, dass 10 Jahre geringere und 6 grössere
als die mittlere Sterblichkeit ergaben , 7 geringere und 8 grössere
als die mittleren Erkrankungscurse. Während der Quindecennii
grnpptrten sich die Puerperalprocesse in sogenannte Epidemien
in folgender Weise :
1) 1846. Das Puerperalfieber herrschte im Frühling. Es
begann im März, cnlminirte im Mai und endete im Juni. Von
103 Wöchnerinnen erkrankten 36 und starben 10. Den Ausgangs-
punkt bildete eine ältere Erstgebärende, die wegen langwieriger
Motilitätsstörung nach 72stündiger Geburtsdauer mit der Zange
entbunden worden war und einen Dammriss erlitten hatte. Colpitis
und Endometritis septica verliefen wegen intercurrirender Gangrän
der hinteren Scheidenwand äusserst langwierig, es genas jedoch
Patientin. r
2) 1848. Das Puerperalfieber herrschte im Frühling und
Herbst. Beginn im März, Höhepunkt im Mai, Abnahme im Juni
und Juli, neue Tncretion im August und September, Culroination
im Oetober. Es erkrankten im Frühling von 98 Wöchnerinnen 20,
also circa die fünfte, und starben 8, oder je die zwölfte. Im
Herbst erkrankten von 66 Wöchnerinnen 19, oder circa jede dritte,
und starben 10, oder jede siebente.
3) 1840. Häufige aber nicht intensive Puerperalprocesse
herrschten in allen vier Jahreszeiten. Beginn im Januar, Cnlmi-
nation im April, Nachlass im August und September, neue
Incretion im Oetober und endliches Erlöschen im November. Es
erkrankten von 292 Woche rinnen 69 oder jede vierte und starben 11
oder jede siebenundawanzigste. Abermals eröffneten als nächstes
ätiologisches Moment die nachfolgenden häufigeren Erkrankungen
zwei pathologische Geburten, die schon in den Deeember des
vorhergehenden Jahres fielen.
4) 185S/53. Beginn im März und erste Dauer bis zum
Juni, darauf Nachlass während des Sommers und Herbstes und
neues Aufflackern erst im November mit Culmination im Januar
und Erlöschen Ende Februar des nächstfolgenden Jahres. In der
198 VII. Notizen »na der JoarnaULiterMor.
Früblingshälfte erkrankten tob 209 Wöchnerinnen 46» oder jede
fünfte, und starben 7, oder jede dreissig^ste. Im Winter 1852 anf
1853 erkrankten von 193 Wöchnerinnen wiederum 46, oder jede
vierte, und starben 11, oder jede achtzehnte. Die Introduction
zu neuen Erkrankungsfällen bildete dies Mal eine mit Typhus
abdominalis und erschöpfenden Durchfällen behaftete Mehr-
gebärende , die bald nach erlittener Frühgeburt einer circa sechs-
roonatlichen, todtfaulen Frucht unter deutlichen Symptomen von
Septicämie erlag.
5) 1854. Das Puerperalfieber herrschte im Spätsommer.
Beginn im Juli, Culmination im August, Erlöschen im September.
Von 172 Wöchnerinnen erkrankten 25, oder circa jede siebente,
und starben 9, oder jede neunzehnte. Den Ausgangspunkt bildete
dieses Mal, nachdem 16 Monate hindurch der Zustand ein voll-
kommen günstiger gewesen war, eine junge kräftige Erstgebärende,
die nach langwieriger Verzögerung des Geburtsgeschäftes durch
Krampfwehen, an Metrophlebitis starb.
6) 1855/56. Das Puerperalfieber herrschte mit Heftigkeit
im Winter und Frühling. Beginn im November 1855, Cnlmination
im Januar und FebruaT und Erlöschen im Mai nach sechsmonat-
licher Dauer. Von 322 Wöchnerinnen erkrankten 106, d. h. jede
dritte, und starben 26, oder jede dreizehnte. Die ersten ein-
leitenden Todesfälle gehörten auch hier pathologischen Geburten an.
7) 1858/59. Das Puerperalfieber herrschte im Winter,
Sommer und Herbst. Beginn im November 1858, Incretion im
Januar, Culmination im Februar, Erlöschen im März. — Darauf
im Juli neue Incretion und Andauer weniger intensiven Erkrankungen
bis zum Ende November. Es erkrankten in der Wintergruppe
von 252 Wöchnerinnen 97, oder jede zweite bis dritte, und
starben 18, oder jede vierzehnte. Auch dies Mal müssen als
vorzüglichste Quelle zwei pathologische Geburten betrachtet
werden.
Am ungünstigsten erwiesen sich mithin die Jahre 1846,
1848 und 1856 und der Winter 1858 auf 1859, wobei die
Sterbefälle zwischen 7 und 15, die Erkrankungen zwischen 20
und 38 Procent schwankten; am günstigsten dagegen die Jahre
1849, 1852, 1854 und der Sommer und Herbst 1859, in welcher
Zelt die Mortalität zwischen 3 und 5, die Erkrankungen aber
zwischen 14 und 29 Procent variirten.
Was den Zustand der Neugeborenen snrZeit eben herrschender
Pnerperalprocesse betrifft, so wurden im Ganzen bei längerem
Verweilen der Schwangeren in der Anstalt nur in den Jahren
1846, 1848, 1856 und 1859 ein Ansteigen der Zahl der todt- und
todtfaulgeboreoen Kinder gegen das durchschnittliche Mittel von
15 Jahren bemerkt. In Bezug auf die Mortalitätsverhältnisse
(ubend^reborener Kinder aber erwiesen sich ausschliesslich die
VU. Kotiiea aus der Joamal* Literatur. 1:^9
Jahre 1846 und 1866 ungüneUg. Doch ist eine vergleichende
ZaBammeDstelliinip des Ganges der puerperalen Erkrankungen
der Mütter und Kinder in der Anstalt jeder Zeit erschwert, da
die Ton noehelichen Müttern geborenen Kinder, also circa Va aller,
stets unmittelbar nach der Geburt in das Findelhaus transferirt
werden und somit der Beobachtung entgehen. £clampsie, Trismos,
Icterus mit Atrophie, wandernde und phlegmonöse Erysipele,
Induratio telae cellulosae , bösartige Ophthalmia purnlenta,
Phlebitis umbilicalis und acute exsudative Peritonitis erinnerten
an die eben herrschenden Krankheitspro cesse der Mütter.
Symptome, Verlauf und pathologisch - anatomischer Befund
liefern nichts Neues. Das Essentielle blieb jedoch in jedem Falle
die Blutintoxication selbst.
In dem Abschnitte „Aetiologie der Puerperalprocesse'' be-
spricht Verf. den Einfluss der Constitution , der Altersverhältnisse,
die geringere und grössere Häufigkeit vorausgegangener Schwanger-
schaften, allgemeine Krankheitszustände der Schwangeren und
Gebärenden, den längeren oder kürzeren Aufenthalt der Schwangeren
in der Anstalt, starke Ausdehnung des Fruchthalters, kürzere
oder längere Geburtsdauer, dynamische und mechanische Störung
des Geburtsgeschiiftes, traumatische Verletzungen der Geburts-
wege, Blutungen sub partu und post partum, Gassengeburten,
Aborte und Frühgeburten, macerirte und todtfanle Früchte, die
unterdrückte Milchsecretion, Diätfehler, Erkältungen und Ge-
müthsbewegungen, epidemische Einflüsse und endlich die cada-
veröse Infection.
Hinsichtlich der epidemischen Einflüsse gewann Verfasser
folgende Sätae:
1) Die sogenannten Puerperalfieherepidemien ooinoidirten
innerhalb der verschiedenen Gebärhäuaer der Resideas nicht
oder nur ausnahmsweise.
2) In dem Weiohbilde der Stadt herrschte w&hrend 15 Jahren
das Puerperalfieber niemals epideroiseh.
3) Die vorübergehenden Schwankungen des Plus oder Minus
der Mortalität in der Stadt standen in stetem Widerspruche mit
gleichseitig ungünstigen oder günstigen Verhältnissen in den
Gebärhftusem.
4) Nur die verschiedenen Jahresaeiten behaupteten einen
durohsehnittlich eoastanten Einfluss auf den Gesundheitssustand
der Wöchnerinnen, sowohl innerhalb als ausserhalb der Gebär-
häuser.
In Besug auf eadareröse Infection, Selbstinfeetion, Noso*
comlalatmosph&re , bekennt Verfasser, dass unl&ugbare Beispiele
vorliegen; doch sprechen für Infection durch Leichengift die
seltensten, für Selbstinfeetion bei weitem die Mehrzahl, für
200 VII. Notiien »ub der Journal- Lite ratar.
Infection durch sersetate organieche Stoffe fllhreBde HospttaDnfl
endlieh die hKnfigsten Fdlle.
Die Prophylaxis der Pnerperalprocesse iet nnbeaweifelt nnr
in den ▼ollkommensten V entilationsmitteln , in minntiöser ReiB'
lichkeit nnd Ordnung und beeonders in der andanemdeten Ge-
wissenhaftigkeit nnd Anfmerksamkeit des Dienstpersonals, der
Hebammen und Aerzte sn suchen.
Therapie der Pnerperalprocesse.
Keine der bekannten Heilmethoden blieb im Verlaufe der
Jahre y denen der Bericht entnommen ist, unversucht und keine
war schliesslich des rechten und nachhaltigen Vertrauens wertb.
^ach den oben anfgesählten Puerperalfieberformen war die Be-
handlungsweise folgende :
1) Metroperitonitis. 1845 bis 1860 wurden allgemeine
Blutentziehungen bei dazu geeigneten Subjecten ▼orgenommen
und gewährten in 64 ernsten Erkrankungen offenbaren Nutzen,
da nur 14 derselben lethal endeten. Nach 1850 geriethen jedoch
die Venäsectionen absolut in Miscredit und wurden nachher
nicht wieder aufgenommen, da fast ohne Ausnahme nach jeder
Blnteutsiehung rascher Verfall der Kräfte und tödtlicher Aasgang
durch Blutdissolution erfolgte.
Locale Blutentziehungen dagegen erhielten sich stets einen
guten Namen. Calomel fast ausschliesslich in kleinen Gaben,
Nitrum, Tartarus stibiatns und Digitalis genossen die ans-
gebreitetste Anwendung. Bei hochgradigem Collapsus und schon
eingetretener Blutdissolution konnte nur in den seltensten Fällen
den Ezcitantien irgend ein Nutzen abgewonnen werden.
Die lästigen und lebensgefährlichen örtlichen Symptome der
Metroperitonitis, Hypogastrialschmers , Meteorismns, profuse
Diarrhöen, Erbrechen und die mehr weniger ansgebreiteten Ez>
sudationen im Peritonäalcaro erfuhren nachstehende Behandlung:
a) Der Schmers: ausser mit Blutegeln mit feuohtwarmen
Brei- und temperirten Wasserumschlägen , in höheren Graden
mit Etsfomentationen oder hydrotherapeutisch mit Compresses
ochanffantes. Auch die CoUodiumübersüge der Bauehdeoken
wurden yersncht und in nicht unbeträchtlicher Zahl von Fällen
von auffallend schneller und günstiger Wirkung befänden.
Dr. Tamoff$ky verwirft die Ansicht Latour*s, der an Folge es
an den damit bedeckten Hantstellen durch aufgehobene Säuerstoff-
resorption entsündungswidrig wirke und sucht im Gegentheile,
bei bekannt grösserer Ausgabe als Einnahme von Seiten der
Haut, die günstigen Erfolge des Collodinm in der inhibirten
Ausscheidnng von CO«, der er sodann die anästhesirende Wirkang
beilegen sn müssen glaubt.
b) Gegen den Meteorismns : entweder Laxantien oder Opiate,
doch nie mit besonderem Erfolge.
VII. NotiseB ans der Jonrnal- Literatur» 201
d) Gegen lebeDegef&hrliohe und hochgradige Diarrhoen
Opiate, Höllenstein, Tannin and Alaan, snweilen mit Nntsen.
Gegen Erbrechen: Eiepillen, Gefrorenes, Bransemisehnngen nnd
endlieh Opiate, stets mit nnr geringem Erfolge.
d) Leichtgradige nnd frische Ezsadationen wnrden oft daroh
Qnecksilbereinreibnngen nnd Blasenpflaster gehoben, ausserdem
kamen auch Jodbepinselnngen in Gebranch.
2) Endometritis. Dnrch die topische Behandlang der
Endometritis wurde stets , durch die allgemeine nur selten sicher
wahrnehmbarer Nntsen ersielt. Die einleitende Behandlung bildeten
Blntegelapplicationen ad Collum uteri.
3) Metrophlebitis und Pjämie. Ebenso wie bei Endo-
metritis wurden stets allgemeine Blutentsiehungen vermieden,
jedoch gern (im Beginne der Krankheit) Blutegel an die Vaginal-
portion, den Damm oder die äusseren Genitalien gebraucht.
Chinin, Injectionen etc. Doch seigen die obigen Mortalit&ts-
ziffern den geringen Erfolg.
4) Gegen acute Septicämie seigte sich der bekannte
Arsneimittelschatz yollkommen erfolglos.
(Petersb. Med. Zeitschrift, Bd. 3, 1862.)
Sey/ert: Klinische Bemerkungen über chronischen
Uterusinfarot.
Chronischen Infarct der Gebärmutter fasst 8. auf als die-
jenige FormTerKndening des Uterus, welche auf gehemmter
RQckbildung seines Gewebes nnd auf mangelnder Resorption Ton
in denselben gesetsten Infiltraten beruht. Abhängig ist diese
mangelhafte Involution von schädlichen Einflüssen , welche in der
Böckbildnngsperiode des Uteringewebes entweder die Gebftr-
mutter direet treffen oder auf den gansen Organismus eine
Süokwirknng üben. Aus dieser Entstehnngsweise erhellt die
Unrichtigkeit der Beseiohnung als chronische Gebärmutter -
entsündnng. Die Vergrössemng des Uterus übersteigt gewöhn-
lich das Zwei- bis Dreifache seines normalen Volumen, die
HShlendurchmesser seigen entsprechende Zunahme, die Muskel-
snbstane ist in verschiedenem Grade fettig degenerirt, in auf-
Alliger Weise anämisch und brflohig, die Schleimhaut geschwollen
und deren Secretlon vermehrt. Die Krankheit äusert sich durch
das Gefühl von Druck und Zerrung in der Leisten- und Krens-
gegend, und swar in der Art, als wollte ein schwerer Körper ans
der Beckenhöhle treten, dnrch lästige Empfindnngen bei jeder
Art von Bewegung, sowie bei Stnbl- und Harnentleerung,
dnrch unregelmässige Menstruation und Schleimflüsse. Diese
Erscheinungen sind einer weiteren Stelgi^rnrg fähig, dnrch die
2d2 VIU; LUQNkliir.
•ich häufig im Gefolge de« Gebärinntteriiilkrcte enttri ekelnde
Betroflexio ntori. Die gesteigerte Seaaibilität de» Frochthalters
fei darehftliB nioht »Is Auedruok einer eatsüiidlichen Affeetioii
desselben aafsafassen, sondern gehört lediglich sn den £r-
eeheanongen der in Folge der Sterilität, der Menorrhagieen etc.
allmäUg sich aasbildenden Hysterie. Die Behandlang hat aar
Anfgabe, die Stoffmetamorphose mögUchat anaaregen and sn
beschleanigen ; von Natzen sind in dieser Besiehnng ausser einer
geeigneten Diät vorzugsweise gewisse Mineralwässer, welche die
Nieren- and Darmfanction anregen, haaptsächlicb die von
Fransensbad, Marienbad, Krankenheil und Kissingen. Das An-
setzen von Blategcln an die Vaginalportion verwirft S. gänzlich,
weil die BIntentziebang die allgemeine Anämie vermehrt.
(Spitals -Zeitang, 1862, No. 38.)
VIIL
Literatur.
Baker Brown: On surgical diseases of women. Zweite
Auflage. London 1861. 410 Seiten mit 9 Tafeln and 22 Holz-
schnitten.
£ine neae Auflage dieses vorsüglichen Lehrbnches über
die obirargischen Fraaenkrankhetten kann um so weniger sn
einer Kritik aaffordern, als der Verfasser darin hauptsächlich
die von ihm befolgten Operationsverfahren angiebt and daran
die Erfolge derselben iftus seiner reichen Erfahrung am aurgioal
home for Diseases of women anreiht. Erfolge bieten nun jeden-
falls die beste Kritik für Operationsverfabren and daher mag in
Folgendem ein kurzer Ausaug die Stelle einer eingehenden Be-
sprechung vertreten. In der Einleitung werden die Krankheiten
der weiblioben Gesohleohtsorgane, die einer obirargischen Be-
handlang zugänglich sind, sehr zweckmässig danach eingetheiit,
•b sie einen ursHohlicben Zosammenhang mit der Geburt und
deoD Woehenbette haben oder nioht; im Verlaufe dea Werrkes geht
Verf» jedoch von dieser Eintheiinng wieder ab, wobei einaelne
Kapitel überhaupt etwas stiefmütterlich behandelt werden. Zuerst
bespricht er die Operation der Dammrisse. Unter 81 FiUlen der
Art, die von B, operirt wurden, war die Verletzung 64 Mal bei
der ersten Geburt eingetreten, darunter war diese 31 Mal durch
VIII. LlterntQr. 203
elae Oper»tioB beendet worden« Was das Alter, in welchem die
VerleUnng stattfand, anlani^y so waren 10 Frauen 20 Jahre alt
und darunter t«ämmtlich £rstgebärende), 28 (darunter 25 Primi-
parae) waren 20^30 Jahre, 16 (10 Primiparae) 30—40 Jahre and
3 (darunter eine 44jährige ErstgebKrende) 40 — ib Jahre alt. Zur
Verhütung der Dammrisse hält B, das Unterstützen des Dammes
und Ohloroformnarkose für sehr wichtig. Was die Operation
anlangt, so kann sie auch in einer Schwangerschaft ohne Störung
derselben gemacht werden, am besten geschieht sie unmittelbar
nach der Verletzung, wo dann die Anfrischnng der Wundränder
unnöthig ist. Durch eine Zapfennaht werden die Ränder ein-
ander genähert und dann durch 3 — 4 Silbersuturen yereinigt.
Um die Spannung zu heben, macht B. swei seitliche Durch-
schneidungen des Sphincter ani nach aus- und abwärts, etwa V4
Zoll lang, wodurch der Sphincter von seiner Anheftung an das
OS coccjgis getrennt wird. Diese Durchschneidungen subcutan
BU machen, hält er für unnöthig. Während der ganzen Nach-
behandlung muss die Operirte in der Seitenlage yerharren und
erhält wiederholte Gaben von Opium, um den Stuhlgang mög-
lichst lange anzuhalten; die angesammelten Kothmassen müssen
das erste Mal auf mechanischem Wege möglichst yorsichtig aus
dem Mastdarme entfernt werden. Die tiefen Nähte entfernt B.
spätestens am dritten Tage, die anderen am sechsten bis siebenten.
Von den 81 so operirten Frauen starben 3 an Pyämie, bei 3 ge-
lang die Operation nicht (darunter eine 65jährige, bei der die
Buptur schon 20 Jahre bestanden hatte), die übrigen wurden alle
ToUkommen geheilt, davon haben 15 später wieder geboren und
nur bei 4 ist der Damm wieder eingerissen. Die folgenden
Kapitel handeln über Prolapsus vaginae und Prol^sus uteri.
Dass letzterer durch Verlängerung der Vaginalportion bedingt
wird, ist sehr selten und eine Operation alsdann unnütz. Sehr
ausführlich wird dann die Operation der Blasenscheidenüstel ab-
gehandelt. Unter 42 Yon B. operirten Fällen derart war die Ver-
letzung eilf Mal allein durch lange Geburtsdauer ohne geburtshülf-
licbe Operationen bedingt, interessant ist die Aetiologie eines
Falles, wo ein Stein in der Blase war und die Blasenwand während
der Geburt zwischen diesem und dem Kindskopfe gedrückt wurde.
B, benutzt eine grosse Anzahl von Instrumenten, die auf dem
Contioent entweder unbekannt oder wenigstens nicht in Gebrauch
sind» über deren Werth sicher auch schwer au urtheilen ist.
So werden beschrieben und abgebildet, ein harpunen- oder
gabelförmiges Instrument, um beim Anfrischen der Wundränder
diese zu fixiren. Klammem, um die Ränder einander zu nähern,
▼erschiedene Nadelhalter, Specula u. s. w. B, wendet bei den
Nähten oft die Methode von Bowman an, wo die Drähte der
Suturen durch kleine Kugeln auf einer Bleiplatte zusammen-
204 VIll. Literatur.
gepresat and so yereinigt werden. Was die Operation Reibst
anlangt, so will B, auch stets die Ränder der Fistel in toto als
Ring ausgeschnitten wissen, nm nicht irgendwo etwas Ton dem
callÖsen Rande sn Übersehen, die Sntoren selbst legt er so an,
dass die Schleimhaut der Blase vermieden wird. Wfthrend der
Nachbehandlung lässt er den Katheter fleissig applieiren oder
iKsst ihn auch wohl liegen. Von den so behandelten 42 Pillen
starben 3, die andern 39 wurden geheilt, darunter 19 durch eine
Operation. (Bis su neun Operationen ist B. in einem Fall vor-
gegangen.)
Die nun folgenden Abschnitte über Operationen der Reeto-
▼aginalfisteln , der Verletssungen der Vagina, enthalten nichts
Neues. Bei der Entfernung von Fibroiden des Uterus lässt B.^
wenn dazu Einschnitte in den Muttermund nSthig sind, diese
erst verheilen, ehe er an die Hauptoperation geht, um so
Prämie su vermeiden. Durch Excision von grossen Stücken
ans einem Fibroid soll man bei der geringen „Vitalität** dieser
Geschwülste dieselben sum Absterben bringen können. Bei Polypen
legt B, erst eine Ligatur um, schneidet dann aber die Geschwulst
gleich ab. Es folgen nun die chirurgischen Verfahren, die man
ansnwenden hat bei Blumenkohlgewftchs der Vaginalportion, hei
Steinen in der Blase, (die Reihenfolge der Kapitel ist unverändert
wiedergegeben), bei verschlossenem Hymen, Sackgeschwulst der
Schamlippen, Geschwülste des Kitzlers, der Harnröhre, Krank-
heiten des Mastdarms durch Gebärroutterleiden bedingt u. s. w.
In allen diesen Abschnitten ist nichts wesentlich Neues geboten.
Dasselbe g^lt von dem sehr dürftigen Kapitel über Sterilitftt.
Dagegen ist der letste Theil über Ovarialkysten und deren Be-
handlung ebenso ausführlich wie wichtig, jedoch eignet er sich
sn einem Auszug weniger, insofern im ersten Theile desselben
über Pathologie und Diagnose dieser Geschwulst nichts Neues
enthalten ist, und dann alle Operationsverfabren einer Kritik
unterworfen werden, aus der hervorgeht, dass, ohne die Punction
gans SU verwerfen, die totale Exstirpation des kranken OvaHums
die beste Methode ist. Die Operation selbst wird ausführlich
beschrieben, weicht aber in nichts von der ans England jetst
schon sur Genüge bekannten Methode ab. Zum Schluss werden
sKmmtliche 26 Fälle von Ovariotomie, die der Verf. gemacht hat,
specieller angeführt, bei denen 10 Mal die dauernde Heilung
durch die Operation herbeigeführt wurde; die 16 Todesfälle waren
meist durch Peritonitis bedingt.
(Ttfsssroto.
VIII. Literfttnr. 206
Die Hämatocele retroaterina und die freien Blat-
eztr&yasate in der Beckenhöhle von A. Voisin, In's
Dentsche übertragen von B r. med. Ed. Langenbeck,
Obergerichtsphysious and practischem Arste in Göttingen.
Göttingen 1862.
Im vorliegenden Werke wird uns eine auBfährlicbe Mono-
graphie der Hämatocele geboten and es war eine dankenswerthe
Aufgabe ) das Bach za übersetzen, da FowtVs Arbeit die erste
ist) welche die bisher in Zeitschriften and wenig zugänglichen
Dissertationen zerstreuten Beobachtungen, allerdings mit Ans*
schluss der neuesten deutschen Literatur, möglichst ToUstfindig
zusammenfasst. Durch einige Kürzungen, welche der Uebersetzer
anzubringen für nothwendig hielt, hat das Werk ohne Zweifel
nur gewonnen.
Das erste Kapitel umfasst eine historische üebersicht. Bis
zum Jahre 1860, wo N4laton die von ihm so genannte Hämatocele
retrouterina als bestimmte Krankheitsform aufstellte, finden sich
über dieselbe in der medicinischen Literatar nur einzelne zer-
streute Thatsachen. Schon Hippokrates deutet an einigen Stellen
die in Rede stehende Affection an. Bei CeUus findet sich Nichts,
während Galen eine Bemerkang macht, die später von den ara-
bischen Aerzten fast wörtlich wiedergegeben wurde. Der erste,
welcher eine sehr bestimmte, klare und genaue Beschreibung
gab, sowie die Hämatocele retrouterina benannt hat, war^l850
NücUon. •
Im zweiten Kapitel ist von der Benennung, dem Begriff und
der Häufigkeit der Hämatocele die Rede. Verf. behält den Namen
Hämatocele retrouterina bei, weil hauptsächlich der hintere
Theil des Uterus von dem Extravasate umfasst wird. Die Häma-
tocele ist stets eine intraperitonäale und bezeichnet einen, in
Folge menstrueller Zufälle bedingten, in der Peritonäalhöhle
des kleinen Beckens zwischen Uterus und Rectum abgekapselten
Blutergnss. Die Hämatocele ist keine häufige Affection; bisher
sind kaum 60 Beobachtungen bekannt gemacht worden.
Nachdem im dritten Kapitel kurz einige Punkte der Ana-
tomie der Organe und Theile, die bei der Hämatocele retro-
aterina Veränderungen zeigen, berührt sind, liefert das vierte
Kapitel eine Kritik der verschiedenen Theorien der Hämatocele
retrouterina, nämlich den spontanen Eiaustritt; die Apoplexie
des Ovariums; die Hämorrhagie der Tuben; den Rückflnss des
Blutes von dem Uterus in die Muttertrompete und das Peritonäum;
den extrauterinen Eiaustritt, und die Yaricen des Ligament, la-
tum. Verf. theilt dem Ovarium eine entschiedene Hauptrolle
bei Entstehung der Hämatocele retrouterina zu. Nach ihm (Kap. 6)
giebt es drei Arten von Ursachen: 1) eine während der Regel
206 VBfl- T.iteratnr.
erfolgte Congestion and Blntnng der Elerstocksfollikel, 2) der
Rückflass des Blutes ans dem Uterns in die Tuben and das Peri-
tonäum, 3) eine H&morrhagie ^er Tuben; die Hämotocele retro-
uterina setst eine gleichzeitig vorhandene Menstruation and den
erhöhten Blutandrang, welcher dieselbe begleitet, voraas. "Wir
finden daher anter der Gesammtsumme von 34 Beobachtungen,
in denen das Alter erwähnt ist, nur eine einsige Frau von
weniger als 21 und ebenso nur eine von mehr als 40 Jahren
(Kap. 5). Die nicht abgekapselten Blutextravasate können
gleichfalls Ovarienblntnngen , Rückflass des Blutes aus dem
Uteras and tubäre Hümorrhagien zur Ursache haben; aber sie
können auch, was bei der Hämatocele ausgeschlossen ist, in
Folge der Berstung von subovariellen Varicen entstehen.
Der Verlauf, die Daner und Ausgänge (Kap. 8) der nicht
abgekapselten Blutest ravasate war in allen Fällen ein sehr stür-
mischer. Der Tod trat stets in weniger als 12 Stunden ein. Bei
der Hämatocele ist der Verlauf verschieden; bald beginnt die
Affection mit grosser Heftigkeit, bald sind die Symptome die
einer subacuten Krankheit. Das tödtliche Ende ist im Verhält-
niss zu den Fällen von Heilung selten. Ueberlässt man die
Heilung der Natur, so beobachtet man verschiedene Ausgänge:
1) Die Resorption der Geschwulst, 2) die Entleerung der Flüssig-
keit durch das Rectum, 3) die Oeffnung des Heerdes in die
Vagina, 4) den Erguss der Flüssigkeit in den frei gebliebenen
Theif der Bauchhöhle, 5) die Suppuration des Blutheerds. Nach-
dem im neunten Kapitel die Diagnose der in Rede stehenden
Affectionen besprochen ist, wobei sich Verf. ganz energisch gegen
die Explorativpunction erklärt, findet sich im zehnten Kapitel der
Sitz der Hämatocele abgehandelt, und zwar wird derselbe, ge-
stützt auf zahlreiche Sectionen, als ein intraperitonäaler ange-
nommen, da keine Thatsache bis jetzt zweifellos den extraperi-
tonäalen Sitz der Hämatocele dargethan hat. Kapitel 11 und 12
enthält die anatomischen Veränderungen, die Prognose und Be-
handlung. Beide Affectionen sind als sehr ernst zu betrachten,
die freien Blutextravasate sogar als schnell tödtlich. Die bisher
bejahend beantwortete Frage, ob die Hämatocele stets Unfrucht-
barkeit bedinge, verneint Verfasser, indem er sich auf di« Fort^
dauer der Menstraation stützt. Bei Behandlang der Hämatocele
sind bis jetzt noch zwei Handlungsweisen üblich; die eine
chirurgische, anfangs ausschliesslich angewandt, besteht in der
Function oder Incision der Geschwulst und Entleerung des Inhalts,
(ein Viertel der so behandelten Kranken ging zu Grunde). Die
zweite Methode ist hauptsächlich exspectativ und ein Resultat
der Anwendung der ersten; einige FlClli^ von putrider Infection
mit tödtlichem Ausgange veranlassten If^laton, das Prlncip des
chirurgischen Einsehreitens in so allgemeiner Auadehnang zu
Vm. Literatar. 207
▼eriassen, er besehr&nkte es seit 1861 auf gewisse gans b^eirtimmt
charakterisirte Fälle. Die iDoere Bebaiidifiiig der Hämstooele
hat die Aufgaben t) neue Blutungtn su verhüten, 2) die dureh
die Hftmorrhagie bedingtes Zustände, Geschwulst, Anämie und
Peritonitis bu beseitigen. Die Zabl der Todesfölle von nach
dieser Methode Behandelten betrug nur V^.
Hieran schliessen sich die Mittheilungen von 36 Krank-
heitsfällen.
Schliesslich sprechen wir die Ueberzeugung aus, dass jeder
Arzt, nicht bloss der Fachgenosse, vorliegende durch Klarheit
ausgezeichnete Monographie, die eine Lücke in der Literatur
der Fraueukrankeiten auszufüllen bestimmt ist, mit grosser Be-
friedigung lesen wird.
Haake,
Klinische Beiträge zur Gynäkologie. Herausgegeben
von p. p. BettcKler, A. Freund und B. Freund zu
Breslau. Erstes Heft. (Mit 1 Tafel). Breslau 1862, bei
E. Margensterfi,
I
Mit Freuden mässen wir ein Unternehmen begrüssen,
welches bestimmt ist, die selbst heutigen Tages noch etwas stief-
mutterlich behandelte Gynäkologie, mehr und mehr in den Kreis
naturwissenschaftlicher Beobachtung zu ziehen, und somit ihren
Schwesterdisciplinen näher zu bringen. So erhalten wir denn
zu den zwei der Gynäkologie ausschliesslich gewidmeten Organen
in der deutschen medicinischen Journal-Literatur, in vorliegenden
„ klinischen Beiträgen '^ ein drittes, und der Name und die Stellung
der Herausgeber bürgen uns für die Yerwirklichnng der leitenden
Idee, die Gynäkologie zu fördern. Schon das erschienene erste
Heft bestätigt unsere Erwartungen und fesselt durch seine ge-
diegenen Aufsätze in hohem Grade. Vielleicht ist es uns später
gestattet, ein ausführlicheres Referat der einzelnen Abhandlungen
SU geben, hier sei nur kurz der Inhalt erwähnt. Von BeUMer
finden wir folgende Arbeiten: Ueber Inversio uteri. Ueber die
Blntkopfgeschwulst der Neugeborenen. Ein Fall von Hämatocele
retrovaginalis (retrouterina subperitonäalis). Zur Dystocia e
fütus hydrope anasarca gelatinoso. Von A. Freund; Kurze Ge-
schichte der Urinfisteln des Weibes nebst Beschreibung einer
Harnleiter- Gebärmutterfistel und von B, Freund: Ein in der
Schwangerschaft entstandener, sehr grosser Abscess in der Scheide
der geraden Bauchmuskeln und drei Formen von Bauch -Sack-
wassersucht: der Hydrops peritonaei, omenti, vaginae musculomm
rectorum.
208 Vin. Literatur.
Indem wir daher die „klioiechen Beiträge" allen Fach-
genoseen anfs Wärmste empfehlen, sowohl sar lesenden als ar-
beitenden Theiloabme, wänsdlen wir dem Unternehmen ein gutes
Gedeihen und den Arbeitenden ein stetes Beachten der Aufgabe,
das richtige Maass zu halten zwischen der Werthschfttaung und
Verwerthung der nackten Beobachtung und der Indjiction.
Haak4.
Druck TOQ ▲. Th. üngAlhM-dt In L«tpsig.
Taf.l.
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Monateschrift
für
GEBURTSKÜNDE
und
Frauenkrankheiten.
Im Verein mit der
Gesellschaft für Geburtshülfe in Berlin
heraaigegeben von
Dr. C. S. F. Cred6,
Hoftrath , ord. Prof. and Director der £ntbindTxngii- Anstalt in Lefpsig etc.
Dr. C. Hecker,
ord. Prof. und Director der Entbindangs • Anstalt in München, Ritter etc.
■
Dr. Ed. Martin,
Qeh. Batb, ord. Prof. und Director der Entbindungs-Anstalt in Berlin, Bitter eto.
Dr. F. A. von Bitgen,
Geh. Rath, ord. Prof. and Director der Entbindangs -Anstalt in Giessen,
Gomthur eto.
Zweiimdzwanzigster Band.
Mit drei Tafeln Abbildungen, einem Holzschnitte und vierzehn
Curven- Tafeln.
Berlin, 1863«
▼erlag von Angnat Hirachwald,
68 U. d. Linden, Ecke der Schadow-SfcraM«.
r
Inhalt.
Heft I.
Seite
I. üeber die Resistenz der Eihäute, ein Beitrag snr Mechanik
der Gebnrt. Von Dr. J. Poppel in München ...... 1
n. Bemerkungen Etir „ Behandlang der Nachgeburtsperiode**.
(Nach 800 BeobachtnngeD.) Von Heinrich Schule ^ prakt.
Arete und bisherigem Assistenten an der Grossherzogl.
Entbindungsanstalt bu Freibarg i. B 16
m. Schwangerschaft in dem rechten radimentären Hörne
eines Uteras anicornis mit einem Corpns luteum im
Eierstocke der entgegengesetzten Seite. Von Professor
H* Luschka in Tübingen. (Mit einem Holzschnitte.) . . 81
JV. Fünfzehn Kaiserschnittoperationen und deren Ergebnisse
[ für die Praxis. Von Dr. Ludwig Winckel, Sanitätsrath
und Phjsikns des Kreises Gummersbach, Reg.-Bez. Cöln 40
I
y« Notizen aus der Journal -Literatur:
I
Oiordano: Cauterisation der Cenrlcalhöhle mit HöUen-
I stein zur Einleitung des künstlichen Abortus .... 68
Kuhn: Erfahrungen über künstliche Frühgeburt. (Aus
der geburtshülflichen Klinik von G, Braun in Wien.) 68
Biedl: Ein Fall von künstlicher Frühgeburt 64
nardwieke: Kystengeschwulst in der Matte rseheide . 66
Hubhimer: Ein Trinkglas in der Vagina 66
Bretlcu: Ein ausgezeichneter Fall freier Gasentwicke-
lung aus eiterigem PeritonKalezsudate • . . 66
Hagg«nsy: Bericht über die Ereignisse in der geburts-
bainichen Klinik und Poliklinik zu Greifswald vom
. . 1. October 1868 büi 81. December 1861 ....... 68
IV Inhalt.
Bette
VI. Literatur:
Lehrbuch der Hebammenkunst von Dr. Woldemar
Ludwig Oremer^ Eönigl. Sachs. Hofrathe etc. Mit
29 Holzschnitten. Leipzig, Verlag von 8. Hirzel, 1863.
X. u. 350 S. nebst einem tabellarischen Oebnrts-
▼erzeichniss. 8 72
Ein Kaiserschnitt, von B. Sehultze. (Orat.- Schrift
der med. Facnltät zu Jena zu Kieser^B Jabilänm» 1862.) 79
Heft n.
VII. Verhandlungen derGesellschaft für Oebnrtshfilfe in Berlin 81
Hofmeier: lieber einen Fall von Retroversion des
vier Monate schwangeren Uterus durch Blasen-
paralyse bedingt 82
Mitseherlieh: lieber ein halbjähriges Mädchen mit
einem Hjdrocephalus partialis herniosus 97
Kaufmanns Einwirkung der Därkheimer Soolbäder
in Verbindung mit der Traubencnr auf chronische
Qebärmutterkrankheiten 101
VIII. Ueber Anteversio uteri gravidi. Von Dr. F. HüUrf
Privatdocent in Marburg 118
IX. Zur Casuistik des Icterus gravidarum. Von Sanitätsrath
Dr. Fidnus in Stolberg a. H 146
X. Zweiter Beitrag zur Würdigung dQ8Hofacker'8adler''achen
Gesetzes, betreffend das Geschlechtsverhältntss der
Kinder bei relativer Altersverschiedenheit der Eltern.
Von Prof. Dr. Breslau in Zürich 148
XL Notizen aus der Journal > Literatur:
Nivert: Die Wendung auf den Kopf durch Süssere
Handgriffe 152
Mayrhofer: Untersuchungen über Aetiologie der
Puerperalprocesse 156
Piani Hydrocele recto> vaginalis 166
MaUhewa Dunean: Ueber Lupus und Caneroid der
Vulva 167
Köberle: Fall von Ovariotomie 167
Späth: Ueber die SanitKtsverhKltnisse der Wöch-
nerinnen an der Klinik für Hebammen in Wien
vom October 1861 bis Januar 186S ^. . 167
Inhalt. T
Heft m.
Selto
XII. Die apoplectische Destruetion der Uterinschleimhaiit.
Von Dr. Eigenbrodt und Dr. Hegar, praktiscben Aerzten
in Darmstadt. (Mit drei Abbildungen.) 161
XIII. Vermag die um den Hals des mit dem Kopfe bereits
geborenen und geatbmet habenden Kindes entstandene
krampfhafte Znsammenzlebnng des Os nteri oder des
Constrictor cunni dasselbe — mit oder ohne Hinter-
lassung einer Strangrinne — zu tödten, und kann
ein solcher Geburtsvorgang ohne Kunsthülfe , mithin
auch heimlich beendet werden? Eine Anfrage an
alle Sachverständige zur geneigten Beantwortung
aufgestellt. Von Dr. 8. E. Loewenhardt in Prenzlau 196
XIV. Ein Oeburtsfall, bei welchem das mit dem Kopfe
geborene Kind, nachdem dasselbe Luft su athmen
begonnen hatte, abstarb, obschon der Rumpf sofort
ausgezogen wurde. Von Eduard Mariin 204
XV. Die Quetschung der Plaeenta. Ein Beitrag zur Be-
handlung der Plaeenta praevia. Von Dr. (7. Pfeiffer
in Demmin 207
XVI. Zur Würdigung der neuesten chemischen Ansichten
über die Ursache der Eclampsia puerperalis. Von
Medicinalrath Dr. A, Clemens ^ praktischem Arzte zu
Frankfurt am Main i 216
XVII. Notizen aus der Journal -Literatur:
Hutchinson: Mehrföcherige Ovarienkyste bei einer
65jährigen Frau. Ovariotomie. Heilung .... 224
Stilling: Geschichte einer Eierstocksgeschwulst . . 224
0. V. Franqud: Ueber Jodinjectionen bei Ovarien-
kysten 226
Forsten Ezstirpation des vorgefallenen Uterus . . 226
Hamland: Ruptura uteri 226
Thome: Transfusion mit glücklichem Erfolge . . . 227
Hillmann: Ein Kaiserschnitt mit günstigem Erfolge
für Mutter und Kind 227
Traetzl: Vaginalpoljp bei einem IV4 Jahre alten
Kinde 227
Hugenherger sen.; Bericht über die Vorkommnisse
in dem Hebammeuinstitute der Grossforstln
Helene PawUnona zu St Petersburg in den Jahren
1845 bis 1859 228
VI Inbftlt.
Heft IV.
Seite
XVIII. Fünfsehn Kaisers cbnittoperationen nnd deren Er-
gebnisse für die Praxis. Von Dr. Ludwig Winckel^
Sanitätsrath nnd Physikus des Kreises Gummersbach,
Reg.-Besfi. CÖln. (Fortsetzung und Scblnss.) «... 241
XIX. Mittbeilnngen über die Tbatigkeit nnd die Ver-
handlungen der Gesellschaft für Geburtshülfe su
Leipzig im neunten Jahre ihres Bestehens 270
I. Jahresbericht, erstattet durch den d. Z.Secretair
Dr. Emil Apollo Meissner 270
XX. Achtunddrcissigste Versammlung deutscher Natur-
forscher und Acrzte in Stettin im Jahre 1863. Ver-
handlungen der Section für Gynäkologie. Mitgetheilt
von Dr. H. Hadke 296
XXI. Notizen aus der Journal-Literatur:
Boaai: Ueber Credä^B Methode der Entfernung der
Nachgeburt 809
Qosehler: Begründung der CredS^achen Methode,
die Placenta zu entfernen, durch eine neue
Ansicht über die wahre und häufigste Ursache
der Einsackung der Nachgeburt 318
Bloi: Die Verlangsamung des Pulses im Wochenbette 814
C. Braun: Ueber acute Schmelzung der Leber bei
Schwangeren 315
Ulrich: Ueber die Operation der Blasenscheldenfistel 817
Saueerotte: Die Ovariotomie in Strassburg 819
Spiegelberg: Bericht über die Ereignisse in der
Grossherzogl. Entbindungs- Anstalt an der Uni-
versität Freiburg in den Jahren 1861 und 1862 . 820
Heft V.
XXII. Beitrüge zur Physiologie und Pathologie des Wochen-
bettes. Von Dr. jP. Winckel, Secundärarzt der geburts-
hülflichen Universitätsklinik in Berlin. (Mit vierzehn
Curven- Tafeln.) 821
XXIII. Mittheilungen über die Thätigkeit und die Verhand-
lungen der Gesellschaft für Geburtshülfe in Leipzig
im nennten Jahre ihres Bestehens. (Scfalass.) .... 871
Inhalt. VII
Seite
II. Einiges über die fimbryotomie in der beatigen
Geburtshülfe unter MiCtbeilung eigener £r-
fabmngen von Dr. JEmil Apoüo Meissner . . . 371
in. Ueber künstliche Erweiterung des Cervical-
canales. Beobachtungen von Dr. E. O. Beck 386
XXIV. Notizen aus der Journal -Literatur:
Qruenewaldt: Ueber die Eigenwärme gesunder und
kranker Wöchnerinnen 394
Haasler: Darstellung einer vom Dr. von Brum con-
strairten Bandage zur directen Zurückhaltung
und Heilung des Scheiden- und Gebärmutter-
vorfalles 399
Arthur Scott Donkin: Ueber die pathologischen Be-
ziehungen zwischen Albuminurie und Puerperal-
manie 400
Heft VI.
XXV. Verhandinngen der Gesellschaft für Gebnrtshalfe in
Berlin 401
Birnbaum: Zwei Fälle von Formvarietäten des
Uterus mit Schwangerschaft 401
Louis Mayer: Das Präparat einer Geschwulst,
welche aus der Brustdrüse einer Frau aus-
geschnitten wurde 407
Boehr: Ueber das Athmen der Kinder Tor der Geburt 408
XXVI. Die Drüsen der Decidua und die Hydrorrhoea
gravidarum. Von Dr. Alfred Hegar in Darmstadt . 429
XXVII. Ueber die Heilbarkeit und-Heilmittel der chronischen
Metritis. Von F. C, Faye^ Professor in Christiania 451
XXVIII. Notizen aus der Journal -Literatur:
Qubler: Ueber die von der Menstruation un«
abhängigen Uterinblutungen beim Beginne acuter
Fieber und Entzündungen 455
A, Stad/eldt: Untersuchungen über den Kindskopf
in obstetritischex Beziehung , . . . 461
o. Haartman: Einiges zur Lehre der Deviationen
der Gebärmutter im ungescbwnngerten Zustande
und ihrer Behandlung auf mechanischem Wege 467
VUI Inhalt.
Seite
Seppner: Drei OperatiousnUle der BUBenseheiden-
fistel . . . ;• 470
Weil: Ein neues Pessarinm 471
Kras80W8ki: CoUoideEntartang des linken Ovarinm.
Ovariotomie. Vollkommene Genesang .... 471
Spencer Wells: Sieben Fälle Ton Ovariotomie in
der Privatpraxis 472
Regnault: Ovariotomie einer vielfache rigen Kyste
bei einem nennzefanjährigen Mädchen 472
Spencer WelU: Ovariotomie an einer Person swei
Mal ausgeführt 473
van Auhü: Ueber den Kaiserschnitt ^ . • 478
Leyden: Bericht über die während des Zeitranmes
vom 1. November 1861 bis 15. April 1862 auf der
inneren Abtheilung des Herrn Prof. Traube in der
Charit^ vorgekommenen Puerperalerkrankungen 474
XXIX. Literatur:
Ueber die Gefahren der Uterin- Inj ectionen.
Inaugnral- Dissertation von E. H, Klemm,
Leipzig 1863 478
Beitrag zur Casnistik der Beckengeschwtilste in
geburtshiilf lieber Beziehung. Inaugural- Disser-
tation von J. U. Künteiner. Zürich 1863 . . • 479
L
Heber die Besisteiiz der Eihäute , ein Beitrag
zur Mechanik der Gteburt
Ton
■
Dr. J. Poppel in Mönchen.
Die folgenden Versuche gingen aus dem Bestreben hervor,
den Vorstellungen über die bei der Geburt wirkenden Kräfte
bestimmte Zahlenwerthe zu Grunde zu legen. Durch die
Untersuchung der Widerstandsfähigkeit der Eihäute ist vielleicht
ein kleiner Beitrag dazu geliefert, aus dem sich, wie später
angedeutet werden wird, auch approximative Schlösse auf
4en Gesammtdruck, welchen die Uteruscontractionen auf ihr
Contentum ausüben, ziehen lassen, und aus dem selbst theil-
weise die bei der Geburt der Kinder zur Wirkung kommende
Kraft abgeleitet werden kann.
Die Versuche, zu denen mir Herr Prof. Heeker das
reiche Material an Placenten im hiesigen Gebärhause götigst
zur Verfügung stellte, wurden in der Art ausgeführt, dass die
Hübe einer Quecksilbersäule gemessen wurde, die im Stande
war, eine auf passende Weise befestigte Eihautkreisfläche zum
Zerreissen zu bringen. Der Apparat, dessen ich mich dazu
bediente, war so construirt, dass auf ein mit einem krei^
förmigen Loche versehenes Bret zwischen zwei Gummiringe
ein Stock der zu untersuchenden Eihaut gelegt wurde. Auf
den oberen Gummiring wurde eine Art flacher Glasglocke, die
ich mir durch den eben abgeschMenen obersten Theil eines
gewöhnlichen Reagenzglases herstellen liess, gesetzt und in
den Hals dieses Glases eine Glasröhre eingelorkt. Dann wurde
die Glasglocke durch ein zweites kreisförmig ausgeschnittenes
ICoiift«M«hr. f. OeborUk. 1888. Bd. XXII., Hit 1. t
2 !• Poppelf lieber die Resistena der Eihäute,
ebenfalls mit Gummi gepolstertes Bret mittels dreier Flögel-
schrauben gegeü das erste Bret angepresst, wodurch eine
vollkommen hinreichende Befestigung der Eihaut gelang, ohne
dass jedoch der Druck so gross war, dass die Membran an
den gedruckten Stellen durchgequetscht worden wäre, denn
bei den Versuchen entsprach der Eihautriss fast nie der
befestigten Peripherie, sondern war meist in der Richtung
eines Durchmessers oder einer Sehne oder auch der Peripherie
eines zur Glasglocke concentrischen Kreises da entstanden,
wo die Eihaut frei am Rande des mit Gummi gepolsterten
Loches auflag; und bloss solche Fälle wurden verwerthet.
Der so zusammengesetzte Apparat kam auf ein Gefass zu
stehen und durch die Glasröhre wurde nun mittels eines
Tropfenglases langsam Quecksilber eingegossen, bis die Eihaut
zerriss. Die Höha der Quecksilbersäule konnte an einem an
der Glasröhre befestigten Maassstab nach ganzen und halben
Centiroetem abgelesen werden. Nach den Gesetzen der
Hydraulik entspricht der Druck, den tdne Flüssigkeit auf den
Boden eines Gelasses (hier auf die zu prüfende Eihaut) ausübt,
dem Flächeninhalte des Bodens multiplicirt mit der Höhe und
dem specifischen Gewicht der Flüssigkeitssäule. Wenn beispiels-
weise der Durchmesser des kreisförmigen Loches im unterep
Brete und damit der Durchmesser der dem Drucke aus-
gesetzten Eifaautkreisfläche 5 Centimeter beträgt, und wenn
die Höhe der Quecksilbersäule 12 CenChneter ist, so ist das
Gesammtgewicht, das die Eihaut Irägt, gleich r^yr.A.«,
wenn h die Höhe und s das ^ec. Gewicht bezeichnet, also
gleich 19,62 X 12 X 13,6 = 3337,4 Gramm. Dazu muss
noch die Menge Quecksilber addirt werden, die jedes Mal
in der durch d^ Druck entstandenen halbkugellörmigen Hervor-
wölbung der Eihaut entstanden ist und die dnfach dadurch
gemessen wird, dass von der verbrauchten Gesammtmenge des
Quecksilbers das in der Glasglocke und der Glasröhre enthalten
gewesene abgezogen wird, deren beider Kubikinhalt durch
Versuch ermittelt worden ist
"Ganz ist auf diese Weise die Natur niclit nachgeahmt,
indem die Eihaut am Rande fest eingeklemmt wird, und
hier nicht, wie in der Natur, iiirer Elasticität freier Spieiranm
gelassen ist; gross jedoch kann der Fehler nicht sein, da
ein Beitrag snr Mechanik der Qebnrt. 3
die Verschiebbarkeit der Eihäute an der Innenwand des Uterus
tbeils durch die Anheftungen der Decidua, theils durch don
auf alle Tfaeile der Innenfläche gleich vertheilten Druck gewiss
sehr beschränkt ist, und jedenfalls ist der Fehler so, dass
er eher zu kleine als zu grosse Zahlen bedingt, weil, wenn
im Versuche das Maximum der Dehnbarkeit erreicht ist, in
der Natur noch die innerhalb des Muttermundes gelegenen
peripherischen Eihautstellen ihre Dehnbarkeit entfalten können.
Dass dies in der Regel in keinem hohen Grade der Fall ist,
gebt auch daraus hervor, dass die Hervorwölbung der Eihäute
aus dem Muttermunde sdten die Halbkugelform übersteigt,
was doch öfters stattfinden müsste, wenn die gespannte
Blase die nächst gelegenen Eihauttheile bedeutender herab-
ziehen wurde. Auch der Eibantriss erfolgt doch in der
Mehrzahl der Fälle an der im Muttermunde biossliegenden
Eihautstelle und selten etwas höher oben, so dass nach
Wasserabfluss in der Regel der Kindestheil ohne Eihautuberzug
vorliegt. Die durch das allmälige Zugiessen des Quecksilbers
bewirkte successiv steigende Belastung der Eihaut entspricht
wohl so ziemlich der in der Natur allmälig hervorgebrachten
Spannung durch die Wehenthätigkeit.
Die nächste Frage ist nun, wie sich die Tragfähigkeit
verhält, je nachdem die zu prüfende Fläche gross oder klein
ist. ^) Wenn eine Kreisfläche von n Durchmesser x Gewicht
trägt, so muss eine von 2n Durchmesser jedenfaUs mehr '
als X tragen, denn der Flächeninhalt ist im letzteren Falle
vier Mal so gross als im ersten, und ist demnach schon
der vierte Theii im Stande x zu tragen. Das Gesammtgewicht
wird jedoch nicht 4a;, sondern bloss 2x sein dürfen, wie
sich aus Folgendem ergiebt. Nehmen wir eine kreisförmige
Membran an, die auf ihre Tragfähigkeit geprüft werden soll,
so ist klar, dass alle Punkte der Peripherie zusammen die
Gesammtbelastung tragen müssen. Man kann also, wenn z. B.
die Peripherie 10 Centimeter lang ist und die Membran
1000 Gramm trägt, sagen, 1 Centimeter der Peripherie trägt
1) Ich hatte bei dieser Arbeit vielfach Gelegenheit, die
Fachkenntnisse meines verehrten Freundes Herrn Dr. Ä. Steinheil
zu Rathe au sieben.
4 I. Popptiif Ueber die Besisteni der EihSate,
100 Gramm. Wenn nun die Peripherie 20 Geotimeter lang
wird , 80 muss wenn man ganz dieselbe Widerstandsfähigkeit
der Membran voraussetzt, die ganze Membran 2000 Gramme
tragen, d. h. das absolute Gewicht verhält sich wie die
Peripherie, oder da sich die Peripherieen zweier Kreise wie
ihre Durchmesser verhalten, das absolute Gewicht, welches
zwei gleich widerstandsfähige kreisförmige Membranen im Stande
zu tragen sind, verhält sich wie die Durchmesser der Kreise.
Daraus folgt auch, dass die Höhe der Quecksilbersäule oder
das relative Gewicht im umgekehrten Verhältnisse zum Durch-
messer steht. Wenn die Eihäute ganz homogene Membranen
wären, so musste sich dies immer herausstellen, da aber
dickere mit dünneren Stellen abwechseln, so wird die zu
prüfende Fläche Immer an der relativ schwächsten Stelle ein-
reissen, und da, je grösser die Eihautfläche, desto wahr-
scheinlicher das Vorhandensein einer schwächsten Stelle ist,
so wird sich das Verhältniss etwas zu Ungunsten der grösseren
Fläche herausstellen, selbst so, dass in einzelnen Fällen die
kleinere Fläche mehr zu tragen im Stande ist.
Um hier gleich Zahlen anzuführen , so stellte ich sämnit-
liche Versuche doppelt an, ein Mal mit einem Durchmesser
der Eihautfläche von 5 Centimeter und das andere Mal mit
einem von 3,4 Centimeter. Die Mittelzahl der Gewichte aus
dieser doppelten Versuchsreihe sollte sich nach Obigem ver-
halten, wie 5 : 3,4, sie verhält sich aber aus 90 Versuchen
wie 5 : 4,09.
Zuerst finde hier eine Tabelle Platz, um die Sdi wankungen
vom Minimum zum Maximum der Tragkraft anschaulich zu
machen. Zu bemerken ist, dass die geprüften Stellen alle
ganz von der Nähe der natürlichen Rissstelle genommen
wurden. Zugleich finden sich kurze Notizen über die Dauer
der Geburtsiperioden und über die Zeil des Abflusses des
Fruchtwassers.
1
H
1
s
m
•{n BeltTa« nt Heebtnik der Geburt. 5
Hill ppassiiiiiiiiii 1 1 1 1 1 1
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• 5.S» .=J.-S-S5:-5SS5&S-«»5.
m
si5»|-s- JsKsMsiisi-JJJ
6022,1
6087
1430,7
4836,2
2018,8
2913,1
4996,3
5136,3
3259,9
8S3G,2
4461,8
1301,3
4689,1
6B2Ö,6
4482,7
3500,6
4489,4
5396,8
5388,6
6876,2
6204,2
2871,5
6769,1
4634,8
3140,2
3695,3
2981,1
4269,1
m
S?i2SJ:2 si"gSSS5H"SgSS2aKSSS5SSS
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WierlelBt
Oebbeude.
i
6 I. Popptlf Ueber di« S^sistena dar Eahftiite,
Diese Tabelle widerlegt die vielleicht gehegte Venouthung,
dass die Zeit des Abflusses des Fruchtwassers im Verhältnisse
zur Resistenz der Eihäute stehe. So iindet z. B. Traglahigkeil
von 1430,7 und 1301,3 Gramm in Fällen statt, wo die
Velamente erst mit der Geburt des Kindes rissen, während
bei der stärksten Tragfähigkeit von 6037 Gramm die Velameote
schon 11 Stunden vor der Geburt bei guldengrossem Mutter-
munde rissen. Es hängt ja auch ganz naturlich der Zeit-
moment des Zerreissens von der Intensität der Wehen ab,
die schon gleich anfangs einen hohen Grad erreichen kann.
Bei No. 18 und 19 sind zwei Fälle bemerkt, bei denen die
Webenthätigkeit nicht hinzureichen schien, die Eihäute zu
zerreissen, weshalb die kunstliche Sprengung gemacht wurde ;
man sieht, dass in beiden Fällen die Resistenz auch durch
sehr hohe Zahlen (5796 und 5328 Gramm) repräsentirt isU
Die folgende Tabelle zeigt, dass die Eihäute an der
Rissstelle im Durchschnitte erheblich schwächer als in der
Nähe der Placenta sind, was allerdings ohne weiteres Interesse
ist, weshalb auch nur wenige Versuche angestellt wurden.
Tabelle ü.
Gewicht in Grammen
Gewicht in
Grammen
bei einem ]
Onrchmeseer
bei einem Dorchmesser
▼on 6 Centime ter.
von 3,4 Centimeter.
No.
^
Eihaut .
Eihaut
Eihaut
Eihaut
Ton der
BiasBtelle.
Tom
Placentar-
rande.
Ton der
Bissstelle.
▼om
Placentar-
rande.
1
6748,7
6983,6
_
^^^
2
1430,7
1710,9
1719
1486,6
3
3140,7
3742,7
— ~
—
4
—
—
2143,3
2648,6
6
4996,3
6148,6
2656,8
4607,6
6
6136,7
6289
4004,6
4469
7
3836,2
4194,2
2322,9
2612,6
8
4451,3
4103,1
2748,3
3174,6
9
1801,6
2978,4
987,6
2370,6
10
4639,1
6606,3
4621,3
6269,1
11
6926,6
6602,2
6032
6142,2
12
4482,7
4494,8
3627,8
4830,7
MUUl| 4098,8 I 4602,9 | 2970,8
3647,1
ein Bellraff wmr Meoluiüc dor Gdb«rt.
Noch kami ich eine kieiiie Tabelle zuBammeDslellen, die
beweist, dass das Amnion allein eine bedeutend gröesere
Tragkraft besitzt, als das Chorion mit der Deeidua«
Tabelle IH.
Gewicht in Grammen
Gewicht fai Grammen
bei einem Durchmesser
bei einem Dirchmesser
No.
von 5 Centimeter.
Ton 8,4 Centimeter.
Amnion.
Chorion.
Amnion.
Chorion.
1
_
,
4274,5
951,9
2
3753,6
1251,7
—
—
3
3058,6
8092,6
4699,4
2869,6
4
4920,5
1878
2082,1
1264,8
6
4414,4
1977,4
2166,7
1232,2
6
2783,6
587,2
1260
862,8
7
2246,7
787,1
2738,6
685,4
8
—
—
2034,6
1142,4
8
—
—
2842,4
887,8
10
•*.
2128,8
1924,4
Mittel
3521
] 1693,1 I
2574,6
1307,8
Mit HftMe dieser gefundenen Zahlen ist es mm mögHcb,
einige weitere Schlüsse zu ziehen. Es ist bekannt, dass
nach den Gesetzen der Hydraulik ein auf eine ringsnmseblossene
Flüssigkeit ausgeübter Druck sich nach allen Seiten gleich^
massig fortpflanzt, und also gleich grosse Flächen des um-
schliessenden Gefässes gleich starken Druck auszuhaken haben.
Das unversehrte Ei als eine mit Flüssigkeit gefällte Blase
genommen, die durch den einschliessenden Uterus einen Druck
erleidet, muss demnach dieser Druck auch hier auf gleiche
Flächen der Innenwand des Uterus gleich gross sein. Da
nun durch die Versuche ein bestimmter Werth für den Druck
gefunden wurde, den die Eihaut zur Zeit des Blasensprunges
aushielt, so würde sich der Druck, den der ganze Uterus
auf sein Contentum während der Buptur der Velamente ausübt,
einfach dadurch für den bestimmten Fall berechnen lassen,
wenn man weiss, wie oft der Flächeninhalt der geprüften
Eihautfläche im Flächeninhalt der ganzen Uterusinnenfläche
enthalten ist Wäre beispielsweise das Fruchtwasser bei einer
Eröffnung des Muttermundes Yon 5 Centimeter abgeflossen
3 I. P«ffP«l> üabor dl« Bealftoiui Ur EiUnte,
und hätte mao durch den Versuch die TragObigkeii einer
5 Centimeter im Durchmesser habenden Eihautkreisfiäohc
gleich 3000 Gramm gefunden, wäre femer die Innenfläcfae des
Uterus gleich 1000 Quadratcentimeter, so wäre der Gesamml-
1000
druck für diesen Fall = -^^ X 3000 = 152700 Gramm
19,tö
=s 152,7 Kilogramm = 3 Centner.
Diese Berechnung lässt sich für gegebene Fälle auch
approximativ anstellen« Die Innenfläche des Uterus ergiebt
sich aus dem Volumen und dem specilischen Gewkdite des
Inhaltes, wenn man am einfachsten eine Kugelgestalt des
schwangeren Uterus annimmt, da man dadurch ein Minimum
für die Oberfläche erhält, weil die Kugelfläche unter allen
anderen Begrenzungen bei gleichem Inhalte die kleinste Flächen-
ausdehnung einnimmt
Das Volumen des Inhaltes findet man, indem man das
absolute durch das specifische Gewicht desselben dividirt
Das durchschnittliche absolute Gewicht des Kindes und des
Fruchtwassers ist 5,16 Kilogramm.^) Das specifische Gewicht
des Kindes und Fruchtwassers kann ohne grossen Fehler zu 1
angenommen werden und somit das Volumen in runder Summe
zu 5 Kubikdecimeter, da 1 Kilogramm Wasser = 1- Kubik-
dedmeter misst Die Oberfläche einer Kugel von 5 Kubik-
decimeter Inhalt berechnet sich nach den bekannten Formeln :
4
Kubikinhalt einer Kugel = -^ r'^r
• o
r»
16
4«
=fi;
16
r = 1,04 Decimeta.
r = 10,4 Centimeter.
Oberfläche einer Kugel = Ar^TC
F = 1358 Quadratcentimeter.
1) Ooftnar, lieber die Veränderiingen des Körpergewichts bei
Sehwangeren, Gebärenden nnd Wöchnerinnen. Monatsschrift fUr
Gebartsknnde, Bd. XIX., 1861.
•in Beitrag siir lleoliaofk ä%t Oebnrl.
9
Nehmen wir nun aus der TabeUe I. die FftHe No. 4, 9,
10, 11, 17, 18, 19, 21, 26, bd denen die Eihfiute bei
erweitertem Multermmide karze Zeit Tor der Gebart zerrissen,
so können wir, den Durdimesser des Muttermundes zu
2 Zoll =aB 5 Gentime ter angenommen, ^) folgenden Schluss
ziehen. Zur Zeit des Blasensprunges war in den angeführten
FäUen^ der Gesammtdruck des Uterus auf sem Contentum um
so yiel Mal grösser, als der Quadratinhalt der im Mutter-
munde vorliegenden Eihautfläche im Quadratinhalte der Uterus*
Innenfläche enthalten ist, also nach den berechneten Zahlen
= ^aao ^^^ ^^ '^^ ^^ gross als die far die bewusste Eihaut-
kreisfläche durch die Versuche gefundenen Gewichtswerthe.
Damach für die genannten Fälle den auf das Contentum zur
Zeit des Blasensprunges ausgeübten Gesammtdruck berechnet,
ergeben sich folgmde Zahlen:
Tabelle IV.
SB=^— 5
Tragfähigkeit
Qeiammtdmok
der Eihaut
anf das £i
No.
bei 6 Ctm.
inr Zeit des
DarchmeMer
Blasenspruogea
in Gramm.
in Kilogramm.
4
4836,2
833,684
0
3269,9
224,871
10
3885,2
265,515
11
4451,8
807,119
17
4489,4
809,741
18
5796,8
399,924
19
5328,5
867,632
21
5204,2
869,076
26
3635,8
250,815
Mittel 818,158 Kilogr. » 6 V« dir.
Wenn man Fälle annimmt, in denen das Fruchtwasser
bei geringerer Eröffnung des Muttermundes abfloss, so bekommt
1} Die SchätiQOg der GrSsse des Mottermnodes ist so will-
kiirlieh, daas namentlieh fttr den Ausdruck erweiterter Mvttenniuid
durchaus kein bestimmtes Maass angegeben werden kann; wenn
die Eröftrang einmal über Kronenthalergrösse geht, sprieht man
sehen Ton last ToUkommen erweitertem Muttefmnnde, wihrend
er es in der Tbat erst dann ist, wenn er sich fiber den Kopf
DMkD noch gröSBere Werllie. B^ispiekwem iai auf Tabelle I.
Fall 2 und 7, in eignen ein Abfti88 dos Fruchtwassers bei
guldengrosaem Muttermunde notint ist; hier berechnet sieh
der Gesamaitdnick, wenn der Durchmesser xu 3,4 Genti-
meter angeBonimen wird, demnach die dem Zerreiasen
ausgesetzte FUcbe (9,07 Quadratcentimeler) 149,7 Ifad in
der Imienfläclle des Uterus enthalten ist, für Fril 2 aof
846,925, für Fall 7 auf 382,652 KUogramm oder auf 17 und
7V< Centnen Hieraus erklärt sich die Thatsacbe, dass in
der Regel das Fruchtwasser bei erweitertem Muttermunde
abfliesst Nach der anfangs gegebenen Deduction, nach der
eine Membran um so weniger trägt, je kleiner ihr Durch-
messer ist, hätte man denken können, der' Blasensprung
müsste in der Regel gleich zu Anfang der Wehentbätigkeit
erfolgen, wenn eben der Muttermund sich zu öfinen beginnt,
weil dann der Durchmesser ein sehr kleiner, also auch die
Tragfähigkeit eine sehr kleine ist Die Sache verhält sich
jedoch folgendermaassen. Vorausgesetzt, dass eine bestimmte
Eihaut bei 5 C^itimetef Durchmesser 3000 Gramm trägt, so
gehört Yon Seite des Uterus ein Gesammtdruck von 207,6 Kilo-
gramm dazu, um sie zu zerreissen; dieselbe Eihaut, wenn
sie aber bloss 1 Centimeter Durchmesser hat, ü^ägt ungefähr
600 Gramm, woraus mh die Gesammtleistung des Uterus,
um sie bei 1 Centimeter Durchmesser zum Zerreissen zu
bringen, auf 1044,6 Kilogramm berechnet; d. h. die Uterus-
contractionen müssten, um die Eihäute schon bei 1 Centimeter
mit 600 Gramm zu belasten, einen Gesammteffect von
1044,6 Kilogramm erzeugen, der fünf Mal grösser ist, als
derjenige, welcher genügt, um die Eihaut bei 5 Centimeter
Durchmesser zu zerreissen. In der Regel sind aber die Wehen
am Anfange am sdiwächsten, und steigern sich erst mit dem
snraekznsiehen beginnt; es ist auch nicht viel Werth darauf sn
legen, da Ton KronentliälergrSsse an die Eröffnung meist rasch
geschieht* Ein Kronenthaler hat 4 Centimeter Durchmesser,
und ich glanbe, dass es nicht weit gefehlt ist, wcqq fiir dea
vorliegenden Zweck 5 Centimeter angenommen werden, als für
den Zeitpunkt, wo meist die Bnptar der VelamcDte etsttfindct,
and wo maa sagt, die Blasa sei bei erweitertem Muttermunde
gesprungen.
Vorscbreiteii der £ii5fiBUDg8{keriode; so dass nur sdteoer»
entweder bei angewölmlicb dünoen Eibäutea, oder imgewämlich
starken gleieb im Anfange aufiretenden Wehen die Bihauie bei
genngerer Eröfihung des Muttermundes zenreissen.
Die in Tabelle lY. angegebenen Wertbe für den Gesammt*
druck von durchschnitüicb über 6 Centno'B könnten wegen
ihrer Grösse onwahrscbeinlich erscheinen, zumal dies nur
Minimalwerthe sind. Vor allem ist jedoch zu beachten, dass
diese Zahlen kein Ausdruck für die zur Wirkung kommende
Kraft sind, denn zur Wirkung kommt bloss eine so grosse
Kraft, als der Flächenausdehnung des geöffneten Muttermundes
entspricht. Nach allen anderen Richtungen wird der Druck
durch Gegendruck paralysirt. Auf ähnliche Weise hat z. i.
Htdes^) den auf die Innenfläche der linken Herakammer
dorch ihre eigenen Gontradionen bewirkten Druck des Blutes
approximativ auf 61,5 Pfund berechnet, während die zur
Wirkung kommende Kraft nur 5 Pfund beträgt^) loh darf
hier nur an die Ergebnisse der FFieAer'schen ') Versudie flbor
Muskelkraft erinnern ; wenn . naturlicb zwischen gestreiften
wid glatten Muskelfasem in dieser Beziehung durdbaus kein
Ver^eich gezogen werden kann, so finden sich doch ha den
ersteren auch so beträdithohe Zahlenwertbe für ihre Leistung,
dass man auch bei den letzteren ähnliche erwarten darf; so
fand WeheiTy dass die beiderseitigen Wadenmuskeln eines
erwachsenen Menschen eine Kraft entfalten können, die
322,99 Kilogramm entsprechen.
Man könnte auch gegen die hohen Zahlen einwenden,
dass die Contenta des Uterus, also Kind, Nabelschnur,
Placenta, einen so grossen Druck nicht ohne Gefahr aushalten
könnten. Die Zahlen geben natürlich noch nicht den Druck,
den jedes von ihnen unterworfen ist. Um denselben kennen
zu lernen, müssen die Oberflächen der genannten Körper
bekannt sein. Ich konnte nirgends Angaben über die Ober-
fläche des kindlichen Körpers finden ; doch ist es nach einer
1) Bei VoJkmcmn^ Die HämodTnamik Dach Verraohen.
Leipsig 1850.
3) B^ndMelbst
S) Wagner^ Hsndwörterbach der Physiologie. Band III.,
Abih. 8, 8. 90.
12
I. P09p9l^ U^er die RMislMks der Eihftiite,
too Herrn Dr. SteinkeU berechneten Formel rndg^kb, ans
dem bekannten Flächeninbalt der Oberfläche eines Erwacfaseiien^
dem durchsdmittlichen absoluten Gewichte eines Erwachsenen
und eines Kindes die Oberfläche für das letzere zu berechnen,
Torausgeseizt, dass das specifiscbe Gewicht dasselbe und die
Form eine ähnliche' bleibt. Die Entwickelung der Formel
wflrde zu weit führen, sie stellt sich folgendermaassen dar:
0
fw
wenn o und p, und o' und p* die Oberfläche und das Ge-
wicht der Körp^ in Frage bezeichnen. Daraus ergiebt
sich, die Oberfläche eines Erwachsmen nach Ftaüce^) zu
1127 Par. Quadrat-Zoll = 8701,56 Quadrat-Centimeter, sein
Gewicht zu 60 Kilogramm, das eines Kindes zu 3,3 Kilogramm
angenommen, die Oberfläche eines Kindes zu 1260,84 Quadrat-
Centimeter. Wenn man also für die in Tabelle IV. angefahrten
Fälle dieselbe Berechnung wie dort für die Innenflädie des
Uteras, hier für die Oberfläche des Kindes ausführt, steilen
sich für den Gesammtdruck, den der kindliche Körp^ zu
erfahren hatte, durch die den Blasensprung bewirkende Wdie,
folgende Zahlen heraus. Zugleich ist in der Tabelle auch der
Druck berechne, den die Placenta auszuhalten hat, und ist
dabei der Durchmesser derselben zu 15 Centimeter, ihr
Fttchrainhalt also zu 176,6 Quadrat- Centimeter angenommen.
Tabelle V.
No.
Qetammtdrack
Geaammtdrack
aaf das Kind.
auf die Placenta.
4
310,471 ]
Kilogramm.
43,626
Kilogramm.
9
209,286
»
29,339
n
10
246,207
}f
36,616
1»
11
286,778
»
40,061
n
17
287,819
9
40,404
»
18
872,122
n
62,166
n
19
342,089
n
47,966
9
21
334,096
n
46,837
n
26
233,886
n
32,717
n
Mittel I 291,249 Kilogramm. | 40,947 Kilogramm.
1) Lebrbnch der Physiologie, Bd. I., 8. 483, Leipaig 1858.
ein Beitng rar Ifcdiaiiik d»r GvVvrt. 28
kb bitte aucb ftip den Druck» den die NabebcbnOr a^
leidet, Zablen aoffihren könneü; weim man die mittlere Uoge
derselben zo 60 Centimeter, ihreo mittleren Umfimg su
3,5 Centimeter annimmt, so berecbnet sieb die Oberfläcfafe
SU 17Ö Quadrat- Centimeter, es würde also der Druck «ih>
geffibr mit dem der Placenta übereinstimmen.
Als Mittel für den Druck auf den kindlichen K6rper ist
somit 291 Kilogramm oder 5% Centner gefunden. Diese
Zahl könnte unglaublich erscheinen, wenn man nicht berück-
sichtigte, dass dieser Druck ganz dem Luftdrucke analog
aufzufassen ist, zu dem er einen kleinen Zuwachs bildet* da
das Kind auch intrauterin unter dem Luftdrücke steht Wie
wir durdi das uns allseitig umgebende Medium der Luft
einem unserer Oberfläche proportionalen Druck von 300 bis
400 Cenfnem^) imterworfen sind, und wie er, wdl er von
alleo Seiten gleich stark ist, desweg^ auf uns ohne Wirkung
Meibt, so ist es aucb mit dem Fötus, so lange er nodi von
Fruchtwasser umgeben ist Als Analogie kann ein Taucher
angeführt werden, der, wenn er beispielsweise 10 Meter
unter der Wasserfläche sich aufhält, ausser dem Luftdrucke
auch noch einen Wasserdruck von etwa 174 Centnem aus-
zuhalten hat, gegen den einer von 5 bis 6 Centnern, me
er auf den Fötus einwirkt, ganz verschwindet Dasselbe gilt
von dem Drucke auf die Nabelschnur. Nur die Placenta, an
der Innenfläche des Uterus anhaftend, durch den Druck des
Fruchtwassers gegen die Uteruswand gepresst, kann einer
nachtheiligen, weil einseitigen Compression ausgesetzt sein;
dadurch wird gewiss auch die bei und nach jeder Wehe
bemerkbare Störung im Placentarkreislaufe , die sich durch
Langsamerwerden der kindlichen Herztöne rückäussert, bewirkt;
denn ein wenn auch auf die ganze Oberfläche von 176 Quadrat-
Gentimeter vertheilter Druck von circa 80 Pfund ist sicher
im Stande, eine theilweise Compression und Verschliessung
der Gefilsslumina hervorzubringen.
Zum Schlüsse ist vielleicht eine Andeutung erlaubt, wie
gross man sich die Kraft denken muss, die den Kopf durch
die Geburtswege presst Ich glaube aus den Fällen No, 1, 3,
1) J. Miaier, Lehrbneh der Physik.
14 !• P^>PP^i VthtT di« Beiifltoav der BlhKvte etc.
19, 13, 22, 23 und 28 der Tabelle I. ein approximaÜTes
Mmnum ableiten zu dilrfen. Bei diesen nätnKch ist bemerkt,
dass die Gebort des Kindes gleichzeitig mit dem Abflasse
des Fruchtwassers erfolgte, d. h. bei derselben Wehe. Es
hat alse Aeselbe Kraft, die die EihMite sprengte, auch den
Kopf zu Tage gefördert. Leider habe ich die Untersuchungen
nicht auch auf Eihautflächen, die dem Umfange des voll-
kommen zuröckgezogenen Muttermundes entsprechen, also
etwa von 10 Centimeter Durchmesser ausgedehnt, doch darf
vielleicht von den för 5 Centimeter Durchmesser gefundenen
Werthen auch beiläufig auf grössere FUchen geschlossen
werden, wenn wfar nach der oben gegebenen Deduction an-
nehmen, dass sich die absoluten Gewichte wie die Diirchnesaer
verhalten und zugleich den zu Ungunsten der grösseren Fttcbe
sich herausstellenden ^ Fehler nach dem oben angegebenen
Verhiltnisse zur Recbnmg bringen. So bekommt man dann,
den Durchmesser zu 10 Centimeter annehmend, folgende
Zahlen.
Tabelle VI.
Belastung
Belastung
bei
bei
No.
6 Centimeter
10 Centimeter
Durchmesser
Durchmesser
in Gramm.
in Kilo^amm.
1
6002,1
9,876
8
1480,7
2,846
12
1301,8
2,134
13
4639,1
7,608
22
2871,6
4,709
23
6769,1
9,461
28
4269,1
7,001
Die zweite Reihe druckt also für die speciellen F^ie die
zur Zeit des Blasensprungs und Durchtrittes des Kopfes zur
Wirkung kommende Kraft des Uterus aus. Wem man
berücksichtigt, dass dies nur for die leichtesten Geburten ein
Minimum der Kraft ausdrückt, so erscheinen mir die Zahlen,
obwohl sie mit fosserst schwankenden Werthen bereehnet
wurden, durchaus wahrscheinlich. Man iiarf demnach fiOr
sehr leichte Geburten eine Kraft von mindestens 4 — 19 Pfund
annehmen, die den Kopf durch das Becken presst Yielfeicht
n. i9«lbflla, BeM«rkKm|»6ii ««r B6bmB4lwi|f 6te. 96
äst es spiUr «mmal auf anderem Wege rnöglidi, gemiiiepe
BestiiBiiHiiigen Aber tfese Kraft lu machen, filmKcli wie für
pathologische FftUe durch die irr»a^?2M*^6che ^) Zange mit
dynamometrisch^ Vorrichtung ein Mittöl uns zu Gebele steht,
die die NatnrkrSfte unterstützenden und ersetzenden KrMle
bei der Sunsthfllfe zu messen.
n.
Bemerkungen
zur „Behandlung der Nachgeburtsperiode".
(Nach dreihundert Beobachtungen.)
Von
Heinrich Sehttle,
prftkt. Afxte «ad bisherigem AMlttealaa en der Oroteiienogl. Entblninngaanatelt
SU Freibnrg i. B.
Es sind bald drei Jahre, dass Credä auf der Königsberger
Naturforschenrersammlung im Jahre 1860 sein Verfohren der
„Kweckmässigsten Entfernung der Nadigeburt'* hervorgehoben —
eine hinlängliche Zeit, um fl[)er den praktischen Werth desselben
erfahmngsgemlss urtheilen zu können.
Schon bei seiner ersten Darlegung durch Oredi erwarb
sich das Verfahren Freunde wie auch Gegner. War doch in
Deutschland die kc^nstliche Entfernung der Nachgeburt durdi
sanften Zug an dem Nabdstrange und Einfuhren der Hand
in die Scheide nach Ablauf von circa 20 Minuten nach der
Geburt der Frucht eine seitdem ganz unangefochtene Lehre
jedes geburtshWiichen Lehrbuches!
Ungeföhr zu derselben Zeit wie durch CrecU geschah
durch Spiefftlherg ein entscheidender Schi-itt zu Gunsten
eines der Natur entsprechenden Verfahrens, indem Sjnegelberg
in seinen „Erfahrungen und Bemerkungen über die Störungen
1) Monatsschrift fGr Geburtsknnde , Bd. 17, 1861.
10 II. 8Ml$t Benerkan^ea nur Bebandlong
des NachgebttitsgeschäftB'' (Wörzb. Med. ZeiUohr., K, 1861),
als das WeseDtliche der spoDtanen Placentalommg und Plaeenta«-
auatreibung ^die fortwährende Ueberwachung dea Utenia mit
der Hand** bezeichnete und hervorhob, „daas der Uterus die
Plaoenta wohl immer spontan löse, wenn die Nachgeborts-
Periode gehörig geleitet werde, und dass die Retemionen in
der überwiegenden Mehrzahl der Fälle durch Unterlassung
entständen.*^ Er zeigte, dass dies Verfahren schon längst
Ton den Engländern (White und Clarke) — und mit dem
schönsten Erfolge — geöbt werde, und bogröndete es durch
Hinweis auf einfache und bekannte anatomisch -physiologische
Thatsachen. ßpiegdber^s Verfahren wurde auch in der
unter seiner Leitung stehenden hiesigen geburtshnlfUchen
Klinik sogleich nach deren Uebernahme von seiner Seite ein-
geführt und bei allen Geburten geübt Die dadurch erzielten
Resultate bilden den Inhalt vorliegenden Aufsatzes.
Die Methode, wie sie in unserer Klinik zur Anwendung
kommt, besteht in Folgendem:
Hat bei der Austreibung des Kindes der Kopf durch-
geschnitten, so wird jetzt auch gleich die Hand auf den
Fundus uteri gelegt, und stellt sich dann die den Rumpf zu
Tage fördernde Wehe ein, so folgt jetzt die Hand dem durch
Entleerung seines Inhaltes sich immer mehr verkleinernden
Uterus, und zwar so, dass die Hand nach geschehener Geburt
des Fötus den Fundus uteri mit der vollen Breite umfasst,
wobei die Ulnarseite über den Fundus uteri hinweg die
Bauchdeeken zurückdrängend, an dessen Hinterseite fest sich
anlegt So bleibt die Hand (ohne dass man sieh um das
Neugeborene, wenn gesund, bekümmert) nun ganz ruMg liegen,
bis nach einigen Minuten (oft 10 Minuten bis y« Stunde)
diBTch dis leise unter derselben fühlbare Festerwerden der
Gebärmutter sich Contraclionen ankündigen. Und nun „umgreift
die Hand (wie CredS angiebt) mit den gespreizten Fingern
den Uterus, und drückt dreist auf den Grund und die Wände
des Uterus in die Gegend des Kreuzbeins Un.*^ Sehr oft
fühlt man schon bei dieser ersten Manipulation, bei der man
den Uterus^ wie Spiegelberg zu sagen pflegt, „wie eine
Citrone ausquetschen kann,** an der jetzt plötzlich kleiner
werdenden Gebärmutter, dass die gelöste Placenta in die
der NftokfebniUperiod«. 17
Vagina heral^geUreteo. Erfolgt dies noch nicht, ao blaibt die
Hand wieder ruhig liegen und wartet eine Contractian ab; das
von Credd empfohlene Reiben und Kneten haben
wir, da uns Hauptsache ist: die mit der Geburt
des Kindes erfolgende. Contraction zur Lösung der
Placenta zu benützen, nur in sehr wenigen Fällen
anzuwenden uns gendthigt gesehen. -^ Bei der nun
wiedenun sich einstellenden Contraction wiederholen wir das
oben besGbrid>ene Verfahren, und in den weitaus meisten
Ftilen fanden wir nach zwei bis drei Mal wiederholter
Manipulation die Placenta in die Vagina herabgetreten« — Ist
dies geschehen, so hat nur noch ein Druck der auf dem
Fundus ruhenden Hand gerade nach abwärts stattzufinden,
worauf die Placenta durch den herabgedrängten Uterus aus
der Vagina fast herausgeschnellt wird und ausserhalb df^r
Genitalien erscheint Der hin und wieder noch in der Vagina
sich befindliche Strang der Eihäute folgt einem leichten Zuge
mit der Hand«
Auch jetzt noch bleibt die Hand einige Zeit über dem
Uterus liegen, „sowohl um einer Relaxation des Uterus vor*
zubeugen, als auch um den erschlafilen Bauchdecken eine
Stütze zu geben.*" Den letzten Act in der Behandlung der
Naebgeburtsperiode bildet die Anlegung der Bauebbiode* —
Dies in kurzer Skizze die Methode, bezüglich derer hier
nochmals im Interesse des historischen Rechtes herrorgeboben
werden muss — wie dies auch von Prot SpiegMerg in
seinem Aufsatze geschehen ist — , dass sie durchaus nicht neu
an und fOr sich ist, sondern nur in DeutscUand ziemlich
uabekannt war, bis Cred^ und Spiegelberg entschieden auf
sie hinwiesen. Zum Beweise dessen dtire ich aus Sindair
and Johnston's „Practical Midwifery'', London 1868, das,'
was diese über die Behandlung der dritten Periode ^ wie sie
seit langer Zeit im Dubliner Gebärhause geübt wird,
S. 26—28, sagen:
(S. 26.) During the time the right band was engaged
with the Perineum, and just as the head was emerging from
tbe outlet, it was invariably the practice to place the left
band over the fundus of the Uterus, and with it the organ,
M»9*tMf1ir. f. Ctobvrtok. Ues. Bd. XXII., Hit 1. 2
13 II. Schau , BeiMrk^Bg^ lar Blihandlang
a» its capaeity Amished, was, in tbe langoage of the h^apital
„foUowed dowfi^ Thit treatoieot waa atroogly urgtd for tbe
purpoae of easuiag an uniform oontraclidn of ibe tttertw,
and thus randering the woman less liable to eitber the oecorrence
of hemorrliäge, or tbe retention of the placeuta. In „faHowiag
down Ibe utorua*' witb tbe left band; il was coosidered
advisable that its ulnar edge sbcMild' be completely abeve the
fundus; in other words, that tbe operator's band shiNild nat
be pennitiad to press tbe uterine tamour, but rather ta graap
tb6 organ at its sumroit Some of tbe cases of reCamed
placenta» frooi irregulär contraction, were tiMugbt (o ha?e
originated from such mal-application.
(S. 26«) Tbe exit of tbe Shoulders was never bastaned
uiiless the child presdnted Symptoms of tbe aspbyxia, fron
tbe GODtinued pressure of the cord; the pause aböve aüuded
to being of too great duration.
(S. 27.) During the thtfd or placental stage of labour,
tbe lelt band of tlie attendant resunied tbe charge „of the
conlraction*' wliich bad been under tlie custody of tlie «idwife
wthUe tbe cord was being divided. The command thus obtained
over .the utems was never lost until the piacenta had beea
cidier artificially removed as naturally discharged, which latter
oecurred generally ia aboul a qnarter of an hour or twenty
Biinutes.
(S, 27.) Hie reasoBS assigned for the practice were as
foUows: — The woman belüg always liable to the occurrenoe
of bemorrhage so long as the plaoenta remained within Uterus^
it was considered that tbe band, retaining in its grasp the
organ, was oontinually oegnisaat of its existing State, wbüo
at the sa»e time a sufficient support was given lo the
abdominal parietes; and wben a due and proper contraction
was wantjng, the necessary Stimulation could at once be given»
mA tbe eoUectien of clots within tbe cavity prevented. — *
Meine Erfahrung nun in Betreff der Anwendung ^t be>
aprochenen llfethode omfasst dreihundert Gebarten, wie
flia seit 4em. Antritte des Prof. Sfiegdberg^ m unserer Klinik
FOfgekommen. Die Methode wurde ausnahmslos bei natär«
liehen wie künsthehen Geburtea genau in der oben bezeichneten
Weise vorgenommen und dabei immer das spontane Austreten
der Nae&^ebartsperiode. 19
der Placenta bis vor die äusseren GeoitalieQ erzielt. Nur
einmal wurde die im unteren Tbeile der Scheide gelöst liegende
Placenta, weil die dritte Periode schon über IV2 Stunden
gedauert hatte, mit der Band entfernt. Die Placenten waren
ohne Ausnahme prichtig erhalten; ketoe Spur iiigeiid wdchef
gewaltsamer Ablösung zeigte sich an der Uterinfldche, die
Eihäute waren immer Tottstdndig intact. Nie beobachteten
wir einen durch Vornahme der Nachgeburtsmanipulationen der
Wöchnerin entstandenen Nachtheil und die besohriebene Ifetbode
wurde währead dieser 300 Geburten nicht etwa aHein vom
Director der Anstalt, oder von mir, oder der Anstallsb^amme
ausgeübt, sondern auch die Praktikanten wie auch die
HebauHieDScbülerinneii zweier Curse zeigten im Verlaufe d^r
Geburten, die sie allein zu leiten hatten, wie auch ihnen
die Fertigkeit zur Ausübung des Handgriffes günz zu eigen
wurde. Und wie mir Herr Prof. Spiegelberg mittiieilt, haben
im Kreise, dem er als Oberhebarzt vorsteht, viele Hebammen
die Methode adoptirt, und die Fälle von Hetention der Placenta
sind seitdem bedeutend seltener geworden.
Einzig^ verschieden zeigte sich — wie schon a priori
erhellt — bei den einzelnen Gebärenden die Zeit, innerhalb
Welcher die Placenta nach der Austreibnng des Fötus vor
den Genitalien erschien. Die Zusammenstellung nach unseren
Geburtsjoumalen ergiebt folgendes Resultat:
: I, Bei natürlichen Gebarten.
A. Für die Erstgebärenden?
1) die Fälle, in denen die Placenta entweder
unmittelbar oder höchstens bis fünf '
Minuten nach der Austreibung des Fötus
vor den Genitalien erschien, betragen . =s 25,2 Proc,
2) die Fälle von einer Zeitdauer der dritten Periode
bis V4 Stunde = 44,6 „
3) desgl. bis V2 Stunde = 16 „
4) desgl. über V^ Stunde =: 14 „
Unter diesen sub 4) waren:
4 Fälle mit einer Zeitdauer von 45 Hinuten.
3 „ „ „ ,, „1 Stunde.
20 n. ScMiU, Bemerkniigeii lur Behandloag
1 Fall mit einer Zeitdauer von IV4 Stunde,
1 ,, „ ,, „ „1 Stunde 20 Hinuten.
Mittlere Dauer der dritten Periode bei Primiparen 18 Minuten.
A Für Mehrgebärende:
1) die FMe von einer Zeitdauer unter 5 Minuten =s 28 Proc,
2) „ „ „ „ ^ biß V4 Stunde =48 „
8) „ „ „ „ „ big V* f, =17
4) „ « „ „ ^ überV« n =10
Unter diesen sub 4) waren
. 8 Fälle mit einer Zeitdauer von 45 Minden,
1 FaU „ „ „ ,,1 Stunde,
2 Fälle „ „ ,, „ ly« Stunde.
Mittlere Dauer der dritten Periode bei Multiparen = 16 MinulcAi
II. Bei künstlichen Gebarten.
*
Hierher gehören:
8 Zangenoperationen, darunter
3 Fälle mit einer Dauer der dritten Periode unter 5 Minuten,
4 „ „ „ „ „ „ n von 10—15 „
7 Wendungen:
4 Fälle mit einer Dauer der dritten Periode unter 5 Minuten,
3 „ w w n n n >, VOUlO— 15 „
3 Extractionen bei Steisslagen:
2 Fälle mit einer Dauer der dritten Periode unter 5 Minuten,
1 Fall ;, „ „ „ „ „ von 15 „
2 künstliche Frühgeburten a) bei 32 Wochen Gravidität,
*) H 34 „ „
1 Fall mit jeiner Dauer der dritten Periode von 10 Minuten.
1 35
Um nun weiter zu eniiren, worin diese Differenz in
der Zeitdauer der Nachgeburtsperiode begründet sei, habe
ich die Zahlenangaben der Zeitdauer der ersten und zweiten
Periode. im Vergleiche zu der Dauer der jeweiligen dritten
• - «
Periode bei allen 300 Geburten aus unseren Geburtsjoumalen
zusammengestellt. Hieraus ergab sich als erste und fast
durchweg constatirte Thatsache: dass je läng.er und
regelmässiger die erste Periode und besonders je
d«r N»c1igelmFUp«riod6. 21
lAnger die Blase erhalten blieb, desto kflrzer die
iweite und dritte Periode ablief. SpecieH zeigte aber
die Vergleichüng der Zeitrerhältnisse bei den sab 4) ver-
zeicbneten — also der am längsten dauernden — FlUe als
eine iweite Thatsache: dass eine sehr raseke Aas-
treibangsperiode in der Regel eine lang wflhrende
Nachgeburtsperiode auf sich folgen lisst So zeigen
in letzterer Beziehung zwei FäUe, in denen das Kind nach
Eröffnung des Muttermundes mit einer WeHh zu Tage trat,
eine 'Z« Stunden lange Nachgeburtsperiode, und zwei der
Maximalfalle bei den Primiparen und Multiparen weisen beide
nur eine Stunde Eröfftaungsperiode und einige Minuten für
die Austreibungsperiode nach. — Nach der ersten oben
angeführten Thatsache löst sich bei lang dauernder erster
Periode die Placenta am Ende der zweiten und im Anfange
der dritten Periode rascher und leichter.
Ein anderes Mal hatte die sehr lange dauernde Nachgeburts-
periode darin ihre Begründung, dass die herabtretende Placenta
nidit ihre glatte Fötalfläche, sondern die UterinflSche
nach aussen kehrte. Bei den nach aussen gerichteten
und an den Wandungen der Genitalien manniclifadi sich an-
stemmenden Cotyledonen der Uterinfläche geschah das Herab-
treten sehr langsam. Unsere Geburtsjoumale weisen zwei
derartige Fälle — den einen von einer Dauer der dritten
Periode von eiq^r Stunde, den anderen von IV4 Stunde — auf.
Unsere Beobachtungen am Gebärbette selbst führten uns
noch weiter zu folgenden Erfahnmgen:
1) Dünne, schlaffe Bauchdecken sind ein begünstigendes
Moment für die Ausstossung der Placenta; dicke schlaffe
Bauchdecken streicht man zweckmässig mit der flaehen
Hand über den Uterus zurück.
2) Bisweilen wirft ein Hustenanfall die in der Vagina liegende
Placenta durch die Contraction der im Becken laufenden
Muskeln mit einem Cho6 hervor.
3) Liegt die Placenta länger in der Vagina, so habe man
nur etwas Geduld; sie rückt allmälig herab und kommt
sie in den unteren Theil der Scheide, dann treten die
hier liegenden Muskeln zu ihrer Entfernung mit in
Wirksamkeit
4) Zcioheti, dass diePltbCenta vom Utaiis gelö«i sei, sM:
Plattiwerden des Uterus vou vom uaeli hinteu, »tycliB«
von oben nach untoD fortschreHeU Weon dl« Plaeeabi
im oberen Tkeile der Scheide liegt, dano steht 4er
Utchis poeh boch; ruckt sie beniDti^rt so »iakt m*
hferab und steht nach ihrer AusstossuDg ex vagina oft
reeht tief hinter der Symphyse.
5) Die Chlorofortn- Narkose, die bei alleii künstlichen
Geburten «in Anwendung kam, halte beznglieh de«
göfistii^ Erfolges der beschriebenen Methode nie aueh
pur den geringsten NachtheiL
An diese Resultate des in neuerer Zeit von SpUgelimrg
empfohlenen englischen Verfahrens und der aogekmpfteii
Beobachtungen erlaube ich mir hier eine kurse VergleiGhuBg
desselben gegenüber der CVede'scben Methode anzureihen —
was übrigens von Prof. Spiegelberg in seinem mir soeben
zur Hand gekommenen „Bericht über die Leistungen in der
Geburtsbülfe pro 1861 '' (s. CanHati^s Jahresbericht pro 1661)
bereits geechefaea isL Crede läset zuerst die Austreibiwg
dos Kopfes und des Rumpfes vor sich geben; erst jetzt legt
er die Hand auf den Uterus, die er V« — Va Stunde ruhig
liegen läset, um sodann anfanglich sanile, nach und nach
verstärkte Reibungen des Fundus und Corpus uteri auszufahren
nsd so Wehen zu erregen, durch welche die Placenta sich
lösen soll. Die während der Wehe den Fundus uteri mit
gespreizten Fingern umfassende Hand soll dann die geMsle
Phcenta herausdrücken. — Das Wesentlichste an der
ganzen Manipulation ^ ist wohl jedenfalls die Beförd^erung
der vollständigen Lösung der Placenta; CrecU erregt
hierzu durch Reiben des Uterus Wehen. Nach unserer Methode
ist dieses künstliche Wehenerregen nicht nöthig; wir legen
sogleich nach Geburt des Kopfes die Hand auf, folgen jetzt,
nacl^ unten druckend, dem sich verkleinernden Uterus und
verwerthen auf diese Weise die kräftige W^ehe, die
zur Austreibung des Kindes verwendet wird, indem
wir sie durch äusseren Druck unterstützen, zur
L6«uog der Placenta. hM genügt oil <fer kleinste Druck
oeeb uoten, dase die Placent* gleich den aiiegetriebeiien
F6tuft aus den GeoilaJicfi nacbschlupft Sagt ja doch OricU
seibat: i^eiiie einrige energische Gontraction der Gebänoutter
ttacht dem ganzen Vergange ein schnelles Ende/' — Sind
aber Reibungen, m& sie Cred6 su diesem Zwecke empfiehlt,
auch ein iu allen Fällen sicheres and vor AUem gefahrloses
Mittel? Letzleres wohl, wenn sie von sachTeratlndiger Hand
ober den ganzen Uterus gleicbmässig ausgeführt werden. Wie
aber, wenn sie der Hand nachlässiger Hebammen oder un*
koadiger Aerzte aoTertraut sind? Schon SpiegMerg hat in
seinem mehifacfa dlirtai Aufsatze sich dahin ausgesiirochen:
dass die schlecht ausgeführten Reibungen gerade das Gegen*
Cbeil Yon dem, was man ereielea will — eme gkkfamässige
Ceotmction — herbeiführen können« Und so zeigen aiioh
iHisere GeburUjournale — unmittelbar, bevor Prof. SpiegMerg
die Leilimg der faiestgen Anstalt öbertkahtti — bei einer Erst-
gebärenden nach regehnäseiger Geburt, einen Fall von Slrktur,
wo IVs Stunden hindurch Reibungen, Druck nach unten,
Zusammenquetschen des Uterus zur Entbindung der Plaoeata
versucht worden waren, und schliesslich letaterc in der Tuben-
gegend eingeachnüri sidi zeigte, von wo sie nur durch maoualle
Hülfe entfernt werden koAOte. Ist dies aber in einer klinischen
Anstalt begegnet, um wie viel mehr mnss es bei ungestümen
Hebammen — denen doch die Leitung der weitaos meisten
Nachgeburtsperioden in die Hand gegeben ist — befürchtet
werden? Ist man ferner auf die künstliche Hervormfung
von Contractionert zur Lüsung der Nachgeburt angewiesen,
so können auch die mehrfach wiederholten Zusammen-
qoetscbuDgen des Uterus mit den gespreizten Fingern nicht
umgangen werden» Die Anwendung dieser ist Ubier, meinen
Erfahrungen nach, mögliebst einzuschränkent 4% ihre AppUcaMon
den Gebärenden meist schmerzhaft ist, — eine Behauptung,
die ich entschieden gegen Crtdi und StraaBmamn aufrecht
halten muss. Erwähnt doch auch Gredi solcher Fälle und
i'äumt ihnen allein die Erlaubniss ein, „nach der bisher
gebräuchlichen Weise die Fortnahme der Placenta zu ver-
suchen/*
24 II* SdUUe^ Bvm^tkmmg^ mm Beluuidlaiig
Alle diese UebektSnde werden aber durch die engliedie
Metiiode ^) umgangen. Wir haben nkiA ndtlug , zu kdneUieb
erseugten Wehen unsere Zuflucht zu nehmen ^ da wir die
sUrkate Wehe wfihrend der ganzen Geburt zu unserer Be*
notzung verwenden und begeben uns mit diesem VorlbeAe
auch zugleich der Nachtheile der HerbeifUinii^ neuer oiid
vielleicht noch schwierigerer Complicationen durch ongeschickte
Reilningen m unerfahrenen Händen. Zugleich ist die beschriebene
Metiiode auch die der Gebärenden am wenigsten Sdunerzen
bereitende.
Audi 8iras9mann betont das möglichst frfihe Einleten
der Manipulationen und bezeichnet den Handgriff Mr um so
müheloser imd am sidiersten, waim unmittelbar nach der
Geburt des Kindes das Manoeuvre begann. Ich stimme diesem
Ausspruche vollkommen bei, nur dass Ich statt „wadk der
Geburt des Kindes^' nach der .Geburt des Kopfes sage.
Auch die übrigen Punkte, die 8tr<usnumn in seiner ge-
diegenen Abhandking (Monatsschrift, Bd. XIX.) als Resune
aber 160 Fälle angiebt, sind mit meiner Erfahrung AbereiD*
stimmend. Nur ist die Zeitdauer der dritten Periode, wie sie
/SCrcwamonn annimmt, wenn er sagt: „1 — 2 Minuten seien
hinreicfaeBd, nur in sehr wenigen Fällen 10 — 16 Minuten** —
nach meiner Erfahrung durcbsdmittlich etwas zu niedrig
gegriffen. Durchaus nicht kann ich aber mit van Rooyet^
(Monatsschrift, Bd. XX., Heft 4) übereinstimmen, wenn er
daraus, dass er „nach zwei Mal durch Druck hervorgerufenen
kräftigen Wehen beim Einführen von zwei Fingern die Nach«-
gehurt noch nicht erreicht'* den Sehluss zieht: „es sei ent-
weder Verwachsung oder anomale Lage der Placenta oder
vielleicht Incarceration der Placenta vorhanden.** (1) Jedenfalls
ist bei solcher Diagnose Geduld und Zuwarten bei ge*
höriger Ueberwachung des Uterus die beste Therapie. —
1) Wenn allerdiags AUy jüngst (Elia. Bericht, Fr. VierU^ahrt-
sehrift, 1862, 8. Bd., S. 46) den grdssten Werth auf Beibniigee
leg^ und dies „als englisches Verfahren beschrieben und erapfohlen,
seit Jahren auf der Präger Gebärklinik eingebnrgerf sein lasst,
80 bemerke ich darauf, dass das englische Verfahren eben kein
Beiben ist.
itti ÜMbgvinirfspcvMle. 2^
UaberaMÜmaiend mit 8iraB9m€mm finde ich femer die
Beräcksichtigttiig des Ortes, wo die Placenta ailzt, deo man
M nur einigenBaaseen tractabeln Decken ab etwas stirker
tienrorgelriebene Steile fdfaU, als fdr das Gelingen des Hand*
grUKM sehr wesentlich. Dass schliesslich schwere Placenten
leichter binausgesehnellt werden, als solche Ton geringereBi
Gewicht — finde ich auch im Einklang mit den Gewichts-
verbMlaisseD anserer Placenten. —
■
Nach GcAurt der Placenta lassen wir, wie Eingangs
schon angeführt, die Hand zur Ueberwachnng des Utems
noch einige Minuten liegen und es ist gewiss dieser Vorsk^t
KHzuschreibett, dass wir trots mdirfadier Fälle von HydranuMs
und mehrerer Zwilfiogsschwangerschaften mit enormer A«»*
dehnmig des Uterus nie eine Nachblutung hatten. Bleibt der
Uterus gut contrahirt, so schreiten wir — auch hierin den
Englfindero folgend — bei allen Geburten ohne Ausnahme
zur Anlegung der Biauchbinde. HMtf (1. c. p. 47) hUt die
Bauchbinde tüar nutzlos und gefthrlich, „indem es auf diese
Weise unmdglfeh gemacht wird, eine jede Veränderung in
Vokim und Consistenz des Uterus im ersten günstigen Augen*
bück zu erkennen/* Wenn freilich HeUy den Uteme jede
Stunde auf Volum und Consistenz prüfen will, so muss bei
solcher Gewissenhaftigkeit die Bauchbinde allerdings hind«md
sein. — Bei stattgehabter grosser Ausdehnung des Uterus und
nadi allen künsthdien Geburten reichen wir noch eine Dosis
Seeale (10 Gr.) und während der ersten Wochenbettstage ein
Decoct Yon Seode, wie es SpiegMerg ebenfUls schon fWkber
und in neoerer Zeit besonders Abegg (Monatsschrift, Bd. XVUI.)
empfoUen, der es sogar den Mehrgebärenden ohne Ausnahme
gereicht wissen ^wül.
Ich komme nun zur letzten Frage: ob die beschriebene
Behandlung der Nachgeburtsperiode in allen Fällen zum Ziele
führe? Im Hinblick auf unsere mehr denn 300, theSweise
unter den Terschiedensten pathologischen Verhältnissen statt*
gdbabten Geburten, in denen die Placenta immer spontan
aus der Seheide kam, könnte kh fast unbedingt CreiU*B
Ausspruch: „das von ihm angegebene Verlkbren werde das
Geapenst der rervTachseMen Plaoeota verächtlichen'* «icb an*
acUiessen. Allein so üanche gewksfalige Stinwe erhebt Mfe
fegen diese BehaupliiBg; in onaerer Anstalt seibBi ist ein FaM
von Stridur im Naehgeburtsstadium trotz aorgßUtiger AnsiUiang
der besprocbeoeo Methode vorgekommen und diese Thatsaohe
lAsflt flBch die vorliegende Frage etwas genauer eri^ägen.
Nothweüdig kann die Aetiologie einer PlacentarreteiMiott
nur in einer Störung des normalen VeiUltaieses swiadion
GoßtracÜOR des Uterus und Verbindung der Plaoenta mit dem
latsteren begrnndet s^. Gestörte Contraction des Ulems"*
oder zu feste Adhärenz der Placenta sind deshalb die zwei
ätiologiscben Momente der Plaeeotarreteation, denen ach als
drittes noch eine abnorme Beschafienbeit der Placenta {Hegmr)
anschüesst Erstere zertallt wieder in Atome des Uterus und
unregnlmAssige Contractionen. Atonie des Uterus hat sdion
HoKL in seiner Reeedsion der CWei^'schen Methode unter
den Flllen, wo sie zu keinem Erfolge führen sollte, aiil*
gezählt. Was kann aber einer Atonie energischer entgegen^
«pirken als dieser stete, durch die aufgdegle Hand ausgeöble
Aeiz? Und benötsen wir vollends noch die zur Auatreibong
des Rumpfes dienende Welie durch Nachfolgen mit der
Hand zur Lösung der Plaoenta, weiche schon wihrend. dar
Attstreibungsperiod« eingeleitet wurde, und verharren wir dann
mit der Hand auf der, wenn auch anfangs scblafl^n Gebfa^
mutter: — so wird nur Consequenz und Ausdauer dnzn
gehören, um die erst allmfiiig wiedm* erstarkenden Uterin-
eettttradionen abzttwarten und zur Austreibung der Placenta
2U verweAhen. Unsere Geburtsjoumale zählen manche FaUe
von Häogebanch, von Hydramnios oder ranhsamen, er^
schöpfenden Geborten bei Schwäcbezustäoden .des Organienus
der betreffenden Personen auf, und doch hat bei diesen nie
das ^»ontane Austreten der Placenta gefehlt* He einzige
Diftrenz bestand höchstens in einer längeren DMer der dritten
Periode und zwar in einem FaUe über dne Stunde; aber nie
sahen wir uns veranlasst, den Handgriff wegen Erfolglosigkeit
nder gar wegen Gefahr der Inversion oder Knickung — was
f9an Booyen (1. c.) in solchen F&Uen befürcbet ^- zu vei*-
lassen. Mehrere ZwiWngssohwangerschaften^ mehrere FiUe
atf «■ohtiiwi>iip<iind»> 87
Mi fäMhoB Lag^h lind mt ASkm die scUöra EMUge in
dieser . HiBfeiciit oabh atten «inaoreii, imfliep in GUoreCün»
Nwkaie auBgeührleii febarUhfllflicheA Operaliaiien Keiani
den» fetnere Bekge.
Etwas aAd«ra verhüt es sieft iiä den StrieiiiraBu . Ziw
man man toa vorn herein auf den gemiaa ricahliglyii AiMqNUch
Crodä^B mkd ßipiegMerg^s: ^dass die allermeialiA gamaohte»
arlüeieile aind, gemlBK^hk von den Hebammen'' verwetsen,
lo demaeUben Sinne sprioiit aick aneii ߧrtu8inann Q. c) ans.
Akcr doch Unbt noch eine^ wenn auch geringe Zahl . fihrig.
8fitffM€Tg (1. 0.) weist schon auf eine eigenlbfiinliobe Ftrai
der -Stricturan hin» dadurch bedingt, daae aicb die ia querer
Rjehtliflg Terlaufenden ülerinbaem, die vorzugsweise stark
entwickelt sind, krampfhaft lusammeniiehen. Hegar beatfttigt
dieses; die Ursache dieser abnormen GonUradionen ist uns
tehekannt; denn zu Hypothesen, dass „solche Abschniile
während des Geburtsrarlaufes nicht genügend und besoAders
nicht lang genug dibtirt erhalten wurden, so daes sie boM
wieder ihre früheren Gontractilität erlangen*' — wie H^gar
aidi die Sache erklärt, greife ich nicht gern* Hierher gebM
anch der eine unserer FäUe, wo nach fast pMzIicher finfr*
leerong des Uterus eine Strictur am Isthmus eintisat — 4rott
der pünktlichsten und sofort angewandten UeherwachuDg;
hlzlere fortgesetat in Verbindung mit wannen Fomettten machte
aUerdiflga einen nanaeHen Eingriff unndthig.
Die haiißgsle Ursadie der Stricturan bleiben aber iocale
Reize -^ bei weüem am läufigsten durdi ungeduldiges Zm^
am Nal)d8trange der noeh nicht gelösten Placenta hervor«
9iruftn« Kfinnen aber nicht aocfa von aussen auf den
Uterus abnorme Reize ihn zu ungleichmässiger Coetraclion
erregen? .lUes ist, wie mir sclieint, die gefahrliche Seite dea
fVe^^aeheii Handgriffes: ich meine die aar Er^engv^g
von Nachwehen unachtsam applicirten Reibungen*
6o trdllich diese, von kumfiger Hand ausgeführt, wirkcRi
so kicbt können sie, schiecht angewandt, gerade enm Gegen*
Ibeil — au emer Strktnr — fahren (Spiegdierg L c)»
Baa Mähete hierüber ist oben bereila bei Vergleiehung der
(Jtedä'd^bm mit. der englbchen Methode auagefahri. —
88 U. 8MUf Bufikiigf Mit BAMidliiBg
EMis zweite fttidogieeke Menent der Phcentarret mA ntw
gründtt ooh auf Abnormitäten der Plaeenta, sei «%
sefern sie ihren Ba«, oder ihren Zusammenhang mit
dem Uterus betreffen. Ich erlaube mir nodi die knoc
Berihrung dieser Frage; Belege fir das eine oder das andere
der angefUnrten Momente haben unsere Jowtiaie nkhl.
Dennoch glanbe ieh, dass in bddeiiei Hinsicht ontoohieden
palbokigische Zust&nde Torkommen können und filr dieaft
raiirt woU die bescfariebene liethode nicht zum Ziele. FiHe
hterMr hat Hegar aus der ganzen Uterator zusammengeslelt,
und wenn auch gegen mandie, bezüglich der stricten ixlaiih^
Würdigkeit, sich Bedenken vorbringen lassen, so doch nicht
gegen alle. Im Hinblick auf eine abnorme Beschaffenbeit der
Pkcenta entgegnet schon Hohl dem O^^schen Verfahren«
dass es fAr dömie, weiche, nachgiebige Placenten nicht passe;
und es ist a priori leicht einzusehen, dass ein ungewöhnüdi
lockeres und weiches, wenig resistentes Parenchym der
Pbcenta bei den Contractionen des Uterus sich nicht ablteen
kann, sondern, nach dem Vergleiche Wigcmd*s^ wie ein
weiches, ausgedehntes, an die Hand gekld>tes Stück VFachs
den Bewegungen derselben folgen muss. Die palhotogisdien
Bedmgttogen zu einer so ungewöhnlich lockeren Plaoentaiv
bescbaftnh^t sind von Hegar angegeben.
WkMiger aber noch ist die eigei^ch zu feste Adhirenz
der Placenta, also eine abnorme Beschaffianheit der Verbindutig
deiwiben mit dem Uterus. Hegar fUurt eine R«he selcher
Fälle, verbunden mit Sectionsberichten, an; S^iegMerg (L c)
hat zwei Mal sehnige Verwachsungen gefunden, eben so viele
8trtM9ina»in (1. c.) und alle drei Autoren halten deshalb die
Existenz abnorm fester Vert)indung der Placenta mit dem
Ulems, so seken sie auch vorkomme (10 : 166S2 Gofima;
87 : 1S748 Johnston and Sinclair, p. 464), airfreaht Bei
der imgemein mnigen Veribindung der Decidna mit der
Placenta , zwischen deren einzelne Cotyledonen ja Sqvta jener
einragen, sind pathologische Verhältnisse, welche ein strafferes
Deciduagewebe bedingt, gewiss denkbar, zumal zu letzteran
die ja so hänfig vorkommende UeherlUimng des jungen
Bindegewebes (wie es gerade m der unteren Dedduaschichte
4mr Wmch^hmftKpnhtd%*
«aikomnt) in ftsi eDlwickdte Paseni Afaren idobs. Bodenken.
wir Mhni die bistologiflclie Verschiedenheit der mit der
MaoenCa ^zu Tage tretenden and der ain iileruB airüek-
bWbenden Deddaaidnchte , wo in der ersteran acben w&hrend
der Schwangerschaft eine Fettmetamorphose yor sieh gdit,
wttirend fai der an die Ctenis^Muecularis angreacenden
(Mnchte organische Moskehetten (Ecket) sieh entwiekdn,
welehe, gleichzeitig mit dem Uterasgewebe sich eontrahkrend,
diu gebeerte obere Schidit leicht Ton sidi Msen kfonm: --
so genflgl die emlMie Annahme, dass dmrch irgend einen
pathologischen Vorgang diese Diflbrenzirang in den beiden
Deciduaschichten nicht vor sich gegangen wäre, zur Be*
grfindung der von zuverlässigen Beobachtern beschriebenen
Pfacentar- Adhäsionen. Muss ja bei den meisten Fehlgdimrten
in den allerersten Scbwangerschaftsmonaten die Placenta
kdnstlicb entfernt werden, da zu dieser Zeit die erwähnte
Differenzirung in den Deciduaschichten noch nicht vor sich
gegangen ist und die Placenta dl>en deshalb sich nicht spontan
lösen kann. — Zwar sind die bisher beobachteten Placentar-
AAäsionen glfieklieherweise nur höchst seltene Fälle; immerhin
aber verdienen sw in hohem Maasse die Beachtung des Arztes«
da sie ihm in FäMen, in denen nach sorgsamster und genügend
langer Ueberwachnng des Uterus die Placenta nicht sj^ontan
zu Tage getreten und andere Erscheinungen gleieUrib fiitar
eine abnorme Adhäsion sprechen, die Indication zur Veriassnng
der oben beschriebenen Methode und der Anwendung operativer
Eingriffe angeben.
In Körze lässt sich das Angegebene in folgende Sätze
zusammenfassen :
1) Die Hauptsache für die spontane Entfernung der Nach-
geburt ist, nicht Zusaromenziehungen hervorzurufen,
sondern die bei und mit der Geburt des Rindes er*
' folgende Contraction sogleich durch Druck auf den
Uterus zu benutzen.
8) Ein fortgesetztes Liegenlassen der Hand genügt, um
Nachgeburtswehen hervorzurufen; Beibungen sind nicht
.nöthig, nebenbei möglicherweise gefährlich.
80 II. 8Mae, B^bi9wk^m9m mmrBBhmädhkng etc.
S) Die Zeity imierhalb wekber die PkNSenia vor den
tasserten GeoitalieD •rscheint, ist, oeteiw parikM, ipi
«0 kOrier, je länger ike Bröffnungsperiode^ baModers
bi^i erhaltener Blase, gedauert haUe; eine aofgeaiD ge-
leitete, naturgeinässe Diätetik dieser Phiode ist deshalb
üß. beate Badingiiog fftr eine gute NachgeMrtapeffiede*
4) Nach der Gebort der Plaeenta muae der Uienn. mkA
enae Zek lang Biit der Hand Qberwacbt und oaohber
eine Bauiohhinde arngtiegt wmlen; hei Befi^rcbtimg
einer etwaigen Relaxation wird inoeriich noch Secde
verabreicht* ~**
lieber die Verhältnisse des erwähnten Handgriffes bei
Frühgeburten liegen mir nur drei Beobachtungen (eine
aus der 24. Woche und zwei aus der 34. Woche, daranter
eine Zwillingsgeburt) mit den oben schon aufgeführten zwei
künstlichen Frühgeburten vor; bei allen diesen förderte der
Handgriff, ganz wie bei rechtzeitigen Geburten, die Plaeenta
spontan und zwar innerhalb weniger Minuten zu Tage.
■
Von Zwillingsgeburten liefcen mir ftef fieobaobiuiigen
vor. Bei diesen {ob eine oder zwei Frucbtblasen, eine
oder zwei Plaoenten vortianden waren) veriief die dritte
Periode wie bei den gewöhnlichen, einfachen, rechtzeitigeD
Schädelgeburten.
III« Ltutkk», SohwMgitntiMll ta d#iii reektev 4te. S&
IIL
Schwangerachaft in dam rechten rudimentären
Home eineB UteruB imicoimie mit einem OerpoB
Itttemn verum im BierBteeke der entgegen*
gesetzten Seite.
Von
Professor H. Luschka in TQbingep.
(Mit einem Holsschnitte.)
WoDB sehon die spieirsame Erfahrung genau coostalirler
Beispiele von Schwangerschaft im rudimentären Herne eines
Dterus unicornis eine Bereicherung dieser praklisdi belang-
reichen Casuislik wunscheoswerth macht, so ist dies in
besonders hohem Grade dann der Fall, wenn sich hierbei
zugleich Fragen ^n allgemeinerer Bedeutung ihrer Erledigung
naher bringen lassen. Ich befinde mich in der glficklichea
Lage ein Material vortegen su können, welebes wohl im
Stande sein wird in dieser Beziehung ein weitv greifendes
Interesse in Anspruch zit nehmen.
Durch die Güte des Herrn Dr. Haaga wurde mir vor
einiger Zeit ein Präparat als „Gravidilas tubaria*^ nnt dam
Ersuchen zugestellt, nähere Aufsdilüsse hierüber ertbeilen zu
wollen. Dasselbe wurde der Leiche einer krifUgen, wohl-
gebauten, schon zwei Mpl Yon einem reifen, gesunden Kinde
entbundenen Frau entnommen, weiche a^gjagaben halle, im
dritten Monate schwanger zu sein* Eines Tages wuMe sie
ohne äussere Veranlassung von einer Ohnmacht befallen,
welcher, trotz der Anwendung von Analeptica,. Kälte, Puls-
losigkeit und in kurzer Zeit der Tod nachfolgte. Nacb Er-
öffnung der Etauohböhle floss ein groaaesi Quaptum einer
serösen Flüssigkeit aus, während der Raum des Hypogastrium
mehrere Pfund Blutcoagulum enthalten hat. Beim Eindringen
in das Coagulum der rechten Seite machte sich ein frei in
c^ Pancbböhle liegendar zehn wöchentlicher Fötus h^merlilich,
der mittels der Nabelschnur an der grösstenthcils \90gdM0h
18 OL XmnUm, SiAmMgarNkaft In d*« fMkten
Pkcenta herabhing. Dw Uterus und seiiu Adneis waren
ganz frei, auch die rechte Tube, welche nach der Angabe
des genannt«! Arztes das Ei enthalten haben sollte, se^te
sich nirgends angel&thet.
Gleichwie A. Kuaamavl^) mehrere Fälle, weldie in
der Literatur und in Stmnilangen als Graviditas tobaria be-
zeichnet worden sind, nach eingebender ünterauchui^ als
Schwangerschall in eioem rudimenUren HoTDe eines Utenis
unicornis erkannt hat, so war es auch im Toriiegenden Falle
möglich, diese Verwechselung mit Sicheriteit nachznweiMn.
V«r4aTe Auslebt der ianam OetohleshlaaTgaBe ainer 92 J»hra
•U«a Frmn ('/, natUrL OrGiie).
Ä, Entwickeltei Hörn de* Uteras nniconii« onm radimento alterina.
1. Elleiter.
2. Normalea Oitlnm abdominale.
S. UebenlhHg'ei Ostlam abdoiuiiiale deatenteii.
4. LiDkar Elentock.
5. Coipnt iDteam reratn deMelbsn.
6. lilg, Qteri terea.
B. RndinantSrei Hörn mit eiaem lateralen EiariBs und den
beraD«EotretaDea PSta* bebit Placent&.
1. LlgamentSter aolMer Btranf deiielbeo.
S. EiUtter.
S. OTarlnm.
4. Ligamentnm terei.
1) Ton dam Hang«) , dar TerkUmmenlog ete. der SebHraiiittaT.
WIntarr IBM'
iHidKaif i«lftfim Oiih» «im« UUn9 «LtUoliiit. «te. SQ
Die Aiialy«e deitatbeo wird ohne Zweifel diuiupch an
lebnreichsteD, das» wir das zur voUstSndigen AüsbilduBg ge-
diehene Hom nebst seinen Adoexis und das radimentSre Hom
.mit seinen Anhängen einer gesonderten Betrachtung unterwerfiBn.
A. Das vollständig entwickelte Hom.
Im Gegensatze zur gewöhnlichen Form des Uterus uni-
comis, welcher lateralwärts nach oben spitz und ohne
bestimmte Grenze in den Eileiter auszulaufen pflegt, zeichnet
aieh im vorliegenden Falle die eigentliche Gebärmutter, welche
das zur vollkommenen und selbstständigen Ausbildung ge-
diehene linke Hom repräsenlnt, durch einen stark gewölbten,
flbrigens in der Art unsymmetrischen Fundus aus, wie er
bei der ObUquitas quoad formam gefunden wird. Ueberdies
obwaltet zugleich auch eine seitliche Umbeugung, indem sich
der Körper unter einem stumpfen, nach links offenen Winkel
gegen diese Seite hin vom Halse abbiegt, während dagegen
dieser letztere eine naturgemässe Stellung zur Beckenachse
bewahrte. Er geht in eine Vaginalportion Aber, welche nach
Grösse und Form durchaus keine Abweichung von einer
solchen zeigt, die aus der gesetzmässigen Vereiniguiig und
aus dem normalen Wachsthume der beiderseitigen Anlage des
Uterus hervorgegangen ist. Die ungleich langen, wulstigen
Lippen derselben fühlen sich weich an und begrenzen eine
verhältnissmäsig grosse quere Spalte, welche der Fingerspitze
gestattet, gegen den Canalis cervicis vorzudringen, der fibrigens
von einem ähnlichen Schleimpfropfe verstopft wurde, wie bei
einer schwangertn Gd>ärmutter. Das Volumen dieses Uterus
äbertriOt jenes einer schon wiederholt entbundenen, aber wieder
völlig nickgebildeten Gebämmtter mindestens um ein Drittel,
indem sich seine grösste Breite auf sechs, seine Länge auf
zwölf Centimeter belauft, von welchen jedoch nur fünf auf
die Längendes Halses kommen. Der Körper und der Grund
sind stark gewölbt und nach links hin in dem Maasse vor-
wiegend, dass rekhlich zwei Drittel nach links von der Mediao-
ebene des Beckens zu liegen kamen. Seine im Mittel einen
Centimeter dicke Husculatur ist sowohl in Betreff der gröberen
Ausprägung der Fleischtaserung als auch hinsichtlich d^
MoMUMhr. f. aebartok. 186». Bd. JXU^ Bit l. A
firöne ÜMrer CMtractilen Elemente nicht weniger aueg^bfldet,
als iiei eioem etwa sdt sechs Wochen schwangeren Utenu.
Eine sehr bemerkeaswerihe Veränderung hat die
•Schleimhaut bis zum inneren Matterimmde herab gezeigt«
Sie war nicht allein in hohem Grade aufgelockert, an der
freien Oberfläche wie gewulstet und durchschnittirch 4 Milli-
nKter, stellmweise selbst 6 Milhmeter dick, sondern auch
▼oilständig abgestossen, so dass sie einen frei in der Gebär-
mutter liegenden Sack bildete, der nur lose mit der Mocosa
eanafis cervicis zusammenhing. Ihrer Textur nach sliramle
dieselbe vollständig mit einer Decidna öberein, indem sie von
blutfährenden Räumen nach allen Richtungen hin durchzogen
und Ton grossen, kernhaltigen, polygonalen, zum Theil in
Fertsätze ausgewachsenen Zellen zusammengesetzt wurde. Die
schlauchförmigen Drösen, welche in den ersten Tagen der
* Sehwaugerscbaft so mächtig entwickelt zn sein pflegen, wurden
als solche gänzlich vermisst und eigentlich nur noch durch
die zahlreichen Poren an der freien Oberfläche angedeutet
Die Art ihres Unterganges liess sich an diesem Ohjecle
dentlich verfolgen, welches zeigte, dass jene den Formelementeti
der Cancroide so ähnlichen Zellen allmälig geg^ die weiter
gewordenen Canalisationen der Dräsen hereinwucbem und
scbliessiich unter dem Schwunde der Grundmevbran ihre Steife
einnehmen. Trotz dieser Veränderungen liess sich, wie ich
ausdrücklich mf Ähren will, bei der* sorgfältigsten Beobachtung
nirgends die Spur eines Fötus nachweisen und zeigie namenilicb
auch die special darauf uiitersucbte, der Uterinalhöhle zu-
gekehrte Oberfläche nicht das mindeste Zeichen einer statt-
gehabten Einpflanzung irgend welcher Art. Die so merkwfirdige,
einer wahren Gravidität entsprechende Metamorphose der
Schleimhaut weist lediglich nur darauf bin, dass das leene
Organ in eine 4et Schwangerschaft adäquate erbäte Lebens-
tbätigkeit versetzt worden ist Die der Schleimhaut zugekehrte
Seite der Musculatur war, obgleich man einzelne Faserzflge
deutlieber unterscheiden konnte, doch nicht voMständig blose-
gelegt lieber ihr breitete sich eine weiche, unebene Scbichte
aus, die vorwi^nd die Elemente des unreifen Bindegewebes,
aber auch unverkennbare AnStoge von Schlauebdrösen enthielt
Diese stellten sich als kurze kolbige Zellenanhäuftmgen dar.
4«MllBtafitHit ^Himk^ '^fnetr' tTterni tmteortiir '^f c. -S5
an welchen die Bjldiij^ einer sie umchli^ssenden Grund-
membran als Product ihrer ausscheidenden Thätigkei^ eben
erst begonnen halte. Ich hege keinen Zweifel, dass diese
Drdsenanfange als Knospungen der urspiiinglichen Schläuche
zu betrachten sind, während diese in der Decidua ihren
Untergang fanden und mit ihr abgestossen wurden.
Der diesem Uterushome angehörige Eileiter hat eine
Länge von IIV2 Centimeler und weicht von der Norm insofern
ab, als er mit zwei Ahdominalmündungen versehen ist. Das
überzählige Ostium liegt über dem geselzmässigen, ist kleiner
als dieses, von dem es durch einen 3 Millimeter langen
Zwischenraum getrennt wird und mit sparsamen, meist ver-
kümmerten Fransen besetzt. Am betrelTenden , also linken
Eierstocke, dessen Verhältniss zu seiner Nachbarschaft
durchaus geregelt ist, machte sich gegen sein mediales
Ende 'hin ein etwa haselnussgrosser Yorsprung bemerklich,
an dessen erhabenstem Punkte eine in der Vernarbung be-
griffene kleine Oeffhung erkennbar war. Auf dem Durch-
schnitte stellte sich diese Prominenz als ein Corpus luteum
verum dar mit allen denjenigen Eigenschaften, welche bei
einem echten gelben Körper erfahnmgsgemäss im dritten
Monate der Schwangerschaft gewöhnlich gefunden werden.
Er hatte eine Länge von 1,8 Centimetef und eine Dicke,
welche sich im Maximum auf 1,6 Centimeter belief. Die an
tier Innenseite der faserigen Wand ausgebreitete gelbe Schiebte
besass eine Mächtigkeit von 2V2 Millimeter und das specifische
stf ahlig gelappte, durch die Anordnung der Bindesubstanz und
der Geflisse erzeugte Gefflge. Sie begrenzte eine verhältniss-
niilssig weite centrale Höhle, die jedoch keine Reste eines
Blutgerinnsels, sondern eine gleichartige blassgelbh'clie Serosität
enthielt, die bekanntlich in jener Zeit der Schwangerschaft
viellefcfat ebenso oft im Corpus luteum vorkommt als ein
consistenterer aus verändertem Coagulum bestehender Kern.
Ausser dem echten gelben Körper enthielt dieser Eierstock
nHMft etlichen unversehrten Graaf*9Chen Follikeln noch zwei
Corpora hitea faha, #elche nur kleine, nnregelmässige, wie
«ingesdirumpfte fahle Flecken darstellten, nnd theils aus
fhliem Fette, theils ans l^ttig degenerirten Zöllen bestanden.
8*
B. Das rudimentäre Hom.
Gegenüber von dem beschriebenen sehr ausgebildeten
Uterus ist sein rechter rudimentärer Anhang vor der Schwanger-
Schaft ohne Zweifel sehr unscheinbar gewesen. Nunmehr
stellt er aber einen verhältnissmässig grossen, ovalen Sack
dar, welcher auch im entleerten Zustande noch dem Umfange
eines Enteneies gleichkommt. Am lateralen Umfange hat er
eine seiner ganzen Höhe entsprechende Rissöifnung mit stellen-
weise äusserst dünnen, allenthalben sehr unebenen Rändern.
Die äussere Oberfläche des Sackes ist überall glatt und giebt
nirgends Zeichen einer stattgehabten Adhäsion zu erkennen.
Seine Innenseite dagegen erscheint im höchsten Grade rauh,
theils in Folge stärker vorspringender Fleischbündel, welche
eine Art von Balkenwerk ähnlich den Trabeculae cameae des
Herzens erzeugen, theils durch die mit ihnen verfilzten Zotten-
reste der Placenta, die allem Anscheine nach mit der ge-
sammten Innenfläche verwachsen war. Ausserdem hafteten
an dieser Fläche Blutgerinnsel fester an, welche auch den
übrigen Raum erfüllten, während der mit der angegebenen
Scbwangerschaftsdauer von zehn Wochen nach Grösse und
Entwickelung übereinstimmende Fötus nebst der Nabelschnur
und den zerrisseqen Eihüllen in die Bauchhöhle ausgestossen
und daselbst von Coagulum umgeben worden ^ar.
Die gegen seinen Stiel hin 12 Millimeter dicke» nach
aussen hin sich allmälig auf 2 Millimeter verdünnende, io
der nächsten Umgebung der Rissöflnung florähnlich zart ge-
wcMrdene Wand des Sackes besitzt eine gut ausgebildete
Muskulatur, welche von Venen reichlich durchsetzt ist und
ein der cavernösen Textur um so ähnlicheres Aussehen ge-
winnt, je mehr sie sich der inneren Oberfläche nähert. Die
Fleischfasem bilden eine superficielle Schichte, welche in das
Lig. terea und ovarii übergeht, sowie eine tiefere niächtigere
Lage, die in Gestalt eines Flechtwerkes angeordnet ist.
Das innere, am meisten verjüngte Ende dieses rudi-
mentären Homes hängt durch einen von vom nach hinten ab-
geplatteten, medianwärts schräg herabziehenden bandartigen
Strang mit dem linken Umfange des Uterus zusammen« Bei
mat grSBsleii Breite yqb 1,1 Gentimeter bat derselbe eiM
Lftoge von 3,5 Centimeter «md gegen seine Mitte bin eine
Dieke, welcbe genau nur 3 Mülimeter beträgt. Der obere
Rand veriflQfl zum Halbirungspunkte der vertkalen Hdbe des
Körpers der Gebärmutter, sein unterer gegen die Grenze von
Körper und Hais derselben herab. Unter einem gjatt^,
serösen Ueberzuge breitet sieb eine von etlichen Venen durch-
zogene, Torwiegend longitudinal veriaufende Fleiscbfasemng
aus, welcbe sich in die tieferen Schiebten des nicht schwangeren
Dtenishomes fortsetzt
Mit besonderer Rücksicht auf eine später zu erörternde
Fhige wurde der das rudimentäre 0om mit dem entwickelten
Uterus in Verbindung setzende fleischige Stiel auf den Mangel
oder die Existenz einer Canalisation untersucht Zunächst habe
ich mit aller nur mögUchen Umsicht und Sorgfalt von den
Höhlen der beiden Uterushörner aus nach Mündungen geforscht
und auch nicht die kleinste Gefasspore der eingehendsten
Prüfung auf ihren Verlauf und auf ihren Zusammenhang ent-
zogen. Ungeachtet ich mit der grössten Sicherheit die überaus
kleinen Uterinalöffnungen der Tuben zu erkennen vermodite,
war ich nicht im Stande, auch nur eine Andeutung von der
Einmündung eines Canales weder in das rudimentäre noch
auch in das entwickelte Hom zur Ansicht zu bringen. Als
letztes Criterium wurde nun die vertical auf die Längenachse
4es Stranges mittels eines Rasinnessers gebadete Schnitt*
flädie sowohl mit blossem Auge als auch mit Hülfe der Lupe
der scrupulösesten Betrachtung unterworfen. Allein weAn*
ich, noch mein von mir beigezogener geehrter College Fr, BreH^
wdcher dem vorfiegenden Gegenstande das wärmste Interesse
zuwendete, konnten an derselben irgend welche Spur der
LJchtnng eines Verbindungscanales unterscheiden. Es stimmt
also in dieser Beziehung unser FaH mit der Wahmehmung ?oti
DionU ^) und mit der in neuerer Zeit von Kun^moHl^) revidirten
Beobachtung CmkoK^ überein, während in foMkmtX^s *)
1} Miaoellaaea cvioM i. epkemerid* medie.-phyiio.
Norimbergae 16S4. p. 480.
2) A. ft. 8. 139.
S) LehrbQch der pathol. Aoatomie. Wien 1861. Bd. III. S.4Ö0.
und iSqafMfom''s>') Falle 4er- Strang; -einin ieutikifm Cwai
uAd fr^ie MünduDgeii gezeigt bal.
Uaiev den Adoexa des rudimentären Fmchteackee zekiHicc
sidb <b3 Lig. leres durdbi bedeutende Stirfce aus. Seieeii
Ursprung nimmt es aus der oberflächlicbea Faseni^g desMlbea
lunnitielbar, ebe er sich in seinen Stiel fortselKt Durch 4m
Aqfoabme ^ifies vor diesem letzteren schräg aacb abwärts —
a^swärts berabsteigendeo Aualäufera der oberSäcUwbeii
FaseruBg des eniwickelten Hornes wurde es vergröss^t, ab^r
auch zugleich ein Aussehen herbeigeführt, als ob iUe ganse
Format nur diesem angehöre^ Der Qtedktß) Eileiter zeigt
ifu ausgestreckten Zustande eine Läoge von 12ViC^meter«
nbertrifft alsi^ jene der linken Tube merkUcfa, so dasß schalt
diese Tbatsache mit der Annahme einer GraviifitaB fubarin
imneriräglieb erscheinen mosstq. Der Uebergang in das Uterus«-
rudittfeni findet naeb innen und vom von der Rissäffnong stall
und geschieht unter einem spilzen» nach unten offenen Winkel.
Dsdurch wurde eine sehr steil abfiiilende Vcrtanfsricbtimg
dieser Tube bedingt, so dass ihr übrigens normal beschaffenes
Abdooünalende ungleich tiefer als jeAes der linken Seite au
Uegen kam.
.Wer nach den bisherigen Erörterungen noch darflbeif
aweifelbafl sein könnte, ob der vorliegende Fall «drUkb
Schwangerschaft dea rechten rudimentären Hornes einea UUma
unic^nis ^ei, für den musa bei Betrachtung der rauayichM
Bei|if hangen des Ovariiun dextrum auch d^ letzte JBe^
«Mu^ verschwinden. Die musaulöse Insertion dieses Eiert>
sinokes gipscbieht nämhch nicht mit dem linken ansgdbädeten,
snndem durch ein Lig. ovarü von gewöhnlicher Länge und
9pute mit dem rudimetttären Home und zwar nach notaa
ipd hinten von der Abgangastelle des Hauptfaserzuges dea
rechten runden. Muiterbaades. Der Eierstock selbst ist einen*
(allf gai^ norm^ heacfaaflen, unterscheideft sich aber actanii
In^sariic^ %m jenepi der linken Seii$ dadsr^, dass «r W4de0
einen hügeligen Vorsprung besitzt, noch Reste der Debiscenz
eiÄes PeiBkeb zu erkemien gMbt Damit stiniiit auch 'sein
Inhalt überein, welcher keinen echten gelben Körper aufweist,
1) Beiträge sar Gebnrtskande u. Gynäkologie. Bd. I.
sonderD neben vollkommenen &raq/^schen Bälgen nur mehrere
ältere Reste von Corpora lutea falsa, in Gestalt kleiner, ge-
sehnimpfter rostfarbiger Flecken darbietet
Dieses Yerbalten giebt also nicht den mindesten Anhalts-
punkt dafür, dass dem rudimentären Home von dem ihm zu-
gehörigen OvapiMn ein Eiehen 2Qg<^hrt worden ist Dagegen
stimmt der Zustand des Corpus luteum verum im Eierstocke
der entgegengesetzten Seite genau mit der Schwangerschafts-
dauer im mangelhaft entwickelten Pmcfatsacke überein, so
•dass durchaus kein Grund vorliegt, die Abstammung des Fötus
m^ eitlem Ovidom des linken Eierstockes in Zweifel zu ziehen.
Esi kMB aicfa daber doeh wohl nur um dm Medus sein^
Beftrdemng in dl# Höhle des rudiwentäreB Bornes der em-
fBgengesetaten Sette bandeln.
Nadi dem abigen, jedweden Zweifel über den Mang4
der Commumcatiom zwiscbeii der HöUe des rudimenttrea mni
des entwickelten Hernes ausschliesseddeii Nachweise « kanv
van einer intrauterinalen Uekerwanderung des Eies nicht die
ftede seia E» bleib! seoiaeb scUeehterdings kein anderer
Ausweg übrig» als die Anoabme ehier extrauterinalen lieber«
wanderting des Eieor aus den Ovarium sinistrMi durch den
rechten Eileiter m die Höhle des mdinefttäreii rechten He^nee«
Ich weiss wohl, dass diese Hypothese tbeoreCiselien Bedenken
nicht entgehen wird. Dieselbe ist nämlich mit der gegeih-
wartig geläufigen YarsteUung, «ach welcher eine penaanente
Goaptation der Fransen des AbdemioaleBdes der Tube an das
heziigUche Ovarium siattfiaden soll, nicht leicht in Einklang
zu briogen« Sie musate viehnehr die von manchen A^iUunm
ang^n^mmeae periodische Coaptatioa cuuräunftea md zugleich
die Möglichkeit voraussetzeit, dass der Eileiter der einen Seita
unter beguasligeadeo Verhättqisaea dem Ovarium der ent«-
gegengesetzten Seite genähert werden und auf ihn geleg^NUr
Ü^ einen. Angriff machen könnte. Indem wir die lAwg
dieser und ähnlicber Fragen der Zqkunft überlassen, muss es
uns für den Augenblick genügen, das' Thatsäcbliche eines
io Büehrfacfaer Beziehung heachtenawerthen ceocrciten Falles
darflslagt zu tnbeo.
40 IT* WfnMtt PUftfitliii BAiMirieliiiiMop6f»41«iMft
Fünfzehn Kaiserschnittoperationen und deren
Ergebnisse fttr die Praxis.
Von
Dr. Ladwl« WInckel,
SMaiiätorath und Physikns des Kreises Gommersbaoh » Reg. -Bez. Cdln.
Die vielen bekaiudt gewordenen, für MAtter ond Kinder
gläoUich abgelaufenen Kaifiersehnitte haben dieser amialnr-
lichen Entbindungsweise viel Yon ihrem Fdrcbterli<dien and
Abschreckenden genommen, da die detaiUirten Mittheilungen
dor einaelnen Operationen recht Wesentlidies zur richtigen
Wdrdigung der Indicationen, YerbesBerung der cfairurgisdieii
Technik wie der Nachbehandlung beigetragen und dadurdi
die günstigen Erfolge mehr gesichert haben. Diese unlSugbare
Thatsacbe macht es nach meinem Dafürhalten Jedem zur
Pflicht, durch die Veröffentiicbung seinw Erfahrungen an dem
fßr die leidende Menschheit so wichtigen Werke mitsaarbeiten.
FreiKch kann von dem beschäftigten Landarzte, dem die
Kterarischen Hnlfsmittel und der lebendige wissenschaftliche
Verkehr in nur geringem Maasse zu Gebote stehen, nichts
mehr als eine wahrheitsgetreue Darstellung seiner Erlebnisse
verlangt werden, und er wird daher immer auf eine nachsich^e
Beurtheilung der günstiger siUiirten Fachgenossen rechnen
müssen, wenn er die angedeutete Pflicht getreulich erfüU^ wiN%
Das fäberans häufige Vorkommen der Osteomalacie und
Rachilis in meinem Wirkungskreise, wodurch ich in eineni
Zeiträume von circa 23 Jahren 13 Mal in die traurige Noth*
wendigkeit versetzt wurde, den Kaiserschnitt selbst zu v^-
richten und ausserdem noch zwei Mal bei demselben zu
assistiren, berechtigt mich gewiss um so mehr zu der vor-
liegenden Mittheiluog , als es wohl nur wenigen Kunstgenossen
bescbieden sein mag, aus einer so reichen Casuistik Resultate
zu ziehen. Es hat uns zwar kürzlich ein benachbarter Cdlege
in Gegenwart vieler Aerzte erzählt, dass er schon vierzehn
Kaiserschnitte und zwar, mirabile dictu, unter alleiniger
«Md ä9f€A Brg«^tsM fit die ^httii. 41
AMiBtese der Hebamme Terrichtei und so günstige Resoltate
ersielt habe, wie wohl Niemand auvor, was er lediglich einer
von ihm selbst erfundenen Methode, die jede sachverständige
Assistenz flberfinssig mache, zu danken habe; auch wurde
dieser neuen Methode damals eine öffentliche Anerliennung
zu Theil, weshalb ich sehr bedauere, dass der betreffende
Herr College es nicht fflr ndthig befindet, seine vierzehn
eriebten Fälle nebst der erwähnten neuen Methode zum Nutzen
und FVommen der armen unglöcklichen Weiber zu ver-
öffentlichen*
Ich weiss auch recht gut, dass der Kaisersdinitt kein
operatives Kunststöck ist und bin weit davon entfernt, ihn
dazu machen zu woHen. Eine Operation aber, bei der
zwei Leben auf dem Spiele stehen und die die wichtigsten
Interessen des Familienlebens berfihrt, sollte man meines
Erachtens nicht allein flbemehmen, als wenn es einem Ader-
lässe gälte 1 — Wie oft bin ich trotz aBer Beckenmesser und
niedianiscber Hfilfsmittel zweifelhaft gewesen, wie häufig habe
ich meinen eigenen Irrthuro erkennen müssen, wie manchmal
hätte ich meine Meinung^ gern durch den Bwath eines
tfichtigen CoDegen gekräftigt!
Getrost fibergebe ich daher den folgenden Bericht dem
mfibefangenen Urtheile meiner Herren Collegen, midi ihrer
gütigen Nachsicht versichert haltend.
Wie schon vorher bemerkt habe ich seit 1840 den
Kaiserschnitt dreizehn Mal selbst verrichtet und zwei Mal bei
demselben assistirt Neun Mal wurde er bei osteomalacischen
und sechs Mal bd rachitischen Frauen vollzogen. Zur besseren
Uebersicht werde ich die eiozebien Operationen nicht nach
der Zätfolge, in welcher sie gemacht wurden, sondern nach
den Krankheiten, welche sie nöthig machten, zusammensteUen
and mich dabei der möglichsten Kurze, besonders bei den
Fällen, wdche schon anderwärts mitgetheilt wurden, befleissigen.
•
Herrn Kaiserschnitte bei Osteomalacischen.
Erster Fall.
Derselbe wurde von meinem sei. Vater im 3. Hefte des
12. Bandes der „ neuen Zeitschrift für Geburtskunde **, 8. 880,
41 IV. WihMi WtttoBk» KtllWfiBMMpiNwMoiien
htflctoieiieiu Die Ebefiraii (hnrad W0i0r'^'m Sc)i%viMr«ettMi^
i^aiüeil Wittgeoiteio^ eine i33)ahrig6 'zarte Btondiae, wdohe
kMDft 4 Fu8& gros» und ganz Ycrlyräppdt war, halte Iriilieir
S((hpn fdaf Mal kicbi gekoreo, die WochenbHteii gul Aber^
stoodeD und ihre Kinder alle selbst gesäugt Seit fibif bis Mcbs
Jabren, besonders seit der ieUten vor drei Jabren erfolgten
IHiederkiinft» batte aie an boAigen KnoebenacbmerzeA gyelHtoiii
ohne da« Bett hüten zu müssen und siob einer ärMlidieA
B^ndlung zu . unterwerfen. Nur sehr ujiterbrochen baue
sie Leberthran gebraucht und allmälig eine so ungMcUiche
Verbiegung der Backenknochen und Wirbelsäule erlitten, dass
die Untersuchung sehr bald zu der Ueberseiigung füfarao
musste, die Geburt sei auf natfirlichem Wege durchaus un*
rn^gUeh. Die beiden Sitzkjiorren Btandea nur V/^" aaa-
einander, die Schambeine ragten staebelf^rmiff vor, die CkN»j« fi«
maasa 6^4'; es konnten nur mit Muhe zwei Finger in dim
Scheide gebracht werden, welchen es nicht gelang, den Vor-,
berg zn erreichen, doch traf man leicht den mü einer starken,
teigig anaufiiblenden Kof^fgesehwulst, unbeweglich in den
Beekenaingang gekeilten Kindskopf. Von Muttennunde war
nichts mehr zu finden, die Fruchtwässer schon Abon^s zuvor
abgfiflossen, die Weben sehr stark und schmerzhaft «md die
9U*me Kreissende auch noch tiemiich bei Krüftai, doch dundi
den schon drei Mal 24 Stunden dauernden fmebtlnsev Weben*
drang auf jede Eventualität gefaast Da seil der' vergangenen
üHaeht keine Kindsbewegung mehr empfunden und der Kofif
sehr fest eingekeilt war, so musste, obwohl ich noch schrwaebe
FMalberztone zu hören glaubte, die Vorhersage avcb für lias
Kind missUcb sein. Doch war der Kaieerscbnitl der «iozigo
dettungsauk^r, zu dem ich daher getrost itntor AtwietoAX
meines seligen Vaters und des Kreiswundarzteft C^atera» nm
4 Uhr Nachmittags am 16. Nei 18dO schritte Die Operaipmi
wurde in der Linea alba auf die gewohnJicbe Weise voUzogjifl)
die Bauchhöhle enthielt wohl IVa Pfund Wasser; der Uterus
war sehr dick und fest um dia Frucht zusammengezogen.
Bei seiner Eröffnung drängte sich die Placenta in die Wunde
und musste zuerst gelöst werden. Die Blutung war deshalb
sicmlidi -bedeutend. Die EaAwickelung des Kopfes wan sehr
sohirierig, 4a. der untere Aibsc^itt des Uterus fest iw(<lei|
. •• -t
««4<4mil.niiikV!«Ni A«'4le,«iMßf< .71 tf
Hak 4e» fkinim gtlatoiiaiagMBdg^B wir« lieider gah da*
KiiKl, ei« BciiHatt9f^ 90rt«p Kaabe/ keine merUiohe Leben»«
zeictH^n iU erbew^n und kqmilft, eUer ßemiihungr^n u»^
g«adilel, 9«chi ^uni Loben gebracht werduriL Obae ZweiW
tAU« <iie Op0ration, 24 Stunden frUier unteraomiaMi, ein
giUuddioheB ResuHafi fSr das Leben des Kinde» gegeben«
DerwiiU 6 2oU lange Scbnitt wurde durdi drei hkitign
Hefte» T^n denen zw« nb^r den Nabel tu liegen kamen, vereuligt
lud der Verband nteb den Reg^ der Kunal beendet Bin
Embundnne lebte nur bis zum achten Tagd; die ersten Tage
war ik* Zustand sehr bedenklich, beseerte sieh dann über
niehrere Tage hindureh se>, dass wir nns der sdiöaalen
ttefinung hingaben; leider trat am Abfod des achten Tagen
gsuii unerwartet der T^d unter den Erscheinungen der Lunge»^
läfamuug ein* Das Becken hnbe kh der Bertiner UnivevsitMs*-
sanmdwfg dbergeben.
Die vier folgenden Fälle sind in der 1858 erschienenen
Inauguraldissertation des Dr. Ernst Hoestermann kurz mit-
getheilt.
Zweiter Fall.
Am IB.. Uta 1817 Morgens in aUer Frttie erhielt i«b
ven meinem CnUegisn Wirfei m Uillsenhuscb die Aitforderungi
eihgsi nach Obergelye au kommen» umibn bei einem Kaiset-*
schnitte zu unterstatzen. Fxnu Chr^ HahUt 42 Jahre alt^
hatte vor sieben Jahrein zum letzten Male durdi eine Fuas*
gebart g^boi^, war nachber im hdobsten Grade esteoroalacincir
geword« und hatte . oft monatelang auf, der Seite liegend im
Bette znbnagen owssen. Das Rückgrat war stdiief und da9
Becken g9nz Teronstaltet. Aus der Vagina ratfba der linke
Funs des Kindes mit den Zehen nach vom bis über das Knie
hervor, derselbe war stark geichwollen und von schwara*
hrannev Farbe, er föHte das ganze Becken so aus, daps man
9n keiner SteUe zwei Finger neben ihm anbringen konnten
In der rechten Kreuzdarmbemfuge föhUe man die ZetMm
den rechnen Fusses» Der Leib der Kreisseoden lag fast auf
den Oberschenkeln» Die Schambeine bUdelen einen starken
S^abel and das Kreuzbein war sehr auagehßhlt; leider
konnte eine genaue Erforschung der innoren Beckenvorhältnisse
41 IV. IFImM, MlHelui MtliM*elHM*|iiMiiloBeii
iPiigeii der ▼orliegeiiden Kindesäiefc nkiit aasgefffrrt werdeii;
mr ^mdbUm aber die Conjugata tera auf kdam 3 ZoH acfaitxefi
M dürfen. Die Wehen waren überaus bftftig; der Blasen-
tfMung aoOte Abends zuvor, gegen 11 Uhr erfolgt eeio.
Nachdtffli Praa H» nolhdürftig gelagert und die Blase dnrdi
den Katheter entleert war, versuchten wir sie zu ätherisiren,
was uns aber wegen der Mangelhaftigkeit unseres Apparates
ttieht gelingen wollte. Der Utems musste in die Höbe ge-
hoben und hinter die Mittellinie gebracht werden, was itfh
nrit den ^J'raefe'sehen Schwflmmen bewerkstelligte. College W.
machte den Schnitt in der Linea alba, wohl 5V2 Zoll lang,
etwas über dem Nabel beginnend; die Banchdecken waren
sehr dünn, die Uterinalwand dagegen fast 3 Zoll diek. Die
Nachgeburt, mitten in der Wunde liegend, wurde rasch nach
der linken Mutterseite gelöst und das sich mit dem Gesiebte
prSsentirende Rind leicht entwickelt und sammt der Hacenta
entfernt; die Blutung war ziemlich bedeutend, wurde aber
durch Reibungen des Uterus bald zum Stehen gebracht. Das
scheintodte wohlgebaute Mädchen wurde glücklich dem Leben
wiedergegeben und hiernach die Bauchwunde von oben nach
unten mit acht Rnopiiiähten und mehreren Insectennadehi
sorgflUtig verenrigt, in den unteren Wundwinkel ein Bourdonnet
gelegt und der Verband durch lange sich kreuzende Heft-
pftasterstreifsn, einige Longuelten und eine Baochbinde beentHgt.
Die Operation mochte mit dem Verbände 20 Minuten gedauert
haben; sie war von der Entbundenen mit grosser Sfimd-
haftigkeit ertragen worden. Nachdem Frau H. zu Bette
gebracht war, erhielt sie, da sich Brechreiz einstelHe,
15 Tropfen Tr. thebaica, welche ihr sichtlkh woU thaten.
Erst am 18. März konnte ich die Wöchnerin wieder-
sehen; sie hatte sieh, wie College W. berichtete, biä dahin
ziemlich wohl beAmden, nur war sie von Tag ni T^g
sehwächer geworden. Ich 'fand ihren Puls fadenföniiig und
kaum zählbar, der Leib war nicht schmerzhaft, auch nicht
aufgetrieben, die Haut mit klebrigem Sehweisse bedeckt und
doch kühl, der Durst sehr heftig; Stuhlgang war noch sehr
wenig erfolgt und einige Male Ert>rechen eingetreten. . Es
Wurde ein Inf. Ipecac. mit Tr. opH spl. und ein Glysma ver-
Ardnat Goge» Abend starb die Opawte, ibr Kim) iet aio
Lebett geblieben. Eine Obdnelioa keimte oicbi gemaeht irarden.
Dritter Fall
Deraelbe ist in der ^ Prager VferteUabreeachrift^ in einen
Reiaeberiebte des Herrn Dr. Aug. Breifikiy. kurz mit erwibnt
worden.
Frau Pe<er MaarhauB zu Hesselbaoh, 30 Jahre alt,
hatte in ihren) 24. und 27. Lebensjahre lebende Kinder leiefat
gebeiren. Schon wahrend der zweiten Scbwiangersehaft sieUlen
sich die Knoobensohmerzen ein. Beide Kinder hatte sie ein
Jahr gestillt Nach de« zweiten Wochenbette steigerten eich
die Krankheitserscheinungen in bedenklicher Weise und ihre
dritte Entbindung, weklie in ihr 29. Leben^r fiel, konnte
nur durch die Kunst beendigt werden.
Am 14 März 1846 Nachts zu ihr gerufen, feod ich ein
oaleomaladsches Becken, Conjugata kaum 2^^ ZoU, Seham-
beine schnabeU&rmig, Fruchtwasser seit drei Stunden ab*
gegangen; Vorlage des rechten Ellbogens, welcher kaum
erreichbar, Muttemuind gehörig vorbereitet* Sofort wurde
die Wendung geniMsht und mit grosser Mühe der rechte Fiise
eingeleitel, da die Füsse nach der Bauchwand der Mutter
lagen. Die EntwickelunJ;' des Kindes ging sehr langsam,
dasselbe war angeoscbeinlich schon längere Zeit lodt, die
ganze Oberhaut streifte sich ab; die Mutter wollte auch seit
dem 22. Februar keine Kindesbewegung mehr wahrgenomasen
haben. Der Kopf musste mittels Perforation, durch das
Foramen occipitale und die Zange entwickelt werden.
Am 23. November 1847 Abends 7 Uhr wurde ich wieder
zur Frau H. gefordert, um ihr bei der bevorstehenden vier-
ten Entbindung beizustehen. Vor circa zwei Stunden sollten
sich die ersten Wehen gezeigt haben. Ueberzeugt, dass dieses
Mal, wo sie ausgetragen und vor, wie während der Schwanger-
achaft noch sehr bedeutend von ihrem Knochenleiden heim*
gesucht Word«! sein sollte, ihre Entbindung nur durch den
Kaiserschnitt zu bewerkstelligen sei, scbickle ich vorerst die
Hebamme zu ihr, um mir genauen Bericht aber den Stand
der Gd^urt erstatten zu lassen. Gegen V^ll Ohr Abends
bekam ich folgende Nachricht: „Das Becken ist sehr ber
dmkUmd 'vmngt, dtf ifiHt^rmimd kmiin ^eoMb^, (A^ Ltlg^^&tfs
Kkidet niolit ca kustitifitMii, d« A« Vnt^il)iiehuil|'«^^ «^M«<ler%
ist. Lebhafte Kindesbewegung und starke Wehen sind vor-
handen/* — Nachts um l'Uhr wurde ich gerufen, weil die
Sehnerien unertrftgliöh. teh> fand dii& <Ki^issende mk^hocfa-
rotkcnn Gesicht, im Sekwales«. gebadet, zm«aiiffneng«ekauert mlf
der rechten Seite liegend, ihr Leib war sehr stark und Älier-
bingend; der Fundus uteri stand »der Hersgrabe; fonchtbar
befuge, ka«im aussetsende Weben^ votter, kräftiger, «fietuMdi
fMqMitor Puds. Der nnflersucheiide Finger konnte den lltatler-
nMind nicht erreichen, zwei f*inger waren niobt emztfRibreii,
vom Sdianibogen keine Spar; die SiUknomn so genSbert,
dass sie kaum einen Finger 7ur UnK^rsnebttng dui^bliessen,
der rechte bedeutend tiefer slfhend als der linke. Der Ramos
descendens des rechten Schambeins biklete eine bandartige
Falte;, das Steissbein war tief ins Becken ged^uekC, das
Heiligenbein stand wie ein Buokel nach hinten; die LendHK
wirbei stark vorwärts gtdrangt, machten das PromefitoHniii
Jeicfat erreichbar. Während dei* Wehen glaubte ich eine gegen
die Fingerspitzen drängende, wurstfönnige Blase m fDhkn,
kanhte mich jedoch nicht recht daf on dberEen^en , da durch die
bedeutende Spannung der Pinger das G«fQhl sehr beeinträehtfgl
wurde. Eine genauere Untersttchubg war eigentlvefa nnxr "mn
hinten mögUah, indem die Schenkel ntelM von einander
entfernt werden konnten. An dem unCersuebenden Pkiger
I iriglf n aich Blutslreifen , auch scdlie am Abend sohon cAlvas
Bhit abgegangen sein. Die Pk*uchtwfieser waren noch nlekt
abgelaufen« Die Solieide war zwar heiss, aber \^ftieb • md
sohlioimig. Heftiger Durst und häufiges Eriireche» -quälten die
Kieissende.
Da unter diesen Umständen kein Zweifel mehr obwalten
konale, so sohiokte ich sofoi^t einen Boten zora CoUegen
Wirfei^ mit der Bitte, aufs Sehleunigsle zu meiner Unter-
stutsung herbei zu eäen , der Kreissenden aber gab ich den
Rath^ ailes Drangen machst zu meiden und kehrte selbst,
um die ndthigen Vorbereitungen zu treffen, nach Hanse z«r§ck.
Den 2d. Norvember gegen 7 Uhr Morgens trafen wir zusammen
bei Frau H. idn , welche wir aber leider in ga»v anderen,
höchst fflisaichen Umständen fandiert. Seit einer Stunde hallen
Hfld dvrfttt firifetoiMre ftr 4i« F^bzU. ' ' fj^l
dte» heflUgen Vf^han pMtriidi gant aufgehört, statt ihrer'
äher «in flttSMrst empftodlicher , anhaltender, brennender
Sohmers in der Blaaeogegend «ingest^t, wobei nech hnmer
heftiges Erbrechen galliger Massen andauerte. Das Geiddht
der Ton unbeschreibKoher Angst gequälten armen Leidenden
war bieieh, eingefaBen, mit dem Ausdrucke tiefen Leidens,
die ExtfemiUiten feucht kalt , der Puls klein fadenförmig und
kaum stt zählen. Der Leib war weidi, aber äusserst empfind-
Msh gegen die leiseste Berahrung; yon Gontractionen de^
ülenis nichts mehr zu entdecken. Kein Fruchtwasser war
noch abgeflossen und Prachtbefwegungen seit dem Aufhftneh
der Wehen nicht bemerkt worden.
Die Untersuchang meines CoUegen lieferte dieselben
Resultate, auch er konnte weder den Muttermund noeli einfsi
KMIestheil entdecken. Als die Krers^ende auf einem Ttsohe
gemagert war, befond sie sidi dm*oh die unbesobreiblidien
Schmerzen in einem völlig apatfiischen Zustande. Ich ent-
leerte zuerst eme grosse Menge Harn mit dem Katheter vnd
versuchte es dann niederholt, den Hnttm*mund - aufzufinden,
um die Blase zu sprengen, jedoch mit demselben ungtnstigeti
Erfolge. In ^ser Lage konnten wir indessen den Leib
bes.<9er betasten und uns von einer Querlage des Kindes, dessen
Rficken gegen die Bauch wand gekehrt war, fiberaevgen. Dife
letztere war so Mnn, dass man eine Scapula deodich durcl^-
fihlen* konnte. Es war nicht möglkh, den Uterus hinter der
weissen Linie zu fixiren, immer drängten sidi eine Menge
Därme zwischen ihn und den Bauchdecken, dennoch nia(iite
ich den- Schnitt, welchen idi einen Zoll über dem Nabel be-
gann, in dieser Richtung und fOhrte ihn bis anf zwei t^^inger
breic oberhalb der Scbambeinvereinigung. Vorsichtig -wurden
die Bauchdecken getrennt und der PerMonäalsack gediTAet,
wobei zu unserem nicht geringen Schrecken eine M^nge
blutiges Wasser aus der Bauchhöhle floss. Rasch- wm*do ^as
Bauchfell der ganzen Lange der Wunde nach gespaltm und
ein iMBtdkkes Bhitcoagnlom ans der Wunde enCferat, m die
sieb jetzt durch den anhaltenden Brechreiz begfinsligt, nur
Darmsahiingen drängten, welche mit der grössten Mühe kaum
zwrfldtgehalten werden konnten. Nach Entfernung des extra-
vasirten Bhites traf ich den entleerten Uterus fest zusanNuen^
48 IV. WuiMlt rtefiittlui KatoMtohaittoptimtioneii
gezogen auf der recblen DarmbeinscbaiifeL Von hier au» Ahrte
ich nun nueine linke Hand hinter den Dünndärmen in die tUkt,
um das Kind, Ton don nicht die Spur zu entdecken» auf-
zuBuchen. Hoch oben im Epigastrium stiess ich auf den
Steias, den ich sofort ergriff und die Entwickeluag de« ganten
Kindes saromt der Nachgeburt langsam bewerkstelligte, wobei
jeder Darmvorfall glücklich vermieden ward. Dann nahm ich
eine Untersuchung der Gebärmutter vor, und fand luoteB im
Cervix einen Riss, welcher dicht geschlossen erschien. Deoa-
nächst wurde die Bauchhöhle von Blutgerianseln möglichst
befreit, die Bauchwunde durch zehn Näthe sorgßiltig ver-
einigt, in den unteren Wundwinkel ein geölter Leinwandatreilen
gelegt und die uöthigen Heftpflaster, Compressen und Bauch-
binde applicirt« In einer hall)en Stunde war die Operation
beendet und die Entbundene zu Bette gebracht. Sie hatte
sich offenbar etwas erholt, ihr Puls hälfe sich gehoben, das
Erbrechen nachgelassen und das heftige Brennen im Unter-
leibe, wie die Beängstigung gänzlich aufgehört. Das wohl-
gebaute, circa 7 Pfund schwere Mädchen war natürlich todt.
Die Ruptur, welche ohne Zweifel gegen 6 Uhr mit dem plötz-
lichen Nachlass der Wehen erfolgt war, hatte nach unserem
Dafürhalten nicht allein den Cervix uteri, sondern auch das
hintere Scheidengewölbe betroffen; auffallend war uns, dass
nach der Auptur so wenig Blut per vaginam abg^angen war.
Bald nach der Operation stellte sich unter gelindei^ Nach-
wehen etwas Blutabgang durch die Scheide ein. Wir reichten
der Entbundenen einige Tropfen Tr. op. spl. mit Aeth. acet
und überliessen sie dann der Aufsicht der Hebamme«
Bei meinem Abendbesuche fand ich sie sehr gut, die
Sehmerzen hatten nachgelassen, es ging noch etwas Blut ab,
die Haut war warm und feucht, der Puls massig voll, etwas
schoeU, 130 Schläge in der Minute, Erbrechen war nicht
eingetreten.
Den 25. November Morgens. Heftiges Brennen in der
Blasengegend, es ist noch kein Urin entfeert worden, Schmerz
in allen Gliedern und bei jeder Bewegung auch im Leibe; der
Leib etwas aufgetrieben, viel Durst, Puls sehr klein, faden-
förmig, kaum zählt er (170 Schläge in der Minute). In der
Nacht war etwas Blut abgegangen. Die Wöchnerin wird mit
«nd d«rMi Sig«iMiÜM für die Pfaxis. 49
▼ieler Mdhe Mf einen Nachtstnhl gebracht, da sie nach ihrer
Versicherung im Liegen nicht uriniren kann, und entleert viel
Drin, mit grosser Erleichterung. Abends derselbe Zustand,
sie hat noch mehrmals urinirt, auch etwas Suppe gegessen.
Da noch kein Stuhlgang erfolgt, aber Neigung dazu da war,
so wurde ein Clysma applicirt In der Nacht trat wehen-
artiges aber erfolgloses Drängen auf den Stuhl ein, welches
zwar ein Qystier in Verbindung mit einer Mandeleraulsion und
Opium beseitigte, ohne aber Oeffnung zu verschaffen.
Den 26. November. Die Operirte befindet sich leidlich,
sie hat wenig Schmerz, der Leib ist nicht mehr so auf-
getrieben, der Durst hat nadigelassen ; die Lodiien fliessen
ziemlich ; aus dem unteren Wundwinkel sickert blutiges Serum.
Der Puls hat sich gehoben, ist nicht mehr so schnell und
macht nur 136 Schläge in der Hinute. Sie schläft ab-
wechselnd , schwitzt miässig und hat auch etwas Appetit Stuhl
ist noch nicht erfolgt, Urin öfters entleert
Den 27. November. Vergangene Nacht trat unerwartet
heftiges Erbrechen und grosse Beängstigung ein. Ein Inf.
Ipecac mit Tr. Iheb. gttx. verschaffte Erleichterung; gegen
Morgen erfolgte reichliche Stuhlentleerung.' Aufstossen und
Brechreiz dauern fort, die Zunge ist selur belegt, die Haut
trocken und die Schwäche gross. Puls 126. Die Lochien
sparsam, der Schlaf gering, Milch noch nicht vorhanden.
Abends keine Veränderung; wenig Schmerz, viel Durst und
brennend heisse Haut Dem inf. Ipecac werdoi 3ij. Aq. amygd.
amar. und gttxv. Tr. op. spL zugesetzt
Den 28. November. Frau H. hat sich gebessert, die
Uebelkeit hat nachgdassen, die Lochien fliessen reichlich.
Der Puls ist zwar noch eben so häufig, aber kräftiger. Die
Zunge hat sich gereinigt, der Durst ist geringer und etwas
mehr Esslust vorhanden. Der Leib ist nicht sehr empfind*
lieh, nicht aufgetrieben, doch etwas härtlich. Aus dem unteren
Wundwinkel fliesst eine dünne, übdriechende Jauche. Zwei
Drittel der Wunde von oben herab sind schön verklebt, eins
der unteren Hefte ist sehr gespannt
Den 29. November. Das Befinden der Wöchnerin ist
gut, die Lochien fliessen regelmässig, Stuhlgang ist erfolgt
der Durst geringe, der Aj^ietit besser. Die Milch veranlasst
MonatMehr. f. Geburtok. 18«. Bd. XZU., Htt. 1. 4
50 IV. TFureM, Fünfoelm E«S««r«cfaiiUUpintioneii
nocb keine Beschwerden. Der Pols ist noch iminer frequeiU
und gereizt (136 Schläge). ^
Den 30. November. Viel Au&tossen, sonst derselbe Zustand
Den 1. December. Heute lösten sich die drei untersten
Hefte, das Bourdonnet liegt noch lest, die Prima intentio ist
grossentheils gelungen« Der Leib ist nicht mehr hart, nicbt
schmerzhaft, die Kranke kann sich viel leichter bev^egen; der
Schlaf ist besser, die Zunge rein, Stuhlausieerung erfolgt,
Appetit hinreichend. Puls 130. Da noch etwas krampfliaftes
Drängen auf den Stuhl Statt hatte, so wurde das Inf. Ipecac
repetirt.
Den 2. December. Das Allgemeinbefinden ist sehr be-
friedigend, nirgends Schmerz, nur beim Harnlassen einiges
Brennen und einiger Stuhlzwang. Das Fieber mindert sich
täglich, der Puls ist kräftiger und weniger häufig (124), keio
Durst, die Haut feucht und der Lochialfluss natürlich. Etwas
Husten. Die Wunde ist bis auf den unteren WundwinkeL
in dem das Bourdonnet noch sehr fest, und aus welchem noch
ziemUch viel Jauche fliesst, völlig verheilt. Es wurden heute
alle Ligaturen, bis auf die mittelste, welche. ich aus Vorsicht
liegen liess, entfernt.
Den 3. December. Beim heutigen Verband löste sich
das Bourdonnet und die letzte Ligatur wurde weggenonmien.
Die Stichwunden eitern etwas und es fliesst noch viel Jauche
aus dem Wundenrest. Frau H, fühlt sich wohl, sie ist
kräftiger, die Verdauuiig wie der* Appetit gut und der Puls
macht nur 116 Schläge.
Den 4. December. Die Eiterung scheint sich zu ver-
ringern; alle Se- und Excretionen sind normal; Puls 108.
Den 5. December. In der Mitte der Narbe hat sich um
eine Ligaturwunde ein Abscess gebildet, der geöffnet wurde
und wohl eine Obertasse voll Eiter entleerte. Uehrigens ist
das Befinden der Wöchnerin sehr befriedigend, sie ist schmerz*
los, hat gutaii Schlaf und genügenden Appetit. Die Lochien
sind regelmässig, Milch hat sich fast gar nicht gefunden
Puls 104.
Den 7. December. Der Ausfluss hat sich sehr vermindert,
der Wundenrest verkleinert sich tägb'ch, das Allgemeinbefinden
ist sehr gut und der Puls bis auf 90 Schläge gesunken.
ittMl deres ^eteisM fBr die PraxiB. 51
Den 8. Deceniber. Die Besserung macht täglich Fort-
schritte; Pols 88; Sclilaf, Appetit und Verdauimg in Ordnung.
Den 10. December. Frau H. hat bei der stftrmischen
Witterung viel Sdimerz in den Gliedern, die Lochien sind
wieder gerötliet Die Wunde sondert nur wenig mehr aus.
Pols 84, kräftiger.
Den 12. December. Die Wunde ist fast geschlossen und
das Befinden der Operirten fortwährend gut
Den 14. December. Frau H, hat sieh den Hagen ver-
dorben, sie leidet seit gestern an Leibschmerz, Erbrechen
und Abfuhren, wobei unverdaute Speisen abgehen. Sie fiebert
sehr ld)haft, Pols 120, die Zunge ist belegt, die Haut trocken
ond heiss, heftiger Durst. Inf. Ipecac. mit 8 Tropfen Tr. opii spl.
Den 15. December. Es geht wieder besser, Durchfall,
Erbrechen und Schm«*z haben aufgehört, doch ist das Fieber
noch nicht beseitigt und die Schwache sehr gross. Die
Wimde ist vernarbt.
Den 20. December. Heute traf ich die glucklich Ge-
nesene auf einem Stuhle sitzend, sie klagte zwar fiber einigen
Schwindel und war etwas aufgeregt, was wohl Folge der vor
zwei Tagen eingetretenen und noch fliessenden Menses sein
mochte. Die Wunde ist vamarbt, man fQhlt den Uterus faust-
dick rechts neben der Narbe, seine Berührung ist empfind-
lich und erregt Aufstossen und Hustenreiz.
Den 6. Januar 1848 fand ich Frau H, völlig genesen
und mit häuslichen Arbeiten beschäftigt.
im Februar habe ich das Becken gemessen, C. B. 6^
Sp. »", Troch. 9y4". Der Schnabel beträgt wohl 2". Der
Zeig^nger kann kaum 2" tief in die Scheide gebracht werden
ond triifl an der hinteren Schddenwand auf einen narbigen,
bei der Berührung empfindlichen Wulst.
Frau H, lebt heute noch (October 1862). Ihre Krank-
heit, welche imm«r noch Exacerbationen macht, hat sie merk-
wftnlig verunstaltet, sie ist kaum 3 Fuss 8 Zoll gross, die
Rippen stossen auf die von vom nach hinten aufgerollten
Darmbeine, die Schambeine sind so aneinander gedrängt, dass
ich kürzlich bei einer Urinverhaltung den Katheter nicht
applldren konnte, ja die ganze Beckenhöhle ist so terengt, dass
der Durchgang des Koths erheblidie Schwierigkeiten findet
4»
gS IV. WincM, Fintetha
Vierier Fall.
hm 6. Januar 1848 Abends gegen 8 Uhr wurde ich von
Herrn Dr. Flate zu Neustadt aufgefordert, .ihn am aaderen
Morgen bei einem Kaiserschnitt an der Ehefrau des I^eter
Hahemickel zu Hakenberg, einem V/^ Stunde von Uer ge-
legenen Orte, zu unterstutzen. Mit dem anbrechendea Tage
dort angekommen, fand ich den Collegen bereits anwesend.
Die 36jährige Kreissende litt an der ausgeprägtesten
Knochenerweichung, sie war zum siebenten Male schwanger
und hatte vor circa vier Jahren das letzte Kind zwar schwer,
aber ohne Kunsthülfe lebend geboren. College Plate^ der
damals ebenfalls zugegen gewesen war, erzählte, dass das
Kind einen bedeutenden Eindruck am Stirnbein gehabt habe.
Die Wässer waren am vergangenen Nachmittage zwischen
1 und 2 Uhr abgeflossen und erst gegen Abend hatte man
den Geburtshelfer begehrt Die Wehen, welche am vorigen
Nachmittage ausserordenüich heftig gewesen waren, hatten
gegen 10 Uhr Abends plötzlich nachgelassen, worauf sich ein
permanenter, brennender Schmerz im Leibe eingestellt hatte.
Der Puls war klein, fadenförmig und sehr frequent, die Ex*
tremitäten kühl und mit kaltem Schweisse bedeckt, zugleich
wurde die arme Frau von einer unbeschreibUchen Angst, be-
ständigem Erbrechen grünlicher Massen und unlöschbareoi
Diu*ste gequält. Ihre Lippen waren blau, ihr Gesicht drückte
tiefes Leiden aus. Während der Nacht waren Kindesbewegungen
nicht mehr wahrgenommen worden. Der Uterus war sehr
conlrahirt, sein Grund stand zwischen Nabel und Schambein-
fuge, der Leib war sehr überhängend und zwischen Uterus
und Bauchdecken einige Darmschlingen; von KindestheiJen
äusserlich nichts fühlbar. Aus den Geburtswegen fioss dunkles,
zersetztes Blut in ziemlicher Menge ab. Die osteomaiadsche
Beckenverunstaltung war so bedeutend, dass die Untersuchung
kaum mit einem Finger möglich war. Vom Muttermunde konnte
ich nichts mehr erreichen, wohl aber glaubte ich, einen Ellen-
bogen des Kindes zu fülilen; Dr. PUUe und die Hebamme
wollten am vorigen Abend den vorliegenden Kopf deutlich ge-
fühlt haben.
Bo'er und Osiander sagen: „wer einmal ein solches
Unglück erlebt, wird es wohl nie vergessen." — Ich hatte
und dereD Er^bnlsse flir di« PnziB. &3
das vor wenigen Wochen Erlebte wahrlich auch nicht ver-
gessen und theilte es dem CoUegen sofort mit, der indess an
eine Ruptur noch nicht glauben woDte. Das unglückliche
Weib wurde also, da keine Zeit zu verlieren war, gleich auf
einen Tisch gelagert, der leider etwas hoch war, was die
Assistenz sehr erschwerte; und die freie Aussicht auf das
Operationsfeld liinderte , dann wurde der Kafheter mit einiger
Schwierigkeit appKcirt und die Kreissende chloroformirt Hots
machte nun einen vier Zoll langen Schnitt in der Linea alba,
zwischen Nabel und Schamfuge; als er durchs Bauchfell ge-
drungen, floss etwas blutige Flüssigkeit aus der Bauchhöhle
und gleich legte sich der blaurothe Uterus in die Wunde.
Statt nun meine Ansicht in Betreff der Ruptur zu theilen,
schnitt er sofort den Uterus, dessen Wand ungeheuer dick
war, an, fand aberi natürlich nichts anderes in demselben, als
nur noch einen Theil der gelüsten Nachgeburt und einige
Blttteoagula und ehe er es sich versah, schlüpfte auch dieser
Rest der Placenta durch den Riss in die Bauchhöhle. Da er
das Kind nicht gleich finden konnte, so bat er mich, die
Operation zu beendigen. Ich schlug sofort den mir von
früher bekannten Weg ein , ergriff den Kopf des hinter den
Gedärmen liegenden Kindes und entwickdte es langsam und
nicht ohne Mühe, sammt der Nachgeburt durch die etwas zu
kleine Banchwunde. In aller Eile besah und betastete ich
mir nun den Uterus, konnte aber den kleinen Schnitt aus-
genommen, keine Verwundung an demselben finden, wahr-
scheinlich war auch hier der Hals und das hintere Scheiden-
gewölbe eingerissen. Eine genaue Untersuchung konnte
natürlich nicht vorgenommen werden, da die Umstilnde die
Beschleunigung des letzten Actes erheischten. Es wurden
sechs NSthe angelegt und der Verband wie gewöhnlich be-
endigt Frau H. war schon während der Operation aus der
Narcose erwacht, und war durch den starken Blutverlust und
die beständigen Vomituritionen im höchsten Grade erschöpft.
Nachdem sie zu Bette gebracht, wurden ihr einige Tropfen
Äther, acet mit Tr. op. spl. gereicht, sie erholte sich aber
nicht recht und es bot sich wenig Aussicht für ihre Erhaltung.
Später habe ich die Operirte nicht vrieder gesdien, aber
von meinem Collegen gdiört, dass sie sich in den ersten
54 IV. WkuM, Flialnl» K«iMnRlMatt»pti«lioiieD
•
Tagen nach der Operation sehr erlioll und ihn wieder Hol-
nung tu ihrer Rettung gemacht hebe, dann aber wider aUn
ErwarUn am aecheten Tage plöulieh veraehieden sei. lune
Obdociiou wurde nicht geblattet
Die beiden lettten Fälle äad gewiss von ganz besooderaa
luinrease, da Zerreisaungen der Seheide mit Austreten des
Kinde« in die Unterkibahöhle selten »ir Beobachtung kominn.
Doeh möchte ich nach meinen EHäbmogea wohl ajinehmeo,
daaa bei osteomalaciflcJier itecAeöwAildung die Scheide wd
eher aJa dar Uterus geMrdei ist, den letzteren habe iA
immer «ehr dick und kräftig gefunden, wo hingegen die Scheide
gewAlmJicb diirdi vorhergegangene, schwere Geburten schon
gaachwicht und während des Geburtsactee sehr gedehnt und
der scbötsenden Beckenwände beraubt wird. In beiden
Fällen ist der Scheidenriss an der hinteren Wand erfolgt,
gewiss weil diese bei der bedeutenden Beckenenge aus deoi
starken Hängebauche am meisten gespannt werden luusste.
In diagnostischer Beziehung muss ich noch bemerken,
dass von beidoi Gebärenden jenes Geräusch des Beraten«,
weiches oit sogar von der Umgebung vernommen werden sott,
nicht wahrgenommen wurde und dass das leichtere Betasleo
der Kindestheile unmittelbar hinter den Bauchdecken auch
nur im ersten Falle möglich war. Die sichersten Kriterien
werden wohl immer in dem plötzlichen Nachlassen der Wehen-
thätigkeit und den auflallenden Veränderungen, welche sieb
nach erfolgter fiuptur in dem Allgemeinbefinden der Kreiasendeo
zu erkennen geben, gefunden werden. Endlich aber be-
rechtigen beide Fälle gewiss zu der Lehre, dass man, wenn's
anders möglieb, die Sectio caesarea niemals lange aufschieben,
sondern gleich nach vollständig entwickelter Wehenthätigkeil
unternehmen solle, was freilich auf dem Lande, wo man sich
die nothdürftigste Hülfe oft erst nach Stunden verschaffen
kann, nicht immer ausfuhrbar isL
Fünfter Fall
Bisher noch nicht ausführlich veröffentlichL
Frau W. Werth in Gummersbach ist 35 Jahre alt, kaum
4 Fuss gross und trägt unzweideutige Spuren fiberstandener
Rachitis an ihren unteren Extremitäten, auch hat sie nach
«Bd dereü firgebnisae Hir die Pmiis. g5
ihrer Angabe erst spät das Gehen erlernt Sechs schwere
Geburten haben ihr kein lebendes Kind gebracht » die ersten
drei wurden mit der Zange von einem anderen Geburtshelfer
beendet, bei der vierten habe ich sie ebenfalls mit der Zange
entbanden und mich schon damals von der rachitischen Becken-
enge öberzeugt, weshalb ich ihr im Wiederholungsfalle die
kunsUiche Frühgeburt empfahl, die auch am 7. August 1846
und 1. Mai 1847 leider mit eben so ungünstigem Erfolge für
die Kinder zur Ausfuhrung brachte. Die letzte Fiiihgeburt
hatte ich schon in der dreissigsten Schwangerschaftswoche
vorgenommen, sie dauerte acht Tage. Hinzugetretene Osteo-
malacie hatte das Becken so verengt, dass ich das winzige
Kkid, welches sich mit den Füssen zur Geburt stellte, kaum
durchführen konnte. Seit dieser Zeit hat sie fortwahrend an
Knodienerweichung gelitten. Als sie sich zum siebenten Mal
schwanger fühlte, bat sie abermals um Einleitung der Früh-
geburt, die Beckenenge hatte aber so zugenommen, dass ich
ihren Wunsch von der Hand weisen musste, denn der zu
verwendende Theil der Conjugata vera erreichte nicht zwei Zoll.
Die rachitische Vorbildung hatte zwar die Schnabelbildung der
Schambeine in etwas beeinträchtigt, aber die Beckenbühle von
vom nach hinten desto mehr verengt. Mit aller Schonung
machte ich sie deshalb mit dem was ihr bevorstehe, bekannt,
und wunderte mich nicht wenig, sie durchaus vorbereitet zu
finden. Während der ganzen Schwangerschaft musste sie fast
anhaltend das Bette hüten und hatte in der letzten Hälfte viel
mit Husten, Dyspnoe und anhaltendem Erbrechen zu kämpfen,
ohne aber dadurch sehr abzumagern.
Den 26. Januar 1849 Morgens 9 Uhr wurde ich zu ihr
begehrt und fand sie im Kreissen , die Wehen waren sehr
kräftig, die Blase fast springfertig. Eine nochmalige, sorg-
faltige Untersuchung überzeugte mich, dass die Entbindung,
selbst von einer todten Frucht nur auf einem aussergewöhnlichen
Wege möglich sei; die Conjugata vera mass IV4 Zoll. Nach
der erst gegen Vs3 Uhr Nachmittags erfolgten Ankunft des
CoUegen Wiefei schritt ich zur Operation. Die Wässer
waren eine Stunde zuvor abgeflossen, die Wehen selir stark
und trotz der schon vorhandenen Kopfgeschwulst , der K(^f
ausser der Wehe nocli beweglich. Nachdem ich die Kreissende
56 IV. Wineka, FtinfMhB KaUerseknittopwalionen
chlorofonuirt, machte ich den Schnitt, wie gewöhalich in der
Linea alba, neben dem Nabel beginnend, 6 — 7" lang; die
Bauebdecken waren sehr dick und fettreich, ebenso war die
Wand des Uterus wohl ly^" stark. Nach Vollendung des
Scimittes wurde der sich in der Wunde präsentirende Sieisi
ergriffen und das Kind langsam entwickelt, es war wenige
Augenblicke scheintodt, erholte sich aber nach einer geringen
Blutung aus der Nabelschnur bald. Die Nachgeburt wurde
sofort oitfernt und die Vereinigung der Wunde durch sechs
Knopihathe und ebenso viel Insectennadeln bewerkstelligt la
den unteren Wundwinkel legte ich einen geölten Leinwand-
streifen und beendete den Verband durch Heftpflaster, Louguetteo
und Bauchbinde. Während des Verbindens trat mehrmals
heftiges Erbrechen ein, wodurch ein grosser Theil des Netzes,
aber keine Gedärme durch die noch nicht geschlossene Wunde
gedrängt wurde. Die Blutung war ziemlich beträchtlich, auch
durch die Vagina ging viel Blut ab. Nachdem die Entbundene
aus der Narcose erwacht und zu Bette gebracht war, klagte
sie über heftigen Leibschmerz und Brechreiz, weshalb lOTropfeii
Tr. thebaica gereicht wurden. Ausserdem verordnete ich eine
Oelemulsion mit Tr. op. spl. Das Kind ist ein wohlgebildetes,
kräftiges Mädchen.
Den 27. Januar. Viel Leibschmerz, wenig Schlaf, Lochiea
sparsam, etwas Blutabgang durch die Wunde und Scheide,
Urin entleert Puls 146.
Den 28. Januar. Weniger Schmerz, viel Husten, wenig
Schlaf, Blase und Darm entleert Puls 140.
Den 29. Januar. Wenig Schmerz, Lochien sparsam,
keine Milch, keine Esslust, viel Durst. Puls 120.
Den 30. Januar. Viel Husten mit Schleimrasseln, mehr
Schlaf, Lochien reichlicher, Stuhlgang regelmässig, keine Miloh.
Puls 132.
Den 31. Januar. Heftiger Husten, quälendes Schleim*
rasseln, Schlaflosigkeit, copiöser Abfluss stinkender Jauche
aus dem unteren Wundwinkel, Erbrechen. Stuhlgang und
Urinentleernng ist erfolgt Puls 136. Der Verband wurde
erneuert; % der Wunde sind gut vereinigt Verordnung
Dec. Senegae mit Tr. op. benz.
md d«r«a ErgebabM Ar dit Präzis. 57
Den 1. Februar. Bedeutende Besserung der Brust-
beschwerden, noch keine Milch. Pub 124
Den 2, Februar. AUgemeinbefinden , etwas Brechreiz
abgerechnet, gut; Husten und Schlaf besser, aber noch
krioe Milch und trockne Haut. Die beiden oberen Ligaturen
wurden entfernt und ein Inf. Ipecac. mit Tr. op. spl. verordnet
Den 3. Februar. Obwohl Frau Wirth eine Menge Aphthen
im Munde hat, so gebt es ihr doch tftgüch besser. Die Wunde
ist bis auf den unteren Wundwinkel fest geschlossen; alle
Ligaturen werden entfernt Pols 112.
Den 9. Februar. Das AUgemeinbefinden ist sehr gut,
Frau Werth erholt sich zusehends. Aus dem unteren Wund*
Winkel fliesst noch viel Eiter. Milch hat sich noch nicht
geftmden.
Den 11. Februar. Die Eiterung liat sich sehr ver-
mindert, die Wunde verkleinert. Milch ist nicht vorhanden.
Schlaf und sonstige Functionen normal. Puls 108.
Den 13. Februar. Heute fand ich die Wöchnerin mit
dem Wickeln ihres Kindes beschfiftigt, im Bette sitzend, sie
befindet sich wohl, hat etwas Milch in den Brüsten, die Wunde
ist fest geschlossen, der Ausfluss sehr gering. Puls 100.
Den 16. Februar. Die Milchabsonderung nimmt zu, das
Kind saugt gut und Mutter und Kind sind wohL
Den 26. Februar. Frau Wirth ist genesen, hat Üb-
reichende Nahrung für ihr Kind und ist fast den ganzen Tag
avsser dem Bette.
Sechster Fall.
(Ebenfalls noch nicht veröffentlicht)
Am 3. October 1861 entband ich die eben genannte
Frau Wirth unter Assistenz der CoUegen Wiefei und Stabs-
arzt Dr. BdUes zum zweiten Male von einem gesunden,
kräftigen Mädchen durch den Kaiserschnitt Die Beckenenge
hatte so zugenommen, dass kaum ein Finger die Conjugata
passiren konnte. Die Operation bot nichts Beroerkenswerthes.
Auf der Oberfläche des Uterus, um die alte Narbe fanden sich
bedeutende, traubenförmige Varicositäten , welche bei ihrer
Durchschneidung stark bluteten. Die Entwickelong des Kinds-
kopfes war ziemlich mühsam. Frau Wirth war seit ihrem
58 IV. Wituka^ FfinflMlui KMa^rtChaifttepmittoiieB
letitea Wocheobette immer leidend, sie hatte ihr Bchönes Kind
Ober ein Jahr selbst genährt und dann bald wieder eaneipirL
Während ihrer Schwangerschaft war sie so elend, dass sie
meisi das Bette hüten musste. Am Abend nach der Operation
befand sie sich in leidlichem Zustande, ihr Puls w«r aber
sehr klein und kaum zählbar.
Den 4. Oclober hatte die Schwäche anseerordenüiob zu-
genommen,- der Puls war fadenförmig, nicht zu zählen, der
Laib s^r ausgedehnt und schmerzhaft, dabei anhaltender
Brechreiz, der durch Opium nicht gelindert wurde. Eis war
nicht aufzutreiben. Abends zwischen 11 und 12 Uhr starb
Operirte. Beide Kinder leben noch gegenwärtig.
Siebenter Fall.
(Noch nicht publicirt)
Frau Heüvr. Schowiberg, 38 Jahre alt, hatte 6 ibd
leicht geboren. Nach der fünften Geburt, welche 1850 er-
folgte, entwickelte sich Osteomalacie, die schon 1862 im
Juni einen so hohen Grad erreicht hatte, dass ich kaum die
Perforation auszuführen vermochte. Zum siebenten Mal
schwanger, begehrte sie am 16. November 1853 früh Morgens
meine Hitfe. Die Beckenenge hatte bedeutend zugenommen,
der kleinste Durchmesser mass unter 2 ZoU, die Unke Seite
des Beckens war auffallend enger als die rechte. Die Schnabel-
bildung war stark, die Conjugate externa hatte öVs". Starker
Hängebaucb; den Kindskopf konnte ich nur erreichen, wenn
ich mit vier Fingern untersuchte. Die Fruchtwässer standen
noch, der Muttermund war gehörig vorbereitet und die Wehen
kräftig. Mittegs um 3 Uhr trafen die zur Assistenz geladenen
GoUegen Wiefd und Dr. LUbiers ein und da sie sich mit
mir einverstanden erklärten, wurde sofort zur Operation ge^
schritten. Nachdem Fran S. chloroformirt war, machte ich
den Schnitt, den ich wegen des starken Hängebauchs über
dem Nabel beginnen musste, in der weissen Linie. Bei der
Eröffnung der Uterinhöhle stiess ich auf die Nachgeburt,
welche ich eiligst nach einer Seite löste und drang mit der
linken Hand in die EiböMe, führte dieselbe über den Rücken,
um den Kindskopf und hob den kräftigen Knaben trota der
Sterken Zusammenziebuogeo der Gebärmutter mit leiebter
IMhe durcb die Wunde. Die Nachgriiurt wurde sofort ettl-
femt, die Blutung wftr nichl bedeutend. Während des Ver-
bandes, der wie in den früheren Fallen ausgeführt wurde,
drängten sidi mehrmais kleine Darmschlingen vor, die sieh
leioht rcponiren liessen. Das Schreien des Knaben erweckte
die Mutter aus der Narcose. Nach der Operation befsiid sieh
Frau 8. sehr wohl, Elrbrechen trat nicht ein und der Sdunrnn
war nur sehr unbedeutend und auf die Wunde beschränkt
Den 17. November liess das Befinden der Operirten niohts
Btt wteschen übrig, der ScRraeri war gering, die Haut feuclil,
sie hatte urinirt und etwas Blutabgang per vagmam ; der Puls
war massig voll und machte 100 Schlage in der Ninate« Im
Verlaufe des Tages trat etwas Husten und Meteorismus ein,
der sich gegen Abend bedeutend steigerte und mit ^osser
Beängstigung verbunden war, weshalb ich zweistündlich 1 Gr.
Gaiomel mit % Gr. Extr. op. aq. reichte. Bei meinem Be-
suche am 18. fand ich den Zustand der Frau S. sehr ge-
liessert, der Leib war beigefallen, doch immer noch etwas
tympanitisch, aber nicht empfindlich, Athemsnotb «nd Be-
ängstigung hatten sich verloren, da* Husten war lose. Die
Lochien flössen reichUch, die Haut duftete und die Laotation
war im Gange. Da noch keine Stuhlenüeerung eingetreten«
liess ich ein Clysma geben und dreistündlich 1 Essloffel Ol,
Ricini nehmen. Gegen Abend steigerten sich die genannten
Erscheinungen in bedenklicher Weise, und war durch mehrere
Klystiere und Sij* Ol. Ricini keine Damiausleerung erzielt
worden, weshalb ich wieder zu den Tages zuvor angewendeten
Pulvern meine Zuflucht nahm. Unter Zunahme des Meteoris-*
nuis und der Athmungsbeschwerden starb die Kranke in der
Macht vom 18. bis 19. November. Die Obducüon wurde
mh* nicht gestattet Das Kind blieb am Leben.
Achter Fall.
(Noch nicht publicirt)
Frau Orote, 37 Jahre alt, hatte lihif Kinder ohne Kunsl*
hülfe geboren, das letzte vor 5 Jahren. Vor zwei Jahren
von einer Manie be&llen, wurde sie nach einem halbjährigen
Aufenibalt aus der Irrenheitanstalt zu Siegburg geheilt eutr
lassen. Seit dieser Zeit hat sie beständig an GUederschmeriwn
00 IV. WimeM^ PflnlMl» KtAB^mthaimfmnMonen
geÜtten und id «ehr traurigen VerfaälUiiMen gelebt, da ihr
Gatle eio Trankenbdd und TaugeniditSt sie eeibst eine
heftige und hocfamöthige Person war« Den 37. Februar 1859
Abends 9 Uhr wurde ich lu ihr gefordert, um ihr bei einer
Geburt beizustehen. Die anwesende Hebamme theike mir mit,
dass das Becken bedeutend verengt und kein Kindestheil so
erreichen sei. Meine Dntersudiung ergab : .hochgradige osteo-
malaciscbe Beckenenge, der Schambogen so yerengt, dass
kaum eine Fingerspitae zur Symphyse gelangen konnte, die
Schambeine schnabelförmig vorgelreten, die Entfernung der
Sitiknorren kaum zwei Finger breit, die Conjngata diagonalis
wegen Enge des Scbambogens nicht messbar. Die Fnichi-
wisser standen noch, der Muttermund war zwei Thaier gross
ge6ffnet, weich, der Kindskopf ruhte auf dem linken Darm-
beine. Ausser den starken Wehen klagte Frau O. fiber eines
dauernden Schmerz fiber den Schambeinen und schmersfaalle,
stArmische Kindesbewegungen. Unter diesen Umstanden war
nur Tom Kaiserschnitte Hülfe zu hoffen und da sich Frau O,
dazu bereit erklärte, so wurde derselbe am 28. Februar
Morgens 8 Uhr unter Assistenz des CoUegen WUfA uacli
gewohnter Weise in der CUoroformnarcose yerrichtet Die
FmchtwAsser waren in der Nacht vorher schon abgeflossen.
Auch hier fanden wir die Wandung des Uterus sehr stark.
Der krfiftige Knabe gab sein Leben sofort durch Schreien zu
erkennen. Die Entfernung der Nachgeburt war mit einer be^
trächtlichen Blutung verbunden und der Uterus zog sich schlecht
zusammen, als wenn er seine ganze Kraft erschöpft bitte.
In solchen Fällen hilft nichts besser, als ein kräftiges Zu-
sammendrucken der Gebärmutter nach dem Becken hin; auch
im vorliegenden Falle gelang es dadurch der Blutung Herr
zu werden und den Verband bewerkstelligen zu können.
Gegen den Brechreiz, welcher sich nach Beendigung der Nar-
cose einstellte, wurde eine Dosis Tr. thebaica gegeben. Am
Tage war das Befinden leidhch, Abends trat wiederum starker
Brechreiz und grosse Auflegung ein, wogegen abermals
10 Tropfen Tr. op. spL mit Erfolg genommen wurden.
Den 1. März Morgens. Die Nacht war leidlich, Frau &.
hat etwas geschlafen, doch ist noch inuner Neigung zum Er-
brechen und viel Durst vorhanden. Die Haut ist trocken,
«od Aw0m Sfi»lNii«M Ar 4ia Praxis. 61
der Piilg niadit 100 SeUige. lof. Ipecac (gr.vi$.) Sit. Tr.
op. spL ^ß. Syr. spi. iß, mds. Stündlich 1 Esslöffd. Abends.
Weniger Brechreiz, mehr Rohe, feuchte Haut Pols 104.
Den 2. Hän. ÄUgemeinbeflnden leidlich, der Brechreiz
bat sich vermindert, Haut feucht, Urin wurde gdaaaoi, Stuhl-
gang ist nicht erfolgt. Glyama. Pols 104.
Den 3. März. Etwas Leibschmerz, viel Durst, wenig
Schbf. Puls 120. Etwas Blutabgang durch die Scheide. Da
noch keine Eröflhung erfolgt war, wurde 1 Esslöffel OL Ridni
fageben.
Den 4. März. Heute Nacht trat Erbrechen saurer,
gallichter Massen und starke Diarrhoe ein. Ein Theü der Näthe
wurde entfernt, der Leib ist nicht mehr schmerzhaft, auch
nicht aufgetrieben. Aus dem unteren Wundwinkel fliesst viel
zersetztes Blut Puls 124 R. Extr. opii. aq. gr.V4. Conch.
prpt, gr.ij. Secal. ^ß. okfp» D. d. viij. S. Zweistfindlich 1 Pulfer.
Zwei Dritttheile der Wunde sind gut vereinigt
Den 5. März. Die Operirte ist sehr erschöpft und hat
Neigung zu. Ohnmächten, das Erbrechen hat sich verloren.
Pkds kkin, fadenförmig. Viel Durst und wiederholtes Ab-
fahren. Die Lactation ist im Gange. R. Int Ipecac. (gr. vüjO
Siv. Tr. thebaic. 9i. Syr. simpl. iß. mds. StOndl. 1 Essläflfel.
Den 6. März. Besserung, Schlaf, feuchte Haut; Puls
kräftiger, 112. Zunge reiner, etwas Essiust, aber immer noch
Abftihren« Entfernung der letzten Hrfte. Die Wunde ist bis
auf dem unteren Wundwinkel, aus dem noch viel Jauche
fliesst, geschlossen.
Den 7. März. Das Allgemeinbefinden ist erträglich, der
Puls kräftiger und langsamer, 100 Schläge. Die Diarrtioe hat
sich vermindert, die Esslust gehoben. Der A^sloss aus der
Wunde ist besser, scheint aber mit Lochien vermischt; der
Lochialfluss ist stark.
Den 8. März. Die Besserung schreitet voran. Die Mikh
niebrt sich.
Den 9. März. Frau O. laxirt wieder mehr und fiebert
heftiger. Puls 112; sie ist sehr aufgeregt und mit Allem un-
zufrieden. Die Wunde ist in der Heilung nicht fortgeschritten,
in ihrer Umgebung und den Weichen haben sich durch den
Od IV. WindMi Füttikekm Kai§er«iliailtopefttli4meii etc.
copiösen ond scharfen Aosfluss Excoriationen gebildet, die
sehr sebmerzhaft sind. Wiederholung des Inf. Ipecac
Den 10. undll.Mirz. Derselbe Zustand. Grosse Schwidie,
starkes Abfahren. Puls klein, 112. Der Ausfluss aus der
noch bestehenden Oeflhung im unteren Wundwinkel ist sehr
stark. R. Dec. columb. (3iij.) ir, Tr. thebaic. $i Syr. cort.
aur. iß. mds. Zweistilndlich 1 Esslöffel.
Den 12. März. Besserung. Das Abfuhren hat sich ge-
mässigt, die Zunge ist rein und mehr Appetit Toriianden.
Wenig Schmerz, geringer Durst, Puls 108. Es wurde eine
kräftigere Diät angeordnet.
Den 13., 14. und 15. März war das Befinden ganz er-
wänscht, den 16. März (rat nach einer heftigen Gemöths-
bewegung abermals Abführen und gixisse Schwäche ein, die
Frequenz des Pulses steigerte sich auf 130 Schläge. Die
Oeffhcmg am unteren Wundwinkel ■ nahm eine kraterformige
BeschafTenlieit an, der Ausfluss wurde wieder copiöser und
schärfer und excoriirte die ganze Umgegend bis auf die grossen
Schamlippen und innere Fläche der OberBcbenkel. Es trat
grosser Durst und Beängstigung ein, einige Gaben 0|)ium yer*
schafften zwar Erleichterung, aber keine Besserung. Den
17. März nahm die Schwäche noch zu und am 18. März
Morgens (am Ende der dritten Woche) starb Frau GroU. Da
sich in den letzten Tagen die Milch ganz verloren hatte, so
konnte das Kind nicht mehr angelegt werden; e» gedieh
(ibrigens gut und wurde am Leben erhalten.
Neunter Fall.
Derselbe ist im Januarheft der Monatsschrift für Ge^
burtsknnde etc.. 1861 ausfuhrlich beschrieben. Frau W. 8chm$%€
eine Mehrgebärende, wurde am 2. September 1860 operirt
und befand sich am 29. September desselben Monats mit
ihrem kräftigen Knaben so wohl, dass sie denselben sellist
verpflegen und ihrem kleinen Haushalte wieder vorstfdien konnte.
(Forttetsnng folgt.)
V. NotUen aas der Joiinuil*LitoTatiur. ^
V.
Notizen aus der Journal -Literatur.
Oiordano: Cauterisation der Gervicalhöhle mit
Höllenstein zur Einleitung des künstlichen
Abortus.
Mit den Betult«ten der übrigen Methoden aar Einleitau^
des künstlichen Abortus nicht satrieden, leitet G. denselben d«-
dadurch ein, dass er mittels eines gewöhnlichen Höllensteintrügcrs
die Innenfläche des Cervix energisch ätst. Das Verfahren ist
einfach, leicht anssnführen und hat den Yortheil, dass nach
Anwendung desselben das £i in seiner Gesammtheit ausgestosson
wird; dabei ist die Wirkung so rasch, dass in den bisher be*
handelten FftUen stets innerhalb 30 Standen der Abortus voll-
ständig beendet war.
(Presse m^d. Beige, No. 3, 1863, n. Med.-chir. Monats-
hefte, Mars. 1863, S. 277.)
Kuhn: Erfahrungen nher künstliche Frühgeburt.
(Aus der geburtshülflichen Kh'nik von C. Braun in Wien.)
In den Jahren 1860 — 1862 wurde in gedachter Klinik bei
einer Gesammtsahl von 12,628 Geburten 18 Mal die Früh-, 2 Mal
die Fehlgeburt eingeleitet. Die Anseige dasa wurde gefunden
9 Mal in Beoken^erengemng (Conj. int. 2 Mal 3", 8 Mal 2V4',
2 Mal 2V,", 1 Mal 27«", 1 Mal X%^ [künsüicher Abort]), in
urämischer Eclampsie 4 Mal (1 Abort), in ErstiokungsanflUlen
neben Morbus Brightii 2 Mal, in tetanischen Convalsionen,
Pneumonie, acuter Tubereulose, chronischer Kehlkopf - und Lungen-
tuberculose, Erstickungsgefahr neben Struma und chtoniseheM
Lungen catarrh je 1 Mal. Die relative Seltenheit der wegen
Beckenenge eingeleiteten Frühgeburten beruhte nicht auf einen
seltenen Vorkommen von Beckenverengerungen überhaupt (es
wurden in genanntem Zeiträume 101 FäUe davon beobaehtet),
sondern in der meist späten Aufnahme der betreffenden Individsten.
Die Geburt wurde eingeleitet in der 23. Woche ein Mal, in der 24.
•in Mal, in der 29. ein Mal, in der 30. drei Mal, in der 32. seehs
Mal, in der 34. swei Mal, in der 36. swei Mal, in der 36. drei Mal,
in der 37. ein Mal. Diese Zeitangaben sind wegen der meist
ungenügenden Angaben der Mütter über die Schwangörschaflsdauer
den Grössen- und Gewiohtsrerhältnissen der geborenen Früchte
04 ^* Notiteii msa der JohihaI- Literatur.
angepMft Der künstliche BUtenstieh unmittelbar fiber dem
inneren Ortfioiam wnrde 4 Mal (3 Mal mit dem elaetisehen
englisehen Katheter, 1 Mal mit der Simpton'acheii Sonde), die
intranterine Katheterisation 12 Mal (6 Mal mit dem elastischen
englischen, 1 Mal mit dem französischen Katheter, 5 Mal mit
einer Darmsaite), eine Combination des Blasenstiches mit der
Katheterisation S Mal, die intranterine Injection {Lazior&wiUek)
2 Mal ansgeffihrt. In swei Fallen von hochgradiger Beckenenge,
welche erst in der 86. und 37. Woche aar Behandlung kamen,
wnrde nachträglich die Craniotomie, in drei Fällen die Anwendung
der Zange bei tiefem Kopfstande, in einem Falle wegen Qaerlage
die Wendung anf die Fiisse mit nachfolgender Eztraetion er-
forderlich, während die übrigen Gehörten spontan endeten. Von
den Früchten worden 18 lebend geboren (davon starben 6 in
Folge mangelhafter Entwickelnng), 7 todt (2 waren bereits Tor
Einleitung der Geburt abgestorben). Von dnn Müttern worden 8
nach einem normalen Wocheobettsverlaufe entlassen, 1 wegen
Lungentubercolose , 1 wegen acuter Kniegelenksentiondung in
das Krankenhaus transferirt, 10 starben, davon 4 an Pnerperal-
Processen, welche swei Mal schon während der Erdfibnngsaeit
begannen, 4 an Morbus Brightii, welcher in 2 Fällen von
Eclampsie mit einem schon während der Geburt auftretenden
Pnerperalprocesse sich combinirte, 1 an acuter Tubercnlose,
I an Anämie nach einer Nachgeburtsblutung.
(Spitals -Zeitung, 1863, No. 9 u. flgd.)
Rieäl: Ein Fall von künstlicher Frühgeburt
Eine Person, deren Becken sich durch Rachitis, welche
▼on ihrem iweiten bis ▼ierten Lebensjahre bestanden hatte, in
der sogleich an beschreibenden Weise yerbildet aeigte, war im
Deoember 1860, 19 Jahre alt, in der mit der K. K. Josephsakademie
Terbandenen geburtshfilflichen Klinik von einem reifen Kinde
nach fruchtloser Zangenapplication mittels der Perforation und
Kephalothrypsie entbunden worden. In Folge des ihr damals
ertheilten Käthes Hess sie sich am 11. Februar h. a. angeblich
im achten Lnnarmonate ihrer «weiten Schwangerschaft in ge-
dachter Anstalt wieder aufnehmen. Nach ihrer Aussage war sie
seit dem Wochenbette immer gesund gewesen. Die angestellte
Untersuchung ergab Schwangerschaft in der 82. Woehe, lebendes,
▼erhältnissmBssig grosses Kind in erster Schädellage. HinsicbtUch
des Knochenbaues wurden im Einklang mit der vor der ersten
Entbindung angestellten Exploration keine auffallenden Yer-
bildnngen an Schädel, Thoraac, Wirbelsaule und Extremitäten
wahrgenommen, die Epiphysen der leteteren nicht verdickt, die
Darmbeine und das Kreusbein niedrig befunden. Dieses war
Y» K^HilMl/jnui 4er Jk>«nal^LHenttntf. 66
iSmA liialta ifnr weni^ öotvez and war mit dem Steiiibeitte apita'*
winkelig TeTbuiideii. Der Abstand der TOTderea obefraa Hflftb^ia»
staehel beirag 9" 8''\ der Darmbeiakftmme 10" 8''% derRöUhfig«!
11" 8'"; die CojQtigaU vera, früher nach der 8" 7"' ergebenaaa
IHgiftalraeestuig der Diagonalis aaf 3" gesehtttBt,.wnrde mit dem
fMOMdl'echen Seokenmesser anf 2" 11'" bestimmt» Unter dieeea
Verh&lfBiBsen nnd mit HiabUck auf den frfiheren Oebarteferfamf
wurde am 14. Febrnar nach Einwilligung der Sehwaageren chtreh
Biafilhren eines Darmaaitenboagiee Ton der LSnge imd Dicke
eines gewöhnlichen Katheters in die Uterinhdhle bis auf 6" die
Qebnrt eingeleitet. Sieben Standen darauf traten schwach^ Zn-
sammensiehnngen in grösseren Pansen auf, erloschen jedoch
nach fünf Standen wieder, am nach Yerianf einer gleichen Vxißt
mit dem Charakter wirklicher Gebartswehen in minntenlanger
Daner nnd Intervallen Ton 5 Hinoten aafsntreten. Kach weiteren
10 Standen erfolgte der Blasensprang und sogleich die Ans-
treibnng des vollkommen erweichten nnd am das Doppelte in
seiner Dicke anfgeqnollenen Bongies, — die Yaginalportion war
am diese Zeit verstrichen, der Mattermand erst V," im Durch-
messer,'der Kopf stand noch hoch und beweglich fiber dem
Beckeneingange. Yon da ab steigerten sich Dauer und Stftrke
der Wehen, — die vollst&ndige EröffDung des Muttermundes er-
folgte 8 Standen, die Gebart 10 Standen nach dein Blasensprange.
Das Kind^ dessen Hersschlag V, Stunde vorher noch gehört
worden, war abgestorben, — wie die Section seigte, in Folge
von Apoplexien der HimhSnte und Himhöhlen. Es war 3 Pfd. 8 Loth
sehwer, 16" 8"' lang. Der Umfang des Kopfes betrag 12" 10"*,
der gerade Darohmesser 9" 10"', der vordere quere 2" 8"*, der
hintere quere 2" 8'". Die Wöchnerin, welche die ersten sechs
Tage Sjrmptome einer ro&ssigen Endometritis hatte wahrnehmen
lassen, konnte am sehnten Tage entlassen werden. Yerf., den
terfrUhten Blasensprang als Ursache des Absterbens'des Kindes
annehmend, versichert, dass der Grund fSr das Befssen der
Blbinte lediglich in abnormer Zartheit derselben, keineswegs
aber In der Besohaifenheit der Kerse oder in unterlassener Yor«
sieht bei Einffihrung derselben sa suchen sei.
(Spitals-Zeitung, 1868, Ko. 17, 18, 19.)
Hardwicke: Kystengeschwulsl in der Mutterscheid«.
H. wurde su einer Frau gerufen, welehe mit ihrem vierte»
oder fünften Kinde In reebtaeltiger Geburt lag. Er fnid «ine
nieht gestielte Gesehwnlet in der Seeto-Tagiiuil*WaBd, welefce
in die Yagina eingedrttagt war. Der Kindeskopf hatte den Htttter-»
moad dvrehschristen nnd drückte die Geschwulst herab , die un^r
dar Wehe stark hei^orragte und gespannt war. Da der ILepf
MonsUiehr. f. Qebartok. 1888. Bd. XZU.. Hfl. 1. ^
66 IT. N«tiaeii wu 4ef JomnMa^Uteimtui^.
wtder siir11ekf««ehobeii werden, noeh b«i det Oesebwvltt 'vofWI*
rttokm koBBte, diam mi«fa eine Plllnigireit sn enthalten #elifen,
eo maehte H. alibald mit dem eiaslfen Mesaer, welehea er bei
•idh führte , einem Fadermeaaer, einen Binatioh. £a üomb eine
Pittte IclaMt Flüaaisrheit ab und die Oeaebwnlat fiel ba4antead
auaamman. Da Enehöpfang der Gebärenden eintrat, wntda an-
letat die Sänge angelegt nnd ein lebendes Kind entwiehelt. Die
linttor genas soiinell.
Verf. eitirt noeh ähnliche Fälle Ton iUtosK, Lamgltp^
(Laneet, Sl Maroh, 186a.)
Hubbamer: Ein Trinkglas in der Vagina.
Ein 19 jähriget Mädchen hatte ein Trinkglas sam Onanir«a
benutst; dasselbe war mit dem Boden ^oran in der Vagina steelKeii
geblieben und yerblieb ein halbes Jahr in derselben, bis endlieb
der durch eine EIntstindang herTorgebrachte Schmers die Ent-
fernung des Glases mittbis der Komaange nSihig maehte.
(ZeiUchrlft für Wundärate u. Geburtshelfer, XV. Jahrg.,
IV. Heft, 1862.)
Br^Uiu: Ein ansgezeichneter Fall freier Gas-
entwickelung aus eiterigem Peritonäalexsudate.
Vaehfolgender Fall ist nach Verfassers Ifeinang gealgnet,
das ▼OB Mambm'(f«r behauptete , Ton ITenoeä geleugnete Vprkommaa
▼on spontaner Qasentwiokelung in dar Peritonäalhöhle an, he»
stäUgei^
.EUne 28jährige Person hatte am 15. Juni Yerfloasenen Jähret
in der Gebäranstalt an Zarich ein unreifes 47, Pfd. schweres
Mädchen in aweiter Fusslage geboren. Nach ohne eingreifenda
Behandlung fibeistandenen und ohne naohweiahare (ioealisationen
Terlaufenem Puevperalßeber verliass sie am 27. Juni, noch mfitt,
aber sonst in befriedigendem Znstande» die Anstalt, ▼erhlieh
jedoch fortwährend kränklich, litt namentlich an Schwindel»
Husten mit wenig Answiirf, Auitreibnng des Unterlaibes, jedoch
ohne bedeutende Sehmeraen in Brust- oder Bauchgegend, ohne
erhebliehe VerdauungsstSrung, ohne Athembeschwerden. Nachdem
sechs Wochen vorher yon einem Arate durch eine Punetion links
unterhalb des Nabels ein Schoppen gelblicher Flfissigkeit entleeri
wiorden war, witrde aie am 2a. Septeasber desselhen Jahres, sehr
hetfabgeJkeminen, attf VeKassers gyaäkologiaohe Klinik gelmraiit»
Die Diagnose konnte auf Grund der ansgesproehensten Symptoasa
gestettl werden anf ein groases reohtaaeltigea pleuritisehes Biatidaf
und ein beträchtliches auf der rechten Seita unT^Uatäadlg nb*
gekapseltes Peritaaäalexsndat mit Verwachsung von DnrmadhItegBii
y* Votl«en*MW der Janmal* Literatur« 07^
en der Knken Torderen Bauohwand. Die Bebundlang bestand in
kydropathiecbeB In Iodlös«Qg getauchten Cfitaplaamen iber den
Unterleib, Bepiaseliuigen der rechten Hälfte dee Thorax mit
lodtinctttr^ innerlich in dodawaeeer alt Dinretionm, leicht Ter-
daoHcher, gfnter Nahraug. Eine am 16. Oetober forge&eBimeae
Ezploratirpnnotion rechte unterhalb des Kabels entleerte eine
Unse -einer grQngelblichen Flfiseigkeit, welche, mücroseopiech
nntertneht, ausser sahlreichen woblerhaltenen EiterkSrperehen
▼lele solche in fettiger Degeneration begriffene nnd freie moleenlare
FettkSmchen seigte« Die Kranke befand sich in einem erträg-
lichen Zustande nnd war stets bei gntem Appetite, -* die an-
nehmende Abmagerong jedoch, sowie die abendlichen bedentenden
Exacerbationen des Fiebers, profnse Schweisse und Diarrhoen
Hessen eine baldige Oonsnmption erwarten. Am 25. Oetober
erschien der Unterleib plötalloh bedentend mehr anfgetriebea,
Jede DXmpfnng rom nnd seitlich war Tcrschwnnden, mit Ausnahme
der beiden Lnmbalgegenden war überall ein hell tjmpanitischer,
theilweise dentlich metallisch klingender Percnssionston an hören,
welcher durch eine scharfe Grenze von dem. TollstSndig leeren
Ton über der ersten BmsthKIfte geschieden war. Da« snbjectiTe
Befinden war dabei nnverftndert, die Djspnoe hatte nicht an-
genommen. Bei der bedentenden, gleichaiässigen , plötslieh ein-
getretenen Anftreibnng des Unterleibes hielt sich Verf. anfänglich
ftnr Annahme einer freien Gasansammlong im Bancfafellsacke
berechtigt, obwohl das wichtigste Merkmal einer solchen -^ der
Kachweis des dadurch bewirkten AbdrSngens der Leber ron def
Torderen Banehwand — unter den gegebenen TerhiTtnissen fehlen
innssfe. Als Ursache der Oasansammlnng glaubte er fetner eine
Darmperforation annehmen su dürfen. Da jedoch weder Erbrechen,
noch Collaps, noch Zeichen einer frischen Peritonitis eintraten,
das Befinden der Kranken vielmehr fast im Gleichen blieb, gab
er diese Termuthungen auf und kam su der Meinung, dass das
so massenhaft nachweisbare Gas gleichwohl in DarmsehUngen
enthalten sei, welche, lange Zeit in einem Paket an der linken
Torderen Seite der Banehwand angelöthet, sei es durch stärkere
peristaltfsche Bewegungen, sei es durch Daswischentreten des sie
umspülenden Exsudates, pl5tslich frei geworden, sich fiberall
flottirend auf die Oberfiäche des Exsudates begeben und in einem
Zustande mangelhafter Contraotionsfähigkeit mit Gas stark an-
gefüllt haben konnten. Die Kranke erlag, nachdem unter
hectischem Fieber, .erschöpfenden Schweissen und DarchfSUen
die Consumption die hSchsten Grade erreicht hatte, am 8. Korember
einem acnten Lungenödem. Die Verfaftltnisse der Brust wie des
Unterleibes waren sich dabei wesentlich gleich geblieben. -^ Ans
dem Seetfonsberichte dürfte Folgendes henro ranheben sein. Bei
ErÖfl^nng der Bauchhöhle wurde eine Menge übelriechenden Gases
6*
08 y. NotUfln ans dbr jDvumal^IAitrtanr*
eatleert; der gante rechte Leberlappeo war tob der Torderea
BaachwABd and dem Zwerchfelle nm 2 — 3" znrüekgedrSagt, die
Blaintlichen Dünndarms chlingen nach links and rückwftrte ge-
lagert, ein Paket derselben an die linke Seite der Torderen
Baachwand fest angewachsen. Die ganse rechte Seite dea Umter-
leibes erschien fast leer und enthielt nar eine geringe, in der
Nieren- and Lambalgegend angesammelte Menge grunlicben,
fötiden Eiters. Nirgends konnte man eine Spar Ton DarraiahaU
in der Banchhöble nachweisen; die Serosa des gesammten Darm-
traotes leigte nirgends eine Perforationsstelle, die Macosa nirgend«
Gescbwürsbildang. Beide Blätter des Bauchfelles waren f erdickt,
sum Theil schiefergrau pigoientirt, durch Auflagerung membianöaer
Fetaen rauh, uneben, Yon grünlich gelbem, schmierigem Eiter
bedeckt. In der rechten Pleurahöhle wurde eine enorme Masae
dfinnflüssigen Eiters, die rechte Lunge stark oomprfmirt, von einer
dicken Pseudomembran umgeben, die linke ödematöa gefunden.
(Wien. med. Wochenschrift, 1863, No. 12 u. 13.)
Haggeney: Bericht über die Ereignisse in der
geburtshölflichen Klinik und Poliklinik zu Greifs-
wald vom 1. October 1858 bis 31. December 1861.
In der Klinik erfolgten in der angegebenen Zeit 316 Geburten,
worunter 4 Zwillingsgeburten. Den Mechanismus derselben an-
langend, wurden 189 erste, 105 zweite Schädellagen (die Drehung
des Hinterhauptes nach vorn kam nicht zu Stande, bei letzterer
2 Mal, bei ersterer 1 Mal), 2 Gesichtslagen, 11 Beckenlagen,
2 Schulterlagen beobachtet, — 2 Mal blieb die Lage unbestimmt,
Vorfall der Nabelschnur neben dem Kopfe wurde 4 Mal, Yortiegen
eines Fusses neben demselben 1 Mal, Placenta praevia lateralis
1 Mal gefunden. Von Operationen wurden ausgeführt: Extraction
des Kopfea mittels der Zange 23 Mal, Ausziehung am Kumpfe
nach theilweiser Geburt desselben 6 Mal, Wendung auf einen
Fuss 2 Mal, Acconchement forcd» blutige Dilatation des Mutter-
mundes, Lösung der Placenta je 1 Mal. Ferner wurde 1 Mal die
künstliche Frühgeburt eingeleitet, und eine an Endocarditis, Zer-
reisaung der Klappen und consecutiTem Lungenödem verstorbene
Schwangere durch den Kaiserschnitt von einem todten Kinde ent-
banden. Von den Wöchnerinnen starben 18, davon 12 während
der Puerperalfieberepidemie im Winter 1858 — 1859. Von den
Kindern (181 Knaben und 139 Mädchen) wurden lebend geboren 306,
todt 14 (davon schon vor der Geburt abgestorben 8). 22 Kinder
starben an verschiedenen Krankheiten in den ersten Lebenetagen«
In der Poliklinik fanden in derselben Zeit 295 Geburten statt
(davon 6 ZwiUingsgeburten), 167 in erster, 80 in zweiter Scbädel-
lage (1 Mal Unterbleiben der Kotation des Hinterhauptes nach
y. Kotisen ans der iJoumal-Literatar. ^69
▼orn), 3 Mal in Gesichtslag'^ , 15 Mal in Beckenlag^e« Behnlter-
lage wnrde 12 Mal, keine bestimmte Lage 16 Mal gefanden.
Vorliegen oder Vorfall der Nabelschnur allein neben dem Kopfe
ereignete sich 3 Mal, Vorliegen beider Fiisse mit Vorfall der
Nabelschnnr, Vorliegen einer Hand und der Nabelschnur, Vorfall
eines Armes je 1 Mal. Placenta praevia centralis unrde 1 Mal
beobachtet. Zangenoperationen wurden 10 Mal, Wendung auf
einen Fuss 4 Mal, Wendung mit nachfolgender Eztraotion 6 Mal,
Eztraction am Steisse, Reposition der Nabelschnur, eines Armes,
Acconchement forcö je 1 Mal, Perforation des SehKdeis 2 Mal,
Lösung der Placenta 5 Mal ausgeführt. Von den Wöchnerinnen
starben 6, davon 8 während der obenerwähnten Epidemie. Von
den Kindern (162 Knaben und 127 Mädchen, — in 12 Fällen war
das Geschlecht der unreifen Früchte nicht su bestimmen) wurden
lebend geboren 266, 10 waren unter, 10 vor der Geburt ab-
gestorben, 14 hatten die Grenze der Lebensfähigkeit noch nicht
erreicht Die Zahl der in den ersten Lebenstagen verstorbenen
Kinder ist nicht bekannt.
Ans der weiteren, die Vorkommnisse in beiden Anstalten
gemeinsam umfassenden, sehr ausfShrliehen, trotidem aber In
mehrfacher Hinsicht lückenhaften Relation möge noch Folgendes
hervorgehoben werden.
Abnorme Drehung des geborenen Kopfes bei Sohädeüagen
erfolgte 9 Mal, — 4 Mal bei Vorliegen einer Hand an der vorderen
Beckenwand, 2 Mal bei fester Uroschlingung der Nabelacbnur um
Nacken und Schultern. In den 4 Fällen, wo die Drehung des
Hinterhauptes nach vom nicht su Stande kam, waren die Köpfe
auffallend rund und klein, die Geburten verliefen leicht tind
schnell. Uebergang aus Gesichts- und aus Stirnlage in Scbädel-
lage. wurde je 1 Mal beobachtet. Neben dem Sobädel vorgelagert
gefunden wurde ein Fuss (spontan bei festerer Einstellung jenes
beseitigt) und ein Arm (reponirt) je 1 Mal, die Nabelschnur 9 Mal,
2 Mal in der Blase vorliegend (durch passende Lagerung reponirt),
7 Mal nach dem Sprunge derselben vorgefallen (4 Mal deshalb
Zangeneztraction [2 Mal mit Rettung des kindlichen Lebens],
1 Mal Reposition, 1 Mal schnell erfolgte spontane. Geburt eines
lebenden Kindes, I Mal Zuwarten bei schon abgestorbenem Kinde).
Als Ursache der Vorlagerung wurde in 3 Fällen tiefer Sita des
Fruchtkuchens, in den übrigen hoher und beweglicher Stand des
Kopfes und grosse Menge des Fruchtwassers angeaehen.
Bei den 5 Gesichtsgeburten (2 bei Erst-, 8 bei Mehrgebärendea)
wurden die Kinder stark entwickelt (namentlich grosse Köpfe),
dagegen , weder in Becken, noch Weichtheilen Abnormitäten
gefunden. In einem Falle, wo bei einer Drittgebärenden wegen
Wehenschwäche die Geburt mit der Zange beendet wnrde, war
das Kind abgestorben. Die Section ergab alle der Suffoeaüon
ankommenden Erscheinungen und keine Spur von Himkyperämio.
70 V- Motiien «iis der Jonnial*Lifteratiir«
Bei d«D 86^ Beekenläe^ti (6 |l>ei Erat^bRrende«) frar der
Rä'eken defe Rindes nach links Tora gerichtet 11 Mal, aaeb rechts
▼om 6 Mal, nach links hinten 6 Mal, nach rechts hinten 4 M«l;
die Nabelschnur lag dabei' 4 Mal ▼or. Von den Kindern wardan
lebend 21, todt 6 geboren; Ton letsteren waren 3 bereits ror der
Gebart abgestorben. Die Herableitang des Kopfes wurde, wo
adthig, dnreh Zog yon den Schnltem herbeigeführt, ohne das«
sieh ein nachtheiliger Einflnss geltend gemacht hKtte.
In den 14 Fällen Ton Qnerlagerang fand man bei nach vorm
gesandtem Bttcken den Kopf links nnd rechts je 3 Mal, bei naeii
hinten gewandtem Rücken den Kopf links nnd rechts je 4 Mal, —
3 Mal war dabei 1 Arm, 1 Mal die Nabelschnur yorgefallen. Die
Wendung würde 12 Mal Torgenommen (10 Mal auf eiaea Fnsa,
2 Mal auf beide Fasse), 9 Mal bei stehender Blase, 3 Mal « bU
3*^ Stunden naoh dem Sprunge derselben. Von den Kindern
wurden lebend 9, todt 3 (daron 1 bereits Tor der Geburt ab«
gestorben) entwickelt; 2 bereits längere Zeit abgestorbene Fruchte
wurden im achten Monate durch die Naturkr&fte ausgestossen.
Bei den 10 Zwlllingsgeburten wurden 6 Mal beide Kinder
im SchädelUgen, 1 Mal beide in Beckenlagen geboren; 3 Mal
stellte sieh das erste Kind mit dem Schädel, das aweite mit dem
Beckenende ein; 1 Mal wurde Becken- und Schulterlage beobachtet.
Die Zwischenaeit swischen der Geburt .des ersten und des »weiten
Kindes betrug 3 Mal 10 Minuten , 2 Mal V«, 3 Mal %, 1 Mal
2*4 Stunde, — 1 Mal wurde die Wendung gemacht. In 5 Fällen
war das Geschlecht gleich (4 Mal Knaben, 1 Mal Mädchen), in
allen waren swei fiihöhlen vorhanden und die Placenten verwachsen
(8 Mal doppelteSi 2 Mal einfaches Chorion). Mit Ausnahme eines
6 Wochen au früh geborenen Paares trugen sämmtUche Kinder
die Zeic&en der Reife.
Beckenverengerungen wurden 6 beobachtet. Zwei Mal betrug
die Coi^ugata diagonalis 4" 3'" (in dem einen Falle Impression
des dem Vorberge angekehrt gewesenen Scheitelbeins von IV,"
Länge, 1" Breite, 4'" Tiefe bei durch die Natnrkräfte beendeter
Geburt, Tod des Kindes nach 24 Stunden, — iu dem anderen
Impression des sternförmig fracturirten Scheitelbeins und Tod
des Kindes nach einstündigen Zangentractionen eines fremden
Aretes , 10 Stunden darauf Entwickelnng des unterdess ausammen-
geschobenen Kopfes mit der Zange), 1 Mal 4"2'" (nach vergeblichen
Tractionen mit der Zange und misslnngenem Wendnngsversuche
wegen fieberhafter Erkrankung der Matter mit Symptomen von
Uterus -Perforation am lebenden Kinde , — Genesung der Frau
von Endometritis und Entzündung des Ileosacralgelenks nach
3 Monaten), 1 Mal auf 3" 10'" (Erstgeschwängerte , Einleitung
der Geburt 6 Wochen vor dem Termin durcb Katheterisiren des
Uterus, Beendigung derselben durch die Zange wegen Wehen-
schwache , lebendes Kind von 6 Pfd. Gewicht). Ein Mal fand
Y. Notisen ao* dir Jouttutl-Literatar. ^
Meh b«i ieiiMr CBjtthrigeii EritgascbirXiifvrUii aÜgeneiae Ver-
Migtraag Am BaofeesB (im Eisgänge gerader Dtirefamesser 8'' 2'*',
^«•tar 4" 8*^, im der Beekenweita gerader Dm^ehmeaeer 4",
qaerer 4" S'^t im Beekenaoegange gerader Darchmeaaer 8" 4^^,
qaerer 8" 6'"). Kack laügwietigea» GahiixtaTerlaafe wurde der
Kopf des lebenden reifen Kindes mitteU der Zange ans der
Beokenhohle entwickelt. Die Matter, schon seit mehreren Moaaten
an Brt^A<*seher Krankheit leidend, starb am fSnften Tage nach
der Entbindung. Bei der Seetion wurden ausser der Nieren-
eatartnng brandige Zerstörung der hinteren Scheidenwand und des
Mittelfleisohes, eiterige Infiltration der Schamlippen, sangninolentes
Exsudat in der Bauchhöhle gefunden.
In den beiden FUlen Yon Plaoenta praevia waren die Kinder
gleich au Anfang der Geburt abgestorben — an Suffoeation (Eztra-
▼asate 4inter den Pleuren, HyperSroie der Lungen, lieconium in
den Luftwegen). Die Frauen (Erstgebftrende) wurden durch das
Aaeoueheniettt tön6 entbunden; die eine erlag am siebenten Tage
ainar Parhonltla , die andere starb nach 7 Wochen im Krankenhanaa.
Zn erwähnen ist nooh, daas fast alle Operationen, in der
Chloroformnarkose ausgefKhrt wurden; in den meisten FUlen
war ein die WehenthKtigkeit störender Einfluss des Mittels nicht
SU bemerken.
Die Krankheiten def Wöchnerinnen sind einer besonderen
Bearbeitung Torb ehalten. Von den Kindern wurden 66 ron
Blennorrhoen der, Conjunctiva befallen. Bemerkens werth er*
scheint, dass wKhrend der Poerperalfieberepidemie dergleichen
Erkrankungen nicht vorkamen. Die Behandlung bestand in
wiederholten Aetsungen mit dem modificlrten Lapis und darauf
folgenden Eisübe rschl&gen und hatte, mit Ausnahme sweier Fülle,
we Narben der Cornea surüokblieben , günstigen Erfolg; die Knr
dauerte meist 2 — 3 Wochen. Ausserdem wurden yon Icterus 18,
▼on Soor 11, von Intertrigo 2, Ton Mastitis 8, von Hemia umbi-
licalis 2, von NabelTcrschwSrung 1, von Kephalämatom 1, Ton
Atrophie 2 Fülle beobachtet, — in allen wurde Heilung ersielt.
WKhrend der Puerperalfieberepidemie starben 7 Kinder; die
Seetion ergab bei 4 in den ersten Tagen nach der Geburt Ter*
•torbenen theerartige Beschaffenheit des Blutes und Ateleetoaa
der Lungen 2 in den äbrigan Fällen trat der Tod erat am 10. bis
14. Tage ein, — eiu Mal fand man ausgebreitete Verschwftruag
am Nabel mit Jauchebildnng und Zerfall der Thromben in Arterien
and Venen, ein anderes Mal aahlreiche Eiterungen in den Ge-
lenken der Hände und Fasse , in einem wetteren Falle Jauchigen
Zerfall der Thromben in der NabeWena. Alle Mütter litte« an
•ahwerer Peritonitis , welcher 6 erlagen. Ausserdem starben in
der Klinik 16 Kinder, davon 3 an ausgebreiteter lndiira|ion des
Zellgewebes, 2 an Syphilis (Pemphigus, Infiltrationen in den
72 ^« LiUitUnM.
Luttges, b«i üem eÜMB aiieh ia iei* Ine^r und AiMMdiniAg d«
Thymus), 1 «a TriinNW und Ttttonns, 1 mi Ai^oplexl«» 1 a
.PnenoHmte, 1 ad eiiMm Braeb« ini oberes Drittel dee
H*inemt.
(Oreifew* med. Beitrag, 1868» 1. Bd.)
VI.
Literatur.
Lehrbuch der Bebammenkunst von Dr. Woldemar
Ludwig Grenser, König!. Sachs. Hofirathe etc. JUt
29 Erisflchnittiefi. Leipzig, Verlag von 3. ßünsdj 186Sw
X. u. ^860 S. nebst einem tabellarischen GeburtsvttrKeichBiss. 8.
Bei der grossen Anzahl von Lehrbüchern der Hebammen-
kunst wird es fast zar Pflicht, über die MotiTe, welche . die
Abfassung eines neuen veranlasst haben, ö£fentlich Rechenschaft
XQ geben. Bei anderen Werken sprechen sieh die Yerfaaaer
Tiferüber gewöhnlich in der Vorrede ans; eine solche ist aber
dem Bttche nicht beigegeben worden, weil ein Vorwort für daa
Pnbliknra, für welches das Buch zunächst bestimmt ist, für die
Schulerinnen der Hebammenkunst und für die Hebammen, nach
der Ansicht des Verfassers unnöthig ist, ja diese irre machen
kann, indem es von denselben nicht gehörig rerstanden wird.
Aus diesem Grunde ist in einem der neuesten Lehrbücher der
Hebammenkunst, dem ron Professor Dr. SehuUze in Jena rer-
fassten, der Vorrede eine Notiz für den Buchbinder angefügt
worden, dieselbe in die zum Gebrauche der Hebammen bestimmten
Exemplare nicht mit einzubinden. Wir haben es vorgezogen,
gegen unsere Oollegen in dieser Zeitsehrift uns über die Entstehung
und Tendenz des gegenwärtigen Lehrbuches auszuspreeh^n und
dadurch die vielleicht von Manchen yennirate Vorrede zu ersetseli.
Im Königreich Sachsen war durch das Mandat vom 2. April 1818
das Lehrbuch der Hebammenkunst von Dr. Joh, OhrUU QoUfr, Jiftg
•um Unterrichte der Hebammen des Landes gesetzlich bestimutt
worden und hat dieses Lehrbuch, wovon die neueste, fünfte
Aufläge im Jahre 1855 erschien, beinahe ein halbes Jahrhundert
hindurch die gesetamSssige Geltung behalten und seinen Zweek
gant gut erfüllt. Allein bei den mancherl^ Voraügen d«a
(/l^^eohen Hebammenbuehea , welche auch wir in dankbarer
Pietät fSr unseren ehemaligen Lehrer anerkennen, fanden wir
jedoeh) 'dmM*4lttfc8«M nm elfler g«w!e#efl Breite leiivt, welAe
flfte VerfttKfldnin eehr «nofawert , so dnm , wevri wir ' in de«
Ifebmtnn^Bn die tSektiteHflneii , melideni eine Ton* ilmen einen
Parai^ph vori^elesen hatte, nach dem Inhalte fragten, in der
Be|*el keine Antwort erhielten.. Deslialb eignet eich dn Jbrg*B€h»
Bnch anch wenig räoi Repetiren, snmal da in demeelhen ver*
lännlt worden iet, dnrch sweekmtesigefl Absetaen und dnreh
gesperrte Schrift dem QedKohtnlese an Hfllfe an kommen. Endlleh
Bind nianehe ganae Kapitel des genannten Lehrbnches, a. B. das
fiher die Untersnehnng, den Oebnrtsmechanismns, die fiegel*
Widrigkeiten des Beckens, das Kindbettfleber, einige Krankheiten
des weibUohen Geschlechts ansser der Schwangerschaft pnd dem
Wochenbette n. s. w. nicht mehr dem gegenwftrtignn' Standpvflkte
der Wissenschaft entsprechend, so dass wir genttihigt waren,
mündlich diese* GkgeflstKnde anders nnd abweichend ren dmn
Torantragen, wie es in dem Lehrbache steht, was jedenAills ein
groeser Uebelstand ist, da Ja dasaelbe für die Hebammen an*
gleich als Qeaetabneh gilt nnd die Torkommenden gerichtllokea
Klagen über Knnstfehler derselben danach beortheilt werden.
. Diese Gründe bewogen nns, nns nach J9rff*» Tode nach
einem anderen Lehrbnche nmsnsehen nnd haben wir' die gesammte
einsehl&gige Literatur einer genauen Prfifang unterworfen. Allein
so Tortreffitch anch mehrere Lehrbficher der Bebammenknnst
sind, namentlich die aas der neuesten Zeit herrührenden,
so wollte ans doch keines entweder besliglich der Anordnung
des Stoffes, oder besüglich der Darstellnngsweise oder des Um-
fanges des den Hebammen aa gestattenden Wirkungskreises gana
befriedigen. Deshalb fassten wir den Entechlnss, selbst ein
Lehrbach fBr Hebammen au schreiben, woau wir durch reiche,
in 46 Lehrcursen gewonnene praktische Erfahrung und durch
unsere sonstige literarische ThXtigkeit einige Berechtigung au
haben glaaben. Das Künigl. Siebs. Ulnisterium äBB Innem,
welchem wir die Gründo , dass das «TiE^r^sche Lehrbuch sich nicht
mehr aum Unterrichte der Hebammen eigne, und angteleh unsere
Absicht, ein anderes Hebammenlehrbuch selbst au schreiben,
erSffheten, fknd nnsere Vorstellung gerechtfertigt und so wurde
Verf. durch MinisterlalTcrordnung Tom 80. Juli 1860 mit der
Abfassung desselben betraut.
Was nun die Grenaen anlangt, welche heu tau tage, wo daa
Land mit Aeraten und Geburtshelfern hinreichend rersorgt ist^
dem Wirkungskreise der Hebammen anauweisen sind, so kante
wohl kein Zweifel darfiber obwalten, dass diese mügliehst eng
gesogen und auf die tJeberwachung und Wartung des gesundheit-
gemXssen GeburtsTerlaufes und Wochenbettes nebst der ersten
Pflege de« Kindes, sowie aUf mSgllehste Verhütung der durch
anomalen C^bvrtsTeriauf bedingten Gefahren, besondere dadurch,
dass die Hebamme die Torkommenden Regelwidrigkeiten in Zeiten
74 VI^ läUnUM.
•i%MMit «ali ftr iolBrtig« HMrbeiniAiaf «iM« Aifeto» 4orgi» tb«-
Mluriakt .w«r4ea nfifM«. WandimC) A«eal0k«Bf 4«r Fmekt ««
d«tt FttiM« «ad köitstltohd Likuaf 4m Pni«ktk«ali«M^ via «i«
ta «inigea I^ahrbftehera dar QebammaakiiQat aaah gaffeanlftic
gaUhri «erd«a , bliabaa daher vag. D^<9gtk iat Vart dar dnalrh^
da» das Laban Tleler Kinder arbalten werden bann» wann 4ia
Hebamme in FUlieQ, wo ein GebarUbelfer niabt eehnell gamig
erlangt werden kann, bei Becbenendelagea die Arme and das
aaletal komoenden Kopf der Fracht an eatwiakaln and bei Vorfall
der Habeleebnnr oder des Armea dieae Tbeile geeeUekt anrfiak*
aabriagaa vereteht. Femer iet die Zahl dar Hellmittel» daran
Aatrendaag der Hebamme gestattet let| attf nnr sehr waaiga
redneirt and Ton den wirkUehen Hedieamentea nur die SUmautttaa^w
ale «nentbehrlioh überlaMeb wardeoii lodern dnrcb Aether, Salmlak-
geiat, Easigaftttre nnd deigl. la den Händen Ton Hebammen mahr
Schaden oder Uafng angeriohtet» als Nntaen gestiftet wird. Bbenaa
arscbeint es ons nicht rathsam, dass Hebammen BadasehwiaHaa
and eine Büchse mit Pomade, Fett oder Oel führen, tbeila dv
Reinlichkeit halber, theils weil dareh gebranchte SehwKmoia
Ansteeknngsstoifa g^r so leicht übertragen werden. Dagegen
sind GnrtbiUider als Handhaben sam Erfassen and Anhalten beim
Verarbeiten der Wehen gewiss weit sweokm&ssiger nnd wenigar
ttmstftndUch, als wenn der Bath gegeben wird» 9ftriaka, Hand-
tücher nnd dergl. an die unteren Pfosten des Gebärbettes an
befestigen. Wenn endlieh Einige die Vorschrift geben, daaa
Hebammen au jeder Gebärenden ihr Lehrbuch nnd wohl auch
das sogenannte Tagebuch mitbringen sollen, so begreifen wir
nicht, wie 4iMe für die Daner reinlich und ordentlich gehalten
werden können, da Hebammen nicht selten in Tollstem Bagenguaa
au Gebärenden eilen müssen und in der Hütte des Armen kaum
ein PUUachen finden werden, wo sie diese Gegenstände hinlegen
nnd Tor Verunreinigung sichern könnten, abgesehen davon , dasa
dadareh oft unberufenen Augen Gelegenheit gegeben werden
dürfte, darin au lesen.
Das Lehrbuch beginnt» nach ▼oransgesehlekter Einleitongt
mit einer allgemeinen Uebersiobt des menachlichen Körpers, weil
ahne eine solche die Vorgänge der Sehwangerachalt, der Geburt
und des Wochenbettes unmöglich gehörig yerstsnden werden
können. Natürlich hatte sich diese nur auf die allarnatbwendigsten
Pagriffe und auf die ersten Elemente der Anatomie au besohräaken.
Auch uns hat, wie Andere, die Erfahrung gelahrt, 4h* die
^«hülerinnen gerade diese anatomischen Lehren, aum^l wi|nn sie
dareh Voraeignng guter Abbildungen und Präparate erläutert
werden, sehr aufmerksam anhören und- behalten, wodurch der
Lahrer viel gewinnt, Indem es daim später, vial laiahtar wird,
ihnen ei&nan Begriff s. B. ?oa den ZusamaanaiahBagan dar. Gebär»
^netter, von ^^ Veränderungen jm Wochenbette n. ^. ww bfi-
.?E Ltoninr. ,1^
sttbria^ii. Di« 6««ehr#i)(ttag dt» B0ek«as ud 4«r O»0elil«elrtA'
thelle ict dorch lo des Text etagelfigte Hol««obiiUto ni3gU«hit
•rliiatort wordm, ttnd in der Darttellaof eelbtt «ftid wir bemUlit
9«wes«B, darcih. Abaetaen dea Dmeket, Namaiera und Ter-
•ebted«»« Lettern dem GedachtniMo dabei sn Hülfe an kommen.
Ebenso glnnben wir die Verftndernngen de« Eies nnd des müttnr-
liehein Körpers wKbrend der Sehwengersehaft mdgliebit fasallch
gescbUdert an baben. Besonders ansAbrlieb ist das wiobtign
Kapitel fiber die äussere nnd innere Üntersncbang abgebandelt
werden, da ja diese die eigentllebe Qmndlage der Hebammea»
knnst bildet. Bei der Sehildemng der regelmässigen GebnrI ist
der sweekmässigen Bedocirnng der fünf Gebnrtsaeiten .in drei«
nässlieh in die Eröffnnngs-, die Anstreibnngs- nnd die NaebgehnTts*
periode Becfbnnng getragen worden, ebne jedoeb die ältere Ein-
theilnng bei Seite so setsen , weil diese unter den GebnrtAelfem
nnd Hebammen noob immer die gebränehliobste ist. Znr Er-
leiobternng des Verständnisses des Gebnrtsmecbanismns haben
wir § 138«- 141 ein übersiebtHche« üehema nnd die allgemeinen
Begeln ro rangestellt, naeh welöhen der Dnrebgang der Fraeht
dnreb das kleine Beeken erfolgt. Bei Darstellnng der Lehre Ten
der Beistandleistnng bei der normalen Oebnrt bat Verf. das Ver*
halten der Hebamme in den einseinen Qebnrtsseiten dnreh fette
nnd gesperrte Lettern besonders berrorgeboben, Znm ersten
Male in einem Hebammenlehrbnehe findet sich hier die Vorsohrift,
die Kaohgebart durob angemessenen Dmok von Anisen sn ent-
fernen, eine Methode, über deren Zweckmässigkeit nnd Vorsfige
Tor der älteren die Erfahmng Jetst hinlänglich entschieden hat
Femer enchte Ver& die hohe Bedentung des Wochenbettes nnd
die Nothwendlgkeit der sorgsamsten Pflege desselben , als hänfig
üiber die künftige Qesnndheit der Betbeiligten entscheidend, den
Hebammen recht eindringlieh Torsastcllen. Ebenso legten wir
ihnen die erste Leitung der Pflege des Nengeborenen möglicbsl
an das Hers nnd fügten ein besonderes Kapitel Über die weitere
Pflege des Kindes im ersten Lebensjahre hinsn, weil anf dem
Lande nnd in kleinen Städten die Hebammen immer die nächsten
Berathe rinnen in der Kinderstube bleiben werden nnd wahrhaft
segensreich wirke* kSnnen, wenn sie in dieser Besiehnng wirklich
guten Rath s« ertheilen wissen.
Im sweiten Theile des Lehrbuches , welcher Ton den Begel*
Widrigkeiten der Qebnrt, des Wochenbettes und der Schwanger*
Schaft handelt, hat Verf. nach dem Vorbilde Na$gßie*a d. V. att
den GebnrtsstSmngen begonnen nnd die Scbwangerschaftsanomalien
sniotst behandelt, weil es wünsehenswerth ist, dass die Schülerinnen
während ihres Aufenthaltes in der Hebammensohule die daselbst
rerkommenden Regelwidrigkeiten möglichst bald Terslehea and
mit dea Lehren des Buobes Tcrgleichen lernen, wäiirsad die
Keaalaiss der- Sohwangerschaftsstürungen weniger dringlich e»-
(76 VI. LitoraM'.
««b^iiit. Üeberftll ftt bei den AnomaHen der Omndsats «n 4ic
Bpitae g^estellt worden, dase es nicht Sache der Hebamme aeia
darf, die Hülfe bei Störnngen der Geburt selbst an lefetea,
sondern dass diese Hülfe nur dem Geburtshelfer ansteht and daas
daher Hebammen in allen Füllen, wo das Lehrbuch iiineii tot-
schreibt, einen Geburtshelfer hiniurufen au lassen, darch ihren
'fiSid verpflichtet sind, dafür au sorgen, dass die Erstliehe Hülfe
Womög^Kch noch sur rechten Zeit anlangt. Die Eintheilnn^ der
GeburtsstSrungen ist so, wie sie suerst yon NaegsU d. V. und
aeitdem von vielen Anderen als sweckmSssig, logisch richtig and das
Gedftchtniss erleichternd befunden worden ist. Bei der speciellen
Schilderung der einseinen Anomalien ist hauptsächlich die £r^
IcenntnlsB und Symptomatologie eingehend gewürdigt worden,
weil diese von Hebammen verlangt werden muss, damit sie dia
Irztliche Hülfe seitig genug beantragen können.
Von den Krankheiten des Weibes, die auch ausser der
Schwangerschaft und ausser dem Wochenbette vorkommen, deren
Erkenntniss für Hebammen von Wichtigkeit ist, hat Verf. der
Lustseuche eine besondere Abhandlung gewidmet, weil Hebammen
nicht selten Gelegenheit haben, syphilitische Frauen sa unter-
suchen und sich nicht nur um deren Wiederherstellung sehr
verdient machen können, dadurch dass sie die Kranken auf die
schlimmen Folgen ihrer Krankheit und auf die dringliche Noth-
wendigkeit gründlicher ärstlicher Behandluog aufmerksam machen,
sondern auch sich selbst vor Ansteckung an ihren Fingern und
Hftnden sorgfältiger hüten werden, wenn sie die bei der Unter-
suohung gefundenen Geschwüre als syphilitische erkennen. Bei
der Fehlgeburt haben wir besonders auf die nachtheiligen Folgen
aufmerksam machen zu müssen geglaubt, welche deren Ver-
kiachlKssigung herbeigeführt , weil Frauen gewöhnlich der Ansicht
leben, dass nach Fehlgeburten Pflege und Schonung nicht
nöthfg seien.
Unter den krankhaften Zuständen der Neugeborenen ist der
Seheintod am ausführlichsten abgehandelt worden, weil, wenn
Hebammen dabei die richtige Hülfe au leisten verstehen, manches
Menschenleben gerettet wird. Uebrigens hat Verf. auch hier an
^em Grundsatse festgehalten, dass bei wirklicher Erkrankung
eines Woohenkindes die Hebamme immer auf einen Arst ver-
weisen soll und ihr nur bei leichtem vorübergehendem Unwohl-
aein der Kinder mehr bloss diätetischen Rath au ertheilen
austeht. Indess darf man wohl auch nicht sn weit gehen und
nicht bei jeder Kleinigkeit, a. B. wenn das Kind verstopft ist,
wegen Blähungsbeschwerden viel schreit, an leichten Graden
Von Wandsein, Öchwämmchen oder Gelbsucht leidet und dergl.,
von der Hebamme verlangen, dass sie nach einem Arst schickt.
Sehr richtig sagt der uUvergessliche «/os. Herrm, Sehmitk in dieser
Besiebnag: „ Uebertreibnngen dind in Betreff der Nothwendigkelt
Yh Uteratnr. ^f
etees Arkttfi ebeoso gef&hrlith, wie in grosse Küchifobt ' Eis
Buch, welehes bei jeder Kleiiffgkeit so gössen LXrm sehlügt,
erinnert an den SehKfer, der eines erdichteten Wolfee wegen
immer am Hälfe schrie, dafür aber im Stiche gelassen varde»
als der wirkliche Wolf ankam.*' Verf. hat duher kein Bedenken
getragen, den Hebammen au gestatten, dass sie bei blosser
Ansehwollnng nnd Hftrte der Brüstohen Neugeborener diesslben
mit Watte oder Schafwolle bedecken, bei Schwftmmchen den
Mund mit einem schwachen Feldthymiananfgnsse ausspülen lassen^
bei beginnendem Durchfall schleimige Kljstiere ans Hafergrütae
oder Stärkmehl geben und statt der Kuhmilch Arrow root,
Saiep oder Haferschleim sur Nahrung rathen, bei Verstopfung
und Blahungsbeschwerden Klystiere Ton Kamillenthee und wenn
diese nicht Darmausleerang bewirken, einen TheelSffel toII
wasserigen Rhabarbersaft oder eine Messerspitae voll Kinder-
palrer in Wasser gerührt anrathen u. s. w.
In dem Kapitel über einige besondere Pflichten und Ob-
liegeaheiten der Hebammen sind einige Paragraphen ans der
Allgemeinen Hebammen -Ordnung des Königreiches Sachsen toui
Jahre 1818, weil sie dem Verf. sweckmSssig erschienen, un*
Terändert aufgenommen worden; als § 6, 6, 7, 8, Torgleiche
§ 467, 461, 462, 46S, 464 unseres Lehrbuches.
Was die dem Buche beigegebenen Holasohnitte anlangti
so haben wir uns nur auf die aller nothwendigsten beschrftnkt.
Wenn z. B. in den meisten Lehrbfichem der Hebammenkunst die
Äusseren Scbamtheile, die Oestalt und A^usdehnung des Unter-
leibes wahrend der Schwangerschaft, die Haltung des Fingers
bei der Untersuchung, die Dammunterstätsung und dergl. bildlich
dargestellt werden, so halten wir dies für überflüssig, da Hebammen
Gelegenheit genug haben , diese Dinge in natura au sehen und
die genannten Handgriffe an üben« Die Abbildungen sollen doch
wohl nur dasu dienen, den Hebammen das, was sie während ihres
Aufenthaltes in der £ntbindnngsschnle von grösseren Zeichnungeni
Kupferstichen, nassen und trocknen Präparaten u. s. w.. gesehen
haben y in*s Qedächtniss aarfickaarufen. Daher eignen sich Toraugs-
weise das regelmässige und fehlerhafte Becken, die inneren Oe-
aohlecbtstheile und die Veränderungen der Gestalt der schwangeren
Gebärmutter I sowie die Haltung nnd Lage der Frucht in der
Gebärmutter an solchen Abbildungen. Dass es ferner weit
sweckmässiger ist, die Figuren als Holascbnitte dem Texte ein-
surerleiben, als am Ende des Baches anaufügen, werden alle
Diejenigen, welche sich mit Hebammenunterricht beschäftigt
haben, bestätigen. Die unserem Lehrbuche einTcrleibten Hols-
schnitte sind theils nach eigener Vorseichnung entworfen, theils
anderen Werken entnommen worden, in welchem letsteren Falle
aber sie nirgends blosse Copien darstellen, indem Verf. bei
genauer Prüfung immer kleine Abänderungen für nothwendig fand.
TS 71. Littratar.
So aiad Orlgiiiftlsoifsfaaiiiigeii die Fig;iir«i: 1, 8, 5, 6, 7, 8, t%
U, 18, 19, 20, 82, SS und 27. -^ Ftf. S, 4, 21, 26 nfld 89 aisd
ftiu dem Lehrbnelis der HebammenkaBtt voo Dr. SchuUae e«t«
■oBUMiif doeh mit des ModificaUoaen , dass bei Figf. 8 die Irfiiiere
TreanaBg la drei Knoehen uad deren ZuMüBineAtreireB la der
Pfaaae aogedeatet, bei Fig. 4 die Bogealinie scbftrfer aiarisirt,
bei Fig. 21 der Fmcbtkaobea liebt gebaltea and eia weai^ meiir
aaeb aafw&rts gerückt, der Kabelttraag dfiaaer geseiehaet, bei
Fig. 85 der leiste Leadeawirbel breiter and die Qaerforfeeitae
kttraer aad bei Fig. 29 die vordere Oebftraintterwaad flaeber,
dae aatere Uteriaeegmeat dUa&waadiger aad die forUegeade
Sobalter mehr markirt wordea sind. Die Schemata fiir dea
Beekeaeiagaag , die BeekenhSble and den Beckenaaegaagy Vi$» 9,
10 aad 11, 00 wie Fig. 16, eind nach dem PreaecieciieB
HebammeabUcbe entworfen werden^ aber die ecsterea drei auf
Weglaeeung der panktirtea Liaien aad Hiasafügaag der Zaile,
bei Fig. 16 siad die Eileiter eia wenig kttrser, aa der ßinmüadnaga-
itelle ia dea Uten» dünner, der Mattermnad eine reinere Quar-
spalte bildend and die Orarien mit Punkten aar Andentaag dar
Graq/^eehea Bl&achea gesei ebnet worden. F%. 17 aad 24 ea^lek
tiad aaoh dem Handatlas der Gynäkologie aad Oebartshltlfe rom
Ed, Martin eatworfen, doch mit dea Hodifieatioiien, data bei
Fig. 17 das Steissbein däaaer, die Aftermundang eager aad die
Sebambaare aa die richtige Stelle geieichaet wordea eiad, bei
Fig. 24 die Fettschicht der vorderea Banohwaad nnd das aatere
Uterlasegmeat dfinaer, die Harablase dünawaadiger aad etwas
geriamiger gebaltea wordea siad.
Schliesslich darf nicht nnerwShnt bleiben, dass das Uaaa-
seript anseres Lehrbuches, nachdem es ToUeadet war, aaf daa
Waasch des Eönig^. 8&ehs. Miaisteriam des lanern, welebem
daraa gelegea sein mnsste, dass die beiden Hebammenlehrer Im
KSaigreiche Sachsen , Hofrath Dr. Ored4 in Leipefg und der Verf.,
ia den wesentlichsten Lehren des Faches miteinander überein-
stimmten, diesem vorgelegen hat Hofrath Dr. OttS4 hat das
Mannscript genaa darchgesehen , hier und da mit Bemerktfagea
begleitet und in mehreren Kapiteln, a. B. über die Süssere and
laaere Uatersnchang, den Gebartsmechanismns, den Seheiatöd
der Keugeboreaen, iweckmftssige AbSndetongen rergeeehlagea,
worüber sp&ter Verf. sieh mit demselben in mehreren persöaKchea
Coafereaaea defiaitiT geeinigt hat nad wolfir wir aaserea aaf-
richtigea Daak hier öffentlich aussasprechen aas gediuage«
fühlen.
Dresden, im Jani 1863.
Dr. Orentir.
Ein Kaiserschnitt, Ton B. SthuUze. (CSrat-^ Schrift
der medic. Facultät zu Jena zu Kieter^s Jubiläum, 1863.)
Bei 6lB«riieniiiddr€iMigjahHg^eBEr«tg^eMh4rlttgf«rteii, trelih«
•in 10. Ftbnutf 1668 in das Bnlbliidiiagsiiistitat mi J«aii nmt*
gwa^mmtn wurde, fftod maan die Abttüode d«r TorderMt ob«r«fl
Hiftbftteftaeb«! 8" (P«f.)i der antg^sebwefftestea 8t6n«B der
H8ftbeftilEiiniie 9** lO*^, der Trecbantereii 11"", die ftaaeere
Conjttgata 6'*' 10"% die diagonale Z" betragend, die Neignag dee
Beekene nnd die Krttnimnug aeiner blntevea Wand etwas ettrit^r
als normal. Da» ibrlge Skelet neigte keine aalMlende AbnormtUt
IJbettse^ettig tteee die Unfeersnebnng der wiebtlgeren Organe eine
AbwelalMnig wahmebmen, mit Anenabme einer mUtsigen Dftmpftmg
den Pereneelonseeballes aber ii^t r^eblen Lvngenspitse nnd einee
Knblkopfgeeebwtree , welobe in Verbindung otit ebrenieeber
ReUerkeit und bteilgem, heftigem, ecbmembaltem Rneten einen
Verdacbt auf TnbercnloBe einigen Anhalt geben. Die Sebwangnr*
•ebnft wnrde, der 86. Woehe entaprechend, dae Kind lebend nnd
In erster Sdkidelirtelhing gefiinden.
Die betrftebtiiebe, dnreh dleVerklnrang der Coi^ngntn anf,
wie nngnnemmen, %" 8*^, bei gleiebaeitiger, auf mehrern Linien
nrtt Beetimowtheit rerantohlagter seitlieher Verengemng, gesetole
Ranmbeachranknng reranlaaste Verf., die Indication snm Kaiser*
•cbnftte als absolute anfsnstellen, wfthrend er sonst Bmwdeloeque
beistimmt, welcher 2" als die Orenae der Verengemng annahm,
innerhaN» deren sein Instrument mit Vortheil fllr die Untier a»-
gnweadet werden k8nne, nnd sieh in dieser Beniehung auf awel
Fälle beruft, in denen er ansgetragene , w&hrend- der Geb«vt
nbgnstorbene Kinder (tou 1$ und 80" Lunge) bei Beeken 8" 2"'
Cnnjngnta, aber nomalen Querdurefamessem nach TorgSnglger
Kephalotkrypsie anf die Fflsse wendete und eztrahlrte (Aügem.
mnd. €enlml- Zeitung, 1868, Stfkk 60 und 61).
Am Morgen des 17. MSrs wurde naeb eingetretanet Onbnrti«
thStigkeit bei stehenden W&ssem nnd in der Cbloroformnarkose
die Operation in der Weise ausgeführt, dass der Hautsehnitt ohne
Erhebung einer Falte , genau der weissen Linie entsprechend , tou
3 Vs'' oberhalb bis eben so yiel unterhalb des Nabels, denselben links
umgehend, geffihrt, die Aponenrose und das Peritoneum eröffiaet
(wobei eine IHngere Unterbrechung durch das Vorfallen einer
2 Fuss langen Darmsehlinge entstand), sodann Uterus und £ibia«e
gespalten und das Kind am linken Fusse extrahirt wurde. Die
Nachgeburt, spontan gelöst, konnte ohne Mühe durch die Wunde
herausgeführt werden. Nach Binlegung eines Eisstüekcbens sog
sich die Oebärmutter fest susammen, die Torher nicht unerhebliche
Blutung stand. Die Vereinigung der Bauchwunde wurde nun
durch sieben je ^^ von einander entfernte, das Peritonäum theils
80 YL . U^nktVi
fftr niebt| theils nur knapp, die übrige BaiiehwMid ia derBr#iti
eines Centimetert Tom Wnndrande ab fastende NXbte und da-
Bwischen angelegte Ueftpflaete rat reifen bewirkt. Darüber ward
eiA fiUbebftlter Ton Gummi gelegt and der mittlanreil« (die
Op«ratloA hatte eine Stande gedauert) ant der Narkoee ErwaditeBt
veleke sieh bis auf Brennen in der Wände wobl befand , Mnlt^r-
kom gereicht, ansaerdem ein Opiat, wie überhaupt Verf., die
▼ielgerähmte , wohltbStige Wirkung kflnettieh herrorgemllNier od«r
•pontaa eintretender Stuhlgänge bei Peritonitis besweifelad, bei
dttt puerperalen Perito^itiden bestrebt ist, üe Darmbewegwig
durch Opium mögÜcbst au aistirea. Unter bald auftreteadfln
ZeUben von Baaehfellentaündung, unter attmällger Steigerung
der Frequenz der Pnlsschläge bis auf 146, der Athemsfige bis
auf 72 und Erhöhung der Temperatur bis auf 31,6 Temebleokterta
sieh jedoch das Befinden, Blutungen aus der Wund«, Brach* und
Hustenanfülle , dünne Stuhlgänge stellten sieh ein und der Tod
erfolgte am 20. Mars früh %A Uhr.
Bei der Section wurde Peritonitis mit eiterig- faaerstoffiger
Exsudation, die Baachwnhde nur äusserlich Tereinigt, di» des
Uterus nur mit den inneren Rändern aneinanderliegend gefunden, —
es war nicht ersichtlich, dass von den das Bauchfell lassenden
Nähten ein grösserer Bein ausgegangen sei, als Ton deiyenigOB,
welche dasselbe schonten.
Am trockenen Becken gemessen betrug die Conjugata 2" 4%
der Querdnrchmesser des Beckeneinganges 4'' 7"', die Diatana
der Tubera ischil 8' S"\ der Spinae isehtt d'' 6"^, der Spltne
des wenig beweglichen Steissbeines you der Torderen Bedcan-
wand 2' 1'".
Das Kind, welches asphyctisoh entwickelt und erst nack
Tiertelstündigen Bemühnngen zu kräftigen Lebensftnsserungen
gebracht worden, am Tage der Geburt 6 Pfd. 27 Loth ZoUgewiohi
schwer, IS'/t' lang gewesen war, gedieh rortrefflich an dar
Bruat einer Amme»
VIL
Verhandlungen der Gesellschaft fUr Oeburtshülfe
in
Berlin.
SiUurig vom 28. April 1863.
Herr Martin bemerkt zu der von Herrn Wegscheider
eigenhändig zu Protocoll gegebenen Darstellung seiner Ansicht,
es scheine darin, als ob von ihm und Herrn C, Mayer die
sogenannte orthopädische Behandlung des vertirten Uterus als
das alleinige Hulfsmittel aufgeführt sei. Dieser Auffassung
müsse er noch einmal entgegentreten. Er wiederhole, dass er
in vielen Fällen von allen Aufrichtungs- und Geradestreckungs-
instrufflenten abstrahire und sich lediglich auf anderweitige
Behandlung, entweder örüiclie oder auch bloss allgemeine,
beschränke und damit auch vollkommen ausreiche. Wenn aber
z. B. in einzelnen Fällen die Geraderichtung und das Tragen
eines Iiitrauterinpessariums lange bestehende Dysmennorrhoen
sofort erleichtere und beseitige, die allen anderen Behandiungs-
weisen stets widerstanden hatten, so beweise dies doch wohl,
dass diese Orthopädie nicht überflüssig und zwecklos sei.
Herr 0. Mayer behauptet , dass er in mandien Punkten
wohl mit Herrn Wegscheider übereinstimme. Er erkenne
vollständig an, dass die Version oft keine erhebliche Symptome
hervorrufe und dann auch kein örtliches Eingreifen erfordere.
Dahin gehören meist die Versionen bei alten Frauen , welche
wiederholt geboren haben. Er habe aber bei seinem Vortrage
junge Frauen im Auge gehabt, Frauen, die wegen Uufruchtbar-
kett seinen Rath gesucht oder von den heftigsten Dysmennorrhoen
gequält dringend Abhälfe ihrer Leiden verlangt hätten. Da
MQiiaUaebr . f. aebartok 1868. Bd. ZXII., Uft. 3. ^
82 VIT. VerhADdlnogen der GesellBchaft
müsse man auf eine mecbanische Behandlung zuröckkoniroen,
denn die falsche Lage sei der Grund aller dieser Uebel und
werde durch kein anderes Verfahren als durch ein mechanisches
gehoben. Er habe oft Frauen in Behandlung gehabt, die
nach vergeblichen Consultalionen anderer Aerzte für unheilbar
erklärt seien und habe durch die Sonde und Ringe Heilungen
herbeigeführt. In diesen Fällen müsse man der mechanischen
Behandlung doch einen Werth zuerkennen.
Herr Wegschetder erkennt diese Einwendungen an, hat
aber seine Ansichten hauptsächlich deshalb entwickelt, um
die Frage auch einmal von einer anderen Seite aus aufzufassen.
Die Debatte habe sich so ausschliesslich um die mechanische
Behandlung gedreht, dass alles Andere dabei in den Hinter-
grund gedrängt wäre und er fürchte, dass die Empfehlung
der Sonde leicht zu einem Missbrauch derselben führen könne
und bei der grossen Zahl ungeübter Aerzte eher Schaden
als Nutzen stiften wurde.
Herr C. Mayer befurchtet dies nicht. Die Einführung
der Sonde, bei gesunden und wiederholt entbundenen Frauen
so leicht, stosse bei diesen Kranken auf so erhebliche
Schwierigkeiten und erfordere eine solche Zeit und Geduld,
um einen Erfolg herbeizuführen , dass die Behandlung solcher
Krankheiten doch immer nur die Sache einiger Specialislen
bleiben werde.
Herr Hofmeier berichtet über einen Fall von
Retroversion des vier Monate schwangeren Uterus
durch Blasenparalyse bedingt.
V^enn von gleichzeitigem Vorkommen einer Retroversion
des schwangeren Uterus und Blasenparalyse die Rede ist, so
wird man von vornherein geneigt sein, die Reiroversion als
primäres Leiden anzunehmen, die Paralyse als Folgezustand.
Einen umgekehrten ursachlichen Zusammenhang bezweifeln ja
viele Gelmrtshelfer überhaupt, einzelne halten ihn geradezu für
unmöglich und bezeichnen die dahin gemachten Beobachtungen
als auf Täuschung und Irrtlwm beruhend (mit welchem Reclila
ist freilich aus ihren Deductionen nicht ersichtlich), während
andere gerade auf die UnnreCention als veranlaHseodes Momeol
li^r O^bottsliftll» in Berlin. g^
2ur Bellt) versiMi das Hauplg«^ wicht legen. Einen vermiUekidii*
Standpunkt nimmt Seunzont mi, hacii tvielchem R«(rovei-slon
des sehwangeren Uterus dwch Urioretention vom Verhaltao
der Peritonial-^DupJicaittren abbaogig ist und die Mögliefakok
einer Retroversion durch Blasenausdehnung nur dann i^
Btatniren ist, wenn die Ligg. uteri rotunda und utero -vesicaha
entweder überhaupt zu lang oder durch Schlatrheit und
Elasticität einer bedeutenden Verlängerung lahig sind. Als
Beweis dient 8oanzon% das Experiment, dass au einer Leiche
die Blase bis zur grosstmöglieben Ausdehnung könstiieb
gefnllt wurde, wonach Spannung der Ligg. uteri rotunda und
utero -vesicalia eiati*at und in demselben Grade alich eine
grössere Straffiidt iu d^ normalen Uteriislage. Waren jedoch
die benannten Bänder vorher durchschnitten, so wurde selbst
bei massiger Füllung der Blase der Grund des Uterus stark
nach hinten, die Vaginalportion nach vorn getrieben. £ui
eben solches Verhalten des Uterus findet natürlicherweise
statt, wenn die genannten Ligamente an und für sich zu lang
oder sehr ersclüalTt und elastisch sind. Wenn Scamoni auf
Grund dieser Experimente eine Abneigung des Uterus nur
unter den angegebenen Bedingungen zugeben will, so lässt
sich dagegen der entscheidende Einwurf machen, dass es
nicht möglich, die Blase an einer Leicbe in dem Grade an-
znfüllen, als sie bei pathologischen Zustanden bisweilen
gefüllt ist. Spritzt man nämlich an der Leiche durcli den
Katheter Flüssigkeit in die Blase, so wii*d es, wie sich Jeder
leicht überzeugen kann, schwerlich gelingen, bis zu eineju
Quart Flfiösigkeit einzubringen. Eine auf diese Weise geföiite
Blase steigt ungefähr eine Hand breit über die Symphyse und
spannt allerdings, indem sie sieh namentlich nach oben und
vorn ausdehnt, die genannten Ligamente und trägt so zu
einer grösseren Fixirung des Uterus bei, dessen Grund dabei
etwas nach vorn tritt Ganz anders wird und muss es sich
aber verhalten, wenn die Blase in krankliaiten Zuständen und
vor Allem bei der Lähmung ihrer beiden Muskeln bis hoch
über den Nabel emporsteigt, bei einem Inhalte von 4 Quart
und danlber und dem entsprechenden Gewichte Tage und
Woctien lang den Uterus heiastet. Unter solchen Umständen
werden, wie leh^ht begreiflich, die Ligaineiite nicht mehr in
6*
g4 ^n. VeriuindliiBgftii d«r iSitselkchftfi
Rede kommen kGnneo und wird selbst der in der Schiranger-
schaft weiter Torgeschrittene Utei^is einer derartiges Belafitimg
Rieht Wideretand leisten, um so weniger, als in soldieD
Fällen die Riickenlage fär die Kranken die einsige ertriglicbe
Position bleibt
Zur Erläuterung des Gesagten erlauben Sie mir, Ibnen
folgende, auch in anderer Beziehung interessante Krankeo-
geschiebte mitzotheüen:
Frau Fritze, 43 Jahre alt, hat sieben normale Geburten
ohne Schwierigkeiten überstanden, ist ausserdem nie krank
gewesen. In den ersten Tagen des April v. J. bat sie zom
letzten Male ihre Regeln gehabt und befand sich bis zum
15. August so wohl, dass sie zweifelhaft war, ob sie da:i
Ausbleiben ihrer Regeln einer Schwangersdiaft oder ihren
vorgerückten Jahren zuschreiben sollte. Am 15. August — die
Kranke giebt an, dass ein Irrthum im Tage nicht möghcli
sei, weil an diesem Tage ein bestimmtes Familienfest statt-
gefunden — traten, nach Ansicht der Kranken in Folge
anhaltender Durchnässung der Füsse, ilrinbeschwerden ein,
und zwar in der Art, dass sie beim Zubettgehen nicht, wie
gewöhnlich ihren Urin entleeren konnte, sondern die Hände
zur Unterstfitzirog der Bauchpresse gebrauchen musste. Am
anderen Tage blieb dieselbe Erscheinung, die Kranke fühlte
oft das Bedürfoiss zum Uriniren, während sie es vorher, wie
sie versichert, stets nur einige Male des Tages empfunden
und immer mit Leichtigkeit habe befriedigen können. Da die
Kranke ausserdem sich wohl und ohne jede andere Beschwerde
fühlt, legt sie keinen Werth auf diesen Zustand, der sie
auch nicht hindert, ihre schwere, häusliche Arbeit nach
wie vor zu thun. Nach mehreren Tagen, während welcher
die Kranke Tag und Nacht vom Bedürfniss zum Harnen geplagt
wird, ohne es vollkommen befriedigen zu können, bemerkt
sie, dass sie, wie sie sich ausdrückt, „ihre Röcke nicht
mehr zubringen konntet Dadurch mehr aufmerksam ge-
macht, besiebt und befählt sie ihren Leib und bemerkt, wie
derselbe hoch aufgeschwollen; daraus schliesst sie, dass sie
doch wohl schwanger sei, aber in einem weit vorgaräckteren
Termine sich befinden müsse, als sie nach den ausgebliebenen
Regeln hätte glauben können. Nadjdem der Zustand drei bis
für QebartslifiUe ia Berlin. ^
Tter Wochen so gedauert, die Fusse io der Zeit fttark zu
icbweUeD begioneD und det Urin mir nocb träufelod abflieast,
weon die Kranke die Rückenlage einnimiiit, wird die Kranke
so schwach und binfUbg, dass sie das Bett nicht mehr voi^iassea
kann and sucht nun erst ärztliche Hälfe. Der Arzt erklärt
nach äusserer Untersuchung des Leibes die Kranke zu Ende
des siebenten Monates schwanger und wiederholt einige Tage
später nach nochmaliger Untersuchung dieselbe Erklärung*
Eine binzugerufene Hebamme, die durch innere Untersuchung
den Zeitpunkt der Entbindung genauer bestimmen soll, spricht
sich dahin aus, „sie könne nicht gewiss sagen, wie lange es
noch dauern werde, da sie das oidit finden könne, worauf
es ankäme,"^ ein Ausspruch, der eine gewisse Berechtigung
hatte, wenn sie die Scheidenportion meint«, die in der That,
wie sich später ergab, nidit zu finden war. Ein zweiter
consultirter Geburtshelfer hält die Frau für wassersöchtjg
und räth der Kranken nach achttägiger Behandlung, während
welcher die Kranke um Vieles elender geworden war, in
einer Anstalt Aufnahme zu suchen, da die gewöhnlichen Mittel
nicht anscblögen.
Als ich die Kranke am 1. October, also 45 Tage nach
dem ersten Erscheinen der Harnbeschwerden und beinahe
sechs volle Monate seit den letzten Regeln im Elisabeth-
Krankenhause sah, war ihr Zustand folgender: Die auf das
Aeusserste abgezehrte Kranke fiebert heftig, Respiration
oberflächlich und beschleunigt, Puls klein (140), Haut brennend
heiss, Zunge trocken und hochroth, Durst quälend, Appetit-
mangel vollständig ; die Fasse sind bis über die Haften enorm
angeschwollen. Die Haut glänzend, zum Theil feuerroth, die
Labien ebenfalls hoch aufgeschwollen, entzündet, geschwürig,
bei Berührung äusserst schmerzhaft; dabei fliesst der Urin
fortwährend unfreiwillig ab und zwar in solcher Menge, dass
der Hanirecipient, über dem die Kranke, die den Abend
vorher in die Anstalt aufgenommen war, von da ab bis zun
Morgen gelegen hatte, über ein Quart Harn enthielt Zu
allen diesen Leiden gesellte sich ein weit verbreiteter, brandiger
Decubitus. Der Leib war hoch aufgetrieben und vennochte
man durch die Bauchdecken eine sehr umfangreiche Geschwulst
zu entdecken, deren Fundus weit über dem Nabel
86 VIl. Verhftndliro^ii 4«r OeBellsehaft
abgrenzen und in der sich entschieden Pluctuation erkennen
Hess. Ich zweileite nicht, dass die Geschwulst die Wase sei
und dass es sich Oberhaupt um eine gleichzeitige Lähmung
des Sphincler und Detrusor vesicae handle. Dureh den sofort
appHctrten Katheter wurde die enorme Menge von 4V4 Quart
decomponirten und stinkenden Urins entleert
(Die Beobaclitungen von veralteten Paralysen der beklen
Blasen -Antagonisten, sind, so viel mir bekannt, selten. Unter
ver.iltelen Paralysen verstehe ich solche, in deren Folge bereits
allgemeine Reactionserscheinungen, namentlich Cystitis, ein-
getreten sind. Ich habe noch zwei Mal Gelegenheit gehabt,
solche Paralysen ohne Complication Seitens des Uteros zu sehen
und zu behandeln. Der eine Fall betraf eine Apoplectica,
der andere ein sonst ganz gesundes junges Mädchen, bei der
durchaus keine andere Krankheitsursache nachweisbar, als
ein ungewöhnlich langes Urinverhalten während einer Reise.
Das Krankheitsbild dieser beiden Fälle war mit dem be*
sclniebenen ein ausserordentlich ähnKches. Bei der einen
Kranken bestand die Paralyi>e acht Wochen, bei der anderen
ziemlich V4 Jahr, die Menge des durch den Katheter ab-
gelassenen Harnes betrug zwischen 3 und 4 Quart; es waren
el>enfalis hydropische Anschwellungen der unteren Extremitäten,
starkes Fieber, Cystitis, hoher Grad von Decubitus und forl-
dauernder unfreiwilliger Harnabgang vorhanden. Die Haupt-
klage der Kranken bestand, wie auch in der mitgetheilten
Krankengeschichte, über das Nichthallenkönnen des Urins.
Dadurch wird wohl auch ein Verkennen des Zustandes möglieb,
dass man bei dem sichtbaren, fortwährenden Harnabgänge, der
in demselben Grade bedeutend ist, als die Kranken fiebern
und viel trinken und als jede weitere Vermehrung de^
Blaseninhaltes den Abfluss einer entspi^echenden Menge Harnes
bedingt, dadurch sich verleiten lässt, eine einfache Paralyse
des Sphincter vesicae anzunehmen und die Blase für leer
zu halten, wozu man um so leichler geneigt sein mag, als
die Geschwulst, die sich zeigt, eine so colossale ist, dass
man von vornherein der Blase diese Ausdehnungsfähigkeit
nicht zutraut. — Als mir das erste Mal, kurze Zeit nach
meinem Eintritte in die Praxis, eine solche Paralyse und
zwai' mit der Diagnose eines Hydrops saccatus zur Behandlung
Ar eeburtohlltfe I* fiery«. 87
forkam, ^mv ich in niefal geringer VerlogeDbett, was icli damit
beginnen soHie« Dass es kein Hydrtps saceatus war, schien
mir aus mancherlei Granden, beaonders aus der AnamoeBe
bervorzugebeo, — ich gestehe aber, dass mich damals mehr
ein glöckliober Instinct, als die Ueberzeugung, dadiii*ch die
Geschwulst zu beseitigen, bestimmte, den Katheter zu appiicireu«
Ei*st der nioht endenw^oUeude StraM aus dem Katheter zeigte
mir, womit ich es zu ihun hatte. — Dass sokbe Paralysen
auch bei Männern mit Hydrops verwechselt werden köimen,
gebt aus einer llittbeilung Wuizer^s .hervor {Org. d. Palb«
II. Chirg., 111., 2]. £in 64 jähriger Mann war von seinem
Arzte längere Zeit an Wassersudit behandelt worden und liess
steh, da er punctirt werden sollte, in die Klinik zu Bonn
aufnehmen. Auch hier hatte ^ch der Arzt durch die Ver*'
fliebemng des Kranken, dass er sogar häufiger als sonst harne,
irre leiten lassen. In der Klinik wurden dem Kranken dann
138 Unzen Urins durch den Katheter abgelassen, woranf der
Leib zusammenfiel — Ganz eigenthämliche Symptome scheint
die incomplete Paralyse der beiden Blasen -Antagonisten
zu machen. Ich habe augenblicklich einen Herrn von sehr
kraftiger Constitution in Behandlung, der mir schon seit Jahren
durch einen eigentliömlichen Gang und dien solche Haltung
aufgefallen war. £r hielt sich nämlich etwas gekrümmt und
machte trotz seiner Grosse nur kleine, kurze Scltrilte. Das
Gefühl von Steifigkeit, über das er klagte und dessen Grund
man im Rfickenraarke gesucht hatte, war Veranlassung zu
den verschiedenartigsten Guren . gewesen , die alle erfolglos
waren. Vor acht Wochen consultirte mich der Herr wegen
einer ihm sehr lästigen Schwäche, nämlich dass ihm bisweiten,
früher seltener, jetzt häufiger, namentlich, wenn er nicht an
steh denke, ohne dass er eine Empfindung vorher habe« eine
geringe Menge (circa ein £sslöffel) Urin abgehe. Auf meine
Fragen über sein sonstiges Harnlassen versicherte er, dass
er in 24 Stunden höchstens drei Mal harne und stets eine
gehörige Menge in kräftigem Strahle. Auf meine Aufforderung
legte er hiervon vor raeioen Augen Zeugniss ab und liess,
nachdem er seit acht Stunden nicht urinirt hatte, in einem
kräftigen Strahle circa V« Quart Urin. Ich applicirte nun
den Katheter und entleerte dadurch noch dieselbe Menge.
gg VII. VerbMidkragen der OeweHtebafl
Dieselbe Ersebeinirog des Niobtmubaniens zeigte sieh qiitar
jedes Mal bei einem sweiiaaligeD tiiglieheD Gebrauche des
Katheters unmittelbar nach dem Urinlassen, isl auch heirie
noch nicht ginzlich verschwunden; doch hat sich die Menge
des Harnes, der durch den Katheter noch abfltesst, bis md
ungefShr 16 Unzen vennindert Ausser der Applicatioo des
Katheters und längeren Liegenlassens, eines Bougies wandte
ich Injectionen von einer Chlorwasseriteung [als ReiimittcQ,
später von kaltem Wasser, kake Sitzbäder und innerlich
Bais. Copaiv. an. Von Stunde an, dass die Blase gehörig
durch den Katheter entleert wurde, verschwand das unbewusste
Urinabgehen vollständig, ebenso verminderte sich die Steife
im Kreuze, so dass der Patient jetzt eine Haltung und einen
Gang hat, wie nicht seit Jahren.)
Die enUeerle Blase collabirte nidit und lühlte sich ähniidi
einem von der Placenta befreiten, nicht contrahirten Uterus an.
Aus einer Mittbeilung unseres Mitgliedes, Prof. Veüy die
er vor Jahren in dieser Gesellschaft machte aber einea
ähnlichen Fall, in welchem die Section gemacht wurde, aus
einer anderen von Bamberger in „^cafusont's Mittheilungen**,
wo ebenfalls die Section stattfand, geht hwvor, dass die
Blasenwände, nach lange bestandener Paralyse und Ausdehnimg,
sehr verdickt, die Muskelbdndd auseinander gezerrt und
hypertrophisch sind. — Aus der Schmerzhaftigkeit der Blasen-
wände und der Beschaffenheit des Harnes mosste man auf
das Vorhandensein einer Cystitis schlieseen; deshalb, theib
aucl) um die Muskelaction anzuregen, die freilich nicht so
bald zu erwarten stand, wurden auf den Unterleib Eis*
' umschlage gemacht, nach Verlauf von drei Tagen nur kalte
Umschläge, diese aber bis zu Ende der Krankheit Tag und
Nacht fortgesetzt Sechs bis acht Stunden nach dem Anlegen
des Katheters begann wieder Urinträufeln und als 24 Stimden
nach dem ersten Ahlassen des Urins der Katheter von Neuem
angelegt wurde, floss eine schwarze, jauchige, aasbaft riechende
Flüssigkeit ab, die ^/^ Quart betrug. — Während der ganzen
Dauer der Krankheit wurde bei einem anfanglich dreimaligem,
später zweimaligem Katheterisiren mit wenigen Ausnahmen
jedes Mal Aber ein Quart Blaseninbalt entleert, ein Bewm,
wie stark Fieber und Hautinliltration sein mussten. — Es
fir GebtirtsMU« in B^rlhi. 80
mirden Dun Bogleieh mehrere Quart lauen Gbamilleitthee«,
hierauf kallen Wassers so lange iujieirt, hie die Eiospritzui^
wieder klar abfloss, sodann wurde eine InjecUon mit einer
Verdünnung von Chiorwasser gemacht und diese mehrere
Minuten mit den Blasenwänden in Contact gelaasen. Obgleich
die Kranke bei und nadi dieser Procedur im höchsten Grade
erschöpft und übeiiiaupt so consumirt war, dass die Prognose
mc^r wie zweifelhaft sein musste, so schien mir bei sonstiger
Ratldosigkeit das angegebene Verfahren noch das meiste
Vertrauen zu verdienen und wurde zwei Mal täglich in
derselben Weise wiederholt. Nach vier Tagen hatte der
Blaseninhalt schon insoweit sidi gebessert, dass er seinen
Blotgdialt nach und nach verloren, der jauchige Charakter
verminderte sich von nun an von Tage zu Tage, so dass zu
Ende der dritten Woche nur noch Spuren von Eiter im Urin
nachweisbar waren. Nach dem Verschwinden der blutigen
Absonderungen bis zu Ende der zweiten Woche war nach
jedesmaliger Entleerung durch den Katheter zwei Mal täglich
nur eine Ghlorwasseridsung eingespritzt worden, welcher dann
eine Tanninlösong substituirt wurde. Innerlich erhielt die
Kranke Kraflbrube, Wein, Eisen und Chinin. Am 30. October,
also 30 Tage nach Beginn der Cur, 27« Monate seit be-
standener Paralyse, zeigten sich Spuren einer wiederkehrenden
Thfttigkeit der Bhsenmuskehi, zuerst im Sphincter vesicae;
am 1. November vermochte die Kranke V4 Quart Hani aof
einmal zu lassen und floss in der Zwischenzeit kein Harn
unfreiwillig mehr ah, was bis dahin anfanglich 6 — 6 Stunden«
später 8 -- 10 Stunden nach jedesmaliger Kalheterisirung stets
der Fall gewesen war, Am 21. November harnte die Kranke
nur drei Mal in 24 Stunden und entleerte die Blase dabei
vollständig, wie ich mich durch den Katheter überzeugte.
In derselben normalen Function blieben von nun an die
Blasenmuskeln fortdauernd.
Als ich am 1. October die Blase zum ersten Male von
ihrem Inhalte befreit hatte, venuochte ich durch die Bauch*
decken von einem anderen Organe Nichts zu fflhlen, auch
noch nach 14 Tagen , als bereits die verminderte Empfindlieh*
keit der BlasR, das Nachlassen des blutigen und janrliigeii
lohaltes derselben eine kräftigere, äussere Untersuchung
90 VII. ¥«rh«n(ltiingen d«r 068tllich*ft
gestattete, wnr tiuBser der Leber fliehte Beetimmtes durch
die BauchdeckeD nachweisbar. £ine Exploration per vagiiiam
war am ersten und den folgenden drei Tagen nicht zulässig,
da die Schnierzhaftigkeit der eiitzifndeten und geschwoilenea
Genitalien, durch häufige Application des Katheters Boeh
gesteigert, xu lebhaft war. Ich gestehe aach, dass ich an-
fänglich eine Schwangerschaft nicht annehmen mochte, da bei
Untersuchung durch die Bauchdeciien von dem Uteras Nichts
zu finden war, dieser aber, nach dem Ausbleiben der Regdo
imd nach Annahme eines mittleren Termins zu rechnen, ia
Mitte des sechsten Schwangerschaftsmonats sich bitte befinden
messen, in welcher Zeit der Utemsgrund ober delii Nabel
steht, Kinde&beweguugen wahrgenommen werden, der ¥M^
puls gehört wird, von welchem Allem nichts vorhanden war.
Dass der Uterus durch Retroversioa der äusseren Untersuchung
sich entzöge, schien von vornherein deshalb unwahrscfadolidi,
weil eine Retroversion bei vollständigem Wohlbefinden der
Kranken bis zum 15. August nach derselben Rechnung zu
En(9e des vierten Schwangersciiaflsmonate hätte stattfinden
m Assen, wofür jeder Anhalt in der Anamnese fehlte, vielmehr
nach dieser das Blasenleiden als selbstständiges aufg«fosst
werden musste. Als ich am fünften Tage, nachdem Schnierz-
haftigkeit und Geschwulst der Genitalien eine innere Exploratioo
zulässig machten, diese vornahm, traf der untersuchende
Pinger auf eine harte, gespannte, kugelige, äusserst empfind-
liche Geschwulst, die den hinteren Beckenumfang austollte
und die hintere Scheidenwand tief herabgezerrt hatte; von
der Sdieidenportion war nichts zu finden; sie war so hoch
hmaufgestiegen , dass ich auch bei späterer, in der Rückenlage
vorgenommener Untersuchung ausser Stande war, sie zu er-
reichen. Die Untersuchung per auum ergab dieselbe Ge-
schwulst; der Mastdarm selbst war von vom nach hinten
comprimirU Ich versuchte sofort die Reposition, die Schmerzen
dabei waren jedoch so heftig, die Schwäche der Krauken,
die sogleich ohnmächtig wurde und deren Tod so schon
täglich zu fürchten war, so gross, dass ich mich zu einem
fortgesetzten, eingreifenderen Verfahren um so weniger be-
rechtigt hielt, als eine augenblickliche Gefahr durch den ein-
geklemmten Uterus (für die Mutter wenigstens) nicht vorhanden
•
war, dfeee vielmehr aHdn durch die BesebatR^nlMit der' Blase
und der dadurch bedingten allgemeinen Reaction drohto. **^
Als nach weiteren 14 Tßt^en die Qualität des Urins sieb
besserte, das Allgemeinbefinden der Kranken bei aHmAHger
Venninderung des Fiebers, des Hydrops, der geschwollenen,
eiternden Genitalien und des Decubitus, einigerroaassen sich
göiistiger eu gestalten schien , die Prognose hiernach ebenfalls
eine bessere wurde, unternahm ich einen neuen, kräftigeren
Repositioiisversuch. leb verfuhr in der bekannten Weise,
mdem ich bei Ellbogenlage der Kranken mit Zeige* und
MiCtetfinger in das Rectum hoch hinaufging und den Danmen
fißr die Vagina benutzte. Ich erreichte den Zweck nicht und
musste von dem Versuche abstehen, da die Kranke nach
Aeusserung der heftigsten Schmerzen wiederum ohnmächtig
wurde. Einen erneuten Versudi unterliess ich für jetzt, ein
ähnliches negatives Resultat als wahrscheinlich annehmend;
zum Aetherisiren schien mir die Kranke zu schwach; auch
musste ich mir sagen, da die Erfahrung lehrt, wie leicht
selbst nach der glucklichsten Reposition Recidive eintreten,
dass ein solches liier um so wahrscheinlicher gewesen wäre,
als die Kranke eine andere, als die Röckenlage nicht ertragen
konnte, als ferner 12 Stunden* nach dpr Urinentleerung die
Blase jedes Mal über 1 Quart Urin enthielt und ausserdem
auch noch mehrere Male des Tages Einspritzungen in die Blase
nothwendig waren. Die Dringlichkeit einer Reposition wurde
aber auch durch den Umstand geringer, dass ich zu derselben
Zeit, als ich den angegebenen Versuch machte, im Stande
gewesen war, den Uterus durch die BauchdeckeO durch-
zufühlen. Ich glaubte hieraus schiiessen zu müssen, dass
der nicht eingekeilte Theil des Uterus, dessen Ausdehnung
nach dem freien Theile der Bauchhöhle hin früher durch die
ausgedehnte Blase ein Himlerniss gesetzt war, jetzt, nach
Beseitigung di<'ses Hindernisses, df>m PöUis, wenn er noch
lebte, Platz zu seiner weiteren Entwickelung in dem fk*ei
gewordenen Räume gewähren würde. Immerhin wollte ich
mit neuen Versuchen warten, bis die Blasenerscheinungen
und der allgemeine Zustand der Kranken mehr Freiheit zum
Handeln gestatteten.
9S VII. V6rk«tidionf6ii 6tf G«tttlitch*ft
Nacbdeiii, wie ich Toriiiii erwählte, nach ner^ bis töiiF-
wöchenüicber Behandlung die vollständig normale TUtigkeit der
Blasenmuekebi wieder hergestellt war, maicbte ich einen dritten
Repoeitionsversuch. Das ResnUal war ein nicht viel besseres,
als die ersten Male. Einem ziemlich starken Kraftaufwande
gelang nicht mehr, als ein geringes Fortheben des UCems,
eine Reposition erreichte ich keineswegs, die Vaginalportion
blieb unfühlbar. Dabei schienen die dadurch yenirsacbten
Schmerzen ganz ausserordentliche zu sein. Ich bescUoss
hierauf weitere Versuche aufzugeben und exspectativ zu ver-
fahren, wozu der Umstand, dass bei der Schwierigkeit der
Reposition Verwachsungen angenommen werden musslen, deren
Trennung bedenkliche Zufalle hervorrufen konnte, dass bei
dem Hangel subjectiver und objectiver Erscheinungen für das
Leben einer Frucht, dieses im hohen Grade fraglich war,
wohl hinreichend berechtigte. Lebte die Frucht trotzdem,
so wissen wir ja (Hittheilung von Oldhamy Transact of
the obstet«, Soc. 1), dass selbst bei vollständiger ReU*oversion
die Schwangerschaft ihr normales Ende erreichen kann. —
Vier Tage später, am 7. November, entsteht bei der Kranken
während der Nacht plötzlich ein heftiges Di'ängen zum Hamen.
Sie lässt sich das Steckbecken reichen; kaum hat sie dies,
so wird unter einem einzigen heftigen Schmerze das Kind,
dem die Nachgeburt auf der Stelle folgte, ausgestossen.
Obgleich die äusseren Erscheinungen des Kindes solche waren,
wie man sie einem Fötus zu Ende des sechsten Monats zu-
misst, so musste man selbst bei der Annahme, dass die
Conception unmittelbar vor dem ersten Ausbleiben der Regeln
stattgefunden (sie hätten sich in den ersten Tagen des Mai
zeigen müssen) sich wenigstens im Beginn des siebenten
Monats befinden. Das Kind lebte, wimmerte und starb nach
zwei Stunden. Das Wochenbett verlief gut, die Blase wurde
keinen Moment in ihren Functionen gestört. Die Wöchnerin
erholte sich langsam, war aber noch mehrere Monate voll-
standig gesund; der Uterus befindet sich noch heute in
normaler Lage.
Für meine Ansicht, dass in diesem Falle die Retroversion
durch die Blasenparalyse veranlasst wurde, und nicht um*
mr Q^biirtabiiU« in fierU». g^
gikahrt, niöobt« ich auim Schlüsse noch Folgendes aofübrea
und resumireD:
Bei ReUr^versisD als Ursache der Blasenparalyse würden
xwei Arien derselben, nämlich die acute und chronische, in
Bede koDuneo. Was erslere betrifft, so ist ihr Zustande*
kommen su Ende des vierten und Anfang des fünften
Schwangerschaftsroonats, zu welcher Zeit der Uterus die
Grösse eines Kindskopfes hat, ohne bewusste, erhebliche
Äussere Schädlichkeit geradezu unmöglich. Eine solche Schäd*
Uchkeit hat in dem mitgetheilten Falle aber nicht stattgefunden,
ebenso wie die Erscheinungen, die dadurch noth wendig hätten
herrorgerufen werden müssen, als Ohnmächten, Erbrechen,
heftige, drängende Schmerzen auf den Unterleib und dcrgi
gänzlich fehlten. Die Kranke emp£ayad, als sie am 15, August,
nacl) einer heftigen Durchnässung des Körpers, Abeuds, also
zu Ende des vierten und zu Anfang des fünften Schwanger-
schaftsmonats, Urin lassen will, nichts Anderes, als die
Erscheinungen, welche die Paralyse des Detrusor vesicae
überhaupt verursacht, nachdem sie bis dahin nicht die geringste
Functionsstörung beim Harnen gehabt hatte. Von irgend einer
anderen krankhaften Erscheinung, die auf eine Retroflexion oder
Retroversion des schwangeren Uterus hatte schliessen lassen,
war keine Spur vorhanden. Es ist auch gar nicht denkbar,
dass die Kranke sonst im Stande gewesen wäre, trotz der
Paralyse, ihre schweren häuslichen Geschäfte so lange fort-
zusetzen, bis sie nach mehreren Tagen bemerkt, dass ihr
Leib so hoch wie im siebenten Monate der Schwangerschait
angeschwoUen ist. — Was die andere Fomn, die chronische
oder allmälige Retroversion, betrifft, so entsteht sie (so viel
mir bekannt) nach allgemeiner Annahme nur dann, wenn die
Conception bei unvollkommenem Prolapsus des Uterus erfolgt;
er begiebt sich mit seinem Grunde, an weiterem Aufsteigen
durch das Promontorium verhindert, in die Kreuzbeinhdhiung»
seine Scheidenporiion hinter die Symphyse. Wollte man for
den erzählten Krankheitsfall diese Form der Retroversion als
Ursache der Paralyse annehmen, so würde dagegen sprechen»
dass die Kranke an einem Prolapsus, auch nicht einmal einem
imvolikommenen, litt, wie dies eine Untd'suchung nach über-
standenem Wochenbette und wieder eingetretenen Regeln
^ VIT. tTerhandkiageti 4«f 8«B«HBcb*^t
ergab; audi wArde «in solc^r ureiehticher Eüsaimneohaiig
80 lange zurückzuweisen sein, als nicht die MögU«iikeit nacfa-
gewiesen ist, dass eine Schwangere, wie die betrelTende,
währeod einer vier Monate und länger bestehenden Retroverma
des schwangeren Uterus sich keinen Moment unwohl fühlen,
im Gegentheil sicli so frisch und kräftig belinden kam, dass
sie die schwersten Arbeiten verriclitet, weite Wege gebt, ja,
trotz ihrer Aufmerksamkeit auf jedes für eine Schwangerschaft
sprechende Symptom, ein solches durchaus nicht empliiidei
und sich nicht einmal für schwanger hält. — Höchst autfaJIend
und bezeichnend ist endlich auch noch der Umstand, dass
die Heilung der Paralyse ganz unabhängig von der RetroTersion
und trotz dieser erfolgte, während die Hebung der Incarceration
des Uterus durch Selbstreposition erst nach Beseitigung des
Blasenleidens stattfand.
Nach Allein ist wobt mit ziemlicher Bestimmtheit an*
zunehmen, dass in dem mitgetheilten Falle die Retroversion
durch die bis zu einem Inhalte von 4V4 Quart angefüllte,
weit über den Nabel emporgestiegene und schwer belastende
Blase nach und nach entstanden, dass der schwaogei^
Uterus und die dabei hetheiligten Organe durch ein allmäliges
Eingezwängtwerdeu des Uterus an die widernatArliche Lage
sich gewöhnen konnten, ohne erhebliche Reactionserscheinungeo
zu äussern. Vielleicht war die Retru?ersion erst dann eine
vollständige, als die Kranke 'im Stehen und Sitzen keinen
Urin mehr verlor, da in diesen Stellungen durch die hoch
hinauf gestiegene Scheidenportion und das untere Uterin*
Segment die Harnröhre nur noch mehr belastet und gezei*rt
wurde, was bei der Rückenlage weniger der Fall sein mussCe.
Herr Martin theilt die Ansicht des Vorredners mdbL
Er halt die Retroversion des Uterus fär das primäre Leiden
und die Paralyse der Blase für eine Folge derselben. Die
allmälige chronische Entwickeiung der Zurückbeugung des
schwangeren Uterus bilde sich meist schon im zweiten oder
dritten Monate der Schwangerschaft und bedinge häufig anfangs
nur so unbedeutende Beschwerden , dass sie oft von den damil
b^afteten Kranken ganz übersehen werden. Erst in Falge
Idr Gkebmrtolialfe im Berlia. ,95
einer firkälumg u. s. w. treten iilAlzJieh bedreUicfaere Ef«-
soheinuDgen auf, HarnTerhaltung und wehenartige Seiinierz^n
und er erkläre sich diesen Umstand so, dass eine catan'halisciie
ScibweJlung der Scheide und Harnröhre eiiitrelen müsse, um
den YoUständigen Verschluss der Harnröhre hervorzubringen«
Ein solcher Fall sei seiner Ansicht nach auch der vorliegend«^
Herr Hofmeier stellt dies in Abrede. Die Frau habe
sich unbedingt wohl gefühlt und an Schwangerschaft gar nicht
gedacht Dies weise darauf hin, dass sie vor dem Eintritte
der Blasenparalyse keine Retroversion gehabt haben könne,
da diese jedenfalls durch gewisse, wenn auch nicht sehr
stürmische Symptome ihre Aufmerksamkeit auf. mögliclie
Schwangerschaft geleitet hätte.
Herr Z». Mayer meint, es könne vielleicht ein Umstand
für die Ansicht des Herrn Hofmeier sprechen: nämlich dass
die Entbindung leicht und ohne Störung vor sich gegangen
und der Uterus nach derselben spontan in seine normale
Lage gestiegen sei. Man könne daraus folgern, dass bei Aus-
stossung des Fötus eine Incarceralion des Uterus nicht mehr
stattgefunden habe, und vielleicht auch im vierten Monate
nicht vorhanden gewesen sei, da, wenn sie da gewesen
wäre, bei den fruchtlos angestellten Aufrichtungsversuchen eine
spontane Erhebung des Uterus noch viel unwahrscheinlicher
sei. Es wäre also daraus zu schliessen, dass wirklich eine
consecutive Retroversio uteri durch die ausgedehnte Blase
vorgelegen habe, woraus sich auch nach Hebung der bedingenden
Ursache die Leichtigkeit der stattgehabten Entbindung erkläre.
Er wolle noch einmal auf seine Mittheilungen in der vorletzten
Sitzung verweisen; wo er der Versuche Erwähnung gethan,
den Einfluss von Injectionen in die Blase auf die Stellung
des Uterus nachzuweisen. Beim nichtscbwangeren Uterus,
auf den sich diese Versuche bezogen, habe eine Ciberroässige
Ausdehnung der Blase eine Retroposition des ganzen Uterua
mit vermehrter Räckwärtsdrängung des Corpus uteri zur Folge
gehabt. Es seien hieraus freilich keine bestimmten Schlösse
auf das Verhalten des schwangeren Uterus zu ziehen,
indess lasse sich aus den anatomischen Verhältnissen vermuthen.
96 VII. VerhMidliiBflpeB 4er G«8«llBch»ft
daBs bei bedeutender AusdebnoDg des Uterus, DaineBtUck
also durch Schwangerscbafl eher eine Steigerung der an-
gegebenen Lageabweichung stattfinden werde.
Herr (7. Mayer hält es für sehr schwierig zu ent-
scheiden, was primär gewesen sei, die Retroflexion oder die
Blasenparalyse; neigt aber zu der Ansicht, dass die Blasen-
paralyse wohl eine Folge der Retroflexion gewesen sei.
Herr Martin hält die von Herrn L. Mayer angestellten
Versuche mit Injectionen in die Blase nicht für maassgebend.
Einerseits lasse sich eine todte Blase nie zu solcher Aus-
dehnung anffillen, wie sie bei Lebenden durch spontane
Ansammlung des Urins aufträte, andererseits aber haben die
Versuche nur eine Retroposition und keine Rückwärtsneigung
des Uterus herbeigeführt.
Herr Wegscheider glaubt auch, dass eine allmälige
Bildung der Retroflexion in diesem Falle stattgefunden und
die Biascnparalyse bedingt habe; er entsinne sich, in seiner
Praxis zwei Fälle beobachtet zu haben, wo bei Retroflexio
uteri gravidi die Lähmung der Blase erst allmälig ein-
getreten sei.
Herr Hofmeier wirft ein, dass es scheine, als ob die
Gesellschaft ein primäres Auftreten einer Blasenlähmung ohne
vorangegangene Retroflexion ganz in Abrede stelle. Er erinnere
an die vorausgeschickten Fälle bei Männern, wo also vou
dieser Ursache keine Rede sein könne.
Herr Krieger giebt zu, dass er ebenfalls bei einein
Manne eine Blasenlähmung beobachtet habe, die er durchaus
auf kein Ruckenmarksleiden beziehen konnte. In dem vor-
liegenden Falle indess scheine ihm doch die Retroflexion das
primäre Leiden gewesen zu sein.
Herr Martin hebt noch hervor, dass nach Herrn
Hofmeier's Angabe die Frau vorher nie an Blasenbeschwerden
gelitten habe, also jeder Grund fehle, eine spontane Eni-
wickdung einer Biascnparalyse anzunehmen.
ffir aeburtshülfe in Borlin. 97
Silzung vom 12. Mai 1863.
An die Verlesung des Protocolies der letzten Sitzung
schloss sich sofort eine Wiederaufnahme der Debatte, die
jedoch im Wesentliclien dieselben Punkte berührte. Es wurde
indess von mehreren Seiten hervorgehoben, dass die Retro-
flexion des schwangeren Uterus durchaus nicht stets die
sturmischen Symptome bedinge, die allerdings in der Mehr*
zahl die Diagnose sofort auf diesen Punkt leiten. So erwähnte
Herr Strassmann zwei Fälle, wo als einziges Symptom
eine Dysurie die Aufmerksamkeit auf das Verhalten der Gebär-
mutter leitete und zu einer Untersuchung Veranlassung gab,
liei der sich die Relroversion herausstellte. In einem dritten
seien sogar nur weheuarlige Schmerzen eingetreten, die die
Kranke zwei Tage lang in dem Wahne erhalten hätten, die
Geburt träte ein, bis die am dritten Tage erkannte Lage-
veränderung reponirt sei, worauf alle Beschwerden wieder
verschwanden.
Herr Kaufmann meint, dass wohl Alles auf den Grad
der dadurch herbeigeführten Einklemmung ankomme. Ein
drei- bis viermonatlicher Uterus, der nach hinten vollständig
unter das Promontorium getreten, dadurch den ganzen
Beckenraum vollständig ausfülle, müsse natürlich ganz andere
Symptome hervorrufen, als eine theilweise Einklemmung,
wie sie doch jedenfalls in dem Hof meier* sehen Falle statt-
gefunden habe. Ein sechsmonatlicher Uterus fände keinen
Platz im kleinen Becken; ein Theil desselben müsse also
über demselben gelegen haben und die abgeschnürte Partie
nur wie ein Divertikel des Uterus anzusehen sein. Bei dem
fluctuirenden Inhalte des Uterus werde sich somit bald eine
Ausgleichung hergestellt haben, so dass die heftigeren Ein-
klemmungserscheinungen gar nicht eingetreten seien.
Herr Mitscherlich stellte der Gesellschaft
ein halbjähriges Mädchen mit einem Hydrocephalus
partialis herniosus
vor.
Das ein halbes Jahr alte Mädchen, Ulrike Krüger,
stammt von gesunden Eltern, in deren Familie nie eine dem
|CoB»tt«ehr. f. Qebortak. 1863. Bd. XXII., Hft. 2. 7
98 Vit. VerhaDdlun^eii der Oe—tbchmh
?orHegenden Falle ähnliche AfTection beobachtet isL Es selbst
ist seit seiner Geburt stets gesund gewesen, litt besoinJers
nie an Krämpfen oder Hirnerscheinungen irgend weicber Art
und entwickelte sich gut und kräftig. Die Geschwulst, welche
sich dicht unterhalb der Rrotuberantia occipitalis externa iai
Verlaufe der Crista occipitalis, also ungefähr in der Mittelliiiie
des Schädel, befindet, brachte das Kind mit zur Weit; jedoch
hatte dieselbe damals kaum die Grösse einer Haselnuss. Seil
dieser Zeit hat sie langsam und besonders beim Schreien
des Kindes um so ?iel zugenommen, dass sie jetzt bei Tölliger
Ruhe desselben im grössten Umfange 3^/^" misst, wahreiid
der der gestielten Basis circa 3V4" beträgt und mithin aise
nur wenig dem grössten Umfange nachgiebt. Ihr Durchmesser
beträgt circa 1", ihre Höhe %'', so dass sie fast kugelförmig
isl. Ihre Oberfläche ist glatt, nicht höckerig, ihre Gonsistenz
sehr weich und elastisch, beim Schreien des Kindes, während
dessen die Geschwulst auch an Umfang zunimmt, wird sie
fester und praller, gleichzeitig ist sie deutlich fluctuirend und
vollständig durchscheinend ; die Pulsation des Gehirnes so wie
besonders jegliche Stauung im venösen Systeme desselben isl
sogleich auf ihrer OberÜäche bemerkbar. Die Haut, welche
sie bedeckt, erscheint verdünnt und ist nur mit wenigen
sparsamen und dünnen Haaren besetzt. Uebt man einen
auch nur schwachen aber gleichmässigen Druck auf die Ge-
sell wulst aus, während das Kind schläft, so kann man dieselbe
mit Leichtigkeit vollständig in der Hirnhöhle verschwinden
lassen. Um etwas wird dieses beim Wachen des Kindes
durch das Schreien, wodurch die Geschwulst immer von
Neuem' hervorgedrängt wird, erschwert, jedoch nicht ver-
hindert. Ist die Reposition vollständig, so fühlt man nur
noch die erschlafften weichen Hüllen des Inhaltes. Die
Schmerzen können bei der Reposition nicht sehr bedeutend
sein, da bei vorsichtigen Manipulationen das Kind nicht am
Schlafe gehindert wird ; dennoch niuss aber jeder Druck auf
die Geschwulst dem Kinde ausserordentlich unangenehm sein,
da es beim Wachen sich in jeglicher nur möglichen Weise gegen
dieselbe sträubt und stets heftig schreit. Lässt man nach
der Reposition mit dem Drucke nach, so schwillt die völlig
entleerte Geschwulst auch beim Schreien des Kindes nur
j
ftr Qebartshülfe io BerÜ«. 99
«
allmälig wieder an, bis sie schliesslich ihre alte Gi'össe
erreicht hat. In keinem Falle sah ich bei der Reposition
irgend welche Hirnsyniptome auftreten.
Drückt naan an den Seiten der (jeschwulst, besonders
oben und unten, am Stiele derselben den Finger in die
Tiefe zum Knochen ein, so fühlt man deutlich die ovale, mit
glatten Rändern versehene Oeifnung in demselben, im
Verlaufe dei* Crista occipitalis von der Länge eines halben
Zolles und der Breite eines achtel Zolles, durch welche die
Geschwulst mit dem Gehirne communicirt. Wenn das Kind
ruhig ist, so kann man dieselbe so deutlich palpiren, dass
man mit Sicherheit angeben kann, dass in derselben kein
fe&iei* Gegenstand fühlbar ist. Ihre Form beurtheilt man am
genauesten nach der Reposition des Inhaltes, da man dann
die Oellhung mit der Spitze des Zeigefingers schliessen und
so am besten die Contouren derselben fühlen kann.
Es würde bei dieser Geschwulst meiner Ansicht nach
nur in Frage kommen können, ob sie durch einen Uirnbruch
oder durch den Vorfall eines abgegrenzten mit Wasser er*-
füllten Theiles des Sackes der Arachnoidea gebildet wird.
Alle übrigen Geschwülste am Schädel sind nach den oben
angegebenen Symptomen mit Sicherheit auszuschliessen. Wenn
wir die Entscheidung zwischen den beiden oben erwähnten
Vorlallen, die ja in fast continuirlicher Reihenfolge in einander
übergehen können, auch nicht mit Sicherheit zu fällen im
Stande sind, so können wir doch mit Wahrscheinlichkeit den
Vorfall von Gehirnmasse und zwar selbst in geringerer Menge
ausschüpssen. Hierfür spricht zunächst die grosse Leichtigkeit,
mit welcher die Geschwulst reponirt werden kann , ohne dass
irgend welche. Gehirnsymptome jemals dabei eingetreten wären.
Femer ist die Geschwulst auch an ihrer Basis noch vollständig
durchscheiaend , was nicht möglich wäre, wenn gleichzeitig
feste Massen vorlägen, da durch dieselben das einfallende
licht am Durchscheinen gehindert würde, endlich aber fühlt
man selbst, wenn man bei völliger Ruhe des Kindes, hart
an den Rändern der weichen Geschwulst eingeht, nirgend eine
festere Masse in der Oeffnung durch die Flüssigkeit hindurch.
Bei einer methodischen sanften Compressioo durch Be^
streichen der Geschwulst mit Güllodium während das Kind
100 VII. Verhnndliini^eii der G«s«ll«chaft
schlief, dieselbe also relativ klein war, ist sie in den leixleo
zehn Tagen, in denen sich das Kind in Berlin aufhielt, etwas,
jedoch nur wenig verkleinert worden, so dass nicht zu er-
warten steht, dass durch diese Behandlung eine voUständige
Rückbildung zu erzielen sein wird; ich glaube aber, dass
hier, da die Geschwulst sich vollständig und leicht reponiren
iässt, ohne dass irgend welche Uirnsymptome hervorgerufen
werden, die Heilung dadurch wieder erzielt werden könne,
dass man einen Verband anlegt, welcher den Voifall reponiit
erhält. Dieser müsste natürlich beim Eintreten irgend welcher
Zufalle, die Bedenken erregen könnten, sofort entfernt, un^
sollten diese nicht eintreten, vielleicht jeden oder jeden zweiten
Tag gewechselt werden, bis die Oeflnung im Schädel durch
die vom Rande vorschreitende Verknöcherung sich geschlossen
haben wird. Es würde hierbei nur in Frage kommen, ob
m
die schon jetzt so verdünnte Haut ohne Nachtheil einen so
lang dauernden Druck wird aushalten können; jedenfalls wird
die grösste Aufmerksamkeit bei dieser Behandlung in jeder
Hinsicht nöthig sein.
Herr Kristdler hält es nicht für wahrscheinlich, dass
der Sack durch die Arachnoidea gebildet werde. Die ver-
schiedenen Manipulatiouen, die von Seiten der Anwesenden
so eben mit der Geschwulst vorgenommen seien, könnten
unmöglich ohne heftige Reactionserscheinungen bleiben, wenn
eine Gehirnhaut mit prolabirt wäre. Er halte es für eine
abgesackte Kyste auf der Dura mater sitzend und durch die
Knochenspalte hervorge wuchert.
Herr Mitscherlich sagt, dass alle Fälle, die ihm aus
der Literatur bekannt worden seien, stets die Arachnoidea
mit betrolfen hätten. Uebrigens müsse seiner Ansicht nach
der Druck auf eine abgesackte Kyste viel heftigere Reiz-
erscheinungen hervorrufen, als bei freier Gommunication
des vorgefallenen Divertikels mit der ganzen Rücken- und
Cervicalhöhle , wo bei Gompression der Druck sich auf die
ganze Tlussigkeitssäule erstrecke und ausgleiche.
Herr Gurlt ist auch der Meinung, dass es ein Vorfall
der Dura mater', bekleidet mit dem parietalen Blatte der
Arachnoidea sei.
Air Gebnrtsluilfe rn Berlin. 101
Herr Kaufmann aus Dürkheini (auswäitiges .Mitglied)
spricht über die
Einwirkung der Dürkheimer Soolbäder in Ver-
bindung mit der Traubencur auf chronische
Gebärmutterkrankheiten.
Wiewühl schon früher einzelne Fälle über günstige Er-
folge der hiesigen Soolbäder auf Erkrankungen des Uterus
beobachtet wurden, so standen diese doch zu vereinzelt da,
um dieselben weiteren Kreisen mitzutheilen. im Herbste 1862
bot sich mir Gelegenheit, eine Reihe von Uteruserkrankungen
zu behandeln, die ich der reichhaltigen Praxis der bekannten
Gynäkologen Herrn Geheimen Sanitätsrath Dr. Carl Mayer
und dessen Sohn Louis Mayer zu verdanken habe. Im
Ganzen wurden während der Saison 1862 vierzig Uterinkranke
von mir behandelt, unter denen die Lageveränderungen am
stärksten vertreten waren, nämlich: Retroflexionen acht Mai;
Anteflexionen sechs Mal; Anteversio uteri zehn Mal; Endo-
metritis chron. mit Erosionen und Fluor albus neun Mal;
Chron. Metrit. drei Mal; Intumescentia uteri ein Mal, Hypertr.
uteri mit Indur. port. vaginal., fungöse Zottenbildung der
Schleimhaut der Ulerusböhle mit anhaltenden Metrorrhagien
und Reconvaiescens nach der Operation von Cancroidbildung
im Introitus vaginae mit Hypertrophia hepatis und Neuralgien
je ein Mal.
Bei allen diesen Erkrankungen ging eine längere örtliche
Behandlung voraus, so dass einzelne Kranke, in ihren örtlichen
Leiden gebessert, die hiesigen Bäder nur als Nachcur ge-
brauchten, während bei anderen bei dem Gebrauche der
Soolbäder und Traubencur noch eine örtliche Behandlung
nothwendig war.
Die Soolbäder wurden entweder einfach oder mit
Mutlerlaugzusätzen gebraucht; bei letzteren muss ich übrigens
vorausschicken, dass grosse Zusätze Mutterlauge nicht ver-
tragen werden, indem sie leicht Congestionen nach den Becken-
organen herbeiführen und die schon bestehenden Hyperämien
nur noch verniehren, weshalb ich in der letzten Zeit den
Bndern nur noch kleine Quantitäten Mutterlauge mit günstigem
Eifolge zusetzen Hess. Wir sehen allerdings bei grossen
»1
102 ^I^» Verhandlnngen der Gesellschaft
Zusätzen. von Mutterlauge Hautausschläge, Eczeme entstehen,
die von anderen Badeärzten für kritische Badeausschläge ge-
"halten werden, von mir aber als durch Beizung der Haut
bedingte Eczeme betrachtet werden. Bei den meisten Kranken
wurden noch Injectionen mit reiner Soole oder mit Wasser
verdünnter Soole angewandt. Die Soole, die zum Baden benutzt
wird, ist aus einer neuen Quelle, die während der Jahre
1857 — 1859 erbohrt wurde und nach der Analyse von
Geh. Hofrath Professor Bunsen in Heidelberg in 1000 Theilen
Wassers folgende Bestandtheile enthält:
Zweifach kohlensauren Kalk .... 0,28350.
kohlensaure Magnesia . . 0,01460.
kohlensaures Eisenoxydul 0,00840.
Chlor- Calcium 3,03100.
Chlor -Magnesium 0,39870.
Chlor- Strontium 0,00810.
Schwefelsaures Strontian 0,01950.
Chlor- Natrium 12,71000.
Chior- Kalium 0,09600.
Chlor-Lithium 0,03910.
Chlor -Rubidium 0,00021.
Chlor- Caesium 0,00017.
Thonerde 0,00020.
Kieselerde 0,00040.
Freie Kohlensäure 1,64300.
Stickstoff 0,00460.
Schwefelwasserstoff ......... Spur.
Ammonium -Salze
Salpetersäure Salze
Phosphorsaure Salze
Organische Stoffe
Sümm~a~i«,28028.
An Gasen sind in 1000 Gramm Soole ^ dem Volumen
nach, enthalten:
. Sogenannte halbgebuiidene Kohlensäure 47,8 Kub.-Ctni.
Freie Kohlensäure 83,6
Stickstoff 3,7
Schwefelwasserstoff Spur.
1»
n
ffir Qobortshfilfe in B«rlin. IQS
Tausend Theile der Mutterlauge enttialteo:
Chlor- Calcium 296,SK).
Chlor- Magnesium .... 41,34,
Chlor- Strontium .... 8,00.
Chlor-KaUum 16,13.
Chlor-Rubidium 0,04
Chlor-Caesium 0,03.
Chlor-Lithium 11,09.
Chlor -Natrium 20,98.
Bromkalium 2,17.
Schwefelsaures Strontian 0,20.
Jodverbindungen, welche in den anderen hiesigen Sool-
quellen nachgewiesen sind, gelang es bis jetzt noch nicht in
dieser aufzufinden. Möglich, dass sie in dem Salzscblamme
gefunden werden, der noch chemisch untersucht wird.
Die Traubencur wurde in allen Fällen mit den Soolbädern
verbunden und äusserte dieselbe bei den Uteruserkrankungen
durch ihre auflösende Wirkung bei gelinder Ernährung einen
sehr wohllhätigen £influss. —
Betrachten wir die einzelnen Erkrankungen, so kam
der chronische Cdlarrh des Uterus entweder für sich allein
bestellend, oder in Verbindung mit Lageveränderung der
Gebärmutter häufig zur Beobachtung. Die an chronischer
Endometritis Leidenden waren mit wechselndem Ausfluss aus
den Genitalien behaftet, wobei die Untersuchung mit dem
Speculum die bekannten Symptome aufgelockerter, dunkel
gerötheter Portio vaginalis mit Erosionen um*s Orificium ex-
ternum zeigte. Die meisten Kranken litten an Digestions-
slörungen mit hartnäckiger Verstopfung, Urinbeschwerden,
ziehenden Schmerzen in der Kreuz- und inguinalgegend,
Anomalien der Menstruation, consensuellen Nervenleiden aller
Art, profusen Blennorrhoen, ja selbst sieches Aussehen beobachtet
man häufig. In den Kinderjaliren gingen öfters scrophulöse
Erkrankungen voraus, während in der Entwickelungsperiode
chlorotische Erkrankungen sich zeigten. Die Wirkung der
Traubencur besteht in Regelung der Verdauung, die Digestions-
störungen werden durch ^^^ ^u^ ^^n Darmcanal gelind wirkende
Trauben gehoben, Soolb^der mit Zusätzen von Mutterlauge
und fnjectionen vermindern ^^^ Ausfluss, sogar einzelne Fälle
104 VIJ. Verhflndlangen der Geselbchaft
vollständiger Heilung wurden von mir beobachtet Folgender
Fall, in dem vollständige Heilung eintrat, möge der Er-
wähnung werlb sein:
Frau V. «/., 19 Jahre alt, seil vier Monaten vcrheiralhet,
hat früher an Chlorose gelitten und viel Eisen geDoininea,
klagt seit der Verheirathung über Schmerzen im Leibe, im
Kreuze, in den Hüften, Dysmennorrhoe, DigesUonsstörungen.
Die Unlersucluuig zeigt chronische Endometritis, tiefstefaenden
schmerzhaften Uterus, den Rand des Orificium gewulstet,
erodirL Die Behandlung bestand in Soolbädern, denen Mutter-
lauge bis zu 12 Litern zugesetzt worden, Injectionen mit
verdünnter Soole bei täglichem Gebrauche von 5 Pfund Trauben.
Die Verdauungsstörungen wurden gehoben, das Allgemein-
befinden besserte sich, der Ausfluss vollständig beseitigt, so
dass die Kranke, nach vier Wochen vollkommen hergestellt,
die Cur beendigen konnte. Da die Mehrzahl der an chronischer
Endometritis Erkrankten mit Lageveränderungen der Gebär-
mutter complicirt waren, so wollen wir die Flexionen und
Versionen specieller erörtern, die unter 40 Kranken mit 24
vertreten waren.
Die verschiedenen Ansichten bewälu'ter Gynäkologen über
die örtliche Behandlung der Flexionen mittels Sonden oder
Hedresseurs brachte die Frage im Jahre 1854 in der Pariser
Akademie zum Abschluss eines Urtheils, ohne dass dieselbe
hierdurch entschieden wurde, indem die Erfahrungen von
Simpson, Carl Mayer j v. Kiwisch, Valleix, die mittels
Aufrichtung durch die Sonde Heilungen erzielten, nicht ge-
läugnet werden können, wobei zugestanden wird, dass veraltete
Flexionen, durch ausgedehnte Verwachsungen des Uterus mit
den Nachbarorganen bedingte, resullatlos behandelt werden.
Carl Mayer spricht sich gegen das fortwährende Liegen-
lassen der von Kiwisch, Simpson, Valleix und Anderen
gebrauchten Hedresseurs aus, da bei der Empfindlichkeit und
Reizbarkeit der Uterusschleimhaut dieselben nicht vertragen
werden, sondern (durch den beständigen Reiz) Endometritis
erzeugen, hiergegen wendet derselbe zur Aufrichtung der
Gebärmuiler verschiedene Sonden an, die, je nachdem we
vertragen w<*rden, einige Stunden liegen bleiben, ein Verfahren,
das von Seiten der Kranken und Aerzte grosse Geduld
für Qebiiitshülfe in Berlin. X05
erheischt, das aber bei lange fortgesetzten) Gebrauche endlich
doch zum Ziele fuhrt, wie ich mich selbst in niehrereu Fällen
überzeugte. Die Aufrichtung des Uterus wird unterstützt
durch Einfuhren von Gharpietampons, Gummiringen und ent-
sprechender allgemeiner Beliaudlung.
Wenn die durch Flexionen entstandenen secundären Ver-
änderungen der Gebärmulter, wie Catarrhe, Entzündungen,
Anschoppungen, als Folge des flectirten Uterus zu betrachten
sind, so ist wohl nicht anzunehmen, dass irgend welche
Therapie von günstigem Erfolge auf diese secundären Störungen
sein kann, ohne dass auf die Lageverbesserung des flectirten
Uterus Rucksicht genommen wird.
Denn mit der Dauer der Knickung verengert sich zugleich
das Oriiicium internum, die Ausfuhr der blennorrhoischen
und catamenialen Absonderung wird hierdurch gestört, in
Folge deren eine Reihe secundärer Störungen eintreten, die
Gebarmutter wird durch Zerrung des Gewebes in anhaltenden
Reizungszustand versetzt, es kommt zu Hyperämien, zu
JMetritiden und Peritonitiden. Es ist wohl natürlich, dass
durch Einführung und längeres Liegenbleiben der Sonde die
Verengerung des Orificium internum gehoben wird, dass der
Ausfluss des Secrets und der catamenialen Absondeiting stall-
linden kann, wodurch eine Reibe secundärer Symptome ver-
mieden wird. Ich glaubte, diese allgemeinen Bemerkungen
über die Behandlung der Flexionen vorausschicken zu müssen,
da ich in mehreren nachfolgenden Fällen bei dem Gebrauche
der Bäder und der Traubencur mehrfachen Gebrauch von
der Sonde machte und mich hinlänghch von der günstigen
Wirkung derselben überzeugte. Die Soolbäder und Traubencur
sind daher als ein kräftiges Unterstützungsmittel bei der
Behandlung der Flexionen zu betrachten, als durch dieselben
die SU lästigen Erscheinungen des häuOgen Dranges den
Harn zu entleeren, die sich manchmal zur unvollkommenen
Incontinenz steigerten, minderten, die besonders bei Reflexionen
so schmerzhaften Stuhlentleerungen werden durch den Ge-
brauch der Trauben beseitigt und anstatt der unbehaglichen
Symptome, der ziehenden Schmerzen in der Leistengegend,
der Brechneigung stellt sich grosse Erleichterung ein.
Die hysterischen Nervenverstimmungen , die verschiedensten
10g VII. Verhandlangen der Oeflellscbafk
Störungen der Sensibilität und Motilität, die so häufige
Gemuthsverstimmung finden durch Verbesserung des Allgemein-
befindens, durch Zunahme des Körpergewichtes, durch ver-
mehrten Tonus in der MuskeUubstanz, durch gehobene Energie
eine wesenlJiche Besserung.
Aus nachfolgenden Krankengeschichten ist ersichtlich«
inwielern die Soolbäder in Verbindung mit der Traubencar
einen Einfluss auf die aus den Lageveränderungen resultireodeii
Symptome ausübte.
1. Frau V. G., seit drei Jahren verheirathet, war nie
Gravida. In der Kindheit scrophulös, in den. Mädchenjahren
chlorotisch, immer unregelmässig tnenstruirt, litt dieselbe
an einem massigen Grade von Anteflexio. Die blass
aussehende, zart gebaute Dame klagt Aber Verdauungs-
besch werden, grosse Mattigkeit, Schmerzen in der Magen-
gegend, unregelmässige Verdauung. Beim Beginn der Cur
fand sich noch massiger Grad von Anteflexio, Catarrh des
Cervix uteri, leichte Erosionen. Die Sonde wurde während
eines sechs wöchentlichen Aufenthalts öfters applicirt, blieb
mehrere Stunden liegen, die Verdauungsbeschwerden wurden
bei täglichem Verbrauche von 6 Pfund Trauben beseitigt, das
Allgemeinbefinden besserte sich der Art, dass die Kranke bei
der Abreise sich kräftig und wohl fühlte. Menstruationen
vollkommen schmerzlos. Achlundz wanzig Soolbäder mit
Mutterlaugzusätzen, Injectionen verdünnter Soolen beseitigten
die Blennorrhoe, die Erosionen überhäuteten sich.
2. Fräulein v. Z., 24 Jahre alt, seit dem 14. Jahre
menslruirt, anfangs gut, seit sechs Jahren mit sehr heftigen
Schmerzen leidet an einer exquisiten Anteflexion fast mit spitzem
Winkel, der Erfolg der Sonde bis jetzt noch gering, der Fundus
sinkt immer wieder nach vorn. Bei der Ankunft klagt die
ohnedies schwächliche Dame ober gestörte Verdauung, der
Appetit fehlt, Zunge belegt, Stulil angehalten, unruhiger
Schlaf. Dauer der Cur vom 12. September bis 13. October.
Die Verdauungsbeschwerden voltständig beseitigt, Appetit gut,
Zunahme des Körpergewichts ist constatirt, Menstruation
schmerzlos, regelmässig. Traubenquantum täglich 5 Pfund.
Siebenundzwanzig Soolbäder mit Multerlaugzusätzen.
fflr Oebnrtsbiilfe In Berlin. 107
S. Frau t?. JT., 30 Jahre alt, seil 11 Jahren verheiratbet,
ohne je schwanger gewesen zu sein, regelmässig menslruirt,
wobei heftige Schmerzen im Rücken und Unterleibe sich
einstellten, klagt dieselbe über Beschwerden beim Uriniren,
Stuhlverstopfung, profuse Blennorrhoe. Die Vaginalportion
in der Aushöhlung des Kreuzbeines, so dass das Orißcium
schwer dem Finger zugänglich, Fundns nach vom, Erosionen
am Orificium, Endometritis. Sonde leicht einzuführen.
Während einer fünfwöchentlichen Cur, wobei die Sonde einen
Tag über den anderen eingeführt wurde, besserte sich die
Stellung der Gebärmutter, die so lästigen Schmerzen im
Kreuze und (Jnterleibe Hessen nach, die Erosionen heilten,
die Blennorrhoe verminderte sich. Dieselbe gebrauchte
26 Soolbäder mit Mutterlauge bis auf 20 Liter steigend bei
täglichem Gebrauche von 3 — 5 Pfund Trauben.
4. Frau v. B,^ 23 Jahre alt, 5 Jahre verheirathet,
nie schwanger, leidet an Anteversio uteri, die Vaginalportion
stark nach hinten, Uterus schmerzhaft, die Lippen erodirt.
Die Stellung der Gebärmutter hatte sich während der Be-
handlung des Herrn Gelieimrath Carl Mayer gebessert, die
Erosionen begonnen zu heilen, übrigens bestand beim Beginn
der Cur noch Endometritis und Intumescens der Leber.
Während einer fünfwöchentlichen Behandlung, wobei die Sonde
öfters eingeführt längere Zeit liegen blieb, besserte sich die
Stellung der Gebärmutter noch mehr, tägiichor Gebrauch von
6 Pfund Trauben regelle die Darmentleerungen, die einen Zoll
über die falschen Rippen herunterragende Leber verkleinerte
sich, so dass die Kranke als geheilt in ihre Heimath zurück-
kehrte. Achtundzwanzig Soolbäder mit Mutterlauge und In-
jectionen verdünnter Soole wurden gebraucht.
5. Frau 8ch,, 29 Jahre alt, seit sieben Jahren ver-
heirathet, war nie schwanger, immer schwach, bleich, mager,
hat sie schon seit dem 15. Jahre vor dem ersten Auftreten
der Menstruation an hysterischen Krämpfen in dem heftigsten
Grade und in den verschiedensten Formen gelitten und ist
vielfach ohne Erfolg behandelt worden. Seit Anfangs August
1862 in Behandlung des Herrn Carl Mayer fand derselbe
eine exquisit«* Anteversio uteri und bei sehr unregelmässiger
Verdauung hartnäckige Verstopfung. Die Sonde wurde öfters
103 ^'1^* Verbandlungen der Geflellschitft
applicJrt, wobei es leidlich ging und die Anteversio gebessert
wurde. Dieselbe gebrauchte 24 Soolbäder mit Mutterlaug-
zusätzen bis auf 26 Liter steigend, Injectionen verdunnttf
Soole bei laglichem Verbrauche von 4 Pfund Trauben. Die
Oarmentleerungen wurden reichlicher, ein bis zwei Mal tägMcb,
das Aügeineinbefiaden besserte sich, jedoch traten während
der funfwöchentlichen Cur zwei hysterische KrampfanfaUe auf,
ein Mal unmittelbar nach der Entfernung der Sonde. Ob die
hysterischen Krämpfe später ausblieben, darüber habe ich
bis jetzt keine Nachricht.
6. Frau (?., 26 Jahre alt, seit vier Jahren verheirathet,
hat vor drei Jahren ein nicht ausgetragenes Kind geboren,
welches bald nach der Geburt starb. Seitdem litt sie
an Digestionsstörungen, an Menstruationsbeschwerden, an
Blennorrhoe mit heftigem Jucken, an Hinfälligkeit, hysterischen,
nervösen AfTectionen. Die Untersuchung ergab Catarrbus
pudendorum, chronische Metritis mit beträchtlicher Anteversio;
diese Erscheinungen hatten sich unter der Behandlung des
Herrn Geheimrath Mayer gebessert, jedoch klagt die Kranke
beim Beginn der Cur noch über Schmerzen im Kopfe und
Magen, Appetitlosigkeit, unregelmässige Verdauung. Das Jucken,
das bei ihrer Ankunft noch vorhanden war, verlor sich unter
dem Einflüsse der Soolbäder vollständig, die Erosionen örtlich
mit Solut. Zinc. alumin. und Injectionen von Soole behandelt
heilten vollkommen, von Blennorrhoe keine Spur mehr vor-*
banden. Die Menstruation stellt sich ohne Schmerzen ein,
der Appetit wird gut, Darmentleerungen regelmässig, wobei
das Aligemeinbefinden ein gutes wurde. Vom 23. September
bis zum 25. October nimmt dieselbe 26 Soolbäder bis auf
28 Liter Mutterlauge steigend bei täglichem Verbrauche von
4 Pfund Trauben.
Mögen diese Krankengeschichten Ober Anteflexionen und
Anteversionen genügen, um den wahren Wer th der Soolbäder
mit Traubencur auf genannte Erkrankungen beurtheilen zu
können. Nur noch einige Fälle von Retroflexionen und andere
Gebärmutterkrankheiten sollen näher beigefügt werden.
7. Frau 8ch,, 32 Jahre alt, seit 13 Jahren verheirathet,
hat vier Kinder geboren, das letzte vor 10 Jahren, und leidet
seit dieser letzten Geburt, in Folge einer heftigen Metrorrhagie,
fdr Gebartshüife in Berlin. 109
an hysterischen KrampfanfaJien , die besonderH uach An*
strengungen und Aufregungen einUreten. Bereits im Juhre 1861
wurde sie von Carl Mayer nf)it selir gulem Erfolge nach
Franzensbad geschickt, im Mai 1862 kam sie wieder in
seine Behandlung, klagt seit Weibnachten über Herzklopfen,
hysterische Krämpfe, dabei war die Digestion nicht recht in
Ordnung, der Magen empfindlich, der Geschmack oft sauer,
der Stuhl sparsam. Die Menstruation war regelmässig, mit
Schmerzen verbunden, Blennorrhoe nicht sehr copiös, die
Vaginalportion nach vorn geneigt, der Uterus geschwollen,
schmerzhaft, nach hinten gerichtet, die Lippen in .zwei grosse
Lappen getheiit, deren innere aufgewulstete Flächen stark
erodirt. Nach längerer örtlicher und innerer Behandlung
besserte sich das Uterinleiden, die Kranke gehrauchte zur
Nachcur nochmals Franzensbad, von wo sie nicht so wohl, wie
im vorigen Jahre, zurückkehrte. Am 18. September 1862
trifft sie zum Gebrauch der Traubencur und Soolbäder hier
ein, ffihlt sich angegriffen, schwach, reizbar, klagt über
Seitenschmerzen, Magenleiden, namentlich über anhaltendes
heftiges Aufstossen, über Weinkrämpfe, die Beschaffenheit des
Uterus ist etwas besser, jedoch bestehen noch Erosionen
und Blennorrhoe. Beim Gebrauche von 24 Soolbädern mit
8 Liter Mutterlauge und 5 Pfund Trauben täglich, womit
örtliche Behandlung mittels Solut Zinc. alum. verbunden wird,
heilen die Erosionen, Blennorrhoe wird vollkommen beseitigt,
die Menstruation am 7. October regelmässig, schmerzlos,
Herzklopfen lässt nach, Digestion in Ordnung, regelmässige
Ausleerung, so dass die Kranke am 19. October als geheilt
in ihre Heimath zurückkehrt.
8. Frau^., 25 Jahre alt, seit drei Jahren verheirathet,
war nie schwanger, dabei leidet sie an heftiger Dysmennorhoe,
die Schmerzen beginnen gewöhnlich mit dem Eintritte der
Mensti*uation, dauern einige Tage fort, nachher folgt reichliche
Blennorrhoe. Am 29. August kommt die Kranke hierher, der
Uterus ein wenig nach hinten gekrümmt, bei Druck schmerz-
haft, im Umfang des Orificium die Schleimhaut gelockert,
erodirt, scharlachroth. Ich behandelte dieselbe örtlich mittels
Sonde, wegen der beträchtlichen Hyperämie des Orificium nahm
ich zwei Mal Scariiicationen vor, ätzte mit SoluL argent nitr.
110 Vir. V^rhandlnngea der OeMlltchaft
ein Mal, wobei die Kranlie Soolbäder und Traubeocur ge-
brauchte, womit noch laue Injectionen verduniiter* Sooie ver-
bunden werden. Am 4. September 1862 steille sich die
Menstruation, wie früher, mit Schmerzen ein, während am
9. October dieselbe ganz ohne Schmerzen eintritt, die Steiiinig
der Gebärmutter gebessert, Blennorrhoe geheilt, so dass
Patieniin am 9. October vollkommen hergestellt Dürkheim
verlässl. Im Ganzen wurden 30 Soolbäder mit 16 Liter
Mutterlauge und 4 Pfund Trauben täglich verbraucht.
9. Frau M,^ 51 Jahre alt, seit neun Jahren verheiralhel,
hat bereits sechs Kinder geboren , das letzte vor einem Jabre,
seit welcher Zeit zum Theil ihr gegenwärtiges Leiden herrührL
Froher immer gesund und kräftig trat in der letzten Schwanger-
schaft nach körperlichen Anstrengungen eine reichliche Hämoptoe
ein, die sich öfters wiederholte, bei der sich aber weiter
kein Husten einstellte. Nach dem letzten Wochenbette traten
dysmennorrboische Beschwerden ein, es gingen der Menstruation
acht Tage laug bedeutende gastrische Störungen, Magen-
beschwerden mit belegter Zunge, Uebelkeiten, Schmerzen in
den Gliedern, Ziehen im Kreuze nach den Schenkeln voran
und nachher folgte Blennorrhoe. Die immer sehr copiöse.,
4 — 5 Tage dauernde Menstruation fehlt seit 12 Wochen ganz,
die Leber unter den kurzen Rippen etwas hervorragend, beim
Drucke schmerzhaft, der Uterus tief stehend, nach hinten
leicht gekrümmt, die Vaginalportion tief nach vorn, der ganze
Uterus beim Di*ucke von aussen und innen schmerzhaft, die
innere Fläche der Lippen bis über den Rand des Orilicium
hinaus beträchtlich erodirt, die Schleimhaut aufgewulstet,
leicht blutend. Die Sonde lässt sich leicht nach hinten ein-
fuhren und richtet den Uterus leicht auf, doch nicht ohne
Sclimerzen. Die Untersuchung der Brust ergiebt in der rechten
Fossa supraspinata unbestimmtes Athmen. Unter diesen Um-
ständen beginnt die sehr heruntergekommene Kranke am
16. September 1862, bei vorsichtigem Gebrauche der Trauben
die Soolbäder, denen anfangs 2 Liter Mutterlauge aümäfig
steigend bis zu 10 Liter zugesetzt werden, bei welcher letzteren
Dose die Schwäche wieder zunahm, so dass das Mutteriaug-
quantum wieder verringert werden musste; hierbei werden
Injectionen lauer Soole und Eingiessungen einer Solut.Ziuc. alum.
mr 0«bartohfilfe in Berlin. Hl
verbunden mit zeilweiser Aufrichtung des retroflectirten Uterus,
bei weicbev Bebandiung die Kranke nach funfwöchentJicheni
Gebrauche sich so erholte, dass das Allgemeinbefinden bei
einer Körpergewicbtszunahnie von 5 Pfund ein ToUkommen
gutes wurde, bei Vermiuderung der Blennorrhoe und Heilung
der Erosionen.
Noch einige Fälle chronischer Metritis mögen hiei eine
Stelle finden, für die schon v. Kitvisch die Soolbäder empfiehlt
10. Frau 8. , 21 Jahre alt, seil 2% Jahren verheirathet,
gebar vor einem Jahre ein Kind, litt vor und nachher an
sehr profuser Menstruation, an Blennorrhoe, an Verdauungs*
und Brustbeschwerden, an schweren Stuhlentleerungen. Die
Vaginalportion steht stark nach hinten, die Lippen sind in
zwei grosse Lappen gerissen, aufgewulstet, umgeworfen, die
aufgewulstete innere Fläche ist stark papillär erodirt, scharlach-
roth, blutend, der ganze Uterus ist geschwollen und schmerz-
haft; chronische Metritis mit papillären Erosionen, mit
Congestionen nach den Beckenorganeu ; ausserdem klagt die
Kranke über Brustbeschwerden, Husten mit blutig geßrbten
Sputis, Heiserkeit. Die Untersuchung der Brust ergiebt, mit
Ausnahme unbestimmten Athmungsgeräusches, in der rechten
Fossa supraspinata keine Veränderung. Am 17. September
beginnt die Kranke die Traubencur mit kldnen Dosen 3 Pfund
täglich beginnend und allmälig auf 6 Pfund steigend, wodurch
die Verdauungsbeschwerden gehoben, die Stuhlentleerungen
geregelt, die Heiserkeit vermindert sich hierbei: den Sooibädern
werden kleine Zusätze Mutterlauge von 2 — 8 Liter beigefugt,
Injectionen lauer Soole, wegen der Hyperämie der Vaginal-
portion Scarificationen und Eingiessungen von SoluL Zinc. alum.
Die Kranke gebraucht bis zum 28. October die hiesige Cur,
ihre Klagen werden seltener, das Uterusleiden ist gebessert,
die Blennorrhoe gemindert und die Erosionen beginnen zu heilen.
11. Frau V. B,, 37 Jahre alt, seit 17 Jahren ver-
heirathet hat sieben Mal geboren, die beiden letzten Male
zu fräh im siebenten Monate, das letzte Mal vor vier Jahren,
seit welcher Zeit sie leidend geblieben ist, über Unordnungen
der Menstruation geklagt hat, welche thcils Folge der früh-
zeitigen Geburten, der gewaltsamen Lösungen der Placenta
bei einigen Geburten, der dadurch bedingten papillären blutenden
112 ^^^' Verhandtnngen der G^Benschaft etc.
£rosioDßn der Lippen und des Cervicalcanals , tiieils Folge
von Abdominal -Plethora, Leberaffeclionen sind. «Der ülenis
war beträcliUich iiitumescirt, die blutenden, vüliiininös<*n,
aufgelockerten Lippen sehr erodirt und stark nacli hinten
gericbtet, die Menstruation profus und in der Zwischenzeit
zeigt sich blutige seröse Absonderung. Diese Symptome waren
nach (1er Behandlung von Seite des Herrn Geheinirath Mayer
gebessert, jedoch traten zuweilen Recidive ein, besonders
blutige Absonderung aus den Genitalien. Die Kranke beginnt
am 17. September die hiesige Cur, die Soolbäder werden in
der ersten Zeit einfach gegeben, später kleine Zusätze ?on
Mutterlauge gemacht, welche die Kranke selbst ein Mal auf
18 Liter steigerte, es trat alsdann wieder blutige Absonderung
mit grosser Verstimmung ein, ich liess dann kleine Mutterlaug-
Zusätze von 8 Litern bis zur Beendigung der Cur am
16. October machen, wobei sich die Dame wohler fühlte,
die Menstruation tritt normal, nicht so copiös wie früher
ein, die blutige Absonderung wird vollkommen beseitigt,
das Allgemeinbefinden ist so gut, dass am Schlüsse der Cur
eine Körpergewichtszunahme von 3 Pfund zu constatiren ist
Der tägliche Gebrauch von 3 — 5 Pfund Trauben regelte die
Verdauung.
12. Frau Jf., 34 Jahre alt, seit 14 Jahren verheirathet,
lebte bis vor sieben Jahren in kinderloser Ehe, consultirle
damals Herrn Geheimrath Mayer , welcher Anteflexio und
Endometritis fand, sie längere Zeit behandelte und dann
Soden und Durkheim gebrauchen liess. Seit fünf Jahren hat
dieselbe drei Kinder geboren; das letzte im April 1862,
seitdem ist sie leidend geblieben, wurde lange mit Eisenmitteln
behandelt, weil sie im Wochenbette viel Blut verloren und
anämisch wurde. Seit jener Zeit klagt sie über eine plötzliche,
rasch vorübergehende Bewusstlosigkeit bis zum Umfall und über
einen plötzlich auftretenden von der Mittelzohe ausge^henden
heftigen Krampf des rechten Fusses. HiTr Carl Mayer fand
Melritis chronica, schmerzhaften angeschwollenen Uterus,
verordnete Blutegel und liess ausleerende Mittel nehmen.
Am 7. September beginnt sie die hiesige Cur, nimmt bis
zum 8. October 26 Soolbäder, denen Mutterlauge bis zu
80 Liter steigend zugesetzt wurde, bei täglichem Gebrauche
VJII. HüUr, lieber AoteTer^io uteri graridi. Hg
von 4 Pfund Trauben, weiche die Darmentleerungen be-
thätigen, die von der Zehe ausgehenden Schmerzen sind
beseitigt, anstatt dessen bleibt noch ein Gefühl von Ein-
geschlafensein in der Zehe zuiiick, in der ersten Woche ihres
Hierseins ti^elen häußge Anfalle von Bewussüosigkeit auf, die
vom 24, September an vollständig ausbleiben.
Mit den vorliegenden Krankengeschichten beabsichtige
ich durchaus nicht, die in vielen Fällen herbeigeführten
Besserungen und Heilungen den Bädern und den Trauben
allein zuzuschreiben, sondern betrachte dieselben, wie oben
angedeutet, als kräftiges Unterstülzungsmillel für üterin-
erkrankungen , bei denen entweder eine entsprechende örtliche
und allgemeine Behandlung vorausging, oder dieselbe noch
mit der Cur selbst verbunden wurde. Bezüglich der physio-
logischen Wirkung der Soolbäder, so muss ich mir diese
Arbeit für einen späteren Aufsatz vorbehalten, während ich
über die Wirkung der Traubencur auf meine im vorigen Jahre
bei Hirschwald in Berlin erschienene Schrift verweise.
VIII.
üeber Anteversio uteri gravidi.
Von
Dr. T. Hüter,
Privatdocent In Harburg.
Vergleicht man die Literatur über Retroversio uteri gravidi
mit der über Anteversio uteri gravidi, so wird man sich von
einem grösseren Reichthume der ersteren und einem verhältniss-
mässig spärlichen Vorhandensein der letzteren überzeugen.
Man könnte demnach glauben, zu der Annahme berechtigt zu
sein, dass die erstgenannte Lageveränderung des Uterus viel
häufiger als die letztgenannte vorkomme. Es ist jedoch das
Gegentheil durch unabweisbar sichere Thatsachen constatirt
worden. Die Anteversio uteri gravidi ist nämlich in den
ersten drei Schwangerschaftsmonaten, wenn auch in geringem
Monatoscbr. f Oebnrtok. 1868. Bd. XXII., Hft. 2. 8
114 Vlll. HiU^Ty Ueber Anteversio ateri graridi.
Grade so hitifig, dagg man diese LageTeränderung zu diesn*
Zeit gar nicht als pathologisch auffassen darf. Zu dieser
Ansicht ist man auch aus dem Grunde berechtigt, weÜ das
Leiden, wenn es in unbedeutendem Grade besteht, keine
lästigen und gefährlichen Symptome hervorruft Diese treten
erst dann ein, wenn die Anteversio uteri einen höheren Grad
erreicht In seltenen Fällen, wenn ein sehr hoher Gra<l des
Leidens zu Stande gekommen ist, nehmen die Symptome
einen solchen Charakter an , dass man glauben kann , es leide
die Schwangere an Retroversio uteri.
Ich hatte Gelegenheit, mich bierron in zwei Fälien zu
fibiTzeugen. Bevor ich deren ausführliche Beschreibung liefere,
glaube ich die älteren Beobachtungen ober Anteyersie uteri
gravidi voranstellen zu nifisgen.
Zugleich will ich hier darauf aufmerksam machen, dass
nur die Fälle in Betracht kommen können, in welchen die
Anteversio uteri gravidi im Beckenraume statthatte, dass da-
gegen das Vorwärtsneigen des Grundes der schwangeren
Gebärmutter in den späteren Monaten, besser unter dem
Namen des Hängebauches bekannt, ausser Betracht bleibt
I. Baudelocque (L'Art des accouchemens. Tom. 1.
Nouvelle Edit, Paris 1789, p. 148) schreibt in einer An-
merkung: ^M, Ghopparty notre confrere, nous a communique
un exemple d*ante-version de matrice chez une femme grosse
de deux niois, qui ne sembloit avoir eu d'autre cause que
les efl'orts du vomissenient"
IL Mad. Boivin (Boivin und Dug^a^ Traite pratique
des maladies des Tuterus et de ses annexes. Paris 1833.
Tom. L, p. 116) berichtet mit folgenden Worten über ein
Beispiel von Anteversio uteri gravidi: „Le fond de la matrice
s'etait incline en avant plus bas que le col, et la reduction
paraissait impossible; mais la nalure seule en vint ä bout
Sans difficulles par les progres m^mes de Taccroissement de
In matrice, qui fut ainsi forcee de s'elever dans Tabdomen.**
IH. Nad. Boivin (p. 134) beobachtete bei einer Frau,
welche im nicht schwangeren Zustande an Anteversio uteri
behandelt war, den Eintritt der Schwangerschaft. Zwei Monate
nach dem Beginn derselben bekam die Frau Schmerzen hinter
den Schambeinen und zugleich heftiges Erbrechen. Ein starker
VIII. Hüier, üeher AnteTernio uteri grayidl. 115
Aderiass hraehl« Erleichtening. Einige Zeit darntif traten
dieselben Symptome em, wurden aber auch beseitigt, so dnss
die Schwangerschaft ohne weiteren Zufall ihr normales Ende
erreichte.
IV. Hachmann (Magazin der ausländ. Literatur der
ges. Heilk. u. s. w., von 0er son uud Julius, Hamburg 1834.
8. Bd., S. 852) beobachtete eine Anteversio uteri bei einer
im dritten Monate schwangeren Frau, welche zwei Jahre vorher
abortirt hatte, in Folge eines Fehlti*itts auf der Treppe des
Hauses. Die hierdurch verursachte Erschütterung des Körpers
rief sogleich die lebhafteste Schmerzen in der Magengegend
und in dem rechten Hypochondrium hervor. Diese Schmerzen
dauerten unter Fiebersymptomen und heftigem Drängen zum
Harnlassen zwei Tage an. Der Zustand wurde als entzQndlidie
Unterleibsaffection behandelt, bis am dritten Tage die Vaginal-
exploration vorgenommen wurde, deren Ergebniss folgendes
war: Hinter der Symphyse lag eine halbkugelige elastisch
weiche Geschwulst, welche in die mittlere Apertur des kleinen
Beckens hinabragte und die vordere Scheidenwand bedeutend
nach unten drängte. Die Vaginalportion lag hinten in der
Aushöhlung des Kreuzbeines gegen das Rectum gedrängt.
Mit dem elastischen Katheter wurde nun eine grosse
Menge Urin entleert. Dies wurde am Abend desselben Tages
wiederholt und hierauf die Reposition des antevertirten Uterus
vorgenommen. Zu diesem Zwecke wurde die Kreuzgegend
etwas erhöht gelagert. Ein Druck gegen die tiefste Steile
der vorderen Vaginalwand, welcher mit den vier Fingern der
rechten Hand ausgeübt wurde uud für die Kranke höchst
schmerzhaft war, bewirkte, dass der Uterus aus dem kleinen
Becken sich ^hob und der Muttermund in die Föhrungs-
lini« trat.
Die Schwangere musste noch einige Tage hindurch die
Röckenlage beibehalten. Die Schmerzen und Fiebersymptome
hörten auf. Es trat völlige Genesung ein. Nach 26 Wochen
erfolgte eiae natürliche Geburt
V. Wilcke (Casper^s Wochenschr., 1838, No. 52; vergl.
Sehmidfs Jahvh., 23. Bd., S. 76) hat unter der Ueberschrift
,^V<erwärtabeugung der Gebärmutter'* eine Beobachtung ver-
öffentlicht, welche, wie es scheint, diese Bezeichnung nicht
116 Vm* Hüter, Ueb«r AnteTertio atari gravidi.
verdient. Eft handelte sich niinlich um die Entbindung einer
Erstgebärenden am Ende der Schwangerschaft, bei wekher
das vordere Scheidengewölbe durch den voriiegenden Kindstheii
stark herabgedrängt und der Muttermund in Folge desseii
weit nach hinten gestellt war.
Godefroy (Annales de gynecologie et de pediatrique
par M, Schönfdd, Tom. II., Serie IL, 9. Livraison, Juiii,
Bruxelles 1842, p. 303) hat folgende Beobachtungen gemacht:
VI. Eine Frau mit grossem Becken, weJche bereits zwei
Kinder geboren hatte, empfand im August 1839, zu welcher
Zeit sie sich im vierten Schwangerschadsmonat befand, die
Symptome von Schwere im Becken, von Reissen beiderseits
in der Leistengegend und von beständigem Bedörfniss zum
ürinlassen. Trotz der stärksten Anstrengung Hess die Kranke
jedes Mal nur einige Tropfen Urin. Dabei schrie sie vor
Schmerz und Angst und wälzte sich mit geröthetem Gesichte
unruhig im Bette umher. Die Vaginalschleimhaut war unter
dem beständigen Pressen gegen die Schamspalte hingedrängt.
Die Regio hypogastrica war bei Druck empfindlich. Das
Collum uteri stand hinten und hoch. Vom befand sicli eine
abgerundete Geschwulst, welche gegen die Schambeine drückte.
Es wurde nach diesem Befunde eine Anteversio uteri diagnosticlrL
Ein Katheter, welcher in die Blase gefuhrt wurde, hatte den
Erfolg, dass ungefähr ein Glas voll Urin abfluss. Mit dem
Kaibeter konnte man den Fundus uteri in querer Richtung
an den Wänden der Blase erkennen.
Als die Kranke wie zu einer schweren Entbindung ge-
lagert war, wurde die Gebärmutter mit den beiden Zeige»
tingern, von denen der eine in die Vagina, der andere in
das Rectum eingeführt wurde, in senkrechte Stellung gebracht
Diese Manipulation war schmerzhaft für die Kranke, weiche
sehr empfindlich war, und ermüdend für den Operateur, weil
die Schamhaftigkeit der Frau ihm bei dem Reponiren hinder-
lich war. Eine ruhige Lage im Bette, welche die Kranke
einige Tage lang beobachten musste, vollendete die Heilung.
VII. In dem folgenden Jahre traten bei der Frau zu
derselben Zeit (4. Monat) einer neuen Schwangerschaft die-
selben Zufälle ein. Oodefroy war verhindert, sich zu der
Schwangeren zu begeben und ertheilte, durch die Symptome
VIII. jgrittdr, Ueber Antevertio Qteri graridi. 117
von dem Bestehen der Antevergio uteri überzeugt > d^m
Ehemanne der Schwangeren den Ratb, diese in die Lage zu
bringen, dass der Kopf mit den Händen auf dem Fussboden
und die unteren £xti*eroitäten auf dem Betle ruhten. Bei
dieser Lagerung wurde beabsichtigt, dass die Eingeweide durch
ihre Schwere gegen das Zwerchfell gezogen wurden. Dadurch
sollte die Gebärmutter vom Drucke befreit werden, vermöge
ihrer Schwere die Neigung gegen die Mitte des Leibes hin
bekommen und in Folge dessen ihre normale Stellung wieder
eimehmen.
Der Erfolg war günstig. Kaum hatte die Frau 15 Minuten
in dieser Lagerung verhant, so fühlte sie sich erleichtert.
Das Gefühl der Schwere war verschwunden. Sie legte sich
wieder zu Bett und war nach einigen Tagen, welche sie in
ruhiger Lage hinbrachte, wieder geheilt.
VUL Die folgende Beobachtung ist zuverlässiger, weil
Godefroy die Anteversion durch die Untersuchung feststellte.
Die Kranke, welche seit 3V2 Monaten schwanger war, wurde
ebenfalls in die vorher beschriebene Lage gebracht. Man
musste sie dabei an den Schultern halten. Nach 20 Minuten
konnte man durch die Untersuchung feststellen, dass der
Uterus sich wieder in seiner normalen Stellung befand.
IX. Die sehr grosse und kräftige Frau (?., welche bereits
drei Kinder nach jedes Mal regelmässig verlaufener Schwanger-
schaft natürlich geboren hatte, war in den ersten Tagen des
Monat Juni 1862 zum letzten Mal nienstruirt und wurde
nach dieser Zeit zum vierten Male schwanger. Abgesehen
von zuweilen eintretendem Erbrechen und Widerwillen gegen
gewisse Nahrungsmittel verlief die Schwangerschaft bis zum
3. September ohne Störung. An diesem Tage war die Frau
mit dem Waschen des Fussbodens in ihrem Wohnzimmer
beschäftigt, wobei sie sich meist in gebückter Stellung befand
und üfter niederkniete. Wahrend dieser Beschäftigung stellten
sich Schmerzen in der Sacralgegend ein, welchen sich auch
ein sehr lästiges Drängen zum Harnlassen und zur Stuhl-
entleerung zugesellte. Diese Beschwerden hörten am 4. und
5. September nicht auf, wurden vielmehr am 6. September,
an welchem Tage auch Blutfluss aus den Geschleehtstheilen
118 VIII. HüUTy Ueber ADteversU uteri ip-iiriAi.
io massiger Menge hiuzutuini, so hefiig, das» ^ Frau ach
enUcbloes, meine HOlfe in Anspruch zu nehmen.
Ich traf die Frau am Nachmittage stark schwitzend und
mit ängstlichem Gesichtsausdrucke im Bette sitzend. Sie hielt
sich mit beiden Händen an den Seiten dieses fest und presste
mit Hülfe der Bauchmuskeln und des Zwerchfelles mehrmals
rasch hintereinander so stark, wie eine Frau, welche sich in
der Austi*eihungsperiode befindet. Dabei klagte sie über an-
dauernde Sacralschmerzen, sehr lästigen Druck im Becken und
beständiges Drängen zum Harnlassen und zur Stuhlen Üeerang.
Mit Widerstreben liess sich die Frau bewegen, die Racken-
läge anzunehmen. Als dies bewerkstelligt war, applicirte i<^
einen elastischen Katheter, aus welchem eine geringe Menge
Urin ausfloss. Ein Druck oberhalb der Symphyse brachte
keine weitere Harnentleerung zu Stande. Die Palpaiion des
Leibes war sehr erschwert, weil die Bauchmuskeln in fast
ununterbrochener Conlraclion verharrten. Doch gelang e^
mir dadurch, dass ich in einem kurzen Zeitabschnitte, während
dei^sen die Kranke auf mein Auffordern stark ausathmete,
meine Finger unmittelbar über der Symphyse in der Richtung
gegen die Wirbelsäule hin tief eindruckte, einen festen Tumor,
der sich etwa einen Zoll über der Symphyse erhob, nach-
zuweisen.
Die innere, mit meinem linken Zeigefinger vollzogene
Untersuchung lieferte folgendes Ergebniss. Das vordere Scheiden-
gewölbe war durch eine prall anzufühlende und gleichmässig
gespannte Geschwulst sehr tief berabgesenkt und beim Ein*
drücken mit meinem Finger schmerzhafL Die Vaginalportion
konnte ich anfangs nicht ausfindig machen. Ich liess daher,
um njeiuen Ellenbogen besser senken und dadurch meinen
Zeigefinger besser nach hinten und in die Höhe führen zu
können, die Kreuzgegend der Kranken durch ein dickes Polster
erhöhen und erreichte nach dieser Vorbereitung die Vaginal-
portion. Dieselbe bildete mit der Geschwulst ein Conthiuom,
lag in der Aushöhlung des Kreuzbeins, war fast 1 Zoll laug
und hatte eine ziemlich derbe BescliafTenheit. Ihre Längenaclise
stand fast senkrecht zu der Kreuzbeinflache. Die Muttermunds-
lippen w^ren mit der hinteren Vaginalwand in solcliem Contact,
dass es schwer war, die Fingerspitze in die Multermoods-
yill. HiUm-, Uel>«r Antev«r«io utorl graridi. ]19
ölfoiuig bineiozubriugen. Düouoch gelang es niii*, mit derselben
eine kurze Strecke in dem Cervicalcanal vorzudringen und
»>inige kleine Blatcoagula in diesem wahrzunehmen. Wäbi-end
die Kranke die Bauchmuskeln und das Zwerchfell in Thätigkeii
setzte, wurde der Contact der Vaginalporlion mit der hinteren
Vaginalwand so innig und fest, dass es ganz unmöglich war,
den Finger zu dem äusseren Muttenuunde zu führen. Das
Rectum war in Folge der am Vormittage stattgehabten Stuhl-
entleerung leer. Meine linke Hand war durch die Unter-
suchung mit viel Blut beschmutzt.
Ich hatte nun die Gewissheit erlaugt, dass der Fundus uteri
hinter der Symphyse lag, das vordere Scbcidengewolbe durch
die vordere Wand des Uterus tief herabgedröckt wurde und somit
ein bedeutender Grad von Anteversio uteri gravidi vorhanden
war. Das Fortbesteheu dieser LageabweichuHg der Gebarmutter
rausste mit der allergrössten Wahrscheinlichkeit den bereits
drohenden Abortus in den Gang bringen, während nach der
Reposition der antevertirten Gebärmutter von der sistirenden
Behandlung des Abortus einige Hoffnung für die Erhaltung
der Schwangerschall zu erwarten war.
Ich Hess daher die Kranke Morph, acetic. gr. V2 nehmen
und suchte sogleich darnach durch Zeige* und MittelGnger
meiner linken Hand den Uterus hinter der Symphyse in die Höhe
zu schieben. Die Kranke, welche dabei beständig die flach«
Rückenlage beibeliielt, empiand während dieses Reposition»-
Verfahrens wenig Schmerz. Ais ich aber die Vaginalportion
von hinten her hakenförmig mit meinem Zeigefinger umfasste
und nach vorn zog, klagte die Kranke .l^ut über sehr hefUgeu
Schmerz. Derselbe hörte jedoch nach Beendigung dieses Actes,
welcher viel mehr als das Eniporschieben des Uterus mit den
Fingern dazu beitrug, die Stellung des Uterus zu verbessern,
sogleich auf.
Obwohl es nicht gelang, durch diese Art der Reposition
die Anteversio uteri vollständig zu beseitigen, so brachte ich
es doch dahin, dass die vordere Vaginalwand nicht mehr so
tief stand und das Orilicium uteri der Führungslinie des
Beckens näher gerückt war. Die Sacralschmerzen waren
bedeutend gemindert, der Druck im Becken nicht mehr so
stark. Der Blutabgang war massig.
120 Vfll. HUUr, Ueber AnteTertio uteri g^ravidi.
Bei der Dach beendeter Reposition vorgenomnnenen äusseren
Untersuchung fand ich den Uterus etwas* h6her ober der
Symphyse stehend. Hit der Anordnung, dass die Schwangere
in der grössten Ruhe die Rückenlage beibehalten müsse,
verliess ich das Krankenzimmer und kehrte am Abend nach
Ablauf von etwa vier Stunden wieder zurück. Die Schwangere
hatte bald nach meinem Weggehen zwei Stunden lang ge-
schlafen. Beim Erwachen und noch jetzt klagte sie über
Schwindel und Kopfweh. Der Drang zum Harnlassen war
beseitigt, die Sdimerzen waren ganz verschwunden und nur
noch ein lästiges Gefühl von Druck im Becken zurückgeblieben.
Die Metrorrhagie war gering gewesen. Bei der inneren
Untersuchung fand ich in der Vagina einige kleine Blutcoagula.
Die mehr nach vorn gerückte Vaginalportion war noch eben so
lang und eben so derb wie vorher. Zwischen den Mutlermunds-
lippen steckte ein Blutcoagulum. Den Versuch, mit meinem
Zeigefinger in den Cervicalcanal einzudringen, unlerliess ich
aus Furcht, hierdurch zum Eintritte des Abortus etwas bei-
tragen zu können. Vor meinem Weggehen ordnete ich an,
dass die Kranke zum zweiten Male Morph, acet. gr. V2 nehmen
und ruhig auf dem Rücken liegen bleiben möge.
Am Morgen des 7. September fand ich die Kranke, welche
sich von allen Schmerzen frei fühlte, in einem halb comatösen
Zustand. Die massig gefüllte Harnblase wurde mit dem
elastischen Katheter entleert. Es gelang mir hierauf, den
Fundus uteri deutlich 2 Zoll hoch über der Symphyse nach*
zuweisen. Es war immer noch etwas Blut aus den Geschlechts-
theilen abgegangen. • .
Am Nachmittage desselben Tages hörte ich die Schwangere
noch über etwas Schwindel und Kopfweh klagen. Der Blut-
abgang hatte seit dem Vormittage aufgehört. Das Urinlassen
war willkürlich und ohne Schmerzen verrichtet worden.
Auch an den nächsten Tagen traten keine Schmerzen
und kein Blutabgang mehr ein, so dass die Frau acht Tage
später wieder aufstand.
Im weiteren Verlaufe der Schwangerschaft wurde die
Frau durch häufiges Erbrechen belästigt und litt in unregel-
mässigen Intervallen an Hydrorrhöe. Die abgebende Flüssig-
keit betrug niemals mehr als einige Unzen.
VTII. HiUer; üeber Anterertio uteri gravidi. ]21
Am 4. MSrz 1863 gebar die Frau nach funfstöndiger
Gehurtsdauer ein Kind männlichen Geschlechts natürlich in
erster Schädelstellung.
X. Frau jf., sehr gross und stark, gebar im October 1859
ihr erstes Kind ohne Kunsthillfe. Nach Beendigung des
Säugungsgeschäfles bekam dieselbe regelmässig alle vier Wochen
ihre Periode wieder. Am Ende September 1862 floss die
Menstruation zum letzten Mal und hierauf erfolgte Conception.
Ohne dass die Frau eine Ursache anzugeben wusste, stellten
sich am 23. December 1862 Kreuzschmerzen, verbunden mit
spärlichem Blutabgange aus den Geschlechstheilen ein. Beide
Symptome wurden an den folgenden Tagen, an denen die
Frau ihre häuslichen Geschäfte besorgte, stärker und heftiger
und erreichten am 30. December eine solche Höhe, dass die
Frau sich zu Bett begeben musste und um 4 Uhr Nach-
mittags mich rufen Hess.
Die Frau sass mit bleichem und ängstlichem Gesicht im
Bette, klagte über sehr heftige Sacralschmerzen, einen an-
dauernden Drang zum Harnlassen und einen sehr lästigen
Druck in dem Becken, durch welchen sie zu beständigem
Drängen und Pressen mit den Bauchmuskeln und mit dem
Zwerchfelle aufgefordert wurde.
Nachdem ich die Frau in eine möglichst horizontale
RäcKenlage gebracht hatte, schritt icli zur Vornahme der
äusseren Untersuchung, welche jedoch bei der starken Spannung
der Bauchmuskeln ein negatives Ergebniss lieferte.
Das Einfuhren des elastischen Katheters in die Harnblase
bewirkte den Abfluss von einer kleinen Quantität Urin. Vor
der Schamspalte lag eine Hand voll coagulirten Blutes. Als
ich den Zeigefinger meiner rechten Hand in die Vagina geführt
hatte, bemerkte ich, dass die vordere Vaginalwand durch einen
ziemlich festen Tumor, welcher hinter der Symphyse begann
und das kleine Becken ganz ausfüllte, herabgedrängt war. Die
Vaginatportion, welche sich unmittelbar an den Tumor an-
schloss, befand sich hinten in der Aushöhlung des Kreuzbeins-
Sie fühlte sich weich und aufgelockert an und bot das nun-
mehr zu beschreibende eigentbümliche Verhalten dar. Der
äussere Muttermund, welchen man gewöhnlich als den tiefsten
Theil der Vaginalportion antrifft, war in diesem Falle als am
132 VI IL HiUery Ueber Anteversio ateri grATidi.
böcbsleu slübeiider Tbeil der Vagioalportion zu fahlen. Dies
röhrte daher, dass das Collum uteri an der Stelle, an welcher
die Vaginalwand in die Vaginalportion übergebt, durcli die
Lageveränderuog des Uterus eine Knickung erlitten hatte, in
Folge deren die Vaginalportion an der hinteren Vaginalwand
fest anliegend aufwärts verlief. Es war somit eine Retro*
llexion des Collum uteri zu Stande gekommen. Der Knickung^-
Winkel wurde, wenn die Frau durch die Thätigkeit ihr«*
Bauchmuskeln und des Zwerchfells den anteveriirten Uterus
tiefer und nach hinten drängte, nahezu ein rechter, während
er in der Wehenpause ein stumpfer war. Die hintere
Muttermundslippe stand etwas höher als die vordere, sodass
der äussere Muttermund etwas klaffte, wodurch es mir gelang,
meinen Zeigefinger in denselben einzuführen. Das Vordringen
des Fingers in dem Cervicalcanal konnte nur allmälig ge-
schehen, weil die vordere und hintere Wand desselben fest
gegen einander gepresst waren. Je weiter ich vordrang, um
so mehr wurde die Vaginalportion nach unten gezogen. Am
festesten lagen die Cervical wände an der Knickungsstelle an
einander, wodurch der Cervicalcanal an dieser Stdie eine
solche mechanische Verscbliessnng erlitt, dass mit dem Pinger
nicht durchzudringen war. Die Verschliessung war jedoch
durchaus keine vollständige, da das aus der Uterinhöble
ausfliessende Blut seinen Ausweg fand.
■
Die Knickung wurde nun dadurch beseitigt, dass iph ryit
dem Zeigefinger, welchen ich in dem Cervicalcanale stecken
liess, die Vaginalportion nach rechts und abwärts und datm
nach vorn und abwärts zog. Als dies gelungen war, fühlte
ich mit dem, in dem Cervicalcanale steckenden Zeigefinger
die kleine Fruchtblase, welche rasch tiefer ruckte und sctiuu
bei der nächsten Wehe aus dem äusseren Muttermunde herv<»r-
trat. Ich zog nun in der Absicht, den Abortus ferner natürlich
verlaufen zu lassen, meinen Zeigefinger aus den Geä<*hlechts-
theilen zurück.
In der folgenden Viertelstunde hatte die Frau drei Wehen.
Bei derdritU^n Wehe, bei welcher sie stark mitpresste, ging
nach ihrer Angabe viel Blut weg. Dies forderte mich zu
einer neuen Untersuchung auf.
VIII. mutr, Ueber AnteTertlo uUrf ^nridl . 123
Vor der Sehamspalte lagea ekiige Unzen Blut, in denen
iob den der Schätzung nach 3 Zoll langen Embryo auffand.
Aus dem Muttermunde, welcher der Führungslinie des Beckens
zwar mehr genShert, aber doch noch immer weil hmteii stand,
hmgen die übrigen Eitheile hervor und wurden leicht entfernL
Man konnte die kleine zerrissene Nabelschnur und deren
Insertionaslelle in der kleinen Placenta deutlich erkennen«
An dem grösslen Theile des Chorion waren die Zotten schon
alrophirt. An der Aussenfläche desselben hafteten einige
Stöckchen der Decidua an.
Der Uterus war noch immer, wenn auch in geringerem
Grade als vorher, antevertirt. Ein Druck mit Zeige- und
Mittelfinger gegen die vonlere Vaginalwand gerichtet besserte
die Stellung des Uterus nur für kurze Z^iL
Um 8 Uhr Abends wurde ich wieder zu der Frau gerufen,
weil ein neuer Blntfluss eingetreten war. Ich traf die Frau
mit sehr bleichem Gesichte und kleinem, frequentem Pulse.
Sie hatte wegen grossen Durstes viel Wasser getrunken, zwei
Mal erbrochen , war schon mehrmals ohnmächtig gewesen und
halle wiederholt über Flimmern vor den Augen und Brausen
vor den Ohren geklagt. Vor der Schamspalte lagen 16 bis
20 Unzen Blut, die Vagina enthielt auch Blut An di*m
inneren Muttermunde traf ich auf einige aus der Uterinhölile
heraushängende Stuckchen der Decidua, welche leicht entfernt
wurden. Hierauf führte ich ein elastisches Mutterrohr in die
Uterinhöhle und injicirte einige Spritzen kalten Wassers. Die
Blutung stand. Die Kranke nahm einige Esslöflel voll Wein
und später halbstündlich sechs Dosen Secal. cornut gr.v.
Am anderen Morgen (31. December) vernahm icli, dass
iKe Kranke in der Nacht nicht geschlafen habe, einige Male
ohnmächtig gewesen sei, viel Wasser getrunken und öfter
erbrodien habe. Einige kleine Blutcoagula waren noch ab-
gegangen. Ich ordnete den Fortgebrauch von kleinen Quantitäten
Wein, ausserdem noch andere roborirende Nahiningen und Hess,
um der Kranken etwas Ruhe zu schaffen und das Erbrechen
zu beseitigen, einige kleine Dosen Opium darreichen. Dieses
Arzneimittel schien zwar die Wirkung zu haben, dass das Erbrechen
aufhörte, doch rief es wahrscheinlich wegen des anämischen
Znstandes eine solche Aufregung hervor, dass ich es am
124 VIII. Hüter, IJeber Anterersio atAri graridi.
Nachmittage nicht mehr fortnehmeo liess, hingegen wegen
des andauernden Durstgefühles etwas MineralsHare verordn^e.
Am Morgen des 1. Januar 1863 sagte mir die Kranke,
welche noch immer einen Puls üher 100 Schläge hatte, da»
sie einige Stunden lang geschlafen habe. Der Durst war
geringer, Erbrechen hatte sich nicht wieder eingestellt. Der
Ausfluss aus den Geschlechtstheilen war nicht mehr blutig, hatte
vielmehr eine missfarhige seröse Beschaffenheit angenommen.
Am 2. Januar verordnete ich der Kranken, welche mir
ober Schwäche klagte, neben der vorzugsweise animalisch«
Kost ein mildes Eisenpräparat.
Am 7. Januar verliess die Kranke zum ersten Male das
Bett und erholte sich rasch.
Am 27. Januar wurde ich wieder zu der Frau M. fe*
rufen. Sie sagte mir, dass sie seit sieben Tagen an BlutOuss
aus den Geschlechtstheilen leide^ dass namentlich beim Geben
Stöcke geronnenen Blutes abgingen. Mein Rath, dass sie sich
niederlegen und untersuchen lassen möge, wurde ausgeschlagen,
weil sie nothwendig ihre Wäsche besorgen müsse. Am
29. Januar hatte sich der Blutfluss bei der Frau M. so ver*
mehrt, dass sie am Morgen dieses Tages zu Bett liegen blieb.
Sie hatte einen beschleunigten Puls, klagte über Kopfweh und
viel Durst Bei der inneren Untersuchung fand ich einen noch
bestehenden massigen Grad von Anteversio uteri. Zugleich
fühlte ich, das der Umfang des Uterus noch ziemlich gross
war. Die Vaginalportion war etwa % Zoll lang und stand
mit ihrer Längenachse gegen die hintere Wand der Vagina
gerichtet. Der äussere Muttermund war so geöffnet, dass er
die Fingerspitze aufnahm. Weiter mit dem Finger vor-
zudringen, war wegen der zu engen Beschaffenheil des
Gervicalcanals nicht möglich. Das gewöhnliche elastische
Mutterrohr konnte aus demselben Grunde nicht eingeführt
werden, so dass die Injectionen mit kaltem Wasspr nur gegen
die Vaginalwände gerichtet werden konnten. Ich ordnete an,
dass die Kranke ruhig bleiben müsse und verschrieb sechs
Dosen Secal. cornut. gr. v., weiche V^ stundlich genommen
werden sollten.
Der Blutfluss dauerte trotzdem den ganzen Tag über
fort, weshalb ich am Abend einen gewöhnlichen elastischen
Vill. HUUr^ lieber Anterertio uteri gruridl 125
Katheter durch deii Cemcalcmal in die Ulei'inliöhle zu fähren
suchte. Es gelang dies nach einigen vergeblichen Versuchen
und die kalten Injectionen konnten nun direct in die Uterin-
höhle gemacht werden.
lo .der Nacht von dein 29. zum 30. Januar war noch
etwas Bhit abgegangen. Die Frau hatte nicht geschlafen,
klagte aber viel Durst, starkes Kopfweh und grosse Schwäche.
Die Pulsfrequenz betrug 90 bis 95 Sddäge in der Minute.
Ich fährte, wie Tags zuvor, den elastischen Katheter in die
Uterinböble, machte aber nun Injectionen mit Liq. fern
sesquichlor. 3/3, Aq. destill. Sxij.
Die Blutung horte nach der zweiten Anwendung dieses
Mitteis ganz auf. Frau M. erholte sich innerhalb der nächsten
acht Tage bei gut nährender Kost und dem innerlichen Ge-
brauche von Tiuctr. ferri pomat so, dass sie nach Ablauf
dieser Zeit wieder das Bett verlassen konote.
Am 22. Februar stellte sich bei Frau Jf., welche,
seitdem sie umherging, eine oberhalb der Symphyse fest
anliegende Leibbinde trug, der Ausfluss einer hellen, kaum
eiwas blutig geförbten Flüssigkeit aus den Geschlechtstheilen
ein. Derselbe hörte nach acht Tagen, während welcher Zeit
Frau M. in Rückenlage ruhig im Bette zubrachte, wieder auf. —
Anatomisches Verhalten. Bei Anteversio uteri gravidi
befindet sich die Längenachse dieses Organs nicht mehr in
der Achse des Beckeneinganges, vielmehr trilll jene mit dieser
in einem gewissen Winkel zusammen, weicher, jemehr sich
der Fundus uteri der Symphyse nähert, um so grösser, und
wenn derselbe hinter der Symphyse gelagert ist, fast ein
rechter wird. * Es ist hieraus ersichtlich, dass man, je nachdem
dieser Winkel kleiner oder grösser ist, gewisse Gradunterschiede
von Anteversio annehmen kann. In Bezug auf die praktische
Wichtigkeil der zu besprechenden Lageveränderung der Gebär-
mutter, glaube ich jedoch nur drei Grade dieses Leidens
aufstellen zu dürfen.
Es ist bereits oben angegeben, dass der Uterus, so lange
er sich im Becken befindet, bei den meisten Schwangeren in
geringem Grade antevertirt angetrofien wini und diese Lage-
Veränderung desselben durchaus nicht pathologisch aufzufassen
ist. Die Längenachse des Uterus bildet in diesem Falle mit
126 VIII. Bai9r, Üibber Aiiteveraio uteri grsri<H.
der Achse des Beckeneinganges einen 8|)iUen Winkel. Lassen
wir diesen Zustand als den geringsten Grad von Antevei^o
gelten, so müssen wir einen höheren Grad dieses Leidens
dann annehmen, wenn der Fundus uteri der Symphyse mehr
genähert ist, ohne aber dieselbe zu erreichen. Der Winkel,
in welchem die Längenacbse des Utenis mit der Achse des
Beckeneinganges zusammentrifil, wird dadurch grösser. Wird
der Fundus nteri hinter der Symphyse festgestellt, so kommt
hierdurch der höchste Grad von Anteversio uteri zn Stande.
Die Längenachse des Uterus liegt mehr oder weniger horizonlai
und tiiffl mit der Achse des Beckeneinganges in einem fast
rechten Winkel zusammen. Es ist kaum nöthig, besonders
zu bemerken, dass dieser höchste Grad von Anteversio uteri
immer aus dem geringsten und aus dem höheren Grade
dieses Leidens hervorgeht ^ -'
Die Vaginalportion ist bei der zu besprechenden Lage-
abweichung des Utenis aus der Föhrungslinte des Beckens
verruckt, befindet sich immer in dem hinteren Theile der
ßeckenböhle und ist, je höher der Grad der Anteversio, um
so mehr der hinteren Beckenwand genähert Ihre Längen-
achse zeigt ein ähnliches Verhalten zu dieser wie die Längen-
acbse des Uterus zu der Achse des Beckeneinganges. Bei
dem höchsten Grade der Anteversio uteri kann die Längenachse
der Vaginalportiou fast senkrecht zu der hinteren Beckenwand
zu stehen kommen. Nur als höchst seltenes Vorkommen darf
es angesehen werden, wenn die Vaginalportion im Zustande
der Retroflexion, wie wir in unserer zweiten Beobachtung
mitgetheilt haben , an der hinteren Vaginalwand fest anliegend
aufwärts verläuft. Eine solche Knickung der Vaginalporiion
kann nur dann zu Stande kommen, wenn diese in gewissem
Grade erweicht und aufgelockert ist, und wenn der Utenis
durch das Drängen der Schwangeren in einen immer höheren
Grad von Anteversio versetzt wird. Wenn diese Bedingungen
vorhanden sind, so zweifele ich nicht, dass die Vaginal-
portion im geknickten Zustande an der hinteren Vaginalwand
auch abwärts verlaufen kann.
Bei dem Zustandekommen der uns beschäftigenden i^age»
abweichung eiieidet der Uterus eine Drehung um seine Quer*
achse. Diese Drehung wird um so grösser werden, ein je
VIII. BÜter, UM»er Anteverfiip nteri gravidl. 127
höiierer Grad von Anlevrrsio sich niishildel. Dabei wird das
vordere Scheidengew^lbe durch die vordere Wand des Uterus
immer mehr gespannt, ausgedehnt und herabgedruckt werden.
Die hintere Wand des Uterus bleibt nicht mehr dem Rectum
zugewendet, wird mehr oder weniger schräg oder nahezu
horizontal gestellt, so dass Dünndarraschljngen sich an ihr«
ganze Fläche anlagern. Je mehr sich die hintere Wand des
Uterus von dem Rectum entfernt, um so mehr werden die
beiden Plicae recto-uterinae, welche die Excavatio rectc»-
uterina seitlieh begrenzen, gespannt und gezerit werden
mössen. Der untere Umfang des Uterus muss gegen das
Rectum und sein Fundus gegen die Blase, je nach dem Grade
4er Anteversio eine mehr oder weniger starke Compression
ausüben.
Mad. Boivin und Dug^a (1. c. planche XI.) haben eine
Abbildung von Anteversio uten hi der ersten Zeit der Schwanger-
schaft geliefert und in derselben eine stark winkelige Knickung
des Blasenhalses gezeichnet Dass diese in einem solchen
Grade eintritt, scheint mir deshalb nicht wahrscheinlich, weil
das Einführen des elastischen Katheters in die Harnblase bei
den beiden, von mir an hochgradiger Anteversio uteri gravidi
behandelten Frauen ohne Schwierigkeit gelang.
Aetiologie. Zunächst glaube ich darauf hinweisen «zu
müssen, dass man sich Mühe gegeben hat, das Zustande-
kommen von Anteversio uteii gravidi für unmöglich zu er-
klären. Lohmeier (Theden's neue Bemerkungen und Er-
fahrungen zur Bereicherung der Wundarzneik. u. s. w., 3. Thl.,
Berlin und Leipzig; 1795) macht nämlich geltend, dass das
beständige Anffillen und die Ausdehnung der Harnblase nach
hinten, der Mangel an Raum und das öftere Liegen auf dem
Röcken das Vorwärtsbeugen des Gebärmuttergrundes nicht
zu Stande kommen lasse. Kitoisch (Beiträge zur Geburts-
kunde, H. Abth., Würzburg 1848, S. 159) hat die Bildung
einer primären Anteversio uteri gravidi nicht beobachtet und
hält sie auch nicht für wahrscheinlich, weil, wie er (Klinische
Vorträge Ober specielle Pathologie und Therapie der Krank-
heiten des weibl. Geschlechts, 3. Aufl., I. Abth., 1. Hälfte,
Prag 1851, S. 215) angiebt, durch die schiefe, nach oben
gerichtete Fläche der Schambeine, durch die nach abwärts
128 VllI« HUUr, lieber Antaveraio uteri ^ravidi.
gekehrte KreuzbeinaushöhluDg, ferner durch die V:on uiUeo
nach aufwärts stattfindende Ansammlung des Harnes in der
Blase und durch die von oben nacli abwärts vor sich gebende
Entleerung des Rectums die horizontale Stellung der Gebär^
mutter mit ihrem Grunde nach vorn verhindert wird. Scanzoni
(Lehrbuch der GeburUhülfe, ä. Aufl., Wien 1855, S. 305}
erklärt sich mit Kiwisch völlig einverstanden und glaubt,
dass eine bedeutendere Anteversio des schwangeren Uterus
im Beckenraume zu den seltensten Zufallen gehört.
Man weiss aber jetzt, dass der schwangere Uterus, so
lange er noch nicht aus dem kleinen Becken emporgestiegen
ist, sehr häufig in einem onliedeutenden Grade von Anteversio
angetroffen wird. Dieser Zustand wird einfach dadurch erklärt,
dass der Uterus vermöge seiner Schwere etwas vom übersinkt
Ist das Becken ziemlich geräumig oder grösser als ge-
wöhnlich und berücksichtigt man, dass der Uterus in dem
dritten Schwangerschaftsmonate schon beträchtlich an Umfang
und Gewicht zugenommen hat, so sind diese beiden Momente
genügend, um aus ihnen das Zustandekommen eines höheren
Grades von Anteversio zu erklären. Ist die Beckenneiguog
grösser als gewöhnUch, so muss die hintere Fläche der
Gebärmutter mehr nach oben gerichtet sein, wodurch die
In(|$stina sich in grösserer Ausdehnung an dieselbe anlagern
und so auf den durch seine Schwere zum Vornübersinken
an sich geneigten Uterus einen stärkeren Druck ausüben.
Ein solcher Druck, welcher auf die hinlere Wand des
schwangeren Uterus einwirkt und dadurcli die Anteversio
hervorruft, kann auch durch pathologische Neubildungen in
der Umgebung des Uterus erzeugt werden. Namentlich sind
es Ovarientumoren, Ascites und peritonäitische Exsudate. Auch
durch peritonäitische Adhäsionen, welche sich an der vorderen
Fläche des Uterus gebildet haben, kann derselbe in antevertirter
Stellung erhalten werden. Durch diese Entstehungsweise konmat
die secundäre oder consecutive Form der Anterversio uteri
zur Ausbildung.
Man setzt gewöhnlich für das Zustandekommen der
Anteversio uteri einen gewissen Grad von Erschlaffung der
Vaginalwände und der Ligamente des Uterus, besonders des
VIIT. Bnter, Ueber Anterersio oterl grHvidi. 129
Ljgainrntum rotiincloin, Zustande, welche nur bei Mehr-
gebärenden vorkommen, roraus. Ich glaube aber, dass man
ganz besonderen Werth auf die Erschlaffung der Yorderen
Wand der Vagina, durch welche die Gystocele vaginalis bedingl
wird, zu legen hat. Wenn nämhch die vordere Wand der
Vagina erschlafft und sich zu senken beginnt, so giebt dies
zu einer tieferen Stellung des Grundes der Harnblase Ver-
anlassung. Durch die Ansammlung des Harnes in der Blase
muss dann nach hinten gegen den unteren Tbeil der Gebär-
mutter ein Druck einwirken und hierdurch das Uebersinken
des Gebärmuttergrundes nach vom begünstigt werden.
Die bisher angefilhrten ätiologischen Momente können
vorhanden sein, wenn die Anteversio uteri gravidi sich ganz
ailmälig bis zu einem gewissen Höhepunkte entwickelt. Tritt
jedoch diese Lageveränderung plölzlicii ein und erreicht die-
selbe, wie es meist der Fall ist, einen bedeutenden Grad,
so wirken zwar auch die erwähnten Beckenverhältnisse und
die Erschlaffung der Vaginalwände zugleich begünstigend ein.
Besonders aber wird ein plötzlich eintretender und stark
wirkender Druck von Seiten der Intestina, welche den in
unbedeutendem Grade anteverUrten Uterus umlagern, in
ätiologischer Beziehung in Anschlag gebracht werden müssen.
Dieser Druck kann nur durch eine heftige und plötzliche Con-
traction der Bauchmuskeln unter Mitwirkung des Zwerchfells zu
Stande kommen. Zugleich sind immer plötzliche und heftige
Bewegungen und Erschütterungen des ganzen Körpers vor-
handen. So wird in Choparfs Fall der Act des Erbrechens,
in der Beobachtung von Hachmann ein Fehltritt auf der
Treppe, in dem ersten von mir beschriebenen Falle häufiges
Knieen beschuldigt.
- Hat das Leiden einen so hohen Grad erreicht, dass die
Frau, durch quälende Symptome stark belästigt, ihre Bauch-
presse und das Zwerchfell in willkürliche Action setzt, so
wird dadurch die Anteversio uteri, mag dieselbe ailmälig
oder plötzlich den bisherigen Grad erreicht haben, bis zum
allerhöchsten Grade gesteigert werden können.
Symptomatologie. Schon sehr oft habe ich den Uterus
bei Schwangeren, welche sich in Betreff dessen, ob sie
MoilNtiaebr. f. Qebnrtak 1888. B4. XXII., Elft i, 9
130 ^m* IJ1U$r, Uebe? Aiitey«rtio Qteri graridi.
wirküdi sehwanger waren, von mir untarsuchen Uesaen, im
dritten Honale in unbedeutender Anteversion gefunden, aber
von keiner dieser Schwangeren eine solche Klage gehört, welche
mit dieser Lageabweichung in Causalzusammenhang zu bringen
gewesen wäre. Sinkt aber der Fundus uteri etwas roeJir
vom über, bleibt er jedoch in einer gewissen Entfernung von
der Symphyse, so empfinden die Frauen einen zeitweise ver-
mehrten Drang zum Harnlassen , klagen über Stuhlverstopfung,
welche von vorübergehendem Tenesmus begleitet ist, und
werden zuweilen von Sacralschmerzen belästigt Ist aber der
höchste Grad von Anteversio uteri eingetreten, d. h. der
Fundus uteri hinter die Symphyse geruckt, so steigert sich
die Heftigkeit der ebenerwähnten Symptome. Die Sacral*
schmerzen, welche ihren Gnind in der Spannung und Zerrung
der Plicae recto-ulerinae habbn, sind ohne Unterbrechung
vorhanden. Die auf das Rectum von Seiten des unteren
Abschnitts des Uterus einwirkende Compression bewirkt einen
anhaltenden Drang zur Stuhlenlleerung, welche wegen des
mechanischen Hindernisses unmöglich ist. Die auf die Harn*
blase einwirkende Compression von Seiten des Fundus (iteri
gestattet das Ansammeln einer nur geringen Quantität Harn
und bewirkt gleichzeitig ein sehr häufig wiederkeJirendes
Drängen zum Harnlassen, wobei nur wenige Tropfen dieser
Flüssigkeit ausgeschieden werden. Die auf die Harnblase
und auf das Rectum einwirkende Compression ruft bei der
Schwangeren das Gefühl eines in der Beckenhöhle befindlichen
schweren Körpers hervor und erweckt bei derselben das
Bestreben, sich des schweren Körpers zu entledigen. Sie fängt
an, das Zwerchfell und die Bauchmuskeln in Thätigkeit zu
setzen. Die Bauchpresse kann nur die Wirkung erzielen»
dass der Fundus uteri immer tiefer hinter die Syno^hyse
herabgedrängt und hierdurch der ganze Uterus in eine fast
horizontale Lage gebracht wird. Die Schwangere geräth durch
die wegen ihrer Erfolglosigkeit immer gesteigerte Thätigkeit
ihrer Bauchpresse in die grössle Aufregung. Der Puls wird
beschleunigt. Das mit Scfaweiss bedeckte Gesiebt bekommt
einen ängstlichen Ausdruck. Ohnmächten, Uebelsein und
Erbrechen vollenden das Bild der Erscheinungen, welche
mit den, der plötzlich eintretenden Retroversio uteri ^vidi
VlJf. BUier, Ueber AnteversSo uteri gravidi. ]31
zukommenden Symptomen die grösste Aehnlichkeit haben.
Ueber den Abortus, welcher in Folge von Anteversio uteri
eintritt, werden wir ausführlich handeln, wenn wir den Verlaur
und die Prognose des Leidens besprechen.
Ehe wir die Symptomatologie der Anteversio uteri ver-
las.sen, will ich noch auf ein nicht leicht zu erklärendes
Symptom, welches Hachmann in seiner Beobachtung anführt,
hinweisen. Derselbe hat nämlich vor der Reposition des
antevertirten Uterus eine grosse Menge Harn aus der gefüllten
Harnblase mit dem elastischen Katheter entleert, während
Oodefroy und ich in den mitgetbeilten Fällen nur geringe
Quantitäten Harn m der Blase fanden. Kyü {E. v. Stebold*»
Journal für Geburuhülle etc., XYU. Bd., 1. Stück, Leipzig 1837,
S» 16) schreibt über diesen Gegenstand: Gänzliche Urin-
verhaltung, wie es bei der ReCroversio uteri häufig vorkommt^
ist in keinem der bekannt gemachten Fälle (von Anfeversio uteri)
beobachtet worden, welches gewiss seinen Grund darin hat,
dass bei der Anteversion der Fundus der Gebärmutter von
oben nach unten auf die Blase fällt und dadurch die Ein-
mündung der Harnröhre in die Blase frei lässt, wogegen bei
der Retroversion die Vaginalportioo des Uterus von unten
nach oben steigt und die Harnröhre zusammendrückt
Einen hohen Grad von Anteversio uteri und eine dabei
gefällte Harnblase muss ich ebenfalls ffu* zwei Erscheinungen,
welche unter sich in Widerspruch stehen, halten. Ist nämlich
die Harnblase angefüllt, so wird dadurch das Zustandekommen
der Anteversio uteri gehindert Das Untersinken des Grundes
dieses Organs gegen die Symphyse kann vielmehr nur bei
leerer oder wenig gefüllter Harnblase möglich gedacht werden.
Zuerst wird bei dem Uebersinken der Scheitel und dann der
Körper der Harnblase comprimirt Ist der Fundus uteri
hinter die Symphyse gelangt, so werden die Blasenwände
so gegen die Symphyse angedrückt, dass ein Anfüllen der
Harnblase mit Harn unmöglich ist und der aus den Ureteren
in den Blasengrund abfliessende Urin sehr häufig, gewöhnlich
in Tropfenform ausgeschieden werden muss. Obgleich wir
in Folge der Betrachtung dieses Hergangs berechtigt sind,
die Richtigkeit der von Hachmann mitgetbeilten AnfäUung
der Harnblase bei hochgradiger Anteversio uteri in Abrede
](32 VIII. unter, lieber Anteversio uteri gravidi.
ZU stellen, so bleibt doch für diese Erscheinung eine, wenn
auch etwas gesuchte ErklSrungsweise denkbar. W^nn nämlich
in der Gegend des Blasenhalses in Folge der Anteversio uteri
eine Knickung, wie sie von Mad. Boivin und Dugia ab-
gebildet wird, zu Stande kommt und durch dieselbe das
Ausscheiden des Urins mechanisch gehemmt ist, wenn ausser-
dem die Wandungen der Blase hinter der Symphyse durch
den Fundus uteri nicht allzu fest gegen einander gepresst
sind, so dass sie das Heraufdringen des Urins gestatten, so
scheint es möglich, dass sich ein Tbeil der Harnblase, der
sich über dem Fundus uteri befindet, mit Urin anfüllen kann.
Verlauf und Prognose. Die meisten Fälle; in welchen
es sich um eine unbedeutende Anteversio uteri gravidi handelt,
gelangen, weil die Schwangeren von dem Leiden keine er-
heblichen Symptome empfinden, nicht zur Beobachtung des
Arztes. Sobald der Uterus an dem Ende des dritten oder
in dem Anfange des vierten Schwangerschaftsmonats eine
solche Grösse erreicht hat, dass er in dem kleinen Becken
keinen Raum mehr findet und deshalb in die Bauchhöhle
emporzuwachsen gezwungen ist, so isf die Anteversio uteri
dadurch als beseitigt zu betrachten. Dieser günstige Verlauf
tritt jedoch nicht in allen Fällen ein. Es kann vielmehr,
wenn die Anteversion einen höheren Grad erreicht hat, das
Forlbestehen der Schwangerschaft sehr gefährdet werden.
Mende (Die Geschlechtskrankheiten des Weibes etc., fortgesetzt
von Balling, H. Theil, Göltingeri 1836, S. 88) hat bereiu
darauf hingewiesen, dass er in einem Falle von Abortus
keine andere Ursache desselben, als Anteversio uteri auffinden
konnte. Mir selbst sind schon viele Fälle von Abortus am
Ende des dritten Schwangerschaftsmonats zur Behandlung
gekommen, in weichen durch die sorgfältigste Untersuchung
und Anamnese keine andere Ursache des im Gange befindlichen
Abortus zil entdecken war als ein ziemlich hoher Grad von
Anteversio uteri.
Durch diese Lageveränderung des Uterus wird, nämlich
ein Druck auf die Becken- und Uteringefasse ausgeübt, wodurch
das Zurückfliessen des venösen Blutes aus dem Parenchym
der Gebärmutter gehindert und ein gewisser Grad von
Hyperämie in diesem Organe unterhallen wird. Sobald die
Vin. ffüter, Uober ABteTersio uteri grartdi. 138
Uteroplacentar- und Deciduagefasse durch die Blutßberfuliung
zu sehr ausgedehnt und gespannt werden, kommt eine
Berslung derselben zu Stande und das in Folge dessen ein*
tretende Blutextra vasat bewirkt, wenn es eine grosse Aus*
dehnung besitzt, eine ausgebreitete Lostrennung des Eies,
Störung des embryonalen Kreislaufes und Absterben des
Embryo. Es würde zu einer unnöUiigen Wiederholung von
bereits bekannten Tbatsachen führen, wenn wir das Zustande*
kommen des Abortus ausführlich weiter besprechen wollten.
Nur das mag noch kui*z erwähnt werden, dass entweder zu*
gleich mit der Berstung der Gefasse Blutaustrilt nach aussen
stattfindet und die Contractionen des Uterus dann sehr bald
nachfolgen, oder dass das Blut nicht gleich nach der Berstuog
der Gefasse seinen Weg zu dem Orificium uteri findet, viel*
mehr erst mit der nach Tagen und Wochen erwachenden
Wehenthätigkeit Blutabgang eintritt und dann das Ovulum
ausgeschieden wird.
Wir wollen in dem eben Gesagten keineswegs die Be-
hauptung zur Geltung bringen, dass in allen Fällen von
Antbversio uteri höheren Grades Abortus eintritt £s mag
wohl bei geringer Ausdehnung des Blutextravasats in vielen
Fällen die Schwangerschaft fortbestehen, ja es kann vielleicht
bei einer richtig geleiteten Behandlung die BlutüberfüUung
und Zerreissung der Gelasse verhütet werden. Der Uterus
kann sich bei zweckmässigem Verhalten der Schwangeren
aus dem kleinen Becken erheben und dadurch nicht allein
die Gefahr des Abortus, sondern auch das Leiden selbst be-
seitigt werden. Ist* die Anteversio besonders durch Neu*
bildungen in der Umgebung des Uterus veranlasst und sind
diese für die Behandlung unzugänglich, so wird das Zustande-
kommen des Abortus schwerlich abgewendet werden kdnnen.
Ist der höchste Grad von Anteversio uteri aUiuälig oder
plötzlich zu Stande gekommen, hat sich nämlich der Fundus uteri
hinter der Symphyse fest gestellt, so kommt es in prognostischer
Hinsicht für das Fortbestehen der Schwangerschaft wesentlich
darauf an, wie lange der Uterus in diesem Zustande verharrt.
Ein zeitig und zugleich zweckmässig ausgeführter therapeutischer
Eingriff kann dem bereits drohenden Abortus Einhalt gebieten
und das Fortbestehen der Schwangerschaft sichern, wie die
134 Vin. flfttor, Ueber Aoteversio nteri gravidi.
F§lle TOD Hachmann, Oodefroy und der von mir be-
schriebene erste Fall beweisen. Ist die richtige Zeit för den
therapeutischen Eingriff vorübergegangen, so wird der höchste
Grad der Anteversio nur durch die Entleerung des Uterus zu
beseitigen sein.
Mit Ausnahme des Znstandes, wenn durch die Knickung
der Yaginalportion, welche in der zweiten Beobachtung von
mir beschrieben worden ist, der Austritt des Eies mechanisch
behindert ist, wird dem Zustandekommen des Abortus kein
Hemmniss entgegenstehen. Die bei der Retroversio uteri graridi
hSnfige Erscheinung der Incarceration des Dterus ist bei der
Anteversio uteri gravidi noch nicht beobachtet worden, und
es scheint auch die Incarceration des anlevertirten Uterus
deshalb nicht möglich zu sein, weil die glatte Beschaffenheit
der nach vorn und oben gerichteten Wand der Symphyse das
Wiedererheben des Fundus uteri ohne grosse Schwierigkeiten
zulässt
Insofern, als es sich um das Portbestehen der Schwanger-
schaft handelt, muss demnach die Prognose in den Fällen,
in welchen eine unbedeutende Anteversio uteri vorhanden ist,
gänstig, dagegen bei dem höheren und bei dem höchsten
Grade dieses Leidens zweifelhaft gestellt werden.
Die so sehr belästigenden Symptome, welche den höheren
und den höchsten Grad der Anteversio uteri begleiten, schwinden
nach dem Gelingen des betreffenden therapeutischen Verfahrens
oder nach Beendigung des Abortus, ohne weitere Folgezustände
zu hinterlassen. Dagegen können die Frauen, bei welchen
die Schwangerschaft durch Abortus unterbrochen wird, von
den nachtheiligen Folgen, welche der Abortus überhaupt mit
sich bringt, betroffen werden.
Wenn wir diese hier ausfuhrlich besprechen wollten, so
müssten wir die dieser Arbeit gesteckten Grenzen über-
schreiten. %s kann deshalb hier nur auf die Gefahr der mit
Anteversio uteri in Causalzusaramenhang stehenden Gebärmntter-
blutungen hingewiesen werdea Durch das Zustandekommen
des Abortus wird H^ Anteversion des Uterus nie ganz be-
seitigt, sondern dieser nur besser gestellt. Ein gewisser
Grad von Anteversion bleibt also immer zurock and dies ist
die Ursache, dass der hyperämisclie Zustand, wenn auch m
Vin. BUer, Ueber AnteTersio uteri graWdi. 135
geriDgeretn Maasse, in dem Uterus fort erhalten wird. Diese
Hyperdinie , welche der Infolution dieses Oi^ans sehr huider-
lieh ist, kann, wie aus dem zweiten von mir beschriebenen
Falle zur Genfige hervorgeht, zu heftigen Nachblutuugen,
welche die Kranite in einen sehr anämischen Zustand ver*
setzen, Veranlassung geben. Tritt bei Fortbesteben der
Anteversio uteri im nichtschwangeren Zustande nach einer
gewissen Zeit wieder Coneeption ein, so kann, wenn die
Lageabweichung durch die Schwangerschaft einen sicheren
Grad erreicht hat, wiederum und zwar meist zu derselben
Zeit wie früher Abortus stattfinden. Auf diese Weise kann
bei einer Frau das Abortiren sehr häufig vorkommen, was
man, wie bekannt ist, als habituelles Abortiren bezeichnet hat
. Diagnose. Aus den subjectiven Symptomen, welche
eben so gut ffir Retroversio wie für Anteversio uteri gravidi
sprechen, kann die Diagnose des uns beschäftigenden Leidens
niemals mit Sicherheit gestellt werden. Der Arzt muss daher,
sobald er aus den Symptomen eine solche Lagevefänderung
des Uterus vermuthet, durch die Manualuntersuchung eine
genaue Vorstellung von den Veränderungen der Genitalien
sich zu verschaffen suchen. Die Diagnose, dass der Uterus
antevertirt ist, wird dadurch wohl meist ohne Schwierigkeit
gelingen, schwieriger wird dagegen in gewissen Fällen die
Frage zu beantworten sein, ob der antevertirte Uterus sidi
im schwangeren Zustande befindet oder nicht. Findet man
die Vaginalportion hinten und hoch stehend und mit dem
äusseren Muttermunde gegen die Aushöhlung des Kreuzbeins
gewendet, die vordere Vaginalwand durch eine mit der
Vaginalportion in unmittelbarer Verbindung stehende Geschwulst
ausgedehnt, gespannt und herabgedrängt, so ist die Diagnose
der Anteversio uteri gesichert. Zugleich ist bei der Unter-
suchung darauf Rücksicht zu nehmen, ob das Becken die
oben angegebenen Eigenschaften besitzt, ob pathologische
Neubildungen in der Umgebung des Uterus zu diagnosticiren
sind. Auch darf die Einführung des Katheters in die Harn-
blase nicht unterlassen werden, weil man mit demselben eine
etwa vorhandene Cystocele vaginalis diagnosticiren kann. Den
Katheter zur Begründung der Diagnose von Anteversio uteri
zu verwenden, d. li. mittels desselben von der Blase aus den
136 VIII. HüUr, Ueber Antev^rdo uteri graTidi.
Fundus uteri durchzufuMen, wie Qodefroy gethau hat, balle
ich bei sorgfältiger Mauualexploration in die Vagina für
überflüssig.
Bei oberfläcblicher Untersuchung wäre eine Verwechselung
mit Anteflexio uteri, d. h. mit der Knickung des Uterus nach
vorn möglich. Bei genauer Untersuchung ist diese Lage-
veränderung des Uterus auszuschliessen, sobald man von der
Vaginalportion aus nach der Symphyse hin ununterbrochen
und gleichmässig das feste Uterusparenchym mit den Fingen
durchfühlt. Wäre eine Anteflexio uteri vorhanden, so würde
man zwischen dem umgeknickten Fundus uteri und der meist
mit eine;n klafTeuden Muttermunde versehenen Vaginalportioa
einen durch den Knickungswinkel entstandenen Zwischenraum
in der vorderen Vaginalwand durchfühlen.
Je nachdem man fühlt, ob der antevertirte Uterus die
vordere Vaginalwand mehr oder weniger tief berabgedrängt
hat, und ob die Vaginalportion in entsprechender Weise mehr
oder weniger weit hinten und hoch steht, wird man die
Uebcrzeuguttg gewinnen, dass ein unbedeutender oder ein
höherer Grad der Anteversion vorhanden. Gelingt es nicht,
die Vaginalporlion zu erreichen, so kann man, wie Meissner
(Die Frauenzimmerkrankheiten u. s. w., I. Theil, 2. Hälflle,
Leipzig 1843, S. 726) sehr richtig bemerkt, zweifelhaft seui,
ob man eine Retroversio oder Anteversio uteri vor sich hat
Auch sind wir mit Meissner völlig oinverstanden , wenn er
es in einem solchen Falle für nothwendig erklärt, zu ver*
schiedenen Zeiten, in verschiedenen Stellungen und zugleich
durch den Hastdarm die Untersuchung anzustellen und den
Rath ertheilt, dass man, wenn es auch auf diese Weise nicht
gelingt, die Vaginalportion zu erreichen, sich bloss an den
Vorfall der hinteren oder vorderen Scheidenwand in diagnosti-
scher Hinsicht halten möge.
Kann man die vordere Wand des Uterus in bedeutender
Ausdehnung gegen die Symphyse hin durch die vordere Vaginal-
wand durchfühlen und durch Eindrücken mit der aussen
befindlichen Hand oberhalb der Symphyse den Gebärmutter-
köqier gegen den in der Vagina befindlichen Finger hindräi^en,
so gewinnt man hierdurch die Ueberzeugung , dass der ante-
vertirte Uterus vergrössert ist. Ob nun die Vergrösserung
VIII. Hüttr, Ueber AateTersio uteri graTidi. 137
durch Schwangerschaft oder durch pathologische Vorgänge
hervorgerufen worden ist, inuss durch eine selir sorgfältige
Abwägung der durch die Untersuchung gewonnenen Resultate
und durch die Anamnese entschieden werden. Am häufigsten
geben folgende pathologische Zustände: Haematometra, Hyper*
trophie des Uterus, Fibroide, Polypen und Infarctus uteri,
bei welchen gleichzeitig ein gewisser Grad Ton Anteversion
dieses Oi^ans vorkommen kann, Veranlassung, dass der
Uteras eine solche Vergrösserung wie im dritten und vierten
SchwangerschafUmonate erreicht Bei Haematometra, bei
welcher durch die Atresia uteri das Henstrualblut in der
H6ble dieses Organs zurückgehalten ist, wird die Anamnese
ergeben, dass das Menstrualblut niemals ausgeschieden wurde
und dass jedes Mal zur Zeit des Eintrittes der Menstruation
heftige Schmerzen, ja entzündliche Erscheinungen im Unter-
kibe auftraten. Die in gewissen Zeitabschnitte zu wieder-
holende Untersuchung wird lehren, dass das Wachsthum des
Uterus nicht so rasche Fortschritte macht, wie es bei
Schwangerschaft geschehen müsste.
Man beobachtet ziemlich häufig, dass ein massiger Grad
von Anteversio uteri gemeinschaftlich mit Hypertrophie und
geringer Senkung des Gebärorgans vorhanden ist und kann
daher vermuthen, dass diese Eigenschaften des Uterus durch
Gravidität veranlasst sind. Das Fehlen der die Schwanger-
schaft gewöhnlich begleitenden Veränderungen an der Vaginal-
portion und an dem äusseren Muttermunde, sowie der Um-
stand, dass in der Lagerung und Vergrösserung des Uterus
während eines gewissen Zeitraumes keine erhebliche Ver-*
ander ung eintritt, werden als vollwichtige Gründe für das
Attsscbiiessen der Schwangerschaft sprechen.
Wenn durch ein Fibroid oder durch emen Polypen der
etwas antevertirte Uterus so ausgedehnt ist, dass eine Ver-
wechselung mit Gravidität stattfinden kann, so entscheiden
zur Feststellung der Diagnose vorzugsweise die Beobachtung
des Wachsthums des Uterus, sowie die, die vorher genannten ^
Neubildungen stets begleitenden heftigen und häufigen Uterin-
blutungen.
Kommt ein durch Infiltration seines Parenchyms ver-
grösserter und in massigem Grade antevertirter Uterus zur
138 VIII. ffüter^ lieber Anterersio uteri grayidf.
Untersuchung, so zeigt derselbe bei acutem Auftreten des
Leidens eine sehr grosse Schmerzhaftigkeit. Bei chronischem
Verlaufe desselben fühlt man an dem vergrösserten Uterus
und an der geschwellten Vaginalportion zugleich eine grosse
Härte. Die M<*nstruaüon ist meist profus.
Ist es gelungen, die eben durchgegangenen pathologischen
Zustände des Uterus auszuschliessen , so wird man wohl das
Recht haben, die Vergrösserung des antevertirten Uterus mit
Schwangerschaft in Causalverbindung zu bringen und die
Schwangerschaflsdiagnose mag als gesichert betrachtet werden,
wenn die Anamnese ergiebt, dass die Menstruation einige
Male cessirt hat und durch die Untersuchung ein gewisser
Grad von Auflockerung der Vaginalportion und die rundliche
Form des äusseren Muttermundes wahrzunehmen ist.
Es ist nicht zu bestreiten, dass in einzelnen Fällen selbst
bei längerer Beobachtung und häufiger Untersuchung gewisse
Symptome fttr, andere gegen Schwangerschaft sprechen, und
daher die Diagnose unsicher bleibt. Der Arzt wird sich dann
die Frage aufwerfen, ob er sich durch die Uterinsonde Ge-
wissheit verschaffen darf. Die Antwort, welche ich hierauf in
Uebereinstimmung mit den meisten Geburtshelfern gebe, kann
nur dahin lauten, dass man sich des Gebrauchs der Uterin-
sonde bei dem geringsten Verdacht auf Schwangerschaft zu
enthalten hat. Die Anwendung dieses Werkzeugs ist nur dann
zu gestatten, wenn die überzeugendsten Grande gegen das
Bestehen der Schwangerschaft sprechen.
Bleibt die Diagnose bei wiederholter und sorgfältig an-
gestellter Untersuchung zweifelhaft, so wird der Arzt gewiss
den richtigen Weg einschlagen, wenn er sein therapeutisches
Verfahren so einrichtet, als ob Schwangerschaft wirklidi
vorhanden ist. Wird er später von der Ueberzeugung durch-
drungen, dass Schwangerschaft nicht vorliegt, so wird das
bisherige Handeln des Arztes keine nachtheiligen Folgen ver-
anlasst haben. Dagegen wird denselben ein grosser Vorwurf
. treffen, wenn er sich zur Sicherung der Diagnose der Uterin-
sonde bedient und durch diese Abortus hervorgerufen hat
Bei dem so häufigen Vorkommen des Abortus in Folge
von Anteversio uteri ronss man in Betreff desselben ebenfalls
eine sichere Diagnose zu stellen suchen. Es kann unro(»glich
Till. HtUer, üeber Anterersio uteri gravidl. 189
meine Aufgabe sein, hier von der Diagnose des Abortus im
Allgemeinen zu sprechen, ich glaube aber darauf aufmerksam
machen zu müssen, dass es, um ein richtiges therapeutiscbes
Verfahren einschlagen zu können, von der grössten Wichtig-
keit ist, zu wissen, ob das Zustandekommen des Abortus be-
vorsteht, oder ob derselbe schon zu Stande gekommen ist
Das erstere hat man bekanntlich anzunehmen, so lange noch
kein Theil des Eis die Uterinhöhle verlassen hat. Ist dagegen
der Liquor amnii abgeflossen, oder sind andere Theile des
Eis in dem Cervicalcanal oder in der Vagina zu fühlen, so
weiss der Arzt sicher, dass der Abortus zu Stande gekommen
ist. Auch muss in diagnostischer Beziehung auf die Quantität
des bei dem Abortus abgegangenen Blutes geachtet werden.
Therapie. Eine unbedeutende Anteversio uteri gravidi,
welche, wie wir angegeben haben, sehr häufig vorkommt, keine
erheblichen Symptome veranlasst und desshalb gar nicht als
pathologisch aufzufassen ist, fordert bei ihrem gefahrlosen
Verlauf keinen therapeutischen Eingriff.
Der Arzt hat aber die Aufgabe, das Zustandekommen
eines höheren Grades des Leidens besonders dann zu ver-
hüten, wenn die Frau bereits einmal oder mehrere Mal abortirt
hat und die Ursache des Abortus in dieser Lageabweichung
der Gebärmutter allein zu finden ist. Man erreicht diesen
Zweck, wenn man die Schwangere anhaltend in liorizoiilaler
Rückenlage verharren lässt und kommt gewiss noch sicherer
zum Ziel, wenn man zugleich die Kreuzgegend durch ein
untergeschobenes Polster erhöhen lässt. Ich habe schon wieder-
holt Frauen, welche wegen Anteversio uteri an habituellem
Abortus litten, mit dem besten Erfolg so lange in horizontaler
Rückenlage verharren lassen, bis der schwangere Uterus sich
aus dem Beckeu erhob. Man erreicht durch die Anwendung
dieses einfachen Mitteis sicher, dass der obere Theil des
schwangeren Uterus sich vermöge seiner Schwere etwas mehr
rückwärts lagert, und verhütet so, dass die Anteversio uteri
einen höheren Grad erreicht, während dies immer zu be-
fürchten ist, wenn man die Schwangere, welche früher schon
einmal an einem höheren Grade dieses Leidens erkrankt war,
umhergehen und arbeiten lässt.
140 VIII. HiUer, üober Anteversi« aUri gravMi.
Kommt eine Schwangere, durch die Symptome des höheren
Grades von Anteversio uteri belästigt, zur Behandlung, so wird
die Lage des Uterus gebessert und damit auch die Symptome
gemindert werden, wenn wir die horizontale Lagerung, welche
wir vorher in prophylaclischer Beziehung angerathen haben,
jetzt bei der Schwangeren als Heilmittel in Anwendung bringen.
Der grösseren Sicherheit wegen muss die Schwangere so lange
liegen bleiben, bis der Uterus sich aus dem Becken erhebt.
Wir glauben keineswegs, dass durch die horizontale Racken-
lage der anteverlirte Uterus in seine normale Stellung voll-
kommen zurückgeht, wir sind aber durch die Erfahrung von
der Wirkung sicher überzeugt, dass der Fundus uteri, welcher
sich der Symphyse zu sehr genähert hatte, wieder mehr von
derselben sich entfernt, wodurch die Anteversio zu einer un-
bedeutenden und darum ungefährlichen herabsinkt
Oodefroy hat, wie oben angeführt ist, die mit Anteversio
uteri gravidi behafteten Frauen V4 Stunde lang eine solclie
Lage einnehmen lassen, dass der Kopf und die Arme ao dem
Fussboden und die unteren Extremitäten sich im Bette be-
fanden. Mit Recht nennt Meissner (L c. S. 730) die;»es
Verfahren fehlerhaft und verwerflich, und durchaus zu büiigen
ist auch die nachfolgende Aeusserung von Meissner: JLut
19. Jahrhundert muss ein solcher Vorschlag befremden, denn
die Rückenlage mit erhöhtem Steisse entspricht dem Zwecke
ungleich besser.'*
Lässt man die Schwangere die horizontale Rückenlage
mehrere Wochen lang einnehmen, so hat man sorgfaltig darauf
zu achten, dass die Harnabsonderung und die Stuhientleerung *
regelmässig stattflndet
Es muss hierauf die Frage in Erwägung gezogen werden,
üb bei dem höheren Grade der Anteversio uteri gravidi in
allen Fällen die Behandlung durch die horizontale Rückenlage
allein genügt. Ich glaube nach meinen bisherigen Erfahrungen
eine bejahende Antwort geben zu können, muss aber zugleich
die Möglichkeit, dass diese Behandlung unter gewissen Be-
dingungen nicht zuverlässig ist, zugeben. Giebt nämlich ein
perilonäitisches Exsudat oder ein Ovarientumor für die
Anteversio uteri gravidi das wichtigste Causahnoraent ah, so
Vni. HiUer, Ueber Anterersio uteri gravidi. 141
kann die flache Rückenlage der Schwangeren nur den Vor-
Chei) bringen, dass der Uterus nicht stArker vorn übersinkt
Hit dem Wachsthume einer Neubildung in der hinteren Unt^
gebung des Uterus nimmt, wie leicht einzusehen iM, die
Anteversio uteri auch in der Rfickenlage zu. Steht das Leiden
mit Ascites in Causalzusammenhang, so ist die horizontale
Röckenlage der Schwangeren gewiss von dem aUergrössten
Nutzen, weil bei ihrer Anwendung der Uterus durch seine
Schwere die seröse Flüssigkeit verdrängen und dadurch sich
besser lagern kann.
Ist es gelungen, durch die Untersuchung pathologische
Neubildungen in der Umgebung des Uterus auszuschliessen,
und erzielt man dennoch durch die horizontale Röckenlage
keine Besserung in der Lagerung des Uterus, so ist es ge-
wiss indicirt, dass man durch die Reduction den Uterus in
eine bessere Lage zu bringen sucht. Dies gelingt wohl immer,
wenn die Nachharorgane des Uterus sich in einem physio-
logischen Zustande befinden. Wenn dagegen der Uterus durch
peritonäitische Adhäsionen fixirt ist, wenn ein festes Exsudat
oder ein Ovarientnmor sich zwischen Uterus und Rectum
gelagert hat, so wird die Anteversio uteri allen Rednctions-'
versuchen Trotz bieten, und der Abortus mit grosser Wahr-
scheinlichkeit eintreten, mag die Schwangere noch so ruhig
in horizontaler Rückenlage verharren. Hat der Reductions-
versuch einigen Erfolg gehabt, so ist, um denselben zu
behalten, darnach jedenfalls die horizontale Rückenlage an-
zuordnen.
Hat die Anteversio uteri den höchsten Grad erreicht, ist
nämlich der Fundus uteri hinter die Symphyse gerückt, so ist
ohne Verzug zur Vornahme der Reduction zu schreiten. Wenn
es auch gelingen kann, durch die horizontale Rückenlage allein
diesen höchsten Grad des Uebels zu beseitigen, so darf man
sich doch auf die Anwendung dieses Mittels desshalb nicht
verlassen, weil ein längeres Verweilen des Uterus in der un-
günstigen Lagerung unfehlbar den Abortus herbeiführen muss.
Um die Reduction auszuführen, bringt man die Schwangere
nach der Entleerung der Harnblase und des Rectums m die
Rückenlage mit so erhöhter Kreuzgegend, dass die Genitalien
gtihörig frei liegen, führt hierauf den Zeige- und Mittelfinger
142 Viil. Hüter, lieber AnteTereto uteri grevidi.
in die Vagina und sucht mit deuselben den Uterus zu er-
heben. Reagin hingegen die Schwangere stark mit ihren
Bauchmuskeln und sind ihre Genitalien sehr emp&ndlich, so
wird man am zweckmässigsten Chloroform anwenden. Es ist
unnölhig und wird auch gewiss selten gelingen, dass man den
Uterus vollkommen gerade richtet Wenn der Fundus uteri
bei der Reduction in eine solche Entfernung von der Sym-
physe gebracht ist, dass eine unbedeutende Anteversio uteri
noch besteht, so kann man die Reduction als gelungen und
beendet betrachten.
Mao hat noch einige Modificationen des beschriebenen
Reductionsverfabrens, durch welche man sicherer zum Ziel zu
kommen glaubt, angegeben, und ich will auf dieselben, obwohl
sie in den Krankengeschichten bereits mitgetheilt sind, hier
nochmals aufmerksam machen. Hachmann hat die Reduction
mit vier Fingern der rechten Hand ausgeführt Oodefray
beschreibt, dass er mit beiden Zeigefingern, von denen
der eine in das Rectum, der andere in die Vagina eingeführt
war, den Uterus in senkrechte Stellung gebracht hat Ich habe
in dem ersten Falle die Vaginalportion mit meinem Zeigefinger
von hinten her hakenförmig umfasst und allmälig nach vom
gezogen. In dem zweiten Falle gelang mir dies, nachdem ich
mit dem Zeigefinger in den Gervicalcanal eingedrungen war.
Gelingt das zuerst beschriebene einfaclie Emporschieben
des Uterus von der Vagina aus nicht, so kann man, wie ich
gethan habe, die Vaginalportion hakenförmig fassen und nach
vorne ziehen. Sicherer gelingt dies, wenn man den Zeige-
finger in den Gervicalcanal einfuhrt Doch darf dies gewiss
nur dann geschehen, wenn man sicher überzeugt ist, dass
der Abortus in vollem Gange oder schon zu Ende ist Dieses
Verfahren will ich durchaus nicht als ein von mir neu er-
fundenes bezeichnen. Denn Mende (1. c. p. 90) räth schon
den Muttermund allein zu ergreifen und herabzuziehen , während
man mit der anderen Hand über der Schambeinvereinigung
von aussen den Fundus einwärts und in die Höhe drängt
Dieses letztere, auch von einigen anderen Autoren empfohlene
Verfahren unterstützt gewiss die Reduction des schwangeren
Uterus wesentlich.
VIII. Hüter, lieber AnteTeraio uteri graviili. ]^43
Es bleibt wir nocti zu erwäbnen übrig, da^s mau be-
bufo der Reduetion des aDteverlirteu nicht scbwangcreD Uterus
verschiedene AHanipulationen angewendet und empfohlen bat«
welche, wenn die bisher beschriebenen Reductionsverfabreu
nicht zu dem Ziele fuhren, auch bei der Anteversio uteri
gravid! in Anwendung kommen können. KyU (v. Siebold'»
Journal für Geburtshulfe, Bd. XVU., 1. Stack, Leipzig 1837,
S. 22) sah sich genöthigt, in einem Falle von Anteversion
des nicht schwangeren Uterus ein Verfahren anzuwenden,
welches darin bestand, dass er mit dem Daumen den Fundus
in die Höhe drückte, während er mit dem Zeigefinger der-
selben Hand den Mutterhals herunterzog und somit eine
Drehung der Gebärmutter um ihre Querachse bewirkte.
Meissner (1. c p. 729) bestreitet die Möglichkeit dieses
Verfahrens. Ich glaube, dass es wenigstens sehr schwierig
und für die Kranke sehr schmerzhaft ist. Meissner ist der
Meinung, dass die Reposition des Uterus durch folgenden Hand-
griir sicher gelingt. Er bringt nämlich, während die Kranke
horizontal auf dem Rücken liegt, und die Oberschenkel an
den Leib gezogen hat, den Zeige- und Mittelfinger zugleich
in die Mutterscheide, sucht den Mutterhals in der Aushöhlung
des Kreuzknochens etwas abwärts zu leiten, und den Mittel-
finger hakenförmig um denselben zu legen, während der Zeige-
finger sich mit der, dem Mittelfinger zugewendeten Seitenfläche
unter den Mutterkörper legt, so dass die Spitze desselben
den Grund berührt. Wenn man nun mittels des hakenförmig
gekrümmten Mittelfingers den Muttcrhals abwärts zu leiten
sucht, soll durch den Zeigefinger gleichzeitig der Gebärmutter-
grund und Gebärmutterkörper erhoben werden.
Dass der Zeigefinger so stark von dem Mittelfinger ab-
ducirt werden kann, wie es das eben beschriebene Verfahren
fordert, möchte ich bezweifeln.
Ist es nun durch die horizontale Lagerung der Schwangeren
oder durch die Vornahme der Reduetion gelungen , einen un-
bedeutenden Grad von Anteversio uteri gravidi herbeizuführen,
so hat der Arzt die Aufgabe, den Uterus in dieser Lage zu
erhalten und vor der Rückkehr in einen höheren Grad dieses
Leidens zu bewahren. Um didl^n Zweck zu erreichen, kann
man sich keines besseren Mittels als der schon mehrfach
144 Vlli. Hüter, Ueber Anteversio uteri g^raYtcli.
gedachten horizontalea Ruckenlage, welche die Schwangere
unausgesetzt einige Wochen beizubehalten hat, i)edieDeD. Man
geht ganz sicher, wenn man diese Lage so lange anwendet,
bis man durch die Untersuchung den Nachweis Hefern kann,
dass der Uterus sich aus dem Becken erhoben hat und in
dem Bauchraum emporwächst.
Um den nicht schwangeren Uterus nach der Reduction
Tor der Rückkehr in den antevertirten Zustand zu bewahren,
ist die Anwendung von Schwämmen, welche sowohl an die
hintere wie an die vordere Wand der Vagina gelegt werden
sollen, und die Application von Pessarien empfohlen worden.
Abgesehen von der unsicheren Wirkung dieser Mittel dürfen
dieselben bei einer Schwangeren deshalb nicht angewendet
werden, weil man mit denselben Abortus hervorrufen kann.
Gestalten es die Verhältnisse nicht, dass eine Schwangere
nach der Reduction einige Wochen lang zu Bett liegen kann,
oder gehl die Schwangere gegen die Vorschrift des Arztes
umher, so muss sie sich wenigstens jeder schweren körper-
lichen Arbeit enthalten, darf namentlich bei der Stuhlentleerung
nicht zu stark drängen. Den besten Nutzen wird aber einer
solchen Frau das Tragen einer oberhalb der Schambeine fest
anliegenden Leibbinde, deren man sich bekanntlich auch bei
Anleversio des nicht schwangeren Uterus mit Erfolg bedient,
gewähren. Ich stimme mit Meissner (1. c. S. 731) darin
völlig öberein, dass er eine solche Leibbinde nach der Repo-
sition der Anteversio uteri gravid! dringend anempfiehlt, van
die Wiederkehr dieser Dislocation zu verbäten.
Kommt eine Anteversio uteri gravidi, bei welcher Abortus
einzutreten droht, zur Behandlung, so ist ohne Verzug zunächst
die Reduction vorzunehmen, weil, wenn man ein exspectatives
Verfahren einschlägt, der Abortus, wie wir oben nachgewiesen
haben, unfehlbar zu Stande kommen wurde. Ist die Reduction
gelungen, so hat man derselben die sistirende Behandlung des
Abortus sofort folgen zu lassen, durch welche man, wie in
dem ersten von mir beschriebenen Falle zu ersehen ist, die
gunstigste Wirkung erzielen kann.
Weisen die Symptome darauf hin, dass die sistirende
Behandlung des Abortus erfolglos ist, droht der Blutfluss ge-
fährlich zu werden, so ist die beschleunigende Behandlung des
VlII. HiUer, Ueber AnUTerslo uteri ^raridi. 145
Abortus gebolen. Man soii durch alle Mittel die Uterinböhle
zu entleeren suchen und wird diesen Zweck gewiss viel sicherer
dann eiTeichen, wenn man vorher durch die Vornahme der
Reduction die hochgradige Anteversio uteri zu beseitigen sucht.
Es ist dieses Verfahren auch aus dem Grunde in An-
wendung zu bringen, um den mechanischen Verschluss des
Os uteri zu verhindern. In dieser Beziehung will ich an die
von mir gegebene Beschreibung in der zweiten Beobachtung
erinnern. Wie man nach der Reduction den Uterus zu
energischen Contractionen antreibt, wie man überhaupt die
Aufgabe, den Abortus zu beschleunigen, richtig löst, dies
hier anzugeben, liegt ausserhalb der Grenzen dieser Arbeit.
Durch den Abgang des Eies wird die Anteverfio uteri
zwar immer etwas gebessert, aber niemals ' beseitigt werden.
Die Besserung ist in bedeutendem Grade zu erzielen, wenn
man die Frau nach dem Abortus einige Zeit lang in flacher
RQckenlage und womöglich mit \ gleichzeitiger Anwendung der
Bauchbinde verharren lässt. Würde eine solche Frau nach
flberstandenem Abortus zu früh das Bett verlassen, so könnte
bei der noch unvollkommenen Involution des Uterus die Ante-
versio wieder einen höheren Grad erreichen, hierdurch der
hyperämische Zustand dieses Organs gesteigert werden und
dies zu starken Nachblutungen aus der Gebärmutter Anlass
geben.
Bei Gebärmutterblutungen, welche nach überslandenem
Abortus eintreten, habe ich die Injectionen mit Liquor ferri
sesquichlorati ^ß und aq. destill. Sxij. in die Uterinhöhle neben
der inneren Darreichung von Seeale coroutum am wirksamsten
gefunden.
Viele Frauen werden einige Zeit nach uberstandenem
Abortus wieder Ober Symptome klagen, welche auf Anteversio
uteri zurückzuführen sind. Der Arzt wird gewiss nicht über
(Ke Vermehrung seiner Praxis durch solche Patientinnen er-
freut sein.
MonatüRehr. f. Gebnrtsk. 1863. Bd XXII , HH 2 10
146 I^' FieintiSj Zur Ctsvintik des leieras grariäMmm.
IX.
Zur Casuistik des Icterus gravidarum.
Von
Sanilatsrath Dr. Flclnus in Stoiberg a. H.
Am 5. October 1862 suchte eine 24 Jahre alte Primipara
wegen intensivem Icterus bei mir Hülfe. Sie war stai*k ab-
gemagert und ganz dankelgelb. Die Dauer der Krankheit
wurde auf zwei Monate angegeben, die Schwangerschaft mussie
als baldigst beendet betrachtet werden, wenngleicb die Frau
noch mehrere Wochen Zeit zu haben glaubte. Ich verschrieb
Rheum mit Tart. dep., um der bestehenden Verstopfung ab-
zuhelfen. Schon am 8. October erfolgte die Geburt eines
todlen Kindes und etwa 14 Tage nachher verschwand der
Icterus.
Eine andere Frau, in den 30 Jahren, Htt in ihren vier
Schwangerschaften entsetzlich an Magensiure, Magenkrampf
und Erbrechen fast alles Genossenen. Die Abmagerung wurde
erstaunlich und in den letzten Monaten trat Oedem der unteren
Extremitäten mit massigem Eiweissgehalte des Urins ein, worauf
für die letzten drei bis vier Wochen Icterus folgte. Sobald
nun fast unerträgliches Hautjucken sich einstellte, war mit
Bestimmtheit anzunehmen, dass die Entbindung in zehn bis
14 Tagen zu erwarten. Also viermahger Icterus einer Frau.
Ueber dieses unerli*ägliche Hautjucken haben mir schon
mehrere Frauen geklagt und es gleichfalls als gewisses Zeichen
der nächst bevorstehenden Entbindung aus wiederholter Selbst-
erfahrung betrachtet. Sie waren niemals gelbsüchtig ; ob aber
in diesen Fällen das Jucken nicht auch durch Gallenbestand-
theile in Blut und Haut veranlasst wird, wäre gelegentlicher
Nachforschung werth.
Die Descendenz der vier Mal iclerischen Mutter ist
rhachitisch und leidet an Spasmus glottidis. Ich huldige der
Säuretheorie und glaube, dass die allen Alkalien spottende
Magensäure der Frati die genossenen Erdsalze während der
Schwangerschaft und Lactation in Lösung erhält und dem
IX. Fieinuit Zur Caetiistilc des fcterns fravidnriim. ]47
Foctus nicht zukommen lässt. Das erste Kind, ein Mädchen,
wurde ahgemagert und elend geboren, erholte sich aber rasch
bei Mutter- und Ruhmilch. Im sechsten Monate traten
alle Abende, etwa 10 Minuten nach dem ersten Schlafe An-
ftUe Ton Spasmus glottidis ein, die sich drei bis vier Monate
lang wiederholten. Das Kind entwickelte sidi geistig sehr
früh, sprach schon mit acht Monaten einzelne Namen deut-
lich, zahnte aber erst im zweiten Jahre und bekam die an-
sehnlichsten, später verschwundenen Deformitäten der Extre-
mitäten knochen. Die zweiten Zähne sind narbig und hahen
schlechtes Email. Jede Erkältung brachte bis zum fünften
Jahre Crouphusten.
Der folgende Sohn erlag, 20 Wochen alt, einem Respi-
rationscatarrhe mit Convulsionen. Der nächste Sohn, kräftiger,
obgleich die Mutter im achten Monate der Gravidität etttt
scbweres gastrisches Fieber überstand, litt im sechsten und
siebenten Monate an Spasmus glottidis, zahnte nach dem
ersten Jahre und hat grosse Neigung zu Larynxcatarrhen :
Crouphusten bei jeder Erkältung. Sonstige rhachitische De-
formitäten fehlen. Darauf folgte schon nach 13 Monaton ein
Mädchen, das am Anfange des sechsten Monats bei weichem
Schädel an der Lambdanaht Spasmus glottidis bekam, der
mit einzelnen Anfallen im ersten Schlafe begann, dann seine
Anfalle beim Trinken, bei Bewegung, kleinen Aergerlichkciten,
endlich in den letzten acht Tagen in fast ununterbrochenem
Wechsel mit allgemeinen Convulsionen machte, denen dii^
kleine Kranke erlag. Die Symptomatik der Krankheit hat
West mit Meisterhand gezeichnet; kein noch so unbedeutender
Zug ist darin vergessen. Das habe ich als Vater mit Schmerz,
als .\rzt mit Bewunderung erfahren!
10*
148
X. BretUm, Zweiter Beitrag sur Wiirdigaep
X.
Zweiter Beitrag
zurWürdigung des Hofacker-Sadler'scheiiGesetses,
betreffend das Gesehleehtsverhältiiiss der Kinder
bei relativer Altersverschiedenheit der Aeltem.
Von
Prof. Dr. Breslau in Zürich.
Als ich vor einiger Zeit ^) meine ersten Untersuchungen über
den Werth des Hof acker-Sadter^ sehen Gesetzes veröfTentiichte,
versprach ich von Zeit zu Zeit weitere Beiträge zu liefern.
Dies mag nun auch im Folgenden geschehen, nachdem ich
die der hiesigen Medicinaldirection eingelieferten Hebammen-
tabellen des Cantons Zürich pro 1862 zu meinem Zwecke
excerpirt habe und dadurch in den Stand gesetzt worden bin,
über ein neues Material von 8408 Geburten oder genau ge>
nommen Geborenen, zu verfügen.
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Namen
Geborene
a. Vater
b. Vater
e. Vater
Ge-
Ge-
Ge-
der
w * 1
iin
älter
a. Mutter
jfinger
borene
borene
borene
Bezirke.
Jahre
als die
gleich
ala die
▼on a.
von 5.
▼OD c.
1862.
Mutter.
alt.
Mutter.
in Proc.
in Proc.
in Prot
K.
M.
K.
M.
K. M.
K.
Jn.
K. u. M.
K.a.M.
K. n. M.
Zürich . . .
1053
958
783
733
53 52
217
173
75,8
6,2
19,5
A (foltern
192
171
138
119
13 1 12
41
40
70,8
6,8
22,4
Horgen .
416
391
307
'J83
20, 37
89
71
73,1
7,0
19,^J
Meilen . ,
288
287
204
205
22 19
62
68
71,2
7,1
21,8
Hinweil
489
423
313
285
33 26
93
112
69,3
6,8
2.%9
Uster . •
315
283
207
175
33
28
75
80
63,9
10,2
25,9
Ffaffikon
317
293
210
186
33
25
74
82
64,9
9,5
23,6
Andelfingen
244
221
181
164
15
12
48
45
74,2
5,8
20,0
Bülach . . .
370
333
251
232
30
27
89
74
68,7
8,1
23,2
Kegensho rg
259
220
179
160
24
18
56
42
70,8
8,7
20,5
Winterthar
496
'439
341
.S09
50
34
105
96
69,6
8,9
21,6
Snnime
4389 14019
3114 2851
326 290
949 1878
70,9
7,3
21,7
8408
5966
616
18!
27
—
.—
—
Verb<nisB
1
dvr Knaben
xn M&drhen
wie 1000
: 1
m
)2 1
10
92 1
11!
24 1
m
)0 I
^
—
—
1) Monatsschrift für Gebartsknnde, Bd. XXI., Sappl. - Heft.
498 ffo/ädt6r-ßadUf*8ch9n OeAetses «tc. 149
Die voranstehende Tabelle für sicti betrachtet ohne ver-
gleichende Rücksicht auf meine frühere Zusammenstellung für
das Jahr 1861 , berechtigt zu folgenden die Geschlechts-
propoition der neugeborenen Kinder betreffenden Sätzen:
1) Die Knabenproportion übersteigt im Jahre 1862 das
gewöhnliche Mittel um ungefähr 3 Proc. , indem auf
1000 Mädchen 1092 Knaben statt 1060—1066 kommen.
Dieser Knabenüberschuss ist aber kein ausserhalb der
gewöhnlichen Grenzen liegender t sondern ein solcher
wie er an allen Orten und so auch im Canton Zürich ^)
zu gewissen Zeiten vorzukommen pflegt.
2) War der Vater älter als die Mutter (normale Ehen),
so wurden im gleichen Verhältnisse mehr Knaben als
Mädchen producirt, nämlich 1092: 1000, wie im Grossen
Ganzen ohne Berücksichtigung der Altersverschiedenheit
der Aeltern.
3) War Vater und Mutter gleich alt, so wurden uro 3,2 Proc.
mehr Knaben producirt, als im Grossen Ganzen, näm-
lich 1124 : 1000.
4) War der Vater jünger als die Mutter, (beide letzte
Klassen nenne ich anomale Ehen), so wurden etwas
weniger, nämlich 1,2 Proc. weniger Knaben producirt
als im Grossen Ganzen.
5) Die Schwankungen in der Knabenproportion bei allen
drei relativen Altersverschiedenheiten der Aeltern sind
gering, und wenn man berücksichtigt, dass man es
bei Golumne 3 (Vater und Mutter gleich alt) mit den
kleinsten Zahlen (616 Kinder), aber mit der grösaten
Differenz zu thun hat, so wird der Werth des daraus
gewonnenen Resultates ein zweifelhafter und es bleibt
als einzig sicher nachweisbares Gesetz stehen:
6) Unter allen relativen Altersverschiedenheiten
der Aeltern überwiegt die Zahl der Knaben
die der Mädchen in nahezu gleicher Weise.
t) Cfr. meiDon Aufsatz: „lieber die Ursachen des Oeschlechts-
verhältntsses der Kinder etc.** iu0e9terlen*B Zeitschrift für Hygieine,
Bd. I., H. 2.
150
X. Breslau t Zw<U«r Beitrag »nr Watdigittng
Dieser letzte Satz ist es auch, den ich allein
als feststehend betrachten möchte, wenn ich die
statistischen Ergebnisse des Jahres 1861 mit denen von 1862
vereinige und zu welchem ich, wenn ich beide Jahrgänge
vergleiche, hinzusetzen kann: „Die Schwankungen in der
Geschiechtsproportion der neugeborenen Kinder sind der Art,
dass ein Causalnexus zwischen ihnen und der relativen
Altersverschiedenheit der A eitern nicht zu bestehen scheint.
Für beide Jahre •zusammen ergiebt sich:
Summe
aller
Geborenen.
Vater alter
aU die
Matter.
Vater nnd
Matter
gleich alt.
Vater jünger
als die
Mutter.
16492
11762
1201
3529
K.
M.
K.
M.
K.
M.
K.
M.
85G1
7931
, 6069
5693
623
578
1869
1660
1079:
: 1000
1 1066:
1000
1077:
1000
1125:
1000
Keine Spur des Hofacker-Sadler^^hen noch eines
anderen verwandten Gesetzes findet sich in den voran gegebenen
Zablen, und es müsste sich doch ohne Zweifel äussern, wenn
es überhaupt in der Natur existirte. Wir haben es nicht mit
ein paar hundert Geborenen, sondern mit 16492 zu tliun,
und stehen mit diesen Zahlen einzig denen von Legoyt aus
der Pariser Statistik nach. Wie wenig Vertrauen aber Legoyfs
Untersuchung im Ganzen verdient, habe ich schon in meinem
letzten Aufsatze nachgewiesen. Bei dieser Gelegenheit niuss
ich noch einer der Academie des Sciences in Paris in der
Sitzung vom 23. Februar 1863 mitgetheilten Note von Herrn
M. Boudin Erwähnung thun, als Auszug in der Girzette
m^dicale de Paris wiedergegeben mit dem Titel: ,,de Tinlluence
de Tage relatif des parents sur le sexe des enfants.** Herr
Boudin erklärt gleich in den ersten Sätzen, dass er nicht
im Sinne habe, den Werth all der Hypothesen zu prüfen,
welche über die auf das Geschlecht der Kinder influencirenden
von den Aellern ausgehenden Bedingungen aufgestellt worden
seien, er wolle nur die Aufmerksamkeit der Academie auf die
Resultate lichten, welche sich ihm bei Berücksichtigung des
de« Hofatk^r'SadUr^ach^u QeseU«8 ein. J^51
relatifen Alters der Aeltern ergeben licil)en. Seine persön*
liehen Nachforschungen hätten ibm ergeben, dass sich Mädchen
zu die Knaben verhalten
wie 1000
„ 1000
„ 1000
910 wenn der Vater junger,
945 bei gleichem Aller der Aeltern,
1092 wenn der Vater älter.
Damit wäre nun freilich wieder das Hof acker-Sadler'ich^
Gesetz bestätigt, allein Herrn Boudin's persönliche Nach-
forschungen sind olTenbar nichts anderes, als eine kriliklus«^
Zusammenstellung der durch Hofacker, Sadler , Gochleri
, und Legoyt gewonnenen Resultate. Hätte Herr Boudin auf
eine neue Statistik sich gestutzt oder stützen können, so
wurde er sicher nicht versäumt haben und nicht haben ver-
säumen dürfen, solche etwas eingehend zu erwähnen und mit
den vorhandenen ähnlichen zu vergleichen. Mit keiner Silbe
ist aber einer solchen gedacht, sondern nachdem Herr Boudin
seine oben angeführten „recherches personelles" in den Vorder-
giHind gestellt hat, geht er auf die den gleichen Gegenstand
betreifende Literatur über, und giebt, ohne auf den Gang der
Untersuchung früherer Forseber sich einzulassen, lediglich
deren Endresultate, die er in Eins verschmolzen, der Academie
der Wissenschaften als etwas ganz Neues vorlegt. Solche
Oberflächlichkeit bedarf keiner weiteren Erörterung; es ge-
nügt, hingewiesen zu haben, wie von mancher Seite Statistik
betrieben wird, und wie sich Irrthumer von Generation zu
Generation fortpflanzen können, wenn man nicht auf die
Quellen zurückgeht und nicht die Spreu vom Weizen zu
scheiden sucht
Ich fordere nochmals die Statistiker von Fach auf, sich
die Erforschung der Ursachen des Geschlechtsverhältnisses
der Kinder angelegen zu lassen, ich selbst werde dieses Thema
nicht ausser Auge lassen und will auch in den kommenden
Jahren mein Möglichstes beilragen, das Hof ackerSadler' sehe.
Gesetz zu reconstruiren oder vollends zu destruiren, wie ich
es bisher luibe thun müssen.
Zürich, im Juli 1863.
X52 ^^* NoUsen um der Journal «Lileratw.
XL
Notizen aus der Journal -Literatur.
Nivert: Die Wendung auf den Kopf durch äussere
Handgriffe.
N, hatte in seiner Eigenschaft als Interne der Matemite
▼lelfHltig Gelegenheit, die Wendung anf den Kopf durch äussere
Handgriffe aussuführen nnd ansführeu su sehen und legte die
Resultate seiner auf diese Operation besäglichen Studien und
Wahrnehmungen in seiner Inauguralschrift nieder. Von den
historischen Daten, mit welchen er dieselbe beginnt, mochte
Folgendes Yon Interesse sein. Die erste Veröffentlichung des
▼on Wigand entdeckten Verfahrens geschah im Hamburger
Magasin 1807. Die 1812 erschienenen „Drei den medicini^ohen
Facultäten übergebene geburtshülfliche Abhandlungen " desselben,
worin es mit grosser Ausführlichkeit beschrieben wird, gelangten
auch an die Facultät zu Paris, blieben jedoch yollständig un-
benchtet, bis sie 1857 von Prof. Hergott in Strassburg übersetst
wurden. Aach das Verfahren selbst blieb in Frankreich lange
Zeit unbekannt oder verkannt, obgleich yon Plamant (Jonm.
complem. d. sc. m., tom. XXX.) bestens empfohlen. Er8t Velpeau
erklärt es (Trait^ ^lem. de Part des acc, 1829) für in einzelnen
Fällen ausreichend. Einen wärmeren Fürsprecher fand es in
JP. Dubois im Dictionaire en 30 toH. Weiter sind zu registriren
die von LecorchS - Colombe 1836 mit günstigem Erfolge angestellten
klinischen Versuche, die Inauguralschrifl von Vulfranc-Gerdyj 1B37,
worin er die Methode vertheidigt, ein Abschnitt im Trait^ des acc.
von Chailly - Honori (1842), in welchem sie dieser unter An-
führung günstiger Resultate aus eigener und fremder Praxis
empfiehlt, ohne jedoch den Namen FTt^and^s zu nennen, die laue
Befürwortung von Jaequemier (Trait^ d'obstdtr. , 1846) und die
von Cazeaux (Trait^ des acc, 1853), das günstige Urtheil von
Mattei (1855).. Die erwähnte Uebersetzung des FTt^aari'schen
Originals durch Hergott verschaffte endlich dem namentlich von
Cazeaux und Stoltz begünstigten Verfahren das Bürgerrecht in
Frankreich.
Zum Ausgangspunkte seiner weiteren Betrachtungen nimmt
Verf. die Selbstwendung, auf deren Nachahmung die Methode
busirt. Den Vorgang bei derselben genügend zu erklären, hält
er sich ausser Stande und führt nur die Ansichten von Velpeau
und Cazeaux darüber an, ohne sich für die eine oder die andere
an erklären. Während jener die Ursache des häufigen Vor*
Xf. Nfrtlsmi aas der Jovnial-Lit«rat«r. 153
konroens spontuner Lageregolirang in den Umctaode ao finden
glanbt, daea nur bei LängBlagernng dea Fotaa der Druck dea
Uterua annähernd gleich mSsaig auf deaaen Oberflftehe, bei Schief-
lagen dagegen nur auf die noch dasu abgerundeten, leicht
gleitenden Enden desselben wirke , wodureh beim Beginn der
Wehenthätigkeit leicht eine Adaptirung der Längsachsen von
Frucht und Fmchthalter eintrete, — sueht sie dieser, ähnlich
wie Wigandy in partiellen Zuaammensiehungen der OebHrmutter.
Die Häufigkeit der Seibatwendung ist hinreichend constatirt,
jedoch ist es nicht su billigen, mit Psitsna» im Hinblick auf
dieselbe an lange der Ezspectative su huldigen. Der Zeitpunkt
der Selbstlrendung ist meist vor oder kurs nach dem Blasen-
sprunge, doch kann sie selbst geraume Zeit nach demselben noch
su Stande kommen, wie eine Beobachtung Ton Velp^au (Traitä
d'acc, t. I. , p. 685) lehrt.
In Betreff der Diagnostik der Quer- oder Schieflagen sagt
Verf. meist Bekanntes. Hervorzuheben mSchte sein hinsichtlich
der Inspection, dass er mit Hergott annimmt, der bei Qnerlnge
meist den verticalen Durchmesser des Uterus an Länge über-
treffende Querdarcbmesser desselben könne nach Abfluss der
WHsser mit Ausbildung einer Schieflage ein umgekehrtes Ver-
halten annehmen, hinsichtlich der Anamnese, dass er grosses
Gewicht auf Constatirung abnormer Kindeslagen bei voraus-
gegangenen Geburten legt, hinsichtlich der Percussion, dass er
die von Piorry allen Ernstes sur Ermittelung der Kindeslage
empfohlene Anwendung derselben mit Depaul verwirft, hin-
sichtlich der Auscultation, dass er sie mit ebendemselben und
mit Danyau für werthvoU in denjenigen Lagen hält, wo der
Rücken des Kindes nach vorn gewandt ist, indem hier die Deut-
lichkeit der Herztöne von dem Orte ihrer höchsten Intensität in
querer Richtung abnimmt, dieselben dagegen über einem grossen
Theile des Uterus fehlen, während bei nach hinten gekehrtem
Rücken unter sonst gleichen Verhältnissen ihre geringere Wahr-
nehmbarkciit ihren diagnostischen Werth vermindert. Die Form
der sich stellenden Blase zu Schlüssen auf bestimmte Kindeslagen
zu benutzen, hält er für gänzlich unstatthaft.
Von den Bedingungen, welche Wigand zu einer erfolgreichen
Ausübung seiner Methode für nöthig erachtete, hält Verf. die
Gegenwart einer reichlichen Menge von Fruchtwasser in un-
versehrter Eiblase nicht für unbedingt erforderlich. Er bemft
sich auf drei Fälle, in denen die Operation, trotz einer sehr
geringen Menge von Wasser (300 und 400 Grammes), sowie auf
andere, wo sie längere Zeit nach dem Blaaensprnnge noch gelang.
Ebenso hält er die Gegenw'art von Zaaam man Ziehungen der Gebär-
mutter, ohne ihre Bedeutung für Zustandekommen und Sicherung
der besweokten Kindeslage zu leugnen, im Hinblick anf von
•^
-k.
164 ^I- NotTsea aq» der JoarDal-I*ft0r«t«r.
ihm in der Sohwangersehaft ersielte günstige Beeultete fiir eat-
behrlich, desgleichen mit Jfar<>M (Berlin) die Ton Lumpe geforderte
Dünne nnd Nachgiebigkeit der Banchdecken. Hinsichtlich der
Statthaftigkeit der Wendang auf den Kopf bei Beckenenge schlteaat
er sieh seinem htihr^r Danyau an, welcher diese im AUgemeineB
der Wendung nnf des Beckenende entschieden vorsieht, w&hrend
#r letztere bei schrägoTalem Becken billigt, anch für solehe
FHlle rXth, wo bei einem kleinsten Dnrchmesser nnter 2Vs" die
Extraction nach der Craniotomie auf Schwierigkeiten stosst.
Nach Belin ist das Leben dos Kindes fiir die Ansfnhrnng der
Operation von Wichtigkeit. Verf. stimmt dem nar insofern bei,
als ein längere Zeit abgestorbener Pötns in Folge der Erweichung
seiner Gewebe sn wenig Resistenz besitze, nm den äusseren
Handgriffen einen genügenden Angriffspunkt zu bieten.
Mit Wigand hKit Verf. die Methode für contraindicirt im
Allgemeinen in den Fällen, welche eine schleunige Beendigung
der Geburt erheischen, — gegen Blutungen bei yorliegendem
Fruchtkuchen fand er dagegen das Herableiten des Kopfes und
Sprengen der Blase sehr nützlich. Ferner glaubt er sich auf
Grund seiner Erfahrungen berechtigt, die von dem Hamburger
Geburtshelfer aufgestellten weiteren Gegenanzeigon — Vorfall des
Nabelstranges, Zwillingsschwangerschaft, Difformitäten (Ascites,
Hydrooephalie etc.) des Fötus — zurückzuweisen.
Den Zeitpunkt der Operation anlangend, gelang es Verf.,
in 6 von 7 Fällen, dieselbe in der letzten Zeit der Schwanger-
schaft mit dauerndem Erfolge auszuführen; bei schon begonnener
Geburt rHth er, sie so zeitig als möglich rorzunehmen, indem er
die Forderung Chailly's, die TollstUndige Erweiterung des Mutter-
mundes abzuwarten, um nicht durch die benöthigten Manipulationen
einen vorzeitigen Wasserabgang zu bewirken, für unberechtigt
erklärt, indem dieselben an sich diese Eventualität herbeizuführen
nicht im Stande seien, und für gefährlich, da, falls aus irgend
welchem Grunde ein verfrühter ßlasensprung eintrete, die Aus-
sicht auf Erfolg wesentlich geschmälert sei, — doch will er auch
nach dem Wasserabflüsse die Methode wenigstens versucht wissen
mit Rücksicht auf selbst unter diesen Verhältnissen gelungene Fälle.
Während Wigand vorschrieb, die Handgriffe kurz vor und
in den Wehen vorzunehmen, da er diese für den Erfolg wesentlich
unterstützend hielt, agirt Verf. in den Wehenpausen, da dann
die Gebärmutter weicher, eindrückbarer, weniger empfindlich,
der Fötus in seinen Vorragungen markirter, sowie leichter be-
weglich ist.
Die Operation selbst wird in der Matemit^ in der Art ans-
geführt, dass in der Rückenlage der f^ran nnd ausser der Wehe
der Kopf durch sanftes, gradweise verstärktes Eindrücken der
Banchdecken nnd der Uternswand mittels beider Hände umgrenst
Xi. NDrtiaeii ans der Jo«nial'LU«r«tttr. 155
tmd dnreb foti^nt^mten mainigMi Dra«k id geeigneter Bieiitanfl
dem Heekeneingmige svgefiihrt wird, worauf en seiner bester«*!!
KiKirnng bei begonnener Gebart ohne Küokfliefat auf den Grad
der ßrweiternng des Mattermandet die Blase gesprengt wird,
Schwangere dagegen eine Stnnde in mhiger Räckenlage eu yer*
harren roraBlasat werden.
Die von Wigand als wesentKches Unterstfitsungsmittel
empfohlene Seitentage mng sab Verf., der sie bei gleichseitiger
Anwendang der ftusseren Handgriffe für fiberBüssig, bei alleiniger
Anwendung llir nur in besonders günstigen Fällen ansreiohend
b<, nicht in Gebrauch gesogen.
(Gas. des hdpitanz, 1863, Ko. 47, 50, 51, 56.)
Mayrhofer: Untersuchungen über Aetiologie der
Puerperalprocesse.
Verf. beschäftigt sich seit längerer Zeit mit umfassenden
Untersuchungen über die Bedeutung der häufig in Lochialsecreteii
anzutreffenden Vibrionen hinsichtlich der Aetiologie der Puerperal-
processe. Obgleich dieselben noch au keinem Abschlüsse ge-
kommen, hält er es doch für der Mühe werth, ihren bisherigen
Gang und die vorläufigen Resultate darsulegen.
Die Vibrionen erschienen in grösster Menge bei der Faul-
niss organischer Substanzen. Ihre Grundform ist die einer an
den Enden abgerundeten Walze von sehr verschiedener Länge.
Diese Waisen kommen theils einzeln, theils zu mehreren, ihrer
Längsachse nach aneinander gereiht, vor, und zeigen die kürzeren
meist eine kolbige Verdickung beider Enden. Manchmal zeigdn
sie in fast gleichen Abständen seichte Einschnürnngen. Ihr
Qnerdurchmesser ist sehr verschieden , dürfte nie 0,002 Millimeter
erreichen und bleibt bei der Mehrzahl unter 0,0008 Millimeter.
Ihre Bewegung ist eine sehr rasche, gleitende, pendelnde oder
schlängelnde; die einzelnen Glieder zusammengesetzter Formen
bewegen sich hänfig gegen einander wie in Gelenken. Bei
mangelnder Bowegnng ist es schwer oder unmöglich, sie sicher
von anderen, ähnlich aussehenden Dingen zu unterscheiden. Zur
Untersuchung empfiehlt sich eine mindestens 450 fache Ver-
grössernng und helles Lampenlicht. Ob die verschiedenen Formen
auch verschiedenen Arten angehören, ob sie als Thiere oder
Pflanzen aufzufassen seien, lässt Verf. unentschieden.
Um die etwaige Bedeutung der Vibrionen hinsichtlich des
Puerperalprocesses kennen zu lernen, untersuchte M, 89 Mal
Lochialseeretö gesunder Wöchnerinnen, wo er sie nur 15 Mal
antraf, und zwar am zweiten, dritten und vierten Wochenhetts-
tage (in 32 Fällen) nie, am fünften Tage unter 16 Fällen 3 Mal
und nach dem fünften Tage unter 41 Fällen 12 Mal, während
156 ^^' Notifteii mn der Jottraftl*Llici*at»r.
•r sie in dorn WoeheDflosae Ton ZB an Pverpertt^roeeaven Br-
krankten mit Ausnabme aweier FHIle oonttant vor^Rnd, und swar
fast immer schon bei der ersten üntersnchnng, wenn an der
betreffenden Wöchnerin snr Zeit derselben bereits ansg^asproeheiie
Symptome der Erkrankung sieh eingestellt hatten. Nach diesen
Untersncbungen erscheint ihm als das Nächstliegende, an eieen
eausalen Zusammenbang au denken, sei es nnn, daas die
Vibrionen bei Endometritis einen geeigneten Boden an ihrer
Entwickelueg finden, oder dass sie, in den Uterus einwandernd,
den Pnerperalprocess verursachen.
Femer stellt Verfasser Infections versuche mit gfthrenden«
Vibrionen enthaltenden Flüssigkeiten an, über die er vorlftafig
mittheilt, dass es ihm durch Eintragung dieser Substansen in
die Frnchthalter von Kaninchen kurz nach dem Wurfe gelang,
Entzündung der Innenfläche genannter Organe und Erscheinungen
septischer Blutvergiftung hervorzurufen.
(Da nun aus den classischen, in den „Comptes rendus*
niedergelegten Arbeiten von Pcuteur die Gegenwart von Vibrionen
in gährendeu Substansen, aus anderweitigen Versuchen die
Möglichkeit, durch Infection mit dergleichen Stoffen Septichämie
zu erzeugen, hinlänglich bekannt ist, so erscheint als wesentlich
neu nur der gelieferte Nachweis, dass sich Vibrionen, die wahr-
scheinlichen Zeichen von Gährungsprocessen im Bereiche, der
absondernden Fläche, in den Lochialsecreten Gesunder seltener
finden, als in denen an Puerperalprocessen Erkrankter, — Grnnd
genug, um weiteren Resultaten der, wie gern angegeben wird,
äusserst mühsamen und zeitraubenden Untersncbungen entgegen-
zusehen.)
(Wien. med. Jahrb., 1863, 1. Heft.)
Pian: Hydrocele recto-vaginalis.
P4an beschreibt eine an der Leiche einer alten Fran ge-
fundene Geschwulst. Dieselbe ragte am Perinäom hervor,
drängte die grossen Schamlippen an ihrer hinteren Commissur
auseinander und war von birnfönniger Gestalt. Bei näherer
Untersuchung communicirte ihre mit Serum angefüllte Hohle
mit der Unterleibshöhle. Wir haben hier den änssorst seltenen
Fall einer alten Enterocele vaginalis vor uns.
(Gazette des hdpitanx, 1863, No. 27.)
XI. Notisen ans der JonrnaULitaratar. 157
MatihewB Duncan: lieber Lupus und Caneroid der
Vulva.
Dr. Dunean beschreibt einen Fall von Lupus Ynlvae bei einer
28jährigen Fjran, bei welcher nie eine syphilitische Affection
stattgefunden haben soll. Die sonst sehr seltene Krankheit findet
sich gewöhnlich nur bei Prostituirten und ist besonders dadurch
charakteristisch, dnss die Zunahme der Sensibilität selbst in den
tilcerirten Theilen nur eine äusserst geringe ist. Gewöhnlich
seigt sich der Lupus vulvae nur als eine bedeutende Hyper-
trophie der Schamlippen, mit nur geringer Ulceration. Im
beschriebenen Falle jedoch war die innere Fläche der Labien
8 Zoll im Durchmesser bedeutend uicerirt; die Oberfläche des
Geschwürs war mit blassen Qranulationen bedeckt, die bei Be-
rührung nicht bluteten. Der Lupus dehnte sich auf das Perinäum
und den Anus aus nnd wurde durch das Messer entfernt. Die
Geschwüre wurden geätzt.
Ansserdem beschreibt Verfasser noch einen Fall von Caneroid
der Vulva.
(Edinburgh Medical Jourjial, Dec. 1862, No. XC.)
Köberle: Fall von Ovariotomie.
K. bat kürslich mit Glück seine vierte Ovariotomie ans-
geführt| obwohl in diesem letzten Falle ein bedenklicher Zwischen-
fall eintrat. Die Kranke befand sich bis snm zwölften Tage
darchans wohl, als in Folge einer Auftreibnng der D&rme, der
Stiel der Geschwulst riss und eine intraperitonäale Blutung er-
folgte. K. öffnete nochmals die Wunde, nntersuchte den Stiel,
unterband die blutende Ovarialarterie nnd leg^e chlorsanres Eisen
auf. Bei der Entfernung des ergossenen Blutes reinigte er die
Bauchhöhle sorgfältig mit einem Schwämme und schloss die
Wunde in derselben Weise wie nach der Operation. Kein übler
Zufall trat danach ein nnd am 42. Tage war vollkommene Ge-
nesang eingetreten.
(Gaz. des hdpitanz, 1863, No. 18.)
Späth: Ueber die Sanitätsverhäitnisse der Wöch-
nerinuen an der Klinik ffir Hebammen in Wien
vom October 1861 bis Januar 1863.
In dieaer Zeit von 16 Monaten wurden in gedachter Anstalt
416S Franan entbanden; Ton diesen starben 212 an Pnerperal-
prooaaaen (6,tProo6nt). Denselben Zeitraam theilt 8. der besseren
Uebersieht halber ein in die Periode der Endemie (Tom 1. October
1861 bis incl. 2. Februar 1862) — von 1127 Neuen tbUBdenen Mi
158 ^^' Notisoa aus der JottroAl-LHeratar.
bedentanderen Pa«rp«ral|vo«eMen 286, wovon 148 (18»% Plroe.)
iitarben — , in die Periode der Bessernng^ (toih 3. Pebroar bis
incl. 8. Jaoi 1862) — Ton 1166 Wöchnerinnen erkrankten 94,
davon starben 54 (4,6 Proc.) — , endlich in die Periode mit
günstigeti Oesundheitsverhältnissen (▼om 9. Jani bis Ende iStiS)
— von 1861 Frauen erkrankten bedeutender bloss 37, hiervon
starben 10 (0,53 Proc). Vorsüglicli die klinischen Ergebnisse
wKhrend des ersten dieser Zettabschnitte sind es, welche Verf.
nach deq verschiedensten Richtungen hin einer sorg^ltigeu
Prüfung unterzog, deren Gang zu controliren die beigefugten,
sehr übersichtlichen Tabellen ermöglichen. AU die wesentlichsten
Resultate sind die folgenden Ermittelungen zu beseichnen.
Wöchnerinnen, welche schon entbunden der Anstalt über-,
geben wurden (von Gassengeburten), machten cur Zeit der
Endemie einen nicht bloss relativ, sondern einen überhaupt
günstigeren Verlauf des Wochenbettes durch — von 90 erkrankte
nur 1 , welche am 28. Tage nach der Entbindung als genesen
entlassen werden konnte.
Das Erkranknngsverhältniss derjenigen, welche noch am
Tage ihres Eintrittes oder am folgenden Tage entbunden wurden
(18,5 Proc), ist von jenem der Wöchnerinnen, die schon längere
oder kürzere Zeit vor der Entbindung in der Anstalt waren (22,6 Proc),
nicht so bedeutend verschieden, als dass die Annahme berechtigt
erscheinen könnte, ein längerer Aufenthalt in der Anstalt vor
der Geburt zur Zeit der Endeuiie hätte eine grössere Disposition
zu Erkrankungen bedingt. Auch ist aus den Zusammenstellungen
zu ersehen, dass von den Frauen diejenigen, welche während
der vierten Woche ihres Aufenthaltes in der Klinik geboren
hatten, in geringster Zahl erkrankten, während jene, welche in
der zweiten Woche nach ihrer Aufnahme niederkamen, die zahl-
reichsten Erkrankungsfälle aufzuweisen hatten, und die, welche
über vier Wochen in der Anstalt waren, ebenfalls häufiger er-
krankten, als jene aus der vierten Woche.
Eine directe Beantwortung der Frage, ob die Frauen
wenigstens in grösserer Anzahl schon nachweisbar krank in die
Anstalt gekommen, oder ob der Ausbruch der Krankheit erst in
derselben erfolgt sei, hält Verf. für unmöglich aus den folgenden
Gründen. Nach den in der Anstalt bestehenden Verhältnissen
gelangen die Ankommenden selten gleich in verlässliche ärztliche
Beobachtung; es ist ferner oft nicht möglich, den Beginn der Er-
krankung zu terminiren, indem Pnisbeschleunigung und Temperatur-
erhlihttng während der Gebart häufig genug gefunden werden,
oline von Störangen im Wochenbette gefolgt tm sein; ain«h emttere
krankhafte Erscheinungen, die auf den Ausbrach eines Pnerperal-
processes hindeuten, berechtigen, während der Gebart auftretend,
jiicht lu der Annahme, dass die Kreisseade schon infictrt auf*
XI. NotiB«n kiuB der Journal- Ijiturutur. 159
f^enooimen worden sei, wenn oian aio nicJbt aagenblioklich bei
ilirer Ankunft selion in diesem Zustande gefunden hat, da man
die Daner der Incnbationsseit nicbt kennt, — das« aber maneUe
krankiuaehende Agentien «ehr scbnell wirken, erfuhr Verf. an aicb
186Ki, wo tick eine Stunde nach der von ihm bewirkten Zangen«
entfaindung einer am Puerperalfieber Erkrankten eine von einer
geringen Verletsung ausgehende Entsündnng des gansen Fingers,
naob acht Stunden aber den gansen Arm ausgedehnte Phlebitis
einstellte.
DesseDungeachtct wagt iS. die Behauptung aufzustellen, dass
die Zahl jener Frauen, die schon entschieden krank zur Ent-
bindung hereinkamen , keine auffallend grosse gewesen sein kann,
wenn es auch bei einzelnen zweifellos der Fall war. Dafür sprechen
nach ihm
1) die Vergleichung der ErkrankungsyerhXitnisse der schon
entbunden Aufgenommenen (1,1 Proc), der schon mit Wehen
Eingetretenen (18,6 Proe.) und der erst einige Zeit nach
der Aufnahme Entbundenen (22,6 Proc), —
2) die Erwägung, dass der Gesundheitsznstand in der mit der
Josefsakademie verbundenen Gebäranstalt während der Zeit
der grössten Heftigkeit der in der von ihm geleiteten
Klinik herrschenden Epidemien sehr günstig war (vom Juni
bis November incl. starb Ton 177 Wöchnerinnen nur 1, im
August), obgleich die Pfleglinge beider Institute derselben
Bevölkerung entstammen, sowie, dass überhaupt zahlreiche
Erkrankungen von Wöchnerinnen ausserhalb der Anstalt
unter keiner Volksklasse beobachtet wurden, —
fi) der Umstand, dass, während die Kinder solcher Mütter, die
schon vor Eintritt oder wenigstens Iftngere Zeit vor Be-
endigung der Geburt vom Puerperalfieber befallen sind, an
der Bluterkrankung der Mutter theilzunehmen und bald
unter pyamischen Erscheinungen zu Grunde zu .' gehen
pflogen, aus den Lebensverhältnissen der betreffenden
Kinder, wie sie von dem Arzte des Findelhauses Dr. Koller
erhoben wurden, ein derartiger Rückschluss sich nicht
machen Itlsst.
Die Häufigkeit von vorzeitigen Geburten in gedachter Zeit
(8,3 Proc. gegen 4,3 Proc. im Jahre 1851 mit 2,1 Proc. Mortolit'at
der Wöchnerinnen) weiss Verf. nicht zu erklären , glaubt aber,
da sich die Morbilität der vorzeitig Entbundenen auf 12,5 Proc,
ihre Mortalität auf 8,8 Proc. stellt (bei einem Verhältniss der
allgemeinen Morbilität 18,7 Proc., der allgemeinen Mortalität von
13,2 Proc), daaa man keineswegs berechtigt sei, anzunehmen,
dass dasselbe Agens, welches die häufigeren Puerperalerkrankungen
hervorrief, durch seine Einwirkung während der SchwaogerHchaft
aach die zahlreicheren Frühgeburten hervorgerufen habe.
\
130 ^1- NoUsen «an der Joarnal« Literatur.
Da nach dem Voraungegan^enen die InfectioD «nsterfaalb der
Anstalt keineswegs in grösserem oder gleichem Maasstabe wie
innerhalb derselben stattgefunden, da femer ein längerer Auf»
enthalt in ihr Tor der Gebnrt ebenfalls keine grössere Disposition
■nr Erkrankung bedingt haben kann, da endlich die bereits ent»
banden mr Klinik Gebrachten, Ton denen auch nnr eine einiige,
nnd nicht tödtlich erkrankte, in die nämlichen Zimmer, wie die
fibrigen Wöchnerinnen, und mitten unter diesplben gelegt wurden,
bleibt nach Verf. für das krankmachende Agens keine andere Zeit
der Einwirkung übrig, als die Geburt und die ersten Standen
nach derselben, und kein anderer Ort, als das Kreissiramer, so
dass er sich su der Aufforderung veranlasst sieht, bei Er-
forschung der Ursachen der Puerporalerk rankungen
und behufs ihrer Ve rhütung*die Aufmerksamkeit vor
Allem auf den Geburtsact and das Rreissimmer so
richten.
Der Seuche unterlagen ferner entschieden inehrKrstgeb&rende
und Individuen, welche das 25. Lebensjahr noch nicht überschritten
hatten. Ob die Betreffenden aber deswegen mehr zur Erkrankung
disponirt waren, weil sie cum ersten Male in der Geburt waren,
oder weil sie sich noch in einem jugendlichen Alter befanden, wagt
Verf. nicht bestimmt la entscheiden. Doch scheint ihm eine grössere
Disposition sur Erkrankung durch Erstgeburt wahrscheinlicher
wegen des bedeutenden Unterschiedes in den Verhältnissen der
Morbilität (um -f 9,2 Proc.) und der Mortalität (um -f 5,6 Proc.)-
Die Znsammenstellung derjenigen Geburten endlich, welche*
in irgend einer Periode mit VersÖgerung verliefen, ergiebt, dass
diese 155 Falle 52 Erkrankungen, darunter 37 tödtliche lieferten
(Mortalitätsverhältniss 33,5 Proc). Von 15 Frauen, bei denen
nach der Geburt Blutflüsse eintraten, erkrankten 9 und starben 7.
Von den 760 Geburten mit regelmässigem Verlauf waren 133 von
Puerp^ralprocessen gefolgt; von den Wöchnerinnen starben 96,
so dass sich für sie das Verhältniss der Morbilität auf 17,5 Proc,
das der Mortalität auf 12,6 Proc stellt. Aus dem relativ ge-
ringen Unterschiede dieser Verhältnisse von jenem der Morbilität
und Mortalität im Allgemeinen (18,7 Proc. und 13,2 Proc) schliesst
Verf., dass die anomalen Fälle die Erkrankungs Verhältnisse im
Allgemeinen nicht wesentlich beeiaflussen.
(Wien. med. Jahrb., 1863, 1. Heft.)
XII.
Die apoplectische Destruction der Uterin-
schleimhaut.
Von
Dr. Blgenbrodt und Dr. A. Hegar,
praktisehen Aersten in Darrastadt.
(Mit drei Abbildungen.)
Wir haben diesen Vorgang vorzugsweise an der zur
Decidua umgewandelten Schleimhaut des schwangeren Uterus
beobachtet und hätten deshalb nicht mit Unrecht „die
apoplectische Destruction der Decidua" als Ueberschrift setzen
können. Da. aber auch an der Mucosa des menstruirenden
Uterus apoplectische Zerstörungen vorkommen, so haben wir
die obige Benennung vorgezogen.
Die nachfolgenden Mittheilungen werden darthun, dass
apoplectische Ergiessungen in der Uterinscbleimhaut weit
häußger vorzukommen pflegen, als man dies bisher an-
genommen hat, und dass dieselben sehr häufig eine Zer-
störung und Zertrümmerung dieser Membran bewirken. Trotz
seiner Häufigkeit ist dieser letztere Vorgang , der, so viel uns
bekannt ist, bis jetzt noch nicht beschrieben wurde, über-
sehen worden, weil in den meisten Fällen das anatomische
Substrat verloren geht. Das zertrümmerte Gewebe wird in
Blutcoagula eingehüllt und mit denselben innig gemengt aus
den Geschlechtstheilen abgeschieden. Bei Sectionen wird man
nur selten Gelegenheit haben, diesen Process nachzuweisen.
Wir sind im Frühjahre 1861 zuerst durch Beobachtungen
am Krankenbette auf denselben aufmerksam geworden.^) Durch
1) In Dr. Hegar^t Beiträgen znr Pathologie des Eies (siehe
diese Zeitschrift, Bd. XXI., Supplement Heft) ist S. 16 a. f. bereits
▼orl&ufig Einiges über diesen Gegenstand mitgetheilt worden.
M ooatasohr. f. Oebartsk. 1868. Bd. XXII., Hfl. 8. H
162 ^^I* Big0nhrodt a. Hegar^ Die »poplectiache
Untersuchungen an Abortiveiern und Nachgeburten, sind wir
jetzt im Stande, auch genauere anatomische Nachweise zu
liefern.
Anatomische Verhältnisse.
Um eine sichere Grundlage zu gewinnen, beschreiben
wir zunächst Präparate, an welchen die mit Blut durchsetzt^i
und hierdurch zerstörten Gewebstheile noch im Zusammenhange
mit anderen, erhalteneu Eigebilden stehen und beginnen mit
einem Präparate, das die verschiedenen Formen der apo-
plectischen Destruction der Decidua in höchst instructiver
Weise darbietet.
I. Nachgeburtstheile, einem 27 Centimeter langen Fötus
angehörend, demnach ungefähr dem Ende des fünften Monats
entsprechend. — Wir haben dieses Präparat durch die Gute
unseres Collegen Herrn Dr. Louis Büchner im Februar 1863
erhalten. Die Placenta hatte frisch gemessen einen Durchmesser
von 11 Centimeter. Das Chorion mit dem Amnion waren
grösstentheils erhalten. Ausserdem hingen dem Placentarrande
rings grössere oder kleinere Partieen der Decidua vera an. Die
breiteste Stelle derselben hatte eine Ausdehnung von 6 Centimeler,
die schmälste von 1 Centimeter. Die Dicke der Vera betrug
2 bis 3 Millimeter. Auch die Reflexa war ringsum erhalten, so
dass die Uebergangsstelle (Umschlagsstelle) der Vera in die
Reflexa sich um den ganzen Umkreis der Placenta herum verfolgen
Hess. Die Ausdehnung des noch erhaltenen Theiles der Reflexa
war jedoch sehr gering. Dieselbe beschränkte sich auf einen
der Uebergangsstelle anhängenden schmalen Saum, dessen Breite
an keiner Stelle mehr als 1 Centimeter, an sehr vielen nur
wenige Millimeter betrug. In diesen beiden Abschnitten der
hinfälligen Haut sind zahlreiche Blutextravasate sichtbar, theils
frei, grösstentheils aber in das Gewebe eingebettet An
einer Stelle lagen mehrere Schichten bis 3 Centimeter grosser,
scheibenförmiger Blutcoagula in dem Gewebe der Vera über-
einander (siehe Figur 1). Diese Membran war hier in mehrere
Schichten getheilL Die oberflächlichste Schichte (g), welche
einen kleineren apoplectischen Heerd enthält, ist in der Ab-
bildung Figur 1 nach der Placenta hin umgeschlagen, ebenso
wie der benachbarte unveränderte Theil der Vera (c')« der
DetlraetioB der Uterio8«hleimhaiit. \Q^
deshalb seine raube OberflSche darbietet Die tieferen Schichten
der Vera mit den in sie eingelagerten, grossen, scheiben-
förmigen Extravasaten {h) sind nach der entgegengesetzten Seite
zurückgeschlagen, so dass ihre dem Cavurn uteri zugewendete
Seite sichtbar wird. Auf derselben Abbildung sieht man bei e
ein anderes Extravasat von mittlerer Grösse, das in den
tieferen Schichten der Vera in der Nähe der Uebergangsstelle
in die Serotina seinen Sitz hat E^ ist der Susseren rauhen
Seite der Vera theils aufgelagert, theils erstreckt es sich
zwischen die Gewebstheile derselben. Zwischen den beiden
soeben beschriebenen Stellen fand sich in und an der Reflexa
ein bandförmig gestaltetes, 3 Centiroeter langes, V2 Centimeter
breites und 3 Millimeter dickes Extravasat (t), das ebenfalls
dem Gewebe theils aufgelagert, theils in dasselbe infiltrirt
war. Unmittelbar daneben lag ein kleines Blutcoagulum (A;),
tbeilweise frei zwischen Vera und Reflexa, theilweise in das
Gewebe der Reflexa eingelagert
An einer anderen Stelle des Placentarrandes fanden wir an
der Vera und Reflexa anhängende, apoplectisch destruirteGewebs-
tlieile Ton kolbiger und traubenförmiger Gestalt Dieser Theil
des Präparates ist in Figur 2 dargestellt Die Umschlagsstelle
der Vera ist hier in der ganzen Ausdehnung der Abbildung
auseinander gefaltet, wir sehen deshalb ilberall am Kuchenrande
sowohl die glatte Seite der Vera (d) als der Reflexa (/).
Bei g durchsetzen lange, walzenförmige, parallel gelagerte
Extravasate das Gewebe der Vera, an deren Rändern kolbig
gestaltete, mit geronnenem Bhite durchsetzte Fetzen herab-
hängen. Von der Reflexa ist nur ein schmaler Saum er-
halten, an welchem traubenförmige Gebilde hängen (it).
Dieselben bestehen vorzugsweise aus geronnenem Blute, das
von Gewebstheilen der Reflexa durchsetzt und theilweise
dberkleidet ist. Bei l ist ein cylindrisches, mit Gewebs-
theilen durchsetztes Blutcoagulum sichtbar, das sich von der
Vera bnlckenartig über die Umschlagsstelle nach der Reflexa
hin erstreckt und auf beiden Seiten in das Gewebe dieser
Membranen übergeht Ba k befindet sich eine von Extravasat
freie, fadenförmige Gewebsbrücke. Es ist dies eine der theiis
fadenförmigen, theils lamellösen Brücken, welche nicht selten
an der Uebergangsstelle vorkommen.
11 ♦
II. Ausser diesem Präparate aas der miUleren Zeit der
Schwangerschaft haben wir eine Reihe von Abortiveiern aus
der Zeit des dritten Schwangerschaftsmonats su untersuchen
Gelegenheit gehabt, an welchem sich apopleclisch destruirte
Theile der Decidua vorfanden. Wir theilen hier die Befunde
mit, welche von besonderem Int^esse sind. Zwei dieser
Eier sind bereits von Dr. Hegar in dieser Zeitschrift (a. a. O«,
S. 45, Fall 3, und S. 52, Fall 7) beschrieben und abgebildet
worden. An beiden Präparaten ist die Vera an verschiedeoen
Stellen durch apoplectische Destruction zu trauboifönnigen
Gebilden umgeänderL Bei einem dieser Eier, welches einen
verkümmerten Embryo einschliesst (a. a. 0., Fig. 1) befinden
sich ausser diesen traubenfonuigen Formen, auch flächenartig
ausgebreitete Blutergusse in dem Gewebe der Vera am unteren
Eipol. Das Gewebe ist durch diese Extravasate in ver-
schiedene Schichten getheilt, zwischen denen Massen ge-
ronnenen Blutes bis zu einer Dicke von 1,5 Millimeter
eingelagert sind.
An einem anderen Abortiveie aus dem dritten Monate
fand sich eine apoplectische Destruction der Reflexa. Da
Dr. Hegar (a. a. 0., S. 57, Fall 10) hauptsächlich nur die
Veränderungen, welche an der Serotina dieses Eies walir-
nehmbar sind, beschrieben und abgebildet hat, so geben wir
hier eine Beschreibung der übrigen Theile. Es gehört dieses
Ei zu der so häufig vorkommenden Art von Abortiveiern aus
dem dritten und vierten Monate, welche man als Blutmoles
bezeichnet hat Ein colossaler Bluterguss zwischen Chorion
und Reflexa hatte die Holde des Amnion, ebenso wie das
dem Amnion eng anliegende Chorion so platt gedruckt, dass
die Wandungen überall eng aneinander lagen. Im Amnion
fand sich ein Nabelstrang ohne Embryo. Die Reflexa war
an der Seite des Eies, nach welcher das Chorion durch dea
Bluterguss hingedrängt worden war und am unteren Eipel
grösstentheils zerstört. Hier hingen kolbige, trauben- und
scheibenförmige Blutcoagula an den Rändern der Reflexa.
Diese Gebilde standen mit den zwischen den Gewebstheilen
der Reflexa und den Zotten des Chorion abgelagerten Blut*
ergussen in unmittelbarem Zusammenhange und die Unter-
suchung ergab, dass ihre Masse von Gewebstheilen der Reflexa
DestrQction der Uterinsebleimhant. 165
durchsetzt und tbeilweise fiberUeidet war. Am unteren Eipole
fanden wir einen Riss im Chorion, durch welchen sich Blut-
massen zwischen Chorion und Amnion in das lockere Binde-
gewebe eingedrängt hatten, welches die innere Flache des
Chorion mit der äusseren des Amnion verbindet.
Ein anderes Abortivei ans dem zweiten Schwangerschafts-
flionate (siehe weiter unten Fall 5) zeigt die apoplectische
Destruction der Rcflexa ebenfalls in instructiver Weise. Es
liefert dies Ei auch noch in anderer Beziehung einen be-
merkenswerthen Befund. Die Chorionblase lag in einem ab-
geplatteten Sack, welcher eine Länge von 4 Centimeter hatte
und die gewöhnliche Beschaffenheit des Deciduagewebes besass.
Man konnte an demselben zwei Wände unterscheiden, welche
unter einem spitzen Winkel zusammenliefen. Die eine dieser
Wände war vollständig erhalten, von der anderen fehlten
zwei Drittheile. Nach unten zu lief der Sack in eine ab-
gestumpfte Spitze aus, nach oben hin war er weit geöffnet
Die äussere Fläche der Sack wand war glatt, die innere raub.
Zwei Centimeter von der abgerundeten Spitze entfernt hing
die Chorionblase an der inneren, rauhen Fläche der voll-
ständig erhaltenen Wandung. Der Durchmesser der Choriou-
blase betrug 1,3 Centimeter, die Zotten waren an einer Stelle
7 Millimeter lang, an den fibrigen um einige Millimeter kürzer.
Die eine Hälfte der Chorionblase lag frei, die andere war
mit der Sackwand verbunden. Diese Verbindung war jedoch
nur eine mittelbare, indem zwischen dem Chorion und
der Sackwandung mehrere beträchtliche Blulextravasate lagen.
Unmittelbar an den Zotten des Chorion hingen Gewebstheile
fest an. Weiter nach aussen lagen mehrfache Schichten von
1 Centimeter grossen, 1,5 bis 2 Millimeter dicken, scheiben-
f5rmigen Blutgerinnungen, welche von Deciduagewebe über-
kleidet waren. Hier hingen verschiedene cylindrische, von
Gewebe durchsetzte Blutcoagula und hämorrhagisch infiltrirte
Gewebsfetzen an. Diese Massen standen durch einen dünnen
Gewebsstrang mit den an den Zotten haftenden Theilen der
hinfälligen Haut und ebenso auch durch einen solchen mit
der wohlerhaltenen, nach aussen liegenden Sack wand im Zu-
sammenhange. — Die Gestalt des vorliegenden Deciduastückes
und der noch nicht ganz zerstörte Zusammenhang des Chorion
IQß XII. Eigenbr^dt n. Hegarf Die »popledttche
mit der rauhen Seite desselben lassen keinem Zweifd Raiwi,
dass hier die Reflexa vorlag. Auffallend ist die Grösse der
von der Reflexa gebildeten Höhle, deren Durchmesser den
des Cliorion, die Länge der Zotten mitgerechnet, um das
Doppelte ubertrifll.
III. Auch bei normalen Niederkünften lassen sich an den
reifen Nachgeburtstheilen häufig hänlorrhagische Infiltrationen,
Extravasate und apoplectische Destructionen in der Decidua
nachweisen.
Wir haben bei einer Anzahl von normalen Gehurten
die Eihäute untersucht und hierbei häufig diese Zustände
gefunden. Ehe wir aber auf ihre Reschreibung eingdien,
erscheint es uns nothwendig, einige Remerkungen über das
Verhalten der Vera und Reflexa an reifen Eiern nach eigenen
Untersuchungen vorauszuschicken. Wir stellen diesen Mit-
theilungen das voran , was wir in der uns zu Gebote stehenden
Literatur über diese Verbältnisse vorgefunden haben. —
Bischoff sagt (Entw. -Gesch., S. 135): „Meist ist es in der
späteren Zeit nicht mehr möglich, noch eine Vera und Reflexa
zu unterscheiden; zuweilen ist mir dies aber auch an aus-
getragenen Eihäuten gelungen, wenn die Decidua besonders
stark entwickelt war. Uebrigens habe ich schon erwähnt,
dass man, verleitet durch den Namen Decidua, meist gelehrt
hat, diese Membran verschwinde mit dem dritten Monate.
Sie fehlt aber an keiner ausgetragenen Nachgeburt, ist aber
oft mit anderen Theilen verwechselt worden.^' — HoU
(Geburtsh., S. 138): „Jemehr das Ei sich ausdehnt, desto
dünner wird die Reflexa und besonders an der Rodenfläche
des Eies, während sie in der Nähe der Piacenta, da also,
wo die Stelle der Einstülpung sich anlegt, dicker bleibt und
noch an reifen Placenten mehr oder weniger unverletzt, vom
Chorion in Stücken abgezogen werden kann/' Und S. 140:
„Nach der Geburt findet man auf dem Chorion nur einzelne
Inseln bildende Rudimente der Decidua, die nach dem oberen
Theile hin zuweilen noch als häutige Ausbreitungen bestehen."*
Virchow (Gesam. Abb., S. 782) sagt: „Wie sich dasVerhältniss
zwischen Decidua vera und reflexa später gestaltet, ist durch
die mir bekannten Untersuchungen noch keinesvregs ganz klar
dargelegt. In manchen Fällen bleibt die Trennung persistent
Destraotion der Utorinsohleimhant. IQf
und ich habe ein paar Mal Gelegenheit gehabt, am Uterus
?on Wöchnerinnen, die bald nach der Geburt gestorben waren,
mich zu überzeugen, dass nicht nothwendig bei der Geburt
die ganze Uterinschleimhaut losgetrennt wird. In diesen Fällen
bestand nur an der Placentarstelle eine Verwundung, während
die ganze übrige Oberfläche des Uterus noch ihre Schleim-
haut (die Decidua vera) trug. Was man daher an der Ober-
fläche der Eihäute nach einem Abort oder einer Geburt findet,
ist zuweilen nichts weiter wie die Reflexa, obwohl in der
Regel sowohl bei einem Abortus oder einer regelmassigen
Geburt die ganze innere Partie der Utenisschleunhaut mit
abgerissen wird. Dann entsteht aber die Frage, was aus
der Reflexa geworden sei. Da man sie in späterer Zeit oft
gar nicht mehr nachweisen kann, so habe ich seit langer
Zeit die Ansicht gehegt, dass sie durch fettige Metamorphose
ihrer Elemente untergehen müsse. Ich wurde zu dieser
Hypothese, welche Miüiades Wenüelos nach meinen Vor-
lesungen mitgetheilt hat, durch die grosse Häufigkeit des
Vorkommens von Fettk6rncheuzellen in der Reflexa geführt,
und ich kann auch nach dem vorliegenden Falle nicht umhin
zu glauben, dass eine solche FetUnetamorphose schon sehr
früh auftrete. Nur ein einziges Mal habe ich bei einem Fütus
aus dem ' fünften oder sechsten Monate gesehen , wie der
grüssere Tfaeil des Chorion mit einer sehr feinen, gelblichen,
stellenweise fast unterbrochenen Lage, wekhe der Reflexa
angehörte, überzogen war und wenn man sich überdies an
die grosse Geneigtheit erinnert, welche alle am schwangeren
Uterus vorkommenden Elemente besitzen, in fettige Degeneration
überzugehen, so ist diese Art von Rückbildung gewiss die
wahrscheinlichere.*' — Nach Kölliker (Entwickelungsgeschichte,
1861, S. 153) sind am Ende der Schwangerschaft die Decidua
Vera und reflexa mit einander verwachsen und zugleich so
verdünnt, dass sie eine einzige ganz dünne Haut darstellen.
»Wenn man daher einen hochschwangeren Uterus durch-
schneidet, so stösst man nach Trennung der sehr verdünnten
Muskelhaut auf ein dünnes, gelblichweisses, faserig -blätterig
erscheinendes Häutchen und dieses, welches eben die Decidua
darstellt, führt durchschnitten gleich zum Chorion. — Mit
dem Grösserwerden des Eies nämlich vereinigen sich die
Igg XII. Bigenbtoät n. Hegar^ Die «poplectuehe
beiden Decidaae, nachdem sie schon vom sechsten Monale
an oder schon etwas froher verklebt waren; mit der Grössen-
zonahme des Uterus ferner nehmen dieselben nicht anch an
Masse entsprechend zu und werden immer dänner, nichts-
destoweniger kann man nicht selten selbst am Ende der
Schwangerschaft da und dort, jedoch niemals in grösseren
Strecken beide Decidnae künstlich von einander trennen.^ —
Diese verschiedenen Angaben widersprechen sich theil-
weise. Es hat dies, wie sich aus dem Folgenden ergeben
wird, darin seinen Grand, dass der Befand in verschiedenen
Fällen nicht selten von einander abweicht — Wir haben
Folgendes gefunden.
In der Mehrzahl der Fälle war das Chorion nahezu in
seiner ganzen Ausdehnung mit einem Deciduailberzug ver-
sehen , welcher in der weitesten Entfernung vom Placentarrande
sehr dünn wurde oder auch fehlte, gegen diesen Rand hin
dagegen beträchtlich an Dicke zunahm. Die Unterscheidung der
Decidua vera und reflexa ist oft mit vielen Schwierigkeiten
verknüpft, da beide fest miteinander verklebt sind, in anderen
Fällen ist dagegen die Trennung beider durchaus nicht
schwierig. Dies gelingt im Allgemeinen besser, wenn die
Dicke der Vera und Reflexa vcrbältnissmässig stärker ist Es
finden in dieser Beziehung grosse Verschiedenheiten statt
In einzelnen Fällen war die Verbindung dieser beiden Membranen
nicht fester wie die des Chorion mit dem Amnion, bi solchen
instructiven Fällen gelang es, die Vera in grosser Ausdehnung
von der Reflexa abzupräpariren und die Uebergangssteile
dieser beiden Membranen an dem ganzen Umfange der Placenta
zur Anschauung zu bringen. Wir geben hier die BeschreibuDg
eines solchen Falles mit den Worten, wie sie sogleich nach
der Untersuchung in das über unsere Beobachtungen ge-
führte Journal niedergeschrieben wurden.
Die Decidua bedeckt, mit Ausnahme einzelner, in ihrer
Ausdehnung beschränkter, weit vom Kuchenrande entfernter
Stellen, das ganze wohlerhaliene Chorion. Dieselbe lässt
sich überall, besonders leicht in der Nähe des Mutterkuchens,
in zwei Platten spalten, von welchen die eine dem Ghorion
folgt, während die andere sich leicht abziehen lässt. Letztere
ist röthlich, von succuienter Beschaffenheit, während die
D«8traetion der Uterinsehleimbaiit. 169
dem Gborion anhaftende Platte weniger saftreich and von
hellgelber Farbe ist Diese beiden Platten kehren sich einander
glatte Flächen zu. Die rOthliche, succulente Membran ist
nach aussen zu uneben und von grobmaschigem GefTige.
Tremit man in der Nähe des Kuchenrandes die dem Chorion
aufätzende, gelbe Platte von demselben ab, so erscheinen
die Zotten des Chorion, welche sich in diese Platte einsenken
und bei dem Abziehen derselben zerreissen. Die so ab-
präparirte gelbe Membran erscheint dann an ihrer inneren
Seite rauh und an ihrer äusseren glatt, während die succulente
rOthliche Membran das umgekehrte Verhallen darbietet. —
Am ganzen Umfange der Piacenta lässt sich durch einfaches
Voneinanderziehen der beiden glatten Flächen, die Uebergangs-
stelle der gelben Membran in die röthliche sehr schön
freilegen.
Dass die gelbe Platte in diesem Falle die Reflexa und
die röthliche die Vera war, wird schon aus der Beschreibung
einleuchten. Durch die Nachweisung von Chorionzotten in
der gelben Platte und deren Mangel in der röthlichen ist der
Beweis geliefert. — Hat man eine Anzahl von Nachgeburten
untersucht, an welchen eine solche Trennung der Vera von
der R^exa leicht ausfährbar ist und hierdurch die ver-
sdiiedene Beschaffenheit dieser beiden Membranen kennen
gelernt, so ist man in Fällen, in welchen die Trennung
schwierig oder unausföhrbar ist, im Stande, die Reflexa von
der Vera zu unterscheiden. Es ist jedoch mitunter höchst
sdiwierig, die Grenzlinie beider genau anzugeben. Dies ist
besonders in solchen Fällen schwer, in welchen die Be-
schaffenheit und das Aussehen der Reflexa weit weniger von
der Vera verschieden ist, wie in dem oben angeführten Bei-
spiele. Die Reflexa ist nämlich zuweilen durchscheinend,
wodurch sie dünnen Lagen der Vera ähnlich vrird, und aus-
nahmsweise kommen auch in der Vera gelbe Stellen vor.
In vielen Fällen wird der Nachweis der Reflexa dadurch in
hohem Grade erschw^t, dass diese Membran in einiger Ent-
fernung vom Placentarrande überaus dünn ist. Unter den
von uns untersuchten Nachgeburten befand sich indess keine^
an welcher die Reflexa nicht mehr nachweisbar gewesen wäre.
In der Nähe des Placentarrandes hatte ihre Auffindung immer
170 XI'* £igMbrodl u. Hegar, Die apopUcUache
die geringste Schwierigkeit Ein Mal fanden wir die R^exa
am Kucbenrande ausnabmsweiße über drei Millimeter dick,
während sie weit vom Kuchen entfernt kaum die Dicke des
Amnion hatte. In allen anderen Fällen war dieser Unter-
schied zwar viel geringer, aber immer noch merklich genug.
Auch dann, wenn der Schwund dieser Membran am Kuchen-
rande sehr bedeutend war, fanden wir ihn hier stets weil
weniger vorgeschritten, wie an den von der Placenta enl-
fernten Partieen der Eihäute. Hier war in vielen Fällen die
Reflexa nur als eine papierdunne Lage erbalten. — Der Thetl
des Dedduaüberzuges, welcher der Vera angehört, ist eben-
falls in verschiedenen Fällen von sehr verschiedener Dicke.
Auch für ihn gilt die Regel, dass seine Dicke nach dem
Placentarrande hin zunimmt.
Bei der mikroskopischen Untersuchung findet mau in
der Vera ein fibrilläres Bindegewebe oder ein junges Binde-
gewebe, welches, ausser spindelförmigen Zellen, zahlreiche
runde oder polygonale Zellen verschiedener Form und Grösse
enthält Meist zeigen diese Gewebselemente eine deutlich
ausgeprägte Fettmetamorpbose, auch wenn die Membran bei
Betrachtung mit freiem Auge vollständig erhalten scheint Die
Reflexa besteht fast immer aus einem kömigen, fettreichen
Detritus, oft mit zahlreichen runden oder ovalen Kernen.
In der moleculären Hasse sieht man meist einzelne Zellen
mit feinkörnigem Inhalte, mit od<^ ohne deutlichen Kern.
Zuweilen besteht die Reflexa ebenfalls aus einem fibrillären
Bindegewebe. Stets ist die Fettmetamorphose oder Fett-
infiltration in hohem Grade vorhanden. Sehr häufig lassen
sich in der Reflexa Zottenrudimente nachweisen.
Während in der Mehrzahl der normalen Geburten, das
I Chorion, wie oben erwähnt wurde, fast in seiner ganzen
i Ausdehnung von Deciduagewebe bekleidet ist, findet man in
anderen Fällen dasselbe nur* theilweise mit diesem Uebenuge
I versehen. Am Rande der Placenta ist derselbe fast immer
I gut erhalten; an allen anderen Stellen finden sich nur einzdne
■ Inseln auf dem Chorion. Sie besteben entweder aus Reflexa
und Vera, oder es ist nur die Reflexa allein erhalten. Diese
Rudimente der Decidua sind scharf begrenzt, so dass sie an
Deairaction der UtariDsebleimhaiit. ],71
ihren Rändern abgerissen erscheinen. Es wirft sich die
Frage auf: was in sokhen Füllen, in welchen nur Bruch-
stücke der Decidua an dem Chonon sitzen, aus den übrigen
Tbeilen dieser Membran geworden ist ? Unsere Beobachtungen
werden zur Beantwortung dieser Frage einen Beitrag liefern,
indem sie darthun, dass sehr häufig Theile der Decidua an
reifen Eiern, durch frische oder apoplectische Ergüsse zerstört
und in Blutgerinnungen gehüllt, bei der Gd)urt ausgestossen
werden.
Es ist eine bekannte Sache, dass an dem Deciduauberzuge
der reifen Plaeenta häufig Blutexlravasate vorkommen, dagegen
ist, so viel wir wissen, bis jetzt noch von keiner Seite
darauf aufmerksam gemacht worden, wie überaus häufig
apoplectische Ergüsse in dem Deciduauberzuge des ChorioQ.
angetroffen werden. Wir werden zuerst die frischen apo-
plectischen Extravasate und Dcstructionen der Vera beschreiben
und dann einige Befunde derselben Zustände älteren Datums
mittheilen.
Untersucht man den Deciduaüberzug einer Anzahl reifer
Eier, so findet man sehr häufig frische Blutextravasate in
der Vera, bald in grösserer, bald in geringerer Ausdehnung
und Anzahl. Diese Extravasate dringen meist als hämorrhagische
Infiltrationen bis in die Nähe der glatten Oberfläche der Vera,
wie man sich leicht überzeugen kann, wenn es gelingt, die
Vera von der Reflexe zu trennen. Nach der rauhen Seite
der Vera zu nehmen sie an Ausdehnung zu und stehen hier
gewöhnlich mit grösseren apoplectischen Ergiessungen und fest
anhängenden Blutgerinnungen, welche Gewebstheile der Vera
in ihrer Masse eingeschlossen enthalten, im Zusammenhange.
Besonders häufig sind solche apoplectische Dcstructionen der
Vera in der Nähe des Placentarrandes. — In den mit der
Nachgeburt abgehenden Blutgerinnungen findet man bei sorg*
faltiger Untersuchung häufig Stücke der Vera. Sie sind von
sehr verschiedener Grösse, oft Lappen von 1 bis 3 Centimeter
Durchmesser, oft auch nur kleine Fetzen und Theilchen,
welche mit freiem Auge kaum wahrnehmbar sind. Nimmt
man bei diesen Untersuchungen das Mikroskop zu Hülfe, so
findet man oft in ganz homogen aussehenden Blutgerinnungen
eine grosse Menge von Gewebselementen der Decidua. An
172 ^11- Bigsnhrodt u. S^gatf Die «popleetische
den grösseren BruchstAcken der Vera findet man nidit sehen
anhängende, apoplectisch destruirte Theile.
Man findet apoplectisch destmirte Theile der Vera inner-
halb der mit oder nach dem Abgange der Nachgeburlstheile
ausgeschiedenen Blutmassen auch in solchen Fällen, in wdcheD
das Chorion in seiner ganzen Ausdehnung von einem conti-
nuirlichen Ueberzuge der Decidua vera bedeckt ist Hier
%ind es ofienbar die mittleren Schichten dieser Membran,
welche apoplectisch zerstört wurden, wenn man, wie man
nach zuverlässigen Beobachtungen berechtigt ist, annimmt,
dass eine Lage der Schleimhaut auf der Muscularis sitzen bleibt.
Als Beispiele von apoplectischen Ergüssen älteren Datums
in dem Deciduaüberzuge reifer Eier theilen wir folgende
Fälle mit
1. An den bei normalem Geburtsverlaufe abgegang^en
Nachgeburtslheilen einer Frau, deren Schwangerschaft, eine
unbedeutende Blutung im dritten Monate abgerechnet, ganz
normal verlaufen war, fanden wir 7 Centimeter vom Kuchenrande
entfernt ein 8 Centimeter im Durchmesser grosses, halb ent-
färbtes Blutcoagulum von 5 Millimeter Dicke auf dem Chorion
aufsitzend. Es Hess sich leicht vom Chorion abziehen; so weit
es sich erstreckte fehlte die Beflexa ebenso wie die Vera. An
allen übrigen Stellen des Chorion waren diese beiden Membranen
fast ohne Ausnahme wohl erhallen. Näher am Placentarrande,
1 Centimeler von demselben entfernt, fanden sich noch einige,
aber kleinere halb entfärbte Blotextravasate v(hi ungefähr
2 Centimeter Durchmesser und 2 Millimeter Dicke. Diese
apoplectischen Heerde befanden sich in der Refiexa, deren
Gewebe nach aussen, nach der Vera zu, einen Ueberzug
über denselben bildete. Ihr Sitz in der Reflexa war mit
Sicherheit nachweisbar, weil die Vera nur sehr lose mit der
Reflexa zusammenhing und deshalb über die Grenzlinie beider
nicht der geringste Zweifel obwalten konnte.
2. An den Nachgeburtslheilen einer Frau, welche im
vierten und sechsten Monate ihrer Schwangerschaft je einen
Tag lang Blutungen gehabt hatte und mit einem sehr kleinen,
aber reifen Kinde bei normalem Geburtsverlaufe nieder-
gekommen war, fanden wir Folgendes. Auf dem Placentar-
rande lag ein mehrere Centimeter langes und 0,5 Centimeter
Dettraotion der UtorlDsehleimlrnnt. 178
dickes, cyliodrisches halbentfarbtes BlatGoaguIum, welches mii
GewebselemeDten der Decidua durchsetze war und an einigen
Stellen mit dem Dedduaüberzuge der Placenta und den am
Kuchenrande hängenden Stucken der Vera in Verbindung stand.
Auf dem Chorion sassen einzelne Inseln der bräunlichgelben
BeOexa mit scharfen Bändern; in der Nähe des Mutterkuchens
war die Beflexa in der Breite von 2 Centiroeter erhalten.
Von der Vera fand sich nur sehr wenig vor. Abgesehen von
einigen kleinen Budimenten am Placentarrande fand sich nur
ein 5 Centimeter im Durchmesser betragendes Stuck auf
einer grösseren Insel der Beflexa aufsitzend, von welcher es
sich durch einen leichten Zug abtrennen liess. — Die mit
dieser Nachgeburt abgegangenen Blutcoagula wurden sämmt-
lieh gesammelt und untersucht Es befanden sich unter
denselben zwischen frischen Blutgerinnungen auch mehrere
entfärbte; zwei der letzteren von 7 bis 10 Centimeter Länge
und 2 Centimeter Dicke. Diese entfärbten Blutmassen waren
mit einer Unzahl ungefähr 1 Millimeter grosser weisslicher
Theilchen durchsetzt, welche aus einer krümmlichen Masse
bestanden. Ihre mikroskopische Untersuchung ergab Form-
elemente, welche genau dieselbe Beschaffenheit hatten, wie
diejenigen, welche wir in der Beflexa dieser Nachgeburt
gefunden hatten. — An den frischen dunkelrotheu Blut-
gerinnungen fanden sich einzelne dieser weisslichen, aus
krümmlicher Masse bestehenden Theilchen vor.
3. An den nach einer rechtzeitigen, normalen Geburt
abgegangenen Nachgeburtstheilen einer Frau, welche vom
zweiten bis fünften Monate ihrer Schwangerschaft an Blutungen
gelitten hatte, fanden wir Folgendes. Das Chorion ist mit
einer grossen Menge von Blutextravasaten älteren Datums
bedeckt. Dieselben sind von verschiedener Grösse von 0,5 bis
4 Centimeter Durchmesser und von 0,5 bis 3 Millimeter Dicke.
Die nähere Untersuchung ergiebt, dass diese röthlichgelb
entfärbten Extravasate ihren Sitz grösstentlieils zwischen Vera
und Beflexa haben. Mehrere derselben in der Nähe des
Placentarrandes sind aber in das Gewebe der Beflexa eingelagert
Die mikroskopische Untersuchung ihrer röthlichgelben Masse
zeigt die Blutkörperchen in stark geschrumpftem Zustande.
Die Decidua vera ist an diesem Präparate auffaUend dilnn,
174 ^11* Migenhrodt n. HeffaTf Die apoplectitehe
816 bfldet einen ganz TeiDen Ueberzug, der den grössten TheS
der Eihäute fiberkleidet und nur an wenigen uroschriebeneB
Steilen gänzlich fehlt, nur am Kuchenrande hat sie die ihr
gewöhnlich zukommende Dicke von ungeföhr 1 Hilhnieter. —
Hier gelang es, an einer 2 Zoll langen Stelle den Uebergang
der Vera in die Reflexa freizulegen. — Es befinden ach in
der Vera besonders in der Nähe des Mutterkuchens mehrere
firiscbe Blutextravasate , welche mit fest anhängenden Blat-
gerinnungen in Verbindung stehen, deren Masse mit Gewebs-
theilen der Decidua durchsetzt ist. Das Chorion dieses Eies
ist mit dem Amnion fest verwachsen, nur an der Placenta
liess sich dasselbe leicht ablösen. — An und in den mit der
Nachgeburt abgegangenen frischen Blutgerinnungen fanden
sich, ausser kleinen Bruchstücken der Vera, kleine gelbliche
Theilchen, welche unter dem Mikroskop ganz die Beschaffen-
heit der rötblichgelben Masse der oben beschriebenen Extra-
vasate darboten.
Bei diesen Untersuchungen ist es oft nicht leicht, za
entscheiden, ob man es mit einem entfSrbten verfetteten
Blutgerinnsel oder mit einem von Blutergüssen durchsetzten
und destruirten Stuck der Decidua, deren Gewebe zerfaümi
ist, zu Ihun hat Besonders schwierig ist es, die so ver-
änderten Gewebstheile in den Blutgerinnungen zu erkennen,
welche bei der Geburt ausgestossen werden. Leichter ist
dies an Blutgerinnungen, welche an den Eihäuten anhängen,
weil sie hier oft noch mit weniger destruirten Theilen in
Verbindung stehen, so dass man die Uebergänge vom un-
versehrten bis zum vollständig destruirten Gewebe noch in
ihrer natQrlichen Verbindung neben dnander vorfindet
SymptomatolQgie.
Bei der normalen, rechtzeitigen Geburt wird,
wie wir sahen, häufig, wenn nicht immer, ein Theil der
atrophischen Uterinschleimhaut mit Blutergfissen durdisetzt
und mit Gerinnsdn untermengt ausgeschieden. Es ist dies
ein physiologischer Vorgang. Unter besonderen Umstanden,
wie z. B. bei mangelhafter Contraction der Gebärmutter, ge«>
seUen sich hieran gewisse abnorme Erscheinungen, weldie
wir qpäter betrachten werden.
Destraetion der üterinschleimhaat. 175
Wenn Extravasate Tor Ablauf der Schwangerschaft
in die Decidua gesetzt werden, so kann auch dies ohne
irgend ein Krankheitssymptom geschehen. Die Schwanger-
schaft verläuft trotzdem zu ihrem normalen Ende. Die Unter-
suchung der Nacbgeburtsheile, welche apoplectische Heerde
ergiebt, beweist aliein die Gegenwart eines pathologischen
Processes.
Zuweilen sind dagegen während der Gravidität äussere
Blutungen, leichte Schmerzen im Unterleibe, vorübergehende
Wehenthätigkeit vorhanden, ohne dass jedoch jene eine Unter-
brechung erleidet.
Die Blutergüsse in die Decidua können endlich Abort
und Frühgeburt hervorrufen. Die Bedingungen, unter welclien
dies geschieht, sind nur zum Theil bekannt Es kommt sicher
nicht allein auf den Umfang und die Menge des Extravasats,
sondern auch auf die Stelle desselben und auf den Zeitpunkt
der Schwangerschaft an, in welchem es auftritt Ein Blut-
erguss in die Serotina ist von ungleich grösserer Bedeutung,
als ein solcher in einen anderen Abschnitt der hinfalligen
Haut Ein, wenn auch kleines Extravasat im ersten oder
zweiten Monate ist für das zarte Ei dieser Periode viel nach-
theiliger, als ein grösseres im sechsten bis siebenten Monate.
Eine Apoplexie der Beflexa wird hauptsächlich einen Abort
hervorrufen, wenn sie zu einer Zeit zu Stande kommt ^ in
wefeher die Reflexa noch wesentlich zur Ernährung der fötalen
Gebilde dient Auch die Ursache der Blutergüsse ist von
Wichtigkeit Sind diese secundär, hervorgerufen durch
Bildungsanomalien oder patliologische Processe der Uterin-
scUeimhaut, so findet wohl fast immer eine Unteril)rechung
der Schwangerschaft statt
Es liegt nicht in unserer Absicht, diesen Gegenstand
weiter zu verfolgen, wenn auch der Abort und die Frühgeburt
als die häufigste Begleiterscheinung der apoplectischen Zer-
störung der Decidua zu betrachten sind. Wir wollen vielmehr
verschiedene Reihen anderer Krankheitserscheinungen hier vor-
führen, deren ursächlicher Zusammenhang mit hämorrhagischen
Vorgängen in der Schleimhaut des schwangeren und nicht-
schwangeren Uterus bis jetzt wenig gewürdigt wurde. Auf
Vollstfindigkeit machen diese Mittheilungen keinen Anspruch.
176 ^n. Mügmihroäi a. Hegar, Die »iH>pleetitche
/
Es kam uns hauptsächlich darauf an, die Anflnericsamkeii
der Beobachter auf diesen Gegenstand zu lenken. Wir be-
schränken uns daher auf die Hittheilung einiger interessanteren
Fälle, welcher wir kurz einige Bemerkungen beifugen.
Die apoplectische Zerstörung und Losstossang
der Uterinschleimhaut im nichtschwangeren Zu-
stande scheint nicht ganz selten zu sein. Hstn kennt schon
seit längerer Zeit die Ausscheidung grösserer Membranen
oder selbst der ganzen Mucosa während der Menstruation.
Häufiger noch werden ganz kleine Stucke dieser Haut, in
Gerinnsel eingehüllt, entleert nnd zuweilen ist das Gewebe
so zertrümmert, dass nur die mikroskopische Untersuchung
nachweist, dass wirklich Bestandtheile der Schleimhaut in den
Gerinnseln sich vorfinden. Unsere Beobachtungen hierüber
beziehen sich auf Metrorrhagie während der climacterischen
Jahre und auf Dysmenorrhöen.
Fall I. Dysmenorrhoe. Sterilitas. Losstossung von
Gewebstheilen der Uterusschleimhaut während
der Menstruation, welche nur mit Hülfe des
Mikroskops als solche zu erkennen sind,
Frau £"...., 25 Jahre alt, schlank, blass ausseh^ul,
ist seit ihrem 14 Jahre menstruirt und seit drei Jahren ver-
heirathet, ohne dass bis jetzt Concepüon eintrat Patientin
ist bis auf leichte, anämische Erscheinungen gesund. Die
Periode war im Anfange vollständig normal. Vor sechs Jahren
wurde sie zuerst unregelmässig und schmerzhaft. Seit vier
Jahren sind die Beschwerden auffallend heftig geworden.
Die Menstruation ti*itt sehr verschieden, alle 4 — 7 — 9 Wochen
ein. Einen Tag vorher verspürt PaL schon starke Schmerzen
im Kreuze und Leibe. Kommt es alsdann zur blutigen Aus-
scheidung, so lässt der Schmerz nach. Nachdem drei bis
vier Tage lang flüssiges heUes oder mehr dunkeles Blut in
massiger Quantität entleert wurde, gehen grössa^ oder kleinere,
höhnen* bis wallnussgrosse Massen von geronnenem Blute ab.
Dabei sind unerträgliche, bohrende, brennende und reissende
Schmerzen im Dnterleibe vorhanden. Der Schmers bort
hierauf ganz auf und ein bis zwei weitere Tage wird noch
eine hellere, biassrothe, schleimige Flüssigkeit ausgeschieden.
Destrnction d«r UteelofebUinhant. 17^
Die Ealleei^uDg jener ieaten Massen findet nicht bei jeder
Menstruation statt Man bemerkt sie in erheblicher Menge
nur dann, wenn die Periode länger als gewöhnlich, bis sieben
und neun Wochen, ausgeblieben war.
Die Gerinnsel sind gewöhnlich länglich und abgeplattet
oder cylindrisch, von yerscbiedener Grösse, bis zu 3 Centiraeter
in der Länge, 1 Centimeter in der Dicke und Breite. Zuweilen
haben sie eine ausgeprägte, traubenförmige Form. Ein Mal
gelang es, darunter mehrere kleine Läppchen von grauweisser
Beschaifenheit zu entdecken, welche schlilzarlige Löcher zeigten
und unter dem Mikroskop das Gewebe der Schleimhaut dar-
boten. In den meisten Fällen jedoch zeigte das Coagulum
ein ganz homogenes Aussehen. Mit dem Mikroskope konnte
man sich jedoch auch dann von der Gegenwart zahlreicher
kleiner polygonaler oder cylindrischer Zellen, einzelner spindel-
förmiger Zellen und selbst ganzer Lagen spindelförmiger Zellen
überzeugen. . Uebrigens fanden sich auch Coagula, besonders
solche von tranbenförmiger Gestalt, welche nichts der Art
enthielten.
Die Untersuchung der Kranken ergab keine besondere
Abnormität. Die Vaginalportion war weder vergrössert, noch
sonst verändert Die nächste Umgebung des Muttermundes
zeigt eine oberflächliche, schmale Excoriation. Vermehrte
Secretion des Uterus war nur kurze Zeit nach der Periode
vorhanden. Eine Vergrösserung des Organs Gndet niclit statt
Application von Blutegeln an die Vaginalportion, der
Gebrauch von lauwarmen Sitzbädern, Jodsalben hatten keinen
Einflnss auf das Uebel. Dagegen zeigten Aetzungen der
Uterinhöhle mit Höllenstein in Substanz einen guten Erfolg.
Wenn auch die Periode noch unregelmässig eintritt, so haben
die Schmerzen dabei doch sehr nachgelassen. Der Abgang
fester Massen ist geringer und erfolgt fast ohne Schmerz.
Das Allgemeinbefinden hat sich, unter dem Gebrauche von
Stabipräparaten , sehr gebessert
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass hier eine blosse
Henslrnationsanomaiie bestand. Die Annahme wiederholter
Conceptionen winl durch das Vorhandensein des Uebels vor der
Verlieirathung unwahrscheinlich. Auch waren sonst durchaus
keine Symptome von Sdiwangerscbad zu bemerken. Dagegen
Monatnüchr. f. Qebnrtok. 1863. Bd.XXIT.,Hft.3. 12
178 Xl^' Eigenhrodi n. Htgar^ Di« ftpoplectische
ist für die fotgenden FäHe, in wekhen apoplecfisch destruirtp
SchleimhauUbeJle nach Menopause unter heftigen und lang-
dauernden Blutungen entleert wurden, eine stattgefundene
Conception wahrscheinlich. Ausser der Vergi^dsserung des Ut^iis
fehlten zwar alle Schwangerschaftssymptome und unter den
ausgeschiedenen Massen waren, trotz sehr sorgfältiger SammluDg
und Untersuchung, Theile fötaler Eigebilde nicht aufzufinden.
Allein es ist sehr wohl möglich, dass der Embryo nebst
Chorion und Amnion in der ersten Zeit seiner Entwickelung
gehemmt und dann, seiner Kleinheit wegen, übersehen
wird oder auch YoUständig zu Grunde geht, während die
Decidua vera und reflexa fortbesteht und sich selbst weiter
entwickelt. Es ist genügend bekannt, dass die gesammten
Eihäute nach dem Absterben des Embryo fortwucfaern.
Dagegen ist eine Weilerentwickelung der mütterlichen Eihäute,
der Decidua allein, nach dem Untergange sammtlicher
Fötalgebilde noch nicht beschrieben. Ein von Dr. Hegar
beobachtetes Beispiel dieser Art, in welchem nach all-
wöchentlicher Menopause eine stark hypertrophirte Vera nelist
vollständig entwickelter Reflexa ausgestossen wurde, in deren
Innern keine Spur von Embryonaltheilen aufzufinden war,
beweist diesen Vorgang. Auch die weiter unten, anter IV.,
mitgetheiite Beobachtung zeigt, dass die Decidua aUein, nach
Schwund sämmthcher anderer Eigebilde, wenn auch hier in
atrophischem Zustande, persistiren könne.
Fall II. Habituelle Metrorrliagieen. Zeitweise Sistirung
der Menses. Ausstossung von mit Blut durch-
setzten und davon eingehüllten Deciduastucken.
Frau /S., 43 Jahre alt, corpulent und von grosser Statur,
Htt als Kind an Drüsengeschwülsten und Augenentzünddi^.
Die Menstruation trat schon seit dem zwölften Jahre ein, war
ein halbes Jahr unregelmässig, dann vollständig regdmäsaig.
Die ersten vier Jahre ihrer mit dem 22. Jahre eing^angenen
Ehe waren kinderlos. Im fünften Jahre erfolgte ein Abort
am Ende des dritten Monats. Ein Jahr später kam Frau 8.
mit reifen Zwillingen nieder und machte ausserdem noch in
ihrem 31. und 33. Lebensjahre eine rechtzeitige Niederkunft
durch. Die Kinder wurden wegen ungenügender Mitcli-
D«atr«etio& dar UteriaMhIttImbAat. 179
secrelioD nie seitist geslBlt Nach dem letzte Wochenbette
im Jahre 1862 war die Menstruation wieder regelmässig ein-
getreten and dauerte jedes Mal acht Tage. Im Sommer 1857
erfolgte nach zweimonatlichem Ausbleiben der Periode eine
sehr starke Metrorrhagie. Seit dieser Zeit ist die Menstruation
ganz unregelmässig, tritt zuweilen alle 8, alle 14 — 21 Tage
ein, zuweilen cessirt sie 6 — 8 Wochen. Die letzte Menopause,
welche sieben Wochen dauerte, fand im Herbste 1860 statt,
worauf im October sich eine heftige Metrorrhagie einstellte.
Jedes Mal nach längerem Ausbleiben der Menses gehen grosse
Stucke geronnenen Blutes ab. Seit October 1860 hat der
Blutabgang niemals länger als acht Tage sistirt und dauerte,
ab endlich ärztliche Hülfe in Anspruch genommen wurde,
bereits sechs Monate in grösserem und geringerem Grade forL
Im März 1861 wurde er sehr heftig, so dass starke anämische
Erscheinungen eintraten. Man konnte den Uterus etwa drei
Querfinger oberhalb dei* Schoossfuge durchfühlen. Die Vaginal-
portion war weich und etwas vergrössert, der äussere Mutter-
mund für den Zeigefinger durchgängig, der innere geschlossen.
Die Blutung wurde durch Injection von Chloreisenlösuog
gestillt Die vorher abgegangenen Stücke coagulirteu Blutes,
unter welchen sich kleinere und solche bis zur Länge von
5 — 6 Zoll befanden, hatten theilweise eine traubenförmige
Gestall. Unter den Coagulamasseu liessen sich, mittels des
Mikroskops, Bindegewebseleroente auffinden. Die Hämorrhagie
erneuerte sich sehr bald wieder und wurde jedes Mal durch
Injection einer verdünnten Chloreisenlösung, welche jedoch
nur auf 8 — 12 Stunden fruchtete, gestillt So dauerte der
Zustand noch sechs Tage, während welcher Zeit der Mutlei**
mund sich mehr öffnete und die Yaginalporlion weicher wurde.
Am siebenten Tage wurde eine 3 Zoll lange, 1 Zoll dicke
Masse, welche scheinbar nur aus geronnenem Blute bestand,
entleert Unmittelbar darauf hatte sich der Uterus so ver-
kleinert, dass er nicht mehr oberhalb der Schoossfuge zu
fühlen war. Der Abgang geronnenen Blutes hörte von dieser
Zeit an auf. Doch wurde noch vier Wochen lang eine blutig
liugirte, seröse Flüssigkeit ausgeschieden.
Unter jenem Coagulum liessen sich nach soi^ältigem
Auswaschen siehförmig durchlödierte, dünne Schichten der
12*
IgO XI^- Si^enirodt n. Eegar.^ Die apopleetische
Decidoa autßoden, welche anch mikroskopiaGh als soldie
kennbar waren.
Fall III. Metrorrhagie nach dreimaligem Cessiren
der Menses. Abgang von Blutgerinnungen, in
welchen die Gewebselemente der Schleimhaut
nur mikroskopisch erkennbar sind und Abgang
eines unveränderten Schleimhautlappens.
Frau D,, 38 Jahre alt, gross, von blasser Gesichtsfarbe,
ist seit ihrem 21. Jahre regelmässig menstruirL Der Blut-
abgang war jedes Mal stark und dauerte 10-^12 Tage. Im
2ö. Jahre heirathete Frau B. Im 27. Jahre trat nach drei-
maligem Cessiren der Menses eine starke Häniorrhagie ein.
Ganz derselbe Vorgang wiederholte sich im 34. Lebensjahre.
Eine rechtzeitige Niederkunft fand nie statt
Am 14. Juli 1862 trat die Periode, wie sonst auch, ein,
sistirte aber von da an. Am 3. November wurde Frau 2).
von einer überaus heftigen Blutung befallen, welche bereits
sechs Stunden anhielt, als ärztliche Hülfe in Ansprach ge-
nommen wurde. Die Kranke hatte mehrere Ohnmächten,
der Puls war kaum fühlbar, die Extremitäten kalt und mit
Scbweiss bedeckt. Die Gebärmutter stand drei Querfinger
oberhalb der Schoossfuge. Die Vaginalportion erschien verkürzt,
weich. Der Muttermund war geöffnet, so dass man mit dem
Finger bis über den inneren Muttermund eindringen konnte.
Man stiess jedoch nur auf weiche Massen, welche sicli wie
Gerinnsel anfühlten. Einspritzungen von Chloreisenlösung
sistirten die flämorrhagie. Da Alles, was abgegangen war,
noch im Bette lag, so wurde dasselbe sorgfaltig gesammelt
und untersucht. Es bestand aus massenhaften Coagulis, von
verschiedener Grösse und Form. Mit dem blossen Auge
konnte man durchaus keine Gewebstheile auffinden, dagegen
gelang es mit dem Mikroskope, in einzelnen Gerinnsehi
spindelförmige Zellen und Epithelialzellen von verschiedener
Grösse und feinkörnigem Inhalte nachzuweisen.
Die Blutung stand sieben Tage, während welcher Zeit
nur eine blutigseröse Flüssigkeit mit einzelnen krömmlicheo,
schwarzen Coagulis, offenbar durch die Ghloreiseninjectionen
entstanden, entleert wurde. Am 10. November entstand jedodi
Desiroeiion der Uteirioscbleiaihaat. Jg]
wieder eine starke Hämorrhagie, mit welcher ausser den
oben beschriebenen Gerinnsehi, ein 5 Centimeter langes,
1 Centimeler breites und 3 Hillimeter dickes Deciduastöck
entleert wurde. Die Ränder waren verdünnt und ausgefranst
Auf der glatten Seite der Membran liessen sich Drüsenlöcher
erkennen. Die andere Fläche war rauh.
Bis zum 10. December bestand ein wässeriger, zeitweise
blutiger Abgang fort, dem ein massiger Fluor albus folgte.
Wir erwähnen hierzu, dass in diesem Falle besonders
sorgfaltig alle Abgänge untersucht wurden, ohne dass es
gelang, Theile embryonaler Gebilde zu entdecken.
Die mitgetheQten Beobachtungen erscheinen auch von
Wichtigkeit für die Lehre von den sogenannten fibrinösen
Polypen. Man hat in neuerer Zeit die Bildung derselben
stets einem vorausgegangenen Abort zugeschrieben. Das hat
gewiss für die meisten Fälle seine Richtigkeit und die unter IV.
mitgetheilte Beobachtung liefert ein sehr sprechendes Beispiel
Denken wir uns hier das rudimentäre Ei von älteren und
frischeren Coagulaschichten umhüllt, so dass die Reflexa als
solche noch unkenntlicher ward, so konnte man das Ganze
recht gut für ein festsitzendes Gerinnsel halten. Entdeckte
man alsdann im Innern Gewebselemente der Decidua, wie
junges Bindegewebe, so halte map einen sogenannten fibrinösen
Polypen vor sich mit beginnender Faserstoflbrganisation. Doch
möchten wir die Entstehung nicht immer dieser Ursache zu-
schreiben. Es ist uns sehr unwahrscheinlich, dass ein frei
in der Dterinhöhle liegendes Coagulum eine Verbindung mit
dor Gebärmutterwand eingehe. Dagegen kann sehr gut ein
grösstentheils losgestossener, mit Blut durclisetzter Schleim-
hautlappen an einer Stelle fest haften und den Mittelpunkt
einer weiteren Gerinnung bilden. Dass aber Abtrennungen
der Schleimhaut ohne vorausgegangene Conception vorkommen,
steht fest, und dass sie so zur Bildung fibrinöser Polypen
fuhren können, ist nach dem Vorausgegangenen leicht er-
sichtücb.
Bei den unter IL und III. angeführten Fällen erklärten
wir eine Schwangerschaft für wahrscheinlich. Ein sicherer
Beweis hierfür existirte jedoch nicht. Die Entscheidung, ob
man es bei emer Blutung, welche unter wehenartigen Sdimerzea
182 ^^^' JBig&nbrodt n. Hegar, Die spoplectische
nach ein- oder zweimaligem Sistiren der Menses entsteht,
mit Abort zu thun habe, ist überhaupt zuweilen sehr sdmierig.
Die Zeichen der beginnenden Scliwangerschafl sind trügerisch.
Das Ausbleiben der Catamenien bei einer Frau, welche ganz
regelmässig menstruirt war und vollständig gesund ist, macht
die Gravidität sehr wahrscheinlich. Anders gestalten sich
jedoch die Verhältnisse bei einer Frau, welche erivankt,
welche unregelmassig menstruirt ist, eine Localaffection
der Generationsorgane darbietet oder sich in der Nähe der
climaclerischen Jahre befindet. Hier kann eine Blutung,
welche nach Menopause auftritt, noch lange nicht als von
Abort herrührend betrachtet werden, auch wenn sie selir
stark und anhaltend sein sollte. Man muss unter soidien
Umständen Bestandtheiie des Eies auffinden, deren Nachweis
überhaupt zur exacten Diagnose der Fehlgeburt
unerlässlich ist. Zu jenen Bestandtheilen des Eies, welche
die vorausgegangene Conceptiou sicher stellen, gehören d&r
Bmbryo, der Nabelstrang, Chorion und Amnion.^) Stucke
der Ulerinschleimhaut allein sind, entgegen der allgemein
herrschenden Ansicht, nicht dazu zu rechnen. Die Decidua
menstrualis hat denselben Bau, wie die Decidua uteri gravidL
Ob man aus dem Abgange einer sehr bedeutend hyper-
Irophirten, etwa 6 — 7 Millimeter dicken Membran, was jedoch
sehr selten vorkommt, auf Schwangerschaft sicher schliessen
kann, muss erst durch weitere Untersuchungen festgestellt
werden. Wir betrachten das Auffinden von Theilen der
Mucosa nur dann als beweiskräfUg, wenn sich hiermit andere
Symptome der Gravidität, insbesondere stärkere Pigmentirung
des Warzenhofes, Vortreten der Montgomery^wheu Körper etc*
verbinden. Auch der Nachweis einer als. solche deutSch
erkennbaren Reflexa sichert die Diagnose. ')
1) Auch hierbei ist Vorsicht nöthig. Das Scbeidenepithel
stösst sich saweilen unter dem Einflnsse adstringirender In-
jectionen, insbesondere der Chloreisensolntion in Form däaner,
darchscbpinender Membranen los, welche man, dem Kuweren
Ansehen nach, fürTheile des Amnion halten kann. Das Mikroskop
stellt den Irrthuro leicht heraus.
2) Zuweilen kommen in der Vera Falten vor, welche einer
Befleza tänschend fthnlich sind. Ist gar eine solche Falte der
Dettruction der Uterioscbleimhaut. Ig3
Es schien ooüiwendig, die Grundsätze, welche uns bei
Annahme des Aborts leiteten» hier anzuführen. Wir wenden
uns nun zu den Erscheinungen, welche die Los-
stossung der Decidua hierbei, die fast stets mit
apoplectischen Ergüssen und mit hämorrhagischer
Destruction verbunden zu Stande kommt, begleiten.
Zuweilen wird das ganze Ei nach längerer oder kürzerer
Wehentbätigkeit mit allen seinen Theilen und selbst mit der
ganzen oder dem grossten Theil der Vera ausgestossen. Es
ist dies ein sehr günstiger, jedoch seltener Verlauf des Abort.
Der Uterus in?olvirt sich gewöhnlich rasch« Die Ausscheidungen
verlieren bald ihre blutgefarbte . BescbaiTenheit. — Häufiger
bleibt ein Theil der Serotina und der Vera im Uterus zurück.
Die Reflexa allein nebst den in ihr enthaltenen FötaJgebilden
wird mit anhängenden kleineren Parlieen jener Abschnitte
der Decidua entleert Die Wehentbätigkeit sistirt dann einige
Zeit. Dies geschieht ganz sicher und wir machen in Bezug
auf die Therapie darauf aufmerksam, wenn vorzeitig manuell
eingegriffen wird. Untei* solchen Verhältnissen involvirt sich
die Gebärmutter langsamer. Häufig sind fixe locale Schmerzen
und Nachwehen vorhanden. Gewöhnlich wird alsdann in den
nächsten Tagen unter erueueter, stärkerer oder geringerei*
Blutung der übrige Theil der hinfälligen Haut in grösseren
oder kleineren Theilen ausgeschieden. — Zuweilen kommt
diese Ausscheidung jedoch erst innerhalb mehrerer Wochen,
ja innerhalb mehrerer Monate zu Stande. Langwierige und,
wenn auch selten, selbst copiöse Hämorrhagieen oder übel-
riechende, missfarbige und blutgefarbte Ausflüsse sind alsdann
begleitende Symptome. Der Uterus involvirt sich schlecht
und ist Nachkrankbeiten (chronischem Catarrb, Infara) aus-
gesetzt. Zugleich leidet das Allgemeinbefinden erheblich.
Uehrigens ist nicht zu verkennen, dass Localkrankheiten der
Gebärmutter und Allgemeinleiden auch als Ursache dieses
Ausganges auftreten können.
SitB eines Blnterg^BBes, so IXsat sie sich von einer Reflexa, in
welcber das Ei sn Ornnde geg^angen ist, nicht nnterscheiden.
Beobachtungen dieser Art wurden jedoch nur bei hypertrophischen
Zuständen der Decidua uteri gravidi gemacht.
184 ^1'* £igenbrodt u Hegar^ Die apopKjctische
Beispiele dieses verschiedenen Verlaufes sind bereits bei
Hegar (1. c.) aufgeführt. Wir theilen hier nodi folgende mit
Fall IV. Abort im zweiten Monate. Manuelle Ent-
fernung einer atrophischen Reflexa. Ausstossung
apoplectisch zerstörter Schleimhautreste bis in
den zweiten Monat
Frau W,^ 40 Jahre alt, Mehrschwangere, wurde im
August 1861 durch Wendung und Extraction bei unvollständig
erweitertem Muttermunde entbunden. Es bestand Placenta
praevia. Die Geburt war rechtzeitig erfolgt Das Kind wurde
nicht gestillt. Seitdem litt die schon durch die Blutung bei
der Geburt sehr herabgekomroene Frau an unregebnSss^
häufig eintretender und sehr copiöser Menstruation. Sie nahm
Eisenpräparate, konnte sich jedoch, ihrer höchst ärmlichen
Verhältnisse wegen, weder einem passenden diätetischen Regime,
noch einer geeigneten Behandlung unterwerfen. Von Ende
Juni 1862 cessirte die Periode, bis am 23. August unter
leichten Leibschmerzen eine sehr heftige Hämorrhagie sich
einstellte, welche in geringerem Grade bis zum 28. Angust
fortdauerte. Erst an diesem Tage nahm Frau FT., zu-
nehmender Schwäche wegen, ärztliche 'Hälfe in Anspruch.
Bei der Untersuchung zeigten sich die Baucfadecken gespannt,
so dass man Nichts deutlich durchfühlen konnte. Der
Muttermund stand tief und die Lippen waren weich. Man
konnte bequem durch den schlaffen, geöffneten Cervix bis in
das Cavum uteri dringen. Am Fundus hing ein 5 Centimeter
langes, 1 Centimeter breites und dickes, cyiindrisches Gebilde
herab, welches sich an seiner Insertionsstelle leicht ablösen
liess. Dieser Korper glich vollständig einem sehr in die
Länge gestreckten Eie, von einer äusserst runzeügen, ge-
falteten und vollständig in Fettmetamorphose begriffenen
Reflexa umhüllt, welche deutlich siebförmig durchlöchert war.
Doch waren im Innern nur alte, metamorphosirte, entfärbte
Coagulareste zu entdecken.
Am 6. October schickte Frau W. wieder um HOlfe. Sie
war sehi' anämisch. Die Blutung halle fünf Tage gestanden,
war aber alsdann von Neuem aufgetreten und hatte, mitunter
sehr stark, fortgedauert, trotzdem sich die Pat meist ruhig
De«tmotioii der UterittBehleimbaüt. 185
im Belle hielC Hit flössigem Blute gingen zeitweise grösMre
und kleinere Genunsel unter leichten Schmerzen ab. Der
Leib war scfamerzlos gegen Druck, jedoch gespannt. Der
Muttermund steht tief, ist geschlossen und mit seichten
Ezcoriationen versehen. Die Sonde dringt 6V4 Centimeter
ein. Das Mikroskop zeigt in dai Coagulis zahlreiche Spindel-
zeOen mit feinkörnigem Inhalte und selten deutlichem Kerne,
Kömchenzellen, kleine and grössere, runde und polygonale
Zdlen mit feinkörnigem Inhalte.
Trotz Injectionen von Chloreisenlösung dauert die Blutung,
wenn auch in geringerem Grade, fort Sie verliert sich erst
vollständig, als nach acht Tagen die Uterinhöhle mit Höllen-
stein in Substanz stark toucbirt wurde.
Fall V. Abort im zweiten Monate. Ei, aus einer
theilweise apoplectisch zerstörten Reflexa, aus
Chorion und Amnion ohne Embryo bestehend.
Nachwehen während drei Tagen. Am vierten
Tage Entleerung eines Dccidualappens.
Frau i?., 24 Jahre alt, gesund, etwas blass aussehend,
viel an Migraine leidend, regelmässig, aber stark menstruirt,
hat vor zwei Jahren ein reifes Kind gd)oren. Die Menses
sislirten sieben Wodien. Am 12. Juni Blutung, welche zwölf
Stunden dauerte, worauf das schon oben unter den anatomischen
Verhältnissen beschriebene Ei abging. Die Hämorrhagie hörte
hierauf zwar auf; allein die Frau wurde drei Tage lang durch
starke Nachwehen belästigt. Während dieser Zeit war der
Leib rechts unterhalb des Nabels gegen Druck empfindlich.
Am vierten Tage ging, in Blutgerinnsel eingehüllt, welche
leider nicht aufgehoben wurden, ein V^ Centimeter breites,
2 Centimeter langes Deciduastöck ab, worauf alle Beschwerden
nachiiessen.
Fall VI. Abort im dritten Monate. Retroversio uteri.
Ausstossung apoplectisch destruirter Schleim-
hautfetzen während acht Tagen. (Hierzu Figur 3.)
Frau TT., kleine, schwächlidie Frau, von etwa 30 Jahren,
kam vor vier Jahren zum ersten Male leicht nieder und war
seitdem regelmässig menstruirt Doch htt sie an einer geringen
186 ^''' -Si^nbrodi a. Hegar, Die apopleeUache
Senkung der Gebärmutter, wohl veranlasst durch ekien bei
ihrer Niederkund entstaudeaien, schlecht verheilten DwBmrisib
Vor dem Eintritte der Periode waren seitdem ieidite zidiende
Schmerzen im Leibe, Schwere in demselben, Gefühl, als ob
sich etwas senkte, vorhanden. Am 25. December 1862 war
die Periode wie gewöhnlich vorhanden. Bald darauf litt Frau W.
an Uebelkelt, Erbrechen und Sluhlverstopfung. Noch zwei Hai
zeigten sich zur regelmässigen Zeit Spuren der Meastruation.
Zu den angeführten Beschwerden traten später noch häufiger
Drang zum Urinlassen, starker Stuhlzwang. Nur beiai Ge-
brauch von Abfulirmitteln konnte Oeflhüng erzielt werden.
Am 7. April Blutung mit sehr heftigen Schmerzen im
Kreuze und Leibe. Am 8. April Morgens Fortdauer der
Blutung, unerträgliche, fast beständige, wehenartige Schmo^eo.
Durch die Bauchdecken ist der Uteius nicht durchzufuhleo.
Der Muttermund steht lief und gerade an der Symphyse.
Tief in der Kreuzbeinaushöhlung liegt der angeschwollene
und bei leiser Berührung scbnicrzbafle Uterusgrund. Es
gelingt, denselben in die Höhe zu schieben, einen Fmger
durch den geöffneten Gervix einzuführen und das fast voll-
ständig gelöste Ei zu entfernen.
Dasselbe ist 6 Centimeter lang, 2% — 3 Gentimeter breit
und fast durchgängig von einer 1 Millimeter dicken, vott-
ständig fettig degenerirten Beflexa bekleidet, in welche sieb
ein geschlossenes Chorion und Amnion mit einem 2% Centimeter
langen Embryo befinden. — An einer Stelle des Eies quollen
die hier sehr stark entwickelten Zotten frei vor (Stelle der
Serotiiia), ohne einen Deciduaöberzug zu besitzen. Theile
der Vera sind nicht an dem Ei. Dagegen wird ein grosserer
Lappen derselben für sich entfernt, von welchem ein mit
Extravasat durchsetzter Theil Figur 3 abgebildet ist. In einer
grösseren Falte der Schleimhaut (a;), welche fast so au^ekt,
wie das untere Ende einer Reflexa, ist ein starker Bluterguss
im Gewebe eingebettet, hi der Nähe davon ist der Rand der
Membran sehr unregelmässig zerrissen und zungenförmige,
traubenförmige und quastenartige Gebilde hängen an demselben.
Schon mit blossem Auge lässt sich der Uebergang des Ge-
webes der Schleimhaut auf diese Massen erkennen. Unter
dem Mikroskope zeigt der Ueberzug und der Stiel jener GekiUe
I
DestraotioD der Uteriiieohleimhaat. iQ^
dieselben Elemente, wie die noch unversehrte Deciduaschichi.
Man sieht junges Bindegewebe, kleine runde und polygonale
Zellen, gi*össere Zellen mit zwei bis drei Kernen.
Noch acht Tage lang werden unter leichten Leibschmerzen
und gelinder Blutung theilweise wohlerhaltene, kleine Läppchen
der Decidua, theilweise jene mit Bluterguss durchsetzten und
eingehüllten Massen ausgeleert, wie sie eben beschrieben
wurden. Der Uterus behielt seine normale Stellung.
Bei Geburten, welche rechtzeitig oder in den
letzten Monaten der Schwangerschaft eintreten, ist
der Losslossungsprocess. der Uterinschleimhaut,
welcher auch hier häufig durch eine apoplectische
DestrucHon derselben sich einleitet, nur unter
besonderen Verhältnissen mit pathologischen Er*
scheinungen verbunden. Die Decidua ist durch den
Involutionsprocess so in ihrer Verbindung mit der Uterinwand
gelockert, dass mit der Beendigung der Nachgeburtsperiode
der grösste Theil der Mucosa entfernt ist, der Theil, welcher
überhaupt bei der Niederkunft entleert zu werden pflegt.
Zwei Umstände können diese Abstossung verhindern oder
veraögem. Diese sind ein atonischer Zustand des Uterus und
eine festere Verbindung der Mucosa mit der Gebärmutter.
Beide können sich corobiniren, wodurch eine Steigerung der
Symptome hervorgerufen wird. Man beobachtet in solchen
Fällen innere Blutungen und sehr hartnäckige und schmerz*
hafte Nachwehen. — Bei den inneren Blutungen ist gewiss
selten der atonisebe Zustand des Uterus als alleinige Ent-
stebungsursache zu betrachten. Das aus den geöflineten Ge-
fössen ausströmende Blut hat stets noch eine gewisse vis a tergo.
Diese und hinkommende Actionen der Bauchpresse sind bei
den nie oder doch sehr selten vollständig fehlenden Con*
tractionen der Gebärmutter genügend, um bei dem schlaflen,
weitgeöfibeten Muttermunde das Blut nach aussen zu scha/TeD«
Bei den meisten atonischen Hämorrhagieen strömt das Blut
daher durch die Vagina. Kommt jedoch auch bei gejingeren
&aden der Atonie, ein Moment hinzu, welches den Ausflass
des Blutes hemmt und dessen Coagulation befördert, so bilden
sich massenhafte Gerinnsel, welche ihrerseits in derselben
Weise wirken und intensive, innere Blutungen hervorzubringen
188 ^11* t^^nbrodi o. Hegar, Die apopleelisclie
vermögen. Fetzen der Sclileimliaut, welche frei in der
Uterinhöble liegen oder balbgelost, halb anhängend in der-
selben flotüren, werden in dieser ArC wirken. Bringen ja doch
fremde Körper, in den Arterienstrom gebracht , Coagulatioo
hervor, indem sie ein Centrum der Gerinnang bilden.
Fall VII. Frühgeburt im Anfange des siebenten
Monats, veranlasst durch vorzeitige Involution
und hochgradige Fettmetamorphose der Uterin-
• Schleimhaut. Innere Blutung, in Folge von ver-
langsamter Abstossung der Decidua und von
Atonie.
Frau £., 42 Jahre alt, durch den Verlust eines älteren
Kindes und häusliche Sorgen physisch und moralisch herunter-
gekommen, kam in der ersten Hälfte des siebenten Monats
nieder. In der Nacht traten leichte Wehen mit geringem
Blutabgange ein. Um 9 Uhr Morgens wurden die Wehen
heftiger und um 10 Uhr war die Frucht, welche dem
Schwangerschaftstermine entsprechend entwickelt war und
auch mehrere Respirationsbewegungen machte, geboren. Fünf
Minuten später folgten die Nachgeburtslbeile, unter erneuter
Wehenlbätigkeit. Dieselben waren vollständig normal be-
schaffen. Nur zeigte der Deciduauberzug der Placenta und der
des Chorions, welcher letztere stellenweise fehlte, die später
anzugebende fettige Degeneration in sehr hohem Grade. Eine
Stunde später wurde, als bei geringem Blutabgange ein be-
deutender Cüllapsus der Entbundenen eintrat, ärztliche Hfdfe
beansprucht. Die Frau befand sich in einem Zustande hoch-
gradiger Anämie, hatte mehrere Ohnmächten gehabt und
klagte über Druck auf der Brust, Herzklopfen und Schwindel.
Die Gebärmutter stand, sclüaff anzufülilen und auch in die
Quere stark ausgedehnt, 2 — 3 Zoll oberhalb des Nabels.
Auf kräftiges Massuden zog sie sich zusammen, die Wandung
wurde hart und aus der Scheide stürzte ein Klumpen von
Gerinnsein, mit flüssigem Blute vermischt Da der Uterus
trotz fortgesetzten Massu^ns und obgleich er sich deutlich
verkleinerte, noch sehr hoch stehen blieb, so wurde die
Hand eingeführt. Diese fand den Muttermund und Cervix
geschlossen, die Vagina aber ganz enorm durch Gerinnsel
Destractio» iw Uterimohleimbaüt. Ig9
au8ge3tq>ft und fdmilich damit tain)M>Qirt. Wir macbeto auf
diesen Umstand aufmerksam. Man beschuldigt den aus-
gedehnten Hastdarm oder die Harnblase als Ursache von
mangelhafter Contraction oder von Dislocation des Uterus und,
in Folge dessen, von Hämorrhagieen. Auch eine übermässige
Ausdehnung der Vagina kann diese Rolle spielen. Die Blutung
stand nach der Entf^nung der Gerinnsel sogleich, der Uterus
nahm seine normale Stellung ein und blieb gut cootrahirt
In den massenhaften Blutgerinnseln Hessen sich neben
sehr kleinen Partikeln der Schleimhaut auch grosse 7 — 8 Centi-
meter lange, 3 — 4 Centimeter breite, 1 — ly^ Millimeter dicke
Membranstucke auflinden, mit frisch abgerissener, rauherund
siebförmig durchlöcherter, glatter Fläche. Die mikroskopische
Untersuchung zeigte den intensivsten Grad der Fettmetamorphose
der Gewebselemente, neben viel freiem Fette in kleineren
und selbst grosseren Fettbläschen.
FallVni. Normale, rechtzeitige Geburt Sehr heftige
Nachwehen, weiche mit der Ausstossung massen-
hafter, grössere und kleinere Theile der Schleim-
haut enthaltender Blutgerinnsel enden.
Frau B.^ 23 Jahre alt, kam am 2. April d. J., Morgens
57^ Uhr, nach zwölfstimdiger Geburtsdauer mit einem kräftigen,
ausgetragenen Knaben nieder. Es war die erste Niederkunft.
Die Hebamme entfernte 10 Minuten später die gelöste Placenta
durch einen leichten Zug an der Nabelschnur. Bald darauf
wurde die Entbundene von sehr heftigen, alle 5 — 10 Minuten
erscheinenden Nachwehen l>efallen. Als dieselben gegen Nach-
mittag in sehr hohem Grade fortdauerten, wurde ärztliche
BiUfe beanspruchL
Die Entbundene hatte einen vollständig ruhigen Puls.
Der Uterus stand in der Höhe des Nabels, war schmerzhaft
gegen Druck und contrahirte sich bei der Berührung mit der
Hand unter den heftigsten Schmerzen. Dabei ging etwas
dünnes, helles Blut aus den Genitalien ab.
Trotz einigen Gaben Morphium dauerten die Nachwehen
in unverändertem Grade fort bis zum Morgen des folgenden
Tages, wo ein grosser Blutklumpen, unter vollständigem
Nachlasse aller Erscheinungen, plötzlich aus der Vagina entleert
190 ^n. Stf^nhrodt n. ffegat, Die «poplftctlfohe
wurde. Da der Auftrag gegeben wer, die abgegengeneo
Massen sorgföltig aufzuheben, so wurde das Gaoxe alsbald
zur Untersuchung gebracht Es bestand aus einem zusamaieo-
hängenden Goaguium von der Grösse eines kJeineo Kindskopfes.
Nachdem wir dasselbe in Wasser suspendirt hatten, konnten
wir mehrere, ö — 8 Gentimeter lange, 2 — 3 Gentimeler breite,
1 — IV2 Millimeter dicke, bandartige Deciduastucke aus des-
selben entfernen. Ausserdem waren zahlreiche, kleinere
liilppclien und Fetzen dieser Membran aufzußnden. Als sieb
bei etwas längerer Suspension in Wasser die einzehoen Theüe
des Goagulums mehr von einander getrennt hatten« bemerkte
man noch sehr zahh^che, weisse oder gelbweisse, kleine
Partikel in das rothe Gerinnsel eingesprengt
An den grösseren, membranartigen Stücken liess sich
noch eine mehr rauhe und eine mehr glatte Fläche unter-
scheiden, wenn auch dieser Unterschied nicht so in die
Augen sprang, wie bei Eiern der früheren SchwangerschaAs-
monate. Das Gewebe war mascbig, netzartig, durchscheinend.
Die mikroskopische Untersuchung zeigte bei sämmtlichen
Deciduatheilen ein faseriges Gewebe, sehr zahlreiche mit Fett-
partikeln gefüllte Zellen verschiedener Form, Spindelzellcn,
sowie runde, ovale und polygonale Zellen von verschiedener
Grösse.
Diagnose.
Wir beschäftigen uns hier mit dem Nachweise von Theilen
der Uterinschleimhaut in den blutigen Ausscheidungen der
Genitalien. Dieser Nachweis ist oft sehr schwierig. Nur
grosse Sorgfalt kann gegen Täuschungen schätzen. Das
Gewebe ist nicht selten in sehr hohem Grade von den
apoplectischen Ergüssen zertrümmert Es hat besonders im
verfetteten, atrophirten Zustande, wenig Charakteristisches.
Verwechselungen mit allen, verfetteten Faserstoffschwarten sind
leicht möglich. Wir glaubten früher in der eigenthümlicben
Scheiben- und traubenförmigen Gestalt der ausgestossenen
Massen einen Anhaltspunkt für die Diagnose gründen zu haben,')
1) Bei Hegar (Beiträge zur Path. des Eies, S. 16) findet sich
eine hierauf besaglichej irrthfimliehe Angabe.
Bestraetion der Uteriasehleimhant. 191
weil wir in solchen Fällen stets jene Hassen mit Gewebs-
theilen der Schleimhaut durchsetzt gefunden hatt^^n. Weitere
Beobachtungen haben uns jedoch gelehrt, dass solche Formen
bei Gebärmutterblatungen entstehen, ohne dass eine Spur
von Schleimhautgewebe sich vorfindet Das Ganze kann ganz
ausschliesslich aus Blutcoagulum bestehen. Selbst bei anderen
Hämorrhagieen; wie z. B. denen des Magens, beobachtet man
ähnliche Gerinnsel. Man kann diese Formen sogar känstlich
hervorbringen, indem mau Blut in einem schlafl'en, stark
zusammengefalteten Leinwandbeutel gerinnen lässt. — Das
Blnt dringt in die Falten und Ungleichheiten eines hohlen
Organs oder in die Buchten und Falten eines zerrissenen
Gewebes ein und gerinnt daselbst in den mannichfaltigftten
Formen, welche nichts Charakterislisches für ein besüromtes
Organ besitzen. — Wir überzeugten uns sogar, dass Blut-
gerinnsel auf einer Fläche zahlreiche, kleine Oeffnungen be-
sitzen können, gerade wie die siebförmig durchlöcherte Decidua.
Ist ein solches Coagiilum entfärbt und membranartig gestaltet,
so kann man es leicht för diese halten.
Es gdingt indessen, bei genauerer Untersuchung der ab-
gegangenen Massen, oft mit blossem Äuge die Diagnose sieher
zu stellen; in anderen Fällen jedoch ist dies nur mit Hülfe
des Mikroskops möglich.
Die Schleirohauttbeile finden sich in sehr verschiedener
Weise innerhalb der Blutgerinnungen:
1) £s lassen sich grössere oder kleinere Membranstücke
der Mucosa, welche zwischen den Gerinnseln liegen oder
theilweise fest zwischen diese eingebettet sind, herausziehen
und isolireo. Diese Stücke zeigen deutlich eine glatte, mit
Sieblüchem versehene und eine rauhe, ungleiche Oberfläche.
Der äussere Anblick sichert schon die Diagnose.
2) Es finden sieh nur sehr dünne Gewebsschichten der
Decidua in den Goagulis eingebettet Die Schleimhaut ist,
wie es scheint, in mehrere zarte Lagen zerrissen. Zuweilen
haben jedoch auch diese noch eine deutlich siebförmig durch-
löcherte Oberfläche. Stets wird man indess gut daran tbun,
die mikroskopische Untersuchung vorzunehmen, um einer
Verwecliselung mit einfachen, entfärbten Faserstofiinassen zu
entgehen.
192 X^T* EigMbrodi a. B^gar^ Die apopleetUclie
3) Auf den Gerionsein und innerhalb dersdben liegen
weissliche, gelbe oder graugelbe Parükd. Zuweilen ist die
Oberfläche eines Coagulums dadurch weiss oder wcässgeib
gesprenkelt Aus dem Ende eines zungen- oder walzen-
förmigen Gerinnsels hängt ein zartes, weisses oder gelbweisses
Läppchen heraus oder der Stiel eines traubenförmigen Coagulaois
iiat eine weisse, gelbweisse Farbe. Unter solchen Umständen
kann allein das Mikroskop entscheiden. Jene Theile können
auch aus entfärbtem Faserstoffe bestehen und geben daher
nur einen Anhaltspunkt für die weitere Untersuchung.
4) Das Coagulum ist ganz homogen und gleichmässig
roth gefärbt und enthält doch Bestandtheile der Schleimhaut
und zwar zuweilen in grosser Menge. Hier kann nur das
Mikroskop Aufklärung geben.
Für die Methode der Untersuchung wäre noch zu be-
merken, dass man stets die abgegangenen Massen mit Wasser
überschritten und mehrmals auswaschen muss. Doch darf
man dies Auswaschen nicht lange fortsetzen, weil sich sonst
die Blutcoagula selbst entfärben und den ScbleimhauttheileD
dadurch ähnlich werden. Diese heben sich im Anfange divch
ihre Farbe sehr gut von den rothen Coagulis ab, während
später der Unterschied sich verwischt
*
Auch die mikroskopische Untersuchung hat ihre Schwierig-
keiten und Fehlerquellen, zumal in solchen Fällen, in welchen
man nur nach der AufTmdung einzelner Gewebselemente
auf die Gegenwart oder das Fehlen von Schleimhautresten
schliessen soll. Die Decidua besitzt fast keine ganz charakte-
ristischen Gewebselemente. Die Beschaffenheit dieser wechselt
sehr nach der Zeit der Schwangerschaft und ist leicht durch
pathologische Processe beeinflusst Ausserdem finden Bei-
mengungen des Secrets der Vagina, des Mutterhalses, selbst
der Harnblase statt, welche zu Verwechselungen führen können.
Die Decidua enthält Zellenformen der verschiedensten
Art: kleine, platte Epithelzellen, cylindnsche Zellen, grosse
runde oder oblonge oder polygonale Zellen, runde sehr grosse
Zellen mit 2 — 5 Kernen, spindelförmige Zellen der ver-
schiedensten Grösse und Form, ferner faseriges Bindegewebe
und alle Uebergänge des jungen in fibrilläres Bindegewebe.
Destraction der (Tterintclileimhaiit. 193
'Die Auffindung spindelförmiger Zellen deutet unter aDen
Umständen auf eine Zerstörung der Uterinschleimliaut in ihren
tieferen Lagen und ist unbedingt das sicherste Zeichen, dass
einem Coagjilum Bestandtheile der Mucosa beigemengt sind.
Die Gegenwart kleiner, pflasterförmiger oder cylindrischer
Epithelien beweist nur, dass das Epithel der Schleimhaut
sich ahstiess oder eine Auspressung des Druseninhaltes statt-
fand. Ohne die Gegenwart anderer Formen ist die Ab-
stossung tieferer Schichten der Mucosa nicht nachgewiesen.
Was die grösseren, polygonalen, runden oder oblongen
Zellen betrifft, so können sie nur dann als beweiskräftig
betrachtet werden, wenn sie, was sehr häufig ist, ausgf^prägte
Spuren der Fettmetamorphose oder Fettinfiltration darbieten.
Im anderen Falle sind Verwechselungen mit dem Epithel
der Scheide oder des Cervix uteri leicht möglich. Die oberste
Lage des Scheidenepithels ist zwar sehr charakteristisch;
allein die tieferen Lagen und das Epithel des Mutterhalses
mögen Formen enthalten, welche den Zeliengebilden der
Decidua gleichen.
Fibrilläres Bindegi^webe schliessen wir von den Unter-
sclieidiingszeichen aus. Geronnener Faserstoff kann hier zu
leicht täuschen. Da wo man deutliche Lagen fibrilläres
Bindegewebe oder von Uebergängen des jungen in fibrilläres
Bindegewebe vorfiudet, ist schon die Unterscheidung mittels
des blossen Auges möglich.
Schliesslich bemerken wir noch, dass man diese Unter-
suchungen an möglichst frischen Präparaten anzustellen bar,
was überhaupt ffir alle Untersuchungen der Decidua gilt
Aeltere Objecte, man mag sie in Weingeist, in Cbromsaure
oder irgend einem anderen Conservirungsmittel aufbewahren,
ergeben nur seilen ein sicheres Resultat.
K e 8 u m 6.
1) An der Mehrzahl der bei normaler, rechtzeitiger
Niederkunft abgehenden Nachgeburten besitzt das Chorion fast
in seiner ganzen Ausdehnung einen Deciduauberzug, welcher aus
der Reflexa und einer der Vera angeliörigen Schichte besteht.
MonaUaobr.f. Oebartok. 1863. Bd. XZIT., Hft.8, 13
194 ^11* SigMhrodi n. ffegar. Die apople«titehe
2) Bei Domnalen, rechtzeitigen Geburten wird häufig ein
Theil der Decidua vera , durch Blutergusse losgerissen und Ton
solchen durchsetzt, ausgeschieden. Es ist dies ein physio-
logischer Vorgang, bedingt durch die Involution des Gewebes
und hervorgerufen durch die Contractionen der Gebärmutter.
3) Unter gewissen Verhältnissen, wie hei mangelnder Con-
traction des Uterus , bei festerem Anhaften einer Schleimhaut-
partie, treten hierbei Krankheitserscheinungen auf, wie innere
Blutungen, heftige und anhallende Nachwehen.
4) An den bei rechtzeitiger, normaler Niederkunft ab-
gehenden Nachgeburtstheilen flnden sich nicht selten apo-
pleclische Heerde fiteren Datums in der Reflexa und zwischen
dieser und der Vera.
5) Bei Abort und Frühgeburt ist die apoplectiscbe
Destruction der Decidua vera und reflexa ein sehr gewöhnKcher
Vorgang. In Folge der geringen oder fehlenden Involution
des Gewehes und des dadurch bedingten festeren Anhaflens
der Decidua vera und serotina ist die Losstossung und Aus-
scheidung dieser Theile nicht selten verzögert und findet nur
in längeren Zeiträumen statt Während dessen flnden Blutungen,
welche zuweilen sehr copös werden, statt oder es zeigt sich
ein übelriechender missfarbiger Ausfiuss. Die Involution des
Uterus erfolgt dabei langsam.
In den ausgeschiedenen ßlutmassen lassen sich grössere
oder kleinere, zuweilen nur durch das Mikroskop nachweisbare
Theile der Uterinschlbimhaut entdeckeiL
6) Auch während der Menstruation kommen apoplectische
Zerstörungen der Uterinschleimhaut vor. Zuweilen lassen sich
die Gewebselemente derselben nur mikroskopisch in den aus-
geschiedenen Gerinnseln nachweisen.
7) Es kommen Blutungen nach Menopause vor, welche
sehr hartnäckiger Natur sind und sich mit Ausstossung
apoplectiscb zerstörter Schleimhautstücke verbinden. Es kann
in solchen Fällen zweifelhaft sein, ob hier Conception an-
zunehmen sei oder nicht
l>e«tnieiioii der ÜterioschUirakftQi 196
Erklärung der Abbildungen.
Figur 1. Die Hälfte einer Placenta vom Ende des rOnllen
Schwangerschaflsnionats mit anhängenden Stücken der Decidua
Vera und reflexa.
a. Fötale Oberfläche der Placenta.
b. Aenssere Fläche des Chorion.
c. und c'. Aeussere, rauhe Seite der Vera.
d. Innere glatte Fläche derselben.
u. Uebergangsstelle der Vera in die Reflexa.
g. Innerste Schichte der Vera nach der Placenta hin um-
geschlagen.
h. Scheibenförmige in das Gewebe der Vera eingebettete
Blutextravasate.
i. Blutcoagulum in dem Gewebe der Reflexa.
k. Blutcoagulum, tbeils in der Reflexa, theils zwischen
dieser und der Vera liegend.
o. Deciduaüberzug der Placenta.
p. Zotte der Placenta.
Figur 2. Eine andere Partie derselben Placenta.
&. c, d. wie in Figur 1.
/. Decidua reflexa, nur als schmaler Saum erhalten.
g. Walzenförmige in Vera eingebettete Blutextravasate und
apoplectisch destruirte Tlieile derselben.
i. Apoplectisch destruirte Theile der Reflexa.
h. Franzenförmige von Bluterguss freie Fetzen der Reflexa.
k. Fadenförmige Brücke zwischen Vera und Reflexa an der
Uebergangsstelle.
l Walzenförmiges Blutcoagulum, welches die Uebergangs-
stelle bruckenförmig überspannt
Figitr 3. Ein Stuck der theüweise apoplectisch zerstörten
Vera aus der ersten Zeit der Sdiwango^haft
0. Bluterguss in einer starken Falte der Vera , deren glatte,
innere Oberfläche hier sichtbar ist An den übrigen
Theilen der Abbildung ist die äussere, rauhe Fläche
der Vera sichtbar.
13
196 ^11'* Loewenkw/^dtf Vermag ^ie vn 4w Hals
XllL
Vermag die um den Hals des mit dem Kopfe
bereits geborenen und geathmet habenden Kindes
entstandene krampfhafte Zusammenziehiuig des
Os uteri oder des Constrictor ounni dasselbe
— mit oder ohne Hinterlassung einer Strang-
rinne — zu tödten, und kann ein solcher
Oeburtsvorgang ohne Eunsthtllfe, mithin auch
heimlich beendet werden?
Eine Anfrage an alle Sachverständige zur geneigten
Beantwortung aufgestellt.
Von
Dr. S. E. Loe'vrenhardt in Prenzlau.
Die endliche Feststellung des in der Ueberschrift ge-
n<')nnten geburtshülf liehen Vorganges, über den sich noch
immer eine Meinungsverschiedenheit unter den Sachverständigen
geltend .macht, scheint mir ein so hohes Interesse sowohl
an und für sich, als besonders auch für die Strafrechtspflege
in Anspruch zu nehmen, dass ich nicht beanstande, die
Aufmeri(san)keJt der Geburtshelfer von Neuem darauf zu lenken,
um diese Controverse möglicherweise zu einem definitiven
Abschluss zu bringen. Wenn nun demnach die Entscheidung
dieser Streitfrage für jeden Gerichtsarzt von hoher Wichtigkeit
sein muss, so* hat der Verfasser dieses Aufsatzes noch ein
ganz specielles Interesse daran: weil derselbe diesan Gegen-
stand schon früher einmal zur Sprache gebracht hat; sodann
aber auch, weil seiner, dieselbe Frage bejahenden gut-*
achtlichen Auslassung erst kürzlich wieder zum zweiten Male
von anderer Seite — wenn auch ohne Nachtheil für die
Inculpatin — entgegengetreten wurde.
Von den durch Busch (Abhandlungen, Marburg 1826) u. A.
näher beschriebenen allgemeinen Krampfzustanden des ge-
gebärenden Uterus gänzlich verschieden, sowohl dem Wesen
d«8 mit di'Ui Kopfe bereits geborenen etc. ],97
als der Bedeutung nach, ist die spastische Afiection des
Gebäroiuttermundes bei reizbaren Gebärerinnen nach einem
Gemütlisaffect oder Temperatur Wechsel, besonders der Genitalien.
Die Wässer pflegen früh abzugelten und die Wehen plötzlich
oder allfflälig aufzuhören und der untere Abschnitt des Gebär-
organs oder das Os uteri contrahirt sich um einen vor-
gefallenen Kindestheil oder auch um den Hals des Kindes
n»ck bereits ausgeschlossenem Kopfe und strangulirt so bei
einiger Andauer das Kind, möglicherweise selbst nachdem
dasselbe bereits mehrmals gealhmet hat. Absichtlich über-
hebe ich mich hier der Schilderung des Verhaltens des Uterus
sowie der Symptomenreihe, weil ich nur die hierunter von
HoJd mitgetlieilte erfahrungsgemässe wiederholen könnte.
Nachdem nun aber diese krampfhafte Umschliessung des
Gebärmuttermundes nachgelassen hat, kann der Wehendrang
wieder normal von Statten geben und den Geburtsvorgang
naturgemäss beenden, oder sich auch — was ich ausdrucklich
noch hinzufügen will — auf den oberen Tbeil des Uterus,
der ja ohnehin in einem gewissen Antagonismus mit dem
unteren Abschnitte steht, mit solcher Vehemenz zurück-
versetzen, dass das Kind, wenn die Kreissende in ihrer
Angst unlerdess aufgestanden, plötzlich zu Boden geschleudert
werden kann. Es bedarf daher wohl kaum der Erwähnung^
dass unter diesen Umstanden ein solcher Geburtsvorgang
auch heimlich vor skh gehen kann, dieser sich heimlich
vollzogene Hergang mithin weder einer etwa am Neu-
geborenen vorgefundenen Strangulation noch Schädelverlelzung
widerspreclien würde.
Zur Unterstützung dieser Ansicht verweise ich zunächst
auf frühere und spätere Beobachter und Schriftsteller über
die sogenannten Krampfwehen und erwähne hierbei ausser
H. C. Heysinger praes. Grüner (Diss. de dolorum partes spast.
obtur. etc.), Wigand (Die Geburt des Menschen, Tbl. L, S. 213),
J, F. Oslander (Die Ursachen und Hülfsleistungen, § 13),
ganz besonders auf HoU (Lehrbuch der Geburlshülfe, S. 623);
derselbe sagt:
„Die Erscheinungen bei den partiellen Contractionen
des Uterus sind nach den Stellen, au welchen sie vorkommen,
YerscfaiedeD. Ohne jetzt auf das Befindea der Kreissenden
198 XIII. Loewenhardt , Vermag die am den Hals
Rücksidit zu nehmen, beschränken wir uns auf die örtlichen
Erscheinungen. Am häufigsten gewiss kommt die
. krampfhafte Contraction des Muttermundes vor, und
zwar des äusseren wie des inneren. Es scheint uns, dass
man bisher auf diesen Unterschied zu wenig oder gar keine
Röcksicht genommen hat. Da nämlich zur Zeit der Geburt
der wirklich innere Muttermund gar nicht mehr vorbanden
ist, so kann auch von einer krampfhaften Contraction desselben
nur in einer besonderen Weise die Itede sein, und wollen
wir darauf sogleich zurückkommen. Der äussere Muttermund
kann während der Geburt in der Zeit seiner Erweiterung, sowohl
bei noch unverletzten Eihäuten, als nach dem Abgange des
Fruchtwassers krampfhaft contrahirt werden. Seine Erweiterung
ist dabei mehr oder weniger, öfters ungemein schmerzhaft.
Untersucht man innerlich, so fühlt man den Rand desselben
bei der ersten Geburt zwar verdünnt, aber saumartig
scharf, als sei durch ihn ein feiner Faden, eine
Metallsaite gezogen. Dieser stülpt sich während der Wehe
nach innen um, und wird nicht oder nur sehr langsam er-
weitert und erschlafft nicht oder nur sehr unbedeutend aussa*
der Wehe. Ist das Fruchtwasser abgeflossen, so schwillt
seine Umgebung an und die Erweiterung erfolgt höchst langsam
oder gar nicht. Diese Beschaffenheit beobachtet man auch,
wenn der Muttermund auf irgend eine Weise gereizt wird.
. Was nun die krampfhafte Contraction des inneren Mutter-
mundes betrifft, so dürfen wir die Veränderung desselben
und des Mutterhalses nicht aus dem Auge lassen, wollen wir
eine richtige Ansicht erhalten. Es ist Thatsache, dass der
innere Muttermund aus Kreisfasern besteht und der Canal
des Mutterhalses in der Schwangerschaft in der Ausdehnung
des Körpers gezogen wird. Zwischen diesen Kreisfasem
oder dem ausgedehnten inneren Muttermunde und dem äusseren
Muttermunde liegt der ringsum verdünnte Mutterhals. Nun
können die Kreisfasern des inneren Muttermundes zur Zeit
der Geburt, jedoch nur nach dem Abflüsse des Fruchtwassers
und also nach vollständiger Erweiterung des äusseren Mutter-
mundes sich krampfhaft contrahiren und die Uterushöhle mehr
oder weniger verschliessen. Geschieht dies nach der Geburt,
so hängt der ausgedehnt gewesene Mutterhals und der äussere
des mit dem Kopfe bereits geborenen etc. 199
MuUermund in die Scheide herab und bestätigt um so mehr
die Täuschung, dass die zur Wegnahme der Piaceuta ein-
geführte Hand bereits in der Uterinhöhle sich befinde. Die
Diagnose ist nicht besonders schwierig. Die Vorbewegung des
vorliegenden Kindestheiles geht nicht von der Stelle, obwohl
durchaus kein mechanisches Hinderniss von Seiten des Beckens
und des Kindes zu entdecken ist, au.ch die Wehen sonst gut
sind. Ist der Kopf des Kindes noch nicht vollständig durch
den Muttermund getreten und legt man den untersuchenden
Finger an den Kopf, so wird er zwar währeYid der Wehe
vorgetrieben, aber es geschieht dies nicht von der Wehen-
kraft, sondern durch die Hülfskräfte, daher man am Mutter-
munde die Wehe gar nicht fühlt. Der Muttermund ist dabei
wie ein barter, vorspringender Knorpelring anzu-
fühlen, sehr glatt und gespannt. Ist der Kopf durch
den Muttermund getreten und umschnürt derselbe
den Hals, so fühlt man nicht nur im Becken oder in der
Grösse des Kopfes kein Hinderniss, sondern dieser kann
sogar beweglich sein und steht unverrückt während der Wehe.
Wir kennen kein Mittel, womit sich dies Yerhäitniss bestimmt
erkennen liesse, da der Kopf ganz in gleicher Lage gefunden
wird, wenn die Schultern sich am Eingange festgestellt haben.
Das einzige Mittel giebt noch einigen Aufschluss, dass man
den Finger in der Scheide an den Kopf legt und mit der
anderen Hand den Uterus vom Grunde aus stossweise nach
unten bewegt, wobei der Kopf ruhig bleibt, wenn es an den
Schultern liegt, aber mitbewegt wird, wenn der Muttermund
den Hals umschliesst.'^
Aus der naturgetreuen Charakteristik der krampfhaften
Zusammenziehung des Gebärmuttermundes dürfte sich folge-
recht ergeben:
1) dass auch im Fruchlhalter, wie in anderen Gebilden,
z. B. der Blase, deren Längen- und Cuxularfasern einer
antagonistischen Function vorstehen, bei anomalem Ver-
halten in diesen verschiedenen Fasern auch eine so
überwiegende Thätigkeit erregt werden kann, dass die
tonische Zusammenziehung der unteren Circularfibern
das Uebergewicht über die abwechselnden Contractionen
der Längefibem des Gebärmutterkörpers behalten können;
200 XIII. Loßwenhcardl , VerDiag die um den Hab
*
2) dass die^Behauplung: „eine durch stattgefundoRe Strictura
des Os uleri bewirkte Slrangulatioo des Kindes k(imie
nur eine Strangrinue mit breiten Conluren zurücklassen/'
sich keinesweges aus der Beschafl'enheit des conlrahirlen
äusseren Gebännutternmndes, namentlich bei Erst*
gebäreriunen, bei weitem dem meisten Conting^nt der
des Kindesmordes Angeklagten, rechtfertigen lasst; und
endlich
3) dass die Annahme als wohlbegrundet anzusehen ist,
dass wenn dem Kopfe des Kindes oder viehuehr dessen
Gesicht bereits die atmosphärische Luft zugänglidi ge-
wesen, zur Zeit, als dessen Hals vom Gebärmutter-
munde krampfhaft umschlossen worden ist, das Kind
sehr 'wohl geathmet, dann durch die Strictur getödtet
und nach deren Aufhören ohne Kunsthülie geboren
werden kann.
In meiner langjährigen geburtshulfliclien Praxis sind mir
zwar mehrere Fälle vorgekommen, wobei sich das Os uteri
krampfhaft um eine vorgefallene Extremität und zuweilen
auch um den Hals des mit dem Kopfe bereits geborenen
Kindes fest zusammengezogen und den Fortgang der Geburt
verhindert hatte; aber diese spastische Afiection wurde durch
eine starke Dosis Opium, warme, aus aromatischen und
narcotischen Kräutern bereitete Umschläge und passende
manuelle Uülfsleistungen gewöhnlich bald beseitigt. Dass
diese spastische Contraction um den Hals des Kindes dasselbe
aber auch bei längerer Andauer tödteu kann, wird man gewiss
eben so wenig in Abrede stellen wollen, als dass die Natur
in anderen Fällen dieselbe auch allein und ohne tudtliche
Folgen zu besiegen vermag.
Auch dürfte man im Anbetracht der milgetheilten Um-
stände das Vorkommen solcher Geburtsvorgänge um so weniger
bezweifeln, als sich auch einige ältere SchriftsteUer, z. B.
de Ilaen und Teichmeyer — ob aus eigener Erfahrung? —
tur das Vorkommen derselben aussprechen, und sich auch in
gewisser Beziehung eine Analogie mit der tödtenden Wirkung
der um den Hals des mit dem Kopfe geborenen und respirirl
habenden Kindes geschlungenen Nabelschnur, wie sie uns
besonders Rügen mitgetlieilt hat, nicht verkeimen lässt.
des mit dem Kopfe bereits geborenen etc. 201
Zur ErifiuteruDg und Bestätigung unserer Auslassuntgen
sowohl über das Wesen, als der für das Kind todtiichen
Wirkung der Gebärniutlerstrietui'en in ihrem Unterschiede
von der anderen minder gefährlichen spastischen Art, dem
eigentlichen Streitobjecte, gestatte ich mir unter Hinweis auf
die hl mehreren Schriften verzeichneten Fälle hier nur zu
bemerken, da mir de Haen^s „ratio medendi'' augenblicklich
nicht zur Hand ist, dass bekanntUch Teichmeyer es bereits
in seinen „Iiistil. med. leg/', cap. XX[V., p. 241 bestimmt
ausgesprochen hat: fieri i)Otest,. ut infans capite exclusus,
antequam totus excludalur, respiraverit, statim vero, antequam
reliquo corpore utero egressus fuerit, moriatur, et quidem
absque malitia matris potest sufTocari, vel a
fumculo umbilici eum strangulante, vel quando Uterus et pudenda
muliebra externa constringuntur circa coUum infantis. IIa ex
duplici causa foelus capite exclusus, et qui semel respiravit,
pulmonesque aere replevit, suflbcatur in partu ante exclusionem
totius cor|>ori8. — Ebenso ist von Bitgen (Gemeins. deutsche
Zeitschr. f. d. Geburtsk., Bd. I., S. 143) der Fall mitgetheilt,
wo ein Kind durch Umschlingung der Nabelschnur um den
Hak durch Biutsciilagfluss des Gehirns getodtet wurde, nach*
dem es bereits geatbmet hatte.
Böcker (Memoranda der gerichü. Medicin, I. Hälfte,
1853, S. 140) hat zwei Fälle von Gebärmutterzusammen*
schnärungen beobachtet, und bei dem einen die Strictur der
Gebärmutter durchschneiden müssen, wobei der Hals des
todten Kindes eine Strangulationsnnne hatte, und Löffler
(Hufelancrs Journal, Bd. XXI., 1805, S. 69), sowie Hohl
(a. a. 0., S. 633) wollen ähnliche das Kind tödtende Wirkungen
solcher spastischen Uterusstricturen beobachtet haben. Der
eine von Hohl mitgetheille Fall hat insofern für uns hier
das meiste. Interesse, obwohl der Gebämmttermund den Hals
des todtgeborenen Kindes erst nach geborenem Rumpfe
krampfhaft umschlossen hatte, als diese Contraction erstlich
eine rings um den Hals laufende Strangrinne, deren Conturen
und sonstige Beschaffenheit freilich nicht näher angegeben
sind — zurückgelassen hat; sodann aber, dass diese Strictur,
wenn auch mit Mühe, gelöst wurde, und somit sich an*
scheinend als ein Fall einer wirklich krampfhaften Vnn
202 Xill. L^ewenhardtf Vermag die um den Haie
Schliessung des Gebärmuttermundes am den Hals des Kindes
darstellt Es ist in der Tfaat sehr zu bedauern, dass dieser
Schriftsteller nicht die näheren Umstände der von ihm er*
wähnten Fälle angiebt, um seihst das Wesen dieser Zusammen-
Ziehungen beurtheilen zu können. Da der Verfasser indess
den stattgefundenen Zustand einen partiellen Krampf des
Uterus nennt, so dürfte dieser Umstand bei einem so gewissen-
haften Beobachter gar sehr für eine wahrhaft spastische
Afieclion des Os uteri sprechen und giebt somit auch den
genügenden Beweis für deren Vorkommen überhaupt, woran
man auch im Allgemeinen wohl kaum zweifebi dürfte. Wohl
aber scheint es mir den geburtshülflichen Erfahrungen zu
widersprechen, wollte man daraus, weil die bisher mit-
getheilten derartigen Geburten nur durch Kunsthulfe beseitigt
worden sind, schliessen, dass nun auch jeder vorkommende
ähnliche Fall von spastischer Strictur des Gebärmuttermundes
nur durch Hülfe Seitens der Kunst zu beenden sei : indem man
dabei ganz ausser Acht lässt, dass ^u den durch die Natur
nach Aufhören der krampfhaften Zusammenziehung glücklidi
beendeten Geburtsvorgängen die Kunsthülfe selten oder nie
beansprucht wird , und eben so wenig dürfte sich der Geburts-
helfer gemüssigt fühlen, seine glücklich beseitigten Fälle von
krampfhaften Zusammenziehungen des Gebärmuttermundes,
selbst um den Hals des lebend geborenen Kindes mitzutheilen.
Dennoch aber darf ich hier den Ausspruch einer Autorität
in der gerichtlichen Medicin nicht übergehen. Casper fugt
seinen Auslassungen über „Strictur der Gebärmutter''
(Handbuch der gerichll. Medicin, I. ThL, S. 806) unter Mit-
theilung der vorhin erwähnten Fälle von Böcker, Löffler
und Hohl hinzu : „ Diese eigenthümliche und wohl nur äusserst
selten vorkommende Todesart des Kindes in der Geburt hat
indess kaum gerichtlich -medicinisches Interesse, da sie eine
schwere und langdauernde Geburt voraussetzt, die nicht ohne
Zeugen und Sachverständige beendet werden kann, welche
dann dem Richter über den Vorgang bei der Gd)urt hin-
längliche Aufklärung geben werden.''
Da ich durch vorstehende Ausführung nachgewiesen zu
haben glaube, dass die Behauptung dieses Gelehrten sich
nicht so unbedingt und unter allen Umständen rechtfertigen
des mit dem Kopfe bereite geborenen eto. 203
lassen durfte, wohl aber das Urtheil der jüngeren Kunst-
genossen leicht beirren und nach meiner Erfahrung in vor-
kommenden Fällen selbst von älteren Gerichtsär2ten ein für
die Inculpatin gravirendes Erachten veranlassen kann; so wende
ich mich an alle Männer von Fach im Interesse der Wissen-
schaft mit der Bitte:
1) „Alle derartige, auf unser Thema Bezug habende,
geburtshulfliche Fälle zur Belehrung in dieser oder
einer anderen Zeitschrift zur öffentlichen Kenntniss zu
bringen;**
2) in Erwägung, dass kein denkbarer Grund vorhanden
ist, weshalb ein Geburtsvorgang, bei dem eine spastische
Gonstriction des Os uteri den Hals eines bereits mit
dem Kopfe geborenen und respirirt habenden Kindes
mit tödtlicher Wirkung comprimirt, nadi dem Aufhören
des Krampfes nicht hatte ohne Kunsthölfe beendet werden
können, diese durch die Natur bewirkte Beendigung
der Geburt vielmehr schon nach der Analogie der vor-
liegenden Beobachtungen und geburtshölfüchen Er-
fahrungen nicht zu bezweifeln ist — „dass die Sach-
verständigen zur Verhütung von Fehlsdilüssen und
fdilerfaafleu gerichtsärztlichen Gutachten 9ir Votum dar-
über abgeben möchten, ob ein derartiger, in der
Deberschrift dieses Aufsatzes näher bezeidineter Geburts-
vorgang — versteht sich unter Berücksichtigung aller
auf den Fall Bezug habender, nicht dawidersprechender
Umstände — sich ereignen könne, oder ob eine solche
Annahme von Seiten eines Gerichtsarztes an und für
sich den Grundsätzen der Geburtshülfe widersprechen
würde."
204 XIV. Martin, Ein Geburtofall, Bei welchem
<
XIV.
Ein Geborts&lly bei welchem das mit dem Kopfe
geborene Kind, naohdem dasselbe Luft zu athmen
begonnen hatte, abstarb, obschon der Bumpf
sofort ausgezogen wurde.
Von
Eduard Martin«
Im AdscIüuss an den vorfaergebenden Aufsatz des
Dr. Loewenhardt theäe ich folgeiMien GeburUfall mit» welcher
in meiner, des Hausassistenlen und mehrerer Praktikanten
Gegenwart am 1. März d. J. iu der gdiurtshüiflichea Klinik
zu Berlin beobachtet wurde, eine Zweitgebärende unter den
gfnistigsten Verhältnissen betraf, uud trotz der kurzen Geburts-
dauer, trotz sofort geleisteter Hülfe den Tod des Kindes
nach eingetretenem Athroeu bei geborenem Kopfe zur Folge
hatte.
Caroline Ehrickey 21 Jahre, Dienstmädchen aus Zempow,
litt als Kind an Masern und Scharlach und lernte erst im
dritten Jahre laufen, ohne jedoch an Rachitis erkrankt zu
sein. Seit dem fünfzehnten Jalu'e regelmässig vierwdchentlich
inenstruirt, wurde sie am 17. Juli 1861 zum ersten Male
in der Königl. Entbindungsanstalt zu^Berlin von einem lebenden
Knaben entbunden; bei der natürlichen Geburt entstand trotz
mehrerer Incisionen in die hintere Commissur ein kleiner
Einriss. Im Wochenbette blieb sie gesund.
Am 1. März 1863 ging die E, von Neuem der Anstalt
zu; sie war seit dem Ende Juni 1862 zum zweiten Male
schwanger, hatte die erste Khidesbewegung im October ge-
fühlt, war in der Schwangerschaft ganz gesund gewesen und
hatte seit 2 — 3 Stunden Wehen bekommen. Der Muttermund
war (Abends 5V4 Uhr) fast 1 Zoll im Durchmesser erweitert,
das Fruchtwasser bereits Mittags abgeflossen. Im Muttermunde
fülilte man den Kopf in erster Schädelstellung, neben diesem
nach rechts und vorn den rechten und hinter diesem auch
den linken Fuss. — Die Ausdehnung des Leibes war normal,
da« mit dem Keffe geborene Kind etc. 205
«Ke HentAne des Kindes in 4er linken Dnterbiiuchgegend
deutlidi zu hören. Die Beckenmessung ergab Spin. II. ss 97/,
Cr. J. = 10", Conjugata externa 1^U\ beide schräge Durch-
mester des grossen Beckens 8V4'', das Promontorium war
nicbt zu erreichen.
Bei kräftigen häufigen Weben wurde der Mulla*mond
bis Abends 8 Uhr vollständig erweitert; es gelang allmälig,
in der linken Seitenlage die Fösse hinter den herabrückenden
Kopf zurückzuschieben, und um 8% Uhr wurde bei der
gewöhnlichen Daromunlerstülzung der Kopf ausgetrieben. Das
Gesicht drehte; sich sogleich nach dem rechten Schenkel der
Mutler, verfärbte sich aber sofort nach dem Austritte sehr
sichtlich und wurde tief blauroth.
Ich entdeckte bei der alsbald unternommenen Extraclion
eine Umschlingung der Nabelschnur um den Hals und das
rechte Händchen neben dem Halse, während die Fusse voll-
ständig zurückgewichen waren. Ohne Zögerung wurde dfr
Rumpf an den Schultern, den Regeln der Kunst gemäss,
ohne Schwierigkeit ausgezogen.
Das geborene Mädchen war scheintodt und kam trotz aller
Belebungsversuche nicht zum Athmen. Es wog 5 Pfd. 29 Loth,
war 18 Va" resp. 11 Va" lang, seine Kopfdurchmesser 3", 374^
4*', 5V3", ^y*i» — Die Placenta, wenige Minuten später
durch den Druck entfernt, wog 28 Loth, die excentrisch
inserirende Nabelschnur war 22'' lang; der Eihautriss war
seitlich, die Eihäute verklebt
Die Mutter blieb im Wochenbette ganz gesund und ver-
liess am elften Tage die Anstalt.
Die SecUon des Kindes ergab:
Keine Todtenflecke, geringe Todtenstarre. Abdomen.
Die Nabelvene mit flössigem Blute gefüllt. Höchster Stand
des Zwerchfells an der vierten Rippe. Leber sehr hyperämisch ;
Milz ebenfalls, sehr brüchig. Nieren auch etwas hypenimisch.
Thorax. Beide Pleura -Säcke frei von Flüssigkeit. Die
linke Lunge schwimmt auf dem Wasser. Der unlere
scharfe Rand des unteren Lappens derselben ist purpur-
roth gefärbt. Aus Durchschnitten lassen sich kleine Gas-
blasen ausdröcken. Die rechte Lunge sinkt zu Boden und
206 2IV. Um-Ün, Ein Oebnrisftill eie.
ist Dur am scharfen Rande des mittleren Lappens leidil
lufthaltig. Herz und Pericardium zeigen nichts Abnormes.
Schädel: Die Galea blutig infiltrirt, ebenso das Pericranium.
Ein stärkerer Blutanstritt auf dem hinteren oberen Viertheil
des rechten Scheitelbeins. Der Sinus longitudinaiis stark mit
Blut gefQllt; lebhafte Injection der Dura mater; Pia mater
leicht geschwellt. An der Basis cerebri unterhalb des
Tentorium ceräbelli etwa zwei Drachmen flüssigen Mutes.
Die feste Crehimsubstanz überall von strotzenden Gefössen
durchzogen. In den Ventrikeln keine Flüssigkeit Di« graue
Substanz sehr hyperämisch«
Der Tod dieses Kindes ist ohne Zweifel durch Apoplexia
cerebri nach begonnenem Luftalhmen erfolgt, und diese ist
durch Druck auf die uro den Hals geschlungene Nabelschnur
mittels der daneben liegenden Hand im Scheidenausgange
m Stande gekommen. Für die gerichtliche Hedicin muss
eine solche Beobachtung von Bedeutung werden, da es sich
dabei um Vorgänge handelt, welche in gleicher Weise bei
einem vermutheten Kindesmorde stattfinden können, indem es
einem Zweifel nicht unterliegt, dass das Kind im vorliegenden
Falle auch ohne Kunsthülfe und ohne ungewöhnliche Ver-
zögerung hätte geboren werden können. Der ganze Geburts-
hergang war kein schwieriger oder langwieriger, der wesentlid)
in Betracht kommende Act sogar ein rasch vorübergehender
gewesen.
XV. Pfeffer, Die Qnetackiing der Placeota. 207
XV.
Die duetschnng der Flacenta.
Ein Beitrag zur Behandlung der Placenta praevia.
Von
Dr. C. Pfeiffer in Demmin.
In neuerer Zeit sind mehrere Methoden für Behandlung
von Placenta praevia angegeben, welche den Torliegenden
Mutterkuchen selbst in Angriff nehmen und die Gefahren der
Blutung unmittelbar an der Quelle aufzuheben suchen. Auch
das Verfahren, welches ich an der Mehrzahl von ungefähr
zwanzig mir zur Behandlung gekommenen Fällen geübt habe
und in Kürze als Quetschung der Placenta bezeichne,
verfolgt diese Richtung und sucht ihren Werth in der un*
mittelbaren Hemmung der Blutung, ohne sich als eine aus-
scldiessliche, für alle Fälle verwendbare Operationsmethode
geltend machen zu wollen. Bevor ich es indessen besclireibe,
seien mir, soweit der Zweck dadurch gef&rdert wird, einige
allgemeine Bemerkungen und kurze Beleuchtung einzelner
Methoden gestattet
Die bisher veröffentlichten statistischen Angaben über
das Vorkommen von Placenta praevia, an sich schon von
ausserordentlichen Schwankungen, verlieren dadurch besonders
an allgemeinem Wertbe, dass sie meistens klinischen Instituten
entnommen sind, wo das Verhältniss der Erstgebärenden sich
ausnehmend hochstellt, dagegen Frauen, welche vielfältig
geboren haben, aus deren Anzahl das grösste Conlingent für
Placenta praevia hervorgeht, nur spärlich vertreten sind.
Deshalb ist gegen jene Angaben im Ganzen ein viel häufigeres
gewiss doppdtes Vorkommen von Placenta praevia anzunehmen
und halte ich mich überzeugt, wie es mit meinen eigenen
Beobachtungen stimmt, schon bei 200 bis 300 Geburten auf
einen Fall rechnen zu können.
Ebenso ist gegen jene TabeDen die allgemeine Sterblich-
keit der Mütter und Kinder bei Placenta praevia sicherlich
zu erhöhen, weil die in den Gebäranstalten der Entbindung
208 XV. Pf^fer, Die Qaetschnng der PUcenta.
gewöhnlich schon einige Zeit vorangehende Ueherwacbnng
der Schwangeren, noch vielniehr die schleunigste und best-
geleitete Hülfe ffir Erhaltung von Mutter und Kind ganz
andere Resultate herbeifuhren muss, als in der PnVatpraxis,
wo der Eigenwille und die Unkenntniss der Hebaromen, nicht
weniger der Schwangeren seihst, häufig auch die durch Ent-
fernungen verzögerte Hölle viel ungunstigere Bedingungen
dafür abgeben.
Im Anfange der Blutungen ist eine häuOge wenn auch
nicht beständige horizontale l^ge der Schwangeren anerkannt
das wichtigste Erforderniss; diejenigen aber, welche deren
Wirkung durch eine entziehende Diät zu fordern meinen,
irren gewiss, da die dessenungeachtet nachfolgenden Blutungen
von einem kräftig und gut genährtem Individuum jedenfalls
leichter überwunden werden. Die grössere Gefahr führt zum
Tampon, welcher die Blutung entweder gar nicht oder, wie
gewöhnlich, augenblickhch hemmt, aber meistens schon nach
Stunden zu wirken aufhört
Jeder, der fleissig tamponirt hat und auch bei Blutungen,
welche nicht von Placenta praevia stammten, wird die Er-
fahrung gemacht haben, dass das Blut zum Oefleren steht,
ohne dass die Scheide völlig ausgestopft, der Muttermund
überhaupt erreicht ist. Kutan erklärt diese Wirkung aus
der durch Berührung des Blutes mit dem Tampon l>ewirkten
Coagulirung des Blutes und der dadurch gegebenen Ver-
stopfung der Gefässe. Allein das freie Blut in der Scheide
wird oft schon geronnen angetroffen und für profuse Blutungen
aus entfernten Quellen kann der angegebene Grund nicht
ausreichend sein. Dass der Tampon auf mechanische Weise
unmittelbar durch Compression der blutenden Gefasse wirke,
wie Holst meint, ist ebenfalls schwerlich anzunehmen. Denn
mag er anfangs gegen den Mnttermund kräftig vorgeschoben
sein, die herabdrängende Bewegung der Scheide wird jedenfalls
den Druck bald aufheben , 2umal da der Gegendruck schwach
ist oder gänzlich fehlt, wie bei Querlagen und hochstehendem
Muttermunde. Auch würde schon der Lage wegen der Druck
nur selten oder sehr vereinzelt die blutenden Geßsse selbst
treffen. Ebenso geben die Kälte und andere Adstringentien
keine genigende Erklänmg, da die Quelle der Blutung sich
XV. Pf^g»^ Die Qtteteehang der Placeota. 209
ifaBen durch £nti'erfiuiig zu bäüfig enteieht, sowie denn die
Blaaentampons trotz ihrer aohaltendeu WärmoenUiehung keines-
wegs die Vortheile hieteo, weldie man sonst von ihnen er-
warten mflsste.
Mag auf solche verschiedene Weise die Wirkung des
Tampons bisweilen selbststäudig gelingen oder wenigstens
UnterstuUung finden, viel einfaclier und allgemeiner wird sie
durch den Reiz erklärt werden, welchen unteres Uterus-
segment und Placenta entweder von dem Tampon selbst oder
als Reflexreiz von der Seheide empfangen. In Folge dieses
Reizes, den der Tampon durch Reibung, Druck oder Ab-
käitung veranlasst, ziehen sich unteres Utcrussegment und
Placenta zusammen und bewirken Verschluss der blutenden
Gefösse oder diese reagiren selbst auf den empfangenen Reiz.
Der Uterus ist längst euier solchen Einwirkung für zugänglich
gehalten, die Placenta als coniractiles Organ noch nicht ge-
würdigt worden. Man hat sie zwar auf Grund ihrer blut-
misdienden Thätigkeit die Lunge des Fötus genannt, aber
bis jetzt unterlassen, ihr für die Blutzufuhr zu demselben
eine mehr als passive Rolle zu übertragen.
Aus diesen Gründen muss eine rauhe Aussenfläche des
Tampons, der, gehörig abgekältet, die Scheide bis zum
Muttermunde ausfüllt, vortheilhaft erscheinen, während die
Tamponblasen wegen ihrer Glätte und weil sie mehr gegen
die Seitenwände als gegen den Muttermund pressen, gewiss
oft iliren Zweck nicht erreichen. Den von Höht in Dorpat
empfohlenen in kaltes Wasser getauchten Leinwandstreifen
gebe ich den Vorzug, nehme sie aber nur von Thalergrösse
und führe sie, während ich mit den Fingern der linken Hand
den Scbeideneingang gleichwie mit einem Speculum schütze,
locker auf einen Faden gereiht und ungeölt nacheinander
ohne wesentliche Unbequemlichkeit für die Schwangere ein.
Es ist überdem ungeeignet, in Lehrbüchern ein com-
plicirtes Verfahren zu empfehlen, weil die scUeunige Hülfe»
welche der Arzt leisten soll, ein einfaches stets bereites
Material erforderL
Während alle Lehrer der Geburlshülfe die Gefahren des
Accouchement force schildern und seine Anzeigen möglichst
UoMUtfcbr, f. Ctobnrtak. 18«. Bd. XXIL, Hft. 9. X4
210 ^V. Pftiffw, Die Qaetschnng der Placenia.
einschränken, ist dasselbe bis jetzt bei Placenta praevia der
gebieterische Rettungsanker geblieben, dessen Verwendung
von unentschlossener Hand gewiss schon zum Verderben un*
zähliger Frauen versäumt worxlen ist Andererseits hat es
mit den Gefahren allein sein Bewenden nicht gehabt, sowie
denn v. OZi^c^n^H (Med. Central -Zeitung, 101, 1858) unter
14 Fällen von Plazenta praevia centralis, in denen es zur
gewaltsamen Entbindung kam, schon 12 Todesfalle aufzählt
Die von Kilian so* warm befürwortete blutige Erweilerang
des Muttermundes hat bisher einen sparsamen Eingang ge-
funden und wird immer nur vereinzelt die Schwierigkeiten
und Gefahren haben, welche viele Fälle besonders frühzeitiger
Geburt der beschleunigten Entbindung entgegenstellen.
Die Anwendung des Troikarts und die Durchbohrung
der Placenta mit der eingeführten Hand könnte ich, weil sie
schon oft genug von der Kritik zurückgewiesen, hier über-
gehen, wenn mich nicht die letztere Oj)eration veranlasste,
den von Scanzoni gemachten Einwurf zurückzuweisen, dass
die Verwundung des Mutterkuchens zu vermehrter Blutung
Anlass geben könne. So weit nämlich keine grössere Lösung
von der Uteruswand damit verbunden wäre, würde nach
meinen analogen Erfahrungen gewiss nie Blutung dadurch
entstanden sein.
Bei dem /9imjp«on'schen Verfahren ist kaum bestritten
und sogar bestätigt worden, dass die Blutung gewöhnlich damit
gehemmt wird, und wenn P. Dubois (Gaz. des H6p., 43, 1857,
in «ScAmWs Jahrb. , Bd. 95, S. 66) nur 10 Todesfälle unter
140 Hüttern aufzählt, so ist das Resultat jedenfalls ein so
glänzendes, wie es mit dem sonst üblichen Verfahren nicht
erreicht ist Die haltbaren Einwürfe können deshalb nur von
dem Preissgeben der Frucht gewonnen werden, weil diese
nach Trennung des Nabelstrangs absterben muss, wo die
Geburt über das Maass zögert; und es ist schwerlich erklärlich,
wenn Küian das Verfahren wegen der nicht sofort bewirkten
Entleerung der Gebärmutter halb oder schlecht nennt, da
gerade durch die natürliche Verzögerung der Entbindung die
Gefahren vermieden werden, welche die gewaltsame Methode
dem mütterlichen Leben bereitet Duhoia a. a. 0. zählt
sogar unter jenen 140 Geburten nur 92 todte Kinder, wonach
XV. Pfdff^r^ Die Qaotsohiipg der PlAcenta. 211
die Sterblichkeit derselben bei dem Simpson' uhefk Verfahren
noeh um eiuige Procente niedriger erschiene, als in der«
deutschen Anstalten entnommenen, grösseren Zusammenstellung
von 8ickd {Schmidts Jahrb., Bd. 104, S. 106), wo über-
haupt bei Placenta praevia unter dem üblichen Verfahren
über 70 Procent zu Grunde gingen. Mag dies günstige
Verhältniss sel}>st der Wahrscheinlichkeit widersprechen, mag
die Methode in ihren Anzeigen da, wo die Frucht am Leben
erhallen werden kaim, die äusserste Einschränkung erfahren,
ihre blutstillende und das mütterliche Leben schützende
Wirkung muss ihr auch in der deutschen Geburtshülfe ein
gewisses Maass von BürgeiTecht verschaflen.
Cohetiy Barnes und Seyfert nehmen den Mutterkuchen
selbst zum Ausgangspunkte ihres Verfahrens, indem sie den-
selben auf verschiedene, doch unnöthig hier zu wiederholende
Weise partiell von der Uleruswand loslösen. Während Seyfert
dies nur behufs der nachfolgenden kalten Einspritzungen,
welche das Blut hemmen sollen, unternimmt, wollen Cohen
und Barnes damit nicht sowohl die Blutung unmittelbar an-
halten, als auch der natürlichen Geburt Fortgang verschaffen.
Barnes ist dabei der Meinung, dass theils Blutgerinnsel,
womit sich die getrennten Flächen bedecken, theils die
tUeruscontractionen die Blutung hemmen. Cohen hingegen
schreibt dem Eindringen des kalten Luflstronies hauptsächlich
die blutstillende Wirkung zu. Den Werth der Methoden hier
unerörtert lassend, erkenne ich die Thatsache an, dass durch
Vornahme der partiellen Trennung der Placenta die Blutung
zum Stillstande gebracht wird. Cohenh Erklärung aber ist
von der Kritik längst verworfen und eben so wenig hat Barnes
Recht. Die Quetschung nämlich, welche Placenta
und Uteruswand bei der partiellen Trennung er-
fahren, hemmt allein und unmittelbar die Blutung
in den betroffenen Theilen.
Einscblaglich führt von Rügen in seinem Aufsätze über
Gebärmutterblutnngen bei tiefem Sitze des Mutterkuchens
(Mouatsschr. f. Geburtsk., XI., 349) als Mittel, welche der
Erweiterung des unteren Gebännuttersegments entgegenwirken
und die Blutungen hemmen sollen, nicht nur das Losschälen
der Placenta nach Art der vorigen Methode ^ obwohl in
14*
312 . ^V* Pfeffer ^ Die QuetechttDg der PUeeaU.
kleinerem Umfange, sondern auch das Abpflücken in den
Muttermund hineinragender kleiner Massen des deckendea
Kuchens auf.
Mein Verfahren, die Blutung bei Placeuta praevia zu
hemmen, beruht nun auf folgender Beobachtung: Wenn bei
hinlänglicli vorbereiteter Scheide die ganze Hand eingeführt
und der Muttermund bequem erreicht wird, wenn alsdann
bei seitlich aufsitzender Placenta der in den Muttermund
hineinragende Rand, bei centralem Sitze der deckende Theil
derselben mit den Fingern gequetscht wird, darauf ein oder
zwei Finger rings um den Muttermund zwischen Placenta
und Uterus auf V2 bis 1 Zoll fortgeschoben, endlich im
Umfange dieser Trennung die Uteruswand mit den Fingern
gestrichen und leicht gedruckt, ebenso die Placenta gedruckt
und möglichst gequetscht wird, so steht die Blutung und
kehrt im Laufe der Entbindung, mag diese naturlich oder
künstlich, schleunig oder langsam erfolgen, nicht wieder.
Die methodische Verwendung der Operation erklären
wenige Zusätze.
Die Scheide muss räumUch, der Muttermund über 1 Zoll
weit sein, um mit zwei oder mehreren Fingern die Placenta
quetschen zu können, obschon auch bei geringerer Weite mit
einem Finger bisweilen erfolgreich vorgegangen wird. Das
vorliegende Placentagewebe wird möglichst zertrümmert und
locker gewordene Theile abgepflückt und entfernt Auf den
vom Uterus gelösten Theil der Placenta kann gewöhnlich
nur eine leichlere Quetschung mittels Streichens und Pressens
ausgeübt werden, während die entsprechende Uteruswand
mit noch grösserer Schonung behandelt wird.
Die ganze Operation wird mit Leichtigkeit in 6 bis
10 Minuten vollendet und nur das Einführen der Hand kann
der Schwangeren Unbequemlichkeiten verursachen«
Die Blutung stellt natürlich onmitldbar in den Tlieilen,
welche selbst gequetscht wundeti und der Erkläning gemäss,
welche idi von der Wirkung des Tampons gegeben habe»
ist anzunehmen,* dass auch die von der Quetschung nicht
betroffenen blutenden Gefasse sich durch Fortpflanzung des
Reizes contrahiren und aufhören zu bluten.
XV. Pf€iff4r, Die QoeUcboDg der PlaceüU. 213
Diese voo mir «ngenomiaene grosse Reübarkeit der
Pfacenta kömite nun die Befürchliing erwecken, das» sdbst
die Circulatioo der gansen Placenta durch die partielle
Quetschung gehemmt und das Leben der Frucht bedroht
wüi*de; indessen widerlegt die Eifahrung eine so gefahrliche
AttsdehouDg des Reizes und der Einfluss dej* Quetschung und
Zertrümmerung eines Theiles der Placenta auf das Leben der
Frucht stellt sich nicht ungunstiger, als bei der partiellen
Trennung, wie Cohen, Holst u. A. behaupten, dass, wenn
nur die grössere Hülfle der Placmita festsitzt, diese seihst
bei langsamem Verlaufe der Geburt genagt, das Leben der
Frucht zu erhalten.
Bedenklicher freilich zeigt sich das Verfahren für den
möglichen FaU, dass die Quetschung die Nähe des Nabel-
sürangs oder dessen Insertionsstelle selbst erreicht, wodurch
naturlich die Circulation alsbald aufgehoben und der Fötus
getödtet würde, wenn die Geburt zögerte. Der Umstand
indessen, dass auch bei PlacenU praevia centralis der Nabei-
slrang selten oder nie (? Red.) innerhalb des Muttermundes
iuserirt, die Möglichkeit, bei der partiellen Trennung den
grösseren Lappen des Mutterkuchens, wo der Nabelstrang zu
vermuthen ist, zu entdecken, werden die drohende Nahe der
Insertionsstelle meistens vermeiden lassen, während die wirk-
liche Gefahr, in welche der Fötns geräth, allenfalls nodi
durch Auscultation erkannt und durch beschleunigte Ent-
bindung aufgehoben werden kann.
Die Zerreissung der Eihäute und die völlige Trennung
der Placenta sind ebenfalls Ereignisse, welche nicht im Zwecke
des Verfahrens liegen und bei welchen gleicher Weise nach
allgemeinen geburtshülflichen Regeln vorgegangen wird.
Angezeigt ist nun die Quetschung der Placenta, vonus-
gesetzt, dass die Räumlichkeit der Scheide und die Beschaffen-
heit des Muttermundes ihr nicht entgegenstehen, in allen
Fälkn von vorliegendem Mutterkuchen, wo Blutungen gehemmt
werden müssen, nachdem der Tampon sich unzureichend
erwiesen hat, und wo nicht momentane Gefahren für Schwangere
und Frucht die beschleunigte Entbindung erheischen.
Dagegen können als Gegenanzeigen gelten: Geringe, un-
gefährliche Blutungen, welche eine natürliche oder durch
214 ^V. Pfeiffer, Dia QaeUchting der Placcnta.
•
Kunst leicht zu volleudende Entbindung erwarten lassen,
Losiösungen des Mutterkuchens und solche Bluluiigen, welche
durch Quetschung nicht zu hemmen sind ; endlieh dntretender
Tod der Schwangeren.
Ist die Blutung gehemmt, so treten die allgemeinen
Regeln in ihr Recht, so weil sie nicht durch Beseitigung
der Furcht vor neuen Blutungen modificirt werden, ond jedes
andere nöthige operative Vorgehen kann dadurch wed^ ver-
zögert noch beeinträchtigt werden. Anderenfalls wird es von
der mehr weniger vorgerückten Geburtsthätigkeit abhängen,
ob sich die Kreissende in der nächsten Zeit nicht der besten
Ruhe erfreuen, selbst durch gesunden Schlaf von ihrer Ohn-
macht erholen und für die Entbindung neue Kräfte sammeln kann.
Demnach suche ich die Vortheile meines Verfahrens nicht
sowohl in der unmittelbaren Hemmung der Blutung, als auch
in der häufigen Umgehung des Accoucheroent force, dessen
Schrecken und Gefahren bei frühzeitigen Entbindungen noch
nie zu hoch angeschlagen sind.
Die Einwände gegen das Verfahren werden aber haupt-
sächlich dahin lauten, dass es selten oder schwer ausföhrbar
sei, dass es keinen genugenden Schutz gegen wiederkehrende
Hutung gebe und dass es das Leben des Fötus bedrohe.
So weit das früher Gesagte hierfür keine Widerlegung
enthält, erwidere ich noch, dass das Verfahren nicht für
alle Fälle gültig ist, indem einige es überflussig, andere
unzulässig machen. In den meisten Fällen bietet die Aus-
führung keine Schwierigkeiten und wo die Versuche nur
unvollkommen gelingen, kann auch von Nachtheilen nicht die
Rede sein. Betreffs der blutstillenden Wirkung wird gewiss
nicht bestntten werden, dass die von der Quetschung be-
troffenen Theile sofort ihre Blutung einstellen; meine Er-
fahrungen über die fast regelmässigen Erfolge der Operation
scheinen aber auch zu beweisen, dass die Theile von Placenta
und Uterus, welche nur eine leichte oder gar keine Quetschung
erfuhren, ebenfalls an der Wirkung Theil nehmen, und
zweckmässig angestellte Wiederholungen des Verfahrens werden
hierüber die Entscheidung bringen.
Endlich ist der Grad der Gefährlichkeit der Ofieration
für das Leben der Frucht ebenfalls noch durch neue und
XV. Pfeiffer, Die Qoetscbong der Placenta. 215
vermehrte Beobachtungen festzustellen. Meine eigenen Er-
fahrungen ergeben so viel, dass auch bei ziemlich umfangreicher
Quetschung des Mutterkuchens, ohne indessen mehr als den
dritten Theil zu erreichen, und bei langsam nachfolgendem
Geburtsveriaufe das Lehen der Frucht erhalten werden kann.
Ist das Verhältniss der lebend geborenen Kinder, welches ich
wegen in froheren Jahren unterlassener Aufzeichnung nicht
sicher angeben kann, auch keineswegs besonders gunstig
gewesen, so ist doch die Zahl der meistens durch Schwierig-
keit ausgezeichneten Fälle zu massig, um darüber schon
entscheidend zu sein. Dagegen starb von den HQttern, bei
denen das Verfahren in Anwendung kam, keine, wahrend
unter den etwa 20 Fällen sich allerdings zwei Todesfälle
ereigneten, der eine plötzlich bei der Geburt ohne voran-
gegangene Behandlung, der andere mit leichten Blutungen
unter Hinzutritt eines typhösen Fiebers.
Mit dem Huckblicke auf die enorme Sterblichkeit der
Fröchte in allen schweren, besonders mit frühzeitiger Geburt
verbundenen Fällen von vorliegendem Mutterkuchen lassen
sich aus der gewissenhaften Abwägung der Indicationen die
nieht besseren Resultate meines Verfahrens für das Frucht-
leben rechtfertigen, wobei mir die moralische Ueberzeugung
zu HöUe kommt, dass das Leben der Mutter, wenn es
mit dem der ungeborenen Frucht auf einer Waage gewogen
wird, schwerer in*s Gewicht fallt, sowie die Volksstimme,
welche stets und fiberall das Leben der Mutter von ihm
fordert, dem Geburtshelfer hierin entscheidend zur Seite steht.
216 ^VI. CUtn^itSt Zur Würdigung der neneslett chenaiscben
XVI.
Zur Würdigung der neuesten chemischen Ansichten
über die Ursache der Eclampsia puerperal».
Von
Medicinalrath Dr. A. Clemens,
prakt. Arzto kq Fraukfart »m Main.
Zur Würdigung der neuesten chemischen Ansichteo aber
die Ursache der Eclampsia pnerperalis gedaclile der Verfasser
dieser Zeilen in der Versammlung milteirheinischer
Aerzte zu Frankfurt am Main am 8. October 1859 einige
Worte zu sprechen. Die Kilrze der den Vortragen vergdoolen
Zeit hinderte jedoch dessen Vorhaben. Er hat daher aeioe
Bedenken fiber diese Erklärungsari bereits im „Gorrespondenz-
Matt des Vereins Nassau'scher Aerzte," No. 1, 1860, in Kurze
angegeben, findet sich aber veranlasst, diesen Gegenstand
in der „Monatsfchrift fiir GeburtsiiAlfe und Frauenkrankheiten**
um so ansfCihrlicher zu behandeln, als er fiher einige glöek-
liehe FAlle von geheilter Eclampsia pnerperalis nach der alten
Behandlungsweise in dieser Zeitschrift (August 1853, 2. Brnd,
2. Heft) einige Krankengeschichten mitgetheilt hat
Wenn ausgezeichnete deutsche und fremde Geburtshelfer
und unter den Letzteren noch Robert Gollins in seinem
neuesten Werke: „A practical Preatise oo MidHififtry* offen
gestehen, die eigentliche Ursache dieses gefahrlichen Leidens
nicht zu kennen, so suchten doch hinwiederum die besten
deutschen und französischen Geburtshelfer bis auf die neueste
Zeit im Allgemeinen ihre nächste Ursache in der Ruckwirkung
des Geburtsactcs auf das gesammte Nervensystem und in
einer dadurch veranlassten bedeutenden Congestion nach Kopf
und Ruckenmark der Gebärenden. Indessen kann ich doch
Spiess nicht beistimmen, der in seiner „Physiologie des
Nervensystems, Braunschweig 1844" diese Krankheit bloss
als Hirnconvulsion betrachtet, die nicht vom Uterus aus,
sondern durch unmittelbare Einwirkung heftiger Congestionen
auf das Gehirn entstehl. Nach meiner Meinung werden
AtiBioltten über die Uniache der EiPlampsis'pverperali«. 217
die Congestionen darch Rfickwirkong des Gebäractes aaf das
HQckenmark und durch dieses auf das Gehiro erst hervor-
gerufen. Der Plexus sacralis, als der zuoädist betroffene,
leitet seine krankhafte Erschütterung auf die MeduUa spinalis,
Nedulla oblongata und Gehirn ober. Wäre dies nicbt der
Fall, so mOsste schon bei der starken Bluteongestion nach
dem Kopfe, die schon sehr heftige Wehen bei der gewöhn-
lichen Geburtsarbeit mit sich bringen, die Krankheit weit
hSofiger sein, als sie es zum Glücke ist Eine besondere
Schmerzhaftigkeit der Wehen wurde schon von älteren Geburts-
helfern als ein Causahnoment fftr diese Krankheit lietrachiet.
Zu heftige Wehen bei engem Becken nahm schon Michctelis
als Ursache an.
lieber das eigentliche Wesen der Krankheit halten die
Autopsieen bisher kein befriedigendes Resultat geliefert
Veränderungen im Gehirne wurden, so weit meine Forschungen
reichen, keine gefunden. Der bei Eclampsieen leider oft so
schnell eifolgende Tod liess sich nur durch Ueberreiznng
und nachheiige Paralyse des Nervensystems erklären, ohne
dass die Sectionen eine immer genügende materielle Ursache
nachgevriesen hätten.
Frau LetchapeUe findet die Convulsionen bei Erst-
gebärenden am häufigsten und meist von einer zu grossen
Menge Fnichtwassers herröhren. Lever (Cases of puerperal
oonvttlsions in (Tuy's Hospital Reports, second series,
T^ndon 1843) legt besonderes Gewicht darauf, dass bei allen
Fällen von Puerperalconvulsionen der Urin albuminös war.
Oslander, Duges, VeVpeau betrachteten ödematöse An-
schwellungen als prädisponirende Momente zu diesen Con-
vulsionen. Man sieht, die älteren Ansichten stehen schon im
Begriffe, den neueren den Weg anzubahnen. Die Wehen-
thätigkeit selbst, ihr Uebergang auf Plexus sacralis, MeduUa
spinalis, Gehirn und Nervensystem, ?ls lebendige Ursachen
werden verlassen, um den beliebten neuesten chemischen,
besonders einer Urämie Platz zu machen.
Wenn Alfred Clinton und Samuel Hardy (Praetical
Observations on midwifery and (he diseases incident to the
puerperal State, Dublin 1848) schon den Harn albuminös
fanden, so geht Brann schon weiter. Nach «hm ist die
218 ^^'* Clemens^ Zar Würdigung cl«r oeoesteo chemisoben
IjjmfigBte Ursache der Eclampsie Urftmie und Morbos BrigfaCiL
Die Stauung des venösen Blutes in den Nieren, hervorgehraclit
durch den Druck des vergrösserten Uterus und der sCraffeo
Bauchdecken sind, sowie die Blulbeschaffenheit der Sdiwangeren
äherhaupt, als eine der wichtigsten Ursachen des in der
Schwangerschaft stattfindenden Morbus Brightii anzusebeo.
Wegen der Nierenkrankheit (Nephritis difiüpa) wird Harnstoff
im Blute zurückgehalten, der sich in Ammoniak -Carbonate
verwandelnd dann die Convulsionen hervorrufen soll. Fur's
Erste mache ich liier sogleich die Bemerkung: Da nun diese
Urämie (BlutvergiflUing) schon während eines grossen Tlieiles
der Schwangerschaft besteht, also die Ursache der Convulsionen
eine geraume Zeit stattfinden soll, so frage ich, wohl mit
einigem Bechte, warum diese Convulsionen mit so erstaim-
lieber Heftigkeit erst mit dem Eintritte der Geburtsthätigkcät
auftreten ? Die Geburtsthätigkeit rousste doch erst die vorher
vergiftete Blutmasse in Aufregung iietzen, musste daher nicht
als die nächste, doch als entfernte Ursache der Convulsionen
anzusehen sein. — Ferner kann ich mich des Gedankens
nicht entschlagen, diese chemische Ansicht der Krankheit
möchte von einer durchgreifenden antiphlogistischen Behandlung
derselben, als der einzigen bisher mit einigem Erfolge an-
gewendeten, allerdings der Theorie zu Liebe abhalten. Denn
was soll man zu dem Vorschlage sagen, „bei urämischer
Ei'lampsie bestände die zweckmässigste Methode der künst-
lichen Geburlsbeschleunigung in energischer Vaginaltan^onade
mittels eines Kautschukapparats!'* — Wer sich bei einer so
gefahrlichen Krankheit bloss darauf verlassen wollte, machte
sich gewiss der grösslen Unterlassungssünde schuldig!
Ist ferner diese chemische Theorie, gegen welche ich
bereits einen Einwurf ausgesprochen, auch wirklich in der
Natur begründet? — Jeder Geburtshelfer hat gewiss Frauen
entbunden, die besonders beiZwillingsschwangerscliaften während
der letzten Periode der Schwangerschaft bedeutende hydropische
Anschwellungen der unteren Extremitäten und grossen Scham-
lefzen aufzuweisen hatten , ohne dass während der Entbindung
auch nur der leiseste Anfall von Krämpfen erfolgt wäre.
Im Gegentheil sind diesen Convulsionen gerade junge kräftige
Erstgebärende, die vorher nie an Hysterie, Krämpfen, noch
Aosiohfcen über die Urinebe der EolaiDpsia paerperalis. 219
an hydropisohen AnsdiweHongen gelitten, am meisten unter-
worfen. Chisholm weist nach, es entstanden viele Falle
von Eclampsie ohne Eiweiss im Harne. Auch Sempe erklärt,
Eclampsia puerperalis sei zwar, aber nicht immer mit Morbus
Brightü verbunden. Scamoni sagt in seinen Beiträgen zur
GeborCsliunde, 2. Band: „Steht es fest, dass die uroskopiscben
Symptome ini causalen Zusammenhange stehen mit der durch
die Wehenthätigkoit veranlassten Kreislaufstauungen innerhalb
des Nierenparenchyms und dass sie verschwinden , sobald nach
beendigter Geburt die Nierenhyperäroie abnimmt, so muss
man auch zugeben, dass die im Irrthume sind, welche die
Gegenwart der gedachten Erscheinungen ffir ein untrügliches
Zeichen einer schon während der Schwangerschaft aufgetretenen
parenchymatösen Nephritis (Morbus Brightü) betrachten und
die sich etwa einstellende Edampsie stets als die Folge einer
sich aus den Nieren entwickelnden Urämie deuten.*" Man
sieht, dass meine oben angegebene Ansicht einigermaassen
mit der SeanzonPs übereinstimmt. — Nach GredS beobachtet
man ebenfalls die Krankiieit bei robusten, kräftigen Frauen,
bei denen während der Schwangerschaft weder eine Bhit-
entmischung nodi Eiweiss im Harne za entdecken war.
Dagegen habe ich, wie schon oben erwähnt, solche Frauen
entbunden, die während der Schwangerschaft und nodi zur
Zeit der Entbindung ganz bedeutende Anschwellungen der
unteren Extremitäten, der äusseren Schamlefzen, selbst des
Unterleibes, zeigten, ohne dass während der Entbindung auch
nur der leiseste Krampfanfall entstanden wäre. Von einer
Eolampsie, die bei einer 29jährigen, kräftigen, bisher gesunden
Person, ungefähr 12 Stunden nach einer ganz normal vei^
laufenen Entbindung (Zweitgeburt) eintrat, berichtet uns
Berliner (Deutsche Klinik, No 12, S. 120). Nirgends war
Oedem vorhanden. Der in grösserer Quantität in der Blase
befindliche Urin zeigte weder jetzt noch später eine pathologische
Beimischung. Blutegel, kalte Fomentationen, Sinapismen und
Morphium stellten die Kranke her. — Allerdings mag nur
das fast constante Vorkommen von Morbus Brightü bei
Eclampsie sein; aber eben so .begründet ist die Erfahrung,
dass Eclampsie zuweilen ohne alle Nierenerkrankung vor-
kommt, wodurch dann weiugstens die allgemeine Gültigkeit
220 ^yi' Clement f Zur WDrdigung der nenesien cheoiUoiMii
der chemischen Theorie äher den Haufen geworfen und sie
sogar für die Regel sehr erschüttert wird.
Habe ich nun gegen diese Theorie einzuwenden, daas
sie weit entfernt ist, fest begründet zu sein, so bin ich mn
so entschiedener ihr Gegner, weil sie von eioem kräftigen,
durchgreifenden Heilverfahren ablenkt, das sich bisher in
dieser gefahrdrohenden Krankheit noch als das sicherste be-
wiesen. Die gepruftesten Geburtshelfer empfehlen die aus-
gedehnteste Anwendung des antiphlogistischen Halapparales.
Ja, nicht bloss bei robusten und vollblütigen, selbst bei
chlorotischcn Kranken — wo schon das Blut auf eine Ent-
mischung hinweist — bewirkten Aderiässe, Blutegel an den
Kopf, Eisumschläge auf denselben, schnellwirkende Laxanzen,
Klystiere, Sinapismeo an den Waden u. s. w. ausgezeichnete
Dienste. Bei vollblütigen Frauen sind Blutentziehungen dreist
vier bis fünf Mal zu wiederholen, ohne dass daraus ein
späterer Nachlheil zu befürchten wäre. Bei chlorotischen
besteht bei weitem nicht der starke Blutandrang zum Kopfe
und zur Brust, deshalb sind hier nur kleinere und seltenere
Aderlässe nöthig, dagegen die frühere Anwendung des Opiums
zu Va — gr.j. oder Morphium zu V^gr. pro dosi in kurzen
Zwischenzeiten von V4 bis V2 Stunde zweckmässig bis eine
merkliche Beruhigung des Nervensystems einti*ilt (Crede),
In meinen früheren Mittheilungen über Eclampsie habe ich
bemerkt, dass zuweilen mit den Convulsionen ein so heftiger
Trismus verbunden ist, dass nichts geschluckt werden kann
und die ganze Behandlung auf Aderlässe, Blutegel, blutige
Schröpfköpfe längs der Wirbelsäule, eiskalten Fomentationen
und eröffnenden Klystieren beschränkt sein muss. —
So wollte ich besonders meine therapeutischen Bedenken
in Hinsicht auf diese neue chemische Theorie mit diesen
wenigen Worten zu erkennen geben. Ausgemacht dürfte es
sein, dass nicht allein die strengste Antiphlogose Hirn und
Bückenmark von dem zuströmenden Blute befreit, sondern
auch günstig auf den Muttermund wirkt, der im Anfange
rigid, gespannt, fast tetanisch zusammengezogen durch diese
Behandlung weicher, nachgiebiger, ausdehnbarer wird und endlich
ohne Gefahr der Verletzung der Zange Baum zur Anwendung
verstattet. Ehe diese durch strenge Antiphlogose im Mutter-
An«iohtoii über die Ursacbe der ISolampsU piierperAllg. 2S1
munde günstige VeräoderuDg eingetroffen, kann vom Accouche-
ment forc6 Oberbaupt nicht die Rede sein.
Es lässt sich nicht leugnen, dass der Urin als Krankheits-
ttoment die B^te noire d«r neueren, exacten Medicin geworden
isL Urämie sptt nicht allein die Ursache der Eclampsia
puerperalis sein. Ihre Domaine erstreckt sich schon viel
weiter. Der Gicht liegt jetxt Urämie zu Grunde. So werden
auch nach Zimmermann Kranke mit Morbus Biightii und
Albuminurie häufig von Dysenterie ergriffen. Nach Treiiz
sollen dann die Nieren verbindert werden, das Blut von diesen
zuströmenden Ilarubestandtheilen zu befreien, daher harnsloll*
haitige Transsudationen auch im Dickdarme vorkommen, die
zu kohlensaurem Ammoniak zerfallend die Dannschleimhaut
abätzen, so zu Resorbtion des* Ammoniaks und dadurch zu
Paralyse und Tod führen. Wie sich nun mit dieser Theorie
die bisher berühmteste Heilmethode durch Extr. Nucis Yomicae
aquosum, Natron nitricum in Salepdecoct vereinen lässt, ver-
mag ich wenigstens nicht zu begreifen. Doch will es mir
vorkommen, dass man nach Herumtasten nach manchen, auf
Grundsätzen der exacten Medicin gegründeten Heilverfahren,
allmäUg wieder in die alte Bahn einzulenken bcgimiL
Während die neuere Zeit von den starken Blutentleerungen
bei Cerebral -Congestiouen abgekommen zu sein scheint, werden
dagegen in der neuesten Zeit — und zwar in Frankreich,
dem Mutterlande der exacten Medicin — wieder entgegen-*
gesetzte Stimmen laut, die sich in diesen Fällen für die An-
wendung starker Blutentziehnngen aussprechen und dieselbe
als souveränes Mittel empfehlen. So Cabaret (Gaz. des
höpit., 120) und OrcUiniol (Ibid., 128), welche ihre An-
wendung besonders bei den Congestionen wälu*end der Geburts-
arbeit das Wort reden.
Moreau behauptet, Erstgebärende im vorgerilckteren Alter
wären diesen Gonvulsionen häufiger ausgesetzt. CUntoch
und Hotrdy geben den Rath, besonders auf die Vorboten
der Krankheit zu achten und bei Kopfweh, Ohrensausen,
Lichtfunken, Oedem des Gesichts durch eine zweckmässige
vorbauende Beliaudlung den Ausbruch der Krumpfe zu ver-
hüten. In meiner der Göttingisclien Universität zu ihrer
222 ^VI. Clmen», Zur Wurdiganff der neuestoa cbeiniaebMi
ersten Säculaifeier gewidmeten Schrift: ^Beobacbtungea
über die weisse schmerzhafte Fussgescbwulst der
Kindbetterinnen, Frankfurt 1837,'* habe ich ilen jetzt so
sehr Temachlässigten , von den Alten in Ehren gelialtenen
Venäsectionen während der Schwangerschaft, verbunden mit
dem Gebrauche kühlender und gelind abführender Neutralsaixe,
als den vorzüglichsten Mitteki, Missfallen, Frühgeburten vor-
zubeugen und eine gesunde Schwangerschaft und Wochenbett
zu erzielen, lebhaft das Wort geredet Zur Bestätigung der
hier geäusserten Meinungen möge einigermaassen die Mit-
theihing folgenden Falles dienen:
Am 8. August 1856 wurde ich zu einer Kreissenden
entboten, die im 37. Jahre ihres Alters geheirathet und ein
Jahr später schwanger wurde. Ausser vielen Uebelkeiten,
Erbrechen, Schwere und Müdigkeit in den Gliedern, Druck
im Kreuze zeichnete sich die ScIi wanger schaft durch dumpfen,
drückenden Kopfschmerz, sowohl im Vorder- als im Hinter-
kopfe aus. Blutentziebungen, sowohl allgemeine als örtliche,
durch Blutegel und Schröpfköpfe wurden durcli die .ver-
stimmte, eigensinnige Patientin hartnäckig verweigert Sie
fühlte sich — ihrer Meinung nach — sclion schwach genug
und wollte nicht noch mehr ge^schwächt werden. Kaum ver-
mochte ich sie gegen Ende der Schwangerscliaflt zum regel-
mässigen Gebrauche des Saidschützer Bitterwassers anzuhalten.
Am späten Abend des 8. fand ich bei der ersten Unter-
suchung den Muttermund noch sehr hoch, nach hinten, wenig
erweitert, aber die Wasser schon abgeflossen. Die Geburls-
arbeit ging langsam von Statten. Die Wehen waren allerdings
stark, äusserten aber wenig Einfluss auf den Muttermund,
der dick, wulstig, schwer auszudehnen war. Dabei nahmen
die Kopfschmerzen der Kreissenden zu. Dröhnen und Sausen
vor den Ohren stellte sicli ein. Die Augen erhielten ein
eigenthümliches verglastes Aussehen. Leise Zuckungen gaben
skh in den Händen kund. Oll schüttelte der Körper wie
im Fieberfroste zusammen. Nach Mitternacht wurden bei
vermehrter Congestion nadi dem Kopfe die Wehen schwächer.
Dies bestimmte mich, gegen 1 Ulir Nachts eine Yenäsection
von einem Pfunde Blut anzustellen. Darauf folgte blasseres
Ansichtall über die UrMieha der EcUmpfti* pnerperalis. 228
Aussehen, mehr Ruhe, dann ein erquickender Schlaf. . Gegen
3 Uhr stellten sich wieder stärkere Wehen ein. Um 6 Uhr
Morgens fand ich den Muttermund so nachgiebig und er-
weitert, auch den Rand des Kopfes so weit vorgerückt, dass
ich bei bedeutender Kopfgeschwulst die Zange anlegte und
um 7^3 ^^1* ^>n lebendes Kind weiblichen Geschlechts zur
Welt brachte. Ich halte mich überzeugt, dass hier .der
Aderlass auf den Verfolg der Geburt die feste Wirkung
geäussert und namentlich dem Aa8l>ruche dei* Convulaionen
vorgebeugt liabe. Hätte die Frau Blutentziehungen während
der Schwangerschaft erlaubt, so wäre die Entbindung leichter*
von Statten gegangen. In dieser Meinung bestärkte mich die
folgende Entbindung.
Am 12. October 1857 entband ich dieselbe Frau von
einem Kinde männlichen Geschlechts. Um 6 Uhr Abends
enll)oten war 23 Minuten nach 8 Uhr die ganz natürliche
Entbindung schon vollendet Eben so leicht folgte nach
10 Miuuten die Nachgeburt meinem gewöhnlichen Handgriffe.
Auch war die ganze Scbwangerschafl ohne alle Beschwerde.
Die vorhergehende Venäsection, wie der in der Schwanger-
schaft regelmässig forlgesetzte Gebrauch des Bitterwassers
hatte auf die zweite Schwangerschaft und Geburt den heil-
samsten Eioflnfis.
224 XVII. Notisen ans der Journal • Lüeratar.
XVIL
Notizen aus der Journal -Literatur.
Hutchinson: Mehrfächerige Ovaricnkyste bei einer
65jährigen Frau. Ovariotoniie. Ueiluug.
8. 2^*, 06 Jahre alt, anschcincDd jedoch 10 Jahre jünger,
litt seit drei Jahren an einer Kierstocksgeflch willst. Anfang»
*wnch8 dieselbe langsam and verursachte keinerlei Beschwerden.
SpUter erfolgte eine rapide Volumenznnahme, wobei die Gesund-
heit der Fran gleichzeitig wesentlich gestört wnrde. Patientin
hat früher fünf Mal geboren. Der Umfang des Unterieibe» betrag
45 Zoll; der Percnssionston war überall gedämpft, mit Aosnahuie
in der rechten Lendengegend. Fluctuation war undeutlich sn
fühlen. Der Uterus seigte sich normal, doch sehr hoch stehend.
Am 9. December wurde die Ovariotomie gemacht. Nach Er-
öffnung der Bauchhöhle mussten einige lockere Adhüsionen mit
der Hand gelöst werden, worauf man in die Hauptkysta einen
dicken Troikar einstiess. Nach fast vollständiger Entleerung
dieser Kyste wurde dieselbe aus der Wunde herausgezogen, wobei
noch zwei bis drei kleinere Kysten punktirt werden mussten.
Der lange und dicke Stiel wurde durch« eine Klammer befestigt
und die Geschwulst ungefähr 3 Zoll oberhalb derselben ab-
geschnitten. Die Wunde wurde durch Ua^enschartenaadela Tor-
einigt, eine Flanellbinde angelegt und 2 Gran Opium als
Suppo6itorium applicirt. Die Operation erforderte nur kurze
Zeit und wurde von der Fat. gut vertragen. Am 12. December
wurde die Klammer, am 13. die Nadeln entfernt. Die Wunde
seigte sich vollständig geheilt, doch war der im unteren Wund-
winkel gelegene Stielrest von beträchtlicher Grosse. Mit Aas-
uahme einer am zehnten Tage auftretenden leichten Blasen-
entzöndung hatte Fat. während ihrer Convalescenz nicht das
leichteste Unwohlsein und konnte am dreissi nisten Tage nach der
Operation als vollkommen gesund entlassen werden.
(The Lancet, March 28, 1863.)
Stilling: Geschichte einer Eierstocksexstirpation.
Der Fall betraf eine rechte Eierstockskyste. Nach voraus-
geschickter Probepunction wurde bei der Operation ein 10 — 11"
langer Schnitt in der Linea alba gemacht, der später noch bei
Herausnahme des Sackes am 4 — 6" verlängert werden mnsste.
Die Kyste war mehrfächerig und machte acht yerschiedene
XVII. Notisen ans der Jonrnal- Literatur. 226
Panctioaen nothig, auch war ilie Tordere linke Flüche der Kyste
aasgedehnt mit dem Bauchfelle, jedoch locker verwachsen. Die
Kranke tiberstand die Operation anfangs nnter Chloroformnarkose,
später bei vollem Bewnsstseiii sehr muthig. In den ersten Tagen
trat wiederholte Blatnng ans der Wände ein, warde aber nach
sorgftitiger Unterbindung des blatenden Oefftsses in der Schnitt-
fläche des Stieles gestillt. Andere verschiedene bedenkliche
Erscheinungen während der Nachbehandlung verschwanden gleich-
falls bald und gänzliche Heilung erfolgte.
St. hat schon zwei Mal die Ovariotomie ausgeführt, 1834 mit
ungünstigem und 1841 mit günstigem Erfolge; welche Fälle früher
veröfTentlicht worden sind. Er hat damals schon zuerst aus-
führlich über die Art und Weise geredet, wie die Gefahren der
Orariotomie auf ihr Minimum herabzusetzen sind, dadurch, dass
man — nach beendeter Operation die Höhle des Bauchfelles,
ohne irgend einen fremdartigen Körper zurückzulassen, hermetisch
schliesst, die Wnndfläche des Stieles nach aussen legt und somit
Blutung wie Eiterung von der Bauchfellhöhle ausschliesst. Es
ist dies Verfahren seit den 22 Jahren das allgemein gebräuchliche
geworden und wird meist „die englische Methode* genannt.
Verf. nimmt jedoch für sich die Priorität der Anwendung in An-
spruch. Er spricht sich auch gegen die Ligatur en raasse aus,
empfiehlt vielmehr die Unterbindung jedes einzelnen BlutgeHisses.
(Deutsche Klinik, 1863, No. 34, 36.)
O.v.FranquS: lieber Jodinjectionen beiOvarienkysteo.
Verfasser theilt aus der gynäkologischen Klinik in Würzburg
sechs Krankheitsfälle von Ovarienkysten mit, bei welchen neun
Injectionen reiner Jodtinctnr und eine Injection einer Höllenstein-
lösung gemacht worden waren. Alle Injectionen waren ohne Erfolg,
bei allen trat WiederfUIlung der Kyste ein, vielleicht mit Aus-
nahme eines einzigen (des dritten) Falles, bei dem eigenthümliche
Complicationen das Krankheitsbild unklar machten. Die Jod-
injectionen sind demnach ganz unzuverlässig zur Radiealheilong
selbst der einfachen Kysten, die in allen angeführten Fällen
vorhanden waren. Selbst eine längere Pause bis zur Wieder-
füllang nach der Jodinjection wurde nicht beachtet, als nach der
einfachen Ponction, in einzelnen Fällen trat sogar die Wieder-
fUIlung auffallend schnell ein. Dagegen wurden durch die Injection
der reinen Jodtinctnr gar keine gefahrlichen Erscheinungen herbei-
geführt, obwohl selbst ein thetlweises U eberströmen in die
Bavobhöhle' angenommen werden muss.
Die Frage über die WirksaBikeit oder Unwirksamkeit der
Jodinjection ist demnach noch keineaweges absehlossen.
(Spitalsseitung, Juni u. Juli 1868.)
Monfttiaelir. f. Qebnrtak. 1868. Bd. ZXn., Hfl. 8. 15
226 XVn. Notisen aua der Joarnal-Lttoratnr.
Förster: Exstirpation des vorgefallenen Uterus.
Die Kranke, 40 Jahre alt, litt seit vier Jahren an Senkang
der Gebärmutter und erlitt nach einem anstrengenden Maraclie
einen bedeutenden Vorfall mit den Erscheinungen der Einklemmung.
Die 7 — 8" lange und 5'' dicke Geschwulst hing an eiaem 2"
langen darmähnlichen Stiele zwischen den Schenkeln herab, wog
fast 2 Pfund, war fest, derb, wie ein Fibroid. Nachdem ver-
geblich die Reposition versucht worden war, wurde vier Tage
abgewartet. Als jedoch das Allgemeinbefinden jetst sehr be-
denklich wurde und der Uterus von seiner faulenden Oberfläche
einen zunehmenden Gestank verbreitete, nahm Verf. am fünften
Tage die Unterbindung des Stieles (Vagina) mit einem 3 Linien
breiten Bändchen in der Mitte desselben vor, wickelte den Uteras
in mit Chlorwasser befeuchtete Lappen und sorgtis fiir möglichst
gute Verpflegung. Am sechsten Tage war der Gestank so un-
erträglich, dass der Uterus 1 Zoll unterhalb der Ligatur ab-
geschnitten werden musste. Es traten kaum bedenkliche Symptome
mehr auf, die Kranke erholte sich schnell und fuhr schon am
sechsten Tage nach der Operation nach ihrer nicht fernen Heimath.
Vier Monate später sah Verf. die Frau im blühendsten Zustande
wieder. Die Vagina war nur ein blinder Sack und es erschien
regelmässig eine schwache Menstruation.
Die ezstirpirte Masse zeigte bei näherer Untersuchung
gleichmässiges , faserknorpelähnliches Gewebe mit Blutgef&sa-
verzweigungen bis zur Federkieldicke. In der Mitte der Masse
fatid sich eine flache , dreispitzige H5hle von 1 — I y^" Durch-
messer, der Best des Cavum uteri.
(Allgem. Wiener Medic Zeitung, 1868, No. 26.)
Havüand: Ruptura uteri.
Verfasser erzählt einen Fall von Ruptura uteri, bei einer
S6 Jahre alten Frau, die schon acht Mal geboren hatte. Der
Riss erstreckte sich auf der hinteren Seite vom Cervix bis nun
Fundus der Gebärmutter; das ganze Ei war vollständig in die
Bauchhöhle geschlüpft. Haviland ging dann durch den Riss in
die Bauchhöhle ein , fühlte hierbei beide Nieren der Gebärenden,
sprengte hierauf die Eihäute und zog dann den Fötus an den
Füssen durch den Riss in die Uteriuhöhle herein; 'er eztrahirte
hierauf die ganze Frucht, hatte jedoch bei Entwickeinng des
Kopfes mit sehr grossen Schwierigkeiten zu kämpfen; wie sich
dann seigte>, war der Fötus hydrocephalisch. Die Wöchnerin
starb sechs Tag nach der Ruptur.
(The Lancet, February 88, 1863.)
XVII. Notimeii ans der Journal -Literatur. 227
Thome: Transfusion mit glückliebem Erfolge.
ITiome wandte die Transfusion nach einem Aborte im
siebenten Monate an. Die Placenta war von ihm gelöst worden,
die vorb ergeh enden Blntrerlnste waren jedoch so stark gewesen,
dass der fast palslose Zustand der Frau die Transfusion als
einzige Rettangsquelle erscheinen liess. Nach einer Injection
▼on nur 2 Unzen Blnt — mehr konnte wegen Ohnmacht der
Person I an welcher der Aderlass gemacht worden war, nicht
erlang^ werden — konnte der Pnis an der Temporalarterie
dentlich gesehen werden. Zwölf Standen nach der Operation
■eigte sieh eine geringe Reaotion (Puls 112, voll), die jedoch
keine weiteren Folgen hatte.
(The Lancet, March 7, 1863.)
HtUmann: Ein Kaiserschnitt mit günstigem Erfolge
für Mutter und Kind.
Veranlassung snm Kaiserschnitte gab ein osteomalacisches
Becken. Die Operation an sich bot nichts Eigenthümliches, der
Verlauf des Wochenbettes war überaus günstig und Verf. glaubt
das günstige Ergebniss sum Theil seinem in der Praxis bisher
nicht empfohlenen Verfahren, die ganze Bauchwnnde vollständig
und fest an schliessen anschreiben zu dürfen.
(Deutsche Klinik, 1868, No. 31.)
Traeid: Vaginalpolyp bei einem IV4 Jahre alten Kinde.
Verfasser wurde an einem l'/g Jahre alten Kinde gerufen,
das angeblich nicht uriniren konnte. Er fand die Harnblase stark
gefüllt, die Xusseren Geschlechtstheile geröthet, heiss, edematSs
geschwellt. Im Scheideneingange lag ein weicher elastischer
Körper mit glatter Oberfläche Yon graublaurother Farbe und
awar so fest eingeklemmt, dass er sich weder vor- noch rückwärts
bringen liess. Dadurch wurden Harnröhre und Mastdarm so be-
deutend gedrückt, dass das Kind schon seit ly. Tagen weder
den Urin noch den Koth entleeren konnte.
Mit* wahrer Kraftanstrengung wurde die Geschwulst aurück-
gedrängt, worauf eine bedeutende Menge Urin von selbst abfloss.
Jeder Versuch, die Geschwulst nach aussen zu bringen, misslang
wegen der bedeutenden Grösse derselben. Am anderen Morgen
jedoch war unter heftigem Drängen des Kindes die Geschwulst
au Tage getreten, sie hatte die Grösse einer Mannsfaust, hing
an einem kleinfingerdicken Stiel, war bimförmig, ihre Oberfl&che
rotbbl&ulicb, theils glatt, glänaead, theils mit Furchen und
15 ♦
228 XVII. Notisen ans d«r Journal •Literatar.
Einschnitten verMheo, selbst gelappt, gefftssreioh, die Ooiiaiaf«DB
fibrös, sehr gef&ssreich.
D.er Stiel wurde abgebunden und die Geschwulst fiel am
sechsten Tage ab. Es trat vollständige Heilung bald ein.
(AUgem. Wiener medic. Zeitung, 1863, No. 30.)
Hugenberger sen.: Bericht über die Vorkommnisse in
dem Hebammeninstitute der Grossfürstin Helene
Pawlowna zu St. Petersburg in den Jahren 1845
bis 1859.
In genanntem Zeiträume wurden 8319 Schwangere auf-
genommen, 3 aus dem Vorjahre übertragen. Von diesen wurden
entlassen geheilt von Lungen- und Bauchfellentzündung 4, von
Metroperitonitis 2, von rheumatischem Fieber 4, von Cholera 4,
von Blutungen 12, von Brustwassersncht 1, nngeheilt in Kranken-
häuser transferirt 1 Maniakalische und 2 Syphilitische, und starben
unentbunden an Cholera 9, an Lungenentzündung 1 , au Lungen-
schwindsucht 1 , an Petechialtyphus 1 , an Kxtranterinschwanger-
schaft 2, an IJterinruptur 1, an acutem Lungenödem 2, an
Brustwassersucht, an Kleinhirnabscess, Meningitis je 1. Fünf
an der Cholera Verstorbene befanden sich nahe dem rechtzeitigen
Oeburtstermine und wurden, da der Fötalherzschlag noch bis
kurz vor ihrem Tode wahrgenommen wurde, nach diesem durch
den Kaiserschnitt entbunden; in keinem Falle wurde ein lebendes
Kind gewonnen. Mit demselben Resnltate wurde die gleiche
Operation (resp. Gastrotomie) an den an Meningitis, Uterin-
ruptur, Hydrothorax Verstorbenen ausgeführt, während sie bei
den beiden an Lungenödem zu Grunde gegangenen scheintodte
Kinder lieferte, von denen das eine nicht zu vollkommenem
Leben zu bringen war, das andere nach 14 Stunden an Lebena-
schwäche starb. Von den beiden Extrauterinschwangerschaften
war die eine abdominal und endete nach langwieriger Peritonitis
^und Bildung eines Nabelabscesses im zehnten Lunarmonate mit
dem Tode des Kindes und darauf der Mutter, die andere war tnbar
und wurde durch den im siebenten Monate an Lungentubercuiose
erfolgten Tod der Frau beendet. Von erheblicheren Krankheiten
der Hausschwangeren wurden überhaupt beobachtet: Blutungen
von drohendem Abort 15 Mal, von Placenta praevia 1 Mal,
Mastitis 4 Mal, Oophoritis 1 Mal, Metroperitonitis 10 Mal, Manie
und Melancholie 3 Mal, Hysterie 6 Mal, Epilepsie 3 Mal,
Eclampsia 2 Mal,. Cystitis und Dysurie 5 Mal, Blutharnen, Blut-
husten je 1 Mal, Bronchialcatarrh42Mal, Lungen- und B nutfeil-
entzündung 36 Mal, Laryngitis und Tracheitis 1 Mal, Kehl-
Schwindsucht 6 Mal, Lungenschwindsucht 18 Mal, Wechselfieber
XVXi. Notttten aus der Joaniml*LUenitor. 229
17 M«l, rhemnatisches Fieber 36 Mal, aenter GeleDkrhemnatismiiB
9 Mal, Darmcatarrh und Ruhr 36 Mal , Cholera 62 Mal, Typhus und
typhöse« Fieber 17 Mal, Variola 1 Mal» acate Meningitis 1 Mal,
Icterus 5 Mal, Herabeutelentsondung 1 Mal, Erysipelas 6 Mal,
Wassersucht 13 Mal, ßrtyAi'sche Krankheit 6 Mal, Extrauterin-
schwangerschaft 2 Mal, Skorbut 1 Mal, Syphilis 10 Mal, Ver-
krümmung der Wirbelsäule 37 Mal, darunter 24 Mal rhachltischer
Natur (wobei 13 Mal Verengerung des Beckens), Kropf 3 Mal,
Blödsinn 1 Mal, Taubstummheit 6 Mal, Blindheit 9 Mal, Lähmung
2 Mal, yeraltete Luxation des Hüftgelenkes 1 Mal.
Geburten erfolgten 8036, wovon 184 mehrfache , und lieferten
8210Kinder, daron 7712 lebend, 498 todt, 4240 Knaben, 3970 Mädchen.
Ihre mittlere Daner betrug bei Erstgebärenden 23, bei Mehr-
gebärenden 16 Stunden. In Uebereinsttmmung mit dem von Veit
und Hedker hinsichtlich des Einflusses der Tageszeit auf Beendigung
der Geburten Aufgestellten endeten von je 100 Geburten 31 Nachts,
28 Abends, 24 Morgens, 17 Nachmittags. In Bezug auf den
Geburtsmechanismus wurden beobachtet (nach ^as^e2s*scher
Eintheilung) 7676 Hinterhauptslagen (92,2 Procent), davon 4966
erste, 2620 zweite, 42 Gesichtslagen (0,6 Procent), davon 34 erste,
8 zweite, 412 Beckenendlagen (6 Procent — bei 6 Drillingen,
119 Zwillingen, 89 vorzeitig geborenen Kindern), davon 243 erste
mit dem Kücken nach links , 77 erste mit demselben nach rechts,
73 zweite mit dem Rücken nach links, 18 zweite mit demselben
nach rechts, 77 Querlagen (0,9 Procent), worunter 39 Mal erste
Schulterstellung Kopf links, 13 Mal rechts, 17 Mal zweite
Sehulterstellung Kopf links, 8 Mal rechts, 104 unbestimmte Lagen.
Von ungewöhnlichen Geburtsmechanismen wurden beobachtet
Sehädellagen mit nach rückwärts rotirtem Hinterhaupte 31 Mal,
wovon 14 dritte und 17 vierte nach dem älteren Schema (von
letzteren gingen 8, von den ersteren 7 in Stirnlagen über),
Gesichtslage mit nach rückwärts rotirtem Kinne 9 Mal, davon
6 dritte, 4 vierte (keine durch die Natur allein beendet), erste
Gesichtslage mit vierter Scheitelstellung alternirend 1 Mal , querer
Kopfdurchtritt 38 Mal, querer Schulterndurchtritt 62 Mal, doppelte
Schulterndrehung 168 Mal, Selbstentwickelung der Frucht 7 Mal
(6 Mal bei unzeitigen, meist macerirten Früchten, das siebente
Mal bei einem ausgetragenen, während der Geburt abgestorbenen
Zwilling), Selbstwendnng 6 Mal. Bei Schädellagen fand man
133 Mal eine Hand, 4 Mal beide, 3 Mal Hand und Fuss, 1 Mal
einen Fuss allein, 1 Mal beide Füsse, 1 Mal beide Füsse und
Hände neben dem Hinterhaupte, bei Beckenendlagen 4 Mal eine
Hand, 3 Mal beide neben dem Steisse, bei Gesichtslagen 1 Mal
eine Hand neben dem Munde , 1 Mal beide Hände neben dem Kinne.
Bei 73 Gjassengeburten zerriss der Nabelstrang 9 Mal;
von den Frauen erlitten unbeträchtliche Dammrisse 6, erkrankten
an Puerperalprocessen 6, von denen 2 starben; von den Kindern
230 XVXI. Notisen aus der Journal- LUeratur.
UBterlagen ein mit dem nachfolgenden Kopfe eteckeag^liebeiiea
und awei mit aerrisBener Nabelschnur au Boden gefallene.
Von mehrfachen Geburten fanden statt 3 Drillinga-
und 181 Zwillingsgeburten (0,04 und 2,2 Procent). Von den
Drillingsgeburten erfolgte die eine in der 37. Schwangersehafte-
woche nach dreistündiger Eroffnungszeit in 10 Minuten (8 MKdchen,
das erste und dritte in Kopf-, das sweite in Beckenendlage, wogen
zusammen 9 Pfund,') gingen wenige Tage nach der Geburt zu
Grunde, — zwei Frucbtkuchen yon y, und 1 V4 Pfund , der letztere
mit einfacher Leder- und doppelter Wasserhaut), die andere in der
27. Woche nach Slsttindiger Yorbereitungszeit in 15 Minuten (die
zwei ersten Kinder Knaben, das dritte ein Mttdchen-, alle drei
in Beckenendlagen, Gesammtgewioht 6 Pfund, starben kurz nach
der Geburt, -^ zwei Fruchtkuchen von Y, und 1 Pfund, der den
beiden ersten Kindern gemeinschaftliche hatte einfache Leder-,
getrennte Wasserhaut) , die dritte in der 32. Woche nach 14stündig^r
Eroffnungszeit (die beiden ersten Kinder, Knaben, wurden in
Kopflagen, das dritte, Mädchen, in Beckenendlage, die beiden
letzten fünf Stunden nach dem ersten geboren, blieben sämmtlich
am Leben, Gesammtgewicht isy, Pfund, -^ der den Knaben
gemeinsame Mutterkuchen wog 2 Pfund und hatte geschiedene
Wasser- und LederhKute, der andere war % Pfund schwer).
Nur eine Wöchnerin erkrankte au leichter Endometritis. Die
Zwillingsgeburten betrafen 33 £rst% und 148 Mehrgeb&rende.
Von den Kindern stellten sich zur Geburt beide in Kopflagen
73 Mal, beide in Beckenendlagen 24 Mal, das erste in Kopf-,
das zweite in Beckenendlage 50 Mal, umgekehrt 17 Mal, das erste
in Kopf*, das zweite in Querlage 9 Mal, umgekehrt 2 Mal, das
erste in Beckenend-, das zweite in Querlage 3 Mal, umgekehrt
1 Mal, das erste in Kopf-, das zweite in unbestimmter Lage
2 Mal. Bei 164 Zwillingspaaren erfolgte die Geburt ann&hernd
rechtzeitig, bei 5 unzeitig, bei 12 frühzeitig. In 3 Fällen war der
eine Zwilling ausgetragen, der andere auf früherer Entwickelungs-
stufe abgestorben (ein zweimonatlicher, 1 Loth schwerer, in
eigener Wasserhaut bei gemeinschaftlicher Placenta sitzender
Embryo mit noch ungeschlossenen Banchdecken, ein in eigener
Eihöhle dem gemeinsamen Fruchtkuchen ansitzender, viermonat-
lieber, männlicher, V4 Pfund schwerer, 6 Zoll langer, mumificirter
Fötus mit vollkommen torquirter, vier Mal fest um den Hals
geschlungener Nabelschnur, eine sechsmonatliohe , 2V4 Pfund
schwere, in eigener Eihöhle befindliche und mit eigener Placenta
versehene , mit Hasenscharte und Gaumenspaltung behaftete , stark
macerirte Frucht). Das schwerste Zwillingspaar wog 19, das
leichteste ausgetragene 7 Pfund. Die Fruchtkuchen waren 125 Mal
1) Die Pfunde sind russische Medicinalpiiinde, welehe mit den
Pfunden des alten Nürnberger Gewichts übereinstimmen.
XYII. Motwen «us der Jouiaal-Llleratar. 231
geneloMliaftlieh (grösttea Oewielii SVi PAiad) ; Ton den geirenatoa
worden nur 9, je nach dem betreffeBden Kinde, die übrigen eieis
nach Gebart beider noegestOMen. Bei 160 näher anterraobteD
Fällen ergab in 104 gemeinschaftliche Plaoenta mit ▼oUttändig
getrennten EililUiten 76 Mal gleiches, 28 Mal nngleiohes Qe«
schlecht. In 64 getrennte Placenta und Bihäate 38 Mal gleiches,
31 Mal Terschiedenes Geschlecht , in awei gemeinsame Placenta,
eine Lederhant, awei Amnien gleiches Geschlecht. Die küraeste
Daner des Gebnrtsgescbäftes betrog 2 V«* ^« längste 104 Stunden;
die Gebart des s weiten Kindes erfelgte im Darohschnitte nach
V, Stande. Sechs sweite Zwillinge worden in der Gläckshaabe
geboren. Von den Kindern worden 814 lebend (18 soheintodt
ond wiederlebt, 82 lebensschwach), 82 todt, 16 todtfaal geboren.
Von den Müttern erlitten 16 Blutongen in der Naohgebortsperiode,
an Poerperalprocessen erkrankten 26 and starben 2, an schon
vor der Gebort bestandenen Krankheiten litten 16 and starben 8.
Molengeborten worden 8 Mal beobachtet (0,04 Pro oent).
2 erfolgten bei Erstgeschwängerten im vierten Monate nach circa
24stfindiger Geburtsdaoer und onter beträchtlichem Blatverlaste
(t Fleisch-, 1 Hydatidenmole) , die dritte bei einer Mehr*
geschwängerten im dritten Monate nach 44 ständiger Wehendaoer,
ebenfalls anter starker, schon in der Schwangerschaft wiederholt
aufgetretener Blatang (gänseeigrosse Mole, flüssiges Blut enthaltend,
mit mehreren nusegrossen, fleischigen, traubenartig gestielten
Körpern an der Innenfläche). Alle 8 Wöchnerinnen blieben gesund.
Abort hatte 21 Mal statt (0,8 Procent), bei 4 Erst- und
17 Mehrgeschwängerten, 8 Mal im aweiten, 4 Mal im dritten,
14 Mal Im vierten Schwangerschaftsmonate. Stärkere, aar
Tamponade nöthigende Blutungen traten dabei nur 2 Mal auf.
Drei Eier aus dem vierten Monate barsten b%i der Geburt, die
übrigen wurden unverletst ausgestossen. Als Ursache der Fehl-
geburt Hess sich 4 Mal Apoplexie des Eies, sonst meist körper-
liche Anstrengungen und Gemüthsbewegungen ermitteln.
Unaeitige und frühseitige Geburten kamen 414 Mal
vor (6,1 Procent), bei 140 Erst- und 274 Mebrgebärenden. Von
den Früchten (darunter 1 Mal Drillinge und 17 Mal Zwillinge)
waren 22 ans dem fünften Monate (7 Kopf-, 10 Beckenend-,
3 Quer-v 2 unbestimmte Lagen), 72 aus dem sechsten (86 Kopf-,
80 Beckenend-, 2 Quer-, 4 unbestimmte Lagen), 76 aus dem
siebenten (62 Kopf-, 28 Beckenendlagen), 169 aus dem achten
(120 Kopf-, 82 Beckenend-, 4 Quer-, 8 unbestimmte Lagen),
96 aus dem neunten (89 Kopf-, 14 Beckenend-, 2 Querlagen).
Das mittlere Gewicht der in Beckenend- und Querlagen geborenen
uoseitlgen Früchte betrug 1,6, der frühseitigen 4^1 Pfund, während
die in Kopflagen geborenen unaeitigen ein Durchschnittsgewicht
von 2,6, die frühseitigen von 6,1 Pfund besassen. Als Ursache
der Schwangerschaftfunterbreohong wurden am häufigsten An-
232 XVII. Notiken Ras der Jotirnal-Literfttiir.
strengODg od«r Erschfitternng des KSrpen und heftige GemStfa»-
bewegnng angesehen, von Krankheiten Oholera, aente EntsSndnngen,
Diarrhoen nnd Rnhr, Schwindincht, Syphilis, Wassersneht, —
Ton Seiten der Fmeht habxtaelles Absterben (17 Mal), MonstrositSt
(tl Mal), Zvrillinge und Drillinge (18 Mal), Plaeentartrennnng
(6 Mal), PlacenU praevia (18 Mal), Fettplaeenta (16 Mal), Kalk-
ablagernngen in der Placenta (21 Mal). Fibrinablagemngen in
derselben (16 Mal), Infiltration ihrer Zotten (8 Mal), Oedem de«
Pmchtknchens (8 Mal), Apoplexie desselben (18 Mal), Plaeentitis
mit plastischer Bxsndation (9 Mal), Torsion der Nabelsehnnr (11 Mal),
Obllteration ihrer GefÜsse (3 Mal), Hydramnios (5 Mal). Von
den Müttern erlitten bedentendere Blntnngfen 6, erkrankten an
▼ersehiedenen Pnerperalprocessen 58; ron diesen starben 12,
ausserdem 32 an den die Schwange rsehafts an terbrechnng be-
dingenden Krankheiten (11 an Cholera, 3 an Durchfällen, 5 an
Typhus, 4 an Wassersucht, 2 an acuten Entsundungeh , 4 an
Erschöpfung naoh Blutungen bei Placenta praevia, 8 an Lungen-
tuberculose). Von den unseitigen Frachten wurden 36 todt
geboren, 63 todtfaul, 70 lebend; ron letsteren starben noch in
der Anstalt 54 an Lebensschwäche. Die Frühgeburten lieferten
36 todte, 66 todtfanle, 162 lebende Kinder; Ton diesen starben 41
bald nach der Geburt
Von Anomalien der Wehenthätigkeit wurde beobachtet
Wehenstnrm 3<2 Mal, hei 3 Erst- und 27 Mehrgebftrendein, mit einer
Gebnrtsdauer von 15 Minuten bis 2 Standen. Nach der Gebart
trat 2 Mal Blutung ein, 2 Frauen erkrankten an Puerperal-
processen, keine starb. Drei Kinder wurden todt geboren,
▼on denen eines betrUchtliche Fractnren der Schädelknochen
seigte, 2 scheintodt und nicht wiederbelebt; bei einem au Boden
gefallenen serrfss die Nabelschnur ohne nachtheillge Folgen.
WehenschwRche 277 Mal, bei 135 Erst* und 140 MehrgebSrenden,
in Form ron Asthenie der Gebärmutter 160 Mal, ron Adynamie
und Atonie 93 Mal, von Ezhaustion und Parese 22 Mal, ron
vollkommenem Zuräckgiehen der schon begonnenen Geburt
2 Mal (1 Mal auf 14 Tage [Kind 8 Pfund], 1 Mal auf 21 Tage
[Kind 9 Pfund]). Als Causalmoment findet man für die meisten
Fälle welke Muskulatur des Uterus angeführt, ausserdem
Mehrzahl der Frucht, Hydramnios, Beckenendlagen, meefaa-
nische Geburtshinde misse, Frühgeburten, Blutungen, Rheuma-
tismus uteri, hydrämische Zustände, Durchfälle und Cholera.
Von den Wöchnerinnen erkrankten 81 an verschiedenen
Puerperalproceslen und starben 15; von den Kindern wurden
16 scheintodt, 35 todt (7 macerirt) geboren.
Wehenkrampf 309 Mal, bei 194 Erst- und 115 Mehrgo bärenden,
und swar in Form von allgemeinem Krämpfe des Gebärorgans
828 Mal, von Strioturen 73 Mal, von Tet-anus uteri 8 Mal.
. Als Ursachen werden beseichnet neben allgemeiner und örtlicher
XVII. Notisen aus der Journal 'Literatur. 293
BlntfUlle am lAufigsUn RigidttKt der Geburtswege, sodann
▼erfrfihter Wasserabfioss, Zwillinge, Beekenend- QueHagen,
Beekenenge, Torfaergegangene kunstwidrige Behandlung dureb
Pfuseherinnen ausserhalb der Anstalt. Hinsiehtlieh der Be*
bandlung wird der Oh loro form Inhalationen rfihmlich erwtthnti
Von den Wöchnerinnen erkrankten 180 und starben 47; von
'den Kindern wurden 10 seheintodt, 46 todt, 11 todtfani geboren.
Wehenhype rXsthesie 82 Mal, bei 514 Brst- und 8 MehrgebKrenden,
14 Mal in Folge von Metritis (6 Frauen starben an Puerperal-
processen), 2 Mal Ton OebKrmutterkrebs, .1 Mal von Fibroid
derselben (die betreffenden 8 Frauen starben). Ein Kind
fcodtfaul, 2 todt, 2 scheintodt.
WehenanÜsthesle 8 Mal , bei 2 vollkommen betrunkenen Frauen,
welche ohne jede Empfindung gebaren (die eine in 5 Stunden
ein reifes macerirtes, die andere in 8 Stunden ein lebendes
Kind) und ein normales Wochenbett überstanden, und bei
einer blödsinnigen, welche, von einem todten Kinde mit der
Zange entbunden, an Puerperalfieber starb.
Zu feste Eihäute wurden 138 Mal gefunden (85 Mal künst-
lich gesprengt, 42 Mal GIfickshaube, 6 Mal wnrde das ^i in
seiner Totiilttfit ausgcstossen [bei 2 Zwillingen und 4 Früchten
aus dem achten bis neunten Monate]). Bin Mal wurde carnöse
Beschaffenheit der ausserdem durch Zellgewebsneubildungen an
der InnenflHche des Uterus angelötheten Velamente in einer
Ausdehnung von 8 Zoll rings um die Placenta beobachtet, was
ihre operative Trennung erforderlich machte. Vorzeitiger Wasser-
abflnss fand 216 Mal statt. Zu grosse QuantitÜt des Frucht-
wassers fand sich in 69 Füllen (in 16 derselben mit gleiehueitigvn
hydropischen Schwellungen der Eztremitliten, Genitalien und des
Gesichts, und darunter bei 8 eclamptisohen Zwillingsgebtrenden),
ging stets mit Respirationsbeschwerden und Wehenanomalien
einher und war in 12 Fällen von Blutungen in der Nachgeburts-
periode oder im Wochenbette gefolgt. Zu geringe Menge 29 Mal
(in einem besonders eclatanten Falle mit Pedibus varis der Frucht).
Nabelsohnnrvorfall ereignete sich 68 Mal (0,8 Prooent),
bei 10 Erst- und 67 MehrgebXrenden, bei 26 Schädel-, 1 Gesichts-,
27 Beckenend , 14 Querlagen, 10 Mal bei Zwillingen, bei einer
Drill ingsgebnrt 2 Mal, um das Dreifache häufiger bei marginaler
Insertion, als bei centraler, bei Hydramnios 14 Mal, sugloich
mit Vorfall einer oberen Extremität 14 Mal — und erheischte
Wendung mit nachfolgender Aussiehung 18 Mal, Zangenapplieation
an den vorausgehenden Kopf 11 Mal, Manualextracfcion bei
Beckenlagen 12 Mal (2 Mal mit Zangenentwickelung des Kopfes);
die Reposition gelang in 18 Fällen; von 16 ohne Knnsihiilfe Ver-
bliebenen Fällen endeten 8 glücklich durch energische Wehen-
thätigkeit, die übrigen 8 betrafen unreife oder bereits todte Kinder«
In 2 FUllen von Vorliegen des Nabelstranges trat spontanu
234 ^VIL NoiUea ans der Joiunua«Lilenitttr.
B«po«ilion «in. Von den Kindern kamen eoheiniedt sar Welt
nnd worden wieder belebt 11 « todi geboren wniden S4, davon 17
f öhoa todt enr Beebaehtony gekommen. Die Seetion der wlihrend
der Oebnrt abgestorbenen seifte eonstant Hypesfanien nnd
Apoplexien des Gebims, meist aacb Blntiiberföilnag in L«Ag«n
nnd lieber. Umscblingong der Nabelscbnar wurde 1084 Mal
beobaehtet (12,4 Pro cent), — $78 Mal einfach, 196 Mal sweilach,
39 Mal dreifach, 9 Mal vierfach, 1 Mal fünffach um den Hai«,
43 Mal einfach am Hals nnd Bnmpf , 64 Mal einfach nm Rmmpf
nnd Extremitäten. In 21 Füllen mnsste die Nabelscknnr wegen
OebnrtsTersögemng nach geborenem Kopfe dnrchsohnitten werden ;
in 28 bewirkte ihre UnischliDgnQg qaeren Durchtritt, in 54
doppelte Drehung der Schultern; 22 Kinder wurden scheintodt,
10 todt geboren (von letsteren bei swei- nnd fünfmaliger Um-
seblingnng je 1, bei dreimaliger 2, bei viermaliger 6).
102 NabeUtr&nge maassen swischen 88 und 60'' (dabei kMmäg
Umschlingnngen, 11 Mal Vorfall), ö3 awischen 2 und 9" (dabei
1 Mal Zerreissung bei todtfauler Frucht, 2 Mal Metrorrhagien).
Velamentöse Insertion der Nabelschour fand man 9 Mal (1 Kind
scheintodt geboren bei Gefassserreissungen durch den Blasen«
spmng), Stenose 21 Mal (18 Mal durch Torsion [7 Mal unvoU-
siXndige — reife, lebende Kinder, 11 höheren Grades ^— unaeitige
Geburt macerirter Früchte], 3 Mal durch atheromatöse Processe
an ihren Arterien mit nachfolgender Obliteration [unaeitige,
raaoerirte Früchte]), Zerreissung 9 Mai (2 Kinder todt).
Von Anomalien der Placenten findet man angegeben
32 Mal Pettdegeneration, 69 Mal Kalk-, 20 Mal Fibrinablage rangen,
3 Mal Infiltration der Zotten, 8 Mal Oedem, 13 Mai Apoplexie,
17 Mai Entaündung und Hepatisation, 32 Mal abnormes Gewicht
(27,-3 Pfund, in 13 Fällen dabei Nebenfruohtkuchen) , 90 Mal
Betention (in 43 Fällen durch sn feste Adhäsion oder Accretio«,
in den ihrigen durch Stricturen der Gebärmutter, in allen
operative Entfernung).
Von Abweichungen von Seiten des Fötus beobachtete
man abnorme Grösse 323 Mal (Gewicht 10» 16 Pfund), habituelles
Abslerben 17 Mal (dasselbe betraf 4 M»l den sechsten, 6 Mal
den siebenten, 6 Mal den achten, je 1 Mal die Mitte des neunten
nnd den Anfang des sehnten Lunarmonates und ereignete sieh
ohne nachweisbare Ursache snm sweiten bis sechsten Male, —
10 Früehte wurden todtfaul, 6 todt geboren; 2 hält man für
gerettet, die eine durch Einleiten der Frühgeburt vor ihrem an
erwartenden Absterbin , die andere durch tonisirende Behandlung
der Mutter), Hfdrocephalns 14 Mal (6 Mal combinirt mit Spina
bifida, 1 Mal eben damit und mit Atresia ani , 1 Mal mit doppeltem
Jjagophthalmns — 11 in Kopf-, 3 Mal in Steisslage — 8 Mal lebend
geboren -~< 1 Mal Zange am vorausgehenden, 1 Mal am nach-
folgenden Kopfe, 1 Mai Punotion, 3 Mal Kephalothrypsie), Bauch-
XVII. NotiMo aiu der JonnwI-Literstor. 285
WMMnucht 1 Mal (der 18" im Umfaiife metsende Üaterlelb der
8 Pfund vchweren todten Fmeht mühsam mannell entwtekelt),
OhrapeieheldrÜtenbypertropfaie 1 Mal, Hemieephalns 8 Mal (belral
steta an früh preboreoe, todtfanle Fruebte), Exeneepbalna 1 Mal
(awei hühnereigrosae Gesehwültte aas der äiiroaabt aber das
Gesieht des lebenden Kindes ragend) , Spina bifida 4 Mai (an den
Lendenwirbeln lebender Kinder), Hasenscharte und Wolfsraehen
6 Mal, Atrophie eines Aagapfels 2 Mal, Zwergbildnng 2 Mal (1 Mal
bei einer fÜnfmonatlieben Fracht, 1 Mal bei einem 10 PAind
schweren reifen, lebenden Kinde), Atresia ani 6 Mal (bei 2 lebenden
Kindern gleichaeitig mit Cloakenbildang and bei 3 todten), Atresia
arethrae 1 Mal (darchstochen and geheilt), Epi- and Hypospadiaens
4 Mal, 7 Finger and 7 Zehen beiderseits 1 Mal, doppelter Danmen
oder fünfter Finger 6 Mal, rollkommene Verwachsang Ton Zeige-
and Mittelfinger, Verwachsang von 4 Fingern bis aar s weiten
Phalanx je 1 Mal, Klampfüsse beiderseits 6 Mal, KlampbKnde 8 Mal.
Die weichen Gebart swege betreffend begegnete man
Unnachgiebigkeit and Straffheit des Dammes 62 Mal (nnr bei
Brstgebftrenden , yorafiglich Klteren — die Behandlung bestand in
Bfthnngen, Scarificationen , Darchleiten des Kopfes mittels der
Zange — Dammrisse erfolgten dabei 12), Entsfindang der Genitalien
17 Mal (Bähnngen, Zange), Oedem derselben 48 Mal (6 Mal
Scarifioation erfordernd), betrüchtliche Varices 14 Mal (1 barst,
setate eine starke Blatang and hinterliess ein Geschwür), Blnt-
Infiltration der Schamlippen nach geborstenem Scheidenvarix
2 Malj Schamlippenbrach 1 Mal, Vorfall der Scheide anter der
Gebart 4 Mal (1 Mal mit nachfolgender langwieriger nloeratirer
Scheidenentsündang), Cystocele vaginalis 1 Mal, balkenfürmiger
Verschluss der Scheide durch ein fingerdickes, derbes Ligament
1 Mal (bei der Gebart durch den Kopf abgedr&ngt), Atresie und
Stenose der Scheide 2 Mal (das eine Mal war dieselbe dareh
knorpelharte Einlagerungen in einer Ausdehnung von 1'/," und
in einer kaum den Durchgang der Uterussonde gestattenden
Weite verengt, das andere Mal durch einen knorpeligen, 1" hohen
Narbenring bis auf Vi'' ^i» Durchmesser, — in beiden Fällen
musste die Eröffhang durch Incisionen angebahnt werden) , Atresie
und Stenose des Muttermundes 2 Mal (1 Mal wurde bei Ter-
strichener Vaginalportion der Muttermund durch eine dünne
Membran verschlossen gefunden und mit dem Troikart erSffiset,
ein Mal knorpelige Faserstränge im Matte rmundarande blutig
getrennt), Callositftt des Muttermundrandes 8 Mal (durch Incisionen
behoben), Sigiditat desselben 49 Bfal (warmeh Injectionen, Bella-
donnabougies , Opiaten weichend), Fibroid der Gebärmutter 2 Mal
(in dem einen Falle ein 1 % Pfund schweres interstitielles Fibroid
de« Gebärmnttergmndes, welches bei der Section einer nach
langer Geburtsdauer von einem lebenden Kinde Entbundenen und
im Wochenbette an Metroperitonitis an Grande Gegangenen
236 XVII. Notifeen ans der Jonrnia- Literatur.
gefunden w«rde , — im anderen maeliten sieli Tier ble fBaf barte,
bis Inibnerei grosse Herrorragangen am GebftrmiitteTgroade be-
merlclioh, die Geburt wurde von einer befugen Blutung gestört),
Krebs derselben 2 Mal (dabei 1 Mal Snsserst sebmersbafte, langsam
wirkende Wehen, 1 Mai Verblntungstod der Frau swei Stunden
nach der Entbindung), BetroperitonKalabsoess 1 Mal (Tod der Frau
ewei Stunden nach der Zangeneztration der todtfaulen Fmebt),
OebKrmutterrupturen 6 Mal (bei 4 Schulter- und 2 Kopflagen; die
Kinder wurden, 6 dnreh Wendung und Eztraetion, 1 durch die
Qastrotomie , todt entwickelt; von den Frauen starb Tor der Ent-
bindung, 10, 12, 24, 60 Standen, 10 Tage nach derselben je 1)»
Dammrisse 82 Mal (davon keine eentral oder bis in den Scbliess-
mnskel des Afters sich erstreckend, — die unbedeutenderen
worden durch Lapiscauterisationen, von den erheblicheren 12
dureb Anlegung ron Serres fines, 28 durch die meist ton
Collodinmbepinselungen nnterstiitste blutige Naht gebeilt).
Verengte Becken wurden bemerkt 94 (1,2 Froeent),
und swar
gleichmKssig und ungleichmässig allgemein verengte, Conj. vera
3"_3>/^", 45 (5 Geburten verliefen dabei ohne Kunsthftlfe,
26 wurden durch die Zange, 2 durch Wendung und Ex-
traction, 1 durch Wendung, Eztraetion und Kepbalothrypsie,
1 durch Embrynloie beendet, 1 Mal wurde die kfinstlicbe
Frühgeburt eingeleitet, — von den Müttern erkrankten 26
und starben 18, von den Kindern wurden 24 lebend [4 starben
kiirs darauf], 13 todt, 8 todtfaul geboren),
theilweis verengte oder platte, Conj. vera 3'//' ^8'//'» 24 (3 Ge-
burten endeten ohne Kunstbülfo, 2 durch manneile Eztraetion,
16 durch die Zange, 1 durch Wendung, Eztraetion und
Kophalothrypsie, 2 durch Perforation und Kephalothrypsie, —
von den Frauen erkrankten 18 und starben 6; es wurden
16 lebende [4 bald darauf gestorben], 6 todte, 2 todtfaule
Kinder geboren),
schrägverengte, Conj. vera 3'//' — 8*/|", 4 (3 Geburten durch
die Zange beendet, 1 durch die Natur, — von den Frauen
erkrankten 3 und starb 1, 3 Kinder wurden todt, 1 todtfani
geboren, — 1 Becken wurde bei der Section als NaegeU^sches
constatirt, während die übrigen als solche vermuthet wurden),
rhachitisohe, Conj. vera ^^/^ —^*U\ 18 (8 Geburten ohne
Kunsthnlfe, 6 durch die Zange, 1 durch Wendung und Ez-
traetion, 3 durch Perforation und Kephalothrypsie beendet,
6 Mal Einleitung der Frühgeburt, — von den Müttern er-
krankten 11 und starben 4, — Kinder wurden geboren
13 lebende [davon 2 bald darauf gestorben]« 6 todt, 1 todtfaul),
Beckenezostose 1 Mal (bei einer Conj. vera von S" Verkursnng
des rechten schrägen Durchmessers durch' deutlich wahr-
nehmbare spitae und höckerige Knochefiauswfiehse ao der
XYII. Notben ans dar Joamal- Lite rata r. 237
Innenfl&ehe clat horiBOiitaleii Astes das Unken Sohanbefaes —
Extraction des todtfaulen Kindes mit der Zange — ansgebreitete
fiznloeraüonen der Scheide, Endometritis, Qenesnng),
spondyiolistbetisehes Backen 1 Mal (falscher Vorberg, darcb
den dritten und vierten Lendenwirbel gebildet, Oonj. sp. 3" —
könstliche Frühgeburt naeh Schweighäuaaw-Ovhtn in der
86. Sehwangersehaftswoche — die Mutter starb an Puerperal-
fieber, das Kind blieb am Leben),
BeckenTerengerung durch Litbopädion IMal (der ossifieirte Fötus
sass in einer 8'/," langen, 2%" breiten, 2'' dicken Kyste
dem rechten KrensbeinflUgel und der Hüftkreuabeinfuge auf —
Kaiserschnitt — Kind lebend, dieMutterstarbam sechsten Tage).
Blutungen (mit Ausschluss der von Placenta praevia und
Ton Verletaungen herrührenden) kamen 282 Mal vor (8 Procent —
bei 47 Erst- und 186 Mebrgebärenden , 64 Mal in dei Eröffnungs-
und Austreibungsperiode [1 Mal Gefassserreissnng der velamentös
inserirten Nabelschnur, 1 Mal Qebärmutterfibrold, 2 Mal Gebftr-
mutterkrebs, 2 Mal Berstung eines Scheid envariz, 8 Mal Molen-
geburten, 21 Mal Abort, 6 Mai Frfihgeburten , 18 Mal voraeitige
Lösung des Fruchtkuchens], 162 Mal in der Nachgeburtsperiode
[1 Mal theilweise Accretion bei trilobulürer Form der Placenta,
8 Mal desgL bei vorausgegangener Placentitis, 6 Mal desgl. bei
Kalkablage rnngen in der Placenta, 20 Mal theilweise su feste
Adhäsion derselben, 86 Mal Incarceration der Placenta durch
Stricturen des Uterus, d8 Mal Atonie desselben], 16 Mal im
Verlaufe des Wochenbettes [1 Mal ' heftige Gemüthsbewegung,
1 Mal anrückgebliebener Neben mutterkuchen, 8 Mal verhaltene
Kachgebartsreste, 6 Mal mangelhafte Involution des Uterus], —
von den Kranken ging eine Krebskranke an Verblutung au Grunde,
66 erkrankten an Puerperalproeessen, wovon 14 starben).
Eclampsie wurde 38 Mal beobachtet (0,4 Procent — bei
26 Krst-t 7 Mehrgeschwängerten, 2 Mal in der Schwange rschaft,
21 Mai während der Geburt, 10 Mal im Wochenbette, ~ in 18
genau beobachteten Fällen konnte nur 6 Mal Brigkl' sehe Krank-
heit constatirt werden, — hinsichtlich der Behandlung der An-
falle erwiesen sich hauptsächlich allgemeine und örtliche Blut-
entsiehungen , sowie Chloroforminhalationen als von Nutsen, —
von den Frauen starben 12, wovon 4 an hinangetretenen Puerperal-
processen; von 87 Kindern (4 Mal Zwillinge) wurden 12 todt
geboren, davon 2 todtfaul).
Ausserdem wurden Co nvulsionen beobachtet 4 Mal hyste-
rischer, 8 Mal epileptischer Natur, 7 Mal in Folge acuter Uimhaut-
entaündung.
Die Gesammtaabl der Operationen betrug 766, — es
wurde aaigefiährt
Sprengen der Eihäute 126 Mal (86 Mal bei au derber Be-
schaffenheit derselben, 22 Mal bei Hydramaios, 16 Mul bei
338 XVII. VotfMU «Ol der /onmal-Litenilar.
PUiMBto prMiTi», 4 Kai bdi fraksoHiger L5muif det Pracht-
koehMis),
Lotung der PUeeoto 184 Mal (43 IUI b«i ni fetter AdUsioa
und Acoretion, 47 Kai bei krampfbafter Binsekiifimug, 44 Hml
bei Atonle dea Ute ms),
Episiotomie 10 Kai (bei rigidem Damm),
Soarifieatlon der Schamlippen 6 Kai (bei hochgradigem Ocdem
dereelben),
Scarifieation der Scheide 8 Kai (bei Atreeie dereelben),
Soarification dee Kattermnndes 10 Kai (2 Kai bei Atreeie, 8 Kai
bei Callofität desselben),
Application der Zange an den rorausgehenden Kopf 248 Kai
(bei 161 Erst-, 81 KehrgebKrenden, 66 Kai bei Wehen-
schwäche, 60 Kai bei Rigidität des Dammes, 62 Kai bei
Beokenenge, 89 Kai bei grossen Rindern, 1 Kai bei Hydro-
cephalas congenitns, 18 Kai bei erschwerter Rotation de«
Hinterhauptes, 6 Kai des Gesichtes, 14 Kai bei Bolampsie,
8 Kai bei Nabelsehnnrrorfall, 8 Kai bei Ketritis, 2 Kai bei
Yorseitiger Placentalösnng, -— 88 Kai stand der Kopf im
Beckeneingange, 124 Kai in der Beckenhdhle, S6 Kai im
Beckenausgange, — StellnngsTerbesserang durch Rotation
wurde 82 Kai gofibt, — von schon krank aur Geburt ge-
kommenen Kattem starben 12, von den dbrigen erkrankten 88
und starben 28, — von den Kindern wurden 161 lebend,
28 Bcheintodt, 40 todt, 14 fauUodt geboren),
Extraction bei Beckenendlagen 101 Mal (bei 46 Erst- und
60 Mehrgebärenden, 60 Kai bei adgemdem Dnrchtritte der
oberen Körperhälfte, 41 Kai Folle Extraction [18 Mal bei
Wehenschwäche, 12 Mal bei Nabelschnurrorfall , 4 Kai bei
Placenta praevia, 4 Mal bei Edampsie, 2 Mal bei Becken«
enge , 1 Mal bei Wasserkopf), — der Kopf wurde 12 Mal durch
den modificirten StneÜie^uchen, 66 Mal durch den Pmger
Handgriff, 84 Mal mit der Zange entwickelt, — ron den
Frauen starben je 2 an Placenta praeria und Eclampsia,
16 erkrankten an Puerperalprocessen, wovon 1 staib, — von
den Kindern wurden 60 lebend , 26 scheintodt [8 starben kurt
darauf], 24 todt, 2 todtfaul geboren^,
Wendung 96 Mal (bei 12 Erst-, 84 Mehrgebärenden, 6 Mal auf
den Kopf, 91 Mal auf einen oder beide Füsse, 81 Mal bei
stehendem, 66 Mal bei abgeflossenem Fruchtwasser, 70 Mal
bei Quer-, 28 Mal bei Schädel-, 8 Mal bei Gesichtslage, —
Wendung allein 26 Mal, mit nachfolgender Extraction 61 Mal,
mit nachfolgender Extraction und Zange 7 Mal, mit nach-
folgender Extraction und Kephalothrypsie 2 Mal, — bei den
Querlagen war 29 Mal eine Extremität, 18 Mal die Kabel-
schnur vorgefallen, 8 Mal Placenta praevia vorhanden [1 Mal
mit Vorfall der Kabelschnor], 8 Mal Ruptur dee Uteras ein-
XVII. KotiMn aiM der Joumal-Literatar. 230
getreten, bei den ScIiftdelUgen 8 Mal NabeleehnnrTerMl,
16 Mal Plaeenta praevia, 1 Mal groeees Kind mit Metro-
peritanitie, 1 Mal desgL und Utemsniptar, 8 Mal Beeken-
enge [je 1 Mal mit Kabelschnnirorfall, Utemamptiir und
Wehenschwäche], bei den Oesichtelagen 1 Mal abnorme
Rotation des Kinnes mit Vorfall der Hand, 2 Mal Becken-
enge [1 Mal mit Vorfall der Nabelsohnar], — von den Frauen
starben 8 an Anämie von Plaeenta praevia, 6 an Utemsraptnr,
1 an Hersbentelwaasersneht, 1 an MeiroperitonitiB, ansserdem
erkrankten an Paerperalprocesaen 87, wovon 18 starben, ^
von den Kindern worden 16 lebend, 20 scheintodt, 41 todt,
19 todtfanl geboren, 9 starben bald nach der Gebnrt),
Einleitung der Frühgeburt 8 Mal (bei 3 Erst* und 6 Mehr-
gebärenden, 1 Mal nach Brünninffkauten ^ 1 Mal nach Sefteal,
2 Mal nach Sehw$igkämM»«r' Cohen , 8 Mal nach BrauH^ 1 Mal
nach KitDueh, 1 Mal wegen habituellen Absterbens der Frucht,
7 Mal wegen Beekenenge; von den Frauen erkrankten 2 und
starb 1, von den Kindern wurden 2 todt geboren),
Perforation nnd Kephalothrypsie 18 Mal (bei je 9 Erst- und
Mehrgebärenden, 16 Mal am vorausgehenden, 2 Mal am
nachfolgenden Kopfe, 2 Mal bei Wasserkopf, die übrigen
Fälle bei Beckenenge [dabei 1 Mal Wasserkopf, 4 Mal grosses
Kind, je 2 Mal abnorme Botation des Kinnes und des Hinter-
hauptes , 1 Mal Uterusrnptur] ; von den Frauen erkrankten 12
und starben 10),
Embryulcie 1 Mal (bei einer Mehrgebärenden, welche starb,
bei hochgradiger Beckenenge und übergrossem Kinde),
Laparotomie 1 Mal (in mortua bei Uterrusruptur, todtes Kind),
Kaiserschnitt 10 Mal (bei 8 Erst- und 7 Mehrgebärenden, 1 Mal
in Viva, welche seclis Tage nach der Operation starb, 9 Mal
in mortuis, 1 Mal bei Beokenversehluss durch Lithopädion,
6 Mal bei Tod durch Cholera, 8 Mal bei Tod durch acutes
Lungenödem, 1 Mal bei Tod durch acute Meningitis, —
das der Lebenden entnommene Kind blieb am Leben, von den
übrigen Kindern waren 7 todt, 2 scheintodt [1 starb nach
einigen Atbemaügen, 1 nach 14 Stunden]).
Das Chloroform kam seit dem Jahre 1847 bei 806 Operationen
sur Anwendung, ohne nachtheilige Folgen.
Das Gewicht der Neugeborenen betrug im Durchschnitt
für die Knaben 8,8 Pfund, für die Mädchen 8,6 Pfund, die Länge
fdr erstere 19'' 8'" (engl.), für letitere 18'' 7'". Scheintodt
geboren wurden 190 Kinder (49 bei Beckenendlagen [8 Nabelschnur-
vorfälle 9 12 bei Querlagen [6 desgl.], 1 bei Gesichtslage mit
Nabelschnurvorfall, bei 2 Kopflage mit Nabelschnurvorfall, 16 bei
Beckenenge, 22 bei Nabelsohnurnmscblingungen, 80 bei Wehen-
anomalien, 4 bei perverser Kindeshaltnng, 41 bei FruhgeburteUi
l bei Glückshaube I 7 bei Plaeenta praevia, 1 bei Blutung bei
240 XVII. Koiisen aiu der Jonrnal -Literatur.
Tdlamentös interirter NabelachDar^ 8 bei Krankheit der Matter,
2 bei Tod derselben), todt 282 (98 bei Beokenendlagen [12 Nabel-
•ohnnrvorf&lle] , 28 bei Querlagen [7 desgl.], 13 bei Kopflage mit
NabelschnurTorfall, 10 bei Nabelschnnramschlingongen , 2 bei
Nabels chnaraerreissnngen, 27 bei Beckenenge, 2 bei perreraer
Haltung, 72 bei Früh- oder mehrfachen Gebarten, 4 bei Monstro-
•itftt, 6 mit Wasserkopf, 18 bei Placenta praevia, 10 bei Eelampaie,
8 bei Tod, 19 bei Krankheit der Matter), todtfaul 216 (2 bei
rerschleppten Beckenend , 15 bei verschleppten Querlagen [2 Nabel-
sehnurvorfUtle], 13 bei Beckenenge, 5 mit Wasserkopf, 4moa8iroae,
2 bei Eclampsie, 129 bei Früh- oder mehrfachen Gebarten, 9 bei
Wehenanomalien, 27 bei Krankheit, 2 bei Tod der Mutter). Von
den Kindern erkrankten 664 und starben 213, ~ es litten an
LebenssehwKche von mangelhafter fintwickelung 232 (davon
starben 99), an Convalsionen 43 (davon starben 20), an Apoplexia
meningum 19 (st. 19), an Atelectasia pulmonum 8 (st. 8), Anfimie 10
(st. 10), HKmaturie 2 (st. 2), Enterorrhagie 8 (st. 3), Cholera 4
(st. 4), Icterns 48 (st. 11), Pemphigus syphiliticus 8 (st 6), Zell-
gew ebsverhürtnng 3 (st. 2), Erysipelas phlegmon. und gangraen. 14
(st. 18), Phlebitis umbil. und Pyämie 8 (st. 8), Peritonitis 8 (st. 5),
Meningitis traumatica 2 (st. 2), Mastitis 10 (st. 1), Kephalaematom 9,
Ophthalmie 94, Harnverhaltung 21, Verdauungsstörttngen66, Soor 62.
Ueber die Gesundheits Verhältnisse der Wöchnerinnen
wurde vom Verf. bereits berichtet (Petersb. med. Zeitschrift, IL,
Heft 11 u. 12; s. Monatochrift, Bd. XXI., Suppl.-Heft, 8. 196).
In der gynäkologischen Abtheilung wurden 597 Frauen
behandelt (Senkung und Vorfall der Gebärmutter 36 Mal, Vor-
und Ruckwärtsbeugung derselben 28 Mal, Knickungen derselben
24 Mal, Inversionen derselben 5 Mal, acute Entsündung derselben
86 Mal, chronische 79 Mal, Hypertrophie der Vaginalportion 6 Mal,
Catarrh der Gebärmutterschleimhaufc 121 Mal, Fibroid der GebSr-
mutter 24 Mal, Polypen derselben 25 Mal, Krebs derselben 28 Mal,
Hämatocele retrouterina 2 Mal, Anomalien der Menstruation 75 Mal,
Oophoritis 17 Mal, Eierstocksgeschwülste 13 Mal, Atresie und
Stenose der Scheide 7 Mal, Harnfisteln derselben 5 Mal, Ge-
schwülste derselben 2 Mal, Darmscheidenbruch 1 Mal, Entsündung
und Vereiterung der Brustdrüse 9 Mal, Ezcrescensen an der
Harnröhrenmündung 4 Mal, Psoasabscess 1 Mal), davon wurden
als genesen 281, als gebessert 239, ungeheilt 60 entlassen und
starben 17. Ausserdem wurden poliklinisch behandelt 5570
Frauen und 341 Kinder.
(Petersburger med. ZeiUchrift, Bd. IV., 1863.)
XVllL
Fünfzehn Eaisersclinittoperationen und deren
Ergebnisse für die Praxis.
Von
Dr. Ludwig Winckel,
SanitftUrath und Phyaikns dei Kreises Gummersbach, Reg.-Bex. CÖln.
[Fortsetzung und Schluss. *)]
Sechs Kaiserschnitte bei Eachitischen.
Zehnter Fall.
(Nocb nicht veröffentlicht.)
Den 13. Februar 1843 Morgens 9 Uhr wurde ich Tom
Collegen Wiefei zu Hulsenbusch eingeladen, ihm bei einem
Kaiserschnitte zu assistiren. Die 27jährige Frau Wirih zu
Ehberg war vor vier Jahren durch denselben Arzt auch auf
diese Art von einem todten Kinde entbunden worden. Sie litt
an hochgradiger rachitischer Beckenenge; der Vorberg war
leicht zu erreichen, die Conjugata vera wurde auf 2^^ Zoll
taxirt; sonst war Frau W, von kräftigem, wenn auch gracilem
Körperbau und seit ihren ersten Lebensjahren, in denen sie
an Rachitis gelitten hatte und erst spät auf die Beine ge-
kommen war, stets gesund gewesen. Bei meiner Ankunft
fand ich die Wässer abgeflossen, den Muttermund thalergross
geöffnet, den Kopf in erster Schädellage unbeweglich auf dem
Beckeneingange stehend und den Uterus fest um die Frucht
zusammengezogen. Die Wehen waren seit dem vorher-
gegangenen Abende stark und schmerzhaft gewesen, ohne
die Geburt nach dem Wassersprunge noch zu fördern. Die
1) 8. Bd. XXII., Heft 1.
MonaUsehr. f. GeburUk. 1868. Bd. XXII., Hft. 4. 16
242 XVIIl. Winekfd, Ffinfzelm Kaiserschnittoperationeii
Kreissende fohlte sich sehr erschöpft, wurde toiq UebeJsein
und Erbrechen anhaltend gequält und versicherte, scboo seit
mehreren Stunden keine Kindesbewegungen mehr enipfundeD
zu haben; mit Sehnsucht sah sie der Operation entgegen.
Nachdem wir sie bequem auf einen Tisch gelagert halten,
machte College W. den Schnitt links neben der alten Narbe,
in der Linea alba. Als die Bauchhöhle geöffnet war, drängten
sich sogleich eine Menge Darmschlingen in die Wunde und
konnten wegen der permanenten Vomituritionen nur mit
unbeschreiblicher Anstrengung von dem Operationsfelde fern
gehalten werden, was die Operation selbst sehr erschwerte.
Die Uterinnarbe war deutlich zu erkennen, sie schien recht
derb; der neue Schnitt wurde einen halben Zoll links
neben ihr, in paralleler Richtung angelegt, die Frucht am
Steisse ergriffen und mit einiger Mühe durch die etwas
kleine Wunde entwickelt. Leider war der Knabe schon vor
mehreren Stunden abgestorben. Die Nachgeburt wurde ent-
fernt; die Blutung war nur unbedeutend. Wegen der immer
mehr vordrängenden Gedärme wurde die blutige Vereinigung
sehr beeilt. Selbst zwischen den einzelnen Heften drängten
sich immer noch kleinere Daiinpartieen dmxh und hatten
wir grosse Last, die sorgfältige Schliessung der Bauchwunde
durch sieben Hefte und mehrere Insectennadeln zu bewerk-
stelligen. In den unteren Wundwinkel wurde ein Sindon*
gelegt; lange, über der Wunde sich kreuzende Klebepflaster,
Compressen und Bauchbinde vervollständigten den Verband.
Die Entbundene hatte die Operation mit grosser Standhafligkeit
ertragen, sie erhielt, da das Brechen noch immer anhielt,
15 Tropfen Tr. thebaica.
Als wir sie zwei Stunden nach der Operation verliessen,
war ihr Befinden leidlich, doch zeigten sich schon einige
Nachwehen. In der folgenden Nacht bekam ich die Nachricht,
dass die Nachwehen sehr heftig seien und verordnete deshalb
eine Oelmixtur mit gr.x. Extr. hyosc, von der aber nichts
mehr gereicht werden konnte, weil die Boten die Opeiirte
bei ihrer Nachhausekunft bereits verschieden fanden.
Den 16. Februar wurde die Obduction von uns Beiden
vorgenommen. Wir fanden den Leib enorm aufgetrieben und
nach Abnahme des Verbandes zeigte sich eine grosse Dünndarm-
und deren Er^ebniiae für die Praxis. 243
schlinge vor dem unteren Wundwinkel, neben dem Sindon
liegend, welches sie ans der Wunde gedrängt hatte. Der
Magrn, alle Dünn- und ein Theil der Dickdärme waren bis
zum Bersten von LufL ausgedehnt, aber nicht entzündet. Der
Uterus fand sich gut zusammengezogen, seine Wunde wenig
klaffend, nicht gespreizt und keine Darmschlinge in derselben.
Ob die Darmschlinge schon während des Lebens oder ^rst
«
im Tode prolabirt war, Hess sich nicht mit Gewissheit er-
mitteln; das Letztere ist mir wahrscheinlich. Eine zweifellose
Causa mortis fanden wir nicht. Das ßecken, dessen Con-
jugata Vera im trockenen Zustande 2" 2'" misst, ist in
meinem Besitze.
Eilfter Fall.
(Noch nicht veruflentlicht.)
Frau August 8teper zu Ohl, von gesunden noch lebenden
Eltern gezeugt, hatte in den sechs ersten Lebensjahren be-
ständig an Rachitis gelitten und erst im sechsten das Gehen
erlernt. Von anderen Krankheiten weiss sie sich nichts zu
erinnern, ihr Aussehen ist gesund und blühend, ihre Muskulatur
kräftig und ihre Hände geben Zeugniss harter Arbeit ab.
Siebenzehn Jahre alt bekam sie die Periode, welche stets
regelmässig floss; mit 19 Jahren verheirathete sie sich und
ist jetzt 21 Jahre alt. Ihre Schwangerschaft verlief nalui"-
gemäss und war sie während derselben immer recht wohl.
Am 4. Octoher 1852 Morgens traten die ersten Wehen
ein, die hinzugerufene Hebamme erkannte die Beckenenge
sogleich, liess mich aber, da der Muttermund noch kaum
geöffnet war, erst am ^bend hiiizurufen.
Die Kreissende ist kaum 4 Fuss gross, Ober- und
Unterschenkel sind bedeutend gekrümmt und das Becken der
Art verunstaltet, dass eine Geburt auf gewöhnlichem Wege
durchaus unmöglich. Rechterseits ist das Becken so zusammen-
gedrückt, dass es die Durchführung zweier Finger niclit ge-
stattet, das Promontorium steht sehr tief, nach rechts;
linkerseits war etwas mehr Raum, hier liess sich der Mutter-
mund erreichen. Die Conjugata vera maass kaum 1% Zoll.
Den Muttermund fand ich hinreichend erweitert und in dem-
selben eine ziemlich pralle, fast springfertige Blase. Der
16*
244 XVIII. WUfa^ Fanfselin KaiserechnittBCperationen
Kindskopf lag auf der linken Darmbeinschaufel, der Sleiss m
der rechten Mutterseite. Zwei Finger durch die linke, ge-
räumigere Beckenhälfle geführt, erreichten so eben den Kopf.
Die Wehen waren kräftig.
Unter solchen Umständen durfte ich nicht säumen, die
beiden Ehegatten mit der Nolhwendigkeit des Kaiserschnittes
bekannt zu machen, wozu sich die Kreissende auch ohne
Weiteres bereit erklärte. Nachdem ich eine Seitenlage an-
geordnet und alles Verarbeiten der Wehen widerrathen hatte,
entfernte ich mich, um die Vorbereitungen zur 0|>eration zo
treffen und die Assistenz zu beschaffen.
Am 5. October Morgens 8 Uhr traf ich mit meinem
Collegen Wiefei bei der Kreissenden ein. WiefeVs Unter-
suchung bestätigte meine Ansicht in allen Theilen. Im Stande
der Geburt war seit gestern Abend eine Aenderung eingetreten;
die Fruchtwässer standen noch, die Wehen waren massig und
die Gebärende gutes Muthes, weshalb wir sofort zur Operation
schritten. Rectum und Blase waren kurz vorher entleert.
Nachdem die Kreissende passend gelagert und chlorotonnirt
war, begann ich den Schnitt V^ Zoll über dem Nabel und
führte ihn im Verlaufe der Linea alba, bis 1V<2 Zoll oberhalb
der Schambeinvereinigung. Hierauf wurden die sehr starken
Bauchdecken mit einigen kräftigen Messerzügen bis auf das
Bauchfell getrennt, letzteres iii einer Falte durchschnitten und
dann mit dem Knopfbistouri auf- und abwärts bis zu den
äusseren Wundwinkeln gespalten, worauf sich der schief
liegende Uterus in der Wunde präsentirte. College Wufd
schob den Uterus in eine gerade, der Baucbwunde conforme
Richtung, den ich alsdann mit wenigen Scimttten, bis auf
die Eihäute durchdrang. Nach gehöriger Erweiterung der
Uteruswunde führte ich die linke Hand um den Kindskopf,
zerWss mit der rechten die Eihäute und entwickelte unter
heftigen Conlractionen des Uterus das Kind mit grosser Muhe,
obwohl die Wunde hinreichend gross war. Der sehr kräftige
laut schreiende Knabe wurde sofort abgenabelt und die noch
adhäi*enie Nachgeburt ohne Zögern entfernt. Die Blutung war
nicht sehr stark, doch blieb die entleerte Gebärmutter schlaff
und nöthigte mich, die Entbundene durch Bespritzen mit
kaltem Wasser aus der Narcose zu wecken. Nachdem sie
und deren Ergebnisse für die Praxis. 246
sich erbolt und eine Gabe Tr. thebaica empfangen hatte,
stellten sich kräftige Contractionen ein und erlaubten uns
zum Verbände zu schreiten. In den unteren Wundwinkel
wurde nach gehöriger Reinigung der Bauchhöhle ein Bourdonnet
gelegt, die Wunde mit fünf Knopfnähten und sechs Insecten-
nadeln sehr sorgfähig vereinigt und die Naht durch gekreuzte
Pflastercompressen und Bauchbinde unterstützt. Die nun zu
Bette gebrachte Entbundene befand sich, etwas Schmerz in
der Bauchwunde abgerechnet, recht wohl, sie hatte durchaus
keinen Brechreiz und ihr Puls war recht kräftig.
Den 6. October. In der verwichenen Nacht bekam die
Wöchnerin heftige Schmerzen in der rechten Seile, welche
indess durch den Gebrauch einer Oelmixtur mit Natr. nitr.
und Aq. Laurocerasi bald beseitigt wurden. Am Morgen dieses
Tages fand ich sie im Ganzen recht gut, es waren in der
Nacht mehrere Blutcoagula, zu ihrer grossen Erleichterung,
per vaginam abgegangen. Der Puls machte 120 Schläge. Das
Kind hatte tüchtig getrunken. Abends kehrten die Schmerzen
in der rechten Seite noch heftiger wieder, weshalb einige
Löffel Ol. Ricini in mehrstündigen Zwischenräumen gereicht
wurden.
Den 7. October. Der Schmerz hat sich zwar vermindert,
ist aber noch immer nicht ganz gehoben; da das Ol. Ricini
noch nicht gewirkt hatte, wurde ein Clysma verordnet. Der
LochialOuss wie die Lactation sind im Gange; die Haut ist
feucht; Urin wurde mehrmals entleert; der Puls zählte noch
120 Schläge in der Minute.
Den 8. October. Das Klystier hat grosse Erleichterung
verschaflt, nach einer reichlichen Ausleerung hat sich der
Schmerz fast ganz verloren. Das Allgemeinbefinden ist gut,
der Puls hat noch dieselbe Frequenz. Milch ist hinreichend
vorhanden; das Kind gedieh gut.
Den 9. October. Heute wurden die Ligaturen bis auf
zwei Insectennadeln entlernt, die Vereinigung ist sehr schön,
nur in den Nadelstichen etwas Eiterung. Das Befinden der
Wöchnerin ist sehr gut, es findet sich Esslust und alle Se- und
Excretionen sind in Ordnung; Puls noch 120.
Den 10. October. Die Pulsfrequenz hat nur 108 Schläge.
Die beiden letzten Ligaturen wurden heute weggenommen,
246 XYin. Winekel, Fänfaehn Kaiserscbnittoperationeii
ebenso das Bourdonnet, wonach eine ziemliche Quantität
dünnen, nach Lochien riechenden Eiters ausflcss.
Den 11. October. Frau S. i<lagte heule wieder über
Schmerz in der rechten Seite, in welcher ich die Gebärmutter
auf der DarmbeinschaufeJ liegend auffinden und mich über-
zeugen konnte, dass von ihr der Schmerz ausging. Die
Nadelstiche eitern noch stark, der Eiter ist aber gutartig.
Per vaginam wenig Ausfluss, desto mehr durch den unteren
Wundwinkel. Puls 108, aligemeiner Schweiss, etwas Durst,
Den 13. October. Die Heilung macht gute Fortschritte:
das Allgemeinbefinden ist ganz befriedigend und der Ausfluss
aus dem unteren Wundwinkel geringer. Puls 104.
Den 16. October. Die Wöchnerin geht mit jedem Tage
mehr ihrer Genesung entgegen; alle Schmerzen sind beseitigt.
Schlaf und Appetit sind natürlich, der Ausfluss aus der Wuude
ist nur noch sehr gering. Puls 100 Schläge.
Den 23. October. Die Wunde ist fast ganz geschlossen,
nur am unteren Wundwinkel lässt sich die Sonde noch % Zoll
tief einbringen. Die Narbe scheint ziemlich derb. Der Aus-
fluss aus dem unteren Wundwinkel hat aufgehört, er enthält
etwas Caro' luxur., welches touchirt wurde. Die Lochien
fliessen noch reichlich. Verdauung und Schlaf sind in guter
Ordnung; Frau S. hat genug Milch für ihr prächtiges Kind.
Puls 90 Schläge.
Den 28. October. Ich fand Frau S. heute so wohl, dass
ich sie aus der Cur entlassen konnte. Die Wunde war nicht
allein völlig geschlossen, auch das ganze Befinden liess nichts
zu wünschen übrig und hatte die glückliche Mutter schon
seit zwei Tagen das Bett verlassen.
Zwölfter Fall.
Dieselbe Frau, August Sieper, welche ich am 5. October
1852 durch den Kaiserschnitt glücklich von einem lebenden
Knaben entbunden hatte, begehrte den 25. August 1854
abermals meine Hülfe. Die schon seit der verwicheneu Nacht
hinzugerufene Hebamme hatte den Ehemann nicht dazu be-
wegen können, mich früher zu holen, weil derselbe, auf den
glücklichen Ausgang der trüberen Operation gestützt, glaubte,
dass seine Frau auch auf natürlichem Wege gebären könne.
und deren Ergebnisfle f&r die Präzis. 247
Da ich bei meiner Ankunfl, gegen 1 Uhr Mittags, den Mutter-
mund nicht erreichen konnte, durch die Regelmässigkeit der
Wehen aber doch überzeugt wurde, dass die Geburt in vollem
Gange sei, liess ich sofort die mehrere Stunden entfernt
wohnenden Collegen Wiefei und Dissmann zur Assistenz
einladen. Ersterer wurde nicht zu Hause getroffen und letzterer
kam in Begleitung des Studiosus med. Carl Wiefd erst
Abends in der Dämmerung an. Gegen 3 Uhr hatte die
Kreissende sehr heftige Wehen gehabt, die aber plötzlich
nachgelassen, ohne bis dahin wiederzukehren. Der Leib war
gegen jede Betastung sehr empfindlich, der Muttermund nur
an seiner vorderen Lippe dem untersuchenden Finger zu-
gänglich. Ich sprach meine Ueberzengung dahin aus, dass
die Uterusnarbe geborsten und die Frucht in die Bauchhöhle
getreten sei. Die Dunkelheit, wie der gänzliche Mangel an
zweckmässigen Beleuchlungsmitleln, zwangen uns, die Operation
zum Morgen zu verschieben.
Den 2ü. August Morgens 6 Uhr fanden wir uns wieder
bei der Kreisseuden zusammen. Ihr Leib hatte seine Form
bedeutend verändert, er war noch sehr empfindlich, liess
aber einzelne Kindestheile durch Betastung leicht erkennen.
Frau Steper hatte gar keine Wehen mehr bekommen ; Frucht-
wasser oder Blut waren per vaginam nicht abgegangen,
Kindesbewegtmgen seit gestern Nachmittag nicht mehr wahr-
genommen worden. Vom Muttermunde konnten wir, wie am
gestrigen Abend, kaum die vordere Lippe erreichen. Der
Kräftezustand der Kreissenden war gnt, ihr Puls zählte
100 Sciilage, die Haut war warm und feucht, auch keine
Anwandlungen von Ohnmächten bemerklich. Nur bei Be-
rührungen und Lageteränderungen schmerzte der Leib sehr.
Sie wurde auf einen Tisch bequem gelagert und chloro-
formirt. Unter dem Nabel war ein kleiner Bauchbruch,
den ich als Haulfaite durchschnitt und dann abwärts den I
Schnitt in einem Zuge von Innen nach Aussen bis einen Zoll
oberhalb der Schambeinfuge verlängerte, wobei sich eine be-
deutende Menge Blut aus der Bauchhöhle ergoss. Nachdem
die Bauchdecken so durchdrungen waren, präsentirte sich die
Frucht frei in der Bauchhöhle, in den noch unverletzten
Eihäuten, sammt allem Fruchtwasser und der Nachgeburt; die '
248 XYIII. Winekel, FAnfsehii Kaicerschnittoperationen
Eihäute waren so stark, dass ich das ganze Ei un-
verletzt herausnehmen und auf einen neben mir
stehenden Tisch legen konnte. Da das Kind sieber
schon seit gestern Nachmittag von der Mutter getrennt und
also lange abgestorben war, liessen wir die Eihäute unverieCzt
und beeilten uns den Verband anzulegen. Der Riss in der
Gebärmutter nahm die alte Narbe ein, er war aber schon so
zusammengezogen, dass man ihn kaum noch finden konnte,
ohne den schon verkleinerten Uterus aus seiner Lage zu
bringen. Sechs Knopfnähte und eben so viel umwundene
vereinigten die Bauchwunde sehr genau, nachdtMi) sie möglicfasl
gereinigt worden war; in den unteren Wundwinkel wurde ein
Sindon gelegt und der Verband mit Kreuzpflastem , Longuetten
und Bauchbinde beendet. Während ich die Naht anlegte,
kam Frau S* wieder zu sich und begehrte, da sie das Nähen
sehr schmerzte, noch etwas Chloroform, was ihr auch ge-
reicht wurde. Als die Entbundene zu Bette gebracht, befand
sie sich sehr wohl und kräftig. Sie hatte durch die Operalion
fast gar kein Blut verloren; da auch durch die Scheide noch
kein Blut abgeflossen war, nahm ich eine Exploration vor,
konnte aber auch jetzt den Muttermund noch nicht besser
erreichen. Das Kind war ein wohlgebildetes, kräftiges Mädchen.
Den 26. August befand sich die Enlbundene wohl, es
war etwas Blut durch die Scheide abgegangen, der Schmerz
war sehr unbedeutend, das Fieber sehr gering. Puls kaum
100 Schläge.
Bis zum 30. August blieb das Befmden der Frau S.
sehr gut. Am Nachmittage dieses Tages stellte sich heftiger
Leibschmerz ein, der indess einigen Gaben Ol. Ricini, wodurch
eine copiöse Ausleerung erzieh wurde, bald wich.
Den 31. August wurden sämmtliche Ligaturen entfernt,
die erste Vereinigung war bis auf den unteren Wundwinkel,
aus welchem, nachdem das Sindon entfernt war, etwas Eiter
aussickerte, vollständig erzielt.
Bis zum 7. September war die Heilung vollendet. Die
Lochien flössen regelmässig, Appetit, Verdauung und Schlaf
Hessen nichts zu wünschen übrig und das Allgemeinbefinden
war und blieb durchaus zufriedenstellend. Auffallenderweise
ist die Pulsfrequenz nie über 100 Schläge gestiegen.
ond deren Ergebnisse für die Praxis. 249
Dreizehnter Fall.
Frau August Sieper fühlte sich im December 1854
wiederum schwanger und verlangte sowohl von mir als dem
CoUegen Wiefei Abortiva, die ihr natürlich nicht gereicht
werden konnten. Am 13. April 1855 liess sie mich spät
Abends rufen und gab an, seit dem vorigen Tage Wehen
verspürt zu haben, welche nach dem Heben eines schweren,
mit Wäsche gefüllten Fasses plötzlich eingetreten sein sollten.
Die in der verwichenen Nacht zu Rathe gezogene Hebamme
hatte erlüärt, dass die Geburt noch nicht begonnen habe und
sie dabei nichts machen iiönne. Frau 8. klagte über sehr
heftigen, andauernden Leibschmerz und konnte ich mich leicht
durch die Betastung des Bauches überzeugen, dass die Frucht
wiederum, wie das vorige Mal, aus dem Uterus getreten, frei
in der Bauchhöhle liege. Ich beschied deshalb den Collegen
Wiefei auf den nächsten Morgen früh zur Laparotomie. Als
wir am 14. April Morgens Y^? Uhr mit meinem Sohne bei
Frau & eintrafen, fanden wir ihr Allgemeinbefinden bis auf
den jetzt massiger gewordenen Leibschmerz ganz erwünscht,
und da mein College meine Ansicht theilte, so machte ich
sofort, nachdem die Kreissende auf einen Tisch gelagert und
anästhesirl war, den Bauchschnitt in gewohnter Weise. Die
Frucht lag auch dies Mal in dem noch ganz erhaltenen
Eihautsacke; doch zerrissen während der übrigens leichten
Cntwickelung die dünnen Eihäute. Das Kind war weiblichen
Geschlechts, etwa 57^ Monate alt und wohlgebildet. Die
Wunde wurde wie »gewöhnlich sehr sorgfältig vereinigt und
die Operirte befand sich, zu Bette gebracht, ganz wohl
und heiter.
Al^ ich am 19. April die Ligaturen entfernte, fand ich
die Bauchwunde völlig vernarbt, es waren keinerlei Zufalle
eingetreten und schon nach wenigen Tagen traf ich die völlig
Genesene wieder mit leichten häuslichen Arbeiten beschäftigL
Wäre Frau 8. nicht nach einigen Monaten an einer
Parotitis (so wurde mir nämlich die Krankheil beschrieben,
da man keinen Arzt zu Rathe gezogen) gestorben, würde
mir die Wiederholung dieser Operation vielleicht noch öfter
zur Aufgabe geworden sein.
250 XVIII. Winekel, Fänfiebn KaiBenobiiittoperfttioDen
Vierzehnter Fall.
(Noch nicht mitgetheilL)
Frau Ferdinand Heinz zu Schöoebach im- Kreis«*
Waldbruel hatte in ihren ersten Lebensjahren an Rachitis
gehlten. Sie war 29 Jahre alt, keine 4 Fuss gross, hatte
sehr gebogene Ober- und Unlei'schenkel und ein höchst
verengtes Becken. Am Morgen des 25. März 1860 traten
die ersten Wehen ein und als der hinzugerufene Kreisphysikos
ür. Wichmann die bedeutende Beckenenge erkannt hatte,
Hess er mich in der Nacht vom 24. zum 25. März zur
Cottsultation bitten. Ich fand ein von vorn nach hinten zu-
sammengedrucktes Becken mit ziemlich weitem Beckenausgange,
den Vorberg sehr erreichbar und eine Conjugata vera unter
2 Zoll. Der Kräftezustand der Kreissenden war gut, der Puls,
massig voll, machte 90 Schläge in der Minute, die Wehe»
waren stark. Das Fruchtwasser war am Nachmittage ab-
geflossen, der Kindskopf stand in erster Schädellage beweglich
auf dem Beckeneingange, die Fötalherztöne waren leicht zu
hören und der Muttermund gehörig vorbereitet. Den unter
solchen Umständen einzig möglichen Entbindungsweg, die
Sectio caesarea, verweigerten beide Ehegatten ganz ent-
schieden, da eine Schwägerin von ihnen dieser Operation
erst vor wenigen Monden erlegen war. Da alle Vorstellungen
vergeblich waren und meine Gegenwart nichts nützen konnte,
begab ich mich nach Hause zunick, wurde aber am Nach-
mittage des 26. März wieder berufen, um nunmehr den
Kaiserschnitt auszuführen. Ich fand di« arme Kreissende
sehr erschöpft, ihr Puls war klein und äusserst frequent, die
heftigen Wehen hatten sich in einen anhaltenden Schmerz
verwandelt. Der Uterus war fest um das Kind zusammen-
gezogen, dessen Kopf mauerfest auf dem Bf^ckeneingange
stand und etwas Kopfgeschwulst erkennen liess; Pötalberzschlag
war nicht mehr zu ermitteln. Die Gebärende war einer ge-
wissen Gleichgültigkeil verfallen, sie drängte nur zur Eile,
um bald erlöst zu werden. Nachdem sie bequem auf einen
Tisch gelagert und chloroformirt worden war, wurde ein
beinahe 7 Zoll langer Schnitt in der Linea alba gemacht,
Bauchfell und Uterus mit dem Messer durchdrungen und das
und deren Ergebnisie für die Praxis. 251
mit dem Rucken sich in der Wunde präsentirende Mädchen
leicht und schnell entwickelt. Das Kind war stark, aber
ohne Zweifel schon vor mehreren Stunden abgestorben. Die
Entfernung der Nachgeburt bot keine Schwierigkeit. Die Blutung
während und nach der Geburt war sehr gering. Die Wunde
wurde durch sechs Knopfnähte und eben so viel Insecten-
nadeln vereinigt und der Verband wie in den früheren Fällen
angelegt. Frau Heim erwachte während des Verbandes aus
der Narcose und befand sich, einigen Brechreiz abgerechnet,
leidlich. Es wurden ihr 10 Tropfen Tr. thebaic. gereicht,
und als ich sie eine Stunde nach der Operation verliess,
fählle sie sich ganz behaglich. Nach Ablauf von 24 Stunden
ist sie, wie ich später erfahren, gestorben.
Fünfzehnter Fall.
, (Noch nicht mitgetheilt)
Frau W, Bren9ing zu Strombach, 26 Jahre alt, 4' 3%"
gross, ist das jüngste von sieben Kindern, deren eines, eine
Schwester, nur noch am Leben, durchaus gesund und wohl
gewachsen ist Der Vater soll einem Knochenleiden erlegen
sein, die Mutter ist noch rüstig und gesund. Von Rachitis
befallen, lernte Frau B. erst im fünften Lebensjahre laufen,
hatte sich dann aber ihr ganzes Leben hindurch einer so
guten Gesundheit zu erfreuen, dass sie trotz ihrer bedeutenden
Knochendeformitäten mehrere Jahre hindurch als Dienstmagd
fungiren konnte und aller Warnungen ungeachtet sich im
vorigen Jahre verheirathete. Ihre beiden Tibien sind curven-
förmig gebogen, das. linke Knie ist so nach einwärts gedrückt,
dass Ober- und Unterschenkel einen stumpfen Winkel bilden;
das rechte Bein erscheint kürzer als das linke, weshalb sie
beim Gehen mit dem linken Unterschenkel und Fuss einen
Bogen beschreibt. Die Oberschenkel sind beide nach vorn
gebogen und liegen an den Knieen dicht zusammen. Die
linkerseits ausgewichenen Lendenwirbel bilden eine bedeutende
Kyphose und die Darmbeinschaufeln reichen fast unter die
falschen Rippen. Das Becken ist platt gedrückt, die rechte
Hüfte höher stehend; der Brustkorb erscheint verkürzt, die
rechte Schulter ist höher und der Hals sehr kurz.
252 XVIII. Winekely Fänfzebn RaiaerschnittoperationeD
In der Mitte November 1861 war Frau B, zum letzten
Male menstruirt und will Mitte April die ersten Kindes-
hewegungen verspürt haben. Schon am 25. August werde
sie einmal von so heftigen Wehenschmerzen befallen, dass
sie die Hebamme in der Nacht rufen liess, gegen Morgen
Hessen aber die Schmerzen v«^ieder nach. Sie ist der festen
Meiming, schon aclit Tage übertragen zu haben.
Den 3. September Abends fanden sich abermals Geborts-
schmerzen und die hinzugerufene Hebamme, welche die
beckenenge erkannt hatte, foixlerte die Herbeiholung eines
Geburtshelfers. College Wiefei kam gegen 5 Uhr Morgens
an, überzeugte sich sofort von der bedeutenden Becken-
deformität und liess mich eiligst hinzurufen. Am 4. September
gegen 10 Uhr Morgens bei der Kreissenden angelangt, nahm
ich zunächst die Beckenmessung vor. Die Entfernung der
Spin. ^t. super, hetrug 8Va"» ^^^ Cristae 9%*^ und der
Trochanteren llVa"- Die Conjugata B. maass 5" 7^. Die
innere Untersuchung liess mich die Scheide gehörig vor-
bereitet, den Muttermund schlaff und mindestens zweithaler-
gross geöffnet, die Blase noch stehend, aber wenig Frucht-
wasser enthaltend und den Kindskopf mit sehr harten Knochen
fest auf dem Schambogen stehend, finden. Das Becken ist
sehr geneigt, der Yorberg mit leichter Mühe zu erreichen,
offenbar nach links stehend und die linke Beckenhälfte mehr,
als die rechte verengend. Die Conjugata diagonalis misst
kaum 2V4".
Bei so absoluter Beckenenge konnte kein Zweifel aber
das, was zu thun, aufkommen, Frau £. schien aber auch
schon mit dem Gedanken, auf natürlichem Wege nicht gebären
zu können, vertraut zu sein und nahm den Vorschlag zum
Kaiserschnitte ganz gelassen auf. Die Wehen waren sehr
heftig und schmerzhall, wodurch sie auch wohl leichter be-
stimmt werden mochte.
Nachdem Alles gehörig vorbereitet und die Kreissende
bequem auf einen Tisch gelagert war, übertnig mir College
Wiefel die Operation und übernahm die Chloroformirung und
Assistenz. Rectum und Blase waren kurz vorher entleert
worden. Der Hängebauch war so stark, dass ich Raum
and d^ren ErgebnUaa for die Praxis. 253
genug für einen Schnitt von 7" zwischen Nabel und Symphyse
hatte. Da der Uterus mehr nach links lag, so musste er
in die Mittellinie gebracht werden, was leicht zu bewerkstelligen
war. Den Hauptschnitt machte ich in einem Zuge, ohne
Faltenbildung, durchschnitt die Linea alba bis aufs Bauchfell
und öffnete die Bauchhöhle, vorsichtig die Wunde auf- und
abwärts zur nölhigen Grösse erweiternd, wobei etwa ein
Schoppen gelben Wassers abfloss. Der sich in der ganzen
Wunde präsentirende Uterus wurde nun rasch bis auf die
Eihäute durchdrungen, die Wunde so weit nöthig erweitert
und dann erst die Eihaut zerrissen. Fruchtwasser lief dabei
nicht ab. Der Röcken des Kindes lag vor, quer über dem-
selben eine Schlinge der Nabelschnur, eine zweite um den
rechten Schenkel. Die Entwickelung des Kindes, welches
die erste Scheilellage einnahm , war trotz der grossen Wunde
ziemlich schwierig; ich musste mit der linken Hand um den
Kopf gehen, um denselben hervorzuheben. Das scheintodte,
starke Mädchen wuixle sofort abgenabelt#und der Hebamme
übergeben, die es hM zum Leben brachte. Zur Entfernung
der Nachgeburt musste ich eine Hand in den Uterus bringen
und dieselbe in der linken Mutterseite, wo sie sich, wie in
einen Sack theilweise eingeschlossen, noch adhärent fand,
lösen. Während der Operation war die Blutung unbedeutend,
nur beim Durchschneiden des Uterus wurden einige grössere
Gefasse getroffen, die sich aber leicht contrahirten. Nach
Entferntmg der Placenta war aber die Blutung in Folge
mangelnder Coiitractionen so stark, dass ich genöthigt wurde,
noch einmal mit der ganzen Hand in das Cavum abdominis
zu dringen und den Uterus durch unmittelbaren Druck und
Reizung zu Gontractionen zu zwingen, was auch bald gelang.
Darniscblingen fielen während der Operation nicht vor und
nur einen kurzen Moment trat Brechreiz auf. Nachdem die
Bauchhöhle thunlichst von den Blutcoagalis befreit und ge-
reinigt war, wurde die Wunde durch sieben Knopfnähte und
fünf Insectennadeln geschlossen und in den unteren Wundwinkel
ein geölter Leinwandstreifen gelegt Gekreuzte Heftpflaster,
Longuellen und Bauchbinde vervollständigten den Verband,
während dessen die. Entbundene' aus der Anästhesie erwachte.
254 XVIII. Winekelj Fünfiehn Kaisergchnittop^rationen
und da sie über Schmerz in der Wunde klagte, 15 Tro|ifeD
Tr. thebaica empfing.
Das kräftige Mädchen wog 7% Pfund alt Gewicht. Der
Qiierdurchmesser seines Kopfes maass 3'^ 10"^ der sagittale
4V2" und der longiludinale öVa"« Die Nachgeburt war gross,
die Nabelschnur stark und 20" lang.
Da sich nach Ablauf einer Stunde das Brennen in der
Wunde nicht legte, wurden nochmals 10 Tropfen Tr. opii spl.
gegeben. Durch die Scheide ging einiges Blut ah.
Den 4. September Abends. Wegen heftiger Nach wehen
waren der Entbundenen am Nachmittage nochmals 10 Tropfen
Opiumtinctur gereicht worden, worauf Besserung eintrat, hie
flaut ist feucht, der Schmerz gering. Der Puls macht
100 Schläge. Das Kind war schon zwei Mal mit Erfolg an
die ßrujBt gelegt worden. Durch die Scheide ging noch einiges
Blut ab.
Den 5. September. Patientin hat die Nacht leidlich zu-
gebracht, sie hat mehrere Stunden geschlafen, etwas Wasser-
suppe mit Wcissbrod genossen, mehrmals Urin entleert und
leicht transpirirt. Die Lochien tliessen noch spärlich. Der
Leib ist zwar etwas aufgetrieben, aber nicht besonders
empfindlich; der Puls ziemlich voll und kräftig, hat 100 Schläge.
Das Kind trinkt gut.
Abends. Der Zustand ist ziemlich derselbe, doch fuhit
sich die Entbundene weniger behaglich. Der Leib ist noch
mehr aufgetrieben; etwas Husten. Die Haut ist feucht und
warm, der Puls wie am Morgen. Stuhlgang noch nicht er-
folgt. Viel Durst. Das Kind gedeiht gut.
Den 6. September. Der Meteorisuuis hat zugenommen.
Die Nacht war unruhig, der Schlaf sehr unterbrochen. Viel
Husten, der Schmerzen im Leibe veranlasst, — grosser Durst,
starker Schweiss. Urin sehr saturirt, Stublentleerung hat
noch nicht stattgefunden, weshalb ein Glysma verordnet wurde.
Die Zunge ist rein; der Puls kleiner, 104 Schläge.
Abends. Der Leib ist noch mehr aufgetrieben, verträgt
wohl einen gelinden Druck, stärkerer verursacht aber Schmerzen.
Stuhlgang ist trotz wiederholter Klystiere noch nicht ein-
getreten. Die Lochien fliessen fast gar mchl. Patientin klagt
Xknd deren ErgebnUee ffir die Praxis. 255
nicht so sehr über Schmerz, als über Athmungsbeschwerden,
der Athem ist kurz uDd mit Schleimrasseln Yerbunden. Der
Pals ist voll und frequent, 110 Schläge; der Durst massig,
Haut feucht und warm. Die Alhemnotii röhrt ofTenbar von
dem Meteorismus her. — So eben erfolgt etwas Erbrechen
von Schleim und Abgang der Klystiere mit vielen Flatus,
worauf grosse Erleichterung der Beklemmung einCrilL Auch
etwas trockener, fest geballter Koth ging ab, wonach sich
die Schmerzhaftigkeit und Auftreibung des Leibes verminderte.
Die Milchsecrelion ist gehörig im Gange und das Kind nimmt
die Brust sehr gut. Verordnet wurde : Kec. Calomelanos gr.j.,
Extr. op. aq. gr.V4 9 Sacch. alh. ^ßy m. f. p. D. d. viij. S. Zwei-
stöndhch ein Pulver mit Wasser zu nehmen.
Den 7. September. Die Nacht war unruhig, wenig Schlaf,
starke Dyspnoe, Rhonchus mucosus und Husten, Viel Durst.
Bedeutender Meteorismus. Der Leib ist sehr empfindlich.
Flatus gehen nicht ab; die Lochien fliessen nicht. Puls 110,
kleiner als gestern. Die Haut ist warm und feucht. Milch
ist genug vorhanden. Da kein Stuhlgang mehr erfolgt ist,
wird dreistündlich ein Esslöfiel Ol. Riciui, bis zur Wirkung
imd ein Clysma verordnet,
Abends. Nach dem Genüsse zweier Löffel Ol. Riciui und
mehreren Kiystieren erfolgten endlich einige Darmentleerungen,
welche grosse Erleichterungen verschafften. Das Alhmen ist
freier, Husten und Schleimrasseln haben nachgelassen, die
Aufti'eibung des Leibes hat bedeutend abgenommen, eben so
auch die Empfindlichkeit desselben. Die Haut ist duftend,
die Zunge rein, der Durst massiger. Der Puls macht
112 Schlage und ist noch härllich. Das Siodon ist aus dem
unteren Wundwinkel gedrängt worden. Es wurde verordnet:
Rec. Calomel. gr.j., Extr. opii aq. gr.V4t Conch. praep. gr.iv.,
Elaeos. foenic. ^j3, m. f. p. D. d. viij. S. 2 — äslündlich ein
Pulver mit Wasser zu geben.
Den 8. September. Nachdem die Operirie gestern Abend
noch zwei Pulver genommen, hat sie eine sehr gute Nacht
gehabt. Gegen Morgen ist noch eine gehurige Ausleerung
erfolgt. Der Puls zählt 112 Schläge; die Haut ist feucht;
der Lochialfluss findet sich wieder. Schmei^z und Meteorismus
256 XVill. Wtnekelt Fünfsehn Kalte rschnittoperationen
haben sieb Yerriogert Die Zunge ist rein und mehr Appetit
vorhanden. Das Kind gedeiht sichtlich.
Den 9. September. Die Nadit war gut; Patientin hat
bis 4 Uhr geschlafen und dann kurz nach einander zwei MaJ
gehörige Stuhle gehabt. Der Locbialfluss ist stärker, aacii
ist etwas Blut abgeflossen. Die Haut transpirirt, die Zungv
ist rein, der Kopf frei und der Durst geringer. Heute nahm
ich die Heftpflaster ab, entfernte die InsectennadeJn und eine
Knopfnaht, aus welcher letzleren viel dicker Eiter ausfluss. Die
Wunde scheint zwar schön vereinigt, doch sickert an einigen
Stellen lochienartige Flüssigkeit und Eiter durch. Trotz dem
besseren Allgemeinbefinden zählte der Puls beute 120 Schläge
und war ziemlich voll. Es wurde etwas dünne Fleischbrühe
und Weizenbrod erlaubt. Die Pulver wurden ausgesetzt
Abends. Da wieder mehr Husten und Scldeimrasseln
eingelreten, so wurde abermals eines der zuletzt verordneten
Calomelpulver gegeben.
Den 10. September. Viel Husten und einiger Schmerz
in der Wunde haben heute Nacht den Schlaf gestört Stuhl-
gang ist erfolgt, auch der Appetit etwas besser. Der Urin
ist sehr dunkel und saturirt. Der Lochialfluss ist noch sehr
sparsam.
Den 11. September. Frau B. hat gut geschlafen. Der
Husten ist weniger lästig, der Meteorisinus fast ganz gewicfaeir.
Stuhlgang noch einmal erfolgt. Die Zunge ist rein, das Fieber
massiger, Puls 116, die Haut feucht; die Lochien fliessen
reichlicher. Die letzten Hefte wurden heute entfernt; einige
Stichwunden eitern ziemlich stark und an vei*scbiedenen
Stellen der Wunde dringt noch Lochialsecret durch, übrigens
ist die Beschaflenheit der Wunde sehr gut, sie ist beinahe
geschlossen und es scheint die vordere Wand des Uterus mit
der Bauchwand verklebt zu sein. Das Kind gedeiht gut.
Den 12. September. Die Operirte bessert sich täglich.
Puls 108, weich, Haut feucht; Stuhlgang ist zwei Mal er-
folgt; der Unterleib ist nicht mehr gespannt und das Allgemein-
befinden ist zufriedenstellend. Auch die Wunde sctireitet
täglich in der Heilung voran.
Den 14. September. Die Wunde grösstentheils vernarbt,
nässt nur an einigen Stellen. Stuhlgang, Lochialfluss, Haut-
nnd deren Ergebnisse für die Praxis. 257
thaligkeit und Milchsecretion sind naturgemäss, der Schlaf ist
erquickend, Meleorismus und Leibschmerz haben sich gänzlich
verloren. Der Puls halle zwar heute wieder 112 Schläge,
doch ist das Befinden der Wöchnerin befriedigend.
Den 16. September. Frau B. bessert sich täglich. Die
Wunde sondert nur wenig eiternde Flüssigkeit mehr ab, auch
eitert noch ein Nadelstich. Schlaf, Appetit und Stuhlgang
sind normal, der Lochialfluss ist massig, Milch in grosser
Menge^ vorhanden.
Den 19. September. Die Besserung schreitet stetig voran.
Das Allgemeinbeßnden lässl nichts zu wünschen übrig; alle
Se- und Excretionen gehen naturgemäss von Statten, Schlaf
und Appetit sind gut und das Fieber sehr gering. Der Puls
verlangsamt sich mehr und mehr, er ist kräftiger und zählt
100 Schläge. Die Wunde heilt zusehends, ist aber, weil sie
einige Tage nicht verbunden wurde, in der Umgegend etwas
excoriirt. Das Kind gedeiht bei voller Nalirung sehr guL
Den 23. September. Heute Morgen um 8 Uhr kam der
Ehemann der Operirten und berichtete, dass sie seit gestern
Abend 11 Uhr an heftigen, periodischen Schmerzen im Leibe
oberhalb des Nabels leide. Sie habe gestern Abend noch
eine gut verdaute Stuhlentleerung gehabt und sich Ins dahin
durchaus wohl befunden, die ganze Nacht aber wegen der
Schmerzen nicht geschlafen. Da ich nicht sogleich mitgehen
konnte, liess ich fünf Tropfen Tr. thebaic. in Chamillenthee
nehmen. Mittags V^l Uhr, als ich ankam, war der Schmerz
noch nicht besser. Die Zunge war ganz rein, der Puls
machte 88 Schläge, war etwas unregelmässig, aber ziemlich
kräftig und nicht hart. Die Wunde ist bis auf eine kleine,
mit Caro luxurians besetzte Stelle vernarbt. Die ganze Narbe
ist derb und fest anzufühlen, auch in ihrer Umgebung, wie
die ganze Partie unterhalb des Nabels durchaus nicht empfind-
lich, selbst bei stärkerem Drucke. Ich gab noch acht Tropfen
Tr. thebaic. und etwas später einen Löffel Ol. Ricini, mit
der Weisung nach drei Stunden noch einen Löffel voll zu
geben, wenn der Schmerz sich nicht gelegt habe und keine
Oeffnung erfolgt sei. Wahrscheinüch hat Frau B. gestern
Abend zu viel Schwarzbrod und Kartoffeln genossen.
Monatuchr. f. GabarUk. 1868. Bd. XXlI.,Hft.<4. 17
258 XVIII. Winckel, Fünfeehn Kaiserscbnittoperationen
Abends. Da sich der Zustand noch nicht gebessert halte,
die Leibschmerzen fortdauerten und auch noch keine Oeflnung
erfolgt war, verordnete ich eine Emulsio oleosa c. Extr. hyosc.
stündlich zu nehmen. -
Den 24. September. Noch keine Besserung; Frau -ß.
hat die Arznei ausgebrochen, keinen Stuhlgang gehabt und
wegen der anhaltenden Schmerzen gar nicht geschlafen. Es
wurden zwei Klystiere gegeben, die niclit wieder abgingen.
Man fühlt oberhalb des Nabels einige Partien der Dönudänne,
welche wie ausgestopft erschienen. Der Puls hat 96 Schläge
und ist klein. Die Zunge ist rein, aber viel Aufstossen.
Verordnung: Rec. Calomel. gr.ij., Morph, acet. gr.y4, Conch.
prpt. gr.ij., Sacch. alb. ^/9, m. f. p. D. d. vijj. S. Zweistündlich
ein Pulver mit Wasser.
Abends. Der Schmerz ist minder heftig und kehrt seltener
wieder. Die Lochien sind wieder mehr gerölbeL Stuhl-
en tleerung ist noch nicht erfolgt. Da ich die angehäuften
Kothmassen noch fühlen konnte, Hess ich wiederholt etwas
Ol. Ricini nehmen, welches aber bald wieder abgebrochen
wurde. Die Calomelpulver wurden repetirt.
Den 25. September. Die Nacht war schlecht, mehr-
maliges Erbrechen, noch kein Stuhlgang, der Leih ist mehr
aufgetrieben und schmerzhafter; starkes Aufstossen, Neigung
zu Singultus, Gollapsus virium. Puls 124, klein, fadenförmig.
Mehrere Klystiere bleiben alle bei der Kranken; der Schmerz
oberhalb des Nabels ist oft so heftig, dass sie laut aufschreit.
Die Narbe ist gar nicht empGndlich, auch der Uterus nichL
Die Milch hat sich fast verloren. Rec. Calomel. gr.iv., Extr.
op. aq. gr.j., m. f. p. D. d. viij. S. Zweistündlich ein Pulver.
Abends. Der Zustand verschlimmert sich von Stunde zu
Stunde. Puls klein, 128; andauernde Verstopfung und Brech-
reiz; der Schmerz ist jetzt permanent, wenn auch nicht mehr
so heftig, doch ist die Zunge ganz rein und die Haut noch
warm und feucht: Rec. Inf. Senn. comp. 3iv. d. s. Stündlich
ein EsslöfTel.
Den 26. September. Die arme Leidende hat eine schreck-
liche Nacht verlebt, immerfort erbrochen. Grosse Unruhe
und Angst, totale Verstopfung, heftige Schmerzen. Kalte
Tind deren Ergebnisse far die Praxis. 269
Schweisse der Extremitäten; Singiiltus; Puls nicbt zählbar;
furchtbarer Durst. Rec. Ol. croton. gtt V*» Morph, acet. grJ/^,
Sacch. alb. ^ß, in. f. p. D. dos. viij. S. Zweistündlich ein Pulver
mit Wasser zu nehmen. College Wiefei applicirte noch
einige Rlystiere so hoch als möglich, die aber zum Theil
wieder abflössen.
Als wir die Kranke des Abends wieder gemeinschaftlich
besuchten, fanden wir sie etwas besser. Es waren mehrere
copiöse, dünnflüssige, sehr übelriechende Stuhle erfolgt, der
Leibschmerz hatte zwar noch nicht aufgehört, war aber viel
gelinder, doch war der Leib noch mehr aufgetrieben. Der
Puls hatte siöb etwas gehoben, machte aber noch immer
136 Schläge, auch war der Durst noch sehr heftig. Die
Vorderarme nicht nielu* so kalt, die Füsse warm. Aufstossen
und Brechreiz bestanden noch, auch war am Nachmittage
noch einmal erbrochen worden. Es wurde verordnet: Bec.
Ol. tereb., Aeth. sulph. äa Siv. Mds. Zum Umschlag auf die
Präcordialgegend. Bec. Tr. castor. canad., Aeth. acet. aa 3ij.,
Tr. op. simpl. 5ß. Mds. Alle zwei Stunden 15 —20 Tropfen
zu nehmen.
Es stellte sich zu meinem nicht geringen Schrecken jetzt
heraus, dass bei der Verordnung des Ol. crotonis ein Irrthum,
der mir selbst zur Last fiel, vorgekommen war; es enthielt
nämlich jede Gabe statt V4 zwei Tropfe li und die Kranke
hatte im Laufe des Tages vier Gaben oder adit Tropfen
bekommen, wodurch aber ohne Zweifel eine so günstige
Wirkung erzielt worden war, dass wir wieder einige Hoffnung
schöpfen durften. Wir beschlossen daher, falls nicht noch
mehr Ausleerungen eintreten sollten, in einigen Stunden noch
% Pulver nehmen zu lassen.
Den 27. Septeml>er. Der Zustand hat sich erheblich
gebessert, gegen 11 Uhr Nachts ist noch ein Tropfen
Ol. crot. gereicht worden, worauf wieder mehrere Stühle er-
folgten. Der Puls ist kräftiger und voller, er macht nur
120 Schläge mehr. Der Leib ist bedeutend beigefallen , beim
Drucke fast nicht mehr empfindlich. Die Extremitäten sind
warm, die Haut feucht und die Kranke hat fast die ganze
Nacht geschlafen. Obwohl sie sich gestärkt fühlt, ist doch
17*
260 XVIII. Winekel, Fünfzehn Kaitersehnittoperationen
die Schwäche noch sehr gross und das Gesicht aufrallend
eingefallen. Die Wunde ist geschlossen; die Lochien fangen
wieder an zu fliessen. Es wird etwas Fleischbrühe mit Eigelb,
auch Milch zu nehmen erlaubt und die gestern verordneten
Tropfen weiter gegeben.
Den 28. September. Frau B. hat gut geschlafen, der
Leib ist nicht mehr aufgetrieben und nicht empßndlich,
doch sind seit gestern noch sieben copiöse, viel Kleien Ton
Schwarzbrod enthaltende Ausleerungen erfolgt. Die Zunge
ist rein, die Haut duftend. Puls 124; etwas mehr Durst
Die Milch mehrt sich wieder. Alle Arzneien werden aus-
gesetzt und nur Haferschleim zum Getränk gefeicht.
Den 29. September. Die Nacht verlief ruhig, Durst und
Fieber haben sich gemindert; Puls 120, kräftiger. Die Esslust
erwacht wieder mehr und mehr, auch die Milch nimmt wieder
zu, doch ist die Kranke noch sehr erschöpft Da noch
mehrere Male Abführen eingetreten war, so reichte ich beule
Morgen sechs Tropfen Opiumtinctur.
Den 2. Oclober. Patientin hat sich sehr erholt; die
Diarrhoe hat sich verloren, die Stuhle sind regelmässig und
geformt. Schlaf und Appetit sind gut. Milch ist genug für
das prächtige Kind vorhanden. Der Puls macht nur noch
104 Schläge und die Gerettete ist sehr glücklich und vergnügt
Den 8. October. Die Kräfte haben sich so gehoben,
dass Frau B. täglich einige Stunde ausser dem Bette zubringt
Der Zustand lässt nichts zu wünschen übrig.
Den 14. October. Heute traf ich die Genesene schon
vor der Hausthüre. Mutter und Kind sind ganz wohl.
und deren Ergebnisse füi die Praxis.
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262 XIX. Winckel, Fünfsebo K»i0ersohDittoperationeo
Um die vorher nülgetheilten Kaisergeburten für die Praxis
einigermaassen zu vcrwerlhen, ist es iiölhig, diejenigen
Momente besonders hervorzuheben, denen ein vorwiegendo^
Einfluss auf die Erfolge zugeschrieben werden muss. Vor
allen Dingen ist hier darauf aufmerksam zu machen, dass
sämmtliche Operirtc der allerdurftigsten Classe angehörten und
in allen Beziehungen höchst ungünstig situirt waren. Die
Meisten fielen der öffentlichen Wohlthätigkeil anheim, ja es
musste in einzelnen Fällen Seitens der Gemeinden für Auf-
wartung und Pflege gesorgt werden. Dr. Fagenstecher hat
dieses traurigen Umslandes in seiner trefflichen Arbeit: „E^n
Beitrag zur Statistik des Kaiserschnitts etc." (s. das Januar-
Heft d. Zeitschrift, 1862, S. 111) ebenfalls Erwähnung gethaii.
Nicht genug, dass wir uns in den meisten Fällen alles zur
Operation und Nachbehandlung Nöthige selbst beschafTen
musstcn, hatten wir auch noch mit vielen anderweiten
Hindernissen und Widerwärtigkeiten zu kämpfen , welche einen
gunstigen Ausgang an und für sich schon in Frage stellen
konnten. Hierher gehört ganz besonders die in der Regel
stundenweite Entfernung von der Kreissenden, wodurch uns
die Herbeiholung sachverständiger Assistenten sehr erschwert
und, was noch weit schlimmer, die Wahl des richtigen Zeit-
punktes zur Operation aus der Hand genommeu wurde. So
würden in den Fällen 1, 3, 4 und 12 wenigstens die Kinder
erhalten worden sein, wenn die Operationen rechtzeitig hätten
ausgeführt werden können. Aber auch für die Nachbehandlung
ist die weite Entfernung von der Entbundenen immer sehr
störend, da mitunter Ereignisse eintreten, welche eine so-
fortige Berücksichtigung erheischen.
Auch in diesen Fällen hat es sich wiederum bewahrheilet,
dass die Osteomalacie eine weit ungünstigere Prognose für
die Operation zulässt, als die Rachitis. Von den neun wegen
osteomalacischer Beckenenge Operirten starben sechs, also
zwei Drittel, während von den an den Folgen der Rachitis
Leidenden sechs nur ein Drittel erlagen. Das Verhältniss
würde sich offenbar noch gunstiger gestaltet haben, wenn
die Entscheidung über die Wald des Zeitpunktes der Operation
von uns allein abhängig gewesen wäre. Der Grund hiervon
nnd deren Ergebniase filr die Praxis. 263
ist lediglich in dem Forlhestehen der Krankheit und der
dieselbe bedingenden Verhältnisse za suchen, während die
Rachitischen ihre Krankheit meist vor Jaiiren überstanden
und sich zur Zeit der Operation einer ungetrübten, ja ich
mochte sagen, noch mehr gestählten Gesundheit zu erfreuen
haben. Es ist zwar nicht zu läugnen, dass die Vulnerabilität
Osteomalacischer keineswegs eine erhöhte ist, ja es lehrt
uns die Erfahrung hier täglich, dass an Knochenerweichung
leidende Frauen, die schwersten geburtshülflichen Operationen
wunderbar leicht überstehen. Auch sind sie überaus fruchtbar,
als wenn sich alle ihre Lebenskraft im Geschlechtsleben
gleichsam concentrire. Selbst die Gebärmutter Osteomala-
cischer wird gemeiniglich weit kräftiger und dicker in ihren
Wandungen als bei Rachitischen gefunden. Aber das Fort-
bestehen der Osteomalacie und besonders die Fortdauer der
sie bedingenden Momente sind es gewiss allein, welche den
Ausgang so sehr gefährden.
Von wesentlichem Einflüsse auf den Erfolg ist unstreitig
auch die richtige Wahl des Geburtzeitraumes, in welchem
die Operation unternommen werden muss. ist mir die Wahl
überlassen, so operire ich am liebsten gegen das Ende der
zweiten Geburtsperiode, bei springfertiger Blase, ohne in
letzter Zeit, wie Dr. J. H. Schenk anräth,^) die Blase vorher
zu sprengen. Es hat um diese Zeit die Gebärmutter ihre
grösste Ausdehnung erreicht, ihre Thätigkeit ist gehörig ent-
wickelt, Muttermund und Scheide sind genügend vorbereitet
und die Entwickelung des Kindes ist am leichtesten, da man
mit dem Zerreissen der Eihäute sehr leicht mit einer Hand
in die Eihöhle dringen und den Kopf des Kindes umfassen
kann. Wie sich bei stehendem Fruchtwasser eine Wendung
leichter ausführen lässt, so ist es mit der Entwickelung des
Kindes beim Kaiserschnitte. Dass man den Abfluss des
Fruchtwassers in die Bauchhöhle dabei nicht zu fürchten
habe, weiss Jeder, der den Kaiserschnitt einmal verrichtet
hat; in diesem Momente sind alle Organe thätig, den Inhalt
1) E. V. Siebold^B JöXkTutdf 1826, Geschichte einer ^Ificklichen
Entbindung durch den Kaisersohnitt von Dr. J. H. Schenk,
264 XVIII. Winckelj Fünfzehn EaiaerBchnittoperationen
des Fnichüiahers nach aussen zu entleeren, auch werden sie
gerade jetzt am Entschiedensten durch die Hunde des Assistenten
in ihren Bestrebungen unterstützt. Sollte aber auch wirklieb
etwas Fruchtwasser in die Bauchhöhle gelangen, die Fälle 3,
11 und 12 beweisen zur Geitöge, dass dadurch keineswegps
der Erfolg notbwendig gefährdet werde. In diesem Zeiträume
ist ferner die Gebärmutter durch nutzlose Anstrengungen
noch nicht eVschöptt, sie besitzt noch die zur Trennung der
Nachgeburt und nöthigen Verkleinerung erforderliche Energie
ganz ungeschwächt, auch sind ihre Zusammenziehungen viel
regelmässiger und harmonischer, als wenn sie nach langer,
vergeblicher Arbeit den Kindeskörper fast tetanisch umfasst hält.
Dass dieser Zeitpunkt für die Erhaltung der Kinder der
glücklichste ist, bedarf keiner Beweisgründe. Die in dem
oben citirten, treffhchen Aufsalze von Dr. Schenk aus-
gesprochene Ansicht, dass die Kinder oft viele Tage lang
die Angrifle des Uterus ertragen könnten, da die unfruchtbaren
Wehen meistens mehr schmerzhaflt als kräftig seien unil die
Beihülfe der Bauchpresse wenig oder gar nicht in Anspruch
nähmen, habe ich durch meine Erfahrung leider nicht bestütigt
gefunden. In den Fällen 1, 3, 4, 12 und 14 würden die
Kinder gewiss gerettet worden sein, wenn die Operationen
rechtzeitig hätten vorgenommen werden können, und die
Rupturen bei 3, 4 und 12 wären gewiss nicht eingetreten,
wenn die Wehen mehr schmerzhaft als kräftig gewesen und
der Beihülfe der Bauchpresse entbehrt hätten. Besonders bei
Osteomalacischen sind die Wehen oft ganz entsetzlich; wie
manche arme Kreissende habe ich rufen hören: „ich muss
bersten!" — Es ist unbeschreiblich, zu welchen enormen Kraft-
anstrengungen Weiber, die seit Monden ja Jahren sich kaum
bewegen konnten , durch die Wehen gezwungen werden. Eine
derartige Einschnürung können die Früchte unmöglich mehrere
Tage hindurch aushalten!
Wesentlich für den Erfolg der Operation ist femer, dass
ihr nicht andere Enlbindungsversuche schon vorausgegangen
sind. In allen mir vorgekommenen Fällen war dies nicht
geschehen; ich war so glücklich, die Diagnose stets mit Sicher-
heit sogleich bei meinem Hinzutreten stellen zu können.
Qiid deren Ergebnisse für die Praxis. 265
Ueber die Operation selbst ist nur wenig zu bemerken,
sie wurde, die Fälle 1, 2, 8 und 10 abgerechnet, immer
in tiefer Chloroformnarcose verrichtet; im Chloroform
haben . wir überhaupt einen mächtigen Bundesgenossen für
den Kaiserschnitt erlangt; es benimmt der Operation nicht
allein das Schmerzhafte und Grausige ; es erleichtert auch die
Assistenz in hohem Grade und habe ich nachtheilige Wirkungen
desselben niemals beobachteL
Die Wahl des Ortes wird wohl heut zu Tage, wenn
nicht ganz aussergewöhnliche Verhältnisse stattfinden, nicht
mehr in Frage kommen. Die Vurtheile, welche die Linea alba
bietet, sind zu entscheidend; mir ist kein Fall vorgekommen,
in welchem sich der schief nach einer Seite hin gerichtete
Uterus mit leichter Muhe hätte in die Mittellinie bringen
lassen. Nur im dritten Falle war es scheinbar unmöglich,
den Uterus hinter der weissen Linie ^u fixircn, warum, das
sollte uns bald klar werden; das Kind war aus demselben
getreten und schlüpfte bei der Betastung bald hier-, bald
dorthin. Würde nicht gerade in diesem Falle die Operation
an einer anderen Stelle bei Weitem schwieriger gewesen und
ungünstiger ausgefallen sein?
Der Mangel an kunstgerechter Hülfe hat meinen trefflichen
Assistenten und Freund, Herrn Wiefei, auf ein Verfahren
geführt, den Vorfall der Eingeweide zu verhindern, welches
zu praktisch und zweckentsprechend ist, um hier übergangen
zu werden. Es greift nämlich der Assistent sogleich nach
Eröffnung des Uterus mit dem Zeigefinger der einen Hand
in den oberen Winkel der Uteruswunde und zieht ihn mit
demselben Winkel der Bauchwunde zusammen, ist der Schnitt
nach unten vollendet, so macht er mit der anderen Hand
dieselbe Manipulation im unteren Winkel und hält durch
einen gelinden Zug Bauch- und Uteruswand in so enger Be-
rührung, dass ein Darmvorfall dadurch unmöglich gemacht
wird. Durch diesen einfachen Handgriff werden nicht allein
Assistenten erspart, sondern auch andere Hüifsmittel, wie die
von V. Graefe empfohlenen Schwämme, welche das Operations-
feld so sehr beeinträchtigen, und der Vorschlag AutenrietK^
und Zang's^ im oberen Drittel der ßauchwunde, efie man
266 XVIII. Win^elf Fünfsehn KaUerachniltsoperationen
weiter gebt, einige Heftfäden anzulegen, die drei Mal so lang
als gewöhnlich sein und bis nach der Entbindung in Bogen
nach oben geschlagen werden sollen, durchaus überflüssig
gemacht.
Für sehr wichtig halte ich es, den Uterus roöglicbsl in
der Mitte seiner vorderen Wand zu eröffnen und den Grund,
wie den unteren Abschnitt desselben, thunlichst zu schonen.
Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass die bis in den Gniod,
resp. in den Mutterhals sich erstreckenden Wunden beim
Zusammenziehen des Uterus sich nie so dicht schliessen,
ja sogar leicht klaffen, was in der Wirkung der an diesen
Orten besonders zahlreichen Circularfasern seine Erklärung
finden wird. — Wahrscheinlich ist in dem vom Professor
O. W. Stein, s. dessen geburtshölfliche Abhandlungen, 1. Heft,
Marburg 1803, mitgetheilten Falle, der Schnitt bis in den
Grund geführt und dadurch die von Stein so sehr gefürclitele
„Spreitzung'' herbeigeführt worden.
Einige Male ist mir der unangenehme Fall begegnet,
die Insertionsstelle der Nachgeburt bei der Eröifnung der
Uterinhöhle zu treffen, ich habe dann dieselbe stets seitlich
gelöst und die Operation möglichst beschleuuigt. Ueberhaupl
habe ich die Placeuta, auch wenn sie sich nicht freiwillig
gelöst hatte, sofort nach der Entwickelung des Kindes durch
die Uteruswunde künstlich entfernt, was weder schwierig,
noch besonders schmerzhaft war.
Blutungen nach der Entleerung des Uterus werden am
sichersten durch unmittelbare Compression und directe Reizung
desselben mit der Hand sistirt, und es ist deshalb ratbsam,
die blutige Vereinigung der ßauch wunde nicht eher zu be-
werkstelligen, als bis sich die Gebärmutter kräftig contrahirl
hat und in ihrer Contraction zu verharren bestrebt scheint.
Durch dieses Manoeuvre, welches Schenk schon in seiner
mehrfach augeführten, trefflichen Abhandlung sehr warm
empfiehlt, ist es mir gelungen, keine Operirte an Verblutung
zu verUeren. Ist die Entbundene, was häufig der Fall, während
dieser Manipulation aus der Narcose erwacht, so lasse ich
ihr sofort eine kräftige Dose -Tr. opii simpl. reichen, wo-
durch das Nervensystem beruhigt und die jetzt gewöhnlidi
eintretenden, höchst lästigen Vomiturilionen gehoben werden.
Qnd deren Ergebniste für die Praxis. 267
Nachdem die Blutung zum Stehen gebracht, schreite ich
zur sorgfältigen Vereinigung der Bauchwunde durch die blutige
Naht. In einzölliger Entfernung werden von oben herab
starke, das Bauchfell mitfassende Knopfnähte angelegt, die
ich durch dazwischen angebrachte Insectennadeln unterstütze,
in den unteren Wundwinkel lege ich einen schmalen, aus*
gefranzten und in Oel getauchten Leinwandstreifen, den ich
aber nicht, wie Schenk 1. c. vorschlägt, hinter der Bauch-
wunde in die Höhe, sondern nach der Uleruswunde zu führe,
weil ich der Ueberzeugung bin, dass durch iSchenk's Verfahren
ein verderblicher Reiz auf die Gedärme ausgeübt werden müsse,
und der Zweck, Leitung der Wundsecrete nach aussen, da-
durch namentlich für die Aussonderungen des Uterus noch
besser ermöglicht wird. Den völligen Verschluss der Bauch-
höhle halte ich für höchst wichtig. Oftmals habe ich mich
überzeugt, dass der Austritt wenigen Blutes in die Unterieibs-
höhle nicht von sehr hoher Bedeutung sei. Uebrigens sorgt
schon die Natur für baldige Entfernung in das Cavum abdominis
getretener Flüssigkeiten durch Aclion der Bauchpresse, denn
immer wird der erste Verband, trotz der genauesten Ver-
einigung der Bauch wunde, durchnässt angetroffen.
Nach der blutigen Naht bringe ich zu beiden Seiten der
Wunde Longuetten an, welche durch lange, von einer Seite
zur anderen laufende und sich in der Mitte kreuzende, zwei
Finger breite Heflpflasterstreifen befestigt werden. Circular-
pfiaster habe ich nie angewendet und halte sie in der Land-
praxis für nachtheilig, weil sachverständige Hülfe zu ihrer
Lösung nur selten rechtzeitig zur Hand sein wird. ^ Der ganze
Verband wird durch eine ziemlich fest angelegte, breite, den
ganzen Unterleib umfassende Binde, wozu ich gewöhnlich ein
Betltuch benutze, unterstützt Ein massiger Druck auf sämmt-
liehe Organe des Unterleibes scheint mir dringend geboten,
um Hyperämieen und Meteorismus vorzubeugen.
Die Angabe Schenk^Sj dass die blutige Naht fast schmerzlos
sei, muss ich entschieden widersprechen, sie ist nach meiner
Erfahrung der empfindlichste Act der ganzen Operation, was
mir nicht in der Narcose Operirte, oder aus derselben vor
der Naht Erwachte, oftmals bestätigt haben. Es wird aber
268 XVIII. Winckel, Fünfsefan EaiserschDittopcratiooen
dieser Schmerz durch die Freude der glücklich uberstandenen
Operation sehr erleichterl und erregt derselbe, wie ich öflers
wahrgenommen, die Gebärmutter zu kräftigeren Contractionen an.
Nach Beendigung des Verbandes nehme ich, bevor ich
die Entbundene zu Bette bringe, eine Exploratio per vaginam
vor, um mich vom Stande des Muttermundes und dessen
Permeabilität möglichst zu überzeugen und etwa ia den
Geburts wegen befindliche Eihautreste oder Blutcoagula zu ent>
fernen, denn es ist für den Erfolg sehr nutzlich, dass alle
Ausscheidungen des Uterus von vorn herein ihren Ausweg
auf dem naturlichen Wege nehmen.
Die Nachbehandlung bctrelTend bemerke ich schliesslich,
dass ich mich bei derselben immer möglichst passiv ver-
halten und keiner Methode besonders gehuldigt habe. Zunächst
lasse ich, gegen den von Schenk 1. c. ertheilten Ralh, den
ersten Verband so lange liegen, bis mich die Durch-
nässung desselben zum Wechsel zwingt, was in der
Regel am vierten oder fünften Tage eintritt Nach
jeder Operation habe ich, wie oben schon bemerkt, der
Entbundenen eine kräftige Dosis, 10 — 20 Tropfen Tr. tbebaic.
gegeben, selbst dann, wenn \veder Schmerz noch Brechreiz
statthatten. Es übt das Opium überhaupt eine magische
Wirkung auf die Uterin ihätigkeit aus und kann ihm, was
die Einleitung und Regulirung der Wochenbettsfunctionen
betrifft, kein Mittel an die Seite gesetzt werden. Wurde
durch eine solche Gabe die gewünschte Wirkung nicht bald
erzielt, so habe ich oft mit gutem Erfolge eine zweite, ja
selbst eine dritte nach einiger Zeit verabreicht, — Hat die
Entbundene einige Stunden Ruhe genossen, so lasse ich,
wenn's möglich, das Kind an die Brust legen, selbst wenn
die Schwäche der Mutter noch so gross ist, deun die baldige
Einleitung der Lactation scheint mir ein wichtiges Erforderniss
für den günstigen Ausgang zu sein. Der lästigsten und
gefahrdrohendsten Erscheinung bei Kaisergeburten, dem
Meteorisraus, bin ich öfters durch frühzeitige Sorge für
Darmentleerung, sowie durch kleine Gaben von Ipecacuanha
cum opio mit Glück entgegengetreten. Gewöhnlich wurden
schon am zweiten Tage nach der Operation Kiystiere applicirt
nnd deren Ergebnisse ffir die Praxis. ^ 269
■
und wenn diese keinen Erfolg hatten, ein oder mehrere
Löffel voll Oh Ricini bis zur Wirkung gegeben.
Blutenfziehungen habe ich nie nöthig gefunden, da mir
entzündliche Erscheinungen überhaupt nur selten vorkamen.
Die vielfach gepriesene Anwendung des Eises, war ich nie-
mals in der Lage versuchen zu können, Aohl aber habe ich
von einigen kräftigen Dosen Calomel in Verbindung mit dem
unersetzlichen Opium, mehrere Male recht günstige Wirkungen
beobachtet.
Die blutigen Hefte wurden in Her Regel zwischen dem
fünften und siebenten Tage nach und nach entfernt. War
die Secretion der Wunde sehr stark und übelriechend, so
wurde täglich zwei Mal, sonst nur ein M3l und in späterer
Zeit, wenn die Heilung schon fortgeschritten, oft nur alle
zwei Tage verbunden. Eine sehr lästige Erscheinung sind
die häufig durch das scharfe und copiöse Wundsecret ent-
stehenden Excorialionen an der Unterbauchgegend ; Reinlichkeit
und häutiger Wechsel der Verbandstücke sind die besten Mittel
dagegen.
270 . XIX- MeUtn^, Mittfaeilangen über die Thätigkeit
XIX.
Mittheilungen über die ThAtigkeit und die Ver-
handlungen der Gesellschaft für Geburtshttlfe
zu Leipzig
im neunten Jahre ihres Bestehens.
I. Jahresbericht,
erstattet durch den d. Z. Secretair
Dr. Emil Apollo Meissner.
Vorgetragen am 20. April 1863.
Für das mit dem heutigen Tage ablaufende neunte
(leschäflsjahr der Gesellschaft war Herr Hennig (im Laufe
desselben zum ausserordentlichen Professor der Medicin be-
fördert) zum Director, und für diesen Herr Beck zum Cassirer,
aufs Neue aber Herr Sickel zum Vicedireclor und der Bericht-
erstatter 'zum Secretair erwählt worden. Wahrend ihrer Amts-
führung wurde Herr Friedrich Hermann Wendt (Dr. med.
und d. Z. Assistent der Königl. Entbindungsschule hier) als
ordentliches Mitglied aufgenommen.
Als Geschenke für das Archiv der Gesellschaft gingen
ein : Hennig ^ Vererbte Syphilis und Syphiliden (Separatabdruck
aus dem Jahrbuch für Kinderheilkunde, IV. 3); Alt, Behandlung
der Syphihs mit Mercur; Koeberle, Des cysticerques de lenias
chez Thomme, und Essai sur le cretinisme; Charles Girard,
La vie au point de vue physique ou physiogenie pihlosophique;
Grede, Programmata in memoriam Bosii 1858, 1860, 1862;
Semmelweiss , Offener Brief an sammtliche Professoren der
Geburtshfilfe (in mehreren Exemplaren); R. Hagen, Die
seit 1830 in die Therapie eingeführten Arzneistoffe und deren
Rereitungsweisen ; Neugebauer, Neue Methode der blutigen
Dammnaht; üWntz, Die Irrenheil- und Pflegeanstalt Thonberg;
Rosenihalj Beitrag zurKennhiiss und Heilung des Stotternbels;
n. d. Verhandl. d. GeaellBcbaft f. Gebortshülfe sa Leipzig etc. 271
Gautier, De ia fissure anale cbez les enfants; Breslau,
Jahresbericht der Zürcher Gebäranslalt 1862; Spiegelberg,
Bericht über die Leistungen in der Geburtshülfe 1861 (aus
Ganstatt^s Jahresbericht), sowie eine grössere Anzahl von
fnauguraldissertationen verschiedener üniversitAten , mehrere
Berichte von Bädern, Mineralwässern, Curorten und Heilanstalten
und endlich einige Gesellschaflsschriflen wissenschaftlicher
Corpora lionen und dergleichen.
War damit schon für den seit Ende October 1861 ein^
gerichteten Lesecirkel ein Theil del materiellen Bedarfes
gedeckt, den die von der Gesellschaft käuflich erworbenen
Schriften noch offen Hessen, so ist doch noch rühmend die
Liberalität der Uerren Hennig, Hadke und Credi an-
zuerkennen, welche zur Ausfüllung der noch verbleibenden
Lucken noch folgende Werke zum Circuliren dargeliehen haben,
als: Koelerle, Notice sur une ovariotomie und deuxieme
Operation d'ovariotomie ; Naegele-Grenser, Lehrbuch der
Geburtshülfe, 5. Auflage, 1. Hälfte; B. S. 8chultze, Ein
Kaiserschnitt; Hugenberger, Das Puerperalfieber im St. Peters-
burger Hebammeninstitute; Bob, Olshausen, Observationum
de partubus pelvi angusta impeditis particula; Voisin, Die
Haematocele relro- uterina und die freien Blutextravasate in
der Beckenhöble, deutsch von W, Langenbeck; Spoendli,
die unschädliche Kopfzange, casuistisch bearbeitet; Enssmann,
die Specialgesetze der Ernährung sämmUicher Organismen;
Walther Francke, die Wendung auf die Fösse bei engem
Becken; Betschier und Freund (uterque). Klinische Beiträge
zur Gynäkologie; A. Werthheimber, Diätetik der Neugeborenen
und Säuglinge.
Die Gesellschaft vereinigte sich im eben abgelaufenen Jahre
zu eilf am 14. April, 19. Mai, 16. Juni, 21. Juli, 15. September,
20. October, 17. November, 15. December 1862, 19. Januar,
LG. Februar und 16. März 1863 abgehaltenen (der 97. bis 107.)
Sitzungen und zwei Mal nach deren Schluss zu geselligen
Zusammenkünften im abgesondertem Locale einer benachbarten
Restauration. Als Gäste betheiligten sich, bei den Verhandlungen
zum Theil selbst millhätig, die Henen Prof. Dr. Goccius,
DDrr. Goepel und Klemm von hier, Ernst aus Reudnilz,
Med. pract. Gust, Schmidt aus Neuschönefeld.
272 XIX* Meissner, Mittheilnng^en über die ThStigkeit
Bei Gelegenheit der 100. Silziing am 21. Juli v. J. gab
Herr Hennig einen km*zen geschiclillichen Rückblick
auf die Tiiätigkeit, wie die goschichlliche Entwickelung der
Gesellschaft und die Verluste, die dieselbe leider schon durrb
den Tod zum Theil hervorragender Mitglieder bisher erlitten. -
Von inneren Angelegenheiten wurde nur die üebernabfne
der Bestellgebuhren für die Einladungen zu den Sitzungen
Seiten der Gesellschaflscasse beschlossen und seit October t. J.
eingeführt; auch in den Jahresberichten der Wegfall der
Titulaturen der Mitglieder beliebt.
Die wissenscbafüichen Verhandlungen eröffnete Herr
Germann in der 97. Sitzung über Beckenmessungen mit
seinem neuen Instrumente (vergl. Monatsschrift für Geburt«-
künde, Bd. 18, Supplementhcft, S. 174) unter Deinonstratioo
des Gebrauches am lebenden Phantome.
Einen Fall von Blindheit in der Schwangerschaft
hatte vom 4. März a. c. an in verschiedenen Briefen HeiT
Becker- Laurich in Ronneburg mit der Bitte um Rathschläge
mitgetheilt, letztere waren auch zum Theil bereits durch
Vorstandsmitglieder ertheilt worden, als in der 107. Sitzung
der bisherige Verlauf mit Folgendem zum Vortrag kam:
„Frau Schuhmachermeister M. von hier ist 28 Jahre alt und
seit sechs Wochen verheirathet. Ihre Ellern sind vor einem
und drei Jahren gestorben und haben bis zu ihrem Ende an
keiner bemerkenswerthen Krankheit gelitten, ihr Bruder ist
noch heute vollständig gesund. In ihrer Jugend hat sie die
gewöhnlichen Kinderkrankheiten überstanden, und ist mit dem
22. Jahre — eine für hiesige Gegend sehr späte Zeit —
menstruirt worden. Ohne eigentlich krank zu sein, ist sie
immer schwächlich gewesen, hat aber als ein in jeder Be-
ziehung ordentliches Mädchen bei ehrbaren Bürgersleuten in
Diensten gestanden. Ihre Menstruation ist bis zu ihrer Ver-
heirathung — vorige Weihnachten das letzte Mal — regelmässig,
aber sehr sparsam geflossen. Kurz vor Weibnachten kam
sie zu mir, um Hülfe zu suchen, da sie, nachdem sie bis
spät Abends gescheuert hatte, plötzlich auf dem rechten Auge
erblindet sei. Die genaueste Untersuchung mit Coccius^ Augen-
spiegel zeigte bloss eine höhere Röthung des Augengrundes
als auf der gesunden Seite, Brustorgane ganz gesund, Appetit
Q. d. Yerhftiidl. d. GeaelUcbaft f. GebnrtshüUe so Leipsig etc. 273
und Stuhl Dormal, nur ein anäuiisches Aussehen des Mädchens
und deutliches Bl^^en in der rechten Jugularvene deuteten
auf einen liöheren Grad von Blularmuth. Verordnung: Ungt.
Kali jodaU iß\ Extr. bellad. gr.iij. zur Einreibung in Stiin-
und Schläfengegend ; innerlich: Tinct. ferr. acetic. aether. 3ij.
froh und Abends zehn Tropfen in Wasser zu nehmen. Ich
hielt den Zustand für eine passive Congestion nach dem
Kopfe hei vorwiegender ßlutarmuth. Bis Weihnachten wenig
Besserung, der Eintritt der Menstruation liess jede Medicalion
aufhören. Den 28. Decemher trat ohne alle Veranlassung
ein heftiger eclamp tischer Anfall ein. Nach dem Aufhören
der Menstruation liess ich die Salbe fortgebrauchen und ver-
ordnete Pillen aus Chinin, sulfur. gr.vj., Pulv. rad. rhei 5ß,
As. foetid., Ferr. carhonic. äa gr.xv., Exlr. Gentian q. s. ut f. pil.
No. 30. S. Zwei Mal täglich zwei Stück zu nehmen. Bei
dieser Behandlung verlor sicli die Blindheit vollständig, das
Mädchen erholte sich sichtlich, ein neuer Anfall war nicht
eingetreten und Ende Januar, kurz vor ihrer Verheirathung,
stellte sie sidi mir als genesen vor. — Am 3. März d. J.
wurde ich zu ihr gerufen, da sie auf beiden Augen erbUudet
sei. Der Augenspiegel zeigte höhere Röthung des Augen-
grundes auf beiden Seiten, Sensoriuin vollständig frei, keine
Kopfschmerzen, Functionen des Körpers normal, Menstruation
fehlt seit Mitte Januar ; die Frau glaubt sich seit vier Wochen
schwanger und behauptet, dass ohne Erkältung, Gemuths-
aufregung oder sonstige Gelegenheitsursache seit ihrer Ver-
faeirathung das Augenlicht auf beiden Seiten trüber geworden sei
und dass nach erfolgter Gonceptiou, die sie aus einem eigen-
thümlichen, den ganzen Körper durchzuckenden Gefühle als
erfolgt ansieht, täghch ihr Sehen weniger geworden sei, bis
sie endlich in vollständige Nacht versank. Sie bat besonders
um die Pillen, die sie zuletzt erhielt, und ich lasse sie sie
wieder einnehmen. Daneben Einreibung von Jodsalbe mit
Extr. Belladonnae. — Am 4. März Abends berichtete der
Mann, dass sie früh beim Aufstehen, nachdem sie zusammen
vier Pillen genommen, das Fenster gesehen habe. — 6. März.
Lichtempfindung des Morgens deutlicher, als im Verlaufe des
Tages. Stuhl, Appetit, Schlaf regelmässig. Reissen in den
Monalflichr f.Qebnrtiik. 1868 Bd.XXII.. nn.4 18
274 ^IX* lfew<n«r 7. MittheUangen über die Thätigkeit
Oberarmen und Oberschenkeln, später Kreu2scbmerzen, gegen
Abend entsetzliche Kopfschmerzen. — 9. A|ärz. Der über Nacht
gefallene Schnee wird von der Kranken nicht gesehen, aber
sehr schmerzhaft in den Augen empfunden ; Kopfschmerz fast
unerträglich, abwechselnd mit Kreuzschmerzen und Reissen
in den Extremitäten, natürliche Verrichtungen ungestört. Ver-
ordnung: Galomel ^^, Pulv. radic. Jalap. ^j. , Saech. iß.
DJv. in parU iij. D. S. Früh ein Stück zu nehmen. Im Urin
weder Ei weiss, noch Cylinder aus den Harncanälcheu, nur
einige wenige verschrumpfte ßlutkörperchen im Uebergange zu
Haematoidin. — 10. März. Die Pulver haben schon kräftig
gewirkt. — 11. März. Patientin sieht meinen Hut auf dem
Tische stehen. Nur ein Pulver heute. — 12. März. Gestern
Abend viel Kopfschmerz, die Wirkung des Pulvers nicht sehr
bedeutend. — 13. März. Heute früh sieht die Kranke meine
Hand, ohne die einzelnen Finger zu unterscheiden und er-
kennt ganze grosse Gegenstände, doch keine Farben. Nadits
ruhiger, ohne Reissen und Kopfschmerz, Stuhlgang un-
erheblich, sie klagt schon über Zahnfleisch und faulen Ge-
schmack. Beginnende Stomatitis mercuriaiis. V^ordnung:
Infus, digital, purpur. (ex 9j.) Süj^ Kali jodaL 3/3, Tr.
colocynthidis ^j., Syr. Mann. 3j. M. S. Drei- bis vierstündlicli
einen Esslöifel voll zu nehmen. — 14. März. Patientin hat sich
den ganzen gestrigen Tag wohibefunden , bis spät Abends von
der Lampe einen Schein gesehen, heute erkennt sie kleine
Gegenstände auf dem Tische trotz des sehr trüben Wetters. —
15. März. Bis auf einige durcbfällige Ausleerungen ist der
gestrige Tag gut verlaufen. Heute früh erkennt Patientin
die Tassen auf der Etagere, auch die Uhr in der Hand, doch
klagt sie beim hellen Sonnenschein über arges Blenden.**
Zur Erörterung dieses Falles sowohl, als wegen der im
Allgemeinen erwünschten Besprechung derartiger Fälle ein*
geladen, verbreitete sich Herr Coccius in der genannten (107.)
Sitzung über die Amblyopie während der Schwanger-
schaft im Allgemeinen und bei der ^rt^rArschen Krank-
heit im Speciellen. Nach geschichtlichen und statistischen
Mittheilungen, aus denen hervorging, dass die Amblyopie
nicht, wie Landouzi glaubte, constantes Symptom der
BrigMschen Krankheit sei, wendete sich derselbe zunächst
a. d. Verhandl. d.Oesellscbaft f.GebnrtabulfA tu Leipzigs etc. 275
zm* ophthalmoskopischen Diagnose und zur mikroskopischen
Untersuchung der« Netzhaut. Die fettige Entartung dieser
Membran kennzeichnet sich vorzüglich durch wachsarlig
glänzende Fettkörnchenconglomerate , welche zunächst iu der
Gegend der Steile des directen Sehens hervortreten und eine
verschiedengradige Ausdehnung erreichen können, sowie auch
die diffuse Trübung der Netzhaut in verschiedenen Fällen in
verschiedenem Grade beobachtet wird. Die fettige Entartung
kann die Körnerschichte ebenso wie die Gauglienschicht be-
treffen, oder in einer vorwiegend sein; sie ist aber nicht in
jedem Falle, wie man behauptet hat, mit einer stärkeren
Biiidegewebsentzöndung im Bereiche des Sehnerven verbunden,
durch welche die Umgrenzung des Sehnerven völlig verwischt
wird und die Netzbaut an dieser Stelle grauwdss getrübt und
angeschwollen erscheint. Die letztere Entzündung, welche
ganz ähnlich auch beim syphilitischen Process, bei Entzündung
des Ghiasma und Sehnerven durch Hirntumoren u. s. w.
beobachtet wird, fand Coccius in drei Fällen bereits aus-
gebildet, in welchen die an ^rt^A^'scber Krankheit Leidenden
unter comalösen Erscheinungen bald darauf und zwar durch
Hirnapoplexie starben. An den Kranken, welche er vom
ersten Beginne der Amblyopie an ophthalmoskopisch unter-
suchen konnte, und wo erst später die Nierenentzündung
entdeckt wurde, sah er zuerst nur kleine Blutergüsse an der
Stelle des directen Sehens, eine dunklere in's Livide spielende
Färbung der Gentralvenenzweige, alsdann Entwickelnng von
fettwaclisartig glänzenden Klümpcheu und feine parenchymatöse
Trübung der Netzhaut an der Stelle des directen Sehens;
bei bereits eingetretener Entzündung des Bindegewebes im
Bereiche des Opticus hat Coccius bisher nie einen günstigen
Aus- oder Rückgang beobachtet. Die objectiven Erscheinungen
bei BrigM'&clier Amblyopie sind nach ihin aber nicht zu-
verlässig für das bestimmte Vorhandensein der Allgemein-
krankheit, da er analoge Ersclieinnngen und ähnlichen Verlauf
auch an zwei Hirnkranken beobachtete, welche starben; und
ferner auch die Brighi'sche Krankheit im granulösen Stadium
weder durch Eiweiss noch durch Cylinder im Harne jedes Mal
entdeckt werden kann. — E. WcLgner hat Coccius einen
18*
276 ^I^* Meissner, Mittheilnngen über die Thätigkeit
Fall siebenjäbrigf^r Niereukrankbeit von einer Frau mitgetheiit,
in welchem die Nieren bis zur Gross« welscher Nüsse ge-
schrumpft waren, und die Diagnose im lieben auch nichl
gestellt werden konnte. Ausserdem sind auch Fälle von
Amblyopie bei Nierenentzündung beobachtet worden, in denen
dib iettige Entartung fehlte, so dass man eine urämische
Vergiftung annehmen muss, gerade so wie in der Alkohol-
amblyopie einfache Hyperämie durchaus nicht Ursache der
Amblyopie, sondern diese auf eine wirkliche Intoxication
zurückzuführen ist, was bei einer grösseren Zahl von Kranken
leicht zu beweisen ist. — Die Hypertrophie des Herzens bei
der Nierenentzündung nur als Nebenerscheinung der Amblyopie
berührend, entschied sich Cocciua zur ursachlichen Erklärung
der fettigen Entartung der Retina für die Theorie einer
krankhaft veränderten Blutbeschaffenheit, welche bei der
Bright' sehen Nierenerkrankung die Entzündung der Netzhaut
veranlasse, so sehr man auf der anderen Seite auch in der
Controverse über die Entstehung der Fettkörnchen zum Theil
zugeben müsse, dass diese auch direct aus den Blutergüssen
hervorgehen könnten. Bei Amblyopischen in Folge von Eciampsie
(ohne Nierenerkrankung) beobachtete Coccius in einem Falle
Entzündung der Netzhaut an der Stelle des directen Sehens
in geringem Grade und Ausgang in völliges Verschwinden
der weissen Trübung und völlige Heilung der Sebstörung; in
einem Falle war bei Amaurose des einen Auges keine ohjective
Verändenmg nadiweisbar und das Gesicht stellte sich eines
Tages plötzlich wieder her; solche schnelle Wiederkehr des
Gesichtes nach starker Amblyopie beobachtete er auch an
einem durch Diphtherie am Gaumen und den unteren Ex-
tremitäten gelähmten Mädchen von 18 Jahren, und endlich
erwähnte er noch einen Fall von Hemeralopie an einer jungen
Frau, welche in zwei Schwangerschaften gegen das Ende
derselben auftrat und nach der Entbindung von selbst wicJi.
Er konnte hier weder im Urin, noch im Auge durch chorioideale
Hyperaemie oder Netzhautkrankheit eine Ursache für die
Hemeralopie auffinden. — In Bezug aiif die Behandlung der
Amblyopie bei BrtghV&cher Krankheit erklärte sich Coccius
für die örtlich antiphlogistische bei gleichzeitiger allgemeiner
n. d. Verhandl. d. Oesellaohaft f. Odbartshtilfe sa Leipzig etc. 277
Behandlung der Krankheit, bei geringen örtlichen Erscheinungen
und bei geschwächten Personen aber für die tonische Be-
handlung, besonders bei chronkchem Verlaufe.
Heute freut sich der Berichterstatter, durch eine Mii-
Iheilung des Herrn Becker- LauHch vom 7. April d. J. in
den Stand gesetzt zu sein, den Schluss obiger Kranken-
geschichte noch in diesem Jahresberichte, wie folgt, mit-
zutheiien: „Die Frau sieht vollkommen scharf auf dem linken
Auge, und das rechte, allerdings weniger scharf sehende und
mit einer leichten Ptosis des oberen Lides behaftete Auge
genügt allen den Anforderungen, die sie an dasselbe stellt. —
Vom 27. bis 28. Mär2 hatte ich unter steter Besserung des
Sehens folgende Mixtur nehmen lassen. Rec: Kali jodat 3j.,
Tr. Colocynthidis ^ij., Aq. as. foetid. 3j., Aq. menth. 3vj.
M. S. Drei bis vier Mal täglich einen TheeldlTel voll zu nehmen.
Vielleicht eine Folge davon war Abortus eines 27^ — Smonat»
liehen Fötus am 1. April, mit dem zugleich eine heilige
Kniegelenksentzöndung linksseitig eintrat. Unter entsprechender
Behandlung, besonders mit Jodtinctur und Einwickelung in
Watte ist auch dies Leiden beendigt und ich komme soeben
von der Frau, deren Dankbarkeit unendlich gross ist''
In der 98. Sitzung gab Herr Ploss in einer längeren
Mittheilung über die Personen, welche bei der Geburt
helfen, und das Hebammenwesen verschiedener
Völker im Besonderen, eine weitere Probe seiner cultur-
historisch -ethnographischen Arbeit, deren bereits im letzten
Jahresberichte gedacht wurde, und die für spätere Zeit als
selbstständiges Ganzes der VerölTentlichung vorbehalten bleibt.
An den Vortrag des erwähnten Capitels scMoss sich eine Be-
sprechung des wechselseitigen Zusammenhanges der griechischen
und altindischen Medicin nach Hippocrate$ und Susrutas.
In derselben Versammlung erbat sich auch Herr Flo$»
die Beihülfe der Gesellschaft, um zum Zwecke grösserer
statistischer Zusammenstellungen möglichst gleich förmig
rubricirte Uebersichten der stattgehabten Ope-
rationen von den verschiedenen Gebäranstalten zu erlangen,
wozu ein Antrag bei der Naturforscherversammlung das
passendste Mittel zu sein scheine. Dagegen machte Herr Grede
auf die Schwierigkeiten aufmerksam, welche es überhaupt
278 XIX. MeUiner, Mittheilntigen liber die Th8iigk«it
schon mache, von melnreren Anstalten irgend welche Nach-
richten zu erhalten.
In der 101. Sitzung gab Herr Hdfer das Referat ober
zwei Fälle von ihm durch Einlegung elastischer
Bougies eingeleiteter künstlicher Frühgeburt,
welcher Methode er namentlich vor dem Co%en*schen Ver-
fahren den Vorzug geben müsse: „Der erste Fall betrifft
Frau WaUher, Viertgebärende, jetzt 35 Jahre alt, welclie
als Kind von % Jahren schon lief, im zweiten Lebensjahre
aber heftig auf den Leib gefallen war, ohne dass sich eine
dadurch bewirkte Fraclur nachweisen liess, auch in Folge
dessen das Laufen nicht wieder verlernte, trotzdem aber
diesem Unfälle die Veranlassung der bei ihr seither so schwer
erfolgten Geburten zuschreibt. In ihrer Jugend will sie stets
gesund gewesen sein und war vom einundzwanzigsten Jahre
an in regelmässigem Typus, aber spärlich, menstruirt
Siebenundzwanzig Jahre alt sei sie nach einer ohne grosse
Beschwerden regelmässig verlaufenen Schwangerschaft zum
ersten Male vermittels der Zange entbunden worden, die
Operation habe ganze fünf Stunden gedauert, der Knabe sei
zwar lebend geboren worden, aber nach 11 Stunden in Folge
von zu heftigem Drucke auf die Kopfknochen (das linke Auge
war herausgedrückt) gestorben. Zwei Jahre darauf erfolgte,
ebenfaUs sehr schwer, die Entbindung von einem todten
Mädchen. Bei der dritten Geburt am 12. September 1859
wurde nach einer 1% stündigen Zangenoperation das Kind
asphyctisch geboren und konnte nur mit der grössten Mühe von
meiner und der Hebamme Seite zum Leben gebracht werden,
aber erst am zwölften Tage schrie dasselbe vollständig und
begann zu saugen. Durch Druck auf den linken Nervus cruralis
der Mutter war der betreffende Fuss gelähmt und erst nach
Monate langer Anwendung der Electi*icität mittels Inductions-
apparates war das Gefühl in demselben und das Vermögen
zu Gehen wieder hergestellt worden. Somit war die künstliche
Frühgeburt fQr die nächste Schwangerschaft indicirt, welche
nach der Anfang April 1861 erfolgten letzten Menstruation eintrat
und Ende August die ersten Kindesbewegungen fühlen Hess*
Am 8. December 1861 wurde sie von mir explorirt, die
CoDJugata externa mit dem Baudeloeque'edien Instrumente
n. d. VflrfaMidl. d. QeselbeliHffc f. Gebortf bfilfe in Leipsig etc. 279
betrug 6 Zoll 6 Linien, der Rmgumfang des Beckeneinganges
nach Kiiotsch 83 Centimeter; die Conjugaia interna auf
3V4 Zoll, die Entfernung der Tubera ischii auf circa 2Vs Zoll
geschätzt, die Rami descendentes ischii einander genähert,
der Torliegende Kindestheil hoch oben im Beckeneingange
schwer zu fühlen, wahrscheinlich in Unterendlage. Bei der
äusseren Untersuchung zeigte sich der Kopf links, Herzschlag
rechts vom Nabel. Am 12. December, Nachmittags 47« Uhr,
wurde im Beisein des Herrn Dr. £. A. Mei$sner eine
Darmsaiten -Bougie von kaum einer Linie Dicke nach voraus-
gegangener einzölliger Erweichung der Spitze im heissen
Wasser und EinÖlung , während die Schwangere in der linken
Seitenlage sich befand, in den etwas klaffenden Muttermund
unter leicht drehenden Bewegungen bis auf 7 Zoll ohne
Schmerzempfindung eingebracht Schon gegen 6 Uhr traten
zwei heftige Wehen auf, setzten aber dann bis gegen 10 Ubr
aus, in der Zwischenzeit dumpfer Kreuzschmerz und Pressen
auf die Blase. 974 Uhr zeigte sich noch keine wahrnehmbare
Veränderung am Mutterhalse, aber sehr aufgeregter Körper-
zustand, als dunkelrothes Gesicht, Haut heiss, mit Seh weiss
bedeckt, Puls 116, voll, hart; dabei Klagen Ober periodisch
auftretende heftige Kopfschmerzen. Sinapismus im Nacken
und ein Brausepulver verminderten diesen Zustand etwas,
doch trat in der Nacht kein Schlaf ein« denn von 1 Uhr
(13. December) an erschienen Wehen in Pausen von 10 bis
15 Hinuten bis gegen %1 Uhr Morgens. Eine Stunde später
fand ich die Bougie, theils durch die Wehenthätigkeit, theils
•
durch die Bewegungen beim Urinlassen aus dem Uterus
herausgedrängt, in und vor der Mutterscheide liegend; der
Muttermund aber höchstens für eine Fingerspitze durch-
gängig. — Ich brachte daher von Neuem eine Bougie von
2 Linien Stärke ein, konnte sie aber höchstens Bis auf 5 ZoU
hioaufschieben, weil sofort Wehen eintraten, die sich bis
Mittag in Zwischenräumen von einer halben Stunde wieder-
holten. Dabei klagte die Frau über den Kopf, Puls weicher, 104.
Nachmittags wiederholten sich die Wehen häufiger, von 3 Uhr
Nachmittags an nach je 5 bis 8 Minuten und von 1 bis IV« Minute
Dauer, so dass Abends 6 Uhr sich die Blase hervor-, bald
darauf auch die Bougie herausdrängte, 8 Uhr der Muttermund
280 ^1^- MeisMer, liittheilangen fiber die Tfafttigkeit
volIstSndig erweitert war und der Blaseosprong erfolgte. Der
Steiss des Kindes zeigte sich um diese Zeit hoch oben im
schrägen Durchmesser des Einganges von links nach recLts
sich einstellend und blieb trotz der häufigen und kräftigen
Wehen bis 9 Uhr daselbst stehen, worauf er in die Höhle
einrückte. 74^0 ^'^i* ^^^^ ^^^ Steiss zum Durchschneiden,
kurz darauf der übrige Rumpf, der linke Arm wurde ziemlich
schwierig zuerst gelöst, die Nabelschnur mehrmals um den
Hals geschlungen, nicht mehr pulsirend gefunden*, der Kopf
ruckte aber wegen einige Minuten aussetzender Wehen nicht
gleich nach. Nach Reibungen des üteinisgrundes ruckte der
Kopf im schrägen Durchmesser in die Höhle, wurde dort
durch den SmeUie*schen Griff in den geraden Durchmesser
übergeführt und entwickelt. Das Kind, ein Mädchen, blieb
trotz allen angestellten Belebungsversuchen todt Blutimg un-
bedeutend, Nachgeburt nach Crede*s Methode entfernt Wegen
des wiederum ziemlich aufgeregten Zustandes der Wöchnerin
wurde Emulsio papaverina cum Nitro verordnet; der Uterus
war bei Druck empfindlich. Nachwehen sehr heftig und häufig
wiederkehrend. Puls 112. — 14. December. Sinapismus aaf
den Unterleib, Puls 100, doch Schlafmangel und heftige Nach-
wehen fortdauernd. Unter Gebrauch von Emulsio oleosa cum
infuso ipecacuanhae et tinctura thebaica verlief der übrige
Theil des Wochenbettes normal."
„Zweiter Fall. Frau Lippe , 28 Jahre alt. Zweitgebärende,
eine anämische Frau, war in frühester Jugend angeblich hieis
gesund, litt vom 10. Jahre an häufig an Ohnmächten, bis
vom 18. Jahre an die Menses im vierwöchentlichen Typus
ein bis zwei Tage lang spärlich, doch regelmässig zu
fliessen begannen, worauf sie in der ersten Schwangerschaft,
bei ausserdem normalem Verlaufe, viel an Erbrechen litt.
Wegen zu grosser Beckenenge musste am 31. August 1860
vom Herrn Dr. E. A. Meissner das Kind perforirt werden,
darauf erfolgte Ulceratio vaginae et labiorum pudendorum,
Blasenlähmung und ^Rententio urinae, weshalb der Katheter
sechs Wochen lang früh und Abends applicirt werden musste.
Vollständig genesen, war sie Mitte April 1861 abermals zuletzt
menstruirt und fühlte Mitte September die ersten Kindes-
bewegungen, befand sich im Uebrigen während dieser Schwanger-
n. d. VerhAiidl. d. Qesellsehaft f. Oebnrtshulfe s« Leipzig etc. 281
Schaft wohl. Am Ende der 36. Schwangerschaftswoche, am
4. Januar 1862, wurde die Exploration von meiner Seite in
Gegenwart des Herrn Dr. E. A, Meissner wiederholt und
dabei die Conjugata externa nach Baudelocque 6"2"\ nach
Kiwisch der Ringumfang 76 Centimeter, die Conjugata interna
kaum 3 Zoll und als vorliegender Theil der Kopf gefunden.
Nachmittags 4y4 Uhr wurde eine Bougie von gleicher Stärke,
wie im ersten Falle, in der linken Seitenlage bei verkürztem
Hutterbalse*in den nicht geöffneten Muttermund unter leicht
drehender Bewegung jedoch nur 4 Zoll weit eingebracht; das
Hinderniss war wahrscheinlich durch den Sitz der Placenta
bedingt Trotz dieser geringen Länge traten die ersten
heftigen Weben ebenfalls gegen 7 Uhr Abends auf, wieder-
holten sich um 10 Uhr leicht wieder , worauf die Frau einige
Stunden lang ruhig schlief. Zwischen 12 und 1 Uhr Nachts
klagte sie ebenfalls aber Kopfweh, bekam leichte fieberhafte
Aufregung, jedoch nicht in dem Grade, wie Frau Walther,
weshalb auch Senfteig und Brausepulver nicht in Anwendung
kamen. Gegen Morgen verlor sich dieser Zustand, auch
empfand sie immerwährendes Pressen und Drängen auf Mast-
darm und Blase. Gegen 12 Uhr Mittags (am 5. Januar)
wurden die Wehen häufiger und stärker ; Nachmittags zwischen
2 und 3 Uhr wurden sie kräftiger und wiederholten sich alle
Viertelstunden. Abends 10 Uhr war der Muttermund voll-
ständig erweitert und die Bougie herausgedrängt ; froh ^2 Uhr
fand der Blasensprung statt, der Kopf rückte in den Becken-
eingang und wurde darauf mit seinem vorliegenden Segment
bis in die Höhle hineingetrieben, wo er stecken blieb und
V44 Uhr die Entwickelung desselben mit der Zange bewerk-
stelligt wurde. Die Schultern und Arme folgten leicht, die
Nabelschnur ist sehr snlzig. Das Kind, ein anfangs asphyctisches
Mädchen , machte nach Beiben und Börsten langsam periodische
Athembewegungen , die allmälig kräftiger wurden und im Bade
zum kräftigen Schreien sich steigerten. Die Mutter war nach
der Geburt sehr aufgeregt, der Puls besclileunigt, weshalb
Emulsio semin. papav. cum syrupo diacodii verordnet wird.
Das Wochenbett verlief normal. und die Muttor konnte selbst
nähren. Das Mädchen ist jetzt ein gut genährtes Kind, das
vor circa 14 Tagen entwöhnt worden ist." —
282 ^IX. MeUgner, MUtheiliiii|ren über die ThBtigktit
^Wenn man beide Fälle vergleicht, so ist der Erfdg
in der Wirkung des angewandten Mittels fast in allen seineo
Einzelnheiten ein gleichmässiger: Die erste Webenthätigkeif
(ritt in beiden nach ungefähr zwei bis drei Stunden einige
Male mit Heftigkeit auf; es folgt eine gewisse Ruhe, wdcbe
aber nur scheinbar ist, denn die vorbereitenden Wehen geben
ruhig vor sich, sie äussern sich aber nur in ebsem Dräagen
und Pressen auf Mastdarm und Blase. Mit diesen Erscheinungen
der Wehen thätigkeit tritt zugleich, vrie es ja auch so häufig
hei ganz normalen Geburten vorkommt, ein Congestivzustand
nach dem Gehirn ein, dieser ist aber nicht rein mechaniscber
Natur, er muss auch mit Rücksicht auf den psychischen
Zustand der Frau gewürdigt werden; Uuruhe** des Gemulhes
und Aengstlichkeit wegen des weiteren Verlaufes der Geburt
und der glücklichen Beendigung, wie Furcht vor weiteren
operativen Eingriffen giebt sich in ihren vielfachen Fragen
zu erkennen, und wird nur allmälig durch die Zuspraclie
des Arztes, durch angewandte Palliativa beschwichtigt —
Was die Kräfligkeit der späteren Wehen anlangt, so ist
t'benfalls eine Parität vorhanden; in dem ersten Falle bei
einer kräftigen Frau ist nach circa 26 Stunden der Mutterhals
verstrichen und der Muttermund vollständig eröffnet; währeod
bei der anderen, schwächeren Frau dasselbe zwar erst nach
34 Stunden geschieht; die übrigen Geburtsperioden aber finden
:a gleich schneller Zeit statt. — Das Wochenbett ti*itt beide
Male unter den nämlichen Erscheinungen der noch vorhandenen
Gefasserregung auf, doch sehr bald verschwindet dieses und
jenes nimmt seinen normalen Verlauf. — Noch ist ein Um-
stand von Wichtigkeit zu bemerken: Bei dem einen Falle ist
die Bougie 7 Zoll weit in die Gebärmutterhöhle eingebracht
worden, während bei dem anderen jene nur 4 Zoll in diese
eingedrungen ist; und doch treten die Wehen in gleicher Zeit
und gleich hinsichtlich der Stärke und des Verkaufes ein, das
Resultat ist mithin ein gleiches. — Wenn ich mir scbliesshcfa
erlaube, ein Urlheil über die Ausführbarkeit der Operation
abzugeben, so halte ich diese Methode für die leichteste und
ungefährlichste ; die an der Spjtze erweichte und aufgelockerte
Darmsaiten -Bougie dringt mit der grössten Lieichtigkeit, ohne
n. d. VerhaDdl. d. Geeellsehaft f. Gebartahülfe %u Leipzig etc. 283
den iDtnde8teD Schmerz hervorzurufeD, zwischen den Eihiuten
und der inneren GebarmuUerwand in die Gebärinutterhöble ein,
bleibt daselbst bis zur völligen Verstreicbung des Multerhalses
und ErölTnung des Multermuodes liegen, um durch die Wehen-
thätigkeit von selbst herausgedrängt zu werden. Nur das Eine
ist fiir die Kreissende unangenehm und unbequem, dass sie
Stunden lang auf der Seite liegen bleiben muss, auch einige
Vorsicht beim Urinlassen anzuwenden hat, damit beim Auf-
stehen, Aufsitzen und Sichwenden im Bette die Bougie nicht
mit hervorgezogen wird, wie es beim ersten Fall eintraf —
In der 98. Sitzung zeigte Herr Hennig eine von ihm
angegebene, neue und vom Instrumentenmacher Patisch hier
zuerst gefertigte Vorrichtung am Cranioklast vor, die
sich ebenso leicht auch an der Kephalotribe anbringen lässt,
mn das Abgleiten und Nichtfolgen Seiten des verkleinerten,
resp. nur zusammengedrückten Schädels zu verhüten, ohne
wie ein stark nach Innen hervorragender Haken (der überdies
nicht leicht in einer Branche noch anzubringen) Schwierig-
keiten bei der Anlegung unter beengten Raumverhällnissen
darzubieten. In einer Branche von Siinpson*& Cranioklast
war ein halb vertieft gelagerter Stab angebracht, bei dessen
Herabziehung nahe am Ende der Kopfkrümmung ein recht-
winkelig hervorspringender Doppelzahn den Schädel
von hinten fixirt, mit Aufschiebung des Stabes aber wieder
zurücktritt. Beim Anlegen der betreffenden Branche störe
der feine Stab nicht, da die dadurch verursachte Raum-
verkürzung gleich Null sein dürfte.
Ein in der 105. Sitzung von Herrn Haake gehaltener
Vortrag über Extraction der Frucht am Steissende
ist bereits in Küchenmeister*» Zeitschrift für Medicin, Chirurgie
und Geburtshulfe , Neue Folge, U. Bandes 2. Heft, Seite 77
erschienen. Dem Vortrage in unserem Kreise folgte e'iaa
allgemeine Besprechung, in welcher die Anwesenden ihre
einschlagenden Erfahrungen mittheilten.
Einiges über die Enibryotomie in der heutigen
Geburtshulfe sprach der Berichterstatter unter Miltheilung
eigener Erfahrungen in der 99. Sitzung. Die Gruudzüge des
frei gehaltenen Vortrages sind kürzlich später in der Beilage
sub No. 2 zusanimengefasst worden.
284 ^IX- Meissner, Hittheiinngen fiber die Th&iigkeit
Herr Sichel veranlasste am ScUasse der 105. Sitzung
eine kleine Besprechung über Dammrisse unter Mittlieilung
der von einem Arzte (der aber nicht zugleich auch Geburts-
lielfer) aufgestellten Frage, ob es nicht möglich sei, eine
Rinne an der hinteren Scheidenwand so anzubringen, dass das
gesammte Lochiarsecret über die Wunde hinweggeleitet würde.
Man hielt diesen Vorschlag für unausführbar, abgesehen von
der Unbequemlichkeit, welche ein blosser Versuch schon für
die Wöchnerin herbeiführen müsse; dagegen für die meisten
Fälle das Zusammenbinden der Schenkel, ileissige Injectionen
in die Scheide und Katheterisiren für genügend. Herr Crede
dringt auf Ocularinspection bei jedem irgend fraglichen Falle
wegen der so häufig vorkommenden Verheimlichung dieser
Verletzung durch Hebammen und Wartefrauen.
In der 104. Sitzung gab Herr Crede eine Darstellung
der jüngsten Puerperalfieber-Epidemie, welche im
Monat November v. J. mit der grössten Bösartigkeit und
Heftigkeit in hiesiger Königlicher Entbindungsschule
auftrat. Der Epidemie voraus ging eine grosse Zahl von
Frühgeburten, nicht nur bei Hausschwangeren, sondern auch
bei Personen, die erst mit Eintritt der Geburt in die Anstalt
kamen, wobei das dem Grade der fehlenden Reifezeit nicht
entsprechende schnelle Versterben vieler zu früh geborenen
Kinder in den ersten Lebenstagen auffallend war. Nicht
minder gingen der Epidemie selbst hochgradige Fieberzustände
einzelner Wöchnerinnen ohne locale Erkrankungen voraus, bis
der erste tödtliche Erkrankungsfall nach einer am 17. November
fM folgten, an sich leicht verlaufenen Geburt eines todt^^n
Knaben mit nachfolgender Metrorrhagie eintrat, welche durch
Massiren des Uterus und kalte Injectionen znm Stillstand ge-
bracht worden war. Die zweite tödtliche Erkrankung folgte
einer schweren Zangenoperation. Sehr schnell folgten nun
die übrigen Erkrankungen, so dass zuletzt keine Wöchnerin
(auch nach Beziehung eines neuen Stockwerkes) fieberfrei
blieb. Am häufigsten war Peritonitis und Lymphangoitis , im
zweiten Fall begann die Erkrankung mit Gangraena labiorum
pudendorum, der Vagina, des Muttermundes; in einem' Falle
fand sich selbst Gangrän der Bedeckungen des Musculus iliacus.
Dem heftigen Fieber gegenüber zeigte sich eine vollständige
ü. d.Verhasdl. d. Gesellschaft f. Geburtsbülfe zu Leipsig etc. 285
Wirkungslosigkeit aller dagegen angewendeten Mittel, und die
hartnäckige Verstoprung trotzte oft den stärksten Drasticis
längere Zeit. Die Therapie bestand meist in CaJomel und
Jalappe (auch prophylactisch ohne Erfolg für den Ausgang
angewendet), tiächstdem in Chinin, Morphium und in Chlor-
injectionen in die Vagina. Blutentziehungen und Mercurial-
salben wurden nicht angewendet Niemals zeigte die Obduction
Endometritis oder Gangrän der Uterusschleimhaut, oder Ent-
zündung der Tubenmündung, wodurch directes Vorwärts-
schreiten einer durch lofection entstandenen Diphtherie sich
nachweisen liesse. Bei einem Kinde zeigte sich Gangrän der
Nabeigegend, bei einem anderen trat Tod durch Zellgewehs-
sclerose ein. — Nach dem Tode von sieben Müttern wurde
das Haus gesolilossen und die Localität vollständiger Renovation
unterworfen, während die Gebärenden tn Privatbäusern der
Stadt untergebracht werden mussten. Zwei erkrankte junge
Wöchnerinnen wurden dagegen in's Jacobshospital transferirt,
wo sie (dort von Herrn Wunderlich mit unterschwefeJig-
saurer Magnesia behandelt) unter gleichen Erscheinungen
starben und gleiches Sectionsergebniss zeigten. — Die Wieder-
eröffnung der Thätigkeit im Institutslocale zeigte Herr Cred^
in der 105. Sitzung mit der Notiz an, dass indessen auch
dann noch eine Wöchnerin, welche mit einem faultodten,
unreifen Kinde niederkam und deren Nachgeburt zum Theil
nicht entfernt werden konnte, unter typhösen Erscheinungen
erkrankt und in's Jacobshospital übertragen worden sei, wo
sie gleichfalls starb. Die Section ergab Pneumonie und Endo-
metritis mit Piacentarresten. Weitere Erkrankungen kamen
dann nicht mehr vor.
Als Beiträge zur vergleichenden Geburtshülfe ferner ge-
langten zur Mitlheilung in der 103. Versammlnng aus dem
durch Herrn Kreissecretair Dr. phil. Schwarzwadler freund-
lichst überlasse nen Protocoll einer hier am 2. October v. J.
gehaltenen Versammlung von Thierärzten und Landwirthen
zwei Punkte, betreffend: 1) die Frage: „aus welchen
Ursachen geben die Königlichen Landbeschäler
weniger Füllen als Privatbeschäler?'' und 2) die
Häufigkeit des Verkalbens bei Perlsucht der Kübe.
Ueber letzteren Gegenstand erhielt die Gesellschaft auch die
288 XIX* Meiuner, llittheilnogen fiber die Tbiiiigk^U
längere Zeit in der hiesigen bumöopathiscben Poliklinik ver-
geblich mit StreukugeJrhen behandelt worden war und bei
der Untersuchung einen Uterinpolyp darbot, der durch die
Siebold*»che Scheere entfernt wurde.
Die von Herrn Hennig für die letzte Versanonilung
angekündigte Erörterung der Frage über die Möglicbkeii,
Flüssigkeiten vom Uterus aus durch die menschliche
Tuba zu spritzen, musste der zu weit TorgeschriUeoen
Zeit halber vertagt werden.
Wir wenden uns jetzt zu den besprochenen Capiteln der
PAdiatrik und gedenken eines neuen BelebungsmitteJs
bei Asphyxie der Neugeborenen, welches Herr i^r^^/ott
in Zürich zuerst mit einigem Erfolge au eiuem durch den
Kaiserschnitt nach dem Tode erhaltenen Kinde angewendet,
bei dem offenbar vorzeitige Athembewegungen staltgefunden
hatten, indem Mund, Rachen und Nase voll zähen Schleimes
waren, dessen Entfernung erst gelang, als B. seinen Mund auf
den des Neugeborenen setzte und die in ihm enthaltene zähe
Flüssigkeit adspirirle (Monatsschrift für Geburtskuode,
Bd. 20, S. 72). Herr Hennig lenkte in der 102. SiUung
die Aufmerksamkeit auf diese neue Methode, welche an-
gesichts der von Hüter und ^Schwarz längst nachgewiesenen
massenhaften Schleimansammlungen selbst in den tieferen
fironchialverzweignngen gewiss, rationell zu nennen sei, aber
für den dieselbe ausübenden Arzt durchaus nicht überall
ganz unbedenklich erscheine, so z. B. bei der so vielseitig
constatirten syphilitischen Choryza der Neugeborenen, oder
wenn diese blenon*hoiscbes Vaginalsecret verschluckt halten;
auch die traurigen Opfer, welche das Aussaugen des Blutes
aus der W(mde nach Tracheotomie croupöser Kinder bereits
gekostet, müssten zur grössten Vorsicht in dieser Hinsiclit
aulTordern, und uns lieber zu dem Zwecke auf den Mund
des Kindes eine Extractionsspritze appliciien lassen, wie H.
sie in seiner Sclirifl über den Catarrh der inneren weiblichen
(■eschlecbtstheile zur Entfernung des Schleimpfropfes aus dem
Mutterhaiscanale angegeben.
In der 99. Sitzung stellte Herr Kreuasler aus Reiidnitz
ein 10 Wochen altes Kind mit offenem Däiindarm>
divertikel am Nabel vor, bei dem später Herr Hennig,
n. d. VtriMndl. d. Gesellscbafl f. Geburtghfilfe sn Leipsig etc. 289
nachdem sich eine Vs Zoll lange Ausstfilpnng der Divertikel-
wände gebildet halte, durch Abbinden und Aetzen yollkommene
Heilling erzielte. Mit dem Berichte Aber diese Heilung in
der 102. Versanmdung ferband Herr Hennig einen kleinen
Vortrag über die Pathologie der Dönndarmdivertikel unter
namentlicher Bezugnahme auf die anatomischen Untersuchungen
von Meckel und Foerster, wie die von Oeaentus und BlcLsins
berichteten Fälle von Einklemmungen derselben.
Nachdem durch den Berichterstatter bereits in der
97. Sitzung ein diphtheritisches Product der Nase
eines zweijährigen Kindes vorgezeigt, welches die ganze hnke
Nasenhältte ausgefällt haCte, auch unter Mittheilung der be>
treffenden mit dem Tode an Bronchialcroup endenden Kranken-
geschichte, hinsichtlich der Pathogenese in diesem Falle auf
die Möglichkeit der Infection durch eine an corrodirender
LeucoiThoe leidenden Wärterin hingewiesen hatte; — ver-
dankten vnt in der 103. Versammlung Herrn Kirsten die
Mittheilung Qber eine Epidemie von Diphtheritis in
Nordamerika aus der Feder Dr. Eduard Joerg'^ in
Gondersport in Port Caundy in Pennsylvanien, welche wörtlich
Tolgendermaassen lautet: „Der Charakter der Krankheit
besteht in einer fauligen Halsentzündung, die sich zuweilen über
den Rachen, den oberen Tbeil der Mundhöhle, die Schleimhaut
der Nase und die Luftröhre fortsetzt und dann gewöhnlich
mit dem Tode endeL Dem Charakter fauliger Krankheiten
gemäss werden die Prodromi des Uebels gewöhnlich, wal sie
sich durch Schmerzen nicht äussern, öbersehen und unter-
schätzt und namentlich bei Kindeni findet man die Rrankheit,
sobald sie über Schmerzen im Halse klagen, schon ziemlich
eiflwickelt. Sie muss sich natörlich, wie alle anderen
ansteckenden Krankheiten, von geringen Anfangen, unter
ungänstigen zufälligen Umständen aus atmosphärischen oder
anderen Einflüssen entwickelt haben, gewiss aber und un-
bestritten ist es, dass sie in ihrer gegenwärtigen ausgebildeten
Form sich einzig und allein durch Ansteckung verbreitet und
zwar ganz nach den Regeln anderer ansteckender Krankheiten.
Sie befällt Personen jedes Lebensalters, doch häufiger Kinder
und Personen in den zwanziger Jahren, als ältere, auch ist
lloiiato8«br. f. Oebortuk. 1868. Bd. XXII., Hft. 4. 19
290 21^* IfeMMMT, MitthtUoBgen über dU TUtSglieU
sie bei leUteren viel sicherer und schneller heitt»ar, als bei
jüngeren. Die Ansteckung kann noch nach Wer Wochen den
Ausbruch der Krankheit bewirken, wovon ich in njehreren
Fällen Beweise hatte. Das Hebel ist sich selbst u^ieriassen,
mit wenigen Ausnahmen tödllich , weicht aber einer rationeUen
Behandlung in 49 Fällen von 50 sehr bald, und ist denioach
die Prognose sehr günstig, obschon in den Vereinigten Staaten,
namentlich im Norden, viele Tausende von Kindern und Er-
wachsenen demselben erlagen. Ich selbst habe nicht einen
einzigen Kranken an dieser Fest verloren, und auch nur
ein Mädchen von adit Jahren daran sterben sehen. Sie war
die erste in unserem Orte davon Befallene und ihre Mutter
bebandelte sie drei bis vier Tage lang mit Hausmitteln.
Am fünften Tage (den 1. März 1862) rief sie erst einen
Arzt, der die Kranke für unheilbar erklärte, am Tage darauf
Abends wurde ich zu einer Consuitation eingeladen, nud
obschon ich wenig Hoffnung hatte, rieth ich dennoch das
zweckmässigste Heilverfahren streng . durchzuführen und Nichts
zu versäumen, was die Genesung noch ermöglichen könnte.
Allein obgleich am dritten Tage (ärztlicher Behandlung) eine
geringe Besserung eintrat, starb die Kleine dennoch am
fünften. Vielleicht hätte auch sie gerettet werden können,
allein die schwache und leichtsinnige Mutter erlaubte iiir kaltes
Getränk, £is und Schnee, um den Mund zu kühlen, und war
nachlässig in der Anwendung der nöthigen Heilmittel, theils
weil sie selbst die Hoffnung aufgegeben, theils weil sie meinte,
um die Kranke nicht zu plagen. Der Tod erfolgte, ähnMcb
dem beim Croup, durch langsames Ersticken. Ueberhaupt
kommen selten die niemals sehr quälenden und gewaltsamen
Erstickungszufalie vor, wie bei Brustwassersucht. Im Gegen-
theile sind die Kranken bis kurz vor dem Tode noch im
Stande, aufzustehen und zu gehen, und verrathen dem ober-
flächlichen Beobachter keine Gefahr. Einer meiner GoUegen
bat in der Nähe und auch ziemlich entfernt von hier viele
Kranke verloren und mir häufig diese Bemerkung gemacht,
die sich auch in den Berichten anderer Aerzte bestätigt fand, —
Dia pathognoroonischen Kennzeichen der Dipluberie
bestehen neben ihrem fauligen Charakter in weissen oder
weissgelblichen , einen häutigen (Jeberzug bildenden Flecken,
n. d. y eiliandl. d. GeseUseUft f. Gebarttbülfe in Leipzig etc. 291
die sich gewöhnliob zuerst an der inneren Flache einer oder
beider Tonsillen, zuweilen aber auch an der hinteren Wand
der Fauces oder an der Uvula» ja sogar hinter derselben,
und am hinteren Rande des Arcus tonsill. post zeigen. Solclie
weisse, häutige, wie Schimmel aussehende und zuweilen ober
m
eine Linie dicke Flecken müssen täglich zwei Hai mit HöUeiH
stein betupft werden, worauf sie dann meistens in zwei bis
drei Tagen verschwinden. Anstatt der erwähnten weissen
Flecke sieht man zuweilen auch gelbliche, mehr längliche
als runde Geschwüre oder Schrunden an und neben den
Tonsillen oder an der hinteren Wand der Fauces; dieselben
bedürfen nur -des ein- oder mehrmaligen Betupfens mit einei'
saturirten Spirituslösung von Jod , um zu heilen. Sehr sekeu
sieht man die Tonsillen mit weissen Punkten bedeckt, als
wären sie mit Kreidepulver bestreut Das erste Auftreten der
Krankheit und auch diese verschwinden fast ohne Ausnahnje
nach Anwendung der Jodtinctur. Sorgfaltige Beobachter ihres
eigenen Zustaudes empfinden als erstes Merkmal der Krank-
heit einen plötzlichen, eigenthumlich brennend -atechenden
Schmerz der sich von Ohr zu Ohr durch die Fauces und
entlang der Zungenwurzel erstreckt, oder auch nur an einer
Seite unter dem Winkel der unteren Kinnlade erscheint. Je
nachdem nur eine oder beide Seiten des Halses afißcirt sind.
Alle Kranke beschrieben die Empfindung als verschieden von
jeder anderen, die sie früher bei Halsleiden und selbst bei
chronischer oder häufig wiederkehrender Entzündung der
Tonsillen und des Rachens gefühlt. Ich selbst kann dies
aus Erfahrung bestätigen. Der Schmerz kam so plötzlich
und war so eigenthumlich und aussetzend, dass ich ihn für
eine hinreichende Warnung ansah und gleich darauf meinen
Hak untersuchen liess, wo sich denn auch beide Tonsillen
wie mit Kreide bestreut landen. Binnen 24 Stunden war das
Uebel aber auch schon beseitigt. Gewöhnlich sind die Tonsillen
oder andere mit der weissen Membran oder den gelben
Schrunden afficirten, sowie die äusseren Theile zu beiden
Seiten des Halses geschwollen und letztere zuweilen so be-
deutend und so hart, wie bei Parotitis, zuweilen aber auch
nur eine geringe Spur von innerer oder äusserer Geschwulst
voi'handen. Die Zunge ist gewötinlich anfangs rein oder nur
19»
292 ^'^- MMmur, liittheiluigeii ftb«r die Tbitigkeit
wenig belegt, der Athein aber entsetzlich fauKg stinkend,
und wenn selbst dieses Symptom in grösserer Ausdebnong
fefilen sollte, so hallet doch an dem Löffelstiele, mit dem man
die Zungenwurzel niedergehalten, ein aashafler Geruch. Der
Puls ist in der Regel nur wenig beschleunigt, selten mehr,
als bei einem einfachen Caiarrh und der Appetit gut Ueberfaaupt
halten sich die Kranken für gesund, mit Ausnahme eines
leichten Hindernisses beim Schlucken und des eigenthümbcli
brennend -stechenden Schmerzes in der Kehlgegend, und da
selbst dieser bei Vielen nicht sehr heftig ist, so wird er
auch häufig nicht berücksichtigt, und die Kranken suchen
erst Hülfe, wenn das Uebel ziemlich weit vorgeschritten ist.
Manche Kranke klagen auch über mehr oder weniger heftige
Schmerzen an der Nasenwurzel und dies ist stets ein Zeichen,
dass das Uebel sich nach der Nasenhöhle auszubreiten an-
fängt, und eine Mahnung, mit der grössten Energie und £ile
zu verfahren, ^ird der Krankheit nicht Einhalt gethan, so
überzieht die Aflermembran nach und nach den ganzen
Gaumen, Schlund, die Luftröhre und Nasenhöhle, und macht
das Athmen fast unmöglich, ja die weisse Membran dringt
zuweilen aus beiden Nasenlöchern hervor und erscheint in
der Form abgebrochener Thoupfeifenröbren. Mit der Zunahme
der Krankheit entsteht Fieber, der Puls wird sehr hfiufig,
schnell und klein und zuletzt zitternd. Bis fast zu Ende der
Krankheit ist das Gesicht geröthet und das Benefan»en der
davon Befallenen wenig verschieden vom gesunden Zustande;
namentlich sind junge Leute beider Geschlechter vom 15. bis
25. Jahre sehr häufig lustig und frohen Mulhes und kaum
zu bewegen, den ärztlichen Anordnungen Folge zu leisten,
obschon ein solcher Patient im Stande ist, mit seinem Odem
das ganze Haus zu vergiften. — Die Diagnose ist dem
Obigen zu Folge sehr leicht festzustellen: denn ^ewohl bei
manchen Personen häufig bei Angina tonsillaris weisse Flecken
an den Tonsillen sichtbar sind, so fehlt doch bei diesem
Uebel der aashafte Geruch und mehrere andere patbognomo-
nisdie Symptome der Diphtherie. Ausserdem erzeugt Angina
tonsillaris sowie jede andere catarrhalische Halsentzdndung
mehr Schmerzen und ein scheinbar grösseres Allgemeinleiden,
als dies jemals bei Diphtherie der Fall ist* Deshalb ist es
Q. d.TerIiandI. d.Gesellschaft f,0«biirtfihülfe sa L^pzi^*etc. §93
auch nötbig, an Orten, wo die Krankheit verbreitet, oder in
FainiKen, wo schon ein Glied davon ergriffen ist, täglich
den Schlund der Kinder zu untersuchen, um das Uebel zeitig
genug zu entdecken, denn mehr als die Hälfte aller davon
befallenen Personen und namenllich Kinder klagen nicht eher
über Halsschmerzen, als bis die Krankheit schon bedeutende
Portschrille gemacht hat. Bei Säuglingen wurde es namentlich
sehr schwer sein , das Vorhandensein der Diphtherie rechtzeitig
zu entdecken; daher habe ich denselben stets, wo die Krank-
heit in der Familie herrschte, je nach ihrem Alter 4 bis 6 Gran
Chinin als vorbauendes Mittel gegeben und dadurch stets
meinen Zweck erreicht, selbst wenn jedes andere Familien-
mitglied von den Grossälteru bis zu den Enkeln an dem
Uehel litt. — Von der Prognose habe ich schon froher
bemerkt, dass sie bei zweckmässiger und zeitiger Behandlung
sehr gönstig, die Diphtherie aber sich selbst überlassen und
unrichtig behandelt, meist tödtlich ist. — Behandlung. Man
beginnt mit einem Abfuhrmittel (Ricinusöl, Pillen aus Aloe
und Jalappe, Infusum Sennae etc.), wobei man darauf zu
sehen' hat, dass binnen sechs bis acht Stunden wenigstens
vier bis sechs Ausleerungen erfolgen. Sogleich nach der
ersten derselben beginnt man Chinin zu geben und zwar für
die verschiedenen Alter in Proportionen, wie ich in meiner
Schrift über die Cholera angegeben. Es ist fast ohne Aus-
nahme nöthig, das Mittel so lange fortzubrauchen , bis
Ohrensausen entsteht, und es dann täglich noch in kleineren
Gaben fortzusetzen, bis alle pathognomonischen Kennzeichen
der Diphtherie verschwunden sind. Wie oben bemerkt, werden
die weissen häutigen Stellen im Schlünde täglich zwei Mal (selten
ist es nöthig, es öfter zu thun) mit Höllenstein, die gelblichen
Schrunden dagegen oder ganz dünne Anfänge der weissen
häutigen Stellen mit saturirter Jodtinctur betupft. St^bald in
beiden Fällen anstatt der weissen oder gelben Flecken reine
Wunden sichtbar werden, unterlässt man die erwähnten
örtUchen Applicationen. In den schlimmsten Fällen ist es
rathsam, den Hals mit einer Chlorkalkauflösung öfters gurgeln
und alle zwei Stunden etwas davon in die Nasenlöcher spritzen
zu lassen. Aeusserlich lasse ich den Hals reichlich mit
Liniment, volat camphor. oder Capsicumtipctur einreiben und
294 SIX« MeiMn^r, MUtheilnngeii über die TIiiHgkeit
unter dem hinteren Winkel der unteren Kiniriade Pine Steile
von ly^Zoil im DarchmeBSer mit Jodlinctur bestreichen (ein
Mal täglich) und Zugpflaster auf einen oder beide Oberarme
legen, je nachdem das Uebel eine oder beide Seilen des
Halses befallen hat. Zuweilen ist es nöthig, die Anwendung
der Zugpflaster zu wiederholen. Um eine schnelle Ahleitong
zu bewirken, ist es in schlimmen Fällen rathsam, zugleich
mit den Zugpflastern auch Senlteige anzuwenden. Nachdem
das Chinin in möglichst kurzer Zeit bis zur Hervorbringting
des Ohrensausens (bei kleinen Kindern ist diese Ntirin un-
statthaft und muss man die Gabe nach den Jahren einriclRen)
gegeben worden ist (und spater nur V^ oder 1 Gran -Dosen
aller zwei oder drei Stunden angewendet wird) gebe ich
stündlich oder alle zwei Stunden je nach Umständen folgende
Mischung für Erwachsene: Rec. Solphur. aurat. gr. ?iy., Pulv.
radic. ipecac. gr. viij., Pulv. gi. arab. gr. viij., Aq. dest 3ilj.<»
Syrup. rubi idaei 3j. M. D. S. Wohl umgeschutlelt! Stäiidlich
oder alle zwei Stunden einen Theelöffel voll (Kindern nach
ihrem Alter schwächere Portionen) zu geben. Dabei Leinsamen*
thee als Getränk. — Anstatt des Chlorkalk habe ich hSuflg
chlorsaures Kali (Potassae chloras), einen Theelöffel bis einen
halben Esslöflel voll auf vier Unzen warmen Wassers, als
Gurgelmittel und später, wenn bloss noch einfache Wunden vor-
handen waren, Salicinauflösung zu demselben Zwecke angewendet
Ist das Uebel hartnäckig, oder wird erst zu spät Hälfe gesucht,
so sollte die Behandlung mit einem Brechmittel aus Ipecacuanha
beginnen. Kinderu habe ich öfters die obige Mixtur (Ipecac,
Sulph. aurat. etc.) in schneller aufeinanderfolgenden Dosen
geben lassen, bis sie sich erbrachen, und später wieder
seltener, so dass es bloss als Eipectorans, d. h. eine Reaction
in den Schleimhäuten hervorbringend wirkte. Nur in sehr
seltenen Fällen bleibt der Höllenstein ohne den gewünschten
Erfolg, so dass die weisse Aftermembran sich verdickt und
ausbreitet. Unter solchen Umstanden habe ich sehr fein
gepulverten blauen Vitriol (Cupri ammonio-sulphas) mit einem
feuchten Pinsel auf die Aftermembran zwei Mal täglich auf-
getragen, wodurch dieselbe schnell zersetzt wird und zusehends
sich ablöst. Ich habe den ganzen Schlund, die Uvula und
den Arcus tonsjU, post« mit einer festen weissen Haut ober-
Q. d« y«rh«ad]. rl. Qei«liscbaft f Gelmrtshiflfe so Leipsig ete. 295
logen gesehen, auf welche das Betupfen mit Höflenstein nicht
den geringsten Eindruck madite und wo zu furchten war,
dass die ganze Uvula zerstört werden würde. Der Kranke,
25 Jahre alt, aber (durch Pflege anderer Kranker in der
Familie, in welcher das achtjährige Mädchen starb) dem
bösartigsten Contagium viele Tage und Nächte ausgesetzt, war
sehr schwach, verzweifelte selbst an seiner Genesung, nahm
wenigstens 40 Gran Chinin, ehe es den geringsten Eindruck
zu machen schien, und später wenigstens noch 40 Gran
mehr, musste Lagerbier trinken und nahrhafte Kost geniessen
und ungefähr acht Tage lang mit dem blauen Vitriol im Halse
betupil werden, bis die letzte Spur der Aflermembran verschwand,
worauf er ein Gurgelmittel von Salicin und Myrrhe -Auflösung
erlüelL Er hatte bereits früher neun Zugpflaster und Brech-
weinsteinsalbe auf Armen und Brust gehabt. Nach dem
letzten Verschwinden der Aftermembran erholte er sich sehr
schnell , befindet sich jetzt vollkommen wohl und sein Schlund
gleicht in jeder Beziehung dem des gesundesten Menschen.
Die Kranken müssen warm gehalten werden, nur warmes
schleimiges Getränk und die leichteste Kost erhalten (Hafer-
grütze, Leinsamenthee, Brodwasser, Fruchlsyrupe, gekochtes
Obst, Zwieback in Fenchelthee etc.). Bei grösserer Schwäche
ist Kindern Milch, Eier, und Erwnchsenen Bier, Austern etc.
zu gestatten. — Gewöhnlich belallt eine Krankheit alle Mit-
glieder einer Familie, die älteren etwa ausgenommen. Man
schütze sich und Andere möglichst durch die desinficirende
und prophylactische Methode. Man wende Kafleeräucherungen
und Chinin als Prophylaxis an (vergl. diese Abschnitte in
meiner Schrift über Cholera). Gesunde, nahrhafte Kost,
massiger Genuss von Lagerbier für Alt und Jung, hinreichende
Bewegung und warme Kleidung und Wohnung sind mit Ver-
meidung der Gelegenheit für Ansteckung, die sichersten Mittel,
die Gesundheit zu erhalten. Als ich selbst die ersten An-
ziehen der Diphtherie an mir bemerkte, nahm ich sogleich
vier Abführpillen und binnen vier Stunden darauf 24 Gran
Chinin, und war in 24 Stunden wohl!" —
In derselben (103.) Sitzung wurden mehrere patho-
logisch-an-atomische Präparate aus der Kinder-
praxis vorgelegt, so von Herrn Ored4 1) ein auffallender
296 ^^- ^aofce, 38. VerMmmlQBg denUclitrllafttrforscker
Verlauf der Nabelvene beim Durcbtritte zwischen den beiden
Nabelarterien; 2) ein Aborti?-Fölus mit Torsion der Nabel-
schnur; 3) eine durchgängig hepatisirle Lunge, welche sich
neben eiterig- biuligeni pleuritischem Exsudate bei einem etwas
zu früh geborenen Kinde zeigte, welches, einen Tag alt,
pl6tzlich verschied, nachdem es nach der Gebart kräftig
geschrieen und gesaugt hatte. Desgleichen von Uerrn PIosm
aus der Leiche eines Kindes mit erschwerter Defäcation eine
nicht weit von der Ueocoecalklappe befindliche DarmverengeruDg
mit der — als zweites Hinderniss — ^^ darüber befindlichen
starkeu Achsendrehung einer an sich erweiterten Darmparlie.
Als neuerschieneiie Schrift wurde vorgelegt: Wilh, Braune j
Die Doppelmissgeburten und angeborenen Geschwülste der
Kreuzbeingegend in anatomischer und klinischer Beziehung. 4.
Leipzig, TT. Engelmann,
(Schluss folgt.)
XX.
Achtunddreissigste Versammlung deutscher Natur-
forscher und Aerzte in Stettin im Jahre 1863.
Verhandlungen der Section für Gynäkologie.
Mitgetheilt
▼on
Dr. H. Haake.
Erste Sitzung, am 18. September V^ll Uhr Vormittags.
Dr.* Wieamann aus Stettin eröffnet die Sitzung und
wird auf seinen Vorschlag Herr Geh. Rath Prof. Dr. Betschier
aus Breslau zum Präsidenten der heutigen Sitzung erwdhlL
Secretäre : Dr. Kugler aus Stettin und Dr. Haake aus Leipzig.
Der Vorschlag des Herrn Präsidenten, die Dauer der Vorträge
durch keine bestimmte Zeit zu beschränken, sowie es dem
jedesmaligen Redner zu überlassen, ob er frei sprechen will
oder nicht, wird Ton der Versammlung gebilligt.
und AeiHte in Stettin im Jahre 184K8. 297
Hierauf erhill Dr. Neugebaü^ aas Warschau das Wort
und spricht
uher das querverengte Becken.
Bis heute hat man unter dem querrerengten Becken jene
zuerst von Robert näher hescbriebene Beckenform verstanden,
bei der die quere Verengerung durch verringerte Breite des
Kreuzbeins bedingt und mit Verknöcherung beider Beosacral-
symphysen combinirt ist. Diese beschränkte Anwendung des
Begriffes „querverengtes Becken*' ist nicht richtig; es giebt
noch andere Formen des querverengten Beckens, als das
Robert'&che. Schon das osteomaiacische Becken ist ein quer-
verengtes. Ausserdem aber existirt eine Beckenfonn, bei
welcher die quere Verengerung sich als Folgezusland einer
durcli cariöse Verödung der Knochensubstanz hervorgerufenen
Kyphose des Lenden- Kreuzbeinllieiles der Wirbelsäule dar-
stellt. Das Kreuzbein atropbirt und die Form des Beckens
wird in Folge dessen querverengt. Rokitansky hat dieser
Form den Namen „kyphoti^ches Becken'' gegeben, ohne
hinlänglich auf die quere Verengung des Beckens Rucksicht
zu nehmen.
Redner hat selbst drei Präparate dieser Beckenform
gesehen, nämlich in Heidelberg, Wien und Mailand. Bei allen
Dreien ist die Verengerung ziemlich bedeutend und eine gewisse
Symmetrie nicht zu verkennen. Ausserdem hat Lambl zwei
Präparate beschrieben, die Redner als in diese Kategorie
gehörend betrachtet; endlich glaubt er ein sechstes Exemplar
dieser Beckenform wiederzuerkennen in einem Falle, der von
Birnbaum beschrieben worden ist (S. Monalschr. f. Geburtsk.)
Redner schlägt ferner eine Discussion vor über die
von Taylor (J. 8. E, Taylor in American medical times,
1862, Juni) angeblich gemachten Beobachtungen, dass
sich der Gebärmutterhals während der Schwanger-
schaft nicht verkürze, sondern bis zur Geburt
unverändert bleibe. Die Herren DDr. Kronaer (Carlsbad),
j?€im. (Stettin) und ^rän&62 (Stettin) heben hervor, dass die
Veränderungen des Gebärmutierhalses individuell sehr ver-
schieden sind und ein solcher Unterschied namentlich bei
Erst- und Mehrgeschwängerten deutlich' hervortrete. Auch
Geh.Rath Betschier zweifelt an der Richtigkeit der Taylof^sthett
298 ^^- Baak€f 38. Versammlang Ami taeber NftUirfon eher
Bcobachtangen ; ^r wörde sich nie entschiiessen können, etoi^
Ansicht aufzugeben, die er während einer funfunddreissigälirigeD
Praxis fast täglich bestätigt fand» Die weitere Disciission
hiember wird von der Versammlung verworfen; desgieichen
über folgende Fragen : Ueber Eclampsie und Placenta praevia
(Dr. Behm jun.) ; ober die Entfernung der Placenta nach der
von Grede empfohlenen Methode (Neugebauer), —
Dr. Kronser (Carlsbad) theilt hierauf kurz einige Fälle von
Retroflexio uteri mit, in welchen nach erfolgter Reposition
sofort ein Nachlass der Schmerzen eintrat Redner fragt,
üb die Schmerzen und hysterischen Symptome vielleicht durch
Ansammlung von Luft in der Gebärmulterhöhle bedingt wären,
deren Entweichen erst nach ausgeführter Reposition möglich
gewesen.
Gegen diese Ansicht erklären sich die Herren Geh. Bath
Betschier, Wissmann und FränkeL letzterer hebt hervor,
dass die Ansammlung von Luft .in der Gebarmutterhöhle, also
die sogenannte Physometra, zur Annahme einer Erkrankung
der Ulerinschleimhaut zwinge, mithin leicht recidivire. Da
ein solches Recidiv in den von Kronser erzählten Fällen
jedoch nicht eintrat, so glaubt Redner, abgesehen davon,
dass ein Abgang von Luft nicht nachgewiesen wurde, den
Grund der Schmerzen anderswo suchen zu müssen; denn es
sei doch nicht anzunehmen, dass die Reposition auch die
Krankheit der Uterinschleimhaut beseitigt habe. Geh. Rath
Betschier erinnert an die Untersuchungen W. FreuncT»^
welche ohne allen Zweifel darthun, dass in vielen Fällen von
Lageveränderungen des Uterus der Druck auf einen oder den
anderen Ureter und dadurch bedingte Erweiterung desselben
die Quelle der heftigsten Schmerzen ist, welche sofort nach
Beseitigung dieses Druckes durch Reposition des Uterus ver-
schwinden. —
Geh. Rath Betschier theilt darauf Einiges über Gebär-
mutterblutungen besonders hinsichtlich ihrer Therapie
mit. Es giebt Ulerinblutungen , die vergeblich durch die ge-
wöhnlichen Styptica bekämpft werden« Derartige Blutongen
werden jedoch ziemlich sicher beseitigt, wenn man bei ihrer
Behandlung der causalen Indication Rechnung trägt* So e. B.
mid Aerate in SteUin in Jvbre 1863. 299
giebt 68 eine Hetrorrhagia intermittens, die nur, me Redner
in drei Fällen selbst beobachtet hat, dein Chinin weicht
Eine andere Art ist die Metrorrhagia rheumatica, die durch
kurze Dauer, die Schmerzen und die abendhchen Exacerbationen
charakterisirt ist. Sie erfordert die Anwendung des Colchicinn etc.
Endlich muss als dritte Species die Metrorrhagia haeniorrhoidalis
bezeichnet werden, die namentlich bei Frauen, welche an
Abdoroinalplethora leiden, beobachtet wird. Hier bewirkt eine
entsprechende Behandlung mit Tartarus, Sulphur, Rheum etc.
die Heilung.
Zweite Sitzung, am 21. September 10 Uhr Vormittags.
Der -am Schlüsse der ersten Sitzung zum Präsidenten
gewählte Herr Prof. Dr. Olahausen aus Halle ertheilt Herrn
Dr. Hegar aus Darmstadt das Wort, welcher
über den Drflsenkörper der Decidua Yera
und die Hydrorrhoea gravidarum
spricht.
Leider entbehren noch viele wichtige geburtsbulfliche
Doctrinen einer pathologisch -anatomischen Basis. Der Grund
davon liegt theils in der Schwierigkeit, das zu anatomischen
Forschungen nolhwendige JMaterial zu erhalten, theils in der
Schwierigkeit der Untersuchung selbst und besonders in der
mangelhaften Kenntniss der normalen Verhältnisse.
Die Angaben der Anatomen über die Drüsen der Decidua
sind sehr different KöUiker fand in der Mitte der Schwanger*
Schaft nur noch Rudimente derselben, die von den Sieb-
löchern ausgehenden weiten Canäle und Buchten. Coate und
Franz Kutan beschreiben die Drüsen dieser Zeit als lange,
spiralförmig gewundene Schläuche. «
Das gewöhnliche Untersuchungsmaterial liefern die bei
Aborten oder Frühgeburten ausgestossenen Schleimhautstücke.
Die Mucosa trennt sich jedoch in sehr verschiedener Dicke
von der Uterinwand. Sie wird bald nur in iliren ober-
flächlichen Schichten, bald auch in ihren tieferen ausgeschieden
und daher bald so, dass die Drüsen sehr schwer, bald so,
dass sie sehr leicht nachgewiesen werden können.
300 ^X* Hetahe, 36. VermtnailiiD^ dentseber I^Attirforscber
Man findet im letzteren Falle diese Gebilde als 2 — 5 Centf>
ineter lange, weisse oder gelblich -weisse Piden, welche a«f
den Unebenheiten der rauben Schleimbaiitfläche festsitzend.
mit ihrem freien Theile flottiren, sobald man die Menobran
unter Wasser setzt Unter dem Mikroskop erkennt man eise
Wandung mit zwei bis drei Reihen langgestreckter oder faserig
ausgezogener Kerne und einen Inhalt, der meist aus molecalärer
Masse mit zahlreichen Kernen oder aus einem deutlichen,
kleinen Pflasterepilhel besteht
Schwierig ist der Nachweis der Drusen in den ober-
flächlichen Schichten der Decidua. In den Unebenheiten der
rauhen Fläche sieht man sie häufig als Spiralknäuel. In der
Schichte der Schleimhaut, welche der freien Fläche zunächst
liegt, verlaufen sie dicht gedrängt nebeneinander', um in
grösserer Anzahl in der von dem Siebloche ausgehenden
Bucht zu munden. Diese ist nicht als das erweiterte Endstöck
einer einzigen Druse anzusehen.
Man kann die Drusen noch am Ende des sechsten
Schwangerschaftsmonats als 2 — 5 Centimeter lange
Schläuche aulBnden. Der Grund, aus welchem man sie übersah,
liegt darin, dass man entweder nur Deciduen untersuchte,
welche bloss in ihren oberflächlichen Schichten ausgestossen
wurden , in welchen jene verändert sind und nur mil Schwierig-
keit dargestellt werden können, oder dass man die von der
abgerissenen Fläche herabhängenden Fäden nicht berack-
sichtigte. — Auch liefert die gewöhnliche Untersuchungs-
melhode mittels Durchschnitten keine guten Resultate.
Vom siebenten bis neunten Monate kann H. keine sicheren
Angaben machen, da es ihm am genügenden Untersuchungs-
inateriale fehlte. Ein rasches und voDständiges Verschwinden
(ier Drusen evscheint nicht als wahrscheinlich.
Bei der Hydrorrhoea gravidarum entdeckte H. in der
Decidua vera und zwar im Anfange des achten Schwanger-
schafismonats einen enorm entwickelten Drüsenkörper. Diesem
Krankheitsprocesse liegt ein hypertrophischer Zustand der
Decidua im Ganzen und ihrer Drüsen insbesondere zu Grunde.
Letztere liefern die massenhaften Ausscheidungen. Diese
beginnen in den schwereren Formen der Hydrorrhoea schon
im vierten Monate. In leichteren Fällen beginnt der wässerige
und Aersto in SteUin im Jahre 1808. ' 901
Ausfluss ertft in den letzten Schwangersdiafl^monaien. Diese
leiebleren Formen mögen oft bloss in der Ansammlupg des
Drüseiisecretes aus früherer Zeit der Gravidität ihre' Quelle
fioden. Hierauf sind auch die falschen Fruchtwasser zu
beziehen.
Alle diese Erscheinungen, verbanden mit dem anatomischen
Nachweise machtiger Drusenschläuche noch am Ende des
sechsten Monats machen es wahrs('heinlich , dass die Deddua vera
auch nach der Mitte der Schwangerschaft noch ein thätiges,
üinctionirendes Organ und kein todtes Gebilde ist, als welches
man dieselbe gewöhnlich betrachtet. Bildung und Erhaltung
des Fruchtwassers dürfte wohl von der Decidua vera abhangen.
H. erläutert das Gesagte an interessanten mikroskopischen
Präparaten« —
Herr Dr. Neugebauer bespricht kurz die bisher bekannt
gewordenen Fälle von Atresia und Verengungen der
weiblichen Harnröhre. Er bebt hervor, dass in allen
Fällen von Atresia urethrae eine Harnröhren- oder Blasen-
Scheidenfistel zugegen gewesen. Der Heilung der Fistel muss
nothweudigerweise die Operation der Atresie vorausgehen. —
Herr Prof. Dr. Olshauaen zeigt
ein spondylolisthetisches Becken,
das achte, welches bis jetzt beobachtet wurde.
Das aus seinen festen Knochen bestehende Becken er-
scheint, die hintere Wand desselben forlgedacht, regelmässig
geformt; an der hinteren Wand dagegen bemerkt man folgende
Anomalie. Die Lendenwirbelsäule erscheint tief in das Becken
hinabgesunken und so weit nach vom genickt, dass dadurch
der Beckeneihgang, mit Ausnahme seines vordersten Segmentes,
in zwei seitliche Hälften getheilt wird. Der untere Rand des
dritten Lendenwirbels ist stellvertretendes Promontorium ge-
worden: die stellvertretende Conjugata misst V 10'''. Auf
dem Sagitlaldurchschnitle erkennt man , dass der letzte Lenden-
wirbel vollständig der vorderen Seite des ersten Sacral-
wirbeis aufsitzt und sogar die vordere Wand des zweiten
Sacralwirbels in ihrer oberen Hälfle zudeckt Die letzte Inter-
vertebralscheibe ist nur noch in einem schwachen Rudiment
vorhanden. Der Bogen des letzten Lendenwirbels ist voll-
802' XX. Hodke, S8. Versamnlang deiito^«r Mstnrforscher
Ständig, abnorm breit und nach vorn geräckt; sein« Praec
ohliq. infigrr. sind mit den betreffenden Theilen der oberen
Kreuzbeinfläche synostotii^ch vei4>iinden. Der Caoalis vertehralU
iat dber und hinter dem ersten Kreusbeinwirbel erfaeUicb
verengt; eine Erweiterung oberhalb dieser Steile ist niebt
bemerkbar. Der Canalis sacralis ist durch FebJen seiner
hinteren Wand seiner ganzen Länge nach in einen HaibeaaaJ
verwandelt. Spuren eines rudimentären Schaltwirbels sind
nirgends sichtbar.
Bei der Untersuchung des Beckens an der Lebeodea
— welche von 0. durch den Kaiserschnitt entbunden wurde —
wurde der fühlbare Theil der Lendenwirbelsäule (dritter bis
fünfter Lendenwirbel) für das nach vom schwach convexe
Kreuzbein gehalten, während der unterste Theil des Kreuz-
beins winkelig geknickt erschien (wie öfters bei rfaachitischen
Becken), weil die Richtung des unteren Theiles der hiotereii
Beckenwand mit dem oberen Theile nicht übereinsüoimte.
Die Stelle des sogenannten Vorbergsglittwinkels war wegen
zu grosser Entfernung von dem Schambogen im Leben der
Untersuchung nicht zugängig. Leider hatte man eine Unter-
suchung per rectum unterlassen. Es ist höchst wahrscheinlich,
dass diese Anomalie hier erworben ist, indem Pat. in ihrem
17. Jahre an heftigen Kreuzschmerzen erkrankte und drei
Monate lang im Krankenhause zu Halle ärztlich behandelt wurde.
Hinsichtlich der Diagnose dieser Beckenanomalie , die
von Kilian für möglich gehalten wiiti, ohne dass er jedocli
je Gelegenheit gehabt hat, an einer Lebenden die Diagnose
zu stellen, durften nach 0. für die Zukunft die foblban»!
Pulsationen der Arteriae iliacae (die auch in diesem Falle
deutlich wahrgenommen werden konnten) zu verwerthen sein. —
Hierauf spricht Herr Prof. Simon aus Rostock
über die Radicalheilung der Ovariengeschwulste.
Redner beschränkt sich auf die Ausfährung der iod-
injection urfd auf die Ovariotomie, da alle übrigen Operationen
sich als zu gefährlich erwiesen haben.
Die Jodiujection wurde von Boinet zuerst in Aus-
fährung gebracht und mit Enthusiasmus von den Franzosen
aufgenommen. Im Jahre 1856 machte Boinet die Resultate
\
and Aento in Stettin im Jälire 1808. 9Q3
Beiner Operationsmetbode bekannt, die ein Material von
45 Fallen lunfassen. Von 45 Patientinnen wurden 31 gebeilt,
9 sind gestorben, bei 5 blieb die Injec^pn ohne Erfolg.
Unter diesen 45 Patientinnen hatten 11 Ky2>toide, 34 einfache
Kysten.
Von den ersten 11 starben 6, die anderen 5 wurden
erfolglos behandelt; ?oo den 34, welche einfache Kysten
darboten, starben nur 3 und 31 Patientinnen wurden geheilt
Die Statistik, welche Vdpeau nach den Discussionen
in der Acadeinie de medecine 1856 zusammenstellte, umfasst
110 Fälle, welche mit Jodinjection ohne Liegenlassen der
Canüle behandelt wurden.
Von diesen starben 10; 60 wurden gebeilt; bei 36 ent-
standen Recidife; bei 4 ist der Ausgang unbekannt.
Redner weist darauf hin, dass alle diese Statistiken den
Mangel haben, dass sie ober den wichtigsten Punkt: aber
die Dauer der Kystenschrumpfung, also über den
Bestand der Radicalheilung keine oder nur sehr
ungenügende Auskunft geben.
Die Erfahrungen des Redners erstrecken sich ober
acht Fälle, welche er mit Dr. Orih an seinem früheren
Wohuorle Darmstodt behandelte; allerdings eine kleine Zahl,
die jedoch deshalb sehr gut zu verwertben ist, als die Fälle
von 8, noch lange nach der Operation controlirl werden
konnten.
Durch die Jodinjection starb von den acht Patientinnen
unmittelbar nur eine Patientin. Alle übrigen vwtrugen die
Jodinjection sehr gut, sogar zwei Patientinnen, die sehr
heruntergekommen waren, erlangten ein blühendes Aussehen.
Bei sechs Patientinneu stellten sich jedoch nach 1% — 2 Jahren
Recidive ein. Fünf dieser Kranken sind bereits gestorben,
nachdem bei einigen derselben die Jodinjection wiederholt
worden war, ohne jedoch Radicalheilung zu erzielen; sie
starben au Marasmus. Die sechste dieser Patientinnen, welche
erst vor 1% Jahren mit Injection behandelt wurde, bat ein
nicht mehr iujeciionslahiges Kystoid als Rccidiv. Nur bei
einer Patientin ist jetzt nach vier Jahren die Kyste noch
geschrumpft.
304 ^^* n^floi^ey 38. Versamnilnng deatseher NatQrfoncher
Aehnliche Resallate hat Charles West Von aehl seiner
Kranken war nach zwei Jahren nur noch bei einer einzigen
die Kyste gesc^umpfl. Bei allen übrigen waren Recidii«
und zwar meist Kystoide eingetreten. Bei den meisten jedoch
war, wie in des Redners Fällen, eme Retardation des Leidens
erzielt worden.
Der Unterschied der Resultate in den ersten Jahren
nach der Jodinjection und in späterer Zeit, weicher in
Simon*» Fällen so aulTallend ist, beruhte ohne Zweifei daraur,
dass /9. im guten Glauben einfache Kysten vor sich zu iiaben,
Kystoide injicirte. Redner wirft hier die Frage auf, ob nun
anzunehmen sei, dass die französischen Resultate günstiger
sind, als die unserigen, weil die Franzosen besser diagnosticirt
und nur einfache Kysten injicirt haben, oder ob anzunehmen
sei, dass sich bei erneuter Conlrole deren Resultate eben so
ungünstig herausstellen werden, als es bei den unserigen
geschieht?
Redner nimmt das Letztere an und zwar aus zwei
Gründen: 1) Weil die einfachen Kysten, welche Operations-
objecle abgeben können, im Gegensalze zu den Kystoiden
ausserordentlich selten sind ; 2) weil diese Kysten von Kystoiden
mit vorzugsweiser Entwickelung nur einer Kyste nicht zn
unterscheiden sind.-
Die Seltenheit der einfachen Kysten, welche Operations-
objecle abgeben, erhellt aus einer Statistik der pathologischen
institule zu Prag, Berlin und i^eipzig; unter 30 Ovarien-
geschwülsten , welciie Kindskopfgrösse hatten oder überstiegen,
wai'en nur vier einfacher ige Kysten. .
Die Unmöglichkeit der Diagnose einer einfachen Kyste
von einem Kystoide mit vorzugsweiser £nlwickelung nur einer
Kyste bedarf keiner weiteren Argumentation.
Redner giebt bezüglich der Jodinjeclion folgende Scbiuss-
Sätze :
1) Die Jodinjectionen bei einfachen Kysten so-
wohl als bei Kystoiden ist verhältuissmässig
wenig lebensgefährlich.
2) Bei einfachen Kysten ist sie im Stande Radical-
heilung zu erzielen.
und Aeczte in Stettin im Jabre 1868. 305
3) Auch bei Kystoiden können die vorzugsweise
ausgedehnten Kysten zur Schrunopfung ge-
bracht, der tödtliche Verlauf aufgehalten, aber
wohl niemals Radicalheilung erzielt werden.
4) Da die einfächerigen Kysten von solcher Grösse
und Beschaffenheit, dass sie die Jodinjection
indiciren, nur äusserst selten und von drn
Kystoiden mit vorzugsweiser Enlwickelung nur
einer Kyste nicht zu unterscheiden sind, so
wird durch die Jodinjection auch nur selten
Radicalheilung — in den^meisten Fällen aber
eine Retardation des tödtlicben Verlaufes er-
zielt. —
Redner geht nun zur Besprechung der Ovariofomie über,
einer «Operation, deren Resultate in Deutschland und Frank-
reich fast ungunstiger sind, als beim Kaiserschnitte; daher
ihr Miscredit. Auch bei der Ovariotomie zeigen die be-
treffenden Statistiken verschiedene Resultate. So z. B. wurden
nach Kiwiseh und Fock mehr als die Hälfte der Openrlen
geheilt. Doch müssen diese Resultate angezweifelt werden,
da die Controle fehlte. Redners Statistik (1858) war die
einzig coiilrolirle, daher erklären sich wohl die so schlechten
Resultate: von 64 theils ausgeführten, theils vorsuchten
Ovariotomien wurden nur 12 Patientinnen radicai geheilt
In England liessen sich die Operateure nicht abschrecken,
und von ihnen, besonders von den Londoner Aerzten, besitzen
wir jetzt controlirte Statistiken, welche ein überaus günstiges
Resultat nachweisen.
In der Statistik von OurÜ über die von 1858—1861
in Londoner Spitälern vorgekommenen Ovariotomien finden
sich 75 Patientinnen angeführt, bei welchen die Operation
vollendet wurde : auf 45 Fleilungen kommen 30 Todesfalle.
Spencer Wells zählt in seiner Statistik von 50 Ex-
stirpationen 33 Heilungen und 17 Todesfälle.
Diese Resultate werden nicht verfehlen, die Ovariotomie
überall, auch in Deutschland, immer mehr zur Geltung zu
bringen. Sie berechtigen zur Früboperation , bei welcher die
Patientinnen noch im Stande sind, den EingiMff zu ertragen,
Monatflnebr. f. Gebarttk. 1888 Bd. XXII., Hfl. 4. 20
306 XX' i?aaJk0, 88. VersammlaDg deutscher Naturforscher
wäbreud früher nur dann operirl wurde, wenn die Kranke
schon zu sehr heruntergekommen war.
Redner giebt nach dem Vorhergesagten folgende Incli-
cationen zur Radicalbehandlung der OvarieiigeschwüJste :
1) Bei dünnwandigen Kysten, mit serösem oder
blutig serösem Inhalte ist die Jodinjection
(unter Umständen selbst die wiederholte) an-
gezeigt.
2) Füllt sich eine einfache Kyste nach der Jod-
injection immer wieder, oder ist das Recidiv
ein Kystoid, oder wird von Tornbereio eine
zusammengesetzte Kyste diaguoslicirt, so ist
die Ovariotomie angezeigt und zwar zu einer
Zeit, in welcher die Patientin noch nicht
heruntergekommen ist, oder die Geschwulst
wächst oder schon bedeutende Beschwerden
verursacht. —
In der sich hieran anschliessenden Discussion theilt Herr
Geh. Ratb Bardeleben, welcher übrigens den Ansichten
Simonis beitritt, kurz die drei von ihm ausgeführten Ovario-
tomien mit, von denen zwei mit Genesung der Patientinnen
endeten. — Groihuisen aus Berlin referirt zwei Fälle von
Jodinjection, die kürzlich auf der Langenbeck'^cXieu Klinik
ausgeführt wurden und tödtliclirn Ausgang nahmen. — Simon
bemerkt nachträglich, dass Spencer Weih bei der Ovariotomie
noch günstigere Resultate jetzt erziele, indem unter den 19
zuletzt Operirten 17 geheilt wurden. — Med.-Rath Werner
aus Königsberg hat für beide Operationsmethoden (Injection
und Ovariotomie) je einen unglücklichen Fall aufzuweisen.
Er macht für die Ovariotomie besonders auf die Adhäsionen
aufmerksam ; es kann als nicht gleichgültig betrachtet werden,
in welchem Zustande das Bauchfell ist. Lethal ist die Ver-
letzung desselben gewöhnlich dann, wenn es ganz normal
ist, während das mehr oder weniger veränderte Peritonäum
leichter die Verletzung verträgt. — Simon berichtet, dass
Tyler und Spencer Wells diese Frage schon entschieden
haben, da sie bei verändertem Bauchfelle stets glücklicher
operirten als bei normalem. — Hegar bezweifelt die
Ungeföhrlichkeit der Jodinjection. — Gurlt bestätigt die
aqd Aerste in 6t«nin im Jabre 18<(3. 307
Uiigefahrlichkeit der Operation bei bestehenden Adhäsionen aus
der Slleren englischen Statistik. — Behm sen.' will hinsichtlich
der Prognos/e der Operation das Entwickeiungsstadiuin des
pathologischen Processes berücksichtigt wissen, namenlJirh
ob Entzündung bestehe oder nicht.
Die fernere Discussion wird wegen vorgerückter Zeit
vertagt.
Bei der nun folgenden Wahl eines Vorsitzenden der
nächsten Sitzung wurde Heir Geh. Rath Behm gewählt, Ua
derselbe die auf ihn gefallene Wahl wegen dringender ander-
weitiger Beschäftigung ablehnte, wurde Dr. Hegar zum
Präsidenten ernannt.
Dritte Sitzung, am 23. September früh 11 Uhr.
Die Sitzung ist, da schon viele Mitglieder abgereist sind,
nur spärlich besucht.
Die Fortsetzung der Discussion über Ovariotomie wird
aufgegeben.
Geh. Rath Behm demonstrirt ein exostotisches Becken,
welches sich näher in diesen Blälterif, Jahrgang 1854, be-
schrieben findet Die betrelTende Person wurde durch die
Sectio caesarea von Zwillingen entbunden. Der Tod erfolgte
am fünften Tage nach der Entbindung; die Section zeigte
keine Entzündung des Peritonäum, wohl aber ein bedeutendes
Blulcoagulum in der Bauchhöhle. Ferner zeigte Redner ein
von ihm construirtes Speculum vor, dessen nähere Beschreibung
in diesen Blättern später erfolgen wird. —
Neugehauer spricht über die Technik bei Blasen-
scheide nfistel- Operationen.
Nach kurzen geschichtlichen Notizen über die dabei in
Anwendung gekommenen Specula zeigt Sprecher ein neues
von ihm erfundenes Instrument vor, welches, in der Knie-
ellenbogenlage der Kranken eingeführt, die Fistel um Vieles
zugänglicher machen soll. Das ganze Instrument, dessen
nähere Beschreibung hier nicht wiedergegeben werden kann,
hat grosse Aehnlichkeit mit dem Speculum matricis der Alten. -^
Zum Schlüsse der Sitzung ergreift Dr. Bloss aus Leipzig
das Wort. Er macht darauf aufmerksam, dass, während hi
20*
308 ^X* Saakef 8S. Versainmloog deatocher Katprforbcher etc.
einzelnen Staaten, z. ß. in Preussen, die Regierung von der
Tbätigkeit der Geburtshelfer keine Notiz nimmt, in anderen
Staaten die Geburtshelfer Rechenschaft über die von ihnen
ausgeführten Operationen geben müssen, z. B. in Sachsen,
Würtemberg, Baiero etc. Auf diese Weise werde ein be-
deutendes Material lünsichtlich der Häufigkeit der geburts-
hülfiichen Operationen zusammengetragen, zu dessen zeitweiser
Verölfentlichung Redner die betreffenden Medicinalpersoneii
auffordern möchte. Die vom Redner vertbeilte „Statistische
Uebersicht über die Häufigkeit der gebm*tshülflichen Operationen
bei 2,329,200 Geburten in sechs deutschen Staaten '' berechtigt
zu folgenden Schlussfolgerungeu :
1) In jedem Lande herrschen ziemlich stationäre Grundsätze
in Bezug auf geburtshulf liebes Handeln, denn die in den
einzelnen Landeslhei^en und in den einzelnen Perioden
in einem Lande bemerkbaren Differenzen in der
Operationsfrequenz schwanken in ziemlich engen Grenzen.
Während die einzelnen Länder sowohl im Ganzen als
auch in ihren einzelnen Theilen eine grosse Verschieden-
heit hinsichtlich jcler Operalionsfrequenz zeigen, bleibt
das gegenseitige Verhältniss in der Operationsfrequenz
der einzelnen Bezirke auffallend stabil. Es sind hierbei
also dauernde localc Ursachen wirksam.
2) Fast in jedem Lande nimmt die Operalionsfrequenz
allmälig zu, und diese Zunahme muss mit Wahrschein-
keit der »teigenden Ausbreitung der männlichen Geburls-
hülfe zugeschrieben werden.
3) Die Operalionsfrequenz steht unter dem direclen Ein-
flüsse der relativen Zahl der Geburtshelfer, und diese
wieder unter demjenigen des Wohlstandes der Be-
völkerung.
4) Die Differenz in der Operationsfrequenz von Stadt und
Land trifft namentlich die Zangen- und Nachgeburts-
operationen, welche sich besonders zu Luxusoperationen
eignen, und in den Städten so sehr bevorzugt werden,
dass diese erhöhte Frequenz der am leichtesten und
fast bei jeder Entbindung ausführbaren Operationen
nur zum kleineren Theile mit einer Differenz in der
Constitution der Bevölkerung, vielmehr vorzugsweise
XXI. Notisen an» der Jonmal- Literatur. 309
mit dem Grade des Wohlstandes und der Intdligenz
der Bevölkerung, sowie mit der mebr oder weniger
dichten Vertheilung der Geburtshelfer in ursächlichem
Zusammenhang stehen kann.
5) Mit dem allmäligen Steigen der Operationsfrequenz
verringert sich die Mortalität der durch KunsthöUe
geborenen Kinder.
6) Auch für die Mütter scheint die grosse Operations-
frequenz günstig zu sein, denn in jenen Ländern, wo
verhältnissmässig häufiger operirt wird und wo, wie
es scheint, die männliche Geburtshulfe mehr Fuss
gefasst hat, sterben von den mit Hülfe der Kunst ent-
bundenen Frauen relativ weniger, als in solchen Ländern,
in welchen ärztliche Hülfe bei der Entbindung seltener
in Anspruch genommen wird.
XXL
Notizen aus der Journal -Literatur.
Bossi: lieber Cred^'s Methode der Entfernung der
Nachgeburt
In Anschlass an frühere Mittbeilangen (No. 25, 26 der Wiener
Diedic. Wochenschrift, 1862) über denselben Gegenstand ver-
öffentlicht Verf. eine Reihe neuer Beobachtungen. Es wurde
seitdem bei 947 Geburten fast ohne Ausnahme die CredS^ache
Methode gehandbabt. Zugleich stand ihm ein Material Ton
312 Geburten an der Zablgebftrabtheilung sn Gebote, bei welchen
von den swei dort angestellten erprobten Hebammen das frühere
allgemein übliche Verfahren in der Nachgeburts^eriode zur An-
wendung kam. Um den Werth der Cred4*achon Methode zu
beleuchten, bedarf eh nur weniger Zahlen, welche mehr als viele
Worte sagen.
An der Klinik ereigneten sich 14 Nachgeburtsblntnngen,
d. i. 1,47 Procbut, an der Zahlabtheilnng 11, d. i. 3,52 Procent.
Wenn man von diesen Zahlen jene Fälle abzieht, bei welchen
die Blutung durch sn feste Adhärenz des Fruchtkuchens bedingt
war ~ die durch die beste Ueberwachung des Utems nicht
310 ^^^- NotUea aaa der Joarnal-LUeraiar.
yermieden und erst darcb die Entferonng der PUcenta gf^tillt
werden ktinn — so ergiebt sich ein noch günstigeres BeMnltat
für die Cred^''ache Methode. Auf 947 Fälle kamen nur sif^ben
Blutungen und zwar vier vor und drei nach Abgang der Placenta,
d. i. 0,73 Procent oder auf je tSö Geburten erst eine HUitang.
Anf der Zahlabtbeilung dagegen auf 312 Oebnrten fünf Blntungen
in Folge von Atonie des Uteros, d. i. 1,60 Procent oder anf
je 62 Geburten schon eine Blutung. In der Klinik war übrigens
nur ein einziges Mal die Blutung eine heftigere, während in Hllen
übrigen Füllen die Menge des verlorenen Blutes eine so geringe
war, das8 ausser einem kurz andauernden Uebelbefinden keine
andere anKmiscbe Erscheinung zu bemerken wer.
Anlangend die pathologischen Verhältnisse der Nachgeburt«-
periode, so waren anf der Klinik drei künstliche Lösungen der
Placenta, d. i. 1 : 315 oder 0,81 Procent, auf der Zahlabthnilung
Yier künstliche Lösungen, d. i. 1 : 78 oder 1,25 Procent der
Gebarten nöthig. Diese Thatsachen widersprechen dem von
CV«<2^ (Monatsschr. f. Geburtsk., Bd. XVI., S. 337, nnd Bd. XVIL,
8. 274) aufgestellten b^atze: „Bei genauer Durchführung seiner
Methode verschwänden alle Anomalien der Nachgeburtsperiode
(Blutungen, Incarcerationen) aus dem Bereiche der Beobachtung
und seine Methode reiche auch bei allen von ihm als Gespenster
angesehenen Verwachsungen der Placenta aus.'* ^)
Um zu beweisen, dass die vom Verf. mit grosser Vorliebe
gehandhabte Cre<2^sche Methode doch nicht im Stande ist, die
PlacentalösQDgen aus der Reihe der geburtshül fliehen Operationen
za verdrängen, und zugleich, um die wahrscheinlichen Ursachen
des Nichtgelingens der CVe(2^*schen Methode festzustellen, hält
Verf. es für unumgänglich nöthig, die obigen sieben Fälle kurz
einzeln zu berichten, aber auch jene Fälle hinzuzufügen, wo nnter
gleichen Verhältnissen, näuilich bei gegebener Anzeige zur Lösung
der Placenta, CredS^s Methode dieselbe entbehrlich niaehte. —
Im ersten Falle blieb der Cred^^sche Handgriff ohne Erfolg, es
wurde deshalb wegen Blutung zur manuellen Lösung der Placenta
geschritten. Dieselbe war dünn, schlaff und fand sich zum
grösslen Tfaeile schon in der Scheide gelöst und nur eine etwa
einen Quadratzoll grosse Stelle im Fundns uteri anhängend. Die
1) Obiges Citat ans meinen früheren Abhandlungen über denselben
Gegenstand ist * ungenau. Ich habe den Handgriff zunächst nur für
natürliche Geburten, also für normnlc Zustände, empfohlen, aber der
Wahrheit gemäss auch anführen müssen, dass mir der Handgriff stets
auch bei den vermeintlich pathologischen Zuständen bisher ausgereicht
habe. Dass er mir aber auch in Zukunft, oder anderen Geburtshelfern,
bei allen angenommenen Verwachsungen oder anderen pathologischen
Vorgängen stets ausreichen werde, wie aus obigem Citate abgeleitet werden
müsste, eine solche Behauptung aufzustellen, ist mir nie in den Sinn
gekommen. Ich bitte in dieser Beziehung nachlesen zu wollen Monats*
Schrift, Bd. XVIL, S. 286 a. 287. Cred^,
#
XXI. Motisen ans der Joninal • Llteratnr. 311
LSsnng dieses Stückes gelaDji^ sehr leicht; das Blat stand,
Wocbenbett normal, an der Placenta war keine Abnormitit an
finden. — Beim zweiten Falle bestand Atonie des Uteras and
das Massireu genügte nicht snr Entferttnng der Placenta ans
dem Uterus. Da stärkere Blntnng eintrat, wurde die in einem
mehr als bandtellergrossen Umfange durch kurszelliges Binde-
gewebe fest adhHrente Placenta erst nach IHngerem Bemühen mit
der Hand entfernt. Die Untersnchabg ergab eine aasgebreitete
Bindegewebswacherung der auffallend dünnen, blassroth gefärbten
Placenta. Die Wöchnerin erkrankte an einer leichten Endo-
metritis. — Im dritten Falle war schon vor 27, Jahren eine
künstliche Placentaiösung wegen Blutung gemacht worden. Auch
dieses Mal trat Blutung ein; mit der ersten Nachgebartawehe
wurde durch den (7rs<2^schen Handgriff die Placenta snm grösütea
Theile in die Scheide herabgedrnokt, doch die Tollständige Ent-
fernung wollte nicht gelingen. Da der Blutverlust bereits etwa
3 Pfund betrug, wurde die mit einigen Cotyledonen am Fundus
adhärente Placenta gelöst. Die Wöchnerin wurde, awar noch
schwach, aber gesund entlassen. — Im rierten Falle war % Stunde
nach dem Ausschlüsse des lebenden Kindes bei schlaffer, nicht
bestKndig überwachter Gebärmutter eine Blutung aufgetreten.
Der Uteras war atonisch, beim Massiren gingen grosse Blut-
klumpen, aber nur ein Theil der Placenta aus dem Uterus, so
dass nach einigen yergeblichen Versuchen wegen der Blutung
aar manuellen Entfernung der Placenta gesehritten wurde. Die
sehr schlaffe, dilnne blasse Placenta adhärirte noch mit
einigen Cotyledonen im rechten Uterushom und wurde leicht
gelöst. Die Mutter ei krankte an Endometritis, genas aber. —
Im fünften Falle war schon das Kind weg^n Atonia uteri mit
der Zange geholt worden. Die Atonie dauerte fort, der Crsi2^*sche
Handgriff wurde mehrmal« vergeblich versucht. Nach 1 7, Stunden
schritt man snr manuellen Lösung der Placenta, die mit einer
mehr als handtellergrossen Fläche ziemlich fest an der vorderen
und rechtsseitigen Uterinwand ansass. Die Matter erkrankte an
Endometritis, aber genas. — Im sechsten Falle bestanden zwar
gute Nachgeburtswehen, aber weder das Massiren, noch ein
sanfter Zug an der Nabelschnur brachten die Placenta aus dem
Uterus. Nach % Standen entschloss man sieh, wegen der in-
zwischen erfolgten Blutverluste zur manuellen Entfernong. Der
Kachen war sehr klein und dünn und nur mit einigen
Lappen im rechten Home durch langzelliges Bindegewebe feater
adhärent — • Im siebenten Falle trat aus dem nicht überwachten
und schlaffen Uterus eine bedeutende Blutung ein, die bereits
zwei Stunden dauerte, ehe der CVe<2^sche Griff war Ausfnhrang
kam. Da derselbe nicht schnell zum Ziele führte, war die
manuelle Entfernung* der an einer kaum thalergrossen Stelle fester
adhärlrenden Placenta geboten. Auch diese war auffallend
312 XXl. NotiB«ii aOB der Jonnial* Literatur.
dfinn nnd schlaff. — In einem noch anderen Falle aoR der
PrlTatpraxit de« VerfasBers war schon bei «wel früheren Ge-
borten die künstliche Losnnj^ der Plaeenta gemacht word<»o.
Dieses Mal war schon IV, Stunden die Geburt des Kindes
▼oräber, die Gebarende im hohen Grade verblatet, der Uterus
gross und schlaff. Da der Cred^^Bche Griff nicht schnell coui
Ziele führte, wurde die Placent« kiinetlioh entfernt, sie adhürirte
nur mehr mit einer thalergrossen Flache im rechten Utenis
home und erwies sich als auffallend schlaff und dfinn.
Die Mutter erholte sich lang-sam.
Als Ursache der Placentarretentionen und der Metrorrhagie
in obiges acht Fällen ergiebt sich demnach drei Mal eine festere
und fiinf Mal eine leichtere Adhärenz, stets nur eines Theiles des
Kncshens. In sechs Fällen war die Plaeenta zugleich auffalleod
dfinn und schlaff. Zu geringe Knergie der Nachgeburtewehen j
war nur in rier Fällen gleichzeitig vorbauden. Verf. legt die
Hauptursache der Betention in die auffallend dünne und acblaffe
Beschaffenheit der Plaeenta, denn in Tier weiteren Fällen von
Metrorrhagie und Placentarretcntion gelang die Entfernung^ durch
den €fred4*Bchen Handgriff nach langem Bemühen, als man sar
könstliehen Lösung schreiten wollte: aber die Plaeenta war jedes
Mal dick und umfangreich. Spastische Contractionen sind in der
obigen Beobacbtungszeit dem Verfasser nicht vorgekommen und
kann er deshalb nicht angeben, ob diese ein Hindemias f&r
die Austreibung des Fruchtkuchens nach CredS abgeben. Als
Gegenanseigen oder mindestens erschwerende Zustönde för den
Creci^schen Handgriff bezeichnet Verfasser: Meteorismns bei
strafferen Banchdecken, grosse Schmerzhaftigkeit des Unterleibes
bei beginnender oder schon vorhandener Metritis; Peritonitis;
Paralysis uteri; Paresis oder Paralysis der Placentarstelle ;
Senkung oder Vorfall der Gebärmutter; Rnptura uteri u. ähnl. —
Die Klagen über Schmerzen beim Griffe rühren meist von un-
geObter oder roher Ausffihrung desselben her, wenn man zu friib
oder in falscher Richtung drückt. Niemals bleiben Placentar-
reske zurück, vielmehr geht stets die ganze Nachgeburt ohne
grössere Schmerzen, als solche bei kräftigen Wehen häufig vor-
kommen, meist aber ganz schmerzlos ab.
Das in der Klinik ausgeübte Verfahren besteht in Folgendem:
Gleich nach der Abnabelung und Entfernung des Kindes wird die
flache Hand auf die Uterinkugel gelegt und dieselbe nur dann
ganz leise massirt, wenn ein Grösser- oder Weicherwerden der-
selben bemerkt wird. Mit der vierten bis sechsten kräftigen
Wehe, wenn sich dabei die Gebärmutter aufbäumt, wird der
Handgriff versucht. Bemerkt man dabei keine Verkleinerung des
Uterus, so wirit der Handgriff erst nach mehreren Wehen wiederholt.
Verfasser schliesst seine MittheilungAn mit dem Satze:
Credd'a Methode der Entfernung der Nachgeburt ist
XXI. Notisen «na der Journal -Literfttnr. 313
als ein grosser Fortschritt in der gebnrtshülflichen
Technik ansnerkennen, weil sie im Stande ist, die Zahl
der »tonischen Blutungen bedeutend zu Termindern; weil
sie den Arzt und die Hebamme in die Lage bringt, jode Blutung
in ihrem Beginne zu erkennen und dieselbe so schnell als möglich
zu bekämpfen; weil ferner die künstlichen Losungen der
Plaeenta, welche besonders in der Priratpraxis zu den miss-
liebsten geburtshnlf liehen Operationen gehören, bei Credi^a
Methode, zu selteneren Ereignissen werden, wenn sie auch
nicht ganz yermieden werden können.
(Wiener medic. Wochenschrift, 1868, No. 30—32.)
Goschler: Begründung der CredS'schen Methode,
die Plaeenta zu entfernen, durch eine neue An-
sicht über die wahre und häufigste Ursache der
Einsackung der Nachgeburt
Verfasser hebt als einen bisher noch nicht gewürdigten
Grund der zurückbleibenden und eingesackten Plaeenta die In-
flexio uteri post partum hervor. Diese Art der Incarceratio
kommt nach Verf. am häufigsten vor und sie zu Yerhindern ist
die CredS- Spiegelber g*Bche Methode Tollkommen geeignet und
darin besteht ihr Hauptwerth. Die Inflexio entsteht besonders
bei Mehrgebärenden, deren Fruchthalter erschlafft ist, unmittelbar
nach der Geburt des Kindes, wodurch der Abgang der Plaeenta
sehr erschwert, bei höheren Graden sop^ar unmöglich wird. Der
Knickuncrgwinkel liegt im erschlafften Cerrix, der Grund des
Uterus ist nach dem Gesetze der Schwere durch den Druck ron
oben , nach vorn oder hinten umgebeugt. £ine solche Inflexlon
kann nur dadurch verhindert werden, dass die Hand gleich nach
der Geburt des Rindes den Uterus fortwilhrend Überwacht und
in seiner normalen geraden Richtung, halt. Hut sich bei Ausseracbt-
lassung der O^i^'schen Methode die Inflezion wirklich gebildet,
so muss der Fundns uteri nach aaf- und rückwärts gehoben,
dann nach abwärts in die Ffihrungslinie des Beckens gedrOckt,
kurz die Reposition gemacht werden.
Verfasser legt einen grossen Werth auf die Cred^ - Spiegel-
berg'*Bche Methode, und nennt ihren Vorzug vor der bisherigen
Methode, die Plaeenta zu entfernen, bedeutend, glaubt aber,
dass sie niemals im Stande sein werde, das Einführen der Hand
zur Lösung der Plaeenta gänzlich entbehrlich zu machen.
(Allgem. Wiener med. Zeitung, 1868, No. 37.)
314 XXI. Kotisen ans der .Toamal-LiterAttir.
Blot: Die Verlangsamung des Pulses im Wochenbette.
In seioer der Akademie der Medicin in Paris eiag'ereicbten
^ehrift kommt Verfasser za folgenden tichlüseen:
1. Qesande Wöchnerinnen aeigen im AlIgemeineD einen
mehr weniger rerlangsamten Pols.
2. Drei in der Klinik und dem Hotel Dien gemachte
Beobachtnngsreihen beweisen, dass die Häufigkeit dieser Er«
scheinnng nothwendig mit dem Gesandheitssastande wechselt.
im physiologischen Zustande scheint die Verlangsamung des
Pulses eine allgemeine Thatsache su sein , die mit der Entleerung
des Uteras in Beziehung steht. Nur der Grad ist verschieden.
Sie hängt nicht mit einer manchen Frauen eigenthnmlichen
Disposition zusammen, immer einen langsamen Puls zu haben.
Diejenigen Frauen, welche zu den Beobachtungen benntat wurden,
hatten vielmehr die gewöhnliche physiologische Frequenz ausser^
halb der Zeit ihres Wochenbettes.
3. Der Grad der Verlangsamung ist sehr verschieden; in
drei Fallen fiel er auf .^5 Schläge in der Minute, am häufigsten
schwankt er zwischen 44 und 60. Die Kost übt keinen Einfluss
aus, wie die 21 Beobachtungen aus dem Hdtel Dieu beweisen.
4. Mau findet die Verlangsamung häufiger bei Mehr-
entbundenen als bei Erstentbundenen, was sich aus der grösseren
Häufigkeit puerperaler Zufälle bei Letzteren erklären läset.
5. Die Dauer der Verlangsamung wechselt zwischen einigen
Stunden und 10 oder 14 Tagen, gewöhnlich um so länger, je
stärker sie ist, vorausgesetzt, dass keine Krankheit die Frauen
plötzlich befällt.
6. Der Gang der Verlangsamung des Pulses ist fast immer
derselbe. Sie beginnt gewöhnlich in den ersten 24 Stunden nach
der Geburt, wird dann immer bedeutender, bleibt eine Zeit lang
gleichmässig und verliert sich allmälig wieder. Sie besteht oft
selbst sehr deutlich ausgeprägt zur Zeit, in welche mau ge-
wöhnlich das fälschlich sogenannte Milchfieber verlegt.
7. Die Daaer der Geburt scheint keinen Einfluss auf die
Bntwickelung und den Grad der Verlangsamung zu haben, im
Gegentheil, der geringste pathologische Zustand verhindert ihr
i&ustandekomroen und beseitigt sie. Man beobachtet sie nach
Fehlgeburt, Frühgeburt und rechtzeitiger Geburt, nach natür-
licher und künstlich beendeter. Selbst heftige Nach wehen be-
seitigen sie nicht, dasselbe gilt nicht von Blutungen, obwohl
nach geringfügigen Blutungen die Verlangsamung auch zuweilen
zu beobachten ist.
8. Es tritt ein sehr deutlicher Wechsel ein, je nach der
Stellimg der Entbundenen, ob sie liegt, sitzt oder aufgestanden ist.
9. Die Verlangsamung giebt eine sehr günstige Prognose.
Man findet sie nur bei Frauen, die sich ganz wohl befinden.
XXI. NoUsan «tis dar Journal -Literatm'. 315
In eSnem Hospitale zaig^t «las hHufige VorkotnineD derflelben einen
aua^eeei ebneten Gesundbeitsstand an, das seltene Vorkommen,
IKast den Eintritt von Krankheiten and ßpidemien befHrcbten.
10. Die Ursache der Verlang'samnn^ Hegt nicht in einer
nervösen Krschöpfung, wie Verf. anf&nglich glaubte, die sphygnio*
graphischen Untersnehangen, die Verf. gemeinsam mit Mwrey
anstellte, weisen yielmehr deutlich nach, dass sie in Verbindung
steht mit einer Vermehrung der arteriellen Spannnng nncb der Gebart.
(Bulletin de Tacad^mie de m^deo., T. XXVIII., No. 21, 1863,
p. 926.)
C Braun: lieber acute Schmelzung der Leber bei
Schwangeren.
In der Gesell Schaft für Geburtsbülfe in Berlin (s. d. Monatsscbr.,
Bd. XXI., H. 2, ä. 90) erklärte Virekow, noch nie einen Fall
von acuter Leberatrophie mit tödtUchem Verlaufe bei Schwangeren
beobachtet au haben, dass aber Lebererkranknngen, besonders
acute parenchymatöse Hepatitis, bei Wöchnerinnen ohne Gelb-
sucht nicht selten seien, wobei man die Leber geschwollen und
brüchig, die Zellen Tergröasert und getrübt, ähnlich wie in den
Kieren findet
Braun hat andere Erfahrnngen gemacht und seine Ansichten,
denen er jetst noch anhängt, früher schon in seinem Lehrbuche
der Gebnrtshälfe, 8. 492 und 626, ausgesprochen. Nach ihm ist
der Icterus bei Schwangeren ziemlich selten und tritt in awei-
facher Form auf, entweder mit einer intensiren goldgelben
Färbung der Albuginea ocuii und Haut ohne Fieber und ohne
cephalische Erscheinungen, oder mit schwefelgelber Färbung der
Haut, mit Fieber und mit Hirnsymptomen.
a) Der fieberlose Icterus führt gewöbnlich zum Abortus oder
snr Frühgeburt, bei längerer Dauer des Icterus theilt er sieh
dem Fötus mit, dessen Eingeweide eine grüngelbe Färbung
zeigen. Die Ursache dieses icteius hängt nicht von der Schwanger-
schaft, sondern von allgemeinen Momenten ab, Prognose und
Behandlung sind wie beim gewöhnlichen Icterus. Die künstliche
Frühgeburt lässt sich wegen der Schwangeren nicht, aber wohl
wegen des Kindes rechtfertigen, falls dessen yorzeitiges Absterben
■n besorgen wäre.
b) Der Icterus mit fieberhaften und encephali sehen Er-
scheinungen wird gewöhnlich durch die acute gelbe Leberatrophie
bedingt. Die Hirnsymptome treten ali sogenannte cholämische
Eclampsia und Coma auf und rühren von Ueberladtnig des Blutes
mit Zersetsungsprodncten der Galle und wahrscheinlich auch von
Urämie her. Die Schmelzung der Leber geschieht gewöhnlich
plötzlich, die Vorerscheinungen werden öfter übersehen, die
Symptome sind heftig, der Tod erfolgt schnell. Die Leber wird
316 XXI. Notiaea «as der Jonmal Literatur.
plfitter ond dünner, ein Miletamor tritt meint im spute ren Verlaafe
anf; dae Mikroskop sei^ in der Leber statt der normalen Leber-
sellen, Fetttröpfchen nnd moleonlttre Masse. Meist gleichseitig
fand B. Morbus Brightii, sowie im Bindegewebe und in den
.Sebnenseheidcn der Schenkelranskeln, besonders aber anter der
Hrnst anf den grossen Brnstmnskeln fanstgrosse Bintergaese.
Bei Wöchnerinnen ist Icterns in Folge von Paerpernl-
Processen nicht selten, wobei Fettleber, meist aber keine acute
Leberatrophie sa finden ist.
Bei 28,000 Schwangeren kamen in der Wiener Klinik nur
19 Fälle von Icterus vor, also 1 : 147S, und unter diesen fand
sich nur ein febriler Icterus, bedingt durch acute Leb eratrophie
und ohne Vorhandensein eines Pnerperalprocesses. Bei den
18 Fällen von fieberlosem Icterus war der Verlauf des Wochen-
bettes 16 Mal normal nnd der Icterus heilte. Die Fälle tob
Icterus, die sich au Puerperalfiebern gesellten, sind in obigen
Angaben nicht mitbe'griffen«
Verfasser berichtet ausfährlich eine Beobachtung von mcaier
Lebererweichung bei einer Schwangerschaft Ton sechs Monaten.
Die Erscheinungen waren Fieber, Icterus, Tyrosin and Leaein
im Harne, Obstipation, blutiges Erbrechen; spontaner Abortns,
Tod am nennten Tage der Krankheit und wenige Standen nach
erfolgtem Abortns.
Die Obduction ergab : auffallender Seh wund der Leber,
Milatumor, Bright^sche Nieren, Cirrhonosis des Fötus. Die Be-
funde der Section bestätigten Rokitansky^ n Lehren über die acute
Bchmelsung der Leber und den Verlauf der Krankheit mit den-
wenigen genau verseichneten Fällen der Literatur, welche in
dem Werke Frerieh*8 kritisch beleuchtet sind« Es sind überhaupt
bis zum Jahre 1861 nur eilf Fälle von acuter Leberatrophie bei
Schwangeren beobachtet worden, welchen Hecker-Buhl eine
Bwölfte nnd Verfasser hier die dreitehnte Beobachtang anreihten.
Ueber das Wesen der acuten Leberatrophie machten sieh
in neuerer Zeit drei Ansichten geltend: 1) erklärt man die acute
Leberschmelsnng durch einen Zerfall der secre torischen Elemente
in ihrem Secrete, d. i. durch Erweichung (Bokitafuiky) ; 2) nimmt
man eine diffuse Leberentaündung an, wobei man die Zer-
störung der Leberaellen entweder als Fettmetamorphose anffaast
{Brightf Engel, Wedlf Bamberger), oder auch damit nicht identi-
ficirt (jFrertd^) ; 3) glaubt man eine acute Fettdegeneration
des Hersens, der Nieren und Leber nachweisen su können (JSicU).
Nach Braun'*B Meinung ist die beschriebene Erkrankung in
einer acuten Schmelsung, Erweichung der Leber begründet nnd
die vorhandenen Hirnerscheinungen dürften durch Urämie wahr-
soheinlioh au erklären sein.
Arsneimittel können bei der vollständig aufgehobenen Thätig^
keit der Leber schwerlich einwirken, der J^naga.ng war biaher
XXh NotisoB ans der Journal 'Literatur. 317
auch immer tödtlieh. Künstlicher Abortus oder künstlii^he Frtih*
fi^ebart können die Schwangere nicht retten, letstere vielleicht
aber das Kind, wenn sie imAnfange der Krankheit bei lebender,
lebensfUhiger Frucht rorgenommen wird.
(Allgem. Wiener medio. Zeitung, 1863, No. 35 — 37.
Ulrich: Ueber die Operation der Blasenscheidenfistel.
Auf der gynäkologischen Abtbeilung des Wiener allgemeinen
Krankenhauses kamen seit der Zeit der Direction des Verfassers
sehn Frauen* mit Blasensoheidenfisteln cur Behandlung, an denen
zwölf Operationen gemacht wurden. Neun Fisteln (an acht Frauen)
wurden Yollkommen geheilt, die sehnte Fistel (an einer der acht
Frauen) hat sich zwar nur unvollkommen geschlossen, ist aber
noch yollkommen verschliessbar und nur bei swei Frauen war
die Operation gans erfolglos. — Verfasser wahrt sich in Beaug
auf seine Operationsmethode seinen eigenen Ideengang, auf den
aber natärlieh die Verfahrungsweisen anderer Operateure, wie
Jobertf «Stm«, >tmon, Boaer u. Jt, nicht ohne Einfluss waren. Er
ist überzeugt, dass für jede überhaupt noch operirbare Fistel
der endliche Erfolg der Operation als gesichert angenommen
werden kann, wenn es gelingt, die Fistel zur Operation gut
einzustellen, d. h. für das Auge und für eine sichere Führung
der Instrumente sugängig zu machen.
Verfasser hat demgemäss auch einen Einstellnngs- Apparat
empfohlen (Wochenblatt d. Zeitschr. d. Gesellsch. d. Aerste in
Wien, No. 29, 1863), der einerseits mit dem Becken der Kranken
unbeweglich verbunden, andererseits an dem freien Rande des
Operationstisches befestigt wird (s. a. a. O. die Beschreibung und
Abbildung). Der Apparat hat in den fünf Fällen , in denen er
bisher angewendet wurde, vollkommen genügt, lasst sich aber
leicht dem gegebenen Falle anpassend ändern. Die beigefügten
Krankengeschichten ergeben sehr verschiedenartige Fistelformen,
von der leicht zngängigen und kleinen Fistel bis zu einer Form
und Grösse, bei welcher Verf. sich zur operativen Obliteration
der Scheide entscbliessen musste.
Ehe man znr Operation schreitet, muss das Allgemein-
befinden der Kranken geregelt nnd gestärkt, etwaige Complicatiouen
heMeitigt, der Vernarbiingsprocess abgelaufen sein. Entzündliche
Infiltration in der Umgebung der Fistel darf nicht bestehen, was
bei Wiederholungen der Operation wohl zu beachten ist. Das
Lager der Kranken für die Operation muss so hoch sein, dass
der Operateur bequem ankommen kann. Für den ersten Act der
Operation, die Einstellung der Fistel, welche mit grosser
Umsicht und Ueberlegnng je nach der Eigenthümlichkeit des
Falles geschehen muss, empfiehlt Verf. die Zurückschiebung der
hinteren Wand der Jöcheide nnd des Dammes durch eine rinnen-
318 XXI. STotiien aoa der Jonnal- Literatur.
förmige ) der LKnge nach im Segment eines Kreises gekrümmte
Spatel von entsprechender Breite. Ein Blatt des Nßugebauer^Behen
Scheidenspiegels und noch besser der Hcheidenspiegel toh Siima
stellt eine solche Spatel vor. Verf. nennt sie die Hauptapatel,
weil oft ausser Ihr keine weitere Spatel nötfaig ist. Je nach
dem Falle sind drei verschiedene Grössen der Spa^tel erforderlich.
Die Gebärmutter wird am besten durch einfache oder Doppel-
haken, welche vom Muttermunde aus in die Muttermnndslippen
eingesetzt werden, so weit wie möglich herabgesogen, so daas
in geeigneten Fällen die Fistel bis in den Scheideneingang
herabkommt, ist aber die Fistel unbeweglich und folgt nicht
nach unten, so müssen ausser der Hauptspatel noch seitliche
m
Spatel eingebracht werden, dieselben müssen sanft S förmig ge>
krümmt, flach löffeiförmig und schmal (fingerbreit) und sn ihrem
Stiele rechtwinklich oder stumpfwinklieh gestellt sein. Diese
seitlichen Spatel werden je nach dem Bedürfnisse verschieden
angesetzt, selten längs der Urethra und an der vorderen Wand
der Scheide; ein in die Blase eingeschobener Katheter bringt
die Fistel weniger gut zu Gesicht, als ein in der Scheiden-
schleimhaut eingesetztes Häkchen. Die Spatel dürfen niemals
nach aufwärts drücken, weil sonst die nachher einzusetzenden
Häkchen die Fistel nicht herabbringen können, der Druck,
welchen die Spatel zur Erweiterung der Vagina auszuführen haben,
muss mit einem gewissen Zuge in der Richtung gegen den
Scheideneingang verbunden werden, um die Scheide zu verkürzen
und die Fistel zu nähern. Um nicht beim Halten der Spatel
und Haken den öfter unzuverlässigen Händen der Gehnlfen
sich überlassen zu müssen, hat der Verf. den oben erwähnten
sinnreichen Einstellungsapparat erfunden. Derselbe stellt einen
eisernen Ring dar, welcher um die Schamspalte herumgelegt und
durch vier Bänder am Becken befestigt wird, durch verschiedene
Schrauben können sowohl die eigens geformten Griffe der Spatel,
als auch die Fäden, welche an die kurzen, besonders constrairten
Doppelhäkchen angebunden sind und dieselben anziehen, befestigt
werden. Oder Verf. bindet diese Häkchen auch nur an die Spatel
an. Bei dem zweiten Acte der Operation, der Anfrischung
der Fistelränder schneidet Verf. womöglich in einem Stücke alles
Narbige heraus und glaubt, dass in der constanten Bemühung
nach einer idealen gleichmässigen trichterförmigen Ausechneldnng
des Narbencanales die sicherste Bürgschaft für das Zustandebringen
eines tanglichen Wnndrandes liege. Zur Erreichung dieses
Zweckes giebt Verf. ausführliche Rathschlägo. Für den dritten
Act, die Einziehung der Fäden, bediente sich Verf. bislier
der Linnen-, Zwirn- und Seiden faden und führte die Nadeln
meist von innen nach aussen, es ist ein grosser Nadelhalter (Roux)
nöthig, ebenso ein gutes Instrument zum Fassen der Nadelspitaeii.
Die Richtung der Wunde ist am besten die quere, weil Scheide
XXI. NotiseD ftU8 der Joarnal* Literatur. 319
und HIase in ihrer LHogeDachse dio Verkürzung nro leichtesten
vertragen. Die Stichcanäle wurden nicht bis durch die Blasen-
Rchleimhaut geführt, sogenannte Entspannungsnähte {^Simon) oder
KntspannungsBchnitte zeigten sich in keinem Falle nöthig. £8
wurden immer nur einfache Fäden eingelegt. Der vierte Act,
Vereinigung der Wunde, geschehe erst nach gehöriger
Reinigung und genauer Revision , dass Alles in gewünschter
Ordnung ist. Die Fäden dürfen weder zu fest, noch sn locker
zugezogen werden, sie werden mit den Fingern oder Pincetten
sorgfältig geknotet, 2 — 3" von dem Knoten abgeschnitten und
die Enden in die gereinigte Scheide gelegt. — Zur Abnahme des
Harnes zieht Verf. das je nach Bedürfniss jeweilige, vorsichtige
Einführen des Katheters, dein in einzelnen Fällen bei starkem
Harndrange nöthigen Liegenlassen desselben vor. Manche Kranke
können gleich von Anfang an gut den Harn allein entleeren, und
es möchte sehr zweckmässig sein, das spontane Entleeren als
Princip festzuhalten und nur im Nothfalle davon abzuweichen.
Die Stnhlentleernng erfolge nicht zu früh und rauss dann ohne
Anstrengung vor sich gehen. £\je Entfernung der Hefte begann
meist am fünften oder sechsten und endete stets mit dem achten
Tage. Es muss dabei die Hauptspatel wieder eingeführt werden,
wobei eine Zerrung der Fäden streng zu vermeiden ist, dann
wird die Scheide mit lauem Wasser ausgespritzt, ein Doppelhaken
hinter der Fistel sicher in die Scheide eingesetzt und nun die
Fistel herangezogen. Man beschränke sich auf das blosse Ent
fernen der Fäden, unterlasse jede weitere Prüfung der Wunde,
um nicht durch unnützes Drucken und Zerren zu schaden.
Zum Schlüsse giebt Verf. nähere Anweisung über die Operation
der Verschliessung tier Scheide durch die Naht.
(Medic. Jahrb., Zeitschr. d.GesoIlnch. d.Aerzte in Wien, 1863|
Heft 2, 8, 4.)
Saucerotte: Die Ovariotomie in Sirassburg.
Nach den ungünstigen Urtheilen, welche in Frankreich
bisher über die Ovariotomie gefjillt wurden und welche noch in
den Verhandlungen der Akademie von 1866— 1867 bei Malgaigne^
MoreaUj Velpeau u. A. hervortreten, während Cazeaux allein ihr
die gebührende Stelle anzuweisen trachtet, gebührt Koeherle in
Strassburg das Verdienst, durch eine Reihe von fünf kurz hinter-
einander ausgeführten Operationen mit vier günstigen Erfolge«
(Juni bis December 1862), derselben eine gesicherte Stellung
auch in Frankreich errungen zu haben. Die vo'n K. zum möglichst
sicheren Erfolge angewendeten Vorsichtsmaassrcgeln vor und
während der Ausführung der Operation sind so durchdacht und
umfassend, dass sie fast zu peinlich erscheinen könnten.
(Gnz. m^dic. de Paris, 1863, No. 5.)
320 ^^1* Noticen ans der JonraftN Literatur.
Spiegelberg: Bericht über die Ereignisse in der
Grossberzogl. Enlbindungs-Anstait an der üai-
versität Freiburg in den Jahren 1861 und 1862.
Verfasser übernahm am 5. April 1861 die Direction der Anatali
Von da bis Ende 1862 worden 288 Schwangere anfgenomroeB,
8 waren Bestand. Es kamen 281 Geburten vor. Von diesen sind
261 gesund entlassen, 10 in die anderen Kliniken Terlegt (meiit
wegen nicht mit dem Puerperium snsammenhftngendeii Kranfcheitea,
einige als Reconvalescenten), 10 sind in der Anetalt gestorbea
Es kamen 5 Zwillingsgebarten vor, 160 Knaben nnd 136 Mädchen
wurden geboren. 10 Kinder (5 Knaben und 5 Mädchen) kiunea
todt Bur Welt, meist in Folge von Druck auf die Kabelsehnnr
während der Geburt. 29 Kinder starben in der Anstalt, die
grösste Anzahl unter ihnen in Folge puerperaler Infection. Sieben
Frühgeburten kamen zur Beobachtung.
Knnsthülfe wurde 21 Mal für nöthig erachtet, Zange 8 Mal.
Extraction am Beckenende 3 Mal, äussere Wendung auf den Kopf
2 Mal, Wendung auf den Fuss 6 Mal, künstliche Frühgeburt 1 Mal,
Kaiserschnitt an der Lebenden 1 Mal, Nachgeburteoperjitionea
fanden nicht statt. — Kindeslagen waren: 268 Schädellagen,
4 Gesichtslagen, 8 Beckenlagen, 6 iSchieflagen. In S Fällen
konnte die vorgefallene Nabelschnur mit glücklichem £rfolge
mittels der Hand reponirt worden.
Die künstliche Frühgeburt ward wegen Lenkaemie in der
32. Schwangerschaftswoche durch Katheterisation des Uterua be-
wirkt Die Mutter starb nach acht Tagen an ihrem Leiden, das
Kind gedieh. Der Kaiserschnitt war durch Beckenenge angeseigt.
Die Operirte starb nach 24 Stunden an GoUapsus; das Kind blieb
am Leben.
Der Gesundheitszustand der Mütter und Kinder war bis
zum Spätsommer 1862 sehr gut, im September begann aber eine
heftige Puerperalfieberepidemle. Sämmtlicbe Todesfälle kommen
in diesen Zeitraum. Sieben Wöchnerinnen starben an Puerperal-
processen, eine an einem alten Herzleiden, eine an Lenkaeraie,
eine an CoUapsus nach dem Kaiserschnitte« Siebensehn Kinder
starben an den verschiedenen Formen puerperaler Infection, wie
Thrombose der Nabel- und anderer Gefasse, Peritonitis, Pleuritis,
Pyaemie, Sepsis. Eine kleine Zahl gynäkologischer Kranken
%nd Aufnahme, nämlich sechs verschiedene Blasenfistel -Kranke.
Vier davon wurden geheilt, zwei blieben in Behandlung.
(Berichte der naturforsch. Gesellschaft in Freiburg, 1863.)
XXII.
Beiträge zur Physiologie und Pathologie
des Wochenbettes.
Von
Dr. F. WInckel,
Second&rarzt der geburtshülflicben UnlTersitfttaklliiik in Berlin.
Das Temperaturverlialten des normalen Wochenbettes ist
nach Hecker spater nur von Wenigen untersucht worden.
Man beschränkte sich meist darauf, die Temperaturcurven
bestimmter Puerperaierkrankupgen festzustellen. Und hier war
es namentlich die höchst sorgfaltige Arbeit von Leyden (Bericht
über die vom 1. November 1861 bis 15. April 1862 auf der
inneren Abtheilung des Herrn Prof. Traube in der Charite vor-
gekommenen Puerperalerkrankungen : Charit e-Annalen, Bd. X.,
Heft 2, 1862), welche bewies, dass das Thermometer als
werthvoUes diagnostisches Hfüfsmittel auch bei den septischen
Wochenbeltsaffectionen benutzt werden könne. Erst in der
allernenesten Zeit ist ein Aufsatz von 0. v. Qruenewaldt
erschienen (Petersburger medicinische Zeitschrift, 1863, Heft 7,
S. 1 — 34: über die Eigenwärme gesunder und kranker
Wöchnerinnen), in welchem auch die Temperatur des normalen
Wochenbettes besprochen wird. Der Verfasser erwähnt in
dieser Arbeit meine in der Monatsschrift für Geburtskunde,
December-Heft 1862 veröffentlichten „Temperaturstudien'* und
nöthigt mich hierdurch zu nachfolgender Entgegnung:
Ich beginne zunächst mit seinem Schlusssatze: „Die
von W, angefühlten Untersuchungen über die Eigenwärme
der Wöchnerinnen von Gfierse, v. Baerensprung , Traube
und Hecker haben wir nirgends beschrieben gefanden
und auch keine Angaben, wo sie veröffentlicht sind.** Die
angeführten Autoren sind aber leicht zu finden, da der
MoB«UMhr.f.Gebartak. 1868. Bd.ZXn., Hft.6. 21
322 XXIL Winckel, BeitrSge sor Physiologie
Aufsatz von Hecker (Cbarite-Annalen, fünfter Jahrgang, 2,
S. 333) nicht bloss in allen neueren Lehrbfichern der
Geburtshülfe, die überhaupt eine Literatur besilzeu, an-
gegeben (C. Braun, Hohly S. 913; Naegele- Grenser, S. 260),
sondern auch in Journalen, z. B. in der Monatsschrift für
Geburtskunde, Band IV., Heft 6, 1854, S. 464 ausführUch
referirt worden ist. Die so allgemein bekannte Arbeit von
Baerensprung , die ebenfalls an vielen Orten erwähnt wird,
beOndet sich in MneUer's Archiv, Jnhrgang 1851, und gehört
in specie der § 3 derselben S. 135 und 136 — mit einer
Tabelle, welche die Temperalur der Mutter vor und nach der
Entbindung in der Scheide geniessen,^) mit der des Kindes
vergleicht — hierher. Traube und Gierse werden terner
nicht bloss von Hecher (1. c), Virchow (Specielle Patliologie,
Band I., S. 27) u. A. genannt, sondern in dem erwähnten
Aufsalze von Baerensprung S. 148, § 6, speciell von Gterie,
dessen Arbeit mir im Original nicht zur Disposition stand,
gesagt, dass er die Scheidenteraperatur bei Frauen = 30,3^Ä
gefunden habe. Auch wird von Baerensprung der Titel
der Gierse'schen Arbeit genannt: Quaenam sit ratio caloris
organici etc., Halae 1842. Hiernach kann (x.'s Suchen nach
obigen Forschern nicht besonders sorgfaltig gewesen sein.
Es wird ferner von Ö. eine Differenz in den Temperatur-
höhen gleich nach der Geburt zwischen seinen und meinen
Beobachtungen erwähnt, welche er den von mir gebrauchten
Instrumenten zuschreibt. Ich muss ihm in dieser Beziehung
vollkommen Recht geben. Schon durch die Angaben der
Tempera lurcurven kranker Wöchnerinnen von Breslau (Archiv
der Heilkunde, IV., 97— 134) war ich auf diese Höhen-
differenz aufmerksam geworden und eine Reihe von Vergleichen
der genannten Gretner*schau Thermometer mit sehr vielen
anderen Thermometern hiesiger Instrumentenmacher, zeigte
mir Anfangs März d. J., dass die erstgenannten immer OJö^C»
höher wie die letzteren stiegen — im Uebrigen aber diese*
1) Da ich früher die Unterflachnngen von Baerensprung
nicht AUS dem Originale selbst, sondern nar durch Keferate
kannte, so entstand die iiirrige** Angabe meinerseits, dass
Beobachtungen über die bei der Geburt vorhandene Temperator
ganz und gar fehlten, welche ich hierdurch berichtige.
nnd Pathologie des Woclienbettes. 323
Differenz bei allen Graden von 36 — 42^ (7. gleichmässig
zeigten. Dass die beiden von mir benutzten aufs Genaueste
untereinander übereinstimmten, sprach ausserdem für ihre
Güte und die angesteUten Messungen verlieren also um so
weniger an Werth, als sie nach Reduction um 0,75^ C. mit
den Zahlen von (?. , WimderlicK u. A. ganz harmoniren. ')
Auch ich lege auf eine den Zehntel- Graden noch an-
gehängte 5 keinen besonderen Werth, habe sie aber gewöhnlich
mit niedergeschrieben , weil ich sie bei der Beobachtung selbst
immer so genau notirt hatte. Jedenfalls konnte ich sie an
den 14y4 Zoll langen Thermometern so sicher ablesen
wie G. bei den Oeissler^schen Thermometern mit Eintheilung
nach Funftelgraden die Zehntelgrade noch erkannte. — Da-
gegen war ich bei Untersuchung der Temperatursteigerung
während der Wehe selbst gezwungen, auch diese kleinen
Veränderungen zu notiren und habe dort auch erwähnt, dass
ich dieselben wiederholt von anwesenden Praktikanten hätte
abschätzen lassen. Inzwischen hat mir Prof. Breslau mündlich
versichert, dass er ebenfalls an kleineren Thermometern mit
einer Loupe eine Teraperatursteigerung während der Wehe
und ein Zurücksinken nach derselben beobachtet habe. —
Wenn O. ferner sagt: „die Messungen haben wir nicht
jede einzelne selbst gemacht, sondern ein grosser Theil der-
selben wurde von einer intelligenten und gewissenhaften
Hebamme angestellt, die darin sehr geschickt war und ein
grosses Interesse für die Sache hatte; häufig vorgenommene
Controlirung ihrer Messungen bestätigte ausnahmlos die
Richtigkeit derselben; ausserdem bewies der Gang der Wärme-
1) Hiernach sind also auch die in meinen Temperaturstudien
erhaltenen Durchschnittszahlen zu reduciren und als mittlere
Temperatur der Scheide in den letzten zwei Monaten der
Schwangerschaft würde Morgens = 37,^, Abends 37,475^ C; als
mittlere Temperatur bei der Geburt
Morgens 7—9: 37,583, Nachmittags 2—4: 87,399® C,
„ 9 — 11: 37,482, , 4—6: 37,819
» 11—2: 87,295, „ 6—8: 37,7
Abends 8 — 10:37,518, Nachts 10—12:37,444
und endlich als Durchschnitt der Temperatur in der
ersten Geburtsperiode: 87,531, der zweiten Periode:
37,592® zu lesen sein.
21*
324 ^XII* Wintkel, Beiirfige cur PhyBiologie
Verhältnisse in jedem einzelnen Falle (?!), ob eine Uiigenauig.
keil stattgehabt haben konnte/* — so sehe ich mich trotzdem
zu der Bemerkung veranlasst, dass selbst, wenn eine Hebamme
noch so sorgfältig diese Untersuchungen anstellt und wirklich
alle die Cautelen anwendet, welche nach Traube's Vorschrifi
dabei erforderlich sind, dennoch das Resultat der Beobaclitungeo,
namentlich aber die richtige Erklärung der Befunde, entschieden
dabei leiden muss. Jeder, der eine grössere Reihe von Messungen
selbst angestellt hat, wird wissen, dass man nicht selten
durch das Auffinden unerwarteter Temperaturveränderungen
zu einer nochmaligen genauen Untersuchung der Kranken
aufgefordert wird , welch«; dann oft noch positive Anhaltspunkte
für die genannte Veränderung an die Hand geben, während
sich dieselbe am grünen Tische bisweilen unnachsichtlich
theoretischen Erklärungen fügen muss. Kann man aber
die Messungen nicht selbst anstellen, so sollte mindestens
ein Student oder ein promovirter Arzt die Vertretung über-
nehmen.
Endlich bedauere ich aufrichtig, dass 6r. bei dem schönen
Material von 432 Personen, welche er vom 7. Januar 1863 an
zu diesen Untersuchungen benutzen liess, es nicht für nöthig
befunden, bei der Geburt selbst noch zahlreiche Messungen
auszuführen. Die Entschuldigung, dass wichtige Befunde in
dieser Beziehung kaum zu erstreben gewesen wären, da der
Gegenstand von mir ja genau und erschöpfend behandelt
sei, ist keineswegs stichhaltig, da ich selbst in der genannten
Arbeit wiederholt darauf hingewiesen habe, dass noch ein
grosses Feld zur Untersuchung hierbej sich fände und dass
die geringe Zahl der von mir mitgetheilten Fälle allein zu >
weiteren Nachforschungen auffordern müsste.
Soviel zuerst über die mir gemachten Einwendungen ; auf
die Resultate der gepannten Arbeit selbst komme ich in
den folgenden Blättern wiederholt zurück.
Die vorliegenden Wochenbettsbeobachtungen bilden eine
Fortsetzung meiner früheren Teniperaturstudien und würden,
da sie in dem Zeiträume vom 5. Juni 1862 bis 31. März 1863
angestellt sind, schon eher publicirt worden sein, wenn mich
nicht die wiederholte sorgfältige Prüfung über die Güte der
gebrauchten Thermometer längere Zeit daran verhindert hätte.
und Patholog^ie des Wochenbettes. 325
In den einzelnen Krankengeschichlen sind nun die Zahlen
uberal] reducirt und stimmen so mit denen anderer Beobachter
ziemlich genau öberein. Wie die früheren, so wurden auch
diese Untersuchungen in der stationären gehurt shülflichen
Klinik des Herrn Geh. Med.-Raths Prof. Dr. Martin von mir
yorgenommen und werden mit dessen Genehmigung dem
Urtheile unserer Fachgenossen unterbreitet.
Ungefähr 200 Wöchnerinnen wurden in df^m genannten
Zeiträume eine jede zwei Mal täglich nacheinander mit dem
Thermometer untersuchL Morgens fand die Messung zwischen
7 und 9 Uhr, Abends zwischen 5 und 7 Uhr statt und wurde
bei derselben Puerpera, soweit dies möglich war, immer zu
derselben Zeil das Thermometer Morgens und Ahends ein-
gelegt. Ein Theil der Messungen fiel freilich in die Zeit
nach dem Kaffee und nach dem Abendbrode: doch Hess sich
annehmen, dass der Einfluss der Verdauung . bei dieser
geringen Nahrungszufuhr nicht erheblich sei, zumal wie
schon Hecker hervorhebt, kleine Temperaturdiflerenzen nicht
von Bedeutung sind.
I. Die Temperatnrcnrve des normalen Wochenbettes
beginnt nothwendig mit der
a) Temperatur gleich nach der Geburt.
In 100 Fällen, bei denen ich Gelegenheit fand, die
Scheidentemperatur direct nach Entfernung der Nachgeburt
zu messen, waren 70 Mal mehr oder minder gesundheits-
gemässe Gebui*ten vorhergegangen. Beim ersten Vergleiche
der erhaltenen Zahlen musste das Verhalten der Temperatur
gleich nach der Geburt höchst schwankend und wandelbar
erscheinen. Berücksichtigt man aber alle Momente, welche
von EinHuss auf dieselbe sind, so lässt sich auch hier ein
bestimmtes Gesetz erkennen. Schon in der Einleitung zu
dem ersten Theile hob ich liervor, dass offenbar die Temperatur
inier partum die post partum mit bedinge ; dieselbe ist ausser-
dem abhängig von der Dauer der Geburt, der dabei statt-
gefundenen Entblössung, dem Blutverluste bei derselben
und von der Zeit, in welche die Geburt selbst fallL Man,
kann also nicht, wie dies Hecker in seiner Tabelle I. gelban
326 XXII. Winehel, Beiträge zur Physiologie
aus dem Vergleiche der erhaltenen Zahlen mit der Weben-
beschaffenheit und der Dauer der Geburt allein irgend welche
positive Schlüsse ziehen, sondern muss auch die anderen
Verhältnisse mit berücksichtigen.
Sehen wir zuerst, wie sie sich in Betrelf ihrer Höhe
und nach der Tageszeit zur Höhe der Temperatur vor
und bei der Geburt verhält, so fand ich, dass sie
Morgens von 2 — 11 Uhr in 25 Fällen durchschnittlich:
37,60 C;
Mittags von 11— -2 Uhr in 10 Fällen durchschnitt-
lich: 37,54;
Nachmittags von 2 — 8 Uhr in 13 Fällen durchschnitt-
lich: 37,65
und Abends von 8 bis Nachts 2 Uhr in 22 Fällen durch-
schnittlich: 37,425
betrug; daraus folgt, dass sie 0,2^(7. höher als die während
der Schwangerschall und mehr oder weniger gleich der
Temperatur inter partum (cf. die reducirte Tabelle L und IV.
aus dem ersten Theil). Zugleich erhellt hieraus, dass sie
am Abend im Allgemeinen etwas höher als am
Morgen ist und übrigens den Tagesschwankungen
ebenfalls unterworfen ist.
Mit der wälirend der Geburt gefundenen Temperatur
verglichen zeigte in 45 Fällen die Temperatur gleich nach
der Geburt folgendes Verhalten: Sie war höher als jene,
wenn die Geburt in die Zeit der Temperaturzunahme fiel,
niedriger oder gleich, falls jene in der Remissionszeit endigte.
Die Differenz zwischen der letzten Messung bei der Geburt
und der Temperatur gleich nach der Geburt betrug in den
45 Fällen durchschnittlich nur 0,26 ^ C. ; schwankte übrigens
zwischen 0,025 und 0,75 ^ (7. bei gesundheitsgemässen Geburten.
Aus dem Vorigen erhellt nun, dass der Einfluss der
Dauer der zweiten Geburtsperiode und namentlich der
Wehen beschaffenheit auf die Temperatur gleich nach
der Geburt nur dann richtig beurtheilt werden kann, wenn
man Geburten vergleicht, die in dieselbe Zeit fallen. Dies
ist in 40 Fällen geschehen, von denen 20 normale, kräftige,
20 aber sehr kräftige Wehen zeigten und während bei den
ersteren in der Zeit der Temperaturzunahme ein Mittel
^ nnd Patholojrte des Wochenbettes. 327
von 57,6, in der Remissionszeit aber nur 37,3 gefunden
wurde, zeigte sich hei sehr kräfligen Wehen in dieselben
Zeit 37,7 und 37^^(7., so dass hei letzteren also nach-
weislich die Temperatur auch im Durchschnitte etwas
hob er war.
Erwähnt sei schliesslich noch, dass in jenen 70 Fällen
nach gesundheitsgemässen Geburten die Temperatur zwischen
36,95 und 38,05<> C. schwankte.
Kurz zusammengefasst ist also die Temperatur gleich
nach der Geburt immer etwas höher als die ante partum
(bis zu 0,5^ C); ferner je nach der Tageszeit niedriger,
gleich oder hoher als die Temperatur inter partum, sodann
hoher nach sehr kräftigen und sluniiischen Wehen, als nach
normalen Wehen und endlich ist die Differenz zwischen der
Temperatur ante, inter et post partum selten höher als die
normale Beweglichkeit der. Eigenwärme i. e. = 0,5^ C.
So mannichfallig also auch die Verhältnisse sind, welche
die Temperatur gleich nach der Geburt beeinflussen, so ist
dieselbe trotzdem auch an und für sich in vieler Beziehung
werthvoll. Sie erlaubt uns, auch wenn die Temperatur inter
partum nicht gemessen wurde, bestimmte Schlösse auf diese
und sind Abweichungen von dem oben angegebenen Hohen*
Stande von prophylaclischer und therapeutischer Bedeutung.
W^as den Einfluss der Dauer der zweiten Geburts-
periode auf die Temperaturhöhe gleich nach der Geburt
betrifll, so besitze ich noch nicht genug extreme Beispiele
dieser Art von sonst normalen Geburten, um denselben an
Zahlen deutlich nachzuweisen. Doch lässt sich erwarten, dass
wenn die längere Dauer von dem stärkeren Widerstände der
Weichtheile herrührt und nicht etwa von Wehenschwäche, die
Temperatur die Durchschnittshöhe etwas übersteigt, weil eine
grössere Anzahl von Muskeln länger und nach und nach stärker
angestrengt weTden. — Bei sehr kräftigen, namentlich auch
stürmischen Wehen ist aber die nachweisbare Temperatur-
erhöhung nicht allein auf die grosse Muskelanstrengung zu
schieben , sondern zum Theil wohl auch eine Folge der abnorm
verminderten Lungenverdunstung. Solche Kreissende nehmen
sich kaum Zeit tief Athem zu holen oder zu schreien; sie
pressen aufs heftigste mit und verarbeiten die Weben mit
328 XXII. Win€kel, BeitrSge sur Pbjslologief
einer Kraft, die ihre Gesichtszüge oft sehr entstellt In
einem Falle der Art, wo bei dem helligsten Pressen einer
Zweitgehärenden starke Cyanose des Gesichts und Halses
auftrat, war Nachmittags IV4 ^^hr bei sehr kräftigen Wehen
die Temperatur der Scheide 38,25 <^ C IV2 Stunden später
direct nach der Geburt, deren zweite Periode mit Ausstossung
eines 8Vs Pfund schweren Kindes endigte, aber nur eine
halbe Stunde dauerte, betrug die Temperatur der Scheide
39,4^ C; wieder 2 Stunden später: 38;9 und 12 Stunden
daraut 37,35 0 0.! —
b) Das Verhalten der Temperatur in den ersten
vierundzwanzig Stunden des Wochenbettes.
Gleich nach der Beendigung der Geburt wird die verlier
beschleunigte Respiration langsamer und tiefer, der vorher
raschere Puls zeigt sich ebenfalls langsamer, das Bediirfniss
nach Nahrung macht sich sehr selten geltend, dagegen ver-
langt die Puerpera oft nach einem Trünke frischen Wassei^
Da die vorangegangenen Muskelanstrengungen jetzt aufhören,
meist absolute Ruhe folgt, da ein nicht unerheblicher Blut-
verlust eingetreten ist und die Wöchnerin anfangs sehr wenig
Nahrung zu sich nimmt, so könnte man glauben, dass nun
zunächst eine Temperaturabnahme im Wochenbette eintreten
müsste. So deducirt denn auch Hecker 1. c, indem er
sagt: „Es ist a priori wahrscheinlich, dass in der ersten Zeit
des Wochenbettes, sobald der Uterus in Ruhe gekommen
und in das Stadium der Ruckbildung eingetreten ist, ein
Absinken der Temperatur erfolgt." — Trotzdem ist dies
jetzt noch nicht der Fall. Alle Beobachter stimmen darin
uberein, dass bald nach der Geburt vor oder in einem
wohlthätigen Schlafe eine gleichmässig höhere Wärme der
ganzen Haut sich zeigt, welche allmälig in einen allgemeinen
Schweiss übergeht. In der Regel kann man schon Y4 — V2 Stunde
nach der Geburt diese Turgescenz und Wärme der Haut
durch das Gefühl wahrnehmen. Dabei ist der Puls langsamer
aber voller, das Lumen der Arterie ist scheinbar weiter ge-
worden. Gleich mit der Verkleinerung des Uterus wird ja
ein Theil des Blutes, welches bisher in diesem circulirte, in
die grossen Gelasse zurückgedrängt und naturgemäss den
und Pathologie des Woehenbettes. 329
Organen am meisten zugeführt, die sich nach Entleerung der
Bauchhöhle wieder mehr ausdehnen können , wie den Lungen ;
oder in ihre frähere Lage zuröckkehren , wie Leber, Milz
und Darm; zum grossen Theile aber auch dem Gefassgebiete
zugewiesen, welches durch seine Entwickelung in der Schwanger-
schaft seinen engen Connex mit den Genitalien bekundet,
nämhch dem der Brüste und mit diesen auch der ganzen
Hautoherfläche. In diesen Organen steigen entsprechend der
Blutzufuhr auch die Se- und Excretionen. Dass mit diesem
vermehrten Stoifumsalze auch eine vermehrte Wärmebildung
stattfindet, kann man mit dem Thermometer beweisen. — Durch
den Ausbruch eines reichlichen allgemeinen Schweisses und
die mit demselben vermehrte Hautverdunstung wird ein Theil
der gebildeten Wärme allmälig wieder abgegeben; die Temperatur-
zunahme beschränkt sich daher nur auf eine gewisse Zeit,
auf die ersten zwölf Stunden post partum. Erst in den
zweiten zwölf Stunden machen sich dann die oben genannten
Momente geltend, welche die Körpertemperatur herabsetzen.
Wenn man also, wie Hecker, erst gegen Ende der ersten
24 Stunden nach der Geburt die Temperatur wieder unter-
sucht, so muss man allerdings in normalen Fällen einen im
Vergleich zu dem direct nach der Geburt gefundenen niedrigeren
oder gleich hohen Stand finden; man übersieht dabei aber
die vorangegangene Steigerung, welche bestimmten Gesetzen
folgt, deren Abweichungen stels von Bedeutung sind.
In der Tabelle I. habe ich die Temperatur gleich nach
der Geburt mit den beiden folgenden innerhalb der ersten
24 Stunden gefundenen Werthe zusammengestellt Da die
nächstfolgende Messung immer Morgens von 7 — 9 oder
Abends von 5 — 7 Uhr stattfand, so sind die Fälle in zwei
Colonnen geordnet, je nachdem dieselbe Morgens (I.) oder
Abends (II.) vorgenommen wurde. A priori könnte nun der
so gefundenen Temperatursteigerung entgegengehalten werden,
dass auf diese Weise immer zur Zeit der Temperaturzunahme
überhaupt zum ersten Male gemessen worden sei, während
die Geburt selbst in die Remissionszett oder in den Anfang
der gewöhnlichen Zunahmezeit gefallen sei. Allein erstlich
habe ich in einer Reihe von Fällen Unlersucliungen angestellt,
in denen die Beendigung der Geburt gerade mit der Höhe der
330 XXI Y* Wijukel, BeierÄge snr Physiologie
TemiMH'alurzunaliine zusaniineiiüel und wenige Slnnden nachher
trotz der Remissionszeit eine nicbl unerlieliliciie Slei'gerung
gefunden, z. ß. von 37,6 auf 38 <^ C, von 37,7 auf 30,025,
von 37.725 auf 38,075 etc.; sodann doc4in[)eulirt sich dit
Steigerung als solche durch die Hohe der Temperatur selbst
und ferner beweist auch das nachfolgende Sinken, welciies
auch in der Zeit der eigentlichen Exacerbation stattfiodet,
dass \%'ir es hier mit einem wirklich activen Voi^ange zu
thun haben.
In Betreff der Höhe dieser Zunahme und der Momente,
von denen dieselbe abhängig ist, ergicbt sicli aus der an-
gehängten Tabelle, dass die mittlere Zimabme am Morgea
= 0,311, am Abend dagegen = 0,52 ist. Während näudich
die Temperatur gleich nach der Geburt in der ersten Colonoe
ein Mittel von 37,521^ C. zeigte, ergab sich als Mittel der
ersten Messung: 37,832, eine Teuiperatur, die nicht nur im
Vergleiche zur Schwangerschaft, sondern auch zu der zu
derselben Zeit während der Geburt gefundenen sich erhöbt
zeigt. In der zweiten Colonne ist diese Erhöhung sogar
noch bedeutender; hier beträgt das Mittel sogar 38,06. —
Jeder Steigerung folgt dann das Absinken und dieses ist,
wie aus der Tabelle erhellt, grösser vom Abend bis zum
Morgen als umgekehrt. In Uebereinstimmung mit Hecker
fand ich also eine Verstärkung der Abnahme durch
die Coincidenz mit der allgemeinen Remission,
daneben den Grad der Zunahme am Abend höher
als am Morgen.
Ebenso ist aus der Tabelle ersichtlich, dass der Grad
der Temperaturzunahme in normalen Fällen dem der Temperatur-
abnahme im Wesentlichen gleich ist, so dass im Allgemeinen
der Stand des Thennometers am Ende der ersten 24 Stunden
dem gleich nach der Geburt beobachteten ziemUch genau
gleichkommt. Und wir können auch hier wieder das echt
physiologische Verhalten an der enge innegehaltenen Grenze
der normalen Wärmebeweglichkeit erkennen (0,186 — 0,6 ^C).
Es giebt auch Fälle, in denen die der Geburt folgende
Temperatursteigerung sich über die nächsten zwölf Stimden
hinaus erstreckt iind die folgende Temperaturabnahme erst
und Pathologie des Wocbenbetted. 331
am zweiten Tage des Wochenbettes sich zeigt Diese sind
jedoch sehen. Weiterhin habe ich eine Anzalil von Beispielen
noiirt, in denen allerdings zunächst eine Temperaturabnahme
eintrat, allein der weitere Wochenbettsverlauf bewies bald,
dass dieses Sinken durch irgend einen schädlichen Einfluss
bedingt sein miisste. Ueberhaupt lässt sich aus dem eben
geschilderten Verhalten der Temperatur in den ersten 24 Stunden
nach der Geburt in der Bogel ein guter Verlauf des Wochen-
bettes prognosticiren, während jede Abweichung von demselben,
namentlich in Bezug auf Höhe der Steigerung und des Falles
fast mit Sicherheit schliessen lässt, dass Compensations-
störungen eingetreten sind, die nun den weiteren
Verlauf des Wochenbettes stören werden.
Schon in den „Temperaturstudien bei der Geburt '* hatte
ich sub No. VI. das Verhalten der Temperatur gleich nach
der Geburt und in den ersten 24 Stunden nach derselben
kurz erörtert und auf diese späteren ausfuhrlicheren Er-
örterungen hingewiesen. Inzwischen ist dasselbe auch in der
genannten Arbeit von 0, v, Gruenewaldt einer Besprechung
unterworfen worden. &. hat meine Beobachtungen an einer
grossen Reihe von Fällen vollkommen bestätigt; er sagt S. 11:
„Für die ersten 24 Stunden post partum stimmt das Gesammt-
ergebniss unserer und der genannten in Berlin gemachten
Untersuchungen überein, indem hier wie dort für die ersten
zwölf Stunden ein allmäliges Ansteigen, für die letzten ein
allmäliges Abfallen der Körperwärme resullirte." — Ebenso
erwähnt er ferner S. 10, „dass überwiegend häuGg am 'zweiten
Tage Morgens die Temperatur eine niedrige ist und dass er
sehr bald auf den Umstand aufmerksam geworden, dass wenn
auch nur bei einer der in den ersten 24 Stunden gemachten
Messungen die Temperatur bis zu dem Maximum des für
diesen Zeitraum Normalen (37,8 in der Achselhöhe oder
38,1 — 2 in der Vagina) oder darüber stieg, in den nächsten
Tagen eine Erkrankung folgte." — Die hohe prognostische
Bedeutung der erwähnten Temperaturveränderungen ist dadurch
also auch constatirt
h. J
332
XXII. Wtnckel, Beiträge tor Physiologrie
Tabelle I.
Das Verhalten der Temperatur in den ersten
I.
Temperatur gleich nach der Gebort.
Folgende MessQDgen.
1.
Morgens.
2.
Abends.
Nachts 2Va Uhr 37,76
Morgens 6 „ 37,86
Abends 6'4 ^ 37,86
Morgens 2% „ 37,776
— 37,16
Abends 8'/^ » 37,46
Nachts 3 „ 37,95
Abends lOV^ » 37,2
Morgens 6 „ 37,476
Abends IOV4 » 37,46
IIV4 » 86,9
» 7V4 „ 37,.S6
8Vs » 37,3
Nachts 1 „ 37,76
Abends lOV, „ 37,3
Morgens 5% „ 37,8
^'U n 37,45
Abends 67, „ 37,7
Morgens 6V4 „ 37,4
Nachts llV, „ 37,26
Morgens 4 „ 37,66
Abends l\ „ 37,4
y, lOV, n 37,66
IIV4 » »7,46
Morgans 4'/, „ 37,46
Abends 5* 4 „ ........ 37,6
IOV4 37,76
Morgens 27, » 37,46
3'/, „ 87,06
Abends 97. „ 87,75
Morgens 4 „ 37,75
Abends llV, „ 38,0
n IOV4 37,06
IOV4 „ 37,4
11 « 37,65
Snmme der Fälle 36
Dnrchschnitt 37,621
37,93
37,96
87,75
38,1
37,5
37,45
38,0
37,7
37,75
38,05
37,3
38,05
37,6
38,2
37,7
38,0
37,96
37,76
37,65
37,55
37,86
37,7
37,7
37,8
38,05
37,95
37,9
37,8
37,75
38,05
38,0
38,16
37,6
37,9
37,4
36
87,832
37,46
37,7
37,«
37,95
37,4
37,8
87,06
37,65
37.45
38,4
37,75
37,5
38,16
37,65
37,76
37,4
37,36
37,65
37,56
37,55
87,8
37,7
87,9
38,1
37,8
37,46
37,9
37,3
37,4
38,1'
30
37,646
0,311 0,186
Steigerung. Fall,
und Pathologe des Wochenbettes.
333
Tabelle I.
vierundzwanzig Stunden nach der Geburt.
U.
Temperatur gleich nach der Qebnrt.
Folgende Messungen.
1.
Abends.
2.
Morgens.
Morgens lO'/^ Uhr .
10%4
n
107«
n
11
t»
11
n
874
12%
Mittags
n
1'/.
n
1
n
12
n
12
Nachmittags
*v.
Morgens
8'/.
Mittags
»2%
Morgens
107«
Nachmittags
n
Morgens
loy.
Nachmittags
6%
Morgens
77.
Mittags
12
Morgens
10
Nachmittags
2
Mittags
12
n
12
Morgens
^'/*
n
11/«
Nachmittags
'/«
n
*/«
»
, ^V.
1
''•',
Morgend
11/.
Nachmittags
47«
n
V/«
Morgens
8'/«
Nachmittags
3
n
3'/«
I»
n
n
I)
n
»
n
»
n
»
n
n
n
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n
n
I»
n
I»
I»
n
»»
n
I»
»
n
p
D
n
»
m
n
9
• . * •
37,55
37,9
37,35
37,65
37,3
37,9
37,0
37,8
37,65
37,45
37,85
37,9
37,65
37,3
37,8
37,7
37,8
37,15
37,66
37,05
36,76
37,7
37,75
37,3
37,75
36,95
38,05
37,75
87,95
37,55
37,45
37,6
37,55
37,65
37,15
37,65
37,4
Summe der Fälle 37
38,0
37,95
37,85
88,15
88.0
38,8
38,1
38,3
38,15
37,95
38,0
38,1
88,05
37,85
38,4
38,0
88,05
38,35
38,1
37,9
87,7
38,35
88,15
37,65
38,2
38,15
88,15
88,2
38,05
88,2
38,05
38,8
87,95
38,05
37,4
87,85
38,05
37
37
37
37
37
37
37
87
37
37
87
37
37
87
37
38
37
37
87
37
37
37
37
37
37
37
37
37
87
37
37
37
37
37
37
37
a7
55
4
35
55
45
35
25
65
6
55
6
6
65
35
05
95
15
35
15
45
16
4
3
7
45
4
35
4
6
o
35
55
15
• *
65
55
Durchschnitt 87,54
38,06
36
37,458
0,52 0,602
fc^teigerung. Fall
334 XXII. Windcel, Beiträge zur PLjsiologie
c) Weiteres Verhalten der Temperatur vom zweileo
bis zehnten Tage des Wochenbettes.
Wenn man bedenkt, dass bei der besonderen Erregbarkeit
der Wöchnerin für alle krankmachenden Einllusse schon die
geringfügigsten Ursachen bedeutende Temperaturschwan klingen
hervorzurufen im Stande sind, so wird man die Angabe, dass
von jenen 200 Wöchnerinnen nur 15 ein durchaus normales
Wochenbett durchmachten, obwohl wir keine sogenannte
Puerperalfieberepidemie erlebten, nicht besonders auffallend
finden. Doch muss ich erwähnen, dass ich den BegrifT eines
normalen Wochenbettes noch viel enger fasse, als z. B. Hecker,
der in seiner Tabelle IV. von 38 Fällen 15 als in den Bereich
der physiologischen Wärmezunahme gehörend verzeichnet hat,
deren Temperaturmaximum von 40,0 — 41,3 ^C betrug. Ich
komme hierauf weiter unten ausführhcher zurück und will
zunächst die Definition des normalen Wochenbettes an vier
typischen Fällen eruiren.
1. Chr. Br,, 30 Jahre alt, am 5. Juni 1862 nach
dreizehnstündiger Geburtsdauer zum ersten Male von einem
lebenden Mädchen entbunden, ist gross, kräftig gebaut, gut
genährt, ruhigen Gemülhes (Curve No. I.)
Am 5. Juni Abends 6 Uhr, 16 Stunden nach der Ent-
bindung, betrug die Scheidentemperatur 37,7 ^C
6. Juni. Morgens 9 Uhr Puls 72, Temperatur 37,6.
Abends 53/4,, ,. 64, „ 37,6.
7. Juni. Morgens 9 „ „ 74, „ 37,9.
Abends 6 „ „ 60, „ 38,0.
Die Brüste sind gefüllt, die Warzen gesund, reichliche
Milch vorhanden, das Kind trinkt gut. Lochien, Stuhl- und
Urinausleerung ganz normal.
8. Juni. Morgens 9 Uhr Puls 68, Temperatur 37,75.
Abends 572,, „ 64, „ 38,1.
9. Juni. Morgens 9 „ „ 64, „ 37,6.
Abends ö'/a „ „ 64, „ 37,75.
10. Juni. Morgens 8V2,, n 64, „ 37,9.
Abends 5 „ »,62, „ 37,6.
11. Juni. Morgens 9 „ „ 68, „ 37,9.
Abends ö'A „ „ 68, „ 37,8.
Tafel!
zuSeite.m.
/.Tag. ^'T J'r .If'i'- J'f fih'- ?<«• S'v !f*v- ff^'r"
Tafel II.
'^eSSi*^ \\/T€u/. ^''r Ö"T 4*T S'f 6't 7't (S^t .P4y
Tafel in.
'^'Ü.H. /.Triff. 2'7 3'v .'/'»• .y'r 0''J- 7'V S'T.9<T
Tafel IV;
'ti^tZf /.Tag. :"'.'• 3*7 //^ 5"r 6'v 7^ <S*T .Q't
ISeil
\
< ^
saa
und Pathologie des Woclienbettes. 335
12. Juni. Morgens 9 Uhr Puls 68, Temperatur 37,9.
Abends 6 „ »68, „ 38,0.
13. Juni. Morgens 872 „ «68, „ 37,8.
Abends 5V4» »56, „ 37,7.
14. Juni. Morgens 8V2,, „68, „ 37,8.
Abends als Amme entlassen, nachdem sie bereits seil
dem 13. Juni ausser Bett und ganz wohl gewesen war.
Die niedrigste Temperatur betrug also 37,6, die höchste
38,1; die Differenz dieser Extreme ist mithin genau gleich
der normalen Beweglichkeit der Eigenwärme. Die Höhe der
Temperatur öbertrifll die der letzten Schwangerschaflsmonate
etwas, die bei der Geburt beobachtete ebenfalls. Die Excursionen
an den einzelnen Tagen schwanken zwischen 0,1 und 0,3" C.
Vom zweiten Tage Morgens bis zum vierten Tage Abends
entsprechend der allmäligen Entwickelung der Milchsecreüon
ganz allmälige Steigerung der Temperatur. Die Abend-
temperatur in der Begei höher als die Morgentemperatur.
Bei reichhcher Milchabsonderung, gesunden Warzen, einem
krädig saugenden Kinde blieb Puerpera frei von jedem Un-
wohlsein.
Dieser Curve fugen wir die einer Wöchnerin bei, welche
ihr erstes Kind nicht säugte (Curve No. II.).
2. F. H., 28 Jahre alt, gross, blond, kräftig, am
10. August 1862 Nachmittags 4 Uhr von einem lebenden
Mädchen leicht entbunden (siehe Tabelle III., No. 10 in den
Temperaturstudien) zeigte
inter partum
Morgens 8% Uhr bei 76 Pulsen: Temperatur der Scheide 37,8 ® 0.
„ IOV4 „ „ 76 „ „ , , 37,6.
« 1174 M w 76 „ „ „ „ 37,65.
Nachm. 2V4 „ „ 76 „ „ „ „ 37,15.
gleich post partum
Nachm. 4 V2 Uhr bei 68 Pulsen: Temperatur der Scheide 37,4.
Abends 6% . . 68 „ „ „ • 37,85.
Die weitere Untersuchung im Wochenbette zeigte nun:
11. August. Morgens 8 Uhr Puls 64, Temperatur 37,45.
Abends .... „64, „ 37,95.
12. August Morgens 8 Uhr „ 68, „ 37,6.
Abends . . . . „ 64, „ 37,9.
336 XXlh Winckel, BeitrSge snr Phjrsiologie
13. August Morgens 8 Ubr Puls 64, Temperatur 37,75.
Abends .... „ 60, „ 38,125.
Trotz Ol. Ric. ist noch kein Stuhl eingetreten; die Brüste
sind beide ziemlich straff; das Befinden gut
14. August Morgens Puls 60, Temperatur 37,75.
Abends „60, „ 38,1.
Stuhl erfolgte, die Brüste fangen an zu laufen.
15. August Morgens Puls 60, Temperatur 37,75.
Abends „56, „ 37,9.
16. August Morgens „60, „ 37,9.
Abends „ 60, „ 37,65.
17. August Morgens „ 60, „ 37,75.
Abends „60, „ 37,95.
18. August Morgens „ 62, „ 37,75.
Abends „ 60, „ 37,75.
19. August Morgens „ 62, „ 37,7.
Befinden gut Puerpera ist bereits ausser Bett
Das allmälige Steigen und der nachherige Abfall der
Temperatur und dessen Zusammenhang mit der Ent:>teiiung
und dem Versiegen der Milchsecrelion kann wohl nicht deutlicher
dargestellt werden. Die niedrigste Temperatur 15 V2 Stunilen
post partum unterschied sich von dem Temperaturmaximuro
am Abend des dritten, am Beginne des vierten Tages von
38,125 um 0,675^0. Die täglichen Excursionen schwankten
zwischen 0,15 und 0,5. Der Puls liess diese kleinen Temperatur*
Schwankungen nicht genau erkennen. — Die Wocbeubetts-
curven dieser beiden zum ersten Male Entbundenen, von denen
erstere ihr Kind säugte, letztere nicht, stimmen also in jeder
Beziehung überein.
Daran reihen wir die Wochenbettscurve einer Persou,
die zum zweiten Male entbunden worden war (No. III.).
P..K., 31 Jahre alt, mittelgross, brünett, kräftig gebaut,
phlegmatisch.
Dauer iev ersten Geburtsperiode 6y^ Stunden, der zweiten
V4 Stunde, der dritten 5 Minuten.
Temperatur gleich nach der Geburt am 25. Juni 1862
Abends 6 Uhr 37,15« C.
26. Juni. Morgens 7% Uhr Puls 72, Temperatur 37,5.
Abends 5V4 „ „ 64, „ 37,4.
Abends 5V4
»*
W
80,
•»
37,75.
Morgens 7 V4
»1
»1
68,
»»
37,75.
Abends . 5V4
»>
»»
68,
n
38,05.
Morgens 7V4
»» .
»
64,
n
37,7.
Abends 5V4
M
»»
68,
u
37,65.
Morgens 7V4
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1»
56,
>»
37,35.
Abends 5V4
>»
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64,
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37,5.
Morgens 77^
M
n
76,
»
37,65.
Abends 6
»>
»»
64,
»>
37,6.
Morgens 8
>7
»»
60,
>»
37,6.
Abends 57«
W
»»
60,
>»
37,45.
und Pathologie des Wochenbettes. 337
27. Jani. Morgens 71/4 Uhr Puls 64, Temperatur 37,4.
Abends 5V4 „ „72, „ 37,55.
28. Juni. Morgens 7 Va „ n 76, „ 37,55.
Abends „ „ 64, ., 37,55.
Puerpera säugt ihr Kind, die Brüste sind ziemlich straff;
die Brustwarzen gesund, Stuhl regelmässig.
29. Juni. Morgens 7V4 Uhr Puls 72, Temperatur 37,675.
30. Juni.
1. Juli.
2. Juli.
3. Juli.
4 Juli.
Die graphische Darstellung dieser Curven zeigt uns fast
dasselbe Bild, wie die beiden vorhergehenden, nur fällt das
Temperaturmaximum auf den Abend des fünften Tages. Die
Differenz zwischen höchstem und niedrigstem Stand in diesen
neun Tagen betrug nur 0,65^ (7. Die Excursionen an den
Tagen schwankte zwischen 0,05 und 0,3^ C, Der allmäligen
Steigerung und dem späteren Sinken am Abend entspricht
genau ein gleiches Verhalten am Morgen. —
Der Vollständigkeit halber theilen wir denn noch die
Wochenbettscurve einer zum zweiten Male Entbundenen, welche
ihr Kind nicht selbst stillte, mit. (No. IV.)
M, (?., 23 Jahre all, mittelgross, brünett, bleich, schwäch-
lich, mager.
Am 23. Juni 1862 Morgens 1% Uhr 57^ Stunden post
partum betrug die Temperatur der Scheide 38,0^ C. Abends
6 Uhr dagegen 37,45^ C.
24. Juni. Morgens 77^ Uhr Puls 68, Temperatur 37,3.
Abends 5% „ „ 72, „ 37,65.
25. Juni. Morgens 774 w «64» „ 37,45.
Abends 574 „ „ 68, „ 38,36.
Brüste straffer. Befinden sonst gut.
Ilonatssctar. f. Qebartak. 1888. Bd. XZIJ., Hft, 8, 2*4
338 ^XII' Winekel, Beiträge sar Physiologie
26. Juni. Morgans 7V2 l^l»r Puls 63, Temperatur 37,3.
AbtMuls 6Va
n
1»
64,
M
37,35.
27. Juni.
Morgens 7%
n
M
64.
n
37,35l
Aliencis 6V4
»»
»»
72,
»»
37,5.
28. Juni.
Moi-gons 8V4
«
»»
64,
M
37,4ä
Ahoiuls 6V2
»}
f»
80.
rt
37,65.
29. Juni.
Morgens 8V2
»1
n
64.
n
37.5.
*
Abends 6^4
»»
»
60.
79
37.6.
30. Juni.
Morgens 9
»»
w
60,
»1
37.45.
Abends 6
w
»1
60.
w
37,55.
1. Juli.
Morgens 974
»j
w
64.
n
37,35.
Abends 6
n
w
60,
»*
37,3.
Pnerpera, ganz wohl, ist bereits ausser Bett.
2. Juli. Morgens 9Va Uhr Puls 68, Temperatur 37,6.
Abends Puls 72, Teinp. 37,55. Gesund enüasseo.
flier betrug das Temperaturmaximum am Abend des
dritten Tages 38,35^0. Die ungewöhnliche Steigerung gegen
den Morgen (um 0,9 ^ C.) und der eben so ungewöhnliche
Abfall gegen den nächsten Morgen (um 1,05^ C) bewies, dass
dasselbe nicht ganz physiologisch war. Da diese Steigerung
aber sehr vorübergehend, ohne jede sonstige Folgen war,
ist sie ganz ausser Acht zu lassen. Im Uebrigen gleiciit
auch diese Curve den drei vorhergebenden vollständig und
zeigt alle die eben erörterten Charaktere einer noruialea
Wochenbeltscurve. ^)
Bei einer zum dritten Male Entbundenen, welche bis
zum dritten Tage Morgens über heftige Nachwehen klagte,
betrug die Temperatur gleich nach der Geburt Abends IIV4 ^^^
36,95^ C, am ersten Tage Morgens 7% Uhr der Puls 64,
Temperalur 37.3; Abends 6 Uhr Puls 68, Temperatur 37,5.
Am zweiten Tage Morgens Puls 72, Temperatur 37,35;
Abends 6V4 Uhr Puls 72, Temperatur 37,35 und am dritten
Tage Morgens Puls 72, Temperatur 37,65; seit der Nacht
hatten die Nachwehen ganz aufgehört
1) Bei allen yier Carven seig^te sich eine kleine iweite
Stetgerang utn den siebenten bis nennten Tag, welche, wie aas
No. IV. am besten erhellt, gewöhnlich mit dem ersten Verlassen
des Bettes susammenfUUt and eine Folge der grösseren Matkel-
anstrengung ist.
n
68,
9»
37,35.
64,
1»
36,9.
68,
n
37,65.
72,
f»
37,15.
72,
»1
37,35.
und Pathologie des Wochenbettes. 339
EiDe andere zum zweiten Male entbundene Wiicbnerin
mit ebenfalls sehr ausgeprägten Nachwelien zeigte in den
drei ersten Tagen folgende Temperatur:
Erster Tag: Morgens 8 Ubr Puls 64, Temperatur 37,15.
Abends b% „
Zweiter Tag: Morgens 7%„
Abends 5% n
Dritter Tag: Morgens 774« ^
Abends 5% „ „
Auch das weitere Wochenbett verlief sehr gut
Bei physiologischen Nachwehen, d. h. solchen,
die weder durch abnormen Inhalt des Uterus, noch durch
Entzündung seiner Wandungen bedingt sind, ist mithin keine
ungewöhnliche Temperaturerhöhung nachweisbar.
Abstrahiren wir nun von diesen Paradigmen den Typus
der normalen Temperaturcurve des Wochenbettes, so würde
dieselbe folgenden Regeln entsprechen:
Nach dem Eintritte der Temperaturerniedrigung am Ende
der ersten 24 Stunden pflegt die Temperatur wieder allmälig
zu steigen.
Die Abendtemperatur ist dabei gewöhnlich höher als die
am Morgen, die täglichen Excursionen sind aber gering.
Bei genauer Beobachtung findet man, dass diese Steigerung
in der Regel gleichen Schritt hält mit der Entwickelung der
Milchsecretion , sich daher meist auf drei bis fünf Tage erstreckt
Ist die Milchsecretion in regelrechtem Gange, oder bereits,
bei Nichtsäugenden, wieder am Versiegen, so erfolgt eine
eben so allmälige Abnahme der Temperatur.
In ganz normalen Fällen beträgt aber die Differenz zwischen
dem beobachteten Temperaturmaximum und Temperaturminimum
kaum mehr als die gewöhnliche Beweglichkeit der Eigenwärme.
Säugende und Nichtsäugende, Erst- und Mehrgebärende
unterscheiden sich in Betreff des erwähnten Temperatur-
verhaltens gar nicht von einander.
Normale Nachwehen sind ohne Eiufluss auf die Tem-
peraturböhe.
Endlich ist die mittlere Temperatur der Wöchnerinnen
immer etwas höher als die durchschnittliche Normaltemperatur
Gesunder. —
22 ♦
540 X^^^* Winckel, Beitrage sar Physiologie
Länger als bis zum elften Tage des Wochenbettes konnte
ich das Teaiperaturverhailen gesunder Wöchnerinnen nicht
beobachten, da dieselben meist um diese Zeit aus der Anstalt
entlassen werden. Daher Hess sich auch die Frage nicht
erniren, wann die eben erwähnte erhöhte Temperatur wieder
auf die mildere Höhe Gesunder zurückkehrte. Es lässl sich
jedoch mit grosser Wahrscheinlichkeit voraussetzen, dass dies
bei Micl)tsäugenden in der Regel früher der FaiT sein wird,
als bei Säugenden, wo die fortgf'setzte oft sehr entwickelte
JMilchsecretion einen stärkeren und rascheren Stoffumsatz be-
dingen muss.
Was nun die Grunde der höheren bei WöchoeriDneo
beobachtrten Temperatur betriilt, so ist Gruenetoaldt in der
genannten Arbeit S. 6 — 8 geneigt, nach der Zimmermann*scbeß
Theorie der Entzündung, „die normal höhere Eigenwärme
der Wöchnerin, auch wenn sie kein Fieber habe, aas dem
entzündlichen Processe hei'zuleiten, der unvermeidlich in ge-
ringerem oder höherem Grade in den Geburtstheilen eintreten
muss, um die gesetzten Verletzungen zur Heilung zu führen.*' Die
Untersuchungen (r.'s stimmen in Betreff des normalen Wochen-
bettes übrigens mit meinen Resultaten fast ganz genau übereio,
indem er z. B. sagt S. 6: Die Temperatur ist unmittelbar
nach der Geburl am niedrigsten und steigt an, bis 12 Stunden
verflossen sind, um dann in den nächsten 12 Stunden um
fast 0,05 ^ abzufallen. Er zeigt ferner an einer sogenannten
Durcbschnittscurve, dass die mittleren Zahlen der Eigenwärme,
Puls- und Respirationsfrequenz vom ersten bis achten Tage des
Wochenbettes sich vollkommen innerhalb der Grenzen
bewegen, welche der Eigenwärme unter normalen
Verhältnissen gesteckt sind; dass die Schwankungen,
wie sie sich in der Durchschnittszahl ergeben, auch nur
sehr unbedeutend sind und daher beim einzelnen Individuum
beobachtet nicht so angesehen werden dürften, als ob sie
nennenswertben Veränderungen des Allgemeinbefindens ent-
sprächen. Dagegen erwähnt er kurz vorher, dass in der Höbe
der Eigenwärme während der ersten sieben Tage des Wochen-
bettes bedeutendere Unterschiede vorkämen, welche eine
sorgfältigere Beobachtung verdienten, und diese Schwankungen
und Pathologie des Woehenbettef. 341
Bind es gerade, die ihm för die Richtigkeit der Zimmer^
ma7in*schpn Ansicht zu sprechen scheinen. Die oben von
mir mitgetheiken normalen Wochenbettscurven widersprechen
aber dieser Behauptung (r/s ganz unzweifelhaft. &. muss
in der Auswahl der „normalen VVochenbeitscurven zur Be-
rechnung der mittleren Durchschnittszahlen'* nicht genau genug
gewesen sein oder doch den Begriff derselben weiter stecken,
als aus seinen eigenen Angaben hervorzugehen scheint. —
Bedeutendere Schwankungen in den Temperaturhöhen der
einzelnen Tage sprechen immer für stattgehabte Störungen
und müssen die Wochenbetten, in denen solche vorgekommen,
bei der Aufstellung der Charaktere des normalen Wochenbettes
entschieden eliminirt werden, namentlich aber dann, wenn
es sich um eine Erklärung des physiologischen
Verhaltens handelt. Mir scheinen vielmehr folgende Punkte
die Annahme zu widerlegen, dass die höhere Eigenwarme
der Wöchnerinnen zum Theil Folge, eines nothwendigen localen
Entzündungsprocesses in den Genitalien seien: zunächst die
geringen Excursionen der Temperatur an den einzelnen
Tagen; ferner die geringe Differenz zwischen dem zu
beobachtenden Temperaturminimu^i und Maximum
in den ersten acht Tagen, welche kaum die normale
Beweglichkeit der Eigenwärme überschreitet und welche trotz
der Behauptung (r.'s von beträchtlicheren Unter-
schieden in den einzelnen Fällen, bei seiner Durchschnitts-
curve (No. I.) auch nicht mehr als 0,6*^(7. beträgt (Temperatur-
minimum 36,95, Temperaturmaximum 37,55), endlich auch
die später noch ausfuhrlich erörterte Thalsache, welche O.
ebenfalls wörtlich zugiebt, dass selbst die kleinsten
Entzündungen, z.B. schmerzhafte Risse und Excoriationen
<ler Brustwarzen ein sehr lebhaftes Fieber bei den so
leicht erregbaren Wöchnerinnen hervorzurufen im Stande sind.
Man müsste ja auch annehmen, dass nie eine vollständige
Heilung, um so zu sagen per primam, zu Stande käme, wenn
alle Wöchnerinnen nothwendig einen Entzündungsprocess durch-
zumachen hätten. Ich kann also die factisch nachweisbare
gleichmässige , aber geringe Temperaturerhöhung gesunder
Wöchnerinnen nur dem ohne jede Entzündung erhöhten Stoff-
umsatz zuschreiben, der tbeils durch die neue nach der
und Pathologfie des Wocbeobettes. 343
Bei den meisten Erkrankungen des Wochenbettes findet
sich ferner ein sehr rasches und hohes Steigen der
Temperatur. Wenige Stunden bringen oft eine Steigerung
um 2, 3 — 4^ C hervor; so zeigte eine Wöchnerin Morgens
7Va IJl^r 37,45" a, Abends b'U l^*"* ^0»35<> C; eine Andere
Abendi» b% Uhr 37,9 und am folgenden Morgen 9 Uhr
40,5 u. s. w. Unter 150 Wöchnerinnen waren niclit weniger
als 98! die innerhalb der ersten 10 Tage des Wochenbettes
eine Temperatursteigerung bis zu 39,5 — 40,5^ C, erfuhren.
Bedenkt man dabei, dass die Mehrzahl derselben schon am
eUften bis zwölften Tage fieberfrei das Haus veiliess, so er-
hellt hieraus, dass die Ausgleichung gewöhnlich auch
rasch von Statten gehen muss. So konnten auch nicht
selten einmalige bedeutende Temperatursteigerungen nach-
gewiesen werden, die eben so rasch und Tollständig wieder
verschwanden, als sie aufgetreten waren. In dieser Be-
ziehung boten namentlich die „Besuchstage^' Gelegenheit
zu mancherlei Studien , wie sich diese auch als die häufigsten
„Frosttage'* auszeichneten. Eine Wöchnerin z. B. , die bis
zum siebenten Tage ganz fieberfrei gewesen und am siebenten
Tage Morgens bei 72 Pulsen eine Temperatur von 37,9" C
zeigte, hatte Abends by^ Uhr nach einem Zanke mit einer
Nachbarin 88 Pulse , und eine Temperatur von 40,15" C!
dabei einen kurzen „Frost''. Am folgenden Morgen: Puls 68,
Temperatur 37,65, Abends: Puls 64, Temperatur 38,05 und
am nächstfolgenden: Puls 60, Temperatur 37,5 u. s. w. —
Gewöhnlicher ist aber die Ausgleichung nicht so
sprungweise wie die Steigeruug, sondern geschieht
langsamer und bei bedeutendem Abfalle der Abendtemperatur
bis zum Morgen findet zum folgenden Abend doch wieder
eine nicht unbeträchtliche, wenn auch geringere Steigerung
statt. — Die höchste Temperatur, welche ich bei einer
Wochenbeltserkrankung fand, betrug 42,1" (7. Eine Tem*
peratur von 41,5" C. gehörte keineswegs zu den seltenen
Vorkommnissen. Es reihen sich also die Puerperal-
krankheilen den exanthematischen und inter-
mittirenden Fiebern an, mit denen sie auch die kurz
andauernden Paroxysmen manchmal gemein haben. Hierbei
will ich erwähnen, dass ich in einem Falle eine plötzliche
344 XXII- Wineka, Beiträg^e snr Physlolog^ie
TeroperaturabDahme von 6,3^ C* sicher constaürt habe.
Ich führe die betrefiende Temperaturcurve, auf die ich weher
unten zurückkoramc, kurz an, um zu beweisen, dass kein
Beobachtungsfehler hier vorliegt.
Eine Wöchnerin zeigte am
ersten Tage Morgens 8 Uhr Puls 104, Temperatur 40,0
Abends „ 104, „ 41,0
zweiten Tage Morgens 8 Uhr Puls 108, „ 40,6
Abends „ 116, „ 41,85
Respiration 44!
dritten Tage Morgens 8 Uhr Puls 64, Temperator 35,6
Respiration 18
Abends Puls 72, Temperator 36,4
Respiration 26
vierten Tage Morgens 8 Uhr Puls 64, Temperatur 38,15
u. 8. w.
Für die Richtigkeit der Beobachtung spricht erstlich die
alimälige Steigerung der Tenaperatur, die Sicherheit der
höchsten Höhe wird documentirt durch die Congruenz des
Pulses und der Respiration mit der Temperatur, welche sieb
auch beim tiefsten Stande derselben nachweisen liess und die
Richtigkeit des letzteren wird auch durch das langsame
Wiedersteigen dargethan , abgesehen davon, dass ich bei dem-
selben das Thermometer länger als gewöhnlich liegen liess.
Dieser sowie ein anderer Fall, in welchem am vierten
Tage Abends die Temperatur 40,7 , am fünften Tage Morgens '
40,55, Abends 40,4, am sechsten Tage Morgens 40,3, Abends
40,7 und ebenso am siebenten Tage Morgens 40,35, Abends
40,7 betrug, also mehr als 72 Stunden zwischen 40,3 und
40,7 ^ (7. sich bewegte und der trotzdem wie jener mit Ge-
nesung endete, zeigen, dass Wöchnerinnen auch die höheren
Temperaturgrade nicht selten längere Zeit, ohne zu erUegeu,
aushalten.
Der Puls war bei Wochenbettserkrankungen in der Regel
der Temperatur ziemlich parallel, sehr oft aber liess sich
wahrnehmen, dass seine Steigerung erst nach der
Temperatur eintrat.
Schliesslich fuhren wir noch die dem Wochenbette eigen-
thilmlicbe rasche und lebhafte Reaction auf die sonst
und Pathologie des Wochenbettes. 845
geringfügigsten Störungen an. Diese Eigenschaft der
Wöchnerinnen ist den Geburtshelfern längst bekannt; man
kennt die unangenehmen Störungen, welche Diätfehler, Gemüths-
bewegungen, leichte Entblössungen, wunde Warzen binnen
Kurzem hervorzurufen im Stande sind und weiss auch, dass
dieselben fast eben so oft Anlass zu den schwersten Pueri)eral-
erkrankungen , wie zu leichteren rasch vorübergehenden
Schwankungen in dem Wohlbefinden der Frau werden können.
Wenn ich nun auch den Satz Gruenewaldfs, dass wir hier
in den Schwankungen des Thermometers einen genauen Haass-
stab besitzen, welcher uns erlaubt, mit einiger Sicherheit den
Grad der stattgehabten Einwirkung abzuschätzen , gern unter*
schreibe, so geht mir sein Schluss, dass eine jede die
Wöchnerin beeinflussende äussere Einwirkung das Allgemein-
befinden mittelbar dadurch beeinflusse, dass sie die
örtliche Entzündung steigere, doch viel zu weit, denn
eine locale Entzündung gehört entschieden nicht zu jedem
Wochenbette, und selbst wenn auch die verwundeten Genitalien
durch äussere Einflösse am leichtesten und häufigsten
in Entzündung versetzt werden, so sind darum die sehr
häufigen Störungen anderer Organe (Lungen, Darmcanal,
Haut) und deren Einfluss auf die gehmdene Temperatur-
erhöhung keineswegs so gering anzuschlageu und nicht so
selten, wie G, anzunehmen scheint, die alleinigen
Urheber des Fiebers. —
Zum Beweise der ausserordentlich leichten und starken
Erregbarkeit der Wöchnerinnen, bei selbst unbedeutenden
Anlässen, reihen wir hieran zunächst
1. den Einfluss der Brust- und Brustwarzen-
erkrankung auf das Allgemeinbefinden.
Wie häufig zunächst die Excoriationen der Brustwarzen
sind, geht daraus hervor, dass von den erwähnten 200 Wöch-
nerinnen nicht weniger, als 70! an denselben erkrankten.
Man weiss längst, dass so klein diese Wunden auch sind,
sie doch Ursache eines lebhaften, die Wöchnerin sehr er-
schö[)fenden Fiebers sein können. Wie hoch dasselbe steigen
kann und dass es allein von den genannten Excoriationen
herrülire, war bisher noch nicht genau nachgewiesen, und
346 XXIT. Winekel, BeitrK^e cor Phyfiolo^ie
wenn Gruenewaldt \, c. S. 15 s^j^l: „Ebenso finden sich
Temperaturen von 38 bis selbst 40^, die bald wieder ab-
fallen und durch nichts anderes bedingt sind, als durch die
bekannten und sehr schmerzhaften Risse und Excoriatiooeo
der Brustwarzen ; 39 und 40^ kommen allerdings bei solchen
Ursachen nicht oft zur Beobachtung, wohl aber 38 — 39®
und zwar schwankt dann die Eigenwärme auf und ab, während
einiger Tage, bis sie endlich beim vollkommenen Nacblass
des ursächlichen Moments in die Grenzen der Norm zurück-
kehrt*' — , so ist er uns doch den Beweis schuldig geblieben,
dass es wirklich allein die Rhagaden der Brustwarzen waren,
welche ein so bedeutendes Fieber veranlassten. Diesei- Beweit
wird aber durch den nachstehend mitgetheilten Fall geliefert
UIcera beider Brustwarzen; Mastitis lobularis in-
cipicns; Febris continua remittens; starke rasche
Defervescenz nach dem Absetzen des Kindes
am 1. Juli.
Auguste E., eine zum ersten Male Entbundene, zeigte
nach 4V2Slündiger Geburtsdauer und sehr stürmischen Wehen,
direct nach der Geburt Morgens 10^4 Ubr eine Temperatur
von 37,90 C.
Am 22. Juni Abends 5^4 Uhr bei 60 Pulsen — Temperatur
der Scheide 37,85.
23. Juni. Morgens 7 Uhr Puls 68, Temperatur 37,4.
24. Juni.
25. Juni.
Die Brüste sind etwas gespannt, massiger Kopfschmerz;
die Warzen geruthet, schmerzhaft, das Kind trinkt kräflig.
26. Juni. Morgens 7% Uhr Puls 68, Temp. der Scheide 37,8.
Abends 6V4 „ „ 72, „ , „ 38,4.
Frost ist nicht eingetreten.
27. Juni. Morgens 7% Uhr Puls 82, Temp. der Scheide 39.35.
Abends 6 „ „ 90, „ „ „ 39,3.
Die excoriirten W^arzen sind beide sehr schmerzhaft, die
Brüste noch strafiT (Perubalsam, Gummihütchen),
Abends 5% «
„ 68,
»»
38,05.
Morgens T%„
« 68,
»»
37,4
Abends 5V2 „
. 60,
w
37,75.
Morgens 7V2m
„ 68,
»»
37,6.
Abends 5% „
., 60,
1»
38,0.
l'.Bfil-J^
and Pathologie des Wochenbettes. 347
28. Juni. Morgens 8 Ubr Puls 80, Tercp. der Scheide 38,65.
Abends 6 V4 „ „ 96 , „ „ „ 40,35.
Die excoriirten Warzen eitern beide ziemlich stark ; leb-
hafter Kopfschmerz; kein Stuhl — Ol. Ricini.
29. Juni. Morgens 8 Uhr Puls 96, Temp. der Scheide 38,65.
Abends .... „ 100, » » n 39,8.
30. Juni. Morgens 87» Uhr „104, „ „ „ 38,3.
Abends 6 „ „ 104, » »« » 40,1.
Die Wunden der Warzen noch eiternd werden beide mit
Arg. nitr. in Substanz touchirl ; eine leichte Röthung der Haut
um die rechte Brustwarze mit ßleiwasserumschlägen behandelt.
1. Juli. Morgens 9 Uhr Puls 108, Temp. der Scheide 39,65.
Nachts wiederholt kurze Frostanfälle; die Röthung
der Brusthaut ist noch sichtbar; einzelne härtere Knoten in der
rechten Brust, entsprechend der eiternden Stelle der Warze,
Mastitis lobularis incipiens. Jetzt wurde das Kind
abgesetzt und Perubalsam und Bleiwasserumschläge für beide
Warzen weiter gebraucht.
Abends 7 Uhr Puls 112, Temperatur der Scheide 40,55.
Kein Frost mehr; grosse Hitze; Brüste straff.
2. Juli. Morgens 9V4 Uhr Puls 88, Temp. der Scheide 38,0.
Die Brüste sind schlaffer, aus beiden läuft die Milch aus;
subj. Befinden und Schlaf gut. Die Genitalien vollständig gesund.
Abends 6V2 Uhr Puls 88, Temperatur 37,7.
Die Ulcjera der Warzen heilen.
3. Juli. Morgens 9V4 Uhr Puls 68, Temperatur 37,05.
Abends 6 „ „ 56, „ 37,0.
Stiche in beiden Brüsten, die übrigens weich sind; kein
Stuhl — Ol. Ricini.
4. Juli. Morgens 9 Uhr Puls 56, Temperatur 36,8.
Abends 6 „ „ 52, „ 36,95.
Das Befinden vollkommen gut. Bald darauf verliess die
Wöchnerin die Anstalt und blieb auch nach der Entlassung
frei von weiteren Entzündungen der Brustdrüse. (S. Tafel V.)
So lange die Brustwarzen gesund waren, zeigte das Ver-
balten der Temperatur keine besonderen Abnormitäten. Seit
der Erkrankung der Brustwarzen wurde die Wöchnerin aber
in einem fortwährenden Fieber erhalten, welches vom 26. Juni
ßp nie mehr unter 38,3^ C, sank und welches nur durch
348 X^II^- WifUikely Baitrage cur Physiologrie
den Reiz der schroerzhafleii Warzen^'escIiH fire , den das Säugen
des Kindes verursachte, bedingt sein konnte, da es schon
sehr exquisit war, ehe noch irgend welche Erkrankung der
Brustdrüse nachweislich und während die Wöchnerin sonst
durchaus gesund war. Es erhellt dies femer unzweifeihafl aus
dem fast sofortigen, enormen Abfall der Temperatur,
der nach Beseitigung jenes Reizes eintrat; wie denn auch
das Ausbleiben einer stärkeren Lobularmastitis dafür spricht,
dass weniger diese geringe locale Entzündung als die Fort*
dauer des Reizes das hohe Fieber mit sich fährte.
Die Art des Fiebers anlangend, so müssen die ofl sehr
bedeutenden Exacerbationen vom Morgen zum Abend auf-
fallen und diese fanden sich auch in der Regel bei anderen
Fällen. Oefter fand ich jedoch auch eine besonders bobe
Exacerbation am ^Morgen und zwar gewöhnlich dann, wenn das
Kind Nachts sehr unruhig gewesen und od angelegt war; die
Temperatur zeigte also kein gesetzloses Hin- und Herschwanken,
sondern hing nachweislich von der Dauer und Intensität des
Reizes ab. Diese interessante Thatsache spricht dafür, dass
es nicht etwa die geringe Entzündung der kleinen Wunden
ist, welche die bedeutende Fiebererregung bedingt, sondern
dass hier das Fieber wohl nur durch Reizung der zahlreichen
sensibeln Nerven verursacht wird, und somit hätten wir an
diesen Fällen fast einen positiven Ausdruck für den Grad der
Temperaturerhöhung, der grösstenlheils durch Nervenerregung
herbeigeführt werden knnn. — Hiermit stimmt auch die
Beobachtung uberein, dass bei einfacher Bläschenbildung auf
den Warzen, welche ohne rasche Abstossung der Epidermis,
ohne Ulceration und Blosslegung der Cutis heilen, die
Temperatur nicht wesentlich erhöht ist.
Eine weitere Erkrankung der Wöchnerinnen, die mit den
Brüsten meist in Zusammenhang gebracht wurde, ist das
sogenannte Milchfieber, welche wir hier einer kurzen
Besprechung unterwerfen müssen. Obwohl Carus in seiner
Gynäkologie, Band IL, S. 569, schon im Jahre 1820 darauf
aufmerksam machte, dass die Entstehungsweise und die Ursachen
„dieser Zufälle*' sehr verschieden seien (§ 1606), namnUlich
aber leichtere Erkältungen, Gemuthsbewegungen, Difilfehler,
besonders auch gereizte Zustände der Brustwarzen und Brüste,
und Pathologie des Wochenbetters 349
sowie der inneren Genitalien, dass mithin da» sogenannte Milch-
lieber ein sehr vielgestaltiges Ding sei and man durchaus
gezwungen sei, hei solchen leichten Fieberanfällen immer die
veranlassende Ursache scharl in's Auge zu fassen — so ist diese
Ansicht doch bis heute noch wenig durchgedrungen. Es giebt
noch genug Aerzte, welche die Essentiaiität des Milchfiehers
entschieden aufrecht erhalten und z. B. länger dauernde
fieberhafte Zustande des Wochenbettes als „protrahirtes
Milch fieber^ bezeichnen. Wenn diese Annahme durch die oft
erwähnte Hecker'sche Arbeit in den Chatite-Annalen neuen
Halt gewonnen zu haben schien, so liat H. dieselbe jetzt
gewiss längst fallen lassen, da er in seiner Geburtskunde, S. 214,
die leichten, rasch vorübergehenden Fieberanlalle als^Febriculae*^
bezeichnet und erwähnt, dass man sie beim Vorhandensein
einer Epidemie als durch Infection entstanden betrachten müsse ;
dass man sie bei normalem Gesundheitszustande der Wöchnerinnen
„früher" oft mit dem Namen Milchfieber belegt habe/' —
Gruenewaldt bezeichnet (1. c. S. 13) alle jene leichten Fieber-
formen des Wochenbettes, die das Pub'likum vulgo Milclifieber
nennt, mit dem Namen Wundfieber — Fehris traumatica oder
inflammatoria — , die durch die mehr weniger unbedeutenden
Quetschungen und Zerreissungen, welche wohl nur ausnahms*
weise nach den Geburten fehlen, bedingt, fast alle in nicht langer
Frist zur Heilung kommen. Von 432 Wöchnerinnen zeigten 88
mehr oder weniger die Symptome eines derartigen Wundfiebers
und unter diesen könnten, wie er selbst in einer Anmerkung
sagt, noch einzelne Fälle unterlaufen, in denen die höheren
Teinperaturgrade durch calarrhalische Affectionen der Respi-
ralionsschleimhaul bedingt waren. Ich muss dagegen mit
Carus feslhalten, dass das sogenannte Milchfieber ein wirklich
viel vielg(*6laUiger4*s Ding ist und dass die Prädisposition zu
demselben ebensowohl durch Diätfehler, Erkältungen, Wunden
der Brustwarzen, psychische Erregungen, wie durch die Ver-
wundung der Genitalien gegeben wird; der Name VVundficber
passt daher für eine grosse Reihe von Fällen, wo Catarrhe
des Darmes, der Respirationsorgane etc. Folge jener Störungen
sind, ebenfalls nicht. Jedenfalls aber ist es endlich an der Zeit,
den Namen „Milch fieher^' aus der wissenschaftlichen
850 ^^1'- Winekel, Beiträge %nr Pfaytiologte
Sprache ganz <u eliminiren, da er als unklare
zeiclinung für eine Reihe der verschiedenslen ErkraDkungen
die Erkennlniss der wahren Fieberursacbe, die Diagnose des
wirklichen Leidens entschieden verhinderL — Die Charakteristik
dieser kurz vorübergehenden Fieberanläile, die sich am häufigsleo
vom zweiten bis fünften Tage des Wochenbelles findeo, iveil
bei dem noch ungeschickten Anlegen des Kindes, bei den
starken Seh weissen, den noch frischen Genitalverlelzungen etc.
Störungen in dieser Zeit am leichtesten sind, ist vod Hecker
1. c. (Klinik etc.) S. 214 und noch ausführlicher und treffender
von Gruenewaldt 1. c. S. 15 gegeben. Ich verzichte daher
hier auf ihre weitere Besprechung und will bloss den
Ausspruch (r.'s noch besonders hervorheben, dass sich bei
den betreffenden Kranken meistens eine isolirt
bleibende einmalige Temperaturerhöhung von 37,8
bis 38,0 und mehr in den ersten vierundzwanzig,
gewöhnlich schon in den ersten zwölf Stunden nach
der Geburt zeige und dass diese selten 38,5^ über-
steigt, da ich dasselbe durch eine Reihe von Fällen be-
weisen kann.
Ein Fall dieser Art möge also als Uebergang zu den
von den inneren Genitalien ausgehenden fieberhaften Er-
krankungen hier Platz finden, besonders um den hoben
prognostischen Werth des Verhaltens der Tem-
peratur in den ersten vierundzwanzig Stunden
post partum nachzuweisen.
Ankündigende Temperatursteigerung in den ersten
vierundzwanzig Stunden post partum; ephemeres
Fieber am dritten Tage; rascher Abfall.
Eine 26jährige Zweitgebärende hatte während der Geburt:
Morgens 11 Uhr eine Scheidentemperatur . von 37,5^ C bei
88 Pulsen. Die erste Geburtsperiode dauerte im Ganzen
lOVa Stunden, die zweite nur 9 Minuten und nach der
eben so kurzen dritten zeigte sich 12% Uhr bei 76 Pulsen
die Scheidentemperatur = 37,0 bei der Geburt selbst war
der Blutverlust massig.
Abends 5% Uhr Puls 84, Temperatur der Scheide 38,1.
Die Haut ist noch trocken, geringe Nach wehen.
und Pathologie des Wochenbettes. 351
14. Juli. Morgens 7% Uhr Puls 80, Temperatur 37,3.
Abends ö^U « ,,64, „ 37,6.
15. Juli. Morgens 3 „ ,,. 84, „ 37,b5.
Abends ö\ „ „100, „ 39,45.
Hitze seit 2 Ubr Nachmittags, der Leib weich, aber
bei leiciitem Drucke in der rechten Inguinalgegend ziemlich
schmerzhaft, die Lochien serös, nicht übelriechend. Beide
Brüste slrafT, die Warzen mit dünnen trockenen Borken
bedeckt, nicht besonders schmerzhaft, kein Stuhl, die Haut
feucht. Ol. Ricini.
16. Juli. Morgens Puls 88, Temperatur 37,6.
Abends „76, „ 37,85.
17. Juli. Morgens „76, „ 37,35.
Abends „64, „ 37,3.
18. Juli. Morgens „76, „ 37,45.
Abends „ 76, „ 37,5 etc.
Puerpera blieb bis zur Entlassung frei von weiteren
fieberhaften Affectionen. i) (S. Tafel VL)
Ohne die Beobachtung der ganz ungewöhnlichen Tem-
peratursteigerung in den ersten zwölf Stunden post partum
von 37,0 auf 38,1^ C würde dieses Beispiel als prächtiger
Typus eines sogenannten Milchfiebers citirt werden können
— ein eintägiger ziemlich lebhafter Fieheranfall bei An-
schwellung beider Brüste, leichten Rhagaden der Brust-
warzen u. s. w. — diese „ankündigende Temperatur-
steigerung" zu einer Zeit, in der von einer durch irgend
welchen Zustand der Brüste und der Milchsecretion bedingten
fieberhaften Erregung kaum die Rede sein kann, bewies
dagegen, dass hier schon bald nach der Geburt eine Störung
eingewirkt hatte, die ei*st am dritten Tage in ihren Folgen
sich weiterhin geltend machte. — Dieser Fall, sowie viele
1) Hier kann anch die oben beim normalen Wochenbett
mitgetheilte Curve IV. verglichen werden, wo ebenfalls die
„ankündigende Temperatnrsteigernng'' in den ersten 24 Standen
post partum der Erhöbnng am zweiten Tage Abends vorherging;
doch fehlten dort Localaffectionen ganx nnd gar; wHlirend hier
die Empfindlichkeit des rechten Uterasrandes dafür spn.ch, dass
hier wohl ein, wenn anch geringer „Entsündungsprocess**
vorbanden war.
352 ^XU. Wineka, BeitrSgre ear Physiologie
andere köDnten auch constatiren, dass Q. Recht hat, nenn
er 1. c. S. 15 sagt: „Mit sehr seltenen Ausnahmen steht dano
(nach jener abnormen Temperaturerhöhung) die Temperatur
in den nächsten Messungen niedrig, um sich erst beim
manifesten Eintritte der Erkrankung zu heben."*
2. Localerkrankungen der Genitalien und deren
Einfluss auf die Temperatur der Wöchnerinnen.
a) Dammrisse
sind zunächst am besten geeignet, falls sie ohne sonstige
Complicationen vorkommen, ein reines puerperales
Wundfieber zu demonstriren. Ein Fall der Art mag daher
hier folgen.
Beträchtlicher Dammriss, puerperales Wundfieber.
L. M., eine Primipara, brachte 12 Stunden in der ersten
Geburlsperiode zu; dagegen dauerte die zweite Periode unter
sehr kräftigen Wehen nur eine Stunde und endete bei der
unter heftigem Mitpressen erfolgenden raschen Ausstossung
des Kindes mit einem beträchtlichen, dicht bis an den äusseren
Schliessmuskel des Afters reichenden Dammriss.
Gleich nach der Geburt betrug die Temperatur der Scheide
Morgens 10 V4 Uhr = 37,35^ C, am selbigen Tage Ahends
6V4 Uhr = 37,85.
Am 30. Juni Morgens 7% Uhr Puls 68, Temperatur 37,35.
Nachmittags 57^ n « 112, „ 39,2.
Nachmittags hat Puerpera circa vier Stunden hindurch
einen starken Frost mit nachfolgender Hitze und starkem
Schweisse gehabt; der Leib ist etwas empfindlich; die Wunde
schmerzhaft, aber ihre Ränder nicht geschwollen. — Die
Brüste sind noch ganz schlaff; die Warzen gesund. Das
Kind hat getrunken. Puerpera giebt an, dass sie, als der
Frost eingetreten sei, biossgelegen habe.
1. Juli. Morgens 8 Uhr Puls 100, Temperatur 38,25.
Abends . . . . „ 108, „ 40,0.
Hitze und Seh weiss ohne Frost. Der Damm ist nicht
geschwollen, doch sind die Wundränder geröthet, die Wund-
fläche beginnt zu eitern. Die Brüste sind straffer. Die Warzen
nicht wund.
ttnd Pathologie des Wochenbette«. 353
2. Juli. Morgens Puls 102, Temperatur 39,1.
Abends „ 106, „ 39,76.
Die Brüste sind ziemlich straff, die Warzen leicht empfind-
lich. Stuhl ist noch nicht erfolgt. Ol. Ricini.
3. Juli. Morgens TV» Uhr Puls 92, Temperatur 37,9.
Ahends 6 „ „ 72, „ 39,0.
Die Brüste sind wieder schlaffer; Stuhl ist erfolgt; die
Wunde sieht gut aus, die Eiterung ist massig.
4. Juli. Morgens 7*4 Uhr Puls 80, Temperatur 37,3.
Abends 1% „ „ 72, „ 38,0.
Puerpera hat gar keine Klagen. Die Milchsecretion ist
reichlich.
5. Juli. Morgens Puls 88, Temperatur 37,55.
Abends „68, „ 38,0.
Der Uterus steht knapp handbreit über der Symphyse,
ist ganz schmerzfrei ; Lochia serosa ; die Wunde eitert ; in der
Tiefe deutliche gutartige Granulationen. *
6. Juli. Morgens 8 Uhr Puls 76, Temperatur 37,6.
7. Juli.
8. Juli.
Der Uterusgrund dicht über der Symphyse. Die Lochien,
vorher weiss, sind beim Verlassen des Bettes heute wieder
etwas blutig geworden. Die Wunde, in der Tiefe mit zahl-
reichen Granulationen, eitert ziemhch stark, verkleinert sich
•
allmälig. Das Befinden der Wöchnerin ist im üebrigen
gut. (S. Tafel VIL)
Die hieraus ersichtlichen Charaktere, die 4 — 5tägige
Dauer des Fiebers, das 1 — 2tägige Fastigium desselben, die
starken Exacerbationen der Abendtemperatur gegen die vom
Morgen und der Beginn nach den ersten 24 Stunden des
Wochenbettes kennzeichnen das typische Wund fi eher der
Wöchnerinnen. Diese Curve bringt zugleich die durch zu-
nehme[Hle Entwickelung der Milchsecretion gesteigerte und mit
dem Naciiiasse der Brustanschwellung verminderte Exacerbation
sehr schön zur Anschauung.
Monatoschr. f. Oeburtsk. 1868. Bd. XXII., Hft 6. 23
Abends 6V4,,
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38,1.
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37,65.
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„ 76,
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38,1.
364 JiXlI. Winekel, Beiträge B«r Pbjsiolog;!«
b) Colpitifl, Oedem derTulva, Ischuiie, XSndometriiiffi
nnd Perimetritis.
Schon in der Einleitung zu den Temperaturstudien bei
den vergleichenden Messungen der Temperatur in Achselliöhle
und Scheide habe ich mehrere Curven bei Colpitis und
Puerperalgeschwören und Oedem der äusseren Genitalien mit-
getheilt Die Fälle von ganz isolirter Endometritis sind sehr
selten, gewöhnlich ist Colpitis oder Perimetritis oder gar
Peritonitis damit verbunden, und ich will zunächst einen in
mehrfacher Beziehung interessanten Fall dieser Art anführeD.
Perimetritis, beginnende, aber coupirte Peritonitis
mit Endometritis, Colpitis und späterem Oedeme
der äusseren Genitalien; Ischurie.
Auguste P. , eine 23 jährige Primipara hatte in der
ersten Gehurtsperiode Abends 10% Uhr eine Scheidentemperatur
von 37,5" C. bei 68 Pulsen. Am folgenden Morgen 8V^ Uhr,
direct nach der Geburt betrug die Temperatur = 37,9. Am
folgenden Abend 5% Uhr: Puls 56, Temperatur = 38,75.
5. Juli. Morgens 7 V2 Uhr Puls 90, Temp. der Sciieide 37,5.
Abends 5V4 -, ^ 118, « w « 40,35.
Grosse Hitze, kein Frost, Leib rechts schmerzhaft
Oedem der hinleren Commissur, jedoch unbedeutend.
6. Juli. Morgens 7 V4 Uhr Puls 120 , Temp. 39,7.
Abends 5V4 „ „ 144, ,. 41,25; Resp. 41.
Grosse Hitze, lebhafter Stirnkopfschmerz;
leichte Cyaiiose des Gesichts; Brüste etwas voller; Leib
stark tympanitisch; rechts in der Inguinalgegend sehr
schmerzhaft; Ischurie. Ther. hirud. x. ad abdomen; temper.
Wasserumschläge; Injectionen von Leinsamenthee mit filei-
Wasser in die Scheide und innerlich: Sol. Kai. acetici (3ij.) Svj.
7. Juli. Morgens 7 1/4 Uhr Puls 112, Temp. 38,9 ; Resp. 28.
Aeusserst starke Schweisse in der Nacht; seit
12 Uhr Nachts (Ol. Ric.) sehr reichliche Stuhlentleerungen.
Nur noch beim Aufrichten etwas Leibschmerz; BrOste massig
gespannt. In der Nacht ist ein viertelstündiger geringer Frost
aufgetreten. Die Blutegelstiche hatten stark nach-
geblutet.
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3.BeiMs
und Pathologie des Wochenbettes. S&5
Abends 5% Clir Puls 100, Temp. 37,85. Kein Frost
mehr, starke Schweisse; Leib weicher; fast schmerzfrei,
Iscfaiirie besteht noch.
8. JalL Morgens 7 V« Uhr Puls 104, Temp. 38,6. Schlaf gut.
Abends 5V4 Uhr Puls 108, Temp. 38,6. Kein Leibschmer/.,
Oedem der äusseren Genitalien massig, die Ulcera puerperalia leicht
blutend; kein Stuhlgang. Ischurie; Lochien sehr stark , weiss.
9. Juli. Morgens 7'/« Uhr Puls 100, Temperatur 37,45.
Abends 5%
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10. Juli.
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Abends 6%
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M
38,0.
Die Ischurie besteht noch immer; das Oedem der äusseren
Genitalien und die Ulceration im Scheideneingange ist ziemlich
stark. Der Leib weich, aber noch voll. Ol. Ric. bewirkt
meist Sluhlentleerung.
12. Juli. Morgens 9V4 Uhr Puls 92, Temperatur 37,85.
Abends 7 „ „ 84, „ 38,1.
13. Juli. Morgens 9 ^ *« 88, « 37,9.
Abends 6% „ ♦, 90, „ 38,1.
Das Oedem der rechten Nymphe ist noch stark, die
Eiterung beträchtlich, sonst das Befinden gut.
14 Juli. Morgens 7V4 Uhr Puls 92, Temperatur 37,75.
Abends 7 „ „92, „ 38,35.
Puerpera ist aufgestanden; die öderoatöse rechte kleine
Schamlippe ist ihr beim Gehen und Sitzen hinderlich und
ziemlich schmerzhaft.
15. Juli. Morgens 8 Uhr Puls 92, Temperatur 38,05.
Abends .... „92, „ 38,15.
16. Juli. Morgens 8 V« Uhr „ 88, „ 37,75.
Die Wöchnerin ist stets ausser Bett; bei Bespülung mit
einer Sol. arg. nitrici Oj. auf SiJO heilt das Scheidengeschwör
mehr und mehr und die ödematöse Anschwellung verringert
sich merklich. Nach einigen Tagen wurde sie aus der Be-
handlung entlassen. (S. Tafel VIII.)
Auch aus dieser Krankengeschichte ersehen wir zu-
nächst wieder den hohen Werth der ankündigenden
Temperatursteigerung innerhalb der ersten 12 bis
23*
356 ^^n. Wini^el, Beiträge sar Physiologie
24 Stunden post partum. Während die Temperatur ioter partiüD
Abends 10% Uhr ganz normal war, aber schon direct nacb
der 'Geburt (37,9) um diese Zeit (Morgens 8% Uhr) im-
gewöhnlich hoch genannt werden musste, musste aus der nno
folgenden ganz ungewöhnlichen Steigerung auf 38,75 auf eine
stattgeliahte Störung geschlossen werden, deren Folgen deoM
nicht lange auf sich wartt^n Hessen. Merkwürdigerweise trat
aber auch hier wieder zuerst nach dieser ungewdbnlicben
Steigerung ein starker Abfall ein — auf 37,5, welchem
dann aber in wenigen Stunden die immense Temperatur-
Steigerung folgte, die am Abend des dritten Tages ök
gefahrliche Flöhe ?on 40,25^ C. erreichte. Die begonnene
partielle Peritonitis charakterisirte sich durch die starke
Auflreibung und Schmerzhaflligkeit des Leibes, die grosse
Dyspnoe und Cyanose und das intensive Fieber, welches zum
Theil auch von der Scheiden- und Blasenentzundung her-
rührte. Eine energische locale Blutentziehung, die Anregung
der Haut- und Darmsecretion coupirten das beginnende Leiden
sehr rasch und nach einem Abfalle der Temperatur bis auf
37,45 ^ C. (9. Juli ), blieb dieselbe femer, wenn auch durch
die Colpitis und Endometritis noch massig erhöht, doch ohne
Exacerbationen auf niedrigem Standpunkt, und die Wöchnerin
genas. —
Nur ein einziger Fall von isolirter Endometritis in
puerperio, die schon bei der Geburt vorhanden war, kam
zur Beobachtung. Derselbe mag als Portsetzung der Tem-
peralurstudien während der Geburt und Vervollständigung der
vergleichenden Temperaturmessungen zwischen Achselh üble
und Scheide hier ausführlich erwähnt werden.
Sophie M., geb. J3., eine 26 Jahre alte Secundipara,
kam am 9. September 1862 Abends zur Anstalt Vor zwei
Jahren zuerst mittelst des Forceps von einem todten Kinde
in Gesichtslage entbunden, hatte dieselbe seitdem an Prolapsus
uteri gelitten, der im Anfang dieser zweiten Schwangerschaft
sich spontan reponirt hatte, seit dem sechsten Monate aber
wieder hervorgetreten war. Bei ihrer Ankunft war sie am
Ende des neunten Mondsmonates; der Fundus uteri stand
etwas oberhalb des Nabels, Herztöne waren rechts zu hören;
das enorm hypertrophische CoUupi uteri war 4 Zoll aus des
nnd Pathologie des Wochenbettes. 357
äusseren Genitalien berTorragend und hoch im Becken durch
den Muttermund der Kopf in zweiter Schadelstellung zu
fühlen. Seit Mittag hatten sehr schmerzh.ifte Wehen begonnen,
doch war der Muttermund kaum Tür zwei Finger durchgängig.
Während die trockene, rosarothe Scheidenschleimiiaut überall
ganz intact, ohne Geschwöre war, zeigten sich am Mutter-
munde verschiedene grössere Ulerationen und aus
dem Collum uteri quoll ein reichlicher gelber Eiter hervor.
Ich schob das Thermometer 5 — 6 Zoll weit zwischen Uterus
und Eihäute hinauf und fand Abends 7 Uhr eine Temperatur des
Uterus von 38,65 bei 100 Pulsen; Abends 8 Uhr: Temperatur
des Uterus = 39,05; dabei notirle ich: häufige, schinerzlialle,
wirkungslose Wehen; die Haut ist trocken; Parluriens übrigens
ganz gesund, namentlich, frei von Katarrhen der Respirations-
und Digestionsorgane. Abends SVs Uhr reponirte ich nn't
Leichtigkeit das prolabirte Collum uteri. Nach Verabreichung
eines Clysma trat beim Pressen zur Ausleerung des Darmes
der Uterus wieder liervor, und bald darauf, Abends 9 Uhr,
war die Temperatur des Uterus 39,0 ; ich maass zu
gleicher Zeit die Temperatur der Achselhöhle, und dirse
zeigte 33,85, die Differenz betrug mithin nur 0,15" (7.
Nach einer zweiten Reposition, Abends 97^ Uhr. liess ich
einen Senfleig appliciren. Allmälig besserten sich die Wehen.
Nachts 12 Uhr sprang die Blase und nach recht kräftigen
Weben wurde Nachts 2 Uhr ein lebender Knabe geboren. Nach
Ausstossung desselben entfernte ich die Placenta durch Druck
in der Seitenlage der Frau, ohne dass der Uterus dabei
wieder vor die äusseren Genitalien trat, und fand dann Nachts
2V4 Uhr die Temperatur der Scheide == 38,65 " C.
Wochenbett: 11. September. ^Morgens 8V4 Uhr,
Puls 82, Temperatur der Scheide 37,35. Abends Puls 88,
Temperatur 38,15.
Alle Stunden schmerzhafte Nachwehen, Uterus in
normaler Lage, Urin mehrmals entleert, Leib weich. Befinden gut
12. September. Morgens Puls 76, Temperatur 37,25.
Abends „ 78, „ 38.75.
Nachwehen noch vorlianden; leichtes Frösteln; Lochien
reichlich. Uterus stand normal; keine Schmerzen. Brüste
weich, säugt nicht.
»» »»
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90,
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39,55.
80,
»1
38.0.
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38,55.
64.
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37,7.
den
folgenden
Tagen
35g XXII. Winekel, Beiträge %nr Physiologie
13. September. Morgens 8 Uhr Puls 88, Temperatur 38A
Abends 5 „ „84, „ 39ä
Brüste straff; das Kind trinkt nicht , Leib inissig empfind-
lich; kein Stuhl. Ol. Ric.
In der vergangenen Nacht trat ohne Frost das
Gefühl starker Hitze auf.
14. September. Morgens 9 ülir Puls 88, Temperatur 38,4.
Abends 5V4„ „ 92, „ 39,4.
Keine Klagen, die Brüste sind weniger gespannt, die
Milch läuft aus ; durch Ol. Ric. ist reichlicher Stuhl eingetreteo.
15. September. Morgens 8 Uhr Puls 80, Temperatur 383-
Abends 6
16. September. Morgens . . .
Abends 6 „ „
17. September. Morgens 8 „ „
Puerpera ganz wohl, war in den
fieberfrei; der Uterus drei Finger breit über der Symphyse,
nicht schmerzhaft. Der weisse Wochenfiuss ziemlich stark;
Stuhl stets retardirt.
Am 29. erkrankte sie von Neuem stärker und zeigte
Abends 5% Uhr Puls 108, Temperatur 39,7 — lebhafte
Leibschmerzen; der Leib stark aufgetrieben, kein Stuhl;
Zunge stark belegt; Frost ist nicht eingetreten. Emulsio
papav. c. Kai. acet. und ein Clysma.
23. September. Morgens 8 V4 Uhr Puls 96, Temperatur 38,3.
Abends 5^4 „ „ 96, „ 39,15.
Trotz eines Clysma ist kein Stuhl eingeti*eten , der
Leibschmerz ist weit geringei*, soll aber ruckweise 'wieder
auftreten. Der Wochenausfluss ist reichlich.
24. September. Morgens 8Va Uhr Puls 92, Temperatur 37,9.
Abends 5% „ „ 90, „ 38,1.
Zwei dünne Stühle sind eingetreten; die Zunge ist reiner;
das Befinden besser.
25. September. Morgens 8 '4 Uhr Puls 90, Temperatur 38,3.
Abends 5V4 „ „ 96, „ 39^.
Das subjective Befinden ist durchaus gut; kein Leibschmerz
vorhanden; doch ist der Leib stark und voll.
26. September. Morgens 8% Uhr Puls 96, Temperatur 38,9.
Abends 5% „ „ 100, „ 39,3,
and Pfttholo^e des Wochenbettes. • 359
27. September. Morgens Pul8 108, Temperatur 38,1.
Auch diesmal trat schnelle Defervescenz ein, und die
Wöchnerin wurde dann auf ihren Wunsch entlassen. (S. Tafel IX.)
Fälle, in denen man die vorhandene Endometritis so mit
blossem Auge erkennen kann, sind selten. Der Grad der-
selben musste hier ein beträchtlicher sein, da die aus dem
Collum uteri abOiessende Eitermenge reichlich und die Tem-
peratur stark erhöht war. Es bestätigt dieses Beispiel wieder
meine früheren Beobachtungen, dass bei „Krampfwehen, die
durch Endometritis bedingt sind,'' ebenfalls die Temperatur
entsprechend der Dauer derselben steigt (von Abends 7 bis
8 Uhr = 0,5^ C.) ferner, dass sie nach Aufhören derselben
in der Regel rasch und beträchtlich fällt (von Nachts 2'/« bis
Morgens 8% Uhr um 1,3^ (7.). Ausserdem beweist die
geringe Diflerenz zwischen der Temperatur der Achselhöhle
und der Uterushöhle = 0,15^ C, wiederum ,* dass selbst in
entzündeten und stark hyperämischen Organen und in der
Umgebung enorm entwickelter Gefässe die Temperatur nicht
viel höher ist, als an anderen geschützten Stellen des
Körpers — dass mithin die Wärmeabgabe und Ausgleichung
ausserordentlich rasch und vollständig geschieht. Speciell die
Endometritis im Wochenbette anlangend, so machte sie in
ihrem weiteren Verlauf bis zum sechsten Tage stets sehr
starke Abendeiacerbationen, während der Stand des Thermo-
meters am Morgen verhälnissmässig niedrig war; nach einem
kurzen Nachlass des Fiebers vom sechsten Tage trat aber
am zwölften Tage eine Art Nach lieber auf, welches sich
ebenfalls mit starken Exacerbationen und raschen I\,emissionen
fünf bis sechs Tage hinzog. — Hif^r ist man vollständig
gerechtfertigt, in diesen so starken abendlichen Exacerbationen
und den wiederholten Nachschüben eine jedesmalige Zunahme
der localen Entzündungen zu sieben und icli bin vollständig
mit Gruenewaldt einverstanden, wenn er 1. c. S. 18 sagt:
Es wäre ceteris paribus gerechtfertigt, in der Temperatur-
veränderung am. Morgen ein günstiges Moment zu finden,
wenn nicht für alle Puerperalprocesse jeden Augenblick
ein Nachschub zu befürchten stände, welcher selbst, wenn
schon längere Zeit bei befriedigendem Wobls.eiu der Kranken
360 ^^I^* WUekd, Beitrftge sur Physiologe
die Körperwarme eine nahezu normale war, eioe jede
Prognose zu Schanden macht.
Endlich muss ich hier eine Beobachtung einschaiIeD , dm
ebenfalls sehr selten, eine Reihe der inleressaolesteii
Erscheinungen bot
Acute Entstehung einer coiossalen Colloidkyste des
Ovariums im Wochenbette mit sehr intensivem
Fieber, durchsetzt von unregelmässigen starken
Remissionen. Mit der Zunahme der Entzündung
jedes Mal eine starke Febris continua, mit dem
Nachlasse derselben Morgens grössere Remissionen.
Nach der Function der Ovarialkyste rascher
bedeutender Temperaturabfall, dem bei Fort-
dauer der Entzündungen von Neuem eine hohe
Febris coatinua folgte.
Ich beschranke mich darauf, die Temperaturgrade der
ersten 7 — 8 Tage mit den dabei gemachten Notizen kurz
anzuführen und verweise wegen der weiter beobachteten
Schwankungen auf die graphische Darstellung der Temperatur-
curve.
Auguste H,, eine 32 Jahre alte Erstgebärende, von
grosser Statur, bleich, aber krädig, wurde nach kaum
2 V4 stundiger Geburtsdauer mit sehr kräftigen Weben von
einem lebenden Kinde leicht entbunden. Morgens 5V2 L'hr
5 Minuten nach Ausstossung desselben entfernte ich solbst
die Nachgeburt durch Druck auf den Uterus ziemlich leicht,
wobei mir« nichts Ungewöhn-liches, weder am Uterus
noch seiner Umgebung auffiel. Gleich nach der Geburt
betrug die Temperatur der Scheide = 37,45, Abends 5% ülir
bei 48 Pulsen == 37,85.
11. August. Morgens 8 Uhr Puls 56, Temperatur 37,05.
Abends 5% „ „ 52, „ 37,45.
12. August. Morgens 7% „ „ 64, „ 37,4.
Abends 6 „ „ 80, „ 38,3.
Seit einer Stunde sind Schmerzen im Unterleibe
und Kreuze aufgetreten, der Leib ist gespannt; der Uleras
noch in der Höhe des Nabels stehend. Urin entleert Die
und Pathologie des Wochenbettes. * 361
rechte Maromilla mit erbengrossen Blasen, wenig scbmerzbafl;
die Brüste voll.
13. August Morgens 8 Uhr Puls 96, Temperatur 39,0.
Gestern Abend sind zwei grosse Blutcoagula
abgegangen; von Morgens V26 — 7 Uhr ist ein starker
Prost eingetreten; der Leib ist gespannt, aufgetrieben und
schmerzhaft, nur wenig Stuhl vorhanden gewesen.
Abends 6V4 Uhr Puls 120, Temperatur 40,35. Um
den Afler ist ein Kranz von stark geschwollenen und schmerz-
haften Hämorrhoidalknoten aufgetreten.
14. August. Morgens 8 Uhr Puls 136, Temperatur 41,15.
Abends 5 „ „ 116, „ 41,45.
Frost von 1 — 4 Uhr Nachmittags; Puerpera ist sehr
aufgeregt, intensive Kopf- und Leibschmerzen. Im Abdomen,
welches ausserordentlich gespannt ist, fühlt man rechts und
etwas oberhalb des Nabels einen breiten, rundlichen, schwer zu
umgrenzenden Tumor. Trotz Ol. Ric. kein Stuhl. Ther.:
Clysma, Hirud. x. ad abdomen, temperirte Wasserumschläge ;
innerlich Natr. nitr.
15. August. Morgens 7^^^ Uhr Puls 80, Temperatur 37,86.
Schlaf sehr gut; reichliche Ausleerungen. Leib
viel weniger schmerzhaft, Tumor noch ebenso; Brüste weich;
Kind abgesetzt seit gestern Morgen.
Abends 5V4 Uhr Puls 108, Temperatur 41.05. Von
1 — 5 Uhr Nachmittags starke Hitze, ohne Frost. Die rechte
ganze Seite des Unterleibes ist wieder höchst schmerzhaft;
das Lochialsecret höchst übelriechend; leichtes Oedem
der äusseren Genitalien; Einspritzungen werden schon seit
einigen Tagen gemacht.
16. August Morgens 7 V4 Uhr Puls 100, Temperatur 38,85.
Abends 6 „ „ 100, „ 39,15.
Kein Frost, sehr starke Schweisse, der Leib ist weniger
gespannt; Urin wird spontan entleert; der Tumor steht
schon einen Zoll über dem Nabel.
Das Wachsthum der Geschwulst schritt nun gleichmässig
voran, die Ausdehnung des Leibes wurde immer beträchtlicher,
die Spannung der Hautdecken stärker; es traten neue Striae
in denselb.en auf und dann auch ein beträchtliches Oedem der
362 XXII. WituM, Reitr&g^e inr Physiologe
unteren Hautpartieen. Am 6. August 1862 — 28 Tagf
nach der Entbindung — betrug der höchste Umfang des Leibes
102 Centinieler und die Länge der vorderen stark gewölblen
Wand des Tumors von der Symphyse an 37 CeDtimeCer.
Dat^ei bestand ein hohes Fieber und wiederholte FrostanßJle
sprachen für den fortdauernden Eiterungsprocess. Ueberafl
an dem Tumor die deutlichste Fluctuation.
Am 11. Morgens zeigte Puerpera Puls 92, Temperalor
S9ß^ (7., Abends Puls 104, Temperatur 40,1.
12. August. Morgens Puls 92, Temperatur 39,15.
Abends „ 108, „ 39,9.
13. August Morgens „ 104, „ 39,7.
Patientin war öfter ausser Bett; das subj. Befinden
ziemlich; der Schmerz massig.
Morgens 10 Vj Uhr wurde die Punction gemacht ood
I9V2 Pfund einer grünlich eiterigen Flüssigkeit zu grosser
Erleicliterung der Patientin entleert; diese schied sich bald
in eine graubraune Colloid- und grünliche EiterflüssigkeiL
Al)ends ÖV^ Uhr hatte der Puls 76 Schläge und die
Temperatur der Scheide nur 87,0^ (7. Puerpera hatte etwas
kalten Schweiss; gar keine Schmerzen; hatte Urin entleert etc.
14. August. Morgens 8 Uhr Puls 100, Temperatur 40,0.
Nachts ein einstundiger Frost, dann guter Schlaf;
kein Leibschmerz; Urin entleert; kein Stuhl; subj. Be-
finden gut.
Abends Puls 92, Temperatur 39,15.
15. August. Morgens Puls 88, Temperatur 38,75.
Abends „96, „ 40,0.
16. August. Morgens „ 88, „ 38,5.
Abends „ 96, „ 39,45 etc.
Das schnell wieder eingetretene hohe Fieber, die noch
öfter wiederkehrenden Fröste zeigten , dass der Entzundungs-
process in dem Ovarium fortdauerte; die bald wieder zu-
nehmende Ausdehnung des Leibes bewies, dass auch die
Exsudation beträchtlich steige und schon am 21. August liess
sich von Neuem Fluctuation fühlen ; spater wurde die Punction
nochmals ausgeführt und das Leben der Patientin noch eine
Zeit lang erhalten; schliesslich aber ging sie in der Charite
an Erschöpfung zu Grunde und durch die Section wurde ein
4
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fe?ft£?^ ^ /?. /J /Ä /A /^. />r /8, f9' 2^. U ;fZ Z3. 2*. 20. M?7JS,m^
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ZuSritrSdni
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71/
nnd Pathologie des Wocbenbettei. 363
colossaler Sack mit eiterigem Inhalte vom rechten Ovarium
ausgehend gefunden, der zum Theil mit der vorderen Bauch-
wand verwachsen war. — > Interessant ist in diesem Falle die
ungeheuer rasche Entwickelung der Kyste, die bei der Geburt
doch nur sehr klein gewesen sein konnte, da sie mir beim
Umgreifen und Herabdrucken des Uterus nicht auffiel.
Interessant ist ferner die plötzliche Temperaturabnahme am
Morgen des sechsten Tages, die zum Theii auf die locale
Blutentleerung, zum Theil auf die reichlichen Stühle, theil-
weise aber gewiss auch auf die in dieser Zeit besonders
starke Exsudation und Ausdehnung der Kyste ge-
schoben werden muss. Interessant ist endlich die bedeutende
Temperaturabnahme direct nach Entleerung der Kyste die
2,7 ^C betrug, leider aber wieder eben so rascher und
noch stärkerer Zunahme derselben um 3^ C weichen
mussle. (S. Tafel XIV.)
e) Temperatnrcnrve bei septischen ▼on den Genitalien
ausgehenden Erkrankungen im Wochenbette.
Neben den zahlreichen und sehr sorgfältig ausgewählten
Krankengeschichten von difluser Peritonitis, Netrolymphangilis
und Metrophlebitis, welche Leyden 1. c. mitgetheilt hat,
wurde ich die Beschreibung ganz analoger Fälle hier für
überflüssig halten, wenn nicht der Umstand, dass ich mehrere
dergleichen Fälle von der ersten Entstehung im Wochenbette,
ja sogar während der Geburt beobachten und ihre Entwickelung
bis zum scbliesslichen Ausgange genau verfolgen konnte, die
ausführliche Erzählung Einiger wohl rechtfertigen könnte^
zumal da Leyden nur die bereits vorher erkrankten
«
Wöchnerinnen zur Beobachtung bekam.
1) Colpitis diphtheritica; Gangrän der Vulva; Endo-
metritis seplica; Metrolymphangitis ; diffuse
Peritonitis, Tod am sechsten Tage.
M, K,, eine 28jährige Primipara, wurde den 12. No-
vember 1862 Nachmittags 3 Ulir von einem lebenden Mädchen
ziemlich leicht entbunden. Ein leichter Einriss in den
Damm war dabei eingetreten. Die Temperatur gleich nach
der Geburt zeigte 37,4 <> C, der Puls hatte 72 Schläge,
Abends 5% Uhr Puls 68, Temperatur 38,05.
364 X^II* Winekel, Beitrftge snr Physiologie
13. November. Morgens 8V4 Uhr Puls 80, Temp. 37,6.
Abends 5% „ „ 80, „ 38,95.
Sehr starkes Oedero beider Nymphen; Ulcus puerperale.
14. November. Morgens S% Uhr Puls 124, Temp. 40,6.
Abends 6 „ „ 128, „ 40,8.
Nachts starker Frost; Oedem stark; Ulcus miss-
larbig; Leib ziemlich weich, Uterus nicht schmerzhaft.
16. November. Morgens 8V2 Uhr Puls 108, Temp. 39,8.
Abends 6 „ „ 116, „ 41,1.
Nachts fünf Mal diarrhoische Ausleerungen;
Leib schmerzhaft und aufgetrieben; Oedero sehr
stark; missfarbige Ulcera. (Injectionen mit Leinsamenlhee
und Chlorwasser; *hirud. x. ad abdomen; temp. Umschläge;
innerlich Säuren.)
16. Nov. Morgens SV« Uhr Puls 1 16, Respir. 32, Temp. 40,1.
Abends 6% „ „ 124, „ 36, „ 40,3.
Gangrän der rechten Seile der Vulva; putride Lochien;
bedeutender Meteorismus; beträchtliches Peritonäalexsndat;
starkes Erbrechen mit Nasenbluten; Zunge braun, trocken;
Respiration röchelnd; Bronchialcatarrh.
17. Nov. Morgens 8 Uhr Puls 160, Respir. 40, Temp. 39,45.
Abends 5V4 „ „ 160, „ 42, „ 40,15.
Nachts vierSlulile; Exsudat gestiegen; viel Erbrechen galliger
Massen; Husten, ohne Auswurf, sehr lästig und schmerzhaft
Der Tod erfolgte am 18. November Morgens 4V4 Uhr,
5V2 Tage nach der Enibindung. (S. Tafel X.)
Die Section ergab: Diphtheritis vaginae et uteri; Metro-
lymphangitis; dilfuse Peritonitis; leichte Pleuritis; Bronchitis.
Hier hatte also höchst wahrscheinlich inter oder gleich nach der
Geburt eine locale fnfection stattgefunden, deren Einwirkung sich
schon in den ersten drei Stunden post partum geltend machte.
2) Endometritis inter partum; Wehenschwäche,
später Krampfwehen; verzögerte Lösung der
Nachgeburt; künstliche Lösung derselben; Endo-
metritis septica in puerperio; Metrolymphangitis.
Tod am achten Tage.
Den ersten Theil dieser Krankengeschichte, das Temperatur-
verhalten in den letzten 14 Tagen der Schwangerschaft und
Tafel IX.
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Grhirl. JMAA:^iar % ^^' '^' ^^ '> ^^- *^
nachpehfr.
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5 1
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und Pathologie des Wochenbettes. 365
die bei der Geburt beobachtete Temperaturcurve habe ich
schon in den Temperatursludien bei der Gehurt unter der
Rubrili: Uebergangsformen von Wehenschwäche in Krampf-
wehen, No. I., genau beschrieben und kann daher darauf
verweisen. Die inter partum erst entstandene Endometritis
hatte sich auch mit dem Thermometer erkennen lassen. Direct
nach der vom Herrn Geh. Rath Martin vorgenommenen
künstlichen .Lösung der Placenta» Morgens 7Va Uhr, betrug
die Temperatur der Scheide 38,4, am Abend desselben Tages
39,75 <> C, Puls 148. Schon am Nachmittage von 2Va— 4Va Uhr
war ein' starker Frostanfall eingetreten; der Leib weich;
der Uterus schmerzhaft; Urin hatte die Puerpera entleerL
31. Juli. Morgens 7 V^ Uhr Puls 1 52, Respir. 56, Temp. 40,05.
Abends 5Va „ „ 160, „ 56, „ 41,4.
Puerpera schläft sehr viel; ist oft sehr unruhig
nach dem Aufwachen; Zunge feucht; massiger Durst; kein
Erbrechen. Die Rrüste schlaff; der Leib ist weich, an-
geblich schmerzfrei; der Uterus zwei Finger breit unter dem
Nabel, empfindlich gegen Druck; die Lochien übelriechend.
In der rechten Inguinalgegend — Dämpfung.
1. August, Morgens 8 Uhr Puls 140, Respir. 42, Temp. 40,2.
. Abends 5V4,, „ 152, „ 44, „ 41,25.
Sensorium benommen; schläft viel und unruhig; hat
mehrmals gebrochen; Leib schmerzhafter, massig aufgetrieben.
2. August. Morgens 7 Va Uhr Puls 140, Respir. 38, Temp. 39,9.
Mittags 12 V4 „ „ 152, „ 44, „ 40,8.
Abends 6% „ „ 168, „ 32, „ 40,4. .
3. August. Morgens 8 „ „ 140, „ 32, „ 39,75.
Abends 6% „ „ 148, „ 36, „ 40,5.
Redeutender Meteorismus; Singultus; Flocken-
lesen; metastatische Gelenkentzündung des zweiten Phalangen-
gelenkes am linken Daumen. Ischurie.
4. August. Morgens 8 Uhr Puls 144, Respir. 36, Temp. 39,6.
Abends 6 „
w
152,
„ 40, „ 39.85.
5. August.
Morgens 8 Va
n
144,
„ 42, „ 39,35.
Abends . . .
>»
140,
„ 44. , 39,3.
6. August.
Morgens 8 V4
w
140,
„ 68, „ 39,0.
Abends 5%
M
140,
„ 56, „ 39,1.
(S. Tafel XI.)
366 XXlh Wineka, BeitrHge sur PhTsioIogie
«
Qufileoder Singultus; häufiges Würgen und Erbrechen
mit etwas Blut Secessus inyoluntarü; enormer Meteorisniiis ;
Euphorie. Tod am 7. August Morgens 3V4 Uhr. — Die
Section ergab: eiterige Entzündung des genannten
linken Daumengelenks; doppelseitige stark eiterige
Pleuritis; geringe Peritonitis; Endometritis; an der
Placentarstelle missfarbige Ulcera; Metrolymphangitis.
Diese beiden Fälle mögen genügen zur Vervollständigung
der Curven solcher Erkrankungeii. In beiden entwickelte sich
die Krankheit äusserst rapide, die rasch und immense steigende
Temperatur zeigte nur geringe uuregelmässige Remissionen,
die hier meist in die Morgenzeit fielen; gegen Ende der
Krankheit war namentlich im letzten Falle das constant fort-
schreitende beträchtliche Absinken der Temperatur neben
unverminderter Pulsfrequenz sehr ersichtlich.
In beiden erreichte der Puls rasch eine bedeutende Höhe,
betrug sogar im letzteren nie unter 140 Schlägen.
Endlich waren auch die jagenden oberflächlichen sehr
frequenten Respirationen sehr deutlich ausgesprochen, deren
Erklärung durch Traube Leyden in seiner Arbeit 1. c. S. 18
ausführlich erwähnt
Soviel von dem Fieber und der Temperaturcurve dieser
septischen Erkrankungen, deren sonstige Symptome leider
nur zu bekannt sind. — Phlebitische Erkrankungen im Wochen-
bette konnte ich mit dem Thermometer bis jetzt noch nicht
genau untersuchen, da mir dieselben zu spät oder zu selten
zur Beobachtung kamen. Nur will ich erwähnen, dass ich
allerdings, wie Leyden, schon zwei Mal kurz vor Beginn
einer exquisiten Phlegmasia alba dolens duplex (in der Poliklinik)
eine auffallende Remission in der bis dahin sehr hohen
Temperatur gefunden habe.
3. Anderweitige fieberhafte Erkrankungen
der Wöchnerinnen.
P&lle von Typhus in der Schwangerschaft, bei der Geburt
und im Wochenbette.
1) Therese B,, 22 Jahre, zum ersten Male schwanger,
erkrankte am 10. November unter lebhaftem Fieber an Kopf-
Tafel XI.
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Tafel xn.
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and Pathologie des Woehenbettes. 367.
schmerzen, Heiserkeit, Durchfall. Bei ihrem Zugange am
16. Noverobo* war sie circa neun Mondsmonate schwanger,
die Geburt hatte begonnen; die Haut war trocken, sehr heiss:
die Lippen mit Borken bedeckt, ein allgemeines deutliches
Roseolaexanthem zeigte sich. Bei viergroschengrossem Mutter-
munde betrug die Temperatur der Scheide 40,5^ C, der
Puls hatte 124 Schläge Abends 7V4 Uhr; die Geburt dauerte
bis Nachts 27^ Uhr und endete mit Ausstossung eines
8 V2 monatlichen Fötus. Gleich nach derselben wurde die
Temperatur nicht gemessen, erst am folgenden 17. November
Morgens 8 Uhr war sie = 39,3. Abends ÖV4 Uhr Puls 120,
Temperatur 40,4. Nachmittags Frost; Hitze; trockene
Haut; kurzes Hüsteln. Mehrfach diarrhoische Ausleerungen.
Rechte Injuguinalgegend gegen Druck sehr empßndlich. Milz-
anschwellung beträchtlich.
18. November. Morgens 8 Uhr Puls 120, Temp. 40,2.
Abends 5V4 „ „ 108, „ 40,9.
19. November. Morgens 8 „ „ 120, „ 40,45.
Abends 5V4 „ „120, „ 40,9.
Drei Mal dünne Stühle. Stiche beim Athemholen; viel
Husten mit Leibschmerz.
20. November. Morgens 8V2 Uhr Puls 116, Temp. 40,6.
Abends 5V4 „ „
21. November. Morgens 8 „ „
Abends 5V4 » m
' 22. November. Morgens 8 „ „
Abends ÖV4 „ „
Sehr unruhig; Flockenlesen; braune Lippen; Borken;
trockene braune Zunge; öftere Secessus involuntarii; keine
Darmblutungen.
23. November. Morgens Puls 120, Temp. 40,75.
Abends 5% Uhr „ 140, „ 40,5.
Tympanie; grosse Unruhe.
24. November. Morgens Puls 120, Temperatur 41,0.
Abends „120, „ 41,5.
25. November. Morgens „ 128, „ 42,1.
Tiefer Sopor. Am 25. Nachmittags 3 Uhr Exitus
lethalis. (S. Tafel XH.)
124,
„ 40,95.
124,
„ 40,1.
132,
„ 40;3.
124,
„ ö\j^ö»
128,
r, 41.1.
368 XXII. Winck$l, Beifrägre sar Pby Biologie
Die Tags darauf angestellte S e c t i 6 n bestätigte die
Diagnose in jeder Beziehung. Die Genilalien waren vollständig
gesund; der Uterus noch 6 Zoll lang, die Placentarslelle
an der hinteren Wand, nirgendwo Ulcera in ihm oder
in der Scheide. Die Blase ebenfalls intacL Im oberen
Theile des Mastdarmes und im ganzen Dickdarme kleine
Stecknadelknopf- bis erbsengrosse sehr zahlreiche Ulcera der
SolitärfoUikel ; im Dünndärme ausser diesen noch zahlreiche
prominente Peyer'&che Plaques mit oberflächlichen Ulcerationen,
nirgendwo hämorrhagische Heerde. Die Mensenterialdrüsen
beträchtlich geschwellt Die Milz, massig vergrössert, zerfloss
nach Anschneiden ihres Peritonäaluberzuges in eine schwarz-
braune, breiige Masse. Auch die Leber massig geschwellt.
In beiden unteren Lungenlappen ausgesprochene Hepatisation ;
diffuse Röthung und Schwellung der Bronchialschleimhaut etc.
Der Anfang der Krankheit konnte hier anamnestisch nicht
genau festgestellt werden; doch ist es höchst wahrscheinlich,
dass das Wochenbett in das zweite Stadium der typbösen
Erkrankung fiel. Das Fieber war um diese Zeit (also im
Anfange der zweiten Woche, da bei ihrem Zugange das
Roseolaexanthem auch noch sehr deutlich ausgesprocheu war)
ein sehr hohes und die sehr geringen morgendlichen Remissionen
liessen den lethalen Ausgang bald sicher voraussehen. In den
letzten zwei Mal 24 Stunden stieg bis zum Tode das Fieber
nocfh beträchtlich. Der Tod trat wahrscheinlich gegen den
16. Tag der Erkrankung ein. Die Temperaturcurve dieses
Typhus im Wochenbette gleicht also vollkommen der anderer
Typhen.
2) Frau D. geb. Z., 27 Jahre, ging am 22. December 1862
der Anstalt mit Wehen zu. Sie ist gross, hellblond, mager,
seit Ende April zum zweiten Male schwanger und seit acht
Tagen angeblich krank. Die Erkrankung begann mit Frösteln,
Mattigkeit, intensivem Kopfschmerz, Leibschneiden und Durch-
fall. Schon am 20. December, drei bis vier Wochen vor
dem erwarteten Termine, waren Wehen eingetreten. Bei
ihrer Ankunft war der stark gespannte Leib überall sehr
empfindlich; die Zunge roth, ganz trocken; viel Durst; die Haut
trocken; kein Exanthem; die Temperatur der Scheide zeigte
Tafel XnL
miinmJdtrMnld^&Ci: 2Z. 23. 2JI^.^ 2X 26. 2 t 2 H.
b.BeiiiCt^
ri / : • '
und Pathologie des WochenbetteB. 369
Mittags 12 V, Uhr = 39,55* C, dabei hatte' sie 108 Pulse.
Die Milz war vergrösserL — Die Geburt endete ziemlich
rasch und mit massigem Blutverluste; der geborene Knabe
war allerdings circa drei bis vier Wochen zu früh geboren.
Gleich nach der Entbindung betrug die Scbeideutemperatur
38,65 0 G. bei 100 Pulsen: Nachmittags VU Uhr. Abends
6 Uhr Puls 88, Temperatur 38,85.
23. December. Morgens 8 Uhr Puls 104, Temp. 40,0.
Abends b\ „ „ 104, „ 41,0.
Blande Delirien; Puls doppelschlägig ; Kopf-, Kreuz- und
Brustschmerzen; Tympanie; Uterus vier Finger breit über
der Symphyse nicht schmerzhaft; dagegen die Ileosacrai-
gegend bei Druck sehr empAndiich; Darmgurren; drei dünne
Stuhle.
24. December. Morgens 8 Uhr Puls 108, Temp. 40,6, Respir.44.
Abends 4^4,, „ 116, „ 41,85, „ 44
Grosse Unruhe; Delirien; SiugultQs; Lochien gering;
kein Durchfall mehr.
25. December. Morgens Puls 64, Temp. 35,6, Respir. 18.
Schlaf sehr gut; Zunge feucht, reiner; Sensorium freier;
Rückenlage; sehr matt
Abends Puls 72, Temp. 36,0 Respir. 26. Gar keine
Schmerzen; Neigung zu Ohnmächten; viel Schwiudelanfalle ;
Stuhl ist nicht mehr erfolgt Leib weich und schmerzfrei.
26. December. Morgens Puls 64, Temperatur 38,15.
(Abends nicht gemessen.)
27. December. Morgens Puls 108, Temp. 39,25, Respir. 42.
Mehrmaliges Frösteln; ein ziemlich reichlicher con-
sistenterer Stuhl. Leib nicht schmerzhaft
Abends Puls 62, Temperatur 36,85. Sehr reichliche
Schweisse. Befinden sehr gut
28. December. Morgens . . . Puls 64, Temperatur 36,5.
Abends 6 Uhr »66, „ 37,75.
Appetit gut; Zunge feucht imd rein; Leib weich und
ganz schmerzfrei; ein gut gallig gefärbter dönnbreiiger Stuhl;
Lochien gering. Subj. Befmden sehr gut (S. Tafel XIIL)
Patientin genas allmälig vollständig.
MonatMohr. f. GeburUk. 1868. Bd. XXII., Hft. 6, 24
370 XXn. WiMkel, Beiträge sur Phjsfolofie etc.
In diesem Falle beobachteten wir die schon oben erwähnte
rasche und sehr bedeutende Temperaturabnahme von 41,8 auf
35.6^ C. innerhalb des dritten Tages nach der Entbindung,
der circa dem zwölften Tage der Ei*krankung entspracli. Schon
der nicht unbeträchtliche Temperatur abf all (um 0,9^ C.)
direct nach der Geburt und di« für die nächsten Stunden nur
geringe Steigerung (um 0,2 ^ C.) liess auf einen gfinstigen
Ausgang hülfen. Das lebhafle sehr hohe Fieber war dann
nur noch auf zwei Tage beschränkt und endete mit einer
colossalcn Krise vom 24. zum 25. December. Die späteren
Icichlercn Schwankungen kommen wenig in Betracht — Zu
solclitui sehr ausgesprochenen und starken Krisen ist der
Zustand einer Wöchnerin überhaupt prädisponirt, da der
Blutverlust mit Beendigung der Geburt und im weiteren
Wochenl)ette die sehr starke Haulthätigkeit rasch einen be-
trachtlichen Temperaturlall bewirken können. Die Möglichkeit
einer solchen wird sich dann aber immer, wie auch hier,
schon in dem Temperaturverhalten innerhalb der ersten
12 — 24 Stunden post partum erkennen lassen (cf. hierzu
auch besonders Fall No. 4 — Colpitis etc.) und es kann
daher gar. nicht genug auf die Wichtigkeit derselben auf-
merksam gemacht werden.
XXIU. IMf^Jwr, Mittheiliuigea über die Thätigkeit etc. 37]^
XXUL
Mitäieiliingeii ttber die Thfltigkeit und die Ver»
handlungen der Gesellschaft fttr Oeburtshttlfe
zu Leipzig
im neunten Jahre ihres Bestehens.
(Schlass.)
II. Eisiges über die Embryotomie in der heutigen
Geburtshülfe
unter Mittheilung eigener Erfahrungen
von
Dr. Emil Apollo Heissner*
Vorgetragen am 16. Juni 1862.
Wie in der Polilik, wie in der Mode, so sehen wir
auch nicht selten in der Wissenschaft ein Extrem auf das
andere folgen, und speciell in unserer Disciplin zeigte sich
dies recht auffallend hinsichüich der Erobyrotomie. Nachdem
das leidige Zeitalter eines Deisch und Mittelhaeuser, in dem
die Zerslückung des Kindes fast das einzige Rettungsuiittel
für die Mütter bei schwierigen Entbindungen abgab, endlich
glücklich überwunden ; — nachdem durch Wendung und Zange
die deutsche Geburtshülfe ein ebenbärtiger Zweig der Heil-
kunst geworden; — nachdem die exacten neueren Unter-
sttchungsmethoden uns gelehrt haben, nicht nur Leben und
Tod einer Frucht im Uterus zu erkennen, sondern auch die
Lagerung desselben schon vor Beginn der Geburtsthätigkek
genau zu ermitteln; — nachdem es allgemeine Ehrenpflicht
aller Collegen am Geburtsbelte geworden, selbst unter den
schwieligsten Verhältnissen Mütter und Kinder lebend und
unversehrt zu erhallen ; — nachdem endlich durch sorgfältigen
Unterricht der Wehmütter, durch weise und rationelle ge*
seizliche Ordnung des Hebammenwesens eine rechtzeitige
Erkenntniss und Hülfe bei Querlagen ermöglicht ^^s] —
2**
373 XXitl. IfMMiaer, Mittheilungen fiber die Tiifttigkdlt
0
meinle man die traurige Indicaüon dazu für die Folgezeit
unmöglich gemacht zu haben, und somit verschwand mit dem
gewiss anerkennungswcrlhen Wunsche, der Zerstflckung des
Kindes in praxi nicht weiter zu bedöifen, dieselbe fast voll-
ständig aus der Literatur. Mehrere Decennien hindurch suchten
fast alle Hand- und Lehrbücher die Embryotomie , wenn sie
derselben überhaupt noch gedachten, als eine glücklicher
Weise nicht mehr erforderliche. Operationsmethode, als ein
Ueherbleibsel aus roher Vorzeit hinzustellen, und nur wenige
ehrliche Autoren wagten den Zusatz, dass für gewisse äusserst
seltene Fälle, die ihnen allerdings zumeist noch nicht begegnet,
als ultima Ratio der Hülfe noch zu ihr die Zuflucht zu
nehmen sein durfte, doch suchte man auch bei ihnen nach
einer Anweisung zumeist vergebens, wie man in solchen
Fällen die Operation zu unternehmen habe. Exempla sunt
odiosa; — sonst konnte ich mittheilen, wie eine seiner Zeit
hochgeschätzte Autorität der Aufforderung, der Indication
gemäss im verzweifelten Falle zu handeln, sich zu entziehen
wusste, und später wiederholt in mündlichen Vorträgen be-
tonte, wie „er ein sokiies Operationsverfahren seihst noch
nie habe in Awendung bringen müssen.'* — Was Wunder
also, wenn diejenigen Operateure, die sich unter dem Drange
der VerhäUnisse genöthigt sahen, nach eigenem besten Er-
messen schliesslich die Embryotomie zu unternehmen, sich
scheueten, damit vor die Oeffentlichkeit zu treten, weil sie
den in der ölTenlUchen Meinmig der Fachgenossen nur zu
begründeten Vorwurf scheueten, dass nur ihre eigene Un-
künnlniss und Ungeschicklichkeit die Veranlassung zu dem
barbarischen Endverfahren gegeben habe? — Und doch ist
Perforation und Kephalothrypsis, von denen wir bestimmt wissen,
dass sie jährlich in hundert und aber hundert Geburtsfallen
auf unserem Erdlheil vorgenommen werden, nichts Anderes
als die Zerstückung, die Zertrümmerung des edelsten und
lebenswichtigsten Kindestheiles 1 Warum sollte nun nicht auch,
obschon seltener, hinsichtlich der anderen, allerdings gewöhn-
lich weit nachgiebigeren und daher ungleich seltener ein
Geburtsliinderniss abgebenden Theile die unbedingte Nolh-
wendigkeit sich herausstellen* können, behufs der schliesslich
doch noch zu bewirkenden Extraction eine derartige ?ei>
n. d. Verbandl. d. OeselUcbaffc fOebnrtshülfe su Leipvig etc. 373
kleinermle, Terstriinmelnde, trennende Operation am Kindes*
körper vorzunehmen? Oder sollte man etwa einem allerdings
herrschenden Vorurtheil zu Gefallen so weil gelten, in der
ftu8$ersten Lebensgefahr die gebärenden Frauen hulfios zu lassen,
bis die nüt jeder Wehe drohender lierantrelende Ulerusruptur
für das grausame Schauspiel des Gehärun Vermögens hei nicht
nacblassentlem, ja immer stärkerem Wehendrange das traurig«
und doch für die unwillkürlich erfolgh)S sich ahmiHiende
und liülflos Dahinslerhende zu gönnende Finale bildet? Aus
diesen Erwägungen müssen wir bei aller Lebhaftigkeit des
auch von uns gelheilten Wunsches, alle die sogenannten
blutigen Operationen in der Gehtu'tshnlfe auf eine möglichst
geringe Anzahl von Entbindungen zu beschränken, es rühmend
als einen Fortschritt in der Wissenschaft bezeichnen, auch
hier nunmehr der Wahrheit die Ehre gegeben, die alte falsche
Schaam überwunden zu haben, und namentlich der Neuzeit
das ehrende Zeugniss geben, durch Miltlieilimg schonender
Methoden, Empfehlung eigens dazu construirter Instrumente
und dergleichen endlich belehrendes Licht verbreitet, und so
namentlich auch durch die Aufstellung bestimmter Indi-
cationen für die Embryolomie ihie moralische und huma-
nistische Berechtigung als geburtshülfiiche Opera lionsweise
für gewisse äussersle Fälle revindicirt zu haben. —
Unter den Anzeigen selbst nun ist 1) die abnorme
Vergrösserung des Fötus durch Verwachsung von
Zwillingsfrüchten , durch Monstrositäten per excessum, hin-
sichtlich der Zahl der Extremitäten, oder durch pathologische
Zustünde in Brust- und Bauchhöhle (enorme Volumenszunahme
der Organe, Wasseransammlungen etc.) meiner Ansicht nach
vorauszustellen, obgleich nur seilen so liohe Grade vorkommen,
dass die Zerstückung deshalb nöthig wird ; — aber wo durch
dergleichen fehlerhafte Bildungen ein absolutes Missverhältniss
zum Beckenraume gegeben ist, tritt uns eben eine unabwendbare
Indication zur Embryolomie entgegen. Keine Versäumniss-
schuld während der ersten Geburtsperioden kann hier an-
geklagt werden , und selbst die meist unmögliche Erkenntniss
der vorliegenden Bildungsfehler am Fötus schon während
der Schwangerschaft vorausgesetzt, ist eine Prophylaxis eben
80 wenig als später bei Eintritt eines daraus resultirenden
374 XXIII. Meißner, Mittheilan^ea aber die Thiti^keit
Geburisbindernisses eine Anweisung zum Operationsyeifafaren
aufzustellen möglich. Hinsicbüicb der fötalen MisAbildnngen
kommen so unendliche Verschiedenheiten vor, sind so viele
Möglichkeiten denkbar, dass, wenn ja bei den überdies so
äusserst seltenen Fällen die Noth wendigkeit der Zerstnckung
zu Tage tritt, nur nach der Individualität des einzelnen
Falles zu handeln ist. Es empfiehlt sich daher zu dem Ende
ein Eingehen mit der Hand in den Uterus, um die Natur der
Missbildungen zu erforschen und eine darauf angemessene
Wahl unter den später niitzutheilenden Operattonsmethoden
zu treffen. —
Dagegen linden wir fast durchgängig in der ganzen ein-
schlagenden Literatur die häufigste Indication zur Embryotonne,
nämlich 2) die Unmöglichkeit der Wendung bei der
ins Becken eingekeilten, vom Uterus fest um-
schlossenen Querlage eines todten Kindes lediglkh
als Folge von Vernachlässigung dargestellt. Ich selbst zweifele
zwar nicht, dass für die unbedingt weitaus grösste Mehrzahl
der Fälle der allerdings verspätete Eintritt geburtsärztlichor
Hülfe als einzige Ursache des Misslingens aller Wendongs-
versuche angesehen werden muss; — möchte aber, leider
durch eigene Beobachtungen erst belehrt, nicht den exclusiven
Standpunkt und das Verdamm ungsurtheil der bisherigen
Autoren theilen, welche (ohne die folgenschweren Compli-
cationen nur im Mindesten zu würdigen, welche Seiten der
mütterlichen Geburtswege ein zeiliges Operiren conlraindiciren
oder ganz verhindern, und die spätere Hülfe wesentlich
erschweren und gefährlich machen können) einstimmig die
Hebammen und zunächst zugezogenen Collegen beschuldigen,
durch Säumniss allein die traurige Situation veranlasst zu
haben. Ich sagte , dass ich leider erst durch eigene
Beobachtungen zu einer anderen Ansicht gekommen bin; —
die beiden Beobachtungen aber, welche ich Ihnen nun im
Folgenden ausführlich mittheilen will, haben für mich ein um
so grösseres Gewicht, weil sie die Unmöglichkeit der Wendung,
selbst für einen anerkannten Meister der Kunst, bei einer
durchaus ganz gleichen Reihe auf- und auseinanderfolgender
Complicationen bedingten ; als : Vorfall der Gebärmutter, auch
noch am Ende der Schwangerschafl sich in massigem Grade
o. d. VeriuuidL d. GksoUscbftft f. GebartohUlfe %n Leip«is eic. 375
geltend machend « Emklemmung des unteren Uierinsegiiienle6
im kleinen Becken, dadurch bedingte Metrilis und vorzeitiger
Abgang des Fruchtwassers, heftige Webeu ohne gehörig
fortschreitende Erweiterung des Muttermundes, und als leztere
endlich erzwungen: complete Umschliessung der Frucht durch
die fest contraturte Gebärmutter. — Ich lasse zunächst die
beiden Beobachtungen selbst folgen:
Eleonore Wültelmine Findeisen, Handarbeiterin aus
Liebertwolkwitz , 38 Jahre alt , früher stets gesund und
regelmässig menstruirt, hatte bereits zwei Male ohne Kuns^
IiQUb geboren, doch war eine dreitägige Geburtsarbeit jedes
Mal der Entbindung vorausgegangen. Nach dem ersten
Wochenbette bildete sich, angeblich in Folge von An-
strengungen im Dienste, ein sich immer mehr vergrössernder
Scheiden- und Gebärmuttervorfall aus, doch so, dass gewöhn-
lich nur eine Falte der vorderen Scheiden wand , seltener
auch die Portio vaginalis uteri zwischen den grossen Scham-
ÜH^n hervortraL Nach ihrer dritten Conception, weiche
Hitie October 1853 erfolgt war, machten sich die Beschwerden
des Vorfalles so geltend, dass ihr im April 1854, als sie
sich behufs ihrer Niederkunft in der Entbindungsschule
meldete, die Proposition gemacht wurde, zur möglichsten
Linderung dieser Beschwerden sofort in die Anstalt einzutreten.
Dies that sie am 1. Mai; wo sich gleichfalls nur eine Falle
der vorderen Scheiden wand zwischen den Lab. pudend. zeigte;
der untere Gebärmutterabschnitt war bis in die Höhle des
kleinen Beckens herabgetreten. Neben ruhiger, horizontaler
Lage im Bette wurden früh und Abends Sitzbäder von
Infusum berbae Meliloti gebraucht, der Stuhlgang durch
Klystire erleichtert, nach dem dritten Sitzbade in horizontaler
Lage der Schwangeren der Prolapsus reponirt und ein Leinwand-
cylinder, mit Pulv. cortic. quercus und radic. calami aromatici
gefallt, eingebracht, auch durch eine T-Binde und eine vor
die Schamspalte gelegte Compresse befestigt. Am zweiten
Tage darauf wurde der Cylinder mit einem neuen vertausdit,
und der F, gestattet, einige Standen aufzustellen und herum-
zugehen» wobei die vordere Scheidenwand nicht weiter hervor-
trat. Am 4. Mai Nachmittags wurde die F, auf ihr Ansuchen
mit der Weisung wieder entlassen, an jedem zweiten Tage
376 ZXIIJ. Meiunw, Mittbeilaii^en filier die Th&tigbeit
behnfe der Ekibringuog dnes neuen Cylinders wieder zo
kommen und sich jedweder Körperanstrengung zu enthaUea.
Sie that jedoch weder das Eine, noch das Andere, und so
war am 6. Mai Nachmittags beim Tragen gefüllter Wasser*
kannen der Cylinder aus der Vagina herausgedrängt worden,
die Falte der vorderen Scheidenwand zwischen den grossen
Schamlippen wieder herausgetreten, auch etwas Fruchtwasser
sofort mit abgegangen. Erst nach Eintritt kräftiger Wehen
am 8. Mai Nachmittags kam sie wieder in die Anstalt. Die
Untersuchung ergab jetzt die Scheide von erhöhter Temperatur,
die vordere Wand jedoch nicht vorgetreten, die Portio
vaginalis tief in der Höhle des kleinen Beckens, Mntlerhals
noch V4 2^^^ '^"Ef ^>^ vordere Muttermundslipppe sehr
verdickt, Muttermund noch geschlossen; der Uterus von den
Baucbdeeken aus sehr fest contrahirt und hart anzufl&hien,
und so die Lage des Kindes weder von Innen noch von
Aussen zu ermitteln, Herzschläge desselben nicht vernehmbar,
dabei unausgesetzt schleichender Abgang gelblich - gritoien
Fruchtwassers. Abends 11 Uhr zeigte sich der Muttermund
Ys Zoll im Durchmesser erweitert, und in ihm anscheinend
ein Kniegelenk vorliegend, doch war die Substanz der Portio
vaginalis weder verdünnt, noch lockerer geworden, ja gegen
Mitternacht zog sich der Muttermund wieder mehr zusammen.
Nachts 1 Uhr (am 9. Mai) trat Erbrechen einer schleim^
grünlichen FiOssigkeit, darauf von 2 — 5 Uhr Morgens eine
Wehenpause, Vormittags 11 Uhr aber ein heiliger Fieberfrost
ein; letzterem folgte Ritze mit sehr frequentem vollen Pulse
und starkem Schweisse, se dass erst Nachmittags 2 Uhr,
als ein Nachlass in dem Sturme der Aligemeinerscheinnngen
erfolgte, ein Versuch zur kunstlichen Entbindung gemacht
werden konnte. Die F. wurde auf das Querbett gebracht,
und Joerg fahrte seine rechte Hand m die Seheide ein,
aus der ein alkalisch -stechender Geruch hervordrang. Nicht
ohne Schwierigkeiten vermochte der Operateur die manuelle
Erweiterung des Muttermundes zu bewirken; weit scbwieriger
aber war es für ihn, vor dem stark hervorragenden Pro*-
montorium vorbei, neben dem sehr eingeklemmten Rinde,
welches mit der linken Schulter vorlag, die Hand in die fest
cpntrabirte Gebärmutterhöhle einzudrängen. Nachdem die F.
Q. d.Yeirliatidl. d. OeselUchaft f. GeburUhülfe zu Leipsig etc. 377
«Ke Knie-EUetthogenlage eingenommen, erreichte Joerg's
Hand die Schenkel, aber selbst bei den angestrengtesten, und
uriederhollen Versuchen wollte es nicht glücken, auch nur
einen derselben berabzuleilen. Die durch den heftigen Druck
des Uterus erlahmte rechte Hand vertauschte der Operateur
spAter mU der linken, ohne einen günstigeren Erfolg zu
erzielen, und so musste ^I^A. Uhr einstweilen von der weiteren
Fortsetzung der bis dahin unausgesetzten Wendungsversuche
abgesehen und der Gebärenden, deren Wehen jetzt aussetzten,
Ruhe gegdnnt werden. Nach 5 Uhr wurden die Wehen
wieder stärker, die nach dem mittlerweile erfolgten Vorfalle
des linken Armes von heiligem Drange zum Mitpressen begleitet
waren. Am vorgefallenen Arme löste sich bereits die Epider-
mis, und aus der Vagina drang ein fauliger Geruch. Nachdem
um 6 Uhr die F, wieder aufs Querbett gebracht worden,
suchte Joerg den spitzen Haken in eine Sutur des auf dem
rechten Darmbeine oberhalb der Linea innoniinata ruhenden
Kopfes einzubringen und so letzteren neben dem Arme ins
kleine Becken herabzuziehen. Aber dieser Plan misslang, der
Haken machte eine Oeffnung in die linke Thoraxhalfle ohn*
weit «des Schultergelenkes, riss aber bei den Versuchen, diese
tiefer in*s Becken herabzuziehen, öfters aus, so dass die
Brusthöhle geoffliet , eitiige Stöcken der Rippen und der
Clavicula entfernt wurden und die linke Lunge hervortrat
auch endlich der linke Arm mit der Scapuia abriss; wobei
fortwährend faulige Gasarten aus Uterus (Physometra) und
Vagina unter Geräusch (dem Abgange von Darmgasen ähnlich)
hervordrangen. Nach V49 Ulir Abends war ich an tJoerg*8
Stelle getreten und vermochte nun neben dem verkleinerten
Truneus an der hinteren Gebärmutterwand in die Höhe gehend
zu den Füssen des Kindes zu gelangen und diese herab zu
leiten. Schnell- toigte darauf der Truneus und nach Losen
des in die Holte geschlagenen rechten Armes auch der sehr
langgedruckte Kopf. Dagegen musste die Placenta später
noch wegen der (im Gegensatz zu der alsbald in der
Cervicalportion wieder stärker contrahirten Musculatur) im
Fundus uteri stattfindenden Atonie künstlich gelöst werden. —
Die Mutter starb am vierten Tage darauf in Folge von
Putrescenz des Uterus und Gangrän der Scheide.
378 XXIII. Meümm-, Mittheilangen filber die Thatigkeit
Die z weile Beobachtung betriff einen Fall in der
unseres Collegen Kreusshr, durch dessen Aufzeichnungen
meine heutige Darstellung wesentlich unierstdtzt worden ist:
Die Handarbeiters Ehefrau Geidd in Volkmarsdorf, untei^
mittelgrossen Körperbaues und schwächlicher Constitution, batle
bereits dreimal glücklich und ohne Kunsthfilfe geboren, und
angeblich in Folge der letzten Niederkunft einen Prolapsus uteri
sich zugezogen. Zum vierten Male schwanger consolürte sie JT.
bereits am 18. August 1861 wegen blutigen Abganges aus der
Scheide und heftiger Kreuzschmerzen. — Am 9. September rief
sie K, wieder, da die Kreuzschmerzen immer intensiver ge-
worden, auch ein copiöser Schleimabgang aus der Scheide sich
eingestellt hatte. K fand bei der HannaluntersucbuBg den Uterus
faustgross aus der Scheide prolabirt. Der aus dem wulstigen,
für den untersuchenden Finger etwas durchgängigen MuUei^
mund hervordringende Schleimabgang war zwar missfarbig,
doch nicht so stinkend, wie zwei Tage später bei der Geburt.
Reposition, Ordination von Op. pur. cum Ipecae. aa V« gr.,
Anempfehlung strengster Ruhe. — Am 11. September Nach-
mittags sandte die Hebamme Ruprecht, die schon seit früh
10 Uhr bei der Gebarenden gesessen hatte, zu JT., der aber
auf entfernter Landpraxis vom Hause abwesend war und erst
Abends 8 Uhr bei der O. ankam. Die Hebamme berichtete,
dass kurz nach ihrer Ankunft die Gebärende von einem
heftigen Schultelfroste befallen worden sei, in Folge dessen
dieselbe über unaufhörliche Schmerzen in der Kreuzgegend
und in den Füssen, wie allgemeines Unwohlsein klagte, ohne
dass eine normale Wehenthäligkeit zu bemerken gewesen,
oder die ungefähr die Grösse eines ZweithaWsUickös be-
tragende Erweiterung des Mutt^mundes seitdem vorgeschritten
sei. Stellen einer Blase und Fruchtwasserabgang war aber
weder von der Hebamme, noch von der Gebärenden beaierkt
worden. Gleich bei K's Eintritt in die Stube war diesem
ein sehr übler Geruch auifailend gewesen, der bei der Unier-
sucliung ganz unerträglich wurde, denn er kam aus der
Scheide, resp. aus dem Uterus. Bei der Untersuchung stiess
K. auf den sehr tief in die Beckenhöhle hereinragenden
rechten Ellenbogen, der Kopf lag in der rechtep Seite der
Mutter, das Gesicht der vorderen Gebärroutterwand zugekehrt.
XL. d.yerhancLI. d. GeselleclMifl f. Gebnrtshülfe sn Leipsig^ etc. 379
die Fasse links. K. versuchte die Wendung zuerst in der
Rückenlage, dann in der Seitenlage und zuletzt in der Kni^
EUenbogenlage der Gebärenden, ohne dass es ihm bei der
heftigen tonischen Contraction des Uterus gelingen wollte, die
Fiisse zu erfassen und herabzuziehen. Nach einer Stunde '
Tergeblichen Hilhens liess mich K. rufen, zumal ein abei^
maliger Schfiltelfrust mit mehrmaligem Erbrechen, Leichen-
blasse des Gesichtes, Ausbrechen kalten Schweisses auf der
Stirn und Kälte der Extremitäten eintrat Erst durch warme
Breiumschläge auf den Unterleib und Wärmflaschen an den
Possen war es gelungen, die Gebdrende zu erwärmen und
in Schweiss zu bringen. Ich fand dieselbe mit einem kleinen
sehr frequentem Pulse (144) im bewusstlosen Zustande und
delirirend. Nachdem auch ich einen Tergeblichen Wendungs-
▼ersuch angestellt hatte, und dabei auch der linke Arm mit
prolabirt war, glaubten wir bei der ungemeinen Dringlichkeit
der Erscheinungen Seiten der Mutter und dem nicht zu
bezweifelnden Tode des Kindes, ja dessen bereits ein-
getretener Fäulniss von allen weiteren Wendungsversuchen
absehen zu müssen. Ich führte deshalb den stumpfen Haken
um den Hals des Kindes und versuchte unter gleichzeitiger
Anziehung des rechten Armes nach dem Mechanismus der
Selbstentwickelung die Extraction zu ermöglichen, was nicht
nur nicht gelang, sondern das Losreissen der rechten oberen
Extremität zur Folge hatte. Nachdem so, ehe ich es be-
absichtigte, die Zerstöckung bereits begonnen, zögerte ich
keinen Augenblick, den spitzen Haken in den packen einzu-
setzen und mit Deckung der Spitze durch den Zeigefinger
meiner linken Hand .einige halbkreislißrmige Drehungen vor-
zunehmen. Mit kaum geahnter Leichtigkeit und SchneHigkeit
war die Decapitation vollbracht und der Rumpf ausgezogen.
Weniger leicht war die Extraction des zurückgebliebenen
Koj)fes, die mir endlich noch durch Einfuhrung eines Fingers
in das Hinterhauptsloch gelang. Dr. KreuBsler entfernte
durch leichten Zug am Nabelstrange alsbald darauf die
Placenta, an deren Rande die Eihäute kurz abgerissen waren,
Das Kind trug die deutlichsten Spuren bereits weit fort-
geschrittener Fäulniss (die Epidermis war in grossen Stücken
gelöst oder streifte sich bei der geringsten Bewegung ab) an
380 XXni. Meumer, Mittheiliin^en tfber die TbKtfgkeit
sich; und war anschriripml mf oder hödistens vierzehn Tage
Tom Reifefermine annocli entfernt. — Die Mutter hlieb an-
dauernd in liefligem Fieber (144 Puls), der andauernd
penetrante Geruch, die missfarhigen Exsudate an unf^eren
untersnelienden Fingern kennzeichneten die septische Melrifts
nnd die HofTnungsiosiglieit ihres Zuslandes hinlänglich. Es
wurde Ipecacuanha cum Opio aa gr. V^ und der Gehrauch
antiseptisclier InjiTlionen angeordnet, doch schon nach wenigen
Stunden, am 12. Sej)temher fiiih V^ß l^lir war sie sanft
versdiieden , olnie aus ihrer Bewussllosigkeil wieder erwacht
zu sein. Die Seclion wurde von den Hinlerlassenen verweigert.
Es bedarf wolil keiner weiteren Betheuerung, dass nur
allein das wissenschafi liehe Interesse mich verlassen konnte,
diese beiden Beobachtungen lieute bekannt zu machen; —
der überaus traurige Ausgang l)eider Fälle, die höchst uner-
quickliclie Erinnerung an den nichts weniger als ästhetischen
Anblick eines zerfleischten, todtfaulen Truncns, beide Mal
eines Oberarmes, einmal auch des Kopfes beraubt, endlich
die mehr als zweideutige Ehre, die mit dergleichen Operations-
fällen einzulegen ist , erscheint allseilig zu wenig verlockend. —
Aber die grösste Lebhaftigkeit meines Wunsches, nie selbst
wieder in dieser Art operativ thälig sein und gleich traurigen
Ausgängen auch fQr die Mutter entgegensehen zu müssen,
wie auch anderwärts dergleichen Fälle möglichst vermieden
zu sehen , — scheinen mir nicht nur es zu recht-
fertigen , sondern sogar gebieterisch zu verlangen , dass mau
in ihrer vollen Schwere diejenigen Verhältnisse und Conipli-
cationen eruire, welche crfahrungsgemäss so unüberwindliche
Hindernisse für die Wendung einer quergelagerlen Frucht,
so erhebliche Gefahren auch für die Mutter, so schwere und
traurige Indicationen für den Geburtshelfer involviren. Ich
bezeichnete vorhin demgemäss als Veranlassung dazu die
in beiden von mir beobachteten Fällen durchaus gleiche
Reihe aus- und aufeinander folgender Complicationen , at^:
Vorfall der schwangeren Gebärmutter, Einklemmung des
unteren Uterinsegmentes im kleinen Becken, dadun*.h Gedingte
Metritis mit vorzeitigem Abgange • des Fruchtwassers, heOige
Wellen ohne gehörig fortschreitende Erweiterung des Mutter-
mundes und complete Uroschliessnng der Frucht durch tonisehe
VL. d. Verhandl. d. Geselhchaft f. Geburtslittife sn Leipzig etc. 381
Contraciur der uterinaien Muskulatur. — Bedarf es fAr die
Glaubhaftigkeit dieser meiner Annahme noch eines weiteren
Beweises, so mag ein Hinweis auf die Sammlung schwieriger
Geburtsßlle genügen, welche sich in Dr. V, Hüter's Arbeit
(Monatsschrift för Geburtskunde, Bd. 16, Heft 3, S. 186)
finden, denn unter 79 Beobachtungen von Vorfall der Gebär-
mutter während der Schwangerschaft und Geburt erfolgte
nur in sechs Fällen naturlicher Geburtsverlauf, in einem
Falle starb die Frau nach dreitägigen Wehen unent-
bunden ; die Geburtsverzögerung war allenthalben in der
Unnachgiebigkeit des Muttermundes begründet, welche auf
dessen Gewebsveränderung, Induration und Hypertrophie be-
ruhet. Wer sich ausserdem über die Schwierigkeiten unter-
richten will, welche sich der Entbindung des prolabirten
Uterus entgegensetzen, der lese die Originalmittheilungen von
Seidel (Organ für die gesammte Heilkunde, herausgegeben
von sämmllichen Medico- Chirurgen -Vereinen des preussischen
Staates, 8. Jahrg., 1859, 3. Heft, S. 152), Scheurich (eben-
daselbst, 9. Jahrg., 1860, 6. Heft, 8. 343), Felsenthal
(Intelligenzblatt bayrischer Aerzte, No. 25, vom 18. Juni 1859,
S. 314), Huaty (Allgemeine Wiener medicinische Zeitung,
7. Jahrg., No. 5, vom 4. Februar 1862, S. 46), Costa
Leite (aus Gaz. med. de Porto excerpirt in Gaz. med. de
Paris 1862, No. 17, S. 262) und Weickert (Deutsche
Klinik, No. 29, vom 19. Juli 1862, S. 286). — Demgemäss
wurde ich in der Folge bei Prolapsus der Gebärmutter
in partu nicht Bedenken tragen, die Unnachgiebigkeit der
Portio vaginalis bei hinreichender Wehenthätigkeit durch er-
giebige Incisionen baldigst zu heben, bevor die schnell sich
steigernde Reizung der uterinaien Muskulatur einen zu hohen
Grad erreiclil, und durch allzufeste Umschliessung der Frucht
die complete Unmöglichkeit der Wendung herbeigeführt liat.
Nur ein demgemäss energisches und zeitiges Einschreiten
wird unter derartigen Verbältnissen die ausserdem spiiter
meist sicher zu erwartende traurige Indication zur Zersluckung
und einen gleichbeträbenden Ausgang der Gebprt und des
Wochenbettes verhüten können, und deshalb die eindringlichste
Warnung vor dem exspectativen Verfahren und fnichliosen
Versuchen mit milderen, die Erweiterung des Huttermuode9
382 XXUI. M^Usner, Mit(heilQn|re& über die Tliätigkeit
befördernden Mitteln auf Grund meiner Beobachtungen hin-
reichend gerechtfertigt erscheinen.
3) Die Amputation des Armes, wenn dieser in Folge
von Vorfall desselben neben dem Kopfe eingekeilt
und bedeutend angeschwollen ist, wurde zwar mit-
unter vorgenommen^ doch von den meisten Autoren nicht
als wissenschaftlich indicirt anerkaunt, da sie zur Beendigung
der Geburt nicht absolut nölhig sei und höchstens bei sicher
eingetretenem Tode des Kindes zur Erleichterung des opera-
tiven Verfahrens vorgenommen werden dürfe, ohne dass ein
Kunstfehler deshalb anzunehmen sei. Wegen des immerhin
möglichen diagnostischen Irrthumes hinsichtlich des erloschenen
kindlichen Lebens mag hier als Warnung auf Joseph Her-
mann Schmidts Superarbitrium (zur gerichtlichen Geburts-
hülfe, I. Abiheilung, Berlin 1851, S. 1) verwiesen werden.
Denn wenn ich auch dem berühmten Concipienten desselben
hinsichtlich der Freisprechung des betreffenden Geburtsarztes
von dem diesem zur Last gelegten Vergehen beislimroe, se
würde doch für spätere Fälle eine Präjudiz daraus um so
weniger zu abslrabiren sein, da die sichere Kenntniss des
noch möglichen Lebens des Kindes, auch wenn der längere
Zeit neben dem Kindeskopfe eingekeilte Arm schon blauschwarz
geworden und uro das Dreifache seines Volumens kissenartig
angeschwollen ist, nur als Belastungsmoment dienen würde.
Wenn 4) wegen Becken enge die Vornahme des
Kaiserschnittes von der Gebärenden, resp. ihren Angehörigen,
verweigert oder der rechte Zeitpunkt dazu längst versäumt
worden, auch das Kind todt ist; wo nicht gai* nach Perforation
und sonstiger Verkleinerung des Kopfes das Kind wegen
absolutem Missverhältniss zum knöchernen Geburtswege nicht
geboren werden kann, bleibt nichts als die Embryotomie
übrig. In diese unangenehme Nothwcndigkeit sah ich mich
leider am 12. Januar 1860 versetzt, als meine Hülfe von
zwei erschöpften Landärzten requirirt wurde, nachdem die
2r)jährige Tagelöbnersfrau Fleischer in Allsellerhausen schon
seit dem 8. Januar Abends gekreist hatte. Ich fand eine
rhachilische Erstgebärende mit 2% Zoll Conjugata, die auch
erst im fünften Lebensjahre halte laufen gelernt* Nach an-
gestellter Perforation des Kindes waren drei Stunden lang bereits
Q. d. VerbandL d. Gesellscbaft f. C ebnrtoliSUe %n Leiptig^ eto. 388
fruchtlose Versuche zur ExtractioD mit dem Haken gemacht
und der grösste Theil der Schädel- . und Gesichlsknochen
durch die Kochenzange entfernt worden. Da ein Kephalo-
thryptor nkht zur Stelle war, der Kopf für den spitzen Haken
aber keinen festen Ansatzpunkt mehr gewählte, suchte ich
durch Einsetzen desselben in die Halswirbel- Zwischenräume
die Extraction zu ermöglichen , musste aber bald davon
abstehen, als sich eine Lockerung zwischen denselben immer
mehr geltend machte. Unter diesen Umstanden zog ich mit
dem in die betreffende Achselhöhle eingesetzten stumpfen
Haken zuerst den rechten (sich ablösenden) und dann den
linken Arm in die Scheide herab, worauf endlich der Rumpf
ehies mittel grossen , zum Theil mit sich lösender Epidermis
bedeckten Knaben ausgezogen werden konnte. — Die Mutter
ist sieben Tage später an Gangraena pudendorum verstorben.
Ein nicht nur am Orte seiner praktischen Wirksamkeit
geschätzter, sondern auch weltbekannter Operateur brach
einst bei der unabwendbaren Nothwendigkeit, die Zerstilckung
vorzunehmen, in die mir noch jetzt in den Ohren klingenden
Worte aus: ,,hier hört die Kunst auf!'* Allerdings eine
characterisliscbe Aeusserung für die CoUision seines Gefühles
bei der unabwendbar dringenden Indication zur Embryotomie
mit der sonst von ihm aufgestellten Anforderung an die
Geburtsärzte, nicht nur eine möglichst schonende Handlungs-
weise in partu Platz greifen zu lassen, sondern ein auch
äusserlich ästhetisch- künstlerisches Gepräge im Operiren zu
offenbaren; — aber keine Verrufserklärung der Kunst, als
Inbegriff des geburtsärztlichen „Könnens** die bei der unab*
wendbai*en Nothwendigkeit zur Zerstfickung, an einem Ziel-
punkte angelangt wäre, wo sie nichts weiter vemiöclile. Die
Neuzeit hat aber auch, wie nicht zu verkennen, viel dazu
beigetragen, ein schonenderes Verfahren bei der Zerstuckung
durch Empfehlung und resp. Anwendung eigens dazu
construirter Instrumente und den Vorschlag weilerer
Operationsmethoden zu ermöglichen. Ich kann mich
darüber um so kürzer fassen, da ich dem, was die neueren
Hand- und Lehrbucher der Geburtshülfe und was in der
jüngsten Journalliteratur darüber enthalten, nichts aus eigener
Erfahrung zuzusetzen habe.
384 XXIIL MeU$ner, Mittheilungdn «ber die Thütigkeit
Was zunächst die Instromentenlehr«; anlangt, so
zeige ich Ihnen zunächst aus der alten Rüstkammer der
Geburtshelfer einige Sichel- und Lanzenspilzen-ähnliche Messer
in dieselben bei der Einffihrung deckenden breiten Messing-
hülsen, rein nur als geschichthche Antiquitäten vor; in einer
späteren Zeit wurde Smeüie's scheerenförmiges Perforatoriam,
der stumpfe und spitze Haken viel in Anwendung gebracht;
letztere empfehlen sich als zur Zeit meistens noch in den
Händen der Gehurtsärzle , wo bei nicht möglichem weiterem
Aufschub der Operation und grosser Entfernung vom Wohn-
orte oder mangelnder Ausrüstung weitere Instrumente nicht
zur Hand sind. ^) Dagegen ist der scharfe (schneidende)
Haken Levret's mit Recht jezt ganz obsolet Vielfache
Empfehlung fand jetzt der Kephalothryptor, nachdem derselbe
nicht nur am Kopfe, sondern auch am Steisse und der Brust
(Hüter) erfolgreich angewandt wurde. VeiiiSltnissmässig am
Meisten wird jetzt der bekannte Schldsselhaken von Garl
Braun, auch modificirt von Spiegelberg, und der neuerdings
von Scanzoni (Würzburger medicinische Zeilschrifl 1860,
1 . Band , 2. Heft ) angegebene Auchenister besprochen , und
namentlich hat eine lebhafte Polemik betreffend die Zweck-
-^>ässigkeit dieser beiden letztgenannten Instrumente jüngst
ia der Wiener medicinischen Wochenschrift (1861, No. 45,
46, 47, 48, 49, 50, 51, und 1862, No. 5, 11, 12, 23) PlaU
gegriffen. — jBöer's Knochenpincette findet meist mir für die
späteren Momente der Operation Anwendung. — Verhältniss-
mässig nur geringe Verbreitung fanden bis jetzt Bauddocque^s
Somatome, Küian's Kelten- Hakensäge, Rügen'» Zangensäge,
HeyerdahT» Haken mit Kette. Letzlere fand namentlich in
einem von Faye mitgetheilten Falle grosse Schwierigkeiten
bei der beabsichtigten Umfuhrung der Kette um den Rumpf;
wogegen eine von Fays selbst angegebene Zangensage mit
schmalen Armen sich bewährte. Am 26. November 1861
legte 3/. Mathieu der Pariser Acaderaie ein embryotome
Cache ä lames mobiles et a chatnons de scie qu*il a consirutt
1) Vergrl. auch E, Martin^ Fall von glücklicher Entbindung
durch Decapitution ui'n,Stnellle^8 Hakeu, vorgetragen am 17.Dec. 1861
in der Berliner Gesellschaft für Geburtahülfe (MonatSBchrift für
Oeburtskunde, ßd. XIX., Heft 4, S. 247).
u. d.yerhandl. d.Oesellscbaft f.Oebnrtshülfe zu Leipsig etc. 385
sur ies indications de Hr. Jacquemier vor. Im Hangel der-
artiger besonderer Instrumente würde ich im gegebenen FalJe
nicht Bedenken tragen, auch den Ecraseur denselben zu
substituiren. — Für die Extraction des abgetrennten Kopfes
wird durch die immer grössere Verbreitung des Kephalo-
thryptors der früher nicht unbeträchtliche Apparat an Hülfs-
mittein dazu um so mehr entbehrlich, je complicirter meist
ihre Construcüou und Handhabung, je ungenügender die
durch sie erreichten Erfolge waren.
Unter den Hethoden hat die Amputation resp.
Enucleation eines oder gar beider Oberarme vor-
dem einestheils verhältnissmässig die verbreitetste Anwendung,
anderntheils in der wissenschaftlichen Welt die meiste An*
fechtung gefunden, da man behauptete, dass weder Lage
noch Anschwellung die Wendung, oder nach Befinden die
Decapitation hindern könne, zumal dieselbe durch eine Schlinge
leicht auf die Seite gezogen und daselbst erhalten werden
könne. Neuerdings haben denn auch Scamoni und Hohl
die vordem von OeMer, Michaelia und Naegele d. S. ver-
theidigte Nothwendigkeit dieses Eingriffes constatirt. (Auch
meinem Vater gelang nach Abnahme beider Arme die vordem
von verschiedenen Operateuren wiederholt vergeblich an-
gestrebte Wendung; siehe Honatsschrifl für Gebunskunde,
Bd. 9, Heft 1, S. 47.) Die Opei*ation ist an sich leicht, nach
Anziehung des Armes wird eine starke Scheere, besser noch
das Levret' Smellie' sehe Perforatorium in das Gelenk ein-
gestossen und mit Erweiterung der gemachten Oeffnung ist
meist auch schon die Ablösung vollendet. — Die Eröffnung
der Brust- und Bauchhöhle erfolgt gleichfalls durch das
scheerenformige Perforatorium am leichtesten, worauf die
Entleerung der Eingeweide durch die Hand des Operateurs,
da nöthig mit dem spitzen Haken oder der JG^oer'schen
Knochenpincette bewaffnet, erfolgt. Heist gelingt bald darauf
das Herabziehen des Steisses oder die Wendung auf die
Füsse, wenn eingekeilte Querlage die Indication zur Em-
bryulcie gebildet hatte; so dass es in der Regel der Um-
führung des stumpfen Hakens um den Rumpf und dessen
Anziehung bis zur Zusammenfaltung meist nicht erst bedürfen
Monfttssehr. f. Qeburtsk. ISeS. Bd. ZXII., Hft. 5. ^0
386 XXII J. Meißner, MittheiloBgen über die Thfttigkeit
wird, wie neuerdings Boens (Journal de Med.» de Cbir. et
de la Pbarmacie de Bruxelles, September 1860 und Gaz.
hebdom. , Nu. 42 , 1860) vorgescblagen bat. Weit leicliter ist
in der Regel die Decapitation mit C. Braunes Scblussel-
haken , der bei der obnedies nötbigen Deckung seines Knopfes
recht wohl durch SmeUie^s stumpfen Haken zu ersetzen ist,
nach den bekannten Regeln für seine Anwendung. Die
Extraction des Rumpfes geschieht am besten durch Anziehung
des vorgefallenen Armes, wo dieser fehlt oder keine genügende
Handhabe bildet, mit Hülfe des zwischen die Rippen einge-
setzten spitzen Hakens. Die früher oft mit unüberwindlichen
Schwierigkeiten verknüpft gewesene Zutageförderung des ab-
getrennten Kopfes gelingt der geschickten Einfuhrung des
Daumens in den Mund, des Zeige- oder Mittelfingers in das
Hinterhauptslocii, oder dem Kepbalolbryptor. Die Durch-
trennung des Rumpfes in seiner Continuität ist eine jetzt
ebenso verlassene und allgemein aufgehobene Methode, als
die Abtrennung des zuletzt kommenden Kopfes,
eine Yerfahrungsweise, die sich bei dem jetzigen Standpuncte
der Wissenschaft durch nichts mehr rechtfertigen lässt.
Ich schliesse hiermit für heute diese kurzen aphoristischen
Bemerkungen, die ich Sie bitte, als kleinen, aus eigenen
Anschauungen gewonnenen Beitrag zum weiteren Aufbau der
Lehre von der Embryotomie wohlwollend aufzunehmen imd
demgemäss zu beurtheilen.
III. lieber künstliche Erweiterung des Cervicalcanales.
Beobachtungen
Ton
Dr. E. G. Beck.
Vorgetragen am 16. Februar 1868.
Ich habe, meine Herren! in den letzten fönf Jahren
einige Male die künstliche Erweiterung des Cervicalcanais
des Uterus vorgenommen, mit der Speculation, die Dy&-
mennorrhoe und die Sterilität zu beseitigen, und habe dabei
u. d.Verhandl. d. GeBellschaft f. GebartshtOfe in Leipzig etc. 387
Beobachtungen gemacht, die zwar den gewöhnlichen physio-
logischen und mechanischen Gesetzen der Menstruation und
der Conception widersprechen, die mir aber praktisch genug
erscheinen, um sie Ihnen nicht vorzuenthalten.
Ich will Ihnen ohne Weiteres die Fälle mittheilen und
die etwa nöthigen Bemerkungen dazwischen einflechten.
1. Frau Saalbach) 28 Jahre, vollständig gesund, etwas
scoliotisch, nach ihrer wie ihrer Mutter Aussage nie wesentlich
krank, und seit ihrem 18. Jahre regelmässig, anfangs spärlich,
später reichlicher, menstruirt gewesen, doch stets mit den
grössten Beschwerden , die sie mehrere Tage das Bett zu hüten
nöthigten , wobei der Leib jedes Mal stark anschwoll , heftiger
Kreuzschmerz, häufiges Brechen und ein fieberhafter Zustand
auftrat. In ihrem 21. Jahre heirathete sie einen kleinen, aber
kräftigen und gesunden Mann, dadurch Beseitigung von ihren
Menstrualbeschwerden erwartend. Indess war der Mann nicht
im Stande, den Penis trotz häufiger Versuche tiefer als V2 bis
1 Zoll und unter den stärksten Schmerzen der Frau in die
Scheide zu bringen. Da die Frau zu ärztlicher Hülfe nicht
zu bringen war, bekam ich sie erst fünf Jahre nach der
Yerheirathung in Behandlung und fand die äusseren Ge-
schlecbtstheile normal, die Scheide dagegen nur so weit, dass
ein Gänsekiel gerade eingeführt werden und 4 Zoll tief, jedoch
ohne Erweiterungen in den tieferen Abschnitten der Vagina
constatiren zu können, eindringen konnte. Narben konnte
ich nirgends an der Scheide finden; das Scheidengewölbe
war nach allen Seiten weich und dehnbar. Dilatation anfangs
mit langen Stücken Pressschwammes, später Injectionen von
warmem Wasser etc. führten nach einem halben Jahre eine
für den Penis genügende Erweiterung ein, und konnte der
Coitus unter Anwendung von Oel nach und nach ganz gut
ausgeführt werden. Eine bei Beendigung der Cur vorgenommene
Manualuntersuchung liess ausser einem etwas engen Scheiden-
gründe, in den die part. vagin. uteri normal hereinragte, nichts
Abnormes fühlen. Die Menstrualbeschwerden blieben nach wie
vor dieselben.
Nachdem ich hierauf IV2 Jahre lang fast zu jeder
Menstruation gerufen worden war, und nachdem ich alle
Mittel, die Beschwerden zu mindern, erschöpft hatte, nach-
388 XXIII. MeUsnA', Mittbeilnngen über die TbStigkeit
•
dem ich endlich dieser ewigen Menslrualhesuche nachgerade
herzlich müde war, versnchle ich als letztes Mittel, den Cervical-
caiial, den ich bei mehreren Untersuchungen mit der Sonde
so eng gefunden hatte, dass ich seihst mit einer ungeknöpfien
Sonde schwer, und erst gar nicht eindringen konnte, künstlich
zu erweitern, wozu ich anfangs meine ungeknöpfle Sonde einen
halben Tag, aussen befestigt, liegen lie»s, dann (einen Tag lang)
jeden zweiten Tag drei Mal ein Bougie von Zinn und endlich
Pressschwamm anwandte, bis der Canal einen kleinen Finger
dick erweitert war. Dies Verfahren war vierzehn Tage vor
der nächsten Regel beendet, und diese trat, sowie jede
nächste seitdem fast ohne Beschwerden ein ; die vierte aber blieb
wegen eingetretener Gravidität aus. Die rechtzeitige Geburt
verlief normal. Vor einem halben Jahre gebar die Frau das
zweite Kind, nachdem die zwischen beiden Geburten be-
standenen Menstruationen gleichfalls ohne wesentliche Be-
schwerden verlaufen.
Der zweite Fall ist dem ersten fast gleich und folgender:
2. Frau Winter, 32 Jahre, gross und stark; meastruirt
seit ihrem 20. Jahre, nachdem sie längere Zeit an Bleichsucht
gelitten, regelmässig, aber stets sehr schmerzhaft. Sie musste
sich während der ersten zwei Menstruationstage zu Bett legen,
bekam heftige Kreuzschmerzen, anhaltendes Drängen in den
Hypochondrien nach unten, brach sehr viel und konnte die
Beschwerden nur dadurch lindern, dass sie sich ganz krumoa
zusammengezogen, die Oberschenkel an den Unterleib gedruckt,
ruhig im Bette verhielt. Vom dritten Tage an floss die Regel
gewöhnlich schmerzlos. Der Zustand blieb derselbe, nachdem
sie mehrere Aerzte zugezogen, sich aber von keinem hatte
untersuchen lassen. In ihrem 25. Jahre verheirathet , war
es dem Manne jedoch wegen Enge der Vagina nicht möglich
den Coitus auszuüben, weil derselbe nie tiefer als kaum
1 Zoll in die Scheide eindringen konnte, wobei die. Frau nicht
nur die heftigsten Schmerzen äusserte, sondern auch oft und
angeblich stark blutete, und die Schmerzen erst nach.mehreren
Tagen verschwanden. Nach vergeblich von Hebammen an-
gewandten Mitteln (weil ein Arzt von Seiten der Frau stetig
verweigert wurde) und erst nachdem der Mann Scheidung
verlangte, erlangte ich, zuvor mehrfach consultirt, die Unter-
a. d. Verhandl. d« Gesellschaft f. Geburtshülfe sa Leipzig^ etc. 389
suchung, und fand den Scheideneingang entzündlich geschwollen
(weil angeblich mehrere Tage zuvor der letzte vergebhche
Versuch zum Coitus gemacht worden war), und die Scheide
selbst nur so weit, dass ich die Hälfte des kleinen Fingers unter
grossen Schmerzen einbringen konnte. Andere Narben als
die vom Hymen konnte ich nirgends entdecken. Eine gerade
Sonde drang tief ein und stiess in der Tiefe an einen harten
Gegenstand, wahrscheinlich die Gebärmutter. Das Scheiden-
gewebe seihst liess sich mit der Sonde leicht dehnen. Lau-
warme Einspritzungen durch eine Spritze mit einem kleinen
aber langen Mutterrohre und warme Sitzbäder führten nach
2% Monaten zum gewünschten Ziele. Bei der Untersuchung
mit Finger und Sonde zeigte sich nur insofern eine Abnormität,
als die Sonde nur äusserst schwer in den normalen Uterus
einzuführen war. In den Menstruationsverhältnissen war
weder während noch nach der Cur eine Veränderung ein-
getreten, nur schienen der Frau die Menses seitdem etwas
reichlicher. Ein Jahr und zwei Monate später nahm ich, wie
in dem vorigen Falle, die Erweiterung des Mutterhaiscanales
vor, und zwar sogleich mit Pressschwamm, weil derselbe im
kleinsten Kaliber einzuführen war. Die sechste Anwendung
hatte den Canal fast kleinfingerdick weit gemacht. Die
näcliste Regel trat viel weniger schmerzhaft auf, die Frau
brauchte sich nicht mehr zu legen, ebenso die zweite und
dritte, die nächsten blieben wegen Schwangerschaft aus. Die
Geburt erfolgte, wie bei bereits älteren Erstgebärenden, etwas
langsam, aber normal.
Bevor ich in der Mittheilung der Fälle weiter gehe,
muss ich bemerken, dass ich mich in der Anwendungsweise
des Pressschwammes ganz dem Verfahren Simpaon's anschloss.
Conisch zugespitzte, 2 Zoll lange, feine Schwämme, anfangs
ganz kleine, später mehr und mehr grössere, werden in eine
concentrirte Lösung von Gummi arabicum getaucht und mittels
dünnen Bindfadens auf einen mitten durch die Längsachse
des Schwammes geschobenen Draht durch Bindfaden fest
aufgewickelt und getrocknet. Je schlanker der Schwamm
werden soll, desto dünner muss derselbe nicht nur vor der
Compression, sondern desto dünner müssen auch der Draht
und der Bindfaden sein , letzterer besonders , damit der
390 XXIII. MeiMMT, MUtheilongen über die TbStigkeit
Schwamm eine möglichst wenig rauhe Oberfläche bekommt Ich
lege Ihnen hier eine Probe davon vor. Nach dem Trocknen
wird der Draht herausgezogen und der Faden abgewickelt.
Der so bereitete Schwamm lässt sich mit scharfen Messern
leicht schneiden und je nach Belieben noch weiter zurichten.
Um oder durch das untere Ende wird ein Faden angebracht,
um den aufgequollenen Schwamm, leicht herausziehen zu
können. — Die Einführung erfolgt mittels und auf einer oben
zugespitzten (Jterussonde , auf die derselbe, mit etwas Fett
eingerieben, aufgesteckt und unter Leitung des Fingers in
den Canal eingeschoben wird, was bei grosser Enge nicht
leicht geschieht, durch die Härte des Schwamraes aber wesent-
lich erleichtert wird; während gewöhnlicher Pressschwamm,
der vor der Compression nicht in Gummilösung getaucht ist,
sich viel schwerer und bei grosser Kleinheit gar nicht sich
einführen lässt, da er in sehr schlanker Form viel zu elastisch
isL — Weniger leicht ist es, den Schwamm im Canale fest
liegend zu erhalten, da er wegen seiner Schwere, wegen
seiner conischen Gestalt und endlich besonders wegen der
Contraction der Uterusfasern den Canal stets zu verlassen
strebt. Ich liess die Frauen deshalb stets liegen und tamponirte
ausserdem die Scheide mit einem grösseren, etwas harten
Schwämme. Im Ganzen habe ich zwischen sechs bis zehn
Eiulegungen nöthig gehabt, um eine Weite von Kleinfinger-
dicke zu erzielen. Vor einer jeden erneuten Einlegung, die
taglich geschah, liess ich die Scheide durch Einspritzungen
von den Harzlheilen des Gummis reinigen. Die Empfindungen,
welche die Frauen sowohl während des Einföhrens als
während des Wirkens des Schwammes äusserten, waren sehr
geringer Art, und bestanden in Kreuzschmerzen und einem un-
behaglichen Drängen nach unten. Letzteres hörte 2 — 3 Stunden
nach jeder Einführung meist ganz auf, wogegen die Kreuz-
schmerzen die Cur noch 4 — 6 Tage überdauerten. —
Schlimme Folgen, wie Beckenabscesse u. s. w., habe ich
nicht beobachtet, habe aber auch stets die grösste Vorsicht
beobachtet.
3. Der folgende Fall betrijQTt eine Ende JuU 1859 von
mir an Hypertrophia portionis vaginalis uteri- operirte dreissig-
jährige gesunde Frau. Dieselbe hatte vom 17. Jahre an regel-
Q. d. Verbaiidl. d. GeielUehaft f. Gebnrtthfilfe so Leipzig otc. 391
massig und jedes Mal ohne jedwede Beschwerde menstruirt,
hatte sich im 18. Jahre verheirathet , und im 19. Jahre ein
Mddchen normal geboren und es seihst genährt. Nachdem
sie wieder mehrere Jahre gesund und wie früher nienstruirt
gewesen war, bemerkte sie häufig eine Schwere im Unterleibe
und zeitweilig einen festen, harten Körper zwischen den
Schamlippen hervortreten. Sie wandle sich, damals auswärts
wohnend, an mehrere Collegen, welche ihr wegen des Uterus-
vorfalles Multerkränze einlegten, die aber alle heftige Schmerzen
veruursachten und regelmässig bald wieder herausfielen. Nach
Reudnitz gezogen, wandte sie sich an mich und ich fand
die Port, vagin. uteri dick, hart, etwas excoriirt und IV^"
zwischen den Schamlippen vortretend. Die eingeführte Sonde
constatirte eine hypertrophische Verlängerung des Mutterhalses,
welche ich, wie oben angegeben, Mitte Juli 1859 unter
Assistenz des damals noch studirenden Dr. Gruenewald zu
Lindenau amputirte. Operation und Nachbehandlung verliefen
ganz nach Wunsch. Der Vorfall war verschwunden. Doch
stellte sich ein neues Uebel ein. Die Menses, die fnHier so
beschwerdelos geflossen waren , wurden mit jedem Male
schmerzhafter, und ich konnte keinen anilern Grand daför
finden, als dass der künstliche Muttermund in Folge der
gebildeten ^arbe so eng geworden war , dass ich unter
Leitung des Speculums nur mit Muhe eine feine Sonde ein-
zufuhren vermochte. Ich dachte schon damals an eine Er-
weiterung desselben, besonders durch Excision, konnte mich
aber nicht recht dazu entschliessen, zumal damals zur gleichen
Zeit eine Schwangere in hiesiger Anstalt entbunden ward,
die einen solchen Verschluss der Scheide hatte, dass der
Eingang in die hintere Scheidenabtheilung nur durch eine
feine Oeffnung möglich war. Sie hatte, wenn ich mich recht
erinnere, sehr gut menstruirt. Anfang vorigen Jahres nun
ging mich die in Rede stehende Frau wegen der Menstrual-
beschwerden abermals um Hülfe an und, verföhrt durch die
beiden ersten Fälle, schlug ich dasselbe Verfahren wie im
ersten Falle ein. Vor sechs Wochen wurde sie in meiner
Anwesenheit normal entbunden, nachdem sie ein volles halbes
Jahr ohne Beschwerden, leichtes Kreuzweh ausgenommen,
menstruirt hatte.
392 XXIII. Mei9iner, MUtheilungen fiber die ThSti^eit
Diesen drei Fällen, meine Herren, waren patbologiscbe
Veränderungen der Scheide und des Uterus vorausgegangen,
Verhaltnisse, deren Beseitigung erst nöthig war, bevor
eine Coiiception überhaupt stattfinden konnte; wenigstens
lässt sich sehr leicht dagegen anfuhren, dass sie keinen
Beweis für den Nutzen der Erweiterung des MuUerbalscanals
zur Speculation auf Conception liefern. Und in der That
Diuss ich auch selbst gestehen, dass ich wenig Vertrauen
zu einem Verfahren habe, das den physiologischen und
mechanischen Gesetzen der Conception gerade zuwiderläuft,
denn wo Menstrualblut austreten kann, muss auch Sperma
eindringen können.
Es kam daher darauf an, sogenannte normale Fälle
herbeizuziehen und damit wenigstens die Wahrscheinlichkeit
zu beweisen. Zu dem Ende habe ich an vier weiteren Fällen,
die weder Dysmennorhoe, noch irgend einen krankhaften
Zustand der Geschlechtswerkzeuge darboten, weitere Versuche
gemacht, die ich Ihnen jedoch, da sie sonst nichts Wesent-
liches darbielen, nicht so ausfuhrlich mittheilen will, um Ihre
Geduld nicht auf eine zu harte Probe zu stellen.
4. Frau Böse: Der erste Fall betraf eine 27iährige,
gesunde, seit ihrem 15. Jahre regelmässig menstruirte, im
19. Jahre zum ersten Male an einen gesunden, zwei Jahre
später im 30. Jahre am Typhus verstorbenen, zum zweiten
Male an einen ebenfalls gesunden und sehr kräftigen 32jährigen
Mann verheiratljete Frau. Drr zweite Mann hatte vor der
Ehe drei uneheliche Kinder von drei verschiedenen Müttern.
Die Dilatation ward im sechsten Jahre der zweiten Ehe
der Frau vorgenommen, nachdem an ihren Genitalien trotz
mehrfachen Untersuchens mit Finger und Sonde keine nach-
weisbare Störung walirgenommen worden war. Ohne dass
sich in den leidlichen Verhältnissen, in denen die Leute
lebten, irgend etwas geändert hatte, wodurch der Erfolg
irgendwie hätte erklärt werden können, ward die Frau zwei
Monate nach der Vornahme der Dilatation schwanger und
gebar normal.
5. Frau K....den: Der zweite Fall, der fünfte der
ganzen Reihe, betrifll eine kleine, 25jährige, etwas anämische,
u. d. VerhftBdl. d. GesellscliAft f. Geburtobiilf e su Leipiig ete. 393
sonst aber gesunde Frau, die seit ihrem 16. Jahre normal
menstruirt und seit fünf Jahren an einen gleichfalls kleinen,
aber gesunden und geschlechtlich leicht aufgeregten Mann
verheirathet ist, der während seiner Ehe mit seiner Köchin
einen kräftigen Knaben zeugte. Seit der Erweiterung des
Canals ist jetzt ein volles Jahr ohne Erfolg verflossen.
6. Frau Lohse: Der dritte Fall, der sechste der Reihen-
folge, betrifll eine in zehn Jahren drei Mal verheirathete,
darunter zwei Mal geschiedene gesunde Frau. Der Mann
ist früher schon verheirathet gewesen und hat zwei Kinder.
Bis jetzt sind drei Monate seit der Operation verflossen
und es hat sich noch kein Erfolg gezeigt.
Ebenso erfolglos ist bis jetzt der
7. Frau Kersten: letzte Fall gewesen, der vier Jahre
verheirathete Eheleute betrilTt, die beide, besonders die Frau,
gesund sind, die aber beide kurze Zeit nach der Verheirathung
secundär syphilitisch (Ansteckung durch den Mann) waren
und von mir damals bis zum Verschwinden der Symptome
mit Jodkalium und örtlichen Mitteln behandelt wurden. Durch
die neuen Wagnerische^ Mittheilungen über Behandlung
der Syphilis mit Merkur, darauf aufmerksam gemacht, dass
Sterilität, wie es bereits bekannt, aber gewiss mit Unrecht
wieder vergessen, oder wenigstens nicht genug gewürdigt
worden ist, durch eine Merkurialkur beseitigt werden kann,
wenn Syphilis dagewesen, habe ich beide in Rede stehende
Eheleute gegenwärtig in Behandlung genommen und werde
Ihnen zur Zeit das Resultat milzutheilen mir erlauben.
394 X3CIV. NotisoB aas der JonniAl-Literatar.
XXIV.
Notizen aus der Journal -Literatur.
Gruenewaldt : lieber die Eigenwärme gesunder und
kranker Wöchnerinnen.
yoro 7. Janaar 1863 worden bei sämmtlicheii im Petersburger
Hebaminen -Institute verpflegten Wöchnerinnen, deren Zahl sich
gegenwärtig bis auf 482 belauft, nn gerechnet eine Anzahl Messungen
aas dem Jahre 1862, t&glieh Morgens und Abends der Pals nnd
die Respiration gezählt nnd die Temperatur in der Achselhöhle
gemessen. Bei einem grossen 7^^^!^* derselben worden auch
Temperatorbestimmongen zor Zeit des Eintrittes in das GebKr«
Zimmer, unmittelbar nach vollendeter Geburt und 2 — 6 Stunden
nach Beginn des Wochenbettes gemacht, nm für die mannichfaltigen
Zustände ond Zeiten des Wochenbettes, des physiologischen sowohl
als des pathologischen, die gesetzliche Veränderlichkeit der
Temperatorscala festzustellen. Als normale Temperatur in
der Achselhöhle worden zunächst (mit Wunderlich) 36,8^ C7.
festgehalten. Temperaturen darunter kommen verhältnissmässig
sehr selten vor, nnd man kann annehmen, dass die Temperatur in
der Achselhöhle einer gesnnden Wöchnerin gewöhnlich über
87 ,0*^0. beträgt, indem aus den Berechnungen sämmtlieher
niedrigsten Temperaturen die Durchschnittszahl von 37,04^ C
herauskam. Als Maximum der Normaltemperator ist 38,0^ C,
anzunehmen, eigentlich schon 37,84^(7. und jede höhere Temperatur
zeigt einen pathologischen' Zustand an. — Die Schwankungen
der Temperatur bei gesnnden Wöchnerinnen unmittelbar nach
der Geburt bewegen sich zwischen 86,2 und 37,8, zwei Stunden
nach der Geburt zwischen 36,1 ond 37,8. Die Tageszeit, in welche
die Gebart fällt, hat Einfluss auf die Carve ond stellt sich das
Verhältniss in folgender Weise heraus:
Gleich Zwei Standen
nach der Gebart: nach der Gebart:
Morgens Abend« Morgens Abends
Im Mittel 37,10 37,11 37,23 87,26
„ Minimum .... 36,2 36,4 86,4 86,4
„ Maximum .... 37.6 87,8 87,8 87,8.
Im späteren Wochenbette finden sich so niedrige Temperatar-
grade nicht wieder, nämlich:
Minimam Maximom Mittel
6 — 12 St. nach der Geburt 36,8 37,8 37,42 (28 Beob.),
12 — 18 „ „ , , 36,6 87,8 86,97 (42 Beob.),
18—24 » « « n 36,4 87t8 87,00 (43 Beob.),
XXIY. Notiaea aus der Joamal-Litentftar. 3d5
d. h. die Temperatar ist uDinittelbar nach der Gebort am
niedrigsten and steigt an bis 12 Stunden verflossen sind, nm
denn' in den nftchsten 12 Standen am fast 0,6^ abinfallen. •—
Während der ersten 7 Tage des Wochenbettes seigen sich be»
dentendere Unterschiede nnd ergiebt sich, dasa die Normal-
temperatnr Gesunder meistentfaeils am einige Zehntelgrade niedriger
steht, als die der Wöchnerinnen, was seine ErklHrnng darin
finden möchte, dass die Wöchnerin eine so ansgeseichnete Er-
regbarkeit für alle krankmachenden Einflüsse besitst. In den
Schwankungen des Thermometers besitsen wir einen Maassstab,
am mit einiger Sicherheit *^.en Grad der stattgehabten Einwirknng
abzuschUtaen , nnd möchte wohl jede ftnssere Einwirkung das
Alljgemeinbefinden mittelbar dadurch l>eeinflassen, dass es die
örtliche Entsändnng steigert. — Zuweilen ergeben sich nun
Wärmegrade in der Achselgrabe, welche das Thermometer bei
einem gesunden Menschen su keiner Zeit erreicht, ohne dass
doch die Wöchnerinnen für krank im specieilen Sinne gelten
konnten. Eine Wöchnerin ist aber eben nur relativ gesund,
einem Verwundeten vergleichbar, der kein Wnndfieber hat. Die
höchsten Temperatargrade bei gesunden- Wöchnerinnen schwankten
swischen 37,4 und 38,6 in den Morgen- und 87,6 — 38,8 in den
Abendstunden; sie waren aber meist nur vorübergehend und
konnten diese Wöchnerinnen nicht unter die Kranken gesählt
werden, weil ein jedes andere Symptom von Krankheit fehlte.
Demnach ist die Temperatur von über 37,9 — 38,0 als eine aus-
nahmsweise auftretende anausehen. Die höchste Temperatur,
welche am Morgen verzeichnet ist, beträgt 38,6. Erbalten sich
solche hohe Temperaturen für einige Tage, so folgt ihnen meist
eine Wochenbettskrankheit.
Die fieberhaften Erkrankungen des Wochenbettes
sind mannichfacher Art, und es mnss eingestanden werden, das«
gerade das Irreguläre , ausser aller menschlichen Berechnung
Liegende im Verlaufe der verschiedenen Puerperalprocesse sich
besonders in den Temperaturverhältnissen wiederspiegelt und dass
bis jetzt sich für die Wärmescalen ähnlich regelmässige Linien,
wie sie s. B. die Intermittens, der Typhus, die Pneumonie eto.
darbieten, nicht auffinden Hessen. Vor dem leichten Wundfieber
sowohl, als auch vor sehr vielen schwereren Erkrankung^ zeigt
sich eine diese ankündigende Temperaturstefgerung, indem eine
isolirt bleibende einmalige Temperaturerhöhung von 87,8 bis 38,0
und mehr in den ersten 24, gewöhnlich schon in den ersten
12 Standen nach der Geburt eintritt. Mit sehr seltenen Aus*
nahmen steht dann mit den nächsten Messungen die Temperatar
niedrig, um sich erst beim manifesten Eintritt der Krankheit zu
beben. Puls und Respiration ergeben dabei gewöhnlich keine
Abweichung. Das traumatische Fieber beginnt meiat mit 88^
und mehr vom sweiten Tage Abends bis aam viertea Tage and
396 XXIV. Moticen ftos der Joamal- Literatur.
soweilen auch' noch iipäter, die Krankheit erreicht swisehen dem
dritten nnd fünften Tai^e ihre Höhe nnd fallt dann schnell ah.
Die Daner des Fastiginms ist nicht lang, selten tiber swet Ta{;e,
meist Tiel kürzerf geht nicht selten über 40® (in 21 FKllen ron 52),
erhält sich aber nicht lange anf dieser Hdhe. Es stimmen diese
Beobachtungen mit denen von BiUroih beim Wnndfieber gemachten
fiberein. Auch bei Wöchnerinnen treten suweilen die bei Ver-
wundeten beobachteten Nachfieber ein, nämlich plötsltch eine
nene Temperatnrsteigemngf die wahrscheinlich die Folge nener
EntEÜndangen in den wunden Stellen sind. Es kam dasselbe
unter 62 F&llen 12 Mal vor. — Die Schwellung der Brnste, die
meist bald wieder weicht, kann eine auffallend bedeutende Er-
höhung der Temperatur bedingen, ebenso auch Excoriationen
und Risse der Brustwarzen.
Was die Temperatur bei Puerperalerkranknngen betrifft,
so ist die ezacte Messung ;fnr die einzelnen Formen der Er-
krankungen ungemein schwer, ja selbst unmöglich, da diese
Formen sich meist nicht streng genug scheiden, sondern gleich-
seitig neben einander zu laufen pflegen. Jeder einzelne Process
bedingt eine gewöhnlich bedeutende, bis über 39^(7. betragende
Steigerung der Eigenwärme. Wenn wir bei der croopösen
Pneumonie mit der beendigten Absetzung des Exsudates die
Eigenwärme plötzlich selbst bis unter die Norm fallen und sich
im Verlaufe der Abheilung, wenn keine Zwischenfälle störend
eintreten, niedrig erhalten sehen, so zeigen die puerperalen Ent-
ziindungen des Uterus und seiner Adnexe, des Bauchfelles n. s. w.
ein wesentlich anderes Verhalten , welches durch die Eigenthüm-
lichkeit dieser Krankheiten, immer Nachschübe zu setzen, bedingt
ist. Daher zeigen die bezüglichen Temperaturcurven in der Regel
nicht ein einmaliges Ansteigen zur höchsten Höhe und nachheriges
Abfallen ohne weitere Schwankungen, sondern übereinstimmend
mit dem jedesmaligen entzündlichen Vorgange steigt die Temperatur,
fällt bisweilen für nur eine oder mehrere Messungen und erhebt
sich wieder, oder sie bleibt hoch trotz augenscheinlich erfolgter
Absetzung ron Exsudat, je nachdem die durch das Exsudat selbst
bedingte Entzündung sich rascher oder langsamer an die primäre
Entzündung anschliesst. Dies dürfte das Wesentlichste sein,
was sith im Allgemeinen über die Eigenwärme in diesen Krank-
heiten sagen Iftsst.
Die Messungen wurden angestellt bei 60 Fällen, nämlich 13
von reiner Peritonitis (2 Todesfälle) , 26 von reiner Endometritis,
(1 Todesfall), 11 mit combinirten Erscheinungen (2 Todesfälle).
Die Therapie hatte möglicherweise Einfluss auf die Temperatur.
26 Mal konnte die Erkrankung durch die ankündigende Teroperntur-
erhöhung im Voraus rermuthet werden , obwohl im Durchschnitte
auf die Ankündigungen 42 Stunden lang die Temperatur normal
befunden wurde (6 Mai 24 St., 6 Mal 36 St., 7 Mal 48 St., 2 Mal
XXIV. Notisen ans der Journal -Literatur. 397
60 8t. , 4 Mal 72 St. und 1 Mal 84 St.). Die Danef der normaleo
Temperatur awiscfaen der Ankündigung und dem Ausbruche der
Krankheit zeigte keinerlei Bedeutung auf die Heftigkeit der
folgenden Erkrankung. Dem Eintritte der Krankheit entsprachen
Temperaturen von 40® und darüber 8 Mal; von 39® und darüber
13 Mal, von 38—39® 27 Mal. Die Endometritis scheint schleichender
und mit geringerer Temperatur au beginnen, als die Peritonitis.
Am Abend pflegt die Wärme um 0,2 bis 1,6® und mehr höher
SU sein, als am Morgen, unmittelbar nach einem 8chüttelfiroste
kommen unbedingt die höchsten Temperaturen vor, niemals
jedoch kommen höhere Temperaturen als 41,6 oder 41,8 ® vor.
Am sweiten und dritten Tage erhält sich die Temperatur swischen
88 und 41,4®, je nach der Heftigkeit des F'aHes; in leichteren
Fällen tritt schon am dritten Krankheitstage Morgens und Abenda
eine Abnahme ein, diese ist aber niemals plötzlich, sondern
alliiiälig, also wesentlich verschieden von Typhus und Pneumonie.
Auch in heftigeren Fällen kommen zuweilen vom zweiten bis zum
fünften Tage Temperaturab fälle vor. Auch in den letzten Stunden
vor dem Tode zeigte die Temperaturschwankung kein bestimmtes
Gesetz, indem zuweilen eine Abnahme erfolgt, zuweilen eine
bedeutende bis zum Tode bestehen bleibt, bei Nachkrankheiten
sind ebenfalls sehr grosse Schwankungen zu bemerken, zuweilen
zeichnet sich jeder Process durch Ansteigen und Abfallen der
Eigenwärme ab. Die Absetzung eines Exsudates bewirkt einen
Abfall der Eigenwärme , der sich ganz charakteristisch gestaltet
und der Temperatnrcurve ein ganz eigenthümliches Gepräge
giebt, wenn ohne bedeutende Steigerung der Entzündung das
peritonitische Exsudat gewissermaassen zur einzigen Todesursache
wird. Die Fälle von hinzugetretener Pneumonie, Pleuritis,
Meningitis waren zu selten, um zu einer Zusammenstellung so
berechtigen.
Die Beobachtungen genügen, um festzustellen, dass die
mehr weniger bedeutenden Steigerungen der Eigenwärme, wie
sie durch die Puerperalprocesse bedingt werden, in der über-
wiegenden Mehrzahl der Fälle von Entzündung bedingt werden
und in ihrem Ansteigen und Abfallen der vermehrten und ver-
minderten extensiven und intensiven Grösse' der Entzündung
entsprechen. Die leichteren Fälle entsprechen ganz den Ver-
hältnissen, welche die Verwundungen im Allgemeinen nach sich
ziehen. Eine grosse Mehrzahl aber bieten charakteristische Eigen-
thümlichkelten , welche sich analog den heftigen chirurgischen
oder pyämischen Fiebern gestalten und die zu dem Schiasse
nöthigen « dass zu ihrem Zustandekommen noch andere Momente
mitwirken, als nur die durch die Geburt bedingte Verwundung.
Verf. geht nun auf die ätiologischen Momente der Puerperal-
fieber ein und erklärt, dass die Aerzte, welche im Petersborger
Hebammen -Institute arbeiten, der festen Ueberzeugnng seteOi
398 XXIV. Notisen ans der Journal -Literatur.
das« das Puerperalfieber eine InfectioDskrankbeit ist, die dnrcli
Einwirkung sersetster thierischer oder überhaupt organischer
Sabstanien auf die Blntmasse entsteht. Die von den Gegnern
dieser Theorie angeführten Argomente lassen sich mit Leichtigkeit
widerlegen. Namentlich ist die Behauptnng, dass viele erkrankte
Wöchnerinnen nicht in die entfernteste Berührung mit Infections-
stoffen gekommen seien, an nnd für sich sehr gewagt, da eine
so sichere Controle nnmöglich ist, ausserdem aber ist auch jeder
die Placentarwnnde bedeckende, in Zersetsnng übergehende
Haat> oder Plaeentarrest im Stande, die Infection an bewirken.
Als Verf. die Bemerkung machte, dass nachfolgende Er-
krankungen, gleichviel ob leichtere oder schwerere, sich sehr oft
durch eigentbümltche, isolirt auftretende Temperatursteigerungen
ankündigten, glaubte er annehmen an können, dass dieser Zeit-
raum erhöhter Eigenwärme der Einwirkung des Infectionsstoffes
entsprach; die darauf folgenden verschieden langen Perioden
normaler Temperatur Hessen sich dann mit dem Incubations-
stadium der Krankheit vergleichen. Somit lag es sehr nahe, den
Versuch su machen, der Krankheit vorsubeugen, resp. den Tn-
fectionsstoff unschädlich su machen, obschon mit Recht der
Einwand gemacht werden kann, dass wenn wirklich die an-
kündigende Temperatursteigerung die eingetretene Infection kenn-
seichnet, es nach derselben zu spät für jedes vorbeugende Ver-
fahren ist. Da alle nur erdenklichen Vorsichtsmaassregeln in
Anwendung gekommen waren und trotadem eine Reihe von Er-
krankungen vorkamen und sich nur auf den ersten und letzten
Ort, an dem der Infectionsstoff sur Einwirkung gelangt, die
Sohutsmaassregeln sich noch nicht bezogen hatten, nämlich auf
die Innenfläche des Uterus, so wurden intrauterine Injectionen
einer 28^ R. warmen Chlorkalklösnng bei jeder Wöchnerin an-
geordnet, die in den ersten 24 Stunden eine abnorme Steigerung
der Körperwärme zeigte (ein Esslöffel voll Chlorkalk auf etwa
drei Pfund Wasser) und diese Injection nach Umständen noch
wiederholt. Die Zahl der schweren Krankheitsfälle war seitdem
viel geringer, wie das bedeutend kleinere Sterblichkeitsprocenf
beweist. Jedenfalls waren die Injectionen ganz gefahrlos und
man schritt deshalb su ihnen bei allen Wöchnerinnen.
Eine beigefügte Tabelle giebt folgende Resultate: Vor dem
Gebrauche der Chlorinjectionen waren von ISO Wöchnerinnen
61 erkrankt und 8 gestorben (46,9 Proceat erkrankt, 6,1 Procent
gestorben), beim Gebrauche individueller Chlorinjectionen waren
von 160 Wöchnerinnen 69 erkrankt und 8 gestorben (36,8 Procent
erkrankt und 1,8 Procent gestorben), beim Gebrauche allgemeiner
ChlorinjecTtionen waren von 142 Wöchnerinnen 46 erkrankt und
1 gestorben (81,5 Procent erkrankt und 0,7 Procent gestorben).
Diese Zahlen sind freilich noch nicht beweisend, da auch
ganz von selbst die Endemien nachlassen und aufhören , jedenfalls
XXIV. Notisen ans der Journal «Literatur. 399
fordern sie au weiteren Versnchen ' anf. Die Injecttonen massen
natürlich sehr sorgfältig gemacht werden, nnd da man sich anf
das Wärterinnenpersonal nicht sicher genug Terlassen kann, so
ist es bei der Unschädlichlseit der injectionen sweckmHsstg,
einer jeden Wöchnerin mindestens iwei Mal in den ersten
24 Stnnden eine Injection za machen.
Znm Schldsse fordert Verf. noch in den allerdings schwierigen
Wärmemessnngen der Temperatnnrerandernngen anf, welche durch
bestimmte Arsneimittel bewirkt werden. Seine eigenen Beob-
achtungen scheinen ihm noch nicht genügende Resultate zu
liefern. Er weist hauptsächlich hin au^ die Digitalis, die ver-
schiedenen Quecksilberpräparate (Calomel, Ungt. ein.), örtliche
Blutentleerungen, allgemeine Bäder, Uebergiessungen und hydro»
pathische Einwickelnngen.
(Petersburger medic. Zeitschrift, Bd. V., U. 1, 8. 1, 1868.)
Hassleri Darstellung einer vom Dr. von Brum con-
struirten Bandage zur directen ZurückhaHung
und Heilung des Scheiden- und Gebärinutter-
vorfalles.
Für eine mit einem Bildungsfehler der Harnblase und Scham-
theile behaftete Person, bei welcher nach einer plastischen
Operation die Scheide noch prolabirte, wurde der Apparat zu-
nächst erdacht und später vielfach bei einfachen Scheiden- und
Gebärmuttervorfällen mit Nutzen angewendet.
Die Bandage (gut abgebildet) hat Aehnlichkeit mit einem
elastischen doppelten Bruchbande, deren beide eigenthfimlich
geformten Pelotten auf die beiden äusseren Schamlippen nach
aufwärts einen Druck ansahen, wodurch die Vagina und auch der
Uterus Hindernisse finden, nach abwärts zu sinken. Sie besteht
gleich einem elastischen Brnchbande aus zwei mit Leder Über-
zogenen, das kleine Becken nmschliessenden Stahlfedern, die
rückwärts über dem Kreuzbeine mit einem ledernen Riemehen
nach Erforderniss des Körperumfanges Tereinigt werden; nach
7orn laufen sie beiderseits in einen, der Wölbung des Ober-
schenkels entsprechenden, bis an die grossen Schamlippen
reichenden Bogen aus, an deren Enden sich beiderseits eine
kleine, länglich orale Pelotte befindet, die mittels einer Schraube
beweglich an dieselben befestigt ist. Die beiden -Pelotten ent-
sprechen der Grösse der äusseren Schamlippen, haben als Banis
eine dünne Bleiplatte, die an der dem Körper zugekehrten Fläche
weich gepolstert und mit Leder überzogen ist, wodurch die
Pelotten erforderlich biegsam und an die äussere Scham gut
angeschmiegt werden können. Zur besseren Befestigung werden
die beiden Pelotten untereinander durch ein Lederst reifeben
400 XXIV. Notisten ans der Journal- Literatur.
verbunden and anch um deren Anfwürtsschieben zn verbitten, geht
von ihrem unteren Ende jederseite ein Riemen ab, der, wie
bei einem Bruchbande um den Schenkel nach rückwärts sich
schlingend, am Perinäum mit dem entgegengesetsten sich kreusend,
Eum hinteren Tbeile des Leibgurtes nach aufwärts zieht und an
dessen hinterer Fläche befestigt wird. Des Abends wird die
Bandage abgenommen, vor dem Aufstehen des Morgens angelegt.
Nach einiger Gewohnheit gestattet sie frei alle Bewegungen.
Jeder Bandagist ist im jätande, sie ansufertigen , jeder Patient,
sie selbst zu handhaben.
(Wiener Medicinalballe , 1863, No. S6— 38.)
Arthur Scott Donkin: Ueber die pathologischen Be-
ziehungen zwischen Albuminurie und Puerperal-
manie.
Der Verfasser theilt einen Fall von Puerperalmanie mit
gleichzeitiger Albuminurie mit, ein Verbältniss, das bis jetzt nur
von Simp$on beobachtet wurde. Durch diesen Fall findet sich
Donkin veranlasst, die Puerperalmanie überhaupt in zwei Gruppen
einzutheilen: eine constitaiionelle und eine nicht constitutionelle.
Bei ersterer nämlich, mit gleichzeitigem Vorhandensein vod
Albuminurie ist der Verlauf ein acuter und kurzverlaufender, der
Puls ist sehr rapid, die Haut gewöhnlich feucht. Der Anfall
selbst kündigt sich einige Zeit vorher durch 8chmerzen und
Hitze im Kopfe, grosse Empfindlichkeit gegen Licht und Schall,
überhaupt gegen jede Bewegung im Zimmer, durch Tinnitus aori^m
und Pervigilium an. Sehr leicht tritt der Tod durch Coma oder
Asthenie ein.
Die zweite Gruppe ist charakterisirt durch vollkommene
Abwesenheit irgend eines constitutionellen Symptoms, der Puls
ist meist normal, Gefahr für*s Leben nicht vorbanden, die geistige
Störung mehr oder weniger chronisch und häufig in Wahnsinn
übergebend.
Die ivLT die erste Gruppe aufgestellten Symptome sind nach
Verfasser nur die einer urämischen Intoxication.
Der von ihm beschriebene Fall bezieht sich auf eine Frau
von 23 Jahren, die einen Tag nach der Geburt von Zwillingen
ein stark ödematös geschwollenes Gesicht bekam; im Urin fand
sich viel Eiweiss, doch keine Cylinder. Die näheren Angaben
über den sehr interessanten Fall siehe in
(Edinburgh Medical Journal, No. XCV., May 1863.)
XXV.
Verhandlungen der Gesellschaft für Gebnrtshttlfe
Berlin.
Sitzung YoiD 9. Juni 1863.
Von Herrn Birnbaum in Cöln ist folgende Abhandlung
der Gesellschaft zugeschickt wordi^n.
Zwei Fälle von Formvarietäten des Uterus
mit Schwangerschaft.
Durch Zufall fanden sich die beiden Personen, welche
den Gegenstand dieser Hittheilung bieten, im Sommer 1860
gleichzeitig in der Anstalt ein und konnten durch mehrere
Wochen genau beobachtet werden.
Der eine Fall betraf eine ZwiUingsschwangerschafl mit
Uterus bicornis unicoUis oder arcuatus und war nur durch
die Deutlichkeit, mit welcher die Form entgegentrat und sich
weiter entwickelte, interessant Die 26jährige Erstgebärende
war mittlerer Grösse, mit schwarzem Haare, dunklen Augen,
vollsaftig und sehr kräftig. Der Uterus zeigte bei der Auf-
nahme schon bei sehr grossem Umfange auifallend spitze
Prominenz nach unten und Neigung, oben ganz nach links
hinüber mit starker Einbiegung des Grundes über dem Nabel
und entwickelte die aulTallende Ungleichmässigkeit seiner Form
bei sehr bedeutender weiterer Zunahme im Verlaufe der
nächsten sieben Wochen bis zur Geburt zu höchster Vollendung.
Zu Ende der Schwangerschaft fiel die grösste Vorragung
des Uterus gerade in die sehr stark und spitz vorgetriebene
Nabelgegend und maass hier der Leib vom Kreuze aus ringsum
gemessen 44 Zoll, im vorderen Umfange vom Schamberge
MonatMchr. f. aebartak. 1868. Bd. XXII., Hft. 6. 26
402 XXV. VerhnDdlnngen der Gesellschaft
aufwärts über den Muttergrund her 39 Zoll. In der so stark
Yorgedrängten Nabelgegend mit etwas blasenformig heraus-
getriebenem Nabel überragte der Grund in scharf abgegrenzter
sattelförmiger Wölbung deutlich fühlbar den Nabel nur um
einige Finger Höhe, und unter ihm sprang der Körper genau
in der Mittellinie des Bauches, die beiden Seiten mehr ab-
geflacht lassend, nach vorn vor und bildete unten in der
Mitte vor dem Schoossrande einen spitzen tief herabgehendeD
sackförmigen Hängebauch.
Mit dieser schmalen seitlich abgeflachten Gestalt der
unteren Gebärmutter unter dem durch sie gerade so weit
vorgedrängten Nabel stand die breite, schief herzförmig ver-
schobene, in die Breite eine nicht weniger starke Ausdehnung
erreichende Form des oberen Theiles im aufTallendsten Contraste.
Von der sattelförmig eingebogenen Wölbung in der
Nabelgegend ging nämlich -^ eine Abtheilung der Gebärmutter
eine starke Hand hoch in der linken Seite hinauf und nach
hinten ganz in das linke Hypochondrium hinüber, indem sie
nach oben in immer spitzer werdender W^ölbung auslief.
Eine zweite Abtheilung konnte man nach rechts weit in's
rechte Hypochondrium hinein verfolgen, die aber nicht so
hoch über den Sattel emporstieg und dafür in um so breiterer
Wölbung sich ausdehnte.
Der Grund der Gebärmutter erschien so in eine schief
nach links verschobene tief eingeschnittene herzförmige Gestalt
ausgebreitet, mit schmalem, in der Mitte stark nach vom
vortretendem unteren Körperansatze und zeigte in der Mitte
eine ungewöhnlich geringe, nach rechts die der Zeit der
Schwangerschaft zukommende nach links eine ungewöhnlich
hohe Erhebung in der Bauchhöhle der Frau.
Mit dem hohen Stande des Muttergrundes nach beiden
Seiten im Widerspruch, mit der geringen Erhebung in der
Nabelgegend ganz übereinstimmend stand der Kopf der Fracht
mit dem äusserst verdünnten unteren Abschnitte ganz tief
unten im Becken und der Muttermund mit wulstig dicken
Lippen bei ganz verstrichenem Mutterhalse hoch nach rechts
und hinten. Die Gebärmutterwände waren dünn, sehr be-
weglich und namentlich in der Nabelgegend von fast blasiger
Dünne, und hier kleine Kindestheile bemerklich, die oft spitz
für Gebartshülfe in Berlin. 403
vortretend Knöchel und Ferse selbst leicbt erkennen liessen,
oft hoch in die rechte Seite hinaufspielten. Eben so deutlich
erkannte man kleine Kindstheile hoch oben in der^ linken
Abtheilung. Das Herzgeräusch hörte man links in grossem
Bogen von der Gegend * zwischen Nabel und Spina anterior
superior bis zur unteren Grenze des Hypochondrium.
Die grosse Masse Fruchtwasser bei übergrosser Ausdehnung
der Gebärmutter hinderte die unmittelbare genaue Verfolgung
der Fruchtkörper, doch konnte an die Gegenwart von Zwillingen,
deren einer das Mittelstöck ausfällte und in das rechte Hom
hineinragte, deren anderer von dem Mittelstücke aus in das
linke Hom hinaufging, nicht gezweifelt werden. Die Wehen
begannen Abends, steigerten sich allmälig in der Nacht und
hatten am Morgen den Muttermund zu Thalergrösse erweitert.
Doch ging erst Abends 5 Uhr das Wasser ab. Unter dem
Einflüsse der Wehen rückte der rechte Muttermund immer mehr
gegen die Mitte vor, so dass die rechte Ausbiegung immer
kleiner wurde, und. nur die linke Ausbiegung hielt sich immer
noch stark nach der Seite herumgehend, so wie die Spuren
der Eintiefung in der Mitte, so dass nun die Gestalt der
Gebärmutter noch auffallender wurde. Nach dem Blasensprunge
war die Drehung des Kopfes aus Tierter in die erste Scheitel*
Stellung und sein endlicher Austritt äusserst beschwerlich
und mühselig trotz der energischen Einwirkung langdauemder
Wehen und des geringen nur 5y^ Pfund betragenden (vewichts
des gleich lebenden Mädchens. Das zweite Kind folgte schon
nach 10 Minuten, indem nun rasch auch der linke Muttermund
gegen die Mitte herabdrängte, das linke Hörn niederstieg und
die Drehung aus dritter in zweite Scheitellage äusserst rasch
erfolgte. Es war ebenfalls ein Mädchen von öy^ Pfund. Der
Mutterkuchen musste wegen innerer Reibupgen und Knetungen
Trotz bietender Blutung durch Eingehen mit der ganzen Hand
entfernt werden, und zeigte sich als einfache Masse mit ge*
meinsamem Chorion. getrenntem Amnion. Der Uterus behielt,
so lange man ihn im Wochenbette constatiren konnte, seine
oben breite in der Mitte eingedriickte Form bei.
Der zweite Fall bot bei einfacher Schwangerschaft eine
viel auffallendere und eigenthümlichere Formvarietät dar. Er
betraf eine grosse, etwas hagere , stramm muskulöse Erstf»
26*
404 XXV. VerhAndlangen der GesellBchaft
gebärende, bleiche einäugige Lichtbrünette, die immer gesund,
im 16. Jahre zuerst menstruirt, am 12. October ihre
Menstruation zuletzt gehabt und Ende März die letzten Be-
wegungen gespürt hatte. Der Leib war stark ausgedehnt,
und man fühlte an ihm den Grund der Gebärmutter in der
Mitte eine Hand breit über dem blasenförmig Tortretendee
Nabel, nach links in grosser, breiter Wölbung eme knappe
Hand breit höher hinitufgehend, nach rechts in kugeliger
Wölbung das rechte Hypochondrium vom ganz ausfüllend.
Bei genauerem Zufühlen ergab sich eine vollkommene Trennung
der Gebärmutter in eine grosse, niedrigere, aber breit gewölbte,
etwas nach links verschobene untere Abtheilung und in eine
kleine, über sie schief in der rechten Seite hinaufgestellte,
fast kugelig abgegrenzte obere Abtheilung, welche durch eine
deutlich fühlbare tiefe Ein- und Abschnürung- der kleinen
Abtheilung ganz bestimmt von einander abgegrenzt erschienen.
Die eine Abtheilung konnte man auf den Umfang eines acht-
monatlichen Uterus schätzen, die andere «nes etwa vier-
monaüichen, und bei der Rückenlage traten sie auch sehr
deutlich für den Anblick erkennbar durch die Bauchdecken
durch in genauer Abgrenzung hervor, so dass auch den
Schülerinnen bei diesem Anblicke unverkennbar die Aehnlich-
keit mit einem Zwillingsapfel auffiel, wo ein kleiner einem
grösseren schräg ansitzL Beide Abtheilungen waren immer
gleich deutlich, mochte nun der Uterus in Ruhe, überall
abgespannt, oder bei längerer Untersuchung in Bewegung
gerethen und sich anspannen und blieben sich auch für den
Anblick während des mehrwöchentlichen Aufenthaltes bis 2ur
Geburt immer gleich. Die rechte Abtheilung war meistens
leer, obschon man oft die Bewegung kleiner Theile in sie
hinüberspielen führte. Der sehr verdünnte untere Abschnitt
lag dem Kopfe eng an, der sehr verkürzte Mutterhals war
nach hinten und rechts gezogen.
Am 27. Juli gegen Tagesanbruch begannen die Weben.
Beide Theile des Uterus zogen sich ziemlich gleichmässig zu-
sammen, wobei die doppelte Form der Gebärmutter nur um
so schärfer hervortrat Die Geburtsthätigkeit wurde im Laufe
des Tages äusserst energisch und zuletzt fast anhaltend mit
kurzen Remissionen. Da aber bei um 6 Uhr Abends nur noch
fttr Oebnrtsbülfe in Borlin. 405
Yorhandener stark gespannter Vorderlippe gar kein Fortgang
der Sache bemerklich wurde und das Wasser sich später
wiederum mehr hinter den Kopf zurückzog, liess ich die
Eihäute nach 8 Uhr Ahends sprengen, was aher mit den
Fingern nicht gelang, sondern Anritzen mit einem Salz-
krystalle, dem einfachsten und wohlfeilsten Wassersprenger,
forderte.
Die Wehen blieben jedoch äusserst schmerzhaft; ein
anhaltender, wirkungsloser, sehr schmerzhafter Drang mit
heftigem Kreuzschmerze und der Muttermund verstrich erst
nach 10 gr. pulv. Do wer., während im Uebrigen ungeberdig
¥nldes Sichumherwerfen mit anhaltendem lautem Jammern
und Wehklagen fortdauerte und die kleine Fontanelle mit
stark übergeneigtem rechten Scheitelbeine an den linken
Schoossbogenschenkel angestemmt blieb. Der Uterus spannte
sich oben immer schief von beiden Seiten her, die so gegen-
einander zu wirken schienen statt in gemeinsamer Hiltel-
richtung nach unten.
Ein um lOy^ Uhr bei der grossen Gefassaufregung
gemachter Aderlass bewirkte vorübergehend Erleichterung
und Beruhigung selbst bis zu ruhigem Schlummer in den
Wehenpausen, doch ohne das Gegeneinandergekehrtsein der
Wirkung der beiden Seiten des Uterus -aufzuheben, und da
ohne allen Erfolg um 12% Uhr die Unruhe und der stürmische
Drang wieder ganz den früheren Grad erreicht hatten, ent-
wickelte ich nicht ohne Mühe und grossen Schmerz für die
Frau den Kopf mit der Zange, wobei während der End-
tractionen starke Blutung eintrat Eine feste Umschnürung
der Nabelschnur um den Hals liess auch die Entwickelung
des Rumpfes nur mühsam unter starker Umbiegung zu
Stande kommen. Die Nabelschnur ging drei Mal um den
Hals, ein Mal um den Leib. Der 6 Vs pfundige Knabe war
scheintodt, wie denn schon bei Anlegung und Schliessung
der Zange viel stark mit Kindspech veninreinigtes Wasser
abgegangen war.
Der Mutterkuchen forderte nach vergeblichen anderen
äusseren und inneren Manipulationen Entfernung mittels Ein-
gehen mit der ganzen Hand, wobei ich ihn leicht iii der
Haupth5hle erreichen und umfassen konnte, aber mit einem
«
406 XXV. Verbandluiigea der GeBellschaft
grossen Stücke in der rechten Seitenabtheilung eingesperrt
fand. Durch äusseren Gegendruck von rechts her gelang die
Lösung mittels Eindringens mit zwei Fingern, worauf die
Entfernung keine Schwierigkeiten mehr bot
Im Wochenbette zeigte der Uterus wohl eine ungieidi-
mässige Form, doch war jene deutliche Abgrenzung nicht
mehr bestimmt durch die Bauchdecken zu erkennen.
Es reiht sich diese Beobachtung offenbar an die Fälle
Yon Graviditas tubouterina nach der früheren Bezeichnung an,
wobei die Placenta in dem vermeintlichen Sacke der Tuba
ihren Sitz gehabt, wie deren unter anderen einer von
Monteil Pons (l'union, 1856, 51) mitgetheilt wird, und es
• ' begreift sich leicht, wie mau, wenn man etwa erst nach
dem Austritte des Kindes hinzugekommen wäre, zu der yod
d'Outrepant und Riecke (N. Zeitschr. f. Geb., XXV., 2, 305)
aufgestellten Ansicht eines Einragens des Mutterkuchens in
die erweiterte Tuba hätte geführt werden können. Ist auch
die Möglichkeit solcher Fälle weder durch derartige Beobachtungen
noch durch die trefflichen Untersuchungen von Kussmaul
unbedingt widerlegt, so fordern sie doch zur grössten Vorsicht
auf und lassen jene Auslegungen immer in dem ailerzweifd*
haftesten Liebte erscheinen. Denn dass wir es in meinem
Falle mit einem Uterus unicornis mit verkümmertem Nebenhorne
zu thun haben, und dass hier ursprünglich das Ei in dem
verkümmerten Nebenhorne sich entwickelt und erst später die
Frucht den Weg in die Haupthöhle gefunden habe, möchte
kaum zu bezweifeln sein. Wie aber KussmauV^ anatomische
Untersuchungen unbedingt sicher feststellten, dass die weit
vorgeschrittenen Graviditates tubariae und die meisten Fälle der
Graviditas interstitialis uud tubouterina nur Schwangerschaften
in verkümmerten Gebärmutterabthoilungen sind, so reiht sich
jene diagnostisch und dem Verlaufe nach in stufenweiser
Entwickelung des Vorganges verfolgbare Beobachtung neben
anderen gleichartigen in vervollständigender Weise diesen
Untersuchungen an, nachweisend, wenn und wie hierbei ein
Irrthum in der Anschauung oder eine Zweideutigkeit der
Beobachtungsresultate möglich war.
Indem ich hoffe, dass in diesem Sinne die verehrte
Gesellschaft meine übersendeten Mittheilungen freundlich ent-
fär Gebnrtsbülfe in Berlin. 407
gegeDnebmeo werde, glaube ich auch, dass die Yoriaufige
Mittbeilung itur iiidit uninteressant sein möchte, dass die Frau,
bei welcher mir die Reposition des seit zwei Jahren invertirlen
Uterus gelungen ist, im Monate März ihre zweite Niederkunft
erwartet.
Ich erlaube mir zugleich noch die kurze Notiz, dass ich
in diesem Herbste in einem Vortrage in der Gesellschaft der
Aerzte des Regierungsbezirkes Cöln in einer Parallele zwischen
den Cred^^&c^en Manipulationen zur Entl'ernung des Mutter-
kuchens und den Repositionsversuchen des invertirten Uterus
auf die verschiedenen Verhältnisse dieser Versuche hingewiesen
habe. Mit Bezugnahme darauf, dass in den Beobachtungen
von Tt/lor Smiths White und Bockenthai der Tamponvessie
ausreichte, bei mir nicht, dass ebenso die manuelle Reposition
auch in veralteten Fällen oft gelang, oft nicht, scheint mir
einestheils der Umfang des invertirten Organes im Verhältniss
zur Durchgangspforte wichtig, ob es noch turgide, lebensvoll
oder schon atrophirt, anderentheils die Consistenz, ob das
Gewebe mehr oder weniger indurirt, indem danach der Uterus
in einem Falle dem Drucke folgt und zurückgeht oder im anderen
Falle dem Drucke ausweicht und mit Formänderung zur Seite
geht. Es mögen diese kurzen Andeutungen genügen, um es
gerechtfertigt erscheinen zu lassen, dass ich an dem Antheile,
welchen ich der Sonde in meinem Falle zuschri^^b, auch immer
noch festhalte, sowie der Ausgang meiner Beobachtung es
gerechtfertigt erscheinen lässt, dass ich sie in der von mir
angegebenen Ausstattung nicht nur als durchaus ungefährlich,
sondern auch als das mildeste und sicherste Mittel bezeichne,
vorausgesetzt die Enthaltung von jedem raschen, stürmischen
oder gar gewaltsamen Verfahren. Eine sehr langsam und
allmälig angewendete Steigerung im Drucke lässt um so eher
eine bedeutende Kraftanwendung gefahrlos zu, da man der
Chloroformnarcose bei diesem Verfahren ganz entrathen kann
und in den Schmerzäusserungen sichere Fingerzeige besitzt
Herr Louis Mayer legt der Gesellschaft
das Präparat einer Geschwulst
vor, welche er in jüngster Zeit aus der Brustdrüse einer
Frau ausgeschnitten hat.
408 XXV. Verbandlangen der GesellBchaft
Die Operirte, 56 Jahre alt, im AUgemeineD gesund, hat
sechs Mal unter normalen Verhältnissen geboren. Vor etwa
einem Jahre fühlte die Frau in ihrer rechten Brust einen
Schmerz, der aber nach einiger Zeit verschwand. Hierauf
entwickelte sich in der linken Brust unter schmerEhafter
Empfindung die vorliegende Geschwulst, welche anfangs lang-
sam wachsend, seit Weihnachten vorigen Jahres eine sehr
rapide Entwickelung nahm. Die Haut über der Geschwulst
war gerdthet, teleangiectatisch und wenig gespannt Die
Geschwulst hatte eine unebene hügelige Gestalt und bot für
das Gefühl, oberflächlich eine weiche, in der Tiefe eine
härtere Consistenz. Die Umgebung war gesund, so dass das
Krankhafte streng abgegrenzt war.
Das exstirpirte Stuck bietet etwa die Form einer Linse
von 2V2 Zoll Höhendurchmesser und ly^ Zoll Dicken-
durchmessen Das Präparat ist leicht zu durchschneiden,
die Durchscbnittsfläche bietet verschiedene Consistenzgrade,
am Messer klebt eine milchige Substanz. Die Farbe des
Durchschnittes erschien bei Lampenbeleuchtung als blasses
Weissgelb und Weissroth. Die mikroskopische Untersuchung
hat wenig drüsiges Gewebe, Fettanhäufungen, an vielen Stellen
glatte Muskelfasern, als überwiegend aber kleine zdlige
Gewebselemente ergeben.
Herr Mayer bezeichnet die Geschwulst als ein Hedullai^
sarcom und berichtet, dass ihm nur drei ähnliche Erkrankungen
der Brustdrüsen aus der Literatur bekannt seien. Diese Fälle seien
mitgetbeilt von Kemm in Grätz, WaM in Aarburg und Biüroth,
Hierauf hielt Herr Boehr seinen Vortrag
über das Athmen der Kinder vor der Geburt.
Es ist bekannt, dass die respiratorische Function der
Placenta eine oft debattirte physiologische Controverse ge-
wesen, über die die Meinungen der Physiologen und Geburts-
helfer mannichfach auseinandergingen. Und doch ist und
muss der respiratorisdie Gasaustausch in der Placenta heutigen
Tages als zweifellos vorhanden anerkannt werden. Da der
directe Beweis, die Verschiedenheit der beiden Blutarten in
Nabelvenen und Arterien des Kindes sieh nicht fOhren liess,
Iftr GebnrtshOlfe in Berlin. 409
80 musste ein mehr inducÜTer Weg aus den Folgen der
Unteii)rechung des Placentarkreislauffes für das Kind betreten
werden. Diesen inductiven Weg aus der gebortshälflichen
und anatomischen Beobachtung heraus hat zuerst Krahmer
mit positivster Entschiedenheit betreten, der im Jahre 1852
in einem Aufsatze der ,, Deutschen Klinik"* bei Mittheilung eines
geburtshöifiichen Falles (von Nabelschnurumschlingung und
Zangenoperation) mit grdssterPräcision die Theorie aufstellte, dass
bei jeder Unterbrechung des Placentarkreislaufes physiologisch
nothwendig inspiratorische Hebungen des kindlichen Thorax,
somit Vollpumpen von dessen Canalsystemen eintreten müssten,
und zwar ohne Rücksicht auf die Möglichkeit ihres teleologischen
Endzwecks, ohne Rücksicht auf die Möglichkeit, Luft mit
Blut in Berührung zu bringen, dass somit diese vorzeitige»!
respiratorischen Hebungen des kindlichen Thorax die Athem-
noth des jungen Wesens meistentheils nicht abzuwenden
vermöchten, dessen Leiche vielmehr in allen Fällen die recht
eig^tlichen Beweise des Erstickt- oder Ertrunkenseins im
Mutterieibe darböte. Fälle, in denen die geburtsbülfliche
Beobachtung der Unterbrechung des Placentarkreislaufes mit
einem solchen Leichenbefunde im Kinde coincidirt, können
allein das Material sein, aus dem die Richtigkeit dieser An-
schauung erwiesen wird, und die eine klare Einsicht in die
einzelnen Modalitäten vorzeitiger Lungenathmung der Kinder
gewähren. Im Schoosse unserer Gesellschaft veröfTentlidite
Becker in der Sitzung vom 13. Mai 1853 siebenzehn
derartige geburtsbülfliche Belege für die Richtigkeit der
Krahmer*schen Theorie. Krdhmer's und Hecker^s An-
schauungen und Beweise erwarben sich schon damals weit
verbreitete Beistimmung, wenngleich auch einzelne sehr acht-
bare Stimmen, unter denen wir nur Scanzoni nennen, bei
der alten Anschauung stehen blieben, dass die Blutfülle und
Schlagflüssigkeit der Respirationsorgane zumeist, virie ja die
übrigen localen Hyperämieen der Kindesleiche auch auf die
Druckroomente des Kindeskörpers und der Placenta zu beziehen
seien, und dass das wirksame Agens des oder der ersten
Athemzüge nicht ein inneres, sondern ein äusseres, der neue
Reiz der atmosphärischen Luft sei. In den zehn Jahren, die
seit der Krahmer'schen und Heckei^sehen Beweisführung
410 ^^^- Verbandlmigefi dar OeselUchaft
verflossen, sind mannichfalüge einschlägliche Beobachtungen
veröffentlicht und namentlich hat die Frage in einer Mono*
grapbie von Schwartz (Die vorzeitigen Athembewegungen,
Kiel 1858) die grändlichste und wissenschaftlichste Bearbeitung
gefunden.. —
Es liegt demnach genügendes Material, eine ganze Reibe
geburtshüiflicher Beobachtungen und Leichensectioneu zur
Beurtheilung und Prüfung der Krdhmer' sehen Theorie vor.
Ich habe es mir nun zur Aufgabe gestellt, in einem Journal-
artikel: „Ueber das Athmen der Kinder vor der Geburt«** der
in der Henke^schen Zeitschrill im ersten Quartal dieses Jahres
veröffentlicht ist, alle seit dem Auftauchen der JTraAmer'schen
Theorie veröffentlichten Fälle zusammenzustellen und mit Heran-
ziehung eigener Beobachtungen tabellarisch zu verwertben.
Dadurch bin ich im Stande gewesen, TabeUen von in Summa
100 Fällen zu entwerfen. Diese Zahl, zwar an sich nicht
sehr gross, reicht doch, wie ich glaube, vollkommen aus
zur Beurtheilung und Verwerthung der betreffenden anatomisch-
diagnostisdien Fragen. Bei jedem einzelnen Falle sind in
der Tabelle die pathologischen Verhältnisse der Geburt, d. b.
die Art der Unterbrechung des PJacentarkreislaufes, ersichthcb«
und die bei aller Verschiedenheit im Einzelnen doch grosse
Gleichförmigkeit der Erscheinungen im Ganzen bei einer
solchen Reihe von Fällen dürfte gewiss als ungezwungenes
Beweismoment für die Constanz der Facta, die aus der Zu-
sammenstellung erhellen, anzusehen sein. Die Tabelle A,
umfasst 2ö Fälle nach Unterbrechung des Placentarkreislaufes
as|ihYctisch geborener Kinder, die ohne Schaden fortlebten,
die Tabelle B,, die grösste, 75 Todlgeburten , nach der
Unterbrechung des Placentarkreislaufes geordnet, die Tabelle C.
zehn sterbend geborene Kinder und die Tabelle D. acht Fälle
von Kindern, die kui*zere oder längere Zeit nach der Geburt
in Folge von Schädigungen in der Geburt zu Grunde gingen,
und in deren Leichen sich Residuen verfrühter Athemversuche
fanden. Wir können somit nach den Tabellen jB. , G. und D,
über eine Summe von 75 Sectionen referiren.
Es kann hier nur die Aufgabe sein, kurz die Resultate
meiner tabellarischen Zusammenstellungen anzugeben. Da es
wünschenswerth war, für die Verschiedenheit unter vielem
Ittr Oebartsbülfe In Barlia. 411
Gldchartigen und Aehnlichcdü eine Beziehungsweise festzustellen,
welche in nuce mit einem Worte den ganzen Todesvorgang
und Leichenbefund des ^Kindes im einzelnen Falle erkennen
liesse, so habe ich in der letzten Columne der Tabelle unter
der Rubrik: „Anatomische Diagnose des Todes," die Be-
zeichnungen: „Fötaler Ertrinkungstode „fötaler Erstickungstod",
und „Mischform des Erstickungs- und Ertrinkungstodes" ge-
wählt. Es kann nicht daiüber gerechtet werden, ob dies
generelle Verschiedenheiten sind, aber die Bezeichnung drückt
mit einem Worte das Bild des Secüonsbefundes aus, ob die
Bronchien in erheblichem Grade äberfüllt und mit Deglutitions-
Phänomenen vergesellschaftet, oder ob alle diese Befunde
fehlen, oder endlich ob sie in geringem Grade vorhanden sind.
Gemeinsaro aber ist allen drei Arten der grössere oder geringere
Grad von Blutuberfüllung der Brustorgane. Als reinen fötalen
Ertrinkungstod habe ich 15 Fälle, als reinen Erstickungstod
24 Fälle, als Mischformen 28 Fälle in den Tabellen bezeichnet.
Die Tabellen ergeben, dass jede der drei Arten bei den
allerverschiedensten pathologischen Verhältnissen des Geburts-
Vorganges vorkommen kann, und dass somit das Zustande-
kommen der einen oder der anderen Art im concreten Falle
nur abhängt von den Nebenbedingungen, dem Abgeschlosseusein
des Fruchtwassers, der passenden Lagerung der kindlichen
RespirationsölTuungen u. s. w. Dennoch ist ihre Unterscheidung
wichtig, nicht bloss zur Entwerfung einer theoretisch wissen-
schaftlichen Häufigkeitsscala, sondern auch zur Verwerthung
dieser rein geburtshiHflichen Fälle auf forensischem Gebiet,
weil der rein fötale Ertrinkungstod auch dem Gerichtsarzte
den allerzweifellosesten Beweis des Todes durch vorzeitiges
Athmen gewähren würde, der auch in den meisten Fällen
der Mischformen, wo sich je die Spuren der Geburtsilussigkeiten
in Bronchien oder Magen des erstickten Kindes nachweisen
lassen, nicht zweifelhaft sein wird. Aus unseren Tabellen B.y
C. und D. erhellt, dass un^ 57 Todtgeburten 32 Mal die
Luftwege mit den specifischen Massen erfüllt waren, 16 Mal
vollkommen leer und bei 9 Kindern ihr Inhalt nicht an-
gegeben ist. Bei den 10 sterbend Geborenen der Tabelle C,
waren in allen Fällen die Luftwege erfüllt und unter den
8 Kindern d^r Tabelle B, fand sich dies noch 5 Mal vor.
412 XXV. Verhandlungen der OeseUschaft
Wir haben somit bei 47 die positive Angabe des Befundes,
d. h. bei 627s Procent der secirten Kinder. Was die Natur
der specifischen Massen bei diesen 47 Fällen anbetrifft, so
können wir noch die Angabe hinzufügen, dass 23 Mai die
aspirirten Massen zweifellos meconiale Beimengungen er-
hielten , in den übrigen 24 Fällen bestand der Inhalt nur aus
Geburtsschleim, Fruchtwasser, mitunter mit Blut oder Vernix
caseosa, jedoch nicht deutlich mit Meconium gemischt Rechnet
man nun zu diesen 47 Fällen noch 21 Fälle der Tabelle A.,
bei denen das Eindringen der specifischen Massen durch
Rasseln in den Bronchien und Hustenstösse zu erschliessen
ist, so erhält man 68 Procent der Gesammtzahl von 100 Fällen.
Wir wollen hier gleich die Bemerkung daran knüpfen, dass
bei den Mischformen des Erstickungs- oder Ertrinkungstodes,
zu denen wir, wie erwähnt, 28 Fälle aus unseren Tabellen
rechnen, in ihrer Mehrzahl nämlich 19 Mal. die Deglutitions-
Phänomene fehlen. Dahingegen ist das umgekehrte Verhältniss,
eih Leersein der Laftwege, während Degliitationsphänomene
vorhanden sind, bei vorzeitig athmenden Kindern gewiss
äusserst selten. Wir finden in unseren Tabellen nur einen
einzigen Fall dieser Art, No. 79 der Tabelle J?., eine
Beobachtung von Liman, bei der die Luftwege leer waren,
während sich im Magen grünliche meconiale Flüssigkeit fand.
In allen übrigen Fällen coincidirte immer Leersein der Luft-
wege mit Nichtvorhandensein von Deglutitionsphänomenen.
Den Luftgehalt der Lungen betreffend , versteht es sich
von selbst, dass die Tabellen bestätigen, was längst bekannt
war, dass die grosse Mehrzahl aller vorzeitig athmenden
Kinder trotz der energischesten Athmenversuche nicht die
Spur von Luft in die Lungen ziehe. Nach unseren Tabellen
ist dies bei 62% Procent aller zur Section gekommenen
Kinder, und wenn wir die Tabellen der Todtgeburten allein
in's Auge fassen bei 77 Procent der Fall. Die Ausnahmefalle
eines theilweisen Luftgehaltes sind immer an eine von drei
Bedingungen, entweder Kunsthälfe oder Sterbendgeborensein,
so dass die letzten Athemzüge extrauterin sind, oder an Luft-
einblasen gebunden. Auf eine dieser drei Bedingungen lässt
sich in unseren Tabellen jeder Fall, bei dem ein Luftgehalt
angemerkt ist, zurückführen. Es ist sehr zweifelhaft, ob
för OebartahfUfe in Berlin. 413
sogenannte reine Fälle Torkomnien, bei der keine dieser drei
Bedingungen zutrifit. Ich weiss sehr wohl, dass von zu-
verlässigen Beobachtern solche anscheinend reine Fälle, selbst
mit vollständigem Luflgehalte mitgetheilt sind, indess eine
nähere Besprechung derselben würde mich an diesem Orte
zu weit fuhren, ich will nur bemerken, dass ein sehr merk-
würdiger und weit bekannt gewordener Fall von Hecker
in Virchow*& Archiv, 1859, Heft 6 mitgetheilt ist. Indess
die Kreissende wurde hierbei wiederholt „mit der halben Hand
untersucht**, was gewiss für den Effect des möglichen Luft-
zutrittes der Kunsthülfe gleich zu achten ist
Uebrigens veranlassen Kunsthülfe und Sterbendgeborensein
noch keinesweges nothwendig den Luftzutritt Es geht sogar
aus unseren Tabellen hervor, dass bei 30 von den 44 Kindern
in der Tabelle B., die ohne Luflgehalt todt geboren wurden.
Kunsthülfe in Anwendung kanf, und trotzdem die Lungen
keine Luft schöpften und dass bei Dreien in der TabeUe G.
die beiden concurrirenden Bedingungen des Sterbendgeboren-
seins und der Kunsthülte zusammentrafen, ohne hier die
Wirkung des Luftzutrittes zu bedingen.
Es lässt sidi a priore gar nicht bestreiten, dass bei
Vagitus uterinus, wo er ja einmal vorkommt, Luft wenigstens
stellenweise in den Kinderlungen gefunden werden wird. Es ist
sehr zu verwundem, dass bei den vielen und alten Streitig-
keiten, die die äusserst seltene und ominöse Erscheinung des
Vagitus uterinus veranlasst hat, nicht eine ganze Reihe glaub-
würdiger Sectionsberichte über derartige Kinder in der Literatur
existirt. Hag in der älteren Literatur verstreut ein einzelner
Fall mit Section erzählt sein, in der neuen Literatur, in den
letzten zehn Jahren seit Bekanntwerden der JTroÄmer'schen
Theorie ist kein Fall veröffentlicht, und daher keiner in
unseren Tabellen enthalten. Schwartz, der sich so viel und
so eingehend mit dem Studium der vorzeitigen Athembewegungen
beschäftigt, hat nie den geringsten Laut gehört Woher kommt,
bei der ohnehin schon eminenten Seltenheit des Vagitus uterinus
die noch grössere Seltenheit von Sectionsberichten darüber?
Sicher aus einem Umstände, der meiner Meinung nach noch
nirgend genügend gewürdigt ist Es ist nämlich die Wahr-
scheinlichkeit grösser, ein Kind, das bei seinem vorzeitigen
414 XXV. Verbandltiii^eii der Gesellscbaft
Athemversuchen noch Lebensfriscbe genug hatte, um trotz
seiner beginnenden asphyctischen Intoxication im Mutterieibe
kräftig zu schreien, und das kräftigste Lebenszeichen zu
anticipiren — werde'lebend geboren werden und nicht auf
den Sectionstisch wandern. In der That wird dies durch die
Erfahrung bestätigt. In einer Schrift von Kunze über Kindes-
mord, Leipzig 1860, sind 11 Fälle von Vagitus uterinus aas
der älteren Literatur mitgetheilt, von denen in sieben, also
in zwei Drittel der Fälle die Kinder lebend geboren wurden,
und bei den vier Todtgeburten kam ein Maldie Kephalotbrypsie,
drei Mal schwierige Wendungen u. s. w. zur Anwendung, die
Kinder starben also theils zweifellos , theils sehr wahrscheinlich
bei der Ausäbung der Kunsthälfe. Dennoch ist es zu be-
dauern, dass auch bei diesen vier Todtgeburten die Sectionen
nicht gemacht sind.
Viel häufiger als der Vagitus uterinus gehört wird, werden
bei der geburtshülflichen Untersuchung die vorzeitigen Athem-
bewegungen des Kindes direct gefühlt. Bei der Wichtigkeit
und dem Interesse der Erscheinung und der Mannichfaltigkeit,
wie sie zur Beobachtung kommt, theils als wirkliche inspira-
torische Hebungen des Thorax, theils als zuckende Bewegungen
des Kopfes oder der Extremitäten im Uterus selbst, in der
Scheide oder bei theilweisem Austritt des Kindes, habe ich
in allen Tabellen eine eigene Columne für die vorzeitigen
Athembewegungen angelegt, die einen genauen Einblick in
jeden einzelnen Fall gestattet. Danach sind vorzeitige Athem-
bewegungen im Ganzen bei 21 Procent direct diagnosticirt
worden, und zwar 10 Mal in der Tabelle A, bei 25 fort-
lebenden Kindern, 10 Mal in der Tabelle B. bei 57 Todt-
geburten und ein Mal (Tabelle (7.) bei 10 sterbendgeborenen
Kindern.
Wir haben nun noch einen Blick zu werfen auf die
Resultate unserer Tabellen in Bezug auf das Canalsystem der
Lungenblntgefasse. Bei allen Fällen, mögen die Kinder fötal
ertrunken oder fötal erstickt sein, oder mehr die Mischformen
von beiden Sectionsbefunden zeigen, finden wir Blutfulle der
Brustorgane verzeichnet, freilich in den allerverschiedensten
Gradationen, von der einfachen Hyperämie und Blutfulle an
bis zu dem eclatantesten Lungenschiagflusse. Gerade durch
far Gebortübillfe in Berlin. 415
die parallele NebeneinandersteUung aller dieser und so vieler
Gradationen bei gleichartigen Fällen glaube ich im Stande za
sein, einige positive Aufklärungen über eines der hervor-
ragendsten Symptome, die Petechialsugillationen zu geben.
Man war bisher gewohnt, die Petechialsugillationen als das
gewöhnlichste und constanteste Erstickungs- oder wenn man
will Hyperämie - Symptom in luftleeren oder nur theilweise
lufthaltigen Lungen anzusehen, wie sie ja auch bei Erstickungen
schon lebend gewesener Kinder so häufig und selbst bei er^
stickten Erwachsenen nicht selten sind. Dass hingegen die
Petechialsugillationen trotz des zweifellosesten fötalen Erstickungs-
und Ertrinkungstodes fehlen können und nicht vorhanden
zu sein brauchen, ist eine Thatsache, die wir ausdrucklich
hervorheben müssen, da sie bisher noch nirgends genügend
gewürdigt, ja geradezu in Abrede gestellt worden ist. So
sagt Liman in einem Aufsatze: „Ueber die forensische Be-
deutung der punktförmigen Ecchymosen*' (in Gasper^s Viertel-
jahrsschrift, Heft I., Januar 1861): „So oft bisher bei
Erstickungen vor und unter der Geburt instinctive Athem-
bewegungen beobachtet wurden , denen der Tod folgte, hat man
subseröse Ecchymosen, sowohl in den Brustorganen, als auch
oft in weiter Verbreitung auf die Unterleibsorgane gefunden.'* —
Dies ist positiv falsch. Unsere Tabellen liefern den Beweis,
dass sich 18 Mal unter 75 Sectionen, also bei 24 Procent,
keine Petechialsugillationen fanden, und zwar fehlen sie,
wie die nähere Einsicht dieser 18 Fälle ergiebt, bei den
allerverschiedensten Ursachen der Unterbrechung des Placentar-
kreislaufes und des Geburtsvorganges sowohl beim fötalen
Ertrinkungstode, als beim Erstickungstode, als bei den Miscb-
formen von beiden, trotzdem die übrigen Zeichen dieser
Todesarten au^*s deutlichste ausgeprägt sind. Schwartz, unter
dessen Beobachtungen sich neun FMle dieser Art finden, und
Breisky, der vier Fälle dieser Art erzählt, habeti die That-
sache nicht besonders hervorgehoben. An diese dreizehn Fälle
schliessen sich fQnf Fälle unserer eigenen Beobachtung.
Eine andere Thatsache über die Petechialsugillationen
müssen wir ebenfalls hervorheben, dass sie nämlich in einzelnen
Fällen noch vorhanden sein und als bleibendes Residuum
einmal dagewesener Athemnoth gefunden werden, ohne dass
416 XXV. VerhandlmigeD der Gesellschaft
das Kind an Erstickung gestorben, während der Tod viekaeiir
aus jeder beliebigen anderen Ursache, Iheils mit dem Processe
in Verbindung stehend, theils nicht mit ihm zusammenhängend
erfolgt sein kann.
Da nämlich die durch vorzeitige Athembewegungen ein-
geleitete Lungenstase eben so wenig in allen Fällen zum Tode
führt, als die Aspiration der Fruchtwässer, da man zweifellos
das Vorhandensein und die demnächstige Rückbildung der
Lungencongestion bei allen aspbyctisch geborenen Kindern
annehmen muss, die nachher wieder zum Leben erwachen,
so muss man für derartige Fälle die einzelnen Zeichen der
Lungenblutfülle wohl unterscheiden:
1) in solche, die binnen Kurzem, ohne irgend welche
Spuren zurückzulassen, schwinden können,
2) und in solche, welche ^ie deutlichen Spuren ihres Be-
stehens noch einige Zeit hindurch erkennen lassen.
In die erste Gruppe gehört unfehlbar jedes Blutquantum,
welches noch nicht die Gefassbahnen selbst verlassen hat —
kommt die normale extrauterine Respiration in Gang, wird
die ganze Circulation eine freiere, so schwindet diese Blut-
anhäufung innerhalb der Gefasse sicher schnell.
In die zweite Gruppe gehört dagegen jeder Tropfen
Blutes, der wo immer aus dem Lumen gerissener Gefass-
oder CapillarverzweigUDgen ausgetreten ist, die Sugillationen,
kleinen Apoplexien und Suffusionen. Diese bedürfen sicher
des Zeitraumes mehrerer Tage zu ihrer Resorption.
Sie können sich daher sehr wohl als isolirtes und nicht
verwischtes Symptom in Leichen von Kindern finden, die
vorzeitige Athembewegungen gemacht hatten, ohne gerade
daran zu Grunde zu gehen, und wenige Stunden oder selbst
Tage nach der Geburt aus anderweitigen beliebigen Ursachen
gestorben * sind. In sofehen Fällen gestattei> die kleinen
noch nicht 'resorbirten apoplectischen Ergüsse natürlich keine
andere Scblussfolgerung, als die: auf einmal stattgehabte
Athemnoth: mit Wahrscheinlichkeit auf Athemnoth wäbr^d
der Geburt.
Die Section eines Kindes, dessen Geburt und kurzes
Leben ich beobachtete, gab mir Gelegenheit, das Bleiben der
Petechidsugillationen als einziges Zeichen verfrühter Athem-
för Qebartshfilfe in Berlin. 417
versocbe za constatiren, wIKbrend der Tod erweislich aus
anderer Ursache erfolgt war.
Am 11. December 1859 extrahirte ich bei einer Multipara
das bereits seit vier Stunden in Steisslage unbeweghch über
dem Beckeneingange stehende Kind wegen Vorfalles einer
kleinen Nabelschnurschlinge, Abgang von Meconium und
Langsamerwerden der FötalpulsaUon durch Herabholen eines
Fusses. Als der Rumpf entwickelt war und der Kopf noch
im Becken steckte, folgten drei bis vier deutlich sichtbare
ins[Mratorische Hebungen des Thorax. Der Kopf folgte mühsam
dem gewöhnUchen Handgrifie. Das Kind war asphyctisch,
wurde indess durch kalte fiegiessungen im warmen Bade zum
Leben gebracht Das schwächliche Kind schrie wenig und
starb drei Stunden nach der Geburt.
Section 32 Stunden p. m. Fäulnisssymptome gering.
Alle Zeichen der beinahe vollständigen Reife, Stand des
Zwerchfelles zwischen der fünften und sechsten Rippe.
Leber und Nieren massig bluthaltig, desgleichen die grossen
Gefasse des Unterleibes. Rectum und Blase halb gefüllt Die
Ränder der Lungen überragten den Herzbeutel und lag^ klar
zu Tage. Die Farbe der Lungen war eine hellbraunröthliche,
überall marmorirte, an den hinteren Partieen wenig dunkler.
Beid^ Lungen waren mit zahlreichen stecknadelknopfgrossen
Petechialsugillationen bedeckt, die sich auch auf der Aorta
fanden. Bei Einschnitten in die Substanz überall reichlicher,
m
massig blutiger Schaum und wenig Blut Vollständige Schwimm-
fähigkeit in allen einzelnen Tbeilen, Knistern, reichliche Luft-
blasen bei Einschnitteo unter Wasser. Die Lungen hatten
also vollständig geathmet, waren aber trotz der Petechial-
sugälationen wenig blutreich.
Herz in allen vier Höhlen eine massige Menge dunkel-
flüssigen Blutes enthaltend.
Die wdcben Schädelbedeckungen normal, nirgends eine
Kopfgeschwulst vorhanden. Schädelknochen unverletzt Gehirn-
häute sehr bluthaltig und stark injicirt Gehimsubstanz selbst
sehr blutreich. Beide Seitenventrikel waren strotzend mit
dunkelschwarzen Blutcoagulis gefüllt, ihr Ependym stark injicirt
Die Basis des grossen Gehirns war überall mit dunklem
MoD»to«obr. f. G«burUk. 1888. Bd. ZZII., HA. 8. 27
418 XXV. Verhandlatigen der Gesellschaft
Biutextravasate bedeckt, das 'sich schwer von der darunter-
liegenden Hirnsubstanz abwischen Hess. Das Mittelgehim stark
bluthaltig, im vierten Ventrikel ebenfalls Blutcoagulum. Das
kleine Gehirn sehr bluthaltig, desgleichen die Sinus der Schädel-
höhle. Schadelgrundfläche unverletzt.
Die direct beobachteten vorzeitigen Athembewegungen
hatten also zahlreiche Petechialsugillationen ohne sonstige
Hyperämie der Lungen zurückgelassen, und der Tod war
nach vollständig eingeleitetem Alhmen drei Stunden nach der
Geburt an exquisiter Apoplexia sanguinea cerebralis erfolgt,
die wahrscheinlich schon unter der Geburt entstanden war.
Schliesslich haben wir in unseren Tabellen noch die
Complicationen der Sectionsbefunde zu berücksichtigen. Es
finden sich 37 Mal unter 75 Sectionen, also fast in der
Hälfte der Fälle wichtige Complicationen in inneren Organen,
und zwar ist die weitaus häufigste unter diesen Apoplexia
cerebralis, grössere oder geringere Biutextravasate auf der
Oberfläche oder im Innern des Gehirns: 21 Mal, d. h. bei
28 Procent der Gesammtfalle von 75 secirten Rindern. Ein-
fache Gehimhyperämie, ohne dass es zu einer Gefasszerreissung
gekommen wäre, ist sieben Mal notirt. Drei Mal finden sich
beträchtliche Blutergüsse in die Bauchhöhle, von denen ein
Fall mit Gehimapoplexie vergesellschaftet ist, drei Mal Blut-
ergüsse in das Duodenum (zwei Mal von Hirnblutung begleitet)
und ein Mal ein beträchtlicher Bluterguss in das Cavuro
mediastini antici.
Es weisen alle diese Complicationen, die beinahe die
Hälfte der Fälle von Geburten mit Unterbrechung des Placentar-
kreislaufes begleiten, darauf hin, dass die ältere Anschauung
von der Blutfülle und Schlagflüssigkeit der kindlichen Organe
durch Druckmomente des Kindes und der Placenta ihre gute
Berechtigung hat und auch heutigen Tages noch als causales
Moment mit verwerthet werden darf, sie aber, wie es früher
geschehen, zur allein gültigen machen zu wollen und mit ihr
die so einfache Krahmer'sche Theorie läugnen und verwerfen
zu wollen, scheint mir, einer so grossen Reihe von Fällen
gegenüber, wie die von uns tabellarisch verwertheten, unstatthaft
Alle anatomischen Befunde der Brustorgane erklären sich leicht
und ungezwungen, sobald man die inspiratorischen Hebungen
für OebnrtaliiUf« in Berlin. 41g
des Th<irax, als eines Pumpwerkes für zwei Canalsysieme,
als die physiologisch erste und nothwendigste Folge jeder
Unteii>rechung des Placentarkreislaufes aonimmt.
Herr KriHdler knöpft hieran folgende Bemerkungen:
Sowohl in dem eben gehaltenen Vortrage des Herrn Boehr
als auch in den Arbeiten anderer Autoren über diesen Gegen-
stand scheint mir jenes Druckverhältniss , unter welchem ein
vom Uterus eingeschlossener Inhalt sich befindet, nicht ge-
nügend berücksichtigt worden zu sein. Dieses Druckverhältniss
entsteht aus der Gegenwirkung zweier Kräfte, nämlidi der
wachsenden Frucht und des sich vermehrenden Liquor amnii
einerseits und des sie umscliliessenden Fruchthälters anderseits.
Da der Uterus in den letzten Monaten der Schwangerschaft
keiner grossen Massenzunahme mehr unterworfen ist, sondern
sein bis dahin durch wirkliche Gewebsverroehrung entstandenes
Volumen nun ausreichen muss, das noch wachsende Ei zu
umschliessen, so wird nothwendig die Spannung der Uterus-
fasern eine immer strafiere werden und das Druckverhältniss
zwischen Ei und Uterus bis zur Geburt stetig fortschreiten.
Dass dieses Druckverhältniss vorhanden, ist ja anerkannt,
und ich will hier nur an zwei Umstände erinnern, welche,
weil sie das physikalische Verhältniss deutlich darlegen, ffir die
vorliegende Frage besonders brauchbar sind. Dass sich nämlich
erstens der Uterus als ein fester elastischer Körper von
bestimmter Grösse und bestimmter Form durch die Bauch-
decken durchfühlen lässt, rührt von Druck und Gegendruck
zwischen Uterus und Ei her: denn denken wir uns dieses
Verhältniss plötzlich aufgehoben, das heisst, den schwangeren
Uterus von seinem Inhalte plötzlkh befreit, wie dies ja
zuweilen bei einer präcipitirten Geburt vorkommt, so zieht
sich der Uterus sofort auf ein kleineres Volumen und
auch zu einer anderen Formgestaltung zusammen, und das
extrauterinär befindliche, unverletzte Ei nimmt ebenfalls eine
andere Gestaltung an, welche namentlich durch die Be-
schaffenheit der dasselbe umgebenden Körper bedingt ist
Einen zweiten Beweis erhalten wir, wenn das zwischen Uterus
und Ei bestehende Druckverhältniss sidi auf einen dritten
Körper überträgt, was wir in jenen seltenen Fällen von
27*
420 XXY. Verhaodliingeii der OeaellschAft
2wiUmg88chwangerschaft beobachten können, wo der eine
ZwiUing in einem früheren Stadium zu Grunde geht, nicht
ausgestossen wird und endlich als ein plattgedrückter Körper
neben dem reifen Zwillinge geboren wird. — Dieser Druck
zwischen £i und Uterus befindet sich während der Schwanger-
schaft in einem physiologischen und physikalischen Aequiiibrium;
mit der Aufhebung dieses Aequilibrii beginnt eben die Gdivurt
Betrachten wir nun mit Rücksicht auf die Toriiegende
Frage, welche Wirkung der Druck des Uterus auf den
Liquor amnii und auf die Frucht ausübt.
Die Frucht lebt im Liquor amnii so yollständig von ihm
umschlossen und umgeben, wie wir in der Atmosphäre, nur
mit dem Unterschiede, dass der Druck, den der Fötus im
Liquor amnii zu ertragen hat, stärker ist, als ein Atmosphären-
druck, denn es addirt sich ja zu dem Atmosphärendrucke,
unter dem schon der mütterliche Körper steht, nodi der
besondere Druck der gespannten Uterusfasern. So wie wir
uns nun im extrauterinen Leben keinen luftleeren Raum denkea
können, es sei denn in einem hermetisch abgeschlossenen
Körper, so dürfen wir uns auch im intrauterinen Leben
keine Höhle des Fötus ohne Liquor amnii denken, es sei denn
eine solche, welche durch einen wasserdichten Verschluss für
den Liquor nicht zugängig sei. Die Pleurahöhle also z. B.
kann unter normalen Verhaltnissen nicht mit Fruditwasser
gefüllt sein, die Nasenhöhle aber, die Rachenhöhle u. s. w.
muss beim Fötus ebenso mit Wasser gefüllt sein, wie diese
Höhlen bei uns mit Luft gefüllt sein müssen. Hieran ist ja
auch nicht zu zweifeln, denn wir finden im ganzen Daucanale
vom Munde bis After Theile, welche im Liquor amnii suspendirt
sind, welche in den Fötus durch Mund und Rachenöffhung
eindringen und von da aus, wie wir mit Wahrscheinlichkeit
vermuthen, durch Schlingbewegungen weiter beiordert werden.
Was nun die Frage anbetrifift, ob auch Liquor amnii
in die Athmungsröhren eindringe, so sehe ich keinen Grund,
dies zu verneinen, da der Eintritt des Liquor bei offener
Stimmritze eine physikalische Nothwendigkeit ist Nur zwei
Umstände könnten den Eintritt des Liquor hindern. Erstens
nämlich, wenn die Röhren als Hohlräume noch gar nicht
ttistiren, wenn also in der ersten Hälfte des fötalen Lebens
fiUr Oeburtohalfe in Berlin. 421
wegen der Weichheit der Knorpelgrundlage vordere und hmtere
Wand der Trachea eng gegen einander liegen. Em zweiter
ümatand wäre, dass der Kehlkopfverscbluss während des
ganzen Fötallebens ein wasserdicht abgesperrter sei. Dies ist
aber nicht der Fall, denn wir linden ja in den Luftwegen
nicht selten Liquor amnü und solche Dinge, die in ihm
suspendirt waren. Ergiebt sich nun ein solcher Befund, so
beweist dies vorläufig nichts Anderes, als dass die Rima
geöffnet war und Liquor aninii durch das oben geschilderte
Druckverhältniss ehigetreten sei; aus einem solchen Befunde
aber immer eine vorangegangene Athmungsbewegung
der Frucht beweisen zu wollen, scheint mir gewagt zu sein.
Zweckmässige Respirationsbewegungen bewirken nicht nur ein
Oeffnen der Stimmritze, sondern auch ein Entfalten der Luflweg&
Wenn wir, wie dies die in den Boehr*s€hen Tabellen angeführten
Befunde ergeben, nur die knorpelichten Luftwege mit Liquor
gefüllt finden, so ist dies kein genügender Beweis für voran*
gegangene Athmung, weil an diesem Röhrensysteme keine
Entfaltung noth wendig ist Wenn nun Herr Boehr^ um das
Niditentfalten der feineren Luftwege zu erklären, aus seiner Sdurift
„lieber das Athmen der Kinder vor der Geburt** (Erlangen 1863,
Verlag von Palm u. Enke) S. 18 folgenden Satz heranzieht:
„Zwar hat man nicht ein Eindringen des Fruchtwassers in
das eigentliche noch unenlfaltete fötale Lungenparenchym zu
erwarten, denn das Wasser ist nicht elastisch und durchlässig
genug, um eine massenhafte Zertheilung in die unendlich
vielen im entfalteten Zustande je nur Vi^ — % Linie im
Durchroesser haltenden und überdies noch nie ausgedehnten
Lungenbläschen zuzulassen — dazu bedarf es ein«* so hohen
Elasticität und Dünnflüssigkeit, wie sie nur gasartige Fluida
(und in specie die atmosphärische Lud) besitzen;" so kann
ich ihm das nicht zugeben. Der Liquor amnü enthält einen
so geringen Procentsatz fester Bestandtheile, dass er sich
allerdings in seinem physikalischen Verhalten dem Wasser
vergleichen lässt Wasser ist aber viel zertheilbarer als es
Herr Boehr darstellt Ich erinnere an das Durchtreten des
Wassers durch die mikroskopischen Oeffhungen pflanzlicher
und thieriscber Gewebe, an die Erscheinung der Ex- und
Ettdosmose, und man wird mir zugeben müMai, dass, alw
422 ^^V. VerhAndlangen d«r Gesellschaft
gesehen von den im Liquor schwimmenden gröberen Stücken
Vernix, Meconium etc., aus der geringen Zertheilbarkeit des
Liquor kein Grund für das Nichteindringen in die feinerai
Luftwege zu entnehmen ist Ich glaube den ScUuss tfaun
zu müssen, dass, würde nur der Fötus im Liquor durch
Entfaltung der feineren Luftwege mittels zweckmässiger so-
genannter Respirationsbewegungen leere Räume bilden, so
würde nothwendig auch in diese Räume Liquor amnii eintreten.
Da wir nun aber das eigentliche Lungenparenchym frei finden,
da für die Entfaltung der gröberen Luftwege aber sogenannte
Atbembewegungen nicht nothwendig sind, so durfte es wohl
gerechtfertigt sein, auf das Verhalten der Rima und auf das
Dr^^kverhältniss des Uterus als auf zwei sehr wichtige
Factoren für die Füllung der Tracbealwege hinzuweisen, nnd
es wird auf diese Factoren um so grösseres Gewicht zu legen
sein, als ja, wenn die ^oeAr^sche Anschauung von der ge-
ringen Zertheilbarkeit nicht stichhaltig wäre, damit eine
grosse Stütze der von ihm vertheidigten Theorien fiele.
Es sei mir noch gestattet, auf die mir voraussichtlich
bevorstehende Entgegnung einzugehen, dass jsP unter den
obwaltenden Druckverhältnissen die Tracheen aller Früchte mit
Liquor amnii gefüllt sein müssten , so wie femer auf die Frage,
in welcher Verbindung dann die Unterbrechung der Placentar-
circulation mit der Trachealfullung stände.
Schwartz behauptet in seiner vortrefflichen Arbeit: „Die
vorzeitigen Atbembewegungen" (Leipzig, Breitkopf u. Härtet,
1858) S. 228, dass er bei normal und völlig lebensfrisch
Geborenen die Hundhöhle stets frei von fremdem Iifhalte und
das Athmungsgeräusch völlig rein fand. Obwohl ich nun vor
der Sorgfältigkeit und Treue eines Beobachters wie Schwartz
alle Achtung habe, so muss ich doch sagen, dass ich
abweichende Erfahrungen gemacht, d. h. dass ich nadi
normalen Geburten und bei gesunden Neugeborenen
die Mundhöhle nicht immer rein gefunden habe, dass ein
kräftiges und regelmässiges Athmen bei einigen erst begann,
nachdem ich Schleim aus der Mundhöhle entfernt hatte , dass
bei anderen wieder neben dem Schreien auch Rasselgeräusche
zu hören waren, und dass diese Kinder kein Zeichen irgend
einer Krankheit weder bei der Geburt noch in den folgenden
für Gaburtshülfe in Berlin. 423
Tagen an sich trugen. Wenn die TrachealfüUung aber bei
normalen Geburten und lebensfrischen Kindern seltener gefunden
wird, so erinnere ich, dass in der Mehrheit dieser Fälle die
Kopflage vorwaltet, dass aber in dieser Lage der Liquor amnii
nicht bloss nach den Gesetzen der Schwere während der
Geburt aus den Luftwegen leicht ausüiesst, sondern dass die
Geburtscontractionen durch ihren Druck auf den Brustkorb
während des Durchtrittes durch Muttermund, Scheide und
Vaginalöllhung diese Entfernung des Liquor amnii noch be^
fördern. Der geringe Rest des Liquor amnii, welcher nun
noch in den Bronchien zurückgehlieben ist, findet aber an
der Terhältnissmässig nicht unbedeutenden Fläche , welche
sich nach der Athmung durch die Entfaltung des Lungen-
parenchyms entwickelt eine so grosse Vertheilung, dass seine
Anwesenheit sich leicht der Wahrnehmung entziehen kann. —
Was nun aber die so häufig vorkommende Verbindung zwischen
gestörter Placeniarcirculation und gefüllten Luftwegen an-
betrifft, so scheint es mir sehr natürlich zu sein, dass
lebensschwache oder gar schon sterbende Früdite mit ge-
lähmten S^hincteren der physikalischen Wirkung des von mir
herangezogenen Druckverhältnisses und dem Eindringen von
Fruchtwasser viel mehr ausgesetzt sein müssen, als gesunde
und kräftige Fruchte. Dieselbe Lähmung, welche den Austritt
des Meconii gestattet, wird wahrscheinlich auch den Eintritt
des Meconii in die Trachea begünstigen. Gesellen sich zu
dieser Lebensschwäche der Frucbt, zu dem Offenstehen der
Zugänge noch stürmische Geburtscontractionen, so werden
hierdurch gerade die günstigsten Bedingungen für die Füllung
der Trachealverzweigungen gegeben sein.
Ich glaube also, dass wenn man bei der Auslegung von
Sectionsbefunden auf jenes Druckverhällniss niemals Rücksicht
nimmt, man einen sehr wichtigen Erklärungsgrund vernachlässigt,
und dass, wenn man die Befunde der ^o^Ar'schen Tabelle
auch von meinem Standpunkte aus interpretiren wollte, es sich
sehr ungezwungen erklären liesse, warum sehr oft Füllungen
der Trachealverzweigung stattfinden, ohne dass irgend welche
Athmungsbewegungen beobachtet werden, ferner, warum bei
Fällen, wo stüi^mische Wehen verzeichnet sind, auch die
TrachealfüUung eine reichlichere und ausgedehntere ist, und
424 XXV. yerhandlnngen der Gesellschaft
warum endlich da, wo die Weben schwach sind, oder wegen
plötzlichen Todes der Mutter sich erst gar nicht entwickele,
auch die Füllung der Luftwege sehr gering sei oder voll-
ständig fehle.
Herr Martin erklärt sich gegen die Ansicht von Sehtoartz^
dass bei normal und lebend geborenen Kindern kein Schleim
im Munde oder in den Luftwegen vorhanden sei. Er halte
das Gegentheil für die Regel und unterlasse niemals den
Hund des Neugeborenen sofort nach der Geburt zu reinigen.
Auch rasselndes Athmen sei gar nicht selten und so könne
man diese Phänomene also nicht als Zeichen nahenden Todes
auffassen. Gegen Herrn Kristeller mässe er einwenden,
dass es doch ein Unterschied sei, ob wir Liquor amnii in den
Luftwegen finden oder ob sie Schleimmassen und Meconiuro
enthalten. Meconium träte wohl erst in der Geburtsperiode
aus dem Afler und falle dann nach den Gesetzen der Schwere
nach unten, also in der Mehrzahl in die Nähe des Mundes.
Da nun nach Herrn Kri8teüer*s Meinung der Druck des
Uterus die Bronchien bereits mit Liquor amnii gpföUt habe,
so sei kein rechter Grund ersichtlich, wie dieser Druck nach-
träglich noch Meconium in den Bronchien drucken solle, es
sei denn, dass ihm eine freiwillige Inspirationsbewegung des
Fötus entgegen käme.
Herr Kristeller entgegnet, dass dieser Einwand erstens
Herrn Boehr*s Theorie zum Theil gar nicht berühre, denn
er frage Herrn Boehr, ob er nicht die Erfüllung der Bronchien
nur mit Liquor amnii schon für einen ausreichenden Beweis
des stattgehabten Athmens ansehe; zweitens aber können zähe,
glasige, verschiedenartig gefärbte Schleimmassen in den Luft-
wegen erzeugte Krankheitsproducte sein, und brauchen nicht
gerade durch Aspiration eingetreten zu sein, endlich halte
er es nicht für unmöglich, dass turbulente Wehen auch
Meconium in die Luftwege hineingetrieben.
Herr Boehr giebt zu, dass die von Herrn KristeUer
vertretene Anschauung in theoretischer Beziehung viel Wahr-
scheinliches für sich habe, dennoch lägen positive Beweise
dafür nicht vor; vielleicht könnten Sectionen schwangerer
Thiere darüber Auskunft geben.
für Gebnrtshftlfft in BerliB. 426
Wert Martin bemerkt, dass derartige Versuche gemacht
seien. Man habe den schwangeren Uterus von Thieren einem
solchen Kältegrade ausgesetzt, dass der Inhalt desselben
gefroren sei und habe dann bei der Eröffnung ebenfalls
Fruchtwasser in den Bronchien des Fötus gefunden.
Herr Boehr: Er halte den Streit über das normale
Vorhandensein von Fruchtwasser in den Bronchien fär eben so
müssig, wie den alten Streit darüber, ob das Capillarsystem
der Pulmonararterien (die Bahn des kleinen Kreislaufes) während
des Fötallebens absolut leer sei und nur dieVasa propria nutritia
der Lungen (die aus der Aorta entspringenden Bronchialarterien*
gebiete) Blut föhren. Wie man in diesem Streite trotz des
Nichtvorhandenseins des kleinen Kreislaufes zugeben milsse,
dass auch die Pulmonararterienbahn schon in geringer Menge
Blut führe, und es dennoch zweifellos gewiss sei, dass erst
mit den ersten Athemzügen die kleine Kreislaufsbahn in er-
heblichem Maasse mit Blut vollgepumpt würde, so sei es
auch sehr wohl möglich, dass die Bronchien während des
Entwickehmgslebens des Fötus im Fruchtwasser eine geringe
Quantität dieser Flüssigkeit enthalten, und sei diese Quantität,
deren Erheblichkeit er aus dem Grunde der eng aneinander
liegenden Bronchialwandungen bezweifle, als der physiologischen
Breite der Gesundheit entsprechend aufzufassen. Sobald indess
eine grössere Quantität der Flüssigkeit, zumal mit den speci-
fischen Beimengungen, dem glasigen Schleime, den Bestand*
theilen des Meconium etc. untermischt in den Bronchien sich
fände, so halte er diesen Befund für pathologisch und glaube,
dass sie durch Inspirationsbewegungen dahin gelangt seien.
Das Entscheidende für eine solche Deutung sei aber nur eins:
das gleichzeitige Vorhandensein einer Ueberfüllung der Pulmonar-
arterienbahn, wie ja denn auch in aUen Fällen, um die es
sich hier handele, die verschiedensten Grade des sogenannten
Lungenschlagflusses aufs Deutlichste ausgeprägt seien. Dies
deutet auf stattgehabte Respiration, welche ja die Blutzufuhr
in soldiem Maasse erst in's Werk setze, und daher werde
auch wohl die Annahme, dass die Bronchien auf gleichem
Wege, nämlich durch Athmung, mit Flüssigkeiten überfüllt
seien, nichts Gezwungenes hab^o. In den 47 Fällen der
Tabelle, wo der Befund angemerkt sei, haben sich, wie oben
426 XXV. V^rhandlangen d«r OeseHschaft
ausgeführt, 23 Mal meconiale Beimengungen, 24 Mal nur
Geburtsschleim oder Vernix caseosa in der Flüssigkeit suspendirt
gefunden. Möchte inmierliin dies einzelne Symptom an und
ffir sich Streit über die Art des Dahingelangtseins erregen,
ob durch Druck oder durch Aspiration, so glaube er doch,
wenn man die Fälle in ihrer Totalität betrachte, die Ueber-
füilungen der Lungenblutbahn, die Geburtsgeschichten, dass
Herrn Kri8teUer'& Zweifel gegen die Aspiration nicht gerecht-
fertigt seien.
Herr Krieger hält es zur Entscheidung der Frage zuerst
für nöthig, dass der stets in den Bronchien neugeborener Kinder
vorgefundene Schleim mikroskopisch untersucht werde. Erst
wenn das Mikroskop constant die Gegenwart von Epidermis-
Zellen nachweise, wie sie im Liquor amnii vorhanden seien,
so könne man das Eindringen von Fruchtwasser in die
Bronchien als eine regelmässige Erscheinung betrachten. Der
zweite Theil der Frage indess, auf welche Weise es ein*
dringe, erkläre sich hierdurch nicht. Wir kennen die Grösse
des Druckes nicht, dem das Kind im Uterus ausgesetzt ist;
Herr Kristeller sage zwar, dieser Druck sei grösser als der
Druck einer Atmosphäre; wäre dies richtig, so müsste jedes
Kind nach der Geburt sofort athmen, weil nach Aufhebung
des grösseren Druckes der flüssige Inhalt der Bronchien sofort
heraustreten und das Eindringen der Luft ermöglicht werden
musste. Dies sei aber nicht in der Erfahrung begründet,
da in manchen Fällen das Athmen erst künstlich in Gang
gebracht werden müsse. Bei asphyctisch geborenen Kindern
seien regelmässig die Zeichen der Blutüberfullung vorhanden,
die sich, wie bekannt, nicht allein durch reichlichen Blut-
gehalt der Gefässe, sondern auch durch Extravasate, Ecchymoseu
unter der Pleura u. s. w. ausspreche. Finde man eine er-
hebUcbe Menge Liquor amnii in den Bronchien, so sei dies
ein Beweis für stattgehabte Athembewegung. Dies ergebe
sich z. B. aus den Ertränkungsversuchen an Tlüeren. Hielte
man Thiere mit dem Kopfe nnter Wasser, so schliesse sich
sofort die Rima glottidis, und es werde keine Erüränkungs-
flüssigkeit in den Bronchien gefunden; erst wenn das Thier
inspirirt habe, trete letztere in die Luftwege ein.
för Geblirtshfilfe fn BerKii. 427
9
Herr Winckel hebt hervor, dass alle von Herrn Kri$teUer
angeführten Beweise doch wohl nur bei unverletzten Eihäuten
gellen sollten. Wäre die Blase einmal gesprungen, so könne
von Druckwirkung nicht mehr die Rede sein, da das Frucht-
wasser dann eher nach aussen weiche.
Herr Kristeüer entgegnet: Auf Herrn Krieger^s erste
Bemerkung sei die Antwort schon gegeben, denn die Zu-
saromensetzung des Meconioms aus Epidermiszdlen u. s. w.
beweise, dass es aus verschlucktem Fruchtwasser seinen
Ursprung nehme. Herrn Boehr*» Einwand glaube er folgender*
maassen zu entkräften. Wenn sich die Bronchien erfüllt and
zugleich der kleine' Kreislauf entwickelt und mit Blut gefüiit
finden, so könne er dies doch nicht für einen unwiderleglichen
Beweis der Athmung gelten lassen. Wird beim intrauterinen
Fötus die Nabelschnur durch Vorfall, Umschlingung u. s. w.
comprimirt, so ist durch diese Compression ungefähr die
Hälfte der Blutbabn undurchgängig gemacht. Das Blut, vom
Herzen mit gleichem Drucke fortgetrieben, muss sich deshalb
nothwendig andere Bahnen suchen und wird sie am ehesten
im Lungenkreisläufe finden; dies sei ein rein mechanischer
hydrostatischer Vorgang und deute in nichts auf die Notfa-
wendigkeit einer Athembewegung. Man behaupte zwar sehr
häufig in diesen Fällen (wie sie bei der Wendung und Extraction
namentlich eintreten), die Respirationsbewegnng des Kindes
gefühlt zu haben, indess glaube er, dass man zu leicht jede
zuckende Bewegung des Kindeskörpers als inspiratorische
Anstrengung deute. Herr Winckel sei natürlich im Rechte;
eine unverletzte Blase sei allerdings vorausgesetzt, denn
später träte doch Luft hinzu und ändere alle Verhältnisse
wesentlich.
Uebrigens leugne er ja gar nicht, dass in häufigen Fällen
wirklich Athembewegungen stattgefunden haben mögen, aber
er wolle nur gegen die einseitige Auffassung aller
der angezogenen Fälle auftreten, unter denen ihm
viele nicht die Garantie wirklich auf diese Weise eingetretenen
Todes darböten.
Herr Boehr: Die Ansicht, die Herr Kristdler geäussert,
die UeberfüUung der Lungenblutbahn auch nicht als Beweise
428 ^^V. Verii«ii41iiagen der aeaelUeiiaft etc.
t
Stattgehabten Athmens gelten zu lassen, sondern als einfache
Schlagflfissigkeit anzusehen, sei sehr alt; sie sei vor dem
Auftauchen der KraJimer'^chen Theorie die allgemeine ge*
wesen. *Erst Krcthmery Hecker und Schwartz seien ihr
entschieden entgegengetreten und nur Scanzoni sei noch
bei der alten Anschauung stehen geblieben. Es scheine ihm
aber sehr gezwungen, für jedes der beiden Symptome,
welche in ihrer Combination von Kr ahmer ^ Hecker uud
Schwartz als Diagnose des Todes durch vorzeitiges Athmen
angesehen werden, eine andere und verschiedene Deutung
heranzuziehen : für die Ueberfüllung der Blutbahn die einfache
Schlagflössigkeit und für die Ueberfüllung der Bronchien das
ganz neue und gar nicht damit in Zusammenhang stehende
Moment des Hineinpressens, während sieh beide Phänomene
nach der Krahmer^schen Theorie leicht und einfach aus
einer Grundursache, den vorzeitigen inspiratorischen Hebungen
des Thorax erklärten. Uebrigens gebe er zu, dass in dem Ton
Herrn Krtsteller urgirten Punkte der zuckenden Bewegungen
der Kinder die Bezeichnungsweise derselben als vorzeitiger
Athembewegungen incorrect und eine ungenaue Ausdrucks-
weise seien. Nur die z. B. bei Wendungen deutlich gefühlten
Hebungen des kindlichen Thorax worden zweifellos und ia
correctester Weise als directe Diagnose vorzeitiger Atbem*
bewegung gelten müssen.
Hier wurde die Debatte abgebrochen.
XXVI. Hegair t Die Dnisen der Decidna etc. 429
XXVL
Die Drttsen der Decidua und die Hydrorrhoea
gravidarum.
Von
Dr. Alfred Hegar in Darmstadt.
Man kann sich wohl fragen, warum manche, sehr wichtige
geburtshülfliche Doctrinen, wie die Lehre vom Abort, von
der Frühgeburt, von der vorzeitigen Placentenlösung u. a. der
sicheren, wissenschaftlichen Barsis entbehren, wdche allein die
pathologische Anatomie zu bieten vermag, so dass die Fort-
schritte, welche die Medicin im Allgemeinen durch diese
Wissenschaft machte, hier vermisst werden. Die Ursachen
sind zahlreich. Ich will hier kurz einige derselben anführen,
weil sie sich direct auf den vorliegenden Gegenstand beziehen.
Es ist vor Allem nicht ganz leicht, sich das
Material zu anatomischen Untersuchungen zu ver-
schaffen. Sectionen von Schwangeren, welche das Produot
der Empfangniss in sich tragen, sind im Allgemeinen selten.
Man ist daher auf Eier beschränkt, welche bei einem Abort
oder bei einer Frühgeburl ausgestossen wurden. Das Ei gebt
nun selten in Zusammenhang mit allen seinen Hüllen ab.
Hat man nur einzelne Theile desselben vor sich, wie z. B.
die Frucht und den Nabelstrang, so gelangt man leicht zu
irrigen Schlüssen. Es ist unmöglich, zwischen primären und
secundären Affectionen zu unterscheiden und den Zusammen-
hang der Krankheitsprocesse in den einzelnen Gebilden des
Eies herauszubringen, sobald man dies nicht vollständig zur
Verfügung hat Es gelingt nicht selten, das nöthige Material
beizubringen, sobald man nur sorgfaltig alle abgegangenen
Massen, insbesondere die Blutklumpen, welche mit den Nach-
geburtstheilen und in den ersten Tagen des Wochenbettes
ausgeschieden werden, sammelt und auswäscht Man findet,
hierin versteckt und eingehüllt, oft gerade die Theile, welche,
wie z. B. grössere Lappen der Uterinschleimhaut, den patho-
logischen Vorgang am besten erklären. Die Untersuchung
430 XXYI. Ajtof , Die DriUeo d«r Decidmi
der Abgänge aus den Genitalien liefert überhaupt zuweileo
ganz überraschende Aufschlüsse. So wird der Abort d^
vierten und funiten Woche, der nicht ganz selten ist, fast
stets übersehen und mit anderen Krankheitszuständen ver-
wecliselt. Die sogenannte Hetritis haemorrhagica hat häufig
in einer Fehlgeburt oder in Retention von Eiresten nach
derselben ihren Grund. Hämorrhagieen nach Fehlgeburten,
welche kürzere oder längere Zeit nach dem Abgange des
Eies auftreten, lassen sich oft auf die Losstossung zurück-
gebliebener Reste der Decidua vera. odar Serotina zurückfuhren.
Es ist dies auch von praktischer Tragweite. Findet man
bei einem Abort der ersten Monate an dem in die Reflexa
gehüllten Ei gleichzeitig die Serotina und Vera oder wenigstens
grosse Bruchstücke der Decidua in den gleichzeitig oder etwas
später entfernten Blutklumpen, so ist man vor nachfolgender
bedeutender Hämorrbagie sicher. Sind dagegen grössere
Partieen der Decidua vera oder Serotina im Uterus zurück-
geblieben, so folgen noch Blutungen nach. Man kann daß
Verhalten der Kranken hiernach einrichten.
Manche Theile des Eies, wie insbesondere die
Decidua stellen der feineren, .mikroskopischen
Untersuchung erhebliche Hindernisse entgegen. Es
rührt dies davon her, dass, wie Robin sich ausdrückt, eine
äusserst zähe, amorphe Materie die einzelnen Gewebstheile und
Gewebselemente jener Membran mit einander verklebt, so
dass sie nur mit Mühe zu isoliren sind. Der Streit, ob die
Decidua organisirt oder eine amorphe Ausschwitzungsmembran
sei, hat lange gedauert.
Die ungenügende Kenntniss der normalen Ver-
hältnisse ist es endlich, welche die pathologische
Forschung am meisten erschwert. Man muss sidi
stets fragen: was ist normal und was ist krankhaft? Die
Entscheidung ist meist schwierig, oft selbst ganz unmöglich.
Bei einer Hydrorrhoe, welche im achten Schwangersebafts-
monate mit Frühgeburt endete, entdeckte ich in der Decidua
vera einen sehr entwickelten Drüsenkörper. In der Literatur
konnte ich keine genaue Beschreibung der Uterinscbleimbaut
während dieser Zeit der Gravidität auffinden. Ich versuchte,
mich durch eigene Untersuchungen über die Beschaffenheit
und die Hydrorrhoea gravidaram. 431
der Decidua and vorzugsweise ihrer Drüsen in den späteren
Schwangerschaftsepochen zu unterrichten und theile hier kurz
die gewonnenen Resultate mit
I. Die Drüsen der Decidua unter norinaleii VerhältnisseD.
Die Angaben über die Beschaffenheit der Decidua
in den späteren Schwangerschaftsmonaten lauten
sehr verschieden.
KbUiker (Entwickelungsgeschichte etc.) konnte in der
Mitte der Gravidität keine unveränderten Uterindrfisen mehr
vorfinden. Er nimmt an, dass die Buchten und Canäie,
welche, von den Siebiöchern der freien Schleimbautflache aus*
gehend, in dem der Muscularis zugewendeten Theile der
Hucosa blind endigen sollen , die veränderten Drüsen darstellen.
Er bemerkt ausdrücklich, die Vera bestehe in dem ersten
Monate, so zu sagen, aus Nichts als gewucherten Drüsen,
während man später nur äusserst wenig mehr davon wahrnehme.
In der Serotina konnte K. schon in der vierten Woche keine
Drüsen mehr auffinden.
Die älteren Autoren, wie Coste, Robin und F. KiUan,
welcher letztere freilich fast ausschliesslich an Thieren unter«-
suchte, geben eine wesentlich andere Beschreibung. Goste
schildert die Drüsen aus der Mitte der Schwangerschaft als
spiralig gewundene Röhren, welche Knäuel, ähnlich den Scbweiss-
drüsen, bilden. F. Küian (Henle und Pfeufer^s Zeitschrift,
9. Bd., S. 25) hatte einmal Gelegenheit, einen menaohlichen
Uterus vom vierten bis fünften Monate zu untersuchen. „Die
innerste Auskleidung bildete die eigentliche Decidua, haupt-
sächlich aus grossen, rückgängigen Drüsenschläuchen bestehend,
deren Zellen in dem ersten Stadium der Fettbildung sieh befanden.
Diese eigentliche Decidua war durch ein lockeres Bindegewebe
auf eine unterliegende Hautschichte geheftet, von der sie sich
leicht abziehen Hess, die äusserlich dieselbe Beschaffenheit,
wie die absterbende Decidua, darbot. Sie bestand jedoch bei
genauerer Untersuchung aus denselben, jedoch jungen* und
unreifen Elementen, welche in der eigentlichen Decidua im
Absterbungsprocesse begriffen genannt wurden. Namentlirh
fanden sich reichlich ganz junge Drüsenschläuche in diesw
432 XXVI. He^^r, Die Drüien der Deeidoa
zweiten Schichte der Schleimhaut vor." — Coste^ Bobin
und F, Kutan lassen vom vierten Monate an unter der
alten Schleimhaut eine neue entstehen, welche dieselben
Gewebstheile, nur in jungem und unreifem Zustande, enthälL
Zu meinen Untersuchungen über die Drüsen
des Uterus standen mir nur Schleimhautstücke zu
Gebote, welche bei Aborten mit oder nach dem
Ei ausgestossen wurden. Diese bilden überhaupt das
gewöhnliche Material. Bei der Benutzung desselben zu Auf-
schlüssen über das normale Verhalten der Glandulae utriculares
ist jedoch grosse Vorsicht nöthig.
Man kann sich nämlich leicht überzeugen, dass die
Decidua vera von Eiern aus einer und derselben
Schwangerschaftszeit in einer sehr verschiedenen
Form und besonders in verschiedener Dicke au&-
gestossenwird. Zuweilen bildet die Vera eine V/^ — 2 Milli-
meter dicke Membran, deren äussere Fläche nur leistenartige,
kleine Vorspränge oder ein maschiges, netzartiges Geföge
zeigL Meist ist die Membran jedoch dicker, bis zu
3 — 5 Millimeter, und auf der äusseren Fläche mit zahlreicbea
Erhabenheiten besetzt, welche gewöhnlich mit breiter Basis
entspringen und nach der Spitze zu sich verschmälem, so
dass sie Höckern oder Zotten gleichen. In den früheren
Monaten springen dieselben gewöhnlich stark über das Niveau
vor, in der späteren Zeit sind sie flacher. Auch auf dieser
äusseren, abgerissenen Fläche sind stets mit blossem Auge
und mit der Loupe zahlreiche, runde oder ovale Löcher zu
erkennen.
In einer dritten Reihe von Fällen bemerkt man, sobald
die Membran unter Wasser gesetzt ist, zahlreiche weisse
oder gelbweisse 2 — 5 Centimeter lange, zuweilen
mit Anschwellungen versehene Fäden, welche, auf
jenen Unebenheiten aufsitzend, mit ihrem freien Theile in der
Flüssigkeit flottiren. Hat man ein ganzes Ei vor sich, so
wird man diese Gebilde stets am Placentarrande und in
dessen Nähe in grösster Zahl und Stärke wahrnehmen.
Bringt man einen solchen Faden unter das Mikroskop, so
^ieht man an der Wand zwei bis drei Reihen lang-
gestreckter Kerne« welche in den späteren Schwangerschafts»
und du Bjdrorrhoes graTidAmm. 4d8
moDaten faserig ausgezogen erscheinen. Den Inbah bildet ein
kleines Pflasterepitbel oder eine ganz amorphe,
fettreiche oder eine amorphe, mit zahlreichen
Kernen versehene Masse. Um das Epithel klar zur
Anschauung zu erhalten, muss man sehr frische und möglichst
normale Objecto benutzen. Eine £arminl6sung lässt Kern und
Zellenwand besser hervortreten. Die Dräsenröhre ist oft so
vollgepfropft, dass man nur die dichtgedrängten Kerne deutlich
sieht. Im vierten Monate konnte ich die Epithelzellen noch
•wofalerhalten darstellen. Im fünften und sechsten Monate
dagegen bestand der Inhalt aus einer molekular zerfallenen
Masse mit und ohne Kerne. Ich muss übrigens bemerken,
dass ich in dieser Zeit nur an Präparaten untersuchte, bei
welchen die ganze Decidua offenbar in einem vorzeitigen
Varfettungsprocesse begriffen war. — Zuweilen sieht man in
der Wand eine Querstreifung, welche von der Gegenwart
circulär verlaufender, langeausgezogener Kerne bedingt scheint,
welche auch Kilicm an den Drüsen einiger Thiere beschreibt.
Manchmal ist der Inhalt in Form von Epithelcylindern aus-
gepresst, und es gelingt wohl auch die Dräsenröhre mit ziemlich
freien Lumen sichtbar zu eriialten, so dass die Contouren
der Wand sehr scharf hervortreten. Die scheinbaren Knoten
und Anschwellungen sind durch Windungen hervorgebracht.
Leider wird das Studium dadurch sehr erschwert, dass häufig
Theile des interstitiellen Gewebes fest an der Aussenwand
kleben.
Die letztbeschriebenen Objecto sind es nun,
welche man zu Untersuchungen über den Drüsen-
körper der Schleimhaut am besten benutzt Hat
man Deciduen vor sich , welche nur in ihren oberflächlichsten
Lagen ausgestossen wurden, so sieht man auf der freien
Schleimhautfläche die Sieblöcher, welche in weite Buchten
und Kanäle führen und hält diese für die einzigen Ueben*e8te
des mächtigen Drüsenkörpers des ersten Schwangerschafts-
monates. Die Anwesenheit der runden oder ovalen Löcher,
welche offenbar dem Lumen der abgerissenen Glandulae
utriculares angehören, sollte schon diesen Irrtbum vermeiden
lassen.
Monatocehr. f. Oebartok. ISQS. Bd. XXn., Hfl. 6. 28
m
434 XXVI. Eegw^ Di« DrüMB der Deaidna
Während sich die Dräsen aus den tieferen Lagen der
Mucosa in jener Art nicht seilen gewissennassen durch eine
Art naturlicher Präparatien, sehr gut präsentiren, ist ihre
Gegenwart und ihr Verlauf in den oberflächlichsten
Schichten viel schwieriger su erkennen. Man bat
vielfach mit Durchschnitten irischer oder getrockneter Prä-
parate gearheitet Dies ist die gewöhnliche Methode« welche
man auch- am Uterus nach Sectionen in Gebrauch sog.
Allein sie liefert keine guten Resultate. Man taiirt z. B.
hiernach die Länge der Drusen viel zu gering, auf 3 — 4
während sie bis zu 5 Centimeter beträgt Es rährt dies
davon her, dass die Drüsen sich vielfach winden und bald
senkrecht, bald schief, bald parallel zur freien Sehleimbaul-
fläche verlaufen, so dass man bei Durchschaitten immer blos
kleinere Segmente zahlreicher Drüsen erhält, welche in den
verschiedensten Richtungen sich kreuzen und oft schwer mit
Sicherheit als solche zu erkennen sind. Man kann bei
Durchschnitten oft genug nur sehen, dass die Decidua aus
äusserst verschiedenen Gewebselementen besteht , welche
scheinbar ohne bestimmte Anordnung neben einander
lagern. Ich versuchte, die Drüsenröhre, ausgehend von der
rauhen Schleimhautfläche, dadurch zu verfolgen, dass ich
das Gewebe nur mit Nadeln auseinanderzog und ohne viei
Präparation unter das Deckglas brachte und zusammenpresste.
Man erhalt hierdurch oft sehr schöne Bilder und kann schon
mit blossem Auge oder mit einfacher Loupe die Drüse im
Gewebe erkennen. — Die Röhre windet sich, sobald sie in
eine Unebenheit der rauhen Fläche eintritt, in zahlreichen
Spiraltouren, und es wird so der Höcker nicht selten durch
den Knäuel einer einzigen Drüse constituirt. Meist treten
jedoch mehrere in seine Zusammensetzung ein. Zuweilen ist
jedoch der Höcker der abgerissenen Schleimhautfläche auch
durd) enorm erweiterte Drüsenröhren gebildet, und es kano
hierdurch zu Kystenbildungen kommen, wie ich sie in meinen
Beiträgen zur Pathologie des Eies etc. bereits beschrieb. Es
ist mir sehr wahrscheinlich, dass die Drüse in den tiefsten
Stellen der Mucosa ebenfalls in Windungen liegt Die Drei
flotlirenden Drüseniaden besitzen fast stets eine Neigung sich
OBd die Hydro rrlioaa graTidaram. 486
zuBammeiizurolleD and sind oft knotig angeschwoUen, was
von Windungen bedingt ist
Am schwierigsten ist die Drüse in der zunächst der
freien Schleiml^autfläche liegenden Gewebsschichte zu erkennen;
besonders ihr Verhdliniss zu den Sieblöchern ist schwer zu
eruiren. Ich kann mich über diesen Punkt nicht mit Sicher-
heit aussprechen, da mir die gemachten Durchschnitte keine
Märe Anschauung gaben. Es schien mir, als ob die Dnisen
mit verengertem Lumen ^ dichtgedrängt und oft parallel neben
einander herlaufen, um endlich in grösserer Anzahl in die
von dem Sieblocbe ausgehende Bucht einzumünden. Ich glaube
nicht, dass man diese als das erweiterte Endstück einer
Drüse betrachten darf. Wahrscheinlich ist sie das Product
der Erweiterung zahlreicher Drüsenstücke mit Confluenz ihrer
Scheidewände. Besteht ein Isolcher Rareficirungsprocess in
den tieferen Schleimhautschichten, so kann es zu jenen,
bereits erwähnten Kystenbildungen kommen.
Was die Schwangerschaftszeit betrifft, bis zu
welcher die Drüsen noch als lange Schläuche sich
präsentiren, so reichen meine Untersuchungen
bis in den sechsten Monat Sie stehen in dieser Zeit
weniger dichtgedrängt, die Kerne der Wand sind schmäler,
länger ausgezogen, der Inhalt zeigt keine deutlichen Epithel-
zellen. Er bildet eine molekulare Masse, in welcher jedoch
meist zahlreiche Kerne sichtbar sind. Wenn ich jedoch
bedenke, dass ich nur Präparate aus dieser Zeil vor mir
hatte, bei welchen die ganze Decidua sich in einem Zustande
hochgradiger Fettmetamorphose befand, welche wahrscheinlich
die Hauptursache des Aborts war, so glaube ich annehmen
zu dürftn, dass die Drüsen unter normalen Verhältnissen noch
in ziemlich gut erhaltenem Zustande existiren. Im vierten
Monate sind jedenfalls noch vollständig unveränderte Drüsen
mit normalem Epithel vorhanden. Dies gilt von der Vera.
In der Serotina konnte ich diese Gebilde, freilich nur in der
Nähe des Placentarrandes, bis in den dritten Monat verfolgen.
Was den siebenten bis neunten Schwanger-
schaftsmonat betrifft, so fehlte es mir an aus-
reichendem Materiale zu Beobachtungen. Es ist mir
nicht wahrscheinlich , dass sie in dieser Zeit rasch und
28*
436 XXVI. Hegar, Die DrUsen der Deoidna
vollständig verschwinden. Man findet am Rande aasgetragener
Placenten häufig verdickte Stellen der Decidua , welche
wenigstens Rudimente der Drüsen sehr deutlich zeigen.
Die Schleimhaut des schwangeren Uterus trennt
sich vom vierten Monate an, jedoch nicht selten
auch schon viel früher, leicht in zwei Schichten,
von welchen die oberflächliche beim Abort oder
durch künstliches Abreissen bei Sectionen von der
tieferen, welche im Uterus sitzen bleibt, losgezogen
wird. Man hat jene erste Schicht gewöhnlich für die ganze
Mucosa genommen. Da man keine oder nur Rudimente der
Drüsen in jener bemerkte, so nahm man an, dieselben seien
atrophirt. Da, wo man sich von der Gegenwart einer von
der Muscularis differenten Gewebslage noch ausserdem über-
zeugte , sprach man von der Bildung einer ganz neuen
Schleimhaut. Ich halte dies für keine ganz richtige Anschau-
ung. In den tieferen Lagen herrscht noch ein reger
Neubildungsprocess vor und die Gewebselemente zeigen die
rückgängige Metamorphose nicht, welche in der oberflächlichen
Schicht sich schon vom vierten Monate an entwickelt Allein
die Schleimhaut des Uterus bildet immerhin ein Ganzes und
wenn die Trennung auch gewöhnlich so yor sich geht, dass
eine 3—4 Millimeter dicke Membran sich als eigentliche
hinfällige Haut abhebt, so ist dies doch durchaus nicht
constant. Häufig wird die Decidua vera auch in ihren tieferen
Lagen losgerissen oder sie bleibt ganz oder partiell in ihrer
vollständigen Dicke im Uterus sitzen. Liest man Sections-
berichte aus derselben Schwangerschaftszeit nach, so findet
man, dass der eine Beobachter die Schleimhaut in dieser,
der andere sie in jener Tiefe am leichtesten vom unterliegenden
Gewebe losziehen konnte und dass der Eine die Dicke der
Decidua etwa auf 1 — IVa» <ler Andere auf 3 — 4'" taxirt.
Auch in den ersten zwei Schwangerschaflsmonaten trennt sich
die Decidua zuweilen als eine 2 — 3 Millimeter dicke Membran,
also blos in ihrer oberflächlichen Schicht los.
Nach diesen Bemerkungen über den physiologischen Zu-
stand der Kinder und ihres Drüsenkörpers, wende ich mich
zu einem Krankheitsprocess, bei wdchem eine abnorme Be-
schaflenheit dieser Theile vorhanden ist.
und die Hydrorrho«* grAVidarom. 437
IL Die Drüsen der Decidna unter pathologischen
Verhältnissen der Hydrorrhoea gravidarum.
Mao findet unter dem Namen der Hydrorrhoea
gravidarum eioen Complex von Sym'ptomen zu-
sammen gestellt, als deren wichtigstes derAusflass
einer wässerigen oder schleimigwässerigen, oft mit
Blut tingirten Flüssigkeit aus dem Uterincavum
zu betrachten ist. Dieser, häufig sehr profuse Ausfluss
beginnt gewöhnlich mit dem sechsten bis siebenten Monate,
zuweilen, und es sind dies die wichtigstenFäUe, jedoch auch
viel früher, am Ende des dritten und im vierten Monate.
Der Uterus ist starker ausgedehnt, als die SchwangerschafU-
Periode es mit. sich bringt. Er verkleinert sich , sobald die
Entleerung vor sich geht und vergrössert sich rasch, sobald
dieselbe stockt. Die Vaginalportion ist aufgelockert, ödematös
geschwellt Die Beschwerden der Kranken sind dabei zu-
weilen sehr gering. Doch werden vorübergehende , ziehende
Schmerzen im Unterleibe, in den Lenden und Hüften beobachtet
Diese haben oll einen wehenartigen Typus. Dabei sind nicht
selten fixe Schmerzen und gegen Druck empfindliche Stellen
vorhanden. Auch hartnäckige gastrische Symptome, leichtes
Fieber und Abmagerung werden bemerkt Der Verlauf ist im
Allgemeinen günstig; doch ist stets Gefahr des Aborts oder
der Frühgeburt da. Das Kind ist, auch wenn die Schwanger-
schaft zu Ende geführt wird, schlecht genährt. Der Wochen-
fluss ist in den ersten Tagen des Puerperiums aufiallend
profus und wässerig.
Ehe ich auf die verschiedenen Ansichten über das
Wesen des vorliegenden Krankheitsprocesses eingehe, führe
idi zwei Fälle von Hydrorrhoe an, welche schon in den
früheren Schwangerschaftsmonaten ihren Anfang nahmen.
Leider wurde blos der erste einer ganz genauen Beobachtung
imterzogen.
Fall L Frau L , . .y 32 Jahre alt, gross und stark
gebaut, früher stets gesund, kam vor sechs Jahren zum
ersten Mal rechtzeitig nieder. Es fand dabei , wie es scheint
wegen Wehenschwäche, die Application der Zange statt Die
kurz darauf folgende Schwangerschaft endete mit Frühgeburt
438 XXVI. ffeffar. Die Dra«eii der Decldna
im achten Monate. Hierbei wurde, angeblich wegen fester
Adhärenz, der Mutterkuchen manuell entfernt. Bald darauf
von Neuem Conception mit Abort im dritten Monate. Dabei
starker BlutTerlu8t. Die Frau kam in Folge de^en sehr
herunter und litt an den mannichfachsten hvsterischen Be-
schwerden, welche mit bedeutender Gemuthsdepression, selbst
mit Zeichen leichter Geistesverwirrung verbunden waren.
Sie gebrauchte mit gutem Erfolge eine Kaltwasserkur und
wurde bald darauf im Anfange des Jahres 1861 wieder
schwanger. Die Niederkunft erfolgte rechtzeitig im October
desselben Jahres. Nach spontaner Beendigung des Nadi-
geburtsgeschäfts erfolgte eine starke, atbnische Nachblutung.
Der Uterus verkleinerte sich im Wochenbette sehr langsam.
Der Lochialfluss war vier Wochen lang blutig, dann erst
schleimig und weiss gefärbt. Das Kind war nicht angelegt
worden. Sieben Wochen nach der Niederkunft traten die
Regeln und zwar sehr profus wieder ein. Von da regel-
mässiger Eintritt der stets starken Menstruation. In der
Zwischenzeit nicht unbedeutender weisser Fluss. Am 27. April
1862 war der Monatsfluss sehr copiös. Patientin datirt von
da an ihre Conception, obgleich noch drei Mal zu regelmässiger
Zeit ein schwacher Blutabgang bemerkt wurde. Das AOge-
befinden war in den ersten zwei Monaten ein sehr schlechtes.
Die Frau magerte auffallend ab , litt an Appetitlosigkeit,
schlechtem Geschmack, belegter Zunge, Schmerzen im Unter-
leibe und einem sehr starken Bronchialkatarrh. Im dritten
Monate Hessen diese Beschwerden nach. Am 6. September, also
im Anfange des fünften Monats, Morgens, starkes Drfingen
nach unten und Entleerung einer grossen Menge wässeriger,
nur wenig mit Blut tingirter Flüssigkeit. Gegen Abend lassen
die Schmerzen nach und nur eine schleimige, rothe, grumöse
Masse geht in geringer Menge ab. Der Uterus stand V
oberhalb des Nabels. Die verkürzte , weiche , gelockerte
Vaginalportion steht weit nach hinten und oben. Der Mutter-
mund bildet eine unregelmSssige Querspalte, in welche man
mit zwei Fingern eindringen kann und die dicke, vordere
Gervicalwand fühlt, welche in Form eines Längswulstes nach
dem Lumen der Halshohle und nach unten sich vordrängt
Der innere Muttermund ist nicht zu erreichen. In den
und die Hjdrorrhoaa gtaridaraiB. 489
folgeoden Tagen dauert der Wasserabgang, welcher leider
me aufbewahrt wurde, fort. Der stets weich anzufohlende
Uterus verkleinert sich dabei fortwährend, so dass er vier
Tage später V unterhalb des Nabels stehLr Die Vaginalporü<»i
wird dicker und feater, der Muttermund schllesst sich mehr.
Zeitweise Gefühl von Druck auf den Mastdarm, öfterer Drang
zum Urinlassen sind die einzigen subjectiven Beschwerden*
Von dieser Zeit an wiederholt sich der Ausfluss mit
Pausen von 5 — 8 Tagen. Die Gebärmutter vergrössert sich
rasch, sobald jener sistirt, und verkleinert sich mit dessen
Eintritt Dieser ist von wehenartigen Schmerzen eingeleitet
Die Beschaffenheit des Abganges wechselt sehr. Bald wird
eine ganz wässerige und dünne Flüssigkeit, bald eine schleimige
und weissliche Masse entleert Dabei Abmagerung, zeitweise
Frösteln und fliegende Hitze. Später stellte sich ein constanter,
durch Druck sich vermehrender Schmerz in der rechten Seite
des Leibes ein.
Am 26. October erfolgte unter starken Kreuz*- und
Leibschmerzen eine massige Blutung. Der Uterus steht 1"
oberhalb des Nabels. Kindestheile sind leicht durchzufühlen.
Die Bewegungen der Frucht lebhaft. Vaginalportion weich
und gewulstet, der äussere Muttermund klaffend. Die Blutung
sistirt bei ruhiger Lage im Bette und es geht in den nächsten
Tagen wieder eine grosse Menge wässeriger, mit Bkit tingirter
Flüssigkeit ab, wobei der Uterus sich verkleinert, so dass
er in die Höhe des Nabels zu stehen kommt. Die Wasser-
abscheidung dauert in der ganzen folgenden Zeit fort und
ist oft stark mit Blut vermisdit, so dass Patientin das Bett
fast nicht mehr verlässt Der Schmerz in der rechten Seite
des Leibes und in der Lumbaigegend ist quälend, wird jedoch
durch Ghloroformliniment gelindert
Am 6. December erfolgte mit kurzer Wehenthätigkeit
die Frühgeburt Dem Blasensprunge, welcher eine nicht un-
bedeutende Menge Fruchtwassers entleerte, folgte sehr bald
die Ausstossung des Kindes in einer Gesichtslage. Die Nach-
geburtstheile gingen auf Reibungen des schlecht contrahirten
Uterus ab. Am folgenden Tage wurden unter starken Nach-
wehen viel Blutcoagula und häutige Gebilde entleert Das
Kind, männliohen Geschlechtes, hat ungefähr die Grösse einer
440 XXVI. Hegmr^ Di« Drüseo der Decidaa
siebenmonaüichen Frucht, ist scheinbar normd eatwickelt,
athmet soj^icb, stirbt aber nach einer halben Stunde unter
Cottvulsionen. Der Nabeistrang ist ohne Abnormität. Das
Wochenbett ging gut vorüber. Doch dauerte die blutige Ab-
sonderung lan^e. Die sich später wieder regelmässig ein-
stellende Periode war im Anfange profus. Auch weisser FIuss
trat wieder ein. Doch verminderten sich diese Beschwerden
spater, ohne dass sich Patientin einer Behandlung unterzog.
Bei der nun folgenden Schilderung des anatomiscben
Befundes unterscheide ich:
1) Den Mutterkuchen mit den Eihäuten;
2) die mit diesen Gebilden und nach denselben entleerten,
zusammenhängenden Membranen , der Decidua vera an-
gehörig ;
3) die mit 1 und 2 zugleich ausgestossenen BlutUumpen,
in welchen sich zerstörte und zerrissene Partieen der
Schleimhaut vorfinden.
1. Der Mutterkuchen mit den Eihäuten. Die
Placenta ist rund, hat 9 Centimeter im Durchmesser. Die
Dicke beträgt 2 — 3 Centimeter. Fötalfiläcbe ohne Abnormität;
nur gegen den Rand hin befinden sich unter dem Chorion fiache,
3 — 4 Millimeter dicke Faserstoffschiebten. Das Parenchym
des Kuchens ist weich; die Zotten normal beschaffen. Die
Uterinfiäche der Placenta besitzt einen sehr gut erhaltenen,
IVt — 2 Millimeter dicken Deciduaüberzug, welcher sich gegen
den Rand hin, bis zu 5 — 6 Millimeter verdickt und ein durcb-
schimmerndes Ansehen hat. Auch die Cotyledonscheiden sind,
besonders in der Nähe der Peripherie, erheblich verdickt.
Am Kuchenrande, sowie an verschiedenen Stellen der Eihäute
liegen flache Schichten entfärbter Coagula auf. Die genauere
Untersuchung des Deciduaöberzugs der Placenta ergiebt
folgende Resultate. Derselbe lässt sieb, besonders leicht am
Placentarrande , in mehreren Schichten abziehen. Die ober-
flächlichste Schicht besteht wesentlich aus spindelförmigen
Zellen, welche nicht selten lang ausgezogen und mit gekrümm-
ten Enden versehen sind. Der Kern ist sehr stark. Dabei
finden sich grosse, platte Zellen, oft mit sternartigen Ecken,
grosse und kleine runde Zellen mit starkem Kerne, femer
grössere Blasen von circa 0,08—0,15 Millimeter Durchmeaser
und die Hjdrorrhoea graTidarom. 441
mit 3 — 6 Kernen, kolossale autgequidlene S^ndehellen, welche
ebenfalls oft mehrere Kerne enthalten, platte, bandartige Zellen
mit starkem Kerne. — Die mittlere Schicht entlialt dieselben
Elemente. Doch ist im Allgemeinen ein fibriUäres Binde-
gewebe vorherrschend, mit langen, schmalen, stäbchenartigen
Kernen. Dabei finden sich Fettmolekule, oft perlschnnrartig
geordnet und mit molekularem Detritus. Die einzelnen Zellen
zeigen, eine beginnende Fettmetamorphose, von der sich in
der ersten Schicht nur wenig Spuren finden. — Noch mehr
tritt diese Fettmetamorphose in der dem Kuchen zunächst
liegenden Gewebslage hervor, welche grösstentheils aus fibrillärem
Bindegewebe und aus amorpher Hasse besteht. Dabei finden
sich einzelne spindelförmige, runde oder polygonale Zellen
mit körnigem Inhalte.
Das Chorion hat nur stellenweise einen Deciduauberzug.
Da, wo derselbe vorbanden ist, bildet er eine V^ — 1 Milli-
meter dicke, grauröthliche, weiche Schicht, von maschigem
Geföge. Nach dem Kuchenrande ist sie dicker und wird lüer
von zahlreichen , mit blossem Aiige sichtbaren , injicirten
Gelassen durchzogen. Das Mikroskop zeigt theils faseriges
Bindegewebe mit und ohne längliche, stäbchenförmige Kerne,
theils ganze Lagen spindelförmiger Zellen mit feinkörnigem
Inhalte, ferner runde oder platte, polygonale Zellen in geringer
Zahl. An einzelnen Stellen des Ghorions sind, jedoch nur in
geringem Umfange, weisse, undurchsichtige, trokene Schwarten
von V<£ — 1 Millimeter Dicke, anstatt jenes Ueberzugs vor-
handen. Diese besteben aus einer vollständig amorphen,
fettreichen Masse.
Die Eihäute zeigen einen einzigen, centralen Riss.
2. Die mit und nach den Nachgeburtstbeilen
entleerten, zusammenhängenden Membranen. Diese
sind zweierlei Art. Es finden sich nämlich zuerst weissiiebe,
1 — 2 Millimeter dicke Membranen verschiedener Grösse, deren
beide Flächen, ziemlich gleichmässig glatt, zahlreiche runde
und ovale Löcher zeigen. Das Gewebe ist in einem molekularen
Zerfall begrifien. Dies sind offenbar Theile der Decidua, welche
sich in vorgeschrittener Fettmetamorphose befinden. Ausser-
dem fand ich jedoch grössere Partieen wohlerhaltener Schleim-
haut. Ausser kleineren Lappen waren zwei Membranen von
442 XXVI. J5r«^ar, Die Drttseii der Deoidoa
6 — 8 Centimeter im Durchmesser und ein 4 Centimeter
langes, 1 Centimeter dickes, cylindrisches Stück yorbanden.
Die Membranen sind 4 — 5 Millimeter dick, granröthlich
gefärbt, mit einzelnen injicirten Gelassen versehen und be-
sitzen eine glatte, von zahlreichen Sieblöcbern durchbohrte
Oberfläche. Die andere Fläche ist rauh und mit zahlreichen,
1 — 2 Millimeter hohen, dichtgedrängten, conischen Erhaben-
heiten besetzt. An diesen Höckern hängen weisslicbe,
1 — 3 Centimeter lange Fäden, gewöhnlich mehrere an einer
Erhabenheit, zuweilen auch bloss einer. Nur einmal war ein
solcher Faden gabelig getheilt. Unter dem Mikroskop lässt sieb
der röhrenförmige Bau dieser Gebilde leicht erkennen. Die
Wand besteht aus langen, starken Fibrillen mit eingdagerten,
schmalen Kernen, der Inhalt aus einem kleinen Pflasterepithel.
Die Dräsen sind so vollgepfropft, dass oft nur die regelmässige
Anordnung der Kerne die Gegenwait des Epithels beweisst.
Doch sind in einigen auch die Contouren der Zellenwand
sichtbar. Zuweilen war der Drdseninhalt ausgepresst und lag
in grösseren und kleineren Hauflsn beisammen. Der Durch-
messer der Dräsen variirte von 0,13 — 0,25 Millimeter. An-
schwellungen, durch Windungen bedingt, waren im Verlaufe
der Röhren ziemlich häufig. — Schnitt man einen Höcker der
rauhen Fläche mit dem in sie eintretenden Drösenfaden ab,
zog das Gewebe mit Nadeln etwas auseinander und brachte
es bei massigem Drucke unter das Deckglas, so Hess sich
schon mit blossem Auge der Verlauf der Di'üse verfolgen.
Sie bildete in den Erhabenheiten zahlreiche Spiralwuulungen,
oft mit sehr wenig interstitiellem Gewebe. Dachte man sich
die Spiraltouren aufgewunden, so betrug die Länge mancher
Röhren wenigstens 4 — 6 Centimeter. — Durchschnitte, welche
ich anfertigte, um die Dnlsen in der oberflächlichen Schleim-
hautschicht zu Studiren, lieferten nur unvollkommene Bilder.
Bei einigen war es jedoch unverkennbar, dass die Drüsen
dichtgedrängt, parallel, mit verengertem Lumen neben einander
h^liefen.
Ein besonderes Interesse bot die Untersuchung des
oben erwähnten , 4 Centimeter langen , 1 Centimeter
dicken und breiten, cylindrischen Scbleimhautwalstes. Der-
tmd dte Hydrorrhoea graTidaram. 443
selbe haftte das Aosseben der Reflexa eines ein* bis zwei-
monatlichen Eies. Man sieht wenigstens nicht selten betm
Abort der ersten Scbwangerschaftszeit solche schmale Reflexa-
sacke, welche ein degenerirtes Ei umscbliessen. Jener Wulst
zeigte an fast allen Stellen seines Umfanges eine glatte, yon
zahlreichen Sieblöchern durchbohrte Oberflache. Diese war
nun von einer in dem Längendurchmesser verlaufenden,
5 Millimeter breiten Spalte durchbrochen, zwischen deren
zerrissenen Rändern man in die Höhlung des Wnlstes dringen
konnte. Breitete man die Lücke aus, so bemerkte man
sehr zahlreiche weisse Fäden, zwischen Blutcoagulis ^ich
durchziehend. Diese Fäden stellten sich bei genauerer Unter-
suchung als Drusen heraus. Das Ganze war also nichts, als
eine durch Blutextravasat ausgedehnte Falte der Decidua vera.
Ich mache auf diesen Befund aufVnerksam, weil nicht ganz
selten einfache Falten der Decidua vera, wenn sie durch
apoplectische Ergnsse stark vortreten, Refiexasäcken täuschend
ähnlich sehen. Hält man die langen, weissen Drüsenfäden
für Cborionzotten , so glaubt man seine Diagnose vollständig
sicher gestellt. Ich kenne kein sicheres Mittel der Unter-
scheidung, als den Nachweis der Cborionzotten durch das
Mikroskop. Uebrigens sind diese auch schon durch das blosse
Auge von den langen, fast nie getheilten, nie mit Ausläufern
versehenen, in ihrem Durchmesser sich gleich bleibenden
Drüsenföden zu unterscheiden.
Das interstitielle Gewebe der Decidua bestand grössten-
theils aus starken, jungen Spinddzellen. Dabei fanden sich
zahlreiche andere Zellenformen, und selbst jene grösseren
Blasen mit 4 — 6 Kernen, welche also nicht ausschliesslich
der Serotina angehören.
3. Die mit den Nachgeburtstheilen und den
zusammenhänge ndenDeciduamem brauen zugleich
entleerten Blutmassen. Diese enthalten bei genauerer
Untersuchung schichtenweise zerrissene, von Blut durchsetzte,
grössere und kleinere Schleimhautpartieen. Die nähere Be-
schreibung kann hier um so mehr unterbleiben, als ich mit
meinem Collegen Dr. Eigenbrodt die apoplectische Destruction
der Uterusschleimhaut in einem kürzlich in dieser Zeitschrift
erschienenen Aufsätze ausführlich behandelt habe. Der BeAind
444 XXVI. Heffor^ Pie Drfisea der Deoidaa
bot in diesem Falle nichts Besonderes dar. Nur waren die
einzelnen Gewebselemente, ihrer Grösse und guten Erbaltung
wegen, mitten in den Blutmassen sehr leieht und deutlich
nachzuweisen.
Fall IL Frau von W.y 31 Jahre alt, hat rasch hinter-
einander fönf rechtzeitige Niederkünfte und einen Abort
durchgemacht Einmal wurde sie mit der Zange entbunden
und zweimal wurde die Placenta von ihrem früheren Arzte
manuell entfernt. Zeichen retardirter Involution des Uterus,
langdauernde blutige Lochien, Leucorrhoea sind nach den
letzten Geburten jedes Mal bemerkt worden. Auch fand
während der vierten Schwangerschaft angeblich Hydrorrhop,
wenn auch in geringem Grade statt Die Kinder wurden
nie angelegt Die siebente Schwangerschaft verlief fast genau
mit demselben Symptomencomplexe, wie er bei der ersten
Beobachtung angegeben wurde. Die Wasserabgänge begannen
übrigens schon am Ende des dritten Monates. Intercurrbende
Blutungen waren dabei nicht selten. In den letzten zwei
Monaten wurden die Wasserausscheidungen viel weniger copiös
und das Allgemeinbefinden, welches sehr gelitten hatte, wurde
recht befriedigend. Die Geburt erfolgte rechtzeitig. Die
Blase entleerte wenig Fruchtwasser. Es war blos ein Eihaut-
riss bemerkbar. Das Kind war auffallend klein und schlecht
genährt, obgleich vollständig entwickelt Die Epidermis war
spröde, rauh, an einzelnen Stellen verdickt An den Augen-
Udern befanden sich zahlreiche, kleine Wärzchen. Bei sorg-
fältiger Pflege erholte es sich jedoch bald. Der Lochialfluss
war in den ersten Tagen des Puerperiums sehr profus und
wässerig. Später folgten blutige Ausscheidungen, welche bis
in die siebente Woche anhielten und erst mit dem sich ein-
steilenden, starken, weissen Fluss durch adstringirende In-
jectionen beseitigt wurden. Seitdem trat wieder eine normal
verlaufende Schwangerschaft ein.
Der Mutterkuchen war klein, kreisrund, von derber,
fester Gonsistenz. Einzelne Randlappen weiss, blutleer, härtlich,
mit verödeten Zotten. Der Deciduaüberzug der Uterinfläche
ist theil weise durchscheinend, granulös, theilweise weisslich
und verdickt Am Rande erhebt sich die Decidua wallartig.
Auch die Septa der Cotyledonen zeigen eine ungewöhnliche
und die Hydro rrhoea graTidanim. 445
Stfirke. Eine genauere Untersuchung dieser Theile, sowie
der erst am dritten und vierten Tage unter starken Nachweben
abgeschiedene Blutklumpen wurde leider nicht yorgenommen,
da ich damals auf die Wichtigkeit solcher Beobachtungen noch
nicht aufmerksam war.
Ausser diesen zwei Fällen von Hydrorrhoea beobachtete
ich noch mehrere andere, welche erst in den letzten Monaten
der Schwangerschaft ihren Anfang nahmen. Jedesmal war der
Uterus vor dem Beginne des Ausflusses abnorm ausgedehnt und
gespannt Die Ansammlung und der zu Grunde liegende Krank*
heitsprocess war also offenbar schon vorhanden, ehe es zur
Ausscheidung der Flüssigkeit kam. Mit Ausnahme der durch
die bedeutende Grösse des Uterus bewirkten Spannung und
der hierdurch hervorgebrachten Alhembescbwerden waren
durchaus keine krankhaften Erscheinungen zu bemerken.
Auch erfolgte die Geburt rechtzeitig.
Von den älteren Hypothesen über den Ur-
sprung der Hydrorrhoea gravidarum erwähne ich nur
die von Ingleby^ Dubais und Danyau aufgestellte. Diese
Beobachter fanden bei der Untersuchung der Nachgeburtstheile,
ausser dem Hauptrisse des Eisackes, einen zweiten, kleinen
an einer anderen Stelle. Die Hydrorrhoea ist daher nach
Ihnen nur ein allmählig erfolgender Abfluss des Fruchtwassers.
Ohne diese Entstehungsursacbe wässeriger Ausflösse aus den
Genitalien ganz läugnen zu wollen, stelle ich sie doch ent-
schieden für die von mir und Anderen beobachteten Fälle in
Abrede, bei welchen keine zweite OefiTnung im Eihautsacke
vorgefunden werden konnte.
In neuester Zeit haben sich vorzugsweise (7. Braun
und Hennig mit unserem Krankheitsprocesse beschäftigt.
C. Braun nennt ihn eine intermittirende Endometritis
serosa , welche eine serös - albuminöse Exsudation auf
der Innenfläche des Uterus absetzt. Die entzündliche
Reizung wird nach Ihm durch die zellenreiche Neubildung
bewiesen , welche die Oberfläche des Kuchens überzieht.
0. Hennig (Katarrh der inneren weiblichen Geschlechtstheile,
Leipzig 1862) bezeichnet die Hydrorrhoea geradezu als einen
Katarrh des schwangeren Uterus. Auch er fand die zellen-
reiche Neubildung, die wallartige Verdickung der Dectdua am
446 ZXVI. H$gar^ Die Drüsen der Deelina
PlaceDtarraode. Die grosseji, mit zahlreichen Kernen ver-
sehenen Zelleogebilde siebt er als die Quellen der Secretion ao.
Man findet als anatomische Grundlage der
Hydrorrhoea eine mit Hyperämie und Gefässreicb-
thum verbundene, hypertrophische Entwickelung
der Uterinschleimhaut, welche sich nicht bloss
auf das interstitielle Gewebe, sondern auch,
nach meinen Untersuchungen, auf den Drusen-
körper erstreckt. Es ist ein reger Zellenneubildungs-
process vorhanden und die einzelnen Gewebstheile und
Gawebselemente selbst besitzen eine ungewöhnliche Stärke
und Ausbildung. Insbesondere fand ich die Drüsen in solcher
Zahl und Grösse, wie ich sie kaum im ersten Schwanger-
schaftsmonate je gesehen habe. Dabei bemerkte man von der
rückgängigen Metamorphose der Decidua viel weniger, als
dies sonst im achten Monate der Fall ist.
Mag man nun diesen Process als chronische Entzündung
bezeidinen oder mag man es vorziehen, hlos von einem
hypertrophischen Zustande der Uterinschlehnhaut zu sprechen,
sicher ist, dass das Hauptsymptom der Hydrorrhoe, die ver-
mehrte Secretion der Mucosa in dem anatomischen Befunde
eine genügende Erklärung findet. Ich nehme keinen Anstand,
die Secretion vorzugsweise in die Drüsen zu verlegen.
Durch die vermehrten Ausscheidungen der Decidua ent-
stehen Ansammlungen von Flüssigkeit zwischen Chorion, oder
richtiger, zwischen Reflexa und Vera. Der Uterus wird
abnorm ausgedehnt und gespannt Allmählig und oft mit
Hülfe vorzeitiger Contractionen bahnt sich das Fluidum einen
Ausweg durch den Muttermund. Zuweilen verlegt sich der
Ausweg wieder, und so entsteht der Anschein einer inter>
mittirenden Abscheidung. Gegen diese spricht jedoch der
Umstand, dass beim Stocken des Ausflusses die Gebärmutter
bald bedeutender anschwillt.
Die übrigen, nicht constanten Symptome der Hydrorrhoea,
wie gastrische fieschwerden, jßxe Schmerzen, gegen Drucdt
empfindUche Stellen des Unterleibs, Fieberbewegungen und
Abmagerung sind theils sympatlüscher Natur, theils durch
Hyperämieen einzelner beschränkter Stellen der ganzen Ulerin-
wand, theils durch die copiösen Säfteverluste zu erklären.
und die Hydrorrbo«a graTidarnia. 447
Der Abort and die Frühgeburt leiten sich durch hämorrhagische
Ergüsse in das hyperämische Schleimhautgewebe ein. Diese
entstehen um so leichter, da durch die Ausdehnung und
Spannung der Gebärmutterwand ein Reiz zu vorzeitigen Con-
traclionen gegeben ist. Uebrigens kommt es auch bei häufigen
und nicht unbedeutenden Blutungen nicht so leicht zur Unter-
brechung der Schwangerschaft, was darin seinen Grund hat,
dass die .Gefasszerreissung oft nur in der Deddua yera
stattfindet
Die milderen Formen der Hydrorrhoea, mehrmals, zuweilen
nur zwei oder dreimal erfolgende Wasserabgänge in den
letzten Schwangerschallsmonaten mögen oft blos Ansamm-
lungen von Flüssigkeit, in früherer Zeit der Gravidität
entStauden, ihren Ursprung verdanken. Die abnorme Aus-
dehnung der Gebärmutter, welche den AusQüssen vorhergeht,
spricht dafür, dass der zu Grunde liegende abnorme Zustand
schon existirte, ehe das gewöhnlich zuerst bemerkte und am
leichtesten in die Augen fallende Symptom auftrat £rst durch
die zunehmende Atrophie und Lockerung der Decidua wurde
der Durchbruch der angesammelten Flüssigkeit ermöglicht
In dieselbe Kategorie fallen die sogenannten wilden oder
falschen Fruchtwasser.
Diese letzteren, theilweise noch in die Grenzen des
physiologischen Zustandes fallenden Erscheinungen, der Nach-
weis sehr wohlerhaltener und mit Epithel versehener Drüsen-
schläuche im vierten Monate, die Auffindung langer Drüsen-
röhren im fünften und sechsten Monate und die Wahrnehmung
neugebildeter, junger Drüsen nach der Mitte der Gravidität
durch üoste, Robin und Kutan führen, wie ich glaube,
nothgedrungen zu einer Ansicht über den Bau und die
Function der Decidua, welche von den herrschenden Angaben
wesentlich abweicht Man betrachtet die Decidua vera
gewöhnlich vom vierten Monate an als ein todtes Gebilde,
welches, der Fettmetamorphose verfallen, gewissermassen nur
darauf wartet, um bei der Geburt abgestossen zu werden.
Es ist im Gegentheil anzunehmen, dass jene
Membran, wenn auch in ihren oberflächlichen
Schichten theilweise atrophirt und in Fett-
metamorphose begriffen., doch in ihren tiefen
448 XXVI. H^gar, Die Drttsen der Decidas
Schichten wohlerbalten, als absonderndes Organ
bis gegen das Ende der Schwangerschaft fort-
besteht. Unter normalen Verhältnissen wird das Secret
resorbirt oder gelangt durch Endosmose in die Chorionhdble,
wo es zur Bildung und Erhaltung des Fruchtwassers dienL —
Unter abnormen Verhältnissen, bei bestehendem hyper-
trophischen Zustande der Uterinschleimhaut und ihrer Drusen,
ist die Absonderung vermehrt Es kommt zu Ansammlungen
an der Innenfläche der Mucosa und so zur Hydrorrhoe.
Ursachen. Die Ursachen der Hydrorrhoe sind sehr
zahlreich. Alle Momente, welche einen Congestivzustand nach
den Beckenorganen bedingen, werden in der Aetiologie dieses
Leidens angeführt. Neubildungen, verzögerte Involution, rascb
auf einander folgende Schwangerschaften, Katarrhe, Herzfehler
können alle in der Art wirken, dass sie Hyperämieen der
Gebärmutterschleimhaut, Reizungszustande derselben und einen
Wucherungsprocess ihrer Gewebstheile und Elemente hervor-
bringen. Von der Stärke der einwirkenden Ursachen wird
der höhere oder niedere Grad des Krankheitsprocesses ab-
hängen.
Therapie. Da das Zustandekommen der Hydrorrhoe
durch Erkrankungen bedingt scheint, welche schon vor der
Conception bestehen, so ist die Therapie wesentlich elDe
prophylactische. Insbesondere ist die Involution der Gebär-
mutter im VTochenbette zu äberwachen. Man wird hierauf
um so mehr seine Aufmerksamkeit richten , wenn eine
Hydrorrhoe bereits bestand , da Recidive in folgenden
Schwangerschaften häufig beobachtet- wurden.
Hat man eine ausgebildete Hydrorrhoe vor sich, so ist
Alles entfernt zu halten, was einen vermehrten Congestiv-
zustand nach den Beckenorganen hervorbringt Anstrengende
Körperbewegungen, der Coitus, erhitzende Getränke, wie
Wein, Bier, starker Kaffee und Thee sind zu vermeiden*
Die Nahrung sei kräftig, doch leicht verdaulich. Sorge für
taglichen Stuhl, wo möglich durch diätetische Mittel, wie Obst,
unabgekochte Milch etc., hervorgebracht, ist ein dringendes
Bedfirfniss. Tägliche Bewegung in Irischer Luft ist anzurathen.
Dabei mag die Kranke ein- oder zweimal täglich eine Stunde
in horizontaler Ruckenlage auf dem Sopha zubringen. Uebrigeos
xmä die Hydro rrboea graTidaram. 449
hüte man sich, solche Schwangere, aus Furcht vor Blutung,
zu sehr an das Zimmer oder gar das Bett zu fesseln. Sie
kommen hierdurch meist ausserordentlich herunter. Die ge-
ringen Blutungen und Blutbeimischungen des Ausflusses haben,
wie schon erwähnt wurde, ihre Quelle oft nur in Geiass-
zerreissungen der Decidua vera. Nur bei drohender oder schon
eingetretener Hämorrhagie ist eine ruhige Lage durchaus
nothwendig. Bei heftigen, besonders fixen Schmerzen wird
man mit Gegenreizen, Sinapismen, Chloroformliniment, lau-
warmen Fomenten gewöhnlich auskommen. Selten wird eine
örtliche Blutentziehung nothwendig sein. — Bei bedeutenderem
Allgemeinleiden, Sinken der Kräfte sind Tonica, Chinin und
milde Stahlpräparate dienlich. Bei drohendem upd eintretendem
Abort verfährt man nach den allgemein gültigen Regeln.
1. Die Drüsen der Decidua vera lassen sich bis in den
vierten Monat der Schwangerschaft als 2 — 5 Gentimeter lange,
mit gut erhaltenem Epithel versehene, einfache, ungetheilte
Schläuche nachweisen, welche als fadenartige Gebilde auf der
rauhen Fläche der beim Abort losgerissenen Membran auf-
sitzen. In der Serotina waren die -Drüsen an der Nähe des
Placentarrandes bis in den dritten Monat aufzufinden.
2. Im fünften und sechsten Monate waren die Drüsen
der Vera in derselben äusseren Form vorhanden. Sie standen
weniger dichtgedrängt, die Wand wurde durch Faserzuge
mit eingelagerten Kernen gebildet. Der Inhalt zeigte kein
deutliches Epithel. Er bestand aus molekular zerfallener
Hasse, meist mit zahlreichen, eingestreuten Kernen. Da
jedoch nur Deciduen mit bedeutender, vorzeitiger Fetl-
metamorphose zur Untersuchung kamen , da ferner von Coste,
Robin und Kutan die Existenz junger Drüsenscliläuche in
der Mitte der Gravidität festgestellt wurde, so erscheint es
als wahrscheinlich, dass auch im fünften und sechsten Monate
wohlerhaltene Drüsen in der Vera vorhanden sind.
3. In der mittleren Schicht der Vera . verlaufen die
Drüsen in Spiralwindungen, ähnlich den Schweissdrüsen. Die
Unebenheiten der rauhen Schleimhautfiäche werden meist
durch Knäuel, in welche eine oder mehrere Drüsen eintreten,
Uonatiflchr. f. Gebnrtak. 1863. Bd.ZXn.»Hft.6. 29
450 XXVI. Hegar, Die Drüsen der Decidna etc.
coDstituirt. Es ist wahrscheinlich, dass die Glandulae utri-
culares auch in den tiefen Schichten der Hucosa in Windungea
liegen, da die einzelnen Drüsenröhren häuOg eine Neigung
zum Zusammenrollen besitzen und knotenartige Anschwellungen
bemerken lassen, welche durch Windungen bedingt sind.
4. In der Schicht der Schleimhaut, welche der freien
Oberfläche zunächst liegt, ist die Gegenwart und der Verlauf
der Drusen am schwierigsten zu erkennen. Sie scheinen hier
in ihrem Lumen sich zu yerengern und dichtgedrängt, oft
in parallelen Zügen neben einander her zu laufen, um in
grösserer Anzahl in die von dem Siebloche ausgehende Bucht
einzumünden. Diese entsteht durch Erweiterung mehrerer
Drüsenendstücke mit Confluenz ihrer Scheidewände. Entsteht
ein solcher Rareficirungsprf)cess in den tieferen Lagen der
Mucosa, so kann es zur Bildung von Kysten kommen, welche
alsdann auf der rauhen Fläche sichtbar werden.
5. Die Schleimhaut des Uterus trennt sich beim Abort
oder durch künstliches Losziehen bei Sectionen in sehr ver-
schiedener Tiefe los, auch in einer und derselben Schwanger-
schaftszeit. Die widersprechenden Angaben über die Be-
schaffenheit und Dicke der Decidua und über den Zustand
ihrer Drüsen werden zum.Theil hierdurch erklärt
6. Der Hydrorrhoea gravidarum liegt ein mit Hyperämie
und Gefassreichthum verbundener, hypertrophischer Zustand
der Uterinschleimhaut zu Grunde. Insbesondere sind die
Drüsen sehr zahlreich und stark. Die copiösen Ausscheidungen
finden in dem anatomischen Verhalten ihre Erklärung.
7. Die Decidua vera ist, auch in und nach der Mitte
der Schwangerschaft, als ein functionirendes, absonderndes
Organ anzusehen. Hierfür sprechen die Uebergangsstufen
von den milden Graden der Hydrorrhoea und den falschen
Fruchtwassern bis zu den ausgebildetsten Formen der
Hydrorrhoe, der Nachweis wohlerhaltener und mit Epithel
versehener D/üsen im vierten Monate, die AufGndung langer
Drüsenschläuche im fünften und sechsten Monate und die
Entdeckung junger Drüsen durch Coste , Robin und Kilian
in dieser Zeit
XXYII. JP'oye, Ueber die Heilbarkeit und Heilmittel etc. 451
Hachtrag.
Während des Druckes des vorliegenden Aufsatzes erhielt
ich die Gelegenheit, den Uterus einer im siebenten Schwanger-
schaftsmonate an Lungentuberkulose gestorbenen Frau zu
untersuchen. Es gelang mir an Durchschnitten von Präparaten,
welche in Holzessig erhärtet waren, kolbig angeschwollene,
mit erhaltenem Epithel versehene Drüsenendstücke nach-
zuweisen. Dieselben lagen theilweise mitten zwischen Muskel-
büiideln, nur durch eine Bindegewebslage von denselben
getrennt
!xxvn. ,
Ueber die Heilbarkeit und Heilmittel der
chronischen Metritis,
Von
F. C. Faye,
Profeaaor in Christianl«.
(Ans einer brieflichen Mittheilnng an JEd. Martin,)
In seinem neuesten Werke: „Die chronische Metritis'S
Wien 1863, sagt Professor von Scanzoni: „dass er bis
jetzt auch nicht einen einzigen Fall aufzuweisen habe,
wo eine complete Heilung der chronischen Metritis und ihrer
Ausgänge zu constatiren gewesen wäre*'. —
In einer Anzeige seines Buches in den Medicinisch-
chirurgischen Monatsheften für September 1863 sagt Dr. von
Franque: „Leider finden wir eine solche wahrheitsgetreue
Darlegung der gemachten Erfahrungen bei sehr wenigen
Schriftstellern ; wurde dieses der Fall sein, dann wurden manche
glänzende Resultate, mit welchen sich diese Herren rühmen,
bedeutend zusammenschmelzen'*. — Obgleich ich früher nicht
über die chronische Metritis, Hypertrophie, Engorgement des
Uterus — Zustände, welche oft in Verbindung mit mangel-
hafter Involution, localer Peritonitis mit Exsudation, ZeU-
gewebsentzündung u. s. w. zur Beobachtung und Behandlung
452 XXVIl. Faye, üeber die Heilbarkeit
kamen, — geschrieben habe, so fühle ich mich doch
gedrungen, meine Meinung und Erfahrung auszusprechen
hinsichtlich der traurigen Prognose des Prof. von ScamonCs
und des Urtheils des Dr. Franque*&, indem es mir scheint,
dass die beiden geehrten Herren Collegen in ihren Aussagen
viel zu weit gegangen sind.
Alle beschäftigten Aerzte, und insbesondere die Frauen-
ärzte sind ohne Zweifel damit einverstanden, dass nicht
wenig Fälle vorkommen, wo ein chronisch -inflammatorischer
und hypertrophischer Zustand der Gebärmutter schwer zu
heilen ist, und dass diese Abnormität sich sehr in die Lange
ziehen kann — , was auch wohl öfters eintritt, wenn eine
passende Behandlung von Anfang an versäumt ist Dass aber
ein solcher krankhafter Zustand unheilbar sein soll, — zumal
wenn die Gebärmutter nicht an einer bedeutenden Deviation
und Intumescenz durch Druck leidet, — dagegen streiten
meine und andere Erfahrungen und viele genau beobachtete
Fälle. Vielmehr bin ich geneigt zu behaupten, dass solche
Zustände fast immer heilbar sind unter der Bedingung, dass
eine mit Ausdauer inslituirte Behandlung stattfindet Es
ist wo^l wahr, dass viele derartige Patienten, welche nach
den verschiedenen Bädern hingewiesen werden, oft genug
keinen dauerhaften Nutzen davon tragen, weil die Wirkung
vonibergehend bleibt, indem die Kur nachher nicht mit der
nothwendigen Vorsicht und Beharrlichkeit geregelt wird oder
werden kann. Ich glaube, dass die Behandlung zu Hause
manchmal consequenter geleitet wird, wenn Arzt und Patientin
nur einverstanden sind darin, dass allein eine mit Geduld gut
durchgeführte Behandlung zum Ziele führt. Ich habe Patienten
gehabt, bei denen die Kur wirklich von Monaten bis zu
Jahren gedauert hat, und die gründlich geheilt sind. Es ist
ein „Labor patientiae'* für beide Parteien, und es ist erklärlich,
dass ein Arzt nicht gern viele solche Patienten lange behandelt^
weil ihm die Zeit fehlt. In einem von mir beobachteten
Falle war die Gebärmutter seit zwei Jahren so gross, dass
die Cavilät 8 Zoll mass; und in zwei anderen Fällen erreichte
der Fundus uteri den Nabel, respective sechs bis neun Monate
nach der Entbindung, mit Adhärenzen am Parietalblatt des
Peritonäums und häufigeren intercurrirenden Schmerzanfallen.
Qnd Heilmittel der cbroDischeD Metritis. 453
Die Behandlung dauerte in einem Falle ober ein Jahr, aber
die Heilung war eine radicale und dauerhafte. Der Uterus
blieb wieder klein und beweglich, die Patientinnen waren
sonst kräftig und gesund, und zwei haben später mehrmals
Kinder gehabt. Wenn behauptet wird, dass die während der
Menstruation stattfindende Blutcongestion ein Hinderniss fQr
die Heilung ist, so bin ich der Meinung, dass dieser natörliche
Vorgang selten nachtheilig ist, ja vielmehr, dass die Blut-
secretion sogar oft einen guten Einfluss hat Sexuelle Auf-
regungen dagegen sind immer nachtheilig, und müssen soviel
als möglich vermieden werden. Ob die chronische Inflammation
und Infiltration des Mutterhalses häufiger Folge als Ursache
des Uterintumors ist, — wie es gesagt ist, — kann wohl
nur in den concreten Fällen beurtbeilt werden; so viel
glaube ich aber doch mit H. Bennet, Tili u. A. behaupten
zu können, dass eine voraus bestehende chronisch -inflannna-
torische Hypertrophie des Mutterhalses nicht selten Veran-
lassung gibt zu einem ähnlichen Zustande des Uteruskörpers,
wenn das Uebel nicht durch eine frühzeitige Behandlung
gehoben wird.
Die Mittel gegen die chronisch -infiaromatoriscben Hyper-
trophieen, Infarcte, mangelhafte Involutionen u. s. w. des Uterus
sind ganz gewiss so ziemlich dieselben und überall bekannt,
aber ohne eine methodische, dauernde, abwechselnde An-
wendung erreicht man, wie gesagt, oft nicht das Ziel. Alle
Aerzte sind wohl darin einverstanden, dass bittere, roborirende
Extracte, Eisenmittel mit Zusatz von abführenden Digestiv-
mitteln, in Verbindung mit einer guten, leicht verdaulichen
Nahrung von Nutzen sind. Bromkalium, Jodkalium mit
kleinen Gaben der Narcotica, die als wahre umstimmende
Mittel wirken, sind wohl auch innerlich im Gebrauch.
Weniger angewandt wird; wie ich glaube, der sogenannte
Neptunusgürtel , das heisst, Wasserumschläge über den Unter-
leib, kalt angelegt, drei bis vier Mal täglich umgewechselt,
und mit Wachstalfet bedeckt Dieser Gürtel kann jedenfalls
während der Nacht lange angewandt werden, und je kälter
er angebracht wird, desto wärmer werden die Umschläge
nachher und desto besser wirken sie. In Verbindung mit
Aufpinselong von Jodtinctur (mit Glyöerin gemildert) auf die
454 XXVII. Fay$, üeber die Heilbarkeit und Heilmittel etc.
Regio bypogastrica ist die Wirkung der lange fortgesetzten
Wasserumschläge unzweifelhaft gut.
Im Vaginalgewöibe und um den Mutterhals sind die
Blutegel nicht zu verachten; aber insbesondere möchte ich
dabei eine tägliche Application von Boli , bereitet von
Mercurialsalbe, oder Jodkalium mit Butyrum Cacao and Oel,
und Belladonnaextract empfehlen. Douchen von Wasser, auch
Oeleinsprilzungen Üiun dabei gute Dienste. Noch bin ich
sehr geneigt, kleine Lavements, täglich zwei bis drei Mal,
zu rühmen. Ich wähle dazu Leberthran, einen Esslöffel voll
mit fänf bis zehn Tropfen Jodtinctur und eben so viel
Eisentinctm* und Laudanum versetzt.
Diese Mittel lernen die Patientinnen sich selbst so zu
appliciren, dass sie Alles bei sich behalten. Mit dem Thran
geht es oft besser, so, als wenn er innerlich genommen
werden soll; das Mittel wirkt resolvirend und unterstutzt die
Ernähnmg ganz vorzüglich. Wenn den Patientinnen erlaubt
ist, Bett oder Sopha zu verlassen, so gebrauche ich immer
eine bequeme hypogastrische Binde mit einem guten Perinäal-
kissen, durch welches letztere der Beckenboden erhöht und
gestutzt, und somit die Gebärmutter leichter getragen wird.
Wenn die Kranken sich daran gewöhnt haben, fühlen und
loben üe selbst die gute Wirkung.
In einem Falle habe ich von sehr kleinen Dosen von
Jodarsen merklichen Effect gesehen; in ein paar anderen
Fällen habe ich die Hypophosphide von Natron und Kalk
versucht, ohne besondere Wirkung. Wo mit Intumescenz
des Uterus ein hartnäckiger Katarrh verbunden war, habe idi
mit einer dazu construirten Spritze Injectionen von Wasser
mit Glycerin und kleinen Zusätzen von Jod und Eisen-
Chlorid gemacht, und mit entschieden gutem Erfolge. Es
versteht sich, dass man mit Injectionen in die Gebärmutter-
bohle sehr vorsichtig sein muss, weil leicht eine Peritonäal-
irritation dadurch veranlasst werden kann.
Wenn die Vaginalportion des Mutterhalses hypertrophisch,
offen und sogar ulcerirt ist, so bin ich mit Dr. TiÜ und
H. Bennet darin einverstanden, dass eine Cauterisation mit
Lapis causticus cum calce im Canal angewendet, ein sehr
wirksames Mittel ist, indem die Schmelzung des indurirten
XXVIII. Notiien ans der Journal -Literatur. 455
Geweben und eine sich in den ganzen Gebarmutterturoor er-
streckende Resolution danach folgt. Tägliche Oeleinspritzungen,
narcotische Suppositorien im Rectum, Neptunusgörtel 'auf den
Unterleib und innerlich Chinin mit Opium wird eine mögliche
Peritonäakeizung beseitigen.
Selbst Uterusinfarcte in Folge von Flexionen habe ich,
nachdem die Deviation bei einer combinirten medianischen
und cauterisirenden Behandlung gehoben oder wesentlich
gebessert War, mehrmals so weit geheilt gesehen, dass die
Patientinnen nach mehrjährigen Leiden, Blutflüssen u. s. w.,
wieder ihre gewöhnliche Lebensweise aufnehmen konnten.
Nur bemerke ichj in Uebereinstimmung mit Dr. Freund in
seinem Vortrage auf der Naturforscherversammlung in Karlsbad
1862: dass eine Behandlung von 1 — IVa Jahren bisweilen
erfordert wird, damit die geknickte und atrophirte Flexurstelle
wieder ihre Resistenz erreichen könne.
XXVIII.
Notizen aus der Journal -Literatur.
Gubhr: lieber die von der Menstruation unab-
hängigen Uterinblutungen beim Beginne acuter
Fieber und Entzündungen.
Aas der Entdeckung der Physiologen, dass die Menstroation
mit einer periodischen Eireifung zusammenhänge, hat die Patho-
logie noch nicht den nöthigen Vortheil gesogen, indem noch die
meisten Uterinhiutungen als Menstruationen angesehen werden,
ohne ihre Wechselwirkung mit der Eireifung festzustellen.
Verf. ist mit Racihorsky der Ansicht und glaubt dieselbe zuerst
ausgesprochen zu haben, dass der Uterus seine Blutungen habe,
wie jedes andere Organ, welche sich bei gewissen Erkrankungen
einstellen, ähnlich wie die Blutungen aus der Nase, aber von
der Eireifung ganz unabhängig sind. Verf. Tersueht seine An-
nahme durch beweisende Beobachtungen festzustellen, nachdem
er denselben noch einige bekannte Sätze über die Physiologie
der Menstruation vorausgeschickt hat Die Oyalation und die
456 XXVIil. Notisen aus der Journal- Lite ratar.
Uterinblntong stehen nicht immer aof gleicher Hohe ihrer Er-
schcinnngen,, die eine ist nicht immer von der anderen abhängig
nnd ihr untergeordnet, das Ei reift öfter, ohne oder bei sehr geringer
Blntnng, und die Blutung ist zuweilen stark bei unvollkommener oder
mangelnder Eibildnng. So beobachtete Verf. eine diffuse Meningo*
Encephalitis, mit deren Beginn sich reichliche Menstruation
seigte und bis zum Tode, der am zehnten Tage der Krankheit
eintrat, andauerte. Die Section ergab vollRtändige Vernarbung
des Follikels und Bildung eines Corpus luteum mit gleichzeitigen
frischen Blutgerinnseln in der Gebärmntterhöhle. Das Alter des
genau untersuchten Corpus luteum entsprach der Zeit des Ein-
trittes der Menstruation vor zehn Tagen. Es wurde in diesem
Falle die Menstruation durch die acute Gebirnerkrankung nur
übermässig verlängert, und zwar kommt nur die Gebärmutter-
blutung in Betracht, indem die mit der Reifung und Ablösung
einhergehende Blutung der Ovarien und Tuben überhaupt eine
ganz kurze und untergeordnete Rolle bei der normalen Menstruation
spielt und in obigem Falle längst aufgehört hatte. Eine gleiche
Unabhängigkeit beider Thätigkeiten lässt sich auch in den
pathologischen Fällen verfolgen. Bei kachektischen Personen
entwickelt sich oft nur die eine oder die andere der beiden
Thätigkeiten, durch den Einfluss der Krankheit scheinen beide
zugleich nicht mehr sich entwickeln zu können, oder die Blutung
fällt der Zeit nach nicht mehr mit der Ovulation überein, die
Blutung kommt zu früh oder zu spät nnd sie stehen schliesslich
in gar keinem Zusammenhange mehr. Das ist denn keine
Menstruationsanomalie' mehr, sondern ein für sich bestehender
KrankheitszQstand.
Die früheren Erklärungen der Menstruation, wie Reinigung
des Blutes, Bereithaltung von Ernährungsmaterial u. s. w., sind
entschieden falsch. Die blutige Ausscheidung, welche die Ovulation
begleitet, ist eine Erleichterung des mit Blut überfüllten Organes,
eine Beruhigung der gesetzten Reizung, die Zerreissnng der
Capill arge fasse und die Aussickerung des Blutes beseitigt den
Bubinflammatorischen Zustand und verhindert die Bildung der
Decidua. Sehr wichtig ist aber f^ie durch die Blutüberfüllung
herbeigeführte Lockerung und Schwellung der Genitalien, welche
die im ruhigen Zustande engen Canäle und Oeffnungen, zumal
der Tuben, weit und leicht durchgängig macht. Die eintretende
Blutung beendigt die Schwellung und führt den früheren Zustand
zurück, der Eintritt des Eies in den Uterus ist von nun an
verhindert, das Ei geht unter. — Die physiologischen Gesetze
beherrschen aber auch die pathologischen. Nach Ablauf einer
regelmässigen Menstruation , zuweilen schon nach wenigen Tagen
zeigt sich in Begleitung fieberhafter Zustände eine neue Uterin-
blutnng, welche. aber mit der Ovulation nicht in Verbindung
steht. So fand Vibert in der Klinik des Verfassers bei einer
ZXVIII. KotiseD ans der Journal •Literatur. 457
Typhnskranken den Eintritt von Nasen- nnd Gebärmntterbintnng
acht Tage nach dem Eintritte der lotsten regelmässig ab-
gelaufenen Menstrnation, Durante ebendaselbst gleichfalls eine
OebSrmntterblutnng bei einer Varioloiden- Kranken acht Tage
nach dem Aufhören der Menstrnation. Beide Kranke waren
früher stets regelmässig menstmirt gewesen. Soll man in solchen
Fällen annehmen dürfen, dass die Eier, welche bisher stets
yier Wochen snr Reifong bedurften, plötzlich während einer
Krankheit in acht und zwölf Tagen reif geworden seien? einer
Krankheit, in welcher der Körper so wenig zur plastischen
Bildung, vielmehr zum Schwunde geneigt ist? Gerade das Gegen-
theil findet statt, Krankheiten halten die Ovulation auf. Auch
wiederholte und unregelmässig während der Krankheiten auf-
tretende ßlutflusse stehen mit der Ovulation nicht im Zusammen-
hange. HippoertUea giebt an, bei vielen jungen Mädchen erscheine
die Menstrnation zum ersten Male während einer acuten Krankheit.
Wenn diese Blutung auch zuweilen die wirkliche Menstruation
gewesen sein mag, so war sie gewiss häufiger nur Krankheits-
symptom, zumal in den von Hippocrate$ erwähnten Fällen zu-
gleich Nasenbluten vorkam und die Mädchen übrigens keine
weiteren Zeichen der Reife darboten.
Gegen die gewöhnliche Ansicht, jede Mutterblutung, ausser
die nach Verletzungen, als Menstruation anzusehen, spricht auch
die Erscheinung der Mutterblutnng bei Ammen oder bei Frauen,
die für gewöhnlich nicht menstruiren und dann in constitutionelle
Amenorrhoe verfallen, endlich die Häufigkeit von Aborten während
acuter Krankheiten. Ein grosser Theil der Aborte ist die Folge
einer Blutcongestion, die nichts mit einer Ovulation geroein hat.
Das Ausbleiben der Blutung wUhrend der Schwangerschaft spricht
entschieden gegen eine Ovulation in dieser Zeit und die aus-
nahmsweise erscheinenden Blutungen während der Schwangerschaft
können vielleicht anfeine Congestionsgewohnheit des hyperämischen
Organes zurückgeführt werden. Ebenso will Verf. die Blutungen,
wenigstens während der sechs ersten Monate der Lactation nicht
als Menstruation, sondern als reine Gebärmutterblntung gelten
lassen. Die zu den Krankheiten hinzutretenden Mutterblutungen
lassen meist die Beschwerden, welche die eigentliche Menstruation
bei denselben Individuen häufig begleiten, vermissen. So fand
Verf. bei einer Masemkranken, die stets mit örtlichen bekannten
Schmerzen menstruirt hatte, eine durchaus schmerzlose leichte
Gebärmutterblntung eintreten, welche der erwarteten Menstruation
acht Tage vorausging und deshalb nicht als Menstruation zu
deuten war. In einem von Vibert beobachteten Falle von Typhus
zeigte sich eine sieben Tage dauernde Blutung zehn Tage vor
der erwarteten Menstruation, dann setzte das Blut zwei Tage
ans nnd nun erschien es auf vier Tage von neuem als wahre
Menstruation. Diese Deutung der Blutungen ist keine gezwungene,
458 XX VIII. Notizen aus der Journal -Literatur.
obwohl man sie anzweifeln könnte. Eine von Martin- Magron
gemachte Beobachtung^ war noch deutlicher, indem bei einem
febrilen Erythem eine Geb'ärmutterbluton^ 14 Tage nach der
letzten Menstruation eintrat und die folgende Menstruatiop zur
erwarteten Zeit wieder erschien, nachdem die Kranke wieder
gesund geworden war, während in dem vorhergehenden Falle
bei Erscheinung der angonommenen Menstruation die Krankheit
noch fortbestand, diese Blutung also, ebenso wie die erste, als
Erscheinung der Krankheit gedeutet werden könnte.
Auch die anatomischen Beweise sind zu liefern, dass die
Blutungen nicht immer mit der Ovalation zusammenhängen, da
1) die Ovarien keine auf die Eireifnng bezügliche Thätigkeft
zeigen, 2) das Alter des vorgefundenen Corpus luteum nicht mit
der frisch aufgetretenen Blutung übereinstimmt, 3) ein Mis-
verhältniss zwischen dem blutigen Ansehen des Gerinnsels und der
Beschaffenheit der älteren Rückbildungsproducte des €9^aa/*6cheii
Bläschens, welches jenes einschliesst, verbunden mit der Un-
versehrtheit der Hülle des Eierstockes an der Stelle des Blut-
heerdes besteht. Leider sind die anatomischen Untersuchungen
bisher sehr selten gemacht worden und bieten auch grosse
Schwierigkeiten. H^ie fand (Journal de la section de m^d.
de 1a Soc. acad. de la Loire -Inf^rieure, 1858) bei einem jungen
Mädchen, welches am siebenten Tage einer Scharlacherkranknng
starb und während der Krankheit ihre Menstruation gehabt hatte,
den Uterus und die Tuben bis 2 — 3 Centimeter von den Fimbrien
entfernt, gänzlich mit einem Blutgerinnsel angefüllt, beide
Ovarien gross, mit vielen Oraaf*8chen Bläschen gefällt, kein
frisches Corpns luteum, dagegen am äusseren Ende des linken
Ovarium eine Oraaf*8che Blase, wahrscheinlich die bei der
letzten Menstruation gereifte, von der Grösse einer kleinen Nuss,
27, Centimeter lang, 2 Centimeter breit und mit drei Viertheilen
ans der Oberfläche des Eierstockes hervorragend, mit einem
Blutgerinnsel gefüllt. Die innere hypertrophirte Membran zeigte
beim queren Durchschnitte der Blase die eigenthnmlicben
hängenden Falten ungeachtet der durch die Blutansammlung
herbeigeführten Ausdehnung. Während HSlie hier den Blutgang
als wirkliche Menstruation ansieht und das Blutgerinnsel im
Eierstocke damit zusammenbringt, sucht Verf. nachzuweisen, dass
der Blutgang während der Scharlachkrankheit keine Menstruation
gewesen sei, dass das Blut nur die Höhle des von der letzten
wirklichen Menstruation zurückgebliebenen und schon in der
Rückbildung begriffenen Corpus luteum gefüllt und zu einem
neuen Gerinnsel sich gebildet habe, denn es könnten sieh die
eigenthÜmlichen Falten auf der inneren Oberfläche des Follikels
nicht in den wenigen Tagen so entwickelt haben, wie sie vor-
gefunden wurden, dieselben müssten vielmehr schon älter seiD.
XXVIII. Notiaen ans der Journal -Literatnr. 459
In einem anderen Falle, den Lahoulhhne beobachtete (Comptes
rendns et m^moires de la «oci^t^ de biologie, 1852, t. TV., p. 185),
trat bei einer Variola -Kranken, welche swei Wochen vorher
menstmirt hatte, eine heftige Uterinblutung ein nnd am folgenden
Tage erfolgte plötzlich der Tod. Die Section zeigte den üterns
mit Blutgerinnseln und beide Tuben mit wurroförmigen Blut-
gerinnseln gefüllt, das linke Ovarium war krankhaft entartet,
das rechte war 4 Centimeter lang, in seinem äusseren Drittheil
blauroth und enthielt hier ein haselnussgrosses Gerinnsel ohne
Spur eines Risses. Dieser Fall ist ähnlich wie der vorige
zu deuten. In einer Beobachtung von Ch, Bemard (Comptes
rendus de la soc. de biologie, 1856, t. III., p. 65) starb die
Frau in Folge heftiger Krämpfe, veranlasst durch Blutergüsse
in den Wirbelsäulencanal, besonders der Dorsalgegend. Auch
andere Organe waren sehr blutreich. Aus dem Collum uteri
floss reichliches dunkles flüssiges Blut, während die Ovarien
keinen Congestionszustand darboten und keine frische Blase zu
finden war. Eine sehr wichtige Beobachtung wurde von Cornt7,
Interne in der Abtheilnng LailUr's gemacht. Eine 26jnhrige
Magd wurde am 30. Januar im Höpital Beaujon in Paris auf-
genommen. Sie litt an Typhoid, zu dem sich Mutterblntung
zugesellte. Vier Tage nach Eintritt der Blutung erfolgte der
Tod, acht Tage nach Beginn der Krankheit. Die Section ergab
ein drei Wochen altes Corpus luteum im rechten Ovarium, keine
Spur eines neuen Corpus luteum in dem einen oder anderen
Ovarium.
Den Einfluss einer acuten Krankheit in ihren verschiedenen
Stadien, auf die Hervorrufung der Menstruation oder Mutter-
blutung und die äusserste Grenze der schnellen Wiederkehr einer
wahren Menstruation festzustellen, ist bisher noch nicht genügend
gelungen. Verfassers Ansicht geht dahin, dass der Einfluss ein sehr
verschiedener ist. Die acuten Krankheiten halten die Menstruation
auf, wenn der Beginn beider nngefHhr zusammenfällt, sie be-
schleunigen die Menstruation, wenn die Krankheit zwischen den
Menstruationen und zwar möglichst bald nach der abgelaufenen
Menstruation beginnt. Beides jedoch, Aufschub und Beschleunigung,
dürfen nicht eine Woche überschreiten, wenn sie noch als wahre
Menstruation mit Ovulation angesehen werden sollen. Drittens
stören die Krankheiten die Menstruation gar nicht, wenn die
allgemeinen und örtlichen Erscheinungen der Krankheit gering
sind oder wenn bei heftigem Fieber die Reaction mit der Zeit
der regelmässigen Wiederkehr der Menstruation zusammenfallt.
Die Gebärmutterblutungen können aber jederzeit eintreten, einige
Tage nach und vor einer Menstruation oder mitten in der
Zwischenzeit.
Die die Menstruation erregenden Mittel sind nur im Stande,
eine Congestion nnd Blutung der Gebärmutter zn erzeugen, nicht
460 XXVIII. Notizen ans der Journal - Literatur.
aber eine Ovulation. Sie sind nnr heilsam, wo eine schon bereite
▼erzögforte Menstruation angetrieben, eine ungenügende Eibildung*
gefördert, das Platzen des EiblKschens herbeigeführt werden
kann, aber sie sind unwirksam bei einem sterilen Eierstocke.
Zum Schlnss stellt Verf. folgende Sätze auf:
1. Das Wesen der Menstruation liegt in der Eireifung.
Der Blutfluss ist nur ein untergeordnetes Symptom, bestimmt,
die Erregung der Genitalien zu beruhigen und die Fruchtbarkeit
SU begrenzen.
2. Ebenso wie die Eibildung ohne Blutung, so kann auch
Mutterblutung ohne Eibildung stattfinden.
8. Viele Mutterblutungen, welche während acuter Krank-
heiten auftreten, werden fälschlich für antecipirte Menstruationen
gehalten.
4. Es ist dies zu beweisen a) durch die kurze Zwischenzeit
zwischen den Blutungen, in welcher ein Ei nicht reifen kann,
h) durch Blutungen bei nicht menstruirten Frauen (Krankheit,
Schwangerschaft, SUugungszeit), c) durch Mangel der die Men-
struation begleitenden Erscheinungen, d) durch die punktliche
Wiederkehr der Menstruation wUhrend der Krankheit oder Ge-
nesung zu einer Zeit, welche der erwarteten Menstruation
entspricht.
6. Auch die Sectionen liefern den Beweis, denn es finden
sich in den Ovarien keine reife Bläschen, wohl aber frische Blut-
ergüsse in alte Corpora lutea oder nur alte Corpora lutea bei
Gebärmutterblutungen.^
6. Der Einflnss acuter Krankheiten auf die Wiederkehr der
Menstruation ist früher falsch beurtheilt worden, indem viele
einfache Blutungen für Menstruationen gehalten wurden.
7. Die acuten Krankheiten stören die Menstruation nicht,
oder sie beschleunigen oder sie halten sie auf. Die Beschleunigung
kann wahrscheinlich eine Woche nicht tiberschreiten.
8. Die acuten Krankheiten können dagegen Gebürmutter-
blutungen erregen, knrz nach, kurz vor einer Menstruation und
in jeder Zeit der Pause.
9. Im Beginne der acuten Krankheiten werden am leichtesten
Blutungen erregt; günstig für dieselben sind ferner Heftigkeit
der Krankheit, Erkrankung der hypogastrischen Organe, Blut-
zersetzung, Erweichung der Gewebe in dem blutenden Organe.
10. Am häufigsten kommen Mutterblutungen vor im Beginne
der Entzündungen der Brust- und Bauchorgane, beim Typhus,
Erysipelas, den acuten Exanthemen.
11. Die Unterscheidung einer Mutterblutunpr von einer
Menstruation ergiebt sich ans den unter 4 und 6 aufgeführten
Schlüssen.
XXVin. Notisen ans der Journal -Literatur. 461
12. Die Statistik der periodischen Wiederkehr der Men*
strnation nnd die Annahme der Wirksamkeit der gegen Amennorrhöe
empfohlenen Arzneimittel bedarf einer Keyision.
(Gaz. möd. de Paris, 1863, No. 9, 18, 15, 16, 18, 20.)
A. Stadfeldt: Untersuchungen über den Kindskopf
in obstetritischer Beziehung.
Der Verfasser veröffentlicht hiermit seine im Jahre 1869
yorgenommenen Messungen nnd Untersnchnngen, die in dem
Kopenhagencr Gebärhause und an den Präparaten in dem Museum
Saxtorphianum vorgenommen sind. Die Missverhältnisse in der
Käumlichkeit unter der Geburt werden im Ailgemeinen hervor-
gerufen durch Missverhältnisse zwischen zwei Factoren: Frauen-
becken und Kindskopf. Der erste Factor wird gewöhnlich mehr
berücksichtigt, als der zweite, weil er leichter zu taziren ist.
Doch kann man durch Uebung viel erreichen in Bestimmung der
Grössenverhältnisse des Kindskopfes, aber vor Allem ist es
nothwendig, die Grösse nnd das Accomodationsvermögen dee
Kopfes im Allgemeinen zu kennen, ohne dasselbe kann man kein
Urtheil in jedem einzeli^en Falle abgeben. S* hat deswegen den
normalen Kindskopf als Ausgangspunkt für seine Untersnchungen
gemacht; ferner hat er Studien über die Formveränderungen
und Beschädigungen des Kindskopfes bei der Geburt hinzugefügt
und glaubt dadurch eine Seite der mechanischen Miss Verhältnisse
unter der Geburt beleuchtet zu haben.
Die Form, Grösse und das Accomodationsvermögen
des Kindskopfes. S. macht erst darauf aufmerksam, dass der
Kindsschädcl in seinen zwei Seitentheilen nicht symmetrisch ist,
wie es schon bei Erwachseneu angegeben ist. Er hofft später
darauf zurückzukommen, vorläufig giebt er nur an, dass er bei
allen Kindern eine constante Asymmetrie beobachtet hat; sie
ist ein wenig wechselnd, aber ziemlich unveränderlich und am
deutlichsten ausgesprochen am Hiuterhaupte, wo die linke Hälfte
mehr hervortretend nnd gewölbt ist als die rechte, wenn man
den Kopf von oben betrachtet. Diese Asymmetrie ist ganz un*
abhängig von der Geburt, denn sie ist in den grossen Zügen
immer dieselbe, wenn auch die Kinder in den verschiedenen
Schädel- oder Beckenendlagen geboren sind; und der Verf. hat
auch diese Schiefheit bei Kindern in utero gefunden, deren
Mütter im Anfange der Geburt gestorben waren. In dieser
Schiefheit will er auch die Erklärung finden zu der Observation
von Hyril (Topograph. Anatomie, Bd. I.), dass bei grösserer
Compression des Schädels durch die Zange das linke Scheitelbein
gewöhnlich sich unter das rechte hineindrücken lässt. Ein sehr
häufiger Hauptcharakter der genannten Asymmetrie ist eben, dass
462 XXVIII. Notisen ans dar Joarnal* Literatur.
das rechte Scheitelbein weniger gewölbt ist als das linke, mit seinem
inneren Bande mehr nach oben gekehrt ist und dnreh Compression
des Schädels von den Seiten aas, also über das linke gehen
muss. Diese «physiologische Asymmetrie" ist oft be-
deutend; deswegen darf man nicht hHzu schnell mit F, Weber
die Schiefheiten des Kindskopfes als dnreh die Geburt hervor-
gebracht betrachten. Sie fangt früh an und «S*. hat sie schon
bei einer sechsmonatltchen Frucht gefunden, deren Kopf vor-
sichtig mit Gyps gefüllt war.
Die SchKdelform wechselt etwas und wir finden auch bei
Kindern runde, ovale und elliptische Schädel, aber wie schon
Smellie und Scuctorph hervorgehoben haben, die Kopfformen können
auch modificirt werden durch die verschiedenen Stellungen nnd
Bewegungen des Kopfes unter der Geburt. Das hat er besonders
gefunden bei Gesichts- und Stimgeburten , wo der Kopf aam
Theil mit seinem diagonalen Durchmesser durch das Becken ge-
trieben wird. Dadurch wird dieser Durchmesser verkürzt, der
Occ- frontal -Diameter dagegen nm % — y/' verlängert. Grosse
Schwankungen sind überhaupt in den Diametern an den ver-
schiedenen Köpfen möglich, wie seine Tab. 1 nachweist;*) bei
75 ausgetragenen Kindern differirt Diam. diagonalis von 4'/4 — b^/4'9
Diam. transv. post. von 374 — %", Diam. occ. -front, von 4*/, — ^V,"
nnd der verticale Durchmesser von 3% — 4Ve". 8, hat folgende
Mittelmaasse gefunden: Diam. occ. -front 4,527", Diam. transT.
post. 3,486'', Occ. -frontal -Umfang 13,324", verticaler Durchmesser
8,660" nnd Umfang 12,110".
£s wird in mehreren Lehrbüchern angegeben , dass die
Schädel bei Knaben grösser sind als bei Mädchen, and dass
eben das dadurch bedingte grössere Missverhältniss zwischen
Kopf und Becken als Ursache des häufigeren Absterbens der
Knaben unter und kurz nach der Geburt zu betrachten ist.
Maurieeau (237 Aphorisme), Clarke und Simpson haben das
behauptet, und besonders der Letzte hat das mechanische
Missverhältniss als die einzige Ursache zu diesem häufigeren
Absterben der Knaben angegeben. Allerdings sind die Schndel
bei Knaben im Durchschnitte grösser als bei Mädchen, und wie
Clarke, ThuUtrup und Simpson h&t Stadfeldt durch seine Messungen
auch eine Mitteldifferenz von 0,1.15" in dem Occ. -frontal -Umfange
gefunden, aber es ist doch bemerkenswerth, dass man in jedem
einzelnen Falle nicht einen Schluss daraus ziehen kann, denn
die drei grössten Schädel in seiner Tabelle gehörten eben Mädchen.
Der Verf. will auch nicht die Berechnungen von Simpson als
beweisend annehmen, denn in der Benutzung des Materials von
Coüins hat Simpson allzu yieles zusammengemischt. Für ihn ist
nar die Frage: Knabe oder Mädchen, und die Verschiedenheiten
1) Ein dänischer Zoll = 11,6 Pariser Linien.
XXVIII. Notisen aas der Journal -Literatur. 463
des Gebnrtsmecbanismus seitens der Mutter sind gar nicht berück-
sichtigt; er anterscheidet nicht, ob es sich um Erstgebärende
oder Mehrgebärende handelt, ob die Becken und Qeschlechtstheile
eng waren oder nicht u. s. w. Diese Fragen können aber nicht
Burückgedrängt werden. A priori kann man nicht verstehen,
dass ein Unterschied in dem Schädelumfange von ^Vioo" ^^
Mittelmaass so nachtheilig wirken sollte. Stad/eldt meint auch,
dass das nicht der Fall ist, denn wäre die Grössendilferenz allein
die Ursache eu der grösseren Sterblichkeit der Knaben, dann
miisste erstens die Anzahl der todtgeborenen Kinder in Amerika
viel grösser sein, als in Europa, weil die Kindsköpfe dort nach
von PeWs Messungen (Monatsschrift f. Geburtsk. , 16. Bd., 4. H.)
bedeutend grösser sind, als in Europa, ohne dass das Normal-
maass der Weiberbecken (nach Meig*% Angaben) grösser ist;
von einer solchen bedeutend grösseren Sterblichkeit wissen wir
aber nichts. Zweitens müssen nothwendig die ausgetragenen,
unter der Geburt abgestorbenen Kinder bei Erstgebärenden öfters
Knaben sein, als Mädchen, denn wo die Käumlichkeitsverbältnisse
bei den Müttern am ungünstigsten sind, kann es nicht anders
sein, als dass die grösseren Knabenschädel ein mechanisches
Missverhältniss leichter hervorrufen, als die kleineren Mädchen-
Schädel. Aber das ist eben nicht der Fall. Macht man in dieser
Hinsicht eine Sonderung nach CoUina* Tabellen, so findet man,
dass das Verhältniss bei Primiparis für die Knaben günstiger ist,
als wenn man alle Geburten zusammennimmt. Die todtgeborenen,
ausgetragenen, nicht macerirten Knaben verhalten sich bei Erst-
gebärenden zu den Mädchen wie 146 : 100 (145 Knaben gegen
99 Mädchen), bei den Geburten im Allgemeinen dagegen wie
151 : 10^). — Die Räumlichkeiten in den mütterlichen Geburts-
wegen sind viel grösseren Schwankungen unterworfen und ver-
ursachen auch leichtere Räumlichkeitsverhältnisse unter der
Geburt als die Kinderschädel. Die Richtigkeit dieser Bemerkung
tritt noch deutlicher hervor, wenn wir bei Collins und tSimpaon
sehen, dass die Sterblichkeit der Kinder unter der Geburt bei
Erstgebärenden 5 Piocent beträgt, aber nur 2^^ Procent bei
Mehrgebärenden, und doch sind die Schädel, nach StadfeldC»
Messungen in Tab. 6. grösser bei Kindern von Mehrgebärenden
als bei Kindern von Erstgebärenden. Obgleich die Mehrgebärenden
in seiner Tabelle mehr Mädchen geboren haben als Knaben,
sind die Schädel im Mittelmaass doch um 0,104'' grösser im
Occ- frontal -Umfange und 0,035" in D. occ. front, als bei Erst-
gebäreuden. Diese und noch ein paar Gründe zeigen nach
StadfeldVs Ansicht, dass andere Momente in Betracht kommen
müssen, um die schlechtere Prognose für Knaben zu erklären.
Ohne tiefer in diese Frage eingehen zu wollen, fügt er noch
hinzu, dass CZorArs's Meinung, dass bei Knaben ein Missverhältniss
in der Ernährung oder, wenn man will, in dem Luftwechsel unter
46-1 XXVIII. Notisen ans der Journal- Literatur.
der Geburt leichter entsteht, etwas für sich hat. — Die neueren
Üntersuchnngen yon Breslau über die GewichtsTeränderungen der
Neugeborenen können dafür sprechen, denn darnach schienen
die Knaben empfindlicher zu sein als die Mädchen.
Das A ccomodationsverniögen des Kindskopfes ist
schon lange bekannt, aber bei einer gewöhnlichen Gebnrt und*
gewöhnlichen RäumlichkeisTerhältDissen meint S. gegen Saxlorph,
dass die mütterlichen Weicbtheile mehr Einfiuss auf die Forra-
veränderung des Kopfes haben als das Becken. Die Schadel-
knochen nähern sich einander und gehen über einander und öfters
geschieht es — worauf Levy aufmerksam gemacht hat — , dass
ein Knochen nicht in seiner ganzen Länge über oder unter
den nächstliegenden gebt, sondern eine Kreuzung in der Mitte
der Knochenränder stattfindet. — S. hat versucht, durch 67
successive Messungen zu constatiren, wo die Compression und
wo die Compensation hervorgebracht wird. £r hat deswegen die
Schädel zwei Mal gemessen, gleich nach der Geburt und 36 bis
48 Stunden später. Wie schon Burns hervorgehoben hat, kann
man doch nicht immer erwarten; die Compensationserweiterung
mit den Passerbeinen zu ergreifen, weil sie öfters ausserhalb
der gewöhnlichen Messpunkte fällt. Nichtsdestoweniger meint 8,
nach seinen Messungen sagen zu können, dass die Compression
gewöhnlich in dem Diam. occ- front, und verticalem Umfange
geschieht, die Compensation dagegen in dem diagonalen Durch-
messer. Dies ist der Fall bei der gewöhnlichen Geburt oder
besonders bei dem gleichmässig, allgemein verengten Becken;
wo aber ein Räumlichkeitsmissverhältniss in einer Richtung
stattfindet — und dabei denkt er namentlich an die Verengerung
in Diam. conj. vera — sucht der Kopf mit seinem kleineren
Diameter durch die verengte Stelle za kommen und durch das
Durchdrücken wird Diam. transv. post. oft bedeutend verkürzt;
hier ist gewöhnlich auch mehr Platz für die Compensations-
erweiterung. Sehr instructiv ist in dieser Beziehung ein skeletirter
Kopf im Museum Saxtorphiannm, wo Diam. transv. post. nur S*//'
misst, Diam. occ. front, dagegen ^^/^" und der diagonale Durch-
messer 57,'' ist. Das Kind wurde mit diesem sehr configurirten
Kopfe todt geboren, das weibliche Becken war rachitisch und
die Geburt dauerte zwei Tage. Wie Baudelocque und Hyril durch
Compressionsversnche mit der Zange an todten Kindern gezeigt
haben, lassen sich die Schädel nicht mehr als 4 bis 6'" im Quer-
durchmesser zusammendrücken. Die Naturkräfte sind gewiss
wiiksamer in dieser Hinsicht als die Zange, doch ist eine Ver-
minderung von y,'' in Diam. transv. post. (wie BamsboÜiam nn-
giebt) äusserst selten, wenn man von ausgetragenen lebenden
Kindern spricht. Nach seinen successiven Messungen (Tab. 1.)
meint 8,, dass KivoUch Recht hat, wenn er die Grenze für die
Compressibilität des Schädels in einem Diameter zu 2 bis 4'
//#
XXVin. Notisen ans der Journal- Literatur« 465
setzt; Dar bei sehr weichen Schädeln von anreifen Kindern hat S,
eine Differenz von Y," gefunden, und doch war das Missverhältniss
in der Räumlichkeit bei den 57 Geburten oft bedeutend. Man mnss
aber messen, denn die blosse Schätzung ist bei dem durch Kopf-
geschwulst verlängerten Kopfe sehr trügerisch. Weiter bespricht
der Verf. die Beschädigungen, durch welche die Naturkräfte
suchen eine Accomodation hervorzurufen, die Rupturen in den
Nähten, Depressionen, Fissuren und Fracturen. Die Depressionen,
ncomme l*on voit auz pots dVtain et de cuivre*, wie schon
Amhr. Paraeus gesagt hat, zeigen gewöhnlich eine drei- oder
vierwinkliche Faltung der Knochensubstanz, entstehen in der
grossen Mehrzahl der Fälle durch Druck gegen das Promontorium
sehr selten von den Spinae ischii oder Exostosen im Becken.
Sie sind aber oft sehr bedeutend und von einer Abflachung der
unterliegenden Gehirnwindungen begleitet. Er theilt zuletzt eine
Beobachtung mit, wo zwei Fissuren in den Schädelknochen hervor-
gebracht waren bei einer durch die Naturkräfte allein beendigten
Geburt. Diese Fissuren trafen das linke Scheitelbein; bedeutender
Bluterguss war auch vorhanden. Das Kind wog 6 Pfund und
starb gleich nach der Geburt. Die Frau war eine 37jährige
Erstgebärende, die Geburt eine normale Kopfgeburt bei nicht
ungewöhnlicher Geburtsdauer. Das Becken war dagegen etwas
verengt, Diam. conj. ext. 6%", Sp. II. mit einer Entfernung
von S*//'- Er findet in diesem Falle noch einen Beweis für den
jetzt allgemein angenommenen Satz, dass solche Beschädigungen
nicht beweisen können, dass eine Gewaltthat vorausgegangen ist.
Wenn nun auch die Natur alle diese Mittel benutzt, um den
Kopf für die Geburtswege zu accomodiren, kann man doch nicht
hoffen, eine Verkleinerung von mehr als V/' '^ erreichen.
Die diagnostische Bedeutung von den Folgen der
Accomodation des Kopfes. Wie SmelUe^ Stein d. J. und
besonders Michaeli» hervorgehoben haben, bedingen die engen
Becken sehr oft eine Modification in dem Geburtsmechanismus.
Wenn die Beckenform verändert ist, muss die „active Rolle'
des Beckens eine «andere sein als bei normaler Beckenform.
Ueber die dadurch bedingte Formveränderung des Kopfes hat er
schon gesprochen. Was die Druckstellen der Kopfhaut und die
Depressionen der Schädelknochen betrifft, so haben sie insofern
eine diagnostische Bedeutung für die Kopfstellungen und Becken-
arten, als ihr Sitz durch eine Zusammenwirkung der verminderten
Räumlichkeit und des veränderten Geburtsmechanismus bestimmt
wird. Sie kommen deswegen am meisten vor bei der Geburt
durch die ungleichmässig verengten Becken. Sie kommen an den
Bcheitelbeinen vor und S, theilt vier Observationen mit, wo diese
Spuren von Druck beim vorausgehenden Kopfe vorgefunden
wurden; die Becken waren theils Pelves planae, theils rachitische
UonatABchr. f. Oebttrtsk. 1868. Bd.ULU., HfU6. 30
466 XXVIII. Notizen ans der Joarnal-Literatar.
QngleicbmSssig verengte Becken. Anch beim znletzt kommenden
Kopfe können diese Drnckstellen Torkommen un der erörtert zwei
Fälle: Die Depressionen sassen bier zwischen Tub. pariet. nnd
dem Ohre nnd zwischen Tab. pariet. nnd der Kranznaht. In dem
einen Falle maass Diaro, transv. an der Depressionsstelle des
Schädels Z^/^ nnd rechnen wir dazn die Dicke der Weichtheile
dos Kopfes und des Beckens, so haben wir das Maass für den
Diam. conj. vera des BeckeneiDgaoges (3%")' ^^^ ^^' Erwähnung
dieser Beschädigungen am nachfolgenden Kopfe bespricht 8. die
alte, von Simpson und einigen deutschen Geburtshelfern empfohlene
Wendung auf den Kopf bei engen Becken. Er glaubt, dass
diese Indication für Wendung nicht annehmbar ist. Es ist wohl
wahr, dass die Schädel leichter comprimirt werden können,
wenn di«^ Snt. sagit. nach oben gekehrt und frei liegt, aber man
darf nicht vergessen, dass der Kopf bei nachfolgender Eztraction
in einigen Secunden nnd Minuten accomodirt werden soll. Man
ändert also die Kopflage in die ungünstigere Beckenendlage
und kann leicht Beschädigungen hervorrufen, die oft nicht ent-
standen wären, wenn man das ausserordentliche Accomadations-
vermögen der Naturkräfte bei vorausgehendem Kopfe benutzt
hätte. — In der Beckenenge allein findet S. nur eine Indication
für Wendung, die von E. Martin und Seyfert angegeben ist, das
ist bei asymmetrischen Becken, wenn das Hinterhaupt sich in der
engeren Hälfte zur Geburt präsentirt. Man kann dann durch die
Wendung das Hinterhaupt in die räumlichere Hälfte leiten. Levy
hat dieselben Ansichten von der Wendung bei engem Becken;
er will jedenfalls nur dann von der Wendung etwas wissen, wenn
die Beckenenge nicht beträchtlich ist und man bei früheren Ge-
burten gesehen hat, dass die Kinder unter dem langsamen Geburts-
verlaufe absterben; hier kann man die Wendung versuchen,
wenn die Bedingungen dafür günstig sind.
Auch an den Stirnbeinen können Depressionen vorkommen.
Sie werden oft hervorgebracht durch übereilte Zangenversuche,
wie Michaelia angegeben hat. S^ hat auch eine Beobachtung, wo
eine Depression an einem Stirnbeine hervorgebracht wurde bei
einer durch die Naturkräfte allein beendigten Geburt. Sie betrifft
eine 34jährige Mehrgebärende, die nach 12 stündigen Wehen
im Kopenhagener Gebärhause den 21. September 1860 Vormittags
9V, Uhr niederkam. Das Kind wurde in erster Scheitellage
geboren und das nach hinten liegende Scheitelbein war stark
vorgelagert, so dass eine grosse feste bläuliche Kopfgeschwnist
sich dort gebildet hatte. Das Kind war scheintodt, aber bald
belebt. Das linke Stirnbein war gleich über dem Tub. frontal,
stark deprimirt und die Kopfhaut bläulich gefärbt; nach 18 Tagen
war noch eine facetförmige Abflachung an dieser Stelle nach-
weisbar. Das Becken scheint ein ungleichmässiges, allgemein
verengtes Becken zu sein. Sp. II. 8V9", Cr. IL 10 W, Tr. 11",
XXVIII. Notisen aus der Joarnal-LiterBtar. 467
D. conj. ext. 6V4", D. conj. vera c. ^Vs'* MicJiaelU hat keine
solche Beobachtung, aber er giebt zu, daee die Depression an den
Stirnbeinen bei allgemein, doch ungleichmKssig verengtem Becken
darch die Natarkräfte hervorgebracht werden können. Vielleicht
hat in diesem Falle auch das angewohnliche Vorliegen des nach
hinten gekehrten Scheitelbeines etwas zu dem Platze der Druck-
stelle beigetragen.
Zum Schlüsse veröffentlicht 8, eine Beobachtung, wo am
rechten Stirnbeine eine lineare violette Druckstelle bemerkbar
war, und wo der Druck nur bewirkt werden konnte von einem
bei der später folgenden Section gefundenen scharfen, etwas
unebenen Enochenrand am Os sacrum an der rechten Synchondrosis
sacro-iliaca. Diese Form von KiUan Stachelbecken genannt,
ist nicht selten, aber sie bewirkt nicht oft Spuren von Druck
am Kindsköpfe. Hier war aber der Diam. transv. des Becken-
einganges nur 4V2", was vielleicht etwas Bedeutung gehabt hat.
Der rechte schräge Beckendurchmesser von der Exostose ge-
messen, war nur 47/', der linke dagegen ^^/^'^ Spinae ischii
nicht vorspringend. Das Kind wog 67, Pfund, kam todt in
erster Schädellage zur Welt, so dass das Promontorium am
rechten Stirnbeine keinen Druck ausüben konnte.
(Undersozelser om Barnehoved i obstetrisk Hensseende.
Kjöbenhavn, 1861, 84 Pag. — Saerskilt Aftryk of „Biblio-
thek for Laeger% VB., III. Bd., 2. H.)
V. Haartman: Einiges zur Lehre der Deviationen
der Gebärmutter im ungeschwängerten Zustande
und ihrer Behandlung auf mechanischem Wege.
Verfasser spricht besonders über die Versionen und Flexionen
der Gebärmutter und theilt letztere ein in die Flexionen im
engeren Sinne und die Infractionen oder Knickungen. Für alle
diese Formen kommen die Deviationen nach vorn und nach
hinten vor. Die Entstehung dieser Deviationen, über welche
Verf. vom pathologisch anatomischen Standpunkte ' aus keine
eigenen Erfahrungen hat, legt er nach seinen eigenen vielfachen
Beobachtungen an Lebenden in irgend einen von oben, oder
seitlich oben kommenden Druck auf die Gebärmutter, welche
ausserdem schlaff sein muss, um eine Biegung oder Knickung
zu Stande kommen zu lassen. Das Wochenbett ist dafür die
günstigste Zeit. Die an der Knicknngsstelle befindliche Atrophie
ist meist secundär. Bei Frauen und Jungfrauen, welche niemals
geboren haben, ist die Ursache in verschiedenen Krankheiten
der Gebärmutterschleimhaut zu suchen, besonders in Entzündung,
Verdickung, Schwellung der Follikel, die zu Verengungen, Zurück-
haltung der Secrete, Versch wärungen, Lockerung der Uterus-
30*
468 XXVIII. Notisen ans der Journal- Lite ratnt.
Substanz und Knickung fahren; ferner in allgemeiner Erschlaffiiii^
mit Anämie, in Fremdbildungen neben der Gebärmutter, partiellen
Entzündungen mit Exsudat; durch Druck tritt eine Resorption
des erweichten, umliegenden Uterusgewebes ein, und da später
auch das Exsudat durch Resorption oder Abscessbildung fort*
geschafft wird, entsteht eine Einknickung. Zuweilen ist der
Grund der Lageveränderung in einer ungleichen fötalen Ent-
Wickelung, Kurse eines Lig. latnm u. dergl. £U suchen {Virehow')»
Die Untersuchung zur Feststellung der Diagnose geschieht
nach Verf. am besten in der Seitenlage, auch hält er mit Recht
die Sonde für unentbehrlich. Dieselbe muss aber mit Vorsicht,
Geduld und Geschicklichkeit gehandhabt werden. Bei complicirten
Krümmungen, wo man mit der Sonde vergebliche Versuche ge-
macht hat, • ist es zweckmässig, die Zeit gleich nach der
Menstruation zum Sondiren zu benutzen, weil durch die Schwellang
des Uteras die Knickungsstelle gerader gerichtet ist. Auch die
Sonde wendet Verf. in der Seitenlage an, nur bei gewissen
Antefractionen ist die Rückenlage vorzuziehen. Sonden von
verschiedener Dicke müssen vorräthig sein, die dicksten fdr
schlaffe Uterinwandungen und gelockerte Schleimhaut, die dünnsten
für Strictnren.
Wenngleich in vielen Fällen die Deviationen der Gebärmutter
als solche nur eine secnndäre Bedeutung haben, so ist doch die
Wichtigkeit und Nothwendigkeit der directen und zwar mecha-
nischen Behandlung, besonders bei gewissen Arten der Lage-
und Formveränderungon im Auge zu behalten. Eine Radicalcur
ist ohne mechanische Behandlung undenkbar. Zweckmässig wird
eine entsprechende allgemeine und locale Therapie der mecha-
nischen vorausgeschickt, nur bei frischen und gewaltsam ent-
standenen Fällen ist baldigst die mechanische Behandlung zu
machen.
Als mechanisches Mittel hat Verf. den ^tmpxon^schen Uterus-
supporter als das einfachste und solideste Instrument benutzt,
das in einzelnen Fällen eine etwas modificirte Constrnction er-
halten mu^. Stricturen am inneren Muttermunde hat Verf. in
neuerer Zeit immer zuvor eingeschnitten, auch den äusseren
engen Muttermund gespalten und die Lippen tbeilweise ab-
getragen; andere Complicationen sind vorher oder gleichzeitig
zu beseitigen (Excoriationeu, Entzündungen, Auflockerungen).
Grosse Empfindlichkeit und Reizbarkeit des Uterus, veraltete
Granulationen und leichte Excoriationeu hielten dagegen nicht
von Anwendung des Supporters ab. Wichtig ist es, in jedem
individuellen Falle dem Instrumente richtige Dimensionen zu
geben. Der Intranterintheil des Supporters muss 1 Centimeter
kürzer sein als die Länge der Uterüshöhle und möglichst dick,
da dünne Stiele leicht in die Substanz einschneiden; die Kngel
am unteren Ende des Stieles muss ebenfalls gross, oben flach
-XXVIII. Notisen aas der Journal- Literatur. 469
oder selbst etwas ausgehöhlt sein, sonst wirkt sie erweiternd
anf den äusseren Mattermnnd, der sich allmälig öffnet nnd die
Engel in den Cervicalcanal eindringen lässt. Die EinfUhmng ist
bei enger Scheide nnd hochstehendem Muttermunde nicht leicht
und mnss sehr schonend und geduldig ausgeführt werden und
nach der Anlegung ist eine sehr genaue Controle über die passende
Lage des Instrumentes nöthig. In vielen FSlIen wird das Instrument
sogleich gut vertragen und die früheren Beschwerden verschwinden
sehr schnell. In anderen Fällen gewöhnen sich aber die Kranken
schwer an das Instrument, es entstehen selbst Krämpfe und £nt-
BÜndungen, die jedoch Yerf. stets ohne Entfernung des Instrumentes
durch Ruhe, Narcotica u. s. w. su beseitigen das Glück hatte.
Das Instrument ist in solchen Fällen nur dann su entfernen,
wenn es schlecht liegend gefunden wird. Bei gleichzeitigem
Schleimflusse sind laue Einspritzungen zu empfehlen; die Men»
struation wird meist stärker, eteigert sich zuweilen zu Blut-
flüssen, so dass blutstillende Mittel, ja selbst die Entfernung
des Instrumentes nöthig wird. Bei einfachen Fällen muss das
Instrument 2 — 3 Monate getragen werden, bei Infractionen
7— 10 Monate, in sehr alten Fällen 2 — 3 Jahre und länger. Die
Kranke muss stets in der Seitenlage liegen und darf sich Nachts
nicht über den Bücken nach der anderen Seite wenden, weshalb
zuweilen während der Nacht ein Arm leicht angebunden werden
muss. Nur in gewissen Fällen von Anteflezio und Antefractio,
in denen der Uterushals gut befestigt und von seiner Normallage
nicht abgewichen ist, kann die Rückenlage mit Vortheil gestattet
werden. Bei der Stuhl- und Urinausleernng mnss alles Drücken
vermieden werden. Nach dem Aufstehen ist das Sitzen möglichst
zu vermeiden, sondern es muss mit Gehen und Liegen abgewechselt
werden. Der Coitus ist nur gleich nach der Menstruation zu
rathen, um Schwangerschaft zu erzeugen; Verf. glaubt auch
Erfolg durch Einführen der Sonde kurz vor dem Coitus gesehen
SU haben, in dem er für das Eindringen des Samen, den Uterin-
«anal möglichst gerade gestreckt und vom Schleime befreit hatte.
Unter einigen 60 Fällen ans des Verfassers eigener Praxis
sah er niemals einen Nachtheil für die Gesundheit hervorgehen,
in einem Falle in der Praxis eines Collegen stellte sich in Folge
von unverantwortlicher Unvorsichtigkeit eine 5 — 6 Tage dauernde
gefahrdrohende Metroperitonitis ein; bei einer Section einer am
Typhus verstorbenen Kranken fand sich nicht das geringste Zeichen
einer localen Entzündung am Uterus.
Der Erfolg der Behandlung war freilich zuweilen ungenügend,
keiner war nur sehr selten und in keinem Falle befand sich die
Kranke nach derselben schlechter als vorher. Verf. tritt ent-
schieden gegon die Behauptung Mancher auf, dass durch die
mechanische Behandlung keine Inflexion oder Infraotion je bleibend
geheilt werden könne. Zwar kommen oft ^ecidive vor, aber
470 XXVIII. Notizen aus der Jonrnal> Literatur.
auch hSnfig danemde Heilaogen. Wo ReeidiTe folgten, waren
dieselben jedoch geringer, die Reizbarkeit abgestampfter.
In acht Fallen traten nach voransgegangener Sterilität
Conceptionen ein and wenn dieser Erfolg aach nicht beBtimmt
als Ton der mechanischen Behandlang abhängig zn beweisen ist,
so ist er doch anzanehmen, da sich überhaapt s&mmtliche
Fanctionen der Genitalien zn regeln pflegen.
(Petersbarger medic. Zeitschrift, Bd. V., U. 2, 1863, 8. 65.)
neppner: Drei Operationsfälle der Blasenscheiden-
fistel.
Verfasser hat in der chirnrgischen Fraaenabtheilang an der
Petersbarger medicinisch- chirnrgischen Akademie drei Blasen-
scheidenfisteln mit Erfolg operirt. Er folgte dabei der amerika-
nischen Methode, die von Hayward in Boston and Sims in
Nen-Tork erfanden, besonders darch Bozeman zar allgemeinen
Anerkenonng gebracht wurde. In einigen epikritisehen Be-
merknngen giebt Verf. praktische Winke über:
1) die Lage der Kranken während der Operation. In den von
ihm beobachteten Fällen, in denen die Fisteln nicht sa tief lagen,
war die Knieellenbogenlage die bequemste, die vordere Scheiden-
wand legt sich dabei in bedentender Aasdehnang and ohne Falten-
bildang dem Aage dar and man operirt sehr beqaem von oben
nach nnten. Bei tief liegenden Fisteln dagegen leistet die er-
höhte Steisslage TortrefiTliche Dienste. Aach das Chloroformiren
war in der Knieellenbogenlage möglich;
2) das Zntagefördern der Fistel. Bei zugänglichen Fisteln
genügen zam Oeffnen der Scheide die Finger oder die gewöhn-
lichen Plattenspecala; bei tiefer liegenden pflegt man gewöhnlich
mit der ilf«zsua?*schen Zange die Vaginalportion oder die Scheide
nach Bedarf herabzuziehen ; Verf. giebt den von Simon empfohlenen
Fadenschlingen, welche durch die Matte rmundslippen gezogen
werden , bei weitem den Vorzug;
8) die Beleuchtung des Operationsfeldes. Bei leichteren
Fällen genügt das gewöhnliche Tageslicht; bei tiefer liegenden
Fisteln ist entweder das Sonnenlicht einzuleiten oder bequemer
das Lampenlicht mittels vom Operateur selbst zu handhabenden
Hohlspiegels, ähnlich wie bei der Larjngoscopie ;
4) die Bildung der Wundfläche blos in der Scheide, ohne
Verletzung der Fistelränder ist der Hauptvorzug der amerikanischen
Methode vor allen übrigen. Es wird dadurch der Defect niemals
grösser, was nach den anderen gebräuchlichen Methoden leider
so oft beim Nichtgelingen der Operation beobachtet wird und
selbst zur Unheilbarkeit fahren kann. Es ist dabei wichtig, so
weit vom Fistelrande zu präpariren, bis man auf gesundes,
XXVIII. Notisen aus der Journal -Literatur. 471
riiQ reiclilicli blutendes Gewebe gelangt ist. Die Blasenschleimhaut
wird nach der araerikanischen Methode bei der Wundmachnng
t^ unverletzt erhalten, nnd dadurch wird derVortheil erreicht, dass
e:,! der Urin von der Wundfläche fern gehalten wird.
\j^ 6) die Anlegung der Nähte. Verf. empfiehlt, die Blasen-
1^ Schleimhaut nicht mit zu durchstechen und die Ein- nnd Ausstichs-
pnnkte stets ausserhalb der ringförmig die Fistel nRigebenden
g^i Wundfläche zu machen. Dabei kommt kein Theil der Ligatur
in die BlasenhShle zu liegen und dies verhindert manche störende
Complication durch verschiedene Blasenerkrankungen;
6) das Material, welches zur Naht verwendet wird. Verfasser
I' entscheidet sich für Fäden, welche mittels der durchlöcherten
Klammern (bar clamps) Baker Brownes zusammengehalten werden.
1 7) die Nachbehandlnng. Verfasser empfiehlt (gegen Simon)
das Liegenlassen des Katheters, spricht sich gegen Vaginal*
einspritzungen aus, wandte dagegen mitVortheil die permanente
Irrigation an. Die Fäden dürfen nicht zu früh entfernt werden,
etwa zwischen dem siebenten und dreizehnten Tage. Ruhige
Lage der Kranken ist zweckmässig.
(Petersburger medic. Zeitschrift, 1863, Bd. 4, Heft 4, 8. 251.)
Weil: Ein neues Pessarium.
W, stellte sich, wie er sagt, die Aufgabe, ein Pessarium
zu construiren, welches, ohne Bandage, mit dem möglichst ge-
ringen Drucke gegen die Scheide festhalte und bei welchem sich
dieser Druck stets nach der jeweiligen Last, die das Pessarium
zu tragen, selbstwirkend regulire. Eigene Erfahrungen über die
praktische Brauchbarkeit des vorgeschlagenen Instrumentes sind
nicht beigefügt, vielleicht also vom Erfinder noch nicht gemacht
worden. Die aus der Beschreibung und den vier beigegebenen
Abbildungen ersichtliche Construction ermuthigt gerade nicht zu
Versuchen, namentlich scheint uns das Anschrauben des Stempels
zum Einbringen und Entfernen des Pessarium verfehlt. Möge
also der Erfinder zuerst seine Erfahrungen veröff'entlichen, ehe
er Andere verführt, mit seinem Erfindungsproducte zu ex-
perimentiren. •
(Wiener medic. Wochenschrift, 1863, No. 28.)
Krasaowski: Colloide Entartung des linken Ovarium.
Ovariotomie. Vollkommene Genesung.
Die glucklichen Erfolge, welche in Amerika und England
die Ovariotomie gekrönt haben, führen zu immer weiterer Ver-
breitung der Operation. Obrger Fall, in Petersburg ausgeführt,
ist der erste in Bussland. Der günstige Verlauf der Operation
472 XXVIII. Notizen ans der Journal- Lite ratnr.
selbst, sowie der Heilung wird zu weiteren Versuchen ermuntern.
Der Fall an sich war gönstig und bot keine wesentlich nenen
Beziehungen für die Art der Operation. Verf. verspricht Versache
an Thieren, um die beste Methode der Unterbindung und Fixirung
des Stieles der Geschwulst festzustellen.
(Petersburger medic. Zeitschrift, 1863, Bd. 4, Heft 4, S. 242.)
Spencer Wells : Sieben Fälle von Ovariotomie in der
Privatpraxis.
In dem Medical times and gazette, Ju\j 26, 1862, wurde
bereits ein Fall veröffentlicht, bei welchem Verf. den Znsammen-
hang zwischen Ovarinm und Uterus mit dem Ecrasenr trennte
und vollkommene Heilung eintrat. Ausser diesem Falle hat
Verf. noch sieben Mal in der Privatpraxis die Ovariotomie ge-
macht und berichtet dieselben einzeln. Der Erfolg war ein
ausserordentlich günstiger, denn sechs Fälle endeten mit Genesang
und nur bei einem Falle folgte der Tod. Dieser letzte Fall war
von vom herein dnrch sehr feste und zahlreiche Adhäsionen
ungünstig und lehrte von Neuem die Nothwendigkeit, die Operation
nicht zu lange hinauszuschieben. Der Tod erfolgte durch
Peritonitis.
Die vom Verf. in demselben Zeiträume im Samaritan Hospital
ausgeführten Ovariotomien sind in dem Medic. times and gazette,
Decbr. 20, 1862 und March 14, 1863, bekannt gemacht.
(Medic. times and gazette j March 28, 1863.)
w
RegnauU: Ovariotomie einer vielfächerigen Kyste
bei einem neunzehnjährigen Mädchen. Heilung.
Die Kranke war von zarter Constitution, aber stets gesund
gewesen. Seit zwei Jahren fing der Leib an zu schwellen und
erreichte die Ovarialgeschwnlst die Grösse des Uterus im neunten
Monate der Schwangerschaft. Eine Probepunction ergab einen
dicken, fadenziehenden Inhalt und neben einer grösseren Ejste
zahlreiche kleinere. Die Operation wurde in der bekannten
Weise ausgeführt, die Heilung verlief günstig und war nur durch
die Bildung eines Abscesses, der von der einen Naht ausging,
unterbrochen. Zwanzig Tage nach der Operation konnte die
Kranke vollständig geheilt das Haus verlassen.
(6az. de hdpit., 1863, No. 120.)
XXVIII. Kotifen ans der Journal -Literatar. 473
Spencer Wells: Ovariotomie an einer Person zwei
Mal ausgeführt.
Spencer Wells erwähnt eines Falles, ohne ihn jedoch näher
zu beschreiben , wo an einem und demselben Individuum die
Entfernung des linken Eierstocks im Mai 1862, die des rechten
im Januar 1863 glücklich ausgeführt wurde. Der Autor stellt
in Bezug hierauf folgende 8ätze auf:
1. Die Ovariotomie kann an einer und derselben Patientin
zwei Mal ohne uugewöhnliche Schwierigkeiten ausgeführt werden.
2. Es ist empfehlenswerth, die zu setzende Wunde etwas
entfernt von der Karbe, die von der ersten Operation zurück-
geblieben ist, anzubringen.
3* Immer soll man bei einer Ovariotomie nach Entfernung
des kranken Eierstocks auch den anderen genau untersuchen.
4. Bei allen penetrirenden Bauchwunden soll das zer-
schnittene Peritonänm so sorgfältig wie möglich wieder vereinigt
werden.
(Tho Lancet, No. XXVI., Vol. I., 1863.)
van Auhel: lieber den KaiserschnitL
Damit während der Ausführung des Kaiserschnittes weder
Luft noch Blut in die Peritonäalhöhle gelangt, schlägt Verfasser
folgendes Verfahren vor: Nach einer Incision in der Linea alba,
welche bis auf die Aponeurose dringt, trennt man vorsichtig
von der Aponeurose in der Ausdehnung eines halben Daumens
die beiden durchschnittenen Lagen, Haut und das unterliegende
Gewebe. Darauf schneidet man die Aponeurose mit dem ihr
adhärenten Bauchfell ein, öffnet den Uterus und eztrahirt das
Kind, wobei man sorgfältig darauf zu achten hat, dass die beiden
serösen Blätter miteinander in Berührung bleiben. Darauf wird
ebenfalls in der Ausdehnung eines halben Daumens das Visceral-
blatt des Peritonäums mit einer ganz feinen Lage der Muskel-
substanz des Uterus lospräparirt. Damit aber in Folge dieser
Lostrennung kein Bluterguss in die Bauchhöhle statthabe, heftet
man das Visceral- und Parietalblatt aneinander. Nach Reinigung
der Uteruswunde schliesst man die Uterushöhle dadurch, dass
man die beiden losgetrennten Lappen mittels der von GUy an-
gegebenen Darmnaht, so dass Serosa mit Serosa in Berührung
ist, zusammennäht. Das Peritonäalblatt, das die Aponeurose
überzieht, wird durch die Eürschnernaht vereinigt; die Hautwunde
wird durch die unterbrochene Naht geschlossen. Die Bauchhöhle
ist also vollständig von Seiten der Haut geschlossen, der Eiter,
der sich von der Hautwunde aus bildet, wird nicht in die
Bauchhöhle gelangen können; bildet sich ein Abscess, so ist er
leicht zu öfihen. Ebenso ist von der Seite des Uterus die Bauch«
474 XXVIII. Notizen aus der Journal- Literatur.
höhle Tollkommen 'abgeschlossen, von hier kann also eben so
wenig Biat u. s. w. in die Bnucbhöble gelangen; ausserdem kann
man in den vollkommen geschlossenen Uterus Injectionen machen,
ohne befürchten zu müssen, dass von der Injectionsflussigkeit
etwas in die Bauchhöhle gelange.
(Bulletin de TAcad. de M^d. de Belgique, 1862, No. 4; —
Medic.-chir. Monatshefte, Juni 1863, S. 642.)
Leyden: Bericht über die während des Zeitraumes
vom I.November 1861 bis 15. April 1862 auf der
inneren Abiheilung des Herrn Prof. Traube in der
Charite vorgekommenen Puerperalerkrankungen.
Verfasser hat dazu beigetragen, eine noch vorhandene Lücke
in der Tempernturbestimmung der Puerperalerkrankungen aus-
füllen zu helfen. Die Temperaturmessung ist sehr wesentlich
zur Feststellung des Fiebers und steigt in Verbindung mit den
übrigen Fiebererscheinungen, namentlich dem Pulse zur höchsten
Bedeutung. Das Beobachtungsmaterial umfasste 83 Erkrankungen,
meist aus der Gebäranstalt der Charit^ übertragen, davon starben 40
und genasen 43. Im Februar und Mürz waren die Erkrankungen,
im Februar und December die Todesfälle am zahlreichsten.
Obwohl Verf. eine strengere Trennung der einzelnen Er-
krankungsformen für nöthig hält und namentlich die puerperale
Phlebitis, wie schon Meckel angegeben, vom eigentlichen bös-
artigen Puerperalfieber ganz zu trennen ist, so hat er für seine
Untersuchungen doch alle Erkrankungen, welche sich im Zu-
sammenhange mit dem Wochenbette bei Wöchnerinnen entwickelt
haben, in seine Betrachtung hineingezogen.
Die Erkranknngs formen waren demnach
1. Metritis und die von hier ausgehenden phlegmonösen
Processe 60
2. Phlebitis 9
3. Phlegmasia &
4. Polyarthritis mit Pericarditis 1
6. Pleuritis 2
6. Eclarapsie 1
7. Geistesstörungen *
8. Leukhämie ^
Summa 83.
1. Die Metritis und die von ihr ausgehenden
phlegmonös diphtheritischen Processe zeigten auf der
Höhe der Epidemie eine enorme Heftigkeit mit schnell tödtendem
Verlaufe. Von den 60 Erkrankten starben 23 an den eigentlich
bösartigen Formen der septischen Metritis mit diffuGier Peritonitis.
/
XXVIII. Notisen aas der Joaraal- Literatur. 475
Die Sectionen bestäUgteD die AnffasBQog VirchouPs^ dass die
Affection der LymphgefÄBse wesentlich eine Thrombose derselben
darstelle, welche eher geeignet ist, der Weiterverbreitung der
aafgesangten jauchigen Stoffe einen Damm entgegenzustellen, als
sie SU begünstigen« Der Ausgangspunkt war in allen Fällen
ohne Zweifel der Uterus, der in Form septischer Metritis mit
intensiver Diphtheritis der Innenfläche tief erkrankt gefunden
wurde. Nicht selten war diese am stärksten am Collum uteri
and ging hier von Ulcerationen aus, die sich aus Verletzungen
während der Geburt (z. B. seitlichen Einschnitten) gebildet hatten.
Für die Therapie sind diese Ulcerationen die directen und be-
stimmten Angriffspunkte, denn wenn auch die Allgemeinerkrankung
nicht nothwendig von ihnen ausgehen muss, so bilden sie doch
die geeignetsten Stellen zur Aufnahme von Miasmen und Con-
tagien, namentlich, wenn die Secrete der Gebnrtswege jauchig
geworden sind. Neben der Metritis wurde in allen tödtlich
endenden Fällen auch diffuse Peritonitis, häufig auch die meist
doppelseitige Pleuritis gefunden.*' Nur zwei Fälle wichen hiervon
ab. Unter den geheilten Fällen war dagegen nur vier Mal diffuse
Peritonitis aufgetreten.
Verfasser spricht sich gegen die von Heeker vorgeschlagene
Eintheilung in 1) Febricola, 2) Metroperitonitis mittleren Grades,
3) Lympbangoitis, 4) Pyämie ohne Peritonitis, Phlebitis als nicht
scharf genug aus, und zieht es vor, dem verbreitetsten Usus
gemäss, die Bezeichnung der Erkrankungsformen nach den er-
griffenen Organen und Geweben zu wählen, zumal als sich im
Beginn der Erkrankung kaum voraussehen lässt, wo dem Fort-
schreiten des Processes wird Einhalt gethan werden.
Die leichtesten Formen treten als einfache Metritis und
Parametritis auf, ohne Betheiligung des PeritonUum. Temperatur,
meist beträchtlich erhöht, erreichte 40® C, ja 41® und mehr.
Puls massig frequent, 100 — 110, vorübergehend bis 120; Respiration
massig. Nach wenigen Tagen Remission des Fiebers. Snbjectives
Befinden meist sehr günstig. Sensorium vollkommen frei. Beginn
der Krankheit am zweiten bis dritten Tage des Wochenbettes,
Dauer 8 bis 20 Tage. Im Anfange meist Frost, selbst heftiger
Schüttelfrost, in einzelnen Fällen nicht.
Die schwereren, langwierigeren Formen zeigten ausser der
Affection des Uterus und seiner Anhänge auch umschriebene
Betheiligung des Peritonäum. Schüttelfrost leitete die Krankheit
ein, spontane Schmerzen im Unterbauche, Resistenz daselbst,
Percussionsschall gedämpft, zuweilen circumscripte Exsudate
durchzufühlen. Dazu meist noch Entzündungen im Becken, die
zu Abscessen führten. Bedeutende Temperaturerhöhung, Puls
selten über 120, Respirationsfrequenz massig", subjectives Be-
finden erträglich, doch heftige Schmerzen, neuralgische Affectionen,
Diarrhöen. Sensorium meist frei, zuweilen ungerechtfertigtes
476 XXyill. Notüen BUS der JoumaU Literatur.
Wohlbefinden. Nach wenigen Tagen Remiseion des Fiebere,
Abends noch die Temperatur erhöht; schleppender Verlauf der
Krankheit, Wechsel der Erscheinungen und im Befinden, ea
währte lange, ehe die Fieberbewegungen ganz cessirten.
Die bösartigen Erkrankungen waren im Allgemeinen die
mit diffuser Peritonitis und septischer Metritis einhergehenden.
Sie gehören zu den fürchterlichsten Krankheiten, die wir über-
haupt kennen, und Ternichten das kräftigste Leben in wenigen
Tagen. In keinem Falle fand sich bei der Obdnction eine deut-
liche Tuberkulose. Die rapidesten Fälle verliefen in vier Tagen
tödtlich, die meisten in neun Tagen. Heftiger Schuttelfrost im
Anfange, anch wiederholt, heftiges Fieber, hohe Pulsfrequenz,
diffuse Schmerzen im Bauche, starker Meteorismus, grünes Er-
brechen; sparsamer fötider Wochenflnss, Geschwüre am Damme
und den Genitalien mit üblem diphtheritischem oder putridem
Aussehen. In manchen Fällen entwickelt sich die Krankheit
allmäliger. Die Temperaturerhöhung ist immer beträchtlich,
doch nicht so sehr über die der leichteren Fälle hinausgehend;
ja zuweilen frühzeitiger Collapsus ohne erhebliche Temperatur-
erhöhung, oder nur voräbergehend von 40.® oder darüber. In
anderen Fällen continuirlich 40® — 42® mit geringen nnregel-
mässigen Remissionen. Gegen Ende der Krankheit fast constant
ein beträchtliches Absinken der Temperatur mit unverminderter,
oder selbst gesteigerter Pulsfrequenz, was als sehr ungünstiges
Zeichen anzusehen ist. Puls von vorn herein sehr freqnent 120,
bald 140 — 160, seltener allmälig steigend. Sehr frequente
Respiration und Cjanose durch Behinderung der Zwerchfell-
bewegungen. In scheinbarem Widerspruche damit ein hoher,
selbst mehr als normal gespannter Puls, nach TrenU>e nur die
Folge des Reizes der angesammelten Kohlensäure auf das Herz.
Blutentleerungen erleichtern momentan, halten das Ende aber
nicht auf. Das Sensorium in vielen Fällen benommen, Nachts oft
Delirien, selbst furibunde; dagegen subjective Euphorie im grellsten
Widerspruche. Zuweilen das Sensorium bis zum Tode ganz frei.
Meteorismus fehlte fast nie, meist von enormer Höhe; Durchfälle
sehr häufig, meist ans dem Dickdarme, wo bei den Sectionen
zuweilen'leichte diphtheritische oder katarrhalische Veränderungen,
oder auch Nichts zu finden war. Der Durchfall ist durch die
Nachbarschaft des in putrider Entzündung begriffenen Uterus
und seiner Anhänge zu erklären.
Fünfunddreissig Krankengeschichten mit Sectionsberichten
geben über die genannten Krankheitsformen belehrende Details.
2. Die phlebitischen Processe zeigen sich zuweilen
schon in der Schwangerschaft als Varicenbildung mit Thromben.
Die Geburt setzt neue Gefassverletzungen. Die Thromben können
zerfallen und die Venenwand zur Entzündung reizen; entweder
kommt es zur Zellhautentzündnng und diese nimmt den für
XXVIII. Notiseo ans der Journal -Literatur. 477
Phleg;monen möglichen Verlauf oder es geht die Entzündung von
den Venen des Uterns selbst ans; die Wandungen derselben
•eigen sich verdickt, die Intima ein unebenes, rauhes, meist
misfarbiges Aussehen, suweilen ist sie nur gerunzelt, meist
grünlich eiterig und diphthe ritisch infiltrirt. Diese Processe er-
strecken sich oft weit, selbst in die Vena cava. Das Lumen
enthielt meist entfärbte, in einen puriformen Brei verwandelte
Thromben, anweilen war es leer, in einzelnen Fällen fast
obliterirt, der Weg, der allein zur Heilung führen kann.
Es kamen nur 14 phlebitische Erkrankungen vor, sie ent-
wickeln sich aber in einer Pnerperalendemie häufiger als sonst.
Unter den Fällen fand sich fünf Mal Phlegmasia, anscheinend
ohne wesentliche Betheiligung des Uterus. Massiges Fieber und
Wohlbefinden Hessen im Anfange eine Genesung hoffen, bis ein
Schüttelfrost und andere Erscheinungen die Scene änderten und
zum Tode führten. Indess kann auch selten Genesung eintreten.
Dauer durchschnittlich 20 Tage, die kürzeste 5 Tage; also lang-
samer als die Metritis. Seltener kommt es zur Complication mit
diffuser Metroperitonitis, da diese in der Regel viel schneller
tödtlich verläuft, als es zur Phlebitis kommt. Das constanteste
und auffäUtgste Symptom der Phlebitis sind die intermittirendeu
Schüttelfröste, welche aber auch bei anderen Zuständen vorkommen.
Mit dem Eintritte des Frostes steigt die Temperatur bis 40 und 41,
der Puls auf 120 — 140 und sinkt nachher langsam oder schneller,
bis fast zum normalen; also grosse Schwankungen innerhalb je
24 Stunden. Die Temperaturerhöhung ist nicht an die Tagee-
seiten, sondern an die Frostanfalle gebunden. Ohne Zweifel sind
die in's Blut übergehenden putriden Stoffe die Ursache der
Fröste; inzwischen werden sie irgend wie ausgeschieden und
lassen Ruhe eintreten, bis eine neue Ueberladung des Blutes
stattgefunden hat. Nach und nach wird die veränderte Blut-
beschaffenheit constant und die typhösen Erscheinungen treten
schliesslich auf. Dazu kommen die verschiedenen Metastasen
und andere Complicationen, welche das Bild mehr weniger ver*
wischen.
3. Arthritis und Polyarthritis gesellte sich zu den anderen
Processen, sowohl der Metritis als besonders Phlebitis, mehrfach
hinzu. Zuweilen treten sie so bedeutend in den Vordergrund,
dass man sie als ein besonderes Krankheitsbild darstellen könnte.
Der Verlauf ist sehr ähnlich der Polyarthritis rheumatica und
zeigte auch, wie diese, die Eigenschaft, sich mit Entzündungen
der serösen Häute zu combiniren und das Herz zu ergreifen.
4. Die Entzündungen der serösen Häute, besonders die
Pleuritis, treten meist in Folge von Erkältungen im Puerperium
auf. Die Utemsaffeetion kann dabei fehlen oder ganz unbedeutend
sein. In ähnlicher Weise kommt auch Peritonitis vor.
478 XXIX. Literatur.
6. Ein Fall von Eclampsie bot wenig Bemerkenswerthes.
6. Geistesstörntigen wurden fünf Mnl beobachtet. Sfimmt*
liehe Fälle mit mehr oder minder lebhaftem Fieber. Theile Anf*
regung, theils Depression des Sensorinm. Eine Localisation der
Krankheit war nicht su constatiren.
7. Ein Fall von Leueaemie warde nicht erkannt, mneBte
flieh schon in der Schwangerschaft ausgebildet haben.
(Annalen des Charit^ - Krankenhauses , 1863, Band 10,
Heft 2 , S. 22.)
XXIX.
Literatur.
Ueber die Gefahren der Uterin-Injectionen. Inaugurai-
Dissertation von E, H. Klemm, Leipzig 1863.
Bekanntlich sind die Gefahren der Uterin-Injectionen 7011
verschiedenen Beobachtern sehr verschieden angegeben worden
Qud namentlich wird der Durchtritt der injicirten Flüssigkeit
durch die Tuben bis in die Bauchhöhle am meisten gefürchtet.
Verf. hat eine Reihe sehr zweckmässiger Versuche angestellt
und beweist durch dieselben , dass unter gewöhnlichen Umständen
an einen Uebertritt der Flüssigkeit in die Bauchhöhle nicht su
denken ist. Die gefahrvollen Zustände , die nach den Injectionen
beobachtet wurden, müssen also auf andere Weise erklärt werden.
Sie entstehen wahrscheinlich durch die grosse Sensibilität des
Organes, welche freilich je nach dem Individuum und bei dem-
selben Individuum zu verschiedenen Zeiten verschieden ist.
Verf. fand bei drei seiner Injectionsexperimente die nicht un-
wichtige Erscheinung, dass die gefärbte Masse in das Venen-
fljstem des Uterus und der breiten Bänder gedrungen war, eine
Erscheinung, die früher schon von Vidal und auch bei Injectionen
der Nieren von U. H. Weher beobachtet worden ist. Vielleicht
liegt hierin die Erklärung der nur in einzelnen Fällen auftretenden
bedenklichen Zufälle nach den Injectionen. '
Zur möglichen Verhütung der üblen Zufalle empfiehlt Verf.
die Herstellung eines leichten Abflusses des injicirten Mittels
durch hebeiförmige Bewegungen der Canüle, nach der Einspritzung,
wodurch der Muttermund erweitert wird. Da aber das Zurück-
bleiben der Flüssigkeit nicht die alleinige Ursache der Zufalle
XXIX. Literatur. 479
ist, sondern die ind^vidnelle Empfindlichkeit eine wesentliche
Bolle spielt, so wende man graduirte Flüssigkeiten in progressiver
Weise an und operire nur mit möglichst wenigen Mitteln (Liq. ferri
sesqoichlor. , Tannin bei Blutungen, Ungt. nitric. bei Katarrhen).
Im puerperalen Zustande möchte die wunde Fläche der GebUr-
mutter durch die Injectionen leichter entzündlich afficirt werden,
obwohl die Flüssigkeit bequem abfliessen kann, nnd deshalb
schreite man hier zu den Injectionen erst nach Erschöpfung der
übrigen Mittel. Am geeignetsten wäre hier einfach kaltes Wasser,
oder mit etwas Essig vermischt.
Beitrag zur Casuistik der Beckengeschwülste in
geh urtshül flieh er Beziehung. Inaugural-Dissertation
von */. U. Kürsteiner, Zürich 1863.
Unter den Beckengeschwülsten, welche eine Störung für die
Geburt abgeben können, sind die vom Mastdarme ausgehenden
bisher sehr selten beobachtet worden. Verf. hat nur zwei derartige
FKlle in der Literatur verzeichnet finden können, von Cruveilher
nnd von Lever, Als dritten berichtet er einen von Breslau theil-
weise beobachteten Fall, dessen Präparat sich in der geburts-
hülflichen Sammlung in Zürich befindet. Die Kranke befand sich
in ihrer vierten Schwangerschaft und war bedeutend von Stuhl-
verstopfung geplagt. Die Geburt begann am 8. August 1861 und
ging das Fruchtwasser frühzeitig ab. Der Kopf rückte jedoch
nicht, es wurden nacheinander zwei Geburtshelfer zugezogen,
welche ein enges Becken diagnosticirten, und nach vergeblichen
sehr kräftigen Zügen mit der Zange, die Entbindung mittels der
Perforation vollendeten. Urin und Fäces gingen gleich nach der
Entbindung unwillkürlich ab; die Frau wurde, da ihr Znstand
sehr bedenklich geworden war nach einem mehrstündigen Trans-
port zu Schifi'e über den See nach Zürich in das Spital gebracht,
wo sie am 19. August starb. Die Section ergab Verlöthung der
Dürme, reichlichen Eitererguss im kleinen und grossen Becken,
hinter dem noch vergrösserten Uterus im kleinen Becken eine
harte Geschwulst, 5" lang, gegen 3'' dick, welche sich bei näherer
Untersuchung als colloides Carcinom des Rectum, besonders der
hinteren Wand ergiebt. Das unterste Stück des Rectum in iV^"
Länge ist frei, auch sonst nirgends colloide Ablagerungen.
Uterus, Scheide mit diphtheritischen und gangränösen Geschwüren
bedeckt, Perforation in die Urinblase.
Verf. erzählt auch kurz die beiden Fälle von Cruveilher
nnd Lever^ geht dann auf die anatomischen Verhältnisse des
Colloid-Carcinoms ein, bespricht die Bedeutung der Geschwulst
480 XXIX. Literatur.
für Schwangerschaft und Gebart nnd erzählt schliesslich noch
einen Fall ans der Zürcher Gebäranstalt, der ihm von Breslau
brieflich mitgetheilt worden ist. Er betraf eine am 10. Joni 1863
aufgenommene kräftige Frau, bei deren UnterBOchang man
eine beträchtliche Geschwulst hinter dem schwangeren Utems
fand. Die Bectaluntersuchnng ergab etwa 2'' über dem After
eine stark verengte Stelle , so dass die Fingerspitee nicht
mehr durchdringen konnte, und darüber eine bedeutende An-
schwellung des Darmrohres, welche als Carcinoma gedeutet
wurde, obwohl das Aussehen der Kranken nicht auf ein so
wichtiges Leiden schliessen Hess. Sie abortirte am 12. Juni ein
1 Pfund 26 Loth schweres Knäbchen, welches gut durchtrat.
Die jetzt vorgenommene Untersuchung wies nach, dass die 6e-
schwalst bis zur Leber hinauf8ti(>g, seine Oberfläche war ziemlich
gleicbmässig. Es entwickelte sich bei der Wöchnerin acute
Peritonitis, an der 'sie am 16. starb. Bei der Section zeigte
sich in der rechten Bauchseite der etwa mannskopfgrosse Tumor,
während nebenbei kleine Markschwämme sehr zahlreich über das
Peritonäum verbreitet lagen. Die grosse Geschwulst war der
durch Colloidcarcinom entartete rechte Eierstock, auf seiner
Oberfläche durch acute Peritonitis erweicht. Der Uterus mit
dem Rectum fest verwachsen; das Rectum stellte ein starres
Bohr dar, dessen Wände 4 — 6" von oben herab durch eine ein-
gelagerte coUoide Masse um das Zwei- bis Dreifache verdickt
war. Daneben mehrere kleinere Krebsknoten. Auch das linke
Ovarium war colloid entartet, aber nur um das Doppelte ver-
grössert und eine kleine Stelle desselben schien noch normal zu
sein. Trotzdem war Schwangerschaft eingetreten.
Druck von A. 1'h. Engelhardt in Leipzig.
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