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Full text of "Monatsschrift für Geburtskunde und Frauenkrankheiten"

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w 


MoDateschrift 


für 


GEBURTSKUNDE 

• 

und  ^ 

FrauenkrankheiteiL 

Im  Verein  mit  der 

Gesellschaft  für  Geburtshülfe  in  Berlin 

henasgegeben  ron 

Dr.  C.  S.  F.  Credi, 

Hofrmib  ,  ord.  Prof.  und  Director  der  fintbindungs  •  Anstalt  in  Leipzig  eto. 

Dr.  C.  Becker, 

ord.  Prof.  nnd  Director  der  Entbindungs  •  Anstalt  in  Mflncben,  Ritter  etc. 

Dr.  Ed.  Martin, 

Qek  R*tfa,  ord.  Prof.  nnd  Director  der  Bntbindangs-Anstalt  in  Berlin/Ritter  etc. 

Dr.  F.  A.  Ton  Ritgen, 

Q«b.  Rath,  ord.  Prof.  nnd  Director  der  Entbindung«  -Anstalt  in  Oiessen, 

Comtbnr  etc. 


Eimdzwaiiigster  Baad« 

Mit  vier  Tafeln  Abbildungen  und  einem  Holzschnitte. 


Berlin,  1863. 


Yerlac  ▼on  Anglist  Hirschwald, 

68  U.  d.  Linden,  Ecke  der  Schadow-Strasse. 


•    (      «'      «V* 


Inhalt« 


Heft    I. 

SetU 
L   Verhandlniii^en  der  Gesellschaft  für  Gebartshülfe  in  Berlin : 

GttMeroio:  üeber  swei  Missbildnngen.    (Mit  iwei  Ab- 
bildungen.)          1 

Wimek4l:  Oeschichte  einer  Bauchhöhlenschwangerschaft      7 

L,  Maifer:  Eine  Beobachtung  Ton  Extranterinschwanger- 
Schaft 25 

n.  Untersnchnngen  von  AbortiTeiem  aus  früheren  Sehwanger- 
sehaftsmonaten.  Von  Dr.  Dohm^  PriTatdocent  in  Kiel. 
(Mit  43  Abbildungen.) 30 

IIL    Geechiehte  einer  Drillingsgeburt  Von  Dr.  WaUher  Franke^ 

PriTatdocent  in  Halle 61 

IV*    Notiien  aus  der  Journal -Literatur: 

Klob:   Anatomische  Studien  Aber  Peritonitis 68 

Niswumn:  Drei  Fftlle  Ton  Buptur  des  Uterus 69 

Hugenb€rg0r:  Uterusruptur 70 

Robert  Barns»:  Eine  neue  Methode  lur  Einleitung  der 
kfinttUchen  Frühgeburt ' 71 

Baui:  Vieraehn  Falle  von  Eclampsie 72 

OUrt:  Eelampsie  wfthrend  einer  Zwillingsgeburt,  Becken- 
▼erengerung,   üterusstrictur  und  Placentarretention    73 

B.  KSberles  Eine  mit  Erfolg  Torgenommene  OTariotomie    75 

Baker  Brown:  Resultate  tou  neuniehn  OTariotomieen    76 

ToaU:  Zwei  FSIle  Ton  OTariotomie 77 

Brtaton  Hieke:    Verschluss    der  Vagina    nach    einer 
schweren  Entbindung •  •  .  .    77 


IV  Inhalt. 

Seite 
y.    Literatur: 

Dr.  Herrn.  Franz  Naegele,  weiland  Professors  an  der 
Uniyersitftt  Heidelberg,  Lehrbach  der  Gebnrtshülfe. 
Fünfte  Auflage,  den  Fortschritten  der  Wissenschaft 
entsprechend  bearbeitet  u.  vermehrt  von  Dr.  JVoldemar 
Ludung  örenserf  KÖnigl.  Sachs.  Hofrathe,  Director 
des  Entbindungsinstituts  u.  Professor  der  Gciburtshülfe 
an  der  chirurgisch  •  medicinischen  Academie  su 
Dresden  etc.  Mit  81  Holsschnitten.  Mains,  Verlag 
Ton  Victor  v.  Zähem,    1863.    8.  XVII.  u.  V99  .  .  .  .    78 

Albert  DueeUiez :  Einfluss  der  Uterus  -  und  Tuba  -  Erection 
auf  den  Mechanismus  der  Befruchtung.  Thise. 
Strasbourg,  1861 80 

Victor  Timoihde  FeUz:  üeber  verlängerte  Schwanger- 
schaften.    Thise.     Strasbourg,  1860 80 

Berichtigungen 80 

Heft    n. 

VI.    Verhandlungen  d.  Gesellschaft  für  Geburtshülfe  in  Berlin : 

Winekel:    Ueber  Kephalothrypsie 81 

JSggel:    Fall  von  Elephantiasis  vulvae 83 

Zander:  Ueber  Icterus  während  der  Schwangerschaft  89 

Outaeroto:   Ueber  Prolapsus  uteri  gravidi 99 

VII.   Ein  Kaiserschnitt  nebst  Bemerkungen  von  Johann  Ludwig 

Diener f  Besirksarst  in  Esslingen,  Canton  Zürich    .  .  .  108 

VIII.  Die  Katheterisation  der  Luftröhre  bei  asphyctisch 
geborenen  Kindern.  Von  Dr.  V.  HiUerf  Privatdocent 
in  Marburg 123 

IX.    Eine  Zwillingsgeburt.   Von  Dr.  Damdaohn  in  Schneide- 
.mühl 16J 

X.    Notisen  aus  der  Journal -Literatur: 

Tanner:  Ein  Fall  von  ungeahnter  Schwangerschaft 
und  Geburt 163 

Dunean:   Ueber  die  Innenßäche  des  Uterus  nach  der 
Geburt .  163 

Braxtdn    Hicke:     Eine     Abdominalschwangerschaft. 
Bauchschnitt 164 

8oyre:  Fall  von  künstlicher  Frühgeburt 166 

Jamee  Campheü:  Ueber  den  Eintritt  der  Menstruation 
bei  den  Mädchen  in  Slam 166 


r 


^ 


Inhalt.  V 

Seit« 
Albert:   Der  Stnn  des  Kinde^  bei  präclpltirten  Ge- 
barten   156 

Westrand:  Zwei  Fftlle  von  Frnchtabtreibnng,  hervor- 
gemfen  dnrch  Dräcken  anf  den  Unterleib  des  Weibes  168 

Mi*Cl{fUock:  Inversio  uteri.    Ezstirpatio 169 

Dumont'PaUier:    Sectionsbefnnd    bei    einer   in   der 
Bildnn^  begriffenen  Haematocele  retro- uterina  .  .  159 

Hdr9chelmann:   Zwei  Fälle  von  CoccjgodTnie   ....  160 

Heft   m. 

XI.  Fall  Ton  sackförmiger  Erweiterung  des  hinteren  unteren 
Gebärmutterabschnittes  nebst  Bemerkungen  über  Situs 
obliquns  posterior  und  Retroversio  uteri  am  recht- 
ceitigen  Ende  der  Schwangerschaft  Von  Dr.  WdUher 
Franke,  PriTatdocenten  an  der  Universität  Halle    .  .  161 

Xn.     Zar  Lösung  der  Arme  bei  Geburten  mit  nachfolgendem 

Kopfe.   Von  Dr.  F.  Hüter,  Privatdocent  in  Marburg  .  193 

XIII.  Ueber  einen  Fall  von  acuter,  gelber  Leberatrophie 
bei  einer  Schwangeren.    Von  C  Hecker 210 

XIV.  Exstirpation  eines  2V,  Pfund  schweren,  intrauterinen, 
festverwachsenen  Uteruspoljpen.  Allongement  durch 
den  Spiralschnitt.   Von  Dr.  Alfred  Hegar  in  Darmstadt  220 

XV.    Ueberwanderung   des  Eies   bei   einem   Schafe.     Von 

Dr.  F,  Ä,  Kehrer  jun.  in  Giessen 226 

XVI.     Notisen  ans  der  Journal -Literatur: 

V.  Franqud:  Krampfwehen,  Selbstwendnng,  intra- 
uterines Athmen    229 

O»  Braun:  Neuer  Beitrag  sur  Lehre  von  den  amnio- 
tischen Bändern 230 

Hireck:  Ein  seltener  Schwangerschafts  -  und  Geburts- 
▼erlauf 232 

XVU.    Literatur: 

Die  Mnskulatur  am  Boden  des  weiblichen  Beckens, 
▼on  Dr.  Hvbert  Luschka,   Mit  4  Tafeln.  Wien  1861.  233 

Lueehka:  Die  Milchdrüsen  des  Menschen 237 

Spöndli:  Die  unschädliche  Kopfzange,  casuistisch 
bearbeitet  für  Studirende  und  praktische  Aerste. 
Zärich  1862 240 


VI  Inbalt. 

8«lto 
Heft    IV. 

XVIII.   Verhandlangen  der  Gesellschaft  für  Gebartsbfilfe  in 

Berlin 241 

Öroethuyaen:  Ueber  eine  ojstoide  Geschwnlst,  von 
den  inneren  Geschlechts tbeilen  aasgehend.  (Mit 
einer  Abbildung.) 243 

Martin:  Ueber  eine  dnrch  Function  des  Eisaokes 
und  Ausstossung  der  Frnchtknochen  glücklich 
beendigte  Extrauterinschwangerschaft 245 

Kaufmann:  Ueber  einen  Beckenabscess  mit  Durch- 
bruch in  die  Blase '.  .  .  250 

LwM Mayer:  Ueber  einen  Fall  von  Fistula  intestino- 
Tesicalis  nebst  Bemerkungen  über  Arten  und  Vor- 
kommen d.  Blas encontinuit&tsstörungen  überhaupt  252 

Martin:  Fall  von  Darmblasenfistel 270 

OeUtler  (in  Grftfenhainichen) :  Ueber  eine  gewalt- 
same Zerreissung  der  Bauchdeoken  und  des 
schwangeren  Uterus  mit  Austritt  eines  lebenden 
Kindes 272 

XIX.    Ovariotomie   mit   nachgefolgtem   Tode.     Von  Prof. 

Dr.  Breslau  in  Zürich 274 

XX.  EmpfKngniss ,  Schwangerschaft ,  Geburt  und  Wochen- 
bett bei  Uterusknickungen.  Von  Dr.  Johannes  Holst^ 
Professor  in  Dorpat 289 

XXI.  Ueber  die  Operation  des  gerissenen  Dammes  in 
späterer  Zeit  des  Wochenbettes.  Von  Dr.  Johannes 
Holst,  Professor  in  Dorpat 803 

XXII.    Notiien  aus  der  Jonmal  -  Literatur : 

Lusehka:  Die  organische  Muskulatur  innerhalb  ver- 
schiedener Falten  des  menschlichen  Bauchfelles  310 

Zepuder:  Neue  Beobachtungen  über  den  Werth  der 
Frahkerihäuser^uchen  Theorie 311 

G.  Braun:  Drei  Fälle  von  nicht  verschiebbaren 
Beckentumoren 812 

Haake:  Ein  Fall  von  Cranioklasma  und  Kephalo- 
thrypsie 314 

C,  Braun:  Ueber  Wendung  der  Querlage  durch 
Palpation  wilhrend  der  Schwangerschaft 314 

Dupareque:  Accouchement  forc^  anstatt  des  Kalter- 
Schnittes 315 


Inhalt.  VII 

Seite 
C  Ma^hofer:  Ueber  äta  Vorkommeii  von  Vibrionen 
bei  Wöchnerinnen    816 

Bretlau:  Voraohlag  zu  einer  neuen  prophylaktischen 
Deeinfectionsmethode  des  Pnerperalfiebermiasma 
in  Gebftranstalten 316 

Bretlau:  Ueber  die  günstige  Wirkung  starker 
Pnrgantien  beim  Puerperalfieber    317 

BraxUm  Hiekä:  Zwei  Fälle  von  extrauteriner 
Schwangerschaft 817 

m 

XXin.     Literatur: 

*  Küneke:    üeber     das    Erkennen    der    Zwillings- 
schwangerschaft.   Göttingen  1861 319 


Heft    V. 

XXrV.  Ueber  krampfhafte  Zusammensiehungen  des  Uterus, 
speciell  über  spastische  Stricturen  des  Süsseren 
Muttermundes  in  der  Eröffiiungsperiode.  Von  Dr.  J. 
Poppet  in  München 321 

XXV.  Ein  Becken  mit  Ueberhebelung  der  Lendenwirbel 
Ton  hinten  nach  Tom.  Von  Dr.  Friedr,  O.  H.  Birnbaum, 
Direetor  der  Provincial- Hebammenanstalt  in  Cöln. 
(Mit  drei  Figuren.) 340 

XXVI.  Drei  F&lle  Ton  Eclampsia  parturientium.  Mitgetheilt 
von  J.  O,  QHUUehf  prakt.  Arste  und  Geburtshelfer 

in  Neu-Gersdorf  bei  Löbau .,  ...  357 

XXVII.    Zur  Entfernung  der  Nachgeburt.    Bericht  aus  der 
stationären  geburtshülflichen  Klinik  des  Herrn  Geh. 
Medicinalrathes  Prof.  Martin.    Von  Dr.  F,  Winekel, 
.  Assistensarst  der  Königl.  UniTcrsitäts- Entbindungs- 
anstalt in  Berlin .^ .  865 

XXVin.  Seitoner  Fall  einer  eigenthnmlich  gestalteten  und 
gelagerten  Placenta  praeria  mit  Erhaltung  von  Mutter 
und  Kind.  YonDi,  Bernhard  Sehuchardt,  Obergerichts- 
und Landphjsikus  lu  Nienburg  in  Hannorer.  (Mit 
einem  Holischnitte.) 880 

XXIX.   Notisen  aus  der  Journal -Literatur: 

Cfrche:  Ueber  den  Bau  und  das  Wachsthum  des 
menschlichen  Eierstockes  und  über  einige  krank- 
hafte Störungen  desselben 387 


Vni  Inhalt. 

Seite 
Laberte:  Ueber  die  Rolle  der  Symphysen  während 

der  Gebart    391 

Hennig:  Die  Kysten  des  menschlichen  Eileiters    .  892 

MeUiner  n.  KVickwmeUier:  Entfernung  von  Schleim- 
polypen in  der  Gebärmntterhöhle  dnrch  ein 
eigens  dasn  eonstmirtes  Instrument 394 

Lewie  Brittain:  Wiederholte  Zwillingsschwanger- 
schaften     894 

Hecker:  Bericht  über  die  Vorkommnisse  in  der 
Gebftranstalt  in  München  im  Etatsjahre  1861—1862  396 


Heft    VI. 

XXX.   Verhandlangen  der  Gesellschaft  für  Geburtshulfe  in 
Berlin: 
Martin:  üeber  tonische  Krampf  wehen 401 

C.  Mityer:    Ueber  Anteversio  ateri  and  ihre  Be- 
handlang mit  Hülfe  Ton  Gammiringen 416 

XXXI.  Beitrag  aar  Vorausbestimmang  des  Fotalgeschlechtes 
darch  Z&hlang  des  Fötalpalses.   Von  Dr.  F.  A.  Sehurig  459 

XXXII.  Notiaen  aus  der  Journal  -  Lite ratar: 

Barnes:   Fall  von  Osteomalacie 474 

TT.  Chapman:   Anschoppung  der  Menses  während 
aweier  Jahre 476 

Langmore:  Abort  Ton  Zwillingen  (?).    Snperfötation  476 

Parker:   Tartarus  stibiatus  als  wehenbeförderndes 
Mittel 477 

HeufiU:    Theorie   über   die  Wirkung    des   Seeale 
comntum     • 477 

Boeei:  Thrombus  der  Matterscheide,  grossen  Scham- 
lippe und  des  Dammes  nach  der  Gebart 478 

Jaeol^ei   Eine  vierte  Gesichtslage    478 

Cappie:   Eine  neue  Zange    479 

Keith  Macdonald:  Ueber  Nachgebartoblntungen .  .  479 

ValeriuM:  Ein  fibroser  Polyp  bei  einer  Wöchnerin  479 

Matthewe  Dunean:  Ueber  Uterin -Haematocele   .  .  480 


I. 

Verhandlungen  der  Gesellschaft  ftlr  Oeburtshttlfe 

in 

B  e  r  1  i  D. 


Sitzukg  vom  14.  October  1862. 

Herr  Cfusseroto  legte 

zwei  Missbildungen 

Tor    und    gab    dazu    folgende   Erläuterungen.     (Hierzu    zwei 
Abbildungen.) 

Am  20.  August  wurde  in  der  Poliklinik  ohne  Kunsthulfe 
ein  lebendes  Mädchen  leicht  geboren,  das  aber  bereits  nach 
zwei  Stunden  starb.  Bei  der  von  mir  angestellten  Section 
ergab  sich  folgender  Befund^^n  der  J7  Zoll  laugen  Leiche 
zeigte  sich  zunächst  ai^^Q>^els(Jifig^^H^enscharte  mit 
Spaltung  des  harten  unCweichefT&ldrTren,  ?ij^\eiden  Händen 
überzählige  kleine  Fitfger  unjk  ibei^  öl|ei:zähl^e|kleine  Zehen 
an  beiden  Fftssen.  Au^  dem  Os  sacrum  aer  ^platzte  Sack 
einer  Spina  bifida.  dW  N^bel-i)ia«cg-4)erviorge>ölbt.  so  dass 
sich  die  Insertion  des  NapHfttiiatjges  aufrjjnrf^  etwa  haselnuss- 
grossen  Geschwulst  befand,  ein  wahrer  Nabelschnurbruch 
also  vorbanden  war  (Fig.  1,  a).  Neben  diesem  Nabelschnur- 
brache  dringt  aus  dem  Nabelringe,  nicht  bedeckt  von  Epidermis, 
eine  etwa  V/^  ^^H  lange,  V«  Zoll  dicke  fleischige  Masse 
hervor,  die  einen  wurstförmigen  tief  dunkeiroth  gefärbten  Strang 
bildet,  etwa  von  der  Consistenz  des  Leberparenchyms.  (Fig.  1,  b. 
Herr  Stud.  Dönitz  hatte  die  Freundlichkeit,  die  beiden  vor- 
zfi^ich  gelungenen  Zeichnungen  anzufertigen.  Der  Strang  b 
ist  in  natürlicher  Grösse  nach  dem  Spirituspräparat  gezeichnet 
and    durch   die    Einschrumpfung    etwas    kürzer    und    dicker 

HonatMehr,  f.  Oebartsk.    IMS.   Bd.  XXL,  Hfl.  1.  1 


2  I.     VerbandhlugeD  der  GesellschHft 

geworden,  als  es  im  frischen  Zustande  der  Fall  war.)  In 
der  Brusthöhle  sind  heide  Lungen  atelektatisch,  nur  an  dem 
vorderen  Rande  der  rechten,  einige  lufthaltige  Parthien.  Auf 
dem  Pleurauberzug  der  Lungen  einige  stecknadelknopfgrosse 
Ecchymosen,  eben  solche  auf  der  Herzoberflache.  Bei  Er- 
öffnung der  Bauchhöhle  fallt  zunächst  eine  eigenthümliche 
Vorlagcrung  der  Eingeweide  auf;  der  Magen  ist  mit  seiner 
grossen  Curvatur  ganz  nach  links,  die  kleine  Curvatur  mit 
dem  Pylorus  stark  nach  rechts  verzogen,  indem  das  ganze 
Omentum  in  den  Nabelring  hereintritt  und  hier  in  die  er- 
wähnte nach  ausseu  hängende  strangartige  Masse  übergeht. 
Dadurch  ist  auch  das  Colon  transversum  ganz  nach  rechts 
hinübergezogen  und  die  Dünndärme  mehr  nach  links  gelagert. 
Jene  fleischige  Masse,  die  auf  dem  Durchschnitte  eine  sulzige 
Beschafl'enheit  zeigt  und  eine  trübe  seröse  Flüssigkeit  austreten 
lässt,  ist  also  das  nach  ausseu  prolabirte  und  degenerirte 
Omentum,  dafür  spricht  auch  die  uiikroskopische  Unter- 
suchung, indem  der  Ueberzug  dieser  Masse  aus  einer  Lage 
grosser,  etwas  geschrumpfter  platter  Epithelzellen  besteht, 
die  Masse  selbst  aber  nichts  weiter  als  Bindegewebe  mit 
glatten  Muskelfasern,  zahlreichen  Gelassen  und  kleinen  Lymph- 
drüsen enthält.  Das  Ligamentum  Suspensorium  faepatis  geht 
mit  der  Nabelvene  in  die  oben  erwähnte  herniöse  Hervor- 
treibung  des  Nabels  und  endigt  hier  in  einen  etwa  bohuen- 
grossen  Körper,  der  äusserlich  dem  Leberparenchym  gleicht 
und  mikroskopisch  auch  aus  Leberzellen  besteht.  Der  Nabel- 
ring ist  weit  und  bildet  eine  etwa  Y4  Zoll  breite  Oeflnung, 
die  Nabelgefdsse  verlaufen  ohne  Anomalien  durch  denselben. 
Die  Leber  ist  sehr  gross  und  auf  ihrem  Peritonäalüberzug 
einige  narbenähnliche  Trübungen.  Milz  etwas  vergrössert. 
Die  linke  Niere  nebst  Ureter  normal.  Bei  der  rechten  Niere 
ragt  eine  Pyramide  so  tief  in  das  Nierenbecken  hinein,  dass 
eine  vollständige  Verdoppelung  desselben  entstanden  ist  und 
die  Niere  vollständig  aus  zweien  zusammengesetzt  erscheint, 
dies  wird  noch  mehr  dadurch  bestätigt,  dass  aus  jedem  Becken 
ein  Ureter  entspringt  und  somit  zwei  Ureteren  rechterseits 
zur  Blase  verlaufen  und  mit  getrennten  Oellnungen  dicht 
übereinander  in  dieselbe  münden.  Der  Uterus  ist  ein  Uterus 
bicornis  duplex.    An  der  Spitze  eines  jeden  Börnes  inserirt  sich 


ffir  Gebtirtshiilfe  in  Berlin.  3 

ein  OTarhim,  Tuba  und  Ligamentum  rotundura,  beide  Tuben 
Iragea  an  ihren  Fimbrien  kleine  Kosten.  Durch  ein  Septum 
and  die  Hörner  des  Uterus  vollständig  von  einander  gesondert 
und. ragen,  jedes  mit  einer  Yaginalportion,  in  eine  Vagina,  die 
durch  eine  Scheidewand  vojlständig  von  der  anderen  getrennt 
ist  —  Das  Schädeldach  zeigt  an  einzelnen  Stellen  mangelhafte 
Verknöcherungen,  besonders  an  der  kleinen  Fontanelle,  so  dass 
diese  die  Grösse  eines  Zweigroschenstucks  hat.  Die  Seiten- 
Ventrikel  des  Gehirns  sind  etwas  ausgedehnt  und  enthalten 
eine  geringe  Quantität  Serum. 

Der  zweite  Fall  betrifft  ein  ausgetragenes  Kind  weiblichen 
Geschlechts,  das  in  Steisslage,  der  Röcken  nach  rechts  ge- 
richtet, leicht  und  glücklich  geboren  wurde,  nach  einigen 
Stunden  jedoch  starb.  Die  äussere  Besichtigung  des  Leichnams 
ergab  Folgendes:  Doppelte  Hasenscharte  mit  Wolfsrachen; 
an  jeder  Hand  ein  überzähliger  kleiner  Finger;  am  Röcken 
der  gephitzte  Sack  einer  Spina  bifida  der  letzten  Lenden-  und 
ersten  Kreuzbeinwirbel.  Vollständige  Atresia  ani,  an  Stelle 
der  Aiialöfinung  ist  nur  eine  leichte  narbenähnliche  Einkerbung 
der  äusseren  Haut  zu  bemerken.  Die  Section  ergab  nichts 
Bemerkenswek'thes  in  der  ftrustböhle.  Bei  Eröff^tiung  der 
Bauchhöhle  fiel  zunächst  ein  feiner  Faden  auf,  der  von  der 
Mitte  des  Mesenteriums  aus  durch  den  Nabeiring  in  die  Nabel- 
schnur hinein  verlief  und  auf  den  ersten  Blick  an  ein  Gefass 
erinnerte,  so  dass  man  verrauthen  konnte,  ein  persistirendes 
Yas  omphalo-meseraicum  vor  sich  zu  haben,  allein  bei 
genauerer  Untersuchung  erwies  sich  dieser  Faden  als  ein 
einfach  bindegewebiger  Strang,  der  nur  einzelne  kleine  Gefässe 
enthielt  und  sich  etwa  IV2  Zoll  von  der  Nabelinsertion  in  die 
Suize  des  Nabelstranges  verlor.  Die  öbrigen  Baucheingeweide 
boten  nichts  Abnormes  dar,  dagegen  erwies  sich  der  Uterus 
wiederum  als  ein  Uterus  bicornis  duplex  mit  doppelter  Scheide, 
ganz  wie  in  dem  ersten  Falle.  Der  Dickdarm  war  strotzend 
mit  Meconium  gefüllt  und  der  Mastdarm  ging  etwa  1  Zoll 
▼OD  der  Stelle,  wo  die  Möndung  des  Afters  liegen  sollte,  in 
einen  dönnen  bindegewebigen  Strang  aus  (Fig«  2,  c)!  An 
dieser  Stelle  war  die  Hastdarmschleimhaut  gefallet  (Fig.  2,  i), 
wie  beim  natürlichen  After,  und  von  hier  aus  fühlte  ein 
kleiner  Gang  (e)  in  eine  fast  walbiussgrosse  Geschwulst  (d), 


4  1-     Ve^bandluDgen  der  GeüelUehaft 

die  zwischen  hinterer  Mastdarmwand,  ntit  der  sie  in  der  eben 
beschriebenen  Weise  zusammenhängt,  und  Steissbein  gelegen 
ist  Die  Geschwulst  selbst  besteht  aus  zahlreichen  Kysten 
von  Stecknadelknopf-  bis  Erbsengrösse ,  die  durch  ein  spär- 
liches bindegewebiges  Stroma  verbunden  sind.  Der  mit  dem 
Mastdärme  comraunicirende  Gang  erweitert  sich  in  der  Ge- 
schwulst gleichsam  zu  einem  Uilus,  in  den  die  einzelnen 
K\sten  hineinragen.  Der  Inhalt  dieser  Kysten,  eine  schleimige 
Hasse,  ist  bald  mehr,  bald  weniger  klar,  je  nachdem  er 
reich  an  Zellen  ist  oder  nicht.  Herr  Dr.  v.  Recklinghausen 
hatte  die  Gute,  noch  eine  genauere  Untersuchung  des  Inhaltes 
vorzunehmen.  In  einer  K^ste  fanden  sich  geschichtete 
Körperchen,  die  ganz  dem  Bilde  der  amyloiden  Körper  ent- 
sprachen, wie  sie  in  der  Prostata  gefunden  werden  und  mit 
lod  auch  die  bekannte  amvioide  Reaction  geben.  Ausserdem 
fanden  sich  mehr  oder  weniger  zahlreiche  Zellen  der  ver- 
schiedensten Form;  zunächst  kleine  runde  stark  glänzende 
Zellen  mit  ziemlidi  grossen  Kernen,  diese  geben  mit  lod  ohne 
Schwefelsäurezusalz  die  bekannte  amyloide  Reaction.  Daneben 
waren  grosse  glatte  Epithelzellen  vorhanden,  die  hell  und 
nicht  glänzend  waren,  gleichwohl  aber  dieselbe  Reaction  mit 
lod  gaben.  Die  Wandungen  der  einzelnen  Kysten  sind  mit 
einem  geschichteten  Epitliei  ausgekleidet,  das  keine  amyloide 
Reaction  zeigt  Neben  diesen  beschriebenen  Formelementen 
sind  noch  zahlreiche  Körnchenkugeln  vorhanden. 

Diese  beiden  Fälle  bieten  gewiss  an  und  für  sicli  genug 
des  Interessanten  dar,  allein  dies  wird  noch  gesteigert  durch 
die  überraschende  Aehnlichkeit  beider,  und  diese  lässt  auf 
eine  gemeinsame  bestimmte  Ursache  für  derartige  Missbildungen 
schliessen,  die  leider  hier  nicht  aufzufinden  war.'  Uebei^haupt 
so  zahlreich  in  der  Literatur  die  Beispiele  derartigen  Zu- 
sammentreffens von  Uterus  bicornis  duplex  mit  Atresia  ani, 
Hasenscharte  und  Spaltbildungen  sind,  ist  eigentlich  bis  jetat 
nur  für  eine  kleine  Reihe  dieser  Missbildungen  eine  gemeinsame 
Ursache  aufgefunden  worden.  Diese  betrifft  jene  Fälle  von 
Uterus  bicornis  duplex  mit  doppelter  Scheide  und  Atresia  ani. 
wo  es  gelungen  ist,  eine  besondere  Bauchfellfalte  zu  entdecken, 
welche  das  blinde  Ende  des  Darmes  an  die  hintere  Blasenwand 
fixirt.    Krieger^  der  zwei  Fälle  derart  beschreibt  (Monatsschrift 


für  Gebnrtehulfe  in  Berlin.  5 

lir  Gd>url5kaiide,  1858,  XU.),  deutet  dieses  Ligamentum 
ab  eio^i  abnormen  Rest  der  AUantois,  der  die  Bildung  des 
Fondos  Qteri  und  das  Hioabrücken  des  Darmkanals,  der  sich 
▼on  aussen  bildenden  Analöffnung  entgegen,  hindern  soll. 
Eine  Anzahl  derartiger  Fälle  citirt  Kussmaul  in  seinem  Werke: 
Deber  den  Mangel  etc.  der  Gebärmutter,  Würzburg  1859; 
M>  erwähnen  das  Vorkommen  eines  solchen  Ligamentes  Carus, 
Cassany  Roküansky,  Dumas,  Thilo  etc.  (Die  Citale  sind 
a.  a.  0.  nachzusehen,  da  mir  die  Originalarbeiten  nicht  zu 
Gdk>te  standen.)  Die  übrigen  Fälle  von  Uterus  bicornis  duplex 
mit  anderen  Hissbildungen  will  ich  soweit  erwähnen,  als  mir 
die  einscUägliche  überaus  zerstreute  Literatur  zugänglich  ist. 
Bei  Kussmaul  (s.  oben)  finde  ich  Fälle  von  Uterus  bicornis 
duplex  mit  theilweisem  Mangel  des  Gaumengewölbes ,  über- 
Eähligen  Fingern  und  Zehen  beschrieben  von  Tiedemann,  Pole, 
Rokitansky.  Otto  (Monstrorum  sexcentor.  descriptio,  p.  290) 
beschreibt  einen  Fall  von  Uterus  bicornis  duplex  mit  doppelter 
Scheide  bei  Hydrocephalus,  doppelter  Hasenscharte  und  Spina 
bifida,  femer  an  derselben  Stelle  (S.  298)  einen  gleichen  Fall 
mit  Nabelbruch.  Weiterhin  machte  schon  Mayer  (s.  Kussmaul) 
auf  das  häufige  Zusammentreffen  dieser  Uterusmissbildung  mit 
Hasenscharte  und  Wolfsrachen  aufmerksam.  Aehnliche  Fälle 
sind  bei  Kussmaul  noch  weiter  angeführt,  und  ich  erwähne 
nur  noch,  dass  auch  die  ßoivin  einen  Uterus  bicornis  duplex 
mit  doppelter  Scheide  beschrieben  hat,  wo  gleichzeitig  Atresia  ani 
bestand,  Förster  (Die  Missbildungen  des  Menschen,  Jena  1861) 
bildet  auf  Tafel  XXU.  und  XXUI.  ähnliche  Missbildungen  ab, 
die  zum  Tbeil  von  Meckel,  Otto,  Vrolik  etc.  entlehnt  sind; 
sie  betreffen  Verdoppelung  der  Gebärmutter  mit  Cloakenbildung 
and  hochgradiger  Baucbspalte,  Atresia  ani  (Fig.  8,  9^,  Nabel- 
schnurbrueh  (Fig.  10,  11),  Uterus  didelphys  mit  Cloakbildung, 
Nabelschnurbruch,  Spina  bifida,  fehlendem  Afler  (Fig.  12). 
Der  Fall  von  Vrolik  betrifft  eine  Verdoppelung  der  Gebär- 
aratter  mit  Atresia  recti.  Endlich  finde  ich  in  Braune^ s 
neuem  Werke  über  Doppelmissbildungen  und  angeborene  Steiss* 
geschwulst,  Leipzig  1862,  ein  Citat  eines  hierher  gehörigen 
Falles  von  Heschl,  den  ich  noch  specidler  erwähnen  werde. 
Pur  alle  diese  Missbildungen  ist  niemals  der  Versuch  gemacht 
worden«  das  Zusammentreffen  derselben  zu  erklären,  gleich- 


Q  I.    VerhandliingeTi  der  Gesellscbaft 

wohl  muss  dasselbe  einen  gemeinsannen  Grund  haben,  denn 
dafür  spricht  nicht  allein  das  häufige  derartige  Vorkommen, 
sondern  auch  der  Nachweis,  dass  die  hauptsächlichsten  der 
eben  angeführten  Missbildungen  zu  derselben  Zeit  des  Fötal* 
lebens  entstehen,  und  zwar  ist  dies  die  sechste  bis  achte 
Woche,  denn  um  diesen  Zeitraum  herum  kommt  der  Schhiss 
der  Bauch  wand  zu  Stande,  der  Schluss  des  Gaumens;  ferner 
bildet  sich  die  Analöflnung  in  der  achten  Woche  und  am 
Ende  des  zweiten  Monates  wachsen  die  Homer  des  Uterus 
in  ihrem  unteren  Ende  zusammen.  Es  liegt  also  gewiss  nahe, 
eine  im  zweiten  Monate  des  Fötallebens  eingetretene  Störung 
anzunehmen,  die  jene  Hemmungsbildungen  des  Uterus,  der 
Bauchwand  etc.  veranlasst  hat;  leider  ist  die  Art  jener  Störung 
bis  jetzt  aus  den  bekannten  Fällen  nicht  zu  ermitteln. 

Im  Einzelnen  will  ich  über  die  beiden  von  mir  be- 
schriebenen Missbildungen  nur  noch  erwähnen,  dass  im  ersten 
Falle  neben  dem  geringen  Grade  von  Bauchspalte  (Nabelschnur- 
bruch),  der  sehr  häufig  ist,  jene  Verlagerung  des  Omentum 
nach  aussen  um  so  seltener  zu  sein  scheint,  wenigstens  habe 
ich  in  den  Sammelwerken  von  Otto,  Vrolik,  Ammon  und 
Förster  keinen  Fall  der  Art  gefunden.  Während  die  Ver- 
doppelung der  Niere  und  Ureteren  nach  Förster  nicht  häufig 
ist,  gehört  es  nach  ihm  zu  den  grössten  Seltenheiten,  dass 
diese  Verdoppelung  der  Ureteren  bis  zur  Mündung  in  die  Blase 
bestehen  bleibt,  dazu  kommt  noch,  dass  von  Rokitansky  etc. 
bei  Uterus  bicomis  häufiger  Mangel  einer  Niere  beobachtet 
ist,  niemals  aber,  wie  hier,  die  Verdoppelung  derselben.  Im 
zweiten  Falle  ist  gewiss  jene  Geschwulst  zwischen  Mastdarm 
und  Steissbein  von  grossem  Interesse.  Wie  ich  oben  erwähnte, 
beschreibt  HescM  (Oesterreichische  Zeitschrift  für  praktische 
Heilkunde,  1860,  ich  citire  nach  Braune)  eine  Missbildung, 
die  ganz  der  vorliegenden  gleicht,  er  fand  doppelte  Hasen- 
scharte mit  Wolfsrachen,  Atresia  ani,  Verdoppelung  der 
Gebärmutter  und  Scheide  und  zwischen  Mastdarm  und  Steiss- 
bein eine  Geschwulst  von  der  Grösse  einer  Nuss,  deren 
einzekie  Hohlräume  mit  einer  cbolestearinähnlichen  Masse 
gefüllt  waren.  Soweit  aus  Braune*s  Angaben  hervorgeht, 
wurde  angenommen,  dass  diese  Geschwulst  von  der  Steiss- 
drüse  (LikscAka)  ausgehe,   obwohl  der  bestimmte  Nachweis 


fSr  Oeburtshülfe  in  Berlin.  7 

daAr  fehlt  In  unserem  Falle  spricht  der  ganze  Sitz  der 
Geschwulst  entschieden  aach  für  den  Zusammenhang  mit  jener 
Druse,  gleichwohl  ist  ein  Beweis  dafür  nicht  zu  führen;  nach 
der  Steissdrüse  zu  suchen,  deren  Vorhandensein  ein  Gegen- 
beweis sein  wurde,  war  nicht  möglich,  da  die  Geschwulst 
erst  nach  der  Herausnahme  des  Hastdarmes  gefunden  wurde. 
(Dwieweit  jene  Communication  mit  dem  Mastdärme  dagegen 
spricht,  dass  wir  es  hier  mit  einer  Degeneration  der  Steiss- 
dröse  zu  thun  haben,  möchte  schwer  zu  entscheiden  sein. 

Herr  Winckd  gab  die  Krankengeschichte  einer 

Bauchhöhlenschwangerschaft 

Frau  Mathilde  Schwarz  geb.  Steffen,  24  Jahre  alt, 
war  als  Kind  stets  gesund.  Ihr  Vater  lebt  noch;  die  Mutter 
desselben  soll  an  Geisteskrankheit  gelitten  haben.  Ihre  eigene 
Motter  starb  im  Wochenbette.  Seit  dem  14.  Lebensjahre 
meist  onregelmässig  menstruirt  und  viel  an  Fluor  albus  leidend 
wurde  Frau  S,  nach  normalem  Verlaufe  ihrer  ersten  Schwanger- 
schaft, .14  Tage  nach  ihrer  Verheirathung,  im  März  1859 
leicht  von  einem  lebenden  Knaben  entbunden.  Damals  war 
sie  so  kräftig  und  gesund,  dass  sie  das  Bett  schon  am  dritten 
Tage  nach  der  Entbindung  wieder  verliess.  Sie  säugte  diesen 
Knaben  vier  Monate  lang  und  diente  dann  noch  sieben  Monate 
als  Amme. 

Da  sie  sich  aber  am  Ende  derselben  von  Neuem  schwanger 
fohlte,  gab  sie  die  Aromenstelle  auf  und  reiste  zu  ihren 
Eltern  aufs  Land.  Hier  soll  sie  im  vierten  Monate  der 
zweiten  Schwangerschaft  abortirt  haben,  nachdem  sie  vergebens 
versucht,  vor  den  Eltern  ihren  Zustand  zu  verbergen.  Bald 
nach  dem  Abortus,  als  sie  bereits  ausser  Bett  war,  trat  eine 
ünlerleibsentzöndung  mit  Anschwellung  beider  Füsse  ein  und 
sie  bekam  wiederholt  Blutegel  und  Schröpf  köpfe  auf  die  rechte 
Seite  des  Unterleibes.  Sie  erholte  sich  jedoch  ganz  vollständig 
und  kehrte  Ende  Juli  1861  zu  ihrem  Hanne  hierher  zurück, 
im  Jnui,  Juli  und  August  war  sie  nach  Aussage  einer 
Freundin  sehr  blähend,  munter  und  lebenslustig;  ihre  Ehe 
war  sehr  glücklich.  In  dieser  Zeit  —  Genaueres  konnte 
nicht  ermittelt  werden  —  soll  die  Menstruation  ein  Mal  in 


g  I.    Verhandlongen  der  GesellBohalt 

gewöhnlicher  Weise  eingetreten,  dann  aber  im  September 
oder  October  ganz  ausgeblieben  sein,  so  dass  sie  glaubte, 
wieder  schwanger  zu  sein. 

Am  20.  October  Nachnällags,  bis  dahin  noch  ganz  wohl, 
bekam  sie  plötzlich  starkes  Erbrechen  und  lebhafte  Leib- 
schmerzen, ohne  Blutabgang  aus  den  Genitalien.  Sie  hatte 
am  Tage  vorher  sich  beim  Waschen  sehr  angestrengt;  Durch 
warme  Umschläge  auf  den  Leib  Hessen  die  Schmerzen  nach; 
doch  kränkelte  sie  seitdem  noch  öfter. 

Anfangs  December  bekam  sie  einen  noch  stärkeren  Anfall 
von  Erbrechen  und  Leibschmerzen.  Auch  dies  Mal  ging  kein 
Blut  aus  der  Scheide  ab.  Durch  den  herbeigeholten  Arzt 
wurden  ihr  Blutegel  und  warme  Umschläge  verordnet,  worauf 
wiederum  Besserung  eintrat,  sie  lag  aber  meiu*ere  Tag  im 
Bette.  Bald  nach  dieser  Erkrankung  zu  Eude  des  Jahres  1861 
verlor  sie  einige  Male  beim  Gehen  auf  der  Strasse  so  viel 
Blut  aus  den  Geschlechtstheilen,  dass  sie  einer  Freundin  die 
Vernmthung  aussprach,  von  Neuem  abortirt  zu  haben;  allein 
kurze  Zeit  später  fühlte  sie  die  erstp  Kindsbewegung,  die  ihr 
lebhafte  Schmerzen  verursachte.  Seitdem  begann  eine  lange 
Kette  von  Leiden  für  sie.  Die  erwähnten  Leibschmerzen 
kehrten  häuOger  wieder,  die  Kindsbewegungen  wurden  stärker 
und  so  schmerzhaft,  dass  ''sie  zuweilen  aufschrie  und  ihren 
Mann  bat,  sich  selbst  durch  das  Gefühl  zu  überzeugen,  wie 
stark  die  Frucht  sich  rubre.  Sie  empfand  öfter  Schwindel, 
das  Treppensteigen  meist  sehr  mühsam ,  da  eine  starke  Kurz- 
athmigkeit  sich  einstellte.  Sie  erbrach  noch  öfter;  war  meist 
verstimmt  und  eigensinnig  und  zeilweise  so  matt  und  hinfSUig, 
dass  sie  immer  zu  sterben  wünschte.  Der  Stnhl  war  regel- 
mässig, der  Appetit  noch  ziemlich  gut,  doch  wurden  die 
Leibschmerzen  jedes  Mal  viel  stärker,  wenn  sie  feste  Speisen 
genossen  hatte.  Gegen  Ende  des  Winters  begann  sie  öfter 
am  Tage  und  in  der  Nacht  zu  frösteln.  Die  Blutung  aus  den 
Genitalien  kehrte  noch  zwei  biis  drei  Mal  wieder;  endlich  sah 
sie  sich  denn  Anfangs  April  1862  genöthigt,  fortwährend  das 
Bett  zu  hüten,  und  als  sie  auch  da  noch  keine  wesentliche 
Besserung  spürte,  d^^r  Frost  —  besonders  im  Mai  ein  Mal 
sehr  stark  und  Anfangs  Juni  von  Neuem  eine  Genitalblutung 


rar  Gebartshiilfe  in  Berlio.  9 

Mcb  eiDstrilten»  coiisultirte  m  von  Neuem  einen  Arzt,  der  sie 
am  1&  Jimi  d.  J.  der  EntbindungsanstaU  zuwies. 

Frau  S.  war  von  mittlerer  Grösse,  brünett,  mit  gracilem 
EnocfaeDbau,  sehwacher  Muskulatur,  ziemlich  mager  und 
anftinisch..  Der  Leih  war  stark  ausgedehnt;  der  Nabel  quer- 
verzogen,  grubig;  in  der  Regio  hypogastrica  einige  Striae 
gravidarum.  Vom  Mons  Veneris  zeigte  sich  in  der  Mittellinie 
fio  deotlicfaer  Pigmentstreif;  die  Wölbung  des  Leibes  war 
ziemlich  gleicbmässig.  Die  Palpation  des  Abdomen  schien 
sehr  schmerzhaft;  trotz  alles  Zuredens  spannte  sie  die  Bauch* 
iDüskelo  bei  jeder  Berührung  so  stark,  dass  die  den  Leib 
ausdehnende  Geschwulst  ihrer  Gestalt  und  Grösse  nach  gar 
nicht  genaa  abgegrenzt  werden  konnte;  Fötalherztone  waren 
nirgendwo  zu  boren ,  ebensowenig  Uteringeräusch.  Die  äusseren 
Genitalien  boten  nichts  Abnormes,  —  der  Scheideneingang  war 
f^was  eng,  die  Scheide  schlüpfrig,  glatt,  —  der  Scheidentheil 
stand  hoch,  war  Vi  ^o^^  lang*  d^>*  Muttermund  war  geöffnet, 
so  dass  man  ungefähr  Vs  Zoll  weit  eindringen  konnte,  und 
es  schien,  als  wenn  man  hier  in  ein  schwammiges  Gewebe 
dringe,  weiches  hei  Berührung  stärker  blutete,  sonst  war  der 
Blutabgang  nur  massig.  —  Hinter  diesem  Gewebe  und  durch 
das  Scheidengewölbe  war  eine  grosse  harte  Geschwulst  zu 
fohlen,  die  sich  scheinbar  etwas  in  die  Höhle  heben  Hess.  — 
Das  Becken  war  normal.  —  Die  Brüste  ziemhch  gut  entwickelt, 
der  Warzenhof  dunkel  pigmentirt,  frei  von  Montgofnery^Ächen 
Drösen.  Auf  Druck  entleerte  sich  etwas  gelbe  Milch  aus 
den  Warzen. 

Frau  S.  klagte  über  Kreuz  -  und  Leibschmerzen.  —  Die 
Haut  wv  trocken  und  blass,  ihre  Temperatur  beträchtlich 
erhöht.  Die  Zunge  war  rein,  der  Appetit  gering,  der  Durst 
stark,  —  der  Stuhl  retardirt.  —  Lungen  und  Herz  waren 
voUsländig  gesund.  Leber  und  Milz,  soweit  sie  durch  Per- 
cussion  zu  bestimmen,   auch   nicht  ungewöhnlich  vergrössert. 

Da  weder  Fötalherzlönc  zu  hören,  noch  Kindestheile 
irgendwo  mit  Sicherheit  durchzufühlen  waren  und  die  Frau 
nur  9^r  unvoDständige  anamnestische  Angaben  machte,  so 
konnte  nur  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  auf  Schwangerschaft 
gesctdoftten  werden.  Es  war  aber  anzunehmen,  dass  der 
FötttB  abgestorben  sei. 


}Q  T.    VerhandlvngeD  der  Gesellschaft 

Die  Blutung  liess  sehr  bald  nach  und  es  zeigte  sieh  mir 
noch  ein  übelriechender  rahmgelber  Ausfluss.  Der  Muttemittnd 
blieb  noch  einige  Tage  geöffnet,  schloss  sich  dann  aber 
allmälig.  Die  Schmerzen  im  Leibe,  namentlich  rechts  neben 
dem  Nabel  milderten  sich  bei  fortdauerndem  Gebrauche 
teraperirter  WasserumschlSge.  Nur  dann  und  wann  empfand 
sie  ein  leises  Frösteln  mit  geringen  Kreuz  -  und  Leibschmerzen. 
Der  sehr  geringe  Appetit  schien  sich  bei  der  Anwendung  von 
Elix.  Aurantior.  composit.  etwas  zu  bessern;  gegen  die  Ob- 
struction  wurden  Clysmata  mit  Erfolg  gebraucht.  Auffallend, 
blieb  stets  dif  starke  p^chische  Depression  der  Patientin  und 
der  leidende  bleiche  Gesichtsausdruck.  Meist  ganz  ruhig  auf 
dem  Rucken  liegend  oft  Tage  lang,  fast  ohne  ein  Wort  zu 
sprechen,  zeigte  sie  immer  Neigung  zu  weinen  und  schien 
auf  Nichts  in  ihrer  Umgebung  zu  achten. 

Die  täglich  zwei  Mal  vorgenommene  Untersuchung  mit 
dem  Thermometer  zeigte  denn  auch  bald  das  Vorhandensein 
eines  hectischen  Fiebers,  welches  sehr  deutlich  ausgesprochen 
war.  Zum  Beweise  hierfür  mögen  hier  kurz  die  Temperatur- 
werthe  von  den  ersten  zwei  Wochen  ihres  Aufenthalts  in  der 
Entbindungsanstalt  Platz  finden. 

17.  Juni  Morgens  TV«  Uhr  Puls  96,  Temp.  der  Scheide  38,5  <>  C. 


Abends   5V4 

»» 

„100, 

M 

w 

n 

39,2. 

18.  Juni  Morgens  7  V2 

n 

„    88, 

♦> 

n 

n 

38,45. 

Abends  5V4 

») 

„  102, 

»» 

M 

»» 

39,05. 

19.  Juni  Morgens  7  V2 

»» 

„    88, 

n 

M 

»1 

38,357. 

Abends   6 

n 

„    92, 

n 

»» 

w 

38,95. 

20.  Juni  Morgens  77« 

n 

„    92, 

w 

W 

i> 

38,7. 

Abends  6 

»» 

„    9o, 

rt 

»» 

« 

39,5. 

21.  Juni  Morgens  7  V2 

»1 

„    96, 

»» 

?» 

7* 

39,12. 

Abends   ö% 

V 

«112, 

n 

>» 

M 

40,3. 

22.  Juni  Morgens  7% 

»> 

„100, 

n 

n 

» 

38,72 

Abends   5% 

n 

„108, 

n 

»» 

1» 

39,85. 

23.  Juni  Morgens  7% 

»» 

»    90, 

»? 

» 

» 

38,45. 

Abends  5% 

»» 

„   96, 

M 

n 

»» 

39,3. 

24.  Juni  Morgens  7% 

n 

„   88, 

♦» 

M 

Tf 

38,85. 

Abends   6% 

n 

„104, 

»» 

n 

n 

39,75. 

25.  Juni  Morgens  7% 

rt 

„    84, 

n 

♦» 

n 

88,75. 

Abends  5% 

w 

«    88, 

n 

n 

Tl 

40,05. 

für  GebartshOlfe  in  Berlin.  II 

S6.  Juni  Morgens  7  V4  ühr  Puls  84,  Tenip.  der  Scheide  39,05 <^  C. 

Abends  b%  „  „  108,  „  „  „  40,8. 

27.Jani  Morgens  8  „  „    72,  „  „  „  38,65. 

Abends  5^4  „  „    84,  „  „  „  40,1. 

28.Jiini  Morgens  8 V4  n  «    82,  „  „  „  88,85. 

Abends  5V4  w  «    96»  »»  »»  »»  40,89. 

29.Jani  Morgens  8 V2  »»'  «    96,  „  „  „  39,05. 

Abends  5%  „  „    96,  „  „  „  40,2. 

SO.Ioni  Morgens  9V2  »  m  84,  „  „  „  38,35. 

Abends  574  „  „  100,  „  „  '  „  40,2. 

I.Juli  Morgens  9  „  „  92,  „  „  „  38,75. 

Abends  5%  „  „  100,  „  „  „  40,02. 

2.  Juli  Morgens  9  Vs  .,  „  94,  „  „  „  38,89. 

Abends  b^U  »    «  10*»      »♦      >»        »»     40,3. 

Während  —  wie  hieraus  erhellt  —  gewöLnlich  Morgens 
die  Temperatur  der  normalen  sich  fast  näherte,  sie  kaum 
am  einige  Zehntel  überschritt,  war  sie  Abends  meist  un- 
gewöhnlich hoch  und  seit  dem  25.  Juni  sogar  immer  über 
40^  C. ,  so  das8  die  Differenz  zwischen  Morgen  und  Abend 
zuweilen  (28.  30.)  fast  2^  C,  betrug.  Diese  Febrib  hectica 
ging  periodenweise  sogar  in  eine  Febris  continua  über  ?om 
24. — 25.,  26.,  27.,  28.,  29.,  und  erst  wenn  diese  einige 
Tage  bestanden,  zeigte  sich  Morgens  wieder  eine  der  normalen 
»ehr  nahe  Temperatur. 

Um  die  Mitte  des  Monats  Juli  war  die  Kranke  Morgens 
eiuige  Male  so  viel  kräftiger,  dass  sie  aus  freien  Stücken  das 
Bett  verliess  und  kleine  Gänge  in  der  Stube  machte.  Allein 
gar  bald  trat  wieder  ein  starker  Frost  mit  lebhafter  Fieber- 
exacerbation  ein,  welche  sie  von  Neuem  in*s  Bett  trieb. 
Ausser  ihrem  weinerlichen  Wesen,  welches  alle  Untersuchungen 
Qod  Fragen  sehr  erschwerte,  fiel  Anfangs  August  noch  die 
Sehnsucht  auf,  wieder  nach  Hause  zu  kommen.  Sie  zwang 
sich  nochmals  zum  Aufstehen,  musste  aber  bald  wieder  davon 
ablassen,  da  beide  Fnsse  nicht  unerheblich  anschwollen.  Dabei 
war  die  Diurese  gering,  der  Urin  hell,  klar  und  nicht  eiweiss- 
baldg.  Dieses  Oedem  verlor  sich  freilich  bald  wieder  bei 
mUger  Lage,  doch  machte  die  Macies,  da  die  Kranke  fast  gar 
Biehts  als  Wasser  zu  sich  nahm,  sehr  sichtliche  Fortschritte, 
htwiscben  hatte  sich  in  dem  oben  geschilderten  Status  praesens 


12  f>    Verhandlnngeo  der  OesellschHft 

kaum  irgend  etwas  geändert.  Noch  immer  war  kein  Kindes- 
theil durchzufühlen,  noch  immer  der  Scheidenlheil  V2 — 1  Zoll 
lang  und  etwas  Fluor  albus  vorhanden,  —  aber  die  Ver- 
muthung,  dass  der  gewiss  vorhandene  Fötus  nicht  in  utero 
sei ,  wurde  mehr  und  mehr  zur  Gewissheit.  —  Am  22.  August 
trat  in  der  Mittagsstunde,  nachdem  Patientin  in  den  letzten 
Tagen  besonders  still,  verschlossen  und  ängstlich  gewesen, 
plötzlich  eine  Art  „Weinkrampf*  ohne  jede  Veranlassung 
bei  ihr  auf,  der,  als  ich  hinzukam,  inr  einen  Krampf  der 
Digastrici,  Gertiohyoldei ,  Genioglossi  und  Hyoglossi  überging, 
so  dass  sie  auf  einmal  die  Zunge  heran sstrecktc,  deren  stark 
zitternde  Spitze  sich  ziemlich  fest  an  das  Kinn  anlegte.  Sobald 
der  Krampf  nachgelassen  hatte  und  der  Mund  geschlossen 
war,  genfigte  eine  Berührung  der  genannten  Muskeln,  diesen 
Spasmus  von  Neuem  hervorzurufen.  Gefragt,  weshalb  sie  die 
Zunge  herausstrecke,  gab  sie  an  —  sie  müsse  das.  —  Ein«* 
Dosis  Tinct.  thebaica  verschaffte  ihr  Ruhe  und  Schlaf. 

Von  dieser  Zeit  an  trat  mehr  und  mehr  eine  psychische 
Erkrankung  zu  Tage,  —  sie  starrte  stets  angstvoll  den  sie 
Besuchenden  an,  gab  auf  Fragen  gar  keine  oder  sehr  leise 
Antwort;  weigerte  sich  namentlich  Arznei  zu  nehmen,  genoss 
gar  keine  Speisen  und  verschmähte  zuweilen  auch  das  Wasser. 
Einige  Male  äusserte  sie  sogar  den  Verdacht,  dass  man 
dasselbe  vergiftet  habe.  Kurz,  man  sah,  dass  sie  unter  dem 
Eindrucke  der  mannichfaltigsten  Hallucinationen  stand.  So 
erhob  sie  sich  zuweilen  leise,  griff*  nach  ihren  Kleidern,  um 
sich  zu  entfernen  und  sagte,  die  anderen  Frauen  wünschten, 
dass  sie  ginge,  da  ihre  Zeit  längst  vorbei  sei.  In  dieser 
Zeit  stieg  das  Fieber  ausserordentlich  und  war  Ende  August 
eine  Febris  continua  mit  sehr  geringen  Remissionen.  Jetzt 
trat  auch  —  zuerst  seit  ihrer  Ankunft  in  der  Anstalt  — 
galliges  Erbrechen  ein  und  vermehrte  den  rasch  zunehmenden 
Collapsus.  Mit  Händen  und  Beinen  sträubte  sie  sich  vor 
jeder  Untersuchung,  schrie  oft  schon,  wenn  man  sie  kaum 
anrührte,  und  erst  als  diese  Zeit  der  höchsten  Aufregung 
vorüber  —  gegen  den  27. — 28.  August  —  war  eine  genauere 
Feststellung  der  längst  gestellten  Diagnose  möglich.  Die  Ab'^ 
magerung  war  sehr  vorangeschritten,  die  Intercostalräume 
sehr   vertieft,    die  Brüste  klein,    welk  geworden,    enthielten 


für  Oebnrtshfilfe  in  Berlin.  13 

keine  Spur  von  Colostrum  mehr.  Der  Leib  war  etwas  nach- 
gieluger,  die  Ausdehnung  desselben  war  auf  der  rechten  Seite 
slarker  als  auf  der  linken,  und  unter  dem  rechten  Rippen- 
rande  liess  sich  nun  ein  Tumor,  der  sich  früher  schon  durch 
stärkere  Resistenz  dieser  Stelle  zu  erkennen  gab,  als  über 
fflannsfaostgrosse,  runde,  harte  Geschwulst  abgrenzen ,  welche 
io  eine  schmale  Parthie  übergeht,  die  ganz  rechts  vom  Nabel 
liegt  und  etwas  über  diesem  einen  kleinen  Ausläufer  zu  haben 
scheint.  Bei  vorsichtiger  Palpation  fühlte  man  entlang  des 
ganzen  Tumors  ein  ziemlich  starkes  emphysematöses  Knistern. 
Zo  beiden  Seiten  von  dem  Tumor  war  der  Percussionston 
hell  tympanitisch.  Diese  fühlbaren  Theile  sind  bei  Veränderung 
der  Lage  nicht  immer  auf  derselben  Stelle.  Patientin  liegt 
meist  halb  auf  dem  Rücken,  halb  auf  der  rechten  Seite  und 
kann  wegen  spannender  Schmerzen  nicht  immer  auf  der  linken 
Seite  liegen.  Die  Schmerzhafligkeit  des  Abdomen  hat  sonst 
etwas  nachgelassen  und  bei  Druck  -auf  dasselbe  treten  auch 
weder  Uebelkeit  noch  Erbrechen  auf.  Die  äusseren  Genitalien 
sind  blass  und  welk,  der  Scheideneingang  noch  enge,  der 
Scheidenthei]  hoch,  V2  Zoll  l^^g')  ^^^  Muttermund  geschlossen; 
die  Sonde  dringt  ziemlich  leicht  gerade  bis  an  ihren  Knopf 
io  den  Uterus  ein  und  zeigt  entfernt  eine  Spur  rahmigen 
Schleimes.  Der  Uterus  ist  also  nicht  mehr  verlängert;  der 
AasOuss  hat  fast  ganz  aufgehört.  Durch  das  Scheidengewölbe 
ist  überall  hin  ein  ziemlich  resistenter  Tumor  zu  fühlen. 
Derselbe  ist  auch  im  Rectum  fühlbar,  ohne  dass  man  ihn 
hier  genau  vom  Uterus  abgrenzen  könnte. 

Die  Diagnose  einer  sogenannten  primären  Bauch- 
schwangerschafl  war  unter  diesen  Verhältnissen  und  nach 
Vei*vollstandigung  der  Anamnese  durch  den  Mann  der  Frau 
und  eine  Freundin  derselben  nicht  mehr  zweifelhaft.  Der  grosse 
nnde  und  harte  Tumor  unter  dem  rechten  Hypochondrium 
musste  der  Kopf  des  Kindes  sein,  —  der  Rücken  von  rechts 
nach  links  unter  dem  Nabel  liegen  und  links  eine  Extremität 
zo  fohlen  sein.  Zugleich  liess  sich  aber  mit  hoher  Wahr- 
scheinlichkeit auf  eine  Abscedirung  des  Fruchtsackes  aus  dem 
continuirlichen  sehr  intensivem  Fieber  schliessen. 

Bei  dem  enormen  Kräfteverfall  konnte  es  sich  nur  noch 
am  Beförderung   der  Euthanasie   handeln:  Tinctura  thebaica 


14  I     Verhandlangen  der  Gesellschaft 

gab  ihr  meist  noch  einige  Ruhe.  Das  Erbrechen  peinigte 
sie  noch  öfter,  doch  schien  seit  Ende  August  das  Sensorium 
wieder  etwas  freier  zu  werden.  Durch  die  flach  auf  das 
Abdomen  gelegte  Hand  fühlte  man  die  Pulsationen  der  Aorta 
abdominalis  sehr  stark,  woraus  anzunehmen,  dass  der  Frucht- 
sack  an  einzelnen  Stellen  direcl  bis  auf  die  Wirbelsaule  sich 
erstreckte.  Am  9.  September  trat  nach  starkem  Erbrechen 
*  uochmals  der  oben  beschriebene  Krampf  der  Mm.  digastrici  und 
Geniohyoidei  etc.  ein ,  war  jedoch  von  kurzer  Dauer.  Wasser 
und  dann  und  wann  ein  Bissen  von  einem  Zwieback  war  ihre 
einzige  Nahrung.  Der  grösste  Umfang  des  Leibes  betrug  jetzt 
72  Centimeter.  Der  retardirte  Stuhl  wurde  durch  Clysmata 
erzielt.  Die  Paeces  sahen  blass,  lehmig  aus,  waren  bröckelig 
und  sehr  übelriechend. 

Das  Erbrechen  kehrte  von  nun  an  taglich  wieder,  die 
Mattigkeit  stieg,  Leibschmerz,  war  nicht  vorhanden,  —  immer 
behielt  sie  halb  nach  rjechts  gewandt  die  Rückenlage  bei; 
klagte  zuweilen  über  Rückenschmerzen  zwischen  den  Schulter- 
blättern und  über  Kreuzschmerzen,  die  von  einem  beginnenden 
Decubitus  herrührten.  Am  14.  stellten  sich  lebhafte  Seiten- 
stiche ein,  sie  war  sehr  unruhig,  fing  Nachmittags  an  zu 
frösteln,  entleerte  den  Urin  unter  sich.  Die  Hauttemperatur 
sehr  hoch,  sank  am  15.  September  Morgens  beträchtlich  und 
bei  peinigender  Neigung  zum  Erbrechen  und  ziemlich  leb- 
haften Leil)schmerzen  trat  am  15.  September^  eine  profuse 
Eiterausleerung  per  rectum  ein;  hierauf  rascher  Verfall,  so 
dass  sie  bereits  am  17.  September  Morgens  3  Uhr  starb. 

Die  am  17.  September  Nachmittags  4  Uhr  von  Herrn 
Dr.  V,  Kecklinghausen  gütigst  angestellte  Section  ergab 
Folgendes: 

Aeusserst  starke- Abmagerung,  sehr  trockene  Haut  mit 
starker  Epidermisabschuppung.  Leichte  Schwangerschaftsnarben 
am  Bauche.  An  beiden  Unterschenkeln,  namentlich  am  rechten, 
sind  zahlreiche  dunkelblaue  Ecchymosen  in  der  Haut,  von 
denen  einzelne  mit  ganz  kleinen  wnisslichen  ßiäschi^n  bedeckt 
sind.  Die  Bauchdecken  sind  nur  in  der  Gegend  des  Nabels 
vorgetrieben. 

Nach  Durchschneidung  der  sehr  dünnen,  ganz  leicht  grau 
gelarbten  Bauchdecken   zeigt   sich,   dass  das  Netz  mit  den- 


für  Gebortsliiilfe  ia  Berlin.  15 

adbeo  io  seiner  ganssen  Ausdehnung  verwachsen  ist;  rechts 
}i4nd  die  Verwachsungen  besonders  derb,  indessen  lassen  sie 
üth  auch  hier  noch  trennen.  Netz  und  Perilonäum  zeigen 
ein«  stark  schieferige  Färbung.  In  der  linken  Seite  ist  das 
Netz  in  ziemlich  grosser  Ausdehnung  defect;  vom  linken 
Hypocbondrium  her  schieben  sich  einzelne  Dünndarm  schlingen 
vor.  Durch  den  Defect  im  Netze  dringt  eine  schmutzig  grau 
dterige  mit  einzelnen  schwärzlichen  Fetzen  untermischte 
Flüssigkeit  hervor. 

Weiterhin  findet  sich,  dass  von  dem  Netze  fast  ganz 
bedeckt  ein  Fötus  vorhanden  ist,  welcher  eine  Höhle  ein- 
nimmt, die  von  rechts  und  oben  nach  der  linken  Fossa  iiiaca 
heruntersteigt,  jedoch  so,  dass  sie  auch  in  der  rechten  Seile 
die  Fossa  iiiaca  erreicht.  Nach  links  und  oben  grenzen  an 
diese  Höhle  unmittelbar  die  Dunndarmschlingen,  weiche  indess 
durch  duone  schieferige,  ziemlich  derbe  Massen  mit  einander 
verbunden  sind.  Nach  oben  erreicht  sie  fast  die  Leber,  nach 
rechts  und  aussen  wird  sie  von  dem  Col.  ascend.  begrenzt 
und  bedeckt  nach  hinten  oben  die  rechte  Niere.  Nach 
hinten  unten  liegt  diese  Höhle  unmittebar  au  die 
Wirbelsäule,  und  zwar  entsprechend  den  beiden  letzten 
Lendenwirbeln.  Die  Innenfäche  der  Höhle  zeigt  überall 
einen  grau  gefärbten  stark  fetzigen  Belag.  Ihre  Wand 
wird  meist  durch  derbe  peritonitiscbe  Schwarten  gebildet, 
welche  fest  mit  den  anstossenden  Theilen  der  Bauchhöhle 
verwachsen  sind,  jedoch  lässt  sie  sich  stellenweise,  namentlich 
in  der  Fossa  iiiaca  und  an  der  hinteren  Fläche  des  Netzes 
als  .eine  selbstständige  Membran  abtrennen.  Fettlröpfchen, 
welche  an  der  vorderen  Fläche  des  Netzes  noch  deutlich 
wahrzunehmen  sind,  sind  an  der  hinteren  nicht  mehr  zu 
erkennen. 

Im  Grunde  dieses  Sackes,  am  Eingange  des  kleinen 
Beckens  liegt  eine  stark  fetzige  Masse,  nirgends  mit  den 
Eiugeweiden  verwachsen.  Zu  dieser  geht  der  namentlich  in 
seinen  unteren  Theilen  sehr  bruchige,  schmutzig  graue  Nabel- 
strang. An  dieser  Masse  lässt  sich  sehr  deutlich  erkennen: 
1)  eine  imiere  ziemlich  glatte  den  Eihäuten  entsprechende 
Membran,  2)  eine  sehr  bruchige,  filzige  Masse,  welche 
offenbar    als   stark    macerirte   Placenta    aufzufassen    ist.     In 


lg  I.    Verhandlungen  der  Oesellschaft 

letzterer  Substanz  sind  namentlich  die  Blutgefassstamme  noch 
ziemlich  erhalten  und  auf  weite  Strecken  hin  blosgelegt. 

Nach  Entfernung  dieser  Massen  tritt  im  kleinen  Becken 
eine  noch  sehr  rauhe  Oberfläche  zu  Tage  mit  schwärzlicher 
Farbe  und  kleinen  Leisten. 

Auch  von  der  hinteren  Fläche   der  Blase  lässt  sich  eine 
dicke   Membran   allerdings   nicht  ganz   continuirlich    ablösen, 
welche    sich    unmittelbar    in    die    durch    das   Netz    gebildete 
vordere    Wand    des    Sackes    fortsetzt.    —    Der  Fötus    liegt 
stark   zusammengedruckt   der  Art  im  Sacke,   dass   der  Kopf 
den  oberen  Ausläufer  des  Sackes  im  rechten  H}pochondrium 
einnimmt,  dass  der  Rücken  nach  rechts  und  etwas  nach  vom 
gewendet  ist  und  Steiss  und  (Jnterextremitäten  den  unteren  Theii 
des  Sackes  einnehmen.    Der  Fötus  ist  1672"  und  11 V2''  lang 
und  wiegt  2 V2  Pfd.  (Kopfdurchmesser  27/,  3V/,  4V/,  3").  — 
Seine  äusseren  Bedeckungen   sind  namentlich  am  Kopf  sehr 
bruchig    und    haben    sich    daselbst    auf   grössere    Strecken 
abgelöst.    Die  anderen  Theile  sind  wohl  ausgebildet,  aber 
durch  die  Maceration  welk  und  teigig  anzufühlen.    Ausserdem 
ist,    namentlich   an  den   Extremitäten   und   am    Rücken 
die   Haut  leicht   emphysematös.     Aus  der  Schnittfläche 
entleeren     sich     kleine    Luflbläschen,     in    einem    öligen 
Fluidum.    Daneben  finden  sich  im  Unterliautfettgewebc  einzelne 
weisse    breiige    Massen,    welche    Brocke)    eines    geronnenen 
Fettes   enthalten.  —   Die   Eingeweide   der   Bauchhöhle   des 
Fötus  zeigen  eine  stark  schwärzliche  Farbe.    Aus  den  grossen 
Unlerleibsdrüsen   entleert   ein  Einschnitt  sehr  wenig  schwärz- 
liehe  Flüssigkeit.     Ausserdem  sieht  man  in  ihnen  ebenso  wie 
in  den  Lungen  und  im  Herzfleische   intensiv   gelb  weisse, 
glänzende    Punkte,    die    sich    zu    stellenweise    ver- 
ästelten Figuren   vereinigen;   am  zahlreichsten  sind  sie 
in  der  Leber.     Sie  zeigen   einen  schillernden,   etwas  fettigen 
Glanz;  die  gleich  hernach  angestellte  mikroskopische  Unter- 
suchung  wies   nach,    dass    sie    aus    grossen    Klumpen    von 
körnigem    Fett,    bisweilen   flüssigen    Fetltropfen   und   sehr 
schönen,   oft  nadeiförmig  kryslallinischen  Abscheidungeu   von 
Hämatoidin  bestanden. 

Auch    die    Eingeweide    der    Brusthöhle    zeigen    eine 
schwärzliche  Beochaflenheit,  namentlich  die  Pleura  puimonalis 


Ar  Oeburtsbfilfe  In  Berliiu  17 

md  costalis,  die  auch  mit  einem  schwärzlicben  Fluidum 
bedeckt  sind.  —  Das  Herz,  sehr  schlaff,  eotbfilt  wenig 
sehwinlicbe  Flüssigkeit,  ist  sonst  regdmässig  gebiMet  Bdde 
Lmigen  ebenfalls  normal,  ganz  luftleer,  lassen  aus  ihrer 
Scfanittfläehe  etwas  schwSrzliche  Flüssigkeit  austreten. 

Die  schmutzig  graue  Flüssigkeit  im  Fötalsacke  betrug 
im  Ganzen  höchstens  8  Unzen. 

Beide  Lungen  der  Mutter  sind  in  den  hinteren 
unteren  TheQen  etwas  adhärenL  Im  Herzbeutel  klare  gelbe 
Flüssigkeit  Das  Herz  ist  massig  gross,  ziemlich  schlaff. 
Die  Klappen  sind  normal,  nur  am  Mitralisrande  kleine  Ver- 
dickimgen.  Das  Herzfleiscb  hat  eine  etwas  gelbliche,  sehr 
blasse  Farbe.  Das  Blut  ist  dünnflässig,  mit  geringen  speck- 
kiotigen  Abscheidungen.  In  den  hinteren  Theilen  beider  Lungen 
starkes  Oedem,  massiger  Luft-  und  Blutgehalt.  Die  oberen 
Tbeile  stark  anämisch  und  pigmenüos.  Festere  Adhäsionen 
nirgendwo.  Die  Bronchien  eng,  ihre  Schleimhaut  blass,  die 
Wand  derselben  ziemlich  dick.  In  den  Lungenarterien  nichts 
Besonderes. 

In  der  Bauchhöhle  ist  die  Milz  etwas  ?ergrössert, 
6  Zoll  lang,  schlaff,  ziemlich  brüchig.  Auf  der  Schnittfläche 
zahlreiche  Follikel  ?on  etwas  weisser  Farbe.  Diese  sind 
^egen  die  Umgebung  etwas  abgegrenzt  Die  Pulpa  hat  eine 
sehr  glatte  Schnittfläche,  eine  eigenthümlich  kaffeebraune 
Farbe,  ausserdem  ist  sie  sehr  feucht. 

Die  linke  Niere  ist  massig  gross,  ausserordentlich 
derb  und  blass.  Die  Kapsel  trennt  sich  leicht  von  der 
glatten  Oberfläche;  auf  der  Schnittfläche  dieselbe  Blässe.  Eine 
Trübung  ist  in  der  Rinde  nicht  vorhanden.  Rechts  ist  der 
Ureter  leicht  dflatirt  Hier  ist  die  Niere  etwas  kleiner, 
zeigt  aber  sonst  dieselbe  Beschaffenheit  wie  links  und  ist  hier 
noch  eine  geringe  Erweiterung  des  Nierenbeckens  zu 
bemerken.  Im  Magen  ist  eine  geringe  Quantität  gelblicher 
Flüssigkeit  Die  Leber  ist  durch  einzelne  6trangf5rmige 
Adhäsionen  mit  dem  Zwerchfell  verbunden.  Die  untere*  Fläche 
ist  an  einer  kleinen  Stelle  nahe  dem  Rande  und  zwar  bis 
zur  Umbiegung  des  vordo'en  in  den  rechten  Seitenrand  von 
dem  Fötalsacke  erreicht.    An  dieser  Stelle  lässt  sich  von  dem 

VoMUtekr.  f.  Oebttrtek.  1868.  Bd.  XXI.,  Bft.  1.  2 


^8  I*    Verhandlungen  der  Geselltehaft 

BAUcbfollüberzuge  der  Leber  mit  ciuiger  SchwierigkeU  eiae 
besondere  Membran  abtrennen.  Der  Peritonäalüberzug 
Zfigl  alsdann  eine  schieferige  OherDäche  und  beträchtliche 
Verdickung.  Die  Schnittfläche  der  Leber  zeigt  starke 
Anämie.  Das  Gewebe  ist  durchscheinend,  die  Consisienz  des 
ganzen  Organs  ziemlich  gross.  Auch  von  den  Dünndarm- 
schlingen,  welche  von  links  und  oben  don  Sack  di^s  Fötus 
abgrenzen,  lässt  sich  in  einzelnen  Fetzen  eine  dünne 
Membran  abtrennen,  unter  welcher  die  Serosa  eine  starke 
schieferige  Farbe  zeigt  Ebenso  kann  man  eine  schieferige 
Membran  von  der  vorderen  Fläche  der  Wii*beisäule  sowie  von 
dem  Peritonäalüberzuge  der  Fossa  iliaca  sinistra  ablösen, 
jedoch  ist  an  letzterer  Stelle  die  Abtrennung  äusserst 
schwer.  Auch  hier  zeigt  das  Peritonäum  eine  stark 
schieferige  Färbung.  An  derjenigen  Stelle  der  linken  Fossa 
i)iaca,  wo  die  Fötalhohle  am  höchsten  nach  oben 
hinaufreichte,  ist  in  dem  oberen  Theile  derFlexura 
sigmoidea  eine  fast  sechsergrosse  Oeffnung,  aus 
welcher  der  gelbe  sehr  dünne  Darminhalt  hervordringt  Durch 
diese  OeOnung  spannt  sich  ein  Faden,  welcher  dieselbe  in 
einen  oberen  kleineren  und  einen  unteren  grosseren  Abschnitt 
scheidet 

DiQ  Lurabardrüseii  sind  ziemlich  stark  schiefeng  und 
etwas  vergrössert  Die  Harnblase,  ziemlicli  gross,  enthält 
einen  braunen,  leicht  trüben  Urin,  ihre  Schl^mhaut  ist  un- 
verändert.  Im  Rectum  ist  eine  ziemlich  reichliche,  dünne, 
hriui^iche  Flüssigkeit  Der  obere  Theü  des  Rectum  zeigt 
dabei  eine  «ehr  starke  Dilatation,  dieselbe  erstreckt  sich  auch 
ijiber  ^en  imteren  Theil  der  Flexur.  Die  Schleimhaut  dieser 
Theile  zeigt  ^ine  zieoilich  starke  Röthung;  entsprechend  der 
Düatatiom  kleioe  hämorrhagi^hc  Ueerde,  übrigens  ist  die 
SchleimksiUt  de^  Rectum  glatt  und  ziemlich  stark  grau  gefärbt 

fintspirechend  der  erwähnten  Perforation  im  S  roma- 
Qum  «eigt  sich  ein  fast  thalergrosser  Defect  der  Schleimhaut 
mii,  ^^  uoregelmässige«,  Qacben,  zum  Theil  abgelösten 
Rändern.  Der  Gruod  lä£>st  die  Muscularis  zu  Tage  treten, 
sie  ist  ziemlich  glatt  und  etwas  schieferig.  In  dieser  Ulcenation 
der  Mucpsa  ^nd^  Submucosa  liegt  der  äussere  Defect  excentf  isch, 
so  dass  nach  unten  die  Ränder  beider  sich  unmittelbar  decken. 


für  Oebnrtebfllfe  in  Berlin.  19 

Die  Scheide  ist  Dur  massig  wdt,  ziemiich  stark  g^eekt 
Das  Orificium  externum  ist  sehr  starii  schieferig,  bildet  eine 
Längsspalte  mit  mehi*eren  Nabotfiseiem.  Der  Uterus  ist 
massig  gross,  die  Länge  seines  Cervicalkanals  beträgt  %  Zoll, 
die  der  übrigen  Uterushöble  ly^  Zoll,  die  Dicke  der  Wand 
gegen  Vs  Zoll.  Die  Geßsse  derselben  sind  stark  geschlängelt 
ond  in  den  äusseren  Schichten  ziemlich  weit  Die  Uterus- 
sdileimhäut  ist  Mass,  glatt,  nur  ganz  spärliche  Gelass- 
nmificationen  schimmern  durch.  Die  Drüsen  sind  ziemlich 
gross.  An  der  hinteren  Wand  befindet  sich  etwa  V2  ZoU 
aber  dem  Orificium  internum  eine  kleine  tiefe  Grube,  deren 
Grund  stark  geröthet  ist 

Die  rechte  Tuba  verläuft  innerhalb  der  Wand 
des  Sackes,  welche  sich  von  der  rechten  Possa  iliaca  her 
abtrennen  lässt,  und  zwar  grösstentheils  in  den  äusseren 
Schichten  derselben;  dagegen  mit  ihrem  abdominellen 
Theile  an  der  inneren  Seite.  Sie  mändet  alsdann  frei  in 
den  Sack  hinein  in  der  Nähe  der  oben  erwähnten 
mit  Leisten  bedeckten  Theile.  Dieser  abdominelle  Theil 
zeigt  eine  ziemlich  starke  Erweiterung,  er  enthält 
eine  ähnliche  schmutzig  graue  puriforme  Flüssig- 
keit, wie  sich  innerhalb  des  erwähnten  Sackes  vorfand.  Der 
übrige  Theil  der  Tube  zeigt  dagegen  normale  Beschaffenheit 
Der  rechte  Eierstock  ziemlich  gross,  derb,  liegt,  von  der 
Wand  des  Sackes  bedeckt,  ganz  in  der  Nähe  des  Uterus 
nd  enthält  ein  etwa  erbsengrosses  schieferiges  Corpus. 
Linkerseits  ist  von  dem  Dot^jf^aa'scben  Räume  noch  etwas 
erhalten,  all^dings  ziehen  sich  durch  denselben  einige  zer- 
reissliche  membranöse  Stränge  hindurch ,  welche  sich  auch 
ober  die  (H)erfläche  des  linken  Eierstocks  hinspannen; 
dieser  ist  kleiner  als  der  rechte,  ziemlich  derb,  enthält 
mehrere  Corpora  nigra.  Mit  ihm  ist  die  linke  Tuba  durch 
einzefaie  Adhäsionen  verbunden.  Dieselbe  zeigt  in  ihrer  ganzen 
Ausdehnung  nur  eine  geringe  Weite,  aber  auch  an  ihr  hat 
der  abdominelle  Theil  eine  stark  schieferige  Innenfläche.  Die 
Fimbrien  sind  etwas  klein,  doch  wohl  erhalten;  eine  Oeffnung 
io  ihnen  lässt  sich  jedoch  nicht  nachweisen.  Auch  die  voi*dere 
Pbcbe  des  linken  Ligam.  lat  ist  mit  der  Beckenwand  fast 

in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  verwachsen.    Der  obere  Theil 

2* 


20  !•   Veriiaadlnngeii  der  Oetelliohaft 

des  Uterus  ist  durcb  die  Waod  dos  Sackes  an  das  Rectum 
unmittelbar  angeheftet  und  dadurch  der  erhaltene  Theil  des 
Z)ot«^{ar'schen  Raumes,  ebenso  die  linke  Tuba  und  der  linke 
Bierstock  ?oIlständig  von  der  Pötalhöhle  abgespannt. 

Die  Schwarten,  welche  die  Wand  des  Fötalsackes  her- 
stellten, bestanden  mikroskopisch  aus  einem  Iheils  älteren, 
theils  jüngeren  Bindegewebe;  von  Zügen  muskulöser 
Elemente  Hess  sich  nichts  wahrnehmen. 

Durch  diese  Seclion  wurde  also  die  früher  gestellte 
Diagnose  in  jeder  Beziehung  bestätigt  Die  Hauptpunkte,  auf 
welche  sich  dieselbe  stützte,  sind  kurz  folgende: 

Zunächst  war  es  das  Verhalten  des  Scheidentheils« 
welches  zur  Annahme  einer  Extrauteriuschwangerschaft  Ver- 
anlassung gab.  Namentlich  der  Umstand,  dass  der  bei  der 
Ankunft  ziemlich  weit  geöffnete  Muttermund  in  kurzer  Zeit 
sich  vollkommen  wieder  schloss,  dass  der  bis  dahin  nur 
V2  Zoll  lange  Scheidentheil  noch  länger  und  schlanker  zu 
werden  schien  und  seitdem  in  mehreren  Wochen  gar  keine 
Veränderung  mehr  durchmachte. 

Zu  der  speciellen  Diagnose  einer  Bauch  Schwangerschaft 
brachte  uns  darauf  besonders  der  Verlauf  und  die  Dauer 
der  Schwangerschaft.  In  Betreff  des  ersteren  wissen  wir 
durch  Hecker^s  ^)  mühsame  Arbdt,  dass  die  Tubarschwanger- 
Schäften  fast  ausnahmslos  durch  Ruptur  und  innere 
Blutung  (von  48  Fällen  40  innerhalb  48  Stunden)  enden, 
dass  ebenso  die  InterstiCialschwangerschaften  sämmüich  einen 
plötzlichen  Tod  mit  sich  führten.  Die  Symptome,  die  bei 
diesen  Ereignissen  eintreten,  sind  immer  zu  gewaltig,  als  dass 
sie  übersehen  oder  —  falls  wirklich  eine  Heilung  nach  den- 
selben eingetreten  —  vergessen  werden  könnten.  Dasselbe  gilt 
auch  als  Regel  von  den  sehr  seltenen  Ovarialschwangerschaften. 
Eine  stattgehabte  Ruptur  oder  innere  Blutung  konnten  wir 
aber  in  unserem  Falle  mit  Sicherheit  ausschliessen,  da  Frau  3. 
von  Nichts  derart  angab,  da  ferner  die  öfter  eingetretenen 
starken   und   plötzlichen  Leibschmerzen   bei  Behandlung  mit 


1)  Hecker f  Zar  Lehre  von  der  Schwangerachsft  aaiierhalb 
der  Gebftrmatterhöble.  Monsttsohrift  fSr  Gebnrtokande,  Bd.  Xlil., 
S.  81  —  123. 


Ar  Gebortohälfe  in  Berlin.  21 

Umsehlägen  nachliessen ,  ja  sogar  einmal  von  dem 
herheig^ohen  Arzte  durch  Blutegel  beseitigt  wurden. 

Becker  hat  ferner  in  Bezug  auf  die  Dauer  der 
Extraoterinschwaogerscbaft  nachgewiesen,  dass  die  Tubar- 
sehwangerschaft  gewöhnlich  schon  in  den  ersten  Monaten 
dsreh  den  Tod  endigt  Von  46  FUlen  derart  starb  das 
betreffende  IndiFiduum 

37  Mal  schon  im  ersten  bis  dritten  Monate, 

7  Mal  im  vierten  Monate, 

1  Mal  im  fünften  Monate 
und  nur  ein  einziges  Mal  (Saxtorph)  soll  eine  Tubarschwanger- 
Schaft  angeblich  bis  zum  normalen  Ende  der  Schwanger- 
schaft gediehen  sein  (?).«  Ebenso  verliefen  von  26  Interstitial- 
Schwangerschaften  19  schon  vor  dem  fünften  Monate  lethai 
and  dies  ist  auch  der  gewöhnliche  Ausgang  für  die  Ovarial- 
Schwangerschaft.^)  —  Zwar  hat  WcUter  in  neuerer  Zeit^) 
einen  Fall  von  Ovarialschwangerschaft  mitgetheilt,  bei  dem  die 
EihiiHen  platzten,  das  Fruchtwasser  sich  in  das  Cavum  peri- 
lonaei  ergoss,  hier  resorbirt  wurde,  wahrend  der  Fötus,  durch 
den  Riss  ausgetreten,  im  Zusammenhange  mit  seiner  Placenta 
durch  die  Nabelschnur,  ausserhalb  der  Eiböhle  weiter  lebte  und 
wobei  die  Frau  erst  viel  später  einer  acuten  Peritonitis  erlag; 
allein  diese  Möglichkeit  ist  so  selten,  dass  sie  diagnostisch 
kaum  in  Frage  kommt.  —  Für  die  grössere  Mehrzahl  der 
FäDe  von  Bauchschwangerschaft  ist  dagegen  constatirt,  dass 
das  Kind  ausgetragen  wird  (Hecker  1.  c),  ja  in  vielen 
FSMen  ist  sogar  eine  abnorm  lange  Schwangerschafts- 
dauer nachgewiesen  worden.    In  unserem  Beispiele  ist   der 

■ 

Beginn  der  Schwangerschaft  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit 
anf  die  erste  HUfte  des  Monats  October  zu  setzen,  denn  am 
20.  October  trht  der  erste  Anfall  einer  acuten  Peritonitis 
auf  —  bis  dahin  war  Frau  S.  sehr  wohl  gewesen  —  und 
Ende  Januar  oder  Anfang  Februar  will  sie  schon  die  erste 
Eindesbewegung  gespürt  haben. 

Am  sichersten  liess  sich  freilich  die  Dauer  der  Schwanger- 
schaft bestimmen,  als  es  nach  Erschlaffung  der  Bauchdecken 


1)  Cf.  s.  B.  taUey,  Med.  Times  et  Ossette,  Sept.  1868. 

2)  Monattsclirift  fttr  Gebnrtskiinde ,  Bd.  XVIII.,  H.  3,  S.  174. 


22  I*   Verhandlangen  der  Oesellsehaft 

möglich  wurde,  den  Kopf  des  Fötus  zieoilich  genau 
abzugrenzen.  Die  Grösse  derselben  entsprach  der  eines 
Kindes  von  acht  bis  neun  Monaten,  und  da  der  Fötus  schon 
Anfang  Juni  abgestorben  sein  musste,  so  war  der  Termin 
der  Conceptiou  höchst  wahrscheinlich  Anfang  October.  Die 
Kopfdurchmesser,  die  Länge  und  Enlwickelung  des  später 
herausgenommenen  Fötus  bestätigten  diese  Annahme  voll- 
kommen. Die  Dauer  der  ganzen  Schwangerschaft  betrug 
daher  ungefähr  830  Tage. 

Diese  drei  Punkte:  nämlich  das  Fehlen  aller  Er- 
scheinungen Ton  Ruptur  und  innerer  Blutung  in  der 
Anamnese,  sodann  die  Dauer,  besonders  die  abnorm  lange 
Dauer  der  Schwangerschaft  und  namentlich  die  Grösse  der 
fühlbaren  Kindestheile  machten  es  uns  möglich,  nach  der 
allgemeinen  Diagnose  „Extrauterinschwangerschaft"  —  speciell 
eine  Bauchschwangerschaft  —  anzunehmen.  Es  ist 
daher  der  Ausspruch  Scamoni's:  „dass  es  während  des 
Lebens  unmöglich  sei,  die  einzelnen  Arten  der  Extrauterin- 
Schwangerschaft  zu  unterscheiden,**  wenigstens  insofern  zu 
berichtigen,  dass  sich  eine  Bauchschwangerschaft  öfter  sicher 
Ton  der  Tubar-,  Interstitial-  und  Ovarialgravidität  abgrenzen  lässt 

Unter  den  beschriebenen  Symptomen  sind  einige  besonders 
auffallend.  Zimächst  die  sich  allmälig  ausbildende  „Geistes- 
krankheit**. Patientin  hatte  zwar  eine  hereditäre  Anlage  und 
soll  auch^frQher  oft  „eigensinnig  und  störrisch**  gewesen  sein; 
aUein  die  Masse  der  eigentlichen  Hallucinationen  zeigte  sich 
erst  auf  der  Höhe  des  continuirlichen  Fiebers  und  liess  mit 
diesem  etwas  nach.-  Jede  Untersuchung  und  Behandlung  wurde 
durch  diese  Affection  sehr  erschwert. 

Ob  die  oben  erwähnten  Krämpfe  der  Geniohyofdei, 
Genioglossi,  Digastrici  und  Hyoglossi  mit  dem  psychischen 
Leiden  in  directem  Zusammenhange  standen,  oder  ob  sie  mit 
den  durch  das  Austrocknen  der  Hundhöhle  bedingten  spastischen 
Dysphagieen  in  Verbindung  zu  bringen  waren  —  liess  sich 
schwer  entscheiden.  Für  das  erstere  schien  ihre  Aeusserung: 
„ich  muss**  zu  sprechen;  für  letzteres  die  Zeit  ihres  Auf- 
tretens. 

In  Betreff  der  Lage  einer  an  Bauchschwangerschaft 
leidenden  Frau   macht  Hohl  darauf  aufmerksam,    dass  die 


mr  Gebtirtsbülfe  in  Berlin.  23 

Rückenlage  inHaer  eine  Steigerung  der  Beschwerden 
▼er^mlasse.  Unsere  Kranke  konnte  dagegen  ohnig  fte- 
scbw^den  auf  dem  Röcken  liegen  —  der  Sack  reichte  all 
einzelnen  Stellcai  bis  auf  die  Wiitelsäule  — ,  in  der  Regel 
fiaund  idi  sie  aber  halb  nach  der  rechten  Seite  gedreht,  in 
welcher  die  grössere,  schwerere  Hälfte  des  Fötus 
lag.  Sie  gab  an,  ddss  sie  beim  Herumdrehen  auf  die  linke 
Seite  in  der  rechten  spannende  Schmerzen  empfinde,  welche, 
da  der  Fötus  in  seinem  Sacke  beweglich  war,  wohl  dunsh 
die  Zerrung  des  mit  dem  unteren  Leberrande  verwachsenen 
FfQchtsackes  bedingt  waren. 

Die  Schmerzen,  über  die  Frau  S.  sonst  klagte,  waren 
entweder  massige  Kreuzschmerzen  oder  Leibschmerzen,  welche 
meist  rechts  neben  dem  Nabel  am  stärksten  waren.  Aber 
rock  weise  entstehende,  periodisch  wiederkehrende,  wehen* 
artige  Empfindungen  äusserte  sie  nie.  Bekanntlich  will  Hohl 
in  der  Wand  des  Fötalsackes  bei  einer  BauchschwangerschafÜ, 
ausser  wellenförmigem  Bindegewebe,  organische  Muskelfasern 
nachgewiesen  haben  und  erklärt  die  eigen thömlich  drängenden, 
periodisch  auftretenden  Schmerzen  bei  der  Bauchschwanger- 
sctiaft  durch  eine  in  Folge  jener  Muskeln  entstehende  periodische 
Spannung  und  Erschlaffung  des  Sackes.  Ein  solches  Hinein^ 
wölben  des  Sackes  in  die  Vagina  vom  vorderen  ScheideO''- 
gewölbe  konnte  ich  auch  einmal  bei  der  Untersuchung 
wahrnehmen;  allein  das  dauerte  nur  kurze  Zeit  und  war 
bloss  durch  das  Schreien  der  Patientin  bewirkt.  SobaM 
sie  sich  beruhigte,  flachte  sich  die  fühlbare  elastische  Ge- 
schwulst ab,  welche  nicht  von  der  Blase  herröhren  konnte, 
da  ich  kurz  voriier  ded  Urin  mit  dem  Katheter  entleert  hatl^ 
Diese  Spannung  des  Sackes  war  also  offenbar  eine  meobamsche, 
dorefa  Zwia-cbfell-  und  Bauchmuskeldruck  bedingte.  Und  die 
mikroskopische  Unlersuchung  der  Wand  derselben  muss  diete 
Annahme  bekräftigen,  da  sich  keine  Muskelfaseni  in  derselben 
aoffinden  Uessen.  —  Dieselbe  bestand  vielmehr  hauptsächlich 
aois  derben  peritonitischen  Schwarten,  zeigte  an  den  dicksten 
Stellen  f&nf-  bis  sechsfache  Schichten  übereinander  und  von 
deren  Innenseite  Hessen  sich  stellenweise  die  zerstörten  Eihäute 
aMösen. 


24  I-    VerhasdlungOB  der  Qesellieliaft 

Für  die  periodiseb  auftretenden  Schmerzen  b«i  Baucb^ 
schwangerscbafl,  die  den  Wehen  ähnlich  sind,  niuss  man  also 
in  den  Fällen,  bei  denen  sich  keine  Muskelfasern  in  dem 
Fötalsacke  finden,  in  der  allroäligen  Ausstossung  der  Decidua 
durch  den  Uterus  eine  Erklärung  suchen.  Diese  erfolgt  durch 
öfter  auftretende  Contractionen  der  Gebärmutter,  ähnlich  der 
Austreibung  von  Blutgerinnseln  oder  von  Polypen.  Da  in 
unserem  Falle  die  hypertrophische  Decidua  offenbar  mit  der 
Anfangs  Juni  auftretenden  Blutung  schon  grösstentheils  ent* 
femt  worden  war ,  so  konnten  wir  derartige  Sdimersen  seihst 
nicht  mehr  beobachten;  sie  müssen  aber  wohl  vorhanden 
gewesen  sein,  weil  Frau  S,  bei  ihrer  Ankunft  glaubte,  in  der 
Geburt  begriffen  zu  sein,  und  der  Muttermund  allerdings 
so  weit  geöffnet  war,  dass  man  V^  Zoll  weit  ein- 
dringen konnte. 

Die  namentlich  rechts  vom  Nabel  bei  Druck  entstehenden 
lebhaften  und  länger  dauernden  Schmerzen  standen  offenbar 
mit  einer  an  dieser  Stelle  vorhandenen  partiellen  Peritonitis 
im  Zusammenhange.  So  lange  diese  vorhanden  waren,  blieb 
auch  die  Spannung  der  Bauchdecken. 

Höchst  interessant  war  die  Wahrnehmung  des  emphysema* 
tosen  Knisterns,  welches,  sobald  die  Bauchhaut  nachgiebiger 
geworden,  bemerkt  wurde.  Der  Ort  derselben  musste  die 
Haut  des  Fötus  sein,  da  die  Bauchwand  der  Mutter  döon 
und  schlaff  war  und  das  Knistern  an  allen  sichtbaren  Theilen 
des  Fötus  wahrgenommen  wurde.  Besondere  prognostische 
Schlüsse  Hessen  sich  freilich  m'cht  aus  demselben  ziehen. 

Im  Uebrigen  unterschied  sich  die  Symptomatologie  und 
der  Befund  unseres  Falles  durch  Nichts  von  vielen  früheren 
veröffentlichten. 

Was  femer  die  Aetiologie  anlangt,  so  ist  diese  im 
obigen  Beispiele  ziemlich  klar.  Deprimirende  Gemuthsaffecte, 
auf  welche  in  neuerer  Zeit  namentUch  Walter  (1.  c)  auf- 
merksam gemacht  hat,  Hessen  sich,  trotz  aller  Bemühungen, 
zur  Zeit  der  Conception  keineswegs  constatiren.  Dagegen 
konnte  mit  Sicherheit  eruirt  werden,  dass  Frau  S,  nach  jenem 
Abortus  an  einer  partiellen  Peritonitis  erkrankt  war,  die 
besonders   die   rechte  Seite  des  Unterleibs  betrpffen  haben 


Ar  GaburUlilllfe  in  Berlin.  25 

da  sie  nach  Aussage  der  Schwester  ao  dieser  stark 
godiwotten  war  und  dorthin  Blutegel  gesetzt  bekam.  Da  nun 
aocfa  dureh  die  Section  nachgewiesen,  dass  das  befruchtete 
EieheD  toid  rechten  Ovarium  ausgegangen,  so  ist  es  also  mehr 
ab  wahrscheinlich,  dass  die  rechte  Tuba  in  Folge  irgend  einer 
aaeh  jener  Peritonitis  zurückgebliebenen  Adhäsion  yerhindert 
«wde,  das  aus  dem  Oraaf  Beben  Follikel  austretende  Qvuium 
aubofangeo  —  eine  Adhäsion,  welche  sie  keineswegs  hinderte, 
te  redpirte  Sperma  auf  das  rechte  Ovarium  hinzuleiten. 

Da  der  grösste  Theil  der  rechten  Tuba  in  den  hier 
ziemlicb  dicken  Fötalsack  eingebettet  und  dieser  überall  mit 
der  Nachbarschaft  verwachsen  war,  so  iiess  sich  naturiich 
ifacr  jene  ursprüngliche  Adhäsion  nichts  Bestimmtes  mehr 
emitteki.  —  Doch  ist  das  Uebereinstimmen  des  Sitzes  der 
partieOen  Peritonitis  mit  der  Seite,  Yon  der  das  befruchtete 
Eichen  ausging,  zu  wichtig,  um  es  in  dieser  Beziehung  ausser 
Acht  zu  lassen;  um  so  mehr,  da  Hecker  gerade  solche 
peritMiitische  Adhäsionen  als  Hauptursache  der  Extrauterin« 
Schwangerschaft  hervorgehoben  hat. 

Wie  in  den  meisten  bis  jetzt  veröffentlichten  Fällen  von 
Baachschwangerschaft  trat  auch  in  unserem  Falle  schliesslich 
eine  Entleerung  des  Fruchtsackinhaltes  durch  den  Darm  ein. 
Die  Natur  hatte  dadurch  einen  Weg  zur  Genesung  geöffnet  — 
alleitt  zu  spät;  nach  jener  Perforation  nahm  der  Kräfteverfall 
80  rasch  zu,  dass  der  Tod  binnen  Kurzem  folgte.  Zu  einer 
activea  Behandlung,  von  der  auch  die  statistischen  Nachweise, 
die  von  Hecher  u.  A.  gemacht  wurden ,  entschieden  abralhen, 
lag  hei  Eowägung  aller  Momente  im  Befinden  der  Frau  8* 
gar  keine  Berechtigung  vor. 


Herr  X.  Mayer  schloss  daran 

eine  Beobachtung  von  Extrauterinschwangerschaft, 

die  er  im  Jahre  1858  zu  machen  Gelegenheit-  hatte.  Leider 
kennten  hier  die  anatomischen  Verhältnisse  nicht  zur  Klarheit 
gielangen,  da  die  Section  nicht  zugegeben  wurde.  Der  Fall 
ist  deshalb  nur  hinsichtlich  der  Entwickelung  und  des  Verlaufs 
vsn  praküaehem  Interesse. 


26  ^*    Verhandlungen  der  Gesellschaft 

Er  beliifit  eine  38 jährige  Frau  8.  aus  J.,  welche,  kdrpei^ 
Itcb  normal  entwickelt,  im  19.  Jahre  ?erheirathet,  darauf 
zwei  Hai,  zuletzt  in  ihrem  21.  Jahre,  geboren  hatte.  Im 
letzten  Wochenbette  erkrankte  sie  an  Metritis  und  Peritonitis. 
Seit  dieser  Zeit  war  sie  leidend,  während  sie  sich  bis  dabin 
der  Regelmässigkeit  aller  Functionen,  Oberhaupt  völliger 
Gesundheit  erfreut  batte.  Die  Menses  traten  Ton  da  an 
unregeimässig  alle  vierzehn  Tage  bis  drei  Wochen  ein,  waren 
profus  und  schmerzhaft,  dazu  gesellten  sich  Störungen  in 
den  Digestions -Apparaten:  Appetitlosigkeit,  Obstruction, 
Cartlialgien,  ferner  Kopfschmerzen,  Verstimmung,  allgemeine 
Abspannung  und  Leistungsunlahigkeit.  Erst  neun  Jahre  später 
gebrauchte  sie  mit  Erfolg  Seebäder  und  kehrte  ohne  Be- 
schwerden nach  Hause  zurück.  Bald  darauf  fühlte  sie  sich 
wieder  schwanger.  Anschwellung  und  Ziehen  in  den  Bi*Osien, 
Zunahme  des  Leibesumfanges,  Uebelkeiten ,  Sistirung  der 
Menses  machten  ihr  dies  unzweifelhaft.  Dazu  gesellten  sich 
alsbald  Beschwerden,  die  sie  in  ihren  ersten  Schwanger- 
schaften nicht  gehabt  halte.  Es  fanden  sich  nämlich  Kreuz- 
schmerzen,  Strangurie,  heftige  Schmerzen  im  ganzen  Leibe, 
besonders  in  der  rechten  Hälfte.  Im  dritten  Monate  der 
Schwiangerschaft  verlor  sie  bei  massiger  Metrorrhagie  und 
nicht  lebhaften  Schmerzen  ein  häutiges  Gebilde.  Sie  glaubte, 
ein  Abortus  sei  erfolgt.  Als  aber  der  Leib  beständig  an 
Umfang  zunahm,  wobei  sich  in  der  rechten  Hälfle  eine  votn 
Becken  fn  die  Bauchhöhle  steigende,  runde  elastische  Ge- 
schwulst unterscheiden  liess,  gewann  sie  die  Ansicht,  sie 
habe  sich  getäuscht  und  die  Schwangerschaft  nehme  ihren 
Fortgang.  Dies  wurde  ihr  zur  Gewissheit,  als  sie  im  fünften 
Monate  Kindesbewegungen  filhlte.  Es  fiel  ihr  aber  auf,  dass 
dieselben  schwächer  waren,  als  in  den  ersten  Schwang^- 
schaflen,  mehr  noch,  dass  sie  im  siebenten  Monate  ganz 
aufhörten,  und  dass  sich  von  da  an  der  Leib  nicht  mehr 
vergrösserte,  ja  sogar  vom  neunten  Monate  wieder  an  Umfang 
abnahm.  Es  erfolgte  weder  eine  Geburt,  noch  traten  die 
ehie  bevorstehende  Geburt  andeutenden  Erscheinungen  ein. 
Die  erwähnte  Geschwulst  in  der  Regio  iliaca  dextra  wurde 
ailniälig  kleiner.    Gleichzeitig  mässigten  sich  die  Besobwerden, 


Ar  GebartabSlfe  in  Beriin.  2T 

scIlwaiideD  aber  nicbt  viffiig,  ▼Mmehr  i»aren  UriDbefM^bwerdeii) 
Knu2-  und  LeibsdimerzeD,  Cardialgien,  Obstraction,  Sdunws^o 
im  Rectum  beim  Stuhigange  fast  unausgesetit  vorhaadeii,  aueh 
beUelt  der  Leib  eineo  beträcbtlicben  Umfang.  Sie  co&aiiltirte 
deshalb  M.  im  Juni  1868,   zwei  Jahre  nach  der  Coneeption^ 

Die  Untersuchung  ergab  Folgendes:  Die  Baucbdecken 
waren  gespannt^  die  rechte  Leibesbälfle  stfirker  als  die  Hnke. 
In  ersterer  lag  ein  länglich  runder,  elastischer,  glatter,  beim 
Druek  wenig  sdimorzbafter  Tumor,  der  nach  oben  die  Nabel- 
befae  ein  wenig  äberragte,  sich  nach  unten  in  das  kleine 
Becken  verlor.  Bei  der  Untersuchung  durch  die  Vagina  föhlte 
msa  das  untere  Segment  der  Geschwulst,,  welche  beüäufig 
6 — 7  Zoll  lang  und  Sy^  bis  4^/^  Zoll  breit  war,  prall  und 
koglicbt  in  das  Scheidengewölbe  hineinragen  und  die  rechte 
Hälfte  des  kleinen  Beckens  ausfUlen.  Fötustheile  waren  durch 
die  Wandungen  der  Geschwulst  nicht  durchzufühlen.  INe 
äusseren  Genitalien  zeigten  sich  schlaff,  der  Introitus  weit, 
Schleimhaut  der  Vulva  und  Vagina  normal.  Die  Vaginalportioft 
stand  nach  hinten,  von  der  Föhningslim'e  abweichend,  mit 
Tohiminösen  aufgelockerten  Muttermundsiippen.  Das  Onfieium 
extemum  fand  sich  als  eine  nach  hinten  gerichtete,  geöffnete 
Qo^rspalte.  Der  Uterus  war  vergrössert,  retoitenförmig  nadi 
vom  geneigt,  der  Geschwulst  dicht  anliegend,  und  von  dieser 
nach  links  verdrängt.  Durch  die  Untersuchung  per  rectum 
liessen  sich  diese  Verhältnisse  noch  deutlicher  nbersehen. 
Die  Uterussottde  drang  leicht  ohne  Schmerzenserregung  etwas 
Aber  3  Zoll  in  das  Cavum  uteri. 

Wiewohl  sich  ans  den  anamnestischeh  Momenten  hin- 
reidiende  AnhaUepunkte  für  die  Annahme  einer  Lithopädtum- 
bfldong  ergaben,  so  waren  die  Untersucbungsresultate  nicht 
geeignet,  dieselbe  unzweifelhaft  zu  machen.  Dessenungeachtet 
wurde  die  Diagnose  auf  Abdominalscbwangerschaft  mit  Ueber- 
gang  in  Lithopädiumbfldung  gestellt.  Die  Prognose  schien  in 
Anbetracht  des  bisherigen  giückliehen  Verlaufs  ziemlich  günstig. 
Die  Verordnungen  bestanden  in  gelinden  auflösenden  Mitteln 
und  Soolbädern. 

Als  sidi  die  Frau  einige  Zeit  in  Berlin  aufgebahen  hatte, 
wurde  If .  zu  ihr  gerufen,  weil  sie  sieh  durch  zu  weite  Wege 
ausserordcsitllch  angegriffen,  dazu  den  Hagen  dberladen  hatte. 


98  I*    V«rh«iidliinfem  der  G«fellfehaft 

M.  fand  sie  fieberad,  mit  gastrischen  Beschwerden,  belegter 
Zunge,  Kopfsehmerz,  Appetitlosigkeit,  Cardialgien  und  fciw 
mebrter  Schraerzhaftigkeit  in  der  Gesehwulst,  und  hoflte,  dass 
dieser  Zustand  ein  Torübergehender  sein  würde,  was  aber 
nicht  der  Fall  war.  Vielmehr  steigerte  sich  das  Fieber,  und 
mit  diesem  die  übrigen  Erscheinungen  trotz  energischer 
antiphlogistischer  Behandlung  zu  einer  heftigen  Peritonitis. 
Die  Schmei*zen  im  Leibe  waren  ausserordentlich  heftig,  der 
Durst  brennend.  Meleorismus,  glühende  Hitze,  Delirien, 
trockne  schwärzlich  belegte  Zunge,  kleiner  sehr  frequenler 
Puls,  mehrere  heftige  Schüttelfröste,  bei  raschem  VeHall  der 
Kräfte,  machten  die  Prognose  am  13.  Tage  der  Erkrankung 
sehr  ungünstig.  Am  14  Tage  ti^aten  sehr  reichliche  eiterige 
Diarrhöen  von  fölidem  Gerüche  und  schmutzig  graugelber 
Farbe  ein,  die  mehrere  Male  des  Tages  erfolgten  und  einen 
Nachlass  der  Schmerzen  zur  Folge  hatten.  Einige  Tage  später 
entleerte  sich  unter  heftigen  Schmerzen  ein  Knochen  per 
rectum  —  das  rechte  Femiu*  eines  etwa  siebenmonatlichen  Fötus. 

Die  beiden  Tibiae  und  Fibulae  wurden  am  selben  Tage, 
in  den  folgenden  das  andere  Femur,  Beckentheile  und  Wirbel 
theils  spontan,  theils  künstlich  per  anum  entfernt  Die  Knochen 
hatten  eine  schmutzig  graubräunliche  Färbung,  waren  fast 
aller  Weichtheile,  zumeist  auch  des  Periostes  beraubt,  nur 
hier  und  da  hafteten  noch  einige  schmierige,  graue  Fetzen 
an  ihnen.  Anfänglich  schien  nach  diesen  Entleerungen  eine 
Besserung  im  Befinden  der  Kranken  einzutreten,  indessen 
währte  dies  nicht  lange.  Die  Schmerzen  steigerten  sich  als» 
bj|ld  wieder,  häufiges  Erbrechen  grünen  Schleims  und  Singultus 
traten  ein,  und  unter  schneller  Abnahme  der  Kräfte  erfolgte 
der  Tod. 

M.  knüpfte  an  diese  Krankengeschichte  folgende  kurze 
epikritische  Bemerkungen. 

Es  lag  hier  eine  Abdominalschwangerschaft  vor,  die 
a^wei  Jahre  vor  dem  Tode  der  Mutter  ihren  Anfang  genommen 
hatte,  und  bei  der  sich  der  Fötus  in  der  rechten  Bauchhälfte 
bis  zum  achten  Monate  entwickelte,  alsdann  ohne  nachweisbare 
Ursache  abstarb.  Der.  Uterus  zeigte  in  den  ersten  drei  Monaten 
eine  thatsäcUiche  Betheiligung  an  dem  Processe  im  Abdomen 
dmxsh  Deciduabiidung.   Letztere  wurde  zwar  im  dritten  Monate 


Ulf  GelrarUhilfe  in  B«rlim.  2% 

atfeflioflsen,  aach  kehrten  die  M^iees  wie  früher  wieder, 
indessen  war  selbst  noch  zwei  Jabre  später  ein  Ein&uss  der 
EitraDlerinschwangerscbaft  auf  den  Uterus  unverkennbar. 
Denn  sein  unteres  Segment  war  auijgelockert  und  sein  Volumen 
niebt  unbeträchtiich  vergrössert  Hinsichtlich  der  Symptoma^ 
lolegie  ist  benierkenswerth ,  dass  hier  nicht/  wie  es  meist 
za  geschehen  pflegt ,  nach  Ablauf  der  gewöhnlichen  Schwanger- 
sdiaftszett  Wehen  eintraten,  die  so  häufig  bei  Abdomiiiai- 
gnTiditSt  eine  nahe  bevorstehende  Geburt  vortäuschen.  Möglich 
ist  es,  dass  in  unserem  Falle  das  frühe  Absterben  des  Fötus 
md  die  begonnene  retrograde  Metamorphose  desselben  Ursachen 
zam  Niehio-scheinen  dieses  fast  constanten  Symptoms  abgal>en, 
über  dessen  finistehungsweise  bekanntlich  noch  jetzt  dis- 
seolirende  Ansichten  herrschen. 

Die  ganze  Zeit,  zunächst  bis  zum  Absterben  des  Fötus 
and  demnach  die  17  bis  18  Monate  der  Lithopädiumbildung 
Teriiefen  unter  veriiältnissmässig  gönstigem  Befinden  der  Mutter. 
Die  Grösse  des  Fötalsackes  nahm  ailmälig  ab,  bis  wahrscheinlich 
durch  äussere  schädliche  Einflüsse  enlzöndliche  Processe  in 
der  Kyste  und  von  dort  in  der  Peritonäalhöhle  hervorgerufen 
wurden.  Es  erfolgte  Perforation  des  Rectum  und  theilweise 
Eotleerang  des  flüssigen  Inhaltes  und  des  niacerirten  Fötus. 
Schädelknochen,  Thorax  und  obere  Extremitäten  desselben 
waren  nicht  ausgestossen,  als  der  Tod  in  Folge  von  Peritonitis 
und  völliger  Entkräftung  erfolgte.  Was  das  Auftreten  dieser 
AkdorainalgraviditSt  angeht,  so  traf  sie  eine  Frau  im  vierten 
Akersdeeennium,  die  zwei  Mal  vorher  geboren,  im  letzten 
Wedienbetle  durch  entzfindiwhe  Processe  wahrscheinlich  krank- 
hafte Verinderongen  in  den  Sexualapparaten  und  vielleicht 
Ueibende  Lageveränderungen  der  Tuben  durch  Adhäsionen 
erworben  hatte.  Nenn  Jahr  concipirte  dieselbe  nicht.  Dies 
sind  Facta,  die  bekanntlich  mit  Resultaten  äbereinsämmen, 
wie  sie  Hecker  aus  statistischen  Zusammenstelliftigeri  von 
EztrSHterinsdiwangersefaaften  gewonnen. 

ffinaicbtlich  der  Therapie  ist  zu  erwähnen,  dass  kein 
finmd  nmi  operativen  Eingreifen  bis  zur  Erkrankung  der 
Mmter  vorhanden  gewesen,  und  dass  qiäter  bei  der  acuten 
Mtonilis  eine  Operation  behufs  Entfernung  des 


90  ^I*    Dokm,  Unterflachon^eB  Von  AbortiTeiern 

F6tu8  als  BeschieoDigangSDioment  Ar  den  Tod  der  Mutter 
angegeben  werden.  itniBste. 


Herr  Brandt  erzählte  die  Geschichte  eines  Abortus  mit 
Vorlegung  der  drei  Monate  alten  Frucht. 


IL 

Untersuchungen  von  Abortiveiern  aus  früheren 

Schwangerschaftsmonaten. 

Von 

Dr.  Dohrn, 

Priyatdocent  In  Klei. 
(Mit  dreiandvierzig  Abbildungen.) 

In  Nachstehendem  gebe  ich  die  Beschreibung  mehrerer 
Abortiveier  aus  den  früheren  Schwangerschaftsmonaten,  welche 
mir  von  besonderem  Interesse  zu  sein  schienen.  Nicht  bei 
aUen  konnte  die  Untersuchung  eine  so  eingehende  sein,  als 
idi  wünschte,  einzelne  waren  mir  von  befreundeten  Collegen 
zu  zeitwaser  Benutzung  tiberlassen,  und  erforderten,  weil  sie 
aoch  zur  Demonstration  dienen  sollten,  besondere  Schonung, 
bei  andern  war  wegen  stattgehabter  unpassender  Behandlung 
die  Ermittelung  verschiedener  Punkte  unmöglich  geworden.  — 
S^  häufig  geschieht  es,  dass  jüngere  Abortiveier  gleich 
nach  ihrem  Abgange  in  Weingeist  gelegt  werden,  in  der 
Absicht,  sie  besser  zu  conserviren.  Sind  aber  die  Eihäute, 
wie  es  das  gewöhnliche  Vorkommen  ist,  mit  Coagulis 
durchsetzt,  so  wird  ihre  spätere  Untersuchung  ganz  ausser- 
ordentlich dadurch  erschwert,  in  vielen  Fällen  unmöglich. 
Sttcht  man  so  behandelte  Präparate  wieder  in  Wasser  auf- 
zuweichen, 80  zerbröckeln  oder  faulen  sie  häufig  eher,  als 
dass  sie  entsprechend  der  früheren  Anordnung  eine  Zer- 
legung nach  den  einzelnen  Hauten  gestatten.  In  den  ailer- 
'«'ällen   ist  es  gut,  jüngere  Abortiveier  gleich   nach 


r 


iiiu  fr&herom  Sobwsa^ft^bftitfmoaAteii.  31 

ihrfr  AnssloBsuDg  in  Waasinr  %^  legen  uq4  ewige  Zeil  darin 
aotoweidMn,  am  besten,  sie  einem  flieBsenden  Wasseratroin 
Bit  Vorsicbt  aussuseUen,  um  die  Goagula  in  ausreichender 
Weise  forUuapülen.  Ebenso  muBs  die  weitere  Untersu^uiig, 
wo  die  Gebilde  zartei*  sind,  unter  Wasser  vorgenommen  werden. 
Wo  diese  Gautelen  nicht  beachtet  werden,  läuft  man  nehr 
leicht  Gefahr,  alle  £igebilde  zu  äbersehen  und  ich  habe  mehr* 
Cach  Gelegenheit  gehabt,  «u  beobachten,  wie  Coagula,  als  ohne 
bemerkeDswerthcin  Inhalt,  ßlschlich  bei  Seite  gelegt  waren, 
aoTt  wdi  sie  nicht  eine  entsprechende  Behandlung  erfahren 
hallen. 

Beobachtung  I. 

Abnorme  Deciduabildung,  Umstülpung  des 

Chorions. 

• 

Das  Präparat  stammt  von  einer  Hehrgebarenden»  welche 
im  Anfang  Februar  1861  suletxt  menstruirte,  und  am  9.  Apiil, 
während  sie  mit  ihren  Kindern  spielte,  von  einem  Blutabgange 
befallen  wurde,  dem  vier  Tage  später  ohne  besonderen  Wehen* 
schmerz  der  Abgang  einer  hantigen  Masse  folgte.  Ich  unler- 
aschie  diese  kurz  nach  ihrer  AiKstossung. 

Die  erste  Besichtigung  Hess  die  äussere  HöUe  als  Decidua 
erkeuBcn,  die  Form  gab  einen  getreuen  Abdruck  der  Ulerin- 
höhle  wieder,  das  Gewebe  war  locker,  mit  kleinen  Veriiafu9gen^ 
Gruben  und  Uchem  durdiseUt.  Oben  2"  2'"  (P.  BL)  breit, 
verschmälert  die  Haut  sich  nach  abwäi'ts,  indem  sie  eiiie  Lange 
voo  ^"  S'"  erreicht  An  der  dem  Oriflcium  extemuo»  enl- 
^»rechenden  SteUe  findet  sich  eine  Oeffnung,  welcdhs  die 
Fingerspitze  aufniount.  Auch  entsprechend  den  Tuben* 
mundungen  scheinen  kleine  Oeffnungen  vorhanden.  Doch 
kann  darüber  eine  Täuschung  obwalten,  weil  zablreifhe  kleine 
Oeffnungen  die  Decidua  durchsetzen. 

Anflallig  war  bei  äusserer  BeUrachtuug  eine  straUige  Ein« 
xiehung  in  der  Nähe  des  der  Tubenmundung  entsprechenden 
Winkels.  Eine  durch  dieselbe  eingefäbrte  Sonda  drang  in 
das  Innere  der  Deciduahöhle  ein  und  schien  hier  in  freier 
seilbcher  Beweglichheii  nicht  behindert  Es  wurde  der  Läqge 
nach  durch  die  Decidua  ein  Schnitt  geföbrt  und  ihre  (loble 
erUfoet  (t.  Fig.  1).     Die  durchschnittenen  Wandungen  sind 


32  1^*    Dokm^  üntflrsnehangtfn  you  Abortiireiern 

locker,  zeigen  oben  geringere  Dicke,  nach  unten  erreicben 
sie  eine  Mächtigkeit  von  4^'.  In  das  Innere  der  BßUe  hhtein 
ragt  ein  stielförmiges  Gebilde,  welches  von  der  Stelle,  wo 
aussen  die  strahiige  Einziehung  bemerkt  wurde,  seinen 
Ursprung  nimmt.  Die  Wandung  desselben  geht  direct  in  die 
Decidua  über.  Nach  unten  zu  schnürt  sich  der  Stiel  ab. 
Hier  hSngt  an  ihm  eine  sackförmige,  von  der  Decidua  schon 
durch  ihre  GUitte  abweichende  röthliche  Membran,  aus  deren 
unterem  perforirten  Ende  sich  Zotten  hervordrängen.  Durch 
die  Länge  des  Stiels  und  der  an  ihm  befestigten  Membran 
wurde  ein  Schnitt  geführt,  es  erwiesen  sich  beide  als  hohl 
(s.  Fig.  2).  Seiner  Innenwand  sitzen  bei  c  kleine,  mit  blossem 
Auge  eben  erkennUicbe  Chorionzöttchen  auf.  Der  Membran- 
sack  am  unteren  Ende  des  Stiels  ist  in  seinem  Inneren  mit 
Zotten  angefüUt,  die,  einer  zarten  Membran  aufsitzend,  gegen 
die  Membranhöhle  hin  sich  ausbreiten.  Von  sonstigen  Theilen 
einer  Frucht,  von  Resten  eines  Fruchtkörpers,  einem  Nabel- 
strang war  nn*gends,  weder  im  Stiel,  noch  in  der  Decidua* 
höUe  eine  Spur  aufzufinden. 

Es  ist  hier  das  abnorme  Verhalten  der  Decidua  hervor- 
zuheben. Das  in  ihre  Höhle  hineinragende  stielförmige  Ge- 
bilde war  von  Dedduawänden  gebildet  und  trug  an  seinem 
nnteren  Ende  Eireste.  Wh*  haben  sonach  ein  Recht,  dasselbe 
als  Decidua  reflexa  aufzufassen.  Diese  Reflexa  weicht' durch 
ihre  langgestreckte  Form,  sowie  durch  den  Umstand,  dass 
sie  die  Eitheile  nicht  einschliesst,  sondern  von  ihnen  perfoiirt 
ist,  von  dem  gewöhnlichen  Verhalten  ab.  Ferner  hat  das 
Chorion  seine  Lage  verändert  Anstatt  die  Zotten  nach  aussen 
zu  kehren,  wuchern  dieselben  gegen  den  inneren  Hohlraum 
hinein. 

Es  kann  nicht  fraglich  sein,  dass  hier  eine  Umstülpung 
des  Chorions  stattgefunden  hat.  Ich  denke  mir  den  Vorgang 
folgendermaassen:  Das  in  den  Uterus  gelangte  Ei  wurde  un- 
vollkommen von  der  Decidua  überwuchert  Es  bildeten  sich, 
etwa  bei  a  und  b  (s.  Fig.  3)  festere  Verwachsungen  zwischen 
Ghorion  und  Decidua,  der  Raum  zwischen  a  und  b  blieb  frei, 
von^l^  Deddua  unbedeckt.  An  dieser  Stelle,  die  eines  Stütz- 
itbehrte,  erfolgte  Ruptur  der  Chorionwand  udd  durch 
ene   Oeflhung  hindurch   stülpte   sich  der  Eisack 


«u  friberta  SehwangertoliAlUmoiMiUD.  33 

vm;  worauf  dam  auch  das  untersle  Ende  desselben,  welches 
frfiher  nach  auTwftrts  gekehrt  war,  nipUirirte.  Dass  diese 
ErkUning  die  richtige  ist,  beweist  das  Vorhandensein  einzelner 
Cborionzotten  in  c  (s.  Fig.  2).  Die  übrigen  Eitheile  niussten 
dabei  heiausEallen,  sie  sind,  von  der  Schwangeren  unbemerkt, 
nefeicfai  unter  der  Blutung  am  9.  April  abgegangen. 

Ein  dem  vorlieg^den  sehr  nalie  stehendes  Abortivei  ist 
TOD  SackreuUr  und  MeUeiJieimer  (diese  Zeitschr.,  Bd.  L, 
&  2)  besdirieben  worden.  Auch  dort  fand  sich  die  Decidua 
slielfSrmig  nach  innen  hinabgezerrt  und  trug  an  ilu*em  unteren 
Ende  ein  Ei,  das  indess  nicht,  wie  in  untrem  Falle,  eine 
ümslülpung  erfahren  hatte.  Die  Verfasser  verwerthen  ihren 
Fall  u«€h  im  Sinne  der  alten  Anschauung,  wonach  die  Decidua 
als  eine  Exsudation  der  Uterinschleimheit  zu  betrachten  war. 
Gerade  solche  Fälle  indess  scheinen  mir  einen  gewichtigen 
Beweis  fOr  die  Richtigkeit  der  Auffassung  der  Decidua  als 
retner  Hypertrophie  d^  Uterinschleimbaut,  und  der  Ein- 
Senkung  des  Eies  von  der  Uterinhöhle  aus  zu  lieiern.  Nimmt 
man  an,  dass  das  im  Uterus  angelangte  Ei  die  Decidua  wie 
eineo  Sack  vor  sich  herstülpe  (und  diese  Annahme  wäi*e  mit 
der  Vorstellung  einer  durch  Exsudation  entstandenen  Decidua 
geboten),  so  würde  der  Befund  in  diesen  beiden  Fällen  sich 
nur  in  ,sehr  gezwungener  Weise  deuten  lassen.  Man  müsste 
/bmn  folgern,  dass  das  Ei  bei  fortschreitendem  Wachsthume 
die  Decidua  durchsetzt,  zugleich  aber  an  seiner  der  Tube 
cugewandten  Seite  sich  Adhärenzen  mit  der  Decidua  ausge- 
bildet  hätten.  Eine  solche  Perforation  der  Decidua  durch 
das  sich  vergrössemde  Ei  hat  man  nicht  nöthig,  anzunehmen, 
wenn  man  davon  ausgeht,  dass  das  Ei  sich  von  der  Uterin- 
böUe  aus  in  die  Decidua  hineinsenkt  und  dass  ein  Abschnitt 
seiner  Circumferenz  von  dieser  unbedeckt  blieb,  auch  bei  fort- 
schreitettdem  Wachsthume  der  Decidua  nicht  von  ihr  über- 
wuchert wurde. 

Es  war  also  eine  abnorme  Bildung  der  Decidua,  welche 
in  unserem  Falle  die  Ruptur  des  Eies  einleitete.  Es  schien 
in  der  That  die  Decidua  im  Vergleiche  mit  anderen  von  auf- 
Bllig  loekerem  GefSge,  doch  liess  sich  in  unserem  Falle  nicht 
der  Nachweis  fuhren,  wie  es  Siickrmier  und  Mettenheimer 

lf»a«tMehr.  f.  Gebwrtak.  1S68.  Bd.  XZI.,  Hft.  1.  8 


gelang,    dass   bereits    hei  früheren   MeoBiriiaiionen  der  JBftr 
treffenden  eine  abnorme  Deciduabildiing   stattgefunden  hatte* 

Beobachtung  IL 
Ei  von   vierwöchenliichem   Alter. 

Eine  30jährige  Funftgebäreiide  glaubte  sieli  nach  dem 
Ausbleiben  ihrer  Menses  im  dritten  Monate  schwafiger,  als 
Ende  März  1861  ein  stärkerer  Blutabgaug  eintrat.  Dieser 
wiederholte  sich  am  6.  April  und  am  gleichen  Tage  folgte 
die  Ausstossung  des  Eies.  Dasselbe  war  Nachts  12  Uhr  ge- 
boren und  hatte  den  Tag  über  in  Wasser  gelegen,  als  e| 
Abends  mir  zugestellt  wurde. 

Es  bildet  das  Ei  einen  glatten,  unzerrissenen,  mit  w^sser^ 
beller  Flüssigkeit  erfüllten,  durchsichtigen  Sack  von  15'"  Länge, 
10'"  Breite.  Man  .siebt  an  seinem  Boden  einen  kleinen  Embryo 
liegen,  der  durch  kurzen  Stiel  mit  einer  der  Eihülle  ein- 
gebetteten Blase  verbunden  ist,  die  durch  ihre  weisslich  trübe 
Farbe  von  der  angrenzenden  durchscheinenden  Eihaut  abstiebt 
(s.  Fig.  4).  An  der  einen  Seite  liegt  der  Eihülle,  fast  bis 
zur  Hallte  derselben,  das  Chorion  an.  Man  kann  das  Chorion 
noch  weiter  abzielten,  bis  auf  einen  V/^'"  dicken  Stiel,  der 
fest  adbärent  Ueibt  und  es  gewinnt  das  Ei  dann  ein  ballon- 
artiges Ansehen  (s.  Fig.  5), 

Es  wnrde  die  Eihülle  durch  Längsschnitt  eröii'net,  ihr 
wasserbeller  Inhalt  aufgefangen  und  der  auf  ihrem  Boden 
liegende  Embryo  einer  näheren  Untersuchung  untei*worfen. 
Derselbe  zeigt  eine  Länge  von  TVs'",  der  Kopf  ist  reichlich 
IVa"  breit.  Einzelne  Theile  haben  sieb  durch  Maceration 
abgelöst  und  hegen  neben  der  Frucht  auf  dem  Boden  der 
Eihohle.  Die  rechte  Seite  der  Frucht  ist  besser  erhalten 
als  die  linke.  Bei  Anwendung  einer  stark  vergrossernden 
Loupe  und  Betrachtung  von  vorne  erkennt  man  (s.  Fig.  6) 
bei  a  seitliche  Stirnlappen  mit  einer  mittleren  sie  trennenden 
Incisur,  in  welche  der  kleine  mittlere  Stirnlappen  b  hinab- 
ragt. Die  Einschnitte  zwischen  diesen  drei  Lappen  J)ezeichnen 
die  Stelle,  wo  später  die  NasenöfTnungen  sich  entwickeln, 
von  deneti  jetzt  noch  eine  weitere  Andeutung  fehlt.  Die  An- 
lage des  Auges  ist  rechterseits  sehr  undeutlich,  bei  c  ist  ein 
schwarzer  Punkt  zu  erkennen,  der  seiner  Lage  nach  für  das 


MM§  frfiber««  SchwAngerschafttmoBaten.  35 

Aage  gdialten  werden  muss,  finkerseits  erscheint  das  Auge 
ak  schwarzer  Punkt  ittOiitten  geschlossener  Massen,  der  Lage 
Dich  €  entsprechend  (s.  Fig.  7,  a),  d  ist  für  den  Oberkiefer* 
(brtsaUv  e  für  den  Dnterkieferfortsatz  zu  halten,  bei/  findet  sich 
m  breiter  geschloasener  Bogen,  der  vielleicht  mehrere  ge* 
soblossene  Halsbögen  in  sich  vereinigt.  Es  muss  freilich 
sehr  aufidlen,  dass  hier  bereits  ein  Schluss  stattgefunden 
hat,  während  die  Unterkieferfortsätze  sich  noch  nicht  ver- 
dau hab«i,  aber  die  Lage  des  Auges  und  das  Vorhandensein 
eaws  mittleren  Stimlappens,  scheinen  mir  zu  n5thigen,«(2  für 
dea  Oberkiefer-,  e  für  den  Unterkiefeifortsatz  anzusprechen. 
Zvisehen  den  noch  nicht  geschlossenen  Fortsätzen  findet 
sidi  eine  weite  Höhle,  deren  Grund  uneben,  rauh  erscheint 
Anlage  einer  Zunge  ist  hier  nicht  zu  entdecken ,  ebenfalls 
Uden  Bildungen,  die  man  zu  dem  Gehörorgane  in  Beziehung 
aetien  könote. 

Nadi  abwärts  von  dem  Halse  wird  nun  der  Fruchtkörper 
ilefect  Es  ist  hier  das  ganze  Schleimblatt  mit  dem  Darm- 
Tiaerblait  abgerissen  und  liegt  die  vordere  Fläche  der  Wirbel- 
anlagen frei  vor.  Bei  g  findet  sich  ein-  Stumpf  der  rechten 
Oberextreoiität,  die  abgelösten  Theile  bei  h  sind  vielleicht 
IM^erUeibsel  der  entsprechenden  Unken.  Die  untere  Extremität 
ist  finkerseits  als  abgerundeter  kurzer  Stumpf  gut  erhalten 
(8.  Flg.  7,  J). 

Der  Inhalt  des  Bauches  ist  hervorgetreten  und  hängt  mit 
der  Fruebt  nur  mehr  durch  einen  dünnen  Stiel  zusammen. 
VieDeidit  sind  die  rundlichen  Körper  bei  i  Leber  und  Milz, 
vielleicht  ist  hier  das  nach  abwärts  geschlagene  Herz  zu  suchen. 

Das  unta^.  Ende  der  Frucht  wendet  sich  bei  der  Be- 
trachtung von  vorne  gegen  den  Beschauer  in  die  Höhe.  Kurz 
oberhaO)  der  Sdiwanzspitze  kommt  hier  aus  dem  Fruchtkörp^ 
ejo  l'"' langer  Stiel  hervor  (Fig.  6,  k),  von  durchscheinender, 
lier  Eihülle  gleicher  Membran  gebildet.  Dieser  Stiel  durch- 
^«UL  bei  Z  ein  defeetes  Hembranstuck,  wahrscheinlich  Rest 
der  Baocbdecken,  und  inserirt  sich  dann  in  das  Bläsdien  m, 
wekbes  bei  der  ersten  Betrachtung  des  Eies  als  der  durch- 
icbeinenden  HöHe  eingebettet  bemerkt  wurde,  geht  aber  nur 
■it  seiner  rechten  Kante  in  das  Biä^hen  über,  mit  der  linken 
Mtzt  er  sieb  in  die  Eihnlle  fort 

8* 


S6  '1*    Dokm^  Untersnehangeii  von  AbortiTeieni 

Das  weissliche  Bläschen  (Fig.  4,  a)  ist  gut  3"  lang,  2^ 
breit  und  liegt  der  durchscheinonden  EihiHle,  die  wir  ihrer 
Lage  nach  für  das  Amnion  halten  müssen  und  fortan  als 
soldies  bezeichnen  wollen,  dergestalt  an,  dass  es  von  zwei 
Platten  derselben  umfasst  zu  sein  scheint.  Die  (^talseitige 
Platte  adhärirt  dem  Bläschen  ziemlich  fest,  viel  leichler  nacli- 
zuweisen  ist  aber  der  Ueberzug  einer  Membranschidit  auf 
der  äusseren  entgegengesetzten  Seite,  denn  es  lässt  sich  hier 
ganz  deutlich  eine  membranarlige  Schicht  über  das  Büschen 
verschieben.  Betrachtet  man  das  Bläschen  mit  starker  Loupe, 
so  bemerkt  man  einen  körnigen,  leicht  gelblich  tingirten  In- 
halt, der  bei  Bewegungen  flottirt,  obwohl  die  Wände  des 
Bläschens  ziemlich  nahe  an  einander  liegen  nnd  nur  wenig 
Raum  zwischen  sich  lassen.  Ob  der  zum  Embryo  führende 
Stiel  Gefässe  oder  sonstige  Gebilde  enthielt,  Hess  sich  mit 
starker  Loupe  nicht  entdecken;  nur  soviel  wurde  deutlich, 
dass  seine  rechte  Kante  trüber,  verdickter  schien  als  die  linke. 

Das  Amnion  erscheint  mikroskopisch  einschichtig,  und 
auf  beiden  Flächen  mit  vereinzelten  rundlichen,  deutlich  kern- 
haltigen Zellen  und  kleinen  Körnchen  besetzt  (s.  Fig.  8). 

Das  Chorion  ist  0,2  Millimeter  dick  und  trägt  in  seiner 
gan2en  Ausdehnung  lange  Zotten,  dieselben  stehen  da,  wo 
das  Chorion  mit  dem  Amnion  zusammenhängt,  nicht  dichter, 
noch  sind  sie  hier  länger,  als  an  den  übrigen  Stellen.  Ihre 
Enden  sind  zum  Theil  kolbig,  meist  vielfach  verästelt  (s.  Fig.  9). 
Nach  aussen  zeigen  sie  eine  Schicht  geschrumpfter  kleiner 
Zellen,  in  ihrem  Innern  langgestreckte,  etwas  geschlingelte 
Kerne  in  einer  schwach  längsgestreiften  Intercellularsubstanz. 
Nach  der  optischen  Erscheinung  und  nach  dem  Verhalten 
gegen  Säuren  ist  dies  das  Innere  der  Zotten  ausfüHende  Ge- 
webe als  Bindegewebe  anzusprechen.  Nirgends  finden 
sich  in  den  Zotten  Gefässe,  auch  nicht  da,  wo  das 
Chorion  dem  Amnion  adhärirt. 

Das  Chorion  zeigt  zwei  Schichten,  eine  zeliige  und  köm- 
chenhaltige  Schicht  an  der  äusseren  Fläche,  deren  Elemente 
sich  continuirlicb  in  den  Zottenüberzug  fortsetzen;  darunter 
eine  hellere  Schicht,  die  Längsstreifen  und  langgestreckte 
Kerne  zeigt,  sich  ebenso  wie  das  Innere  der  Zotten  gegen 
Säuren  verhält,   und  die,   wie   ich   mich,   nachdem  ich   sehr 


frübereii  SchwangerschaftsmoDatttn.  37. 

fMe  Pii^anite  darauf  untersucht,  ao  Einem  gaoz  deutlich 
äbeneii^le«  <rime  Zweifel  ebenfalls  in  die  Zotte  übergeht 
(s.  Fig.  10).  Man  würde  von  dieser  zweiten  Schicht  noch 
wieder  eine  dritte  abgrenzen  können  nach  der  Amnionseite 
Mo,  demi  es  werden  die  Kerne  hier  kürzer,  rundlicher,  das 
Gewebe  atfirker  pigmentirt.  Ich  lege  indess  kein  Gewicht 
auf  die  Aufetelhing  dieser  dritten  Schicht,  denn  sie  setzt 
aicfa  nur  stellenweise  etwas  deutlicher  gegen  die  mittlere  ab 
wmI  ist  vielieicbt  nur  dasselbe  Gewebe,  welches  sich,  als  der 
Imbibition,  der  Aufbewabrungsflüssigkeit  leichter  zugänglich, 
hier  so  verändert  hat 

Ich  halte  das  dem  Amnipn  eingebettete  Bläschen  für  die 
NabeU)la8e.  Seine  Form,  der  körnige  Inhalt,  die  weissgelblicbe 
Farbe,  die  Abziehbarkeit  des  Chorions  über  diese  Stelle  — ^ 
das  Alles  spricht  dafür,  hier  die  Nabelblase  zu  suchen. 
Woher  der  Ueberzug  an  ihrer  äusseren  Fläche  stammt,  ist 
nicbt  deutlich  und  um  so  weniger  zu  erklären,  als  im  Amnion 
an  alleo  übrigen  Stellen  keine  mehrfache  Schichtung  nach- 
weisbar war.  Ist  dieser  Ueberzug  vielleicht  ein  Rest  der 
Tunica  media?  Worauf  die,  Adhärenz  des  Chorions  und 
Amnions  bei  b  (s.  Fig.  5)  zu  beziehen  sei,  blieb  mir  zweifelhaft, 
bb  es  Prof.  Panum  gelang,  einen  feinen  Strang  aufzufinden, 
der  von  dem  Bläschen  a  (s.  Fig.  5)  nach  b  verläuft.  Es  war 
non  klar,  dass  bei  b  sidi  die  Allantois  an  das  Chorion  inserirt 
habe.  Betrachtet  man  diesen  Allantoisstrang  unter  dem  Mi- 
kroskope, so  gewahrt  man,  dass  derselbe  stellenweise  unter- 
brochen ist  und  aus  körnigen  Massen  besteht;  Gelasse  sind 
'm  ihm  nicht  zu  entdecken.  Die  Länge  des  Stranges  beträgt 
11  Linien. 

Es  muss  auffallen,  dass  die  Insertion  der  Allantois  sich 
so  wot  von  der  Nabelblase  entfernt  hat  und  dass  der  Stiel 
der  Nabelblase  so  kurz  ist.  VjeUeicbt  war  diese  Kürze  eine 
Folge  der  festen  Adhärenz  des  Amnions  an.  der  Fötalseite 
der  Nabelblase  und  wurde  weiter  zur  Veranlassung  der  vor- 
geftindeneo  Abnormitäten,  indem  durch  die  stattfindende  Zer- 
nmg  die  Bauchseite  der  Frucht  abgerissen  wurde.  Eine 
andere  Möglichkeit  ist,  dass  dies  Letztere  erst  unter  der 
ficburt  erfolgte. 


98  11*    Dohm^  ÜotersQcbnii^eti  ▼on  Aborthreieni 

Das  Ei  wird  vier  Wochen  alt  sein,  das  Ergebniss  der 
Anamnese  ist  im  voriiegenden  Falle  nicht  zu  verwertben. 

Beobachtung  III. 

Ei    von    drei-   bis   vierwöchentlichem    Alter. 
Zusammenfaltung  des  Fruchtkörpers. 

Das  Ei  wurde  mir  von  einem  befreundeten  Collegen  zu- 
gestellt. Die  Ausstossung  desselben  war  am  19.  Noy^mber  er- 
folgt und  die  Dame,  von  welcher  es  stammte,  hatte  angegeben, 
nicht  länger  als  höchstens  30  Tage  schwanger  sein  zu  können, 
da  sie  seit-  längerer  Zeit  nur  am  vorhergehenden  21.  Octofoer 
den  Beischlaf  gepflqgen  habe.  «Ein  leichtes  mehrtägiges  Un- 
wohlsein war  der  Ausstossung  vorausgegangen.  Ich  ertitdt 
das  Ei  kurz  nach  seinem  Abgange,  der  in  unverletzten  Häuten 
orfolgt  war. 

Die  Decidua  war  reichlich  mit  Blut  durcfafilzt  und  es 
wurde  nöthig,  sie  zwei  Tage  lang  in  Wasser  aufzuweichen,  bis 
sich  Coagula  von  Eihäuten  trennen  und  in  den  letzteren  unter 
sorgfältiger  Präparation  verschiedene  Schichtungen  nacliwetsen 
liessen.  Die  Decidua  war  an  ihrem  unteren  Ende  missfarbig 
und  hier  von  fauligem  Geruch,  an  den  öbrigen  Steilen  zeigt 
sie  ein  normales  Gefuge.  Die  Breite  des  dem  Fundus  uteri 
entsprechenden  Theils  beträgt  1"  4*^,  die  Länge  von  oben 
nach  uuten  2^'  (s.  Fig.  11  mit  der  Loupe  vergrössert),  die 
Dicke  der  Decidua  variirt  etwas  an  verschiedenen  SteHen, 
beträgt  im  Mittel  2"'.  In  der  unteren  Hälfte  der  Decidua 
findet  sich  der  Chorionsack  und  in  dem  unteren  Abschnitte 
des  letzteren  wiederum  ein  kleiner  durchscheinender  Membran- 
sack, der  den  Embryo  einschliesst ,  demselben  ziemlich  eng 
anliegend.  Es  adhärirt  dieser  innere  Eisack  der  inneren  Wand 
der  Chorionhöhle,  gleich  als  bestehe  er  nur  in  einer  Ein- 
stülpung der  Membran,  welcher  die  Chorionzotlen  aufsitzen, 
doch  konnte  bei  der  Zartheit  und  Kleinheit  der  Theile,  viel«' 
leicht  auch  infolge  staltgehabter  Veränderung  derselben  nach 
der  Wasserbehandlung  nicht  ermittelt  werden,  ob  der  Zu- 
sammenhang der  beiden  EihöUen  durch  einen  hohlen  Stiel 
oder  durch  einen  soliden  Faden  vermittelt  wurde.  Das  Chorion 
ist  reichlich  mit  Zotten  besetzt,   doch   verhalten   sich  diese 


wäm  Mhensii  SvhwftiigercrthftflBinoiiateii.  39 

jmMei&n,'  locket  and  sehr  lang  ah  dein  Ehnbryo  zu^ 
gewaodteiD  Ab^cbnitte,  stehen  sie  diebCer  und  sind  sie  kdrzer 
im  fibrigen  Umfang  des  Chorions. 

Der  Embryo  zeigt  eine  eigenthumliche  Form.  Ein  grösserer 
Theil  an  seinem  breiteren  Ende  entspricht  dem  Kopfe,  es  ist 
die  Afdage  des  Auges  hier  deutlich  ersichtlich.  Vom  Kopfe 
ans  wendet  sieb  der  Halstheil  nach  abwärts,  biegt  sich  dann 
nach  Tom  und  sehliesst  zwischen  sich  und  Kopf  einen  lang- 
lieb  mnden  Wulst  ein.  Durch  eine  Furche  trennt  er  sich 
dann  fon  den  weiter  abwärts  gelegenen  Theilen.  Das  untere 
buchtende  hat  sich  in  die  Höhe  geschlagen  und  liegt  dem 
oberen  Kfirperende  fost  parallel  laufend  an.  Fig.  12  zeigt 
den  Yergrösserten  Embryo  von  der  linken  Seite.  Man  be>- 
merkt  eine  Membran,  welche,  ausgehend  vom  hinleren  Rande 
des  oberen  Körpertheils  sich  an  das  Kopfende  inserirt  und 
wm  hier  aus  mit  kurzem  Stiele  den  Embryo  in  seiner  Eihöble 
befestigt.  Dieselbe  ist  stellenweis  defect,  so  scheint  sie  bei 
a  aach  am  umgeschlagenen  unteren  Ende  adhärirt  zu  haben. 
Fig:  13  giebt  das  Bild  von  der  rechten  Seite.  Auch  hier 
bemerkt'  man  die  Anlage  eines  Auges,  darunter  einen  mittr 
lereB  breiteren  und  zwei  schmälere  seitlicU'e  Lappen.  Zieht 
man  das  hinaufgeschlagene  Körperepde  b  etwas  vom  übrigen 
Körper  ab,  so  bemerkt  mau  bei  c  kurze  parallele  Furchen, 
die  Wirbeianlagen  gleichen.  Bei  d  treten  aus  dem  unteren 
Körperende  zwei  sdunale  sich  wie  Gefasse  (Darmschlingen?) 
ansBebmeDde  Bögen  hervor,  die  nach  kurzem  Emporsteigen 
sieh  eeidich  abwärts  wenden.  Die  Länge  des  Embryo  beträgt 
3**,  die  des  umgeschlagenen  Körpertheils  reichlich  2"',  die  grösste 
Breite  IV«'^«  Deutlicbe  Spuren  einer  Nabelblase  oder  AUantois 
sind  nicht  vorbanden. 

Die  mikroskopische  Unto^uchung  konnte  ich  erst,  nach^ 
dem  das  Ei  längere  Zeit  ui  Weingeist  aufbewahrt  war  und 
auch  dann  nur  mit  besonderer  Schonung  vornehmen.  f)k& 
Choriottsetten  sind  sehr  lang  und  vielfach  verästelt;  in  der 
Membran,  welcher  sie  aufsitzen,  gelang  mir  nicht  der  Nach- 
web verschiedener  Scbiditongen. 

Ueher  die  Deutung  ier  einzelnen  Fruchttheile  kann  man 
in  ZweiM  sein.  Dass  die  Membran  a  (Fig.  11)  für  das  Chorion 
ni  haken  sei,   b  fir  das  Amnion.,  geht  aus  Lage  und  Aq- 


40  I'-     Dokmy  üntonnohvnf^ii  Ton  Abortivalem 

Ordnung  derselben  henror.  Das  Amnion  adliliriri  indoM  dem 
Embryo  in  abnormer  Weise.  Anstatt  an  der  Bmicbseite  fiiirt 
zu  sein,  finden  wir  es  über  die  BBuchfläche  hinweg  geheod 
und  an  der  RdckenflSche,  und  zwar  nahe  dem  K«(rftbeile 
adhärent,  von  wo  es  sich  an  das  Cborion  befestigt  Es  ist 
möglich,  dass  diese  abnorme  Adhärenz  sich  ausscUiesslioh 
seitens  des  Amnions  ausgebildet  hat,  wahrschritilicber  indess, 
dass  der  Stiel,  mit  welchem  der  Kopftheil  dem  Eisacke 
adhärirt,  durch  Verwachsungen,  der  Nabelbiase  oder  AUantois 
mit  Kopf  lind  Eihäuten  gebildet  wurde,  dass  sonach  die 
Membran  e  (s.  Fig.  12)  als  UeberbleibseJ  einer  dieser  Blasen 
zu  betrachten  ist  Die  Umscblagung  des  unteren  Fruehtendes 
war  jedenfalls  geeignet,  solche  Verwachsungen  zu  erleichtern, 
indem  sie  die  Ursprungsstellen  dieser  Blasen  dem  Kopfe 
näher  rückte. 

Der  obere  Theil  des  Embryos  Iftsst  sich  leicht  als  Kopf 
erkennen.  Während  die  Augen  hier  bereits  deutlich  hervor- 
treten, findet  sich  von  der  Anlage  des  Ohres  noch  keine  Spur. 
Der  Lappen  /  (Fig.  13)  entspricht  dem  Stirnlappen,  die  Lappen 
g  wären  ihrer  Lage  nach  für  Oberkieferfortsätze  zu  halten, 
doch  ist  ihre  LInge  und  Schmalheit  auffällig.  Von  den  uu* 
teren  Visceralbögen  fehlt  jede  Andeutung.  Der  etwas  zer- 
klüftete Wulst  h  (Fig.  12)  entspricht  seiner  Lage  nach  dem 
Herz,  ohne  dass  sich  indess  hier  die  Formen  des  Herzens 
erweisen  lassen.  Das  hinaufgeschlagene  untere  Körperende 
zeigt  keine  charakteristischen  Formen;  weder  Wirbelanlagen 
noch  sonst  Anlagen  anderer  Fruchttheile  lassen  sich  in  der 
glatten  Masse  entdecken.  Als  "was  die  beiden  Bögen  d 
anzusprechen  sind,  steht  dahin.  So  sehr  ihre  Form  auf- 
forderte, hier  Herz  und  grosse  Gefasse  zu  suchen,  so  stinmit 
doch  ihre  Lage  durchaus  nicht  damit  überein,  denn  sie 
sprossen  aus  dem  unteren  hinaufgeschlagenen  Körperende 
hervor,  stehen  daher  ziemlich  weit  vom  Kopfe  entfernt  An- 
lagen von  Extremitäten  sind  am  Fruchtkörper  nicht  erkenntUeh. 

Das  Alter  der  Frucht  würde  zu  hoch  gegriffen  sein, 
wenn  wir  es  auf  30  Tage  taxirten,  sie  war  wohl  schon'  einige 
Zeit  abgestorben,  bevor  sie  ausgestossen  wurde.  Was  die 
Ursache  der  zahlreichen  Abnormitäten  war,  die  die  Frucht 
zeigt,  lässt  sich  nur  vermuAen.    VielleichC  war  es  die  abnorme 


AAirais  «in  KopMieile  der  Frucht,  weMie  da«  untere  KCrper^ 
ende  Unasfzerrle  und  durch  diese  Zenrung  logieich  die  reget- 
nteige  Entwickelttog  der  eiuselnen  Theile  des  dbrigeo  Fruchi- 
kfrpen  likiderte,  wie  vcm  Pcmum  (Entstebiuig  der  Mieebildoogen, 
Berliii  1660)  der  Emflnss  dieser  AdbArenaen  auf  die  Eotalehuiig 
iFon  HissbUdungai  naehgewieseo  worden  ist 

Beobachtung  IV. 
Eiböble  mit  knopTförmig  endender  Nabelschnur. 

(Fig.  U-17.) 

Das  Ei  hatte  länger  in  Spiritus  gelegen,  als  ich  es  zur 
Untersuchung  bekam.  Prof.  Panum  hatte  es  frisch  erhalten 
und  die  Decidua  vorsichtig  unter  Wasser  von  den  inneren 
Eihäuten  mit  unversehrter  Erhaltung  der  letzteren  abpräparirt. 
Es  hatte  sich  dabei  in  der  klaren  Eiflfissigkeit  nur  eine  kurze 
Nabdschnur,  aber  durchaus  keine  sonstigen  in  der  Flüssigkeit 
8Qt{iendirten  festen  Theile  vorgefunden. 

Die  Eihäute  sind,  wie  sie  jetzt  vor  mir  liegen,  sehr  ge- 
schrumpft, die  EihöUe  lang  gestreckt,  1^  lang,  b'"  breit.  Ein 
^^  langer,  in  seinem  Verlaufe  78*^,  an  seinem  Ende  gut  1  ^ 
dicker  Nabeistrang  hängt  in  die  Eiböble  hinab  (s.  Fig.  14, 
natflri.  Grösse).  Der  Nabelstrang  trägt  Windungen,  es  lassen 
sich  ihrer  im  Ganzen  fünf  erkennen.  Die  Anlage  der  Placenta 
ist  noch  nicht  deutlich.  Das  Chorion  trägt  in  seiner  ganzen 
Ausdehnung  Zotten,  es  ist  an  der  Stelle  der  Nabelschnur- 
insertion  nur  gering  verdickt  und  hier  mit  etwas  längeren 
Zotten  besetzt  Das  freie  Ende  des  Nabeistrangs  zeigt  eine 
stumpfe  ovale  Anschwellung.  Fig.  15  giebt  die  Ansicht  von 
der  rechten,  Fig.  16  von  der  linken  Seite,  Fig.  17  die  von 
vorne,  sämmtlich  bei  Vergrösserung  durch  die  Loupe. 

Man  kann  bezuglich  der  Deutung  der  Anschwellung  am 
Nabelstrangende  schwanken,  ob  UebeiTeste  des  Fruchtkörpers 
oder  das  retrabirte  Ende  des  Nabelstrangs  darin  zu  suchen 
-sei;  Ist  ein  Analogieschluss  nach  dem  Vorkommen  bei  Thieren 
gestattet,  so  wird  der  von  mir  bei  einem  Hasen  (cf.  FircAotc's 
Archiv,  Bd.  XXI.)  beobachtete  Schnimpfungsprocess  des  ge- 
trennteD  Nabehchnurendes  auffordern,  Fruchtkörpertheile  in 
dkser  Ansehwelkmg  zu  suchen,  weil  andernfalls  das  Ende 
lugeifhirtt  aeinwfirde*    Die  oberen  Wdlste  scheinen  indess 


4S  n.    IM»»,  UntomielNnfeii  tmi  AWrtlv^ieni ' 

• 

jedeofalb  der  NibetociiiMr  aaiugelifiren;  ob  dhs  iveüer  «b- 
wftrto  gelegene  Stack  üeberbleibsel  des  Fötalkörpers  eDtbik 
ood  eben  dadurdi  eine  Zuscbärlniig  des  «eb  retrahireiideD 
AabebebiiOKiidie  varfaiDdert  wurde,  sldil  dabm.  Am  ebeateii 
fieasen  «cb  nocb  in  Fig.  16  Formen  eise»  FVaehtköipers 
erblicken,  a  könnte  dem  Röcken,  b  dem  Ko|rfe,  c  einer  Eir 
tremität  entsprechen. 

Beobachtung  V« 
Eihöhle  mit  defeclem«  circa  4  Wochen  altem  Embryo. 

(Fig.  18  and  19). 

Ueber  die  Ausstossung  dieses  Eies  wurde  mir  Nichts 
bekannt  In  der  kleinen  Amnionhöhie  hängt  an  einem  Nabel- 
strang von  Cast  l"'  Länge  der  Ueberrest  eines  Embryos  und 
zwar  das  untere  Körperende  desselben.  Der  Truncus  ist  un- 
gefähr von  der  Mitte  an  defect  und  auch  hier  hatte  sich  in 
der  von  Prof.  Fanum  durchsuchten  Eihöhle  durchaus  kein 
weiterer  Ueberrest  vom  Fruchtkörper  vorgefunden.  Fig.  18 
giebt  die  Ansicht  von  der  linken,  Fig.  19  die  von  der  rechten 
Seite,  beträchtlich  vergrössert.  Man  bemerkt  beiderseits  das 
abgerundete  Schwanzende,  die  Anlagen  der  Wirbel,  sowie 
das  erste  Rudiment  einer  untern  Extremität.  Bei  a  umzieht 
die  rechte  Seite  des  Fruchtkörpers  ein  halbringförmiger  Streifen, 
der  sich  bei  b  und  c  befestigt,  wahrscheinlich  ein  Product 
der  Maceration,  denn  von  dieser  Stelle  an  beginnt  der  Körper 
jde(ect  zu  werden.  Hervorzuheben  ist,  dass  die  Stümmelchen 
cf,  welche  als  Anlagen  der  unleren  Extremitäten  zu  betrachten 
sind,  ihre  Convexitäl  nach  dem  Röcken  zu  wenden  und  bei 
sanftem  Abheben  ihren  Stiel  der  Bauchseite  zugewandt  zeigen, 
also  bis  jetzt,  anstatt  nach  vorn,  nach  hinten  zu  gewachsen 
sind.  Das  Entwickelungsalter  des  Embryos  wird  reichlich 
vier  Wochen  betragen. 

Beobachtung  VI. 

Ei  vom  Ende  des  zweiten  Monats.   Die  Entwickeiuog 

des  darin  enthaltenen  Embryos  nur  bis  zur  dritten 

bis  vierten  Woche  vorgeschritten. 

(Fig.  30—22). 

Eine  an  Desc^sus  uteh  leidende  Frau  verlor  Ende  Mai 
1862  die  liit«   dahin   regelmässigen  Menses.     Vieriebn  Tage 


mm  IrfiftiiBnia^SkkirMiganeluiftsiiimHktMi.  .  48 

ladi  4eiii  Termine,  wa  sieh  die  Heoetraation  bMe  wieder 
eJosleHen  soUen,  -trai  heftige  Blutung '  ein.  Hil.^AHsnaliiiie 
einzehier  Tage  dauerte  dieee  Biutang  in  wechsebider  HefUg>- 
keil  sieben  Weehen  lang  an.  Da  begannen  am  3.  Angnal 
Wdien  aafsutreten  und  nach  kurzer  Geburtsdiwier  erfolgte 
die  Ausftossung  des  Eies.  Dasselbe  wurde  von  dem  be^ 
handelnden  Arzt  in  schwachen  Weingeist  gelegt  und  mir 
obersandt  Nach  zwei  Tagen  kam  es  in  meine  HSnde  und 
ZBT  Unteraachung. 

Das  von  der  Decidua  bekleidete  Ei  ist  (unter  Wasser 
gemessra)  3''  breit,  4"  lang,  ly/  tief.  Die  Deetdua  zeigt 
an  der  dem  Orif.  uteri  ent^rechenden  Stelle  einen  Defect, 
der  die  Fingerspitze  aufnimmt.  Sie  besteht  aus  zwei  ver* 
schiedenen  Schichten,  einer  äusseren  V4"'  dicken,  hellen, 
zahlreich  durchlöcherten  Schicht,  welche  der  Vera  entspricht, 
tmd  darunter  einer  vielfach  mit  Coagulis  durchsetzten  Reflexa, 
welchi;  2 — 4"'  dick  ist  und  an  ihrer  Innenfläche  gegen  das 
Chorion  bin  vorspringende  halbnussgrosse  Buckel  trägt.  Die 
hmenflSche  dieser  Reflexa  gewährte  ein  ganz  ähnliches  Bild, 
wie  es  von  Virchoto  und  neuerdings  von  Stras9mann  (diese 
Zeitschr.,  Bd.  XIX.,  S.  4)  als  Hyperplasie  der  Decidua  he* 
schrieben  worden  ist,  aber  die  durchschnittenen  kugeligen 
Vortreibungen  zeigten  weder  zahlreiche  Gefösse,  noch  von 
dem  gewöhnlichen  Vorkommen  abweichende  Zellen.  Die 
mikroskopische  Untersuchung  wies  in  der  Reflexa  Gefasse  nach, 
in  der  dönnen  Lamelle  der  Vera,  welche  dem  Ei  anhaftend 
geblieben  war,  Hessen  sich  solche  nicht  auffinden. 

ich  schälte  unter  Wasser  die  Decidua  von  dem  Cborion 
los.  Obwohl  die  Verbindung  beider  Hfiute  nur  durch  ganz 
vereinzelte  €horionzotten  vermittelt  wurde,  so  war  doch  BSk 
diesen  Steilen  die  Adhärenz  so  fest,  dass  es  nicht  gelang, 
das  Chorion  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  unversehrt  zu  er- 
halten, sondern  unter  der  Präparation  der  schwarzbraune 
blutige  Inhalt  der  Eiböhle  theilweise  ausfloss.  Das  Amnion 
zeigte  sich  fest  mit  dem  Chorion  verbunden,  so  fest,  dass 
mit  der  Verietzung  des  Letzteren  zu^eich  die  Khölile  er- 
Mhet  war.  Die  Chorionzotten  sind  sehr  sparsam  und  derb, 
die  ganze  änssere  Fläche  des  Chorions  rauh  und  mit  zahl* 
rndien  kadiraliMniBgen  gelblich  gefilmten  Erhebungen  besetzt 


44  n.    Ihfkm,  UnterncbmigeB  tob  Abortlyei«rn 

Mit  der  Pinoelle  gelingt  es  nicht,  das  Amnion  von  dem  Chorioo 
»Jizitziehefi.  Macht  man  einen  feinen  Querschnitt  durch  die 
Membran,  so  kann  man  bei  mikroskopischer  Betrachtung  die 
bisweilen  auf  leichten  Druck  gegen  das  Deckglas  erfolgende 
Trennung  des  Amnions  von  dem  Chorion  beobachten.  IUI 
dem  Amnion  vereint,  zeigt  das  Cborion  drei  Schichten,  eine 
innere  stnicturlose  mit  zahhreichen  Körnchen  besetzte,  die  dem 
ereteren  entspricht,  eine  mittlere,  die  Kndegewebsfasern  ent- 
hält und  dann  nach  den  Zotten  hin  gewandt  eine  dicke  starke 
pigmentirte,  Zellen  und  Körnchen  haltige  Schicht  Gefasse 
sind  weder  im  Chorion,  noch  in  den  Zotten  zu  entdecken. 

Nach  völliger  Eröffnung  der  Eihöhle  fiel  neben  einem 
kleinen,  an  kurzem  Nabelstrang  befestigten  Embryo  eine  gelb- 
liche, käsige,  sich  weich  anfühlende  Masse  in  die  Augen, 
die  an  verschiedenen  Stellen  der  Eihöhle  zu  erbsengrossen 
Conglomeraten  zusammengeballt  frei  beweglich  lag.  Diese 
Substanz  erwies  sich  als  in  Aether  unlöslich  und  gab  mikros- 
kopisch das  Bild  von  körnigem,  mit  einzelnen  Schleirokörperdieu 
untermischten  Detritus,  konnte  sonach  weder  auf  stattgehabten 
Erguss  des  Inhalts  der  Dotlerblase  bezogen,  noch  als  zer- 
fallenes Fibrin  gedeutet  werden.  Die  weitere  PrQfung  ergab, 
dass  diese  zahlreich  in  der  Eihöhle  vorhandenen  StQckchen 
aus  Eiweissstoffen  zusammengesetzt  waren. 

Der  Embryo  misst  S'^  Lange  und  ist  an  einem  ver- 
haltnissmässig  derben,  undurchsichtigen,  fast  1*^  langen  Nabel- 
Strang  befestigt,  er  ist  nach  der  Bauchseite  zu  gekrümmt  und 
diese  Krümmiing  in  der  Nacken-  und  imteren  Rumpfgegend 
am  ausgesprochensten.  Fig.  20  und  21  zeigen  den  Embryo 
unter  der  Loupe  betrachtet  An  dem  kleinen  Kopfe  ist  die 
Anlage  des  Auges  ersichtlich.  Der  vordere  Theil  des  Hirns 
scheint  verkümmert  In  der  Nackengegend  deutet  eine  seichte 
Vertiefung  auf  die  Anlage  des  vierten  Ventrikels.  Aus  der 
Mitte  des  Truncus  tritt  rechts  ein  runder  (a),  links  ein  zwei- 
getheilter  (b)  Wulst  hervor.  Welcher  späteren  Bildung  derselbe 
entspricht  geht  aus  seiner  Form  und  Lage  nicht  hervor  (etwa 
deforme  Rudimente  der  Extremitäten?)  An  der  voiMiereD  Hals- 
gegend spannt  sich,  namentlich  rechts,  die  äussere  Umhüllung 
des  Embryos  über  eine  Einbuchtung  seines  Körpers  hinweg 
(c),  so  dii^  zwischen  beiden  eine  durchscheinende  Lücke 


hUkL  —  DoUerbhse  oder  AHaotofe  liesseo  sich  in  d«r  Eiwand 
oicbl  attfBnden. 

Die  enorme  KleiDheit  des  Embryos  im  Vergleicb  2u  dem 
Umfang  der  Eibüllen  ist  sehr  aufiUltg,  Es  ist  eine  lüngat 
Mannte  Thalsaehe,  dass  einzelne  Eitheile  fertwaobsen  liönnen, 
wihread  andere  in  der  EJntwickelung  zurAckbleiben.  Der  vor- 
liegende Fall  ist  ein  schlagendes  Beispiel  dafür.  Die  Fig.  22 
diene  dazo,  Aes  Missverhälloiss  zwischen  der  Grösse  des 
Embryos  ond  der'  Peripherie  des  Eies  näher  zu  veranschau- 
liehen. 

*  Es  ist  mir  wahrscheinlich,  dass  in  den  an  der  Deeidoa 
reflexa  vorfindlichen  Veränderungen  der  Ausgangspunkt  der 
Torliegenden  Bildung  zu  suchen  sei.  Die  zahlreidie  Durch- 
setzung derselben  mit  Goagulis,  welche  zu  ausgebreiteter  Ver- 
dickung ihrer  Masse  geführt  hatte,  musste  die  Ernährung  dm* 
inneren  Eitheile  beeinträchtigen.  Schon  an  dem  Chorion 
sehen  wir  diesen  störenden  Einfluss  in  der  Vereinzelung  ond 
Schrumpfung  der  Zotten  ausgesprochen.  Die  Tunica  inter- 
media ist  geschwunden,  das  Amnion  dem  Ghorion  fest  ad-> 
häreui,  der  flössige  Inhalt  der  Eihöhle  verändert  —  Dass 
unter  diesen  Umstanden  auch  der  Embryo  in  seiner  Ent- 
wiekelniig  aufgehalten  wurde,  kann  nicht  befremden. 

Schätzt  man  nach  der  Grösse  der  Eibüllen  die  Zeitdauer 
der  Schwangerschaft  ab,  so  wird  man  nicht  unter  das  Ende 
des  zweiten  bis  Anfang  des  dritten  Monats  zurückgreifen 
können,  wie  dies  auch  mit  der  Angabe  der  Schwangeren 
übereinstimmt;  der  Fruchtkörper  dagegen  zeigt  ein  Ent- 
wickeiungsalter,  das  nicht  bis  über  die  dritte,  höchstens  vierte 
Wocbe  vorgerückt  sein  kann. 

Beobachtung  VII. 

Ei  von   fünf-   bis  sechswöchentlichem   Alter.     Be- 
ginnende Hydatidenentartung  der  Chorionzotten« 

(Pig.  23  —  28.) 

Fran  N.  hat  drei  Mal  geboren  und,  da  sie  gewöhnlieh 
nur  alle  6—8  V^ochen  und  dann  sehr  reichlich  menstruirte, 
wahrscheinlich  öfter  abortirt.  Ende  Juli  d.  J.  glaubte  sie 
sich  im  (bitten  Monate  schwanger,  ids  sie,  angebikh  nach 
einem  Sdireck,   Wehen  bekam.      Der  Bhitabg»ng  war  be* 


deutend  ubd  der  berbeigerufeae  Arte  fand  die  Palkntia  oi 
ausgesprochenen  Zeichen  der  Anämie.  Am  22.  Juli  erfoigfce 
die  AasslosBung  des  Eies  bei  äusserlioh  auf  den  Uterus  durch 
den  Arzt  ausgeübtem  Druck. 

Noch  anl  gleichen  Tage  erhielt  ich  das  von  der  Decidua 
umhüUte  EL  Seine  Hehle  war  4urch  einen  kleincfn  Einscfaniit 
eröffnet  worden  und  das  Fruchtwasser  abgeflossen.  Es  hatte 
sieh  bei  diesenl  Einschnitte  in  der  Eibohle  ein  defecter  voa 
der  Nabelschnur  abgerissener  Fruchtkörpef  gezeigt,  ander- 
weitige feste  Partikelchen  sollen  indess  nach  Versicherung 
des  behandelnden  CoUegen  in  der  Eiflüasigkeit  nicht  auffind- 
bar gewesen  sein.  In  Wasser  gelegt,  maass  die  güösste  Breite 
des  Eies  1%",  die  Länge  2"   10'". 

Die  Decidua  ist  an  ihrem  breiteren  Ende  mit  Coagulis 
dnrchBetst  und  hier  2*"  dick,  unten  misst  sie  1 — IVa'"*  'br 
Gcfuge  ist  sehr  locker.  Die  Refiexa  lässt  sich  noch  sehr 
leicht  ?on  der  Vera  trennen.  Von  der  letzteren  haftet  eine 
massig  dönne  Lamelle  dem  Ei  an.  In  beiden  Deciduen  sind 
Gefasse,  zahlreicher  indess  in  der  Reflexa.  Die  spindelförmigen 
Zellen,  welche  die  Vera  zusammensetzen,  haben  sich  an  ver- 
schiedenen Stellen  zu  Reihen  neben  einander  gelagert 

Das  €horion  trägt  in  %  seines  -Urafanges  gedrängt 
stehende  Zotten.  Zwischen  Chorion  und  Amnion  findet  sich 
oben  eine  2'"  dicke  Schicht  von  coagulirtem  Blute.  An  einer 
Stelle  hat  das  Blut  das  Amnion  perforirt  und  ein  Coagulum 
von  der  Grösse  eines  Pflaumenkemes  hängt  hier  durch  den 
gebildeten  Riss  in  die  Eihöhle  hinein. 

Von  den  Gborionzotten  haben  sieh  einige  stellenweise 
blutig  imbibirt  und  kolbig  aufgetrieben.  In  Folge  davon  ge^ 
währte  das  frische  Präparat  dieser  Stellen  ein  zierliches  Bild 
gleichsam  eines  rothe  Beeren  tragenden  Strauches.  Fig.  23 
giebt  die*  Umrisse  desselben,  wie  es  nach  dem  fKschen  Prä-* 
parate  entworfen  wurde  (Vergr.  72);  an  den  schattirten  Stellen 
fand  sich  die  blutige  Färbung.  —  Die  genauere  Untersuchung 
dieses  Chorions  konnte  ich  erst  vornehmen,  iKichdem  es  fünf 
Wochen  lang  in  Weingeist  aufbewahrt  war.  Sehr  aufiallig  war 
mir  dabei  die  an  manchen  Zotten  wahrnehmbare  Schrumpfungi 
Es  betrjfit  diese  Schrumpfung  nur  die  äussere  Zottensehiebt. 
während  de^r  Bindegewebsstock  gerade  und   uoverkörzt  die 


r 


nai  fTtlker«s-8«hwftii|^noh«fbiin«MlaD.  42 

IMB  ^Brekeetet  (s.  Fig.  24,  Vergr.  176).  Aa  di«ien  g^- 
sefarampTlen,  wit  Querrumieln  Teraehonen  Stdten  ist  die 
Zottenwand  meist  doppelt  contourirt  (Fig.  24,  ua)  und 
iwiBchen  diesen  Contooreii  stärkere  PigidentiruDg  l)eiiierfcb«r. 
Mes  Verhalteo  liess  nüch  Anlaiigs  ▼ermutii^n,  d$M  die^e 
Doppeleontmiren  an  die  Waod  gedrängten  Geßssen  ept* 
sprächen,  tu»  so  mehr,  da  von  denselben  aii9  eioxeJne  Strä9gp 
iD  das  Innere  der  Zotte  zu  Yerianfen  sckitmeil  (s,  Fig*  24,  &)» 
doch  gelang  es  nicht  mit  Sicherheit  in  den  verdieiollichen  Ge- 
Asswäaden  Kerne  zu  entdecken  und  femer  rotisete  die  wand-^ 
ständige  Lage  aufläUig  bleiben.  Nach  längeren  üntersvchungeu 
gewann  ich  ein  Präparat,  welches  den  eigenibdmlichen  Befund 
ntiärt.  fai  Fig.  25  (Vergr.  100)  gewahrt  man  bei  a  da« 
kolbig  auigetnelM'ne  Ende  einer  gra^aeren  Zoite,  OMigeben 
Ton  einer  hyalinen  Scheibe.  Das  Epithel  ist  hier  auf  dei* 
Zotte  eriialten,  die  Zellen  indess  klein.  An  der  Basis  diesef 
Auftreibung  liegt  eine  gefaltete,  stark  p^raentirte,  den  Stiel 
ketchartig  umgebende  Membran  b^  unterhalb  dieaer  folgt  der 
säiMB  Epithels  entblösste  Zottenstiel  c  (welcher  des  Raumes 
wegen  nur  halb  so  lang  gezeichnet  ist,  als  ibn  das  Mikroskop 
zeigte).  Demnach  "wird  es. sehr  wahrscheinlich,  dasa  die 
Epithelscbicht  sich  vom  Zoltenstiel  infolge  der  Sprung  der 
Auaaenwände  bei  der  oben  entstehenden  Anftreibung  abgelöst 
hat  und  in  die  Höhe  gezerrt  ist.  Bei  stärkei*er  Vergrösserung 
liessen  sich  auch  in  der  That  in  der  Masse  b  stellenwäse 
die  einzelnen  zu  zusammenhängender  Hembnm  mit  einander 
fferbnndenen  Zellen  erkennen.  Ebenso  verhält  es  sich  mi^ 
der  cylindriscben  Anschwellung  c,  nur  mit  dem  Unterschiede, 
dass  sich  hier  auch  an  der  aufgetriebenen  Stelle  selbst  der 
Epitheläberzug  abgelöst  hat.  Ob  sich  diese  stellenweise 
Zwächstreifung  und  Faltung  des  Epithels  erst  nach  der 
Anfbewabniog  in  -Weingeist  entwickelt  hat  oder  am  frischen 
Präparate,  von  welchem  ich  nur  einige  Stellen  untersuchte, 
von  mir  übersehen  worden  ist,  wage  ich  nicht,  mit  Sicherheit 
zu  entscheiden,  doch  ist  mir  das  Letztere  viel  wahrscfaein«- 
licher,  denn  es  ist  nicht  anzunehmen,  dass  die  aufgetriebenen 
Zottenatellen  im  Weingeist  noch  grössere  Aufti*eibuog  erfahren 
haben,  als  vorhin,  wie  dies  aucb  der  Vergleich  mit  der  von 
frisdien  Präparate  angefertigten  Zeichnung  darthut,  und  ebenso 


48  11-    XMr»,  IMifinobwif*»  vqb  AlMirtiv*iern 

w«Big  kal  eine  Sdummpfting  der  ZoUoi .  im  Wewgeist  atall* 
geftmden,  wie  die  an  den  kolbigen  Steilen  vorfindtidien  Con- 
touren  beweisen.  Aus  diesem  Verbalten  ergielit  sich,  dase 
die  beginnende  Hydatidenbildung,  mit  weicher  wir  es  hier 
in  thun  haben,  nicht  in  der  £pitbelscbicht»  sondern  unterhalb 
derselben  ihren  Ausgangspunkt  nahm.  Allerdings  rouss  es 
auffallen,  dass  sich  das  Epithel  hier  gleich  einer  elastischen 
Membran  zu  cohüiwten  Falten  zusammengelegt  hat,  wenn  es 
auch  bekannt  ist,  dass  das  Epithel  sich  biswdlen  in  zusammen- 
biingenden  Massen  wie  ein  Handschubfinger  vom  Zotteostock 
abhebt,  aber  der  sichere  Beweis,  dass  die  kelcbartigen  Falten 
in  unserem  Falle  wirklich  ans  Epithel  bestanden  oder  mindestens 
dasselbe  mit  enthielten,  liegt  darin,  dass  überall,  wo  sich  diese 
kelchartigen  Falten  unt^  dem  Mikroskope  zeigten,  in  einem 
anstossenden  Zottentheile  das  Epithel  fehlte,  und  dass  in  den 
Falten  selbst,  wenngleich  vereinzelt,  sich  Zellencontouren  nach- 
weisen liessen.  —  Gefasse  habe  ich  in  den  Zotten  nirgends 
entdecken  können.  Ebenso  erwies  sich  das  Chorion  als  ge* 
fässlos.  Es  besteht  dasselbe  aus  zwei  Schichten,  einer  inneren 
iaserigen  Bindegewebsschicht  und  einer  äusseren  stark  pig- 
menttrten  kömig  zeHigen  Lage.  Das  Amnion  bietet  nichts 
Besonderes. 

In  die  Eihöhle  hinein  ragt  ein  AV^  langer,  l"  dicker 
Nabelstrang,  welcher  in  seinem  Innern  Gefissstränge  durch- 
scheinen ttssL  An  semem  Fötalende  hängt  ein  kleines  Stock 
der  aus  dem  Embryo  herausgerissenen  Bauebdecken.  IVt'* 
von  der  Nabelschnurinsertion  entfernt  liegt  unter  dem  Amnion 
ein  l*^  grosses,  rundes  helles  BUschen,  das  am  frischen  Prä- 
parate mit  wasserheller  Flüssigkeit  erfüllt  war,  bei  der  Los- 
schihing  der  Eihäute  von  der  Decidua  indess  leider  einen 
Einriss  erhidt  Es  kann  dies  Bläschen  nidits  anderes  sein, 
als  die  Allantois.  In  der  entgegengesetzten  Bichtung  vom 
Nabelstrange  aus  liegt  die  Dotterblase,  X^^^  breit,  l^a'^  l<uiSt 
ihre  Bänder  sind  |[eschrumpft,  ihre  Farbe  gelbgrau,  der 
kömige  Inhalt  flottirt  bei  Bewegungen,  obwohl  das  Bläschen 
anstatt  der  kugeligen  Form  bereits  eine  mehr  abgeflachte 
angenommen  hat.  Die  Entfernung  des  Dottei*bläschens  von  der 
Insertion  des  Nabelstrangs  beträgt  ll'^  und  lässt  sich  daliin 


IM9  filllMrea  S«hw«Bfenebftftsmoiia4eii.  49 


•ckBMkr  wmtlidier»  bei  sebwacherVergrtflfleriBig  Kftraclmi 
sldleDweis  unterbrochemr  Strang  yerfolgen. 

Der  vom  und  unten  defecte  Embryo  misst  S'*  Länge 
(k  Fig.  86  —  28,  vergrössert).  Die  beiden  Seiten  des  6e- 
achtes  sind  Terschieden  weit  entwickelt  Während  liokerseits 
(F%.  27)  der  sebwane  Reif  nm  das  Auge  noeb  nicht  toU- 
stlndig  geschlossen  erscheint,  sondern  innen  und  unten  das 
Rettduom  der  Eänstölpung  des  Glasiiörpers  erkemitKdi  ge- 
blieben, ist  recht^rseits  nichts  mehr  davon  su  erMicken.  Der 
Tbefl  o  entspridit  der  Lage  nach  dem  Oberkiefer^,  u  dem 
Dttterkieferfortsatz,  beide  scheinen  linkerseits  defect,  recbter- 
•eits  durch  den  in  der  Mitte  belegenen  rauben  Wulst  a,  in 
weidiem  die  Zunge  und  Belegmasse  zu  suchen  sind,  aus  der 
normalen  Lage  gedrängt.  Bei  h  Schemen  Rudimente  eines 
Habbogens.  Ton  der  Anlage  des  Ohres  findet  sich  keine 
Spur.  Die  obere  Extremität  h  erscheint  rechterseits  bereits 
gebogen,  ist  hier  indess  bei  e  eine  abnorme  Adhärenz  ein- 
gegangen. Die  untere  Extremität  ist  neben  den  umliegenden 
Theilen  rerloren  gegangen.  Der  Schlauch  d  entspricht  einem 
DarmstQcke.  Die  Betrachtung  von  vorn  (Fig.  28)  ergitbt  für 
die  GesichtsbHdang  keinen  näheren  Aufschluss.  Bei  e  treten 
ans  der  Stirn  zwei  kleine  bläschenförmige,  weisslicbe  Hörnchen 
henror  (auch  Fig.  26,  e),  deren  Deutung  mir  dunkel  ist. 
Bei  /  wird  das  Herz,  bei  g  die  Leber  zu  suchen  sein.  Ueber 
der  letzteren  wird  die  Aberziehende  Haut  defect. 

Die  Entwickdnng  der  Frudit  wird  bis  zum  Ende  der 
Unfteo  Woche  vorgeschritten  sein.  Wovon  die  vorgefundenen 
Anomalien  des  Eies  abzuleiten,  ob  etwa  von  der  Erkrankung 
eines  Tbrils  der  Chorionzotten,  ist  nicht  zu  entscheiden.  So- 
viel steht  fest,  dass  bereits  längere  Zeit,  bevor  die  Geburt 
erfolgte,  beträchtliche  EmährungsstArungen  der  Frucht  statt- 
gefunden hatten.  Vielleicht  ist  die  Abreissung  der  Frucht 
vom  Nabelstrange  erst  unter  der  Geburt  erfolgt,  nachdem  be- 
reits frfiher  der  Znsammenhang  der  Bauchdecken  gelockert 
war.  Bemerkenswerth  ist  auch  in  diesem  Falle  wieder,  dass 
ein  Theil  des  Fruehtk6r|)ers  in  der  EMüssigkeit  zerflossen 
war,  ohne  (nach  den  zuverlässigen  Angaben  des  behandelnden 
Arztes)  Spuren  zu  hinterlassen. 

lfMiatM6lir.f.G6bBrt«k.  1S6S.  Bd.  XXT.,  Hft.  1.  4 


so  II.    Dbhrfit  Unteriiiichmigeii  tob  Abortivetern 

AnoDialieD  der  N a Im*! schau r. 
Beobachtung  VIII.  — XIIL 

(S.  Fig.  29  and  30). 

Fig.  29  «iebt  das  Kid  eines  Emlnryos,  der,  1 "  5"'  lang, 
nach  der  EnlwicbeiiMig  seiner  einzelnen  Theile  aur  T\mn  bis 
aebnwöchenütebes  Alter  zu  schätzen  ist.  Der  1%"  messeode 
NnbelMrang  ieigt  an  verschiedenen  Sietien  seines  Verlaufes 
Einschnürungen,  am  ausgeprägtesten  bei  a  (s.  Fig.  30,  unter 
der  Loupe  gezeichnet)  am  FöLaiende.  Die  Anzahl  der  Win* 
dungen  beträgt  1^,  ^dief9|^e^|N(^laureu  von  oben  rechts  nach 
links  unte0  uird' reie^eQ^^l^i^^  die  Placentariasertion. 

Nach  dem  {Hace^i^ren  AbschniU^b^  verdünnt  sich  der  Nabel- 
strang S0,   dasi:  0r)st^e|f^| 
Am  Nabelende  folgt  auf  die  SleWe   eine  beträcbtüche  An- 
Schwellung  JkC;wM£a^^^^  Verlaufe  des   Stranges 

lüsst  sich  luf^lilT  nte4nn  ^Itfr  verengten  Stellen  eine  An- 
schwellung folgend  bemerken.  Der  linke  Unterschenkel  ist 
mit  der  Anschwellung  b  durch  einen  ligamenUlsen  Strang 
verbunden  und  es  hat  sich  am  Unterschenkel  eine  beträchl* 
tiche  Schnurfurche  gebildeL  —  Die  vorhandeoe  Torston  der 
Nabelschnur  ist  in  diesem  Falle  evident. 

Beobaclitung  IX. 

(S.  Fig.  31  nnd  aS). 

Dies  Eä  wurde  mir,  in  Weingeist  aufbewahrt,  ohne  nähere 
Angabe  der  Art  seiner  Ausstossung  zugestellt.  Es  ist  utth 
btöllt  von  der  Decidua,  welche  nur  in  der  Nähe  des  unteren 
Endes  etwas  defect  ist  und  misst  in  dieser  UmhäUuag  27«'' 
Länge,  2"  Breite.  Die  '4 — T"  dicke  Decidua  vera  lässt  sicli 
leicht  von  der  Reflexa  abziehen.  Sie  enthält  deutliche  G«- 
fiisse,  wenngleich  nicht  so  zahlreich,  als  die  IV^  —  2"'  didie 
Refiexa.  Das  Ghorion  trägt  sparsame  *  do<!h  fest  an  der  De- 
cidua anhaftende  Zollen  und  liess'  sich  auch  entfenit  von  dem 
Ort  der  bereits  deutlichen  Plaeentaranlage  nur  schwer  abziehen; 
Amnioa  und  Chorion  liegen  so  fest  einander  an,  dass  sie 
sMi  mit  der  Pincette  nicht  trennen  lassen.  Die  Eihdhie  ist 
mit  braunroth  gefärbtem  Detritus  derart  angefüllt,  dass  der 
Embryo  unbeweglich    in   dt^nsolhcn   eingflieltol   liegt.     (Diese 


aofl  ffük«reB  SehwaagersebAfttmottitMi.    . ,  51. 

Msisa  wurde  weder  durch  Kali  noeh  diircli  Seien 
4ve,  aucb  Dkbt  io  der  Eütae»  geiößt,  quiüt  in  Eaeigi&nre 
ni  und  hiesleht  oiikroekopiach  aus  feinem  kömigem  Deiritua 
mit  eiozelnen  Zellenhaufcben  unlermiaebt.)  Nach  Entfenumg 
das  Deiritua  wurde  die  wellig  unebeae  iooere  Eiwaud  ersiebt* 
Kek  Eio  1"  langer  Embryo  ist  an  8"'  langem  Nabektrange 
ia  d«r  EihöUe  befestigt.  An  der  PlacentartDaertion  dea  Nabel«- 
sbraoga  ist  die  Siwand  betracbtlieb  verdicki  und  es  treibt  hier, 
ain  über,  nuaagroeaer  Buckel,  das  Amnion  gegen  die  EihöUe 
hin  vor. 

.  Die  Frucht,  welebe  eine  ca.  aohtwöcbeolliche  Entwickeluog 
leigt,  isi  regelmässig  gebildet.  Der  Nabelstrang  trägt  Win^ 
düngen  und  scheint  mit  seiner  Scheide  um  die  Axe  gedreht. 
Am  Placentarende  beträchtlich  angeschwollen,  verdünnt  er 
sich  stark  gegen  das  Nabelende.  Fig.  32  zeigt  den  Nabel- 
slraagi  belrächtlich  vargrdssert,  a  ist  das  Fötal-,  b  das 
PteixsBtarende,  bei  o  finden  sich  zwei  Kyaten.  Der  Gefissverlauf 
innerhalb  des  Stranges  läast  sieh  nicht  erkennen,  da  die 
Nabelechnuraebeide . ihre  Transparenz  verloren  hat.  Unleilialb 
der  Piaceatarinsertion  findet  sich  ein  beträchtliches  Blutr 
e&travaeaL  Die  Eiwand  hat  hier  dadurch  eine  Verdickung 
bis  auf  1"  erfahren.  Die  Piacentarzolten  sind  unter  dem 
Ezlravasat  aeitUch  nach  abwärts  gedrängt  und  überall  so  von 
Bzlffavaaat  umbölll,  dass  es  schwer  gelingt,  sie  finzefai  und 
völlig  fipei  zur  mikroskopisohen  Anschauung  zu  bringen.  Ihre 
Pona  Ueftet  nidils  Besonderes.  Ge&sse  sind  in  einzelnen 
dentlkk  zn  eritennen,  Zeichen  von  VerCattung  oder  Pigmen« 
tinng  nicht  zu  bemerken. 

Ob  im  vorliegenden  Falle  Torsion  der  Nabelschnur  alar 
Todesursache  der  Frucht  zu  betrachten  sei,  laasi  sich  an*^ 
zveiieln.  Die  Form  des  Nabelstrangs,  das  Veriiandensein 
zweier  Kysten  unter  seiner  Scheide,  das  Bluteitravasat  unter- 
halb  der  Piacenlarinsertion,  sowie  der  Umstand,  daas  bei  so 
Uhzeitigem  Alier  der  Frucht  sich  hier  schon  deutüeh  aus* 
gaaK^>cliene  Windungen  zeigen,  könnte  für  eine  abnorme  und 
zvar  durch  passive.  Fniobtbewegungen  hervorgebrachte  Azen- 
ih^ung  des  Nabelstrangs  angeführt  werden;  aber  es  fehlt 
liier  die  Anschwellung  der  Nabelschnur  unmittelbar  neben 
der.  engeren  Stelle,  und  diese  ist  eine   der  gewöhnlichsten. 

4* 


52  II-    DoAMiy  Uiit«rftaeli«ifea  tob  AbortiT^lern 

Begieitendieinungeii  der  Stenose.  Als  Effect  der  beUadtrleB 
GirenlatioD  pflegt  sie  sieh  mit  ziemtieber  CoDStanz  an  dem 
ymt  der  Stenoee  placentarwirts  belegenen  Abadmitt  au  est* 
wickehi.  Man  kann  sich  zwar  vorstellen,  dass  da,  wo  die 
AxendrdiQng  derNabelscfamir  eine  plötzliche  und  heftige  war, 
die  Circiiletion  rasch  stocken  kann  und  der  Tod  eintreten, 
bevor  die  charakteristische  Dilatation  der  Vene  sich  aus- 
gebildet^ doch  llsst  sich  das  in  unserem  Falle,  wenn  auch 
die  Zeichen  der  Atrophie  an  den  Placentarzotten  fehlen  und 
das  Blutextravasal  Qber  der  Piacenta  die  Circulation  dieses 
Organs  stark  beeintrScbtigen  musste,  nicht  mit  Steherlieit 
hinstellen. 

Beobachtung  X. 

(Fig.  38—86.) 

Diese  Fracht  war  in  einer  Sammlung  als  mit  Hemia 
umbilicalis  behaftet  aufgetthrt  Sie  zeigt  bei  einer  LSnge 
von  l''  ö'''  die  gleiche  Entwickelang  wie  die  vorhergehende. 
Die  ExIremitUen  sind  am  Tmncus  in  abnormer  Weise  adhSrent. 
Oberarm  und  Vorderarm  sind  durch  eine  feine  hyaline 
Membran,  wdche  sich  bei  Versuchen  den  Arm  absabebea, 
anspannt,  an  den  Thorax  angezogen.  In  gleicher  Weise  ist 
die  untere  Extremität  bis  zum  Knie  an  den  Truncus  an- 
geheftet Die  Nabelschnur  ist  10 V«^'  lang,  recbtsge wunden. 
Am  Nabelringe  findet  sich  eine  zwar  kurze,  doch  sehr  betrdcbt- 
lidie  Stenose,  neben  dieser  eine  Kyste  von  2V^  DurefamesaerJ) 
Auch  im- weiteren  Verlaufe  zeigt  der  Nabelstrang  Verdönnongen, 
am  placentaren  Abschnitte  bis  auf  V»*^.  Die  Anzahl  der 
Windungen  betrSgt  neun,  die  Placentarinsertion  erscheint 
hervofgezenrt 

Dass  die  Anschwellung  am  Nabelende  durch  eine  Rysle 
und  nicht  durch  hen'orgetretene  Eingeweide  bedingt  ist,  er- 
giebt  sich  aus  der  Stenose  an  der  Nabelinsertion  und  an  den 
sonst  am  Nabelstrange  vorhandenen  Zeichen  der  Torsion.  In 
den  meisten  Fälen  wird  die  Unterscheidung  beider  Zusttede 
leicht  sein.    Gewöhnlich  ist  bei  diesem  Fruchtalter  der  NdMit* 


1)  üeber   das  Vorkommen  tod  Kysten   neben  Nabelschnur« 
toreion  cf.  Wedl,  Grnndsfige  der  pathol.  HiKtolog^e.    W!en  1864. 


früheren  SohwangertchMfUmonaten.  53 

• 

slnog  transparent  und  beb&U  dieae  Transparenz,  wenn  er 
passend  aufbewahrt  wird,  lange  bei,  auch  die  Form  der  An- 
schweUuBg  giebt  nicht  selten  für  die  Unterscheidung  Anhalt 
Rg»  35  aeigt  eine  solche,  der  ¥orliegenden  fast  gleichaltrige 
Fracht,  bei  welcher  die  Darmsefahnge  sieb  noch  nicht  aus  der 
Nabelschnur  xurückgezogen  baft.  Hier  ist  die  Nabelschnur 
dB  ihrem  Fötalende  breit  und  die  Umrisse  der  Darmscbliqge 
leichnen  sich  khr  durch  die  Nabelstrangscheide  ab« 

Beobachtung  XI. 
(S.  Fig.  36.) 

Dieses  Ei,  von  dessen  Ausstossung  mir  nichts  bekannt 
wurde,  enthält  einen t  nach  Yorgenoromener  Streckung  2^^" 
langen  Embryo,  dessen  Geschlecht  noch  nicht  deutlich,  das 
AMer  auf  den  Airfiuig  des  dritten  Monats  zu  schitien.ist  Die 
Fracht  halt  die  Extremitäten  angezogen,  der  Kopf  ist  seidich 
gedreht.  Die  iV^"  l^iMt^  siebzehnmal  linksgewundene  Nabelr 
schnür  liegt  zwischen  beiden  Beinen  eingeklemmt,  ohne  indess 
hier  Spuren  von  Druck  hinterlassen  zu  haben  und  umwindet 
dann  das  rechte  Handgelenk,  wo  sich  eine  Schnörfurübe  ge«- 
bildei  bat  Dann  folgt  eine  4^^  lange,  etwas  YerdQnnte  Stelle  « 
und  daneben  eine  Anschwellung  i*  Im  weiteren  Verlaufe 
das  Stranges  sind  keine  EinschnCkrungen  zu  bemerken.  Die 
Placentarinserüon  erscheint  etwas  berrorgezerrt,  lang  gedehnt« 
der  Anmionuberzug  ist  von  der  Placenta  in  grosser  Aus* 
dehnmg  abgehoben,  unter  demselben  ein  Bhitextra?asat  An 
Plaeentarsotten  und  Decidua  nichts  Besonderes. 

Ob  die  Verdünnung  a  durch  Torsion  die  Girculation  so 
weil  beeinträchtigt  hat,  dass  der  Tod  der  Frucht  erfolgte, 
erscheint  fraglich,  weil  in  eben  dieser  Strecke  sich  keine 
Windungen  finden,  doch  lässt  sieh  eine  dort  stattgehabte 
BeUndening  der  Girculation  aus  der  daneben  befindlichen 
Aaachwellnng  Tennutben.  Dass  eine  vermehrte  Axendrehung 
der  Schnur  stattgefunden,  ist  bei  der  für  dies  Fruchtalter 
grossen  Windungszahl,  der  Fonn  der  Placentarinsertion  und 
dem  hier  vorfindlichen  Bhileztravasat  wahrscheinlich.  In  Ver* 
bindung  mit  der  Gompression  des  Stranges  durch  die  Um- 
aehnOrnng  des  Handgetonka  trugen  vielleicht  diese  sämoitlicben 
Momente  zum  Tode  der  Frucht  bei. 


54  n.    Dohm,  Uotersnehangen  Ton  AborUreiern 

Beobachtung  XII. 

(8.  PIg.  87.) 

Die  Frucht  ist  mSnnlich,  2"  W  hmg,  drei  Monate  alt, 
die  Extremitäten  sind  lang  und  mager.  Die  Nabelschnur  misst 
8"^  7'*,  sie  umwindet  den  Bauch,  indem  sie  vom  Nabel  aus 
nach  rechts  verläuft  und  macht,  bis  sie  wieder  am  rechten 
Oberschenkel  angelangt  ist,  acht  Windungen  von  links  nach 
unten  rechts.  Diese  sind  bis  auf  2*^  Breite  platt  gedrückt 
und  der  Nabelstrang  hat  eine  beträchtliche  Schnurfurche, 
namentlich  am  RQcken  zurückgelassen.  Vom  rechten  Ober- 
schenkel an  beginnen  Tünf  Windungen  in  entgegengesetzter 
Richtung,  die  dicht  gedrängt  stehen  und  wobei  sk^b  der  Strang 
auf  Vt'^  verdünnt  (s.  Fig.  a—b),  dann  folgt  eine  viermal 
rechtagewundene  AnschweHung  und  endiieh  das  in  gleichem 
Sinne  gedrehte,  bis  auf  V«'^  verdünnte  Plaeentarende.  Die 
Gesamnitzahl  der  Windungen  beträgt  19.  Die  Placenta  ist 
Dtcbt  erhalten,  nur  das  Amnion  vorhanden. 

Der  Umstand,  dass  die  Nabelschnur  in  dreifach  ver- 
schiedenem Sinne  gewunden  ist  und  dass  die  ilhif  Ifiotropiscben 
Windungen  gerade  an  der  Stelle  ihren  Anfang  nehmen,  wo 
die  Nabelschnur  zwischen  Oberschenkel  und  Bauch  fixirt  ist, 
weist  darauf  hin,  die  letzteren  von  Axendrehungen  der  Frucht 
abhängig  zu  machen.  Wahrscheinlich  war  der  ganze  Strang 
ursprünglich  rechCsgewonden.  Nachdem  die  Umschlingung 
um  den  Bauch  erfolgt  war,  rotirCe  dann  die  Frucht  und  eine 
den  Bauch  von  rechts  nach  links  schneidende  Horizontalaxe. 
Die  Folge  dieser  Bewegung  waren  die  fünf  läoiropischen 
Windungen  a—b.  Dass  bei  dieser  Bewegung  der  Strang  in 
entgegengesetzter  Richtung  gedreht  und  nicht  vielmehr  die 
Windungen  a — o  dabei  aufgedreht  wurden,  mag  aufllllig  er* 
scheinen.  Der  Grund  dieses  Verhaltens  muss  in  einer  ab- 
normen Festigkeit  der  Windungen  o — e  gesudit  werden,  und 
die  Verdünnung  des  Stranges  am  Plaeentarende  in  Verbradung 
Ait  den  hier  noch  ausgesprochenen  Windungen  beweist  es,  dass 
hier  eine  stnrk  drehende  Kraft  eingewirkt  hatte.  Das«  unter 
der  Axendrehung  der  Frucht  eine  Behinderung  der  Gkreolation 
eingetreten,  geht  einerseits  aus  der  wahrnehmbaren  Ver* 
dümiuBg,  andererseits  aus  der  placentarwärls  von  o  belegenen 
Anschwellung  hervor. 


MM  frilberen  Scliwaiigersehsflsnioiiateii.  56 

BeobacliteiDg  XIII. 

(8.  Fig.  38—40.) 

Eioe  Multipara,  die   früher  regelmässig  menstruirt  und 
iDebrmals    kurz  hinter  einander  geboren  hatte,  verspürte  im 
Frühjahre  d.  J.,  sechs  Jahre  nach   der   zuletzt  stattgehabten 
GehurL.  die  Zeichen   neu  eingetretener  Schwangerschaft.     Die 
Menses  waren  zuletzt  am  22.  Januar  erschienen  und  ihr  Aus- 
bleibi*!!    von  demselben  Uebelbefindeu  begleitet,    wie   es   sich 
in  den  fi-üheren  Schwangerschaften  während  des  ganzen  Ver- 
laufs gezeigt  hatte.    Mit  Rücksicht  auf  ihren  Zustand  enthielt 
die  Schwangere    sich    aller  körperlichen   Anstrengungen,    im 
Anfange  des  ersten  Monats  hatte  sie  noch  einer  Tanzgesell- 
Schaft  beigewohnt;   als   das  Ausbleiben   der  Menses   die  Ver- 
oiuthung   eiogetretener    Schwangerschaft   bestätigte ,    vermied 
sie  sorgsam  jede  stärkere  anhaltende  Bewegung.    Im  Anfange 
Mai   trat   ohne   nachweisbare  Ursache   eine  Verändenmg   im 
Befinden   ein,   es  verschwanden  die  bisherigen  Erscheinungen 
und  es  wurde   keine  weitere  Volumszunahme  des  Leibes  be- 
merkt.  Am  26.  Mai  erfolgte  Abgang  klarer  massiger  Flüssig- 
keit aus  den  Geschlechtstheilen,  am  29.  ein  nicht  unbeträcht- 
licher Biutabgang  und  am  31.  die  Ausstossung  einer  kleinen 
Frucht.      Dieselbe   blieb   von  Manipulationen   verschont   und 
wurde  mir  zur  Untersuchung  zugestellt. 

Die  Decidua  hat  sich  bei  Ausstossung  des  Eies  bis  zum 
Placentarende  zurückgestülpt,  so  dass  das  Chorion  von  ihr 
nicht  verdeckt  wird.  Es  wurde  zunächst  dieses  eröffnet  und 
dadurch  die  graubraun  verfärbte  gallertige  Tunica  media, 
sleilenweis  bis  4^^'  dick,  freigelegt.  Die  gleiche  Färbung  halte 
das  in  der  prallen  Amnionhöhle  enthaltene,  gegen  2  Unzen 
betragende  Fruchtwasser.') 


2)  Diese  FSrbnng  des  Fruchtwassers  habe  ich  wiederholt  bei 
nnxeitig  geborenen  Frachten  beobachtet.  Das  Mikroskop  wies 
grflDbrftanliehe,  theilweise  an  kleinen  Haufen  agglomerirte  Körnchen 
in  der  Plfissig|[e{t  nach.  Bei  Coagulation  des  Eiweisies  durcli 
Kochen  unter  EssigMuresasats  adhürirte  der  Farbstoff  den  Coagulis 
ToHstllndig,  B9  da«s  das  Fihrat  klar  blieb.  Es  wnrde  dann  mit 
Alkohol  «ztrahirt  nnd  die  Untersuchung  auf  Gallen farbstoff  an-: 
goatoUi.  Das  Besaltat  war  ein  negatives,  im  vorliegenden  Falle 
sowohl,   wie   bei  zwei  Früchten  ron  yiormoiiatlichom  AUer«  -^ 


56  II-     Doktm^  üatorsaehaageii  tob  Abortiv«i«ni 

Die  Frucht  zeigte  eine  dgenlhfimiiehe  Haltung  (s.  Fig.  38). 
Beide  Beiue  sind  in  die  Höhe  geschhigeD,  der  rechte  Fuss  ist 
gegen  die  Achselhöhle  angestemmt,  der  linke  hängt  mit  sei- 
nem Rücken  in  einer  Nabelschnurschlinge.  Die  Nabelschnur 
windet  sich  um  dien  Fruchtkörper  herum,  indem  sie  oberhalb 
des  rechten  Handgelenks  sich  zur  rechten  Achselhöhle  und 
zum  Rücken  wendet,  von  wo  aus  sie  nach  der  der  linken 
Fruchtseite  zugekehrten  Placenta  verläuft  Aus  ihrer  Lage 
gebracht,  haben  die  Extremitäten  grosse  Neigung,  dieselbe 
wieder  anzunehmen.  Der  Nabelstrang  zefgt  da,  wo  er  den 
Extremitäten  anliegt,  keine  Abplattung  noch  Verdünnung.  Die 
Länge  der  Frucht  beträgt  4"  1  '"^  vom  Scheitel  bis  zum  Nabel 
2*"  8^  vom  Nabel  bis  zur  Ferse  1"  ö**.  Die  Extremitäten 
sind  gut  gebildet,  die  Haut  durchscheinend,  Augliderspalt 
getrennt,  Genitalien  noch  nicht  deutlich  geschieden.  Die  Nabel* 
schnür  ist  9^'  lang  und  85  Mal  von  oben  rechts  nach  unten 
links  gewunden,  sie  verdünnt  sich  in  der  Nähe  der  Placentar- 
insertion.  Ausserdem  zdgen  sich  an  verschiedenen  Stellen  ihres 
Verlaufes  Verdünnungen,  namentlich  gegen  die  beiden  Enden 
hin.  Die  zweite  und  dritte  Spiraltour  vom  Nabel  aus  sind 
verdickt  (s.  Fig.  39).  Der  Amnionüberzug  ist  an  der  Pia- 
centarinsertion  in  Form  einer  8'"  langen  bimförmigen  Scheide 
hervorgezerrt  und  durch  diese  lündurcfa  sieht  man  die  Gelasse 
auch  hier  noch  spiralig  gewunden  verlaufen  (s.  Fig.  40).  Unter 
dem  Amnion  finden  sieb  auf  der  Placenta  zwei  Blutexlravasate, 
ein  nussgrosses  jüngeres  gerade  unter  der  Insertion  des  Nabel- 
Strangs^  ein  wallnussgrosses  älteres  mit  verschieden  geschich- 
teten wandständigen  Coagulis  weiter  seitlich.  Die  Placenta 
zeigt  normale  Structur;  auch  unter  den  Blutextra vasaten  hat 
das  Gewebe  keine  bemerkenswerthe  Compression,  die  Zotten 
keine  Veränderung  erfahren.  —  Die  Decidua  giebt  getreu  die 
Form  der  Uterinhöhle  wieder.  Die  Breite  der  dem  Fundus 
entsprechenden   Kante   ist  27«',   die  Länge  von   oben  nach 


Zneker  habe  ieh  ebenfalls,  bei  'einer  ▼ierwSchentlichen,  einer 
dreimonatlicben  nnd  swel  yiermonatUohen  Frfichten  Tergebent 
im  Fraebtwasser  gesncbt  nnd  Icann  lonaoh  die  Angabe  to« 
Mt^ewM  (De  snbst.  qoae  liq.  amn.  eto.  Oorpat  1868),  data  der 
Zneker  dem  Frnchtwaseer  dee  menschlichen  Fötas  fehle ,  If&r 
diese  Periode  beatfttigen.  .  . 


fHii  Mkflren  SchwangarsdiaflsiiMmtttdfi.  fiff 

mten  fiMt  4".  Iii  ihre  äusseren  Schichten  sind  zieoriich  be«- 
iaieode  Coaguh  eingrimttet,  sonst  ist  das  Gewebe  normal, 
ae  ist  im  unteren  Abschnitte  1  —  2"',  am  Fundus  ä^^"'  dick. 

Die  Entwickehing  der  Frucht  lässl  darauf  schliessen,  daes 
■e  ein  Alter  bis  zum  Anfange  des  vierten  Monats  erreichte, 
es  stimmt  dies  auch  mit  den  Angaben  der  Schwangeren 
AeroD.  Ohne  Zweifel  ist  die  Frucht  bereits  einige  Zeit  vor 
der  Geburt  abgestorben  gewesen,  denn  es  würde  sonst  ihre 
Entwickelung  weiter  vorgeschritten  sein,  und  es  liegt  nahe, 
ihr  Absterbet!  von  Anfang  Mai  her  zu  datiren,  zu  welcher 
Zeit  die  bis  dahin  bestehenden  Schwangerschaflszeichen  er- 
Jescfaen.  Eine  Schrumpfung  des  Eisacks  ist  in  solchen  Fällen, 
wo  die  Gebart  wenige  Wochen  nach  dem  vermeintlichen  Tode 
der  Fracht  erfolgte,  nicht  immer  nachweisbar.  Der  am  26.  Mai 
stattgeAindene  und  auf  seröse  Ansammlung  zwischen  den  Ei* 
häuten  zurdckzufubrende  Wasserabgang  leitete  die  Ausstossung 
der  Frucht  ein. 

Das  Absterben  der  Frucht  wird  durch  das  Verbalten  der 
Nabdechmir  erklärt  Ich  möchte  weniger  Gewicht  legen  avf 
die  Compression  des  Nabelstranges  durch  die  Extremitäten; 
i^ire  der  nacbtheilige  Einfluss  derselben  von  Belang  gewesen, 
so  wirde  sich  entweder  eine  Verdünnung  des  Stranges  an 
deo  betreflenden  Stellen  ausgebildet  oder  die  Nabelschnur 
Furchen  an  den  Fötaltheilen,  denen  sie  anlag,  hinterlassen 
haben.  Die  Todesorsadie  der  Frucht  sehe  Kb  in  den  par- 
tiellen Stenosirungen  des  Nabelstranges.  An  der  Fötalinsertion 
tritt  der  Eüea  der  behinderten  Girculation  in  der  Anschwellung 
der  zweiten  und  dritten  Spiraltour,  welche  vornehmlich  durch 
eine  Ausdehnung  der  Vene  bedingt  war,  zu  Tage,  an  dem 
Placentarende  deuten  die  Blutextravasate  auf  Gefasszeming 
oder  Behinderung  des  venösen  Rückflusses.  Ob  die  abnorm 
proaee  Windungszahl  einen  belangreichen  Einfluss  auf  die 
Grculatioo  ausübte,  lasse  ich  dahingestellt,  denn  eine  Messung 
der  Gefösslumina  in  ihrem  ganzen  Verlaufe  wurde  durch  ihre 
Uefaiheit  bdiindert;  vielleicbt  wurde  die  grosse  Windungszahl 
nur  insofern  verderblich,  als  sie,  gewissermaassen  eine  Vorstufe 
der  Torsion,  die  partiellen  Stenosirungen  einleitete. 

Es  sind^  bis  jetzt  die  Fälle  nicht  zahtareich,  in  weiohi»i 
eioe  SCenese  des  Plaoentarendes  der  Nabelsobnur  beobachtet 


t8  ^^*     Dphrn,  üntenmchnn^ii  T»n  Ab«lrtiT«ieni 

wunic  (vergl.  meineo  Aufsatz  dber  Tors.  d.  Nabelsok.  Diene 
Zeitschrift.  Bd.  XVIII.,  H*  2).  in  unserem  Falle  war  die 
Stenose  an  dieser  Stelle  deutlicher,  als  am  Nabeiende  und 
die  Gefasae,  welche  meist  in  ihrem  placentaren  Abschnitte 
gestreckter  verlaufen,  erschienen  hier  sogar  noch  unter 
dem  Amnionuberzug  dei*  Placenla  mannichfach  um  einander 
gewunden;  ausserdem  spricht  auch  die  Verdönnuiig'  des 
Placentarendes  für  eine  hiex  durch  vermehrte  Drehung  staU- 
gehahte  Compressiou. 

Ein  besonderes  hiteresse  gewinnt  dieser  Fall  dadurch, 
dass  hier  die  Möglichkeit  gegeben  war,  bei  vorhandener 
Torsion  der  Nabelschnur  die  Räumlichkeiten  der  Eihöhle  all- 
zuschätzen,  denn  die  Frage,  ob  eine  abnorm  erweiterte  oder 
abnorm  verengte  Eihöhle  das  Zustandekonmien  einer  Torsion 
begänsligte,  hat  noch  keine  abscliliessende  Beantwortung  «er- 
fahren. Es  ist  freilich  auch-  im  vorliegenden  Falle  möglich, 
dass  sich  die  Torsion  zu  einer  Zeit  ausbildete,  wo  das 
Volumverhsiltniss  zwisdien  Fötus  und  der  Eihöhle  noch  ein 
anderes  war,  als  es  die  geborne  Frucht  zeigt,  so  unwahr- 
scheinlich auch  eine  stattgefundene  Schrumpfung  bei  dei* 
prallen  Beschaflcnheit  des  Amnionsackes  ersdieint  Nehmen 
wir  dies  aber  auch  au,  so  würde  doch  bei  der  seitlichen 
Insertion  der  Placenta  und  der  grossen  Lange  der  Nabel- 
schnur die  Voraussetzung  einer  freien  Beweglichkeit  und 
Suspension  der  Frucht  am  Nabelsirange  unberechtigt,  die 
Annahme  einer  durch  die  Reibung  der  Eiwandungen  nicht 
behinderten  Rotation  der  am  Boden  der  Eihöhle  übenden  Frucht 
bedenklich  erscheinen.  Es  ist  in  hohem  Grade  wahrschein- 
lich, dass  schon  vor  und  in  di^m  dritten  Monate  sicli  abnoi*uie 
Drehungen  des  Nabelstrangs  und  unter  ihi*em  Einflüsse  das 
vorgefundene  grössere  filtere  Placentar^xtravasat  ausbildeten, 
die  tödtlich  gewordene  Vermehrung  derselben  aber  wird  erst  im 
Anfange  des  vierten  Monats  eingetreten  sein.  Es  entbehrt  vor 
der  Hand  die  Annahme,  dass  früher  ausgebildete  Torsionen 
der  Frucht  erst  bei  weiterem  Wachsthume  verderblich  werden, 
eines  genügenden  Anhalts. 

Vielleicht  begünstigte  im  vorliegenden  Falle,  wie  Prot 
PafMcm  hierselbst  diese  Vennullumg  gegen   mich  aussprach, 

Lage  der  Frucht  am  Beden  der  EMhle  die  Entatehuag 


ans  früheren  Schwangerschaftsmonateit.  09 

emer  abnorm  grossen  Windtingszahl  des  Nabelstrangs,  denn 
die  Högiichkeit  liegt  nahe,  dass  freie  Suspension  der  Frucht 
ao  der  Nabelschnur  die  Entstehung  zahlreicher  Windungen 
erschwert.  In  dieser  Beziehung  wäre  es  von  Interesse,  bei 
Fällen  von  Placenta  praevia  genauer  auf  die  Windungszahl 
der  Nabelschnur  zu  achten,  worflber  meines  Wissens  keine 
Däberen  Angaben  vorliegen. 

Die  Gewalt,  mit  welcher  die  Nabelschnur  um  ihre  Längs* 
axe  gedreht  wurde,  muss  beträchtlich  gewesen  seiu,  grösser 
jedenfalls,  als  dass  sie  durch  eigne  Muskelaktion  des  Fötus 
hatte  bewirkt  werden  können.  An  der  Placentarinsertion  be- 
merken wir  die  taschenarlige  Hervorzerrung  des  Amnionöber- 
zuges,  wie  sie  in  analoger  Weise  an  der  Bauchhau l  in  der 
Nähe  des  Nabels  öfter  beobachtet  worden  ist. 

Beobacbtimg  XIV. 

Amnionhöhle    mit    Dotterblase    und    Nabelschnur, 
vom  Frucbtkörper  nur  wenige  fetzige  Ueberreste 

vorhanden. 

(S.  Fig.  41.) 

Das  vorli^ende  Präparat  besteht  aus  der  wasserhellen 
eingerissenen  Amnionbiase,  welche  Herr  Prof.  Panutn  vor 
zwei  Jahren  ans  dem  frischen  Eie  herausgeschält  hatte,  ohne 
in  dem  Fruchtwasser  abgelöste  Tlieile  des  Embryos  zu  finden. 
Von  Wasser  ausgedehnt  misst  das  Amnion  2"  Länge,  1'  T^ 
Breite.  Behufs  der  Zeichnung  wurde  dasselbe  umgestülpt. 
Man  bemerkt  den  y  langen  Nabelstrang  mit  seiner  trans- 
parenten Amnionscheide,  durch  welche  Längsslreifen  hindurch- 
schimmern. An  seinem  Fötalende  hängen  kleine  gelbliche 
Fetzen,  die  einzigen  Ueberreste  des  Embryonalkörpers.  2^  von 
der  Nabelstranginsertion  entfernt  liegt  die  mit  gelblichen 
Körnchen  gefüllte,  2Va^  lange,  V/^"'  breite,  flache  Dolterhlase. 
Von  dieser  bis  in  den  Nabelstrang  hinein  ist  ein  dünner  weisser 
Streifen  (Dotlerblasengang)  zu  verfolgen.  So  weit  sich  ohne 
Zerstückelung  des  Präparates  erkennen  lässt,  trägt  das  Dotter- 
bläschen  beiderseits  einen  zarten  durchscheinenden  Ueberzug. 
Mikroskopisch  bietet  das  Amnion  das  gewöhnliche  Verhalten. 


00         n.    Dokm^  Vni9T$uehnng9n  ron  AbortiTvieni  etc. 

Beobachtung  XV. 
Kleine  Eihöhle,  der  Fruchtkörper  zerfallen. 

(S.  Fig.  42  and  48.) 

Das  reichlich  mit  Flocken  besetzte  Chorion  ist  zerrissen 
und  in  die  Höhe  geschlagen.  Sein  Lingendurchoiesser  beträgt 
nach  der  Ausbreitung  %".  Ein  helles  lartes  Bläschen  a  sitzt 
i^it  breiter  Basis  der  Mitte  des  Chorions  auf.  In  seiner 
Höhlung  liegen  kleine  gelbliche  unregelmässige  Stückchen, 
die  sich  im  Laufe  der  zweijährigen  Aufbewahrung  aus  dem 
früher  klaren  Inhalt  niedergeschlagen  haben,  sonach  nicht  als 
Ueberreste  des  Fruchtkörpers  zu  betrachten  sind.  Von  diesem 
fehlt  vielmehr  jede  Spur.  An  der  Basis  des  Bläschens  liegt 
ausserhalb  desselben  ein  kleines,  anscheinend  solides,  gelbes 
Körperchen  i,  Va'^  breit,  Vs'^  '^"(^i  ^^^  ^^^  <^i^  geschrumpfte 
Dotterblase  zu  halten  sein  wird.  Ein  dahin  von  irgend  einem 
Punkt  des  Bläschens  aus  verlaufender  Strang  lässt  sich  indess 
nicht  aufGnden.  —  Die  Chorionzollen  sind  stellenweise  au 
ihren  Enden  zu  kolbigen  Blasen  aufgetrieben.  Gefasse  habe 
ich  in  den  Zotten  nicht  auffinden  können.  Das  Chorion  zeigt 
(Fig.  43,  nach  Essigsäurezusatz,  Vergr.  295)  zwei  Schichten, 
nach  den  Zotten  hin  eine  zellige,  schmale,  pigmentirte  Schicht, 
daran  stossend  eine  breitere,  mit  der  Länge  nach  verlaufenden 
Kernen,  welche  nach  innen  in  einen  hellen,  mit  zahlreichen 
kMiien  Körachen  besetzten  Saum  übergeht,  ohne  sich  indess 
deutlich  von  diesem  abzugrenzen. 


m.   Frmmk$,  G«Ml4elit«  •Immr  I>rUlliig»g«b«H.  Q], 


m. 

Oeachiohte  einar  DriUingsgeburt. 

Von 

Dr.  Walther  Franke, 

Priratdoecmt  an  d«r  Unlrertltät  Halle. 

Praa  JT.,  PabrikarbeitersfraH,  ,89  Jabre  alt,  proas  imd 
kriftig  gebaut,  v^riangte  am  8.  Mai  1861  bei  ibr^  acbley 
Ifiederkunft  meinen  BeisUnd.  Ihre,  fruberen  Geborten  waren 
regelmiaoig  Teriaufmi,  nur  die  erste,  angeblich  wegen  Wehen- 
scfawicfaey  mit  Bflire  der  Zange  beendet  Immer  sind  lebende 
Kinder  gi^oren,  nor  eins  davon  in  den  ersten  Monaten  an 
^Rrimpfen''  gestorben!  Die  Scbwangerscbafien  waren  immer 
einfaclie,  eliensowenig  hat  die  Mutter  der  Frau  oder  eine  ihrer 
iwei  Sehwestem  Zwilling«  lur  Welt  gebracht.  Mitte  August 
1860  iBi  die  Frau  xum  letzten  Mal  menstruirt  gewesen,  (die 
Schwan^sehaft  hal  also  fast  ihr  gewöhnliches  Ende  erreichl), 
di«  ftindesbewegOBgen  wurden  aur  gewohnten  Zeit  fühlbar 
und  bald  darauf  stellten  sich  mancherlei  Beschwerden  ein: 
Kunathoiigkeit,  Uidiehölffichkeit  beim  Geben,  Unmoglicbkeil 
auf  den  Seifen  zu  liegen,  die  Fasse  sehwdlen  an  und 
crreidten  im  neunten  Monate  eine  solche  Höhe,  dass  die 
Sdiwangere,  wenngleich  mit  grösstem  Widerstreben,  genötfaigt 
war,  ihr  Geschift,  sie  ist  eine  Hökerin,  liegen  zu  lassen,  und 
die  ganze  Familie  nor  auf  den  kargen  Verdienst  des  Mannes 
angewiesen  war.  Während  der  letzten  viersehn  Tage  haben 
jene  Unbequemlichkeiten  etwias  nachgelassen,  die  Frau  sas« 
wieder  mit  ihrem  Krame  anf  dem  Markte  und  wurde  auch 
heute  frAh  dasdbst  durch  den  Abgang  von  Fruchtwasser 
Abenvschi,  da  sie  ihre  Niederkunft  erst  in  8  — 10  Tagen  er* 
wartete»  Sie  eilten  so  rasch  als  es  ihr  Zustand  erlaubte,  nach 
Hause,  tmf  die  nöthigen  Vorkehrungen,  sclnckte  nach  der 
Hebamme  und  erwartete  jeden  Augenblick  den  Eintritt  von 
Wehen«  Diese  lieasen  aber  bis  gegen  Mittag  auf  sich  warten, 
kaoMn  seken,  waren  too  hurzer  Dauer,  aber  von  ziemlich 
fabhallem  Scbmene  begleitet,  bei  und  nach  jnler  flow  noch 


Fruchtwasser  forU    So  zog  sidi  der  Zustand  mehrere  Stunden 
hin;  die  Kreissende,   ohnehin   schon  von  heftigem  Naturell, 
durch   die  früheren  Geburten   ferwöhnt,    wurde    ungeduldig 
und  auch  die  Hebamme  theilte  letzleres  Gefühl,  da  sie  nicbi 
l>egreifen  keimte,  oder  woike-,   weshalb   BBOh   «ekrslündigeni 
Abflüsse  des  Fruchtwassers,  bei  yolisländig  erweitertem  Mutter- 
munde, die,  wenn  auch  nicht  starken  Wehen,  gar  keinen  Ein- 
fluss  auf  Vorbewegang  des  voriiegenden  Theils,  des  Sleisses, 
ausübten.     So  wurde  denn  einmflthig  beschlossen,  die  Bülfe 
eines  An|es  zu  beaübprochnB« .  Bei  der  äusseren  Uotersii^hung 
fand  ich'  doi  Unterleib  ia  einer  Weise  ausgedehnt,  wie  bi^ 
dabin  und. seitdem  zu  sehen,  mir  niobt  TeiD&nnl  wifft.  Dem 
das  Maximiim.  des  Umfanges  betrag  noch  jetzt«  naol^.  4bfluft4 
nicht  unbedeutender  Mengen Fruehlwassers  12&Cetttimeler»  0er 
Unterleib,  «ehr  in  die  Beeile  awgedelmt»  war  ohne  Thetlungdurcb 
eine  quer  oder  schief  laufende.  Furche;  die  Haut,  weicheneben 
vieleo  gtänaeoden  weissen  Narben  von  den  früheren  Schwanger* 
schalten«  sahbreiobe,  frische  röthlich -braune  Streifungen  zeigte» 
war  gieichmässigstraiT  gespannt;  der  Uterus  mit  seinem,  Grunde 
ziejutich  in  der  MitteUinie,  fast,  bis  an  die  Hersgrabe.  reichend, 
hei  Druck  etwas  empfindlich.    Die  Palpatiem  des  UnterJbibet 
war  bei  aolchen  Verbtitnissen  nkht  so  zuverlässig,  ab  sonst« 
doch  Hessen  sich  mit  ziemUcber  Sicberheit  nicht  zusünmienr 
gehörige  Kiodestbeile  unterscheiden,  indem  sowohl  zu.  beide» 
Seiten  festere  Massen  durcbfuhlbar  waren,  auch-  im  Grunde 
der  Gebärmutter  ein  Uirterer  Theil,  acbeinhar  «in  Kopf,  be- 
merkbar  war«   Kleinere  Tbeile  lieaaen  sieb  oben  rechts,  ober- 
halb jenes,  von  mir  fär  einen  Kopf  gebaltenen  Tbeiles,  welcher, 
mehr  nach  hnka  hinöberragle,  undunlenJinks  erkemei^;  Kinde»? 
bewwsgnngen  ton  der  Kreissenden  ,^m  ganien  Leibe'*  gefahb» 
aoeh  der  aufgefegten  Hand  sehr  deutlich  fttilbar«.   Die.wieder** 
l)oli  angestelte  Auskuhatien  ei^ab  Aber  de»  ganzen  Grund 
veiibneitetes  Uteringerausoh,  links  unten  ond  redits,  in. der, 
H6he  des  ganz  verstricheoen  Nabels  kindliche  Becslönei.   Die 
weitere   Untersuchung   zeigte,    bei    normalen    iuaaeren   Gc^ 
seblechMbeilen,  die  imieren  gut  zur  Gebiwl  vorbereitet 9.  des 
Huttennimd  vollständig  verstrichen,  den  Steiss  in  erster  Lsge^ 
Büebeo  naeb  vom  und.linksi»  fast  im  Baekent  deasen  Uiiler-> 
aeohnngt   wie  zu   erwarten,   ganz  regelmSssige  VeilfeMteisse 


in.    JViifci,  €leMW«ht«  •MMT  Drillihgsgebnrt«  ^ 

mmtd  der  CHtea  als  mioh  der  Form  e^ab,  siriieiid.  Bi#ie. 
mkn  EjJnaiiVUm  mA  massig  oedBoiaiös  gaschwoU^.  Dfis 
A%e9eiiibeQiideii  der  Kreisseoden  ist  uagetrAbi.  Die  •Wfjtien 
fluefaen  lang«  Paiiseo,  sind  von  kurzer  Dauer  und  in  der 
Thal  ohne  wahruehmbare  Wirkung  auf  den  voriiegßuden 
Tbefl;  sie  sind  aher  zjepiilicb  sclunerKhafl,  der  Uterus  ivii-d 
aucb  in  den  Weheopauseu  nicht  ganz  weich  und  ist,  .wie 
bereits  erwähnt,  etwas  empfindlich '  bei  Druck.  Die  Wehen 
gehören  eotscUeden  noch  der  ersten  HäUie  der  Geburl,  der 
Zeit  der  Vorbereitung  an,  denn  es  fehlen  alle  charakteristischeil 
Encheimingen  für  die  der  Vorbewegung. 

Das   Vorhandcoseiu    einer    niehrfaelien   Schwangerschaft 

konte  nach  d«>n  Resultaten  der  Untersuchung  wohl   keineiq 

Zweifei    uuterlieg/iti.     Dafür  sprachen ,    der  subjectiven   Er- 

scheimuigeti  nicht  zu  gedenken,  ausser  dem  grüssei*en  UiiifaiÄg^ 

iks  Unterleibes,  nanieutiich  die  M5gUchkeit,  nicht  zusauiUAeur 

leborige  Kiadestheile  durchfühlen  zu  können,  die  verschiedeneq 

Herztöne   und  der  Verlauf  der  Geburt«    Eine  fthnliche  Ver* 

ttg^ung   des.  Gebiirlsherganges   bei  der  Geburt  des  ersten 

Kindes^    bei  Abwesenheit   von    meichaoisclien   oder  anderen 

Ursachea  ist  durchaus  niclit  selten  und  liifft  nach   meiner 

Eriahmog  namentlich  die  erste  Hälfte  der  Geburt ,  kann  abef 

in  gleiciier  Weise  aucb  die  Zeit  der  Vorbewegung  ungewohnt 

Mch  ferJaogern«     Sie   findet  in  der  zu  grossen  Ausdehnung 

des  Utenia  durch  die  in   seiner  Höhle  behndlicheB  ContenU 

ttod  in  der  dadurch  verhinderten  Möglichkeit  desselben«  auf  die 

Brweileniog  des  Muttermundes  oder  Vorlieweguug  des  Kindes 

zu  wirkeii,   eine  gendgende  Erklärung.    Hecker  hat.  iu  der 

oeoesten  Zeit  diese  InsufiBcienz  der  Wehenthatigkeit  bei  der 

Geburt  des  ersten  Kindes    bei  mehrfacher  Schwongei*schaft 

ab  ein  Symptom  hingestdll,  aus  dessen  Auftreten  er  einzig 

und  allein  wiederholt  eine  Wahrscheinlicbkeitsdiagnese  steilen 

konnte  (Klinik  der  Geburtok.  etc.,  S.  76).    Die  ResulUle  der 

äusseren  «nd  inneren  Untersuchung  stuumten  aber  nicht  über- 

m\  nach  jener  war  zu  vernuthen,  dass  eine  Kopflage  vor- 

saoden  seia  würde,  während  diese  eine  Steisslage  ergab.   Doch 

lind  ja  Tauschuagen  bei  jener  sehr  mögUcb,  zumal,  wenn  wie 

in  gegebenen  Falle,  das  Durchfühlen  von  Kindestfaeil^n  bei  der 

Mpation  durch  die  gespannten  Bauchdecken  und  die  Einpiiiid* 


IkUreit  des  Uterus  nidit  begfinstigt  wird.     So  komte  aseh 
ich  mich  sehr  leicht  geirrt  haben.     War  Atr  letöleres  nicht 
der  Fall,  so  konnte  man  an  die  Gegenwart  eines  dritten  Kindes 
denken,  und  diese  Idee  stieg  auch  in  nur  auf^  zumal  die  un^ 
geheure  Ausdehnung  des  Unterleibes  fftr  jene  Annahme  sprach. 
Doch   da  nach  Hohl  bei  Drillingen  und  Vierüiigen  die  IM. 
nach  den  HerzschlSged  nicht  zu  bestimmen  ist,  wie  er  selbst 
es  in  zwei  Fällen  erfahren  hat  und  wir  nach  Seamoni  Kr 
die  Diagnose  von  Drillingen,  Vieriingen  etc.  kein  einziges  zu- 
veriässiges  Zeichen  besitzen,  begnügte  ich  mich  mit  dem  Ge-* 
danken  au  die  Möglichkeit  einer  Drillingsschwangersehaft  um 
so  mehr,  da  ja  mein  Handeln  nicht  von  der  Zahl  der  in- Uterus 
befindlichen   Kinder   abhangig   war   oder   sein  konnte.     Der 
Kreissenden,  die  selbst,  ich  muss  sagen,  Zwilhnge  förchteCe, 
verschwieg  ich  allerdings  nicht,  da^s  diese  ihre  BefQrßhtttiig 
wohl  zur  Gewissheit  werden  würde  und  liess  von  einer  Ver- 
wandten noch  mehr  Kinderzeug  herbeischaffen.    Activ  in  das 
Geburtsgeschäft  einzugreifen,  hielt  ich  durchaus  fükr  unzulässig, 
ich  verordnete   nur    in   Rficksidit   der   Wehenthätigkeit  und 
Empfindhchkeil  des  Uterus  einige  Dosen  Borax  mit  P.  Ipe- 
cacnanha  opiatus.     Diese  wirkten  in  günstigster  Weise.    Die 
Wehen  verloren  an  SchmerzhafUgkeit,  gewannen  an  Häufig- 
keit und   Stärke   und  in  einer  Stunde,  Nachmittags  4  Uhr, 
wurde  das  Kind  in  erster  Steisslage  ohne  Beihülfe  der  Kunst 
geboren.    Es  lebte,  war  weiblichen  Geschlechts,  mit  den  Zeichen 
der  Reife,   5  Pfund  10  Loth  schwer,  48  Centimeter  lang; 
die  Kopfdurchmesser  beüugen  3V/,  4V/,  4%^  der  Schädel- 
umfang  34  €entimeter.    Die  nun  angestellte  Untersuchung  liess 
über  die  Gegenwart  noch  zweier  Kinder  keinen  Zweifel  auf- 
kommen.  Die  äussere  ergab  den  Umfang  des  Leibes  110  Conti* 
raeter;  links  seitlich  eine  festere  Slasse,   welche  als  Rücken 
angesprochen  werden  musste,  desgleichen  rechts,  mehr  nach 
der  vorderen  als  seitlichen  Wand  des  Uterus,  und  im  Grund, 
etwas  nach  links  hin,  ein  harter,  voluminöser  Theil,  der  um 
so  ^sicherer  für  einen  Kopf  gehalten  wurde,  als  die  wegen 
hohen  Standes    mit  halber  Hand  angestellte    innere   Unter- 
suchung, als  vorliegenden  Theil   mit   Sicherheit  einen  Kopf 
erkennen  Hess.    Jetzt  war  auch  eine   von  links  oben  nach 
rechts  unten  laufende  Furche  schwach  augedeutet.    Die  Herz- 


Bl.    M¥miÄ6,  ^eteMebU  einer  DriHiiigsi^biire.  ^ 

Um  wand  noch  an  dersebeo  Stelle  wie  zuvor,  zu  Mrea, 
ifaick  Unke  eine  Hand  breit  unter  dem  Nabel,  reolits  in 
ifer  Hfthe  desselben.  Die  Wahrscheinlichkeit  sprach  also 
Mv,  dass  das  dritte  Rind  sich  wieder  in  einer  Beckenendlage 
tsr  Gebort  sielten  wfirde.  Ich  hielt  es  nun  für  meine  Pfficbt, 
die  Kreis8c»de  ond  die  Angehörigen  von  der  in  Auseicht 
liehenden  starken  Vennebrnng  der  Familie  in  Keunlniss  zu 
sdaen;  der  Mann  schflttelte  stumm  das  Haupt,  die  Schwester 
weinle  bkteriieh,  und  wunderbar  genug,  die  Kreissende,  welche 
sich  Tor  Zwillingen  gelttrchtet,  freute  sich  auf  DrilHnge  und 
war  angstlich  besorgt,  ob  auch  alle  am  Leben  sein  worden. 
(Ne  Gdburt  des  zweiten  Kindes  erfolgte  gleichfalls  durch  die 
Fbtorkrifle  allein  und  zwar  11  Uhr  Abends,  also  sieben 
Stunden  nadi  der  Geburt  des  ersten  Kindes,  in  erster  Scheitel*- 
bemdage.  Audi  bei  dieser  war  jene  oben  aAgefUtt*te  Yer^ 
iflgerong  aafflfflig.  Nach  fAnfstundiger  Ruhe  begannen  gegen 
9  Uhr  Abends  die  Wehen  von  Neuem  und  traten  wieder  in 
nemlich  langen  Pausen  auf,  so  dass  erst  nach  10  Uhr  die 
Blase  sprang  und  der  Kopf,  der  bis  dahin  ziemlich  hoch 
«tehe»  geblieben  war,  nun  in  das  Becken  herabtrat  und 
gegen  10  Uhr  zum  Durchschneiden  kam.  Das  geborene  Kind 
Mite,  war  abermals  ein  M9dchen,  vollständig  reif,  10  LoA 
idiwerery  als  seine  ältere  Schwester,  nämlich  5  Pfund  20  Loth; 
SOCentimeter  hng,  die  Kopfdurchmesser  betrugen  SVa»  ^Vs»  &^ 
der  Scfaftdelumfang  36  Centimeter.  Die  Nabelschnur  wurde  mit 
blauen  Bändchen   unterijunden    und   das  Kind  durch 

Schleifchen  gleicher  Farbe  gekennzeichnet  Der  Uterus 
lag  nun  mit  seinem  Fundus  bedeutend  nach  der  rechten  Seite 
hinüber,  aber  der  von  mir  vorher  daselbst  iür  den  Kopf  ge* 
hdtene  Theil  war  nicht  mehr  aufzufinden.  Viehnehr  ergab 
die  Untersuchung  Rücken  links,  kleine  Theile  oben  rechts, 
Herztöne  links,  kurz  und  gut  alle  Zeichen  einer  ersten  Sdieitel- 
beinslage.  In  der  That  lag  auch  der  Kopf  und  zwar  in  erster 
Scheilelbenislage  vor  und  war  das  Hinterhaupt  nach  der  linken 
Seite  ausgewichen,  so  dass. die  grosse  Fontanelle  in  der 
Ptthnmgslinie  des  Beckens  zu  fQhlen  war. 

Idi  hatte  mich  also  entweder  wiederum  geurt,  wenn  ich 
voriwr  den  Kopf  im  Grunde  zu  ftihlen  glaubte,  und  eine 

lli|itMthr.f.Oebartek.  1S68.   B4.  ZZL,  Hft  1.  6 


TäiMcbung  i«t  ja  hierbei  imiQer  oiuglich.  ^«%2  bat  also  w<)U 
Recht,  wenn  er  von  der  Unmöglichkeit  der  Erkennung  des 
Kopfes  bei  starken  Bauchdecken  und  Uteruswandungen  spricht 
und  sagt:  „Wenn  daher  Seanzoni  in  seinem  Lehrbucbe 
^hauptet,  dass  eine  runde,  feste  voluminöse  Kugel,  iro  Gebär- 
muUergrunde  gelagert,  keinen  Zweifel  über  die  Steisslage 
zulässt,  so  müssen  wir  unsere  Schüler  vor  dieser  Zweifellostg- 
koit  warnen/'  Oder  es  lag  vor  der  Geburt  des  zweiten  Kindes 
das  dritte  wirklich  in  einer  BeckenendJage  und  dann  musste 
eine  vollständige  Umdrehung  desselben  stattgefonden  haben, 
die  durch  die  grosse  Beweglichkeit  desselben  in  dem  stark 
ausgedehnten  Uterus  ermöglicht  und  begünstigt  worden  war. 

Dass  derartige  Lageveränderungen  wirklich,  und  ;Kwar 
öfter,  vorkommen,  als  man  gewöhnlich  anzunehmen  geneigt 
ist,  beweisen  *die  Mittheilungen  Hecker's  über  diesen  Gegen- 
stand (a.  a.  0.  S.  16 — 24),, wo  unter  anderen  ein  Fall  mit- 
getheilt  ist,  in  dem  man  während  der  Geburt  die  vorliegenden 
Füsse  bequem  betastet  hatte,  das  Kind  aber  dennoch  in  einer 
Kopflage  geboren  wurde. 

Die  fehlerhafte  Kopfstellung  wurde  sehr  leicht  mitteis 
Einstellung  durch  äussere  HandgrilTe  gehoben,  die  Blase  ge- 
sprengt, worauf  der  Kopf,  bei  leidlich  guten  Wehen,  im  Quer* 
durchmesser  bis  auf  die  Bodentheile  des  Beckens  trat.  Als  er 
hier  einige  Zeit  stehen  blieb  ohne  die  Drehung  mit  der  kleinen 
Fontanelle  nach  vorn  zu  machen,  die  Wehen  auch  an  Stärke 
verloren,  legte  ich  gegen  1  Uhr  Nachts  die  Zange  an  und 
entwickelte  mit  drei  Tractionen  das  dritte  Kind.  Auch  dieses 
war  ein  lebendes  Mädchen,  kleiner  und  schwächer  als  seine 
Geschwister;  es  wog  5  Pfund,  war. 48  Cenlimeter  lang,  die  Kopf* 
durchmesser  betrugen  37«,  4«  47,",  der  Schädelumfang  32  Centi- 
meter.  Die  Nabelschnur  wurde  mit  .einem  weissen  Bändchen 
unterbunden,  das  Kind  durch  ein  Schleifchen  von  derselben 
Farbe  bemerklich  gemacht  Bald  nach  der  Geburt  des  dritten 
Kindes  stellten  sich  Nachgeburtswehen  ein,  es  erfolgte  die 
gewöhnliche  Blutung  und  ich  schritt,  da  damals  die  Crede^sche 
Methode  noch  nicht  bekannt  war,  zur  Entfernung  der  Placenten 
in  alter  Weise.  Ich  ergrilf  zunächst  den  Nabelstraiig  des 
ersten  Kindes,  kenntlich  an  der  gewöhnlichen  rotben  Ligatur 
und  da  bei  leisem  Zuge  an  demselben  die  Placenta  zu  folgen 


m.    JWmic,  GMeUehto  einer  PHllingtgebort. 

sdMeo,  gkig  ich  mit  der  anderen  Hand  ein  ond  entfernte 
mit  Leichtigkeit  die  in  der  Scheide  liegende  Nachgeburt.  Diese 
war  Ton  gewöhnlicher  Grösse,  mehr  in  die  Dicke  als  Breite 
eotwickelt,  1  Pfund  schwer,  mit  excentrischer  Insertion  des 
Nabelstrangs.  Darauf  ergriff  ich  die  Nabelschnur  des  zweiten 
Kindes,  ging  an  ihr  in  die  Scheide  ein  und"  versuchte  auf  ge- 
vehDiiche  Weise  die  Placenta  zu  entfernen.  Da  diese  aber 
noch  zum  Theil  im  Muttermunde  lag,  fährte  ich,  statt  ver- 
geblicb  mit  zwei  Fingern  lange  zu  manövriren  und  Schmerzen 
m  roadien,  die  halbe  Hand  ein  und  kam  so  leicht  und  rasch 
zoni  Sele.  Diese  Placenta  gehörte  den  beiden  letztgeborhen 
Sindem  gemeinsam  an,  war  mehr  ovaler  Gestalt,  hatte  ein 
Chorion  und  eine  doppelte  Araniosfaöhle;  sie  wog  IVs  Pfund, 
Reebnet  man  för  jedes  Kind  1  Pfand  Fracbtwtsser,  so  bat 
die  Frau  zusammengenommen  21 V2  Pfund,  allerdings  keine 
leichte  Börde,  mit  sich  herumgeschleppt  Vom  Eintritt  der 
ersten  fühlbaren  Wehen  an  gerechnet  bis  zur  Beendigung  der 
Nachgeburtsperiode  hatte  die  Geburt  circa  13  Stunden  ge- 
dauert Als  nun  die  drei,  wirklich  netten  Mädchen,  von  denen 
jedes  manchem  Bnzig-gebornen  nichts  nachgab,  der  Reihe 
nach  der  Matter  gereicht  und  von  derselben  unter  Thränen 
geküsst  wurden,  dachte  ich  lebhaft  an  die  herrlichen  Worte 
des  trefflichen  Beer,  dass  jede  Gebärende  im  Webendrange 
me  Heldin  im  edebten  Sinne  des  Wortes  werde  und  auch 
eben  solche  Mutter  sein  würde:  „nisi  puerperam,  dum  primum 
ohimmnque  fortasse  osculnm  nato  figit,  tristis  saepe  inter 
iaerimas  cogitatio  subiret:  Ad  quid  te  peperi!'* 

Das  Wochenbett  verlief  ohne  Störung,  trotzdem  die  eigene 
sinnige  Frau  nur  mit  Mähe  und  Noth  vier  Tage  im  Bett  zu 
erhalten  war.  An  den  Kindern  bewahrheitete  sich  die  alte 
Erfahrung,  dass  Drillinge  selten  am  Lieben  bleiben.  Denn  das 
Drittgeborne  starb  drei  Wochen  alt,  das  Erstgeborne  in  der 
sechsten  Woche,  nur  das  Zweitgeborne  stärkste  Rind  blieb 
MH  Leben,  gedieh  vortrefflich  und  ist  zur  Zeit  für  sein  Alter 
sehr  kräftig  entwickelt. 


6* 


M  IV.   MötiMB  tLUM  der  Jo«fa«l-UtMr»«^. 


IV. 

aus  der  Journal -literatar. 


Klßb:   Anatomiiohe  StndieD  über  Peritonitis. 

Nech  einer  knrsen  Bespreehnng  der  ▼erachiedenen  Stellen 
der  BeckenorgAne,  aa  welchen  Peritonitis  noh  sn  entwickeln 
pflegt,  sowie  der  Ansgänge  dieser  fintsiindnngen,  beeehrelbt  Verl 
eine  von  ihm  gefundene  eigentbümliche  Stmctnryerftnderang  des 
Uteras  nach  Perimetritis.  Die  periphersten  Maskelfssern  des 
Uterns  findet  man  bei  frischer  Perimetritis  oft  in  einer  siemlichen 
AiHidehnnDg  tbeils  trflbe  and  vergrössert,  Ton  feinkörnigem  Inhalte, 
oder  aber  in  deutücber  Verfettung  nnd  twar  raanohmal  in  vb«c» 
rasohend  bedentendem  Grade.  In  einseinen  Fällen  erstreckt  sieh 
die  Fettmetamorphose  über  2  Linien  tief  in  das  Uteringewebe 
hinein  und  swar  am  deutlichsten  am  Gründe  der  Gebärmatter.  Es 
stellt  dieser  Befand  eine  vollkommene  Analogie  za  Virehmo^s 
Beschreibung  der  acuten  Fettmetamorphose  des  Herafleisches  bei 
Perlearditis  dar.  Mit  diesem  Zustande  von  trüber  SehwelkiAg 
und  Fettumwandlung  scheint  dem  Verf.  ein  anderer  Beftind  im 
Zusammenhange  su  stehen,  nämlich  dass  er  in  mehreren  Fällen 
▼on  spontaner  Ruptur  des  meistens  sehr  massigen  Uterus  eine 
gans  deutlich  und  scharf  abgegrenste  subperitonäale  Rinden^ 
schichte  von  einer  bis  swei  Linien  DIeke  fand,  welehe  sich  durch 
ihre  Dichte  und  SUihigkeit ,  durch  ihre  blassgraue  Farbe ,  deutlieh 
Ton  der  übrigen  Uterusmuskulatnr  abhob;  beim  Durchschnitte 
blieb  diese  Schichte  starr  und  prominirte  deutlich  und  oft  sehr 
bedeutend  über  die  sich  noch  einigermaassen  retrahirenden, 
muskulösen I  inneren  Uterusschichten;  die  mikroskopische  Unter- 
suchung dieser  Rindenschichte  ergab  immer  ein  sehr  bedeutendes 
Ueberwiegen  des  Bindegewebes  über  die  Muskelfasern,  ja  nnnh 
aussen  hin  waren  die  letsteren  gans  geschwunden  und-  dureh 
ein  sehr  dicht  verfilstes,  kemarmes  Bindegewebe  substituirt. 
Immer  waren  neben  diesem  Befunde  auch  die  Reste  einer 
vorausgegangenen  Perimetritis  in  Form  von  Pseudomembranen 
SU  finden. 

Y%rt,  nimmt  demnach  an;  dass  bei  der  Perimetritis  die  a»- 
grensende  Muskelschicht  häufig  auf  dem  Wege  der  trüben 
Schwellung  und  Verfettung  lu  Grunde  gehe,  und  dass  sich  die 
im  Gefolge  der  entsündlichen  formativen  Reiiung  entwickelnde 
peritonäale  Bindegewebswucherung  auch  auf  das  subserüse  und 
peripherische  Bindegewebe  des  Uterus  erstrecke,  dass  femer 
.  diese    Bindegewebswucherung    eine    Art    derber    incontractiler 


IT.    Noilsen  «lu  der  JoVfnal  •  Literatur. 


des  Uten»  bilde ,  welche  wKlireiid  der  Sehwangei 
•dball  aa  der  HaeseDiiinahine  des  Utenm  Tbell  tiimmt. 

(Wiener  aiedie.  Woehenselirift,  1862»  No.  48,  49.) 


m»:  Drei  FSlle  Ten  Raptnr  des  Uteras. 

1.  Nach  leichter  Geburt  des  Kindes  ging  die  Nacbgebnrt 
sieht  ab,  Angst,  Aaftreibang  nnd  Schmershaftigkeit  des  Leibes, 
UriBTerfaaltang,  Kälte  der  Extremitftten ,  aashafter  Oemch  stellten 
■ich  ein.  Der  am  Tierten  Tage  gerufene  Geburtshelfer  fand  die 
inaeren  Geschleehtstheile  brennend  heiss,  den  Muttermund  weit 
geolBset,  die  Placenta  auf  der  hinteren  Wand  der  Gebärmutter 
feataitsend,  gleich  daneben  eine  mehrere  Zoll  lange  Ruptur  der 
letsteren,  durch  welche  ein  Dannoonvolnt  Torgefallen  war.  Bei 
4«iB  fruchtlosen  Yersnchen,  die  Nachgeburt  au  lösen,  fielen  die 
Dftnoe  in  Masse  vor;  der  Arst  suchte  sie  yergeblich  au  reponiren 
■ad  —  schnitt  sie  sodann  mit  der  Scheere  ab.  38  Stunden 
daraof  starb  die  Wöchnerin.  Durch  die  Seetion  wurde  ausser  dem 
Fehlen  der  betreffenden  Darmpartie  eine  2'/^  Zoll  lange,  mit 
wnlstig  aufgeworfenen,  dunklen  Bändern  Tersehene,  bis  nach 
dem  Halse  verlaufende  Ruptur  an  der  hinteren  Wand  des  Oebir- 
oMitlerkdrpers  constatirt;  die  Dicke  der  lettteren  verjfingte  sich 
gegen  die  Ruptur  hin  von  Vt  ^^^  *^^  ^  Linien.  Die  Frage ,  ob 
sehen  vor  Eintreffen  des  Geburtshelfers  der  Uterus  gerissen  was» 
nnd  ob  der  Tod  auch  ohne  das  kunstwidrige  Verfahren  desselben 
•rfalgt  sein  wfirde,  konnten  nicht  mit  Bestimmtheit  beantwortet 
werden. 

2.  Bei  einer  schon  fBnf  Mal  ohne  Knnsthfilfe  entbundenen 
OebSrenden  war  plötslioh  Ohnmacht,  Blässe,  heftiger Leibschroem, 
AttIhSren  der  Wehenth&tigkeit  eingetreten.  Der  dasu  gerufene 
Arst  fand  das  Gesicht  bleich ,  die  Lippen  blänlich ,  den  Puls  kaum 
flbibar,  den  gansen  Körper  kalt.  Die  Frau  war  theilnahmlos, 
klagte  nur  über  heftigen  Durst  und  Leibsehmers.  Keine  PStaU 
tSne.  Beim  Anlegen  der  Zange  an  den  vorliegenden  Kindeskopf 
stSrate  eine  Masse  schwararothen  Blutes  aus  den  Geschlechtstheilen 
berana,  die  Gebärmutter  aog  sich  kugelförmig  tusammen.  Es 
wurde  Austritt  des  Kindes  in  die  Bauchhöhle  vermuthet,  die 
Zange  abgenommen.  Nach  einer  Stunde  Tod  der  Frau.  Bei  der 
Seetion  ergab  sich  Austritt  des  reifen  Kindes  sammt  der  Placenta 
in  die  Bauchhöhle ,  in  derselben  12  Unsen  geronnenen  BIntes ,  am 
Halae  der  Gebärmutter  sn  beiden  Seiten  oberhalb  des  Seheiden* 
gewölbes  und  innerhalb  der  Bauchhöhle  eine  4  Zoll  lange,  in 
querer  Sichtung  verlaufende  Ruptur;  ütenusubstans  und  Becken- 
dnreknieeaer  normal;  Hyperiimie  dar  harten  Hlrnhant  und  des 
gteeaVn  Oehlms.  -^  Das  Königi.  Prenss.  Medielnal-CoHagitem  der 


70  I^'    Kolltea  MS  der  Jonnxil'UMratvf. 

Provim  Sachsen  entsobied,  dass  die  Rtiphir  bereits  vet  AtAmtak  d*6 
Geburtshelfers  eingetreten  war,  und  wurde  die  Okiterlaosnng  de« 
Baacbschnittes  in  Bficksicfat  anf  Beffirwortnng  soIebiBr  dnrch 
gebnrtshülfliche  Antoritäten  (Denmafif  OnaTider)^  sowie  anf  den 
Anstritt  der  Placenta  in  die  Banchhöhie  nicht  ais  Knnstfehler 
betrachtet. 

3.  Enrie  Zeit  nach  regelmKsaiger  Geburt  des  Kindes  ging: 
eine  Hebamme  behufs  der  Entfernung  der  Nachgeburt  mit  der 
Hand  in  die  Scheide  ein,  riss  die  Nabelschnur  ab  und  brachte, 
nachdem  die  Frau  einen  lauten  Schrei  gethan,  ein  CouTolnt  von 
D&rmen  herror,  Ton  dem  der  Dickdarm  abgerissen  war.  Drei 
Tage  darauf  Tod  der  Frau.  Bei  der  viersehn  Tage  darauf  yor- 
genommenen  Section  seigte  sich  ein  bedeutender  Bisa  der  Gebär- 
mutter an  der  Stelle,  wo  sie  sich  mit  dem  Scheidengewolbe 
▼erbindet,  das  Gewebe  beider  Organe  von  fester  Structnr,  Zer- 
reiasung  des  aufsteigenden  Dickdarmes,  wenig  Koth  in  dej 
Bauchhöhle.  Das  Medicinal-Colleginm  schloss  in  Anbetracht  der 
regelmässigen  Geburt  des  Kindes  und  der  normalen  Beschaffenheit 
von  Uterus  und  Scheide  eine  spontane  Ruptur  des  Frnchthaltera 
aus  und  entschied,  dass  die  Zerreissnng  der  Gebärmutter  und 
des  Dickdarmes  durch  die  Hebamme  bewirkt  war. 

(Senke*B  Zeitschr.  f.  d.  Staatsarzneikunde,  1862,  Heft  4.) 


Hugenherger:   ITterusruptur. 

Wie  E.  in  der  Sitanng  des  allgemeinen  Vereins  St.  Petera- 
bnrger  Aerite  vom  2Q.  August  dieses  Jahres  berichtete,  w'nrda 
•ine  regelm&ssig  gebaute  MehrgebXrende  nach  dreitägiger  Gebnrts- 
daner  und  nach  Abfluss  des  Wassers  in  die  SntbindnngsanstaU 
gebracht,  wo  das  Gesiebt  des  Kindes  mit  nach  hinten  gewandtem 
Kinne  im  .Beckeneingange  stehend' gefanden  wurde.  Vier  Stunden 
darauf  plötslicher  Tod  der  Frau  unter  ,  Aufbäumen  des  Unter- 
leibes **.  Nach  fruchtlos  versuchter  Zangenextraction  wurde  daa 
todte  Kind,  dessen  gerader  Kopfdurchmesser  5  Zoll  betrug, 
mittels  des  Kaiserschnittes  in  der  Linea  alba  ans  dem  an- 
•oheinend  nicht  gerissenen  Uterus  entwickelt.  Peritonitische 
Symptome  wnrden  dabei  nicht  bemerkt;  vor  Eröffnung  der  Gebär- 
mnUer  entleerten  sich  2  —  3  Pfund  seröser  Flüssigkeit  aus  des 
Bancbhöhle.  Die  Section  erwies  Hyperämie  der  Hirnhäute,  der 
Himsinns,  der  Lungen,  Leber,  Mils;  geringe  Insufficienz  der 
etwas  sklerotischen  Aortenklappen;  in  der  Bauchhöhle  kein  Blut; 
in  der  Uterinsnbstana,  dem  Promontorinm  entsprechend,  ein  Riss 
von  iVt  Centimeter  mit  merscben  Rändern  ohne  Bluterguss. 

In  einem  Shnliebea  FaUe,  den  Dr.  Sehnes  in  Arehan^lak 
baobsditefe,  war  der  Rita  dvroh  einen  Fall  anf  eina  TtBobkaate 


!▼.    NdÜSMi  am  der  Journal  •Literatur.  71 

▼fraalaMt,  dfe  Fracht  durch  jenen  ausgetreten,  nad  die  Fran  auf 
der  8laRe  rersehieden. 

Itt  aiiMni  TOB  Dr.  KetUer  ersihlten  Falle  trat  UternerQptnr 
■ft  Baebfolgendem  totalem  Austritte  der  Fracht  in  die  Bauchhöhle 
tia.     Es  ^lang,   das  Kind  durch  den  Riss  der  GebHrmntter  und 
sor  Scheide  heraus  au  entwickeln;  die  Frau  genas. 
(8t.  Fetersb.  med.  Zeitschr.,  1862,  Heft  16.) 


itobert  Bamet:    Eine    neue    Methode    zur  Einleitung   der 
künstlichen    Frühgeburt. 

Alle  bisher  gebräuchlichen  Methoden,  die  künstUohe  Frfih« 
ffebnrt  aiaBaleiton,  haben  einen  Nachtheil,  den  nftoilieh,  daM 
sich  nie  die  Zeit  auch  nur  annähernd  bestimmen  Ittssi,  in 
«olch«r  die  gewOnsohte  Wirkung  eintreten  wird;  der  Verfasser 
glaabt  nun  ein  Mittel  gefunden  su  haben,  durch  welches  dieser 
Hafihtheil  tob  nnn  an  aufgehoben,  eine  bedeutende  Schnelligkeit 
in  der  BeendigUBg  der  Geburt  eraielt,  sugleich  die  Dauer  der- 
selbea  Biit  liemlicher  Sicherheit  Toransbestimmt  und  die  ganae 
Operation  unter  die  Controle  des  Arates  gestellt  werden  könne. 

Dw  Verfasser  braucht,  um  die  wesentliche  Bedingung  aur 
Sinleitong  der  künstlichen  Frühgeburt  su  erfülleii,  einen  Kautschnk- 
cyliBder  Ton  der  Gestalt  einer  Sanduhr,  dessen  eines  Ende  in 
eine  lange,  dünne  Bohre  auslauft;  durch  dieselbe  kann  das  gaase 
Inatnunent  mit  Wasser  angefüllt  werden.  Die  Tordere  Anschwellung 
BOB  wird  Termittels  einer  Uterussoade,  deren  Spitae  in  eine  an 
der  oberen  Hälfte  des  Cylinders  angebrachte  Tasche  gesteckt 
wird,  fai  den  CerTtcalkaaal  bis  über  des  iaaereB  Muttermund 
hinanlgebracht;  der  dduBe  Theil  des  sandnhrförmigen  Cylinders 
keaai  ii^  den  Susseren  Muttermund  su  liegen,  seine  untere  An* 
sehwellnag  in  die  Vagina.  Auf  diese  Weise  wird  Tcrhindert, 
dass  nachdem  eine  hinreichende  Quantitttt  Wasser  Termittels 
einer  gewöhnlichen  Gebttrmutterspritse  injicirt  worden  ist,  der 
ganse  Cylinder  entweder  in  den  Uterus  hinein  oder  in  die 
Vagina  heranssehlfipfe.  Die  DilatatioB  geschieht  auf  diese  Weise 
iusseist  schonend  und  sehr  schnell.  Der  Verfasser  gebraucht 
su  der  Operation  drei  Terscbiedeu  grosse  Dilatatoren,  die  er 
nach  nnd  nach,  wenn  dies  noch  erfordedioh  istj  einführt»  Zur 
Torhergehenden  Ausdehnung  der  Vagina  ist  kein  besonderer 
Colpenrynter  nöthig,  sondern  einfach  einer  der  Dilatatoren. 
Treten  wHhrend  der  Erweiterung  keine  Wehen  auf,  so  ist  nach 
des  Verfassers  Bath  nur  ein  Theil  Fruchtwasser,  jedoch  Tor  der 
ToUkomseBeB  Erweiterang.  des  Mntisrmundes ,  abaulassen,  der 
DiUtBlar  aber  sofort  an  seine  frühere  Stelle  snrfiekaubringen; 
die  SBsfiefcfehliebene  Menge  Pmchtwssser  ist  für  die  Erhultnng 


73  I^-    Kotiseti  am  der  Jantnal-Lliei'atar'. 

Am  Lebenf  der  Fnicbt,  als  anoli  f8r  die  Erleiohtemttg  eiiief  M/mm, 
n5thigen  Wendung  von  grossem  Belang. 

*Der  Verfasser  tfaeilt  nitJi  Tier  Fülle  mit,  bei  welclMn  die 
compleie  Eröffnung  des  Mnttermnndes  in  iwei,  böchsten»  fttnf 
Standen  eintrat. 

(Edinbonrgh  Medical  Joamal«  Jnly  1862,  No.  LXXXV.) 


Boss».*   Viersebn  Fälle  von  Eclampsie. 

B,  beschreibt  14  FKUe  Ton  Eclampsie,  welche  innerhalb 
81  Monaten  nnter  einer  Gesammtsahl  Ton  4600  Schwangeren, 
GebArenden  nnd  Wöchnerinnen  an  der  gebnrtshfilflichen  Klinik 
in  Oras  beobachtet  wurden.  In  6  F&Uen  wurden  im  Harn« 
Faserstoffcylinder  und  Ei  weiss  nachgewiesen,  in  8  nur  Eiweisa, 
In  1  weder  Cylinder  noch  Eiweiss;  in  1  Falle  wurde  der  Harn 
nicht  untersucht.'  Oedem  der  Haut  wurde  in  8  FftlUn  wahr- 
genommen und  swar  immer  an  den  unteren  Extremitäten,  nur 
2  Mal  auch  im  Gesichte.  Die  Zahl  der  Anfalle  überstieg  8  Mal 
die  Zahl  20,  5  Mal  die  Zahl  10  und  erreichte  diese  4  Mal  nieht; 
2  Mal  blieb  die  Zahl  der  Anftlle  unbekannt.  Die  Daner  derselben 
war  2 — 6  Minuten  und  blieb  in  Tielen  Fällen  während  des  Ver- 
laufes gleich;  in  2  Fällen  nahm  dieselbe  allmälig  ab,  in  8  an. 
Das  Bewusstsein  schwand  meist  gleich  nach  dem  ersten  Anfalle 
und  kehrte  erst  naoh  dem  Aufhören  der  Eclampsie  wieder. 
Sechs  Mal  traten  die  Anfälle  ohne  Vorboten  auf,  6  Mal  gingen 
denselben  Mattigkeit,  Kopfsohmers,  Schwindel,  ausserdem  1  Mal 
Erbrechen,  2  Mal  Trübsehen,  1  Mal  Amaurosis  Torau«,  .in  2  Fällen 
konnte  darüber  nichts  In  Erfahrung  gebracht  werden.  Die  An- 
fälle traten  1  Mal  im  achten,  1  Mai  im  neunten  Sehwangersehafts- 
monate  auf,  ohne  dass  Wehen  sngegen  waren;  im  ersten  Falle 
wurde  die  Schwangerschaft  dadurch  nidit,  im  swetten  durok 
Einleitung  der  künstlichen  Frfihgeburt  unterbrochen.  In  allett 
übrigen  Fällen  hatte  die  Schwangerschaft  ihr  normales  Ende 
erreicht.  Drei  Mal  erfolgte  der  erste  Anfall  gleich  beim  Beginne 
der  Wehen,  2  Mal  während  der  Eröffnung  des  Muttermundea, 
6  Mal  während  der  Austrittsseit,  1  Mal  naoh  Vollendung  der 
Geburt;  1  Mal  war  die  Zeit  nicht  lu  ermittein.  Vier  Mal  hörten 
die  Anfälle  naoh  ToUendeter  Geburt  gans  auf,  2  Mal  wurden  sie 
sehwäoher,  3  Mal  dauerten  sie  in  gleicher  Stärke  fort,  3  Mal  nahm 
ihre  Dauer  und  Intensität  nach  der  Geburt  zu.  Geburtsanomalien 
wurden  nur  6  Mal  beobachtet;  2  Mal  frühieitlger  Blasensprung, 
|e  1  Mal  Versögerung  der  Eröffhung  des  Muttermundes  durch 
itegidität  desselben,  Conjugata  you  SV«  Zoll,  doppelte  Frueht. 
Aw  der  Anamnese  gingen  keinerlei  der  Geburt  Torausgeliende 
soUf^dliche  Momente  hervor.    Von  den  Befallenen  waren  IB  Erst* 


IV. .  NalMen  aua  der  Journal- Literatur.  78 

ftfehviacatte ,  2  hUUm  da»  M.  Jabr  noeh  aiebt  alrreiclit,  8  da«  S4^ 
1  las  MK    nbersehritten.     18  Kinder   wurden   in   regelmftasigeB 
Kifflafan,  1  Zwilling  in  einer  Steisslage  geboren.   In  dem  FaUe^ 
ve  die  .Sakwasgerachaft  fortdaaerte ,  warde  ebenfalla  eine  Kopf- 
lage gefnndaa.    Von  den  Kiodem  wurden  2  todt  geboren,    die 
ibrigen  lebten  fort,  nur  daa  au  früb  Geborene  «tarb  in  den  eraten 
Lebenetagen,    Von  den  Weibern  wurden  7  ala  genesen  entlassen, 
daTOtt  1  nnentbnnden,  1  genas  in  Krankenbause ,  6  starben,  und 
swar  alle  in  sopordsem  Zustande,  mit  Ausnabme  einer,  welebe 
ia  Kmnkenbaase   an   Peritonitis   Teratarb.     Bei   den  Sectionen 
ergab  aieh  6  Mal  exquisite  Brigbibiscbe  Erkrankung  der  Mieren, 
1  Mal  Hyperftmte   der  Meningen,    1  Mal  Hyperämie  des  Hirns 
■id  der  Meningen,  1  Mal  Hyperämie  der  Meningen  und  Oedem 
dee  OeUma,  1  Mal  Oedem  der  Meningen  und  des  Gebims;  1  Mal 
war  ein    maasenhaftes  purulentes  Peritonäalezsudat   Torbaoden, 
in  den   übrigen  6  FUlen  Lungenödem,    1  Mal  mit   tbeilweiser 
bbnllrer  Hepatisatioa.    B.  hält  sieb  ffir  berechtigt,  für  8  Fälle 
mi%  Beattnuntheit  Morbus  Brightbii   als  Ursache   der  Eclampsie 
aaannebnien;   die  gleiche  Kntstehungsweise  hält  er  in  6  Fällen 
ftr  wahraeheinlieb,  in  einem  Falle  sei  die  Eclampsie  Tielleicbl 
dnreh  einen  Ton  den  peripheren  Nerven  ansgegangenen  Beis  und 
dnreii  Reflex  Tom  Bückenmarke  bedingt  gewesen. 

Die  gebuftshulfliobe  Behandlung  gedachter  Fälle  bestand 
Ins  Einleitung  der  Frühgeburt  (1  Mal),  Colpeuryse  l2  Mal), 
Bigitaldilniation  dee  Muttermundes  (8  Mal),  Extraetioa  mit  der 
Zeage  (10  Mal),  an  den  Füssen  (1  Mal),  Perforation  mit  Kephalo- 
Ihfypaie  (1  Mal).  Die  Behandlang  der  Eelampsie  bestond  in 
Aderiäeaen  8  Mal  (1  Mal  bei  acutem  Lungenödem,  beide  Male 
ahne  Sriolg),  Chloroforminhalation  1  Mal  (ohne  Erfolg),  Opium 
als  Tf.  Opli  spL  au  Vs  Drachme  im  Klystier,  wiederholt  (7  Mal), 
gieiehaeitig  Innerlich  als  Opium  purum  lu  %  Gr.  pro  dosi  2  Mal 
(8  staiben,  4  geaaaea),  subeatanen  Iigeetioaen  von  Morphium* 
tteung  4  Mal  (8  starben,  8  genasen),  Eisfemeatea  und  kalten 
Begiesanngen  auf  den  Kopf,  säuerlichem  Getränke  in  allen  Fällen, 
8  Mal  aliein  (alle  8  genasen). 

(Bpitals-Zeltnng,  1862,  Ne.  88,  40,  42,  a.) 


OUrt:  Eclampsie  während  einer  Zwillingsgebnrt, 
BeckenTcrengerung,  Cterusstrictur  und  Plaoenta-r» 
retention. 

O*  wnide  wegen  aögemder  Geburt  au  einer  26jährigen 
iMtgebärenden  gerufen,  welche  am  regelmässigen  Ende  der 
Üshwenfataehalt  gkaad  und  immer  gesund  gewesen  war  bis 
stechende  BehaMiaen  im  linken  Hypoohondrium,  die  sie  seit 


74  I^'   Hotfien  aoB  d6r  Journal -Literslar. 

fanften  Monate  öfters  ▼erspttrt  hätte.  Er  fand  die  Geb&rende  to« 
hoher  Statur  und  krHftigfem  Kf^rperbnue,  die  Hüfteil  schmal,  deti 
Unterleib  sehr  stark  ausgedehnt,  riugs  um  den  Nabel  F5talt8fte} 
den  Muttermund  —  nach  iweit&giger  Webendauer  —  kaum  t  Zell 
im  Durchmesser,  mit  glatten,  gespannrten  Rändern,  die  Blaa« 
OTal,  nach  rückwärts  Tersogen,  in  und  ausser  den  TiertelstflBdlieh 
eintretenden  Wehen  gespannt.  Ueber  die  Eindeslage  komite 
nichts  Bestimmtes  ermittelt  werden.  Acht  Stunden  darauf  traten 
eclamptische  Anfiilte  mit  Verlust  des  Bewosstseios  und  des  8eb*> 
Termögens  ein.  Der  Harn  enthielt  Elweiss.  Die'  Gebart  w«r 
nieht  weiter  fortgeschritten,  die  WeheathStigkeit  sohwäeher  ge- 
worden. 0.  sprengte  nun  die  Blase,  worauf  sieh  der  Unke  Fusa 
mit  der  Hacke  nach  hinten  stellte.  Nach  Antiiehen  desselben 
konnte  auch  der  rechte  Fass  erfasst  und  herabgeleitet  werden; 
bei  der  wetteren  Entwickelnng  wurde  der  RQcken  naeh  vorn 
gebraoht,  der  Kopf  mittels  der  Zange  durch  den  verengten 
Beckeneingang  befördert.  Die  Fracht  trug  die  Spuren  eines 
bereits  vor  längerer  Zeit  erfolgten  Todes.  Der  Unterleib  blieb 
rechts  stark  ausgedehnt;  der  Fötalherssohlag  hörbar,  eine  aweite 
Blase  stellte  «ich*  Die  Anfälle  hatten  mittlerweile  etwas  nach* 
gelassen ,  doch  war  die  Besinnung  noch  nicht  roUständig  wieder- 
gekehrt. Nach  Einflössen  von  etwas  Wein  trat  nenerdings  ein 
über  fünf  Minuten  dauernder  heftiger  Anfall  ein.  Während  desselben 
wurde  die  Blase  gesprengt,  und  das  «weite,  grössere  Kind,  das 
sich  in  derselben  Lage  wie  das  ernte  prisentifte,  an  den  Fiiasen 
extrahirt;  der  Kopf  mnsste  auch  hier  mit  der  Zange  extrahirt 
werden.  Die  ganse  Aussiehung  war  des  verengten  Beckeneingangs 
wegen  schwierig,  das  Kind  starb  dabei  ab.  Beide  Frü oh te  hatten 
harte,  grosse  Köpfe  mit  sehmalea  Nähten;  die  sweitgeborena, 
etwas  grössere,  war  18  Zoll  lang.  Nach  der  Geburt  dcraelben 
trat  eine  ihässige  Blutung  ein,  dor  Uterus  stand  bis  an  denNahel 
und  war  massig,  aber  nngleiehförmig  zusammengesegen.  Bei 
Fortdauer  der  Blutung  und  sehr  achwaehen  Zusammen  sie  hangen 
ging  0.  naoh  einer  halben  Stunde  mit  der.  rechten  Hand  in  die 
Gebärmuter  ein,  wobei  der  Beckeneingang  als  rund,  die- Du rcH« 
messer  als  knapp  8  Zoll  betragend  erkannt  wurden.  Hoch  oben 
im  Mnttergruade  wurde  eine  glatte,  derbe,  sehr  grosse  Placenta 
erreicht,  in  der  Hohlhand  eusammengepresst  und  mit  den  Fingern 
umspannt,  konnte  aber  vom  Muttergrunde  an  einem  kleinen 
Segmente  unter  keiner  Bedingung  losgelöst  werden;  bei  dem 
Yersnohe,  dies  durah  sägende  Bewegungen  au  bewirken,  gelangte 
0.  plötxlich  wie  durch  einen  knorpeligen  Ring  am  Muttergrunde 
in  eine  iweite  Höhle,  in  welche  auch  einer  der  beiden  Nabel- 
stränge hinaufreichte;  diesen  yerfolgend-  gelangte  er  bis  sur 
oberen  Grenxe  der  Höhle,  wobei  er  durch-  ihre  dtlnne,  saok- 
{5rnrige  Wandung  den  Herssehlag  fühlen  konnte.   Naeh  Enifemnng 


4v  arUllviteD  Band  ans  dton  Qe«ebleolit»lb6il«ft  starker  BliitfliMt 
va^en   nur   tbeilWeiser  Lösung   der   im   oberan  Absobnitte  des 
Ottma  sitaenden  Plscenta.    Deravf  giDg  er  sofort  mit  der  lioke« 
HtBd  bis  in  den  Fnndns  ein,   löste  anter  Beistand  der  aneien 
•oiSselegten   rechten   die   oben   fest  aqfsitaei^dd  Placentarpartiej 
nabm  nie  m  die  velle  FaOflt  und  sog  sie  derart  herab,  dass  ibr 
der  im  nnteren  Geb&rmatterranme  befindliche  Mntterkneben»  mit 
welchem  jene  thellweise  sinsammenbing,  bis  bq  den  Gescfalechte- 
theilea  heraos  naohfolgte.  Es  seigte  sieh  dabei,  dass  beide  Placentei| 
TenetSaidig  abgegangen  waren.    Sogleich  hörte  jede  Blntung  auf. 
Die  ganse  Dauer  der  Operationen  hatte  2y,  Standen  betragen. 
Die  Bownsstlosxgkeit  lüelt  noch  24  Standen  an;   abgetsben  Ton 
einigen    clonischen    Zncknngen    trat    kein    weiterer   Anfall    ein. 
Beim  Erwachen  erfrente   sich  die  Entbundene  yollkommener  Be- 
sinnong  und  angetrabten  Sehvermögens,  konnte  sich  aber  an  den 
Hergang  der  Geburt  nicht  im  Mindesten  erinnern.    Das  Wochen- 
bett endete  mit  gKnalicher  Genesung  in  drei  Wochen.    • 
(Wien.  med.  Woehenschr.,  1862,  No.  88  u.  39.) 


B.KSkmi4:  Eine  mit  Erfolg  Torgenommene  Ovariotomie. 

Patientin  war  26  Jahre  alt,  seit,  swei  Jahren  verhelrathet 
and  hatte  seit  iVs  Jahren  die  Gegenwart  einer  bewegliche^ 
.Gesehwulst  im  Untexleibe  bemerkt:  Diese  war  eine  multilocnläre 
OTarienkyate  und  hatte  das  Abdomen  schon  auf  106  Centimeter 
Umfang  ausgedehnt.  KöberU  nahm  am  2.  Juni  die  Ovariotomie 
Tor:  er  machte  einen  9  Centimeter  langen  Einschnitt  auf  der 
Hedianlioie  in  der  Mitte  zwischen  dem  Nabel  und  den  Scham- 
beinen, dann  pnnktirte  er  den  Tumor  und  zog  ihn  ji^-  mehr  er 
sich  leerte  um  so  mehr  mit  der  Aftf«sua;'scben  Hakenzange  hervor. 
Da  die  Geschwulst  jedoch  für  die  gemachte  Incision  zu  gross 
war,  so  wurde  letztere  noch  um  3  Centimeter  vergrössert;  auf* 
diese  Weise  konnte  der  Tumor  herausgezogen  werden,  jedoch 
entstand  hierbei  ein  Eljuriss  ,in  denselben,  wodurch  eine  dickci 
albaminose  Flüssigkeit  sich  in  die  Beckenhöhle  ergoss;  diese 
mischte  sich  hier  mit  einer  grossen  Quantität  sanguinolenter 
PeritonSalflüssigkeit  und  mit  Blutgerinnsel  t  welche  durcbrissenen 
AdhKaionen  der  Ryste  in  der  Beckenhöhle  ihre  Entstehung  ver* 
dankten.  Um  den  Stiel  wurde  eine  Ligatur  gelegt  und  dann 
derselbe  ganz  nahe  am  Tumor  durchschnitten.  Nachdepa  hierauf 
die  ganze  Beckenhöhle  mit  einem  Schwämme  ausgetupft  worden 
war,  wurden  die  vorgefallenen  Darmschlingen  reponirt  und  zwei 
Ligaturen  an  Venen  angelegt.  Den  Stiel  brachte  hierauf  KSberle 
in  einen  halbmondförmigen  Ecraseur  (^craseur  semi-lunalre)  und 
sog  ihn  in  den  unteren  Wundwinkel ;  den  oberen  Theil  der  Wunde 
vereinte  er  dnrch  vier  omschlnngene  Nähte.   Die  ganze  Operation 


76  rr.   9^iea  mtti  d*r  J««iii«t- Literat«». 

daaefte  V«  8tiiii4«$  avt  der  Kyste  batleii  ridi  it  Liier  ehiM- 
bränilHeheik  Flüssigkeit  ergossen,  die  Kyste  selbst  wog  iVi  KU»- 
framm.  Der  Stiel  wurde,  vm  seine  rascbe  Potreseem  m  rer* 
bindern,  mit  Mnrias  ferri  bestriebe.n;  er  rerblieb  bis  snm  seebeten 
Tage,  im  Eorasevr,  dann  wurde  derselbe  dnrcb  swei  Sonden , 
die  an  ibren  beiden  Enden  fest  rerbanden  waren,  ersetst;  swisebea 
iienselbea  blieb  der  Stiel ,  bis  er  am  18.  Tage  abfiel.  Am  1.  Jnli 
neigte  sieh  an  der  Stelle  der  18  Oentimeter  langen  Wnnde  eine 
lineare,  4  Centimeter  lange  Karbe,  an  deren  unteren  Ende  sich 
eine  nabeiförmige  Einiiehnng  seigte.  Das  Allgemeinbefinden 
war  gut. 

(Gasette  bMomadaire,  1862,  No.  38.) 


Baker  Brown:    Resultate    toq   neunsehn  Oyariotomieen. 

In  der  Obstetrieal - Soeiety  theilt  der  Verf.  mit,  dass  tob 
19  Füllen,  in  denen  er  die  OTariotomie  ansgefQhrt  habe,  18  mit 
Genesung,  6  mit  dem  Tode  geendet  haben.  Das  Alter  der  Ton 
ihm  Operirten  rarürte  swischen  18  und  56  Jahren.  Von  den  13 
glfteklieh  Operirten  waren  8  wnter  80  Jahren,  6  darüber;  tob 
den  nqglaeklieh  Operirten  eine  im  21.  Lebensjahre,  fünf  80  und 
darüber.  Die  Dauer  der  Krankheit  war  in  den  glfickltehen  Flllen 
4  Monate  bis  6  Jahre  gewesen,  und  swar  waren  10  Im  sweitea 
Jahre;  9  waren  unverheirathet,  4  verheirathet  und  Ton  diesen' 
hatten  nur  2  geboren;  5  waren  1  bis  höchstens  8  Mal  punktirt 
worden.  Die  unglücklichen  F&lle  hatten  2  bis  10  Jahre  bestanden, 
4  waren  rerheirathet  gewesen,  davon  hatten  8  geboren,  4  waren 
punktirt  worden,  und  swar  1  bis  6  Mal.  Was  die  Beschaffenheit 
der  Geschwülste  anlangt,  so  waren  unter  den  mit  glücklichem  Aus- 
gange entfernten  Kysten  11  multiloculKre  und  2  uniloculXre,  unter 
.den  mit  unglücklichem  Ausgange  4  multiloculSre ,  jl  uniloculllre 
und  1  fester  Tumor  mit  Haaren,  der  angeboren  war.  Adhäsionen 
waren  iil  allen  Fillen  dagewesen,  ausgenommen  in  4  glücklichen 
und  1  unglOcklichen.  Die  6  TodesfKlle  traten  2  Mal  direct  durch 
den  Einflnss  der  Operation  ein,  ron  den  4  anderen  war  1  Fall, 
wo  sieh  neben  dem  entfernten  festen  Tumor  viele  andere  Organ- 
erkrankuogen  (welche?)*  gefunden  haben,  1  Fall  betraf  ein  dem 
Trünke  ergebenes  Individuum  mit  Ascites  in  Folge  einer  Leber- 
erkrankung, 2  Personen  starben  an  profusen  Diarrhden;  wobei 
ein  Mal  der  Grund  in  einem  Cancer  Duodeni  su  suchen  war. 
(Medieal  Times,  Mftrs  1862.) 


IV.    NoUmb  mm  dM  JMnuü-Litontar.  77 

T§d$i  Zwfti  FKlle  tob  OTAriotonrie. 

Eine  iOjShri^  Person  hatte  einen  OrarUltnmor ,  der  »elt 
■wei  Jahren  heetändig  wnehe,  ohne  dasi  therapeutisch  dagegen 
•ingeiehritten  war.  Bei  der  Operation  fand  man  ihn  Tom  rechten 
OTarinm  anegehend  ohne  Adhilsionen.  Die  Kranke  wnrde  die 
•rst«  Zeit  mit  Klystieren  Ton  Beef-tea  und  Brandy  ernXhrt. 
Haeh  drei  Wochen  wurde  sie  Tollstftndig  geheilt  entlassen. 

Der  sweite  Fall  betraf  eine  37j&hrige  unTerheirathete  Person, 
deren  Orarialkyste  in  den  letsten  Wochen  ungemein  cngenommen 
hatte.  Bei  der  Operation  fand  sich  der  Tom  linken  Ovarium 
anagehende  Tumor  nach  vom  mit  dem  PeritonKum  Terwachsen. 
Der  Tod  erfolgte  am  fSnflen  Tage  nach  der  Operation  an 
Peritonitis. 

(Hadieal  Times.  Hftn  186S.) 


Brmsdan    Sicks:     Verschluss     der    Vagina     nach     einfi 
schweren  Entbindung. 

Patientin,  26  Jahre  alt,  war  Tor  drei  Jahren  Ton  einem 
lebenden  Kindd  ohne  Hülfe  entbunden  worden,  nach  96 stündiger 
Geburtsdaner,  wobei  der  Kopf  12  Stunden  in  der  Vagina  gestanden 
haben  soll.  Im  Wochenbette  erkrankte  sie  an  Entsflndunge* 
enehainvttgen  der  Vagina  und  des  Uterus  mit  starkem  Eiter* 
ansflnase.  Als  sie  nach  sechs  Monaten  gehellt  war,  selgte  sich 
die  Ansflbnng  des  Beischlafes  unmöglich  und  die  Menstruation 
sehr  sehmenhaft.  Verf.  fand  bei  der  Untersuchung  die  Vagina 
bis  auf  1  Zoll  so  durch  Narben  Terschlossen ,  dass  nicht  die 
kleinste  Oel&inng  su  finden  war.  Erst  gelegentlich  der  Men- 
struation fand  man  eine  feine  Oeffhung,  die  allmilig  durch 
Sehaitl  erweitert  und  dann  ein  Bougle  eingelegt  wurde.  Unter 
Narkose  wurden  die  Narben  unter  Leitung  eines  Fingers  nach 
allen  Saiten  Torsichtlg  incidirt,  bis  man  einen  Zoll  weiter 
auf  den  gesunden  Uterus  stiess.  Nach  einer  Woche  wurde  dies 
wiederholt,  so  dass  man  swei  Finger  einführen  konnte.  Dann 
wurden  starke  Bougles  eingelegt.  Nach  swei  Monaten  war 
Patientin  so  weit  hergestellt,  dass  der  Ooltus  mügllch  war. 
(Medical  Times,  Mai  1892.) 


TS  y.    Ll«»raiar. 


V.- 
Literatur. 


Dr.  Herrn.  Franz  Naegele^  weiland  Professors  an  der  Uni- 
▼ersitKt  Heidelberg,  Lehrbuch  der  Gebnrtsfaülfe.  Fünfte 
Auflage,  den  Fortschritten  der  Wissenschaft  ent- 
sprechend bearbeitet  und  vermehrt  yoxiX>x,Wold€mar 
Ludwig  Qrenaer,  Königl.  SUchs.  Hofrathe,  Director  des 
Entbindungsinstituts  und  Professor  der  Geburtshfilfe  an  der 
chirurgisch  -  mediclnischen  Academie  au  Dresden  etc.  Mit 
31  Holzschnitten.  Mains,  Verlag  von  Victor  v.  Zobern.  1868. 
S.  XVII.  und  799. 

Das  Erscheinen  einer  neuen  Auflage  von  einem  Werke,  das 
die  Orundsfttze  nnd  Lehren  eines  nm  die  Geburtshtilfe  hoch- 
verdienten Mannes,  des  seligen  Professors  Franz  Oarl  Na€g$U, 
enthült,  ist  ein  freudiges  Ereigniss,  zumal  da  der  Verfasser 
desselben,  Herrn,  Franz  Xaegele,  ebenfalls  schon  über  ein 
Decennium  nic&t  mehr  su  den  Lebenden  gehört.  Der  Heraus- 
geber derselben,  Herr  TT.  L,  Qrenser^  ist  bemüht  gewesen, 
durch  ZnsKtze  im  Texte  und  in  den  Anmerkungen  und  durch  den 
Nachtrag  der  wichtigsten  neueren  Literatur  das  Buch  den  Fort- 
schritten und  Errungenschaften  der  Wissenschaft  allenthalben 
entsprechend  an  machen,  es  zu  vervollständigep  und  zu  ver- 
vollkommnen. Die  Anordnung  der  Lehrgegenstände  und  die 
Darstellungsweise  der  ersten  Auflage  sind  gewissenhaft  beibehalten. 

Der  Herr  Harausgeber  hat  die  vielfachen  Bereicherungen, 
die  in  den  letzten  acht  Jahren  seit  dem  Erscheinen  der  vierten 
Auflage  dieses  Werkes  der  Geburtshülfe  durch  Anatomen,  Physio- 
logen, Pathologen  und  Geburtshelfer  geworden  sind,  sorgfältig 
geprüft  und  benütst.  Berücksichtigt  wurden  die  Untersuchungen 
von  KoUiker  über  die  M.  decidua  vera  und  reflexa  (§  89  und  90), 
von  SekMUze  fiber  das  Nabelbläschen  als  constantes  Gebilde  in 
der  Nachgeburt  des  ausgetragenen  Kindes  (§  94,  Anm.),  von 
Ntugehauer  über  die  Windungen  der  Nabelschnur  (§  103),  von 
Simpeon,  Krieteller  nnd  Hecker  über  Haltung  und  Lage  der 
Fmoht  (§  128,  Anm.,  und  §  129,  Anm.  2),  von  Oassner  über 
die  Gewichtszunahme  des  Körpers  der  Schwangeren  (§  138),  von 
Ored^  fiber  die  narbenfthnlichen  Streifen  in  der  Haut  bei  Schwangern 
nnd  Entbundenen  (§  169),  von  Ed.  Martin  und  M€nt9r  fiber  die 
Einwirkungen  der  Contraotionen  des  Uterus  auf  den  Pnls  der 
Kreissenden  (§  244,  Anm.  2),  von  Simpeon  und  Goodeir,  sowie 
der  Wiener  Schule  über  die  wahrscheinlichste  Ursache  des  so 


y.    LUerAtar.  79 

4 

kiif^ftn  Votkooimuki  der  S«hii4ell«g«n  (§  26S,  Anm.  1),  too 
MuuoHf  WhiUi  Jo$.  Clafk4  und  CrsdS  ttber  die  cweekmSssii^te 
Methode  der  Entfeinaog  der  Nachgeburt  (g  841,  Anm.  1),  von 
22«efc«r  Temperatnrbeobaehtangen  bei  Wöchnerinnen  (§858,  Anm.  1), 
foD  Heeker  nnd  Qaatnef  über  Gewiehtsrerändernngen  bei  gesunden 
l^Sehnerinnen  (S  S58,  Anm.  2)  nnd  Bfaaes-  nnd  Gewieht8«> 
bestimmangen  €ber  Involution  des  Uterus  im  Wochenbette  (g  868, 
Anm.),  ¥00  Litwnann^  KiHan,  ThotncUf  VirehoWj  BreBlau,  G.Braun^ 
Lmnhlf  8toU»,  ValetU,  Meyer  ^  BOeington,  H,  Stapf  nnd  Martin 
ober  Beckenanomalien  (§§  575,  68S,  683,  686,  687,  690,  691, 
596  u.  s.  w.  nnd  Anmerkungen),  von  Heeker  über  Gomplieation 
TOD  Krankheit  mit  Schvangersehaft  und  Geburt  (§  711,  Anm.  1), 
▼OB  SokUanekif  über  Lahmung  der  Placentastelle  des  Uterus 
(§  744,  Anm.  2),  Ton  Bohitttnehy  und  Kuaemaul  über  Schwanger- 
ichaft  in  einer  rudimentär  gebildeten  Uterushälfte  (§  772,  Anm.  2) 
und  fiber  aecundftre  Seheideu-  und  Cenrical-Söhwangersehaft 
(§  775,  Anm«).  Viele  andere  Paragraphen  haben  weseniliebe 
Zus&tse,  manche  eine  Umgestaltung  erhalten. 

Der  Spondylolistbesis  ist  in  der  fünften  Ausgabe  ein 
eigener  Paragraph  (§  591)  gewidmet,  während  sie  in  der  viertett 
Auflage  nur  in  einer  Anmerkung  berührt  worden  ist. 

Der  §  733  über  fehlerhafte  Geburten  wegen  Zer- 
reissung  der  BeckenknochenTerbindnngen,  die  §§  886 
bis  839  über  die  Anästhesirung  der  Gebarenden  durch 
Chloroforminhalationen  und  die  §§  840  bis  848  über  den 
Seheintod  der  Neugebornen  sind  neu  hiningekommen.  Die 
Eilehre  gewinnt  durch  die  Figuren  au  §  86  und  §  90  an  Klarheit. 

Berücksichtigungswerth  wären  bei  Schilderung  der  Becken- 
knochen  die  Bemerkungen  Joe,  HenU^s  (Handb.  der  systematischen 
Anatomie  des  Mens<Aen ,  Bd.  I.,  Abth.  1,  S.  241)  und  G.  H,  Mejfer'u 
(Lehrb.  der  physiologischen  Anatomie  des  Menschen,  Bd.  I.,  8. 114) 
über  die  Einthellnng  in  Darm-,  Scham-  und  Sitsbeine,  wie  auch 
bei  Beacbroibung  der  wefUlehtn  lArAiio  die  Untersuchungen  der 
Herren  derselben  Ton  C  Etkhard  (Beiträge  sur  Anatomie  und 
PhTiiologie,  H.  1,  S.  1  f.)  gewesen. 

Dieses  Lehrbuch  empfiehlt  sich  durch  übersichtftche  An- 
ordnung der  Materie  und  durch  gedrängte  und  bündige  Darstellung 
der  Lehrgegenstftnde  yorsugsweise  als  Leitfkden  bei  academiechen 
Vorlesungen,  wie  auch  durch  seine  Vollständigkeit,  die  durch 
Greiiser*s  Zusätse  sehr  gewonnen  hat,  tum  Kaehsehlages  für 
Praktiker,  was  durch  das  geitauB  Bugister  erieicbtert  wird. 

Dr.  F.  L;  Feiet. 


gO  ▼.    Utofitar. 

Athen  DueelUe%:  Eiafl«««  der  Uter««-  n4  Tufcs* 
EreetioB  mnf  des  Meehsaitin««  der  'Befr«elitiiag. 
TbAie.    Stretboiirt,  1861. 

Sich  etötxend  eaf  die  B«k«npiiiiig  tob  Mom§U^  woaacli  die 
UteriageAtM  so  endea  soDeDi  dast  im  Utems  eiae  Art  ereetllea 
Oewebee  eBteteht,  eaeht  der  Verf.  ia  der  Torliegeadea  Diese  rtaUoa 
MMhsaweieea,  dmee  beim  Ceitae  durch  die  BlaUafuhr  e«  dea 
QeaitBliea  atoe  Erectioa  dm  Ute  nie  oad  der  Tabea  einträte. 
Hierdarcfa  eolle  eiae  UBfangtsoBabme  des  Utenu  and  eiae  Ver- 
grl^eeeraag  seiner  Höhle  eiatretea  (?),  nad  der  eo  eateteadeae 
leere  Baam  eolle  eiae  Avfeaugaag  dec  Sperma  bewirkea. 


VieiQt  Timotkie  Feltn:  Ueber  Terl&agerte  Schwaager- 
•ehaften.    Th^se.    Straebenrg,  1860. 

Verf.  ffihrt  ans  der  Literatur  und  aus  eigener  Beobachtuag 
Fille  an,  wo  die  Geburt  erst  am  300.  Tage  der  Sebwangerechaft 
eingetreten.  Das  Neue,  was  über  diesen  Punkt  beigebracht 
wird,  bescbr&nkt  sieb  auf  den  Vorschlag,  die  Sympbjsiotomie  (f) 
SU  machen,  wenn  die  Geburt  durch  die  abnorme  GrBsce  dee 
Kindes  bei  einem  Partus  serotinus  erschwert  sei!  Er  citirt  eiaen 
Fall  Ton  Duerimx  in  Villeneuve  sur  Lot  (Gaaette  h^bdomadaire, 
1867),  der  die  Sympbjsiotomie  gemacht  hat,  weil  die  Schultern 
des  stark  entwickelten  Kindes  nicht  folgten,  nachdem  der  Kopf 
mittels  der  Zange  entwickelt  war.    (!!) 

Q. 


BwieliticiiiiseiL 

Monatsschrift  fttr  Geburtskunde  etc.,  Band  XZ.,  Heft  6. 
Seite  889  Zeile  19  t.  o.  lies:  was  statt  noch. 


890 

9   T. 

0. 

II 

ISSft  statt  1866. 

891 

1    T. 

0. 

t 

Frage  statt  Frage  dabin. 

891 

16  T. 

0. 

9 

abnorm  statt  oberen. 

898 

9  ▼. 

0. 

n 

enormer  statt  normaler. 

896 

5  T. 

u. 

9 

S  Zoll  statt  8  Zoll. 

Ja  • 

898 

fi  ▼. 

0. 

9 

4  Linien  statt  4  ZolL 

r 


VI. 

Verhandlungen  der  Gesellschaft  für  Geburtshttlfe 

in 

Berlin. 


Sitzung  vom  11.  November  1862. 

Herr  Winckd  legt  mehrere  Schädel  von  Neugeborenen 
vor,  die  vermittels  der 

Kepfa'^lothrypsie 

zar  Welt  befördert  waren. 

Um  die  Wirkung  der  Operation  auf  den  Kindeskopi' 
kennen  zu  lernen,  genüge  es  nicht,  Versuche  an  Kindesleichen 
anzustellen,  da  ausser  der  Wirkung  des  Instrumentes  auch 
der  Einfluss  des  Beckens  maassgebend  sei.  An  den  vor- 
gelegten drei  Schädeln  sei  nun  die  Rephalothrypsie  während 
des  Geburtsverlaufes  vorgenommen  und  die  Uebereinstimmung 
iu  den  Erscheinungen  an  allen  dreien  scheine  ein  allgemeines 
Gesetz  zu  begründen.  Bei  Anwendung  des  Kephalothryptors 
werde  das  Instrument  gewöhnlich  in  mehi*eren  Durchniessern 
nach  einander  angelegt  und  das  beim  Zusammenschrauben  jedes 
Mal  erfolgende  Krachen  errege  a  priori  die  Ansicht,  dass  die 
Hehrzahl  der  Knochen  ui  kleine  Stücke  zerbrochen  werden 
müsse.  An  sämmtlichen  drei  Schädeln  erweise  aber  die 
Obduction,  dass  immer  nur  ein  Knochen,  und  zwar  meist 
je  nach  der  Lage  des  Kopfes,  ein  Scheitelbein  erheblich  zer- 
brochen und  die  ihm  gegenüberliegende  Stelle  des  Kopfes 
also  gewöhnlich  die  Basis  cranii  nur  einfach  und  unbedeutend 
geborsten  sei.  An  allen  drei  Schädeln  erscheine  aber  eine 
bedeutende  Eiiiwärtsdrückung  des  Hinterhauptbeines,  so  dass 
die    Wirkung    des    Kephalothryptors    darauf    hinauszulaufen 

MooaU4ehr.  f.  Ocbuitik.   1868.   Bd.  XXI..  Uft.  2.  6 


82  ^^*    Verbandlangen  der  Gesellschaft 

scheine,  beim  ersten  Drucke  einen  oder  unter  Umstanden 
auch  den  zweiten  Knochen  zu  zertrümmern,  bei  jeder  ferneren 
Application  aber  nur  eine  Verschiebung  säramtlicher  Knochen 
und  namentlich  des  Hinterhauptsbeines  zu  Wege  zu  bringen. 
Dass  dies  nur  möglich  sei,  indem  das  Gehirn  aus  der  Knochen- 
hölle  heraustrete ,  liege  auf  der  Hand ,  und  in  der  That  hatte 
sich  auch  in  allen  drei  Fällen  dasselbe  zum  Theile  zwischen 
Knochen  und  Galea  gedrängt.  Die  Galea  selbst  sei  aber  in 
nllen  Fällen  vollständig  unverletzt  geblieben. 

Aus  diesen  Resultaten  gehe  nun  hervor,  dass  erstens 
die  Kephalolhrypsie  die  für  die  Mutter  schonendste  Art  der 
Kopfzertrüniuiorung  sei,  da  kein  scharfer  Knochensphtter  mit 
den  Geburlswegen  in  Berührung  komme,  und  in  vielen  Fällen 
auch  die  vorhergehende  Trepanation,  um  dem  Gehirne  Abiluss 
zu  verschaflen,  überflüssig  sei,  da  dieses  sich  unter  dem 
Kephalothryplor  einen  Ausweg  unter  die  Galea  suche. 

Uebrigens  bemerke  er  noch,  dass  die  Operation  in  zwei 
von  diesen  Fällen  am  vorliegenden  Kopfe  gemacht  und  zu 
Ende  gefübrt  sei,  im  dritten  sei  sie  am  vorhegenden  Kopfe 
begonnen,  dann  aber  die  Wendung  gemacht  worden,  da 
die  Entwickelung  nicht  gelang  und  schhesslich  sei  an  den 
nachfolgenden  Kopf  der  Kephalothryptor  abermals  augelegt 
und  mit  ihm  auch  die  Entwickelung  des  Kopfes  vollführt 
worden.  ^) 

Herr  H.  Strassmann  entgegnet,  unter  den  vier  Malen, 
wo  er  bisher  den  Kephalolbryplor  angewendet,  habe  er  den- 
selben bei  vorliegendem  Kopfe  nicht  ausreichend  befunden 
und   deshalb   die  Perforation  voranschicken   müssen.     In  den 

1)  Nach  der  Verlesang  des  ProtocoUes  in  der  Sitsnng  am 
25.  November  legte  Herr  Winckel  den  Schädel  eines  Neugeborenen 
vor,  an  dem  er  erst  die  Perforation  gemacht  und  dann  den 
Kephalothryptor  vier  Mal  angelegt  hatte.  Die  Knochen  waren 
erheblich  verletzt,  in  höherem  Grade,  als  in  den  oben  be- 
aprochenen  Fällen,  indes»  zeigte  die  Dura  mater  keine  andere, 
als  die  durch  das  Perforatorium  gesetzte  Oeffnnng  in  der  grossen 
Fontanelle,  so  das»  Herr  W.  daraus  schliesst,  dass  auch  ohne 
Perforation  durch  den  blossen  Druck  des  Kephalothryptors  das 
Gehirn  spontan  in  derselben  Weise  aus  der  SchMdelhöble  aus- 
getreten sein  würde 


fttr  Gebartshülfe  in  »erlin.  83 

Patten  iodess,  wo  die  Wendung  vorangegangen  war,  sei  auch 
der  Kopf  ohne  Perforation  dem  Kephalothryplor  gefolgt. 

Herr  Martin  hält  die  Entscheidung  der  Frage,  wann 
die  Perforation  der  Kephalothrypsie  vorangehen  müsse,  für 
sehr  schwer  und  wifl  sie  hauptsächlich  durch  die  Erfahrung 
erledigt  wissen.  Nach  seinen  eigenen  Erfahrungen  könne  er 
nur  sagen,  dass  er  bei  zuletzt  kommendem  Kopfe  jederzeit 
nur  die  Kephalothrypsie  ohne  Perforation  gemacht  habe, 
schon  aus  dem  Grunde,  weil  letztere  in  diesem  Falle  sehr 
schwielig  auszuführen,  und  er  auch  olme  dieselbe  immer 
zum  Ziele  gekommen  sei.  Läge  der  Kopf  indess  vor,  so 
richte  er  sein  Verfahren  danach,  ob  er  noch  hoch  stehe  und 
die  Wendung  zulasse;  in  diesem  Falle  wende  er.  Bei  lief- 
stehendena  Kopfe  indess  habe  er  theils  die  Perforation  gemacht, 
theils  unterlassen,  ohne  zur  Zeit  jedoch  bestimmte  Indicationen 
für  das  eine  oder  andere  Verfahren  angeben  zu  können. 

Herr  Eggel  trägt  die  Krankengescliichte  einer  Frau  mit 

Ejephantiasis  vulvae 
vor. 

Die  Mitlheilung  des  folgendes  Falles  von  Elephantiasis 
der  weiblichen  Genitalien,  den  ich  als  Vertreter  des  Herrn 
Dr.  Louis  Mayer  in  dessen  Armenpraxis  -  zu  beobachten  Ge- 
legenheit hatte  und  dessen  Beschreibung  mir  derselbe  gütigst 
erlaubt  hat,  scheint  niir  durch  die  Seltenheit  dieser  Affection 
in  unserer  Gegend  gerechtfertigt  zu  sein.  Dass  die  Er- 
krankung aber  zu  den  selteneren  jedenfalls  gehört,  dürfte  wohl 
aus  der  Angabe  Scanzonfs  (Lehrb.  der  Krankh.  der  weibi. 
Sexnalorgane,  S.  522)  hervorgehen,  dass  er  sie  nur  ein  Mal 
beobachtet  habe.  In  den  südlichen  Gegenden  tritt  die  Krank- 
heit bekanntlich  bedeutend  häußger  auf,  findet  sich  aber,  wie 
BardeUben  (Lehrb.  der  Chirurgie,  Bd.  H.,  S.  281)  angiebt, 
auch  in  Norwegen  und  Esthland,  sowie  an  der  Pommerschen 
Koste  nicht  selten.  Auch  in  den  Gegenden  jedoch,  wo  die 
Elephantiasis  häufiger  beobachtet  wird,  ist  die  Erkrankung 
der  wriblichen  Genitalien  seltener. 

Der  mir  zur  Beobachtung  gekomniene  Fall  betrifil  eine 

Frau  von  38  Jahren.     In   ihrer  Jugend   ist  sie,   wie  sk  an- 

6* 


84  ^I*    Verhaiidlting^en  der  GeselUcbaft 

giebt,    stets    gesund    gewesen.     Die    Menstruation    trat    im 

17.  Jahre   ein   und   hielt   einen   vienvöchentiichen  Typus   bei 

einer  Dauer  von  vier  bis  ffinf  Tagen  regehnässig  ein.    Nach  der 

\  Yerheiratliung  im  23.  Jahre,   traten  Schmerzen  während  der 

Menses  ein,  die  in  der  Zwischenzeit  nicht  vorhanden  waren. 
Vor  etwa  10  Jahren  fiel  die  Frau  mit  einem  Waschfasse  und 
will  sich  damit  an  die  Genitalien  gestossen  haben.  Sie  hatte 
von  dieser  Zeit  an  Schmerzen  und  bemerkte  eine  Anschwellung, 
die  allmälig  zunahm.  Als  im  Verlaufe  eines  Jahres  die  Ge- 
schwulst etwa  huhnereigross  geworden  war,  suchte  sie  Hülfe 
in  der  Charite,  wurde  aber  als  unheilbar  nach  14  Tagen 
wieder  entlassen.  Die  Menstruation  wurde  nun  u'nregelmässig, 
stellte  sich  nur  alle  fünf  bis  sechs  Monate  ein  und  war  sehr 
spärlich;  Veränderungen  an  der  Geschwulst  während  der  Zeit 
der  xMenstruation  wurden  nicht  bemerkt.  Während  der  Tumor 
allmälig  wuchs,  bildete  sich  vor  etwa  fünf  Jahren  Schwierig- 
keit, den  Urin  zu  halten,  aus,  die  allmälig  zu  völliger  In- 
continentia sich  entwickelte.  Bei  Beginn  dieses  Leiden»,  also 
vor  etwa  fünf  Jahren,  will  sie  im  königlichen  chirurgischen 
Klinikum  gewesen  sein,  die  Operation  des  Tumors  soll  aber 
ebenfalls  für  unausführbar  erklärt  worden  sein. 

Die  Kranke  ist  abgemagert,  die  Bauchdecken  dünn,  etwas 
straff,  etwas  Abnormes  ist  durch  dieselben  nicht  zu  fühlen, 
an  den  Schenkeln,  namentlich  am  linken,  sind  ziemlich  starke 
Varicen  zu  bemerken.  An  den  Genitalien  hängt  eine  13,5  Centi- 
meler lange,  9,5 Ceutimeter  breite  und  eben  so  dicke  Geschwulst 
herab,  die  Aehnlichkeit  mit  einer  colossalen  Glans  Penis  hat 
Die  Oberfläche  derselben  erscheint  uneben,  von  mehr  oder 
weniger  tiefen  Furchen  durchzogen,  was  namentlich  am  unteren 
Theile  stärker  hervortritt,  während  der  obere  glatter  erscheint 
und  nur  zahlreiche  Gruben  zeigt,  die  den  Ausfülirungsgängen 
von  Drüsen  gleichen  und  in  deren  mehrere  eine  feine  Sonde 
ungefähr  1  —  1  Va  Millimeter  weit  eingeführt  werden  kann,  wobei 
eine  fettige  Masse  an  derselben  haften  bleibt.  Nach  oben  verläuft 
die  Geschwulst  mit  einem  etwa  2  Centimeter  dicken  Stiele  ohne 
scharfe  Abgrenzung  in  die  normale  Haut  des  Mons  Veneris, 
mit  dem  linken  Labium  majus  ist  sie  in  dessen  oberer  Hälfte 
verwachsen,  während  das  rechte  Labium  von  ihr  getrennt  ist, 
von  Clitoris  ist  Nichts   zu   bemerken.     Hebt  man  die  in  der 


für  Geburtshülfe  in  Berlin.  85 

Röckeniage  der  Frau  den  Aous  bedeckende  Geschwulst  in  die 
Hhe,   so  zeigt  sich  eine  glatte,  etwa  dreieckige,  etwas  ver- 
iiefte  Fläche,  zu  deren  beiden  Seiten  sich  1  —  ly^  Centimeter 
breite  fallenartige  Verbindungen  mit  den  grossen  Schamlippen 
befinden ,  die  sich  ringförmig  bis  etwa  an  den  halben  Umfang 
des  Tumors  nadi  oben  erstrecken  und  daselbst  in  demselben 
veriiereo.    Die  Verbindungsfalte  der  linken  Seite  zeigt  in  ihrer 
Mitte  eine  etwa  2  Centimeter  lange  Spalte.    Nach  unten  und 
hinlen  geht  die  glatte  untere  Fläche  in  die  vordere  Vaginalwand 
ober.    Der  Introitus  Vaginae  ist  yon  mehreren  kleineren  bohneu- 
bis  kirschengrossen  Tumoren  umgeben;  hinter  einem  quer* 
▼erlaiifenden  Wulste,  ungefähr  1  Centimeter  über  dem  dadurch 
gebildeten   scheinbaren   Scheideneingange,    liegt  die   Urethra, 
die   för  einen  mittleren  Katheter  bequem  durchgängig  ist  und 
aas   der   fortwährend  eine   ziemlich   reichliche  Menge   klaren 
Urins    abfliesst      Am   rechten   unteren   Rande    des    grossen 
Tamors   hängt    ein   5,2    Centimeter    langer,    an   der   Basis 
4,9  Centimeter,  am  unteren  Rande  3,3  Centimeter  breiter  und 
1,4  Centimeter  dicker  kleinerer  Tumor  herab;  die  Labia  majora 
sind  beide,  besonders  das  linke,  ziemlich  bedeutend  vergi'össert. 
Ad  den  inneren  Genitalien  findet  sich  nichts  Abnormes.    Der 
Uterus   steht  etwa  3  Centimeter  hoch  in  normaler  Stellung, 
die  Vaginalportion  ist  kegelförmig,  das  Orifjcium  klein,  rund, 
die  Sdüeimhaut  glatt,    ebenso  ist  die  Vagina   oberhalb   des 
Introitus  normal.    Am  Anus  sind  mehrere  Hämorrhoidalknoten 
zu  bemerken.    Die  Haut  des  ganzen  Körpers  zeigt  keine  Ab- 
normität.    Was    die   Beschafienheit   der   erwähnten   Tumoren 
betrifft,    so    sind    dieselben   von    ziemlich    fester   Consistenz, 
nirgends  fluctuirend,   die  Oberfläche  i^t  überall   von  glatter, 
wie  es  scheint,  nirgends  erheblich  verdickter  Epidermis  über- 
zogen.    Die    Geschv^lste   dürften    somit   wohl   als    partielle 
Neubildungen  von  Bindegewebe  zu  betrachten  sein,  und  zwar 
scheint  der  grössere  Tumor  eine  Degeneration   der  Chtoris 
und  der  linken  Nymphe  zu  sein,  in  welcher  diese  vollkommen 
verschmolzen  und   aufgegangen   sind;   der   an   diesen  herab- 
hängende kleinere  Tumor  ist  wohl  jedenfalls  die   degenerirte 
rechte    Nymphe.      Ich    glaube    daher    die    Erkrankung    als 
Elei^ntiasis  der  Vulva  bezeichnen  zu  müssen. 


gg  VI.    VerhandlnngeB  der  GeseUscbaft 

Das  Weseotlicbe  der  Elephantiasis  Arabum  besteht  ja 
eben  in  einer  partiellen  mehr  oder  weniger  ausgebreiteten 
Neubildung  von  Bindegewebe  in  der  Haut  und  der  subcutanen 
Gewebe.  Während  aber  die  Meisten  diese  Hyperplasie  als 
eine  selbstsländige  Erkrankung  betrachten,  nehmen  einige 
Beobachter  eine  chronische  Lymphangitis  als  die  erste  Ursache 
der  Geschwulstbildung  an.  So  bezeichnet  Barddeben  (1.  c. 
Bd.  H.,  S.  287)  die  Elephantiasis  geradezu  als  Lymphangitis 
chronica,  und  auch  die  von  Simon  (Lehrbuch  der  Haut- 
krankheiten, S.  57)  angeführte  Beschreibung  der  Krankheit 
^on  HU^Jbry  und  Rollo,  welche  sie  aui  Barbados  beobachtet 
hatten,  entspricht  ganz  dem  Bilde  einer  Lymphangitis.  Es 
kann  danach,  sowie  nach  den  Angaben  von  Hendt/,  Fttchsj 
Wiedel  (Simon  1.  c.  S.  56)  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  bei 
vielen  Fällen  von  Elephantiasis  eine  Affection  der  Lymph- 
gefasse  besteht,  ob  diese  aber  das  Wesen  der  Krankheit 
ausmacht  und  nicht  vielleicht  erst  eine  Folge  der  Bindegewebs- 
Wucherung  ist,  bin  ich  nicht  in  der  Lage,  zu  entscheiden 
In  dem  eben  mitgetheilten  Falle  ist  von  einer  Betheiligung 
der  Lymphgefässe  Nichts  zu  bemerken,  und  ebenso  ist  in  den 
Fällen  von  Elephantiasis  der  Genitalien,  welche  ich  auffinden 
konnte.  Nichts  erwähnt. 

Folgendes  sind  die  Fälle,  welche  ich  habe  auffinden 
können : 

1)  Eichard  (Arcb.  gen.  de  Med.,  1854,  Avril).  Eine 
Frau  von  23  Jahren  litt  an  ^nem  Tumor  der  äusseren 
Genitalien,  weicher  operirt  wurde;  nach  acht  Monaten  hatte 
sich  aber  der  Tumor  wieder  entwickelt  und  stellte  eine  drei- 
bis  viermalige  Vergrösaerung  der  rechten  Nymphe  dar.  Gleich- 
zeitig bestand  an  der  Urethra  eine  eben  solche  harte,  etwas 
elastische  Geschwulst 

2)  Thompson  (Monatsschr.  f.  Geburtsk.,  Bd.  VU.,  S.  487). 
Bei  einer  46jährigen  kräftigen  Frau  bestand  ein  Tumor  an 
den  Genitalien,  der  am  Stiele  einen  Umfang  von  15  Zoll,  am 
unteren  dicken  Ende  von  24  Zoll  hatte.  Nach  der  Operation, 
die  mit  dem  Messer  voUzogen  wurde,  wog  die  Geschwulst 
4  Pfund.  Sie  bestand  aus  Bindegewebe,  elastischem  Gewebe 
und  etwas  Fett.  Die  Oberfläche  war  höckerig  und  mit  Fissuren 
durchzogen. 


»r  GeburtBhiilfe  in  Berlin.  87 

3)  Breslau  (Monatsschr.  f.  Geburlsk.,  Bd.  XIL,  S.  76) 
beobachtete  bei  einer  45 jährigen  Frau,  die  an  Inconünenlia 
Diuae  litt,  einen  birngrossen  Tumor  an  der  Vulva,  der  sieb 
als  die  vefgrösserte  linke  Nymphe  erwies,  die  rechte  war 
etwa  halb  so  gross,  die  Urethra  für  den  kleinen  Finger 
zugänglich.  Nach  Entfernung  der  linken  Nymphe  mit  dem 
Ecraseur  trat  Besserung  ein,  bald  aber  vergrösserte  sich  die 
Geschwulst  der  rechten  Nymphe  und  es  trat  wieder  die 
Incontinentia  urinae  auf.  Der  Tumor  wurde  deshalb  mit  dem 
galTanocaustischen  Apparat  entfernt,  wobei  sich  jedoch  eine 
ziemlich  beträchtliche  Blutung  einstellte.  Nach  dieser  Operation 
trat  dauernde  Heilung  ein. 

4)  Abbildung  eines  Falles  von  Elephantiasis  vulvae  in 
Martin,  Atlas  für  Geburtshülfe,  Taf.  27,  Fig.  5. 

5)  Scanzoni  (Lehrb.  der  Krankheiten  der  weibl.  Sexual- 
organe, S.  522)  erwähnt  eines  in  Prag  beobachteten  Falles, 
bei  welchem  eine  Vergrösserung  der  Labien  bis  zu  der  Grösse 
eines  Maimskopfes  bestand. 

6)  Bardeleben  (Lehrh.  der  Chirurgie,  Bd.  IV.,  S.  383) 
giebt  die  Abbildung  eines  Falles  von  Elephantiasis  nach  Rigal^ 
wo  die  Labia  niajora  ebenfalls  sehr  stark  vergrössert  sind.  ^) 

Was  schliesslich,  die  Möglichkeit  einer  Operation  in  dem 
von  mir  beobachteten  Falle  betriflt,  so  glaube  ich,  dass  sie 
sich  kaum  ausfuhren  lassen  dürfte,  so  sehr  auch  die  Be- 
seitigung des  Leidens  wünschenswerth  wäre.  Denn  jedenfalls 
könnte  die  Operation  nur  in  den  krankhaft  veränderten  Theilen 
ausgeführt  werden;  es  wurde  sicherlich  eine  sehr  langwierige 
Eiterung  entstehen,  welche  die  Kräfte  der  Kranken  erschöpfen 
dürfte;  auch  ist  die  Möglichkeit  eines  ietlialen  Ausganges 
durch  Pyämie  dabei  wohl  nicht  von  der  Hand  zu  weisen. 


1)  Durch  die  Güte  dea  Herrn  Dr.  Frentztl  erhielt  ich  nach- 
träglich noch  folgenden  von  Bührig  (Deutsche  Klinik,  1851 ,  No.  42) 
mitgetheilten  ,Fall.  Bei  einem  25  Jahre  alten,  sonst  gesunden 
IfSdchen  zeigte  sich  eine  kindskopfgrosse  Geschwulst  beider  grossen 
Sebainlippen,  die  eine  warzige- Oberfläche  hatte  und  in  ülceration 
übergegangen  war.  Ausserdem  fanden  sich  an  mehreren  Stellen 
des  Korpers  dunkel  pigmentirte  warzige  Degenerationen  der  Haut 
Yor.  Die  ron  Herrn  Geheimen  Rath  Jüngken  ausgeführte  Operation 
fSbrte  die  Heilung  herbei. 


gg  VI.    Verhandlongen  der  Gesellschaft 

Herr  Lücke  spricht  sich  gegen  die  Ansicht  aus,  dass 
eine  Operation  bei  Elephantiasis  nur  im  Gesunden  gemacht 
werden  dürfe.  Erst  kürzlich  sei  ein  ähnlicher  Fall  in  der 
Langenbeck*sdien  Klinik  in  der  Weise  operirt  wbrden,  dass 
ein  Theil  der  entarteten  SteUe  excidirt  wurde  und  nach  acht 
Tagen  sei  die  betreifende  Person  mit  gut  verheilter  Narbe 
entlassen  worden. 

Herr  L.  Mayer  sagt,  dass,  obgleich  er  nicht  in  der 
Lage  sei,  die  Frage  zu  entscheiden,  ob  Elephantiasis  mit  so 
colossaler  Massenzunabme  wie  im  vorliegenden  Falle  auf  Er- 
krankung der  Lyniphgefässe  oder  auf  Hyperplasie  des  Bhide- 
gewebes  zurückgeführt  werden  müsse,  er  die  weniger  excessiven 
Hypertrophien  der  Genitalien  für  einfache  Hyperplasien  des 
Bindegewebes  halte;  nämlich  die  Hypertrophien  der  Nymphen, 
welche  nicht  nur  bei  Hottentottinnen,  sondern  auch  bei 
Europäerinnen  nicht  selten  in  beträchtlichem  Grade  beobachtet 
würden.  Er  habe  wiederholt  zur  Abtragung  derselben  mit  dem 
Messer  schreiten  müssen,  eine  Operation,  die  keine  Schwierig- 
keiten mache,  aber  öfter  von  starken  Blutungen  begleitet  sei. 
In  einem  dieser  Fälle  sei  die  eine  Nymphe  gegen  27^  ZoÜ 
breit,  IV2  Zoll  lang  und  an  einzefaien  Stellen  3  —  4  Linien 
dick,  die  andere  Nymphe  etwas  kleiner  gewesen.  Von 
Elephantiasis  sei  der  eben  von  Herrn  Eggel  vorgetragene 
Fall  der  einzige,  der  ihm  zur  Beobachtung  gekommen  wäre; 
er  würde  Bedenken  tragen,  bei  der  Ausdehnung,  den  die 
Erkrankung  hier  genommen,  einen  operativen  Eingriff  zu 
machen,  weil  sie  nach  oben  bereits  den  Hons  veneris  und 
nach  innen  den  Introitus  vaginae  ergriffen  hätte  und  durch 
.eine  theilweise  Abtragung  eine  gründliche  Abhülfe  ihrer  Be- 
schwerden nicht  zu  erwarten  sei. 

Herr  L.  Mayer  besprach  darauf  in  Bezugnahme  auf  die 
in  der  letzten  Sitzung  erwähnten  Fälle  von  Extrauterin- 
schwangerschaft,  die  dahin  einschlägliche  Literatur  der  neueren 
Zeit  und  knüpfte  daran  einige  allgemeine  praktische  Be- 
merkungen. 


für  Gcbnrtohiilfe  in  Berlin.  89 

Sitzung  vom  26.  lifoTember  1862. 

Von  Herrn  Dr.  Zander  in  Eschweiler  ist  der  Gesell- 
selJschaft  die  Krankengeschichte  eines 

schweren  Icterus  während  der  Schwangerschaft 

eingescbickt  worden,  die  demnächst  vom  Secrelär  verlesen  wird. 

Der  Fall  betrifft  eine  im  siebenten  Monate  schwangiere 
Frau,  die,  von  einer  catarrhalischen  Gelbsucht  befallen,  im 
Verlaufe  der  zweiten  Woche  der  Krankheit,  scheinbar  ohne 
alle  äussere  Veranlassung,  von  bedeutendem  Kopfschmerze, 
mehrmaligem  Erbrechen  und  vermehrten  Schmerzen  in  der 
Regio  hypochondriaca  dextra  ergriffen  wurde.  Herr  Z.  fürchtete 
bei  der  insidiösen  Natur  der  Gelbsucht  Schwangerer  eine 
Eotwickelung  der  acuten  gelben  Leberatrophie,  konnte  indess 
weder  im  Harne  noch  in  dem  nach  der  Verdunstung  desselben 
zurückbleibenden  Rückstande  Leucindrusen  oder  Tyrosinkugeln 
Dachweisen.  Der  gefürchtete  Uebergang  trat  auch  nicht  ein, 
Patientin  besserte  sich  allmälig  und  soU  zur  Zeit  auch  voll- 
ständig genesen  sein. 

Auf  Grund  dieses  Krankheitsfalles  legt  Herr  Z,  der  Gesell- 
schaft folgende  drei  Fragen  vor: 

1)  Ob   überhaupt  die  Gelbsucht  bei  Schwangeren  eine 
häufige  Erscheinung  ist; 

2)  in   wie   vielen    Fällen   unter   diesen   der  Uebergang 
in  acute  gelbe  Leberatropbie  beobachtet  ist; 

3)  unter  welchen  Verhältnissen  dieses  stattfand. 

Er  fahrt  fort:  AuffaUender  Weise  findet  sich  in  den 
Werken  über  Geburtshülfe,  soweit  ich  dieselben  nachschlagen 
konnte,  Nichts  erwähnt;  nur  Spaeth  theilt  mit,  dass  er  unter 
33,000  Schwangeren  zwei  Mal  den  Tod  in  Folge  von  acuter 
Leberatrophie  habe  eintreten  sehen.  Hätte  er  nur  bemerkt, 
wie  viele  unter  diesen  33,000  gelbsuchtig  gewesen  seien, 
so  würde  dies  für  den  praktischen  Arzt  von  wesentlichem 
Wertbe  für  die  Stellung  der  Prognose  sein. 

Herr  Dr.  Lexis  von  hier  erinnert  sich  nur  zweier  Fälle 
▼on  Gelbsucht  Schwangerer,  die  ihm  während  seiner  dreissig- 


90  ^1*    VerhandlaiiKeii  der  C^seÜBchaft 

jährigen  Praxis  vorgekommen  sind.  Beide  Frauen  leben  noch, 
und  habe  ich  sie  deshalb  persönlich  nm  Auskunft  gebeten. 

Die  eine,  Frau  P.,  wurde  während  ihrer  vierten  Schwanger- 
schaft im  vierten  Monate  derselben  gelbsüchtig  und  blieb  es 
bis  14  Tage  nach  der  Geburt,  die  zur  rechten  Zeit  eintrat 
Die  andere,  Frau  St.,  wurde  im  zweiten  Monate  ihrer  ersten 
Schwangerschaft  gelbsüchtig  und  blieb  es  drei  Monate  lang, 
ohne  zu  abortiren.  —  Einen  weiteren  todtlich  verlaufenden 
Fall  finde  ich  in  den  Mittheilungen  des  königl.  rheinischen 
Medicinalcollegiums  nach  Physicatsbericbten.  Da  das  Werkchen 
Ihnen  vielleicht  nicht  zur  Hand  ist,  so  will  ich  den  Fall 
hier  wörtlich  anfuhren. 

Acute  Leberatrophie  von  Dr.  Brandts  in  Linnich. 

„Bei  einer  im  sechsten  Monate  schwangeren  Frau  ent- 
„wickelte  sich  eine  Gelbsucht;  einige  Tage  nach  dem  Aus- 
^,bruche  derselben  tralen  plötzlich  Bewusstlosigkeit,  heftige 
„Krämpfe  und  in  Folge  derselben  bald  die  Geburt  ein.  Nach 
„derselben  steigerten  sich  die  Krämpfe  in  der  heftigsten 
„Weise,  so  dass  die  Frau  acht  Stunden  nach  der  Entbindung 
„eine  Leiche  war.  Die  Krankheit  bot  ganz  das  Bild  einer 
„acuten  Leberatrophie  dar,  und  auch  die  Section  wies  eine 
„ungewöhnlich  kleine,  erweichte  und  entartete  Leber  und  die 
„mikroskopische  Untersuchung  derselben  die  „„dieser  Krank- 
„„heit  angehörigen,  eigenthumlichen  pathologischen  Ver- 
„„änderungen**"  nach." 

Herr  Martin  bemerkt,  dass  Spaeth  allerdings  die  Zahl 
der  Icterischen  (5)  angegeben  habe.  Der  Irrthum  des  Herrn  Z. 
erkläre  sich  wohl  daraus,  dass  derselbe  den  Aufsatz  von 
Spaeth  wahrscheinlich  nicht  selbst  in  Händen  gehabt,  sondern 
nur  aus  einem  Excerpte  kennen  gelernt  habe. 

Herr  Virchow  erklärt,  dass  er,  soviel  er  sich  erinnere, 
noch  nie  einen  Fall  von  acuter  Leberatrophie  mit  tödtlichem 
Verlaufe  bei  Schwangeren  beobachtet  habe.  Ein  Fall  von 
Gelbsucht  sei  ihm  allerdings  erinnerlich,  wo  die  Obduction 
erwies ,  dass  diese  auf  einer  sogenannten  Schnörleber  beruhte, 
wo  durch  den  wachsenden  Uterus  eine  fast  vollständige  Ura- 
kiappung  der  unteren  Hälfte  der  Leber  nach  vom  und  oben 
herbeigeführt  war,  ohne  indess  die  Erscheinungen  der  Atrophie 


für  Qebartshülfe  in  Beriin.  91 

berforgerafen  zu  haben.  Alle  Beobachter  stimiiiten  darin 
Dberein,  dass  Gelbsucht  bei  Schwangeren  eine  sehr  seltene 
Erankheit  sei,  und  da  nicht  jede  aus  einer  acuten  Atrophie 
eatspringe,  so  müsse  das  Vorkommen  der  letzteren  noch 
um  so  viel  seltener  sein. 

Lebererkrankungen,  insbesondere  acute  parenchymatöse 
Hepatitis,  bei  Wöchnerinnen  ohne  Gelbsucht  seien  indess 
nicht  selten.  Man  finde  häufig  die  Leber  geschwollen  und 
bröchig,  die  Zellen  vergrössert  und  getrübt,  ähnlich  wie  in 
den  Nieren.  Eben  jetzt  herrsche  in  der  Gharite  eine  Epidemie 
von  Puerperaldiphtheritis,  wo  die  Leber  immer  bedeutende 
acate  Veränderungen  zeige,  ohne  dass  Gelbsucht  wähi*end  des 
Lebens  beobachtet  werde.  Lasse  man  eine  solche  Leber  einige 
Tage  liegen,  so  scheide  sie  reichlich  Tyrosin  und  die  der  acuten 
Atrophie  pathognomisch  zugeschriebenen  chemischen  Stoffe  ab. 

Was  die  acute  Leberatrophie  betreffe,  so  gehöre  er  hier 
zu  den  Skeptikern,  denn  zuerst  glaube  er  nicht,  dass  es  sich 
überhaupt  um  einen  ganz  acuten  Process  dabei  handele. 
Ausser  dem  Zerfallen  der  Zellen  landen  sich  Wucherungen 
ood  Verdickungen  des  ßindege wehes  und  der  Gelasse  und 
diese  deuteten  auf  einen  präexistirenden  chronischen  Process. 
Somit  scheine  ihm  die  acute  Atrophie  nur  den  Schluss  einer 
seit  längerer  Zeit  bestehenden  Erkrankung  der  Leber  zu  be- 
deuten. Dann  sei  ihm  aber  auch  sehr  zweifelhaft,  ob  die 
schweren  Zulalle  auf  die  Erkrankung  der  Leber  zu  beziehen 
seien.  Noch  immer  habe  er  gleichzeitig  acute  parenchymatöse 
Erkrankung  der  Nieren  mit  Albuminurie  gefunden,  und  so 
scheine  es  ihm  viel  glaublicher,  dass  es  sich  um  Urämie, 
complicirt  mit  Gelbsucht  handle.  Das  Gewicht,  welches  auf 
das  Vorkommen  von  Tyrosin  und  Leucin  gelegt  werde,  köime 
er  nicht  anerkennen,  da  dieselbeu  Stoffe  auch  in  vergi*össerten 
Ld)em  vorgefunden  würden,  z.  B.  bei  fieberhaften  Puerperal- 
erkranknngen. 

Es  sei  deshalb  zunächst  zu  untersuchen,  ob  sich  die 
sogenannten  Fälle  von  acuter  Atrophie  nicht  audi  als  Urämie 
aafiassen  liessen,  welche  vielleieht  erschwert  sei  durch  die 
g^ichzeitig  bestehende  Leberaffecüon;  sodann  ob  diese  Fälle 
sich  in  cbarakleristischer  Weise   von   denen   unterscheiden, 


92  VI.    Verhandinngen  der  Oesellschaft 

wo  die  Leber  ohne  Icterus  erkrankt  sei  und  gleichzeitig  die 
Nieren  leiden. 

Das  Material,  welches  bis  jetzt  vorliege,  berücksicbtige 
diese  Fragen  gar  nicht  und  sei  deshalb  gänzlich  unbrauchbar.  Er 
schlage  daher  vor,  die  gestellten  Fragen  dahin  zu  beantworten: 

1)  Dass  Icterus  eine  sehr  seltene  Erkrankung  der 
Schwangeren  und  Wöchnerinnen  sei. 

2)  Dass  in  den  schweren  und  tödtlichen  Fällen  von 
Icterus  möglicherweise  jedes  Mal  zugleich  eine 
schwere  Erkrankung  der  Nieren  bestehe  und  die 
nervösen  ZufäUe  vielmehr  dieser  zugeschrieben 
werden  müssen. 

Auf  die  Anfrage  des  Vorsitzenden,  ob  einer  der  An- 
wesenden die  Gelbsucht  bei  Schwangeren  beobachtet  habe, 
theilte 

Herr  L.  Mayer  eine  Beobachtung  mit,  welche  sich  der 
von  Virchow  erwähnten  hinsichtlich  der  Genese  anschliesst, 
insofern  es  sich  hier  ebenfalls  um  Compression  der  Leber 
durch  den  schwangeren  Utems  und  Behinderung  in  der  Eni* 
leerung  des  Gallensecrets  handele.  Es  sei  zwar  kein  Schnur- 
läppen,  aber  eine  bedeutend  vergrösserte  Leber  vorhanden 
gewesen,  deren  grosser  Lappen  mit  gewölbter  glatter  Ober- 
fläche und  scharfem  Rande  den  Rippenbogen  um  4 — 5  Zoll 
überragte,  während  der  kleine  Lappen  sich  bis  unter  den 
linken  Rippenbogen  erstreckte  und  nach  unten  fast  bis  zum 
Nabel  reichte. 

Die  Beobachtung  betrifil  eine  35jährige  Frau,  welche 
drei  Mal  leicht  geboren  und  ein  Mal  abortirt  hatte.  Seit  dem 
15.  Jahre  regelmässig  menstruirt,  sei  sie  im  18.  Jahre  in 
Folge  einer  Erkältung  an  gastrischen  Beschwerden  mit  Leber- 
affection  erkrankt,  die  einen  chronischen  Charakter  an- 
genommen und  sich  durch  wiederholte  Migräne,  Gardialgien, 
Aufstossen,  Meteorismus,  Darmkoliken  mit  galligem  Erbrechen 
u.  s.  w.  geäussert  hätten.  Die  beiden  ersten  Schwanger- 
schafteil  wie  der  Abortus  'seien  ohne  Störungen  verlaufen, 
ebenso  die  Entbindungen  und  Wochenbetten.  In  der  vor  vier 
Monaten  durch  leichte  Geburt  beendeten  vierten  Schwanger- 
schaft seien  in   der  letzten  Hälfte  vermehrte  Schmerzen   im 


für  Oebnrtahülf»  iii  BerliD.  93 

rccbleii  Hjpochondrium  eingetreten  und  drei  Tage  vor  der 
GeiNirt  ein  intensiver  Icterus,  der  zwei  Tage  nach  der  Ent- 
Undung  wieder  völlig  verschwunden  und  nicht  wiedergekehrt  sei. 

Herr  Martin  bemerkte,  dass  er  ebenso  wie  Spaeih 
die  Gelbsucht  bei  Schwangeren  für  eine  seltene  Erscheinung 
halten  roösse.  Die  bereiLs  von  Anderen  gemachte  Unter- 
scheidung derjenigen  Gelbsucht,  welche  in  Folge  von  Druck 
des  hochschwangeren  Uterus  und  von  dem  mit  Koth 
gefüllten  Dickdarm  auf  die  Gallenwege  auftrete  und  dann 
nicht  besonders  gefährlich  zu  sein  pflege,  von  einer  durch 
Erkrankung  des  Leberparenchyms  bedingten  meist  mit  Nieren- 
degeneration verbundenen  erscheine  nicht  ohne  praktischen 
Werth.  Herr  M.  erinnerte  sich  nur  folgender  drei  Beobachtungen 
des  Icterus  gravidarum,  von  welchen  der  erste  Fall  in  seiner 
Klinik  vollständig  beobachtet  wm*de,  der  zweite  nur  an  der 
Leiche  zu  seiner  genaueren  Wahrnehmung  gelangte,  der  dritte 
höchst  wahrscheinlich  von  einer  Phosphorvergiflung  herrührend 
zu  einer  Sectio  caesarea  post  mortem  Anlass  gab. 

1)  Intensive  Gelbsucht  im  achten  Schwanger- 
schaftsmonate. Geburt  eines  fast  zeitigen 
todten  Rindes.  Langsame  Genesung  nach 
Metritis  im  Wochenbette. 

PauUne  Kuenney  22  Jahre  alt,  aus  Berlin,  als  Kind 
stets  gesund  —  namentlich  frei  von  Bachitis  — ,  menstruirt 
seit  ihrem  15.  Jahre  regelmässig  drei-  bis  vierwöchentlich 
und  seit  Anfang  October  1861  zum  ersten  Male  schwanger, 
erkrankte ,  nachdem  sie  in  den  ersten  Monaten  der  Gravidität 
öfl«*  an  „Uebeikeit*"  gelitten,  Mitte  Mai  1862  unter  Uebelkeit, 
Appetitlosigkeit y  grosser  Mattigkeit,  lebhaften  Kopfschmerzen 
und  anhaltender  Obstructio  alvi  an  einem  intensiven  Icterus. 
Die  Leber  war  nicht  nachweislich  vergrössert,  die  Lebergegend 
nicht  schmerzhaft,  die  Zunge  grau  belegt,  der  durch  Clysmata 
erzielte  Stuhl  grau;  der  Urin  enthielt  sehr  viel  GallenfarbstofT 
und  die  äussere  Haut,  die  Conjunctivae,  das  Palatum  moUe 
waren  stark  gelb  geflärbL  Die  Ausdehnung  des  Leibes  war 
nicht  beträchtlich. 

Dabei  war  die  in  die  königl.  Universitäls- Entbindungs- 
anstalt aufgenommene    Gravida   vollkommen   fieberfrei;   die 


94  ^I*   Verbandhuigen  der  Gesellschaft 

Temperatur  der  Scheide  schwankte  zwischen  den  normalen 
Grenzen:  37,9 <>  C,  —  38,2 »  C.  Durch  Pulver  aus  Natr. 
bicarbon.,  mit  Cremor  tartari,  und  als  diese  nicht  hinreichend 
wirkten  durch  Calomel,  und  später  durch  ein  Inf.  cort.  Rhamn. 
frangulae  mit  Kai.  acet.  wurde  für  regelmässige  LeibesöfEaung 
gesorgt. 

Am  30.  Juni  begann  die  Wehen thätigkeit;  es  zeigte  sich 
eine  zweite  Fusslage,  zu  der  nach  sechsstündiger  Dauer  der 
ersten  Periode  bei  erfolgtem  ßlasensprunge  ein  Nabelschnur- 
voifall  trat.  Mit  dem  abfliessenden  Fruchtwasser  war  viel 
Meconium  abgegangen.  Die  aus  dem  Muttermunde  heraus- 
getretene Nabelschnurschlinge  war  fast  vollständig  pulslos.  — 
Die  eiligst  vorgenonmKUie  und  in  wenigen  Minuten  beendetr 
Extraction  förderte  ein  todtes  Mädchen  von  5  Pfund  27  Lotli 
zu  Tage.  Die  Placenta,  nach  zwei  Hinuten  herausgedrückt, 
wog  1  Pfund  5  Loth,  entliielt  eine  dicke  fibröse  Schwarte, 
ziemlich  viel  Kalkconcremente.  Die  grünlich  gefärbte  Nabel- 
schnur war  sehr  gedreht  und  mit  vielen  falschen  Knoten 
versehen.  Der  Eihautriss  dicht  am  Rande  der  Placenta. 
Der  Uterus  blieb  nach  der  Entbindung  gut  contrahirt. 

Kaum  24  Stunden  nach  der  Geburt  stellte  sich  bei  fast 
voüständig  fehlenden  Schweissen  ein  sehr  lebhaftes  Fieber 
mit  Kopf-  und  „reissenden*'  Nackenschmerzen  ein.  Dazu 
trat  sehr  bald  eine  starke  Schmerzhaftigkeit  der  Unken  Uterus- 
seite, welche  durch  acht  Blutegel  auf  die  schmerzhafte  Stelle 
und  temperirte  Umschläge  etwas  verringert  wurde.  Die 
höchst  übelriechenden  Lochien  besserten  sich  durch  Leinsamen- 
einspritzungen und  nach  Gebrauch  von  Oleum  Ricini  folgten 
mehrere  gelbliche  Stühle.  Die  gelbe  Haut-  und  Conjunctiva- 
Farbe  schien  bei  den  stärker  auftretenden  Schweissen  etwas 
geringer  zu  werden.  Am  neunten  Tage  verliess  Puerpera 
zuerst  das  ßett  und  war  auch  am  zehnten  Tage  ziemlich 
wohl.  Dann  aber  trat,  wahrscheinlich  in  Folge  einer  Er- 
kältung von  Neuem  mit  Frost  und  lebhaftem  Fieber  eine 
hohe  Schmerzhaftigkeit  der  linken  Uterusseite  ein.  Der  Uterus 
war  tiocli  immer  zwei  bis  drei  Finger  breit  über  der  Symphyse 
zu  fühlen,  seine  Rückbildung  mithin  eine  mangelhafte.*  Es 
wurdf'n  von  Neuem  Blutegel  angeordnet,  da  diese  aber  nur 
palliative  Linderung  brachten ,  die  Kranke  behufs  weiterer  Cur 


Ar  GebQrtohillfe  iB  Berlin.  95 

»D  19.  iiili  d.  J.  zur  gynäkologischen  Station  des  könig^ 
Cbantekrankenhauses  befördert. 

Am  20.  Juli  trat  daselbst  unter  gelinden  Fiebererscheinungen 
eio  Blutabgang  ein;  wobei  das  Blut  flüssig  abging  und  die 
Vermutbung  nahe  lag,  dass  die  Menses  sich  wieder  eingestellt 
häUea.  Der  Blutabgang  dauerte  zwei  Tage.  Der  Muitergrund 
itaoil  am  23.  Juli  noch  drei  Finger  breit  über  der  Symphysis 
pubis.  In  der  linken  Regio  inguinalis  fühlte  man  eine  sträng- 
förmige  vom  Uterus  ausgehende  Geschwulst,  weiche  spontan 
und  auf  Druck  sehr  schmerzhaft  erschien.  Muttermund,  eine 
Querspalte,  war  gerüthot,  Scheidentheil  ziemlich  gut  zurück- 
gebildet.  Massiger  Fluor  albus.  Die  temperirten  Wasser- 
umschlage  wurden  fortgesetzt  und  Einspritzung  von  Decoctum  lini 
nut  Bleiwasser  verordnet ,  später  auch  wiederholte  Vesicaulien 
auf  den  Unterleib  applicirt. 

Unter  dieser  Behandlung  verloren  sich  die  Schmerzen 
im  Unterleibe  und  die  Geschwulst  in  der  linken  Weiche 
bikiete  sich  vollstSndig  zurück.  Die  icterischen  Erscheinungen 
schwanden  allmälig,  doch  behielt  Patientin  einen  schmutzigen 
Teint  Am  12.  August  wurde  Pat.  als  voUkommen  geheilt 
entlassen. 

2)  Icterus  bei  einer  am  dritteuTage  des  Wochen- 
betts Verstorbeneu. 

Eine  23  Jalire  alte  Primipara  hatte  auf  der  Fahrt  zur 
Gebäranstalt  eines  Krankenhauses  in  der  Droschke  geboren, 
und  war,  als  sie  am  zweiten  Tage  von  einem  Froste  befallen 
und  imter  Fiebersymptomen  betäubt  worden  war,  auf  eine 
andere  Station  des  Krankenhauses  verlegt  worden,  wo  sie 
am  Abend  des  dritten  Tages  bewusstlos  starb.  Die  Secüon, 
welcher  Herr  if.  beizuwohnen  Gelegenheit  hatte,  zeigte  ausser 
dem  intensivsten  Icterus  Lungen  und  Herz  gesund,  die  Bauch- 
böhle  frei  von  Exsudate,  die  Leber  von  massiger  Grosse, 
gelber  Farbe,  glatter  Oberfläche;  auf  dem  Dui*chschnitte  der 
Leber  traten  kleine  hirsekorngrosse  gelbe  durch  rötlüiche 
geschrumpfte  Streifennetze  geschiedene  Körner  hervor,  die 
Gallenblase  enlliielt  wenig  grünliche  dicke  Galle;  der  Magen 
war  weit,  die  Schleinihaut  des  Zwollfingerdarms  gewulslet, 
in  der  Mündung  des  Ductus  choledochus   ein    zäher  Schleim- 


96  VI.    VerhuidliueeB  der  Geiellicbmft 

pfropf.  Die  Milz  ziemlich  dick,  gross,  derb.  Die  beiden  Nieren 
zeigten  stark  verfettete  Corticalsubstanz ,  welche  daher  blass 
matt  getrübt  von  der  Hedullarsubstanz  deutlich  abstach.  Diir 
Harnblase  war  frei,  der. Uterus  entsprechend  zusammengezogen, 
Substanz  gesund ,  Innenfläche  mit  wenig  Blutgerinnsel  bedeckt ; 
am  Halse  enthielt  ein  Lymphgefass  ein  Gerinnsel.  Die  Ovarien 
erschienen  etwas  ödematös  mit  kleinen  Eccbyroosen  am  Rande. 
Eileiter  frei.  Scheide  gesund. 

3)  Gelbsucht  einer  Hochschwangeren  durch  ein€> 
Phosphorvergiftung  bedingt.  Sectio  caesarea 
post  mortem. 

Frau  A^.,  28  Jahre  alt,  war  vier  Mal  und  zuletzt  vor 
IVs  Jahren  mit  Hülfe  der  Zange  entbunden  und  hatte  iiu 
letzten  Augenblicke  an  Uterinblutung,  sowie  später  au 
hysterischen  Zufallen  gelitten,  welche  von  einer  C^bärmutter- 
hypertrophie  herzurühren  schienen  und  deshalb  von  ihrem 
Arzte  durch  wiederholtes  Ansetzen  von  Blutegeln  an  den 
Scheidentheil  bekämpft  wurden.  In  der  gegenwärtigen 
Schwangerschaft,  welche  aus  dem  Ende  Mai  1861  datirle, 
hatte  sie,  wie  schon  früher,  viel  an  Kopfschmerz  und  Er> 
brechen  gelitten  und  sich  in  neuerer  Zeit  sehr  verzagt  gezeigt. 
Nachdem  sie  am  15.  December  heimlich  die  phosphorhaltigen 
Köpfe  von  einem  Paket  Zündhölzchen  verschluckt  hatte,  er- 
krankte sie  unter  den  Symptomen  eines  heftigen  Gastro- 
intestinalcatarrhs  mit  Fieber.  Der  behandelnde  Arzt  erfulir 
erst  am  17.,  nachdem  die  Gelbsucht  eingetreten  war,  die 
Ursache  und  forderte  Herrn  Martin  am  Vormittage  des  18., 
als  die  Symptome  einen  nahen  Tod  voraussehen  Hessen,  auf, 
den  Kaiserschnitt  zu  machen.  Herr  M,  fand  die  im  achten 
Monate  befindliche  Schwangere  intensiv  icterisch,  in  grosj$er 
Beklemmung  und  Unruhe  mit  heftigem  Durst  und  zeitweisen) 
Erbrechen  geringer  Mengen  schwärzlich  blutigen  Schleimes. 
Gloiche  Ausscheidungen  waren  auch  durch  den  Darm  erfolgL 
Puls  kaum  zu  fühlen,  Haut  an  den  Extremitäten  kühl,  mit 
klebrigem  Schweisse  b^eckL  Der  Scheidentheil  war  noch 
1  Zoll  lang  und  fest,  der  Mutterhalscanal  Hess  zwar  den 
Finger  eindringen,  bot  aber  keine  Aussiebt,  die  Entbindung 
auf  dem  gewöhnlichiTi  Wege  zu  bewerkstellig<»n.    Der  mit  dem 


ftir  Gebartshiilfe  in  Berlin. 


97 


Kaüieter   entleerte    Urin    zeigte    bei    der    Unlersuchuüg    mit 
Salpetersäure    in  der  Siedhitze  etwas  Eiweiss  und  Gallenfarb- 
stoff. —  Nachdem  Mittag  1  Uhr  der  Tod  erfolgt  war ,  vollzog 
Herr  M.    den    Kaiserschnitt    in   der   Linon   alba,    sah    dabei 
keine  Flüssigkeit  aus  der  Bauchhöhle  austreten,  fand  das  Blut 
dunkel  schwarzroth  und  flüssig.     Der  Schnitt   in   die  vordere 
Wand   der  Gebärmutter   traf  auf  den    Mutterkuchen,   dessen 
oberer   Rand    etwa    IV2   Zoll    unterhalb    des    Muttergrundes 
begann.     Nach    theilweiser  Ablösung   der   Placenta    und   Zer- 
mssung  der  Eihäute  fand  man  die  Frucht  in  erster  Schädel- 
lage, forderte  dieselbe  sofort  heraus,    konnte  aber  trotz  aller 
Belebungsversuche   den  circ^  acht  Monate  alten  Knaben  nicht 
zum  Athmen  bringen.    Die  Eihäute  waren  mit  der  Innenfläche 
der  Gebärmutter   so   hmig   verklebt,    dass   man   sie  von   der 
Wand  ablösen  niusste.    Die  vordere  Gebärmuttervvand ,  welche 
längs    der    Mittellinie  .  eingeschnitten    war,    erschien    schlaff, 
7  Linien  dick.     Nach  Herstellung  des  Verbandes  mussten  die 
Leichen    sowohl  der  Mutter  wie  des  Kindes  der  gerichtlichen 
Section    überlassen    werden;    nur   die  Nachgeburt   wurde   auf 
Phosphorgehalt  untersucht ,  ergab  jedoch  keine  erkennbare  Spur. 
Durch  die  Gute  des  Herrn  Dr.  Liman  kann  ich  aus  dem 
am  21.  December   aufgenommenen  Sectionsbefunde  Folgendes 
hier  mittheilen.    Die  Leber,  von  nicht  grösserem  Volumen  als 
gewöhnlich,  war  ockergelb  von  Farbe,   fest  in  der  Substanz, 
fettig.     Lnter  dem  Mikroskop  zeigen  sich  vielfach  freie  Fett- 
tropfen,   welche  in  den  Leberzellen  selbst  nicht  wahrgenommen 
werden    konnten.      Gallenblase    fast    leer.      Netze    fett    und 
ecchymotisch.     Der  Magen,  dessen  Aussenfläche  ausser  gelb- 
süchtiger    Färbung    und    stellenweiser    Verwesungsimbibition 
nichts  Abnormes  bietet,  ist  mit  einer  schmutzig  schwärzlichen, 
anscheinend  blutigen  Flüssigkeit  (circa  zwei  Tassen  voll)  an- 
gefüllt.    Seine  Schleimhant,   auf  welcher   einige   schwärzliche 
Gerinnsel  liegen,  zeigt  nichts  Abweichendes.    Dieselbe  schwarz- 
Oüssige  Masse  resp.  die  einzelnen  Gerinnsel  derselben  finden 
sich  auch  noch  auf  der  ganzen  Innenfläche  des  Darmcanales. 
Der  Koth  im  Dickdarme  ist  thouartig  weiss.     Die  Milz  schon 
sehr   weich.      Di|B    Nieren    sind    blutreich    und    haben    eine 
schmutzig   gelbliche  Färbung.     Die   herausgenommene  Gebär- 
mutter ist  9ya  Zoll  lang,  t>  Zoll  in  ihrem  Grunde  breit,  ihre 

lC«oaU«ehr.  f.  Oeboruk.  1868.  Bd.  XZI.,  Hft.  3.  7 


()3  ^I-    Verhandlungen  der  Gesellschaft 

Wände  sind  %  Zoll  dick;  ihre  Innenfläche  ist  durchweg  mit 
(Mner  liniendicken  geronnenen  Blutschicht  bedeckt    Harnblase 
h>er.    Hohlader  blutleer.  —  Lungen  gesund  und  blutleer.    Auf 
der   Aorta  Ecchymosen.     Herz   ziemlich  weich,   fast  blutleer. 
Das  Blut    dunkelkirschfarben   und   dünnflüssig.     Die   grossen 
Gefässstamme    leer.      LufLröbrenschleimhaut    blass ,     darauf 
Mageninhalt.     Speiseröhre   normal.     Im   Schädel   nichts   Auf- 
fallendes;  die  Dura  mater  an   der  Schädelbasis   gelb   geßrbt. 
Gehirn,  Adergeflechte,  Hirnhäute  bleich.    Blutleiter  leer.    Die 
mikroskopische  Untersuchung  des  Blutes  zeigt  nichts  Besonderes. 
Das  todt  zur  Welt  geforderte  Kind  wog  3%  Pfund  und 
war   16 V2  Zoll   lang.     Die   weiche   blutreiche   Lebersubstanz 
zeigte  unter  dem  Mikroskop  massig  viel  Fetttröpfchen.    Magen, 
Milz,  Därme  wie  gewöhnlich.    Nieren  nicht  aufTallend  blutreich. 
Harnblase   strotzend   voll  Urin.     Die  Hoblader  enthielt  wenig 
ziemlich  flössiges  Blut.    Auf  Thymus,  Lungen  und  Pericardium, 
Petechialsugillationen,  Lungen  sehr  fest  anzufühlen,  ihr  Blut- 
gehalt sehr  massig.    Das  Herz  und  die  Kranzadern  der  rechten 
Hälfte  aufTallend  viel  ganz  geronnenes  Blut  haltend;  die  linke 
Herzhälfte    leer.     Luftröhre    leer    und    normal.     Gehirnhäute 
ziemlich    blutreich;    auf   dem    Gehirnzelte    liegt    eine    dünne 
Schicht  geronnenes  Blut.     Blutleiter  leer.   —  Die  chemisciie 
finlersuchung   hat  in   den   untersuchten    Theilen    der  Mutter 
und  des  Kindes  Phosphor  nicht  nachgewiesen;  derselbe  dürfte 
auch  bereits  in  phosphorige  Säure  umgewandelt  gewesen  sein« 

Herr  Scholz  hatte  bei  seinem  früheren  Aufenthalte  in 
Breslau  an  der  dortigen  Klinik  einen  Fall  von  tödtlich  ver^ 
laufendem  Icterus  beobachtet.  Eine  bis  dahin  gesunde  Schwangere 
erkrankte  im  siebenten  Monate  an  Icterus  mit  ziemlicli  heftigen 
Schmei*zeu  in  der  Leber  und  Gelbsehen.  Am  vierten  Tage 
der  Erkrankung  verfiel  sie  in  Coma  und  gebar  durch  spontane 
frühzeitige  Entbindung  ein  todtes  Kind.  Nach  der  Entbindung 
blieb  sie  comatös  und  starb  12  Stunden  später.  Es  sei  ihm 
erinnerlich,  dass  der  Harn  bei  der  Untersuchung  einen  be- 
deutenden Eiweissgehalt  gezeigt  habe;  doch  könne  er  über 
die  Section  nichts  Bestimmtes  mehr  berichten.  Uebrigens 
sei  auch  dort  die  Gelbsucht  bei  Schwangeren  sehr  selten 
gewesen,   denn    unter   den  3000  Schwangeren,    die  in  jener 


mr  Gebvrtohaife  ia  Berlin.  99 

Zeit  ia   der  dortigen  Anstalt  entbunden  seien,   wjiren  etwa 
iier  oder  (nnf  Erkrankungen  an  Gelbsucht  vorgekommen. 

Herr  Martin  meint,  dass  man  wohl  zwei  verschiedene 
Arten  von  Gelbsucht  Schwangerer  unterscheiden  müsse, 
leiditere  und  schwerere,  die  auf  gänzlich  verschiedener 
pathologisch -anatomischer  Grundlage  beruhten.  Es  schienen 
die  Erkrankungen  in  den  letzten  Monaten  der  Schwangerschaft 
dnrdischnittlich  mehr  zu  den  leichteren  Fällen  zu  gehören 
Dod  vielleidit  aus  einer  mechanischen  Belästigung  der  Leber 
hervorzugehen,  während  die  Gelbsucht  in  den  früheren 
Sehwangerschaftsnionaten,  bei  der  das  mechanische  Moment 
naldiiich  ausfiele,  schon  um  deshalb  auf  tiefere  Destructionen 
der  Leber  deute,  und  deshalb  auch  die  schwereren  Fälle 
anzeige. 

Herr  JSggel  legt  eine  Traubeumole  vor,  deinen  nahei*e 
Beschreibung  er  in  der  nächsten  Sitzung  geben  wird. 

Herr  Gusseroto  spricht  über 

Prolapsus  uteri   gravidi. 

Der  sogenannte  Vorfall  dei*  Gebärmutter  bei  vorgerückter 
Schwangerschaft  ist  im  Allgemeinen  selten  und  wenn  aucti 
die  Anzahl  derartiger  Fälle,  die  in  der  Literatur  bekannt 
gemacht  worden  sind,  eine  nicht  ganz  geringe  ist,  so  herrscht 
über  diese  Störung  der  Schwangerschaft,  resp.  der  Geburt 
noch  manches  Unklare  und  deshalb  mag  es  mir  erlaubt  sein 
drei  hierher  gehörige  Fälle,  die  in  letzter  Zeit  zu  meiner 
Beobachtung  kamen,  kurz  zu  referiren.  Der  erste  Fall  ist 
bereits  von  Martin  (Verlängerung  des  Scheidentheils  als 
Ursache  des  Gebärmuttervorfalls  etc.  Monatsschrift  für  Geburts- 
kunde, Band  XX.,  Heft  3)  nach  meiner  Beobachtung  be* 
schrieben  mid  ich  will  ihn  daher  hier  nur  uoch  einmal  kurz 
wiederholen.  Es  betri£ft  dies  eine  34  Jahre  alte  Frau,  die 
10  Mal  leicht  geboren  hat  und  schon  bei  der  letzten  Schwanger- 
schaft einen  Vorfall  bemerkt  haben  will,  der  aber  bald  wieder 
verschwanden  ist.  In  der  Jetzigen  eiliteu  Schwangerschalt 
besteht  schon  seit  einigen  Monaten  wiederum  ein  Vorfall. 
Die  Untersuchung  ergab  einen  geringen  Grad  von  Hängebauch ; 


7* 


100  ^^    Verbaadhiiigen  der  Geffellsrhaft 

der  Fundus  uteri  etwa  vier  Finger  breit  über  dem  Nabel  stehend, 
die  kleinen  Theile  nach  links  hin  zu  fühlen.  Aus  den  äusseren 
Genitalien  ragt  die  Portio  vaginalis  als  eine  dicke  aufgewulstete 
teigig  anzufühlende  Masse  über  Handbreit  heraus,  so  das» 
der  Patientin  das  Gehen  bedeutend  erschwert  ist  Der  Mutter* 
mund  ist  eine  Querspalte  mit  vielen  seitlichen  Einrissen  und 
Erosionen  auf  beiden  Lippen,  die  einen  schmierigen  Belag  haben 
und  bei  ßerührung  leicht  bluten;  aus  dem  geöffneten  Mutter- 
munde dringt  eine  grosse  Quantität  eitrigen  Schleimes.  Eine 
eigentliche  Dislocation  des  Utenis  ßndet  somit  nicht  statt, 
ebensowenig  eine  solche  der  Blase;  auch  ist  das  Uriniren 
nicht  erschwert.  Sowohl  die  liinlere  als  die  vordere  Scheiden- 
wand sind  so  gut  wie  gar  nicht  herabgetreten  und  man  kann 
neben  der  hervorgetretenen  Vaginalportion  nt»ch  den  Fundus 
der  Scheide  erreichen.  Den  Scheidentheil  konnte  ich  unter 
Schmerzen  unvollkommen  in  die  Höhe  drängen,  allein  sobald 
ich  die  Finger  entfernte  quoll  die  Masse  wieder  heraus.  Ein 
vorliegender  Theil  war  nicht  zu  erreichen.  Die  Frau  war 
somit  nach  der  Untersuchung  im  letzten  Schwangerschafls- 
monate  und  nach  einigen  Tagen  meldete  sie  auch  dass  ihr 
Fruchtwasser  abgegangen  sei,  der  hingeschickte  Praktikant 
fand  dies  richtig,  jedoch  war  von  emem  Vorfall  des  Scheiden- 
theils keine  Spur  mehr  vorhanden,  der  Kopf  war  in  zweiter 
Schädellage  vorliegend  zu  fühlen.  Die  Wehen  waren  anfanglich 
auf  die  dicken  Muttermundslippen  ohne  rechte  Wirkung,  so 
dass  erst  etwa  36  Stunden  nach  Abfluss  des  Fruchtwassers 
die  Geburt  eines  lebenden  ausgetragenen  Knaben  erfolgte. 
Im  Verlauf  des  Wochenbettes  und  nach  demselben  war,  so- 
lange die  Frau  in  der  Behandlung  blieb,  von  einem  Vorfall 
der  Gebärmutter  oder  der  Scheide  nichts  zu  bemerken. 

Im  August  d.  J.  wurde  mir  durch  einen  befreundeten 
CoUegen  die  Behandlung  einer  34jährigen  Frau  Seh.  über- 
tragen, die  bereits  sechs  Mal  geboren  hat.  Die  erste  Niederkunft 
eines  nicht  ganz  ausgetragenen  aber  lebenden  Kindes  erfolgte 
sehr  leicht,  sie  bekam  jedoch  nach  dieser  einen  massigen 
Prolapsus  uteri  et  vaginae,  ihrer  Beschreibung  nach.  Die 
zweite  Entbindung  an  einem  ausgetragenen  Kinde  erfolgte  so 
rasch,  dass  sie  davon  auf  der  Strasse  überrascht  wurde. 
Seitdem  nahm  der  Vorfall  immer  mehr  zu,  besonders  in  jeder 


für  Oebortthälfe  in  Berlin.  101 

IMQCO  Schwangerschafl  etwa  vom  Alnften  Monate  an ,  so  dasp 
irifderbolte  Repositionen  vorgenommen  werden  mussten.  Die 
folgenden  vier  Schwangerschaften  endeten  immer  mit  der  Geburt 
mes  7 — Smonaüicben  Kindes;  Als  ich  am  31.  August  die 
Frau  luerst  sah,  befand  sie  sich  im  Anfang  des  siebenten  Monats 
ihrer  siebenten  Schwangerschafl.  Der  Fundus  uteri  stand  einige 
Finger  breit  über  dem  Nabel,  kleine  Theile  waren  nirgends 
deatlich  zu  fühlen.  Herztöne  rechts  zu  hören.  Aus  den 
Genitalien  ragte  die  Portio  vaginalis  etwa  4  Zoll  weit  als 
dicker  geschwollener,  tief  blaurother  Wulst  hervor.  Der 
Nuitennund  war  eine  klaffende  Querspalte,  ein  Geschwur 
umgab  d«*n8elben  etwa  von  der  Grösse  eines  Zweithalerstnckes, 
das  schmierigen  Eiter  absonderte.  Die  vordere  Scheidenwand 
war  mit  der  Blase  ebenfaUs. vorgefallen,  so  dass  Patientin  seit 
beinahe  24  Stunden  ausser  Stande  war  den  Urin  zu  lassen. 
Die  hintere  Scheidenwand  war  auch  vorgefallen  und  ödematös 
inflltrirt,  so  dass  sie  eine  besondere  schwappende  Geschwulst 
bildete.  Wie  in  der  Schwangerschaft  bei  den  geringsten 
Bewegungen  der  Prolapsus  sich  eingestellt  hatte,  so  hatte  ihn 
Patientin  audi  immer  selbst  zurückbringen  können,  jetzt  aber 
war  derselbe  formlich  incarcerirt.  Erst  nachdem  die  Blase 
entleert  war,  wobei  der  Katheter  ganz  nach  unten  gerichtet 
werden  musste,  gelang  es  mir  den  Vorfall  unter  leichter  Nar- 
kose nicht  ohne  Kraftanstrengung  zu  reponiren.  Gleichwohl 
trat  er  in  den  nächsten  Tagen  trotz  absolut  ruhiger  Lage 
noch  einige  Male  heraus,  aUein  ohne  sich  einzuklemmen. 
Ein  vorliegender  Theil  war  durch  den  Muttermund  niemals 
lu  fühlen  gewesen.  Am  9.  September  Abends  verlor  Patientin 
das  Fruchtwasser  und  leise  Wehen  stellten  sich  ein.  Als  ich 
am  10.  untersuchte  fand  ich  den  Scheidentheil  in  der  JScheide, 
wenn  auch  tief  stehend,  die  Muttermundslippen  dick  wulstig 
geschwollen,  den  Muttermund  selbst  etwas  geöffnet,  ein  vor- 
liegender Tbeil  nicht  zu  fühlen.  In  der  Nacht  vom  10.  zum 
11.  September  stellten  sich  ganz  plötzlich  die  heftigsten  Wehen 
ein  und  gleich  darauf  wurde  ein  lebender  siebenmonatlicher 
Knabe  in  Sieisslage  geboren,  ohne  dass  irgend  welche  ärztliche 
Hülfe  zugegen  war;  als  die  Hebamme  hinzukam  wurde  unter 
erneuten  kräftigen  Wehen  ein  voOständiges  Ei  geboren  mit 
zerrissenen  Eihäuten,  wobei  auch  beide  Placenten  mit  abgingen; 


102  VI.    Verhandhiiis^en  der  Gesellschaft 

obgleich  die  Eihäute  gleich  zerrissen  wurden  war  das  Kind, 
dn  Mädchen,  todt.     Der  Knabe  starb  zwei  Tage  später. 

Die  Mutter  überstand  das  Wochenbett  sehr  glücklich. 
Ich  habe  dieselbe  noch  vor  'einigen  Tagen  untersucht,  der 
Uterus  steht  etwas  tiefer  im  Becken  als  gewöhnlich,  ragt 
jedoch  nicht  bis  an  die  äusseren  Genitalien,  dagegen  besieht 
ein  ziemlich  bedeutender  Prolapsus  der  hinteren  Scheidenwand 
mit  einer  geringen  Bectocele.  Ein  dritter  Fall  ging  an  dem- 
selben Tage  der  Entbindungsanstalt  zu  und  gelangte  dadurch 
mit  zu  meiner  Beobachtung.  Hein  College  Dr.  Winckel  hat 
mir  gestattet  die  betreffende  Krankengeschichte  hier  mit  an- 
zufflhren.  Die  Frau  M,  ist  26  Jahre  alt,  stammt  aus  gesunder 
Familie,  hat  aber  bis  zu  ihrem  fünften  Jahre  an  Bhachitis 
gelitten.  Im  December  1860  wurde  sie  mittels  der  Zange 
nach  zwölfstündigem  Kreissen  von  einem  lebenden  Knaben 
entbunden.  Schon  14  Tage  nach  der  Entbindung,  bei  welcher 
der  Damm  bis  an  den  Sphincter  eingeiissen  war,  breitete 
sich  ein  Vorfall  der  hinteren  Scheidenwand  und  des  Uterus 
aus,  der  jedoch  durch  ein  Zioanck'sches  Pessarium.  zurück- 
gehalten wurde.  Seit  Anfangs  April  d.  J.  befand  sie  sich 
wiederum  in  anderen  Umstanden  und  ist  demnach  im  sechsten, 
höchstens  siebenten  Monat  der  Schwangerschaft.  In  den  ersten 
beiden  Monaten  gelang  es  ihr  den  Uterus  mit  dem  Hysterophor 
zurückzuhalten,  seit  Anfang  Juni  war  dies  jedoch  nicht  mehr 
möglich  und  seitdem  ist  die  Portio  vaginalis  etwa  3  Zoll 
weit  hervorragend.  Der  Fundus  uteri  steht  etwas  über  dem 
Nabel,  kleine  Theile  sind  links  zu  fühlen,  Herztöne  rechts  zu 
hören.  Die  Beckenmessung  ergiebt  ein  ziemlich  bedeutend 
geradverengtes  Becken,  nämlich:  Sp.  II.  9^4",  Cr.  9*/«^  Conj. 
ext  7V4",  Conj.  diag.  3"  7'"  (mithin  eine  Conj.  vera  von 
3"  1  —  2'"),  die  beiden  schrägen  Durchmesser  des  grossen 
Beckens  betrugen  8V4''.  Aus  den  äusseren  Genitalien  ragt  eine 
über  zwei  Fäuste  grosse  blassrotlie  Geschwulst  etwa  4  —  5'' 
lang  heraus,  an  deren  untersten  Spitze  die  beiden  dicken  mit 
grossen  Ulcerationen  besetzten  Muttermundslippen  zu  sehen 
sind.  Der  hintere  und  vordere  Theil  der  Geschwulst  wird 
von  den  trockenen,  etwas  gerunzelten  Scheidenwänden  gebildet. 
Durch  den  offenen  Muttermund  kann  man  weit  eindringen 
und  fühlt  in  der  Höhe  des  Beckeneinganges  den  kleinen  Kopf 


für  Gebnrtshülfe  in  Berlin.  103 

baÜetirend.  Die  Wehen  bestanden  an  dem  Tage  ihres  Ein- 
tritles  in  die  Anstalt  (10.  September)  schon  seit  dem  vorigen 
Tage  jedoch  äusserst  schwach  und  unwirksam.  Es  war  eine 
Meatende  Endometritis  colli  vorhanden,  indem  bei  jeder 
Wehe  eine  beträchth'che  Menge  Eiter  aus  dem  Muttermunde 
herausquoll.  Abends  9  Uhr  wurde  die  Reposition  der  vor- 
getretenen Yaginalportion  gemacht,  dieselbe  drang  jedoch  bei 
der  Application  eines  Clysma  wieder  hervor.  Bei  jeder 
Wehe  konnte  man  übrigens  ein  leichtes  Zurückziehen  der 
Mattennundslippei^  bemerken,  wobei  sich  die  nach  aussen 
gekehrte  Scheidenschleunhaut  leicht  runzelte.  Nach  einer 
zweiten  Reposition  blieb  der  Scheidentheil  in  der  Vagina, 
nachdem  die  rechte  Seitenlage  der  Frau  angeordnet  war  und 
jedes  Hitpressen  untersagt  Die  Wehen  besserten  sich  nach 
den  geeigneten  Mitteln  bald  und  Nachts  12  Uhr  floss  das 
Fruchtwasser  ab.  Kräftige  Wehen  trieben  den  kleinen  Kopf 
herunter,  ohne  dass  der  Uterus  mit  heraustrat  und  nachdem 
der  Kopf  zwei  Stunden  in  der  Beckenenge  gestanden  hatte, 
wobei  sich  eine  Kopfgeschwulst  bildete,  wurde  er  glücklich 
geboren.  Der  lebende  Knabe  wog  4  Pfd.  4  Lth.,  war  17  Va" 
lang,  seine  Kopfdiurchmesser  betrugen:  die  beiden  queren 
2%"  und  2"  11"",  die  beiden  geraden:  4"  und  4%"  die 
Höhe:  S''.  Auf  dem  linken  Scheitelbein  war  eine  beträchtliche 
Kopfgeschwulst,  während  entsprechend  auf  dem  rechten  sich 
eine  rothe  Dnickstelle  zeigte.  Bei  dem  Herausdrücken  der 
Placenta  trat  die  vordere  Scheiden  wand  etwas  heraus.  Der 
Uterus  blieb  reponirt  auch  im  ganzen  Verlauf  des  normalen 
Wochenbettes. 

Wenn  man  als  Hauptcriterium  des  Gebärmuttervorfalls 
die  wirkliche  Lageveränderung  der  Gebärmutter  im  Auge  be- 
bäh,  so  haben  wir  es  in  unserem  Falle  sicher  nicht  mit  einem 
wirklichen  Prolapsus  uteri  gravidi  zu  thun.  Der  Stand  des 
Fupdus  uteri  war  in  allen  drei  Fällen  unverändert  dem  Zeit- 
punkt der  Schwangerschaft  entsprechend,  also  kann  von  einem 
Herabgesunkensein  des  Uterus  im  Ganzen  keine  Rede  sein 
und  nur  die  Vaginalportion  war  vor  die  äusseren  Genitalien 
getreten.  Im  ersten  Fall  war  dies  entschieden  durch  eine 
Hypertrophie  derselben  bedingt,  für  die  wir  aUerdings  ver- 
geblich nach  einer  Ursache  suchen.     Dafür  spricht  zunächst 


104  VI.    Verhandlnnu^ii  der  Geselliehaft 

■ 

der  Umstand,  dass  weder  vor  der  Schwangerschaft  noch  nach 
derselben  ein  Prolapsus  uteri  oder  vaginae  stattgefunden  hatte, 
hauptsächlich  aber  das  Resultat  der  Untersuchung  selbst, 
indem  die  Yaginalportion  als  dicker  gewulsteter  Zapfen  aus 
der  Scheide  frei  herausragte,  ohne  diese  weit  eingestülpt  zu 
haben,  daher  war  es  mir  auch  unmöglich  eine  eigentliche 
Reposition  zu  bewerkstelligen,  indem  es  mir  nur  gelang,  die 
ödematöse  Masse  auf  Augenblicke  durch  Druck  zu  verkleinem 
und  so  zum  Verschwinden  zu  bringen,  nicbt  aber  sie  nach 
oben  hin  zu  verscbieben.  Die  Reposition  war  in  den  andereo 
beiden  Fallen  möglich,  weil  in  beiden  ein  Prolapsus  vaginae 
gleichzeitig  iteben  der  Anscbwollung  des  Scbeidentheiles  be- 
stand. Im  zweiten  Falle  war  durch  die  frühere  Sturzgeburt 
der  Damm  verletzt  und  es  hatte  sich  so  eine  Rectocele  aus- 
gebildet, die  von  mir  ja  auch  nach  dem  Wochenbett  gefunden 
wurde,  diese  batte  natürlich  eine  Zerrung  des  Uterus  nach 
abwärts  bedingt  und  mit  der  Zunahme  seines  Volumens  in 
der  Schwangerschaft  war  die  Vaginalportion  noch  tiefer  ge- 
treten und  so  bis  zum  Scheideneingang  gekommen,  hier  fand 
nun  bei  jeder  Bewegung  natürlich  eine  Reizung  derselben 
statt  und  die  Folge  davon  war  eine  bedeutende  Schwellung 
derselben,  die  dann  wieder  in  diesem  Falle  die  andere  Scheiden- 
wand mit  der  Blase  soweit  herabgezerrt  hatte,  dass  es,  wie 
beschrieben,  zu  einer  vollständigen  Incarceration  kam.  Aehn- 
lich  dürfte  sich  der  Vorgang  im  letzten  Fall  gestaltet  haben, 
nur  dass  hier  wirklich  seit  der  letzten  Entbindung  ein  Pro- 
lapsus uteri  bestanden  hatte,  der  durch  einen  Vorfall  der 
hinteren  Scheidenwand,  eine  Folge  des  Dammrisses,  bedingt 
war.  Dass  hier  überall  allein  die  Veränderung  der  Portio 
vaginalis  das  Bild  eines  Prolapsus  uteri  gab,  geht  auch  aus 
dem  Umstand  hervor,  dass  überall  der  voriiegende  Kindestheil 
nicht  mit  herausgetreten  war,  sondern  sich  im  oder  über  dem 
Beckeneingang  befand,  dass  also  die  Hauptmasse  des  Uterus 
ihren  normalen  Stand  hatte  und  nur  der  untere  Gebärmutter- 
abschnitt d.  h.  der  Scbeidentheil  gewachsen  war.  Für  die^e 
Auffassung  spricht  ferner  das  Verhalten  des  Scheidentheils 
während  der  Geburt,  derselbe  verstrich  unter  dem  Eintluss 
der  Wehen  langsam,  zog  sich  in  die  Scheide  und  dann  über 
den  vorliegenden  Theil   allmälig  zurück,   blieb   also  nicht  wie 


für  Geburtahulfe  in  Berlin.  105 

dies  «flerdings  sonst  wohl  beobachtet  ist  wibread  der  Gebart 
vor  den  änssereD  Genitalien.  Hätten  wii*  es  endlieh  in  unseren 
Fäieo  mit  einem  wirklichen  Vorfall  der  schwangeren  Gebär- 
loaUer  zu  tbun  gehabt,  so  wäre  es  geradezu  undenkbar,  dass 
derselbe  nicht  nach  Ausstossung  des  Kindes  bestehen  {^lieben 
wäre,  deiui  der  so  verkleinerte  Uterus  würde  doch  um  so 
mehr  mit  den  ausgeweiteten  Weichtheilen  der  Scheide  nach 
aussen  gelagert  bleiben  müssen,  wenn  kurz  vorher  noch  der 
gesammte  Uterus  mit  Inhalt  vorgefallen  gewesen  wäre. 

Es  kann  nun  überhaupt  wohl  keinem  Zweifel  unterliegen, 
dass  der  Vorfall  der  Gebärmutter  bei  vorgerückter  Schwanger- 
schaft ein  Ding  der  Unmöglichkeit  ist.  Bedenkt  man  zuvörderst 
das  Volumen  der  Gebärmutter  mit  ihrem  Inhalt,  so  dürfte 
kein  Becken  den  Baum  bieten  um  diese  Masse  zu  gleicher 
Zeit  hipdurcbtreten  zu  lassen;  wenn  man  aber  annehmen 
wollte,  dass  ein  Uterus  in  den  ersten  Monaten  der 
SchwaBgerschaft  gänzlich  prolabire  und  sich  dann  ausserhalb 
des  Beckens  weiter  entwickele,  so  ist  dies  ebenfalls  unmöglich, 
denn  die  Scheide  kann  sich  nicht  so  colossal  erweitern,  dass 
der  hochschwangere  Uterus  in  ihrer  Ausstülpung  liegen  könne 
und  es  muss  demnach  der  Uterus,  wie  dies  meist  auch  dann 
geschiebt,  sich  in  das  Becken  zurückziehen  mit  dem  weiteren 
Fortschreiten  der  Schwangerschaft  oder  es  kommt  zum 
Abortus.  Diese  Deduction  der  Unmöglichkeil  des  Gebärmutter- 
vorfalls in  der  zweiten  Hälfte  der  Schwangerschaft  ist  übrigens 
in  letzter  Zeit  erst  wieder  von  0.  v.  Franque  (der  Vorfall 
der  Gebärmutter,  Würzburg  1860)  geführt  worden  und  damit 
stimmt  auch  öberein,  dass  nach  der  fieissigen  Zusammen- 
stellung von  Hüter  über  Prolapsus  uteri  während  der 
Schwangerschaft  und  Geburt  (Monatsschrift  für  Geburtskunde, 
Bd.  XVI.)  in  der  gesammten  Literatur  kein  wohl  constalirter 
Fall  der  Art  vorhanden  ist,  indem  jedes  Mal,  wo  ein  scheinbar 
derartiger  Fall  beschrieben,  entweder  der  Stand  des  Fundus 
ateri  nicht  angegeben  ist  oder  derselbe  die  gehörige  Höhe 
ttber  dem  Nabel  hatte.  Alle  diese  Beobachtungen  sind  also 
wie  die  unsrigen  entweder  Hypertrophien  der  Vaginalportion 
oder  auch  wohl  wie  Franque  glaubt  häufig  nur  Scheiden- 
vorfille  gewesen.  Ebenso  sind  auch  die  Fälle  von  Prolapsus 
uteri    gravidi    aufzufassen    wo    der    vorliegende    Rindestbeü 


106  V*    VerfaMidlimgeii  der  Gesensehaft 

»dieiDbar  mit  prolabirt  war.  Hier  dörfte  es  sich  auch  nm 
Hypertrophien  der  Yaginalportion  handln,  wobei  ^e  Geburt 
eingetreten  und  der  angeschwollene  ScheidentheO  nicht  ver- 
strichen, sondern  der  Kopf  durch  das  Becken  getreten  also 
«igentlieb  geboren  ist,  während  der  Muttermund  nicht  hin- 
KlBglioh  geöffiiet  war.  Hierfür  spricht  der  Umstand,  dass 
nach  Hütef^s  Zusammenstellung  niemals  eine  Beobachtung  vor- 
gekommen ist,  wo  der  vorliegende  Kindestheil  schon  während 
der  Schwangerschaft  in  den  prolabirten  Theilen  zu  fühlen 
gewesen  wäre,  sondern  dass  dies  stets  erst  unter  der  Geburt 
beobachtet  wurde,  wo  dann  auch  gewöhnlich  die  Unnachgiebig- 
keit  des  Muttermundes  zu  Einschnitten  und  anderen  operativen 
Eingriffen  geführt  hat.  Dieses  eben  beschriebene  Vorkommen 
ist  nun  wohl  auch  eigentlich  die  Hauptgefahr  für  die  Geburt 
bei  einem  sogenannten  Prolapsus  uteri,  denn  nicht  allein  die 
Einrisse  des  Muttermundes  können  Gefahr  bringen,  sondern 
noch  weit  gefährlicher  kann  die  Quetschung  des  Uterin- 
segmentes werden,  die  dasselbe  bei  einem  derartigen  Durch- 
schnitt des  Kopfes  erleidet.  Dagegen  sind  solche  Einklemmungen, 
wie  sie  in  unserem  zweiten  Falle  beschrieben  sind ,  wohl  nur 
dann  von  grösserer  Bedeutung,  wenn  dieselben  schon  lange 
bestanden  haben,  ehe  ärztliche  Hülfe  aufgesucht  worden  ist, 
wo  dann  allerdings  Gangraen  etc.  bereits  eingetreten  sein  kann. 

Herr  L,  Mayer  sprach  sich  dahin  aus,  es  sei  für  den 
Verlauf  der  Schwangerschaft  und  Geburl  bei  Prolapsus  wichtig, 
ob  wirklich  die  Vaginalportion  hypertrophisch  sei  oder  es 
sich  um  Vergrösserung  des  Cervix  uteri  handele.  In  den 
vorgetragenen  Fällen  sei  jedenfalls  das  letztere  der  Fall  ge- 
wesen. Hypertrophien  und  besonders  Verlängerungen  des 
Cervix  uteri  seien  bekanntlich  bei  Proläpsus  uteri  ausser- 
ordentlich häufig;  Hypertrophien  der  Muttermundslippen  ge- 
hörten dagegen  zu  den  Seltenheiten.  Hierauf  hätte  C,  Mayer 
wiederholentlich  in  der  Gesellschaft  aufmerksam  gemacht;  er 
selbst  habe  5 — 600  Prolapsus  und  unter  flmen  die  colossalsten 
Formen  beobachtet,  Hypertrophien  der  Vaginalportion  unter 
ihnen  aber  ebenfalls  sehr  selten  gesehen.  Wenn  nun  bei 
einem  Prolapsus  uteri  gravidi  diese  Hypertrophie  der  Mutter- 
mundsiippen  auch   nicht  unbedingt   die  Eievation  des  Uterus 


Ar  OttbnrtshIlfB  in  Beitbi.  {07 

bekindere,  so  scheine  ^s  ümn  doch  zweifellos,  dass  die  dicken 
ripim  HBttennmidslippen  oft  mit  lederaiügein  Ueberaiige 
abe  fast  unAberwindiiche  Uonachgiebigkeit  des  Orific.  ex- 
Cenmm  zur  Folge  hätten,  wodurch  nidit  nur  ein  Geburts*- 
kittdemids  gegeben  sei,  sondern  auch  dardi  die  Wehen  and 
nameotlidi  durch  die  Bauchpresse  Uterus  und  Scheide  aait 
dem  FdUis  tiefe*  herab  und  zur  Vulva  heraus  treten  k^^nnten 
(wie  dies  von  Hcuffthon,  Merriman^  AshwM^  Lsstmann 
und  Anderen  bescbriebeu  sei).  Er  selbst  habe  keine  dahin 
einsefalägige  Beobachtung  gemacht 

Was  die  Formen  von  Prolapsus  ohne  Hypertrophie  der 
Hnttermandslippen  beträfe,  so  schräe  es  bei  dteseii  Ar  den 
Verlanf  der  Schwangerschaft  und  Geburt  ohne  wesentliche 
Bedeutung,  ob  das  Collum  uteri  yergrössert  sei  oder  nicht. 
Dies  Resultat  hätte  er  aus  der  grossen  Zahl  von  Prolapsus, 
die  er  beobachtete,  gewonnen;  denn  viele,  wohl  die  grössere 
Hälfte  der  Frauen  hatten  eine  oder  mehrere  Male  Schwanger- 
schaft und  Geburt  ohne  besonders  auffallende  Störungen 
durchgemacht.  Abortus  sei  seltener,  als  man  a  priori  an- 
nehmen möchte  und  als  von  Levret  angegeben  sei;  es  träte 
vielmehr  fast  constant  in  der  letzten  Hälfte  der  Schwanger- 
schaft eine  Elevation  des  Uterus  aus  der  Beckenhöhle  in  die 
Bauchhöhle  ein.  Wie  wenig  Einfluss  in  der  Regel  selbst 
hochgradige  Vorfalle  auf  den  Verlauf  der  Schwangerschaft 
auszuüben  pflegten,  ergebe  z.  B.  f<rfgeader  Fall.  Frau  P., 
46  Jahre  alt,  als  Kind  gesund  und  seit  dem  18.  Jahre 
menstruirt,  verheirathete  sich  mit  29  Jahren  und  wurde  ein 
Jahr  später  von  einem  starken  Kinde  in  der  Fusslage  mit 
Entwickelung  des  Kopfes  durch  die  Zange  entbunden.  Obgleich 
sie  erst  in  der  dritten  Woche  aufgestanden,  habe  sich  doch 
bald  ein  Prolapsus  vaginae  gezeigt,  der  in  jeder  der  folgenden 
Schwangerschaften  im  sechsten  Monate  alimälig  zurückging, 
so  dass  er  beim  Eintritte  der  Geburten  vollständig  ver- 
schwunden sei  Als  Herr  Mayer  die  Kranke  zuerst  sid), 
befand  sie  »ch  im  sechsten  Monate  der  vierten  Schwanger- 
schaft, klagte  M)er  Drängen  nach  den  Geschlechtstheilra, 
Schmerzen  in  den  Region,  iliac.  Urinbeschwerden  und 
Störungen  der  Defaecatton.  Aus  der  weit  klaifenden  Scham- 
spalte traten  vordere  und  hintere  Scheidenwand  beim  Stehen 


108     ^'I*   Diener,  Ein  Kaisercebnitt  nebst  Bemerkangen. 

Über  faiMtgros8  hervor;  der  Muttermund  selbst  stand  im 
Introitus  vaginae.  Auch  in  diesem  Falle  Mg  sich  der  Pro- 
lapsus in  den  letzten  Monaten  vollständig  raräck.  Die  Gebart 
war  schwierig,  auch  das  Wochenbett  nicht  ohne  Störung, 
doch  genas  die  Frau;  als  sie  aufstand,  trat  der  Prolapsus 
wieder  sehr  bedeutend  vor  und  lag  in  der  Grösse  eines  kleinen 
Kindskopfes  vor  den  Genitalien.  Es  wurde  ihr  deshalb  ein 
Zioani'sches  Hysterophor  angelegt  und  mit  bedeutender  Er- 
leichterung getragen.  Als  Herr  Jf.  sie  dann  spater  wieder 
sah ,  war  sie  abermals  im  dritten  Monate  schwanger  und  hatte 
das  Hysterophor  ohne  Beschwerde  oder  Störung  getragen. 
Herr  M.  hielt  aus  Besorgniss,  Abortus  herbeizuführen,  es 
nicht  gerathen,  das  Hysterophor  längier  tragen  zu  lassen  und 
empfahl  ausleerende  Mittel  und  Röckenlage.  Auch  in  dieser 
Schwangerschaft  zog  sich  der  Prolapsus  schon  im  fünften 
Monate  zurück  und  die  Geburt  trat  zu  rechter  Zeit  ohne 
Störung  ein. 


VII. 
Ein  Kaiserschnitt 

nebst  Bemerkungen 

▼on 

Johann  Ludwig  Diener, 

BesirksArxt  in  EssUngan,    Canton  Zürich. 

Die  Ffille,  welche  den  Kaiserschnitt  erforderlich  machen, 
bieten  sich  im  Canton  Zürich  äusserst  selten  und  vielen 
Aerzten  gar  nie. 

Die  Hittheilungen  von  darauf  bezüglichen  Erfahrungen 
können  daher  nur  erwünscht  sein,  sollten  zur  Nachahmung 
aufmuntern  und  verdienen,  obgleich  sie  vereinzelt  stehen  und 
nur  durch  Zusammenfluss  vieler  Glieder  eine  Kette  bilden, 
entschuldigt  zu  werden. 

Frau  W.  F,  geb.  E.  in  Esslingen,  32  Jahre  alt,  von 
der  frühen   Jugend  an  schwächlich,  jedoch  gesund,  wohnte 


yiL  Dimii»^  Bin  KaUenelmiit  nebst  BemarknngeD.     109 

tfets  m  einer  oft  ffNicbteD  Stube,  in  der  jederzeit  dM*  oöthige 
IMiif  an  Effectoi  gewaschen  und  getrocknet  wurde,  wob 
Tom  iwölfliai  Lebensjahre  an  Seide  und  war  äu88ei*$t  thStig. 
Sie  genoss  meistens  wenig  nahrhafte  und  vegetabilische  Speisen, 
hatte  eine  kleine  Statur,  verheirathete  sich  im  Jahre  1850 
mit  einem  kräftigen,  jungen  Bauer  und  gebar  während  des 
gleichen  Jahres  leicht  den  ersten  Knaben.  Sie  kam  während 
des  folgenden  Jahres  (1861)  wieder  bei  einer  regeimässigeB 
GetMirt  mit  einem  Knaben  nieder  und  fohlte  sich  von  daher 
oft  unwohl.  Am  6.  Febr.  1804  musste  sie  mii  der  Zange 
entbunden  werden.  Vierzehn  Tage  später  litt  sie  während 
circa  zweier  Wochen  an  vagirenden  Schmerzen  im  Röcken  und 
den  Gliedern.  Der  damals  geborene  Knabe  starb  nach  vier 
Monateo  an  Atrophie.  Im  Jahre  1866  —  am  22.  Mai  —  gebar 
nie  zum  vierten  Male,  nachdem  die  Bewegungen  des  Kindes 
während  einiger  Tage  nicht  mehr  föfalbar  gewesen  waren,  — 
ein  todtes  Mädchen.  Dasselbe  hatte  einen  tiefen  Eindmck 
im  Stirnbeine.  Sie  litt  vier  volle  Monate  vor  dieser  Nieder* 
knnll  beständig  an  ziehenden  Schmerzen  im  Kreuze  und  in 
den  Extremitäten,  wurde  bei  jedem  Bewegungsversuche  mK 
dem  rechten  Schenkel  durch  Steigerung  der  Schmerzen 
besonders  in  den  unteren  Extremitäten  und  in  der  Kreuz* 
gegend  in  hohem  Grade  gequält  und  musste  deswegen  stets 
im  Bette  bleiben. 

Sie  nahm  am  8.  Juni  1855  wegen  einer  unvollständige» 
Paralyse  der  unteren  Extremitäten  zum  Spitale  Zuflucht,  blieb 
daselbst  78  Tage  lang  und  kehrte  erleichtert  aus  dieser  An* 
statt  zurück.  Wegen  des  nämlichen  rückfällig  gewordenen 
Leidens  hielt  sie  sich  während  des  Jahres  1856  150  Tage, 
während  des  Jahres  1859  —  80  Tage  lang  im  Spitale  auf 
und  kam  jedes  Mal,  das  letzte  Mal  jedoch  nur  mit  Rücksicht 
auf  die  Schniersen  von  daher  erleichtert  nach  Hause.  (Jeher 
jene  Erkrankungen  mangeln  mir  die  näheren  Thatsachen  und 
daher  muss  Kfa  mich  auf  die  blosse  Erwähnung  derselben 
beschränken.  —  Sie  musste  vom  October  des  letzterwähnten 
Jahres  (1869)  an  bis  zum  April  1861  wegen  Unfähigkeit  zu 
gehen  sieb  stets  im  Bette  aufhalten,  beschäftigte  sich  daselbst 
aub  «iiaigste  und  sitzend  mit  Stricken,  Nähen  und  Brodiren 


110     Vli.  DUmr,  Bin  KaisenelinUt  nelMt  Bome^kungen. 

und  nahoi  auf  meine  Mahnungen,   welche  ich  3ir  di^ea 
haltenden  Sitzens  wegen  zofallig  geben  konnte,  keioe  RuckMcbli. 

Obgleich  sie  während  dieser  Zeit  täglich  wiederholt  von 
Oleum  jecoris  aselli  mit  einem  kleinen  Zusatz  von  Brannt- 
wein Gebrauch  machte,  dieses  Mittel  als  eine  wahre  Panacee 
betrachtete  und  deswegen  Massen  vei^schlang,  so  deformirie 
sich  durch  die  constante  Einwirkung  dei*  Rumpflast  bei  der 
zulange  angewandten  sitzenden  Körperstellung  die  Wirbelsäule, 
der  Brustkorb  und  das  Beck^  und  bildete  sich  Gibbus,  Scoiiose 
Hühnerbrust  und  Verkleinerung  des  Körpers  und  also  die 
prognosticirte  allgemeine  und  asymmetrische  Verkrüppeiung, 

Mit  dem  Anfange  des  Monates  April  (1861)  konnte  sie 
das  Bett  wieder  verlassen,  eigenthumlich  wackelnd  gehen,  sich 
mit  Winden  von  Seide  an  einer  Haschine  beschäftigen  und 
später  Seide  weben.  Sie  wurde  wieder  schwanger,  wob  bis 
zur  zweiten  Hälfte  der  Schwangersdiafl  fünf  ganze  Seiden- 
sticke, nusste  dann  aber  zur  Besorgung  leichter  Hausgeschäfte 
Zuflucht  nehmen  und  war  stets  thätig  und  froh. 

Am  14.  Januar  1862  stellten  sich  bei  ihr  Erbrecht  und 
Krämpfe  im  Unterleibe  ein.  Sie  hatte  bis  jetzt  die  Be* 
wegungen  des  Kindes  deutlich  geffihlt,  glaubte  schon  gebären 
zu  mässen,  war  deswegen  ängstlich  und  liess  mich  mien. 
Daselbst  angekommen,  traf  ich  die  Schwangere  im  Bette.  Ich 
schritt  nun  zur  Exploration,  vernahm  schon  beim  ersten  Ver* 
such,  den  Z^efinger  in  die  Scheide  zu  fuhren,  laute  Klagen 
der  Schwangeren  ober  bedeutende  Schmerzen  und  fond  die 
Vagina  durch  eine  stellenweise  Verengenmg  in  zwei  correspon- 
dirende  Eingänge,  von  denen  der  vordere  oder  obere  enger 
und  der  hintere  oder  untere  weiter  war,  getfaeilt 

Bei  genauerer  Untersuchung  derselben  mit  dem  gleichen 
Finger  und  nachheriger  Messung  seiner  Dicke  an  der  be* 
trefienden  Stolle  zeigte  sich,  ungeföhr  %  Zoll  unterhalb  der 
Schambeinfuge,  die  Verengenmg  durch  ein  gegenseitiges  Amr 
einanderstehen  der  Schenkel  vom  Schoossbogen  auf  4  Linien 
beschränkt  und  unter  Schmerzen  auf  5  Linien  dehnbar,  also 
wn  1  Linie  erweiterungsfähig.  Zwischen  beide  Sitzbeinhöckec 
konnten  in  der  Gegend  der  vorderen  Enden  zwd  neben- 
eiaanderliegende   Fingerspitzen  eingelegt   werden   und   betrug 


Tu.  Diemm'y  Ein  Kaia«r8chi)Ut  nebst  Bemerkung«!!.     Hl 

ik  Kotfernung  dasdbst  drca  1  Zoll;  an  den  hioterai  Endas 
doseiben  drangen  diese  Finger  tiefer  ein  und  iiessen  einen 
Darehmesser  von  etwa  IV2  Zoll.  Zwischen  den  Sitzbein- 
atacbeln  schien  die  Ausdehnung  circa  in  2  Zoll  zu  bestehen. 

Das  Promontorium  war  eingesunken,  sass  tief,  ragte 
sehr  stark  hervor  und  beschränkte  den  zwischen  ihm  und 
dein  susammeogedrückten  Schoossbogen  befindlichen  Raum  in 
hohem  Grade. 

Die  Pfanneugegenden  hatten  sich  in  der  Beckenmitte 
dnwarts  gewölbt,  einander  genähert  und  standen  nach  vpra. 
Dadurch  hat  der  Schambogen  eine  schnabelförmige  Gestalt 
erhalten. 

Das  grosse  Becken  war  zusammengedrängt  und  mass 
im  Querdmnchmesser  8  Zoll.  Die  grossen  Trochanter  standen 
6Vt  Zoll  auseinander.  Die  linke  Darmbeinschaufel  stand  det* 
Wirbelsäule  näher  und  der  betreffende  Kamm  höher  als  der- 
jenige zur  rechten  Seite;  das  linke  Hinterbecken  zeigte  sieh 
bei  aufrechter  Stellung  schmaler  und  stärker  als  das  rechte; 
die  Gesdssfurche  schien  von  der  Mitte  etwas  abzuweichen  und 
mehr  nach  links  gerichtet  zu  sein«  Der  Zwischenraum  vom 
hinteren  oberen  Daimbeinstachel  der  rechten  Seite  zu  den 
Domfortsätzen  des  Kreuzbeines  war  ein  Zoll  kürzer  als  zui* 
Unken  Seite. 

Aus  vorstehenden  Erscheinungen  gipg  evident  hervor, 
dass  alle  drei  Aperturen  des  Beckens  in  hohem  G^ade 
Tereogt  waren  und  Uess  sich  die  Diagnose  auf  Oe^omahKÜe 
besonders  des  Beckens  mit  Sicherheit  stellen. 

Von  einer  kunstlio^en  Frühgeburt  war  also  bei  der  so 
weit  vorgerückten  Schwangerschaft  und  einem  solch  ver- 
engerten und  zu  wenig  dehnbaren  Becken  kein  günstigef 
Erfolg  für  Hutter  oder  Kind  zu  erwarten. 

Die  Sectio  caesarea  bot  sich  als  einziges  m^  i^? 
venneidliches  Hülfsmittel  zur  Entbindung  der  Hutter  und  zur 
Reitung  des  Kindes. 

kh  verordnete  nun  eine  Emulsio  gummi  arahici  mü 
Magnesia  carbon.  und  Aqua  lauro-cerasi,  stillte  damit  das 
Erbrechen,  beseitigte  durch  die  Anwendung  von  OL  Hyoscyam 
die   Krämpfe   bald   und   rieth   dem    Cheniaun,    seine   Frau 


112     VII.    DteiMr,  Bin  Raisenichnitt  nebst  Bemerkungen. 

«ntwedf  r  fH)hz(*itig  in  die  Gebäranstait  in  Zfirich  zu  schaffen 
oder  im  Ablehnungsfalle  mich  beim  Eintritt  der  ersten  Wehen 
sogleich  in  Kenntniss  zu  setzen. 

Herr  Dr.  WendmüUer" Ziegler,  dieses  Falles  wegen 
consultirt,  fiberzeugte  Mch  am  3.  Februar  durch  sein« 
Exploration  von  der  Unmöglichkeit  der  Entbindung  der 
Schwangeren  vermittels  einer  Operation  durch's  Becken  un<l 
rieth  auch  zum  Kaiserschnitt. 

Am  13.  Febniar  Nachts  um  11  Uhr  wurde  ich  zu  der 
Schwangerengerufen,  mit  der  Angabe:  sie  habe  gestern  und 
heute  mitunter  an  Krämpfen  im  ganzen  Unterleibe  gelitten 
und  werde  seit  8  Uhr  Abends  durch  diese  in  der  Unter- 
bauchgegend öfter  und  bedeutend  belästigt.  Ich  begab  mich 
sogleich  zu  derselben  und  fand  Wehen,  konnte  aber  bei  der 
Exploration  mit  dem  eingebrachten  Finger  den  Muttermund 
weder  in  der  Rücken-  noch  in  der  Seitenlage  der  Kreissenden 
erreichen.  Die  Wehen  erneuerten  sich  oft ,  waren  nicht  selten 
kräftig,  wurden  aber  durch  die  Puerpera  nicht  unterstatzt. 
Während  der  Nacht  floss  Fruchtwasser  ab. 

Meine  befreundeten  CoUegen,  die  Herren  Dr.  Heusser 
und  WendmiJÜer^  Ziegler j  zur  Mitwirkung  bei  der  bevor- 
stehenden, geburtshfilflichen  Operation  sofort  eingeladen, 
fanden  sich  bald  ein. 

Die  Gebärende  wurde  nun  auf  die  Nothwendigkeit  der 
Operation  und  die  Gefährlichkeit  des  Kaiserschnittes  aufmerksam 
gemacht  und  ertheilte  mit  bewundernswerther  Entschlossenheit 
ihre  Einwilligung. 

Die  Länge  ihres  Körpers  betrug  42  Vs  Zoll  oder  127  Cenü- 
meter,  der  Umfang  des  Unterleibes,  ein  starker  Hängebauch, 
38  Zoll  oder  96  Centimeter  und  die  Stelle  von  der  Herz- 
grube zum  oberen  Rande  des  Schoossbogens  14  Zoll  oder 
4S  Centimeter. 

Nachdem  die  Kreissende  Stuhlgang  gehabt,  urinirt  hatte, 
die  Nacht  verschwunden  und  das  Tageslicht  eingetreten  war, 
wurde  sie,  Freitag,  den  14.  Februar,  Morgens  circa  halb 
«eben  Uhr,  auf  ihrem  gewöhnlichen  Bette  in  der  hellen  Wohn- 
stube vollständig  chloroformirt. 

Meine  Herren  CoUegen,  zur  linken  Seile  der  in  der 
Rückenlage  befindlichen  Operandin  stehend,    fixirten  mit  den 


VII.   DimteVt  Ein  Kaiaencimitt  nebst  Bemerkungen.      113 

Hiodeii  den  Unterleib  derselben,  und  icb,  zur  rechten  Seite 
der  Anaesthesirten  stehend  mich  befindend,  durchschnitt  mit 
eiueiu  bauchigen  Scalpeli  in  mehreren  Messerzügen  zuerst 
die  Bauchdecke  über  der  Linea  alba  und  zwar  von  oben 
nach  unten,  zwei  Zoll  oberhalb  des  Nabeis  beginnend,  diesen 
Ms  umgehend  und  die  Wunde  auf  5  Zoll  ausdehnend,  — 
Iternach  das  Peritonäum  und  dann  die  blossgelegte  Stelle 
der  Gebärmutter  in  gleicher  Länge. 

Das  Kind  bot  sich  mit  dem  Steiss  in  der  Schnittwunde, 
wurde  bald  ganz  entwickelt  und  herausgezogen,  war  aus- 
getragen und  gab  während  der  Abnabelung  durch  kräftiges 
Schreien  und  Munterkeit  sein  Leben  zur  Freude  aller  Um- 
stehenden zu  erkennen. 

Die  Placenta  war  an  der  linken  und  hinteren  Wand  lest 
adhärirt  und  musste  auf  gleichem  Wege  gelöst  werden. 

Nachdem  die  wenigen,  i'r^igelegenen  Flüssigkeiten  in  der 
Bauchliöhie  durch  den  Schwamm  aufgesogen  und  entfernt 
worden  waren,  wurden  die  Wundi*änder  der  Gebärmutter 
sorgföltig  an  einander  gelegt,  diese  zum  Becken  leicht  berab- 
gedräckt  und  die  Wundränder  der  Bauchdecken  in  gegen- 
seitige, vollständige  Berührung  gebracht.  Bei  Anlegung  der 
blutigen  Naht  (Hefte)  trat  Brechreiz  ein  und  wurden  dadurch 
einige  Darmpai'thieen  aus  der  Wunde  hervorgetrieben  aber 
auch  bald  wieder  zurückgebracht.  Es  wurde  nun  über  die 
Naht  eine  lmu*eichende  Zahl  von  Heftpflaslerstreifen,  welche 
den  Bauch  zur  Hälfte  umgaben,  und  um  den  Unterleib  eine 
diesen  unterstützende  Binde  gelegt. 

Die  Operation  dauerte  mit  dem  Verbände  circa  zwanzig 
Minuten  und  hatte  einen  Blutverlust,  welcher  den  einer 
gewöhoiiciien  Geburt  kaum  erreichte,  keineswegs  aber  über- 
sehriu,  zur  Folge. 

Gereinigt  und  von  der  Narcose  ziemlich  munter  auf- 
gewacht, freute  sich  die  Opcrirte  über  die  Erfüllung  ihres 
Wunsches,  ein  lebendes  Töctilerlein  zu  haben,  niütterlich. 

Es  wurde  ihr  körperliche  und  geistige  Ruhe  empfohlen 
und  eine  ölige  Emulsion  mit  Sydenhams  Opium -Tinctm* 
verordnet 

Sie  blieb  den  Tag  über  ruhig,  sprach  wenig,  klagte  picht 
über  Schmerzen  und   war  bei  vollem  Bewusstsein.     Aus  der 

MouKt "«cbr  r.GeburUk.  1863.  Bd.  XXI.,  Hft.8.  ^  .    , 


114     VII.    Dienert  Ein  Kaiierschnitt  Debat  Bemerkangen. 

Scheide  floss  etwas  Locbialfluss.  Der  Puls  zeigte  sich  aoraiaJ 
frequent  aber  sehr  schwach.  Der  Verband  war  Abends  an 
der  unleren  Steile  der  Wunde  etwas  unrein.  Sie  konnte 
während  der  folgenden  Nacht  von  ein  bis  Morgens  sechs 
Uhr  ziemlich  ruhig  schlafen,  erwachte  dann  munter,  klagte 
den  Tag  (Samstag  den  15.  Februar)  über  etwas  über  Schmerzen 
im  Unterleibe  und  fühlte  sich  Abends  sehr  schwach.  Der 
Inzwischen  eingetretene  Reiz  zum  Erbrechen  schwand  bald  auf 
die  Anwendung  von  Magn.  carb.  .in  einer  Emuls.  gummi  arabici. 
Fat  geuoss  mitunter  Lindenblütheuthee  und  urinirte  ziemlich 
regelmässig,  aber  sparsam.     Der  Lochienfluss  war  gering. 

Die  Operirle  war  während  der  Nacht  vom  Samstag  zum 
Sonntag  anfänglich  unruhig,  erholte  sich  später,  trank  Thee 
und  sprach  kräftig,  verschob  aber  den  Vei*band. 

Am  Sonntag,  den  16.  Februar,  Vormittags  sprach  sie 
nur  leise  und  schwach  und  befand  sich  noch  bei  vollem 
Bewusstsein,  es  schwoll  der  Bauch  etwas  an  und  musste  der 
verunreinigte  Verband  durch  einen  neuen  ersetzt  werden. 

Mittags  war  sie  noch  schwächer,  der  Puls  kaum  fühlbar. 
Abends  stellte  sich  Meteorismus,  Bewusstlosigkeit,  Agonie  ein 
und  um  6  Ulu*  schlief  sie  ein,  um  nicht  mehr  zu  erwachen. 

Section. 

Die  Section  wurde  von  mir  und  meinem  CoUegen  Heuaserj 
Dienstag,  den  18.  Februar  1862  vorgenommen. 

Die  Inspection  zeigte  den  Leichnam  ganz  abgeniageri, 
den  Unterleib  meteoristisch  aufgetrieben,  den  Mund  beinahe 
zahnlos,  die  Brustwirbel  zu  einem  Gibbus  geformt,  alle  Rippen, 
sowie  die  Schlüsselbeine  mehrfach  winkelartig  verbogen  und 
durch  Vordrängen  des  verkrümmten  Sternum  zu  einer  Hühner- 
brust umgestaltet,  die  Lendenwirbel  zur  linken  Seite  scoliosirt 
und  die  Beckenknochen  von  ihren  normalen  Formen  bedeutend 
abweichend. 

Die  Section  ergab  nach  Entfernung  der  an  den  Bauch- 
decken  befindlichen  Hefte  Schwunde  und  blasse  Huskehi  und 
Hervordrängen  der  mit  Lufl  erfüllten  Därme. 

Diese  befanden  sich,  wie  das  Bauchfell,  im  normalen 
Zustande  und  ohne  die  geringste  Spur  von  Eutzündungs- 
merkmalen. 


YIL  DUMTy  Ein  Kaberftchnftt  nebst  Böin«rkimgen.      115 

I  Der  Uterus  war  grösstentheiis  zu  einer  Kugel  zusammen- 

gezogen, lag   in   geregelter  Richtung  in   der  oberen  Becken- 
apertur und  hatte    seine  Höhle   längs   der  Wunde   vollständig 
geschlossen.     Die   äusseren   Parthieen    der   Wundränder   be- 
rahrten   sich  öberall  ganz,  boten,  auseinandergezogen,   zoll- 
dicke Schnittflächen,  wiesen  sich  am  Mtittergrunde  in  gerader 
Richtung   von  hinten   nach    vorn   und    waren   theilweise   mit 
pbstischer  Lymphe  bedeckt     Die  innere  Fläche   der  Gebär- 
matter hatte   an   der  hinteren   und   linken  Seite  unter  dem 
Grunde,   wo   die  Placenta  gesessen   hatte,   ein  flockiges  An- 
sefaeu,  war  aber  sonst  normal.    In  der  Höhle  des  Uterus  lag 
eia  kleines   Fragment   von   der  Decidua   nahe   beim   offenen 
Muttermonde   und   wenig  Blut     Auch  in   der  Vagina   fanden 
sich    noch    einige    Blutspuren.      Die    Bauchhöhle    aber    war 
äowohl  von  Blutgerinnsel  als  von  Exsudaten  frei. 

Alle  Unterleibs-  und  Brustorgane  zeigten,  wie  die  blassen 
muskulösen  Gebilde,  bedeutende  Spuren  von  Anämie,  bi  den 
Lungen  faudeu  sich  einige  Tuberkeln.  Die  Knochen  boten 
sich  bei  Dorchsägung  der  Wirbelsäule  sowohl  als  der  der 
Oberschenkel  —  behufs  Wegnahme  des  Beckens  —  fest 
und  hart 

Die  Körper  der  Lendenwirbel  sind  zur  rechten  Seite  etwas 
eingedruckt,  verkürzt  und  neigen  sich  mit  ihrer  Mitte  schief 
gegen  die  linke  Pfannengegend  des  stark  verbildeten  Beckens. 

im  Becken  sind  nämlich  das  Promontorium  eingesunken, 
das  Sacrum  geknickt,  die  schiefstehenden  Darmbeinschaufehi 
eingerollt,  der  Schambogen  schnabelförmig  hervorgetrieben 
und  schlüsselahnlich  gestaltet  und  die  Sitzhöcker  zusammen- 
gedifkckt 

Das  Becken  selbst  hietet  folgende  Distanzen; 

ZoU.    Linien. 

1.  Abftand  der  beiden  Spinae  oss.  ilinm  ant.  Bup.  .    6  4 

2.  ,,         der  Cristae  ilinm 7  6 

3.  n         der  beiden  Spinae  oss.  iL  post  snp.  .  .  .     S  5 

4.  ,         von  der  Spina  oss.  il.  post.  snp.  sinistra 

mm  Dornfortsats  des  «weiten  Lenden- 
wirbels   •  •  • t  8 

6.  ,        fur  rechten  Seite t  1 

6.  ^        der  Spina   anter.    snp.    dext.    snr  Spina 

post.  sup.  sin 6  4 

7.  ,        in  der  umgekehrten  Richtung 6  4 

8* 


116     VI^*    Diener  f  Ein  Kaiserschnitt  nebst  Bemerkungen. 

Zoll.  Linien. 

8.  Abstand  Tom  Dornfortsatke  des  zweiten  Lenden- 

wirbels snr  tspina  ant.  snp.  dextr.  .  .     ö         — 

9.  „         vom    gleichen   Fortsatz    zur    Spina    ant. 

sup.  sinistra 4  2 

10.  f,         vom    Trochanter    maj.    dezt.    snr    Spina 

post.  sup.  sinistra 7  8 

11.  B         in  umgekehrter  Richtung 6  3 

12.  „        vom  unteren  Rande  der  Symphysis  pubis 

zur  Spina  post.  sup.  sin 5  8 

13.  „         von  daher  zur  Spina  post.  snp.  deztra  ,     5  2 

14.  n         vom   Tuber   ischii   dext.    zur   Spina   oss. 

ilei  post.  sup.  sin 6  4 

15.  „         von  der  gleichen  Stelle  des  linken  Sitz- 

knorrens    zur     nämlichen    Spina    des 

rechten  Darmbeins 6  7 

16.  „         der  beiden  horizontalen  Aeste  der  Scham- 

beine von  einander —  .S 

17.  LHnge   der   schnabelförmigen  Vortreibnng   durch 

die  horizontalen  Aeste  der  Schambeine     1  6 

18.  Abstand  von  der  Spina  ischii  sin.  zum  Heiligbeln- 

rand 1  5 

19.  „         von  der  Spina  ischii  deztra  zum  Heilig- 

beinrand       1  7 

20.  „         vom  Körper  des  untersten  Lendenwirbels 

bis  zar  Pfannengegend  der  linken  Seite  —  6 

21.  „         von  daselbst  zur  rechten  Seite     1  1 

22.  f,    .     vom    oberen    Rande    des    Körpers    vom 

obersten  falschen  Wirbel  des  Heilig- 
beins bis  zur  Pfannengegend  der  linken 
Seite     1  1 

23.  9         daselbst  zur  rechten  Seite     1  2 

24.  ,1         vom    unteren    Rande    des   Körpers    vom 

zweiten  falschen  Wirbel  des  Krens- 
beins zur  linken  Pfannengegend    ...    3  1 

25.  ,,         daselbst  zur  rechten  Seite 3         — 

26.  I,         zwischen  dem  ersten  und  fünften  falschen 

Wirbel  des  beim  zweiten  and  dritten 
Wirbel  zusammengeknickten  Kreuz- 
beins   ... —         6 

27.  „         zwischen  dem  unteren  Rande  des  untersten 

Lendenwirbels  und  der  Spitze  des 
Steissbeins 1  5 

28.  ff         zwischen  den  beiden  absteigenden  Schen- 

keln der  Schambeine  (ein  Zoll  unter 
der  SyiiiphyKe  uud  der  grössten  Ver- 
engerung)    . —  5 


r' 


▼Tl.   Diener f  Ein  Kaiserschnitt  nebst  Bemerlcangen.      117 

Zoll.   Linien. 

29.   ibstand  derselben  znnKchst  beim  Bogen •*-  7 

Die  (innere)  Umfangslinie  der  oberen  Apertur 
der  Beckenhöble  beträgt  mit  Einrechnnng 
des      durch     die      Schambeine      gebildeten 

Schnabels 39  Centimeter 18  3 

ohne  den  Schnabel    31  ^  10  6 

Durchmesser  in  der  Beckenhöhle. 

o)  In  dem  Beckeneingange. 

30.  Conjngata    von    der    Symphysis    der    schnabel- 

förmigen Vortreibang 2  9 

31.  „  von  dem   hinteren  Ende  der  Schenkel 

» 

dieses  Schnabels 1  3 

32.  Qnerdarchmesser    .  .  ., 3  4 

33.  Erster  sehr&ger  Darchmesser 3  2 

34.  Zweiter  schräger  Durchmesser 3  6 

b)  Die  mittlere  Apertur. 

36.    Der  gerade  Durchmesser 4  7 

36.  Der  qnere  Darchmesser 2  9 

37.  Der  schräge  Durchmesser  von   yorn    und  rechts 

nach  hinten  und  links 3         — 

38.  Derselbe  von  vorn  und  links  nach  hinten  und  rechts    2  3 

c)  Die  dritte  Apertur. 

39.  Der  gerade  Durchmesser 3  5 

40.  Der  qnere  Durchmesser 2  2 

d)  Der  Beckenansgang. 

41.  Der  gerade  Durchmesser    3        — 

42.  Der  quere  Durchmesser  {vom  yorderen  Ende  des  • 

Sitfknorrens) —  9 

43.  Der  quere  Durchmesser  (yom  hinteren  Ende  des 

Sitsknorrens) 2  3 

44.  Die  schrägen  Durchmesser,  a.  (Von  dem  vorderen 

Ende  des  rechten  Sitzbeinhöckers  zur 

Spitze  des  Steissbeins) 2  2 

45.  6.  (Derselbe  yom  hinteren  Ende) 1  6 

44.  c.  (Vom  vorderen  Ende  des  linken  Sitzbein- 

höckers zur  Spitze  des  Steissbeins)  .    2  1 

47.  d.  (Derselbe  vom  hinteren  Ende)    ....     1  7 

Das  vollsUindig  ausgetragene  Mädchen  wog  6  Pfd. ,  hatte 
fine  Länge  von  16  Zoll  und  maass  im  Umfange  des  Kopfes 
12ZolL 


118     VII.    Diener  ^  Ein  Kaiiepsohnitt  nebst  BesMrknngen. 

Von  den  Durchmessern  am  Kopfe  betrug 
'der  kleine  quere  ....  3  Zoll  —  Linien, 
der  grosse    .  .  , 


der  senkrechte   . 

der  gerade   .  .  . 

der  diagonale  *  . 
Die  Breite  der  Schultern    .  4    „      7Vs 
Die  Breite  des  Steisses    .  .  3    „      5 


3  „      5 

4  „      5 

4    „      2% 


5 


1»  »» 


»1  «^  n 


Allgemeine  Bemerkungen. 

Unterlegen  wir  Jen  vorstehenden  Fall  einer  allgemeinen 
aber  kurzen  Betrachtung,  so  bietet  er  sowohl  mit  Bficksicbt 
auf  die  Entwickelung  der  allgemeinen  Osteomalacie  als  auf 
die  Indicationen  für  den  Kaiserschnitt  einiges  Interesse. 

Osteomalacie. 

Obgleich  die  Fälle  der  Osteomalacie  im  Allgemeinen 
nicht  zu  den  Seltenheiten  geboren  und  sich  mitunter  gleich- 
zeitig bei  mehreren  Gliedeni  der  nämlichen  Familien  bieten, 
so  kommen  sie  doch  nur  ausnahmsweise  zur  Behandlung 
der  Aerzte. 

Diese  Krankheit  schlummert  nämlich  oft  Jahre  lang  als 
blosse  Disposition  in  Organismen,  entwickelt  sich  meistens 
nur  langsam  und  auf  Einwirkung  besüinmter  schädlicher 
Potenzen  und  kommt  gewöhnlich  erst  zur  Kenntniss  der 
TherapeuXen,  wenn  sie  sich  durch  bedeutende  Deformität  des 
Körpers  auszeichnet. 

Als  ursächliche  Momente  dieser  Abnormität  üben  aber 
Beschäftigungen,  Vegetation  und  schlechte  Ernährung  und 
Gewohnheiten  oft  einen  wichtigen  Einfluss  aus. 

So  entstanden  bei  zwei  zartgebauten  Geschwistern,  welche 
vom  zwölften  Lebensjahre  an  vom  frühen  Morgen  bis  späten 
Abend  in  einer  beengten  Stube  mit  der  grössten  Behändig- 
keit  Seide  woben,  bei  einer  grösstentheils  aus  vegetabilischen 
Speisen  bestandenen  Kost,  im  Zeitraum  von  vier  bis  fünf 
Jahren  Gibbus,  Scoliose  und  Hühnerbrust  mit  beschränkter 
Vegetation  des  Organismus. 

Diese  pathologischen  Zustände  wurden  unzweifelhaft 
durch    die    übermässige   Consumtion    und    die    mangelhafte 


VII.  lyUner,  Ein  KaisemehnUt  nebst  Bemerknngeii.      119 

Reproducüon  der  Kräfte  bei  den  stets  in  sitzender  Körperstellung 
TorgeDommeDen,  anstrengenden  Arbeiten,  während  der  Evolution 
des  Organismus  bedingt. 

Aehnlicbe  Beispiele  fanden  sich  hier  und  da. 

Auch  Frau  D^  welche  von  der  frühen  Jugend  an  schwäch- 
heb  war,  meistens  vegetabilische  Speisen  genoss,  bald  nach 
dem  Austritt  aus  der  Primarschule  (im  12.  Lebensjahre) 
niiD  Seideweben  angehalten  wurde  und  übermässig  arbeitete, 
blieb  in  der  körperlichen  Entwickelung  weit  zurück.  Als  die 
schwache  Frau  dann  zum  zweiten  Male  geboren  hatte,  fühlte 
sie  sich  oft  unwohl.  Nach  der  dritten  Niederkunft  (Zangen- 
geburt) traten  vagirende  Schmerzen  im  Kreuz  und  den  Gliedern 
ein  und  hatte  das  bei  der  vierten  Geburt  todt  zur  Welt  ge- 
kommene Mädchen  einen  tiefen  Eindruck  im  Stirnbein  gehabt. 

Bei  diesem  Krankheitsfalle  wurde  also  die  Anlage  für 
das  Knochenleiden  durch  die  ursprüngliche  Schwäche  oder 
maDgelbafte  Ernährung  des  Organismus  in  Verbindung  mit 
einem  Missverbaltniss  zwischen  dem  übermässigen  Verbrauch 
der  körperlichen  Kräfte  und  dem  unzureiclienden  Ersatz  der- 
selben —  gegründet;  die  Disposition  im  Verfolg  durch  die- 
selben Einflüsse  mehr  entwickelt,  durch  die  zu  frühe  und  zu 
lange  fortgesetzte  sitzende  Lebensart  oder  den  beständigen 
Einflttss  der  Rumptlast  auf  das  Becken  zur  Gelegenheitsursache 
für  dieselbe  Krankheit  umgewandelt  und  die  allgemeine  Osteo- 
malacie  mit  den  mehrfachen  Deformitäten  im  Brustkorb,  in 
der  Wirbelsäule  und  im  Becken  durch  die  öfteren  wieder- 
holten Anstrengungen  bei  dem  Geburtsgeschäfte,  die  reich- 
haltigste Quelle  für  die  Knochenerweichung,  hervorgerufen. 

Die  Krankheit  selbst  gab  ihr  Entstehen  und  stufenweises 
Fortschreiten  zuerst  durch  die  vagirenden  Schmerzen  im  Rücken 
and  den  Extremitäten  im  zweiten  Wochenbette,  dann  durch 
die  Steigerung  derselben  bis  zur  Unfidiigkeit  das  Bett  zu 
verlassen  in  der  vierten  Schwangerschaft,  noph  mehr  aber 
durch  den  Eindruck  vom  Stirnbein  des  zu  dieser  Zeit  ge- 
borenen Kindes  und  endlich  durch  die  mehrfach  aufgetretenen 
paralytischen  Erscheinungen  in  den  unteren  Extremitäten  dieser 
Frau  —  kund. 

WerCen  wir  noch  vergleichend  einen  Blick  auf  die  Osteo- 
malacie  mit  der  Rhachiti»,  so  finden  wir,  obgleich  diese  aus- 


1 

i 


120     VIT.   Diener  f  Kin  Kaiserschnitt  nebst  Bemerkungen. 

schliesslich  bei  Kindern  vorkommt  unci  jene  sich  meistens 
bei  Erwachsenen  entwickelt,  im  Allgemeinen  nicht  nur  grosse 
Aehnliclikeit,  sondern  eine  nahe  Verwandtschaft  zwischen 
beiden  Krankheiten. 

Die  Aehnlichkeit  der  Erscheinungen,  wie  sie  auf  die  Ent- 
stehung jenes  Leidens  bezüglich  beschrieben  worden  sind 
und  bei  der  Entwickelung  der  i^rwähnten  Kinderkrankheit 
vielfach  beobachtet  werden  können,  die  Form  des  durch  beide 
Krankheiten  veränderten  Beckens  und  die  Structur  der  aflicirten 
Knochen  vermögen  die  betreiTende  Verwandtschaft  deutlich  nach- 
zuweisen und  die  Differenz  nur  durch  die  Altersverschiedenheit 
darzustellen. 

Will  man  tiefer  in  die  Ermittlung  der  Causalverhältnisse 
dieser  Knochenkrankheiten  eindringen  und  die  Dyscrasie  in 
Abrede  stellen,  obgleich  besondere  Tendenzen  im  Knochen- 
system bei  Gicht,  Scropheln  und  Syphilis  erkennbar  vor- 
walten, »o  erkennt  man  in  den  oft  weit  ausgebreiteten  Structur- 
und  Texturveränderungen  bei  der  Rhachitis  eine  besondere 
Beeinträchtigung  der  Integrität  des  Knochensystems,  abhängig 
von  dem  Einfluss  des  Gehirns  und  Ruckenmarkes. 

Wie  die  Anlage  zur  Rhachitis,  analog  mit  der  Scrophu- 
losis,  nämlich  als  eipe  Nervenkrankheit  des  ^ssimilativen 
Vegetationsprocesses  dargestellt  und  als '  ein  Missverhältniss 
der  Wechselwirkung  zwischen  dem  Gehirn  und  Ruckenmark 
betrachtet  wird,  ebenso  erscheint  bei  Osteomalacie  die  Krank- 
heit der  Knochen  als  die  Wirkung  eines  Missverhältnisses 
zwischen  dem  Ganglien-  und  Cerebralsystem  auf  der  Alters- 
und Entwickelungsverschiedenheit  beruhend  und  äussert  sich 
dieselbe  durch  physische  und  psychische  Verstimmung. 

Diese  Verstimmung  giebt  sich  in  der  Schwangerschaft 
durch  Zunahme  an  Intensität  der  Vegetation  und  durch 
Alienation  der  Sensibilität  zu  erkennen. 

Bei  denjenigen  Frauenspersonen,  welche  durch  öfters 
wiederholte  Anstrengungen  beim  Geburtsgeschäfte  betheiligt 
worden  sind,  zeigt  sich,  wie  bei  der  Decrepitationsstufe,  eine 
theilweise  Einbusse  an  .Energie  in  der  von  der  Vegetation 
und  Sensibilität  abhängigen  Reproduction ,  die  dadurch  be- 
dingte Veränderung  im  somalischen  und  psychisdien  Leben 
und    eine    hochgesteigerte    Disposition    oder    die    eigentliche 


VII.   DUn^Tf  Ein  Km'ierschnitt  nebit  BemerknngeB.     121 


QKlIe  sur  Osteomalacie,  indem  die  grossen  Nerrenstämme 
welche  Tom  unteren  Theil  des  Röckenmarkes  entspringen; 
durch  die  Geburtsarbeit  hauptsächlich  leiden  und  sich  in 
Übmongsartigen  Erscheinungen  zu  erkennen  gehen. 

Erwähnenswerth  erscheint,  dass  Hoebek  s.  Z.  unter 
den  Einflössen,  welche  Osteomalacie  hervorrufen,  die  An* 
Wendung  von  Oleum  jecoris  aselli,  das  seit  einer  langen 
Reibe  von  Jahren  zur  Bekämpfung  der  mit  der  Knochen- 
erweicfaung  nahe  verwandten  Rhachitis  mit  günstigem  Erfolg 
gereicht  und  hochgepriesen  worden  ist,  genannt  hat. 

Hoebek  beruft  sich  zur  Begründung  der  diesfl^lligen 
Wirkungsweise  des  Lebertbrans  auf  viele  Fälle  von  Osteo- 
roakicie,  welche  auf  den  Gebrauch  desselben  entstanden  sind 
und  erwähnt  dabei  besonders  fünfzehn  Fälle,  bei  denen  wegen 
Deformität  des  Beckens  der  Kaiserschnitt  vorgenommen  werden 
musste. 

Obgleich  Frau  D.  zur  Zeit  ihrer  Erkrankungen  Massen 
von  Ob.  jecor.  aselli.  verschlungen  hat,  so  musste  doch  ein 
Schluss  auf  die  daherige  Entwickelung  der  Osteomalacie 
ebenso  gewagt  wie  unnachweisbar  erscheinen. 

In  Ermangelung  «iner  chemischen  Untersuchung  über 
die  diesfaUigen  malacischen  Knochen  verweise  ich  auf  eine 
Analyse,  aus  der  ein  gewisser  Bus  von  Knochen  in  der 
Mollities  ossium  folgendes  Resultat  erhalten  hat: 


Mollities. 

1 

Normal. 

Erdige 

'  Thierische 

Erdige 

Thierische 

SnbstanseD. 

Snbs  tanzen. 

SnbBtanzen. 

1 

Substanseo. 

Fibula 

32,60 

67,60 

60,02 

39,06  . 

Kippe 

30,00 

70,00 

57,49 

42,51 

Wirbel 

26,13 

73,87 

67,42 

1 

42,66 

Indicationen  für  den  Kaiserschnitt 

Räcksichtlich  der  Indicationen,    welche  sich   dem   Falle 
flfar  den  Kaiserschnitt  darboten,  zeigten  sich  folgende: 


123     ^^I*   iH'^iMT,  Ein  Kais«rf»cbniU  nebat  B^merlmngaa. 

1.  Die  bedeutende  Verengerung  aller  Aperturen  des 
Beckens,  besonders  aber 

2.  die  beim  Eingange  in  die  Vagina  zuerst  wahr- 
genommene und  durch  die  schnabeUiSnnig  vorgetretenen  und 
Süsammengedräckten  Schoossbeine  bewirkte  Verengerung,  so- 
wie  die  daselbst  dargebotene  relative  Verkürzung  des  geraden 
Durchmessers. 

5.  Die  tiefe  Vorwölbung  des  Promontoriums  und  das 
nahe  Beieinanderstehen  der  Pfannengegenden  in  der  mittleren 
Apertur. 

4.  Die  zwischen  den  Schenkelenden  des  Schoossbogen- 
Schnabels  und  dem  Promontorium  berechnete  und  unter  zwei 
Zoll  verkürzte  Conjugata. 

ö.  Der  hohe  Stand  des  bei  der  Einführung  des  Fingers 
durch  die  Scheide  weder  in  der  Rücken-  noch  in  der  Seiten- 
lage der  Schwangeren  zu  erreichenden  Muttermundes. 

Dieser  Stand  des  Muttermundes  klärte  sich  durch  die 
beim  Kaiserschnitte  vorgekommene  Eröffnung  des  Muttergrundes, 
welche  nur  bei  vollständigem  Hinaufsteigen  des  Uterus  in  die 
freie  Bauchhöhle  und  dui*ch  die  den  starken  Hängebaucb 
bildende  Pronation  der  Gebärmutter  stattfinden  konnte,  deut> 
lieh  auf. 

6.  Die  sicheren  Spuren  vom  Leben  des  Kindes. 

7.  Die  Einwilligung  zum  Kaiserschnitt  von  Seite  der 
bei  vollem  Bewusstsein  befindlichen  Kreissenden,  und 

8.  Die  Unmöglichkeit,  die  Schwangere  durch  eine  andere 
Operation,  Perforation,  Embryotomie,  Symphysiotomie  etc.  zu 
entbinden  und  die  Gewissheit  bei  diesen  Operationsversueben 
nicht  nur  das  Leben  des  Kindes  zu  zerstören,  sondern  auch 
die  Mutter  zu  opfern. 

Esslingen,  Canton  Zürich,  im  Mai  1862. 


▼m.   Mim,  Die  KaihAt«riMtios  dar  Lnllrdhra  «te.     ISg 


vm. 

IKe  Kaiheteriflation  der  Luftröhre  bei  asphyctisch 

geborenen  Eindem. 

Von 

Dr.  Y.  HAter, 

Privatdooent  in  Marburg. 

Es  »t  ba  dem  jetzigen  Stande  der  Wissenschaft  als  fest- 
stehende Thatsache  zu  betrachten,  dass  die  Asphyxie  der 
Neagd)orenen  durch  eine  Störung  der  respiratorischen  Function 
der  Phcenta  während  des  Geburtsacts  hervorgerufen  wird. 
Der  Austausdi  zwischen  dem  mfitterlichen  und  dem  fötalen 
Blute  kann  in  seltenen  Fällen  durch  Krankheiten  und  Tod 
der  Mutter  unterbrochen  werden,  häufiger  tritt  die  Störung 
dieses  Aastausches  durch  die  vorzeitige  Ablösung  der  Placenta 
oder  durch  Gompression  der  Nabelschnur  ein.  Am  häufigsten 
wird  jedoch  die  respiratorische  Thätigkeit  der  Placenta 
durch  die  Gontractionen  des  Uterus  gehemmt  Je  mehr 
Dämlich  diese  an  Intensität  und  Frequenz  gewinnen,  um  so 
stärker  werden  die  uterinalen  Blutgefässe  comprimirt  und  ihr 
Lumen  verengert,  so  dass  der  Zufluss  des  mOtterlichen  aiHerielkn 
Blutes  behindert  werden  muss.  Begünstigt  wird  diese  schäd- 
Ikhe  Wirkung  der  Wehenthätigkeit  ausserdem  dadurch,  dass 
eine  geringe  Menge  Fruchtwasser  vorhanden,  ein  Theil  der 
Frucht  schon  aus  dem  Uterus  herausgetreten  ist,  die  Wandungen 
des  UtMiis  in  der  Wehenpause  nicht  gehörig  wieder  er- 
schlafTen,  und  die  Placenta  nicht  die  Zerklüftung  zwischen 
ihren  Cotyledonen  besitzt,  welche  ihr  gestattet,  sich  der  sich 
verkleinernden  Uterinwand  zu  accommodiren. 

Das  Blut  des  Fötus  leidet  hierdurch  Mangel  an  Sauer- 
stoff, die  hellrothe  arterielle  Beschaffenheil  desselben  weicht 
einer  dunkein,  durch  den  Ueberschuss  an  Kohlensaure  be- 
dingten  Farbe.  Eine  uothwendige  Folge  dieser  veränderten 
Blutmischung  beim  Fötus  ist  der  Eintritt  von  inspiratoriscboi 
Bewegungen.  Diese  müssen  bei  Fortbestehen  der  ursächlichen 
Momente    erfolglos    sein,    da    nur    unter    sehr    günstigen 


124         ^'<I-    ä^Uer,  Die  Kathete risation  der  Luftröhre 

Bedingungen  eine  geringe  Quantität  Lufl  in  die  Uterinhöhle 
eindringen  und,  wenn  der  Mund  des  Kindes  frei  liegt,  in  die 
Lungen  dieses  gelangen  kann.  Statt  der  Luft  wird  dagegen 
die  FIdssigkeit,  welche  das  Gesicht  des  Kindes  gewöhnlich 
umlagert,  nämlich  Geburtsschleim  und  Fruchtwasser,  welches 
mit  Vernix  caseosa,  Blut  und  Meconium  gemischt  sein  kann, 
aspirirt.  Diese  Flüssigkeiten  dringen  in  die  Nase,  den  Hund, 
den  Schlund,  in  die  Speiseröhre  und  den  Magen,  in  den  Kehl- 
kopf, die  Luftröhre  und  die  Bronchien  des  Kindes  und  können 
bei  Sectionen  an  diesen  Stellen  aufgefunden  werden. 

Verzögert  sich  das  Ende  der  Geburt  noch  mehr,  so 
machen  sich  die  Folgen  des  bereits  vorhandenen  asphyctischen 
Zustandes  in  noch  viel  höherem  Grade  geltend.  Die  Reflex- 
reizbarkeit verliert  sich,  es  folgt  eine  allgemeine  Erschlafl'ung, 
die  Frequenz  und  die  Kraft  des  Herzschlags  sinkt,  und  das 
Leben  des  Kindes  erlischt  allmälig.  Es  ist  nun  nicht  allein 
von  der  Zeitdauer,  sondern  auch  von  dem  Grade  der  Störung 
in  der  respiratorischen  Function  der  Placenta  abhängig,  ob 
die  Kinder  in  niederem  oder  höherem  Grade  scheintodt, 
sterbend  oder  lodt  geboren  werden. 

Diese  Vorgänge,  welche  von  Schwartz  (Die  vorzeitigen 
Athembewegungen,  Leipzig  1858)  ausführlich  beschrieben 
worden  und  durch  beweisgültige  Beobachtungen  als  erwiesen 
zu  betrachten  sind,  schliessen  somit  die  früher  übliche  An- 
nahme des  Unterschiedes  zwischen  einem  apoplectischen,  einem 
sufTocatorischen  und  einem  Scheintod  aus  Schwäche  oder 
des  Unterschiedes  zwischen  einem  hyperämischen  und  einem 
anämischen  Scheintode  gänzlich  aus.  Ein  anämischer  Zustand 
kann  nur  dann  bei  einem  asphyctisch  geborenen  Kinde  an- 
getroffen werden,  wenn  eine  Blutung  nach  Zerreissung  der 
Nabelschnur  oder  nach  Zerreissung  der  in  den  Eihäuten  ver- 
laufenden Nabelschnurgefasse  vorangegangen  ist. 

Hat  die  Störung  der  Placentarfunction  nur  einen  ge- 
ringen Grad  und  eine  kurze  Zeitdauer  gehabt  so  finden  wir, 
dass  die  Kinder  nach  Beendigung  des  Geburtsactes  eine  ver- 
minderte  Frequenz  der  Herzpulsation  zeigen,  zögernd  und  unter 
Rasselgeräuschen,  welche  gewöhnlich  auch  von  Hüsteln  und 
Niesen  begleitet  sind,  zu  respiriren  beginnen.  Diese  können 
eine  verschiedene  Stärke  und  Dauer  haben,  je  nachdem  eine 


bei  MSpbyctisch  geboreo«n  Kindern.  125 

grtoere  oder  geringere  Menge  Flüssigkeit  von  dem  Kinde 
aspirirt  worden  isL  Es  i&oninU  hierbei  besonders  in  Betracht, 
ob  das  Kind  seine  Athemversuche  in  dem  Uterus  häufig 
wiederholt  hat,  und  ob  die  Eingänge  m  den  Luftwegen  von 
Geburtsscbleim  und  Fruchtwasser  reichlich  umspult  waren. 

Wenn  wir  diesen  Zustand  des  Kindes  als  den  ersten 
Grad  von  Asphyxie  bezeichnen,  so  beobachten  wir  hei  den 
Kindern,  bei  welchen  sich  die  Störung  der  Placentarlunction 
in  höherem  Grade  und  längere  Zeit  hindurch  geltend  gemacht 
hat«  dass  ihre  Haut  immer  mit  Meconium  beschmutzt  ist, 
dass  die  Herzpulsation  noch  seltener  und  mehr  geschwächt 
ist,  und  die  Respirationsbewegungen  in  längeren  Pausen  und 
anfangs  ohne  Rasselgeräusche  stattfinden.  Diese  stellen  sich 
erst  allmälig  ein,  wenn  durch  geeignete  Mittel  die  Frequenz 
der  Respirationen  gehoben  ist,  und  in  Folge  dessen  die  Luft 
tiefer  in  die  Lungen  dringt  Oder  die  Rasselgeräusche  treten 
gar  nicht  ein,  besonders  wenn  die  Kinder  sich  selbst  über- 
lassen bleiben,  oder  wenn  man  nur  ungenügende  Hautreize 
anwendet.  Die  Respirationsbewegungen  werden,  weil  sie 
wegen  der  die  Luttwege  verschliessenden  Flüssigkeiten  ohne 
Wirkung  bleiben,  seltener,  hören  allmälig  ganz  auj,  und  den 
sicheren  Tod  des  Kindes  bekundet  das  zuletzt  eintretende 
Erlöschen  der  Herzbewegung.  Wir  wollen  die  eben  ge- 
schilderten Symptome  unter  dem  Namen  der  Asphyxie  zweiten 
Grades  begreifen. 

Fehlen  bei  den  asphyctisch  geborenen  und  mit  Meconium 
beschmutzten  Kindern  in  den  ersten  Minuten  nach  der  Geburt 
auch  die  Respirationsbewegungen,  ist  die  seltene  Herzpulsation, 
welche  durch  das  Gefühl  oder  durch  das  Stethoskop  nach- 
zuweisen ist,  die  einzige  Lebensäusserung ,  so  kann  dieser 
Zustand  als  Asphyxie  dritten  Grades  bezeichnet  werden. 

Bei  den  Kindern,  welche  mit  den  Erscheinungen  der 
Asphyxie  ersten  Grades  zur  Welt  kommen,  hat  man,  wie 
die  Erfahrung  lehrt,  gewöhnlich  zur  Wiederbelebung  nichts 
zu  Ihun.  Unter  Hüsteln  und  Niesen  folgen  die  Respirations- 
bewegungen, welche  noch  einige  Zeit  lang  von  Rasseln 
begleitet  sind,  einander  häufiger  und  haben  gar  bald  ihre 
regelmassige  Frequenz.  Zugleich  kehrt  auch  das  normale 
Verhalten    der    Herzthätigkeit    wieder.      Wenn    dagegen    die 


126        VIII.    Hüter,  Die  Kathete risation  der  Luftröhre 

Respirationsbewegangeii  und  die  Herzpulsationen  selten  bleiben, 
so  genügen  die  gewöhnlichen  Hautreize,  welche  in  allen  Lebr* 
büchern  der  Geburtshülfe  empfohlen  werden,  um  auf  deoi 
Wege  der  Reflexthätigkeit  die  Respirationsbewegungen  zu  be- 
schleunigen und  so  zu  kräftigen,  dass  Niesen  nnd  Husten 
eintritt. 

Dieselben   Mittel    reichen   auch    bei    dem  zweiten  Grad 
der  Asphyxie  gewöhnlich  aus.    Unter  ihrer  Anwendung  können 
die    Rasselgeräusche,     welche    anfangs    bei     den     seltenen 
Respirationsbewegungen  fehlten,   eintreten  und  geben  durch 
ihr  Erscheinen,   besonders  wenn  sie  mit  Husten,  Niesen  und 
Erbrechen  verbunden  sind,  für  die  Wiederbelebung  des  Kindes 
immer  eine  günstige  Prognose.     Vermögen  wir  jedoch  nicht, 
durch  die  Hautreize  den  Respirationsbewegungen  eine  solche 
Intensität  und  Frequenz  zu  verleihen,  dass  die  Rassdgerausche 
auftreten,  nimmt  im  Gegentheil  die  Häufigkeit  der  Respirationen 
und  der  Herzschläge  ab,  so  müssen  wir  den  Grund  hiervon 
zum  Theil   in    der   geschwächten    Reflexreizbarkeit,    welche 
durch  die  asphyctische  Intoxication  herbeigeführt  worden  ist, 
suchen.    Zugleich  aber  ist  nicht  zu  übersehen,  dass  die  vor- 
zeitig eingeathmeten  Flüssigkeiten,  welche  bei  solchen  Kindern 
die  Luftwege  verschliessen,   der  eindringenden  Luft  zuweilen 
ein  bedeutendes  Hinderniss  bieten.     Es  tritt  deshalb  an  den 
behandelnden  Geburtshelfer  die  Indication  heran,  die  Flüssig- 
keiten  aus   den  Luftwegen   zu  entfernen   und  ddnn 
die  atmosphärische  Luft  so  tief  als  möglich  in  die- 
selben einzuführen.     Aus  selbst  verstandlichen  Gründen 
darf  man   sich  von   der   Anwendung  der  Mittel,   welche  die 
zweite  Indication   fordert,   erst  dann  günstigen  Erfolg  ver> 
sprechen,   wenn   man  durch   geeignete  Mittel  der  ersten  In- 
dication Genüge  geleistet  hat. 

Schon  Mauriceau  '(Traite  des  maladies  des  femmes 
grosses  etc.  VL  edit.  Tome  L  Paris  1721,  p.  481)  giebt  den 
Rath,  bei  scheintodten  Kindern  den  Mund  halb  offen  zu  halten 
und  die  Nasenlöcher  mit  kleinen  Wieken  von  Tuch  (petites 
tentes  de  linge)  zu  reinigen.  In  vielen  der  späteren  Lehr- 
bücher für  Geburtshülfe  findet  sich  bei  der  Behandlung  der 
scheintodten  Kinder  angegeben,  dass  man  aus  der  Mund-  und 
Rachenhöhle  die  angehäuften  Schleimmassen  mit  dem  Finger 


bei  «apbyotiteh  geboreaen  Kindern.  127 

entfenieo  und  hierauf  den  Schlund  mit  einem  Federbarte  reizen 
soUe,  um  hierdurch  die  Respirationsbewegungen  zu  erwecken, 
oder  wann  solche  schon  vorbanden,  diese  zu  kräftigen  und 
zu  Temiehren.  Es  mögen  diese  Mittel,  um  die  Respiration 
in  den  Gang  zu  bringen,  dann  genügen,  wenn  die  aspinrte 
Flüssigkeit  nur  in  den  Mund,  die  Nasen-  und  die  Rachen- 
höhle  vorgedrungen  und  nur  wenig  oder  gar  nichts  von  der- 
selbeD  In  die  Trachea  und  in  die  Bronchien  gelangt  ist.  Sind 
diese  jedoch  mehr  angefüllt,  und  kann  desshalb  die  Luft  nicht 
gehörig  in  die  Lungen  dringen,  so  kann  man,  wie  Marchatd 
(L'Umon  8,  9,  1852;  vergi.  Schmidt* s  Jahrb.  d.  ges.  Med. 
Bd.  74,  S.  207)  anrälh,  das  Kind  auf  den  Bauch  mit  hoch- 
eriiobenen  Füssen  lagern,  um  auf  diese  Weise  das  Ausfliessen 
der  aqiirirten  Flüssigkeit  zu  erleichtern.  Auch  C.  Braun 
(Lehrbuch  der  Geburtshülfe,  Wien  1857,  S.  264)  empfiehlt, 
um  den  im  Munde  und  Rachen  befindlichen  Sclüeim  heraus- 
znbefördern,  das  Kind  an  den  Füssen  emporzuheben,  oder 
dasselbe  auf  eine  Seite  zu  lagern.  Ist  vorzugsweise  Frucht- 
wasser in  die  Trachea  gelangt,  so  ist  die  Möglichkeit  vor- 
banden, dass  ein  Theil  desselben  durch  die  eben  angegebene 
Haltung  des  Kindes  herausfliesst,  während  der  Rest  durch 
die  mittels  der  Hautreize  häufiger  gewordenen  Respirations- 
bewegungen, welche  von  Uüstehi,  Niesen  oder  Erbrechen  be- 
gleitet sind,  entfernt  wird. 

Ist  dagegen  die  Flüssigkeit,  welche  die  Trachea  und  die 
Bronchien  des  Kindes  anfüllt,  eine  mehr  zähe,  besteht  sie 
aus  Geburtsscbleim,  Meconium  und  Blut,  so  haftet  dieselbe 
den  Wandungen  der  Trachea  und  der  Bronchien  so  fest  an, 
dass  wir  kein  Ausfliessen  bemerken  werden,  sobald  wir  das 
untere  Ende  des  Kindes  höber  halten.  Kommt  nun  so  eine 
solche  Verschliessung  der  tieferen  Athemwege  zu  Stande, 
dass  weder  auf  natürliche  Weise  durch  die  Respirations- 
bewegungen, noch  durch  künstliche  Manipulationen  Luft  in 
die  Lunge  dringen  kann,  so  ist  nur  durch  das  nunmehr  zu 
beschreibende  VerfSaibren  der  Weg  zur  Lunge  für  die  Luft 
zugängig  zu  machen. 

Am  2.  September  1861  um  5Va  Uhr  Morgens  entband 
ich  eine  Erstgebärende,  welche  wegen  ungenügender  Wehen- 
thätigkeit   eine   sehr  lange  Geburtsdauer   überstanden    hatte. 


128         VIII.    HUUr,  Die  Käthe terisation  der  Luftröhre 

leb  fand  bei  meiner  Ankunft  die  Längenachse  der  FruchC  in 
der  ej'sten  Diagonale  des  Uterus,  den  Rucken  und  den  Fötal- 
puls vorn  links.  Dieser  hatte  ausser  und  während  der  Weh« 
die  geringe  Frequenz  von  7  Schlägen  in  5  Seeunden.  Die 
Fruchtwasseriuenge  war  massig,  ßei  der  inneren  Untersuchung 
fand  ich  den  Muttermund  retrahirt  und  den  Kopf  mit  Geschwulst 
versehen  in  erster  Sciiädelstellung  im  ßecken.  Der  unter- 
suchende  Finger  war  mit  Meconium  beschmutzt.  Die  Zangen- 
Operation  ging  leicht  und  unter  ßeihülfe  der  doppelseitigen 
Episiotomie  rasch,  von  Statten.  Das  Kind,  ein  Knabe,  welcher 
stark  mit  Meconium  beschmiert  war,  hatte  unmittelbar  nacij 
der  Geburt  in  5  Seeunden  5  Pulsationen  an  seiner  Nabel- 
schnur und  machte  einige  seltene  Respurationsbewegungeu. 
Diese  wurden,  als  das  Kind  abgenabelt  und  ihm  hierbei  etwas 
Blut  entzogen  war,  noch  seltener,  wesshalb  ich  mich  anschickt«, 
dasselbe  durch  Lufteinblasen  wieder  zu  beleben.  Ich  führt« 
daher  einen  dünnen  elastischen  Katheter  in  die  Luftröhre 
und  blies  mittels  desselben  Luft  ein.  Allein  b&  dem  Ein- 
blasen fühlte  ich  einen  solchen  Widerstand,  dass  nur  sehr 
wenig  Lufl  die  Augen  des  Katheters  verlassen  haben  konnte. 
Ich  nahm  daher  denselben,  weil  ich  den  Grund  des  Wider- 
standes in  einer  Verstopfung  des  Katheterlumens  vermuthete, 
wieder  aUs  der  Trachea  heraus,  überzeugte  mich  jedoch  als- 
bald, dass  der  Katheter  nicht  verstopft  war,  die  Luft  vielmehr 
völlig  frei  durch  denselben  hindurch  ging.  Das  Hinderniss 
musste  somit  in  der  Trachea  oder  in  den  Bronchien  liegen. 
In.  dieser  Voraussetzung  führte  ich  den  Katheter  wieder  in 
die  Trachea,  machte  nunmehr  mit  meinem  Munde,  welcher 
sich  an  dem  oberen  Ende  des  Katheters  befand,  eine  kurze 
aspirirendc  Bewegung  und  zog  sogleich  den  Katheter  wieder 
zurück.  Noch  während  des  Herausziebens  antwortete  das 
Kind  mit  einer  tieferen  Respirationsbewegung,  welche  von 
geringem  Rasseln  begleitet  war. 

In  den  beiden  Augen  des  Katheters  haftete  grünlichzäiier 
Schleim,  welchem,  und  zwar  an  dem  unleren  Auge,  auch  einige 
Partikelchen  Vernix  caseosa  beigemengt  waren.  Als  ich  die 
Augen  des  Katheters  wieder  frei  gemacht  hatte,  wiederholte 
ich  das  Einführen  und'  nach  demselben  wiederum  das 
Aspiriren  mit  nieinein  Munde.   Die  Wirkung  war  etwas  geringer, 


bei  aapbyctisch  geborenen  Kindern.  129 

iDdem  nur  an  dem  anteren  Auge  des  herausgezogeneu 
Kjlbeters  etwas  grünlicher  Schleim  haftete.  Das  Lufteinblasen 
nift  dem  Katheter  ging  nun,  nachdem  so  die  Luftwege,  frei 
geworden  waren,  ohne  Widerstand  von  Statten,  und  die  Wieder- 
beJebong  des  Kindes  gelang. 

Bei  noch  zwei  anderen  Kindern,  welche  nach  der  Ge- 
bort die  Symptome  der  Asphyxie  zweiten  Grades  darboten 
wendete  ich  das  Aspiriren  mittels  des  in  die  Trachea  ge- 
ächobeoen  Katheters,  bevor  ich  zum  Lufteinblasen  schritt, 
mit  demselben  günstigen  Erfolge  an.  In  beiden  Fällen  haftete 
an  den  Augen  des  herausgezogenen  Katheters  etwas  grünlich 
läber  Schleim.  Das  eine  dieser  Kinder  war  von  einer  Erst- 
gebarenden in  erster  Steisssteliung  geboren  worden.  Die  etwas 
schwierige  Lösung  der  beiden  Arme  hatte  die  Geburts- 
Verzögerung  bewirkt  und  deshalb  den  asphyctischen  Zustand 
des  Kindes  zu  der  angegebenen  Höhe  gesteigert.  Der  Kopt  des 
anderen  Kindes,  welcher  in  erster  Schädelstellung  im  Becken 
stand,  war  mit  der  Zange  extrahirt  worden.  Bei  der  Mutler, 
einer  Mehrgebarenden,  welche  das  Fruchtwasser  fi*äh  verloren 
hatte,  hing  die  Gebärmutter  stark  vorn  über.  Der  Fötalpuls 
hatte  bei  meiner  Ankunft  die  Frequenz  von  9  Schlägen  während 
5  Secunden  in  der  Wehenpause  und  wurde  während  der  Wehe 
aaf  7  Sehläge  verlangsamt. 

Wenn  die  Kinder  die  Symptome  der  Asphyxie  dritten 
Grades  darbieten,  nämlich  ihr  Leben  um*  durch  schwache 
und  seltene  Herzpulsation  bekunden  und  in  den  ersten  Mi- 
nttten  nach  der  Geburt  keine  Respirationsbewegung  machen, 
so  tritt  die  Indicatlon,  die  Luftwege  von  den  vorzeitig  aspi- 
rirlen  FIdssigkeiten  gehörig  zu  reinigen  und  dann  die  atmo- 
sphärische Luft  in  die  Lungen  einzufahren,  noch  viel  dringender 
in  den  Vordergrund.  Würde  man  die  erste  Zeil  mit  der  An- 
wendung der  gewöholiehen  Hautreize,  welche  nach  meinen 
bisberigen  Erfahrungen  in  solchen  Fällen  ganz  wirkungslos 
bleibeo,  UAnütz  hingehen  lassen,  so  kann  während  dessen  die 
Erregongsßihigkeit  des  verlähgerten  Markes  ganz  und  gar 
erlöacfaen.  Diesem  ist  nur  durch  die  schleunige  Zufuhr  von 
arteriellem  Blute  vorzubeugen.  Daher  ist,  sobald  die  Wege 
zur  Lunge   frei   sind,  alsbald  atmosphärische   Luft  in  diese 

UoBaUM^hr.  r.  Oobortnk    ISBS     B<1.  XXI.,  Hfl.  8.  ^ 


130         ^^'^*    HUUr,  Die  Katheterbation  der  Luftröhre 

hineinzufAhren,  damit  die  Umwandlung  des  an  KobJenaMire 
überreichen  Blutes  in  arterielles  ermöglicht  wird.  Das  Reinigen 
der  .Trachea  und  der  Bronchien  geschieht  am  sichersten  auf 
die  oben  beschriebene  Weise,  indem  der  Arzt  mit  seinem 
Hunde  an  dem  oberen  Ende  des  in  die  Trachea  eingeführten 
Katheters  aspirirende  Bewegungen  ausführt. 

Auch  noch  aus  einem  anderen  Grunde  halte  ich  dieses 
Verfahren  für  nothwendig  und  unerlässlich,  weil  die  Kinder, 
welche  den  dritten  Grad  der  Asphyxie  zeigen,  gewiss  häufiger 
innerhalb  des  Uterus  Respirationsbewegungen  gemacht  haben, 
als  die  Kinder,  welche  nur  die  Symptome  des  zweiten  Grades 
von  Asphyxie  darbieten,  und  deshalb  bei  jenen,  sobald  ihr 
Mund  uud  ihre  NasenölTuungen  von  Flüssigkeiten  umlagert 
waren,  die  Luftwege  mit  grosseren  Mengen  vorzeitig  aspirii*ter 
Flüssigkeiten  angefüllt  gefunden  werden  müssen.  Dass  dies 
wirklich  der  Fall  ist,  vermag  ich  durch  die  Erfahrung  zu 
bestätigen. 

Ein  Kind,  das  zweite  Zwillingskind  einer  Mehrgebärenden, 
war  nach  Angabe  der  Hebamme  mit  den  Füssen  voran  bis 
zu  dem  Kopfe  geboren.  Derselbe  befand  sich  bei  meiner  An- 
kunft in  der  Beckenhöhle  mit  dem  Gesichte  in  der  Aushöhlung 
des  Kreuzbeins,  mit  dem  Hinterhaupte  hinter  der  Symphyse. 
Die  Hebamme  berichtete  mir  später,  dass  der  Kopf  nach  der 
Geburt  der  Schultern  in  dem  eben  beschriebenen  Verhalten 
über  V4  Stunde  lang  bis  zu  meiner  Ankunft  verharrt  habe, 
ohne  dass  sie  im  Stande  gewesen  sei,  ihn  zu  extrahiren. 

Die  manuelle  Extraction  des  Kopfes,  welche  ich  äugen* 
blicktich  vornahm,  gelang  leicht.  Das  Kind,  welches  mit  Me- 
conium  beschmiert  war,  schien  todt.  Die  Nabelschnur,  welche 
alsbald  unterbunden  und  durchschnitten  wurde,  war  puislos. 
Nur  das  Herz  zeigte  noch  etwas  Bewegung.  Ich  zählte  drei 
Pulsationen  desselben  in  fünf  Secunden.  Nachdem  ich  mit 
meinem  Zeigefinger  den  Schleim,  welcher  sich  in  dem  Munde 
und  in  dem  Schlünde  des  Kindes  vorfand,  entfernt  hatte, 
führte  ich  einen  dünneu  elastischen  Katheter  so  tief  als  mög- 
lich in  die  Trachea  und  machte  alsdann  mit  meinem  Munde, 
welcher  mit  dem  oberen  Ende  des  Katheters  in  fester  Be* 
rührung  war,  eine  aspirirende  Bewegung.  An  dem  hierauf 
herausgezogeneu   Katheter   waren   beide   Augen  durch   grün- 


bei  asphyctitteb  geborenen  Kindern.  ]31 

lieiieB  ScUeim  verstopft.  Dem  Schleime,  welcher  sich  in  dem 
oberen  Aage  befand,  waren  zwei  kleine  Blutcoagula  beigemengt. 
Nftehdem  ich  die  Augen  des  Katheters  gereinigt  hatte,  führte 
icb  ihn  wiederum  ein,  und  es  gelang  mir  noch  drein^al,  eine 
flcbieioiige  Flüssigkeit  auf  die  eben  beschriebene  Weise  herauf- 
tafordem.  Ueber  das  Resultat  des  hierauf  mit  dem  Katheter 
bewirkten  Lufteinblasens  werde  ich  später  berichten. 

Zu  einer  Mehrgebärenden  wegen  NabelschnurvorfaU  ge- 
rufen  fand  ich  bei  meiner  Ankunft  den  Kopf  des  Kindes  in 
erster  Sch&ddstellung  tief  im  Becken,  den  Muttermund  völlig 
retraliirt  und  eine  pulslos  scheinende  Nabelschnurschlinge  aus 
der  Schamspalte  heraushängen.  Zu  der  Vornahme  der  äusseren 
Dotersnchung  nahm  ich  mir  unter  den  angegebenen  Umständen 
keine  Zeit  Ich  appiicirte  vielmehr  sofort  die  Zange  und 
extraiyrte  mittels  derselben  das  Kind  sehr  rasch.  Es  war 
stark  mit  Meconium  beschmiert  und  bot  nur  das  einzige 
Lebeoszeicben  dar,  dass  sein  Herz  5  Mal  in  10  Secunden 
pnlsirte.  Durch  das  Asptriren  an  dem  in  die  Trachea  ein« 
geführten  Katheter  waren  drei  Mal  die  Augen  desselben  mit 
sehr  dunkelgrünem  Schleime  gefüllt.  Heber  die  Wirkung  des 
hierauf  bewerkstelligten  Lufleinblasens  komme  ich  ebenfalls 
spüter  noch  einmal  zurück. 

Bei  meinen  Nachforschungen,  ob  schon  von  anderen  Ge- 
burtshelfern in  ähnlicher  Weise  die  vorzeitig  aspirirte  Flüssig- 
keit aus  der  Trachea  und  den  Bronchien  herausbefördert 
worden,  fand  ich,  dass  zuerst  auf  dem  Wege  des  Vorschlags 
dieses  Verfahrens  Erwähnung  geschehen  ist  Bei  Velpeau 
(Traite  complet  de  Tart  des  accouchemens  etc.  II.  edit  Tome  U. 
Paris  1835,  S.  582)  findet  sich  nämlich  folgende  Stelle: 
Cependant,  si  les  experiences  tentees  par  Winslow,  Hdroldt^ 
Sehdde  ^  Viborg,  Schmidt  et  Bdclard  prouvaient  sans 
F^plique,  comme  le  pensent  leurs  auteurs,  que  Teau  de 
ramaios  penetre  jusqu'aux  bronches  pendant  la  vie  intra- 
utMoe,  ^  serait  peut-^tre  utile  d'en  debarrasser  la  trachte- 
artere  par  aspiration  ou  autrement,  avant  d'essayer  Tin- 
»flhtion;  mais  il  existc  encore  trop  d*incertitude  sur  ce  point, 
poar  qn'il  pnisse   servir  de  base  ä  n*importe  quel  plan  de 

pntique. 

9* 


132         VIII.    £RU«r,  Die  Katfaeterisation  der  Luftröhre 

Albert  (Henke*s  Zeitscbr.  f.  d.  Staatsarzneikunde.  23.  Bd. 
Erlangen  1832,  S.  279)  rätb,  statt  bei  Scheintodten  Luft  ein- 
zublasen,  diese  aus  den  Lungen  anzuziehen.  Er  beruft  sich 
auf  die  Experimente  an  47  in  Scheintod  versetzten  Thieren, 
von  denen  41  durch  Anziehen  der  Luft  aus  den  Lungen 
wieder  zum  Lieben  kamen  und  empfiehlt  zur  Vornahme  dieses 
Aktes  einen  Apparat,  dessen  ein  Ende  eine  mes^ngene 
gekrümmte  Röhre  in  die  Nähe  des  Kehldeckels  zu  liegen 
kommt. 

Derselbe  machte  später  (Neue  Zeitscbr.  f.  Geburtskunde 
3.  Bd.  2.  ffeft.  Berlin  1835.  S.  291)  auch  seine  Resultate, 
Welche  er  durch  dieses  Verfahren  an  scheintodten  Menschen 
erhalten  hat,  bekannt.  Von  10  Individuen  rettete  er  3,  näm- 
lich ein  8 jähriges  Mädchen,  welches  im  Wasser  verunglückt 
war,  ein  durch  die  Wendung  und  ein  natürlich  geborenes 
Kind.  Bei  diesem  ging,  während  er  einige  Mal  kräftig  Lufl 
anzog,  viel  zäher  Schleim  mit  Blut  gemischt,  durch  die  Röhre 
ab.  Albert  empfiehlt  jetzt  zu  der  Operation  des  Luftanziehens 
eine  silberne  gebogene  Röhre,  welche  auf  die  Zungenwurzel 
zu  liegen  kommt.    . 

Waeckerling  {Casper'syfochenschr,,  1838,  No.  8;  vergl. 
Schmidts  Jahrb.  II,  Supplbd.  Leipzig  1840.  S.  257)  gelang 
es  zwei  Mal,  scheintodt  geborene  Kinder  durch  das  Luft- 
ansaugen  zum  Leben  zu  erwecken  und  zwar  unter  Umständen, 
die  wenig  Hoffnung  des  Erfolges  versprachen. 

Cazeaux  (Gazette  medicale  de  Paris.  No.  17.  Annee 
1850,  p.  316)  räth,  indem  er  von  dem  Lufteinblasen  bei 
scheintodten  Kindern  spricht,  die  Canüle  von  Zeit  zu  Zeit 
herauszuziehen,  um  sie  von  dem  Schleime,  welcher  dieselbe 
verstopfen  kann,  zu  befreien  und  f^hrt  fort:  Quand  la  trach^ 
renferme  des  mucosites  abondantes,  facilement  indiqu^es  par 
un  gargouillement  manifeste,  on  peut,  ä  Taide  de  quelques 
aspirations,  en  engager,  dans  ia  canule  des  quantit^  con- 
siderables  et  rendre  ainsi  plus  efficaces  les  insufflations 
ult^rieures. 

Ein  Unbekannter  (Journal  für  Kinderkrankheiten  von 
Behrend  und  Hildehrand,  Heft  11  und  12,  1857,  S.  352) 
glaubt,  dass  viele  Neugeborene  die  scheintodt  sind,  dadurch 
verloren  gehen,  dass  der  Athmungsprocess  durch  angesammelte 


bei  asphyefcUeh  geborenen  Kindeni.  13S 

FMsagkeit  oder  Schleim  in  den  Luftwegen  verhindert  wird, 
«eiche  Stoffe  das  Kind  aus  Schwäche  nicht  austreiben  kann. 
Eb  giebt  sich  dies  durch  einen  eigenthCunlich  gurgelnden  Ton 
bei  den  Athniungsversuchen,  die  das  Kind  macht,  zu  erkennen. 
Mit  einem  Instrumente,  welches  aus  einei*  neusilhemen  Röhre 
und  einem  Ball  aus  vulkanisirtem  Kautschuk  besteht,  gelang 
es  ihm,  in  mehreren  Fallen  grosse  Mengen  Flüssigkeit  aus 
den  Lullwegen  herau&uziehen  und  so  dieselben  frei  zu  machen, 
worauf  dann  das  Athmeli  leicht  von  Statten  ging. 

Breslau  theilt  (Monatsschrift  für  Geburtskunde.  20.  Bd., 
I.  Heit,  Berlin  1862,  S.  62.)  einen  Fall  mit,  in  welchem  ein 
durch  den  Kaiserschnitt  bei  einer  eben  verstorbenen  Frau  zu 
Tage  gefördertes  scheintodtes  Kind  wiederbelebt  würde.  Er  sagt 
TOD  demselben:  Das  Kind  hatte  offenbar  vorzeitige  Athem- 
bewegungen  gemacht,  denn  Mund,  Rachen  und  Nase  waren 
voll  zähen  mütterUchen  Schleimes,  der  sich  dem  Eindringen 
der  Luft  hartnäckig  widersetzte.  Ihn  zu  entfernen  gelang 
mir  erst  dann,  als  ich  meinen  Mund  auf  den  des  Neu- 
geborenen setzte  und  die  in  ihm  enthaltene  zähe  Flüssigkeit 
aspirirte.  Dieses  Geschäft  war  wohl  etwas  Ekel  erregend, 
aber  es  half. 

Das  Verfahren  des  Luftanziehens,  welches  Albert  empfiehlt, 
ist  h&  AnfuUung  der  Trachea  und  der  Bronchien  mit  FUissig- 
keil  gewiss  nutzlos.  Obwohl  derselbe  beobachtet  hat,  dass 
bei  diesem  Verfahren  viel  zäher  Sciüeim  mit  Blut  gemischt 
aus  den  Luftwegen  eines  scheintodten  Kindes  herausgefördert 
wurde,  so  scheint  er  doch  die  Wichtigkeit  hievon  nicht  er- 
kannt zu  haben.  Dass  auf  die  Weise,  wie  Breslau  ver- 
fahren hat,  das  Reinigen  der  Trachea  und  der  Bronchien 
ebenso  sicher  und  gründlich,  wie  durch  das  Aspiriren  mitteis 
des  in  jene  eingeführten  elastischen  Katheters  bewerkstelligt 
wird,  möchte  ich  bestreiten.  Obwohl  ich  das  Reinigen  der 
Luftröhre,  welches  Caseaux  mittels  der  Aspiration  durch 
die  Canüle  und  der  Unbekannte  mit  seinem  Instrumente 
dann  anrätb,  wenn  ein  gurgelndes  .Geräusch  beim  Athmen  des 
Kindes  sich  zeigt,  auch  zu  dieser  Zeit  für  zweckmässig  halte, 
80  kann  ich  es  doch  nicht  mehr  für  absolut  nothwendig 
erklären,  weil  wir  eben  in  diesem  Geräusche  den  sicheren 
Beweis  erblicken,  dass  die  Luft  in  die  Lungen  ein-  und  aus- 


134        VIII.    Attor,  Die  K«th6teritat|«ii  der  Luftröhre 

Strömt  und  hierdurch  die  in  den  Bronchien  und  in  der  Trachea 
befindlichen  Flüssigkeiten  in  Bewegung  gesetzt  worden  sind. 

Die  Nothwendigkeit,  dass  bei  Kindern,  weiche  in  einem 
höheren  Grade  von  Asphyxie  geboren  werden,  als  erstes  Wieder- 
belebungsmittel  des  Reinigen  der  Trachea  und  der  Bronchien 
in  Anwendung  kommen  muss,  mag  wohl  nunmehr,  als  fest- 
stehend angenommen  werden  können. 

Das  zweite  Wiederbelebungsmittel,  dessen  man  sich  un- 
mittelbar nach  der  Anwendung  des  ersten  zu  bedienen  hat, 
besteht  in  dem  Lufteinblasen.  Dasselbe  ist  schon  früh  geübt 
worden,  um  scheintodte  Kinder  wieder  in  das  Leben  zuräck- 
zurufen.  Das  gebräuchlichste  Verfahren  besieht  darin,  dass 
der  Arzt  seinen  Mund  auf  den  des  Kindes  setzt  und  so  die 
Luft  einblast.  Dabei  muss  man  jedoch  die  Vorsicht  gebrauchen^ 
die  Nasenlöcher  des  Kindes  zu  schliessen,  damit  die  ein- 
geblasene Luft  nicht  wieder  aus  diesen  entweicht.  Man  kann 
auch  den  Rath  befolgen,  die  Nasenlöcher  im  Beginne  des 
Lufteinblasens  offen  zu  lassen,  damit  der  in  der  Nasenhöhle 
angehäufte  Schleim  berausgeblasen  wird.  Erst  wenn  dies  ge- 
schehen ist,  muss  der  Verschluss  derselben  aus  dem  vorher 
angegebenen  Grunde  bewirkt  werden.  Wir  müssen  jedoch 
von  diesem  Verfahren,  obwohl  es  von  H.  A-  Pagenstecher 
(Ueber  das  Lufteinblasen  zur  Rettung  scheinlodter  Neu- 
geborener, Heidelberg  1856)  vor  allen  anderen  Metboden  des 
Lufteinblasens  angepriesen  wird,  wegen  seiner  unsicheren 
Wirkung  absehen.  Durch  das  Lufteinblasen  von  Mund  zu 
Mund  bei  zugehaltenen  Nasenlöchern  dringt  nämlich  die  meiste 
Luft  durch  die  Speiseröhre  in  den  Magen  und  nur  wenig« 
ja  in  manchen  Fällen  gar  keine  Luft  in  die  Luftröhre.  Es 
kann  daher  die  Lufl  nur  danu  mit  Sicherheit  in  die  Lungen 
gebracht  werden,  wenn  man  sie  mittels  einer  in  den  Kehl- 
kopf oder  in  die  Luftröhre  geschobenen  Canüle  einbläst 

Es  mag  hier  des  sonderbaren  Vorschlags  Erwähnung 
geschehen,  das  instrumentelle  Lufteinblasen  schon  während 
der  Geburt  des  Kindes  in  Anwendung  zu  bringen.  Weid- 
mann (Wemel$*s  aligem.  geburtshülfl.  Betrachtungen,  S.  28) 
hat  ein  Instrument:  vectis  aeroductor,  construirt,  weiches  in 
den  Mund  des  bei  der  Geburl  nachfolgenden  Kopfes  gebracht 


%«i  aipbyotiMb  gebor«D6ii  Kiiid«ro.  136 

I,  dl«)  Kinde  LafI  znAhren  und  so  das  Attmieli  wUirend 
der  fiebmt  mdglicb  machen  soll 

BKck  (Lancet,  Nr.  221,  vergl.  Kleineres  Repertorium, 
E  Jahrg.,  8.  Heil,  Leipzig  1828,  S.  24)  besorgt  för  das 
LebfD  eines  bis  an  den  Kopf  geborenen  Kindes,  der  nun  aus 
Wehemiiangel  zuröckUieb,  brachte  einen  mit  dem  Rohre 
caes  Blasebalgs  in  Verfaindong  stehenden  silbernen  Katheter 
in  deo  Mund  des  Kindes  und  mit  Hfllfe  des  Lofteinbiasens 
die  Reqiiration  binnen  wenigen  Minuten  so  in  den  Gang,  dass 
das  Kind  schrie.  Er  legte  darauf  die  Zange  an  und  entwickelte 
dm  Kopf  ohne  weitere  Sehwierigkeit 

Banddocque  (vergl.  v.  Froriep's  Notizen  aus  dem  Ge- 
Uate  der  Natur-  und  Heilkunde,  33.  Bd.,  No.  14,  April  1832, 
&  234)  giebt  den  Rath,  um  bei  Steiss-,  Knie-  und  Pusa- 
geboten  dem  Kinde  das  Leben  zu  erhalten ,  die  Nabelsdinur 
durchioschneiden  und  Luft  mittels  einer  langen  Röhre  in  den 
Dtenis,  mit  einer  etwas  kürzeren  Röhre  in  den  Mund  des 
Kindes  zu  bringen. 

J,  Couper  (New-York  Journ.  of  Med.,  Mai  1844.  vergl. 
C0M9tai£%  Jahresbericht  d.  ges.  Med.  im  Jahre  1844,  II.  Bd., 
S.  569)  will,  wenn  die  Nabelschnur  comprimirt  wird,  bei  hoch- 
striiendem  Munde  des  Kindes  ein  elastisches  Rohr  in  diesen 
hineinbriDgen  und  durch  Lufteinblasen  die  Respiration  zu  er- 
wecken suchen.  Es  hat  ein  solches  Verfahren  gewiss  darum 
keine  weitere  Nachahmung  gefunden,  weil,  wenn  man  die 
Hand  in  die  Geschlecbtsiheile  der  Mutter  einffihren  kann,  um 
den  Kinde  wShrend  der  Geburt  eine  Röhre  in  den  Mund  zu 
sehieben,  die  Bedingungen  zur  Vornahme  der  schleunigen  Ent- 
bindung, nach  deren  Beendigung  der  Zutritt  der  atmosphfi- 
risehen  Lnft  zu  dem  Munde  des  Kindes  frei  gestattet  ist,  sicher 
varhanden  sind. 

Dem  instnimentellen  Lufleinblasen  nach  Beendigung  der 
Gdiort  hat  man  dagegen  sdion  früh  und  bis  auf  die  neueste 
Zeit  grosse  Aufmerksamkeit  geschenkt  SmeUie  (Treatise 
on  tbe  Theory  and  Practice  of  Midwifery,  IV.  Edit.,  Vol.  L, 
London  1762,  p.  229)  scheint  der  erste  gewesen  zu  sein, 
der  ein  solches  Verfahren  erwähnt:  and  the  child  has  been 
sometiniea  reoovered  by  blowing  into  tbe  mouth  wiüi  a  sHver 
Canola,  so  as  to  expand  the  lungs. 


136         ^^I^-   BUUr,  Die  Kathete rUation  der  Luftröhre 

Chauasier  (Historie  de  la  Societe  Royale  de  MeÜecine, 
Annees  1780  et  1781,  Paris  1785)  macht  eine  ?on  ibtn  er* 
fuodene  silberne  Röhre,  tiibe  pour  insoufHer  Tair  dans  les 
pomnons,  bekannt,  beschreibt  deren  Einführen  in  den  Kebi- 
köpf  und  das  hierauf  mittels  derselben  stattfindende  Luft- 
einblasen. Damit  die  cingeblasene  Luft  nicht  gleich  wieder 
aus  dem  Kehlkopfe  entweicht,  ist  an  der  Röhre  eine  mit 
Schwamm  versehene  Scheibe  angebracht,  welche  die  Glottis 
verschliessen  soll. 

Aüken  (Grundsätze  der  Entbindungskunst  nach  der 
3.  Ausg.  aus  d.  Engl  übersetzt  von  C  H.  Spohr.  Nürn- 
berg 1789,  S.  220)  beschreibt  ein  Werkzeug,  mit  welchem 
man  reine  Luft  unmittelbar  in  die  Lungen  bringen  kann. 
Es  besteht  aus  einem  elastischen  Sacke  mit  einem  Ventile, 
an  dessen  Ende  eine  biegsame  silberne  Röhre,  welche  in  die 
Stimmritze  gebracht  wird,  sich  befindet. 

D.  Biü  (Practicdl  Observations  on  the  use  of  Oxygen  or 
vital  air  etc.,  London  1800,  vergl.  Medic.  Chirurg.  Zeitung, 
Jahrg.  1802,  No.  3,  S.  33)  hat  ebenfalls  einen  Apparat  er- 
funden, mit  welchem  er  atmosphärische  Luft  in  die  Lungen 
der  Kinder  treibt. 

BlundeU  (The  Lancet,  Nr.  224,  V.  I.,  Dec.  1824,  vergl. 
Kldnert'^  Repertorium,  H.  Jahrg.,  XII.  Heft,  Leipzig  1828, 
S.  4)  bringt  ein  silbernes  Röhrchen,  dessen  Ende  unten  ge- 
schlossen, aber  auf  jeder  Seite  eine  lang(3  breite  Oeffnuog 
hat,  in  die  Stimmritze,  bläst  mit  dem  Munde  Luft  ein  und 
entleert  sie  wieder,  indem  er  mit  der  Hand  auf  den  Thorax 
und  den  Unterleib  drückt.  Dieses  soll  25 — 30  Mal  in  der 
Minute  geschehen.  Das  Kind  macht  dabei  bisweilen  eine 
Respirationsbeweguug.  Wenn  dieses  Zeichen  der  beginoeiidett 
natürlichen  Respiration  wieder  verschwindet,  so  wird  die  künst- 
liche wieder  von  neuem  begonnen,  bis  das  Kind  athmet. 

Leroy  d'Etioles  (vergl.  Kktnerfa  Repertorium,  1.  Jahrg., 
X.  Heft,  Leipzig  1827,  S.  112)  giebt  zum  Lufteinblasen  einen 
mit  einem  Quadranten  versehenen  Rlasebaig  an,  mit  welchem 
ein  Apparat  zur  Erwärmung  der  einzublasenden  Luft  ver- 
bunden ist  Ausserdem  steht  mit  dem  Blasebalge  eine  Canüle 
von  Gummi  elasticum,  welche  in  die  Luftröhre  eingeführt  wird, 
in  Verbindung. 


Die  HebaiBine  Bandet  (vergl.  Kleinert'%  Reperloriuin 
IV.  Jahrg.,  4.  Heft,  Leipzig  1830,  S.  82)  hat  der  4cad. 
reyale  de  Med.  eine  Spritze  (Pompe  laryngienne)  zum  Luft- 
emhlasen  bei  asphydischen  Neugeborenen  vorgelegt.  Das  In- 
stminenl  besteht  aas  C'haus9iei'%  tube  laryngien  und  einer 
Eaytchookflasche,  welche  beide  durch  ein  kupfernes  und 
mit  Klappen  versehenes  Mittelstöck  verbunden  sind.  Es  ist 
zugleich  die  Notiz  beigefügt,  dass  Evrat  seit  vielen  Jahren 
eine  elastische  Larynxröhre  von  Kautchouk  zum  Lufleinblasen 
mit  dem  Munde  im  Gebrauche  bat 

Madame  Baivin  (Handbuch  der  Gcburtshülfe  3.  Ausgabe, 
übersetzt  von  F.  Robert,  Cässel  und  Marburg,  1829,  S.  399) 
empfiehlt  bei  asphyctiscb  Neugeborenen  das  Lufteinhlasen 
in  die  Lungen  mittels  des  tube  laryngien  von  Chaussier, 
ond  zwar  entweder  mit  dem  Munde  oder  mit  einem  kleinen 
Blasebalge. 

«/.  WencU  (Die  Kinderkrankheiten,  3.  Ausg.,  Breslau, 
1835,  S.  60)  giebt  ebenfalls  dem  Lufteinblasen  mittels  des 
Röhrchens  von  Chaussier  bei  der  Asphyxie  der  Neugeborenen 
den  Vorzug. 

Vdpeau  (1.  c.)  erwähni,  dass  Guiüon  den  tube  laryngien 
von  Chaussier  der  Art  verbessert  bat,  dass  derselbe  genau 
die  Glottis  ausfällt,  und  fährt  fort:  mais  une  simple  sonde 
de  gomme  elastique,  in3trument  qu'on  trouve  partout,  est 
presque  aussi  commode. 

Lafargue  (Bull,  de  therap.,  Tom.  XIU.,  p.  340,  vergl. 
Sehmidfs  Jahrbächer,  20.  Bd.,  Leipzig  1838.  S.  89.)  hält 
seinen  Pumpeuapparat,  den  er  zur  Entleerung  des  Magens 
in  FiUen  von  Vergiftungen  erfunden  bat,  auch  in  den  ver- 
schiedenen* Asphyxien  für  das  beste  Mittel,  um  entweder 
Schaum  oder  Wasser  aus  den  Bronchien  oder  auch  aus  dem 
Magen  zu  schaffen,  oder  um  Luft  in  die  Lungen  zu  blasen 
oder  aus  denselben  zu  entfernen. 

Depavl  (Jonm.  de  Chirurgie  par  Malgaigne,  Mai  et  Juni, 
1845,  vergl.  Journal  für  !Kinderkrankheiten  von  Behrend 
und  HOdebrand,  Bd.  VL,  Heft  3.,  Berlin  1846,  S.  183) 
benatzt  und  empfidilt  sehr  angelegentlich  die  Chaussier^sche 
Wxre  zum  Lufteinblasen  bei  sobeintodten  Kindern.  Er  bat 
an  derselben  nur  die  Modilication  angebracht,  dass  statt  des 


188         "^^11-    ^Nlter,  Die  Rfttfaetcriffttton  der  Lilltr6lire 

bünden  Endes  und  der  beiden  Seitenöflhungm  fine  einzig«* 
End/(flnung  vorbanden  ist. 

jSoMni«r^  (Bemerkungen  über  den  Scheintod  der  Neu- 
geborenen im  Journal  (Qr  Kindei^kraokbeiten  von  Behrend 
und  Hüdebrand,  Bd.  VI].,  Heft  2.,  Berlin  1846,  &  99) 
schiebt  zum  Zweck  des  Lufteinblasens  bei  sdieintodten 
Kindern  einen  recht  dicken  (!)  Kautscbukkatbeter  durch  den 
Hund  oder  besser  noch  durch  die  Nasenlöcher  bis  in  den 
Hals  hinein,  und  wenn  es  möglich  ist,  was  jedoch  nicht 
immer  gelingt,  bis  durch  die  Stimmritze. 

M'Clintock  and  Hardy  (Practfcal  observations,  p.  35Q, 
i^rgl.  Journal  fär  Kinderkrankheiten  von  Behrend  u.  Süde^ 
brand.  Band  XU.,  Heft  3  o.  4,  Erlangen  1849,  S.  303) 
empfehlen  zum  Zweck  des  Lufteinblasens,  das  scheintodte  Kind 
in  eine  horizontale  Lage  zu  bringen,  den  Kopf  desselben 
etwas  nach  hinten  zu  biegen,  damit  der  Hals  sich  streckt; 
dann  wird  ein  männlicher  Katheter  in  den  Mond  geschoben, 
und,  während  die  Lippen  und  die  Nasenlödier  zusammen- 
gedrückt werden,  Luft  eingeblasen.  Auch  empfehlen  beide 
die  Anwendung  eines  Blaserobrs. 

Ctizeanx  (Gazette  m^dicale  de  Paris.  Nr.  17,  Avril  1850, 
S.  316)  beschreibt  und  empfiehlt  das  Lufteinblasen  mit  dem- 
selben Röhrchen,  welches  Depaul  als  modificirtes  Rdhrchen 
von  Chaussier  angegeben  hat 

Marchant  (L'Union  8.  9.,  1852,  vergl.  SchmidVs  Jahr- 
bücher, 74.  Bd.,  Leipzig  1852,  S.  207)  führt  mit  Daumen 
und  Zeigefinger  der  linken  Hand  einen  Federkiel  oder  der» 
gleichen  in  das  rechte  Nasenloch  des  Kindes  ein.  Das  andere 
Nasenloch  wird  mit  den  Fingern  gänzlich  verschlossen  und 
die  rechte  Hand  wird  glatt  auf  den  Mund  des  Kindes  gelegt, 
um  den  Austritt  der  eingeblasenen  Luft  zu  verhüten. 

Cr«^^  (Klinische  Vorträge  über  Geburtshülfe,  Berlin  1858, 
L  Abthl.,  S.  350)  giebt  den  Rath:  Entweder  halte  man 
die  Nasenlöcher  fest  zu  und  blase  von  Hund  zu  Hnnd  Luft 
ein,  oder  bequemer,  aber  nicht  so  zweckmässig  ist  es, 
den  Mund  des  Kindes  zu  schliessen  und  durch  das  eine 
Nasenloch  mit  einem  dünnen  Röhrchen,  einem  Tubulus,  einer 
Federpose,  einem  Stückchen   Rohr,   die  Communication   voä 


bei  atphycftiMh  g«bor«neB  Kiad^m.  1B9 

i»  Lange  la  femittdo »  während  das  «idere  Naseoloeh  mit 
da  das  Robrchen  haltenden  Fingern  zugedrüclct  wird. 

Ein  Dngeiiannier  (Journal  filr  Kinderkrankheiten  von 
Bekrend  und  Hildebrand,  Heft  11  u.  12.,  Jahrg.  1857, 
&  952)  macht  folgendes  Instrument  zum  Einblasen  der  Lungen 
bei  scheintodten  Kindern  bekannt  Es  besteht  aus  einem 
BaU  von  irnlkanisirtem  Kantschufc,  an  welchem  sich  eine  6  ZoU 
Inge,  nach  dem  Ende  hin  etwas  gekrümmte  Rdhre  aus  Neu* 
oHwr  befindet  Das  Ende  der  Röhre,  welches  geschlossen 
ist,  aber  nicht  weit  von  der  Spitze  zwei  Augen,  wie  ein  weib- 
iidier  Kathet«*  hat,  wird  in  den  Kehlkopf  des  Kindes  ein«- 
gescboben.  Drückt  man  den  Ball  zusammen,  wobei  man 
«sne  dritte  Oeffnung,  welche  sich  in  dem  Röhrchen  1  Zoll 
lon  seinem  Ansätze  an  den  BaD  befindet,  mit  dem  Daumen 
sckliessen  nuiss,  so  dringt  die  Luft  in  die  Luftröhre  und 
dwdi  diese  in  die  Lungen.  Ehe  die  zweite  Compression  des 
Balles  stattfinden  soll,  muss  man  den  Daumen  wieder  ent- 
fern«!, damit  reine  Luft  wieder  in  den  Ball  eindringen  k»in. 
Nach  jeder  Compression  des  Balles  muss  die  Brust  gedrückt 
werden,  um  die  Luft  wieder  aus  den  Lungen  auszutreiben. 

J»  O.  Wilson  (Pamphlet,  Glasgow  1859.  Aus  Ranking 
and  Baddiff*s  „Half-Yearly  Abstract^  1860,  VoL  30,  vergl. 
Honatascfarift  für  Geburtskunde,  XVL  Bd.,  1.  Heft,  1860,  S.  72) 
hat  ganz  denselben  Apparat,  nur  mit  dem  einzigen  Unterschied, 
dass  die  neusilbeme  Röhre  6  Zoll  lang  ist .  und  zugleich 
seine  Anwendungsweise  beschrieben. 

Ich  selbst  übe  sdion  seit  mehreren  Jahren  und  zwar 
mit  sehr  günstigem  Erfolge  das  LufteinUasen  bei  asphyctisch 
geborenen  Kindern  mittels  eines  dünnen  elastischen  Katheters, 
weidier  IVs  Linien  dick  und  11  Linien  lang  ist,  an  8ein<»n 
Ende  geschlossen,  aber  seitlich  mit  zwei  Augeii  versehen  ist 
In  dem  letzten  Jahre  bin  ich,  auf  Erfahrungen  gestützt,  zu  der 
Oeberzeugung  gekommen,  dass  man  bei  manchen  Kindern, 
weiche  die  Zeichen  des  zweiten  Grades  der  Asphyxie  dar-  ' 
Meten,  die  Trachea  und  die  Bronchien  durch  die  beschriebene 
Aspiration  mit  dem  Katheter  vorher  reinigen  muss,  und  dann 
erst  das  Lnfleinhlasen  mit  Erfolg  anwenden  kann,  während 
man  bei  anderen  Kindern,  bei  welchen  durch  die  vorzeitigen 
Respirationsbewegungen  nicht  viel  Flüssigkeit  in  die  Luftwege 


(I4f)         VIII.    EMier,  Die  Kathete riiaiion  der  LvftrÖhre 

«ingedrangen  ist,  gleich  mit  dem  Lufleinhlasen  begiimen  kann. 
Dagegen  halte  ich  es  bei  allen  Kindern,  welche  in  dem  dritten 
Grade  der  Asphyxie  geboren  werden,  aus  den  oben  angefAhrten. 
Granden  für  durchaus  noth wendig,  dem  Lufteinblasen  das 
Aspiriren,  um  die  fremden  Flüssigkeit^  aus  den  Luftwegen 
zu  entfernen,  voranzuschicken. 

Das  Einführen  des  elastischen  Katbeters  in  die  Luftröhre, 
mag  man  Luft  einbiasen  oder  Flüssigkeiten  aspiriren  woUeo, 
bietet  gewöhnlieh  keine  Schwierigkeiten.  Ich  führe  zu  diesem 
Zwecke  den  Zeigefinger  meiner  rechten  oder  linken  Hand,  nach- 
dem ich  vorher  mit  demselben  die  Mund-  und  Racbenhöhle 
von  dem  in  ihnen  befindlichen  Schleim  befreit  habe,  zu  dem 
Eingang  der  Speiseröhre,  schliesse  diese  so  völlig  ab,  bringe 
dann  den  mit  den  Fingern  der  andern  Hand  scbreihfederartig 
gefassten  Katheter  mit  dem  Ende,  an  welchem  sich  die  Augen 
befinden,  bis  zur  Glottis,  lasse  denselben  unier  Ueberwachung 
meines  Zeigefingers  in  diese  eindringen  und  dann  soweit  in 
der  Luftröhre  vordringen,  bis  ich  Widerstand  fühle.  Hierauf 
entferne  ich  den  Zeigefinger. 

Einige  Mal  habe  ich  die  Ueberzeugung  gewonnen,  dass 
das  Ende  des  Katheters  beim  Einführen  die  Stelle  der  Bi- 
furcation  der  Trachea  überschritten  haben  und  in  einen 
grösseren  Bronchus  eingedrungen  sein  musste.  Wenn  ich 
nämlich  vor  dem  Herausnehmen  des  Katheters  mir  die  Stelle, 
bis  zu  welcher  er  eingeführt  war,  au  den  Lippen  des  Kindes 
mit  den  Fingern  markirte  und  nach  der  Herausnahme  des 
Katheters  die  Entfernung  zwischen  dem  Ende  desselben  und 
der  markirten  Stelle  äusserlich  von  den  Lippen  bis  zu  der 
Brust  des  Kindes  anlegte,  so  kam  jenes  tiefer  zu  stehen,  als 
der  ungefähren  Schätzung  nach  die  Bifurcation  der  Trachea 
liegen  konnte. 

Depavl  und  Cazeaux  (1.  c.)  beschreiben  die  Einführung 
des  Röhrchens  von  Chaus^ier  in  der  Art,  dass  man  dasselbe, 
wenn  es  bis  zu  dem  Eingange  des  Larynx  gelangt  ist,  gegen 
die  linke  Comroissur  der  Lippen  neigen  und  durch  einige 
leichte  Bewegungen  den  Kehldeckel  zu  erheben  suchen  möge. 
Wenn  dies  geschehen,  brauche  man. das  Instrument  ein  wenig 
zu  wenden  und  zugleich  gegen  die  Mittellinie  hinzuführen, 
damit  sein  Ende  in  die  Glottis  gerathe. 


l; 


t«i  aapliyotiaeh  geboreaAB  Kiii4*ni.  141 

»  » 

Diese  BeschreibuBg  ist  auf  der  Annahme  baairt,  dass 
bei  fötalem  Zustande  der  Athmungsorgaue  die  Stiminrttze  ?on 
den  Kehldeckel  bedeekt  werde.  Maässer  (Untersuchungen 
iber  die  Veränderungen  im. Körper  der  Neugeborenen  durch 
Atbaeo  and  Lufleinblasen  u.  s.  w.,  Stuttgart  1853,  S.  16) 
bezweifelt  mit  vollem  Rechte  die  Richtigkeit  dieser  Annahme, 
■id  Marehant  (1.  c.)  spricht  es  mit  äberzeugender  Gewiss- 
heil aus,  dass  die  Epiglottis  immer  aufgerichtet  ist  und  ein 
Hinderniss  von  dieser  Seite  her  nicht  existirt.  Ich  kann  dies 
oaeh  meinen  bisherigen  Erfahrungen  vollkommen  bestätigen, 
indem  ich  niemals,  seliist  nicht  bei  Kindern,  welche  in  niace- 
rirtetn  Zustande  geboren  wurden,  das  Anliegen  der  Epiglottis 
auf  der  Glottis  gefunden  habe.  Jene  war  immer  aufgerichtet, 
und  daher  ein  Erheben  derselben  mit  dem  Katheter  nie  nötliig. 
Ea  scheint  daher,  dass  Depaul  und  Cckzeaux  bei  dem  Ein- 
führen  des  Röhrchens  nicht  richtig  und  sicher  gefühlt  haben, 
oder  dass  sie  die  gegebene  Beschreibung,  ohne  gehörig 
praktisch  mit  der  Katheterisation  des  Kehlkopfs  geübt  su  sein, 
mehr  auf  theoretischer  Basis  zu  Stande  gebracht  haben. 

Hat  man  sich  durch  den  Zeigefinger  nochmals  überzeugt, 
das9  der  Katheter  wirklich  in  den  Kehlkopf  eingedrungen 
und  durch  Weiterschieben  in  die  Luftröhre  vorgedrungen  ist, 
so  kann  man  auf  die  oben  beschriebene  Weise  die  fremden 
FIfissigketten  zu  entfernen  suchen  und  schreitet  dann  zu  dem 
Lufleinblasen,  oder  man  beginnt  gleich  mit  diesem,  wenn 
das  erstere  nicht  nöthig  ist,  d.  h.  die  Luft  freien  Zutritt  zu 
den  Lungen  hat.  Man  bläst  zu  diesem  Zwecke  die  Luft,  welche 
man  nach  einer  etwas  starken  Inspiration  noch  in  dem  Munde 
hat,  in  die  OeWnung  des  Katheters  hinein.  Die  Kraft,  welche 
man  hiebei  anwenden  muss,  lässt  sich  nicht  beschreiben, 
man  lernt  sie  am  besten  durch  die  Uebung  kennen.  Dem 
Anfinger  ist  zii  rathen,  dass  er  nicht  zu  zaghaft  das  Ein- 
blasen bewerkstelligt,  aber  zugleich  muss  vor  der  Anwendung 
einer  zu  grossen  Gewalt,  welche,  wie  wir  später  sehen 
werden,  schädlich  werden  könnte,  gewarnt  werden.  Wenn 
die  Trachea  und  die  Bronchien^  nach  Möglichkeit  von  den 
Flüssigkeiten  befreit  sind,  und  der  Katbeter  gehörig  lief, 
weoigslens  bis  zu  der  Bifurcation  der  Trachea  eingeführt 
ist,   so   ist   mau  sicher,   dass   die  eingeblasene  Luft  in   die 


/" 


142         VIII.    JBRBter»  DU  Kfttheteritaaou  der  Laftrökr« 

Lungen  dringt,  und  man  hat  nicht  nöthig,  wie  dies  bei  der 
Anwendung  der  C%au««t6r*sGfaen  Canäle,  welche  nur  in  den 
Kehlkopf  zu  liegen  kommt,  empfohlen  wird,  die  Speiseröhre 
zu  comprimiren  und  den  Mund,  und  die  Nase  des  Kindes 
beim  Eiublasen  zu  schliessen,  damit  die  Luft  keinen  andern 
Weg,  als  in  die  Trachea  und  in  die  Bronchien  nehme. 

Auf  die  künstlich  bewirkte  Inspiration  muss  jedesmal 
die  künstliche  Exspiration  folgen.  Es  hat  schon  Chaussier 
hierauf  aufmerksam  gemacht,  und  die  meisten  Autoren,  welehe 
sieb  später  mit  dem  Lufteinblasen  bei  scheintodten  Neu- 
geborenen beschäftigt  haben,  legen  hierauf  Gewicht.  Man 
verfahrt,  um  die  kunstliche  Exspiration  zu  bewerksteUigeo, 
am  besten  so,  dass  man  erst  beiderseits  gleichzeitig  die 
Wandungen  des  kindlichen  Thorax  mit  den  Fingern  comprimirt 
und  unmittelbar  darauf  in  der  Magengrube  .einen  Druck  an- 
bringt, um  das  Zwerchfell  nach  aufwärts  zu  bewegen. 

Eine  einzige  künstliche  Inspiration  mit  der  nachfolgenden 
Exspiration  genügt  niemals,  um  die  natürliche  Respiratioii 
des  Kindes  in  den  Gang  zu  bringen,  man  muss  das  Einblasen 
öfter  wiederholen,  y^ean  Blunddl  räth,  dasselbe  25 — 30  Mal 
in  der  Minute  auszufuhren,  so  ist  dies,  wie  ich  mich  über- 
zeugt habe,  in  dem  angegebenen  Zeiträume  gar  nicht  möglich. 
Auch  ein  funfzehnmaliges  Lufteinblasen  während  einer  Minute, 
welches  Depaid  bisweilen  gelungen  ist,  liabe  ich  nie  bewerk- 
stelligen können.  Ich  konnte  höchstens  10 — 12  Mal  in 
einer  Minute  kunstlich  inspiriren  und  exspiriren. 

Die  erste  Wirkung,  welche  wir  während  der  künstlichen 
Respiration  an  dem  Kinde  wahrnelmien,  besteht  darin,  dass 
die  Frequenz  der  Herzpulsation  zunimmt.  Es' wird  nämlich 
durch  jeden  Act  der  AnfüUung  der  Lungen  mit  atmosphärischer 
Luft  eine  Attraction  auf  das  im  rechten  Herzen  beflndliche 
Blut,  welches  nun  durch  die  Lungenarterie  in  reichlicher 
Menge  herzuströmt,  ausgeübt.  Die  nädiste  Folge  hiervon  ist, 
dass  der  linke  Ventrikel  mit  gutem,  arteriellen  Blut  versehen 
wird.  Ist  dieses,  welches  durch  die  Arterien  rasch  fort- 
geführt wird,  im  Stande,  die  noch  nicht  völlig  erloschene 
Erregbarkeit  der  Ncrvencentra  wieder  anzufachen,  so  sehen 
wir  nach  einiger  Zeit  eine  selbstständige  Respirationsbewegong 
des   Kindes   eintreten.     Man   muss    nun    das    Lufteinblasen 


^ 


bei  MpbyotiBob  geboreoen  Riii4«nii.  143 

I,  um  eine  zweite  abzuwarten.  .Z6g^t  der  Eintritt 
derselben  aber,  eo  muss  mil  der  künstlichen  BespiraUon 
alsbald  wieder  begonnen  und  so  lange  fortgefahren  werden, 
bis  die  selbststandigen  Respirationen  des  Kindes  häufiger 
wiederkehren.  Stellt  sich  auch  unter  diesen  Trachealrasselu 
ein,  so  darf  mau  dies  als  ein  giknsüges  prognostisches  Zeichen 
betrachten. 

Während  der  künstlichen  Respiration  hat  man  Sorge  zu 
tragen«  dass  der  kindliche  Körper  nicht  erkaltet.  Man  muss 
daher  das  Kind  öfters  in  das  warme  Bad  zurückbringen, 
oder  es  während  des  Lufleinblaseos  wiederholt  in  warme 
Tücher  halten.  Es  lässt  sich  die  künstliche  Respiration  auch 
ausfahren,  während  das  Kind  in  der  erhöht  gestellten  Bade« 
wanne  von  einer  anderen  Person  gehalten  wird. 

Treten  die  selbststandigen  Respirationen  des  Kindes 
häufiger  ein,  dann  kann  man  auch  von  der  Anwendung  der 
Hautreize  einen  günstigen  Effect  erwarten.  Namentlich  habe 
kh  das  Bespritzen  mit  kaltem  Wasser  auf  die  Brust  und 
den  Nacken  des  Kindes  wirksam  gefunden.  Noch  wirksamer 
aber  erweist  sich  das  wiederholte  Eintauchen  des  Kmdes  in 
ein  Gefass,  welches  kaltes  Wasser  enthält.  Es  darf  dies  nur 
einen  Augenblick  dauern,  worauf  das  Kind  sogleich  wieder 
in  das  warme  Bad  zurückzubringen  ist  Dieses  Verfahren 
wird  besonders  von  SchöUer  (Med.  Zeitung  v.  Verein  f. 
Heilk.  in  Preussen,  Berlin  1841,  No.  17)  sehr  angelegentlich 
empfohlen.  Sehr  oft  habe  ich  gesehen,  dass  scheintodte 
Kinder  zu  der  Zeit,  in  welcher  sie  in  das  Wasser  eingetaucht 
wurden,  den  ersten  Schrei  zugleich  mit  einer  kräftigen  Ex- 
spiralionsbewegung,  welche  auch  von  Hüsteln  begleitet  war, 
von  sich  gaben.  War  dies  Ereigniss  eingetreten,  so  kam  das 
Athnien  ohne  weiteres  Zuthun  bald  regelmässig  in  den  Gang. 

Es  ereignet  sich  zuweilen,  dass  man  bei  asphyctischen 
Kindern  nur  die  W^irkupg  der  künstlichen  Respiration 
beobachtet,  dass  der  Herzschlag  kräftiger  und  häufiger  vnrd, 
dagegen  eine  selbstständige  Respirationsbewegung  des  Kindes 
nicht  eintritt,  mag  man  die  künstliche  Respiration  Va  bis 
1  Stunde  lang  ununterbrochen  fortsetzen.  Bei  solchen  Kindern, 
deren  Herzaction  man  nach  der  vergeblichen  Anwendung 
der  kräftigsten  Wiederbelebungsmittel  allmälig  erlöschen  sieht. 


144         y^^^-   SWer,  Die  Kathete rUation  der  Luftröhre 

iftt  die  ErreguDgsfäbigkeit  der  Medulla  oUongata  in  Folge  der 
asphyctischen  fntoxication  gänzlich  erloschen.  Durch  diese 
Erfahrungen  darf  man  sich  aber  nicht  abschrecken  lassen, 
an  allen  Kindern,  wenn  sie  nur  noch  eine  Spur  von  Herz- 
action  zeigen,  die  Wiederbelebung  durch  die  künstliche 
Respiration  zu  versuchen,  weil  man  nie  voraus  wissen  kann, 
ob  die  Erregungsfahigkeit  des  verlängerten  Markes  noch  in 
gewissem  Grade  vorhanden  ist  oder  nicht. 

Dass  dieselbe  sehr  lange  Zeit  hindurch  erhalten  bleiben 
kann,  beweisen  die  Beobachtungen  von  Weese  (ßad.  Ann.  f. 
Staatsarzneik.,  1845,  X.,  2.)  und  von  Maschka  (Prag.  Viertel- 
jahrschrift, XL,  3,  1854),  in  welchen  eine  Zeit  lang  unter  der 
Erde  vergraben  gewesene  Neugeborene  nach  dei*  Ausgrabung 
wieder  belebt  wurden.  Auch  werden  viele  Beobachtungen 
mitgetheilt,  dass  Kinder  durch  Bemühungen,  welche  über 
eine  Stunde  gedauert  hatten,  wieder  ins  Leben  gerufen  wurden. 
Ich  will  mich  hier  darauf  beschränken,  noch  mitzutheilen, 
dass  das  erste  der  Kinder,  welches  die  Zeichen  der  Asphyxie 
dritten  Grades  darbot  und  bei  welchem  ich  nach  vorher- 
gegangener Reinigung  der  Luftwege  die  künstliche  Respiration 
in  Anwendung  brachte,  nach  18  Minuten  die  erste  selbst- 
standige  Respiration  machte.  Es  dauerte  IV4  Stunde,  bis 
das  Athmen  regelmässig  wurde.  Dasselbe  blieb  noch  den 
ganzen  Tag  lang  mit  Rasseln  verbunden.  Das  Kuid  wurde 
nur  drei  Wochen  alt  und  starb,  nachdem  es  einige  Tage 
vorher  Convulsionen  gehabt  hatte.  Die  Section  wurde  von 
den  Angehörigen  verweigert. 

Bei  dem  anderen  Kinde,  welches  wegen  Vorfall  der  Nabel- 
schnur' in  die  Asphyxie  dritten  Grades  versetzt  war,  dauerte 
es  nach  der  Entbindung  12  Minuten,  bis  sich  die  erste  selbst- 
ständige Respirationsbewegung  des  Kindes  zeigte.  Bis  das 
Kind  vollkommen  wieder  belebt  war,  vergingen  IV2  Stunden. 
Auch  bei  ihm  war  das  Athmen  über  24  Stunden  mit  Rasseln, 
welches  zuweilen  von  Husten  begleitet  war,  verbunden.  Es 
scheint  mir  hierdurch  bewiesen  zu  sein,  dass,  wenn  auch 
bei  dem  Aspiriren  mit  dem  Katheter  an  den  Augen  dieses 
nichts  mehr  von  der  im  Uterus  eingeathmeten  Flüssigkeit 
hängen  bleibt,  doch  noch  kleine  Quantitäten  von  derselben 
in  den  Luftwegen  zurückbleiben.    Von  einer  schädlichen  Ein^ 


bei  asphyctiseh  g^eborenen  Kindern.  145 

«Mimg  dieser  braucht  man  darum  nichts  zu  furchten,  weil 
sie,  wie  das  Rasseln  beweist,  in  Bewegung  gerathen  sind  und 
ober  kurz  oder  lang  durch  Husten  aus  der  Luftröhre  (ent- 
fernt werden.  — 

Es  würde  die  vorliegende  Arbeit  gewiss  lückenhaft  und 
QOfoUeodet  genannt  werden,  wenn  ich  die  Einwürfe,  welche 
man  gegen  das  Lufteinblasen  bei  scheintodten  Rindern  er- 
hoben hat,  mit  Stillschweigen  übergehen  wollte.  Man  hat 
besonders  den  Einwand  geltend  gemacht:  Die  eingebiasene 
Lull  dringt  gar  nicht  in  die  Lungen,  geht  vielmehr  durch 
die  Speiseröhre  in  den  Magen  und  ist  so  ohne  wesentlichen 
Nutzen.  Dieser  Einwand  trifft  mit  Recht  besonders  die  Art 
des  Lofteinblasens,  wenn  der  Arzt  seinen  Muiid  auf  den  des 
Kindes  setzL  Aber  auch  das  instrumentelle  Lufteinblasen 
acheint  wirkungslos,  wenn  die  Canüle,  mit  welcher  eingeblasen 
wird,  nur  in  den  Hund  zu  liegen  kommt.  Denn  Albert  (1.  c.) 
ist  es  sogar  nicht  gelungen,  mit  dem  in  den  Mund  geschobenen 
Blasebalg  Luft  in  die  Trachea  zu  injiciren.  Wir  haben  bereits 
früher  diesen  Einwand  für  völlig  begründet  erklärt  und  glauben 
oiefat,  dass  durch  den  Rath  einiger  Schriftsteller,  beim  Luft- 
embiaseD  den  Kehlkopf  gegen  die  Speiseröhre  anzudrücken, 
dieser  Einwand  als  beseitigt  zu  betrachten  ist,  weil  durch 
dieses  Verfahren  das  Lumen  der  Speiseröhre  wohl  etwas 
verengt  aber  diese  nicht  geschlossen  werden  kann.  Der 
Einwand  wird  jedoch  völlig  aus  dem  Wege  geräumt,  indem 
wir  das  Lufteinblasen  in  der  Art  inslrumentell  ausführen, 
dass  wir  eine  Canüle  oder  einen  dünnen  elastischen  Katheter 
tief  in  die  Trachea  hineinschieben.  War  vorher  diese  und 
die  B^oDcbien  auf  die  oben  beschriebene  Weise  von  ihrem 
flüssigen  Inhalte  nach  Möglichkeit  befreit  worden,  so  kann 
die  io  den  Katheter  hineingeblasene  Luft  nirgends  anders 
hin,  als  in  die  Lungen  dringen. 

Der  zweite  Einwand  ist  des  Inhaltes,  dass  die  von  dem 
Arzt  ausgeatbmete  und  dem  Kinde  eingeblasene  Luft  schäd- 
lich wirke.  Wie  es  scheint,  hat  zuerst  Blumenbach  (Medic. 
Bibliothek,  L  Bd.,  1.  Stück,  Göttingen.  1783,  S.  173)  auf 
die  sehädliche  Wirkung  der  ausgeathmeten  Luft  aufmerksam 
gemadit    Er  fand  nämlich  bei  Versuchen,  welche  er  an  Hunden 

lloMU*efer.f.€lebBrttk.  1868.  Bd.  XXI.,  Hft.9.  10 


146         VIII.    HüUr,  Die  Katheterisation  der  Luftröhre 

ansteUte,  dass  die  ausgeatbmete  Luft,  welche  wieder  zum  Ein- 
atbmen  verwendet  wird,  den  Tod  verursacht  und  warnt  daher 
vor  dem  Lufteinblasen  mit  dem  Munde  bei  Ertrunkenen. 
Auch  Leroy  (vergl.  Kleinerfs  Repertorium,  I.  Jahrgang, 
VI.  Heft,  Leipzig  1827,  S.  5)  fand,  dass  Thiere,  denen 
Luft  eingeblasen  wurde,  alsbald  starben.  Arneth  (Die  ge- 
burtshölf liehe  Praxis  u.  s.  w.,  Wien  1851,  S.  245)  hält  das 
Lufleinblasen  für  sehr  schädh'ch,  wenn  das  leiseste  Bestrdlien 
des  Einathmens  bemerkbar  wird,  wagt  aber  nicht  zu  ent- 
scheiden, ob  dies  den  irrespirabeln  Gasarten  zuzuschreiben 
ist,  die  durch  die  ausgeatbmete  und  dem  kindlichen  Organis- 
mus mitgelheilte  Lufl,  nachdem  die  Schleimmassen  entfernt 
worden  waren,  viel  sidierer  und  unmittelbarer  bis  zu  den 
Lungenzellen  gelangen  können. 

Indem  man  an  dem  allerdings  richtigen  Grundsatze  fest- 
hielt, dass  die  ausgeatbmete,  an  Kohlensäure  überreiche  und  an 
Sauerstoff  sehr  arme  Luft  einem  scbeintodten  Kinde  nichts 
nützen  könne,  gab  man  sich  Mühe,  möglichst  sauerstoffreiche 
Luft  in  die  Lungen  der  scbeintodten  Kinder  einzuführen  und 
erfand  zu  diesem  Zwecke  besondere  Apparate.  Ich  will  hier 
nur  an  die  ErGndungen  von  Attken,  Hül^  Leroy,  Rondet, 
Lafargue,  von  dem  Ungenannten  uiid  von  Wilson  erinnern. 
Durch  die  Anwendung  dieser  Apparate  wird  allerdings  der 
vorliegende  Einwand  gänzlich  beseitigt.  Allein  man  muss 
bedenken,  dass  die  Luft,  welche  aus  Bällen  von  vulkanisirtem 
Kautschuk  hervorgedruckt  wird,  was  namentlich  bei  den 
Apparaten  der  Hebamme  Eondet,  des  Ungenannten  und  von 
Wilson  geschieht,  einen  schwefeligen  Geruch  besitzt  und 
darum  zum  Einführen  in  die  Lungen  scheintodter  Kinder 
ungeeignet  erscheint.  Ausserdem  trifft  alle  die  namhaft  ge- 
machten Apparate  noch  ein  anderer  Tadel,  welchen  wir 
später  kennen  lernen  werden,  weshalb  ihre  Anwendung  nicht 
empfohlen  werden  kann. 

Toogood  (London  med.  et  phys.  Journal,  Aug.  1827, 
vergl.  Siebold^s  Journal  für  Geburtshülfe  u.  s.  w. ,  Vlli.  Bd., 
1.  Stück,  Frankfurt  1828,  S.  284)  und  MarshaU  HäU 
(vergl.  Journal  für  Kinderkrankheiten  von  Behrend  und 
Hildebrand,  VII.  Bd.,  2.  Heft,  Berlin  1846,  S.  102)  ratben, 
dass   man    bei    dem   Lufteinblasen   von   Mund   zu  Mund   ein 


bei  asphyotiseh  geborenen  Kindern.  147 

Stdek  Tudi  zwischen  den  Mund  des  Arztes  und  den  des 
Eindes  legen  möge.  Dass  durch  ein  solches  Verfahren  die 
dem  Kinde  nachlbeiligen  Bestandtheile  dier  ausgeathmeten  Luft 
des  Arztes  abgehalten  werden,  möchte  ich  sehr  bezweifeln. 
'  Viel  beachtenswerther  dagegen  ist  der  Rath  von  Marshall 
EaO,  dass  der  Arzt  vor  dem  Lufteinblasen  einige  Mal  in 
kurzen  Zügen  athmen  und  dann  eine  sehr  kräftige  Ein> 
atbmung  machen  möge.  Auf  diese  Weise  werde  die  aus  den 
Langen  des  Operateurs  in  die  des  Rindes  eindringende  Luft 
mehr  Sauerstoff  und  weniger  Kohlensäure  als  die  gewöhnlich 
ausgeathmete  enthalten  und  daher  besser  im  Stande  sein, 
die  Respiration  und  die  Circulation  anzuregen. 

Depaul  glaubt,  dass,  wenn  man  vor  jedem  Einblasungs- 
act  zuerst  eine  tiefe  Einathmung  macht,  die  Luft  noch  immer 
gut  genug,  und  die  geringe  Einbusse  an  Sauerstoff  fßr  un- 
bedeutend zu  erachten  sei. 

Ich  habe  mit  wohlüberlegter  Absicht  oben  angegeben, 
dass  man  die  Luft,  welche  man  nach  einer  etwas  starken 
Inspiration  noch  in  dem  Munde  hat,  jedesmal  in  die  Oeffnung 
des  Catheters  hineinblasen  möge.  Denn  diese  Luft  kann 
nach  eben  beendeter  Inspiration  noch  keinen  für  das  Kind 
nachtheiligen  Ueberschuss  an  Kohlensaure  besitzen  und  ist 
daher  in  Bezug  auf  ihre  Qualität  für  die  Lungen  eines 
scheintodten  Rindes  vollkommen  geeignet.  Dagegen  enthält 
die  am  Ende  jeder  Exspiration  aus  den  Lungen  des  Arztes 
hervordringende  Luft  in  zu  bedeutender  Menge  Kohlensäure 
und  darf  daher  nicht  in  die  Lungen  eines  scheintodten  Kindes 
eingeblasen  werden.  Nach  meinen  Erfahrungen  ist  die  nach 
jeder  etwas  starken  Inspiration  in  dem  Munde  eines  Er- 
wachsenen zurückbleibende  Luft  auch  an  Quantität  für  die 
kindlichen  Lungen  völlig  ausreichend. 

Der  dritte  Einwurf,  welcher  gegen  das  Lufteinblasen 
bei  aspbyctisch  geborenen  Kindern  erhoben  worden  ist,  bezieht 
sich  darauf^  dass  mit  etwas  zu  starkem  Lufteinblasen  Lungen^ 
emphysem  imd  Zerreissung  des  Lungenparenchyms  bewirkt 
werden  könne.  Dieser  Einwurf  trifft  mit  Recht  besonders  das 
Lttfteioblasen  mittels  der  blasebalgartigen  Apparate.  Magendie 
and  Dumirü  (vergl.  Kleinert\  Repertorium,  IV.  Jahrg., 
V.  Bttt,  Leipzig  1830,  S.  54)  fanden,  indem  sie  in  die  Luft- 

10* 


148         ^I^-    ff^tier,  Die  Katheteritstion  der  Luftröhre 

röhre  von  Leichnamen  erwachsener  Menschen  Luft  einbliesen, 
dass  das  Lungengewebe  zerriss,  und  Luft  zwischen  die  Pleura 
costalis  und  pulmonalis  austrat.  Bei  dem  todten  Fötus  und 
bei  Kindern,  welche  nur  einige  Stunden  gelebt  hatten,  ver* 
ursachte  die,  mit  grosser  Kraft  in  die  Lungen  geblasene  Lull 
keinen  Austritt  und  nur  hier  und  da  fand  man  unter  der 
Lungenpleura  einige  Luflbläschen.  Beide  tadeln  daher  das 
zu  gewaltsante  Einblasen  und   das  Einblasen  mit  Blasebälgen. 

Rosshirt  (Neue  Zeitschrift  für  Geburtskunde,  IL  Bd., 
2.  Heft,  Berlin  18.'^4,  S.  239)  rälh  wegen  der  schädlichen 
Folgen  von  dem  Lufleinhlasen  ganz  und  gar  ab. 

Dass  scliädliche  Folgen  bei  dem  Lufteinblasen  durchaus 
nicht  zu  fürchten  sind,  hat  Depaul  (1.  c.)  durch  eine  Reihe 
von  Versuchen  an  Kinderleichen  mit  Sicherheit  nachgewiesen. 
Er  hat  nämlich  sowohl  die  Lungen  von  todten  Neugeborenen 
als  auch  die  Lungen  von  Kindern,  welche  einige  Zeit  gelebt 
hatten,  mit  Luft  und  zwar  mittels  der  Chaussier^^chen 
Canülf  aufgeblasen.  Er  musste  dabei  viel  KraU  aufwenden, 
um  die  Erweiterung  aller  Lungenbläschen  zu  bewirken.  Bei 
der  genauesten  Untersuchung  der  Lungen,  welche  sogar  mit 
Hülfe  des  Mikroscop*s  auch  von  Lebert  vorgenommen  wurde, 
fand  sich  nirgends  eine  Zerreissung  der  Lungenbläschen,  auch 
keine  Erhebung  der  Pleura,  man  erkannte  vielmehr  überall 
die  vollständigste  Integrität  der  aufgeblasenen  Lungen. 

Auch  von  Ameth  (1.  c.)  wird  dieser  dritte  Einwurf  als 
ein  ganz  unbegründeter  hingestellt  Er  sagt  nämlich:  die 
bisweilen  verbreitete  Furcht,  die  Lungenzellen  selbst  durch 
das  auf  die  gewöhnliche  Art  durch  den  Mund  verrichtete 
Lufleinhlasen  zum  Platzen  zu  bringen,  müssen  wir  nach  den 
vielen  gemeinschaftlich  mit  Semmelweis  angestellten  Ver- 
suchen für  überflüssig  halten.  Es  war  —  ausser  bei  schon 
in  der  Fäulniss  begriffenen  Lungen  —  kein  geringer,  bei 
den  Belebungsversuchen,  wohl  nie  angewendeter  Grad  von 
Kraftaufwand  nöthig,  um  vorsätzlich  die  Luftzellen  zu  zer- 
sprengen. 

Obwohl  ich  selbst  keine  Versuche  in  dieser  Richtung 
hin  aufweisen  kann,  so  bin  ich  doch  fest  überzeugt,  dass 
die  Resultate  der  eben  citirten  Autoren  hinlängliche  Beweis- 
^^besitzen.     Die  letzte  Schranke,  welche  sich  der  Operation 


r- 


bei  asphyotiteh  geborenen  Kindern.  149 

des  Loftemblasens  hindernd  in  den  Weg  gestellt  hat,  ist  daher 
aJs  beseitigt  zu  betrachten.  Mögen  in  Folge  dessen  die 
Geburtshelfer  Katheterisatiou  der  Trachea  bei  asphyctisch 
geborenen  Kindern  von  jetzt  an  mehr  Aufmerksamkeit  schenken, 
als  dies  in  manchen  der  neueren  Lehrbücher  für  Geburts- 
hülfe  geschehen  ist,  und  sich  von  der  wohlthätigen  Wiriiung 
dieses  Verfahrens  durch  eigene  Beobachtungen  überzeugen. 
Der  dünne,  elastische  Katheter,  welchen  ich  seit  mehreren 
Jahren  zu  jeder  Geburt  mit  mir  führe,  kann,  abgesehen  von 
dem  sehr  geringen  Kaufpreise,  ohne  Schwierigkeiten  in  dem 
geburtsbüinichen  Bestecke  untergebracht  werden  und  wird 
gewiss  manchmal  nicht  umsonst  in  der  Praxis  mitgeführt 

So  sehr  ich  mich  durch  meine  Erfahrungen  für  berechtigt 
halte ,  das  in  der  vorliegenden  Abhandlung  beschriebene  Ver- 
fahren als  ein  im  hohen  Grade  sicheres  Mittel  anzupreisen, 
um  asphjctische  Kinder  von  dem  gewissen  Tode  zu  retten, 
so  kann  ich  doch  nicht  verschweigen,  dass  die  Anwendung 
desselben  eine  gewisse  Beschränkung  erleidet.  Wir  haben 
bisher  in  ätiologischer  Beziehung  nur  von  der  Asphyxie  ge- 
handelt, welche  sich  während  des  Geburtsactes  ausbildet  und 
wollen  gerade  bei  dieser,  welche  man  auch  den  primären 
Scheintod  nennt,  das  beschriebene  Verfahren  in  Anwendung 
gebracht  wissen.  Der  secundäre  Scheintod  tritt  erst  mit 
dem  Zeitpunkte  ein,  wenn  die  Geburt  des  Kindes  beendet 
ist  und  dieses  nun  sein  selbstständiges  Leben  durch  Athmen 
beginnen  soll.  Es  kann  nämlich  hieran  verhindert  sein  durch 
QQgenügende  Entwickelung  durch  angeborene  Missbildungen  und 
Erkrankungen,  durch  Zustände,  welche  der  atmosphärischen 
Luft  den  Eintritt  in  die  Luftwege  verwehren  u.  s.  w.  Wie 
wenig  Nutzen  man  bei  den  erstgenannten  Zuständen  von  dem 
Lufteinblasen  zu  erwarten  hat,  brauche  ich  gewiss  nicht  näher 
auseinander  zu  setzen.  Nur  wenn  bei  einem  Neugeborenen 
der  primäre  und  der  secundäre  Scheintod  gleichzeitig  vor- 
handen, d.  h.  der  letztere  auf  einer  Verschliessung  der  Luft- 
wege durch  Flüssigkeit  beruht,  so  hat  die  Katheterisation 
der  Trachea,  wie  aus  den  bisherigen  Mittheilungen  genügend 
bekannt  geworden  ist,  die  günstigste  Wirkung. 

Es  mag  mir  vergönnt  sein,  hier  zum  Schlüsse  einen  Fall 
von  secundärer  'Asphyxie  deshalb   mitzutheilen,   weil   ich   in 


150         VIII.    HüUr,  Die  KstheteritatioD  der  Luftröhre 

demselben  die  Katheterisation  der  Luftröhre  in  AnwmiduBg 
gebracht  habe. 

Bei  einer  Bauernfrau,  welche  ihre  drei  ältesten  noch 
lebenden  Kinder  natürlich  geboren  hat,  endete  die  vierte  und 
fünfte  Schwangerschaft  zu  früh  durch  die  Geburt  von  mace- 
rirten  Früchten.  Die  sechste  Schwangerschaft  verlief  bis  zu 
ihrem  rechtzeitigen  Ende.  Am  18.  und  19.  April  dieses  Jahres 
fühlte  die  Schwangere  iieine  Kindesbewegungen  mehr,  wurde 
deshalb  für  das  Leben  ihres  Kindes  sehr  besorgt  und  lies«, 
als  sich  am  Nachmittage  des  19.  April  die  ersten  Wehen  ein- 
stellten, mich  rufen.  Um  8V2  Uhr  Abends  fand  ich  bei  der 
Gebärenden  die  Längsachse  der  Frucht  in  der  ersten  Diagonale 
des  Uterus,  den  Rücken  und  den  Fötalpuls  rechts.  Der 
letztere  hatte  die  bedeutende  Frequenz  von  13 — 14  Schlägen 
in  5  Secunden,  welche,  ohne  dass  Kindesbewegungen  nach- 
zuweisen waren,  auch  während  der  Wehe  dieselbe  blieb.  Die 
Fruchtwassernlenge  war  die  gewöhnliche.  Der  Kopf  lag  in 
zweiter  Stellung  im  Beckeneingange.  Der  Muttermund  hatte 
die  Grösse  eines  Fünfsilbergroschenstücks. 

Kurz  vor  11  Uhr  ging  bei  völlig  retrahirtem  Muttermunde 
das  Fruchtwasser  ab.  Bis  zu  dieser  Zeit  hatte  ich  sehr  häufig 
auscultirt  und  stets  dieselbe  hohe  Frequenz  des  Fötalpulses 
ausser  und  wahrend  der  Wehe  gefunden.  Bei  dem  gänzlichen 
Mangel  einer  nachweisbaren  Erkrankung  der  Gebärenden  sagte 
ich  der  Hebamme  und  dem  Ehemanne  der  Gebärenden,  dass 
das  Kind  zwar  lebend,  aber  sehr  wahrscheinlich  krank  (vergl. 
meine  Beobachtungen  über  den  Fötalpuls  in  der  Monatsschr. 
für  Geburtskunde,  18.  Bd.,  Supplementheft,  Berlin  1862, 
S.  23)  geboren  würde.  Um  IIV2  tihr  fand  ich,  dass  der 
Fötalpuls  während  der  Wehe  auf  11  Schläge  herabsank,  sich 
in  der  Wehenpause  jedoch  wieder  auf  14  Schläge  erhob.  Der 
Kopf  stand  in  zweiter  Stellung  tief  in  dem  Becken. 

Um  12  Uhr  Mitternachts  wurde  das  Kind,  ein  Knabe, 
natürlich  geboren.  Es  schrie  und  respirirte  alsbald  unter 
zweimaligem  Hüsteln.  Auch  während  des  Abnabeins,  welches 
bald  vorgenommen  wurde  und  während  des  Badens  schien 
das  Respiriren  des  Kindes  regelmässig.  Als  aber  die  Heb- 
amme anfing,  das  Kind  anzukleiden,  nahm  die  Häufigkeit  der 
kindlichen   Respirationen  ab  und  dieselben   folgten  einander 


bei  —phytthch  geborenen  Kin4em.  151 

immer  seltener.  Ich  schob  in  diesem  Zustande  des  Kindes 
den  dönnen  elastischen  Katheter  in  die  Trachea  desselben 
ond  begann  Luft  einzublasen.  Hierbei  fühlte  ich  aber  einen 
beträchtlichen  Widerstand,  so  dass  nur  sdir  wenig  Luft  die 
Augen  des  Katheters  verliess.  Ich  machte  nun  mit  meinem 
Monde  eine  aspirirende  Bewegung,  weil  ich  es  für  möglich 
hielt,  dass  die  Trachea  oder  die  Bronchien  durch  Flüssigkeit 
rerstopft  seien.  Es  war  dies  jedoch  nicht  der  Fall,  denn 
die  Augen  des  herausgezogenen  Katheters  erwiesen  sich  leer. 
Auch  röhrte  der  Widerstand  nicht  von  einer  möglichen  Ver- 
stopfung des  Katheters  her,  weil  die  Luft  frei  durch  denselben 
hindurch  geblasen  werden  konnte. 

Unter  diesen  Umständen  versuchte  ich  das  Lufleinblasen 
mit  etwas  grösserer  Gewalt.  Indessen  brachte  ich  auch  hier- 
durch nicht  viel  mehr  Luft  in  die  Lungen  hinein.'  Es  kam 
nicht  eine  Spur  von  Trachealrasseln  zu  Stande.  Die  An- 
wendung der  übrigen  mir  zu  Gebote  stehenden  Wieder- 
belebungsmittel blieb  ebenso  erfolglos.  So  musste  ich  die 
Respirationen  des  Kindes  immer  seltener  werden,  ganz  auf- 
hören und  auch  am  20.  April  IVa  Uhr  Nachts  die  Herzaction 
des  Kindes  erlöschen  sehen. 

Die  Section  und  zwar  nur  die  der  Brusthöhle  wurde  mir 
nach  wiederholtem  Bitten  bei  den  Angehörigen  am  21.  April 
gestattet.  Das  Parenchym  beider  Lungen  war  nur  inselförmig 
mit  Luft  erfüllt,  der  bei  weitem  grössere  Tbeil  desselben 
zeigte  die  fötale  Beschaffenheit.  In  beiden  Pleurahöhlen  fand 
sich  ein  beträchtlicher  Erguss  einer  trüben  serösen  Flüssig- 
keit, welche  rechts  reichlicher  als  links  vorhanden  war.  Auch 
war  die  rechte  Pleura  puhnonalis  mit  mehr  zarten  Fibrin- 
fiden  belegt,  als  die  linke.  In  den  beiden  Ventrikeln  des 
Herzens  fand  sich  etwas  coagulirtes  Blut,  das  Foramen  ovale 
war  offen,  der  Ductus  arteriosus  Botalli  zeigte  ein  grosses 
Lumen. 


152  I^*    I>^f9id$okm,  EIb«  ZwÜliiigfselmrt. 

IX. 

Eine  Zwillingsgebnrt. 

Von 

.  Dr.  Davlilsohn  in  Schneidemühl. 

Am  15.  August  wurde  ich  nach  dem  V4  Meile  entfernten 
Dorfe  K.  zur  Assistenz  bei  einer  Entbindung  verlangt.  Ich 
fand  eine  mehrgebärende  schwächliche  Bauernfrau  im  höchsten 
Stadium  der  Anämie  und  allen  Vorboten  nahen  Todes,  den 
Folgen  einer  nach  der  vor  einer  Stunde  erfolgten  Steissgeburt 
entstandenen  unaufhörlichen  Blutung.  Die  Berührung  der 
äusseren  .Bauchdecken  bestätigte  die  von  der  sonst  unzuver- 
lässigen Hebamme  gestellte  Behauptung  von  der  Anwesenheit 
eines  zweiten  Kindes,  „das  wohl,  weil  es  sich  gar  nicht  bt- 
wege  und  die  Blutung  so  stark  sei,  todt  sein  würde.*'  Nach 
der  Darreichung  eines  Glases  Branntweins  (ein  Anaiepticum, 
auf  dessen  Anwesenheit  die  Landhebammen  bekanntlich  nicht 
ohne  Grund  halten),  wollte  ich  zur  raschen  Entfernung  des 
Kindes  schreiten,  fand  aber  unter  Leitung  der,  trotz  der  Vor- 
schrift des  Hebammenbuchs  nicht  unterbundenen  Nabelschnur 
die  festansitzende  Nachgeburt,  und  während  ich  durch  die 
immer  heftigere  Blutung  gedrängt,  deren  Trennung  versuchte, 
folgte  unter  vorsichtiger  Anziehung  der  Nabelschnur  nicht 
nur  diese  Nachgeburt,  sondern  auch  die  mit  ihr  gleichsam 
dos  ä  dos  verbundene  dem  zweiten  Kinde  zugehörige  Nach- 
geburt, dessen  Entwicklung  an  den  vorliegenden  Pässen 
schleunigst  gelang. 

Trotz  der  grössten  Unwahrscheinlichkeit  und  der  grössten 
Ungunst  der  Aussenverhältuisse  sind  Mutter  und  beide  Kinder 
am  Leben  geblieben,  obgleich  letztere  kaum  athmend  auf 
dem  mich  zurückfahrenden  Wagen  sofort  zur  Erlangung  der 
(von  mir  vergeblich  der  Hebamme  zugewiesenen)  Nothtaufe 
hierher  transportirt  wurden. 


X.    Notissn  ans  der  Joimial-Litoratar.  ]^ 


X. 


Notizen  aus  der  Journal -Literatur« 


TniMr.-    Ein  Fall  von  nngeahnter  Schwangerschaft  und 
Gebnrt 

Dr.  Taftm&r  wnrde  den  17.  April  an  Mrs.  /.,  42  Jahre  alt, 
fernfeii.  Die  Patientin  klagte  seit  11  Uhr  in  der  verflossenen 
Nacht  nber  grosse  Sohmersen  im  Unterleibe,  ist  mehr  denn 
drei  Jabre  verheiratbet  und  niemals  schwanger  gewesen.  Die 
Katamenien  waren  seit  Jnni  1861  ansgebiieben ,  —  das  wnrde 
iedoeh,  da  sie  fSnf  oder  sechs  Monate  vorher  sehr  reiehlioh 
gewesen  waren,  der  Verandernng  der  Lebensweise  sngeschrieben. 
Ti^t  Schmers  im  Ünterleibe  kam  in  Parozysmen  und  hatte  sich 
weder  durch  Medicin,  noch  darcb  einen  Senfteigübers oblag  ge- 
mässigt. Der  Assistent  eines  benachbarten  Arstes  erklärte,  dass 
die  Sehmeraen  von  Flatulenz  nnd  Entsfindnng  herrührten.  Dies 
stimmte  gans  wohl  mit  der  Meinong  der  Patientin,  ihres  Mannes  etc. 
iiberein.  Bei  der  näheren  Untersuchung  fand  man  die  Frau  in 
Wehen,  die  Eihäute  geborsten,  den  Muttermund  ungefähr  -so 
gross  wie  ein  Zweigroscbenstüek  und  den  vorliegenden  Kopf 
in  das  Becken  eintretend.  Wenige  Stunden  darauf  eztrahirte 
Dr.  Tawktr  das  Kind  mit  der  Zange  —  wohl  sn  nicht  geringer 
Befriedigung  der  erstaunten  Eltern.  Dieser  Fall  beweist,  dass 
eine  Frau  empfangen,  vollkommen  austragen  und  10  Stunden  lang 
Wehen  haben  kann,  ohne  nur  im  geringsten  su  ahnen,  dass  sie 
schwanger  ist« 

(Madical  Times  and  Gasette,  Vol.  I.,  1862,  No.  620.) 


'Duncani    Ueber    die    Innenfläche    des    Uterus    nach    der 
Geburt. 

In  der  Londoner  geburtshiilfliehen  Gesellschaft  wurdp  am 
7.  Mai  1862  von  Dr.  Diineaa  über  das  Verhalten  der  Innenfläche 
des  Uterus  nach  der  Kiederknnft  ein  längerer  Vortrag  gehalten. 
Die  Meinung  (7rtc«s»Atsr^s ,  dass  die  ganse  Schleimhaut  ab» 
gestossen  und  dann  die  Muskelschicht  „  gleichwie  bei  einem 
Amputatiossstumpfe*  nackt  daläge,  die  Heilung  aber  dann  durch 
Eiterung  und  Granulation  bewirkt  werde,  verwarf  der  Spreeher 
sIs  dorehans  unhaltbar;  er  behauptete,  dass  au  keiner  Zeit  das 
Miskelatratiim  blosagelegt  werde,  sondern  dass  dasselbe  fort- 
während von  einem  Scbleimhautbelege  bedeckt  sei,  dass  femer 
in  demselben  Maasse  wie   der  Uterus  sich  verkleinere,   diese  an 


154  2*    Notisen  ans  der  Jonnial- Literatur. 

Dicke  snnehme  and  die  Heilung  analog  wie  bei  der  Haut  oder 
der  Schleimhaut,  die  ron  ihrer  oberflächlichen  Schicht  entbldset 
worden  wären,  vor  sich  ginge.  Besonders  betonte  er  die  Wahr- 
heit dieser  Behanptnng  für  den  Placentarsits ,  bei  dem  die  f&r 
immer  offen  bleibenden  Sinns  zeigten,  dass  keine  neue  Schleim- 
haut, sondern  dieselbe  aas  den  Besten  der  Decidua  serotina 
gebildet  werde.  Femer  bemerkte  er,  dass  er  nicht  PriefÜey 
and  Rohin  beipflichten  könne,  welche  annahmen,  dass  nngefllhr 
nm  die  Mitte  der  Schwangerschaft  die  alte  Schleimhant  sich  los- 
stosse  nnd  sich  dann  eine  nene  bilde.  Dies  sei  abermals  gana 
nnhaitbar  für  den  Placentarsits  und  stimme  ebenfalls  nicht  mit 
der  wohlbekannten  Thatsache  ttberein,  dass  die  Innenseite  dea 
Uteras  sa  keiner  Zeit  yon  der  Schleimhant  entblösst  gefanden 
werde ;  übrigens  spräche  anch  die  Abwesenheit  der  Entsündang 
nnd  die  Natnr  des  Aasflasses  bei  normalem  Wochenbette  for  die 
nene  Ansicht. 

Dr.  Pri4iU$y  bemerkte  hiergegen,  dass  er  ebenfalls  glaabe^ 
die  Mnskelschicht  werde  niemals  blossgelegt;  die  Regeneration 
der  Schleimhant  sei  jedoch  eine  andere;  die  Epithelialsellen 
derselben  nämlich  Terwandelten  sich  nach  der  Conception  in 
anregelmässige  Zellen,  dafür  aber  bildeten  sich  in  der  «weiten 
Hälfte  der  Schwangerschaft  von  der  Basement  membrane  ans 
kleine  embryonale,  regelmässige  Zeilen,  welche  anr  Zeit  der 
Niederknnft  noch  denselben  Charakter  hätten,  —  das  könne  man 
nnter  dem  Mikroskop  in  den  Lochien  beobachten,  indem  sie 
sich  manchmal  anter  den  aasgestossenen  anregelmässigen  Zellen 
vorfinden. 

(Medical  Times  and  Gasette,  Vol.  I.,  1862,  No.  620.) 


Braxton  Hieks:    Eine  Abdominalschwangersohaft.    Banch- 
schnitt. 

Mrs.  H — ,  40  Jahre  alt,  mehrgeschwängert,  Hess  sich,  da 
nach  ihrer  Berechnnng  schon  12  Monate  nach  der  Conception 
verflossen  waren  und  die  Kindesbewegnngen  aufgehört  hatten« 
▼or  drei  Jahren  von  Dr.  Hiek»  nntersnchen;  er  fühlte  eine  ovale, 
schräg  nnd  mehr  anf  der  linken  Seite  des  Abdomen  gelagerte 
nnd  vom  Uteras  wohl  abgegrenste  Geschwnlst.  Längere  Zeit 
daranf  wurde  die  H.  wegen  Schmersen  in  der  Blase  and  oberhalb 
des  Tamor,  der  sich  jedoch  nach  und  nach  verkleinerte,  behandelt« 
Im  Mai  1862  wurde  Dr.  Hickt  gerufen;  sie  hatte  eine  acute 
Cystitis,  eitrigen  Harn;  mit  Hülfe  des  Katheters  fühlte  man  in 
der  Blase  Knochen.  Die  Patientin  klagte  Über  grosse  Sohmaraen, 
schlechten  Schlaf  und  Appetit,  überhaupt  über  ein  aohlechtea 
Allgemeinbefinden.  Die  Geschwulst  reichte  bis  aar  Mitte  awischen 
Nabel  und  Schambeinen. 


X.   Notisen  ans  d«r  JaunU- Literatur.  155 

Ajb  16.  Mai  wurde  Patiesün  chloroformiri  and  recbu  Ton 

äjBT  Meditaliaie  miiteii  auf  den  Tnmor  ein  Einschnitt  bis  anf  da« 

Paiitonaam   gemmcht;   letateras   wnrde    ebenfalls   dnrehschnitfen 

und   an   die  Gesohwnlst  Tollkommen   angelöthet  gefnaden.    Die 

OeffiboBg  wurde   der  Länge  nach  auf  2y,  Zoll  erweitert  and  an 

gleieJier  Zeit  der  Sack  eröffnet;  dieser  war  den  Knochen  adh&rent, 

reo  diesen  lagen  die  geraden   im  Centrum,   die  flachen  in  der 

Peripherie;   letstere  worden  erst  snletat  mit  der  grÖssten  Yor- 

ticht    entfernt,    damit    die   Wand    des    Sackes   nicht   beschädigt 

würde.     Ein   kleiner  Knochen   wurde    aus   der  OeflFnnng  in   der 

Blase,    die    eine    Fingerspitse    einliess,    herausgesogen;    so    hat 

Dr.  Hieka  nach  und  nach   168  Knochen,    nachdem  sie   alle  von 

einander  getrennt  worden  waren,   mit  einer  gewöhnlichen  Korn- 

sänge    entfernt,    alle    waren   nur   Ton   sehr    wenig   Mnskelmasse 

bedeckt,    von    der   Plaoenta   fand    eich    keine    Spur.   .  Da   keine 

Blntung    in    den    Sack    stattfand,    so    wurden    die    oberen    swei 

Drittbeiie    der  Susseren  Wunde   gen&ht,   der  antere  Theil  blieb, 

am  den  Eiter  ausfliessen  zu  lassen,  offen. 

Nach  der  Operation  hat  Patientin  nicht  die  geringsten 
Peritonftalerscheinungen  gehabt,  sondern  in  rapider  Weise  sich 
erholt.  Am  vierton  Tage  erfolgte  eine  gesunde  Eiterung.  In 
der  Blase  lag  um  den  Scbluss  der  Fistelöffhung  su  beschleunigen, 
fortwähreikd  ein  Katheter.  Bis  sum  17.  Tage  floss  manchmal 
Urin  aus  der  Wunde,  später  nur  noch  einmal,  als  wegen  einer 
Verstopfung  des  Katheters  sich  8  ünsen  Urin  in  der  Blase  an« 
gesammelt  hatten. 

Dr.  H%ck$  theilt  noch  einen  anderen  ron  ihm  operirten 
Pall  Ton  Abdominalschwangerschaft  mit;  hier  war  jedoch  nach 
vorn  das  Peritonäum  nicht  mit  der  Kystenwand  verwachsen  und 
der  lethale  Aasgang  erfolgte.  Bei  der  Section  fand  man  Darm- 
teUingen,  die  durch  die  Oeffnang,  wahrscheinlich  während  eines 
Breehactes ,  in  die  Kyste  hineingeschlüpft  waren.  Der  Verfasser 
bemerkt  doshalb,  er  werde  bei  allen  künftigen  Fällen,  wo  er 
die  Kystbnwand  nicht  an  das  Peritonäum  adhärent  fände,  ror 
der  Eztraetlon  des  Fötns,  die  Hchnittränder  der  Kyste  mit  den 
änsseren  WundrSndem  rereinen. 

(The  Laneet,  Vol.  II.,  1862,  No.  XI.) 


8<fjfre:   Pall   von  künstlicher  Frühgeburt. 

Verfasser  wendete  bai  einer  mit  einem  verengten  Becken 
▼srsehenan  Frau,  welche  das  erste  Mal  eine  sehr  schwere  Geburt 
Inrdhgemacht  hatte,  in  der  86.  Woche  der  sweiten  Schwanger* 
•chaft  die  Methode  tou  Tarmer  sur  Erregung  der  künstlichen 
Piiihgebart  an  (s.  Monatsschr.,  Bd.  20,  S.  487).  Am  SO.  September 
18C8  Mittags   wurde  der  Apparat  in  die  Uterinhöhle    eingeführt 


156  ^-    Notisen  ans  der  Journal- Literatur. 

mit  lauem  Wasser  gefQIIt ,  aber  nnglttelclieher  Weise  serriss  dabei 
die  Kautsebakblase  and  eine  neue  mnsste  eingelegt  werden. 
Schon  V4  Stunde  darauf  seigte  sieh  die  erste  kräftige  Zusammon- 
■iehung  und  die  weiteren  folgten  alle  Vi  Stunden.  Abends  10  Uhr 
war  die  Erweiterung  des  Muttermundes  bereits  5  Centimeter  im 
Durchmesser,  wfthrend  der  Nacht  w&brten  die  Zusammensiebungen 
fort  und  Morgens  6V,  Uhr  drKngte  der  Apparat  aus  dem  ▼oll» 
ständig  erweiterten  Muttermunde  hervor. 

Im  weiteren  Verlaufe  der  Geburt  wurde  die  künstliebe 
Blasensprengung,  dann  die  Zange  und  da  diese  nicht  tum  Ziele 
führte  und  nachdem  in  Folge  eines  Nabelsehnurvorfalles  das  Rind 
abgestorben  war,  die  Perforation  und  Kephalothrypsie  nöthig.  ^ — 
Die  Wöchnerin  blieb  gesund. 

(Gas.  des  hdpitaux,  1862,  No.  140.) 


JamtB  Oampbell:    Ueber   den    Eintritt   der   Menstruation 
bei   den  Mädchen  in   Slam. 

Nach  des  Berichterstatters  Untersuchungen  beginnt  die 
Menstruation  in  Slam  weit  später,  als  es  sonst  in  südlichen  und 
unter  gleicher  Breite  liegenden  Ländern  der  Fall  ist«  Campbell 
beobachtete  keinen  eiuzigen  Fall,  bei  dem  sich  die  Menses  vor 
12  Jahren  und  5  Monaten  zeigte;  von  30  Mädchen  menstruirten 
6  nach  snrückgelegtem  swölften,  8  nach  dem  dreisehnten,  8  nach 
dem  vierzehnten,  16  nach  dem  fünfzehnten,  2  nach  dem  sechs* 
sehnten,  eine  nach  dem  siebenzebnten  Jahre.  Das  Resultat  der 
Untersuchungen  zeigt,  dass  der  Eintritt  der  Menstruation  meist 
nach  surückgelegtem  dreizehnten  bis  sechszehnten  Jahre  erfolgt. 
(Edinbargh  Medical  Journal,  September  1862,  No.  87.) 


Albert:  Der  Sturz  des  Kindes  bei  präcipitirten  Geburten. 

• 

Verfasser  hält  sich  zu  der  Annahme,  dass  bei  allen,  selbst 
Kopfgeburten,  das  Kind  keineswegs  mit  dem  Kopfe  zuerst,  sondern 
mit  qnergelagertem  Körper  den  Boden  berühre ,  fSr  berechtigt, 
zunächst  durch  Beobachtung  des  Geburtsmechanismus,  welche 
ergiebt,  dass  das  Kind  in  der  Richtung  der  verlängert  gedachten 
Beckeurtze  austritt,  ausserdem  durch  die  Erwägung,  dass,  da 
die  Entfernung  der  Kusseren  Geschlecbtstheile  einer  Gebärenden 
▼om  Boden  grösser  ist,  als  die  durchschnittliche  Länge  der 
Nabelschnur,  der  KindeskÖrper  nur  In  querer  Richtung  den  Boden 
berühren  könne.  Diese  Annahme  werde  durch  fremde  sowohl  als 
eigene  Versuche  und  Beobachtungen  des  Verfassers  bestätigt. 

Was  die  Versuche  des  Verf.  anlangt,  so  beschränkt  er  sieh 
auf  die  Versicherung,    häufig   ein   neugeborenes,    an  der  Nabel* 


X.    Notisen  aus  der  Joamal- Literatur.  157 

schnnr  gehaltenes  Kind  an  Boden  fallen  gelassen  an  haben ,  wobei 
et  nie  mit  dem  Kopfe  auerst,  sondern  in  Querlage  an  jenem 
gelangt  sei,  mindert  aber  die  Beweiskraft  dieser  Versicherung 
erbeblich  durch  den  Mangel  jeder  näheren  Angabc  über  die 
Modalitaten  des  Experimentes.  Auch  die  angeführten  Beob- 
achtungen sind  nicht  geeignet,  jene  Behauptung  wesentlich  sa 
unterstützen,  —  so  schliesst  er  auf  Berührung  des  Bodens  in 
Querlage  in  dem  einen  Falle,  wo  die  Nachgeburt  zugleich  mit 
dem  Kinde  abging,  aus  dem  von  der  Mutter  angegebenen 
klatschenden  Geräusche  beim  Aufschlagen,  sowie  ans  dem  lieber- 
viegen  der  Entfernung  der  Genitalien  vom  Boden  über  die  Länge 
der  Nabelschnur  um  8  Zoll,  in  einem  zweiten  aus  einer  Haut- 
abschürfung am  Unterkiefer,  in  welcher  Bestandtheile  des  Bodens 
eingedrückt  lagen,  in  einem  anderen  aus  einigen  Eindrücken 
▼on  Stoppeln  an  Schulter  und  Hüfte. 

£a  möge  gestattet  sein,  von  den  mancherlei  Bedenken, 
welche  sich  den  AnfGhrungen  des  Verfassers  gegenüber  auf- 
drängen, eines  der  naheliegendsten  hervorzuheben.  Ein  nur 
einigermaassen  bedeutendes  Ueberwiegen  der  Entfernung  zwischen 
dem  Boden  und  dem  Befestigungspunkte  der  Nabelschnur,  wobei 
es  gleichgültig  ist,  ob  der  Mutterkuchen  noch  fest  dem  Frucht- 
halter  adhärirt,  oder,  wie  wohl  meist  der  Fall,  schon  gelöst 
bloss  durch  den  Muttermund  knopflochartig  zurückgehalten  wird, 
dürfte  eher  geeignet  sein,  dem  Kinde  das  Berühren  des  Bodens 
nur  mit  dem  einen  Körperende  zu  gestatten,  in  Querlage  dasselbe 
jedoch  unmöglich  zu  machen,  immer  unter  der  Voraussetzung 
des  Fortbestandes  jener  Verbindung  zwischen  Mutter  und  Frucht. 
Welches  Körperende  dies  aber  in  den  meisten  Fällen  sein  wird, 
dürfte  sich  aus  der  Betrachtung  des  Schwerpunktes  des  kindlichen 
Körpers,  sowie  des  Verhältnisses  der  Insertion  des  Nabelstranges 
zu  jenem  ziemlich  ungezwungen  ergeben. 

Für  den  Fall  nun,  dass  das  Kind  beim  Herabstürzen  den 
Boden  wirklich  mit  dem  Kopfe  zuerst  berühre,  was  Verf.  nur  für 
die  Fälle  als  möglich  zugiebt,  wenn  die  Geschlechtstheile  dar 
Gebärenden  dem  Boden  ganz  nahe  wären,  ist  doch  bekanntlich 
die  Gewalt  des  Sturzes,  wie  die  Beschaffenheit  des  kindlichen 
Schädels  und  Gehirns  nie  der  Art,  um  es  zu  einer  Leben 
oder  Gesundheit  gefährdenden  Beschädigung  kommen  zu  lassen. 
Verf.  beobachtete  einige  Fälle  von  Sturz  aus  bedeutender  Höhe 
mit  dem  Kopfe  voraus  ohne  Nachtheil ,  sah  auch  bei  Fallversuehen 
an  todtgeborenen  Kindern  und  neugeborenen  Thieren  (Kalb, 
Ziegen,  Hunde,  Katzen,  Kaninchen)  niemals  eine  Verletzung, 
oder  bei  letzteren  eine  Gefährdung  des  Fortlebens  entstehen. 

{Henkels  ZeiUchr.  f.  d.  Staatsarzneikunde,  4.  Heft,  186S.) 


258  ^*    Kotiien  att0  der  Jonrnsl- Literatur. 

Wistrand:    Zwei    PKlle    von    Fraehtabtreibnng,    berTor- 
gerufen  darcb  Drücken  auf  den  Unterleib  des  Weibes. 

Bei  der  Obduction  des  Leichnams  eines  Mädchens,  welcbeü 
nach  einer  heimlichen  frühzeitigen  Geburt  unter  starken  Blutungen 
und  brennender  £mpfindung  in  der  Magengrube  schnell  gestorben 
war,  fanden  sich  ausser  Sugillationen  der  Magenschleimhaut 
mehrere  kleine  Eztrarasate  unter  dem  parietalen  Blatte  des 
Bauchfelles.  Der  Bauchfellüberxug  der  Därme  zeigte  keine  Qefäse- 
injection.  Am  grossen  wie  am  kleinen  Netze  fanden  sich  grössere 
und  kleinere  Flecken  von  eztravasirtem  und  geronnenem  Blute. 
Ungefähr  Ton  der  Mitte  des  Oekröses  des  Jejunum  ab  in  der 
Nähe  des  Darmes  einzelne  hellrothe  Flecken  von  eztravasirtem 
Blute;  das  Gekröse  des  Blinddarmes  blauschwarz  you  I^ztra- 
vasaten;  yerschiedene  grosse,  erhabene,  geronnenes  Blut  ent- 
haltende Flecken  im  Gekröse  des  Colon  transrersum  und  descendens. 
Hinter  dem  Bauchfellüberzuge  der  hinteren  Bauchwand  fanden 
sich  in  dem  die  Psoasmnskeln  bedeckenden  Zellgewebe  grosse 
Masseki  eztravasirten  Blutes ,  kleinere  an  den  Mm.  iliaci.  In  den 
Nierenkapseln  grössere  Blutaustritte;  die  Substanz  der  Nieren 
fest,  blutarm;  in  den  Becken  beider  Nieren  Extravasate  im  Um- 
kreise der  Papillen.  Zahlreiche  Blutaustritte  unter  dem  Bauchfell- 
überzuge des  Uterus  und  in  den  breiten  Mutterbändem.  Die 
Schleimhaut  der  Scheide  stark  blaurotb,  unter  derselben  dunkles 
eztravasirtes  Blut.  Durch  die  chemische  Untersuchung  des  Magen  • 
Inhaltes  wurde  die  Gegenwart  von  Eisen  und  mit  hoher  Wahr- 
scheinlichkeit die  von  Aloe  constatirt. 

Der  begutachtende  Gerichtsarzt  nahm  an,  dass  die  früh- 
zeitige Geburt,  die  Blutung,  und  in  Folge  deren  der  Tod  durch 
Einnehmen  gedachter  Substanzen,  sowie  durch  einen  starken 
äusseren  Druck  auf  die  untere  Hohlader  erfolgt  sei.  Dass  letzterer 
stattgefunden,  wurde  aus  den  bedeutenden  Blutaustritten  unter 
dem  Bauchfelle  und  in  den  Nieren  geschlossen ,  welche  nur  durch 
ein  Hindernisa  des  Blutlaufes  im  unteren  Hohlade rsjsteme  ent- 
standen sein  konnten;  da  sich  aber  innen  kein  derartiges  Hindemiss 
fand,  musste  ein  von  aussen  wirkender  Druck  angenommen  werden. 

Ein  anderes  Mädchen  hatte  sich  wiederholt  den  Leib  in 
der  Absicht  drücken  lassen,  dadurch  eine  Unterbrechung  der 
Schwangerschaft  herbeizuführen.  Der  Druck  war  in  der  Art 
aasgeübt  worden,  dass  theils  der  Bauch  von  einer  Seite  zur 
anderen  zusamniengepresst,  theils  mit  den  Fingern  von  vorn  her 
atark  gegen  denselben  gedrückt  wurde.  Der  Zweck  wurde  erreicht, 
das  Mädchen  aber  in  Folge  der  Schmerzen  für  längere  Zeit 
bettlägerig. 

(Aus  der  Hjgiea,  Bd.  23,  in  Htnkt'a  ZeiUchr.  f.  die  StaaU- 
arzueikunde,   1863,  1.  Heft.) 


X.    Notiseo  ans  der  Journal -Literatur.  159 

ifiXataek:  Inversio  ateri.     Ezstirpatio. 

Dr.  M*Clintoek  berichtete  in  der  Dabliner  gebartshülflichen 
Geiellschaft  folgenden  Fall  Yon  Inversion  des  Uterns :  Mary  O^Hara^ 
66  Jahre  alt  und  niemals  yerheirathet,  wurde  den  1.  April  1862 
ixi's  Hospital  anfgenommen ;  ihre  Regeln  verlor  sie  vor  15  Jahren, 
niemals  hatte  sie  an  irji^end  einer  Gebärmutterk rankheit  gelitten. 
Vor  sechs  Wochen  bekam  sie  starkes  Erbrechen  und  hatte  während 
desselben  das  Gefühl,  als  ob  plötzlich  etwas  aus  ihrem  Unterleibe 
beriinterfalle ;  aus  der  Vagina  war  eine  grosse  Geschwulst  von 
7  Zoll  Länge  hervorgetreten,  die  trotz  mehrfacher  Bepositions- 
rersnche  immer  wieder  ihre  frühere  Stellung  einnahm;  ihre  Basis 
bildete  die  herausgestälpte  Vagina,  dann  folgte  der  vollständig 
inverürte  Uterus;  auf  seinem  Grunde  zeigte  sich  mit  kurzem 
Stiele  ein  fibröser  Polyp  von  der  Grösse  einer  Kastanie;  in  die 
Oeffiinngen  der  Eileiter  konnte  man  mit  einer  Sonde  ungefähr 
einen  Zoll  eindringen.  Auf  der  Oberfläche  des  Uterus  und  der 
Vagina  waren  mehrere  Ulcerationen  und  ein  reichlicher  schleimiger 
Eiter  vorhanden.  Am  14.  wurde  der  Polyp  mit  dem  Ecraseur 
•ntfemt,  eine  dabei  stattfindende  Blutung  konnte  nnr  durch  Com- 
pression  mit  den  Fingern  gestillt  werden.  Am  21.  wurde  hierauf 
eine  Ligatur  nm  den  Uteras  nahe  bei  seiner  Verbindung  mit 
der  Vagina  angelegt;  die  Patientin  klagte  während  des  Zusammen- 
schnfirena  derselben  über  bedeutende  Schmerzen.  Drei  Tage  darauf 
wurde  die  Ezstirpation  des  Uterns  mit  dem  Eoraseur  ausgeführt; 
die  Kette  wurde  in  die  Einschnürungsrinne  gelegt;  letztere  war 
onr,  obgleich  die  Ligatur  ungemein  fest  angelegt  worden  war, 
in  sehr  geringem  Maasse  in  die  Uterinsubstanz  eingedrungen. 
Wahrend  der  Operation  wurde  der  Puls  sehr  matt  und  eine 
geringe  Blutung  durch  kaltes  Wasser  gestillt.  Die  Heilung  der 
Wunde  ging  gut  von  Statten;  die  Patientin  befindet  sich  jetzt 
ganz  wohl. 

(The  Dublin  Quaterly  Journal,  August  1862,  No.  LXVll.) 


Dutncnt' Pallier:  Sectionsbefund  bei  einer  in  der  Bildung 
begriffenen   Uaematocele   retro-uterina. 

An  der  Leiche  eines  16jäh;-igen  Mädchens,  welches  nach 
IStägigem  Kranksein  am  enterischen  Typhus  gestorben  und  bei 
dem  die  Menstruation  nur  ein  einziges  Mal  (2V«  Monate  vor  dem 
Tode)  eingetreten  war,  wurden  keine  Spuren  von  Peritonitis,  in 
der  Beekenhöhle  gegen  6  Unzen  röthlich  gefärbter,  seröser  Flüssig- 
keit und  eine  hühnereig^rosse  Geschwulst  gefunden,  welche  von 
dem  rechten  Eierstocke  ausging.  Dieselbe  war  braun,  zeigte 
keine  Verbindung  mit  den  benachbarten  Theilen,  nach  unten  ein 
derbes  Blutgerinnsel,   welches  durch   eine   Gescbwürsöffnung  in 


160  X.    Kotisen  ans  der  Journal -Literatur. 

dem  Tumor  mit  einem  grösseren ,  in  der  H5Me  desselben  befind- 
liehen  Gerinnsel  snsammenhing.  Die  GeschwürsÖffnnnfj^  war  nicht 
vollständige  durch  die  Gerinnsel  verleget,  so  dass  Flüssigkeit 
tropfenweise  anscreten  konnte.  Die  Wandung  der  Eyste  bestand 
ans  der  Serosa  des  Eierstocks,  an  deren  Innenfläche  sich  Faserstoff- 
niederschlfige  gebildet  hatten.  In  verschiedenen  Graa/*8chen 
Follikeln  desselben  Eierstocks  wurden  kleine  Apoplexieen  gefunden; 
mit  der  Höhlang  des  einen  derselben  stand  die  Höhle  der  Kjste 
in  directer  Communication.  Die  rechte  Tube  enthielt  eine  geringe 
Menge  eiterigen  Schleimes;  die  linke  war  gesund,  ebenso  der 
Uterus,  der/Iymen  intact.  Ausserdem  wurden  in  den  Peyer*Bcheu 
Plaques  reichliche  und  tiefe  Verschwärungen  angetroffen,  von 
denen  sich  einige  bereits  im  Reparationsstadium  befanden. 
(Gas.  m^d.  de  Paris,  1862,  No.  24.) 


Hdr»chelmann:   Zwei  FXUe   von  Coccygodjnie. 

Der  erste  Fall  betraf  ein  Mädchen  von  fünf  Jahren ,  weiches 
beim  Spielen  plötslich  von  einem  heftigen  Sehmerse  in  der 
Steissbeing^gend  befallen  wurde,  der  sie  namentlich  am  Sitaen 
verhinderte  und  den  Stuhlgang  äusserst  beschwerlich  machte. 
Ausser  lebhaftem  Schmerzgefühl  beim  Berühren  des  Steissbein« 
Hess  sich  daselbst  nichts  Krankhaftes  wahrnehmen.  Die  ver- 
schiedensten  Mittel  blieben  ohne  Erfolg;  Chinin,  bei  dem  eine 
Zeit  lang  typischen  Eintreten  des  Schmerzes  angewandt,  bewirkte 
nur  vorübergehende  Besserung.  Darauf  wurde  Tr.  aconiti  lu  drei 
Tropfen  zweistündlich  Tag  und  Nacht  hindurch  gegeben,  worauf 
die  Anfälle  nicht  mehr  wiederkehrten  und  die  Stuhlentleerung 
allmälig  schmerzlos  frurde. 

Einen  zweiten  ganz  ähnlichen  Fall  beobachtete  Verf.  bald 
darauf  bei  einem  sonst  vollkommen  gesunden  vierjährigen  Mädchen, 
welches  ebenfalls  ganz  plötzlich  von  lebhaftem  Steissbeinschmerze 
befallen  wurde.  Auch  hier  verschwand  das  l^eiden  nach  dem 
Gebrauche  des  Aconit  in  derselben  Gabe  und  Form,  und  zwar 
nach  24  Stunden. 

(Petersb.  med.  Zeitschr.,  1862,  16.  Heft.) 


XL 

Fall  von  sackförmiger  Erweiterung  des  hinteren 
unteren  Gebflrmutterabsohnittes 

nebst 

Bemerkungen  über  Situs  obliquus  posterior 

und  Retroversio  uteri  am  rechtzeitigen 

Ende  der  Schwangerschaft. 

Von 

Dr.  Walther  Franke, 

Privfttdocenten  an  der  Universitit  Hallo, 

Bekanntlidi  senkt  sieb  im  zehnten  Schwangerschaftsmonale 
der  Uterus  mit  seinem  Grunde  mehr  oder  weniger  nach  vorn, 
der  im  ualeren  Gebärmutterabschnitte  quer  liegende  Kopf 
macht  dadurch  eine  Drehung  um  seinen  geraden  Durchmesser, 
80  dass  das  nach  vom  liegende  Scheitelbein  tiefer  herabtritt, 
und  so  ein  kleinerer  Durchmesser  des  Kopfes  für  die  Coiyugata 
gewonnen  wird.  Diese  Drehung  wird,  abgesehen  von  der 
Neigung  des  Beckens  durch  den  Umstand,  dass  die  vordere 
Wand  des  schwangeren  Uterus  langer  und  die  vordere 
Bälfte  des  unteren  Abschnittes  stärker  gewölbt,  als  die  hintere 
ist,  wesentlich  unterstutzt.  Es  durchtheilt  daher  in  Folge 
dieser  Drehung  die  Pfeilnaht  den  Muttermund  nicht  in  zwei 
gleiche,  sondern  in  eine  vordere  grössere  und  hintere  kleine 
Hälfte,  vorausgesetzt,  dass  jener  sich  in  der  Führungslinie 
des  Beckens  befindet  Da  aber  gleichzeitig  der  höhere  oder 
tiefere  Stand  des  Kopfes  bestimmend  auf  die  Lage  des  Mutter- 
mundes wirkt  und  Jener,  namenthch  häufig  bei  Erstgebärenden, 
wenn  das  Becken  gehörig  weit  und  wenig  Fruchtwasser 
zwischen  Kopf  und  Eihäuten  sich  befindet,   schon  am  Ende 

Moaatsaelir.  f.  Q«bartak.  188S.  Bd.  XZI.,  Hfl.  8.  1 1 


162        ^I*    Fremket  FaU  tod  sackförmiger  Erweitemng 

der  Schwangerschaft  oder  gleich  beim  Beginne  der  Geburt  tief 
und  fest  im  Becken  sieht:  so  wird  unter  solchen  Verhältnissen 
jene  Wölbung  im  vorderen  Gebärmutterabschnitte  noch  verroehrt 
und  der  Muttermund  kommt  dann  nach  ^hinten  und  oben  zu 
liegen.    Naegde  d.  V.  schildert  in  seinem  Hebammenhuche, 
das  sich  ja  bekanntlich  vermöge  seiner  Darstellungsweise  und 
seines  Inhaltes  mehr  als  ein  Lehrbuch  für  höhere  Geburtshülfe 
eignet,   diesen  Befund  sogar  als  den  regelmässigen,   denn  er 
sagt:    „An    dieser   Halbkugel  (dem  tief  in  die  Beckenhöhle 
herabragenden    Kindeskopfe)    fühlt    man   nach    hinten,    voll- 
kommen der  Kreuzbein -Aushöhlung  zugekehrt  imd  hoch  den 
Muttermund  etc."   Das  untere  Uterinsegment  kann  in  solchen 
Fällen  in  dem  Grade  verdünnt  werden,  dass  es  gelingt,  durch 
dasselbe  Nähte  und  Fontanellen  deutlich   zu  erkennen,  und 
dass   man   bei   unvorsichtigem   und    übereiltem  Untersuchen 
glauben  könnte,   den  von   den  Eihäuten  bedeckten  Kopf  zu 
fühlen.    Der  Verlauf  solcher  Geburten  ist  in  der  ersten  Hälfte 
meist  ein  sehr  langsamer,   weil  es  längerer  Zeit  bedarf,  bis 
die  vordere  Wand  des  Uterus  über  den  Kopf  zurückgezogen 
wird,    die   vordere   Muttermundslippe   schwillt  dabei   um   s<7 
leichter  an,  als  häufig  das  wenige  Fruchtwasser,  welches  vor 
dem  Kopfe   sich  befindet,   zu  früh  abfliesst,   und   so  kann 
allerdings  öfter  Kunsthülfe  nothwendig  werden.    Man  ist  aber 
deshalb  nkiht  berechtigt,  alle  Fälle,  in  denen  die  angegebenen 
Verliältnisse  in  Bezug  auf  Lage  und  Stellung  des  Muttermundes 
und  des  Kopfes  statt  haben,  als  pathologische  zu  bezeichnen. 
Will  man  aber  das  doch  thun,  so  gehören  sie  zu  den,  nicht 
durch  fehlerhafte  Lage  des  Uterus,  sondern  durch  fehlerhafte 
Gestalt  desselben,  regelwidrigen  Geburten.    Denn  wenn  wir 
Boer^s  Definition,   der  ja  bekanntlich  zuerst  jene  beiden  Ab- 
weichungen: Schief  läge  und  Schiefheit  unterschied,  beibehalten 
wollen,  nach  welcher,  viscus  obliquum  ex  sua  soiiditate  ipsum 
est,  dum  ilKas  os  non  ubique  pari  a  fundo  spatio  distat  (Libn 
de   arte   obstetricia,   Vienne   1830,   über  H.:   de   obliquitate 
uteri,  p.  49):   findet  allerdings  in  jenen  Fällen  eine  gewisse 
Schiefheit  statt,    während    diese,    wenn   man   darunter   eine 
Richtung   des  Grundes  und  des  Muttermundes  nach   hinten 
oder   nach   einer  und  derselben  Seite  versteht,   zur  Zeit  der 
Geburt  wohl  nur  äusserst  selten  beobachtet  wird. 


d««  hinteren  nnteren  Oebärmntterabschnittes  etc.        133 

Das  eDtgegengeseUte  Verhältniss,  Stand  des  Muttermundes 
am  Eode  der  Schwangerschaft  oder  beim  Beginn  der  Gebart 
nach  oben  nnd  vorn,  ist  sowohl  an  und  für  sich,  als  auch 
im  Vergleich  zu  dem  erstgenannten  ein  ziemlich  seltenes 
Vorkommen,  und  ich  nehme  daher  keinen  Anstand  einen  von 
mir  beobachteten  derartigen  fa\l  zunächst  mitzutheilen ,  um 
daran  einige  Bemerkungen  über  die  Ansichten  der  verschiedenen 
Autoren  ni  Betreff  der  bedingenden  Ursachen  jener  Erscheinung 
zn  knöpfen. 

Frau  L.y  eine  21jährige,  äusserst  kräftige  Primipara, 
wurde  am  16.  Februar  Abends  durch  den  plötzlichen  Abgang 

•  

grosser  Mengen  Fruchtwassers  überrascht.  Die  Schwanger- 
schafl,  welche  ohne  irgend  welche  Beschwerden,  abgerechnet 
einen  ziemlich  profusen  Fluor  albus  in  der  zweiten  Hälfte 
derselben,  verlaufen  war,  hatte  zwar  ihr  gewöhnliches  Ende 
erreicbt,  doch  wusste  die  Frau  recht  gut,  dass  beim  gewöhn- 
fidien  Gebnrtshergange  die  Wasser  erst  später  abfliessen, 
und  war  daher  wegen  dieser  Unregelmässigkeit  besorgt  Die 
eiligst  herbeigerufene  Hebamme  suchte  die  Frau  jedoch  nach 
Iräflen  su  beruhigen,  sagte  ihr,  dass  nur  falsches  Frucht- 
wasser abgeflossen  sein  könne,  da  sie  durchaus  nicht  im 
Stande  sei,  Oeffnung  des  Muttermundes  zu  fühlen,  auch  seien 
noch  keine  Wehen  vorhanden.  Die  Frau  war  mit  dieser  Er- 
kiftrang  zufrieden,  schlief  die  Nacht  ganz  gut,  der  folgende 
Tag,  der  17.,  verging  auch  ohne  weitere  Unbequemlichkeiten, 
mir  fioss  noch  immer  zeitweise  Fruchtwasser  ab,  und  erst 
am  Morgen  des  18.  wurde  sie  durch  schmerzhaftes  Ziehen  im 
Kreuze  und  Unterleibe  im  Schlafe  gestört.  Die  Wehenthätigkeit 
begann  nun  bald  regelmässig  zu  wirken,  zwar  machten  die 
Weben  den  Tag  über  noch  ziemlich  lange  Pausen,  gewannen 
jedoch  gegen  Abend  an  Häufigkeit  und  Stärke  und  dennoch 
war  die  Hebamme  immer  noch  nicht  im  Stande,  den  Mutter- 
mund zu  fühlen ,  geschweige  denn  der  ängstlichen  Kreissenden 
melden  zu  können,  er  sd  so  und  so  gross,  der  Kopf  liege 
gut  vor  etc;  So  wurde  ich  noch  spät  am  Abend  um  einen 
Besuch  gebeten.  Bei  der  äusseren  Untersuchung  fand  ich 
ganz  normale  Verhältnisse:  Fundus  uteri  nach  rechts  gewandt, 
eine  Handbreit  über  dem  Nabel,    kleine  Theile  rechts,   links 

der  Ricken  fttibar;  in  dieser  Seite  waren  auch  die  kindlichen 

11* 


]g4        XI.     Franke  f  Fall  von  saekförmig^er  Erweitamn^ 

Herztöne  sehr  deuUicb  zu  hören,  während  das  Uleringeräusdi 
ober  den  ganzen  Fundus  verbreitet  war.  Weder  in  Lage 
nocli  Gestalt  des  Uterus  war  ich  irgend  eine  UnregelmSssigkeil 
zu  entdecken  im  Stande,  auch  eontrahirCe  sich  derselbe 
während  der  ziemlich  häufigen  Wehen  gleichmässig,  wurde 
aber  in  der  Wehenpause  vollständig  weich  und  war  bei  Druck 
durchaus  nicht  empfindlich.  In  gleicher  Weise  Hess  die 
äussere  Untersuchung  des  Beckens  auf  regehnässige  Form 
und  Grössenverhäitnisse  schliessen.  Die  äusseren  Geschlechts- 
theile  waren  normal  beschaffen;  bei  der  inneren  Untersudiung, 
neben  der  durch  Vaginitis  granulosa  bedingten  Raobheit  der 
Schleimhaut,  sofort  die  Kürze  der  hinteren  Scheidenwand 
auffällig,  da  der  untersuchende  Finger  alsbald  gegen  das 
«Scheidengewölbe  stiess,  so  dass  diese  Wand,  bei  regel- 
mässigen Verhältnissen  bekanntlich  um  circa  %  ^^  länger, 
als  die  vordere,  in  diesem  Falle  ungefähr  bis  auf  2Va  Zoll 
verkürzt  war.  Diese  Verkürzung  war  bedingt  durch  die  aus- 
gebuchtete hintere  Uteruswand,  weiche  der  tief  herabgetretene 
vorliegende  Theil,  der  Kopf,  in  diesem  Grade  vor  sich  her- 
getrieben hatte.  Denn  die  ganze  Beckenhöhle,  namentlich  in 
ihrem  hinteren  Abschm'tte,  war  von  einer  schweren,  festen 
Halbkugel  ausgefüllt  und  nur  an  der  vorderen  Wand  soviel 
Raum  frei,  dass  man  an  dieser  Stelle  einen  Finger  in  die 
Höhe  schieben  konnte.  Aber  auch  beim  Stehen  der  Kreissenden 
und  mit  gesenktem  Ellenbogen  und  nach  vom  gewandter 
Rückenfläche  der  Hand  war  es  nicht  möglich,  in  jener  Gegend 
den  Muttermund  zu  fühlen,  und  doch  musste  er  den  ganzen 
Verhältnissen  nach  dort  gesucht  werden.  Die  Untersuchung 
verursadite  der  Kreissenden  übrigens  keine  erheblicben 
Schmerzen,  namentlich  war  die  Empfindlichkeit  der  vorderai 
Beckenwand  keine  erhöhte.  Soweit  die  eigenthümlichen  Ver- 
hältnisse es  gestatteten,  bestätigte  die  innere  Untersuchung 
die  bei  der  äusseren  gewonnenen  hinsichtlich  der  Form  und 
Grösse  des  Beckens;  sprach  ja  fiberhaupt  schon  der  tief  in 
der  Beckenhöhle  stehende  Kopf  gegen  eine  wesentliche  Be- 
schränkung der  oberen  Apertur.  Die  Neigung  des  Beckens, 
welche  schon  bei  der  äusseren  Untersuchung  für  vermehrt 
gehalten  wurde,  erwies  sich  durch  die  innere  in  der  Tbat 
als  eine  solche.     Die  Webenthätigkeit  war  eine  regelmässige, 


dM  hiateren  uate/en  Gebürmotterabschoittes  etc.         16Ö 

»eaigsteos  in  Bezug  auf  Periodicitäl,  Dauer  und  Stärke  der 
Wehen;  ob  auch  hkisichüich  der  Wirkung  auf  Erweiterung 
des  Huttemiundes  blieb  zweitelhafl,  da  es  ja  zur  Zeil  nicht 
■öglich  war,  den  Fortgang  der  Geburl  durch  die  an  jenem 
wahmefambaren  Veränderungen  zu  constalireu.  Da  das  AUgemein- 
befinden  der  Kreissenden  zu  keinen  Besorgnissen  Anlass  gab, 
auch  die  vorhandene  Regelwidrigkeit  zu  denen  gehörte,  welche 
woU  die  Natur,  keineswegs  aber  die  Kunst  ohne  Nachlheil 
itt  beseitigen  vermochte,  suchte  ich  die  Kreissende  soweit 
afe  möglich  zu  beruhigen,  mahnte  sie  zur  Geduld  und  suchte 
Alles,  was  ihre  Kräfte  vor  der  Zeit  erschöpfen  oder  ihren 
Körper  aufturegen  im  Stande  war,  von  ihr  zu  entfernen  und 
entfernt  zu  halten«  Die  Nacht  verging  nicht,  ohne  dass  die 
Frau  einige  Zeil  ungestört  schlafen  konnte,  und  erst  am 
Morgen  des  19.  traten  wieder  kräftigere,  häufigere  Wehen 
ein,  und  nun  gelang  es  mir,  im  Stehen  der  Frau,  mit  stark 
gesenktem  Ellenbogen  und  nach  vorn  gewandter  Ruckeniläcbe 
der  lland,  den  Muttermund  da  zu  en*eichen,  wo  ich  ihn  bis 
jetzt  vergeblich  gesuclit  hatte.  Er  stand  nach  vom  und 
oberhalb  der  Symphyse,  war  mehr  in  die  Quere,  circa  IVa" 
gross,  ausgedehnt,  deutlich  in  eine  vordere  und  hintere  Lippe, 
welche  letztere  ziemlich  wulstig  war,  getheilt;  in  ihm  fühlte 
ich,  fra  von  den  Eihäuten,  den  Kopf  und  ziemlich  in  senk- 
rechter Riditung  den  Mutternmnd  durchschneidend  eine  Naht, 
welche,  wie  sich  später  ergab,  ein  Theil  der  rechten  SuUu'a 
coronalis  gewesen  sein  muss.  Die  Wehen  kehlten  nun  bald 
in  kürzeren  Pausen  wieder,  äusserten  aber  nur  einen  geringen 
EinOoss  auf  Gestalt  und  Lage  des  Muttermundes ;  nur  wurden 
dessen  Ränder  dünner.  Erst  in  der  zwölften  Stunde  änderte 
lieh  die  Sceue;  der  Muttermund  wurde  sichtlich  erweitert 
Dttd  zwar  vorzäghch  in  seinem  hinteren  Abschnitte;  dadurch 
worde  eine  grössere  Partie  des  Kopfes  betastbar,  und  ich 
fnblte  nun  deutlich  die  grosse  Fontanelle,  mehr  der  vorderen 
Beckenwand  zugekehrt,  in  ähnUcher  Stellung,  wie  man  sie 
bei  Aufstellen  des  vorderen  Scheitelbeins  auf  den  Schambeinen 
lu  finden  Gelegenheit  hat  Je  mehr  sich  nun  der  Muttermund 
erweiterte,  um  so  tiefer  trat  er  auch  herab  und  wurde  um 
60  leichter  erreichbar,  und  um  so  ergiebigere  Drehungen 
oadite  der  Kopf,  frei  vom  Zwange  desselben,   so  dass  die 


Ißß        Xi.     Franke  y  Fall  von  aBokförmiger  ErweUtttong 

Pfeünabt  sich  mehr  dem  rechten  schrägen  Durchmesser  näherte. 
In  gleicher  Weise  wurde  auch  allmälig  die  zu  starke  Drehung 
um  den  geraden  Durchmesser  ausgeglichen,  so  dass,  als  der 
Kopf  endlich  den  Muttermond  gänzlich  verlassen  hatte,  das 
vordere  rechte  Scheitelbein  nun  nicht  mehr  höher  stand,  als 
das  linke,  und  das  linke  Ohr  nicht  mehr  föhlbar  war.  Der  weitere 
Verlauf  war  nun  ein  ziemlich  rascher.  Gegen  2  Uhr  Nachmittags 
begannen  Treibwehen  zu  wirken,  die  Kreissende  unterstützte 
durch  die  Bauchpresse  deren  Wirkung  in  bester  Weise,  und 
gleich  nach  3  Uhr  war  ein  starker,  lebender  Knabe  geboren, 
dem  die  Nachgeburt  alsbald  folgte.  Der  Uterus  contrahirte 
sich  dann  gut  und  dauernd,  auch  jetzt  war,  bis  auf  die 
Kürze  der  hinteren  Scheiden  wand,  keine  Unregelmässigkeit  zu 
erkennen. 

Forschen  wir  nun  nach  den  Ursachen  der  oben  an- 
gegebenen  Regelwidrigkeit  in  der  Stellung  des  Muttermundes, 
so  müssen  wir  zunächst  1)  fehlerhafte  Kopfstellung  als  Grund 
derselben  ausschliessen.  Bei  wenig  geneigtem  Becken,  bei 
stärkerer  Verkrümmung  der  Wirbelsäule  nach  vom  kann  be- 
kanntlich der  Kopf  bei  seinem  Eintritte  in  die  obere  Apertur 
auf  der  vorderen  Beckenwand  einen  Stützpunkt  ünden,  das 
nach  vorn  liegende  Scheitelbein  stemmt  sich  dort  also  auf, 
der  Kopf  macht  in  Folge  dessen  eine  stäi*kere  Drehung  um 
seinen  geraden  Durchmesser,  und  das  nach  hinten*  liegende 
Scheitelbein  tritt  tiefer,  als  gewöhnlich,  herab.  Man  fühlt 
bei  solchen  Vei'hältnissen  den  Muttermund  mehr  nach  vorn, 
die  vordere  Lippe  nicht  zurückgezogen,  wohl  aber  an- 
geschwollen, die  Pfeünaht  nahe  der  vorderen  Beckenwand, 
zwischen  dieser  und  dem  Kopfe  ist  man  nicht  im  Stande, 
mit  dem  Finger  einzudringen,  ein  Druck  von  innen  nach 
aussen  gegen  die  Symphyse  ist  schmerzhaft  etc.  Gegen  solche 
fehlerhafte  Kopfstellung  sprachen  abei*  in  unserem  Falle,  ab- 
gesehen von  der  .Abwesenheit  der  bedingenden  Ursachen, 
namentlich  und  vor  allen  Dingen  der  ^tand  des  Kerfes  selbst, 
denn  dieser  war  bereits  so  tief  in  die  Beckenhöhle  herab* 
getreten,  dass  von  Aufstemmen  desselben  gar  nicht  mehr  die 
Rede  sein  konnte.  Ausserdem  war  man  sehr  gut  im  Stande, 
zwischen  Kopf  und  vorderer  Beckenwand  den  Finger  vor^ 
zuschieben,  jene  Gegend  schmerzte  bei  Druck  durchaus  nicht, 


de»  hiateren  uatoren  OebUriDiitterabscfaiiiite«  etc.         167 

iml  die  •igenüiöisliche  Bescbaffeoheit  des  biuleren  unteren 
GeInnouilerabsGhoittes  konale  doch  auch  unmöglich  auf 
RechDUDg  dieser  unregelmässigen  Kopfstelhing  gesetzt  werden. 
Aer  hohe  Stand  des  Muttermundes  und  der  allerdings  yor- 
bandene  tiefere  des  nach  hinten  liegenden  Scheitelbeins  musste 
also  durch  andere  Verbaltnisse  bedingt  sein,  und  konnte  man 
2)  ao  eine  fehlerhafte  Lage  des  Uterud,  Schief  läge  nach 
Uotea,  Situs  obUquus  posterior,  denken,  wobei  sich  der 
Gmnd  der  Gebärmutter,  wenn  eine  derartige  Lageabweicbung 
in  der  Natur  wirklich  möglich  ist,  nach  hinten  gegen  die 
Rjickeowirbelsäule  anlegt  und  der  untere  Abschnitt  derselben 
nach  fom  emporsteigt  Deve^nter^  welcher  ja  bekanntlich 
durch  SMoe  Lehren,  welche  die  Schieflagen,  bedingt  durch 
entsprechende  Anheftung  der  Placenta,  als  die  häufigsten 
Ursachen  von  schweren  Geburten  hinstellten,  die  besondere 
Aufmerksamkeit  der  Geburtshelfer  auf  diesen  Gegenstand  lenkte, 
nahm  ausser  den  gewohnlichen  drei  Arten  ?on  Schief  läge: 
Hutlergnind  nach  •  der  einen  oder  anderen  Seite  oder  nach 
foni  geneigt,  auch  einen  Situs  obliquus  posterior  an.  Er 
lählt  diesen  in  seinem  „Neuen  Hebammenlieht,  3.  Auflage, 
Jena  1728,'*  TlieU  1,  Cap.  XI.,  S.  82  sogar  zuerst:  „Die 
trsle  unrechte  Stellung  der  Mutter  ist,  wenn  der  Muttergrund 
an  das  Zwerchfell  und  das  Uebrige  von  der  Mutter  an  das 
Bdekgrad  zu  sehr  angedruckt  wird.  Denn  auf  solche  Weise 
wird  der  Mutterm  und  tu  weitin  die  Höhe  und  vom  an  das  Eis- 
oder Schambein  angetrieben,  dass  daher  die  Kinder  mit  den 
Köpfen  leicht  an  ^  Schambeine  anstossen  etc.  Diese  Geburt 
kann  unmöglich  geschehen,  und  müssen  Mutter  oder  Kind, 
oder  gar  beyde  sterben,  wenn  ihnen  nicht  durch  eine  ge^ 
schickte  Hand  Hülfe  geleistet  wird.''  Und  im  47.  Capitel, 
&  397,  welches  bandelt:  Von  den  schweren  Geburten,  da 
die  Mutter  zu  sehr  an  das  Rückgrad  angedrückt  ist,  sagt  er: 
^Die  Erfahrimg  bat  mich  gelehrt,  und  wird  auch  alle  Wahrheit 
liebende,  die  sich  auf  die  Hebammenkunst  legen  und  ihr 
feigen,  lehren,  dass  die  Mutter,  wenn  sie  aus  ihrer  beborigen 
Lage  gekoDuhen,  oft  alleusehr  rückwärts  liege,  oder  an  das 
Rückgrad  angedrückt  werde,  daher  der  Muttermund  nicht 
nur  zu  hooh,  sondern  auch  dermaassen  schief  im  Leibe  zu 
Heben  kommt,  dass  er  nicht  mehr  gerade  nach  der  Scheide 


16g        XI.     Franke f  Fall  7011  snckformig^er  Erweitening 

zustehet,  sondera  diese  von  oben  her  so  eingebogen  und 
geknlmmt  wird,  dass  sie  nDehr  einen  Winckel- Hacken  als 
gerade  Linie  vorstellt,  nachdem  die  Mutter  mehr  oder  weniger 
an  das  Ruckgrad  angedrückt,  und  die  Lenden  bei  der 
Kreisenden  sehr  oder  wenig  erweitert  sind.^  Und  weiterhin, 
8.  401:  „In  dieser  bösen  Stellung  der  Mutter,  wovon  wir 
jetzt  schreiben,  kann  die  Hebamme,  wenn  sie  recht  Achtung 
giebt,  den  Muttermund  entweder  gar  nicht  oder  sehr  wenig 
berühren,  es  sey  denn,  dass  er  schon  weit  genug  offen  sej, 
und  sodann  lässt  sich  noch  ein  Theil  seiner  Rundung  fällen, 
und  stehet  das  Kind  mit  dem  Köpfgen  oben  an  den  Schaam- 
fieincn.  Ist  demnach  der  gantze  obere  Rand  des  Mutter- 
mundes mit  den  Fingern  gar  nicht  zu  erreichen,  sondern  nur 
der  Untertheil  des  geöffneten  Muttermundes.  Und  bei  solcher 
Beschaffenheit  solte  man  die  Finger  behutsam  und  bedSchtlich 
zwischen  den  Blasenhals  und  den  Mutterhals  einlassen.  Denn 
es  trifft  die  Hebamme,  wenn  sie  dieselben  hinten  zu  nah  dem 
Mastdarm  einschiebt,  nichts  als  ein  geschlossenes  Sackgen 
an,  und  bildet  sich,  wenn  sie'ein  wenig  stark  drückt,  leichtlioli 
aus  Unverstand  ein,  sie  fühle  des  Kindes  Köpfgen;  kann 
nicht  begreifen,  dsrss  dieses  noch  in  der  Mutter  eingeschlossen 
stecke,  und  die  erwartete  Senkung  vergeblich  sei.  Eine 
kluge  Hebamme  findet  bey  diesem  Zustande  nächst  am  Blasen- 
Halse  einen  Rand,  wie  einen  halben  Mond,  weldier  vom 
Muttermund  ist;  wenn  sie  mit  den  Fingern  hier  hindurch- 
gedrungen, so  wird  sie  auch  ein  hart,  rund,  platt  Theil  des 
Köpfgens,  oder  die  Oefihung  des  Wirbels  fohlen.  Hieraus 
mag  sie  unfehlbar  schiiessen,  das  Kind  werde  sammt  der 
Mutter  zu  sehr  an  das  Rückgrad  angedrückt  Weil  nun  mehr 
als  gewiss  ist,  dass,  jemehr  das  Kind  an  diese  Beine  durch 
die  Wehen  angetrieben  und  eingeklemmt  wird,  je  schwerer 
sey  es  von  da  wieder  wegzubiingen,  ja  der  Hirnschädel  könne 
gar  eingedrückt  und  zerbrochen  werden,  dass  es  plötzlich 
sterben  müsste,  so  soll  selbigem  ungesäumt  geholfen  und 
folgende  Stücke  beobachtet  werden  etc.*'  Es  werden  dann 
empfohlen:  Massiges  Verarbeiten  der  Wehen,  Entleerung  von 
Blase  und  Mastdarm,  Rückenlage  auf  dem  ausgeschnittenen 
Stuhle ;  ferner  soll  die  Hebamme  den  Rand  des  Muttermundes 
vorsichtig  anfassen  und  hinten  nach  dem  Mastdarm  au  drücken 


dei  blntereii  iiiiteren  GebUrmitt^rabaebBUtes  etc.        169 

oder  zidien,  doch  soll  sie  dies  nicht  eher  vomehmen,  sie 
habe  daDn  ihre  Hand  auf  den  Bauch,  njichst  ober  die  Schaam- 
Mne  gelegt;  denn  es  gehet  besser  an,  wenn  sie  mit  beyden 
HSnden  zugleich  arbeitet.  „Nehmlich  mit  der  Hand  aussen 
auf  dem  Leib  schiebet  sie  erstlich  des  Kindes  Kopf  ein  wenig 
luröcke  und  dröcket  es  darauf  unterwärts;  mit  der  Hand 
in  Leibe  aber  ziehet  sie  den  Muttermund  gleichfalls  abwärts 
gegen  den  Mastdarm."*  Dann  soll  die  Kreissende  sich  mit 
dem  Oberklirper  aufrichten,  sidi  vorwärts  beugen,  und  die 
Wehen,  so  gut  sie  kann,  Terarbeiten.  Schliesslich  räth 
DeverUer,  „wenn  ein  Kind  gar  zu  sehr  zusammengedrückt 
würde  und  sein  Kopf  ailzugross  wäre,  dass  er  ohne  grosse 
Arbeit  nicht  in*8  Becken  gebracht  werden  konnte,  dass  demnach 
vielmehr  eine  langweilige  Marter  als  erwünschte  Einbildung, 
wie  es  bei  dergleichen  Zustande  pflegt,  zu  besorgen,  dass 
man  sich  bemühe  der  Füsse  habhaft  zu  werden/'  War  nun 
DeverUer  zwar  von  der  Richtigkeit  seiner  Ansichten  ebenso 
sicher  üb^^eugt,  „als  er  gewiss  wusste,  dass  zwey  und  zwey 
vier,  drey  und  drey  sechs  machen,*'  so  fürchtete  er  doch 
auch  schon  Opposition  gegen  seine  neue  Lehre,  denn  er 
sagt  am  Schlüsse  jenes  XI.  Capitels:  „Ich  sehe  zwar  schon 
im  Geiste  vorher,  dass  die  Meisten  diese  Meinung  nicht  vor 
glaubwürdig,  andere  Naseweise  aber  sie  höhnischer  Weise 
vor  falsch  und  neu  halten,  ja  gar  verwerfen  werden."*  Diese 
Ahnung  ging  aber  erst  in  verhältnissmässig  später  Zeit  in 
ErfüUuDg.  Denn  wenn  audi  jene  Lehre  in  England  nie 
Eingang  fand,  so  wiederholten  doch  deutsche  und  französische 
Geburtshelfer  in  Menge  die  Angaben*  des  Holländers,  und  so 
wurde  denn  auch  speciell  ^  Lehre  von  der  Obliquitas  posterior 
oft  genug  »nachgebetet  und  selbst  in  der  Neuzeit,  trotz  Boer'6 
und  Baudelocqtie^s  gründlicher  Widerlegung  des  Deventer*hchen 
Systems,  welches  auf  dem  falschen  Satze,  dass  der  Mutter- 
mund immer  den  Mutlergrund  gegenüber  stehe,  basirt  war, 
spuckt  dieselbe  noch  in  den  Köpfen  einiger  Geburtshelfer. 
So  Mirte  O.  A.  Fried  6,  S.  „Anfangsgründe  der  Geburts- 
hülfe,  Strasaburg  1769,  S.  80''  als  besondere  Zeichen  dieser 
fehlerhafllen  Lage  des  Uterus  folgende  an:  1)  „wenn  der 
Bauch  nicht  viel  hervorragt,  sondern  mehr  glatt  ist,  2)  der 
Muttermund    oben    am    Schoossbeiii    zu    fühlen    ist,    3)   <ler 


170        X'-    Franke^  Fall  von  sacIi förmiger  Erweiterasg 

Kopf  dem  Sohoossbeioe  aufstehet"'  Rucksiditlich  der 
handkiBg  wird  gelehrt,  dass  der  Geburtshelfer  mit  den  Fingern, 
„den  unteren  Lefzen  gegen  dem  Hdligbein  zu  hinter  deo 
Kopf  bringt'' 

So  beBchrieb  Boeder  er  in  „Elemeota  artis  ohstetriciae. 
Edidit  Wrieberg,  Göttingae  1766''  sehr  ausfOhrlicb  Gap.  17, 
Secl.  II.  die  „ob  situm  uteri  obliquum"  schwere  und  unnatürliche 
Geburt  «und  speciell  den  Situs  posterior  §  471 — 474,  und 
sein  Schfder  O.  W,  Stein  d.  0.  in  seiner  „PracttscheB  An- 
leitung zur  Geburtshälfe,  5.  Auflage,  Marburg  1797,"  S.  Aß 
fast  wörtlich  wie  sein  Lehrer,  indem  er  anführt:  1)  Die 
Frau  ist  mehrentlieils  verwachsen;  2)  der  Leib  hat  sich  gar 
nicht  gesenkt,  und  die  Gebärmutter  steht  deswegen  noch  sdir 
hoch,  odor  der  Muttermund  steht  wenigstens  sehr  nahe  an 
den  Schoossbeinen ;  dennoch  kann  man  den  Gebärmutterround, 
obwohl  nur  die  hintere,  halbmondförmige  Lippe  desselben, 
leicht  erreichen.  3)  Beides,  die  Verdauung  und  das  Athem- 
holen  leiden  mehr  als  gewöhnlich.  4)  Der  Kopf  liegt  grössten- 
theils  über  den  Schoossbeinen  und  macht  den  freien  Abgang 
des  Urins  beschwerlich.  5)  Statt  der  hinteren  Fontanelle 
findet  man  zunächst  den  Schoossbeinen  die  vordere  Fontanelle. 

6)  Nach   hinten   findet   sich   ein   leerer  Raum   im  Becken. 

7)  Die  hintere  Wand  der  Gebärmutterscheide  ist  ungewöhnlich 
kurz.  8)  Der  Leib  ist  nicht  so,  wie  gewöhnlich,  nach  vorn 
zugespitzt«  sondern  der  Bauch  macht  gleichsam  einen  doppelten 
Berg,  deren  oberer  so  hoch  in  die  Höhe  reicht,  dass  die 
Schwangere  nicht  weiss,  wo  sie  die  Röcke  biestigen  soll. 
Das  Gedärm  liegt  zum  Theil  vor  der  Gebärmutter."  In  ähn- 
licher Weise  bespricht  auch  wieder  Stein'%  Schäler,  Fr.  B. 
Oslander  d.  V.  in  seinem  „Grundriss  der  Entbindungskunst, 
2.  Tbl.,  GötUngen  1802,"  S.  188  als  dritte  Gattung  fehler- 
hafter Lage  der  Gebärmutter  die  Abweichung  ihrer  Aclise 
von  der  Achse  des  mütterlichen  Leibes  nach  hinten.  „Der 
schwangere  Leib  macht  in  solchem  Fall  zwei  Hügel  üb^ 
einander;  das  Anlegen  der  Röcke  wird  der  Schwangeren 
äusserst  beschwerlich  und  sie  hat  viel  von  Bauchschmerzen 
und  Drängen  auf  die  Urinblase  zu  leiden.  Bei  der  inneren 
Untersuchung  fühlt  man  den  Muttermund  nahe  an  der  Harnröhre 
in   der  Vorderwand   des  Mutterganges,  den  Grund  desselben 


des  liiiitdroii  unteren  Qeber»iittereb8clii(iitte8  etc.         171 

ettweder  ganz  leer,  oder  bei  angehender  Geburt  8«nn>t  dem 
Snteriiaupte  in  die  Aushöhlung  des  uiibeweglicheu  Endknochens 
gedrockt.  Die  Wehen  wir  km  sehr  wenig  auf  die  Ausdehnung 
des  Mattermundes,  beschweren  die  Urinklase  und  das  Urin- 
lasscD  ausserordentlich;  der  Kopf,  der  gemeiniglich  mit  dem 
Gesicht  nach  den  Sdioossbeinen  gekehrt  ist,  bleibt  entweder 
mit  dem  Hinterhaupte  auf  dem  herforragenden  Wirbel  stehen, 
oder  sinkt  tief  lierab  in's  Becken,  ehe  noch  der  Muttermund 
geöflnei  ist,  verhindert  den  Abgang  des  Darmunraths,  der 
nähotigen  und  des  Urins,  und  das  Liegen  auf  dem  Röcken 
wird  der  Gebäreria  äusserst  lästig,  sowohl  in  der  Schwanger- 
schafl,  als  bei  der  Geburt.  Die  Geburt  selbst  kann  gewöhnlich 
ohne  Hälfe  der  Kunst  nicht  beendigt  werden/'  Als  Ursachen 
dieser  fehlerhaften  Lage  führt  Oeiander ,  ausser  starker  Ver- 
krümmuiig  der  Wirbelsäule,  an  1)  Vwwachsen  des  Mutter- 
halses mit  der  vorderen  Wand  des  Hutterganges  ausser 
der  Schwangerschaft,  durdi  Vaginalentzöndungen  bedingt, 
2)  Sitz  des  Mutterkuchens  völlig  in  der  Vorderwand  der 
Gebärmutter  und  Lage  der  Frucht  mit  dem  Rucken  nach  der 
IMnterwand.  Die  Hälfe  der  Kunst  besteht  'nebst  passender 
Lage  der  Kreissenden,  künstlicher  Ausdehnung  des  Mutter* 
nandes,  Entleerung  des  Darmcanals  und  der  Urinblase, 
hauptsaddieh  in  Beendigung  der  Geburt  mittels  der  Zange, 
wenn  d^a*  Kopf  schon  tief  eingetreten  ist,  oder  bei  hohem 
KopÜBtande  durch  die  Wendung  auf  die  Füsse,  indem  man 
diese  bei  der  Lage  der  Gebärerin  auf  der  Sdle  oder  auf  den 
Kflieen  herabholt  und  in  der  Rückenlage  die  Fussgeburt 
voHendet 

hl  späterer  Zeit  nahmen  die  Geburtshelfer  schon  Anstand, 
die  Lehre  von  der  Obiiquitas  posterior  uteri  gravidi  in  bis- 
heriger Art  und  Ausdehnung  vorzutragen,  sondern  beschränkten 
das  Vorkommen  dieser  Regelwidrigkeit  auf  vereinselte,  seltene 
Fälle,  wie  dies  bereits  Solayres  in  seiner  Dissertatio  de  partu 
vnibas  raaternis  absolute,  Paris  1771,  §  11  de  utero  oblique 
gethiin  hatte,  denn  er  meint,  dass  die  Schieflage  des  Gebälk 
ORittergruiides  nach  der  Wirbetsäuie  selten  vorkommen  möchte, 
nnd  wenn  sie  doch  dann  und  wann  in  der  Praxis  zu  beobachten 
sei,  haiq>tsäcbUch  von  dem  Widerstände  der  Bauchmuskeln 
■Dd  dem  hohen,  durch  die  Verbmdung  der  Wirbelsäule  mit 


172       XI-    Franke,  Fall  tob  »«ckforini^f  Br#eft*niog 

dem  Kreuzbeine  herröfarenden  Vorsprimg  abhänge.  Erklärte 
doch  schon  Mursinna  in  seinen  „Abhandhingen  von  den 
Krankheiten  der  Schwängern,  Gebärenden  etc.,  2.  AufL, 
Beriin  1792,  TU.  1,'^  8.  159,  dass  die  Gebärmutter  hauptr 
sächlich  nach  vier  Gegenden  von  der  natürlichen  Lage  abweiehen 
könne,  nach  beiden  Seiten  oder  nach  vom  und  hinten,  „doch 
hier  am  allerseltensten,  oder  doch,  wenn  das  Rackgrad  nicfai 
ausg^ölt,  widernatürlich  gekrümmt  ist,  nur  sehr  geringe,^^ 
und  warnte  schon  Elias  von  Siebold,  Lehrbuch  der  theo- 
retischen  Entbindungskunde ,  3.  Aufl.,  Nürnbei*g  1812,  Bd.  1, 
S.  341,  vor  dem  Aberglauben  an  Häufigkeit  und  üble  Folgen 
der  Schieflagen  der  Gebärmutter«  da  solche  in  der  That 
in  der  Natur  seltener  vorkämen,  als  sie  in  der  Idee  der 
Geburtshelfer  gegründet  und  ihrer  in  Beobachtungen  gedacht 
würde.  Er  unterscheidet  dann  aber  auch  die  schiefetehende 
Gebärmutter  mit  dem  Grunde  nadi  vom  und  nach  hinten, 
nach  der  linken  und  nach  der  rechten  Seite.  „Jede  Art  wird 
daraus  erkannt,  dass  die  Scheidenportion  jederzeit  in  der 
dem  Grunde  entgegengesetzten  Seite  gefühlt  wird  —  ein 
trügerisches  Kennzeichen ,  besonders  da  man  in  der  Schwanger- 
schafl  die  Vaginalportion  sehr  oft  in  einer  Seke  findet,  ohne 
eine  Abweichung  des  Grundes  und  Körpers  der  Gebärmutter 
von  der  FührungsUnie  des  Beckens  wahrzunehmen.^' 

Jörg  (Handbuch  der  Geburtshulfe,  2.  Aufl.,  Leipzig  1820, 
S.  221)  sagt:  „Eine  vierte  Schief  läge,  wo  sich  nehmlich 
der  Gmnd  des  Uterus  nach  hinten  und  der  Ntind  nach  vom 
hin  geneigt  hätte,  kann  vermöge  der  Rücken-  und  Lenden* 
Wirbel  nicht  vorkommen.  Nur  wo  diese  in  einem  sehr  hohen 
Grade  nach  hinten  hinausgel)ogen  wären,  also  eine  ausser- 
ordentliche Kyphosis  bildeten,  da  nur  Hesse  sich  eine  solche 
Abweichung  von  der  rechten  Lage  denken.''  Meissner  be- 
hauptet in  seinen  „Dislocationen  der  Gebärmutter  und  Mutter- 
scheide, 2.  Theil,  Leipzig  und  Sorau  1822,''  S.  27:  „dass  die 
Schief  läge  nach  hinten,  Reclinatio,  in  dem  Grade,  in  weldbem 
der  Hängebauch  oft  angetroffen  wird,  niemals  vorhanden  sei, 
ausser  wenn  ein  bedeutender  Grad  von  Kyphosis  der  Wirbel- 
säule dieses  Rückwärtsneigen  des  hochschwangeren  Uterus 
zulässt  (S.  14  wundert  sich  aber  der  Verfasser,  dass  Jahn 
in    seiner  1785   zu  Helmstadt  ersdiienenen  Dissertation   „df 


des  hinteren  natereii  Gebarmatterabsebnittea  ete.         173 

fltero  obliqoo'*  Verkrumtnangen  der  Wirbdsaiile  als  alleinige 
Unachen  dieser  fehlerhaften  Lage  ansieht).  Nach  seiner 
Aasidii  findet  man  jene  Regelwidrigkeit  in  geringen  Grade 
gar  nicht  selten,  und  dann  sei  der  Unterleib  sehr  gleicbmässig 
au%elreten,  keineswegs  zugespitzt  und  selbst  zu  Ende  der 
Schwangerschaft  wenig  stark  und  her?orragettd ,  so  dass  man 
erst  nach  mehreren  Monaten,  dem  äusseren  Scheine  nach, 
die  Gebort  erwarten  sollte.  Bei  bejahrten  Erstgebarenden, 
wahrscheinlicb  weil  die  fiauchbedeckungen  nicht  mehr  so 
nachgebend  und  zur  Ausdehnung  geschickt  seien,  sowie  bei 
solchen  Personen,  die  um  ihre  Sdiwangerschaft  zu  verbergen, 
den  Unterleib  durch  Schnärleiher  anhaltend  und  fest  zusammen- 
drucken, zeige  sich  diese  Abnormität  am  häufigsten.  Heftige 
und  äusserst  schmerzhafte  Spannung  des  Unterleibes,  namentlich 
Hl  der  Schamgegend,  wo  der  Kopf  der  Frucht  liegt,  seien 
zugegen,  und  es  werde  dadurch  erklärlich,  warum  die  Blasen- 
gegend so  schmerzhaft,  warum  die  Urinexcretion  so  erschwert, 
sogar  der  AusOuss  desselben  oft  ganz  unterdrückt  sei.  Ausser 
diesen  Störungen  tfeten  noch  andere,  äusserst  beunruhigende 
Symptome  henror,  als  z.  B.  bedeutende  Störungen  der  Ver- 
dauung und  Respiration,  Blutspucken,  Schwindel,  Kopf- 
schmerzen, Ohnmächten,  welche  sämmüich  von  der  heftigen 
Einkleounung  der  Därme,  von  der  gestörten  Circulation  des 
Blutes  im  Unterleibe  und  von  den  davon  abhängigen  Congestionen 
nach  Brust  und  Kopf  herrähren.  Verwachsene  an  Kyphose 
der  Rückensäule  leidende  Frauen  seien  den  höheren  Graden 
des  Uebeb  ausgesetzt,  doch  seien  bei  ihnen  die  Symptome 
weniger  beuuruhigend,  weil  die  Gedärme  der  schwangeren 
Gebärmutter  besser  ausweichen  können.  Bei  der  Geburt 
selbst  sei  diese  Schiefläge  am  seltensten  und  werde,  da  sie 
nur  in  geringem  Grade  vorkomme,  kaum  bemerkt.  Der  Uterus 
stehe  in  solchen  Fällen  immer  mehr  gerade  und  der  Mutter- 
mund etwas  nach  vom  fahlbar.  Das  Becken  sei,  besonders 
nach  dem  Kreuzbeine  zu,  leer,  und  der  Kopf  des  Kindes 
stelle  auf  dem  miUterlichen  Schamknochen,  so  dass  man  ge- 
wöhnlich ein  Fontanell  fühle.  Bezuglich  der  Therapie  wii*d 
gelehrt,  da,  wo  die  Regelwidrigkeit  bei  bejahrten  Erstgebärenden 
von  der  StrafiTheit  und  Umiachgiehigkeit  der  Bauchdecken 
abhängt,  durch   Einreibungen   fettiger  Salben   in   den  Unter- 


174       X'«    Fr«mk€,  P«I1  von  sMkfSrini^r  Erw^teniiig 

leib  und  durch  massig  warme  B&der  die  Ausdehnung  der 
Bauchbedeckungen,  soweit  sie  nöthig  ist,  möglich  zu  machen. 
Im  anderen  Falle,  wo  unvemdnftiges  Zusanunenschnfiren  und 
Kneten  des  Unterleibes  das  Uebel  hervorgebracht  hat,  lehre 
der  gesunde  Menschenverstand,  dass  die  Heilung  nur  mit 
Unterlassung  solch*  heftigen  Zusammenschnürens  eintreten 
könne.  Zur  gificklichen  Beendigung  von  Geburten,  wo  Schief- 
lage beobachtet  wird,  gehöre  nichts,  als  die  pönktliche  ErfAllung 
der  beiden  Indicationen,  nämlich  1)  der  Gebärmutter  eine 
bessere  Lage  zu  geben  und  2)  das  Kind  in  bestmöglichster 
Richtung  durch  das  Becken  zu  leiten. 

Michaelis^  welcher  in  dem  normalen  Verhalten  der  Bauch- 
decken  die  Ursache  der  normalen  Lage  <!er  Gebärmutter  und 
in  der  abnormen  Beschaffenheit  jener  Theile  die  Ursachen 
regelwidriger  Lagen  hauptsächlich  sucht,  theilt  daher  die  eben 
angeflihrte  Ansicht  Mei$sner's  („Ueber  die  Anwendung  der 
äusseren  mechanischen  Hölfsmittel  bei  regelwidrigen  Geburten'' 
in  Pf  äff'»  .,  Praktischen  und  kritischen  Mittheilungen  etc. 
Neue  Folge,  4.  Jahrg.,  3.  u.  4.  Heft  Altona  1888,  S.  1— S?""). 
Er  nimmt  also  auch  an,  dass  bei  mangdnder  Ausdehnung 
der  Bauchdecken  d^  Gebärmuttergrund  so  weit  nach  hinten 
gedrängt  werden  könne,  dass  die  Axe  der  Gebärmutter  mit 
der  des  Beckeneingangs  einen  nach  vom  vorspringenden 
Winkel  bildet,  fährt  auch  einen  derartigen  Fall  an.  Auch 
die  Behandlung  solcher  Regelwidrigkeiten  in  der  Schwanger- 
schaft durch  erweichende  Bäder,  wie  Meissner  angiebt, 
verdient  nach  seiner  Meinung  allen  Beifall,  während  von  einer 
allgemeinen  passenden  Behandlung  bei  der  Geburt  sich  wenig 
sagen  lässt  und  eine  bestimmte  Lage  am  wenigsten  zum  ZicJe 
fßhrt.  Die  Bequemlichkeit  der  Kreissenden  sei  allein  in  An- 
schlag zu  bringen,  und  wurde  man  ihr  eine  sitzende,  vornüber 
gebückte  Stellung  nicht  versagen,  wenn  sie  sich  in  dieser 
behaglicher  fahle.  Nach  Froriep's  Meinung  (Theoretisch- 
praktisches Handbuch  der  Geburtshülfe,  8.  Ausg.,  Weimar  1827, 
S.  250)  ist  eine  Schieflage  des  Uterus  nach  hinten  zu  Ende 
der  Schwangerschaft  nur  bei  ganz  defoi*roirtem,  gleich  über 
dem  Kreuzbeine  convex  nach  hinten  gekrümmtem  Rückgrate 
möglich:  „der  Unterleib  ist  in  diesem  äusserst  seltenen  Falle 
nicht  gewölbt;  sondern  sehr  platt  und  der  Muttermund  ganz 


des  biatereB  unteren  Oebarmiitterabtehnfttes  eta.         175 

furo  aber  den  Scho^ßsbemen  fühlbar  f'^  und  Ca^us  (Lehrbuoh 
der  Gynäkologie,  3.  Aufl.,  Leipzig  und  Wien  1838,  Tbl.  2, 
&  231)  bezweifelt  das  Vorkommen  der  Schieflage  mit  dem 
■üttergninde  nach  rückwärts  bei  weiter  vorgerückter  Schwanger- 
achaft  wegen  der  Wirbelsäule,  insofern  diese  mcbt  etwa  durch 
beträchüiche  Kyphosis  vm*unstaltet  ist.  Und  während  Osiander 
d.  S.  (die  Ursachen  und  Hulfsanzeigen  der  unregelmässigen 
Qod  schweren  Geburten,  2.  Aufl.-,  Tübingen  1833,  S.  144)  in 
den  letzten  Monaten  der  Schwangerschaft  oder  bei  der  Geburt 
nie  etwas  wahrgenommen  hat,  was  auf  eine  Abweichung  der 
Axe  des  Uterus  nach  hinten  zu  deuten  gewesen  wäre,  Seanzoni 
(l^iiiuch,  3.  Aufl.,  Wien  1855,  S.  444)  die  durch  Kyphose 
der  Wirbelsäiile  oder  Straffheit  der  Bauchdecken  bedingt  sein 
^oHende  Rfickwartslage  des  boehsohwangeren  Uterus  för  eine 
physidogiftche  Unmöglichkeit  erklärt,  Naegde  d.  8.  (Lehrbuch, 
4.  Aofl.  edidin  Orenser,  Mainz  1854,  S.  523)  die  genannte 
Abweichung  in  der  Wirklichkeit  wenigstens  nicht  in  der  Art, 
wie  sich  Deventer  einbildet,  zugiebt,  sie  eigentlich  gänzlich 
läognet,  andere  Autoren,  wie  z.  B.  Nctegde  d.  V.,  j&ToA^  nicht 
einmal  der  Möglichkeit  des  Vorkommens  Erwähnung  thun: 
finden  wir  die  alte  Lehre  wieder  vorgetragen  in  dem  „Lehrbuche 
der  Gebartskunde  für  die  Hebammen  in  den  Königl  Preuss. 
Staaten,  Berlin  184D'S  wo  es  S.  357  heisst,  dass  diese  Lage- 
abweidiungen  an  folgenden  Merkmalen  erkannt  wird:  1)  Der 
Leib  bleibt  selbst  bei  höherer  Schwangerschaft  mehr  flach. 
2)  Der  Muttermund  ist  der  Schoossfuge  nah  und  gewöhnlich 
ist  nur  die  hintere  Lippe  desselben  zu  fühlen.  3)  Der  vor- 
Kegende  Kopf  des  Rindes  liegt  meistentiieils  über  den  Schooss- 
Stücken  und  hindert  entweder  das  Harnlassen,  wenn  er  auf 
die  Harnröhre  drückt,  oder  die  Schwangere  kann  den  Harn 
gar  nicht  halten,  wenn  der  Kopf  auf  die  Harnblase  drückt. 
4)  Bei  der  ersten  und  zweiten  Scheitellage  ist  bei  der  Greburt 
das  grosse  Plättchen  leichter  zu  fühlen,  als  das  kleine.  5)  Nach 
hinten  findet  sich  ein  leerer  Baum  im  Becken.  6)  Die  hintere 
Wand  der  Mutterscheide  ist  nach  oben  und  rom  gezogen.*^ 
Auch  Busch  und  Moser  geben  das  Vorkommen  der  Obliquitas 
posterior,  wenn  gleich  sie  durch  die  Bückenwirbelsäule  in  der 
Regel  verbindert  werden  wüi'de,  selbst  bei  normaler  Bildung 
derselben  in  geringem  Grade  zu,   während  eine  roHkomineue 


176       ^1*    Franke,  Fall  von  «ackföriiii^er  Erweiteran^ 

möglich  sein  soll,  wenn  in  Folge  von  Kyphosis  das  Zurück- 
treten  des  Muttermundes  nicht  weiter  verhindert  wird  (Handbuch 
der  Geburtskunde  in  alphabetischer  Ordnung,  2.  Bd.,  Berlin  1841, 
Artikel:  Gebärmutter,  S.  495):  „Man  findet  alsdann  den  Unter- 
leib hier  gieichmässig  aufgetrieben,  aber  nicht  zugespitzt,  selbst 
gegen  das  Ende  der  Schwangerschaft  ist  der  Unterleib  nicht 
sehr  stark  ausgedehnt.  Die  Bewegungen  der  Frucht  sind 
schwach  und  nur  undeutlich  wahrzunehmen,  die  Mutter  soll 
sie  nach  Deventer  nur  hinterwärts  und  in  der  Tiefe,  nach 
Faber  nur  in  der  Nabelgegend  wahrnehmen,  was  jedoch  nicht 
constant  ist  Bei  der  inneren  Untersuchung  per  vaginam 
findet  man  den  Muttermund  nach  vorn  hinter  den  Scham- 
beinen, auch  vom  Unterleibe  aus  nimmt  man  die  tietere  Lage 
der  Gebärmutter  wahr/^  Bücksichtlich  der  Behandlung  halten 
sie  die  Lage  auf  dem  Bauche  für  indicirt!  Fast  wörüicli 
ebenso  spricht  sicli  Busch  auch  in  seinem  „Geschlechtsleben 
des  Weibes  etc.,  3.  Bd.,  Leipzig  1841,  S.  612  fg.""  über  den 
Gegenstand  in  Bede  aus. 

Auch  Levret,  welcher  glaubte,  dass  durch  Kyphose  der 
Lendenwirbelsäule  jene  Lagenabweichung  bedingt  werden  könne 
(L'art  des  accouchemens  etc.^  Paris  1753,  §  635)  fand  in  der 
Neuzeit  bei  seinen  Landsleuten  Anhänger  seiner  Lehre,  obwohl 
Baudelocquej  die  LachapeUe  und  die  Mehrzahl  der  neueren 
französischen  Geburtshelfer  diese  Lageahweichnng  läugnen.    So 
hält    namentlich,    ausser    Vdpea/Uy    Dugi»    die    „obliquit^ 
posterieure''  für  sehr  gut  möglich  und  beschreibt  (Pratique 
des   accouchemens    etc.   par   M.    Lachapeüe^    publies   par 
Ant.  Dug^s,  Tom.  3,   Paris  1825,  S.  295,  Note  2,   318, 
342  fg.)  als  ihr  eigenthümlich:  den  hohen  Stand  des  Kopfes, 
seine  Lage   nach  vorn  (position  suspubienne)  und   die  Leere 
der  hinteren   Beckenwand.     Auch    er   hat   diese   Abnormität 
namentlich  bei  Erstgebärenden  beobachtet,  „c'est  qu*alors  les 
parois  de  Tabdomen,  n*ayant  pas  encore  ete  relachees,  repoussent 
en  arriere  le  fond  de  la  matrice  et  le  coi*ps  de  Tenfanf    Gehen 
oder  Aufreditstehen  der  Kreissenden   genügt  nach   ihm,   uro 
den  Kopf  in  die  Beckenhöble  zu  dirigiren,  was  vielleicht  noch 
besser  durch  die  Knie -Ellenbogenlage  gelingen  würde. 

Fragen  wir  nun  zunäclist  nach  der  Möglichkeit  des  Vor-^ 
koinmens  dieser  Deviation  des  Uterus  am  rechtzeitigen  Ende 


d«8  hiiiter«a  unteren  Gebftrmotterabschnittes  etc.        X77 

der  Schwangerschaft  oder  im  Beginiie  der  Geburt,  so  gestehen 
nir  offen,  dass  wir  selbige  nicht  filr  möglich  halten  und  daher 
Rauben  müssen,  dass  die  Beobachtungen,  welche  für  jene 
Lagmveränderung  zu  sprechen  scheinen,  entweder  ungenaue 
and  irrtbämliche  waren,  oder  falsch  gedeutet  wurden.  Denn 
wenn  auch  die  normale  I^age  der  schwangeren  Gebärmutter 
durchaus  keine  constante  ist,  so  gilt  doch  als  Regel,  dass 
die  Adise  derselben  beinahe  parallel  zu  derjenigen  des  Becken* 
eingaiigs,  also,  schräg  zur  Körperachse,  steht.  Der  Uterus 
sldit  dabw  am  Ende  der  Schwangerschaft  nicht  senkrecht, 
ebensowenig  als  das  Kind,  sondern  neigt  sich  mehr  nach 
fom  liher.  so  dass  er,  wenn  man  die  Neigung  des  Becken- 
eingangs  zu  50 — 60^  annimmt,  unter  einem  Winkel  von 
30 — 40^  zum  Horizont  liegt.  Wie  nun  slraffe  und  un- 
nachgiebige Bauchdecken  oder  Kyphose  der  Wirbelsäule  be- 
wirken soUen  oder  vielmehr  können,  dass  der  Uterus  nicht 
mir  eine  mehr  senkrechte  Stellung  einnimmt,  sondern  sogar 
mit  s^nem  Fundus  nach  rückwärts  sinkt,  ist  nicht  einzusehen, 
da  seine  eigene  Schwere,  sein  Bestreben,  sich  gegen  die 
Bauchdecken  zu  stutzen,  und  die  Gedärme  ihn  daran  ver- 
hindern werden.  Dass  straffe  Bauchdecken  die  gewöhnhche 
»Senkmig  mit  dem  Grunde  nach  vom  im  zehnten  Schwanger- 
sebaftsmonate  mehr  oder  weniger  beeinträchtigen  können  imd 
bei  Erstgebärenden  in  vorgerückteren  Jahren  auch  wirklich 
ttaun,  ist  eine  bekannte  Sache,  berechtigt  aber  noch  keines- 
wegs zur  Annahme  einer  Schiefläge  nach  hinten.  Ebensowenig 
rechtfertigt  die  von  den  meisten  Autoren  als  bedingende 
Ursache  jener  Richtungsabweichung  angeführte  Kyphosis  der 
Lendenwirbelsäule  in  der  Wirklichkeit  jene  Ansicht,  da  erstens 
viele  Gebortshelfer  jene  Krümmung  nur  als  Hypothese  auf- 
stellen, während  keiner  eine  derartige  Abweichung  in  diesem 
Falle  wirklich  beobachtet  oder  beschrieben  hat.  Zweitens 
aber  lassen  sich,  wenn  wirklich  jene  Symptomengruppe  bei 
Kyphosis  beobachtet  wird,  andere,  mehr  wahrscheinliche 
ErkläruBgsgrfinde  für  dieselbe  auffinden. 

Wenngleich  nämlich  bei  Kyphose  das  Becken  im  All- 
gemeinen gerämoDig  und  von  bedeutender  Höhe,  die  Conjugata 
der  vorwaltende  Durchmesser  ist,  und  daher  die  schon 
älteren    GeburtsheUem    bekannte    Thatsache,    dass    nämlich 

Muiifttitehr.  f.  aeburtak.  1868.  Bd.  ZXI.,  Hft.  8.  12 


178        ^I*     Franke  y  Fall  von  sackförmiger  Erweiterung 

Buckelige  meist  gut  gebären,  leicht  erkUrbar  ist,  so  kano 
doch  auch  beim  primitiven  Sitz  der  Krümmung  im  Lenden- 
Üieile,  ein  allerdings  seltenes  Vorkommen,  namentlich  weno 
die  Verkrümmung  bedeutend  ist  und  in  der  untersten  Lendea- 
gegend  sich  befindet  (und  diese  beiden  Verhältnisse  werden, 
wie  wir  im  Vorhergehenden  gesehen  haben,  von  verschiedeneu 
Selten  stark  betont),  die  Neigung  des  Beckens,  welche  bei 
Kyphose  in  höheren  Regionen  unverändert  oder  sogar  ver- 
mehrt zu  sein  pflegt,  verringert  und  der  Beckeneingang  voll- 
kommen horizontal  gestellt  werden.  Es  folgt  aus  diesem 
Verhältnisse  dann  eine  geringere  Wölbung  der  Bauchfläclie, 
Verkürzung  des  Rumpfes  und  eine  Beengung  seiner  beiden 
Cavitäten,  und  man  kann  in  einem  solchen  Falle  die  Schwanger- 
schaft für  weniger  weit  vorgerückt  halten,  als  sie  es  in  der 
That  ist.  So  erklären  sich  dann  auch  sowohl  die  subjecüven 
Eracheinungen  bei  der  Scbwangera,  bedingt  durch  grössere 
Beengung,  namentlich  der  Bauchhöhle,  als  auch  namentlicli 
die  objectiven,  Gestalt  des  Unterleibes,  Stand  des  Fundus  uteri 
und  die  eigenthümliche  Kopfstellung.  Denn  gerade  b^  wenig 
geneigten  und  hohen  Becken  findet  sich  jene  fehlerhafte  Kopf- 
stellung, deren  wir  unter  1)  Erwähnung  getbau  haben  und 
welche  von  einigen  Geburtshelfern  als  besonders  charakteristisch 
für  den  Situs  obliquus  posterior  betrachtet  wird.  Fand  mau 
nun  also  jenen  Stand  des  Kopfes  und  des  Muttermundes,  so 
schloss  man,  freilich  nicht  richtig,  auf  eine  entgegengesetzte 
Lage  des  Fundus  uteri,  zumal  wenn  die  Untersuciuing  im 
Liegen  der  Kreissenden  vorgenommen  wurde,  während  doeh 
in  der  Wirkhchkeit  der  Grund  der  Gebärmutter  seine  ge- 
wöhnliche Lage  beibehalten  hat.  Es  kommt  übrigens  jene 
fehlerhafte  Kopfstellung,  wenn  auch  in  geringerem  Grade, 
auch  bei  regelmässigen  Beckenverbäitnisseo  vor,  und  in  dieser 
Richtung  Hessen  sich  denn  auch  vielleicht  die  Fälle  von  Dwgea 
deuten^  welcher  eine  Krümmung  der  Wirbelsäule  nicht  er- 
wähnt, sondern,  wie  bereits  angeführt,  mdbr  geneigt  scheint, 
von  der  Unnachgiebigkeit  der  Bauchdecken  jene  Deviation  des 
Uterus  abzuleiten,  wenn  niqht  jene  Fälle,  nach  Naegde  des 
Sohns  Ansicht  (a.  a.  0.)  eine  viel  einleuchtendere  Erklärung 
in  jener  eigenthümlichen  Configuration  des  Uterus  finden,  wo 
sich    an    dessen    unterem    Segmente   nach    vor»    und    meist 


dos  hiotereD  unteren  Oebürmutterabsobnittes  etc.        179 

etwas  links  hin  eine  sackartige  Erweiterung  gebildet  hat,  in 
wefeher  der  Kopf  der  Fracht  sich  befindet,  so  dass  er  dwht 
dbcr  den  Sehoossbeinen  einen  Vorftprung  bildet  (siehe  weiter 
nttien).  Unserer  Meinnog  nach  ist  also  ein  Situs  obliquus 
posCflrior  oder  eine  Reciination  der  hochschwangeren  Gebär- 
matter nicht  möglich,  und  können  .wir  nur  zugeben,  dass 
der  Uterus  zuweilen  mehr  senkrecht  auf  der  schiefen  Fläche 
des  Beckeneingangs  steht.  Wir  müssen  daher  för  unseren 
FaH  eine  andere  Erklärungsweise  suchen,  und  hatten  die  ob* 
JediTen  Erscheinungen  bei  demselben  eine  gewisse  Aehnhch- 
keit  mk 

3)  Rftckwärtsbengong,  Retro?ersio  uteri,  einem  höheren 

Grad  der  eben  besprochenen  Reelinatio  (bei  dieser  Abweichung 

der  Längenadise  des  Dtotis  von  der  Ffihrungslinie  des  Beckens, 

bei  jener  vollkommene  Kreuzung  der  Längenachse  des  Uterus 

imt  der  Pührungslinie  des  Beckens,  wenigstens  in  höheren 

Graden   des  Uebels),  wenn  man  anders  nicht  die  Meinung 

▼on  Boßr^  Dreier ,  8aaetorphy  El,  v.  Siebold  ^  Mende, 

Tiedematm,  Hohl  u.  A.,  nach  welcher  mit  der  Rückwärts- 

beugung  nicht  nur  in  den  meisten  Fällen  eine  Umbeugung 

▼erbonden,  sondern  diese  aus  jener  ihren  Ursprung  nehmen 

soH,  tbeüen  wiM.    Dieser  gefährliche  Zustand  ist  nun  zwar 

nach   fast  einstimmiger  Ansicht  der  deutschen  Geburtshelfer 

anr  in  den  drei  bis  vier  ersten  Monaten  der  Schwangerschaft 

möglich,   weil  in   der  späteren  Zeit  derselben  der  Längen- 

dnrchoiesser  des  Uteras  grösser  ist,  als  der  kleine  der  oberen 

Apertur,   jener  überhaupt  eine  viel  zu  grosse  Ausdehnung 

erreicht  hat,   als  dass  er  m  der  Beckenhöhie   Platz  finden 

könnte.     Die  Richtigkeit  der  Beobachtungen   emes  Hunter 

Qod  Smdlie  von  Retroversionen  im  f&nften  Monate  ist  daher 

schon  vielfach   bezweifelt  worden,  und  dasselbe  Loos  trifft 

wohl  auch  den  Fall  von  Vermandoia,  welchen  W.  J,  Schmitt 

in  seinen  „Beobachtungen  und  Erfahrungen  über  die  Zaruck- 

beogung  der  Gebärmutter  etc.,  Wien  1820,  S.  29*"  mittheilt, 

wo   bei   einer   im    fünften    Monate    Schwangeren,    nachdem 

Repositionsversiiche   ohne   Erfolg   geblieben   waren   und   die 

Empfindliebkert  der  Theile  eine  solche  Höhe  erreicht   hatte, 

dass  sie  keine  Berührung  mehr  vertrugen,  sich  spontan  alhnälig 

die  Zufalle  verloren  und  die  Genesung  ohne  künstliche  Reposition 

12* 


180        X'*    Franke^  Fall  von  sackfärmiger  Erweiterung 

erfolgte.    Merriman  ging  nun  aber  noch  weiter  und  bemöhte 
sich   in   seiner  Abhandlung  ^,Ä   Dissertation   on  Retroversion 
of  the  Womb  etc.,   London  1810''  zu  zeigen,   dass  der  in 
jener  mitgetheilte  Fall  eine  mehlr  oder  weniger  voUkomnaene 
Relroversio  uteri  war,  welche  schon  sehr  früh  in  der  Schwanger- 
schafl  sich   ausbildete   und   bis   an  das  volle  Ende  derselben 
fortdauerte.     In  gleicher  Weise  beschreibt  derselbe  die  dritte 
Art  der  Dystocia  ectopica  (Die  regelwidrigen  Geburten  und 
ihre  Behandlung.     Aus  dem  Englischen  von  H.  Fr.  KiUan^ 
2.  Ausgabe,  Mannheim  1845,  S.  67),  bei  welcher  der  Matter- 
mund nach  vorn  sieht  und  iiber  die  Symphysis  ossium  puhis 
berausragt.    Er  hält  diese  Lage,  wenngleich  für  eine  seltene, 
so  doch  durch  Beobachtungen  als  unläugbar  bewiesen,  glaubt 
auch,    dass    manche    Fälle    von    angeblicher    Bauchhöhlen- 
schwangerschaft eigentlich   gar  nichts  anderes,   als  Fälle  von 
Retroversio  uteri  waren,     üevees  dagegen  behauptet  in  einer 
Kritik    der  von   Merriman   mitgetbeilten   Beobachtung   steif 
und  fest,  dass  in  allen  Fällen,   welche  jener  beschreibt  oder 
anführt,  das  Kind  ausserhalb  des  Uterus  lag,  und  dass  eine 
Retroversio  uteri   am   Ende   der  Schwangerschait  unmöglich 
und   nie   vorgekommen   sei,   noch  jemals  vorkommen  werde 
(Philadelph.  Journ.,  Vol.  IL,  S.  76).    Merriman  führt  dann 
auch  in  dem  14.  Anhange  (a,  a.  0.  S.  251)  zwei  Fälle  der 
Art  an,  welche  ihn  zu  der  bestrittenen  Meinung  veranlassten, 
und  versichert  ausdrücklich,  dass  Denman  und  sein  Onkel 
ebenso  vollkommen  überzeugt  waren,  als  er  selbst,  dass  das 
Os  uteri  über  der  Schamknochenfuge  und  der  Gebärmuttergrund 
in  der  Aushöhlung  des  Kreuzbeins  lag.    „Wie  man  aber  eine 
solche  Stellung   des  Uterus  anders  als  Retroversio  benennen 
soll,  weiss  ich  in  der  That  nicht'*    Sein  Landsmann  Bwm9 
theilt  in  gewisser  Hinsicht  seine  Meinung,  wenn  er  sagt  (Handbuch 
der  Geburtshülfe  etc.    Nach  der  achten  Ausgabe  herausgegeben 
von  H.  Fr,  Kilian,  Bonn  1834,  S.  271),  dass  der  Uterus 
in  einem  gewissen  Grade  bis  zum  Ende  der  Schwangerschaft 
in  jener  fehlerhaften  Lage  verbleiben  kann.    „In  einem  solchen 
Falle  kann   man,   genau  genommen,   nicht  sagen,   dass  der 
Uterus  retrovertirt  sei;  denn  er  ist  bis  zu  dem  Grade  an- 
gewachsen, dass  er  im  Unterleibe  fast  denselben  Raum,  wie 
auch   sonst   einnimmt;   aber   sein  Wachsthum   ist   in   einer 


de«  hinteren  nntereu  GebUrmatterabschnittes  etc.        181 

«genthdmlichen  Richtung  rorwärt«  gescbritten,  so  dass  sich 
der  Muttermand  nach  der  Symphysis  hinneigt  oder  vielleicht 
dieselbe  gar  noch  öberragt  Bei  solch*  einem  Ereignisse, 
welches  übrigens  äusserst  selten  ist,  muss  die  Geburtsthätigkeit 
sehr  langwierig  und  anstrengend  sein.  Es  währt  sehr  lange, 
ehe  man  den  Muttermund  gewahrt  und  man  fühlt  ihn  zuerst 
am  Schambeine.  Dem  Dr.  Merriman  verdanken  wir  diie 
Darstellung  dieser  Thatsache,  sowie  audi  die  Bemerkung, 
dass  diesm-  Fall  einen  gleichen  Ausgang  wie  Extrautei*in- 
Schwangerschaft  bähen  kann,  nämlich  den  Ausgang  in  Eiterung.*" 
h  der  neuesten  Zeit  hat  auch  Oldham  eine  während  der 
Gehurt  bestehende  Ruckwärtsbeugung  beobachtet  und  in  den 
^Obstetric.  transact.  of  the  obst.  Societ  of  London,  Vol.  I., 
p.  317,  London  1860""  beschrieben.  Der  Fundus  uteri  lag 
mit  dem  Kopfe  im  kleinen  Becken,  der  Cervix  stand  nach 
vom  Aber  der  Symphyse,  oberhalb  desselben  war  das  Becken- 
ende  des  Kindes  zu  ffihlen.  Ed.  v.  Siebold,  welcher  in 
CaiMtott's  Jahresbericht,  4.  Bd.,  1860,  Leistungen  der  Geburts- 
hlilfe,  S.  428  diesen  „sehr  seltenen  und  interessanten  Fall^^ 
anfahrt,  fügt  hinzu,  dass  durch  denselben,  da  nicht  nur  eine 
blosse  Ausbuchtung  der  hinteren  Wand  des  unteren  Gebär- 
muttersegments, wie  sie  Scaneani  als  paitielle  Retroversion 
beschreibt,  auch  nicht  eine  Steigerung  einer  solchen  vor- 
handen gewesen  sei,  die  früheren  ähnlichen  Beobachtungen 
Merriman's  bestätigt  und  die  Zweifel  späterer  Autoren 
widerlegt  würden.  Freilich  wandert  er  sich  selbst,  wie  die 
Schwangerschaft  so  ivigelmässig  bis  zu  ihrem  rechtzeitigen 
Ende  verlaufen  konnte!  Früher  war  übrigens  Siehold  selbst 
anderer  Meinung  über  diesen  Gegenstand,  denn  in  seinem 
Lehrbuch  (2.  Aufl.,  Braunschweig  1854,  S.  107)  sagt  er: 
„Bei  der  Zurüokbeugung  der  Gebärmutter,  welche  indessen 
Dor  in  den  ersten  vier  Monaten  der  Schwangerschaft  vor- 
kommen kann  etc.'* 

Wir  aber  halten  auch  jetzt  noch  eine  Retroversion  in 
der  zwdten  Hälfte  der  Schwangerschaft,  geschweige  denn  am 
Ende  derselben  für  rein  unmöglich  und  glauben,  dass  ein 
nur  oberflächliches  Betrachten  der  anatomischen  Verhältnisse 
schon  genügt,  um  mit  Seanzoni  gleicher  Meinung  zu  sein, 
wekher  sagt,   dass  die  Fäfle,   welche  man  in  den  späteren 


n 


]g2        ^I-    ^«"^f  l'^ftlt  ▼on  sackförmiger  Erweiteraiic 

Periodeo  der  Schwauigerscbaft  gesehen  haben  wiB,  gewke  einen 
diagnoBÜschen  Iirtbum  einschlieKsen,  oder  um  Naegde  d.  & 
beizustimmen,  wenn  er  sie  für  unvollsUndig  enihlt  oder 
überhaupt  unklar  halt 

Anders  gestaltet  sich   aber  die  Sache,  wenn  man  von 
einer  Relrorersion  des  ganzen  Organs  Abstand  nimmt  und 
4)  nur  eine  partielle  desselben  am  Ende  der  Schwangerschaft 
annimmt    Auf  dieses  Vorkommen  hat  nicht  Kiwisch  zuerst, 
wie  er  selbst  glaubt  und  von  Anderen  gleichfalls  vorausgesetzt 
wird,  aufmerksam  gemacht,   sondern  dies  Verdienst  gdiührt 
Mende,   welcher  in  seiner  Zeitschrift:    Beobachtungen  und 
Bemerkungen  aus  der  Geburtshülfe  und  gerichtlichen  Medicin  etc., 
2.   Bändchen,    Göttingen    1825,    in    einem    Aufsatze    „über 
Zuröckbeugung  der  Gebärmutter  im  geschwängerten  und  un- 
geschwängerten  Zustande **  S.  150 — 214  von  einer  wahren  und 
falschen  Zuruckbeugung  der  Gebärmutter  spricht    Es  heissl 
daselbst  S.  199:   „Die  erstere  ist  diejenige,  weiche  dem  ge- 
wöhnlichen Begriff,  den  man  von  diesem  Uebel  hat,  entspridit, 
die  andere  aber,   deren  wahre  Natur  in  dieser  Besiehung  bis 
jetzt  ganz  übersehen  worden  zu  sein  scheint,   ist  eine  sack- 
förmige Ausdehnung   der   hinteren  Wand   der   Gebärmutter, 
mit  der  sie  in  den  Zwischenraum  zwischen  dem  Mastdarme 
und   der  Mutterscheide  herabsinkt,    ohne  dass  die  Stellung 
des   übrigen   Theils   der  Gebärmutter  auf  den  ersten  Blick 
beträchtlich   verändert  erscheint/'    Und   S.  212  werden  die 
näheren    Zeichen    derselben    folgendermaassen    beschrieben: 
„1)  Sie  erscheint  erst  in  den  spateren  Monaten  der  Schwanger- 
schaft.   2)   Der  ausgedehnte   Theil   der  Gebärmutter  dringt 
nicht  vollends  so   tief  nach   unten,   als  ihr  Grund  bei  der 
wahren.    3)  Die  Stellung  der  ganzen  Gebärmutter  wird  weniger 
dabei  verändert,  doch  ist  der  Grund  auch  etwas  nach  hinten 
gezogen   und   daher  weniger  gewölbt   und  mehr  platt     Die 
Ausdehnung  dieses  Werkzeugs  ist  nach  oben,  daher  im  Ver- 
hältniss    zu    der   seitlichen    geringer.     Der   Mutterhals    und 
Muttermund  stehen  mehr  in  der  Mitte  des  Beckens.   4)  Nacli 
der  Verschiedenheit  der  Lage  der  Frucht  können  wohl  Theile 
derselben  zugleich   in   den  ausgedehnten  Sack  hineingetrieben 
sein,   doch    dürfte   sich   dies   wohl   nicht  oft  ereignen.     Da 
jedoch  die  Gebärniulteriiöhle,  hierbei  oberhalb  von  oben  nach 


dw  htstereii  ontereo  GebftnnuUerabsebnittes  etc.        Ig3 

mtm,  und  in  der  Mitte  und  mehr  nach  unten,  von  vom 
mdb  hinten  zusanamengedrnckt  wird,  so  dass  sie  eine  fast 
dreieduge  Figur  bekommt,  so  wird  fast  allemal  die  ganze 
Fracht  und  besonders  ihr  Kopf  so  gepresst,  dass  sie  ab- 
stirbt und  bemach  ganz  breit  gequetscht  erscheint.  Es  hängt 
fcs  jedoch  YOtt  dem  Grade  und  der  Dauer  des  Uebels  ab. 
5)  Die  ZufäHe  haben  mit  denen  bei  der  wahren  Zurfickbeugung 
Aefanlicbkeit,  sie  treten  aber  langsamer  ein  und  bleiben  in 
der  Regel  gelkider.  Die  Harnausieerung  ist  weniger  gestört, 
als  bei  jener,  der  Stuhlgang  aber  öfters  sehr  schwierig. 
Q  Gemeiniglich  entsteht  eme  Frühgeburt,  die  mit  sturmischen 
Erteheinungen  von  Krampf,  grossen  Schmerzen,  starkem 
Bkilllusse  u.  s.  w.  begleitet  zu  sein  pflegt  7)  Ereignet  sich 
flfies  nicht  gleich  im  Anfange,  so  werden  die  Beschwerden, 
statt,  wie  bei  der  wahren  Zurückbeugung,  mit  dem  Fort* 
schreiten  der  Schwangerschaft  unter  gänstigen  Umstanden 
abzunehmen,  mit  jedem  Tage  heftiger.  8)  Der  allgemeine 
Gesandheitszostand  leidet  sehr,  die'  Kranken  magern  ab,  be* 
kennien  geschwollene  Fasse,  allgemeine  Wassersucht  und 
Zehrfieber,  die  sie  bald  aufreiben.  9)  Bei  den  Versuchen, 
die  Gebarmutter  zu  reponiren,  findet  man  den  zuruckgebeugten 
Theil  nicht  so  hart  und  unnachgiebig,  als  bei  der  wahren, 
dennocb  aber  lässt  er  sich  viel  schwerer  zurückschieben, 
weil  er  Iricbier  eingedruckt,  als  sdnem  ganzen  Umfange  nach, 
ms  der  Lage,  in  welcher  er  sich  befindet,  herausgeschoben 
werden  kann.  Mit  zweien  Fingern  Hebtet  man  gemeiniglich 
nicbts  dabei  ans,  sondern  man  muss  gewöhnlich  die  halbe, 
und  wenn  es  angeht,  die  ganze  Hand  nehmen,  um  den  aus* 
gedehnten  und  niedergesenkten  Theil  zugleich  gleichsam 
zusammenzudrücken.  10)  Ist  die  Reposition  wirklich  gelungen, 
so  ist  es  ungemein  schwierig,  das  Zurücksinken  der  sack* 
ßmig  ausgedehnten  Gebärmutter,  und  also  Ruckfälle  aller 
Torbergegangenen  Uebel  zu  rerhüten.''  Mende  empfiehlt 
dum  nodi  in  Hinttcht  auf  das  unter  No.  10  Erwärote; 
ausser  dem  bestandigen  Liegen  auf  der  Seite,  das  Ansslopfen 
der  ganzen  Hutterscheide  mit  gezupfter  Leinwand,  die  durch 
einett  rorgdegten  Schwamm,  Compresse  und  T-Binde  fest* 
gehalten  werden  raüsste.  Wenn  der  Wiedereintritt  des  Uebels 
gar  nicht  zu  verhüten  wäre,   so  dürfte  dies,   nach  Mende*^ 


Ig4        XI.    Framke,  FhU  von  Kackförmtgvr  Erw«ileruBf 

Ansicht,  ein  Fall  iur  die  AnweDdang  der  künstlicbeR  Früh- 
geburt sein.  Nach  Mende  war  es  dann  allerdings  Küoistk^ 
der  in  seinen  „Küifischen  Vorträgen  aber  specielle  Pathologie 
und  Therapie  der  Krankheiten  des  weihlichen  Geschlechts, 
3.  Aufl.,  Prag  18Ö1,''  1.  Abth.,  S.  197  auoh  zwei  Formen 
von  Kuckwärtsbeugung  des  schwangeren  Uterus  unterschiede 
„Es  wurden  nämlich,''  sagt  er,  „Beobachtungen  von  Rückwirts* 
beugung  im  zweiten  bis  zum  siebiNaten  Schwangersehafts- 
nionate  mitgetheilt  und  dabei  nicht  immer  berücksichtigt,  dass 
eine  melir  als  vier  Monate  schwangere  Gebärmutter  nicht 
wohl  iini  unteren  Beckenraume  Platz  finden,  demnaeh  nie 
vollständig  zurückgebeugt  sein  kann,  dass  demnach  die 
Retroversiou  in  den  ersten  Schwangerschaftsmonaten  von  jener 
in  den  späteren  in  Bezug  auf  die  Form  der  Dislocation 
wesentlich  verschieden  sein  müsse.  Nach  unseren  genau  an- 
gestellten Untersuchungen  findet  in  den  späteren  Schwanger- 
Schaftsmonaten  nur  ein  partielles  Herabsinken  der  hinteren 
Wand  der  Gebärmutter  statt,  die  sich  sackförmig  in  den 
DougUis' Bchen  Raum  herabdrängt,  während  der  obere  und 
vordere  Theii  der  Gebärmutter  im  unteren  Bauchraume  hegen 
bleibt,  so  zwar,  dass  von  hieraus  die  Erkenntniss  der 
Dislocation  unmöglich  ist.  Dieses  partielle  Herabsinken  der 
hinteren  Uteruswand  hat  übrigens  alle  anderen  Erscheinungen 
mit  der  vollständigen  Retroversion  gemein,  ja  es  erhebt  sich 
sogar  auch  der  Vaginaltheil  im  gleichen  Masse  nach  vom,  als 
die  hintere  Wand  tiefer  herabsteigt  Auf  dieses  Verhalten  hat 
unseres  Wissens  noch  Niemand  aufmerksam  gemacht,  obgleich 
die  Rückwärtsbeugung  in  den  späteren  Monaten  auf  eine  andere 
Weise  gar  nicht  denkbar  ist."  Die  Disposition  zu  dieser  Form 
von  Rückwärtsbeugung  beschränkt  sich,  nach  seinem  Dafür- 
halten, nur  auf  die  Mittelzeit  der  Schwangerschaft,  indem  in 
den  ersten  Woclien  derselben  der  Uterus  einen  viel  zu  resistenten 
Körper  bildet,  als  dass  er  die  bezeichnete  Zerrung  seiner 
Wände  zuliesse,  und  in  den  letzten  Monaten  die  grösser 
gewordene  Frucht  für  den  Uterus  eine  natürUche  Stötie 
bildet,  die  die  angegebene  Dislocation  gleichfalls  nidit  leicht 
zulässt  Beiläufig  bemerkt,  soll  auch,  nach  JTfWscl's  Ansicht, 
im  puerperalen  Zustande  des  Uterus,  bei  Schlafflbeit  und  be- 
deutender Ausdehnung  desselben  diese  partielle  Retroversion 


des  bister«!!  nataren  G^bärmvUerabsohnitteft  etc.        185 

entrelen  können.  Robs^H  (Lehrbucfa  der  Geburishölfe, 
Erfongen  1851,  S.  348)  wiederholt  die  eben  mitgeibeilien 
AngiAicn  von  Kiwiach  über  diesen  Gegenstand.  Auch  Scanzoni 
ODtanclieidei  die  zwei  durch  ihr  anatonüsches  Verhalten,  ihre 
Symptome,  ihre  Gefahriichkeit  wesentlich  von  einander  uuter- 
scUede&oi  Formen  (Lehrbuch,  3.  Aufl.,  Wim  1855,  S.  307): 
„Die  partielle  Retrotersion,  eine  den  qiftteren  Schwangerschaft»- 
BonaleD  eigentbümiiche  Affection,  wird  dadurch  bedingt, 
daas  sich  die  Untere  Wand  des  Uterus  sackförmig  in  den 
jDottjjFJcw'schen  Raum  herabsenkt  Sie  ist  immer  bloss  durch 
den  Drodi  des  Torliegenden  Kindestheils  auf  den  hinteren 
Umfang  des  unteren  Uterinsegments  bedingt,  und  man 
beobachtet  m  vonüglich  dann,  wenn  sich  bei  geringerer 
Beekenneigung  der  Grund  des  Uterus  durch  die  erschiaflEten 
Baachdecken  stark  nach  vorn  übemeigt,  der  Rumpf  des  Kindes, 
nach  vorn  äbersinkend,  den  vorliegenden  Kopf  nach  der 
Aushöhlong  des  Kreuzbeins  hintreibt  und  das  erschlaffte 
Utiiiisparenchym  kugelförmig  vor  sich  herdrangt.  Dass  die 
Vaginalportion  hierdurch  nadi  vom  getrieben  wird  liegt  in 
der  Natur  der  Sache.*"  Scanzarri  hat  diesen  Formfehler  nur 
in  den  zwei  letzten  Schwangerscbaftsmonaten  gesehen,  wo  der 
Fötus  den  nöthigen  Grad  von  Resistenz  zeigt,  die  Uterus- 
wandungen  aber  bedeutend  dünner,  nachgiebiger  und  leichter 
ausdehnbar  sind.  In  den  ersten  Monaten,  wo  die  entgegen- 
gesetzten Verhaltnisse  stattfinden,  hält  er  diesen  Formfehler 
Ar  unmöglich.  Eine  schädliche  Einwirkung  dieser  Ausbuchtung 
der  hinteren  Wand  auf  den  Schwangerschaftsverlauf  an  und 
für  sich,  hat  er  nie  gesehen,  höchstens  die  Symptome  der 
Vorwärtsneigung  des  Uterus  beobachtet,  zu  welchen  sich 
io  emzelnen  Fällen  solche  der  Compression  des  Mastdarms, 
aber  nur  in  unbedeutendem  Grade,  gesellten.  Die  Diagnose 
kann  nicht  schwierig  sein,  wenn  man  bei  einer  Hoch- 
schwangeren den  hinteren  Umfang  des  Beckens  durch  den 
herdigetretenen ,  die  hintere  Uteruswand  kugelig  vor  sich 
hertreibeBden  Kindestheil  mehr  oder  weniger  ausgefüllt  und 
die  Vaginalpartion  der  Schambeinsymphyse  regelwidrig  genähert 
findet  Oie  Therapie  ist  bloss  symptomatisch,  auf  Milderung 
der  durch  die  comprimirten  Nachbarorgane  des  Uterus  hervor- 
gerolenen  Erscheinungen  beschränkt. 


186        X'<    Frtmlu^  Fall  Ton  sackförmiger  Erwettonuig 

Solch'  eine  sogenannte  partiefle  Retroversion  durfle  woM 
auch  in  unserem  Falle  vorbanden  gewesen  sein,  denn  die 
eigenthtimlicben  bei  demselben  beobachteten  Verhäitnifise, 
deren  wir  bereits  Erwähnung  gethan  haben,  als:  Regel* 
massiger  Sland  des  Fundus  uteri,  Hervortreibung  des  hinteren 
unteren  Gebfirmutterabschnitts  durch  den  tief  herabgetreieneD 
Kopf,  Lage  des  Mottermundes  nach  oben  und  vorn,  Verlauf 
der  Geburt,  entsprechen  ganz  dem  von  den  versdiiedenen 
Autoren  entworfenen  Bilde  dieses  allerdings  seltenen  Zustandes. 
Und  ebenderselbe  wird  auch,  nach  unserer  Ueberseugung,  in 
anderen,  namentlich  aber  dem  zweiten  von  Merriman  mit- 
getheilten  Fällen  zugegen  gewesen  sein,  nur  wurde  derselbe 
von  Merriman  im  hohen  Grade  verkannt,  da  er  ghiubte, 
dass  die  Ausfüllung  der  hinteren  Wand  des  Beckens  durch 
den  Körper  oder  gar  Grund  der  Gebärmutter  bedingt,  und 
er  so  zu  der  Annahme  einer  vollständigen  Retroversio  uteri 
am  Ende  der  Schwangerschaft  verleitet  wurde.  Burns  äussert 
sich  dagegen  viel  vorsichtiger,  wenn  er  ausdräeklich  sagt, 
dass  man  in  einem  solchen  Falle  nicht  behaupten  könne, 
der  Uterus  sei  retrovertirt,  sondern  nur,  dass  sein  Wachsthum 
in  so  eigenthnmlicher  Weise  vorwärts  geschritten  sei,  dass 
sich  der  Muttermund  nach  der  Symphysis  hinneigt  oder  gar 
dieselbe  noch  überragt. 

Wir  aber  möchten  jenes  eigenthumliche  Verhäkniss  nicht 
einmal  als  partielle  Retroversion  der  hintere  Wand  be- 
zeichnen, insofern  mit  jenem  Namen  immer  euie  Lagen- 
Veränderung  des  Gebärorgans  bezeichnet  wird,  eine  solche 
aber  in  solchen  Fällen  nur  insoweit  gegeben  ist,  als  ein 
Theil  des  Uterus  im  Verbältnisse  zu  dem  dbrigen  Organ  seine 
Lage  geändert  hat,  also  ein  Formfehler  vorhanden  ist  Sagte 
doch  schon  Boer  in  dieser  Beziehung,  a.  a.  0.  S.  56: 
„Quodsi  demum,  ut  subinde  solet,  elattun  es  ipsa  sub  pube 
ita  absconditur,  ut  vix,  aut  nullatenus  attingas,  erit  aliquis, 
qui  tantam  deviationem  nou  induci  ex  eo  posse  nesciat,  quod 
Uterus  siropliciter  oblique  incubet,  sed  ex  eo  potissioiiim, 
quod  simul  saltem  perperam  et  noxie  sit  configuratus?''  und 
nennt  doch  auch  JScanzom  a.  a.  0.  die  partielle  Retroversion 
eher  einen  Formfehler,  als  eine  Lagendeviation!  Wir  haben 
sio   daher   auch   schon    in   d^  Ueberschrift  als   sackförmige 


des  hiBtereii  nDtereo  GebBrmnUerabschaittee  etc.         187 

Erweiterung  bexeicbnet,  weil  dieser  Namen  gleich  den  Zustand 
seftfit  kennzeidmet  und .  auch  schon  von  Wigand  ebenderselbe 
gewählt  wurde.  Dieser  beschrieb  nämlich  zuerst  (Die  Geburt 
des  Menschen  etc.,  herausgegeben  von  Fr.  C.  Naegde^ 
Berlin  1820,  Bd.  2,  S.  115)  als  eine  der  vier  Arten  von 
Gebärmutterschiefheit  die  sackförmige  Erwekerung  derselben 
(Saccus  coecus  uteri)  folgendermassen:  „Der  Uterus  hat  sich 
kicr  in  jeder  anderen  Rücksicht  gehörig  entwickelt  und  aus- 
gedelmt,  Muttermund  und  Mutterboden  und  ihre  Längenachse 
stehen  in  einem  ganz  normalen  Verhältnisse  unter  sich  selbst 
und  zum  Beckeneingange,  nur  dass  nach  unten  und  vom  oder 
seitwärts  ein  ungewöhnlicher  Sack  aus  dem  Uterus  heraus* 
tritt,  der  demselben  eine  schiefe,  bauchigte,  ganz  unförm- 
liche Gestalt  giebt  Dieser  blinde  Sack  zeigt  sich  immer  nur 
an  der  untersten  Hälfte  des  Uterus,  und  hier  wieder  am 
öftersten  nach  vom  und  links  hin,  dicht  aber  den  Schambeinen, 
und  erscheint,  je  nachdem  die  Theile  des  Kindes  beschaffen 
sind,  die  er  enthalt,  bald  härter,  bald  weicher,  und  ist  dann  auch 
bald  leichter,  bald  schwerer  zu  bewegen  und  in  die  Höbe  zu 
schieben.''  Das  für  Wigand  unerklärliche  häufige  Vorkommen 
dieses  Sackes  nach  links  und  vorn  dürfte  vielleicht  weniger 
beft*emden,  wenn  man  im  Hinblicke  auf  die  Entwickelungs- 
geschichte  des  Uterus  aus  den  beiden  ifttZ7er*schen  Gängen, 
annimmt,  dass  das  eine  ursprüngliche  Hörn  sich  mehr  in  die 
Höhe,  das  andere  mehr  in  die  Breite  entwickelt  habe,  wo- 
durch dann,  bei  der  gewöhnlichen  Axendrehung  des  ganzen 
Organs  von  links  nach  rechts,  jene  eigenthumliche  Gestalt 
entsteht  Keinesfalls  aber  vermag  ich  einzusehen,  warum  nur 
am  vorderen  nnd  seitlichen  Umfange  des  Uterus  jene  Blind- 
sacke «ch  bilden  sollen,  bin  vielmehr  geneigt  anzunehmen, 
dass  jene  Gegenden  sich  nicht  ausschliesslich  des  Vorrechts 
solcher  Ausbuchtungen  erfreuen,  sondern  dass  auch  an  der 
hinteren  Wand  derartige  entslehen  können.  Wigand  fährt 
fort:  „Besteht  diese  sackförmige  Erweiterung  für  sich  allein, 
dann  sind  die  Schwierigkeiten  fSr  den  Geburtsverlauf  nur 
gering;  durch  das  Hinzukommen  aber  von  einer  der  drei 
anderen  Arten  von  Gebärmutterschiefheit  ertialten  sie  grosse 
Bedeutung,  weil  dann  das  Kind  nicht  nur  um  so  stärker 
dadurch    aus   seiner   normalen   Lage   verrückt  werden   kann, 


Igg         XI.     Frafdce,  Fall  von  sackförmiger  Erweiteraog 

sondern   auch   um   so  schwieriger  einzurichten  und  von  den 
Wehen  herauszutreiben  sein  wird/'    Solche  eine  Complicaiion 
roösste  man  dann  für  unseren  Fall  aus  dem  Grunde  statuiren, 
als  nach  Wtgand's  Angabe  bei  der   einfadien  sackförmigeti 
Erweiterung  Muttermund   und  Muttei^und  im  normalen  Ver- 
hältnisse   zu   einander  und  zum   Becken   stehen,   d.  b.   der 
Grund  des  Uterus   seine  regelmässige  Lage  hat,  und  ebenso 
der  Muttermund   in  der  Führungslinie  des  Beckens  gefunden 
wird.    Es  müsste  dann  die  erste  Art  von  Retortengestalt  des 
Uterus  angenommen  werden,  von  welcher  Wigand  sagt:  ^In 
der  ersten  imd  leichtesten  Art  von  Verdrehung  hat  sich  die 
Höhle  des  Uterus  so  entwickelt  oder  ausgedehnt,  dass  einer* 
seits    die    Längenachse   von    Mutterboden    und    Mutterkörper 
ganz   parallel  läuft  mit  der  Centrallinie  der  oberen  Becken- 
öffnung,  andererseits  aber  die  Längenacbse  des  Mutterhalses 
und    Muttermundes   stark    von    dieser  Centrallinie   abweicht. 
Wu*  erkennen  diesen  FaU  daraus,  dass  dieselbe  Gebärmutter, 
weiche,   von  aussen  betrachtet,  eine  durchaus  ganz  normale 
Lage,  gute  und  gerade  Stellung  zum  Beckeneingange  hat,  und 
also  nirgends  wohin  schief  stehet,  bei  der  innerlichen  Unter- 
suchung einen  Mund  darbietet,  der  offenbar  von  der  Central- 
linie abweicht  und  nach  vorn  oder  hinten  (was  am  häufigsten 
vorkommt ,  unter  zehn  Malen  wenigstens  acht  Mal)  oder  gegen 
eine  Beckenseile  hin,  stark  verdrehet  ist/'    Unserer  Meinung 
nach    genügt   aber  .schon   die   sackförmige   Erweiterung  um 
jene    Lagenveränderung    des   Muttermundes   hervorzubringen, 
sobald    sie   nicht   den    Körper,    sondern    eben    den   unteren 
Abschnitt   trifft,    wodurch  dann,    sobald    der   Kopf  in  jene 
Ausbuchtung  hereintritt,   die  Vaginalportion  naturlicher  Weise 
nach   vorn    und   je    nach  dem  Umfange  jener   Ausbuchtung 
und  den  höheren  oder  tieferen  Stand  des  vorliegenden  Theils 
nach  oben   gedrängt  wird.     Es  erscheint  somit  die  hintere 
Wand   des  Uterus  verlängert,   die  vordere  verkürzt  und  da- 
durch wird  eine  Schiefheit  des  Organs  bedingt.    Es  ist  daher 
dies  Verhältniss  dem  gewöhnlichen,   am  Anfange  dieses  Auf- 
satzes  von    uns   erwähnten,    gerade    entgegengesetzt.     Und 
wenn  wir  oben   sagten,   dass   die  Schiefheit,   welche  durch 
Verlängerung  der  vorderen  Wand  bedingt  werde,  ausser  wenn 
sie   einen  bedeutenden  Grad   erreicht,   sogar   als  regelmässig 


des  hinteren  unteren  Oeb&rmntterabscbnitt^s  etc.         189 

annisebeD  sei,  so  müsaen  wir  von  der  in  Rede  stehenden 
das  Gegentbeil  behaupten  und  in  ihr  immer  eine  Unregei* 
näsäigkeit  erbUcken.  Unserer  Auffassung  nach  können  wir 
ts  uns  daher  anch  nicht  in  den  Sinn  kommen  lassen,  diesen 
FonnreUer,  wie  Bums  es  thut,  Von  einer  frühw  bestandenen 
tolaJen  Retroversion  ableiten  zu  wollen,  obwohl  auch  Mende 
a.  a.  0.  S.  201  eine  ähnliche  Ansicht,  wenn  auch  in  be- 
schränkterer Weise,  aufstellt,  wenn  er  sagt,  dass  der  in  die 
Dougla8*sche  Falte  eingedrungene  Theil  bisweilen  seine  Lage 
behauptet,  ohne  dass  die  Ausdehnung  der  übrigen  GebärmuUer 
ganz  dadurch  gehindert  wird.  „Dies  scheint  jedoch  nur  bis 
zu  einem  gewissen  Grade  bin  geschehen  zu  können,  indem 
gemeiniglich  in  oder  bald  nach  dem  fünften  Monate  Wehen 
eintreten,  und  unter  heftigen  Schmerzen  im  Bauche,  ja  ujiter 

wahrhaft  entzündlichen  Zufallen  eine  Fehlgeburt  erfolgt 

Dieser  Fall  hat  mit  der  falschen  Zurückbeugung  die  grösste 
Ähnlichkeit,  doch  nimmt  er  immer  von  einer  wahren  seinen 
Ursprung,  was  bei  jener  wenigstens  noch  sehr  un- 
gewiss isf  Die  eigentlichen  bedingenden  Ursachen  dieses 
LVbels  können  wir  wohl  nur  im  Uterus  selbst  suchen,  ohne 
dabei  das  Verbalten  des  vorliegenden  Theils  gänzlich  ausschlieseen 
zu  wollen.  Die  ungleichmässige  Entwicklung  und  Ausdehnung 
des  hinteren  unteren  Gebärmutterabschnittes  im  Verhältniss  zu 
den  anderen  Gegenden  des  Organs  kann  das  Primäre  sein,  sie 
bewirkt,  da  jener  Theil  keinen  anderen  Platz  als  zwischen 
Sehade  und  Mastdarm  findet,  jene  eigenthfimliche  Hervor^ 
U^ung  im  hinteren  Umfang  des  JBeckens  und  die  Kürze  der 
hinteren  Scheidenwand ,  und  dies  um  so  mehr,  als  der  vor- 
liegende Theil  in  jene  Ausbuchtung  hineintritt  Scarusoni 
ist  zwar  anderer  Ansicht  und  hält  den  Druck  des  vorliegenden 
Theils  auf  jene  Uteruspartie  für  das  ursächliche  Moment,  daher 
er  denn  auch  nur  in  den  letzten  Schwangerschaftsmonaten  bei 
dünnen,  nachgiebigen  Uteruswandungen  und  resisteoiem  Kindes- 
körper  diesen  Formfehler  für  möglich  hält.  Für  seine  Meinung 
spricht  auch  der  Umstand,  dass  er  jene  Abweichung  vorzüglich 
da  beobachtet  hat,  wo  sich  bei  geringerer  Beckenneigung 
der  Grond  des  Uterus  durch  die  erschkfflen  Bauchdecken 
stark  nach  vorn  übemeigt,  der  Rumpf  des  Kindes  nach  vorn 
ubersinkend,  den  vorliegenden  Kopf  nach  der  Aushöhlung  des 


190        XI.    AimJk«,  Fall  Toa  sackfSrmiger  Erweilerttog 

KrenzbeiDs  hiotreibt  und  das  ersehlaflte  Uterusparenohym 
kugelförmig  vor  sieh  h^dringL  Wer  sieht  nicht  ein,  dass 
unter  solchen  Umstanden,  wie  sie  im  Gesagten  vorausgesetzt 
werden,  jene  Unregelmässigkeit  entstehen  kann,  und  also  die 
Brklärungsweise  gewiss  för'  viele  eine  richtige  ist?  Wenn 
wir  es  aber  wagen,  nicht  zu  sagen  „überhaupt 'S  so  geschiehl 
dies  1)  weil  Mende  a.  a.  0.  ausdrucklich  bemerkt,  dass 
wohl  nur  selten  KindestlieUe  in  den  ausgedehnten  Sack  hinein- 
getrieben werden;  2)  Kiwisch  nur  für  die  mittlere  Zeit  der 
Sdiwangerschaft,  wo  dann  jene  Bedingungen  noch  nicht  vor- 
banden sind,  die  Möglichkeit  der  Entstehung  des  Uebels  zu* 
giebt,  worin  er  allerdings  zu  weit  geht,  wie  unsere  eigene 
Beobachtung  beweist;  3)  in  unserem  Falle  weder  verminderte 
Neigung  des  Beckens,  noch  vermehrte  Ersehlalfung  der  Bauch- 
decken voriianden  waren.  Ueber  die  Ursachen  dieser  regel- 
widrigen Gebärmuttergestalten,  die  Zeit  ihres  Entstehens, 
ihren  Einfluss  u.  s.  w.  im  Allgemeinen  verweisen  wir  auf 
Wigand  a.  a.  0.  S.  127  fg. 

Was  die  Erkennung  dieses  Zustandes  anlangt,  so  können 
wir,  freilich  nur  auf  den  einzigen  Fall  gestützt,  Scanzani 
vollständig  beistimmen,  wenn  er  sie  für  nicht  schwierig  hält, 
denn  wir  waren,  mit  Berücksichtigung  der  Resultate  der 
äusseren  Untersuchung,  auch  keinen  Augenblick  in  Zweifel 
über  die  Natur  jener  kuglichten  Hervortreibung  und  konnten 
somit  die  Gegenwart  von  Fremdbildungen  im  Dauglas'stAen 
Räume  von  vornherein  ausschhessen.  Die  subjectiven  Symptome 
werden  verschieden  angegeben,  vollständig  identisch  mit  denen 
bei  Retroversio  uteri,  mit  denselben  Gefabren  für  Mutter  und 
Kind,  wie  bei  jener,  vergesellschaflet,  oder  nur  unbedeutende, 
von  der  Gompression  der  Nachbarorgane  ausgehend.  Sie 
fehlten  in  unserem  Falle  gänzlich  (und  das  war  auch  der 
Grund,  warum  die  Untersuchung  per  rectum  unterblieb),  und 
werden  wohl,  abgesehen  von  der  Grösse  und  dem  Umfinge 
hes  Sackes,  namentlich  auch  mit  von  den  räumlichen  Ver- 
dältoissen  des  Beckens  abhängig  sein ,  welche  in  unserem  Falle 
allerdings  sehr  günstig  waren.  Dass  das  untere  Gebärmutter^ 
Segment  auch  bei  diesem  Verhältniss  eine  ähnliche  Verdünnung 
erleiden  kann,  wie  bei  dem  analogen,  wo  die  vordere  Wand 
die   stärker  gewölbte   und   der  Muttermund  nach  hinten  und 


das  kinteren  oBteren  GebUrmattembfchnittes  etc.        191 


oheD  gerichtet  ist,  scheint  der  Fall  von  Michctelis  zu  beweisen, 
a.  a.  S.  40,  den  m  freilich  als  eine  Schieflage  nach  hinten 
beschreibt  Hier  war  bei  einer  dreiundvierzigiährigen  Ersl- 
gebäreiideii,  deren  Schwangerschaft  erst  die  32.  Woche  erreicht 
hatte,  nach  vienindzwanzigstnadiger  Dauer  der  Geburt  der 
Kofif  des  Kindes  ganz  tief  in's  Becken  getreten,  bedeckt  von 
dem  so  verdönntea^^unteren  Absclinitte,  dass  dessen  Feinheit 
Miehaelts  tauschte  und  ihn  glauben  machte,  der  Muttermund 
sei  schon  verstrichen,  und  der  Kopf  nur  von  den  Eihäuten 
bedeckt,  während  der  Muttermund  in  der  That  ganz  dicht 
biBter  der  Schamfuge  stand  und  kaum  zugängig  für  die 
Fingerspitze  war.  Uebrigens  zeigte  in  diesem  Falle  die  ganze 
Gdiannutter  eine  ausnehmende  Dünne,  weil  sie  in  dieseoj 
iUter  ihre  Fähigkeit  mit  der  Ansdehnung  auch  Substanz 
iBsunehmen  grossentheils  eingehfisst  hatte.  Dass  aber  das 
Kind  absterben  und  mit  losen  und  breilgedrückten  Schädel- 
knocfaen  geboren  werden  kann,  dafür  spricht  namentlich  der 
zweite  Fall  von  MerrimaUf  wo  der  Kopf  des  Kindes  im 
Zastaade  vollkommener  Fäulniss  mit  getrennten  Schädelknochen 
oBd  beiaabe  völlig  aufgelöster  Gehurnmasee  gefunden  wurde 
(und  ^doch  worde  derselbe  perforirt!).  Dasselbe  behauptet 
Mende  und  führt  gleichzeitig  an,  dass  sowohl  in  der  Göttinger 
Sammlung  ein  derartiges  Präparat  befindlich,  als  auch  in  der 
Dissertation  eines  Dr.  Heinrich  Eichorn  eine  gelungene 
Zeichnung  einer  solchen  Frucht  enthalten  seL  Diese  Schrift, 
welche  den  Titel  führt:  „Ueber  die  Zurückbeugung  der  nicht 
schwangeren  und  schwangeren  Gebärmutter  *S  und  welche  nach 
Mendels  Angabe  ohne  Nennung  des  Druckorts  im  Jahre  1822, 
■ach  V.  Fvoriep^s  und  Hoht&  Notiz  in  Wurzburg  1822, 
nach  Küiwn  ebenda  1823,  nach  «7.  Fr.  Oslander  in  Nürnberg 
1823  erschienen  ist,  habe  ich  leider  nicht  einsehen  können, 
was  ich  um  so  mehr  bedauere,  als  in  derselben  ein  Fall  von 
Monate  lang  dauernder  Zurückheugung  beschrieben  ist,  von 
den  schon  Mende  sagt,  dass  er  zu  den  höchst  seltenen 
gehöre  und  zu  den  scheinbaren  zu  rechnen  sein  durfte.  Der 
langsame  Verkuf  einer  Geburt  bei  solchen  Verhällnissen, 
wenigstens  in  der  ersten  Hälfte  derselben,  fmdet  eine  genügende 
Erklärung  in  den  gegebenen  Umständen,  da  ja  lüer,  ebenso 
wie  bei  dem  entgegengesetzten  Verbältnisse,  längere  Zeit  nolbig 


192     ^I*    FritttkBy  F«U  von  aAekfönni^er  Erweiterang  etc. 

ist,  bis  jene  sackftrinige  Erwekening  durch  die  CoDtractioaeo 
heraufgezogen    und    ausgeglichen   wird   und   der  Muttermund 
seine    regelmässige   Lage    erhält     Dodi*  gilt   auch  hier  der 
Ausspruch  Naegele   d.  V.  (Lehrbuch   der   Geburtshöife    für 
Hebammen,  Heidelberg  1847,  S.  262):   „In  seltenen  Fällen 
findet  man  den  Muttermund,  anstatt  nach  hinten,  nach  vom 
gerichtet,  unmittelbar  hinter  den  Schoossbeinen,  ohne  dass  dies, 
wenn  sonst  keine  widrigen  Umstände  vorhanden  sind,   einen 
nachtheiligen  Einfluss   auf  den   Geburtshergang  hat''     Denn 
auch  die  zu  starke  Drehung  des  Kopfes  um  den  geraden  Durch- 
messer,  welche  wir  auch  bei  entgegengesetzten  Verhältnissen 
selten  vermissen,  so  dass  das  nach  hinten  liegende  linke  Scheitel* 
bein  tiefer  stand ,  wurde  durch  die  Natur  ausgeglichen  und  so 
wieder  der  Beweis  geliefert,  dass  dieselbe  Unregelmässigiceiten, 
die  sie  selbst  hervorbringt,  oft  auch  am  unschädlichsten  und 
besten  wieder  zu  heben  vermag;  w.ähreud   unzeitige  und  un- 
geschickte Hulfsleistungen  von  Seiten  der  Kunst,   wie  z.  B. 
Versuche,  den  Muttermund  mit  den  Fingern  herabzuziehen,  wohl 
auch  in  diesem  Falle  wieder  sich  selbst  gerächt  haben  würden. 
Wenn  wir  zum  Schlüsse  unsere  Ansicht  über  den  Gegen* 
stand  in  Rede  noch  einmal  kurz  zusammenstellen  wollep,  so 
wird  dieselbe  lauten: 

1)  Ein  Situs  obtiquus  posterior  uteri  gravidi  kommt  nicht  vor ; 
die  von  den  verschiedenen  Autoren  für  denselben,  zum 
Theil  als  ganz  charakteristisch  bezeichneten  Erscheinungen 
sind   einer   anderen  Deutung  föhig.     Ebenso  wenig  ist 

2)  eine  Retroversio  uteri  in  der  zweiten  Hälfte  der  Schwanger- 
schaft oder  gar  am  Ende  derselben  und  im  Beginne  der 
Geburt  möglich.  Die  seltenen  Beobachtungen,  die  für 
das  Vorkommen  derselben  zu  sprechen  scheinen  und  aucli 
als  solche  beschrieben  wurden,  finden  ihre  Erklärung  • 
durch  Annahme 

3)  einer  sogenannten  partiellen,  scheinbaren  oder  falschen 
ZurQckbeugung  der  Geliärmutter.  Diese  selbst  aber  besieht 
nicht  in  einer  Lageabweichung,  sondern  einem  Formfehler, 
einer  Schiefheit  des  Uterus,  bedingt  durch  eine  sack- 
förmige Erweiterung  des  hinteren,  unteren  Gebärmutter- 
abschnittes. 


XII.    HMUr,  Znr  Lösnng  der  Arme  etc.  193 


XIL 

Zur  Lösung  der  Arme  bei  Geburten  mit 
nachfolgendem  Kopfe. 

Von 

Dr.  Y.  HAter, 

PriTatdoeent  in  Marburg. 

1d  der  unter  dem  Präsidium  v.  Ritgen'^  in  Giessen  ver- 
oflenüiciiten  Dissertation  von  W.  F.  Thurn  (Beiträge  zur 
Geschicble  imd  Kritik  des  Verfahrens  bei  freihändiger  Aus- 
nebuDg  des  Kindes.  Friedberg,  1860),  welche,  wie  die  meisten 
«nier  v.  Bügen^s  Präsidium  erschienenen  Dissertationen  auf 
sehr  gründlichem  Studium  der  Literatur  basirt  ist,  wird  nach- 
gewiesen, dasB  die  Behandlung  der  Arme  bei  Geburten  mit 
nachfolgendem  Kopfe  eine  sehr  verschiedene  gewesen  ist. 

Man  hat  nämlich  1.  den  Rath  gegeben,  nur  einen  Arm 
2u  lösen  und  den  Kopf  zu  extrahiren,  während  der  andere 
Arm  an  diesem  anliegt,  oder  die  Ausziehung  des  Kopfes  mit 
beiden  an  ihm  anliegenden  Armen  auszuföhren.  Es  ist  dies 
Verfahren  auch  in  einigen  neueren  LehiMchern  der  Geburts- 
hälfe  besprochen  worden. 

2.  Man  hat  versucht,  einen  der  beiden  bei  Fussgeburten 
an  dem  Rumpfe  anliegenden  Arme  aufwärts  zu  schieben,  um 
dem  Rumpfe  Raum  zu  geben  und  später  den  Durchgang  des 
Kopfes  zu  erleichtem. 

3.  Man  bat  das  Auswärtsgleiten  der  Arme  bei  Fuss-r 
geburlen  zu  verhüten  gesucht. 

4.  Man  hat  den  Rath  gegeben,  die  beiden  Arme,  wenn 
das  Kind  bis  an  den  Sleiss  oder  bis  an  den  Bauch  geboren 
ist,  an  den  Rumpf  herabzubringen. 

6.  Die  Arme  werden  gelost,  wenn  das  Kind  bis  an  die 
Schultern  geboren  ist 

6.  Man  hat  das  Kind  an  den  Händen  und  Füssen  zu- 
gleich auszuziehen  versucht  Durch  die  erwähnte  Dissertation 
bin  ich  der  Kritik  über  diese  verschiedenen  Behandlungs- 
weiseo  der  Arme  bei  Geburten  mit  zuletzt  kommendem  Kopfe 

»•oatatebr.  f.  aebortik.  1808.  Bd.  XXI.,  Hft.  8.  13 


194  ^^^'    HüUr,  Zur  Lösnng  der  Arme 

vöUig  öberhoben  und  ich  will  daher  nur  für  die  jetzt  allgemein 
übliche  Lösung  der  Arme,  welche  dann  vorgenommen  wird, 
wenn  das  Kind  bis  zu  den  Schultern  geboren  ist,  die  Auf- 
merksamkeit der  Geburtshelfer  in  Anspruch  nehmen. 

Auf  die  Schwierigkeit  des  Actes  des  Armlösens  und   der 
hiedurch   für   das   Kind   erwachsenden   Gefahren   weisen    alle 
neueren  Schriftsteller  hin.     Sie  stimmen  darin  überein,    dass 
das  Lösen  der  Arme  nur  dann  leicht  gelingt,  wenn  dieselben 
der  Brust  des  Kindes,   dessen  Rücken   nach   ?orn   und   seit- 
wärts gerichtet  ist,  anliegen,  so  dass  man  mit  dem  operirenden 
Zeige-  und  Mittelfinger  das  EUenbogengelenk  erreichen    und 
an    diesem    die    gewöhnliche    Manipulation   aosführen    kann. 
Wenn  aber  bei  nach  vorn  und  seitwärts  gerichtetem  Rücken 
des  Kindes  die  Arme  an   den  beiden  Seiten   des   Kopfes   in 
die  H{9ie  geschlagen  sind,  und  hierdurch  das  EUenbogengelenk 
für  die  Finger  schwer  oder  gar  nicht  zugänglich  wird,    so 
ist  das  Armlösen  bedeutend  erschwert     Der  Kopf  kann   sieb 
dabei  noch  hoch  oberhalb  des  Beckeneingangs  befinden,  oder 
schon  in  das  Becken  hcrabgetreten  sein. 

Ist  das  letztere  der  Fall,  so  empfielilt  Rosshirt  (Die 
geburtshülf liehen  Operationen,  Erlangen,  1842,  S.  168),  „durdt 
gelindes  Hinaufdrücken  des  Rumpfes,  gleichsam  als  wollte 
man  die  Schultern  wieder  in  das  Becken  zurückschieben  und 
durch  gleichzeitiges  Emporheben  des  Kinnes  mittels  der 
Finger  das  Hinderniss  zu  entfernen."^ 

Der  hohe  Stand  des  Kopfes  und  das  hierdurch  schwierige 
Erreichen  des  Ellenbogengelenks  kann  nach  Rosshirt  darch 
die  Grösse  des  Kindes  oder  durch  Beckenenge  bedingt  sein. 
Derselbe  fahrt  weiter  fort:  „Es  ist  hier  gewöhnlich  schon 
schwer,  den  Rumpf  des  Kindes  bis  zur  Achselhöhle  zu  ent* 
wickela  *-  Es  wird  angerathen,  den  Rumpf  des  Kindes 
gegen  diejenige  Beckenseite,  in  welcher  der  zu  lösende  Arm 
liegt,  in  die  Höbe  zu  heben  und  in  das  Becken  zu  drücken. 
Hierauf  soll  man  in  einem  etwas  raschen  Zuge  den  Rumpf 
auf  die  entgegengesetzte  Seite  und  nach  unten  bewegen, 
indem  man  ihn  zugleich  sanft  um  seine  Längenachse  dreht. 
Dieses  wiederholt  man,  wenn  es  nöthig  ist,  einige  Male,  bis 
der  zu  lösende  Arm  abwärts  gestiegen  ist,  um  ihn  nach  der 
angegebenen  Regel  herausleiten  zu  können.  —  Wir  bedienen 


bei  Gebarten  mit  naqbfolgendem  Kopfe.  195 

eines  eigenen  Handgriffes.  Wir  fuliren  dnn  Zeige-  und 
KtteifiDger  nach  der  angegebenen  Weise  bis  zur  Schulter, 
nd  suchen  die  beiden  Pinger  so  hoch  wie  möglich  über  die- 
selbe lu  bringen,  um  sie  hakenförmig  auf  dieselbe  legen  zu 
können,  so  dass  die  Fingerspitzen  wenigstens  bis  zum  Schlüssel- 
Mne  reichen.  Die  so  gefasste  Schulter  wird  nun  nach  ab- 
wärts ond  seitwärts  gezogen.  Es  ist  uns  in  vielen,  sehr 
schwierigen  Fällen  gelungen,  den  Arm  so  weit  herabzuhruigen, 
dass  wir  nun  die  Finger  bis  zum  Ellenbogen  führen  konnten, 
um  die  Lösung  des  Armes  zu  bewerkstelligen.  Niemals 
sahen  wir  einen  Nachtheil  daraus  einwachsen.  Es  scheint 
ans  unmöglich,  dass*  ein  Bruch  des  Schlüsselbeins  hierdurch 
entstehen  könnte,  da  dasselbe  nicht  gedrückt  wird." 

Kutan    (Operationslehre    für    Geburtshelfer,    2.    Aufl., 

3.  Lieferung,   Bonn  1844,  S.  442)  warnt  bei  dem  Armlösen 

for  einem   eigentlichen  Anziehen    des   Armes   oder  gar   vor 

einem   Anziehen    des  Oberarmes    oder   des  Schultergeienkes 

mittels  des  hakenförmig  gebogenen  Zeigefingers,  denn  Luxation 

und  Bruch  des  Schlüsselbeines  könnten  in  dem  einen,  Bruch 

des  Oberannknochens  in  dem  anderen  Falle  sich  nur  gar  zu 

schnell  ereignen.     „Ausdrücklichst  wollen   wir  indessen  hier 

bemerken,   fahrt  Kutan  fort,  dass  der  Act  des   Armlösens 

jedes  Mal   um   so  sicherer  und  leichter  gelingt,  je  bequemer 

man  mit  den  operirenden  Fingern   an  das  Ellenbogengelenk 

der  zu  lösenden  Oberextremität  gelangt,  daher  man  sich  doch 

ja  nicht  früher  an  das  Armlösen  wagen  möge,   als  bis  der 

Brustkorb  des  Kindes  tief  genug  in  das  Becken  herabgekommen 

ist  und  sollten  etwa  die  bereits  geschilderten  Manipulationen 

nidit  dazu  hinreichen,  die  Achselhöhle  dem  Scheideneingange 

näher  zu  bringen,  so  hat  man  zur  Erreichung  dieser  Absicht 

an  dem  stumpfen  Haken  das  zuverlässigste  Mittel.    Man  Hihrt 

diesen  nämlich  in  der  Aushöhlung  des  Kreuzbeins  bis  empor 

zur  Schulterhöhle  des  Kindskörpers,  führt  ihn  vorsichtig  über 

dieselbe  hinweg  und  macht,  sobald  man  von  der  guten  Lage 

des  Instrumentes  hinlänglich  vergewissert  ist,    damit  kräftige 

Tractionen   nach  abwärts."     Küian  ertheilt  (S.  444)  noch 

folgenden  Rath:    „Uebrigens  wollen  wir  für  die  schwierigsten 

Fälle  des  Armlösens  noch  darauf  aufmerksam  machen,   dass 

nicht  selten  gerade  die  Rückenlage  der  Kreissenden  unserem 

13* 


J96  ^^'-     ^i^^f  Zur  Lösung  der  Arme 

Bestreben  hinderlich  wird,  wohingegen  die  Operation  in  der 
Seitenlage  leicht  gelingt.  Namentlich  aber  gilt  es  als  Regel: 
die  Frau  auf  diejenige  Seite  zu  legen,  wohin  der  schwer  zu 
lösende  Arm  des  Kindes  gerichtet  ist.'' 

Kiwisch  (Beiträge  zur  GebuHtskunde,  1.  Abthlg.,  Würz* 
bürg  1846,  S.  64)  macht,  um  den  wichtigen  Operationsacl 
des  Armlösens  in  schwierigeren  Fällen  zu  erleichtern,  auf  einige 
ihm  wiclit^  scheinende  Handgriffe  aufmerksam. 

„Der  eine  Handgriff  besteht  hi  dem  vorläufigen  Herab* 
drücken  derjenigen  Schulter,  über  welcher  der  Ann  gelöst 
werden  soll.  Zu  diesem  Zwecke  führt  man  einen  oder  zwei 
Finger  über  das  entsprechende  Schulterblatt  bis  über  das 
Schlüsselbein  und  zieht  so  die  nach  oben  gezerrte  Schulter 
gegen  den  Brustkorb,  wodurch  das  Ellenbogengelenk  um  ein 
beträchtliches  tiefer  zu  stehen  kömmt  und  leichter  erreichbar 
wird.  Dieser  Kunstgriff,  so  unscheinbar  er  ist,  hat  uns  doch 
sdir  wesentliche  Dienste  geleistet 

Ein  anderer  Handgriff  ist  der,  dass  man  ja  nicht  mi( 
schulgerechter  Unbeugsamkeit  zuvörderst  immer  zur  Lösung 
des  nach  hinten  gelegenen  Armes  ^)  schreite.  In  der  Mehr- 
zahl der  Fälle  finden  wir  sogar  dies  Verfahren  viel  schwieriger 
und  unzweckmässiger,  indem  der  nach  hinten  gelegene  Arm 
schwerer  erreichbar  ist,  so  dass  es  ohne  die  halbe  oder  ganze 
Hand  in  die  Scheide  einzubringen,  nicht  möglich  ist,  bis  zum 
Ellenbogengelenke  zu  gelangen,  während  die  kurze  vordere 
Beckenwand  das  Erreichen  des  Armes  viel  früher  gestattet*" 

Weiter  unten  (S.  65)  heisst  es:  „Hat  man  den  einen 
Arm  gelöst,  und  ist  das  Ellenbogengelenk  des  zweiten  Armes 
zwischen  Kopf  und  Becken  feststehend  und  der  Kindesrumpf 
nicht  sehr  voluminös,  so  kann  man  durch  eine  massige 
Drehung  des  letzteren  um  seine  Längenachse  das  Ellenbogen- 
gelenk mehr  gegen  die  Gesichlsfläche  leiten,  und  sich  Iso 
dessen  Lösung  erleichtem. 

In  einzelnen,  seltenen  Fällen  ist  das  Lösen  der  Arme 
durch  blosse  Handgriffe  nicht  ausführbar,  und  man  kann  bei 


1)  V.  Ritgen  (Lehr-  und  Handbnch  der  Qebnrtshiilfe  für 
Hebammen,  Mainz  1848,  S.  198)  eujp6eblt,  die  Lösung  des  ^tf 
Scboossfuge  sanäcbat  gelegenen  Armes  immer  saerst  vorsunehmeD. 


bei  Geborten  mit  nachfeilendem  Kopfe.     .  197 

gestelltem  Tode,  des  Kindes  sich  eines  runden,  stumpfen 
flakens  bedienen,  mit  welchem  man  die  Schulter,  aber  welche 
San  denselben  leitet,  vorerst  kräftig  herabzieht,  und  hierauf 
dpn  Oberarm  erfasst  und  gleichfalls  nach  abwärts  zieht,  wobei 
dieser  in  der  Regel  bricht,  was  aber  bei  todten  Kindern 
nicht  zu  beröcksichtigen  ist,  da  nach  stattgefundenem  Bruche 
die  weitere  Entwiekelung  des  Armes  meist  mit  Leichtigkeit 
eHolg[f* 

HoM  (Lehrbuch  der  Geburtshülfe,  Leipzig  1855,  S.  1037) 
sagt  bei  der  Beschreibung  der  Lösung  des  nach  hinten  liegenden 
Annes:  „Bei  gesenktem  Rumpfe  bringen  wir  Zeige-  und 
WltelOnger,  auch  wohl  die  halbe  rechte  Hand  bei  noch  hoher 
Lage  der  Schulter,  seitlich  an  der  rechten  Schulter  in  die 
Scheide  und  legen  sie  auf  die  Schulterhöhe,  drücken  diese 
soweit  als  möglich  herab  und  gleiten  mit  den  Fingern  am 
Oberarme  zu  dem  Ellenbogengelenk  hin/* 

Unter  den  praktischen  Regeln,  welche  Hohl  (S.  1038) 
in  Bezug  auf  den  Act  des  Armlösens  giebt,  heisst  es:  „Bei 
dem  Herabdrücken  der  Schultern  mit  dem  Zeige-  und  Mittel- 
finger ist  es  nicht  ohne  Bedeutung,  diese  Finger  dem  Halse 
des  Kindes  nicht  zu  nahe  zu  legen,  weil,  wenn  es  geschieht, 
der  Kopf  mehr  als  der  Arm  herabgezogen  wird,  wodurch 
dann  tbeils  die  Erreichung  des  Ellenbogengelenks  schwierig 
Meibt,  theils  und  besonders  die  Leitung  des  Armes  an  dem 
Gesichte  nach  der  andern  Seite  hin  erschwert  wird.  Wir 
können  daher  die  Vorschrift  von  Kiwisch,  die  zwei  Finger 
ober  das  entsprechende  Schulterblatt  bis  über  das  Schlüssel- 
bein zn  fähren,  nicht  richtig  -finden,  sondern  geben  den  Ralb, 
diese  Finger  am  äussersten  Ende  der  Schulterhöhe  aufzusetzen, 
um  nur  den  Arm  herabzuleiten/* 

tf.  Ritgen  hat,  wie  aus  der  Dissertation  von  R.  Weyprecht 
(lieber  Spirale  Auszidiung  des  Kindskörpers,  Giessen  1860) 
hervorgeht,  [in  zwei  Fällen  die  Ausziehung  des  wegen 
Armlage  auf  die  Fasse  gewendeten  Kindes  in  der  gewöhn- 
lichen Weise  nicht  bewerkstelligen  können.  Das  Hindeiiiiss, 
welches  der  Ausziehung  entgegenstand,  lag  beide  Mal  in  einer 
kreisförmigen  Strictur  des  inneren  Muttermundes,  v.  Rügen 
kam,  weil  der  Zug  an  den  unteren  Extremitäten  ganz  er- 
folglos blieb,  auf  den  Gedanken,  durch  schraubenförmige  oder 


t98  •        ^11-    Hütkr^  Zar  Lösong  der  Armq 

Spirale  Beweguogen  den  kindlichen  Körper  aus  der  kreis- 
förmigen Strictur  herauszuwinden.  Die  Extractioo  geJani^ 
beide  Mal  auf  diese  Weise.  Die  besondere  Lösung  der  Arme 
war  dabei  nicht  nöthig,  indem  die  Brust  mit  den  derselben 
anliegenden  Armen  zu  Tage  trat. 

Herr  Geheime-Ratb  v.  Ritgen  hat  die  Güte  gehabt,  mir 
sein  spirales  Drehungsverfahren  für  die  Armentwickelung  bei 
zuletzt  geboren  werdendem  Kopfe  in  der  nachfolgenden  Be- 
schreibung mitzutheilen :  „Die  zuerst  zu  entwickelnde  Schulter 
wird  unter  Umfassung  des  Rumpfes  mit  beiden  Händen  dahin 
gedreht,  wo  der  Bücken  des  Kindes  im  GeburUwege  liegt; 
hierdurch  wendet   sich  das  Gesicht,    sodann    der  Hals   und 
endlich   die  Brust  des  Kindes  unter   den   vom   Geburtswege 
festgehaltenen  Arm,   und   dieser   wird   durch   die  schrauben- 
förmige   Abwärtsbewegung    des   Rumpfes   zugleich    auf   der 
Brust  liegend  abwärts  bewegt     Ist  der  Arm   zu  Tage   ge- 
treten, so  wird  für  die  Entwickelung  des  andern  noch  un- 
geborenen Armes  die  schraubenförmige  Drehung  des  Rumpfes 
in  der  Richtung  vorgenommen,  welche  der  früheren  Drehungs- 
richtong  entgegengesetzt  ist.    Auf  diese  Weise  wird  wiederum 
die  zu  entwickelnde  Schulter  in  die  Gegend  des  Geburlsweges 
bewegt,  an   welcher  sich  der  Rücken  des  Kindes  befindet, 
und  das  Gesicht,  dann  der  Hals  und  endlich  die  Brust  des- 
selben unter  den  vom  Geburtswege  fest  gehaltenen  Arm  ge- 
bracht. Bei  fortgesetzter  schraubenförmiger  Abwärtsbewegung 
des  Rumpfes   tritt  der  Arm   zu  Tage.     Bei  der  sclirauben- 
förmigen  Abwärtsbewegung  des  Rumpfes  für  die  Entwickelung 
des  ersten  Armes  wird  der  zweite  oft  hinter  den  Kopf  ge- 
bracht,   allein   bei   der  entgegengesetzten  schraubenförmigen 
Abwärtsbewegung   des  Rumpfes  für  die  Entwickelung  dieses 
Armes  wird  derselbe  wieder  zur  Seite  des  Kopfes,  zum  Ge- 
sichte, zum  Halse  und  endlich  zur  Brust  des  Kindes  bewegt." 

Dieses  erst  kürzlich  mir  bekannt  gewordene  Verfahren 
in  der  Praxis  zu  versuchen,  habe  ich  noch  nicht  Gelegenheit 
gehabU 

Der  Rath  von  Kilian^  mittels  des  stumpfen  Hakens  die 
hochgelegene  Schulter  herabzubringen,  darf,  wie  Kiwisch 
mit  Recht  hervorhebt,  gewiss  nur  bei  festgestelltem  Tode  des 
Kindes  befolgt  werden.     Nach  meinen  Erfahrungen  kann  das 


bat  Gtfbarten  mit  imokiblgeoddkn  Koi^fe.  199 

geaannte  Inslriuneni  $ehwere   VerktaiMigeii  an  dem  Körpur 
iks  Kindes  henrcMibringen. 

Aas  Verfabreii,  welches  Ro9shirty  Kimseh  und  HoU 
iici  ersebweiter  Lösung  der  hoeliliegenden  Arme  anralheiH 
■inlacb  die  Sdiulter  durch  den  anf  sie  gesetzten  Zeige-  und 
MittriÜBger  herafazudrücken,  ist  erforderlidien  Falles  immer  an- 
nwenden,  fährt  aber  nicht  in  jedem  Falle  ztnn  Ziele.  Wenigstens 
blieb  es  bei  einer  Fa8sgd[>urt,  welche  ich  am  23.  Mai  d.  h 
m  behandeln  hatte,  erfolglos  und  ich  sah  mich  genöthigt, 
nr  Liö6iiog  des  hinten  hoch  gelegenen  rechten  Armes  einen 
Hdodgriff  anzuwenden,  welchen  ich  bis  jetzt  nirgends  be^ 
schrieben  gefunden  habe.  Derselbe  wird  dur^  die  Mittbeilung 
der  betreffenden  Geburtsgeschichle  am  besten  klar  und  ¥er- 
sCäsdlieh  gemacht  werden. 

Frau  JS.,  eine  kräftige  Zweitgesehwängerte,  welche  vor 
drei  Jahren  ihr  erstes  Kind  in  Schädelstellung  natürlich  ge* 
baren  hatte,  fühlte  in  der  Nacht  vom  22.  zu  dem  23.  Mai 
die  ersten  Weben  und  verlor  am  23.  Mai  12  Uhr  Mittags 
da«  Fmeblwasser.  Die  Hebamme  konnte  bei  noch  weni^ 
efföfinetem  Muttermunde  den  hochliegenden  Fruchttheil  nicht 
diagnoeticiren.  Erst  am  Nachmittage  gegen  5  lihr,  als  der 
Muttermand  weiter  geworden  war,  merkte  sie,  dass  der  vor- 
hegende  Fruchttheil  nicht  der  Kopf  sei  und  liess  midi  rufen. 
Un  6  Uhr  fand  ich  bei  der  äusseren  Untersuchung  die  Frucht 
in  der  ersten  Diagonale  der  Gebärmutter.  Rechts  im  Grunde 
derselben  fühlte  ich  einen  grossen  Fruchttheil.  Es  war  nur 
wenig  Fruchtwasser  vorhanden.  Den  Fötalpuls  hörte  ich 
hnks  vom  und  zählte  in  der  Wehenpause  nur  8  Schläge  in 
5  Secuoden.  Während  der  Wehe  sank  die  Zahl  auf  6  bis 
7  Schläge^  hob  sich  aber  in  der  Wehenpause  wieder  auf 
die  vorher  angegebene  Zahl.  Die  Intensität  und  die  Frequenz 
der  Wichen  war  massig. 

Bei  der  inneren  Untersuchung  fand  ich  das  linke  Bein, 
dessen  Fiiss  bereits  die  Schmnspalte  verlassen  hatte,  in  der 
Vagina«  Neben  demselben  lag  eine  Schlinge  der  Nabelschnur, 
an  welcher  ich  dieselbe  Zahl  der  Piilsationen,  welche  ich  bei 
der  Auseultation  gefunden  hatte,  nachweisen  konnte.  Der 
Stciss  mit  dem  ihm  anliegenden  rechten  Fusse,  welcher  rechts 
hinten  gefohlt  wurde,  befand  sich   in  dem   Beekeneingange. 


200  ^11-     HüUr,  Zur  L5siug  der  Arme 

Die  Genitalien  (weiUiche)  lagen  rechts,  das  Strissbein  und 
die  AfteröflTnung  fühlte  ich  links.  Der  untersachende  Finger 
war  mit  Meconium  beschmutzt.  Dieser  Umstand,  die  geringe 
Zahl  der  fötalen  Herzschl&ge  und  das  wiederholte  Zucken  der 
vorliegenden  Extremität  gaben  mir  sichere  Kunde  von  der 
Gefahr,  in  welcher  das  Kind  sich  befand,  und  ich  entschloss 
mich  zu  der  fixtractton,  obwohl  die  Retraction  des  Mutter- 
mundes, von  welchem  noch  ein  schmaler  Saum  zu  fühlen 
war,  noch  nicht  vollkommen  zu  Stande  gekommen  war. 

Widerstand  von  dieser  Seite  war  bei  der  Vornahme  der 
Exlraclion  nicht  vorhanden,  aber  ich  wurde  von  der  Wehen- 
thätigkeit.  so  wenig  begünstigt,  dass  ich  beim  Anziehen  einen 
gehörigen  Grad  von  Kraft  aufwenden  mnsste.     Indessen  ge- 
lang es  mir,  den  Fruchtkörper,  wetoher  wiederholt  zuckende 
Bewegungen  machte,  mit  nach  vom  und  links  gerichietera 
Rücken  so  weit  hervorzuziehen,  dass  die  Herzgegend  an  der 
redilen  Schamlippe  sichtbar  wurde.    Bei  dem  Versuche,  den 
nach  hinten  gelegenen  rechten  Arm  zu  lösen,  drang  ich  mit 
Zeige-  und  Mittelfmger  bis  zur  Schulterhöhe  vor,  konnte  die- 
selben  aber  bei  dem  zu  hohen  Stande  des  Kopfes  nicht  an 
dem  diesem  anliegenden  Oberarme  in  die  Höhe  führen.    Ich 
machte  daher  den  Versuch,  den  nach  vorn  gelegenen  linken 
Arm  mit  meiner  linken  Hand  zu  lösen,  musste  aber  auch 
hiervon  abstehen,   weil  meine  Finger  nicht  weiter  als  bis  zu 
der  linken  Achselhöhle  gelangten.     Unter  diesen  Umstanden 
forderte  ich  die  Gebärende  zum  starken  Mitpressen  auf,  liess 
von  der  Hebamme  die  Gebärmutter  äusserlich  reiben,  während 
ich  durch  einen  kräftigen  nach  abwärts  gerichteten  Zug  an 
den  unteren  Extremitäten  die  Schultern  der  Schamspalte  näher 
zu  bringen  suchte.    Es  gelang  mir  jedoch  nicht,  denn  Zeige- 
und  Hittelfinger  meiner  rechten  Hand  fanden  die  rechte  Schulter 
um  nichts  liefer  stehend.     Ein  Druck,  wehshen  ich  mit  den 
beiden  Fingern  auf  die  Schulterhöhe  einwirken  liess,   blieb 
ebenso  wirkungslos.  Ich  gönnte  nun  meiner  kraftlos  gewordenen 
rechten  Hand  einige  Secunden  lang  Ruhe,   während  welcher 
ich  mit  meiner  linken  Hand  noch  einige  schwache  Pulsationen 
der  Nabelschnur  in  der  Nähe  des  Nabels   wahrnahm.     Dies 
bestimmte  mich,  den  in  mir  aufsteigenden  Gedanken  an  eme 
möglicherweise    günstig    wirkende    Manipulation    alsbald    zu 


bei  Geburten  mit  nnchfolgeodem  Kopfe.  201 

reaüaren.  Ich  ergriTf  mit  meinen  beiden  Händen 
die  Oberschenkel  des  Kindes,  erhob  dieselben  und 
näherte  sie,  während  ich  zugleich  zog  und  den  Zug 
alinälig  verstärkte,  der  Mitte  der  mötterlichen 
Rauchwand.  Ich  erhielt  sie  in  dieser  Stellung  mit  meiner 
finken  Hand  allein,  während  ich  mit  meiner  rechten  unter- 
sodile.  Die  gewünschte  Wirkimg  war  eingetreten.  Die  rechte 
Schulter  stand  tiefer,  das  Ellenbogengelenk  war  för  meinen 
Zeige-  und  Hittelfinger  zugängig  geworden,  und  der  Arm 
konnte  auf  die  gewöhnliche  Weise  gelöst  werden.  Während 
ich  dies  ausführte ,  senkte  ich  den  Fruchtkörper  wieder.  Die 
weilere  Untersuchung  ergab,  dass  der  linke  Arm  über  das 
nach  links  geriehtete  Hinterhaupt  lag.  Mit  meiner  rediten 
Hand,  welche  ich  so  hoch  wie  möglich  einführte,  schob  ich 
densefiien  von  dem  Hinterhaupte  nach  dem  rechten  Scheitel- 
bein, drehte  dann  unter  Umfassung  des  Thorax  mit  beiden 
Händen  den  Rumpf  des  Kindes  um  seine  Längenachse,  dass 
der  linke  Arm  nach  hinten  zu  liegen  kam,  welche  Lagerung 
jedoch  erst  bei  Wiederholung  dieses  Drehens  erzielt  wurde. 
Die  Lösung  des  zweiten  Armes  mit  Zeige-  und  Mittelfinger 
menier  linken  Hand  gelang  dann  leicht.  Die  Extraction  des 
in  das  Becken  getretenen  Kopfes  konnte  ich  ebenso  leicht 
ausfuhren,  indem  ich  meine  rechte  Hand  vom  Rücken  des 
Kindes  her  gabelförmig  über  die  Schultern  legte,  Zeige-  und 
Mittelfinger  meiner  linken  Hand  in  den  nach  hinten  gelegenen 
Mund  des  Kindes  führte,  dieselben  auf  die  beiden  Ränder 
des  Unterkiefers  setzte  und  so  anfangs  abwärts  und  dann 
bogenförmig  nach  aufwärts  zog.  Das  tief  asphyctische  Kind 
wurde  mit  HnKe  der  Katheterisation  der  Trachea  wieder  belebt. 

Die  fünfte  Geburtszeit  und  das  Wochenbett  veriiefen 
normal. 

Einige  Zeit  später  machte  ich  hei  einer  Drittgebärenden 
wegen  Schulterlage  die  Wendung  auf  das  rechte  Knie.  Bei  der 
Frau,  weiche  24  Stunden  vorher  das  Frhchtwasser  verloren 
hatte,  fand  kh  den  Grund  der  Gebärmutter  kaum  über  dem 
Nabel  stehend,  dagegen  zeigte  dieselbe  eine  grosse  Ausdehnung 
nadi  betden  Seiten  hm,  weshalb  es  mir  sehr  wahrscheinlich 
wurde,  dass  das  Kind  mit  seiner  Längenachse  in  querer 
Biditttng   gelagert  war.     In   der  Nähe   des  Nabels  fühlte  ich 


202  Xn.    HMUTj  Zor  Lösnag  der  Arn« 

kleine  Kindsüieile.  Den  FöUlpuis  konote  ich  nirgends  auffiodeo, 
dagegen  borte  ich  an  beiden  Seiten  sehr  lautes  Uteringeräusch. 
Die  Wehenthätigkeit  war  gering. 

Bei  der  inneren  Untersuchung  fand  ich  den  Mutteraiimd 
bis  auf  einen  schmalen  Saum  retrahirt.  Hinter  der  Syiapbyfia 
hing  eine  pulslose  Nabelschnurscblinge  herab.  Die  weitere 
Untersuchung  ergab,  dass  die  rechte  Schulter  in  den  Becken- 
eingaug  herabragle,  der  Röcken  des  Kindes  nach  vorn  lag 
und  somit  der  Kopf  desselben  in  der  linken  Mutterseite  sich 
befand.  Bei  dieser  Schulterlage  führte  ich  meine  Unke  Hand 
vor  der  rechten  Synchondrose  ein,  erreichte  das  rechte  Knie, 
führte  meinen  Zeigefinger  hakenförmig  in  die  Kniekehle,  und, 
als  das  Herabbewegen  des  Knies  nicht  gelang,  fügte  ich  den 
Mittelfinger,  um  den  Zug  zu  verstarken,  hinzu.  Nachdem 
das  Knie  durch  den  Muttermund  hindurch  geführt  war,  streckte 
ich  den  Fuss  in  die  Vagina  herab  und  vollendete  die  Um- 
drehung. Die  Nabelschnurschlinge  trat  bei  dem  Anziehen 
des  Fusses  nicht  mit  herab.  Die  linke  Hand,  welche  die 
Operation  verrichtet  hatte,  war  mit  viel  Meconium  beschmutzt. 

Die  Wehen  wurden  kräftiger,  und  die  Austreibung  des 
Kindes,  dessen  Rucken  nach  rechts  und  etwas  nach  vom 
gerichtet  war,  kam  unter  geringer  Beihülfe  von  meiner  Seite 
bis  zu  den  Schultern  zu  Stande.  Als  das  Kind  bis  au  den 
Nabel  geboren  war,  wurde  die  vorher  gefCäilte  Nabelschnur- 
scblinge an  dem  Böcken  sichtbar.  Vor  der  Geburt  d&r 
Schultern  überzeugte  ich  mich  durch  die  Untersuchung  genau 
von  der  Lage  der  oberen  Extremitäten.  Die  beulen  Arme 
lagen  auf  der  Brust,  die  beiden  Hände  an  der  vorderen  Gegend 
des  Halses.  Die  hintere  Schulter  lag  in  der  AushoUung  des 
Kreuzbeins.  Während  einer  Wehenpause  erfasste  ich  nun 
die  beiden  Oberschenkel  des  Kindes  und  näherte  sie,  indem 
ich  allmälig  etwas  stärker  an  denselben  zog,  der  Mitte  des 
mütterlichen  Leibes.  Mfährend  dieses  Handgriffes  sah  ich, 
dass  die  nach  hinUfu  gelegene  linke  Schulter  mit  dem  linken 
Arme  über  das  Mittelfleisch  zu  Tage  trat*  Es  wurde  nun 
nach  der  bekannten  Methode  der  Rumpf  des  Kindes,  welchen 
ich  vorher  etwas  aufwärts  zu  schieben  versuchte,  so  um  seine 
Längenachse  gedreht,  dass  der  Rücken  des  Kindes  nach  der 
inken  Seite  dei*  Mutter,  und  somit  der  rechte  Arm,  wetcber 


bei  Geburten  mit  nacbfolgoBdem  Kopfe.  20ß 

Usher  vorn  g«degen  hatte,  nach  hinten  zu  liegen  kam.  Durch 
Wiederholung  des  zur  Geburt  der  linken  Schulter  und  des 
linkea  Annes  ausgeführten  Handgriffes,  indem  ich  nämlich 
die  erfassten  Oberschenkel  wiederum  unter  gleichzeitigem 
AnsiebeD  der  Mitte  des  mütterlichen  Leibes  näherte,  trat 
Mcfa  die  rechte  Schulter  mit  dem  rechten  Arme  über  das 
Mittelfleisch  zu  Tage,  ohne  dass  ich  diesen  mit  meinen 
Fingen  zu  berühre  nötbig  hatte.  Der  Kopf  des  todten 
Kindes,  eines  Hädcheifö,  wurde  manuell  extrahirt,  nachdeiu 
mehrere  Wehen  ihn  nicht  hervortreten  Hessen. 

Die  Nachgeburtsperiode  verlief  regelmässig.  Die  Mutter 
blieb  in  dem  Wochenbette  gesund  und  verliess  schon  an  dem 
sechsten  Tage  wieder  das  Bett.  — 

Obgleich  es  nicht  in  meiner  Absicht  lag,  die  Extraction 
des  Kindes  an  den  Schultern  nach  der  Geburt  des  Kopfes 
hier  auch  zu  besprechen,  so  kann  ich  doch  das  Verfahren, 
welches  v,  Ritgen  bei  dieser  Operation  anwendet,  darum  nicht 
unerwähnt  lassen,  weil  es  mit  dem  Handgriffe,  welchen  ich 
zur  Lösung  der  Arme  bei  nachfolgendem  Kopfe  in  den  beiden 
mitgetheilten  Geburtsgeschichten  als  neu  beschrieben  habe, 
grosse  Aehnlichkeit  hat.  v.  Rügen  legt  nämUch  auf  ein 
sorgfaltiges  Durchführen  der  Schultern  durch  die  Schamspalte 
sehr  viel  Werth,  weil  er  mit  Recht  der  Ansicht  ist,  dass  die 
Gefahr  des  Entstehens  eines  Dammrisses  viel  grösser  beim 
Durchtritte  der  Schultern  als  bei  der  Geburt  des  voran- 
gegangenen Kopfes  ist  Hat  dieser  nur  den  Einriss  des 
Frenulums  bewirkt,  so  können  die  Schultern  bei  ihrem  Durch- 
tritte eine  von  dem  zerrissenen  Frenulum  ausgebende  grössere 
Ruptur  des  Hittelfleisches  veranlassen,  v.  Ritgen  (Lehr-  und 
Handbuch  der  Geburtshülfe  für  Hebammen,  Mainz  1848,  S.  124) 
will  daher  zum  Zwecke  des  Dammschutzes  den  Zeigefinger 
nur  in  die  Achselgrube  einhaken,  welche  der  Schoossfuge 
zugewendet  ist,  und  beim  Anziehen  die  ^andere  Schulter  am 
Mittelfleische  durch  die  andere  Hand  zurückhalten  lassen, 
damit  nicht  beide  Schultern  zugleich  durchtreten. 

Wenn  die  vorstehende  Achselgrube  aber  noch  hoch  steht 
und  darum  nicht  zu  erreichen  ist,  so  macht  v,  Ritgen, 
um  dieselbe  zu  senken,  hebelartige  Bewegungen  an  dem 
geborenen   Kopfe.     Er  legt  zuerst  die   flache  Hand   auf  die 


204  XII.    Hüter,  Zar  Lösnng  der  Arme 

nach  oben  und  vorn  gerichtete  Seitenfläche  des  KopFes  and 
drückt  diesen  bei  Seitenlage  der  Kreissenden,  deren  Kniee 
nahe  an  den  Bauch  angezogen,  aber  mittels  eines  zwischen- 
geschobenen runden  Polsters  von  einander  entfernt  sind,  so 
gegen  die  Aussengegend  des  Steiss-  und  Kreuzbeins,  dass 
an  dieselbe  die  andere  Seitenfläche  des  Kopfes  angedrückt 
wird.  Hierauf  wird  dem  Kopfe  die  entgegengesetzte  Bewegung 
gegeben.  Der  Kopf  wird  nämlich  wieder  freigelassen,  die 
andere  flache  Hand  an  die  Seitenfläche  des  Kopfes,  welche 
an  die  äussere  Gegend  des  Steiss-  und  Kreuzbeins  angedruckt 
gewesen  war,  angelegt  und  mit  derselben  der  Kopf  so  bewegt 
dass  die  andere  Seitenfläche  des  Kopfes  aussen  an  die  Gegend 
des  Schoossbergs  gedrückt  wird.  Diese  zwei  entgegengesetzten 
Bewegungen  des  Kopfes  werden  abwechselnd  so  oft  wieder- 
holt, bis  die  Schultern  tief  genug  getreten  sind,  um  in  die 
Achselgrube  an  der  Schoossfuge  mit  dem  Finger  leicht  ein- 
dringen zu  können. 

Die  Bewegungen,  welche  demnach  v,  Rügen  an  dem 
geborenen  Kopfe  ausführt,  sollen  denselben  Erfolg  erzielen, 
wie  die  Bewegungen,  welche  ich  in  den  beiden  mitgetheiiten 
GeburtsfäUen  an  dem  geborenem  Rumpfe  ausgefühi't  habe. 
Es  soll  nämlich  eine  Schulter  gesenkt  werden.  Die  Ver- 
schiedenheit zwischen  beiden  besteht  nur  darin,  dass  v,  Ritgen 
durch  den  auf  den  geborenen  Kopf  einwirkenden  nach  ab- 
wärts gerichteten  Druck  die  vornstehende  Schulter  zu  senken 
beabsichtigt,  ich  dagegen  durch  das  Erheben  des  geborenen 
Rumpfes  nach  aufwärts  'die  nach  hinten  gelegene  Schulter 
zu  senken  suche. 

Der  Vollständigkeit  wegen  habe  ich  noch  hinzuzuftigen, 
dass  V.  Ritgen  bei  sehr  engem  Scheideneingange  das  Ein- 
haken in  die  Achselgrube  verbietet,  dagegen  die  flache  Hand 
über  den  Rucken  des  Kindes  einführt  und  mit  derselben  den 
der  Schoossfuge  zugewendeten  Arm  über  die  Brust  des  Kindes 
herausfuhrt.  Nachdem  so  der  Arm  geboren  ist,  fasst  er  den 
Oberarm  und  zieht  ihn  gegen  den  Nabel  der  Mutter  aufwärts, 
während  die  andere  Schulter,  durch  die  an  das  Mittelfleisch 
gelegte  andere  Hand  am  zu  raschen  Hervortreten  gehindert  wird. 

Betrachtet  man  den  in  den  beiden  mitgetheiiten  Geburts- 
geschichten   beschriebenen  neuen  Handgriff,   namftcli  das  Be- 


bei  Geburten  mit  naobfolgeDdem  Kopfe.  205 

wegen  der  beiden  OberscbeBkel  unter  gleichzeitig  an  denselben 
aogebrachteni  Zuge  nach  der  Hitle  des  mutterlichen  Leibes 
hiD,  genauer,  so  erscheint  als  die  wesentlichste  Wirkung 
hierron,  dass  der  kindliche  Körper  an  der  vornstehenden 
Schuller  um  ein  Hypomochlion ,  welches  der  untere  Rand  der 
Symphyse  darbietet,  gedreht  wird,  während  der  geborene  Rumpf 
mit  seiner  Längenachse  sich  in  der  Fortsetzung  der  Führungs- 
linie des  Beckens  befindet.  Die  unausbleibliche  Folge  hiervon 
ist,  dass  die  hintenstehende  Schulter  nach  dem  Mittelileische 
hiD  tiefertretefi  rouss.  Liegen  die  beiden  Arme  des  Kindes 
auf  der  Brust,  was  bekanntlich  die  vortheilhafteste  Lagerung 
zor  Lösung  der  Arme  bei  Geburten  mit  nachfolgendem  Kopfe 
ist,  und  ist  die  hintengelegene  Schulter  in  die  Beckenliöhle 
harabgelangt,  so  tritt  dieselbe  mit  dem  ihr  zugehörigen  Arme 
unter  der  Anwendung  des  beschiiebenen  Handgi'iifs,  wie  wir 
in  der  zweiten  Geburtsgescbichte  gesehen  haben,  zu  Tage, 
ohne  dass  man  nöthig  hat,  den  Arm  mit  den  Fingern  aus 
den  Geschlech istheilen  herauszufuhren. 

£s  lag  mir  nach  diesem  Erfolge  der  Gedanke  nahe ,  durch 
Senken  und  Ziehen  des  kindlichen  Körpers  nach  hinten  und 
abwärts  auch  die  vom  hinter  der  Symphyse  stehende  Schulter 
mit  dem  zugehörigen  Arme,  wenn  dieser  der  Brust  anliegt,  zu 
Tage  zu  fordern.  An  dem  Phantome  habe  ich  dies  wiederholt 
ausgeführt,  niuss  aber  von  der  Ausführung  dieses  Verfahrens 
in  der  Praxis  darum  dringend  abrathen,  weil  bei  dem  Senken 
und  Ziehen  des  kindlichen  Körpers  nach  hinten  und  abwärts 
die  Gefahr,  einen  Dammriss  zu  erzeugen,  zu  gross  ist.  Die 
nach  vorn  stehende  Schulter  muss  daher,  will  man  auch  zu 
ihrem  Austritte  das  neue  Verfahren  in  Anwendung  bringen, 
ebenfaOs  an  dem  Mittelfleische  hervortreten.  Es  ist  deshalb 
nach  der  bekannten  Methode  der-  Rumpf  des  Kindes,  nachdem 
man  ihn  vorher  etwas  aufwärts  zu  schieben  versucht  hat,  so 
um  seine  Längenachse  zu  bewegen,  dass  die  hinter  der  Symphyse 
gelegene  Schalter  nach  hinten  und  der  bereits  geborene  Arm 
nach  vom  zu  liegen  kommL  Ist  diese  Lagerung  herbeigeföhi*t 
worden,  so  findet  die  Wiederholung  des  Handgriffs  statt.  Ukt 
gefassien  Oberschenkel  werden  unter  allraaUg  verstärktem  Zuge 
wieder  dem  niätterlicben  I^eib  genähert,  und  die  zweite  Schulter 
mit  dem  ihr  zagehörigen  Arme  tritt  an  dem  Mittelfleische  zu 


206  Xn.    Emer,  Zar  Ldsnns  der  Arme 

Tage.  Wiederholte  Versuche  an  dem  Phantome,  bei  welchen 
ich  den  beiden  Armen  der  Kindesleidie  die  Lagerung  auf  der 
Brost  gab,  und  die  als  zweite  oben  mitgelheilte  Geburts- 
geschichte constatiren  vollkommen  die  Thatsache,  dass  der 
Austritt  der  beiden  Schultern  und  der  Arme  aus  den  mütter- 
lichen Geschlechtstheilen  durch  den  beschriebenen  HandgrilT 
erzielt  wird,  ohne  dass  man  die  letzteren  mit  den  Fingern 
hervorzuleiten  nöthig  hat  Ich  will  jedoch  hierbei  zu  bemerken 
nicht  unterlassen,  dass  bei  den  Versuchen  an  dem  Phantonne 
zuweilen  eine  Hand  beim  Hervortreten  der  Schulter  und  des 
Armes  an  einer  Schamlippe  hängenblieb  und  von  derselben 
entfernt  werden  musste. 

Die  weiteren  Erfahrungen  in  Betreff  des  neuen  Handgriffes 
habe  ich  bis  jetzt  ausschliesslich  an  dem  Phantome  gemacht, 
halte  sie  aber  der  Veröffentlichung  werth,  um  durch  die 
Mittheilung  der  überaus  gönstigen  Resultate  dem  neuen 
operativen  Verfahren  bei  meinen  Herren  Collegen  Eingang 
zu  verschaffen. 

Wenn  ich  den  Kopf  der  stark  entwickelten  Kindesleiche 
mit  seitwärts  oder  hinten  und  seitwärts  befindlichem  Gesichte 
oberhalb  des  Beckeneinganges  stehen  und  die  beiden  Arme 
an  den  Seiten  des  Kopfes  in  die  Höhe  geschlagen  liess,  so 
dass  mein  Zeige-  und  Mittelfinger  das  Eilenbogengelenk  des 
nach  hinten  gelegenen  Armes  nicht  erreichen  konnte,  so 
brachte  das  Emporheben  der  Oberschenkel  unter  gleichzeitigem, 
allmälig  verstärktem  Anziehen  derselben  die  hintengelegene 
Schulter  mit  dem  Arme  so  tief  herab,  dass  das  Eilenbogen- 
gelenk zugängig,  und  die  Lösung  dieses  Armes  auf  die 
gewöhnliche  Weise  leicht  ausgeführt  wurde.  Es  wurde  nun 
der  Körper  des  Kindes  etwas  aufwärts  geschoben  und  dann 
so  um  seine  Längenachse  gedreht,  dass  der  hinter  der  Symphyse 
liegende  Arm  nach  hinten  zu  liegen  kam,  und  der  bereits 
gelöste  Arm  nach  vorn  trat.  Die  Wiederholung  des  Hand- 
griffes brachte  dann  den  Ellenbogen  des  zweiten  Armes  so 
tief  herab,  dass  dieser  ebenfalls  mit  Leichtigkeit  Aber  dem 
Mittelfleische  hervorgeführt  werden  konnte. 

Wenn  ich  den  Kopf  mit  dem  Gesichte  seitwärts  nnd  mit 
den  beiden  an  des  ersteren  Seitenflächen  emporgescblagenen 
Armen  tief  in  das  Becken  eintreten  Hess,  und  hierdurch  d«^ 


bei  Geborten  mit  siaohfo1g(ind«in  Kopfe.  207 

Erreieben  des  Ellenbogengelenkeg  sowohl  des  hinten  als  des 
Toni  gelegeoen  Armes  sehr  erschwert  war,  so  brachte  dei* 
beschriebene  Handgriff  das  hinten  gelegene  EiJenbogengelenk 
S0  tief  herab,  dass  der  Arm  leicht  gelöst  werden  konnte. 
Auch  die  Lösung  des  vorn  gelegenen  Armes  wurde  auf  die 
rorher  erwähnte  Weise  vorgenommen.  Hierbei  will  ich  eus- 
drücUich  darauf  aufmerksam  machen,  dass  man,  wenn  man 
anfingt,  die  gefassten  Obersehenkel  des  Kindes  aufwärts  zu 
führen,  nicht  zugleich  stark  anziehen  darf.  Thut  man  es 
dennoch,  so  zieht  man  den  Kopf  gleichzeitig  mit  der  hinten 
stehenden  Schulter  herab,  und  die  Schwierigkeit,  das  Ellen- 
bogengelenk zu  erreichen,  ist  nicht  gehoben.  Der  Kopf  soll 
vielmehr  in  seiner  Stellung  bleiben,  und  nur  die  Schuller  mit 
dem  Anne  soll  tiefer  geführt  werden.  Es  wird  dies  erzielt, 
wenn  der  Zug  an  den  erfassten  Oberschenkeln  anfangs  gering 
ist  und  erst  dann  verstärkt  wird,  wenn  diese  schon  eine 
Strecke  weit  aufwärts  fortgeführt  sind. 

Man  Uest  in  manchen  Büchern,  dass  bei  nach  hinten 
gerichtetem  Gesichte  des  zuletzt  kommenden  Kopfes  die  rechte 
Schalter  Knks  seitwärts  und  die  linke  Schulter  rechts  seitwärts 
im  Becken  sich  befindet.  Es  ist  dies  jedoch  nach  meinen 
bisherigen  Erfahrungen  nicht  der  Fall,  die  genaue  Unter- 
suchung l<^irte  mich  vielmehr  stets,  dass  die  eine  Schulter 
inmier  etwas  nach  hinten  und  die  andere  etwas  nach  vom 
gerichtet  war.  Hat  man  die  Diagnose  gesteiU,  dass  die 
rechte  Schulter  etwas  nach  hinten  gewendet  ist,  so  wird  man 
die  Obersd^enkel  bei  der  Vornahme  des  Handgriffes  so  fassen 
und  nach  oben  fähren,  dass  ihre  Vorderfläche  nach  der  rechten 
Seite  der  Mutter  sieht.  Ist  die  linke  SchuHer  diejenige,  welobe 
hinten  heräbgeMtet  werden  soll,  so  mass  die  VorderOäcbe 
der  aufwärts  zu  föbrenden  Oberschenkd  nach  der  hnken 
Mtttterseite  gerichtet  sein. 

Ist  das  ungünstige  Ereigm'ss,  dass  bei  der  Vornahme 
der  Lüsong  der  Arme  die  Vorderfläche  des  Kindes  nach  vorn 
gerichtet  ist,  nicht  abzuwenden  gewesen,  so  ist  bekanntlich 
dieser  Act  durch  die  angegebene  Lagerung  sehr  erschwert. 
Bne  der  Schultern  wird  immer  etwas  mehr  nach  hinten  ge« 
richtet  sein,  als  die  andere,  und  man  hat  daher  sein  Augen- 
merk darauf  zu   richten,  zunächst  jene  so  weit  wie  möglich^ 


208  XII.    Hmer,  Zar  Ldsang  der  Arme 

berabtreten  zu  lassen,  um  die  Lösung  des  betreffenden  Armes 
zu  erleicbtern.  Es  ist  mir  dies  an  dem  Phantome  durch  den 
beschriebenen  Handgriff  so  gelungen,  dass  der  Arm  der  sehr 
starken  Kindesleiche  mit  der  grössten  Leichtigkeit  über  die 
vom  gelegene  Brust  herab  bewegt  werden  konnte,  mochte 
derselbe  vorher  schon  an  der  Brust,  oder  an  dem  Halse, 
oder  an  der  Seitenfläche  des  Kopfes  gelegen  haben.  Die 
Lösung  des  anderen  Armes  gelang,  wenn  ich  denselben  durch 
Drehen  des  kindlichen  Rumpfes  nach  hinten  geführt  hatte, 
ebenfalls  leicht  unter  Beihölfe  des  bekannten  Handgriffes. 

Ohne   auf  die   von   Levret,   Oslander,  Kutan,  Hohl 
und  anderen  zur  Lösung  der    über  den  Nacken   gekreuzten 
Arme  gegebenen  Vorschriften,  welche  ich  als  bekannt  voraus- 
setze ,  näher  einzugehen ,  will  ich  mich  nur  darauf  beschränken 
anzugeben,   welche    gunstige    Wirkung    unser   Handgriff   bei 
dieser  zuletzt  genannten  Lagerung  der  Anne  an  dem  Phantome 
hervorgebracht  hat.     Die  nach  hinten  gelegene  Schulter  konnte 
mittels  desselben  so  tief  gesenkt,  und  dadiu*ch  der  Ober-  und 
Unterarm   eine   solche   Strecke  lang  an  dem  Nacken   vorbei 
bewegt  werden,  dass  das  Ellenbogengelenk  für  den  die  Lösung 
ausfuhrenden   Zeige-  und  Mittelfinger  zugängig    wurde,    und 
diese   somit  bewerkstelligt  werden  konnte.     Der  Erfolg  war 
derselbe,   mochte   ich   den   Arm   der  nach  hinten  gelegenen 
Schulter  zwischen  den  Nacken  des  Kindes  und  den  anderen 
Arm  oder  zwischen  diesen  und  die  Beckenwand  gelegt  haben. 
Ich  drehte  nun  den  Rumpf  des  Kindes  so  um  seine  Längen- 
achse,  dass  die  bisher  vorn  gelegene  Schulter  nach  hinten 
zu   liegen  kam,   wobei  der  betreffende  Arm   seine   Lagerung 
an  dem  Nacken  des  Kindes  beibehielt    Der  nun  in  Anwendung 
gezogene  bekannte  Handgriff  hatte  den  günstigen  Erfolg,  dass 
die  Schulter  an  dem  Mittelfleische,  der  Oberarm  an  der  einen 
Schamlippe  sichtbar  und  der  Unterarm   mit  der  Hand  unter 
der  Symphyse  frei  wurde.     Wiederholte  Versuche,  bei  denen 
ich  durchaus  nicht  viel  Kraft  während  de^  Ziehens  anwendete, 
haben  mich   von  dieser  günstigen  Wirkung   und  der  leichten 
Ausführbarkeit    des    beschriebenen     Verfahrens     hinlänglich 
überzeugt. 

Wenn  es  mir  nun  zu  zeigen  gelungen  ist,  dass  bei  der 
verschiedenen  Lagerung  der  Arme,  mag  dieselbe  eine  günstige 


bei  Geborten  mit  oachfolgendem  Kopfe.  209 

ungteslige  sein,  der  beschi'iel)ene  neue  Handgriff  deA 
entschiedensten  Vortheü  zur  Heransbefordeitmg  der  Arme 
gewlhrt,  so  halte  ich  mich  für  berechtigt,  den  Vorschlag  zu 
BMdieD,  den  Handgriff  stets  in  Anwendung  zu  bringen,  wenn 
es  sich  am  den  Act  des  Armlösens  handelt  Denn  liegen 
die  Arme  auf  der  Brust,  so  treten  sie  unter  Anwendung  des 
Handgriffes  zu  Tage,  ohne  dass  man  sie  zu  berubren  nötbig 
bat  Haben  die  Arme  diese  Lagerung  nicht,  so  werden 
wenigstens  durch  den  Handgriff  die  Schultern  und  dadurch 
auch  die  Ellenbogen  so  gesenkt,  dass  die  Lösung  der  Arme 
auf  die  gewohnliche  Weise  hierdurch  sehr  bedeutend  erleichtert 
wird.  Einen  Nachtheil  bringt  somit  der  richtig  ausgeführte 
Handgriff  niemals,  die  Arme  mögen  jede  beliebige  Lage  ein- 
nehmen. Nur  wenn  der  Handgriff  in  der  Weise  ungeschickt 
ausgeführt  wird,  dass  der  Zug  bei  dem  Aufwärtsfuhren  der 
Oberschenkel  zu  früh  verstärkt  wird,  so  kann  der  bereits 
erwähnte  Nachtheil  entstehen,  dass  man  den  Kopf  zugleich 
mit  der  hintenstehenden  Schuller  herabzieht.  Dies  wird  jedoch 
Termieden,  sobald  der  Zug  erst  dann  verstärkt  wird,  wenn 
man  mit  den  gefassten  Oberschenkeln  wenigstens  ein  Vieribeil 
fliner  Kreisbewegung  beschrieben  Hat. 

Zu  Gunsten  des  neuen  Handgriffes  habe  ich  noch  Folgendes 
aKoffihren?  Sehr  häufig  habe  ich  bei  Erstgebärenden,  welche 
das  Kind  in  Beckenendlage  geboren,  Dammrisse  entst<^hen 
aehen,  trotzdem  ich  mit  dem  allergrössten  Fleisse,  ja  sogar 
mit  Hölfe  der  Episiotomie  auf  die  Erhaltung  des  Mittelßeisches 
bedacht  war.  Der  Dammriss  kam  niemals  bei  dem  Durchtritte 
des  Steisses,  sondern  erst  bei  dem  der  Schultern  zu  Stande. 
Derselbe  wäre  mit  WahrseheinHchkeil  gar  nicht  eingetreten, 
bitte  wenigstens  keine  grosse  Ausdehnung  erlangt,  wenn  der 
Austritt  der  Schultern  natürlich  gewesen  wäre.  Wenn  man 
aber  zur  Lösung  der  Arme  abwechselnd  bald  die  eine  bald 
die  andere  halbe  Hand  neben  dem  Thorax  des  Kindes  in  die 
Vagina  einzuftthren  und  noch  dazu  mit  der  Hand  ausgedehnte 
Manipulationen  anzustellen  hat,  so  ist  zur  Entstehung  eines 
Dammrisses  Grund  genug  vorhanden.  In  dem  neuen  Hand- 
griff kann  ich  nun  mit  der  vollkommensten  Ueberzeugung  ein 
Mittel  empfeMen,   welches,  wenn   die   Arme  des  Kindes  an 

MoiiatMebr.  f.  Oebaruk    1868.    Bd.XXI.,  Ilft.  S.  14 


210     XIII.    Heeker,  Ucber  einen  Fall  von  acuter,  g^elber 


der  Brust  anliegen,  die  Manipulationen  ganz  unndihig  inacbt 
und  diese  sehr  erleichtert  und  abkürzt,  wenn  die  Arme  eine 
andere  Lagerung  hahen. 

Möge  sich  der  neue  Handgriff  in  der  Praxis  tächtig  be- 
währen und  mit  Erfolg  zur  Erhaltung  des  Lebens  vieler 
Kinder  in  Anwendung  gebracht  werden! 


XIII. 

üeber  einen  Fall  von  acuter,  gelber  Leber atrophie 

bei  einer  Schwangeren. 

Von 

C.  Hecker. 

Es  bietet  sich,  selbst  bei  einem  grossen  Material,  die 
Gelegenheit,  die  genannte  Krankheit  zu  beobachten,  so  flberaus 
selten,  dass  es  noch  immer  gerechtfertigt  erscheint,  den 
einxekien  bierhergehörigen  Fall  sorgfaltig  zu  beschreiben.  Mii 
dem  Folgenden  soll  dies  so  weit  wie  möglich  geschehen ,  doch 
muss  gleich  bemerkt  werden,  dass  er  in  der  geburtshfilf lieben 
Polikliuik  vorkam,  wo  die  Umstände,  wie  so  oft,  eine  ganz 
correcte  und  in's  Detail  gebende  Erforschung  des  Krankheit«* 
processes  nicht  gestatteten. 

Am  7.  August  1862  Morgens  1  Uhr  wurde  die  HiUfe 
der  geburtshulflichen  Poliklinik  zu  einer  acbtundzwanagjäbrigen 
Köchin  requirirt,  welche,  allein  in  der  Wohnung  ihrer  ab- 
wesenden Herrschaft,  am  5.,  etwa  36  Stunden  vorher, .  unter 
lieftigen  Erscheinungen  erkrankt  sein  sollte.  Erkundigimgen 
ergaben,  dass  diese  Symptome  besonders  in  Diarrhoe,  Kopfweli 
und  grossem  Durst  bestanden,  und  dass  die  herbeigerufeneii 
Verwandten,  von  der  Plötzlichkeit  derselben  überrascht,  den 
Verdacht  ausgesprochen  hätten,  Patientin  sei  durch  den  an 
Hittage  des  5.  erfolgten  Genuss  einer  grossen  Portion  Sebwäaime 
vergiftet  worden;  im  Laufe  des  6.  hatte  sich  Erbrechen  und 


Leberatrophie  bei  einer  Scbwangereo.  211 

Sehoierzhaftigkeit  des  Unterleibes  hinzugeselit,  diese  letztere 
sei  TOD  der  Kranken,  die  im  sechsten  Monate  ihrer  zweiten 
Schwangerschaft  sich  befand,  als  beginnende  Wehenthätigkeit 
w^efasst  worden  und  V.eranlassung  gewesen,  geburtshulflichen 
Rith  in  Ansprach  zu  nehmen.  Man  brachte  weiterhin  noch 
heraus,  dass  die  Kranke  in  ihrer  Kindheit  gesund  gewesen 
sei,  Yor  zehn  Jahren  den  Typhus  und  vor  acht  Jahren  die 
Cholera  ohne  weiteren  Nachtheii  durchgemacht  habe;  vor  fünf 
Jahren  sei  sie  mit  einem  lebenden  Kinde  leicht  und  ohne 
lonsthnlfe  niedergekommen;  im  Verlaufe  der  jetzigen  Schwanger- 
schaft endlich  habe  sie  nie  über  Unwohlsein  geklagt. 

Auf  den   ersten  Blick  bot  die  Patientin  das  Bild  einer 
acuten,  schweren  Erkrankung  dar:  am  meisten  fiel  die  enorme 
Schmerzbaftigkeit  der  Oberbanchgegend  bei  der  leisesten  Be- 
rührung   auf    bei    vollständig    fehlendem    Meteorismus    und 
normalen   Ergd)nissen   der  Percussion,   in   Bezug   auf  Leber 
imd  Magen;    es    zeigte    sich    auch    sehr   bald,    dass    dieses 
Symptom  nicht  von  einer  abnormen  Betheiiiguiig  der  Bauch- 
decken an  einem  etwa  vor  sich  gehenden  Gebäracte  herrühren 
konnte,   denn  der  mit  seinem  Grunde  etwas  über  den  Nabel 
reichende,  und  wie  es  schien,  mit  einem  normalen,  dem  Anfange 
des  siebenten  Mondsmonates  entsprechenden  lebenden  Kinde 
erfüllte  Uterus  liess   keine  Znsammenziehungen   wahrnehmen, 
and  bei  der  Inneren  Untersuchung  fand  man  wohl  den  äusseren 
Nuttermund   geöffnet,   aber   den   inneren   völlig  geschlossen; 
man  hatte  demnach  eine  Schwangere,   aber  keine  Kreissende 
vor  sieb.*    Neben   den   Schmerzen   in   der  Regio   epigastrica 
klagte  die  Kranke  auch  über  solche  in  der  Lendengegend ;  sie 
zeigte  sich  daselbst  auf  tiefen  Druck  empfindlich ;  der  gelassene 
Drin   konnte  nicht  untersucht  werdea    Zur  Zeit  der  ersten 
Beobachtung  waren  Erbrechen   und  Durchfall  verschwunden, 
letzterer    schon    seit   dem   Morgen   des   6.   nicht   mehr  ein- 
getreten; dagegen  klagte  Patientin  über  ganz  ungewöhnlichen 
Durst,    hatte   eine   trockene  Zunge,   schmerzhaften  Gesichts- 
aaadruck,  grosse  Unruhe,  heisse  Haut  und   einen  Puls   von 
circa    112  Schlägen;   das  Bewusstsein   war  ungetrübt.     Eine 
symptomatisehe  Therapie   führte    keine  Veränderung    herbei, 
im   Gegentheil    hatten    die    Krankheitserscheinungen    9   Uhr 
Morgens,   also  nach   acht  Stunden,   an  Intensität   bedeutend 


212      XIII.    Becker,  lieber  einen  Fall  von  acuter,  gelber 

• 

zugenommen,  es  war  abundantes  Erbrechen  einer  cfaocolade- 
farhenen,  mit  einzelnen  Speiseresten  untermischten  Flüssigkeit 
erfolgt,    die   Physiognomie   war  noch   ängstlicher  geworden, 
und    die   Scbmerzhaftigkeit   des  Unterleibes    hatte   sich    über 
grössere  Abschnitte  desselben  verbreitet.    Dazu  bemerkte  man 
deutlich   eine    gelblichfahle  Verfärbung  der  Haut,    einen    be- 
ginnenden Icterus,  der  im  Laufe  des  Tages  immer  deutlicher 
hervortrat,  sich  aber  auf  die  obere  Körperhälfte  beschränkte. 
Hit    der    intensiven  Verfärbung    der   Haut   wurde    auch    das 
Gehirn   afficirt;   die   grosse  Unruhe   der  Patientin   ging   über 
in   blande  Delirien,   der  Verfall   der  Kräfte   nahm    noch  nach 
mehnnaliger  Wiederholung   des   Erbrechens   in  rapider   Pro- 
gression  zu,   der  Puls   wurde   unzählbar  frequent  und   klein, 
die  Extremitäten  kühl,   Coma   entwickelte   sich  und  der  Tod 
trat   den  8.   Morgens  3  Uhr,   also  etwa  62  Stunden   nach 
dem  Beginne  der  Krankheit  ein;   von  einer  kunstlichen  Ent- 
bindung  in   der   Agone   oder  gleich   nach   dem   Tode    nahm 
man  Abstand,  weil  die  Frucht  als  nicht  lebensfähig  betrachtet 
werden  musste. 

Die   Section    wurde    28   Stunden   nach   dem  Tode    vor- 
genommen.    Bei  Betrach  tung  der  Leiche  fiel  noch  mehr,    als 
im  Leben,  auf,   wie  die   icterische  Färbung  hauptsächlich  das 
Gesicht  und    die   obere    Körperhälfte   einnahm,    während   die 
unteren  Partieen   ein   schmutzig- weisses   durch  viele  Todten- 
flecke  unterbrochenes  Colorit  zeigten.    Von  den  Organen  der 
Brusthöhle  fanden  sich  die  Lungen  ganz  normal,  nur  auf  dei* 
Oberfläche   stark   pigmentirt,    die  Bronchien  enthielten  etwas 
schaumige    Flüssigkeit;     im    Gegensatze    zu    diesem    Befunde 
erschien  das  Herz  ganz    ungewöhnlich  schlaff,  von  entschieden 
gelbrother  Farbe,  an  se  in  er  Oberfläche,  namentlich  am  Ursprünge 
der  grossen   Gefasse    mit   vielen   punktförmigen   Ecchymoseo 
besetzt   und   vollkommen     blutleer;   auch  die  grossen  Gewisse 
enthielten  sehr  weniges    flüssiges  Blut;  das  Endocardium  war 
icterisch    gefärbt,    der    Klappenapparat   normal.     Bei   mikro- 
skopischer  Untersuchung    sah    man    die    Muskelprimitiv- 
bündel    des    Herzen  s    in    vorgeschrittener    fettiger 
Degeneration;    man    konnte  keine  Spur  von  Querstreifung 
mehr  erkenneu  ,    sondern   beobachtete  nur  mit  Fettmolecfilen 
rTrilltp  Röhren.    Die  Leber  erscJiii'n  nicht  verkleinert,  sondern 


Leberatrophie  bei  einer  Schwangeren.  213 

ragtf  in  normaler  Weise   unter  den  falschen  Rippen   hervor, 
war   aber  von   intensiv    ockergelber  Farbe;   herausgenommen 
zeigte   sie   eine  Weite   von   27  Centinieter   und   ein   Gewicht 
Ton   1870  Grammes;  ihr  linker  Lappen   war  16  Centiroeter 
lang  und  4  Centimeter  dick,   der  rechte  maass  in  der  Höhe 
21  Centimeter,  in   der  Dicke  8  Centimeter.     Die  Gallenblase 
war   zusammengefallen    und   enthielt   eine   geringe   Quantität 
einer   braunen,    dönnflössigen    Galle.      Der    Ductus    cysticus 
und  choledochus  waren  durchgängig.     Auf  dem  Durchschnitte 
erkannte    man    an    dem    Leberparenchym    keine    Läppchen- 
zdchmmg,  es  quoll  vielmehr  ein  gelblicher  Brei  hervor,  welcher 
anter   dem   Mikroskope   sich   wie   Milch   verhielt;    das  ganze 
Gesichtsfeld  war  mit  FettkOgelchen  der  verschiedensten  Grösse 
bedeckt,    zwischen    denen   einzelne   noch   intacte,    aber  mit 
Fettkörpereben    vollgepfropfte,    sich    daher    wie    Colostrum- 
körperchen    verhaltende   Leberzellen    bemerkt    wurden.     Die 
Milz   war  in  ihrem  Volumen  durchaus  nicht  verändert, 
soodem   von   normaler  Grösse,   ihre  Kapsel   glatt  anliegend, 
das    Parench]iii    von    dunkelbraunrother   Farbe   und    massig 
weicher  Gonsistenz.     Die  Nieren  befanden  sich  im  zweiten 
Stadium     der    parenchymatösen     Entzündung,     das 
Gewicht  jeder  einzelnen  betrug  190'  Grammes,   die  Rinden- 
substanz   zeigte   sich    gelblich   entfärbt,    aber  von   normaler 
Breite,   die  Epithelien   der  gewundenen   und   geraden  Harn- 
canälchen  ganz  mit  Fettmolecülen  erfnUt.    Der  Uterus  wurde 
sammt   Scheide   und   äusseren  Geschlechtstheilen   der  Leiche 
entnommen,   um   fär  den  Unterricht   aufbewahrt  zu  werden; 
ohne  die  genannten  Anhänge  aber  mit  seinem  ganzen  Inhalte 
(Kind,  Placenta,  Fruchtwasser)  wog  er  3600  Grammes  oder 
7,2  Pfbnd   Zollgewicht,    seine  Länge   vom   Grunde   bis   zum 
äusseren  Muttermunde  betrug  28  Centimeter,  seine  Breite  an 
den  Tubenmündonge»   22   Centimeter;    an    der  Vorderfläche 
vorsichtig  aufgeschnitten  zeigte  er  Wandungen  von  1  Centi- 
meter Dicke,   nach  deren  Durchtrennung  man  in  der  ganzen 
Schnittlinie  nur  Placentarparenchym  wahrnahm,  so  dass  dieses 
Organ   bei   einer  etwaigen  Sectio  caesarea   umfänglich   hätte 
getroffen   werden   müssen.     Das   Kind,   ober   welches   nichts 
Näheres  ausgesagt  werden  kann,  weil  es  in  seiner  Lage,  von 
den  Eihäuten    überkleidet,    gelassen   wurde,    befand    sich    in 


214      XIII.    Hecker t  Ueber  einen  Fall  von  acnter,  gelber 

erster  Sdieitellage  in  der  GebärmutterboUe,  der  äussere  und 
inaere  Muttermund  waren  etwa  einen  Zoll  weit  geöffnet, 
durcb  diese  hindurch  der  Kopf,  vor  demselben  die  Frucht- 
blase deuliich  fühlbar.  Das  Corpus  luteum  fand  sich  im 
rechten  Eierstock,  war  schwefelgelb  und  hatte  eine  sehr  ge- 
zahnte, fettige  Peripherie.  Die  Harnblase  yoUkonunen  leer. 
Die  Schleimhaut  des  Rectum,  der  Flexura  sigmoidea,  des 
Colon  descendens  und  transversum  strichweise  mit  tbon- 
farbigen  Kothresten  überzogen,  vom  Colon  ascendens  aber 
über  die  Klappe  hinaus  bis  in  den  mittleren  Theil  des 
Dünndarmes  fand  sich  ein  weinhefe&rbiger,  grauröthlicher, 
schmieriger  Inhalt,  aus  zersetztem  Blute  und  Darmschleime 
bestehend.  Der  übrige  Theil  des  Tractus  intestinalis,  auch 
der  Magen  vollkommen  leer,  im  Umkreise  der  Cardia  eine 
kranzförmige  Injection  der  venösen  Gefasse.  Die  Schädelbohle 
konnte  nicht  geöffnet  werden.  Das  Blut  war  im  Allgemeinen 
dünnflüssig. 

Wenn  der  mitgetheilte   Fall  auch,   wie  schon  oben  er- 
wähnt, nicht  zu  den  genau  beobachteten  zu  zählen  ist,  wenn 
während    des   Lebens   keine   Untersuchung   des  Urins    statt- 
gefunden hat,   und  nach  dem  Tode  nicht  nach  Zersetzungs- 
producten  in  der  Leber,'  nach  der  mikroskopischen  Beschaffen- 
heit des  Blutes  u.  s.  w.   geforscht   werden   konnte,   so   will 
ich  die  Gelegenheit   doch  nicht  vorübergehen   lassen,   einige 
Bemerkungen  an   denselben  anzuknüpfen,  weil  das  wirklich 
Beobachtete  dazu  in  der  That  Veranlassung  giebt,  und  ich, 
wenn   man   aus  der  Angabe   von  Spaeth^^)   dass  er   unter 
33,000  Schwangeren   nur  zwei  Mal  acute  Leberatrophie  ge- 
sehen hat,  einen  Schluss  ziehen  darf,   in  ganz  unbestimmter 
Zukunft  vielleicht  wieder  einen  solchen  zu  studiren  Gelegen- 
heit haben  könnte.    Gerade  die  Geburtshelfer  und  Gynäkologen 
erscheinen  aber  besonders  verpflichtet,  mit  ihren  Beobachtungen 
nicht    zurückzuhalten,    denn    nach   den    statistischen   Nach- 
weisungen von  Frerichs^)  sind  sie  noch  eher,  als  Andere, 
in  der  Lage,  das  nöthige  Material  in  die  Hände  zu  bekommen; 
unter  31   Fällen  der  Krankheit  kamen  9  auf  Männer   und 


1)  Wiener  medicinische  Wocheiuchiift,  1864. 

3)  Klinik  der  Leberkrankheiten,  1868,  Bd.  L,  S.  243. 


L«b«r»trophi0  bei  ehier  Schwangeren.  215 

22  aitf  Frauen,  uild  Von  den  22  waren  11 ,  also  ober  ein  Drktd 
der  ganzen  Zahl,  im  Zustande  der  GravidiUit.  Das  Wichtigste 
ist,  dass  durch  den  Sectionsbefund  die  Ansichten,  welche 
Bukt  wiederholt,  zuletst  ausführlich  in  der  ron  uns  gemein- 
schafUich  herausgegebenen  Klinik  der  Geburtskunde,  8.  24ä  ff. 
über  die  acute  Leberatrophie  ausgesprochen  hat,  in  vollem 
Maasse  bestätigt  werden«  Er  hat  dort  nachdrücklich  betont, 
dass  bei  der  mit  diesem  Namen  belegten  Krankheit  die  Yer- 
inderungen  der  Leber  stets  nur  Theilerscheinung  einer  mehr 
oder  weoiger  intensiven  Ernährungsstörung  des  Körpers  ist, 
wekhe  noch  andere  zur  Erhaltung  des  Lebens  ebenso  wichtige 
Organe  als  die  L^er,  nämlich  Herz  und  Nieren  befällt,  dass 
dieselben  nur  in  direr  weitesten  Entwickelung  wirklich  mit 
dem  Ausdrucke  „gelbe  Atrophie"  bezeichnet  werden  können, 
dass  sie  dagegen  oft  genug  vorhanden  sind,  während  die. Leber 
weder  gdb  aussieht  noch  atrophisch  ist  Ueberdies  ist  es 
B^hl  gelungen ,  eine  bislier  räthselhafte  Erkrankung  der  Neu- 
geborenen ,  welche  früher  als  tödtiicher  Icterus  oder  unstillbare 
Nabel*  resp.  Darmblutung  beschrieben  wurde  und  der  er  den 
Namen  „acute  Fe ttdegeneratiouen  der  Neugeborenen''  ^)  gegeben 
bat,  in  die  innigste  Beziehung  zu  der  acuten  Leberatrophie 
seiner  Auflassung  zu  setzen,  indem  er  von  der  ersteren  sagt: 
„Die  Krankheit  schliesst  sich  einer  gleichartigen  bei  Er- 
wachsenen an,  bei  welcher  ebenfalls  bald  mehr  die  Myocarditis 
mit  der  zugehörigen  LungenafTection  (Oedem  und  hämorrha- 
gischen  Infarcten),  bald  mehr  der  Morbus  Brightü  mit  acutem 
Anasarca  und  Albuminurie  bald  mehr  der  Icterus  auf  Grundlage 
einer  acuten  Lebera^rophie  mit  der  Affection  des  Darmcanals 
und  der  Hutung  in  den  Vordergrund  tritt  und  zur  Diagnose 
erbeben  wird/'  Dass  in  diesen  Anschauungen  von  BtM 
Aber  die  acute  Leberatrophie  ein  wesentlicher  Fortschritt 
begründet  ist,  wird  Jeder  gern  zugeben,  der  mit  der  Literatur 
des  Gegenstandes  vertraut  ist;  denn  selbst  die  neuesten  Forscher 
auf  diesem  Gebiete,  wie  Bamberger ^)  und  Freriehs^*) 
haben  für  die  Pathogenese  der  Krankheit  eine  weit  beschränktere 

1)  L.  c.  S.  296. 

2)  HaDdbnch  der  speciellen  Patholog^ie  nnd  Therapie,  redigirt 
▼on  VirehaWf  Bd.  VI.,  £rlangeii  1866. 

8)  L.  c. 


216      XIII.    H^ektr,  Ueber  einen  FhU  von  aenter,  gelber 

Perspective  eröfläiet.  Dem  Ergleren  gebfihrt  das  V^^nst, 
den  durchweg  auf  Hypothese  beruhenden  Ansichten  früherer 
Autoren  gegenüber  die  Erkrankung  der  Leber  ak  einen  sehr 
rapid  verlaufenden  Entzündungsprocess,  analog  dem  acuten 
Morbus  Brightii,  bezeichnet  zu  haben,  aber  die  gleichzeitige 
Erkrankung  von  Herz  und  Nieren  ist  ihm  völlig  entgangen, 
er  spricht  nur  von  einer  secundären  Veränderung  der 
BItttmischung ,  und  leitet  diese  allein  ab  von  der  totalen  Un* 
möglichkeit  der  Ausscheidung  der  Gallenbestandtheile  aus  dem 
Blute  in  Folge  gänzlicher  Zerstörung  des  secemirenden  Organs. 
Der  Letztere  erkannte  die  in  den  Nieren  vor  sich  gehenden 
Veränderungen,  indem  er  die  Drösenepithelien  kömig  infiitrirt 
und  meistens  fettig  zerfallen,  das  Gewebe  selbst  schlaff  und 
welk  fand;  nach  ihm  bleibt  es  dahingestellt,  ob  diese  Störung 
allgemein  vorkomme;  die  eigenthümliche  Veränderung  des 
Urins,  das  Verschwinden  des  Harnstoffs  aus  demselben  und 
seine  Anhäufung  im  Blute,  ferner  die  vorübergehend  bemerkte 
Albuminurie  u.  s.  w.  sind  für  ihn  sichere  Anzeichen  für  die 
wesentliche  Mitleidenschaft  der  Nieren.  Aber  hierbei  ist  er  auch 
stehen  geblieben;  an  dem  Gefasssysteme  in  seinem  Central- 
Organe  und  in  den  grösseren  Stämmen  hat  er,  abgesehen 
von  der  icterischen  Färbung  der  inneren  Auskleidung  und 
der  schlaffen,  welken  Beschaffenheit  der  Herzmuskel  nichts 
Abnormes  gefunden.  Ueberhaupt  ist  von  Niemandem  vor 
Buhl  eine  Beiheiligung  des  Herzens  an  dem  Krankheit«- 
processe  irgendwie  hervorgehoben  worden,  denn  Lebert  sagt 
in  seinem  die  Literatur  statistisch  zusammenfassenden  Aufsatze 
über  Icterus  typhoides^)  wörtlich:  „Die  wenigen  Fälle  ab- 
gerechnet, in  welchen  eine  Gomplieation  mit  Herzkrankheiten 
bestand,  bot  dieses  Organ  durchaus  niclils  Auffallendes  dar."" 
In  meinem  Falle  hat  die  Obduction  das  vollständige  Bild 
der  aculen  Fettdegeneraüon  ergeben,  und  dürfte  dieser  Befund 
um  so  bemerkenswerther  erscheinen,  als  sich  hierdurch  die 
Buhtsche  Ansicht  auch  bei  einer  acuten  Leberatrophie  einer 
Schwangeren,  die  so  selten  zur  Beobachtimg  kommt, 
bewahrheitet  hat.  Herz,  Leber  und  Nieren  waren  einer 
gleichzeitigen  parenchymatösen  Entzündung  verfallen,  die  auch 


1)  Virehow'»  Archiv  fdr  pathologische  Anatomie,  Bd.  VII.,  S.  376. 


Leb»r«trophie  bei  einer  Sehwangperen.  217 

kl  den  drei  Organen  zu  gleicher  H^he  der  Entwickeluog 
gedidien  zu  sein  schien,  und  im  Leben  durch  bestimmte 
Symptome  sich  iiennüich  gemacht  haben  niuss;  wenn  von 
diesen  nor  das  der  Herzerkranlmng  angebörige,  nImHeh  die 
Hstungeo,  und  das  die  LeberaCfection  begleitende,  der  Icterus, 
beobaefatet  worden  sind,  so  bin  ich  äberzeugt,  dass,  wenn 
maa  eine  Untersuchung  des  Urins  vorgenommen  hätte,  bei 
dieser  ein  starker  Eiweissgehalt  desselben  gefunden  und  da- 
darch  die  Veränderung  in  den  Nieren  documentirt  worden 
Ueber  Schmerzen  in  der  Lendengegend  hatte  Patientin, 

aus  der  Krankengeschichte  erhdlt,   ausdrücklich  geklagt. 

Diese  gleichzeitige  und  gleichroässige  Erkrankung  von 
Ben,  Leber  und  Nieren  führt  mit  Nothwendigkeit  zu  dem 
SeUnsse,  dass  hier  eine  gemeinsame  Ursache  gewirkt  haben 

;  es  ist  unm^lich   noch  zu   sagen,  die  Krankheit  sei 

acute  parencbyroat()se  Entzündung  der  Leber  und  der 
ganze  Symptomencomplex  einfach  die  Folge  der  Zerstörung 
dieses  Organs,  sondern  es  muss  ^ne  primäre  Erkrankung 
des  Notes  snpponirt  werden,  welche  die  Ernährungsstörung 
in  den  genannten  Körpertbeilen  zu  gleicher  Zeit  setzt  und 
den  ganzen  Process  einleitet;  dass  später  die  Aufhebung  der 
Leberfanction  eine  sehr  wichtige  Rolle  spielt,  wird  deshalb 
keineswegs  zu  läiignen  sein,  aber  ebenso  wie  die  nicht  mehr 
erfolgende  Abscheidung  der  Gallenbestandtbeile  aus  dem  Blute 
Riase  dann  die  Zurückhaltung  der  Nierensecrete  und  die 
durch  die  fettige  Entartung  des  Herzmuskels  hervorgebrachte 
Absehwächung  der  Circulation  zur  Erklärung  der  Erscheinungen 
in  die  Wagschale  geworfen  werden.  Eine  solche  primäre 
Zersetzung  des  Blutes  lässt  sich  natürlich  nicht  direct  nach- 
weisen, und  bleibt  deshalb  die  Annahme  einer  solchen  eine 
Hypothese,  aber  wenn  man  auf  der  einen  Seite  ihre  Be- 
rechtigung nach  dem  Gesagten,  wie  mir  scheint,  nicht  in 
Abrede  stellen  kann,  so  will  ich  auf  der  anderen  doch  an 
eine  Tbatsacbe  erinnern,  die  ihr  als  Stütze  dienen  könnte. 
Bei  der  acuten  Fettdegeneration  oder  dem  schweren  Icterus 
d«r  Neugeborenen,  von  welcher  Erkrankung  ich  mehrere 
exquisite  FftDe  erlebt  habe,  pflegt  das  hervorstechendste 
Sjmptom  eine  Blutung,  meistentheils  -aus  dem  noch  mit  dem 
Nabelsdmorreste  bedeckten  oder  kurz  vorher  von  demselben 


218      Xlll.   Hacker y  lieber  einen  Fall  von  acntor,  gelber 

befreilea  Nabel,  seltener  aus  deu)  Darmcanale  zu  sein;  diete 
BUtttUDg  hat  von  vornherein  den  Charakter  der  UnstiUbarkeii, 
und  das  Blut,  dessen  Ausfliessen  man  auf  keine  Weise 
hemmen  kann,  ist  von  eigenthämlich  wässeriger,  krankhafter 
Beschaflenheit;  später  erst  entwickelt  sich  die  Gelbsucht,  mit 
in  der  Regel  bald  darauf  folgendem  lethalem  Ausgange;  auf 
diese  Weise  war  ich  mehrere  Haie  im  Stande,  bei  dieser 
Krankheit  eine  primäre ,  nicht  von  der  Leberaffection  abhängig 
zu  machende  filutdissolution  lu  constatiren. 

Was  nun   die  Entstehung  der   primären  Bluterkrankuiig 
bei  acuter  Leberatrophie  betrilil,  so  fehlt  es  fär  die  Erklärung 
derselben   allerdings   noch  sehr  an  Anhaltspunkten;   indessen 
hat  aud)  hier  BuM  wesentlich  durch  den  Nachweis  genötzi, 
dass    bei    verschiedenen     Infecüonskrankheiten ,     namenliieh 
Typhus  und  Puerperalfieber  ganz  ähnliche,  nur  meist  weniger 
ausgeprägte  Befunde  an  Leber,  Herz  und  Nieren  zu  erheben 
sind,   als  bei  der   typischen   Form  der  Krankheit;  vielleicht 
möchte    sich   an  diese  auch    noch   das   gelbe  Fieber   an- 
reihen lassen,  denn  dieses  hat  nach  aller  fieschreihimg  die 
entschiedenste    Aehnüchkeit  mit  Leberatrophie.     Für  die   ex- 
quisiten,  selbslständigen  Formen    derselben    ist  aber    bisher 
niemals  eine   Infection  nachgewiesen  worden,   und  auch    in 
unserem   Falle   ist  davon   nirgends   eine  Spur  zu  entdecken: 
Die  Kranke  befand   sich   in  durchaus  günstigen  hygieinischea 
Verhältnissen;  Niemand   von   ihrer  Umgebung   ist  gleicbxeiUg 
mit  ihr  erkrankt,    und    auf   die    Schädlichkeit,    welche    als 
aetioiogisches   Moment   angeklagt    wui^e,    nämlich   auf   den 
GeuMss  von  Schwämmen  ist  gewiss  gar  kein  Gewicht  zu  legen. 
Die  Annahme  einer  Infection  bei  der  gleichartigen  Erkrankung 
der  Neugeborenen   ist    gleichfalls  problematisch,    namentlich 
st    von   der   Einwirkung    eines   puerperalen   Miasma   gewiss 
dabei   nicht  die  Rede,   denn  die  Fälle  meiner  Erfahrung  er- 
eigneten sich  nicht  in  de€  Gebäranstalt,  sondern  in  der  Stadt, 
und   die  puerperale   Infection    der  Neugeborenen    giebt   ein 
specifisch  verschiedenes  Krankheitsbild.     Wenn  wir  also  die 
Leberatrophie  mit  einer  Infection  von  Aussen  nicht  in  aetio* 
logischen  Zusammenhang  bringen  können,  so  bleiben  wir  vor 
der  immerhin  auffallenden  Thatsacfae  stehen,  dass  sie  relativ 
am  häufigsten  bei   Schwangeren   und   neugeborenen  Kindern 


Leberatropfaie  bei  einer  Schwange ren.  219 

vorfcomint.     In  diesen  Lebenfiepoebeii  ist  aber  ohne  Zweifel 
Hue    krankhafte    Veränderung  der   Blutmiscbung  von   innen 
keiaus  eher  möglich,  als  zu  irgend  einer  anderen  Zeil;  in 
der  Gravidität  macht  <Ue  lange  dauernde  Abgabe  von  BUdungs- 
material    an  die   Frucht  das  Blut  ärmer  an  festen  Bestand* 
Ikeiien;   auch  ist  dasselbe  noch    nach    anderen   Richtungen 
verändert,   bei   Neugeborenen   wird    mit  dem    Eintritte  der 
Respiration,  den   Veränderungen  in  dem  Kreisläufe  und  der 
JEntwiGklang   der  Hautthätigkeit,   endlich   mit   der  Nabrungs- 
zufuhr  von  Aussen  &ne  Revolution  erzeugt,  die  ofl  zu  leichteren 
Kraukheiteerscheinungen,  wie  sie  sich  in  der  iclerischen  Fär- 
bung der  Haut,  in  dem  Auftreten  von  Harnsäureinfarct  in  den 
Nieren  documentiren,  Veranlassung  gegeben.     Es  scheint  mir 
nun  eine  keineswegs  gewagte  Anschauung  zu  sein,  wenn  man 
!»ich  Torstellt,    dass   unter,   uns  freilich  völlig   unbekannten, 
jedenfalls  sehr  selten  eintretenden  Umständen  in  beiden  Zeit- 
epochen   die    schon  vorhandene  Veränderung   der    Blutmasse 
plötzlich  in  eine  acute  Zersetzung  umschlägt ,  als  deren  Folge 
wir  dann  die  Ernährungsstörung,  die  uns  beschäftigt,  aufzu*- 
fassen  haben.  Jedenfalls  aber,  selbst  wenn  die  letztere  Hypothese 
sich   keine   Geltung  verschaffen  sollte,  haben   wir  durch  die 
Lehre   von   Buhl,   und   durch    die   Illustration,    welche    der 
vorgetragene  Fall  zu  derselben  giebt,  so  viel  gewonnen,  dass 
die    acute   gelbe   Leberatrophie    der  Schwangeren   aus  ihrer 
bisherigen  unverständlichen  Isolirtheit  herausgerissen  und  einem 
Kranheitsprocesse    einverleibt   worden  ist,  der  in   vielfachen 
Variationen,   aber  immer  unter  dem  Bilde  einer  acuten  Er- 
nährungsstörung   durch  Fettdegeneration    ein   grosses  Gebiet 
des  Krankseins  belierrscbt. 

Aus  dem  Obductionsbefunde  will  ich  noch  hervorheben, 
dass  keine  Veränderungen  an  der  Milz  aufgefunden  werden 
konnten.  Dies  ist  jedenfalls  eine  grosse  Ausnahme  von  der 
Regel,  denn  bei  Frerichs^)  finden  wir  die  Angabe,  dass 
unter  23  Fällen,  wo  dieses  Organ  genauer  berücksichtigt 
wurde,  dasselbe  19  Mal  vergrössert,  drei  Mal  normal  und 
ein  Mal  klein  erschien ;  ob  die  Anschwellung  in  Folge  starker 
Blutung  in  das  Darmrohr  nicht  zu   Stande  gekommen  war. 


1)  L.  e.  8.  234. 


220     ^I^*   Segar,  EzstirpatioD  eines  2*/^  Pfand  schweren, 

ging  aus  dem  Leichenbefunde  nicht  hervor,  es  wäre  indessen 
möglieb,  dass  durch  die  profusen  und  nicht  controlirten 
Diarrhöen  im  Beginne  der  Erkrankung  viel  blutiger  Darm* 
inhalt  entfernt  worden  war.  Dass  die  gelbe  Färbung  der 
Haut  nur  an  der  oberen  Körperhälfte  zum  Vorschein  kam, 
stimmt  dagegen  mit  den  Beobachtungen  des  eben  citirten 
Schriftstellers  Qberein;^)  auch  ist  nicht  uninteressant,  dass 
an  der  Leiche  der  innere  Muttermund  zollweit  eröffnet  ge- 
funden wurde,  während  er  im  Anfange  der  Krankheit  ge- 
schlossen war;  diese  Veränderung  deutete  darauf  hin,  dass 
eine  gewisse  zur  Gebm*t  vorbereitende  Thäligkeit  des  Uterus 
während  des  Lebens  eingetreten  sein  musste. 


XIV. 

Exstirpation  eines  zweiundeinhalb  Pfand  schweren, 

intrauterinen ,   festverwachsenen  üteruspolypen. 

AUongement  durch  den  Spiralschnitt. 

Von 

Dr.  Alfred  Hegar  in  Darmstadt. 

Im  Deceuiber-Hefl.  1862  der  Monatsschrift  befindet  sich 
ein  Aufsatz  von  Professor  Simon  in  Rostock,  betreffend 
die  operative  Verlängerung  fibröser  Gebärmutterpolypen.  In 
der  Schlussanuierkung  ist  eine  Notiz  ^)  öbei*  eine  derartige 
Operation  beigefOgt,  welche  ich  im  Fröhjahre  1862  voll- 
zogen habe.  Da  mein  Verfahren  hierbei,  zu  welchem  ich 
allein  durch  die  Schwierigkeiten  bei  Vornahme  der  Polypen- 
•xstirpation  geführt  wurde,  von  dem  iStmon'scben  abweicht, 
mir  auch  der  Erklärungsversuch  Simonis  kein  genügender 
scheint,  so  theiie  ich  hier  kurz   die  Krankengeschichte  nebst 


1)  L.  c.  8.  224. 

2}  Irrthümlioher weise   ist   der   Polyp    als    ein    extraateriner 
beseichnet. 


intrauterinen,  festrerwachsenen  Uteraspoljpen  etc.      221 

eiliigen  Bemerkungen  mit  Der  Fall  wird  auch  in  anderer 
Beiiehung  manches  Interesse  bieten. 

Mein  CoUege,  Herr  Dr.  Orth  dahier,  ersuchte  mich, 
mit  ihm  gemeinsam  eine  44jährige  Frau  zu  untersuchen, 
welche,  froher  stets  gesund,  seit  2 — 3  Monaten  an  profusen 
Blutungen  litt.  Bei  der  PaJpation  des  Abdomens  fanden  wir 
eine  etwa  6  Zoll  breite,  feste  Geschwulst,  welche  sich  von 
der  Symphyse  bis  zum  Nabel  erhob.  Der  Finger  stiess  im 
oberen  Theil  der  Scheide  auf  einen  Tumor.  Obgleich  man 
das  vordere  Scheidengewölbe  vollständig  un^ehen  konnte, 
war  es  nicht  möglich,  eine  vordere  Muttermundslippe  zu  ent- 
decken;, die  Wand  des  vorderen  Scheidengewölbes  schien 
unmittelbar  in  die  Geschwulst  überzugehen.  Führte  man  den 
Finger  über  diese  nach  hinten,  so  gelangte  man,  1  Zoll 
oberhalb  der  Spitze  des  Tumors  auf  den  scharfkantigen  Saum 
der  hinteren  Muttermundslippe,  welcher  Saum  sich  seitlich 
nach  unten  und  vorn  zog,  um  endlich  vorn  vollständig  mit 
dem  Tumor  zu  verschmelzen.  Eine  Sonde,  an  der  hinteren 
Flache  eingeführt,  stiess  etwa  1  Zoll  oberhalb  des  Mutter- 
raundes  auf  eine  resistente  Stelle. 

Die  verschiedensten  äusseren  und  inneren  blutstillenden 
Mittel  waren  ohne  allen  Erfolg  gebraucht  worden.  Die  Frau 
war  sehr  herabgekommen.  Wir  beschlossen  daher,  noch 
einmal  in  der  Chloroformnarkose  zu  untersuchen  und,  bei 
nur  einigermaasseh  günstigen  Chancen,  die  Operation  vorzu- 
nehmen. In  Gegenwart  von  Dr.  Orth,  Dr.  Tenner  und 
Dr.  Fuchs  führte  ich  zuerst  das  Speculum  ein.  Auch  hier- 
mit gelang  es  nicht,  eine  Abgrenzung  des  Tumors  von  dem 
vorderen  Scheidengewölbe,  es  gelang  nicht  auch  nur  eine 
Spur  der  vorderen  Muttermundslippe  zu  entdecken.  Alsdann 
legte  ich  mit  Nadelhalter  und  Nadel  einige  starke  Faden- 
bäodcfaeD  durch  das  untere  Segment  der  Geschwulst.  Ich  that 
dies,  tun  mir  nicht  durch  die  Anwendung  der  Muzeiix'scheu 
Zangen  den  Platz  unnötbigerweise  zu  versperren.  Mit  der 
rechten  Hand  zog  ich  alsdann  die  Fadenbändchen  stark  an, 
mit  der  linken  ging  ich  in  die  Scheide  und  über  die 
hitttere  Flache  der  Geschwulst  in  den  Uterus  ein.  Wie  bei 
der  SoiidiroDg  stiess  ich,  1  Zoll  oberhalb  des  Muttermundes 
auf  die  Stelle,  an  welcher  der  Tumor  fest  mit  der  Gebär* 


222     XIV.    HegoTf  Exstirpatfon  eines  2*/»  Pfand  schweren, 

motterwand  zusammenhing.  Seitlich  schien  jener  noch  weiter 
nach  unten  in  fester  Verbindung  mit'  dem  Uterus  zu  stehen. 
In  der  Meinung,  ein  grosses  Fibroid  vor  mir  zu  haben,  welches 
mit  enorm  breiter  Basis  vom  Grunde  und  von  der  vorderen 
Wand  des  Corpus  und  Cervix  entspringe,  wollte  ich  schon 
die  Operation  ganz  aufgeben,  als  ich  bemerkte,  dass  die 
seitliche  Adhärenz  keine  sehr  feste  war.  Es  gelang  mir  mit 
der  Hand  diese  Adhäsionen  etwa  in  ähnlicher  Weise  zu 
trennen,  wie  man  eine  festhaltende  Placenta  loslöst.  Immer 
Weiler  von  der  Seite  nach  vorn  fortschreitend,  konnte  ich 
endlich  das  ganze  untere  Segment  des  Polypen  freilegen.  Zu- 
letzt hob  sich  auch  die  vordere  Muttermundslippe,  als  ausser- 
ordentlid)  feiner  Saum  von  diesem  ab. 

Nach  diesem  ersten  Act  stellte  sich  die  Sache  in  folgender 
Weise  dar.  Der  Tumor  war  etwas  tiefer  in  die  Scheide 
herabgezerrt  worden,  so  dass  etwa  V4  Zoll  unterhalb  des 
Muttermundes  lagen.  Ein  Zoll  von  diesem  nach  oben,  be- 
gannen feste  Adhärenzen  in  der  ganzen  Circumferenz  des 
Polypen,  welche  allein  mit  der  Hand  nicht  mehr  zu  trennen 
waren.  Ich  löste  dieselben  mit  der  Scheere ,  so  weit  ich 
konnte.  Dies  hatte  jedoch  bald  ein  Ende,  da  die  Hand  und 
das  Instrument  zwischen  den  straff  anliegenden  Wänden  des 
Uterus  und  der  Geschwulst  nicht  weiter  nach  oben  geführt 
werden  konnten.  Ich  richtete  daher  die  Spitze  der  Scheere 
gerade  auf  die  Geschwulst  und  schnitt  erst  von  vorn,  dann 
seitlich,  dann  von  hinten  tief  in  dieselbe  ein.  Sehr  bald 
folgte  nun  der  vorher  äusserst  unnachgiebige  Polyp  dem  Zuge 
mehr  und  zugleich  wurde  der  Raum  für  Instrument  und  Hand 
freier.  Dies  benutzend  drang  ich  weiter  nach  oben  vor,  in- 
dem ich  stets  kreisförmig  die  Adhärenzen  trennte  und  dabei, 
sowie  mich  der  Tumor  irgend  hinderte,  tief  in  denselben 
einschnitt.  Zuletzt  hatte  sich  der  Polyp  wurstformig  aus- 
gezogen und  so  verlängert,  dass  sem  freies  Ende  vor  dem 
Scheideneingange  lag  und  hier  mit  der  Hand  gefasst  und  an- 
gezogen werden  konnte.  Als  ich  den  Uterus,  wenn  auch 
noch  ausgedehnt,  etwa  vier  Querfinger  hoch  oberhalb  der 
Schoossfuge  fübke,  schnitt  ich  den  Polypen,  in  der  Meinung 
den  Stiel  vor  mir  zu  haben,  durch.  Ich  schrieb  die  noch 
bestehende    Vergrösserung    des    Uterus    einer    gleichzeitigen 


iatmoterineii,  festrerwAchsenen  UterospolypAii  ete.      22S 

Hypertrophie  und  dem  zoräckbleibeDden  Stielreste  zu,  wichen 
ich  der  Verschriimpfung  überlassen  zu  können  glaubte.  Die 
entfernte  Masse  wog  IV2  Pfund.  Sie  stellte  eine  12 — 14  Zoll 
lange,  etwa  1  —  IV2  Zoll  breite  und  dicke  cylindriscbe  Masse 
dar.  Legte  man  sie  zusammen,  so  dass  sie  etwa  die  ur- 
sprdngücbe  Form  wieder  annahm,  so  erhielt  man  einen,  in 
den  Dimensionen  seiner  Länge»  Breite  und  Dicke  fast  gleichen 
Körper,  in  dessen  Umfang  ein  tiefer,  fast  regelmässiger  Spiral- 
sdmitt  gelegt  war,  dessen  Windungen  eng  zusammen  lagen. 
Der  Blnlveriust  war  ein  sehr  unbedeutender. 

Die  Kranke  wurde  am  nächsten  Tage  ron  heftigem  Fieber 
befeUen.  Der  Unterleib  trieb  sich  auf.  Es  entstanden  sehr 
heftige  Schmerzen,  welche  zeitweise  einen  wehenähnlichen 
Charakter  annahmen  und  mit  Dysurie,  Blasenkrämpfen  ver^ 
bmideii  waren.  Auch  stellte  sich  ein  profuser,  dbelriechender 
Ausflnss  ein.  Unter  abwechselnder  Besserung  und  Yer- 
sddimmoruDg  dauerte  dieser  Zustand  8  Tage,  als  idi  bei 
Patpation  des  Abdomens  bemerkte,  dass  der  Uterus  viel  weniger 
boA  stand,  als  nach  der  Operation.  Bei  der  sogleich  vor* 
genommenen  inneren  Unter»uch«ng  fand  ich,  dass  der  Rest 
des  Polypen  tberiweise  durch  den  kJatfenden  Muttermund  in 
dra  Seheide  getreten  war.  Es  war  eine  zweite  Operation 
nöthig,  durch  welche  jener  Rest-,  welcher  noch  sehr  nm- 
fingliehe  Adhärenzen  mit  dem  Grunde  der  Gebärmutter  und 
einen  2  Zoll  dicken  Stiel  besass,  auf  dieselbe,  oben  be- 
sefariebene  Weise  entfernt  wurde.  Dieser  Rest  wog  30  Lotfa. 
Hierauf  erfolgte  rasche  Genesung. 

Drei  Umstände  waren  im  voriiegenden  Falle  vorhanden, 
weldie  die  Operation  so  schwierig  machten:  1)  die  ausser- 
ordentliche Grösse  des  Polypen,  2)  der  intrauterine  Sitz, 
8)  die  feste  Adhärenz  an  der  Gebärmutterwand. 

Diese  Verhältnisse  machten  es  vollständig  unmöglich, 
anf  die  gewöhnliche  Art  mit  einem  schneidenden  Instrumente 
oder  einer  Schhnge  bis  zum  Stiele  oder  bis  in  die  Nähe  des^ 
selben  voraudringen.  Um  ku  diesem  Ziel  zu  gelangen,  war 
eine  Verkleinerung  des  Umfanges  des  Polypen  durchaus  noth- 
wendig.  Einfache  Querschnitte,  auch  an  verschiedenen  SteHen 
der  Peripherie  angelegt,  hätten  wenig  genützt  Um  sie  in 
den  dickeren  Theil  des  Tumors  legen  ara  können,  hätte  man 


224     ^IV.  Eegar,  Bxttirpation  «ine«  2'/,  Pfand  schweren  etc. 

nothwendig  die  Adhärenzen  vorUofig  trennen  mllsHen.  Dien 
wäre  bei  der  Höbe,  in  welcher  jene  Partie  des  Polypen 
stand,  kaum  möglich  gewesen.  —  Dagegen  fahrte- ein  spiral- 
förmig in  die  Geschwulst  gelegter  Schnitt,  mit  welchem  zu- 
gleich die  Verwachsungen  getrennt  wurden,  verbältnissmässig 
leicht  zum  Ziele.  Auch  ist  ein  grosser  Vortheil  mit  diesen 
Einschnitten  verbunden,  welcher  mir  sehr  der  Berücksichtigung 
werth  erscheint.  Dies  ist  die  Möglichkeit,  eine  zu  grosse 
Gewaltanwendung  bei  dem  Herabzielien  der  Geschwulst  ver- 
meiden zu  können.  Die  Verlängerung  und  entsprechende 
Abnahme  des  Polypenumfanges  durch  den  Spiralschnitt  ist 
so  bedeutend,  dass  man  sehr  tief  in  die  Uterinhöhle  ein- 
dringen kann.  Wenn  ich  mich  nicht  in  der  Diagnose  bezüglich 
des  Stieles  getauscht  und  wenn  ich  eine  etwas  längere  Scbeere 
bei  mir  gehabt  hätte,  so  wurde  ich  die  Operation  in  einer 
Sitzung  abgemacht  haben.  Uebrigens  war  die  Geschwulst  so 
ausserordentlich  gross  und  die  Verhältnisse  so  complicirt,  wie 
sie  wohl  selten  vorkommen.  Wenigstens  erinnere  ich  mich 
keines  Falles  in  der  Literatur,  bei  dem  ein  2V2  Pfund  schwerer, 
intrauteriner,  fest  verwachsener  Polyp  exstirpirt  wurde. 

Die  Erklärung,  welche  Simon  von  der  Wffkung  der 
Einschnitte  giebt,  scheint  mir  keine  genügende  zu  sein  Die 
Spaltung  der  Schleimhautkapsel  des  Polypen ,  verbunden  mit 
dem  lockeren  Zusammenhange  der  Faserbundel,  sollen  das 
Allongement  ermöglichen.  Allein  diese  Kapsel  ist  bei  einer 
grossen  Zahl  von  Polypen  durchaus  keine  feste.  Sie  ist  im 
Gegentheil  oft  sehr  dünn,  leicht  zerreissbar,  nachgiebig  und 
hat  sich  gerade  bei  den  umfangreichsten  Geschwülsten  meist 
schon  über  das  untere  Segment  derselben  zurückgezogen. 
Allein  auch  abgesehen  davon,  kann  man  jede  gleichmassig 
feste,  harte,  durchaus  unnachgiebige  Masse  zum  Allongement 
bringen«  Dies  geschieht  dadurch  und  hierauf  sclieint  mir 
Simon  nicht  den  gehörigen  Werth  zu  legen,  dass  man  die 
Einschnitte  bis  in  die  Mitte  der  Geschwulst  und  selbst  etwas 
über  diese  hinaus  einlegt.  Das  bekannte  «Kinderspielzeug  der 
Schlange,  welche  sich  aufrollen  lässt,  liefert  hierfür  die  beste 
Anschauung.  Eine  solche  Schlange  besteht  aus  einer  festen 
Masse,  in  deren  Peripherie  ein  eng  zusammenstehender  Spiral- 
schnitt  geführt  ist,  wekber  bis  zur  Mittelaxe  dringt.    Es  lässt 


r 


XY.   Kßkrer^  UeberwAnderong  clea  Eies  hei  einem  Schafe.    225 

sich  so  der  uDoacbgiebige  Körper  bis  auf  40 — 60  fache  Länge 
dcbneo.  —  Das  Wesentliche  ist  daher  die  Einschneidung  bis 
m  Mittelaxe  und  die  Trennung  dieser  seihst.  Geschieht 
dies  nicht,  so  bleibt  in  der  Mitte  ein  fester  Gewehscylinder, 
welcher  der  Ausdehnung  hartnäckig  widersteht.  Nach  ver- 
schiedenen Versuchen,  welclie  ich  mit  festen  Fleischniassen, 
festen  Gummistöcken  anstellte,  fand  ich,  dass  man  durch  den 
Spiralschnitt,  welcher  bis  in  die  Mitte  eindringt,  auch  ohne 
alle  Anwendung  von  Gewalt,  sehr  leicht  eine  Verlängerung 
ttm  das  20 — 30 fache  erzielen  kann,  womit  natürlich  eine 
entsprechende  Abnahme  des  Dickenduixbmessers  verbunden 
ist.  Der  Spiralschnitt  kann  in  seinen  Windungen  dicht  neben- 
einander gelegt  werden,  ohne  dass  man  eine  Trennung  des 
ZusaRimenhanges  zu  furchten  hätte. 

Möge  liiermit  dieses  Verfahren  der  weiteren  Prüfung  durdi 
Fachgenossen  empfohlen  sein.  Vielleicht  lässt  es  sich  aucli 
an  anderen ,  schwer  zugänglichen  Körperstelleo  mit  Vortheil 
verwenden.  Bei  der  Exstirpation  von  Uterustumoren  ist  es 
nicht  allein  dadurch  von  Nutzen,  dass  man  Geschwülste  weg- 
zunehmen vermag,  welche  vorher  nicht  zu  operiren  waren, 
sondern  auch  durch  die  Möglichkeit,  eine  zu  starke  Gewalt 
bei  dem  Hervorziehen  des  Tumors  vermeiden  zu  können. 


XV. 

Ueberwanderung  des  Eies  bei  einem  Schafe. 

Von 

Dr.  F.  A«  Rehrer  jun.  in  Giessen. 

Kuasmaul  hat  in  einem  Aufsatze  der  Monatsschrift  für 
Geburtskunde,  Bd.  20,  S.  295,  die  Frage  der  Ueberwanderung 
von  Eiern  einer  erneuten  Untersuchung  unterworfen.  Seine  Be- 
merkung, dass  Transmigration  bis  jetzt  bloss  beim  Menschen, 
Hunde,  Reh  und  Meerschweinchen  beobachtet  worden, 
giebt  mir  Veranlassung  nachstehenden  Fall  mitzutheilen ,  den 
ich  jüngst  bei  einem  Schafe  beobachtete. 

Moiu^tA^elir.  f.  Ctobaitsk.   1863.   Bd.  XXL,  Hft.  3.  t^ 


226     ^^-  f^^r^t  Ueberwandernng  des  Eies  bei  einem  Schafe. 

Der  betreffende  Uterus  stammte  von  einem  dreijährigen, 
l^eiläufig  zwei  Monate  trächtigen  Schafe  und  war  schon  stark 
vergrössert.  Was  aber  schon  auf  den  ersten  Blick  aufliel  und 
nach  blosser  Inspection  zur  Diagnose:  Zwillinge  berechtigte, 
war  die  vollkommen  symmetrische  Hypertrophie  beider  Hälften, 
welche  bekanntlich  bei  einfacher  Gravidität  dieser  Thiere  nur 
im  allerersten  Graviditatsstadium  besteht  und  schon  frähzeitig 
einer  sehr  asymmetrischen  Entwicklung  Platz  macht 

Das  linke  Ovarium,  20  Millimeter  lang,  10  Millimeter 
hoch,  7  Millimeter  breit  und  14  Gran  schwer  enthielt  drei 
kaum  mohnkorngrosse  gelbe  Körper. 

Im  rechten  Ovarium,  20  Millimeter  lang^  13  Millimeter 
hoch,  8  Millimeter  breit  und  26  Gran  schwer,  fänden  sidi  ausser 
einem  obsoleten  gelben  Fleck  zwei  Corpora  lutea  graviditatis. 
Beide  ragten  stark  aus  dem  Ovarium  hervor,  waren  halb- 
kugelig, mit  einwärts  gerichteter  glatter  Seite,  je  7  Gran  schwer, 
9  und  10  Millimeter  hoch,  8  Millimeter  breit.  An  ihren 
freien  Flächen  fanden' sich  die  bei  den  Wiederkäuern  gewöhn- 
lichen nabelartigen  Hervorragungen,  deren  Ueberzug  dünner 
und  durchscheinender  erschien  und  am  Rande  der  Hflgel  mit 
dem  circulären  Rande  der  Thec^  folliculi  sehr  innig  verwachsen 
war.  Jeder  geibe  Körper  in  seine  besondere  Bindegew^s* 
kapsei  eingebalgt;  das  Parenchym  weich  lappig  und  von 
zahlreichen  feinen  Bindegewebszfigen  durchsetzt,  die  stern- 
förmige Figuren  bildeten.  Die  Farbe  röthlich  mit  einem 
Stich  ins  Braungeibe.  Das  subperitonäalc  Gefassnetz  massig 
entwickelt,  im  Parenchym  spärliche  CapUlaren.  Eine  Central- 
höhle  fehlte. 

Der  eine  gelbe  Körper  sass  auf  der  Mitte  der  oberen 
freien  Kante  des  Ovarium  und  war  der  hintere  Fimbrienzipfel 
dem  Rande  seines  Nabels  und  dem  angrenzenden  Peritonäal- 
Überzuge  bis  zum  äusseren  Ende  des  Ovarium  angeheftet. 
Der  zweite  gelbe  Körper  sass  viel  tiefer  an  der  hinteren 
Fläche  des  Ovarium ,  stand  mit  den  Fimbrien  weiter  nicht 
in  Berührung,  es  war  vielmehr  der  Rand  seines  Nabels  si^en 
Millimeter  von  dem  nächsten  Fimbrienrande  entAsmt 

Der  Franzentrichter  wie  die  Tube  beiderseits  offen  und 
vollkommen  durchgängig.  Nirgends  Pseudomembranen  an  dem 
Peritonaalüberzuge  der  Genitalien. 


.  Kehret,  Ueberwanderung  des  Eies  bei  einem  Schafe.     227 

Bei  Eröffnung  des  Uterus  fand  sich  ein  scheinbar  ein- 
fofber  Chorionsack,  der  beide  Hörner  und  das  Corpus  uteri 
ansfüllte  und  ziemlich  fest  den  mütterlichen  Cotyledonen  an- 
hing. Bei  genauerer  Untersuchung  zeigte  sich  an  einer 
mittleren,  im  Uteruskörper  liegenden  und  in  grösserer  Aus- 
dehnung verengten  Stelle  des  Chorionsackes  ein  schmaler 
geßissloser  Gürtel,  über  welchen  die  Chorionfläche  glatt 
wegging.  Die  Seitenränder  des  Gürtels  wurden  von  den 
capOlär^n  Endschlingen  der  beiderseitigen  Nabelgefässe  be- 
grenzt. Anastomosen  zwischen  den  beiden  Nabelgefäss- 
systemen  fehlten. 

Die  in  den  Spitzen  der  Uterushörner  liegenden  beiden 
Enden  des  Eisackes  mit  10  und  14  Centimeter  langen  colla- 
hirten,  noch  offenen  Allantoisdivertikeln  besetzt. 

Unter  dem  erwähnten  geßsslosen  medianen  Gürtel  lagen 
die  inneren  blinden  Enden  der  beiden  AUantoiden,  locker 
durch  Bindegewebe  zusammengeheftet,  auf  eine  kurze  Strecke 
sich  einander  deckend;  das  eine  dieser  Enden  trug  einen 
kurzen  gelben,  geschruropflen  Divertikel,  der  in  die  Chorion- 
höfale  hineinragte. 

In  dem  Parallelstocke  eines  jeden  Bornes  und  in  den 
ektatischen  Uteruskörper  hineinragend  fand  sich  jederseits 
ein  Amnion.  Die  Nabelstränge  inserirten  an  den  gewöhnlichen 
SteDen  (Mitte  des  Mesomelrialrandes  des  Parallelstückes  der 
Homer)  und  zwar  ganz  symmetrisch. 

Die  im  rechten  Amnion  enlhaltene  Frucht  125  Granmi 
schwer,  140  Hilh'meter  lang,  in  Steisslage;  die  des  linken 
Amnion  120  Gramm  schwer,  130  Millimeter  lang,  in  Kopf- 
lage.    Beide  Früchte  weiblich. 

Nach  diesem  Befunde  handelt  es  sich  also  um  die  Ueber- 
wanderung eines  Eies  der  rechten  in  die  linke  Seite,  und 
zwar  vermuthiich  von  einem  intrauterinen  Vorgange. 

Es  bestätigt  dieser  Fall  aufs  Neue  KusamauCs  These, 
dass  zum  Zustandekommen  einer  wenigstens  intrauterinen 
Ueberwanderung  die  Verbindung  der  beiden  Ostien  der  Homer 
durch  ein  unpaares  Mittelstück  (Corpus  uteri)  gehöre.  Und 
in  der  That,  wenn  man  die  Enge  des  Cervicalcanals  und  die, 
ich  möchte  sagen,  vollkommene  Auspfropfung  desselben  mii 
dem  zähen  fest  an  den  Wänden  klebenden  Cervicalschleinie 

16  • 


228     ^^-  ^tihrer,  Ueberwandernng  des  Eies  bei  einem  Schüfe. 

betrachtet,  wird  man  begreifen,  wie  ein  Ovulum  eher  in  die 
entgegengesetzte  Uterushälfte  übergeht  als  durch  diese  Schleim- 
massen  hindurch  in  die  Vagina. 

Ausser  dieser  anatomischen  Disposition  scheint  aber  zum 
Zustandekommen  der  Ueberwandernng  eine  gewisse  Energie 
der  Uteruscontractionen  zu  gehören.  Denn  ich  habe  wieder- 
holt  Zwillinge  gerade  beim  Schafe  in  Einem  Hörne  und 
zwei  Corpora  hitea  graviditatis  im  homonymen  Ovarium  ge- 
funden und  für  pluripare  Säuger  ist  ja  das  bekannt.  Es  sei 
mir  gestattet  eine  Vermuthung  über  die  Genese  auszusprechen, 
die  sich  an  den  mitgetheillen  Befund  direct  anschliesst. 

Die  Lage  der  beiden  Corpora  lutea  gegenüber  den  Fim- 
brien war  derart,  dass  man  ein  gewisses  Recht  hat,  anzu- 
nehmen, das  Ovulum,  welches  unmittelbar  am  Fimbrienrande 
austrat,  sei  früher  in  den  Franzentrichter  eingetreten,  als  das 
andere  tiefer  liegende,  vom  Trichter  weiter  entfernte,  voraus- 
gesetzt, dass,  was  Bischoff  u.  A.  annehmen,  die  Follikel 
eines  Ovarium  ziemlicli  gleichzeitig  bersten.  Wenn  nun  jenes 
wohl  früher  und  zuerst  in  die  Tube  gelangte,  so  mochte  es 
während  seines  Durchganges  durch  den  Tubencanal  vor  dem 
letzteren  einen  Vorsprung  behalten.  Denn  wenn  man  mit 
Kussmaul  das  Ei  die  Innenfläche  der  Tuben  reizen  uod 
reflectorische  Bewegungen  der  Tuben  auslösen  lässt,  die  es 
in  den  Uterus  fortschieben,  so  müssen  diese  Contractionen 
alsbald  erwachen,  wenn  das  Ovulum  mit  dem  Tubenschleime 
hart  in  Contact  gekommen  und  mindestens  so  lange  energisch 
wirken  als  ein  Ovulum  noch  in  dem  engen  Tubencanal  sich 
befmdeL  War  nun  das  erste  Ei  schon  in  einem  Home,  das 
andere  noch  in  der  Tube,  so  musste  das  letztere  noch  Con- 
tractionen erregen  ,  die  gewiss  von  den  Tuben  auf  den  Uterus 
übergehen.  Dieselben  Contractionen,  diev  das  letzte  Ei  an  den 
Ort  seines  späteren  Sitzes  beforderten,  mussten  das  erste  tiefer 
herab  in  das  Corpus  uteri  drängen  und  weiterhin  in  das 
heteronyme  Hörn.  Vielleicht,  dass  man  sich  den  Vorgang 
etwa  so  vorstellen  darf. 


XVI.    Notixen  aus  der  Journal   Literatur.  229 


XVl. 

Notizen  ans  der  Journal -Literatur. 


ro«     Franqu^ :     Krampfwehen,     Selbstwendnng ,     intra- 
aterines  Atbroen. 

Bei  einer  23jährigen  kräftigen  Erstgebärenden  erkannte  man 
in    dor   Entbindungsanstalt    sbu  Würsburg    su   Anfang  der  recht- 
m«iti^eii  Oebnrt  eine  Querlagernng  der  lebenden  Frucht  mit  dem 
Kopfe  aach  links  und  dem  Bücken  nach  vorn  und  versuchte  bei 
rei^ilich  Yorhaudenem  Fruchtwasser  den  tiefer  stehenden  Steiss 
dnreh    passende  Lagerung   der  Kreissenden,    wie   durch  äussere 
Handgriffe  dem  Beckeneingange    zu    nShern ,    anfangs    mit   dem 
Keiinitate,   dass  jener,   wenn  auch  schwer,   Yon  der  Scheide  nns 
erreicht    werden    konnte.      Die    sehr    schmershaften    Zusammen- 
Btehnngen  waren  jedoch  ohne  Einfluss  auf  die  Eröffnung  des  nur 
für  eine  Fingerspitse  geöffneten  Muttermundes,    dessen  Bänder 
fest  und   derb  anaufUblen   waren.      Der    linke  untere   Theil  des 
Uterus  soll  dabei   viel   stärker   contrahirt,   yon   der  Gebärenden 
daselbst  weit  heftigerer  Schmerz  empfunden  worden  sein ,  als  an 
den   übrigen   Partieen.     Der  Unterleib   wurde  bei   der  leisesten 
Berührung   auch    in  den   Wehenpausen   schmershaft.     Da    unter 
diesen  Umstanden   weder  die  SeitenUgerung,  noch  die  äusseren 
Handgriffe  vertragen  wurden,  stellte  sich  bald  die  frühere  Quer- 
lagerung wieder  her.     Die  Wehen  erreichten  den  höchsten  Grad 
Ton    Schmershaftigkeit  —  Opium    innerlich    und    in   Klystieren, 
warme  protahirte   Vollbäder,    Einathmen   von  Chloroform,    Ein- 
spritsnngen  von  warmem  Wasser  in  die  Uterushöhle  blieben  da- 
gegen ohne  jeden  Erfolg.     Nach   viertägiger   Geburtsdauer  war 
der  Kopf  hoch  oben  im   Scheidengewölbe  links  zu  fühlen,  und 
der  Muttermund   etwas  weiter  geworden;   die  Bänder  desselben 
waren   fest  und   gespannt  geblieben,   der  Uterus   zeigte  sich  an 
allen  Stellen  gleichmftssig  steinhart,  und  klagte  die  Kreissende 
beständig  über  die  heftigsten  Schmerzen  in  der  ganzen  Uterin* 
gegend.     Unmittelbar  nach  dem  nunmehr  erfolgten  Blasensprunge 
war    der  Sehüdel    mit   nach  links    gerichtetem   Hinterhaupte  im 
Becken  eingange  zu  fühlen,  der  Muttermund  blieb  fest  contrahirt, 
der  überall  steinharte  Uterus  zog  sich  fest  um   die  Frucht  zu- 
sammen.   Nach  längerem   Zuwarten,  und  nachdem  sich  bei  der 
Gebärenden  heftige  Fiebererscheinungen  mit  Schüttelfrösten  und 
Erbrechen  eingestellt  hatten,  wurden  drei  tiefe  Einschnitte  in  die 
Bänder  des  Muttermundes  gemacht,   worauf  sich   derselbe  mich 
beträchtlich  erweiterte.    Der  Uterus,  der  bis  dahin  gleiebmässig 


230  XVI.    NotiBep  aUB  der  Jonrnal- Literatur. 

hart  ansnföhlen  gewesen  und  in  «einer  gansen  Aaadebnnog  eineo 
leeren  Percnssionston    gegeben,    soll  unmittelbar  nacb   den  In- 
oisionen  weicher,  teigiger,  der  Percnssionsschall  darüber  Übersoll 
ein    tympanitischer   geworden    sein.     Bei  noch    nicht  völlig  er- 
weitertem Muttermunde  wurde  sodann  —  nach  mehr  als  ffinftigiger 
Dauer  der  Geburl  —  an  den  noch  hoch-  und  querstehenden  Kopf 
die  Zange  angelegt,  wobei  unter  einem  deutlich  hörbaren  GerUnsche 
Luft  aus   der  Gebärmutterhöble   durch   die  Scheide   nacb  aussen 
entleert  worden  sein  solL  Die  Extraction  des  Kopfes  war  schwierig^, 
ebenso,  der  die  Frucht  noch  immer  fest  umschnürenden  Utems- 
Wandungen   wegen,   die  des  Rumpfes.     Das  Kind,   dessen  Hers- 
schlag  man  schon  längere  Zeit  nicht  mehr  gehört  hatte,  war  todt. 
Nach  dem  bald   erfolgten  Abgange   des  Fruchtkuchens  trat  eine 
profuse  Gebärmntterfolutung  ein,   welche   durch  Injectionen  Ten 
salssaurem  Eisen  sistirt  wurde.    27  Stunden  nach  der  Entbinduni^ 
starb   die  Wöchnerin  in  tiefster  Erschöpfung,  ohne  daas  ausser 
Schmerzhaftigkeit  der  Uteringegend  irgend    ein    hervorragendea 
Symptom  aufgetreten  wftre.    Man  fand  bei  der  Section  den  Uterus 
an  seiner  Innenfläche  mit  einer  schwarzgrauen  gangränösen  Masse 
bedeckt,  seine  Muskulatur  an  einzelnen  Stellen  mehr  oder  weniger 
tief  gangränös  zerstört,  die  Vaginalportion  vielfach  zerrissen  und 
zerklüftet,  in  der  Unterleibshöhie  kein  Exsudat.    An  der  Leiehe 
des  Kindes  zeigten   sich   die  Unterleibsorgane  hyperämisch ,   die 
linke  Lunge  rosenroth,  ausgedehnt,  auf  dem  Wasser  schwimmend, 
beim  Einschneiden  knisternd,  die  rechte  nur  wenig  lufthaltig,  im 
Wasser  sinkend. 

(Wärzb.  medic.  Zeitschr.,  III.  Bd.,  6.  Heft,  1862.) 


Q,  Braun:    Neuer   Beitrag    zur   Lehre    von    den   amnio- 
tischen Bändern. 

Die  Amnionbildung  kommt  zu  Stande  durch  Zellenvermehrnng 
und  besondere  Wachsthumsverhältnisse  der  äusseren  Schicht  der 
Keimblase.  Durch  ein  starkes  Flächenwachsthum  an  einer  be- 
schränkten Stelle  entstehen  die  ersten  Amnionfalten,  diese  werden 
in  bestimmter  Richtung  nach  dem  Rücken  des  Embryo  empor* 
getrieben,  und  es  geschieht  die  endliche  Verwachsung  der  ge* 
näherten  Falten  in  einem  Punkte,  worauf  das  Amnion  noch  eine 
Zeit  lang  mit  der  serösen  Hülle  iu  Verbindung  bleibt:  Anomalieen 
dieser  Verbindung,  am  häufigsten  verursacht  durch  Mangel  einer 
hinreichenden  Menge  von  Amnionflüssigkeit  oder  durch  zu  späte 
Absonderung  derselben,  können  auf  verschiedeiie  Weise  die 
embryonale  Entwiokelung  stören,  wovon' Verf.  zwei  interessante 
Beobachtungen  mittheilt. 

In  dem  einen  Falle  fand  sich  an  der  Leiche  eines  neu- 
geborenen, 4}/^  Pfund  schweren,  19^'  langen  Mädchens  am  hinteren 


XYI.    Notisen  ans  der  Journal  Literator.  231 

Omfange  dec  SehAdeU  ein  häutiger,  schlaffer  Back,  der  naob 
rfiekwärta  eine  2"  lange  Ri^astelle  aeigte  und  an  der  äusseren 
Oberfläche  ogit  2 — 8'"  langen,  dem  Amnion  in  Ausgehen  und 
Stmctar  ähnlichen  Fetaen  bedeckt  war.  Das  rechte  ätimbein, 
die  Seiten  wand  beine  und  die  Hinterhauptsschnppe  waren  ver- 
kümmert. In  der  Schädelhöhle  selbst  sah  man  serofibröse  Stränge, 
▼on  einer  Seite  snr  anderen  verlaufend,  ein  Gebälk  darstellen. 
Der  Gaumen  war  rechterseits  gespalten.  An  der  rechten  Hand 
waren  die  ersten  drei  Finger  vollständig  amputirt;  vom  Mittel- 
kandknochen  des  Zeigefingers  bis  zum  Stumpfe  des  Mittelfingers 
verlief  ein  serofibröser  Strang,  welcher  an  seinem  Endpunkte  ein 
erbeeagrosses,  von  normaler  Haut  überiogenes  Anhängsel  hatte. 
Aa  der  linken  Hand  fanden  sich  mehrfache  Sträng^,  welche 
dea  Daumen  unvollständig  abschnürten,  den  Zeigefinger  in  awei 
aagleiohe  Hälften  theilten,  den  Mittelfinger  einschnürten  und 
beaglen,  statt  des  vierten  und  fünften  Fingers  ein  mehrfach  ab- 
gesclinürter  kleiner  Wulst  mit  hautähnlicher  Bedeckung.  Am 
linken  Fusse  waren  die  sweite  und  dritte  Zehe  verwachsen,  am 
rechten  durch  einen  serofibrösen  Strang  die  dritte  mit  der  vierten 
verbnodea,  das  Nagel glied  der  zweiten  vollständig  amputirt.  An 
der  Plaeenta  fanden  sieh  stellenweise  Andeutungen  von  amnioti- 
achen  Bändern. 

Bei  der  sweiten  Beobachtung  handelte  es  sich  um  die  Leiche 
eines  lebend  geborenen,  löVs"  lAUgen  Knaben,  wo  an  der  Stirn 
bei  Verkümmerung  der  'Stirnbeine  mehrfache  häutige  Narben 
gefandea  wurden,  die  nach  innen  mit  der  Dura  mater  und  mittels 
dieeer  stellenweise  mit  den  inneren  Hirnhäuten  verwachsen  waren, 
and  von  welchen  mehrere  abgerissene  pseudomembranöse  Stränge 
abgingen.  An  der  Stelle  der  Nase  war  ein  rechter  kleinerer  und 
ein  linker  grösserer  Spalt;  die  Oberlippe  war  rechts  gespalten 
und  in  ihrer  Spalte  an  der  rechten  Nasenspalte  angeheftet;  ausser- 
dem war  dieselbe,  besonders  links,  sammt  dem  Alveolarfortsatse 
nach  aussen  umgeworfen.  An  der  rechten  Hand  waren  die  End- 
itHeder  der  drei  mittleren  Finger  verkümmert,  von  der  Spitse 
des  Bingfingers  ging  ein  etwa  2"  langer  Strang  unter  dem  Mittel- 
finger sur  Ulnarseite  des  Zeigefingers.  An  der  linken  Hand  waren 
ausser  dem  Daumen  sämmtliche  Finger  verkümmert,  die  drei 
loteten  gebeugt,  mit  einander  verwachsen,  und  die  Endphalangen 
durch  Hantbrfioken  mit  einander  verbunden.  Rechts  Kl umpfuss; 
der  Unke  Fnss  war  in  seiner  Richtung  normal;  die  Phalangen 
der  vierten  und  fünften  Zehe  sehr  rudimentär,  die  übrigen  nur 
aus  einer  rudimentären  Phalanx  ohne  Spur  einer  Nagelbildung 
bestehend  und  durch  eine  Hautbrücke  mit  einander  verbunden;  an 
der  sweiten  Zehe  ausserdem  ein  abgerissener,  *//'  lenger,  psendo* 
membrandser  Strang.  Von  der  Innenfiäche  des  in  Glans  und 
Farbe  normalen  Amnion  gingen  mehrere  Stränge  ab,  welche  frei 
2-— 11"  in  die  Amnionhöhle  hineinhingen  oder  sich  an  gegenüber- 


232  XVl.    Notizen  ans  der  Jonrnal- Literatur. 

liegenden  Stellen  desselben  einpflanzten.  An  der  Insertionsstelle 
des  Nabelstranges  nftcbst  dem  Placentarrande  fand  sieb  eine  vom 
Amnion  entblösste,  beiläufig  1"  lange  anfgefranste  Stelle  mit 
mebrfacb  abgehenden  dünnen  Fäden  nnd  Strängen. 

(Medic.  Jahrbücher,  Zeitschr.  der  Gesellschaft  derAerste 

in  Wien,  1862.) 


Hirsch:    Ein    seltener  Schwangerschafts-  and   Geburts- 
verlauf. 

Bei  einer  S8jährigen  Fran  zeigten  sich  im  März  1861  die  eraten 
Schwangorschaftsflymptome,    Uebelkeit,    Erbrechen,    Strangurie, 
Anschwellung  der  Brüste.     Im   Juli    hatte    der  Leib  an   Umfang' 
entsprechend  zugenommen,   der  Uterus  war  zwischen  Nabel   ond 
Symphyse  zu   fühlen,    in   den  Brüsten  dünnwäseerige  Flüssigkeit 
zu  bemerken;    seit    dem    März   war    statt    der    bis    dabin    immer 
reichlich    geflossenen   Regeln   eine   leichte   blutig  schleimige  Ab- 
sonderung ans  den  Genitalien  alle  vier  Wochen  erschienen,  welche 
sich  jedoch  vom  August  an  nicht  mehr  zeigte.   Da  die  Niederkunft 
nicht,  wie  erwartet,  im  December  erfolgte,  wurde  Verf.  zu  einer 
Untersuchung  der  Person  aufgefordert  und  fand  dieselbe  am  Ende 
einer    regelmässigen    Schwangerschaft    stehend,    namentlich    den 
Uterus  bis  zur  Magengrube  ausgedehnt  und  in  diesem  eine  sich 
deutlich   bewegende  Frucht.     Es   verstrichen  jedoch   der  Januar, 
Februar,  März,  April  und  Mai  unter  immer  stärkerer  Zunahme 
des  Leibesumfanges,  bei  sonst  vollkommenem  Wohlbefinden  der 
Frau.     Endlich    —    Ende    Mai,    nach    fünfzehnmonatlicher    Ter- 
meintlicher    Schwangerschaft   —    stellten    sich    mit   Abgang   des 
Fruchtwassers  schwache  Wehen  ein,  welche  erst  nach  drei  Tagen 
die  vollständige  Erweiterung  des  Muttermundes  bewirkten.    Die 
nunmehr  wegen  drohender  Erschöpfung  der  Gebärenden  von  zwei 
Aerzten   gemachten  Versuche,    den    noch    hoch    und   beweglich 
stehenden   Kopf   mittels    der   Zange    zu    extrahiren,    misslangen. 
Der  darauf  herbeigezogene  Verf.  fand  den  Kopf,  dessen  Knochen 
leicht  verschiebbar,    und    in    dessen   Bedeckungen    eine    V,  ^^'^ 
grosse,    rauthmaasslicb    von    der  Zangenapplication    herrührende 
Oeffnnng  zu  finden  war,  beweglich  am  Beckeneingange  und  ging, 
um    die  Wendung    auf   die  Füsse   auszuführen,    am  Rumpfe    des 
Kindes  bis  zu  den  Rippen  in  die  Höbe,  wo  ein  weiteres  Vordringen 
durch  eine  kugelrunde,   enorm  grosse,    fluctnirende   Geschwulst 
gehemmt  wurde,   welche   nach   rechts   durch   bandartige  Streifen 
angeheftet  war.    Verf.  drang  nun   mit  der  Hand  dareh  die  schon 
erwähnte  Oefihnng  in  die  Schädelhöhle  und   entfernte  möglichst 
das   Gehirn,  -worauf   die    manuelle   Extraction   des   Kopfes    and 
Rumpfes   gelang.     Das  Kind  wog  8  Pfund,    war  aormaP gebildet 
und  trug  die  Zeichen  der  Reife.    Bei  Lösung  des  Fruchtkuchens 


XVII.     Literatur.  233 

wnrde  jene  Oeschwolst  nocb  im  Fnndas  sitzend  gefunden.  Die 
gf^nslieb  erschöpfte  Frau  starb  nach  wenigen  Standen.  Die  Section 
wurde  nlelit  gestattet;  doch  nahm  Verf.  Gelegenheit,  die  nnterdess 
theilweise  sn  den  äusseren  Genitalien  herausgetretene  Geschwulst 
an  untersuchen.  Dieselbe  hatte  die  Grösse  eines  Mannskopfes; 
man  konnte  neben  ihr  mit  der  Hand  in  den  Uterus  durch  den 
ausgedehnten  Muttermund  dringen  und  fühlte  an  ihrer  oberen 
Hälfte  noch  die  erwähnten  ligamentösen  Str&nge.  Ihr  äusseres 
▼or  den  Geschlechtstb eilen  liegendes  Segment  bot  eine  glatte, 
feste,  seröse  OberflKche.  Beim  Einschneiden  in  ihre  etwa  Y,  Zoll 
dicke ,  feste ,  fleischige  Wandung  zeigte  sie  sich  als  eine  hohle 
Kugel,  mit  blassröthlicher  Flüssigkeit  erfüllt,  in  welcher  dicke 
Blutgerinnsel  und  ausserdem  einzelne  feste,  zusammengeschrumpft«, 
fleischige,  den  Rudimenten  eines  Embryo  ähnliche  T1|iei1e  herum- 
schwammen. 

Verf.  vermuthet,  dass  nach  Entartung  des  zuerst  befruchteten 
Eies  und  theilweiser  Verwachsung  desselben  mit  der  Gebärmutter 
eine  sweite  Conception  erfolgt  sei.  Durch  die  räumliche  Aus- 
dehnnng  und  die  gesteigerte  productive  Thätigkeit  der  Gebär- 
mutter bei  der  normalen  Entwickelnng  des  zweitbefruchteten 
Ries  sei  die  Wetterentwickelung  der  Mole,  durch  deren  dabei 
stattflndende  Gewichtszunahme  die  Ausdehnung  der  Adhäsionen 
zu  jenen  bandartigen  Strängen  begünstigt  worden. 
(Würzb.  medic.  Zeitschr.,  Bd.  III.,  Heft  6.) 


XVII. 
Literatur. 


Die   Muskulatur    am    Boden    des    weiblichen   Beckens, 
▼  on  Dr.  Hubert  Luschka.     Mit  vier  Tafeln.     Wien  1861. 

Verfasser  unterzog  die  Lehre  Yon  den  Muskeln  am  Boden 
des  weiblichen  Beckens  einer  gründlichen  Revision  und  gelangte 
SU  Resultaten ,  die  nicht  unerheblich  von  den  bisherigen  Angaben 
abweichen,  welche  er  zum  Theil  für  blosse  Uebertragungen  der 
Verhältnisse  am  männlichen  Körper  hält. 

Von  willkürlichen  Muskeln  finden  sich  am  Ende  des  Mast- 
darmes der  Heber  und  der  äussere  Schliesser  des  Afters.  Der 
Levntor  ani  ist  ein  dünner,  fast  membranöser,  aus  zwei  symmetrisch 
gebildeten  Seitenhälften  bestehender  Muskel,  welcher  baupttächlich 
die  fleischige  Grundlage  des  Beckenbodens  darstellt.    Seine  glatten 


234  ^^11-     Literatur 

Bündel  sind  gewöhnlich  nnr  loee  mit  einander  verhonden ,  laaeen 
swischen  sich  einielne  grossere,  von  fetthaltigem  ZellstoiFe  er- 
fBHte  Spalten  nnd  verlanfen  schrKg  ron  ohen  naeb  unten  und 
innen.  Er.  entspringt  beiderseits  vom  horisontalen  Schambeinaste, 
▼on  der  Beckenbinde  und  von  der  inneren  Seite  des  Sitsbein- 
Stachels,  mit  einaelnen  Bündeln  häufig  auch  von  der  Aussenseite 
des  Ligamentum  pubo-yesicale  laterale ,  sowie  rom  aufsteigenden 
Aste  des  Sitsbeines.  Die  vom  Schambeine  und  die  etwa  von 
genanntem  Bande,  sowie  vom  aufsteigenden  Sitabeinaste  ent- 
springenden Bündel  sieben  neben  der  Scheide,  an  welche  sie 
durch  kurzen,  straffen  Zellstoff  angeheftet  sind,  herab,  ohne 
dass  jedoch  ein  einsiges  in  der  Wand  derselben  endigte;  dabei 
schneiden  sie  deren  Aze  unter  einem  fast  rechten  Winkel ,  —  es 
kann  daher  die  Scheide  durch  sie  keineswegs  gehoben,  sondern 
höchstens  der  vorderen  Beckenwand  genähert,  auch  wohl  von 
beiden  Seiten  einigermaassen  comprimirt  werden.  Die  Oesammt- 
heit  der  dem  Afterheber  angehörigen  Muskelbündel  scheidet  sich 
während  ihres  Verlaufes  nach  rück-  und  abwärts  spitswinkelig 
in  swei  Abschnitte ,  von  welchen  der  eine  vor  dem  Mastdarme, 
der  andere  an  den  seitlichen  und  hinteren  Umfang  desselben  an 
liegen  kommt  Der  vordere  Abschnitt  ist  ein  glattes,  nur  wenige 
Linien  breites  Bündel,  dessen  tiefstgelegener  Punkt  sich  l,2Centi- 
meter  über  der  Afteröffnung  befindet,  und  dem  Verf.  beim  Weibe 
kaum  irgend  welche  functionelle  Bedeutung  anerkennt.  An  dem 
hinteren  Abschnitte  lassen  sich  drei  Faserzüge  unterscheiden, 
von  denen  der  hintere,  kleinste  sich  sehnig  an  der  vorderen 
Fläche  des  vierten  Steissbeinstiickes  anheftet,  der  mittlere  in 
Sehnenbündel  übergeht,  welche  .vor  der  Spitze  des  'Steissbeina 
mit  entsprechenden  der  anderen  Seite  zusammenfliessen,  der 
vordere,  umfänglichste  mit  den  Bündeln  der  anderen  Seite,  ohne 
sehnig  zu  werden,  zusammentrifft.  Einige  Bündelchen  des  After- 
hebers, die  aus  seinen  tieferen  Schichten  hervortreten,  können 
zwischen  den  oberflächlichen  Bündeln  der  Längsfaserschicht  des 
Mastdarmes  bis  in  das  die  Aftermtindung  umgebende  Unterbaute 
Zellgewebe  herab  verfolgt  werden.  Der  Levator  ani  zieht  den 
Mastdarm  nach  vor-  und  aufwärts  gegen  die  vordere  Beckenwand 
hin,  so  dass  ^ie  Analöffnung  nach  rückwärts  gewendet  und  zu- 
gleich die  hinlere  Darmwand  der  andrängenden  Kothsäule  ent- 
gegengebracht nnd  schliesslich  über  dieselbe  hinweggesehoben 
wird.  Der  grösste  Theil  der  hinter  dem  Mastdarme  herab- 
tretenden Fasern  hat  auf  denselben  keinen  directen  Einflnss, 
sondern  stellen  den  schief  abfallenden  Beckenboden  dar,  der 
durch  eigene  Contraction  aus  jeder  Lageverändernng  wieder  in 
seine  frühere  Stellung  zurückkehren  kann. 

Der  äussere  Aftersehliesser  besteht  tbeils  aus  ringförmigen, 
nur  dem  Anus  angehörigen  Bündeln,  welche  elliptisch  gekrümmt 
und   und   sich    nn mittelbar   um  das   untere  Ende  der  Langsfaser» 


XVIJ.    Literatur.  235 

s«]iiehi  hammUg^B,  tbeils  aus  8  förmigen  Z^gen,  welche  nacli 
•«■aaa  von  jener  Portion  gelagert  sind,,  hinter  dem  Mastdarme 
apitewinkelig  snsammenfliessen  nnd  in  einen  platten,  sehnen* 
nitigen,  an  der  hinteren  FlKehe  des  vierten  Steissbeinstüokes 
angehefteten  Streifen  äbergehen,  vor  dem  Bectnm  aber  eine 
■eehrfaehe  Dnrchkrensnng  erfahren,  aus  der  jederseits  ein  st&rkeres 
Bändel  hervorgeht,  welohes  sich  an  den  inneren  Rand  des  Con* 
atrieior  cnnni  anlegt,  anf  den  Bücken  des  BUtslers  gelangt  und 
aahnig  mit  dem  der  anderen  Seite  susammenflieest ,  wXbrend  ein 
»weites  viel  schwächeres  Bündel  sich  enr  Haut  an  der  vorderen 
Grense  des  Dammes  begiebt. 

Von  organischer  Moskalatnr  besiebt  am  £nde  des  Mast- 
darmes ausser  dem  Sphineter  ani  internus  und  der  dahin  statt- 
findenden Fortsetanng  der  Längsfaserschlchte  des  Rectum,  welche 
■ieht  am  Levator  ani  aufhört,  sondern  sammt  den  neu  hinsu- 
Ipetretenen  Fasern  in  elastische ,  bis  sum  subcutanen  Bindegewebe 
der  Aftergegend  reichende  Sehnen  fibergeht,  auch  einzelne  Bündel 
»nr  Wand  der  Scheide  schickt,  ein  Muskel,  welcher  aus  swei 
0,3 — 0,4  Centimeter  breiten,  platten  Seitenhälften  besteht,  welche 
an  der  vorderen  Fl&che  des  Steissbeines  unter  einem  spitien 
Winkel  snsammenfliessen ,  in  der  Richtung  nach  vorn  aber  derart 
divergiren,  dass  jedes  Bündel  an  den  seitlichen  Umfang  des  Mast- 
darmes  gelangt,  —  von  Treit»  M.  reotococcygens  s.  retractor  recti 
genannt. 

An  der  Scham'  nnd  dem  unteren  Ende  der  Scheide  finden 
sich  vier  Muskeln. 

Der  M.  ischiocavernosus  stellt  eine  fleischig  fibröBe  Kapsel 
dar,  in  welcher  der  Schenkel  des  Kitslers  verborgen  liegt  und 
welche  diesen  am  ganaen  Umfange  vollständig  umfasst.  An  seinen 
Fleischbfindeln  sind  dreierlei  Züge  su  unterscheiden.  Es  findet 
sieh  erstens  eine  mittlere,  longitudinale,  schwach  S förmig  ge- 
krümmte Pasernng,  welche  das  sehnig- fleischartige  hintere  Ende 
des  Maskeis  fast  gani  allein  darstellt,  in  der  hinteren  Hälfte 
desselben  vorwiegend  fleischig  ist,  dann  aber  in  einen  platten 
Sehnenstreifen  übergeht,  welcher  ausschliesslich  auf  den  Rücken 
des  Kitslers  gelangt.  Zweitens  sind  schräg  verlaufende  Moskel- 
bundel  vorhanden,  die  von  der  inneren  Lefse  des  aufsteigenden 
Sitsbein-  nnd  des  absteigenden  Schambeinastes  ausgeben,  sich 
um  den  hinteren  Umfang  des  Schenkels  der  Clitoris  nach  ans- 
nnd  aufwärts  herumschlagen  und  sich  unten  an  die  longitudinalen 
Fleisohbündel  anlegen,  weiter  oben  dagegen  in  den  medianen 
Sehnenstreifen  nnd  schliesslich  in  die  Endaponeurose  über- 
gehen. Drittens  ezistiren  zarte,  schräg  verlaufende,  grössten- 
theils  von  der  longitudinalen  Faserung  gedeckte  Fleischbündel, 
•atopreehend  dem  vorderen  Rande  des  Muskels,  welche  nur  der 
oberen  Hälfte  desselben  angehören,  vom  medianen  Sehnenstreifen 
ettta]Hringen  nnd  schief  nach  aussen  und  oben  si(*hen,   um  theils 


236  XVII.    Literatur. 

sieb  an  die  vordere  Lefie  den  absteigenden  Scbambeinastes  an- 
SQsetsen,  tbeils  in  die  Endaponearose  übersngehen.  Das  obere 
Ende  des  M.  isebiocayemosns  stellt  ein  membranartiges  Sehnea- 
blatt  dar,  welches  in  der  Mittellinie  mit  jenem  der  anderen 
Seite  SU  einer  fibrösen  Hülse  znsammenfliesst »  welche  die  hintere 
Hälfte  der  Clitoris  aufnimmt.  Gedachter  Muskel  vermag  den 
Schenkel  derselben  sowohl  eoncentrisch  als  auch  longitudinni 
snsammenzupressen,  wie  auch  durch  Druck  seiner  Aponeuroae 
auf  die  Vena  dorsalis  elitoridis  den  Rückfluss  d^a  Blutes  sn 
hemmen. 

Der  M.  compressorbulborum  vestibuli  (sonst  Constrictor  eunni 
genannt)  ist  ein  platter,  bandartiger,  unpaariger,  auf  der  Aussen- 
seite  der  Vorhofsswiebeln  liegender  Muskel,  welcher  mit  seinem 
mittleren,  grosseren  und  selbststKndig  entspringenden  Abschnitte 
mit  lose  zusammenhängenden,  gespreisten  Bündeln  swischen 
After5ffnung  und  Sitabeinhöcker  jederseits  von  der  Binde  des 
Dammes  ausgeht.  An  den  inneren  Rand  *  legt  sich  eine  schmale 
Fortsetzung  von  Fleischfasern  an,  welche  aus  der  vor  dem  After 
eingetretenen  Durchkreuzung  von  Bündeln  des  Sphincter  ani 
extornus  hervorgegangen  ist,  wKhrend  sich  an  seinen  Susseren 
Rand  ein  Bündelchen  begiebt,  das  sich  von  dem  vorderen  Rande 
des  M.  transversus  perinaei  superf.  abgelöst  hat.  Die  drei  Portionen 
vereinigt  bilden  einen  6 — 7  Millimeter  breiten,  bandartigen  Streifen, 
welcher  schräg  über  den  vorderen  äusseren  Umfang  derVorhofa- 
Zwiebel  hinwegzieht,  um  sich  in  der  Nähe  des  Zusammenstosses 
dieser  und  des  Kitzlers  in  zwei  Partieen  zu  sondern,  von  denen 
die  oberflächliche  sich  auf  den  Rücken  des  Kitzlersehaftes  begiebt 
und  in  eine  Aponeurose  übergeht,  welche,  mit  jeder  der  anderen 
Seite  verschmolzen,  über  der  Vena  dorsalis  elitoridis  sich  aus- 
breitet, wKhrend  die  tiefere  sich  zwischen  Ritzler  und  oberes 
Ende  der  Vorhofszwiebeln  hineinschiebt  und  mit  dem  ent- 
sprechenden Gebilde  der  anderen  Seite  zu  einer  Aponeuroze 
zusammenfliesst,  welche  sich  über  die  das  Blut  aus  den  Zwiebeln 
zurückführenden  Venen  hinweglegt.  Der  in  Rede  stehende  Muskel 
ist  hauptsächlich  dazu  bestimmt,  durch  Compression  der  von 
seinen  Endsehnen  bedeckten  Venen  die  Fällung  des  Schwell- 
apparates zu  sichern;  das  Orificiam  vaginae  vermag  er  dadurch 
zu  verengern,  dass  er  bei  seiner  Zusammenziehung  die  strotzenden 
Zwiebeln  nach  innen  zu  drängen  im  Stande  ist. 

Der  Constrictor  vestibuli  s.  sphincter  vaginae  liegt  un- 
mittelbar hinter  den  Vorhofszwiebeln  und  zieht  unter  der  Vena 
dorsalis  elitoridis  und  über  die  obere  Seite  des  vorderen  Endes 
der  Harnröhre  und  den  ganzen  von  dieser  nicht  gedeckten  Um- 
fang des  unteren  Scheidenendes  herum.  Er  ist  oben  und  unten 
schmaler,  als  an  den  Seiten,  aber  auch  da  höehstens  4  Millimeter 
messend.  Der  an  d^r  unteren  Scheidenwand  befindliche  Abschnitt 
flteRst  meist  mit  dem  vorderen  Rande  des  M.  transver^ns  perinaei 


XVII.    Literatar.  237 

profund,  zosammen.  Er  yermag  die  Harnröhre  rd  die  vordere 
Wand  der  Scheide  ansapressen  und  sie  in  verschliesnen,  die 
Passage  für  Vena  dorsalia  und  Venae  profundae  clifcoridia  unter 
dem  Ligament,  arouat.  inf.  su  erweitern,  sowie  den  Öcheideu- 
eingaag  xa  verengeru. 

Der  Heber  der  Scheide  beateht  aas  einer  blasarötblichen 
Mvakelachicht,  welche  der  Höhe  des  unteren  Drittels  jener  eni- 
Bprieht  and  aus  sehr  dünnen,  schmalen,  zum  Theil  geflechtartig 
in  einander  geschobenen  Bündelchen  besteht,  die  in  einen  an 
elastischen  Fasern  sehr  reichen  Zellstoff  eingelagert  sind.  Diese 
Bändelchen  entapringen  aus  dem  Gewebe  der  inneren  Becken- 
binde und  yerliereu  sich  im  submucösen  Bindegewebe  des 
Seheideneingangs ,  so  dass  durch  sie  das  Ende  der  Scheide  ge- 
hoben and  einwärts  gesogen  werden  kann. 

Das  die  Schleimhaut  der  Harnröhre  umgebende  m&cbtige 
Fasergewebe  besteht  vorsüglich  aus  kreisförmigen  Zügen  orga- 
nischer Muskelfasern ,  die  in  einen  an  elastischen  Elementen  sehr 
reichen  Zellstoff  eingebettet  sind.  Die  quergestreifte  Muskulatur 
der  Harnröhre  besteht  ans  einer  von  einem  Venennetse  über- 
lagerten Schiebt  quer  verlaufender,  nur  sehr  lose  zusammen- 
hängender Bündelchen,  welche  den  oberen  Umfang  und  die 
leiten  der  gansen  Harnröhre  umziehen,  sich  ohne  scharie  Grenze 
zwischen  den  organischen  Muskelfasern  verlieren  und  an  der 
vorderen  Wand  der  Scheide  inseriren,  —  durch  Anpressen  an 
diese  können  sie  Verschluss  der  Harnröhre  bewirken. 

Dem  Damme  ausschliesslich  gehören  an  die  Mm.  transversi 
pertnaei  superficialis  und  profundus.  Ersterer  ist  der  mächtigere, 
nnpaar,  platt,  fast  bandartig;  er  entspringt  jederseits  mit  einer 
dünnen,  breiten  Sehne  von  der  inneren  Fläche  des  Anfangs  des 
aufsteigenden  Sitzbeinastes;  seine  querlaufenden  Bündel  be- 
schreiben einen  nach  rück-  und  abwärts  schwach  convexen  Bogen; 
er  stützt  den  Damm  und  spannt  ihn  in  querer  Richtung  an.  Der 
M.  uansrersuB  perinaei  profundus  ist  kaum  2  Millimeter  breit, 
entspringt  beiderseits  von  der  Innenfläche  des  Kamus  ascendens 
088.  ischli  hinter  dem  Ursprünge  des  Superficialis  und  schllesst 
sich  mit  seinem  vorderen  Bande  an  das  untere  Segment  des 
M.  constrictor  vestibuli  an;  er  unterstützt  diesen  Muskel  und 
vermag  während  der  Schwellung  der  Vorhofszwiebeln  durch  Druck 
auf  die  BatihoUn^echen  Drüsen,  hinter  welchen  er  verläuft,  zur 
Ausscheidung  des  Secretes  derselben  beizutragen. 


Lutehka:   Die  Milchdrüsen  des  Menschen. 

Ans  dem  Werke  Luschka^s:  »Die  Anatomie  der  Brust  des 
Menschen,  Tübingen  1863 '^j  welches  üieh  vielfach  auch  luLt  deui 
weiblichen  Organismus  beschäftigt,  heben  wir  den  Ab.sr-bnjtt  über 


238  XVTI.    Literatur.    * 

die  Milchdräsen    des  Meoscben  heraas,   um  die  Aufmerksamkeit 
der  Facbgenossen  auf  das  gedieg^ene  Werk  su  lenken. 

Die  Milchdrüse  erscheint  bei  Neug^eborenen  beiderlei  Ge- 
schlechtes als  ein  deutlich  abgegrenster,  4 — 8'"  breiter,  1'"  dicker 
Körper,  welcher  aus  0,1 — 0,5'"  weiten  Follikeln,  den  Anlagen 
der  späteren  Sinus  lactei ,  besteht.  Dieselben  münden  mit  einem 
gemeinsamen  Ansführungsgange,  durch  welchen  trübe,  Fett- 
tropfchen  enthaltende  Flüssigkeit  entleert  werden  kann.  Bis  sur 
Pubertät  entwickelt  sich  die  Drüse  bei  beiden  Geschlechtern 
gleichmässig  fort,  indem  ihre  Ginge  seitliehe,  bernienartig» 
Ausstülpungen  treiben.  Von  da  an  beginnt  beim  Mädchen  ein 
üppiges  Wachthum  der  Drüse  durch  immer  weitere  Verästelung 
der  Gänge;  Drüsenbläschen,  vor  der  Menstruation  noch  gar  nicht 
vorhanden,  treten  auch  jetat  nur  sparsam  auf.  Die  jungfräuliche 
Brust  bildet  eine  nicht  deutlich  gelappte,  fest  zusammenhangende, 
halbkugelige  Mmase.  Die  höchste  Entwickelung  erreicht  die 
Drüse  SU  finde  der  Schwangerschaft  durch  Besetaung  aller  Gänge 
mit  Endbläseben.  Bei  der  Greisin  schwinden  die  Bläschen  all- 
roälig;  nur  die  mit  fettig  entartetem  Epithel  versehenen  Milch- 
gänge  bleiben  erhalten. 

Die  Bläsehen  sind  0,05 — 0,07'"  gross,  von  verschiedener, 
im  Allgemeinen  rundlicher  Form  und  sitien  theils  in  dünne 
IStielehen  ausgesogen,  theils  ungestielt  auf  den  feinsten  Milch- 
gängen; ihre  structurlose ,  glashelle  Grundmembran  besitst  an 
ihrer  inneren  Oberfläche  ein  Plättchenepithel,  welches  aus  rund- 
lichen und  polygonalen  Zellen  besteht,  in  denen  während  der 
Laotation  die  Milchkügelchen  auftreten.  Die  Milchgänge  erfahren 
im  Bereiche  des  Warsenhofes  eine  bis  8  Millimeter  betragende, 
spindelförmige  Ausbuchtung  (Sinus  lactei)  und  verjüngen  sich 
dann  bis  sur  Mündung  auf  derWarse  Ms  su  V^  Millimeter  Breite. 
Die  feinsten  Milchcanäle  sind  ganz  wie  die  Aeint  gebaut;  bei 
den  grösseren  ist  die  structurlose  Membran  nach  aussen  von  einer 
aus  sarten,  vorsngsweise  longitudinal  angeordneten  elastischen 
Fasern  zusammengesetsten  Schicht,  nach  innen  von  einem  aus 
konischen  Zellen  bestehenden  Epithel  bekleidet.  Organische 
Muskelfasern  sah  Verf.  nirgends  in  der  Wandung  der  Milchgänge. 

In  die  structurlose  Bindesubstanz  der  primitiven  Drüsen- 
läppchen sind  sehr  schmale,  dunkel  conturirte,  oblonge  Kerne 
in  linearen  Zügen  eingestreut.  Das  Stroma  der  grösseren  Drüsen- 
lappen besteht  aus  fibrillärer  Bindesubstans ,  welche  nur  wenig 
elastische  Fasern,  aber  sehr  viel  kernartige ,  bei  Essigsäuresusats 
deutlicher  hervortretende  Elemente  enthält.  Gegen  die  Peripherie 
der  Drüse  erhält  das  interstitielle  Gewebe  reioliliche  elastische 
Fasern  und  gewinnt  überhaupt  dl^  Qualitäten  einer  Fascie;  nach 
der  Haut  zu  setzt  es  sich  in  ein  wabenähnliches,  sur  Aufnahme 
des  Panniculus  adiposus  bestimmtes  Fachwerk  fort,  während  es 
nach  hinten  sur  Ausbildung  einer  dickeren,    nur  los^   und  ver- 


r 


XVII.    Literatar.  239 

•chiebbar   mit  der  Binde   des    grossen   Bmstmiiskels  Bnsammen- 
hXngenden  Lismelle  kommt. 

Hinsichtltcb  der  sogenannten  Afoii<^omery*8chen  Drüsen  ist 
Yerf.  mit  J.  Duval  der  Ansicht,  dass  sie  von  kleinen,  unter  der 
Usnt  des  Warsenbofes  liegenden,  im  Bau  volIstHndig  mit  dem 
Parenchym  der  Hauptdräse  übereinstimmenden  Drüsenläppchen 
berrnhren,  deren  AusfnhrungsgHnge  jedoch  die  Bmstwarie  nicht 
erreichen. 

Die  Haut  der  Mamma  ist  nicht  wesentlich  yersohieden  von 
der  des  abrigen  rorderen  Thoraxumfangas  bis  auf  die  Pigmentirang 
des  Warzenhofes  und  der  Papille  und  die  Unebenheit  derselben, 
herrührend  ron  zahlreichen  grossen,  einfachen  und  zusammen- 
gesetzten, namentlich  an  der  Papille  gedrängt  stehenden  WKrzchen, 
welche  meist  nar  Oefässschlingen  enthalten,  —  nur  zu  wenigen 
begeben  sich  an  Gorpuscula  taetus  geknüpfte  oder  als  sehr  kleine 
Pae%nt*8che  Körperohen  endende  Nervenröhren.  Die  conoentrischen 
Runzeln  des  Warzenhot'es  sind  der  Ausdruck  ebenso  vieler  Beiben 
dieser  Papillen. 

Die  organischen  Muskelfasern  des  Warzenbofes  und  der 
Papille  bilden  zum  grössten  Theil  ein  ringförmiges  Flechtwerk, 
des  durch  grössere  Maschen  räume  die  Milchgänge  durchtreten 
läset  und  durch  diese  Anordnung  die  Bedeutung  eines  8phincters 
derselben  gewinnt.  Einige  Muskelfaserbündel  durchziehen  die 
Papille  in  ihrer  Längsrichtung,  —  dass  die  Tendenz  derselben 
dahin  gerichtet  sein  wird,  die  Warze  zu  verkürzen,  läset  sich 
zieht  beatreiten,  wohl  aber,  dass  sie,  wie  Verf.  annimmt,  selbst 
eine  völlige  Einziehung  dieser  bewirken  können. 

Die  Arterien  stammen  hauptsächlich  aus  den  ftUif  oberen 
Bami  perforantes  der  Mammaria  interna  und  aua  der  Thoracica 
longa  ond  anastomosiren  auf  das  Mannichfaltigste  unter  einander 
wie  mit  Zweigen  der  Thoraoieo  •  acromialis  und  dor  oberen 
lotercostalarterien.  Das  Capillarsystem  umspinnt  hauptsächlich 
die  Aoasenseite  der  DrÜaenläppchen.  Die  Venen  begleiten  theils 
die  Arterien,  theila  bilden  sie  ein  suboutanes,  weites  Maschen- 
wetk;  von  letzteren  mündet  ein  Theil  über  die  Clavicula  hiJaweg 
in  die  Jugularis  externa.  Zuweilen  findet  sich  anter  der  Haut 
des  Warsenhofes  eine  stärkere,  im  Bogen,  auch  Kreise  ver- 
Isefettde  Vene  (Cireulas  venosus  Halleri). 

Die  sehr  zahlreichen  Saagadem  stellen  gröbere  und  feinere 
Netze  dar,  die  theils  das  Parenchym  in  der  Tiefe  durchziehen, 
ibeiLs,  oberflächlich  ausgebreitet,  mehr  der  Cutis  angehören, 
und  stehen  in  Zusammenhang  mit  den  Achseldrüsen,  anderseits 
dzrcb  Verbindung  mit  den  Saugadern  der  Intercostalräume  mit 
dsn  Lymphdrüsen  der  Brusthöhle. 

Die  Nerven  der  Mamma  sind  vorwiegend  spinaler  Natur. 
Beimischung  sympathischer  Elemente  lässt  sich  nicht  stringent 
beweisen,    aber    ans    den    mächtigen,    in    centrifogaler   Richtung 


240  ZVII.    LUeratnr. 

sich  mit  den  Nervi  inte  reo  Btales  verbindenden  Rami  commnnicanteii 
ana  dem  Brasttfaeile  des  Grenzstranges,  wie  ans  dem  Consens 
zwischen  den  Brüsten  und  der  an  sympathischen  Nerven  so 
reichen  Gebärmatter  yermatheu.  In  das  Parenchym  der  Mamma 
erstrecken  sich  besonders  Zweige  des  vierten  bis  sedisten 
Intercostalnerven,  den  grösseren  Milohgängen  folgend  and,  wie 
ans  dem  Einflasse  gewisser  psychischer  Erregungen  ea  vermuthen, 
an  den  Wunden  der  Bläschen  endigend.  Die  meisten  Nerven 
sind  för  die  Haut  bestimmt,  stammen  von  den  Nervi  supra- 
clavionlares  interui  und  giedii,  sowie  aas  den  Ranii  extern!  and 
interni  des  zweiten  bis  sechsten  Intorcostalnerven ,  veiiaafeu 
radiär  gegen  Hof  and  Warze  und  enden  hauptsächlich  In  diesen 
Theilen.  Die  Verbindung  des  Ramus  externus  des  zweiten  und 
dritten  Intercostalnerven  mit  den  inneren  Hautnerven  des  Armes 
macht  bei  verschiedenen  Erkrankungen  der  Brust  den  Schmerz 
bis  in  den  Arm  anstrahlen. 


Spöndli:  Die  unschädliche  Ropfzange,  casuistisch  be- 
arbeitet für  Studirende  und  praktische  Aerzte. 
Zürich   1862. 

Die  vorliegende  Arbeit  zerfällt  in  einen  theoretischen  und 
einen  praktischen  Theil.  In  ersterem  bespricht  Verf.  die  Wahl 
des  Instrumentes,  wobei  er  sich  für  die  lange  Loc^r*sche  Zange 
und  von  den  kleineren  für  eine  Boer*sche  mit  Handhaben  ent*> 
scheidet,  die  Wirkung  der  Zange  im  Allgemeinen,  die  Indicationen 
zu  ihrem  Gebrauche  und  die  Operation  selbst,  ohne  jedoch  wesent- 
lich Neues  zn  bringen.  In  dem  Umstände,  dass  das  Werkchen 
für  Anfänger  bestimmt  ist,  durfte  die  ausserordentliche  Detstilirung 
des  Stoffes  eine  gewisse  Berechtigung  finden  —  derselbe  Umstand 
macht  aber  einzelne  kleine  Uebertrei bangen,  z.  B.  die  wohl 
Hchwerlieh  ernst  gemeinte  Behauptung  der  Nothwendigkeit  dreier 
Assistenten  bei  jeder  Zangenoperation,  zu  wirklichen  Fehlern, 
im  zweiten  Theile  findet  sich  die  ausführliche  Erzählung  von 
50  Fällen  gedachter  Operation  aus  der  Privatpraxis  des  Verf. 
Diese  Casuistik  dürfte  wohl  geeignet  sein,  um  mit  Verf.  zu  reden, 
den  Anfänger  neben  technischen  auch  moralische  Vortheiie: 
Geduld,  Mutb,  Emancipation  von  vorgefassten  Metnangen  zu  lehren. 


XVllI. 

▼«rhaadlnngen  der  OeseUschaft  für  Geburtahttlfe 

in 

Berlin. 


Sitzung  vom  9.  December  1862. 

Nach  der  Verlesung  des  Protocölls  der  Torigen  Sitzung 
nimmt  Herr  C  Mayer  ^  anknöpfend  an  den  letzten  Vortrag, 
das  Wort  Die  reinen  Hypertrophien  der  Vaginalportion,  die 
von  HuguMft  als  so  überwiegend  häufig  dargestdlt  wilrden, 
dass  er  fast  alle  Gebärmuttenrorfftlle  auf  Vergrösserung  des 
Cenrix  uteri  zurückführe,  seien  nach  seinen  Erfahrungen  sehr 
selten  im  Vergleiche  zu  den  wirklichen  Senkungen  der 
Gebärmutter  und  Scheide.  Dies  erkläre  auch  das  so  seltene 
Vorkommen  des  VorfiiDes  der  schwangeren  Gebärmutter,  denn 
er  theile  ganz  die  Ansicht  des  Herrn  L,  Mayer  y  dass  ein 
einlacher  Vorfall  ohne  erhebliche  Verdickung  der  Vaginalportion 
flieh  im  Verlaufe  der  Schwangerschaft  meist  zurückziehe  und 
überhaupt  der  normalen  Eröffnung  des  Muttermundes  kein 
Ifinderniss  entgegensetze;  während  allerdings  in  einzelnen 
Fällen»  wo  die  Vagioalportion  bedeutend  hypertrophirt  und 
wulstig  sei,  eine  Störung  des  Geburtsverlaufes  daraus  hervor* 
gehen  werde.  Diese  letzte  Eventualität  sei  aber  im  Ganzen 
sehr  selten  und  erkläre  sich  auch  die  Seltenheit  dadurch« 
dass  bei  so  beschaflener  Vaginalportion  meist  die  Conception 
sehr  gehindert  sei  und  somit  in  der  Hehrzahl  derartiger 
Fälle  eine  Schwangerschaft  gar  nicht  eintrete. 

Herr  Kauffmawn  erwähnt  einer  Beobachtung,  die  er 
vor  langer  Zeit  als  Praktikant  der  uBuacA'schen  Klinik  gemacht 
Zu  einer  Gebärenden  gerufen,  fand  er  die  Vaginalportion  wie 

lC«nataMlir.f.a«l>ortil(.  1868.  Bd.  XXI.,  Bfl,  4,  10 


242  XVIII.    Verhandlnngfen  der  Gesellschaft 

einen  ßorsdorfer  Apfel  aus  den  Genilalien  hervorragend.  Der 
Kopf  stand  noch  im  Becken,  wurde  aber  bald  in  den  Becken- 
ausgang getrieben  und  schob  die  Vaginalportion  vor  sich  her. 
Trotz  der  sehr  beträchtlichen  Hypertrophie  derselben  fing 
sie  doch  allmälig  an  zu  verstreichen,  während  der  Kopf  bei 
jeder  Wehe  mit  der  Hand  am  zu  starken  Vordringen  gehindert 
wurde  und  nach  Verlauf  von  zwei  bis  drei  Stunden  hatte  sich 
die  Wulstung  so  weit  verloren  und  das  Orificium  so  weit 
geöffnet,  dass  die  Unterstützung  mm  unterlassen  und  auch 
bald  darauf  ein  lebendes  Kind  geboren  wurde. 

Herr  H.  Strassmann  berichtet  über  einen  ähnlichen  Fall. 
Eine  neunzehnjährige  Erstgebärende,  die  sieben  Monate  ihrer 
Schwangerschaft  ohne  alle  Beschwerden  durchgemacht  hatte, 
bemerkte  in  den  letzten  Monaten  einen  fremden  Körper  aus 
der  Schamspalte  hervorragen.  Als  Herr  StroBsmaw^  sie 
untersuchte,  fand  er,  dass  der  Kopf  des  Kindes  tief  in's 
Becken  herabgetreten  war  und  die  vordere  Wand  des  Uterus 
vor  sich  her  herabgedrängt  hatte;  ganz  nach  hinten  in  der 
Aushöhlung  des  Kreuzbeins  lag  die  zapfeniormig  verlängerte 
2  —  3  Zoll  lange  Vaginalportion,  die  zum  Theii  aus  der 
Schamspalte  hervorragte.  Bei  der  Entbindung  trat  durohaiis 
keine  Störung  ein,  durch  die  Wehen  zog  sieb  die  Vaginal- 
portion mehr  und  inehr  zurück,  verstrich  zuletzt  ganz  und 
die  Gebort  des  Kindes  ging  ungehindert  vor  sich. 

Herr  L.  May^  bemerkt,  dass  dieser  Fall  von  den 
ft*Aher  erwähnten  wesentlieh  darin  witerscbieden  sei,  dass  cn» 
smb  hier  eben  um  keine  veraltete  und  in<}urirte  HypettropfaK 
der  Vaginalportion,  sondern  um  eine  weiche  und  lockere 
Verlängerung  derselben  mit  Vorfall  gehandelt  habe;  daraus 
erkläre  sich  auch  sehr  gut  der  normale  Geburtvserlauf. 

Herr  H.  Strassmann  giebt  diesen  Einwand  zu. 

Herr  Gusser ow  bemerkt  indess,  dass  in  zwei  der  von 
ihm  erwähnten  Fälle  allerdings  die  Vaginalportion  verdickt 
gewesen  sei.  Der  Zweck  seines  Aufsatzes  sei  aber  weniger 
der  gewesen,  diese  Unterschiede  zu  beleuchten,  als  einige 
sichere  Beobachtungen  über  den  Stand  des  Fundus  uteri 
vorzuführen,  da  man  noch  immer  hin  und  wieder  von  einem 
Prolapsus  uteri  gravidi  completus  reden  höre,  eine  Bereicbnung^ 


für  QeburUliulf«  io  UerUn.  243 

die  ganz  falsch,  weil  unmöglich  sei,  denn  der  Fundus  könne 
aie  so.  weit  berabUreten,  dass  der  ganze  Inhalt  der  Gebär- 
miUtar  zam  grössten  Tbeile  ausseiiialb  des  Beckens  läge. 


Herr  Oroethuyaen  legt  ein  Präparat  (s.  die  Abbildung) 
vor,  welches 
eine  grosse  cystoide  Geschwulst,  Ton  den  innere» 

weiblichen  Gescblechtstbeilen  ausgehend, 
belraf. 

Jf.  R.f  45  Jahre  alt,  wurde  in  ihrem  fünfzehnten  Jahre 
nuenstniirt  und  vpr  zwölf  Jahren  einmal  leicht  entbanden. 
Die  Menaes  waren  immer  regelmässig  gewesen  bis  vor  zwei 
Jahren,  wo  heim  Beginne  derselben  starke  Schmerzen  im 
Unterksibe  aoflraten,  welche  zwei  Tage  anhielten  und  sich 
bei  jedesmidigem  Biotritte  der  Regel  wiederholten. 

Von  der  Zeit  an  bemerkte  Patientin,  dass  ihr  Unterleib 
afliDäfig  an  Umfang  zunahm;  es  stelltan  sich  Sehmerzen  bei' 
der  Stuhl-  and  Harnentleerung  ein,  die  Respiration  wurde 
immer  mdhsamer,  so  dass  im  Mai  1862  eine  Punction  gemacht 
wurde,  der  ein  paar  Monate  später  eine  zweite  folgte;  es 
soU  jedes  Mal  ein  Eimer  v<ril  einer  gelblichen  Flüssigkeit 
entleert  werden  sein. 

Im  Allgast  wurde  die  Patientin  in  das  Königl.  Klinikmn 
aufgenoHMHeii.  Der  Unterleib  war  wieder  stark  angeschwollen; 
die  Geschwukt  gleichförmig  kugelig,  überall  deutlich  fluctuirend 
sowohl  durch  die  Bauchdecken,  als  auch  durch  das  Seheiden- 
gewäbe  und  den  Mastdarm,  wenig  beweglich.  Die  Vaginal* 
portion  stand  etwas  nach  Rechts  und  sehr  hoch.  Da  die 
Beepirationsbeschwerden  einen  bedeutenden  Grad  erreicht 
hatlea,  so  wui'de  sofort  die  Flüssigkeit  entleert,  welche  von 
gelbUcfa  grüner  Farbe  wai*  und  gegen  18  Quaii  betrug.  Sodann 
wurden  2  Unzen  LugoTfxXkev  Losung  injicirt.  Die  Reaetioo 
war  unbedeutend;  aber  bald  sammelte  sich  die  FlüssigkMt 
wieder  an,  und  um  das  Ldden  der  Kranken  zu  lindern,  musste 
von  drei  zu  drei  Wochen  die  Punction  wiederholt  werden. 

Während    dieser   Zeit    nahmen   die   Kräfte   alhnälig   ab, 

Oedem   der  Bauchdecken  und   der  unteren  Extremitäten  trat 

ein,   der  Appetit   schwand    und   so    ging   die  Patienlin   im 

November  an  Marasmus  zu  Grimde, 

16* 


244  XVIII.    Verhandlniifreii  der  ÜeBellsehaft 

Schon  bei  Lebzeiten  der  PatM*iitin  war  die  Fmge  der 
Ovarioiomie  discutirt  worden;  jedoch  der  hohe  Grad  von 
Hydramie  und  die  geringe  Beweglichkdt  der  Geschwulst  liessen 
von  der  Operation  Abstand  nehmen.  An  der  Leiche  wollten 
wir  uns  von  den  durch  die  Adhäsionen  bedingten  Schwierig- 
keiten oder  der  Unausfuhrbarkeit  derselben  überzeugen.  E» 
wurde  deshalb  die  Section  mit  der  Ovariotomie  begonnen. 

Nachdem  die  ßauchdecken  in  eino.r  Ausdehnung  von  3  Zoll 
in  der  Linea  alba  bis  dicht  oberhalb  der  Symphyse  durch- 
schnitten und  das  Peritonänm  eröffnet  war,  wurde  die  Ge- 
schwulst mit  scharfen  Haken  gefasst,  punctut  und  entleert 
Dies  gelang  nur  zum  Theil.  Die  zurückbleibenden  festen 
Massen  waren  zu  bedeutend,  als  dass  man  den  Sack  aus  der 
Wunde  hätte  herausziehen  können.  Es  musste  daher  letztere 
um  2  Zoll  diiatirt  werden.  Die  nun  folgende  Loslösung  der 
Adhäsionen  konnte  zum  grössten  Theile  mit  Leichtigkeit  aus- 
geführt werden,  sdbst  an  den  Punctionsstellen;  nur  in  der 
linken  BeckenhäUte  war  die  Anhd'tung  so  fest,  dass  nur  mit 
dem  Scalpeü,  wobei  mehrere  grosse  Geflsse  durchschnitten 
werden  mussten,  die  Lostrennung  der  Geschwulst  ermögficbt 
wurde.  Dann  Hess  sich  diesdbe  aus  der  Wunde  frei  ent*- 
wickeln,  bis  sie  zuletzt  noch  an  einem  Stiele  befestigt  war, 
der  bis  tief  in  das  kleine  Becken  hineinreichte  und  einen 
ungewöhnlich  starken  Durchmesser  hatte.  Bei  näherer  Unter- 
suchung ergab  sich,  dass  es  die  Vagina  und  dass  der  Uterus 
aufs  Genaueste  mit  der  vorderen  Fläche  der  Geschwulst  Ter- 
wachsen  war.  Nach  Durchschneidung  der  Vagina  konnte  die 
ganze  Masse  herausgenommen  werden. 

Die  kreisförmig  runde  Geschwulst  hat  einen  Längen-  un4- 
Breitendurchmesser  von  9  Zoll ,  einen  Dickendorcfamesser  von 
Sy«  Zoll.  Den  vorderen  unteren  Abschnitt  bildet  der  Uterus, 
welcher  bis  zu  ihrer  Mitte  emporragt  und  überall  so  hinig 
mit  ihr  verschmolzen  ist,  dass  zwischen  Beiden  an  keiner 
Stelle  eine  deutliclie  Abgrenzung  besteht.  Die  Wandungen 
desselben  sind  massig  verdickt;  seine  Höhle  etwas  ausgedehnter 
als  normal.  Das  rechte  Ovarium  nebst  der  Tube  ist  vor- 
handen und  nicht  mit  Geschwulst  verwachsen.  Dahingegen 
kann  das  linke  Ovarium  nirgendwo  aufgeiVuiden  werden,  und- 
die    Tube   dieser   Seite    liängt   auf  das   Genaueste    mit   der 


^  GebnrMhfilfe  in  Berlin.  245 

Geschwalbt  xiMiilnieii  und  Kiebt  sich  ober  ihrc^  Vorderfläche 
als  ein  uogefähr  7  Zoll  langer  und  %  Zoll  breiter  Strang 
hin*  Geschwaht,  Uterus  Und  linke  Tube  sind  von  einer 
derben  serösen  Membran  öberkleidet 

Dfts  Innere  der  Geschwulst  besieht  aus  einer  Masse  in- 
einandergefilzter  Baiken  eines  derben  rolhbraunen  Gewebes, 
wekbes  auf  dem  Ikrchschultte  eine  gleichförmige  Fläche  bildet, 
werin  überall  kleine  Hohkäume  eingestreut  sind.  Die  Balken, 
welche  an  einzelnen  Steüen  grössere  compacte  Massen  bilden 
md  sonst  von  jeder  Dicke  bis  zu  der  eines  Seidenfadens 
Torkommen,  schliessen  Hohlräume  der  yerschiedensten  Grösse 
ein«  wekbe  meistentbeiis  miteinander  communiciren,  so  dass 
gewissermaassen  ein  cavernöses  Gewebe  entsteht.  Die  grösste 
ftyste  findet  sich  links  oben  in  der  Geschwulst  in  der  Gegend, 
wo  mehrfach  die  Function  gemacht  wurde.  Der  Inhalt  der 
Kysle  war  dieselbe  Flüssigkeit,  wie  sie  bei  Lebzeiten  entleert 
wurde,  theilweise  aber  fand  sich  besonders  an  den  Wänden 
der  kleineren  Kysten  ein  dicker  eiteriger  Belag. 

Das  Gewebe  der  Geschwulst  besteht  aus  einem  derben 
Bindegewebe,  das  nur  an  einzelnen  Stellen  eine  lebhafte  Kern- 
wucherung und  Entwickelung  von  leicht  isolirbaren,  kleinen 
Spindelzellen. bietet  Die  kleinen  hirsekorngrossen  Kysten  bilden 
sich  nachweisbar  aus  einer  fettigen  Degeneration  der  zelligen 
Elemente  und  des  Stroma's  selbst.  Eine  besondere  Kysten- 
membran  existirt  nirgends.  Das  Gewebe  der  Geschwulst  geht 
ohne  markirte  Grenze  direct  in  das  Parenchym  des  Uterus  über; 
in  der  hinteren  Wand  des  letzteren  findet  man  eine  haselnuss- 
grosse  von  der  Geschwulst  aus  gegen  das  Cavum  uteri,  von 
dem  sie  nur  noch  durch  eine  1 V2  Linien  dicke  Schichte  getrennt 
ist,  vordringende  Kyste  mit  eiterigem  Inhalte.  Glatte  Muskel- 
fasern sind  nur  im  Bereiche  des  Uterus,  etwa  bis  zur  Mitte 
der  vorderen  Fläche  der  Geschwulst  nachweisbar. 


Herr  Martin  berichtet 
über  eine  durch  Function   des  Eisackes  und  Aus- 
stossung    der    Fruchtknochen    glucklich    beendigte 

Extrauterin  seh  wanger  Schaft. 

Frau  Z.y    eine  29  Jahre   alte  Bärgersfrau  in   C,    von 
kräftigem  Körperbaue  und  stets  gesund,  hat  innerhalb  sieben 


246  XVIII.    VcrbandlaagaB  der  GeselUchaft 

Jahre  drei  Wochenbetten  glQiOklich  überetandtto.  Die  nach 
Entwöhnung  des  jüngsten,  vor  IV2  Jähren  geborenen  Knaben 
eingetretenen  Menses  erschienen  pünktlich  und  reichlich,  bis 
Anfang  Februar  d.  J.,  wo  ^ie  blasarotb  und  spärlich  nur 
einen  Tag  hindurch  währten,  ohne  dass  das  Allgemeinbefinden 
eine  Störung  erfahren  hätte.  Im  März  trat  ein  geringer 
dunkel  gefärbter  Blutabgang  acht  Tage  nach  der  erwarteten 
Zeit  unter  heftigen  tief  im  Becken  empfundenen  Schmerzen  auf, 
welchem  ein  von  Zeit  zu  Zeit  wiederkehrender  schmerzhafter 
Druck  tief  im  Schoosse,   zumal  bei  dem  Niedei*setzen  folgte. 

Am  8.  April  1862,  um  die  Zeit  der  Menses,  fand  der 
hinzugerufene  Hausarzt,  Geheime  Sanitätsrath  Dr.  Eummel, 
nach  dessen  gefaUigen  Mittheilungen,  eine  bedeutende  Metritis 
mit  reichlichem  blutigem  Schleimgange  aus  der  Vagina  und 
bekämpfte  dieselben  mit  den  geeigneten  Mitteln.  Diese  ent- 
zündlichen Erscheinungen  wiederholten  sich  ohne  nachweisbare 
Ursache  am  23.  April,  schwanden  aber  wieder  auf  beruhigende 
Mittel.  Während  der  folgenden  Monate  befand  sich  Frau  Z. 
leidlich  wohl,  obschou  die  Schmerzen  und  die  Schwere  im 
Schoosse  fortdauerten.  Der  Unterleib  erschien  aufgetrieben 
und  gespannt. 

Mitte  Juli  trat  plötzlich  unter  sehr  heftigen,  wehenartigen 
Schmerzen  ein  bedeutender  Blutverlust  ein;  mit  grossen  Coagulis 
wurden  auch  häutige  faserige  Gebilde  ausgestossen ,  so  dass 
die  Hebamme  einen  Abortus  annahm;  Geh.  Sanitätsratli  22. 
fand,  als  er  die  Kranke  am  19.  Juli  nach  sieben  Wochen 
wiedersah,  das  Aussehen  derselben  auffallend  verändert;  das 
Gesicht  erschien  eingefaUen,  blass,  ganz  entstellt,  die  Ex- 
tremitäten kühl,  die  Zunge  trocken,  heiss,  der  Puls  120 — 132. 
Dabei  die  entsetzlichsten  Schmerzen  tief  im  Becken,  ins- 
besondere ein  unerträgliches  Drängen  auf  den  Mastdarm, 
so  dass  Patientin  keine  Ruhe  zu  finden  vermochte,  indem 
Obstruction  und  Ischurie  sich  hinzugesellt  hatten.  Die  Be- 
tastung des  Unterleibes  liess  eine  kugelige  Geschwulst  oberhalb 
der  Schamfuge  erkennen;  bei  Druck  darauf,  zumal  linkerseits, 
folgte  in  der  Tiefe  des  Beckens  ein  empfindlicher  Schmerz- 
Das  Becken  erschien  von  einer  gleichmässig  prallen  Geschwulst 
ausgefüllt.  Die  gepeinigt«  Kranke  fand  nur  vorübergend  in 
der  Bauchlage  einige  Erleichterung. 


für  GeburtohtUfe  in  Berlin.  247 

Am  3S.  Juli  sah  icfa  die  in  Folge  der  andauernden 
hefligeti  Schmerzen  und  Nachtwachen  im  höchsten  Grade 
faenbgekommene  Kranke  zuerst  und  fühlte  hinler  den  BauclH 
decken  den'  etwas  vergrösserten,  deutlich  zu  umgrenzendeii 
Uteras  gleich  unterhalb  de&  Nabels;  neben  demselben  nach 
beiden  Weichen  hin  zeigte  der  Leib  eine  ungewöhnliche 
Resistenz.  Die  Beckenhöhle  war  durch  eine  kindskapfgrosse 
undenüich  elastische  Geschwulst  so  vollständig  ausgefüUlt,  dass 
der  mit  Anstrengung  hinter  der  Schamfuge  emporgeschobene 
Zeigefinger  den  Muttermund  nur  in  der  Knie-  und  Ellenbogeu- 
lage  erreichen  koni^.  Die  vordere  Muttermundslippe  erschien 
halbmondförmig  um  die  hintere  verzogen,  welche  letztere  un- 
mittelbar m  die  erwähnte  kindskopfgrosse  Geschwulst  überging. 
Dieselbe  zeigte  sich  bei  einem  Versuche,  die  das  Becken  aus- 
fällende Masse  stet  und  vorsiditig  emporzudrängen,  unbeweglich; 
jedoch  stieg  bei  diesem  Versuche  der  Muttermund  ein  wenig 
herab,  und  jetzt  erschien  die  hintere  Lippe  gleich  einem 
flachen  Saume  an  der  Geschwulst,  während  der  dem  Zeige- 
finger zugängige  Mutterhalscanal  eine  aufgelockerte  körnige 
Oberfläche  darbot  Harnblase  und  Mastdarm  waren  vorher 
entleert  worden. 

Die  Diagnose  der  das  kleine  Becken  und  insbesondere 
die  Kreuzbeinaushöhlung  ausfüllenden  Geschwulst  schwankte 
zwischen  einer  adhärenten  Ovari algeschwulst  oder  einer 
Kyste  an  der  hinteren  Wand  des  Mutterhalses  oder  in  der 
hinteren  Mutterlippe  (wie  ich  sie  bei  einem  sich  später  ent- 
wickelnden Uteruscarcinom  vor  zwei  Jahren  unmittelbar  nach 
dem  Wochenbette  beobachtet  habe)  ^)  und  einer  Extrauterin- 
schwangerschaft  im  Douglas'schen  Räume.  Die 
Auscoltation  ergab  jedoch  keinen  Anhaltepunkt  für  die  Er- 
kenntniss  der  letzterea  Jedenfalls  rousste,  um  die  von  Tage 
zu  Tage  steigenden  Qualen  der  Kranken  zu  erleichtern,  eine 
Verkleinerung  dei^  unbeweglichen  Geschwulst  erzielt  werden. 
Deshalb  machte   ich  am  2.  August  d.  J.   eine  Function  mit 


1)  S.  Monatsschrift  für  Gebartskand«,  XVJ.,  S.  421~-433. 
Bei  dieser  Gelegenheit  will  ich  zwei  sinnentstellende  Druckfehler 
S.  422  Zeile  14  von  nnten  nnd  Zeile  2  Yon  unten  corrigiren; 
dort  muss  es  statt  , rechten''  linken,  hier  statt  „August^  April 
heissen. 


248  XVIIT.    VerhaiMlIufigefi  d«r  Gesellschaft 

dem  Explorativtroikar  von  d(>r  Scheide  aus  und  entleerte  eine 
geringe  Menge  einer  theils  wässerigen,  thetls  blutigen  Flüssig- 
keit. Nachdem  während  der  folgenden  Tage  allmäiig  noch 
eiemlich  viel  Flüssigkeit  abgeffossen  war,  fühlte  sich  die  Kranke 
sehr  erleichtert  und  klagte  nicht  mehr  ilber  die  quälenden 
Kreusschmerzen.  Die  Exploration  ergab  am  5.  August  eine 
merkliche  Verkleinerung  der  Geschwulst  und  die  hintere 
Muttermundsiippe  erschien  jetzt  wieder  deutlich  forroirt;  die 
Uterussonde  konnte  ohne  Muhe  in  den  un)  1  Zoll  verlängerten 
hinter  den  Bauebdecken  liegenden^  Uterus  eingeführt  werden, 
so  dass  der  Sondenknopf  fast  in  der  Höhe  des  Nabels  durch 
dte  Bauchdecken  gefohlt  werden  konnte.  Am  14.  August 
zeigte  sich  die  Geschwulst  nicht  allein  abermals  kleiner, 
sondern  auch  weidier,  emporgewichen,  der  noch  bestimmter 
forroirte  Muttermimd  hinter  der  Schamfuge  herabgerückt,  der 
Unterleib  hingegen  stärker  aufgetrieben.  Die  Kranke  konnte 
jetzt,  wenn  auch  nur  für  kurze  Zeit,  das  Bett  veriassen.  Sie 
bemerkte  von  dieser  Zeit  an  oftmals  einen  weissen,  eiter- 
artigen Schleimabgang  bei  dem  Stuhlgange ,  welcher  bisweilen 
auch  damit  gemischt  sein  sollte.  Anfangs  Sq^teniber  fühlte 
sie  am  After  ein  Stechen,  als  ob  ein  spitzer  Körper  hervor- 
trete, worauf  sie  einige  dünne  Knöchelchen,  die  sie  mit 
Taubenrippen  verglich,  auszog.  Sie  war  davon  um  so  mehr 
überrascht,  als  sie  in  den  letzten  Monaten  keine  Tauben  ver- 
zehrt hatte.  Es  wurde  nun  jede  Stuhlausleerung  sorgfältig 
beobachtet  und  dabei  noch  eine  Anzahl  von  Fötusknoclien 
aufgefunden.  Am  21.  September  klemmte  sich  endlich  ein 
grösseres  Skeletstück  im  Mastdärme-  ein  und  wurde  endlich 
durch  die  Mutter  der  Patientin  glücklich  hervorgezogen.  Seit 
dieser  Zeit  ist  trotz  sorgfältiger  Ueberwachung  der  Ercreniente 
kein  Knochenstück  weiter  abgegangen.  Ich  fand  am  1.  und 
26.  October  1862  die  Kranke  Tollkommen  zufrieden  mit  ihrem 
Befinden,  Appetit  und  Ausleerungen  geordnet.  Die  früher  im 
höchsten  Grade  abgemagerte  Patientin  hatte  wieder  Fleisch 
und  frische  Farbe  gewonnen;  sie  ging  nicht  allein  im  Hause 
umher,  sondern  besorgte  auch  die  häuslichen  Geschäfte  und 
beaufsichligte  ihre  früher  geborenen  Kinder.  Der  Abgang  von 
Schleim  bei  der  Stühlausleerung  war  allmäiig  geschwunden, 
die  Defacation  erfolgte  ohne  Schmerzen,  nur  über  der  rechten 


für  GebvrtiliilUe  i»  Berlin.  8^ 

Weiche  klagte  sie  noch  zeitweise,  ein  Ziehen,  ohne  dass  man 
daselbst  eine  Geschwulst  nachzuweisen  vemiochte.  Der  Uterus 
hat  seine  normale  Stellung  wieder  eingenommen,  der  abwärts 
und  etwas  nach  hinten  gerichtete  Scheidentheil  ist  noch  ver- 
dickt und  aufgelockert  Die  Scheideuwandungen  zeignn  nichts 
Abnormes.  Dagegen  ist  der  untere  Theil  des  Rectum  er- 
weitert und  zeigt  an  der  rechten  Seite  eine  schräg  von  oben 
nach   unten  verlaufende  "Narbe.  — 

Die  in  der  Sammlung  der  Königl.  Entbindungsanstalt  zu 
Berlin  aufbewahrten  durch  den  Mastdarm  ausgeleerten  Fdtus- 
koochen  bestehen: 

1)  Ans  dem  vollständig  erhaltenen  Becken  nebst  Lenden'- 
und  Rückenwirbeln  and  den  beiden  Oberschenkeln. 
Mit  den  Brustwirbeln  sind  mehr  oder  weniger  lose 
jederseits  fönf  grössere  oder  eine  kürzere  Rippe  ver- 
bunden. Im  Becken  zeigt  sich  die  Harnblase,  vor  den 
Wirbeln  Reste  der  Leber  und  andere  Eingeweide,  in 
der  Gegend  der  Scham  sieht  man  die  beiden  sehr  ent- 
vrickelten  Schamlefzen  und  die  Clitoris. 

2)  Ein  völlig  isolirtes  linkes  Scbulterlilatt 

3)  Der  gan^  rechte  Arm  sammt  den  Fingern.  Das  Oberarm- 
bein misst  1"  2"'  Par.  Maass. 

4)  Eine  Tibia,  welche  1''  V"  misst,  durch  Weichtlieile  mit 
einer  Fibula  verbunden. 

Diese  Fötustheile  entsprechcff  nach  ihrer  Grösse  und  Aus- 
bildimg  einem  Alter  von  vier  bis  fünf  Monat(*n ,  welches  auch  nach 
der  Geschichte   der  Schwangerschaft  anzunehmen  sein  dürfte. 

Dass  das  Ei  in  dem  Z>ot<^^*schen  Räume  seine  Ent- 
wickelungsstatte  gefunden  habe,  möchte  kaum  zu  bezweifeln 
sein.  Dafür  spricht  theils  die  auffallende  Heranziehung  der 
hinteren  Mutterlippe  zu  dem  Eisack  and  die  Emporschiebung 
des  Uterus  hinter  die  Linea  alba,  theils  die  auffallend  rasche 
und  von  verhältnissmäs^g  geringen  Beschwerden  begleitete 
Ausscheidung  der  Fötastheäe  durch  den  Mastdarm.  Die  von 
mir  verrichtete  Function  des  Eisackes  bat  höchst  wahr- 
scheinlich das  hier  wünschenswerthe  Absteiiieu  des  Eies  herbei- 
geführt und  damit  den  heftigen,  immer  steigenden  Leiden  der 
Schwangeren  ein  Ziel  gesetzt 


250  XVni.    VerhaBdlaBgen  der  Geiellsohaft 

Sitxang  vom  13.  Januar  1868. 

Herr  Kauffmann  berichtet 

Aber   einen   Beckenabscess   mit  Durchbruch   in  die 

Blase» 

Am  22.  November  Torigen  Jahres  wurde  ich  zur  Frau  J^. 
gerufen,  welche  am  16.  Abends  nach  normaler  Schwangerschaft 
von  ihrem  ersten  Kinde  leidit  und  glücklich  entbunden  war, 
sich  die  zwei  ersten  Tage  auch  wohl  befunden  hatte,  indess 
seit  drei  Tagen  über  heftige  Schmerzen  im  Unterleibe  klagte. 
kh  fand  die  Frau  in  lebhaftem  Fieber  mit  glänzenden  Augen 
und  exaltirtem  schweissbedecktem  Gesichte  (Pulsft*equenz  120), 
und  die  Untersuchung  des  Unterleibes  ergab  eine  beträchtliche 
Empfindlichkeit  des  unverkleinerten  Uterus,  der  sich  faustgross 
durch  die  Bauchdecken  deutlich  umgreifen  liess.  Die  Lochien 
waren  dabei  missfarbig  und  übelriechend,  und  da  sich  die 
Krankheit  somit  als  eine  Endometritis  mit  Reizung  des 
Peritonäalüberzuges  der  Gebärmutter  darstellte,  so  wurde 
eine  innere  Exploration  nicht  angestellt  Ich  liess  den  Unter- 
leib mit  warmen  Cataplasmen  bedecken,  reinigende  Ein- 
spritzungen von  lauem  Cbamillenthee  in  die  Scheide  machen 
und  verordnete  innerlich  kühlende  Antiphlogisüca.  Schon  am 
folgenden  Morgen  hatten  sich  die  Schmerzen  sehr  gemildert, 
die  Pulsfrequenz  blieb  aber  dieselbe  und  sank  erst  nach 
mehreren  Tagen  bis  auf  90  herab,  ohne  indess  die  normale 
Zahl  zu  erreichen.  Da  sich  die  subjectiven  Beschwerden 
allmälig  ganz  legten  (mit  Ausnahme  einer  Strangurie,  die  mir 
indess  verschwiegen  wurde),  so  fand  ich  keine  Veranlassung, 
die  Kranke  noch  einmal  zu  untersuchen  und  war,  auf  eine 
allmälige  Lösung  hoffend,  einige  Tage  ausgeblieben,  als  idi 
wegen  erneuter  heftiger  Unterleibsschmerzen  am  5.  December 
aufs  Neue  zu  der  Kranken  gerufen  wurde. 

Ich  fand  ziemlich  denselben  Zustand  wie  bei  meinem 
ersten  Besuche,  lebhaftes  Fieber  und  eine  enorme  Erapfindlich* 
keit  der  Untei'hauchgegend ;  zugleich  klagte  die  Frau  über 
heftige  Schmerzen  beim  Urinlassen  und  gestand  auf  Befragen, 
dass  sie  diese  eigentlich  schon  seit  der  Entbindung  gehabt, 
indess  als   eine   natürliche   Folge   derselben    betrachtet   und 


^r  Geburtohfilfe  in  fi«rliii.  251 

deshalb  iiidK  weiter  beacblel  habe.  Der  Urin,  den  ich  un- 
Tcrmisdit  erhallen  konnte,  war  spärlich,  sehr  saturirt  und 
zeigte  dae  schleimige  Trübung.  Ich  untersuchte  deshalb 
durch  die  Scheide  >  fand  die  Vaginalportion  in  der  normalen 
Höhe  und  Lage,  den  Uterus  nach  vom  in  eine  Geschwulst 
obergdieiid,  die  ongeßhr  fiiustgross  und  etwas  nach  rechts 
abweichend  sich  oberhalb  der  Symphyse  deutlich  umgreifen 
liess,  sehr  schmerzhaft  war  und  mit  dem  noch  ziemlich  aus- 
gedehnten Uterus  die  ganze  rechte  Hälfte  und  Bütte  des 
8cheidengrundes  ausfüllte.  Die  Diagnose  stellte  ich  deshalb 
auf  eine  umschriebene  Entzündung  in  den  Mutterbandeni  und 
der  PUca  utero -vesicalis,  vielleicht  mit  abgesacktem  Exsudate. 
Es  wurden  vier  Bhitegel  an  den  Scheidengrund,  aufs  Neue 
Cataplasmen  über  den  Unterleib  und  antiphlogistische  Evacuantieii 
Innerlieh  verordnet  Die  Blutung  war  sehr  ergiebig,  die 
Schmerzen  liessen  nach,  und  als  ich  am  folgenden  Tage  die 
Frau  sah,  war  sie  fast  vollständig  schmerzfrei,  zeigte  mir  aber 
den  Urin,  den  sie  ungetähr  eine  Stunde  vor  meinem  Besuche 
unter  heftigen  Schmerzen  gelassen  hatte,  und  der  im  Nacht- 
geschirre eine  ungefähr  17s  Zoll  starke  Lage  von  dickem 
Eiter  abgesetzt  hatte.  —  Die  Geschwulst  war  somit  unzwei- 
deutig ein  eiterig  zerfallenes  Exsudat,  welches  sich  einen  Weg 
in  die  benachbarte  Blase  gebahnt  hatte,  dnlier  auch  die  längere 
Zeit  bestehenden  Flarnbeschwerden ,  die  wohl  auf  eine  ent- 
zündliche AfTection  der  Blasenwand  zurückgeführt  worden 
möseen,  hervorgerufen  durch  die  Durclibruchsbestrebungen 
des  Abscesses. 

Die  Untersuchung  durch  Bauchdecken  und  Scheide  ergab 
eine  unbedeutende  Verkleinerung  der  firemden  Geschwulst;  der 
Druck  auf  dieselbe  wurde  jetzt  ohne  grossen  Schmerz  er- 
tragen, und  da  der  Urin  in  den  nächsten  Tagen  noch  immer 
kleinere  Mengen  Eiter  mit  sieh  führte,  die  sich  alimälig  ver- 
loren, ohne  eine  neue  Schmerzhaftigkeit  der  Geschwulst 
herbeiauführen,  so  liess  sieh  hoffen,  dass  die  Abscessfaöfale 
alimälig  obhtmren  und  die  Genesung  eintreten  würde.  Die 
Behandlung  bestand  deshalb  in  roborirender  Diät  und  Dar- 
reichung von  Decoct.  Chinae,  da  Patientin  sehr  geschwächt 
war  und  namentlich  in  beständigen  Schweissen  zerfloss.  Die 
Harnausleenmg  war  noch  längere  Zeit  schmerzhaft,  doch  mit 


35S  XVni.    YefkaAdlatigto  dar  GeMlIschaft 

dem  Beginne  des'  neuen  iAhtes  legte«  sich  auch  diite  B^ 
$ch werden,  die  Kräfte  nahmen  zu,  die  Ndgniig  tum  Schwitzen 
ferringerte  sieh  und  zur  Zeit  kami  die  Fr«u  als  genesen  be^ 
trachtet  werden.^) 

Beckenobscesse  mit  Durchbriicb  nach  der  Bhs»  gehören 
immer  zu  den  selteneren  Beobachtungen.  Charles  We9t  sagt, 
dass  er  diesen  Ausgang  nur  zwei  Mal  gesehen,  Bell  zftMt 
unter  45  Fallen  perforirender  Beckenabscesse  nur  drei,  die 
sich  durch  die  Blase  entleerten  u.  s.  w.  Interessant  ist  indess 
der  rasche  Verlauf  in  diesem  Falle,  der  Kiwisek's  Ausspruch 
bestätigt,  dass,  wenn  der  Abscess  den  Darm  oder  die  Blase 
perforirt,  meist  nach  kurzem  Bestände  der  Entzfindungszufölle 
plötzlich  mit  Erleichterung  durch  den  Anus  oder  die  Urethra 
Eiter  entleert  wird.  Die  Entbindung  fand  am  16.  November 
statt;  am  22.  fand  sich  ausser  einer  entzQndlichen  Reizung 
des  Peritonäalöberzuges  des  Uterus  und  der  Blase  (Strangurie) 
noch  keine  Spur  von  Exsudat  und  am  6.  Deeember,  also 
gerade  14  Tage  später,  war  die  Bildung  des  betrachtidien 
Abscesses  und  sein  Dorchbruch  bereits  vollendet. 


Herr  Louis  Mayer  berichtet 

fiber    einen    Fall    von    Fii^tula    intestino-vesicalis 

nebst   Bemerkungen    über   Arten    und    Vorkommen 

der   Blasencontinuitätsstörungen   überhaupL 

Meine  Herren!  Id)  beabsichtige,  Ihnen  die  KraniM«- 
geschichte  einer  Communication  zwischen  Blase  und  Darm 
Vorzutragen,  wiewohl  ich  gestehen  muss,  dass  ieh  anfänglich 
Bedenken  getragen  habe,  mit  dieser  Mittheihmg  sdion  jHzi 
hervorzutreten ,  bevor  durch  die  Section  eine  exacte  Basis  ffit* 
die  anatomischen  Verhältnisse  gewonnen  hi,  zumal  dieser 
Mangel    nicht    durch  Vergleichung  ant  einer  grdsser^  Zahl 


1)  B«i  einer  »m  22.  jAnnar  angestellten  Untersuohang^  fünd 
sidi  der  Uterus  in  volUlindig  nornaler  liage  und  Grösse.  Der 
Raum  zwischen  der  Blase  und  Gebarmatter  war  fast  vollständig 
frei ,  die  ionen  und  aussen  untersuchenden  Finger  begegneten 
sich  and  es  Hess  sich  nur  eine  unbedeutende  Verdickung  der 
▼orderen  BauchfelldupHcatnr  durchfühlen.  Die  ganae  Unter- 
■nehnng  erregte  keine  Schmeraempfindung. 


für  Gebnrtl^ülfe  in  Berlin.  353 

Ündielier  Flile  aus  der-  Lileratur  2»  ersetzen  sein  wird. 
Demi  e»  sind  gerade  dta^gleichen  ContinuitSUstörungen  sehr 
stltan,  während  das  Capiiel  über  Blasenflsteln  Oberhaupt 
bekamtGch  eine  umfangreiche  Bearbeitung  in  Lehrbüchern 
imd  Monographien  erfahren  bat  und  der  Casuislik  einen 
reichen  Stoff  bietet 

Vidleichl  gewährt  es  Ihnen  einiges  Interesse,  zuvörderst 
einen  kurzen  Blidc  auf  die  Arten  und  das  Vorkommen  der 
BlaseneoQtinuitatsstdningen  überhaupt  zu  werfen. 

Wür  lassen  die  congenitaien  Continuitätsstörungen  der 
Blasenwandungen  ausser  Acht  und  ziehen  nur  die  erworbenen 
in  unsere  Betrachtung. 

Der  grössere  Theü  aller  Continuitätsstörung  der  Blase, 
abgesehen  von  denen,  wekhe  durch  tiefere  Zerstörungen, 
durch  Urioinfillnition  oder  Peritonitis  schnell  den  Tod  herbei- 
laiMreii,  werdm  Fisteln,  sofern  wir  den  Begriff  der  Fistel  als 
wMeraalurliclie  Oeffnung  bissen,  die  mit  einem  seci*etorischen 
Organe  oder  deren  Ausführungsgängen  in  Verbindung 
steht,  und  das  Secrel  von  diesem  in  eine  andere  Höhle  oder 
■ach  aussen  entleert.  Ausserdem  giebt  es  jedoch  Continuitäts- 
störungen der  Blase,  die  keine  Fisteln  sind,  und  für 
wekhe  daher  die  BezeichniHig  Fistel  am  besten  ganz  ver- 
uMdeo  würde,  nämlich  Oeffnungen,  durch  welche  sich  in 
die  Hase  verschiedenartige  Körper  und  Flüssigkeit  aus  patho- 
logischen Bildungen  entlieeren.  Na<^  allgemeinem  Sprach- 
gebrauche bezeichnet  man  diese  bekanntlich  als  unvollkommene 
inuere  Blasenflsteln.  Die  sogenannten  äusseren  unvoUkommenen 
Blasenfistrin  fallen  nicht  in  das  Bereich  unserer  Betrachtung, 
ila  es  sich  bei  ihnen  um  keine  Verletzung  der  Blase  bandelt.* 

Wir  heben  drei  pathologische  Bildungen  hervor,  die  zu 
Bheenperferation  ohne  Pistelbildung  führen  können.  Nämlich 
Ov^rialkysten,  sodann  Abscesse,  welche  in  der  Bauch- 
böMe,  nicht  im  Cavum  des  Beckens  liegen,  und  endlich 
Fötal«äcke  bei  Bauchschwangerschaft. 

Den  anatomischen  Verhältnissen  entsprechend,  wird  hier 
die  Perforation  der  Blase  meist  in.  den  oberen  Theüen  der- 
selben stattfinden,  so  dass,  nach  dem  Gesetze  der  Sdiwere, 
kein  Urin  in  die  mit  der  Blase  communicirenden  geschlossenen 


^54  XVIII.    V«rbaadlongen  der  OeielUchaffc 

Höhlen  tretea  wird,  so  lange  der  Abflugs  nach  nnlen 
durch  die  Urethra  nicht  aufgehoben  ist  Die  Per-* 
foratioD  der  Blase  geschiebt  in  der  Regel  unter  acut  ent- 
zündlichen Erscheinungen  nach  vorhergegangener  unmitlelbarer 
Verklebung  der  Wandungen  des  Sackes  mit  dei*  Blase,  oder 
oiittelbarer  Vereinigung  durch  zwischenliegendes  Gewebe.  Das» 
diese  Blasenperforationen  nicht  sehr  häufig  sind,  kann  man 
a  priori  annehmen,  weil  es  kaum  denkbar  ist,  dass  nichl 
schon  von  der  ersten  Entstehung  dieser,  mit  chronischen 
oder  acuten  Entzündungsprocessen  begleiteten  Geschwülsten, 
Darmpartieen  in  das  Bereich  der  Entzündung  gezogen  werden 
sollten  und  nicht  mit  ihnen  verkleben.  Bei  der  Dünnwandigketi 
der  Därme  im  Vergleich  zu  den  dicken  muskulösen  Blasen- 
wandungen ist  einzusehen,  dass  im  Falle  des  Contacts  beider 
mit  dein  Entzündungsheerde  der  Durchbruch  des  Darmes 
Regel  sein  wh'd.  Die  gleichzeitige  Perforation  «des  Darmes 
und  der  Blase  werden  wir  bei  den  Fisteln  zu  besprechen 
haben.  Ebenso  den  Durebbruch  von  Geschwülsten,  die  mit 
der  Blase  communiciren ,  nach  aussen« 

Von  Communicationen  der  Blase  mit  Ovarialkysten 
sind  Ihnen  zwei  Fälle  bekannt  Den  einen  tbeilte  Rüge  1846 
in  unserer  Gesellschaft  mit.')  Die  Perforation  hatte  geges 
2V2  Jahre  bestanden  und  ununterbrochen  Eiter,  Jauche, 
ausserdem  aber  mit  Haaren  verfilzte  Fettklumpen  in  die  Blase 
entleert  Einen  zweiten  Fall  beobachtete  ich  vor  einigen 
Jahren.  Die  betreffende  Kranke  liess  sich  in  das  Hedwigs- 
krankenhaus aufnehmen  und  Ulrich  gab  die  Krankengescbidite 
in  der  Sitzung  unserer  Gesellschaft  vom  23.  November  18Ö8. 
Es  handelte  sich  hier  um  eine  Ovarialgescbwulst,  aus  welcher 
sicli  reichliche  Mengen  flüssigen  Fettes  und  Eiters  in  die 
Blase  ergossen.  Eine  dritte  ähnliche  BeobacbtuQg  findet  sich 
von  Seutin.^)  Bei  einer  58 jährigen  Frau  wurden  durch 
Lithotomie  Steine  aus  der  Blase  entfernt,  von  denen  der 
eine   als  Kern  einen  Zahn  hatte.    Die  Frau  starb  einige  Zeit 


1)  Fall  von  Haaren  in  der  Urinblase  einer  Fran.    Terbandl. 
der  a«Boll8ohart  för  Gebnrtsbülfe  in  Berlin,  I.,  1846,  S.  179. 

2)  Annat  de  m^d.  bellte,  D^cbr.  18SS. 


fUr  QetertshüUe  io  R«dfn.  25g 

darwC.  Bei  der  Section  faad  sieb  eine  Ky$ie  des  liakea 
Ovariam  und  ia  dieser  ein  BQscbei  Haare  und  Knochen- 
firagmenie,  das  Cavmn  der  Kyste  Terengerte  sich  nach  der 
Blase  XU  in  einen  Canal,  der  sich  in  die  letztere  öffuete  und 
eine  Zahnkrone  harg.  Diese  Zahnkrone,  wie  die  Haare  und 
Knochenstöcke  waren  mit  einem  Präcipitat  bedeckt,  woraus 
erhellte,  dass  Harn  in  die  Höhle  gelangt  war.  Dies  erklärt 
sich  aus  dem  durch  die  Steine  gehemmten  Abfluss  des  Urins 
aus  der  Urethra.  Eine  Beobachtung  yon  Obrien^)  gehört 
ebenfalls  hierher.  Derselbe  entfernte  bei  einer  50jährigen 
Frau  zwei  ziemlieh  grosse  Steine  aus  der  Blase,  deren  jeder 
einen  Backenzahn  zum  Kerne  hatte. 

Die  Entleerung  ?on  Abscessen  durch  die  perforirteu 
Biasenwandungen  ist  nicht  selten.  Kauffmann  bat  uns  soeben 
einen  Fall  der  Art  vorgetragen.  Ich  erwähne  hier  nur  eine 
interessante  Mittbeilung,  die  Mercier^)  macht.  Bei  einem 
Greise  iand  sich  in  der  hinteren  Blasenwand  ein  bühnereigrosser, 
vom  Bauchfelle  bedeckter,  mit  Eiter  gefüllter  Abscess,  welcher 
durch  vier  Oeffnungen  mit  der  Blase  communieirte.  Wie  ich- 
bereits  oben  angedeutet  habe,  werden  nur  die  oberhalb  der 
Blase  oder  doch  nicht  tiefer  als  der  Blasengrund  gelegenen 
Exsiidatsäcke  ihren  Inhalt  in  die  Blase  übertreten  lassen,, 
ohne  dass  Urin  sich  wiederum  in  sie  ergiesst,  wogegen  die 
mehr  nach  unten,  sei  es  in  der  Umgebung  der  Blase,  sei 
es  innerhalb  ihrer  Wände  befindlichen  durch  Austreten  von 
Urin  zu  Urininfiltrationen,  Verjauchungen  oder  zu  Urinfisteh» 
Veranlassung  gehexL 

Für  die  Durchbräche  der  Blase  von  den  extrauterinen 
Pötalsäcken  aus  sind  nächste  Ursache  die  sich  im  Inneren 
des  letzteren  und  in  ihrer  Umgebung,  oft  nach  langer  Rübe, 
estwickelnden  Entzöndungs-  und  Suppurations-Procease. 
Analog  den  Entleerungen  von  Abscessen  durch  die  Blase  ist 
die  Eliminirung  der  extrauterinen  Frucht  auf  diesem  Wege 
selten,  während  Durchbruch  nach  dem  Darme  den  Verhältnissen 


1)  Zwtti  Blaaeaifelne  am  der  Bbuie  einer  Fran  n^esogen, 
welch*  Ma»itchea«ahne  eBthiellen.  Dablia  Joarnal,  Vol.  V., 
M&r»  1834. 

2)  Gas.  tn^d.  de  Paris,  No.  63,  1836.  —  Schmidia  Jahrb., 
XV.,  S.  206. 


g56  XVni.     Verbandlun^on  d«r  Oeftolldchfift 

am  entsprechendsten  tmd  deswegen  auch  bei  Weitem  häufiger 
beobachtet  ist.  Qiessler  ^)  fährt  am  Schlüsse  seiner  Dissertation 
an,  dass  er  in  der  Literatur  sechs  Beobachtungen  sogenannter 
secundSrer  Hamblasenschwangerschalt  gefunden  habe.*) 

Wir  kommen  nun  zu  den  Blasen  fisteln.  Diese  sind 
entweder  Urinfisteln,  oder  Fisteln  gemischten  Charakters, 
d.  h.  Koth-  und  Urinfisteln  zuglekfa.  Ihrer  Gestalt  nach 
unterscheidet  man  canalförmige  und  loch  (lippen)förmige. 

Die  Urinfisteln  sind  bei  Weitem  die  häufigsten  und  unter 
diesen  wieder  bieten  das  grösste  Contingent  die  Blasen- 
scheidenfisteln,  so  dass  wohl  Niemand  unter  uns  ist,  der 
nicht  eine  oder  mehrere  dieser  häufigen  Continuitätsstörungen 
beobachtet  und  behandelt  hat  Es  muss  deshalb  auffallen ,  dass 
die  Kenntniss  dieser  Fisteln  erst  Tom  Anfange  des  siebenzehnten 
Jahrhunderts  datirt,  da  bekanntlich  Plater  und  Mercaius 
die  ersten  waren,  durch  welche  derselben  Erwähnung  geschieht 
Seitdem  ist  die  Lehre  von  den  Blasenscfaeidenfistein  mehr  und  mehr 
cuUivirt  und  in  den  letzten  Decennien  bekanntlich  namentlich 
durch  O.  Simon,  Simpson,  Jobert^  Maisonneuve,  Hayward 
in  Boston,  Pancocut  in  Philadelphia,  Sims,  Bozemamn  u.  A. 
gefördert  Wir  verdanken  den  Beobachtungen  und  Arbeiten 
der  Neuzeit  nicht  nur  die  erfreulichen  Fortschritte  auf  dem 
tlierapeutischen  Gebiete,  sondern  auch  klarere  Ansdiauungen 
in  den  anatomischen  VerliAltnissen  und  der  Nosologie  sowohl 
der  Blasenscheidenfisteln,  als  auch  der  übrigen  Fisteln  des 
weiblichen  Sexualsystems.  Von  den  letzteren  kommt  die 
Harnröhrenscbeidenfistel  nicht  so  häufig  vor,  als  die 
Biasenscheidenfistel.  Dasselbe  gilt  von  den  ßlasenscheiden- 
gebärmutterfi  stein.  Die  Blasen  gebär  mutterfistel 
scheint  noch  seltener  zu  sein.  Zuerst  hat  sie  Stolz  in 
Strassburg  1828  beschrieben.  Derselbe ')  tbeilte  einen  zweiten 
Fall  von  Fistula  utero  «vesicaüs  in  Verbindung  mit  einer  Fistiila 


1)  lieber  einen  PaU  von  Abdominalfchwangeraubaft.  Inang. 
Disa.,  Marbnrg  1856. 

2)  Josephi,  Ueber  einen  PaU  von  Hamblaseniehwangersebaft, 
AoBtook  180S;  WiUmanni  v.  d,  WUl;  Bonnte;  Dimdemtmi,  gemeias. 
dentflobe  Zeitschrift  für  Oeburtsk.,  II.  Bd.,  2.  Heft;  Hanulin. 

S)  Gas.  da  Strasb.,  No.  5,  1847. 


für  Ottb«rUhüUe  in  li^orM ii.  2i!>7 

iilHt)>«iMloiiiiii«U8  miu  Peiiier  beschrieb  J,  Barrisan^)  eine 
GebäriDuUerscheidenfiätel,  desgleicheo  Mickcuüs  ^).  G.  Simon 
beubacbtete  sie  drei  Mal  ChnrchiU ')  ein  Mal.  Nucli  seileoer 
sind,  beiläufig  gesagt,  die  Harnieiteilisteln.  Von  Elariileiter* 
Scheidenfisteln  hat  G.  Simon*)  zwei  gesehen;  eine  be* 
schreibt  Alquie,^)  eine  Panas^^)  eine  HegarJ)  Harnlei ler 
gebärmutterfibteln  iheilte  mit  B^rard,^)  Puech,^) 
W.  A,  Freund.  ^^)  Einer  Harnleiterbiasengebärmutter- 
fistel  finden  wir  von  G.  Simon  ^^)  erwähnt 

Ausser  diesen  dem  weiblichen  Gescbleclite  eigentliüadiciicn 
Urinfisteln  kommen  seltener  durch  mehr  oder  weniger  lange 
Fistelgänge  au  die  Oberfläche  des  Körpers  fuhrende  ürinfisteln 
bei  beiden  Geschlechtern  zur  Beobachtung.  Sie  finden  sich 
in  der  Nabel-»  der  unteren  vorderen  Bauch-  und  Inguinal* 
Gegend.  Beim  Manne  nicht  selten  am  Perinänin.  Sie  sind 
Pdigen  von  Operationen,  Verwundungen  und  Quetschungen 
der  Blase»  können  aber  auch  durch  Beckenabscesse.  besonders 
durch  Urinabscesse  in  Folge  von  Harnröhrensiricturen,  ferner 
durch  Cariea  der  Beckenknocheu,  parenchymatöse  Entzündung 
der  Bhise  und  Krebs  herbeigefdhrt  werden.  Sie  entstehen 
auch  wohl  durch  das  spontane  Austi*eten  von  Blasensteinen 
durch  die  Blasenwandungen.  Solche  Fälle  beschreiben  Abbe^  '^) 
Duboteitzkjf^  ^')  Maisonneuve.  '^)   Einen  Grund  zur  Yesico« 


.    1)  Proy.  JoariL,  II.,  24,  }846. 

2)  P/aff'B  Mittheilnngen,  Heft  1  n.  2,  1839. 
H)  The  Dubl.  Qnart.  Jonrn.  of  Med.  Sc,  May  1869,  p.  474. 
4)  Deutsche  Klinik,  1856,  80,  und  Beitrage  zur  Geburtskunde 
oBd  Gynftkologie  von  Seantani^  Bd.  IV.,  1860,  8.  3. 
6)  La  presfe  med.  beige,  No.  30,  Brnx.  1867« 

6)  Oas.  des  h6pit.,  No.  69,  1860. 

7)  Monatsschrift  f.  Geburtsk.,  Hd.  XX.,  8.  29. 

8)  Prager  Vicrteljahrschr.,  Bd.  IV.,  1866. 

9)  Gas.  des  hdpit.,  No.  183,  1850. 

10)  Inaag.  Dies.,  Vratisl.  1860. 

11)  Ueber  Heilung   der  Btasenscheidenfisteln ,   Glessen  1864. 

12)  Ein  grosser  Stein  im  Mittelfleisch.    Oestr.  Medic.  Wochen- 
fschrift,  No.  46,  1842. 

18)  8«lle«er  Fall  von  spontanem  Austritte  eines  Blasensteint 
an  dar  Warsei  det  mftnnl.  Gliedes.    Petersb.  Med.  Ztg.,  1846, 11.,  84. 

14)  Freiwillige  Auseieasung  eines  Harnsteins  durch  das  Peri- 
näum.    Qhs.  des  hdpit.,  1861,  67. 
ll«ii*l«««hr.  f.  Usbortak.  1868.  Bd  XXL,  Uft.4t  H 


258  XVIII.    Verhaiidlfmg^ii  der  OeMllflcbaft 

imbilicaifisUl  gieLt  die  ErÖffnang  d«s  IVachus  im  Folge  habitneH^r 
Urinretention.  Wir  findeD^)  eine  Beohacblung,  wo  hei  einem 
fEuidunüKwanzigifihrigen  Manne  in  Folge  von  Urinretention 
durch  Härnröhrenstricturen  der  Urachus  dergestalt  erweitert 
war,  dass  der  Urin  reichlich  aus  dem  Nahel  floss.  Auch  der 
von  Ftdd?*)  aus  den  „M^moii-es  de  l'acad.  des  sc,  1769** 
angeföbrte  Fall  von  Fistula  vesico- umbilicalis  möchte  hierher 
gehören.  Ein  zweiundneunzigjäfarig<*r  Greis  entleerte  sechs 
Monate  vor  seinem  Tode,  der  durch  Altersschwäche,  nieht 
in  Folge  der  veränderten  Urinsecretion  eintrat,  mehr  und 
mehr  Urin  aus  dem  Nabd,  während  durch  die  Blase  ent- 
sprechend weniger  und  vier  Wochen  lang  gar  kein  Urin  mehr 
durch  dieselbe  abging.  Eine  merkwürdige  Urinfistel,  nämlich 
in  der  rechten  Gesässgegend  V2  Z<>U  oberhalb  der  Gelenk- 
hdhlc  theilt  Bauden$*)  mit.  Ein  Schuss  durchbohrte  einem 
jungen  Krieger  beide  Darmbeine  und  die  Seitenwfinde  der 
Blase.  Während  durch  die  Austrittsöfinung  der  Kugel  in  der 
linken  entsprechenden  Gesässgegend  kein  Urin  abfloss,  ent- 
leerte sich  durch  die  Eintrittsöflhung  38  Tage  hindurch  Harn. 
Alsdann  trat  Heilung  ein.  Eine  Fistel,  die  sich  in  die  Regio 
hypogastrica  öffnete,  beschreibt  H,  Larrey.^)  Es  handelte  sieh 
hier  ursprönglich  um  eine  Ovarialkyste  nach  Art  der  sclion  vorher 
bei  Bläsenperforation  erwähnten.  Bei  einer  dreiunddreissig- 
jährigen  kräftigen  Frau  brach  dieselbe  erst  in  die  Blase ,  alsdann 
durch  die  Bauchdecken  nach  aussen.  In  der  Blase  hatte  sich 
ein  Stein  mit  einem  Centrum,  welches  aus  einem  Haarbüschel 
bestand,  gebildet.  Durch  Anwesenheit  dieses  Steines  war  der 
Urin  genöthigt,  fast  stets  durch  die  Bauclihöhlenöffnung  ab* 
zufliessen.  Die  Kranke  wurde  durch  glückliche  Operation 
geheilL  Zwei  Fistulae  vesico  -  inguinales  finden  wir  bei  VidcU 
aus  den  „Memoires  de  Tacad.  de  chirurg.*',  IV.,  p.  19  u.  22, 
von  Verdier  ^  angeführt.  Von  Fistulae  vesico -perinaeales 
erwähne   ich   die   von  James  Syme^)   beobachtete  mit  vier 


1)  Tn  Hannov.  Ann.,   Bd.  14,   Heft  2.     Schmidt^»  Jntirbih;ber, 
8nppk-Bd.  III.,  8.  167. 

S!)  Lcthrbncb  der  Chirtirgie  n.  Operatiansiehre,  1869,  IV.  j  242. 

3)  Lancette  fran^.,  18S4.  —  8difiridt*ft  Jahrb.,  V.,  8.  S22.  - 

4)  M4in.  de  Tacad.  toy,  de  m^d.,  PaHs  1846. 

5)  Edinb.  med.  and  sarg.  Jonrn. ,  Vol.  40,  Oct.  18SS. 


Ifir  QttburUhüUe  in  Berliu.  2:!>7 

Utero -«bdomiiialis  miu  Fei-uer  beschrieb  J.  Harrisan  ^)  eine 
GebärinuUerscheidenfiätel ,  desgleicheo  Michcuiis  ^).  G.  Simon 
beubacblete  sie  drei  Mal.  Ckurchiü ')  ein  Mal.  Nocli  selleoer 
sind,  beiläufig  gesagt,  die  Harnleitc^rtisteln.  Von  Hariileiter- 
Scheidenfisteln  hat  O.  Simon*)  zwei  gesehen;  eine  be- 
sclireibt  Alquii^^)  eine  Panas^^)  eine  HegarJ)  Harnleiter 
gebärmutterfistein  Iheilte  mit  B4rard,^)  Fuech,^) 
W.  A.Freund.  ^^)  Einer  Harnleiterblasengebärmutter- 
fistel  finden  wir  yoü  6.  Simon  ^^)  erwähnt 

Ausser  diesen  dem  weiblichen  Gescblechte  eigentliünilichen 
Drinfisteln  kommen  seltener  durch  mehr  oder  weniger  lange 
FislelgäQge  au  die  Oberfläche  des  Korpers  führende  Urinfisteln 
bei  beiden  Geschlechtern  zui*  Beobachtung.  Sie  finden  sich 
in  der  Nabel-,  der  UBteren  vorderen  Bauch >  und  Inguinal* 
Gegend.  Beim  Mannen  nicht  selten  am  Perinänm.  Sie  sind 
Folgen  von  Operationen,  Verwundungen  und  Quetschungen 
der  Blase»  können  aber  auch  durch  Beckenabscesse.  besonders 
durch  Drinabscesse  in  Folge  von  Harnröhrenstricturen,  ferner 
durch  Caries  der  Beckenknocheii,  parenchymatöse  Entzündung 
der  Blase  und  Krebs  herbeigeführt  werden.  Sie  entstehen 
auch  wohl  durch  das  spontane  Austi*eten  von  Blasensteinen 
durch  die  Blasen  Wandungen.  Solche  Fälle  beschreiben  Abi^^  '^) 
Dubatottekif,  ^')  Maißonneuve,  ^^)    Einen  Grund  zur  Vesico* 


.    1)  ProY.  Jonrn.,  JI.,  24,  1845. 
2)  P/aff's  Mittheilangen,  Heft  1  n.  2,  1839. 
3]  The  DubL  Quart.  Jonrn.  of  Med.  Sc,  May  1859,  p.  474. 
4)  Deatsche  Klinik,  1856,  30,  and  Beiträge  zur  Gebartskunde 
ond  Gyn&kologie  von  Seantonij  Bd.  iV.,  1860,  8.  3. 
6)  La  presse  med.  beige,  No.  30,  Brux.  1867. 

6)  Qas.  des  höpit.,  No.  69,  1860. 

7)  Monatsschrift  f.  Geburtsk.,  Hd.  XX.,  8.  29. 

8)  Prager  Vierteljahrschr.,  Bd.  IV.,  1866. 

9)  Oaz.  des  hdpit,  No.  133,  1869. 

10)  Inaug.  Diss.,  Vratisl.  1860. 

11)  Ueber  Heilang   der  Biasenscheidenfisteln,   Oiessen  1854. 

12)  Ein  grosser  Stein  im  Mittelfleiscfa.    Oestr.  Medic.  WoQfaen- 
f^chrift,  No.  45,  1842. 

18)  Seltener  Fall  Ton  spontanem  Anstrittp  eines  Blasensteios 
aD  der  Warsei  des  männl.  OUedes.   PeAersb.  Med.  Ztg.,  1845,  II.,  84. 
14)  Freiwillige  Ausstossnng  eines  Harnsteins  durch  das  Peri- 
Däom.    Qas.  des  höpit.,  1851,  57. 
ll«osU««lir.  f.  Usboruk.  1868.  Bd.  XXI.,  UÜ,  4,  17 


260  XVIII.    VerbAndlangfCD  d«r  Oeitllachftft 

wurde.     Ob   eine   dauernde  vöilig«  Heilung  erfolgte,   konnte 
wegen  mangelnder  Weiterbeobachtung  nicht  angegeben  werden. 

Lassen  Sie  uns  nun,  meine  Herren,  auf  die  zweite  Reihe  der 
Blasenfisteln,  nämlich  auf  die  Fisteln  gemischten  Charakters, 
etwas  näher  eingehen.  Fisteln  gemischten  Charakters  ent* 
stehen,  wenn  zwei  secretorische  Organe  oder  deren  Aus- 
fuhrungsgänge miteinander  communiciren  und  ein  Uebergang 
▼om  Inhalte  des  ekien  in  das  Cavun)  des  anderen  und  um-, 
gekehrt  stattlindet.  Bei  der  Communication  von  Blase  und 
Darm  entsteht  dadurch  eine  Vereinigung  ?on  Koth-  und 
UiinfisteL  Wir  wollen  die  Aetiologie  dieser  seltenen  Fisteln 
etwas  näher  in  unsere  Betrachtung  ziehen.  Dickdarmblasen- 
fisteln entstehen  beim  Manne,  analog  den  Urinfisteln,  durch 
•OperationsTerietzungen ,  Quetschungen  und  Verwundungen. 
Die  Lithotomia  recto-vesicalis  wird  fast  immer  eine  Mastdarm- 
blasenüstel  nach  sich  ziehen.  Dass  aber  die  Heilung  hier 
nicht  völlig  ausgeschlossen  ist,  dafür  spricht  eine  Beobachtung 
von  Jame9  Datoson. ')  Derselbe  machte  diese  Operation 
bei  einem  3V2Jähngen  Knaben  und  sah  schon  nach  10  Tagen 
Töllige  Heihing.  Auch  bei  der  Lithotomia  urethro^prostalica 
kann  eine  Verletzung  mit  resultirender  Fistula  recto-vesicalis 
leicht  eintreten.  Beispiele  von  Verletzungen  des  Perinäum 
durch  Fall,  Stoss  etc.  mit  nachfolgender  Darmblasenfistel 
finden  wir,  wenn  auch  selten,  in  der  Literatur.  In  der  Regeil 
führen  derartige  Verletzungen  schnell  zum  Tode.  AMhtan*) 
berichtet  eine  Zeireissung  des  Rectums  und  der  Blase  durch 
das  Eindringen  eines  Stuhlfusses  durch  den  Damm  bei  einem 
vom  Tische  fallenden  Manne.  Der  Tod  erfolgte  nach  21  Stunden. 
Meekel^)  theilt  eine  Einreissung  des  Blasenhalses  durch 
Trauma  mit,  wo  Fisteln  nach  dem  Rectum  entstanden. 

Eine  zweite  Reihe  von  Darmblasenfisteln  haben  ihren 
Entstehungsgrund  in  pathologischen  Zuständen  des  Darmes. 
Sie  betreffen  beide  Geschlechter  und  können,  dem  Sitze  der 
primären  Darmerkrankung  entsprechend,  Dönndarm-  oder 
Dickdarmblasenfisteln   sein.     In   der   Literatur    habe   ich   von 


1)  TraiiMct.  of  the  med.  and  sorg.  Astoc,  18S4,  Vol.  II. 

2)  Die    KrankheiteD,    TerietsnngeD    und    lliesbildungeB    des 
Rectum  und  Anas,  Würsbnrg  1863,  8.  166. 

8)  lllast.  med.  Zeitschrift,  1,4,  1852. 


für  Oebnrtsliiilfe  in  Berlin.  261 

primäreo  Darmleiden,  wekhe  Darmblaseufisteln  herbeizufuhren 
geeignet  sind,  zunächst  Carcinom  und  Gallerlkrebs  gefunden. 
Hingeston^)  tbeilt  eine  Beobachtung  mit,  wo  durch  einen 
Damiscirrhua  mit  Strictur,  Coromunicationen  sowohl  des  Rectum 
als  des  Colon,  wie  auch  des  Dünndarmes  mit  der  Blase  be- 
standen. Ich  lasse  diese  Beobachtung  in  Kürze  folgen. 
Ein  Haan  aus  den  besseren  Ständen,  der  seit  Jahren  zu 
Diarrhöen  und  Catarrhen  der  Respirationsschleimliäute  neigte, 
erkrankte  in  seinem  58.  Lebensjahre  an  einer  Pleuresie, 
welcher  bald  eine  Haemoptoe  nachfolgte.  Im  59.  Jahre  machte 
er  eine  Bronchitis  durch  und  erwarb  durch  heftigen  Husten 
eine  rechte  Inguinalhernie.  1837  in  seinem  60.  Jahre  wurde 
er  von  der  damals  in  London  herrschenden  Influenza  befallen, 
worauf  sich  bald  die  ersten  Spuren  einer  Blasendarmflstel 
zeigten  und  zwar  vier  Jahre  vor  seinem  Tode.  Anfanglich 
wurden  die  Symptome  derselben  wenig  gewürdigt,  vielmehr 
als  Strangurie  in  Folge  Blasencatarrlis  behandelt  In  seineui 
62.  Jahre  gingen  aber  schon  mehr  Darmgase  und  Faeces  durch 
die  Urethra  als  durch  das  Rectum  ab.  Das  Allgemeinbefinden 
verschlechterte  sich  von  Monat  zu  Monat.  Die  Beschwerden 
und  Faecalausleerungen  aus  der  Urethra  dauerten  bis  zum 
Tode  fort.  In  seinem  letzten  Lebensjahre  trat  eine  aber- 
malige Haemoptoe,  darauf  eine  Peritonitis  ein,  welcher  der 
Kranke  in  seinem  65.  Jahre  erlag.  Bei  der  Secüon  fanden 
sich  Cavernen  in  den  Lungenspitzen.  In  der  Bauchhöhle 
Serum,  das  Peritoneum  opak;  Gedärme  leicht  zerreisslich. 
Flexura  coli  sigmoidea.  Rectum,  Ueum  und  Coecum  hingen 
en  masse  am  Blasengrunde  fest.  Das  Colon  war  hypertrophisch, 
sehr  muskulös,  mannsarmstark.  Fünf  Zoll  vom  Anus  begami 
eine  2  Zoll  lange  Darmstrictur,  die  kaum  den  kleinen  Finger 
durcbliess«  Ihre  Wände  waren  scirrhös.  Unmittelbar  oberhalb 
dersettN»  waren  die  Darmhäute  mit  Verschwärungen  und 
Oeflnungen  durchzogen,  die  in  einen  die  Blase  von  den 
Därmen  trennenden  Ganal  einführten.  Dieser  Canal  war  ein 
fäculenter  Abscess,  nahe  beim  Peritonäalumschlage  zwischen 
Blase  und  Darm  gelegen,   mit  einer  dunkelen  Membran  aus- 

1)  OufB  hospital  Rep.,   Vol.  VI.,  p.  400.   —  Schmidt'9  Jabr- 
bächer,   1844,  Bd.  41,  8.  326. 


262  XVIII.    TerliHBdlnngfeii  der  Oesellschftft 

gekleidet  und  sebleimig  eiterigem  Seeret  gefUlt.  Nach  fora 
dlTnete  er  sich  in  den  Blasengrund,  nach  oben  in*8  Colon, 
nach  unten  in's  Rectum,  nach  hinten  durch  das  Colon  in*s 
Ileuni.  Die  Blasenöifninig  des  Pistelcanals  war  mit  einer 
fcmgösen  klappenartigen  Hautverdickung  überwadisen. 

Eine  Durchbohrung  des  Coecnm  und  der  Urinblase  durch 
eine  Collöidgeschwulst  des  erstei*en  hat  Fuehs  beschrieben.  *) 
Ich  finde  sie  in  Virchow'»  „Handbuch  der  speciellen  Pathologie 
und  Therapie'*  erwähnt.*)  Sie  stand  nur  aber  weder  m 
Auszuge  noch  im  Originale  zu  Gebote. 

Als  Ursache  einer  ferneren  Darmblasenfistel  beobachtete 
van  Geun$  ')  eine  seltene  und  interessante  Darmerkranknng, 
nämlich  eine  ausgedehnte  Geschwürsbildung  im  Colon 
desccndens  mit  einer  ^bedeutenden  Verengerung  im  unteren 
Tlieile  desselben.  Dieser  Fall  betrifft  eine  Patientin,  welche 
vier  Jahre  vorher  an  Cholera  erkrankte,  seitdem  nicht  wieder 
völlig  gesund  geworden  war,  immer  an  Diarrhöen  oder  Ver- 
stopfung gelitten  hatte,  ausserdem  wahrscheinlich  syphiKtisch 
gewesen  war.  Längere  Zeit  hatte  sie  die  Erscheinungen  einer 
Fistula  intestino  -  vesicalis  geboten.  Bei  der  Section  fand 
sich  Folgendes.  An  der  grossen  Magencurvatur  sassen  zwei 
runde  Geschwüre  mit  scharf  abgeschnittenen  Rändern,  ohne 
schon  zu  perforiren.  Die  V^ände  des  Dönndarmes  waren  nur 
auffällig  dünn.  Coecum  und  Colon  ascendens  dagegen  sehr 
ausgedehnt,  Colon  transversum  und  descendens  aber  sehr 
verengt  mit  zerstreuten  unregelmässigen  rundlichen  Geschwüren 
bedeckt.  Am  Uebergange  vom  Colon  descendens  in  die  Flexura 
sigmoidea  befand  sich  ein  Geschwür  mit  buchtigen,  scharf 
abgeschnittenen  Rändei*n.  Von  hier  an  bis  wenige  Zolle  vom 
Afler  war  die  Schleimhaut  in  ein  ununterbrochenes  Geschwür 
umgewandelt,  die  Darmwände  waren  verdickt  Durch  Ver- 
klebung zeigte  der  Darm,  wo  er  an  den  Gebärmutterkörper 
zu  liegen  kam,  eine  schlingenförnn'ge  Einknickung  und  war 
hier  zugleich  bis  auf  die  Dicke  eines  Federkiels  verengt.     An 

i)  Nederl.  Waekbl.,  Oet.  1851. 

2)  Bd.  VI.,  2,  S.  163. 

3)  Nederl.Woekb].,  Jaly  1854.  —   Sd^id^B  Jahrbücher,  1856, 
Bd.  92,  8.  «1. 


fi&r  i}ttbiir(»hU)C«i  in  Berlin.  figg 


dwser  Slnoinr  iprar  der  Dar»  zw«i  Mal  perforirtt  und  beide 
ParforatiQuen  «tmden  mit  eimM»  Gang«  in  Verbindyag ,  der 
aHsaeclialb  Ae&  DarmcaDaioa  befindlich  war  und  d«rch  den 
GebtasttUerkörjMsr  und  die  seröse  Darmwand  begrenai  waide. 
Die  Oeflhuogen  in  diesen  Gang  waren  IricblerRrinig  und  die 
OarmscUeinihaui  bildete  an  iboen  concentriscba  Falten.  Eia» 
fernere  PerC(»ration  des  Darmes  befand  äcb  gleich  uuler  dbr 
UniknickuBg,  «a  war  eine  kreiaßrniige  aoUgixMae  OeffnMBg, 
durch  welche  der  Fiatelgang  mtl  dem  Mastdärme  communicirte. 
Eioüo  Cenümeter  unterhalb  dieser  OeOhunig  endlich  befiuid 
isidi  die  Perforation,  wodurch  der  Darm  und  die  Blase  mitp- 
einander  communicirten.  Darm  und  Blasenwandung  Ligen  hier 
aneinander.  Die  Oeffuuiig  war  ürichlerförmig,  etwa  2  Linien 
im  Durchmesser.  Der  unterste  Tlieil  per  rectnm  war  frei 
voa  Verscbwärung*  Die  Harnblase  zeigte  ausser  der  Perforation 
ihres  Grundes  nichts  Abnormes. 

Eine  dritte  Reihe  tou  Darmblasenfislelu  kann,  wie 
schon  augedeutet  wurde,  in  Folge  des  Durchbruchs  extrar 
uieriner  Graviditäten,  sowie  von  Abscesseo  in  Darm 
und  Blase  zu  Stande  kommen.  Aucb  sie  können  Düimdarm- 
oder  DickdarmMasenfisleln  sein. 

Der  in  dei*  HiUer'schen  Gebärklinik  zu  Marbiu*g  beoh- 
achtete  Fall,  welchen  QiessUr  ausfährhch  in  seiner  Dissertation') 
beschreibt,  betrifll  eine  Frau,  die  etwa  ein  Jahi*  nach  Beginn 
ibrer  zweiten  Gravidität,  unter  Erscheinungen  von  Peritonitis, 
Eiter  sowie  Knochen  einer  siebenmonatlidien  Frucht  per  rectum 
verlor.  Einige  Zeit  darauf  stellten  sich  hellige  Urinbescbwerden 
ein«  Es  wurden  mittels  des  Katheters  entdeckte  Knochen  aus 
der  Blase  durch  die  Harnröhre  entfernt  Die  Deiacation  ging 
bald  durch  das  Rectum,  bald  durcli  die  Blase  vor  sieb. 
Unter  unerträgUchen  Schmerzen  und  zundunendem  CoUapsns 
starb  die  Kranke  etwa  drei  Wochen  nadi  der  Blasenperforation 
an  Erschöpfung.  Bei  der  Section  fand  sich  eme  Höhle  durch 
Verwachsung  der  Blase,  des  Uterus  und  des  Rectum  gebildei, 
in  der  der  Fötus  gelegen  hatte  und  die  durch  fistelartige 
Oeftmngen  in  den  Blasengrund  und  in  das  Rectum  führten. 


1)  Mlkrbarg  1866. 


2M  XVIII.     VeTtisttdIiitigem  der  Gesellschaft 

Die  (Uirch  Abscesse  entslehfinden  DarmUftsenfifitHii 
sind  ebenfalls  selten.  Es  findet  sich  ein  Fall  von  George 
Glen ')  beschrieben.  Eine  (»iebenundzwanztgjährige  Frau  hatfe 
baM  nach  einer  schweren  Geburt  Erscheinungen  entzdndlidier 
Proeesse  im  Leibe  mit  heftigen  Blasenbeschwerden  geboten. 
Das  Leiden  nahm  einen  chroni.<3fhen  Charakter  an,  schien 
aber  nach  acht  Monalen  in  Besserung  überzugeben.  Sechs 
Monate  darauf  kehrten  indessen  die  alten  Beschwerden  ge- 
stiert zurück  und  mil  ihnen  zuerst  sehr  schmerzhafte  Ab- 
ginge von  Darmgasen,  alsdann  von  Koth  aus  der  Urethra. 
Ein  Jahr  nach  dem  Auftreten  dieser  Entteerungen  starb  die 
Frau.  Bei  der  Section  fanden  sich  die  Darme  mit  den  ßaurli^ 
Wandungen  besonders  in  der  Regio  hypogastiir^  verwachse». 
An  dieser  Verwachsung  betlieiligte  sich  das  in  Vereiterung 
Abergegangene  Netz.  Der  Uterus  war  gesund,  das  OvariniD 
dextrum  um  das  fünf-  bis  sechsfache  vergi'össert  im  Zustande 
der  Verschwörung.  Am  Grunde  der  Blase ,  deren  Wandungen 
▼erdünnt  waren,  fand  sich  eine  Oeffnung,  die  mil  dem  Rectum 
(yommunicirte.  In  Folge  schwerer  Entbindung  hatte  sieh  hier 
adhäsive  Entzündung  mit  Abscessbildung  etnblirt,  deren  Gfinge 
Rectum  und  Blase  perforirt  und  zu  der  Darmblasenfistel  ge^ 
fährt  hatten. 

Ich  gehe  jetzt  auf  die  Mittheilung  der  von  mir  beobachtetmi 
Blasendarmfjstel  fiber.  Frau  T.  aus  Boizenburg,  28  Jahre 
alt,  von  kleiner  Statur,  hatte  sich  in  den  Kinder-  uml 
Mfidchenjahren  völliger  Gesundheit  erfreut.  Vom  14.  Jahre 
an  war  sie  mit  regelmässigem  Typus  und  sechstägiger  Dauer 
menstruirt.  Im  19.  Jahre  verheirathete  sie  sich  und  gebai* 
in  den  darauf  folgenden  vier  Jahren  zwei  Mal.  Schwanger- 
schaften, Geburten  wie  Wochenbetten  verliefen  ohne  Störung. 
Sechs  Monate  nach  der  zweiten  Entbindung  vor  fflnf  Jahren 
Btolllen  sich,  ohne  angebbare  Ursache,  profuse  Diarrhöen  und 
Auftreibung  des  ganzen  Leibes  ein.  Pulsiren  ni  der  rechten 
Regio  iliaca  und  Schmerzen  an  dieser  Stelle  fanden  sich 
aMmälig  hinzu  und  hatten  bereits  einen  ziemlich  intensiven 
Grad   erreicht,    als  Fi-au    Tk   eben    hier    eine   beim   Drucket 


1)  London   Med.  Gaz.,   Vol.    18,   p.   801.   —    SohnUdVi  Jahr- 
bücher, Bd.  14,  8.  211. 


mr  GebdrUibiiir»  fai  Bvrlln. 

8cbiiN»niNrfle  Geschwulst  darch  die  Bauchdecken  filkke.  DkM 
Gflschwiilsc,  die  Scfamenen  in  derseften  und  die  Diarrhöen 
wieheA  trotz  melirraelier«  medicamentöser  Eingrifie  nicht  wieder 
und  efithrtfteten  die  FVaii  mehr  und  Hiehr.  Sechs  Mo«aU 
nach  der  ersten  Erkrankung  gesellten  sich  -sii  den  angegebene« 
Krankheilmrschänoiigen  anfanf^h  kiehtere,  allmalig  eu  einer 
qaMeQden  Höhe  sich  stdgemde  Bksenb^chwerden.  Tr«ts 
dieser  Leiden  hatte  die  Frau  leidlichen  Appetit,  war  im  Stande 
umherzugehen.  Ihre  Brustorgane  fuiictionirten  normal  Die 
Menses  kehrten  regehnässig  wieder,  waren  aher  in  Quantitfit 
gegen  frvher  vermindert.  Dies  war  das  Krankheitsbid,  welches 
FVau  T.  drei  Jahre  geboten  hatte,  als  sie  vor  zwei  Jahi^n 
wieder  schwanger  wurde.  In  den  ersten  Monaten  der  Gravidität 
änderte  sieh  Nichts  in  ihrem  Leiden.  Da  fühlte  sie  etwa 
in  der  Mitte  der  Gravidität  eines  Tages  ohne  grosse  Schmerzen 
Damigase  dorch  die  Uretbraimöndung  abgehen.  Bald  darauf 
bemerkte  sie,  dass  der  Urin  zuweilen  grunlid),  grau,  sehr  dick, 
flockig,  mit  versrliiedenartigen  Körpern  gemischt  war,  die 
es  zweifellos  machten,  dass  sie  Koth  ans  der  Harnblase 
entleere.  Denn  sie  erkannte  im  Urin  unverdaute  Ingesta, 
KaartollelstAckdien,  Muskelfasern,  entleerte  Chocolade  drei  bis 
vier  Stunden  nach  dem  Genüsse  ziemlich  unverändert  Speisen, 
die  den  Darminhalt  eigenthundich  zu  färben  pflegen,  z.  B. 
Blaubeeren,  gaben  dem  Um  die  entsprechende  Färbung. 
So  sehr  sich  auch  die  Kranke  über  diese  Wahrnehmung  ent- 
setzte, so  war  sie  andererseits  einigermaassen  erfreut,  dass 
sich  die  Blasenbeschwerden  insofßm  besserten,  als  mehr  oder 
weniger  lange  Bemissionen  in  den  Schmerzen  eintraten.  Die 
ScbwangerschafI  nidim  inzwischen  ungestört  ihi'en  Fortgang. 
Die  Geburt  eines  gesunden  Kindes  musste  durch  die  Wendung 
auf  die  Pilsse  wegen  vorhandener  Querlage  künstlich  beendet 
werden.  Es  stellten  sicii  aber  weder  hierbei  noch  im 
Wochenbette  besondere  Unregelmässigkeiten  ein.  Nach  dem- 
selben kehrte  die  Periode  nicht  wieder,  ausserdem  wurden 
die  Diarrhöen  häufiger,  ganz  besonders  des  Nachts,  wo  sie 
sechs  bis  neun  Mal  imter  Schmerzen  im  ganzen  Leibe  und 
quälendem  Tenesmus  erfolgten.  Die  Stuhlgänge  waren  meist 
ganz  dünn,  flockig,  graugrünlich  mit  luiverdauten  Speiseresien, 
den  Blasenentleerungen  ähnlich,  nur  von  föculenterem  Gerüche. 


egg  XVIII.    VcffhaadlttOgcBi  der  GeMUsehaft 

Aiifong  de«  lalu^es  1862  lernle  ieh  die  JKraoke  keoiMiD.  Sie 
war  zum  Enlseteen  abgemalt,  elend  und  schwiMb  m\4 
janMueite  gar  sebn  War  iudesaen  immer  ttoeh  im  Sla^«, 
Meine  Wege  zu  Pubs  airäckiulAgen  und  batle  4iB  Beiae  ans 
ibrar  Heimatb  nach  Berlin  ohne  Naebibeil  nacbeu  köaneu. 
Ibr  Pols  war  fadenförmig,  frequeni,  die  Zunge  gldniend  roib 
nach  der  Wcmsel  mit  gdbliohem  Belage.  Herz  und  Langen  gesund» 
Der  Leib  aufi;etrid>en»  die  Bauchdecken  g«spannt,  beim  Druck« 
fiberaB  scbmerzbaft,  ganz  besonders  in  der  Begio  iliaca  dexira. 
Hier  fohlte  man  eine  unregelmässige,  teigige  Geschwulst,  die 
von  dem  Bamus  horizonlalis  pubis  bis  zur  Bäbe  dar  SfMiia 
üiiim  siqierior  anterior,  seitlich  rechts  gegen  die  innere  Flache 
dos  Os  iKuffl,  links  fast  bis  zur  Nabellinie  reichte.  Die  recht«^ 
BauchbäJfle  erschien  durch  dieselbe  ausgedehnter,  ab  die  linke. 
Di»  Leber  hatte  normalen  Umfang.  Die  äusseren  GenitaUeii  waren 
wenig  behaart,  überliaupt  in  allen  Theilen  wemg  entwickelt, 
äbrigens  bis  auf  geringe  Böthuug  der  weiten  Ureüuralmändung 
normal.  Die  Exploration  per  vaginam  erregte  keine  Sdimerzen, 
so  lange  man  den  Tumor  in  der  rechten  Begio  iliaca»  welcher 
mit  seinem  unteren  Segmente  in  das  kleine  Becken  hinein- 
ragte, nicht  berührte.  Dasselbe  galt  von  der  Untersuchung 
per  rectum.  Die  Vaginalportion  lag  ganz  nach  hinten  und  ein 
wenig  nach  rechts  verschoben,  schwer  beweglich.  Die  Mutter^ 
mundslippen  fanden  sich  verkürzt,  weich,  das  Orificiuia  ex- 
ternum  quei^gespalten  nach  unten  gerichtet.  Die  Sonde  drang 
ohne  Schmerzerreguug  2%  Zoll  in  das  Cavum  uteri.  Im 
Specnktm  erschieu  die  Sühleimhaut  der  Vagina  und  der 
Muttemumdsüppen  blass,  aber  gesund.  Die  erwälinte  Ge- 
sdiwulsl  ragte  vom  grossen  Becken  durch  den  BeckefieiBgang 
in  das  kleine  Becken  hinein  und  erfüllte  dea  rechten 
vorderen  oberen  Theil  desselben.  Die  Bectumschleimhaut 
war  von  normaler  Beschaffenheit,  das  Bectum  selbst  verlief 
m  normaler  Bichtung  nach  ohea  Was  endlich  die  Blase  an- 
betrifil,  so  konnte  ein  2  Linien  dicker  Katheter  mit  Leiditig- 
keit  in  dieselbe  etugeföhrt  werden,  ohne  lebhafte  Schmerzen 
zu  erregen.  Kehrte  man  aber  die  Spitze  des  eingeführten 
Katheters  nach  reclits,  so  klagte  die  Kranke  über  Schmerzen. 
Es  gtöckte  nicht,  die  Fistelöffnung  zu  finden,  wie  überhaupt, 
ausser  der  angegebenen  Schmerzhafligkeit,  weder  mit  elastisolHin 


für  QobwrühüKe  hi  Berlin.  £67 

noch  mtC  ineUlNeneiii  Kaliieter  irgend  welche  Anomalie  sii 
enldeGkni  war.  Nur  einmal,  unter  wiedarhoken  Katlieterisationeii, 
entleerte  sidi  eine  geringe  Menge  trüben  gelblichen  Drint 
ohne  KotbbeiniiBctiung.  Bei  der  mikrogkcfiischen  Untersiicbiing 
ziHgten  s^ch  in  diesem  schwach  miier  reagirendeii ,  •  Spuren 
TOB  Aibmnen  enthaltenden  Urin,  viele  Eiterkörper,  Pflaster- 
nnd  UebergaBgs- Epithel,  zum  Theil  in  zusammenhAngaiden 
Abschnitten,  Detritus,  Fett,  hamsaure  Salze.  Bestandtheile, 
die  auf  eine  Nierenerkrankung  schliessen  liesaen,  fanden  sich 
nicht  Dagegen  waren  hei  anderweitigen  UntersucbiiBgeti  des 
willköriich  oder  durch  den  Katheter  entl^rten  Harnes,  stets 
pflanzliche  und  thierische  Zellen  in  grosser  Menge  zu  sehen. 
Die  Kranke  versicherte,  sie  habe,  wenn  der  Darminhall  in 
die  Mase  Iräte,  das  Gefühl,  als  ob  ihr  eine  hrenncndi' 
Plfissigkeit  in  dh  Blase  eingespritzt  wArde,  sofort  entstehe 
in  derselben  ein  quälendes  Drängen  zum  Harnen.  Währemi 
des  Urinirens  seien  die  Schnterzen  in  der  Blase  krampfhaft, 
erstreckten  sich  in  die  Urethra  bis  zum  Orificium,  und  auf 
diese  ganz  besonders  heftig,  wenn  Stucke  Kothes  abgingen. 
Die  Therapie  bestand  in  einem  roborirenden  zugleich  die 
häiiligen  Diarrhöen  hokäropfenden  Verfahren.  Ich  ordnete  oitic 
leichte,  nahrhafte  Diät  iu  öherwiogend  flussiger  und  breiiger 
Form  an ;  gab  innerlich  anfangs  Mucilaginosa  mit  Natr.  caiinm. 
depur.,  kleine  Dosen  Pulv.  Dower.,  später  loichtes  China-Decoct 
mit'Acid.  pliosph.  und  endlich  Pillen  aus  Fei  taur.  insp.,  Ex(r. 
trifol.  fibr.  und  Natr.  carbon.  dop.  In  die  schmerzhafte  rechte 
Hälfte  des  Leibes  Hess  ich  anfänglich  Ungl.  belladonn.,  später 
dasselbe  mit  lod-Kali  einreiben.  Das  Befinden  der  Frau 
besserte  sich  insofern,  als  die  Diarrhöen  seltener,  zuweilen 
selbst  breiige  mehr  bräunliche  Faeces  per  rectum  entleert 
wurden;  ferner  darin,  dass  die  Scbmerzhafligkeit  der  Ge^ 
schwulst  nur  noch  bei  stäi'kcrem  Drucke  hervortrat  Die 
Kranke  kehrte  in  ihre  Heimatti  zurück.  Die  letzten  Nachrichten, 
welche  von  Ende  November  datirten,  lauteten  relativ  gunstig. 

Zmn  Schlüsse  gestatten  Sie  mir,  meine  Herren,  einige 
epikritisdie  Bemerkungen  zu  dieser  Krankengeschichte  hinzu- 
zofllgen. 

Als  Entstehungsorsachf  dieser  Danablasenfisti*] 
möchte  am  ehesten  eine  primäre  Darmerkrankung  anzunehmen 


268  XViri.    VerbHadlungen  dex  Gesellsohftft 

sein.  Es  scheiiU  dies  daraus  zu  iolgen,  dass  die  ereteo 
MrankbeitserscheinuiigeD  in  einem  hartnäckigen  InlestinaJ- 
Catarrh  bestanden,  als  dessen  einzige  begleitenden  Symptmne 
sich  bald  Palsiren  und  Schmerzempfindungen  in  der  Regio 
iliaca  dextra  hinzugesellten.  Später  erst  wurde  eine  Geschwulst 
an  dieser  Stelle  bemerkt  Daraus,  dass  das  uropoetische 
System  in  den  ersten  sechs  Monaten  intact  war  und  sich 
alsdann  erst  leichtere,  allmälig  intensivere  Blasenbescbwerden 
entwickelten,  möchte  zu  folgern  sein,  dass  durdi  adhäsive 
Entzündung  in  der  Umgebung  der  erkrankten  Darmpartie, 
VerklebuDg  der  letzteren  mit  der  ßiase  und  somit  Reizung 
derselben  zu  Stande  kam,  welche  bei  Fortschreiten  des  Leidens 
an  Intensität  zunahm.  Die  Bildung  eines  Abscesses  innerhalb 
des  Bauchfellsackes,  als  primäres  Leiden  wird  deshalb  aus- 
zuschliessen  sein,  weil  die,  einem  solchen  entsprechenden 
Entzundungserscheinungen  zu  Anfange  der  Erkrankung  fehlten. 
In  dem  weiteren  Verlaufe  scheint  ein  den  Durchbruch  des 
Darmes  und  der  Blase  begünstigendes  Moment  in  der  Gravidität 
gelegen  zu  haben.  Andererseits  möchte  aus  dieser  zu  schliessen 
sein,  dass  das  Leiden  ein  locales,  die  Sexualorgane  nicht 
beröhrendes  gewesen  ist.  Das  Darmleiden  selbst  ist  walur- 
sclieinlich  krebsiger  Natur.  Gegen  die  Annahme  einer  solchen 
könnte  die  lange  Dauer  der  Krankheit  ohne  Generalisation 
angeführt  werden.  Indessen  sehen  wir  ähnliche  Verbältnisse 
bei  Magenkrebs.  Audi  ünden  wir  in  dem  Falle  von  ffingesion 
eine  langjährige  Dauer  eines  solchen  Leidens  ohne  alle  An- 
zeichen  der  specifischen  Erkrankung. 

Als  die  Stelle  des  Darmes,  an  welcher  der  Durch- 
bruch stattgefunden,  möchte  ich  den  untersten  Theil  des 
Dünndarmes  bezeichnen.  Hierfür  scheint  zu  sprechen,  dass 
leicht  vViedei'zuerkenriende  Ingesta  schon  drei  bis  vier  Stunden 
nach  dem  Genüsse  im  Urine  zum  Vorschein  kamen.  Daneben 
mag,  ähnlich  wie  in  den  vorher  beschriebenen  Fällen  ein 
mit  anderen  Darmpartieen  bereits  comrounicirender  oder 
Durchbrüche  dahin  vorbereitender  Kothabscess  bestehen. 

Im  Allgemeinen  geben  die  Erscheinungen  unseres 
Krankheitsfalles  ein  mit  den  anderen  angeführten  Beobachtungen 
überaBstioimendes  Bild.    Wir  sehen  namentlich  heftige  Blasen- 


für  OebmrUhütfe  in  Berlin.  269 

besehwerdm  dareh  Eintritt  des  Koibes  in  die  Hase,  anhaltende 
Diarrhöen  mit  fast  unertriglichem  Teneanius  durch  UebertriU 
des  Urins  in  den  Darm.  In  unseren)  Falle  scheint  die  liegende 
Stellung  begünstigend  für  den  Austritt  der  Harnes  in  den 
Darm  gewesen  zu  sein,  wenigstens  war  alsdann  der  Tenesmus 
nnd  der  Schmerz  im  Darme  gesteigert 

Auch  die  Prognose  möchte  hier,  wie  bei  Blasen^ 
damifisteln,  im  Allgemeinen  eher  ungünstig  als  günstig  zu 
stellen  sein.  Die  Kranken  siechen,  trotz  momentaner  Er- 
leichterung' und  scheinbarer  Besserung,  langsam  dem  Tode 
entgegen.  — 

Herr  Münntch  erwähnt,  dass  er  im  Winter  1857  — 1858 
in  der  Chariie  einen  ähnUchen  Fall  beobachtet  habe.  Er 
betraf  einen  Mann  in  den  mittleren  Jahren,  der  mit  allen 
Zeichen  eines  cnrcumscripten  peritonitischen  Exsudates  in  der 
rechten  Fo^a  iliaca  in  die  Anstalt  aufgenommen  wurde.  Etwa 
nenebn  Tage  darauf  seien  heftige  Schmerzen  in  der  Vesical* 
gegend  eingetreten,  der  Urin  habe  ehi  schleimig- eiteriges 
Sediment  abgesetzt  und  zugleich  sei  eine  merkliche  Abnahme 
des  Exsudates  beobachtet  worden.  Ein  später  auftretender 
faculenter  Gerudi  des  Harnes  und  die  durch  mikroskopische 
UntersQchong  desselben  nachgewiesenen  Beimischungen  von 
Darminhalt  stellten  eine  Communication  zwischen  Darm  und 
Blase  ausser  Zweifel.  Sdion  nach  10 — 12  Tagen  sei  indess 
die  Obliteratjon  der  Fistel  erfolgt,  denn  von  der  Zeit  an  seien 
keine  Darmcontenta  mehr  im  Urine  nachzuweisen  gewesen. 
Der  Urin  habe  zwar  noch  längere  Zeit  Eiter  enthalten,  indess 
etwa  acht  Wochen  nach  der  Aufnahme  sei  Patient  als  geheilt 
entlassen.  Die  vor  seiner  Entlassung  noch  einmal  angestellte 
Untersuchung  des  Unterleibes  habe  ergeben,  dass  das  Exsudat 
in  der  Fossa  iliaca  gänzlich  verschwunden  gewesen  und  habe 
man  dort  nur  durch  die  schlafTeii  Bauclidecken  noch  deutlich 
eine  strangartige  harte  Masse  durchfühlen  können,  die  wenigstens 
thölweise  für  den  obliterirten  Processus  vennifoniiis  an- 
gesprochen worden  sei. 


2TO  XVill.    VurhuodluDifan  4«r  GasttUBchaft 

Herr  MwtUn  erzaUle  idgendeD  in  der  von  «hm  gelejl«iea 
gynäkologischen  Klinik  des  Charit^ -KnoLeiihause»  bekandeliett 

Fall  von   Darmblasenfistel. 

Frau  £.,  48  Jahre  all,  war  seil  dem  sochszehnieB 
Lt^bensjahre  regelmässig  alle  vier  Wochen  nicnslruirl  und 
halte  im  siebenundzwanzigslen  Jahre  zuerst  und  im  vierzigslen 
Jahre  ihr  fünftes  Kind  geboren.  Obschon  die  Geburten  stets 
schwierig  gewesen  sein  sollen ,  wurde  doch  ärztliche  Hülfe 
nicht  nöthig,  und  war  die  am  27.  April  1862  i»  die  gyndko^ 
logische  Klinik  aufgenommene  Patientin  ausser  von  Zeit  2IA 
Zeil  auftretenden  Magenkrämpfen  bis  vor  fünf  Monaten  an- 
gebUch  stets  gesund  gewesen.  Um  Weilinacht  1861  erkrankte 
dieselbe  ohne  bewusste  Veranlassung  an  einer  Unterleibs« 
enlzundung,  welche  sie  mehrere  Wochen  an  das  Bett  fesselte 
iHjd  heftige  Schmerzen  in  beiden  Weichengegenden  sowie 
Beschwerden  bei  dem  Urinlasaen  hinterliess.  Da  die  nack 
dem  Beckenausgange  ausstrahlenden  Schmerzen  des  Nachts  so 
heftig  exacerbirten,  dass  sie  der  Kranken  den  Schlaf  rMibteo 
und  der  Appetit  fehlte,  kam  PaL  sehr  herab  und  erschien 
bei  üirer  Aufnahme  auch  äusserst  mager  und  anümisch.  Die 
Ziuige  war  massig  bekgt,  Stuhlgang  spärlicli  selten ,  Fieber 
nicht  nachweislich.  Die  Gebärmutter  war  duix^h  eine  vor 
dem  Mutterhalse  durch  das  Scheidengewölbe  fühlbare  gegen 
Diuck  empHndiiche  Geschwulst  nach  hinten  in  die  Kreuzbein- 
anshöhlung  gedrängt.  Lulem  die  Ulcrussonde  in  gewöhnlicher 
Richtung  eindrang,  war  erwiesen,  dass  der  Tumor  vor  dem 
ScheideiUheile  des  Mutlerkörpers  nicht  sein  konnte;  die  Länge 
des  Gebärmuttercanales  übertraf  das  Norinalmaass  um  V4  ^^U. 
Der  Muttermund  bildete  eine  Querspalte,  die  Mutterlippeu 
zeigten  sich  etwas  geschwollen  und  geröthet  Die  Gescliwult^ 
zwischen  Harnblase  und  Uterus  erschien  rfechtshin  etwas 
breiter,  lieas  sich  jedoch  durch  gleidizeitige  innere  und 
äussere  Exploration  nach  oben  nicht  scharf  begrenzen.  Die 
Untersuchung  des  Urins  ergab  niclit  allein  reichlichen  Eiter«- 
und  Schleimgehalt  und  Eiweiss,  sondern  es  fanden  sich  in 
dem  grünschwärzlichen  beträchtlichen  Sediment  bei  der 
mikroskopischen  Untersuchung  deutliche  Speisereste,  so  z.  B. 
rötlihche    Fasern    von    Sauerkraut,   Partikeln    von  Grünkohl, 


r 


ftlr  Gebiirtftl^lfo  in  Berlin.  271 

ja  sogar  zahlreicho  Käniinelsa»i«ii  a«s  «^mh  genosBSAnen 
Brodc  —  Nach  diesen  Befunde  uottrlag  es  keinem  Zweifel^ 
dass  eine  abnorme  Couirounication  zwischen  Dann  und  Harn- 
blase bestand,  und  zwar  wies  die  im  vorderen  Scheiden- 
gewölbe fahlbare  Geschwulst  darauf  liin,  dass  hier  in  der 
Plioa  vesico- uterina  das  den  Darm  und  die  Harnblase  ver- 
klebende Exsudat  als  Rest  einer  vorausgegangenen  Unterleibs- 
eoiiftndiing  liege.  leb  verordnete,  um  eine  möglichst  compacte 
Kotbsäule  zu  erzielen,  deren  Theile  weniger  leicht  die  Fistel- 
Ü&nng  passiren  würden,  eine  breiigte  Kost  und  liess  zur 
Bekämpfung  der  bestehenden  Reizung  der  inneren  Genitalien 
einen  Thee  von  Leinsamen  mit  Bleiwasser  gemischt  in  die 
Scheide  einspritzen  und  temperirte  Wasserumsehläge  auf  den 
ünlerieib  legen. 

Am  2.  August  zeigte  sich  die  Geschwulst  eriiebUch  ver- 
kMnert  und  nidit  mehr  schmerzliafl;  der  Urin  setzte  zwar 
■och  ein,  jedoch  viel  geringeres  Sediment,  dassell)e  bestand 
bei  ausschliesslich  aus  Bilerkörperchen  und  enthielt  nur  selir 
AfMirsame  kleine  Partikeln  der  genossenen  Speisen.  Die 
Kranke  hatte  sich  bereits  trefflich  erholL 

Am  8^  September  fühlte  sieh  Patientin  bereits  so  wohl, 
dass  sie  ihre  Entlassung  aus  der  Klinik  verlangte« 

Herr  Wegscheider  erinnert  sich,  zwei  ähnliche  Falle 
beobachtet  zu  haben.  Der  erste  betraf  eine  lange  Zeit  von 
der  Hallenser  Klinik  behandelte  poliklinische  Kranke,  die 
scherzweise  mit  dem  Namen  der  „  Luflschifferin '*  belegt  wurde, 
weil  sie  angab ,  öfters  Luft  mit  dem  Urine  durch  die  Harn- 
röhre zu  entleeren.  Anfänglich  habe  man  diese  Angabe  für 
Simulation  gehalten,  eine  genauere  Beobachtung  habe  indess 
den  Thatbestand  constatirt  und  ausserdem  durch  Nachweisung 
von  Rosinenkemen  und  dergl.  im  Harne  die  Verbindung  des 
Darmes  mit  der  Blase  ausser  Zweifel  gestellt.  —  Der  zweite 
Fall  habe  einen  hiesigen  Collegen  betroffen,  der  ebenfalls  Koth 
durch  die  Urethra  entleerte.  Wenn  er  sich  recht  erinnere, 
habe  übrigens  der  verstorbene  Formey  an  derselben  Krank- 
heit gelitten.     (Von  mehreren  Anwesenden  bestätigt.) 


278  XVIII.    VerhMMllaiigea  4ar  G«MlIscliaU 

Herr  Stuienraueh  theät  aus  einem  Briefe  des  Herro 
Dr.  Q&issler  in  Gräfenbainichen  folgeade 

gewaltsame  Zerreissung  der  Bauchdecken  and  des 

schwangeren    Uterus   mit   Austritt    eines    lebenden 

Kindes 
mit. 

Von  den  Kindern   des  Höfners  R,  in  Z.,   die 

auf  dem  Hofe  spielten,  hörte  ein  kleines  Mädciien  am  Nadi- 
mittage  des  16.  Octobers  plötzlich  Geschrei  wie  von  einer 
Katze,  welches  aus  einem  Stalle  heimzukommen  schien,  worin 
sich  der  Gemeindebulle  beliand.  Das  Mädchen  ging  in  den 
Stall  hinein,  kam  jedoch  sofort  wieder  heraus  und  rief  einem 
in  der  Nahe  befindlichen  Knechte  zu:  ,,der  Bulle  hat  meine 
Mutter  unter/'  Dieser  ging  in  Begleitung  eines  zufällig  an- 
wesenden fremden  Mannes  in  den  Stall  und  fand  die  Ehefrau 
des  Ilufners  B.  auf  der  Kette,  woran  der  Bulle  befestigt  war, 
hängend ,  aber  bereits  im  Sterben  und  nur  noch  ein  paar  Mal 
Athem  holend.  Am  Fussboden  unter  der  Krippe  dicht  neben 
dem  Bullen  lag  ein  mit  Blut  und  Koth  bedecktes,  anscheinend 
unverletztes  neugeboi^nes  Kind. 

Sowohl  die  entseelte  Mutter  als  auch  das  Kind  wurden 
in  die  Stube  getragen,  woselbst  das  letztere  lebhaft  zu 
sclu*eien  begann. 

Die  Verletzungen  der  Gctödteten  waren  folgende:  Das 
Hörn  des  Thieres  war  einige  Zoll  unter  dem  Bande  der 
unteren  Bippen  im  rechten  Hypochondrium  eingedrungen, 
wie  aus  den  nach  einwärts  gerichteten  sehr  zerrissenen  Wund- 
rändern ersichtlich  war,  und  hatte  die  Bauchdecken  in  beinahe 
querer  Richtung  von  jener  Stelle  bis  in  die  linke  Seite  hinüber 
zerrissen.  Die  Wunde  bildete  eine  etwas  gebogene  Linie  mit 
der  Convexität  des  Bogens  nach  unten.  Die  Gedärme  waren 
thei|weise  herausgerissen  und  zerrissen.  Der  obere  Abschnitt 
der  Gebärmutter  fehlte  gänzlich,  ein  Theil  des  rechts  und 
oben  an  ihr  noch  haftenden  Mutterkuchens  soll  noch  vor- 
gefunden sein;  der  Muttennund  soll  geschlossen  gewesen  sein. 
Die  Kleidungsstöcke  der  Verletzten  waren  vom  zerrissen  und 
stark  mit  Blut  getränkt.  Weitere  Beschädigungen  waren  an 
der  Getödteten  nicht  ersichtlich. 


für  Qebitrtelilllfe  in  Berlin.  278 

Das  Kind  war  voUkominen  ausgetragen,  männlichen  Ge- 
schlechU,  gänzlich  unversehrt,  die  Nabelschnur  war  inehrnuiis 
um  den  Hals  geschlungen  und  trug  an  dein  freien  Ende  noch 
ein  StAck  des  zerrissenen  Mutterkuchens 

Herr  O.  spricht  sein  Bedauern  aus,  dass  er  durch 
Abwesenheit  vom  Hause  um  die  eigene  Beobachtung  dieser 
Verletzungen  gekommen  sei  und  diesen  Bericht  nur  nacli  ver- 
sdiiedenen  Zeugenaussagen  geben  könne. 


Sitzuug  vom  27.  Januar  18C3. 

Ke    Gesellschan    beschäfltigte    sich    ausschliesslich    mit 
inneren  Angelegenheiten. 

Zu  neuen  Mitgliedern  wurden  erwählt: 

als  ordentliches: 
Herr  Dr.  Ghrassniek  in  Berlin; 

als  auswärtige: 

Herr  Prof.  Dr.  6.  Simon  in  Rostock, 

Herr  Prof.  Dr.  G.  Braun  in  Wien, 

Herr  Prof.  Dr.  John  Clay  in  Birmingham, 

Herr  Dr.  Seitz  in  Hamburg, 

Herr  Dr.  ,de  la  Camp  in  Hamburg, 

Herr  Prof.  Dr.  Streng  in  Prag, 

Herr  Dr.  Kaufmann  in  Dürkheim. 

Bei   der   Neuwahl    der   Beamten    wurden    die    früheren 
wieder  gewählt. 


lloDfttMelkr.f.a«bartok    iSAd.    Bd.  XlCI.,  Hfl.  4.  IB 


274      ^I^-    Brealtm,  OvAriotoinie  mit  Baeh^efolgtem  Tode. 


XIX. 

Oyariotonüe  mit  nachgefolgtem  Tode. 

Von 

Prof.  Dr.  Breslau  in  Zürich. 

Zur  Statistik  der  Ovariotoniie ,  welche  Operation  gemäss 
der  letzten  von  Prof.  Simon  ^)  verölfentlichten  Zusammen- 
stellung in  Deutschland  so  wenig  gluckliche  Erfolge  gegenüber 
den  neuesten  in  England  erzielten  Resultaten^)  aufzuweisen 
bat,  hätte  ich  gern  einen  Fall  von  Heilung  beitragen  mögen, 
um  der  nach  meiner  vollen  UebiTzeugung  in  manchen  Päilen 
gerechtfertigten  und  indicirten  Ovariotonüe  vielleicht  einen 
neuen  Aufschwung  in  unserem  grossen  Vaterlande  zu  geben, 
allein  das  Missgeschick  hat  einen  unglücklichen  Ausgang 
gewollt  und  meine  Hoffnung  vereitelt.  Gleichwohl  stehe  ich 
nicht  an,  den  folgenden  Fall  diesem  vielgeleseneh  Journale 
zu  übergeben,  in  der  Meinung,  dass  es  die  Pflicht  des 
Klinikers  ist,  auch  dasjenige  nicht  zu  verschweigen,  was, 
ohne  seinen  eigenen  Ideen  Vorschub  zu  leisten,  doch  geeignet 
ist,  das  allgemeine  Urtheil  zu  läutern  und  den  Kreis  allgemeiner 
Anschauung  zu  erweitern. 

E.  £....,  35  Jahre  alt ,  Fabrikarbeiterin  aus  dem 
Kanton  Schwyz,  giebt  an,  in  ihrer  ersten  Jugend  an  Haut- 
ausschlägen besonders  am  Kopfe  und  am  Halse  gelitten  zu 
haben,  welche  mit  knotenförmigen  Anscfawelhmgen  begamnen, 
mit  Eiterung  endeten  und  bis  zum  zehnten  Jahre  andauerten. 
Von  der  Zeit  an  zeigten  sich  wiederholt  Drüsenanschwellungen 
in  der  Hals-  und  Unterkiefergegend,  welche  mitunter  auch  in 
Eiterung  übergingen.  Im  19.  Jahre  trat  zum  ersten  Male  die 
Menstruation  ein ,  welche  von  da  au  regelmässig  alle  vier  Wochen 
wiederkehrte,  reichlich  war  und  bis  jetzt  ununterbrochen  sich 


1)  8ean%onVB   beitrUge    sar   Geburtskunde   nnd  GynSkologie, 
Band  HI. 

2)  QurWn   Vortrag    über    Ovariotomie    im    XX.    Bande    der 
Monatiicbrift  für  Geburtekande  etc. 


' 


XIX.    JI^mIii«,  Ovariotomto  mit  iiHchgfefolgtetn  Tod^.      275 

ermitH-te.    Im  31.  Jahre  Mt  B an  einem  Mammarabscess, 

welebfir  nach  13  Woehen  abgelaufen  war.  Im  27.  Jahtt^, 
wibrend  der  Reconralescenz  ton  einer  h)  der  Fabrik  eHittenen 
HaitdTerietKung  wurde  die  Urinentleerimg  beschwerlich,  es 
flössen  häußg  nnr  einige  Tropfen  Urin  mit  einem  über  den 
ganzen  Körper  sich  erstreckenden  Geföhle  von  Schauer  ab, 
zugleich  war  Stechen  tn  der  rechten  Nierengegend  vorhanden 
and  etwa  ^/^  Jahr  spSter  kamen  auch  heftige  Schmerzen  im 
Hypogastrium  und  im  Epigastrium  dazu.  Damals  bemerkt« 
Patientin  zum  ersten  Male  eine  begmnende  Auftreihung  des 
ünterieibes  und  eine  ungewöhnliche  Härte  in  dessen  linker  (?) 
Seite,  die  je  nach  der  gröstsoren  oder  kleineren  Flatulenz 
bald  mehr  bald  weniger  von  ihr  geffihlt  werden  konnte  und 
nie  ganz  verschwand.  Vor  zwei  Jahren  und  im  letzten  Jahre 
litt  sie  mehrere  Wochen  lang  an  habituellem  Erbrechen,  vor 
einem  Jahre  schwollen  vorübergehend  die  beiden  unteren 
Extreraitöten  om  die  Fusswurzelgek^nke  herum  an,  die  Grösse 
und  Spannung  des  Unterleibes  nalmi  allmälig  zu,  Schmerzen 
läffrgs  der  vorderen  Seite  der  Oberschenkel  und  ein  gewisser 
Grad  ven  Unbeweglicfakeit  gesellten  sich  lunzu.  Die  arme 
Kranke,  unfäiiig,  sich  ferner  ihr  Brod  durch  die  Arbeit  ihrer 
Bände  in  einer  Fabrik  zu  verdienen,  grossentheils  bettlägerig, 
ohne  Pflege  und  Mlfe,  auf  nothdArftige  Unterstützung  an- 
gewiesen, suchte  und  fand  Aufnahme  auf  meiner  gynäkologischen 
Klinik  mit  dem  festen  Vorsatze,  nicht  mehr  oder  gebeilt  in 
ibre  Heimalb  zurückzukehren. 

Status  praesens  vom  6.  October. 

Patientin  ist  von  starkknodiigem,  fast  männlichem 
Körperbaue  mit  geringem  Fettpolster  und  wenig  entwickelten 
Brüsten,  bräunlichem  Warzenhofe  und  ziemlich  deutlkhen 
M(mtgomery*^chea  Di*üschen,  obwohl  sie  nie  schwanger  ge« 
Wesen  ist.  Die  Ernähniog  ist  massig  gut,  das  Aussehen  be« 
friedigend,  die  Gemüthsstimmung  im  Ganzen  heiter,  Respiration, 
Pulsfrequenz  normal  bei  ruhiger  Lage.  Leberdämpfung  beginnt 
am  oberen  Rande  der  sechsten  Rippe.  Heradämpfung  in 
geringem  Umfange,  Uerzstoas  an  normaler  Stelle  zwiacbeii 
fünftem  und  sechstem  Intercostalraume  schwach  fühlbar.  Hers^» 
töne  normal,  desgleichen  das  Respirationsgeräusch.  Uiterleib 
ist   stark   aufgetrietien,    Form   und   Grösse   äbnKoh  wie  bei 

18* 


276      21^    Breslau,  Oyariotomie  mit  naeligefolgie«!  T«4«. 

hochsdiwaogereni  Ulenis.  UmfaDg  um  den  Nabel  beträgt 
96  Centfroeter,  LiniB  vom  Proc.  ensifoniriis  zur  Schambein* 
Symphyse  39  Centimeter.  Die  Oberflache  der  stark  gespannten 
Bauchhaut  ist  etwas  ungleich  hügelig,  an  einigen  Stellen  mehr 
erhoben,  an  anderen  etwas  eingezogen,  vertieft  Dieser  Wahr- 
nehmung durch  den  Gesiehtssinn  entspricht  das  Gefühl,  indem 
man  mit  den  über*  den  Unterleib  gleitenden  Händen  einige 
Partieen  als  etwas  vorragende  Segmente  eines  kugeligen  Körpers 
fählt  und  dazwischen  in  seicht  rinnenfönmige  Vertiefungen 
gelangt  Als  Gnmd  der  Ausdehnung  des  Unterleibes  erkennt 
man  femer  durch  die  Palpation  und  Percussion  ^inen  grossen 
aus  dem  Becken  aufsteigenden  Tumor,  dessen  Grenzen  nach 
oben  nahezu  bis  zur  Magengrube  und  bis  unter  die  falschen 
Rippen  in  die  beiderseitigen  Hypochondrten  deutlich  zu  ver- 
folgen sind,  Während  sie  nach  rückwärts  in  die  Lumb^lgegend 
unbestimmbar  tief  sich  verlieren,  da  die  hier  angehäuften  und 
mit  Gas  gefüllten  Darmschlingen  sich  zwischen  Bauchwand 
und  Tumor  eiliscliieben.  Mit  Ausnahme  dieser  tiefstgelegenen 
Stellen  giebt  die  Percussion  im  ganzen  Umfange  des  Tumors 
einen  matten  Toii.  Fluctuation  kann  man  zwar  in  allen 
Theüen  des  Tumors  wahrnehmen,  sie  ist  aber  nirgends  ganz 
prägnant  und  erstreckt'  sich  nicht  von  einer  Seite  zur  anderen, 
sondern  i^t  nur  dann  unzweifelhaft  fühlbar,  wenn  man  beide 
Hände  bis  auf  eine  gewisse  Strecke  da  und  dort  einander 
uäherL  Der  Tumor  ist  in  toto  elastisch^  einige  Partieen 
mehr,  die  anderen  weniger,  man  hat  deutlich  bei  Druck  mit 
den  Fingerspitzen  das  Gefühl,  als  ob  man  auf  stark  gefällte 
nahe  an  einander  grenzende  Hohlräume  stosse.  Ueber  Be- 
weglichkeit des  Tumors  kann  man  auch  bei  Lageveränderung 
der  Kranken  kein  klares  Urlheil  gewinnen.  Hin-  und  Her- 
schieben  gelingt  nur  in  massigem  Grade.  Die  Auscultation 
ergiebt  ein'  negatives  BesultaL.  'Eine  Explorativpunction  eine 
Hand  breit  links  neben  dem  Nabel  liefert .  eine  geringe  Menge 
einer  trüben,  graugelben ^  massig  leicht  fliessenden,  etwas 
finlenziehenden  Flüssigkeit.  (Vergleiche  auch  weiter  unten.) 
Bei  der  Untersuchung  durch  die  Scheide  findet  sich  das 
Hymen  zwar  zerstört,  aber  sonst  jungfräuliche  Genitalien. 
Die  Vaginalportion  ganz  nach  hinten  links  ist  nur  mit  grosiser 
Nähe   zu   erreichen,   der  Uterus,   von   dessen   Korper  kein 


XIX.   MnümUf  Ovadotooiie  nii  naehgt* folgUm  Tode.      277 

Tbea  20  fühlen  ist,  ist  nach  der  liiikeü  Seila  g^erade  in  die 
Höbe  gezogen.  Kein  Tlieil  des  Tumors  drückt  die  Scheide 
herab  und  isi  von  hier  aus  nichts  von  deniselbeu  zu  fühlen» 
Die  Sonde  konnte   hei  der  Enge  des  kleinen,    kreisrunden 

4 

Muttermundes  und  dem  hoben  seitlichen  Rande  des  Uterus 
niehi  in'  dessen  Höhle  vergeschoben  und  so  leifler  über 
deren  Beäcbaffenheit  and  über-  die  Beweglicbkeit  des  Uteirus 
kein  AufscUuss  gewonnen  werden,  welche  übrigens,  so  weit 
es  der  an  die  Vaginalportion  gesetzte  Finger  zu  eruiren  ver- 
mochte,  Yorbandten  zu  sein  schien. 

Die  Püsse  sind  nicht  geschwollen,  der  Urin  ist  ohne 
Eiweiss,  sparsam.  Klagen  der  Kranken  .  hauptsächhch  über 
Druck  in  der  Magengegend,  Stehen  und  Gehen  fa)|t  schwer; 
Gefühl  von  Druck  und  Schwere  ist  in  ruhiger  L|^e  massig. 

Die  Diagnose  konnte  der-  Anamnese  und  dem  gegen- 
wärtigen Befunde  gemäss  auf  nichts»  Anderes  als  ayf  einen 
grossen,  Flfissigkeil  enthalUmden  Tumor  des  Ovariums,  wahr* 
scbeinlich  des  rechten,  da  der  Uterus  nach  links  verdrängt 
war,  gestellt  werden,  und  es  war  nur  die  Frage  zu  erörtern, 
ob  wir  es  mit  einem  uni-  oder  multiloculsren  Cystoid  zu 
ünin  haben.  Das  Ansehen,  die  Palpation,  die  eigenthumliche 
Art  der  Fluktuation  sprachen  entschieden  dafür,  dass  mehrere 
Hohb^aume,  grössere  und  kleinere,  vorhanden  seien,  mid  um 
ganz  über  alle  Zweifel  erhaben  zu  sein  und  ganz  sicher  zu 
geben,  besdiloss  idi  noch  an  mehreren  entfernt  von  einander 
liegenden  Stellen  einen  feinen  Ezplorativtroikar  einzustos^n, 
um  aas  der  gteich-  odo*  ungleicbmassigen  Beschaifenheit  der 
Flüssigkeit  einen  Schluss  auf  die  Existenz  einer  oder  mehrerer 
Kyaten  sieben  zvf  können.  Solche  Functionen  wurden  nun 
ausser  der  schon  bei  dem  Status  praesens .  erwähnten  noch 
drei  in  den  folgenden  Tagen  vorgenommen,  eine  eine  Hand 
breit  rechts  vom  Nabel,  eine  in  der  Linea  alb^,  .eine  eine 
Hand  breit  finks  vom  Nabel.  Dabei  ergab  ^ichmit  Evidenz, 
dass  die  Flüssigkeit  nicht  aus  Einem  Hohlräume .  s^if  nien 
könne,  da  die  Farbe  der  links  vom  Nabel  und  in.der  Lin^  alba 
entleerten  Fttseigkeit  grau,  die  der  rechts  entleert^  hi|ig€|$en 
gelb,  eüerartig  war.  Die  Gonsistena  war  bei  allen  ziemlich 
dieselbe,  eihe  Probe  chemisch  untersucht  ergab  ausser  vielem 
etwas  ScMeinistoff ,  bei  der   mikroskopischen  Unter- 


378      ^1^-    A^^ovt  OTariotofiii«  mit  aAchg^folBtom  Tode. 

8Cieh««ig  einer  Probe  fanden  sieh  ausser  2ahlreichen  rooleciitiiren 
PetUr6pfchen  und  grossen  Fettköniehenselien,  eme  Meng« 
von  rundlichen  Zellen  Hiii  grossen  fast  wandständigeu  Kemeo, 
wie  man  deren  in  Sarcomen  nicht  selten  su  sehen  pflegt. 
Eiterkörpereben  fehlten,  Bhitkörperchen  waren  nur  vereinteil. 

Alles  sprach  also  daf&r,  dass  wir  keinen  jener  seltenen 
FVOIe  von  Degeneration  des  Eierstocks  reit  Einer  grossen  Kyste 
mit  serösem  Inhalte  vor  uns  hatten,  welche  für  die  Tiierapie 
eine  verhältnissmässige  sehr  günstige  Seite  bieten,  sondern 
dass  unsere  Kranke  an  einem  der  leider  nur  su  häufigen  und 
wenig  trostreichen  multilocuUren  Cystoide  des  Eier- 
stocks leide,  deren  Inhalt  je  nach  dem  Gnitidgewehe  der 
die  Wandungen  belreflenden  EntzAndungen  und  zufälligen 
Beimischungen  bald  ein  colloider,  eiteriger,  blutiger,  fettiger, 
halberweichter  oder  .ganz  flüssiger  zu  sein  pflegt. 

Nachdem  die  Diagnose  festgestellt  war,  handelte  es  sich 
um  die  Therapie.  Vei*schiedene  Wege  komiten  eingeschlagen 
werden,  man  konnte  so  viel  wie  nichts  thun,  sich  rein 
exspectativ  verhalten  und  nur  einzelne  Symptome  zu  be- 
kämpfen suchen,  man  konnte  etwas  thun,  zu  palliativen 
Mitteln  seine  Zuflucht  nehmen,  mau  konnte  endlich  viel  thun, 
eine  radicale  Heilung  anstreben.  Bei  genauerer  Ueberlegung 
blieb  aber  doch  nur  die  Wahl  zwischen  „nichts*'  und  „viel'', 
denn  leider  giebt  es,  den  vorliegenden  Erfahrungen  gemäss, 
bei  den  multiloculären  Gystoiden  des  Eierstocks  keinen  goldenen 
Mittelweg,  kein  „juste  milieu**.  Einfache  Functionen,  Functionen 
mit  nachfolgender  lodinjection.  Liegenlassen  einer  €anük; 
Durchziehen  eines  Haarsetles,  partielle  Eicision  eines  Stfickes 
der  Geschwulst  und  ähnliche  Methoden,  welche  zum  Zwecke 
haben,  den  Inhalt  zu  entleeren  oder  doch  zu  vermindetn  und 
die  Wiederansammlung  wo  mögUch  zu  verhindern,  können  im 
günstigsten  Falle  nur  die  Entleerung  und  Veröilung  Einer  oder 
einiger  Kysten  bewirken,  ohne  im  Stande  zu  sein,  das 
Wachsthum  der  übrigen  meist  zahlreichen  Kysten  aufzuhalten, 
und  das  durch  solche  opei*ative  Eingriffe  erreichbare  Resultat 
steht  in  gar  keinem  Verhältnisse  zu  ihrer  Gefährlichkeit.  Die 
grosse  Mehrzahl  aller  Ovarienkranken  geht  frülier  orter  später 
nach  einer  Function  und  geradezu  in  unmittelbarer  Folge 
einer  solchen,   sei   es   mit,   sei   es   ohne  lodinjection  etc.  an 


XIX.   BruUmt  OyAriotojiiie  jnil  mtoikgefolgteoi  Tode.      279 

PcfitiMUlk,  Vaneitmiag  der  Kjsteuwaiid,  Bliiiutig  uach  iniittii, 
Erguss  de»  Kysteninhaltes  in  die  Baudiböble  uud  äbnJicben 
Zttlättep  zu  Grunde,  eine  radicale  Ueiluiig  einer  zusaiuiumi- 
geseUten  Kyateugettcbwutei  kann  der  Natur  der  Sache  gemabs 
duidi  Puoclion  und  dergteicbeu  oicbt  erfolgen,  und  zu  den 
Auauafamea  gehört  es,  dass  durch  eine  längere  Reihe  voa 
Jahren  hindurch  palliative  Functionen  einer  oder  mehrerer 
Kj&tea  von  den  Krauken  gut  vertragen  werden. 

bt  e»  gerechtfertigt,  eine  Kranke  der  Gefohr  einer  Operatioa 
auezuaet^eo,  wenn  die  Aussicht  auf  Gewinn  eine  so  geringe 
und  die  Chance  des  Misslingens  eine  so  gi^osse  ist?  Gewiss 
nicht,  denn  unverantwortlich  sind  alle  Operationen,  bei  denen 
voraussichtlich  wenig  erreicht,  aber  Alles  verloren  werden  kann. 
So  verhielt  es  sich  in  der  That  in  unserem  Falle.  Nachdeai 
einmal  die  Beschaffenheit  der  EierstocksgeschwuL^  erkannt 
wordea  war,  konnte  uud  musste  von  allen  Operationen  mit 
Ausiuhme  der  Ovai'iotomie  abslrabirt  werden,  da  keine  nicht 
bloss  nicht  zur  Heilung,  sondern  kaum  zu  einer  vorüber- 
gehenden Besserung  führen,  eine  jede  aber  das  Leben  dei* 
Kranken  gefährden  konnte.  Es  blieb  also  einzig  übrig,  die 
Sache  als  ein  „noli  me  längere''  zu  betrachten  und  die 
Kranke  ungebeilt  aus  dem  Spitale  zu  entlassen  oder  Alles 
zu  wagen,  nämlich  die  totale  Exstirpation  des  degenerirten 
Eierstocks.  Ich  verhehlte  der  Kranken  nicht,  in  welcher 
Alternative  sie  sich  beßnde,  dass  sie  auf  der  einen  Seite 
Aussicht  habe,  mit  ihrem  Leiden  freilich  unter  allmälig  zu- 
nehmenden Beschwerden  noch  Jahre  lauK  zu  leben,  dass  sie 
auf  der  anderen  Seite  von  ihrem  Leiden  gänzlich  befreit 
werden  könne,  aber  auch  sehr  leicht  bei  der  vorzunehmenden 
Operation  ihr  Leben  verlieren  könne;  ich  liess  der  Kranken 
Zeit  zur  Ueberlegung  und  machte  es  wesentlich  von  ihrem 
freien  und.  bestimmten  Willen  abhängig,  ob  ich  sie  der 
Ovariotomie  unterziehen  werde  oder  nicht.  Ihr  Eutschluss 
sollte  mein  eigener  »ein.  Nachdem  sie  wiederholt  erklärt 
hatte,  dass  sie,  um  ihre  Gesundheit  zu  gewinnen,  ihr  Leben 
auch  der  grössten  Gefahr  aussetzen  wolle,  uud  nachdem  sie 
ihre  irdischen  und  geistigen  Angelegenheiten  für  alle  Fälle 
in.  Ordnung  gebracht  hatte,  wurden  Vorbereitungen  für  die 
Operati«»  geUroflen.   Ich  liess  in  Ermangelung  eines  Operations- 


380     ^'^-    Breslau y  Ovariotomie  mit  Dachgefolgtem  Todu. 

saales  zwei  aneinanderstosisende  gewöhnlich  für  Kranke  und 
Wöchnerinnen  gebrauchte  Zimmer  am  22.  und  23.  Octoher 
räumen,  gründlich  reinigen,  lüften  und  dann  *  beizen.  •  In  dem 
grösseren,  geräumigeren,  helleren  Zimmer  sollte  operirt,  in 
das  unmittelbar  angrenzende  die  Opiefirte  transferirt  werden. 
In  jenes  lies»*  ich  am  23.  October  Abends  mehrere  grosse 
weite  Geßisse  mit  Wasser  gefüllt  stellen,'  um  die  stark  er* 
wärmte  Luft  mit  WasserdOnsten  zu  schwängei*n.  Die  Kranfce^ 
bei  welcher  am  20.  October  die  Menses  eingetreten  waren, 
welche  bis  Mittwoch  Abend  anhielten,  erhieh  am  23.  October 
ein  Laxans  aus  Bitterwasser  und  es  wurde  ihr  der  Gemiss 
möglichst  weniger  Speise  anempfohlen. 

Am  24.  October,  wenige  Hinuten  vor  11  Uhr,  wurde 
die  Kranke  auf  das  Operationsbett  in  horizontaler  Lage  ge- 
bracht. Bei  Entblössen  derselben  zeigte  sich,  dass  ihr  Hemd 
etwas  von  Menstiiialblut  verunreinigt  war,  welches  wahr- 
scheinlich in  Folge  des  Tags  zuvor  gereichten  Laxans  in  der 
Nacht  vom  Donnerstag  auf  Freitag  sparsam  wiedergekehrt 
war.  So  unangenehm  auch  diese  Entdeckung  war,  so  glaubte 
ich  doch  hierin  keine  absolute  Conlraindication  zur  Operation 
und  keine  genugende  Veranlassung  zu  einem  Aufschübe  zu 
finden,  da  die  Henstruationsperiode  entschieden  doch  schon 
abgelaufen  war  und  ein  Vertagen  der  Operation  sehr  nach- 
theilig auf  den  Gemüthszustand  der  in  gerechter  Angst 
schwebenden  Kranken  hätte  einwirken  müssen.  Unter  den 
mitwirkenden  und  mit  Rath  und  That  mich  unterstützenden 
Collegen  befanden  sich  u.  A.  auch  die  Herren  Professoren 
Locher 'Ztotnglt,  Biüroth,  Homer,  Assistenten,  wie  man 
sich  bessere  nicht  wünschen  kann. 

Die  Chloroformnarkose  gelang  nicht  ohne  Schwierigkeit, 
indem  die  Kranke  sehr  aufgeregt  wurde,  bald  nadi  be- 
gonnenem Hautschnitte  Erbrechen  eintrat  und  verhältnissmassig 
sehr  viel  Chloroform  verbraucht  werden  nrasste.  Auf  der 
linken  Seite  stehend  eröffnete  k^h  die  PeritonäalhöMe  mit 
einem  von  unten  nach  aufwärts  in  der  weissen  Bauchlinie 
geführten  ungefähr  7  Centimeter  langen  Schnitte  zwischen 
Schambeinsymphyse  und  Nabel.  Nach  Durchschneidung  des 
Peritonäums  drängte  sich  sofort  in  den  oberen  Wundwinkel 
eine  Partie   des  grossen  Netzes,   von   der   man  bald  gewahr 


XH.    Br^aUf  Oviiriotoinie  mit  iiftch^e#iilg;t6iii  Tode.      281 

wurde,  daes  sie  tiiii  der  darunter  liegenden  vorderen 
Wand  6ef  pmH  gespannten  Geschwulst  verwachsen  sei.  In 
diese  wurde  nun  ein  beinahe  kleinfingerdicker  Troikar  ein* 
gestosseh,  worauf  sich  ein^  massige  Menge  graulich -grun«r 
Flüssigkeit  in  anhakendem  Strome  entleerte.'  Während  der 
Entleerung  wurden  von  mehreren*  Seiten«  scharfe  Haken  in 
den  Sack  der  vorliegendcti  "Kyste  '  eingeseCzt  und  wir  ver- 
suchten die  Kyste  an-  und  vorzuipfehen.  Dies  gelang  aher 
nur  unvollständig,  denn  es  war  nur  eine  verhlltnissmS^sig 
kleine  Kyste  ihres  Inhalts  herauht  worden.  Jetzt  wurde  der 
Troikar  ohne  ihn  herauszuziehen ,  in '  di»  Tiefe  in  gleicher 
Richtung,  in  welcher  er  eingestossen  worden  war,  fast  gerade 
nach  nickwäiis  durch  eine  Scbeidenwand  durohgestossen, 
worauf  sich  eine  der  ersten  ähnliche,  aher  nicht  ganz  gleiche 
Flüssigkeit  durch  die  Ganitte  nach  aussen  ergoss  und  mehrere 
grosse  Gefösse  anfüllte.  Nachdem  dies  geschehen  war,  konnten 
wnr  den  nun  mehr  zusammenfallenden  Tumor  weiter  aus 
der  Bauchwunde  herausziehen,  bei  welchem  Manoeuvre  auch 
em  Theil  des  Netzes  nach  aussen  gebracht  wurde.  Die 
Adhäsionen  desselben  an  dem  oberen  und  vorderen  Theile 
der  Geschwulst  waren  sehr  ausgedehnt,  grösstenlheils  aber 
nur  filamentöser  Natur  und  konnten  sämmtlidie  mit  den 
Fingern  von  der  Oberfläche  der  Geschwulst  abgetrennt  wwden 
in  einer  Weise,  wie  man  eine  adhärente  Placenta  vom  Uterus 
ZV  16sen  pflegt.  Rechts  oben  zeigten  sich  auch  flächeuartige 
Adhäsionen  der  Geschwulst  mit  einigen  Darmschlingen,  welche 
dem  Zage  folgten  und  mit  einem  Theile  des  Netaas  vor  die 
Bauchwunde  zu  liegen  kamen.  Auch  diese  anomalen  Ver* 
bindangen  konnten  mit  den  Fingern  allehi  ohne  Hesser  und 
Scheere  und  ohne'tluterbindung  gelöst  werden.  Die  Blutung 
war  unbedeutend,  nur  eine  parenchymatöse  iiml  nk^t  aus 
grösseren  GefSssen  stammend.  So  weil  schien  die  Sache 
noch  erträglich  gut  zu  gehen,  '  zumal  nirgends  weitere 
Verwachsungen  der  Geschwulst  weder  mit  den  ülurtgen  Ein- 
geweiden noch  mit  dem  ganzen  Umfange  des  parietakn  Blattes 
des  Peritonäums  gefunden  wurde ,  aber  die  Hauptschwierigkeil 
sollte  doch  erst  jetzt  beginnen.  Versuche,  die  nun  oben  und 
vorn  frei  gewordene  Geschwulst  wo  möglich  bis  zu  ihrem 
Stiele  herauszuziehen,  misslangen.     Von  der  Tiefe  her  woUte 


2g2      :&IX.   J^mI«»,  Ov»rioiomie  mU  D«ohg6folc«MiiT»4«. 

m 

me  oiebt  weioben.  Zun&chst  wurde,  um  mehr  PkU  und 
Einsicfat  lu  erkingen,  iler  BauebacbiiiU  nach  unten  Aoob  001 
BMhr  als  3  Ceatkneter  veirlängerU  Darnaeh  2«ig(e*6Hdi,  dae« 
die  ganze  untere  Partie  der  Geaclmidst  in  grosser  Auadduiung 
und  innig  mit  dem  Grunde  des  Uterus  und  dem  hinteren 
Douj^<m'sc1^d  Räume  vorzügtiob  gegen  die  reehte  Seite  bin 
verwachsen  sei  und  zwar  in  einer  Weise,  dass  eine  Grenze 
zwischen  physiologischen  und  pathologischen  Gebilden  kauu) 
nachweisbar  war.  Eine  niehrere  Linien  dicke  fibrinöse,  theil- 
weise  organisirte  Schwarte  verband  .  den  Uterus  mit  der 
Gescbwukt  und  diese  mit  dem  Peritouaum  des  kleinen  Beckens. 
Einige  Augenblicke  sdiien  es,-  als  ob  wegen  der  vielseitigen 
und  schwer  abgrenzbaren  anomalen  Verbindungen  von  weiteren 
operativen  Eingriffen  abgestanden  werden  müsse,  und  nur 
durch  vereinte  Bemühungen  gdang  es  nach  und  nach,  die 
Geschwulst  zu  isoliren,  tlieils  indem  wir  sie  wiederum  mit 
den  Fingern  von  ihrer  Umgd>ung  abtrennten,  tbeils  indem 
nach  dreimaliger  Durchstechung  und  Unterbindung  der  dicksten 
sehwartenarligen  Pseudomembranen  und  nach  darauf  folgender 
Durchschneidung  derselben  endlich  der  von  der  rechten  Seite 
des  Uterus  ausgdiende  zwei  Finger  breite  und  einen  starken 
Finger  dicke  Stiel  erreicht  und  die  Geschwulst  aut  diesem 
allein  noch  in  Zusammenhang  stehend  erkannt  wurde.  Der 
Stiel  «wurde  möglichst  lang,  ungelabr  eine  Hand  breit  vom 
Uterus  entfernt  mit  einer  Klammer^)  gefasst  und  dann  die 
auf  die  Bauchdecken  gelegte  Geschwulst  abgeschnitten«  Gkiob 
nach.Durohschneidung  rutschte  zwar  die  Klammer  ab,  indessen 
blutete  ftk*  diesen  Augenblick  keines  der  den  Stiel  durch* 
ziehenden  grossen  Geßsse;  Dei'  Stiel  wurde  zur  Beobacbtung 
einem  Assistenten  übergeben  und  nachdem  wir  uns  nach 
möglichst  sorgfaltiger  Reinigung  mit  neuen,  früher  iMich  nie 
gebrauchten  Schwämmen  überzeugt  halten,  dass  die  Blutung 
stehe,  und  nachdem  der  vorgezogene  Theil  des  Nelzes  und 
einiger  Dunndarmschhngen  voi*sichtig  repönii*t  worden  war, 
gingen   wir  an   die  Verschliessung  der   Bauchwunde.     Durch 


1)  Die  Klammer,  deren  wir  uns  bedienten,  ist  keine  tlor 
allernenesten  Coftstructton ,  sondern  eine  ältere,  die  ich  vor  drei 
Jahren  von  dem  iDatrumenteomaeher  Lu^r  in  Peris  erhielt. 


XUE.   BM^m,  OTMiotMDM  mit  Mcb^efolgltfi  Tod«.     £89 


fUe  mMiie  ükke  der  BauohdeekeD,  4as  Perilcoäum  nüifasBeod, 
«ttrden  vier  kige,  gernie^  laDseiifi^niiige  Nadein,  ?<Nn  oberen 
Wimdwiiikel  beginnend,  dtirchgesioehen,  die  Wuodränder  dureb 
die  ijfliiiehlungeBe  Nabt  aneinandergeaogeii  und  zwiaelieB  jenen 
fier  Nadebi  drei  Knopftittite  mit  starttem  Seidenfaden  an- 
gcbracbL  Der  am  unteren  Wundwinkel  neben  drei  Ligaturen 
nach  aussen  geleitete  IV«  Zell  versiebende  Stiel  wurde  mit 
der  ihn  nnifassenden  Bauchwunde  in  der  Weise  vereinigt, 
dass  dureb  ihn  und  die  lUnder  der  Baucbwonde  biodureb  ein 
starker  Silberdrabt  gelegt  «nd  aacb  aussen  geknüpft  wurde, 
nnd  überdies  wurde,  um  ein  Zurilckzieheb  tu  verbindem, 
wozu  er  übrigens  gar  keine  Neigimg  zeigte,  an  seinom  äusseren 
Ende  eine  Setdenfadenscfabnge  befestigt.  Endlieh  wurde  er 
nahe  an  der  äusseren  Bauchwunde- mit  einem  Silberdrahl  in 
der  Mitte  durchstochen  und  nach  beiden  Selten  hin  unter- 
bunden, tbeils  um  Nachbhitung  zu  verhindern,  tbeils  um  das 
Miasere  Ende  zum  AbBtei*ben  zu  bringen,  ein  Verfahren, 
welehes  bh*  ebenso  sieher  als  rationell  zu  sein  scheint,  als 
das  jelzt  vielfach  übliche  Liegenlassen  einer  Klammer,  bei 
welcher  doch  immer  ein  Tlieil  der  Bauchwunde  verdeckt,  ihre 
Reinigung  und  die  Erneuerung  «des  Verbandes  erscbwori 
werden  muss.  Die  Operation  war  nun  vollendet  und  hatte 
mit  InbegrilT  der  zögernden  Ghlorofommarkose  gerade  eine 
Stande  gedauert  Gegen  Ende  der  Operation  trat  bei  der 
Kranken  eine  bedenkliche  Blässe  und  Verfall  der  Gesichtfizäge 
ein,  welclie  imlessen  nach  Aussetzen  des  Ghlorofonus  und 
nach  Anwendung  einiger  belebender  Mittel  baki  so  ziemlieh 
verschwanden.  Als  die  Operirte  zum  Bewusstsein  kam,  befand 
sie  sich  in  einem  relativ  befriedigendem  Zustande  und  wurde, 
mit  frischer  Wäsche  versehen,  in  das  im  Nebenzimmer  be» 
fiDdUehe  erwärmte  Bett  transforirL 

Beständiger  Reiz  zum  Erbreclien  und  heftige  krampfartige 
Sehmerzen  in  dem  gebeugt  gehaltenen  rechten  Ofierschenkel 
liessen  die  Operirte  in  den  ersten  Stunden  gar  nicht  zm 
Ruhe  konimen.  Rothweiu  mit  Eiswasser  wurde  verordnet. 
Nachmittags  3  Ubr  war  der  Puls  94,  seine  Qualität  ziemhcb 
normaL  Um  3V«  Uhr  leichte  Nachbhitung  aus  dem  Stiele, 
welche   durdi  doppelte  Umschuurung  uikI  Silberdrahl  alsbaUl 


8g4     ^'X*   Br^9Um,  Ovariotonit€  mit  naehKeMgien  Ted«. 

gestillt  wurde.  Klagen  ober  Brennen  iq  der  mit  einem  in 
Oe)  getattchteii  Läppchen  bedeckten  Wunde.  Crrosse  Unniln», 
Gesichtssflge  entsielli,  Deblichkeit,  Seh  weiss  auf  der  StifiN». 
Von  4V2  Uhr  an  werden  GVsgrfinige  OpiumpulTer  halbsttndlieh 
gegeben,   worauf  etwas  Ruhe  und  Sehhjmnier  eintrat.     Dm 

7  Uhr  eh  paai*  Essidffel  voll'  Schleimsuppe  genommen,    ßegeii 

8  Uhr  reichliches  Erbrechen.  Verordnet  wird  fleissige  Verab* 
reichung  ?oii  Eispillen  und 'Eiswasser ,  und  gegen  10  Uhr  werden 
fönf  Tropfen  Tr.  nuc.  tomic.  gereicht.  Bald  darauf  zum  xweüen 
Male  Ei*breche!ki,  das  sich  von  nun  an  einige  Male .  wiederboH. 
Um  12  Uhr  NächU  war  der  Puls  schon  auf  132  gestiegen 
und  sehr  klein  geworden.  Am  Morgen  des  25.  October  war 
der  C<Ulapsus' bedeutend,  die  Unruhe  und  das  Gefühl  von 
Präcördialangsl  gross,  der  Puls  fadenförmig,  fast  un^blbar 
schnell,  der  ühterleib  im  Ganzen  empfindlich,  aber  wenig 
aufgetrieben.  Gegen  10  Uhr  war  kein  Puls  mehr  zu  fühlen) 
das  Aussehen  der  Kranken  war<  'ühiilich  dem  im  Stadium 
asphycticum  bei  Cholera.  Champagner  brachte  keine  Reaclion 
mehr  hervor,  Eri)rechen  erfolgte  noch  ein  paar  Mal.  Um 
I2V2  Uhr,  also  geradle  mit  der  vollendeten  24.  Stunde  nach 
der  Operation,  trat  der  Vod  ein. 

Section  am  26.  October. 

Die  Wandränder' dta-ch  die  ganze  Dicke  der  Wunde  hin- 
durch sind  mit  einander  frisch  verklebt  Das  Peritonäum 
der  vorderen  Bauchwand  ist  in  sehr  viele  parallel  verlaufende 
Falten  gelegt,  welche  von  der  Schambcinsympbyse  nach  oben 
und  aussen  ausstrahlen.  Es  ist  missfarbig,  grauroth,  mit 
einer  ziemlich  dicken,  abziehbaren,  weisslichen^,  weichen 
Exsudatscbichte  überzogen.  Aehnlich  verhält  sich  die  Ober- 
fläche des  visceralen  Blattes  des  Peritonäums.  Beide  Blätter 
sind  durch  zahlreiche  frische  membranöse,  leicht  trenid^are 
Adhäsionen  mit  einander  verbunden,  welche  zum  Theil  in 
grösseren  «Maschenraumen  eine  rötUiche,  ziemlich  klare 
Flüssigkeit  enthalten.  Eine  etwas  trübere  Flüssigkeit  befindet 
sich  frei  im  Peritonäalsacke.  Das  sehr  grosse,  vielfach  ge- 
fältelte, angeschwollene,  hyperäraische  Netz  ist  in  Zwisclien- 
räumen  Iheils  der  Gedärme,  theils  zwischen  diesen  und  den 
inneren  Geuitalorganen  eingelagert  und  mit  den  letzteren  durch 


eine  friache  Verklebungsseliiehl^  yerbund^n.  Aus  der  Tiefe 
des  kleinen  Beckens  fliesst  eine  blutige,  eiwas  tröbe  Flüssig* 
keit  in  ziemMch  gros^r  Menge,  etwa  6  Unzen,  aus,  die  sieh 
besonders  in  der  Plica  reclottterina  angesammelt  hat  Der 
lilenis  ist  durch  Ugamentöse  StriDge  an  seiper, ganzen  Circum» 
ferenz  nüt  den  benaehbarleu  Th^len  adbarent  Die  Länge 
des  ganzen  Uterus  beträgt  13  Centiou^fjer^  wovon  öy^  auf 
den  Körper  und  TV«  auf  den  sehr  in  di^  Unge  gezogeiieo 
Cerviealtheil  treffen.  Die  Schleimhaut  der  Uterusböblc  ist  mit 
rdthUebeni  Schkime  bede«kt,  «chwach.gewulstet,  die  Schleim* 
baut  der  Cervicalböhle  und. der  Scheide, ?eigt  die  Charaktei'e 
eines  cturoniscfaen  Catarrbs.  Die. Serosa  am  Gcunde  und  am 
oberen  Drittheil  der  hinteren  Seite  des.  Uterus  ist  zeirkluilet, 
fetzig,  '  einzelne  Stöcke  fehlen  und  die.  Musculari^  \si  hier 
eathlösst  und  oberfl&eiüi^h  tbeilweise  zerstört  Drei  Fäden 
einfiich  abgesdmHten  umscbliess^i  die  Restß  der  abgebundenen 
■od  durchschnittenen  ^  i  stellenweise  .  laehrere  Linien  dicken 
scbwarteoarügen  Pseudomembranen,  wovon  ein  TlieU  noch 
am  Uterus  und  dem  Becke^pcritonium  iiängt,  d^r  andere 
Theil  mit  der  Geschwulst  herausgenommen  wurde..  An  dem 
linken  nngefähc  um  das  Dfi^pelte  vergrössertfq  und  init  einer 
reichlichen  Menge  iheils  äkorer«  theils  frischer  Qorpus  lutea 
vertiebeneiki  Ovariam  sitzen  obeRfläcUieh  mehrere  subseröse 
bis  bobnengrosse  Kysten,  deren  Flüssigkeit  klar,  zum  Theai 
aber  auch  mit  stark,  glitzernden  körnigen  Massen  (Gholestearitt) 
durchsetzt  ist.  In  den  ftbrigeu  Organen  der  Bauchhöhle  ergab 
sich  nichts  Abnormes.  Brust-  und  Schädelhöhle  wurde  niesbt 
geMheL. 

Das  Gewicht  der  bei  der  Operation  aufgefangenen  Flussig- 
keil  betrug:   4374  Grammes. 

Das  Gewicht  des  exstirpirten  Ovarientumors  ohne  Flüssig- 
keit betrug:   843  Grammes. 

Die  Geschwulst  vor  der  Operation  im  Leibe  der  Kranken 
wog  also:  5217  Grammes  oder  10*'Vöoo  ^idgen.  Pfund. 

Das  specifische  Gewicht  der  aufgefangenen  Flüssigkeit 
betrug:   1,0398. 


286      Xnc.    BrttUm,  Ovariotontie  mit  Diichgtifo)gt6iti  Tode. 

Anatüiuisclie  Beschreibung  des  exslirpirten  Tumors. 

(Gegeben  tod  d«iD  patbologlscheo  Pra«ee(Or  Herrn  Dr.  Rin^fei^ek, 

welcher  auch  die  Leiche  secirte.) 

Die  voriiegemle  Geseh^oJst  ist  vom  rechten  Ovarium 
aasg«gaTigen.  Sie  stand  mit  dem  Uterus  durch  einen  finger- 
dicken, über  2  ZoU  langen  Strang  in  Verbindung,  welcher 
ausser  der  fast  oblfterirten  Tube  eine  Anzahl  collabirier  Vene« 
«nd  zwei  etwa  rabenfederdicke  Ailerien  enthielt.  Da  wo 
dieser  Stiel  in  die  Geschwulst  ilbergehl ,  enthAlt  er  eine  Amaltl 
sehr  kleiner  Kysten  in  ein  5ti*afles,  Hhrftses  Bindegewefie 
eingebettet,  im  Uebrigen  ist  jede  Spar  normalen  Eierstocks- 
gewebes versckwunden.  Das  ganze  Ovarium  ist  zu  einem 
Aber  mannskopfgrossen  unregehnfissig  gelappten  Tumor  ent- 
artet, welcher  sieh  bei  nälierer  Unlersuchmng  als  ein  muM- 
[oculares  fiierstoekacystoid  aoswies.  Was  zunächst  die  Ikissere 
Foi*m  anlangt,  so  stellt  sicti  dieselbe  als  aus  zwei  ziemKfli 
gleich  grossen,  baNikugeligen  Abschnitten  gebildet  dar,  welche 
diii*ch  eine  mittlere,  quer  von  vom  nach  hinten  laufende 
Furcli«  getrennt  werden.  Neben  dieser  Furche  rechterseits 
liegt  an  der  hinteren  Fläche  ier  Geschwulst  eine  dritte 
hallikugelförmige  Pi*oluberan2,  welche  von  weit  geringerem 
KrAinnuHigshalbniess^r  ist  «nd  sich  daher  wie  eine  besondere 
Geschwnlst  auf  ^r  Hauptgeschwulst  erhellt.  Die  OberÜäebe 
köimte  man  glatt  nennen,  wenn  sie  nicht  durch  ämsersl 
sabh*eiche  zum  nieü  nar  dfmne,  faden-  oder  membranart^, 
zum  Theü  sehr  starke,  bandartige  Adhäsionen  mit  den  Nachbar- 
llieilen  verwachsen  gewesen  wäre.  Nun  geben  die  stehen 
gei>liebenen  Reste  dieser  bei  der  Ovariotomie  durchrissenen 
Bindegewebslränge  der  Oberfläche  ein  zottiges  Ansehen.  Die 
Geschwulst  ist  in  ihrer  H^^uptmasse  aus  zwei  sehr  gi'ossen 
Kysten  gebildet,  welche  durch  eine  sehr  derbe  Scheidewand 
bindegewebiger  Natur  getrennt  sind.  Diesem  Verbältnisse 
entsprich!  die  äussere  Form,  wie  wir  sie  bereits  kennen  gelernt 
habeu,  vollkommen.  Durch  Troikarstiche  ist  zunächst  die 
linke  und  von  dieser  aus  die  rechte  Hauptkyste  ihres  Inhaltes 
entleert.  Die  erstere  ist  verhältnissmässig  dünnwandig,  die 
Wandung  aus  concentrisch  geschichteten  Bindegewebslamelien 


JUX«    JBfwiM»,  OT«f  iotomlo  mit  lUMligaMgtoiD  Tod«.     SfSI 

gdbildel  und  aD  ibrer  OberOäebe  bier  und  da  mk  fleek^nartig 
vertheilten,  bräunlich  gefärbten,  samrolartig««  Rauhigkeitüli 
¥erMhen,  welche  vielleichi  als  erste  Andeutung  einer  Granu- 
lalionabildung  2tf  betrachten  ist,  weiche  wir  in  den  übrigen 
Kjsten  der  Geschwulst  ausserordentlich  entwickelt  finden. 
Erwihnt  sei  noeh,  dass  diese  Kyste  durch  ein  sehr  dünn*- 
häutiges  Septum,  in  welehem  ein  ziemlich  starkes  Blutgefäss*- 
stinnincben  yerlänft,  in  zwiei  unf^iche  HiftUllen  getrennt  ist 
Darcb  ein  thalergrosses  ovales  Loch  in  der  Mitte  des  Septums 
comiDunioirea  beide  Hälften  nit  iMnander.  Vie)  manniehfaltigere 
Entwichelungen  zeigt  die  zweite  rechte  ttanptkyste.  Sie  kit 
Tiel  grösiser  und  dickwandiger  als  die  erste;  auch  hier  sind 
die  Wandungen  aue  conoenirisch  geschichleten  Bindegewebs- 
lamdlen  gebildet.  Der  Hauptraun  ist  durch  ein>  ganies  System 
UDVoUkoamiener  ScheidewandbiMungen  in  eine  Reihe  uagleioh 
grosser,  communidrender  Blume  getheilt  Die  Wandungen 
des  gri^ssien  zeigen  ausser  gelbürhen  samnitartigen  Flecken, 
wekhe  wir  bereits  in  der  ersten  KyMe  funden,  eine  deutlichere 
Neigung  zu  dentritischen  und  granulären  Vegetationen.  Die 
ietxtere  tritt  in  den  Nebenhöh|fo  so  sehr  ki  den  Vordergrund, 
dass  die  näehstgröBsle  an  ibf&r  ganten  koneren  OberAäche 
nit  papillären  Wucherungen  besetzt  ist,  drei  kleinere,  lAngliehe 
NebieRh6hlen  aber  ganz  damit  erfIBlH  seheinen.  Abgesondert 
foft  dieser  Hauptkysle  mit  ihren  Unlerabtheilaugen  liegt  an 
der  hinteren  Seite  der  Geschwulst  eine  apfdgrosse  mit  einem 
atberoinalftsen  Brei  gefüllte  Kyste  (vergleiche  die  Besehreibung 
der  äusseren  Gestalt  der  Gesammtgescbwulst)  und  an  der 
unleren  Seite  eine  nur  wallmissgresse  Kyste,  welche  indeeeen 
trotzdem  einen  setir  interessanten  Befund  darbietet.  Sie  ist 
ciettlieh  glattwandig,  doch  spannt  sich  von  einer  Wand  znr 
anderen,  quer. durch  das  Lumen  ein  Blutgefäss,  welches  an 
seiner  ganzen  Peripherie  mit  sehr  zahlreichen  papillären 
Hyperplasieen  bedeckt  isL  Endlich  ist  noeh  erwähnenswerlh 
eine  kleine  gestielte  Geschwulst,  welche  ungefähr  in  der  Mitte 
der  vorderen  Fläche  der  ersterwälmten  grösseren  Kyste  auf- 
sitzt. Der  Stiel,  ungefähr  1  Zoll  lang,  enthält  ein  thrombotisch 
verschlossenes  Blutgefäss.  Die  Geschwulst  selbst  ist  kirschen- 
gross,  aus  Bindegewebslamellen  gebildet,  welche  eine  kleine 
dreifacherige  Kyste  einschliessen. 


28g     XIX.    Bre$l€m,  Ovanotoniie  mifc  iiftchgefolgteJii  To40. 

Zum  Schlüsse  will  idi  nur  einige  wenige  epikrlUaebe 
Bemerkungen  aofi^;en. 

1)  Die  Ricbtigkdt  der  Diagnose  wird  durcb  den  anaio^ 
mischen  Befund  an  der  Gesciiwulst  heslätlgL  Kein  Zweifiel 
ist  mehr  übrig,  dass  die  Ovariotomie  allein  zur  Heilung  luhreii 
koiirile  und  dass  diese  Operation  indicirl  war,  nachdem  die 
Kranke  ilu*e  volle  Zustimmung  gegeben  halte. 

2)  Wie  lange  das  Leben  der  Kranken  ohne  Operation, 
ohne  jeglichen  Eingriff  erhalten  geblieben  wäre,  ist  un- 
bestimmbar; soviel  ist  aber  skher,  dass  früher  oder  später 
der  Tod  durch  das  Wachsihum  d^r  Goschwulst,  wozu  in  ihr 
alle  Bedingungen  lagen,  unausweicblich  erfolgt  wäre. 

3)  Hätten  die  zahlreichen  und  innigen  Adhäsiooen  vor- 
siiglich  der  Basis  der  Geschwulst  im  Voraus  diagnosticirt 
werden  können,  so  halte  die  Ovariotomie  unterbleiben  müssen. 
Der  hohe  Stand  des  Uterus  verhinderte,  mit  Sicherheit  dessen 
nritlelbaren  oder  unmittelbairen  .  Zusammenhang  mit  der  Ge- 
schwulst 211  erkennen;  bei  tieferem  Stande  v^^kre  es  möglich 
gewesen. 

4)  Die  Ursache  des  rapid^  erfolgenden  Toiles  ist  weniger 
in  der  be^nnenden  Peritonitis  und  deip  verjhältnissmässig 
geringen ,  der  Operation  folgenden.  Qlutergus^  in  das  kleine 
Becken  zu  suchen,  als  wahrscheinlich  in  d^m  ^rschiltternden 
Eingriffe  der  Operation  seihst,  bei  welcher  die  Bauchhöhle 
ange  eröffnet  blieb,  Netz  und  DarmsQhlingen  etc  der  Luft 
lange    ausgesetzt   waren    und    zahlreiche    dem    Gebiete    des 

•  I  • 

Sympathicus  und  des  Cerebrospinalnervensystems  angehörige 
Nervenfaden  getrennt,  zerrissen,  gedehnt  wurden,  von  wekhen 
aus  man  sidi  refleclorisch  eine  Betheiligung  der  Cenirahierven- 
o^ane  und  vorzvglicb  eine  Reizung  des  Vagus  entstanden 
denken  kann,  welche  sich  in -der  Ueblichkeit,  im  Erbrechen, 
in  der  bis  zur  Erlahmung  des  Herzens  steigenden  Frequenz 
der  Herzcontractionen  kundgab. 

Zürich,  den  31.  December  1862. 


XX.  Boldi  l&mpUAgBitinj  Sehwangerf  clmft^  Qebart  etc.    209 


XX. 

Emp&ngnisB»  Schwangerschaft ,  Geburt  und 
Wochenbett  bei  ütemsknickungen. 

Von 

Dr.  Johannes  Holst, 

Professor  in  Dorpat. 

So  Tielfach  die  Gebärmuiterknickungen  besprochen  uod 
TOD  den  verscbiedensten  Standpunkten  sind  beleuchtet  worden, 
so  versdiieden  sind  noch  die  Ansichten  über  dieselben,  und 
es  dürfte  kaum  behauptet  werden,  dass  die  entgegengesetzten 
Meinungen,  namentiich  in  Bezug  auf  die  Behandlung,  sich 
genähert,  geschweige  denn  geeinigt  hätten.  Es  muss  deshalb 
jeder  Beitrag,  der  einiges  Licht  über  streitige  und  unklare 
Punkte  verbreiten  kann,  nicht  vergraben  und  unbeachtet 
bleiben. 

Ich  tlieile  zuerst  eine  Reihe  von  Beobachtungen  aus  dei* 
Privatpraxis  und  meiner  gynäkologischen  Klinik  mit,  in  denen 
nach  Beseitigung  dei-  Inflexio,  zum  allergrössten  Theile  aber 
währeml  des  Bestehens  derselben,  Schwangerschaft  eintrat 
und  werde  einige  kurze  Bemerkungen  daran  schliessen. 

Erste  Beobachtung.  Frau  &,  die  Frau  eines  ärzt- 
lichen CoUegen  aus  Russland,  meldete  sich  bei  mir  1847  zur 
Behandlung.  Etwa  30  Jahre  alt,  lebte  sie,  nachdem  sie  eine 
normale  Entlnndung  g<*liabt  und  bald  darauf  aborlirt  hatte, 
seit  mehreren  Jahren  in  unfruchtbarer  Ehe.  —  Das  Aussehen 
war  anämisch,  hysterische  L<Mden  in  hohem  Grade  vorhanden. 
Die  Verdauung,  im  Ganzen  regelmässig,  neigte  zur  Trägheit. 
Die  Regeln  waren  schwach,  ohne  Schmerzen  und  traten  regel- 
mässig ein.  Seit  zwei  Jahren  bestand  starker  Fluor  albus.  — 
Bei  der  Untersuchung  zeigte  sich  die  Vagina  in  hohem  Grade 
welk  und  schlaff,  das  Fett  in  der  Umgebung  der  Vagina  war 
geschwunden  und  durch  die  Vagina  der  ganze  Bänder-  und 
Muskelapparat  des  Beckens,  die  Knochenrauder,  die  Spina  ischü, 
soweit  diese  Tlieile  dem  Finger  erreichbar  sind,  fast  wie  am 
skelettirteo  Becken  zu  fulilen.    Die  Portio  vaginalis»  welk  und 

MoamUaebr.r.a^bartak    1868.  Bd.  XXI.,  Ufl.  i.  1^ 


290  ^^*    f^^^j  EiiipfMiigiiiis,  8«hwjin^er8oli*ft, 

schlair,  war  tiacli  vom  gerichtel,  der  Uleras  deutlich  reti*o- 
flectirt;  der  Uterus  selbst  welk  und  schlaff,  zeigte  die  Höhle 
uro  V2  Zoll  verlängert,  ohne  chronische  Metritis,  nur  wenig 
Schleim  entleerend.  Es  wurde  durch  drei  Monate  die  Sonde 
täglich  eingeführt,  der  Uterus  aufgerichtet  und  die  Sonde 
eine  halbe  bis  eine  Stunde  liegen  gelassen,  ausserdem  wurde 
täglich  ein  und  zwei  Mal  die  kalte  Douche  gegeben  und 
innerlich  Eisen  mit  Ergotin  angeweiidet.  —  Als  die  Kranke 
nach  drei  Monaten  nach  Hause  zuiückkehren  musste,  war 
das  Allgemeinbefinden  bedeutend  gebessert«  Die  Knickung 
war  nicht  beseitigt,  der  Uterus  aber  derber  und  nicht 
mehr  verlängert  und  schien  der  Winkel  weniger  stark  zu  sem. 
Nach  zwei  Monaten  concipirte  die  Frau;  die  Scliwangerschafl 
und  Geburt  verlief  normal,  ebenso  das  Wochenbett  Nach 
zwei  Jahren  wurde  ein  zweites  Kind  geboren. 

Jetzt,  nach  Veriauf  von  bald  fünfzehn  Jahren,  habe  ich 
die  Frau  wiedergesehen,  aber  nicht  untersuchen  körnien. 
Anämie  und  Uysteiie  sind  in  hohem  Grade  vorhiHKien,  und 
Frau  S,  bietet  ganz  das  Aussehen  einer  Uterusleidendan.  Da 
die  Frau  nicht  in  meiner  Behandhing  ist,  habe  ich  nicht  er- 
mitteln können,  ob  das  frohere  Leiden  wieder  da  ist  oder  niclit 

Zweite  Beobachtung.  Frau  i/.,  eine  kleine  jtigendliche 
Blondine,  lebte  seit  acht  Jahren  in  kinderloser  Ehe.  AI« 
meine  Hülfe  gesucht  wurde,  war  Anämie  deutlich  ausgesproclieo ; 
die  Frau  gut  genährt  und  die  Verdauung  in  bester  Ordnung. 
Die  Menses  kehrten  schwach,  aber  regelmässig  ohne  Schmerzen 
aller  vier  Wochen  wieder.  Fluor  albus  war  nicht  vorhanden. 
Abortus  war  nicht  dagewesen.  —  Der  Uterus  war  deiillich 
anteflectirt,  die  Portio  vaginalis,  ebenso  wie  der  ganze  Uterus 
welk  und  schlaff,  die  Portio  vaginaHs  nach  hinten  gerichtet, 
der  Uterus  wenig  verlängert,  seine  Schleimhaut  gesund.  Eine 
Trennung  der  Eheleute  war  schon  für  längere  Zeit  durch 
eine  gleichzeitig  vorhandene  schmerzhafte  Reizung  des  Scheiden- 
eingangs geboten.  Es  wurde  mit  grosser  Consequenz  dM 
JTtWtfcA-ifayer'sche  Instrument  durch  vier  Monate  ohne 
jeden  Erfolg  gebraucht,  und  nach  Aussetzen  dieses  Gebrauchet 
mit  der  schon  vorher  angewendeten  kalten  Douche,  dem  Ei8€«i 
und  Ergotin  foi*tgefahren  und  so  nach  einem  halben  Jahre 
die  Knickung  beseitigt,  wie  dat$  die  Untersui'lHiiig  ergab. 


Gelmrt  mid  Wedhenbett  b«i  Utcrnsktiiekaitgdn.  291 

letst  wurde  d«r  Beischlaf  gestatlel.  Bald  darauf  trat  Con- 
eeplion  ein.  Schwangerseiiaft,  Geburt  und  Wochenbett  veiw 
liefen  ganz  normal.  Das  Kind  lebend,  war  kräftig  und  lebt 
beute  noch. 

Dritte  Beobachtung.  Dieselbe  Frau  fühlle  sich  kurze 
Zeit  nach  dem  Entwöhnen  jenes  ersten  Kindes  wieder  krank. 
Es  war  wieder  Anänrie  eingetreten,  und  der  Uterus  gab  bei 
d«r  Untersuchung  den  obigen  Befund.  Dieselbe  Behandlung 
beseitigte  wieder  die  Knickung,  doch  wurde  die  d|ir«if 
folgende  Schwangersdiafl  im  Sommer  1867  durch  eine  Früh- 
geburt im  sechsten  Monate  unterbrochen.  Im  folgenden  Wintor 
zeigten  sich  dieselben  Stiftrufigen  des  Allgemeinbefindens.  Die 
Untersorhong  fand  den  Uterus  welk  und  schlaff,  die  Höhle 
um  1  Zoll  verlängert,  aber  nicht  geknickt.  Dieselbe  fie«- 
handhtng  beseitigte  in.  ztvei  Monaten  den  Zustand.  Seit  der 
Zeit  ist  Frau  M,  gesund  und  hat  zwei  normale  Schwanger- 
schallen,  Geburten  und  Wochenbetten  überstanden. 

Vierte  Beobachtung.  Firau  C7.,  eine  gesunde,  fiische, 
blühende  Frau,  hatte  in  ihrer  Ehe  zwei  Kinder  nach  nonnalen 
Srhwangerschaflen  leicht  geboren.  Im  zweiten  Wocbenhetle 
trat  nach  einer  Plar,entarlösung  Endomelritis  und  Peritonitis 
«n,  die  einen  leiditen  Verlauf  nahmen.  Die  Frau  saugt«  ihr 
Kind  nicht  selbst  Die  Regeln  Iraten  drei  Monate  nach  iler 
Geburt  des  Kindes  mit  Schmerzen  ein,  uud  waren  wie<)er 
drei  Monate  ausgeblieben,  als  mein  Rath  gesucht  wurde,  im 
Juni  1858.  ich  fand  die  fnlher  kräftige  blühende  Frau  im 
hohen  Grade  blutleer  und  enlkhlftet,  sonst  über  keine  Be- 
schwerden, namentlich  keine  localen,  klagend.  —  Die  Unter- 
sueiwng  «vgab  die  Portio  vaginalis  an  ihrer  rechten  Seite 
zerstört  und  mit  dem  Scheidengewölbe,  verwachsen,  nickt 
stark  nach  hinten,  den  Fundus  mehr  nach  links  gerichtet, 
den  Utems  zugleich  anteflectirt  und  seine  Höhle  um  1  Zoll 
r^rlingert.  Kein  infarct.  Die  Frau  ging  in's  Seebad,  kehrte 
mit  ihrer  AnteTlexio  zurück  und  es  wirde  eine  weitere 
Behandlung  nicht  gewünscht.  Es  trat  Schwangerschallt  mu 
Bei  der  Geburt  wurde  ich  consultirL  Es  war  eine  ver^ 
nachlässigte  Querlage.  Der  Tetanus  uteri  machte  da«  Ein- 
dringen der  Hand  unmöglich,  und  da  das  Kind  todt  war, 
witde,  da  der  Aucbenister  sich-  nieltt  anlegen  liess,   mit  der 

19* 


292  ^^'   ffoUt,  EmpAngnist,  S^w«iig»mclwft, 

gekrumiuten  Scheere  die  Decapitalio  yorgenemmeii.  SpilM* 
musste  noch  die  Placenta  gelöst  werden.  Frau  C  erlag  eiB«r 
septischen  Endometritis. 

Fünfte  Beobachtung.  Frau  B.,  eine  gesunde,  friseiie, 
kräftige  Frau,  KU  seit  ihren  Enlwickeiungsjaliren  an  sehnierz- 
hafler  Menstruation  und  weissem  Flusse,  und  kble  seit  zwei 
Jahren  in  unfruchtbarer  Ehe,  als  mein  Rath  eingeholt  wurde. 
Ich  fand  bei  der  sonst  gesunden  Frau,  ausser  etwas  Bysterie, 
den  Uterus  anteflectirt,  die  Portio  vaginalis  stark  nadi  hinten 
geri('.htet,  in  geringem  Grade  angeschoppt,  Catarrh  der 
Sclileimhaut  der  Cervicalportion ,  Excoriationen  am  Miiltei^ 
munde.  Die  Complicationen  wurden  beseitigt;  die  Ante- 
flexio  blieb.  —  Es  trat  Conception  ein  und  nach  normaler 
Schwangerschaft  wurde  in  scfamerthafter  Gciiurtsarbeit  ein 
gesundes  Mädciien  geboren.  Die  Anteflexio  war  dadurch  be* 
seitigt  und  der  Uterus  vollkommen  gesund. 

Sechste  Beobachtung.  Frau  £.,  aus  öaer  FaaMlie 
stanunend,  in  der  Gebärmutterleiden  zu  Hause  sind  (alle 
Schwestern  leiden  in  ähnlicher  Weise,  die  Mutter,  Grosetante 
und  Grossmutter  starben  an  Gebärmutterleiden),  war  bei 
ihrer  Verheiratfaung  gesund  und  regelmässig  menstruirt.  Nach 
einem  Jahre  wurde  ein  Knabe  geboren.  Als  die  Kranke  in 
meine  Behandlung  kam,  war  sie  seit  zwtif  Jahren  unfruchtbar 
und  hatte  vielleicht  vor  sechs  Jahren  einen  Abortus  gehabt. 
Seit  drei  Jahren  wurden  beim  Stehen  Schmerzen  im  Kreuze 
empfunden,  ebenso  im  Unterbauche.  Die  Periode  ist  stark» 
dauert  fünf  Tage  mit  mehr  oder  weniger  heftigien  Schmerzen. 
Bei  der  Menstruation  gehen  öfter  hautartige  Fetzen  ab,  die  sidi 
unter  dem  Mikroskope  als  croupöse  Ausschwitzungen  erkennen 
lassen.  Das  Au8se(ien  war  im  Ganzen  gut,  der  Appetit  und 
die  Verdauung  normal.  Sausen  in  den  Halsvenen.  Die  Unter- 
suchung der  Geschlechtstheile  zeigte  eine  normale  Vagina, 
den  Uterus  wenig  vergrössert.  Die  Gebärmutter  war  beim 
Drucke  schmerzhaft,  namentlidi  an  dem  Kniekungswinkel 
famten,  anteflectirt,  die  Portio  vaginalis  nach  hinten  gerichtet. 
Die  Muttermundslippen  waren  excoriirt,  die  Schleimhaut  der 
Cervicalporlion  gelockert  und  blutreich,  aua  dem  Uterus 
reichliciier  Abfluss  eines  klaren,  fläasigeB  Schleime«^  Es 
wurde  eine  allgemeine  und  «ntsprecheade  k>cale  Behandlang 


Gebvurt  «nd  Woohenbett  bei  Uterui»kiiiokuDg«ii.  293 

eiQgeleiUt  BhUigel,  Aetzmätel  u.  s.  w.  Nach  sieben  Nonaien 
steUie  skb,  nachdem  sich  der  Zustand  im  Ganzen  bedeulend 
gebesaerl,  drei  Tage  vor  dem  £intriUe  der  HensLrualion ,  eine 
Melritis  ein,  nach  deren  Beseitigung  und  sorgfältiger  Nach- 
behaadhiDg,  die  die  Knickung  complicirende  chronische  £ndo- 
metriti&t  wenn  lycht  ganz  beseitigt,  so  doch  bedeutend 
gebessert  war.  —  Zwei  Monate  später  trat,  bei  Fort- 
bestehen der  Flexion,  Sciiwaugerschaft  ein»  Die  Flexion 
schwand  erst  im  vierten  Monate.  Namentlich  zur  Zeit,  wo 
die  Regeln  hätten  wiederkehren  müssen,  aber  auch  ausser 
diesen  Zeiten  waren  häufige  und  starke  Schmerzen  vorhanden, 
so  namentlich  nach  einem  längeren  Spaziergange  im  siebenten 
Monate.  Zur  regelmässigen  Zeil  stellten  sich,  im  Juli  1861, 
die  Weben  ein,  waren  sehr  schmerzhaft.  Es  wurde  ein  ge- 
sundes Mädchen  geboren.  Im  Wochenbette  erkrankte  Frau  B. 
ernstlich,  und  liessen  die  sich  zehn  Tage  hindurch  wieder- 
holenden Frostanfalle  in  Verbindung  mit  den  anderen  Symptomen 
wohl  kaum  an  Phlebitis  uterina  zweifeln.  Langsam  erholte 
sich  die  Kranke  und  säugte  ihr  Kind  selbsL  Nach  sechs 
Wochen  stellte  sich  die  Periode  ein.  Im  October  blieb  sie 
aus,  und  war  der  Verdacht  einer  Schwangerschaft  begründet, 
^^  mancherlei  Erscheinungen  auftraten,  die  in  den  beiden 
fnlheren  Schwangerschaften  regelmässig  dagewesen  waren. 
Acht  Tage  später  erfolgte  Abortus,  und  konnte  trotz  sorg- 
faltiger Pflege  nicht  verhütet  werden,  dass  sich  chronische 
Endometritis  und  Metritis  entwickelte,  an  der  Frau  JB.  noch 
jetzt  leidet     Die  Anteflexio  ist  geschwunden. 

Siebente  Beobachtung.  Klinik,  Semester  IL,  1862. 
EmüU  Paulsen,  unverheirathet,  23  Jahre  all,  seit  dem 
zwölften  Jahre  regelmässig  und  mit  Schmerzen  menstruirt, 
erschien  am  17.  August  1861  auf  der  Klinik,  über  mancherlei 
Beschwerden  klagend.  Die  Untersuchung  der  stark  anämischen 
Kranken  ergab  eine  Anteflexio  uteri  mit  in  der  Ffibrungs- 
linie  stehender  Portio  vaginalis.  Ausserdem  leichter  Catarrhus 
uteri  und  Metritis.  Im  November  zeigte  sich  der  Körper 
des  Uterus  bedeutend  vergrössert  und  war  an  beginnender 
Schwangerschaft  kaum  zu  zweifeln.  Die  weitere  Beobachtung 
belehrte  uns  aber  die  Richtigkeil  dieser  Annahme;  die 
Schwangerschaft    verlief   unter   vielfachen    Beschwerden    und 


2^»4  XX-    iloUtt  EiiipfAngniss,  Schwangcrscliaft, 

Schmerzen.  Gegen  Ende  des  vierten  Monats  war  die  Knickung 
ausgeglichen.  Weiteres  vemiag  icfi  nicht  antugeben,  die 
E,  P,  ist,  um  ihr  Wochenhelt  ahzuhalten,  in  einen  Nachbarort 
gereist. 

Achte  Beobachtung.  Eis  LatM,  esthnische  Bäuerin, 
28  Jahre  alt,  von  anämischem  Aussehen,  erschien,  ober 
Schmerzen  im  Kreuze  und  der  Herzgrube  klagend,  den 
14.  August  1859  auf  der  Klinik.  Die  l]ntei*suchung  der 
Genitalien  ergab  eine  Anteflexio  uteri.  Die  Poitio  vaginalis 
stand  nacli  hinten;  der  Uterus,  hei  der  Untersuchung  schmerz- 
hafl,  zeigte  leichte  Anschoppung.  Patientin  wurde  ambulatorisch 
längere  Zeit  behandelt.  Am  3.  September  1860  erschien  die 
Frau  nach  längerer  Abwesenheit  wieder  auf  d<T  Klinik  und 
wurde,  da  sie  über  starke  Schmerzen  klagte,  in  die  stationäre 
Klinik  aufgenommen.  Der  Fundus  des  geknickten  Uterus 
war  sehr  vergrössert  und  liess  die  ganie  Untersuchung  eine 
beginnende  Schwangerschaft  vermulhen.  Sic  blieb  in  der  Klinik 
und  wurde,  noch  über  hefligc  Schmerzen  im  Uterus  klagend, 
in  der  16.  Woche  der  Schwangerschaft,  als  das  Bailottcment 
wahrgenommen  wurde,  entlassen.  Zur  Entbindtmg  kam  sie 
in  die  Klinik,  die  Knickung  war  geschwunden.  Die  Geburl 
nahm  einen  raschen,  leichten  Verlauf,  doch  geschah  die  Ruck- 
bildung des  Uterus  sehr  langsam,  es  entwickelte  sich  eine 
chronische  Metritis  und  Perimetritis,  an  denen  die  Patientin 
noch  am  heuligen  Tage,  über  ein  Jahr  nach  der  Entbindung 
leidet.     Die  Knickung  ist  üt)rigens  nicht  mehr  vorhanden. 


Aus  den  obigen  Beobachtungen  möchte  nun  wold  liervor- 
gclien,  dass  Conception  bei  vorhandenen  Knickungen  nicht 
so  selten  vorkommt,  wie  man  wohl  glaubt,  vor  Allem  a!»er 
durch  dieselben  klar  bewiesen  sein,  dass  wenn  Conception 
wahrend  der  Beiiandlung  einer  Knickung  eintritt,  nicht  daraus 
gCbclilossen  werden  darf,  die  Knickung  sei  beseitigt  gew(»sen. 

Beachten  wir  nun  im  Folgenden: 

I.  Warmn  bei  Knickungen  die  Frauen  in  den  meisten  Fallen 

nicht  concipiren? 

II.  Wodurch  bei  Knickungen  die  Conception  möglich  wird? 


Gelmfi  a»d  Wochenbett  bei  Uteriisknickungen.  296 

SO  wird  sidi  hieraus,  wenn  wir  «uch  der  Ueberzeiigung  sind, 
du»  die  Kaickungeii  nur  seJteu  heilbar  »ind,  ergeben: 
Hl.    Welche  Behandlung   wir  einzuleiten  haben,   um  Cou- 

ceplion  lu  erfloöglichen. 
IV.    Beachleu  wir  den  Verlauf  der  Schwangerscliaft  der  Geburt 
uod  des  Wochenbetts  in  solchen  Fällen. 

I.     Warum    tritt    bei    Knickungen    so    häufig    nicht 

Conception   ein? 

£ia  Grund  liegt  in  den  Complicatioueu.  Die 
cfaroniaehe  Entzönduog  des  Parenchyms  und  namentlich  der 
Schleioibaut,  die  Catarrhe  der  Portio  cervicalis,  die  diese 
Partie  mit  einem  zähen  Schleime  ausfüllen,  die  Erosionen 
ttud  Granulationen,  sind  in  ihrem  Einflüsse  in  dieser  Beziehung 
hinreichend  bekannt,  als  dass  sie  mehr  besprochen  zu  werden 
brauclilen.  Die  Amenorrhoe,  die  wir  nicht  nur  bei  blutleeren 
Frauen,  welche  an  Knickungen  leiden,  beobachten,  erklart 
ferner  eine  wobl  auf  den  Eierstock  zu  beziehende  Sterilität. 
Doch  sind  dte  ersten  Goniplicatioiien  kein  absokites  Uiuder- 
niss  iur  die  Eiopfängniss ,  wie  ja  wohl  ufler  bei  cbroniscbcT 
Metritis  Conceptiun  slatLfiudel.  Auch  unter  jenen  oben  auf- 
gezahlten Fälieu  sind  der  sechste,  siebente  und  achte  Fall 
solche. 

Bei  übrigens  gesundem  Uterus  liegt  das  Hinderniss  der 
Conception  in  der  Lage  der  Vagiualportion  stark 
nach  hinten  oder  nach  vorn,  und  der  dadurch  bedingten 
Schwierigkeit,  dass  das  Os  uteri  externum  und 
Orificium  uretbrae  mit  einander  in  Berührung 
komtnen.  Eine  solche  Berührung  ist  nicht  nur  möglich 
nach  dem  Bau  der  Vagina  und  der  Krömumng  des  in  Erection 
befindlichen  GUedes,  sie  scheint  vielmehr  nothwendig  zu  sein. 
Eine  solche  Nothwendigkeit  der  Benihrung  und  des  unmittel- 
baren Ueberstromens  des  Samens  in  den  Uterus  scheint  mir 
ferner  durch  die  Unfruchtbarkeit  bei  der  bei  weitem  grössten 
Zahl  von  Versionen  und  Flexionen  bewiesen  zu  sein,  denn 
genügte  eine  einfache  Injection  in  die  Vagina,  so  ist  (wenn 
wir  die  obigen  complicirten  Fälle  ausschliessen ,  wo  man 
meinen  könnte,  die  Complicalion  sei  das  Hinderniss)  nicht 
einzusehen,  warum  in  diesen  Fällen  die  Frauen  nicht  concipiren 


sollten,  da  namentlich  beim  AneinanderKegen  der  Yaginai*- 
wände,  nach  Entfernung  des  Gliedes,  die  Vaginalporlion  in 
der  Rückenlage  der  Frau  bei  den  häufigen  Fällen  von  Aule- 
flexionen,  von  dem  Samen  nrnsputt  werden  miiss  und  hin- 
reichende Gelegenheit  zum  Eintritt  des  Samens  in  den  Uterus 
gegeben  ist  Es  möchte  wohi  gar  nicht  bexwetfelt  werden 
dürfen,  dass  für  die  Conception  eine  Berührung  des  Os  uteri 
externum  und  des  Orificium  urethrae  nöthig  ist,  und  dass 
hier  ein  unmittelbares  Ueberströnien  des  mit  Kraft  hervor- 
getriebenen Samens  bis  in  die  Hohle  des  Uterus  stattfinden 
muss.  Diese  gewaltsame  Ejaculation,  die  bei  Injection  in  die 
Vagina  gar  keinen  Grund  halte,  muss  den  Samen  wenigstens 
über  den  inneren  Muttermund  befördern,  da  im  Canale  der 
Cervicalportion  es  keinen  Apparat  giebt,  der  den  Samen 
weiter  bef5rdem  könnte,  hier  selbst  das  in  seiner  Wichtigkeit 
für  diese  Function  wenigstens  sehr  fragliche  Plimmerepithel 
fehlt.  —  Bei  den  Knickungen,  noch  mehr  bei  den  Versionen, 
bei  denen  meiner  Erfahrung  nach  Conception  viel  sehener 
vorkommt,  kann  aber  die  Urethra  und  die  Höhte  des  ganzen 
Uterus  nicht  diesen  fortlaufenden  Canal  bilden,  wie  er  ent- 
steht, wenn  die  Portio  vaginalis  ihre  normale  Stellung  hat, 
vielmehr  wird  die  Eichel  beim  Coitus  nur  die  vordere  Fläche 
der  Portio  vaginalis  bei  der  Anteflexio  berühren,  die  Portio 
vaginalis  noch  mehr  nach  oben  drängen  irod  den  äusseren 
Muttermnnd  von  der  Harnröhrenmündung  um  so  mehr  ent- 
fernen, als  das  Glied  tiefer  in  die  Vagina  eindringt;  bei  der 
Rctroflexio  aber  wird  das  Glied  der  Portio  vaginalis  vorbei- 
gehen .und  diese  vor  sich  lassen. ')  —  Von  meinen  Beobaditungen 
zeigen  zwei,  die  vierte  und  siebente,  wie  durch  normale 
Stellung  der  Portio  vaginalis  die  Empfangniss  erleichtert  wird. 
Es  führt  uns  das  auf  den  Einfluss  der  Knickungen 
als  solche,  auf  die  Conception.  Diese  wurden  häufig 
als  Hauptursache  der  Unfruchtbarkeit  angesehen,  indem  man 
meinte,    der  Samen   könne   nicht   über  die   geknickte   Stelle 


1)  Ich  glaubte  hier  nicht  «af  jeoe  mehr  als  sweifelhaften 
Fälle  eingehen  zu  dürfen,  wo  Ejaculation  nicht  in  die  Vagina 
stattgefunden  habeu  soll  und  Conception  folgte,  und  noch  weniger 
auf  jene,  wo  ein  noch  vorhandenes  Hymen  beweisen  sollte,  dass 
keine  Immisslo  penis  stattgefonden? 


Gebwri  «ad  WockonbeU  bei  Ui6ru8kiii«kaii^o.  297 

liioiberdriffig«!!.  Iti  dieseiu  Simie  hoflle  loan  von  der 
iDStruRwotelieii  Behandlang ^  wenn  nichl  Geradrichtung,  so 
decii  Erweilflnmg  des  durch  die  KnickuBg  verschlossenen 
MttUemiundes.  Sehen  wir  von  den  inil  Melritis  coinplicirten 
FäHen  ab,  so  finden  wir  bei  Knickungen,  mk  sellr.nea  Aus- 
nahmen, das  Menstruatblul  ohne  Sehwierigkeii  durch  diese 
Stelle  hervortreten;  es  ist  nichi  einzoseben,  warum  der  Samen 
nicht  ebenso  über  diese  Stelle  dringen  solle.  Es  liegen  die 
Schleiitthantflächen  allerdings  aneinander,  doch  besitzt  die 
Schleiniiiaut  und  die  Uterussubsfanz  sicher  jene  Nachgiebigkeit, 
die  ein  solches  Eindringen  des  mit  Krall  ejaculirten  SanM^as 
in  den  meisten  Fällen  ohne  Schwierigkeit  gestattet,  wie  sich 
das  an  frischen  Präparaten  mit  einer  Spritze,  die  mit  stumpTem 
Ansätze  den  äusseren  Muttermund  scbliesst,  bei  dem  kisesl4*ii 
Drucke  nachmachen  lässL  Ausnahmen  durften  sich  nur  bei 
sehr  spitzwinkeliger  Knickung  ergeben.  Ich  glaube  also,  das» 
die  Knickung  als  solche  nur  höchst  selten  Ursache 
der  Unfruchtbarkeit  ist,  wir  diese  jedenfalls  mit  weit 
gr§sserem  Rechte  in  den  oben  besprocheucn  Verbältnissen  zu 
suchen  haben. 

II.     Wodurch   wird   bei   Gebarmutterknickungen   die 

in  den   meisten  Fällen   nicht  eintretende 

Conception  möglich? 

Heilung  der  Knickung  beseitigt  die  Form-  und  Lage* 
Veränderung,  die  Portio  vaginalis  nimmt  ihre  normale  Stellung 
ein  und  der  Conception  steht  kein  Hindemiss  im  Wege. 
Das  zeigt  auch  meine  zweite  und  dritte  Beobachtung;  da  aber 
HeihiDgen  zu  den  grössten  Seltenheiten  gehöi*en.  so  werden 
auch  diese  Beobachtungen  selten  sein.  Nach  meinen  schon 
an  einem  anderen  Orte  ausgekrochenen  Erfahrungen  und 
Ansichten  dber  die  Heilbarkeit  der  uns  beschäiligenden  Krank* 
heit,  kann  ich  nicht  umhin,  die  Vermutbung  auszusprechen, 
dase  viele  von  den  gerühmten  Erfolgen  auf  Täuschung  be- 
ruhen, und  dass  Beobachter,  die  von  der  Ueberzeugung  aus- 
gingen, dass,  so  lange  eine  Knickung  bestehe,  Conception 
unmöglich  sei,  sich  verleiten  liessen,  aus  stattgehabter 
Conception  auf  vorhandene  Heilung  zu  schliessen, 
während   es   sich  nur   um  Conception  handelte,   die 


298  ^^*    ffoi't,  P^mpfHngniaB,  Sehwnngeraoliail, 

bei  bestehender  Kuiokuug  etwa  nach  Beseitigung 
der  Complieationeii  eintrat.  Die  Umetande,  die  aber 
betni  Fortbestehen  der  Knickung  die  Conception  raögtidi 
machen,  haben  wir  in  Foigeudem  su  besprechen. 

Die  Beseitigung  der  Complicationen  dürfte,  wenn 
auch  nicht  für  alle  FftUe,  so  doch  für  die  grösste  Zahl  der- 
s<;lben,  die  nothwendigste  Bedingung  sein.  Es  bedarf  das 
keines  weiteren  Eingehens.  Dass  aber  hehn  Fortbestehen 
der  Complicationen,  selbst  bei  Knickungen  doch  CoDcepUon 
erfolgen  kann,  ebenso  wie  bei  denselben  Zuständen  des  Uterus 
ohne  Knickung,  2eigen  auch  meine  drei  letzten  Fölle. 

Normale  Stellung  der  Vaginalportion  beim  Fort- 
bestehen der  Knickung  dürfte  ohne  Zweifel  der  Umstand  sein, 
d(*r  Conception  am  häufigsten  zu  Stande  koifinien  lässt,  w(«il 
dieselbe  der  wichtigste  Behelf  ist,  den  wir  deshalb  bei  der 
Behandlung  am  meisten  anzustreben  haben.  So  wurde  in 
den  von  mir  citirten  Fällen,  in  dem  siebenten  durch  diesen 
Stand,  trotz  des  Catarrhs,  EmpfÜngniss  möglich  und  ebenso 
im  vierten  durch  Verwachsung  der  Portio  vaginalis  mit  der 
Scheidenwand  die  Berührung  mit  der  Mündung  der  Harnröhre 
und  Ucberströmen   des  Samens   in   den  Uterus  herbeigeführt 

Normale  Form  des  Uterus,  die  vorübergehend  ein- 
tritt, könnte  ebenfalls  von  Wichtigkeit  sein,  indem  sie  normale 
Stellung  des  Scheidentheils  in  jenen  Fällen  herbeiführen 
dürfte,  wo  die  Lagenveränderung  in  Folge  der  Knickung  und 
des  Herabsinkens  des  Fundus  eintrat,  und  bei  nicht  zu  langer 
Dauer  die  Bänder  und  das  Scheidengewölbe,  die  dem  Uterus 
die  normale  Stellung  geben,  noch  nicht  so  erschlafft  sind, 
dass  bei  Geradrich (ung  des  Utenis  auch  eine  Einstettoug  in 
normaler  Bichtung  möglich  wäre.  .  Wo  aber  eine  Versio  vorher- 
ging und  sich  spater  Knickung  bildet,  pflegt,  wie  ich  aus 
Erfahrung  weiss,  selbst  nach  Beseitigung  der  Knickung,  die 
Lagenveränderung  fortzubestehen. 

Eine  normale  Form  des  Uterus  könnte  aber  auf  dreifache 
Weise  entstehen. 

Erstens  wollte  mir  bei  längerer  Behandlung  und  Benbachtting 
einer  Knickung  Schemen,  dass  diese,  wenn  auch  auf  kurze 
Zeil,  schwinde  oder  sich  bessere,  namentlich  wenn  die  Com- 
plicationen  beseitigt  wurden,    und   ein  kräftiges,   tonisirendes 


Gebtirt  und  Wochenbett  b«f  Uteruji1cfiie1<nafi^«ii.         299 

Verfaliren  eingeleilcl  worde,  welche»  die  ErecUatrung  des 
Uterus  zeitweHig  beseitigte.  Gern  gebe  ich  zu,  dass  hier 
öfters  Täasdiuii^fi  vorkommen  können,  indem  durch  aUe 
llmstSnde,  die  die  Untersuchung  zeitweiNg  erschweren,  man 
iix  Versuchung  kommen  kann,  weil  sich  nicht  so  gmiao  wie 
frfdier  untersuchen  lässt,  eine  Abnahme  der  Knickung  an- 
zunehmen; andererseits  aber,  bei  schlaffen  Bauchdeckeu,  dui*ch 
^ineii  kräftigen  Druck  von  oben  und  lieft^res  Herabdriugen  der 
Hand  in's  kleine  Becken,  die  Knickung  für  die  Zeit  der 
Untersuchung  vergrössert  werden  kann,  ja  man  selbst  einen 
normalen  Uterus  be(jebig  in  Anteversio  oder  Retroversio  ver- 
setzen kann.  Immerhin  glaube  ich  mich  von  zeitweiliger 
Besserung  selbst  Beseitigung  der  Inflexio  Aberzeugt  zu  haben. 

Zweitens  wurde  eine  solche  normale  Form,  imd  in  Folge 
dessen  wohl  öfter  richtige  Einstpllung  eintreten,  wenn  die 
Untersuchungen  von  Rouget  in  Bezug  auf  die  Erection  zur 
Zeit  der  Menstruation  sich  bestätigen  sollten,  und* wie  Ronffet 
das  bei  Injectionen  der  Geflsse  des  seiner  Meinung  nach, 
als  erectiles  Organ  anzusehenden  Uterus,  beobachtet  haben  will. 

Drittens  liess  sich  an  eine  ähnliche  Erection  denken,  die 
durrh  eine  Hnskelcontraction  entstände,  welche  durch  den 
Reiz  des  Goitus  reflectorisch  hervorgerufen  würde,  bei  der 
sich  denn,  um  die  Knickung  auszugleichen,  namentlicli  die 
gedehnte  Wand  zu  contraliiren  hatte.  Es  ist  das  eine  An- 
nahme, gegen  die  sich  vom  theoretischen  Standpunkt  wenig 
einwenden  lässt,  wenn  das  Organ  sich  nicht  in  einem  Zu> 
Stande  grosser  ErschlaflVmg  befindet. 

Berührung  des  äusseren  Muttermundes  und  des  Orificium 
nrethrae  könnte  durch  einen  glücklichen  Zufall  wohl 
hin  und  wieder  möglich  werden. 

Stublverstopfung  mit  Ueberfnllun^  des  Mast- 
darmes verdrängt  selu*  häufig,  selbst  bei  .schwangerem  Uterus, 
die  Vaginalportion  in  der  Weise,  dass  wenn  wir  bei  der 
inneren  Untersuchung  dies;  Ueberffillung  des  Mastdarmes 
übersehen,  erstaunt  sind,  die  Vaginalportion,  die  wir  vor 
wenigen  Tagen  nach  hinten  gerichtet  im  hinteren  Räume  des 
Berkens  fanden,  jetzt  in  der  Führungslinie,  oder  selbst  vor 
der  Spina  ischii  im  vorderen  Räume  des  Beckens  anzutreffen. 
Dasselbe   findet   auch   ohne  Schwangerschafl  statt,    nur  nicht 


SO  oft»  weil  hier  das  R«eUiiu  selleo  in  deoi  Grade  augefulU 
isi,  wie  bei  schwangeren  Frauen.  Eine  solche  Lageoverinderung 
der  VaginalporUon  macbi  ein  unmittelbares  Beruhren  der  be* 
treffenden  Theile  und  ein  fiindringeD  des  Samens  in  den 
Uterus  möglieb. 

III.     Wolche  Behandlung  habrn  wir  einzuleiten,   um 
Conception  möglich  zu   machen. 

Nach  dem  bisher  Besprochenen  darf  ich  kurz  sein. 

Heilung  der  Knickung  wird,  wenn  möglich,  naturiick 
obenan  sieben. 

Da  diese  meist  möglich  ist,  wird  die  Beseitigung 
der  Complicationeu  anzustreben,  also  namentlich  die 
Melritis,  Endometritis  u.  s.  w.  zu  bekämpfen  sein. 

Tonisiren  des  Uterus,  wenn  schon  in  seltenen  Fällen 
zur  Heilung  führend,  wird  jene  Vorgänge  der  freiMch  noch 
h]fpothetiscben  Erecüon  befördern  und  wohl  seihst  eine  zeit* 
weilige  Heilung,  wenn  auch  für  kurze  Zeit,  herbeifuhren 
können.  Also  Kälte,  Eisen,  Ergotin  und  Seeale  in  ver- 
schiedenen Applicationsweisen  und  vielleicht  Galvanismus. 

Bei  der  geringen  Aussicht  auf  Erfolg  vrird  es  aber  nach 
Beseitigung  der  Complicationen  nameutlicb  darauf  ankommen, 
da  die  Knickung  als  solche  kein  Hinderniss  für  Conception  ist: 

Die  Vaginalportion  in  die  richtige  Stelluug  zu 
bringen.  Zu  diesem  Zwecke  braucht  man  Charpiekugelii, 
kleine  Schwämme,  Binge,  und  um  letztere  noch  sicherer  mit 
der  Portio  vaginalis  in  die  richtige  Stellung^  zu  bringen,  empfahl 
Hutin  in  seinem  „Etüde  de  la  sterilite,  Paris  1859''  diesen 
Ritig  noch  mit  einer  schmalen  Platte  von  der  Länge  der 
Vagina  zu  versehen.  Diese  Apparate,  über  deren  Nutzen  mir 
keine  eigenen  Beobachtungen  zu  Gebote  stehen,  wurden  viel- 
fach empfohlen,  gebraucht  und  wie  es  scheint  mit  Erfolg. 
Ein  Theil  der  Aerzte  brauchte  diese  Apparate,  um  den  Uterus 
auf-  und  gerade  zu  richten,  um  die  Knickung  zu  heilen, 
und  glaubte  bei  eingetretener  Schwangerschalt  auf  voran- 
gegangene Heilung  schliessen  zu  dürfen;  während  die  anderen 
nichts  anderes  im  Sinne  halten,  als  durch  dieselben,  die 
während  des  Beischlafs  liegen  bleiben,  die  Vaginalportion  dem 


r 


Gebart  und  WoeboDbett  bei  UieraskniekiiBgcu.  90 1 

Biiitritle  des  8anieB6  zugänglich  za  mache».  Es  dfirfte  wohl 
ka6M  fregiich  tma ,  iIms  durch  diese  Apparate  eine  Aenderuug 
der  Poria  und  Lage  des  nieisl  schlaffen  Utei'us  nicht  erzielt 
werden  kann*  Um  so  mehr  aber  muss  der  Gebrauch  dieser 
Apparate,  von  denen  die  Schwämme  uud  Charpiekugehi  bei 
Anteflexio  natürlich  hinter  die  Portio  vaginalis  und  umgekehrt 
anzulegen  sind,  dringend  empfohlen  werden,  um  den  Eintritt 
des  Samens  durch  Einstellung  der  Yaginalportion  zu  er- 
möglichen, und  wird  selbst,  wenn  jene  Apparate  für  die  Zeil 
ÜMner  Wirksamkeit  die  Knickung  verstärken,  indem  der  Fundus 
seine  Lage  behalten  wird,  doch  trotzdem  der  Samon  in  den 
Uterus  eindringen  können. 

Wo  wir  solche  Mittel  besitzen,  kann  nicht  die  Rede 
davon  sein,  durch  Herbeiführen  der  stets  schädlieheu  Ueber- 
föUung  des  Rectum  eine  Einstellung  des  ScheidenÜieils  zu 
versuchen. 

Ist  Schwangerschaft  eingetreten,  so  verläuft  dieselbe  in 
jenen  Fällen,  wo  Heilung  vorherging,  gewiss  ohne  alle  Be- 
schwerden und  Unterbrechung,  wie  das  mein  zweiter  und 
dritter  Fall  beweisen ,  und  es  auch  nicht  anders  zu  vermuthen 
ist.  Dasselbe  gilt  gewiss  und  zeigen  auch  meine  Beobachtungen, 
f&r  jene  Fälle,  wo  Schwangerschaft  bei  Knickung,  ohne  Com* 
pKcationen  mit  sonstigen  Leiden  des  Uterus,  verlief.  —  Anders 
gestaltet  es  sich  in  jenen  Fällen,  wo  ein  Uterus  im  Zustande 
der  chronischen  Metritis  geschwängert  wurde ,  doch  hängen 
die  Störungen  der  Schwangerschaft  hier  gewiss  nur  von  der 
Erkrankung  des  Gewebes  und  nicht  von  der  Knickung  ab, 
jedenfalls  nur  zum  geringsten  Tbeile  von  dieser.  Die  Knickung 
sah  ich  stets  im  Verlaufe  des  fünften  Monats  schwinden, 
aber  die  pathologischen  Erscheinungen  dauerten  fort.  Häufige 
Schmerzen,  namentlich  zur  Zeit  des  Menstruationseintrittes 
gesteigert,  selbst  leichte  Wehen,  machen  solche  Schwanger- 
schaften, wenigstens  für  Zeiten,  sehr  quülend.  Stärkere  Be- 
wegungen und  Anstrengungen  steigern  die  Schmerzen  und 
gd>en  in  dem  kranken  Organe  leicht  Gelegenheit  zu  Abortus 
und  Frühgeburt.  Auch  das  Allgemeinbefinden  ist  oft  gestört, 
die  Verdauung  träge,  die  Blutbereitung  unvollkommen,  Anämie 
mehr  oder  weniger  ausgeprägt. 


302     X^-  //«M,  KH.pAtigiiiM,  5(ehwMig6r«rh«il,  Oebnrt  etc. 

Die  Geburt  isl  bei  diesen  UmsCindc«!  leicht  durch  die 
sehr  Rchnierzhaften  Wehen  sehr  angreifeu4l  und  erschöpfäMi.') 

Im  Wochenhßtte  beobachtete  ich  in  einem  Falle  eint« 
bedeutende  Erkrankung ,  wahrscheinlich  Phlebitis  uterina. 
Häufiger  als  solclu;  schwerere  Leiden  dürfte  aber  langsam« 
RAekbildung  des  Uterus  sein,  chronische  Metritis,  Endometritis 
und  Perimetritis  namentlich  oft  vorkommen,  und  zumal 
durch  diese  Gelegenheit  nur  Anlass  zu  RecidiTen  der  Knickung 
geboten  sein,  die  allerdings  in  anderen  Fallen  durch  Schwangei^ 
Schaft  und  Wocbenbetl  beseitigt  wird,  wie  es  drei  meiner 
Beobachtungen  zeigen. 

Dass  daher  das  Wochenbett  mit  besonderer  Sorgfalt  zu 
überwachen  ist,  braucht  wohl  kaum  ervvfdnit  zu  werden.  Es 
nmss  die  schon  früh  auftretende  Knickung  zeitig  und  die 
Entzündungen  des  Uterus  und  seine  Umgebung  energisch 
bebandelt  werden. 

Dorpat,  am  21.  März  1862. 


1)  Die  Ton  Balandin  (Petersburger  med.  Zeitang^,  1862, 
Heft  II.,  Seite  67)  auRgesprocheBe  VerAalasming^,  dam  in  itwei 
FHUen,  wo  in  der  Gebnrt  Riiptar  des  Utertis  eintrat,  diese  «n 
der  atrophirten  Kniekanffnstelle  eingetreten,  ist  blosse  Ver- 
mathnngr,  da  vor  der  Conception  die  Kniclcung  nicht  diagnosti- 
cirt  war. 


XXI.  MaUirV^i^*ir  d.  Oporali^e  d.  gt^riftNenan  DHtnmi's  ete.    QQ8 

XXL 

üeber   die  Operation  des  gerissenen  Dammes 
in  späterer  Zeit  des  Wochenbettes. 

Von 

Dr.  Johannes  Holst, 

Profesüor  In  Dorpat. 

Durch  die  sorgfältige  PHi'ge  und  Ueberwaf'iiung  der 
Geburten  von  Seiten  töchtigei-er  Heiiainmen  und  Aerzie, 
namratlich  aber  durch  die  in  ihrer  Ausführung  so  einfachen 
und  in  der  Wirkiuig  so  nnübertreßlichen  Einschnitte  in  die 
Schamspaite,  ist  in  neuerer  Zeit  die  Zahl  der  Danuurisse 
eilte  geringere  gewoi'den.  Immer  werch^n  aher  noch  die 
Geburten  in  den  Hntten  der  Arniutli  und  selbst  hei  iler 
besten  Pflege,  die  Rigidität  des  Dammes  imd  die  mechanisi^heii 
Mi86verh2linisse  zwischen  Beckenausgang  und  Kopf,  eine  Zahl 
von  Dammrissen  zu  Stande  kommen  lassen. 

Während  vor  niefat  gar  langer  Zeit  die  Meinungen  der 
erfahrenslen  GehnrtsheUer  und  Chirurgen  in  der  Art  aus 
einander  gingen,  dass  die  einen  gleich  nadi  der  Geburt,  die 
anderen  erst  nach  Wochen,  nach  vollendeter  Ueberhäutung, 
operin  wissen  wollten,  dilrfle  jetzt  der  Satz  kaum  Widn*- 
spruch  erfahren,  dass  wenige  Stunden  nach  Entfernung  der 
Narhgeburt  opei*irt  werden  muss  imd  dann  hei  richtigem 
Verfahren   die  Resultate   als   gute  bezeichnet  werden  können« 

Auch  ich  muss  mich,  meiner  Erfahrung  nach,  für  dieses 
Verfahren  aussprechen,  indem  mir  noch  kehie  Operation 
missglückt  ist,  sondern  hei  allen  der  Erfolg  ein  vollkommeuer 
war,  selbst  FiHe,  in  denen  der  Sphincter  ani  durchrissen 
war,  heilten  ToUstündig.  So  nahe  ich  deim  jeden  Daromriss 
nach  der  gleich  zu  besprechenden  Art  4  — 12  Stunden  nach 
der  Geburt.  Ich  habe  es  mir  auch  zur  Kegel  gemacht,  selbst 
kleinere  Risse  zu  nähen,  weil  nameuUich  bei  der  ärmei'en 
Volksklasse,  bei  der  anstrengenden  Körperbascliaütiguiig  selbst 
scIioD  ein  klebiei*  nicht  geheilter  Riss  der  hinteren  Wand  der 
Scheide  die  nöthige  Stütze  nimmt,  und  Veranlassung  zum 
Vorfall  der  Gebärmutter  wird. 


304    XXT.  HolH,  Ueber  die  Operation  de»  ^erieaoneB  DuDines 

Ganz  anders  sind  die  Resultate  bei  der  Operation  schon 
vernarbter  Dammrisse.  Die  verschiedensten  Methoden  haben 
die  tüchtigsten  Op<*rateure  im  Stich  gelassen  und  wir  dürfen 
es  sagen,  der  Erfolg  on(s|irach  nicht  nur  nicht  der  gehabten 
Muhe,  sondern  war  enlschi(HH»n  ein  schlecliter. 

Diese  Operationen  mussteu  vermieden  werden,  und  es 
lag  nahe,  in  allen  Fällen,  wo  das  frühzeitige  Operiren  ver- 
säumt wurde,  oder  nicht  möglich  war,  die  Naht  in  späterer 
Zeit  des  Wochenbettes  zu  versuchen,  und  dieses  um  so  mehr, 
als  diese  Fälle  recht  häufig  sind.  Es  giebt  Wöchnerinnen, 
die  sich  der  Operation  in  den  ersten  Tagen  widersetaen; 
bei  anderen  ist  der  Ri^s  von  der  Hebamme  äbersehen;  andere 
sind  ohne  llölfe  niedergekommen,  erst  die  Schmerzen  beim 
Harnen  (ordern  sie  auf,  Hälfe  zu  suchen;  bei  anderen  miss- 
glnckle  die  erste  Naht  und  es  erfolgte  die  Vereinigung  nicht.; 
bei  noch  anderen  wagte  man  zur  Zeit  von  herrschenden 
Puerperalilebem  nicht  gleich  zu  operiren.  In  allen  diesen 
Fällen  musste  es  wunsdienswerth  sein,  noch  in  späterer  Zeil 
des  Wochenbettes  operiren  zu  dürfen. 

Von  diesen  Betrachtungen  ausgdiend,  operirte  ich  einen 
Fall,  der  mir  am  achten  Tage  nach  der  Entbindung  in  die 
Klinik  gebracht  wurde.  Der  Riss  ei'Streckte  sieh  bis  an  den 
Sphincter,  der  wie  präparirt  dalag,  und  die  ganze  Wunde 
granuKrte.  Der  Erfolg  war  ein  sehr  günstiger,  indem  voll- 
kommene Vereinigung  erfolgte.  In  der  Folge  liabe  ich  noch 
drei  solche  Fälle  zu  operiren  Gelegenheit  gehabt,  von  denen 
zwei  sich  bis  an  den  Schliessmuskel  und  ein  dritter  sich  bis 
auf  zwei  Drittheile  des  Dammes  erstreckten.  Einer  wurde 
am  fänften,  einer  am  achten  und  einer  am  neunten  Tage  des 
Wochenbettes  operirt.  Der  Erfolg  war  in  allen  der  beste. 
Ist  auch  die  Zahl  eine  geringe,  so  machen  diese  Erfolge  es 
mir  doch  zur  Pflicht,  sie  den  ärztlichen  CoUegen  vorzulegen, 
und  zur  PrAfung  dieser  nicht  neuen,  al>er  doch  etwas  über- 
sehenen und  vergessenen  Operation  aufzufordern. 

Einer  genauen  Beschroibtmg  der  einzelnen  Falie  glaube 
ich  fiberhoben  zu  sein,  da  eine  solche  ohne  NuUen  und 
Interesse  wäre  und  was  dieselben  holen,  bei  Besprechung 
der  sogleich  zu  schildemden  Operation  angeführt  werden  wird. 


in  späUrar  Zieit  de«  W««h«BlieUQa.  805 

Ich  verfahre  bei  diesen  verspäteten  OperatioDen  nait  ge- 
rtogen  Me^catiooeii  gaos  so,  wie  bei  der  Mäht  gleich  nach 
der  EnltMnduDg. 

Idi  nShe  stets  mit  dem  Nadelhalter,  mit  stark  gekrümmten 
Nadelu  und  je  nach  der  Starke  des  Fadens,  mit  doppelten 
oder  vierfachen  Seidenfaden. 

Nachdem  Stahl  und  Harn  entleert  sind,  wird  die  zu 
Operirende  in  die  Ruckenlage  auf  einen  mit  einer  Matratae 
bedeckten  Tisch  gebracht,  in  der  Weise,  dass  die  Geschlechts* 
theile  voUkommen  frei  liegen.  Durch  Gehilfen  werden  die 
Oberscboikel  stark  abdueirt,  und  die  Wundflache  stark  au»» 
einander  gezogen.  Jetzt  wird  die  Wnnde  durch  eine  la- 
jectioii  in  die  Vagina  gereinigt 

Jetzt  wird  der  Zeigefinger  der  linken  Hand  in  den  Mast^ 
dann  geföhrt  und  mit  dem  Finger  die  vordere  Wand  des 
Darmes  in  die  Wunde  gedrangt  So  wird  erst  die  Tieie 
des  Risses  recht  sichtbar.  Reicht  der  Riss  in  dem  Binde- 
gewebe zwischen  Mastdarm  und  Scheide  liöher  hinauf,  und 
bis  an  die  Wand  des  Rectum,  so  sieht  man  in  diesem  Falk 
die  hinteren  Grenzen  der  beiden  Wundflichen  an  dem  in  die 
Wunde  gedrängten  Rectum  nach  den  Seiten  herabgleiteu,  so 
dass  wir  nicht  zwei  vor  dem  Rectum  sksh  in  einen  Winkel 
vereinigende  Wundfläcben,  sondern  drei  vor  uns  haben:  zwei 
seitliehe  von  den  durchrissenen  Parthien  der  Scheide  und 
des  Dammes  gebildete  und  eine  hintere,  das  Rectum.  Gebt 
der  Riss  nicht  ganz  bis  an  die  Wand  des  Mastdarms  über 
dem  Sphincter,  so  haben  wir  nur  zwei  seitliche,  sich  in  dem 
Bindegewebe  zwischen  Mastdarm  und  Scheide  berührende 
Wundflachen. 

Nur  auf  diese  Weise  wird  es  mögUch,  die  Verletzung 
in  ihrem  ganzen  Umfange  gehörig  zu  erkennen  und  zu  um^ 
stechen,  was  für  das  Gelingen  der  Operation  eine  notbwendige 
Bedingung  ist  Es  bleibt  deshalb  der  Finger  im  Mastdarme 
bis  alle  Nähte  angelegt  sind.  Von  der  Seitenlage  zum  Zwecke 
der  Operation  kann  also  nicht  die  Rede  seiji. 

Ich  lege  dann  meist  vier  Nähte  an,  und  ist  es  im  Ganzen 
einerlei,  welche  Nalit  zuerst' angelegt  wird;  der  Blutung  wegen, 
die  leicht  die  Operation  aufhält,   lege   ich   meist   zuerst   das 

MoBfttMcbr.  r.  Oeburtsk.  1S83.  Bd.  XXI.,Hrt.i*  30 


306    X^I*  HoUt,  Ueb«r  d&e  Op«ratioo  des  icerisiiMieii  Dammes 

ttiiterH  Hell.  £«  vereteht  sich  wohl  von  selüM^  dass  wenn 
der  Riss  sich  höher  hinauf  in  die  Scheide  ersireckt,  diese 
sorgfältig  genäht  wird. 

Die  Nadel  wird  drei  Linien  vom  Wundrande  eingestochen, 
ehenso  wek  von  demselben  auf  der  andern  Seite  heraus- 
geführt und  hat  die  ganze  Wunde  zu  umstechen.  Liegt  auf 
dem  Mastdarme  noch  eine  Schicht  nicht  dorchrissenen  Binde- 
gewehes,  so  wird  in  der  Wunde  die  Nadel  nicht  siclitbai*. 
Ist  aber  das  Bindegewebe  bis  auf  den  Mastdarm  durchrissei^ 
so  tritt  die  Nadel  vor  dem  Mastdärme  hervor;  ich  durchsteche 
jetzt  die  obern  Schichten  des  Mastdarmes  mit  der  Nadel, 
und  fähre  .  dieselbe  dann  auf  der  andern  Seite  der  Wunde 
weiter  fort.  Es  erscheint  in  diesem  Falle  die  Sutur  im  linken 
Wund  Winkel,  geht  durch  einen  Theil  der  Wand  des  Mast- 
darmes, wird  wieder  sichtbar,  um  hinter  dem  hintern  Rande 
der  rechten  Wundfläche  zu  verschwinden. 

Wenn  alle  Nähte  liegen,  wird  die  Wunde  nochmals  aus- 
einander gezogen  und  sorgfältig  gereinigt.  Jetzt  tra^  ich 
mit  einer  ober  die  Fläche  gekrümmten  Scheere  alle  stärkeren 
Granulationen  ah,  um  eine  glatte  Fläche  zu  erhalten  und  in 
möglicher  Ausdehnung  eine  rasche  Vei*einigung  zu  erreichen. 
Dieses  muss  mit  besonderer  Sorgfalt  an  der  hinteren  Ver- 
einigung der  Schamlippen  geschehen,  da  dieses  die  Stelle  ist, 
an  der,  wenn  irgend  möglich,  eine  rasche  Vereinigung  ensielt 
werden  muss,  denn  hat  sich  hier  nur  eine  ganz,  schmak 
Brocke  gebildet,  so  fällt  sich,  wenn  die  Wunde  auch  sonst 
lanvereinigt  blieb,  dieser  Raum  bald  und  es  bildet  sich  ein 
vollständiger  Damm.  Etwa  an  den  Rändern  vorhandene  Un* 
ebenheiten  und  Fetzen  werden  natärlich  abgetragen. 

Die  Blutung  fand  ich  nie  stark,  wohl  aber  lange  an- 
dauernd. Sie  wird  mit  kaltem  Wasser  und  Eis  gestillt  und 
dann  die  Wundfläche  mit  Sorgfalt  von  allem  Blutgerinnsel 
gereinigt.  Jetzt  werden  die  Nähte  geknäpft,  dabei  die  Fäden 
reclit  fest  angezogen.  Wenn  die  Wundränder  nicht  g»t  an- 
einander liegen,  kann  noch  eine  oder  die  andere  oberfläddicbe 
Naht  angelegt  werden. 

Jetzt  wird  die  Operirte  auf  ihr  Lager  getragen  und  lasse 
ich  derselben  eine  volle  Gabe  Opium  geben,  um  den  Stuhl 
anzuhalten,  und  in  den  Fällen,  wo  nicht  cbloroformirt  wiu*de. 


r 


ia  «pftterer  2&«U  do»  Wo«heiibeUM,  307 

die  oft  ¥«rh«iiiei)e  mid'  stets  ntcfathoilige  Aufregiiag  zu  be- 
aaligen.  Die  zwei  bis  di*ei  ersten  Stunden  nach  der  Operation 
lasse  icb  kühle  Umschlage  Ober  die  Sobaani  niacbeo,  um 
einen  Blutergnss  zwischen  die  Wundfläcben  zu  verhiLiten. 

Die  Nachbehandlung  leite  icb  stets  sojrgßltig  und 
halte  fiie  für  sehr  widitig.  Den  Stuhl  halte  ich  durch  tag* 
üche  Gaben  Opium  acht  bis  zwölf  Tage  ohne  Beschwerden 
Iftr  die  Operirte  zurück,  was  leicht  siöglich  wird,  wenn  man 
nebenbei  eine  wenig  substanzreiohe  Nahrung  gieb^.  Meldfit 
sich  endlich  das  Bedurfnfss  zur  Darmentleerung,  so  ist  uorh 
binreiclieffede  Zeit,  durch  eine  Gabe  Ol.  Ricini  und  ein  Klystir 
die  Fäcalmassen  zu  erweichen,  die  Wunde  ist  dann  auch 
schon  so  weit  und  fest  vereinigt ,  dass  die  Gefahr  des  Auf-* 
reissens  gering  ist. ')  Die  Schenkel  werden  über  dem  Knie 
zusammengebunden  und  ist  es  einerlei,  welche  Lage  die 
0|p«rirte  einneiimen  will,  nur  ist  Aufsicht  notb^,  dass  die 
oft  lästige  Binde  nicht  entfernt  werde. 

Der  mühsamste  Theil  der  Nachbehandlung  ist  die  Be- 
wahrung der  Naht  vor  Benetzung  mit  Harn  und  die  fleissige 
Entfernung  der  Lochien  aus  der  Vagina.  Alle  drei  Slundea 
(sind  die  Lochien  sehr  reicblicb  und  niolit  mild,  alle  zwei 
Stunden)  wird  eine  laue  Vaginalinjeetion  gemacht»  und  der 
Damm  selbst  mit  Wasser  angespritzt.  Ebenao  oft  wird  der 
Harn  mit  dem  Katheter  entleert,  und  lasse  ich  stets 
bei  Entfernung  des  Instrumentes  unter  die  Harnröhre  ein 
SehwänNnchen  andrucken,  um  selbst  die  letzleji  Tropfen 
Uara,  die  sich  beim  Entfernen  des  iaelnimentes  aus  diesen 
«ad  der  ttaernrölire  ergiessen,  von.  der  Wunde  fern  zu  lialten. 

Die  dem  Aller  nächste  Sutur  entferne  ich  nach  drei, 
hfiebstens  vier  Tagen,  die  übrigen  einen  Tag  Spater,  und 
lasse  dann  das  olien  bHsprochene  Verfahren  noch  acht  fernere 
Tage  einhalten. 

Meine  Erfolge  waren  gute.  Ich  habe  in  allen  FäUen 
vttUslandige  Veriieilung  erzielt,  in  den  frisch  «perirten,  wie 
ia  den  verspäteten.    Spreche  ich  hier  nur  von  den  letzteren, 

1)  In  einem  Falle,  wo  der  Sphinct<^r  ani  mit  durcbrisRen 
war,  wurde  ich  durch  unwillkiirlicheD  Abgang  deft  ernten  Stuhles 
erschreckt.  Der  zweite  aber  nchon  erfolgte  nicht  mehr  ttnwilt- 
kiirUch. 

20* 


30g    XXI.  Hoktf  Ueb«r  die  OperRtioB  des  geiitMBeB  DammM 

80  war  bei  zweien  ^e  Vereinigung'  am  fantten  Tage  voll* 
endet,  and  nur  ein  Paar  kleine  wonde  Stellen  mmsten  leicht 
mit  Höllenstein  cauterisirt  werden.  Im  dritten  Falle  war 
äusserlieh  die  Heilung  eine  vollständige,  doch  war  die  Scheiden- 
wunde nicht  Tollkommen  geheilt,  sondern  an  der  hinteren 
Vereinigung  der  Schamlippen  erstreckte  sich  gegen  dea 
Mastdarm  hin  eine  kleine  Vertiefung,  die  sich  Tollkommen 
durch  Granulationen  füllte,  so  dass  in  vierzehn  Tagen  die 
Heilung  vollendet  war.  in  dem  vierten  Falle  waren  die 
Wundflftchen  hei  Entfernung  der  Nähte  uur  vor  dem  After 
und  an  der  hinteren  Comissur  vereinigt.  Zwischen  beiden 
Stellen  fRhrte  vom  Damme  ein  Canal  in  die  Scheide.  Bei 
grosser  Reinlichkeit  und  q^ter  hei  einem  reizenden  Ver- 
faliren  hatte  sich  dieser  Raum  so  weit  gefällt,  dass  nach 
drei  Wochen  die  Heilung  vollständig  zu  sein  schien,  doch 
liess  sich  immer  noch  eine  dünne  Sonde  in  die  Scheide 
hineinfuhren.  Zwei  Aetzungen  mit  Höllenstein  genügten,  um 
auch  diese  Fistel  in  zehn  Tagen  zur  vollständigen  Heilung 
zu  bringen.  Eine  Anfangs  noch  bemerkbare  Einziehung  dieser 
Stelle  war  später  nicht  mehr  zu  bemerken. 

Ganz  dieselben  Vorgänge  beobachtete  ich  auch  in  den 
Fällen,  wo  ich  gleich  nach  der  Geburt  nähen  konnte,  wenn 
auch  hier  die  Heilung  öfter  durch  erste  Vereinigung  erfolgte, 
als  bei  den  obigen  Fällen. 

Ich  habe  in  allen  Fällen  einen  vollständigen  Damm  her* 
gestellt,  und  so  lange  ich  die  Kranken  beobachtet  habe,  keine 
Narltencontraction  nachweisen  können,  die  die  Heilung  nicht 
als  vollständig  hätte  ansehen  lassen.  Ueber  den  Verlauf 
späterer  Geburten  liegt  mir  jetzt  nur  eine  Beobachtung  vor, 
und  ist  es  immer  fraglich,  wie  sich  in  den  Fällen,  die  zum 
Theil  durch  Granulation  heilten,  der  Damm  bei  späteren  Ge«- 
burten  verhalten  wird,  in  diesem  einen  Falle  blieb  der  Damm 
bei  der  folgenden  Geburt  unverletzt 

Immerhin  dürfte  mit  Entschiedenheit  selbst  bei  der  ge» 
ringen  Zahl  von  Beobachtungen  aus  dem  Besprochenen  hervor* 
gehen,  dass  in  späterer  Zeit  des  Wochenbettes  mit  dem  besten 
Erfolge  operirt  werden  darf  und  deshalb  operirt  werden  muss. 
Der  Erfolg  wird  stets   viel  sicherer  sein,  als  wenn  nach  er- 


in  spKUrer  Zfit  des  Woch«nbettea.  309 

folgter  Vernaii)iuig  operirt  wird.  Bei  einem  richtigen  Ver- 
fahren wird  in  wenigen  Fällen»  wenn  wir  die  ausnehmen, 
wo  eine  tiefe  Bluterkrankung  bei  Puerperalfieber  die  Heilung 
unmöglich  macht,  der  Erfolg  nicht  ein  gewünschter  sein,  und 
nur  selten  werden  wir  es  nicht  erreichen,  dass  Darm  und 
Sdieide  ihre  normalen  Verhiltnisse  wieder  erlangen,  und 
selbst  in  den  Fällen,  wo  die  Heilung  nur  eine  theilweise 
sein  sollte,  ist  dadurch  immer  viel  erreicht,  sowohl  in  Bezug 
auf  die  Vorbeugung  von  Scheiden-  und  Gebärmuttervorfallen, 
als  für  eine  spätere  Operation.  Selbst  Fälle,  wo  der  Sphinoter 
ani  durchrissen  und  der  Riss  sich  bis  ins  Rectum  erstreckt, 
ist  diese  Methode  nicht  contraindicirt ,  es  mflssten  diese  Ge- 
bilde nur  richtig  angefrischt  werden. 

Nothwendig  erscheint  es  für  das  Gelingen  der  Operation, 
die  ganze  Wunde  sorgfältig  zu  umstechen,  selbst 
das  Rectum  in  das  Bereich  der  Naht  hineinzuziehen, 
was  am  sichersten  geschieht,  wenn  der  Zeigefinger  in  den 
Mastdarm  gefuhrt  wird.  Es  müssen  die  Granulationen 
abgetragen  und  die  Nähte  stark  angezogen  werden, 
und  ist  peinlich  für  Reinlichkeit  durch  Abhalten  des 
Harns  und  fleissiges  Entfernen  der  Lochien  zu  sorgen, 
selbst  das  Fernhalten  der  letzten  Tropfen  Urin  nicht 
zu  versäumen. 

Dorpat,  am  30.  März  1862. 


310  XXIl.    Notizen  ans  der  JoiimaY-Lltciattir. 

XXII. 
Notizen  aus  der  Journal -lateratiir« 


Luschka:    Die     organische    Mnsicnlatnr    innerhalb     ver- 
schiedener Falten  des   menschlichen  ßanchfelles. 

J.  J.  Sue  lehrte  suerst,  dass  Mnskelfasern  der  Gebärmutter 
sich  nicht  allein  in  die  Ligamenta  orariorum  et  nteri  teretia 
fortsetsen,  sondern  dass  auch  die  breiten  Mntterbänder  qner- 
lanfende  Muskelfasern  enthalten ,  welche  von  den  SeitenwKnden 
des  Uternn  abgehen  und  sich  nach  aussen  allmälig  verlieren.  Diese 
▼on  der  äussersten  Querfaserschicht  des  Uterus  zwischen  die 
beiden  Blätter  der  breiten  Mutterbänder  ausstrahlenden  Fleisch- 
btindelchen  nehmen  während  der  Schwangerschaft  bedeutend  an 
Masse  zu  und  gewinnen  auch  unter  anderen  Uniständen  eine 
aussergewöhnliche  Starke.  L.  fand  dieselben  namentlich  in  Fällen, 
in  welchen  die  Ligamenta  lata  dauernd  eine  bedeutende  Zerrung 
erfahren  hatten,  insbesondere  bei  lange  bestandenem  Prolapsus 
uteri,  in  ausgezeichnetem  Grade  entwickelt. 

Auch  in  die  sogenannte  Dou^{a«*sche  Falte  sind  organische 
Muskelfasern  eingelagert.  Diese  die  Excavatio  rectouterina 
seitlich  begrenzenden  Duplicaturen  fliessen  an  der  hinteren  Seite 
des  Gebärmutterbalses  unter  Bildung  eines  querltegenden,  nach 
hinten  concaven  Vorsprunges  zusammen.  Diesen  fand  L.  in 
Leichen  von  Personen,  welche  noch  niemals  schwanger  waren, 
schärfer  ausgeprägt,  als  bei  solchen,  welche  schon  geboren 
hatten.  Derselbe  wird  durch  Muskelfasern  bewirkt,  welche  zum 
grossen  Theil  von  der  hinteren  Seite  des  in  das  Gewebe  der 
Scheide  nicht  hineinragenden  Abschnittes  des  Collum  uteri  und 
vom  oberen  Ende  der  hinteren  Wand  der  Scheide  stammen,  wahrend 
eine  Anzahl  derselben,  nämlich  diejenigen,  welche  bogenföruiig 
unter  sich  zusammenflicssen,  eine  in  gewissem  Sinne  selbstständige 
Formation  darstellen.  Diese  Muskelzügc  bilden  %in  diehteff, 
blassröthliches,  seitlich  etwas  abgeplattetes  Fleischbändel  nnd 
folgen  der  Plica  rectouterina  bis  gegen  den  seitlichen  Umfang 
des  Mastdarmes  in  der  Nähe  des  zweiten  Kreuzbeinwirbels. 
Insofern  sie  das  untere  Ende  der  Gebärmutter  in  der  Richtung 
des  nach  ab-  und  rückwärts  verlaufenden  Segmentes  der  Hocken- 
achse ziehen,  weshalb  sie  L.  in  ihrer  Gesammtheit  als  M.  retractor 
uteri  auffuhrt,  können  sie  als  Antagonisten  derjenigen  Fort- 
setzungen der  Uterussusstanz  angesehen  werden,  welche  den 
Inhalt  der  runden  Mutterbänder  ausmachen.  Die  Muskulatur 
derselben  wird  im  Leistencanale  verstärkt  durch  quergestreifte, 
vom   M.    obliquus    abdontinis    internus    nnd    vom   M.    transversus 


XXII.   Notiaen  aas  der  Journal -LiterftUir.  311 

kerrtibrende,  dem  Cremasler  vergleichbare  Bündel. 
Knweiiie  aarte  Biindelchen  treten  ans  den  rnnden  Motte rbändem 
ab,  um  swiecben  den  BlÜttera  der  Ligamenta  veeicouterlna  anp- 
aastrablan.  Der  dncch  diese  in  gewöhnlichen  Verhftltnitaen  höchst 
mbedentende  Biindelchen  zwischen  Uteras  und  Harnblase  be- 
werkstelligte Verband  könnte  in  anomal  starker  Aueprügnng  an 
baAcbtenswerthen  Erscheinungen,  namentlich  während  der  Geborta- 
tbmigfceit,  Veranlassnag  geben. 

Von  denjenigen  Falten  des  Bauchfelles ,  welche  dem  Systeme 
der  abdominellen  Digestionsorgane  angehören,  hat  L,  beini 
Menschen  bisher  nnr  eine  einaige  gefanden,  awischen  deren 
BlSItem  organische  Mnskelfasern  ausgebreitet  sind,  eine  Falte, 
die  er,  da  sie  sich  an  der  Grenae  von  Blind-  und  Dünndarm 
erbebt,  PHca  ileocoeealis  nennt;  sie  liegt  am  ▼orderen  und  seit- 
lieben Umfang  des  Danndarmendes,  hat  eine  awischen  1  und 
2,6  Centimeter  wechsulnde  Höhe  und  einen  sichelförmig  aus- 
geschweiften Kand. 

(Archiv  f.  Anatomie  u.  Physiologie,  1862,  8.  202.) 


Zepuder:    Neue     Beobachtungen     über     den    Werth     der 
Franhenhäuter^ Hchen   Theorie. 

Zepuder  in  Laibach  beobachtete  bei  54  Schwangeren  dir 
Freqnena  des  Fötalherapulses ;  fünf  Zählungen  wurden  während 
der  Geburt,  die  übrigen  in  einer  Zeitperiode  von  mindeBteos 
sechs  Stunden  bis  längstens  26  Tage  vor  der  Entbindung  notirt; 
danach  stellte  sich  als ,  Differenz  awischen  der  Normalzahl  des 
FüUlpnlses  für  Knaben  (130)  und  für  Mädchen  (144)  14  heraus  (nach 
Steinbach  beträgt  derselbe  15).  Die  Diagnose  bewährte  sich  für 
49  Fälle  45  Mal,  in  drei  Fällen  stimmle  die  Voraussage  nicht. 
Aasserdem  stellte  sich  nach  seinen  Beobachtungen  heraus,  dass 
sich  in  der  letzten  Kpoche  der  Gravidität  oder  während  der  Geburt 
das  Geschlecht  schwer  oder  gar  nicht  bestimmen  läsat,  besonders, 
wenn  nur  Eine  Untersuchung  möglich  ist.  Man  kann  also  für 
diese  —  gerade  wichtigste  —  Zeitperiode  nnr  von  einem  glück- 
liehen Erratben  sprechen. 

(ZeiUchrift  für  praktische  Heilkunde,  1863,  No.  2.) 


G.  Britun:  Drei  Fälle  von  nicht  verschiebbaren  Becken- 
tnmoren. 

1.  Bei  einer  26jährigen,  kräftigen  Person,  welche  angeblich 
vor  drei  Jahren  ein  reifes  Kind  leicht  geboren  und  sich  seither 
▼ollkommen  wohl  befunden  hatte,  fand  Verf.  den  Stand  des  Uterus 
beiläufig  der  34.  Scbwangerschaftswoche  entsprechend,  im  Fnndqq 


312  XXII.    Notiven  aus  der  Jounwl*  Literatur. 

einen  stSrker  eonvexen  Kindeetheil,  die  F^talheratfSne  Bie«ili€>ii 
hoch  in  der  Gegend  des  Nabels  h<$rbar.  Bei  der  Scheiden- 
nntersnohnng  stiess  er  an  der  linken  fieekenwand  auf  eine  oonvexe, 
glatte,  eiförmige,  orangen  grosse,  mit  der  Basis  TOn  oben  nach 
nnten  laufende |  an  dem  Bitabeine  haftende,  knochenharte  Ge- 
schwulst, die  nur  bei  grösserem  Drucke  von  oben  nach  abwarte 
eine  sehr  geringe  Beweglichkeit  snliess.  Der  Beokenmnm  war 
im  Eingange  nicht  vereng^,  wohl  aber  drftngte  sieb  die  Geeohwulst 
gegen  den  rechten  Sitaknorren  so  weit  vor,  dass  der  Becken- 
ausgHUg  im  Qoerdurchmesser  bis  auf  27/'  verktirat  war;  nach 
hinten  in  der  Gegend  der  Hüftkreusbeinbänder  betrug  der  Quer- 
durchraesser  ungcffthr  SV/'-  Hinter  dem  Tumor,  etwas  nach  links 
▼om  Promontorium  und  ungefKhr  im  Beckeneingange,  wurde 
die  Vaginalportion,  durch  das  vordere  Beheidengewölbe  ein  un- 
ebener, runder,  xiemlich  umfönglicher  Kindestheil  gefohlt.  Durch 
das  Rectum,  welches  durch  die  Geschwulst  nach  rechts  rerdrängt 
war,  konnte  man  dieselbe  deutlich  begrenzen. 

Die  Diagnose  wurde  auf  einen  seit  der  letsten  Geburt  ent- 
stfindenen  fibrösen  Tumor  gestellt,  und  des  bei  rechtseitiger  Ge- 
burt als  gefährdet  erachteten  kindlichen  Lebens  wegen  die  künst- 
liche Frühgeburt  —  nach  der  Methode  von  KiwUch  —  eingeleitet. 
Nach  drei  Tagen  stellten  sich  Wehen  ein,  die  in  derselben  Frist 
den  Muttermund  eröffneten,  worauf  der  vorliegende  Steiss  in  das 
Becken  horabtrnt.  Da  derselbe  nunmehr  xwiseben  der  rechten 
Beckenwand  und  der  Geschwulst  befindlich,  nach  Verlauf  mehrerer 
Stunden  trots  kräftiger  Wehen  nicht  vorwärts  rückte,  wurde  er 
manuell  bis  vor  die  Schamspalte  entwickelt,  wobei  sich  die 
Frucht  als  bereits  macerirt  erwies.  Erhebliche  Schwierigkeiten 
machte  die  Lösung  der  Arme,  namentlich  die  des  hinter  dem 
Tumor  gelegenen  rechten,  während  die  Extraction  des  Kopfes 
mittels  des  modificirten  8meUie*8chen  Handgriffes  rasch  und  ohne 
Kraftanwendung  gelang.  Derselbe  war  sehr  compressibel,  seine 
Knochen  auffallend  weich;  die  Länge  des  Kindes  betrug  18" 
das  Gewicht  4  Pfund. 

Die  Frau,  welche  schon  seit  drei  Tagen  vor  der  Entbindung 
fieberte,  mit  Frostanfällen  und  Schmershaftigkcit  des  Uterus,  starb 
am  «weiten  Tage  nach  derselben  unter  den  Erscheinungen  des 
Lungenödems.  Bei  derSection  wurden  Endometritis,  Lymphangoitis, 
eiterige  Peritonitis  und  Infiltration  des  retroperitonäalen  Zell- 
gewebes gefunden.  Der  Tumor  sass  über  dem  linken  Foramen 
obturatum  auf,  nahm  mit  seiner  Basis  beinahe  die  gause  linke 
Beckenwandung  ein  und  ragte  mit  seiner  glatten,  convexen 
Oberfläche  bis  über  die  Mitte  der  kleinen  Beckenhöhle  vor.  Er 
bestand  aus  fasrigem  und  grossentheils  aus  gallertartigem  Binde- 
gewebe und  war  dem  Ligamentum  spinoso-sacrum  nächst  dem 
Sitsbeinstachel  und  der  Membrana  obtnrstoria  in  der  Umgebung 
ihres  Loches  eingewebt.     Sein  Durchmenser  von  vorn  nach  hinten 


XXII.    Nolixeo  ftU8  der  Joiini«l-Lit«rtt«r.  313 

betrog  3V«"i    s«ino  Dicke,    eotsprechend  dem   Querdurch messer 
des  Becken«,  2Vs"- 

2.  £ine  40jHbrigre  Fmii  hatte  vier  Mal  in  normaler  Weise 
reife  Kinder  geborea  und  öftere  abortirt.  Ein  llinftee  Kind  war 
▼er  6  Jahren  naeh  einem  eehweren  GebnrtsTerlanf  millele  der 
2an|fe  extrahirt  worden.  Am  Ende  einer  eeeheten  regelmSeeigen 
Sehwange rschaft  stellten  stob  Wehen  ein,  welche  jodoch  den  vor- 
liegenden  Kopf  dos  reffen  Kindes  nicht  herabsnbewegoa  ver» 
moebtott.  C  firaiin,  awei  Tage  nach  dem  Beginn  der  Oebnrt 
gerufen,  fand  die  äusseren  BeokcnyerkälUiisse  normal,  dagegen 
bei  der  Sobeidenexploration  einen  fanstgrossen,  sehr  harten  Tumor 
Ton  knolliger  OberflXcbe,  welcher  von  dem  Vorberge  und  der 
oberen  H&lfte  des  sweiten  KrensbAin wirbeis  ansging,  sieb  über 
die  rechte  Hüftkrenebeinf^ge  ausbreitete  und  sich  durch  rinen 
lehr  energischen  Drock  nicht  rerschieben  Hess.  Er  verengt« 
den  Beckeneingang  bis  auf  2Vb">  verflachte  sich  nach  recht«, 
fiel  nach  links  steil  ab  und  bildete  mit  der  vorderen  Kreuabein* 
wand  in  ihrer  unteren  Hftlfte  einen  scharfen  Winkel.  Der  Mast- 
darm war  nach  links  und  vorn  von  der  Geschwulst  gelegen. 
Dieselbe,  welche  bei  den  ersten  vier  Entbindangen  bestimmt 
nicht  vorhanden  gewesen  sein  konnte,  bei  der  fttnften  dagegen 
vielleicht  schon  einen  störenden  Binfloss  ausgeübt  hatte,  erkUrte 
C.  Brtmn  fUr  von  dein  Becken  ausgebend  und  entweder  durch 
Knochenneubildnng,  durch  ein  Enchondrom  oder  ein  Fibroid 
entstanden  —  er  vollsog  die  Trepanation  und  Kephalothrypsie 
mittels  der  von  ihm  angegebenen  Instrumente  ohne  Nachtheile 
für  die  Mutter. 

S.  Bei  der  Section  einer  70jährigen  Frau,  welche  in  jüngeren 
Jahren  mehrmals  geboren  hatte,  fand  sieh  bei  einem  Becken  von 
sonst  normalen  Verhältnissen  ein  kindskopfgrosses  Enchondrom. 
Dasselbe  ging  vom  Kreuabeine  aus,  welches  eine  runde,  knollen- 
äbnlicb  aufgetriebene,  mit  vielfachen  Einkerbungen,  Lücken  und 
spahähnlieken  Oeffnungen  versehene  Geschwulst  darstellte.  Es 
sjnostosirte  vollkommen  mit  der  Facies  auricolaris  des  rechten 
Darmbeins;  der  rechte  Wirbelflü|fel  war  massenhafter,  als  der 
linke.  An  der  linken  Facies  anricnlaris  war  die  Synostose  nur 
an  der  hinteren  Verbindangsfläebe  bemerkbar,  der  ganae  linke 
Flfigel  verkümmert.  Durch  diese  partielle  Synostose  wurde  das 
Heeken  nicht  asymmetriaek.  Das  Präparat  befindet  Hieb  im  Ba- 
sitse  der  geburtshdlflieh- gynäkologischen  Klinik  an  Wien  and 
wurde  in  der  ^Tsitdkmonn'sohen  Papier- niaohä- Fabrik  an  Nürn- 
berg abgeformt.  Beschrieben  wurde  der  Fall  bereits  von  C.  Brann 
(lieber  die  Einklemmung  der  Hemia  crurio  *  vaginalis  und  ihre 
Behandlung.  Wien,  med.  Woohensohrift,  1869,  Nr.  40). 
(Wien.  med.  Wochenschrift  1868,  No.  1,  2,  8.) 


314  XXII.     Notisev  aus  der  Journal  -  Literatur. 

Haake:     Ein     Fall     ron    CranioklaBmu     und    Kephalo- 
thrypsie. 

Haake  veröffeBtlicht  wabraoheinliob  den  ersten  Fall,  in  dam 
die  8imp9ön'Beh9  Metliode  der  SehftdeWerkUinerung  angewandt 
wurde.  Dae  Becken  war  ein  rhachitiaches ,  seine  Conjugata 
diagonalis  maass  knapp  3  Zoll,  das  Kind  war  todt,  der  Kopf 
Torltegend.  Nachdem  mit  dem  LevreVtich^n  Instrumente  perforirt 
und  das  Gehirn  mit  der  BoSr'schen  Pincette  möglichst  ausgiebig 
entfernt  worden  war,  wurde  der  Simpson" AchQ  Craniaklast  ein- 
gebracht} schon  dies  war  wegen  Mangel  einer  Beokenkrünimung 
nicht  gans  leieht;  durch  drehende  Bewegungen  des  Instrumentes, 
welches,  um  einem  Auseinanderweichen  der  Löffel  yonnbeuKen, 
an  den  Griffen  stark  susammengedrfickt  werden  musste,  wurde  init 
A.B Wendung  siemlicher  Kraft  eine  Zertrfimmerung  der  Schade i- 
knocken  verursucht.  Beim  Ansiehen  des  Instrumentes  jedoch, 
um  die  £xtracUoa  zu  vollenden,  glitt  der  Cranioklast  ab  uud 
förderte  dabei  einen  grossen  Knochensplitter  sn  Tage,  —  deshalb 
musste   noch  jetsl  die  ^usc&*sche  Rephalotribe  angelegt  werden. 

Die  Qeburtsgeschichte  wurde  bereits  in  einer  Dissertation 
▼eröffeutlicbt  {Schniebs^  NonnuUa  de  embryoclaseos  methodis, 
dissert.    Lipsiae  1861). 

(Deutsche  Klinik,  No.  2,  10.  Jan.  1863.) 


C.    Braun:    Ueber    Wendung    der    Querluge    durch    Pnl- 
pation   während   der   Schwangerschaft. 

Braun  empfiehlt  angelegentlichtit  die  in  seiner  Klinik  »chon 
seit  Jahren  ron  den  Prakticirenden  emsig  und  häufig  geübte 
Wendong  der  Querlagen  in  die  besten  Längenlagen,  nämlich  in 
Kopflagen,  durch  Pal pation  wHhrend  der  letzten  Seh wangerschafts- 
monatc.  Den  Act  selbst  beschreibt  er  in  folgenden  Worten: 
„Die  Patientin  wird  auf  dieselbe  Heite  gelagert,  auf  welcher 
der  Kopf  des  Fötus  sich  befindet,  der  Arzt  stellt  sich  an  die 
RQckBctte  der  Frau,  legt  beide  Hilnde  auf  die  Stelle,  an  welcher 
der  ballottirende  Fötuskopf  gefunden  wird,  nimmt  abwechselnd 
knetende  Bewegungen  ror,  bis  der  Kopf  an  dem  Beckeneingange 
erscheint,  derSteiss  in  den  Fundus  uteri,  die  Fasse  in  ein  HoAi 
des  Uterus  getreten  sind  und  die  Fötalherztöne  nicht  mehr  in 
der  Kabelgegend,  sondern  davon  4  Zoll  seitlich  entfernt  hörbar 
bleiben.  Zur  vollkommenen  Sicherstellung  der  eraielten  Kopflage 
rauss  durch  eine  Untersuchung  durch  das  vordere  Laquear  der 
ballottirende  Kopf  mit  Sicherheit  erkannt  werden.*  Jede  Patientin 
mass  hierauf  allwöchentlich  explorirt  worden,  um  sicher  zu  sein, 
dass  ein  Ausweichen  des  Kopfes  nicht  wieder  stattgefunden  habe; 


XXII.    NotUen  atts  der  JoamaULIteratnr.  815 

ist  dies  geschehen,  was  wohl  manchmal  eintreten  mag,  ho  wi«d«p* 
hole  man  die  Palpation. 

(Allgem.  Wiener  Medic.  Zeitnng,  Dec.  1862,  No.  61.) 


Ihtpärequs:    Äccoachement    forc^    anstatt    des    Kaiser- 
schnittes. 

In  der  Socf^t^  de  m^decine  dv  d^partement  de  la  Seine 
berichtet  Dupareque  die  Resnitate,  die  Prof.  Verardini  in  Bologna 
bei  der  Ausfuhrnng  des  Accouchement  forc6  an  Verstorbenen 
gehabt  hat.  Seine  Ansichten  hierüber  habe  Dupareque  schon  im 
Torigen  Jahre  mitgetbeilt,  besonders  aber  das  Aeconchement  forc^ 
auch  auf  in  Agone  liegende  und  solche,  wo  der  sichere  Tod  fn 
kursor  Zeit  sn  entarten  stehe,  ausgedehnt.  Verardini.  ffihre  nun 
fönf  Fälle  auf,  bei  denen  das  Aeconchement  forc^  stattgefunden 
habe,  —  alle  seien  jedoch  nicht  näher  beschrieben  und  der  Zu- 
stand des  Muttermundes  etc.  vor  der  Operation  nicht  erwahiit. 
Bei  den  Sectionen  sollen  sich  dann  keine  Verletzungen  der  inneren 
nnd  Husseren  Genitalien  vorgefunden  haben.  Was  endlieh  das 
Resultat  der  Operationen  in  Bexug  auf  die  Rinder  anlange,  so 
seien  vier  davon  lebend  extrahirt  worden;  in  einem  Falle  war 
die  Schwangerschaft  nur  bis  zum  fünften  Monate  vorgeschritten; 
zwei  andere  Fälle  betreffen  Kinder  aus  dem  siebenten  Monate, 
der  andere  ein  reifes.  Endlich  wird  noch  ein  Fall  erwähnt,  in 
dem  die  Operation  glücklich  sowohl  für  die  Mutter,  als  auch 
für  das  Kind  gewesen  sein  soll,  —  das  ziemlich  ausgetragene 
Kind  wurde   lebend   extrahirt,   die  Mutter  aber,   die  für  todt  ge* 

■ 

halten  worden  war,  wieder  in  das  Leben  zurückgerufen. 
(Gazette  h^bdomadaire,  1802,  IX.,  No.  42.) 


C.  Mayrho/er:  Ueber  das  Vorkommen  von  Vibrionen  bei 
Wöchne  rinnen. 

Maprhoferf  zweiter  Assistent  in  der  Brat«n*schcn,  Klinik  stellt 
schon  seit  längerer  Zeit  verschiedene  Vprsnche  an,  nm  die 
Ursache  der  Pnerperalerkrankungen  zu  entdecken :  er  ist  nun  zu 
der  Tbfttsache  gekommen,  dass  .hierbei  Vibrionen  als  Ferment 
wirken  und  dieeelben  bei  Thieren  unter  die  Haut  oder  in 
den  Uterus  nadi-  dem  Wurf«.*  gebrfCcht,  örtliche  und  allgemeise 
Krankheitserscheinnngen  hervorrufen  können.  Auch  fand  Af itiyrAo/st' 
unter  79  gesunden  Wöchnerinnen  Vibrionen  bei  1,9  Procent  am 
fiinften,  bei  3,7  Procent  vom  sechsten  bis  nennten  Teg,  bei 
6,2  Procent  wnrden  sie  nicht  gefunden.  Bei  zwölf  an  Puerperal- 
Processen  erkrankten  Wöchnerinnen  fanden  sich  schon  vor  dem 
sechsten  Tage  in    sehn  Fällen  Vibrionen.     Bei  dreissig  vor  dem 


816  XXII.     Kotlses  ans  der  Journal -Litern  tu  r. 

füfiften  WocbenbetteUge  «m  Loohialsecrete  Torgenommener 
Unternnchnngen  wurden  in  keinem  einaigen  Falle  Vibrionen 
gefunden. 

(Wochenblatt  der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerate  in  Wien, 

1863,  No.  8.) 


Breslau :  Vorschlag  an  einer  neuen  prophylactischcn 
Desinfectionsmethode  des  Pnerpe  ralfieber  miasma 
in  Gebäranstalten. 

Der  geringe  Erfolg,  den  bisher  die  verschiedensten  Vor- 
kehrnngen  gegen  Fortbestehen  and  Weite rverbreitnng  des  Puer- 
peralfiebermiasma  in  Gebäranstalten  hatten,  bestimmt  Verf.,  die 
Entstehung  desselben  und  deren  möglichste  Verhütung  in*s  Ange 
au  fassen.  Die  Hauptquelle  des  doletären  Stoffes  yermuthet  er 
in  einem  chemischen  Umsetaungsprocess  der  Lochien.  Wie  alle 
Proteinkörper  werden  auch  deren  eiweisshaltige  Restandtheile 
unmittelbar  durch  atmosphärische  Einwirkungen  ru  Zersetsungen 
diaponirt  und  können  dann,  als  Fermente  wirkend,  andere  für 
sich  nicht  fänlnissffthige  Substanaen  zu  einer  entsprechenden 
Umsetaung  ihrer  Elementaratome  veranlassen.  Diesen  Zer- 
setaungsprocess  der  Lochien  unterbrechen  oder  verhindern  und 
so  der  Entstehung  des  fermentartigen  Miasma  zuvorkommen  au 
können,  glaubt  Verf.  durch  Benetsen  der  betreffenden  Wäsche 
und  Mobilien  mit  einer  starken  Lösung  des  hypermangansauren 
Kali  (Jij;  aq.  dest.  fSjJ,  welches  bekHuntlich,  mit  organischen 
Substanzen  in  Berührung  gebracht,  durch  schnelle  Abgabe  eines 
Theils  seines  Sauerstoffs  ozydirend  wirkt  und  so  eine  Ver- 
änderung und  Unterbrechung  der  elem^taren  Umsetzung  ver- 
anlasst. 

(Wien.  med.  Wochenschrift,  1863,  No.  6.) 


Breslau:     Ueber    die    günstige    Wirkung    starker    Pnr- 
gantien-beim  Puerperalfieber. 

Nachdem  Verfasser  ohne  befriedigenden  Erfolg  die  ver- 
schiedensten Mittel  gegen  die  Puerperalfieber  in  Anwendung  ge- 
sogen hatte,  adoptirte  er  die  Methode,  die  daran  Erkrankten 
mit  starken  Purgantten  zu  behandeln,  wie  sie  von  Sejifert  in  Prag 
im  ausgedehntesten  Maasse  angewendet  wird.  Die  26  Fälle,  in 
denen  er  seither  auf  diese  Weise  verfuhr,  und  von  denen  er  es 
bei  sechs  aweifelhaft  lässt,  ob  sie  dem  eigentlichen  Puerperal- 
fieber zuzuzählen  seien,  führt  er  in  genauen  Einzelberichten, 
wie  in  tabellarischer  Uebersicht  vor.  Der  Tod  trat  nur  in  drei 
Fällen  ein,  in  den  übrigen  erfolgte  Genesung;  einmal  entwickelte 


XXII.    Noftiaeii  ans  der  Jouriukl  -  Litertknr.  i)X7 

sieh  als  Nachkrankheit  ein  Beekenabseess ,  ein  andermal  eine 
wahrsehefnlich  metastntisehe  Mastids.  Der  Einflnss  der  Abfuhr- 
mittel  war  in  allen  Füllen  henrorsteehend,  nicht  bloss  hinsichtlich 
der  ihrer  n&cheten  Wirkung  folgenden  snbjectiren  Srleiohtemng, 
sondern  auch  In  Beang  anf  die  Höbe  des  Fiebers  (Temperatur, 
Pnb),  den  Meteorlsmns  and  die  Involntion  des  Uterus.  Die  auf 
Grand  dieser  Beobachtnngen  gewonnenen  Erfahmngen  fasst  Verf. 
in  den  folgenden  Sitaen  ansaamen.  Das  Purgans  ist  mdgliobst 
frühaeitig  (in  den  ersten  24  Standen  nach  Beginn  des  Fiebers) 
an  geben.  Es  ist  gleich  anfangs  ein  kräftiges  Abführmittel 
an  reichen  and  nöthigenfalls  aa  wiederholen.  Acute,  allgemeine 
oder  nnseheinbare  Peritonitis  contraindicirt  die  Abfahrmethode 
nicht,  iadeiD  dieselbe  kräftig  antiphlogistisch  wirkt,  and  es  anter 
ihrem  Einflasse  selten  aa  Bildung  grösserer  Exsudate,  meist  so 
einem  Zarfickgehen  des  entsttndlichen  Processes  kommt. 

Verf«  bedient  sich  gewöhnlich  des  infasum  Sennae  coropos. 
an  2— S  Unaen  mit  Zusata  Ton  1^-4  Drachmen  dal.  Seignetti  oder 
8al.  maar.,  ohne  jedoch  demselben  einen  unbedingten  Voraug  Tor 
%nileren  Abfahrroitteln  Tindieiren  au  wollen.  Die  Wirkung  er- 
folgt meist  in  den  ersten  6  Standen.  Die  ersten  Stühle  bestehen 
häufig  ans  geballten  Fäcalmassen,  die  weiteren  entleeren  halb- 
weiche, meist  mit  vielen  Darmgasen  gemischte,  die  folgenden 
Iwlb-  oder  gansflüssige,  acrös •  schleimige  Massen.  Die  günstige 
Wirkung  hängt  nicht  ab  yon  der  Menge  der  Stühle»  sondern  von 
ihrer  Ergiebigkeit  und  Qualität,  wobei  namentlich  sehr  massen- 
hafte Bntleemng  auf  einige  Male,  bald  nach  einander,  einen  recht 
wohlthätigen  Einflass  ausüben  kann,  und  halbweiche  oder  gana 
ilAaeige  Stähle,  wirkliche  Diarrhöen,  über  den  weiteren  Verlauf 
entacheidender  wirken,  als  die  blosse  Entleerung  der  im  Diok- 
darme  aarückgehaltenen  Fäces.  In  den  wenigsten  Fällen  genügt 
die  einmalige  Oabe  eine«  PurganM  —  hei  nicht  entscheidende m 
oder  nicht  nachhaltigem  Einflnsse  desselben  auf  den  Krankht'itn- 
▼erlauf  ist  eine,  selbst  öftere,  Wiederholung  des  Verfahrens  un- 
geaetgt.  Verf.  wechselt  dann  die  Mittel,  indem  er  als  sweites, 
drittes  etc.  Pnrgans  Ol.  Bicini  aa  1 — 2  Uasen,  Calomel  cu  6  bis 
20  Gr.  allein  oder  mit  Jalappe  giebt. 

(Archiv  der  Heilkunde,  t86S,  2.  Heft). 


BraOBton  HieJu:  Zwei  Falle  von  extranteriner  Schwano^er- 
Schaft. 

Der  Verfasser  veroff'entlicht  swei  Fälle  von  extrauteriner 
Schwangerschaft.  Der  erste  Fall  betraf  eine  32  Jahre  alte  Frau, 
die  schon  vor  acht  Jahren  das  erste  Mal  geboren  hatte.  Sic 
sowohl,  als  ihr  Mann  hatten  deutlich  mit  der  auf  den  Unterleib 
aufgelegten  Hand  Kindesbewegungen  gefühlt;  diese  verschwanden 


318  XXII.    Nötigen  aus  der  Journal  Litcrator. 

jedoch  im  September  1861  im  nennten  Monate,  en  welcher  Zeit 
anch  der  im  Unterleibe  befindUehe  Tnmor  seine  grdMte  Ana- 
dehnnn^  erreieht  hatte.  Ende  Jtonar  1862  fand  der  Verfaater 
einen  im  Abd^nen  siemlieh  eentralen  Tomor,  der  sieb  %  Zoll 
ttber  den  Nabel  aoMdehnte,  kogelrnnd  and  elaetieeh  war  und 
Pliisaigkeit  enthielt;  der  Cervicaltheil  des  Uterus  war  ver^röseert, 
doch  war  der  Mattermund  aelbst  nicht  für  eine  dünne  Sonde 
dnrchg&n(^g;  der  Ute  ras  selbst  lag  Tor  dem  Tnmor  mehr  nach 
rechts  hin  nnd  ragte  bis  zu  den  8chambeinen  empor.  Die  Winde 
der  Geeehwulst  waren  nicht  sehr  dick ,  durch  sie  hindurch  konnte 
man  einen  soliden  und  beweglichen  Körper  fühlen.  Acht  Tage 
nach  dieser  Untersuchung  rerminderte  sich  plötslich  der  Tumor 
in  seiner  Grösse,  es  erfolgte  £rbrechen  und  fStid  riechender, 
flüssiger  Stuhl;  früher  sehr  starke  Schmeraen  in  der  linken 
Hälfte  des  Tumor  mftssigten  sich  hierauf.  Ungefllhr  awei  Wochen 
später  aeigte  sich  die  Geschwulst  um  2  Zoll  in  ihrer  Grösse 
▼ermindert,  war  resonant  und  breitete  sich  mehr  von  einer 
Fossa  sur  anderen  aus..  Der  Allgemeinanstand  verschlinmerte 
sich  mehr  und  mehr,  es  entstand  Oedem  der  unteren  Extremitäten 
und  man  schritt  deshalb  am  2.  April  sur  Operation.  Hicks  machte 
in  der  Medianlinie  eine  3  Zoll  lange  Incision,  —  hierbei  aeigte 
sich  aber  leider,  dass  der  Back  nicht  mit  dem  Peritonäam 
verwachsen  war.  Durch  leichten  Druck  hielt  man  die  Banch- 
wandnngen  mit  denen  der  Kyste  in  Contact;  der  putride  Fotos 
wurde  dann  Torsiehtig  in  seinen  einaelnen  Theilen  entfernt, 
der  Sack  mit  Schwämmen  vorsichtig  ausgetnpft  nnd  der  obere 
Theil  der  Wunde  mit  awei  Suturen  vereinigt.  Leider  hatte 
aich  während  der  ßntfemuog  dos  Kopfes  ein  Theil  der  Kjatan- 
wand  aurückgeaogen  nnd  hatten  dadurch  einige  Darmsohling^n 
hervortreten  können.  Nach  12  Stunden  erfolgte  der  Ted.  Die 
Seetion  aeigte,  diiss  der  ganse  Hack  im  grossen  und  kleinen 
Becken  überall  adhärent  war  mit  der  einsigen  Ausnahme  der 
vorderen  rechten  Seite  von  der  Medianlinie  an.  Der  Ute  ms  fand 
sieh  vorn  in  der  Mitte  des  Sackes,  um  ihn  herum  aeigte  sich 
adhäsive  Bntanndung,  wodurch  eine  Compression  der  Venae  iliacae 
und  dadurch  das  Oedem  der  unteren  Extremitäten  entstanden  war. 
Ebenso  aeigten  sich  feste  Adhäsionen  an  das  ileum,  an  die 
Pleznra  sigmoidea  und  an  einen  Theil  des  Rectum.  Die  Oeffnung, 
durch  welche  das  Fruchtwasser  abgeflossen  und  die  Luft  ein- 
gedrungen war,  konnte  nicht  aufgefunden  werden. 

Der  andere  Fall  betrifft  eine  40  Jahre  alte  Frau,  Mutter 
mehrerer  Kinder;  seit  vier  Jahren  hat  sie  eine  Geschwulst  im 
Unterleihe,  die  sich  stationär  verhielt,  doch  in  der  letaten  Zeit 
etwas  an  Grösse  verlor,  so  dass  sie  zwischen  Schambeinverbindnng 
und  Nabel  stand  und  sich  dabei  mehr  nach  links  neigte.  Am 
finde  des  vierten  Jahres  nach  der  Oonception  aeigte  sich  im 
Ürlne   viel   Eiter,    die   Blase   war  sehr    reisbar,    das  Harnlassen 


XXIIl.     Literiitiir.  319 

Mihr  beaeliwerUoh ;  4ie«e  Syaptome  worden  immer  heftig^er,  e$ 
••tatsiid  Oytnrie.  Bain  Katheterisireo  konnte  men  in  der  üUse 
folide  Körper  entdeeken.  Der  AUgemeiosnataBd  der  JCraakea 
pnnle  iniBer  bedenklicher,  die  Abmagerung  bedeutender.  £« 
wnrde  deehalb  die  Entfernung  der  Beete  de^  Fütas  bes^sljLlosBen. 
HUks  machte  so  diesem  Behufe  einen  2'/«  Zoll  langen  Kinschnitt 
Unke  Ton  der  Medianlinie,  —  glücklicher  Weise  war  der  Sack 
mit  dem  Peritonftnm  Terwachsea.  Die  tchon  vollkommen  von 
einander  getrennten  Knochen  wnrden  mit  einer  Kronsange  eut- 
lernt»  die  Wunde  hieranf  in  ihrem  oberen  Tbeile  geschlossen 
nnd  ein  S- Katheter  in  die  Blase  gelegt.  Die  Kranke  erholte 
sich  anegeaei ebnet,  vom  17.  Tage  an  bis  sam  Ende  des  aweiten 
Ifoaats  nach  der  Operation  iat  kein  Urin  aus  der  äusseren  Wunde 
anegetreten,  der  Urin  kann  ohne  Beschwerde  eine  Stunde  lang 
in  der  Blase  gehalten  werden  und  seigt  keinen  Eiter  mehr. 
{Gup'B  Hospital  Keports,  Tbird  iäeries,  Vol.  VIll.) 


XXIIL 

Literatur. 


Kün»k4s   Ueber  üas  Erkennen  der  Zwillingssch wanger- 
sehaft.     Göttingen  1861. 

Nach  Zusammenstellung  der  Ansichten  der  Autoren  über 
Zwiilingsscbwangerscbnft  und  einer  Uebersicht  über  die  als  Zeichen 
derselben  angenommenen  allgeuieineu  und  Örtlichen  Zeichen  der- 
.««elben  theilt  Verfasser  die  von  ihm  beobachteten  sechs  Fülle 
von  Zwillingsscbwangerschaft  mit.  Unter  Zugrundelegung  dieser 
scheidet  er  die  ZwillingsfichwangerschaftMzeichen  in  nicht  constunte, 
auf&Uige,  accessorische  einerseits,  und  in  constante,  abRolnt 
charakteristische.  Letstere  sind  nach  ihm:  die  Grösse  und  eine 
gewisse  eigenthümliche  Gestalt  der  Gebärmutter,  das  Vernehmen 
eines  aweifacben,  an  gesonderten  Stellen  uAi  tonlosem  Zwinchen- 
ranme  liegenden  Doppelf(>talbers8cblages,  der  Asynchrouisnins 
desselben.  Das  erste  dieser  Zeichen  ahiangciid  soll  der  Uterus 
in  allen  Dimensionen  zugleich  eine  sehr  beträchtliche  Ausdehnung 
erfahren,  beide  Seiten  des  Bauches  ausfüllen  und  beiderseits 
mehr  oder  weniger  die  Wirbelsäule  erreichen ,  oben  sich  an  oder 
unter  die  falschen  Rippen  und  in  die  Herzgrube  erstrecken, 
ausserdem    eine    median    uder    etwas    srbräg   verlaufende,    sich 


360  XXIII.    Litoratar. 

früher  oder  spftter  verliereode  Furche  oder  AbpUttvn^  wahr^ 
nehmen  lassen.  Dieses  Zeiehen  dürfte  Jedoch  ksnin  den  Wertb 
betitsen,  den  Verfasser  ihm  suschreibt,  da  eine  derartig^  Farcha 
nicht  selten  aach  bei  einfacher  Froeht,  eine  gleichmllBsig^,  atarka 
Ausdehnung  des  Uterus  auch  bei  anderen  Znstftnden  beobachtet 
wird.  Hinsichtlich  der  diagnostischen  Wichtigkeit  des  an  awei 
durch  einen  tonlosen  Zwischenraum  getrennten  Orten  hSrbareii 
P5tnlherssch1ages  wird  dieselbe  durch  die  meisten  Beobachter 
bestUtigt.  Verfasser  geht  so  weit,  die  Ansicht  ausausprechen, 
dass  mittels  beider  Zeichen  die  Diagnose  der  Zwillingsschwange^ 
Schaft  immer  möglich  sei.  Das  dritte  jener  Zeichen  beruht  in 
der  Chronologie,  und  twar  in  dem  Asynchronismus  sweier  gleich- 
seitig perclpirter  Fötalhersschläge.  Schon  Kergaradee  halte 
denselben  als  diagnostisches  Hnifsmittel  Tor geschlagen.  Die 
bisherigen  Beobachter  (Du^ott,  NaegtU^  Depaul)  waren  se 
keinen  sicheren  Resultaten  gelangt.  Verfasser  weist  ihnen  indesa 
swei  Fehlerquellen  nach,  einmal  eine  Begriffsverwechselnng, 
indem  sie  gleiche  Frequens  und  Synchronismus  als  identisch 
aufgefnsst  haben,  sweitens  die  absolute  Unmöglichkeit,  bei  der 
Art  ihres  experimentellen  Vorgehens  über  die  Chronologie  ver- 
schiedener HersschlSge  su  entscheiden.  Alle  Beobachter  haben 
bisher  die  Zwillingshersschläge  nur  nacheinander,  niemals  neben- 
einander gehört,  und  auch  nicht  hören  können,  da  es  an  einer 
anscultatorisohen  Vorrichtung  mangelte,  die  es  £lnem  Unter- 
suchenden ermöglicht,  die  Herstöne  sweier  Früchte  gleicbaeitig 
au  auscultiren.  Eine  solche  fand  Verfasser  in  swei  Stethoskopen, 
die  er  je  mit  einem  Guttaperchaschlauch  yerband,  dessen  freies 
Ende  er  sich  in  das  betreffende  Ohr  klemmte.  Vermittele  dieses 
Doppelhörrohres  vermochte  er  die  Herascblilge  sweier  Er- 
wachsenen, sweier  mehrere  Tage  alter  Kinder,  sowie  der  Früchte 
von  swei  verschiedenen  Schwangeren  seu  gleicher  Zeit  gesondert 
SU  hören,  —  dagegen  hatte  sich  ihm  seitdem  noch  kein  Fall 
dargeboten,  Zwillingsherstöne  in  ihrer  chronologischen  Wechsel- 
besiehung  damit  nachsuweisen. 


XXIV. 

lieber 

krampfhafte    Zusammenziehungen    des    Uterus, 

speciell  über  spastische  Stricturen  des  äusseren 

Muttermundes  in  der  Eröffnungsperiode. 

Von 

Dr.  J.  Poppel  in  München. 

Einige  Fälle,  die  ich  als  Praktikant  in  der  hiesigen 
geburtshülflichen  Poliklinik  zu  beobachten  Gelegenheit  halte, 
geben  zu  den  folgenden  Bemerkungen  über  obengenannte 
Weheuanomalien  Veranlassung.  Herr  Prof.  Heck&r  hat  mir 
neben  diesen  auch  noch  einige  hierhergehörige  im  Gebärhanse 
Torgekommene  Geburtsfalle  zu  veröffentlichen  erlaubt.  Ich  will 
mich  nicht  auf  die  von  den  Autoren  aufgestellte  Eintheiiung 
der  krampfhaften  Contractionen  in  allgemeine  und  partielle, 
klonische  und  tonische,  primäre  und  secundäre,  rein  spastische, 
rheumatische,  inOamma(orische  näher  einlassen,  so  wenig  wie 
auf  die-Aetiologie  und  Symptomatologie,  von  denen  ich  nur  schon 
längst  Bekanntes  wiederholen  könnte,  nur  die  therapeutischen 
Maassregi'ln  scheinen  mir  eingehender  Besprechung  würdig. 

Was  zunächst  den  allgemeinen  tonischen  Krampf,  den 
Tetanus  uteri,  betrifft,  so  findet  man  in  den  Lehrbüchern 
so  präcise  Angaben  über  die  Behandlung  desselben,  dass  der 
Anfänger,  wenn  ihm  auch  wohl  am  Schlüsse  der  betreffenden 
Belehrungen  gesagt  wird,  es  könnten  in  seltenen  FäHen  alle 
Mittel  im  Stiche  lassen,  und  man  sei  dann  auf  ein  rein 
exspeclatives  Verfahren  beschränkt,  doch  zu  leicht  sanguinischen 
Hoffnungen  sich  hingiebt  und  in  Aderlässen,  Bädern,  Opium, 
CUoroform  bei  nur  consequenter  und  energischer  Anwendung 
die  sichersten  Garantieen   für  eine  gluckliche  Behandlung  zu 

MoMtosehr.  f.  aebartsk.  1868.  Bd.  XXI.,  Hfl.  6.  2 1 


322     XXIV.    Poppet,  lieber  krampfhafte  Znsammensiehuiigen 

besitzen  glaubt  Ich  beobachtete  erst  vor  einigen  Wochen 
einen  solchen  sogenannten  Schulfall,  bei  dem  man  sich  über 
den  eclatanten  Erfolg  freuen  musste,  und  den  ich  mir  gerade 
deswegen  kurz  anzufüliren  erlaube. 

Erster  Fall.  Bei  einer  26jährigen  Drittgebärenden, 
bei  der  die  zwei  vorhergehenden  Geburten  normal  verlaufen 
waren,  hatte  die  Eröffnungsperiode  am  1.  November  1862 
sieben  Stunden  gedauert,  als  bei  fast  erweitertem  Mutter- 
munde das  Wasser  abfloss;  kurz  darauf  änderten  sich  die 
bislter  regelmässigen  Wehen  plötzlich  der  Art,  dass  eij» 
tonischer  Krampf  des  Uterus  eintrat,  der  der  Kreissenden 
die  heftigsten  Schmerzensäusserungen  erpresste.  Der  Uterus 
fühlte  sich  steinhart  an,  war  äusserst  empfmdiich  bei  Be- 
rührung, und  es  erfolgte  gar  keine  Pause  der  Schmerzen 
und  Contractionen ;  auch  der  Muttermund  participirte  an  dein 
Krämpfe  und  hatte  sich  strangartig  um  den  vorliegenden 
Kopf  des  Kindes  auf  Kronenthalergrösse  zusammengezogen. 
Die  Herztöne  waren  hnks  anfangs  noch  regelmässig  zu  hören, 
doch  schon  nach  V4  Stunde  nahmen  sie  einen  unregelmässigen 
Rythmus  an.  Durch  energische  Narkotisirung  mit  Opium  (inner- 
lich 2  Gr.,  durch  Klystiere  1  Gr.  innerhalb  einer  Sumde),  und, 
als  dasselbe  nicht  sclmell  genug  den  gewünschten  Erfolg  zu 
haben  schien  und  die  Herztöne  des  Kindes  immer  schwacher 
und  unregelmässiger  wurden  und  bis  auf  80  in  der  Minute 
sanken,  durch  ein  V2  Stunde  dauerndes  sehr  warmes  Vollbad^ 
zu  dem  man  sich  trotz  Abfluss  des  Fruchtwassers  und  trotz 
fast  erweiterten  Muttermundes  entschloss,  da  durch  längeres 
Wai'ten  das  Leben  des  Kindes  sicher  verloren  gegangen  wäre, 
hatte  man  die  Genugthuung,  nach  Vollendung  des  Bades, 
während  dessen  die  Sclmierzen  schon  ganz  nachgelassen 
hatten,  nicht  nur  die  Herztöne  der  Frucht  wieder  auf  120 
steigen,  sondern  auch  nach  kaum  einer  halben  Stunde  die 
Geburt  eines  schwach  asphyctisciien  Knaben  erfolgen  zu  sehen. 

S#  einfach  und  sicher  in  diesem  Falle  die  Behandlung 
zum  Ziele  geführt  hatte,  so  erfolglos  blieb  sie  in  einem  anderen 
von  ungemein  hartnackigem  Tetanus  uteri;  derselbe  kam  im 
Gebärhause  zur  Beobachtung. 

Zweiter  Fall.  Eine  33  Jahre  alte  Zweitgebärende 
wuixle    am    21.   November    1861    in    die    Gebäranstalt    auf* 


4»s  Ut«ras,  «peeiell  über  spattiaefae  Strieturen  ete.      828 

geooHioieii;  die  Anamnese  ergab,  dass  sie  bei  ihrer  ersten 

Ceburt  am  8.  Jaonar  1856  tetaniscbe  Wehen  gehabt  haben 

soll,   weshalb  ihr  ein  Aderlass  von  16  Unzen  gemacht,   und 

das   Kind,    ein   lebendes   Mädchen,    später   mit   der   Zange 

entwickelt    wurde.      Nachdem    sie    in    der    gegenwärtigen 

Schwangerschaft  ausser  der  Anstalt  Weben  bekommen  und  am 

31.  November  früh  Sy^  Ulur  das  Fruchtwasser  verloren  hatte, 

fand  man  um  7  Uhr  Morgens  den  Muttermund  kronentfaaler* 

grosa  erweitert,  scharfrandig,  den  Kopf  ziemlich  fest  in  dem 

Beckeoeingange  stehend,  von  links  her  eine  Nabelschnurschlinge 

wenig  aus  dem  äusseren  Muttermunde  hervorgetreten;  dieselbe 

pulsirte    deutlich,   auch    waren   die    Herztöne   am  Abdomen 

regelmässig  rechts  zu  hören;  während  einer  Webe  hörte  die 

Pulsation  in   der  Nabelschnur  auf.     Unter  Chloroformnarkose 

wurde  sofort  die  Reposition  der  letzteren  mit  der  rechten 

Hand    vorgenommen,    sie    gelang    vollkommen,    indem    die 

Nabelschnur   sehr   bald,   nachdem   die   halbe    Hand   in    den 

Muttermund   eingeführt  worden   war,    oberhalb    des   inneren 

Muttermundes  verschwemd,   welcher  sich  gleich  darauf  fest 

um   den   Kopf  herumlegte;   die  Herztöne    waren    nach   der 

Reposition  deutlich  zu  hören.    Nach  dem  Erwachen  aus  der 

Chlorofonnnarkose  zeigten  sich  an  dem  plethorischen  Individuum 

convulsivische  Erscheinungen:  feste  tetaniscbe  Schliessung  des 

Unterkiefers,    leichte    Zuckungen    der    oberen    Extremitäten, 

atiere  glänzende  Augen,  sehr  geröthete  Wangen,  ein  langsamer 

drahtartig  gespannter  Puls.    Auch  die  Wehen  nahmen  sehr 

bald  einen  tetaniscben  Charakter  an,   der  sich  in  anhaltend 

steinharter    und    schmerzhafter    Reschaffenheit    des    Uterus 

manifeatirte.    Es  wurde  sofort  ein  Aderlass  instituirt,  innerlich 

eine  Potio  Riveri   mit  Opium  gegeben,  jedoch  blieb   dieser 

krampfhafte  Zustand  des  Uterus  durch  volle  zwei  Tage  ganz 

derselbe:  weder  fortgesetzte  grosse  Gaben  Opium,  noch  Räder, 

noch   Einreibungen    von   Relladonnasalbe    auf  den   Unterleib 

konnten  eine  Aenderung  herbeiführen;  das  Leben  des  Kindea 

war  notorisch  sdion  lange  erloschen,  denn  am  22.  November 

früh  5  Uhr  hatte  man  die  Herztöne  das  letzte  Mal  gehört, 

und  man  k/>nnte   an   dem  vorliegendeo  Kopfe   einen  rasch 

lörtachrcitonden  Fäulnisspmeess  durch  BcUottrigwerden  der 

Kopf knocbeo  und  durch  Rildung  einer  beutelförfnigen  Fäulniss* 

21  * 


324      XXIV.    Poppet y  lieber  krampfhafte  ZatRmnensiebtnageii 

geschwulst  der  Kopfschwarle ,  die  später  selbst  emphysematöses 
Knistern  wahrnehmen  Hess,  constatiren,  auch  verbreitete  sich 
bei  jeder  Untersuchung   ein   höchst  penetranter  Verwesungs- 
geruch.   Dabei  flösste  das  Befinden  der  Mutler  allmälig  immer 
mehr  Befürchtungen  ein;  nachdem  schon  am  ersten  Tage  ein 
einmaliges   starkes  Erbrechen   erfolgt   war,   wiederholte   sieh 
dasselbe    am    folgenden   Tage   öfters   und   forderte   viel   grün 
gefärbte   Massen   zu   Tage,   auch   Febricitationserscheinungen 
mit  einem  Pulse  von  120  und   einer  Scheidentemperatur  von 
38,2  C.  waren  aufgetreten.     Man   sah   sich   also  durch  voMe 
zwei  Tage   nicht  in   der  Lage,   anders   als  medtcamentös  in 
den  Geburtsverlauf  einzugreifen,   und  erst   am  23.  November 
früh  9  Uhr  schien  der  Muttermund  der  Zangenanlegung  kein 
bedeutenderes    Hindemiss   mehr   entgegenzusetzen.     Di^   An- 
legung,  die   in   dem   bedenklichen  Zustande   der  Mutter  ihre 
dringende  Indication  fand,  war  wegen  der  schlotternden  Kopf- 
knochen  etwas  schwierig;  als  man  damit  zu  Stande  gekommen 
war  und  vorsichtige  Tractionen  zu  machen  anfing,  folgte  zwar 
der  Kopf  und    man   brachte   ihn  bis  in  den  Beckenausgang, 
aber    das   Instrument    war    dabei    mehrmals    vollständig    ab- 
geglitten, oder  hatte  wenigstens  der  Art  seinen  Halt  verloren, 
dass  man    die  Löffel  wieder  in  die  Höhe  schieben  oder  ganz 
neu  anlegen   musste.     Zur  gänzlichen  Herausbeförderung  be- 
nutzte man  zuletzt,  da  die  Zange  an  dem  nachgiebigen  Kopfe 
Immer  wieder   abrutschte,   nach    vorangegangener  Perforation 
den   Stmpson'schen   Cranioklasten,    ohne    auch    mit   diesem 
und   der  Mesnard'schen   Knochenzange   die   Schädelknoch^n 
fest  fassen   zu   können,   so  dass  man  noch  die  Finger  durch 
Einführung  in  die  Augenhöhle  zu  Hülfe  nehmen  musste.    Die 
Entwicklung  der  Schultern  gelang  erst,  als  man  den  rechten 
Arm  hervorgezogen,   an   eine  Schlinge   gelegt  und   an  dieser 
wie   an   dem  Kopfe   angezogen   hatte.     Bei  diesen  Manövern, 
namentlich  der  Zangenanlegung  und  dem  Ausziehen  des  Rumpfes 
hörte   man   wiederholt  ein   gurrendes   schlürfendes  Geräusch, 
wie  wenn   sich  Luft   im  Uterus   befände.     Das  Kind  war  ein 
Knabe  von  6^Vi6  Pfund  Zollgewicht  und  55—57  Centimeter 
Länge  und  hatte  einen  unerträglich  intensiven  Fäulnissgeruch. 
Wegen  Gefahr  der  Resorption   deletärer  Stoffe  wurde  sofort 
die  Placenta,  die  an  der  vocderen  Wand  des  Uterus  adhärent 


' 


4mi  UtonM,  ap^ci«!!  iil>«r  fpAatiach«  StmUren  et«.      325 

manuell  eotfernt  Die  Nabelschnur  war  88  Centimetei* 
Jaog  und  seitlich  inserirL  Die  Wöchnerio  bekam  eine  Stunde 
post  partum  einen  heftigen  Schüllelfrosl ;  Empfindlichkeit  und 
AufgeUriebenheit  des  Abdomens,  heftiges  Fieber,  Erbrechen, 
Diarrhöen  ToUendeten  das  Bild  einer  Metroperitonitis,  der  sie 
am  29.  November  erlag. 

Folgender  Fall  war  für  das  Kind  von  gleich  ungünstigem 
Ausgange,  nur  gestattete  die  Beschaffenheit  des  Muttermundes 
schon  zu  einer  früheren  Zeit  die  operative  Beendigung  der 
iör  die  Mutter  so  überaus  qualvollen  Geburt. 

Dritter  Fall.  Eine  37jährige  Erstgebärende  (Geburts* 
bülfliclie  Poliklinik)  fing  am  18.  November  1862  an  zu  kreisen. 
Die  Wehen  waren  den  ganzen  Tag  über  schwach  und  selten, 
aber  schon  ziemlich  empfindlich.  Nachdem  bei  immer  schmerz- 
hafter werdenden  Wehen  und  fast  eröffnetem  Muttermunde  in 
der  Nacht  vom  18.  auf  den  19.  um  10  Uhr  das  Fruchtwasser 
abgeflossen  war,  stellten  sich  nach  Aussage  der  Hebamme 
bald  Gontinuirliche  tetanische  Uteruscontractionen  ein,  die  die 
Kreissende  in  die  grösste  Unruhe  versetzten.  Früh  7^8  Uhr 
am  19.  November  sah  ich  dieselbe  zuerst  und  fand  den 
besdiriebenen  Zustand  in  noch  immer  gleich  heftigem  Grade 
aadaaem.  Der  Uterus  fühlte  sich  durchweg  steinhart  an  und 
durfte  kaum  leise  berührt  werden,  ohne  dass  man  der  Frau 
die  grossten  Schmerzen  verursachte,  der  Muttermund  war 
vollkommen  erweitert  und  nahm  nicht  Theil  am  Krämpfe; 
vorliegend  fand  sich  der  Kopf,  an  dem  wegen  starker  Kopf- 
geschwulst keine  Nähte  zu  fühlen  waren,  er  stand  in  der 
Beckenenge;  der  kindliche  Herzschlag  konnte  nicht  entdeckt 
werden.  Da  demnach  das  Kind  als  abgestorben  betrachtet 
werden  musste,  sah  man  naturlich  vor  der  Hand  von  einer 
Operation  ab  und  versuchte  medicamentös  einzuwirken.  Jedoch 
weder  Opium  innerlich  in  grossen  Dosen,  noch  Morphium 
subcutan,  noch  (in  Ermangelung  eines  Bades)  Cataplasmen 
auf  den  Leib,  noch  Chloroforminhalationen  konnten  auch  nur 
einigerraaassen  die  Aufregung  der  Kreisseuden,  die  mit  Ungestüm 
die  Befreiung  von  ihrem  qualvollen  Zustande  forderte,  beseitigen. 
Man  entschloss  sich  nun  zu  vollständiger  Narkotisirung  mit 
CUoroform,  um  dann  einen  Versuch  der  Zangenoperation  zu 
maehen.    Die  Narkose  trat  sehr  langsam  und  nach  Verbrauch 


326     XXIV.   Foppti,  Ueber  krampfhafte  ZMamm^mielraiigen 

TOD  Ober  einer  Unze  Cbloreform  ein.  Die  Anlegung  der 
Zange  um  10  Uhr  Vormittags  mit  den  grössten  Schwierigkeilen 
verbunden;  man  konnte  schon  mit  den  Fingern  in  der  Gegend 
des  inneren  Muttermundes  ein  straffes  Umscfaiiessen  des 
Uterus  um  den  kindlichen  Kopf  constatiren,  und  wurde  dieses 
Hindernisses  auch  beim  Vorschieben  der  Zangeiriöfibl  nur 
langsam  Herr,  wobei  sich  dieselben  jedes  Mal  so  warfen,  dass 
man  mit  dem  Schlüsse  der  Zange  nicht  zu  Stande  kam. 
Man  war  gezwungen,  die  Löffel  drei  Mal  von  Neuem  anio* 
legen,  bis  endlich  die  Schliessung  gelang.  Nach  fönfzehn 
mit  aller  Kraft  ausgeführten  Tractionen  wurde  der  Kopf  erst 
zum  Durchschneiden  gebracht,  und  auch  dann  noch  mussle 
man  bei  der  £leyation  mit  grosser  Kraft  ziehen,  um  ihn 
vollends  zu  entwickeln;  die  Extraction  der  Schultern  und  des 
Rumpfes  ging  leichter  von  Statten.  Das  Kind  war  todi, 
weiblichen  Geschlechts,  hatte  35  Centimeter  Kopfumfang  und 
60  Centimeter  Körperlänge.  Auffallend  an  dem  Kinde  war 
ein  sehr  langgestreckter  Hals,  als  ob  ein  starker  Zog  an  ihm 
ausgeübt  worden  wäre,  und  grosse  Steifigkeit  des  ganzen 
Körpers,  namentlich  auch  der  Extremitäten,  die  man  wohl 
als  schon  intrauterin  aufgetretene  Todtenstarre  deuten  mnsata 
Nach  Vollendung  der  Geburt  gingen  grosse  Klumpen  geronnenea 
Blutes  ab,  auch  rieselte  fortwährend  flüssiges  nach,  obwohl 
der  Uterus  gut  contrahirt  war.  Bei  einem  schwachen  Zuge 
an  der  Nabelschnur  riss  die  Hebamme  dieselbe  vollständig  ab. 
Da  die  Blutung  in  nicht  unbedeutendem  Grade  anhielt,  ging 
ich  mit  der  ganzen  Hand  durch  den  schon  stark  contrahirten 
inneren  Muttermund  ein  und  musste  noch  eine  sehr  mühsame 
Lösung  der  theilweise  adhärenten  Placenta  vornehmen,  mühsam 
deswegen,  weil  die  Frau  inzwischen  aus  der  Narkose  erwacht 
war  und  aufs  heftigste  gegen  den  durch  die  Hand  ausgeübten 
Reiz  reagirte.  Die  Placenta  schien  bis  auf  ein  sechsergrosses 
Stück  vollständig  zu  sein,  der  Nabelstrang  war  velamentös 
inserirt  gewesen.  Die  ersten.  Tage  des  Wochenbettes  gaben 
zu  den  ernstesten  Befürchtungen  Veranlassung.  Das  Fieber 
war  sehr  stark  (144  Pulsschläge  in  der  Minute).  Der  Le3i 
trieb  sich  trommelartig  auf,  war  äusserst  empfindlich,  es  trat 
mehrmaliges  Erbrechen  grüner  Massen  auf,  der  Lochialfluss 
war  sehr  übelriechend;  nachdem  man  jedoch  am  dritten  Tage 


des  VUfnmj  «p«cieB  ilber  «pftsÜMbe  fitriottrea  «U.      9S7 


ä&reh  Klystire  und  ein  funfgrfiniges  Calainelpulver  die  Ent- 
leerung einer  cok>ssalen  Menge  von  Fäces  bewirkt  hatte, 
besserte  sich  der  Zustand  der  Wöchnerin  von  Tag  zu  Tag, 
so  dass  sie  nach  vierzehn  Tagen  aus  der  Behandlung  ent* 
fassen  werden  konnte. 

Man  hatte  in  diesen  beiden  Fällen  so  2iemMch  atte 
Mittel  energisch  angewendet,  ohne  auch  nur  eine  Spur  tob 
Erfolg  zu  bemerken.  Fär  das  Kind  wird  man  in  ähnlichen 
Fallen  selten  nn  Stande  sein,  auch  nur  das  Geringste  zu 
tlran,  denn  es  wird,  wenn  nicht  bald  der  Krampf  gehoben 
werden  kann,  unfehlbar  eher  durch  die  Stönmg  des  Placentar* 
kreislaufes  zu  Grunde  gehen,  als  operative  HöMe  geleistet 
werden  kann  und  darf;  und  worin  soll  die  operative 
Hülfe  bestehen,  selbst  angenommen,  dass  der  Muttermund 
k^n  Hindemiss  mehr  darbieten  sollte?  Bei  hochstehendem 
Kopfe  könnte  doch  wohl  von  der  Wendung  keine  Rede  sein, 
da  der  Uteras  das  Kind  zu  fest  umschliesst,  als  dass  die 
Hand  dazwischen  eindringen  könnte;  im  Gegentheü  wurde  <»n 
V^such  den  Zustand  nur  verschlimmern.  Aber  auch  die 
Zangenanlegung  hat  ihre  grossen  Bedenken,  denn  wenn  es  sich 
einmal  um  Lebensgeföhr  für  das  Kind  handelt,  wird  man  die 
Operation  nie  früh  genug  beenden  können,  weil  man,  abgesehen 
von  der  Schwierigkeit  der  Einfuhrung  der  Zangenlöffel,  die 
grössten  Widerstände  von  Seite  des  das  Kind  straff  um- 
spannenden Uterus  zu  überwinden  hat;  deshalb  erforderte 
gewiss  auch  in  den  beiden  Fällen  die  Entwickelung  des  Kopfes, 
und  in  dem  einen  auch  noch  die  des  Rumpfes,  so  beträchtr 
Kche  Kraftanstrengungen,  denn  bei  beiden  war  kein  Hinderniss, 
das  vem  Becken  ausgegangen  wäre,  zu  beschuldigen  gewesen. 
Werai  für  das  Kind  fast  gar  nichts,  so  ist  für  die  Mutter  in 
sdchen  hartnickigen  Fällen,  wie  der  No.  2  erzälilte  war, 
sehr  wenig  zu  thun.  Von  Stunde  zu  Stunde  wird  die  Indication 
der  Entbindung  dringender,  und  doch  verbietet  meist  der  am 
Krämpfe  theilnehmende  Muttermund  ein  Einschreiten  der  Kunst. 
Soll  man  sich  zur  blutigen  Erweiterung  desselben  entschliessen? 
Ich  glaube,  dass  die  Gefahr  des  Weiterreissens  des  Schnittes 
in  dem  unnachgiebigen  Gewebe  davon  abhalten  muss.  Und 
auch  dann,  wenn  die  Erweiterung  des  Muttermundes  zu 
(^>mrai  erlaubt,  kann  die  Zangenanlegung  und  die  Extraction 


328     XXI Y.   Pof»ptf{,  I7«ber  Ikiampfluifte  ZMainiD««si0biiiigen 

nicht  nur,  wie  diese  zwei  Fälle  beweisen,  ungewihnliebe 
Kraflanstrengangen  erfordern,  sondern  es  kann  selbst  die 
Entbindung  unmöglich  sein.  Am  gefährlichsten  scheinen  solche 
krampfhafte  Contracüonen  zu  werden,  die  nur  an  dem  unteren 
Abschnitte  des  Uteruskörpers  als  sogenannte  ringartige  Stricturen 
auftreten.  Ihr  Sitz  ist  insofern  Gegenstand  des  Streites,  als 
manche  Autoren  ^)  behaupten,  am  unteren  Theile  des  Uterus* 
körpers  sei  nach  der  anatomischen  Anordnung  der  Muskel* 
fasern  eine  ringförmige  Striclur  nicht  möglich,  und  in  den 
beschriebenen  Fällen  habe  eine  Strictur  des  inneren  Mutter- 
mundes, welcher  Kreisfasern  besitzt,  bestanden. 

Wie  dem  auch  sei.  Von  der  Trostlosigkeit  der  Behandlung 
zeugen  wohl  hinlänglich  jene  zwei  berüchtigt  gewordenen  Fälle 
Yon  Böcker  ^)  und  Erhardt,^  die  eine  Zeit  lang  zu  der 
Ventilation  der  Frage  Anstoss  gaben,  ob  nicht  als  letztes  Mittel 
der  Kaiserschnitt  erlaubt  und  gefordert  sei.  Zwei  ähnliche 
Fälle  erzählt  Prof.  L.  Lehmann^)  in  Amsterdam,  in  welchen 
die  Mütter  unentbunden  sterben  mussten.  Da  dieselben  in 
holländischer  Sprache  erzählt  sind  und  wohl  deswegen,  so  yiei 
mir  bekannt,  in  deutschen  Journalen  bis  jetzt  keine  weitere 
Erwähnung  gefunden  haben,  durfte  es  am  Platze  sein,  wenigstens 
den  einen  derselben,  der  von  Lehmann  seihst  beobachtet 
und  näher  mitgetheilt  worden  ist,  hier  kurz  anzuführen. 

Bei  einer  32jährigen  Drittgebärenden,  die  das  erste  Mal 
von  Lehmann  selbst,  das  zweite  Mal  von  einem  anderen 
Arzte  durch  die  Zange  von  einem  lebenden  Kinde  entbunden 
worden  war,  und  bei  der  eine  geringe  Verengerung  der  Gonjugata 
bestond  (SVs  Zoll),  fingen  die  Wehen  am  30.  Juli  1854  Abends 
an  und  floss  das  Fruchtwasser  um  7  Uhr  ab.  Als  darauf  bei 
erweitertem  Muttermunde  einige  Stunden  lang  die  Geburt  keine 
Fortschritte  machte,  legte  ein  Arzt  die  Zange  an,  musste  sie 


1)  Eohl,   Lehrbuch  der  Oeburtshtilfe ,   2.  Aufl.,  1862,  S.  486. 

2)  Dentsche  Zeitschrift  für  StaAtsarsneiknnde  n.  s.  w.,  von 
Sekneider  and  Sahürmeier,  Bd.  III.,  Heft  1,  1854,  S.  199. 

3)  Deutsche  Zeitschrift  für  Staatsarsneiknnde ,  neue  Folgei 
Bd.  I.,  Heft  4,  8.  337. 

4)  Bidrage  tot  de  strictura  uteri  (Rapport  der  Commisie 
▼oor  verloskunde  van  den  geneeskundigen  kring  de  Amsterdam, 
aitgebragt  in  de  rergadering  van  Janaarij  1856)  door  L,  JMmcmft. 


d«fl  ütonw,  speeiell  f9>«r  tpAstisebe  Sirieturen  elo.      329 

aiber  nach  einigen  fruchtlosen  Tractionen  wieder  bei  Seite  legen. 
Lehmann  fand  bei  seiner  Ankunft  in  der  Nacbt  vom  30.  zura 
31.  Juli  folgenden  Zustand:  Der  Umfang  des  Leibes  war  gross, 
imd  es  schien  dieser  in  zwei  ungleiche  Hälften  geschieden, 
deren  untere  mit  einer  stark  ausgeddmten  Harnblase  zu  ver- 
gleichen war.  Der  Fundus  uteri  stand  in  der  Herzgrube. 
Die  fötalen  Herztöne  waren  links  und  rechts  zu  hören.  Die 
Scheide  war  mit  einigen  Blutcoagulis  gefuUt,  der  Muttermund 
ganz  Terstrichen;  der  Kopf  stand  mit  der  Pfeilnaht  im  Quer- 
darchmesser  des  Beckeneingangs  und  zeigte  eine  Kopfgeschwulst. 
Der  Puls  der  Kreissenden  war  klein,  schnell,  die  Wehen 
anregelm&ssig.  Am  31.  Juli  Nachmittag  2  Uhr  war,  nachdem 
man  bisher  exspectatiye  verfahren  war,  d.  h.  ein  Decoctum 
Bttrosnm  yerabreicht  hatte  —  denn  zu  einem  Aderlasse  konnte 
man  sich  wegen  des  cachectischen  Aussehens  der  Kreissenden 
Bicbt  entschtiessen  —  hatte  sich  der  Befund  in  Nichts  ver- 
ändert. Nachdem  man  jetzt  viel  Urin  mit  dem  Katheter 
entleert  hatte,  blieb  die  unregelmässige  Form  des  Unterleibes 
ganz  dieselbe,  und  man  konnte  deutlich  sehen,  dass  diese 
dorch  eine  spastische  Strictur  im  Uteruskörper  bedingt  war. 
Eine  Handbreit  unter  dem  Nabel  war  eine  fingerbreite,  sträng* 
(5nnige,  steinhart  anzufühlende  Einschnürung  des  Uterus  durch 
die  Bauebdecken  zu  fühlen.  Die  Wehen  waren  immer  unregel* 
massig  und  schmerzhaft.  Um  das  Kind  zu  retten,  wurde, 
da  der  Kopf  noch  beweglich  war,  ein  Versuch  der  Wendung 
gemacht,  jedoch  die  Hand  stiess  an  der  Stelle  der  von 
aussen  fohl  -  und  sichtbaren  Strictur  auf  ein  unüberwindliches 
Hinderniss,  denn  der  Uterus  scfaloss  sich  wie  ein  eiserner 
Kranz  um  die  Schultern  des  Kindes  fest  herum.  Man  ver- 
sachte nun  mit  warmen  Cataplasmen  und  grossen  oft  dar* 
gereichten  Dosen  Opium  eine  Erschlaffung  zu  bewirken,  aber 
vergebens;  bis  zum  1.  August  Mittags  blieb  Alles  beim  Alten, 
nur  war  der  Zustand  der  Mutter  bedenklich  geworden;  die 
Wehen  hatten  fast  ganz  aufgehört.  Die  nun  angestellten  Ver- 
suche, die  Entbindung  zu  vollbringen,  missglückten  alle;  die 
lange  Ostander^sche  Zange  rutschte  nach  kräftigen  Tractionen 
ab,  die  Kepbalotribe  brachte  den  Kopf  etwas  tiefer,  glitt 
jedoch  auch  ab  und  riss  Theile  des  zerquetschten  Kopfes  mit 
ab,   auch  em  nochmaliger  Versuch  der  Wendung  schhig  fehl, 


880     XXIV.   Pof]>p«l,  UeberkrsmpfhaileZtt^AmmoBsi^bQilgeii 

und  so  musste  man  rieh  entschliessen,  von  allen  weiteren 
Versuchen  abzustehen  und  nur  die  Euthanasie  der  aufs  äoseerste 
erschöpften  Frau  zu  befördern.  Der  Tod  erfolgte  am  2.  Aegust 
früh  6  Uhr.  Selbst  hei  der  Scction  noch  fand  sich  die 
Striclur  eine  Hand  breit  unter  dem  Nabel  und  verlieh  dem 
Uterus  eine  sogenannte  Sanduhrform;  an  der  1  Zoll  breiten 
eingeschnürten  Stelle  war  der  Uterus  nur  3 — 4  Zoll  breite 
ober-  und  unterhalb  bedeutend  weiter,  das  Gewebe  war  da^ 
selbst  bläulich  verfärbt  und  theil weise  gangränescirt,  beim 
Einschneiden  floss  eine  ichoröse  Flüssigkeit  ab.  Uas  Kind 
war  ein  Knabe,  von  mittlerer  Grösse;  vom  Kopfe  desselben 
waren  nur  noch  Reste  des  Hinterhauptes  vorhanden.  Die 
ßeckenverengung  von  Sy^  Zoll  bestätigte  sich. 

Eine  günstigere  Prognose  als  die  besprochenen  Krampf-«- 
formen  des  Uterus  erlauben  die  spastischen  Stricturen  des 
äusseren  Muttermundes,  in  Bezug  auf  das  Kind  deswegen, 
weil  es  dadurch  nicht  direct  Gefahr  läuft,  durch  Piacentar- 
kreislaufsstörungen  sein  Leben  einzubüssen,  für  die  Mutter, 
weil  die  Behandlung  eine  sicherere  ist.  Damit  meine  ich, 
dass  bei  dem  Krämpfe  des  äusseren  Muttermundes,  wenn  die 
medicamentösen  Mittel  im  Stiche  lassen,  die  Möglichkeit  gegeben 
ist,  das  Hinderniss  mechanisch  zu  beseitigen  und  zwar  durch 
Incisionen.  In  den  Lehrbüchern  werden  auch  bei  dieser 
Form  vor  allem  erweichende  Einspritzungen,  narkottscbe 
Klystire,  an  den  Muttermund  zu  applicirende  Belladonnasalbe 
oder  in  denselben  einzuschiebende  Belladonnasuppositorien, 
Bader,  Chloroform,  Aderlass  empfohlen;  der  Incisionen  wird 
zwar  überall  als  letzten  Mittels  gedacht,  aber  nicht  nur  sind 
einige  Autoren,  wie  Busch  und  Hohl  ganz  gegen  die  blutige 
Erweitening,  sondern  auch  diejenigen,  die  in  seltenen  Fälen 
ihre  Noth wendigkeit  anerkennen,  wie  Kilian^  Scamoniy 
C.  Brown,  Späth  etc.  sprechen  sich  über  den  Zeitpunkt, 
wo  sie  indicirt  sind,  ziemlich  zurückhaltend  aus,  so  dass 
der  Anfänger  von  dieser  Operation  doch  immer  den  Eindruck 
erhält,  sie  sei  eine  möglichst  lange  zu  verschiebende  und  nur 
in  den  äuss^sten  Nothfallen  zu  machende.  Auch  Herr  Prof. 
Hecker  erklärte  sich  bisher  in  seinen  Vorträgen  gegen  diese 
Indication  der  blutigen  Erweiterung  des  Muttermundes,  hat 
sich  jedoch  in  Folge  der  Beobachtung  der  sogleich  mitzo- 


d«B  ITtenra,  tpeeieü  Über  spMtlsoM  Strletttren  eto.      831 

tkeüenden  Fälle  von  ihrer  Zniässigkeit  genilgend  äberzeugt. 
Vor  näherer  Besprechung,  ob  und  wann  die  Operation  ihre 
ImKcation  findet,  erlaube  ich  mir  mehrere,  tbeils  ohne,  theih 
mit  Inctsionen  behandeile  Fälle  kurz  zu  beschreiben. 

Vierter  Fall.  Eine  Söjährige  Ei*stgebärende  bekam 
im  Gebärhause  am  7.  August  1861  die  ersten  Wehen.  Als 
der  Mottermund  auf  Halbguldengrösse  erweitert  war,  blieb  er 
trotz  gntm*  Wehen  auf  dieser  Stufe  stehen,  und  spannte  sich 
während  jeder  derselben,  wie  wenn  ein  Drahtring  hindurch 
gesogen  wäre.  So  dauerte  die  Eröffhungsperiode  98  Stunden; 
man  war  mit  Bädern,  Opiaten,  warmen  Einspritzungen  um- 
sonst 2U  Felde  gezogen,  man  hatte  das  Kind,  nachdem  das 
Fruchtwasser  gleich  im  Anfange  der  Geburt  abgeflossen  war, 
altsterben  sehen  mässen,  da  man  bei  so  geringer  Eröffnung 
des  Muttermundes  Einschnitte  nicht  riskiren  durfte,  und  auch 
nach  d8  Standen  war  der  Muttermund  noch  nicht  vollkommen 
erweitert,  dagegen  so  tief  durch  den  immer  mehr  herab- 
drückenden  Kopf  vorgedrängt,  dass  man  ihn  beim  Auseinander- 
hrilen  der  Schamlippen  sehen  konnte.  Man  entschloss  sich 
letzt,  da  doch  die  Geburt  beendet  werden  musste,  zur  Per- 
foration des  längst  abgestorbenen  Kindes,  und  zur  Anlegung 
der  Kephalotribe,  mit  der  man  schonender  als  mit  der  Zange 
die  Extraction  machen  zu  können  glaubte/,  der  Einlegung  des 
Instrumentes  bot  der  Muttermund  noch  immer  nicht  uner- 
hebliche Schwierigkeiten  dar,  die  Extraction  ging  gut  von, 
Statten.  Dais  Kind  war  ein  Knabe  von  6%  Pfund  Zoilgewicht 
und  56  Centimeler  Länge.  Die  Mutler  fing,  nadideni  sie 
sich  unmittelliar  nach  Beendigung  der  Geburl  und  noch  zwei 
Tage  nachher,  mit  Ausnahme  leichter  Febricitation ,  wohl 
beftuiden  hatte,  am  dritten  Tage  des  Wochenbettes  stärker 
so  fiebern  an,  bekam  die  Symptome  einer  leichten  Metro- 
peritonitis,  von  der  sie  jedoch,  nach  nicht  näher  bekannter 
Zeit  im  Krankenbause,  wohin  sie  Iransferirt  worden  war, 
genatb 

Fünfter  Fall.  Bei  einer  22jährigen  Erstgebärenden 
(Geburtshülfliebe  Poliklinik)  dauerten  die  Wehen  vom  23.  März 
1862  Abenda  6  Uhr  an  die  ganze  Nacht  in  regelmässiger 
nur  etwas  mehr  als  gewöhnlich  schmerzhafter  Weise.  Nach 
sechs  Stunden    war   der  Muttermund  auf  Guldengrösse   er- 


ggg     XXIV*  P^ijg»«!,  Deber  krAmpfliAlke  Znstmnieiuiiehiingen 

weitert)  uad  blieb  von  da  ao  24  Stunden  lang  bei  «ebr 
bäufigen  und  scbmerzhaften  Wehen  auf  dieser  Grösse  stehn. 
In  den  Wehenpausen  erschialile  er  vollkommen,  war  aber 
nicht  scharfrandig  und  dünn  ausgezogen,  wie  bei  Erstgebärenden 
gewöhnlich,  sondern  mehr  wulstig  mit  breitem  Rande;  während 
jeder  Wehe  fühlte  der  Finger  den  Muttermund  sich  stränge 
artig  anspannen,  und  konnte  eine  grosse  Empfindlichkeit 
desselben  Consta  tiren.  Die  warme  Douche,  Chloroform^ 
einreibungen  auf  den  Unterleib  und  die  Kreuzgegend,  Einreibung 
von  Belladonnasalbe  an  den  Muttermund,  subcutane  MorphiuD>- 
injectionen  hatten  nicht  den  geringsten  Erfolg,  nur  linderten 
Chioroformeinreibungen  und  die  subcutanen  Injectionen  immer 
zeitweise  die  sehr  heftigen  Schmerzen.  Erst  nach  30  Stunden 
fing  der  Muttermund  an  nachzugeben,  und  erweiterte  sich 
dann  rasch  vollkommen,  nachdem  kurz  vorher  erst  das  Frucht- 
wasser abgeflossen  war.  Nach  weiteren  zwei  Stunden  wurde* 
die  Geburt  eines  scfaeintodten ,  mit  schwachem  Herzschlage 
geborenen  aber  nicht  wiederbelebten  Mädchens  in  erster  Scheitel- 
lage durch  die  Natur  beendet;  die  Herztöne  waren  10  Minuten 
vorher  noch  deutlich,  wenn  auch  langsam  gehört  worden, 
und  man  war  überzeugt  gewesen,  dass  die  Geburt  bei  der 
zuletzt  erwachenden  enormen  Wehenthätigkeit  jeden  Augen- 
blick erfolgen  müsse,  was  auch,  wie  gesagt,  innerhalb  «ebn 
Minuten  geschah,  zu  spät  jedoch,  um  das  Kind  wiederi>eleben 
zu  können. 

Sechster  Fall.  Bei  einer  30jährigen,  Erstgebärende 
(Geburtshülfliche  Poliklinik)  dauerte  die  Erö(Tnungq[»eriode 
während  des  3.  und  4.  Juli  1862  40  Stunden,  nachdem  das 
Fruchtwasser  schon  vor  Beginn  der  Wehen  abgeflossen  war. 
Schon  einige  Stunden  nach  begonnener  Geburtsthätigkeit 
war  der  Muttermund  kronentbalergross,  machte  von  da  an 
aber  keine  weiteren  Fortschritte '  mehr  in  der  Erweiterung, 
sondern  spannte  sich  während  der  sehr  häufigen  und  schmerz- 
haften Wehen  strangartig  um  den  tief  in  der  Beckenhöble 
stehenden  Kopf;  Opium  innerlich,  Morphium  subcutan,  hatten 
so  wenig  wie  die  warme  Doucbe  einen  Erfolg.  Als  die 
Mutter  zu  febricitiren  anfing  und  der  mit  grosser  Geschwulst 
versehene  Kopf  den  Muttermund  immer  tiefer  vor  sich  herab- 
drängte,  wurden  mit  dem  Bistouri  zwei  seitliche  Incisionen 


r 


49»  Üteitiv,  ipeeiell  über  spastische  Strietnren  etc.-      g83 

m  defiselben  gemacht,  worauf  er  sich  sogleich  zurftekzog, 
und  schon  nach  10  Minuten  kaum  mehr  zu  fahlen  war.  Enge 
des  BeckenaQsganges  zwangen,  da  der  Kopf  trotz  sehr  guter 
Wehen  fest  stehen  blieb,  und  die  Beendigung  der  Geburt 
filr  Mutter  und  Kind  ratbsam  erschien,  zur  Anlegung  der 
Zange,  mit  der  ungefähr  zwanzig  sehr  krSflige  Tractionen 
aasgef^rt  werden  mussten,  um  einen  asphyctischen,  nach 
V4  Stunde  wieder  belebten  Knaben  von  fast  7  Pfund  Zollgewicht 
und  48  Centimeter  Länge  in  erster  Scheitellage  zu  entwickeln. 
Das  Rind  zeigte,  da  die  Zange  etwas  schief  gefasst  hatte, 
eine  durch  den  Druck  derselben  hervorgebrachte  sehr  stark 
ausgesprochene  Facialislähmung  der  linken  Seite,  die  sich 
nach  einigen  Tagen  ganz  verlor.  Die  Mutter  erkrankte  im 
Wochenbette  anscheinend  an  den  Symptomen  der  acuten 
Phthise,  eriiolte  sich  jedoch  nach  zwei  Monaten  vollständig 
'wieder. 

Siebenter  Fall.  Ber  einer  41jährigen  Erstgebärenden 
(Geburtshöifiiche  Poliklinik)  war  am  10.  Juli  1862  das  Wasser 
ohne  Wehen  abgeflossen.  Am  11.  Morgens  begannen  die 
Wehen  und  bewirkten  bis  Abends  eine  guhlengrosse,  von  da 
an  aber  keine^fernere  Erweiterung  des  krampfhaft  sich  zu- 
sammenziehenden Muttermundes.  Auch  hier  hatten  Opium 
innerlich ,  Morphium  subcutan,  nebst  einem  warmen  Bade 
nur  schmerzstillende  Wirkung;  nach  24 ständiger  Dauer  ent- 
schloss  man  sich  zu  Incisionen  in  den  Muttermund,  worauf 
«ierselbe  sich  langsam  zurückzog  und  der  Kopf  tiefer  trat; 
IV2  Stunde  nach  Ausführung  der  Incisionen  musste  wegen 
Langsamerwerden. der  kindlichen  Herztöne  die  Zange  applicirt 
werden,  die  durch  acht  kräftige  Tractionen  das  Kind  in  erster 
Vorderscheitellage  mit  fast  querem  Stande  des  Kopfes  ent*- 
wickehe;  dasselbe  war  ein  Knabe  von  6^/^,  Pfund  Zollgewicht 
und  48  Centimeter  Länge,  der  nach  V4Stöndiger  Asphyxie 
wiederbelebt  wurde;  auch  dieser  trug  eine  Facialislähmung 
der  rechten  Seite  davon.  Die  Placenta  musste  wegen  Ver- 
klebung in  handtellergrossem  Umfange  manuell  entfernt  werden, 
da  V2  Stunde  lang  fortgesetztes  Kneten  des  Uterus  nicht  zum 
Ziele  führte.  Die  Mutter  machte  ein  normales  Wochenbett 
durch.     Vier   Wochen   darauf  hatte   ich  Gelegenheit,   sie  zu 


384     ^UUV..   Pof9!fMl,  Ueber  krsmpflisfte-ZiiSftmineiijiifhfiiigeii 

uQtersucben,   und  fand  die  beidergeitigen  locisioaeo  noch  ab 
tiefe  Kerben  im  Muttermunde  fühlbar. 

Achter  Falll  Bei  einer  18jährigen  firslgebarenden 
(Geburtsbulflicbe  Poliklinik)  fingen  die  Wehen  am  30.  Jirii 
1862  Abends  an;  bis  zum  31.  früh  10  Uhr  war  der  Motter- 
nmnd  kronentlialergross  geöffnet,  die  Blase  stand  noch.  Der 
Rand  des  Muttermundes  war  dick,  wulstig,  und  spaaate  sich 
während  der  Wehen  drahtartig  um  den  in  der  Beckenenge 
stehenden  Kopf.  Die  Wehen  waren  äusserst  schmerzhaft,  und 
auch  in  der  Wehenpaüse  blieb  der  Uterus  äusserst  empfind-» 
lieh  und  hart  anzufühlen.  Die  heftigsten  Kreuzschmerzen 
quäken  die  Kreissende.  Bis  9  Uhr  Abends  blieb  Alles  beim 
Alten,  trotz  warmer  Einspritzungen,  Opium,  Chloroform^ 
einreibungen  auf  den  Unterleib  und  die  Kreuzgegend,  und  eines 
allgemeinen  warmen  Bades,  auf  das  sich  allerdings  die  grosse 
Aufregung  und  Schmerzhaftigkeit  für  kurze  Zeit  bescbwichtigteiL 
Auch  ein  Abends  8  Uhr  inslituirter  Aderlass  von  12  Unzen 
übte  keinen  Einfluss  auf  Wehen  und  Erweiterung  des  Mutter- 
mundes. Um  9  Uhr  wurde  derselbe  mittels  einer  Cooper'scbßa 
Scheere  auf  beiden  Seiten  incidirt;  sogleich  war  ein  Erfolg 
ersichtlich  und  bis  11  Uhr  der  Muttermum)»vollständig  ver- 
strichen; die  Blase  stand  noch  immer  und  wurde  jetzt  ge- 
sprengt. Die  erwünschte  Wehenthätigkeit  stellte  sich  jedoch 
nicht  ein,  sondern  war  immer  gleich  schmerzhaft  und  wirkungs- 
los auf  das  Vorrücken  des  Kopfes.  Die  Aufregung  der  Mutter 
steigerte  sich  auf  das  Höchste,  der  Puls  zählte  144  Schläge^ 
und  so  gab  ihr  Befinden  um  12  Uhr  Nachts  die  Indicatiou 
zur  Beendigung  der  Geburt  durch  die  Zange.  Die  Anlegung  in 
Chloroformnarkose  gelang  leicht,  4 — 5  Tractionen  genügten, 
um  den  Kopf  auf  den  Beckenboden  zu  leiten.  Bei  der  Elevation 
der  Zange  erwachte  die  Mutter  aus  der  Narkose  und  riss 
unversehens  mit  solchem  Ungestüm  an  dem  Instrumente,  dass 
sie  zugleich  mit  demselben  den  Kopf  förmlich  über  den  Damm 
herausschleuderte,  der  trotzdem  intact  blieb.  Die  Placeota 
musste  wegen  tlieilweiser  Adhärenz^  manuell  entfernt  werden. 
Das  Kind,  ein  Mädchen  von  49  Gentimeter  Länge,  war  nicht 
asphyctisch.  Die  Mutter  blieb  im  Wochenbette  gesund,  nacli- 
dem  sich  schon  am  ersten  Tage  die  fieiierbafte  Aufregung 
fast  ganz  gelegt  hatte. 


Neunter  Fall,  ßei  eiaer  24jährigen  ErstgebSrenden 
(Geburtshülfliche  Poliklinik)  floss  am  8.  September  1862  fvub 
9  Ubr  4as  Frucbtwasser  gleicb  bei  Beginn  der  Weben  ab. 
Der  Muttermund  erweiterte  sich  bald  anf  Tbalergr^sse  und 
blieb  dann  bis  zum  9.  September  Abends  10  Ubr  auf  der- 
selben Stufe  der  Erweiterung  stehen  in  Folge  spastischer 
Suiciur.  Das  Promontwum  war  mit  der  Spitze  des  Mittel* 
fingers  2U  erreichen  und  wurde  die  Conjugata  vei*a  auf  3  Zoll 
6  Linien  geschätzt.  Auch  hier  konnten  Opium  und  warme 
Einspritzungen  keine  Besserung  bewirken.  Die  Wehen  waren 
häufig  und  sehr  schmerzhaft.  Abends  10  Uhr  am  9.  September 
wurden  zwei  seitliche  Incisionen  mit  einer  langen  Kniescheere 
gemacht.  Erst  am  10.  September  früh  6  Uhr  konnte  hei 
endlich  ganz  erweitertem  Muttermunde  und  querem  Stande 
des  Kopfes  in  der  Beckenenge  die  Zange  applidi^t  werden, 
die  in  der  Beckenverengeruog  ihre  Indication  fand.  Vorher 
konnte  man  die  Herztöne  ganz  deutlich  links  hören;  zwölf 
sehr  kräfüge  Tractioneu  brachten  den  Kopf,  der  über  Gesicht 
und  Hinterhaupt  gefasst  war,  zum  Durchschneiden  in  erster 
Scheitellage.  Das  Kind,  ein  Knabe  von  35  Centimeter  Kopf- 
uiBfaag  und  49  Centimeter  Länge  war  todt,  und  konnte  man 
die  Ursache  in  nichts  anderem,  als  einem  Drucke  des  rechten 
Zangenloffels  auf  den  Hals  des  Kindes  finden,  da  die  Zange 
selir  hoch  gofasst  hatte.  Auf  dem  Unken  Scheitelbeine  war 
ein  kleiner  EpidermisYerlust  vom  Promontorium  herrührend. 
Die  Mutter  blieb  gesund. 

Alle  die  aufgeführten  Fälle  haben  eine  grosse  Aehnlichkeit 
unter  einander,  und  ich  würde  nicht  in  dieser  Ausführlich- 
keit dieselben  mitgetheilt  haben,  wenn  es  mir  nicht  darauf 
ankäme,  die  Operation  der  blutigen  Erweiterung  des  Mutter- 
mundes nicht  nur  als  zulässig,  sondeni  als  nothwendig  dar- 
zustellen. Man  findet  in  der  neueren  journalistischen  Literatur 
sehr  wenig  speciell  mitgetheilte  hierher  gehörige  Geburts- 
geschichten; unter  andern  hat  Orenser,^)  Crede,^)  Domerk,^) 

1)  Monatsschrift  für  GeburtskuDde,  Bd.  III.,  S.  138. 

2)  Monatsschrift  für  Geburtskunde,  Bd.  VII.,  S.  242. 

3)  Gazette  des  hopitaux,  No.  141,  1857. 


336     XXfV.  PoppeZ,  Ueber  krampfhafte  ZasftniBieiiviehiiii^eB 

KriHeUer^)  einzelne  veröffentlicht,  in  denen  sie  sich  ge- 
nöthigt  sahen,  Incisionen  zu  machen.  Namentlich  hat  lelzterer 
eine  eingehendere  Besprechung  veröffentlicht,  in  der  er  der 
Operation  auch  bei  spastischen  Contractionen  das  Wort  redet, 
und  die  Einwürfe,  die  gegen  dieselbe  gemacht  werden,  wider^ 
legt.  Er  machte  darauf  aufmerksam,  dass  von  geföhrlichen 
Nervenzufallen,  die  von  manchen  gefürchtet  werden,  in  Felge 
des  Reizes  der  Verwundung  bei  der  gewöhnlich  schon  vor- 
handenen grossen  Aufgeregtheit  der  Kreissenden,  nicht  die 
Rede  sein  könne,  dass  im  Gegentbeil,  abgesehen  von  der 
Schmerzlosigkeit  der  Operation,  durch  dieselbe  gerade  die 
Ursache  der  Schmerzen  gehoben  wird.  Die  Gefahren  eines 
pracipitirten  Yorschreitens  der  Geburt  nach  Ausführung  dei* 
Incision  können  doch  da  nicht  gefürchtet  werden,  wo  die 
Natur  schon  Tage  lang  Anstrengungen  und  Vorbereitungen 
zur  Beendigung  der  Geburt  machte,  und  wo  gerade  die  lange 
Dauer,  wenn  sie  für  Mutter  und  Kind  nachtheilig  zu  werden 
droht,  die  Indication  zur  künstlichen  Beschleunigung  gibt. 
Die  Furcht  vor  Weiterreissen  der  Schnittwunde  kann,  glaube 
ich,  bloss  daim  gerechtfertigt  erscheinen,  wenn  nicht  nur  der 
Muttermondsrand,  sondern  auch  der  Uterashals  höher  hinauf 
an  der  krampfhaften  Affection  Theil  nimmt,  und  der  Aus- 
dehnung einen  beträchtlichen  Widersland  entgegensetzt;  es 
eignen  sich  auch  darum  bloss  solche  Fälle  zur  Operation,  wo 
das  augenscheinliche  Hinderniss  am  Rande  des  Susseren  Mutter- 
mundes sitzt,  während  höher  oben  die  normale  Dehnbarkeit 
stattOndet:  nadi  Hebung  der  Slrictur  wird  der  Uterushals 
wie  bei  jeder  normalen  Geburt  sich  leicht  durch  den  vor- 
dringenden Kindestheil  erweitern  lassen;  sonst  mussten  aucli, 
wie  Kristeller  sehr  (reffend  bemerkt,  jene  Risse,  die  fast 
immei:  bei  Erstgebärenden  durch  die  Natur  im  Muttermunde 
gebildet  werden,  sich  leicht  nach  oben  verlängern.  Von  einer 
gefahrlichen  Blutung,  wegen  welcher  man  die  Operation  fürchten 
müsste,  kann  kaum  gesprochen  werden. 

Was  die  anderen  Mittel,  die  natürlich  jedesmal  immer 
als  die  milderen  vorher  consequeni  angewendet  werden  müssen, 
betrifft,  so  waren  sie  alle  in  den  oben  erzählten  Fällen  ohne 

1)  Monat8«chrift  für  Gelmrtskunde,  Bd»  X.,  S.  162. 


r 


dea  Uteras,  specieli  über  spastUche  Strictaren  etc.      337 

Erfolg.  Die  Narcotica  haben  allerdings  den  grossen  Wertli 
der  Scfamerziinderung,  und  können  so  indirect  auf  bessere 
ausgiebigere  Wehenüiätigkeit  hinwirken.  Es  komml,  da  die 
Spannung  des  Muttermundes  durch  die  Wehen  immer  sehr 
schmerzbafl  ist,  in  diesen  Fällen  eigentlich  nie  recht  zu 
energischen  Wehen,  namentlich  wird  von  den  Kreissenden 
alles  Mitpressen  sorgfältig  vermieden;  durch  Abstumpfung  der 
Empfindlichkeit  können  auch  die  Wehen  eine  grössere  Wirkung 
auf  die  Erweiterung  des  Muttermundes  erlangen.  Wie  ich 
in  den  Geburtsgeschichten  angeführt  habe,  machte  ich  öfters 
in  dieser  Absicht  von  subcutanen  Morphiuroinjectionen  mit 
Erfolg  Anwendung.  Nur  wai*  ihre  Wirkung,  wie  sie  sehr 
schoell  eintrat,  so  auch  meist  nach  kurzer  Zeit  wieder  ver- 
schwunden, so  dass  man  in  etwa  einstündigen  Pausen  das 
Mittel  wiederholen  musste;  auf  einmal  wurde  Vs  —  V4  ^^^^ 
eingespritzt.  Ich  weiss  nicht,  ob  Beobachtungen  von  schäd- 
lichem Einflüsse  der  Narcotica,  wenn  sie  in  grösseren  Dosen 
öfters  gegeben  werden,  auf  das  kindliche  Leben  bekannt  sind ; 
aus  diesem  Grunde  wagte  ich  aber  doch  nie,  zu  lange  mit 
den>  Mittel  fortzufahren,  und  setzte  es  nach  drei-  bis  fünf- 
maliger Anwendung  aus.  In  ähnlicher  Weise  wendet  Herr 
Prof.  Hecket  schon  seit  längerer  Zeit  die  subcutanen  In- 
jectionen  von  Morphium  bei  sehr  schmerzhaften  langanhaltenden 
Nachwehen  mit  bestem  Erfolge  an;  sie  sind  wie  überall,  so 
auch  hier  durch  ihre  überraschend  schnelle  und  sichere  Wirkung 
gewiss  bestimmt,  in  immer  gi'össerer  Ausdehnung  versucht 
zu  werden. 

In  Betreff  der  von  Chaussier  empfohlenen  Pommade 
dilatoire  aus  Belladonnaextract,  die  örtlich  an  den  Mutter- 
mund applicirt  werden  soll,  habe  ich  mich  nur  überzeugt, 
dass  man  ohne  einen  der  verschiedenen  dazu  angegebenen 
Salbeuträger  nicht  im  Stande  ist,  ausgiebig  den  Muttermund 
damit  zu  besti^eichen,  und  ich  habe  daher  das  Mittel  in  Er- 
mangelung eines  solchen  Instrumentes  nicht  weiter  benützen 
können.  Dagegen  scheinen  mir  Chloroformeinreibungen  auf 
den  Unterleib  und  die  Kreuzgegend,  in  welch'  letzterer  nament- 
licli  die  Kreissenden  immer  die  heftigsten  Schmerzen  haben, 
Beachtung  zu  verdienen.    Nicht  nur  bei  diesen  Fällen  in  Rede, 

Monatsschr.  f  Gebnrtsk.   1863.   Bd.  X:XI.,  Hft.6.  22 


338     XXIV.   PojD|pe2,  Ueber  krampfhafte  ZnaammensiehnDgen 

sondern  überhaupt  bei  schmerzhaften  Wehen  habe  ich  oft 
die  Schmerzen  nachlassen  sehen,  wenn  von  10  Minuten  zu 
10  Minuten  Einreibungen  von  Chloroform,  das  zu  diesem 
Zwecke  am  besten  mit  einem  gleichen  Theile  Olivenöl  ge- 
mischt wird,  verordnet  wurden.  Warme  schleimige  Ein- 
spritzungen mögen  immer  von  Zeit  zu  Zeit  applicirt  werden, 
sie  haben  wenigstens  den  Yortheil,  die  Theüe  gegen  den 
Reiz  der  Untersuchung  etwas  abzustumpfen,  und  vielleicht 
auch  die  Auflockerung  des  Muttermundes  zu  begünstigen. 
Ob  die  warme  Douche,  wie  ÄcaMzom  *)  empfiehlt ,  als  Wehen 
verstärkendes  Mittel,  so  dass  die  Contractionen  mit  Gewalt 
das  Hinderniss  am  Muttermunde  überwinden  sollen,  benatzt 
werden  darf,  ist  doch  sehr  fraglich,  und  erklären  sich  andere 
Autoren  entschieden  dagegen.^) 

Von  allgemeinen  warmen  Bädern  wird  man,  wo  es  geht, 
gewiss  immer  Gebrauch  machen  müssen,  da  sie  einen  un- 
gemein günstigen  Einfluss  auf  das  Allgemeinbefinden  ausüben, 
und  die  Aufregung  und  Unruhe  der  Kreissenden  wenigstens 
für  einige  Zeit  beschwichtigen.  Ob  der  vor  einigen  Jaliren 
namentlich  von  England ')  aus  so  warm  empfohlene  Tartarus 
enieticus  in  brechenerregender  Dosis  weitere  Berücksichtigung 
fand,  ist  mir  nicht  bekannt. 

Wie  lange  nun  soll  man,  wenn  alle  Mittel  im  Stiche 
lassen,  das  letzte,  die  blutige  Erweiterung,  hinausschieben? 
Gewiss  so  lange,  als  aus  längerem  Zuwarten  weder  der  Mutt^ 
noch  dem  Kinde  Gefahr  erwächst.  Das  ist  nun  freilich 
namentlich  in  Bezug  auf  die  Mutter  schwer  zu  bestimmen,  wenn 
die  langedauernde  resultatlose  Geburtsarbeit  einen  ungünstigen 
Einfluss  auf  den  weiteren  Verlauf  der  Geburt  und  des  Wochen* 
bettes  ausüben  könnte.  Dass  das  Kind,  wenn  die  Geburt 
über  das  Maass  verzögert  wird,  schliesslich  durch  Störungen 
im  Placentarkreislaufe  oder  durch  anhaltende  zu  lauge  dauernde 
Compression  des  Schädels  zu  Grunde  gehen  muss,  ist  be- 
kannt, und  zeigen  auch  die  erzählten  Fälle  No.  4  und  5,  wo 
man   aus  dort  angegebenen  Gründen  nicht  zur  rechten  Zeit 


1)  Lehrbuch,  Bd.  II.,  S.  296. 

2)  Hohl,  Lehrbuch,  S.  495. 

3)  Oilmour,  Lancet,  IL,  20.  Nov.  1858. 


des  Uterus,  npeciell  tiber  spnstisehe  Stricturen  eto.      339 

operativ  eingreifen  konnte.  Wollte  man  jedoch  in  Rücksicht 
anf  das  Kind  immer  so  lange  warten,  bis  die  verlangsamten 
Herztöne  eine  schleunige  Beendigung  der  Gehurt  erheischten, 
so  wörde  man  gewiss  meist  zu  spät  die  Operation  der  blutigen 
Erweiterung  des  Muttermundes  vornehmen,  um  noch  das  Kind 
retten  zu  können;  denn  unmittelbar  an  die  Incision  etwa  die 
Zangenanlegung  anzuschliessen  ist  nicht  rathsam,  da  man 
doch  auch  den  oberen  Partien  des  Uterushalses  Zeit  lassen 
muss,  sich  aJImälig  auf  die  für  den  Durchtritt  des  Kopfes 
geeignete  Weite  auszudehnen.  Diese  Gefahren  also  abzuwägen, 
lassen  sich  keine  bestimmten  allgemein  gültigen  Regeln  auf- 
stauen, und  muss  darauf  hin  jeder  einzelne  E'all  beurtheill 
werden;  man  kann  nur  sagen,  dass  die  blutige  Dilatation  des 
unvollkommen  erweiterten,  spastisch  conlrahirten  Muttermundes 
dann  indicirt  ist,  wenn  halbe  Tage  und  Tage  lang  der  Mutter- 
mund trotz  guter  Wehen  sich  nicht  weiter  eröffnen  will,  so  dass 
er  ein  sichtliches  Geburtshiuderniss  abgicbt,  indem  er  von  dem 
vorliegenden  Theile  tief  ins  Becken  vorgetrieben  wird,  voraus- 
gesetzt, dass  vorher  die  anderen  oben  bes|)rochenen  Mittel 
mit  Ausdauer  ohne  Erfolg  angewendet  wurden.  Die  Gefahr- 
losigkeit der  Operation  erlaubt  gewiss,  sie  nicht  zu  weit 
hinauszuschieben,  und  man  wird  seltener  Gelegenheit  haben, 
ein  zu  frühes  als  ein  zu  spätes  Eingreifen  zu  bereuen.  Denn 
dass  ein  zu  langes  Abwarten  sich  auch  durch  Einrisse  in  den 
Muttermund,  die  dann  gewiss  weiterreissen ,  da  sie  eine  grosse 
Gewalt  voraussetzen,  selbst  durch  Abreissen^)  des  ganzen 
Ute ruslialses  rächen  kann,  ist  durch  einzelne  Fälle  constatirt. 
Die  Ausfährung  der  Operation  soll  nach  den  Lehrbüchern 
mit  einem  geknöpften  Bistouri  am  leichtesten  zu  bewerk- 
stelligen sein;  es  scheint  mir  aber,  dass  man  dabei  weder 
vor  eigenen  Verletzungen  so  gesichert  ist,  noch  die  Tiefe  des 
Schnittes  so  genau  vorher  bestimmen  kann,  wie  bei  einer 
passend  c<Histruirten  Sdheere,  deren  beide  Branchen  man 
innerhalb  und  ausserhalb  des  Muttermundrandes  bequem  mittels 
zweier  controllirender  Finger  anlegen  und  in  der  beabsichtigten 
Tiefe  vorschieben  kann;  eine  gewöhnliche  (7oc>p6/sche  Scheere 


1)   Herbert   Barker ,    Obstetr.   Soc.  London.     Med.   Times, 
15.  Dec.  1860. 

22* 


340       XXV.     Birnbaum  t  Ein  Becken  mit  Ueberbebelohg 

ist  ZU  klein ,  die  SiebolcTsehe  Polypenscheere  hat  zu  stumpfe 
Spitzen,  als  dass  man  sie  leicht  zwischen  den  Kopf  und  den 
eng  anschliessenden  Muttermundrand  einhringen  könnte;  sehr 
hequem  operirt  man  mit  einer  ziemlich  langen  mit  ab- 
gestumpften Spitzen  versehenen  schwach  knieförmig  gebogenen 
Scheere  und  ist  eine  solche  zu  diesem  Zwecke  für  die 
gehnrtshnliliche  Poliklinik  angeschafft  worden.  Dass  man  die 
Incisionen  seitlich  und  lieber  einfach  von  hinreichender  Tiefe 
als  mehrfach  und  seicht  macht,  bedarf  keiner  besouderen 
Erwähnung. 


XXV. 

Ein  Becken  mit  XTeberhebelung  der  Lendenwirbel 

von  hinten  nach  vorn. 

Von 

Dr.  Friedr.  H.  G.  Birnbaum, 

Dircctor  der  Provincial-Hebammenanatalt  In  Göln. 
(Mit  drei  Figuren.) 

In  meinem  früheren  Aufsatze  über  Lordose  und  Kyphose 
des  Lendenwirbelantheiles  der  Wirbelsäule  habe  ich  auf  die 
Bildung  eines  Zwischenbeckenraumes  zwischen  grossem  und 
kleinem  Becken  hingewiesen,  welcher  an  die  Stelle  des  ein- 
fachen Beckeneingangsreifes  tritt  und  die  Geburt  eigenthüm- 
lich  erschwert. 

Es  zeigte  sich  dabei,  dass  dieser  Z  wischen  hecken- 
räum  je  nach  der  Art  der  Verbiegung  der  Wirbelsaule  ganz 
in  das  grosse  Becken  hinauf  sich  erstreckt,  und  zu  einer 
Verlegung  dieses  Raumes  führt,  wie  bei  der  Kyphose  der 
Lendenwirbel  oder  ganz  in  das  kleine  Becken  hinabsinkt, 
dessen  obere  Hälfte  einnehmend ,  wie  bei  der  Spondyloiisthesis, 
oder  zwischen  das  grosse  und  kleine  hineinfällt,  wie  bei 
der  Lordose  des  Lendenantheiles. 

Durch  eben  diesen  Zwischenbeckeuraum  ist  dann  auch 
die  Eigenthümlichkeit  des   spondylolisthetischen  Beckens   tmd 


der  Lendenwirbel  Ton  hinten  nach  vorn.  34 1 

seine  geburfshölfliche  Bedeutung  besttramt  und  gerade  diesem 
eigenthümlicbai  Bestimmungsgrunde  gemäss  ist  es  auch  in 
gebitrishölf  liebem  Sinne  nicht  als  Becken  sui  generi,  sondern 
als  Schlussglied  einer  ganzen  Reihe  gradweise  in  einander 
ibergehender  Beckenformen  zu  betrachten,  indem  die  rhachi- 
liscbe  und  osieomalacische  Lordose  sich  bis  zur  wahren 
Spondylolisthese  steigern  kann,  und  so  in  ihrem  geburts* 
höiriicben  Einflüsse  den  Uebergang  zu  der  Kilian*scheu 
Spondylolisthese  bildete. 

Es  möchte  für  diese  Beckenformen  ihrem  gemeinsamen 
Merkmale  nach  die  Bezeichnung  Pelvis  depresso  elevata 
die  richtigste  sein,  indem,  wenn  die  Lordose  der  Lenden- 
oder Lendenkreuzparthie  so  stark  hervortritt,  dass  sie  in 
Spondylolisthese  übergeht,  sei  nun  rhachitische  oder  osteo* 
nialacische  Knochenerweichung  die  Ursache,  oder  Hydrorrhachis 
(Ktltan  und  Lambl)  oder  entzündliche  Auflockerung  mit 
oder  ohne  Knochenbruch  (Breslau ,  Lenoir)  oder  Garies 
{Olshauseri) ,  die  hintere  Wand  des  Beckens  niedersinkt,  die 
Tordere  steigt  oder  gehoben  wird. 

Sehen  wir  von  der  rhachitischen  oder  osteomalacischen 
Spondylolisthese  ab,  die  nur  in  geburtshölflichem  Sinne  einerlei 
Geltung  mit  der  eigentlichen,  directen  Spondylolislhesis  hat, 
80  weist  die  von  Braun  und  Lambl  nachgewiesene  Spondylon 
parembolie  auf  eine  doppelte  Ursache  der  einfachen 
Spondylolisthese  hin,  indem  die  Lendenwirbelparti«)  entweder 
durch  uDvolikommene  Ausbildung  und  geminderte  Widerstands- 
kraft der  Kreuzbeinwirbel  zum  Niedersinken  und  Herabgleiten 
gebracht  wird,  oder  in  theilweiser  Erhebung  ihres  hinteren 
Umfanges  in  eine  regelwidrige  Stellung  zu  den  Kreuzwirbeln 
gebracht  wird,  welche  deren  Entwickelung  einseitig  bestimmt 
und  hemmt  Bald  wird  mehr  die  eine,  bald  mehr  die  andere 
Ursache  einwirken,  bald  auch  ein  gLeichmässiges  Zusammen- 
wirken beider  sich  bemerklich  machen  und  danach  der  Grad 
der  Spondylolisthese  manche  Verschiedenheiten  zeigen.  Der 
Ansdnick  Spondyloparembolie  weist  aber  nicht  genug  auf 
diese  gegensätzliche  Verschiedenheit  hin,  indem  er  nur  das 
Zwischengeschobensein  andeutet,  aber  nicht  die  Wirkung  des 
Zwischengeschcfbenen ,  während  Spondylon sthesis  nidit  die 
Ursache  als  solche,  sondern  die  Richtung,  in  welcher  sie 


342      ^^^'    Bimhmmt  Ein  Beeken  mit  Ueberhebelung 

wirkt,  andeutete.  Und  in  diesem  Sinne  möchte  der  Ausdrnek 
Spondylomochleusis  oder  schärfer  noch  Spondylhy per eb-» 
mochleusis  dem  Ausdrucke  Spondylolisthesis  gegeoöber 
der  bezeichnendere  sein,  das  Niedersinken  wegen  mangelnder 
entsprechend  widerstandskräftiger  Grundlage  gegenüber  der 
Hioüberhebung  durch  eine  von  hinten  her  hebende,  hebelnde 
Kraft 

Ich  werde  zu  dieser  schärferen  Bezeichnung  hauptsäch- 
lich veranlasst  durch  ein  Becken  der  Cölner  Sammlung, 
welches  die  Spondylolisthese  in  ihren  allerersten  Anfangen 
nachweist,  so  dass  man  es  kaum  eben  zu  den  spondylo- 
listlietischen  zählen  kann,  die  Spondylomochleusis  aber  in 
der  allerunverkennbarsten  Weise  in  die  Augen  treten  lässt, 
wie  dieselbe  eben  nur  zur  Eindrückung  des  Kreuzbeines  als 
ersten  Anfang  der  Spondylolisthese  hinführt,  ohne  dass  solche 
bei  der  grösseren  Widerstandsfähigkeit  des  Kreuzbeias  sich 
weiter  ausbilden  kann.  Es  weist  dieses  Becken  eben  auch  die 
Möglichkeit  ganz  anderer  Ursachen  der  Ueberhebelung  nach, 
als  sie  in  Gegenwart  verkümmerter  Schaltwirbel  gegeben  sind, 
und  lässt  auch  in  diesem  Sinne  mir  den  Ausdruck  Spondylo- 
parembolie  nicht  bezeichnend  genug  erscheinen. 

Auf  den  ersten  Blick  bietet  es  einige  Formähnlichkett 
mit  dem  osteomalacischen  Becken  dar,  unterscheidet  sich  aber 
wiederum  sehr  wesentlich  davon,  theils  in  den  EinzeUieitea 
der  Form,  theils  in  der  ungemein  kräftigen,  starken  Ent- 
wickelung  des  Knochengewebes,  der  Schwere  und  Massigkeit 
seiner  Knochen.  Denn  es  zeigt  bei  Vorhandensein  zweier 
Lendenwirbel  und  der  halben  Oberschenkel  ein  Gewicht  von 
2  Pfund  15  Loth,  während  ein  osteemalacisches  der  Sammlung 
bei  fast  gleichen  Verhältnissen  nur  1  Pfund  12  Loth  wiegt 

Es  fallt  ferner  sogleich  die  Erhebung  der  vorderen 
Wand  des  Beckens  gegen  die  Mitte  hin  und  die  Herab* 
drückung  des  Kreuzbeines  unter  deren  Niveau  in  die  Augen. 
Buht  das  Becken  auf  beiden  Sitzknorren  und  dem  Kreuzbeine 
auf,  so  fällt  der  obere  Band  der  Schoossfuge  in  eine 
Horizontalebene  mit  einem  Punkte  des  fünften  Lendefi- 
wirbeis,  der  vom  oberen  Bande  seines  Körpers  4'"  absteht, 
vom  unteren  b"',  und  der  obere  Band  des  ersten  Kreuz- 
wirbels fallt  um  1"  unter  das  Niveau  dieser  Horizontale,  um 


I 


der  Leadenwirbel  tob  binleo  n«oh  f^orn.  343 

BMdirere  Linien  unter  und  hinter  den  oberen  Rand  des  fünften 
Lendenwirbels  (Fig.  a.). 

Das  Yoräbergestinkensein  der  Lendenwirbel  ist  durch  die 
Maasse  gerade  Ton  der  vorderen  Wand  des  Beckens  her  an- 
gedeutet, welche  a)  genau  von  dem  oberen  Rande  der 
Scboossfuge  oder  b)  von  dem  Scheitel  einer  kleinen  vor- 
springenden Knochenleiste  an  der  Symphyse  8'"  unter  deren 
oberen  Rande  genommen  sind. 

Dieselben  betragen  bis  zu   .  .       a,  b, 

vom  unteren  Rande  des  vierten  Lenden- 

wüteb 2"  7'"    2"6'"|  ^,„ 

von  dem  oben  erwähnten  Niveaupunkte    2   8       2    7.       ' 
vom  unteren  Rande  des  fünften  Lenden-  [  ^m 

wirbeis 29      2    8  ' 

vom  oberen  Rande  des  ersten  Kreuz-  |  5'", 

wirbeis 3   2       3  V^  ' 

Die  Kreuzbeinflügel  differiren  oicht  in  der  Breite, 
wdil  aber  etwa  in  Form  und  Richtung^  denn  der  linke 
weicht  entschieden  etwas  nach  hinten  und  oben  zurück,  der 
rechte  nicht 

Der  hintere  Umfang  der  Bogenlinie  zeigt  nahe  an 
der  Incisura  ischiadica  eine  Knickung  nach  unten,  indem 
dieser  Punkt  3'"  unter  dem  Niveau  des  oberen  Randes  der 
Scboossfuge  li^t,  als  dem  Maasse  der  vorderen  Erhebung. 
Es  setzt  sich  aber  diese  Knickung  nach  aufwärts  durch  die 
ganze  Darmbeinschaufel  bis  zum  hinteren  Theile  der  Crista  fort. 
Der  grosse  Hüflausschnitt  ist  dadurch  in  seinem  oberop 
Umfange  zu  einem  genau  abgegrenzten  engen  Bogen  von  7%'" 
grötsier  Spannweite  zusammengedrückt  und  erweitert  sich 
dann  plötzlich  rechu  bis  1"  5'"  links  bis  1"  6'"  grösste 
Spannweite. 

Der  Vorberg  fallt  in  eine  Linie  mit  dem  weitesten 
Abstände  der  Bogenlinien  von  einander.  Der  Abstand  der 
Synostosen  von  einander  beträgt  4"  bei  47^"  Pfannen- 
abstand, und  der  Abstand  einer  sie  verbindenden  Linie 
vom  oberen  Rande  der  Scboossfuge  beträgt  1"  6'",  so  wie 
der  Parallelabstand  der  horizontalen  Schambeinäste  8'" 
weiter  gegen  die  Scboossfuge  hin  nur  2"  ö 


m 


344       XXV.    Birnbaum,  Ein  Becken  mit  Üeberhebelnng 

Der  rechte  Scfaoossbogenschenkel  ist  etwas  tiefer 
herab  und  in  der  Sitzknorrengegend  etwas  nach  einwftrts 
gedruckt,  darum  stärker  gebogen;  der  linke  ist  mehr  nach 
aussen  und  oben  gedrängt,  und  darum  im  Verhältnisse  zum 
rechten  mehr  gestreckt. 

Dabei  sind  aber  beide  Schoossbogenschenkel  nach  unten 
einander  der  Art  genähert,  dass  die  Schoosbogenweite 
in  den  höheren  Partieen  des  Schoossbogens,  beinahe  im 
Niveau  des  oberen  Kreuzbeinrandes,  in  gar  keinem  Ver- 
hältnisse zu  der  diesem  nach  viel  verminderten  unteren 
Schoossbogenweite  steht.  Es  betragen: 
der    Abstand     der    Synostoses    pubo- 

ischiadicae  von  einander l"10'*'j  jq» 

der  Abstand  der  vorderen  Enden  der  Tubera  2     8    |  .^w 

„    Mitte  der  Tubera 3     8 

„        „         „    hinteren  Enden  der  Tubera  4     2^2]     " '•  ' 

Schoosfugenhöhe  1  10 

Schoossbogenhöhe  2 

Seitenhöhe  der  vorderen  Becken  wand  rechts  3     6 
„  „         „  „  Imks    o     5 

Der  obere  Theil  der  Schoossbogenschenkel  hat  darum 
die  richtige  Stellung,  die  unteren  Theile  sind  dagegen 
einander  genähert,  rechts  jedoch  entschiedener,  als  links, 
indem  rechts  die  Gewalt  der  von  hinten  her  druckenden 
Einwirkung  in  voller  Concentration  wirkte,  links  dieselbe 
mehr  gemildert  erschien. 

*  Demgemäss  steht  auch  der  linke  Schoossfugenrand 
um  1"'  etwa  höher,  als  der  rechte,  und  ist  in  der 
unteren  Hälfte  der  Schoossfuge  um  1'"  breit  in  den  rechten 
mehr  hinein  und  nach  rechts  hinübergedröckt,  während 
in  der  oberen  Hälfte  der  Schoossfuge  dieser  in  gleidier 
Weise  nach  links  hinöbergedruckt  erscheint.  Die  Schooss- 
fuge bildet  daher  statt  einer  geraden  Linie  ein  die  Richtung 
des  vorschiebenden  Druckes  sehr  bezeichnendes  Zickzack, 
von  der  linken  Seite  oben  durch  die  Mitte  zur  rechten  unten. 

Für  die  Configuration  des  Beckens  ist  ein  Vergleich  der 
Distantiae  sacrocotyloideae  mit  den  von  den  ent- 
sprechenden Synostosen  beginnenden  schiefen  Durchmessern 
bezeichnend.    Er  beträgt: 


d«r  LeiidantHrbdl  toh-  hinten  niieb  Torn.  345 

Didtant  sacroeotyL       Diameter  obliqua. 

rechts 2*'3'"  .  .  / 4" 8'"  (H.), 

links 2"2y/' VT"  (1.), 

dem  MtUelmaass  gegenüber  1"  3 — 2^/^"  weniger,  2  —  1'"  mehr. 
Die  Darinbeinschaufeln  haben  eine  directe  Breite  ycm 
der  Spina  anterior  znr  posterior  superior  gemessen  von  4"  9'", 
bei  vorderer  Höhe  rechts  von  2"  1'",  links  von  2"  4'"  und 
mitüerer  Höhe  von  der  Incisura  ischiadiaca  major  an  gemessen 
von  rechts  4"  links  4"  3'".  Die  Tiefe  der  Ausbiegung  beträgt 
ao  der  tiefsten  Stelle  in  gerader  Linie  1"  T". 

Die  rechte  liegt  dabei  etwas  flacher  nach  aussen  und  ist 
etwas  mehr  nach  vorn  vorgeschoben,  während  die  linke  etwas 
gerader  ansteht  und  mehr  nach  hinten  und  oben  zurück^ 
gedrängt  erscheint.  Der  Druck  hat  sich  auf  den  hinteren 
Umfang  der  Darmbeinschaufeln  concentrirt,  während  Bogen- 
linien  und  Schoossfuge  in  geringer  Erhebung  nach  vorn  aus- 
wichen;, darum  gehen  auch  jene  feinen  Koochenwulstungen 
der  Knickung  an  beiden  Seiten  am  Ende  der  ßogenlinie  und 
Anfange  der  Oberfläche  bis  zur  halben  Schaufelhöhe  hinauf 
und  als  flache  Furche  bis  zur  Grisla  weiter,  und  ist  der 
hintere  Umfang  der  Darmbeinscbaufeln  oben  stärker  nach  vorn 
umgelegt,  der  vordere  ihm  ungewöhnlich  stark  entgegengestellt. 
AUe  diese  Umstände  weisen  auf  die  hintere  Wand  des  Beckens 
als  Ausgangspunkt  hin,  welche  auch  die  Regelwidrigkeiten  in 
höchster  Concentration  zeigt. 

Das    Kreuzbein    zeigt    eine    aulTallende   Verminderung 
seiner  Höhe  als  hintere  Tiefe  des  Beckens,  welche  bei  4"  6^ 
directer  Länge  nur  2"  6'"  betragt,  bei  1"  8*"  Aushöhlungstiefe. 
Es  hat  je  fünf  Kreuzbeinlöcher  und  sechs  Kreuzbein- 
wirbel. 

Die  Seitenflügel  sind  vom  stark  nach  unten  gebogen, 
nach  hinten  oben  und  aussen  stark  zurück-  und  hinaufgezogen, 
so  dass  die  den  Seitenkemen  entspi*echenden  Flügelstüeke 
glatt  und  .niedrig  nach  vom  abfallen,  die  den  Querfortsätzen 
entsprechenden  stark  vortretende  Wülste  bilden.  Der  rechte 
ist  dabei  etwas  schmaler  und  stärker  umgebogen. 

Die  obere  Hälfte  des  ersten  Kreuzwirbeis  zeigt  sich  nach 
vom  und  unten  wulstig  vorgedrängt,  die  untere  stark  zurück- 


346       ^^^*    Bimb^mmt  Bin  Be«k«n  mit  DeberUb^long 

weichend.  Bei  14'"  Gesammthöhe  hat  diese  Wulstung  bei  3"^ 
von  oben  her  den  stärksten  Grad  erreicht  und  endet  bei  8'" 
in  fein  aber  scharf  maricirter  Abgrenzung  yon  dem  zurück- 
weichenden Theile.  Das  Zurückweichen  hinter  die  stärkste 
obere  Wulstung  beträgt  dicht  über  der  Verbindung  mit  dem 
zweiten  Kreuzwirbel  5'\  am  zweiten  selbst  7'",  am  dritten 
5V2"  und  ist  am  fünften  ausgeglichen. 

Es  beginnt  demnach  die  Biegung  des  Kreuzbeines  in 
der  unteren  Hälfte  des  ersten  Wh*bels  und  wird  bei 
dem  dritten  und  vierten  zur  wahren  Knickung.  Der  dritte 
hat  so  bei  7V/'  Länge  6*^  Höhe,  der  vierte  bei  ÖV/'  Länge, 
4V2'^  Höhe,  und  der  Abstand  der  stärksten  Aushöhlung  Ton 
der  Mitte  der  Schoossfuge  beträgt 

für  den  vierten  Kreuzwirbel  5"  2'*^, 


„     „    fünften        „  4"  11 


m 


Der  Abstand  der  Sitzstacheln  von  einander  misst  3"  7 

die  Distantia  spinososacralis  dextra 1'^  S'*, 

sinisira 1"  5". 


»»  »»  »»        1» 


Die  Vorbergmitte  am  Kreuzbeine  bildet  mit  den  Flügeln 
ein  Dreieck,  dessen  Grundfläche,  von  einer  Flügelspitze  zur 
anderen,  V  1'"  beträgt,  der  rechte  Schenkel  2"  11*^,  der 
linke  3"  2'"  bei  2"  2'"  Höhe  und  dessen  Spitze  bei  2"  11*^ 
Abstand  vom  Beckenboden  um  1"  3'"  unter  das  Niveau  der 
Grundfläche  mit  4"  2'\  Abstand  vom  Beckenboden  fällt. 

Dass  der  Druck  sich  am  meisten  auf  den  dritten, 
vierten  und  fünften  Kreuzwirbel  concentrirte,  wird 
durch  die  bedeutende  Verminderung  ihrer  Höhe,  die  starke 
Wulstung  ihrer  Verbindungsstellen  bei  starkem  Zurückfallen 
der  Wirbelmitte,  das  rasche  Abfallen  der  Trennungsleisten 
ihrer  Wirbel  in  schräger  Richtung  von  oben  und  aussen 
nach  unten  und  innen  an  den  dritten  und  vierten  Wirbelloche 
erwiesen.  Es  geht  aber  noch  mehr  aus  dem  verschiedenen 
Umfange  der  Wirbellöcher,  namentlich  des  dritten  und 
vierten  im  Verhältnisse  zum  ersten  und  zweiten  einerseits, 
zum  fünften  andererseits  hervor.  Hier  ergeben  sich  folgende 
Verhältnisse : 


der  I/Mideiifirirl»«!  toa  Mateo  naeli  vorn. 


247 


Vorderes 
Kreuzbeifiloch. 

Rechts.     Links. 


Hinteres  Kreuzbeinloch. ' 


Rechts. 


Links. 


Erstes. 

Zweites 

Drittes 

Viertes 

Fünftes 


Breite. 

■7/// 

11 

7 
3 

4V, 


Höhe. 

4'/."' 
5 

3 

IV. 

3 


Breite. 

3'" 

3 

3V, 

3 

5 


flöhe. 

3V4 
2V9 

1V4 

3V4 


Breite* 

2V,'" 

2 

4 

2V4 
5 


Höhe. 

4". 
2. 

2V,. 
IVv 

2»/4. 


Die  Lendenwirbelkörper  sind  an  den  Seiten  slark 
eingebogen  mit  weit  überstehenden  Rändern,  nach  rechts  vom 
am  stärksten,  zwischen  den  Querfortsfitzen  am  schwächsten, 
\iuk&  umgekehrt  Sie  erscheinen  so  von  oben  und  hinten 
nach  unten  und  vom  zusammengedrückt  und  etwas  von  rechts 
nach  links  um  die  Längenaehse  gedreht 
Ihre  Höhe  beträgt: 

rechts        in  der  Mitte        links 
des  vierten  13"  IS'U'"  14'/,'", 

des  ronaen  11'/,  12V,  11, 

Differenz   ...  IV.  V4'*'  •  •  •  l'A*". 

V.    X  ...    1  /2« 

Die  Stachel  Fortsätze  beider  Lendenwirbel  sind  platt, 
hakenförmig  an  der  Spitze  nach  unlcn  gezogen,  und  der 
vierte  etwas  von  rechts  nach  links,  der  fünfte  von  links 
nach  rechts  abgebogen,  während  der  des  ersten  Kreuz  wirbeis 
wieder  gerade  steht. 

Links  findet  sich  zwischen  ihren  Gelenkfortsätzen 
eine  slark  l*"  dicke  verknöcherte  Exsudatschichte,  theils 
mit  der  oberen  Gelenkfläche  verschmolzen,  theils  markirt 
getrennt  Dieselbe  drückt  den  je  oberen  Wirbelkörper  etwas 
mehr  nach  aussen  vorn,  und  unten  hinüber,  dreht  ihn  dabei 
etwas  von  links  nach  rechts  um  seine  Axe  und  fuhrt  so  zur 
Verbiegung  der  Stachelforlsatze.  Die  Gelenkflächen  stehen 
dabei  unten  am  weitesten  von  einander,  nähern  'sk:h  oben 
wieder  einander. 

Rechts  sind  sie  dagegen  eng  aneinandergedröckt, 
nur  dass  am  fünften  Lendenwirbel  der  obere  schiefe  FortsaU 


348       ^^y*   Binibmwi^^  Eim  Be«k0n  mit  U«berhel|elQng     . 

den  unteren  des  fünften  Lendenwirbels  etwas  umfasst  und  nach 
einwärts  drückt ,  gestützt  von  einem  kleinen  Knochenexsudate. 

Die  viel  dickeren  und  scharf  markirten  zwischengelagerten 
Knochenscheiben  linker  Seite  liegen  den  unteren  Gelenkfläcben 
der  oberen  Wirbel  an  und  greifen  tief  zwischenein. 

Rechts  zeigen  die  unteren  Gelenkflächen  am  vierten  uixl 
fünften  Lendenwirbel  schwache,  wenig  diu*chgreifende  Spuren, 
während  die  geringe  Exsudatmasse  an  der  Wurzel  des  schiefen 
Fortsatzes  des  ersten  Kreuzwirbels  dem  Drucke  von  links  her 
bidi  entgegenstemmt. 

Der  Querfortsatz  des  vierten  Lendenwirbels  ist  links 
etwas  von  dem  fünften  abgehoben,  rechts  demselben  stark 
genähert,  und  ähnlich  ist  es  zwischen  dem  fünften  Lenden^ 
Wirbel  uud  ersten  Kreuzwirbel. 

Die  Stachelfortsätze  der  drei  ersten  Kreuzwirbel 
sind  geschlossen,  der  des  vierten  fallt,  links  von  dem  dritten 
durch  eine  platte  vertiefte  Fläche  getrennt,  in  zwei  Wülste 
auseinander,  einen  grösseren,  quergestellten,  linken,  einen 
kleineren,  schräg  gestellten  rechten,  der  von  jenem  anderen 
durch  eine  flache  Längsfurche  getrennt  und  mit  seinem  oberen 
£nde  durch  eine  schmale,  dünne  Knochenlamelle  mit  dem 
dritten  Stachelfortsalzs  verbunden  erscheint.  Dicht  unter 
seinem  unteren  Ende  ist  noch  ein  dritter  kleinerer  Wulst 
befindlich. 

Unter  dem  oberen  breiten  Quorwulst  beginnt  hinten  die 
Umbiegung  des  Kreuzbeines  nach  vorn  und  springt  die  ganze 
Gegend  zwischen  dem  vierten  und  fünften  Kreuzwirbelloche 
in  voller  Breite  in  unregelmässiger  Gestalt  stärker  vor.  Die 
Mitte  dieser  Fläche  zeigt  eine  längliche,  3V4"  lange,  IV4" 
breite  Oeffnung  im  Wirbelcanale  (Fig.  6.),  die  sich 
rechts  um  einen  breiten  schräg  nach  aussen  gehenden  stumpfen 
Höcker  herumwindet,  welcher  dem  gespaltenen  fünften  Stachel- 
fortsatze entspricht,  im  ganzen  oberen,  linken  und  unteren 
Umfange  dagegen  dünn  scharfirandig  begrenzt  erscheint.  Denn 
jenem  getrennten  Höcker  des  fünften  Stachelfortsatzes  ent- 
spricht hier  nur  eine  niedrige  kleine  Querleiste.  Unter  ihrer 
unteren  scharfen  Begrenzung  zieht  sich  rechterseits  ein  neuer 
breit  und  flach  vorstehender  Knocfaenwulst  halbmondförmig 
um  das  fünfte  Kreuzbeiidoch  herum   und  etwas  tiefer  berab, 


der  Lendenwirbel  ▼oai  faihten  nsek  Torn.  349 

dem  Imkerseits  ein  anderer  etwas  höher  liegender  flacher 
and  niedriger  Knocbenwulst  von  ganz  geringem  Urofauge 
gegenübersteht  Beide  sind  mit  einer  dünnen,  scharfrandigen 
Knoehenlamelle  miteinander  verbunden,  welche  den  Wirbel- 
canal  wieder  schliesst  nnd  entsprechen  so  dem  gespaltenen 
Portsalze  des  sechsten  Ki'euzwirbels ,  zwischen  welchem  der 
Wirbelcanal  solcher  Gestall  nicht  frei  ondei,  sondern  über- 
brückt nnd  geschlossen  erscheint. 

Es  sind  dies  offenbar  Ueberbleibsel  einer  Spina 
bifida  sacralis,  die  vom  dritten  Wirbel  an  sieb  ganz  nach 
abwärts  erstreckte  und  später  theilweise  durch  Knodieubildung 
geschlossen  wurde.  Der  grosse  Abstand  des  dritten  von  dem 
gespaltenen  vierten  Stachelfortsatze,  welcher  eine  schwadi 
gekrümmte,  rechts  bis  zu  jener  Querwulst  1"  links  bis  zu 
jenem  schrägen  Wulste  10'"  lange  Fläche  darstellt,  die  durch 
jene  Knochenlamelle  zum  dritten  Stachelfoi^tsatze  getbeilt  er- 
scheint und  gerade  zwischen  die  dritten  Kreuzbeiniöcher  fallt, 
spricht  zunächst  dafür,  dann  die  halbmondförmige  um  die 
unke  Querwulst  herumgehende  flache,  rimienförmige  Vertiefung. 
Dieser  ganze  Theil  der  Spalte  ist  aber  durch  Knochenbildung 
geschlossen  und  hatte  seine  Ausbiegung  nach  links  gekehrt, 
seine  Wölbmig  nach  rechts.  Der  fünfte  fireuzwirbel  findet 
seinen  Stachelfortsatz  links  neben  dieser  Furche  durch  den 
umfangreichen  breiten  grossen  Querwulsl  vertreten,  rechts 
durch  die  zwei  kleineren  oben  beschriebenen  Wülste.« 

Noch  mehr  spricht  dafür  jene  halbmondförmige  nach 
rechts  gebogene  Oeifnung,  welche  um  einen  stumpfen  grösseren 
Höcker  rechts  herumgehl,  dem  eine  schmale  quere  Knochen* 
leiste  links  ents))richt,  beide  den  gespaltenen  fünften  Stachel- 
fortsatz darstellend.  Hier  ist  dann  wieder  die  Spina  bifida 
lamelenartig  durch  Knochenbildung  gesclilossen,  zwiscfien  der 
stark  wulstigen,  baldmondförmig  um  das  fünfte  Kreuzbeinloch 
lienimgebenden  rechten  und  der  niedrigen  flach  leistenförmigen 
linken  Hälfte  des  sechsten  Kreuzstachels.  Das  untere  £nde 
des  Krenzbeincanales  läuft  daher  in  einen  ganz  kurzen 
knöchernen  Biindsack  aus,  unter  dem  frei  und  ofien  ge- 
bliebenen Ueberreste  der  Spina  bifida. 

Diese  stark  vorragende  Mittelpartie  zwischen  den  Kreuzbein- 
löchern  tritt  demnach  rechts  besonders  stark  in  vier  grössei*en 


S60       XXV.    B»r»6attm,  Bin  Becken  mit  Ueberhetielüng 

und  kleineren  schief  von  innen  nach  aussen  reriaatenden 
Knochenwülsten  hervor,  ist  links  mehr  flach,  mit  jener  grossen, 
breiten  Querwulst  und  zwei  niedrigen  flachen  Querleisten, 
der  linke  Seitentheil  des  Kreuzbeins  erscheint  nach  aussen 
neben  dem  dritten,  vierten  und  fünften  Kreuzbeinloche  mehr 
breit  und  flach,  glatter.  Der  rechte  Seitentheil  ist  kürzer 
zusammengedrängt,  schmaler  und  neben  dem  dritten  und 
vierten  Kreuzbeinloche  wie  in  zwei  Knochenninzelungen  in  zwei 
stark  von  oben  nach  unten  und  aussen  laufende  Wülste  ge- 
hoben, unter  denen,  zwischen  ihnen  und  dem  rechten  Rande 
des  Mitteltheiles,  in  starker  ebener  Vertiefung  sich  das  fünfte 
Kreuzbeinloch  befindet.  Das  Steissbein  setzt  mit  seinem  ersten 
Wirbel  nach  links  etwas  höher  an,  als  nach  rechts,  so  dass 
die  Kreuzbeinspitze  schief  von  links  nach  rechts  abfallend 
erscheint 

Das  eben  besdiriebene  Becken  ist  weniger  um  seiner 
Formausbildung  willen  interessant,  als  wegen  der  Be- 
stimmtheit, mit  welcher  die  Art  seines  Zustandekommens 
ihren  formalen  Ausdruck  gefunden  hat.  Es  ist  durdi  den 
deutlich  nachweisbaren  Widerstand  in  seinem  Enlwickelungs- 
gange  auf  halbem  Wege,  auf  einer  Uebergangsstufe  stehen 
geblieben,  der  fünfte  Lendenwirbel  ist  durch  die  eingeschalteten 
Knochenlamellen  wohl  in  jene  schiefe  Stellung  zum  ersten 
Kreuzwirbel  gebracht,  welche  ein  Herahgleiten  einleitete,  aber 
in  der  *  kraftigen  Entwickelung  des  ersten  Kreuzwirbels  und 
der  übrigen  Beckenknochen,  sowie  in  dem  rasch  wuchernden 
Schlüsse  der  Wirbelspalte  hat  er  seinen  entsprechenden 
Gegenhalt  gefunden.  Daneben  wirkte  aber  auch  die  Erbebung 
der  vorderen  Beckenwand  mit,  um  die  in  der  Knickung  an 
Bogenlinie  und  hinterm  Darmbeinschaufelumfang  gegebene 
Niederdröckung  des  Beckens  zu  compensiren  und  der  Druck 
von  hnks  hinten  und  oben  nach  rechts  vorn  und  unten  wurde 
durch  den  Gegendruck  von  vorn  und  unten  nach  hinten  und 
oben  von  der  rechten  Pfanne  aus  in  der  Schooasfuge  coro- 
pensirt,  wodurch  die  Zickzackgestalt  der  Schoossfuge  ent- 
stehen musste. 

Solchergestalt  ist  es  aber  ganz  besonders  geeignet,  den 
Gegensatz  derSpondylolisthesis  undSpondyiomochleusis 
um  so  vollkommener  darzulegen. 


der  Lendemriribel  Ton  hiatoa  :melk  vorn.  351 

Leider  fddt  zu  unserem  Becken  jeder  historische  Nachweis. 

Wenn  die  Hydrorrbachis  zur  Bildung  spondylolistbeüseher 
Bedien  Anlass  giebt,  so  sehen  wir  in  unserem  Falle  diesen 
ihren  schädlichen  Einfluss  durch  die  slark  vorschreitende 
Knochenbüdung,  welche  die  Lücke  rasch  schloss,  aufgehoben. 
Die  Ueberhd[)elung  des  fQnflea  Lendenwirbels  von  links  und 
oben  nach  rechts  unten  ist  aber  als  Causa  movens  der  ganzen 
Beckendefonnitit  unverkennbar  und  theilweise  ausgeglichen 
durch  die  dünnen,  feinen  Knochenexsudate  rechts  theilweise 
durch  eben  jene  vorgeschrittene  Knochenbildung.  So  kam 
nur  ein  Niederdrücken  des  ersten  Krenzwirbeis  mit  Zurück- 
dringung  des  gesammten  Kreuzbeins  zu  Stande,  kein  weiteres 
Heruntergleiten  der  Lendenwirbel. 

Ich  ^ube  die  Bezeichnung  dieser  Beckenform  als  P elvi s 
depresso  elevata  im  obstetrischen  Sinne  vollkommen  ge- 
rechtfertigt, welche  dann  als  Gattungsbegriff  die  Arien  der 
a)  Spondylolisthetica  simplex  oder  directa,  b)  Spondylo- 
mochieutica,  c)  Spondyk>listhetica  rhachitica  und  osteomalacica 
umfassen  würde. 

Als  gemeinsames  Gattungsmerkmal  dieser  Arten 
erscheint  daboi,  abgesehen  von  der  Raumbeschränkung,  eine 
auffallende  Verminderung  selbst  Aufhebung  der  Neigung 
des  oberen  Beckencanales,  anfTallende  Steigerung  der 
Neigung  des  unteren  Beckencanales,  indem  ein  Theil  der 
das  grosse  Becken  regelmässig  umgrenzenden  Knochenpartieen 
zur  Bildung  des  Zwischenbeckens  theilweise  oder  ganz  in 
das  kleine  Becken  hinabsinkt 

Den  geraden  Gegensatz  zu  dieser  Beckenform  bildet 
dann  die  Kyphose  des  Lendenantheiles,  von  der  ich  in 
einem  früheren  Aufsätze  ein  Beispiel  geliefert  hatte. 

Hier  rückt  der  Zwischenbeckenraum  in  das  grosse 
Becken  hinauf,  dessen  Stelle  er  ganz  einnimmt  und  welches 
er  über  sich  hinaus  in  die  Bauchhöhle  verdrängt  Die  Bauch- 
höhle muss  demnach  hier  das  grosse  Becken  vertreten, 
das  anatomische  grosse  Becken  ist  in  obstetrischen  Sinne 
Zwischenbeckencanal,  und  an  diesen  schliesst  sich  die 
eigentliche  Beckenhöhle  als  Beckencanal  an.  Hier  wird 
die    Richtung   des   Kindes   zum   Beckeneingange   durdi   die 


252        ^^y*    Jßimbaum,  £in  Becken  mit  Ueberhebelangr 

Ueberbiegufig  des  oberen  Theiles  der  Lendenwirbelsäuie  vor 
das  tiefer  liegende  Kreuzbein  hoch  oben  bestimmt. 

Der  Zwischenbeckencanal  erscheint  demnach  hier 
zu  stark  geneigt,  das  kleine  Becken  diesem  Verhältnisse 
gegenüber  und  ganz  allgemein  zu  gering  geneigt,  und 
diese  Beckenform  hindert  die  Geburt  möglicherweise  gar  nicht 
durch  Raumbeschränkung,  welche  dabei  ganz  fehlen  kann, 
immer  aber  durch  diese  verkehrte  Richtung  der  einzelnen 
Beckenräume  gegeneinander,  welcher  der  Kopf  des  Kindes 
nicht  folgen  kann. 

In  beiden  einander  gegenüberstehenden  Formen  kommt 
in  Bezug  auf  den  Gang  der  Geburt  neben  dem  Umfange 
des  Kopfes,  der  für  die  erste  Form  sehi*  wichtig,  für  die 
zweite  an  sich  oft  ganz  gleichgültig,  ganz  insbesondere  noch 
seine  Höhe  in  Betracht,  von  der  es  allein  abhängt,  ob  er 
seinerseits  in  diese  verschiedeneu  Richtungen  des  Becken- 
raumes hinübergehen  oder  vielmehr  hinubergeleitet  werden 
kann,  ohne  Schaden  zu  nehmen,  oder  nichL 

Wenn  wir  die  erste  Form,  die  hochgradige  Lordose 
der  Lendenwirbel  mit  Niedersinken  derselben,  als  Pelvis 
depresso  elevata  bezeichneten,  so  würde  diese  andere 
Form,  mit  Kyphosis  lumbalis  als  Pelvis  recte  antorsum 
depressa  zu  bezeichnen  sein,  und  als  Indication  des  Partus 
arte  praematurus  zu  gelten  haben,  wälirend  die  Kyphosis 
dorsalis  oder  dorsolumbalis,  wo  die  Compensirung  noch  in  • 
den  Lendenwirbelautheil  fallt,  nur  durch  die  stärkere  Becken- 
neigung geburtshulflich  bedeutend  ist,  aber  gar  keine  Be- 
und  Erschwerung  der  Geburt  bedingt 

Von  der  ersten  Gattung  liatte  ich  noch  vor  Kurzem 
in  hiesiger  Anstalt  einen  Fall,  der,  auf  Rhachitis  beruhend, 
mir  die  Wichtigkeit  der  Ausdehnung  der  Maassbestimmungen 
der  äusseren  schrägen  Conjugata  auf  die  übrigen  Lendenwirbel 
wiederum  erwies. 

Bei  der  Person,  einer  Erstgebärenden,  6V9  Monate 
schwanger,  fühlte  man  das  stark  umgebogene  Kreuzbein  in  über- 
mässiger Neigung  stark  nach  hinten  und  unten  zurückgedrängt 
und  den  fünften  Lendenwirbel  stark  vor  und  herabgescboben. 
In  der  Kreuzgegend  fühlte  man  eine  tiefe,  zwischen  die  Lenden 


der  Lenden  Wirbel  von  hinten  nach  vorn.  353 

hinauf  ?erfolgbare  Rinne.  Die  innere  Schrägconjugata  maass 
3V/,  die  äussere  6V4"  und  der  IV«"  über  dem  Stachel- 
fortsalz des  fünften  Lendenwirbels  in  jene  Rinne  eingedrückte 
Tasterzirkel  ergab  GV«',  so  dass  die  Verengerung  als  liocli 
hinaufgehend  erwiesen  war.  Der  Querdurchmesser  des  grossen 
Beckens  von  Spina  zu  Spina  zeigte  Q^l^\  der  von  Crista  zu 
Crista  8V2".  Ich  hatte  in  der  28.  Woche  die  künstliche 
Frühgeburt  einleiten  wollen,  die  Natur  aber  kam  mir  in  der 
26.  zuvor.  Die  Wehen  waren  sehr  regelmässig  und  ergiebig, 
so  dass  nach  zwölfstündiger  Geburtsarbeit  der  Mutlerhals  ver- 
strichen, der  Muttermund  ganz  eröffnet,  die  Blase  tief  auf 
den  Boden  des  Beckens  niedergedrückt  war.  Der  Kopf  blieb 
aber  hoch  oben  auf  der  vorderen  Wand  des  Beckens  und  dem 
Beckeneingange  stehen.  Die  Nacht  über  erreichten  die  Wehen 
eine  ausserordentliche  Höhe,  zuletzt  in  anhaltenden,  stürmischen 
Drang  übergehend,  ohne  den  kleinen  Kopf  des,  wie  sich 
nachher  auswies,  nur  27« pfundigen  Kindes  tiefer  zu  bringen, 
und  die  Sache  änderte  sich  auch  dann  nicht,  als  die  Blase 
gesprengt  wurde,  so  dass  ich  mich  zur  Anlegung  der  Zange 
entschloss.  Dieselbe  war  bei  dem  hohen  Kopfstande  nicht 
ohne  Schwierigkeit  weil  genug  nach  vorn  herüberzubringen, 
haftete  aber  nachher  an  dem  kleinen  Kopfe  sehr  gut  'und 
krachte  ihn  ohne  Mühe  mehr  nach  hinten  durch  den  Zwischen- 
beckenraum in  das  eigentUche  Becken  herab  und  nach 
aussen  vor. 

Von  der  zweiten  Gattung,  der  reinen  Lumbokyphose, 
mit  Pelvis  recle  antorsum  depressa,  hatte  ich  ebenfalls  Ge- 
legenheit,.  einen  zweiten  Fall  zu  beobachten  und  will  hier 
nur  noch  bemerken,  dass  bei  der  Person,  welche  ich  in 
Trier  zwei  Mal  mit  der  Zange  entbunden  hatte,  mein  Nach- 
folger, Herr  Dr.  Endet,  das  dritte  Mal  mit  gutem  Erfolge, 
die  von  mir  immer  beabsichtigte,  aber  jedes  Mal  durch  die 
Person  vereilelle  künstliche  Frühgeburt  eingeleitet  hat,  aber 
ebenfalls  zuletzt  zur  Zange  seine  Zuflucht  nehmen  mussle. 

Mein  CölAer  Fall  betraf  eine  magere,  bleiche,  cachectisch 
aussehende,  nicht  ganz  4  Fuss  hohe  Person,  42jährige  Erst- 
gebärende. Sie  schrieb  den  Ursprung,  ihres  Leidens  einem 
in  ihrem  dritten  Jahre  erlittenen  Falle  zu. 

Monmtoscbr.  f.  QebartKk.  1868.  Bd.  XXI.,  Hit.  6.  2.H 


354       XXV.    Birnbaum,  Ein  Becken  mii  Uebethebelnng 

Der  Brostkorb  war  sehr  stark  nach  vorn  herausgedrängt, 

der  obere  Theil  des  Rückens  tief  nach  vorn  eingesunken 
und  eine  ganz  auf  die  Lendenwirbel  beschränkte 
Kyphose  vorhanden,  welche  in  dem  unbedeutend  kypfaotisdi 
gestellten  zwölften  Brustwirbel  und  dem  Kreuzbeine  endete* 

Die  Compensationskrummung  nach  oben  bildete  eine 
sehr  starke  lordotische  Einbiegung  der  Röcken wirbelpartie, 
welche  zwischen  dem  sechsten  und  siebenten  Ruckenwirbel 
ihren  Culminationspunkt  fand.  Das  Kreuzhein  war  gerade 
nach  vorn  und  unten  geschoben  und  die  Schoossfuge 
stand  fast  vertical  gegen  den  Fussboden,  so  dass 
bei  aufrechtem  Stande  der  Person  die  I^abia  majora  vulvae 
fast  gerade  herabgingen  und  die  Vulva  mit  mehr  wie  zwei 
Dritteln  ihrer  Länge  nach  vom  sichtbar  erschien,  der  Anus 
in  der  Mitte  zwischen  den  Schenkeln  gefohlt  wurde. 

Der  tiefste  Punkt  der  vom  eingesunkenen  Wirbelsäule 
fällt  daher  zwischen  den  sechsten  bis  siebenten  Brustwirbel, 
die  prominirendsten  auf  den  ersten  Brustwirbel  nach  Com- 
pensation  der  Lordose  und  den  dritten  Lendenwirbel  als 
Gipfel  der  Kyphose. 

Durch  die  Lendenwirbelkyphose  erschien  die  Bauchhöhle 
niedriger,  abgeflacht,  mit  Erhebung  der  Darinbeinschaufeln 
nach  vorn,  durch  die  Loinlose  der  Brustwirbel  der  Brustkorb 
niedriger,  nach  vorn  stärker  herabgedröckt.  Die  letzten  Rippen 
standen  links  au  niveau,  rechts  einen  Finger  tief  unter  dem 
Huftkamme.  Die  directe  Länge  der  Kyphose  betrug  etwas 
aber  5",  die  höchste  Erhebung  l'/a  —  2". 

Die  Abstände  des  oberen  Schoossfugenrandes  betrugen: 
Von  der  Kreuzheinspitze   4"  3'" 
Vom  ersten  Kreuz wirbel    7"  9'"  = 
Vom  fünften  Lendenwirbel  8" 

„     vierten  „  9V4" 

„     dritten  „  9%" 

„     zweiten  „  10" 

„    ersten  „  IOV4" 

„     zwölften  Brustwirbel  10  V4" 

„     neunten  „  10  V4" 

„    sechsten        „         10 '4" 


]  Differenz  3 

"6". 

sr 

15*. 

6"». 

„ 

a*. 

3'". 

]    I 

0. 

]    . 

0. 

]    . 

3'". 

I 


Aer  Lendenwirbel  Ton  hinten  naoh  rorn.  355 

Die  Trochanterenbreite  maass  .  .  11"  3'^ 

Abstände  der  Spinae  ant.  super.   10''  9*^. 

„    Cristae    11"  6'". 

Der  dünnwandige,  gespannte  Uterus  war  mit  seinem 
Grunde  in  scharfer  hakenförmiger  Krümmung  besonders 
sräier  vorderen  Wand  gerade  nach  abwärts  gekehrt,  bis 
zur  Mitte  des  Oberschenkels  herabreichend,  mit  wenig  Frucht- 
wasser, eng  um  das  Kind  herumgehend,  ganz  gleich,  wie 
ich  es  in  meinem  ersten  Falle  beobachtet  hatte. 

Die  Scheide  war  sehr  eng,  niedrig,  das  Scheidengewölbe 
faerabgedrängt,  der  untere  Abschnitt  gegen  die  Kreuzbein- 
aashöhlung  hin  ganz  entfallet,  sehr  dünn,  der  Mutterbals 
Terstrichen,  der  Kopf  stark  in  die  Aushöhlung  des  Kreuzbeines 
hineingedrängt. 

Die  Vulva  war  klein,  kurz,  der  Beckenausgang  etwa  um 
1'  verengt. 

Bei  dem  geringen  Umfange  des  Uterus  und  der  starken 
Ausfüllung  des  oberen  Beckenraumes  durch  den  Kopf,  dessen 
Nähte  weit,  die  Kopfknochen  weich  erschienen,  hielt  ich  die 
Vornahme  der  künstlichen  Frühgeburt  nicht  erforderlidi. 
Der  Kopf  musste  aber  auch,  da  er  in  zweiter  Scheitelsfellung 
quer  stehend  sich  nicht  drehte  und  nicht  nach  vorn  kam, 
sondern  immer  in  die  Aushöhlung  des  Kreuzbeines  gedrängt 
wurde,  mit  der  Zange  entwickelt  werden,  wobei  durch  die 
starke  Ueberblegung  desselben  ein  Scheitelbein  in  eine  Falte 
mit  Fractur  zusammengepresst  wurde  und  das  Kind  durch 
starkes  Blutextravasat  an  der  Basis  cranii  zu  Grunde  ging. 

Es  war  ein  siebenpfündiger  Knabe. 

Die  Mutter  starb  unter  den  Erscheinungen  lähmungsartiger 
Schwäche  ohne  Spur  von  Entzündung. 

Die  Bauchhöhle  war  mit  einem  blutigen,  keine  Spur  von 
Eiweissflocken  oder  FaserstoiTgerinnseln  enthaltenden  Serum 
gefüllt,  die  verschiedenen  Eingeweide  scblalT,  aber  sonst 
normal.     Keine  Spur  von  Entzündung. 

Die  Lungen  waren  ebenfalls  bis  auf  Adhäsionen  normal, 
aber  das  Herz  in  seiner  ganzen  rechten  Hälfte  in  fast  voll- 
ständiger Fettmetamorphose. 

In  lUchlung  des  rechten  Psoas  fand  sich  ein  grosser, 
mit  jauchichteoi,  weiterhin  dicklichem,  schmierigem,  mit  kalk- 

23* 


356     XXV.   BirfAaum,  Ein  Be^en  mit  Ueberhebelang  etc. 


artigen  Concrementen  vennigchtem  Eiter  gefällter  Congestions- 
abscess  von  carioser  Zerstörung  der  nach  vam  zusammen- 
gepressten  Lendenwirbel  und  des  oberen  Theiles  der  inneren 
Kreuzbeinfläche,  welcher  sich  bei  Lebzeiten  durch  kein  einziges 
Zeichen  zu  erkennen  gegeben  hatte. 

Die  Weichheit  der  Lendenwirbel  und  daher  rührende 
grosse  Veränderung  in  der  Richtung  des  Reckens  zum  Brust- 
körbe ,  indem  in  der  Rückenlage  der  Leiche  die  letzten  Rippen 
um  drei  Finger  breit  von  der  Crista  ilium  abstanden,  machten 
leider  innere  Messungen  so  wie  Einsicht  in  die  Verhältnisse 
während  des  Lebens  unmöglich  und  nur  so  viel  war  fest^ 
zustellen,  dass  das  Becken  oben  breit  auseindergerückt,  untea 
enger  zusammengeschoben  war. 

Nach  diesen  Angaben  würde  sich  im  geburtshülfiiche^ 
Sinne  folgende  Eintheilung  der  Becken  als  in  Rezug  auf  die 
Wirkung  derselben  übersichtlichste  wohl  empfehlen: 


L 

IL 

IIL 

Pelves  arctae  indefinita 

Pelves  arctae  definita 

Pelves  per 

directione. 

directione. 

accideos 

a.  Infundibuliformis. 

a.  Antorsum  compressa. 

arctatae. 

1.  Supera. 

Rhachitica  1.  gradus. 

Exostotica. 

2.  Infera. 

b.     Bilateraliter    com- 

Fracta. 

3.  Fauciformis. 

pressa. 

Spinosa. 

b,   Universaliler  justo- 

c.     (Jniversaliter  com- 

minor. 

pressa. 

1.  Aequabiliter. 

1.    Asymmetrica. 

2.  Irregulariter. 

2.    Oblique   arctata 
ovaita. 

d.  Elevato  depressa* 

1.  Spondylolisthetica. 

2.  Spondylomochleu- 

tica. 

3.  Lumbolordotica. 
Rhachitica  2.  gradus. 

e.  Antorsum  depressa. 
Lumbokyphotica. 

/.   Undique  compressa 
osteomaiacica. 
Rhachitica  3.  gradus. 

' 


XZVI.  CMOM,  Drei  FUle  TOB  EeUmpsU  partiirieAtiain.    357 

Erklärung  der  Figareo. 

Figur  I.  ist  die  vordere  Ansicht  des  Beckens,  in  welcher  die 
Punkte  der  vorderen  und  hinteren  Beckenwand ,  wie  die- 
selben in  eine  horizontale  fallen,  hervortreten.  Der  vierte 
Lendenwirbel  steht  frei,  der  fünfte  au  niveau  des  oberen 
Tlieiles  der  Schoossfuge,  die  Kreuzbeinaushöhlung  au  niveau 
des  untersten  Theiles  derselben  und  des  Schoossbogens. 

Figur  II.  ergiebt  an  den  Punkten  a.  und  b.  die  zwischen 
die  Processus  obliquos  eingeschobenen  Exsudatscheiben. 

HL  ergiebt  bei  c*  die  hydrorhachitiscbe  Stelle. 


XXVL 

Drei  Fälle  von  Eclampsia  parturientium. 

Mitgetheilt 


von 


J.  G.  Grülllch, 

prakt.  Arzte  and  Gebnrtihelfer  xn  Neu  -  Goradorf  bei  Ldbau. 

In  einer  dreissigiäbrigen  ärztlichen  Praxis  hatte  ich  nur 
fänf  Mal  Gelegenheit,  Eclampsie  Gebärender  zu  beobachten, 
war  aber  so  glöcklich,  sämmtliche  Frauen  genesen  und  drei 
Mal  lebende  Kinde  gebären  zu  sehen. 

Die  drei  wichtigeren  Fälle,  welche  Gebärende  vor,  bei 
und  nach  der  Geburt  betrafen,  erlaul)e  ich  mir  mitzutheilen, 
enthalte  mich  aber  aller  epikritischen  Bemerkungen  um  so  mehr, 
als  alle  gelehrten  Auslassungen  über  das  Wesen  der  Eclan^sie 
Dicht  stichhaltig  scheinen. 

I.     Eclampsia  post  partum. 

Frau  Hoffmann  von  Alt*Gersdori,  26  Jahre  alt,  bidier 
fast  immer  gesund  and  seit  dem  18.  Jahre  regehnässig 
menatniirt,  concipirte  im  26.  Jahre  und  machte  eine  regel- 
mäsaige  Schwangerschaft  durch. 


358    XXVI.  GHU^MÄ,  Drei  PXll«  von  EclumpsU  pariniie.ntivDi. 

Durch  Erkältung  hatte  &ie  sich  am  23.  und  24.  September 
1861  eine  Diarrhoe  mit  heftigen  Unlerleihsschmerzen  zugezogen, 
welche  am  25.  September  früh  um  8  Uhr  die  Geburt  eines 
lebenden  Knaben  zwei  bis  drei  Wochen  vor  Beendigung  dep 
Schwangerschaft  nach  sich  zogen.  Die  Placenta  folgte  in 
wenigen  Minuten. 

Ungefähr  eine  halbe  Stunde  nach  der  Geburt  trat  der 
erste  eclamptische  Anfall  ein,  mit  welchem  sogleich  das  Be* 
wusstsein  erlosch.  Mit  kurzen  Intermissionen  waren  mehrere 
Paroxysmen  aufeinander  gefolgt 

Um  10  Uhr  Vormittags  fand  ich  die  Wöchnerin  von 
den  fürchterlichsten  eclamptischen  Krämpfen  befallen.  Die 
Kranke  stand  im  Bette  auf,  wollte  fort,  warf  sich  herum, 
stürzte  wieder  zusammen.  Zackungen  im  Gesiebte,  tetanisches 
Strecken  der  Extremitäten,  Ziehen  des  Kopfes  nach  der 
rechten  Seite,  Zuckungen  durch  den  ganzen  Körper  gleich 
electrischen  Schlägen  folgten.  Das  Gesicht  wurde  verzeixt, 
die  Zunge  mehrmals  zwischen  die  Zähne  geklemmt  und  zer- 
bissen. Die  Augen  bewegten  sich  zuckend  mit  eigenthümlich 
leuchtendem  Glänze.  Stossweises  stöhnendes  Athmen,  blutiger 
Schaum  vor  dem  Munde,  eine  tiefe  cyanotische  Färbung  be» 
sonders  des  Gesichtes,  Halses  und  der  oberen  Extremitäten, 
Auflreibung  des  Gesichtes  und  Halses,  Strotzen  der  Hais- 
und Kopfvenen,  starkes  Pulsiren  der  Carotiden  vollendeten  das 
Bild.  Die  anomalen  Herzcontractionen  und  Pulsfrequenz  liessen 
sieh  bei  den  Convuisionen  kaum  richtig  beobachten,  obwohl 
die  Zahl  der  Pulsschläge  über  140  stieg. 

Nach  einigen  Minuten  schwiegen  allmälig  die  Convuisionen 
und  die  Kranke  verfiel  auf  20  Minuten  in  einen  tiefen  soporösen 
Schlaf  mit  stertorösem  Athmen,  intensiv  rothem  Gesiebt, 
geschlossenem  Hunde,  erhöhter  Temperatur  besonders  im 
Gesichte,  Stirn  und  einer  Pulsfrequenz  von  130. 

Der  fortbestehende  Lochienfluss  und  die  kurz  vorher- 
gegangene Diarrhoe  bestimmten  mich  vor  der  Hand  nicht  zur 
Vornahme  einer  Venäsection.  Es  wurden  daher  zwölf  starke 
Blutegel  am  Kopfe  applicirt  und  eine  reichliche  NaehblutuDg 
unterbaitea  Näehstdero  kalte  Umschläge  auf  den  Kopf, 
Epispastica  abwechsehid  an  die  Extremitäten.  Innerlich  eine 
Elmuls.  sem.  pap.  alb.  et  amygd»  dulc»  cum  eitr.  Hjosc. 


f 


XXVi.   6MIIidk,  Drei  FSUe  von  EdftmpfiUpartarieiiUam.    359 

Bis  Nachmittags  2  Uhr  keine  Yerftnderung.  Die  Anfälle 
kehrten  mit  erneuter  Heftigkeit  alle  20  bis  30  Minuten 
wieder.  Unterdessen  war  Eis  herbeigeschafft  worden,  uro 
damit  gefüllte  Blasen  über  den  Kopf  zu  legen.  Innerlich  eine 
SduL  natr.  nilr.  c.  syr.  ruh.  id.  Epispastica  im  Nacken,  auf 
dem  Thorax  etc. 

Im  Laufe  des  Nachmittags  und  Abends  kein  Nachlass. 
Pulsfrequenz  140 — 160,  cyanotische  Erscheinungen  grossartig, 
Respiration  steigend  stertoröser,  Lungenödem  drohend. 

Da  der  Puls  während  der  Intermission  abwechselnd  noch 
eine  gewisse  Völle  zeigte,  wurde  mit  Zustimmung  eines  herbei- 
gerufenen CoUegen  um  Mitternacht  ein  Aderlass  von  8  Unzen 
gemacht  Eine  noch  reichlichere  Blutentziehung  widerrieth 
das  rasche  Sinken  des  Pulses. 

Am  26.  September  früh  1  Uhr  zeigte  sich  noch  kein 
Nachlass  in  der  Intensität  und  Frequenz  der  Anfalle.  Nach 
einigen  Dosen  von  Morph,  acetic.  Vi^  Gr.  schien  jedoch  die 
Intensität  der  Anfalle  abzunehmen.  Gegen  4  Uhr  früh,  als 
der  letzte  Paroxysmus  eintreten  wollte,  reichte  ich  die  achte 
Dosis.  Er  war  ziemlich  anhallend,  jedoch  die  Erscheinungen 
beruhigender. 

Nachdem  nun  in  20  Stunden  über  40  Anfalle  sturmvoll 
Tonibergegangen,  -verharrte  zwar  die  Kranke  in  soporösem 
Zustande,  jedoch  es  trat  reichlicher  Schweiss  ein,  das  Athmen 
wurde  freier,  die  Hitze  des  Kopfes  geringer,  die  Pulsfrequenz 
sank  auf  120  bis  130.  Statt  der  Eisblasen  einfache  kalte 
Ueberschläge.    Innerlich  von  Zeit  zu  Zeit  noch  Solut  natr.  nitr. 

In  den  Vormittagsstunden  gegen  10  Uhr  mochte  die 
Kranke  das  Schreien  des  Kindes  vernehmen,  blickte  einen 
Moment  auf,  schlief  jedoch  wieder  fort.  Angeregt  öffnete  sie 
das  erste  Mal  den  Mund  und  schlang  mit  Begier  das  dar- 
gereichte Wasser. 

Während  des  übrigen  Tages  Abnahme  der  Temperatur 
und  Pulsfrequenz.  Das  Bewusstsein  noch  sehr  gestört,  die 
Kranke,  obwohl  sie  bisweilen  aufblickte,  war  noch  theil- 
oahmslos. 

Abends  10  Uhr  sank  die  Temperatur  auffallend,  das  An- 
adien wurde  blass,  den  Körper  bedeckte  ein  mehr  kühler 
wasseriger  Schweiss*    Puls  mehr  matt,  klein,  100. 


360    XXVI.   Qrüüieh,  Drei  FKlle  von  EcUmpsU  partnrienllBm. 

Die  kalten  Ueberschläge  waren  schon  einige  Stunden 
weggelassen  worden.  —  Infus,  rad.  ipecac;  zum  Getränk 
etwas  Wein  mit  Wasser. 

Die  Kranke  schlief  die  Nacht  zum  27.  September  ziemlich 
rahig,  die  Haut  bedeckte  in  den  Morgenstunden  ein  duftender 
warmer  Schweiss,  der  Puls  hatte  an  Völle  zugenommen. 
Pulsfrequenz  in  den  Vormittagsstunden  90.  Die  Kranke  er- 
kannte ihre  Umgebung,  wusste  aber  weder  von  ihrer  Nieder- 
kunft, noch  Yon  dem  übrigen  Vorgange  etwas.  —  Sie  genoss 
mit  Appetit  etwas  Suppe. 

Die  Lochien  flössen  regelmässig,  keine  Spuren  einer 
krankhaften  Aflection  des  Uterinsystems.  —  Stuhlausleerung 
war  bisher  nicht,  Harnexcretion  mehrmals  unwillkärlich 
erfolgt.  —  Therapie  wie  gestern.  Nächstdem  Application 
eines  Clysm.  emoU.,  worauf  bald  Stuhl-  und  Harnentleerung 
folgten. 

Schlaf  in  der  Nacht  zum  28.  September  gut.  Kopf  beim 
Erwachen  freier,  Bewusstsein  klarer.  Spuren  von  beginnender 
Milchsecretion.  Solut.  chinin.  sulphur.  cum  syr.  cort.  aur. 
und  einige  Tropfen  Aeth.  acet. 

Der  allgemeine  Zustand  bessert  sich  am  29.  September 
bid  auf  eine  gewisse  Kraftlosigkeit  wesentlich.  Alle  Functionen 
gehen  regelmässig  von  Statten.  Harn,  der  früher  nidit 
beobachtet  werden  konnte,  normal.  Milchsecretion  beginnt 
reichlicher  zu  werden,  deshalb  wird  die  Stillung  des  Kindes 
fortgesetzt,  wenn  gleich  in  grösseren  Zwischenräumen. 

Vom  3.  October  ab  keine  besonderen  Erscheinungen. 
Reconvaiescenz  ging  ziemlich  gut  vorwärts. 

Zur  wirklichen  Erholung  bedurfte  die  Kranke  mehrerer 
Monate.  —  Dass  die  Krankheit  tief  in  das  Leben  eingegriffen 
hatte,  zeigte  nicht  nur  die  lang  andauernde  Vergesslichkeil, 
sondern  auch  der  theilweise  Verlust  des  Haupthaares. 

n.     Eclampsia  parturientis. 

Der  zweite  Fall  von  Eclampsie  betraf  die  20  Jahre  alte 
Frau  Chr.  L.  Rudolph^  Weberin  zu  Walddorf,  vor  Beendigung 
des  sechsten  Monats  der  ersten  Schwangerschaft 

Frau  R.  erlitt  weder  in  den  Kinderjahren,  noch  im 
jungfräulichen  Zustande  besondere  Krankheiten,  nur  dass  sie 


XXVI.  QHOlieky  Drei  F&Ue  von  Eclampeia  partvrientiani.    361 

in  den  Evolatioosjahren  ziemlich  cblorotisdi  wurde.  Sie 
menstrairte  regelmässig  schon  luil  Beginn  des  15.  Jahres, 
obwohl  das  Menstruationssecret  blassroth  wässerig  war.  Im 
18.  Jahre  traten  in  Folge  eines  bei  einer  Menstruation  zuföUig 
erüttenen  Schrecks  die  Katamenicn  zwar  regelmässig,  aber 
jedes  Mal  mit  krampfhaften  Schmerzen  ein.  Die  chlorotischen 
ErscbeinungeD  hatten  sich  zum  Theil  verloren,  ihr  Körper  war 
äemlieh  kräftig  musculös  ausgebildet,  nur  blieb  das  Ansehen 
anämiseh.  Im  19.  Jahre  concipirte  sie  das  erste  Mal  und 
▼erheirathete  sich  19  Jahre  9  Monate  alL  Die  Schwanger- 
schaft war  bisher  normal  veriaufen. 

Ohne  nachweisbare  Ursachen  stellten  sich  am  2.  November 
1861  den  Tag  über  eine  Art  Gastralgie,  Kopfschmerz  ein, 
denen  Abends  9  Uhr  Würgen,  Erbrechen  von  Speisen,  Schleim 
und  etwas  Blut  folgten.  In  der  Nacht  V2II  ^^  ^a^  plötzlich 
der  erste  eclamptische  Anfall  ein  mit  folgender  Bewusstlosigkeit 
und  soporösem  Zustande.  Die  Nacht  hindurch  waren  stündlich 
drei  bis  vier  Paroxysmen  vorübergegangen.  Bei  den  raschen 
Aufeinanderfolgen  derselben  und  der  gänzlichen  Bewusstlosig- 
keit der  Kranken  hatten  die  Angehörigen  von  Hinute  zu 
Minate  den  Tod  erwartet. 

Am  3.  November.  Früh  5  Uhr  gerufen,  fand  ich  die 
Kranke  während  einer  Intermission  in  bewusstlosem  soporösem 
Zustande  mit  stertorösem  Athmen,  einer  Pulsfrequenz  von  140« 
Yor  dem  Munde  stand  noch  blutiger  Schaum,  die  Zunge  war 
sehr  zeii>i8sen.  Gesicht  blassroth.  Temperatur  allgemein 
erhöbt,  doch  minder  als  im  ersten  Falle. 

Die  Exploration  der  inneren  Genitalien  ergab  noch  kein$ 
Vorbereitung  zur  Geburt. 

In  wenigen  Minuten  begann  ein  neuer  Anfall  unter  den 
gewöhnlichen  edamptischen  Erscheinungen.  Das  cyanotische 
Ansehen  war  ziemlich  stark  ausgeprägt,  obwohl  sich  der 
grosse  Orgasmus  bei  dem  mehr  anämischen  Individuum  weniger 
bemerklich  zu  machen  schien.  Die  nervösen  Zufalle  die  ge- 
wfthnlicben,  Contractionen  des  Uterus  wahrzunehmen.  Es 
worden  6  Dos.  Morph,  acet.  zu  Viq  Gr.*  alle  zwei  Stunden 
ein  Pulver  zu  geben.  Kalte  Fomentationen  über  den  Kopf, 
Epiq[>astica  im  Nacken  und  auf  die  Extremitäten  abwechselnd. 


362    XXVI.  OrUUiehf  Drei  Fälle  von  Eclampsia  parturieDdam. 

Um  10  Uhr  Vormittags  Application  von  zehn  starken 
Hirud.  an  Kopf.  Zweistündlich  1  Gr.  Calomel,  bis  Ausleemng 
erfolgt. 

Abends  6  Uhr  war  der  Zustand  derselbe.  StAndlich  zwei 
bis  drei  Paroxysmen.  Die  Blutegel  hatten  viel  Blut  entzogen. 
Nachblutungen  stark.  Aus  der  verwundeten  Zunge  hatte  vier 
Stunden  lang  eine  ziemliche  Blutung  stattgefunden.  Die  Ver- 
wundung konnte  man  nicht  genau  beurtheilen,  weil  der  Mund 
festgeschlossen  war.  —  4  Dos.  Calomel  waren  ohne  Winkimg 
verabreicht  werden.  Harn  war  unwillkürlich  abgeflossen. 
Puls  140.  —  Kalte  Fomentationen ,  Epispastica  fortgesetzt 
Ein  geschärfies  Klystier,  worauf  eine  massige  Entleerung  folgte. 
Tart.  stib.  gr.  ij.,  solv.  in  aqu.  destiil.  Sij.  S.  Stündlich  ^^E^»- 
löffel.  —  4  Dos.  Morph,  acet.  zu  Vi«  ^r.  S.  Alle  2  Stunden 
ein  Stück. 

Nachdem  mehr  als  60  Anfalle  vorübergegangen,  war  in 
der  Nacht  des  3.  zum  4.  November  V2I2  Uhr  Stillstand  ein- 
getreten, nur  gegen  2  Uhr  fVüh  den  4.  November  hatte  steh 
die  Kranke  etwas  herumgeworfen. 

Nachmittags  2  Uhr  erfolgte  überraschend  die  Geburt  eines 
ziemlich  sechsmonatlichen  todten,  Spuren  der  Verwesung 
zeigenden  Fötus  -mit  geringem  Blutergusse. 

Die  Kranke  verharrt  im  schlafsüchtigen  Zustande,  ver* 
nimmt  wohl  den  Ruf  ihres  Mannes,  blickt  aber  nur  momentan 
auf;  verräth  Empfindlichkeit  beim  Drucke  auf  die  Utering«gend. 
Gesicht  massig  geröthet,  Temperatur  massig,  Haut  feucht, 
Puls  130.  Das  eingeflösste  Wasser  wird  willig  geschluckt  — 
Lochienfluss  mehr  fleischwasserähnlich,  unbedeutend. 

In  den  folgenden  Tagen  tritt  allmälige  Besserung  ein, 
das  Bewusstsein  ist  hin  und  wieder  freier,  die  Functionen 
regeln  sich.  Der  Harn,  der  bisher  nicht  zu  erhalten  war, 
blassgelb,  normal,  ohne  Eiweiss.  Puls  zwischen  100 — 110; 
am  9.  November  anhaltendes  Nasenbluten,  danach  Eingenommen- 
heit und  Schwere  des  Kopfes. 

Seit  dem  15.  November  ist  der  Zustand  wesentlich  ge* 
bessert,  Kräfte  zii|[enommen ,  jedoch  Schlaf  noch  unruhig. 
Gedächtnissschwäche  besteht  fort,  denn  die  Kranke  erinnert 
sidi  nicht  der  Vergangenheit,  nicht  einmal  ihrer  Verheirathung. 
Gesicht  mehr  blass,  etwas  üdematös,  wie  die  Füsse.     Milch- 


XXYJ.  6^Ha{ie&,  Drei  FKIla  von  ßdaroptia  partarientkun.    363 

secrelioD   vorfiber,    Lochien   gering.     Stuhl   selten.     Appetit 
massig.     Puls  95 — 100. 

Im  Laufe  einiger  Wochen  bat  sich  Patientin  so  vollkonmien 
^■^^9  dass  die  Krankheit  lüs  auf  einige  Vergessb'chkeit  keine 
nacbthetlige  Folgen  zurückgelassen  hat 

in.    Eclampsia  ante  partum. 

Frau  Amalie  Auguste  Halang  von  Alt-Gersdorf,  Nähterin, 
weniger  kräftiger  Röq)ercon8titution,  wurde  in  den  Evolutions- 
jahren ziemlich  chlorotisch  und  menstruirte  mit  vollendetem 
18.  Jahre  regelmässig.  Sie  concipirte  im  21.  Jahre  das  erste 
MaL  Im  7.  und  8.  Schwangerschaftsmonate  trat  ohne  nach- 
weisbare Erkrankung  der  Nieren  anfangs  Oedem  der  Genitalien, 
dann  der  Pässe,  allmälig  der  ganzen  unteren  Extremitäten, 
des  Gesichts  ein.  Verdauungsstörungen  oder  krampfhafte 
Erscheinungen  waren  nicht  beobachtet  worden. 

Zu  Ende  des  achten  Monats  am  29.  October  1860  früh 
gegen  drei  Uhr  bemerkte  Frau  Halang  ein  krampfhaftes 
ZiebeD  in  den  unteren  Extremitäten,  dem  sehr  bald  Ein- 
genommenheil des  Kopfes,  Bewuastlosigkeit  und  kurzer  Schlaf 
folgten.  Nach  einer  kurzen  Intermission  wiederholte  sich  ein 
ähnlicher  Krampfanfall.  Früh  gegen  sechs  Uhr  gerufen,  fand 
ich  die  Frau  in  einem  so  eben  begonnenen  einige  Minuten 
andauernden  vollkommenen  eclamptiscben  Anfalle  mit  den 
gewöfanlkhen  Erscheinungen. 

Hierauf  folgte  die  Intermission  mit  soporösem  Schlaf, 
stertorösem  Athmen,  beschleunigtem  (140),  weniger  kräftigem 
Pulse,  massig  erhöhter  Temperatur. 

In  einer  halben  Stunde  erwachte  die  Kranke,  war  etwas 
befangen,  wusste  nichts  von  dem  Vorgange.  Ihr  Ansehen 
war  mehr  bydrämisch  oedematös,  Schamlippen  und  untere 
Extremitäten  bedeutend  oedematös.  Zunge  stark  verwundet, 
blutend.  Harn  unwillkörlich  abgegangen.  —  Keine  Spur  von 
Geburtswehen.  Exploration  der  inneren  Geburtstbeile  ergab 
noch  keine  Vorbereitung  zur  Geburt.  —  An  den  Brust-  und 
Unterleibsorganen  keine  besonderen  krankhaften  Erscheinungen 
bemerklich. 

Für  den  Augenblick  verordnete  ich  ein  paar  Gaben 
Liq.  amm.  succ,   zwei  Pulv.  Morph,  zu  V^  Gr.  und  Mosch. 


364    XXTI.  €hiaaeh,  Drai  FSlle  ron  Eelamptia  partnrientiam. 

zu  ^Z,  Gr.  S.  Sogleich  1  Stück,  das  andere  nach  4  Stnnd<» 
zu  reichen.  Kalte  Fomentation  auf  die  Stirn,  Epispastica 
an  die  oberen  Extremitäten. 

In  den  Nachmittagsstunden  zwei  AnfUle,  Abends  5  Uhr 
Zustand  nicht  verändert,  bis  auf  grössere  Eingenommenheii 
des  Kopfes.  1  Pulv.  Morph,  und  Mosch,  wiederholt.  Nächst- 
dem  eine  Emuls.  sem.  pap.  alb.  Amjgd.  dulc.  c.  extr.  hyosc. 
et  aqu.  lauroc. 

In  der  Nacht  zum  30.  October  drei  Anfälle  in  Zwischen- 
räumen von  2  bis  3  Stunden  und  während  des  Tages  noch 
fünf  intense  Paroxysmen  mit  folgender  grösserer  Bewusst* 
losigkeit  und  tieferem  Sopor.  Nachmittags  ö  Uhr  Aufhören 
der  krampfhaften  Erscheinungen,  anhaltender  ScUaf,  reich- 
licher Schweiss,  ruhigeres  Athmen.     Puls  etwas  Voller,  110* 

Am  31.  October  und  1.  November  schlief  die  Kranke 
abwechselnd,  nahm  die  dargereichten  Getränke  willig,  war 
aber  theilnahmslos. 

Nachmittags  wurde  sie  von  einem  ziemlich  heftigen 
SchütteltjTost  befallen,  welcher  das  Absterben  des  Foetus  an« 
zudeuten  schien.  Weder  Zeichen  erwachender  Geburtsthätig«* 
keit,  noch  krankhafte  Erscheinungen  in  den  Sexualorganen 
beroerklich.     Dieselbe  Behandlung  wurde  fortgesetzt 

Aus  dem  am  2.  November  erhaltenen  mehr  blassen  Urin 
schied  sich  beim  Kochen  etwas  Eiweiss  aus. 

Erst  im  Laufe  des  5.  Novembers  traten  Geburtswehen 
ein  und  Nachmittags  erfolgte  die  Geburt  eines  (odten  Foetus 
mit  vorgeschrittener  Verwesung. 

Der  Verlauf  des  Wochenbettes  war  ohne  Krankheits* 
erscheinungen,  Lochien  massig  und  Milchsecretion  bloss  an- 
gedeutet. Das  Oedem  der  Extremitäten  und  des  Gesichts 
nahm  bei  fortbestehender  Hautthätigkeit  sehr  bald  ah,  jedoch 
das  der  äusseren  Genitalien  war  sehr  hartnäckig  und  schmerz* 
haft,  erforderte  somit  eine  längere  örtliche  Behandlung. 

Unter  guter  Haltung  und  bei  nährender  Diät  erholte  sich 
Patientin  gänzlich. 


XXyn«    ITiiidfeeZ,  Zur  EntlerBnng  der  Naohgebvrt.      366 


xxvn. 

Zur  Entfemiing  der  Nachgeburt. 

Bericht  aus  der  stationären  gehurtshülflichen  Elhnik 
des  Herrn  GeL  ^Medicinakathes  Prof.  Martin. 

Von 

Dr.  F.  Winckel, 

Assiitenxant  der  KSnigl.  Unirersitäts- Entbindungsanstalt  in  Berlin. 

Die  Behandlung  der  Nachgeburtsperiode,  seit  Jahrhunderten 
ein  StreitapM  der  Geburlshelfer,  ist  mit  dem  bekannten  Vor- 
schlage CredS^B  ^)  in  eine  neue  Phase  getreten.  Das  Verfahren, 
die  Nachgeburt  durch  Druck  aus  den  Genitalien  zu  entfernen, 
ist  zwar  nicht  neu;  auch  ist  es  schon  lange  „von  Einzelnen*' 
methodisch  angewandt  worden.  Historisch  wichtig  sind  in 
dieser  Beziehung  namentlich  die  Notizen  zweier  Autoren,  die 
zur  Vervollständigung  der  von  Riedel^)  und  Crede  an- 
geftihrten  Data  hier  Platz  flnden  mögen.  So  sagt  Thom, 
Bariholinua:  „Nee  minus  peccant,  qui  frictionibus  manu 
rudi  validis  secundas  conantur  deducere.  Tantum  pro- 
ficiunt  ut  excoriata  cute  dolores  augeant  et  tormenta,  undc 
postea  vigiliae,  febres  aliaque  mala  sub  sequuntur  etc.  Noch 
interessanter  ist  aber  die  Mittheilung  von  Joh.  David  Busch : ') 
»Ebenso  habe  ich  seit  mehreren  Jahren  ein  behutsames 
Manipuliren  ausserlich  am  Gebärmuttergrund  durch  einen  mit 
voller  Hand  angebrachten  Druck  von  oben  nadi  hinten  und 
unten  immer  sehr  vorlheilhaft  und  dem  gefahrlosen  Abgange 
der  Nachgeburt  sehr  beförderlich  gefunden.  Ich  mache  auch 
alle  Wehemütter,  die  ich  unterrichte,  ganz  vorzüglich  auf 
diese  Regehi  aufmerksam,   weil  ich  fest  überzeugt  bin,  dass 


1)  Oreddf  U^ber  die  sweekmässigste  Methode  der  Entfernung 
der  Nachgeburt,  Monatsschrift,  Bd.  XVII.,  8.  274. 

2)  Rtedelf  Verhandlongen  der  Gesellsohaft  für  Gebortshiilfe 
in  Berlin,  Jahrgang  2,  S.  61  sqq. 

3)  Btuehf  Beschreibnng  sweier  merkwürdigen  menschlichen 
Missgebnrten  nebst  einigen  anderen  Beobachtungen  ans  der 
praktischen  Entbindangskonst,  Marburg  1803,  S.  66,  8. 


366       XXtn.    Winckel,  Zur  Entfernang  der  Nachgeburt. 

dadurch  mancher  Mutterblutfluss  verhindert  und  die  Neu- 
entbundene mancher  schmerzhaften  Nachwehe  entubrigt  wird.*^ 
Von  den  späteren  Geburtshelfein  wurde  das  Verfahren  aber 
von  Neuem  verworfen  und  unter  Andern  besonders  von 
Naegde  d.  V.  als  gefährlich  geschildert  und  den  Hebammen 
geradezu  untersagt.  Es  bleibt  daher  Crede*s  Verdienst, 
diese  Entfernungsart  der  Nachgeburt  von  Neuem  untersucht, 
methodisch  ausgebildet  und  zur  wahren  Geltung  gebracht 
zu  haben. 

Von  den  verschiedensten  Seiten  sind  seitdem  sehr  günstige 
Berichte  über  die  mit  diesem  Verfahren  angestellten  Prüfungen 
eingelaufen.  Trotzdem  durfte  es,  bei  der  Menge  von  Gegnern, 
welche  diese  Methode  noch  heute  zählt,  nicht  überflüssig  sein, 
die  Resultate  anzuführen,  die  in  der  geburtsbulflichen  Klinik 
des  Herrn  Geh.  Medicinalraths  Dr.  Martin  damit  erzielt  wurden. 

Seit  der  Einführung  der  fast  alleinigen  Anwendung  dieser 
Methode  kamen  hierselbst  etwas  über  400  Geburten  zur 
Beobachtung,  bei  welchen  die  Methode  in  dec  aus  der  unten 
als  Anhang  angefügten  Tabelle  ersichtlichen  Weise  genau 
geprüft  wurde.  Mit  Hinweis  auf  alle  bisher  beobachteten 
Fälle,  deren  vollständige  tabellarische  Veröffentlichung  zu  weit 
führen  würde,  gebe  ich  die  erzielten  Erfolge  hier  im  Zu- 
sammenhange. 

Was  zunächst  die  Ausführung  dieser  Methode  betrifft, 
so  macht  Credd  darauf  aufmerksam,  dass  der  Handgriff  zwar 
etwas  eingeübt  werden  müsse,  aber  verhällnissmässig  schnell 
sicher  angeeignet  sei.  Ich  kann  dem  vollständig  beistimmen 
und  glaube  sogar,  dass  diese  Art  der  Entfernung  viel  leichter 
zu  lehren  ist  als  die  bisher  gebräuchliche.  Man  hat  nur 
hauptsächlich  auf  folgende  Punkte  zu  achten.  Zunächst  ist 
es  sehr  gut,  was  schon  Strassmann  ^)  besonders  hervorhob, 
direct  nach  Ausstossung  des  Rindes  durch  ein  festes  Umfassen 
des  Fundus  uteri  das  noch  in  der  Gebärmutter  befindliche 
Fruchtwasser  ganz  auszutreiben  und  so  die  Krafl  des  Uterus 
auf  die  Lösung  der  Placenta  allein  zu  concentriren ,  wodurch 
die  Dauer  der  Nachgeburtsperiode  wesentlich  abgekürzt  wird. 


1)  Siraasmann ^    Erfnhrungen    über   die    CredS^Bche   Methode 
sar  Entfemang  der  Nachgeburt,  Monatsschrift,  Bd.  XIX.,  S.  132. 


XXYII.    TPtiMM,  Zur  Entfernung  der  Nuchgebnrt.       367 

Man  hat  ferner  darauf  zu  achten,  das  Reiben  und  Drücken 
genau  von  einander  zu  trennen.  So  lange  der  Uterus  nicht 
allseitig  contrahirt  ist,  hilft  ein  Druck  gar  nichts,  da  ist  nur 
ein  sanftes  kreisförmiges  Reiben  desselben  zu  empfehlen; 
besonders  derjenigen  Partieen,  welche  weniger  hart  sich  an- 
fühlen, als  andere.  Ist  aber  die  Contraction  vollständig  und 
aUseitig,  so  ist  der  Fundus  voll  und  fest  zu  umfassen  und 
ein  nach  Umständen  verschiedener  Druck  mit  voller  Hand 
auf  ihn  auszuüben.  Dieses  letzte  Manoeuvre  lässt  sich  sehr 
leicht  den  Studirenden  beibringen.  Man  fordert  sie  auf,  den 
Fundus  uteri  wie  eine  Kugel  mit  der  rechten  Hand  fest  zu 
umspannen,  überzeugt  sich  davon,  ob  derselbe  genau  gefasst 
ist  und  drückt  nun  seihst  mit  der  auf  jene  rechte  Hand 
gelegten  linken  die  Placenla  heraus.  Der  Praktikant  drückt 
dabei  gar  nicht,  sondern  lernt  nur  durch  unsere  Hand  die 
Höbe  und  Richtimg  des  nothwendigen  Druckes  kennen,  sowie 
die  Veränderung  der  Stellung  und  Grösse  des  Uterus,  die 
während  des  Herausgleitens  der  Nachgeburt  vor  sich  gehen. 
Es  giebt  freilich  einige  Zustände,  welche  die  Ausübung 
dieses  Verfahrens  manchmal  sehr  erschweren.  Dahin  gehört 
zuerst  eine  zu  starke  Anspannung  der  Bauchmuskeln. 
Es  gelingt  zwar  öfter,  durch  Anziehen  und  Beugen  der 
Schenkel,  diese  zu  vermindern,  oft  aber  ist  sie  recht  hinder- 
licb  und  wird  nur  allmälig  durch  ein  Eindringen  der  Hand 
zwischen  die  Recti  abdominis  und  durch  allmälig  verstärkten 
Druck  fiberwunden.  —  Fast  noch  hinderlicher  sind  sehr 
fette  Bauchdecken,  die  ein  festes  Umfassen  des  Gebär- 
muttergrundes ausserordentlich  erschweren.  Glücklicherweise 
sind  diese  Fälle  selten.  —  Hinderlicher  aber  als  beide  Um- 
stände ist  noch  die  Ungeduld  des  Geburtshelfers. 
Es  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  diese  bei  diesem  Verfahren 
leichter  eintreten  kann,  weil  die  Zeit,  während  welcher  man 
den  Fundus  uteri  umfasst  hält,  in  der  Regel  länger  erscheint, 
als  sie  wirklich  ist.  Sucht  man  sie  ohne  Uhr  zu  taxiren, 
80  wird  sie  gewöhnlich  fast  verdoppelt  und  die  Langeweile 
verleitet  uns  zu  vorzeitigen  Druckversuchen,  welche  nicht 
sehen  ermüden.  Dies  ist  sicher  die  Hauptklippe,  an  der 
Anfanger  und  die,  welche  mit  der  anderen  Methode  vertraut 
«nd,  sehr  oft  scheitern.     So   allein  sind  die  Fälle  erklärlich. 


338       XXTII.    Wincka,  Zur  Entfernang  der  Nachgeburt. 

in   denen   nach    vergeblichen   Druckversuchen   die   bisher 
gebräuchliche  Methode  leicht  zum  Ziele  geführt  haben  solL 

Der  Hauptzweck  der  Methode  ist  der,  die  ganze 
Placenta  bis  v«r  die  äusseren  Genitalien  zu  schnellen, 
darin  beruht  aber  auch  ihr  Hauptuutzen  und  so  lange  dies 
nicht  erzielt  ist,  ist  die  Operation  nicht  vollendet.  Dadurch 
allein  wird  die  MögUchkeit  einer  Infection  durch  inter  partum 
entstandene  Schleimhautrisse  fast  unmöglich  gemacht  und 
ein  Abreissen  von  Nachgeburtstheilen  so  weit  als  möglich 
verhütet  Ganz  zu  vermeiden  ist  das  letztere  freilich  nicht,  — 
aber  es  betrifft  immer  nur  Eihautreste  und  nicht  Theile  von 
Cotyledonen  der  Placenta.  Es  sind  namentlich  die  uneingestülpt 
heraustretenden  Nachgeburten,  denen  die  Eihäute  ganz 
nachfolgen,  bei  welchen  ein  Abreissen  derselben  öfter  vor- 
kommt. In  der  Regel  ist  aber  die  Uterinfläche  durch  die 
rasche  Austreibung  von  den  Eihäuten  überdeckt,  die  Fötalfläche 
erscheint  zuerst  zwischen  den  Genitalien  (unter  100  Fällen 
61  Mal)   und   dann  sind  die  Eihäute  immer  ganz  vollständig. 

Uebrigens  haben  Cred6,  Straasmann,  Spiegelberg^ 
Bossi  u.  A.  die  Vorzüge  dieser  Methode  vor  allen  anderen 
bereits  so  ausführlich  dargethan,  dass  ich  diese  hier  ganz 
fibergehe. 

Die  Dauer  der  Nachgeburtsperiode  anlangend,  so 
habe  ich  dieselbe  für  diese  Metliode  in- 125  durchaus  normalen 
Fällen  genau  nach  Minuten  bestimmt;  sie  schwankte  zwischen 
2  und  15  Minuten  und  betrug  im  Durchschnitte  nur  57$  Minuten. 
Dabei  habe  ich  mich  zugleich  sehr  oft  überzeugt,  dass  die 
Nisus  ad  secundinas  keineswegs  so  spät  auftreten,  wie  z.  B. 
von  Hegar  angegeben  wird  und  wie  die  meisten  neuen  Lehr- 
bucher der  Geburtshuife  behaupten.  Nicht  selten  kann  man 
in  den  ersten  2 — 3  Minuten  nach  der  Ausstossung  des  Kindes 
schon  ein  mehrmaliges  Härlerwerden  des  Uterus  wahr- 
nehmen, auch  ohne  dass  man  ihn  reibt. 

In  Bezug  auf  die  Reaction  der  Halbentbundenen 
gegen  dieses  Reiben  und  Drucken  des  Uterus  erwähne  ich 
das  Verhalten  von  120  Individuen.  Von  diesen  klagten  zu- 
nächst gar  nicht  55,  darunter  31  Erstgebärende  und 
24  Melirgebärende.  Kaum  stöhnend,  wenig  klagend 
verhielten  sich  46,  32  Primi-,  14  Multiparae.    Als  lebhaft 


XXVIL    Wimtäa,  flw  JBnaenMttig  dtor  Nacbsebmrt      368 

r«agireiid,  laat  stöhnend  oder  schreiend  sind  19 
■otirt,  bei  denen  das  Verfahren  gleichwohl  mit  gutem  Erfolge 
beendet  wurde«  Unier  diesen  19  waren  12  Erstgebärende 
und  7  Mebrgebärende,  und  es  konnte  als  Ursache  der  un- 
gewöhnlich starken  Reaction  nachgewiesen  werden:  besonders 
larte  Constitution;  grosse  Empfindlichkeit;  Schmerzhaftigkeit 
des  Uteros  bedingt  durch  Entzöndung  seiner  Innenfläche. 
Keine  derselben  zeigte  aber  eine  irgend  erhebliche  Erkrankung 
im  Wochenbette. 

Von  150  Fällen  dauerte  sieben  Mal  die  Austreibung  der 
Nachgeburt  länger  als  V4  Stunde  und  zwei  Mal  sogar  %  Stunde, 
aber  ancb  bei  dieser  yerzögerten  Äusstossung  hatte  das  mit 
Erfolg  gebrauchte  Verfahren  keinen  nachtheiligen  Einfluss 
anf  das  Wochenbett 

Ebenso  wie  bei  den  rechtzeitigen  bewährte  sich  dies 
Verfahren  auch  bei  den  bis  jetzt  Torgekommenen  unzeitigen 
and  fröhzeitigen  Geburten.  Bei  einem  Partus  immaturus  im 
sechsten  Monate  der  Schwangerschaft  wurde  die  Placenta 
nach  10  Minuten  leicht  durch  Druck  entfernt;  bei  drei  Ge- 
burten im  siebenten  Monate  in  3  und  5  Minuten.  Die  übrigen 
18  Frühgeburten ,  von  denen  6  im  achten  und  12  im  neunten 
und  zehnten  Monate  stattfanden,  zeigten  bei  dieser  Methode 
eine  mittlere  Dauer  der  Nachgeburtsperiode  von  4 — 5  Minuten. 

Vier  Mal  kam  Placenta  praevia  unter  400  Geburten  zur 
Beobachtung:  zwei  Mal  fast  central,  zwei  Mal  lateral.  Die 
eine  der  ersten  Kategorien  wurde  schon  nach  zwei  Miuuten 
leicht  bis  vor  die  äusseren  Genitalien  geschnellt,  die  andere 
15  Minuten  nach  der  Geburt  des  Kindes  mit  Zurücklassung 
eines  Theiles  der  Eihäute  hervorgedruckt  In  den  anderen 
Fällen  wurde  die  Nachgeburt  nach  je  1  und  3  Minuten  leicht 
durch  Druck  entfernt 

Unter  diesen  400  Geburten  ereigneten  sich  femer  vier 
ZwiUingsgeburten  und  zwar  zwei  rechtzeitige  und  zwei  im 
Anfange  des  zehnten  Monats.  Auch  hier  wurden  beide 
Plaeenten  in  der  Regel  auf  einmal  hervorgedrfickt  in  je  4, 
5  und  5  Minuten;  nur  ein  Mal  dauerte  die  Austreibung 
10  Minuten. 

Wir  beobachteten  femer  eine  Frühgeburt  im  achten 
Monate  bei  einem  Prolapsus  des  stark  hypertrophirten  Collum 

lCoaatMebr.f.O«barUk.  1S68.  Bd.  XXL,  Hfl.  6.  24 


370       XXVU.    WinOul,  KVT  fisIfenMng  dw  Nkcbgehsrt 

uteri,  welche  College  Ghusßeroto  in  den  „VerhapdliiDgeD  der 
Gesellschaft  für  Geburtshfilfe''  beschrieben  hat  Fünf  HinulM 
nach  der  Ausstossung  des  Kindes,  welche  nach  Reposition  des 
Prolapsus  trotz  beträchtlicher  Beckenenge  ziemlich  rasch  vor 
sich  gegangen  war,  gelang  es  mir,  die  Placenta  leicht  bis 
vor  die  äusseren  Genitalien  zu  drücken,  ohne  dass  dabei  das 
hypertrophische  Collum  uteri  von  Neuem  heraustrat.  Der 
Uterus  blieb  auch  reponirt,  so  lange  die  Wöchnerin  in  der 
Anstalt  war. 

Auch  bei  vorangegangenen  Wehenanomalien  konnte 
man  mit  dem  Erfolge  dieses  Verfahrens*  ganz  zufrieden  sein. 
Unter  fünf  Fällen  von  exquisiter  Wehenschwäche  gelang 
es  drei  Mal,  die  Nachgeburt  in  je  2,  3  und  4  Minuten  durch 
Druck  zu  entfernen;  ein  Mal  dauei*te  dies  aber  16  Minuten 
und  in  dem  fünften  Falle  sogar  volle  45  Minuten.  Selbst 
diese  Person,  welche  nach  drei  Mal  vierundzwanzigstundigem 
Kreissen  mit  dem  Forceps  entbunden  worden,  blieb  im 
Wochenbette  fi*ei  von  jeder  Erkrankung^ 

Nach  vorangegangenen  „Krampfwehen'*  dauerte  die 
Ausstossung  der  Placenta  meist  etwas  länger  als  gewöhnlich. 
Wir  notirten  dieselbe  in  19  Fällen 

zu   2  Minuten  2  Mal, 
»3        „2m 

w      ö  „  O      „ 

rt       *  M  2      „ 

»      ö  w  •■■      w 

„10        »1      3    „ 

»»  «^0        „       1     „ 

w  45      ^„ 1     „ 

19  Mal. 
Durchschnittlich  dauerte  die  dritte  Periode  ako  9,5  Himiten. 
Da  femer  das  Eingehen  mit  der  Hand  in  den  Uterus 
auch  oft  störenden  Einfluss  auf  die  Wehenthätigkeit  ausübt, 
so  erwähnen  wir,  dass  nadh  acht  vollzogenen  Wendungen, 
von  denen  vier  bei  Placenta  praevia  ausgeführt  wurden  (s.  o.), 
die  Nachgeburt  ein  Mal  10  und  drei  Mal   15  Minuten  nach 


XXVII.    Wimkd,  2«r  ISütfenMng  d«r  Hacbgebwt.      S7l 

der  AoBStosiuDg  des  Kindes  dorcb  Drudi  volständig  entfernt 
wurde. 

So  wertbvoll  sieh  also  in  allen  diesen  Fällen  das  be- 
sdiriebene  Verfahren  erwies,  so  waren  wir  doch  nicht  so 
glucklich  mit  demselben  wie  Cred4,  Denn  unter  jenen 
400  Fällen  musste  zwei  Mal  die  Nachgeburt  künstlich  von 
der  Uleniswand  abgeschält  werden. 

Der  erste  Fall  betraf  eine  Person,  die  in  der  ersten 
Geburtsperlode  an  Wehenschwäche  gelitten,  aus  welcher  sich 
allmälig  Krampfwehen  entwickelten:  es  ist  der  Fall,  den  ich 
bereits  in  der  „Monatsschrift,"  Bd.  XX.,  S.  444,  ausführlich 
mitgetheilt  habe.  Nach  vierstündigen  vergeblichen  Druck- 
versuchoi  wurde  die  nur  wenig  gelöste  Placenta  mit  der  Hand 
aus  dem  Uterus  entfernt  Dieselbe  war  in  der  rechten  und 
hinteren  Seite  des  Uterus  massig  fest  adhärent.  Die  Lösung 
gelang  Herrn  Geh.  Rath  Martin  nach  Ueberwindung  des 
fest  contrahirten  inneren  Muttermundes  ziemlich  leicht  Der 
Blutverlust  war  unerheblich.  Die  Placenta  wog  28  Loth,  die 
kunstlich  gelöste  Partie  war  stark  kalkhaltig,  aber  ohne 
fibröse  Stellen.  Die  Eihäute  ziemlich  stark  zerrissen,  jedoch 
vollständig.     Die  Cotyledonen  ziemlich  dick  und  resistent. 

Die  bereits  jnter  partum  mit  dem  Thermometer  constatirte 
Endometritis  setzte  sich  im  Wochenbette  weiter  fort  und  es 
bildete  sich  sehr  rasch  eine  Hetroperitonitis  mit  Lymphangitis 
aus,  welcher  die  Puerpera  am  Morgen  des  neunten  Tages 
unterlag. 

Glücklicher  endete  der  zweite  Fall,  in  welchem  nach 
sehr  raschem,  kaum  dreistfmdigem  Geburtsverlaufe  bei  einer 
Primipara  die  Placenta  mit  der  Hand  aus  dem  Uterus  ent- 
fernt werden  musste,  da  dreiviertelstflndige  Druckversuche 
ganz  erfolglos,  der  Uterus  ausserordentlich  hart  und  empfind- 
lich und  gleichwohl  kaum  der  Rand  der  Placenta  im  Mutter- 
mund zu  fßhlen  war.  In  der  rechten  Seitenlage  wurde 
während  der  Narcose  die  Placenta  von  Herrn  Geh.  Rath 
Martin  gelöst  mid  vollständig  entfernt.  Dieselbe,  sehr 
klein  und  weich,  wog  kaum  20  Loth. 

An  der  blassen  Uterinfläclie  zeigten  sich  einige  knorpel- 
harte Gefasspartieen,  sonst  wenig  Kalk  und  keine  fibrösen 
Degenerationen.    Eine  Nachblutung  trat  hier  nicht  ein  und 

24* 


872     xxvn. 


,  Zw  fiadbiwMig  der  Nftchgpebvrt 


Puerpera  yerfiess  sciion  am  zwölfteo  Tage  des  WochedbeUes 
die  Anstalt  — 

Wenn  auch  durch  diese  zwei  Fälle  wiederum  constatirt 
wird,  dass  es  abnorme  Adhärenzen  der  Placenta  giebt,  bei 
denen  man  mit  der  genannten  Methode  nicht  ausreicht,  so 
sind  wir  gleichwohl  der  Ueberzeugang,  dass  diese  Fälle  bei 
der  Ausübung  der  Cred6*achen  Methode  sich  seltener  zeigen, 
als  man  früher  immer  annahm. 

Was  endlich  den  Gesundheitszustand  der  Wöchnerinnen 
betrifit,  bei  denen  die  Nachgeburt  durch  Druck  entfernt 
worden,  so  war  derselbe  in  der  ganzen  Zeit  so  günstig, 
dass  wir  durchaus  keine  Veranlassung  fanden,  dies  Ver- 
fahren wieder  aufzugeben.*  Eine  von  den  Genitalien  aus- 
gehende septische  Erkrankung  kam  im  Zeiträume  eines  Jahres 
nur  drei  Mal  vor  —  im  August  und  October  1862  und 
Februar  1863  je  ein  Fall  — ,  jedes  Mal  Melrolymphangitis 
mit  Peritonitis;  alle  drei  endeten  tödtlich.  Bei  den  beiden 
letzteren  folgte  die  Nachgeburt  auf  Druck  sogar  ziemlich  leicht 

Die  Anzahl  der  bis  jetzt  hier  so  behandelten  Geburten 
ist  natürlich  zu  klein,  um  statistisch  nachzuweisen,  dass  bei 
diesem  Verfahren  auch  die  Nachblutungen,  Nach  weben  u.  s.  w. 
seltener  und  geringer  werden.    Doch  ist  dieser  Nachweis  kaum 


lieh«! 


No. 
der  Beob- 
achtung 
und  Zahl 

der 
Geburt. 


Verlanf 

früherer 

Gebarten. 


Verlauf 

der 

jetsigen  Gebart. 


Personal- 
Terbftltnisse. 


Verhalten 

der 
Gebärenden. 


Empfindlich« 

keit 

während  der 

Entffarnan^ 

der 
Nachgeburt 


46. 

Erste 

Gebart 


49. 

Erste 

Geburt. 


Geburtsdaoer 
12  Stunden;   etwas 
vorzeitiger  Wasser- 

abfluss;   kräftige 
Wehen.   Ein  Knabe 

von  6*/«  Pfd. 

Gebartsdaaer 

Sy,  Stunden;    sehr 

kräftige  Wehen. 

Ein  Knabe  von 

8Vr  Pfd. 


Mittelgross, 

blond, 

sehr  kräftig. 

21  Jahre. 


Mittelgross, 

sehr  kräftig. 

22  Jahre. 


Bahig 

and  gut 

mitp  rossend. 


lyDer  Druck 
nicht  so 

scbmershaft 

wie  eine 

Wehe.« 


Ruhig  Nicht  im 

und  gut         Mindesten 

mitpressend. '    reagirend. 


XKVU.    WincM,  Zur  Eatllftntmg  d4r  Kachgebnrl.      373 


i 


nocli  nSffiig,  da  gegen  erstere  das  Reiben  und  Kneten  des 
Uterus  als  sehr  gutes  und  sicheres  Mittel  längst  bekannt  ist, 
und  wie  schon  firüher  die  Deutschen  (s.  o.  den  Ausspruch 
▼OD  Busch),  so  in  neuerer  Zeit  namentlich  die  Engländer 
sich  desselben  bedienen,  um  Hehrgebärende  rascher  von  ihren 
Nacbwehen  au  befreien. 

So  sind  also  die  Resultate,  zu  denen  wir  auf  Grund 
Torurtheilsfreier  Prüfung  dieses  Verfahrens  gelangt  sind,  die, 

dass  die  Credd*sche  Methode  die  zweckmässigste  und 
beste  von  allen  bis  jetzt  gebräuchlichen  Weisen  zur 
Entfernung  der  Nachgeburt  ist, 

dass  sie  daher  immer  zuerst  ausgeübt  werden  müsse; 

dass  sie  ferner  in  der  Regel  nach  5 — 6  Hinuten  schon 
zum  Ziele  führt,  wenn  man  direct  nach  Ausstossung 
des  Kindes  den  Uterus  anfangt  zu  umfassen; 

dass  sie  endlich  zwar  nicht  überall  ausreicht;  jedoch 
das  Vorkommen  von  Adhärenz  der  Placenta  ent- 
schieden seltener  macht 

Als  Anhang  gebe  ich  folgende  Tabelle  über  einige 
ausgewählte  Fälle,  bei  denen  etwas  Resonderes  notirt  werden 
musste,  zugleich  um  die  Art  der  Prüfung  darzulegen,  wie  sie 
in  allen  Fällen  angestellt  wurde. 


Imehen 
lerGe- 
pTt  def 
indes  n. 

Miirt. 


StSrke 

des 
Dmckes 
bei  Ent- 
'  feranag 
der  Nach- 
geburt. 


Art 
des 
Austrittes 
der 
Nach- 
gebart. 


Beschaffenheit 

des 
Frnchtkachens. 


Blutung. 


Wochenbett. 


6 
Cauteo. 


3 
Hmutes. 


MSssig 
starker 
I>ruek. 


Ein- 
gestülpt. 


1  Pfd.  8  Loth ; 

enorm    yiele   Kalk- 

concremente  und  sehr 

rauhe  Uterinfl&che. 


Leichter 
Druck. 


Ein- 
gestülpt. 


iPfd.  10  Loth; 
eine  dicke  fibröse 
Schwarte   an    der 
Uterinfläehe;  ziem- 
lich   Tiel    Kalk; 
Bisa  leitlich. 


Nein. 


Ohne  jede  Störung. 


Blutung 
aus  einem 

Schleim- 
hautrisse 

am 
Introitus 

Taginae. 


Ohne  besondere 
Störung. 


874     XXVII, 


y  2«f  fitttfiniug  der  Kftcligdrott 


No. 

der  Beob- 

Bchtnng 

und  Zahl 

der 
Gebort. 


Verlauf 

f  ruberer 
Gebarten. 


Verlauf 

der 
jetiigen  Geburt. 


Personal- 
Terbttltnisse. 


Verbauen 

der 
Gebärenden. 


£mpfiadl 
koit 

während 

Bntferai 
der 

Naeh^eln 


51. 

Erste 

Gebart. 


69. 

Erste 

Gebart. 


68. 

Erste 
Geburt. 


Geburtsdauer 
lOy,  Standen; 

kräftige  Wehen. 

Ein  Knabe    von 
6V,  Pfd. 

Geburtsdauer 

19 Vs  Stunden; 
kräftige,  doch  nicht 

ausreichende 
Weben.    Forceps. 
Placenta    praevia 

marginalis. 
Lebendes  Mädchen 

von  6V,  Pfd. 


Erste  Periode 

10 V,  Stunden  ; 

sweite  Perlode 

1  Stunde; 

sehr    gute    Wehen. 

Mädchen  von 

7Vr  Pfd. 


Klein, 

gut  genährt, 

kräftig. 

fii  Jahre. 


Klein, 

scoliotisch, 

dunkelblond, 

anämischi 

durch 
Blutungen. 
29  Jahre. 


Buhig, 

gut 

mitarbeitend. 


Suhig, 

aber 
erschöpft. 


ZiemlU 
•tArk 

stöhnen 


Mittelgross, 

blond, 

kräftig. 

22  Jahre. 


Buhig 

und  gut 

mitpressend. 


Nicht  im 
MindestaBi 
reagirend. 


XXfSL   FTOmM,  Sbwt  ttilfaniug  tor  »Mbflvbitft      375 


Art 
des 


StSrke 

des 
Druckes 
bei  Ent-  Austrittes 

ii.f  femasg         ^««^ 
-der  Nach-     Nach- 


geburt. 


Starker 
Druck. 


geburt. 


Beschaffenheit 

des 
Fruchtknobeiis. 


Wochenbett. 


Ein- 
gestülpt. 


MXssig 
starker 
Druck. 


Unein- 

ge- 
stülpt. 


8 
buten. 


1  Pfd.; 

dSnn,  weich,  marginaler 

Eibaotriss,  sehr  viele 

Kalkablagernngen. 


IPfd.  6V,Loth; 
sehr  gross;  Biss  am 
Bande;     Nabelschnur 
29"   lang;   viel  Kalk- 
ablagerongen und  alte 

BlutgerinnteJn. 


Nein. 


Sehr 
geringe 

Nach- 
blutung 

bald 
beseitigt. 


Leichter 
Drpek. 


Ein- 

ge- 
stfllpt 


. 


29  Loth; 
dann;  sehr  viel  Kalk; 
Eihltute  sehr  serrissen, 
fast  marginale  Insertion 
der  19"  langen  Sdinnr. 


Nein. 


Sehr  gut 


Am  sweiten  Tage. 
Frost,    Fieber,    Leib- 
schmers; Peritonitis  — 
allmälige  Genesung 
innerhalb  dreier 
Wochen,  nach  Dnrch- 
bruch    des    Exsudates 
und  Entleerung  in  den 
Darm.    In  der  vierten 
Woche  bereits  ausser 
Bett  — -  Difttfehler,  — 
Becidiv  der  Peritonitis. 
Tod  in  24  Stunden,  ~ 

im  Anfange  der 

sechsten  Woche  na«h 

der  Geburt.  — 

Section: 

Die  Genitalien  voll- 

stftndlg     gesund     und 

normal  surfickgebildet ; 

diffuse  Peritonitis, 
faustgrosse  Höhlen  und 

Echinococcusblasen 
der  Leber  (an  30  Stück); 
apfelgrosser  Abscess  in 
derselben.   Darminhalt 
in  die  Bauchhöhle  er- 
gossen  durch   die  ge- 
trennte frühere 
Perforationsstelle. 
Die  übrigen  Organe 
normaL 

Sehr  gut 


S7&      XXyn.    W(nMl,^T  Biliforamg  ieir  KtchgbiMin.. 


No. 
der  Beob- 
achtung 
and  Zahl 

der 
Gebart. 


Verlauf 

früherer 

Geburten. 


Verlauf 

der 

jetzigen  Gebart. 


78. 

Erste 

Geburt. 


78. 
Zweite 
Geburt. 


7«. 
Zweite 

Geburt» 


81. 
Zweite 
Geburt 


83. 
Zweite 
Geburt. 


Erste  Entbin- 
dung dauerte 
2y,  Stunden. 
Nachgeburt 
durch    Reiben 
des  Leibes  Ton 
der   Hebamme 
entfernt. 

Erste 
Entbindung 

dauerte 

24  Stunden. 

Kaehgeburt 

auf  die   „alte 

Art   entfernt  <<. 


Erste  Entbin- 
dung dauerte 
lOVa  Stunden. 
Nachgeburt 
künstlich 
Yon  der 
Hebamme 
gelöst. 


Erste  Periode 

8  Stunden; 

•weite  Periode 

ly.  Stunden; 

sehr  kräftige  Wehen 

(verengtes  Becken, 

Nabelschnunrorfall. 

Todtes    Band    von 

6  Pfd.  21  Loth. 

Erste  Periode 

6  Stunden; 

aweite  Periode 

1  Stunde; 

sehr  kräftige  Wehen. 

Knabe  von  9Vio  P^d. 


Erste  Periode 

5'/4  Stunden; 

iweite  Periode 

2  Stunden; 

sehr   starker 

Hängebauch; 

sieml.  gute  Wehen. 

Knabe  von  77,  Pfd. 

Erste  Periode' 

12  Stunden; 

zweite  Periode 

1%  Stunden; 

„  Krampfwehen  " ; 

Knabe  von  1*/^  Pfd. 


Personal- 
Verhältnisse. 


Verhalten 

der 

Gebärenden. 


Empfindlieli 

keit 
während  d« 
EntfemuniQ 

4er 
Nachgeburt 


Erste  Periode 

3  Stunden; 

sweite  Periode 

ly.  Stunden; 

kräftige  Wehen. 

Mädchen  von 

67^  Pfd. 


Klein, 

brünett, 

Bcoliotisch, 

kräftig. 

31  Jahre. 


Gross, 

blond, 

sehr  kräftig. 

32  Jahre. 


Klein, 

brünetty 

stark 

scoliotisch, 

aart. 
26  Jahre. 


Gross, 

blond, 

blasB, 

schwächlich. 

26  Jahre. 


Gross, 
blond, 

liemlich 
kräftig. 

26  Jahre.' 


Ziemlich 
ruhig. 


Nicht  im 
Mindesteoi 
reagirend. 


Gut 

mitpressend 

und  ruhig. 


.   Kaum 
stSbnend.  { 


Ruhig, 

gut 

mitpressend. 


Gar  nicht 
st6hnen4.^ 


Sehr 
unruhig, 

laut 
schreiend. 


Etwas 
stöhnend,  i 


Laut    '^^ 
schreiend. 


Gar  nicht 
stöluiea4.  ^ 


r' 


XX?1L    WimeM,  Znr  Eatrernvag.dar  Haobgebatt»      377 


Stftrke 

^^^^B  i 

dee 

Art 

Dmekai 
bei  Ent- 
fennag 

des 

Aastrittes 
der 

Bescbaffenbeit 

des 
Fmcbtknebens. 

Blutung. 

Wochenbett. 

Ubck* 

der  Nach- 

Nacb- 

gebort. 

gebnrt. 

C^ 

Krifligor 

Xin- 

1  Pfd.  4  Lotb; 

Nein.   ' 

Am  achten  Tage. 

■ileB.1 

1 

( 

Dmdc« 

gestiilpt. 

dO"  Isnge  Schnnr  (ein 
Mal  nmschlnngen); 

viele  fibröse 
Schwarten;  blut- 
leere   Plaoenta 
ohne  Kalk. 

Durch  Erkältung 

Darmcatarrh ,  sonst 

ganz  gesund. 

ptttan. 

M&esig 

XTnein* 

IPIIi.  Mlioth; 

Nein. 

Länger  (6— 8  Tage) 

starker 

ge- 

sehr   viel   Kalk; 

dauernde   blutige 

Dmek. 

stfilpt. 

fast  marginale  EihKnte, 

Lochien,    —    ohne 

! 

86"  lange  Nabelscbanr. 

Fieber    bei    Un- 
wohlsein.   Am 
achten  Tage  ent- 
lassen. 

s 

Missig 

Ein- 

IV4  P«.; 

Nein. 

Am  11.  Tage  gesund 

hataa. 

starker 

?•- 

gross;  schlaff; 

entlassen. 

Dntek 

stnlpt. 

mit  fibrösen  Par- 

(linke  H.) 

tieen  der  Uierin- 
fläcbe* 

4 

Missig 

ünein- 

1  Pfd.  4  Lotb; 

Eine 

1.  Befinden  Biemlicb 

laaten. 

starker 

g*- 

mit  fibrösen 

Stunde 

gut.     2.    Frost, 

Dmek. 

stfilpt. 

Schwarten  mit 

nach  der 

Fieber,  lebhafter 

m 

vielem  Kalk; 

Geburt 

Leibschmers. 

getrennte  EihKnte; 

siemlich 

8.  Frost,  lebhaftes 

seitlicher  Riss. 

beträcht- 
liche 
Blutung 

durch 
Reiben 

Fieber. 
4.  Perimetritis  ohne 
Ezsudation ;     lang- 
same   Bfickbildung 
des  Utems; 

and  Seeale 
gestillt. 

Besserung  mit  pre- 

fosen    Schweissen. 

Am  14.  Tage  gesund 

entlassen. 

4 

Leiebter 

Unein- 

1  Pfd.; 

Nein. 

Sehr  gut. 

Unataa. 

Draek« 

ge- 
stülpt. 

Biss  fast  marginal; 

geringe   fibröse 

Partieen; 

kein  Kalk. 

378      XXYII«   WhtM,  Z«f  JSiitfenivng  dM  IftchenibiiTli 


No. 

i 

EmpfinS 

w&hren^  ^ 
Entferoi 

Nach^ 

der  Beob- 

achtang 

und  Zahl 

der 

Verlauf 

frfiherer 

Geburten. 

Verlauf 

der 

Jetzigen  Geburt. 

Personal- 
yerhältnisse. 

VerhalfteB 

der 

Gebärendes. 

Oebnrt. 

85. 

Pau^r  der 

Erste  Periode 

Gross,       1 

Sehr  laut 

Laut 

Zweite 

ersten    Geburt 

6  Stunden; 

kräftig. 

brüllend. 

stöhne«^ 

Gebi;rt 

drei   Stunden; 

Bweite  Periode 

ausser- 

Blutung nacb 

1  Stunde; 

ordentlich 

Entfernung  der 

kraftige  Wehen. 

fett. 

Plaeenta  durcb 

Mädchen  von 

die  Hebamme. 

6V,  Pfd. 

89. 

_ 

Erste  Periode 

Mittelgross, 

Schreiend, 

Kanw 

Erste^    1 

5  Stunden; 

blond, 

doch  gut 

stöhn  M|| 

Geburt. 

zweite  Periode 
8  Stunden: 
sehr  kräftige 
Wehen;  Nabel- 
schnur ein  Mal 
umschlungen. 
Ein  todter  Knabe 

kräftig, 
gut  genährt. 

mitpressend* 

von  ey,  Pfd. 

1 

90. 

__ 

Erste  Periode 

Mittelgross, 

Schreiend, 

1 

Etwmi 

Erste 

4  Stunden; 

blond, 

doch 

etohiieii4 

Geburt. 

zweite  Periode 

kräftig, 

ziemlich  gut 

2  Stunden; 

gut  genährt. 

mitpressend. 

sehr  gute  Wehen. 

- 

Knabe  Yon  S%  Pfd. 

92. 

.» 

Erste  Periode 

Mittelgross, 

Laut 

Gar  nicU 
reagireal 

Erste 

6  Stunden; 

blond, 

schreiend« 

Geburt. 

aweite  Periode 

V4  Stunde; 

sehr  gute  Wehen« 

Ein  Knabe  von  5  Pfd. 

ziemlich 
kräftig. 

97. 

Erste 

Dauer  ^%  Stunden 

Gross, 

Sehr  ruhig, 

Gar  nicht 

Zweite 

Entbindung 

zweite  Periode; 

blond. 

gut  pressend. 

stöhnendi 

Geburt. 

6  Vs  Stunden, 

gute  Wehen. 

ziemlich 

Nachgeburt 

Knabe  von 

kräftig. 

durch    Beiben 

6  Pfd.  19  Loth. 

des  Leibes 

leicht  entfernt. 

■1 

XXYlh   Win^M,  Ziof  Estfetoang  4of  Naohgeburt.      379 


Lm  i    StSrko 

pulen '       des 

Ari  . 

iGe-  !  Dmekee 
■  dM    bei  Ent- 
pe  lu     femmig 
Iheh-    derNeeh- 

des 

Austrittes 

der 

Nach- 

Beschaffenheit 

des 
Frnchtkachens. 

Blutung. 

• 

Wochenbett. 

^^       gebart.  [   geburt. 

1 

1 
Uteras         Eln- 

25  Loth; 

Nein. 

Etwas  Nachwehen, 

keam     i  geetülpt. 

19''  lange  Schnur; 

sonst  das  Befinden 

genau    , 

seitlicher  Biss  der 

sehr  gut. 

1 
i 

»bsu- 

1 

▼erklebten  Eihäute; 

grensen, 

kein  Kalk. 

daher 

i 

sehr 

mIOieelig. 

1 

[4 

Ziemlich 

Ein- 

1  Pfd.  4  Loth; 

Nein. 

Befinden  sehr  gut. 

Mea. !  letehter 

gestfilpt. 

26"  lange  Schnur; 

r 

Draek. 

Riss  2"  V.  E.; 
grosse  obliterirte 

Pia  c  enterst  eilen; 

alte  hämorrhagische 

Heerde. 

• 

8 

Storker 

Ünein- 

1  Pfd.  4  Loth; 

Nein. 

Ohne  jede  Störung. 

■eten.     Druck. 

stülpt. 

20"   lange   Schnur; 
ausserordentlich 

▼iel  Ealky  daher 

die  Uterinfläche 

sehr  rauh. 

S 

Sterker 

Ein- 

95 Loth ; 

Nein. 

AnCsngs  Befinden 

nten. 

Druck. 

gestülpt. 

5—6  dicke 

gut:  nach  dem 
Aufstehen  noch 

**                ♦ 

obliterirte  Lappen, 

sehr  rauhe  Uterin- 

etvM   blutiger 

fläche;  getrennte 

1 

Anßfluss^   gesund 

Eihäute. 

entlassen. 

4 

Ziemlich 

Ein- 

1  Pfd.  ly,  Loth; 

Nein. 

ßßbT  gut. 

outen,   kräftiger 

gestülpt. 

26Vs"  lange  Schnur; 

Druck. 

iwei   obliterirte 
Lappen;  kein  Kalk. 

SSO     XXVIII.  Sckuehardt,  Seltener  F«ll  einer  eigenthQmltch    ^ 


XXVHL 

Seltener   Fall    einer    eigenthümlich   gestalteten 
und  gelagerten  Flacenta  praevia  mit  Erhaltung 

von  Mutter  und  Kind. 

Von 

Dr.  Bernhard  Schuchardt, 

Obergerichts  -  und  Landphysikas  eu  Nienburg  in  Hftnnoyer. 
(Mit  einem  Holzschnitte.) 

Vor  einigen  Monaten  beobachtete  ich  eine  eigenthümliche 
Gestaltung  und  Lage  einer  Placenta  praevia,  wodurch  ein 
glücklicher  Ausgang  für  Mutter  und  Kind  bedingt  wurde. 
Es  bildet  diese  Beobachtung  in  gewisser  Beziehung  ein 
interessantes  Seitenstuck  zu  dem  Falle,  welcher  von  Küneke 
(Monatsschrift  für  Gefourtskunde  etc.,  Bd.  XIII.,  Heft  5,  1859, 
S.  344  etc.)  mitgetheilt  ist.  Der  von  mir  beobachtete  Fall 
war  folgender: 

Den  1.  December  1862  gegen  Mittag  kam  der  Mann  der 
mir  seit  mehreren  Jahren  bekannten  Frau  H.  aus  H.  (dreiviertel 
Meilen  von  Nienburg  entfernt)  und  theilte  mir  mit,  dass  seine 
Frau,  welche  sich  bis  dahin  in  ihrer  Schwangerschaft  ganz 
wohl  befunden  habe,  seit  vorgestern  Abend,  ohne  sich  irgend 
angestrengt  oder  sonst  einer  Schädlichkeit  ausgesetzt  zu 
haben,  heftige  Blutungen  aus  den  Geschlechtstheilen  bekommen 
habe,  welche  mit  Unterbrechungen  bis  jetzt  fortdauerten.  Es 
waren  nach  der  genauen  Rechnung  der  zum  vierten  Haie 
schwangeren  sechsunddreissigjährigen  Frau  kaum  noch  acht  oder 
höchstens  vierzehn  Tage  bis  zum  normalen  Ende  der  Schwanger- 
schaft übrig;  Wehen  waren  bis  dahin  nach  der  Mittheilung  der 
Ortshebamme  an  den  Mann  noch  nicht  eingetreten,  und  der 
Muttermund  war  noch  nicht  so  geöffnet,  dass  der  unter- 
suchende Finger  durch  denselben  hätte  eindringen  können.  Es 
wuitle  ruhige  horizontale  Lage,  kühles  Verhalten  und  innerlich 
Elix.  add.  Halleri  verordnet  und  der  Mann  angewiesen,  bei 
strenger    Beaufsichtigung   der   Frau   Seitens   der   Hebamme, 


geüftlUtttn  mid  g«Ug«rift»  PUeeat»  prMTia  ete.        381 

midi  sofort  boieo  zu  lassen,  sobald  sich  wieder  eine  be- 
deutendere Blutung  einstellen  sollte.  Gegen  Abend  traten 
Wehen  ein,  aber  nur  in  sehr  massiger  Weise,  der  Mutier- 
Binnd  begann  sich  zu  öiihen,  und  nun  konnte  die  Hebamme 
Theile  des  Muttarkuchens  deutlich  durchfühlen.  Die  Blutung 
war  jetzt  fortwährend  nur  gering.  Nachts,  nach  Mitternacht, 
dagegen  war  wieder  eine  heftigere  Blutung  eingetreten,  doch 
hatte  dieselbe  gegen  Morgen  nachgelassen.  Die  Weben 
dauerten  inzwischen  regeknässig,  wenn  auch  langsam  und 
nicht  kräftig,  fort,  der  Muttermund  hatte  sich  bis  zur  Grösse 
eines  Fünfgroachenstücks  erweitert,  und  da  die  Hebamme 
mit  Recht  den  Wiedereintritt  heftiger  Blutungen  ohne  sofort 
vorhandenen  ärztlichen  Beistand  fürchtete,  so  wurde  ich 
geholt  Ich  war  gegen  10  Uhr  Morgens  (den  2.  December) 
bei  der  Frau.  Die  Blutung,  welche  überhaupt  nie  ganz  sistirl 
hatte  9  war  unbedeutend  nur  in  fortdauerndem  Abtröpfeln  von 
Blut;  der  Muttermund  war  bis  zu  einem  Durchmesse  von 
SVa  Centimeter  geöffnet,  in  der  Mitte  und  von  da  nach  vorn 
und  rechts  waren  die  Eihäute  etwas  rauh  durchzufühlen,  und 
nach  rechts  und  hinten,  nach  hinten,  nach  links  und  nach 
links  und  vorn  waren  die  weichen,  rundlichen  Cotyledonen  der 
Placenta  zu  erkennen.  Der  Kopf  des  Kindes  lag  vor  und 
war  besonders  durch  das  Scheidei^ewölbe  ballotirend  durch- 
zttfiihlefL  Die  Füsse  waren  an  dem  ziemlich  ausgedehnten 
Bauche  nach  rechts  vom  Nabel,  der  Rücken  des  Kindes  nach 
linka  von  demselbc»  bemerkbar;  links  unten  waren  die  Herz- 
töne des  Kindes  wahrzunehmen.  Da  im  Augenblicke  keine 
eriiebliche  Blutung  vorbanden  war  und  die  Wehen,  welche 
bis  dahin  nur  spärlich  stattgefunden  hatten,  nach  und  nach 
anfingen,  kräftiger  zu  wirken,  so -verhielt  ich  mich  abwartend, 
tumal  da  die  Frau  bis  dahin  durch  die  vorangegangenen 
Blutungen  durchaus  nicht  entkräftet,  oder  in  irgend  be- 
deutendem Grade  blutleer  geworden  war.  Der  Puls  ^  war 
kräftig,  voll  und  hatte  96— 100  Schläge  in  der  Minute.  Die 
Frau  bebnd  sich  sonst  in  jeder  Beziehung  wohl.  Von  Zeit 
zu  Zeit  überzeugte  ich  mich  durch  vorsichtiges  Untersuchen, 
dass  der  Muttermund  sich  nach  und  nach  erweiterte,  der 
Kopf  sieh  tiefer  stellte  und  dass  mit  der  Erweiterung  des 
Muttermundes,  dessen  Rand  sehr  weich  und  nachgiebig  war, 


QS2     ZXVin.   iSelkfcdkarctt,  SeÜeiier  Fall  einer  eigeatMlaillch 

die  Cotyledonen  der  Placenta  sich  etwas  von  d«a*  Mitte  rar 
Seite  schoben,  so  dass  die  mittlere  von  piacentarmasse  frei 
gewordene  Stelle  der  Eihäute  innerhalb  des  Muttermundes  sieh 
etwas  Tergrösserte.  Gegen  12 V2  Uhr,  als  nach  2 V^  stündigem 
Verweilen  bei  der  Kreissenden  die  Wehen  schon  recht  kräft% 
geworden  waren,  der  Kopf  sich  tiefer  gestellt  hatte,  aber 
noch  immer  ober  dem  Beckeneingange  stand,  und  als  der 
Muttermund  sich  so  weit  eröffnet  hatte,  dass  sein  Durchmesser 
ö  Centimeter  betrug,  stellte  sich  wieder  eine  heftigere  Blutung 
ein,  und  ich  hielt  nun  den  Zeitpunkt  gekommen,  die  Geburt 
zur  Rettung  für  Mutter  und  Kind  rasch  durch  Kunsthülfe  zu 
beendigen.  Da  ich  sicher  annehmen  konnte,  dass  nach  vom 
und  rechts  die  freieste  Stelle  für  das  Loslösen  der  Placenta 
war,  ja  zu  vermuthen  stand,  dass  ich  hier,  ohne  erheblich 
von  der  Placenta  loslösen  zu  müssen,  sofort  auf  die  Eihäute 
kommen  wurde,  und  da  auch  in  der  rechten  Seite  der  Gebär^ 
mutter  nach  vom  sicherlich  die  Fasse  zu  vermuthen  waren, 
i»o  ging  ich  zur  Ausfuhrung  des  Accouchement  forc^,  naolidem 
die  Kreissende  auf  das  Querbett  gelegt  war,  mit  der  linken 
Hand  ein,  erweiterte  den  Muttermund,  welcher,  ohne  er*- 
belieb  einzureissen ,  sich  bei  seiner  grossen  Nachgiebigkeit 
scharf  ringförmig,  etwas  wulstig,  wie  ein  Kautscfaukring,  uro 
meine  Hand  und  um  meinen  Arm  legte  und  hatte  rechte 
vom  beim  weiteren  Eindringen  in  die  Utemshöhle  fest  gar 
nichts  von  der  Placenta  zu  lösen,  sondern  drang  raseh 
zwischen  Uterus  und  Eihäuten  hinauf  und  sprengte  etwas 
oberhalb  der  Mitte,  als  ich  gegenüber  die  Fnsse  des  Kindes 
fühlte,  die  Eihäute.  Es  floss  sehr  viel  Fruchtwasser  ab. 
Ich  ergriff  nun  den  Unken  Fuss,  fährte  ihn  heranter  und 
leitete  dann  in  gleicher  Weise  den  rechten  Fuss  b^witer, 
so  dass  nun  weiterhin  nach  halbentwickeltem  Körper  der 
Kopf  im  ersten  schrägen  Durchmesser,  mit  dem  Hinteriiaupte 
nach  vom  und  links,  stand.  Die  Lösung  der  Arme  und  die 
Entwicklung  des  Kopfes  ging  darauf  leicht  und  rasch  von 
Statten.  Das  Kind,  ein  Knabe,  welches  voUkonunen  aus- 
getragen war  und  zwischen  6  und  7  Pfund  wog«  kbte  und  schrie 
sofort  sehr  lebhaft  und  kräftig.  Schon  vorker,  als  nach  dem 
Geborensein  des  unteren  Theiles  des  Körpers  bh  zun  SteisB 
der  Penis  des  Kindes  aus  der  Schamspalte  hervoiirat,  entlieae 


das  Kind  daen  kräftigen  Strahl  klaren  Urins  in  einem  Bogen« 
wai  ebenso  drang  Meoemuni  ans  dem  Aft^  hervor.  Un» 
mittelbar  naefa  der  Geburt  und  Abnabelong  des  Kindes  wunde 
mit  derselben  linken  Hand  wieder  eingegangen  und  die 
Placenta,  welche  zu  einem  kleineren  Theile  nach  rechts  und 
hinten  f  zu  einem  grösseren  Theile  nach  links  sass,  gelöst 
und  mit  den  Eihäuten  entfernt.  Die  Blutung,  welche  während 
der  Geburt  kaum  von  irgend  welcher  Erheblichkeit  war,  war 
auch  während  und  nach  der  Lösung  der  Placenta  nicht 
beträchtlich.  Gleich  nachher  wurde  die  Wöchnerin  in  ihr 
Bett  gelegt,  erhielt  10  Gran  Seeale  comutum,  und  ich  über- 
wachte während  einer  halben  Stunde  durch  Auflegen  der 
flachen  Hand  auf  den  Grund  der  Gebärmutter  die  Contractionen 
derselben.  Es  traten  sehr  bald  nicht  unbedeutende  Nach- 
wehen ein,  bei  denen  jedes  Mal  etwas  zum  Theil  flüssiges, 
zum  Theil  geronnenes  Blut  aus  den  Geschlechtstheilen  sich 
entfernte.  Nach  einer  halben  Stunde  wurde  der  übrigens 
durchaus  nicht  sehr  erschöpften  oder  blutarmen  Wöchnerin 
ein  halbes  Glas  Rotbwein  dargereicht  und  kurz  nachher  erhielt 
sie  45  Tropfen  Zimmttinctur.  Darauf  wurde  eine  feste  Leibbinde 
angelegt,  und,  da  eine  halbe  Stunde  lang  das  Bluten  fast  ganz 
nachgelassen-  hatte  und  nur  von  Zeit  zu  Zeit  ein  paar  Tropfen 
Hut  abflössen  und  da  der  Uterus  sich  kräftig  zusammen- 
gezogen hatte,  80  konnte  ich  nun,  eine  Stunde  nach  beendigter 
Geburt,  die  Wöcfanerin  ohne  Gefahr  verlassen. 

Ab^Kls  gegen  6  Uhr,  als  ich  bei  einer  zufalligen  An- 
wesenheit im  Dorfe  die  Wöchnerin  wieder  besuchte,  fand  ich, 
daas  dieselbe  noch  nicht  geschlafen  hatte  und  dass  ab  und  an 
noch  einige  Tropfen  Blut  abgegangen  waren.  Die  Nach  wehen 
waren  noch  zeitweise  aufgetreten,  jetzt  aber  seit  einiger  Zeit 
ganz  auagebUeben.  Die  Gebärmutter  war  gut  zusammen* 
gesogen,  nicht  schmerzhaft,  die  Haut  duftend,  der  Mund  war 
ein  wenig  trocken  und  etwas  Durst  vorhanden,  der  Puls,  voll 
und  gut  entwickelt,  machte  108  Schläge  in  der  Hinute.  Das 
Wochenbett  verlief  durchaus  ohne  weitere  Störung  und  die 
MilGhaecretion  trat  regelmässig,  wenn  auch  spärlich,  ein. 
Müller  und  Kind  befinden  sich  jetzt,  Ende  Januar  1863, 
durchaus  wohl. 


384     XXTIU.  fiefauiarA,  fi«U«MiF*llBlMr«lgMtUbalia]i 

Die  Placenla  seigle  eine  eigenthOmlidie  GesUU,  wie  die« 
in  der  folgenden  m  Dnttel-GrJisse  gerert^D  Abbildung 
deutlich   wird.     Sie  war  m   zwei  un^eich  growe  nindbche 


HaQptlappeD  getheilt,  von  denen  der  rechts  gelegene  kleinere  (B) 
etwas  mehr  als  >/,,  der  nach  Unks  gelegene  grösser«  (Ä) 
beinahe  V,  der  ganien  Placenta  bildete.  Jede  dieser  beidm 
Abtbeilungen  halte  eine  b^nabe  kreisrunde,  nur  etwas  linglicbe 
Gestalt,  wobei  die  kleinere  einen  mittleren  Darcbmesser  von 
9  Ceutimeter,  die  grössere  einen  solchen  von  15  Centimeter 
leigte  (die  Nabelschnur  inserirte  in  gewöhnlicher  Weiae  dem 
Puncte  O  gegenüber,  und  es  strahlten  ausser  anderen  Ge- 
tissen  (wei  grössere  Gefässe  mit  ihren  VenweignogMi  von 
da  etwas  divergirend  nach  dem  kleineren  Lappen  B  hinäher), 
und  beide  hingen  durch  eiae  schmale,  etwa  6  CentiBetcr 
ursprünglich  breite  Brücke  {DC)  insammen,  weklie  gjeicb- 
misag  von  insammenhängender  PlaceDtarmasse  gehiUet  wurde. 
Mit  dieser  Brücke  hatte  die  Placenta  nun  in  der  Weise  auf 
dem  Muttermunde  aufgesessen,  dass  lunächst  dieselbe  weU 
neben  dem  inneren  Muttermunde  gdegen  war,  nach  und 
nach  aber  bei  der  Annibemng  der  inneren  and  insserea 
Huttermundsöffiiang  in  Folge  der  successiveo  Verkfinung  des 
CerTicalcanales  im  weiteren  Verlaufe  der  Schwangerschaft  über 
den  Muttermund   mit  ihren  betreffenden  Cotjledonra  hinüber 


gelagerten  und  gestalte ten  Placenta  praevia  etc.         385 

gewachsen  war,  so  dass  vor  Beginn  der  Ei-öflbung  des  Mutter- 
tnnndes  bei  der  Gehurt  der  noch  geschlossene  Muttermund 
ganz  von  Placentarmasse  innen  bedeckt,  gewissermaassen  von 
der  Seite  her  überwachsen  war.  Dabei  haben  ganz  sicher 
die  benachbarten  Gotyledonen  des  grossen  und  kleinen  Haupt* 
lappens  der  Placenta  die  in  der  Figur  dunkler  schraffirte  im 
Gentrum  der  Muttermundsöffnung  gelegene  Eihantpartie  bis  D 
hin  ganz  bedeckt  gehabt,  und  erst  mit  der  Eröffnung  des 
Mattermundes,  welche  gewiss  schon  begonnen  hatte,  als  die 
erste  Blutung  sich  zeigte  und  welche  bis  zu  meiner  Ankunft 
den  2.  December  Morgens  um  10  Uhr  die  durch  den 
inneren  Kreis  E  bezeichnete  Grösse  der  Eröffnung  (während 
der  Kreis  F  die  Eröffnung  des  Muttermundes  unmittelbar 
vor  Ausführung  des  Accouchement  force  bezeichnet)  erreicht 
hatte,  waren  durch  diese  Eröffnung  die  am  Rande  des  Mutter- 
mundes innen  festsitzenden  Gotyledonen  beider  Placentar- 
iappen  zunächst  von  den  Eihäuten  losgerissen  worden  und 
zur  Seite  auseinander  gewichen,  und  hierdurch,  sowie  durch 
das  weitere  Lostrennen  derselben  von  der  inneren  Seite  des 
Muttermundes  waren  die  ersten  und  weiterhin  die  folgenden 
Blutungen  entstanden.  Dem  entsprechend  sah  man  auch 
nachher  nur  an  der  dunkler  schraffirten ,  im  Bereiche  des 
erweiterten  Muttermundes  gelegenen  Gotyledonen  der  Placenta 
geronnene  Blutstucke  auf-  und  zwischensitzen,  als  Zeichen 
der  hier  stattgehabten  Blutungen.  So  fand  sich  demnach 
auch  bei  der  ersten  Untersuchung  von  mir  um  10  Uhr  Morgens 
der  Muttermund  zur  Grösse  des  Kreises  E  erweitert  und 
innerhalb  desselben  fühlte  man  in  der  Mitte  bis  beinahe  nach 
vom  und  rechts  die  Eihäute  frei,  dabei  aber  rauh,  nicht 
ganz  glatt,  und  nach  rechts  und  hinten  und  im  ganzen  linken 
Umfange  des  Muttermundes  traten  hinter  dem  Rande  desselben 
die  blutenden  Gotyledonen  der  Placenta  hervor.  Diesen  eigen- 
thümlich  gunstigen  Umständen  der  Lagerung  der  Placenta  ist 
es  denn  auch  gewiss  zuzuschreiben,  dass  bis  zum  Beginne 
der  Geburt  und  dem  Anfange  der  Erweiterung  des  Mutter- 
mundes keine  Blutung  eintrat,  indem  gewiss  erst  im  Verlaufe 
des  Verkürzens  des  Gervicaltheiles  des  Uterus  und  des  Zuziehens 
desselben  zur  grossen  Höhle  des  Uterus  die  Placenta  ober 
die  innere  Muttermundsöffnung  hinüber  wuchs.    Bis  zu  dieser 

Monalitehr.  f.  Oebnrtsk.  1868.  Bd.  ZXI.,  Hfl.  6.  25 


386    XXVIII.  Sehuehardt,  Seltener  Fall  eiii«r  eigen thfimlich  etc. 

Zeit  konnte  demnach  die  nur  seitwärts  gelegene  Placenta  zu 
Blutungen  keine  Veranlassung  geben.  Als  der  Cervicalcanal 
ganz  zur  Bildung  der  grossen  Uterusböhle  mit  benutzt  worden 
war,  zeigte  sich  nun  allerdings  der  innere  Muttermund  ganz 
von  der  Placenta  bedeckt,  allein  es  ragten  soeben  nur  die 
betreffenden  Gotyledonen  derselben  über  die  innere  Oeffnung 
des  Muttermundes  herüber,  und  dieser  Umstand  ermöglichte 
es,  dass  mit  dem  Eröffnen  des  Muttermundes  bei  der  Geburt 
durch  das  Auseinanderreissen  der  entsprechenden  Gotyledonen 
(wobei  die  beiden  grossen  Lappen  der  Placenta,  durch  beider- 
seitige Drehung  um  einen  gemeinschaftlichen  Mittelpunkt  nach 
hinten,  vom  (bei  D)  etwas  von  einander  sich  entfernten, 
nach  hinten  zu  (bei  C)  mehr  etwas  sich  näherten)  und  durch 
entsprechende  Lostrennung  der  betreffenden  Eihautpartie  für 
einige  Zeit  noch  ein  beträchtlicheres  Lostrennen  der  Placenta 
von  der  inneren  Uteruswand  und  somit  eine  erheblichere 
Blutung  vermieden  wurde.  Erst  bei  der  Erweiterung  des 
Muttermundes  selbst,  wie  sie  durch  den  Eintritt  der  Geburt 
bedingt  wurde,  kam  es  zu  erheblicheren  Lostrenuungen  der 
Placenta  und  demgemäss  zu  entsprechenden  Blutungen.  Allein 
auch  jetzt  konnte  die  Geburt  noch  einige  Zeit  sich  selbst 
überlassen  werden  und  so  der  immerhin  gewaltsame  Eingriff 
des  nothwendigen  Accouchement  force,  was  besonders  die 
gewaltsame  Erweiterung  des  Mutterrmundes  betrifft,  so  weit 
hinausgeschoben  werden,  dass  der  wirkliche  Augenblick  des 
Eingreifens  die  für  Mutter  und  Kind  günstigsten  Chancen 
darbot.  So  kam  es  denn  auch,  dass,  weil  bei  dem  Vordringen 
zu  der  Stelle  der  Eihäute,  wo  die  Sprengung  derselben  vor- 
genommen wurde,  fast  gar  kein  Theil  der  Placenta  von  der 
inneren  Uterin wandung  losgetrennt  zu  werden  brauchte,  und 
weil  bei  der  schon  erheblich  von  Seiten  der  Natur  statt- 
gehabten Vorbereitung  der  betreflenden  Theile  zur  Geburt  die 
Kunsteingriffe  keine  sehr  bedeutenden,  verletzenden  zu  sein 
brauchten,  die  Geburt  durch  die  Kunst  sehr  rasch  (innerhalb 
etwa  6 — 7  Minuten)  beendet  werden  konnte  und  dass  die 
dabei  stattfindende  Blutung  keine  das  gewöhnliche  Maass  bei 
normalen  Geburten  um  ein  irgend  Erhebliches  übersteigende  war. 


XXIX,   Kotiaea  aiM  der  Joarnäl  -  Literftinr.  387 


XXIX. 
Notizen  ans  der  Journal-Literatur. 


Qrohe:  Ueber  den  Baa  and  das  Wacbsthnm  des  mensch- 
lichen Eierstockes  and  über  einige  krankhafte 
Störangen   desselben. 

Verf.  beschäftigte  sich  haaptsäcblicb  mit  den  Veränderangen 
des  mensehlichen  Eierstockes  nach  der  Gebart.  Die  Methode, 
deren  er  sich  bei  seinen  Untersachahgen  bediente,  bestand  darin, 
dass  die  Ovarien  in  Alkohol  oder  Ohromsäare  erhärtet  und 
Darchschnitte  davon  darch  Natron,  Essigsäure  and  Glycerin 
aufgehellt  wurden. 

Bei  Kindern  von  1  — 2  Jahren  und  darunter  lässt  die  Substane 
des  Eierstockes  Bwei  mehr  oder  weniger  scharf  begrenste  Theile 
erkennen:  eine  fast  nur  ans  in  feinfaserigen  Nerven  eingebetteten 
Eisäckchen  bestehende  Rindenschicht  und  eine  centrale,  dem 
Hilus  entsprechende ,  hauptsächlich  aus  Stroma  und  Blutgefässen 
bestehende,  nur  wenige  und  unregelmässig  eingestreute  Eisäckchen 
enthaltende  Marksubstanz.  An  Neugeborenen  ist  dieser  Gegen- 
satz bei  kleineren  Dimensionen  minder  scharf;  im  späteren  Alter 
verwischt  er  sich  durch  Rückbildung  von  Follikeln  wie  durch 
pathologische  Processe. 

In  der  letzten  Zeit  des  Fotallebens  und  bei  der  Geburt  besteht 
das  Stroma  aas  kleinen  spindelförmigen  Zellen,  die  meist  einen 
länglichen  oder  ovalen  Kern  und  ein  punktförmiges,  glänzendes 
Kernkörper  eben  besitzen,  ferner  aus  rundliehen  Kernen  und 
Zellen  mit  scharf  ausgeprägtem  Ke'rnkörperchen  und  endlich  aus 
Zögen  von  ziemlich  zartem,  lockigem  Fasergewebe,  in  dem  die 
zelligen  Elemente  und  Kerne  eingestreut  liegen.  Diese  Znsammen- 
•eisiiDg  des  ovarialen  Stroma  dürfte  sich  in  der  ganzen  Säugethier- 
retfae  wiederholen.  Die  faserige  Beschaffenheit  des  Stroma  ist 
in  der  Marksubstanz  am  frühesten  ausgesprochen,  während  in 
der  Rindensubstana  zunächst  nur  sehr  zarte  Ausläufer  davon 
zwischen  den  Eisäckchen  sich  verbreiten.  Die  Blutgefässe  folgen 
im  Allgemeinen  dem  Verlaufe  der  Faserzüge.  In  derselben  Periode 
besteht  die  Rindensubstanz  aus  einer  Masse  von  Zellenhanfen, 
^e  sich  aus  kleinen  rundlichen  und  ovalen,  kernhaltigen  Zellen 
und  freien  Kernen  zusammensetzen,  in  deren  Mitte  gewöhnlich 
ein  grösseres,  bläschenförmiges,  scharfconturirtes  Gebilde  mit 
deutlichem  Kerne  hervortritt.  Ijetzteree  stellt  das  Keimbläschen 
mit  dem  Keimflecke  dar;  die  daAselbe  umgebenden  Zellen  und 
Kerrn«   sind    die  Vorgebilde   für   die  Membrana  grannlosa.    Von 

26* 


388  XXIX.    KotUen  aus  der  Joarnal- Literatur. 

diesen  Zollen  nimmt  ein  Theil  an  der  Peripherie  der  Gruppen 
die  Spindelform  an,  wodurch  deutliche  Fasersellen  mit  lungeren 
und  kürzeren  Ausläufern  entstehen,  die,  mit  dem  faserigen  Stroma 
der  Marksubstanz  in  Verbindung  tretend,  Faserzüge  bilden,  welche 
jene  Zellenhaafen  concentrisch  umgeben  und  zugleich  von  der 
Marksubstanz  nach  der  Oberfläche  des  Ovarinm  radienförmig 
ausstrahlen.  Auf  diese  Weise  bildet  sich  die  Begrenzung  der 
Follikelräume ,  wie  ihre  Anordnung  in  Reihen  und  Gruppen  nach 
einem  gewissen  Typus.  Der  Durchmesser  der  Faserzüge  zwischen 
den  einzelnen  Eisäckchen  ist  von  wechselnder  StKrke,  so  dass 
man  primäre,  secundäre  etc.  Groppirungen  unterscheiden  kann. 
Von  Wichtigkeit  erscheint,  dass  nicht  selten  zwei,  selbst  drei 
Keimbläschen  in  einen  Follikel  eingeschlossen  werden,  wodurch 
die  anatomische  Grundlage  für  Mehrgeburten,  neben  denen  di« 
durch  das  gleichzeitige  Platzen  mehrerer  Follikel  zu  Stande 
kommen,  sich  sehr  leicht  nachweisen  lässt. 

In  der  Periode,  wo  das  Stroma  in  der  Bindensubstanz  noch 
nicht  die  feste,  faserige  Beschaffenheit  angenommen  hat,  sondern 
aus  den  spindelförmigen  Zellen  mit  schwach  fibrillärer  Zwischen- 
substanz besteht,  ist  der  Zusammenhang  freier  einzelner  Theile 
ein  sehr  loser.  Bei  der  Präparation  von  Schnitten,  namentlich 
beim  Zerreissen  mit  Nadeln,  erhält  man  leicht  Objecte,  in  denen 
die  Keimbläschen  in  regelmässigen  Längsreihen  gelagert  und  von 
den  zarten,  spindelförmigen  Zellen  und  feinen  Fasern  des  Stroma 
begrenzt  sind,  —  ein  Bild,  welches  die  Annahme  eines  röhren- 
förmigen Baues  des  Ovarium  in  dieser  Entwickelungsperiode 
durch  Vcdentin  und  Pfiüger  veranlasst  haben  mag. 

Das  Keimbläschen  zeichnet  sich  schon  bei  der  Geburt  durch 
beträchtliche  Grösse  (0,014  —  0,017  Millimeter),  durch  scharfe 
Begrenzung  und  durch  den  leicht  körnigen  Inhalt  aus;  der  Keim- 
fleck ist  bald  deutlieh,  bald  kaum  zu  erkennen.  Das  Keim- 
bläschen ist  von  einer  helleren,  feinkörnigen  Schicht  umgeben, 
welche  die  erste  Anlage  des  Dotters  darstellt  und  gewöhnlich 
den  ganzen  übrigen  Raum  des  Follikels  erfüllt,  ohne  dass  jedoch 
schon  eine  besondere  Begrensungshaut  vorhanden  wäre.  Ausser 
dem  Keimbläschen  und  der  Dotterzone  findet  sich  in  dem  Follikel 
eine  grössere  oder  geringere  Zahl  von  kleinen  runden  oder 
ovalen  Zellen  und  Kernen,  die  das  Keimbläschen  umgeben  und 
gewöhnlich  als  Fplthel  des  Follikels  beschrieben  werden.  Die 
Grösse  dieser  Zellen,  deren  Kerne  zur  Zeit  der  Geburt  sehr 
gross  sind,  ist  sehr  verschieden  und  steht  mit  der  Vergrösserung 
des  Follikels  in  directem  Verhältniss.  Dass  sich  um  diese  Zellen 
eine  zarte,  struoturlose  FoUikelwand  bilde,  längnet  Verf.,  — 
nach  ihm  wird  die  Begrenzung  des  Primordial-  wie  des  ent» 
wickelten  Follikels  nur  durch  die  Fasermasse  des  Stroma  gebildet. 
Hei  der  Bildung  Oniaf  ^»cher  Bläschen  ans  den  Primordialfollikeln 


XXnC.   KoÜBen  ans  der  Journal -Literatur.  389, 

finden  äberbanpt  falgende  Vorgänge  statt:  endogene  Vertoiehrung 
der  Epithelsellen  mit  Bildung  der  Membrana  granulosa  und  des 
Ditene,  Abscheidung  des  Liquor  folliculi  und  der  Zona  pellacida 
mit  den  weiteren  Verttndernngen  des  Eies  uod  endlich  Neubildung 
Ton  Blatgefassen  in  der  aus  dem  faserigen  Stroma  bestehenden 
Theoa  folliouli  mit  Vergrösserung  derselben  im  Verhältnisse  sur 
Massensunahme  des  Inhaltes. 

Bei  und  bald  nach  der  Geburt  besitst  der  grösste  Theil  der 
Primordialfollikel,  insbesondere  diejenigen  in  der  Bindensubstane, 
einen  annähernd  gleichen  Grad  von  Ausbildung;  jedoch  ist  ihr 
Wachsthnm ,  das  in  dieser  Periode  verhältnissmässig  rascher  von 
Statten  geht,  als  unter  manchen  Verhältnissen  in  der  späteren 
Lebensseit,  ein  sehr  ungleichmUssiges.  Bei  Thieren,  bei  denen 
überhaupt  eine  frühere  Geschlechtsreife  eintritt,  ist  die  Ent- 
wickelung  der  (Traa/^schen  Follikel,  sowohl  in  Hinsicht  der 
Grösse  als  der  Zahl,  in  der  lotsten  Zeit  des  embryonalen  Lebens 
und  bei  der  Geburt  ungleich  weiter  vorgerückt  als  beim  Menschen. 
Jedoch  sind  auch  bereits  bei  menschlichen  Neugeborenen  aus- 
gebildete, schon  für  das  blosse  Auge  bemerkbare  (Traa/'sche 
Follikel  gefunden  worden  und  schon  innerhalb  des  ersten  Lebens- 
jahres sind  sie  nichts  weniger  als  selten.  Die  am  meisten  ent- 
wickelten Follikel  haben  in  dieser  frühen  Periode  sowohl  beim 
Menschen,  als  bei  Thieren  ihren  Sitz  in  den  mittleren  und 
inneren  Lagen  des  Ovarium,  obgleich  gerade  hier  die  Zahl  der 
Primordialfollikel  verhäUnissmässig  am  geringsten  ist  Diese 
auffallende  Thatsache  steht  nach  Verf.  in  Verbindung  mit  der 
reichlicheren  Gefässverbreitung  in  der  Nähe  des  Hilus  und  in 
den  mehr  centralen  Theilen  des  Ovarium. 

Die  Arterien  des  Eierstockes  sind  schon  sehr  frtthseitig 
stark  entwickelt  und  mit  verhäUnissmässig  starker  Muskulatur 
versehen.  Die  grösseren  Stämme  im  Hilus  haben  gewöhnlich 
einen  einfach  gewundenen  Verlauf,  während  die  nach  der  Peripherie 
und  den  Graa/'schen  Follikeln  abgehenden  Aeste  zahlreiche 
Windungen  und  korksieherartige  Drehungen  erkennen  lassen. 
Bei  dieser  Einrichtung  muss  sieh  die  Blntfülle  und  der  Druck 
in  den  arteriellen  Gefässen  sehr  leicht  steigern  können ,  wodurch 
das  Hervortreten  der  Oraqf*Bchen  Follikel  an  die  Oberfläche  des 
Ovarium  in  derselben  Weise  begünstigt  werden  dürfte,  wie  bei 
erhöhter  Spannung  der  Circulation  in  Folge  von  Herzfehlern  etc. 
ein  stärkeres  Hervortreten  des  Augapfels  und  der  Schilddrüse. 

Hinsichtlich  des  Vorkommens  von  glatten  Muskelfasern  im 
Ovarium  schlieast  sich  Verf.  Äeby  an.  Bei  Rindern  sind  sie  in 
der  Marksubstans  und  im  Hilus  ungleich  deutlicher  zu  erkennen 
als  in  der  Bindensubstanz.  In  den  Eierstöcken  Erwachsener, 
welche  zahlreiche  grössere  Graa/'schen  Follikel  enthalten ,  lassen 
•ie  sich   fast  bis  an  diese   heran  verfolgen.     Besonders  deutlich 


390  XXIX.    Nottien  aus  der  Journal- Literatur. 

and  stärker  entwickelt  sind  sie  bei  WÖcknerinnen.  Eanm  sa  Bt* 
kennen  sind  sie  bei  Ovarien,  welche  eine  ausgedehnte  fibröse 
Degeneration  eingegangen  oder  sehr  atrophisch  sind.  VoIUtttndig 
schwinden  sie  im  höheren  Alter,  bei  chronischer  Oophoritis,  bei 
eiteriger  oder  ödeniatöser  Infiltration  der  breiten  MntterbSnder 
und  Eierstöcke.  Sehr  deutlich  lassen  sie  sich  erkennen  in  den 
Ovarien  von  mehrere  Wochen  alten  Schweinen.  Sie  begleiten 
auch  hier  vom  Hilus  aus  als  siemlich  breite  Züge  die  Gefaase, 
schliessen  sich  jedoch  weiterhin  in  etwas  geringeren  Dimensionen 
den  breiten  Fasensügen  des  Stroma  an,  in  deren  Mitte  sie 
gewöhnlich  verlaufen »  und  bilden  um  die  grösseren  Follikel 
sehr  deutliche  concentrische  Schleifen,  nach  aussen  von  der 
fibrösen  Wand. 

Den  Ursprung  der  Muskelaellen  anlangend,  fand  Verf.,  das« 
gleichseitig  mit  dem  Ligamentum  ovarii'aus  dem  Uterus  ein 
derber  Strang  von  der  Dicke  eines  Rabenfederkieles  austritt^ 
der  sich  sofort  unter  einem  spitzen  Winkel  von  gedachtem  Bande 
nach  dem  Hilus  des  Ovarium  wendet  und  aus  Bindegewebe,  Ge- 
f&ssen  und  aahlreichen  glatten  Muskelfasern  besteht,  die  vom 
Hilus  in  das  Stroma  des  Eierstockes  ausstrahlen  und  die  Bolle 
eines  Adductor  oder  Tensor  ovarii  spielen.  Vielleicht  stehen  die 
Muskelfasern  am  Stroma  des  Ovarium  in  einer  näheren  BeBiehung 
au  den  Blutgefässen,  mit  denen  sie  in  ihrem  ganzen  Verlaufe  eng 
verbunden  sind,  und  awar  in  derselben  Art  wie  bei  den  Corpor» 
cavernosa,  so  dass  möglicherweise  durch  die  Steigerung  des 
Blutdruckes  Bersten  der  Blutgefässe  und  der  Follikelwand  bewirkt 
werden  kann. 

Die  Frage ,  ob  nach  der  Geburt  noch  eine  Neubildung  von 
Eiern,  oder  eine  Vermehrung  derselben  durch  Theilung  statt- 
finde, beantwortet  Verf.  dahin,  dass  bei  der  Geburt  alle  Keim- 
bläschen mit  einem  bald  mehr  bald  weniger  deutlichen  Reimfleck 
und  mit  der  Anlage  des  Dotters  vollständig  vorhanden  sind,  von 
denen  jedoch  nur  ein  sehr  geringer  Theil  eine  regelmässige 
Entwickelnng  bis  sur  vollständigen  Reife  durchmacht,  während 
der  bei  weitem  grössere  Theil  nicht  oder  doch  nur  in  einer  un- 
vollkommenen Weise  dasu  gelangt  und  lu  Grunde  geht. 

Von  pathologischen  Zuständen  des  Eierstockes  kommen  die 
Entwickelungshemmungen  in  der  Evolution  der  Oraaf^schen 
Follikel  am  häufigsten  vor.  Von  den  Tausenden  von  Eikapseln, 
welche  sich  in  den  Ovarien  von  Neugeborenen  finden,  gelangt 
nur  ein  sehr  kleiner  Theil  zur  Reife,  der  grössere  verharrt,  wie 
eben  bemerkt,  auf  einer  niederen  Stufe  der  Fortbildung  nnd 
geht  zu  Grunde.  Die  Ursachen  dieses  Zerstörungsprocesses  sind 
ausserordentlich  manniehfaltig  und  kaum  zu  übersehen.  Ein 
Hauptmoiuent  liegt  zunächst  in  der  ungemeinen  Weichheit,  Zart» 
hext  und  Hinfälligkeit  dieser  Gebilde,  so  dass  krankhafte  Zuständet, 


XXIX.  Notiben  aus  der  Journal* Literatur.  ^91 

nani^atHeh  im  kindlicben  Alter,  welohe  die  Erofthrung  bedeutender 
herabfltimmen,  auch  in  den  Ovarien  Abnahme  und  Schwund  des 
selligen  Inhaltes  der  Primordialfollikel  hervorrufen.  Das  Stroma 
der  Eierftöeke  ersoheint  unter  diesen  Verhältnissen  derber,  fester, 
•ft  etwa»  feuchter  und  die  Fasersüge  breiter.  Das  längere 
£rhaUenbleiben  der  Follikel  in  den  centralen  Theilen  des  Stroma 
dirfte  Bum  Theil  von  den  günstigen  Ernährungsverhältnissen  ab- 
bSagen,  unter  denen  sich  diese  Partie  des  Ovarinm  wegen  des 
grösseren  Qef&ssreichthnmes  und  der  stärkeren  FoUikularkapseln 
befindet« 

Als  Excessbildung  beseichnet  Verf.  die  frühzeitige  und  un* 
gewöhnlich  reichliche  Bildung  von  Graa/'schen  Follikeln.  Er  ist 
geneigt,  einem  derartigen  Vorgange  die  Fähigkeit  sususchreiben, 
eine  frühe  Cessation  des  Ovulationsprocesses  und  Involution  des 
Organes  herbeizuführJBn.  Während  von  der  Zeit  der  PubertXt 
an  unter  dem  Einflüsse  der  menstrualen  Vorgänge  die  reifen 
Graaf^achen  Follikel  platsend  ihren  Inhalt  entleeren  und  die 
oollabirte  Kapselmembran  unter  Bildung  des  Corpus  luteum  sich 
allmälig  suriickbildet,  so  machen  auch  im  kindlichen  Alter  die 
reifen  Follikel  verschiedene  Rückbildungsprocesse  durch,  ohne 
jedoch  ihren  vorher  Inhalt  bu  entleeren.  Die  regelmässige 
Involution  seheint  dabei  in  der  Weise  vor  sich  bu  gehen,  dass 
unter  allmäliger  Resorption  des  Liquor  folliculi  die  Membrana 
granulosa  fettig  degenerirt  und  unter  fortschreitender  Ver- 
kleinerung der  Follikularhöhte  die  sich  berührenden  Flächen  der 
Faserkapsel  verwachsen.  Die  hierbei  gesetste  Narbe  ist  aus  sehr 
deutlich  entwickelten  kleinen  Bindegewebskörperchen  zusammen* 
gesetzt;  seigt  aber  niemals  Ueberreste  einer  Blutung  oder 
Pigment  bildung. 

Dies  in  kurzen  Umrissen  das  Hauptsächlichste  aus  der  vor- 
liegenden, von  sehr  guten  Abbildungen  begleiteten  Arbeit,  welche 
einen  nicht  unerheblichen  Fortbcbritt  in  der  Detailforschong  des 
betreffenden  Organes  bezeichnen  durfte. 

{Virehaw'a  Archiv,  XXVI.  Band,  8.  u.  4.  Heft.) 


Labarie:    Ueber   die  Rolle  der  Symphysen  während   der 
Geburt. 

Der  Autor  las  in  der  medioinischen  Akademie  zu  Paris  eine 
längere  Abhandlung  über  die  Rolle  der  Symphysen  während  des 
Geburtsactes  und  kommt  dabei  zu  folgenden  Schlüssen: 

1)  Beinahe  alle  Geburtshelfer  nehmen  an,  dass  die  Liga- 
mente, welche  die  Arttculationen  des  Beckens  vereinen,  während 
der  Schwangerschaft  erweichen;  dadurch  erhalten  diese  Gelenke 


392  XXIX.    Notisen  aus  der  Joamal- Literatur. 

einen  bestimmten  Grad  von  Beweglichkeit,  deren  Qrosee  jedoch 
sehr  unentschieden  ist. 

2)  Alle  Anatomen  stellen  jetat  die  Symphysis  sacro-iliaoa 
und  pubica  in  die  Classe  der  Arthrodien.  Nach  unseren  Beob* 
achtungen  an  den  Becken  küralich  entbundener  Frauen  jedoch 
gehören  diese  Gelenke  einer  ganz  besonderen  Classe  an:  einer- 
seits nämlich  zeigen  sie  durch  die  Form  der  Gelenkflächen ,  die 
auf  dem  einen  Knochen  concay,  auf  dem  anderen  eonvez  sind^ 
den  Charakter  der  Enarthrosen,  andererseits  aber  den  tob 
Gingljmen  dadurch,  dass  sie  nur  in  einer  Bichtnng  beweglich 
zu  sein  scheinen. 

3)  Der  Einflnss,  der  durch  die  Beweglichkeit  der  Symphysen 
—  sei  dies  nun  ein  Auseinanderweichen  oder  ein  Abgleiten  der- 
selben —  auf  den  Geburtsact  ausgeübt  wird,  ist  im  grossen 
Beoken  Null  oder  beinahe  Null. 

4)  Nur  wenn  das  Kind  in  das  kleine  Becken  eintritt  und 
schon  darin  ist,  spielt  die  Beweglichkeit  der  Symphysen  eine 
bedeutende  Bolle. 

6)  Der  Mechanismus,  durch  den  die  Erweiternng  des  kleinen 
Beckens  geschieht,  ist  sehr  einfach ;  der  ganze  Widerstand  findet 
sich  hier  im  queren  Durchmesser;  der  Druck  jedoch,  mit  dem 
der  Kopf  durch  die  Wehenthfttigkeit  gegen  die  Sitsbeinhöcker 
angepresst  wird,  ist  kräftig  genug,  um  ein  Auseinanderweichen 
zu  bewirken ;  dies  geschieht  ganz  nach  den  Gesetzen  des  Hebels, 
den  langen  Hebelarm  stellt  die  Entfernung  zwischen  Symphysis 
sacro-iliaca  und  Tuberositas  ischii  dar;  diese  ist  128  Millimeter 
lang.  So  gestattet  ein  Auseinanderweichen  der  Symphyse  von 
nur  2  Millimeter  an  ihrem  unteren  Ende,  dem  äusseren  Ende  des 
Hebels,  d.  i.  dem  queren  Durchmesser,  eine  Verlängerung  von 
beinahe  2  Centimeter,  und  alles  deutet  darauf  hin,  dass  dieselbe 
noch  viel  bedeutender  sein  kann. 

6)  Da  bei  Frauen,  die  über  30  Jahre  alt  sind,  die  Beweg- 
lichkeit der  Symphysen  gleich  Null  oder  doch  nur  sehr  beschränkt 
ist,  so  concentrirt  sich  die  Schwierigkeit  der  Geburt  im  kleinen 
Becken  ungeachtet  des  sonst  regelmässigen  Baues  desselben ; 
Öfter  muss  deshalb  hier  die  Geburt  mit  der  Zange  beendet 
werden. 

(Gazette  höbdomadaire,  Tome  IX.,  No.  34,  1862.) 


Hennig:    Die   Kysten   des    menschlichen  Eileiters. 

Verfasser  theilt  die  Tubarkysten  nach  ihrer  Entstehungs- 
weise  ein  in 

Glandularkysteu.  Unter  100  darauf  untersuchten  Leichen 
gelang  es  ihm  erst  zwei  Mal ,  die  Eileiterdrüsen  kystös  erweitert 
zu  finden.    In  dem  einen  Falle  zeigte   sich  die  Schleimhaut  des 


XXIX.   Notiaen  «as  4er  Jeanml-Iiiteratiir.  393 

FraBseneiidefl  der  sonet  normal  beschaffenen  Eileiter  jederseite 
etwas  hervorgewölbt  nnd  durch  feine,  im  Darohmeaser  höchatene 

1  Millimeter  haltende  Blftaehen  nneben.  Dieaelben  standen  an 
einsetnen  Abschnitten  reihenweise  und  liefen  radiär  anf  das 
Abdominalostiom  sn.  Dnroh  die  mikroskopische  Untersnchung 
wurden  sie  als  Drosen  erkannt}  deren  Wände  kurz  vor  der  Stelle 
der  normalen  Mündung  plötslich  triohterfSrmig  auseinandergingen 
und  mit  einer  frei  auf  die  Fläche  ragenden  sphKroiden  An- 
aehwellnng  abschlössen.  In  dem  anderen  Falle  betraf  die  Kysten- 
bildung  weniger  das  Fransenende ,  als  die  Mitte  des  Canals.  Die 
rechte  Tube,  an  der  die  Wandung  bis  4  Millimeter  und  die 
Schleimhaut  bis  1  Millimeter  dick  war,  zeigte  sich  dabei  sehr 
▼erkürst,  ihr  Lumen  meist  aufgehoben.  Nahe  dem  blind  ab- 
geschlossenen Fransenende ,  in  dessen  Höhle  man  neben  mehreren 
kleineren  eine  erbsengrosse  Kyste  von  un regelmässiger  Gestalt 
mit  klarem,  gelblichem  Inhalt  erkannte,  befand  sich  eine  «weite 
abgesackte  Steile  mit  grauweissem,  dünnflüssigem,  schwach 
alkalischem  Schleim.  Die  linke  Tube ,  ursprünglich  9  Centimeter* 
lang,  war  auf  ein  4  Centimeter  langes  Convolut  verwachsen,  am 
Bauchhöhlenende  ebenfalls  geschlossen.  Die  Dicke  ihrer  Wand 
nahe  .der  OebSrmutter  betrug  6,  in  der  Mitte  4,  am  Ende  8  Milli- 
meter,  die   der  Schleimhaut  0,8 — 0,9  Millimeter,   ihr  Lumen  bis 

2  Centimeter.  Die  Kystenbildung  erstreckte  sich  in  dieser  Tube 
siemlich  gleichmSssig  von  1,6  Centimeter  von  der  Uterininsertion 
ab  bis  Bum  Abdominalende,  wo  die  grösseren  Bläschen  sassen. 
Sie  ragten  wenig  fiber  die  freie  Fläche  hervor  nnd  waren  kugelig 
oder  llnglieh.  Die  Erweiterung  der  kranken  Drüsen  betraf  meist 
ihren  Ausfühmngsgang.  Bei  manchen  dagegen  sass  der  erweiterte 
Theil  nahe  dem  Grunde  der  Drüse,  tiefer  in  der  Schleimhaut. 
Den  oberen  Besug  der  Kjeten  bildete  eine  dünne  Schicht  reifen 
Bindegewebes,  auf  welcher  gewöhnliches  Flimmerepithel  sass. 
Ihre  nächste  Umgebung  im  Schleinihautlager  bestand  ans  fettig 
entarteten,  selten  noch  unveränderten  Faserzellen.  In  der  klareui 
alkalisehen  KystenflÜssigkeit  fanden  sich  ausser  wenigem  Fette 
viel  freies  „ Hyalin^  und  sparsame  rundliche  oder  cylindrische, 
selten  gewimperte  Zellen.  Die  Uterinostien  beider  Eileiter  waren 
vielfach  untereinander  und  mit  ihrer  Umgebung  verwachsen,  die 
Gebärmutter  etwas  hypertrophisch,  in  ihrer  Höhle  eine  massige 
Menge  flüssigen  Blutes,  im  äusseren  Muttermunde  ein  bohnen- 
grosser  Kystenpolyp. 

Aenssere  Kysten;  mohnsamen-  bis  hanfkorngrosse, 
colloide  Bläschen,  welche  meist  in  groaaer  Anzahl  den  Bauchfell-. 
Überzug  und  die  Schleimhautfläche  der  Fransen  der  Tuben  be- 
aetsen  nnd  sich  schon  durch  ihre  grossere  Härte  und  mehr 
gelbliche  Farbe  von  den  Glandularkysten  unterscheiden.  Verfasser 
fand  sie  unter  80  Fällen  8  Mal  beiderseits ,  9  Mal  auf  eine  Tube 
beichränkt. 


894  XXIX.   Notisen  ms  der  Joamal  -  Literfttar. 

Ansserdem  rechnet  VerfsBeer  noch  hierher 

die  Endhydatide,  Eileitersebwangereohaft,  wobei 
er  die  mikroskopische  UnterBachtiBg  der  hinfiUligen  H«at  «af 
Tnbardrtisen  monirt,  Hydrops  tabae  saecatas,  wovon  er 
einen  8eciionsbefand  in  extenso  mittheilt,  Hydrops  oyario- 
tnbaris. 

(Arehir  der  Heilkunde,  1863,  8.  Heft.) 


JUeüsnernndKüchenmeitter:  Entfernung  von  Schleimpolypen 
in  der  Gebärmntterhöhle  durch  ein  eigens  dazu 
constrnirtes  Instrument. 

M,  und  K,  hatten  in  einem  gemeinschaftlich  behandelten 
Falle  eine  Schleimpolypenmasse,  die  sich  nach  einer  Blasen- 
molenschwangerschaft  in  der  Uterinhöhle  entwickelt  hatte,  durch 
die  Terschiedensteu  Verfahrungsweisen  zum  grössten  Theile  ent« 
*fernt;  doch  gelang  ihnen  die  gänsliche  Beseitigung  derselben, 
und  damit  der  Quelle  andauernder  Blutungen,  erst  durch  ein 
Instrument,  welches  K,  nach  einem  ähnlichen,  von  Bruiu  sur 
Entfernung  ron  Kehlkopfspolypen  angegebenen,  anfertigen  liess. 
Dasselbe  stellt  eine  gewöhnliche  krumme,  gefensterte  Polypen- 
flange  dar;  das  vordere  Ende  enthält  unter  Benntsung  eines 
kleinen  Tb eiles  der  Fenster  beiderseits  eine  Oese,  in  deren  jede 
ein  kleines  Messerchen  eingeschraubt  wird,  das  die. Breite  der 
Zangenbranehen  an  der  Stelle,  wo  es  eingeschraubt  wird,  nicht 
überreicht.  Indem  sich  die  Branchen  nähern,  sollen  die  Messerchea, 
wie  swei  Seheerenklingen ,  einander  glattschneidend  decken.  Das 
Instrument  sollte  ursprunglich  sum  Abschneiden  des  damit  a« 
fassesdeu  polypösen  Gewebes  dienen,  wurde  aber  sum  „Auskrataen^ 
der  Gebärmutterhöhle  benust,  wodurch  der  Best  der  polypösen 
Wucherungen  entfernt  und  dauernde  Heilung  ersielt  worden 
fein  soll. 

{KüehmmeUtw'B  Zeitschr.  f.  Med.,  Chir.  n.  Geburtsh.,  1868, 

1.  Heft.) 


Lmria Brüttnn:  Wiederholte  Zwillingsschwangersohaftem 

Der  folgende  äusserst  interessante  Fall  wurde  in  der  geburts- 
hülflicben  Gesellschaft  zu  Edinburgh  besprochen.  Mrs.  /., 
47  Jahre*'alt,  wurde  zuerst  im  26.  Jahre  schwanger.  Im  Ganzen 
war  sie  14  Male  schwanger  und  gebar  V6  Kinder;  hierbei  waren 
11  Zwillingsschwangerschaften.  Folgende  Tabelle  giebt  uns 
hierüber  nähere  Angaben: 

1839.  9.  Sept.  Knabe  n.  Mädchen.  Ausgetragen.  Beides  Schädellagen. 

1840.  Juli.  Mädchen.  Vier  Monate.    Nicht  beobachtet. 


XXIX.    HotiftOB  «na  4er  JowriMl-'LiteratQr.  g95 

1841.  13.  Januar.        Knabe.         Angg^etrageti.        Seh&delUg^e. 
1M2.  23.  Norember.  Mädeben.      Aasgetragen.        Schädellage. 

1843.  Jnli.    Knabe  n.  Mädeben.  Vier  Monate.    Nicht  beobachtet. 

1844.  21.  Jnli.  Knabe  n.  Mftdchen.  Ansgetragen.  Beides  Schädellagen. 
1846.    8.  Jnli.  Knabe  n.  M&dchen.  ,,  n  n 

1847. 10. April.  Knaben. Mädchen.  „  Erste  Fusslage. 

Zweite  Schädellage. 
1849. 26.  Jnli.  Knabe.  „  Schädellage. 

1861.  24.JaDnar.  Beides  Mädchen.  «  Erste  Schädellage. 

Zweite  Fusslage. 

1862.  7.  Mai.       Beides  Mädchen.  „  Erste  Steisslage. 

Zweite  Fasslage. 

1853.  2.  Angast.       Mädchen.  „  SchSdellage. 

1854.  17.  Aognst.  Beides  Knaben.  ,  Beides  Schädellagen. 

1855.  17.  NoYember.  Knabe  „  Schädellage. 

nnd  ein  Knabe  im  April  abortirt. 
1857.  7.  April.  Knabe  a.  Mädchen.  Ansgetragen.  Erste  Fasslage. 

Zweite  Schädellage. 
(Edinbnrgh  Medical  Joarnal,  No.  89,  Nov.  1862.) 


Hecker:  Bericht  über  die  Vorkommnisse  in  der  Gebär- 
anstalt za  München  im  Etatsjahre  1861  — 1862. 

£s  fanden  in  gedachtem  Zeitranme  913  Oebnrten  statt  bei 
804  Eni-,  332  Zweit-,  157  Dritt-,  59  Viert-,  85  Ffinft-,  16  Sechst-, 
6  Siebeat-,  4  Acht-,  1  Zwolftgebärenden.  Von  diesen  Gebarten 
waren  5  nnseltige,  80  frühaeitige  and  828  zeitige.  Kinder 
wnrdttD  geboren  928  (15  Mal  Zwillinge),  wovon  479  Knaben  and 
449  Mädchen;  yor  der  Geburt  waren  abgestorben  18,  während 
derselben  starben  20,  an  Lebensschwäche  30,  an  Krankheiten  42, 
gesnnd  ans  der  Anstalt  entlassen  worden  818.  Von  den  Wöchnerinnen 
erkrankten  186;  hiervon  genasen  122,  starben  7  and  wnrden  57 
in  ein  städtisches  Krankenhaus  transferirt,  von  welchen  31  ge- 
nasen nnd  26  starben. 

Hinsichtlich  des  Gebnrtsmechanismns  wnrden  beobachtet 
868  Sefaeftellagen  (576  erste,  265  »weite  Soheitellagen ,  1  erste, 
11  aweite  Vorderscheitellagen  —  letstere  12  ereigneten  sich  bei 
Mehrgebärenden  nnd  waren  ohne  naohtheiligen  Einflass  anf  die 
Oebnrt;  8  derselben  waren  Zwillingskinder),  7  Gesichtslagen 
(4  erate  nnd  3  aweite  — »4  bei  Erst-,  3  bei  Mehrgebärenden), 
43  Beekenendlagen  (10  erste-,  3  aweite  Steisslagen,  14  erste, 
6  aweite  Fasslagen,  1  erste  Knielage  —  13  bei  Erst-,  20  bei 
Mehrgebärenden  — ,  24  Kinder  wnrden  lebend,  5  todtgeborea« 
4  waren  eehon  vor  der  Qebnrt  abgestorben;  2  Kindeir  waren  ans 
dem  teolitten  Monate  [1  todtfaal],  1  aae  dem  siebenten  [todtfaal], 


896  XXIX.    Notisen  vom  der  Jovmal-Litaratar. 

1  aas  dem  achten  [todtfanl] ,  9  ans  dem  nennten  [1  todt,  1  lebend 
geboren],  6  ans  dem  sehnten  Monate  [2  todt  geboren]  nnd 
21  aasgetragene  Rinder  [2  todt  geboren,  1  todtfanl];  die  übrigen 
10  Beckenlagen  betrafen  Zwillingskinder) ,  9  Schalterlagen  (erste 
Schalterlage  erster  Unterart,  erste  Schalterlage  sweiter  Unterart, 
aweite  Schalterlage  erster  Unterart,  zweite  Schalterlage  sweiter 
Unterart  je  2  Mal,  zweite  Rückenlage  1  Mal  —  bei  1  Erst-  and 

8  Mehrgebärenden  —  2  Mal  bei  Zwillingsgebarten;  die  Wendung 
wnrde  7  Mal  bei  stehender  Frachtblase,  1  Mal  kars  nach  Abfloss 
des  Frachtwassers ,  1  Mal  %  Stande  danach  vorgenommen ; 
6  Kinder  wnrden  lebend,  3  todt  geboren;  die  Mütter  warden 
sämmtlich  gesand  entlassen),  16  anbestimmte  Lagen. 

Die  16  Zwillingsgebarten  ereigneten  sich  bei  3  Erst-  and 
12  Mehrgebärenden;  von  den  Kindern  stellten  sich  beide  in 
Kopflagen  6  Mal,  das  erste  in  Kopf-,  das  zweite  in  Beckenlage 
4  Mal,  das  erste  in  Becken-,  das  zweite  in  Kopflage  4  Mal,  das 
erste  in  Becken-,  das  zweite  in  Qaerlage  1  Mal,  das  erste  in 
Qaer-,  das  zweite  in  Beckenlage  1  Mal.  Der  Zwischenraum 
zwischen  der  Gebart  des  ersten  and  des  zweiten  Kindes  betrug 
6  Minuten  2  Mal,  V«  Stunde  8, Mal,  %  Stunde  1  Mal,  Vt Stunde 

2  Mal,  3%  Stunden  1  Mal.    Gleichgeschlechtliche  Kinder  wurden 

9  Mal  geboren.  Die  Fruchtkuchen  waren  8  Mal  vollständig  ge- 
trennt, 7  Mal  verwachsen;  unter  den  letzteren  Fällen  fand  man 
2  Mal  gemeinsames  Chorion,  aber  getrennte  Amnien. 

fieekenverengerungen  wnrden  12  beobachtet,  6  bei  Erst-, 
8    bei  Zweit-,   8   bei  Drittgebärenden,    1    bei    einer  Viert-   und 

1  bei  einer  Achtgebärenden.  In  allen  Fällen,  mit  Anznafame 
eines,  bei  dem  es  «ich  um  chronische  Cozitis  handelte,  war  die 
Verengerung  durch  Bhachitis  gesetzt.  Die  Conjugata  wurde  ge« 
sohätst  1  Mal  auf  3"  6'",   2  Mal  auf  3"  8'".   8  Mal  auf  8"  2"', 

2  Mal  auf  3",  1  Mal  auf  2"  10'"  nnd  1  Mal  auf  2"  6'".  Die 
Früchte  stellten  sieh  3  Mal  in  erster,  5  Mal  in  zweiter  Seheitel- 
lage,  darunter  1  Mal  mit  Vorfall  des  rechten  Armes,  1  Mal  in 
erster  Steiss-  nnd  2  Mal  in  erster  Fnsslage,  darunter  1  Mal  mit 
Vorfall  der  Nabelschnur.  Ein  Mal  waren  Zwillinge  vorhanden, 
von  denen  sieh  der  eine  in  Becken-,  der  andere  in  Kopflage 
einstellte.  Die  Dauer  der  ersten  Geburtsperiode  betrug  2  Mal 
bis  6  Stunden,  2  Mal  bis  12,  4  Mal  bis  24,  3  Mal  bis  86,  1  Mal 
bis  60  Stunden,  die  der  zweiten,  4  Mal  bis  V4»  ^  Mal  bis  1, 
1  Mal  bis  dV<|,  1  Mal  bis  9  Stunden,  ~  zwei  Mal  wurde  gleieh 
nach  Erweiterung  des  Muttermundes  operirt.  Ein  natürlicher 
Verlauf  hatte  statt  in  6  Fällen,  in  den  übrigen  machte  sich 
Kunsthülfe  erforderlich,  2  Mal  durch  Anlegung  der  Zange,  1  Mal 
durch  Reposition  des  vorgefallenen  Armes,  8  Mal  durch  £x- 
traction  bei  Beokenendlagen,  1  Mal  durch  den  Kaisersohnitk 
Von  den  Kindern  wurden  9  lebend  gebogen  (davon  5  aepfax^^Mb)« 


XXIX.    Noiiseii  ans  der  Journal  -  Literatar.  397 

4  firdt  (daYon  1  längere  Zeit  vor  der  Gebart  abgeBtorben).    Von 
^en  Mfittern  bliebeD  10  gesund,  2  starben. 

In  drei  FSlIen  war  neben  dem  Kopfe  ein  Arm  Yorgefallen; 
die  manneile  Reposition  gelang  ohne  Schwierigkeit,  woranf  die 
Gebart  der  Katar  überlassen  werden  konnte. 

Drei  Mal  war  dnrch  die  angewöbnliche  Loge  des  vorliegenden 
Kopfes  der  Aastritt  desselben  behindert.  In  dem  einen  Falle 
war  der  Kopf,  dessen  Umfang  38  Centlmeter  betrag,  in  erster 
8cheitellage  io  das  Becken  getreten  und  dabei  so  am  seine 
Langenaxe  gerollt,  dass  das  rechte  Ohr  hinter  der  Schamfnge 
leicht  erreicht  werden  konnte;  nach  sehnstündigem  Verharren 
in  dieser  Stellung  and  Bildang  einer  starken  Kopfgescbwalst 
warde  derselbe  darch  die  Zange  mit  acht  schweren  Traetionen 
entwickelt,  —  das  Gesicht  trat  vollkommen  nach  hinten  über  den 
Damm ,  das  Kind  lebte.  Femer  warde  der  Kopf  nach  fünfstündigem 
Qaerstande  in  der  Beckenenge  bei  einer  Erstgebärenden  mittels 
der  Zange  entwickelt;  er  behielt  die  quere  Richtung  auch  beim 
Durchtritt  durch  die  Schamspalte.  In  einem  dritten  Falle  wurde 
wegen  sögernder  Austreibung  die  Zange  entsprechend  dem  ersten 
schrägen  Durchmesser  an  den  im  Beckenausgange  querstehenden 
Kopf  angelegt,  —  bei  der  Entwickeinng  wurde  das  Hinterhaupt 
ohne  Mühe  nach  vorn  gebracht  und  der  Schädel  schnitt  in 
normaler  Richtung  durch. 

Bei  einer  Erstgebärenden  war  die  Geburt  in  erster  Steiss- 
lage  bis  sum  Dnrchtritte  des  oberen  Rumpfendes  ganz  normal 
verlaufen;  nach  Lösung  der  aufgeschlagenen  Arme  machte  die 
Entwickeinng  des  nachfolgenden  Kopfes  beträchtliche  Schwierig- 
keiten, konnte  indess  manuell  beendet  werden.  Das  Kind  lebte 
.  eine  Stunde  unter  auffallend  tiefer  und  langsamer  Respiration. 
Der  Schädelumfang  betrug  40  Centimeter;  es  war  Hjdrocephalus 
internus  und  Zerreissung  der  die  Schädelknochen  verbindenden 
häutigen  Zwischenräume  in  bedeutendem  Umfange  mit  Austritt 
einer  grossen  Menge  Blutes   unter  die   Kopfschwarte   vorhanden. 

Ein  Fall  von  präcipitirter  Geburt,  in  dem  eine  Erstgebärende 
ein  Kind  auf  dem  Wege  anr  Anstalt,  ein  cweites  auf  der  Treppe 
derselben  geboren  hatte,  verlief  günstig  für  Kinder  und  Mutter 
bis  aaf  eine  aiemlich  starke  Blutung  aus  der  atonischen  Gebär- 
matter fünf  Stunden  nach  der  Entbindung. 

Vorfall  der  Nabelschnur  fand  sich  3  Mal  bei  Kopflagen  (bei 
1  Zweit-  and  2  Viertgebftrenden ,  —  ein  Mal  konnte  dnrch  Zangen- 
eztraetioD,  ein  anderes  Mal  durch  manuelle  Reposition  das  Leben 
des  Kindes  sichergestellt  werden;  im  dritten  Falle  wurde  die 
Vabelsehnar  reponirt,  darauf  90  Standen  der  Heraschlag  des 
Kindes  regelmässig  gehört,  60  Standen  darauf  dasselbe,  ab- 
gestorben in  Folge  tetanischer  Contraction  des  Uterus,  geboren), 
4  Mal  bei  Beeken  -  und  Querlagen  (sämmtliehe  Kinder  wnrden 


398  XXIX.    Kotisen  ans  der  ionnial-Literata». 

todtgeboren).  In  6  FXlIen  davon  übertraf  die  Lftn^  der  Habet- 
Bchnnr  die  normale  bedeutend,  in  allen  befand  rieh  der  Blfaaii^ 
riBB  am  Rande  de«  Mntterkuchene. 

FXlIe  von  Piacenta  praevia  kamen  awei  vor,  bei  Ervt- 
gebärenden,  mit  l^istining  der  Blntang  nach  Sprengung  der 
Eihäute  nnd  Todtgeburt  der  unreifen  Kinder. 

Bintnngen  ans  anderen  Ursachen  ereigneten  sieh  13  Mal, 
sämratlicb  in  der  Nachgebortsperiode  oder  nach  dieser  nnd  weni|^ 
bedeutend.  Die  Nachgeburt  wurde  nur  drei  Mal  operativ,  im 
Uebrigen  nach  der  Ored4^scben  Methode  entfernt. 

Dammrisse  erfolgten  32,  27  bei  Erst-,  6  bei  Mebrgebarenden; 
keiner  erstreckte  sich  bis  in  den  Schliessmuskel  des  Afters. 
Eine  vollstfindige  Heilung  durch  erste  Vereinigung  wurde  in 
17  Fällen  erzielt,  in  8  theilweise,  in  den  übrigen  keine. 

Im  Ganzen  sind  von  Operationen  aufzuführen  Wendoug  auf 
die  Füsse  9  Mal,  Extraction  16  Mal  (worunter  7  Mal  nach 
Wendung),  Zange  21  Mal,  Kaiserschnitt  1  Mal,  Reposition  der 
Nabelschnur  2  Mal,  eines  vorgefallenen  Annes  3  Mal,  Entfernung 
der  Nachgeburt  3  Mal. 

Der  Kaiserschnitt  wurde  vorgenommen  bei  einer  23jährigen 
Erstgebärenden,  welche  mit  hochgradiger  Eclampsie  in  die  Anstalt 
aufgenommen  wurde.  Dieselbe  war  eine  Person  von  zwergbaftem, 
verkrüppeltem  Wüchse  mit  ungewöhnlich  kurzen  Extremitäten,  — 
die  Conjugata  wurde  auf  2"  6'^'  geschätzt.  Bei  noch  stehender 
Fruchtblase  wurde  die  Kranke  chloroformirt,  ein  10  Centimeter 
langer  Hautschnitt  der  weissen  Linie  entsprechend  angelegt, 
darauf  Bauchfell  und  Uterus  eingeschnitten;  das  Kind,  ^*/^Vfnxkd. 
schwer,  wurde  durch  Herausheben  des  im  Cervix  liegenden 
Kopfes  rasch  entwickelt  und  aus  hochgradiger  Asphyxie  bald 
erweckt.  Durch  die  Wunde  drängte  sich  darauf  die  Fruchtblase 
eines  zweiten  Kindes,  welches  mit  dem  Steiss  voran  heraus* 
befördert  und  ebenfalls  aus  Asphyxie  wieder  erweckt  wurde ;  es 
wog  4y,  Pfund.  Die  Fruchtkuchen  wurden  einzeln  aus  dem  Uterus 
herausgenommen,  worauf  sich  derselbe  kräftig  zusammenzog.  Es 
wurden  drei  das  Bauchfell  mitfassende  nnd  zwei  oberflächliche 
Ligaturen,  darüber  ein  Heftpflasterband  gelegt  und  sohliesslich  eine 
Einspritzung  von  Morph,  acet.  gr.  ß  in  die  Bauehdecken  gemacht. 
Nach  der  Operation  trat  kein  eclamptischer  Anfall  mehr  auf, 
dagegen  tiefer  Sopor,  der  Leib  trieb  nicht  auf,  die  Wunde  war 
sehr  empfindlich.  Tod  nach  40  Stunden.  —  Bei  der  Seetion  «eigte 
die  Wunde  der  Banohhaut  nirgends  eine  beginnende  Vereinigung, 
die  des  Uteme  klaffte  betr&chtKeh,  in  der  UntetieibshSble  viel 
dfinnftüssiges  Blut,  in  deriGebärmutter  eine  nlUeige  Menge  Blntei 
im  geronnenen  Znstande,  nirgend  eine  Spar  v)a&  Bancfafeli« 
entsttndnng.  Die  Nieren  befanden  sich  im  sweiten  Btadlnm  der 
BrigM''Bch&tk  Erkrankung.    Die  Oonjugata  vera  maats  2"  9"'.    Di« 


XZIX.    NotiBen  aas  der  Journal -Litentor.  399 

▼erbladmg  swischen  erstem  und  sweitem  Krensbeinwirbel  ragte 
mla  falscher  Vorberg  in  die  Beokenböhle  herein,  die  Sehamfagen* 
ebene  schnitt  den  Horicont  unter  einem  so  spitaen  Winkel,  dass 
dar  Abaug  yod  der  Conjugata  dlagonalis  nur  5'"'  betrug.  Die 
Zwillinge  entwickelten  sich  sehr  kräftig. 

Die  Indication  zu  den  Zangenoperationen  (von  denen  18 
bei  Erst-,   8  bei  Mehrgebärenden  ausgeführt  wurden)  fand  man 

2  Mal  in  Beckenenge,  4  Mal  in  ungewöhnlichem  Stande  des 
Kopfes,  2  Mal  in  Missverhältniss  swischen  Kopf  und  Becken, 
3- Mal  in  Vorfall  der  Nabelschnur,  9  Mal  in  ünsulänglichkeit  der 
Wehen,  langer  Dauer  der  Austreibungsperiode  und  Qefahr  fKr 
das  Leben  des  Kindes,  1  Mal  in  Gefahr  fQr  das  Leben  des  Kindes 
an  sich.  Durch  die  Zange  entwickelt  wurden  lebende  Kinder  IT, 
wovon  4  aus  Asphyxie  erweckt  werden  mussten,  todte  4,  wovon  1 
vor  der  Geburt  abgestorben.  Mit  Ausnahme  eines  schon  erwähnten 
Falles  von  abnormer  Lage  des  Schädels  wurde  das  Instrument 
im  queren  Durchmesser  des  Beckens  angelegt  Lageverbessernng 
durch  die  Zange  ist  nach  H.  i}ur  in  Fällen  von  tiefem  Schrftg- 
und  Querstand  des  Kopfes  statthaft.  Man  bediente  sich  einer 
Busck'acheTk  Zange  mit  derart  ausgefüllten  Fenstern,  dass  die- 
selben an  der  Innenfläche  durch  Ausstemmen  angedeutet  bleiben, 
wodurch  ein  grösserer  Halt  am  Schädel  gewonnen  und  derselbe 
in  seinen  Weichtheilen  weniger  leicht  verletzt  werden  soll. 

Von  den  Wöchnerinnen  erkrankten  186.  Davon  litten  44 
an  geringfügigen  Affectionen,  wie  Wundsein  der  Brustwaraen  etc. 
Es  starben  32.  Der  Höhepunkt  in  Bezug  auf  die  endemischen 
Wochenbettserkrankungen  fiel  auf  den  December  (31  Erkrankungen, 

3  Todesfälle)  und  Januar  (47  Erkrankungen,  8  Todesfalle);  mit 
Ablauf  des  April  trat  ein  relativ  günstiger  Gesundheitsznstand 
ein,  der  im  August  wieder  einem  minder  günstigen  Platz  machte, 
der  nicht  sowohl  in  der  Zahl  der  Erkrankungen,  als  in  der 
Heftigkeit  und  Tödilichkeit  der  Krankheit  begründet  war.  In 
den  leichteren  Fällen  erkrankten  die  Wöchnerinnen  unter  den 
Erscheinungen  einer  mehr  oder  weniger  lebhaften  Gefässaufregung, 
fast  immer  mit  Empfindlichkeit  der  Gebärmutter  und  ihrer  An- 
hänge, wosu  sich  sehr  häufig  Diarrhöen  gesellten.  Oft  deutete 
die  Sble  Beschaffenheit  der  Lochien  eine  Erkrankung  der  Uterus- 
sebletmhaut  an.  Die  schweren  Fälle  boten  in  überwiegender 
Menge  das  Bild  der  sogenannten  Peritonitis  lymphatica,  während 
nur  in  einer  verhältnissmässig  kleinen  Zahl  derselben  ein  Leiden 
des  Venensystems  angenommen  werden  musste;  letztere  zeichneten 
sich  gewöhnlich  durch  einen  verschleppten  Verlauf  aus.  Von 
304  Erstgebärenden  erkrankten  66  und  starben  15,  von  609  Zweit- 
gebärenden erkrankten  76  und  starben  17,  welches  Verhältniss 
nach  H,  seinen  Grund  darin  hat,  dass  bei  Erstgebärenden  die 
Geburt  im  Allgemeinen  länger  dauert  und  die  Weichtheile  daher 


400  XXIX.   Kotisen  «us  der  Jonrnal- Literater. 

einer  grosseren  Qaetscbnng  aaegesetst  sind.    Von  den  142  £r^ 
krankten  waren  bei  der  Geburt  nicbt  verletst  worden  97,  dagegen 
verletst   bei    natürlicher    oder   künstlicher  Entbindung  46.     Ans 
der  chronologischen  Uebersicht  geht  hervor,  dass  die  Benutsnng 
des  Materiales  für  den  Unterricht  der  Stadirenden  während  des 
Sommersemesters    and   der  Hebammenschülerinnen   während   der 
diesem  folgenden  drei  Monate  einen  Einfluss  aaf  Entstehnng  nnd 
Uebertragung  der  Krankheit  nicht  gehabt  haben  kann.     Ebenso- 
wenig  war   ein    durchgreifender  Unterschied    in   Besug   auf   die 
Erkrankungen  cwischen  der  klinischen  und  zahlenden  Abtheilung 
des  Hauses    zu    bemerken.     Erwähnenswerth    ist,    dass   von    den 
Kindern  der   erkrankten  Wöchnerinnen   etwa  22  Procent  an  dem 
Kindbettfieber  ganz  ähnlichen  Vorgtlngen  zu  Grunde  gingen,  dass 
ferner  eine  Reihe   von  Kindern   gesunder  Wöchnerinnen   an   den 
schwersten    Infectionsvorgängen,    Sepsis    des    Blutes,    jauchiger 
Pneumonie,  septischer  Bauchfellentzündung  etc.,  schnell  starben. 
Von  dem  nach   seiner  Vorstellung   allen    diesen  Vorgängen  zum 
Ausgang    dienenden  Miasma    des   Kindbettfiebers   nimmt  H.    an, 
dass   es  sich  unter  gewissen  Umständen,   zu  welchen  namentlich 
mangelhafte  Ventilation  und  relative  Anhäufung  von  Wöchnerinnen 
zu   rechnen  sind,   aus   den  Effluvien  derselben  entwickelt,   sich 
den   verschiedenen  Käumen    des  Hauses,    der  Luft   beigemengt, 
mittheilt    und   nach   Ablauf    einer    gewissen   Zeit    wieder    selbst 
zerstört.     Die   Maassregeln,    die    zur    Beschränkung    des   Uebels 
getroffen  wurden,    waren  derart,    dass  auch   den  Anforderungen 
der    Anhänger    der    Contagionstheorie    entsprochen    wurde,    nnd 
bestand  namentlich   in  Sorge  für  ausgiebige  Luftemenerung  nnd 
strengste   Reinhaltung    von   Räumen    und    Utensilien,    sowie    in 
Trennung   der  Kranken  von  den   Ge8un4en    durch  Verlegung  in 
andere  Zimmer  oder  in  das  Krankenhaus. 

(Aerztl.  Intelligenzbl.   baierscher  Aerzte,   Jahrg.  9,   1862, 

S.  686,  706,  722.) 


Verhandlungen  der  Oesellschaft  für  Oeburtshülfe 

in 

Berlin. 


Sitzung  vom  24.  Februar  1862. 

Herr  Martin  sprach 

über  tonische  Krampfwehen, 

vorzüglich  bei  Schädellagen  mit  Beziehung  auf  einen  Fall, 
in  welchem  eine  blaurothe  Färbung  der  vorangehenden  Kindes- 
theile  durch  eine  Strictur  bedingt  war.* 

Augu8te  D.,  22  Jab*e  alt,  gross,  wohlgenährt,  Brünette, 
will  als  Kind  stets  gesund  gewesen  und  seit  dem  fünfzehnten 
Lebensjahre  regelmässig  menstruirt  sein.  Ende  Mai  1861  trat 
die  Menstruation  zuletzt  auf,  doch  soll  die  erste  Cohabitation 
am  13.  Juni  stattgefunden  haben.  Im  September  begannen 
angeblich  die  Fruchtbewegungen  der  Schwangeren  fühlbar  zu 
werden,  während  das  Befinden  durchweg  befriedigend  blieb. 
Am  28.  November  meldete  sich  die  Schwangere  in  der  geburts- 
bulflichen  Klinik  und  im  Januar  1862  trat  dieselbe  in  die 
Königliche  Entbindungsanstalt  ein.  Der  Beckenumfang  betrug 
90  Centimeter,  Sp.  I.  =  9",  Cr.  I.  =  10»//,  Conj.  ext  =  TV/, 
beide  schräge  Durchmesser  des  grossen  Beckens  =  S^/^", 
Die  äusseren  Genitalien  und  die  Scheide  waren  gut  vorbereitet, 
als  am  9.  Februar  1862  Nachmittags  sich  einzebe  Wehen 
einstellten,  welche  in  der  Nacht  zum  10.  allmälig  stärker 
wurden,  den  Scheidentheil  zum  Verstreichen  brachten  und  den 
Muttermund  bis  8  Uhr  früh  zu  l''  im  Durchmesser  erweiterten, 
indem  die  Fruchtblase  sich  zu  stellen  begann  und  der  Schädel 
in    erster   Stellung   vorlag.     Da    die  Wochensäle   der  Künik 

M onatoaehr.  f.  Gebortok.   1868.  Bd.  XXL,  Hfl.  6.  26 


402  XXX.    Verbandlimgeii  der  GeselUohaft 

gefüllt  waren,  so  wurde  bei  der  Morgenvisite  angeordnet,  dass 
die  bis  dahin  völlig  gesunde  Kreissende  mittels  Droschke  in 
die  Gebäranstalt  des  Charile- Krankenhauses  befördert  werden 
soUe.  Als  dieselbe  dies  hörte,  gerieth  sie  in  die  heftigste 
Aufregung,  fing  an  laut  zu  weinen  und  heftig  zu  stöhnen, 
schlug  die  Hände  über  den  Kopf  zusammen  und  bat  wiederholt 
flehentlich,  dass  sie  in  der  Anstalt  belassen  werde,  welchem 
Wunsche  dann  auch  nachgegeben  wurde.  .In  Folge  dieser 
psychischen  Emotion  zeigte  sich  die  Wehenthätigkeit  wesentlich 
gestört;  M.  fand  gegen  10  Uhr  den  vor  zwei  Stunden  weichen 
dilatablen,  jetzt  kaum  1  Zoll  weiten  Mutteimund  von  einem 
harten  und  unnachgiebigen  Rande  umgeben  und  die  Kreissende 
behauptete,  dass  sie  nur  von  Zeit  zu  Zeit  ein  lästiges  Drängen 
und  lebhafte  Kreuzschmerzen  empfunden  habe,  während  der 
anwesende  Praktikant  l)ehauptete,  die  Wehen  seien  ganz  ver- 
schwunden; —  Klystier,  ruhige  Lage  im  Bette.  —  Abends 
7  Uhr  erschien  der  Muttermund  kaum  merklich  weiter,  die 
Blase  stellte  sich  in  demselben;  der  Puls  schlug  88  in  der 
Minute,  die  Haut  war  trocken,  Temperatur  nicht  erhöht. 
Die  Fötalherztöne  wurden  oberhalb  der  linken  Weiche,  darüber 
lautes  Uteringeräusch  gehört.  Nach  mehreren  Dosen  Ipeca- 
cuanha  (gr.j.)  erfolgte  gegen  10  Uhr  Abends  Erbrechen  und 
dabei  der  Blasensprung.  Nach  Mittemacht  schlief  die  Kreissende 
kurze  Zeit.  Dennoch  zeigte  sich  am  Morgen  des  11.  Februar 
die  vordere  Wand  der  Gebärmutter  hinter  den  Bauchdecken 
anhaltend  gespannt  und  der  noch  nicht  mehr  erweiterte 
Muttermund  unausdehnbar.  An  dem  in  erster  Stellung  im 
Beckeneingange  stehenden  Kopfe  hatte  sich  eine  kleine  Kopf- 
geschwulst gebildet,  die  Fötalherztöne  betrugen  140.  Unter 
diesen  Umständen  wurde  Pulvis  Doveri  ^ß.  zwei  Mal  in  zwei 
Stunden  gereicht  Erst  am  Nachmittage  traten  wieder  periodische 
Contractionen  des  Uterus  mit  fortdauerndem  Abgange  von 
Fruchtwasser  auf.  Dieselben  erweiterten  den  Muttermund  bis 
7V«  Uhr  Abends,  wo  die  Temperatur  der  Scheide  auf  39,5®  C, 
gestiegen  war,  vollständig  und  drängten,  zumal  nachdem  drei 
Dosen  Seeale  cornutum  (gr.  xv.)  gereicht  waren ,  den  Kopf 
bis  zu  dem  Beckenausgange  herab.  Als  endlich  der  Kopf  um 
8V9  Ulir  mit  der  jetzt  beträchtlichen  Kindestheil -Geschwulst 
im  Scheidenausgange   sichtbar   wurde,   gerieth   die  bis  dahin 


Ifir  Gebnrtflliülfe  In  Berlin.  408 

rohige  Kreissende  während  der  Wehen  in  einen  sehr  auf- 
geregten Zustand,  sprang  auf,  ergriff  ihren  Rook,  um  fort- 
zugehen, weil  sie  gerufen  werde,  und  war  nur  mit  Mühe  auf 
dem  Bette  zu  erhalten.  Deshalb  und  da  die  Fötalherztdne 
sich  jetzt  erheUich  verlangsamten,  Hess  M.  nach  eingeleiteter 
Chloroform -Narkose  einen  Praktikanten  unter  seiner  Leitung 
die  Zange  appliciren.  Die  Entwickelung  des  Kopfes  forderte 
eine  ungewöhnliche  Anstrengung;  noch  weit  grössere  Mühe 
verursachte  trotz  vollkommen  normaler  BeckenbeschafTenheit 
die  nach  den  Regeln  der  Kunst  von  M.  selbst  vollendete 
Ausziehung  der  Schultern  und  des  durchaus  nicht  ungewöhnlich 
grossen  Rumpfes.  Die  Nachgeburt  kam  nicht  zu  Tage,  trotzdem 
dass  eine  Stunde  lang  das  regelrechte  Reiben  und  Drflcken 
des  Mutterkörpers  durch  die  Bauchdecken  fortgesetzt  wurde, 
sondern  musste  mit  den  eingeführten  Fingern  aus  dem  wieder 
festzusammengezogenen  Mutterhalse  hervorgeholt  werden;  die- 
selbe wog  nur  22  Loth.  Der  Mutterkuchen  war  oval,  der 
Riss  der  verklebten  Eihäute  seitlich,  die  Nabelschnur,  19  Zoll 
lang,  inserirte  fast  central. 

Das  todtgeborene  wohlgebildete  Mädchen  war  12  Zoll 
resp.  18  Zoll  lang,  wog  6  Pfund  2  Loth,  erschien  an  Rumpf 
und  Extremitäten  steif  und  unbeweglich,  wie  im  tonischen 
Krämpfe,  und  zeigte  am  Kopfe,  Halse  und  Schultern  eine 
gleichmässig  intensiv  blaurothe  Hautfärbung,  welche 
in  einer  scharf  begrenzten,  schräg  von  der  rechten  Schulter 
über  die  Brust  bis  unter  die  linke  Brustwarze  und  am  Rücken 
unter  dem  linken  Schulterblatte  nach  der  Mitte  des  linken 
Oberarmes  herumlaufenden  Linie  von  dem  übrigens  blassrothen 
Rumpfe,  Vorderarmen  und  Bdnen  auffallend  abstach.  Diese 
tief  blaurothe  Farbe,  welche  in  den  Achselhöhlen  fehlte,  bestand 
auch  noch  am  folgenden  Tage,  au  welchem  das  Kind  den 
sämmtlichen  klinischen  Zuhörern  vorgezeigt  und  der  Section 
unterworfen  wurde.  Die  Haut  an  den  blaurothen  Stellen  liess 
dabei  kleine  Blutextravasate  wahrnehmen,  das  Hirn  und  die 
Hirnhäute  zeigten  eine  enorme  Hyperämie  und  am  Herzen 
fanden  sk^h  Ecchymosen,  sonst  nichts  Abnormes. 

Das  Befinden  der  Neuentbundenen  war  völlig  befriedigend ; 

der    Uterus    blieb    gut    zusammengezogen    und    war    nicht 

empfindlich.     Ueberhaupt   verlief  das  Wochenbett  ohne   alle 

26* 


404  XXX.    Verhandlnngen  der  Oesellschaft 

Störung,  keine  Spur  von  Endomeiritis,  keine  Anschwellung 
der  äusseren  Genitalien,  keine  HarnYerhaltung.  Die  normale 
Schwellung  der  Bräste  am  dritten  und  vierten  Tage  verlor 
sich  wieder  ohne  Störung  des  Allgemeinbefindens,  so  dass 
die  völlig  genesene  Wöchnerin  schon  am  22.  Februar  aus 
der  Klinik  entlassen  werden  konnte. 

1.  Woher  stammte  die  scharfbegrenzte  tief 
blaurothe  Färbung  des  Kopfes,  Halses  und  der 
oberen  Brustgegend  des  todtgeborenen  Kindes? 

Die  eigentbämliche  blaurothe  Färbung  hatte  die  grösste 
Aehnlichkeit  mit  derjenigen,  welche  man  bisweilen  an  dem 
Kindskopfe  dann  auftreten  sieht,  wenn  derselbe  aus  der 
Schamspalte  herausgetrieben  längere  Zeit  verweilt,  bevor  der 
Bumpf  folgt.  In  unserem  Falle  zeigte  sich  dieselbe  jedoch 
schon  als  der  Kopf  hervorgezogen  wurde.  Bei  der  scharfen 
Abgrenzung  in  einer  schräg  um  Brust  und  Arme  herum- 
laufenden Linie  und  der  gleichmässigen  Färbung  aller  oberhalb 
derselben,  wie  dem  völligen  Mangel  dieser  Farbe  an  allen 
unterhalb  gelegenen  Theilen  hat  man  wohl,  wie  dort  am 
Kopfe,  eine  heftige  circuläre  Einschnürung  an  der  Grenzstelle 
als  Ursache  anzunehmen. 

Erwägt  man  die  günstigen  räumlichen  Verhältnisse  (Mittel- 
maasse  des  Beckens  und  ein  Kind  unter  dem  Durchschnitts- 
gewichte)  und  die  vorausgegangene  deutlich  fühlbare,  starre 
Spannung  des  unteren  Gebärmutterabschnitts,  die  zögernde 
Erweiterung  des  Muttermundes,  die  Unnadigiebigkeit  seines 
Bandes  trotz  dem  langen  Stehen  der  Fruchtblase,  das  Aus- 
bleiben der  periodischen  Contractionen  bei  lästigem  Kreuz- 
schmerze, so  kann  ein  Zweifel  darüber  kaum  erhoben  werden, 
dass  ein  tonischer  Krampfzustand  der  Gebärmutter 
hier  das  eigentliche  Geburtshinderniss  abgegeben  habe.  — 
Betrachten  wir  den  Geburtsverlauf  aber  näher,  so  stellte  sich 
dieser  Tetanus  uteri  —  denn  so  hat  man  den  Gebärmutter- 
krampf in  unserem  Falle  zu  bezeichnen,  weil  die  absatz weisen 
Contractionen  dermaassen  cessirten,  dass  der  anwesende 
Praktikant  wiederholt  behauptete,  es  seien  gar  keine  Wehen 
vorhanden,  obschon  die  Kreissende  auf  Befragen  ein  zeitweises 
Abwärtsdrängen  und  empfindliche  Kreuzschmerzen  klagte  — 


fttr  GebortohüUe  in  Berlin.  405 

nicht  gleich  zu  Anfang  der  Gebart,  sondern  erst  nach  regel- 
mässig erscheinenden  und  wirkenden  Wehen,  in  Folge  einer 
bestimmt  nachweislichen  Veranlassung  (nach  einer  heftigen 
Emotion)  ein.  Dieser  Tetanus  uteri  währte  über  30  Stunden. 
Nur  ganz  allmälig,  nachdem  endlich  wieder  regelmässige 
periodische  Contractionen  aufgetreten  waren,  wurde,  der  Mutter- 
mund vollständig  erweitert,  und  der  in  erster  Schädelstellung 
eingetretene  Kindskopf  in  die  Beckenhöhle  herabgetrieben. 
Nachdem  sodann  zur  Beförderung  der  wieder  seltener  ge- 
wordenen und  nicht  mehr  recht  ausgiebigen  Druckwehen  bei 
aus  dem  Muttermunde  heraus  in  die  B^ckenhöhle  herab- 
getriebenem Kopfe  drei  Dosen  Seeale  cornutum  gereicht  waren, 
stellte  sich  die  mit  Gehörs -Uallucinationen  verbundene  be- 
denkliche Aufregung  der  Kreissenden  zugleich  mit  der  beträcht- 
lichen Verlangsamung  der  Herztöne  der  Frucht  ein,  welche 
zur  Extraction  drängten.  Unserer  Meinung  nach  kann,  da 
die  Herztöne  bis  zum  Einschneiden  des  Kindskopfes  völlig 
regelmässig  blieben,  nicht  jene  früher  bestandene  andauernde 
krampfhafte  Zusammenziehung  des  ganzen  unteren  Gebärmutter- 
abschnitts bis  zum  äusseren  Muttermunde,  der  Tetanus  uteri 
die  Ursache  jener  Umschnürung  der  Brust  gewesen  sein, 
welche  die  beschriebene  blaurothe  Färbung  veranlasste,  sondern 
nur  eine  später  kurz  vor  Beendigung  der  Geburt 
aufgetretene  Strictur  in  der  Gegend  des  inneren 
Muttermundes.  Abgesehen  von  der  darauf  hinweisenden 
Phänomenenreihe  an  der  Kreissenden  (die  erwähnte  plötzliche 
Aufregung  derselben),  wie  an  den  Herztönen  der  Frucht  (auf- 
fallende Verlangsamung)  nöthigte  zu  dieser  Annahme  theils 
die  beträchtliche  und  gleichmässige  Ausdehnung  der  blauen 
Färbung  über  den  ganzen  Kopf,  Hals,  Nacken  und  oberen 
Theil  der  Brust,  sowie  des  linken  Oberarmes,  welche  Theile 
nicht  ausserhalb  des  äusseren  Muttermundes  in  der  Scheide 
Raum  geiiinden  haben  würden,  theils  die  Beschaffenheit  der 
blauroth  gefärbten  Theile,  welche  keine  Spur  von  Oedem  zeigten. 
Die  einschnürende  Stelle  muss  sich  oberhalb  des  Beckeneingangs 
befinden  haben;  denn  die  nach  vorn  gelegene  rechte  Schulter 
zeigte  auf  ihrer  Höhe  den  Ausgang  der  Grenzlinie,  welche 
Brust  und  Rücken  nach  der  linken  Seite  hin  immer  tiefer 
umkreisend  in  der  Mitte  des  nach  hinten  in  der  Gegend  der 


406  XXX.   Verluuidlaiig«B  der  OesellioliAft 

linken  Synehondrose ,  entsprechend  der  ersten  Schädetetellung 
der  Frucht,  gelegenen  linken  Armes  endigte.  Nur  bei  Berück« 
sichtigung  der  beträchtlichen,  oll  mehrere  Zoll  betragenden 
Verlängerung  des  Mutterhalses  wird  es  erklärlich,  dass  diese 
ganze  ausgedehnte  Körperfläche  einige  Zeit  vor  der  Auaziehung 
unterhalb  der  Einschnürung  sich  befinden  konnte.  Die  An- 
nahme einer  Strictur  in  der  Gegend  des  inneren  Muttermundes 
wurde  endlich  auch  bei  der  späteren  unerlässlichen  manuellen 
Entfernung  der  Nachgeburt  constatirt,  — 

Dass  die  stattgefundene  Emschnörung  eine  intensive, 
jedoch  nur  verhältnissmässig  kurz  dauernde  gewesen  sei,  geht 
aus  dem  Umstände  hervor,  dass  die  blaue  Färbung  zwar  auf 
einer  Blutstockung  in  den  Capillaren  beruhte,  aber  nicht  mit 
Oedem  verbunden  war. 

2.  Das  Vorkommen  tonischen  Gebärmutter- 
krampfes bei  Längslagen  der  Frucht,  insbesondere 
bei  den  Schädellagen  ist  dann  und  wann  bezweifelt 
worden.  Es  mag  sein,  dass  bei  fehlerhaften  Kindeslagen 
(Schief-  und  Querlagen)  diese  Complication  häufiger  beobachtet 
wird,  — -  wobei  jedoch  nicht  übersehen  werden  darf,  dass 
das  hier  meist  gebotene  Einführen  der  Hand  zur  Wendung 
auf  die  Füsse  die  Diagnose  der  Strictur  u.  s.  w.  erleichtert;  — 
dass  der  tonische  Uteruskrampf  durch  Schädellagen  aber 
nicht  ausgeschlossen  ist,  ja  nicht  einmal  zu  den  grössten 
Seltenheiten  gehört,  wird  jeder  aufmerksame  Beobachter, 
dem  eine  hinlängliche  Anzahl  von  Fällen  zu  Gebote  steht, 
zugeben,  der  zahhreicben  Mittheilungen  classiscber  Autoren, 
wie  eines  Wigand,  KiwUch  und  vieler  Anderen,  nicht  zu 
gedenken«  Um  einige  Beispiele  aus  eigener  Anschauung 
anzuführen  mögen  folgende  Fälle  hier  eine  Stelle  finden. 

In  den  Nachmittagsstunden  des  27.  October  1847  wurde 
die  Hülfe  der  unter  üf.'s  Leitung  stehenden  geburtshülflichen 
Poliklinik  zu  Jena  für  eine  Kreissende  in  einem  drei  Stunden 
entfernten  Städtchen  gesucht,  welche,  obschon  sie  bereits 
sechs  Mal  ausgetragene  Kinder  leicht  und  glücklich  geboren 
hatte,  am  Ende  ihrer  siebenten  Schwangerschaft,  seit  24  Stunden 
im  Kreissen  lag.   Der  zunächst  mit  einem  Praktikanten  dorthin 


für  Gebartshtilfe  in  Berlin.  407 

eniseadete  Assistent,  ein  wohlgeöbter  sehr  kräftiger  junger 
Mann,  fand  den  äusseren  Muttermund  über  thalergross,  weich 
und  wulstig,  den  Kopf  im  Beckeneingange  in  erster  Schädel- 
Stellung.  Da  die  Kreissende  sehr  erschöpft  schien,  hielt  er 
sich  für  verpflichtet,  die  Zange  anzuwenden;  die  Application 
sollte  keine  besonderen  Schwierigkeiten  geboten  haben,  allein 
trotz  der  kräftigsten  fortgesetzten  Tractionen  folgte  der  Kopf 
nicht,  so  dass  endlich  Martin* s  Beistand  verlangt  wurde. 
M.  fand  den  Muttermund  einige  Stunden  später  geschwollen, 
den  Kopf  zwar  gehörig  in  den  Beckeneingang  eingetreten, 
allein  noch  nicht  in  die  Beckenhöhle  herabgerückt.  Die  Becken- 
messung ergab  keine  Verengung,  auch  Hess  der  Umfang  des 
Leibes  so  wenig  wie  die  Exploration  des  vorhegenden  Schädels 
eine  ungewöhnliche  Grösse  der  Frucht  oder  Härte  der  Kopf- 
knochen annehmen.  Die  Herztöne  der  Frucht  waren  nicht 
mehr  zu  hören.  Der  Befund  und  der  bisherige  Geburtsverlauf 
deuteten  auf  eine  Strictura  uteri  als  das  Geburtsbindemiss; 
M.  verordnete  der  kräftigen,  obscbon  mageren  Frau  daher 
Abends  gegen  12  Uhr  Taftari  emetici  gr.iv.  in  Aq.  comm.  Siv. 
Tr.  opii  s.  ^j.  halbstündlich  einen  Esslöifel  voll,  und  wartete 
in  Gesellschaft  seines  Assistenzarztes  und  des  anwesenden 
Praktikanten  den  Erfolg  ab.  Gegen  4  Uhi*  des  folgenden 
Morgens  stellten  sich,  ohne  dass  Erbrechen  oder  Durchfall 
eingetreten  war,  kräftige  Druckwehen  ein,  der  Kopf  des 
Kindes  rückte  durch  den  Mutterniund  in  das  Becken  herab, 
und  gegen  5  Uhr  früh  war  die  Geburt  durch  die  Wehen 
allein  vollendet  Das  todte  Kind  zeigte  gewöhnliche  Grössen- 
und  Gewichtsverhältnisse.  Das  Wochenbett  verlief,  ohne  dass 
irgend  eine  unangenehme  Nachwirkung  des  Tartainis  ematicus 
bemerkt  wurde,  glücklich. 

Eine  24  Jahre  alte  kräftige  Töpfersfrau  in  ß«,  einer 
kleinen  Stadt  bei  Jena,  hatte  sich  bei  sehr  ungünstiger 
Witterung  im  März  1852  gegen  das  Ende  ihrer  ersten 
Schwangerschaft  auf  dem  Markte  heftig  erkältet;  das  Frucht^ 
wasser  war  vorzeitig  abgeflossen,  die  Wehen  erschienen  sehr 
schmerzhaft  Nach  30  Stunden  wurde  der  am  Orte  wohnende 
Gd>ttrtshelfer  Dr.  4f*  hinzugerufen  und  sah  sich  nach  An- 
wendung mehrerer  Arzneien  veranlasst,  die  Zange  zu  ge- 
brauchen; allein  ohne  Erfolg.    Ebenso  wenig  gelang  einige 


408  XXX.   Verhandlimgeii  Aer  Gesellschaft 

Stunden  später  dieExtracüon  dem  hinzugezogenen  Collegen  Dr.  J?. 
Beide  Aerzte  glaubten  jetzt  das  Hindemiss  in  einem  räum- 
lichen Missverhältnisse  zu  finden,  weshalb  M.  ersucht  wurde, 
die  Verkleinerung  des  Kindskopfes  vorzunehmen.  Als  Af. 
fünf  Stunden  später  hinzukam,  hatten  die  inzwischen  regel- 
mässig gewordenen  Wehen  den  Kopf  der  Frucht  bis  zum 
Beckenausgange  herabgetrieben,  so  dass  jetzt  nur,  um  die 
bereits  in  Folge  der  mannichfaltigen  Insulten  bis  zur  Agone 
erschöpfte  Frau  möglichst  bald  zu  befreien,  die  Extraclüon 
des  nicht  ungewöhnlich  grossen  oder  harten  Kopfes  mittels 
der  Zange  ohne  alle  Hübe  bewirkt  wurde.  Die  Section  der 
bald  darauf  gestorbenen  Frau  ergab  vollkommen  normale 
Beckenverhältnisse  und  liess  somit  keinen  Zweifel,  dass  eine 
Strictur  des  Uterus  das  ursprüngliche  Geburtshinderniss  ab- 
gegeben habe. 

Im  Mai  1860  wurde  M*s  Hülfe  für  eine  25  Jahre  alte, 
wohlgebaute  kräftige  Erstgebärende  verlangt,  welche  seit 
16  Stunden  kreissend  bereits  von  Seiten  eines  anderen  Arztes 
einem  mit  Abgleiten  der  applicirten  allzu  kurzen  Zange  und 
3  Zoll  langer  Zerreissung  der  Scheide  endigenden  Entbindungs- 
versuche unterworfen  war.  Die  heftige  Blutung  hatte  den 
anwesenden  Collegen  von  einer  Wiederholung  des  Versuchs 
abgeschreckt.  M.  fand  den  mit  einer  beträchtlichen  Geschwulst 
bedeckten  Kopf  des  nicht  mehr  lebenden  Kindes  hoch  im 
Beckeneingange  und  den  wulstigen  eingerissenen  Muttermund 
zu  kaum  2  Zoll  im  Durchmesser  erweitert.  Die  Kreissende, 
deren  Becken  keine  Anomalie  wahrnehmen  liess,  klagte  über 
lebhafte  Kreuzschmerzen  bei  den  sehr  empfindlichen  Wehen, 
welche  den  in  zweiter  Schädelstellung  befindlichen  Kopf  nicht 
faerabbeförderten.  Demgemäss  konnte  M.  nicht  zweifeln,  dass 
das  Geburtshinderniss  in  einer  Strictur  des  inneren  Mutter- 
mundes liege  und  liess  sofort  von  einer  Lösung  des  Tartari 
emetici  (gr.ij.)  in  einer  massigen  Kaffeetasse  mit  Wasser 
halbstündlich  einen  Esslöffel  voll  mit  Pulv.  Rad.  Ipecacuanh.  gr.j. 
gemischt  darreichen.  Nach  vier  derartigen  Dosen  stellten  sich 
unter  einmaligem  Erbrechen  Treibwehen  ein ,  welche  den  Kopf 
durch  den  sich  allraälig  erweiternden  Muttermund  hindurch 
etwa  drei  Stunden  nach  M.*s  Ankunft  bis  zu  dem  Becken- 
ausgange herabtrieben.    Als  jetzt  die  kräftigen  Wehen  nach- 


fBr  Gebnrtohülfe  in  Berlin.  409 

liessen,  hob  M.  den  Kopf  mittels  seiner  Zange  ohne  Mühe 
hervor.  Die  Frau  genas  unter  langsamer  Vernarbung  des 
Scheidenrisses  vollständig. 

Für  das  nicht  minder  häufige  Auftreten  dieser  Wehen- 
fehler  bei  Beckenendlagen  durften  folgende  Fälle,  in  welchen 
die  Extraction  des  nachfolgenden  Kopfes  durch  krampfhafte 
Zusammenschnurung  des  Muttermundes  erschwert  wurde, 
einen  Beweis  Hefern. 

Eine  sehr  derbe  wohlgenährte  Tagelöhnerfrau  in  J.  hatte 
schon  wiederholt  wegen  fehlerhafter  Kindeslage  mittels  der 
Wendung  auf  die  Fösse  entbunden  werden  müssen,  als  M. 
im  August  1850  zu  deren  dritten  Geburt  gerufen  wurde,  bei 
welcher  das  Fruchtwasser  vorzeitig  abgeflossen  und  der  Steiss 
über  dem  1  Zoll  weiten  unnachgiebigen  Muttermund  lag.  Unter 
Anwendung  verschiedener  Mittel  erweiterte  sich  endlich  die 
Oefihung  so  weit,  dass  der  Steiss  zum  Beckenausgange  herab- 
rückte.  Als  jetzt  die  Herztöne  der  Frucht  auf  96  in  der 
Minute  herabgingen,  unternahm  M,  die  Extraction  des  Steisses, 
fand  aber  schon  bei  der  Lösung  der  Arme  erhebliche  Schwierig- 
keiten; noch  grössere  jedoch  als  er  zur  Ausziehung  des  Kopfes 
schritt  Durch  den  um  den  Hals  wiederzusammengezogenen 
Muttermund  wurde  die  Einführung  der  Finger  auf  das  nach 
hinten  gerichtete  Gesicht  schon  sehr  erschwert,  noch  mehr 
die  Herabziehung  des  Kopfes.  Das  Kind  von  mittlerer  Grösse 
und  Gewicht  war  bereits  in  Folge  des  Druckes,  welchen  die 
Nabelschnur  durch  die  emporgeschlagenen  Beine  erlitten  hatte, 
abgestortien;  die  Mutter  genas,  nachdem  sie  eine  Metritis  colli 
überstanden  hatte.  ^) 

Im  September  1857  liess  ein  geachteter  College  Martin 
dringend  um  Beistand  bei  emer  36  Jahre  alten  zum  zehnten 
Male  gebärenden  Schullehrersfrau  in  einem  über  zwei  Stunden 
Yon  Jena  entfernten  Dorfe  bitten,  bei  welcher  er  wegen 
Placeuta  praevia  die  Extraction  an  den  Füssen  eines  nicht 
ganz  zeitigen  lebenden  Kindes  unternommen,  aber  als  er  den 
Kopf  mittels  des  sogenannten  Prager  Handgriffes  entwickeln 


1)  In  einem  ähnlichen  Falle  sah  Hohly  Lehrbach  der  Gebnrts- 
hülfe,  2.  Aufl.,  1862,  S.  496,  rings  nm  den  Hals  des  todten 
Kindes  einen  fast  fingerdicken  Eindmck  und  diesen  an  einseinen 
Stellen  blinlich  gefKrbt. 


410  XXX.    Verliandliiiif en  der  G«BelLiohaft 

wollte,  zwar  den  Rumpf,  jedoch  nicht  den  Kopf  heraus- 
befördert hatte.  Der  abgerissene  Kopf  war  durch  den  sich 
sofort  zusammenziehenden  Mutterhals  dermaassen  in  die 
Gebärmutterhöble  zurückgedrängt  worden  und  die  Muttermund- 
öffnung jetzt  so  eng,  dass  der  erwähnte  wohlgeübte  Geburts- 
helfer mit  der  sofort  eingeführten  Hand  nicht  hindurchzudringen 
vermochte.  Nach  Ablauf  von  ein  Paar  Stunden  war  unter 
dem  Gebrauch  von  Opium  der  Muttermund  durchgängig  ge- 
worden und  der  abgerissene  Kopf,  bevor  M.  hinzukam,  durch 
die  Wehen  herabgetrieben  und  von  dem  anwesenden  Geburts- 
helfer bereits  ausgezogen  worden.  Dass  Beckenenge  hier 
nicht  im  Spiele  gewesen,  zeigte  die  10  Tage  später  angestellte 
Section  der  in  Folge  von  Metrophlebitis  gestorbenen  Wöchnerin. 
Wenn  durch  diese  aus  einer  grösseren  Anzahl  aus- 
gehobenea  Beobachtungen  das  Vorkommen  des  tonischen 
Uterinkrampfes  bei  Längslagen  von  Neuem  bestätigt  wird,  so 
dürfte  es  an  der  Stelle  erscheinen,  die  Unterscheidung  der 
einzelnen  Formen  in  Striclur,  Trismus  und  Tetanus 
hier  mit  einigen  Worten  zu  besprechen,  da  gerade  in  dieser 
Beziehung  abweichende  Ansichten  auch  noch  in  neuester  Zeit 
geltend  gemacht  sind.  Wenn  z.  B.  Hohl  die  Bezeichnung 
Strictur  für  alle  partiellen  ringförmigen  Einschnürungen  des 
Uterus,  mögen  sie  in  der  Gegend  des  inneren  oder  äusseren 
Muttermundes  oder  unter  einer  Tuba -Mündung  stattfinden, 
anwendet,  so  kann  M,  deshalb  nicht  beistimmen,  weil  der  Befund 
am  äusseren  Muttermunde  wesentlich  verschieden  sich  darstellt, 
je  nachdem  der  Krampf  seinen  Sitz  am  äusseren  oder  inneren 
Muttermunde,  d.  h.  am  unteren  Abschnitte  des  Scheidentheües 
oder  an  der  Uebergangsstelle  des  Mutteilialses  in  den  Gebär- 
mutterkörper bat.  Im  ersteren  Falle  erscheint  der  Muttermund 
von  einem  derben  gespannten,  daher  unnachgiebigen,  in  der 
Regel  mehrere  Linien  dicken  Ringe  umgeben,  bei  der  krampf- 
haften Zusammenschnürung  des  inneren  Muttermundes  hingegen 
findet  man  den  äusseren  Muttermund  meist  weich  wulstig  nacii- 
giebig,  ähnlich  wie  bei  den  Quetschungen  jener  Gegend  des 
Uterus  zwischen  dem  Kopfe  und  dem  verengten  Beckeneingange, 
eine  Aehplichkeit,  welche  deshalb  hervorgehoben  zu  werdeii 
verdient,  weil  sie  den  minder  sorgfaltigen  Beobachter  zu  einem 
verhängnissvollen  Irrthume  verleiten  kann,  indem  diese  beiden 


Ar  G«bQrt8hälfe  in  BerUn.  411 

Zustände  die  entgegengesetzte  Behandlung  ei^ieischen.  Bei 
einem  so  erheblichen  Unterschiede  des  mit  dem  Tastsinne  zu 
erhellenden  Befundes  wird  die  Bezeichnung  Trismus  neben 
Sirictur  gerechtfertigt  seien. 

Weshalb  eine  krampfhafte  Zusammenziehung  gerade  in 
der  Gegend  des  inneren  Muttermundes  häufiger  vorkommt, 
wird  erklärlich,  wenn  man  erwägt,  wie  gewöhnlich  die  Gebär- 
routterwandung  in  dieser  Gegend  bei  bald  nach  der  Geburt 
Gestorbenen  eine  auflallende  Dicke  gegenüber  den  merklich 
Terdönnlen,  zu  2  und  mehr  Zoll  lang  ausgezogenen  Mutterhals 
zeigt;  ein  Verbältniss,  welches  M.  bei  Frauen,  die  durch 
Strictur  behinderte  Geburten  überstanden  hatten,  besonders 
evident  gefunden  haU 

Der  Unterschied  zwischen  Trismus  und  Tetanus  uteri 
hingegen,  bei  wdchen  tonischen  Krampfzuständen  des  ge- 
bärenden Uterus  der  untere  Abschnitt  vom  äusseren  Mutter- 
munde aufwärts  Sitz  der  pathologischen  Zusammenziehung  ist, 
liegt  hingegen  darin,  dass  die  krampfhafte  Spannung  bei 
letzterem  an  den  Mutterkörper  weiter  hinauf  sich  ausbreitet 
als  beim  Trismus,  und  daher  die  durch  die  Bauchdecken 
fühlbare  trockene  Uteruswand  bleibend  härter  und  gespannter 
erscheint  als  bei  diesem.  Die  Verschiedenheit  ist  somit  nur 
eine  graduelle  von  der  grösseren  oder  geringeren  Ausbreitung 
der  almormen  Contraction  aufwärts  vom  äusseren  Mutter- 
munde abhängige,  während  bei  beiden  Formen  die  harte 
unnachgiebige  Spannung  des  äusseren  Muttermundes  dieselbe 
ist.  Es  dürfte  somit  die  Unterscheidung  im  einzekien  Falle 
schwierig  und  aus  nabeliegenden  Gründen  überflüssig  er- 
scheinen. 

Bei  den  sämmtlichen  Arten  tonischer  Krampf- 
wehen ist  die  permanente  Contraction  der  Gebärmutter 
local  abnorm  gesteigert,  während  die  periodischen  Gon- 
tractionen  des  Uterus  scheinbar,  wie  in  dem  am  Eingange 
erzählten  Falle,  fehlm,  oder  aber  umgekehrt  von  extremen 
Schmerzen  begleitet,  jedoch  unwirksam  sind.  Der  Grund 
dieser  auffallenden  Divergenz  der  Symptome  wird  einleuchten, 
wenn  vrir  die  Entstehung  der  tonischen  Krampfwehen  in's 
Auge  fassen. 


412  XXX.   Verhandlimgeii  der  Oesellfcliaft 

3.  Die  Entstehung  der  tonibchen  Krampfwehen 
bedarf  bei  der  noch  ungenögenden  Kenntniss  der  Uterus- 
contractionen  überhaupt  noch  vieler,  insbesondere  experi> 
menteller  Untersuchungen.  Vorläufig  mag  das,  was  die 
Beobachtung  am  Kreissbette  lehrt,  als  Andeutung  zu  weiteren 
Studien  hier  folgen. 

Eine  unverkennbare  Disposition  zu  dieser  Wehenst5rung 
zeigt  sich  bei  ungewöhnlicher  Gestalt  der  Gebär* 
mutterhöhle,  daher  bei  fehlerhafter  Kindeslage  (Schief-  oder 
Querlage),  sowie  bei  übermääsiger  Ausdehnung  durch  zu  vieles 
Fruchtwasser.  Diese  Disposition  mag  im  einzelnen  Falle  auf 
einem  abweichenden  Bau  oder  auf  einer  auch  wohl  erworbenen 
krankhaften  Beschaffenheit  der  Wandungen  beruhen. 

Dass  Gemüthsaffecte  einen  grossen  Einfluss  auf  die 
Uteruscontraction  ausüben  können,  ist  nicht  allein  durch  die 
Fälle  von  Spätblutungen  im  Wochenbette  bewiesen,  welche 
unter  Ausschluss  anderer  Ursachen  (wie  verhaltene  Eireste, 
Thrombosis  und  Phlebitis,  Gestalt  und  Lageveränderung  der 
Gebärmutter  etc.)  wiederholt  nach  heftigen  AOecten  von  Martin 
beobachtet  wurden,  sondern  auch  durch  jene  Beobachtungen 
dargethan,  in  welchen  ein  heftiger  Schrecken,  z.  B.  durch 
Feuerruf  in  der  Nähe  des  Kreisszimmers^  die  Wehen  sofort 
und  för  viele  Stunden  völlig  cessiren  machten.  Bemerkens- 
werth  ist  ferner,  dass  viele  der  Kreissenden,  welche  wegen  der 
heftigsten  tonischen  Uteruskrämpfe  bei  der  Geburt  ärztlicher 
Hülfe  bedurften,  während  der  vorangegangenen  Schwanger- 
schaft tiefen  und  anhaltenden  Gram,  Kummer  und  Aerger 
erduldet  hatten.  In  dem  zuerst  erzählten  Falle  war  ein  anderes 
ursächliches  Moment  der  anfanglichen  plötzlichen  Wehen- 
umänderung als  die  heftige  psychische  Emotion  nidit  auf- 
zufinden; insbesondere  wies  die  lange  Erhaltung  der  Frucbt- 
blase  und  der  glückliche  Verlauf  des  folgenden  Wochenbettes 
den  etwa  zu  hegenden  Verdacht  einer  Endometi*itis  in  partu  ab. 

In  allen  von  M.  beobachteten  durch  psychischen  Affect 
hervorgerufenen  tonischen  Krampfzuständen  des  gebärenden 
Uterus  zeigten  sich  die  periodischen  Zusammenziehungen  auf- 
fallend schwach  und  schmerzlos,  so  intensiv  die  permanente 
Contraction  hervortrat 


r 


Ar  Oeburtshülfe  in  Berlin.  413 

Id  anderen  Fällen  war  der  Druck  und  die  Quetschung, 
wdchen  der  untere  Gebärmutterabscbnitt,  zumal  bei  durchweg 
zu  engen  Becken,  bisweilen  während  des  Eintrittes  des  Kinds- 
kopfes erleidet,  die  einzig  nachweisliche  Ursache  der  krampf- 
haften Zusammenschnurung  des  unteren  Gebärmutterabschnittes; 
Martin  verweist  in  dieser  Beziehung  auf  eine  frühere  Mit- 
theilung, ^)  welcher  er  eine  Reihe  ähnlicher  Fälle  hinzuzufügen 
Termöchte.  —  Eine  der  Wirkung  nach  verwandte  örtliche 
Ursache  von  Stricturen  an  dem  einen  oder  anderen  Seiten- 
tbeüe  des  Muttergrundes  kennt  man  in  der  andauernden 
örtlichen  Reizung  des  Gebärorganes  da,  wo  die  Placenta  partiell 
fest.adhärirt. 

Weit  häufiger  jedoch  sah  M.  Stricturen  und  die  übrigen 
tonischen  Krampfwehen  sowohl  in  der  Nachgeburtsperiode 
als  auch  vorher  durch  Erkältung  der  unteren  Ex- 
tremitäten, wie  des  Beckenendes  hervorgerufen.  In 
zwei  exquisiten  Fällen  krampfhafter  Nachgeburtsverhaltung 
war  diese  nach  bis  dahin  normalem  Geburtsverlauf  dadurch 
veranlasst,  dass  unbesonnene  Hebammen  die  schwitzenden 
Kreissenden  während  der  Austreibung  des  Kindes  aus  dem 
Kreissbette  auf  den  kalten  Fussboden  gestellt  hatten,  damit 
das  Bett  nicht  verunreinigt  werde!  —  Die  Erkältung  als 
Ursache  des  Uteruskrampfes  bedingt  meist  zugleich  eine 
Endometritis,  welche,  wenn  sie  in  der  ersten  Geburtsperiode 
auftritt,  um  so  nachtheiliger  wirkt,  als  sie  dann  gewöhnlich 
einen  vorzeitigen  Wasserabfluss  herbeiführt  und,  auch  ab- 
gesehen von  der  lästigen  Geburtszögerung,  eine  bedenkliche 
Erkrankung  für  das  Wochenbett  in  Aussicht  stellt.  Gleiches 
gilt  von  der  durch  Infection  mit  Leichen-  und  anderen 
contagiösen  Stoffen  veranlassten  Endometritis.  Hier,  sowie 
überall  da,  wo  Endometritis  den  tonischen  Krampfwehen  zu 
Grunde  liegt,  pflegten  die  periodischen  Contractionen  un- 
gewöhnlich schmerzhaft  zu  sein. 

Als  eine  besondere  Ursache  des  tonischen  Uteruskrampfes, 
zumal  der  Stricturen  glaubt  üforft'n  endlich  den  unpassenden 
Gebrauch  des  Secale  cornutum  bezeichnen  zu  müssen, 
indem  nicht  allein  in  dem  am  Eingange  erzählten,   sondern 


1)  S.  MonatBschrift,  1862,  Bd.  XIX.,  Januar-Heft,  S.  70. 


414  XXX.    Verhandln ogen  der  OesellBchaft 

auch  noch  iü  mehreren  andei*en  Fällen  tonische  Krampfwehen 
nach  dem  Gebrauche  dieses  Mittels  sowohl  in  der  Klinik  als 
auch  anderwärts  beobachtet  wurden.  M.  mag  nun  nicht 
behaupten,  dass  das  Mutterkorn  diesen  Wehenfehler  bei  vorher 
ganz  normaler  Wehenthätigkeit  hervorrufe,  hat  aber  die 
Ueberzeugung,  dass  dieses  übrigens  sehr  werthvolle  Arznei- 
mittel dens^ben  bei  einiger  Disposition  dazu  und  besonders 
bei  schon  vorhandenem  Krämpfe  wesentlich  steigere.  In  dem 
oben  ausführlich  erzählten  Falle  hatte  sich  der  Tetanus  uteri 
soweit  verloren,  dass  regelmässige  Expulsivwehen  den  Kopf 
durch  den  vollständig  erweiterten  Muttermund  bis  hinter  die 
Scbamspalte  herabtrieben;  als  hierauf  die  Wehen  in  ihrer 
Energie  nachliessen,  wurden,  um  die  langersehnte  Ausstossung 
zu  befördern,  drei  Dosen  von  Seeale  comutum  (gr.xv.)  in 
Zwischenzeiten  von  je  20  Minuten  gereicht.  Eine  halbe  Stunde 
später  steUte  sich  jene  Aufregung  ein,  nach  welcher  die 
Herztöne  der  Frucht  auffallend  verlangsamt  erschienen,  so  dass 
die  durch  Strictur  des  Uterus  so  erschwerte  Ausziehung  un- 
erlässlich  wurde.  —  In  einem  anderen  genau  beobachteten 
Falle  der  Klinik  hatte  der  wachführende  Praktikant  Seeale 
comutum  gereicht,  bevor  der  Muttermund  völlig  erweitert 
war,  um  die  Geburt  zu  beschleunigen.  Die  nach  einiger  Zeit 
auftretenden  Krampfwehen  ergaben  bei  der  wiederholte^ 
Temperaturmessung  der  Scheide  eine  bemerkliche  Steigerung 
und  nur  erst  nach  mehrstündigem  Zuwarten  unter  Gebrauch 
von  Pulv.  Doveri  legte  sich  die  krampfhafte  Wehenstörung, 
worauf  die  Geburt  durch  die  geregelten  Wehen  glücklich 
vollendet  wurde. 

4.  Um  schliesslich  mit  einigen  Worten  der  von  M. 
erprobten  Therapie  bei  tonischen  Krampfwehen  zu  gedenken, 
so  haben  sich  ihm  als  die  wirksamsten  Mittel  die  Nauseosa 
und  das  Opium  bewährt  Von  den  ersteren  wurde  am 
häufigsten  Rad.  ipecacuanhae  und  zwar  gewöhnlich  in  Dosen 
von  einen  halben  oder  ganzen  Gran  halbstündlich  gereicht; 
nicht  selten  folgte  schon  nach  zwei  bis  drei  Gaben  Erbrechen 
bisweilen  mit  rascher  Besserung.  Bei  weniger  empfindlichen 
Individuen  mit  gesunder  Magen  -  und  Darmschleimhaut  bedurfte 
es  bisweilen  einer  Lösung  des  Tartarus  emcticus,  in  einzelnen 
Fällen   zu   gr.j.   auf  die  Unze   allein   oder   mit   Ipecacuanha 


fUr  Qebiutshfilfe  in  Berlin.  415 

oder  mit  Tinct.  opii,  um  die  gewöDSchte  Wirkung  zu  erzielen; 
und  M.  entsinnt  sich  keines  Falles,  in  welchem  eine  un- 
angenehme Nachwirkung  dieser  Medication  stattgefunden.  In 
der  Mehrzahl  der  Fälle  erfolgte  früher  oder  später  gleich- 
massiger  Schweiss  und  damit  Nachlass  des  Krampfes.  In 
vielen  anderen  FäUen  gab  M.  entweder  gleich  zu  Anfang, 
zumal  wo  die  Wehen  sehr  schmerzhaft  auftraten,  Opium 
theils  fftr  sich,  z.  B.  die  Tinctur  oder  das  Extr.  opii  aquosum 
mit  gutem  Erfolg  auch  als  Klystier,  theils  in  Verbindung  mit 
Ipecacuanha  im  Pulv.  Doveri.  Der  Krampf  wich,  zumal  wenn 
Ruhe,  Schlaf  und  Schweiss  erzielt  ward,  doch  verzögerte  nicht 
selten  das  Opium  den  Eintritt  der  kräftigeren  Wehen  und 
damit  das  Ende  der  Geburt  in  merklicher  Weise.  Um  den 
Schweiss  zu  fördern,  wurden  häufig  auch  Dunstbäder  meist 
im  Bette  der  Kreissenden  selbst,  oder  noch  häufiger  Senf- 
pflaster auf  die  Kreuzgegend  oder  den  Unterleib  mit  Erfolg 
applicirt.  Allgemeine  Bäder  kamen  nur  selten  in  Gebrauch, 
öfter  warme  Sitzbäder,  auch  wohl  von  Kleie -Absud  und  zwar 
mit  Befriedigung,  ebenso  zumal  bei  Trismus  warme  Scheiden- 
Doudien,  seltener  warme  Breiumschläge  auch  mit  FoL  hyoscyami, 
Flor.  Chaniomillae  u.  dergl.  Von  geringerem  Nutzen  zeigte 
sich  der  mit  warmem  Wasser  gefüllte  Colpeurynter  bei  tonischem 
Krämpfe.  Ebenso  wenig  bewährte  sich  das  im  Anfange  seiner 
Praxis  von  M.  häufig  gebrauchte  Extractum  belladonnae  mit 
oder  ohne  Opium  in  Salbenform  oder  im  Suppositorium.  — 
Wo  die  Endometritis  in  den  Vordergrund  trat,  leisteten  Blut- 
egel auf  den  Unterleib  gelegt  oder  Schröpf  köpfe  auf  das  Kreuz 
applicirt  nicht  selten  gute  Dienste;  von  Aderlässen  kann  M. 
bei  tonischen  Krampfwehen  weniger  Erfolg  rühmen.  Die 
Valeriana,  die  Tinctura  Hoschi  c.  Ambra  und  ähnliche  Reiz- 
mittel wurden  gelegentlich  versucht,  jedoch  bei  tonischen 
Krampfwehen  kein  sicherer  Erfolg  beobachtet.  Dann  und 
wann  schien  das  Castoreum  sibiricum,  sowie  der  Borax  von 
Vortheil,  doch  kamen  diese  Mittel  meist  nach  Vorausschickung 
anderer  zur  Anwendung,  so  dass  es  fraglich  erschien,  ob 
nicht  die  Nachwirkung  jener  oder  die  Zeit  Nachlass  des 
Krampfes  gebracht  hatte. 

Von  der  grössten  Wichtigkeit  erschien  immer  ein  gleich- 
massig  ruhiges   und  warmes  Verhalten,  und   stets   forderten 


416  XXX.    Yerbandlangen  der  Gesellschaf« 

diese  Krampfwehen  grosse  Geduld  und  stunden-,  ja  tagelanges 
Zuwarten. 

Von  den  operativen  Eingriffen  hatte  die  Entbindung  mittels 
der  Zange  bei  tonischen  Krampfwehen,  so  lange  der  Krampf 
bestand,  fast  immer  einen  ungünstigen  Erfolg,  entweder  eine 
Steigerung  der  krankhaften  Zusaromenziehung  und  daher 
Unmöglichkeit,  die  Geburt  sofort,  zu  beenden,  oder  mehr 
oder  weniger  tiefe  Einrisse  in  den  Muttermund.  Die  Wendung 
auf  den  Fuss  war  im  Allgemeinen  heilsamer  für  Mutter  und 
Kind,  falls  der  wiederkehrende  Krampf  bei  der  Extraction 
nicht  hartnäckig  den  Kopf  der  Frucht  zurückhielt  und  dadurch 
beide  gefährdete.  — 

Herr  C.  Mayer  fragt  an,  ob  dieser  Fall  vereinzelt  da- 
stehe oder  ob  in  der  Literatur  schon  ähnliche  Beobachtungen 
veröffentlicht  seien. 

Herr  Martin  erwiedert,  dass  in  den  Lehrbüchern  ein 
Fall  von  Löffler  citirt  werde,  doch  heisse  es  in  HufelancPs 
Journal,  XXL  Band,  1805,  S.  73,  dass  das  nach  einer  durch 
Strictur  des  Uterus  verzögerten  Geburt  todl  zur  Welt  ge- 
kommene Kind  einen  drei  Finger  breiten  rothblauen  blutigen 
Streif  um  den  Leib  zeigte,  während  vorn  und  an  der  Seite 
die  Haut  fast  wie  abgestreift,  auch  das  Scrotum  der  nämlichen 
Seite  aufgetrieben,  blau  und  enthäutet  gewesen  sei.  Ob 
dieser  Fall  mit  dem  erzählten  zu  vergleichen  sei,  möge  indess 
unentschieden  bleiben. 


Herr  (7.  Mayer  sprach 

über   Anteversio    uteri    und    ihre    Behandlung 
mit  Hülfe   von   Gummiringen. 

Er  macht  als  Einleitung  zu  seinem  Vortrage  darauf  auf- 
merksam, dass  er  dies  alte  bekannte,  in  der  neuesten  Literatur 
vielfach  und  ausführlich  besprochene  Thema  nicht  etwa  gewählt 
habe,  weil  er  ganz  neue  Thatsachen  zur  Sprache  bringen  wolle, 
sondern  nur,  uro  seine  eigenen  Erfahrungen  über  Vorkommen, 
über  Complicationen  der  Anteversionen  und  sein  in  den  letzten 
Jahren  mit  Nutzen  angewandtes  Heilverfahren  mitzutheilen  und 
daran  den  Wunsch  zu  knüpfen,    die  verschiedenen  Ansichten 


tiir  Oebnrtshülfe  in  Berlin.  417 

der  Praktiker  und  der  Autoren,  besonders  über  die  Zweck- 
mässigkeit und  Nothwendigkeit  einer  örtlichen  und  mechanischen 
Behandlung  der  Deviationen  des  Uterus  einer  allgemeinen  und 
gründlichen  Discussion  zu  unterwerfen. 

Eine  ganz  kurze  historische  Uebersicht  erinnert  daran, 
dass  die  Lageveränderungen  des  Uterus  schon  den  Aerzten 
des  Alterthums  bekannt  waren,  dass  Htppocratea  in  seinem 
Buche  „de  morbis  mulierum^  dieselben  bespricht,  ihren 
£influss  auf  die  Menstruation  und  auf  Gonception  hervorhebt 
und  von  der  freilich  unrichtigen  Annahme  einer  Wanderung 
des  Uterus  nach  oben  bis  zum  Halse  und  nach  den  ver- 
schiedenen Seiten  hin  ausgehend,  die  verschiedensten  hysterischen 
Affectiouen,  Strangulationen,  Suflbcationen  u.  s.  w.  daraus  er- 
klärt Seine  Ansichten  gingen  bekanntlich  auf  die  Arabischen 
Aerzte  und  auf  die  Schriftsteller  der  späteren  Jahrhunderte 
über,  die  zum  Theil  einander  abschrieben  und  wir  finden 
wohl  erst  bei  Morgagni  genauere  anatomische  Beschreibungen 
von  Retroversion  und  Anteversion,  wenn  auch  schon  AeHus 
einen  Fall  von  Retroversion  mittheilt,  bei  welchem  er  durch 
eine  Hebamme  emen  4  Zoll  langen  Wachscylinder  in  den 
Mastdarm  einbringen  Hess.  Die  bis  zu  Anfang  des  achtzehnten 
Jahrhunderts  vorkommenden  Miltheilungen  betreffen  grössten- 
theils  den  schwangeren  Uterus,  und  es  blieb  der  neueren 
Zeit  vorbehalten,  die  Lage  Veränderungen  des  nicht  schwangeren 
Uterus  genauer  durch  Untersuchungen  an  Lebenden  und  an 
Leichen  nachzuweisen  und  ihre  Wichtigkeit,  ihren  mächtigen 
Einfluss  auf  das  Befinden  der  damit  Behafteten  festzustellen. 
Wenn  auch  schon  seit  Anfang  dieses  Jahrhunderts  fast  gleich- 
zeitig von  den  Gynäkologen  in  Frankreich,  England  und 
Deutschland  diesem  Gegenstande  grosse  Auünerksamkeit  zu- 
gewendet wurde,  so  steigerte  sich  dieselbe  doch  entschieden 
durch  die  Discussion  in  der  Pariser  Academie  de  medecine 
im  Jahre  1849  und  noch  mehr  durch  die  zweite  im  Jahre  1854, 
und  wir  verdanken  derselben  gründliche  Bearbeitungen  der 
verschiedenen  Deviationen,  unter  denen  die  gekrönte  Preis- 
schrift von  Dunal  „sur  les  deviations  uterines''  besondere 
Beachtung  verdient. 

Nach  einigen  Worten  über  die  bekannte  Eintlieilung  der 
Deviationen  in  Flexionen  und  Versionen  und  über  ilire  grosse 

MonaUaehr.  f.  Gebartsk.  1868.  Bd.  XXI.,  Hft.  6.  27 


418  XXX.    Yerhandliuigeii  der  GaselUchaft 

Wichtigkeit,  über  ihren  mächtigen  Einfluss  auf  den  weiblichen 
Organismus,  wendet  sich  C.  M.  auf  den  eigentlichen  Gegen- 
stand seines  Vortrages  auf  die  Anteversion. 

Die  Symptome  derselben  seien  im  Allgemeinen  dieselben 
wie  die  aller  übrigen  Deviationen,  theils  örtliche  Beschwerden, 
die  sich  entweder*  im  Uterus  selbst  oder  in  den  benachbarten 
Organen  kund  geben,  theils  Functionsstörungen,  die  als 
Menstruationsstörungen f  als  Sterilität  auftreten,  theils  sym- 
pathische Nervensymptome,  welche  sich  verschiedentlich  als 
Digeslionsstörungen ,  Magenbeschwerden«  Migräne,  Brust- 
beklemmung u.  s.  w.  zeigen  und  in  der  Regel  ein  Sinken  der 
Ernährung,  schlechte  Blutbereitung,  Bleichsucht,  Abmagerung, 
Neuralgien,  hysterische  Krampfformen  aller  Art,  GemGths- 
verstimmungen  u.  s.  w.  zur  Folge  haben.  Der  Anteversion 
als  solcher  kommen  keine  besonderen  Symptome  zu,  man 
habe  ihr  wohl  in  Folge  des  Druckes  auf  die  Blase  Urin- 
beschwerden als  ihr  eigenthfimUch  zugeschrieben,  indessen 
fehlen  dieselben  sehr  oft  bei  ganz  exquisiten  Formen,  während 
sie  gar  nicht  selten  auch  bei  Retroflexionen  beobachtet  werden. 
In  allen  Fällen,  wo  das  allgemeine  Krankenexamen  auf  den 
Verdacht  einer  Deviation  des  Uterus  hinleilet,  kann  daher 
nur  eine  genaue  Exploration  die  Art  derselben  bestimmen. 

Die  Ansichten  über  die  relative  Häufigkeit  der  Ante- 
versionen sind  sehr  getheilt  Während  von  vielen  Autoritäten 
die  Anteversion  für  die  häufigere  Art  der  Deviationen  gehalten 
wird,  erklären  andere  gewichtige  Stimmen  sie  seltener  als  die 
Retroversionen.  Der  Vortragende  theilt,  nach  seinen  Er* 
fahrungen,  die  erste  Ansicht,  welche  er  auch  schon  in  seinem 
Vortrage  über  „Sterilität''  im  Jahre  1856  ausgesprochen 
und  seitdem  entschieden  bestätigt  gefunden  hat.  .  Schon  die 
normale  Lage  des  Uterus,  bei  welcher  der  Fundus  etwas 
nach  vorn  geneigt  sei,  giebt  für  die  leichtere  Entwickelung 
einer  Anteversion  ein  prädisponirendes  Moment,  da  ein  Druck 
von  oben  her,  eine  mit  Massenzunahme  verbundene  Erkrankung 
des  Uterus,  welche  eine  grossere  Schwere  und  Gewichts- 
zunahme des  Körpers  bedinge,  leichter  eine  Anteversion 
hervorrufen  wird. 

Die  Grade  der  Anteversion  sind  verschieden,  der  Uterus 
kann  von  der  diagonalen  Richtung  in  eine  horizontale  über- 


fOr  Gebartshülfe  in  Berlin.  419 

gehen,    bei    welcher   letzteren    die   Vaginalportion   mit   dem 
Orifieium  ganz  gegen  das  Os  sacrum  gerichtet  ist. 

Eine  einfache  Anteversio,  d.  Ii.  ohne  Erkrankung  des 
Utems,  gehört  zu  den  Seltenheiten,  wenigstens  kommt  sie 
an  Lebenden  nur  selten  zur  Beobachtung,  weil  bei  dem 
Mangel  an  Beschwerden  keine  Veranlassung  vorliegt,  eine 
Exploration  vorzunehmen,  wenn  nicht  die  Frauen  bei  aus- 
bleibender Conception  einen  Arzt  zu  Rathe  ziehen  und  auch 
in  den  Fällen  von  Sterilität  nach  mehrjähriger  Ehe  wird  man 
nur  seilen  den  Uterus  ganz  gesund  finden. 

Die  Untersuchung  ergiebt  verschiedene  pathologische 
Veränderungen  des  Uterus,  —  Metritis,  Endometritis,  Para- 
metritis,  gleichzeitig  erkrankt  die  Schleimhaut  und  es  zeigen 
sich  Erosionen,  Excoriationen  derselben  an  den  Muttermunds- 
lippen und  im  Cervicalcanal,  von  denen  dann  die  vorhandene 
Blennorrhoe  herrührt  Diese  pathologischen  Veränderungen 
der  Schleimhaut  sind  im  Speculum  zu  erkennen,  doch  ist 
dies  in  einzelnen  Fällen  sehr  schwierig,  wenn  nämlich  das 
Orifieium  uteri  ganz  nach  dem  Os  sacrum  gerichtet  ist  und 
die  Erkrankung  sich  mehr  auf  die  innere  Fläche  der  oft  sehr 
wulstigen,  voluminösen  Lippen  erstreckt,  —  es  kann  dann 
die  vordere  Lippe  sich  in's  Speculum  drängen,  oder  beide 
Lippen  können  durch  das  Speculum  an  einander  gepresst 
werden,  so  dass  von  der  inneren  wunden  Fläche  derselben 
nichts  sichtbar  wird  und  dann  wird,  wenn  die  Lippen  äusserlich 
gesund  aussehen-,  die  oft  vorkommende  Täuschung  leicht 
möglich.  Da  bekanntlich  die  Excoriationen  schon  durch  das 
Geffilü  sich  erkennen  lassen,  wird  in  allen  solchen  Fällen 
durch  eine  passende  Einführung  des  Speculum,  durch  eine 
vorangeschickte  Hervorziehung  der  Vaginalportion  u.  s.  w.  das 
Vorhandensein  derselben  sich  immer  constatiren  lassen. 
Ausserdem  können  andere  Erkrankungen  in  und  ausser  dem 
Uterus,  Fibroide,  Tumoren,  Adhäsionen  u.  s.  w.  bei  den 
Anteversionen  vorkommen,  auf  welche  bei  der  Untersuchung 
die  nöthige  Aufmerksamkeil  zu  richten  ist. 

Die  Frage,  ob  die  Anteversio  das  primäre  Leiden  sei 
und  ob  skh  in  Folge  derselben  Endometritis  und  weitere 
Erkrankungen  des  Uterus  entwickeln ,  oder  ob  umgekehrt  die 
zu  Metritis  und  Endometritis  sich  gesellende  Gewebsveränderung, 

27* 


420  XXX.    Yerbandlangen  der  Oesellschaft 

Anschwellung  und  Gewichtszunahme  der  Gebärmutter  die 
Anteversion  bedinge,  ist  vielfach  von  den  Schriftstellern, 
auch  in  der  Pariser  Akademie  besprochen,  aber  nicht  ent- 
schieden worden  und  durfte  noch  Gegenstand  einer  Discussion 
werden.  So  viel  steht  fest,  dass  Anteversion  selten  ohne 
Erkrankung  des  Uterus,  aber  diese  oft  ohne  Anteversion 
vorkomme  und  die  Ansicht,  dass  eine  Beseitigung  der  Metritis 
oder  Endometritis  genüge,  um  die  Anteversion  zu  heben,  ist 
jedenfalls  irrig,  wird  nicht  durch  die  Erfahrung  bestätigt,  sie 
ist  aber  für  die  Behandlung  von  der  grössten  Wichtigkeit, 
weil  dann  die  örtliche,  mechanische  Behandlung  zur  Auf- 
richtung und  Geradestellung  des  Uterus  überflüssig  wäre. 

Die  Diagnose  ist,  vrie  schon  oben  angedeutet  wurde, 
nur  durch  eine  Exploration  festzustellen,  diese  muss  aber  sehr 
genau  gemacht  werden,  weil  sonst,  wie  häufige  Erfahrung 
lehrt,  bei  diesem  scheinbar  leicht  zu  erkennenden  Leiden 
Irrthümo*  zum  Nachtheil  der  Krauken  vorkommen  können. 
Es  bedarf  kaum  der  Erwähnung,  dass  eine  im  Stehen  vor- 
genommene Exploration  allein  nie  eine  genügende  Auskunft 
geben  kann,  es  ist  vielmehr  immer  die  Rückenlage  mit  etwas 
erhöhtem  Kreuze  nöthig  und  für  eine  richtige  Diagnose 
geeigneter  als  die  Seitenlage.  Wenn  in  einer  solchen  Rücken- 
lage der  untersuchende  ausgestreckte  Zeigefinger  fast  horizontal 
fortgeschoben  wird,  so  stösst  er  bei  normaler  Stellung  des 
Uterus  auf  die  Vaginalportion  und  auf  das  Orificium ,  ist  dagegen 
eine  Anteversion  vorhanden,  so  findet  der  Finger,  wenn  er 
dieselbe  Richtung  beibehält,  einen  leeren  Raum  und  stösst 
endlich  auf  die  vordere  Fläche  des  nach  vom  geneigten  Uterus 
und  muss,  um  die  Yaginalportion  und  das  Orificium  zu  er- 
reichen, mehr  oder  weniger,  je  nach  dem  Grade  der  vor- 
handenen Anteversion,  nach  unten  und  hinten,  nach  dem 
Os  sacrum  zu  gesenkt  werden.  Bei  diesem  höchst  einfachen 
Verfahren  wird  auch  die  geringste  Abweidiung  von  der 
normalen  Stellung  leicht  erkannt  werden,  bei  höherem  Grade 
der  Anteversion  wird  die  Vaginalportion  hinter  dem  horizontal 
ausgestreckten  Finger  liegen,  das  gegen  das  Os  sacrum  ge- 
richtete Orificium  dagegen  wird  oft  nur  erreicht  werden 
können,  wenn  die  Fingerspitze  sich  zwischen  Vaginalportion 
und  Os  sacrum  drängt,  während  der  Fundus  der  Gebärmutter 


für  Oebnrtflhttlfe  in  Berlin.  421 

mehr  oder  weniger  nach  vorn  geneigt  ist  Bei  jedem  be- 
deutenderen Grade  von  Anteversion  gleitet  das  Speculiun  bei 
der  Vaginalportion  vorüber,  drängt  dieselbe  mehr  nach  hinten; 
dasselbe  findet  beim  Coitus  durch  den  Penis  statt,  wodurch 
die  Sterilität  in  diesen  Fällen  erklärt  wird,  da  die  Ejaculation 
oben  im  leeren  Räume  der  Vagina  erfolgt  und  das  Sperma 
natürlich  nicht  in  das  Orificium  dringen  kann. 

Die  für  die  Behandlung  der  Anteversionen  unentbehrliche 
Sonde  ist  auch  für  die  Diagnose  von  Wichtigkeit,  insofern 
sie  über  die  Grössenverhältnisse  des  Uterus  und  über  das 
Vorhandensein  von  Adhäsionen,  Tumoren  u.  s.  w.  Aufschluss 
giebt.  Die  Application  selbst  macht  bei  hohen  Graden  von 
Anteversion  oft  viel  Schwierigkeiten.  Man  muss  die  Spitze 
der  Sonde  in  solchen  Fällen  bis  tief  gegen  das  Os  sacrum 
fähren,  um  dann  in  das  Orificium  und  in  den  nach  vorn 
gegen  die  Symphyse  geneigten  Uterus  zu  gelangen.  Bei  dieser 
Gelegenheit  sprach  (7.  M.  über  die  Anwendung  der  Sonde 
überhaupt  und  machte  darauf  aufmerksam,  dass  die  grösste 
Vorsicht,  die  grösste  Schonung,  die  grösste  Behutsamkeit  von 
Seiten  des  Arztes  bei  der  Einführung  noth wendig -sei.  Nach 
erfolgter  Einführung  wird  man  bei  der  Aufrichtung  des  Uterus, 
mit  Hülfe  derselben,  vorhandene  Adhäsionen  vermuthen  können, 
wenn  diese  Versuche  sehr  heftige  Schmerzen  nach  einzelnen 
Richtungen  hin  erregen  und  die  Aufrichtung  deswegen  nur 
schwer  oder  gar  nicht  erreicht  wird,  man  wird  auch  bei 
diesen  Versuchen  und  nach  erfolgter  Aufrichtung  eine  richtigere 
Anschauung  von  Ovarial-  und  anderen  Tumoren,  von  etwa 
vorhandenen  Fibroiden  erhalten. 

Die  Behandlung  der  Anteversionen,  sowie  die  der  Deviationen 
überhaupt,  ist  von  den  Aerzten  der  neueren  Zeit  in  der  ver- 
schiedensten Weise  ausgeführt  worden,  indessen  scheint  doch 
die  schon  erwähnte  Ansicht,  dass  eine  medicamentöse  Be- 
handlung zur  Beseitigung  der  fehlerhaften  Lage  ausreiche, 
mehr  und  mehr  zu  verschwinden  und  die  Ueberzeugung,  dass 
mit  dem  nothwendigen  therapeutischen  und  diätetischen  Ver- 
fahren eine  locale  Behandlung  verbunden  werden  müsse,  mit 
Recht  die  Oberhand  zu  gewinnen. 

Da,  wie  schon  gesagt,  fast  immer  bei  den  Anteversionen 
eine  Erkrankung  des  Uterus  und  am  häufigsten  Endometritis 


422  XXX.    Verhandlongen  der  Gesellschaffc 

oder  Meü*itis  gefuDden  wird,  so  wird  diese  natürlich  immer 
berücksichtigt  werden  müssen  und  bei  höheren  Graden  derselben, 
bei  grosser  Schmerzhaftigkeit  und  erheblicher  Anschwellung 
des  Uterus,  oder  der  Vaginalportion,  bei  beträchtlichen  Ex- 
coriationen  der  Schleimhaut  der  Lippen  und  des  Cervicalcanals, 
wird  eine  passende  medicamentöse  Behandlung  dieser  Affectionen 
immer  der  localen,  mechanischen,  instrumenteilen  vorangeschickt 
werden  müssen.  Man  wird  durch  locale  Blutentziehung,  durch 
Blutegel  an  den  Uterus,  durch  Scarificationen  der  Lippen 
und  des  Cervicalcanals  die  entzündliche  Reizung,  die  vor- 
handene Hyperämie  zu  mindern  suchen  müssen  und  darr 
dabei  das  gewöhnlich  vorhandene  anämische  Aussehen  der 
Kranken  nicht  fürchten,  ja  es  können  solche  örtliche  Blut- 
entziehungen durch  drei  bis  vier  Blutegel  nöthigenfalls  öfter 
wiederholt  werden  und  mit  dem  Nachlass  der  örtlichen  Be- 
schwerden wird  man  eine  Besserung  des  Allgemeinbefindens 
eintreten  sehen.  Laue  Injectionen,  nie  kalte,  von  Wasser, 
Leinsamenthee  oder  schmerzstillenden  Kräuter -Infusen,  in 
reichlicher  Quantität,  mehrere  Mal  täglich,  werden  die  Zer- 
theilung  der  Anschoppungen  unterstutzen,  dabei  muss  für 
tägliche  Leibesöfinung  durch  die  lüildesten  Mittel,  zu  denen 
vorzugsweise  die  Magnesia  usta  gehört,  gesorgt  und  eine 
einfache  Diät,  ein  körperlich  und  geistig  ruhiges  Verhalten  und 
Abstinentia  a  coitu  angeordnet  werden.  Die  etwa  vorhandenen 
Excoriationen  der  Schleimhaut  können,  nach  geminderter 
Hyperämie,  durch  die  passenden  äusseren  Mittel  behandelt 
werden  und  der  Gebrauch  von  lauen  Bädern  wird  den  guten 
Erfolg  des  Verfahrens  unterstützen. 

Sind  die  genannten  pathologischen  Zustände  des  Uterus 
durch  das  angegebene  Verfahren  gemindert,  oder  ist  übei*- 
haupt  keine  bedeutendere  Erkrankung  des  Uterus  wahrnehmbar, 
so  muss  die  mechanische,  instrumenteile  Behandlung,  die 
Aufrichtung  des  Uterus,  ihren  Anfang  nehmen,  denn  ohne 
dieselbe  kehrt  der  antevertirte  Uterus  nicht  in  seine  normale 
Lage  zurück,  und  jede  beträchtliche  Lageveränderung  bedingt 
CÜrculationsstörungen  im  Uterus  und  verhindert  die  vollständige 
Heilung  der  Erkrankung  desselben. 

Herr  Mayer  bedient  sich  zur  Aufrichtung  des  ante- 
vertirten  Uterus  der  einfachen  Sonde,  —  er  führt  dieselbe  in 


[ 


fdr  GebarUhülfe  in  Berlin.  423 

horizontaler  Rückenlage  auf  einem  Sopha,  mit  der  empfohlenen 
Vorsicht  ein,  richtet  behutsam  und  langsam  den  Uterus  auf, 
wenn  nicht  Adhäsionen  oder  andere  pathologische  Zustände 
es  verhindern,  empfiehlt  den  Kranken  dann  die  YoUkommenste 
Ruhe,  legt  unter  den  Stiel  der  Sonde  ein  zusammengelegtes 
Tuch,  um  sie  in  ihrer  Lage  zu  erhalten  und  lässt  dieselbe 
anümgs  kurze  Zeit,  eine  Viertelstunde,  eine  halbe  Stunde, 
nach  und  nach  länger  bis  zu  zwei  und  drei  Stunden  liegen 
und  nimmt  sie  sogleich  fort,  wenn  sich  Schmerzen  einstellen. 
Dies  Verfahren  wird  taglich,  mit  Ausnahme  der  Menstruations- 
zeit, Monate  lang  fortgesetzt,  wenn  nicht  Schmerzhailigkeit, 
grössere  Reizung  des  Uterus  oder  Blutungen  eintreten,  wo 
dann  eine  Unterbrechung  nothwendig  wird,  welche  zur  An- 
wendung der  indicirten  Mittel,  zu  Blutegeln  u.  s.  w.  benutzt 
werden  kann.  Ohne  sich  auf  Aufzählung  und  Kritik  der 
unzähligen  zu  diesem  Zwecke  empfohlenen  Methoden  und  er- 
fundenen Instrumente  einzulassen,  erklärte  er  sich  nur  ganz 
entschieden  gegen  das  zuerst  von  Simpson  empfohlene  und 
ausgeführte  tage-  und  wocbenlange  Liegenlassen  vonRedresseurs, 
weil  er  die  bösen  Folgen  bei  in  solcher  Weise  behandelten 
Kranken  aus  eigener  Anschauung  kennen  gelernt  habe. 

Der  Uterus  sinkt  zwar  anfangs  immer  sogleich  nach 
dem  Fortnehmen  der  Sonde  wieder  in  die  fehlerhafte  Lage 
zurück,  aber  nach  und  nach  wird  doch  eine  Besserung 
merklich.  Um  diese  zu  unterstützen  sind  ebenfalls  unzählige 
Mittel  und  Methoden  empfohlen,  die  er  nicht  weiter  anführt. 
Er  selbst  hat  früher  zu  diesem  Zwecke  Schwänune,  Tampons 
von  Charpie  oder  Watte  hinter  den  aufgerichteten  Uterus 
geschoben,  indessen  hat  dies  Verfahren  seine  Uebelstände 
und  besonders  den,  dass  die  Tampons  nicht  immer  liegen 
bleiben  und  dann  mehr  schaden  als  nützen,  —  er  hat  des- 
wegen in  den  letzten  Jahren  Gummiringe  benutzt,  welche  er 
aus  fingerdicken  Stäben  von  vitlkanisirtem  Gummi  anfertigen 
liess  und  welche  er  der  GeseUschaft  vorlegt  Diese  finger- 
dicken Ringe  sind  von  verschiedener  Grösse,  haben  einen 
Durchmesser  von  2V4 — 2%  Zollen  und  müssen  möglichst 
elastisdi  sein.  Sie  werden  fest  zusammengedrückt  in  die 
Scheide  geschoben,  was  bei  engen  Genitalien  steriler  Frauen 
oft  Mühe  und  Schmerzen  verursacht,   die  jedoch  nachlassen, 


424  XXX.    Yerhandlnngen  der  Gesellschaft 

wenn  sie  den  Sphincter  passirt  haben.  Wenn  der  Ring  sich 
in  der  Scheide  befindet,  so  wird  der  hintere  Theil  zuerst 
hoch  hinauf  hinter  die  Vaginalportion  und  dann  der  vordere 
nach  vom  hinauf  vor  die  Yaginalportion  geschoben,  so  dass 
diese  bis  zum  Cervix  vollständig  vom  Ringe  umgeben  und 
frei  durch  denselben  in  die  Scheide  herabreicht,  wovon  man 
sich  durch  eine  genaue  Untersuchung  überzeugen  muss.  Der 
Zweck,  auf  diese  Weise  die  Yaginalportion  und  gleichzeitig 
den  aufgerichteten  Uterus  möglichst  in  seiner  Lage  zu  erhalten 
und  zu  fixiren,  wird  sehr  gut  erreicht  und  die  Erfolge  sind 
oft  überraschend,  denn  nicht  allein,  dass  bei  lang  fortgesetztem 
Gebrauche  die  normale  Lage  desselben  rascher  hergestellt 
wird,  es  heilen  auch  in  viel  kürzerer  Zeit,  die  bei  sehr  be- 
deutenden Graden  von  Anteversionen  vorkommenden,  gewöhnlich 
sehr  hartnäckigen  Excoriationen  und  Ulcerationen  der  Lippen, 
die  vorhandenen  Anschwellungen  mindern  sich  dabei  und  die 
vorhandenen,  durch  die  Anteversion  bedingten  örtlichen  Be- 
schwerden nicht  nur,  sondern  auch  die  quälenden  sympathischen 
Nervenaffectionen  sind  oft  augenblicklich  wie  durch  einen 
Zauberschlag  beseitigt,  so  lange  der  Ring  gut  liegt 

Anfangs  lasst  Herr  M.  die  Ringe,  deren  Grösse  sich 
nach  dem  Umfange  der  Yaginalportion  richtet,  nur  24  Stunden 
liegen,  später  bei  fortschreitender  Heilung,  länger  und  länger 
bis  zu  vier  und  mehr  Wochen,  da  sie,  wenn  sie  die  passende 
Grösse  haben  und  gut  liegen,  in  keiner  Weise  belästigen, 
sondern  vielmehr  sogar  das  Gefühl  einer  grösseren  Sicherheit 
beim  Stehen  und  Gehen  geben  und  selbst  schwächliche  Kranke 
zu  ungewohnten,  grösseren  Spaziergängen  befähigen.  In 
mehreren  Fällen  hatten  sie  auf  den  Verlauf  der  Menstruation 
gar  keinen  Einfluss,  in  einigen  anderen  dagegen  schienen  sie 
Schmerzen  hervorzurufen,  und  es  dürfte  daher  rathsam  sein, 
sie  während  dieser  Zeit  zu  entfernen,  immer  aber  erfordern 
sie  grosse  Reinlichkeit,  häufige,  mehrmalige,  tägliche  reinigende 
Injectionen,  weil  sie  sonst  leicht  durch  eine  vermehrte  Schleim- 
secretion  belästigen  könnten. 

Vor  Allem  ist  eine  sorgfältige  Application  nothwendig, 
denn  wenn  der  Ring  nicht  die  Vaginalportion  in  der  an- 
gegebenen Weise  umgiebt,  sondern  nur  gegen  dieselbe 
gedrückt  wird,   so  kann  er  nicht  nur  eine  Verschlechterung 


för  Geburtohülfe  in  Berlin.  425 

der  fehierhaflen  Lage,  sondern,  wie  M.  dies  einige  Male  bei 
kranken  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte,  bei  welchen  der 
Ring  von  nicht  geübten  Händen  eingebracht  war,  die  heftigsten 
Schmerzen  zur  Folge  haben. 

Da  bekanntUch  die  Phantasie  bei  den  Frauen  eine  grosse 
Rolle  spielt  und  ein  neues  Mittel,  eben  weil  es  neu  ist,  oft 
wunderbare  Wirkungen  hat,  so  pflegt  if.,  um  sich  von  der 
Wirkung  der  Ringe  zu  überzeugen,  den  Kranken  bei  der 
ersten  AppUcation  derselben  nichts  davon  zu  sagen  und  ist, 
wie  viele  Collegen  bezeugen  können,  fast  immer  mit  der 
Nachricht  überrascht  worden,  dass  die  Kranken  sich  plötzlich 
auffallend  wohler  fühlten  und  dass  eine  Reihe  von  nervösen 
Aflectionen  verschwunden  seien,  dass  sie  ohne  die  früheren 
Beschwerden  länger  stehen,  leichter  und  weiter  gehen  könnten, 
dass  die  bei  den  Anteversionen  häufig  vorkommenden  Mastdarm- 
be;$chwerden  und  Schmerzen  im  Kreuze  nachgelassen  hätten. 

Das  Nachlassen  der  örtlichen  Beschwerden  im  Mastdarme, 
in  der  Blase  u.  s.  w.,  in  Folge  des  Tragens  der  Ringe,  bietet 
noch  ein  anderes,  ein  wissenschaftliches  Interesse.  Bekanntlich 
schreibt  man  diese  Beschwerden  bei  den  Anteversionen  ge- 
wöhnlich dem  Drucke  des  Mastdarmes  durch  die  oft  sehr 
voluminöse  Yaginalportion  oder  der  von  dem  Fundus  gedrückten 
Harnblase  zu,  indessen  das  Verschwinden  oder  der  auffallende 
Nachlass  derselben,  nachdem  der  Uterus  aufgerichtet  und  ein 
Ring  applicirt  ist,  beweist  unverkennbar,  dass  nicht  der 
supponirte  Druck  die  Beschwerden  hervorruft,  sondern  dass 
sie  von  einer  Zerrung  der  Nerven  in  den  Ligamenten  und 
den  betbeiligten  Organen  ausgehen,  denn  die  Ringe  üben  bei 
ihrer  beträchtlichen  Dimension  und  bei  ihrer  festen,  derben 
Beschaffenheit  entschieden  einen  stärkeren  Druck  aus  als  die 
Vaginalportion  und  der  Fundus  uteri. 

Herr  Mayer  bedauerte  sehr,  dass  die  Zeit  ihm  gefehlt 
habe,  um  Auszüge  aus  seinen  Journalen  zu  einer  statistischen 
Zusammenstellung  über  das  Vorkommen  der  Anteversionen 
zu  machen  und  einige  passende  hierher  gehörende  Kranken- 
geschichten auszuwählen,  aber  er  verspricht,  das  Versäumte 
später  nachzuholen  und  bittet  die  Collegen,  ihre  Erfahrungen 
in  der  nächsten  Versammlung  mitzutheilen  und  sich  auf  die 
Discusnon  vorzubereiten. 


426  XXX.   Verhandlungen  der  GeselUchaft 

Sitzung  vom  24.  März  1863. 

Vom  Präsidenlen  wird  die  Discussion  über  den  von  ihm 
in  der  Sitzung  am  24.  Februar  gehaltenen  Vortrag  über 
Änteversion  eröffnet. 

Herr  L.  Mayer  äusserte  sich  in  folgender  Weise: 

Er  gehe  von  dem  Gesichtspunkte  aus,  dass  bei  einem 
Capitel,  wie  das  zur  Discussion  gestellte,  welches  schon  vielfach 
Gegenstand  wissenschaftlicher  Behandlung  geworden  sei  und 
bei  welchem,  trotz  der  Häufigkeit  des  Vorkommens  der  in 
Rede  stehenden  Abnormität,  noch  manche  Fragen  offen  seien, 
eine  Förderung  vielleicht  am  ehesten  durch  Zusammenstellung 
vieler  exacter  Beobachtungen  erzielt  werde.  Er  habe  deshalb 
der  Gesellschaft  möglichst  umfangreiche  statistische  Uebersichten 
über  Anteversio  uteri  geben  wollen,  habe  jedoch  der  Kfvze 
der  Zeit  wegen  sich  auf  einen  kleineren  Kreis  von  Beobachtungen 
beschränken  müssen,  als  es  ursprunglich  seine  Absicht  gewesen 
sei.  Für  diesmal  habe  er  aus  der  Zahl  seiner  Kranken,  der 
durch  die  Zeit  der  Consultationen  bedingten  Reihe  folgend, 
von  1000  an  den  Sexualorganen  leidenden  Frauen  und  Mädchen 
die  Lage  und  Gestaltveränderungen  des  Uterus  in  Betradit 
gezogen  und  behalte  sich  Mittheilungen  weiterer  Zusammen- 
stellungen für  eine  andere  Gelegenheit  vor.  Er  bemerke, 
dass  diese  1000  Kranke  den  höheren  und  mittleren  Ständen 
angehören,  da  sich  hinsichtlich  der  Lageveränderungen  des 
Uterus  Differenzen  zwischen  diesen  und  der  ärmeren  Volks- 
classe  ergeben,  insofern  Descensus  und  Prolapsus  uteri  unter 
den  Armen  bedeutend  häufiger  vorkommen,  als  unter  den 
mittleren  und  höheren  Volksschichten,  worauf  schon  wieder- 
holentlich  aufmerksam  gemacht  worden. 

Bevor  Herr  L.  Mayer  nun  zur  Betrachtung  der  zu- 
sammengestellten Lage-  und  Gestaltveränderungen  des  Uterus 
überging,  machte  er  einige  Bemerkungen  über  diesen  Gegen- 
stand im  Allgemeinen  und  kam  hier  zunächst  auf  die  Frage, 
ob  eine  bestimmte  normale  Lagerung  des  nicht  schwangeren 
Uterus  überhaupt  existire.  Er  erwähnte  der  hierüber  dis- 
sentirenden  Ansichten  und  sprach  seine  eigene  Meinung  dahin 
aus,  dass  die  ausserordentliche  Beweglichkeit  und  die  häufigen 


für  GeburtBhülfe  in  Berlin.  427 

Abweichungen  in  der  Lagerung  des  Uterus  niclit  berechtigen, 
eine  beslinimte  normale  Lagerung  des  Uterus  ganz  zu  läugnen. 
Die  Schwierigkeit,  hier  ein  Gesetz  aufzustellen,  liege  lediglich 
darin,  dass  grössere  Reihen  von  Messungen  fehlen  und  diese 
audi  in  der  That  schwer  zu  bewerkstelligen  seien.  Am 
meisten  empfehlen  sich  für  die  Bestimmung  der  Lage  des 
Uterus  und  für  die  Veranschaulichung  der  dabei  in  Betracht 
kommenden  Verhältnisse  Beckendurchschnitte.  Herr  L.  M. 
legte  der  Gesellschaft  die  schematische  Zeichnung  eines 
solchen  Beckendurchschnittes  in  der  Längenachse  des  Körpers, 
von  hinten  nach  vorn  geffihrt,  vor.  Es  war  in  derselben  das 
normale  Lagerungsverhältniss  der  Beckenorgane  bei  mittlerer 
Füllung  des  Rectum  und  der  Blase  dargestellt.  Diesem  Bilde 
hatte  Herr  L,  M.  theils  von  ihm  selbst  nach  der  Natur  ge~ 
fertigte  Zeichnungen,  theils  ähnliche  von  Kiwisch,  le  Jendre 
und  KohlrauBch,  mit  Berücksichtigung  der  Resultate,  welche 
sich  ihm  durch  die  Untersuchung  an  Lebenden  ergaben,  zu 
Grunde  gelegt  Die  Hauptmomente  der  Lagenmg  des  Uterus 
liessen  sich  in  Kürze  dahin  zusammenfassen,  dass  der  Fundus 
des  gesunden,  nicht  schwangeren  Uterus  im  normalen  Becken 
unter  der  Ebene  des  Beckeneinganges,  die  Längenachse  der 
Gebärmutter  in  dem  geraden  Theile  der  Führungslinie  des 
Beckens  liege  und  dass  die  Portio  vaginalis  in  der  mittleren 
Beckenapertur  stehe. 

Zur  Eruirung  der  Frage,  welchen  Einfluss  die  Ausdehnung 
der  Blase  im  Leben  auf  die  Lage  des  Uterus  übe,  habe  er 
eine  Reihe  von  Experimenten  gemacht  und  dabei  beobachtet, 
dass  die  Füllung  der  Blase  auf  die  Lage  des  Uterus  weniger 
von  Einfluss  sei,  als  man  a  priori  anzunehmen  geneigt  sein 
möge.  Er  habe  laue  Vt^asserinjectionen  bei  liegender  Stellung 
der  Frauen  in  die  Blase  ausgeführt.  Bei  unbedeutender  Aus- 
dehnung der  Blase  habe  sich  weder  der  Stand  der  Portio  vaginalis 
noch  der  des  Gorpus  uteri  merklich  verändert.  Sei  aber  die 
Blase  so  weit  ausgedehnt  worden,  dass  sie  bis  zum  Nabel 
oder  bis  dicht  unter  denselben  reichte,  so  sei  die  Vaginal- 
portion im  Minimum  um  7 — 8  Millimeter,  im  Maximum  um 
1,4 — 1,5  Gentime ter  nach  oben  gestiegen  und  habe  sich 
gleichzeitig  gegen  das  Os  sacrum  um  dieselbe  Distanzen  ge- 
senkt   Die  in  den  Uterus  eingeführte  Sonde  habe  sich  dem 


428  ^XX-    Verhandlongen  der  Geaellaohaft 

entsprechend  nach  hinten  gesenkt  Gleichzeitig  habe  ausser- 
dem eine  Senkung  des  Knopfes  um  %  bis  IV4  Centimeter 
stattgefunden,  indem  sich  das  ausserhalb  des  Körpers  befind- 
liche Ende  der  Sonde  um  diese  Entfernung  gehoben.  Der 
Uterus  erfahre  mithin  eine  Elevation,  erleide  dabei  gleichzeitig 
eine  Rückwärtsrückung  und  zwar  die  letztere  so,  dass  das 
Corpus  uteri  mehr  von  der  Achse  nach  hinten  abweiche,  als 
der  Cervix. 

Was  nun  die  Abweichungen  der  Lage  des  Uterus 
von  seiner  Norm  betreffe,  so  seien  sie  zurückzuführen  1)  auf 
Veränderungen  in  der  Stellung  der  Läugenachse  des  Uterus 
gegen  die  Beckenachse,  d.  i.  auf  die  eigentlichen  Didocationen, 
2)  auf  Abweichungen  der  Längenachse  des  Uterus  selbst  von 
der  geraden  Linie  durch  Krümmung  oder  Knickung,  welche 
man  gewohnt  sei,  von  jenen  als  Formfehler  des  Uterus  zu 
trennen,  3)  auf  Combinationen  beider  Abnormitäten. 

In  die  erste  Kategorie  gehören  die  Elevationen,  der 
Descensus,  der  Prolapsus  und  die  Ante-,  Retro-,  Lateral- 
Versionen  des  Uterus.  Den  Verhältnissen  entsprechend  sei 
bei  den  letzteren  das  Orificium  uteri  externum  nach  der  der 
vorliegenden  Version  entgegengesetzten  Richtung,  d.  i.  bei 
Vorwärtsbeugungen  nach  hinten,  bei  Neigung  nach  links  nach 
rechts  u.  s.  w.  gestellt.  Ausser  diesen  Lageveränderungen 
gehöre  in  dieselbe  Kategorie  eine  Dislocation,  bei  welcher 
der  Uterus  seiner  normalen  Richtung  parallel  nach  hinten 
oder  vorn  oder  nach  den  Seiten  gerückt  sei.  Er  bezeichne 
diese  Lageveränderung  als  Retro ^,  Ante-,  Latero-Posiüo, 
Vorwärts-,  Rückwärts-,  Seiten -Rückung  und  ist,  gestützt 
auf  eine  nicht  unbedeutende  Reihe  von  Beobachtungen,  der 
Ansicht,  dass  diesen  Dislocationen  eine  keinesweges  geringere 
praktische  Bedeutung  als  den  Versionen  beizulegen  sei. 

Die  zweite  Kategorie,  nämlich  die  Abweichungen  der 
Längenachse  des  Uterus  selbst  von  der  geraden  Linie  durch 
Krümmung  oder  Knickung,  umfasse  alle  Inflexionen,  nämlich 
Ante-,  Retro-,  Lateral -Flexionen.  Bei  diesen  liege  bekanntlich 
die  Knickungsstelle  zumeist  in  der  Gegend  des  Orificium  in- 
ternum  uteri.  Das  Corpus  uteri  stosse  hier  in  einem  Bogen 
oder  einem  Winkel  auf  den  Cervix.  Dieser  habe  entweder 
seine  Lage  nicht  verändert,  oder  er  sei  parallel  seiner  Achse 


für  Gebnrtshülfe  in  Berlin.  429 

nach  hinten  gerückt  Das  Orificium  uteri  extemum  bleibe 
nach  unten  gerichtet  Von  diesen  Flexionen  des  Uterus  seien 
winkelige  Abweichungen  in  der  Stellung  der  Uterusachse  zu 
trennen,  wo  die  Knickungsstelle  tiefer  unten  in  der  Portio  supra- 
vaginalis  oder  an  der  Grenze  derselben  und  der  Portio  vaginalis 
liege,  die  Theile  des  Uterus  oberhalb  der  Knickungsstelle 
aber  in  normaler  Lagerung  blieben.  Bei  diesen  Knickungen, 
die  übrigens  ziemlich  selten  seien  und  die  man  zum  Gegen- 
satze zu  den  Inflexionen  des  Uterus,  als  Inflexionen  der 
Portio  vaginalis  bezeichnen  könne,  stehe  das  Orificium  je 
nach  der  Richtung  der  Knickung  nach  vom,  nach  hinten  oder 
den  Seiten.  Eine  dritte  Inflexion,  die  wie  die  Flexion  der 
Portio  vaginalis  nicht  ohne  praktische  Bedeutung  sei,  bezeichne 
Herr  L,  M.  als  Incurvatio  oder  fnflexio  duplex.  Es  handle 
sich  hier  um  doppelte  Knickung  des  Uterus  nach  derselben 
Richtung,  indem  Fundus  wie  Cervix  winkelig  zur  normalen 
Achse  des  Uterus  stehen.  Je  nach  der  Richtung  dieser  Zu* 
sammenkrümmung  ergebe  sich  Incurvatio  duplex  nach  vorn, 
nach  den  Seiten  oder  nach  hinten.  Die  Stellung  des  Orificium 
extemum  entspreche  der  Richtung  der  Incurvatio  duplex, 
sei  also  bei  Incurvatio  duplex  nach  hinten  ebenfalls  nach 
hinten  gerichtet  u.  s.  w. 

Die  zur  dritten  vorher  aufgestellten  Kategorie  von  Lage- 
abwachungen  des  Utems  gehörigen  Fälle  seien  häufig  und 
vielseitig.  Es  kommen  Combinationen  nicht  nur  zweier, 
sondern  mehrerer  verschiedener  Lageabweichungen  vor,  und 
es  sei  oft  nicht  leicht,  eine  derselben  als  vorwiegende  zu 
bezeichnen. 

Nach  diesen  Voraussetzungen,  welche  Herr  L,  M.  an 
Zeichnungen  demonstrirte,  gab  er  die  Ueberskht  der  unter 
1000  Kranken  beobachteten  Abweichungen  von  der  normalen 
Lage  des  Utems.  Der  besseren  Uebersichtlichkeit  wegen  wurden 
von  ihm  in  der  folgenden  Zusammenstellung  bei  Combination 
mehrerer  Lageabweichungen  immer  nur  die  hervorragendsten 
aufgeführt 

Im  Ganzen  haben  sich  unter  1000  an  Krankheiten  der 
Sexualorgane  leidenden  Frauen  und  Mädchen  369  Lage- 
abweichungen des  Utems  gefunden.     Es  sind  also  etwa  auf 


430  XXX.    Yerhandlnogen  der  Gesellschaft 

27  Kranke  immer  10  mit  dieser  Abnormität  gekommen  oder 
36,9  Procent. 

Unter  diesen  369  Fällei>  sind  gewesen 
120  Anteflexionen ,  also  12  Procent, 
95  Retroflexionen ,  also  9,5  Procent, 
80  Anteversionen,  also  8  Procent, 

26  Retroversionen,  also  2,6  Procent, 

27  Probpsus  und  Descensus  uteri,  also  2,7  Procent, 

14  Lateralflexionen  und  Lateral  Versionen,  also  1,4  Procent, 

5  Retropositionen,  also  0,5  Procent, 

2  Incurvatio  duplex,  also  0,2  Procent 
Es  bestätige  sich  aus  dieser  Zusammenstdiung,  bemerkte 
Herr  L.  M,^  das  relativ  häufige  Vorkommen  der  Anteversio  uteri. 
Sie  schiiesse  sich  hierin  der  Anteflexio  und  Retroflexio,  den 
beiden  häuflgsten  Formabweichungen  des  Uterus,  an,  während 
die  ihr  in  obiger  Zusammenstellung  zunächst  in  der  Häufigkeit 
folgenden  Lageabweichungen ,  des  Prolapsus  und  die  Retroversio 
um  das  Dreifache  seltener  seien.  Für  die  selteneren  von  ihm 
oben  beschriebenen  Inflexionen  und  Dislocationen  bemerke  er, 
dass  er  sie  längere  Zeit  nicht  gebührend  gewürdigt,  deshalb 
vielleicht  öfter  öbersehen  habe.  Nach  seinen  Beobachtungen 
der  letzten  Jahre  seien  sie  wenigstens  häufiger  als  in  jener 
Zusammenstellung.  Femer  sei  nicht  zu  öbersehen,  dass  diese 
Zahlenverhältnisse  wegen  ihrer  Kleinheit  nicht  flberall  der 
Wirklichkeit  genau  entsprechen  möchten.  Sie  seien  aber 
gross  genug,  um  annähernd  richtige  Resultate  zu  geben  und 
hier  verwertliet  werden  zu  können.  Dasselbe  gelte  von  den 
folgenden  Zusammenstellungen  über  Anteversio,  auf  welche 
Herr  L.  M,  nunmehr  überging. 

Unter  obigen  80  Fällen  von  Anteversio  uteri  befinden 
sich  alle  Grade  dieser  Lageverändenmg  von  spitzwinkeliger 
Stellung  der  Achse  des  Uterus  zur  Beckenachse  bis  zur  an« 
nähernd  rechtwinkeligen.  Auch  sind  darunter  fünf  Fälle  von 
Combination  der  Anteversio  mit  Anteflexio  uteri  begriffen. 
Intrauterine  Graviditäten  blieben  ausgeschlossen. 

In  einer  verbal tnissmässig  geringen  Zahl  dieser  80  Ante- 
versionen konnten  determinirende  Ursachen  für  die  Dislocation 
in  dem  anatomischen  Vorhalten  der  Gebärmutter  und  ihrer 
Nachbarorgane  nachgewiesen  werden.    Nämlich  fünf  Mal  waren 


für  GebortsBülfe  in  Berlin.  43t 

beträchtliche  Fibroide,  drei  Mal  in  den  Wandungen,  zwei  Mal 
im  CaYum  uteri  vorhanden;  drei  Mal  grosse  Ovarialtumoren, 
drei  Mal  Beckenabscesse.  Unzweifelhaft  seien  in  diesen  Fällen 
durch  die  Fremdbildungen  secundäre  Anteversionen  entstanden. 
Zu  derselben  Art  von  Yorwärtsbeugungen  gehören  ferner 
sieben  Fälle,  in  welchen  die  Gebärmutter  durch  peritonäale 
Verwachsungen  in  der  anomalen  Lage  fixirt  worden.  Unter 
diesen  sieben  Beobachtungen  sei  nur  zwei  Mal  der  obere 
Theil  des  Uterus  vorn  fixirt  erschienen,  fünf  Mal  dagegen  das 
untere  Uterinsegment  nach  hinten  gezogen  und  mit  dem  Rectum 
verlöthet  gewesen.  Im  Ganzen  seien  dies  nur  18  Beobachtungen 
von  consecutiver  Anteversion  oder  20  Procent.  Rechne  man 
von  den  übrig  bleibenden  62  Vorwärtsbeugungen  noch  die- 
jenigen ab,  welche  mit  anderen  Lagevevänderungen  combinirt 
gewesen,  nämlich  zwei  mit  Deviationen  des  Uterus  nach  den 
Seiten,  sieben  mit  Descensus  uteri  und  Prolapsus  vagtnae, 
fünf  mit  Anteflexion,  also  im  Ganzen  14,  so  bleiben  48, 
d.  i.  60  Procent  Anteversionen,  die  zu  den  sogenannten 
primären  gerechnet  werden  müssen.  Unter  diesen  48  Ante- 
versionen haben  sich  45  mit  chronischer  Metritis  gepaart 
gefunden,  unter  diesen  wieder 

3  ohne  Erosionen  der  Muttermundslippen  und  ohne  wahr- 
zunehmende  entzündliche  Schwellung   des  Uterus,   nur 
Schmerzhaftigkeit  uiid  Hyperämie  desselben, 
18  mit  Erosionen  ohne  Schwellung, 
7  ohne  Erosionen  mit  Schwellung, 
17  mit  Erosionen  und  mit  Schwellung. 

Zwei  von  jenen  48  Anteversionen  haben  eine  nicht  un- 
erhebliche Hypertrophie  des  ganzen  Organs  gezeigt.  Es  seien 
Hypertrophien  überhaupt,  ausser  in  diesen  beiden  Fällen,  noch 
fünf  Mal  im  Ganzen  beobachtet  worden,  und  zwar  drei  Mal 
unter  den  fünf  mit  Anteflexio  combinirten  Anteversionen, 
zwei  Mal  bei  Fibroiden.  Bedeutendere  Vergrosserungen  des 
unteren  Uterinsegments  seien  zwei  Mal  und  zwar  bei  chronischer 
Metritis  mit  Intumescenüa  uteri  gefunden. 

Als  fernere  Complicationen  seien  aufzuführen:«. 
3  kleine  dicht  am  Orificium  extemum  wurzelnde  Schleim- 
polypen, 
13  Endometritis  chronica. 


432  XXX.    VerhAndlangen  der  Gesellschaft 

2  Cysütis  chronica, 
11  Intumescentia  hepaüs, 
14  Vaginiüs  und  Vulvitis, 

4  Oophoritis  chronica, 

6  Catarrhus  bronchialis, 

4  Tuberculosis  pulmonum, 

1  Tabes  dorsualis, 

1  Hemia  inguinalis. 
Unter  allen  80  Auteversionen  sei  nur  eine  einzige  ge- 
funden, bei  welcher  keine  Complicationen  wahrzunehmen 
gewesen.  Der  Uterus  habe  hier  eine  fast  horizontale  Richtung 
gehabt,  sei  nicht  schmerzhaft,  dabei  beweglich  und  leicht 
zu  reponiren  gewesen.  Es  betreffe  diese  Beobachtung  eine 
31jährige,  gracile  Frau,  die  in  ihrem  letzten  vierten  Wochen- 
bette am  fünflen  Tage  nach  der  Geburt  das  Bett  verlassen 
und  unvorsichtiger  Weise  häusliche  Beschäftigungen  verrichtet, 
sich  eine  Anteversio  uteri  zugezogen  und  seit  dieser  Zeit  an 
Meteorismus,  Obstruction,  Schmerzen  bei  der  Deiacation,  Dnick 
im  Kreuze  und  Schwere  in  den  Schenkeln  gelitten  habe.  Eine 
fernere  Erscheinung  der  abnormen  Lage  sei  hier  die  gewesen, 
dass  die  Frau  nicht  wieder  concipirt,  während  sie  vorher 
jedes  Jahr  geboren  habe.  Diese  Vorwärtsbeugung,  welche 
übrigens  beweise,  dass  Krankheitssymptome  nicht  nur  von 
den  vorhandenen  begleitenden  krankhaften  Zuständen,  sondern 
von  der  Anteversio  allein  abhängen  können,  gehöre  hinsichtlich 
der  Genese  zu  den  häufigen  Vorkommnissen.  Denn  gerade 
der  puerperale  Uterus  habe  sehr  oft  Lageabweicbungen  zu 
erleiden.  Das  Auffallende  hierbei  liege  darin,  dass  sich  trotz 
der  Dislocation  des  Uterus,  derselbe  zur  normalen  Grösse  und 
Beschaffenheit  zurückgebildet  habe.  Als  Regel  will  Herr  L.  M. 
Folgendes  festgehalten  wissen.  Bei  gewissen  disponirenden 
Zuständen  des  Uterus,  wohin  zu  rechneu  Aenderungen  in  der 
Beschaffenheit  seines  Parenchyms ,  im  Tonus  seiner  Muskulatur 
wie  in  seiner  Grösse  seien  vorübergehende  oder  dauernde 
schädliche  Einflüsse  geeignet,  Dislocationen  und  Inflexionen 
hervorzubringen.  Vorübergehende  Ursachen  seien  gewaltsame 
Entbindungen  oder  Placentalösungen ,  heftige  Wirkungen  der 
Bauchpresse  bei  starkem  Husten,  Heben  u.  s.  w.,  violenter 
Coitus,    Erschütterungen   des   ganzen    Körpers   durch   Fallen, 


r 


Ar  QebarUhiUfe  in  Berlin.  433 

Reiten,  Springen  u.  s.  w.  Zu  den  dauernden  Einflüssen  seien 
alle  die  zu  rechnen,  welche  die  sogenannten  secundSren  Ante- 
▼ersionen  erzeugen.  Es  präexistiren  nun  in  Fällen  neu  ent- 
standener Lageabweichung  des  Uterus  entzündliche  Processe 
mit  oder  ohne  Anschwellung  des  ganzen  Organs,  oder  sie 
seien  gleichzeitige  Folgen,  des  schädlichen  Einflusses,  Alsdann 
sei  die  Lageabweichung  nicht  nur  Ursache  der  Unterhaltung, 
sondern  geeignet,  neue  krankhafte  Zustände  hervorzurufen. 
Im  Puerperium  behindere  sie  die  normale  Rückbildung  der 
Gebärmutter.  Die  krankhaften  Veränderungen  wiederum  be- 
günstigen das  Fortbestehen  und  die  Verschlimmerung  der 
Lageabweichungen.  Es  etablire  sich  also  ein  Circulus  yitiosus. 
Dass  gerade  Entbindungen  und  Vt^ocbenbetten  eine  reiche 
Quelle  für  Lageabweichungen  des  Uterus  seien,  bestätige  sich 
für  die  in  Betracht  gezogenen  Anteversionen. 

Von  Mehrgebärenden  litten  43  an  Anteversio  uteri. 
M    Erstgebärenden      „     20   „  „  „ 

„    sterilen  Frauen     „      14  „  „  „ 

„    Mädchen  „       3   „  „  „ 

Noch  beweisender  sei,  dass  in  36  Fällen  (13  Mal  bei 
Erstgebärenden,  23  Mal  bei  Mehrgebärenden)  diese  Lage- 
abweichung mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  auf  Vt^ochenbetteii 
zurückzuführen  gewesen  und  nur  fünf  Mal  auf  mechanische 
Einflüsse  ausserhalb  des  VVochenbettes.  In  37  Fällen  sei 
keine  Ursache  anzugeben  gewesen. 

Hinsichtlich  der  Symptomatologie  äusserte  sich  Herr  L.  M, 
dahin,  dass  es  angemessen  erscheine,  die  schon  erwähnten 
beiden  Gruppen  der  Anteversionen,  für  die  er  der  Kürze 
wegen  die  Bezeichnung  der  primären  und  secundären  oder 
consecutiven  beibehalten  wolle,  von  vornherein  zu  trennen. 
Bei  den  secundären  nämlich  trete  die  Dislocation  des  Uterus 
in  der  Regel  in  den  Hintergrund,  mindestens  bleibe  es 
zweifelliaft,  ob  überhaupt  und  welche  Symptome  der  Dis- 
location zuzuschreiben.  Die  Combinationen  verschiedener 
Lageabweichungen  mit  Anteversio  wolle  er  aus  nahe  liegenden 
Ursachen  auch  .  hier  wieder  den  consecutiven  anschliessen. 
Was  die  primären  Anteversionen  angehe,  so  bleibe  es  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  auch  bei  ihnen  unentschieden,  weiche 
Erscheinungen  den  vorhandenen  entzündlichen  Reizungen  und 

MonaUMhr.  f.  Geburtsk.  1868.  Bd.  XXI.,  Hit.  6.  28 


434  XXX.    Yerhandlnogen  der  GeBellBchaft 

sonstigen  Complicationen,  welche  der  Dislocation  des  Uterus 
zuxuschreiben.  Wie  es  nun  nach  der  einen  Seite  zu  weit 
gegangen  sei,  wenn  man  überhaupt  leugne,  dass  die  Anteversiu 
einen  eigenen  Symptomencomplex  biete,  so  scheine  es  ihm 
auch  nach  der  anderen  Seite  unrichtig,  den  Lageabweichungen 
eine  gewichtigere  Rolle  zuzuertheilen,  als  den  Complicationen 
derselben.  Beide,  Complication  wie  Lageabweichung  des 
Uterus  haben  ihre  Berechtigung  in  der  Symptomatologie. 
Beide  wirken  auf  den  Organismus,  wieweit  der  Einfluss  der 
einen  oder  der  anderen  sich  erstrecke,  richte  sich  nach  den 
Verhältnissen  jedes  einzelnen  Falles. 

Von  Symptomen,  die  in  das  Bereich  gestörter  Functionen 
des  Sexualapparates  fallen,  sei  am  öftesten  mehr  oder  weniger 
profuse,  schleimig  eiterige  Blennorrhoe  beobachtet: 
unter  32  secundären  Anteversionen  7, 
„     47  primären  „  24. 

Unregelmässigkeiten  im  Typus  der  Menstruation  0  und  2, 
Menorrhagien  5  und  6, 
Sterilität  6  und  8. 
Von  subjectiven,  in  dasselbe  Bereich  fallenden  Symptomen: 
Dysmenorrhoe  4  und  8, 
Schmerzen  in  der  Regio  iliaca  dextra  2  und  1, 
desgl.  in  der  Regio  iliaca  sinistra  2  und  3, 
desgl.  im  Os  sacrum  6  und  10, 
Gefühl  von  Pressen  nach  unten  0  und  3, 
Schmerzen  im  Hypogastrium  1  und  3. 
Die  Blase  habe  öfter  als  das  Rectum  Erscheinungen  der 
Betheiligung   geboten.     Von   häufigem   Drange    zur   Blasen- 
enlleerung  bis  zur  quälendsten  Strangurie  sah  Herr  Z.  M. 
9  und  15  Fälle,   ausserdem  zwei  Mal  Cystitis  chronica   mit 
Eiterabgang. 

Erschwemiss  der  Defacation  und  Tenesmus  1  und  9. 
Anderweitige  Störungen  in  den  Verdauungsapparaten  8  und  17. 
Hartnäckige  Obstruction  5  und  18. 
Chronische  Diarrhöen  0  und  1. 

Ein  nicht  unbedeutendes  Contingent  zur  Symptomenreilie 
liefern  die  consensuellen  Neurosen.  Unter  diesen  besonders 
die  Hyperästhesien.  Nämlich  Neuralgien  des  Nervus  quintus, 
des  Schenkelgeflechts,  Brennen  und  Kältegefühl,  Formicationen, 


für  Geburtoholfe  in  Berlin.  435 

Vertigo,  Gastrodynien ,  Angina  pectoris,  Hemicranie.  Selten 
seien  die  Anästhesien  und  die  beobachteten  nur  auf  einzelne 
Nervenbahnen  beschränkt  gewesen.  Von  Motilitätsneurosen 
haben  sich  besonders  zum  Gebiete  des  Sympathicus  gehörige 
gehend  gemacht.  Er  führe  an  Globus  bystericus,  Nausea, 
Vomituritionen.  Alle  zusammengefasst  seien  es  10  und  26. 
Der  der  Tabes  dorsualis  angehörige  Symptomencomplex  sei 
ein  Mal  beobachtet. 

lieber  die  in  den  80  zusammengestellten  Anteversionen 
angewandte  Therapie  fährt  L.  M.  an,  dass  sich  bei  dem 
grösseren  Theile  der  consecutiven  Anteversionen  die  Behandlung 
auf  die  determinirenden  Krankheiten  beschränkt  habe.  Aber 
auch  bei  allen  übrigen  Anteversionen  sei  den  begleitenden 
Eotzündungsprocessen  der  Gebärmutter  und  ihrer  Umgebung 
in  der  Regel  anfänglich  eine  grössere  Aufmerksamkeil  zugewandt 
worden,  als  den  Dislocationen  selbst  Zumeist  sei  erst  nach 
Hebung  derselben  ein  die  Lage  rectificirendes  Verfahren  ein- 
geschlagen und  zwar  eben  nur  in  den  Fällen,  wo  es  durch 
fortbestehende  Krankheitssymptome  geboten  erschienen.  Häufig 
sei  dies  aber  bei  geringeren  Graden  von  Anteversio  uteri 
nicht  mehr  erforderlich,  weil  mit  Hebung  der  begleitenden 
Krankheitszustände,  auch  alle  Symptome  geschwunden  seien. 
Von  80  Kranken  mit  Anteversionen  seien  49  ohne  eine,  die 
Lage  normirende  Behandlung  geblieben;  31  dagegen  einei* 
solchen  unterzogen.  Von  den  ersteren  seien  8  geheilt,  29  haben 
Besserung,  theils  geringere,  theils  bis  zur  fast  völligen  Hebung 
der  Beschwerden  erfahren.  Bei  12  sei  die  Behandlung  ohne 
Erfolg  geblieben.  Mehrere  dieser  Kranken  haben  jedoch  die 
Beendigung  der  Cur  nicht  abgewartet 

Er  übergehe  die  Behandlung  der  Complicationen  als  nicht 
]iierlier  gehörig.  Der  Application  des  Speculum  erwähne  er 
als  eines  nicht  unerheblichen  Mittels  für  die  Rectification 
leichtgradiger  Anteversionen.  Insonderheit  übe  es  einen  Ein- 
fluss,  wenn  es  öfter  längere  Zeil  liegen  bleibe.  Es  bedürfe 
hier  kaum  der  Erwähnung,  dass  von  einem  Nutzen  nur  die 
Rede  sein  könne,  wenn  das  Orificium  externum  uteri  mitten 
in  das  Speculum  und  möglichst  in  die  Führungslinie  gebracht 
sei.  Dass  dies  häutig  nur  mit  Schwierigkeit  zu  bewerkstelligen, 
oft   auch   erst   allmälig   nach   wiederholter  Application   völlig 

SS* 


436  XXX.   Verhuidlaiigeii  der  OeaeHscliAft 

glücke,  sei  jedem  Frauenarzte  bekannt  Er  habe  mit  Be- 
seitigung der  entzündlichen  Erscheinungen  und  Heihmg  der 
Erosionen  nicht  selten  eine  alhnälige  Besserung  der  Lage  bis 
zur  Normirung  durch  diese  Anwendung  des  Speculums  erzielt, 
unter  49  behandelten  Anteversionen  acht  Ma]  Heilung.  Bei 
hochgradigen  Anteversionen  glücke  eine  Nonnirung  durch  dii' 
Application  des  Speculum  nicht  leicht  In  der  Regel  genfige 
aber  auch  hier  die  Beseitigung  der  Complicaüonen  nicht  Er 
habe  unter  den  80  Fällen  von  Anteversio  als  weitere  Mittel 
zur  RecüGcation,  die  Sonde,  Schwämme  und  Charpietampons 
in  Anwendung  gezogen.  Die  fortgesetzte  Behandlung  mit  der 
Sonde,  fügte  Herr  L.  M.  hinzu,  ersetze  er  im  AUgemeinen 
am  Uebsten  überall,  wo  es  sich  thun  Hesse,  durch  andere 
Verfahren.  Er  sei  deshalb  kein  Feind  der  Sonde,  leugne 
auch  nicht,  dass  ein  vorsichtiger  Gebrauch  derselben  von 
geübter  Hand,  in  Fällen,  wo  keine  Contraindication  für  ihre 
Application  vorliege,  ohne  Nachtheil,  ebenso  dass  sie  bei  den 
Flexionen  und  oft  zur  Sicherung  der  Diagnose  unentbehrlich  sei 
Sie  bringe  aber  nicht  seilen  einen  Reizungszustand  der  Mucosa 
des  Uterus  hervor  und  rufe  krankhafte  Secretionen  hervor  odar 
steigere  solche.  Er  habe  daher  auch  die  Sonde  in  den  80  Fällen 
von  Anteversionen  nicht  häufig  und  immer  nur  da  in  Gebrauch 
gezogen,  wo  die  Reposition  des  Uterus  mit  der  Hand  oder 
durch  Schwämme  oder  durch  Charpietampons,  welche  mit 
Hülfe  einer  geeigneten  Zange  möglichst  hoch  in  den  vorderen 
Vaginalgrund  hinauf  geschoben  werden,  nicht  geglückt; 
Charpietampons,  die  auch  durch  Watte  zu  ersetzen  und  deren 
Grosse,  wie  die  eines  Schwammes,  nach  dem  vorliegenden 
Falle  zu  bemessen  seien,  gebe  er  deshalb  im  Allgemeinen 
den  Vorzug  vor  den  Schwämmen,  weil  sie  das  Vaginalgewülbe 
weniger  leicht  erodiren,  auch  Secrete  nicht  so  leicht  in  sich 
aufnehmen  und  zersetzen.  Sowohl  Charpie  als  Schwämme 
lasse  er  einen  bis  zwei,  nie  länger  als  drei  Tage  liegen  und 
ersetze  sie  dann  durch  frische.  Mit  Schwämmen  seien  im 
Ganzen  von  den  obigen  Kranken  20  behandelt  Von  diesen 
gelangten  17  zur  Besserung  des  Befindens  und  der  Gebär- 
mutterlage bis  zur  fast  volligen  Herstellung.  Drei  Frauen 
wurden  geheilt  Charpietampons  seien  im  Ganzen  fünf  Mal 
in  Anwendung  gezogen,  in  allen  Fällen  bedeutende  Besserung 


tnr  Gebartohülfe  in  Berlin.  437 

erreicht;  die  Sonde  endlich  sechs  Mal  mit  einer  Heiliing  und 
fünf  Besserungen.  Die  Dauer  der  Behandlung  sei  sehr  ver- 
schieden gewesen.  Die  grösste  Zahl  der  Kranken,  nämlich  27, 
seien  zwei  bis  drei  Monate  behandelt ;  16  von  einem  Viertel- 
jahre bis  zu  einem  Jahre  und  eben  so  viel  ober  ein  Jahr. 

Herr  L.  M.  fügte  hieran  einige  Bemerkungen  Ober  Er- 
fahrungen, die  er  im  Laufe  späterer  Jahre  mit  anderweitigen 
rectificirenden  Behandlungsweisen  der  Anteversionen  gemacht. 
Die  iSimpaon'schen  Redresseure  seien  von  ihm  nur  selten  in 
Anwendung  gezogen.  Er  habe  gefunden,  dass  sie  leicht  be- 
denkliche Reizungen  hervorbringen,  selbst  wenn  sie  anfänglich 
gut  vertragen  wurden.  Seiner  Ueberzeugung  nach  seien  diese 
Instrumente  nur  bei  völliger  Atonie  und  SchlaiTheit  des  Uterus 
und  Abwesenheit  aller  Complicationen  ohne  Gefahr,  und  selbst 
in  diesen  Fällen  zweifle  er  nicht,  dass  durch  länger  fort- 
gesetztes Tragen  derselben  hartnäckige  Blennorrhöen  des 
Uterus  ausgebildet  werden.  Er  habe  es  deshalb  vorgezogen, 
von  wdteren  Experimenten  mit  ihnen  abzustehen  und  lieber 
den  sicheren  Weg  zu  gehen.  Ferner  habe  er  Versuche  mit 
selbstgeformten,  in  der  Fläche  gebogenen  Gutta -Percha- Ringen 
gemacht  Sie  seien  für  jeden  vorhegenden  Fall  zu  formen 
und  haben  zum  Theil  günstige  Resultate  ergeben.  Er  müsse 
aber  bemerken,  dass  sie  bei  nicht  weiten  Genitalien  schmerz- 
haft zu  apphciren  seien,  da  das  Gutta -Percha  nach  dem 
Erkalten  hart  und  unelastisch  werde.  Derselben  Eigenschaft 
wegen  verursache  es  Druck  auf  die  inneren  Theile,  wenn  die 
Ringe  nicht  sehr  passend  gearbeitet  seien,  sitzen  auch  dann 
nicht  fest  Anders  verhalte  es  sich  mit  den  elastischen 
Carl  Ifayer'schen  Gummi -Ringen.  Sie  lassen  sich  nicht 
nur  leicht  und  ohne  grosse  Schmerzen  appliciren,  üben 
auch  weniger  Druck  und  sitzen  fester.  Sie  werden  deshalb 
leichter  als  andere  Apparate  selbst  bei  geringen  Graden 
chronischer  Metritis  vertragen.  Er  habe  sie  sogar  bei  Ovarial- 
geschwülsten ,  bei  bedeutenden  Intumescenzen  des  Uterus, 
bei  Cystitis  chronica,  bei  Polypus  in  cavo  uteri,  sowie  bei 
Verwachsungen  und  Verdickungen  als  Residuen  abgelaufener, 
entzündlicher  Processe  mit  Nutzen  in  Anwendung  gezogen. 
Die  Heilung  der  Erosionen  wird  durch  sie  eher  befördert  als 
veriiindert.     Frdlich  sei  die  Grösse  der  Ringe  mit  Vorsicht 


438  XXX.   VerbandliingeB  der  Oetellschaft 

für  jeden  einzeliien  FaU  zu  bemessen,  da  zu  grosse  Ringe 
leicht  Reizung  erzeugen.  Auch  dürfe  bei  reizbaren  Personen 
der  Ring  nicht  zu  lange  Zeit  liegen  bfeiben.  Der  Organismus 
gewöhne  sich  häufig  erst  aUmälig  an  denselben.  Es  sei  dann 
nothwendig,  ihn  in  längeren  oder  kürzeren  Zwischenräumen 
zu  entfernen  und  wieder  einzubringen.  Sobald  die  nöthige 
Gewöhnung  eingetreten,  werde  der  Ring  von  den  Patienten 
ohne  Beschwerden  lange  Zeit,  selbst  während  der  Menses 
vertragen.  Contraindicirt  seien  die  Ringe  bei  acuter, 
subacuter  und  hohem  Grade  chronischer  Metritis,  sowie  bei 
entzündlichen  Processen  in  der  Umgebung  des  Uterus  besonders 
um  den  Cervix.  Nicht  bloss  in  diesen,  sondern  überhaupt 
bei  Weitem  in  den  meisten  Fällen  müsse  der  Application  der 
Gummiringe  eine  local  antiphlogistische  und  allgemeine,  sich 
nach  den  Verhältnissen  richtende  Behandlung  vorhergehen. 
Er  habe  von*  den  Fällen,  in  denen  er  während  der  beiden 
letzten  Jahre  den  Gummiring  angewandt  habe,  64  zusammen- 
gesteUt,  und  unter  diesen  nur  vier  Mal  sofort  mit  Application 
des  Ringes  vorgehen  können.  Unter  jenen  64  Fällen  be- 
finden sich 

6  Anteflexionen, 
37  Anteversionen, 

3  Combinationen  von  Anteflexio  und  Anteversio, 

4  Retroflexionen, 
6  Retroversionen, 

1  Combination  von  Retroflexio  und  Retroversio, 
1  Retropositio  mit  Retroflexio, 

1  Antepositio, 

2  Descensus  uteri  mit  Prolapsus  vaginae, 

3  Inflexio  duplex. 

Es  liege  ausser  der  Grenze  dieser  Besprechung  näher 
auf  eine  Betrachtung  der  Anwendung  des  Ringes  in  sämmt- 
liehen,  soeben  angeführten  Lageabweichungen  einzugehen,  er 
wolle  deshalb  nur  kurz  die  Resultate  der  Behandlung  mit 
dem  Ringe  in  den  64  Fällen  angeben,  und  dann  etwas  aus- 
führlicher die  Ergebnisse  bei  den  Anteversionen  vorführen. 
Es  seien  in  allen  64  Fällen  17  Heilungen,  36  Besserungen 
verschiedenen  Grades  erzielt  Sieben  Mal  sei  die  Behandlung 
mit  dem   Ringe    ohne  Eifolg   geblieben  und   vier  Mal  habe 


I 


für  Gebartehfilfe  in  Berlin.  439 

dieselbe  wegen  zunehmender  Beschwerden  aufgegeben  werden 
rodssen.  In  den  sieben  vorletzten  Fällen  seien  bedeutendere 
Hypertrophien  des  Uterus,  Combination  mit  Anteflexio,  In- 
flexio  duplex  mit  Adhäsionen  und  eine  RetroQexio  vorhanden 
gewesen.  Die  vier  zuletzt  angefahrten  Beobachtungen  fallen 
in  das  Bereich  der  Anteversionen.  Von  jenen  37  Anteversionen 
seien  9  geheilt,  21  gebessert,  7  ohne  Erfolg  behandelt. 

Unter  den  vier  bereits  erwähnten  Anteversionen,  bei 
welchen  die  Behandlung  mit  dem  Ringe  wegen  heftiger  Be- 
schwerden nicht  fortgesetzt  werden  konnte,  seien  in  dem 
einen  eme  Febris  gastrica  und  locale  Peritonitis  während  der 
Behandlung,  wahrscheinlich  durch  Erkältung,  hinzugetreten. 
Im  zweiten  habe  es  sich  um  eine  bedeutende  Intumescentia 
uteri  gehandelt  Im  dritten  und  vierten  Falle  sei  die  Ante- 
versia  mit  Lateral -Positionen  des  Uterus  combinirt  und  der 
Uterus  in  den  oberen  Theilen  durch  Adhäsionen  fixirt  gewesen. 
Der  Ring  sei  hier  ziemlich  leicht  eingebracht  worden,  die 
Yaginalportion  habe  sich  aber  beim  Gehen  schief  gestellt  und 
dm  Ring  aus  der  ihm  zukommenden  Lage  gedrängt,  wodurch 
lebhafte  Schmerzen  entstanden  wären.  Die  Normirung  der 
Lage  glücke  überhaupt  nicht  immer  sofort  vollkommen  durch 
den  Ring,  zumal  wenn  der  Uterus  nicht  frei  beweglich  sei. 
Aber  auch  im  entgegengesetzten  Falle  stelle  sich  der  Ring 
anfanglich  nicht  selten  schräg  von  unten  vom  nach  hinten 
oben,  es  müsse  alsdann  der  vordere  Theil  des  Ringes  immer 
wieder  aufs  Neue  hochgeschoben  werden  und  der  Uterus 
bequeme  sich  alhnälig  dazu,  in  die  normale  Lage  zurück- 
zukehre.  Unter  sämmtlichen  64  Beobachtungen  sei  die  Lage 
sofort  19  Mal  vollkommen,  45  Mal  unvollkommen  normirt 
worden.  Unter  den  37  Anteversionen  12  Mal  vollkommen 
und  25  Mal  unvollkommen.  Den  Effect,  welchen  der  Gummi- 
ring auf  die  subjectiven  Erscheinungen  hervorbringe,  sei  sehr 
verschieden,  nicht  selten  aber  überraschend  günstig.  Es  seien 
hervorgetreten : 

Sofortige  Hebung  fast  aller  Beschwerden  oder  bedeutende 
Bessenmg  derselben  18  Mal. 

Ailmälige  Besserung  23  Mal. 

Anfänglich  Vermehrung,  dann  Besserung   der  Beschwerden 
12  Mal. 


1 


440  XXX.    Verbaadlangen   der  Gesellschaft 

Keine  merkliebe  Wirkung  7  Mal 

Anhaltend  sich  steigernde  Beschwerden  3  Mal. 

Anfänglich  Erleichterung,  dann  Vennehrung  derselben  1  Mal. 


Herr  Martin  gab  das  Resultat  seiner  Erfahrungen  über 
Anteversio  und  Anteflexio  uteri  vacui  in  folgenden 
Sätzen. 

Bei  der  beweglichen  Stellung  der  nichtschwangeren  Gebär- 
mutter, welche  wesentlich  nur  durch  die  normal  beschaflene 
Fasda  pelvis  und  die  Ligamenta  pubo-yesico  uterina  und 
sacro-recto- uterina  vor  dem  Herabsinken  bewahrt  wird,  in 
ihrem  Verhältnisse  zur  Achse  des  Beckeneinganges  aber  im 
physiologischen  Verhalten  vorzfiglich  yon  den  FüUuqgszuständen 
der  Harnblase  und  des  Mastdarmes  abhängt,  ist  zunächst  der 
Begriff  der  Anteversio  uteri  genau  festzustellen.  Nach 
Jlf.'s  Meinung  können  nur  andauernde,  sowohl  beim  aufrechten 
Stehen  als  auch  bei  der  horizontalen  Ruckenlage  bemerkliche 
derartige  Lageabweichungen,  bei  welchen  die  Längsachse  des 
Uterus  mit  dem  Fundus  nach  vom  in  einem  dem  rechten 
sich  nähernden  Winkel  die  Achse  des  Beckeneinganges  schneidet, 
so  dass  nicht  allein  der  Muttermund  mehr  als  ge- 
wöhnlich gegen  die  hintere  Beckenwand  gerichtet, 
sondern  auch  die  vordere  Wand  des  Mutterkörpers 
vorn  durch  das  Scheidengewölbe  fühlbar  ist,  als 
Vorwärtsneigungen  bezeichnet  werden.  So  lange  dieser 
Winkel  ein  sehr  spitzer  ist,  dürfte  die  Anteversio  immer 
noch  in  das  Bereich  der  Varianten  oder  des  Physiologischen 
zu  zählen  sein.  Die  erheblicheren  Vorwärtsneigungen  sind 
aber  nach  M*s  Erfahrung  selten  ohne  Beugung  der  Achse 
des  Uterus  selbst  anzutreffen,  und  es  bleibt  daher  hier  die 
Betrachtung  der  Anteflexionen  um  so  weniger  auszuschliessen, 
je  allmäliger  die  Uebergänge  der  Vorwärtsneigung  in  die 
Beugung  sowohl  bei  mehreren  Fällen  neben  einander  als  auch 
bei  der  Entwickelung  des  Fehlers  in  dem  gegebenen  einzelnen 
Falle  sich  darstellen.  Wenn  auch  anatomisch  die  Flexionen 
von  den  Versionen  wesentlich  verschieden  erscheinen,  so  ist 
doch  für  den  Kliniker  die  Grenze,  abgesehen  von  den  höheren 
Graden  der  Flexionen ,  eine  ohne  Willkür  kaum  zu  ziehende. 


mr  GebnrtBhülfe  in  Berlin.  441 

falls  man  nicht  dabei  in  das  Bereich  der  Spitzfindigkeiten 
fallen  und  etwa  jede  Richtung  des  Muttermundes  nach  hinten 
allein  für  maassgebend  erklären  will. 

Nach  Martin'^  Erfahrung  genügt  es  aber  weder  für  die 
Prognose  noch  für  die  Therapie  zu  constatiren,  dass  im  vor- 
kommenden Fall  eine  Vorwärtsneigung  und  Beugung 
bestehe;  vielmehr  müssen  die  besonderen  Verhältnisse, 
unter  welchen  der  gedachte  Gestalt-  oder  Lagenfehler  des 
Uterus  sich  zeigt  in  Betracht  gezogen  werden:  Die  sorgfaltige 
Beobachtung  zahlreicher  Fälle  von  Anteversionen  des  Uterus 
hat  ihn  in  dieser  Hinsicht  folgende  wesentliche  Unterschiede 
gelehrt,  welche  M.  folgende,  bestimmt  begrenzte  Gruppen 
zu  statuiren  veranlassen: 

1.  Vorwärtsneigungen  und  Beugungen  mit  Be- 
weglichkeit des  Uterus. 

Diese  findet  man:  a)  bei  Personen,  welche  noch  nicht 
geboren  haben  und  wenn  verheirathet  meist  steril  sind.  Der 
Uterus  ist  dabei  entweder  überhaupt  sehr  klein,  mangelhaft 
entwickelt,  ungewöhnlich  beweglich,  oder  ungleichmässig 
entwickelt,  so  dass  die  hintere  Wand  länger  und  stärker 
ausgdbildet  erscheint  als  die  vordere.  Biswdlen  fand  Jfor^n 
dabei  den  Muttermund  auffallend  eng,  den  Uterus  dann 
merklich  verlängert.  Die  Beschwerden  waren  in  den  hier  in 
Betracht  kommenden  Fällen,  abjgesehen  von  der  Sterilität 
meist  gering,  jedoch  fanden  bisweilen  Unregelmässigkeiten 
der  Menstruation  und  zumal  bei  Stenose  des  Muttermundes 
gewöhnlich  Dysmenorrhöe  statt 

In  einzelnen  seltenen  Fällen  von  Anteflexion  mit  frei 
beweglichem  Uterus  bestand  eine  Sdirumpfung  an  der  vorderen 
Wand,  wie  gelegentliche  Sectionen  erwiesen,  entweder  durch 
Narben  von  Geschwüren  oder  nach  Exsudaten. 

d)  Anteversionen  und  Flexionen  mit  freier  oder  doch 
nur  durch  das  Volumen  des  Uterus  erschwerter  Beweglichkeit 
kommen  nicht  selten  in  und  nach  Wochenbetten  zur 
Beobachtung,  mag  die  Geburt  eine  zeitige  oder  eine  vor- 
zeitige, ein  Abortus  gewesen  sein.  In  diesen  Fällen  besteht 
eine  mangelhafte  Rückbildung  der  Placentarstelle,  daher 
finden  fast  immer  mehr  oder  weniger  heftige  und  anhaltende 
Blutungen  statt    Der  oft  noch  sehr  voluminöse  Gebärmutter- 


442  XXX.    Yerhandlongeii  der  Oesellf  chaft 

körper  bildet  mit  dem  bisweilen  regelmässig  formirten 
Scbeidentheil  bald  eioeo  fühlbaren  Winkel  nach  vorn,  bald 
nicht ')  In  diesen  Fällen  finden  sich  Hambescbwerden  öfter, 
jedoch  keineswegs  constant,  meist  Verstopfung,  Blähungs- 
verhaltung und  bisweilen  gesteigerte  Empfindlichkeit  oder 
spontane  Schmerzen  im  Unterleibe.  Als  ursächliche  Momente 
zeigte  sich  häufiger  Endometritis,  indem  diese  die  Rückbildung 
der  PlacentarsteUe  hinderte,  als  vorzeitiges  Aufstehen  und 
Anstrengungen,  welche  keineswegs  in  allen  beobachteten  Fällen 
vorangegangen  waren. 

2.     Vorwärtsneigungen    und    Beugungen    mit 
Fixation  der  Gebärmutter. 

Die  Unbeweglichkeit  des  Uterus  zeigte  rieh  entweder: 
a)  durch  Fixirung  des  Muttergrundes  nach 
vorn,  häufig  auf  der  einen  Seite  mehr  als  auf  der  anderen, 
daher  die  Gebärmutter  nicht  bloss  antevertirt,  sondern  oft 
auch  seitlich  nach  rechts  oder  links  gezogm  erschien.  Die 
eigentliche  Ursache  dieses  Lagefehlers  lag  in  einer  Verkürzung 
beider  oder  eines  runden  Mutterbandes,  deren  Vorkommen 
die  Section  erwiesen  hat.  Bemerkenswerth  erscheint,  dass 
in  mehreren  derartigen  exquisiten  Fällen  die  Leidenden  frei- 
willig erklärten,  dass  sie  seit  ihrer  Jugend  Onanie  mittels 
äusserer  Reibungen  anhaltend  getrieben  hätten.  Erwägt  man, 
dass  regelmässig  der  innerhalb  des  Abdominalringes  gelegene 
Theil  bis  einen  Zoll  vom  Muttergrunde,  bisweilen  aber  auch 
das  ganze  runde  Mutterband,  wie  auf  Jlf.*s  Veranlassung  vom 
Professor  Lieberkühn  angestellte  neuere  Untersuchungen 
bestätigten,  quergestreifte  Muskelfasern  enthält  uqd  eine  Gon- 
traction  derselben  bei  geschlechtlichen  Erregungen  angenommen 
werden  darf,  so  möchte  die  Verkürzung  gedachter  Bänder 
bei  habituellen  Onanistinnen  der  gedachten  Art  erkläriich 
sein.  —  Solche  Kranke  zeigten  nicht  sdten  eine  erhebliche 
Verlängerung  des  oft  massig  anteflectirten  Uterus  und  dann 
meist  profuse  Menstruation,  mit  welcher  häufig,  jedoch  nicht 
immer  erhebliche  Schmerzen  verbunden  waren.  Andere 
derartige  Kranke   zeigten  keine  Verlängerung,  ja   sogar  eine 

1)  Abbildungen   nach   Legendre   in   ifarCtVs   Handatlas   der 
Gynäkologie  and  Oebartsbalfe.  Berlin  1862.  Taf.  XXXIV.,  Fig.  8. 4. 


für  Gebnrtshülfe  in  Berlin.  443 

auffallend  gelinge  Entwickelung  des  Gebärorganes.  Steril 
waren  sie  säflimüich  bis  nach  der  Hdlung  des  Geslalt-  und 
Lagefeblers.  Dass  jene  Verkürzung  eines  oder  beider  runden 
Multerbänder  auch  durch  andere  Ursachen,  z.  B.  schrumpfende 
Exsudate  nach  vorausgegangenen  Entzündungen  herbeigeführt 
sein  können,  ist  selbstverständlich. 

b)  In  «ideren,  eine  bestimmt  charakterisirte  Gruppe 
bildenden  Fällen,  in  welchen  meist  die  Anteflexion  vorwiegend 
ausgebildet  ist,  erscheint  der  Hutterhals  gegen  die  hintere 
Beckenwand  herangezogen  und  fixirt.  Der  Scheidentheil 
ist  dann  nicht  immer  gegen  das  untere  Ende  des  Kreuzbeines 
gerichtet,  oft  sogar  nach  vorn,  während  die  vordere  Wand 
des  Mutterkörpers  vor  der  Portio  vaginalis  durch  das  Scheiden- 
gewölbe gefühlt  wird.  Bei  dieser  Art  der  Vorwärtsneigung 
und  Beugung  fand  ein  Schrumpfungsprocess  in  den  Ligamentis 
sacro-recto-uterinis  (Douglas'sche  Falten)  statt,  der  ebenso- 
wohl bei  Frauenzimmern  vor  dem  geschlechtlichen  Umgange, 
als  nachdem  sie  geboren,  auftreten  kann,  wie  Martin 
beobachtet  hat.  In  einer  Reihe  von  Fällen  bekam  Martin 
solche  Kranken  während  der  Entzündung,  welche  gewöhnlich 
fi^  Unterleibs-  oder  Hastdarmentzündung  gehalten  war,  zur 
Begutachtung  und  Behandlung.  Die  Kranken  klagen  dabei 
über  mehr  oder  weniger  heftigen  Schmerz  im  Steisse,  welcher 
bei  jedem  stets  sehr  beschwerlichen  Stuhlgänge  sich  steigert; 
sie  sagen  wohl,  es  sei  ihnen,  als  ob  der  Mastdarm  zu- 
gesdinfirt  werde,  zuwachse.  Die  Exploration  durch  Scheide 
und  Mastdarm  (durch  welchen  man  die  einschnürende  Stelle 
bisweilen  erreichen  kann)  verursacht  in  frischen  Fällen  die 
heftigsten  Schmerzen,  selbst  Reflexkrämpfe,  sie  bleibt  auch 
später,  zumal  bei  Versuchen,  den  Scheidentheil  zu  bewegen, 
sehr  schmerzhaft;  erst  nach  längerer  Zeit  und  unter 
pass^der  Behandlung  mildern  sich  diese  Schmerzen;  alsdann 
erscheint  auch  wohl  der  Uterus  wieder  etwas  beweglicher  als 
früher.  —  Die  Veranlassungen  dieser  Schrumpfungsprocesse 
der  Doff^/a^'schen  Falten  können,  wie  begreiflich,  sehr 
mannichfaltige  sein;  vor  Allem  z.  B.  Erkältungen  bei  der 
Menstruation.  Sehr  wahrscheinlich  ist  es  Martin  nach  einigen 
Beobachtungen,  dass  auch  Reste  von  sogenannter  Haematocele 
dabei   im  Spiele  sein  können.     Eine   feste  Verwachsung  der 


444  XXX.    Verliuidlaiigeii  der  OeiellBchaft 

hinteren  Wand  des  Mutierhalses  mit  dem  zweiten  Kreuzbein- 
Wirbelkörper  nadi  früheren  schweren  Entbindungen  wegen 
Beckenenge  traf  Ma/rtin  einmal  in  der  Leiche. 

c)  Scliwer  oder  gar  nicht  beweglich  erscheint  der  ante- 
vertirte  Uterus  endlich  auch  dann,  wenn  grössere  Fibroide 
an  der  hinteren  Wand  oder  dem  Muttergrunde,  oder  Ovarium- 
tumoren,  z.  B.  Cystoide  und  dergleichen  die  Vorwärtsneigung 
bedingen,  wie  Martin  in  mehreren  Fällen  sah. 

Die  Symptome  der  Anteversionen  und  Flexionen 
sind  in  den  einzelnen  Fällen  sehr  verschieden,  theils  nach 
dem  zu  Grunde  liegenden,  bald  noch  fortbestehenden,  bald 
vor  längerer  Zeit  abgelaufenen  ursächlichen  Processe  und 
den  hierdurch  bedingten  wesentlichen  Verschiedenheiten  des 
Fehlers,  wie  in  dem  vorher  Erwähnten  bereits  angedeutet  ist, 
theils  nach  den  vorhandenen  Complicaüonen,  theils  nach  der 
Individualität.  Da  wo  z.  B.  Endometritis,  wie  nicht  selten,  besteht, 
tritt  Fluor  albus,  auch  wohl  profuse  Menstruation  hinzu,  wo 
Stenose  des  inneren  oder  äusseren  Muttermundes  vorhanden 
ist,  pflegt  die  Dysmenorrhöe  nicht  zu  fehlen.  Bei  verweich- 
lichten reizbaren  oder  Aberreizten  Frauenzimmern,  z.  B.  den 
Onanistinnen,  treten  die  mannichfaltigsten  Reflexerscheinungen 
auf,  welche  man  bei  anderen  ebenso  stark  entwickelten 
Anteversionen  nicht  beobachtet. 

Die  Erkenn tni SS  der  Vorwärtsneigung  und  Beugung 
des  Uterus  wird  zwar  in  vielen  Fällen  durch  eine  sorgfältige 
innere  und  äussere  Palpation  gewonnen  werden  können,  unter 
Umständen,  z.  B.  bei  sehr  fettreichen  Bauchdecken  bedarf 
es  aber,  um  Verwechselungen  zu  vermeiden,  sowie  fast  immer, 
um  die  oben  geschilderten  für  die  Prognose  und  Therapie 
so  wichtigen  besonderen  Verhältnisse  der  Vorwärtsneigungen  zu 
bestimmen,  einer  anderweiten  Exploration,  insbesondere  falls 
man  nicht  schon  eine  etwas  mehr  als  gewöhnliche  Richtung 
des  Muttermundes  gegen  die  hintere  Beckenwand  für  ein 
genügendes  Kriterium  der  Anteversion  erklären  will.  Vor 
Allem  warnt  Martin  vor  Verwechselungen  der  pathologischen 
Anteversion  mit  der  physiologischen  des  schwangeren  Uterus 
im  dritten  und  vierten  Monate,  auf  welche  als  auf  ein 
wichtiges  Kennzeichen  der  Schwangerschaft  M.  schon  1849 


för  Gebnrtshülfe  in  BerliD.  445 

aafmerksaiD  gemacht  haU^)  Bei  dem  geringsten  Verdachte 
auf  Schwangerschaft  warte  man  mit  weiteren  Explorationen 
einige  Wochen  ab,  welche  durch  das  fortschreitende  Wachs- 
thum  des  Uterus  stets  Aufklärung  bringen  werden.  —  Ist 
mit  Sicherheit  eine  Schwangersdiaft  auszuschliessen,  so  kommen 
ferner  Fibroide  der  yorderen  Uteruswand  und  ab- 
gesackte Exsudate  zwischen  Uterus  und  Harnblase 
in  Betracht,  welche  einen  der  Anteversion  und  Anteflexion 
ähnlichen  Befund  bieten  können.  Hier  wie  Aber  die  Fixirung 
des  Uterus  u.  s.  w.  wird  die  vorsichtige  Exploration  mit  der 
Utenissonde  ^)  allein  den  vollständig  sicheren  Aufschluss  ge- 
währen. Dass  dieser  Exploration  eine  sorgfältige  Erwägung 
der  concurrirenden  Umstände  vorausgehen  müsse,  dass  sie 
ein  feines  Gefühl  voraussetze,  alle  Gewalt  ausschliesse  und 
bei  floriden  Entzündungen  des  Uterus  und  seiner  Umgebung 
in  den  Ligamentis  sacro-recto-uterinis  unterbleiben  müsse, 
bedarf  keiner  Auseinandersetzung. 

Die  Voraussage  bei  den  Anteversionen  und  Ante- 
flexionen  ist  wesentlich  sowohl  in  Betreff  der  Heilbarkeit  als 
der  Folgen  je  nach  den  verschiedenen  oben  unterschiedenen 
Gruppen  und  kann  daher  nicht  im  Allgemeinen  für  den  in 
Rede  stehenden  Gestalt-  und  Lagefehler  ausgesprochen 
werden.  Bei  den  durch  mangelhafte  und  ungleiche 
Ent Wickelung  bedingten  Anteveruonen  und  Flexionen  pflegen, 
falls  nicht  Stenosen  damit  verbunden  sind,  die  Symptome 
geringfügiger,  die  Heilbarkeit  leichter  zu  sein,  während  bei 
den  Anteflexionen  durch  Schrumpfung  der  vorderen 
Uteruswand  die  Symptome  sehr  lästige  und  die  Heilbarkeil 
als  eine  kaum  möglidie  erscheint.  Der  im  Wochenbette  durch 
mangelhafte  Rückbildung  entstandene  Gestalt-  und 
Lagefebler  kann  unter  günstigen  Verhältnissen  spontan 
sdiwinden,  falls  die  Involution  endlich  noch  zu  Stande  kommt, 


1)  Martin,  üeber  Gestalt-  nnd  Lageverandeningen  der 
schwangeren  Gebärmatter  in  den  ersten  vier  Schwangerschafts- 
monaten,  in  Jenaischen  Annalen  der  Physiologie  nnd  Medicin, 
Band  I.,  8.  23. 

2)  Martin'B  nach  der  Fühmngslinie  des  Beckens  gebogene, 
daher  bei  Anteflexionen  besonders  leicht  einsnffihrende  Uterus- 
sonde, 8.  in  dessen  Handatlas  etc.,  Taf.  XVIII.,  Fig.  3. 


^ 


446  XXX.   Verbandlnng^en  der  Gesellschaft 

jedoch  können  hier  die  nicht  selten  anhaltenden  Blutungen 
erhebliche  Gefahren  bringen.  Jedenfalls  gelingt  die  Heilung 
hier  der  Kunst  am  bestimmtesten.  In  weit  geringerem  Grade 
gilt  dies  von  den  durch  Veriiürzung  der  runden  Mutter- 
band  er  bedingten  Anteversionen,  obschou  Martin  auch  hier 
erfreuliche  Resultate  sogar  mit  nachfolgender  Schwangerschaft 
und  glücklicher  Geburt  erzielt  hat.  Weit  bedenklicher  sind 
sowohl  hinsichtlich  der  Symptome  und  Folgen  als  hinsichtlich 
der  Heilbarkeit  die  durch  Retraction  der  Ligamenta  sacro- 
recto  uterina  bedingten  Anteversionen  und  Anteflexionen ; 
dennoch  gelingt  bei  richtiger  und  ausdauernder  Behandlung 
auch  hier  manche  Heilung,  zumal  wenn  der  Arzt  zeitig  hinzu- 
kommt. Die  Prognose  der  durch  Geschwülste  an  und 
neben  dem  Uterus  veranlassten  Lage-  und  Gestaltfehler 
richtet  sich,  wie  erklärlich  nach  der  Natur  der  ersteren. 

Hinsichtlich  der  Therapie  räth  ilfarttn  zunächst,  wenn 
es  irgend  Ihunlich  erscheint,  die  Ursache  der  Anteversion 
und  Flexion  zu  beseitigen,  daher  bei  noch  bestehenden  eni- 
zündlichen  Processen  dieselben  zu  bekämpfen.  Zu  diesem 
Zwecke  erschienen  ihm  nach  eigenen  und  nach  Beobachtungen 
an  solchen  Kranken,  welche  von  anderen  Aerzten  damit  be- 
handelt waren,  weniger  die  wiederholten  Applicationen  von 
Blutegeln  an  den  Scheidentheil  heilsam,  indem  die- 
selben nur  allzu  oft  (wahrscheinlich  in  Folge  von  Verletzung 
grösserer  Venen  am  Scheidengewulbe)  übermässige  Blutverluste 
und  unerwünschte  Erschlaffung  des  Uterus  veranlassen,  ab- 
gesehen von  den  bleibenden  Verunstaltungen  der  lilr  die 
ersehnte  Conception  so  wichtigen  Muttermundslippen.  Nur 
bei  lebhaft  schmerzenden  entzündlichen  Anschwdlungen  des 
Scheidentheils  war  der  Erfolg  der  localen  Biutentziehungen 
überraschend.  In  anderen  Fällen  ist  die  Anwendung  von 
Schröpf  kröpfen  auf  den  Rücken ,  von  Blutegeln  auf  die  Weicben- 
gegenden  vorzuziehen.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  hat  der  Arzt 
entweder  chronische  Endometritis  und  Metritis  parenchymatosa 
oder  Exsudate  z.  B.  in  den  Dou^Zo^'schen  Falten  zu  be- 
kämpfen und  hier  bewährten  sich  (heils  laue  Sitzbäder  (c.  2b^E.) 
mit  Soda  oder  mit  Krankeuheiler  Seife  und  Salz,  oder  mit 
Kreuznacher  Mutterlauge  auch  wohl  neben  dem  inneren  Ge- 
brauch  von  Kali  accticum,   Kalium  jodatum  oder  broroaturo. 


für  Oeburtahfilfe  in  Berlin.  447 

sowie  der  entsprechenden  Mineralwässer  trefflich,  falls  sie 
hinlänglich  lange  fortgesetzt  zur  Anwendung  kamen.  Bei  der 
chronischen  Endometritis,  welche  so  gewöhnlich  Ursache 
raangelliafter  Rückbildung  des  Uterus  im  Wochenbette  ist, 
erprobte  M,  vielfach  die  täglich  zwei  bis  drei  Mal  wieder- 
holten Vaginaleinspritzungen  mit  Lösungen  von  Tannin,  von 
Plumbum  aceticum,  Cuprum  sulphuricum  oder  aluminatum 
oder  Ferrum  sulphuricum,  während  bei  vorgängigen  Infectionen 
mit  Trippergift  Lösungen  von  Argentum  nitricum  oder  von 
Sublimat  sich  heilsam  bewährten.  Dabei  bemerkt  Jlf.,  dass 
er  den  Gebrauch  der  anhaltenden  Douchen  mit  stärkerem 
Strahle,  wie  sie  mit  den  verschiedenen  Clysopompe*s  oder  mit 
dem  Irrigateur  in  Gebrauch  sind,  ihrer  reizenden  Eigenschaften 
wegen,  bei  entzündlichen  Affectionen  minder  nützlich  gefunden 
hat,  als  die  Bespülung  der  kranken  Theile  mittels  einer  ein- 
fachen aus  einem  Kautschukbeutel  mit  Beinaufsatz  und  einem 
biegsamen  Rohre  bestehenden  Scheidenspritze.  Jene  Scheiden- 
oder Uterusdouchen,  zumal  mit  27^  R.  warmem  Wasser, 
zdgten  sich  M.  hingegen  recht  nützlich,  da  wo  es  galt,  die 
verzögerte  Entwickelung  der  Uteruswandungen  zu  erregen. 
Die  kalten  Douchen  verursachten  nicht  selten  lebhafte  Schmerzen. 
In  den  erwähnten  Fällen  mangelhafter  Entwickelung  als 
Ursache  von  Anteversionen  und  Flexionen,  so  wie  da  wo 
mangelhafte  Rückbildung  nach  vor  längerer  Zeit  überstandenen 
Geburten  oder  Verkürzung  eines  oder  beider  Ligamenta  uteri 
rotunda  die  Ursache  des  Lagen-  oder  Gestaltfehler  waren, 
brauchte  M.  in  nahezu  50  Fällen  mit  grösserem  oder  ge- 
ringerem Erfolge  die  von  8imp9on  angegebenen  Intrauterin- 
pessarien  und  zwar  theils  aus  Zink  und  Kupfer,  theils  aus 
Elfenbein  und  Cocosnuss  gefertigt.  In  der  Regel  wurde  der 
Knopf  kleiner,  als  er  von  Simpson  angegeben  ist,  gewählt. 
Diese  einfachen  Rectificatoren  ^)  hatten  zumal  bei  den 
mit  Knickung  des  Uterus  verbundenen  Fällen  der  genannten 
Arten,  falls  keine  entzündlichen  Processe  mehr  stattfanden, 
meist  ausgezeichneten  Erfolg,  insbesondere  verschwanden  die 
oft  so  peinlichen  Schmerzen  bei  der  Menstruation  und  deren 
Folgen,  die  Migränen   u.  s.  w.    Der  mangelhaft  entwickelte 


1)  S.  Martin'a  Handatlas,  Taf.  LXVIII.,  Flg.  7.  9. 


448  XXX.  Verhandlangeii  der  Oetollscliaft 

Uterus  z.  B.  wie  der  nicht  gehörig  zurückgebildete ,  holten 
das  Versäumte  nach,  und  es  erfolgte,  wo  bis  dahin  hartnäckige 
Sterilität  bestanden  hatte,  nicht  selten,  nach  Entfernung  des 
Instrumentes  Conception  und  gliicklich  verlaufende  Schwanger- 
schaft In  einzelnen  Fällen  fiel  das  Instrument  nach  einigen 
Tagen  oder  Wochen,  z.  B.  zur  Zeit  der  Menstruation  oder 
nach  derselben,  heraus;  alsdann  legte  Jf.,  wenn  der  Fehler 
noch  nicht  gehoben  war,  den  Rectificator  wieder  ein  und 
brachte  einen  aus  Elfenbein  oder  Cocusnuss  gefertigten, 
gestielten,  tellerförmigen  Träger^)  unter  den  Knopf  in  die 
Scheide. 

In  der  Mehrzahl  der  Fälle  trugen  die  Kranken  den 
Rectificator  Wochen  oder  Monate  lang,  gingen,  fuhren,  reisten 
damit  ohne  alle  Beschwerde;  bisweilen  zeigte  sich  eine  etwas 
vermehrte  und  länger  dauernde  Menstruation  und  eine  geringe 
Schleimabsonderung,  welche  auf  Einspritzungen  von  Leinsameur 
Ihee,  auch  wohl  mit  Theerwasser  versetzt,  oder  mit  Tannin- 
lösung nachliess.  Wurde  das  aus  Kupfer  und  Zink  gefertigte 
Instrument  nadi  längerer  Zeit  weggenommen,  so  zeigte  sich  die 
Kupferhälfte  glänzend  unverändert,  währ^d  die  Zinkseite  mit 
einer  fest  anhaftenden  derben  Masse  ungleich  bedeckt  erschien, 
welche  nach  Hofrath  LehmarC^  auf  If.'s  Wunsch  1856  in 
Jena  vorgenommenen  chemischen  Untersuchung  aus  einem 
Zinkalbuminat  bestand.  Die  Zinkseite  fand  sich  dann  immer 
stark  erodirt  und  uneben. 

Wie  bestimmt  die  Beschwerden  der  Kranken  durch  die 
Geraderichtung  des  Organs  behoben  wurden,  dürfte  aus  dem 
wiederholt  beobachteten  Erfolge  hervorleuchten,  dass  Kranke, 
welchen  das  Instrument  vor  vollständiger  Heilung  weggenommen 
war,  zwar  noch  für  einige  Male  so  lange  die  Geradrichtung 
bestand,  keine,  oder  doch  geringere  Schmerzen  bei  der 
Menstruation  klagten,  als  vor  der  Application,  allmälig  aber 
mit  wiederkehrendem  Gestalt-  und  Lagefehler  auch  die  früher 
erlittenen  Beschwerden  wieder  bemerkten,  welche  zur  neuen 
Einlegung  des  Instrumentes  drängten.  In  mehreren  Fällen 
erfolgte    erst    nach    wiederholtem   jahrelangem    Tragen    des 


1)  Die  Abbildung  8.  in  Martin^B  Handatlas  der  Gynäkologie 
and  Qebnrtshfilfe.    Berlin  1862.    Taf.  LXVIIF.,  Fig.  8. 


für  Qftbnrtsbülfo  in  Berlin.  449 

Rectificator  YoUständige  HeQong  und  die  Uiigst  ersehnte  Con- 
ception.  —  Wie  streng  iibrigoos  die  Auswahl  der  geeigneten 
Fälle  f&r  ietk  Gebrauch  dieser  Rectificatoren  getroffen  wurde, 
mag  daraus  hervorgehen «  dass  Jf.  seit  1860  nur  circa  50  Mal 
unter  mehr  als  200  behandelten  Anteflexionen  das  beschriebene 
bstrument  anwendete.  Dieser  sorgnUtigen  Erwägung  aller 
Verbaltnisse  glaubt  er  es  zuschreiben  zu  mflssen,  dass  ihm 
kein  Unfall  bei  dem  Gdirauche  der  Rectificatoren  begegnet  ist. 

Von  dem  zeitweisen  Einführen  der  Uterussonde  sah 
M.  nur  selten  einen  günstigen  Erfolg,  sogar  nicht  bei  vielfach 
in  Anwendung  gezogener  Verbindung  derselben  mit  dem 
electrischen  Strome;  nur  bei  den  auf  mangelhafter  Ent- 
wickdung  oder  auf  verzögerter  Involution  nach  Wochenbetten 
beruhenden  Fehlem  erfolgte  danach  bisweilen  Genesung. 
M.  muss  nach  seinen  Erflsdunngen  das  öftere,  etwa  tägliche 
Einfuhren  der  Sonde  für  bedenklicher  erklären,  als  das  Liegen- 
bleiben des  Rectificator. 

Zur  Beseitigung  der  seltenen  Anteversionen  ohne  alle 
Beugung  benutzte  M.  da,  wo  der  Uterus  beweglich  erschien, 
theils  die,  den  früher  bei  Prolapsus  uteri  gebräuchlichen  von 
Holz  gefertigten  ähnlichen  Kautschukringe,  theils  die  be- 
kannten Pessaires  k  contraversion,  nicht  selten  mit 
unverkennbarem  Nutzen,,  insbesondere  mit  entschiedener  Er- 
leidit«rung  der  Beschwerden.  — 

In  manchen  Fällen  treten  einzehae  Symptome  der  Ante- 
versionen und  Flexionen  so  selur  in  den  Vordergrund,  dass 
es  palliativer  Mittel  oft  genug  bedarC  Dies  gilt  ganz 
vcMTzügUch  von  den  Blutungen  bei  frischen  Fällen  im  Wochen- 
bette; hier  hat  Martin  von  dem  mehrtägigen  Gebrauche 
vier-  bis  sechsmaliger  Gaben  von  Seeale  comutum  (gr.v.), 
auch  wohl  zugleich  mit  Ferrum  sulphuricum  neben  wieder- 
holten temperirten  Vaginalinjectionen  mit  Tanninlösung  mittels 
der  oben  erwähnten  Kautschukspritze  den  entsdiiedensten 
Vortheil  gesehen.  Bei  heftigen  Schmerzen  in  den  Genitalien 
verordnet  er  entweder  Halbklystiere  von  Stärkeschleim  mit 
Bxtractum  opii  aquosum  gr.j.  —  ij.  oder  kleine  Scheiden- 
zäpfehen  von  Cacaobutter  5/3  mit  Morphium  acet  gr.  Vi — /}, 
sowie  bei  den  lästigen  Migränen  mit  Erbrechen  Chloroform 

lfooatotebr.f.aebartok.  1868.  Bd.  XXI.,  Hft  6.  SO 


450  XXX.    VerbABdlans^en  der  Gesellschaft 

g[utLij. — iij.  mit  Rad.  Aithaeae  q.  s.  zu  Pillen  gemischt,  wdche 
er  wirksamer  gefunden  hat,  als  die  üblichen  Coffdn- Pastillen 
und  Paulinien- Pillen.  Dass  die  Wildbider  zu  Schlangeobad, 
Liebenzell,  Landeck  u.  s.  w.  unter  Umstftnden  bei  derartigen 
Leiden  zur  Palliative  mehr  leisten  als  Eisenquellen  und  See- 
bäder ist  eine  unleugbare  Thatsache.  Die  Eisenquellen  erhalten 
ihre  Indication  ohne  Zweifel  sehr  häufig  erst  durch  die  voraus- 
gegangene Behandlung  mittels  Blutegel  an  das  Scheiden- 
gewölbe, welche  zur  Anämie  fahrte. 


Herr  C,  Mayer  stimmt  Herrn  L.  Mayer  darin  bei,  dass 
die  Anteversion  häufiger,  als  die  Retroversion  sei;  in  seiner 
Praxis  sei  das  Verhältniss  so  überwiegend,  dass  er  die  Allgemein- 
gültigkeil  dieser  Regel  für  ausser  Zweifel  halte.  Ebenso  müsse 
>r  der  oben  geäusserten  Ansicht  desselben,  dass  Version  und 
Flexion  wesentlich  von  einander  zu  schaden  seien,  vollständig 
beistimmen.  Gegen  die  Therapie  des  Herrn  Martin  indess  habe 
er  sdir  gegründete  Bedenken  und  könne  er  namentlich  den 
intrauterinen  Pessarien  nur  das  schlechteste  Zeugniss  ausstdlen. 
Als  Simpson  seine  fiehandlungsweise  veröffentlichte,  habe 
er  (Jf.)  dieselbe  ebenfalls  versucht,  sei  aber  durch  die  stets 
darauf  erfolgende  Verschlinmierung  aller  Leiden  belehrt,  bald 
davon  abgestanden.  Später  indess  sei  seine  Ansicht  von  der 
Schädlichkeit  dieser  Instrumente  mehr  und  mehr  befestigt 
worden,  da  er  manche  von  Simpson  und  Anderen  auf 
diese  Weise  bebandelte  Frau  in  seine  Behandlung  bekommen 
habe  und  Irider  oft  die  erschrecklichsten  Verschlimmerungen 
als  Folge  derselben  beobachtet  habe.  Entzündungen,  An- 
schwellungen der  Gebärmutter,  unstillbare  Metrorrhagien, 
Bienorrhoen,  Exulcerationen  der  Innenfläche  des  Uterus  und 
Zerrüttung  des  Nervensystems,  die  er  lediglich  dem  Gebrauche 
der  intrauterinen  Pessarien  zuschreiben  könne.  Freilich 
sprächen  sich  diese  Folgen  erst  in  späterer  Zeit  aus,  aber 
Pflicht  des  Arztes  sei,  solche  Kranken  nicht  aus  den  Augen 
zu  lassen;  aber  die  scheinbare  Besserung  bei  der  ersten 
Application  verführe  zu  falschen  Schlüssen,  sowie  unter  anderen 
der  Gebrauch  kalter  Sitzbäder,  eiskalter  Einq>ritzungen  u.  s.  w., 
denen  so  günstiger  Erfolg  nachgerühmt  werde,  von  ihm  auf 
das   äusserst»  bekämpft  werde,    da  der  dauernde  Gebrauch 


für  Oebnrtshfllfe  in  Berlin.  451 

derselben  die  allerungunstigsten  Wirkangen  hervorbringe.  Auch 
die  nach  der  Beckenacbse  gekrdmmte  Sonde  scheine  ihm 
nicht  zweckentsprechend.  Die  grössere  Hälfte  seiner  Kranken 
seien  junge  sterile  Frauen,  die  wegen  Kinderlosigkeit  seinen 
Ralh  suchten.  Da  sei  die  Untersuchung  schon  meist  eine 
äusserst  schmerzhafte  und  schwierige:  Enge,  gereizte  Scham, 
entzAndete  Scheide  und  Uterus,  wo  die  Einführung  des  Fingers 
schon  die  grössten  Beschwerden  hervorrufe;  da  eine  Sonde 
in  so  grosser  Bogenkrümmung  einzuführen,  scheine  ihm  ein 
Ding  der  Unmöglichkeit;  er  benutze  nur  die  8ifnpson*8che 
oder  Kttoisch^Bche  Sonde  und  habe  schon  mit  dieser  oft 
Schwierigkeiten  genug  zu  überwinden.  Doch  gebe  er  zu,  dass 
dies  nur  eine  theoretische  Abstraction  sei,  in  praxi  habe  er 
die  in  Rede  stehende  Sonde  noch  nicht  versucht. 

Wegen  vorgerückter  Zeit  wurde  die  Debatte  verlagt. 


Sitzung  vom  14.  April  1863. 

Herr  L.  Mayer  geht  nochmals  auf  den  principiellen 
Unterschied  der  beiden  Lageveränderungen  ein  und  räumt 
namentlich  in  diagnostischer  Hinsicht  der  Stellung  des  Orificii 
uteri,  ob  nach  unten  oder  nach  hinten  ein  entscheidendes 
Gewicht  ein.  Was  ferner  den  von  Herrn  Martin  so  eng  be- 
grenzten Wirkungskreis  örtlicher  Blutegelapplicationen  an  die 
Vaginalportion  betreffe,  so  theile  er  durchaus  nicht  diese  An- 
sicht ;  eine  isolirte  Entzündung  der  Vaginalportion  ohne  gleich- 
zeitige Theilnahme  des  ganzen  Uterus,  sei  ihm  unklar  und 
dem  entsprechend  sei  er  auch  der  Ansicht,  durch  örtliche 
Blntentziehungen  an  der  Vaginalportion  zugleich  auch  den 
ganzen  Uterus  von  Blut  zu  entlasten.  Die  angegebenen 
nachtheiligen  Wirkungen  geregelter  örtlicher  Blutentziehungen 
könne  er  nicht  anerkennen  und  ziehe  diese  deshalb  jeder 
Anwendung  von  Schröpfköpfen  u.  s.  w.  zu  diesem  Zwecke 
unbedingt  vor.  Zuletzt  halte  er  die  Diagnose  verkürzter 
Ligamenta  rotunda  während  des  Lebens  für  schwer,  wenn 
nicht  unmöglich,  so  dass  es  ihm  unrichtig  scheine,  darauf  eine 

bestimmte  Unterart  der  Anteversionen  zu  begründen. 

29* 


452  XXX.   Vorhuidliuigeii  der  OeioUschaft 

Herr  Martin  vertheidigt  die  von  ihm  als  unwesentlich 
behauptete  Stellung  des  Muttermundes;  da  &  ausgesprochen 
habe,  eine  strenge  Grenze  zwischen  Flexion  und  Version  nicht 
zu  ziehen,  so  könne  naturlich  auch  die  Stdlung  des  Mutter- 
mundes für  die  Lagerung  des  ganzen  Organs  nicht  massgebend 
sein.  Mit  seiner  Einschränkung  der  directen  Blutentziehungen 
am  Uterus  stehe  er  übrigens  nicht  allein.  In  Paris  seien  be- 
reits gewichtige  Stimmen  dagegen  aufgetreten  und  erst  neuer- 
dings habe  Seanzoni  auf  einzelne  dadurch  hervorgerufene 
Krankheitserscheinungen  (Urticaria)  aufmerksam  gemacht; 
heftige  Schmerzzußlle  habe  ohnehin  gewiss  jeder,  der  die 
localen  Blutentziehungen  oft  vornehme,  beobachtet  und  so 
habe  er  deshalb  in  vielen  Fällen  entferntere  Stellen  zur 
Depletion  erwählt. 

Was  nun  den  fraglichen  Schaden  betreffe,  den  die  An- 
wendung der  /Stmjp^on'schen  Intrauterinpessarien  mit  sich 
führe,  so  habe  er  sich  erlaubt,  zum  heutigen  Abend  zwei 
Frauen  mitzubringen,  deren  eine  das  von  Faye  empfohlene 
Aufrichtungsinstrument  (mit  einer  kleinen  von  ihm  selbst  an- 
gegebenen Aenderung)  seit  dem  22.  Januar,  deren  andere  es 
seit  dem  14.  März  ununterbrochen  trage.  Beide  Frauen  seien 
in  beklagenswerthem  Zustande  zu  ihm  gekommen,  hätten  un- 
mittelbar nach  der  Application  eine  bedeutende  Erleichterung 
gefühlt  und  würden  auf  Befragen  auch  nach  so  langem  Tragen 
noch  jetzt  günstiges  Zeugniss  fi&r  dieses  Instrument  ablege« 

Die  betreffenden  Patientinnen  wurden  demnächst  in  der 
Gesellschaft  vorgestellt.  Beide  waren  verheirathete  Frauen, 
hatten  mehrfach  geboren  und  gaben  an,  die  Instrumente  mit 
wesentlicher  Erleichterung  zu  tragen.  Die  erstere,  die  das 
Instrument  schon  seit  einem  Vierteljahre  trug,  hatte  es  auch 
während  der  Menstruationen  bei  sich  behalten  und  gab  an, 
durchaus  keine  schmerzhaften  Zufälle  dabei  erlitten  zu  haben ; 
allerdings  sei  die  Periode  seitdem  stärker  geworden,  so  dass 
sie  jetzt  wohl  acht  Tage  dauere,  während  sie  früher  nur  drei 
bis  vier  Tage  gewährt  habe.  Die  andere  Kranke  wusste  über 
diesen  Punkt  noch  nichts  zu  sagen. 

Herr  (7.  Mayer  untersuchte  im  Nebenzimmer  die 
Kranken  und  gab  an,  die  Instrumente  in  richtiger  Lagerung 


för  Gebnrtflliftlfe  in  Berlin.  453 

gefundeo  zu  haben.  Er  erklärte  von  Faye  selbst  in  der 
ersten  Zeit  nach  seiner  Veröffentiichung  dieses  Instrumentes, 
dassebe  zugeschickt  erhalte  und  mit  vieler  Hoffnung  auch 
angenommen  zu  haben.  Seine  Hoffnungen  hätten  sich  indess 
so  wenig  erfüllt,  dass  er  es  jetzt  nie  mehr  anwende,  sondern 
immer  nur  die  Sonde  in  Gebrauch  ziehe. 

Herr  Ma^rtin  kommt  darauf  zurück,  dass  sein  ganzer 
Vortrag  dahin  gehe,  die  Auteversion  nicht  als  solche  als  einen 
unverrückbaren  Begriff  darzustellen,  sondern  gerade  durch  ge- 
naue Definition  der  Complicationen  und  Ursachen  jeden  ein- 
zelnen Fall  als  einen  individuellen  aufzufassen.  So  gehe  seine 
Empfehlung  dieser  Redresseurs  also  nicht  auf  alle  antevertirten 
Gebärmutter;  sondern  wie  er  eben  schon  früher  angegeben, 
eigne  sich  nur  ein  geringer  Theil  derselben  zu  dieser  mecha- 
nischen Behandlung,  und  schreibe  er  es  desshalb  seiner  Aus- 
wahl der  Fälle  zu,  dass  er  bis  jetzt  noch  keinen  nachtheiligen 
Einfluss  von  dem  Tragen  der  Redresseurs  gesehen  habe. 
Ein  etwas  stärkerer  Blutverlust  bei  der  Menstruation  oder 
etwas  weisser  Fluss  scheine  ihm  kein  so  wichtiger  Umstand, 
um  einer  so  entschiedenen  Besserung  des  Allgemeinbefindens 
die  Wage  zu  halten. 

Die  von  Herrn  Z.  Mayer  angezweifelte  Möglichkeit  der 
Diagnosticirung  verkürzter  Lig.  rotunda  scheine  ihm  ziemhch 
einfach.  Deim  wenn  die  Vaginalportion  beweglich  sei  und 
sich  nach  vorne  und  hinten,  so  wie  auch  etwas  nach  unten 
verschieben  lasse,  dabei  aber  der  Fundus  uteri  beständig 
seine  Lage  nach  vom  behalte  und  dem  Gefühl  deutlich  die 
Empfindung  des  Fixirtseins  mittheile,  so  scheine  ihm  keine 
andere  Erklärung  möglich ,  als  dass  er  durch  die  Lig.  rotunda 
fixirt  werde.  Veraltete  Exsudate  zwischen  Blase  und  Uterus 
würden,  da  die  Blasenwand  selbst  beweglich  ist,  den  Uterus  nicht 
fixiren  können,  es  könnten  also  nur  Veränderungen  in  den 
Mutterbändem  sein ;  ob  diese  indess  in  früheren  entzündlichen 
Voi^ängen  ihren  Ursprung  hätten,  oder  durch  Muskelactionen 
bedingt  seien,  das  möge  unentschieden  bleiben. 

Auf  Herrn  L.  Mayer^s  Einwand,  dass  im  Umkreise  der 
Muttertiänder  gesetzte  Verbildungen  denselben  Einfluss  haben 
müMtoD,  entgegnet  Herr  Martin^  dass  er  dies  auch  für  ein 


454  XXX.   Verha&dlmigeii  der  Gesellschaft 

und  dasselbe  halle;  Exsudate  in  den  Mutterbandern  oder  um 
die  Mutterbander  herum  seien  wohl  in  ihrer  Wirkung  gleich, 
insofern  sie  in  ihrer  Consolidirung  eine  Schrumpfung  derselben 
heiteiführten. 

Herr  Wegscheider  nahm  darauf  das  Wort  und  äusserte 
sich  folgendermaassen: 

Es  kann  mir  nicht  beifallen,  zur  Debatte  über  die  Be* 
handlung  der  Deviationen  der  G^ärmutter  irgend  etwas  Ent- 
scheidendes beizubringen;  ich  bin  nicht  Special -Gynäkolog, 
und  wenn  ich  auch  das,  was  in  meiner  hausärztlichen  Praxis 
an  Frauenkrankheiten  vorkam,  mit  einer  gewissen  Vorliebe 
stets  selbst  untersucht  und  selbst  behandelt  habe,  so  können 
sich  doch  meine  Erfahrungen  den  hier  von  den  beiden  Herren 
Mayer  und  Martin  mitgetheilten  auch  nicht  annähernd  an 
die  Seite  stellen.  Dennoch  scheint  es  mir  nicht  ohne  Nutzen 
zu  sein,  dass  zu  dem  in  Rede  stehenden  Gegenstand  auch 
einmal  von  nicht  specialistischer  Seite  ein  Beitrag  geliefert 
werde.  Wir  Hausärzte  haben  denVortheH,  mit  unseren  Kranken 
in  der  Regel  länger  und  allseitiger  in  Verbindung  zu  stehen, 
als  die  Specialisten ,  und  haben  dadurch  Gelegenheit,  Verlauf 
und  Complicationen  eines  Uebels  bei  unseren  Patienten  von 
mannichfaltigeren  Gesichtspunkten  aus  zu  betrachten. 

Ich  kann  nur  versichern,  dass  ich  Deviationen  der 
Gebärmutter  recht  häufig  in  meiner  Praxis  beobachtet  habe, 
ich  kenne  eine  ganze  Anzahl  damit  behafteter  Frauen.  Ich 
sehe  dabei  ab  von  den  senilen  Schrumpfungen  und  damit  ver- 
bundenen Lageveränderungen  der  Gebärmutter,  wie  dieselben  bei 
alten  Frauen  so  häufig  im  Leben  und  bei  Sectionen  geftmden 
werden,  auch  im  geschlechtsreifen  Alter  existirt  das  Uebel 
meiner  Ueberzeugung  nach  viel  häufiger  als  man  gewöhnlich 
annimmt  Viele  Frauen  mit  schlaflem  Unterleibe  und  besonders 
mit,  durch  vorausgegangene  reife  oder  unreife  Geburten  er- 
schlafllen  Genitalorganen ,  leiden  an  Versionen.  Dieser  Befund 
trat  mir  oft,  wenn  ich  die  Untersuchung  wegen  Verdachts  neuer 
Sdiwangerschaft  oder  wegen  profuser  Menstruation  oder  Fluor 
albus  machte,  mehr  als  ein  zufölliger  entgegen.  Herr  Martin 
bat  schon  hervorgehoben,  und  muss  ich  das  bestätigen,  dass 
namentlich  zwei  bis  drei  und   mehr  Monate   nach  Aborten 


Hr  GebnrtohOlfe  in  Berlin.  455 

oder  nach  Entbindungen  der  Uterus  oftmals  antevertirt  ge* 
funden  wird.  In  solchen  Fällen  klagen  allerdings  die  Frauen 
häufig  ober  ein  Gefühl  der  Unsicherheit  im  Unterleibe,  über 
ein  Gefühl,  als  könne  etwas  fortiaUen,  über  ein  Gefühl  von 
Offensein  oder  auch  über  ganz  unbestimmte  Sensationen;  in 
bestimmte  Beziehungen  zu  dem  Vorwärts-  oder  Rückwärts- 
Gebeugtsein  der  Gebärmutter  konnte  ich  aber  diese  Klagen 
und  Beschwerden  nicht  bringen,  sie  gelten  mir  nur  als  ein 
Symptom  der  allgemeinen  Erschlaffung  und  zögernden  Rück- 
bildung der  durch  die  vorangegangenen  Entbindungen  aus- 
gedehnten inneren  und  äusseren  Genitalorgane. 

Ich  habe  mich  deshalb  auch  in  allen  solchen  Fällen  einer 
(sgentlichen  orthopädischen  Behandlung  der  Gebärmutter  ent- 
halten und  habe  viele  dieser  Versionen  allmälig  mit  der  Wieder- 
kehr einer  grösseren  Körperfülle  und  der  Wiederkehr  eines 
erhöhten  Turgor  in  den  betreffenden  Theilen  verschwinden, 
andere  ohne  weiteren  Nachtheil  fortbestehen  gesehen.  Eine 
zweite  Reihe  von.  gewöhnlich  mit  Km'ckungen  verbundenen 
Versionen  der  Gebärmutter  findet  sich  bekanntlich  mit  ander- 
weitigen Erkrankungen  des  Uterus,  chronischen,  entzündlichen 
Intumescenzen,  Katarrh,  Fibroiden,  oder  Druck  des  Uterus, 
den  er  von  benachbarten  krankhaften  Organen  erleidet,  oder 
endlich  mit  peritonäalen  Verwachsungen  complicirt  Auch  bei 
diesen  Lageveränderungen  ist  es  mir  immer  erschienen,  als 
sei  die  Lageveränderung  an  sich  das  Minderwesentlicbe,  die 
Erkrankung  des  Organs  die  Hauptsache,  ich  habe  wenigstens 
ganz  dieselben  Leiden  und  Beschwerden  auch  ohne  die  Lage- 
veränderung gesehen  und  habe  mich  daher  nach  einigen  in 
früheren  Jahren  angestellten  Versuchen  durch  Sondenbehandlung 
die  Lage  zu  verbessern,  in  neuerer  Zeit  durchweg  darauf  be- 
schränkt den  kranken  Uterus  zu  bebandeln,  nicht  aber 
den  geknickten  oder  den  gebeugten.  Ich  bin  in  dieser 
Beziehung  den  Vorschriften  von  Bennet,  P.  Duboie,  Scansoni, 
Veü  und  von  anderen  Gynäkologen  gefolgt,  es  schien  mir 
dieser  Weg  vom  bausärztlicben  Standpunkte  aus,  jedenfalls 
der  skherere.  Denn,  dass  die  fortgesetzte  Sondenbehandlung 
and  mehr  noch  die  /Stmp^cm'schen  und  £»u^cA'scben 
Radresseurs  ihre  Gefahren  haben  und  in  einzelnen  Fällen  recht 
ernste  ZufUle,  sogar  tödtliche  Metritis  und  Peritonaeitis  zur 


466  XXX.   VerhaiidliuigOB  der  Gesellicliaft 

Folge  gehabi  haben,  daför  habe  ich  aus  der  Praxis  anderer 
ktnle  Beispiel. 

Ich  bin  nun  übrigens  weit  davon  entfernt,  die  günstigen 
Erfolge  unserer  Specialisten  in  der  Orthopädirung  des  Uterus 
äberhaopt  in  Zweifel  zu  ziehen,  ich  begreife  namentÜGb 
yollkommen ,  dass  unter  Umstanden  Tampons  und  Gummiringe 
sehr  heilsam  wirken  können,  ich  mochte  aber  gern  zur 
Würdigung  dieser  Therapie  noch  auf  einige  dabei  concurrirende 
Momente  auhnerksam  machen. 

Zunächst,  glaube  ich,  darf  man  nicht  vergessen,  dass  die 
Phantasie  der  Frauen  bei  ihren  krankhaften  Empfindungen  eine 
sehr  gewichtige  RoUe  spielt  Bei  einer  grossen  Anzahl  von 
Frauen,  welche  in  ihren  gescUechdichen  Beziehungen  nicht 
normal  leben  (und  wie  viele  sind  dies!),  bei  Frauen,  welche 
firüher  onanirt  haben,  bei  solchen,  welche  geschlechtlich  nicht 
recht  befriedigt  werden  oder  bei  welchen  der  eheliche  Umgang, 
der  früher  häufiger  stattfand,  aus  irgend  welchen  Gründen 
unterbleibt,  femer  bei  aus  irgend  welcher  Ursache  sterilen 
Frauen  nimmt  die  Phantasie  nur  gar  zu  leicht  eine  krank- 
hafte Richtung  an,  zumal  wenn  Unthätigkeit,  unbefriedigende 
äussere  Verhältnisse,  unzweckmässige  Lebensweise,  Mangel  an 
Bewegung,  Unterleibsstockungen,  Hämorrfaoidalreiz  etc.  hinzu- 
kommen. Solche  Frauen  sind  nur  gar  zu  geneigt  unbestimmte 
von  den  Genitalien  ausgehende  Empfindungen  durch  weiteres 
Grübehi  zu  steigern.  Kommen  nun  noch  Mittheilongen  von 
in  diesem  Gebiete  erfahrenen  Freundinnen  hinzu,  ßUt  ihnen 
eine  diese  Leiden  schild^mde  Annonce,  ein  AuerbtMeVsches 
Extrablatt  oder  dergL- in  die  Hände,  so  gerathen  sie  in  eine 
angstvolle  Stimmung,  die  ihnen  hinter  jedem  Fluor  albus 
Mutterkrebs ,  hinter  jedem  Unbehagen  im  Unterleibe  schweres 
Gebärmutterleiden  als  Schreckgespenst  aufsteigen  lässt  In 
dieser  Stimmung  kommen  sie  zum  Arzt.  Schwer  ist  es 
dann  bei  den  übertriebenen  Klagen  zu  unterscheiden,  was 
von  den  Leiden  mehr  psychischer,  was  reeller,  auf  materiell 
nachweisbare  Veränderungen  basirter  Natur  ist  Der  Arzt 
kann  dann  bei  der  Untersuchung  sehr  leicht  in  die  Ver- 
sudiung  gerathen,  einer  an  sich  vielleicht  sehr  schuldlosen 
Deviation  des  Uterus,  die  möglicherweise  auch  schon  sehr 
lange  bestanden  hat,  mehr  Gewicht  beizulegen,  als  sie  es  in 


filr  Gebnrtobillfe  in  Berlin.  457 

Wahrheit  Terdient     Sagt  man   der  Kranken,   sie  habe  eine 
Lageverandening  der  Gebärmutter,  so  ist  der  Schrecken  gross, 
und   ontemimmt  man  irgend  eine  örtliche  Behandlung  gegen 
das   Leiden,    so   ist  man   eines    günstigen   Erfolges  in  den 
meisten  Fällen   gewiss.     Das  Vertrauen  zu   dem  Arzte,   die 
bemhigende  Gewissbeit,  dass  nun  etwas  Gröndliches  gegen  ihr 
Leiden   geschieht,  lässt  der  Patientin  bald  ihre  Beschwerden 
in  einem  milderen  Lichte  erscheinen.  —  Ich  bin  seit  16  Jahren 
Arzt  hei  einer  übrigens   ganz   verständigen  Burgersfrau  von 
59  Jahren,  die  seit  40  Jahren  in  kinderloser  Ehe  lebt.    Diese 
Frau  litt  in  ihren  Vierziger  Jahren  lange  Zeit  an  recht  er- 
hebhchen  Beschwerden,  welche  durch  eine  chronische  entzünd- 
liche  Intumescenz   des  Uterus  bedingt  waren.    Wiederholte 
locale  Blotentziehungen  imd  andere  Mittel  curirten  die  Frau 
endlich  und  hatte  sie  nach  dem  Aufhören  ihrer  Regehi  sechs 
Jahre  lang  absolut  keine  Beschwerden,  da  bekam  ihre  Phan- 
tasie durch  einen  in  ihrer  Familie  vorgekommenen  Todesfall 
an  Mutterkrebs  wiederum  eine  krankhafte  Richtung  auf  ihre 
schon  von  ihr  vergessene  Gebärmutter.    Fast  alle  zwei  bis  drei 
Monate    quält  mich  seitdem  die  wunderliche  Frau  mit  den 
entsetzhchsten  Klagen  und  mit  der  Behauptung,  es  sei  ihre 
Gebärmutter  aus  der  Lage.    Die  Untersuchung  ergiebt  das 
Gegentheil  und  sie  lässt  sich  jedes  Mal  durch  eine  solche  und 
durch  die  Versicherung,  nun  sei  die  Gebärmutter  wieder  ge- 
hoben, voDständig  wieder  beruhigen.    Di^se  Comödie  bat  sich 
schon  wenigstens  ein  Dutzend  Mal  wiederholt,  alle  Klagen,  alle 
Druckersdieinungen,    alle    vermeintlichen  Urin-   und   Stuhl- 
Beschwerden  verschwinden  jedes  Mal  unmittelbar  nach  der 
Untersuchung.  Solche  Erfahrungen,  denen  ich  eine  ganze  Reihe 
ähnlicher  an  die  Seite  stellen  kann,  haben  mich  aUmälig  bei 
Beurtheilung  localer  Genitaltherapie  etwas  vorsichtig  gemacht 
Dem  Psychischen  ist  indess  keineswegs  allein  oder  auch 
nur  vorzugsweise  der  günstige  Erfolg  der  localen  Behandlung 
d^  Uterusdeviationen  zuzuschreiben,  ein  viel  Wichtigeres  ist 
in  meinen  Augen  die  wirklich  materieUe  Seite  der  Localbehand- 
lung,  nur  mödite  ich  bezweifeln,  dass  diese  lediglich  in  der 
Orthopädie  des  Uterus  bestände.    Ich  glaube,  dass  jedwede 
mechanische  Einwirkung  auf  den  Uterus  bei  krankhaften  Sen- 
sationen, die  von  diesem  Organe  ausgehen,  unter  Umständen 


458  XXX.   Verluuidliiiigeii  der  Qeselliehafl  eto. 

wohllhätig  wirken  kann.    Die  alten  Aerzte  behandelten  Hysterie 
vom  Uterus  ausgebend,  und,  wie  sie  versicherten,  mit  Erfolg, 
durch   Einlegen    von    Suppositorien    aus   Castoreum    in   die 
Vagina;  Scanzoni  rühmt  bei  Anteversionen  den  Erfolg  eines 
längere  Zeit  bindurdi  anzuwendenden  etwas  modificirten  und 
mit  einem  Schwammknopf  versehenen  iSot^i^schen  Gebärmutter- 
trägers, Mayef's  sahen  die  besten  Erfolge  von  Gharpietampons 
hoch   hinauf  geschoben   und   neuerlichst  von   Gummiringen, 
Andere    loben    die   Ceinture   hypogastrique.     Ich    bezweifle 
die   günstigen   Erfolge   dieser   Mittel,    sofern   sie   vertragen 
werden,  nicht  einen  Augenblick,  ich  selbst  mache  häufig  von 
dem  Dnterbaucbgürtel  Gebrauch  und  habe  mir  vorgenommen, 
auch  die  Gummiringe  künftig  anzuwenden,  —   aber  ich  bin 
nicht  davon  überzeugt,  dass  diese  Mittel  durdi  Beseitigung 
der  Lageabweichung   der  Gebärmutter   wirken,   eine   sokhe 
Wirkung  ist  meist  gar  nicht  mögUch,  sondern  ich  glaube,  dass 
ihr  Nutzen  darin  besteht,  dass  sie  einestheils  mechanisch  den 
dislocirten  und  krankhaft  reizbaren  Uterus  vor  Zerrungen  und 
Erschütterungen  sicher  stellen,  andemtheils  durch  Ausübung 
eines  selbst  bis  zu  einem  gewissen  Grade  unbequemen  und 
schmerzhaften  Druckes  manche  leise,  krankhafte  Reizempfia- 
dungen,  die  von  der  Gebärmutter  ausgehen  und  die  consensuell 
weiter  wirken,  zum  Aufhören  bringen.    Aehnlicb  verhält  es 
sich  mit  manchen  Empfindungen  und  Schmerzen  in  den  Ex- 
tremitäten,   in  den  Gelenken,  aber  auch  in  den  Unterleibs- 
Organen,  den  Brüsten  u.  s.  w.,  die  wir  durch  einen  passend 
angebrachten  Druckverband  wesentlich  mildem.   Ja,  ich  glaube, 
dass  auch  das  Sondiren  des  Uterus  in  dieser  Richtung  günstig 
wirken  kann,   wie  ja   auch  manche  unbequeme  und  lästige 
Empfindung  in  der  Harnröhre  und  am  Blasenhals  unter  Um- 
ständen durch  Einführung  eines  Bougies,  ohne  dass  dasselbe 
eine  Strictur   zu  erweitern   ßnde,   gemildert  oder  ganz  be- 
seitigt wird. 


XXXI.   Sehurig,  Beitrag  sur  Voraoabeatimmniig  eio.      459 

XXXI. 

Beitrag  sur  Voraasbestiininung  des  Fötal- 
geschlechtes durch  Zahlung  des 

Fötalpulses. 

Von 

Dr.  F.  A.  Sehorlg. 

Nach  den  sehr  widersprechenden  Resultaten  bei  den  bis- 
her angestellten  Untersuchungen  zur  Yoraud^iestimmung  des 
Pötalgeschledites  durch  Zählung  der  Pulsfrequenz  des  Fötus, 
erachtete  ich  es  nicht  für  undankbar,  diesen  Gegenstand  einer 
weiteren  Prüfung  zu  unterwerfen.') 

Die  Gelegenheit  zu  meinen  Untersuchungen  bot  mir  Herr 
Hofrath  Prof.  Dr.  Cred^  in  der  geburtshOlflichen  Klinik  zu 
I^eipzig.  Ich  verwendete  zu  meinen  Beobachtungen  eiound- 
dreissig  Schwangere,  welche  sich  meist  in  den  letzten  Monaten 
der  Schwangerschaft  befanden,  und  suchte  soviel  wie  möglich 
den  Bedingungen  Genüge  zu  leisten,  welche  Steinbcich  (Monats- 
schrift für  Geburtskunde,  Bd.  XVIII.,  H.  6)  als  unerlässlich 
hinstellt,  und  namentlich  die  Umstände  zu  vermeiden,  welche 
die  Vorausbestimmung  des  Fötalgeschlechtes  beeinträchtigen, 
nämlich  1)  zu  kurze  Beobachtungszeit  bei  gleichzeitig  nicht 
unbeträchtlichen  Pulsschwankungen;  2)  die  letzten  Tage  der 
Schwangerschaft;  3)  nicht  gehörige  Berücksichtigung  der 
nöthigen  Vorsicht  beim  Untersuchen  selbst;  4)  mehrfache 
Schwangerschaft  (?) ;  5)  diejenigen  Fälle,  in  welchen  die  Puls- 
frequenz nach  den  festzuhaltenden  Regeln  für  beide  Ge- 
schlechter zugleich  sprechen,  Fälle  also,  wo  die  Mittelzahlen 
in  Frage  kommen ;  6)  Krankheit  der  Schwangeren ;  7)  Nabel- 
schnurdruck; endlich  8)  die  Fälle,  in  welchen  die  Puls- 
differenzen bisher  noch  keine  Erklärung  haben. 

Von  meinen  Schwangeren  wurden  17  sowohl  Vor-  als 
auch  Nachmittags,  14  jedoch  nur  Nachmittags  untersucht,  und 


1)  S.  Ueber  die  VoraasbostimmuDg  dof   Fötalgeschlechtef. 
InaogaraldiftertAtion  von  F.  Ä.  Schurig,  Lcipsig  1868. 


460         XXXI.   Sdmrigf  Beitrag  nur  Voravsbestliiimiiiig 

zwar  so,  dass  vor  der  Untersuchung  darauf  gesehen  wurde, 
dass  die  Schwangeren  keine  grosse  körp^liche  Bewegungen 
gemacht  hatten,  und  jedesmal  erst  eine  kurze  Zeit  auf  dem 
Untersuchungsbette  vor  Beginn  der  Zählung  der  Pulsschläge 
des  Fötus  ruhig  liegen  bleiben  mussten.  Die  Zählungen  sdbst 
geschahen  in  der  Rückenlage  der  Schwangeren  unmittelbar 
durch  einfaches  Anlegen  des  Ohres  an  den  Leib  derselben, 
es  wurde  immer  nach  15  Secunden  gezählt  und  zwar  wurden 
bei  einer  jedesmaligen  Beobachtung  mehrere  Zählungen  vor- 
genommen und  die  dann  constant  erhaltene  Zahl  notirt  Fand 
bei  irgend  einer  Beobachtung  eine  lebhafte  Bewegung  des 
Kindes  oder  irgend  eine  andere  Ursache  statt,   bei  wdcher 


I. 

Richtige 

Diagnose 

Fötolpulf. 

Diiroh- 

Anfang 

No. 

Name. 

sohnittf- 

der 

Gebort. 

Vor- 

Nach- 

sahl. 

Beobftchtmig. 

mittags. 

mittags. 

1 

8ehu>arB6 

128 
120 

124 

124 

124 

21.  Juli. 

23.  Juli. 

124 

2 

lApfwt 

• 

128 

128 

128 

182 

124 

124 

128 

132 

132 

132 

182  —  36 

128 

182 

128 

126 

120 

132  —  86 

136 

129 

24.  Joli. 

8.  Sept. 

129 

129 

8 

ThMt 

182 

132 

132  —  36 

186  —  40 

128 

128 
182 
128 

131 

24.  Joli. 

1.  Ang. 

• 

186 
184 

129 

deB  Fötelgesohleohtos  daroh  ZUhlnnf  des  Fötalpultes.    461 


sich  der  Pols  des  Fötus  beschleunigte,  so  wurde  die  Unter- 
suchung ausgesetzt,  oder  wenigstens  so  lange  gewartet,  bis 
der  Puls  wieder  dieselbe  Höhe  erreicht  hatte,  welche  in  der 
Ruhe  gefunden  wurde.  Trotzdem  treten  manchmal  zwischen  den 
?erschiedenen  Beobachtungen  nicht  unbeträchtliche  Differenzen 
des  Pulses  ein ,  weldie  wir,  wie  schon  Haake  (Monatsscbrift 
für  Geburtskunde,  Bd.  XV.,  H.  6)  angiebt,  „durch  uns  noch 
unbekannte  Zustände  entweder  der  Frucht  selbst  oder  Tielleicht 
auch  des  mfltterlichen  Organismus  bedingt  ansehen  mässen.** 
Der  Uebersichtlichkeit  wegen,  theile  ich  zunächst  die 
Tabellen  mit,  welche  zur  besseren  Vergleichung  nach  dem 
▼orber  bestimmten  Geschlecht  geordnet  sind: 


pci  Knaben. 


Geachlocht 
RfSer 


pwpteg. 


Wirk- 
liclios. 


Alter 

der 

Sehwon- 

geren. 


Wievielte 

Schwan- 

gerachaft. 


Lage 

des  Kindes 

bei  der 

Geburt 


Bemerknngen. 


iasbe. 


Knabe. 


26Jabre. 


Vierte. 


ketbe. 


Knabe. 


23 


Erste. 


Zweite  aas 

der  dritten 

Schädellage. 


Erste 
Scbftdellage. 


Kubs. 


Knabe. 


80 


Dritte. 


Erste 
Schlidellage. 


462 


{f,  Beitraf  Biir  VoraaabettiHMiiag 


No. 

Name. 

Fötolpali. 

Dnroh- 
sehDitts- 

Anhing 
der 

Geburt. 

1 

Vor- 

Nach- 

sahl. 

Beobaehtoog. 

mittags. 

mittags. 

1 

4 

Sehwennger. 

144 

140 

136 

182 

134 

182 

182 

182 

128  • 

124 

120 

132 

182 
128 
124 
128 
124 
120 
182 
132 
130 
182 

180 

26.  Jnli. 

2.  Sept. 

128 

6 

AUenbwrg. 

132 
183 
136 
182 

183 

138 

21.  Aog. 

27.  Aag. 

6 

Frtmeke. 

186 
128 
136 
133 
134 
132 

183 

138 

18.  Aag. 

2.  Sept. 

7 

Kai»er, 

^ 

132 
134 
ISO 
136 
130 
128 
130 
136 

132 

132 

27.  Aag. 

6.  Sept. 

8 

Krüger. 

186 
182 
182 
186 
128—32 

136 

186 

182 

120 

132 

132 

128—32 

132 

131 

181—182 

27.  Aug. 

13.  Ocl. 

133 

des  FStftli^sehledites  daroh  Zfthlnog  dei  F^tolpnliei.     463 


Getebleobt. 


Torher- 

Mtimm- 

t«s. 


Kaabe. 


Kaabe. 


Knabe. 


Kaabe. 


Knabe. 


Wirk- 
liobea. 


Knabe. 


Knabe. 


Knabe. 


Knabe. 


Knnbe. 


Alter 

der 

Sobwan- 

geren. 


38Jabre. 


34 


34 


31 


20 


Wievielte 

Sebwan 

gertebaft. 


Zweite. 


Dritte. 


Dritte. 


Dritte. 


Erste. 


Lage 

des  Kindes 

bei  der 

Geburt 


Bemerkungen. 


Zweite 
ScbXdellage. 


Dritte  Quer- 
lage, «weite 
Unterart 


Erste 
Scbftdellage. 


Zweite 
ScbHdellage. 


Erste 
Scbftdellage. 


Fruchtwasser  stark 
meconinmbaltig,  Nabel- 
schnur dünn  und  stark 
gewunden.  Bei  7  Beob- 
achtungen seigte  lieh 
Nabelscbnu  rgerSusch. 


Zeitweiliges      Kabel- 
scbnnrge  rausch. 


464         ZXXI.  ^oibiinjf,  Beitrag  inrVomiubMtimmiiiig 


Fötalpnls. 

Durch- 

Anfaaff 

i 

No. 

Naiiie. 

iolmitts- 

der 

Geburt 

1 

Vor- 

Nach- 

nhl. 

BeobaehtviBg. 

mittagB. 

mittagi. 

9 

BuekUUehel 

128 
182 

182 
184 
130 

182 

131 

30.  Aog. 

2.  Sept. 

180 

10 

Taubert. 

140 
132 
186 
136 
182 
186 
182 
186 
128 
132 

184 

184 

27.  Aug. 

26.  Sept 

11 

ünUrdSr/a. 

182 
132 
130 
182 

136 
136 
186 
186 
128 

134 

183 

10.  Sept 

• 

28.  Sept 

182 

12 

Bergmann, 

132—36 

182 

186 

128 

128 

182 

136 

132 

128—82 

124 

136 

128 

182 

136 

140 

144 

182 

182 

183 

182—138 

26.  Sept. 

4.  Not. 

132—83 

21.  Sept. 

6.  Oet 

18 

Dobfils. 

136 
144 
186 

136 
128 
144 
124 
128 

132 

134 

138 

6.  Oct. 

16.  Oet 

14 

Fueher. 

132 

136 

132—86 

132 

140—44 

136 

128 
136 
124 
128 
132 

129—30 

183—134 

dea  FStali^sehleehtes  durch  Zählnng  des  FStalpnUei.     465 


GeseUeclit. 


Torher- 
timm« 
Im. 


d 


Wirk- 
licheB. 


Alter 
der 
Schwan- 
geren. 


Wievielte 
Schwan- 
gerichaft. 


Lage 

des  Kindes 

hei  der 

Gehört. 


Bemerknngen. 


Kiebe. 


latbe. 


bähe. 


Knabe. 


Kaahe. 


Knahe. 


4SJahre. 


Knahe. 


Knahe. 


Xaabe.  i  Knahe. 


20 


20 


23 


Knahe. 


Knahe. 


22 


36 


Dritte. 


Erste. 


Erste. 


Erste. 


Zweite. 


Zweite. 


Erste 
SchSdellage. 


Erste 
SchHdellage. 


Erste 
Sehadellage. 


Sehr  deatliche  Hers- 
tone,      rahiges      Kind. 
Nahelschnnrgeränsch. 
Kind  8  Pfd.  12  Loth. 


Erste 
Sch&dellage. 


Erste 
SchSdellage. 


Erste 
Schädellage. 


Menatuelur.  f.  aebnrtak.  1863.  Bd.ZXI.,  HA.  8. 


Naheis  chnn  rge  rSnsch 
immer  vorhanden.  Wäh- 
rend der  Gehnrt  auch 
nachAhflnss  des  Wassers. 
Kind  sehr  kr&ftig.  8  Pfd. 
6  Loth. 

Bei  allen  Beohach- 
tangen  seigte  sich  Nahel- 
schnargerKnsch ,  konnte 
jedoch  wShrend  d.  Gehurt 
nicht  gefunden  werden; 
d.l8.0ct.  Pnis  d.Mutter  72. 
Kind  7  Pfd.  10  Loth. 

80 


466     XXXI.  Sdmrifff  Ein  Beitrag  inr  VoranabesÜnunmig 


D 

.     Falsche 

Diagnoi 

No. 

Name. 

Fötalpnls. 

Dnrch- 
schnitts- 

Anfang 
der 

Gebnrt. 

Vor- 

Nach- 

sahl. 

Beobachtung. 

mittags. 

mittags. 

15 

Jäknigen, 

140 

136 

182—86 

124-28 

132 

122 

186 
182 
136 

182 

21.  Jali. 

80.  Jali 

• 

131 

134 

16 

Hoffmann. 

124 

124-28 

124 

124 

128—82 

124 

128 

120 

182 

182 

128 
120 
118 
124 

125 

28.  Jnli. 

6.  Angni 

127 

122 

17 

Wiedebaeh. 

132 

180 

186—40 

136 

182 

124 

128 

136 

140 

138 

186 
140 
144 
132 
182 
182 
182 

184—135 

2.  Angnst. 

13.  Sept. 

187 

18 

Hombach. 

128 
182 
124 
184 
132 

180 

ISO 

16.  Angnst. 

26.  August 

19 

KuUcher. 

186 
186 
186 
140 
132 
132 
182 
136 
132 
136 
140 

136 

185 

27.  Angnst. 

7.  Oct. 

dos  FSUlgesehleehtei  durch  Zfthliing  dei  Fötalpolses.     467 


li  Knaben. 


Gswhloeht. 


irfaer- 


M 


Wirk- 
lichei. 


Alter 

der 

Schwftn- 

geren. 


Wieyielte 

Sehwan- 

gerichaft. 


laabe. 


Midchen. 


kitb«.  Midchen. 


laibe. 


habe. 


tstbe. 


M&dchen. 


Mädchen. 


Mädchen. 


ilJahre. 


21 


34 


18 


26      , 


ErBte. 


Erate. 


Vierte. 


Erste. 


Zweite. 


Lage 

des  Kindes 

bei  der 

Gebart. 


Erste 
SehSdellage. 


Erste 
SchKdellage. 


Zweite 
Gesichtslage 


Zweite 
Schädellage. 


Ente 
Schädellage. 


Bemerkungen. 


Kind  sehr  beweglich. 
Sohwangerschaftswehen 
kräftig.     Kind   3  Pfnnd 
27  Loth. 


Cirea  14  Tage  sa  früh. 
Nabelschnar  ly^  Mal  an 
den  Nacken  geschlnngen. 


Aasser  der  Wehe  188 
Pols  des  Kindes.  Nabel- 
schnar einmal  am  den 
Hals  geschlnngen.  Linke 
Hand  dem  linken  Ohre 
anliegend. 


Nabelschnar   ein   Mal 
am  den  Hals  gesehlangen. 


80* 


46S[      -  XXXI.   S<^rig,  Beitrag  inr  Yoranfibefitimmiing 


B 

m. 

Richtige 

Diagni 

Fotalpule. 

Daroh- 

Anfang 

No. 

Name. 

schnitts- 

der 

Geboi 

' 

Vor- 

Nach- 

sahl. 

Beobaehtang. 

mittags. 

mittags. 

20 

GoKU, 

140 
140 
144 
144 
136 
140 
144 
136 
144 
136 
140 
144 
148 

141 

141 

14.  Aug. 

8.   Se] 

21 

Silber, 

• 

140 
144 

142 

142 

16.  Aog. 

17.  Am 

22 

Rudert, 

140 
144 
140 
162 
140 
162 
144 
140 
140 
148 
144 
140 

143—144 

16.  Ang. 

3.   Oct 

144 
144 

, 

148—44 

23 

Sachse, 

148 
140 
144 
144 
140 
148 
144 
144 
186 
140 

142-48 

142—143 

27.  Ang. 

19.  Not. 

des  FdUlgescUechtes  durch  Zählung  des  Fötolpalses.     469 


iii  Madcheo. 


Gesebleeht. 


rwher-  t 


>.! 


tM. 


Wirk- 
liches. 


Alter 

der 

Schwan« 

geren. 


Wievielte 
Schwan- 
gerschaft. 


Lage 

des  Kindes 

bei  der 

Geburt. 


Bemerkungen. 


•D.  MSdchen. 


28  Jahre. 


Zweite. 


r 


ichen. 


eben« 


Mädchen. 


MSdchen. 


m 


eben. 


MSdchen. 


26 


22 


82 


Erste 
Schädellage. 


Nabelschnur   ein   Mal 
um  den  Hals  geschlungen. 


Zweite. 


Erste. 


Erste. 


Erste 
Schädellage. 


Erste 
Schädellage. 


Zweite 
Schädellage. 


Zeitweiliges  Nabel- 
schnurgeräusch. Kind 
7  Pfd.  15  Loth. 


470         XXXI.    Sehtrig,  Btiing  zur  YorBnBhtBiinunnnz 


No. 


Name. 


FStolpnls. 


.Vor- 
mitUgt. 


Naeh- 
mittags. 


Dnrch- 

sehnitto- 

lahL 


Anfang 

der 

Beobachtnng. 


Gebiiii_ 


34 


BMm. 


26 


Pohk, 


36 


V$U. 


97 


186 
144 
140 
148 
128 
140 


189 

144 
140 


142 


140 
140 
144 
140 
144 


141 

140 
144 
140 
144 
148 
186 


142 

186 
128 
140 
182 

140—44 
164  d. 
10.Oot. 


140 

186 
140 


188 


141 


142 


140 


140 


1.  3ept 


7.  Sept. 


12»  Sept. 


7.  Oet. 


6. 


21.  Sep% 


Li 


11.  OeU 


S.  Oot.  I 


IV.    Falsche  Diagnose 


28 


PttdUbd. 


148 
144 
140 
140 
144 
142 
148 
144 
156 

145 


148 

144 

140-46 

140 

144 


148 


144—145 


21.  Joli. 


1.  Avgiutif 


dei  Fl^telgMcbleohtes  durch  Zählung  des  FötolpnliM.     471 


GcMhleeht. 


Wirk- 
liches. 


Alter 

der 

Schwan- 

geren. 


WievieUe 
Schwan- 
gerschaft. 


Laffe 

des  Kindes 

bei  der 

Qebnrt. 


Bemerkungen. 


Mädchen. 


NehsB.!  Mädchen. 


iMek 


en. 


ftdeken. 


Mädchen. 


Mädchen. 


25Jahre. 


Zweite. 


17     . 


29 


23 


Erste. 


Zweite. 


Dritte. 


Zweite 
Scbädellage. 


Kind  7  Pfd.  6  Loth. 


Erste 
Schädellage. 


Nabelschnur   ein  Mal 
nm  den  Hals  geschlungen. 


Erste 
Sohädellage. 


Den  10.  Oct.  Pols  der 
Mntter  104. 


Erste 
Schädellage. 


Kind  vier  Wochen  sn 
früh. 


bei  Mädchen. 


Bdcken. 


Knabe. 


86Jahre. 


Sechste.  ,       Erste 

Schädellage. 


Nabelschnnrgeränsch 
immer  Torhanden.  Nabel- 
schnur ein  Mal  ttber  den 
Nacken  gelegt. 


472         XXXI.    Schurig  f  Beitrag  inr  Voraasbestimmnng^ 


• 

Fötalpais. 

Dnreh- 

Anfang 

"  -  -^^ 

No. 

Name. 

schnitts- 

der 

Geburt.    { 

Vor- 

Nach- 

lahl. 

Beobachtung. 

1 

mittags. 

mittags. 

29 

nUme. 

148 
140 
144 
182 
140 

144 
186 
148 
140 
132 

140 

27.  Jali. 

26.  Inguek^ 

- 

■ 

186 
144 
140 

140 

■ 

140 

30 

Zoitrow. 

150 
144 
140 
152 
144 

146 

21*  Aagost. 

28.  Angnei.) 

• 

144 

152 

146 

81 

8^M. 

140 
14U 

140 

132—86 
132 
152—56 

140—141 

17.  Sept. 

2.  Oet. 

; 
> 

1 

' 

186 

140 

» 

140 

( 

Betrachten  wir  das  Resultat  der  UntersuchungeD,  so  haben 
wir  22  Hai  eine  richtige  und  9  Mal  eine  falsche  Diagnose. 
Wenn  aber  Steinbach  die  zu  kurze  Zeit  der  Beobachtungen 
und  die  letzten  Tage  der  Schwangerschaft  als  Momente  an- 
giebt,  die  Diagnose  des  Fötaigeschlechtes  nicht  mehr  stellen 
zu  können,  so  widersprechen  diesem  No.  1,  9,  21  und  27 
meiner  Untersuchung,  denn  gerade  bei  diesen,  wo  die  Unter- 
suchung 1  —  2  Tage  vor  Ende  der  Schwangerschaft  stattfand, 
zeigte  sich  ein  ziemliches  Gleichbleiben  des  Pulses,  und  auch 
eine  richtige  Vorausbestimmung,  ein  Verhältniss,  welches  mir 
um  so  mehr  erklärlich  erscheint,  da  in  den  letzten  Tagen  der 
Schwangerschaft  in  den  meisten  Fällen,  bei  nicht  übermässigem 
Fruchtwasser  und  Kleinheit  des  Kindes,  der  Fötus  diejenige 
Lage  eingenommen  hat,  in  welcher  er  sich  zur  Geburt  ein- 


des  Fötalgeschlecbtes  durch  Zählung  des  Fötalpulses.     473 


Geschlecht. 


Wirk- 
liches. 


Alter 
der 
Schwan- 
geren. 


WicTielte 
Schwan- 
gerschaft. 


Lage 

des  Kindes 

bei  der 

Qeburt. 


Bemerkungen. 


bdcheo.  I    Knabe. 


Idehen. 


Knabe. 


kUchen.     Knabe. 


37  Jahre. 

Zweite. 

24      , 

Zweite. 

21      , 

Erste. 

Zweite 
Schädellage. 


Zweite 
Schädellage. 


Zweite 

aus  der 

dritten 

Schädellage. 


Während  d.  Schwanger- 
schaft untere  Extremi- 
täten stark  geschwollen. 
Eclampsie  während  der 
Qeburt.  Ei  weiss  im  Harn. 
Nabelschnur  zwei  Mal  um 
den  Hals  geschlungen. 


Sehr  ToUer  Puls  bei 
Mutter  und  Kind.  Puls 
der  Mutter  100.  Fötal- 
töne sehr  deutlich. 


Wurde  bisher  am 
Schanker  behandelt  und 
hat  einen  Bubo  in  der 
linken  Leistengegend. 


stdit.  Suchen  wir  einen  Grund  fQr  die  neunmalige  Täuschung 
in  No.  15,  16,  17,  18,  19,  28,  29,  30  und  31,  so  stimmen 
mit  Steinhach  No.  16,  18,  19,  28,  29  und  31  überein,  und 
zwar  zeigte  in  den  ersten  5  Fällen  jedes  Mal  die  Nabelschnur 
ein  abnormes  Verhalten,  wenn  auch  nicht  immer  Nabelschnur- 
geräusch damit  verbunden  war,  sondern  nur  in  No.  28.  Ob 
aber  auf  dieses  Yerhältniss  ein  Gewicht  zu  legen  ist,  möchte 
ich  bezweifeln,  da  in  No.  6,  10,  13,  14  und  22,  wo  die 
Diagnose  eine  richtige  war,  Nabelschnurgeräusch  theils  bei 
allen,  Üieils  bei  einzelnen  Beobachtungen  gehört  wurde,  in 
No.  20  aber  und  25  bei  ebenfalls  richtiger  Diagnose  die 
Nabelschnur  um  den  Hals  geschlungen  war. 

No.  31    ist   mit    Steinbach   übereinstimmend,    da   bei 
diesem  Falle  Krankheit  der  Mutter  vorhanden  war. 


474  XXXII.   Notisen  aus  der  Joamal -Literatur. 

Um  einen  Grund  zu  finden,  warum  No.  15,  17  und  30 
eine  falsche  Vorausbestimmung  bedingten,  so  kann  bei  No.  15 
wohl  das  Alter  der  Frau  und  die  grosse  Beweglichkeit  des 
Kindes  die  falsche  Diagnose  bewirkt  haben,  No.  30  kann 
vielleicht  durch  den  hohen  Puls  der  Mutter  erklärt  werden, 
wie  wir  dies  auch  in  No.  26  bei  der  letzten  Beobachtung  sehen. 

Für  No.  17  habe  ich  keine  Erklärung,  wenn  wir  nicht 
die  Gesichtslage  als  solche  ansehen  wollen. 

Uebersehen  wir  nun  noch  einmal  das  Resultat  meiner 
Untersuchungen,  und  nehmen  hier  hinzu  die  Ergebnisse  der 
anderen  Arbeiten  über  die  Bestimmung  des  Fötalgeschlechtes 
nach  der  Frequenz  der  Fötalherztöne,  so  müssen  wir  uns  ge- 
stehen, dass  mit  Sicherheit  das  Geschlecht  des  Kindes  durch 
diese  Methode  nicht  bestimmt  werden  kann.  Denn  1)  ist 
der  Fötalpuls  vielen  Einflüssen  von  Seiten  der 
Mutter  unterworfen,  welche  ihn  beeinträchtigen' 
können  (z.  B.  Krankheit  der  Mutter),  2)  Anomalien  im 
Kreislaufe  des  Fötus  selbst  können  den  Puls 
ändern  (z.  B.  Nabelschnuranomalien) ,  3)  auch  bei  diesen 
Anomalien  kann  der  Puls  des  Fötus  die  zur  Be- 
stimmung des  Geschlechts  (nach  Frankenhäuser'scher 
Theorie)  nöthige  Pulsfrequenz  besitzen,  4)  die  Ano- 
malien im  Kreislaufe  (z.  B.  Nabelschnuranomalien)  können 
wir  erst  mit  Sicherheit  nach  der  Geburt  feststellen. 


XXXIL 

Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 


Bamu:  Fall  Ton  Osteomalacie. 

Eine  40jfthrige  Person ,  die  10  Jahre  verheirathet  war,  ohne 
je  schwanger  gewesen  su  sein,  war  seit  einigen  Jahren  unter 
den  gewöhnlichen  Symptomen  an  der  Osteomalacie  erkrankt, 
ohne  dass  irgend  eine  Ursache  dafür  in  ihren  LebensTerhUltniisen 
»uf^nfinden  gewesen  wäre.    Die  Verbildung  des  Beckena  and  der 


XXX IT.   Noiisen  aiu  der  Journal- Literatur.  475 

anderen  Skeletttheile  war  gani  charakteristisoh  und  der  Dauer 
der  Krankheit  entsprechend. 

Im  December  1860  untersuchte  Ltthehy  den  Urin  der  Kranken 
und  fand  ihn  frei  von  Eiweiss,  Zucker  oder  anderen  organischen 
Bestandtheilen ,  alkalisch  und  stark  nach  Ammoniak  riechend, 
spec.  Gewicht  1018;  Wasser  962,60;  feste  Bestandtheile  37,40. 
Diese  bestanden  ans: 

Harnstoff  .  .  .  10,0.  Schwefelsaure  Salse  3,12. 

HamsKure  .  .    0,41.  Phosphate 2,93. 

ExtraetiTstoff  14,59.  Erdphosphate  ....  1,99. 

Chloride    .  .  .    4,34. 

Diese  ZahleUi  nach  Procent  der  festen  Bestandtheile  berechnet 

und   mit   festen  Bestandtheilen   des  Urins   Gesunder  Terglichen, 

geben: 

Pro  100  Pro  100 

fette  Bettondthefle  feste  Bestandtheile 
des  untersnohten  Urins.        normalen  Urins. 

Harnstoff 26,80  Procent.  44,50  Procent. 

Harnsäure 1,10  ,  1,50  « 

EztractiTstoff  ....  89,01  „  24,20  « 

Chloride     11,60  „  10,25  „ 

Schwefelsaure  Salse    8,34  „  12,35  « 

Phosphorsaure  Salse   7,83  «  5,40  , 

Erdphposphate    .  .  .    5,32  „  1,80  „ 

Abgesehen  von  der  Verminderung  des  Harnstoffes,  die  wohl 
durch  inftUige  Zersetsung  des  Urins  bedingt  war,  so  findet  man 
eine  bedeutende  Vermehrung  der  Eztraotivstoffe  und  sämmtlicher 
Phosphate.  Zwei  andere  Proben  ergaben  folgendes  Resultat: 
Die  Beaotion  war  leicht  alkalisch  in  beiden  Fällen,  das  spec. 
Gewicht  A.  1024.    B.  1014. 

Feste  Bestandtheile  A.  38,4  per  mille.    B.  21,4  per  miUe. 

Die  festen  Bestandtheile  enthielten  per  cent: 

A.  B. 

HarastoflT 51,7  Procent    53,8  Prooent. 

HamsKure,  Extraetivstoffe  und  Zucker  25,1         „         18,8        « 

Alkalien 21,2         „         24,6        » 

Erdphosphate _^_^  2,0         „  2,8 ^ 

iöö,ä  iööVo. 

Nachdem  durch  längeren  Gebrauch  Ton  Leberthran  ein 
mehrmonatlicher  Stillstand  in  der  Krankheit  eingetreten  war, 
untersuchte  lAtkthy  den  Urin  wiederum  und  fand:  spec.  Ge- 
wicht 1014;  1000  Gr.  enthielten  24,5  feste  Bestandtheile,  davon 
waren  Salse  7,0  und  von  diesen  Phosphate  3,2. 

(Medico-ChirurgicalTransaotions.   London  1862.   Bd.  45.) 

G. 


476  XXXII.    Notiien  au  der  Joamal -Literatur. 

W.  Chapman:   AnBchoppang  der  Menses  während  iweier 
Jahre. 

Ckapmtm  beschreibt  einen  Fall,  wo  sich  bei  einer  40 jährigen 
robnsten  Fran,  die  drei  Mal  geboren  hatte,  die  Menses  im  Uterna 
während  mehr  denn  zwei  Jahre  angeschoppt  hatten;  die  Gebär- 
mutter war  so  gross,  wie  im  sechsten  Monate  der  Schwangerschaft, 
bei  der  inneren  Untersuchung  konnte  jedoch  der  Muttermund 
nicht  entdeckt  werden;  durch  das  Speculum  wurde  hierauf  das 
hermetisch  geschlossene  Os  uteri  erkannt  und  mittels  des  Zeige- 
fingers dilatirt.  Es  entleerten  sich  sofort  10 — 12  ünsen  dunkel- 
rothe,  nicht  im  geringsten  übelriechende  Flüssigkeit.  Amdritten 
Tage  zeigte  Patientin  Symptome  von  Peritonitis,  die  sich  jedoch 
nach  einigen  Tagen  su  verlieren  schien.  Am  11.  Tage  jedoch 
starb  Patientin,  nachdem  sie  schon  die  Nacht  vorher  sich 
sehr  unwohl  gefühlt  hatte.  Die  Seetion  wurde  nicht  gestattet. 
Tyler  Smith  glaubt,  die  Ursache  des  Todes  liege  entweder  in 
Berstung  eines  Abscesses  in  das  Peritonäum  oder  in  Anstritt  von 
Menstrualblut  durch  die  Tuben  (?);  dies  finde  manchmal  statt, 
wenn  der  Uterus  schon  theilweise  seines  Inhaltes  entleert  worden 
sei,  so  I.  B.  nach  Geburten,  während  Abort  oder  in  manchen 
Fällen  von  Menorrhagien. 

(The  Lancet,  1863,  No.  11,  Vol.  I.) 


Langmore:  Abort  von  Zwillingen  (?).     Superfötation. 

Der  der  geburtshülflichen  Gesellschaft  su  London  vorgetragene 
Fall  betrifft  einen  Abort  im  vierten  Monate.  Der  ausgestossene 
Fötus  war  der  Grösse  nach  der  erwähnten  Zeit  entsprechend  und 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  schon  einige  Zeit  abgestorben.  Nach 
der  Geburt  dieser  Frucht  wurde  noch  ein  sweites  Ei  ausgestossen ; 
in  den  wohlerhaltenen  Eihäuten  zeigte  sich  ein  ungeföhr  fünf  bis 
sechs  Wochen  alter  Embryo,  der  noch  vollkommen  frisch  und 
wohlerhalten  war  und  in  ganz  klarem  Fruchtwasser  flottirte. 
HarUy  und  Tanner  halten  dies  für  einen  klaren  Beweis  von 
Superfötation;  wäre  nämlich  das  sechs  wöchentliche  Ei  das  Product 
derselben  Conception,  so  mässte  es  schon  10  Wochen  lang  ab- 
gestorben und  jetzt  vollkommen  verfault  ausgestossen  worden 
sein,  da  ja  schon  der  erste  Fötus  Spuren  von  Fäulniss  zeigte. 
Referent  dieses  macht  aber  darauf  aufmerksam,  dass  gerade  bei 
Zwillingsschwangerschaften  die  Entwickelung  der  Früchte  eine 
ungemein  verschiedene  ist  und  somit  wohl  bescheidene  Zweifel 
über  diesen  Fall  von  Superfötation  gehegt  werden  können. 

(Medical  Times  and  Gazette,  1862,  No.  632,  Vol.  II.) 


XXXII.    Notisen  aas  der  Jonrnal- Literatur.  477 

Parker:     Tartarus     stibiatos     als     wehenbeförderndes 
Mittel. 

Dr.  Parker  empfiehlt,  gestütst  auf  seohsaehnjährige  Erfahrung 
nnd  eine  grosse  Anzahl  von  Fällen,  den  Tartarus  stibiatus  als 
wehenbefördemdes  Mittel  und  stellt  hierüber  folgende  Erfahrungs- 
sätse  auf: 

1)  Tartarus  stibiatus  erschlafft  sowohl  willkürliche  als  un- 
willkürliche Muskeln,  die  den  Wehen  Widerstand  leisten, 
er  überwindet  also ,  um  es  mit  anderen  Worten  aus- 
ludrüoken,  die  Rigidität  des  Muttermundes  und  der  Damm- 
muskeln. 

2)  Er  vermehrt  die  Schleimabsonderung  der  Vagina,  macht 
dadurch  ihre  Oberfläche  schlüpfrig  und  nützt  hierdurch  bei 
der  Geburt  wesentlich. 

3)  Er  vermehrt  die  contractile  Kraft  der  Längs-  und  Quer- 
fasem;  dies  ist  keineswegs  bloss  scheinbar,  wie  man  leicht 
nach  üeberwindung  der  Rigidität  des  Muttermundes  durch 
Tart.  stib.  annehmen  könnte.  Auch  bei  Fällen  von  Inertia 
uteri  bei  vollkommen  geöffnetem  Muttermunde  hat  ihn 
Verfasser  mit  Erfolg  angewendet. 

4)  Er  bewirkt  nicht,  wie  Seeale,  ununterbrochene  Zusammen • 
liehungen,  sondern  kräftigt  in  den  meisten  Fällen  die 
regelmässigen  Wehen.  Ebensowenig  bewirkt  er  in  der 
Naehgeburtsperiode  partielle  Contractionen ,  wie  Seeale, 
und  hindert  dadurch  nicht  die  Ausstossung  der  Nachgeburt. 

Dr.  Parker  sagt  ferner,  dass  Tart.  stib.  der  Patientin  in 
der  Weise,  wie  er  es  verordne,  nicht  unangenehm  sei;  er  giebt 
gr.j. — ij.  auf  ein  Weinglas  Wasser  nnd  lässt  dann  alle  10  bis 
15  Minuten  einen  Kaffeelöffel  so  lange  geben,  bis  das  nauseose 
Stadium  eingetreten  ist;  übrigens  sei  seine  Wirkung  auf  den 
Uterus  dieselbe  wie  auf  den  Darmoanal;  hier  würden  ebenfalls 
heftige  Contractionen  der  Kreis-  (I)  und  Längsfasem  bewirkt, 
während  die  Sphinoteren  (I)  erschlafft  würden. 

(Edinburgh  Medical  Jonmal,  Jan.  1863,  No.  XCI.) 


HewiU:  Theorie  über  die  Wirkung  des  Seeale  cornutum. 

Dr.  HewiU  stell^  über  die  Wirkung  des  Seeale  folgende 
Theorie  auf:  Ipecacuanha  bringt  Contractionen  des  Uterus  hervor 
und  bewirkt  sugleich  Erbrechen, —  wahrscheinlich  also  sind  die 
Contractionen  gans  oder  wenigstens  meist  vom  Erbrechen  abhängig. 
Wenn  man  nun  die  Wirkung  des  Seeale,  Zusammenziehungen 
der  Gebärmutter  hervorzurufen,  bedenkt,  zugleich  aber  auch 
erwägt,  wie  oft  dasselbe  Erbrechen  oder  einen  nauseosen  Zustand 
hervorruft,  so  kommt  man  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  Wirkungs- 


478  XXXII.   Notizen  aus  der  Jonrnal- Literatur. 

weise  des  Seeale,   Uterincontractionen  he rvorsn rufen,   voin  Er 
brechen  abhangig  ist. 

(Tha  Lancet,  Januarj  17,  1863,  No.  S,  Vol.  I.) 


BoBsi:    Thrombus   der  Mutterscheide,   grossen   Scham- 
lippe und  des  Dammes  nach  der  Geburt. 

In  der  geburtshülflichen  Klinik  su  Gras  wurde  bei  einer 
kräftigen,  gesunden  Person  eine  Stunde  nach  der  in  normaler 
Weise  erfolgten  Entbindung  von  frühreifen,  lebenden  Drillingen 
die  rechte  hintere  Hälfte  des  Mittelfleisches  und  das  untere 
Drittel  der  rechten  grossen  Schamlippe  stark  herrorgewolbt, 
ebenso  die  rechte  Wand  der  Vagina  stark  nach  links  und  Tom 
gedrängt  gefunden.  Allmälig  sah  man  sowohl  die  der  Geschwulst' 
entsprechende  Scheidenschleimhaut,  als  auch  die  äussere  Haut 
in  der  Gegend  des  Afters  blauroth,  glänaend  werden  und  die 
Geschwulst  über  den  untersten  Theil  der  rechten  Hinterbacke 
sich  ausbreiten.  Der  Mntterhals  seigte  sich  vollkommen  un- 
verletzt, hochstehend,  ebenso  das  Scheidengewölbe  unversehrt 
und  leer.  Bei  der  Untersuchung  barst  die  Geschwulst  in  der 
Gegend  des  Scheideneinganges,  und  aus  der  nur  lur  einen  Finger 
durchgängigen  Bissstelle  ergoss  sich  theils  coagulirtes,  theils 
flüssiges  Blut  in  grosser  Menge. 

Durch  Einführen  des  mit  kaltem  Wasser  gefüllten  Colpeurynter, 
später  durch  Einlegen  von  Eisstücken  in  die  Scheide  gelang  es, 
die  Blutung  au  stillen.  Das  Wochenbett  verlief  günstig.  Nach 
allmäliger,  durch  lauwarme  Einspritzungen  beförderter  Entleerung 
des  geronnenen,  schwärzlichen,  übelriechenden  Blutes  schloss 
sich  die  Bisswunde  rasch  unter  Injectionen  einer  schwachen 
Todlösung. 

(Oesterreich.  Zeitschr.  f.  prakt.  Heilkunde,  1863,  No.  16.) 


Jacobs:  Eine  vierte  Gesichtslage. 

Zu  einer  42jährigen  gesunden  Erstgebärenden  gerufen,  erfuhr 
Verfasser,  dass  dieselbe  seit  zwei  Tagen  die  heftigsten  Wehen 
habe  und  das  Wasser  seit  12  Stunden  abgeflossen  sei,  und  fand 
den  Muttermund  thalergross  erweitert,  seine  Bänder  leicht  dehnbar, 
das  Gesicht  in  der  Beckenhöhle  mit  nach  links  hinten  gerichtetem 
Kinn,  die  Herztöne  auf  der  linken  Mutterseite  hörbar,  die  Wehen, 
welche  gut  verarbeitet  wurden,  kräftig  und  häufig.  Er  beschränkte 
sich  unter  diesen  Umständen  darauf,  die  Frau  auf  die  linke  Seite 
zu  legen.  Ein  zugezogener  College  stimmte  hierin,  wie  in  der 
Diagnose  überein.  Achtzehn  Stunden  später  wurden  die  Wehen 
schwächer   und   seltener,    die  Fötalherztöne   unregelmässig    und 


XXXIJ.    Notiien  ans  der  Journal- Literatur.  479 

undeutlich;  die  Kreissende,  deren  Pnls  klein  nnd  beschleunigt 
wurde,  klagte  über  Schwäche.  Nach  Verlauf  Ton  weiteren  yier 
Stunden,  während  welcher  einige  Gaben  Seeale  eine  wesentliche 
Veränderung  der  Situation  nicht  bewirkt  hatten,  entsohloss  sich 
Verf.  sur  Anlegung  der  Zange.  Die  heftigsten  Tractionen  mit 
dem  wiederholt  angelegten  Instrumente  bewirkten  endlich  eine 
Vorwärtsbewegung  des  Gesichtes  bis  in  die  Schamspalte,  während 
alle  Versuche  einer  Lageverbesserung  vergeblich  blieben.  Eiue 
kräftige  Wehe  trieb  sodann  das  Gesicht  mit  dem  Kinne  über  den 
Damm  hervor;  auch  jetat  blieb  das  letztere  noch  immer  nach 
hinten  gerichtet.  Darauf  erschien  die  Stirn,  dieser  folgte  die 
grosse  Fontanelle,  und,  indem  das  Kinn  sehr  nach  hinten  unter 
den  Damm  gedrückt  wurde,  auch  das  Hinterhaupt.  Das  Gewicht 
des  todten  Kindes  betrug  8  Pfd.,  die  Länge  19",  der  gerade 
Durchmesser  des  Kopfes  4",  der  quere  3'/,",  der  schräge  5". 
Das  Wochenbett  verlief  normal. 

Zu  bedauern  ist,  dass  jede  nähere  Angabe   über  die  räum- 
lichen und  sonstigen  Verhältnisse  des  Beckens  fehlt. 
(Deutsche  Klinik,  1863,  No.  12.) 


Oappie:   Eine   neue  Zange. 

Dr.  Cappie  hat  die  gewöhnliche  lange  Zange  von  Simpton 
serlegbar  gemacht.  Die  Löffel  sind  aus  Messing  und  werden 
vermöge  eines  Bajonettschlosses  mit  den  Griffen  in  Verbindung 
gebracht.  Beaüglich  der  näheren  Beschreibung  verweisen  wir 
auf  das  Jonmal. 

(Edinbourgh  Medical  Journal,  Dec.  1862,  No.  XC.) 


KeUh  Maedonäld:  üeber  Nachgeburtsblutungen. 

Macdanäld  empfiehlt  bei  den  Blutungen  in  der  Nachgeburts- 
periode statt  aller  medicamentösen  Behandlung  mit  Seoale,  Säuren, 
Blei  und  Opium,  die  ja  gewöhnlich  nicht  sogleich  an  Ort  und 
Stellen  seien  nnd  auch  su  langsam  wirkten,  den  einfachen  Druck 
auf  den  Uterus  mit  der  Hand,  die  Injectionen  von  kaltem  Wasser 
und  das  Einführen  der  kalten  Hand  in  den  Uterus  —  eine  in 
Deutschland  längst  bekannte  und  bewährte  Methode. 
(The  Lancet,  1862,  No.  26,  Vol.  II.) 


VäUriut:  Ein  fibröser  Polyp  bei  einer  Wöchnerin. 

In  der  medicinischen  Gesellschaft  su  Antwerpen  wurde  von 
Dr.  Valeriu9  folgender  interessanter  Fall  berichtet:  Eine  32  Jahre 


480  XXXII.   Kotisen  aas  der  Joamal- Literatur. 

alte  Frau  kam  mit  ihrem  aweiten,  Tollkommen  ausgetragen eti 
Kinde,  das  kurze  Zeit  nach  der  Gebart  starb,  nieder.  Zwei 
Standen  vor  der  Entbindung  war  ein  kindskopfgrosser  Polyp  vor 
die  äusseren  Genitalien  getreten,  der  jedoch  trotz  seiner  Gegenwart 
die  Ezpolsion  des  Kindes  sowohl,  als  aach  der  Placenta  nicht 
hinderte.  Der  Polyp,  der  mit  einem  sehr  breiten  Stiele  innerhalb 
der  Uterinhöhle  sass,  wurde  abgebunden. 

Die  Frau  hatte  weder  vor,  noch  während  der  Schwanger- 
schaft Beschwerden  gehabt,  ausser  seit  einem  Jahre  von  Zeit 
zu  Zeit  eintretende  Urinretentionen. 

Der  erwähnte  Fall  ist  beispiellos;  HamiUon  erzählt  einen 
Fall,  bei  dem  jedoch  die  Frau  an  Erschöpfung  starb. 
(Gazette  M^dicale,  Oct.  1862,  No.  42.) 


Matthew»  Duncan:  Ueber  Uterin-Haematocele. 

Dr.  Dunean  yeröffentlicht  eine  längere  Abhandlung  über 
Haematooele,  die  er  in  uterine,  retrouterine  und  periuterine 
classificirt.  Im  Ganzen  beschreibt  er  sechs  sehr  interessante 
Fälle.  Bei  vier  derselben  wendete  er  in  Beziehung  auf  die 
Behandlung  die  Function  an,  der  er  überhaupt  hierbei  nicht 
abgeneigt  ist;  denn  in  dem  einen  Falle  wäre  ein  Bersten  des 
Sackes  in*s  Peritonäum  sehr  zu  fürchten  gewesen,  in  den  anderen 
aber  über  kurz  oder  lang  jedenfalls  eine  Perforation  in  die 
Vagina  oder  das  Rectum  erfolgt.  Durch  die  Function  geschah 
dies  schneller,  die  Patientinnen  wurden  durch  dieselbe  erleichtert, 
ihre  Kräfte  erhalten  und  geschah  dadurch  ihre  Wiederherstellung 
in  kürzerer  Zeit.  Der  fünfte  Fall  endlich  ist  deshalb  interessant, 
weil  trotz  einer  nöthig  gewordenen  Function  und  der  dadurch 
herbeigeführten  Ausstossung  von  Blut  der  von  aussen  fühlbare 
Tumor  sich  dennoch  vergrösserte.  —  Ausserdem  wurde  mit 
dem  zersetzten  Blute  stinkendes  Gas  ausgestossen.  Im  ersten 
Falle  machte  er  die  Function  von  den  Bauchdecken  aus;  bei 
retrouterinen  Haematocelen  empfiehlt  er  unbedingt  die  Function 
▼on  der  Vagina  aus. 

(Edinburgh  Medical  Journal,  Nov.  1862,  No.  89.) 


Druck  Yon  A.  Tb.  Engelhardt  in  Lelpzigr. 


MoDateschrift 


^  ' 


für 


GEBÜRTSKUNDE 

und 

Frauenkrankheiten. 

Im  Verein  mit  der 
Gesellschaft  für  Geburtshülfe  in  Berlin 

herauigegeben  von 

Dr.  C.  S.  F.  Cred^, 

Hofrath ,  ord.  Prof.  und  Director  der  Entbindunffs  -  ADutalt  in  Leipcifr  etc. 

Dr.  C.  Hecker, 

ord.  Prof.  und  Director  der  Entbindung:.  •  Anstalt  in  Mttncben,  Kitter  etc. 

Dr.  Ed.  martin, 

Och  Rath,  ord.  Prof.  und  Director  der  Entbindang«-An«talt  in  Berlin,  Ritter  etc. 

Dr.  F.  A.  von  Bitgen, 

Q«b.  Rath,  ord.  Prof.  und  Director  der  Entbindungn -Anstalt  in  Oiessen, 

Comthur  eto. 


BiMvadzwanzigster  Baad.    Siippleaieat-Ilefte 

Mit  vier  Tafeln  Abbildungen. 


BerUo,  1863. 


Yerlag  von  August  Hirachwald, 

Ott  U.  d.  Linden,  Ecke  der  Schadow-Strasie. 


Inhalt* 

I.  Reiträg^e  sar  Pathologie  des  Ries  und  enm  Abort  in 
den  ersten  Sehwangerscbaftsmonaten.  Von  Dr.  Alfred 
Hegar  in  Darmstadt.    (Mit  drei  Tafeln  Abbildungen.)  1 

II.  Beitrag  zur  Würdigang  des  Ho/aeker-SadUr* sehen 
Gesetsses,  betreffend  das  GeschlechtSTerhHltniss  der 
Kinder  bei  relativer  Altersverschiedenheit  der  Aeltern. 
Von  Prof.  Dr.  Breslau  in  Zürich 67 

III.  Ueber  den  Mechanismus  der  Geburt  im  massig  verengten 
rbaebitischen  Becken.  Von  Medicinalratb  Dr.  Franz 
Ludwig  FeUt  in  Mainz 87 

IV.  Mittheilungen  über  dieThätigkeit  und  die  Verhandlangen 
der  Gesellschaft  für  Geburtshülfe  zu  Leipzig  im  achten 
Jahre  ihres  Bestehens : 

I.  Jahresberiehtf  erstattet  durch  den  d.  Z.  Secretär 
Dr.  Smil  Apollo  Meissner 104 

II.  Zur  Aetiologie  und  pathologischen  Anatomie  der 
Kxtrauterinschwangersohaften. 

1.  Correspondens  von  Prof.  Dr.  Bernhard  Breslau 

in  Zürich.    (Mit  einer  Abbildung.) 119 

2.  Mittheilung  über  einen  Uterasbefund  neben 
LithopRdion.    Von  Dr.  C.  F.  W,  Uhlieh    .  .  124 

III.  Beitrag  zur  Diagnostik  der  Unterleibsgeschwülste 
von  Dr.   Theodor  Kirsten 12.'» 

IV.  Ueber  Proctocelo  vaginalis  als  Geburtshinderniss 
von  Dr.  Emil  Apollo  Meissner 131 

V.  Intrauterine  perforative  Peritonitis  bei  einem  hydro- 
cephalischen  Kinde.  Von  Prof.  Dr.  Breslau  in  Zürich. 
(Mit  einer  Abbildung.) 141 

VI.  Mittheilungen  aus  der  Geb&ranstalt  zu  Jena  aus  den 
Jahren  1859 — 1861.  Von  Dr.  Kochf  enier.  Assistenten 
der  Anstalt 146 


IV  Inhalt. 

Seite 
VII.    Notisen  ans  der  Journal -Literatur: 

Soltau:  Ovarialkyste  mit  wiederholter  Ruptur  in  die 

Bauchhöhle 169 

Dewes:    Ovariotomie 170 

Henry:    Ovariotoniie 171 

Tyler- Smith:    Vier  Fälle  von  Ovariotomie ITl 

Spencer  WelU:    Sieben  Ovariotomieen 172 

John  Clay:    Neu««  IiMtrunient,    um    AdhäRi'onen   und 

den  Stiel  von  Ovarialkysten  zu  trennen 17S 

Spencer  WelU:    Trokar  für  die  Ovariotomie 173 

Hall  Davis:  Verschluss  den  OriBciuiii  uteri  nach  einer 

schweren  Entbindung 174 

Mitchell:  Schwere  und  anomale  (leburtcn  inZusunmien- 

hang  mit  angeborenem   Blödsinn 174 

Levy:    Bericht,  über  die  Entbindnng  einer  Zwergin  .'  175 
Levy:  Beschreibung  einer  fixtrAUterinschwauLrersehaft 

mit  Einverleibung  des  Sackps  in  den  Darmcanal  .   176 
Levy:    Fall   von    Kaiserschnitt,    indic.irt    durch    voll- 
ständigen  Verschluss    der   Mutterscheide    und    des 

Mnttermnndes 178 

Nivert:  Ueber  die  spontane  EnUnndung  der  varicösen 

Venen   der   unteren  Extremitäten  im  Wochenbette  179 
König:  Die  perimetritischen  Exsudate   im  Becken  der 

Wöchnerinnen 183 

Kuaemaul:    Ueber  geschlechtliche  Frühreife 189 

Bohr:   Ueber  das  Athmen  der  Kinder  vor  der  Geburt  192 
Hugenberger :  Das  Puerperalfieber  im  St.  Petersburger 
Hebammeninstitute  Ihrer  Kaiserl.  Hoheit  der  Oross- 

färstin  Fawlowla  von  1345-- 1869  etc ,196 

S^yfert:  Klinische  Bemerkungen  über  chronischen 
Uterusinfarct •  •  •  •  201 

VIII.    Literatur: 

Baker  Brown:  On  surgical  diseases  of  women.   Zweite  ' 
Auflage.  Londonl841.  410S.mit9Taf.u.22HolBschn.  202 

Die  Hämatocele  retrouterina  und  die  freien  Blut- 
eztravasate  in  der  Beckenhöhle  von  A.  Voinn, 
In*s  Deutsche  übertragen  von  Dr.  med.  Ed.  Langenbeckf 
Obergerichtsphysicus  u.  pract.  Arzte  in  Göttingen. 
Qöttingen  1862     206 

KUoitahe  Beiträge  aur  Gynäkologie.  Herausgegeben 
vonp.  p.  BetMchler^  Ä.  Freund  nnd  B,  Freund  au 
Breslau.  Erstes  Heft.  (Mit  1  Tafel.)  Breslau  1862, 
bei  E.  Morgenstern 207 


L 

Beiträge  zur  Pathologie  des  Eies  und  zum  Abort 
in  den  ersten  Schwangerschaftsmonaten. 

Von 

Dr.  Alfred  Hegar  in  Darmstadt. 

Vorliegende  Untersuchungen  und  Studien  erstrecken  sich 
vorzugsweise  auf  die  pathologischen  Processe  in  der  Decidiia. 
Vor  dem  Eingehen  hierauf  hielt  ich  es  für  nothwendig,  einige 
Punkte  der  normalen  Verhältnisse  dieses  Gebildes  in  Kürze 
zu  besprechen. 

Vormale  Anatomie  der  Decidua. 
I.    Decidua  vcra. 

Ausbreitung  der  Decidua  vera.  </.  Müller  und 
R.  Wagner^)  nahmen  an,  dass  das  Verhalten  der  Decidua 
an  den  Mündungen  des  Uterus  sich  nicht  gleich  bleibe,  dass 
diese  Membran  bald  an  den  Tubarostitni  und  dem  innern 
Muttermunde  geschlossen,  bald  an  einer  dieser  Stellen  offen 
sei.  Seiler^)  lässt  auf  der  Innenseite  der  Vera  eine  glatte, 
dünne,  gefasslose  Membran  entstehen,  welche  die  bis  dahin 
offenen  Uterinmündungen  verschliesse.  Ziemlich  allgemein 
ist  jetzt  die  Ansicht  vorherrschend,  dass  die  Uterinmündungen 
durch  die  Decidua  keinen  Verschluss  erhalten. 

Virchow^)  beobachtete  bei  Sectionen  in  den  ersten 
Schwangerschaflsmonaten,  dass  die  Hypertrophie  der  Schleim- 


1)  J,  Müller,  Handbach  der  Physiologie.   Koblenz  1830.   II.  fid. 
8.  709. 

2)  B.  W.Seiler,  Die  Gebärmatter  and  das  Ei  des  Mensoheit. 
Dresden  1832.    S.  29. 

3)  Gesammelte  Abhandlangen.     Frankfurt  1856.     S.  776. 
MonatMebr.  f.  QebarUk.   1863.  Bd.  XXI.,  Snppl.-Hft.  1 


2  I.     HegaTf  Beiträge  sur  Pathologie  des  Eies 

haut  am  inneren  Muttermunde  plötzlich  endigte.  Kussmaul^) 
und  Scanzoni^)  fanden,  bei  Schwangerschaft  in  einem  ver- 
kümmerten Gebärmutterhorne,  die  in  dem  Jeeren  Hörne  ge- 
bildete Decidua  scharf  am  inneren  Muttermunde  und  den 
Tubarostien  abgesetzt.  H.  Müller^)  lässt  die  angeschwollene 
Schleimhaut  des  Uteruskörpers  continuirlich  in  die  Schleim- 
haut des  Halses  übergehen;  an  den  Tubarostien  war  dieselbe 
aufgelockert  und  gefassreich,  aber  nicht  regelmässig  areolirt 
wie  im  Uterus  selbst.  Kölliker*)  schreibt  der  Hucosa  des 
Cervix  keinen  Antheil  an  der  Bildung  der  hinfälligen  Haut 
zu.  Sie  soll  ihr  Epithel  wahrend  der  Schwangerschaft  be- 
halten, sich  jedoch  auch  aufwulsten  und  vergrössern,  besonders 
in  ihren  Schleimbälgen. 

Ohne  die  Gültigkeit  der  gangbaren  Meinung  für  die  grosse 
Mehrzahl  der  Fälle  bestreiten  zu  wollen,  scheinen  mir  doch 
manche  Beobachtungen  für  die  ältere  Ansicht  von  «7.  Müller 
zu  sprechen. 

1.  Bei  einem  Abortivei  (Fall  6)  fand  ich  einen  voll- 
ständig geschlossenen  Sack  zwischen  Vera  und  Reflexa.  Er- 
stere  zeigte  auch  nicht  die  geringste  Lücke. 

2.  Bei  anderen  Eiern  (Fall  3  und  7)  war  zwar  die 
Vera  vielfach  zerrissen  und  hing  grösstentheils  in  Lappen  an 
der  Uebergangsstelle  herab.  Allein  diese  Eier  hatten  an  dem 
Pol,  welchen  ich  als  den  untern  bezeichnen  zu  müssen  glaube, 
weil  er  der  Serotina  entgegengesetzt  lag,  einen  zarten,  häutigen 
Ueberzug,  welcher  nicht  der  Reflexa  angehörte.  Schlug  man 
denselben  nach  oben  zurück,  so  passte  er  an  einigen  Stellen 
an  den  zerrissenen  Rand  der  Lappen  des  obern  Poles.  Bei 
Ecker  ^)  ist  ein  schwangerer  Uterus  der  12. — 13.  Woche 
abgebildet,  in  welchem  die  Vera  am  innern  Muttermunde  2 
platte  Lappen  bildet,  welche,  wie  es  in  der  Erläuterung  aus- 
drücklich heisst,  den  innern  Muttermund  verschlossen. 


1)  Von  dem  Mangel  etc.  der  Gebärmatter.  Würxbargl869.  S.77. 

2)  Ibid.  S.  159. 

3)  Ueber  den  Bau  der  Molen.     Würzburg  1847. 

4)  Handbuch  der  Gewebelehre  des  Menschen.    Leipzig  1852. 
S.  520. 

5)  Jcoues  Phjsiolog.     Leipzig  18ö1~59.    Taf.  27,  Fig.  9. 


and  B11II1  Abort  in  den  ersten  Sobwangersobaftsmonaten.        3 

3.  Bei  einer  Decidua  meDStrualis  (Fall  9)  fand  ich,  ent- 
sprechend den  Tubarostien,  zwei  kleine  Löcher.  Am  unteren 
Ende  befand  sich  eine  grosse  Lücke.  Allein  an  der  einen 
Wand  sah  man  einen  Umschlag,  dessen  Rand  genau  auf  den 
zerrissenen  untern  Rand  der  andern  Wandung  passte. 

4.  Das  Vorkommen  der  Placenta  praevia  centralis  scheint 
mir  dafür  zu  sprechen,  dass  auch  die  Vera,  so  gut  wie  die 
Serotina,  den  innem  Muttermund  decken  könne. 

Das  Verhältniss  der  Vera  zu  den  Uterinmündungen  ist 
gewiss  wesentlich  abhängig  von  der  grösseren  und  geringeren 
Weite  dieser.  Bei  engem  Muttermunde  werden  sich  die  an- 
geschwollenen Schleimhäute  allseitig  berühren  und  auch  gewiss 
mit  einander  in  Verbindung  treten  können. 

Dicke  der  Decidua  vera.  Ueber  die  Dicke  herrschen 
die  verschiedensten  Angaben.  Die  Scheidung  der  Schleimhaut 
Ton  der  übrigen  Substanz  des  Uterus  ist  eben  keine  scharfe. 
Ausserdem  wechselt  die  Beschaffenheit  nach  den  Schwanger- 
schaftsmonaten, nach  der  Gegend  der  Gebärmutter  und  auch 
individuelle  Verschiedenheiten  änd  gewiss  vorhanden.  Nach 
Seiler  ^)  ist  die  Vera  1  bis  höchstens  IVo  Linien  dick,  andere 
Verhältnisse  sind  pathologisch.  Weber  ^)  fand  jene  3  Linien 
dick.  Nach  H.  MuUer ')  trenlHe  sie  siob  im  fünften  Monate, 
in  der  Tiefe  von  1 — IVs  Linien  am  leichtesten  von  dem  unter-* 
liegenden  Gewebe.  KölUker^)  lässC  die  Schleimhaut  in  der 
zweiten  Sehwangerschaflsvroche  bis  zu  2 — 3  Linien  Dicke  auf- 
sdiwellen.  Virchoto  ^)  giebt  die  Dicke  im  vierten  Monate  auf 
2  Linien  an.  Die  Decidua  des  leeren  Uterus,  bei  Schwanger- 
schaft in  einem  rudimentären  Home,  wird  von  Kussmaul^) 
im  zweiten  Monate  auf  3 — 5  Millimeter,  einmal  in  der  vier- 
zehnten Woche  auf  5 — 6  Millimeter,  von  ßoa$izom^)  im  vierten 
bis  fünften  Monate  auf  2 — 3  Linien  Dicke  geschätzt  —  Von 
den  meisten  Autoren  wird  ausdrücklich  augegeben,  dass  sich 


1)  O.  a.  S.  ». 

2)  H.  MÜUer,  o.  o.  S.  80. 
8)  Ibid.  S.  77. 

4)  O.  c.  S.  520. 

5)  O.  e.  S.  776. 

6)  O.  e.  8.  152.  326. 

7)  Ibid.  8.  159. 

1* 


4  I.     HegoTf  Beitrüge  snr  Patholof^e  des  Eies 

die  Decidua  in  der  Nähe   der  Tubarostien  und  des  inneren 
Muttermundes  allmälig  verdünne. 

Ich  fand  die  Vera  bei  Abortiveiem  in  soleben  FäUei», 
in  welchen  diese  Membran  eine  normale  Beschaffenheit  besass, 
in  den  ersten  zwei  Monaten  3 — 4  Millimeter,  in  dem  dritten 
Monate  IV2 — 2  Millimeter  dick.  —  Die  Dicke  einer  Dec.  men- 
strualis  beti*ug  an  der  vorderen  und  hinteren  Wand  2 — 3  Milli- 
meler,  nahm  aber  gegen  die  Seitentheile,  den  Fundus  und 
den  inneren  Muttermund  hin,  sehr  erheblich  ab,  bis  auf  1 
und  V2  Millimeter. 

Structur  und  Textur  der  Vera.  An  einer  spontan 
abgegangenen  oder  künstUch  entfernten  Decidua  der  ersten 
Schwangerschaflsmonate,  welche  im  Allgemeinen  einem  Lappen 
Feuerschwamm  ähnlich  ist,  lassen  sich  zwei  Flächen  unter- 
scheiden. Die  äussere  Fläche,  welche  mit  dem  Uterus  in 
Verbindung  stand,  ist  mit  zahlreichen  rundlichen,  warzen- 
ähnlichen oder  cylindrisch  gestreckten,  kleinen  Erhabenheiten 
oder  Höckerchen  besetzt.  Die  Durchmesser  derselben  sind 
verschieden.  Sie  erheben  sich  bis  zu  2 — 3  Millimeter  über 
das  Niveau;  ihre  Breite  wechselt  von  V4 — ly,  Millimeter. 
In  der  Nahe  der  Serotina  sind  sie  gewöhnlich  länger,  so  dass 
die  Membran  ein  zottiges  Ansehen  erhält.  Diese  Höcker  be- 
stehen häuGg  aus  einer  einzigen  hypertrophirten  und  oft 
ausgedehnten  Utriculardrnse.  Man  bemerkt  alsdann  auf  ilu*er 
Spitze  ein  einziges,  gewöhnlich  rundes  Löchelchen.  Dabei 
hat  diese  Drüse  nicht  selten  das  Aussehen  eines  kleinen, 
runden  Sackes,  der  sich  von  der  Basis  aus  etwas  bauchartig 
erweitert  und  gegen  die  Spitze  hin  wieder  verschmälert.  Letztere 
zeigt  eine  oll'ene  Mundung  und  ist  nur  selten  geschlossen.  In 
anderen,  zahlreichen  Fällen  bemerkte  ich  jedoch,  dass  ein 
solcher  Höcker  aus  mehreren,  dicht  aneinanderstehenden 
Drüsen  besieht.  Auf  seiner  abgerundeten  Spitze  sind  alsdann 
3 — 6  kleine  Oeffnungen  vorhanden,  welche  unter  der  Loupe, 
von  einem  kreisförmigen  Falze  umgeben  erscheinen  (Fig.  10, 
A,  und  B.) 

Die  innere  Fläche  der  Decidua  vera  ist  im  Allgemeinen 
glatt,  doch  wird  sie  durch  seichte  Furchen,  welche  der  Länge 
und  Breite  nach  verlaufen,  gewöhnlich  etwas  ungleich  und 
nicht  selten  in  viereckige  oder  polygonale  Feldchen  getheilt. 


und  snm  Abort  in  den  ersten  Schwangarschaftsmonaten.         5 

Die  Farbe  der  Vera  wecbseh  nach  ihrem  Blutreicbthume 
von  6e]b  bis  Rotb  und  Brannroth.  Im  Allgemeinen  wird  die 
Vera  der  ersten  Monate  als  eine  sehr  gefässreiche  Membran 
geschildert.  Sie  besteht  im  Wesentlichen  aus  der  hypertro- 
phirten  Drösensubstanz,  einem  sparsamen  interstttiellen  Ge- 
webe und  zahlreichen  Gefässen. 

Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  findet  man  in 
den  tieferen  Schichten  der  Decidua,  dicht  zusammenhangende 
Lagen  spindelförmiger  Zellen,  mit  starkem  Kerne,  oft  sehr 
verlängerten,  umgebogenen  Enden.  Nicht  ganz  selten  sind 
stemfönnige  Zellen.  Dabei  findet  man,  auch  in  den  tieferen 
Schichten,  oft  noch  andere  Zellenformen  und  zwar  reichlich 
vertreten.  Grosse,  runde  Zellen  mit  starkem  Kerne  und  fein* 
körnigem  Inhalte,  oblonge  Zellen,  polygonale  Zellen,  welche 
den  epithelialen  Charakter  an  sich  tragen.  Auch  bemerkt 
man,  besonders  in  den  vorgerückten  Stadien  der  Gravidität, 
Schichten  eines  fibrillären  Bindegewebes.  Nach  der  inneren 
Fläche,  welche  ein  zusammenhängendes  Epithel  besetzt,  neh- 
men die  Zellen  stufenweise  den  epithelialen  Charakter  an. 

Involution  der  Decidua  vera.  Schon  im  dritten 
Monate  beginnt  eine  rückgängige  Metamorphose  der  Decidua 
vera.  Wenigstens  konnte  ich  eine  solche  an  Eiern,  deren 
Placentarbildung  begonnen  hatte,  stets  nachweisen.  Die  Ver- 
änderung zeigt  sich  zuerst  auf  der  inneren  Fläche.  Schon 
Seiler^)  beobachtete  dies  und  schilderte  den  Vorgang  so, 
als  wenn  sich  auf  jener  eine  neue  Platte  bilde,  welche  dünn, 
gefasslos,  einen,  wie  aus  geronnenem  Schleim  zusammen- 
gesetzten, röthlichen  oder  gelblichweissen  Ueberzug  darstelle. 
—  Dabei  nimmt  die  Dicke  der  Membran  erheblich  ab  und 
sinkt  auf  2 — 1  Millimeter.  —  Die  äussere  Fläche  verliert 
ihre  höckrigen  Vorsprünge,  wird  glatter  und  zeigt  ein  streifi- 
ges oder  grobmaschiges  Gefnge.  Von  beiden  Flächen  hingen 
hier  und  da  weissliche  Läppchen  herab.  Die  Drüsenlöcher 
erweitem  sich,  werden  schlilzartig  und  sind  zuweilen  so  zahl- 
reich und  gross,  dass  nur  einzelne  Streifen  und  Balken  des 
Gewebes   sie   trennen.      Virchoto^)  fand   diese   Erweiterung 


1)  O.  c.  S.  29. 

2)  O.  e.  S.  764. 


6  I.    H9gar^  Beiträge  sor  Pathologie  dot  Eiei 

der  Drüseidöcher,  besoDders  dem  Grunde  und  den  Seiten- 
theilen  des  Uterus  entsprechend  und  erklärt  dies  aus  der 
Umwandlung  des  vorher  mehr  platten  Organs  zur  Kugelform, 
welche  zunächst  durch  die  Ausdehnung  jener  Gegmden 
zu  Stande  komme.  Die  geringere,  ursprüngliche  Dicke  der 
Schleimhaut  an  diesen  Stellen  mag  jedoch  auch  wesentiidi 
mitwirken. 

Mit  diesen  Veränderungen  verbindet  sich  eine  leichtere 
Trennbarkeit  der  Decidua  von  dem  unterliegenden  Gewebe. 
Virckow  ^)  beobachtete,  dass  schon  im  dritten  Monate  die 
lockere  Schleimhaut  sich  leicht  derart  von  der  Muscularis 
losziehen  liess,  dass  die  tieferen  Schichten  auf  jener  sitzen 
blieben.  Am  ausgesprochensten  war  die  leichte  Trennbarkeit 
am  Grunde  und  den  Seitentheilen.  H,  MiUler^)  konnte 
die  Decidua  im  fünften  Monate  in  der  Dicke  von  1 — IV2  Li- 
nien am  leichtesten  vom  Uterus  trennen ;  doQh  war  dies  nicht 
ohne  vielfache  Gefässzerreisung  mdglich.  Die  Schleimhaut 
stellte  sich  als  eine  gefassreiche  Membran  dar,  welche  im 
Gänzen  ein  netzartiges  Gefuge  besass,  mit  einzelnen  derben, 
faserstof&gcn  Vorsprüngen  und  anhängenden  Fetzen  versehen. 
Geschlossene  Drüsenbälge  waren  nur  noch  einzehi  vorhanden. 

Dieser  Veränderung  der  ganzen  Membran  entspricht 
die  Veränderung  der  Gewebselemente.  Die  Zellen  nehmen 
im  Allgemeinen  den  epithelialen  Charakter  an.  R.  Wctgner 
fand  im  dritten  und  vierten  Monate  die  Decidua  ganz  aus 
platten,  pflasterförmig  neben-  und  übereinanderliegenden 
Zellen  mit  dunklem  Kerne  und  feinkörnigem  Inhalte  zusanunen- 
gesetzt  H.  Müller ')  fand,  an  der  freien  Fläche  der  Schleim- 
haut im  fünften  Monate,  Zellen  der  verschiedensten  Gestalt, 
zumal  grosse  Platten,  zum  Theil  mit  Körner  besetzt,  in  eine 
structurlose  Substanz  eingebettet  Nach  dem  Uterus  zu  wurde 
das  Gewebe  allroälig  fasrig,  indem  die  Zellen  in  glatte  Muskel- 
fasern übergingen.  Dazwischen  grosse,  meist  sehr  dünn- 
wandige Gefasse.  Genauere  Angaben  über  das  weit^e  Ver^ 
halten  der  Decidua  in  den  späteren  Schwangersdiaftsmouaten 


1)  O.  c.  S.  761. 

2)  o.  0.  S.  77. 

8)  Ibid. 


und  znm  Abort  in  den  ersten  Sehirangerschaftsmonaten.         ^ 

Miien.  Es  ist  auch  seilen  Gelegenheit  gegeben,  dasselbe 
unter  nonnalen  Verhältnissen  zu  beobachten.  Für  die  Zeit, 
kurz  vor  der  Geburt,  sprechen  die  Autoren^)  von  der  Deci^ 
dua,  als  von  einer,  aus  structurloser  Substanz  gebildeten 
Membran,  in  welcher  sich  gleichzeitig  Zellen  von  epithelialer 
Form  und  zahlreiche,  freie  Kerne  vorfinden. 

An  dem  reifen  Ei  findet  man  an  der  Aussenfläche  des 
Chorions  meist .  dünne  Schichten  eines  maschigen,  weichen, 
faserigen  Gewebes,  welches  oft  noch  deutlich  die  Elemente 
des  jungen  Bindegewebes  und  Epithelien  zeigt  Nicht  selten 
sind,  besonders  in  der  Nähe  der  Placenta,  wohlerbaltene 
Gefässe.  In  anderen  Fällen  finden  sich  blos  Zellenrudimente, 
Körnchenzellen,  freie  Kerne  in  fettreicher,  molekularer  Masse 
eingebettet.  Man  sieht  alsdann  gelbe  oder  gelbbraune  Schwarten 
auf  dem  Chorion  aufsitzend.  Die  Veränderungen  scheinen 
hiemach  sehr  verschieden  und  bald  mehr  in  einer  einfachen 
Rarefieirung  des  Gewebes  durch  die  enorme  Ausdehnung'  des 
Uterus,  bald  in  einem  detritusarügen  Zc9*fa]le  der  einzelnen 
Gewebselemente  selbst  zu  bestehen. 

II.     Decidua  reflexa. 

Diese  Membran  stellt  einen  nach  unten  geschlossenen 
Sack  dar,  dessen  Aussenfläche  im  Allgemeinen  glatt,  doch 
stets  mit  flachen  Längswiilsten  und  entsprechenden  Vertief- 
ungen  versehen  ist.  Die  innere  Fläche  ist  rauh,  mit  den 
Verzweigungen  der  Chorionzellen  verbunden.  Die  Dicke  der 
Haut  ist  verschieden,  beträgt  % — IV^  Millimeter,  nimmt 
nach  der  Umschlagsstelle  hin  bedeutend  zu,  nach  dem  unteren 
Eipole  hin  erheblich  ab.  Die  Sieblöcher  sind  in  der  Nähe  der 
Serotina  sehr  zahlreich  und  nehmen  von  da  an  stufenweise 
ab.  Das  Gewebe  ist  gewöhnlich  locker,  spröde  und  leicht 
zerreisslich.     Die  Farbe  ist  röthlichgrau  oder  rothgelb. 

Was  den  feineren  Bau  der  Reflex a  betrifft,  so  ist  bis 
jetzt  kein  wesentlicher  Unterschied  von  dem  der  Vera  auf- 
gefunden. Sicher  ist^  dass  die  regressive  Metamorphose  in 
derselben  früher  und  intensiver  eintritt.  Schon  an  sehr  klei- 
nen Abortiveiern  kann  man  den  Beginn  des  Zerfalls  am  unteren 


1)  O.  c.  8.  80. 


g  I.    Hegar^  Beiträge  inr  Pathologie  des  Eies 

Eipole  nachweisen.  Nach  der  Umschlagsstene  hin  behielt  die 
Reflexa,  soweit  meine  Untersuchungen  reichen,  sehr  lange 
ihren  ursprünglichen  Charakter. 

Seüer  ^)  lässt  die  Reflexa  als  äussere  Platte  des  Chorions 
an  jedem  Ei  bis  zum  Ende  der  Schwangerschaft  persistiren. 
H,  Müller^)  sah  im  fünften  Monate  eine  dem  Cfaorion  beim 
Wegdrängen  folgende  und  genau  anliegende  Schichte,  welche 
aus  structurloser,  feinkörniger  Masse  mit  eingelagerten  Kernen 
bestand.  Letztere  waren,  gegen  das  Chorion  zu,  in  der  ge- 
ringsten Menge  vorhanden,  hatten  an  der  freien  Fläche  eine 
pflasterartige  Ausbreitung,  wobei  jedoch  die  Intemuclear- 
Substanz  in  der  Regel  nicht  in  Zellen  getrennt  war.  Virchow  ^ 
lässt  die  Reflexa  durch  Fettmetamorphose  zu  Grunde  gehen, 
wofür  das  häufige  Vorkommen  von  Fettkömchenzellen  in  dieser 
Membran  spricht.  Er  fand  nur  ein  einzigesmal,  bei  einem 
Fötus  von  fünf  bis  sechs  Monaten,  den  grossem  Theil  des 
Chorions  von  einer  sehr  feinen,  gelblichen,  stellenweise  fast 
ununta'brochenen  Lage  der  Reflexa  überzogen. 

IIL    Höhle  zwischen  Decidua  vera  und  reflexa. 

Diese  Höhle,  welche  nach  Seiler  sich  stets  auf  der  hin- 
teren Fläche  des  Eies  befindet,  was  jedoch  nicht  begründet 
ist  (so  fand  sie  Virchow  vorn),  verschwindet,  nach  den  über- 
einstimmenden Angaben  der  Autoren,  im  dritten  Monate.  Ich 
hatte  nur  einmal  Gelegenheit,  sie  an  einem  Abortivei,  wohl- 
erhalten und  geschlossen,  zu  sehen  und  verweise  auf  die  Be- 
schreibung (Fall  6).  —  Die  gewöhnliche  Angabe  geht  dahin, 
dass  durch  die  Ausdehnung  des  Eies  der  Inhalt  der  Höhle 
allmälig  abnehme,  beide  Platten  der  Decidua  in  Benihmng 
kämen  und  sich  mit  einander  vereinigen.  Bedenkt  man  je- 
doch, dass  die  Reflexa  und  die  innere  Fläche  der  Vera  schon 
im  dritten  Monate  die  Spuren  der  rückgängigen  Metamorphose 
deutlich  zeigen,  so  wird  eine  solche  Verschmelzung  und  Ver- 
wachsung durchaus  unwahrscheinlich.  Es  ist  gewiss  weit 
wahrscheinlicher,  dass   nur  eine  Juxtaposition  beider  Häute 


1)  O.  c.  8.  80. 

2)  O.  e.  S.  78. 

3)  6.  A. 


und  sam  Abort  In  den  ersten  Sehwang^erschaftsmonaten.        9 

stattfindet.  Man  muss  daher  jenen  oben  beschriebenen 
isascbigen,  netzartigen,  weissen  Ueberzug  des  Chorions,  wie 
er  sich  am  ausgetragenen  Ei  stellenweise  vorfindet,  als  einen 
üeberirest  der  Beflexa  betrachten.  —  Eine  innige  Verschmel- 
zung beider  Membranen  ist  höchstens  an  der  Uebergangsstelle 
anzunehmen.  Allein  hier  ist  der  Uebergang  überhaupt  kein 
scharfer  und  man  findet  ausserdem  nicht  selten  in  seiner 
Nähe  feine,  theils  fadenförmige,  theits  lameilöse  Brücken, 
welche  sich  von  einer  Membran  zur  andern  spannen.  Da 
der  Deciduauberzug  des  reifen  Eies  im  Umfange  der  Placenta 
stets  ein  dichterer  ist,  so  ist  anzunehmen,  dass  diese  Bildungen 
hierbei  keine  unwesentliche  Bolle  spielen. 

IV.    Decidua  serotina. 

Man  hat  diesem  Theile  der  Decidua  während  der  ersten 
Schwangerschaftsmonate  bis  jetzt  wenig  Aufmerksamkeit  ge* 
schenkt  Die  Kenntniss  ihres  Baues  und  ihrer  Ausbreitung  bietet 
jedoch  für  die  Lehre  vom  Abort  und  anderen  pathologischen 
Verhältnissen  die  wichtigsten  Anhaltspunkte.  Die  folgenden 
Angaben  begründen  sich  freilich  allein  auf  die  Untersuchung 
pathologischer  Objecte.  Da  jedoch  über  die  normalen  Ver- 
bältm'sse  keine  Angaben  vorhanden  sind,  so  glaube  ich  im 
Bechte  zu  sein,  hier  jene  Untersuchungen  benutzen  zu  dürfen, 
insofern  sie  ein  Licht  auf  die  physiologischen  Verhältnisse 
werfen. 

Am  meisten  fiel  mir  die  ganz  ausserordentliche  Ver- 
schiedenheit in  der  Ausbreitung  der  Serotina  auf.  Während 
bei  dem  einen  Ei  die  Serotina  nur  einen  Theii  des  einen 
Eipols 'bedeckte,  nahm  sie  bei  dem  anderen  den  halben  Um- 
fang und  noch  mehr  des  Eies  ein.  Ich  habe  versucht,  diese 
verschiedene  Ausbreitung  an  Längsdurchschnitten  von  Eiern 
darzustellen  (Fig.  9,  12—17).  Die  naturliche  Grösse  ist  dabei 
gewahrt.  Man  kann  drei  Kategorien  der  Serotinaausbreitung 
unterscheiden : 

1.  Die  stiel  artige  Serotina.  Die  Serotina  nimmt 
nur  den  einen  Eipol,  nur  einen  Theil  desselben  oder  ein  kleines 
Segment  desselben  und  eine  kleine  Partie  der  angrenzenden 
Seitenwand  ein.  Der  Durchmesser  beträgt  74 — IV2  Centini. 
bei  einem  Ei,   welches  7—8  Centim.   lang  ist  (Fig.  12,  13 


10  I*    Hegar,  Reitrftge  lur  Pathologie  des  Eies 

ff 

u.  14).  Dieser  geringe  Umfang  giebt,  wie  ich  glaube,  Ver- 
anlassung zu  patbologischen  Processen,  auf  weldie  ich  suröck- 
kommen  werde.  In  Fig.  11  ist  eine  solche  stielartige  Serotina 
nach  der  Natur  abgebildet 

2.  Die  gewöhnliche,  normale  Ausbreitung  de> 
Serotina  (Fig.  15,  16).  Ein  Theil  oder  der  ganze  eine 
Eipol  nebst  einer  Partie  der  angrenzenden  Wand,  bis  zur 
Hälfte  oder  Dreiviertel  derselben  ist  von  der  Serotina  bedeckt. 
Ihre  Durchmesser  betragen  3 — 5  Centim.  bei  einem  Ei  von 
7 — §  Centim.  Länge. 

3.  Abnorm  grosse  Ausdehnung  der  Serotina 
(Fig.  9,  17).  Sie  bedeckt  die  Hälfte  und  noch  mehr  des 
ganzen  Eiumfanges.  Auch  hier  entstehen  leicht  pathologische 
Processe. 

Was  den  Bau  der  Serotina  betrifft,  so  zeigt  er  gewisse 
Verschiedenheiten  von  dem  der  Vera.  Bekannt  ist  der  grössere 
Gefössreichthum,  welcher  übrigens  schon  in  der  benachbarten 
Vera  beginnt  Bringt  man  an  einem  Ei,  dessen  Serotina  gut 
erhalten  ist,  die  Theile  in  ihre  naturliche  Lage,  indem  man 
die  Vera  aber  die  Beflexa  herabschlägt,  so  bemerkt  man, 
dass  die  Vorsprunge  und  Höcker  der  Vera  am  Umfange  der 
Serotina  dichter,  zahlreicher  und  dabei  länger  und .  oft  breiter 
werden,  so  dass  die  Membran  ein  zottiges  Ausseien  gewinnt 
In  der  Serotina  selbst  werden  die  Drüsenhöcker  noch  massen- 
hafter. Sie  haben  nicht  selten  eine  breite  Basis  von  mehreren 
Millimeter  Durchmesser.  Von  der  Basis  aus  verschmälern  sie 
sich  gegen  die  Spitze,  welche  zuweilen  4 — 5  Millimeter  über 
die  Oberfläche  vorragt  (Fig.  2,  11).  Auf  der  Spitze  und 
den  Seitenflächen  dieser  oft  k^elartigen  Gebilde  bemerkt 
man  zahlreiche,  rundliche  oder  schlitzartige  Löcherchen.  Die 
Seitenflächen  sind  dabei  ungleich  und  faltig.  Bei  einem- Längs- 
durchschnitte bemerkt  man  nach  aussen  eine  ziemlich  gleich- 
förmige Gewebsschichte.  im  Innern  ist  der  Höcker  durch 
zahlreiche,  in  verschiedenen  Richtungen  verlaufende  Lamellen 
constituirt,  in  deren  Zwischenräume  die  Zotten  eindringen.  — 
Diese  Drüsenaggregate  bilden  die  Hauptmasse  der  Serotina. 
Sehener  sind  einzeln  stehende,  ausgedehnte  Drüsenbälge.  Die 
Serotina  zeichnet  sich  von  der  Vera  daher  nicht  allein  durch 


und  iiira  Abort  in  des  ersten  Sehwnngersoliaflfmonaten.      W 

ihren  GaAssreiehthuin,  sond^n  aach  durch  die  bedeaiendere, 
hypertrophische  Entwickelung  ihrer  Drüsensuhstanz  aus. 

Bei  der  Serotina  des  dritten  Monats  zeigt  die  Ober- 
fläche mehr  flache,  rundliche,  warzenähnliche  Henrorragungen, 
ähnlich  wie  die  Vera  der  zwei  ersten  Monate.  Die  Drfisen- 
höoker  sind  weniger  lang  und  spitz  geworden,  indem  die  in 
ihre  Suhstani  eindringenden  Zotten  eine  Auseinanderdrängung 
der  Drüsenwände  und  so  eine  Verflachung  der-Höcker  hervor- 
bringen. Fig.  6  stellt  den  Durchschnitt  einer  in  Placenten- 
bildung  begriffenen  Serotina  bei  Loupenvergr6sserung  dar. 
Die  Lamellen  der  Decidua  waren  durch  eingebettete  Uut- 
eztravasate,  welche  grösstentheils  entfernt  sind,  noch  mehr 
auseinandergebalten. 

Pafhologie  der  Deeidiia. 

A.    Pathologie  der  Decidua  Vera. 

1.    Atrophie  der  Decidua  vera. 

H.  Milüer  ^)  macht  darauf  aufmerksam,  dass  die  äussere 
Oberfläche  der  Decidua  an  Abortiveiern  nicht  selten  dichter, 
eben,  sogar  glatt  erscheine,  während  doch  eine  Abtrennung 
dieser  Membran  in  der  ersten  Hälfte  der  Schwangerschaft 
nur  mit  vielfacher  Zerreissung  und  daher  rauher,  schwammige 
Trennungsfläche  geschehen  könne.  Zuweilen  sei  dies  nur  stellen» 
wdse  der  Fall.  Auch  sei  zuweilen  nur  die  dem  Uterus  zu- 
gekehrte Fläche  etwas  dichter  und  ebener  geworden,  während 
die  andere  Fläche  ihre  weiche,  schwammige  Beschaffenheit 
erhalten  habe.  In  noch  anderen  FäUen  sei  die  ganze  Mem- 
bran in  ihrer  ganzen  Dicke  zu  einer  trocknen,  derben  Masse 
verdichtet. 

Euie  solche  vorzeitige  Verödung  der  Decidua  ist  kein 
seltener  Befund.  So  besitzt  das  Fig.  5  abgebildete  Ei  eine 
derartige  Vera.  Ihre  Dicke  ist  gering,  übersteigt  selten  1  Milli- 
meter. Die  Oberfläche  ist  ohne  alle  Hervorragungen.  Beide 
Flächen  sind  nicht  wesentlich  verschieden,  zeigen  ein  streifiges 
balkenartiges,  zerreiasliches  Gewebe,  mit  anhängenden,  weissen 
Läppchen.   Die  DrQsenlöcher  sind  sehr  erweitert.  Der  Embryo 

1)  O.  e.  8.  ao. 


12  !•    HegoTj  Beiträge  lar  Pathologie  det  Eies 

entspricht  dem  zweiten  Monate,  in  welchem  die  Deddua  noch 
eine  rauhe,  schwammige  Beschaffenheit  zeigen  sollte.  Auch 
im  Fall  6  war  eine  ähnliche  Beschaffenheit  der  Vera  vor- 
handen. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  lasst  einen  Zerfisdl  der 
Gewehselemente  oft  schon  dann  nachweisen,  wenn  die  Mem- 
bran, dem  äusseren  Anschein  nach,  sich  noch  ziemlich  normal 
yerhält.  Bei  d^n  höheren  Graden  der  Atrophie,  welche  schon 
mit  blossem  Auge  erkennbar  ist,  besteht  sie  oft  aus  einer 
amorphen,  fettreichen,  molekularen  Masse  mit  zahlreich  ein- 
gestreuten runden  oder  ovalen  Kernen  oder  es  findet  sich 
wohl  auch  ein  streifiges  Grundgewebe  mit  reihenweise  ge- 
oi*dneten  Fetttröpfchen  versehen  oder  mit  feinkörniger  Masse 
bedeckt.  Bei  geringeren  Graden  der  Veränderung,  die  oft 
mit  blossem  Auge  nicht  erkennbar  ist,  sind  noch  die  der 
Decidua  eigenthümlichen  Zellenformen  nachzuweisen.  Nur  sind 
dieselben  von  feinkörniger  Masse  bedeckt,  und  zeigen  einen 
reichlichen  kömigen  und  fettigen  Inhalt  Die  Spindelzellen 
haben  ihre  Ausläufer  und  Spitzen  verloren.  Oblonge  und 
polygonale  Formen  herrschen  vor. 

Diese  Atrophie  der  Decidua  ist  stets  eine  erworbene. 
Man  kann  die  Uebergangsstufen  bis  zu  einem  völligen  Zerfall 
des  Gewebes  nicht  blos  an  verschiedenen  Eiern,  sondern  auch 
an  verschiedenen  Stellen  desselben  Eies  nicht  selten  auffinden. 
Fast  immer  sind  dabei  andere  pathologische  Processe,  be- 
sonders Eztravasationen  vorhanden. 

2.    Hypertrophie  der  Vera. 

Die  Hypertrophie  betrifil  vorzugsweise  die  Drüsen- 
substanz. Die  ganze  Membran  ist  verdickt,  bis  zu  6 — 8 
Millimeter.  Die  äussere  Fläche  ist  sehr  ungleich,  mit  theils 
langen,  zottigen,  flaschenförmigen,  theils  breiten,  runden  Her- 
vorragungen besetzt,  welche  dicht  neben  einander  stehen.  Die 
innere  Fläche  ist  ebenfalls  ungleicher,  mit  tieferen  Furchon 
und  entsprechenden,  länglichen  Wülsten  versehen  und  da- 
durch in  polygonale  Felder  abgetheilt.  Dabei  findet  sich  ge- 
wöhnlich ein  bedeutender  Blut-  und  Gefässreichthum;  nicht 
selten  sind  Ekchymosen  und  Extravasate  in  die  erweiterten 
Drnsenbälgc.     (Vergl.  Fall  3,  Fig.  3). 


and  Ewn  Abort  in  den  ersten  Schwangemohafltmonaten.      13 

Virchow  ^)  uod  später  StrtMsinann^)  beschreiben  eine 
andere  Form  der  Hypertrophie,  weiche  vorzugsweise  das 
interstitielle  Gewebe  betrifft.  Die  Membran  ist  verdickt,  auf 
ihrer  inneren  Fläche  mit  polypösen  Wucherungen  (V2  Zoll 
lang,  V4  Zoll  breit,  %  Zoll  hoch)  versehen,  welche  breit 
aufsitzen,  gegen  die  stumpfrundliche  Spitze  hin,  sich  ver- 
schmälern, so  dass  sie  Dreimastern  gleichen.  Diese  Höcker 
hatten  eine  glatte,  dichte  Oberfläche  von  röthlicher  Farbe, 
ohne  Drüsenlöcher.  Die  oberflächliche  Schichte  war  auf  dem 
Durchschnitt  sehr  dicht,  dunkelroth,  die  tieferen  Theile  mehr 
porös,  nach  unten  hin  fast  cavernös.  Bei  der  mikroskopischen 
Untersuchung  zeigte  sich  das  interstitielle  (interglanduläre)  Ge- 
webe hyperplaslisch.  Es  bestand  aus  einer  schwach  fasrigen 
Grundsubstanz  mit  grossen,  linsenförmigen  Zellen.  Keine 
Fettdegeneration.  I»  den  oberen  Lagen  fanden  sich  zahlreiche 
Durchschnitte  von  Gefässen,  namentlich  dickwandige  Arterien 
mit  concentiischen  Höfen  eines  dichten  Scheidengewebes. 
Gegen  die  Tiefe  hin  wurde  das  Ganze  locker,  die  Gefässe 
wurden  sinuös,  schliesslich  ein  weitmaschiges  Balkenwerk. 
—  Virchow  betrachtet  diese  Bildung  als  das  Product  einer 
Endometritis,  welche  höchstwahrscheinlich  Syphilis  zur  Ursache 
habe.  Durch  jS^^ra««7nann's  Beobachtung,  welcher  diese  Form 
bei  einer,  nachweisbar  nichtsyphililischen  Frau  vorfand,  ist 
jedoch  bewiesen;  dass  ein  solcher  Process  auch  ohne  Ein- 
wirkung von  Syphilis  vor  sich  gehen  kann. 

Nicht  ganz  selten  sind  die  Gefasse  der  Decidua  vera 
vorzugsweise  zahlreich  und  stark.  Man  bemerkt  an  dieser 
Membran,  auch  entfernt  von  der  Serotina,  ektatische  Gefass- 
bildungen,  oft  von  beträchtlicher  Dicke  und  Ausdehnung.  Man 
kannte  diesen  Zustand  schon  lange  und  bezeichnete  solche 
Bildungen  als  Placentae  spuriae. 

Auch  an  dem  rechtzeitig  gebornen  Ei  lässt  sich  auf  eine 
vorhanden  gewesene,  hypertrophische  Entwicklung  der  De- 
cidua schliessen,  wenn  die,  besonders  in  der  Nähe  der  Placenta 
dem  Chorion  aufsitzenden  Schichten,  noch  deutlich  eine  frisch 
zerrissene,  ranhe,   schwammige   Beschaffenheit  besitzen   und 


1)  Archiv  für  patbol.  Anatomie,  2.  Bd.,  S.  118. 

2}  MoDatsBchr.  für  Gebartsk.,  Bd.  19,  Heft  4,  S.  242. 


14  !•    Begar,  Bcltrft^  snr  Pathologie  d«t  Eiet 

man,  wie  dies  nicht  selten  der  Fall  ist,  sebst  grössere,  frisch 
getrennte  GefSsse  bemerkt 

3.  Kystenbildang  in  der  Deeidaa. 

Die  Uebergänge  der  einfachen  Drüsenhypertrophie  in 
Kystenbildung  lassen  sich  leicht  auffinden  und  sind  diese 
Formen,  wenn  auch  unToUständig,  schon  beschrieben  worden. 
Die  Botvin^)  spricht  Ton  kleinen  Bläschen  an  der  Innen- 
flftche  einer  von  ihr  Ghorion  genannten  Decidua.  HaUer^) 
beobachtete  ungestielte,  in  der  Placenta  sitzende,  mit  ein- 
ander verwachsene,  eine  unlösliche  Gallerte  enthaltende  Bläs- 
chen, welche  dem  Zellgewebe  angehörten.  H.  Müller^)  fand 
in  einer  fünfmonatlichen  Decidua  Bläschen,  welche  mit  einer 
dünnen  Gallerte  gefüllt  waren.  Auch  an  verschiedenen  Wein- 
geistpräparaten konnte  er  solche  nachweisen. 

An  verschiedenen  Abortiveiern  traf  ich  kleine,  erbsen- 
grosse,  mit  gelblicher  Colloidmasse  gefällte  Säckchen  auf 
der  Aussenfläche  der  Vera,  ohne  dass  des  Gewebe  sonst  Ver- 
änderungen zeigte.  In  anderen  Fällen  war  dabei  die  Ent- 
wickelung  der  Drüsen  und  Drüsenaggregate  eine  auffallend 
bedeutende  und  unter  jenen  einfach  hypertrophirten  Utricular- 
drüsen  befanden  sich  jene  mit  Kolloid  oder  hellem  Serum 
gefüllte  Bläschen. 

Ein  prägnantes  Beispiel  solcher  Bildungen  bietet  die 
Fall  5  (Fig.  3)  beschriebene  Vera.  Ich  fand  hier  runde,  mit 
Colloid  oder  hellem  Serum  gefüllte,  erbsengrosse  Bläschen, 
flaschenähnliche  Säckchen  mit  stielartigem  Ausführungsgange, 
eine  haselnussgrosse  mit  seröser  Flüssigkeit  gefüllte,  dünn- 
wandige Kyste. 

Die  Entstehung  der  Kysten  und  der  drüsigen  Hyper- 
trophie schreibe  ich  einer  katarrhalischen  Entzündung 
der  Dterinscbleimhaut  zu.  In  dem  erwähnten  Falle  be- 
stand vor  und  nach  der  Conceplion  ein  intensiver  Ctenis- 
und  Scheidenkatarrh. 


1)  Neue  Nachforschungen  über  die  Blasenmole.    Weimar  18Ü8. 
8.  27. 

2)  Eiern.  Phys.,  VIU.,  S.  2S6. 
S)  0.  c.  8.  51. 


and  iiUD  Abort  in  den  eraten^Sehwangenohftftsmonaten.       15 
4.    BlntoKtravaMite  der  Vera. 

« 

Man  kann  Extravasate  an  der  Aussenfiache  und  Ionen» 
fläche  der  Vera,  sowie  solche  im  Gewebe  derselben  selbst 
uDterscheideD. 

An  der  Aussenfiache  der  Vera  findet  man,  theils  klumpige, 
theils  in  Schichten  anhängende  Massen,  rother  und  entfärbter 
Coagula  der  verschiedensten  Beschaffenheit.  Zuweilen  liegen 
dichte,  geschichtete  Lagen  entfärbter,  gelber  Faserstofimassen 
fest  anklebend  auf  der  Membran.  In  anderen  Fällen  ist  der 
Erguss  noch  theilweise  flussig  und  das  ganze  Ei  in  eine  halb- 
geronnene, halbflüssige  Blutmasse  eingebettet. 

Auch  an  der  Innenfläche  der  Vera  liegen  ähnliche  Extra- 
vasate. Scanzoni  will  ihre  Communication  mit  den  äusseren 
durch  die  erweiterten  Drusenlöcher  nachgewiesen  haben. 

In  dem  Gewebe  tritt  die  Extravasation  in  sehr  ver- 
schiedenen Formen  auf. 

Zuweilen  hat  die  Membran  ein  gleichmässig  hellrothes 
bis  dunkelrothes  Colorit,  ohne  dass  ihre  Form  und  Dicke 
bedeutend  geändert  wäre.  Sie  scheint  gleichmässig  mit  Blut 
durchtränkt.  Häufig  sind  ausgedehnte  oder  auf  kleinere  Stellen 
beschränkte,  inselförmige  Ekchymoson;  bald  stärker  nach  der 
inneren,  bald  stärker  nach  der  äusseren  Fläche  vorspringend. 
Die  Membran  ist  an  diesen  Stellen  verdickt  und,  je  nadi 
Alter  und  Metamorphose  des  Ergusses,  weisslich  entfärbt, 
rosenrotb,  roth,  blau-  und  schwarzroth.  Auf  dem  Durch- 
schnitte bemerkt  man  grossere  oder  kleinere  Schichten  und 
Klumpen  weisslichen  Fibrins  oder  rothe,  selbst  schwarzrothe 
Blutgerinnsel.  Zuweilen  ist  das  Blut  noch  flüssig  oder  es 
findet  sich'  in  dem  festen  Coagulum  eine  centrale  Höhle  mit 
flüssigem  Inhalte.  Nicht  selten  ist  das  Gewebe  durch  den 
Erguss  in  der  Vl^eise  auseinandergetrennt,  dass  es  sich  in 
dünne,  lamellöse  Schichten  theilen  lässt  Auch  capilläre 
Apoplexien  kommen  vor.  Bei  den  massenhaftesten  Er- 
güssen findet  man  an  dem  Ei  durch  einen  dünnen  Stiel  mit 
der  Reflexa  verbunden  eine  fast  unkenntliche  Vera.  Diese 
bildet  nach  H.  MiiUer's^)  trefi'ender  Beschreibung  einen 
platten,  scheibeoähnlichen  oder  zusammengerollt,  einen  cylin- 

3)  O.  c.  8.  68. 


16  I.     ffegar^  Beiträge  air  Pathologie  des  £ie8 

drischeD  oder,  mit  Blat  und  Faserstoff  durchsetzt,  eioeD  un- 
regelmässig  lappigen  Klumpen,  der  hier  und  da  einige  ZoU 
im  Durchmesser  hat 

Ausser  diesen,  schon  vielfach  beschriebenen  Extravasaten, 
kommen  jedoch  auch  andere  vor,  welche  sich  der  Aufmerk- 
samkeit der  Beobachter  bis  jetzt  entzogen  haben.  Es  sind  dies 
Extravasate,  welche  dadurch,  dass  der  Bluterguss  in  die 
Zwischenräume  des  Gewebes  und  in  die  ausgedehnten  Drüsen- 
bälge erfolgt,  ganz  eigenthömliche  Formen  zeigen,  so  dass 
man  aus  ihrem  Aussehen  mit  Sicherheit  auf  ihren  Ursprung 
in  der  Uterinschleimhaut  schliessen  kann. 

Man  findet  diese  Extravasate,  wenn  auch  oft  nur  in  ge- 
ringer Menge,  fast  an  jedem  Abortivei  und  sie  sind  offenbar 
bloss  deswegen  übersehen  worden,  weil  man  die  scheinbar 
formlosen,  homogenen  Coagula,  welche  mit  dem  Ei  aus- 
geschieden wurden,  nicht  näher  untersuchte. 

Ist  die  Decidua  in  weitem  Umfange  und  in  grösseren 
Stücken  apoplectisch  destruirt,  so  findet  man,  das  Ei  um- 
hüllend oder  gesondert  abgeschieden,  scheibenförmige  Coagula, 
welche  eine  schichtenweise  Aufeinanderlagerung,  besonders  am 
Rande,  deutlich  erkennen  lassen.  Diese  Scheiben  haben  einen 
Durchmesser  von  1 — 4  Centimeter  in  Länge  und  Breite.  Ihre 
Dicke  wechselt  von  V4 — ^  Centim.  Die  eine  Fläche  dieser 
Scheiben  ist  meist  ziemlich  glatt,  deutlich  mit  Grubeben,  den 
Sieblöchern  der  Decidua  entsprechend,  versehen.  Auf  der 
anderen  Fläche  sitzen  kolbige,  flaschenförroige,  gestielte  Kör- 
perchen oder  stehen  reihenweise  geordnete  Zacken.  Diese 
Gebilde  stehen  meist  sehr  eng  beisammen  und  zeigen  nicht 
selten  eine  traubenförmige  Anordnung,  so  dass  an  einem 
grösseren  Stiele  mehrere  mit  kleinerem  Stiele  versehene  kolbige 
Körperchen  aufsitzen  (Fig.  20).  Am  besten  lässt  sich  die 
Anordnung  verfolgen,  wenn  man  das  Ganze  unter  Wasser 
flottiren  lässt.  Diese  Coagula  besitzen  einen  Gewebsüberzug, 
welcher  aus  streifigeim  Bindegewebe  mit  eingelagerten  Kernen 
besteht.  Die  geschichtete  Anordnung  der  Scheiben  wird  da- 
durch hervorgebracht,  dass  lameUöse  Strata  des  Gewebes  die 
einzelnen  Lagen  des  Coagulums  trennen.  Nicht  selten  lässt 
sich  an  den  Scheiben  eine  zusammenhängende  Lage  pflaster- 
förmiger  Epithelien  erkennen,    welche  blasse  Contouren,   da- 


und  mm  Abort  in  den  ersten  Sohwangertfchaftfinonaten.      17 

gegen  einen  starken  Kern  besitzen.  Der  Gewebsüberzug  der 
kolbenf5rmigen  Körper  ist  nicht  immer  nachzuweisen.  Dagegen 
bestehen  die  Stieichen  deutlich  aus  Deciduagewebe. 

Das  Ganzd  besteht  aus  der  apoplectisch  destruirten  und 
abgestossenen  Decidua.  Die  Scheiben  gehören  wohl  der  ober- 
flächlichen, die  kolben-  und  traubenförmigen  Gebilde  den 
tieferen  Lagen  der  Schleimhaut  an.  Das  Extravasat»  welches 
in  die  Drusen  erfolgt,  daselbst  gerinnt  und  meist  mit  der 
Wandung  der  Drüsen  nach  aussen  entleert  wird,  giebt  einen 
Abguss  der  Drusenräume,  welcher  die  Form  und  Anordnung 
der  Uterindräsen  in  vielen  Beziehungen  bessnr  erläutern  kann, 
als  jede  känstliche  Präparation.  i 

Die  Decidua  wird  jedoch  nicht  stets  in  grossem  Umfange 
in  dieser  Weise  apoplectisch  zerstört  und  ausgestossen.  An 
vielen  Eiern  fand  ich  solche  Formen  bloss  an  beschränkten 
Steilen.  So  zeigten  sich  Fall  3  u.  7  (Fig.  1  u.  8)  bloss  in 
der  Nähe  des  unteren  Eipols  traubenföi*mige  Anhänge  aus 
linsenförmigen,  kleinen  Coagulis  bestehend,  welche  durch 
einen  Stiel  mit  der  übrigen,  mehr  oder  weniger  unversehrten 
Decidua  zusammenhängen.  An  der  cystös  entarteten  Decidua  . 
(Fall  5,  Fig.  3)  fanden  sich  kleine,  gestielte  Kystchen,  welche 
nicht  mit  Serum  oder  Kolloid,  sondern  mit  einem  Bluterguss 
gefällt  waren.  An  einer  Stelle  spaltete  sich  der  von  der 
Fläche  der  Membran  entspringende  Stiel  in  mehrere  Zweige, 
welche  grösstentheils  kurz  abgerissen  waren.  An  der  Theilungs- 
stelle  zeigte  sich  eine  mit  Blut  erfüllte  Ausbuchtung  und  an 
der  Spitze  eines  davon  ausgeheuden  Zweiges  war  ein,  eben- 
falls mit  Blut  erfülltes,  ausgedehntes  Säckchen  vorhanden. 
(Fig.  3.  c.) 

Es  ist  nicht  stets  die  Vera,  welche  in  dieser  Art  apoplec- 
tisch zerstört  wird.  Auch  die  Reflexa  und  Serotina  (s.  Fall  11) 
zeigt  zuweilen  dieselben  Formen. 

Mein  College,  Dr.  Eigenbrodt  dahier,  machte  die  erste 
Beobachtung,  einer,  in  der  oben  beschriebenen  Weise,  in 
grösserem  Umfange  apoplectisch  ausgestossenen  Decidua.  Der- 
sdbe  wird  in  Kürze  den  betreffenden  interessanten  Fall  mit- 
theilen. Bei  gemeinschaftlichen  Untersuchungen  zahlreicher 
Abortiveier  entdeckten  wir  diese  Formen  in  den  versclüedenen 
Abschnitten  der  Decidua.     Es  gelang   uns,  ihre  Entstehung 

Monatesehr.  f.  0«barUk.   VdßA.  Bd.  XXI.,Sapp1.-Hft.  2 


1^  I.     Hegar^  Beitrüge  zur  Pathologie  dea  Kie« 

und  Bildung  genauer  zu  verfolgen.  Der  Nachweis  binde- 
gewebiger Strata  auf  der  Oberfläche  der  Scheiben-  und 
traubenförmigen  Gebilde,  zwischen  den  gescbichleten  Lagen 
der  Scheiben,  die  Anwesenheit  siebförmiger  Grübchen  auf 
der  Oberfläche,  sowie  die  Auffindung  von  Epitbellagen, 
setzten  es  ausser  Zweifel,  dass  diese  Formen  durch  einen 
Biuterguss  entstehen,  welcher  zwischen  die  Gewebstheile  der 
Schleimhaut  und  in  die  Hohlräume  der  Drüsen  eindringt. 
Die  Mucosa,  deren  Verbindung  mit  der  Uteruswand  sich 
lockert,  wird  mit  dem  sie  durchsetzenden  Blutcoagulum  aus> 
gestossen. 

Es  erscheint  mir  von  höchstem  Interesse,  dass  auch  die 
Schleimhaut  eines  nicht  schwangeren  Uterus,  in  solcher  Weise 
apoplectisch  zerstört,  ausgeschieden  werden  kann.  Meine 
weiteren  Forschungen,  deren  Mittheiluug  ich  mir  vorbehalte, 
zeigten  mir,  dass  eine  Ursache  hartnäckiger  und  sehr  schmez- 
hafter  Dvsmenorrhoe  darin  besteht,  dass  zur  Zeit  der  Men- 
struation  nicht  bloss  ein  Erguss  auf  die  freie  Schleimhaut- 
fläche, sondern  auch  in  die  tieferen  Schichten  der  Mucosa 
erfolgt,  welcher  eine  Abtrennung  dieser  selbst  zur  Folge  hat, 
einen  Zustand,  welchen  ich  am  besten  mit  dem  Namen  Dys- 
menorrhoea  membranacea  apoplecüca  bezeichnen  zu  können 
glaube.  Auch  bei  hartnäckiger  Blutung  in  den  klimaterischen 
Jahren  beobachtete  ich  diese  apopleclische  Destruction  der 
Uterinscbleimhaut  (Fall  14).  Ich  habe  diesen  Fall  unten  mit- 
getheilt,  weil  die  Zeichnung  (Fig.  20)  davon  herrührt. 

5.    ExBudationsprocesse  der  Vera. 

Unter  Hypertrophie  sind  Befunde  beschrieben,  welche 
man  als  Producte  eines  chronischen  Entzündüngsprocesses  be- 
trachten kann,  welcher  mit  hypertrophischer  Entwickelung 
des  drüsigen  oder  des  interstitiellen  Gewebes  einhergeht. 

Man  findet  auch  Deciduen,  welche  gleichmässig  mit  einem 
Exsudat  infiltrirt  scheinen.  Die  Membran  ist  in  solchen 
Fällen  bedeutend  verdickt,  bis  zu  6  Millimeter,  weich,  s(ic- 
culenl,  schwammig  und  sehr  blutreich.  Unter  dem  Mikroskop 
sieht  man  die  Gewebselemente  oft  zerfallen  oder  in  eine 
molekulare  Masse  eingebettet.  Diese  enthält  zahlreiche  &enie 
von  runder  oder  ovaler  Form,  oft  mit  mehreren  Kemkörper- 


und  snm  Abort  in  den  ersten  Schwangerschaftsinonaten.       19 

eben  und  grauem,  feinkörnigem  Inhaito,  eckige  Eiweissmolekule, 
Fftttlröpfchen.  Auch  Schleim-  oder  Eiterkörperchen  sind 
vorhanden.  Sind  die  Zeilenformationen  ganz  verschwunden, 
so  hat  man  eine  structurlose  Exsudatmenibran  vor  sich.  Dn 
dies  bei  Abortiveiern  kein  ganz  seltener  Befund  ist,  so  ina^ 
hierin  die  Veranlassung  liegen,  dass  man  die  hinfällige  Haut 
für  ein  blosses  Exsudationsproduct  hielt  Es  scheint,  dass 
bei  einer,  Tielleicht  durch  frühere  Krankheitsprocesse  ver- 
luderten Uterinschieinihaut  sich  schon  in  früher  Zeit  der 
Gravidität  ein  solcher  Exsudativvorgang  ausbilden  könne.  Der 
Abort  ist  die  nothwendige  Folge.  Das  Ei  findet  keine  Nalirung 
in  einer  solchen  Decidua  und  degenerirt.  Diese  selbst  treimi 
sich  leicht  vom  Uterus  ab  oder  giebt  Veranlassung  zu  Extra- 
vasattouen,  welche  eine  Loslösung  zur  Folge  haben. 

H,  Müller^)  ist  geneigt,  eine  pseudomenibranuse  Aus- 
seh  witzung  in  der  Decidua  anzunehmen.  Er  spriclil  von 
Faserstoffmassen,  welche  so  frei  von  Blutkörperchen  sind, 
dass  man  sie  nicht  als  von  Bluterguss  herrührend  betrachten 
könne.    Es  ist  mir  Nichts  dieser  Art  vorgekommt^n. 

Ä     Pathologie  der  Decidua  reflexa. 
1.    Mangel  und  Atrophie  der  Refieza. 

H.  Müller'^)  spricht  sich  für  die  Wahrscheinlichkeit 
eines  vollständigen,  primären  Mangels  der  Reflexa  aus. 
Er  will  Eier  beobachtet  haben,  bei  welchen  die  Chortonzotten 
im  ganzen  Umfange  oder  im  grössten  Theile  desselben  in  eine 
Membran  eindrangen,  welclie  alle  Charaktere  der  Vera  besass. 
—  Die  Deutung  solcher  Befunde  imlerliegl  übrigens  vielen 
Schwierigkeiten.  Das,  was  man  für  Vera  hält,  kann  Reflexa 
sein.  Man  kann  erstere  übersehen  haben,  da  sie,  vielleicht 
abgerissen,  im  Uterus  zurückblieb  oder  vollständig  atrophirt 
war.  Indessen  glaube  ich  den  vollständigen  Mangel  der 
Reflexa  durch  die  Beobachtung  eines  Falles  (Fall  12,  Fig.  18) 
sichergestellt  zu  haben.'  Auch  für  Fall  8  (Fig.  9)  ist  mir 
ein    totaler,    in    der  Entwickelung    begründeter  Hangel    der 


1)  O.  c.  S.  86. 
vS)  O.  c.  S.  86. 

2 


2(j  I.     Hegitr ,  Koiträg^e  znr  Pfttholo^iV   de«  Eios 

Reflexa  wahrscheinlich.  Ich  verweise  auf  die  Beschreibung. 
Der  Einfluss  einer  solchen  Bildungsanomalie  auf  die  Ent- 
Wickelung  des  Eies  scheint  ein  sehr  bedeutender  zu  sein. 
In  dem  ersten  Beispiele  waren  bloss  Rudimente  des  Chorions, 
als  einzige  Ueberbleibsel  der  Eigebilde,  vorhanden.  In  dem 
zweiten  Beispiele  bildete  sich  eine  enorm  grosse  Placenta  aus. 
Der  Mangel  der  Reflexa  wird  leicht  eine  zu  umfängliche, 
ausgedehnte  Kuchenbildung  hervorbringen,  da  die  Chorion- 
zotten überall  in  die  gefSssreiche  Vera  einwuchem.  Hierdordi 
ist  aber  ein  ursächliches  Moment  pathologischer  Processe  und 
des  Aborts  gegeben,  welches  später  noch  besprochen  wird. 
Ausser  diesem  Bildungsmange)  der  Reflexa  existirt  aber 
noch  ein  erworbener  Mangel  oder  Schwund  dieser 
Membran.  SackreiUer-Mettenheimer^)  und  Rokytansky"^) 
lieferten  Beschreibungen,  welche  eine  solche  Anomalie  nach- 
weisen und  ihre  Entstehung  aufklären.  —  Die  ersteren  Au- 
toren beschreiben  ein  Ei,  welches  nach  dreimaliger  Sistirung 
der  Menses  geboren  wurde.  Dasselbe  war  taubeneigross, 
von  einem,  sparsam  mit  Zotten  versehenen  Chorion  umhüllt 
und  hing  an  einem  längsfaltigen,  hohlen  Stiel,  welcher,  sich 
nach  aussen  umwerfend,  in  einen,  locker  das  Ei  umhüllenden 
Sack  überging.  Dieser  Sack  zeigte  sich  als  eine  krankhaft 
veränderte  Vera,  welche  nach  unten  eine  weite  Oeflbung  hatte. 
Nach  Eröffnung  des  Stiels  stiess  man  auf  eine  kreuzergrosse, 
rauhe  Stelle,  den  Ueberrest  der  abgerissenen  Serotina.  Das 
Ei  selbst,  hatte,  abgesehen  von  dem  Stiele,  keinen  Decidua- 
überzug,  so  dass  die  Zotten  ganz  frei  standen.  Die  Verfasser 
nehmen  an,  dass  das  Ei  durch  seine  Schwere  die  ebenso 
wie  die  Vera  entartete  Reflexa  gezerrt  und  gedrückt  habe,  so 
dass  sich  diese,  atrophirt,  über  das  Ei  zurückzog  und  schliess* 
hch  nichts  weiter  davon  übrig  blieb,  als  der  faltige  Stiel. 
Auch  vermuthen  sie,  dass  bei  der  Grosse  des  inneren  Mutter- 
mundes, welche  sie  aus  der  weiten  Oeffnung  der  Vera  er- 
schliessen,  das  Ei  keinen  Halt  gehabt  habe  und  deshalb  seine 
Schwere  noch  mehr  zur  Geltung  gekommen  sei. 


1)  Monatsschr.  für  Gebartsk.,  I.  Bd.,  S.  82. 

2)  Zeitschr.  d.  Ges.  d.  Aerzte  su  Wien.     Neae  Folge.     1860. 
m.,  S.  83. 


and  snm  Abort  in  den  ersttii  Schwaiigerschaftsinonateii.      21 

1 

Hieran  schliessen  sich  die  BeobacI^uDgen  Bokitansky's. 
Bei  deoselbep  hingen  die  Eiblasen  an  einem  dünnen  Stiele 
an  dem  Fundua  und  der  vorderen  Wand  des  Uterus  fest  und 
erstreckten  sich  in  den  erweiterten  Cervicalcanal.  Der  Stiel 
bestand  aus  einem  Büschel  ausserordentlich  vtrlangerter 
Utriculardrüsen  und  war  von  einer  dünnen,  in  dem  zweiten 
Falle  excoriirten,  defecten  Refleza  überzogen.  Diese  bildete, 
ehe  We  das  untere  Eisegment  überzog,  eine  wulstförmige 
Ouplicatur,  welche  durch  gewaltsames  Zuruckgedrängtsein 
der  Reflexa,  vom  Umfang  der  Blase  nach  ihrem  Stiele  hin, 
entstanden  zu  sein  schien.  Die  Eiblase  war  von  einer  sehr 
dünnen  Reflexa  umschlossen,  welche  bei  dem  zweiten  Falle 
am  untern  Eipole  nekrotisirt  und  geborsten  war. 

Rokitansky  nimmt  an,  dass  durch  vorzeitige  Con^ 
ti*actionen  der  Gebärmutter  das  Ei  in  den  erweiterten  Cervix 
gelangt  sei  und  dass  sich  durch  den  Druck  und  die  Zen'ung 
hierbei  die  Verlängerung  der  Serotina  und  die  Anomalien  der 
Reflexa  ausgebildet  hätten. 

Auch  bei  dem,  Fall  13  (Fig.  19),  beschriebenen  Abortivei 
fand  ich  eine  gegen  den  unteren  Eipol  an  Dicke  sehr  ab- 
nehmende Reflexa,  welche,  nach  oben  hin,  in  Form  einer 
Scheide  die  durch  Blutextravasat  destruirte  und  in  die  Länge 
gezogene  Serotioa  umgab. 

Es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  dass  man  es  in 
solchen  Fällen  mit  einer  durch  Zerrung  entstehenden  Atrophie 
der  Reflexa  zu  thun  habe. 

2.    Hypertrophie  und  Kystenbildnng  der  Refleza. 

Da  die  Dicke  der  Reflexa  sehr  variirl,  audi  wenig  über  die 
normalen  Durchmesser  derselben  in  den  einzelnen  Schwanger- 
schaftszeiten bekannt  ist,  so  ist  die  Entscheidung  oft  schwierig, 
ob  man  es  in  einem  gegebenen  Falle  mit  einem  pathologischen 
Zustande  zu  thun  habe.  ^  Ich  fand  die  Reflexa  in  ihrer  Dicke 
von  V4 — 2  Millimeter  schwankend,  wage  jedoch  nicht,  das 
eine  oder  andere  Verhalten  als  ein  abnormes  zu  bezeichnen. 
Man  muss  sich  auch  sehr  vor  Beobachtungsfehlern  hüten. 
Die  Reflexa  ist  häufig  durch  Extravasate  im  Gewebe  und 
durch  geschichtete  Coagula  ungewöhnlich  verdickt  —  Den 
einzigen  Befund,   welcher  für  eine   cystöse,   hypertrophische 


22  ^«    Hegar,  Beiträge  zur  Pathologie  des  Eies 

Entartung  der  Reflexa  spricht,  der  mir  daher  von  besoadereni 
Werth  erscheint,  finde  ich  bei  H,  MvUer.  ^)  Derselbe  fand 
die  Reflexa  einer  Blasenmole  an  ihr^  äusseren  Fläche  glatt, 
nur  mit  seichten  Furchen  versehen.  Die  innere,  concave,  mit 
Anhängsehi  von  Zotten  bedeckte  Fläche,  war  weich,  uneben, 
mit  vielen,  cylindrischen  Hervorragungen  besetzt,  zwischen 
weichen  Furchen  sich  befanden.  Die  Höhe  dieser  Hervor- 
ragungen war  verschieden,  je  nach  der  Dicke  der  Membran, 
weiche  zwischen  1  Linie  bis  Ya  ^loll  wechselte.  An  dieser 
Fläche  befanden  sich  stellenweise  Oeffnungen,  die  in  gleich- 
weite, nach  der  äusseren  Schicht  der  Decidna  sich  er- 
streckende Hohlräume  führten.  Zuwmlen  war  die  Oeffnung 
des  Hohlraumes  auch  kleiner,  al6  sein  übriges  Lumen,  so 
dass  ein  solcher  einem  Drusenbalg  glich.  Auch  völlig  ge- 
schlossene, mit  graurötblicher  Gallertmasse  gefüllte  Bläschen 
waren  vorhanden.  Manche  der  Hohlräume  standen  in  Corn- 
munication.  Da,  wo  viele  dicht  beisammen  lagen,  erhielt  die 
Decidua  ein  fächeriges,  bienenwabartiges  Ansehen.  Oefftiungen 
an  der  äusseren  Fläche  wurden  nicht  bemerkt. 

3.    Eactravaaate  der  Reflexa. 

Man  kann,  je  nach  dem  Sitz,  drei  Arten  der  Extravasate 
unterscheiden. 

a)  Blutergusse  an  der  Aussenfläche  der  Reflexa  und  in 
der  Höhle  zwischen  Vera  und  Reflexa.  Diese  stammen  oft 
aus  der  Vera,  aus  einem  Erguss,  welcher  diese  zertrümmert 
und  bis  auf  die  Reflexa  gelangt  oder  aus  der  Serotina,  wobei 
eine  Partie  der  Umschlagsstelle  zerrissen  wurde.  Häufig  ist 
die  ganze  Oberfläche  der  Reflexa  von  theils  flüssigem,  tlieils 
coagulirtem  Blute  bedeckt.  Die  Coagula  sind  oft  sehr  ver- 
schieden metamorphosirt  Nicht  selten  liegen  schichtweise 
spaltbare,  entfärbte,  weisse  Fasersloflmassen  fest  an  der 
Membran  auf.  In  der  Nähe  der  Umsdilagsstelle  sind  die 
Gerinnsel  zuweilen  sehr  massenhaft,  eingefilzt  zwischen  ifie 
zerrissenen  Gewebstheile  der  Vera  und  Reflexa  und  zwischen 
die  zarten  Brücken  und  Fäden,  welche  zuweilen  jene  Mem- 
branen  in   der  Nähe   des  Umschlags  verbinden.     Auch  sieht 

1)  O.  c.  8.  33. 


und  snm  Abort  in  -den  ersten  Schwangeräobaftamonaten.      23 

man  oft  gestielte,  lappige  oder  kolbenförmige  Gebilde  in  den 
Zwisefaenrautn  beider  Hmite  herabhängen.  Diese  Gebilde  be- 
stehen aas  Blut-  oder  Faserstoffniassen,  bekleidet  von  einer 
dünnen  Gewebaschichte.  An  dem  unteren  Eipol  fand  ich 
häufig  Blutei*güsse,  welche  das  Gewebe  der  Vera  und  Reflexa 
zertrümmernd,  geschichtete  Lagen  oder  wulstige  Körper 
oder  traubenförmige,  gestielte  Anhänge  darstellten,  ebenfalls 
aus  BlutcoaguUs  bestehend  und  von  Gewebsschichten  umhüllt. 
(Fig.  1).  Bei  dem  Ei,  welches  einen  vollständig  geschlossenen 
Sack  zwischen  Vera  und  Reflexa  besass,  fand  sich  an  jener 
Stelle  ein  festes  Coagulum,  welches  beide  Membranen  verklebte. 

b)  Blutergüsse  zwischen  Refleia  und  Chorion.  Diese 
sind,  meinen  Beobachtungen  nach,  oft  secundär  und  stammen 
aus  der  Seroüna.  Ihre  Form  und  Ausbreitung  ist  sehr  ver- 
schieden, je  nach  Grösse  und  Masse  des  Extravasats,  nach 
seinem  Sitze  und  Metamorphose.  So  ist  oft  der  ganze  Raum 
zwischen  Chorion  und  Reflexa  durch  ein  gleichförmig  rothes 
oder  schwarzrothes ,  festes  oder  weiches  Coagulum  einge- 
nommen. Dasselbe  erreicht  an  einzelnen  Stellen  eine  Dicke 
von  2 — 4  Centimeter.  Springt  es  an  solchen  in  Höckern 
oder  Buckehi  nach  der  Chorionhöhle  zu  vor,  so  entstehen 
die  vielgenannten  bosselures  Velpeau*»,  Gewöhnlich  ist  ein 
Theil  der  Reflexa  in  bedeutend  geringerem  Grade  von  dem 
Extravasate  eingenommen  und  es  ist  dies  stets  die  Wand  des 
Eies,  welche  am  entferntesten  von  der  Serotina  liegt.  V^äbrend 
der  Erguss  an  anderen  Stellen  obige  Dicke  besitzt,  bildet 
er  an  jener  Wand  oft  nur  eine  dünne  Lage  von  2 — 3  Milli- 
meter Dicke  oder  fehlt  ganz.  Die  plattgedrückte  Eihöhle 
wird  alsdann  ganz  nach  dieser  Seite  hingeschoben  und  kann, 
wenn  sie  keine  Fötalgebilde  enthält,  leicht  übersehen  werden. 
—  Die  Zotten  des  Chorions  sind  in  dem  massenhaften  Coa- 
gulum oft  schon  theilweise  atrophirt.  Man  sieht  sie  auf  dem 
Durchschnitte  meist  als  zarte  Fäden  und  Balken  von  einer 
Membran  zur  andern  ziehen. 

Ist  der  Erguss  weniger  massenhaft,  so  findet  man  den- 
selben gewöhnlich  stark  nur  in  der  Nähe  der  Serotina,  während 
an  anderen  Stellen  bloss  vereinzelte  rothe  oder  entfärbte  Coa- 
gula  streifig  zwischen  den  Zotten  stecken  (Fig.  5).    Zuweilen 


24  ^*     HegoTy  Beitrftg^e  snr  Pathologie  des  Eies 

scheint  sich  der  Erguss  zu  senken.  So  fand  idi  am  unteren 
Eipole  ein  starkes  Coagohim,  in  der  Mitte  des  Eies  eiozeloe 
Gerinnsel  zwischen  den  Zotten  und  in  der  Nähe  der  Serotina 
wieder  einen  starken  Erguss.  (Dieselbe  Figur).  —  Bei  einem 
Ei  hatte  der  Erguss  das  Cborion  durchbrochen  und  war  in 
die  Eihöhle  gelangt.  (Fall  6,  Fig.  7). 

c)  Blutergusse  in  das  Parenchym  der  Reflexa.  Die  Mem- 
bran ist  verdickt,  gelbroth,  roth,  schmutzig  braunroth  gefärbt, 
gewöhnlich  der  Länge  nach,  in  blättrige  Schichten  leicht  spalt- 
bar. Zuweilen  ist  die  Reflexa  in  ihrem  Gewebe  stark  durch 
das  Extravasat  destruirl,  so  dass  sie  in  dünne  Lappen,  ge- 
stielte, traubenformige  Massen  auseinanderfallL  Doch  ist  dies 
meist  nur  an  einzelnen  Stellen  der  Fall. 

Man  hat  den  Blulextravasaten  der  Reflexa  die  ver- 
schiedensten Folgen  zugeschrieben.  So  sollen  durch  Or- 
ganisation des  Ergusses  feste  Verwachsungen  des  Chorions 
mit  der  Reflexa,  dieser  mit  der  Vera  entstehen.  Ich  habe 
nichts  der  Art  beobachten  können.  —  Auch  nahm  man  an, 
dass  diese  Apoplexien,  besonders  die  zwischen  Reflexa  und 
Chorion,  durch  Compression  der  Eihöhle  das  Absterben,  den 
Schwund  und  zuletzt  die  vollständige  Resorption  des  Embryo 
hervorbrächten.  Es  ist  mir  das  für  die  meisten  Fälle  selur 
unwahrscheinlich.  Oft  lässt  sich,  bei  Gegenwart  einer  voll^ 
ständig  leeren  Eihöhle,  aus  der  Beschafienheit  des  Extravasats 
dessen  ganz  frischer  Ursprung  nachweisen.  Auch  findet  man 
häufig  andere  pathologische  Processe,  wie  insbesondere  Dege- 
neration der  Decidua,  welche  den  Tod  des  Fötus  weit  ge- 
nügender erklären,  als  jener  Druck  von  Seiten  der  apoplec- 
tischen  Heerde.  Ausserdem  findet  man  bei  Gegenwart  starker 
Blutergüsse  den  Fötus  oft  gut  erhalten  oder  einen  kleinen 
Embryo  aus  den  ersten  Schwangerschaftswochen,  während 
das  Ei  selbst  dem  zweiten  bis  dritten  Monate  angehört  Es 
ist  dies  ein  Beweis,  dass  andere  Ursachen  zur  Resorption 
des  Fötus  einwirken  müssen.  Ueberhaupt  ist  wohl  für  die 
grosse  Mehrzahl  der  Fälle  die  Annahme  sicher  die  plausibelste, 
dass  das  Extravasat  nur  als  Endproduct  anderer  pathologischer 
Processe  auftritt  Icli  werde  hierauf  noch  weiter  zurück- 
kommen. 


and  sam  Abort  in  den  ersten  Sehwangersohaftemonaten.      2Ö 

4.    BjEcadaiivprooeMe  der  Reflexa. 

Hierober  fehlen  mir  alle  Beobachtungen.  Auch  fand  ich 
in  der  Literatur  keine  Beschreibung,  welche  für  das  Vorkommen 
eines  solchen  Processes  spricht.  — 

Die  aus  Bindegewebe  bestehenden  Fäden  und  Lamellen, 
welche  zuweilen  zwischen  Vera  und  Reflexa,  besonders  in  der 
Nähe  der  Umschlagsstelle,  ausgespannt  sind,  sind  nicht  mit 
Bestimmtheit  als  Producte  eines  entzündlichen  Vorgangs  zu 
deuten.  Es  mag  diese  Vereinigung  beider  Membranen  in  der 
ursprunglichen  Bildung  liegen. 

Bekannt  ist  die  feste  Adhäsion  der  Eihäute  an  der  Uterin- 
wand, wie  sie  nicht  selten,  auch  bei  ausgetragenen  Frachten, 
beobachtet  wird.  Man  findet  an  der  Aussenfläche  des  Cho- 
rions mehr  oder  weniger  dicke  (bis  zu  einigen  Linien),  ge- 
wfihntich  weiche,  schwammige,  zuweilen  mit  Geßssen  ver- 
sehene, selbst  placentaähnliche  Auflagerungen.  Da  mir  die 
Annahme  einer  Verwachsung  der  Reflexa  und  Vera  unter 
normalen  Verhältnissen  nicht  gerechtfertigt  erscheint,  so  ist 
dieser  Befund  entweder  einem  entzündlichen  Processe,  welcher 
mit  Exsodation,  Verklebung  beider  Membranen,  Verklebung 
mit  der  Uterinwand  endigte  oder  einem  Bildungsfehler  zu* 
zuschreiben.  Letzteres  erscheint  mir  als  das  wahrscheinlichste 
und  ich  glaube,  dass  au  solchen  Stellen  die  Vera  und  Reflexa 
nicht  geschieden  waren,  dass  hier  eine  stärkere  Zotten-  und 
Gefässent Wickelung  eintrat,  welche  die  feste  Verbindung  bis 
zum  Ende  der  Schwangerschaft  bewirkte. 

C.     Pathologie  der  Decidua  serotina. 
1.    Abnorm  geringer  Umfang  und  Atrophie  der  Serotina. 

Bei  der  anatomischen  Beschreibung  der  Serotina  wurde 
bereits  erwähnt,  dass  dieselbe  zuweilen  sehr  wenig  umfang- 
reich sei  (Fig.  12 — 14).  Tn  solchen  Fällen  tritt  nur  ein  sehr 
kleiner  Theil  des  Eiumfanges,  wie  ein  Abschnitt  des  oberen 
Poles,  ein  Abschnitt  des  seitlichen  Umfangs  in  unmittelbare 
Berührung  mit  der  wandständigen  Uterinschleimhaut.  Man 
findet  hierbei  die  Serolina  meist  auffaUend  verlängert,  so  dass 
sie  eine  stielartige  Form  annimmt  Die  Drüsen  und  Drüsen- 
aggregate sind  in  die  Länge  gezogen,  so  dass  sie  als  spitze 


26  I-     Hegar,  Beiträge  211  r  Patholo{?ie  de«  Eie« 

Zotten  und  Höcker  über  die  FiSche  hervorragen  (Fall  10, 
Fig.  11).  Bei  höheren  Graden  ist  die  Serotina,  stielartig 
verlängert,  in  die  Scheide  der  Reflexa  hineingezogen,  in  deren 
unterem  Abschnitt  die  Chorionblase  liegt  (Fall  13,  Fig.  19). 
So  beschreibt  Rokitansky  den  Serotinastiel  eines  Eies  als 
sehr  wenig  umßnglich,  aus  einem  Büschel  ausserordentlich 
verlängerter  Utriculardrusen  bestehend,  und  von  einer  becher- 
förmigen Reflexascheide  umgeben.  — 

Das  Ei  ist  in  seiner  Lage  befestigt  durch  die  Reflexa, 
in  welcher  es  gleichsam  hängt,  durch  die  Stütze  der  um- 
gebenden Uterin  wand  und  durch  die  Serotina,  durch  welche 
es  mit  der  Gebärroutterfläche  in  Counex  steht. 

Ist  die  Serotina  von  sehr  geringem  Umfange,  so  wirkt 
die  Schwere  des  Eies  zerrend  auf  diesen  Ansatz.  Die  Ge- 
fasse  werden  in  die  Länge  gezogen,  comprimirt,  das  Gewebe 
wird  atrophisch  und  es  kommt  so  allmälig  zur  Lostrennung 
des  Eies.  Auch  kommt  es  leicht  durch  die  Zerrung  der 
Gefasse  zu  Extravasaten,  welche  die  Serotina  zuweilen  so 
vollständig  destruiren  und  den  Stiel  des  Abortiveies  so  un- 
kenntlich machen,  dass  er  bloss  aus  Faserstoflinassen  und 
Blutcoagulis,  umkleidet  von  einer  Deciduaschichte,  zu  bestehen 
scheint,  wit'  er  vielfach  von  den  Autoren  beschrieben  wird. 
Bei  den  Apoplexien  der  Serotina  wird  davon  weiter  die  Rede  sein. 

Ausser  der  ursprunglichen  Kleinheit  tragen  zur  Bildung 
eines  solchen  Serotinastieles  noch  alle  Momente  wesentlich 
bei,  welche  den  Halt  des  Eies  in  der  Uterinhöhle  verringern. 
Mangelhafte  Entwickelung  der  Reflexa,  vorzeitige  Atrophie 
derselben,  Erscblaflung  der  Gebärmutterwand,  besonders  io 
ihrem  untern  Abschnitte,  abnorme  Weite  des  Innern  Mutter- 
munds, zu  grosse  Oefl'nung  der  Vera  an  dieser  Stelle,  höhlen- 
artige Ausdehnung  des  Cervicalkanals  sind  hierher  zu  rechnen. 
Bei  bedeutender  Grösse  der  Serotina  werden  solche  Ver- 
hältnisse weniger  zur  Geltung  gelangen,  als  bei  geringer 
Ausdehnung.  Auf  der  andern  Seite  wird  diese  von  weniger 
Belang  sein,  sobald  alle  Jene  ungünstigen  Momente  weg- 
fallen. Es  kommen  sehr  kleine  Placenten  bei  vollständig 
ausgetragenen  Früchten  zuweilen  vor.  — 

Rokitansky  nimmt  auch  an,  dass  vorzeitige  Uterin- 
contractionen  das  Ei  in  den  unteren  Gebärmutterabschnilt  und 


and  snm  Abort  in  den  ersten  Schwangerschaftsmonaten.       27 

in  den  weiten  Hals   hineinlreiben  und .  so  die  Serotina  stiel* 
artig  yerlängern. 

Nicht  selten  findet  man  die  Serotina,  sie  mag  einen 
normalen  oder  abnormen  Umfang  besitzen,  in  einem  Zustande 
der  Atrophie,  wie  er  bei  der  Vera  beschrieben  wurde.  Ge- 
wöhnlich sind  dabei  alle  Theile  der  hinfSBigen  Haut  gleichzeitig 
erkrankt.  Die  Serotina  ist  von  geringer  Dicke,  hat  sehr 
zahlreiche,  weite  Dnlsenlöcher.  Die  Aussenfläche  ist  streifig, 
ohne  vorragende  Höcker,  mit  sich  loslösenden,  zarten,  weissen 
Läppchen  bedeckt,  in  ihrem  Gewebe  leicht  zerreisslich,  zu- 
weilen selbst  matsdi.  Die  Gewehselemente  sind  in  einem 
mehr  oder  weniger  vorgeschrittenem  Zerfall  begriffen.  Man 
bemerkt  mit  feinkörniger  Masse  erfüllte  Spindel-  oder  poly- 
gonale, runde  Zellen,  in  amorphem  fettreichem  Detritus  ein- 
gebettet oder  es  findet  sich  eine  streifige  Grundsubstanz, 
bedeckt  von  fetthaltiger,  amorpher  Masse  oder  man  sieht  nur 
eine  molekulare  Masse,  in  welcher  zahlreiche,  runde  und  ovale 
Kerne  liegen. 

2.    Hypertrophie  der  Serotina. 

Man  sieht  zuweilen  die  Dnisen  und  Drusenaggregate  der 
Serotina  so  dichtgedrängt  nebeneinanderstehend,  dabei  massen- 
haft, breit  und  laug,  dass  man  eine  Anomalie  anzunehmen 
versucht  ist.  Bei  der  Serotina  des  Falles  4,  dessen  Vera  die 
Drnsenhypertrophie  und  cystöse  Entartung  zeigte,  schien  es, 
als  ob  der  krankhafte  Process  sich  auch  auf  jene  Men)braii 
fortgepflanzt  habe.  Wenigstens  zeigten  die  nicht  zu  bedeutend 
durch  Bluterguss  veränderten  Stellen  der  Serotina  so  breite 
Hervorragungen  und  Höcker,  dass  eine  solche  Annahme  ge- 
rechtfertigt erschien. 

Sicher  ergab  sich  aus  meinen  Untersuchungen  eine  hyper- 
trophische Entwickelung  der  Serotina  in  Bezug  auf  ihre  Aus- 
dehnung. Dieser  Theil  der  Decidua  hat  nicht  ganz  selten 
einen  abnorm  grossen  Umfang.  In  dem  Falle  8  nahm  die 
Serotina  mehr  als  die  Hälfte  der  Eiperipherie  ein.  In  dem 
Falle  5  nahm  sie  etwa  die  Hälfte  derselben  ein.  Wird  ein 
solches  Ei  ausgetragen,  so  hat  sich  eine  enorm  grosse  Pia-* 
centa  gebildet,  welche  nicht  selten  bis  in  den  Cervix  oder 
bis  zum  inneren  Muttermunde  reicht     So  wurde  im  Falle  8 


28  ^     Begar,  Beitrüge  ear  Pathologie  def  Eieg 

die  Iheii weise  Insertion  der  nidimentären  Placenta  im  Hals- 
kanal der  Gebärmutter  nachgewiesen.  Es  kommt  zur  Bildung 
der  Placenta  praevia.  Ich  suche  eine  Ursache  dieser  ge- 
fürchteten Anomalie  in  einem  Fehler  der  ersten  Bildung,  in 
einer  zu  umfänglichen  Serotina.  Eine  abnorme  Grösse  des 
Mutterkuchens  bei  Placenta  praevia  ist  auch  von  vielen  Au- 
toren ausdrücklich  erwähnt.  Ich  fand  dies  ebenfalls  in  drei 
Beispielen  bestätigt.  In  dem  einen  konnte  ich  bei  der  Ob* 
duction  der  vier  Stunden  nsich  der  gewaltsamen  Entbindung 
verstorbenen  Wöchnerin  die  Grösse  der  InsertioussteUe  des 
umfänglichen  Mutterkuchens  nachweisen.  Diese  nahm  die 
ganze  vordere  Wand  des  Uterus,  einen  Theil  der  Seiten- 
fläche ein  und  erslrekte  sich  vom  Fundus  bis  einige  Conti* 
meter  in  den  Cervix  hinein.  In  dem  zweiten  Falle  hatte  die 
Placenta  ebenfalls  einen  sehr  bedeutenden  Umfang  und  in 
dem  dritten  waren  zwei  grosse,  getrennte  Zwillingsplacenten 
vorhanden. 

Meist  wird  die  abnorme  Ausdehnung  der  Serotina  zum 
Abort  führen.  Die  Ausdehnung  des  Uterus  hält,  besonders 
im  unteren  Abschnitte,  keinen  gleichen  Schritt  mit  dem  Wachs- 
thume  des  Eies.  Es  entstehen  Zen*ungen  der  Uteroplaoentar- 
gefösse,  Extravasate  und  Loslösung  der  Verbindung  des  Eies 
mit  der  Gebärmutter.  So  waren  solche  Exti*avasate  in  der 
Placenta  bei  den,  Fall  5  u.  8,  beschriebenen  Eiern  die  nächste 
Ursache  der  Fehlgeburt. 

3.    Extravasate  der  Serotina. 

Die  Serotina  wird  einstimmig  als  der  Theil  der  hin- 
falligen Haut  bezeichnet,  in  welcher  primäre  Blutergüsse  am 
häufigsten  vorkommen.  So  bemerkt  E.  Müüer,^)  dass  oil 
bloss  der  Theil  der  Decidua,  in  welchen  die  Chorionzotten 
sich  einzusenken  begriffen  sind,  durch  Blutextravasat  ver- 
ändert sei,  während  sich  der  übrige  Umfang  normal  verballe. 
Auch  Scanzoni^)  spricht  sich  dahin  aus,  dass  die  Bildungs- 
stätte der  Placenta  am  häutigsten  Extravasate  zeige.    Bekannt 


1)  0.  c.  S.  86. 

2)  Beitrag  zar  Pathologie  d.  menschl.  Eies.     Prager  Viertel- 
jahraichrift,  1849,  I.  Bd.,  8.  34. 


uud  zniu  Abort  in  den  ernten  Schwange rschaftstnonateu.       29 

ist  das  sehr  gewöhnliche  Yorkommen  alter  Extravasatresle 
in  den  Kuchen  reifer  oder  doch  schon  weiter  entwickelter 
Pröcbte. 

Die  Form  der  Blutergüsse  ist  eine  verschiedene.  Zu- 
weilen ist  die  ganze  Membran  ziemlich  gleichmässig  mit  Blut 
infiltrirt,  ohne  dass  einzelne  bedeutendere  Heerde  sieh  auf- 
finden lassen.  Das  Gewebe  ist  weich,  succulent;  auf  dem 
Durchschnitte  quellen  zahlreiche  Blutpunkte  vor.  Die  Ober- 
fläche ist  sehr  ungleich.  Die  Drüsenhöcker  sind  breit  und 
ausgedehnt. 

Häufiger  sind  mehr  oder  weniger  ausgedehnte,  massen- 
hafte Heerde.  So  findet  man  oft  eine  dicke,  rothe,  schwarz- 
rothe  oder  entfärbte  Coagulumschichte  zwtschen  Ghorion  und 
Serotina.  Die  Zotten  durchdringen  als  zahlreiche,  weisse 
Fäden  den  Blutheerd,  ähnlich  wie  bei  den  Extravasaten 
rwischen  Chorion  und  Reflexa.  Das  Gewebe  der  Serotina  ^ 
ist  zuweilen  wenig  oder  nicht  betheiligt  und  diese  nur  von 
dem  Chorion  abgedrängt.  Meist  jedoch  sind  Ergüsse  im 
Parenchym  der  Serotina  selbst  vorhanden.  Eine  der  häufigeren 
and  sehr  charakteristischen  Formen  besteht  m  cylindrischen, 
ober  die  Oberfläche  der  Membran  von*agenden  Wülsten,  welche 
eine  Länge  von  1 — IV2,  eine  Breite  von  V^ — 1  Cenlimeler 
besitzen.  (Vergl.  Fall  4  u.  6,  Fig.  7).  Eine  solcher  Wulst 
hat  einen  1 — 2  Millimeter  dicken  üeberziig  von  Decidua- 
gewebe  uud  man  kann  meist  deutlich  die  Sieblöcher  darauf 
erkennen.  Im  Innern  findet  sich  ein  mehr  od^r  weniger 
entfärbtes  Coagulum,  welches  jedoch  das  Innere  nicht  gleich- 
massig  ausfüllt,  sondern  durch  weissliche,  lamellöse  Septa, 
welche  in  verschiedenen  Richtungen  verlaufen,  geschieden 
ist.  Nach  dem  Chorion  zu,  sieht  man  Zotten  zwischen  den 
Lamellen,  welche  oft  fächerförmig  auseinanderlaufen,  ein- 
dringen. Ein  solcher  Wulst  entsteht  dadurch,  dass  ein  apo- 
plectischer  Erguss  in  ein  grösseres  Drüsenaggregat  erfolgt 
Man  bemerkt  daher  auf  dem  Längsdurchschnitt  die  durch- 
geschnittenen Wandungen  der  einzelnen  Drüsen  als  weissliche 
Lamellen,  gewöhnlich  in  schiefen  Richtungen,  das  Innere 
durchziehen.  — 

Diese  Form  der  Extravasate  kommt  vorzugsweise,   doch 
nicht  ausschliesslich,  in  der  Serotina  vor,  weil   hier  sich  die 


i 


^ 


^ 


2a  I.     H«^ar,  Beitr&ge  »ur  Pathologie  de*  B^*^ 

die  Iheilweise  Insertion  der  rudimentären  Place»»^  , 

kanal  der  Gebärmutter  nachgewiesen.    Es  kommt  «^  j.  ^^ 

der  Placenta  praevia.     Ich  suche  eine  Ursache  ^  ^   |     i 

fürchteten  Anomalie  in  einem  Fehler  der  «^^^^  ^  "^     ^ 
einer  zu   umfänglichen  Serotina.     Eine  abnaf'^ 

Mutterkuchens  bei  Placenta  praevia  ist  aii^'^  ^  ^  ^ 

toren  ausdrucklich  erwähnt.     Ich  fand    d'|   f-  ^'  ^  | 

Beispielen  bestätigt.     In  dem  einen  ki?|f  g-  ^'  ^^ 

duction  der  vier  Stunden  noch  der  /|  ^  f  ^'  ^'  :ä  f^ 

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vorhanden.  *  /  |  *? 

Meist  wird  die    /  ^  ^  **^  bedeutead 

Abort  fähren.     D'//  ^  ^.uehnt.     Oft  sind  sie 

im  unteren  Absc» '/  -^  vergrössert.    In  anderen 

thume  des  Eie ..  ^  -  usenhöcker  auseinandergesprengt, 

gefösse,  Exr  -.ugsweise  nach  der  Spitze  zu,  so  ent- 

mit  der  C  .iissenen  laraellösen  Scheidewände  nach  Art 

Placenta        -•    (S-  Fig-  2  u.  11).     Nach  dem  Chorion   zu 
Ursach    j  der  Stamm  des  Höckers  noch  unterscheiden,  welcher 
oh&a  in  Blätter  auseinandertällt.     Schreitet  der  Process 
/^  vor,  so  wird  die  ganze  Serotina  in  blättrige  Lamellen 
^andergerissen ,    welche    eine  Neigung   zum   Zusammen- 
tuen besitzen.  —  Ist  der  Erguss  sehr  massenhaft,  so  ver- 
schwindet jede  Form,  bis  auf  einzekie  geschichtete,   durch 
faserstoffmassen  verdickte,  blättrige  Lagen. 

Ist  die  Placentenbildung  vorgeschrittener,  in  welchem 
Falle  die  Höcker  der  Serotina  weit  flacher  sind  und  der 
Oberfläche  nur  ein  mehr  oder  weniger  ausgeprägtes,  wellen- 
förmiges Ansehen  geben,   so   kommen   die   erstbeschriebenen 


1)  O.  c.  8.  38. 

2)  Beobachtungen  über  Molen.  Zeitschr»  d.  Gesellschaft  Wiener 
Aerzte.     II.  Jahrg.,  1846.  I.  Bd.,  S.  3G6. 


V 


rt  in  den  ersten  Sehwangerschaftsmonaten.      31 

mehr  vor.    Doch  kann  man  auch  dann  noch 

nlagerung  der  Extravasate  zwischen  die,   nun 

L^ker  eingewucherten  Zotten  de»  Chorions  aus^^ 

:en  Septa  der  Drusen  wahrnehmen.    In  Fig.  6 

schnitt  einer  in   Bildung   hegi*iflenen   Placenta 

her  durch  die  Blutergüsse  die  Lamellen  der 

r  auseinandergedrängt  waren. 

'ge  der   Serotinaapoplexien  betrifft,    so 

'nen   stets  zum   Abort.     Der   Erguss 

'ben  Reflexa  und  Chorion,  zerreisst 

stelle   und   gelangt   so   zwischen 

v^  veränderte  Apoplexien  in  der 

Beschaffenheit  nach   offenbar 

sprechen  übrigens  dafür, 

selbst  ausgedehnte  Exlra- 

.  nj-nährung  des  Eies  bis  an  das 

ouaft  forlbestehen   können.     Ob   diese 

Organisation   iahig  sind,   ist  sehr  zweifelhaft 

.iiiicher  erscheint  es,   dass  sie  durch  den  Reiz  auf 

llmgebung    eine  stärkere   Gewebswucherung,    vielleicht 

ucb  ^^^^  adhäsiven  Entzundungsprocess  hervorrufen  können. 

Uas  zuweilen  selu*   feste  Anhaften  des  Stiels  der  Blut-  oder 

pi^gcbinole   und  das,   wenn   auch   nicht  häufig  beobachtete, 

laDg^  Verbleiben  eines  solchen  degenerirten  Eies  in  der  Uterin* 

l^e  spricht  dafür. 

Da    die    apoplectischen   Ergüsse    der   Serotina    in    den 

meisten  Fällen  von  Abort  der  ersten  Schwangerschaftsmonate 

als   die   nächste  Veranlassung  der  Fehlgeburt  zu  betrachten 

sind,   so  erscheint  ihre  Aetiologie  von  besonderem  Interesse. 

Sdien  siod  diese  Extravasationen  primär.     Selten   sind   sie 

durch    eine    plötzlich   eintretende  Hyperämie    hervorgerufen. 

Gewöhnlich    ist    in    länger    bestehenden    Abnormitäten    der 

Decidua  und  der  eigentlichen   Fötalgebüde  die  Ursache   des 

hämorrhagischen   Voi^angs  zu  suchen.     Zu  diesen  Ursachen 

rechne   ich  abnorm   geringen  und   abnorm   grossen   Umfang 

der  Serotina,  Atrophie  derselben,  hypertrophische  Entwickeluug 

da*  Drüsensubstanz.    Ausserdem  ist  aber  noch  das  Absterben 

des  Embryo,  die  mangelhafte  oder  nicht  stattfindende  Ent- 

Wickelung  des  Fötalkreislaufs,    die   fehlerhafte  Insertion    der 


24  ^-    Stgar^  Beitrftg^e  sar  Pathologie  des  Eies 

scheint  sich  der  Ergnss  zu  senken.  So  fand  ich  am  unteren 
Eipole  ein  starkes  Coagulum,  in  der  Mitte  des  Eies  einzelne 
Gerinnsel  zwischen  den  Zotten  und  in  der  Nähe  der  Serotina 
wieder  einen  starken  Erguss.  (Dieselbe  Figur).  —  Bei  einem 
Ei  hatte  der  Erguss  das  Chorion  durchbrochen  und  war  in 
die  Eihöhle  gelangt  (Fall  6,  Fig.  7). 

c)  Blutergusse  in  das  Parenchym  der  Reflexa.  Die  Mem- 
bran ist  verdickt,  gelbroth,  roth,  schmutzig  braunroth  geförbt, 
gewöhnlich  der  Länge  nach,  in  blättrige  Schichten  leicht  spalt- 
bar. Zuweilen  ist  die  Reflexa  in  ihrem  Gewebe  stark  durch 
das  Extravasat  destruirt,  so  dass  sie  in  dünne  Lappen,  ge- 
stielte, traubenförmige  Massen  auseinanderfallt  Doch  ist  dies 
meist  nur  an  einzeJnen  Stellen  der  Fall. 

Man  hat  den  Blutextravasaten  der  Reflexa  die  ver- 
schiedensten Folgen  zugeschrieben.  So  sollen  durch  Or- 
ganisation des  Ergusses  feste  Verwachsungen  des  Chorions 
mit  der  Reflexa,  dieser  mit  der  Vera  entstehen.  Ich  habe 
nichts  der  Art  beobachten  können.  —  Auch  nahm  man  an, 
dass  diese  Apoplexien,  besonders  die  zwischen  Reflexa  und 
Chorion,  durch  Compression  der  Eihöhle  das  Absterben,  den 
Schwund  und  zuletzt  die  vollständige  Resorption  des  Embryo 
hervorbrächten.  Es  ist  mir  das  für  die  meisten  Fälle  sehr 
unwahrscheinlich.  Oft  lässt  sich,  bei  Gegenwart  einer  voll- 
ständig leeren  Eihöhle,  aus  der  Beschaffenheit  des  Extravasats 
dessen  ganz  frischer  Ursprung  nachweisen.  Auch  findet  man 
häufig  andere  pathologische  Processe,  wie  insbesondere  Dege- 
neration der  Decidua,  welche  den  Tod  des  Fötus  weit  ge- 
nügender erklären,  als  jener  Druck  von  Seiten  der  apoplec- 
tischen  Heerde.  Ausserdem  findet  man  bei  Gegenwart  starker 
Blutergüsse  den  Fötus  oft  gut  erhalten  oder  einen  kleinen 
Embryo  aus  den  ersten  Schwangerschaftswochen,  während 
das  Ei  selbst  dem  zweiten  bis  dritten  Monate  angehört  Es 
ist  dies  ein  Beweis,  dass  andere  Ursachen  zur  Resorption 
des  Fötus  einwirken  müssen.  Ueberhaupt  ist  wohl  für  die 
grosse  Mehrzahl  der  Fälle  die  Annahme  sicher  die  plausibelste, 
dass  das  Extravasat  nur  als  Endproduct  anderer  pathologischer 
Processe  auftritt,  loh  werde  hierauf  noch  weiter  zurück- 
kommen. 


tiiid  Bam  Abort  in  den  ersten  Scbwangersehaftsmonaten.      2ö 

4.    Sawadaiivprocesae  der  Reflex«. 

Hierüber  fehlen  mir  alle  Beobachtungen.  Auch  fand  ich 
in  der  Literatur  keine  Beschreibung,  welche  fQr  das  Vorkommen 
eines  solchen  Processes  spricht  — 

Die  aus  Bindegewebe  bestehenden  Fäden  und  Lamellen, 
welche  zuweilen  zwischen  Vera  und  Reflexa,  besonders  in  der 
Nähe  der  Umschlagsstelle,  ausgespannt  sind,  sind  nicht  mit 
Bestimmtheit  als  Producte  eines  entzündlichen  Vorgangs  zu 
deuten.  Es  mag  diese  Vereinigung  beider  Membranen  in  der 
ursprünglichen  Bildung  liegen. 

Bekannt  ist  die  feste  Adhäsion  der  Eihäute  an  der  Uterin- 
wand, wie  sie  nicht  selten,  auch  bei  ausgetragenen  Früchten, 
beobachtet  wird.  Man  findet  an  der  Aussenfläche  des  Cho- 
rions mehr  oder  weniger  dicke  (bis  zu  einigen  Linien),  ge- 
wöhnlich weiche,  schwammige,  zuweilen  mit  Gelassen  ver- 
sehene, selbst  placentaähnliche  Auflagerungen.  Da  mir  die 
Annahme  einer  Verwachsung  der  Reflexa  und  Vera  unter 
normalen  Verhältnissen  nicht  gerechtfertigt  erscheint,  so  ist 
dieser  Befund  entweder  einem  entzündlichen  Processe,  welcher 
mit  Exsudation,  Verklebung  beider  Membranen,  Verklebung 
mit  der  Uterinwand  endigte  oder  einem  Bildungsfehler  zu- 
zuschreiben. Letzteres  erscheint  mir  als  das  wahrscheinlichste 
und  ich  glaube,  dass  au  solchen  Stellen  die  Vera  und  Reflexa 
nicht  geschieden  waren,  dass  hier  eine  stärkere  Zotten-  und 
Gefässentwickelung  eintrat,  welche  die  feste  Verbindung  bis 
zum  Ende  der  Schwangerschaft  bewirkte. 

C     Pathologie  der  Decidua  serotina. 
1.    Abnorm  geringer  Umfang  and  Atrophie  der  Serotina. 

Bei  der  anatomischen  Beschreibung  der  Serotina  wurde 
bereits  erwähnt,  dass  dieselbe  zuweilen  sehr  wenig  umfang- 
reich sei  (Fig.  12 — 14).  In  solchen  Fällen  tritt  nur  ein  sehr 
kleiner  Theil  des  Eiumfanges,  wie  ein  Abschnitt  des  oberen 
Poles,  ein  Abschnitt  des  seitlichen  Umfaugs  in  unmittelbare 
Berührnng  mit  der  wandständigen  üterinschleimhaut.  Man 
findet  hierbei  die  Serotina  meist  aufiaUend  verlängert,  so  dass 
sie  eine  stielartige  Form  annimmt  Die  Drüsen  und  Drüsen- 
^Sgregate  sind  in  die  Länge  gezogen,  so  dass  sie  als  spitze 


34  I-     Hegar,  Beiträge  zur  Pathologie  des  Eies 

kleiner  Körper  auflinden,  von  dem  ein  zarter,  feiner,  weisser, 
gewundener  Faden  nach  dem  Nabelstrange  zu  lief. 

Verkümmerte  Embryonen  wurden  in  zwei  Fällen  entdeckt. 
Einmal  war  der  Embryo  nur  2 — 4  Millimeter  lang,  so  dass 
er  etwa  dei;  zweiten  bis  dritten  Scliwangerschaflswoche  ent* 
sprach,  während  das  Ei,  seiner  Grösse  und  dem  Menstruations- 
termine nach,  der  siebenten  bis  neunten  Woche  angehörte. 
Der  Embryo  hing  mittels  eines  kurzen,  feinen,  weissen 
Fädchens  an  einer  Stelle  der  Eihäute,  welche  der  Reflexa 
entsprach,  weit  entfernt  von  der  Serotina.  Der  zweite  Embryo, 
1  Ceutimeter  lang,  stammt  aus  einem  Ei,  welches  fünf  bis 
sechs  Monate  getragen  wurde.     (Fall  8). 

Ein  wohlerhaltener  Fötus,  dessen  Entwickelung  der  des 
gesammten  Eies  und  der  muthmaasshchen  Schwangerschafls- 
dauer  entsprach,  wurde  nur  ein  Mal  aufgefunden. 


Ehe  ich  zur  Mittheilung  eim'ger  der  interessanteren  Be* 
obachtungen  übergehe ,  welche  der  vorliegenden  Arbeit  zu 
Grunde  liegen,  erlaube  ich  mir  noch  einige  Bemerkungen 
über  die  Fehlgeburt  der  ersten  Schwangerschafts- 
monate im  Allgemeinen.  Die  Wichtigkeit  dieses  Gegen- 
standes, sowohl  in  praktisch-geburtshülf lieber,  sowie  in  ge- 
richllich-medicinischer  Beziehung  wird  einige  Weitläufigkeiten 
rechtfertigen. 

Die  Zahl  der  Fehlgeburten  in  den  ersten  zwei  bis 
drei  Monaten  der  Schwangerschaft  ist  eine  ausserordent- 
lich bedeutende.  Es  gelang  mir,  innerhalb  eines  halben 
Jahres  35  Abortiveier  zu  sammeln.  Nur  etwa  acht  meiner 
CoUegen  steuerten  hierzu  bei  und  fast  alle  Objecto  stammten 
aus  meiner  Vaterstadt.  Die  Zahl  der  rechtzeitigen  Geburten 
beträgt  daselbst  jährlich  etwa  650.  Es  ist  mir  gewiss  bloss 
ein  kleiner  Theil  der  stattgefundenen  Abortfälle  innerhalb  eines 
halben  Jahres  zugekommen.  Die  grösste  Mehrzahl  meiner 
CoUegen  hat  mir  keine  Objecte  übergeben  und  eine  gute 
Zahl  solcher  Fehlgeburten,  selbst  abgesehen  von  solchen, 
welche  aus  verbrecherischer  Absicht  erregt  sind,  geht  ohne 
Zuziehung  eines  Arztes  vorüber  oder  wird  selbst  von  diesem 
übersehen.    Es  ist  schwer,  in  solchen  Dingen  eine  Schätzung 


and  snm  Abort  in  den  ersten  SchwangerBcbuftsmonaten.      35 

anzustellen.  Doch  glaube  ich  nicht  in  der  Annahme  zu  irren, 
dass  auf  acht  bis  zehn  rechtzeitige  Geburten  wenigstens 
ein  Abort  der  ersten  Schwangerschaftsnjonate  fallt 

Die  Entstehung  der  pathologischen  Verände- 
rungen oder  Bildungsanomalien,  welche*  man  als 
die  primäre  oder  Hauptursache  der  Fehlgeburt  zu 
betrachten  hat,  fällt  fast  nie  mit  dem  Zustande- 
kommen des  Aborts,  mit  der  beginnenden  Aus- 
stossung  des  Eies  zusammen.  Die  Fälle  sind  selten,  in 
welchen  nach  Einwirkung  eines  Trauma,  einer  Gemuthsbewegung, 
einer  fieberhaften  Krankheit,  ein  apoplectischer  Erguss  in  die 
Eihäute  gesetzt  wird,  der  soiort  zur  Lostrennung  und  Aus- 
scheidung des  Eies  fuhrt  Ich  konnte  nur  ein  einziges  Beispiel 
dieser  Art  auffinden.  Ueberhaupt  hat  man,  wie  ich  glaube, 
mit  Unrecht  einer  reinen  Hyperämie  der  Eihäute  mit  folgende]- 
Extravasation,  eine  grosse  Rolle  bei  Entstehung  der  Fehlgeburt 
zugetheilt  Es  ist  allerdings  richtig,  dass  fast  jedes  Abortivei 
hämorrhagische  Ergüsse  an  der  Oberfläche  und  im  Gewebe 
seiner  Membranen  zeigt.  Diese  Blutergüsse  sind  jedoch,  wie 
sich  Jeder  leicht  überzeugen  kann,  oft  von  keinem  sehr  alten 
Datum.  Sie  sind  Begleiterscheinungen  eines  jeden  Aborts 
und  häufig  erst  während  der  beginnenden  Wehenthätigkeit, 
während  der  Ausstossung  des  Eies  entstanden.  Die  Gelegen- 
heitsursache der  Fehlgeburt  ist  oft  ein  Trauma  oder  eine 
heftige  Gemuthsbewegung  und  unter  der  Einwirkung  dieser 
Gelegenheitsursache  entstehen  Contractionen  des  Uterus  und 
Hämorrhagieen.  Man  findet  aber  gleichzeitig  an  dem  Ei  meist 
verschiedenartige,  pathologische  Veränderungen  anderer  Art, 
deren  Entstehung  nachweisbar  sehr  weit  zurückfallt  und  nicht 
selten  in  die  erste  Zeit  nach  der  Couception  datirl.  Diese 
Veränderungen  sind  es,  welche  man  als  primäre  und  Haupt- 
ursache des  Aborts  anzusehen  hat.  Sie  sind  es,  welche 
früher  oder  später  nothwendig  zur  Ausstossung  des  Eies 
führen  mussten  und  welche  erst  die  Pradisposition  zu  Apo- 
plexien herbeiführten. 

Diese  pathologischen  Veränderungen  oder  Bildungs- 
anomalien lassen  sich  in  zwei  Kategorien  bringen,  je 
nachdem   sie   mehr    dem    mütterlichen    oder    mehr 

dem    fötalen    Antheil    der    Eigebilde    angehöreiL     Zu 

8* 


36  '•     Hegar^  Beiträge  zur  Pathologie  des  Eies 

dem  mütterlicheD  Theil  gehört  die  Decidua  in  ihren  ?er- 
schiedenen  Abschnitten,  zu  dem  fötalen  der  Elinbryo  mit 
Nabelslrang,  Chorion  und  Amnion.  Die  Entscheidung,  welchem 
dieser  Theile  die  primäre  Veränderung  zukommt,  ist  in  be- 
stimmt ge*gebenen  Fällen  oft  eine  äusserst  schwierige.  Die 
Veränderungen  des  einen  Antheils  bringen  sehr  bald  Ver- 
änderungen des  andern  hervor.  Doch  glaube  ich,  dass  mau 
den  Unterschied  beim  Studium  des  Aborts  mit  Vort})eil  fest- 
hält. Das  Ei  erhält,  schon  durch  den  Einfluss  des  Spermas 
eine  selbstständige  ßewegungsrichtung.  Es  ist  ihm,  auch  un- 
abhängig von  der  Mutter,  ein  bestimmter  Bildungstypus  vor- 
gezeichnet.  Es  kann  also  selbstständig  erkranken,  selbst- 
ständig missbildet  werden.  Indem  die  älteren  französischen 
Geburtshelfer  dieser  Anschauungsweise  Rechnung  trugen,  be- 
zeichneten sie  ein  degenerirtes  Ei  als  faux-gerrae.  —  Andrer- 
seits wirken  allgemeine  Krankheitszustände  der  Mutter  und 
locale  AiTectionen  im  Generationsapparate  derselben  wesentlich 
auf  die  Bildung  und  Entwickelung  des  Eies  ein.  Das  Organ, 
durch  welches  diese  Einflüsse  schliesslich  auf  das  Ei  über- 
tragen werden,  ist  die  hypertrophirte  Uterin  Schleimhaut,  die 
Decidua,  durch  deren  Vermittelmig  das  Ei  in  der  ersten  Zeit 
sein  Ernährungsmaterial  bezieht.  Das  Studium  der  Decidua 
und  ihrer  pathologischen  Veränderungen  bleibt  daher  der 
Uauptweg,  auf  welchem  wir  zur  Kenntniss  des  Einflusses 
gelangen,  weichen  der  mutterliche  Körper  auf  die  Entwickelung 
des  Embryo  ausübt.  Es  existirt  freilich  noch  ein  anderer 
Factor,  durch  welchen  der  mütterliche  Organismus  die  Frucht 
influenzirt.  Dies  ist  der  directe  Austausch  zwischen  dem 
Blut  der  Mutter  und  den  Säften  des  Embryo.  Aliein  hier 
liefern  die  Untersuchungen  noch  zu  wenig  Anhaltspunkte, 
um  ein  Resultat  von  weilerer  Forschung  erwarten  zu  können. 
Auch  muss  man  unterscheiden  zwischen  der  Einwirkung, 
welche  eine  veränderte  Blutbeschaflenheit  durch  den  Aus- 
tausch der  Säfle  der  Mutter  und  des  Embryo  ausübt  und 
der  Einwirkung,  welche  eine  veränderte  Blutbeschafi'enheit 
auf  die  Bildung  der  Uterinschleimhaut  hat.  Letztere  Ein- 
wirkung ist  constatirt  und  der  Untersuchung  zugänglicher. 
Ich  erinnere  in  Bezug  hierauf  an  die  Uterinkatarrhe  bei 
Anämischen,    an    die    Bildung    der   Decidua   menstrualis   bei 


and  anm  Abort  in  den  ersten  SchwangerschAftsmonaten.      37 

Sehwäcbezuständen,  an  die  Bildung  der  Pseudodecidua  bei 
verschiedenen  Krankheiten. 

Die  pathologischen  Zustände  des  mütterlichen 
Antheils,  welche  man  unter  den  Ursachen  des  Aborts  auf- 
Täbrenkann,  sind,  wie  ich  glaube,  folgende:  Primärer  Bildungs- 
mangel der  Beflexa,  acquirirter  Schwund  der  Reflexa,  abnorm 
geringer  und  abnorm  zu  grosser  Umfang  der  Serotina,  Hyper- 
trophie der  Drüsensubstanz  und  Kystenbildung  der  Vera  und 
wohl  auch  der  Serotina,  die  von  Virchow  beschriebene 
interstitieUe  Hypertrophie  der  Vera,  Exsudationsprocesse  dieser 
Membran,  vorzeitige  Involution  und  Atrophie  der  Vera  und 
Serotina.  Hyperämien  und  Blutextravasate  sind,  wie  es  scheint, 
selten  die  alleinige  und  primäre  Ursache  der  Felilgeburt. 

Alle  diese  Ursachen  wirken  in  der  Art  auf  die  Hervor- 
bringung des  Aborts,  dass  sie  die  Verbindung  des  Eies  mit 
der  Üterinwand  lockern  und  Hyperämieen  und  Gelasszer- 
reissungen  in  dem  gezerrten,  atrophirenden  Gewebe  bedingen. 
Die  Apoplexieeu  sind  demnach  als  secundäre  Producte  voraus- 
gegangener, pathologischer  Veränderungen  zu  betrachten.  Diese 
wirken  jedoch  auch  noch  dadurch  auf  das  Zustandekommen 
des  Aborts  ein,  dass  sie  entweder  die  Bildung  des  Embryo 
ganz  hindern  oder  seiner  Fortentwickelung  in  den  Weg  treten 
oder  den  Schwund  einer  schon  entwickelten  Frucht  hervor- 
bringen. Da  die  gesammte  Decidua  in  der  ersten  Schwanger- 
schaftszeit zur  Emährnng  der  Fötalgebilde  dient,  so  ist  diese 
Einwirkung  pathologischer  Processe  in  jenem  Organ  leicht 
erklärlich.  Auf  diese  Art  erklärt  sich  die  mangelhafte  Ent- 
wickelung  und  der  Schwund  des  Embryo  viel  besser,  als 
durch  die  Annahme  einer  Coropression,  welche  Blutergüsse 
zwischen  Reflexa  und  Chorion  auf  den  Inhalt  der  Eihöhle 
ausüben.  Man  hat  früher  auf  diese  Compression  ein  be- 
sonderes Gewicht  gelegt  Ich  habe  mich  schon  oben  gegen 
diese  Ansicht  erklärt  und  die  Gründe  angeführt,  welche  da- 
gegen sprechen. 

Was  den  Einfluss  von  Lageveränderungen  des  Uterus, 
Geschwülsten,  Infarcten  etc.  auf  die  Eigebilde  betrifft,  so  ist 
derselbe  dadurch  bedingt,  dass  in  der  Decidua  und  in  den 
eigentlichen  Fötalgebilden,  pathologische  Veränderungen,  ge- 
wöhnlich allmälig,  gesetzt  werden.      Dieselben   sind   bedingt 


N 

I 


38  I-     Hegar^  Beiträge  znr  Pathologie  des  Eies 

durch  Hemmung  und  Stockung  der  Circulation  und  fffliren 
nach  und  nach  zur  Lostrennung  des  Eies.  So  finde  ich  in 
einem  mir  gerade  vorliegenden  Fall  von  Abort  des  vierten 
Monats  bei  hochgradiger  Retroversion  des  Uterus  alle  Ab- 
schnitte der  Decidua  atrophisch ,  fettig  degenerirt ,  stellenweise 
von  apoplectischen  Ergüssen  durchsetzt,  die  Placenta  nur 
unvollkommen  gebildet,  mit  zahlreichen  frischen  und  alten 
Blutheerden,  die  Gefasse  des  dünnen  Nabelstrangs  undurch- 
gängig,  den  8V2  Centimeter  langen  Fötus  missbildet,  mit 
offenen  Kiemenspalten,  zahlreichen  merobranösen  Anhängen 
versehen.  Auch  die  Amnionhöhle  enthält  membranüse  und 
fadenförmige  Brücken  und  Anhänge. 

Schwierig  ist  es,  die  Bildungsanomalien  und  Krank- 
heitsvorgänge zu  bezeichnen,  welche,  primär  in 
den  eigentlichen  Fötalgebilden  entstanden,  auch 
als  primäre  Ursachen  der  Fehlgeburt  zu  betrachten 
sind.  Meist  findet  man  an  den  Abortiveiern  StrucUirver- 
änderungen  der  Decidua,  welche  die  Abnormitäten  der  Fötal- 
gebilde und  die  Entstehung  des  Aborts  erklären.  Doch  ist 
dies  nicht  stets  der  Fall.  Es  kommen  auch  Objecte  vor,  in 
welchen  die  hinlaUige  Haut  nicht  in  dem  Grade  oder  in  der 
Art  verändert  ist,  dass  man  den  Tod  oder  den  Schwund  des 
Embryo  davon  ableiten  könnte.  Es  bleibt  daher  nichts  übrig, 
als  in  diesem  selbst  die  Ursache  zu  suchen.  Untersuchungen, 
welche  sich  hierauf  erstrecken,  sind  ausserordentlicb  schwierig, 
weil  die  normalen  Verhältnisse  noch  zu  ungenügend  bekannt 
sind.  Insbesondere  gilt  di^s  von  der  Art  und  Weise,  in 
welcher  die  Allantoisgefasse  mit  dem  Chorion  in  Verbindung 
treten,  auf  welchen  Vorgang  sehr  viel  anzukommen  scheint 
Das  einzige  Resultat,  welches  meine  Beobachtungen  ergeben, 
wurde  bereits  erwähnt  Ich  fand,  dass  der  Nabelstrang  oder 
überhaupt  der  Verbindungsstrang  des  Embryo  (denn  in  einem 
Falle  war  keine  Nabelschnur  vorhanden)  an  ^iner  Stelle  in- 
serirte,  welche  nicht  der  Serotina,  sondern  einer,  von  dieser 
entfernten  Stelle  der  Refiexa  entsprach.  Einmal  konnte  man 
noch  deutlich  erkennen,  dass  die  sich  theilenden  Gefasse, 
theilweise  im  Chorion  nach  der  Serotina  hinliefen,  theilweise 
jedoch  direct  nach  der  Reflexa  hin  eindrangen.  —  Der  Embryo 
atrophirt  in  solchen  Fällen  deshalb,  weil  er  aus  der  weniger 


ond  znm  Abort  in  deo  ersten  Schwangerschaftein onaten.      39 

gefösßreicben  Reflexa  keine  genügende  Nahrung  bezieben  kann. 
Kommt  selbst  die  Verbindung  mit  der  Serotina  dadurch  zu 
Stande,  dass  ein  Theil  der  Gefässe  im  Chorion  nach  dieser 
iinläuft,  so  erklärt  doch  der  langgestreckte  Verlauf  derselben 
d«n  nachtheiligen  Einfluss  auf  die  Fötalentwickelung. 

Von  besonderem  Interesse  ist  die  nähere  Kenntniss  der 
Bedingungen,  unter  welchen  die  Nichtentwickelung 
ode.^  der  Schwund  des  Embryo  den  Abort  berbei- 
fährv.  Auch  wenn  der  Tod  der  Frucht  nicht  primär  durch 
abnorne  Bildungsverbältnisse,  sondern  secundär  durch  Er- 
krankungen der  Decidua  herbeigeführt  ist,  übt  er  doch,  wie 
es  scheut,  einen  wesentlichen  Einfluss  auf  den  Gang  der 
Fehlgeburt  aus.  Dieser  Einfluss  kommt  in  der  Zeit  zur 
Geltung,  h  welcher  sich  der  Mutterkuchen  entwickelt,  während 
die  Choriorjzotten  in  dem  übrigen  Umfange  des  Eies  atrophiren. 
Der  Mutterkichen  kann  sich  nur  dann  vollständig  bilden,  wenn 
der  Zottencomplex,  in  welchen  die  Fötalgefasse  eindringen 
(PI.  foetalis),  mit  der  Serotina  (PL  matema)  in  Verbindung 
tritt.  Stirbt  jer  Embryo  ab,  in  Folge  von  pathologischen 
Processen  in  der  Decidua,  atrophirt  er  in  Folge  einer  fehler- 
haften Insertion  üer  AUantoisgefösse  an  einer  Stelle  der  Reflexa, 
wird  auf  irgend  velche  Art  der  Nabelschnurkreislauf  gar  nicht 
gebildet  oder  wie<Ser  unterbrochen,  so  ist  die  Entwickelung 
einer  vollständigen  Placenta  unmöglich.  Die  Serotina  ist  nun 
an  sich  schon  gefössreicher  und  in  ihrem  Gewebe  dichter, 
als  die  übrigen  AbscJinitte  der  Decidua.  Dieser  Gefassreich- 
thum  steigert  sich,  die  Bildung  ectatischer  Gefässräume  geht 
auch  dann  vor  sich,  wenn  die  Vereinigung  der  Fötalgefösse 
mit  den  Zotten  an  dieser  Stelle  nicht  stattfindet.  Mit  einem 
Wort,  die  Plac.  materna  entwickelt  sich  auch  dann,  wenn 
die  Fötalplacenta  nicht  mit  ihr  in  Connex  tritt  Man  kann 
die  Ausbildung  solcher  rudimentärer  Placenten  nicht  selten 
an  Eiern  beobachten,  welche  eine  leere  Amnionhöhle  oder 
einen  verkümmerten  Embryo  oder  nur  einen  abgerissenen 
Nabelstrang  enthalten.  Eine  Function  eines  solchen  rudimen- 
tären Mutterkuchens  kann  natürlich  nicht  eintreten.  In  dem- 
selben entstehen,  früher  oder  später,  Hyperämieen  und  Extra- 
vasationen,  wodurch  der  Abort  herbeigeführt  wird. 


40  I*     Etegar^  BeitrKge  snr  Pathologie  des  Eies 

Der  Zeitpunkt,  in  welchem  die  Fehlgeburl  zu  Stande 
kommt,  ist  daher  ein  ziemlich  bestimmter.  Es  ist  das  Ende 
des  zweiten  oder  der  Anfang  des  dritten  Monats,  also  der 
Termin,  in  welchem  die  Placenta  in  einem  raschen  Ent- 
wickelungsprocess  begriffen  ist.  Es  können  hier  die  primäresi 
Ursachen  des  Aborts  in  Folge  der  Hyperamie  in  der  Seroti«a 
leichter  zur  Wirksamkeit  gelangen.  Selbst  die  Eier,  wekhe 
eine,  aus  den  ersten  Wochen  der  Gravidität  herröhnnde 
Degeneration  in  sich  tragen,  werden  noch  häufig  so  iange 
bewahrt.  Uebrigens  sind  die  Fälle,  in  welchen  entartete  Eier 
auch  noch  länger  im  Uterus  verweilen,  nicht  ganz  selten. 
Den  bestimmten  Zusammenhang  einer  Menstruatiorsepoche 
mit  dem  Beginne  des  Aborts  konnte  ich  nicht  ermifteln. 

Die  Diagnose  pathologischer  Veränderungen  des 
Eies  hat  nur  schwache  Anhaltspunkte.  Man  hat  mhaltendes, 
hartnäckiges  Würgen  und  Erbrechen,  allgemeines  Unwohlsein, 
Abmagerung,  allerlei  nervöse  Symptome  der  sogenannten 
Molenschwangerschaft  zugeschrieben.  Allein  (lese  Erschei- 
nungen sind  zu  häufig  auch  bei  Gegenwart  eines  gesunden 
Eies  vorhanden,  als  dass  man  viel  Werth  darauf  legen  könnte. 
Mehr  Bedeutung  ist  ehier  dem  supponirten  &hwangerschafts- 
termin  nicht  entsprechenden  Ausdehnung  der  Gebärmutter 
zuzuschreiben.  Natürlich  kann  dies  nur  beobachtet  werden, 
wenn  die  Gravidität  den  zweiten  oder  dritten  Monat  über- 
schritten hat.  In  dem  Falle  8,  in  welc^iem  das  degenerirte 
Ei  bis  in  den  sechsten  Monat  getrag^^n  wurde,  war  dies 
Symptom  nicht  zu  verkennen.  Auch  wurde  hier  eine  Er- 
scheinung constatirt,  welche  mir  der  weiteren  Aufmerksamkeit 
werth  erscheint.  Es  betrifit  dies  Veränderungen  der  Vaginal- 
portion. Man  bemerkte,  dass  die  Wände  des  Muttermundes 
an  der  Stelle,  welcher  entsprechend  das  Ei  im  Cervix  ansass, 
sehr  dünn,  scharf,  in  die  Höhe  gezogen  waren,  so  dass  sie 
wie  ausgebuchtet  erschienen.  Zugleich  fand  sich  hier  eine 
auffallende  Empfindlichkeit  vor.  Es  mag  unter  günstigen 
Umständen  gehngen,  aus  sokhen  Abnormitäten  der  Vaginal- 
portion zur  Diagnose  einer  Gervicalschwangerschaft  zu  ge- 
langen. 

Die  Prognose  des  Aborts  iti  den  ersten  Schwanger- 
schaftsmonaten  ist  eine  günstige.     Die  meisten  Fälle 


nnd  TORI  Abort  in  den  ersten  Schwangerechaftsmonaten.      41 

gehen,  bei  sonst  zweckmässigem  Verhalten,  ohoe  Kunstbölfe 
Yorfiber.  Doch  hüte  man  sich,  die  Sache  auch  zu  leicht  zu 
nehmen.  Es  sind  Todesfalle  durch  copiöse  Blutungen  zu- 
weilen beobachtet  worden.  Häufiger,  als  ein  solcher  lethaler 
Ausgang,  sind  hartnäckige  Uterinkatarrhe,  Menstruations- 
störungen, Perimetritiden  die  Folge  der  Fehlgeburt.  Unzweck- 
mässiges Verhalten  und  fehlerhafte  Behandlung  sind  hier  jedoch 
gewiss  schuldiger,  als  diese  selbst 

Die  Therapie  muss  wesentlich  eine  prophylaktische 
sein.  Man  behandelt  die  Allgemeinerli rankungen  der  Mutter 
und  die  localen  Affectionen  ihres  Geuerationsapparates  nach 
den  gültigen  Regeln.  — *  Bei  der  Behandlung  der  Fehlgeburt 
selbst  möchte  ich  sehr  vor  der  voreiligen,  manuellen  Heraus- 
nahme des  Eies  warnen.  Zur  vollständigen  Trennung  der 
nicht  selten  in  grösserem  Umfange  fest  adhärenten  Dec.  vera 
und  Serotina  gehört  eine  gewisse  Zeit,  während  welcher  die 
Contractionen  des  Uterus  auf  diese  Gebilde  einwirken  müssen. 
Nimmt  man  das  Ei  zu  früh  weg,  so  entfernt  man  gleichzeitig 
den  Hauptreiz,  welcher  die  Zusammenziehungen  der  Gebär- 
mutter bedingt.  Diese  lösen  aber  am  sichersten  und  voll- 
standigsten  die  festsitzenden  Deciduaabschnitte  los  und  zwar 
weit  besser,  als  die  eingeführten  Finger.  Man  giebt  daher 
durch  die  manuelle  Entfernung  des  Eies  leicht  Veranlassung, 
dass  ein  Theil  jener  Membranen  zurückbleibt.  Diese  Reste 
werden  nur  langsam  abgestossen  und  führen  Hämorrhagieen 
und  besonders  hartnäckige,  profuse  Ausflüsse  herbei.  Man 
bat  in  den  Injectionen,  dem  Tampon  und  wehenbefördenden 
Mitteln,  geeignete  Hülfsmittel  um  heftige  Blutungen  zu  ver- 
hindern oder  zu  massigen.  Nur  eine  ziemlich  vollständige 
Lösung  des  Eies,  bei  erweitertem  Muttermunde  und  eine, 
durch  kein  anderes  Mittel  zu  stillende  Hämorrbagie  gelten 
mir  als  Anzeigen  zur  manueUen  Herausnahme. 

Beobachtungen. 

1.  Fall.  Habitueller  Abort  im  zweiten  bis  dritten 
Scbwangerschaftsmonate.  Abortiveier  ohne 
Fötus  ü^  '  **^'    'sträng.    Infarct  des  Uterus. 

Frau  ^  gesunde,  kräftige  Frau,  hat  sieben 

Ttchtzeit'  ehaht  und   zweimal,  angeblich  im 


42  '•    Hegar,  Beitrüge  snr  Patholojj^id  dos  Eies 

vierten  Monate,  abortirt  Die  letzte  Fehlgeburt  erfolgte  im 
Juni  1859.  Die  Periode  trat  hiernach  regelmässig  alle  drei 
Wochen  ein,  wie  früher  auch.  —  Am  8.  Januar  1860  spürte 
Frau  F.  Schmerz  im  Kreuz  und  Unterleib  mit  etwas  Blut- 
abgang. Die  Menses  hatten  einmal  sistirt  und  sollten  um  die 
angegebene  Zeit  zum  zweitenmal  wieder  erscheinen.  Am 
11.  Januar  starker  Blutverlust  mit  wehenartigen  Schmerzen. 
Uterus  steht  einige  Querfinger  oberhalb  der  Schoosfuge  und 
fühlt  sich  hart  an.  Muttermund  in  der  Grösse  eines  Sechsers 
geöffnet.  Da  die  Hämorrhagie  trotz  ruhiger  Lage,  Säure, 
kalten  Umschlägen  und  T.  Opii  fortdauert,  wurde  tamponirL 
Es  traten  heftige  Wehen  ein.  Nach  acht  Stunden  wird  der 
Tampon  entfernt  und  das  vollständig  gelöste  Ei  leichl  aus 
dem  weitgeöffneten  Halskanal  des  Uterus  entfernt.  —  Nach 
der  Ausstossung  des  Eies,  einige  Tage  lang  leichter  Blutabgang, 
später  eine  fleischwasserähnliche  Ausscheidung.  Der  Uterus 
konnte  noch  lange  vergrössert  oberhalb  der  Schamfuge  ge> 
fühlt  werden.  Hartnäckiger  Magenkatarrh,  der  bis  in  die 
vierte  Woche  anhält. 

Das  Ei  ist  7  Centimeter  lang,  2%  Centimeter  breit. 
Von  seinem  einen  Pole  hängt,  an  einer  schmalen  Brücke  mit 
der  Reflexa  verbunden,  ein  breiter  3  —  4  Millimeter  dicker, 
mit  Blut  durchtränkter  Lappen  der  Vera  herab.  Das  Ei  ist 
von  der  etwa  1  Millimeter  dicken  Reflexa  überzogen,  nach 
deren  Eröffnung  man  in  einen  4 — 8  Millimeter  breiten 
Zwischenraum  gelangt,  der  durch  die  Zotten  des  Chorions 
und  dazwischen  eingefilzte,  feste,  rothe  Coagula  ausgefüllt 
wird.  Die  Eihöhle  ist  von  einem,  fest  am  Ghorion  anliegenden 
Amnion  ausgekleidet  und  enthält  nichts  als  seröse  Flüssigkeit. 

Nachdem  die  Menstruation  wieder  regelmässig,  wenn 
auch  stets  etwas  copiös,  eingetreten  war,  blieb  dieselbe  Ende 
Juli  desselben  Jahres  aus.  Vierzehn  Tage  später  eine  leichte 
Blutung.  Am  23.  September  starke  Hämorrhagie  und  baldige 
Ausstossung  eines  Eies,  welches  dieselbe  Grösse  und  Be- 
schaffenheit, wie  das  oben  beschriebene  besass.  Nur  waren 
an  demselben  bloss  ganz  kleine  Reste  der  Vera  zu  entdecken. 
In  den  folgenden  acht  Tagen  schieden  sich  mit  Blutgerinnseln 
stets  nodi  Theile  jener  Membran  ab.  Die  Involution  des 
Uterus  war  sehr  langsam.     Man  fühlte  denselben  noch  nach 


nnd  sQm  Abort  in  den  ersten  Schwangerschaftamonaten.      43 

vier  Wochen  deutlich  oberhalb  der  Symphyse.  Sehr  heftige 
gastrische  Beschwerden.  Die  später  regelmässig  eintretende 
Periode  sehr  copiös. 

Am  28.  Januar  1861  nach  neunwöchentlichem  Ausbleiben 
der  Menses  derselbe  Vorgang  und  desgleichen  Anfangs  Juni 
desselben  Jahres  nach  siebenwöchentlichem  Cessiren  der 
Periode. 

Eine  im  Juli  angestellte  genaue  Untersuchung  ergab  eine 
bedeutende  Vergrösserung  des  Uteruskörpers,  Anschwellung 
der  vorderen  Muttermundslippen,  oberflächliche  Excoriationen 
am  Orificium,  Fluor  albus  uteri  et  vaginae.  Menses  sehr  copiös. 
Pat  gebrauchte  längere  Zeit  kalte  Rheinbäder  mit  sehr  gutem 
Erfolg.  Der  weisse  Fluss  verschwand.  Die  Menses  wurden 
normal.  Seit  Januar  1862  sistirt  die  Periode.  Anfangs 
März  traten  leichte  Blutungen  ein.  Die  wieder  eingetretene 
Schwangerschaft  erleidet  bis  jetzt  keine  Unterbrechung. 

2.  Fall.  Abortivei  des  zweiten  Monats.  Keine  Fötal- 
gebilde. Extravasate  in  der  Serotina,  zwischen 
Chorion  und  Reflexa. 

Frau  8ch,j  36  Jahre  alt,  gesunde,  kräftige  Wäscherin, 
hat  ^zwei  normale  Niederkünfte  vor  7  und  8  Jahren  durch- 
gemacht Sechs  Monate  nach  der  letzten  Geburt  trat  die 
Periode  wieder  ein,  war  regelmässig,  aber  viel  schwächer, 
als  früher  und  stets  von  heftiger  Migräne  und  Erbrechen 
begleitet.  Am  12.  October  1861  hatte  sie  ihre  Menstruation, 
aber  sehr  unbedeutend.  Am  26.  November  spürte  sie,  nach 
Aufheben  einer  schweren  Last,  heftigen  Leibschmerz  und  Blut- 
abgang. Am  Abend  des  folgenden  Tages  erfolgte  unter 
leichten  Uterinkoliken  und  Blutungen  die  spontane  Aus- 
scheidung des  Eies.  • 

Das  Ei  ist  3  Centim.  lang,  IVa— 2  Centim.  breit.  Die 
Wand  desselben  wird  von  der  1  MiUim.  dicken  Reflexa  ge- 
bildet, welche,  flache  Längsfurchen  und  entsprechende  Er- 
habenheiten abgerechnet,  glatt  erscheint.  Sie  ist  an  dem 
einen,  spitzeren  Eipol  zerrissen  und  quellen  hier  Zottenbüschel 
heraus.  Nach  dem  andern  Eipol  zu,  schlägt  sie  sich  über 
einen  verengerten  Ring  in  die  Vera  um,  von  der  übrigens 
nur  noch  einzelne  kleine  Läppchen  erhalten  sind.    Zwischen 


44  1-     Begar^  Beiträge  cur  Pathologie  des  Eiee 

Beflexa  und  Chorion  findet  sich  ein  2  —  3  Hillim.  hreiter 
Zwischenrauro,  welcher  durch,  überall  ziemlich  gleichniä&sig 
entwickelte  Zotten  und  zwischen  sie  eingefilzte  rothe,  feste 
Coagula  ausgefüllt  ist.  Die  Eihöhle  ist  voUkonmien  leer.  Von 
dem  Choriou  lässt  sich  nur  stellenweise  eine  dünne,  glatte 
Membran  abziehen.  Die  Serotina  hat  etwa  %  Cenlim.  im 
Durchmesser.  Sie  besteht  aus  höckerigen,  zottigen  Massen, 
zwischen  und  in  welchen  Extravasate  sitzen.  Von  der  Ober- 
fläche hängen  lamellöse  Fetzen  herab,  welche  sich  in  zarte, 
häutige  Schiebten  spalten  lassen.  Nach  dem  Chorion  zu  ge- 
langt man  bei  einem  Durchschnitte  auf  reichliche  Zotlenmassen, 
welche  durch  festen  und  flüssigen  Bluterguss  comprimirt  sind. 

3.  Fall.  Abortivei  des  dritten  Monats.  Extravasate 
in  die  Serotina,  Vera,  zwischen  Reflexa  und 
Chorion.  Verkümmerter  Embryo,  welcher  der 
dritten  Schwangerschaftswoche  entspricht. 
(Hierzu  Fig.  1  u.  2.) 

Dieses  Ei  verdanke  ich  der  Güte  des  Herrn  Dr.  SchtUz 
aus  Grossumstadt,  welcher  es  mir  mit  folgendem  Berichte 
überschickte:  „Die  etwa  32  Jahre  alte  Lehrersfrau  N.  N. 
ist  mehrmals  normal  niedergekommen.  Seit  5  Jahren  war 
keine  Schwangerschaft  vorhanden.  Ich  behandelte  sie  seit 
vielen  Monaten  an  hysterischen  Zufallen  mit  unregelmässiger 
Menstruation.  Bei  einer  Untersuchung  vor  einem  halben 
Jahre,  fand  ich  die  Vaginalportion  verbogen  und  immobil.  Seit 
zwölf  Wochen  ist  keine  Menstruation  vorhanden  gewesen. 
Das  Allgemeinbefinden  besserte  sich  unter  tonisirender  Be- 
handlung. Am  3.  und  4.  December  traten  Blutungen  auf 
und  nach  Anwendung  von  Seeale  comutum  wurde  das  Ei 
ausgestossen.'' 

Die  Länge  des  Eies  beträgt,  ohne  die  später  zu  be- 
schreibenden Anhänge  5  Centim.,  die  Breite  2 — 2V2  Centiro. 
Die  eine  Wand  desselben  ist  durch  einen  Einschnitt  geöffnet, 
welcher  Reflexa,  Chorion  und  Amnion  gespalten  hat  und  den 
Inhalt  der  Eihöhle  frei  zu  Tage  treten  lässt  Legt  man  die 
Schnittwunde  zusammen,  so  hat  man  eine  mit  flachen  Längs- 
wulsten  versehene,  fast  glatte  Reflexa  vor  sich  (Fig.  1,  6). 
Diese  Membran  ist  IV2  Millim.   dick  und  durch  einen   3  bis 


und  zum  Abort  in  den  ersten  Schwangerschnftsmonaten.       45 

4  Millim.  breiten  Zwischenraum  von  dem  Cborion  geschieden, 
welcher  durch  Zotten  und  schwarze,  feste  Coagula  ausgefällt 
ist.  Der  grössere  Theil  des  breiteren  Eipois  und  ein  kleinei* 
Tbeil  des  benachbarten  seitlichen  Eiumfangs  wird  durch  die 
Serotina  gebildet,  welche  durch  anhängende  Lappen  der  Vera 
scharf  markirt  erscheint.  Ihr  Durchmesser  beträgt  IV2  ^'^ 
2  Gentim.  Die  Oberfläche  ist  äusserst  rauh  und  höckerig. 
Die  Drüsen  und  Drüsenaggregate  werden,  von  der  Vera  nach 
der  Serotina  hin,  immer  grösser  und  länger,  so  dass  sie  an 
letzterer  spitze,  lange  Höcker  bilden,  deren  Oberfläche'  mit 
kleinen  Löcherchen  versehen  ist.  Zwischen  denselben  und 
die  Höcker  selbst  durchsetzend,  finden  sich  rothe,  tlieils  feste, 
theils  weiche  Blutcoagula.  An  manchen  Stellen,  an  welchen 
innerhalb  der  Höcker  selbst  Extravasate  liegen,  sind  jene 
nach  ihrer  Spitze  hin  aus  einandergerissen  und  es  hängen 
hier  faltige,  oft  zusammengerollte  Lappen  an.  Der  Höcker 
gleicht  einer  Knospe,  welche  sich  entfaltet  hat.  (Fig.  2). 
Nach  dem  Chorion  zu  zeigt  sich  ein  starkes  Extravasat, 
welches  zwischen  den  hier  reichlich  entwickelten  Zotten  liegt.  — 
In  der  Nähe  der  Serotina  ist  das  Extravasat  zwischen 
Reflexa  und  Chorion  viel  stärker,  als  an  den  übrigen  Stelleu 
dieser  Häute. 

Die  an  dem  Umfange  der  Serotina  herabhängenden  Lappen 
und  Fetzen  der  Vera  sind  3 — 4  Millim.  dick,  mit  Blut  infiltrirt, 
stellenweise,  besonders  auf  der  äusseren  Fläche,  mit  starken 
Ecchymosen  versehen.  Diese  ist  sehr  rauh,  höckerig  und 
zottig.  Schlägt  man  die  Vera  nach  abwärts,  so  dass  sie  ihre 
natürliche  Lage  annimmt,  so  passen  ihre  Ränder  auf  die 
Ränder  von  zarteren  und  düimeren  Lappen,  welche  den 
schmäleren  Eipol  überziehen.  (Fig.  la')-  Die  Lappen  ver- 
dünnen sich  nach  diesem  zu  immer  mehr,  so  dass  sie,  an 
demselben  angelangt,  sehr  zarte  Lamellen  darstellen,  welche 
sich  übrigens  noch  immer  in  mehrere  Schichten  spalten 
lassen.  Zwischen  diesen  Schichten  finden  sich  au  vielen 
Stellen  grössere  oder  kleinere  Extravasate,  welche  sich  eine 
Höhle  innerhalb  des  Gewebes  gemacht  haben.  An  einem 
Punkt  (Fig.  Id)  zeigt  sich  ein  IV2  Centim.  langer,  V^  Centim. 
breiter  Wulst,  welcher  aus  einer  zarten  Deciduahülle  besteht, 
welche   ein  festes,  rothes  Goagulum  einschliesst.     Dies  Cua- 


46  '•     B^gar,  Beitrftge  zur  Pathologie  des  Eies 

gulum  selbst  ist  wieder  von  weisslichen,  in  schiefer  Richtung 
verlaufenden,  lamellösen  Scheidewänden  durchsetzt,  welche 
aus  Deciduagewebe  bestehen.  An  der  Seite  und  nach  unten 
von  diesen  Gebilden  hängen  zahlreiche,  linsenförmige,  kleine 
Blutcoagula  (Fig.  1  6),  in  traubenförmiger  Anordnung.  Stets 
sitzen  an  einem  Stiele  mehrere  solcher  Unsenförmiger,  röth- 
lieber  Gerinnsel,  zwischen  welchen  der  Stiel  sich  dann  wieder 
verdünnt.  Der  Stiel  und  die  Umhüllung  der  Coagula  besteht 
mikroskopisch  aus  einer  fibrillären  Grundsubstanz,  auf  welcher 
stellenweise  ganze  Lagen  grosser,  platter  Epithelien  mit  blassen 
Zellencontouren,  aber  deutlichem,   starkem  Kerne,   aufliegen. 

Die  geöffnete  Eihöhle  zeigt  ein  sehr  zartes  Amnion,  welches 
sich  leicht  vom  Chorion  abziehen  lässt.  In  seinen  Falten 
liegt  ein  3 — 4  Miliim.  langer  Embryo  (Fig.  1^),  mit  deut- 
lichem Kopf-  und  Schwanzende,  dem  grossen  Hunde  und 
zwei  darunter  befindlichen  Kiemenbogen.  Er  hängt  an  einem 
ganz  kurzen,  zarten,  weissen  Strange,  welcher  in  3 — 4  noch 
feinere,  weisse  Fädchen  auszulaufen  scheint.  Der  Ansatz  des 
Embryo  entspricht  nicht  der  Serotina,  sondern  befindet  sich 
in  der  Nähe  des  schmäleren  Eipols. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  der  Decidua  ergiebt 
die  gewöhnlichen  Elemente.  Die  innere  Fläche  der  Vera  und 
die  äussere  der  Reflexa  zeigt  eine  sehr  vollständig  erhaltene 
Epithellage.  Die  untere  Partie  der  Reflexa  enthält  viel  zer- 
fallene, molekulare  Massen  mit  eingestreuten  Kernen,  Zellen- 
rudimenten, Zellen  mit  fettigem  Inhalte. 

4  Fall.  Retardirte  Involution  des  Uterus.  Gatar- 
rhus  uteri  et  vaginae.  Abort  im  dritten  Monate. 
Hypertrophie  und  Kystendegeneralion  der 
Orüsensubstanz  der  Decidua.  Extravasate  in 
der  Serotina,  zwischen  Chorion  und  Reflexa 
und  in  die  Drüsenbälge  der  Vera.  Kein  Fötus. 
Abgerissener  Nabelstrang.  Verfettete  Nabel- 
blase.    (Hierzu  Fig.  3  u.  4). 

Frau  M.^  etwa  30  Jahre  alt,  früher  stets  gesund,  hat 
mehrere  normale  Schwangerschaften  durchgemacht.  Im  Mai 
1861  kam  sie  im  achten  Monate  einer  neuen,  bis  auf  sehr 
hartnäckiges  Erbrechen,   ungestört  verlaufenen  Gravidität   mit 


and  satn  Abort  in  den  ersten  Scbwan^eracbaftsmonaten.      47 

einem  todtfaolen  Kinde  nieder.  Bei  und  nach  der  Frühgeburt 
litt  sie  an  sehr  heftigen,  eclamptischen  Anfallen,  Der  Urin 
enthielt  nie  Eiweiss  oder  Faserstoifcylinder.  Leichte  Fieber- 
zustande, Symptome  von  Geistesverwirrung,  bedeutende  Ge- 
dächlnissschwäche,  Schwindel,  Kopfweh,  etwas  erweiterte 
Pupillen,  sehr  blasses  Aussehen  blieben  noch  mjehrerc  Mo- 
nate lang  zurück.  Dabei  litt  Fr.  M.  an  einem  äusserst  pro- 
fusen, fast  immer  mit  Blut  leicht  tingirtem  Ausfluss  aus  Uterus 
und  Scheide.  Die  Gebärmutter  blieb  vergrösserL  Anfang  und 
Mitte  September  1861  fand  eine  ziemlich  reichliche  blutige 
Ausscheidung  statt  und  es  soll  dabei  ein  leichter  Krampfanfall 
mil  Bewusstlosigkeit  und  Einschlagen  der  Daumen  vorhanden 
gewesen  sein.  Von  da  an  war  kein  Blut  mehr  in  den  stets 
noch  fortdauerndem,  copiösem,  weissem  Fluss.  Am  27.  Dec. 
erfolgte  unter  leichter  Weheuthätigkeit  und  Blutung  die  Aus- 
stossung  eines  Eies. 

Länge  des  Eies  7  Gentim.,  Breite  an  dem  oberen  Pole, 
an  welchem  die  Serotina  sich  befindet,  SYs  Centim.,  eben  so 
viel  in  der  Mitte,  nach  dem  unteren  Eipol  jedoch  nur  2  Gentim. 

Die  eine  Wand  des  Eies  fehlt  fast  ganz ;  bloss  nach  oben 
und  unten  sind  noch  Reste  des  Ghorions  und  der  Reflexa 
erhalten.  Man  sieht  daher  die  eine  Wand  der  Eihöhle  frei- 
liegend und  durch  Bluterguss  convex  vorgetrieben.  (Fig.  4). 
—  In  der  Nähe  des  breiteren  Eipols  hängt  an  einer,  1  Centim. 
breiten  Brücke,  ein  grosser  Lappen  der  Vera.  Diese  ist  auf 
ihrer  inneren  Fläche  ziemlich  glatt,  mit  einigen  seichten,  der 
Lange  und  Quere  nach  verlaufenden  Vertiefungen  und  ent- 
sprechenden Erhabenheiten  versehen.  Die  äussere  Fläche  ist 
äusserst  rauh  und  ungleich  (Fig.  3).  Man  bemerkt  runde, 
erbsengrosse  und  grössere,  solide  oder  mit  gelber  CoUoidmasse 
oder  mit  Blutextravasat  gefüllte  Drüsenbälge  und  Drüsen- 
aggregate. Zuweilen  sind  sie  sehr  in  die  Länge  gezogen  und 
zungenförmig.  Es  finden  sich  mehrere  kleine  Kystchen  mit 
dünner,  seröser  Flüssigkeit.  Eine  Kyste,  mit  äusserst  dünnen 
Wandungen,  hat  1  Centim.  im  Durchmesser  (a).  Eine  andere 
ist  flaschenförmig  und  besitzt  einen  ganz  engen  Ausführungs- 
gang (i).  An  einer  Stelle  sitzt  ein  röhrenförmiges  Gebilde  (c), 
welches  an  einem  Punkte  eine  durch  Blut  bedingte  Anschwellung 
zeigt    Hiervon  gehen  mehrere  meist  abgerissene  Zweige  aus. 


48  1-     Hegar^  Beitrüge  sur  Pathologie  des  Eins 

An  einem  derselben  bangt  ein  mit  Extravasat  gefülltes  Bläschen. 
Die  ganze  Membran  ist  4 — 6  Millim.  dick. 

Die  Serotina,  welciie  den  breiteren  Eipol  einnimmt,  hal 
etwa  27^  Centim.  im  Üm'cbmesser  und  ist  an  vielen  Stellen 
bis  zu  1  Centim.  dick.  Sie  ist  im  höchsten  Grade  ungleich, 
zerrissen  und  durchsetzt  durch  zwischen  sie  eingebettete  Blut- 
coagula.  Es  ßnden  sich  mehrere  dicke,  längliche  Wülste, 
umkleidet  vun  einer  verschieden  dicken,  an  der  Spitze  ufi 
1 — 2  Millim.  dicken  Deciduaschichte.  Das  Innere  wird  durch 
ein  festes,  rothes  Coagulum  constituiil,  das  durch  schief  ver> 
laufende  laroellöse,  weisse  Septa  getrennt  ist.  Nach  dem 
Chorion  zu  dringen  Zotten  in  diese  Masse  ein. 

Die  erhaltene  Wand  des  Eies  ist  durch  eine  flache  \m%^- 
wuistige  Reflexa  gebildet,  zwischen  welcher  und  dem  Chorion 
sich  ein  enormes,  2  —  3  Centim.  dickes  Blutcoagulum  be- 
findet, welches  mit  dem  der  Serolina  unmittelbar  zusammen- 
hängt.  Das  Chorion  hat  nur  stellenweise  einen  Üeberzug 
von  dem  vielfach  zerrissenen  Amnion.  In  der  Mitte  der 
offenen  Eihöhle  iuserirt  ehi  3  Centim.  langer,  1 V^ — 2  xMillim. 
breiter  Nabelstrang,  dessen  eines,  unregelmässig  abgerissenes 
Ende  gelblichweisse,  molekulare  Massen  im  Innern  zeigL  In 
dem  Strange  lassen  sich  deutlich  drei  weissliche  Stränge  er- 
kennen. Von  der  Insertionsstelle  aus  laufen  auf  dem  Chorion 
zahlreiche  weisse  Fäden,  theils  nach  der  Serotina,  theils.  nach 
dem  entgegengesetzten  Eipol  hin;  theilweise  scheinen  sie  un- 
mittelbar von  der  Anheflungsstelle  des  Strangs  nach  dem 
gegenüberliegenden  Theil  der  Reflexa  hinzulaufen.  —  Die 
Zottenentwickelung  des  Chorions  ist  in  der  Nähe  der  Um- 
schlagsstelle sehr  stark  und  nimmt  nach  dem  entgegen- 
gesetzten Eipol  hin  ab.  In  der  Nähe  der  Nabelschnurinsertion 
ist  sie  nicht  bedeutend.  1  Centim.  entfernt  von  dieser,  be- 
findet sich  ein  platter,  2 — 3  Millim.  breiter,  weissiicher 
Körper  an  der  Aussenfläche  des  Amnion,  von  welchem  ehi 
feiner,  spiralig  gewundener  Faden  nach  dem  Nabelslraug 
hinläuft. 

Mikroskopisch  zeigt  die  Serotina  eine  streifige  Grund- 
suiistanz,  sehr  grosse  Spindelzelien,  oft  mit  langen  gewundenen 
Ausläufern  und  Spitzen  und  starken  Kernen.  Das  Gewehe 
der  Vera   und  Reflexa  ist  schon  sehr  zerfallen.     Man  findet 


'and  snm  Abort  in  den  ersten  Schwangerschaftsmonaten.      49 

neben  den  verschiedensten  Zellenformen,  neben  einer  streifigen 
Grundsubstanz,  sehr  viel  molekularen  Detritus  mit  zahlreichen, 
eingestreuten  Kernen. 

öl.  Fall.  Abortivei  des  dritjten  Monats.  Beginnende 
Placentenbilduog.  Abuorm  grosser  Umfang 
der  Placenta.  Blutextravasate  in  der  Placenta 
und  zwischen  Ch orion und  Reflexa.  Atrophische 
Vera.  Marginale  Nabelschnurina#rtion.  (Hierzu 
Fig.  5,  6  u.  17). 

Dieses  Ei  wurde  mir  von  Herrn  Dr.  Heumann  in  Pfung- 
stadt ohne  Anamnese  uberschickt.  Es  hatte  einige  Zeit  in 
Spiritus  gelegen,  war  übrigens  sehr  gut  erhalten. 

Das  Ei  ist  8  Centim.  lang,  etwa  4V2  Centim.  breit.  Die 
ganze  eine  Hälfte  des  Eiumfangs  von  einem  Pol  zum  andern 
wird  von  der  Serotina,  resp.  von  der  schon  rudimentär  ent- 
wickelten Placenta  emgenommen.  (Fig.  17).  Diese  ist  an 
dem  einen  Eipole,  in  dessen  Nähe  sich  die  Nabelschnur  in- 
serirt,  6 — 8  Millim.  dick.  Die  Dicke  nimmt  jedoch  nach 
dem  andern  Pole  hin  erheblich  ab  und  beträgt  daselbst  nur 
3—4  Millim.  Die  äussere  Oberfiäche  der  Serotina  ist  rauh 
und  ungleich  durch  zahlreiche,  rundliche  Erhabenheiten,  auf 
welchen  grössere  und  kleinere  Dnlsenlöcher  zu  erkennen 
sind. '  Macht  man  einen  senkrechten  Durchschnitt,  so  be- 
merkt man  nach  aussen  eine  ziemlich  gleichmässige ,  V2  ^^^ 
2  Millim.  dicke,  weisse  Gewebsschichte.  Nach  der  Eihöhle  zu 
sieht  man  die  Durchschnitte  zahlreicher,  vielfach  gefalteter, 
weisser  Lamellen,  zwischen  welche  die  Verzweigungen  der 
Chorionzotten  eindringen  (Fig.  6).  Durch  feste  Blutcoagula 
sind  die  Lamellen  stellenweise  stark  auseinandergedrängt,  so 
dass  ihre  Anordnung  leichter  in  die  Augen  fallt. 

Die  Decidua  vera,  welche  die  ganze  Peripherie  der 
Placenta  umgiebt,  ist  nur  V2 — 1  Millim.  dick,  röthlich  von 
imbibirtem  Blut.  Beide  Flächen  zeigen  ein  ziemlich  gleiches, 
streifiges,  fast  glattes  Ansehen.  An  einzelnen  Stellen,  be^ 
sonders  in  der  Nähe  der  Nabelschnurinsertion  sind  die  Drüsen- 
löcher  sehr  zahlreich,  gross  und  schlitzartig  ausgezogen. 

Die  Reflexa  überzieht  als  eine,  nur  V« — V«  Millim.  dicke, 
bräunlichgelbe  Schwarte  die  Wand  des  einen  Eisegments.    Ihre 

MonaUiehr.  f.  Qebartak.  1S68.  Bd.  XXI.,  Sappl.-Hft.  4 


f. 


50  ^'     ttegar^  Reiträg^«^  zur  Pnrhologie  de«  VAv%  s 

OberfläeLe  ist  glatt,  der  Zwiscbenraum  zwischen  Reflexa  und 
ChorioQ  ist  durch  einzelne  ZoLten,  zwischen  welciien  harte, 
trockene  Coagula  eingeOlzt  sind,  ausgefüllt  Der  Zwischen- 
raum und  das  Extravasat  ist  am  bedeutendsten  in  der  Nähe 
der  Serotina.  An  dem,  der  Nabelschnur  entgegengesetzten, 
Eipol  befindet  sich  ein  IY2  Centim.  breites,  ö  —  7  MUliro. 
dickes,  Testes,  hartes  Coagulum  zwischen  Reflexa  und  Chorion. 
Es  hängt  sehr  fest  an  der  ersteren  Membran.  Das  Chorion 
ist  in  weitem  0mfang  davon  blutig  imbibirt.  Der  Embryo 
ist  2,9  Centira.  lang,  hat  deutlich  Finger  und  Zehen.  Er 
hängt  au  einem  2,5  Centim.  langen,  vom  Amnion  lose  um- 
hüllten Nabelstrang,  welcher  marginal  in  die  Placenta  inseriiL 

6.  Fall.  Abortivei  des  dritten  Monats.  Vollständiger 
Sack  zwischen  Dec.  vera  und  Reflexa.  ßlut- 
extravasate  in  die  Serotina,  zwischen  Reflexa 
und  Chorion.  Durchbruch  des  Chorions.  Blut- 
erguss  im  Amnion.    Kein  Fötus.    (Hierzu  Fig.  7). 

Das  Ei  verdanke  ich  der  Güte  meines  Collegen,  des 
Herrn  Dr.  Plagge  dahier,  welcher  es  mir  mit  folgendem 
Berichte  zustellte: 

„Frau  ü/.,  40  Jahre  alt,  hat  drei  Mal  geboren,  das  letzte 
Mal  vor  acht  Jahren.  Die  am  28.  Sept.  1861  erwartete 
Periode  blieb  aus.  Mangel  an  Appetit,  Uebelkeit,  Schmerz 
im  Leibe  bei  der  angestrengten  körperlichen  Arbeit  der  Frau 
stellten  sich  ein.  25.  Dec.  Blutung  mid  Wchenschmerz. 
26.  Dec.  unter  leichter  Hämorrhagie,  Ausstossung  des  Eies. 
Vier  Tage  später  verrichtete  die  Frau  wieder  ihre  häuslicben 
Geschäfte.'' 

Länge  des  Eies  7  Centim.,  Breite  3 — 37«  Centim.  Die 
Vera  ist  vollständig  erhalten  und  umschliesst  als  ein  loser 
Sack  das  Ei,  ohne  irgend  eine  Locke  zu  zeigen.  Sie 
erstreckt  sich  au  dem  einen  Eisegmente  von  einem  Pole  zmn 
andern,  umkleidet  diesen,  um  an  dem  andern  Segmente  noch 
etwa  ein  Drittbeil  einzunehmen,  worauf  sie  in  die  Serotina 
übergeht.  Die  Membran  ist  2 — 3  MiUim.  dick,  gleichförmig 
blassroth.  Die  äussere  Fläche  ist  weniger  rauh  und  uneben, 
als  an  andern  Eiern;  die  Drusenlöcher  sind  zahlreich,  gross, 


und  sum  Abort  in  den  ernten  Schwangerschaftsmonaten.       51 

schlitzartig  ausgezogen.    Die  inneie  Fläche  ist  glatt,  mit  flachen 
Längswölsten. 

Die  Serotina,  welche  einen  Theil  des  breiteren  EipoU 
und  etwa  %  der  einen  Eiwandung  einnimmt,  ist  sehr  un> 
gleich,  rauh,  mit  Extravasaten  durchsetzt.  In  der  Nähe  deh 
breiteren  Eipols  ist  das  Extravasat  am  stärksten;  hier  be- 
findet sich  ein  etwa  1  Centini.  langer,  %  Ccntim.  breiter 
höckriger  Wulst  (g),  wie  er  schon  mehrmals  beschrieben 
wurde.  In  der  Nähe  desselben  hängen  mehi*ere  zerrissene, 
stark  mit  Blut  durchtränkte  Lappen,  welche  sich  schichtweise 
spalten  lassen  (/),  davon  entfernt  ist  der  Bhiterguss  geringer. 
Die, Serotina  ist  mehr  membranös.  Die  Zotten  des  Chorions 
quellen  reichlich  aus  der  Schnittfläche  vor. 

In  der  von  Re>flexa  und  Vera  gebildeten  Höhle  ist  ein 
starkes,  theils  flüssiges,  tlieils  geronnenes  Biutextravasat  vor- 
handen. An  dem  breiteren  Eipole  ist  dasselbe  massenhaft,  fest 
coagulirt  und  verklebt,  doch  nur  locker,  beide  iMembranen. 
Die  Uebei*gangsslelle  von  der  Reflexa  zur  Vera  ist  ziemlich 
scharf,  doch  spannen  sich  zarte  bindegeweliige  Fäden  und 
Brücken  zwischen  beiden  Häuten  aus.  Auch  hängen  gestielte 
Coagttla  von  dieser  Stelle  in  die  Höhle  hinein. 

Die  Reflexa  ist  an  ihrer  Aussenfläche,  bis  auf  flache 
Läiigswolsle  glatt,  gelbroth  gefärbt.  Dünne,  geschichtete  La- 
mellen fester  Faserstoflinassen  liegen  auf  der  Oberfläche. 
Der  Zwischenraum  zwischen  Reflexa  und  Chorion  ist  mit 
Biutextravasat  gefüllt,  in  welchem  sich  die  Zotten  hinziehen. 
Die  Zottenentwickelung  ist  nach  dem  breiteren  Eipole  hin  am 
stärksten  und  nimmt  nach  dem  entgegengesetzten  hin  all- 
roälig  ab.  An  diesem  hängt  die  eigentliche  Chorionmembran 
durch  eilt  starkes  Gerinnsel  verklebt  an  der  Reflexa  und  es 
findet  sieh  hier  in  dem  Chorion  ein  schmaler  Riss,  durcli 
welchen  das  Extravasat  in  die  Eihöhle  gelangt  ist 

Die  Eihöhle  wurde  an  der,  der  Serotina  entsprechenden 
Wand  der  Länge  nach  geoflhet  Man  gelangt  auf  das  blutig 
imbibirte  Chorion,  an  welchem  das  Anarnios  nur  theilweise 
und  lose  anhängt  Dasselbe  hat  sich  der  Länge  nach  zu- 
saiaaiengerollt  (Fig.  7)  und  ist  in  grösstem  Umfange  von  rothen 
und  eotiärbten,  in  seinen  Falten  eingefltzten  Coaguüs  bedenkt 
und  so  zusammengedruckt  und  verändert,  dass  sich  eine  Hdhld 

4* 


52  1-     Hegar^  Beitrügre  snr  Pathologie  de«  Eie.«« 

nicht  mehr  nachweisen  lässL  Bloss  in  der  Nähe  des  obern 
Eipols  lässt  sich  noch  eine  kleine  Höhle  bemerken.  Hier 
befindet  sich  in  den  Falten  des  Amnion  eingebettet,  ein  erbsen- 
grosses,  birnförmiges,  gallertig  durchscheinendes  Bläschen, 
auf  dessen  Spitze  eine  kleine,  weissliche  Masse  aufliegt 

Die  mikroskopische  Untersuchung  zeigt  in  den  Deciduen 
die  gewöhnlichen  Elemente,  fasriges  Gewebe,  Spindelzellen, 
runde  und  polygonale  Zellen.  Die  Refiexa  zeigt  viel  mole- 
kularen Detritus,  mit  eingestreuten  runden  oder  ovalen  Kernen. 
Die  weissliche  Masse  auf  der  gallertigen  Blase  des  Amnion 
besteht  aus  schwärzlicher,  amorpher  Masse,  welche  Fett  und 
Kalksalze  enthält. 

7.  Fall.  Abortivei  des  dritten  Monats.  Blutextra- 
vasate  in  der  Serotina,  Vera  und  zwischen 
Refiexa  und  Chorion.  Abgerissener  Nabel- 
strang. Nabelblase.   Kein  Embryo.  (Hierzu  Fig. 8.) 

Frau  £.,  26  Jahre  alt,  litt  in  Folge  ihrer  letzten,  im 
Oct.  1860  erfolgten,  zweiten  rechtzeitigen  Niederkunft,  bei 
welcher  eine  atonische  Blutung  stattgefunden  hatte,  an  anä- 
mischen Erscheinungen.  14.  Sept.  1861  trat  die  Periode 
zum  letzten  Mal  ein.  Am  8.  Dec.  starke  fortdauernde  Blutung, 
welche  den  Gebrauch  des  Tampons  nöthig  machte,  noch  dessen 
Anwendung  starke  Wellen  eintraten,  welche  die  fast  voll- 
ständige Eröffnung  des  Muttermunds  und  die  Lösung  des 
Eies  erzielten,  so  dass  dasselbe  leicht  mit  den  Fingern  ent- 
fernt werden  konnte.  Bei  der  Herausnahme  merkte  ich  mir 
das  obere  und  untere  Ende  desselben. 

Das  Ei  ist  8  Centim.  lang,  SV^ — 4  Centim.  breit  In  der 
Nähe  des  oberen  Eipols  hängt  ein  Lappen  der  Vera  (a).  Der- 
selbe ist  unregelmässig  zerrissen,  4  Millim.  dick,  stark  mit 
Ecchymosen  durchsetzt  Die  äussere  Fläche  ist  sehr  ungleich, 
rauh,  zottig.  Die  Drusen  und  Drüsenaggregate  springen  2  bis 
3  Millim.  über  die  Fläche  vor.  Am  unteren  Eipol  befinden 
sich,  denselben  überkleidend,  dünne  Lamellen,  welche  sich 
leicht  von  der  Refiexa  abheben  lassen  und  der  Vera  anzu- 
gehören scheinen.  Es  hängen  von  diesem  Pole  traubenfönnige 
Büschel  gestielter  Gebilde  herab  (i),  von  derselben  Beschaffen- 
heit, wie  sie  Fall  3  beschrieben  wurden. 


and  xDin  Abort  in  den  ersten  .Schwinge rschaftsmonaten.      53 

Die  Serotina  nimmt  den  grössten  Theil  des  obern  Eipols 
and  einen  Theil  der  einen  Eiwandung  ein.  Der  Durchmesser 
beträgt  27^ — 3  Centim.  Stellenweise  fehlt  die  Serotina  und 
die  Zottenbfiscbel  quellen  frei  hervor.  Sie  ist  äusserst  un- 
gleich, rauh,  zerrissen,  von  schwärzlichen  Gerinnseln  durch- 
setzt, mit  anhängenden  Fetzen  und  Lappen. 

Die  Reflexa  zeigt  die  gewöhnliche  Beschaffenheit.  Zwischen 
ihr  und  dem  Chorion  befindet  sich  ein  dickes  (bis  zu  IV2 
Centim.),  festes,  rothes  Coagulum,  von  feinen,  weissen  Strängen 
durchzogen.  Dies  Extravasat  ist  übrigens  bloss  an  dem  Ei- 
Segmente  so  stark,  an  welchem  sich  die  Serotina  befindet.  An 
der  gegenüberliegenden  Wand  beträgt  seine  Dicke  nur  einige 
Millimeter. 

Die  Eihöhle  wird  durch  einen  Längsschnitt  in  der,  der 
Serotina  entgegengesetzten  Wand  geöffnet  und  dabei  das  dicht 
am  Chorion  liegende  Amnion  verletzt.  In  der  Eihöhle  be- 
findet sich  ein  2%  Centim.  langer,  2  Millim.  breiter  Nabel- 
strang, mit  handschuhförmig  zerrissenem  Fötalende  {g).  Er 
inserirt,  entsprechend  der  Serotina,  mit  einer  breiten,  ange- 
schwollenen Basis  und  ist  von  drei  weisslichen  Strängen  durch- 
zogen. Zwischen  Chorion  und  Amnion  liegt  ein  3 — 4  Millim. 
langer,  1  Millim.  breiter,  weisser  Körper  (/),  von  welchem 
aus  ein  sehr  zarter,  spiralig  gewundener  Faden  nach  dem 
Nabelstrang  hinläuft 

Fall  8.  Abortivei  des  sechsten  Monats.  Enorme 
Ausdehnung  der  Serotina  resp.  Placenta, 
welche  theilweise  im  Cervix  uteri  inserirt. 
Primärer  Mangel  (?)  der  Reflexa.  Apoplexia 
placentae.  Verkümmerter  Embryo,  welcher 
etwa  aus  der  vierten  Schwangerschaftswoche 
stammt   (Hierzu  die  schematische  Zeichnung.  Fig.  9.) 

Dieses  merkwürdige  Ei  verdanke  ich  der  Güte  des  Herrn 
Dr.  Fuchs  dahier,  welcher  es  mir  mit  folgendem  Berichte 
zustellte: 

Frau  N.  N.^  27  Jahre  alt,  stets  gesund  und  kräftig,  hat 
zweimal  rechtzeitig  geboren,  zuletzt  vor  V/^  Jahren.  Regel- 
mässige Menstruation,   welche  Ende  Juli  1861  zum  letzten 


54  '•     Begaty  Beitrfti^e  snr  Patholog^ie  des  Eies 

Hai  erBchien.  Im  August  und  September  sehr  hartnäckiges 
Erbrechen.  Fast  alle  Nahrung  wurde  herausgebrochen  und 
die  Schwangere  magerte  sehr  ab.  Die  verschiedeosien  Mittel 
blieben  ohne  allen  Erfolg,  bis  Ende  September  spontane  Besse- 
rung eintrat.  Anfangs  October  massiger  Blutabgang,  der  nach 
24  Stunden  sistirte.  Mitte  November  2  —  3  intensive  Frost- 
anlalle.  Der  etwas  dickere  Leib  nahm  von  da  an  nicht  weiter 
zu.  Am  11.  Januar  1862  nach  einer  starken,  körperlichen 
Bewegung  massiger  Blutabgang  und  Leibschmerz.  Letzterer 
hielt  in  den  folgenden  Tagen  an,  wurde  am  18.  Jan.  stärker. 
Leichte  Blutung  gesellte  sich  wieder  hinzu.  19.  Jan.  wurde 
eine  genauere  Untersuchung  vorgenommen.  Der  Uterus  stand 
etwa  in  der  Mitte  zwischen  Nabel  und  Schambein.  Linke 
Weicbengegend  sehr  empfindlich  gegen  Druck.  Daselbst  auch 
spontaner  Schmerz,  selbst  in  der  wehenfreien  Zeit.  Mutter- 
mund sechskreuzergross  geöffnet  Man  fühlt  durch  denselben 
eine  kleine  Eiblase,  deren  Umfang  man  auf  allen  Seiten  frei 
umgehen  kann,  bis  auf  eine  Stelle  vorn  und  links,  wo  sie 
mit  der  Cervicalwand  fest  zusammenhängt.  Hier  ist  die  Uterus- 
wand sehr  empOndlich  gegen  Berührung.  Die  Bänder  des 
Muttermunds  sind  daselbst  sehr  dann  und  scharf,  nach  oben 
ausgebuchtet,  in  die  Höhe  gezogen.  Am  folgenden  Tage  ist 
der  Muttermund  guldengross.  Ein  Segment  der  Blase  hängt 
%  Zoll  lang  ans  demselben  hervor.  Man  überzeugt  sich 
noch  deutlicher  von  dem  festen  Ansätze  des  Eies  an  der 
vorderen,  linken  Seite  des  Cervix.  22.  Jan.  Ausstossung  des 
Eies.  —  Geringe,  blutig-seröse  Ausscheidung  in  den  nächsten 
Tagen.    Bald  voUkommnes  Wohlbefinden."*  — 

Das  Ei  hat  8,3  Centim.  in  der  Länge.  Breite  nach 
oben  3,2,  in  der  Mitte  3,2,  nach  unten  2  Centim. 

Die  Placentarstelle  nimmt  den  ganzen  obern  Eipol  ein, 
erstreckt  sich  an  der  einen  Wand  6,7,  an  der  anderen  3,5 
Centim.  nach  abwärts.  In  letzterer  Länge  nimmt  sie  auch 
den  ganzen  Umfang  des  Eies  ein,  weiter  nach  abwärts  etwa 
die  Hälfte.  Zwei  Drittheile  des  Eiumfanges  sind  so  von  Pia- 
centarmasse  bedeckt  Die  Dicke  dieser  beträgt  nach  oben 
1  Centim.  und  nimmt  nach  unten  allmälig  bis  auf  3—4  Millim. 
ab.     Sie  zeigt  ein  cavernöses  Gewebe,  welches  von  hartem. 


und  zam  Abort  in  den  ersten  Schwangerschtiftanionaten.      55 

festem  oder  oodi  flflssigem,  schwärzlichem  ExtraTasate  durch- 
setzt ist.  Die  Oberfläche  ist  höckerig,  mit  einzelnen  anhängen- 
den, zarten,  weissen  Läppchen  yersehen. 

Vom  Rande  dieser  Placenta  hängen  1  Millim.  dicke, 
gelbweisse,  sehr  weiche,  selbst  breiweiche,  leicht  zerreissliche 
Lappen  einer  mit  zahlreichen,  rundlichen  oder  schlitzartigen 
Löchern  versehenen  Membran  herab.  Der  nicht  von  der  Placenta 
umhüllte  Theil  des  Eies  lässt  das  Chorion  frei  zu  Tage  ti*eten, 
auf  welchem  einzehie  spärliche  Zotten  aufsitzen. 

Von  einer  Membran,  welche  man  als  Reflexa  deuten 
könnte,  ist  keine  Spur  vorhanden.  Ich  bin  daher  sehr  geneigC 
hier  einen  ursprängJichen  Mangel  oder  wenigstens  eine  mangel- 
hafte Entwickelung  dieser  Membran  anzunehmen.  Aus  dem 
normalen  Umfange  der  Placenta  geht  offenbar  hervor,  dass 
die  Zotten  von  Anfang  an  in  grösster  Ausdehnung  in  die 
wandständige  Uterinschleimhaut  einwucherten,  was  bei  nor- 
maler Bildung  der  Reflexa  unmöglich  ist. 

Nach  Eröffnung  der  Eihöhle,  welche  eine  blutig -seröse 
Flüssigkeit  einscbloss,  bemerkte  man  einen  Embryo  von 
1  Centim.  Länge,  gelbbrauner  Farbe,  weicher  Consistenz, 
mit  deutlichen  Extreroitätenstummeln.  Er  war  an  einem  kurzen 
Nabelstrange  befestigt,  welcher  in  der  Nähe  des  Placentarrandes 
inserirte.     Gefasse  waren  in  jenem  nicht  sichtbar. 

9.  Fall.  Decidua  menstrualis.  (Hierzu  Fig.  10,  A,  Bj  C.) 

Diese  Beobachtung  findet  hier  ihren  Platz,  weil  sie  mir 
über  den  Bau,  die  Ausbreitung,  die  verschiedene  Dicke  der 
Decidua  Aufklärung  zu  geben  scheint 

Frau  N.  N.,  45  Jahre  alt,  früher  stets  gesund,  hat  elf 
Mal  rechtzeitig  geboren.  Im  Juli  und  August  1861  litt  sie 
an  einem  sehr  intensiven,  fieberhaften  Brustkatarrh.  Sie  kam 
dabei  sehr  herab.  Verdacht  auf  Tuberkulose.  Die  bis  dahin 
regelmässige  Menstruation  sistirte  vollständig  bis  Anfang 
October,  wo  sie  sehr  schwach  auftrat,  nur  24  Stunden  dauerte 
und  von  einem,  kurze  Zeit  dauernden,  weissen  Flusse  gefolgt 
war.  In  derselben  Weise  wiederholte  sie  sich  von  da  an 
regelmässig    alle  vier  Wochen.     Im   December  und  Januar 


56  ^*    Begar,  Beiträge  znr  Pathologie  des  Eifts 

z^gte  sieb  wieder  eis  heftiger  Brustkatarrh  mit  grosser  Hin* 
falligkeit  verbunden.  Am  22.  Januar  wm-de,  zur  Zeit  der 
Henstruationsepoche,  unter  geringem  Blutabgange  das  zu  be- 
schreibende Gebilde  abgeschieden. 

Dasselbe  hat  etwa  die  Form  eines  Weiberhemdes.  Die 
Basis  ist  4,2  Centim.  breit.  Die  Breite  beträgt  in  der  Mitte 
2,2,  nach  unten  1,8  Centim.  Länge  3,3  Centim.  Es  ist  ein 
flach  zusammenliegender  Sack,  an  welchem  man  einen  oberen, 
untern  und  zwei  seitliche  Ränder,  sowie  zwei  Wände  unter- 
scheiden kann.  Die  eine  Wand  (Fig.  10  A)  ist  3  Hillim. 
dick,  mit  sehr  zahkeicheh,  1 — 2  Hillim.  hohen,  1  Hillim. 
breiten,  warzenartigen  Höckerchen  besetzt,  auf  deren  Ober- 
fläche sich  je  2 — 5  rundliche  Löcher  befinden,  unter  der 
Loupe  stellt  sich  ein  solches  Drüsenaggregat,  wie  Fig.  10  B, 
dar.  Die  andere  Wand  des  Sackes  ist  nur  2  Hillim.  dick. 
Die  Drüsenhöcker  sind  weniger  entwickelt.  Auf  derselben 
befinden  sich,  den  Aermeln  des  Hemdes  entsprechend,  zwei 
kleine  Lücken  von  1 — 2  Hillim.  Durchmesser.  (Fig.  10  (7,  aa). 
Nach  dem  oberen  Rande  und  den  Seitenrändern  hin,  verdünnen 
sich  beide  Wände  sehr  merklich.  Die  Dicke  sinkt  hier  auf 
1 — Va  Hillim.  und  an  dem  einen  Seitenrande  zeigt  sich  sogar 
eine,  in  der  Richtung  desselben  verlaufende,  längliche  Lücke, 
durch  welche  man  die  glatte  Beschaflenheit  der  inneren  Sack- 
oberfläche wahrnehmen  kann.  Ebenso  verdünnt  sich  die 
Membran  nach  dem  unteren  Rand  hin.  Es  findet  sich  hier 
eine  breite  Lücke,  von  welcher  es  jedoch  sehr  zweifelhaft 
erscheint,  ob  sie  ursprünglich  vorhanden  war.  Betrachtet 
man  nämlich  die  eine,  dickere  Wand,  so  bemerkt  man  nach 
unten  einen  Umschlag.  Schlägt  man  denselben  nadi  der 
anderen  Seite,  so  deckt  er  jene  Lücke  und  sein  zerrissener 
Rand  entspricht  dem  zerrissenen,  unteren  Rand  der  anderen 
Wandung  (Fig.  10,  B,  b). 

Die  mikroskopische  Untersuchung  zeigt  ausser  einer 
faserigen  Substanz,  Spindelzellen,  polygonale  und  nindUche 
Zellen,  freie  Kerne,  molekularen  Detritus. 


r 

i 


und  snm  Abort  in  den  ersten  SchwangerschaftsmonAten.       57 

10*  Fall.  Abortivei  des  dritten  Monats.  Kleine, 
sthslartige  Serotina.  Blutextravasate  in  die 
Serotina,  zwischen  Reflexa  und  Chorion. 
Amnionhöhle  /obne  Fötus,  mit  Nabelstrang 
und  Nabelblase.     (Hierzu  Fig.  11.) 

Dies  Ei  befindet  sich  im  Besitze  des  Herrn  Dr.  Eigen- 
brodt  dahier.  Es  zeichnet  sich  durch  die  verlängerten  Drüsen- 
aggregate der  wenig  umfänglichen  Serotina  aus  (c).  Die  Höcker 
sind  dabei  mit  Blutextravasat  durchsetzt,  theilweise  dadurch 
auseinandergesprengt,  so  dass  sich  die  Lamellen  knospenartig 
entfalten.  Der  Nabelstrang  inserirt  entsprechend  der  Reflexa, 
an  einer  Stelle,  welche  von  der  Serotina  eine  gute  Strecke 
entfernt  ist. 

11.  Fall.  Abortivei  des  dritten  Monats.  Atrophie 
der  Dec.  vera,  reflexa  und  serotina.  Blasen- 
degeneration des  Ghorions.  Leere  Amnion- 
höhle. 

Frau  üf.,  40  Jahre  alt,  stets  gesund,  hat  acht  Mal  recht- 
zeltig  geboren.  Am  20.  Nov.  1861  hatte  sie  zum  letzten 
Mal  ihre  Periode.  Vierzehn  Tage  vorher  war  eine  geringe, 
blutige  Ausscheidung  aus  den  Genitalien  vorhanden.  Sonst 
war  ihre  Menstruation  stets  regelmässig  gewesen.  Am  9.  Febr. 
erfolgte  unter  massiger  Blutung  und  Wehenschmerz  der  Abort. 

Das  Ei  ist  5  Centim.  lang,  3  Ceutiro.  breit  Die  1 V^  bis 
2  Millim.  dicke  Vera  hängt  in  grösseren  und  kleineren  Lappen 
an  der  UmschlagssteUe.  Beide  Flächen  sind  obne  alle  Vor- 
sprunge und  Höcker,  glatt,  streifig,  reich  an  runden  und 
schlitzartigen  Sieblöchern,  mit  anhängenden,  zarten,  weissen 
Läppchen.  An  einer  Stelle,  in  der  Nähe  der  Serotina,  ist 
sie  roth  und  durch  Ecchymosen  verdickt 

Die  Reflexa  ist  fast  von  derselben  Bescbaflenbeit  und 
noch  dünner. 

Die  Serotina,  welche  fast  die  Hälfte  des  Eiumfanges  ein- 
nimmt, ist  in  der  Mitte  auseinandergerissen.  Ihre  Oberfläche 
ist  streifig,  ohne  Vorsprünge,  mit  anhängenden  feinen,  weissen 
Läppchen.  Die  Dicke  beträgt  2  Millim.  An  einer  Stelle  finden 
sich  traubenförmige,  gestielte  Gebilde,  wie  sie  sdion  öfters 
beschrieben  wurden. 


58  I-     Hfffor,  BeitrKge  snr  Patliologfe  des  Eie» 

Das  Gewebe  aller  Thcile  der  Decidua  bestebt  aus  eioT 
feinstreifigen  Substanz.  Dabei  indet  sich  viel  amorph'e,  körnige 
Masse,  Pettpartikeln,  Felttröpfchen,  freie  Kerne.  Zellenformen 
sind  nicbt  vorbanden. 

Das  Cborion  i«t  in  seinem  ganzen  Umfange  mit  degenerirten 
Zotten  besetzt.  Besonders  stark  ist  die  Zottenentwickelung 
der  Serotina  entsprechend.  Bier  hängen  an  weissen,  V2  Millim. 
breiten,  kurzen  Stielen,  Zoltenbäumchen  mit  angeschwollenen, 
kolbigen  Enden.  Zwischen  Cborion  und  Reflexa  sind  die 
Stiele  sehr  zart  und  dünn,  dagegen  die  Blasen  grösser,  mit 
durchscheinendem,  hellem  Serum  gefüllt  und  mit  sehr  zarler 
Wand.  Mikroskopisch  zeigen  alle  Zotten  zahlreiche,  grössere 
und  kleinere  Sprossen. 

Nach  Eröfi'nung  der  Chorionhöhle  präsentirt  sich  eine 
wallnussgrosse ,  durchscheinende,  mit  hellem  Serura  gefüllte 
Amnionblase,  welche  durchaus  nichts  anderes  enthielt.  Das 
Amnion  hing  nur  ganz  lose  am  Chorion  an. 

12.  Fall.  Abortivei  des  dritten  Monats.  Decidua 
Vera  und  Reste  des  Chorions  vorhanden.  Man- 
gel aller  übrigen  Eigebilde.  (Hierzu  die  schema* 
tische  Zeichnung  Fig.  18.) 

Dieses  Ei  wurde  mir  von  meinem  CoUegen  Dr.  Bern- 
hardt  mit  folgendem  Berichte  zugestellt 

„Die  gesunde,  22jährige  Frau  H.  ist  seit  zwei  Jahren 
verheiralhet ,  ohne  concipirt  zu  haben.  Die  Menstruation, 
weiche  stets  regelmässig  war,  erfolgte  Anfangs  Januar  1862 
zum  letzten  Mal.  Fünf  Wochen  später  litt  sie  an  leichtem 
Blutabgang.  Vom  14. — 20.  März  stellten  sich  wiederholt 
massige  Hämorrhagieen  ein,  mit  welchen  am  letzteren  Tage 
das  Ei  ohne  viel  Leibschmerzen  ausgeschieden  wurde.** 

Das  abgegangene  Gebilde  stellt  den  Abklatsch  einer  langen 
und  dabei  schmalen  Uterinhöhle  dar.  Länge  6,2  Centim.  Breite 
oben  2,2  Centim.  Es  verschmälert  sich  allmälig  nach  unten, 
bis  es,  1,9  Centim.  von  dem  obern  Rand  entfernt,  1,5  Centim. 
in  der  Breite  misst.  In  dieser  Breite  geht  es  ziemlich  gleich- 
massig  nach  unten  zu.  An  dem  unteren  Rande  ist  es  etwa 
1  Clm.  breit  Hier  beflndet  sich  eine  Lücke  mit  zerrissenen 
Rändern. 


und  zam  Abort  in  den  ersten  Schwang^erBchaftBiuonaten.      59 

Das  Ganze  büdet  einen  Sack  mit  zusammengefallenen 
Wandungen.  Die  Wand  ist  ^verschieden  dick  IVa — 3  Miilim. 
An  den  Seitenrftndern  ist  die  Membran  auffallend  dünner,  mit 
grossen,  scblitzartigen  Sieblöchern  verseben.  Am  dicksten 
ist  die  Wandung  am  oberen  Rande,  wo  sie  durch  Eccfaymosen 
innerhalb  des  Gewebes  aufgetrieben  erscheint.  Die  äussere 
Fläche  ist  überall  rauh,  ungleich,  mit  zahlreichen  Höckerchen 
versehen.  Die  Wände  zeigen  überhaupt  alle  Charaktere  der 
Dec.  Vera. 

Bei  Eröffnung  des  Sackes  fand  ich  den  oberen,  breiteren 
Tbeil  vollständig  leer.  Nach  unten  zu,  wo  schon  die  Yer* 
schmälerung  des  Gebildes  eingetreten  war,  zeigten  sich  Blut- 
roagula,  welche  diesen  Theil  vollständig  ausfüllten.  Nach 
längerem  Auswaschen  in  Wasser  Hessen  sich  zwischen  den 
Blut-  und  Faserstoffgerinnungen  einzelne,  von  einander  ge- 
lrennte, kleine  Reste  des  Chorions  wahrnehmen.  Dieselben 
hatten  theilweise  normale,  theilweise  blasig  ausgedehnte  Zotten, 
welche  sich  unmittelbar  in  die  Sackwand  einsenkten.  Spuren 
einer  Membran,  welche  man  als  Reflexa  hätte  deuten  können, 
waren  nirgends  vorhanden. 

Diese  Beobachtung  scheint  mir  für  einen  primären  Mangel 
der  Reflexa  zu  sprechen.  Das  Ei  fiel  durch  eine  der  Tufoen- 
mündungen  in  den  Sack  der  Vera;  es  bildete  sich  keine  Be- 
Oexa,  das  Ei  sank  in  den  untern  Abschnitt  des  Uterus,  in 
welchem  es  sich,  wenn  auch  nur  rudimentär,  entwickelte. 

13.  Fall.  Abortivei  des  zweiten  Monats.  Scheiben- 
und  traubenfömige,  apoplectische  Destruction 
der  Vera.  Extravasation  in  das  Gewebe  der 
atrophischen  Reflexa.  Apoplectisch  zerstörte 
und  in  die  Länge  gezogene  Serotina.  Kleine 
Eihöhle  ohne  Embryo.  (Hierzu  die  schematische 
Zeichnung  Fig.  19.) 

Frau  O.,  gesunde,  28  jährige  Frau,  hat  zwei  rechtzeitige 
Niederkünfte  gehabt,  deren  letzte  vor  IV^  Jahren  erfolgte. 
Seitdem  regelmässige  Menstruation.  Letzte  Periode  Mitte  Januar 
1862.  Der  Abort  erfolgte  am  4  März  unter  leichten  Blutungen 
und  Wehenschmerzea 


60  '•     Hegar^  Beiträge  sur  Pathologie  des  Eies 

Mit  dem  Ei  wurde  mir  eine  Menge  scheinbar  einfacher 
Blatcoagula  übergeben.  Suspendirte  man  sie  in  Wasser,  so 
erhielt  man  die  schönsten  Scheiben-  und  traubenformigen 
Gebilde,  deren  Beschreibung  ich  hier  übergehe,  da  sie  die- 
selbe Form  hatten,  wie  die  im  nächsten  Falle  zu  schildernden, 
apoplec tischen  Zerstörungen  der  Uterinschleimhaut, 

Länge  des  Eies  6  Centim.,  Breite  an  dem  einen  Pol  und 
in  der  Mitte  3  Centim. ;  nach  dem  anderen  Pol  hin  verschmälert 
sich  das  Ei  auf  1% — 1  Centim.  Es  ist  von  der  Reflexa 
bedeckt.  An  der  Uebergangsstelle  hängen  einige  kleine  Reste 
der  Vera. 

Die  Reflexa  ist  dann,  besonders  am  unteren  schmäleren 
Eipol  (1  Millim).  Oberfläche  glatt,  weiss  und  roth  gesprenkelt, 
bloss  nach  oben  zu  mit  Drüsenlöchem  versehen.  Im  Gewebe 
zahlreiche  grössere  und  kleinere,  flache,  apoplectische  Heerde 
nach  dem  obern  Eipol  hin.  Mikroskopisch  sind  kaum  be- 
stimmte Formelemente  mehr  in  der  Reflexa  zu  erkennen.  Sie 
besteht  fast  ausschliesslich  aus  einer  molekularen,  fetthaltigen 
Masse,  in  welcher  runde  und  ovale  Kerne  eingestreut  liegen. 

Nach  Eröffnung  der  Reflexa  zeigt  sich  im  unteren  Ab- 
schnitt des  durch  sie  gebildeten  Sackes,  eine  2  Centim.  hohe, 
1  Centim.  breite  Chorionblase  und  in  derselben  das  nur  mit 
einem  dünnen,  hellen  Serum  gefüllte  Amnion.  Das  Chorion 
ist  durch  ganz  kurze  Zotten  nach  unten  zu  mit  der  dünnen 
Reflexa  verbunden:  seitlich  und  nach  oben  werden  stärkere 
Zottenbäumchen  sichtbar,  welche  in  letzterer  Richtung  in  ein 
Blutcoagulum  einwuchern.  Dies  Blutcoagulum  befindet  sich 
im  obern  Theile  des  Reflexasackes  (Fig.  19,  c).  Nach  sorg- 
faltiger Auswässerung  in  Wasser  bemerkt  man  bei  einem 
Durchschnitte  durch  dasselbe,  weisse,  lamellöse  Strata,  welche 
der  Länge  nach,  doch  auch  theilweise  in  schiefer  Richtung 
verlaufen.  Diese  Schichten  bestehen  aus  einem  feinstreifigen 
Gewebe  und  ausserdem  sind  auch  noch  zahlreiche  Spindel- 
zellen vorhanden.  Das  durch  Extravasat  destruirte  Gebilde 
ist  die  in  die  Länge  gezogene  Serotina,  welche  von  einer 
Reflexascheide  umhüllt  wird. 


and  snm  Abort  in  den  ersten  Schwangerschaftsmonaten.       gl 

14.  Fall.  Heftige  Blutungen  in  den  klimakterischen 
Jahren.  Apoplectische  Destruction  und  Aus- 
stossung  der  Uterinschleimhaut.  (Hierzu  Fig.  20.) 

Die  Mittheilung  dieses  Falles  erfolgt  hier,  weil  ich  kaum 
bei  einem  Abort  eine  so  scharf  ausgeprägte  Form  der  eigen- 
thömlichen  Schleimhautapoplexie  des  Uterus  vorfand,  leb 
benutzte  daher  diese  Gelegenheit,  um  eine  genaue  Zeichnung 
abnehmen  zu  lassen.  Zugleich  ist  es  mir  darum  zu  thun, 
die  Aufmerksamkeit  der  Beobachter  auf  eine,  bis  jetzt  nicht 
beschriebene  Ursache  und  Form  hartnäckiger  Gebärmutter- 
blutungen zu  lenken. 

Frau  J7.,  kräftige,  stets  gesunde  Frau,  bat  acht  Kinder 
rechtzeitig  geboren,  das  letzte  vor  12  Jahren.  Die  Men- 
struation war  stets  regelmässig.  Seit  einem  Jahre  ist  dieselbe 
irregulär,  blieb  zuweilen  8  Wochen  aus  oder  kehrte  in  14  bis 
21  Tagen  wieder,  war  stets  sehr  profus,  mit  Ausscheidung 
starker  Gerinnsel  verbunden.  Nie  die  geringste  Schmerz- 
hafltigkeit  dabei. 

Nachdem  8  Wochen  lang  die  Menses  cessirt  hatten, 
traten  sie  am  19.  März  1862  sehr  profus  ein.  Ausser  hellem 
und  schwärzlichem  flussigem  Blute  wurden  dicke,  schwarze 
Coagula  unter  leichten  Kreuzschmerzen  entleert  Diese  Ab- 
gänge dauerten  trotz  ruhiger  Lage,  Seeale  cornutum,  Säuren, 
welche  der  behandelnde  Arzt  verordnet  hatte,  fort  bis  zum 
1.  April,  an  welchem  Tage  ich  consultirt  wurde.  Ich  fand 
die  Frau  in  hohem  Grade  anämisch.  Die  Bauchdecken  waren 
so  dick  und  fettreich,  dass  die  Palpation  des  Unterleibes  kein 
Resultat  ergab.  Der  Muttermund  stand  sehr  weit  nach  oben 
und  etwas  nach  hinten.  Vaginalpartion  kaum  vorhanden. 
Das  Scheidengewölbe  geht  fast  unmittelbar  in  die  Cervical- 
wand  des  Uterus  über  und  die  Lippen  sind  nur  in  Form 
schmaler  Säume  angedeutet  Der  Cervicalcanal  ist  weit  ge- 
öffnet Die  Wände  des  Halses  fühlen  sich  dünn  und  schlaff 
an.  Bis  zum  inneren  Muttermunde  kann  man,  wegen  des 
hohen  Standes  der  Gebärmutter  nicht  vordringen.  Die  Ver- 
bindung der  inneren  Untersuchung  mit  der  Palpation  des 
Abdomens  ergiebt  als  Resultat,  dass  keine  Vcrgrusserung  des 
Uterus  vorlianden  ist.    Auch  dringt  die  Sonde  nur  6  Ctm.  vor. 


60  I.     Hegar,  Beiträge  «ur  Pathologie  des  Eies 

Mit  dem  Ei  wurde   mir  eine  Menge  scheinbar  t\vf , 
Blatcoagula  übergeben.    Suspendirte  man  sie  in  War/  '    -« 
erhielt   man    die   schönsten   Scheiben-   und  traul^  /         »*ss, 
Gebilde,   deren  Beschreibung  ich  hier  übergehe;  ^  bis 

selbe  Form  hatten,  wie  die  im  nächsten  Falle  Va  bis 

apoplectischen  Zerstörungen  der  UterinschleV  Rändern 

Länge  des  Eies  6  Centim.,  Breite  an  «»  ^^%^^ 

in  der  Mitte  3  Centim. ;  nach  dem  andere  «»  zuweilen 

sich   das  Ei   auf  Vk—l  Centim.     F  •  kolbenartigr 

bedeckt    An  der  üebergangssteUe  \  *  stehen  reihen- 

der Vera.  6^"   V«— IV2  Ctm. 

Die  Reflexa  ist  dünn,  bese  ^   sehr   dichtgedrangi 

Eipol  (1  Mülim).    Oberfläche  p  ^^^   Fläche    der   Scheibe 

bloss  nach  oben  zu  mit  Dr"  ^er  grössten   Scheiben   mit 

zahlreiche  grössere  und  k'  .edergegebeu. 
nach  dem  obern  Eipol  lersuchung  des  Häutchens,  welches 
stimmte  Formelementf  den  Stiel  der  traubenförmigen  Massen 
besteht  fast  ausschl"  .,t  theilweisc  überzieht,  zeigt  eine  librilläre 
Masse,  in  welche-  ^/^aeten  runden  oder  ovalen  Kernen.  Audi 
Nach  EröF^eu  sind  sichtbar.  An  den  Scheiben  sind 
schnitt  des  d'  /J^enhängende  Lagen  grosser,  länglicher  Epi- 
1  Centim.  ^^^em  Kerne  vorhanden.  Auch  linden  sich  zu- 
einem  ^^^y'^che  Schleim-  oder  Eilerkörperchen. 
ist  durf*^^jgj,gänge,  mit  welchen  zeitweise  solche  Massen 
Refle'  ^,^^^  wurden,  dauerten  trotz  EinspriUungen  con- 
Zot'  ^^.  Chloreisen-  und  Tanninlösungen,  wenn  auch  iii 
B^  /^fld  geringerem  Grade  fort,  bis  zum  19.  April,  wo 
'  ^ach  Ausstossung  eines  gi'össeren  Coagulums  plötzlich 
^tirten-  Der  oflen  stehende  Cervix  verengerte  sich  nur 
^l,r  alimälig. 

Vier  Wochen  später  traten  die  Menses  wieder  ein,  dauerten 
5  Tage  und  waren  sehr  massig.  Es  waren  flbrigeus  von 
Anfang  an  Einspritzungen  eines  concenlrirten  Decocts  von 
Eichenrinde  gebraucht  worden.  Bis  jetzt  ist  die  Periode  noch 
melu-mals  in  normaler  Art  vorhanden  gewesen. 


und 


Abort  in  den  ersten  Schwaogerschaftsmonaten.      g3 


^  Erklärung  der  Abbildungea« 


\ 


Tafel  I. 


\       T^  X^^^'  ^^^  dritten  Monats.    Fall  3.    Das  Ei  ist  an 

^^^s  Umfangs  geöffnet,  an  welcher  die  Serotina 


•^'*-.  ♦,        '^v  '•  Vera  am  breiten  (obern)  Eipol. 

Vera  am  schmalen  (untern)  EipoL 
.iiorion. 
'^^A  ige,  feste  Blutcoagula,  in  das  zerklüftete 

5^     *  ^Ornsenaggregate)  der  Decidua  eingobetlet. 

il  iiforn&ige,   gestielte  Gebilde   in  traubenförmiger 

jordnung. 
j.  Amnion,    g.  Verkümmerter  Embryo. 
jUr  2.     Die  Serotina  dieses  Eies  mit  anhängenden  Lappen 
der  Vera. 
aaa.  Rauhe  Fläche  der  Vera   mit  langen,   schmalen, 

zottenartigen  Vorspröngen. 
b,    Serotina    mit    langen    und    breiten    Drusenhuckern, 
welche  durch  Blutextravasat  theilweise   zerstört  sind 
und  in  Lamellen  auseinanderfallen. 
Figur  3.     Decidua    vera   eines    dreimonatlichen   Abortiveies. 
Fall  4. 

A«assere  Fläche  der  Vera.  Hypertrophie  der  Drusen- 
substanz. Ausdehnung  einzelner  Drösen  zu  Kysten.  Extra- 
vasate in  die  Drusen. 

a.  Grosse,  dünnwandige  Kyste,  mit  hellem  Serum  gefüllt. 

b.  Flaschenförmige  Kyste  mit  engem,  gewundenem  Aus- 
führungsgange. 

c.  Extravasate  in  die  erweiterten  Drüsen. 
Figur  5*     Abortivei  des  dritten  Monats.     Fall  5. 

Das  Ei  ist  durch  einen  Längsschnitt,  welcher  Reflexa  und 
Chorion  spaltet,  geöffnet.  Die  Reflexa  ist  vom  Chorion 
abgezogen,  um  die  zwischen  beiden  Membranen  befind- 
lichen, streifigen  Coagula  zu  sehen. 

aa,  Dünne,  atrophische  Vera. 

b  b.  Reflexa. 

c.  Chorion.  d.  Festes,  geschichtetes  Blutcoagulum  auf 
der  Reflexa. 


64  I-     Hegar,  Beiträge  aar  Pathologie  des  Kies 

Figur  6.  Durchschnitt  der  in  Bildung  begriffenen  Placenta 
desselben  Eies  unter  Loupenvergrösserung.  Die  Lamellen 
der  Serotina  waren  durch  Blutextra?asat,  welches  grössten- 
theils  entfernt  wurde,  auseinandergedrängt. 

a.  Chorion  mit  seinen  Zotten. 

bbbb.  Lamellen  der  Serotina. 

Figur  7.     Abortivei  des  dritten  Monats.    Fall.  6. 

Eröffnung  mit  einem  Längsschnitte,  welcher  die  Wand 
des  Eies  spaltet,  welche  theilweise  durch  die  Serotina 
gebildet  ist 

a.  Vera. 

b  b.  Ein  Theil  der  Umschlagsstelle. 
c.  fieflexa.     d.  Chorion.     e.  Serotina. 
/.  Mit  Blut  getränkte,  lamellöse  Anhänge  der  Serotina.    . 
g,  Wulstförmiger,  mit  Extravasat  durchsetzter  Drüsen- 
höcker  der  Serotina. 
In  der  Mitte  der   Eihöble  beiludet   sich   das   zusammen- 
gerollte Amnion,   welches  mit  Coagulis   verfilzt  und   be- 
deckt ist. 

Tafel  n. 

Figur  8.    Abortivei  des  dritten  Monats.     Fall  7. 

Das  Ei  ist  durch  einen  Längsschnitt  an  der  von  der  Serotina 
nicht  eingenommenen  Seite  seines  (Jmfaiigs  geöffnet. 
aa.  Lappen  der  Vera. 

b.  Traubenförmige,  gestielte  Anhänge  am  untern  Eipol. 
CO.  Reflexa.  d,  Chorion.  e.  Amnion.  /.  Nabelblase. 
g.  Nabelstrang. 

Figur  10.  ABC.     Decidua  menstrualis. 

A.  Die  äussere  Fläche  der  einen  Wandung  des  Decidua- 
Sackes  mit  ihren  zahlreichen  Drusenhöckerchen  und  darauf 
befindlichen  kleinen  Oeffnungen. 

a.  Umschlag  am  imtern  Rande. 

B.  Ein  Drüsenhöcker  unter  Loupenvergrösserung. 

C.  Die  äussere  Fläche  der  anderen  Wandung  des  Decidua- 
sackes. 

aa,    Lücken,    wahrscheinlich    den    Tubarostien    ent- 
sprechend. 


und  sam  Abort  in  des  ersten  Schwang« rschaftsmonaten.       g5 

b,  Lacke,  entsprechend  dem  inneren  Muttermunde.  Man 
siebt  den  zerrissenen  Rand  des  Umschlags,  dessen 
Beschaffenheit  es  wahrscheinlich  erscheinen  iässt, 
dass  hier  ursprünglich  die  Lücke  durch  eine,  wenn 
auch  dünne  Deciduaschichte  ?erschiossen  war. 

Figur  11.     Abortivei  des  dritten  Monats.    Fall  10. 

a.  Vera. 

b.  Reflexa. 

c.  Serotina.  Die  Drüsenhöcker  derselben  sind  lang  und 
umfangreich,  theil weise  durch  61utextra?asat  aus- 
gedehnt, an  der  Spitze  zersprengt,  oder  ganz  in 
Lamellen  auseiiiandergefallen. 

Figur  20.  Apoplectisch  desti*uirte  und  ausgestossene  Uterin- 
schleimhaut.   Fall  14. 

Man  sieht  in  Schichten  getrennte,  scheibenförmige  Coagula, 
auf  welchen  gestielte,  flaschenförmige  und  kolbenförmige 
Gebilde,  traubenartig  geordnet,  aufsitzen.  Letztere  stellen 
gewissermaassen  einen  Abguss  der  ausgedehnten  Drüsen 
des  Uterus  dar. 

Tafel  lU. 

Figur  4.  Durchschnittszeichnung  des  Fall  4  beschriebenen  Eies. 
Die  eine  Hälfte  der  Eiwand  fehlte. 

a  a,  Vera,  b  b.  Reflexa.  c.  Serotina,  e)  Nabelstrang, 
welcher  entfernt  von  der  Serotina  inserirt.  Man 
sieht  die  Ausbreitung  seiner  Gefässe,  von  welchen 
ein  Theil  nach  der  Serotina,  ein  anderer  Theil  nach 
anderen  Stellen  der  Eiwand  hinläuft.  Zwischen  Reflexa 
und  Chorion,  Serotina  und  Chorion  befindet  sich  ein 
massenhaftes  Blutextravasat 

Figur  9.  Figur  12 — 17.  Schematische  Längsdurchschnitte 
verschiedener  Eier ,  welche  hauptsächlich  dazu  dienen ,  die 
ausserordentliche  Verschiedenheit  in  der  Grösse  der  Sero- 
tina zu  veranschaulichen.  Die  natürliche  Grösse  der  Eier 
ist  dabei  streng  gewahrt. 

Figur  9.     a.  Serotina.     b.  Vera,     c  c.  Chorion. 
Figur  12 — 17.     aa,  Vera.     b.  Reflexa.     c.   Serotiua. 
d.  Chorion. 

Monatstebr,  f.  Oebartak.  1868.  Bd.XXI.,Sappl.-Hft.  5 


QQ  J.    Hegar,  Beiträge  zar  Pathologie  des  Eies  etc. 

In  Figur  9,  14,  15,  17  sieht  man  die  verschiedene  In- 
sertion des  Nabelstrangs,  welche  in  Fig.  9,  17  excentriscb, 
in  Fig.  15  centrisch  stattfindet.  Fig.  14  befindet  sich  die 
Insertion  ganz  entfernt  von  der  zukünftigen  Placenta. 

Figur  18.    Schematiscber  Längsdurchschnitt  eines  dreimonat* 
liehen  Abortiveies.     Fall  12. 
a.  Decidua  vera. 

b  b,  Blutgerinnsel,  darunter  Reste  des  Chorions  mit 
seinen  Zotten. 

Figur  19.    Schematiscber  Längsdurchschnitt  eines  iweimonat- 
lichen  Abortiveies.     Fall  13. 

a.  Vera.  b.  Reflexa.  c.  In  die  Länge  gezogene  und 
durch  Blutextravasat  destruirte  Serotina,  d,  Ghorioo. 
e.  Eihöhle. 


II.    Brealou,  Beitrag  lar  WUrdigang  etc.  67 

IL 

Beitrag  zur  Würdigung  des  Hofacker-Sadler'schen 

Gesetzes,  betreffend  das  Oeschlechtsverlialtniss 

der  Kinder  bei  relativer  Altersverschiedenheit 

der  Aeltem. 

Von 

Prof.  Dr.  Breslau  in  Zürich. 

Seitdem  Johann  Peter  Süssmihh  *)  nachgewiesen  hat, 
dass  eines  der  constanteslen  Gesetze  der  Natur  oder  „der 
göttlichen  Ordnung''  darin  bestehe,  dass  im  Ganzen  und  Grossen 
jederzeit  und  überall  und  unter  allen  Verhältnissen  mehr 
Knaben  als  Mädchen  und  zwar  in  dem  Verhältnisse  von  21 :  20 
oder  26:25  geboren  werden,  hat  es  nicht  au  Versuchen 
gefehlt,  die  Gründe  für  den  constanten  aber  doch  innerhalb 
enger  Grenzen  schwankenden  Knabenüberschuss  aufzudecken. 
Ganz  enge  mit  der  Erforschung  dieses  Verhältnisses  zusammen- 
hängend ist  die  Frage  über  die  Ursache  der  geschlechtlichen 
Entwickelung  nach  der  männlichen  oder  weiblichen  Seite  hin 
ohne  Rücksicht  auf  das  oder  —  und  es  versteht  sich,  dass 
wenn  man  einmal  dazu  gelangen  würde  die  Gründe  oder  einen 
der  wesentlichsten  Gründe  aufzudecken,  welche  auf  die  Pro- 
duction  der  Knaben  und  der  Mädchen  einwirken,  es  leicht 
wäre  zu  erkläi^en,  wie  bei  dem  Vorwalten  des  noch  mibe- 
kannten  X  für  die  Knabenproduclion  die  Anzahl  der  Knaben 
im  Vergleiche  zu  der  der  Mädchen  sich  erhebt  oder  wie  diese 
unter  Umständen  häufiger  werden  können,  wenn  das  X  der 
Knabenproduction  dem  X  der  Mädchenproduction  nachsteht. 
Meine  Absicht  ist  nicht,  historisch  zu  verfolgen  und  nach- 
zuweisen, wie  weit  sich  der  speculative,  menschliche  Geist 
in  der  Verfolguug  auf  der  angedeuteten  Bahn  gewagt  hat,  zu 
welchen  Scheingründen  und  a  priori  unhaltbaren  Hypothesen 


1)  Die  göttliche  Ordnung  in  den  Veränderongen  des  mensch- 
lichen Geschlechts  o.  s.  w.  von  Johann  FeUr  SüumÜek,  IV.  Ausgabe. 
Berlin  1775.    II.  TheU,  S.  241. 

6* 


g^  II.     Breslau t  Beitrag  zur  Würdig^nng 

man  gekommen  ist.  Die  ganze  Angelegenheit  ist  bis  jetzt 
nur  um  weniges  weiter  gediehen  als  sie  vor  fast  100  Jaliren 
stand  und  es  wurde  sich  kaum  der  Mühe  lohnen,  Das  und 
Jenes  wieder  hervorzuheben,  was  grossentheils  schon  von 
Andern  widerlegt  ist,  oder  beim  ersten  Anblick  von  selbst 
zusammenstürzt.  Was  einzig  von  den  vielen  Erklärungs- 
versuchen über  die  das  Geschlechtsverlialtniss  der  Kinder  be- 
dingenden Ursachen  übrig  bleibt,  nachdem  die  neueste  Hypo- 
these des  Herrn  Dr.  Ploss  theilweise  durch  mich  ^)  und  ganz 
unabhängig  von  mir  durch  Prof.  Wappaeus^)  ihre  Erledigung 
gefunden  hat,  ist  das  sogenannte  Hofacker-Sacller*sche  Gesetz, 
welches  bis  jetzt  allen  Gegenproben  siegreich  widerstanden 
hat  und  berufen  zu  sein  schien,  in  der  Populationistik  eine 
sehr  hervorragende  Rolle  zu  spielen.  Es  war  dieses  Gesetz 
bei  den  Physiologen  ^)  sowohl  wie  bei  den  Statistikern  schon 
so  sehr  zum  Ansehen  gelangt,  dass  es  fast  frevelhaft  erscheinen 
muss,  an  demselben  rütteln  zu  wollen,  aber  bei  einer  genauen 
Revision  der  vorhandenen  von  Andern  gegebenen  statistischen 
Belege  für  oben  genanntes  Gesetz  und  bei  einem  Versuche 
aus  den  mir  zu  Gebote  stehenden  Angaben,  das  Gesetz  be- 
stätigen und  in  gleicher  Richtung  weiter  bauen  zu  können, 
haben  sich  bei  mir  die  gegründetsten  Zweifei  an  dessen 
Richtigkeit  erhoben,  und  ich  werde  im  Verlaufe  der  folgenden 
kleinen  Abhandlung  Gelegenheit  haben  zu  zeigen,  mit  welcher 
Vorsicht  die  von  vielen  Hypothesen  noch  übrig  gebliebene 
Hypothese  aufzunehmen  ist  und  wie  sehr  sie  noch  von  all- 
gemeiner Verwerthbarkeit  entfernt  ist.  — 

Dr.  Hofacker,  Professor  der  Medicin  in  Tubingen,  hat 
im  Jahre  1828  eine  kleine  Schrift:  „über  die  Eigenschaften, 
welche  sich  bei  Menschen  und  Thieren  von  den  Aeltern  auf 
die  Nachkommen  vererben  u.  s.  w."  herausgegeben,  in  welcher 


1)  Cfr.  Oeaterlen'a  Zeitschrift  für  Hygieine  und  SutiBtik,  H.  2, 
und  Monatflächrift  für  Gebnrtäknnde,  Bd.  XVIII.,  H.  6. 

2)  Wappäus,  Allgem.  Bevülkerangsstatistik,  II.  Bd.,  8. 167  u.  f. 

3)  Leuekart  in  R.  Wagner^a  Handwörterbuch  der  Physiologfie, 
Bd.  IV,  S.  774,  wo  es  u.  A.  heisst;  „Die  Thatsache,  dass  die 
relativen  AUersverschiedenheiten  der  Kitern  von  grösstem  Kinflus» 
auf  das  Geschlecht  der  Nachkommen  seien,  wird  sich  nicht  lauger 
besweifeln  lassen  **. 


des  Sadler-Hofacker^achen  Gesetzes  etc.  69 

sieb,  neben  einer  Reihe  sehr  lesenswertber,  interessanter  Be- 
obachtungen auch  ein  Capitel:  „über  den  Einfluss  des  Alters 
der  Zeugenden  auf  das  Geschlecht  des  Kindes''  findet.  An- 
knöpfend an  eine  Bemerkung  von  Aristoteles  über  den  Ein- 
fluss des  Altei^  auf  die  Erzeugung  von  Knaben  und  Hädchen 
geht  Hofacker  auf  die  Untersuchungen  über,  welche  Morel 
de  Vinde  im  Jahre  1812  und  1813  anstellte,  um  die  bei 
den  Schäfern  verbreitete  Meinung,  dass  junge  Schafmutter 
mehr  weibliche,  ältere  dagegen  mehr  männliche  Lämmer  ge- 
bären, zu  prüfen.  Morel  de  Vind4  schloss  aus  seinen  eigenen 
Beobachtungen,  dass  das  Alter  der  Mutter  durchaus  keine 
Folgerung  auf  das  zu  erwartende  Geschlecht  der  Lämmer  er- 
laube, aber  aus  denselben  Zahlen,  welche  Morel  nicht  weiter 
verwerthen  zu  können  glaubte,  zog  später  Girou  de  Baza- 
reingues  eine  Reihe  von  Gesetzen  über  die  Abhängigkeit  des 
Geschlechtes  der  Schafe  vom  Alter  des  Zeugenden.  Das  war 
der  Ausgangspunkt  für  die  Untersuchungen,  welche  Hofacker 
über  den  Einfluss  des  Alters  der  Aeltern  bei  Menschen  auf 
das  Geschlecht  des  Kindes  anstellte,  mit  welchem  Gegenstande 
sich  vor  ihm  Niemand  befasst  hatte.  Er  benutzte  das  Tübinger 
Familienregister  und  zog  aus  demselben  2000  Kinder  aus, 
welche  ihn  in  den  Stand  setzten,  den  wahrscheinlichen  Ein- 
fluss des  Alters  der  Aeltern  auf  das  Geschlecht  des  Kindes 
nach  ziemlich  mannigfaltigen  Verhältnissen  zu  berechnen.  Das 
Verliältniss  der  Knaben  zu  den  Mädchen  unter  diesen  2000 
(eigentlich  nur  1996)  Kindern  war  wie  107,5  :  100.  Die 
2000  Kinder  stammten  aus  38G  Ehen.  In  242  dieser  Ehen 
war  der  Yater  älter  als  die  Muttor  und  es  verhielt  sich  bei 
diesen  Ehen,  welchen  1283  Kinder,  darunter  684  Knaben 
und  589  Mädchen  entsprangen,  das  Geschlecht  der  Knaben 
zu  dem  der  Mädchen  wie  117,8 :  100. 

In  27  der  386  Ehen  waren  Vater  und  Mutter  gleich 
alt.  Bei  diesen  Ehen,  welchen  145  Kinder,  nämlich  70  Knaben 
und  75  Mädchen  entsprangen,  war  das  Verhäitniss  der  Knaben 
zu  den  Mädchen  wie  92  :  100. 

In  einer  dritten  Glasse  von  117  Ehen  endlich,  bei  welchen 
die  Mutter  älter  als  der  Vater  war,  und  welchen  568  Kinder, 
darunter  270  Knaben  und  298  Mädchen  entsprangen,  ver- 
hielten sich  Knaben  zu  Mädchen  wie  90,6  :  100. 


70  I^*     BrealaUf  Beitrag  cur  Würdigung 

Hof  acker  spaltete  ferner  die  EKen,  in  welchen  der  Vater 
älter  war,  in  mehrere  Classen,  je  nachdem  die  Altersdifferenz 
1 — 3  Jahre,  3 — 6  Jahre,  6 — 9  Jahre  und  9 — 12  Jahre  und 
darüber  betrug  und  berechnete  auch  hi^  das  Geschlechts- 
verhältniss  der  Kinder. 

Stets  war  hierbei  die  Zahl  der  Knaben  grösser  wie  die  der 
Mädchen,  nur  schien  es  Hofacker  auffallend,  dass  wenn  der 
Vater  3~-6  Jahre  älter  war,  als  die  Mutter,  das  Ueberge wicht 
der  Knaben  nicht  so  gross  war,  wie  wenn  er  nur  1 — 3  Jahre 
mehr  hatte. 

XvS  Hofackef^s  Veranlassung  stellte  auch  Pfarrer  Dörr 
in  Hagelloch,  einem  nahe  bei  Tübingen  gelegeneu  Dorfe,  Unter- 
suchungen in  gleicher  Richtung  an,  welche  in  Bezug  auf  die 
Hauptmomente  zu  ähnlichen  Resultaten  führten  wie  die  Hof- 
acier'schen.  Sie  erstrecken  sich  aber  nur  über  265  Kinder, 
welche  17  Ehen,  in  denen  der  Vater,  und  43  Ehen,  in  welchen 
die  Mutter  älter  war,  angehörten,  und  es  versteht  sich,  dass 
auf  so  kleine  Zahlen  kaum  irgend  eine  Bedeutung  zu  legen 
ist  Auch  Pfarrer  Boasert  in  Entringen  stellte  ähnliche  Unter- 
suchungen an;  indess  theilt  Hofacker  die  wahrscheinlich 
sehr  kleine  Zahl  derselben  gar  nicht  mit  und  sie  müssen 
desshalb  ganz  unberücksichtigt  bleiben. 

Noch  nach  einer  andern  Richtung  suchte  Hofacker  den 
Einfluss  des  Alters  der  Eltern  auf  das  Geschlecht  der  Kinder 
zu  erforschen.  Er  theilte  Väter  und  Hütter  in  drei  Alters- 
classen,  in  junge,  mittlere  und  alte.  Junge  Väter  nahm  er 
an  als  zwischen  24 — 36  Jahren  stehend. 

Einen  mittleren  zwischen  36 — 48  Jahren. 

Einen  allen  „         48—60      „ 

Eine  junge  Mutter    „         16 — 26      ^ 

„     mittlere     „      „         26 — 36      „ 

„    alte  „      „         36—46      „ 

Nun  verglich  er  die  neun  zwischen  den  drei  Altersdassen 
beider  Geschlechter  möglichen  Combinationen  wie  es  auch 
Girou  de  Bazareinguea  bei  den  Schafen  gethan  hatte ,  und 
berechnete  wie  das  Geschlechtsverhältniss  der  Kinder  d)  bei 
jungen  Männern  mit  jungen  Weibern,  h)  bei  jungen  Männern 
mit  Frauen  mittleren  Alters,  c)  bei  jungen  Männern  mit  alten 
Frauen,  d)  bei  mittleren  Männern  mit  jungen  Frauen,  e)  bei 


des  Sadler-  ffcfaeker^schen  Gesetzes  etc.  71 

mittleren  Männern  mit  mittleren  Frauen  sei  u.  s.  w.  in  gleicher 
Weise  durch  alle  neun  Combinationen  hindurch.  Auf  diese 
Weise  wurde  nicht  bloss  auf  das  relative  Alter  der  Aeltern, 
sondern  auch  auf  das  absolute  Alter  Rücksicht  genommen, 
und  jedenfalls  gebührt  Hofacker  das  Verdienst  den  Weg  zu 
Untersuchungen  ähnlicher  Art  hiermit  vorgezeichnet  zu  haben, 
wenngleich  andrerseits  nicht  zu  läugnen  ist,  dass  die  Hof- 
acX;6r'sche  Eintheilung  in  jung,  roitteljung  und  alt,  wenn  sie 
auch  den  angenommenen  Jahren  nach  ziemlich  richtig  sein 
sollte  und  in  der  Natur  selbst  vielleicht  begründet  ist,  doch 
bei  kleinen  Statistiken  wie  seine  eigene  ist,  zu  keinem  nur 
irgendwie  maassgebenden  Resultate  führen  kann,  indem  ganz 
ungleiche  und  zum  Theil  verschwindend  kleine  Grössen  mit 
einander  verglichen  werden,  bei  grossen  Statistiken  aber  auf 
grosse  Schwierigkeiten  in  der  Ausscheidung  der  neun  Classen 
gestossen  werden  muss,  besonders  wenn  es  sich  um  die  lieber- 
sieht  über  mehrere  Jahre  oder  Jahrzehute  handelt,  da  z.  B. 
ein  Vater,  der  zur  Zeit  der  Erzeugung  des  ersten  Kindes 
35  Jahre  und  somit  noch  jung  war,  5  Jahre  später,  bei  Er- 
zeugung des  zweiten  Kindes,  40  Jahre  alt  ist  und  in  die 
Classe  der  Männer  mittleren  Alters  gehört  Hofacker  selbst 
hat  einen  grossen  Fehler  darin  begangen,  dass  er  bei  seiner 
Zusammenstellung  nach  den  neun  angedeuteten  Classen  auf 
das  Alter  der  Aeltern  zur  Zeit,  als  die  Kinder  geboren  wurden, 
Rücksicht  nahm,  aber  übersah,  dass  die  gleichen  Eltern, 
denen  die  2000  Kinder  entsprangen,  zur  Zeit  der  Verhei- 
rathung  und  successiven  Erzeugung  der  Kinder  in  anderen 
als  den  voii  ihm  berechneten  Altersclassen  sich  befanden. 
Es  scheint  mir  daher  unnöthig,  die  Hofacker*^hen  Resultate, 
die  er  aus  dem  Vergleiche  des  absoluten  und  relativen  Alters 
der  Aeltern  gewonnen  und  in  seiner .  Abhandlung  S.  52  —  55 
ausführlich  mitgetheilt,  weiter  zu  verfolgen.  Anders  verhält  es 
sich  mit  der  Rücksichtnahme  auf  das  relative  Alter  der  Aeltern 
allein,  worüber  sich,  wie  oben  erwähnt,  die  Hofacker'schea 
Untersuchungen  auch  ausbreiten..  Das  relative  Alter,  nur  nach 
drei  Seiten  variabel,  je  nachdem  Vater  oder  Mutter  älter  oder 
beide  gleich  alt  sind,  erleidet  natürlich  keine  Aenderung,  ob 
sich  die  Betrachtung  auf  ein  oder  mehrere  Kinder  gleicher 
Eltern  erstreckt    Immer  beibt  durch  das  ganze  Leben  hin- 


72  n.     Breslau  j  Beifrag  snr  Wiirdigung 

durch  der  Vater  so  und  so  viel  älter,  junger  oder  gleich  alt 
als  die  Mutter  und  es  kann,  wenn  überhaupt  die  relative  Alters- 
verschiedenheit einen  Einfluss  auf  das  Geschlecht  des  Kindes 
hat,  verhältnissmässig  leicht  eine  Uebersicht  gewonnen  und 
eine  oder  die  andere  Folgerung  deducirt  werden.  Wollen 
wir  uns  vorerst  bei  denjenigen  Folgerungen  aufhalten,  welche 
Hofacker  aus  der  von  ihm  mitgetheilten  relativen  Alters- 
verschiedenheit der  Aeltern  gezogen  hat,  so  sind  es  folgende : 

1)  Es  werden  im  Allgemeinen  mehr  Mädchen  ge- 
boren, wenn  die  Mutter  aller  ist  als  der  Vater, 
(während,  setzl  Hofacker  hinzu,  sonst  in  Europa  die 
Zahl  der  Knaben  zu  derjenigen  der  Mädchen  sich  ver- 
hält wie  104  :  100,  in  Tübingen  wie  107,5  :  100). 

2)  Es  werden  gleichfalls  mehr  Mädchen  als  Kna- 
ben geboren,  wenn  Vater  und  Mutter  gleich 
alt  sind,  (indem  eine  Frau,  die  in  demselben  Jahre 
wie  der  Mann  geboren  ist,  durch  alle  Altersstufen  hin- 
durch als  alter,  denn  ilir  Mann,  angesehen  werden  muss). 

3)  Es  werden  im  Allgemeinen  mehr  Knaben  als 
Mädchen  geboren,  wenn  der  Vater  älter  als 
die  Mutler,  und  zwar  in  fortschreitender  Pro- 
gression mehr  Knaben  als  der  Vater  älter  ist 
(Nur  wenn  der  Vater  3  —  6  Jahre  älter  war,  war  das 
Uebergewicht  nicht  so  gross.  Es  hat  sich  dabei  das 
Verhältniss  von  103,4  :  100  herausgestellt,  wie  es  bei- 
läufig in  ganz  Europa  ist  und  es  findet  wahrscheinlich 
in  den  meisten  europäischen  Ehen,  besonders  auf  dem 
Lande,  ein  solches  Altersverhällniss  der  beiden  Gatten 
statt,  dass  nämlich  der  Mann  3 — 6  Jahre  älter  ist,  als 
die  Frau). 

Bevor  wir  nun  zum  Vergleiche  mit  andern  Statistiken 
über  gleichen  Gegenstand  übergehen,  versuchen  wir  die 
^o/acX;6r'sche  Statistik  und  seine  Folgerungen  etwas  kritisch 
zu  beleuchten.  Vor  Allem  ist  gegen  Hofacker  einzuwenden, 
dass  die  Zahlen,  mit  welchen  es  operirl,  viel  zu  klein  sind, 
um  bis  dahin  verborgene  Naturgesetze  aufzufinden.  Sie  würden 
hinreichen,  um  bereits  aufgefundene  zu  bestätigen.  Ferner 
ist  uns  von  Hofacker  nicht  mitgetheilt,  aus  welchem  Zeil- 
abschnitt des  Tübinger  Familienregisters  die  Zahlen  entnommen 


des  SadUr'Hofaeker^Heheu  Gesetzes  etc.  73 

sind,  ob  gleiche  Verhältnisse  in  Tübingen  früher  schon  be- 
standen,  und  endlich  wissen  wir  nicht,  ob  bei  der  Anzahl 
der  Geborenen  die  Todtgeborenen  mit  eingerechnet  sind  oder 
nicht,  ein  Umstand,  der  auf  das  Geschlechtsverhältniss  der 
Kinder  einen  nicht  unbedeutenden  Einfluss  hat.  Was  Hof" 
acker*8  Folgerungen  betrifil,  so  hätte  sich  Hofacker  durch 
seine  eigene,  übrigens  auf  falschen  Prämissen  beruhende  Be- 
obachtung^), dass  in  ganz  Europa  das  Geschlechtsverhältniss 
der  Kinder  wie  100  Mädchen  zu  104  Knaben  sei,  während  es 
in  Tübingen  wie  100  :  107,5  sich  verhalte,  zu  vergleichenden 
Forschungen  über  die  Altersverschiedenheit  der  Aeltern  in 
andern  Ländern  veranlasst  sehen  müssen,  um  dadurch  einen 
sichern  Anhaltspunkt  für  seine  Hypothese  zu  gewinnen.  Das 
ist  aber  nicht  geschehen  und  es  entbehrten  schon  deswegen 
seine  Folgerungen  einer  soliden  Grundlage.  Weiter  ist  zur 
zweiten  Folgerung  zu  bemerken,  dass,  wenn  es  auch  phy- 
siologisch richtig  ist,  dass  eine  gleichaltrige  Frau  im  Ver- 
gleiche zum  Manne  älter  ist,  da  sie  früher  gereift  ist  und 
früher  der  Decrepidität  entgegen  geht,  und  wenn  deswegen 
bei  gleich  alten  Aeltern  die  Mädchenzahl  immer  noch  über- 
wiegend ist,  es  doch  eine  Zeit  geben  muss,  in  welcher  die 
AltersdifTerenz  zwischen  Mann  und  Frau  physiologisch  sich 
ausgleicht,  mag  dies  nun  sein,  wenn  diese  1,  2,  3  oder  6  Jahre 
jünger  ist,  und  es  müsste  erwartet  werden,  dass  bei  einer 
gewissen  Altersverschiedenheit  männliches  und  weibliches  Ge- 
schlecht bei  den  Kindern  gleich  an  Anzahl  stehen,  was  aber 
Hofacker,  so  nothwendig  es  für  seine  Hypothese  auch  wäre, 
seihst  nicht  nachzuweisen  vermag. 

Wollen  wir  uns  aber  bei  den  Einwendungen  gegen  die 
immerhin  viele  Anerkennung  verdienende  Arbeil  Hofacker'^ 
nicht  zu  lange  aufhalten,  sondern  auf  einen  Statistiker  grossen 
Namens  übergehen,  der  einige  Jahre  nach  Hofacker  und 
ohne  von  dessen  Berechnungen  Kenntniss  gehabt  zu  haben, 
von  selbst  auf  die  Erforschung  der  Ursachen  der  Geschlechts- 
proportion der  Kinder  mit  Bezug  auf  das  Alter  der  Aeltern 
seine  Aufmerksamkeit  richtete. 


1)  8.  weiter  unten  das  im  AUgeraeinen  geltende  Geschlechts- 
TerhSltniss. 


74  I^-     BrealaUf  Beitrug  zur  Würdigung 

Michael  Thomas  Sadler  hat  im  3.  Capitel  des  IV. 
Buches  seines  berühmt  gewordenen  Law  of  population,  Lon- 
don 1830  eine  Uebersicht  über  2068  Kinder  gegeben,  welche 
381  ersten  und  fruchtbaren  Ehen  der  englischen  Peerage 
entsprangen. 

Das  Verhältniss  der  1105  Knaben  zu  963  Mädchen  war 
wie  1147  :  1000. 

Der  Mann  war  in  54  Ehen  jünger  als  die  Frau.  Diesen 
54  Ehen  entsprangen  122  Knaben  und  142  Mädchen.  Das 
Verhältniss  der  Knaben  zu  den  Mädchen  war  also  wie  865 
zu  1000. 

Das  Alter  der  Eltern  war  in  18  Ehen  gleich.  Diesen 
18  Ehen  entsprangen  54  Knaben  und  57  Mädchen  oder  975 
Knaben  zu  1000  Mädchen. 

Der  Mann  war  309  Mal  älter  als  die  Frau  und  diesen 
309  Ehen  entsprangen  929  Knaben  und  765  Mädchen.  Die 
Knaben  verhielten  sich  also  zu  den  Mädchen  wie  1214 :  1000. 

Weiter  ist  für  diese  letzte  Classe  von  Sadler  noch  ähn- 
lich wie  von  Hofacker  die  Unterabtheilung  gemacht  worden, 
je  nachdem  der  Mann  1 — 6,  6 — 11,  11 — 16,  16—21  und 
21  und  darüber  Jahre  älter  war  als  die  Frau  und  es  fand 
sich,  dass  in  dem  Maasse,  wie  der  Vater  älter  war,  die  An- 
zahl der  erzeugten  Knaben  grösser  wurde.  Sadler  hält  sich 
durch  seine  in  Form  einer  Tabelle  gegebene  Statistik  zu 
folgendem  Schlüsse  berechtigt: 

Das  Geschlechtsverhältniss  der  Kinder  wird  in 
solcher  Weise  durch  die  Altersdifferenz  der  Aeltern 
geleitet  und  regulirt  (govemed  and  regulated),  dass 
durchschnittlich  das  Geschlecht  desjenigen  Theils 
der  Eltern  vorherrscht,  dessen  Alter  vorwiegt. 

Es  ist  wirklich  zu  verwundern,  dass  Sadler,  ein  Statis- 
tiker von  Fach,  der  mit  grossen  Zahlen  zu  arbeiten  gewohnt 
war  und  das  Trügerische  der  kleinen  Zahlen  wohl  kannte, 
so  unbedingt  und  über  allen  Zweifel  erhaben  (S.  342)  aus 
dem  Vergleiche  der  relativen  Altersverschiedenheit  von  762 
Geburten  mit  dem  Geschlechte  von  2068  Kindern  eines  seiner 
Populationsgesetze  abzuleiten  wagte,  und  es  kann  Sadler 
doch  unmöglich  entgangen  sein,  dass  eine  Summe  von  2068 
Kindern,    bei    welchen   das   ganz    anomale   Verhältniss   eines 


des  Sedier -Ho/acker* sehen  Gesetzes  etc.  75 

Knabenuberschusses  von  1147  :  1000  Mädchen  sich  findet, 
schon  deswegen  nicht  gut  zum  Ausfindigroachen  eines  Gesetzes 
sich  eignet,  was  auf  grosse  Bevölkerung  anwendbar'  werden 
soU,  in  welcher  Knaben  zu  Mädchen  ungefähr  wie  1060  zu 
1000  sich  verhalten. 

Zwei  andere  Tabellen,  deren  Zahlen  ebenfalls  der  eng- 
lischen Peerage  entnommen  sind,  fuhren  Sadler  zu  den 
Polgerungen,  1)  dnss  das  vorgerückte  Alter  des  Mannes  die 
Zahl  der  männlichen  Geburten  vermehre  und  2)  dass  das 
Alter  der  Frau  keinen  Einfluss  auf  das  Geschlecht  der  Kinder 
ausübe.  Hier  ist  also  auf  das  absolute  Alter  der  Aeltem 
Rücksicht  genommen,  weiter  oben  auf  das  relative  Alter  der 
Eltern.  Mit  jenem  haben  wir  nichts  weiter  zu  thun,  mit 
diesem  allein  haben  wir  uns  zu  beschäftigen  und  es  ist  in 
der  That  recht  auifallend,  wie  sehr  im  Allgemeinen  die  Hof- 
acker*schen  und  Sadler'sichen  Resultate  mit  einander  über- 
einstimmen. Was  man  also  Hofacker-Sadler^sches 
Gesetz  nennt,  kann  mit  folgenden  Worten  zusammengefasst 
und  ausgedrückt  werden: 

1)  Ist  der  Vater  älter  als  die  Mutter,  (das  gewöhn- 
lichste der  Verhältnisse)  so  werden  mehr  Knaben 
als  Mädchen  producirt. 

2)  Sind  beide  Aeltern  gleich  alt,  (das  zweit  gewöhn- 
liche Verhältniss)  so  werden  weniger  Knaben  als 
Mädchen  producirt,  aber  die  Anzahl  der  Kna- 
ben und  Mädchen  nähert  sich  einander. 

3)  Ist  die  Mutter  älter  als  der  Vater,  (das  unge- 
wöhnlichste Verhältniss)  so  werden  überwiegend 
mehr  Mädchen  als  Knaben  producirt. 

Das  Sadler- Hof acker'sche  Gesetz  wurde  nun  lange 
Zeit  nicht  weiter  verfolgt,  vermuthlich  weil  in  den  wenigsten 
Ländern  bei  den  Geburtslisten  Rücksicht  auf  das  Aller  der 
Eltern  genommen  wurde,  bis  erst  in  den  fünfziger  Jahren 
die  Sache  von  Neuem  aufgegriffen  wurde. 

Im  Jahre  1854  legte  Herr  J.  Vtnc.  Goehlert  der  kaiser- 
lichen Academie  der  Wissenschaften  zu  Wien  ^)  Untersuchungen 


1)    8.    die    Sitsangsberichte    der    philosophisch -historischen 
Classe  der  kaiserl.  Akademie  der  Wissenschaften,  Bd.  XII.,  S.  510. 


76  II      Breslau,  Beitrug  zur  Würdigung 

aber  das  Sexual- Verhältniss  der  Gebornt'n  vor,  welche  an  die 
von  Hofacker  und  Sadler  anknüpfend  gleichen  Gegenslaad 
behandeln.  Herr  Goehlert  unterzog  sich  der  mühevollen 
Aufgabe,  aus  25  Jahrgängen  des  Gotha'schen  genealogischen 
Almanachs,  welcher  die  fürstlichen  Familien  der  meisten  euro- 
päischen Länder  umfasst,  die  erforderlichen  Daten  zu  ent- 
nehmen, wobei  nur  erste  Ehen  und  solche  mit  wenigstens 
zwei  Kindern  berücksichtigt  wurden,  um  hierdurch  (?)  allen 
die  Berechnung  störenden  Einflüssen  anderer  Momente  im 
Vornhinein  zu  begegnen.  Die  in  solcher  Weise  gewonnenen 
Angaben  umfassen  953  Eben,  in  welchen  4584  lebende  Kinder, 
nämlich  2351  Knaben  und  2233  Mädchen  geboren  wurden. 
Es  crgiebt  sich  daraus  eine  Goschlechtsproportion  von  1053 
Knaben  gegen  1000  Mädchen,  was  mit  der  allgemeinen  Sexual- 
proportion von  ganz  Europa  gut  übereinstimmt. 

Bei  Ausscheidung  nach  dem  relativen  Alter  der  Aeltern 
wurden  geboren: 

1)  Bei  geringerem  Alter  der  Frau  2017  Knaben  und  1865 
Mädchen  oder  1081,5  Knaben  :  1000  Mädchen. 

2)  Bei  gleichem   Alter  der  Aeltern   263  Knaben  und  282 
Mädchen  oder  932,6  Knaben  :  1000  Mädchen. 

3)  Bei  geringerem  Alter   des  Mannes   71  Knaben  und  86 
Mädchen  oder  825,6  Knaben  :  1000  Mädchen. 

Somit  sind  auch  die  Resultate  von  GoeJdert  mit  denen 
von  Hofacker  und  Sadler  gut  übereinstimmend,  und  es 
verdienen  die  GoehleH'schen  Resultate  der  Menge  der  bei- 
gebrachten Zahlen  wegen  schon  mehr  Vertrauen  als  die  seiner 
Vorgänger. 

Eine  weitere  statistische  Angabe  über  gleichen  Gegen- 
stand fand  ich  in  den  etudes  statistiques  sur  la  mortalite  et 
la  duree  de  la  vie  dans  la  ville  et  Tarrondissement  de  Dqon 
von  Af.  L.  Noirot    2,  Ausgabe,  Paris  1852. 

In  dem  4.  Capitel  dieser  kleinen,  in  vieler  Beziehung 
recht  lesenswerthen  Schrift  wirft  Noirot  die  Frage  auf:  ob 
die  stets  grössere  Anzahl  männlicher  Geburten  ein  unveränder- 
liches Gesetz  ist  und  beantwortet  diese  Frage  dahin,  dass  ein 
rein  zufalliger  Einfluss,  von  der  relativen  Altersverschieden- 
heit der  Aeltern  herrührend,  eine  grosse  Rolle  in  der  ge- 
schlechtlichen   Bestimmung    des   Eies    ausübe.      Das   relative 


des  8adler-Hofacker*Bchen  Gesetses  etc.       >  77 

Alter  der  Aeltern  von  4000  Kindern,  worunter  2034  Knaben 
und  1965  Mädchen,  welche  in  Dijon  geboren  wurden,  lieferte 
ihm  folgende  Verhältnisse: 

1)  Vater  jünger  als  die  Mutter:  441  Mädchen  514  Knaben 
=  100  :  116. 

2)  Vater  1—5  Jahre  älter:  702  Mädchen,  660  Knaben 
=  100  :  94. 

3)  Vater  5  — 10  Jahre  älter:  822  Mädchen,  860  Knaben 
=  100  :  104. 

Man  sollte  nun  meinen,  es  -sei  eine  leichte  Aufgabe,  aus 
den  angegebenen  Zahlen  in  klaren  und  bestimmten  Worten 
die  Resultate  zu  sammeln  und  etwa  zu  sagen: 

1)  War  der  Vater  jünger  als  die  Mutter,  so  wurden  be- 
deutend mehr  Knaben  als  Mädchen  geboren. 

2)  War  der  Vater  1  —  5  Jahre  älter  als  die  Mutter,  so 
wurden  weniger  Knaben  als  Mädchen  geboren. 

3)  War  der  Vater  5 — 10  Jahre  älter  als  die  Mutter,  so 
wurden  wieder  mehr  Knaben  als  Mädchen  geboren, 
aber  nicht  so  viel  Knaben  als  wenn  der  Vater  jünger 
war  als  die  Mutter. 

Diese  Folgerungen  aber,  die  jeder  unbefangene  Leser 
sich  selbst  ziehen  kann,  wenn  er  obige  Zahlen  liesst,  hat 
Noirot  nicht  gezogen.  Seine  Folgerungen  passen  zu  seinen 
Zahlen  wie  eine  Faust  auf  ein  Auge.  Lassen  wir  ihn  selbst 
reden  und  führen  wir,  um  alle  Missverständnisse  einer  lieber- 
Setzung  zu  vermeiden,  den  französischen  Text  an:  „Ainsi, 
lorsque  la  femme  est  plus  ägee  que  le  marl,  les  naissances 
feminines  l'emportent  sur  celles  du  sexe  oppose.  On  observe 
an  rapport  inverse  lorsque  le  p^re  est  de  quelques  annees 
seulement  plus  ige  que  la  m^re,  mafs  ce  rapport  change  et 
les  naissances  masculines  deviennent  de  nouveau  les  moins 
nombreuses,  lorsqu'il  y  a  entre  Tage  des  conjoints  assez  de 
disproportion  pour  que  Favantage  de  la  force  soit  cense  appar- 
tenir  ä  la  mere." 

Ich  habe  vergebens  nach  einem  Schlüssel  zur  Lösung 
des  Widerspruchs  zwischen  Zahlen  und  Folgerungen  gesucht 
und  kann  ihn  nicht  finden.  Man  kann  keinen  Druckfehler 
supponireii,  denn  man  weiss  nicht,  wohin  man  ihn  zu  setzen 


78  n.     BrM^au,  Beitrag  sarWfirdigang 

hat,  man  sucht  vergebens  nach  einem  Rechnungsfeliler;  er 
ist  nicht  vorhanden,  man  möge  mich  auch  keines  lieber- 
setzungsfehlers  beschuldigen,  denn  Sätze  wie:  „Pere  plus 
jeune  que  ia  mere''  u.  s.  w.  können  nicht  anders  übersetzt 
werden  als  ich  es  gethan  habe.  Es  bleibt  somit  für  mich 
und  meinen  Zweck  nichts  anderes  übrig,  als  mich  an  Noirof& 
Zahlen  allein  zu  halten,  die,  so  weit  ich  sie  einer  Controle 
unterziehen  konnte,  bis  auf  eine,  die  veimuthlich  ein  Druck- 
fehler ist,  richtig  sind.     Es  soll  nämlich  oben:   Unter  1  bis 

5  Jahre  älter  u.  s.  w.  heissen:  100  :  91  statt  100  :  94 

• 

Was  bei  Noirofs  Zahlen  auffallend  ist  und  leider  einen 
Vergleich  nur  zu  %  ^^^  ^^^  Hofacker'Sy  Sadler'^  und 
GoeMerfs  Angaben  erlaubt,  das  ist  der  Umstand,  dass  er 
nur  die  Gesclilechtsproportion  der  Kinder  anführt,  bei  welchen 
der  Vater  entweder  älter  oder  jünger  als  die  Mutter  war; 
aber  diejenigen  ganz  ausser  Auge  lässt,  bei  weichen  die 
Aeltern  gleich  alt  waren,  und  doch  'dient  dieses  überall  und 
gewiss  auch  in  Dijon  vorkommende  relative  Altersverhältniss 
gewissermaassen  als  verbindendes  Mittelglied  zwischen  dem 
relativ  höheren  oder  niederen  Alter  des  einen  der  beiden 
Theile  der  Aeltern. 

Die  grössten  Zahlen  zur  Kenntniss  des  Einflusses  der 
relativen  Altersverschiedenheit  der  Aeltern  auf  die  Geschlechts- 
proportion der  Kinder  hat  Legoyt,  der  Chef  der  division  de 
la  statistique  in  Paris  geliefert.  Durch  eine  Anmerkung  S.  198 
des  II.  Bandes  der  vortrefflichen  allgemeinen  Bevölkerungs- 
statistik von  Prof.  Wappaeus  auf  Legoyt  hingewiesen,  habe 
ich  getrachtet,  die  Angaben  dieses  Forschers  im  Originale 
selbst,  wie  ich  es  bei  Hofacker^  Sadler  etc.  gethan  habe, 
nachzulesen.  Leider  ist  es  mir  aber  trotz  mancher  Bemühung 
nicht  gelungen,  das  Legoyt*Bche  Buch  zur  Einsicht  zu  er- 
halten. Indess  hat  Herr  Prof.  Wappaeus  die  Freundlichkeit 
gehabt,  aus  Legoyt*&  Statistique  de  la  France,  deuzieme  Serie, 
Tome  IV.  Strassbourg  1857  S.  25  die  betreffenden  in  einer 
Note  enthaltenen  Stellen  wortwörtlich  für  mich  copiren  zu 
lassen,  und  ich  bin  hiedurch  in  den  Stand  gesetzt,  in  getreuer 
Ueberselzung  Legoyfs  Zahlen  und  Folgerungen  anzugeben. 
Für  die  ersteren  behalte  ich  die  tabellarische  Form  bei. 


des  SadUr-Hofaeker^Bahen  Oesetxes  etc. 


79 


Eheliche  Geburten,  welche  in. Calais  von  1833  — 1852 
'ch  ereigneten:  ' 


1.        1         2. 

Vater          Vater 
ftlter             und 
als  die        Matter 
Matter,     gleich  alt. 

3. 

Vater 
jünger 
als  die 
Mutter. 

4. 

Summe 
der  Geburten. 

Knaben    .  .  . 
Mädchen.  .  . 

1510 
1373 

•  109,98 

1171 
1085 

437 

430 

«^^«  1  6006 
2888  1 

Geschlechts* 
Proportion 

107,92 

101,63 

107,97   .  .  107,61. 

„Hieraus  ginge  nun  hervor,  (sagt  Legoyt)  dass  das  Vor* 
wiegen  des  männlichen  Geschlechts  den  grösstniöglichsten 
Grad  erreicht  bei  denjenigen  Conceptioaen ,  welche  in  Ehen 
sich  ereignen,  in  denen  der  Vater  älter  ist  als  die  Mutter; 
es  nähert  sich  das  Sexualverhältniss  dem  Mittel,  wenn  beide 
Aeltern  gleich  alt  sind,  und  es  steht  beträchtlich  tiefer,  wenn 
der  Vater  junger  ist.  Diese  Resultate  werden  durch  eine 
ähnliche  Beobachtung  bestätigt,  welche  in  Paris  in  den  Jahren 
1854  und  1855  gemacht  wurde,  wovon  man  sich  durch  die, 
folgende  Tabelle  überzeugen  kann,  welche  sich  über  52311 
FäUe  erstreckt*' 


1. 

Vater 

älter 

als  die 

Matter. 

2. 

Vater 

und 

Mutter 

gleich  alt. 

3. 

Vater 
jünger 
als  die 
Matter. 

4. 

Summe 
der  Gebarten. 

Knaben  .  .  . 
Mädchen    .  . 

21748 
20814 

1618 
1684 

3232 
3315 

'-^«^^«      52311 
25713 

• 

Qeschlechts- 
Proportion 

104,49 

102,14 

97,50 

102,97  .  .  108,44. 

Weitere  Bemerkungen  zu  dieser  zweiten  Tabelle  von 
Seite  Legoyfs  finden  sich  nicht.  Einzig  die  wenigen  voran- 
gebenden Worte  beziehen  sich  auf  die  erste  und  zweite  tabel- 
larische Uebersicht.  —  Die  Resultate  der  Beobachtungen  in 
Paris  sollen  diejenigen  der  Beobachtungen  in  Calais  bestätigen. 
In  Calais  hatte   der  Knabenüberschuss  den  grösstmöglichsten 


80  II-     Breslau,  Beitrag  zur  WOrdignng 

Grad  erreicht,  bei  Ehen,  wo  der  Vater  älter  war,  er  war  bis 
auf  109,98  gestiegen.  In  Paris  betrug  aber  der  Knaben- 
überschuss  unter  gleicher  relativer  Altersverscbiedenheit  der 
Aeltern  nur  104,49,  blieb  somit  unter  dem  gewöbnlicbeo 
Mittel  zurück.  Ist  dies  eine  Bestätigung  für  die  Resultate 
von  Calais? 

In  Calais  näherte  sich  der  Rnab^nüberschuss  mit  107,92 
bei  gleichem  Alter  der  Adlern  dem  Mittel,  blieb  aber  immer 
noch  darüber  stehen,  in  Paris  war  bei  gleichem  Verhältnisse 
zwar  auch  noch  ein  Knabenüberschuss,  nämlich  102,14  vor- 
banden,  aber  er  war  3—4  Proc.  unter  das  Mittel  gefallen. 

Wo  ist  hier  eine  Bestätigung  der  Beobachtungen  in  Calais 
durch  die  Beobachtungen  in  Paris? 

In  Calais  fand  sich,  wenn  der  Vater  jünger  war  als  die 
Mutter,  dass  der  Knabenüberschuss  mit  101,63  beträchtlich 
unter  das  Mittel  herabsank,  in  Paris  gab  es  bei  gleichem 
relativen  Altersverhältnisse  gar  keinen  Knabenüberschuss, 
sondern  einen  Mädchenüberschuss,  denn  die  Knaben  ver- 
hallen sich  zu  den  Mädchen  wie  97,50  :  100.  Kann  man 
dies  eine  Bestätigung  der  Beobachtungen  von  Calais  nennen? 
•  Ein  einziger  Unterschied  ist  bei  den  Beobachtungen  von 
Calais  und  Paris  durchgreifend.  Es  ist  der,  dass  die  meisten 
Knaben  von  Calais  und  Paris  aut  die  1.  Rubrik  (Vater  älter), 
weniger  Knaben  auf  die  2.  Rubrik,  die  wenigsten  Knaben 
auf  die  3.  Rubrik  fallen,  und  insofern  werden  allerdings  die 
einen  Beobachtungen  durch  die  andern  bestätigt.  Es  liegt  aber 
gewiss  ein  grosser  Unterschied  darin,  ob  ich  sage :  „Bei  gleichem 
Alter  der  Aeltern  nähert  sich  der  Knabenüberschuss  dem  Mittel, 
bleibt  aber  immer  noch  darüber  stehen,^'  oder  ob  ich  sage: 
„Bei  gleichem  Aller  der  Aeltern  giebt  es  weniger  Knaben, 
als  wenn  der  Vater  älter  ist  als  die  Mutter,  aber  es  bleibt 
unbeslimmt,  wie  sich  die  Zahl  der  Knaben  zu  der  der  Mädchen 
verhält"  u.  s.  w. 

Abgesehen  nun  von  der  Unrichtigkeit,  die  sich  Legoyt 
in  der  Deutung  der  vorliandenen  Zahlen  offenbar  hat  zu  Schul- 
den kommen  lassen,  ist  noch  ein  Umstand  zu  rügen,  der  nicht 
geeignet  ist,  unser  Vertrauen  zu  der  Le^o^fschen  Statistik 
zu  erhüben.  Unter  den  wenigen  Zahlen  der  beiden  kleinen 
Tabellen  finden  sich  nämlich   zwei  Rechnungsfehler.     In   der 


des  Sadler-Hofaeker^achen  UesetzeB  etc.  ^1 

TabeUe  von  Calais  soll  es  (wie  oben  durch  Punkte  angedeutet 
ist)  bei  der  Gescblechtsproportion  der  Gesammtsumme  der 
Kinder  staU  107,97  heissen:  107,61  und  in  der  Tabelle  von 
Paris  soll  es  bei  der  entsprechenden  Zahl  statt  102,97  heissen: 
103,44. 

Wird  nun  auch  durch  die  Correction  beider  fehlerhafter 
Zahlen  nichts  Wesentliches  für  die  Gesanimtübersicht  geändert, 
so  kann  man  doch  nicht  umhin,  mit  Horn^)  Herrn  Legoyt 
der  Leichtfertigkeit  zu  beschuldigen,  weqn  wir  auch  nicht  so 
weit  wie  Hörn  gehen  wollen,  der  aus  Aerger  über  LegoyV^ 
mangelhafte  Rechnung  gar  Iceiiien  Gebrauch  von  seinen  An- 
gaben machen  will. 

Andere  statistische  Beiträge  über  die  Frage  von  dem 
Einfluss  der  Alters  Verschiedenheit  der  Aeltern  auf  das  Ge- 
schlechtsverhällniss  der  Kinder  als  die  voranstehenden  von 
Hofacker^  Sadler,  Göhlert,  Noirot  und  Legoyt  vermag 
ich  aus  der  Literatur  nicht  beizubringen,  und  sind  auch  meines 
Wissens  keine  weiteren  derartige  verößentlicht  worden.  Ich 
wende  mich  nun  zu  eigenen  Untersuchungen,  zu  welchen  ich 
mir  die  nöthigen  Daten  aus  der  Statistik  des  (lantons  Zürich 
verschafft  habe. 

Als  Ende  1860  neue  Tabellen  für  sämratliche  Hebammen 
des  Cantons  Zürich  von  der  Medicinaldirection  ausgefertigt 
wurden,  wurden  auf  meine  VerRiilassung  zwei  Rubriken  ein- 
geschoben,  die  eine  betreffend  das  Geburtsjahr  des  Vatei% 
die  andere  belrefTend  das  Geburtsjahr  der  iMutter.  Die  Tabellen 
werden  nach  abgelaufenem  Jahre  der  Medicinaldirection  von 
den  Hebammen  eingeliefert  und  es  sind  die  deutlich  und  prilcis 
gestellten  Fragen  im  Allgemeinen  gewissenhaft  und  vollkommen 
beantwortet.  Die  nach  der  neuen  Anordnung  ausgefüllten 
Tabellen  von  1861  wurden  mir  bereitwilligst  von  der  Medicinal- 
direction zur  Benutzung  überlassen,  und  sie  bilden  die  Grund- 
lage meiner  Angaben.  Da  in  denselben  das  Geburtsjahr  beider 
Aeltern  erwähnt  ist,  so  konnte  leicht  das  absolute  und  relative 
Älter  beider  Aeltern  berechnet  werden.  Mein  Augenmerk 
war  aber  (s.  oben)  nur  auf  die  relative  Altersverschiedenheit 

1)  Hörn,  BcvÖlkeruDgswisseDschaftliche  Studien  aus  Belgieu. 
Bd.  l.     Brief  X.     Nachschrift,   S.   103. 
Monatascbr.  f.  Qebortsk.  ISas.  Bd.  XXI.,  Sappl.-Hft.  ^ 


82 


'II.    Br$9lau^  Beitrag  sor  Würdignsf 


iür  diesmal  gerichtet,  bei  einer  andern  Gelegenheit  kann  auch 
das  absolute  Alter  berücksichtigt  werden. 

Alle  Geborenen  sind  in  die  nachfolgende  Tabelle  aut- 
genommen,  sowohl  die  Lebendiggeborenen  als  die  Todt- 
geborenen,  reife  Kinder  und  unreife,  einfache  und  ZwiUiiigs- 
kinder,  Kinder  erster  Ehe  und  zweiter  und  dritter  Ehe,  Erst- 
geborene und  Nacbgeborene,  und  endlich  Kinder  aus  allen  im 
CaiUon  Zürich  vertretenen  Ständen.  Von  den  wenigen  un- 
ehelichen Kindern,  zwischen  300  und  400,  ist  das  Alter  des 
Vaters  grossentheils  unbekannt  geblieben  und  «e  konnten 
desshalb  fast  nicht  für  unsern  Zweck  berücksiditigt  werden, 
was  aber  natürlich  nichts  zu  sagen  hat. 


Namen 

der 
Beiirke. 


Zürich   . 

Affoltern 

Borgen  . 

Meilen   . 

Hin'weil 

Uster  .  . 

Pfäffikon 

Andelfiogen 

Bübach  .  .  . 

Regensberg 

Winterthur 


1. 

Gesammt- 

gebnrten 

im 

Jahre 

1861. 


904  865 
200  166 
382  368 
267  i  248 
447;  429 
283  ;  249 
291  289 
256  232 
413  '  355 
229  I  238 
500  473 


2. 

a. 

Vater 

älter 

als  die 

Mutter. 


K. 

652 

163 

281 

183 

306 

174 

185 

11)0 

310 


M. 

654 

140 

266 

178 

305 

165 

188 

170 

274 


171  I  180 
340  1  322 


Summe 


4172  3912  2955  2842 


8084 


5797 


Verh'ältnifls 

der  Mädchen 

zu  Knaben 

wio  1000: 


1066 


1039 


3. 

b. 

Vater 

u.  Mutter 

gleich 

alt. 


4. 

c. 

Vater 

jünger 

als  die 

Mutter. 


5. 

Ge- 
barten 
von  a. 

in 
Proc. 


6. 

Ge- 
burten 
von   6. 

in 
Proc. 


K. 

M. 

K. 

M. 

K.  u.  M. 

50 

53 

202 

158 

73,8 

12 

9 

25 

17 

82,7 

30 

27 

71 

75 

72,9 

23 

23 

61 

47 

70,1 

36 

23 

106 

101 

69,7 

26 

26 

83 

58 

63,7 

33 

24 

73 

77 

64^3 

8 

17 

58 

45 

73,7 

25 

22 

78 

59 

76,0 

21 

19 

37 

39 

75,1 

34 

45 

126 

106 

68,0 

297    288 


585 


920  i  782 


1702 


1031 


1176 


71,7 


K.  n.  M. 
5,8 
5,8 
7,6 
8,9 
6,6 
9,7 
9,8 
5,1 
6,1 
8,5 
8,1 


7,1 


4. 

Ge- 

borten 

von  e. 

•  in 

Proc. 


K.u.  M 

20,3 
11,4 
19,3 
20,9 
23,6 
26,5 
25,y 
21,1 
17,8 
16,2 
23,« 

'21,0 


Die  voranstehende  Tabelle  könnte  zu  einer  grossen  Reihe 
von  Betrachtungen  führen,  aber  um  meinem  Zwecke  nicht 
untreu  zu  werden,  niuss  ich  mich  nur  auf  wenige  beschränken. 

Das  Verhältniss  der  Mädchen  zu  Knaben  bei  sammtlichen 
8084  Geburten  ist  wie  ICOO  :  1066  und  nähert  sich  sehr  der 


des  8adler-Ho/a4^cw*a6hen  Oeaetses  otc.  gj 

allgemeinen  Geschlechtsproportion  wie  sie  von  Wappaeus^) 
mit  1000  :  1063  nacb  einer  Berechnung  aus  einer  Zahl  von 
58  V4  Millionen  Geborenen  gefunden  wurde.  Wir  stehen  also, 
was  die  allgemeine  Geschlechtsproportion  betrifil,  auf  ganz 
normaler  Operationsbasis,  auf  welcher  wir  keinem  AngriiTe 
ausgesetzt  einen  kleinen  Feldzug  gegen  das  Hofacker- 
Sadler'sdjLe  Gesetz  um  so  eher  unternehmen  können,  da, 
wie  wir  gesehen,  ohne  Ausnahme  alle  unsere  Vorgänger  bei 
der  Gesammtsumme  der  Geborenen  eine  dem  gewöhnlichen 
Mittel  entferntere  Geschlechtsproportion  ihren  weiteren  Be- 
rechnungen zu  Grunde  legen  als  wir,  und  es  doch  wesent- 
lich darauf  ankommen  muss,  dass  man  es  nicht  von  vorn- 
herein mit  Unregelmässigkeiten  zu  thun  hat,  die  bei  weitern 
Unterabtheilungen  nicht  ohne  störenden  Einfluss  bleiben  können. 

Werfen  wir  zunächst  einen  Blick  auf  die  Columne  2,  hi 
welcher  die  Zahl  der  Kinder  verzeichnet  ist,  welche  den  ge- 
wöhnlichen oder  den  Normal-Ehen,  wie  wir  sie  nennen 
wollen,  entsprungen  sind,  in  denen  der  Vater  älter  war  als 
die  Mutter,  so  finden  wir,  dass  sich  die  Mädchen  zu  den 
Knaben  wie  1000  :  1039  verhalten.  Der  Ueberschuss  der 
Knaben  war  also  vermindert,  statt  nach  dem  Hofacker- 
Sadler'scheti  Gesetz  vermehrt  zu  sein. 

Bei  Normal-Ehen  (Vater  älter)  fand: 

1)  Hofacker:  2)  Sadler: 

100 :  1 17,8  oder  1000 :  1 1 78.  1000  :  1214.    . 

3)  Göhlert:  4)  Noirot: 

1000  :  1081.  1000  :  997.  ' 

5)  Leg^t  nach  der  Statistik     6)  Legoyt  nach  der  Statistik 

von  Calais:  von  Paris: 

100 :  109,98  od.  1000: 1099.  100 :  104,49  od.  1000 :  1046. 

Am  meisten  übereinstimmend  sind  unsere  Zahlen  mit 
denen  von  Legoyt  nach  der  Pariser  Statistik,  und  da  diese 
die  einzige  ist,  welche  unsere  Statistik  an  Grösse  ribertrifft,  und 
somit  der  gesetzmässigen  Ordnung  am  nächsten  zu  kommen 
verspricht,  so  gewährt  es  einige  Beruhigung,  dass  unsere 
Knabenproportion   bei   Normal-Ehen   zu   1039  gefunden,   an 


1)  A.  «.  O.  Ijd.  II.,  9.  160. 

6* 


g4  M-     ßreslaUf  "Beitrag  «ur 'Würdi^nnt^ 

die  Pariser  Knabenproportion  von  1045  enger  sich  nnpchlifssl 
als  an  alle  übrigen. 

Gehen  wir  aber  nun  einen  Schritt  weiter,  wenden  wir 
uns  zur  Columne  3,  in  welcher  die  Zahl  und  Geschlechts- 
proporlion  der  Kinder  derjenigen  anomalen  Ehen  aufgezählt 
sind,  bei  denen  Vater  und  Mutter  gleich  alt  waren,  so  finden 
wir  zwar  nur  noch  einen  Ueberschuss  von  Knaben,  nämlich 
1031  Knaben  zu  1000  Mädchen,  aber  geringer  als  in  der 
vorigen  Columne.  Die  Zahl  der  Knaben  und  Mädchen  näherte 
sich  also  einander,  aber  die  Mädchen  waren  nicht  vorherrschend, 
wie  es  doch  nach  dem  Hofacker-Sadler' sehen  Gesetz  sein 
sollte.  Ueberblicken  wir  auch  für  dieses  Verbal tniss  die  nach 
andern  Statistiken  vorliegenden  Daten,  so  ergiebt  sich 

1)  bei  Hofacker:  2)  bei  Sudler:  3)  bei  GöhleH: 
100  :  92  oder  1000  :  920.       1000  :  947.        1000  :  9ä2,6. 

4)  bei  Legoyt  nach  der         5)  bei  Legoyt  nach  der 

Statistik  von  Calais:  Statistik  von  Paris: 

1000  :  1079.  1000  :  1021. 

Somit  nähern  wir  uns  in  dem  Resultate,  betreffend  die 
Geschlechlsproportion  der  Kinder  bei  Ehen  mit  gleichem  Alter 
der  Aeltern,  ebenfalls  am  meisten  dem  von  Legoyt  aus  der 
grossen  Pariser  Statistik  gewonnenen  Resiütate,  wenngleich 
die  Uebereinstimmung  nicht  vollständig  ist.  Es  hat  nun  fast 
den  Anschein,  als  ob  wir  uns  an  die  Legoyf sehe  Paris«3r 
Statistik  vollständig  anschliessen  könnten,  wenn  wir  nicht 
durch  ^ie  Disharmonie  in  der  nächsten  Columne  eines  Andern 
belehrt  würden. 

Die  Columne  4  giebt  Aufschluss  über  Zahl  and  Ge* 
schlechtsproportion  der  Kinder  anomaler  Ehen  bei  welchen 
der  Vater  jünger  war.  Der  Ueberschuss  der  Knaben  ist  hier 
sehr  bedeutend  gestiegen.  Die  Knaben  verhalten  sich  zu  den 
Mädclien  wie  1176  :  1000,  Nach  dem  Sadler'Hofacker'scben 
Gesetz  sollte  es  bei  dieser  Classe  anomaler  Ehen  weniger 
Knaben  als  Mädchen  geben. 

Vergleichen  wir  auch  für  diese  Classe  die  Resultate  der 
übrigen  Statistiken,  so  findet  sich 

1)  bei  Hofacker:  2)  bei  Sudler: 

100  :  90,6  oder  1000  :  906.  1000  :  865. 


des  Sadler-  Hof aek0r* scheu  Gesetaes  etc. 


85 


3)  bei  Göhlert:  4)  bei  Notrot: 

1000  :  932,6.  100  :  116  oder  1000  :  1160. 

5)  bei  Legoyt  aus  der  Statistik        6)  bei  Legoyt  aus  der 
von  Calais:  Pariser  Statistik: 

1000  :  1016.  1000  :  975. 

Unsere  Resultate  stimmen  somit,  was  die  Geschlechts- 
proportion bei  Ehen  betrifll,  in  denen  der  Vater  jünger  war, 
fast  gar  nicht  mit  denen  der  übrigen  Statistiken  überein. 
Einzig  bei  Noiroi  ist  die  Geschlechtsproportion  eine  der 
unserigen  ziemlich  gleiche.  Bei  vier  Statistiken  und  darunter 
auch  hei  der  umfassendsten  Pariser  sinkt  die  Zahl  der  Knaben 
so  beträchtlich,  dass  sie  von  der  Zahl  der  Mädchen  übertroffen 
wird,  und  in  der  Statistik  von  Calais  bleibt  die  Zahl  der  Knaben 
zwar  noch  überwiegend,  aber  bei  weitem  nicht  in  dem  Maasse 
wie  in  der  unsrigen. 

Es  schien  mir  nun  von  Werth,  zu  sehen  wie  sich  das 
Geschlechtsverhältniss  der  Kinder  gestalte,  wenn  ich  bei  der 
II.  Classe  der  anomalen  Ehen  die  relative  Altersvei'schieden* 
heit  der  Aeltern  noch  weiter  verfolge,  je  nachdem  der  Vater 
1—3  Jahre,  4—6  Jaljre,  7  —  9  Jahre.  10—12  Jahre  und 
13  Jdhre  und  darüber  jünger  war  als  die  Mutter.  Die  folgende 
Tabelle  giebt  die  gewünschte  Aufklärung. 


Vater  jünger 
als  die  Matter. 

Gesanimt- 

zahl 

der 

Kinder. 

Knaben. 

Mädchen. 

s 

MHdchen: 
Knaben 
=  1000 : 

1 

2 
3 

4 
5 

1—3  Jahre    .  . 

4-6       ,        .  . 

7—    9       , 
10—12       „ 
13  Jahre  und  mehr 

1074 

420 

136 

51 

21 

1 

'591 

218 

84 

24 

8 

483 

207 

52 

27 

13 

l 

''      1223 
1      1028 
1      1615 
1        888 
1        614 

Es  zeigt  sich  demnach,  dass  die  Geschlechtsproportion 
der  Kinder  nur  bei  der  4.  und  5.  Classe  der  relativen 
Altersverschiedenheit  der  Aeltern  mit  dem  Hofacker- 
Sadler*9ch^n  Gesetze  übereinstimmt,  in  den  übrigen  Classen 
aber  geradezu  ihm  widerspricht  Auf  das  Resultat  der  4.  und 
5.  Classe  ist  aber  kein  Gewicht  zu  legen,  da  wir  es  nur  mit 
ganz  kleinen  Zahlen  zu  thun  haben,  deren  Bedeutung  gegen- 
über den  weit  grösseren  Zahlen  der  1.,  2.  und  3.  Classe  ganz 
in  den  Hintergrund  tritt. 


g6  II.    Bre$laut  Beitrag  snr  Wiirdigong^  etc. 

Wollte  ich  nun  die  Gesammtresultate  unserer  Züricher 
Sta^stik  zu  einem  Gesetze  formuliren,  so  könnte  ich  midi 
folgendermaassen  ausdrücken: 

1)  Ist  der  Vater  älter  als  die  Mutter,  so  werden  zwar 
mehr  Knaben  als  Mädchen  producirt,  aber  doch  un- 
gefähr 2V2  Proc.  weniger  als  im  Grossen  Ganzen. 

2)  Ist  Vater  und  Mutter  gleich  alt,  so  werden  auch  mehr 
Knaben  als  Mädchen  producirt,  aber  noch  um  beinahe 
1  Proc.  weniger  als  wenn  der  Vater  älter  ist. 

3)  Ist  der  Vater  jünger  als  die  Mutter,  so  werden  bei 
weitem  mehr  Knaben  als  Mädchen  producirt. 

4)  Unter  allen  relativen  Altersverschiedenheiten  der  Aeltern 
überwiegt  die  Zahl  der  Knaben  die  der  Mädchen. 

Ich  bin  aber  weit  entfernt  davon,  dieses  sein  sollende 
Gesetz  wirklich  als  solches  proclaroiren  zu  wollen;  so  wenig 
als  ich  andrerseits  mich  denjenigen  anschiiessen  will,  welche 
die  Resultate  der  Hofacker'scheu,  /S^acüZer'schen,  OöMerifschm 
Untersuchungen  u.  s.  w.  so  ohne  V^eiteres  als  richtig  und 
maassgebend  betrachten  wollen  und  der  Meinung  sind,  dass 
man  durch  dieselben  den  Ursachen  des  Geschlechtsverhält- 
nisses  der  Kinder  wirklich  auf  die  .  Spur  gekommen  sei 
Mangelude  Uebereinstimmung  und  offenbare  Widersprüche 
wie  wir  deren  eine  Reihe  im  Verlaufe  unserer  kleinen  Ab- 
handlung gefunden  haben,  sind  weder  geeignet  Vertrauen  zu 
dem  Hofacker-Sadler^schen  Gesetze  zu  erwecken,  noch 
geeignet,  die  Hoffnung  zu  nähren,  dass  überhaupt  die  relative 
Altersverschiedenheit  der  Aeltern  irgend  einen  constanlen 
Einfluss  auf  das  Geschlecbtsverhältniss  der  Kinder  ausübe. 
Freilich  muss  man  bedenken,  dass  alle  Untersuchungen  über 
unsern  Gegenstand  zusammengenommen,  erst  eine  Uebersicht 
über  79053  Kinder  zu  Gebote  steht,  und  dass  diese  Zahl, 
verglichen  mit  andern,  deren  man  sich  in  der  Bevölkerungs- 
statistik zu  bedienen  pflegt,  um  Das  oder  Jenes  beweisen 
zu  wollen,  ausserordentlich  klein  ist.  —  Bin  ich  auch  durch 
meine  m'cht  müheWe  Arbeit  zu  einem  im  Ganzen  negativen 
Resultate  gekommen,  und  liegt  darin  auch  keine  grosse  Be- 
friedigung, so  werde  ich  mich  doch  reichlich  belohnt  sehen, 
wenn  die  Statistiker  von  Fach  die  Frage  über  den  Einfluss 
der   relativen    Alters  Verschiedenheit  der  Aeltern  auf  das  Ge- 


III.    F^iy  Ueber  den  Mecbanbmiu  der  Geburt  etc.       87 

achlechtsverfailüiiss  der  Kinder  als  eine  noch  ^offene^'  be* 
trachten  woUen,  zu  deren  Lösung  noch  ein  reiches  Material 
beigebracht  werden  muss.  Die  Hebanunentabeyen  des  Cantons 
Zürich  werden  mich  zwar  in  den  Stand  setzen,  ?on  Zeit  zu 
Zeit  weitere  Beiträge  zur  Kenntniss  des  in  Frage  stehenden 
Gesetzes  zu  bringen,  —  indessen  hoffe  ich,  dass  auch  von 
anderen  Seiten  und  mit  grösseren  Zahlen  ein  Gegenstand 
beleuchtet  werden  möge,  der  in  zweifacher  Beziehung,  vom 
Standpunkte  des  Statistikers  und  von  dem  des  Naturforschers 
aus  ein  grosses  Interesse  bietet 

Zürich,  im  August  1862. 


IIL 

lieber  den  Mechanismus  der  Geburt  im  massig 
verengten  rhachitischen  Becken« 

Von 

Medicinalrath  Dr.  Franz  Ludirig  Feist  in  Mainz. 

Welch'  grossen  Einfluss  das  enge  Becken  auf  Schwanger- 
schaft und  Geburt  ausübt,  ist  allgemein  bekannt.  Schief  läge 
der  Gebärmutter,  ffingebauch,  fehlerhafter  Geburtstrieb,  regel- 
widrige Lage  des  Kindes,  ungünstige  Stellung  des  voriiegenden 
Theiles  bei  der  Geburt,  Vorfall  einzelner  Fruchttheile  neben 
dem  zum  Eintritte  gestellten  Kopfe  u.  s.  w.  sind  ausser  der 
Behinderunf  der  Geburt  an  und  für  sich  häufig  die  Folgen 
der^  Beckenverengung.  Nicht  immer  sind  die  Folgen  bei 
gleichengem  Becken  dieselben.  Es  sind  Fälle  genug  bekannt, 
dass  eine  Frau  mit  einem  engen  Becken  mehrmal  ohne  Kunst- 
hälfe glücklich  niedergekommen  ist,  welche  zu  andern  Zeiten 
nur  durch  Kunsthülfe,  mitunter  der  eingreifendsten  Art,  ent- 
bunden werden  konnte,  ohne  dass  während  dem  in  der  Form 
und  Räumlichkeit  des  Beckens  sich  etwas  geändert  hatte. 
Darum  hat  die  Eintheihmg  der  Beckenenge  in  Grade  für  die 
Praxis  bei  weitem  nicht  den  Werth,  den  manche  Lehri)ücher 


gg  III.    Feist,  üeber  den  Meehaniflmn«  der  Geburt 

ihr  beilegen,  ja  diese  Eintheilung  kann  zu  sehr  verderblichen 
VerfahruDgsgruDdsätzen  fuhren  und  verleiten.  Wie  sdiwankend 
die  Ansichten  bezuglich  der  Hälfeleistungen  bei  engen  Beck(>n 
sind,  davon  kann  man  sich  Jeicht  durch  Vergleicbung  unserer 
bekanntesten  deutschen  Lehrbücher  von  Stein  sen.  und  jan., 
Oslander,  Bo'er,  Joerg,  Frortep,  El,  v,  Siebold,  Busch, 
Carus,  Kilian,  Naegtle-Grenser,  Ed,  v.  Siebold,  Kiwisck, 
Scanzoniy  Rosshirt,  Lumpe,  Chiari- Braun  Spaeth,  Crede, 
Krause,  Hohl,  C.  Brami  u.  A.  überzeugen.  —  Bei  der 
Geburt  im  engen  Becken  sind  nicht  bloss  die  Art  und  da* 
Grad  des  Beckenfeblers ,  sondern  auch  der  Geburtstrieb,  die 
Grösse  und  Lage,  das  Leben  oder  der  Tod  des  Kindes,  die 
Stärke,  Nachgiebigkeit,  Verschiebbarkeit  und  Stellung  des  Kin- 
deskopfes und  die  Beschwerden,  welche  der  Frau  durch  lange 
Dauer  der  Geburt  und  durch  Druck,  insbesondere  auf  den 
Plexus  hypogastricus  magnus  und  die  Sacralnerveugeflechte, 
bereitet  werden,  in  Anschlag  zu  bringen. 

Von  Solayres  {J.  L,  Baudelocgpie,  Tart  des  accouehe- 
mens  etc.,  IV.  edit.,  Tom.  l,  §  963,  Tom.  IL,  §  1624,  Note), 
Baudelocque  (Ebendaselbst),  der  Lachapelle  (Pratique  des 
accouchemens  etc.  Publ  par  Ant.  Duges.  Paris  1821 — 1825, 
Tom.  IIL,  p.  463),  Martin,  le  Jeune  (Memou^es  etc.  Lyon 
1835,  p.  270),  Busch  (Neue  Zeitschr.  für  GeburUk.,  1837. 
Bd.  V,,  S.  162,  1850,  Bd.  XXVIIL,  S.  205,  Monatsschr.  für 
Geburtsk-,  1854,  B.  IV.,  S.  53),  Naegde  (Lehrb.,  3.  Aufl.,  1850, 
§  599,  Anm.  2,  IV.  Aufl.,  §  598,  Anm.  2),  Michaelis  (Das 
enge  Becken,  S.  190  f.,  S.  241  f.,  S.  292  f.),  Braun  (Klinik  der 
Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  Von  Chiari,  Bräun  und  Spaeth. 
Erlangen  1852,  S.  557),  Crede  (Verhandlungen  der  Gesell- 
schaft für  Geburtsk.  1853,  J.  7,  und  klinische  Vertrage  aber 
Geburtsh.,  Berlin  1854,  S.  79  f.),  Wegscheider  (Verfaandl. 
der  Gesellschaft  für  Geburtsk. ,  J.  8) ,  Hohl  (Lehrb.,  S.  665, 
§  112)  u.  A.  sind  Fälle  veröffentlicht,  wo  bei  einer  Conjugata 
von  3V2  —  2",  ja  bis  zu  1"  8'"  ausgetrageue  Kinder,  in 
manchen  Fällen  selbst  lebend,  johne  Kuusthülfe  zur  Welt  ge- 
kommen sind.  Mag  auch  von  Einigen  die  Grösse  der  Becken- 
enge hier  zu  hoch  angeschlagen  worden  sein,  so  gebt  doch 
aus  dem  Angeführten  hervor,  dass  die  Natur  selbst  bei  sehr 


im  mttssig  Terengten  rhachitUchen  Beeken.  %Q 

beträchtlicher  Beckenenge  "unter  sonst  verhällnissinftssig  gün* 
sltgeD  Umständen  Hftlfe  zu  schaffen  weiss. 

Stein  in  Bonn,  der  scharf  zu  beobachten  und  das  Beob* 
achtete  mit  grossem  Scharfsinn  zu  deuten  und  zu  verwerlhen 
?erstebt,  hat  zuerst  auf  den  Hergang  der  Geburt  im  rhachi- 
tischen  Becken  aufmerksam  gemacht  Ihm  folgten  Betschler^ 
der  jede  zu  enge  Maassbeslimmung  zurückweist  und  die  Ge* 
sammtbeit  der  Erscheinungen  zu  beräcksichtigen  anräth,  und 
später  H.  F.  Naegele.  v.  Rügen  hat  1851  den  Mechanis- 
mus des  Durchtrills  des  hei  der  Geburt  vorliegenden  Schädels 
durch  den  Beckeneingang  bei  verengerter  Gonjugata  einer 
vorzugsweise. theoretischen  Betrachtung  unterzogen,  wogegen 
Michaelis  und  später  Krause  denselben  von  der  praktischen 
Seite  zu  würdigen  gesucht  haben. 

Bei  verengten ,  zumal  rhachitisch  verengten  Becken  ist  die 
Wehenkraft,  ihre  Bichtung  und  allmälige  Steigerung  von 
hoher  Bedeutung.  Gerade  bei  rhachitischen  Personen  äussert 
sich,  worauf  schon  Stein  aufmerksam  macht,  der  Wehentrieb 
sehr  lebendig  und  stark.  Diess  röhrt  wohl  einestlieils  daher, 
dass  der  Kopf  des  Kindes,  überhaupt  der  vorliegende  Theil, 
lange  Zeit  oberhalb  des  kleinen  Beckens  verweilt,  wodurch 
lange  jeder  Druck  auf  die  Lenden-  und  Kreuznerven  vermie- 
den wird,  anderntheils  mag  diess  aber  auch  darin  begründet 
sein,  dass  jeder  Widerstand  eine  grössere  Kraftentwickelung 
erzeugt.  Bei  weiterm  Herabgedrängtwerden  des  Kindeskopfes 
entsteht  nicht  selten  ein  sehr  heftiger  Rückenschmerz 
durch  Druck  auf  die  Plexus  hypogastrici  inferiores,  den  Plexus 
uterinus  anterior  et  posterior  und  Plexus  vesico*  vaginalis. 
Dieser  Schmerz  in  Folge  des  Druckes  ist  oft  von  grossem 
Einfloss  auf  den  Geburtstneb  und  dessen  Richtung  und  über- 
haupt auf  den  ganzen  ferneren  Verlauf  der  Geburt. 

Ebenso  sind  die  Grösse,  Härte,  Nachgiebigkeit 
und  Verschiebbarkeit  des  Kindskopfes,  wie  auch  des- 
sen Stellung  von  grosser  Bedeutung  für  den  Hergang  der 
Gehurt  im  engen  Becken.  Die  Erfahrung  lehrt,  dass  die  so- 
genannten weichen  Köpfe  wie  Pergament  sich  drücken  lassen. 
Wird  der  Kindskopf  im  engen  Becken  durch  die  WehenkrafI 
berabgepresst,  so  wird  er  allraältg  nachgiebiger  und  erlangt 
nach  und  nach  die  Beschaffenheit,  sich  der  Gestalt  des  Beckens 


90  11^*    F^itt,  Uaber  den  M«chaiii«iiui8  dar  Geburt 

anzupassen.  Verkleinert  er  sich  in  der  einen  Uditang,  so 
yergrösaert  er  sich  in  der  anderen,  wodnrch  eine  allmälige 
Gestalt  Veränderung  eintritt,  die  weniger  dem  Gehirne  durch 
Druck  nachtheilig  wird,  als  eine  plötzliche,  durch  künstlichen 
Druck  henrorgehrachte.  Der  Querdurchmesser  des  Kindskopfes 
kann  dadurch  um  y^' — %"  und  darüber  verkleinert  werden, 
während  der  schräge  Durchmesser  um  1'^  und  du*uber  ver- 
grössert  wird.  Die  Verkleinerung  des  zwischen  Promontorium 
und  der  Schoosfuge  gelegenen  Kopfdurchmessers  wird  nicht 
selten  noch  dadurch  vermehrt,  dass  die  gegen  den  Vorberg 
gedrückte  Stelle  des  Schädels  einwärts  gebogen,  ja  selbst  ge* 
brechen  wird.  Seltener  findet  man  Druckstellen  auf  beiden 
Seiten  des  Kopfes;  wo  dann  die  zweite  Einbiegung  oder  Ab- 
flachung von  der  Schoosfuge  oder  einem  horizontalen  Aste 
des  Schoosbeins  herrührt.  Die  Verschiebungen,  Einbiegungen 
und  Eindrucke  der  Kopfknochen  verlieren  sich  öfter  nach 
der  Geburt  ohne  alle  Folgen,  mitunter  aber  wird  auch  eine  blei- 
bende Verschiebung  erzeugt,  die  durch  ungleichmässigen  Druck 
auf  das  Gehirn  dessen  Entwickeiung  beeinträchtigen  und  da- 
durch Geistesschwäche  veranlassen  kann.  Eindrücke,  Fissuren, 
Frakturen  der  Kopfknochen  verlieren  sich  zuweilen  ohne  Nach- 
iheil,  mitunter  aber  werden  sie  für  Gesundheit  und  Leben 
nachtheilig;  Zerreissungen  der  Nähte  haben  gewöhnlich  den 
Tod  zur  Folge.  —  Die  Abflachungen,  Abschilferungen,  Ein- 
biegungen, Eindrücke  und  Knochenbräche  sind,  me  Stern 
richtig  bemerkt,  werlhvolle  Mittel  zur  Diagnose  der  Beck^- 
enge  und  zur  Ermittelung  der  Art  des  Kopfstandes.  Zusammefi- 
Pressungen  der  Schultern  und  der  Brust  kommen  seltener  vor, 
namenljjch  im  rhachitischen  Becken. 

Auch  die  sich  bildende  Kopfgeschwulst  ist  in  Anschlag 
zu  bringen.  Sie  wird  gewöhnlich  bei  starkem  Wehentriebe 
dMrch  den  Widerstand  der  weichen  Geburlswege  bei  längerer 
Dauer  der  Geburt  nach  Abflüsse  des  Wassers  erzeugt.  Sie 
entsteht  am  leichles^ten  bei  weichen  Köpfen,  da  dksse  durch 
Fugen  in  die  Form  der  Geburtswege  leichter  räen  Druck, 
als  harte  unfügsame  Köpfe  erleiden.  Das  Becken  übt  nur 
bei  dem  Eintritte  des  Kopfes  in  dasselbe  einen  Einfluss  auf 
deren  Bildung.  Am  stärksten  und  ausgebreitetsten  entwickelt 
sich  gemeinlich   die  Kopfgeschwuist   bei  Krampf  im  Isthmus 


im  ttit«ig  T*reiigte&  rhaehüischen  Boeken.  91 

der  Gebärmmtter.  Eine  tief  herabtretende  Kopfgeschwulst 
hat  liftufig  die  Tlnacbung  veranlasst,  diese  für  den  yermeint* 
Kkh  eingetretenen  Kojif  lu  halten  und  nichl  selten  zu  fehler- 
haften  Hftlfen  verleitet  Im  Allgemeinen  muss  bei  engem  Becken 
die  Kopfgeschwulst  als  ein  Merkmal  angesehen  werden,  dass 
dds  Missverhältniss  zwischen  Kopf  und  Becken  noch  der  Art 
ist,  dass  der  Durchgang  des  Kopfes  möglich  wird.  Sie  zeigt 
an,  dass  der  Kopf  in  einer  nicht  ungünstigen  Stellung  im 
Herabtreten  begriffen  und  der  Geburtstrieb  ergiebig  ist;  denn 
bei  ungünstiger  Stellung  und  schwachem  Gebiirtstriebe  würde 
er  über  dem  Becken  stehen  bleiben.  Nebenbei  trägt  sie  zur 
Feststellung  des  Kopfes  auf  den  Beckeneingang  bei,  ind«a 
sie  den  Wechsel  seines  Standes  verhindert;  auch  dürfte  sie 
nicht  ohne  allen  Einfluss  auf  die  Verschmälerung  des  ein- 
tretenden Kopftheils  sein.  Indem  durch  die  Geschwulst  der 
Kopf  verlängert  wird,  spannt  sich  die  Haut  an  den  Seilen- 
tbeilen,  wodurch  die  beweglidien  Kopfknochen  etwas  zu* 
sammengeschoben  werden.  Ausserdem  Idsst  sich  von  der 
Kopfgeschwulst  ein  Schluss  auf  das  Leben  oder  den  Tod  des 
Kindes  ziehen,  welcher  Schluss  durch  die  Auscultation  an 
Werth  gewinnt  Gewiss  mit  Unrecht  hat  man  eine  starke» 
weitverbreitete  Kopfgeschwulst,  in  dem  Glauben,  dieselbe  sei 
für  das  Kindesleben  gefährlich,  häufig  als  Indication  zur  künst- 
bcben  Hülfe  angesehen.  In  Abrede  ist  nicht  zu  stellen,  dass  bei 
stärkeren  Kopfanschwellungen  öfter  auch  bedeutende  Schädel- 
verletzungen vorkommen.  In  solchem  Falle  bewirken  aber 
diese,  nicht  jene,  den  Tod  des  Kindes. 

Die  grösste  Berücksichtigung  verdient  die  Gestalt-  und 
Raumveränderung  des  durch  Rhachitis  fehlet baft 
gewordenen  Beckens.  Die  Knochen  desselben  sind  keiner, 
schmaler  und  schlanker,  glätter  und  von  weisserer  Farbe,  als  die 
eines  normalen  Beckens.  Das  ganze  Becken  erscheint  kleiner^ 
schmächtiger  und  niedriger  als  ein  fehlerfreies  weibliches 
Becken.  Beim  rhachitischen  Becken  verschieben  sich  tlieil- 
wcise  durch  den  Druck  der  Schwere,  theilweise  durch  ilie 
ÜBskelthätigkeit  die  steifen  durch  weiche  Verbindungsstellen 
getrennten  Theile  des  Beckens  so,  dass  das  Promontorium 
nach  vom  und  etwas  seitwärts,  gewöhnlich  nach  links  binab-^ 
tritt,  während  der  Bogen  der  Scboosknochen  hinaufsteigt,  und 


92  ^11*    F€i$tj  Ueber  den  Mechanisnras  der  Oebiirt 

zugleich  etwas  flacher  wird.  Durch  die  in  peripherischer 
Richtung  um  die  Pfannen  wirkenden  Momente  werden  die 
Silzbeinhöcker  und  die  Symphyse  dem  Vorberge  entgegen- 
gedrängt  und  sonach  gehoben.  Der  Schoosbogen  wii*d  aus- 
gedehnt, weit,  die  Sitzbeinknorren  treten  weiter  auseinander. 
Das  Kreuzbein  ist  gemeinlich  etwas  breiter,  die  Fiügei  des* 
seiben  sind  gleichsam  zurückgezogen,  aber  kürzer;  öfter  ist 
dasselbe  gerade  herabgestreckt,  flacher,  weniger  ausgehöhlt, 
kürzer;  mitunter  sind  dessen  Flügel  bloss  in  der  oberen 
Hälfte  zurückgezogen,  wodurch  die  obere  Körperhälfte  des 
Kreuzbeins  als  eine  Erhabenheit,  eine  Wulst  erscheint,  welche 
einwärts  und  meist  nach  einer  Seite,  zumal  der  linken,  ragt, 
so  dass  der  Vorberg  nach  vor-  und  seitwärts,  meist  links» 
gerichtet,  wahrend  die  Spitze  des  Kreuzbeins  auswärts  und 
nach  der  anderen  Seite  gekehrt  ist.  Die  ganze  untere  Hälfte 
des  Kreuzbeins  ti*itt  gewöhnlich  im  massig  verengten  rhachi- 
tischen  Decken  zurück.  Die  Pfannen  sind  weniger  tief,  mehr 
nach  vorn  gedrängt,  so  dass  man,  das  Becken  von  vorn  be- 
trachtet, in  beide  zugleich  hineinsehen  kann;  die  Höhlen  der 
Pfannen  sind  abgeflachter,  wodurch  die  Schenkelköpfe,  zumal 
der  linke,  wie  Stein  richtig  bemerkt,  nicht  ganz,  aufgenommen 
werden.  —  Die  Inclination  ist  gewöhnlich  grösser. 

Das  schwach  verunstaltete  rhachitische  Becken  zeigt  so« 
nach  die  Verengung  vorzugsweise  in  der  oberen  Apertur  und 
zwar  von  vorn  nach  hinten,  während  die  anderen  Aperturen 
gewöhnlich  die  regelmässige,  ja  mitunter  eine  etwas  ver- 
mehrte Weite  darbieten.  In  der  bei  weitem  grösseren  Mehr- 
zahl der  rhachitischen  Becken  Irifll  die  grössere  Enge  nicht 
strenge  die  Conjugata  selbst,  sondern  mehr  den  Abstand 
zwischen  dem  Promontorium  und  der  Gegend  über  der  Pfanne, 
die  Distantia  sacix>-cotyloidea,  derjenigen  Seite,  nach  welcher 
der  Vorberg  (meist  links)  gerichtet  ist 

Bei  grösserer  rbnchitischer  Verunstaltung  nehmen  auch 
die  Seitenbeckenknochen  (ossa  coxarum)  und  die  Schoosbeine 
AntheiL  Die  Seitenbeckenknochen  sind  dami  kleiner  und 
schmäler,  häufig  ist  das  eine,  meist  das  Unke,  kleiner,  als 
das  andere  und  höher  stehend.  Die  Darmbeine  sind  hier 
kleiner,  flacher,  weniger  breit  und  nach  vorn  weiter  ausein«- 
andergebend.    Die  ungenannte  Linie  ist  verkürzt.    Die  Schoos- 


Im  mXssii^  yerengrteii  rhachitischen  Becken.  98 

beme  «ind  unter  diesen  VerhSknissen  etwas  abgeflacht,  selbst 
mitunter,  besonders  der  eine  (linke)  horizontale  Ast,  etwas 
einwärts  gedrängt.  Bei  der  Verkleinerung  des  geraden  Durch- 
messers im  Eingange  erleidet  nur  selten  der  Querdurchmesser 
eine  Beschränkung,  ja  nicht  selten  findet  man  in  querer  Rich^ 
Inog  das  normale  Maass  etwas  überschritten;  nur  in  den 
höheren  Graden  rhachitischer  Verengung  nimmt  auch  der 
Querdurchmesser  Theil,  aber  nicht  im  Verhältniss  zur  Be- 
schränkung in  gerader  Richtung.  Die  Beckenböhle  und  der 
Ausgang  erleiden  selten  eine  Beeinträchtigung  ihrer  gewöhn- 
lichen Maasse,  diese  äberschreit^i  nicht  selten  die  normalen. 
In  den  höheren  Graden  der  rhachitischen  Verunstaltung  wird 
allerdings  mitunter  die  Räumlichkeit  in  allen  Aperturen  be- 
schrankt. 

Die  seltene  Form  von  rhachitischen  Becken,  deren  Miss- 
staltung  der  von  Osteoniaiacia  adultorum  erzeugten  ähnlich 
ist,  wovon  Hidl,  Bums,  Naegele-ClausiuSf  Goochj  Davis, 
Voigtel,  Krombholz,  BetscMer^  Orenser,  Lange,,  Kiwisch, 
Rokitansky,  Hohl  u.  A.  Beispiele  anfuhren,  beweist  nur. 
dass  die  von  ^S^i^etn  jim.  für  das  rhachitische  Becken  auf- 
gestellten e h  a  r a  k  te r i s  t i  sc  h  e n  Merkmale  keine  absolute 
Gilltigkeit  haben,  beeinträchtigen  aber  im  Ganzen  die  von 
Stein  gegebene  Charakteristik  des  rhachitischen  Beckens  nur 
wenig,  da  jene  nur  Ausnahmen  sind,  und  diese  in  der  bei 
weitem  grösseren  Mehrzahl  ihre  Geltung  behält,  namentlich 
rOr  die  geburtshilfliche  Praxis.  Ich  stimme  selbst  mit  den- 
jenigen fiberein,  welche  die  Rhachitis  infantum  und  die  Osteor 
malacia  adultorum  für  eine  und  dieselbe  Krankheit  halten 
und  bin  mit  Ritgen  von  dem  Vorkommen  eines  Rhaehitis«- 
mus  des  Fötus-,  des  Kindes-,  des  Jungfrauen-  und  Frauen- 
alters überzeugt,  wie  auch  davon,  dass  hei  höheren  Graden 
der  Rhachitis  bei  Kindern  eine  Osteoporose  eintreten  kann, 
wodurch  das  rhachitische  Becken  zum  Thtile  die  Form  des 
osteomaiacischen  annehmen  wird;  allem  dennoch  muss  ich 
SteMs  Charakteristik  des  rhachitischen  und  osteomaiacischen 
Beckens  ihren  Werth  für  die  geburtshfdfliche  Praxis  vindiciren. 
Der  Hergang  der  Geburt  im  rhachitischen  Becken  ist  ein 
anderer  als  der  im  osteomaiacischen ;  der  im  Pelvis  simpliciter. 
jfisto  minor   ein  anderer,   als   der   im   rhachitischen  u.  s.  w. 


94  ^U.    FtUtf  Uaber  d*a  Mecbanitmu«  d«r  Qaburt 

Eine  gleiche  Enge  in  A&t  oboren  Apertur  im  PelviB  &  justo 
minor  hat  eine  andere  Bedeutung,  als  im  rhachitisefaen  Becken 
ffir  die  Praxis. 

Will  man  sich  eine  klare  Vorstellung  von  der  Geburt 
eines  reifen,  mitteigrossen  Kindes  im  massig  verengten  rhachi* 
tischen  Becken  machen,  so  muss  man  das  Bild  von  diesem 
genau  sich  vergegenwärtigen. 

Ist  die  Räumlichkeit  des  rhachitischen  Beckens  so  wenig 
beschränkt,  dass  sie  die  Möglichkeit  der  Geburt  eines  aus- 
getragenen Kindes  von  mittlerer  Grösse  ziilasst,  so  ist  der 
Hergang  der  Geburt,  wie  ihn  die  Natur  einleitet  und  voll- 
fahrt,  für  das  Verhalten  des  Geburtshelfers  von  der  grössten 
Wichtigkeit.  Dieser  Hergang  giebt  ihm  einen  Fingerzeig  für 
ein  vernünftiges  Zuwarten,  und  lehrt  ihn,  auf  welche 
Weise  und  mit  welchen  Mitteln  die  Natur  öfter  scliwierige 
Verhältnisse  zu  überwinden  weiss,  wo  ein  zu  frühzeitiges 
mechanisches  Eingreifen  Gefahr  für  Matter  und  Kind  bedingt 
—  Bei  einer  Conjugata  oder  dem  ihr  entsprechenden  Raum 
bis  zu  Sy^^  des  rhachitischen  Beckens  geht  die  Geburt  eines 
mittelmässig  starken,  reifen  Kindes  nicht  selten  ohne  beson- 
dere Schwierigkeiten  von  Statten.  Beschränkt  sich  dagegen 
die  Conjugata  oder  die  Distantia  sacro-cotyloidea  auf  SV/', 
3"  oder  gar  2%''  bis  2^l^\  so  treten  grosse  Schwierigkeiten 
ein,  und  die  Geburt  ist,  selbst  bei  starkem  Wehentriebe,  häufig 
nicht  ohne  Kunsthülfe  und  in  den  extremen  Fällen  oft  nicht 
ohne  die  eingreifendste  Kunsthälfe  zn  vollenden;  allein  den* 
noch  sind  Fälle  bekannt,  wo  auch  unter  solchen  Umständen 
bei  sonst  günstigen  Verhältnissen  die  Geburt  durch  die  Kräfte 
der  Natur  beendigt  worden  ist,  wenn  auch  meistens  mit  naeh- 
tbeiligem  Erfolge  für  das  Kind. 

In  einer  gedrängten  Uebersicht  will  ich  hier  angeben, 
wie  ich  den  Hergang  der  Geburt  im  rhachitischen  Becken 
bei  nicht  zu  beschränkter  Räumlichkeit  beobachtet  habe.  Ich 
stelle  dadurch  nicht  in  Abrede,  dass  nicht  auch  andere  Her- 
gangsweisen möglich  sind,  allein  diese  liegen  nicht  im  Bereiche 
meiner  Erfahrung. 

Zu  Anfange  der  Geburt  steht  der  Kopf  des  Kindes,  wenn 
er  der  vorliegende  Theil  ist,  sehr  hoch,  oft  so  hoch,  dass  er 
mit  dem  untersuchenden  Finger  gar  nicht  oder  nur  kaum  zu 


im  mäsiig  ▼er engten  rhaehttiaehen  Becken.  9^ 

eireicben  ist.  Nicht  selten  ist  eine  Untersuchung  mit  vier 
Fingern,  selbst  mit  der  ganzen  Hand  erforderlich,  um  sich 
über  den  vorliegenden  Theil  Gewissheit  zu  verschaffen.  Dieses 
Hochstehen  des  Kopfes  rührt  besonders  daher,  dass  sich 
ziemlich  frühe  schon  in  der  Schwangerschaft  ein  Hängebaucli 
tbeils  durch  die  Enge,  theiis  durch  die  starke  Tnclination  de^ 
Beckens  gebildet  hat,  wodurch  die  vordere  Wand  des  Uterus 
nach  vom  vom  Kindskopfe  ausgebuchtet  wird.  Diese  aus- 
gebuchtete und  durch  den  Kopf  gedruckte  Stelle  entbehrt 
anfangs  der  nöthigen  Kraft,  um  denselben  gegen  den  Mutter- 
mund und  den  Beckeneingang  ^u  drängen.  Wegen  nicht  ge- 
höriger Configuration  der  Gebärmutter  liegt  das  Kind  häufig 
in  schräger  Richtung,  mit  dem  Kopfe  über  einem  Scboosbein- 
aste  mit  dem  Steisse  in  der  entgegengesetzten  Seite  des 
Muttergrundes  oder  bei  einer  Geradstellung  mit  dem  Kopfe 
über  der  Schoosbeinfuge.  Der  Muttermund  eröffnet  sich 
äusserst  langsam,  und  es  verstreicht  eine  lange  Zeit,  bis  sich 
die  Fruchtblase  stellt.  Diese  tritt  meistens  wurstförmig  in 
den  etwas  eröffneten  Muttermund,  ohne  sich  besonders  zu 
spannen  oder  sie  wird  weit  herabgetrieben  und  das  Frucht- 
wasser fliesst  vor  der  Zeit  ab,  früher,  als  der  Muttermund 
gehörig  eröffnet  ist.  Der  Kindskopf  schwebt  lange  über  der 
oberen  Apertur  hin  und  her,  bis  endlich  sein  gerader  Durch- 
messer über  den  Querdurchmesser  des  Beekeneingangs  zu 
stehen  kommt.  Nach  dem  Wasserabgange  findet  man  einen 
auffallenden  Raum  zwischen  dem  schlaff  herabhängenden  Muttei^ 
munde  und  dem  vorliegenden  Kindskopfe,  wobei  dieser  noch 
längere  Zeit  über  dem  kleinen  Becken  bleibt  Wird  er  endlich 
bei  stets  sich  steigernder  Wehenkraft  allmälig  weiter  herab- 
gedrängt, so  nähert  er  sich  nach  meinen  Beobachtungen  auf 
zwei  Arten  dem  verengten  Eingange:  Entweder  tritt 

1)  das  hinter  den  Schoosbeinen  gelegene  Seitenwandbeio 
tiefer  herab,  wobei  das  andere  äeitenwandbein  nach 
oben  und  hinten  gegen  die  untersten  Lendenwirbel  der 
Mutter  gerichtet  ist,  wodurch  man  die  Pfeilnaht  gerade 
vor  dem  Promontorium  bei  der  Untersuchung  fühlt, 
oder*  tritt 

2)  die  Gegend  der  Kranznaht  in  dit*  Conjogata,  indem  sich 
der  Hinterkopf  etwas  erhebt  und  nach  ihm  hin  die  Gegend 


96  ^II-     FeUtf  (Jeher  den  Mechanisinu»  der  Uebnrt 

der   Scheitelbeinböcker   dem    hervorragenden    Vorbergf 

ausweicht. 

Boi  der  ersten  Art  Irin  im  weitereu  Verlaufe  der  Gebun 
das  vorliegende  Scheitelbein  etwas  tiefer  in  den  herabhängenden 
Muttermund  und  der  Rand  des  hinteren  Scheiteibeins  schiebl 
sich  unter  den  des  vorderen.  Es  bildet  sich  auf  diesem  eine 
Kopfgeschwulst,  mitunter  von  beträchtlicher  Grösse  und  Aus- 
dehnung, wodurch  der  wenig  erfahrene  Geburtshelfer  zu  der 
Meinung  verleitet  wird,  der  Kopf  selbst  dränge  auf  den  Mutter- 
mund. Wird  nun  bei  kräftigen  und  schnell  sich  folgenden 
Wehen  der  Eintritt  des  vordei'en  Seitenwandbeins  in  die  obere 
Apertur  verzögert,  so  bilden  sich  nicht  selten  an  dem  gegen 
das  Promontorium  gerichteten  Seitenwandbein  Quetschungen. 
Hautabschilferungen ,  mehr  oder  minder  tiefe  Einbiegungen, 
Eindrücke,  selbst  Fissuren  und  Fracturen,  was  auch  bisweilen 
der  Fall  ist,  wenn  das  erste  bei  grossem  Widerstände  des 
Beckens  durch  sehr  starke  und  anhaltende  Wehen  rascb 
herabgepresst  wird.  Zu  Zeiten,  doch  seltener,  zeigt  sich 
auch  auf  der  entgegengesetzten  Seite  des  Kopfes  eine  Druck- 
stelle, vom  Schambein  herrührend,  und  zwar  trifil  man  diese 
gewöhnlich  unter  und  hinter  dem  Scbeiteiheinhöcker  oder 
dicht  an  der  Kranznaht.  Tritt  nun  unter  verstärktem  Wehen- 
triebe  das  vorliegende  Scheitelbein  tiefer  in  den  Eingang  und 
ragt  es  etwas  in  die  Höhle,  so  Ondet  man  zwischen  dem 
Kindskopfe  und  dem  Kreuzbeine  gerade  unterhalb  des  Vor- 
bergs einen  leeren  Raum  von  mehr  als  einem  Zoll,  der  durch 
die  Abweichung  des  Kreuzbeins  nach  hinten  und  aussen  er- 
zeugt ist.  Gelangt  endlich  durch  die  angestrengteste  Thätig- 
keit  der  Gebärmutter  und  der  Bauchpresse  der  Kindskopf 
vollständig  in  den  Querdurchmesser  des  Beckeneingangs  und 
wird  er  in  dieser  Stellung  herab  in  die  Beckenhöhle  gepresst, 
so  macht  er  hier  eine  Drehung  um  seine  Querachse,  und  man 
fühlt  dann  öfter  beide  Fontanellen  in  gleicher  Höhe  oder  die 
kleine  etwas  tiefer  als  die  grosse,  ist  dieser  Uebergang  er- 
folgt, so  ist  im  Aligemeinen  jedes  Hindernrss  gehoben,  die 
unter^a  Aperturen  leisten,  da  die  rhachitische  Verengung  sich 
nicht  auf  sie  erstreckt,  keinen  Widerstand,  und  *der  weitere 
Verlauf  der  Geburt  ist  nicht  behinderL     Schultern  und  Brust 


im  mft80i|^  ▼ereni^ten  rbaebi tischen  Becken.  97 

erleiden    bei    Kopfgehurten    im   mSssig    engen   rhachitischen 
Becken  nur  selten  eine  siebtbare  Zusammenpressung. 

Bei  der  zweiten  Art  tritt  im  weiteren  Verlaufe  der  Ge- 
burt die  Stirn  oder  der  Vorderscbeilel,  mit  grösserer  oder 
kleinerer  Geschwulst,  weiter  herab,  der 'Scheitel  ist  mehr  nach 
oben  und  hinten  gerichtet  und  die  grosse  Fontanelle  steht 
fast  in  der  Mittellinie  des  Beckeneingangs.  Sobald  die  Gegend 
der  Kranznabt  zu  Zeiten  bis  gegen  den  oberen  Rand  des 
Obres  herabgepresst  ist,  folgen  die  Seitenwandbeine,  da^t 
hintengelegene  meist  schneller,  als  das  vorngelegene,  ge- 
wöhnlich ohne  weiteren  Aufenthalt,  und  das  Hinterhaupt  drangt 
sich  derart  herab,  dass  es  nach  vollbrachter  Drehung  unter 
den  Schoosbogen  zu  stehen  kommt.  —  Diese  Art  des  Becken- 
eintritts  in  das  rh^chitisch  enge  Becken  bietet  offenbar,  so 
sehr  sie  auch  den  gesteigerten  Geburtstrieb  in  Anspruch  nimmt, 
viele  gunstige  Momente  für  den  Geburtsverlauf  dar;  da  die 
Gegend  der  Kranznaht  eine  viel  geringere  Breite  als  die  Gegend 
der  Scheitelbeinhöcker  hat,  und  der  Kopf  in  jener  Gegend 
gegen  den  Druck  des  Beckens  wegen  der  naheliegenden  Naht 
viel  nachgiebiger  und  leichter  zusammenschieb-  und  driickbar 
ist  Findet  man  bei  diesem  Hergange  der  Geburt  eine  Druck- 
stelle, so  trifft  diese  meist  die  Gegend  der  Kranznabt,  zumal 
deren  Mitte.  Zeigen  sich  zwei  Druckstellen,  so  ist  die  zweite 
gewöhnlich  in  der  Gegend  der  Scbuppennaht  der  entgegen- 
gesetzten Seite. 

Stellt  sich  im  missig  verengten  rhachitischen  Becken 
das  Kind  mit  dem  Steisse  zur  Geburt,  so  bleibt  auch  dieser 
längere  Zeit  nach  dem  Beginne  der  Wehenthätigkeit  so  hoch 
über  dem  Beckeneingange  stehen,  dass  man  häufig  bei  der 
Untersuchung  keinen  Kindestheil  fflblt.  Der  Muttermund  hängt 
erschlafft  in  die  obere  Beckenapertur  herab.  Auch  der  Steiss 
bleibt  oft  eine  längere  tmi  in  einer  Ausbuchtung  der  vorderen 
Gebärmutterwand  über  den  Schoosbeinen.  Die  Blase  tritt 
auch  hier  wurstfßrroig  durch  den  schlaffen,  nicht  gehörig 
geöffneten  Muttermund  und  die  Wasser  gehen  ebenfalls  häufig 
zu  frühe  ab.  Gewöhnlich  ist  auch  unter  diesen  Verhältnissen 
der  Geburtstrieb  sehr  stark.  Nach  dem  Wasserabgange 
kommt    öfter    eine  grössere   Energie    in    die    ausgebuchtete 

Monatitiebr.  f.  Oebortuk.  1868.  Bd.  XXT.,  Snppl.-Hft.  7 


98  ^I^*    Feiit,  Ueber  den  Mechanismus  der  Geburt 

Stelle  der  Gebärmutter,  der  Steiss  wird  dann  etwas  empor 
und  nach  der  Millellinie  der  oberen  Apertur  gehoben  und 
triu  endlidi  quer  und  schiefstehend  in  den  Eingang.  Man 
findet  nun  die  eine  Hfide  nach  vorn  gegen  die  Schoossbeine, 
wählend  (he  andere  uach  iiinten  gegen  die  letzten  Lenden- 
wirbel über  dem  Vorberge  steht  Aucii  hier  zeigt  sich  zwischen 
der  vorliegenden  IJüile  und  der  hinteren  Beckenwand  ein 
leerer  Raum.  Alhnälig  rückt,  dann  unter  kräftigen  Wehen 
diA  vorliegende  Hüfte  tiefer  herab,  bis  der  Steiss  mit  seinem 
grössten  Umfange  in  den  Eingang  gelangt  Dieser  Herabtrilt 
des  Sleisses  fordert  gewöhnlich  eine  geringere  Anstrengung, 
als  das  flerabtreten  des  vorausgehenden  Kopfes.  Doch  sind 
Sieisslagen  im  rhachitisch  verengten  Becken  viel  seltener,  ja 
seltener,  als  im  fehlerfreien  Becken,  WQgegeA  Fusslagen  häufiger 
vorkommen.  Durch  das  lange  Verweilen  des  Steisses  über 
dem  engen  Eingange  bei  Fortdauer  kräftiger  Wehen  wird 
nicht  selten  durch  die  Natiu*  die  Steisslage  in  eine  Fusslage 
verwandelt,  welchen  Vorgang  bei  langen  vergeblichen  An- 
strengungen des  Wei^entriebes  die  ILunst  durch  Herableiten 
eines  Fnsses  wolil  nachzuahmen  hat  Ist  der  Bumpf  bis  zu 
den  Schullern  geboren,  so  treten  diese  im  Durchschnitte  in 
den  Querdurchmesser  des  Eingangs  und  in  dieser  fiicbtung 
durch  denselben,  drehen  sich  in  der  Beckenböhle  in  einen 
der  schrägen  und  am^  Ausgange  in  den  geraden  Durchmesser, 
die  eine  Schulter  unter  den  Schoosbogen,  die  andere  über 
deu  Damm  vordringend  gewöhnlich  mit  den  Eiienbogea  voraus- 
gehend. Entfernen  sich  beide  Arme  oder  einer  vim  der  Brust 
und  schlagen  sich  diese  in  die  Höhe,  so  erfordert  dieser  Um- 
stand im  eiigen  Becken  Kunsthülfe.  Der  zuletzt  kommende 
Kopf,  mit  dem  Kinne  auf  die  Brust  giestützt^  tritt  mit  seinem 
grossen  Durchmesser  in  den  Querduixhmesser  des  Eingangs 
ufid  bei  gesteigerter  Wehenkraft  durch  denselben,  wenn  un- 
geeignete Hülfe  nicht  angewendet  wird.  In  der  Beckeabohle 
niaclit  er  die  gewöhnliche  Drehung,  stemmt  sich  beim  Aus- 
tritte aus  der  Schamspalte  mit  dem  Hinterkopfe  uoter  den 
Sdioosbogen  an  und  es  erscheint  am  Rande  des  Dammes 
das  Kinn,  worauf  das  Gesiebt  über  denselben  gleitet  utul  der 
Kopf  austritt      Wird   aber   das   Kinn   bei   dem  Durchgänge 


im  massig  ?eroDgteD  rhachitischen  Becken.  99 

des  Kopfes  zurückgehalten  und  von  der  Brust  entfernt,  was 
durch  einen  Zug  an  den  Füssen,  dem  Steisse  oder  Rumpfe 
leicht  veranlasst  wird,  so  ist  die  Geburtsthütigkeit  gewöhnlich 
zur  Vollendung  der  Gehurt  nicht  ausreichend. 

Zur  Vollendung  der  Geburt  im  massig  verengten  rhachi- 
tischen Becken  ist  nicht  bloss  eine  regelmässige,  sondern 
eine  gesteigerte  Thätigkeit  der  austreibenden  Kräfte  erforder- 
lich. Die  Steigerung  des  Geburtstriebes  muss  um  so  grösser 
sein,  je  grösser  das  Missverhällniss  zwischen  dem  voran- 
gehenden Kindestheile  und  dem  Becken  ist.  Eine  schwache, 
regelwidrige  Wehenthätigkeit  führt  hier  nicht  nur  nicht  zum 
Ziele,  sondern  bedingt  auch  nachtheilige  Folgen  für  Mutter 
und  Kind,  denn  bei  schwachen  Wehen  behält  die  Cebäi-mutter 
ibi*e  schlechte  Form,  das  Kind  verharrt  in  einer  nicht  günstigen 
Lage  oder  die  günstige  Lage  wird  allmälig  diux:h  sie  jn  eine 
schlechtere  verwandelt.  Im  Allgemeinen  ist  bei  rhachitischen) 
Becken  der  Geburtstrieb  kräftig.  Die  Hindernisse,  welche 
dem  Durchgänge  des  Kindes  sich  entgegen  stellen,  wirken 
als  Reiz  auf  die  Gebärmutter  und  zwingen  diese  zu  ent- 
sprechenden Zusammenziehungen.  Die  Steigerung  der  Gebär- 
routter-Thfttigkeit  erreicht  oft  eine  unglaubliche  Höhe  und 
erlangt  eine  Ausdauer,  wodurch  das  kaum  Glaubliche  geleistet 
wird.  Durch  den  gesteigerten  und  andauernden  Wehen  trieb 
wird  häuGg  mehr  erzwungen,  als  je  die  Kunst  hätte  ei'ringen 
können.  Uebrigens  ereignet  sich  mitunter  bei  starken  Wehen 
ein  Umstand,  der  leicht  schlimme  Folgen  haben  kann.  Es 
zieht  sich  nämlich  der  Muttei*inund,  da  der  vorliegende 
Kindestheil  in  den  engen  Eingang  nicht  frühe  eintreten  kann, 
vor  dessen  Einstellung  zurück,  wodurch  die  Scheide  eine 
ausserordentliche  Ausdehnung  und  Zerrung  erleidet,  ja  seihst 
zerreissen  kann.  Dieses  Ereigniss  habe  ich  nicht  selbst 
beobachtet,  allein  Michaelis  glaubt,  dasselbe  sei  häufiger, 
als  die  Hittheilungen  vermut^en  Hessen,  indem  er  acht  Mal 
Zerreissung  der  Scheide  beobachtet  habe.  Aber  andere 
Nachtheile  für  die  Mutter  habe  ich  bei  sehr  energischen 
Gebärmutterzuaammenziehungen  und  lange  dauernder  Geburt 
wahrgenommen.  Es  wurden  nämlich  bei  grossem  Widerstände 
des  Beckens  die  mütlerlicben  Weichgebilde,   welche  zwischen 

7* 


100         ni.    Feist f  lieber  den  MechaniKmus  der  Gebnrt 

dem  herahgetriebenen  Kinde  und  zwischen  dem  Promontorium 
(seltener  die  zwischen  den  Schoosknochen)  lagen,  heftig  ge* 
druckt,  mitunter  durchgerieben  oder  zerrissen.  Dies  triflt 
insbesondere  den  unteren  Gebärmutterabscbnitt,  allein  mel^r 
bei  Kunst-,  als  bei  Naturhülfe. 

Die  Dauer  der  Geburt  im  rhachitischen  Becken  ist  selbst 
bei  sehr  starken  und  wirksamen  Wehen  sehr  langwierig,  oll 
auf  3 — 4  Tage  und  noch  darüber  sich  erstreckend;  das  dritte 
und  vierte  Geburtsstadium  zieht  sich  gewöhnlich  sehr  in  die 
Lauge.  Diese  überdauert  die  einer  gesundheitgemässen  Ge«> 
burt  öfter  um  das  Drei-,  Vier-  und  Fünffache.  Solche  An- 
strengungen erzeugen  häufig  heftige  Reactionen  im  Nerven- 
und  Gelässsystenie ,  Krampfzufalle,  Congestionen  nach  Kopf 
und  Brust,  selbst  Gefasszerreissungen.  Frostanfälie  mit  darauf 
folgender  brennender  Hitze,  starke  Fieberregungen,  Umnebelung 
der  Sinne,  Betäubung,  heftiges  Erbrechen  sind  zuweilen  deren 
Begleiter.  Gewöhnlich  setzen  die  Wehen  unter  solchen  Um- 
ständen kürzere  oder  längere  Zeit  aus,  oder  werden  wenig- 
setns  schwächer  und  unwirksamer.  Ist  der  Nachlass  der 
Weben  bloss  eine  Folge  des  angestrengten  Geburtstriebes, 
so  beruht  er  häufig  nur  auf  einer  Ermüdung,  Ermattung,  Er- 
schlaffung der  Muskelfasern.  Nach  einer  Ruhe  von  Va — 1 
bis  mehreren  Stunden  erwacht  die  Kraft  von  Neuem,  es  ti*eten 
abermals  stärkere  und  nicht  selten  wirksamei*e  Wehen  ein. 
Solche  Wehenzwischenräume  stellen  sich  bei  langer  Dauer 
der  Geburt  mitunter  mehrere  Mal  ein.  Allein  die  Contrac- 
tionskrafl  hat  auch  ihre  Grenzen.  Wird  das  zu  überwindende 
Ilinderniss  zu  bedeutend,  so  erfolgt  Erschöpfung  der  Thätig- 
keit  der  Gebärmutter,  wie  der  Hülfskräfte,  es  tritt  ein  iäb- 
mungsartiger  Zustand  des  Uterus  ein  oder  es  können  in  Folge 
intensiver  Contractionen  Fasern  zerreissen;  wodurch  die  Ge- 
bärmutterthätigkeit  ungenügend,  unergiebig  wird  oder  gar  ganz 
aufhört.  Der  Druck  auf  die  den^Becken  nabeliegenden  Nerven 
scheint  auf  die  Gebärmutterthätigkeit  Einfluss  zu  üben.  Dieser 
Druck  erzeugt  einen  heftigen  eigentbnmlichen  Rückenschmerz, 
der  selbst  in  der  wehenfreien  Zeit  fortwährt  und  nicht  selten 
zu  einem  ständigen  Drängen  zwingt.  Angst  und  Unruhe  be- 
mächtigen  sich   der  Kreissenden.     Mit   Ungestüm  wirft   sieb 


im  mKssig  verengten  rbachitischen  Becken.  IQl 

die  Gebärende  oft  bin  und  her;  selbst  der  kräftigste  Wille 
yerinag  liäufig  nicht  Herr  dieser  unwillkürlichen  Unruhe  zu 
werden.  Leider  sind  die  Erschöpfung,  wie  die  nervösen  und 
congestiven  Zufalle  o(t  mehr  die  Folge  ungeeigneten  Behandehis, 
als  der  Geburtsanslrengung.  Zu  frühes  Veraibeiien  der  Wehen, 
Mitdrängen,  der  Genuss  belebender,  erhitzender  Mittel,  un- 
bequemes Lager,  Beunruhigung  des  Gemüthes  u.  s.  w.  erzeugen 
oft  solche. 

Nicht  immer  trifft  man  in  der  Geburt  bei  engem  Becken 
kräftige,  sich  allmälig  steigernde,  ergiebige  Wehen,  mitunter, 
doch  selten,  bleiben  die  Wehen  schwach.  Am  seltensten  fin- 
det man  dies  bei  rhachitischem  Becken,  häufiger  bei  dem 
Pelvis  simpl.  justo  minor.  Bei  reizbaren  Personen  ensteht 
durch  die  Schmerzhaltigkeit  der  Wehen  und  den  schon  be- 
seidmeten  Rückenschmerz  eine  Aufregung  des  ganzen  Nerven- 
systems. Es  zeigen  sich  nicht  selten  Krampfwehen,  Schmerzen 
in  den  Schenkeln,  wodurch  der  Geburtstrieb  unwirksam  wird, 
körperliche  und  geistige  Unruhe  entsteht.  Einfache,  krampf- 
stillende, beruhigende  Mittel,  Beschwichtigung  der  Gemüths- 
aufregung  durch  freundliches  Zureden,  bequeme  Lage  ver- 
bessern gewöhnlich  diesen  Zustand. 

Bei  massiger  Verengung  des  rhachitischen  Beckens  und 
guter  Lage  des  Kindes  hat  sich  der  Geburtshelfer  exspeclativ 
zu  verhalten.  Er  muss  neben  dem  Becken  die  Grösse  des 
Kindes,  die  Fügsamkeit  des  Kopfes,  die  Wehenkraft  und  den 
Zustand  der  Kreissenden  selbst  ins  Augenmerk  fassen.  Er 
hat  sich  bei  verhältnissmässig  günstigen  Umständen  passiv 
zu  benehmen,  nur  muss  er  nach  Möglichkeit  jede  Störung 
des  Herganges  abhalten.  Den  Naturkräflen  muss  er  Zeit 
lassen,  sich  zu  entwickeln.  Ein  früheres  Verarbeiten  der 
Wehen,  ein  Mitdrängen  von  Seiten  der  Gebärenden  ist  in 
vielfacher  Hinsicht  nachtheilig.  Es  stört  die  allmälige  Ent- 
wickelung  des  Geburtstriebes,  reibt  vor  der  Zeit  die  Kräfte 
auf,  begünstigt  einen  zu  frühen  Abgang  des  Fruchtwassers. 
Eine  allmälige  Entwickelung  der  Gebärroulterthätigkeit,  das 
Erhallen  der  Kräfte,  der  späte  Abgang  des  Fruchtwassers 
sind  gerade  Momente,  die  neben  der  Fügsamkeit  des  Kindes- 
kopfes von  der  grössten  Wichtigkeit  für  einen  günstigen  Ver- 


102         11^*    Feiitf  Üeber  den  Mechanismns  der  Geburt 

lauf  der  Geburt  im  rbachitischen  Becken  sind.  Dem  Geburts- 
helfer steht  hier  die  Anordnung  der  Seitenlage  der  Kreisseodeii 
als  ein  trellQiches  Mittel  zur  Verhinderung  eines  unseitigen 
Drängens  zu  Gebote.  Es  versteht  sich  wohl  von  selbst,  dass 
man  'bei  der  langen  Dauer  einer  solchen  Geburt  nicht  be- 
ständig eine  Seitenlage  beibehalten  lassen  kann,  allein  die 
Neigung  zum  zufruhezeitigen  Mitdrängen  ist  aueb  nicht  an- 
haltend vorhanden.  Die  Dauer  der  Geburt  darf,  so  lange 
keine  anderweitigen  gefahrdrohenden  Erscheinungen  eintreten, 
zu  einem  activen  Eingreifen  nicht  veranlassen.  Besondere 
Rücksicht  hat  der  Geburtshelfer  auf  die  Lage  und  Stellung 
des  Kopfes»  dessen  Nachgiebigkeit  und  Verschiebbarkeit  zu 
nehmen.  Stellt  sich  bei  kräftigen,  wirksamen  Wehen  der 
Kopf  im  Beckeneingange  fest,  sind  die  Knochen  desselben 
nachgiebig,  schieben  sie  sich  allmälig  übereinander  und  be- 
reiten sie  sich  so  zur  Vorbewegung  vor,  so  ist  ein  mecha- 
nischer Eingriff,  selbst  bei  weit  ausgebreiteter  Kopfgeschwulst, 
nicht  zu  rechtfertigen,  einmal  weil  meistens  der  Kopf  wegen 
seines  Querstandes  nicht  gehörig  mit  der  Zange  gefasst  werden 
kann,  und  dann  weil  ein  Druck  auf  den  nicht  passend  ge- 
fassten  Kopf  des  Kindes  diesem  nachtheilig  werden  kann. 
Ausdauer  und  Geduld  des  Geburtshelfers  werden  allerdings 
oft  auf  eine  harte  Probe  gestellt,  allein  er  muss  diese  im 
Interesse  der  Mutter  und  des  Kindes  bestehen  und  darf  sich 
durch  die  Länge  der  Geburlsdauer  und  das  Drängen  der  um- 
gebenden Personen  zu  unzeitigem  Eingriffe  nicht  verleiten 
lassen.  Besondere  Geduld  erheischt  der  Krampf  des  Isthmus. 
Oft  bleibt  hierbei  der  Muttermund  bei  geringer  Eröffnung  unter 
sehr  schmerzhaflen  Wehen  gleich  einer  straff  angezogenen 
Darmsaite  lange  Zeit  gespannt,  einen  scharfen  Rand  darbietend. 
Die  Kreissende  wird  in  einem  hohen  Grade  unruhig,  wirft  sich 
ungeduldig  umher,  über  die  heftigsten  Schmerzen  im  Rücken 
und  dem  unteren  Theile  des  Unterleibes  klagend,  die  selbst 
in  den  wehenfreien  Zeiten  fortwähren  und  zu  einem  bestän- 
digen Drängen  nölhigen.  Ist  die  Empfindlichkeit  dui*ch  den 
Reizzustand  der  Gebärmutternerven  und  ihre  Verbindung  mit 
dem  Cerebro- Spinalnervensystem  so  gross,  dass  gefährliche 
Nervenzufalle  zu  befurchten  sind,  so  muss,  ausser  Anwendung 


im  mftsttig  verengte»  rbaeliltiseheii  Becken.  103 

der  passenden  Arzneimittel,  eine  Lagerung  der  Kreissenden 
angeordnet  werden,  welche  ein  plötzliches,  stürmisches  An- 
dringen des  vorliegenden  Kindestheiles  gegen  den  Mutter- 
muml  schwächt  und  TeriiinderL  Die  Seiteulage  entspricht 
dieser  Anforderung.  Es  wird  durch  sie  ein  Tbeil  des  Druckes 
auf  die  zunächst  den  grösseren  Nervengeflechten  gelegenen 
Theile  der  Gebärmutter  und  auf  die  in  der  Nähe  des  Promon- 
toriums gelegenen  Plexus  abgebalten. 

Nimmt  die  Kunst  an  der  Beendigung  der  Geburt  in  dem 
massig  verengten  rhaclii tischen  Becken  keinen  eingreifenden 
Antheil,  so  verläuft  selbst  bei  langer  Dauer  der  Niederkunft 
das  Wochenbett  im  Durchschnitte  auffallend  günstig.  Die  ge- 
ringeren Grade  der  rhachilischen  Beckenverengung  sind  so- 
nach, wenn  keine  ungeeignete  Kunsthülfe  in  Anwendung  kömmt, 
für  die  Mutter  viel  weniger  gefährlich,  als  für  das  Kind,  wel- 
ches häufig  bei  den  nicht  selten  stürmischen  Wehen  und  dem 
lange  andauernden  Drucke  auf  den  Kopf  insbesondere  durch 
das  vorragende  Promontorium  Verletzungen,  selbst  öfter  den 
Tod  erleidet.  Es  bedarf  wohl  kaum  der  Erwähnung,  dass 
höhere  Grade  von  rhaclütischer  Beckenverengimg  bei  reifen 
Kindern  besondere  geburlshülfllche  Operationen  nöthig  machen, 
dass  solche,  wenn  sie  wälirend  der  Schwangerschaft  erkannt 
werden,  eine  künstliche  Frühgeburt  indiciren. 


104        IV.  Mewner,  Mittheilniigeii  fiber  die  Tli&%lEeit 


IV. 


Mittheilnngen    über    die    Thätigkeit   und   Ver- 
handlungeB   der   Gesellschaft   für   Oebnrtshttlfe 

zu  Leipzig 

im  achten  Jahre  ihres  Bestehens. 


I.    Jahresbericht, 

erstattet  durch  den  d.  Z.  Seeretair 

Dr.  med.  Emil  Apollo  Meissner. 

Vorgetragen  am  14.  April  1862. 

Da  unter  Verweisung  auf  das  in  unserem  Kreise  zur 
Geltung  gelangte  Princip  des  Wechsels,  dem  er  seine-  Er* 
wäblung  zum  Director  für*s  7.  Geschäftsjahr  zuschreiben  müsse, 
Dr.  Ploss  entschieden  die  Fortführung  diesen  Amtes  ab- 
gelehnt halte,  berief  die  Gesellschaft  für  das  mit  heute  ab- 
laufende 8.  Jahr  Hofrath  Prof.  Dr.  Cred^  wieder  an  die 
Spitze  und  hatte  die  Freude,  diese  Wahl  von  demselben  nach 
2jähriger  Unterbrechung  wieder  angenommen  zu  sehen.  Unter 
seiner  Aegide  fungirten  die  früheren  Vorstandsmitglieder: 
Dr.  Sickel  als  Vicedirector,  Dr.  Hennig  als  Cassirer  und  der 
Berichterstatter  als  Secretair,  aufs  Neue  erwählt,  fort  und 
sind  heute  in  der  glucklichen  Lage,  die  gedeihliche  Weiter- 
entwickelung unseres  Vereinslebens  berichten  zu  können,  ob- 
wohl wir  auch  in  diesem  Jahre  leider  niclit  vom  abermaligen 
Verluste  eines  Mitgliedes  durch  den  Tod  verschont  blieben. 
Es  ist  dies  Dr.  Friedrich  Rilltet  in  Genf,  über  den  ich  in 
der  89.  Sitzung  den  nachfolgenden  Nekrolog  zu  erstatten  hatte. 

Friedrich  RiUiet,  geboren  zu  Genf  am  14.  Juli  1814, 
widmete  sich  daselbst  dem  Studium  der  Natur-  und  Heilkunde 
mit  grossem  Eifer;  und  wendete  sich  1833  nach  Erlangung 
des  Grades  eines  Baccalaureus  mit  mehreren  Studiengenossen 
nach  Paris,  wo  er  zunächst  im  Externat  unter  Leitung  des 
Dr.  Lovis   sein  Glück   machte.     1836  zum   Internat  gelangt, 


a.  d.YerbADdl.  d.  Gesellschaft  f.  Gebnrtshtilfe  in  Leipsig  etc.    105 

sammelte  er  unter  Dr.  BieU  eine  gros&e  Anzahl  von  Beobachtungen 
ober  Hautkrankheiten«  dann  im  Hospital  St.  Louis  über  Kinder- 
krankheiten, und  als  er  1838  diese  Stellung  aufgeben  musste, 
fand  er  gläcklicber  Weise  einen  gleichen  Platz  im  Hospital 
Necker.  Am '3.  Januar  1840  erhielt  er  von  der  Facultät  zu 
Paris  die  Doclorwörde,  worauf  er  einige  Zeit  zu  seiner  Familie 
zunickkebrte  und  vor  der  Facultät  zu  Genf  seine  Examina 
erfolgreich  bestand,  dann  aber  seinen  Platz  im  Pariser  Kinder- 
hospitale wieder  einnahm,  der  ihm  nach  Krönung  seiner  Ar- 
beiten bei  der  Preisbewerbung  der  Internen  auf  zwei  Jahr 
wieder  übertragen  worden  war.  Hier  schloss  sich  seine  von 
der  ersten  Amtsführung  her  datirende  Freundschaft  mit  seinem 
Collegen  Dr.  Ernst  BartheZf  jetzt  Arzt  im  Hospital  St.  Eugenie 
zu  Paris  enger,  und  vereint  mit  ihm  sammelte  er  hier  die 
Materialien  zu  dem  berühmten  Werke  über  Kinderkrankheiten, 
das.  zuerst  1843  erschien.  Trotz  der  glänzenden  Aussichten 
aber,  die  sich  ihm  zu  Paris  boten,  kehrte  er  im  letzgenannten 
Jahre  nach  Genf  zurück,  wo  er  sich  als  praktischer  Arzt 
niederliess.  Hier,  wohin  ihm  sein  Ruf  vorangeeilt  war,  ge- 
langte er  alsbald  zum  höchsten  Ansehen,  besonders  als  Kinder- 
und  Frauenarzt,  so  dass  namentlich  nicht  leicht  eine  Consol- 
tation  mehrerer  Aerzte  am  Krankenbette  eines  Kindes  ohne 
ihn  abgehalten  wurde;  zumal  er  in  therapeutischer  Hinsicht 
keinem  exclusiven  Systeme  huldigte,  sondern  immer  nur  Er- 
fahrung und  Vernunft  zu  seinen  Führern  wählte.  1848  wurde 
er  Chefarzt  des  (lospitals  zu  Genf,  in  welcher  Stellung  er 
sich  besonders  während  der  Choleraepidemie  1855  auszeichnete, 
sowie  Gelegenheit  zu  den  bedeutenden  Forschungen  fand,  die 
er  in  seinen  zahlreichen  Schriften  über  verschiedene  Krank- 
heiten der  Kinder,  wie  der  Erwachsenen,  zuletzt  über  den 
constitutionellen  Jodismus,  niederlegte.  Daneben  übernahm 
er  auch  das  Lehrfach  der  Anatomie  und  Physiologie  an  einem 
freien  Gymnasium  für  Vorbereitung  junger  Leute  zu  den  Fach- 
studien in  seiner  Vaterstadt  Mehrmals  war  er  Präsident  der 
medicinischen  Gesellschaft  zu  Genf;  mit  den  Ritterkreuzen 
der  franz.  Ehrenlegion,  des  russischen  Stanislaus-  und  des 
sardinischen  St.  Hauricius-  und  Lazarusordens  geschmückt 
war  er  auch  Mitglied  von  7  Akademieen  der  Medicin  und 
23  mediciniscli-nalurwissenschafllichen  Gesellschafleu,  darunter 


106        IV.   MMtner,  Mittheilungen  über  die  ThStigkeit 

auch  (ler  unsrigen  seit  dem  16.  Februar  1857.  —  Dabei 
glflcklkher  Gatte  und  Vater  blieb  er  aber  doch  auch  nicht 
von  belrfibenden  Erfahrungen  in  seinen  lebhaften  Besti^ebungen 
verschont,  die  Würde  des  Standes  und  der  Facultät  gegen- 
über den  bedauerlichen  Maassnabnten  des  Staatsrathes  unter 
Juhß  Fazy  aufrecht  zu  erhalten.  Als  im  Jahre  ]856 
Dr.  Coindet  unter  nichtigem  und  ungerechtem  Verwände 
seiner  Stellung  als  Oberarzt  des  Cantonhospitals  für  Geistes- 
kranke, die  er  seit  22  Jabren  bekleidet  halte,  entsetzt  wurde, 
war  Rilltet  der  Erste,  der  eine  Manifestation  hervorrief,  welche 
gegen  diese  Bescbimpfung  profestirte  und  zu  der  sich  die  medi- 
cinische*  Gesellschaft  und  eine  grosse  Anzahl  der  Aerzte  zu 
Genf  vereinigte,  die  aber  Rilltet  um  seine  Stellung  als  Oberarzt 
am  Hospitale  brachte.  Am  2.  Juni  1861  Morgens  2  Uhr  von 
seiner  letzten  Visite  bei  einem  Kranken  zurückgekehrt,  der 
ihn  hatte  rufen  lassen,  legte  er  sich  noch  gesund  nieder,  als 
er  plötzlich  wenige  Hinuten  vor  5  übr  Morgens  von  Frost- 
schauer, Brechneigung  und  heftigem  Schulterschmerze  befallen 
wurde,  weshalb  er  sich  frottiren  liess,  doch  alsbald  erfolgte  unter 
Trismus  und  einigen  starken  Inspirationen  der  Tod.  Seine 
Menschenfreundlichkeit  und  ärztliche  Geschicklichkeit  sichern 
ihm  in  Genf  ein  gleich  ehrenvolles  Andenken,  wie  seine  fleissigen 
Studien  in  der  gesammten  wissenschaftlichen  Welt!  — 

Dagegen  sind  die  weiteren  Vorgänge  im  Personalbestände 
unserer  Gesellschaft  fast  durchaus  erfreulicher  Art.  Cnser 
Ehrenmitglied,  Herrn  Medminalrath  Ritter  Dr.  Güntz  begrössten 
wir  durch  eine  Deputation  am  3.  Mai  1861  als  dem  26jShrigen 
Jubelfesttage  der  von  ihm  gegründeten  Irrenheil-  und  Pflege- 
anstalt Thonberg  unter  Ueberreichung  eines  Gratulations* 
Schreibens  und  freueten  uns,  an  selbigem  Tage  ihn  mit  dem 
Ritterkreuze  des  Königl.  Sachs.  Verdienstordens  geschmückt  zu 
seilen.  —  Die  Zahl  der  ordentlichen  Mitglieder  erfuhr  die 
Ernennung  Dr.  Germann'»  zum  ausserordentlichen  Professor 
der  Medicin,  Dr.  Hadke'%  Habilitatioh  zum  Privatdocenten 
und  einen  neuen  Zuwachs  durch  die  Aufnahme  des  Assistenz^ 
arztes  Ferdinand  Jacobi  hier.  —  Hinsichtlich  der  corre- 
spondirenden  Mitglieder  ist  nur  die  Zutbeilung  des  Nilitair- 
Oberarztes  Dr.  Edmund  Paul  Meissner  in  Dresden  zur 
medicinischen    Poliklinik    bei    der    medicinisch- chirurgischen 


n.  d.  Verhandl.  d.  Gesellscbaft  f.  Gebnrtsbülfc  zn  Leipsig  etc.    107 

Akademie  daselbst  in  Folge  eines  von  der  Hedicinaldirection 
der  Armee  verfOgten  und  am  1.  Januar  a.  c.  eingetretenen 
Wechsels  in  der  Dienstleistung,  und  die  Erwälilung  des 
Dr.  Horace  Charles  Victor  Gavtier  in  Genf,  des  Prof. 
Dr.  Franz  Christian  Faye  in  Christiania  und  Dr.  Ludteig 
Adolf  Neugehauer,  Lehrer  an  der  Kaiserl.  Königl.  mediclnisch- 
chirurgischen  Akademie  in  Warschau  zu  berichten. 

Als  Geschenke  ITir  das  Archiv  der  Gesellschaft  gingen 
ein :  &.  F.  Hoere  de  tiimore  cranii  recens  natorum  sanguineo, 
Diss.  Berolin.  Dr.  F.  Oautter  du  rhumatisme  de  Tut^rus, 
Gen^ve  1858  und  Observations  de  deux  epanchements  san* 
guins  dans  la  cavite  pelvienne  (aus  TUnion  medicale  du 
23.  Febr.  1860);  Dr.  Alfred  Hegar^s  Pathologie  und  The- 
rapie der  Placenlar-  Retention,  Berlin  1862 ;  Prof.  Dr.  F.  C. 
Faye'^  Uterus  duplex  cum  Vagina  simplici ;  partus  praemalurus 
—  Emhryotomia;  und  über  Puerperalfieber  Diagnose  und 
Behandlung,  sämmtlich  in  norwegischer  Sprache;  Dr.  Z.  A, 
Keugebauer^B  Lehrbuch  der  Geburtshillfe  in  polnischer 
Sprache  1.  Theil,  Warschau  1860;  Prof.  Dr.  Breslau'»  Bericht 
über  die  Ereignisse  in  der  Züricher  Gebäranstall  im  Jahro 
1860  (ans  dem  Jahresbericht  über  die  Verwaltung  des  Medicinal- 
Wesens  im  Canton  Zürich);  Dr.  Hennig^s  Verhärtung  des 
Zellgewebes  bei  Neugeborenen  (aus  dem  Archiv  der  physio- 
logischen Heilkunde  IL)  und  dessen  Katarrh  der  inneren 
weiblichen  Geschlechtstheile,  Leipzig  1862.  —  Hinsichtlich 
des  Ciruilirens  dieser  und  der  von  der  Gesellschaft  käuflich 
erworbenen  Schriften  unter  den  hiesigen  Mitgliedern  wurde 
zu  Ende  October  v.  J.  eine  bestimmte  Regulirung  mit  14  tagiger 
Lesezeit  vereinbart  und  ein  Bücherlräger  angenommen. 

Ihre  Thäligkeit  entwickelte  die  GeseHschaft  im  ab- 
gelaufenen Jahre  lediglich  in  eilf  am  15.  April,  13.  Mai, 
17.  Juni,  15.  Juli,  16.  September,  21.  October,  18.  November, 
16.  December  1861,  20  Januar,  17.  Februar  und  17.  März 
1862  abgehaltenen  (der  86.-96.)  Sitzungen,  deren  einer  auch 
Herr  Privatdocent  Dr.  Benno  Schmidt  von  hier  als  Gast 
beiwohnte. 

Unter  den  Gegenständen  der  Verhandhingen,  welche,  wie  ' 
bisher,  systematisch  zusammenzustellen  vorziehen  muss,  prinnere 


108  IV.    Meümer,  MittheiloDgen  über  die  Th&tigkeit 

zunächst  an  die  in  der  letzten  Sitzung  des  abgelaufenen  Gesell- 
sehaftsjabres  erfolgten  Hittheilungen  aus  dem  Bericht  über 
die  Ereignisse  in  der  hiesigen  Königl.  Entbindungs- 
schule und  der  damit  verbundenen  geburtshülflicben 
Polikliniii  in  der  Zeit  vom  1.  Octbr.  1859  bis  30.  Septbr. 
1861  durch  den  Director  Hofrath  Prof.  Dr.  Credi.  Da  der- ' 
selbe  später  in  der  Monatsschrift  für  Geburtskunde  in  extenso 
erscheint,  begnüge  ich  mich,  nur  darauf  hiermit  zu  verweisen. 

Von  ganz  ausserordentlichem  Interesse  war  eine  vom 
27.  November  1861  datirte  Correspondenz  des  Prof.  Dr.  Breslau 
in  Zürich  zur  Aetiologie  und  pathologischen  Anatomie 
der  Extrauterinschwangerschaften,  die  in  der  94. 
Sitzung  zum  Vortrag  gelangte,  und  die  wir  zugleich  mit  der 
beigefügten  Abbildung  des  betretenden  Präparates  unter  häß- 
lichstem Danke  für  den  geehrten  Herrn  Verfasser,  dessen 
Wunsche  gemäss  in  der  Beilage  sub  No.  2  um  so  freudiger 
mit  veröffentlichen,  als  die  darauffolgende  Versammlung  eine 
Hittheilung  Dr.  UhlicVs  als  treffendes  Seitenstück  dazu  liefeite 
und  so  das  nicht  vereinzelte  Dastehen  eines  solchen  Befundes 
über  allen  Zweifel  erhob.  Letztere  Mittheilung  wurde  deshalb 
im  Anschlüsse  an  Prof.  Dr.  Breslau'»  geschätzte  Arbeit  mit 
abzudrucken  beliebt. 

In  der  93.  Sitzung  gab  Dr.  Ploss  die  Einleitung  und 
das  Schlussresume  einer  sehr  umfangreichen  und  deshalb  nicht 
zur  vollständigen  Vorlesung  geeigneten  Arbeit  über  die  Sitten 
und  Gebräuche  verschiedener  Völkerschaften  bei 
der  Geburt,  welche  einen  ebenso  interessanten  Beitrag  zur 
allgemeinen  Culturgeschichte,  als  unwiderleglichen  Beweis  für  den 
eminenten  Sammelfleiss  unseres  verehrten  Collegen  liefert  und 
seiner  Zeit  veröffentlicht  werden  wird.  Auf  den  Wunsch  des 
Verfassers  wird  darum  eine  nähere  Inhaltsangabe  auch  diesem 
Bericht  nicht  mit  einverleibt. 

Die  in  der  Pariser  Akademie  gepflogenen  Verhandlungen 
über  die  Vornahme  des  Kaiserschnittes  nach  dem 
Tode  und  die  ersten  Referate  darüber  von  Depaul  und 
Kergaradec  besprach  Hofrath  Prof.  Dr.  Credd  in  der  87. 
Sitzung  kürzlich  mit  Rücksicht  auf  die  vorjährige  Bearbeitung; 
der  Leichen  -  Entbindungen  durch  den  Berichterstatter. 


a.  d.Verbandl.  d.  GesellRchafr  f.  Oebartshülfe  zu  Leipsig  etc.    109 

In  der  95.  Sitzung  gab  der  Referent  einen  kleinen 
Vortrag  über  Proctocele  vaginalis  als  Geburtsbinder- 
niss,  der  sich  diesem  Jahresbericbt  sub  No. 4 angefügt  vorfindet. 

Den  vom  Geh.  Med.-Rath  und  Ritter  Prof.  Dr.  Eduard 
Martin  in  Berlin  empfohlenen  Apparat  zur  Transfusion 
bei  Blutungen  Neuentbundener  zeigte  Dr.  Helfer  in 
der  91.  Versammlung  vor  und  gab  Veranlassung  zu  einer 
Besprechung  über  die  Verblutungsgefahr  bei  Placenta  praevia 
und  die  daraus  resultirende  Indication  zur  Transfusion.  Hof- 
rath  Prof.  Dr.  Cred^  machte  dabei  auf  das  Fehlen  eines 
sicheren  Anzeichens  für  die  Notliwendigkeit  der  Transfusion 
im  einzelnen  Falle  um  so  nachdrücklicher  auftnerksaro,  als 
auch  ohne  die  Vornahme  dieser  Operation  so  manche  fast 
verblutete  Wöchnerin  sich  wieder  erhole,  und  die  Gefährlich- 
keit des  Lufteintrittes  in  die  Vene  nicht  zu  gering  angeschlagen 
werden  dürfe,  um  auch  bei  weniger  dringenden  Fällen  allent- 
halben dieselbe  zu  erproben. 

In  der  89.  Sitzung  brachte  Dr.  Beck  folgende  Mit- 
theilungen über  Anwendung  der  Inductions-Eleklri- 
cität  gegen  plötzliche,  durch  Gemüthsbewegungen 
eingetretene  Unterdrückung  der  Milchsecretion  der 
Wöchnerinnen:  Dr.  Oppenkeimer,  Privatdocent  in  Heidel-* 
herg  führt  in  seinem  Lehrbuche  der  physikalischen  Heilmittel 
unter  dem  Capitel:  die  Gefassveränderungen  durch  den 
elektrischen  Strom  und  ihr  Nutzen  für  die  Therapie,  und 
speciell  unter  der  Rubrik:  die  Erweiterung  der  Gefässe  auch  c. 
die  Beförderung  der  Milchsecretion  au,  und  spricht  sich  darüber 
ausführlich  aus.  Eigene  Erfahrungen  oder  Fälle  führt  Oppen- 
heimer  wie  im  ganzen  Werke,  auch  unter  dieser  Rubrik  aber 
nicht  an,  und  ich  {B,)  bin  zu  geringer  Kenner  der  Literatur 
über  Elektricität,  um  genau  zu  wissen,  ob  Fälle  in  dieser 
Beziehung  bereits  bekannt  gemacht  wurden.  Sollte  es  der 
Fall  sein,  so  würde  ich  um  Nachsicht  bitten,  wenn  ich  meine 
Beobachtungen  darüber,  die  sieb  auf  nur  drei  Fälle  beschränken, 
mitzutheilen  mir  erlaube.  —  Ich  {B,)  verfuhr  ganz  in  der 
von  Opperiheimer  angegebenen  Weise,  d.  h.  ich  wandte  den 
Inductionsstrom  2 — 3  Mal  täglich  an,  und  wich  nur  insofern 
ab,  als  ich  den  Strom  niqht  5  — 10  Minuten  auf  jede  Mamma 
und  ihre  Umgebung,  sondern  jedes  Mal  volle  10  Minuten  ein- 


110  ^^'   ifeiMner,  Mitthelluogen  über  die  Tfaätigkeit 

wirken  lie^s,  wofür  icb  den  Strom,  um  den  Schmerz  wegen 
der  Länge   der   Dauer  zu   verbülen,  nur   schwacli   anwandle 
und   nur  ganz  allmälig  steigerte.     Zuvor  niuss  ich   noch   er- 
wähnen,  ddss  in   keinem  der  drei  Fälle  irgend   ein  anderes 
Heilverfahren,,  als    das  Auflegen    und    Liegenlassen    wollener 
Tücher  auf  die  Brüste  und  Emporbinden  derselben  angewandt 
wurde,   und   dass   sänuutliche  drei  Frauen  ihre  erste  Nieder- 
kunft abgehalten  hatten.  —  Im  ersten  Falle   stillte  die  Frau 
28  Tage   nach    völlig  normalen   Geburls-   und  Wochenbetts- 
verhältnissen,  die   Brüste    waren   gut   gebaut,   stets  reichlich 
mit  Milch   gefüllt,   die   Warzen    dick   und   lang.      Das  Kind 
nährte  sich  nur  von  der  Mutter,   die  dasselbe  am  Tage  un- 
gefähr alle  zwei  Stunden,  Nachts   dagegen  selten  häufiger  als 
zweimal  anzulegen  benothigt  war.     Als  sie  am  29.  Tage  des 
Stillens  um  6  Uhr  Morgens  durch  ein  Geräusch  auf  der  Strasse 
erwacht,    sieht  sie  das   ihrer  }Vohnung   schräg  überliegende 
Haus  in  Flammen  t^tehen,  und  von  Stunde  an  stockt  die  Milch 
in  Folge  des  Schreckens  vollständig.     Nach  circa  2  Stunden 
war  ich  nicht  im  Stande,   nur  einen  Tropfen  Milch  aus  einer 
Brust  zu  drücken,   die   beide   nun  ganz  schlaff  waren.     Ich 
liess  der  Frau  nur  Bouillon   trinken  und  begann  meine  Kur 
mit    einer    dreimaligen  Application    des  Stromes  an   diesem 
Tage,  und  zwar  früh  9  Uhr,  Mittags  3  und  Abends  9.Uhi*;  — 
dasselbe  Verfahren,   nur  unterstützt  durch  zeitweises   kurzes 
Anlegen  des  Kindes  schlug  ich  am  zweiten  Tage  ein,  an  dem 
ich  Abends   9  Uhr  aus  der  rechten  Brust  (an  der  die  Frau 
'zuletzt  gestillt  hatte)  ein  kleines  Tröpfchen  eines  wasserhellen 
colostrum-ähnlichen   Serums  drücken  konnte.     Ich  liess   das 
Kind  sofort  an  diese  Brust  anlegen  und  bemerkte  nach  wenigen 
Zügen,  als  das  Kind,   weil  es  wenig  bekommen,  ungeduldig 
geworden  war,  an  der  Warze  bei  Druck  einen  Tropfen  Milch. 
An  der  hnken  Brust  war   weder  Serum  noch  Milch  zu  ent- 
decken, offenbar  aber  hatten  beide  Brüste  am  Ende  des  zweiten 
Tages  an  Volumen  zugenommen.     Am  dritten  Tage,  nachdem 
das  Stillen  während  der  Nacht  zu  wiederholten  Malen  versucht 
worden  war,  fand  ich  früh  8  Uhr  die  rechte  Brust  bedeutend 
voller  als  die  linke,  aus  der  sich  zwar  jetzt  auch  Colostrum- 
ähnliche  Flüssigkeit  ausdrücken  liess,   während   dagegen    die 
rechte    entschieden  bereits  deutliche,   wenn   auch  nur  wenige 


a.  d.Verbandl.  d.  OesellscbAft  f.GebnrtohüIfd  zu  Leipzig  etc.    Hl 

Secrelion  zeigte.  Ich  iDducirle  die  rechte  Brust  no€h«inmal 
und  Hess  das  Kiod  darauf  fleissig  anlegen,  das  geduldig  genug 
war,  immer  so  gut  wie  vergebens  zu  ziehen,  und  wi<lmete 
mich  dann  ganz  der  linken  Mamma,  die  ich  im  Laufe  des  Tages 
noch  zweimal  inducirte,  worauf  am  Abende  ebenfalls  Milch 
eintrat,  nachdem  die  Brust  ebenfalls  bedeutend  angeschwollen 
war.  Aus  der  rechten  Mamma  Hess  sich  am  Abende  des 
dritten  Tages  die  Milch  schon  reichlich  ausdrücken,  so  dass 
ich  dem  Kinde  wo  möglich  nichts  anderes  mehr  zu  geben 
verordnete,  damit  der  Reiz  durch  Zug  von  Seiten  des  Kindes 
auch  mit  auf  die  Secretion  wirke.  So  wie  am  dritten  Abende 
die  rechte«  fand  ich  am  vierten  Morgen  auch  die  linke  Mamma, 
und  das  Säugungsgeschäd  konnte,  wenn  auch  noch  niclit  als 
normal,  so  doch  als  bereits  gut  im  Gange  betrachtet  werden. 
Am  fünften  Abende  war  die  Milchsecretion  wieder  normal. 
Erwälmen  .will  ich  noch,  dass  ich  die  Frau  vom  zweiten  Tage 
an,  als  der  Schreck  so  zu  sagen,  vergangen  war,  reichlich 
mit  kräftiger  Flüssigkeit  nährte,  um  auch  von  dieser  Seite 
her  Aach  Möglichkeit  zu  wirken.  —  Ich  habe  diesen  Fall 
ausführlicher  als  es  vielleicht  nothwendig  gewesen  wäre,  mit- 
getheilt,  muss  es  aber  dem  Urtheile  dos  Einzelnen  überlassen, 
ob  der  Wiedereintritt  der  Secretion  der  Natur  oder  der 
Elektricität  allein  oder  beiden  zugleich  zuzuschreiben  seL  Ich 
bin  geneigt  das  letztere  anzunehmen,  denn  jeder  wird  zugeben, 
dass  der  spontane  Eintritt  der  Secretion  ohne  Hinzulhun  der 
Kunst  wohl  selten  so  zeitig  wie  im  vorliegenden  Falle  erfolgt.  — 
Im  zweiten  Falle  stillte  die  25jährige  Frau  seit  16  Tagen 
nach  gleichfalls  glückiiehem  Geburts-  und  Wochenbetlsjreriaufe, 
als  sie  dufch  die  Arretur  ihres  Mannes  wegen  WediselachuM 
in  eine  Art  Gemüthsaqfregung  versetzt  wurde,  die  volle  4  Tage 
während  welcher  der  Mann  im  Wechselarrest  sass,  anhielt 
Zwei  Stunden  nach  Abgang  des  Mannes  in  die  sogenannfe 
WechselsILube  wiU  sclion  die  Frau  keinen  Tropfen  Milch  mehr 
gehabt  haben,  sie  habe  das  Kind  zwar  angelegt,  dasselbe  habe 
indessen  bald  schreiend  die  Warzen  fahren  lassen,  und  sie 
selbst,  die  Frau,  bftbe  bei  diesen  Versuchen  zu  stillen  stechende 
Schmerzen  in  den  Brüsten  empfunden,  gegen  ilie  sowohl,  als 
zur  Wiedererzeugung  der  Milch  sie  die  Brüste  eingerieben 
und  mit  Watte  verbunden  hatte.     Als  ich  (B  )  zwölf  Siuuden 


112^  '^-    MeUmer,  Mittheilnnges  ober  die  TbKtig^keit 

nach  ^rretur  des  Mannes  consullirt  wurde,  fand  ich  di«* 
Brfiste  ziemlich  voll,  derb  und  straff^  ihre  Temperatur  schien 
zu  der  des  übrigen  Körpers  niedriger  zu  sein,  bei  stärkerer 
Belastung  klagte  die  Frau  über  einen  dumpfen  Schmerz. 
Die  Waczen  waren  kurz  und  fühlten  sich  prall  an.  Trotz 
aller  Mühe  war  nicht  das  Mindeste  aus  den  Brüsten  hervor- 
zudröcken.  Sofort  schlug  ich  dasselbe  Verfahren  wie  im 
ersten  Falle  ein,  unterstützte  es  mit  Einreiben  von  Baumöl 
und  Auflegen  von  Watte,  und  beobachtete  gleich  günstigen 
Erfolg.  —  Im  dritten  Falle  war  ein  häuslicher  Zwist  die 
Ursache  der  Milchstockung  gewesen,  aber  «ucb  hier  war  bei 
gleicher  Anwendung  alsbald  die  günstige  Wirkung  zur  Wahr- 
nehmung gekommen/'  —  Dr.  Bloss  wünschte  nähere  Aus- 
kunft darüber,  wie  lange  und  wie  stark  die  Elektricitat  auf 
die  milchenden  Brüste  angewendet  werden  könne,  z.  B.  ob 
bis  zur  Hautröthe,  und  über  die  mögliche  Steigerung  der 
Wirkung  durch  das  Auflegen  nasser  Tücher.  —  Wähi'end  der 
sich  anschliessenden  Debatte  wurde  auch  einerseits  vorge- 
schlagen, die  Einwirkung  auf  nur  eine  Brust  zu  einer  Controlo 
über  die  Wirkung  der  Elektricitat  überhaupt  dienen  zu  lassen : 
andererseits  aber  die  Trüglichkeit  dieses  Experimentes  wegen 
der  zwischen  beiden  Brüsten  stattfindenden  Sympathie  dagegen 
geltend  gemacht. 

lieber  die  Sterblichkeit  der  Wöchnerinnen  machte 
Dr.  Hennig  in  der  88.  und  91.  Sitzung  Angaben,  die  zunächst 
auf  seiner  Thätigkeit  als  begutachtender  Arzt  einer  hiesigen 
Lebensversicherungsanstalt  basirt  waren.  Es  fand  sich  in  sehr 
vielen  Anträgen  resp.  den  dazu  gelieferten  dreifachen  (und 
darum  glaubwürdigen)  Attesten  die  Angabe,  dass  nahe  An- 
verwandte der  zu  Versichernden  (d.  h.  nur  die  Mutter  oder 
die  Schwestern)  im  Wochenbette  oder  überhaupt  in  Folge  der 
Entbindung  verstorben  seien.  Zur  Sammlung  von  100  solchen 
Fällen  mit  genauer  Altersangabe  der  Verstorbenen  waren  bei 
der  betr.  Gesellschaft  (welche  mit  den  verschiedenen  Theilen 
Deutschlands,  ausgenommen  Oesterreich,  Versicherungsverträge 
abschliesst)  im  Ganzen  die  Durchsicht  von  721  Versicherungs- 
anträgen nothwendig.  Damach  starben  vor  erreichtem  33.  Jahre 
22,  vom  34. — 40.  Jahre  57,  vom  41. — 50.  Jahre  19,  vom 
51.-^55.  Jahre  2  Frauen      Das   86.'  Lebensjahr  zeigte   sich 


o.  d.  Verbmndl.  d.  GesellschAft  f.  G«bartBhttlfe  lu  Leipzig  etc.     1 IS 

alB  das  gefährlichste.  AuBserdem  fauden  sich  noch  39  weitere 
Angaben  vom  Tode  verstorbener  Anverwandten  nach  der  Nieder- 
kunft ohne  Bezeichnung  des  Lebensjahres,  in  dem  sie  zuletzt 
standen;  so  dass  sich  also  eine  Sterblichkeit  von  19,417  Proceni 
im  Ganzen  ergiebt.  Bezüglich  der  Heimath  ergaben  sich  von 
70  Anträgen  aus  Sachsen  und  den  Herzog-  '  S 

thumem      .     .     . ,  .     .60  TodesfäUeJ  c 
53      ,,         ,,  Preussen  und  Anhalt     .  48    .      „       1^  ä 
13       „         „  Bayern 13 


« 


> 


5       „  „  den  Rbeinlanden    .     .     .•    6         y, 

10       „  „  dem  nordwestJ.' Deutsch-  1*^^ 

land  und  Hannover    .     .     8  „        lg 

13      n  f«  dem  südwestl.  Deutschland    4         .,        /  g 

Es  zeigte  sich  sonach  das  günstigste  Verhältniss  im  südwest- 
lichen Deutschland  wie  3^^  :  1,  dann  im  nordwestlichen 
Deutschland  wie  5:4,  in  Sachsen  7:6,  in  Preussen  9  :  8, 
in  Bayern  1:1,  das  ungünstigste  am  Rhein  5:6.  —  Ab- 
gesehen von  der  politischen  Länderausdehnung  kamen  im 
geographischen  Norddeutschland  auf  133  Anträge  116  JVochen« 
betts-Todesßlle  (33  :  29),  in  Süddeutschland  auf  31  Anträge 
nur  23  (31  :  23).  —  Femer  vertheilten  sich  48  Fälle  auf 
grössere  Städte,  91  auf  kleinere  und  Dörfer.  3^  Anträge 
röhrten  aus  Gebirgsgegenden,  101  aus  Thälern  her.  —  Im 
Allgemeinen  ist  das  Resultat  für  die  Erstgebärenden  ein  mehr 
als  doppelt  so  ungünstiges  wie  bei  Mehrgebärenden,  wenn  aber 
das  Puerperalfieber  als  Criterium  angenommen  wird,  zeigt 
sich  eine  gleiche  Gefahr  bei  Erst  -  wie  bei  Mehrgebärenden.  — 
Ueberdem  starben  in  Folge  von  Fehlgeburten  1,  von  Früh- 
geburten 3.  Angeblich  in  Folge  von  zu  häufigen  Nieder- 
künften starben  7  an  galoppirender  Schwindsucht,  nächstdem 
an  Verblutung  2,  an  Peritonitis  1,  am  Kindbettfieber  6,  an 
Pneumonie  1.  an  Apoplexie  1.**  —  „Deberhaupt  besteht  nach 
Mittheihing  eines  Lebensversicherungsstatistikers  eine  17  Procent 
schlechtere  Lebensaussicht  bei  Geschwängerten  als  bei  anderen 
Frauen  —  setzte  Dr.  Mass  hinzu,  der  selbstständig  in  der 
94.  Sitzung,  wie  schon  an  den  gedachten  Abenden  im  Vereine 
mit  Dr.  Hennig  geschehen  war,  noch  eine  grössere  Anzahl 
von  Verhältnisszahlen  aus  der  Statistik  ganzer  Länder,  wie 
besonders  einzelner  Gebäranstalten  im  Anschlüsse  vortrug. 

MonaUtelur.  f.  O^bnrUk.  1S88.  Bd.  XXI..  Sappl.-Hft.  ^ 


114         IV.    MeiBsner,  Mittfaeilung^en  uler  die  ThfItfgrIieU 

Als  Gegenslöck  zu  der  Im  letzten  JahreBberichle  er- 
wähnten Entbindungsgeschichte  eines  AffenweibcheBs 
durch  Prof.  Dr.  Bock  tbeilte  Dr.  PI088  in  der  88.  Sitzung 
eine  weitere  Beobachtung  von  Dr.  Theodor  Opd  im  Journal : 
Der  Zoologische  Garten  von  Weinland,  1.  Jahrgang,  1860, 
No.  7,  Seite  121  mit,  wo  abweichend  von  dem  erstgedacbten 
Falle  eine  siebenmonatliche  Trächtigkeit,  während  ihr  Anfangs 
Fresslust,  dann  aber  sonderbare  GelQste  und  Absterben  der 
Frucht  der  Geburt  vorausgegangen  war,  auch  der  Nabelstrang 
durchschnitten  werden  musste. 

Die  Verhandlungen  über  rein  gynäkologische  Fragen  be- 
gann Hofrath  Prof.  Dr.  Cred6  in  der  89.  Sitzung  mit  einer 
Besprechung  über  Pessarien  unter  Bezugnahme  auf  die 
früher  (vgl.  6.  Jahresbericht)  von  Dr.  Sack  in  Marienberg 
angegebene  Spiralform,  die  sich  zwar  in  praxi  nicht  empfehlens- 
werth  gezeigt  hätte,  aber  doch  ein  Princip  enthielte,  das 
weiter  berücksichtigt  zu  werden  verdiene.  Darauf  hin  wurden 
kleine  aus  Holz  gefertigte  Gebärmutterträger  mit  Wendeltreppen 
—  uncf  Tellerartigen  Vorsprüngeii  gezeigt,  welche  von  den 
sich  um  diese  herumlagernden  Sciieidenwandungen  getiageii 
werden,  und  so  eine  die  Patientinnen  nicht  sehr  belästigende 
Stütze  gewähren,  ohne  wie  jene  Drahtspiralen  einzuschneiden 
oder  gar  zu  verletzen. 

An  demselben  Abende  regte  Dr.  Ploss  die  Aufmerksamkeit 
hinsichtlich  der  neuen  Theorie  Roser's  über  das  Ectrepiupi 
der  Huttermandslippen  an,  auf  welche  dieser  alle  Ul- 
ceraliooen  und  Excoriationen  dersett>en  zurückführen,  aucli 
L^franc*»  Erfahrungen  und  BeobacbtAogeii  beviehen  will, 
60  dass  das  Studium  der  Gesellschaftsmitgtieder  wohl  darauf 
gelenkt  zu  werden  verdiene.  Hofrath  Prof.  Dr.  Crsdd  weist 
in  dieser  Beziehung  auf  betr.  Abbildungen  in  Duges  Atlas 
hin  und  bedauert  die  Seltenheit  der  einschlagenden  Fälle  su 
weiteren  Forschungen  darüber. 

In  der  95.  Sitzung  theilte  Dr.  Kinten  den  ausfüfariicb 
in  der  Beilage  sub  No.  3  veröffentlichten  Beitrag  zur 
Diagnostik  der  Unterleibsgeschwülste  mit,  in  deren 
Anschluss  eine  allgemeine  Besprechung  der  Mitglieder  über 
Probepunctionen  stattfand.    Dr.  Kirsten  mahnte  angesichts 


u.  d.  Yerhaadl.  d.  GeselUcbaft  i.  Uebnrtshülfe  an  Leipsig  etc.    1 15 

des  erzdUien  Falles  zur  Vorsicht,  während  Hofrath  Prof. 
br.  Cred4  deren  Gefahrlosigkeit  im  Gegensatze  zu  der  Be- 
handlung fint  Jodinjectionen  (wie  solche  l)e8ond6rs  bei  Ovarien- 
geschwfiJsten  üblich)  entschieden  verti^at  —  Eben  ähnlichen 
Fall,  wie  den  yon  Dr.  Kirsten  erzählten,  mit  Acephalocysten- 
colonieen  der  dislocirten  Niei*engeschwulst,  berichtete  Ref.  in 
der  Preussischen  Medicinalzeitung,  4.  Jahrgang,  No.  40  vom 
2.  October  1861,  p.  318,  als  vom  Physikat  Oppeln  mitgetbeilt, 
gelesen  zu  haben. 

In  der  letzten  Versammlung  des  abgelaufenen  Geschäfts- 
jahres setzte  Dr.  Hemnig  seine  dem  letzten  Jahresberichte 
beigegebenen  Hittheilungen  über  Eierstocksopera- 
tionen, in  spede  die  Exstirpation  des  degenerirten 
Organs  —  Oophorotomie  —  durch  das  Referat  eines 
neueren  Falles  fort,  zu  dem  er  namentlich  durch  die  günstigen 
Resultate  Baker  Brownes  und  Spencer  Wells  ermuthigt 
worden  war.  Die  den  bisherigen  deutschen  Erfolgen  nicht 
entsprechenden  Erfahrungen  der  Engländer  und  Amerikaner 
darüber,  Ton  denen  mehr  denn  die  Hälfte  der  Operirten 
gerettet  wurden,  scheinen  darauf  sich  zu  gründen,  dass  dort 
meist  zeitiger  und  ohne  vorherige  Punctionen  .operirt  wird. 
Diese  vorherige  Punctionen  sah  der  Redner  als  die  gewöhn- 
lichsten Ursachen  der  später  vielfach  störenden  und  namentlich 
bei  der  Operation  seJir  incommodirenden  Adhäsionen  an,  wie 
mkiß  jüngste  Exslirpation  zeige:  Frl.  8,^  42  Jahre  alt,  litt 
von  Jpgend  an  Eczema,  später  an  unregelmässiger  Henstruaiion. 
Vor  zwei  Jahren  machte  sie  eine  12  Stunden  währende 
Eisenbahnfiibrt,  (»hne  den  Urin  zu  entleeren;  seitdem  hörten 
die  ürftber  in  beiden  Knieen  bestehenden  Schmerzen  und  das 
Eczema  auf,  dafür  entstand  Schmerz  in  der  rechten,  später 
auch  linken  hypogastriscben  Gegend.  Die  Schwellung  des 
Leibes  wurde  erst  später  bemerklich,  nachdem  Pat  ihren 
kranke»  Vater  gehoben  baitte.  Am  12.  December  1861  wurde 
fiine  Punction  rechts  in  der  hypogastrischen  Gegend  gemacht, 
und  dadurch  an  10  Pfund  bräunlichen,  leimartigen  Serums 
entleert;  die  Erleichterung  war  nur  gering  und  sehr  vorüber- 
gehend, trotzdem  dass  constant  eine  Leibbinde  getragen  worden 
war.  Seitdem  waren  Füsse  und  Lenden  ungeachtet  der  durch 
lnfu9um  baccarum  Juniperi  sehr  beförderten  Urinaussonderung 

8* 


116  iV.    M$i99ner,  Minhtilnngen  über  die  Tbfttigkeit 

bis  zur  Unbewegiichkeit  schmerzbafl  angeschwolietr,  Leib 
116  Centimeter  im  Lofange.  —  Am  19.  Januar  1862  Mor- 
gens 10  Uhr  wurde  Pat.  durch  Dr.  Kuschke  diloroforaiirt, 
wachte  aber  während  der  15  Minuten  dauernden  Operation 
wieder  auf,  ohne  Aber  lebhafte  Schmerzen  zu  klagen.  Während 
Dr.  Berger  und  Dr.  Hermsdorf  die  Därme  zurückhielteo, 
machte  H,  in  der  Linea  alba  einen  4  Zoll  langen  Schnitt, 
gpaltete  auf  der  Hohlsonde  das  Bauchfell,  aus  dessen  Höhle 
sich  ein^Skrupel  klai'en  Serums  ergoss,  stach  die  Kyste  mit  dem 
Troicart  au,  erweiterte  die  Wunde  der  Kyste  nach  unten  und 
oben  mit  dem  Bistouri,  weil  der  Ausiluss  stockte,  und  löste 
nach  Entfernung  von  gegen  20  Pfund  brauner  Flüssigkeit 
und  schlaffer,  weicher,  bräunlicher  Massen  den  Sack  des  linken 
Ovariums  fast  ringsum  von  der  Bauchwand,  dem  Netz,  Zwerch- 
fell und  einigen  Därmen  mit  der  Hand.  Die  festesten  An- 
heftungen  waren  an  der  früheren  Punctionsstelle  und  links 
oben  zwischen  der  vorderen  Bauthwand  dem  Magen  und 
Zwerchfell;  ihre  Losung  verursachte  üebelkeit,  Brechneigung 
und  Verfall  des  Gesichtes.  An  beiden  Stellen  hatte  Pat  nach 
der  früheren  Function  einige  Tage  lang  Schmerzen  gefühlt. 
btr  4  Zoll  lange  und  2  Zoll  breite  Stiel  wurde  durchstoclieu, 
nach  beiden  Seiteu  zu  mit  einfachen  Seidenschnurchen  von 
Dr.  Benno  Schmidt  unterbunden  und  1  Zoll  über  der  Ligatur 
durchschnitten.  Die  Obf^^fläche  des  Stumpfes  zeigte  eine 
kleine  Blutlache»  die  sich  nach  dem  Abtupfen  regenerirte,  oboM 
dass  die  Quelle  (wahrscheinlich  eine  bei  der  UnterbipduBg 
angestochene  Arterie)  entdeckt  werden  konnte.  Da  PaL  sich 
umherwarf,  wurde  die  Bauchwunde  mit  vier  Knophäthen  ge» 
schlössen,  ein  leichter  Druckverband  und  darüber  Eisamschläge, 
Nachts  PrUsenüz'hiAie  Umschläge  angebracht.  Plds  110  bis 
120.  Es  trat  einmaliges  Erbrechen  ein,  Abends  wurde  Y«  gr. 
Morphium  gegeben.  Nachts:  fester  ruhiger  Schlaf.  Die  bisto«^ 
logische  Untersuchung  der  Geschwulst  zeigte  sarcomatoese 
Natur,  die  in  coUoide  Entartung  übergegangen  war,  und  zahl«- 
reiche  ziemlich  frische  SugiUate  der  Sackwand.  —  Die  Dtäi 
in  den  folgenden  Tagen  bestand  hi  dünnen  Griessuppen, 
Mittags  mit  Hühnerbrühe.  Am  4.  Tage  nach  der  Operation 
wurde  eine  Auster  gegeben,  auf  die  Brechdurchfall  mit  schneller 
Abnahme  des  Oedems  erfolgte.     Bis  zum  6.  Tage,  wo  etwa& 


a.  d.  Verhandl.  d.OeselUchaft  f.Gebnrtsbülfe  so  Lelpsigf  etc.     1 17 

Hosten  auilli*at,  war  das  Fieber  sehr  gering,  Temperalur 
zwisebeD  30  udU  31  ^  R,  Hinsidillich  des  AUgemeinhefindcos 
machte  sich  eine  so  grosse  Erleichterung  geltend,  dass  Pat. 
freimdthig  eridärte,  sie  sei  mit  dem  Erfolge  der' Operation 
durchaus  zofriede»,  auch  wenn  ihr  Leben  nicht  erhalten  wurde. 
Am  6.  Tage  mit  hohem  Fieber  trat  Collapsus,  zuletzt  Delirien 
Yor  dem  Tode  ein.  —  Der  Urin  wurde  zwei  Mal  täglich  mit 
dem  Katheter  entleert  —  Die  Section  zeigte  circa  zwei  Ober- 
tassen noch  nicht  geronnenes  Blut  in  der  Bauchhöhle  (wahr- 
sebeiDlicb  noch  von  der  Operation  hejrröhrend),  die  Därme 
an  einigen  Stellen  untereinander  frisch  verklebt,  massige  all- 
gemeine Anämie,  stärkere  der  Leber  und  des  Herzens.  Theil- 
weises  Lungenödem.  —  Nach  Baker  Breton  sei  bei  und  nach 
der  Operation  die  Pflege  einer  nur  massigen  Zimmertemperatur 
und  Entwickelung  feuchter  Dämpfe,  femer  hauptsächlich  auch 
das  Einwickeln  der  bei  der  Operation  nicht  betheiligten  Theile 
in  wollene  Binden  zu  beobachten. 

Die  Hittbeilungen  aus  dem  Gebiete  der  Pädia  tri k  er- 
öffnete in  der  88.  Sitzung  Hofrath  Prof,  Dr.  Crede  unter 
Vorzeigung  eines  im  5.  Schwangerschaftsmonate  geborenen 
Fötus  mit  hochgradiger  Hydrorrhachis;  die  Spaltung,  am 
Hinterhaupte  beginnend  ging  durch  sämmtiiche  Halswirbel 
bis  zum  3.  Ruckenwirbel.  —  Dr.  Hagen,  ans  dessen  Praxis 
das  Präparat  stammte,  berichtete:  dass  nach  der  glucklich 
verlaufenen  ersten  Geburt  die  Mutter  sich  auch  während  dieser 
Ihrer  zweiten  Schwangerschaft  bis  dahin  ungestört  wohl  be-. 
fanden  habe,  auch  durch  die  plötzlich  aufgetretenen  starken 
Wehen  die  Frucht  schnell  geboren  worden  sei.  Die  Blase 
sei  so  gross  gewesen,  dass  die  Hebamme  in  dem  Glauben,  das 
Kind  sei  in  den  unverletzten  Eihäuten  ausgestossen  worden, 
dieselbe  öffnete;  angeblich,  wie  sie  sich  später  entschuldigen 
wollte:   um   das  Geschlecht  der  Frucht  zu  bestimmen!!!  — 

Der  Berichterstatter  sprach  darauf  in  der  91.  Versamm- 
lung über  Inversion  der  Kniegelenke  bei  Neu- 
geborenen, wie  solche  bisher  schon  von  Dr.  H.  Bird  zu 
Troy  in  Vermont  (Boston  Journal  Bd.  XI.  Nr.  16  und  Schmidfs 
Jahrböcher,  XIV.  Bd.,  S.  46)  und  ihm  selbst  {Hennig's  Lehr- 
buch der  Krankheiten  des  Kindes.    1.  Auflage.  Leipzig  1854, 


Ilg  TV.    Meiuner,  Mittheilnngen  über  die  ThStigkeit 

S.  418)  beobachtet  wurde.  Die  gleiche  Anomalie  zeigte  sieli 
an  beiden  Schenkeln  eines  circa  4  Wochen  zu  früh  geborenen 
Mädchens  neben  beiderseitigem  Pes  varoequinos.  Die  Matter, 
eine  tuberkulöse  imd  sehr  empfindliche  Buchdruckergehtklfens- 
frau  W.  zeigte  nach  dem  Tags  zuvor  bereits  abgegangenen 
Fruchtwasser  am  25.  September  v.  J.  den  Hutterhals  yerstricheii, 
die  Portio  vaginalis  sehr  spröde,  weshalb  ein  Sitzdaropfbad 
mit  darüber  gespanntem  Fischnetz  nach  J,  H,  Schmiidtf^ 
Angabe  (zur  gerichtlichen  Geburtshilfe,  Berlin  18Ö1.  8.)  an- 
gewendet, und  ein  Skrupel  Seeale  comutum  verordnet  wurde. 
Trotzdem  musste  schliesslich  noch  *die  vordere  Muttermunds- 
lippe leponirt  und  die  Zange  an  den  in  vierter  Scheitellage 
vorliegenden  Kopf  angelegt  werden.  Der  Schädel  zeigte  an- 
dauernd die  Form  einer  Thurmkrone,  das  Athmen  nnd  Schreien 
war  sehr  schwach,  der  Nahrungstrieh  sehr  unlerdrdckl.  Die 
öfters  wiederholten  Untersuchungen  Hessen  die  Patella  auf 
der  vorderen  Fläche  der  Oberschenkel  fAhlen.  Leider  starb 
das  Kind  am  18.  October,  noch  ehe  die  beabsichtigte  Vor- 
stellung des  Kindes  in  der  Gesellschaft  selbst  erfolgen  konnte 
und  ohne  dass  die  Section  von  den  Eltern  gestattet  wurde. 
—  Ein  ausgetragenes,  wohlgenährtes  und  ausserdem  wohl- 
gebildetes Kind  weihlichen  Geschlechts  mit  gleicher  Deformität 
der  Kniee  war  in  der  Familie  eines  geachteten  Rechtsgelehrten 
zu  Annaberg  am  25.  Septhr.  1861  (also  an  gleichem  Tage) 
geboren  worden. 

In  der  90.  Sitzung  bildete  Dr.  Hmmig's  Arb^l  über 
die  Häufigkeit  des  Herzschlages  der  Frucht  (vgl.  Wiener 
Medicinal- Halle,  U.Jahrgang,  No.  34,  vom  26.  August  1861. 
p.  320)  den  Gegenstand  der  Besprechung. 

Dr.  Hadke  hatte  im  Anschlüsse  an  Prof.  Dr.  Breslau!?^ 
Autsatz  in  der  Denkschrift  der  medicinisch  -  chirurgischen 
Gesellschaft  des  Kantons  Ziirich  vom  7.  Mai  1860  (S.  111) 
die  Gewichtsveränderung  der  Neugeborenen  weiteren 
Untersuchungen  unterworfen,  welche  in  der  92.  Sitzung  zum 
Vortrag  gelangten,  und  in  der  Monatsschrift  für  Geburtsknnde, 
Dd.  19,  Heft  5,  Seite  339,  erschienen  sind.  Dr.  PIobs 
gedachte  darauf  der  älteren  Arbeiten  von  Elsaesser  und 
von  Siebold  darüber. 


n.  d. Verlandk  d.  Geselleohaft  f.  Ciebürtsbülfe  sn  Leipslg  etc..   ]J9 

"lM>^r  die  vulkanisirten  Warzenhöt^hen  und 
Saugsiopsel,  vor  denen  neuerdings  vielseitig  durch  Erlasse 
verschiedeMer  Regierungen  und  sonstige  Pressereeugnisee, 
naraeotlich  auch  Locaiblätter,  als  giftig  gewarnt  w«rd«)  war, 
trug  Stadtbezirksarzt  Prof.  Dr.  Sonnenkalb  in  der  86.  Sttaung 
den  seitdem  in  der  deutsehen  Zeitschrift  für  Staatsarzneikunde, 
Neue  Folge,  18.  Band,  Seite  164 — 167  abgedruckten  Ar^ 
iikel  vor. 

In  derselben  Versammlung  zeigte  Hofrath  Prof.  Dr.  Crede 
eine  Flasche  neuen  norwegischen  geruchlosen  Leher- 
thrans  von  Carl  Baschin  in  Berlin  vor. 

Endlich  wurden  folgende  neu  erschienene  Schriften  vor- 
gelegt: Küneke,  über  ZwOlingsschwangerschaft;  Hecker  und 
Buhl,  Klinik  der  Geburtskunde;  Thomas,  schräg  verengtes 
Becken;  Carl  Mayer,  klinische  Mittheilungen  aus  dein  Ge- 
biete der  Gynäkologie,  1.  Heft;  Eduard  Martin,  Atlas  der 
Gynäkologie  und  Geburtsbulfe;  von  Siebold,  geburthulfliche 
Briefe;  Birnbaum,  regelmässige  Geburl  des  Menschen  und 
ihre  Pflege  (für  Hebammen)  und  Betechler  und  Freund, 
(uterque)  Beiträge  zur  Gynäkologie,  1.  Heft. 


IL    Zur  Aetiologie  und  pathologischen  Anatomie 
der  Extrauterinschwangerschaften. 

1.  Correspondenz  yon  Prof.  Dr.  Bernhard  Breslau  in  Zürieh. 

Vorgetragen  am  20.  Janaar  1862. 
(Hierzu  eine  Abbildung,  Taf.  IV.,  Fig.  1.) 

. Hit  Vergnügen  ergreife  ich  die  sich  mir  durch 

Acquisition  eines  Präparates  aus  der  Pnvatpraxis  meines  Col- 
bßgen  Herrn  Ds.  SpoendU  darbietende  Gelegenheit,  Ihnen  för 
Ihre  Verhandlungen  und  Annalen  einen  kleinen  Beitrag  liefern 
SU  können,  dessen  götige  Beurtheilnng  ich  Ihrer  Nachsicht 
anterwerfe.  Die  beiheftende  Abbildung,  getreu  nach  der  Natur 
und  in  wirklicher  Grösse  gefertigt,  überhebt  mich  einer  in  das 
kleinaie  Detail  eingehenden  Beschreibung  und  i^ird  tum  Ver- 
ständniss  des  Falles  wesentlich'  beitragen. 


120  IV.    iftiMüM-,  Mittheilviigen  ober  die  ThiH^tU 

Das  Präparat,  der  hiesigen  geburtshülflicben  Sammluiig 
einverleibt,  stammt  von  einer  30jährigen  Frau,  welche  im 
vorigen  Fröbjahre  nach  einer  secfasmonatlichen  Ehe,  nacfaK 
dem  sie  früher  ganz  gesund  gewesen  und  nicht  an  Menstma* 
tionsanomalien  gelitten  haben  soll,  plötzlich  ohne  nachweisbare 
Ursache  unter  den  gewöhnlichen  Erscheinungen  einer  intra* 
abdominellen  Blutung  erkrankte  und  schon  iünf  bis  sechs 
Stunden  später  starb.  In  der  Leiche  fand  sich  ein  grosser 
Bluterguss  in  die  Bauchhöhle  und  als  Quelle  der  Blutung  er- 
kannten die  Herren  Dr.  Spoendli  und  Prot.  Ernst  sehr 
bald  die  geborstene  linke  Tuba,  aus  welcher  der  Embryo 
ausgetreten  war,  ohne  dass  wir  im  Stande  gewesen,  ihn  in 
den  roasseuhafl  angehäuften  Blutcoagulis  aufzufinden.  Der 
Uterus  wurde  nun  so  abgeschnitten,  dass  dessen  Cervicaltbeü 
in  der  Leiche  zurückblieb,  weil  bei  tieferem  Abschneiden, 
etwa  durch  das  Scheidenrohr,  ein  Herausfallen  der  Eingeweide 
durch  das  Becken  zu  befürchten  war,  was  man  bei  einer 
Privatsectiou,  zu  welcher  die  Erlaubniss  nur  mit  Mühe  zu 
erhalten  gewesen,  möglichst  vernieiden  musste.  Zur  Beur- 
theilung  des  Präparates  bat  aber  dieser  kleine  Defect  des 
Cervicaltheiles  des  Uterus  nichts  zu  sagen.  —  Da  die  vordere 
Wand  des  Uterus  durchschnitten  ist,  so  sehen  wir  in  der 
Abbildung  das  Präparat  en  face,  zu  unserer  Rechten  die  linke 
Tuba,  zu  unserer  Linken  die  rechte  Tuba,  den  rechten  Eier- 
stock etc.,  den  Hintergrund  bildet  die  hintere  Wand  des  Uterus, 
die  Ovarien  sind  hinter  den  durchschnittenen  Ligamentis  latis 
vorgewogen.  An  dem  mit  a  bezeichneten  Uebergangstheile 
der  linken  Tuba  in  den  Uterus  an  einer  3  V2  Centimetres  langen 
und  bei  einiger  Anspannung  ungefähr  eben  so  breiten  Stelle, 
die  halb  dem  Ulerusparenchyni,  halb  der  Tuba  angehört,  ist 
der  nach  oben  geborstene  Eisack,  in  welchem  sich  noch  eine 
Unmasse  mit  freiem  Auge  und  unter  dem  Mikroskope  erkenn- 
barer, ringsum  sich  ausbreitender,  mit  Blutcoagolum  verfitzter 
Chorionzotten  befindet,  welche  lose  an  der  den  Sack  aus- 
kleidenden einer  sehr  verdünnten  Decidua  ähnlichen  Membran 
anhaften.  An  der  Rissstelle  nach  oben  zu  ist  der  Sack  zur 
Papierdünne  geschwunden  und  man  begreift,  wie  bei  der  ge- 
ringsten Vermehrung  des  intracapsulairen  Druckes  ein  Bersten 
ganz  unvermeidlich  sein  musste.    Der  Grösse  des  geborstenen 


Q.  d.yerk»n€ll.  d.  Geiellsdiaft  f.  G^bartwhülf«  i«  Letpsi;  etc.    121 

Sackes  naeh  su  schiiessen,  dftrfte  der  darin  enthalten  ge- 
wesene, verloren  gegangene  Embryo  etwa  2V,  bis  8  Centini. 
hng  gewesen  ond  die  Schwangtfscbaft  dfirfte  etwa  die  sechste 
oder  siebente  Woche  erreicht  haben,  lieber  das  Aasbleiben 
der  Menstruation  oder  Aber  andere  Anhaltspunkte  zur  Be> 
rechnong  der  Schwangerschaftsdaoer  habe  ich  keine  Notiten 
erhalten  können.  Das  eigentliche  Uterusparenchym  hat  an 
der  Schwangerschaft  nur  wenig  Antheil  genommen.  Die  Mus- 
cotaris  ist  vielleicht  um  einige  Milhm^tres  dicker,  als  sie  im 
flicht  schwangeren  Zustande  gewesen  sein  mochte,  die  SchleinH 
haut  ist  nur  wenig  aufgelockert  und  seigt  nicht  jenen,  andi 
hei  Extraoterin- Schwangerschaften  nicht  selten  beobachteten 
hypertrophischen  oder  hyperplastischen  Zustand,  der  unter 
dem  Namen  der  Decidua  bekannt  ist  Was  aber  an  dem 
aufgeschnittenen  Uterus  ganz  besonders  in  die  Augen  flHt 
und  worauf  ich  ganz  speciell  Ihre  Aufmerksamkeit  zu  richten 
noir  erlaube,  das  ist  ein  dünngestielter  länglich  ovaler,  unge- 
ßdu*  Orangenkern-grosser  Schleimhautpolyp,  der  sich  et- 
was unterhalb  der  Stelle  befindet,  wo  die  linke  Tuba  in  die 
Uterinhöhle  einmündet.  Ein  Schnitt  schräg  nach  oben  dmnch 
die  Mnscularis  des  Uterus  geführt,  bat,  ohne  dass  ich  dies 
mit  Besthnmtheit  bei  der  grossen  Feinheit  des  Uterastheiles 
der  Tuba  behaupten  möchte,  denselben  geöffnet  und  fährt 
nach  aufwärts  in  den  zerrissenen  Eisack.  Zwei  kleine  Steck- 
nadelkopf-grosse Oeffnungen  mit  b  b  bezeichnet,  nahe  dem 
einen  zur  linken  Hand  des  Beschauers  liegenden  Rissende 
des  Sackes  gehören  einem  oder  zwei  durchschnittenen  Bhit- 
gelassen  an  und  können  mit  der  Sonde  eine  kurze  Strecke 
in  die  Huscularts  des  Uterus  verfolgt  werden.  Meine  Yer- 
muthung  geht  nun  dahin,  dass  man  in  diesem  Falle  in  dem 
oben  erwähnten  keinen  Uteruspolypen  das  ätiologische  Moment 
für  die  Entstehung  einer  ausserhaft  der  Uterinhöhle  zur  Ent^ 
Wickelung  gekommenen  Schwangerschaft  erblicken  darf,  einer 
Schwangerschaft,  die  man  wegen  ihres  Sitzes  eine  interstitielle 
oder  eine  Utero-tubar-Schwangerschaft  nennen  kann,  da  ein 
Theil  der  Tuba  und  ein  Theil  der  Muscularis  des  Uterus 
zur  Bildung  des  Eisackes  verwendet  wurden.  Denkt  man  sich 
unseren  Uterus  geschlossen,  so  konnte  der  kleine  gestielte, 
jedenfalls  sehr  bewegliche  Uternspolyp  je  nach  den  wechseln* 


122         iV.    Meiuner,  MittfaeilQDgeii  über  die  Thitigkcii 

<leß  Coiiftii€4ioB80U8taiiden  des  Uterus,  je  nach  der  grossem 
oider  gerin^^en  Turgaeeesc  der  ÜMfebiiBg  und  seiner  soHisi, 
wd  vieUdcbA  aueh  j«  oacb  der  Lage  der  Frau :  sekie  eigoK 
Lag®  li^erlndem,  er  konnte  sich  unter  Unsiäwiea  vor  die 
TubenÜTnuDg  legen,  oder  dieselbe  aueh  ganz  frei  lassen. 
Wenn  nun  ungldckikber  Weise  das  ersiere  geschah  gerade 
in  dem  Augenblicke,  als  das  iMsfiruchtete  Bi  in  die  UterusböUe 
eintreten  solUe;  wenn  der  kleine  Polyp  wie  ein  hewegficfaes 
Ventil,  nachdem  er  früher  den  Durchgang  der  Spermatosoen 
in  der  Richtung  gegen  das  litike  0?arhiin  gestaltet  hatte, 
jetxt  den  Austritt  des  Eies  verhinderte,  so  musste  dieses 
entweder  zu  Grunde  gehen,  oder  es  konnte  in  seinen  weiteren 
Entwickelungsstadien  fortfahren,  nachdem  es  viellekht  einige 
retrograde  Bewegungen  gemacht  hatte,  bis  es  wieder  au  eine 
etwas  geräumigere  Stelle  der  Tuba  gekommen  war.  Ich  bin 
weit  entfernt  davon,  diesen  Vorgang  als  unumstösslich  sicher, 
den  kleinen  Polyp  als  die  unzweifelhafte  mechanische  Ursache 
für  die  in  unserem  Falle  gefundene  Extrauterin-Schwauger- 
schaft  hinzustellen,  aber  da  es  nahe  liegt,  dass  sämmtlichen 
Entrauterin-Schwaugerschaften  mechanische  Hindernisse  in  der 
FortleiUmg  des  Eies  zu  Grunde  liegen,  so  darf  man  wohl, 
ohne  dass  man  deswegen  einer  zu  kühnen  Hypothese  be- 
schuldigt zu  werden  braucht,  zu  einer  Erklärung  seine  Zu- 
flucht nehmen,  die  bei  den  noch  deutlich  nachweisbaren  Ver- 
hältnissen an  unserem  Präparate  eine  ungezwungene  und  un- 
gekünstelte ist.  Wenigstens  halte  ich  die  von  mir  für  unseren 
Fall  gegd)ene  Erklärung  des  mechanischen  Grundes  einer 
Extrauterio-SchwangerschafL  für  nicht  minder  berechtigt,  als 
Becker*^  Ansicht,  der  in  seiner  werth vollen  Schrift:  „Beiträge 
zur  Lehre  von  der  Schwangerschaft  ausserhalb  der  Gebär- 
mutter, Marburg  1858"  durcii  seine  Untersuchungen  und  die 
vergleichende  kritische  Zusammenstellung  der  Untersuchungen 
Anderer  aidi  veranlasst  gefunden  hat,  auf  die  partiellen  Peri- 
tonitiden  mit  Nachdruck  als  auf  eine  häufige  Ursadie  der 
Extrauterin-Schwangerscbaften  aufoierkfHim  zu  osachen  (S.  14), 
indem  er  hervorhob,  dass  bei  der  durch  sie  erzeugten  Un- 
regelmässigkeit in  dem  Lumen  der  Tuba  die  Eileitung  leicht 
eine  Unterbrechung  erfahren  und  zu  einer  Entwickelung  an 
einem  ungewöhnlichen  oder  gefahrlichen  Platze  fähren  könne. 


n.  d.  Verfc«ndl.  d.  Gesellschaft  f.  Gebnrtshfilf«  su  L^ipsig^etc.    |^ 

An  BRserem  Präparate  findet  eieb  keine  Spur  vmi  pträdkt 
Peritonitis,  keine  Verztehiing,  keine  Vtrkruniinitng  der  Tuba 
iHid  es  kann  scmit  dieses  »eliefegisehe  Moment  Mr  die  Extra* 
uterin-Schwangersehaft  in  unserem  FaUe  niebt  in  Betriebt 
komnien.  Ein  zweiter  FaJl,  in  wekhe»  man  mit  so  viel 
Wahrscheinlichkeit  wie  in  dem  unsrigen  ein  mechanisches 
Hinderniss  gegen  den  Eintritt  des  Eies  in  die  Uterusb^hle 
und  als  Ursache  seiner  extra -uterinen  Entwickelung  nachge- 
wiesen hätte,  ist  mir  aus  der  Literatur  nicht  bekannt,  allein 
mechanische  Hindernisse  von  weniger  auffallender  Grösse  und 
doch  gross  genug,  um  so  bedeutende  Störungen  in  dem  Fort- 
pflanzongsgeschäfte  des  Weibes  herTorzubriiigen,  m^gen  wohl 
oft  vorhanden,  aber  auch  ebenso  oft  öbersehen  worden  seitf. 
Ist  auch  in  unserem  FaUe  der  kleine  Sebleimhautpolyp  nicht 
die  Ursache  einer  länger  dauernden  Sterilität  gewesen,  indem 
die  Verstorbene  etwa  vier  Monate  nach  ihrer  Verbeiratfaung 
concipirte,  so  sind  doch  gewiss  in  anderen  Fällen  soldie  kleine 
Excrescenzen ,  besonders  wenn  sie  durch  ihren  ungünstigen 
Sitz  nahe  an  den  Tubenranndnngen  oder  im  Cervicalcan«! 
den  Eintritt  der  Spei*matozoen  erschweren  oder  ganz  ver* 
hindern,  die  Ursache  lange  oder  fär  das  ganze  Leben  dauern^ 
der  Sterilität  und  reihen  sich  auch  in  dieser  Hinsicht  an  die 
peritonitiscben  Adhäsionen  etc.  an,  weiche  Hecker  als  ge» 
meinscbafUiche  Ursache  von  vorangegangener  Unfruchtbarkeit 
und  nachfolgender  Extrauterin-Schwang^schaft  anzunehmeB 
alle  Ursache  hat,  denn  es  ist  klar,  dass  AUes,  was  den  Samen 
verhindert,  zum  Ei  zu  gelangen,  mch  dieses  verhindern  kann, 
seine  regelmässige  Bildungsstätte  in  der  Höhle  des  Uterus 
aufzuschlagen. 

Schliesslieh  habe  kh  noch  zu  erwähnen,  dass  es  mir 
mit  einer  feinen  Pischbeinsonde  gelang,  von  der  linken  Ab- 
dominaKTubenöffnung  aus  bis  wenige  Linien  gegen  den  zet^ 
rissenen  Eisack,  aber  nicht  in  denselben  zu  dringen  und 
dass,  da  sich  auch  in  dem  linken  Abdominal-Tubenende  kein 
Hut  fand,  es  mir  wabrsebeinlicb  erseheint,  dass  während  des 
kurzen  Bestehens  der  Schwangerschaft  eine  Abschliessuag  der 
Tuba  gegen  den  Eisack  zu  stattgefunden  habe.  UnzweifeAmfl 
stammte  aber  aus  dem  linken  Eierstock  das  befruchtete  Ei, 
denn   hier  findet  sich  ein   frisches   V/^  Centim.  im  grössten 


}24         I^-    Mmtwer,  Blittfaeilnngeii  über  die  Thitigkeit 

Durchmesser  haltendes  corpus  luteam,  während  in  dem  rechten 
Eierstocke  neben  ganz  obsolescirten  FoUiceln  nur  ein  söge* 
nanntes  falsches  Corpus  luteum   von  gelber  Farbe,  aber  ge* 

ringer  Ausbildung,  zu  sehen  ist 

Zürich,  27.  November  1861.  Prof.  Breslau. 

S.  Hittheilung  Aber  eines  ütemabefdnd  neben  Lithopftdion. 

Von 

Dr.  C.  F.  W.  Üblich. 

Vorgetragen  am  17.  Febraar  1862. 

im  Jahre  1829  oder  1830  wurde  ich  von  den  Herren 
Prof.  Dr.  Carus  und  Dr.  Walther  aufgefordert,  die  Section 
der  verstorbenen  Frau  Ä'.  vorzunehmen,  die  zwei  Tage  vor- 
her nach  jahrelanger  Krankheit  verstorben  war.  —  Die  von 
einer  circa  60  Jahre  alten  Frau  herrührende  Leiche  war 
mittelgross,  abgemagert,  die  Muskulatur  sclüaff,  die  Häutfarbe 
intensiv  gelb,  in  der  rechten  Leistengegend  eine  eingesunkene 
Narbe,  ähnlich  denen,  weiche  nach  cariösen  Geschwfiren  zu- 
rückbleiben. Der  Unterleih  aufgetrieben,  die  Lebergegend 
hervorragend  und  oberhalb  der  rechten  Inguinalgegend  am 
Abdomen  deutlich  eine  grosse  harte  Geschwulst  fühlbar.  — 
Die  Krankheit,  welche  den  Tod  der  Frau  K,  herbeigefdhrt 
hat,  war  als  chronische  Entartung  der  Leber  diagnosticirt 
worden.  —  Die  Untersuchung  der  Unterleibshöhle  ergab  vor- 
zflglich  Vergt^össerung  und  fettige  Entartung  der  Leber,  die 
Gallenblase  enthielt  12 — 15  Stuck  erbsengrosse  Gallensteine. 
—  Der  hypertrophisdie  durch  eine  mit  demselben  in  Ver- 
bindung stehende  ungelahr  Kindeskopf-grosse  Geschwulst  oacli 
der  linken  Seite  gedrängte  Uterus  zeigte  in  seinem  Inneren 
zahlreiche  polypöse  Entartungen  der  Schleimhaut  und  an  der 
Einmündung  der  rechten  Tuba  einen  Polyp  von  dem  Umfange 
eines  Silbergroschens  von  fßster  lederartiger  Gonsistenz.  Die 
Oeffming  der  Tuba  Hess  eine  feine  Sonde  einfahren.  Dicht 
unterhalb  derselben  befand  sich  eine  zweite  Oeffiiung,  welche 
der  Sonde  ebenfalls  den  Eingang  ungefSibr  1  Zoll  tief  ge> 
stattete  und  vermittels  eines  in  fettig  entartetes  pathologisches 
Gewebe  gelagerten  Canales  in  das  Innere  der  oben  genannten 
mit    dem    Uterus    zusammenliängenden    Geschwulst,     welrh»* 


u  d.  Verhandl.  d.  Geflellich^ft  f,  Gebnrttiililf«  su  ii«ip9ig  etc.     1^5 

gleicliblls  äussarlich  aus  feltig  ftnlarletem  Gewebe  besUad, 
führte.  — *  Die  Saude  konnte  io  dieseo  Canal  nicht  weiter 
eingebracht  werden,  dn  weiteres  Vordringen  wurde  durch 
den  hartf>n  Inhalt  der  Geschwiibt  verhindert.  ~  Im  Inneren 
des  Tumor»  befand  sich  ein  mumieoartig  aussehendes  Kirnt 
von  der  Grösse  wie  Kinder  im  vierten  bis  fimften  Uonate 
der  Schwangerschaft  sind.  Die  Hautfarbe  desselben  war 
dunkelgraugelb.  Das  Kind  war  von  kalkartigen  Hassen  be- 
deckt und  befand  sich  in  einem  lederartigen  Sacke,  weicher 
el)enfalls  mit  kalkigen  Massen  incrustirt  war.  Um  denselben 
herum  war  wachsartiges  Fett  gelagert,  welches  nicht  nur  das 
Litbopaedion,  sondern  auch  die  rechte  Tuba  und  das  reeble 
Ovarium  einbuIltR  und  die  den  Uterus  nach  li&ks  verdrängende 
Geschwulst  bildete,  welche  ausser  an  dem  Uterus  auch  an 
der  in  der  rechten  Inguinalgegeud  befindlichen  Narbe  adhärirte. 
Am  rechten  Ovarium  fanden  sich  gleichfalls  kalkartige  erbsen- 
grosse  Concrcinente.  —  Die  eingezogenen  Erkundigungen  er- 
gaben, dass  die  Yerstoiiiene  vor  ungefähr  26  Jahren  ein  Kind 
geboren,  welches  zur  Zeit  der  Section  noch  lebte,  dann  mehr- 
mals, zum  letzten  Haie  im  50.  Jahre,  abortirt  hatte  und  darauf 
noch  einige  Zeit  regelmässig  menstruirt  gewesen  war.  —  Zehn 
bis  zwölf  Jahre  vor  ihrem  Tode  hatte  sich  in  der  rechten 
Ingiiinalgegend  eia  Abscess  etablirt,  welcher  geöfliiet  worden 
war  und  die  oben  genannte  Narbe  zurückgelassen  hatte.  — 
Die  Mitnahme  des  Litbopaedion  wurde  von  den  Verwandten 
der  Verstorbenen  verweigert. 

Leipzig.  Uhlich. 


IIL   Beitrag  zur  Diagnostik  der  UflterleibsgeschwUlste. 

Von 

Dr.  Theodor  Rlvsten. 

Vorgetragen  am  17.  Februar  18t>2. 

Wenn  ich  mir  erlaube,  Ihnen  einen  Fall  aus  der 
Praxis  mitzutheilen,  hei  dessen  Diagnosticirung  ich,  weil  ich 
mit  einer  gewissen  Voreingenommenheit  zu  Werke  ging,  ein 
durchaus   falsches  Resultat  erhielt,   ohne  deshalb  glücklicher 


136  1V\    MMwer,  MilOiDiliiiigen  über  die  ThKtlgkeit 

Weise  eine  fehlertiafle  Behandlung  eiAzuleiten,  so  thue  icli 
dies  aus  dem  Grunde,  weil  icb  die  oftoe  [»ariegang  Yorge- 
komuiener  IrrlbOmer  und  Fehler  ebenso  sehr  für  Pflichl 
hiftite,  als  die  Bekanntmachung  glänzender  Erfolge  auf  den) 
Felde  unserer  Tbätigkeit.  Dann  aber  auch  glaube  ich,  dasis 
aus  erkannlen  Irrüiumern  manche  Lehre  von  praktischeo) 
Werth  zu  ziehen  sei. 

Ohne  mtcl)  jedoch  bei  allgemeinen  Betrachtungen  länger 
AitfzuhQlteu,  will  idi  sofort  zur  liittheilung  des  in  seiner  Art 
gewiss  seltenen  Falles  selbst  äbergehen. 

Im  Mai  1860  äbernahm  ich  die  Behandlung  einer  32 
Jahre  alten  Frau,  die  sich  zu  diesem  Zwecke  eine  Zeit  lang 
bei  ihrer  hier  ansässigen  Mutter  aufhielt.  Schon  als  Mädchen 
war  dieselbe  stets  kränklkb  und  wurde  lange  Zeit  wegen 
Chlorose  ärztlich  behandelt.  Am  lästigsten  war  ihr  zu  jener 
Zeit  der  oft  auffallend  starke  Leib,  der  sie  bei  denen,  die  sie 
liicht  kannten,  ofL  in  den  falschen  Verdacht  von  Schwanger- 
schaft  brachte.  Eine  bestimmt  fühlbare  Geschwulst  will  sie 
jedoch  zu  jener  Zeit  nicht  wahrgenommen  haben,  sondern 
nur  eine  allgemeine  Auftreibung  des  Leibes,  die  sie  selbst 
manchmal  Wassersucht  befiirctiten  liess.  Nach  dem  längeren 
Gebrauche  der  ihr  verordneten  Mittel  besserte  sich  ihr  Zustand 
in  so  weit,  dass  sie  sich  im  Jahre  1855  verheiratbete  und 
ein  Jahr  später  wurde  sie  ziemlich  schwer  von  einem  Knaben 
entbunden,  den  sie  selbst  nährte.  Das  Wochenbett  verlief 
ohne  Störung,  nur  will  sie  nach  Verlauf  desselben  eine  Ge- 
schwulst etwa  von  der  Grösse  einer  kleinen  Faust  gefühlt 
haben,  die  ihr  keine  grossen  Beschwerden  verursachte  und 
anfangs  sich  auch  nicht  zu  vergrössern  schien.  Nach  der 
Entwöhnung  des  Kindes  trat  die  Menstruation  regelmässig 
wieder  ein,  ^ar  jedoch  sehr  sparsam.  Im  Jahre  1859  blieb 
dieselbe  jedoch  wieder  aus  und  die  Geschwulst  nahm  schnell 
an  Umfang  zu  und  vtrursicbte  die  gi^sste  Belästigung.  Pat 
wurde  bei  jeder  stärkeren  Bewegung  kurzathmig,  vermochte 
kaum  im  Bett  zu  liegen,  die  Verdauung  war  gestört,  indem 
sie  n«fr  kleine  Mengen  v«n  Speisen  zu  sich  nehmen  konnte, 
wenn  sie  nicht  brechen  wollte,  der  Stuhlgang  obstruirt,  die 
ürinsecretion  vermindert,  die  FAsse  ödematös  geschwollen. 
Dabei  inagi^rte  sie  sichtlidi  ab   und  ihre    Kräfte   schwanden 


u.  d.  Verliaikdl.  d.  OeselUchaft  f.  €kb«rt»hülfe  u  Leipsig^  etc.    lg? 

auffallend.  AI«  atte  diese  Erscheinungen  aufs  flMchate  ge^ 
stiegen  waren,  kam  sie  hierher,  um  sich  anderweit  ftrzüich 
behandeln  zo  lassen.  Bei  der  forgenomnienen  Unlersuebvn^ 
fand  ich  nun,  ausser  den  angeführte  Erscheinungen  starker 
Abmagerung  und  Anämie,  den  Leib  ausgedehnt,  wie  iui 
neunten  Schwangerschaflsmonate.  Diese  Ausdehnung  wunh* 
bedingt  durch  eine  Geschwulst,  die  in  der  Tiele  der  linken 
BeCkenhftIfte  zu  entspringen  schien  und  sich  nach  rechts  hinauf 
bis  an  die  Leber  erstreckte.  Die  Eingeweide  waren  tbeik 
nach  der  Seite,  theils  nach  oben  verdrängt  und  selbst  pei* 
vnginam  konnte  man  die  Gesehwulst  wahrnehmen,  die  dem 
Uterus  gleichzeitig  eine  seitliche  Abweichung  gegeben  hatte. 
Mittels  der  Palpation  konnte  man  deutlich  einen  dünnflüssigen 
Inhalt  wahrnehmen,  ebenso  erschien  es  wahrscheinlich,  daet» 
<lie  Kyste  eine  einfache  sei.  Adhäsionen,  namentlich  mit  der 
Baochwand  schienen  nicht  vorhanden  zu  sein,  da  eine  Ver- 
schiebung der  Kyste  nach  den  Seiten  mit  Lek;htigkeit  auBgeführt 
werden  konnte. 

Ich  sagte,  dass  ich  mit  Vormngenoranienheit  bei  der 
Diagnose  zu  Werke  gegangen  sei.  Ich  hatte  nämlich  zufaHig 
zu  jener  Zeit  einige  Fälle  von  Ovarienkysien  zu  behandehi 
gehabt  und  glaubte  auch  Iner  besCimnit  eine  seiche  vor  mir 
zu  haben«  wozu  kh  wohl,  bei  den  vorgefundenen  Erschei- 
nongen,  l>ereGhtigt  schien.  Zur  Vornahme  einer  Operation 
konnte  ich  mich  in  diesem  Falle  eben  nicht  eiitschliessen, 
theils  weil  mir  die  Erfahrung  gezeigt  hatte,  das«  Staniioni 
mehr  beizupflichten  sei,  wenn  er  sagt,  dass  die  grösseren 
Ovarienkysten  als  ein  Noii  me  längere  zu  beCrachlten  seien, 
entgegen  den  Ansichten  Aranzösiseher  Autoren,  namentlich 
Bmne€s,  die  uns  die  Resultate  dieser  Operation  in  einem 
sehr  verlockenden  Lichte  dargestellt  haben;  dann  aber  auoh 
fand  ich  den  Kräftezastand  der  Patientin  zu  sehr  herabge- 
kommen,  um  einen  operativen  Eingriff  wagen  za  können. 

Ich  versuchte  daher  zuerst  durch  Medicamente  den  Um- 
fang der  Geschwulst  zu  vennindem,  um  dadurch  möglieh  zu 
machen,  dass  Pati<»ilin  mehr  Nahrung  zu  sidi  nehme ,  um  iHie 
Kräfte  zu  heben.  Zu  diesem  Behufe  verordnete  ich  äusseriieh 
Jodeinreibungen,  innerlich  gab  ich  Digitalis,  wodurch  eine 
reichfichere  Urinsecretion   und  bald  auch  einige  Erleichterung 


126         IV.   MeMwner,  MiUbeiinngen  äb«r  die  Tbütigkeit 

lierbeigetiUai  wurde,  tcb  wiit  hier  nicht  der  R^ihe  oach  jed«* 
eioz^e  Verordnung  aufzählen,  die  in)  Laufe  d<*r  Zeit  noibi^ 
wurde,  es  sei  einfach  gesagt,  dass  hauptsächlich  Jod  äuasei*- 
Jich,  wie  innerlich,  Broni,  Eisen  und  Digitalis,  hierzu  nocii 
lauwarme  Bäder,  mit  sichtbarem  Erfolge  ihre  Anwendung  fanden, 
so  dass  sich  allmälig  die  Kyste  verkleinerte,  das  Oedem  dei* 
Fösse  schwand,  die  Verdauung  und  mit  ihr  die  Kräfte  sich 
besserten.  Kurz  Ende  September  konnte  Patientin  bedeutend 
gebessert  nach  ihrer  Heimath  zurückkehren,  woselbst  sie 
jedoch  immer  noch  die  genannten  Mittel  fortbrauchte,  die  sie 
nur  aussetzte,  wenn  die  wieder  eingetretene  Menstruation  sich 
zeigte.  Nach  den  mir  von  dort  zugekommenen  Berichten 
blieb  der  Zustand  leidlich  und  die  Geschwulst  unverändeil. 
Ende  Mai  vorigen  Jahres  kam  Patientin  wieder  hierher,  leidei* 
aber  im  dritten  Monate  schwanger.  Während  ihres  Aufent- 
haltes, der  bis  zum  8.  Juli  dauerte,  konnte  man  die  Ver- 
grosserung  des  Uterus  genau  verfolgen,  wodurch  die  Kyste 
wieder  mehr  nach  oben  gedrängt  und  die  früheren  Beschwerden, 
wenn  auch  nicht  in  demselben  Grade,  herbeigeführt  wurden. 
Da  Patientin  wegen  ihres  Hauswesens  nach  Hause  verlangte, 
so  musste  kh  von  einer  weiteren  Kur  abseben  und  reiste  siv 
am  genannten  Tage  wieder  zurück. 

Am  18.  November  erhielt  ich  die  Nachricht,  dasa  sie 
den  16.  November  gestorben  sei,  nachdem  sie  am  22.  October 
von  einem  kaum  siebenmonatlichen  Mädchen  entbunden  worden 
war,  das  24  Stunden  später  starb.  Der  behandelnde  Arzt 
Dr.  WaUenberg  war  so  freundlich,  mir  den  hier  folgenden 
Bericht  zukommen  zu  lassen : 

„Am  19.  September  wurde  ich  zu  der  im  sechsten  Monate 
Schwangeren  gerufen,  weil  sie  über  Frostschauer,  Rücken- 
schmerzen, verbunden  mit  allgemeinem  Unwohlsein,  klagte. 
Eine  drohende  Frühgeburt  vermuthend,  wurde  horizontale 
Lage  und  Morph,  verordnet,  wonach  nach  1 — 2  Tagen  Besse- 
rung eintrat.  Seit  längerer  Zeit  war  der  Schlaf  sehr  ver- 
mindert, kaum  eine  Stunde  des  Nachts,  ebenso  geringer 
Appetit  und  vermehrter  Durst,  jedoch  ohne  Fieber.  Am  18. 
October  Abends  trat  heftiger  Schüttelfrost  ein,  der  sich  in 
den  nächsten  Tagen  gewöhnlich  Morgens  und  Abends  wieder- 
holte, ohne  sich  an  eine  bestimmte  Stunde  zu  binden,  Vt  bis 


Q.  d.  Verhandl.  d.  Gesellschaft  f.  Gebartshülfe  zu  Leipsig  etc.    129 

2  Stunden  anhielt  und  von  einer  verhältnissmSssig  geringen 
Hitze  ohne  Schweiss  gefolgt  war.  In  der  Zwischenzeit  fast 
vollständiger  Nadijass  mit  leidlichem  Befinden.  Hierzu  ge- 
seihe  sich  sehr  bald  ein  stechender  Schmerz  in  der  linken 
Seite  des  Ahdonien  und  zwar  in  der  Tiefe,  der  sich  durch 
Druck  steigerte,  aber  auf  ein  bestimmtes  Organ  nicht  zurück- 
zuführen war.  In  den  folgenden  Tagen  breitete  sich  derselbe 
über  das  ganze  Abdomen  aus,  während  er  an  der  Ursprungs- 
steUe  gelinder  wurde,  so  dass  nun  das  ganze  massig  ge- 
spannte Abdomen  gegen  Druck  massig  empfindlich  wurde. 
Die  Diagnose  musste  unter  solchen  Umstanden  eine  schwierige 
sein,  doch  schien  es  am  wahrscheinlichsten,  dass  sich  in  irgend 
einem  Theile  der  Geschwulst  ein  Entzündungsprocess  ent- 
wickle. An  eine  beginnende  Frühgeburt  konnte  man  weniger 
denken,  weil  die  fniher  vorhatidenen  Röckenschmerzen  gänz- 
lich fehlten.  Die  Behandlung  bestand  anfangs  wieder  in  Dar- 
reichung einer  Solut.  Morph,  und  Emiils.  aroygd.  Ein  wegen 
eintretender  Obstruction  am  19.  gegebenes  Klystier  blieb 
ohne  Erfolg,  ebenso  am  20.,  weshalb  bei  zunehmender  Span- 
nung des  Leibes  und  öfterem  Aufstossen  zweistündlich  2  Gr. 
Calom.  gegeben  wurden,  die  am  21.  früh  mehrere  leichte 
breiige  Stöhle  herbeiführten  und  die  Spannung  des  Leibes 
verminderten. 

In  der  Nacht  vom  21. — 22.  1  Uhr  wurde  Vgrfasser  ge- 
rufen, weil  Patientin  ein  Drängen  nach  unten  fühlte  und  un- 
willkürlich Wasser  abgegangen  war,  wie  vor  der  Geburt  und 
nach  kaum  einer  Stunde  erfolgte  die  Ausstossung  eines  kaum 
siebenmonatlichen  Mädchens  in  der  Kopflage,  das  noch  circa 
24  Stunden  lebte.  Der  Zustand  der  Wöchnerin  schien  in 
den  ersten  beiden  Tagen  ein  befriedigender,  die  Schuttel- 
fröbte  steUten  sich  nicht  wieder  ein,  dagegen  wurde  vom 
zweiten  bis  dritten  Tage  der  Puls  me^Eir  und  mehr  beschleu- 
nigt, die  Haut  trocken,  brennend  heiss,  ebenso  die  Schleim- 
häute, Durst  nicht  zu  stillen.  Leib  empfindlich,  mehr  ge- 
spannt, hartnäckige  Obstruction,  nur  nach  Klystiren  Stuhl, 
Nächte  ohne  allen  Schlaf.  Schweisse  ohne  Erleichterung  mit 
Beängstigung  verbunden.  Ordin.  Acid.  phosph.  Umschläge 
von  Wasser  mit  Essig  auf  den  Kopf,  frische  Luft.    Die  Geistes- 

MoDAtMobr.  f.  Qebaruk.  1868.  Bd.  XXI.,  Suppl.-Hft.  9 


130         iV.    MeUmer,  MittheUungen  über  die  Thfttigkeit 

krafle  blieben  vollkommen  klar.  Am  2.  November  trat  an 
mehreren  Körperslellen  eine  Purpurrothe  auf,  welche  sich 
sehr  bald  in  dem  ganzen  Körper  verbreitete,  worauf  bald 
unter  Angstgefühl  ein  dichtes  Friesel  ausbrach.  Das  Fieber 
wurde  dabei  noch  heftiger,  die  Zunge  belegte  sich  dicker, 
ward  trocken,  Durst  unlöschbar,  dagegen  Citronenwasser, 
Essigwaschung  des  Körpers.  Nachdem  am  dritten  bis  vierten 
Tage  die  Eruption  des  Frieseis  beendigt,  liess  die  Hefügkeit 
des  Fiebers  nach,  der  Puls  fiel  von  120-130  auf  100—110. 
Am  9. — 10.  trat  bereits  die  Abschilferung  der  Haut  in  ganzen 
Fetzen  ein,  die  Röthe  der  Haut,  welche  erst  mehr  ins  Livide 
gegangen  war,  verschwand  jetzt  gänzlich,  die  Zunge  reinigte 
sieb  vollständig,  so  dass  sie  glatt  und  glänzend  war.  Sowie 
diese  Remission  eintrat,  wurde  die  Mixtur,  c.  acid.  phosph. 
weggelassen  und  nur  Em.  gegeben.  Die  Kräfte  waren  sehr 
geschwunden,  doch  der  Zustand  noch  nicht  hoffnungslos.  Der 
Unterleib  fand  sich  weniger  gespannt,  doch  erfolgte  Oeffnung 
nur  nach  Klyslieren,  Appetit  fehlte  gänzlich,  nur  Flüssigkeit 
in  kleinen  Mengen  wurde  vertragen,  alles  Andere  erregte 
Uebelkeit  und  Würgen.  Am  13.  traten  mehrmals  hinter- 
einander Durchfälle  ein,  die  aber  dann  gleich  wieder  sistirten. 
dabei  nahm  aber  der  Meteorismus  wieder  zu.  Am  15.  wieder^ 
holten  sich  diese  Durchfalle  und  es  wurde  dagegen  Vg — Vä  Gr. 
Morph,  gegeben,  wonach  wenigstens  einige  Stunden  Schlaf 
eintrat.  Puls  mehr  accelerirt  und  klein.  Empfindlichkeit  des 
Leibes  massig,  Exsudat  nicht  nachweisbar.  Am  16.  Nach- 
mittag leiser  Schuttelfrost  mit  erhöhter  Empfindlichkeit  des 
Leibes  und  Auftreibung.  Ein  Klystier  blieb  ohne  Wirkung. 
Den  ersten  Theil  der  Nacht  verbrachte  Patientin  ziemlich 
ruhig.  Um  12  Uhr  verlangte  sie  zu  uriniren,  was  bis  dahin 
immer  reichlich  und  häufig  erfolgt  war,  —  es  erfolgte  Nichts 
—  sie  wurde  ohnmächtig,  sehr  kalt  und  blass.  Verf.  fand 
die  Augen  eingesunken,  Puls  130,  klein.  Haut  kühl  mit 
klebrigem  Schweiss  bedeckt,  Abdomen  sehr  empfindlich.  Eine 
Peritonitis  war  nicht  zu  verkennen  und  Exsudat  in  kleiner 
Menge  nachzuweisen,  Puls  immer  schneller  und  kleiner.  Der 
Katheter  entleerte  wenig  trüben  Urins.  Tod  Abends  10  Uhr. 
Sectio n  13  Stunden  p.  m.  Nur  die  Bauchhöhle  ge- 
öffnet:  Hydronephrose;    es   war   eine   grosse    Kyste,   welche 


Q.  d.  Verhandl.  d.  GeselUohaft  t  Ueburtshttlfe  sa  Leipsig  etc.    131 

zwei  Nachttöpfe  voll  einer  grauen  haferschleim&bnlichen 
Flüssigkeit  enthielt.  Der  Sack  war  derb,  enthielt  in  seinen) 
Innern  die  aus  den  Nierenkelchen  entstandenen  Fächer,  von 
Nierensubstanz  war  nichts  übrig  geblieben.  Der  Ureter  war 
gleich  bei  seinem  Austritte  aus  der  Geschwulst  verwachsen. 
Auf  der  Innenfläche  des  Sackes  waren  mehrere  Geschwüre, 
angefressne  Stellen  von  einem  Durchmesser  von  einigen  Linien 
bis  %  ZoU  und  ziemlich  tief  mit  lividem  Grunde.  In  der 
Bauchhöhle  trübe  Flüssigkeit,  in  welcher  Faserstoflüocken 
schwammen.  Eingeweide  mit  dünnem  Exsudat  bedeckt,  zum 
Theil  verklebt.  Die  linke  Niere  war  um  das  Doppelte  ver- 
grossen,  sehr  blutreich.  Die  übrigen  Organe  zeigten  keine 
Abnormität 

Demnach  scheint  es  Verf.  am  wahrscheinlichsten,  dass 
die  Entzündung,  Geschwürs-  und  Eiterbildung  im  Inneren 
der  Kyste,  die  Ursache  der  anfanglichen  Schüttelfröste,  einer 
subacuten  Pyämie  war,  welche  die  Frühgeburl  zunächst  be- 
wirkte, in  weiterer  Folge  zu  einer  gänzlichen  Aufzehrung  der 
Kräfte  und  Verderbniss  der  Blutmasse  führte,  als  deren  letzte 
Folge  wieder,  verbunden  mit  der  Stagnation  der  Fäces  die 
allgemeine  Peritonitis  (dyscrasische)  erschien.. 

Die  Kyste  war  nach  oben  von  der  Leber,  nach  links 
vom  Duodenum  und  Hagen,  nach  rechts  und  unten  vom  Colon 
ascendens  und  transversum,  die  sehr  aus  ihrer  Lage  ver* 
drängt  waren,  begrenzt,  während  sie  hinten  an  der  Stelle, 
wo  normaler  Weise  die  Nieren  liegen,  begann. 

Dr.  Wattenberg.'' 


IV.   lieber  Proctocele  vaginalis  als  Oeburtshindemiss. 

Von 

Dr.  Bmll  Apollo  MelMner. 

Vorgetragen    am   17.   Februar    1862. 

Unter  den  Hindernissen,  welche  sich  in  den  weichen 
Geburtswegen  dem  vorröckenden  Kinde  entgegen  setzen  können, 
sind  zwar  schon  längst  ausser  der  completen   Verwachsung, 


132  I^-    ^«'««^«^1  MittheiluDgen  fiber  die  ThStigkeit 

der  Verengerung ,  der  Polypen  der  Vagina  auch  die  verscbie^ 
denen  Scheiden-,  auch  wohl  (der  tDöglichen  Verwechalung 
wegen)  nicht  ganz  passend  so  bezeichneten  weichen  Beckeu- 
gesch Wülste  mit  genannt  und  in  allgemeinen  Umrissen 
auch  die  von  Seiten  der  Geburtshelfer  dagegen  eingeschlagenen 
Verfahrungsweisen  angegeben  worden.  Mehr  Licht  in  diesei* 
Hinsicht  verdanken  wir  aber  erst  der  Neuzeit,  in  der  man 
klinisch  und  pathologisch-anatomisch  die  in  und  auf  dem  6e- 
webe  der  Scheide  sitzenden  Neubildungen  zu  untersuchen, 
wie  die  Dislocationen  der  Becken-  und  Unterleibsorgane  und 
die  Natur  der  verschiedenen  pathologischen  Gesdiwdlste  ge- 
nauer kennen  zu  lernen  sich  bemühete,  welche  entweder 
schon  bestehende  VorföUe  der  einen  oder  (resp.  und)  der 
anderen  Scheidenwand  ausfüllen,  oder  erst  divertikelartige  Ein- 
und  Unistnlpungen  der  Scheide  hervorrufen.  Namentlich  äher 
die  letzteren,  gleichsam  indirecten  Vaginaltumorea  ist 
neuerdings  unsere  Kenntniss  durch  eine  reiche  Casuistik  wesent- 
lich gefördert  worden. 

Mit  Vorfall  der  vorderen  Scheidenwand  ver- 
bunden ist  fast  nur  die  in  Form  einer  Hernia  erfolgte  Dis- 
location  der  angefflllten  Blase,  als  Blasenscheidenbrucli 
(Cystocele  vaginalis),  diese  aber  sehr  vielfach  als  Geburts- 
hinderniss  beobachtet  worden,  so  früher  durch  Brandy  Robert, 
Merrtmariy  Hamilton;  auch  neuerdings  ausführlich  derartige 
Fälle  durch  R.  Newmann  (Lancet,  Dec.  1851),  Mc.  Kee 
(Phil.  med.  Examen,  Oct,  1855),  Ramsbotham  (Med.  Times 
and  Gaz.,  Jan.  1859),  C.  S.  Carson  (ibid.  Febr.  12),  Leo- 
pold (Monatsschr..  f.  Geburtk.,  14.  Bd.,  S.  58)  und  E.  Ba- 
landin  (Petersburger  medicinische  Zeitschr.,  1.  Jahrg.,  11.  Hell, 
S.  324)  beschrieben  worden.  In  allen  Fällen  hat  sich  der 
Katheter,  obwohl  er  mitunter  damit  verbundener  Dislocation 
der  Urethra  halber  nicht  leicht  einzuführen  ist,  als  das  einzige, 
aber  auch  untrüglich  sichere  Mittel  bewährt,  indem  allent- 
halben (die  Patientinnen  waren  sämmtlich  Mehrgebärende) 
unglaublich  schnell  nach  Entleerung  der  die  heftigsten  pressen- 
den Schmerzen  verursachenden  Geschwulst  die  Geburt  glück- 
lich beendigt  war.  Bei  besonders  verzogener  Harnröhre  möchte 
nach  Kiichenrneister*^  Vorschlage  die  Anwendung  eines  männ- 
lichen Katheters   am  Platze   sein.  —  Rührt   die  Ausdehnung 


n.  d.Yarhandl.  d.  GeaelUchaft  f. Gebartshfllfe  sn  Leipsi^  etc.    133 

der  Blase  aber  nicht  von  der  Anfüllung  durch  Urin  allein, 
sondern  von  einem  oder  mehreren  Steinen  her,  so  wüide 
bei  ausbleibeadem  spontanem  Abgange  derselben  bei  der  Ge- 
burt, wie  ihn  Smellie  beobachtete,  sobald  ein  Geburtshinder- 
niss  daraus  entstände,  bei  günstiger,  d.  h.  tiefer  Lagenmg 
nahe  der  Harnröhre  zunächst  zu  versuchen  sein,  nach  HoMh 
Vorschlage  die  Extractiou  durch  die  Harnröhre  mit  dem  Finger 
oder  mit  einer  Pincette  vorzunehmen;  ausserdem  aber,  wie  es 
£«eA;mann.  (Medical  Times  and  Gaz.,  January  1858,  S.  21) 
mit  nachfolgendem  leichten  Verlaufe  der  Geburt  glückte,  den 
Stein  über  die  Schambeine  zurückzuschieben  sein.  Die  Re* 
Position  gesdiieht  mittels  der  Pinger  von  der  Vagina  aus,  da 
nöthig  mit  Unterstützung  durch  einen  in  die  Blase  selbst  ein- 
geführten Katheter.  In  Fällen,  wo  dies  nicht  möglich  ist, 
mag  man,  wie  Monod  (Prager  Vierteljahrsschrifl,  61.  Band, 
Analecten  S.  51)  that,  nach  vorangegangener  Chloroformirung 
durch  die  vordere  Scheiden-  und  hintere  Blasenwand  einen 
Einsdmitt  machen,  den  Stein  mit  dem  Finger  entfernen  und 
den  Kopf  des  Kindes  sodann  mit  der  Zange  entwickeln ;  das 
letztere  that  Dubois  ohne  vorausgeschickte  blutige  Operation. 
Nach  Verlauf  von  20  Tagen  soll  die  Schnittwunde  bei  Monod% 
Wöchnerin  schon  .vollständig  geheilt  gewesen  sein. 

Weit  zahlreichere  Beobachtungen  besitzen  wir  über  die* 
jenigen  Geschwülste,  welche  im  Douglae'^d^eü  Räume  und 
an  der  hinteren  Scheidenwand  hervortreten.  Von  diesen 
nehme  ich  die  Exostosen,  Enchondrome  und  carcinomatösen 
Tumoren  des  knöchernen  Beckens  hier  ausdrücklich  aus,  wo 
es  mir  einleitungsweise  nur  darauf  ankam,  die  aus  den 
sogenannten  weichen  Beckentumoren  resultirenden  Geburts* 
hindemisse  in  ihren  verschiedenen  Varietäten,  deren  Bedeutung, 
Prognose  und  möglichste  therapeutische  Ueberwindung  in  all* 
gemeiner  Uebersicht  kurz  anzuführen.  —  Lehmann  in  Amster- 
dam {8chfnidr%  Jahrbücher,  1855,  Bd.  85,  S.  58)  führt  sieben 
Fälle  von  umfänglichen  Fibroiden  des  Uterus  an,  welche 
als  Geburtshindernisse  eintretend  sämmtlich  die  Sectio  Cae- 
sarea nothig  machten  und  lethal  endigten.  Ein  gestieltes 
Fibroid  auf  der  Peritonaealfläche  des  Uterusgrundes,  welches 
zur  Incarceration  im  Beckenkanale  während  Schwangerschaft 
und  Geburt  gelangte,  reponirte  Spaeth  (Zeitschrift  der  k.  k. 


134         IV.    MeUsnw,  Mitfheilnn^D  aber  die  Tha%keit 

Gesellschaft  der  Aerzte  in  Wien  1860,  Nr.  10.)  und  wen- 
dete wegen  secuudärer  Querlage  das  lebend  geborene  (acht 
Tage  später  im  Findelhause  gestorbene)  Kind,  wShrend 
die  Mutter  spSter  an  Peritonitis  zu  Grunde  ging.  Dr.  Habü 
theilte  (ebendaselbst  No.  41)  noch  vier  Fälle  mit,  in  denen 
der  Verlauf  der  Schwangerschaft  und  Geburt  durch  Uterus- 
fibroide  gestört  wurde.  Zweimal  erfolgte  Tod  der  Schwangeren 
(im  sechsten  und  achten  Monate)  durch  blutige  Himapoplexie 
nach  Eclampsie,  im  dritten  Falle  musste  wegen  .zu  heftiger 
Schmerzen  (wahrscheinlich  durch  Zerrung  der  Uterusmus- 
culatur  bedingt)  die  künstliche  Frühgeburt  durch  die  Utenis- 
douche  eingeleitet  werden,  im  vierten  Falle  machte  sich  ein 
im  unteren  Gebärniutterabschnitte  sitzendes  Fibroid  als  anfangs 
nicht  reponibles  Hinderniss  bemerklich,  doch  wurde  dasselbe 
nach  emem  warmen  Bade  durch  eine  kräftige  Wehe  über- 
wunden, indem  diese  den  Kopf  ins  Becken  eintreten  machte, 
während  bei  der  nächsten  Wehe  ein  todter  Knabe  geboren 
wurde.  —  Hohl  erzählt  (MeckeVs  Archiv  für  Anatomie  und 
Physiologie,  1828,  S.  188),  dass  bei  einer  Frau  in  zwei  Ge- 
burtsßUen  den  besten  Treibwehen  zum  Trotz  durch  eine  in 
der  linken  Beckenseite  betindlichep  Geschwulst  Zögerung  ein- 
trat, ohne  dass  schliesslich  Kunsthülfe  noch  nöthig  geworden 
wäre,  und  dass  die  spätere  Section  jene  Geschwulst  als  die 
an  der  inneren  Seite  des  Muse,  psoas,  tief  unten  liegende 
dislocirte  linke  Niere  erwies.  —  Ueberaus  reichliche 
Mittheilungen  besitzen  wir  über  die  den  Verlauf  der  Schwanger- 
schaft und  Geburt  mannichfach  störende  Oophorocele 
vaginalis,  Ovari engeschwülste  durch  seröse  und  fett- 
haltige Kysten  wie  Cystosarcome ,  colloide  und  carcinomatöse 
Entartung;  —  denn  selbst  Carcinom  beider  Ovarien  hinderte 
das  Auftreten  einer  Schwangerschaft  nicht.  Ueber  den  stören- 
den Einfluss  der  Ovarientumoren  auf  die  höheren  weiblichen 
Geschlechtsverrichtungen  sammelten  die  älteren  Fälle  PueheU 
(De  tumoribus  in  pelvi  partum  impedientibus,  Heidelberg  1840) 
und  Litzmunn  (Deutsche  Klinik,  1862,  No.  38, 40, 42).  Weitere 
Hittheilungen  verdanken  wir  C  R.  Braun  (Wiener  medicin. 
Wocheuschrift,  1859,  No.  48,  49,  51),  Habü  (a.  a.  C), 
MoaUr  (Monatsschrift  für  Geburtskunde,  Bd.  16,  Heft  2) 
Scanzoni    (Würzburger    medicinische    Zeitschrift,    I.    Band, 


Q.  d.  Verhandl.  d.  GeftelUehaft  f.  Gebartshtilfe  in  Leipzig  6tc.    135 

Sitzungsberichte  S.  21),  Clay  (Med.  chir.  Monatshefte  1860. 
Decbr.  S.  548),  Wild  (Zeitschria  für  Wundärzte  und  Ge-  * 
burtsheifer.  Stuttgart  1861,  1.  HeR,  S.  3.)  und  Anderen. 
Unter  den  zalilreichen  Störungen  der  Scbwängerschafl  traten 
besonders  lucarcerationserscheinungen  der  Ovariengeschwulst 
häufig  ein,  die  selbst  einen  anerkannten  Meister  der  Kunst 
zur  irrthooiiichen  Diagnose  einer  Retroversio  uteri  ex  puer- 
perio  proxime  superato  adbuc  lumidi  und  Anwendung  der 
Uterussonde  veranlasste.  Was  hier  unwissentlich  und  unwill- 
kürlich geschah,  sahen  sich  nicht  seilen  die  Geburtsärzte, 
durch  die  Sdiwere  der  Erscheinungen  und  Zufälle  gedrängt, 
zu  tbun:  die  Einleitung  der  künstlichen  Frühgeburt;  weit 
öfter  trat  dieselbe  spontan  ein.  Bei  der  Geburt  wurde  einige 
Male  das  Hinderniss  durch  die  Naturkräfle  allein  gehoben; 
wo  dies  nicht  geschah,  gelang  oft  die  Reposition  (wenngleich 
mitunter  erst  nach  wiederholten  mühsamen  Versuchen)  in 
einzelnen  Fällen  schritt  man  behufs  Erhaltung  des  durch  die 
Reposition  gewonnenen  Raumes  zur  Colpeurysis;  nicht  selten 
wurde  die  Function  (wegen  schneller  Wiedererzeugung  der 
Flüssigkeit  im  Eierstocksturoor)  selbst  wiederholt;  auch  einige 
Male  die  Incision  des  Tumors  (theits  durch  die  Bauchdecken, 
theils  durch  den  Mastdarm,  theils  endlich  durch  die  Vagina) 
vorgenommen;  endlich  trat  auch  spontan  (selbst  wiederholt 
in  einzelnen  Fällen)  Berstung  des  Sackes  ein.  Aber  auch 
trotz  theilweiser  Verkleinerung  der  Ovariengeschwulst  konnten 
mitunter  die  schwersten  geburtshulflichen  Operationen  nicht 
umgangen  werden,  (die  natürlich  auch  ausserdem  vorkamen) 
und  bald  in  Anwendung  der  Zange,  bald  der  Perforation, 
bald  in  Wendung  und  Extraction  an  den  Füssen,  bald  in  Ex* 
traction  mit  Hand  und  Haken,  endlich  sogar  m  der  Embryo* 
tomie  bestanden.  Soviel  ich  die  Fälle  selbst  nachlesen  konnte, 
wurden  bei  Concurrenz  der  Ovarientumoren  40  Mütter  er- 
hallen, 28  dagegen  starben;  12  Kinder  wurden  lebend,  41 
todt  geboren,  bei  16  war  der  Ausgang  nicht  angegeben.  — 
Dr.  Pauls  (Preuss.  Vereinszeitung,  N.  F.  IV.,  28.  1861. 
Schmidt* s  Jahrbücher,  Bd.  113,  S.  65)  giebt  j^otiz  von  einem 
seltenen  Geburtshinderniss,  einer  Hydatide  mit  schwärzlich 
flussigem  Inhalte,  in  welchem  dicht  zusammen  unzählige,  fast 
erbsengrosse ,   runde,    mehr  hellgräuliche   und   etwas   durch- 


136        I^-    ÜMinery  Mitth^üaogen  ober  die  ThStigkeit 

sichtige  Körper  Bchwamiuen.  Zwischen  Scheide  und  Hast- 
darm eingebettet,  wurde  sie  durch  leichtes  Kratzen  mit  dem 
Zeigefinger  hinter  der  Scheidenwand  hervortretend  gemacht, 
worauf  die  vorher  kein  Resultat  gewährende  schwere  Zangen- 
Operation  baldigst  durch  die  Geburt  eines  todten  Mädcfanis 
beendigt  wurde,  während  die  IMutter  bald  genas  und  ohne 
Regeneration  des  Tumors  später  mehrere  Male  ohne  Kunst- 
hülfe  gebar. 

Von  den  nun  noch  übrigen  indirecten  Scheidengeschwülsten 
als  der  Haematocele,  Pyocele  und  Enterocele  vagi- 
nalis behauptete  (7.  B.  Braun  in  seiner  oben  citirten  Ab- 
handlung über  die  Einklemmung  der  Hernia  ovario  -  vaginalis 
und  ihre  Behandlung  in  partu :  dass  sie  höchst  selten  nur  in 
der  zweiten  Schwangerschaftshälfte  vorkommen,  auch  zu  einem 
geburtshälflichen  Missverhältniss  und  den  hierbei  indicirten 
Operationen  niemals  eine  Veranlassung  gäben.  Hinsichtlich 
derHaematocele  finden  sich  beide  Behauptungen  in  einer 
neuen  Arbeit  desselben  Verfassers  (über  die  Pathogenie  der 
Haematocele  retro- uterina  in  Wiener  med.  Wochenschrift,  1861, 
No.  28,  29,  30,  34,  35.)  schon  thatsächlich  widemilen,  wo 
unter  Anderen  auch  eine  Haematocele,  allerdings  ante -uterina 
(8.  Beobachtung)  am  rechtzeitigen  Ende  der  Schwangerschaft 
ein  gefahrliches  Geburtshinderniss  und  räumliches  Missverhält-' 
niss  erzeugte,  nach  vorgängiger  Akidopeirastik  durch  den 
Troikart  entleert  wurde,  worauf  ein  asphyctisches  aber  bald 
belebtes  Kind  geboren,  auch  die  Mutter  geheilt  wurde.  — 
Eiterdepots  und  peritonitische  Exsudate  sind  neben  Ova- 
riengeschwülsten  im  Dougla8*schen  Räume  aber  bereits  früher 
durch  Sectionen  neben  Schwangerschaft  constatirt  worden, 
mögen  aber  nicht  auflallende  Behinderungen  für  den  Gehurts- 
Terlauf  ergeben  haben. 

Obwohl  nun  Enterocele  und  Proctocele  vaginalis 
in  den  meisten  Lehrbüchern  der  Geburtshülfe  gleichfalls  als 
mögliches  und  in  der  That  auch  vorkommendes.  Hindemiss 
aufgeführt  sind,  Fälle  derselben  geringeren  Grades  auch  wohl 
wiederholt  vorgekommen  sein  mögen,  so  habe  ich  doch  in 
der  Literatur  keinen  so  exquisiten  und  schwierigen  Fall  auf- 
gezeichnet finden  können,  wie  mir  ein  solcher  in  der  Privat- 
praxis am  19.  Juni  1860  vorkam,  so  dass  ich  mich  angesichts 


n.  d.  Verhandl.  d.  Gesellschaft  f.  Geburtsbülfe  su  Leipzig  etc.    137 

der  Würdigang,  welche  die  übrigen  weichen  Beckengeschwülste 
nach  dem  bisher  Gesagten  bereits  erfahren  haben,  doppelt 
verpflichtet  fühlen  musste,  denselben  in  weiteren  Kreisen  be- 
kannt zu  machen.  Für  die  lange,  gegen  meine  ursprüngliche 
Absicht  unv(»*hdltnissmä8sig  ausgedehnte  Eicdeitung  wird  mich 
hoffentlich  das  lebhafte  Interesse  entschuldigen,  welches  so 
mancher  Vergleichspunkt  des  Hastdarmscheidenbruches  mit 
den  übrigen  weichen  Beckengeschwülsten  in  ihrer  Einwirkung 
auf  den  Geburtsverlauf  in  mir  erregte,  und  das  ich  in  ähnlicber 
Weise  auch  bei  Ihnen  voraussetzen  durfte. 

Die  chirurgisch-anatomische  Natur  der  Proctocele  va- 
ginalis als  Ihnen  hinlänglich  bereits  bekannt  voraussetzend, 
erlaube  ich  mir  heute  nur  die  recht  lesenswerthe  Dissertation 
unseres  Collegen  Joseph  Adolph  Schlesinger  (Leipzig  am 
3.  April  1846  vertheidigt)  vorzulegen  und  beschränke  mich 
allein  auf  die  Darstellung  vom  Verhalten  derselben  in  Schwanger- 
schaft und  Geburl.  Da  ein  Vorfall  der  hinteren  Scheidenwand 
immer  ein  Begleiter ,  oft  sogar  die  nächste  und  alleinige  Ur- 
sache des  Mastdarmscheidenbruches  ist,  so  wird  derselbe  mit 
dem  Herabsteigen  des  Uterus  in  den  ersten  Schwangerscbafte- 
monaten  fast  immer  wesentlich  vergrossert,  wogegen  er  später, 
namentlich  in  der  zweiten  Hälfte,  meist  un)  so  vollständiger 
verschwindet,  je  höher  die  Portio  vaginalis  emporsteigt,  also 
bei  Beckenverengung,  obwohl  auch  bei  dieser  mitunter  eine 
scbhngenförmige  Vorwölbung  der  unteren  MastdarmparLhie 
noch  vorkommt.  Die  vielfachen  Beschwerden  bei  der  Defae- 
caüon  vermehren  sich  während  der  Schwangerschaft  durch- 
gängig mit  der  verminderten  Beihülfe  der  Bauchpresse,  und 
die  stercoralen  Anhäufungen  können  selbst  die  Fi*ühgeburt 
veranlassen.  Eine  consequente  Anwendung  von  Klystieren 
(je  nachdem  auch  von  kaltem  Wasser  bei  hochgradiger  Er- 
schlaffung des  Mastdarmes)  ist  aber  darum  nicht  minder,  wie 
wegen  ihrer  prophylactiscben  Wirkung  für  den  Geburtsverlauf 
ausserdem  dringend  geboten.  Dass  die  Geburtsthätigkeit  In- 
carcerationserscheinungen  der  nachsinkenden  Dünndarmsclilingen 
beii>eiführen  kann,  hat  erst  kürzlich  Scamoni  wieder  be- 
stätigt (Lehrbuch  der  Krankheiten  der  weiblichen  Sexualorgane, 
Wien  1857.  8.  S.  441).  Obgleich  8.  dort  lediglich  vom 
Darmscheidenbruche  spricht,  muss  ich  doch  diese  Stelle  auch 


138        I^-    MeUiMT,  Mittheilongen  über  die  ThKtigkeit 

hier  mit  anziehen,  da  bei  jedem  grösseren  Mastdarnischeiden- 
brucbe  Dunndarmscblingen  nachsinken  können,  die  Enio'ooele 
vaginalis  also  nicht  immer  von  der  Proctoeele  vag.  getrennt 
werden  kann.  Allerwegen  findet  sich  nun  die  Reposition 
der  in  den  Scheidenvorfall  eingelagerten  Darm-  resp.  Mastdarm- 
partbieen  angegeben,  es  ist  dieselbe  in  GeburtsfaUen  aber 
durch  die  Wehenthätigkeit  und  die  im  Becken  abwärts  streben- 
den Kindesllieile  mitunter  wesentlich  erschwert,  wie  die  nach- 
folgende Beobachtung  weiter  dartbun  wird. 

Die  Frau  des  Polizeidieners  B.  hatte  bereits  drei  Mal 
ohne  Runstbiüfe  geboren ,  doch  war  der  Geburtsverlauf,  na- 
mentlich bei  der  letzten  Niederkunft  ein  schwieriger  und  lang- 
samer gewesen ;  angeblich  aber  bisher  noch  nichts  von  einem 
Scheidenvorfall  gefühlt.  Jetzt  am  rechtzeitigen  Ende  ihrer 
vierten  Schwangerschaft  angelangt,  waren  kräftige  Wehen 
eingetreten,  doch  trotzdem  der  vorliegende  Kopf  des  Kindes 
in  den  Beckenkanal  nicht  hereingeruckt.  Als  ich,  deshalb 
hinzugerufen,  ankam,  fand  ich  einen  betrachtlichen  Hänge- 
bauch,  der  kurz  vorher  nach  Abgang  missfarbigen  Frucht- 
wassers zu  einem  Spitzbauche  geworden  war,  das  Becken  in 
massigem  Grade  schräg  verengt,  indem  die  Symphysis  ossium 
pubis  der  linken  Kreuzdannbeinvereinigung ,  nicht  dem  Pro- 
montorium, gegenüberstand.  Die  Ränder  der  Schambeine 
erschienen  beiderseits  am  Ramus  horizontalis  und  der  Sym- 
physe gleichsam  wie  durch  Dmrollung  verdickt,  der  Mutter- 
mund ziemlich  vollständig  erweitert,  doch  hing  die  vordere 
Multermundsiippe  noch  schlaff  herab,  während  der  Kopf  des 
Kindes  auf  der  Schambeinvereinigung  aufstand.  Diese  abnorme 
Kopfstellung  schien  weniger  durch  die  geringe  Beckenverengung 
bedingt,  die  auch  früher  kein  wesenlJiches  Hinderniss  für  die 
Gebuil  abgegeben  hatte,  als  vielmehr  durch  eine  vom  Introitus 
vaginae  sanft  anhebende,  nach  oben  zu  aber  immer  umfang- 
reicher sich  gestaltende  weiche  Geschwulst,  die  sich,  wie  die 
Controle-Exploration  per  anum  ergab,  als  Scheiden-Mastdann^ 
brueh  zu  erkennen  gab.  Da  bereits  vor  meiner  Ankunft  durch 
ein  Clysma  der  Mastdarm  entleert  worden  war,  liess  ich  der 
Gebärenden  die  krumme  Seitenlage  einnehmen  und  versuchte 
zunächst  mittels  vier  in  die  Scheide  eingebrachter  Finger 
die    Mastdanngeschwulst,     welche     durch    die    nachsiukende 


n.  d.  V«rbandl.  d.  Oeaellschaft  f.  Geburtshilfe  sa  Leipsig  ete.    189 

Pleziira  iliaca  und  DüiiDdariDscMingeii  bedeutend  vergrösseri 
war,  links  vom  Promontorium  sanft  hinaufzuscbieben  und  durch 
die  möglichst  hoch  gegen  den  Unterleib  der  Nutter  hinauf- 
gezogenen Kniee  den  Kopf  des  Kindes  leichter  in  die  Becken- 
böhie  hineinlreten  zu  machen.  Von  der  Zweckmässigkeit 
dieses  Verfahrens  durch  vielfache  Erfahrungen  bei  den  ganz 
analogen  Fällen  von  umfangreichen  Vorfallen  der  Nabelschnur 
neben  beweglichem  Stande  des  Kopfes  auf  der  Schoosfuge, 
lebhaft  überzeugt,  Hess  ich  es  an  Ausdauer  hei  dem  Miss- 
lingen  der  ersten  Versuche  nicht  fehlen,  aber  icb  unternahm 
hier  nur  eine  stete  Sisyphusarbeit:  denn  zugleich  mit  der 
Darmgeschwulst  wich  der  Kopf  bei  jedem  Repositionsversuche 
höher  ins  grosse  Becken  hinauf,  jede  neue  Wehe  Meh  aber 
immer  wieder  den  Kindskopf  auf  die  Schambeine  auf  und  die 
Därme  in  den  Scheidengrund  hinab,  so  dass  meine  prophy- 
lactisch  daselbst  unausgesetzt  lagernden  Fingerspilzen  als  voll- 
ständig ungenügend  sich  erwiesen,  dem  Andrängen  allenthalben 
den  nöthigen  Widerstand  zu  leisten,  denn  neben  meinen  Fingern 
drängte  die  Geschwulst  mächtig  wieder  f  abwärts,  ja  der  Druck 
meiner  Finger'  einestheils,  der  des  durch  die  Wehenthätigkeit 
andrängenden  Kindskopfes  andemtheils  reizte  offenbar  die 
Därme  immer  mehr.  So  hatte  ich  nach  zweistündigem  Mühen 
nur  eine  durch  Gasauftreibung  wesentlich  vergrösserte  Darm* 
geschwulst,  welche  endlich  die  Scheide  ganz  ausfüllte,  daneben 
trat  heftiges  Aufstossen,  Schluchzen  und  sell)st  wiederholtes 
Erbrechen  ein,  und  auf  noch  schlimmere  Erscheinungen  vom 
Darmkanale  niusste  ich  mich  jeden  Augenblick  gefasst  machen: 
nicht  minder  war  der  Puls  weit  über  100  gestiegen,  die 
Temperatur  der  Mutter  eine  beträchtliche.  Aber  auch  von 
Seiten  des  Kindes  traten  die  Indicationen  zur  künstlichen 
Beendigung  der  Geburt  immer  dringender  hervor,  blutiges 
Serum  mischte  sich  mit  dem  schon  vorher  grünlichen  Frucht- 
wasser, die  Kopfgescbwulst  hatte  eine  beträchtliche  Höhe  er- 
reicht —  Die  Wahl  der  einzuschlagenden  Operationsmethode 
war  dagegen  nicht  leicht,  denn  bei  dem  hohen,  von  einem 
„zangenga*echten'*  himmelweit  noch  entfernten  Kopfstande 
schien  die  Anlegung  der  Forceps  ein  allzuschwieriger  Versuch, 
um  Erfolg  zu  versprechen;  die  Wendung  und  Extraction  des 
Kindes  an  den  Füssen  aber  des  zum  Tbeil  schon  längst,  jetzt 


140      ^'    MeUtn^r,  Mitiheilangen  über  die  ThKtigkeit  ete. 

aber  vollstäDdig,  abgeflossenen  Fruchtwassers  halber  schon 
schwierig  auszuführen,  dann  aber  wegen  der  räumlichen  Hinder- 
nisse beim  Lösen  der  Arme  und  bei  der  Entwickelang  des 
Kopfes  dieser  Plan  einem  vollständigen  Verzichtleisten  auf 
ein  lebendes  Kind  gleichzustellen;  abgesehen  davon,  dass 
ich  furchten  musste,  bei  der  Extraction  des  Kindes  an  den 
Füssen  nur  die  Darmgeschwulst  immer  mehr,  ja  selbst  müg* 
lieber  Weise  durch  die  Nachfolge  der  Arme  und  des  Kopfes 
unbeweglich  fest  in  das  Becken  herabzuziehen.  Ich  entschied 
mich  daher  für  einen  Zangenversuch;  —  nachdem  ich  das 
Os  sacrum  der  Gebärenden  durch  Unterlegen  mehrerer  Kissen 
eine  ungewöhnlich  erhöhte  Lage  gegen  das  übrige  Bett  hatte 
einnehmen  lassen,  fährte  ich,  obwohl  mit  grossen  Schwierig- 
keiten, die  Zangenlöffel  ein,  und  nach  einigen  Versuchen  ge- 
lang es  mir,  das  Instrun>ent  zu  schliessen.  Während  ich  nun 
so  den  Kopf  in  seiner  Lage  fixirte,  stand  ich  zunächst  so  lange 
von  der  Vornahme  von  Tractionen  ab,  bis  mir  die  Reposition 
des  grössten  Theiles  der  Mastdarmgeschwulst  gelungen  war, 
und  fährte  erst  dann  durch  sanfte,  mit  der  Unken  Hand  diri- 
girte  Zangenbewegungen,  den  Kopf  in  die  Aushöhlung  des 
Kreuzbeines  herab,  während  die  Fingerspitzen  der  rechten 
Hand  die  hintere  Scheidenwand  unausgesetzt  beobachteten. 
Nachdem  ich  so  durch  ein  vorsichtiges  und  langsames  Operiren 
mit  der  Zange  den  Kopf  in  das-  kleine  Becken  herabgeleitel, 
war  die  Geburt  alsbald  glücklich  mit  der  Entwickelung  eines 
grossen  Knaben  und  der  darauffolgenden  spontanen  Ausschliessung 
der  Placeiita  beendet.  Der  Wochenbeltsverlauf  war  durchaus 
günstig,  die  Mutter  nährte  das  Kind  aber  nicht  selbst,  sondern 
versuchte,  dasselbe  mit  Kuhmilch  aufzuziehen,  dafür  sah  sie 
es  aber  schon  am  16.  Juli  als  Opfer  eines  Brechdurchfalles 
verscheiden.  Später  sollen  sich  bei  der  Mutter  vielfache 
Beschwerden  des  Scheidenvorfalls  eingestellt  haben,  ich  selbst 
aber  habe  sie  seitdem  nicht  wieder  zu  sehen  bekoomien, 
da  sie  meist  auf  einem  benachbarten  Dorfe  bei  Diners  in  den 
Villen  hiesiger  Bürger  und  in  verschiedenen  Tabagieen  als 
Kochkünstlerin  fungirt  und  ihren  Gesundheitszustand  zu  wenig 
beachtet,  als  dass  sie  zu  bewegen  gewesen,  irgend  welche 
diätetische  Vorsicht  obwalten  zu  lassen. 


y.    Breslau,  Intrauterine  perforative  Peritonitis  etc.     141 

Was  nun  den  mitgetheilten  Geburtsfali  anlangt,  so  hat 
der  gluckliche  Ausgang  meines  Operationsversuches  allerdings 
för  mich  entschieden;  —  doch  glaube  ich  deshalb  denselben 
nicht  für  alle  derartigen  Fälle  unbedingt  empfehlen  zu  dörfen, 
vielmehr  möchte  in  manchem  anderen  Falle  die  Extraction 
vorzuziehen  sein.  Wenn  im  vorliegenden  Falle  nicht  das 
Fruchtwasser  schon  längst  abgeflossen  gewesen,  würde  ich 
auch  die  Anwendung  des  Colpeurynter  nicht  unterlassen 
haben.  Um  so  interessanter  musste  es  mir  aber  sein,  die 
Erfahrungen  und  Behandlungsweisen  anderer  CoUegen  bezüg- 
lich dieser  Anomalie  kennen  zu  lernen,  und  zögerte  daher 
nicht,  auch  mit  einer  einzigen  Beobachtung  hervorzutreten. 
Die  Erfahrung  hat  ja  gelehrt,  dass  wenn  mit  einem  oder  zwei 
Fällen  die  Bahn  gebrochen,  das  wissenschaftliche  Interesse 
geweckt  wird,  dann  bald  darauf  auch  weitere  Mittheilungeii 
zur  Veröffentlichung  gelangen  und  so  die  Kenntniss  über  eine 
bisher  wenig  bearbeitete  Anomalie  wesentlich  gefördert  wird. 


V. 

Intrauterine  perforative  Peritonitifl  bei  einem 

hydrocephalischen  Einde. 

Von 

Prof.  Dr.  Breslau  in  Zürich. 

(Mit  einer  Abbildang,  Taf.  IV.,  Fig.  2.) 

Im  Uecember  vorigen  Jahres  wurde  mir  von  meinem 
verehrten  Collegen,  Herrn  Dr.  Spöndli^  die  Leiche  eines 
hydrocephalischen  nahezu  ausgetragenen  Kindes  weiblichen 
Geschlechts  zur  näheren  Untersuchung  überlassen.  Herr  Dr. 
Spöndli  war  Tags  zuvor  zu  einer  Gebärenden  in  der  Nähe 
von  Zürich  gerufen  worden,  bei  welcher  der  anwesende  Arzt, 
Herr  Dr.  B.  das  in  einer  Beckenendlage  sich  einstellende  Kind 
bis  auf  den  nachfolgenden  Kopf  extrahirt  hatte.  Dr.  B.  die 
Ursache  des  Geburlshin demisses  in   einem   enormen  Hydro- 


^ 


142       ^'    Breslau,  Intraaterine  perforative  Peritonitis 

cephalus  erkenüend,  hatte  bereits  einen  vergeblichen  Zangen- 
versuch  gemacht  und  einen  scharfen  ?  Haken  durch  die  rechte 
Augenhöhle  in  die  Schädelhöhle  eingestossen,  war  jedoch  mit 
der  Entbindung  nicht  zu  Stande  gekommen,  obwohl  aus  dei' 
durchbohrten  Orbita  des  Kindes  viel  Wasser  abgeflossen  war. 
Dr.  Spöndli  legte  den  Kephalotrib  an,  zerquetsdite  die 
Schädelbasis  und  entwickelte  den  wie  eine  leere  Blase  sich 
zusammenfallenden  Kopf  ohne  besondere  Mühe. 

An  der  noch  ganz  frischen  Leiche  fanden  sich  ausser 
dem  Hydrocephalus  noch  mehrere  äussere  Bildungsfehler. 
Beiderseits  waren  hochgradige  KlumpfQsse,  an  der  linken  Hand 
waren  Ringfinger  und  kleiner  Finger  mit  einander  verwachsen, 
Mittel*  und  Zeigefinger  rudimentär  angelegt 

Der  Hydrocephalus  war  wie  gewöhnlich  ein  internus. 
Das  Gehirn  zusammengefallen,  von  Blut  und  Serum  durch* 
tränkt  lag  auf  der  Basis.  Deutlich  konnte  man  aber  noch 
sehen,  wie  die  nun  entleerten  Seitenventrikel  zu  grossen  Blasen 
ausgedehnt  gewesen  sein  mussten.  Die  Grösse  des  Schädels 
war  ungefähr  die  eines  dreijährigen  KiAdes.  Mit  Rosshaareii 
ausgestopft,  maass  sein  horizontaler  Umfang  54  Centimeter. 

Brusthöhle.  Die  rechte  Lunge  enthielt  ziemlich  viel 
Luft,  die  Hälfte  des  oberen  Lappens  und  grössere  Stücke 
des  unteren  und  mittleren  Lappens  schwammen  leicht  auf 
dem  Wasser,  waren  rosenroth  gefärbt,  etwas  marmorirt  und 
bei  Druck  knisternd,  die  übrigen  Theile  der  rechten  Lunge 
in  fötalem  Zustand.  Die  linke  Lunge  enthielt  nur  Spuren 
von  Luft. 

Ohne  Zweifel  hatte  also  das  Kind  bei  den  ersten  Ex* 
tractionsversuchen  einige  vorzeitige  Athembewegungen  ge- 
macht, wahrscheinlich  als  Dr.  B.  seine  Hand  einführte,  um 
Zange  und  Haken  aii  den  nachfolgenden  Kopf  anzulegen,  bei 
welchem  Manoeuvre  der  Luftzutritt  zu  den  über  dem  Becken 
befindlichen  Respürationsöffnungen  möglich  war. 

Weitaus  das  grösste  Interesse  lieferte  der  Befund  in  der 
Bauchhöhle.  Der  Unterleib  zeigte  bei  äusserer  Besichtigung 
in  Form,  Grösse  und  Farbe  nichts  Abnormes.  Nachdem  ich 
aber  die  Bauchhöhle  durch  den  gewöhnlichen  Schnitt  erolTnet 
hatte,  sah  ich  die  ganze  blossgelegte  Oberfläche  der  Ein* 
geweide  und  die  innere  Fläche  der  zurückgeschlagenen  vorderen 


bei  einem  hydrocephnUeoheii  Kinde.  14S 

Baiicbwand  ziemlich  gleirhmässig  mit  gnlnbraunem  Heconium 
aberzogen.  Ich  versuchte  das  Heconium  mit  dem  Schwämme 
abzutupfen^  allein  ich  fand  sehr  bald,  d^ss  nur  der  geringste 
Theil  davon  zu  entfernen  war,  und  dass  die  grösste  Menge 
mit  fibrinöS'Sulzigem  Exsudate  innig  vermengt  so- 
wohl auf  dem  visceralen  wie  auf  dem  parietalen  Blnlte  des 
Peritonaeuro  fest  anklebe,  dass  das  mit  Meconium  vermengte 
Exsudat  auf  Leber  und  Milz  unter  das  Zwerchfell  sich  er- 
streckte und  dass  bereits  schwache  Verklebungen  der  Unter- 
ieibsorgane  unter  sich  zugegen  waren. 

Fast  bis  zu  Messerriickendicke  war  der  ganze  seröse 
üeberzug  der  Leber  von  dem  schmutzig  braungelben  Exsudate 
aberzogen  und  es  war  dasselbe  nicht  ohne  kleine  Substanz- 
verluste des  Leberparenchyms  von  der  Serosa  der  Leber  ab- 
zustreifen. Aus  der  Tiefe  der  rechten  Seite  gegen  die  Fossa 
iliaca  quoU  bei  leisem  Drucke  auf  die  daselbst  befindlichen 
Darmschlingen  neues  flüssiges  Meconium  in  den  geöffneten 
Peritonaealsack  aus,  und  nach  einigem  Suchen  fand  ich  eine 
ungefähr  erbsengrosse  feuerrothe  Oeffnuog  einer  Darmschlinge, 
welche  den  Darminhalt  lieferte. 

Zur  genauem  Untersuchung  wurde  nun  der  ganze  Tractus 
intestinalis  herauspräparirt.  Es  fand  sich  nicht  die  geringste 
Abweichung  im  Bau,  keine  Stenose,  keine  Atresie,  keine 
Divertikelhildung.  Der  Magen  enthielt  eine  massige  Menge 
scbleimig*seroser  mit  weissgelblichen  kleinen  Bröckelchen  ver- 
mischter Flüssigkeit,  (Schleim  mit  verschlucktem  Fruchtwasser 
und  Vernix  caseosa)  im  Dünndarm  fand  sich  gelblicher,  einer 
Oeleniulsion  ähnlicher  Brei,  im  Dickdarm,  wo  die  perforirte 
Stelle  war,  fand  sich  eine  massige  Menge  des  gewöhnlichen 
Meconiums  sowohl  unterhalb  wie  oberhalb  der  Perforation. 
Gas  war  weder  im  Dünn-  noch  im  Dickdarm.  Die  Schleim- 
haut in  dem  unteren  Theile  des  Ileum  und  durch  das  ganze 
Colon  war  lebhaft  roth,  sammtartig  aufgelockert  Ulceration, 
follikuläre  Abscesse,  Infiltrationen  des  drüsigen  Apparates 
der  Darmschleirtihaut  waren  durchaus  nicht  zu  finden.  Die 
Perforation  war  gerade  am  Uebergange  des  Colon  ascendens 
zum  Colon  transversum,  an  der  vorderen  Darmwand,  4  Centim. 
vom  Proc.  ensiformis  entfernt.  Durch  das  erbsengrosse  Loch 
der  Serosa  und  Muscularis  des  Darms  war  nach  aussen  eine 


144       V.   Breilau y  Intrauterind  perforatfve  Peritonitis 

feuerrothe  Falte  der  Schleimhaut  vorgestölpt,  ein  wirklicher 
ringförmiger  Prolapsus  der  Schleimhaut,  lebhaft  in  Form  und 
Farbe  an  Prolapsus  ani  oder  an  Prolapsus  der  Blasenschleim- 
haut  bei  grösseren  BlasenscheidenGsteln  erinnernd.  Der 
vorgestülpte  Schleimhautwulst  zeigte  sich  an  zwei  ein  paai- 
Mililmeter  grossen  durch  eine  zarte  Brücke  von  einander  ge- 
trennten Stellen  perforirt  (cfr.  die  Abbildung).  Von  innen,  tod 
der  Schleinihautoberfläche  betrachtet,  hatte  man  einige  Mühe 
die  perforirte  Stelle  zu  finden.  Kleine  Schleimhautfalichen 
legten  sich  aneinander,  strahlen-  oder  radienförmig,  und  ohne 
dass  man  sie  auseinanderzog,  konnte  man  das  Loch  in  der 
Darmwand  nicht  von  innen  aus  erkennen. 

Epikritische  Bemerkungen. 

Vorliegender  Fall  von  Perforation  eines  Darmes  und  nach- 
folgender Peritonitis  bei  einem  Fötus  ist  meines  Wissens  ein 
Unicum.  Ich  habe  nie  etwas  Aehnliches  gesehen  und  kenne 
aus  der  Literatur  nichts  dergleichen.  Als  ich  nach  Eröffnung 
der  Bauchhöhle  alle  vorliegenden  Theile  mit  Meconium  über- 
schwemmt sab,  war  mein  erster  Eindruck,  es  müsse  bei  den 
gewaltsamen  Extractionsversuchen  durch  Druck  auf  den  Unter- 
leib des  halb  geborenen  Kindes  eine  Ruptur  eines  Darmes 
erfolgt  sein  und  Meconium  unmittelbar  vor  oder  nach  dem 
Tode  des  Kindes  in  die  Bauchhöhle  ausgetreten  sein.  Diese 
Meinung,  a  priori  die  annehmbarste,  musste  ich  aber  sofort 
aufgeben,  als  ich  mich  überzeugte,  dass  neben  dem  ausge- 
tretenen Meconium  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  durch  den 
Reiz  desselben  auf  das  Bauchfell  veranlasst,  eine  frische  ex- 
sudative allgemeine  Peritonitis  vorhanden  war.  Zu  deren  Ent- 
stehung bedurfte  es  doch  wenigstens  eines  ganzen  oder  auch 
nur  eines  halben  Tages,  und  schon  aus  diesem  Grunde  darf 
man  die  Perforation  nicht  mit  dem  Akte  der  Extraction  in 
Verbindung  bringen,  bei  welchem  das  bis  dahin  lebende  Kind 
sehr  bald  sein  Leben  verlieren  musste.  Weiter  dachte  ich 
daran,  die  Perforation  des  Darmes  möchte  vielleicht  ihre  Ur- 
sache in  einer  Atresie  oder  Stenose  des  Darmrohres  haben, 
allein  wie  schon  oben  bemerkt,  fand  sich  hiervon  nicht  die 
Spur,  und  ich  muss  noch  ausdrücklich  hervorheben,  dass  der 
Auus  wie   gewöhnlich  durchgängig  war  und  etwas  Meconium 


bei  einem  bydrocepbjüiBeben  Kinde.  I4b 

leicht  aus  ihm  herausgepresst  werden  konnte.  Ferner  liegt 
es  nahe,  den  Grund  der  Peiibralion  in  einer  Erkrankung 
der  Schleimhaal  des  Colons  zu  suchen.  In  ^ der  That  fand 
sich  ein  Zuslanc^  von  Rötbe,  Schwellung  und  sammtartiger 
Auflockerung,  den  man  als  Enteritis  mucosa  bezeichnen  kann. 
Aber  genügt  denn  die  Annahme  einer  Enteritis  mucosa  ohne 
Geschwiirsbildung  zur  Erklärung  der  Perforation?  Gewiss 
nicht,  es  müsste  denn  sein,  dass  sonderbarer  Weise  an  einer 
ganz  beschränkten  Stelle  ein  foUiculärer  Abscess  entstanden 
wäre,  der  äusserst  schnell  Muscularis  und  Serosa  durch- 
brochen hätte,  bevor  es  zu  adhäsiver  Entzündung  in  der  Um- 
gebung, bevor  es  zu  einer  flächeuartigen  Ausbreitung  auf  der 
Schleimhaut,  zu  einer  Geschwürsbildung  gekommen  ist.  Dies 
kann  man  sich  allenfaUs  so  vorstellen,  aber  ich  bin'  weit 
eatfenit  davon,  diese  Entstehungsweise  der  Perforation  be- 
weisen zu  wollen  oder  zu  können.  Ich  gestehe  offen,  dass 
ich  keine  genugende  Erkläiting  für  die  vorgefundene  Perfora- 
tion des  Colons  zu  geben  vermag,  und  leiste  darauf  Verzicht, 
zu  unwahrscheinlichen  Hypothesen,  deren  man  noch  mehrere 
aufstellen  könnte,  meine  Zuflucht  zu  nehmen.  Einzig  steht 
fest  die  Thatsache:  dass  die  Perforation  während  des 
intrauterinen  Lebens  des  Kindes  vor  der  Geburt, 
vor  den  operativen  Eingriffen  entstanden  sein  muss, 
und  Peritonitis  zur  Folge  hatte. 

Indem  ich  es  für  angemesseu  hielt,  meine  Beobachtung, 
eine  seltene  und  seltsame,  einem  weitern  Kreise  von  Fach- 
geuossen  mitzutheiien,  gebe  ich  mich  der  Hoffnung  hin,  dass 
sich  vielleicht  ähnliche  Fälle  daran  reilien  und  das  Dunkle 
erhellen  mögen. 

Erklärung  zur  Abbildung. 

Die  Zeichnung  stellt  das  perforirle  Stuck  Colon  von  der 
rauhen  mit  Exsudat  bedeckten  Serosa  aus  gesehen,  dar.  Die 
Sonde  ist  durch  die  grössere  der  beiden  Perforalions- 
Oeffnungen  von  innen  nach  aussen  durchgesteckt.  Deutlich  ist 
die  einem  prolabirtem  After  ähnliche  Vorstfilpung  der  zwei- 
fach durchlöcherten  Schleimhau L 


MonaUftchr.  f.  Gkbortak.  1S08.  Bd.  XXL,  Sappl.-Hft.  10 


146  VI.     Ehehy  MUth«ikiDgpii  aus  der  OehMransult 


VI. 

Mittheilungen  aus  der  Oebäranstalt  zu  Jena 
aus  den  Jahren  1859—1861. 

Von 

Dr.  Koch, 

einer.  Asslatenten  der  Anstalt. 

In  dam  Zeiträume  von  18Ö9 — 61  wurden  319  Schwangt 
aufgenommen,  von  denen  308  niederkamen,  und  zwar  140 
Erstgebärende,  168  Mehrgebärende  (126  Zweit-,  29  DdU-, 
8  Vieri-,  3  Fünft-,  2  Sechstgebärende). 

Wöchnerinnen  wurden  6  vom  Jahre  1858  übertragen, 
8  Personen  als  solche  aufgenonunen  (Gassengeburten),  giebt 
2usammen  317  Wöchnerinuen. 

Und  da  unter  den  308  Geburten  vier  Mal  Zwillings- 
geburten stattlanden ,  so  giebt  dies  ein  Material  von  321  Kin- 
dern (die  Kinder  der  9  als  Wöchnerinnen  aufgenommenen 
Personen  mitgerechnet).  Diese  321  Kinder  setzten  sich  zu- 
sammen aus  175  Knaben  und  146  Mädchen.  268  Kinder 
waren  rechtzeitig  geboren,  50  frühzeitig,  3  unzeitig. 

Von   den  319  Schwangeren  erkrankten  6,   starb  keine. 

Von  den  317  Wöchnerinnen  erkrankten  (alle  leichten 
Fälle  mitgerechnet)  147,  starben  21,  (nämlich  1859  =  4, 
1860  =  7,  1861  =  10). 

Unter  den  321  Kindern  waren  8  todtfaul  geboren,  6 
starben  unter  der  Geburt,  44  kamen  asphyktisch  zur  Welt, 
von  denen  9  nicht  wieder  zu  beleben  waren,  90  erkrankten 
in  der  Anstalt  und  20  der  letzteren  starben. 

Entlassen  wurden  7  Schwangere  vor  ihrer  Niederkunft, 
4  auf  das  Jahr  1862  übertragen.  Von  den  W^öchnerinnen 
und  Kindern  wurden  alle,  welche  nicht  starben,  gesund  ent- 
lassen, 1  Wöchnerin  auf  die  medicinische  Abtheilung  des 
Krankenhauses  transferirt,  2  auf  das  Jahr  1862  überti*agen. 

Dies  ist  das  Material,  aus  welchem  ich  einiges  Interessante 
hervorzuheben  gpclenko. 


in  Jena  ans  den  Jahren  1850 — 1861.  147 

Zuvörderst  aus  der  Zeit  der  Schwangerschaft: 

Hervorragung  der  Striae  gravidarum  in  der  Re- 
gio hypog  a  st.  ist  bei  Hängebauch  und  Oedem  dieser  Gegend 
beobachtet  worden.  Sehr  stark  war  dieselbe  bei  einer  an 
allgemeinem  Anasarca  leidenden  Schwangeren,  bei  welcher  die 
Striae  des  Unterleibes  wulstig  hervorgetrieben  waren. 

Einmal  ward  ein  schwirrendes  systolisches  Ge- 
räusch in  der  Art.  epigast.  inf.  dextra  gehört,  welches 
der  anatomischen  Lage  und  seiner  Oberflächlichkeit  nach  nur 
diesem  Gefasse  entsprungen  sein  konnte.  Es  fand  sich  bei 
einer  Drittgebärenden  mit  starkem  Hängebauche  und  konnte 
bei  späteren  Untersuchungen  nicht  mehr  wahrgenommen  werden. 

Ferner  fand  sich  bei  einer  Primipara  mehrere 
Wochen  lang  vor  der  Geburt  der  Muttermund  1  Zoll 
im  Durchmesser  geöffnet,  die  Portio  vag.  voilkoinmon 
verstrichen.  Kopf  fest  vorliegend.  Eihäute  fest  an  dem  Kopfe 
anliegend.     So  blieb  der  Zustand  bis  zur  Geburt. 

Eine  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  vor 
dem  normalen  Ende  kam  53  Mal  zur  Beobachtung.  Als 
Ursachen  wurden  aufgefunden: 

1.  Tod  des  Kindes,  in  vier  Fällen.  Letzterer  war 
wieder  die  Folge  zwei  Mal  von  Torsion  der  Nabelschnur, 
zwei  Mal  von  fester  Umschlingung  derselben  um  den 
Hals.     Einer  der  letzteren  Fälle   bietet  mehrfach  Interesse: 

ÜT.,  Erstgebärende,  24  Jahre  alt.  Letzte  Regel  Ende 
December  1859.  Am  16.  Juni  1860  steht  der  Fundus  uteri 
gerade  in  Nabelhöhe.  Port.  vag.  zierlicher  harter  Zapfen. 
Hattermund  ein  rundes  Grübchen.  Herztöne  links  ober  der 
Symphyse.  Kindesbewegungen  deutlieh  fühlbar.  —  Der  Furn 
dus  uteri  steigt  nun  allmälig  höher.  Port  vag.  wird  kürzer 
und  weicher.  Herztöne  sind  stets  zu  huren.  Kindesbewe- 
gungen sehr  lebhaft.  Kind  passiv  sehr  beweglich.  Schwangere 
durchaus  wohl. 

8.  August  (32.  Woche).  Fund.  ut.  Querhand  über  dem 
Nabel.  Herztöne  gerade  unter  demselben.  Kindesbeweguugen 
deullicb  sichtbar.     Kopf  vorliegend. 

17  August:    Herztöne  nicht  zu  hören.    Kindesbewegungen 

nicht  zu  fühlen,   ebenso  später.  —  Der  Tod  des  Kindes  ist 

also  zwischen  dem  8.  und  17.  August  eingetreten. 

10* 


148  ^I*     Koehf  Mittheilang^en  aus  der  Gebäranstatt 

11.  September:  Der  Fund.  ut.  ist  nicht  bulior  gestiegen. 
Kopf  liegt  nicht  mehr  vor.  Man  fühlt  rechts  und  links 
grössere  Kindestheüe,  die  sich  wie  ein  todler  Körper  hin  und 
her  schieben  lassen.  Aus  dem  etwas  geöffneten  Mutter- 
munde dringt  rostfarbenes  stinkendes  Blut  Das  Pla- 
centargeräusch  ist  noch  deutlich  vernehmbar.  Die 
Schwangere  hat  öfters  Frösteln  und  Uebelkeit. 

12.  September  erfolgt  die  Geburt  eines  todtfaulen  Knaben, 
nach  Abfluss  von  dunklem,  fötidem  Fruchtwasser.  Schädel- 
knochen ganz  verschoben,  Kopf  sackartig  in  die  Länge  ge- 
zogen. Die  Nabelschnur  zwei  Mal  sehr  fest  um  den  Hals 
geschlungen,  27  V2  Zoll  lang.  Wochenbett  vollständig  normal. 
Milchsecretion  so  reichlich,  dass  Person  sich  als  Amme 
verdingt. 

2)  Contractionen  de^  Uterus,  hervorgerufen  durch: 

a)  Grosse  körperliche  Anstrengungen,  grosse  Märsche. 

b)  Heftige  Gemöthsbewegungeu. 

c)  Erkältung. 

d)  Diarrhöen. 

e)  üteruspolyp  (ein  Mal). 

/)  üebennässige  Ausdehnung  des  Uterus  durch  Zwillinge 
und  viel  Fruchtwasser. 
g)  Katalepsie. 
R.,  Zweitgebärende,  32  Jahre  alt,  schlecht  genährt,  mit 
15  Jahren  menstruirt,  früher  immer  gesund.  Gebar  vor  sechs 
Jahren  einen  lebenden  Knaben.  Geburl  und  Wochenbett  nor- 
mal. Zweite  Schwangerschaft  verläuft  ohne  Stöning  (ausser 
dass  etwa  in  der  28.  Woche  eine  tiefe  Ohnmacht  eintrat). 
In  der  32.  Woche  bricht,  nachdem  Unbehagen,  Gefühl  von 
Mattigkeit  vorausgegangen  war,  Mittag  1  Uhr  ein  Anfall  von 
Starrkrampf  aus.  Die  Schwangere  steht  aufrecht,  mit  halb 
geschlossenen  Augen.  Puls  68,  Respiration  ruhig.  Die  Glieder 
behalten  die  ihnen  aufgenöthigte  Haltung  längere  Zeit  bei. 
Im  rechten  Vorderarme  klonischer  Krampf.  Dauer  des  An- 
falls IV2  Stunden.  Die  Schwangere  befand  sich  nachher  ganz 
wohl  und  ging  an  ihre  Geschäfte,  wusste  aber  von  dem  ganzen 
Anfalle  nichts.  Die  Herztöne  der  Frucht  waren  während  des 
Anfalls  frequent.    (Die  Schwester  soll  ähnliche  AußUe  haben.) 


sn  Jena  aus  den  Jahren  1869 — 1861.  149 

Patientin  schläft  aber  Nacht  gut.  Am  Morgen  stelieii 
sich  Wehen  ein.  Die  Frubgebart  wird  durch  warme  Um- 
schläge auf  den  Unterleib,  Opiumklystiere  vergeblich  hintan- 
Inhalten  gesucht  Abends  ffiesst  das  Fruchtwasser  ab  und 
am  nächsten  Morgen  2  Uhr  wird  ein  tief  asphyktischer  Knabe 
von  16  Zoll  Unge  und  4  Pfund  I2V2  Lotli  Zoll-Gewicht  ge- 
boren, welcher  belebt  wurde.  Bei  der  Wöchnerin  tritt  am 
dritten  Tage  eine  befuge  Peritonitis  auf,  am  zwölften  Tage 
kommt  Pleuritis  und  Pneumonie  hinzu,  dabei  heftiges  Fieber, 
Apathie,  Decomposition  der  Gesichtszüge.  Am  achtzehnten 
Tage  erfolgt  der  Tod.  Bei  der  Section  findet  sich:  beider- 
seitige Pneumonie,  pleuritisches  Exsudat;  in  der  Bauchhöhle 
öieke  Exsudatschwaiten,  Verklebungen  der  Organe.  Milz  ver- 
grössert,  brüchig.  Leber  etwas  fetthaltig.  Uterus  in  Exsudat 
eingebettet.     Nieren  normal.  *  Schädel  nicht  geöffnet.  — 

Es  muss  endlich  eingestanden  werden,  dass  in  mehreren 
Fällen  durchaus  keine  Ursache  für  die  Frühgehurt  aufzu- 
finden war. 

Einmal  erfolgte  der  Beginn  der  Wehen  unmittelbar 
nach  vorgenommener  Sarification  der  ödematös 
geschwollenen  Labien.  Die  Geburt  war  zwar  rechtzeitig, 
acheint  aber  doch  durch  den  operativen  Eingriff  eingeleitet 
worden  zu  sein. 

P.,  Erstgebärende,  22  Jahre  alt,  kräftig  gebaut,  stets 
gesund  gewesen,  ward  Ende  Juni  1859  zum  ersten  Male 
schwanger.  Bekommt  den  27.  März  1860  über  Nacht  Oedem 
des  Gesichts,  der  unteren  Extremitäten,  der  Bauchdecken. 
Der  Urin  entliält  grosse  Mengen  Eiweiss  und  auch  Faserstoff- 
cylinder.     Im  Uebrigen  ist  das  Wohlbefinden  ganz  ungestört. 

Ord.:  Rohige  Lage,  Citronensaft  zum  Getränk. 

29.  März:  Oedem  hat  an  Schenkeln  und  Bauchdecken 
abgenommen.  Dagegen  ist  das  Lab.  min.  sin.  zur  Grösse 
einer  Männerfaust  angeschwollen.  Haut  daselbst  stark  ge- 
spannt —  Aromatische  Umschläge. 

31.  März:  Die  noch  mehr  angeschwollenen  Labia  min. 
werden  scarificirt,  worauf  sie  rasch  zusammenfallen. 

1.  April:  Da  über  Nacht  die  Geschwulst  wieder  zu- 
genommen hat,  wird  eine  zweite  Scarification  vorgenommen. 
Das  Oedem   schwindet.     Es   treten  Wehen   auf.     Die  Geburt 


150         ^^'    ^<f^f  MUtlieiliiiigen  aoi  d«r  GdEiftraHBtalt 

geht  rasch  und  oormal  vor  sieb.  Ein  lebendes,  kräftiges, 
reifes  Kind  wn*d  in  ScbadeUage  geboren. 

Arn  dritten  Tage  des  Wochenbettes  ist  das  Oedem  der 
Labien  beseitigt.  Am  vierten  Tage  kein  Eiweiss  mehr  im  Uriu, 
Sp|U«r  schwellen  die  Labien  in  Folge  von  durch  die  Geburt 
entstandenen  Schleimhautrissen,  welche  in  Ulceration  ober* 
gingen,  von  Neuem  an.  Hit  Heihing  derselben  weicht  auch 
das  Oedem. 

Die  Wöchnerin  bleibe  vollständig  gesund,  bis  auf  eine 
Abscedirung  der  Mamma,   welche  am  20.  A{M*il  sich  bildet 

INe  Backen  der  Gebärenden  sind  meistens  gemessen 
worden.     Fojgende  Abnormitäten  sind  notirt: 

1.  Verengerung  in  der  Richiang  der  Coquguta  ward 
26  Mal  gefunden. 

d)  22  Mal  beträgt  die  Verengerung  nicht  über  V^  ZoU 
(Conj.  3Va — ^  Zoll.)  Sie  erheischt  sechs  Mal  Anlegung  der 
Zange,  während  ein  Mal  das  querliegende  Kind  auf  die  Füsse 
gewendet  und  der  Kopf  mittels  des  Prager  Handgriffs  eot- 
wickelt  wird.  Die  Austreibungsperiode  ist  in  der  Mehrzahl 
der  Fälle  verlängert  (in  einem  Falle,  bei  einem  Kinde  von 
17  ZoU  Länge,  dagegen  Partus  praecipit.)  Unter  den  22  Kin- 
dern werden  20  lebend  geboren  (9  mehr  oder  weniger 
asphyktisch) ,  1  kommt  todtfaul  zur  Welt  und  nur  1  6tii*bt 
unter  der  Geburt  (Krampfwehen,  lange  Austreibungsperiode). 

b)  Zwei  Mal  ist  die  Conj.  3  Zoll  4  Linien  lang.  Ge- 
burten leicht     Kinder  gesund. 

c)  Ein  Mal  wird  die  Conj.  nur  3  Zoll  lang  gefunden. 
—  Geburtsverzogei*ung,  Anlegung  der  Zange,  asphykUscheB 
und  nicht  zu  belebendes  Kind. 

2.  Eine  geringe  Verengerung  im  queren  Durchmesser.  — 
Gleichzeitig  Plac.  praevia.  Das  Kind  auf  die  Fusse  gen^ndet 
und  extrahirt 

3.  In  niederem  Grade  schräg  verengte  Becken  wurden 
sechs  Mal  gefunden.  Fünf  Mal  war  keine  Hälfeleistung  bei 
der  Geburt  nöthig,  ein  Mal  wurde  die  Zange  angelegt  und 
ein  asphyktisches,  aber  wiederbelebtes  Kind  entwickelt  Ein 
Mal  zog  sich  die  Geburt  in  die  Länge  und  das  Kind  kam 
t,odt  zur  Welt.     Die  übrigen  Kinder  waren  gesund. 


811  Jen*  ani  den  Juhrab  1860^1661.  151 

4.  Endlieb  fwden  zwei  SUicheJbeGkfen  «n<deekl.  Die  Gristo 
08S.  pnb.  sin.  war  beide  Mal  stark  Yorspringend  und  ung«^ 
wohnlich  scharf.  Beide  Wöcfanerintieo  eriageo  einero  pyämi* 
sehen  Prooesse   und  zeigten  einen   öhnlichen  Leichenbefund. 

a)  8,y  Zweitgebärende,  28  Jahre  alt.  Conj.  3%  Zoll. 
Querlage  im  Anfange  der  Geburt.  Wendung  des  Kindes  auf 
den  Kopf  durch  äussere  Handgriffe.  Protrahirte  Austreibungs» 
Periode.  AnomaUe  an  den  Wehen.  Mehrmalige  Versuche, 
den  Kopf  mit  der  Zange  zu  eitrahiren.  Der  Kopf  folgt  den 
krMigen  Tractionen  nicht  Nach  Absterben  des  Kindes  Per* 
foration  des  Schädels,  Kephalotbrypsie  und  Extraction,  welche 
leicht  gelingt.  Am  zweit«)  Tage  des  Wochenbettes  Erkran* 
knng.  Diagnose:  Pyämie,  Tod  48  Stunden  nach  der  Geburt 
Section:  Grista  oss.  pub.  sin.  ungewöhnlich  scharf.  Im  hin- 
teren Scheidengewdlbe  links  eine  2  Zoll  lange  Trennung  tter 
Vaginalschleimhaut,  undiegendes  Gewebe  iM'andig.  An  der 
Blase  ist  IV^  Zoll  Yom  Blasenhals  entfernt,  ein  injicirter  Ring 
über  die  Blasensdileimhaut  gezogen,  auf  dem  in  einzelnen 
UnleriHrechungen  oberflächliche  gangränöse  Parthien  sich  fin- 
den, jede  1  bis  ö  Linien  im  Durchmesser  haltend.  Das  darunter 
liegende  Gewebe  ist  stark  sugillirt  Das  Zellgewebe  zwischen 
linker  Blasenwand  und  Becken  ist  in  grosser  Ausdehnung 
gangränös.  Uterusgewebe  normal.  Ebenso  die  übrigen  Organe. 

b)  jB.,  Drittgebärende,  30  Jahre  alt  Stark  vor* 
springendes  Promontorium  und  scharfe  Crista  oss.  pub.  sin. 
Zwillingsgeburt.  Anomalie  der  Wehen.  Protrahirte  Austreibungs- 
periode. Spontane  Geburt  des  ersten  Kindes  in  Steisslage. 
Anisen  der  Zange  wegen  Webenschwäche  an  den  Toriiegen- 
den  Kopf  des  zweiten  Kindes.  Sehr  leichte  Extraction 
eines  lebenden,  im  geringen  Grade  asphyktischen  Knaben  mit 
einer  Impression  des  linken  Stirnbeins  (kommt  weiter  unten 
noch  emmal  zur  Sprache).  Die  Wöchnerin,  deren  Placenta 
wegen  Strictur  des  inneren  Mnttermimdes  kunstlich  entfernt 
worden  war,  erkrankte  am  zweiten  Tage  des  Wochenbettes. 
Diagnose:  Pyämie  mit  Metastasen  in  der  Lunge  und  mehreren 
Geloiken,  Peritonitis  univers.  Tod  am  zehnten  Tage.  Be«- 
statigung  der  Diagnose  durch  die  Section,  bei  welcher  man 
ausserdem  ein  stark  vorspringendes  Promontorium  und  am 
Imken  horizontalen  Sehaambeinast  eine  etwa  2  Linien  hohe 


152  VI.     K09k,  Ifitikeilwigen  mm  der  OeUiMMah 


scharfe  Knocbenleisle  vorfand  Ke  Sditeimiiaal  der  Banvohrf 
war  stark  iniicirt,  an  der  hinleren  Blasevwand  amtkat  m 
der  Schleimhaut  der  Blase  gelegene  SugühtkuMD.  — 

Was  die  Wehen  und  ihre  Anomalien  belriil,  so  tA 
zu  erwähnen,  dass  Wehenscbwäche  niefal  seilen  beobachtet 
wurde,  primäre  und  secundäre.  Zu  starke  Wehen  hattra 
drei  Mal  sogenannte  Gassengeburten  zur  Folge. 

1.  Der  erste  Fall  ist  interessant  dadurch,  dass  die  Kreis- 
sende zum  Theil  im  Gehen  gebar.  Dieselbe,  eine  Zweiige- 
bärende,  zu  Hause  (eine  Stunde  von  der  Anstalt)  von  Webea 
überrascht,  macht  sich  auf  den  Weg  nach  der  Anstalt  Cnler- 
wegs  wii*d  der  Steiss  des  in  Steisslage  liegenden  Kindes  ge- 
boren. Person,  welche  den  vor  der  Vulva  hegenden  Körpw 
spurt,  marschirt  trotzdem  weiter,  bis  sie  den  Hof  der  Gebar- 
anstalt erreicht,  wo  der  herbeieilende  Assistent  Fnsse  und 
Steiss  bereits  geboren  vorfindet.  Das  Kind  lebt,  ist  17 Vi 
Zoll  lang. 

2.  Viertgebärende,  Nachts  auf  der  Strasse  durch  die 
Geburt  überrascht.  Eine  einzige  Wehe  treibt  das  Kind  aus, 
weldies,  an  den  Beinen  der  aufrecht  stehenden  Mutter  herab- 
gleitend, von  ihr  zwischen  den  Knieen  aufgefangen  wird.  Die 
Kreissende,  nun  sich  niederkauernd,  wartet  die  Ausstossung 
der  Nachgeburt  ab,  und  trägt  dann  Nachgeburt  und  Kind  in 
der  Schurze  in  die  Anstalt.  Das  Kind  fand  man  todt,  es  hatte 
aber  geathmet. 

3.  Zw(Migebärende,  gebar  auf  der  Landslrasse  in  kauern- 
der Stellung.  Die  Nabelschnur  des,  mit  der  Hand  von 
der  Mutter  aufgefangenen  Kindes  riss  einige  Linien  vom 
Nabel  entfernt  ab.  Die  Nachgeburt  wurde  beim  Besteigen 
eines  die  Gebärende  aufnehmenden  Wagens  ausgestossen. 
Mutter  und  Kind  blieben  gesund. 

Krampfwehen  sind  32  Mal  notirt.  Ais  ihre  Ursache  ist 
meist  Beckenverengerung  und  frühzeitiger  Abfluss  des  Frucht- 
wassers erkannt  worden. 

Dem  Abschnitte  von  den  Wehen  gehört  noch  ein  Fall 
von  vollkommener  Schmerzlosigkeit  der  ganzen  Ge- 
burt an.  Das  betreffende  glückliche  Individuum  war  fäne 
Erstgebärende  von  robustem  Körperbaue,  welche  während  der 
3 — 4  Stunden  lang  dauernden  Geburt  und  trotz  eines  kleinen 


so  Jen«  aoB  don  Jabren  1869—1861.  153 

Dammrisses»  welehen  das  17ztilige  Kind  hervorbrachte,  nicht 
mir  keinen  Schmersenslaut  von  sich  gab,  sondern  selbst  bei 
fröhlicher  Laune  blieb. 

Schmerslosigkeit  der  ganzen  Eröflhungsperiode  ist  uns 
einigemal  vorgekommen. 

Von  Abnormitdten  der  weichen  Geburlstbeile  ist  noch 
zu  nennen: 

1.  Rigidität  des  Muttermundes,  zwei  Mal  beobachtet 
und  beidemale  durch  warme  Injectioneii  in  die  Scheide  und 
Pouchen  gehoben. 

2.  Oedematöses  Anschwellen  der  vorderen  Muttermunds- 
lippe, drei  Mal  beobachtet 

3.  Zwei  Mal  ward  die  vordere  Muttermundslipiie  durch 
den  herabnickenden  Kopf  mit  herabgedrängt.  Es  gelang  in 
den  Wehenpausen,  dieselbe  am  Kopfe  vorbei  zurfickzuschieben. 

4.  Es  ist  nur  eine  Ruptur  des  Uterus  vorgekommen 
und  zwar  eine  spontane,  bei  einer  Sechstgehärenden.  Die 
Einrisse  (3)  Hefen  quer  im  unteren  Theile  des  Uterus  und 
waren  bis  %  Zoll  tief  (s.  unten  Fall  von  Wendung  durdi 
äussere  Handgriffe  nach  Abtluss  des  Fruchtwassers). 

ö.  Ueber  Dammrisse  vergleiche  unten  die  Worte  über 
Dammnaht. 

Nun  zu  den  Kindeslageu.     Es  ist  beobachtet  worden: 

Kopflage 295  Mal. 

Beckenendlage 8  Mal. 

Querlage 9  Mal. 

Alle  Kopflagen  sind  Schädellagen.  Unter  den  295  Fällen 
sind  12  Fälle  notirt,  in  denen  beim  Beginne  der  Geburt  das 
Hiuteriiaupt  mehr  nach  hinten  stand  (alte  dritte  und  vierte 
Schädellage)  und  zwar  acht  Mal  nach  hinten  und  rechts  (dritte), 
nur  vier  Mal  nach  hinten  und  links  (vierte). 

In  sieben  dieser  Fälle  erfolgte  bei  der  Geburl  die  Ro- 
tation des  Hinterhauptes  unter  den  Schaainbogen,  einigemal 
noch  im  Beckenausgange,  und  zwar  erfolgte  sie  zwei  Mal 
selbst  bei  unreifen  Kindern  von  17  und  16  Zoll  Länge  und 
mcht  verengtem  Becken.  Derselbe  Mechanismus  ward  in  zwei 
Fällen  begonnen,  aber  nicht  zu  Ende  geführt ,  sondern  der 
Kopf  blieb  in  querer  Stellung  (kleine  Fontanelle  rechts)  stehen 
und  schnitt  einmal  spontan  quer  durch,  während  das  andere 


154  Vr.    Kooh,  Mittbeilmigt'ii  aiui  der  Gebärnstah 

Mal  er  sich  fest  in  querer  SteUung  etnkeike  uiNi  mit  der 
Zange  in  einen  schrägen  Durchinesscr  gedrebi  werdea  nuissle, 
worauf  er  durbh  die  Wehen  ausgetrieben  wurde. 

Drei  Hai  eodüch  blieb  die  Stirn  vorn  stehen  und  das 
Hinterhaupt  entwickelte  sich  über  den  Damm  (Yordersdieiiel- 
lagen).     Ich  fähre  die  drei  Falle  kurz  an: 

1.  Dritlgebärende  mit  normalern  Becken.  ZwülingageburL 
Kopf  des  zweiten  Kindes  anfangs  mit  der  kleinen  Fontanelle 
nach  hinten  und  links  vorliegend,  wird  mit  der  Stau'  nach 
vom  geboren.  Dauer  der  Austreibungsperiode  V4  SUui^. 
Kind  lebend,  reif,  ein  Mädchen. 

2.  Drittgebärende,  Becken  normal. '  Zwühngsgehurt  Das 
zweite  Kind,  dessen  Kopf  mit  der  kleinen  Fontanelle  nach 
rechts  und  hinten  vorlag,  wird  wegen  Wehenschwäche  durch 
die  Zange,  mit  vornstehender  Stirn,  leicht  entwickelt  Es-  ist 
ein  lebender  reifer  Knabe. 

3.  Bei  einer  Primipara  mit  schräg  verengtem  Becken 
lag  der  Kopf  mit  der  kleinen  Fontanelle  nach  rechts  und 
hinten  vor  und  bUeb  so  auf  der  Beckenenge  stehen.  Mit  der 
Zange  ward  ein  tief  asphyktischer,  aber  wiederbelebter  reifer 
Knabe  mit  vomstehender  Stirn  extrabirt. 

Einmal  hatte  ich  Gelegenheit,  den  seltenen  Mechaniamus 
einer  Drehung  des  Kopfes  aus  der  sogenannten  zweiten  in 
die  dritte  SchädeUage  zu  beobachten.  Bei  einer  Erstgebärenden 
mit  normalem  Becken  fühlte  man  nämlich  anfangs  die  kleine 
Fontanelle  rechts  vorn,  grosse  links  hinten,  Pfeilnaht  im  zweiten 
schrägen  Durchmesser.  Der  Kopf  rückte  schneU  herunter 
und  drehte  sich  im  Beckenausgange  mit  der  kleinen  Fontanelle 
nach  hinten  rechts,  so  dass  endlich  das  Hinterhaupt  sich  über 
den  Damm  hervorwälzte.  Dauer  der  Austreibungsperiode  V4 
Stunde.  Kind  18  Zoll  lang,  6  Pfund  IIV2  Lotli  ZoU-Gewicht 
schwer.  Kopfdurchmesser:  5V4  (gr.  sehr.),  4V4  (ger.),  SV« 
(quer.) 

Von  den  8  Beckenendgeburten  kommen  6  auf  einfache, 
2  auf  Zwillingsgeburten.  Sie  zerfallen  in  6  Steiss-  und  2 
Fussgeburten,  oder  in  ö  erste  und  3  zweite  Beckenendgeburten 
und  betreffen  7  Mal  Mehrgeburten,  1  Mal  Erstgeburten.  Von 
den  Kindern  sind  1  todtgeboren  (mit  Pemphigus  behaftet). 
1  asphyktisch  und  nicht  wiederzubeleben  (Arme  gelöst,  Kopf 


rnn  Jena  ans  den  Juhren  1869—1861.  155 

init  der  Zange  entwiokeU),  3  asphykliseh,  aber  zu  beleben, 
die  übrigen  gesund.  Vier  Mal  erfolgt  die  Geburt  spontan, 
zwei  Mal  wird  der  modif.  Handgriff  Yon  STneUie  angewandt, 
2wei  Mal  der  Kopf  mit  dem  Forceps  entwickelt. 

Unter  den  neun  Querlagen,  welche  sämmtiicb  Mehrgeb. 
betrafen,  ereignete  sich  zwei  Mal  eine  Rectification  der  Kindes- 
lage, begünstigt  durch  zweckmässige  Seitenlagerung  der  Kreis- 
senden.  Einmal  fand  der  Vorgang  der  Selbstwendung  statt, 
nämlich  bei  einem  24  Wochen  alten  Fötus.  Letzterer  an- 
fangs quer  liegend,  wendet  sich  nach  Abfluss  des  Frucht- 
wassers selbst  auf  den  Kopf.  Neben  dem  Kopfe  ist  der 
rechte  Arm  und  rechte  Fuss  vorgefallen,  und  wird  das  Kind 
in  dieser  Haltung  geboren.  Es  ist  ein  lebender  Fötus  von 
12 V4  Zoll  Länge,  weicher  wimmert,  die  Glieder  bewegt,  die 
Augen  aufschlägt  und  einige  Stunden  lang  lebt. 

In  zwei  Fällen  gelingt  die  Wendung  durch  äussere  Hand- 
griffe, darunter  einmal  sogar  nach  Abfluss  des  Fruchtwassers. 

H.,  Sechstgebärende,  34  Jahre  alt,  wahrscheinlich  mit 
secund.  Syphilis  behaftet,  gebar  ein  lebendes  Kind,  und  dann 
vier  Mal  todte  Kinder,  mit  Ausnahme  des  einen,  welches  drei 
Wochen  lang  lebte.  Abgang  des  Fruchtwassers  vor  Beginn 
der  Wehen.  Wehen  anfangs  sehr  schwach.  Durch  Seiten- 
lageniBg  und  äussere  Manipulationen  ward  17  Stunden 
nach  Abfluss  des  Fruchtwassers  die  Querlage  in 
eine  Schädellage  verwandelt.  Zur  Erweiterung  des 
Muttermundes  ward  die  warme  Douche,  später  der  Colpeu- 
rynier  angewendet,  aber  erst  nach  3Vt  Tagen  ist  der  Mutter- 
mund vollständig  erweitert  und  erfolgt  nun  binnen  V^  Stunde 
die  Geburt  eines  reifen,  vollkommen  munteren  Kna- 
ben. Wenige  Minuten  nach  Beendigung  der  Geburt  tritt  eine 
Blutung  aus  dem  schlaffen  Uterus  ein,  welche  durch  kein  Mittel 
zu  stillen  ist  un^i  welcher  die  Wöchnerin  erliegt  Selbst  die 
Transfusion  hilft  nichts.  Bei  der  Section  finden  sich  mehrere 
quere,  Jbis  Vs  Zoll  tiefe  Einrisse  im  unteren  Theile  des  Uterus 
und  um  den  Muttermund  eine  coUoide  Einlagerung. 

In   den  vier   noch   anzufuhi*enden  Fällen   von  Querlage 
ward  die  Wendung  durch  innere  Handgriffe  ausgeführt,  und  .  . 
zwar   1  Mai   auf  den  Kopf,  3  Mal  auf  die  Fnsse.    In  zwei 
Fällen   liess   man   der   Wendung    die   Extraction    und    Ent- 


156  Vr.    Koeh,  MUiheilan^en  ans  der  GebXnuuult 

Wickelung  des  Kopfes,  ein  Mal  durch  den  Präger  Haodgriff, 
ein  Mal  durch  die  Zange  folgen. 

Drei  von  den  neun  Kindern  wurden  iodt  geboren.  & 
war  in  diesen  drei  Geburten  zwischen  Abfluss  des  Frucht- 
wassers und  der  Geburt  des  Kindes  lange  Zeit  Terflossen. 
(9  St.,  23  St.,  48  St.) 

Interessant  ist  die  Bildung  einer  Querlage  aus 
einer  Schädellage  wahrend  der  Geburt.  Man  hatte 
bei  einer  Zweitgebärenden  den  Kopf  durch  das  vordere  Schei* 
dengewölbe  vorliegend  gefunden,  vor  dem  Kopf  die  vorUegende 
Nabelschnur.  In  der  Eröffnungsperiode  trat  der  anfangs  durch 
den  Muttermund  nicht  zu  erreichende  Kopf  von  der  rechten 
Beckenseite  her  über  den  Muttermund  ein,  war  aber  stets 
nach  rechts  hin  leicht  verschiebbar.  Nach  dem  Blasensprunge, 
bei  welchem  eine  ungewöhnliche  Menge  Fruchtwassers  abfloss, 
fand  sich  der  Kopf  wieder  abgewichen,  und  nach  wenigen 
Minuten  hatte  sich  unter  kräftigen  Wehen  eine  vollkommene 
Querlage  (zweite,  zweite  Unterart)  ausgebildet. 

Vorfall  der  Hand  bei  Schädellagen  ist  16  Mal  vor- 
gekommen, stets  ohne  Nacbtheil  für  das  Kind.  Vorfall  der 
rechten  Hand  und  des  rechten  Pusses  zugleich  ist  schon  oben 
erwähnt. 

Von  Operationen  sind  ausser  den  oben  genannten 
noch  folgende  zu  nennen: 

Kunstliche  Eröffnung  der  Eihäute  ward  41  Mal 
vorgenommen  und  zwar  21  Mal  wegen  Webenerlahmung  nach 
vollständiger  Erweiterung  des  Muttermundes,  20  Mal  wegen 
Herabtreibung  der  Blase  in  oder  vor  die  Vulva.  Nie  hat 
diese  Operation  einen  nachtheiligen  Einiluss  auf  Mutter  oder 
Kind  gezeigt 

Die  Zange  ist  29  Mal  applicirt  worden,  ein  Mal  mussle 
von  ihr  abgestanden  und  zur  Perforation  ^s  Schädels  ge- 
schritten werden. 

Die  Indication  zur  Anwendung  der  Zange  gab  ab: 
12  Mal  VVehenschwäche. 

14  Mal '  Missverhälliiiss   zwischen    Kind    und    Becken 
und  zwar: 

Beckenvereiigerung  11  Mal.     Ungewöhnliche  Grösse 
des  Kindes  2  Mai.   Tiefer  Querstand  des  Kopfes  1  Mal. 


SQ  Jena  aus  den  Jahren  1859 — 1861.  157 

8  Mai  Gefahr  vcm  Seiten  des  Kindes  (nSmlich  2  Mal 
Zögerung  des  lelztkommendeD  Kopfes,  1  Mal  Viufall 
der  Nabelschnur). 

Von  den  28  mit  der  Zange  extrahirten  Kindern  lebten 
24,  von  denen  17  bei  der  Geburt  mehr  odei*  weniger  tief 
aspbyktisch  waren,  4  Mal  trat  der  Tod  während  oder. gleich 
nach  der  Geburt  ein.  Es  geschah  dies  in  den  drei  Fällen, 
in  welchen  die  Zange  wegen  Gefahr  des  Kindes  angelegt 
worden  war  und  ein  viertes  Mal  nach  einer  schwierigen 
Zangenexlraetion  bei  einer  Conj.  von  3  Zoll  und  starker 
Beckenneigung. 

Ohne  die  Erkrankungen  der  Wöchnerinnen  immer  in 
einen  causalen  Zusammenhang  mit  den  Zangenoperationen 
bringen  zu  wollen,  erwähne  ich,  dass  von  den  29  Wöchner^ 
innen  9  vollständig  gesund  blieben,  1  bekam  Strangurie  und 
Neuralgie  des  einen  Schenkels,  1  vorübergehend  Fieber,  2 
Endometritis,  13  Peritonitis  (von  denen  1  starb),  2  endlich 
Pyämie,  welche  tödllicb  verlief  (cf.  den  einen  Fall  von  Stachel- 
becken). 

Die  Wendung  und  zwar  auf  die  Fösse  ist  ausser  den 
erwähnten  Fällen  noch  einmal,  nämlich  bei  Plac.  praevia  und 
Schädellage  behufs  der  raschen  Beförderung  der  Geburt  vor* 
genommen  worden.  Das  Kind  starb  unter  der  Geburt,  die 
Mutter  am  18.  Tage  des  Wochenbettes. 

Von  den  Wöchnerinnen,  bei  denen  die  Wendung  vor- 
genommen wurde,  starb  ausser  den  schon  genannten  zwei 
Fällen  noch  eine  an  Peritonitis,  eine  andere  erkrankte  an 
Endometritis,  die  übrigen  bilden  gesund. 

Einmal  ward  die  Perforation  (Perf.  von  Busch,  in 
einer  Naht  eingestossen)  und  Kephalothrypsie  (Kephal.  von 
Scanzoni)  ausgeführt.  Die  Wöchnerin  starb  am  dritten  Tage 
(s.  erster  Fall  von  Stachelbecken). 

Die  Durchschneidung  der  fest  um  den  Hals  geschlun- 
genen und  nicht  zurükstreifbaren  Nabelschnur  ward  2  Mal 
vorgenommen,  beidemal  ohne  Nachtheil  für  die  Kinder. 

Ich  komme  zur  Episiotomie.  Dieselbe  wurde  25  Mal 
ausgeführt  und  zwar  wurden  der  Schnitt  23  Mal  seitlich  von 
der  hinteren  Cornmissur  geführt  (nach  der  Prager  Metljode;, 
2  Mal  das  Lig.  Iriang.  incidirt.    23  Mal  betraf  die  Operation 


158  VI.     Koeh,  Mitthdilan^en  ana  dar  Oabiümistalt 

Erstgebärende,  machte  sieh  einmal  bei  einer  Zweitgebirenden 
wegen  ungewöhnlicher  Grösse  des  Kindes^  einmal  bei  fbea 
einer  solchen  wegen  Narbengewebes  im  Damme  nöthig  (letz- 
teres entstanden  dnrch  Heilung  eines  alten  Dammrisses).  Der 
Erfolg  dieser  kleinen  Operation  war  ein  guter.  Der  Damm 
blieb  jneist  ganz  erhalten;  wo  nicht,  zerriss  er  in  ganz  un- 
bedeutender Ausdehnung. 

hie  blutige  Dammnaht  (Knopfnaht  mit  Seidenfaden), 
13  Mal  vorgenommen,  brachte  10  Mal  vollkommene  Vereini- 
gung der  Wunde  zu  Stande,  ein  Mal  eine  theilwetse,  2  Mal 
trat  keine  Vereinigung  ein.  Eine  heftige  puerperale  Erkranr 
kung  hatte  in  diesen  zwei  Fällen  die  Operirteh  befallen. 

Ich  habe  unter  den  Operationen  um*  noch  der  künst- 
lichen Lösung  und  Entfernung  der  Placenta  zu  ge- 
denken, welche  9  Mal  vorkam,  6  Mal  bei  ErstgebIrendeB, 
3  Mal  bei  Mehrgebärenden.  3  Mal  ward  sie  vorgenonmieii 
wegen  Atonie  des  Uterus  und  Blutungen  aus  demselben  (iVe 
3  Geburten  waren  vorher  feliierhaft.  Die  Wöchnerinnen  er^ 
krankten).  6  Mal  wegen  zu  langer  Retention  derselnenv  woran 
einmal  eine  Strictur  des  inneren  Muttermundes,  5  Mal  eine 
partielle  Verwachsung  mit  dem  Uterus  schuld  war.  Von  den 
6  Wödmerinnen  blieben  3  gesund,  eine  bekam  eine  geringe 
Perimetritis,  die  fünfte  unterlag  einem  pyämischen  Processe. 
Die  neugeborenen  Kinder  hatten  ein  Durchschnitts- 
gewicht von  6,52  Pfund  Zoll-Gewicht.  Die  Knaben  ein  grös- 
seres als  die  Mädchen: 

Knaben    =  6,58  Pfund. 
Mädchen  =  6,46      „ 
Ebenso  wogen  die  Kinder  von  Hehrgebärenden  mehr  als 
die  der  Erstgebärenden: 

Mehrgebärende  =  6,58  Pfund. 
Erstgebärende    =  6,46      „ 
Das  höchste  Gewicht  war  das  eines  Knaben  einer  Mehr- 
gebarenden mit  8  Pfd.  26*4  Llh.  Z.-G. 

Missbildungen  kamen  nicht  vor.    Nur  hatte  ein  leben-^ 

der  Knabe   von  17  V2  Zoll  Länge  eine  leichte  Hypospadiasis. 

Verletzungen    des    kindlichen   Schädels    durch 

den  Gebiirtsact  kamen  3  zur  Beobachtung.    Es  folgt  eine 

kurz«'  Beschreibung: 


SQ  Jens  Mts  den  Jahvos  1869 -- 1861.  159 

1.  Fractur  beider  Stirnheine  bei  spontaner 
Geburt  —  Zweitgebärende,  mit  geringer  Beckenverengerung, 
kam  ohne  Beistand  nach  Regulirung  der  anomalen  Wehen 
und  einer  protrahirten  Austreibungsperiode  mit  einem,  nur 
wenige  Lebenszeichen  von  sich  gebenden  Kinde  in  erster 
Schadeilage  nieder,  welches  bei  der  Section  eine  Fractur 
beider  Stirnbeine  zeigte.  Von  der  Stirnnaht  nach  beiden 
Seiten  auswärts  laufen  zwei  fast  1  Zoll  lange  klaOende  Con- 
tinuitätstrennungen  des  Knochais.  Das  Periost  ist  erbalten, 
ebenso  nach  binen  die  Dura  mater.  Zwischen  diesen  Häuten 
und  dem  Knochen  liegen  Blutextravasate.  £in  ebensolches, 
erbsengrosfi,  liegt  in  der  Rindensubstanz  der  linken  Gross- 
hirnhemisphäre.    Wochenbett  vollständig  normal. 

2.  Impression  des  linken  Stirnbeins.  —  (cf.  oben 
zweiten  Fall  von  Stachelbecken).  —  Drittgebärende  mit  stark 
vorspringendem  Promontorium  und  scharfer  Crista  oss.  pub. 
sin.  Zwillingsgeburt.  Anomalie  der  Wehen.  Piotrahirte  Aus^ 
treibungsperiode.  Spontane  Geburt  des  ersten  Kindes  in 
Steisslage.  Anlegen  der  Zange  wegen  Wehenschwäche  an 
den  vorliegenden  Kopf  (kleine  Fontanelle  hinten  und  rechts) 
des  zweiten  Kindes.  Sehr  leichte  E&traction  eines  lebenden, 
in*  geringem  Grade  asphyktischen  Knaben  mit  vom  stehender 
Stirn.  Auf  dem  linken  Stirnbeine  (auf  dem  Tuber  front.)  eine 
Impression  des  Knochens.  Der  Knabe  starb  nach  9  Wochen 
an  Darmcatarrh.  Bei  der  Section  fand  sich  räie  ziemlich 
kreisrunde,  1  Zoll  im  Durchmesser  haltende  Stelle  des  linken 
Stirnbeins  zu  einer  Tiefe  von  2 — 2^^  Linien  iroprimirL  Der 
Knochen  ist  an  dieser  Stelle  stark  porös.  Die  Gehirnhäute 
unter  dieser  Stelle  bieten  nichts  Abnormes.  Das  Gehirn 
selbst  zeigt  eine  leichte  Abflachung.  Die  Wöchnerin  stii*bt 
an  Pyämie. 

3.  Impression  des  linken  Stirn-  und  Scheitel- 
beins. —  firstgebärende  mit  normalem  Becken.  E^rste  Schädel- 
lage. Schwierige  Zangenextraclion.  Am  Kinde  eine  Impression 
des  linken  Stirn^  und*  Scheitelbeins.  Das  Kind  war  asphyk- 
tisch,  wurde  aber  wiederbelebt  Die  Wöchnerin  überstand 
eine  leichte  Perimetritis. 

Asphyktisch  geboren  wurden,  wie  schon  oben  er* 
wähnt  ist,  44  Kinder.     Diese  vertheiien  sich  auf  27  Knaben 


130  VI.     Koeh,  Mittbeiliin^en  an«  der  Gebftranstalt 

und  17  Mädchen.  Nicht  wiederzubeleben  waren  9  Kinder. 
7  Knaben  und  2  Mädchen.  Grund  zur  Asphyxie  gab  ab: 
Verzögerung  der  Austreibungsperiode,  Druck  der  Zangenlöffel, 
Umschlingung,  Knoten  und  Vorfall  der  Nabelschnur,  langsamer 
Austritt  des  Kopfes  nach  gebornein  Rumpfe.  Von  den 
asphyktisch  geborenen  Kindern  starben  später  noch  5,  da?on 

3  an  Atelect.  puhn.,  1  an  Pneumonie,  1  an  Darmcatarrb. 

Unter  der  Geburt  waren  6  Kiuder  gestorben.  Die 
Ursachen  waren  2  Mal  ein  langer  Geburtsverlauf  mit  operativen 
Eingriffen  (Wendung,  Extraction,  Zange  —  Zange),  2  Mai  eine 
zu  frühe  Lösung  der  Placenta  (einmal  Plac.  praev.),  dann 
Vorfall  der  Nabelschnur,  und  ein  Kind  wurde  mit  Pemphigus- 
blasen  geboren. 

Todtfaul  endlich  kamen  8  Kinder  zur  Welt.  In  drei 
Fällen  war  es  möglich  ^  den  Termin  des  Abgeslorbensejps 
der  Kinder  zu  bestimmen,  es  war  der  2.,  8.«  und  etwa  32,  Tag 
vor  der  Geburt  Ursache  des  Todes  war:  2  Mal  Torsion, 
2  Mal  feste  Umschlingimg  der  Nabelschnur  um  den  Hals, 
1  Mal  Dysenterie,  1  Mal  Syphilis  der  Mutler,  2  Mal  endlich 
war  keine  Ursache  zu  ermitteln.  Von  den  8  Wöchnerinnen 
erkrankten  3  an  Endometritis,  eine  bekam  eine  Perimetritis, 

4  blieben  gesund.  Eine  Wöchnerin,  deren  Kind  4  Wochen 
vor  der  Geburt  abgestorben  war,  hatte  so  viel  Milch,  dass 
sie  sich  als  Amme  verdingte. 

Aus  den  Sectiousbefunden  ist  noch  Einiges  hervorzuheben: 
1.  Pemphigus  adnatus.  -^—  Die  Mutter  Irägt  keine 
Spur  von  Syphilis  an  sich.  Das  erste  Kiud  war  auch  todt* 
geboren.  Das  jetzige,  zweite  in  Steisslage  geborene  und 
während  der  Geburt  abgestorbene  Mädchen  hat  eine  Länge 
von  17  Zoll  und  ein  Gewicht  von  4  Pfd.  47»  Lth.  Z.-Gew. 
Körper  ziemlich  mager.  Haut  blass.  Am  linken  Fusse  und 
unteren  Tlieile  des  Unterschenkels  finden  sich  19,  am  rechten 
ö,  an  der  Hi)ken  Hand  8,  an  der  rechten  6  Blasen,  am  übrigen 
Körper  keine.  In  der  Bauchhöhle  imd  im  Herzbeutel  etwas 
gelbes  Serum.  Hirn  und  I^ber  hyp^ämisch.  Die  Lungen 
enthalten  in  allen  Lappen  zahhreiche,  meist  hasehmssgrosse, 
derbe,  gelblich  gefärbte,  zum  Theil  in  der  Mitte  erweiclite 
Inliltrationslieerde.  An  den  Bronchien  liegen  geschwollene, 
gelbe  Lymphdrüsen.     Sonst  normal. 


SQ  Jen»  aas  den  Jahren  1869  —  1861.  '    161 

2.  Harnstein  in  der  Blase  eines  todtgeborenen 
Mädchens.  —  Im  Körper  eines  lodtgeborenen  Mädchens 
fand  sich  die  Harnblase  vergrössert  und  vollkommen  aus- 
geföllt  durch  einen  braunen  Harnstein  mit  rauher  Oberfläche. 

3.  Niere  mit  zwei  Ureteren.  —  Bei  einem  asphyk- 
tischen,  nicht  zu  belebenden  Knaben  fanden  sich  2  Ureteren 
von  der  rechten  Niere  ausgehend,  welche  sich  vor  ihrer  Ein- 
mündung in  die  Blase  zu  einem  Schlauch  vereinigten. 

Bei  demselben  Kinde  fand  sich  unterhalb  der  hinteren 
linken  Seitenfontanelle  auf  dem  Periost  sitzend  eine  erbsen- 
grosse,  mit  Haaren,  Epithel  und  Serum  gefüllte  Kyste. 

Ueber  das  Fruchtwasser  ist  Folgendes  zu  bemerken: 

Einmal  schien  gar  kein  solches,  resp.  sehr  wenig  vor- 
banden zu  sein,  denn  man  bemerkte  keinen  Abgang  desselben. 
Der  Fall  betraf  eine  Drittgebärende.  ErölTnungsperiode  7  Stunden, 
Austreibungsperiode  Y4  Stunde.  Kind  reif,  gesund,  wird  Kopf 
und  Schuhern  in  Eihäute  eingehüllt  geboren.  Letztere  sind 
überall  gleichweit  vom  Placentarrande  abgerissen. 

Ueber  Hydramnios   ist  nichts  besonderes  zu  bemerken. 

Abgang  schmutzigen  (durch  Meconium  gefärbten)  Frucht- 
wassers habe  ich  einige  Mal  bei  uachlier  ganz  gesund -ge- 
borenen Kindern  lange  vor  der  Geburt  wahrgenommen. 

Abfluss  des  Fruchtwassers  vor  der  Eröflhung  des  Mutter- 
mundes, 28  Mal  beobachtet,  brachte  5  Mal  eine.  Verlängerung 
der  Eröffnungsperiode  mit  sich,  5  Mal  Krampfwehen,  4  Mal 
Wehenschwäche,  3  Mal  wurden  lodte  Kinder  geboren.  Von 
deo  Wöchnerinnen  bekamen  2  Endometritis,  2  Perimetritis, 
eine  starb  an  Verblutung. 

Bei  diesem  letzen  Falle  fand  sich  auch  eine  theilweise 
Verwachsung  der  Eihäute  mit  dem  Uterus. 

Die  Placenten  reifer  Kinder  haben  meist  ein  Gewicht 
zwischen  26  und  39  Loth.  Das  Minimalgewicht  betrug  237« 
Loth,  das  grösste  1  Pfund  I6V4  Loth.  Das  Gewicht  der 
Placenten  steht  zu  dem  Gewichte  der  Kinder  in 
einem  bestimmten  Verhältnisse,  wie  folgende,  für  reife 
(d.  h.  18  Zoll  lange)  Kinder  aufgestellte  Tabelle  zeigt: 

Monnt^sctir  f.  OeburUk.  18ß3.  Bd.  XXI.,  Suppl -Hfl  H 


») 

»» 


» 


»1 


»1 


1(52  VI.     iToc^,  Mittheilnxigeti  aus  der  GebKransUlt 

Gewicht  der  Placenten:         Gewicht  der  Kinder! 

23-25  Loth  =  6,31  Pfund  ZoU- Gewicht. 
26-30     „     =6,47      „ 
31 — 35     „     ==  6,56      „  r, 

36-40     „     =  6,94      „ 
41-50     „     =  7,18      „ 
Es  gilt  dies  Gesetz   auch   für  vorzeitig 'geborene  Kinder 
(freilich  ist  die  Zahl  der  Fälle  hier  sehr  gering): 

Gewicht  der  Piacenten:         Gewicht  der  Kioder: 

21  Loth  =  1,16  Pfund  (nur  ein  Fall). 
22—25     „     =  5,47 
26-30     „     =  5,55 
31—35     ,     =  6,26 
36-40     „     =  6^      „ 
Zwei  Mal   ward   eine  Plac.   snccenturiata   gefunden 
(ein  Hauptlappen  und  ein  kleiner  Nebenlappon),  wobei  einmal 
der  Hauptlappen  eine  Plac.  praevia  bildete. 

Kalkablagerungen  in  der  Placenta  kamen  zwei  Mal  vor, 
einige  Mal  alte  Apoplexien,  einmal  eine  Fibrinablage- 
rung in  Ringform  auf  der  FötalflSche  der  Placenta.  Einmal 
war  der  Befund  dieser: 

*  Die  Placenta  enthält  10^ — 12  nussgrosse,  gelbe,  harte 
Steilen.  In  jeder  derselben  befindet  sich  ein  Venenlumen, 
mit  weichen  Coagulis  gefüllt  (Phlebitis  placentaris).  Kind 
30  Wochen  alt,  lebend.  Mutter  erkrankt  am  dritten  Tage 
an  Peritonitis. 

Abnormer  Sitz,  nämlich  Placenta  praevia  lat.  kam 
einmal  vor: 

Eine  Primipara  bekommt  im  Qeginne  der  Eröflhungs- 
periode  die  erste,  aber  eine  gleich  sehr  heftige  Blutung.  Es 
wird  ein  Kautschuktampon,  mit  Eiswasser  gefüllt,  eingelegt, 
bis  der  Muttermund  ziemlich  erweitert  ist,  dann  die  Blase 
am  Placentarrande  gesprengt,  das  mit  dem  Schädel  Vorliegende 
Kind  auf  1  Fuss  gewendet  und  extrahirt.  Es  ist  todt.  Die 
Placenta  wird  spontan  ausgestossen.  Eine  neue  Blutung 
wird  durch  Eiswasserinjectionen  beseiligL  Im  Wochenbette 
sept.  Enmetritis,  am  18.  Tage  der  Tod  unter  pyäroischen 
Erscheinungen. 


SQ  Jena  aas  den  Jahnen  1859 — 1861.  163 

lieber  Retention  der  Placenten  vergl.  oben  deren  künst- 
liche Lösung  und  Entfernung. 

Der  Nabelstrang  hatte  im  Durchschnitte  eine  Länge 
Too  19  Zoll,  der  kürzeste  war  9  Zoll  (ohne  Schaden  für 
Mutter  und  Kind),  der  längste  35  Zoll  lang.  Seine  Insertion 
war  ineist  lateral,  30  Hai  tnarginal,  3  Mal  velamentös,  2  Mal 
btfercal.  In  einem  von  diesen  letzteren  Fällen  fand  sich  eine 
Etgenthümlichkeit  des  Nabelschnurrestes.  Derselbe 
war  am  zweiten  Tage  der  Geburt  vollständig  matsch  und 
faulend.  Er  wird  bis  zum  Nabel  mit  der  Scheere  abge- 
tragen, der  Nabel  selbst  fleissig  gereinigt.  Am  14.  Tage  ist 
die  eiternde  Fläche  am  Nabel  vollständig  vernarbt.  Das  sehr 
kräftig  entwickelte  Kind  war  und  blieb  gesund.  Die  Nabel- 
schnur war  sulzarm. 

Kkioten  wurden  3  Mal  im  Nabelstrange  gefunden,  alle 
3  schienen  frisch  geschürzt,  d.  h.  erst  während  der  Geburt 
entstanden  zu  sein;  eins  der  Kinder  war  gesund,  das  zweite 
etwas  asphyktiscb  (langsamer  Austritt  des  Rumpfes  nach  ge- 
borenem Kopfe),  das  dritte  todt  (Vorfall  der  Nabelschnur). 

Umschlingung  der  Nabelschnur  um  den  Hals 
kam  64  Mal  vor,  57  Mal  einfache,  (einmal  bei  beiden  Zwil- 
lingen), 6  Mal  zweifache  und  1  Mal  dreifache.  2  Hai  konnte 
dieselbe  nach  geborenem  Kopfe  nicht  gelockert  und  musste 
deshalb  durchschnitten  werden.  Asphyktiscb  waren  nur  6 
von  den  64  Kindern.  Dagegen  wurden  2  todtfaul  geboren 
und  konnte  keine  andere  Todesursache  als  eben  die  Um- 
schlingung der  Nabelschnur  aufgefunden  werden  (s.  oben  Fall 
von  Frühgeburt  in  Folge  von  Absterben  des  Kindes). 

Reiten  auf  der  Nabelschnur  sah  ich  einmal. 

Vorliegen  der  Nabelschnur  kam  einmal  zur  Beobach- 
tung (s.  oben  Bildung  einer  Querlage  aus  einer  Schädellage) 
und  war  vorübergehend. 

Vorfall  gab  2  Mal  die  Todesursache  des  Kindes  ab, 
er  betraf  eine  Erst-  und  eine  Zweitgebärende,  beide  mit  nor- 
malem Becken.  Die  Reposition  der  28  und  30  Zoll  langen 
Nabelschnüre  gelang  nicht  Das  eine  Kind  zeigte,  geboren, 
kerne  Spar  von  Leben  mehr;  das  andere  war  tief  asphyktisch 

und  nicht  zu  beleben. 

11* 


1G4  ^I-     Koeh,  Mittheilongen  aU8  dur  GobUraustalt 

Starke  Torsi ou  des  ganzen  NahHslrauge»  ward  4  Mal 
l)ei  reifen,  gesunden  Kindern  gefunden.  £ine  Zusammen- 
dreliung  zu  Bindfadendicke  in  der  Nähe  des  Nabels  2  Mal 
bei  in  macerirtem  Zustande  geborenen  Mädchen  ?on  15  und 
18  Vs  Zoll  Länge. 

Von  einer  Zerreissuug  der  Nabelschnur  durch  die 
Geburt  sprac^h  ich  oben  bei  der  einen  Gassengeburl,  und 
thue  hier  nur  noch  des  Nabelschnurgeräusches  Er- 
wähnung, welches  unter  100  Fällen  7  Mal  vernomwen  wurde. 
Es  war  stets  vorübergehend.  Man  fand  bei  der  Geburl  3  Mal 
Umschlingung  der  Nabelschnur  um  den  Hals,  und  2  Mal  die 
Kinder  asphyktisch  (Knoten  der  Nabelschnur  —  lange  Aus- 
treibungsperiode). 

Blutflüsse  während  der  Gebiu*t  und  im  Anfange  des 
Wochenbettes  kamen  14  vor  und  zwar  3  im  Beginne  der 
Geburt,  veranlasst  durch  vorzeitige  Lösung  der  Placenta  (ein 
Mal  Plac.  praev.),  10  in  der  Nachgeburtsperiode,  beruhend 
auf  Atonie  des  Uterus,  einmal  zugleich  auf  Einrissen  desselben. 
Dieser  Fall  war  übrigens  der  einzige  von  einer  sehr  profusen 
Blutung,  welche  hier  durch  kein  Mittel  zu  stillen  war  und 
die  eben  Entbundenen,  auch  trotz  der  mit  meinem  Blute  an- 
gestellten Transfusion,  in  wenig  Minuten  dahinraflte.  —  Im 
Wochenbette  beobachtete  ich  einmal  Blutung,  bedingt  durch 
zurückgebliebene  Piacentarreste. 

m 

Ehe  ich  zu  den  Erkrankungen  im  Wochenbette  komme, 
muss  ich  eines  Falles  gedenken,  in  welchem  wälu*eud  desselben 
ein  Uteruspolyp  spurlos  verschwand.  Letzterer  war 
vor  der  Niederkunft  aus  dem  etwas  geölTnetem  Muttermunde 
an  einem  Stiele  von  1  Zoll  Länge  heraushängend  gefunden 
worden»  Geburt  normal,  ebenso  anfangs  das  Wochenbett. 
Vom  sechsten  Tage  an  tritt  aber  häufiges  Frösteln  und  Uebel* 
keit  auf,  am  zwanzigsten  Tage  Uteruskolik,  Blutung  aus  dem 
Uterus.  Am  siebenundzwanzigsten  Tage  eine  neue  Blutung. 
Vom  Polypen  ist  Jetzt  nichts  mehr  zu  sehen,  auch  mit  der 
Sonde  nichts  wahrzunehmen.  '  Das  Befinden  der  Wöchnerin 
ist  von  jetzt  ab  gut 

Was  die  beobachteten  Ei*krankungen  der  Wöchnerinnen 
und  Säuglinge  belrim,    so   muss   ich   den  Zeitabschnitt   vom 


BU  Jena  ans  den  Jahren  1859—1861.  165 

Eegiitne  des  Jahres  1859  bis  Mai  1860  trennen  von  der 
späteren  Zeit  bis  Ende  des  Jabres  1861.  Üenn  nicht  allein, 
dass  in  dem  späteren  Zeitabschnitte  die  Zahl  der  Erkran- 
kungen und  Sterbefalle  bedeutend  grösser  war,  sowohl  der 
Wöchnerinnen  als  auch  der  Säuglinge,  sondern  es  tratej* 
auch  gewisse  Krankheitsformen  vorwiegend  häufig  auf  und 
zeichneten  sich  durch  Rapidität  und  Bösartigkeit  des  Verlaufs 
aus.     Eine  Vergleichung  wird  dies  lehren:. 

In  dem  ersten  Zeitabschnitte  (155  Wöchnerinnen  und 
157  Kinder) 

erkrankten  Wöchnerinnen  =  56, 
starben  „  =4, 

erkrankten  Kinder    .    .    =  36, 
starben  „  .     .    =    8. 

In  dem  zweiten  Zeitabschnitte  (162  Wöchnerinnen  und 
164  Kinder) 

erkrankten  Wöchnerinnen  =  91, 
starben  „  =  17, 

erkrankten  Kinder    .     .    =  54, 
starben  „     -     .     .    =12. 

Der  Grund  zu  dem  ungünstigeren  Verlaufe  des  Wochen- 
bettes (1856  starb  nur  1,  1857  =  4,  1858  =  2  Wöchnerin- 
nen) und  Säuglingsaiters  in  dieser  Zeit  lag  mit  Wahrscheinlich- 
keit in  einer  Luftverunreinigung  der  Gebäranstalt,  welche  von 
dem  Abtritte  und  den  von  demselben  aus  durchfeuchteten 
Wänden  des  Gebäudes  ausging.  Die  Entfernung  der  feuchten 
Wände  und  Trockenlegung  der  Senkgrube  verbesserte  nicht 
nur  die  Luft,  sondeni  veiringerte  auch  die  Zahl  der  Erkran- 
kungen und  Sterbefalle.  —  Aus  dieser  letzteren  Zeit  mögen 
noch  einige  Beobachtungen  folgen: 

1.  Ein  Aufenthalt  der  Schwangeren  von  1  —  8  Tagen 
in  der  Anstalt  erhöhte  die  Disposition  zu  erkranken,  während 
der  Eintritt  in  die  Anstalt  mit  Wehen,  ebenso  wie  ein  mehr 
als  einwöchentlicher  Aufenthalt  dieselbe  verringerte. 

2.  Es  erkrankten  mehr  Erstgebärende  als  Mehrgebärende. 

3.  Eine  sehr  lange  Austretbungsperiode  hatte  fast  aus- 
nahmslos Wochenbetlserkrankung  zur  Folge. 

4.  Grössere  Operationen  brachten  meist  Erkrankung. 
Von  21  operativ  Entbundenen  erkrankten  17. 


IQß  VI.     KoA,  Mtttheiliingeii  au  der  GebilrMstali 

5.  Die  Mehrzahl  der  erkrankten  Kinder  gehörte  erkraokleii 
Mfiltern  an,  nämlich  von  den  54  Kindern  38. 

Die  hauptsächlichsten  Formen  der  Erkrankungen  der 
Wöchnerinnen  waren: 

1.  Periloneitis47  Hai  beobachtet  (die  Periton.,  welche 
Theilerscheinung  der  Pyämie  waren,  sind  nicht  mit  gerechnet), 
8  Mal  allgemein  werdend,  aber  immer  vom  Uterus  ausgebend. 
Endigte  nur  in  zwei  Fällen  lethal,  in  weichen  in  Folge  von 
Durchbruch  abgesackter  Exsudate  nach  der  Bauchhöhle  der 
Tod  am  34.  und  81.  Tage  des  Wochenbettes  eintrat. 

Zwei  Mal  trat  auf  eine  Venäsection  eine  rasche  und  ent- 
schiedene Besserung  ein. 

2.  Eiidometritis,  14  Mal  beobachtet. 

3.  Mastitis,  11  Mal. 

4.  Fieber  ohne  Localisation,  27  Mal,  wovon  23  Fälle 
auf  den  zweiten  Zeitabschnitt  fallen,  am  zweiten  bis  vierten 
Tage  auftretend  und  rasch  vorübergehend. 

5.  Septicämie,  17  Mal,  (15  Fälle  gehören  der  zweiten 
Periode  an),  stets  lethal  endigend.  Ausgezeichnet  durch  den 
raschen  Verlauf,  die  sofortige  Betheiliguug  des  Nervensystems. 
Beginn  mit  Fieber,  der  Puls  steigt  schnell  bis  über  120,  ist 
klein,  weich.  Haut  zuweilen  brennend  heiss  und  trocken, 
bisweilen  feucht.  Ein  Schuttelfrost  leitet  die  Kraiikheit  ein 
oder  kommt  später,  wiederholt  sich  gern.  Schnell  kommt 
hinzu  Prostration  der  Kräfte,  Apathie,  Decomposition  der  Ge- 
sichtszüge. Dabei  vollständige  Euphorie.  Meist  schwillt  de^ 
Bauch  durch  Darmgas  rasch  an,  im  Peritonäum  iässt  sich 
öfters  flüssiges  Exsudat  nachweisen.  Durch  Hinaufdrängen  des 
Zwerchfelles  wird  das  Athmen  erschwert.  Dyspnoe  ist  meist 
das  erste  die  Kranken  belästigende  Symptom.  Dazu  kommt 
oft  Husten,  nachweisbares  pleurit.  Exsudat  oder  Pneumonie. 
Einigemal  sah  ich  galliges  Erbrechen,  Durchfall  nur  selten 
(vielmehr  trotzt  die  auf  Paralyse  der  Darmmuscularis  be- 
ruhende Verstopfung  allen  gegen  sie  aufgebotenen  Mitteln), 
mehrmals  Icterus  und  Entzündung  von  Gelenken. 

Nachdem  dieser  Zustand  länger  oder  kürzer  bestanden, 
steigt  der  Puls  bis  140 — 160,  wird  verscbwimlend  klein, 
die  Haut  bedeckt   sich   mit   klebrigen   Schweissen  (Sudamina 


8«  Jentk  aus  'd»tt  Jahrea   18§9— 1861.  167 

bätifig),  Delirien  treten  hinzu  und   unter   den  Erscheinungen 

der  Dy$pnoe  oder  des  Sopors  gehen  die  Kranken  zu  Grunde. 

Der  Tod  trat  ein: 

1  Mal  am  2.  Tag.  1  Mal  am  10.  Tag. 

1  ^  im 

4.  f^  1  14. 

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V  W  W  O.  ,t  1  „  „         Jüm  ft 

6ectionsbefun«de:  Immer  sehr  rasche  Zersetzung, 
cadaveröse  Imbibition  der  Gewebe  mit  Blut.  Blut  selbst  dünn, 
wenig  Fibrinklumpen  enthaltend.  Trat  der  Tod  nicht  sehr 
schnell  ein,  so  fand  sich  ausserdem: 

Uterus  wenig  involvirt,  schlaff,  so  dass  einigemal  Ab- 
drucke von  Därmen  auf  seiner  Oberflache  sich  fanden.  Innen- 
fläche mit  einer  schmierigen,  stinkenden  Masse  bedeckt.  Schabt 
man  diese  ab,  so  findet  man  das  unterliegende  Uterusgewebe 
meistens  normal.  Tubenlumen  meist  weit,  öfters  mit  Eiter 
gefüllt.  Letzterer  ist  vom  Peritonäalende  der  Tube  her  ein- 
gedrungen, denn  er  verliert  sich  meist  nach  dem  Uterinende 
der  Tube  zu.  Venen  des  Uterus  wurden  stets  normal  ge- 
funden. Lymphgeiasse  öfters  varicös  erweitert,  mit  Eiter  ge- 
füllt, welcher  zuweilen  die  Gefässwaudungen  durchbrochen 
halte  und  Abscesse  bildete.  Einigemal  findet  sich  ein  grün- 
liches, gallertiges  Infiltrat  im  Gewebe  des  Uterus  oder  in  den 
breiten  Mutterbäadern.  Ovarien  meist  geschwellt,  bergen 
einigemal  Abscesse.  Sie,  der  Uterus,  sowie  die  übrigen 
Bauchorgane,  sind  meist  mit  Exsudatflocken  bedeckt.  In  der 
Bauchhöhle  meist  ergiebiges  flüssiges  Exsudat,  theils  serös, 
theils  albufflinös,  theils  eitrig.  Serum  häufig  in  der  Brust- 
höhle, einigemal  im  Herzbeutel.  Lungen  zeigen  sich  im  unteren 
Lappen  meist  hypostatisch  iufiltrirt,  die  oberen  Partbieen  häufig 
ödematös.  Leber  meist  stellenweis  verfettet.  Milz  fast  immer  ge- 
schwellt, matsch.  Nieren  einigemal  im  Zustande  der  Brighfscheji 
Degeneration. 

6.    Convulsionen. 

a)  Eclampsia  wurde  zwei  Mal  im  Wochenbette  und 
zwar  in  zwei  hinter  einander  folgenden  Wochenbetten  einer 
und  derselben  Person  und  ein  drittes  Mal  in  der  NachgeburLs- 


16^    VI.   Kockf  Mittheünngeii  uns  der'Oebäranstalt  xu  Jena  etc. 

periode   auftretend   beobachtet.     Anzahl   der  AniSHe  gering, 

Ausgang  in  Genesung,  Urin  enthält  ein  Mal  kein  Eiweiss, 
zwei  Mal  nur  vorübergehend,  wahrend  der  Zeil  der  AnfaUe. 
b)  Einmal  wurden  hysterische  Krämpfe  beobachlel 
bei  einer  exquisit  hysterischen  Person,  nicht  allein  in  der 
Schwangerschaft  und  im  Wochenbette,  sondern  auch  vorher 
und  nachher.  Auch  hier  wurde  während  der  Anfälle 
der  Urin  eiweisshaltig  gefunden,  auch  hier  war  bei  star- 
ken Aufallen  Bewusstlosigkeit  und  Reactionsroangel 
bei  starken  Reizen  vorhanden,  dagegen  fehlte  ganz  das 
soporose  Stadium  nach  den  Convulsionen.  — 

Einmal  trat  hei  einer  Erstgebärenden  am  zwölften  Tage 
eine  Apoplexia  cerob.  sang,  an  der  Gebimbasis  ein.  Die  Section 
ergab  keine  weitere  Störung  als  entzündliche  Auflageningen 
auf  der  Vorhofsseite  der  Valv.  Bicusp. 

Bei  emer  Puerpera,  welche  an  Peritonitis  erkrankte, 
später  Pleuritis  und  Bronchitis  bekam,  fand  sich  Inversio 
viscerum  (Aufsatz  vom  Prof.  Schulze  in  Virchoto's  Arcim 
1861). 

Aus  den  Sectionsbefunden  der  Wöchnerinnen  theile  ich 
noch  mit,  dass  sich  unter  den  21  Fällen  drei  Mal  eine  Aus- 
dehnung der  Ureteren  in  ihrem  oberen  Theile,  und  zwar 
ein  Mal  des  rechten,  zwei  Mal  beider  fand,  wobei  dieselben 
indess  ganz^  durchgängjig  waren.  In  dem  einen  Falle  be- 
stand neben  der  Ausdehnung  der  Ureteren  Hydronephrose: 
Kelche  stark  ausgedehnt,  Nieren  atrophisch,  Papillen  verdrängt, 
Spitzen  der  Pyramiden  verkalkt,  in  der  rechten  Niere  stärker 
als  in  der  linken,  wie  auch  der  rechte  Ureter  stärker  aus- 
gedehnt war. 

Die  Erkrankungen  der  Neugeborenen  und  Säuglinge  be- 
treffend, muss  ich  erwähnen,  dass  ausser  den  gewöhnlich 
vorkommenden  Erkrankungsfonnen  viel  pyämische  Processe 
sich  fanden,  und  dieselben  nicht  nur  in  die  Zeit  der  vielen 
Wochenbettserkrankungen  fielen,  sondern  auch  gerade  Kinder 
kranker  Mütter  betrafen.  Als  Ausgangspunkt  der  Pyämie 
waren  einigemal  Zeilgewebseiterungen  (Abscess  im  Nacken, 
eiternde  Brustdrüse),  einigemal  die  NabelgefSsse  nachweisbar. 
Von  den  18  Kindern  der  an  Pyämie  verstorbenen  Wöch- 
nerinnen wurden  2  todtgeboren,  und  4  starben  später.     Von 


VII.    Kotisen  au«  der  Jouraal- Literatur.  169 

dieseD  mussten  2  schon  im  Uterus  erkrankt  sein.  Denn  das 
eine  starb  23  Stunden  nach  der  Geburt  und  hatte  ein  starkes 
pleuritisches  Exsudat;  das  andere  starb  schon  12  Stunden 
nach  der  Geburt  und  zeigte  bei  der  Seclion  mehrere  Lungeu- 
abscesse  und  ein  eitriges  pleuritisches  Exsudat.  Beide  Matter 
erkrankten  am  dritten  Tage  des  Wochenbettes. 

Ich  schliesse  mit  einem  Falle  von  Tetanus,  welcher 
am  dritten  Tage  ausbrach  und  in  Gehesung  endigte: 

Knabe,  18 Vt  Zoll  lang,  6  Pfd.  6  Ltli.  schwer,  asphyk- 
üsch  geboren  (Umschlingung  der  Nabelschnur  um  den  Hals), 
nach  V4  Stunde  zu  regelmässiger  Respiration  gebracht,  be- 
kommt am  dritten  Tage  Tetanus.  Die  leiseste  Berührung 
ruft  einen  Anfall  hervor.  Ord. :  Eisumschläge  auf  den  Kopf, 
2  Mal  CalomeJ  gr.  V4,  ein  Blutegel  in  den  Nacken. 

Am  vierten  Tage:  Anfalle  sind  geringer,  weniger  leicht 
hervorzurufen.  Der  Nabelschnurrest  ffillt  im  Bade  ab.  Ord.: 
2  Mal  ein  warmes  Bad,  2  Mal  gr.  V4  Calomel.  Seil  dem 
Abend  kein  neuer  Anfall.  Das  Kind  gedeiht  gut  bei  künst- 
licher Ernährung. 


VII. 
Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 


SoUau:    Ovarialkyste    mit    wiederholter    Ruptur    in    die 
Bauchhöhle. 

Bei  einer  34ji&hri^en  Person,  die  zwei  Mal  geboren  hatte, 
entwickelte  sich  20  Monate  nach  der  letzten  KnthindnnfTf  im 
Jahre  1856|  ein  OvariaUnmor ,  der  den  Unterleib  wie  im  achten 
Schwangerschaftsmonate  ausgedehnt  hatte.  April  1857  traten 
heftige  Schmereen  ein  und  eine  Function  entleerte  1*/,  Gallonen 
trüber  Flüssigkeit.  Im  August  desselben  Jahres  wurde  eine 
zweite  Function  ncSthig,  diese  wurde  eines  Xnsseren  Grundes 
wegen  noch  etwas  aufgeschoben,  und  ehe  sie  angestellt  worden, 
fällt  Fat.  eine  Treppe  herunter,  indem  sie  mit  dem  Leibe  auf- 
schlägt; sie  fühlt  einige  Schmerzen  und  legt  sich  ins  Bett  und 
entleert    in    der    Nacht    27,   Quart    kUren,    nicht    coagnlirenden 


170  ^II*    Kotiien  »na  der  Journal- Li teraimr. 

Urins;  diese  massenhsfle  Urinsceretion  bKlt  Tier  Tage  an  nnd 
mit  ihr  geht  eine  stetige  Verkleinerung  des  Leibes  einher,  so 
dass  derselbe  am  fünften  Tage  gans  schlaff  war  nnd  erst  nach 
▼ier  Monaten  die  Kyste  sich  wieder  anfing  zn  fBlIen  nnd  rapid 
wnchs.  Im  April  J868  erwachte  sie  in  einer  Kacht  mit  den 
heftigsten  Schmersen  im  Leibe,  kühlen  ExtremitKten  nnd  kann 
sn  fühlendem  Pnlse;  der  Leib  war  sehr  ausgedehnt,  tympanitiseh. 
Unter  der  geeigneten  Behandlung  erholte  sich  Fat.,  and  der 
Leib  war  ganz  schlaff  npd  begann  erst  nach  sechs  Wochen  wieder 
an  Umfang  «aznnehmen,  so  dass  im  Jnli  1858  die  zweite  Pnnction 
nSthig  wnrde,  wobei  11  Quart  klarer  Flüssigkeit  entleert  wurden. 
Vom  Juli  1668  bis  December  1861  musste  nun  die  Pnnotion 
37  Mal  vorgenommen  werden.  Die  Masse  der  entleerten  Flüssig« 
keit  yariirte  zwischen  16  und  26  Quart  und  betrug  im  Ganzen 
180  Gallonen  und  2  Quart.  Dabei  war  das  Allgemeinbefinden 
wenig  gestört.  Einmal  traten  im  Juni  1869  nach  einem  Falle 
wiederum  die  Erscheinungen  einer  Peritonitis  ein  mit  nach- 
folgender Verkleinerung  des  Leibes,  so  dass  erst  nach  fönf 
Monaten  wieder  eine  Function  nöthig  worde.  Nach  der  letstan 
Function  im  December  1861  starb  die  Patientin  unter  den  Er- 
scheinungen einer  Pisritonitis.  In  der  Bauchhöhle  fanden  sich 
.S — 4  Quart  eiteriger  Flüssigkeit,  eine  grosse  Kyste,  die  vom 
linken  Ovarinm  ausging  und  mit  den  Bauchdecken  verwachsen 
war.  Daneben  war  eine  grosse  Zahl  kleinerer  Kysten,  die  Ver- 
wachsangen  waren  so  allseitig  und  fest,  dass  etwaige  Durchbmeh- 
stellen  nicht  aufzufinden  gewesen  waren.  Die  Ovariotomie  war 
früher  von  der  Kranken  verweigert  worden. 
(Medical  Times,  April  1862.) 


Dewea:    Ovariotomie. 

Eine  23jährige  Person,  die  ein  Mal  geboren,  erkrankte  unter 
den  Erscheinungen  einer  Peritonitis,  als  sie  im  dritten  Monate 
schwanger  zu  sein  glaubte,  da  sie  eine  Zunahme  des  Leibes 
bemerkt  hatte.  Als  sie  geheilt  war,  stellte  sich  heraus,  dass  sie 
an  einer  Geschwulst  des  rechten  Ovariums  litt.  Diese  wuchs  so, 
dass  sie  im  MKrz  1862  punctirt  werden  musste,  wobei  5  Quart 
dunkler  albnminöser  Flüssigkeit  entfernt  wurden  und  sieh  sogleich 
herausstellte,  dass  die  Kyste  vielfScherig  war. 

Bei  der  Ovariotomie  zeigte  sich  der  Tumor  nach  allen  Seiten 
verwachsen ,  doch  konnten  die  Adhäsionen  leicht  getrennt  werden. 
Beim  Herausheben  des  Tnmor  zeigte  sich  auf  seiner  OberfiXehi* 
fächerförmig  ausgebreitet  und  fest  damit  verwachsen  ein  grosses 
Stück  des  Omentum.  Da  es  eingerissen  War  und  stark  blutete, 
war  nicht  daran  zu  denken,  es  vom  Tumor  abzulösen  nnd  in  die 
Bauchhöhle    zurückzuschieben ,     sondern     es    wurde    mit    CZay*a 


yjl.    NoUsen  »os  der  Jc^ani*!- Literatur.  171 

Iminmeiit  getrennt  nnd  mit  der  Geschwulst  eDtfernt.  Das  so 
weggeDommene  Stfick  des  Omentum  war  9  Zoll  lang  nnd  7  Zoll 
breit.  Der  Stiel  der  GeeehwnAt  wnrde  anf  dieselbe  Weise  ge- 
trennt, die  Baochhöhle  mit  Sohwamm  gereinigt  and  die  Wunde 
durcli  awei  tiefe,  das  Peritenäum  mitfassende  und  drei  ober- 
flftchliehe  Silbersntnren  geschlossen.  Patientin  wurde  auerst 
dareh  Clyamata  ernährt.  Am  vierten  Tage  wnrde  der  Stiel  ent* 
ferat,  am  neunten  Tage  die  letate  Naht  Bald  darauf  war  Patientin 
▼ollst&ndig  geneaen.  Die  Oeachwnlst  wog  ohne  Inhalt ,  der 
U  Pinten  betrug,  4  Pfund. 

(Medical  Times,  Juni  1862.) 


Heuvry:    Ovariotomie. 

■ 

Eine  21  Jahre  alte  Person  leidet  seit  einem  Jahre  an  einer 
sehmerahaften,  allmälig  entstandenen  Zunahme  des  Leibes.  Bei 
der  Untersuchung  seigt  sich  eine  Orarialkyste ,  wobei  der  Leibe^- 
nmfang  86V9  Zoll  beträgt;  bei  der  Pnnction  wird  nur  eine  Kyste 
entleert  und  bald  ist  der  Umfang  des  Leibes  40  Zoll.  Die  Ge- 
schwulst seigt  sich  bei  der  Operation  mit  dem  Omentum  ▼er- 
wachsen, dieses  wird  mit  den  Fingern  abgelöst.  Bei  der  Entfernung 
borst  eine  Kjste  in  die  Bauchhöhle  hinein.  Der  Stiel  wurde 
mittels  der  Klammer  abgequetscht  und  nach  aussen  in  der  Wunde 
befestigt.  Achtsehn  Stunden  nach  der  Operation  trat  nnter  den 
Erscheinungen  des  plötalichen  Collapsus  der  Tod  ein.  Bei  der 
Section  fand  sich  in  der  Bauchhöhle  eine  grosse  Menge  Blut  aus 
den  Gefftssen  des  Omentum  stammend. 
(Medical  Times,  August  1662.) 


TyUt-SmUkt    Vier  Fälle  von  Ovariotomie. 

1.  Eine  59  Jahre  alte  nnverheirathete  Person  litt  Reit 
.36  Jahren  an  yielHicberigen  Kysten  beider  Ovarien.  Bei  der 
Trennung  der  zahlreichen  Adhäsionen  wurde  das  Rectum  leicht 
verletzt.     Sechs  Stunden  nach  der  Operation  trat  der  Tod  ein. 

2.  Vieir&cherige  Kysten  beider  Ovarien,  die  zwei  Jahre 
beatanden;  dabei  Hydrops  und  Anasarca  der  Extremitäten.  Bei 
der  Operation  fand  man  zahlreiche  feste  Adhäsionen,  das  Peri- 
tonäum  mit  zahlreichen  scirrhösen  Massen  durchsetzt.  Die  Stiele 
wurden  beide  unterbunden.  Tod  drei  Tage  nach  der  Operation 
an  Peritonitis. 

3.  Eine  vielfächerige  Kyste  mit  bedeutenden  festen  Massen 
wnrde  nach  zweijährigem  Bestehen  durch  die  Operation  entfernt. 
Adhäsionen   mit  dem   Omentum,  den   Eingeweiden   u.  s.  v:.    Per 


172  VII.    Notisen  ans  der  Joaroal- Literatur. 

Stiel  war  sehr  dick,  wnrde  mit  der  Klammer  von  CHaif  {^trennt. 
Heilnng  ▼ollstftndig. 

4^  Eine  vielfScberi^e  Kyste  ^ea  linken  Ovarinm  wurde  durch 
die  Operation  entfernt.  Adhfteionen  mit  dem  Omentum.  Der 
Stiel  wurde  mit  Seidenfäden  unterbunden,  kurs  abgeschnitteD 
und  mit  der  Ligatur  in  die  Bauchhöhle  geachoben.  Die  Bauch« 
wunde,  ganz  sngeuAht,  heilte  per  primam.  Die  Kranke  war  ift 
10  Tagen  gesund.  Dies  ist  der  sweite  Fall ,  wo  der  Verf.  den 
Stiel  in  die  Bauchhöhle  suräckb rächte.  Verf.  -  hat  überhaupt 
ewölf  Mal  die  Ovariotomie  gemacht  und  neun  Heilungen  und  drei 
Todesfölle  danach  eintreten  sehen.  Eine  von  den  Geheilten  hat 
wiederum  geboren. 

(Medical  Times,  Juli  1862.) 


Spencer  Wells:    Sieben   Ovariotomieen. 

Der  erste  Fall  betraf  ein  20  Jahre  altes  Mädchen,  das  swei 
Jahre  lang  an  einer  Ovarialkjste  litt  und  nie  punctirt  war.  Die 
entfernte  Geschwulst  wog  40  Pfund.  Die  Kranke  befand  sich  am 
achten  Tage  nach  der  Operation  gan«  wohl. 

Die  B weite  Patientin  war  30  Jahre  alt,  unverhelrathet  und 
litt  seit  zwei  Jahren  an  einer  yielfächerigen  Kyste.  Bei  der 
Operation  fanden  sich  Adhäsionen  mit  dem  Colon,  die  mit  der 
Hand  getrennt  wurden.  In  die  Bauchhöhle  gelangte  dabei  viel 
Flüssigkeit.  Neunundzwanzig  Stunden  nach  der  Operation  starb 
die  Kranke  an  allgemeiner  Peritonitis. 

Der  dritte  Fall  betraf  eine  SOjAhrige  Person,  der  durch  die 
Operation  eine  vielfächerige  Kyste,  die  mit  dem  Omentum  ver- 
wachsen war,  entfernt  worden  war.  Sie  schien  auf  dem  Wege 
der  Genesung,  als  am  zwölften  Tage  nach  der  Operation  Tetanus 
eintrat,  dem  sie  am  14.  Tage  erlag.  Die  Section  zeigte  keine 
Entzündung  des  PeritonXum;  auch  fSr  den  Tetanus  konnte  keine 
locale  Ursache  aufgefunden  werden. 

Vierter  Fall.  Eine  41jährige  Person,  Mutter  von  sechs 
Kindern,  litt  an  einer  vielfächerigen  Ovarialkyste ,  die  ihr  grosse 
Schmerzen  bereitete.  Bei  der  Operation  wurde  das  adhnrente 
Omentum  leicht  getrennt,  der  Stiel  einer  Blutung  wegen  doppelt 
unterbunden.  Am  zwölften  Tage  wnrde  ein  entstandener  Becken- 
abscess  mittels  des  Troicart  durch  die  Scheide  entleert.  Vier 
Wochen  nach  der  Operation  war  sie  ganz  geheilt. 

Fünfter  Fall.  Bei  einer  35jährigen  Person  wurde  ein  fester 
Ovarialtumor,  der  mit  dem  Omentum  verwachsen  war,  leicht 
entfernt.    Drei  Wochen  darauf  war  Patientin  vollständig  genesen. 

Sechster  Fall.  Eine  multiloculäre  Kyste  wurde  nach  erfolg- 
loser Function  bei  einer  26jährigen  Kranken  entfernt.  Der  Stiel 
wurde   mittels   des   Ecraseurs   getrennt.     Vier  Stunden   nach  der 


VJI.    Notisen  ans  der  Joaraal- Literatur.  17^ 

Operation  musste  wegen  Zeichen  innerer  Blutsng  die  Wunde 
wieder  geöffnet  und  die  Coagnla  ans  der  Banchhöhle  entfernt 
werden.  Der  i^tiel  wurde  unterbunden.  Peritonitis  folgte;  ein 
Abseess  zwischen  Uterus  und  JKectum  wurde  durch  die  Scheide 
entleert.  Heilung.  Verf.  verwirft  den  Ecraseur)  weil  man  vor 
Nachblutungen  nicht  sicher  ist,  ebenso  lässt  er  den  unterbundenen 
Stiel  nur  dann  in  der  Bauchhöhle,  wenn  er  so  kurz  ist,  dass 
seine  Einheilung  in  einen  Wundwinkel  den  Uterus  zerren  würde. 

Siebenter  Fall.  Ein  fester  Ovarialtumor  war  so  innig  mit 
dem  Uterus  rerwachsen,  dass  er  nur  durch  den  Ecraseur  entfernt 
werden  konnte.     Am  19.  Tage  war  Fat.  geheilt. 

Spencer  Weil»  hat  überhaupt  bis  jetzt  40  Mal  die  Ovariotomie 
gemacht  und  darunter  24  Heilungen  und  16  Todesfölle. 
(Medical  Times,  Juli  1862.) 


John  Clayi    Neues   Instrument,   um   Adhäsionen  und  den 
Stiel   von  Ovarialkysten   zu  trennen. 

Dieses  Instrument  besteht  aus  zwei  starken  Blättern,  die 
getrennt  sind  und  an  denen  das  eine  unter  die  Adhäsion  ge- 
schoben wird,  das  andere  darüber.  Das  letztere  ist  kürzer  als 
das  erstere  und  passt  in  einen  falzähnlichen  Vorsprung,  der  an 
dem  ersten  angebracht  ist.  So  geschlossen  hUlt  dies  Instrument 
die  Adhäsion  mit  ziemlrchem  Drucke  fest.  Ausserdem  ist  das 
zweite  schmäler  als  das  erste,  und  so  entsteht  in  geschlossenem 
Zustande  eine  Rinne,  auf  der  man,  wie  auf  einer  Uohlsonde,  die 
Adhäsion  trennen  kann.  Diese  Trennung  geschieht  mit  einem 
besonders  geformten  stumpfspitzen  Instrumente,  das  entweder 
an  einer  Spiritusflamme  erhitzt  als  Glüheisen  zu  gebrauchen  ist 
oder  kalt  angewendet  nur  reibend  oder  quetschend  wirkt,  wie 
ein  Ecraseur,  ohne  so  zu  zerren  wie  dieser.  Der  Vortheil  des 
ganzen  Instrumentes  soll  darin  bestehen,  dass  man  ohne  Zerrung 
einen  bedeutenden  Druck  auf  den  zu  trennenden  Theil  vor  der 
eigentlichen  Trennung  ausübt  und  so  jede  Blutung  vermeidet. 
(Medical  Times,  Juni   1862) 


Speiticer  WelU:    Trokar  für  die  Ovariotomie. 

Spencer  WelU  beschrieb  in  der  medicinischen  Gesellschaft 
zu  London  einen  Trokar,  der  sich  besonders  für  die  Ovariotomie 
eignen  soll.  Statt  des  gewöhnlichen  soliden  Stabes  ist  hier  eine 
R8hre,  die  an  ihrem  Ende  spitz  zugeschärft  ist,  gebraucht;  diese 
gleitet  in  der  gewohnlichen  Canüle  hin  und  her;  letztere  ist  an 
einen  Schlauch  befestigt,  au  welchen  dann  auch,  wenn  Saugkraft 
(.•rforderlich    ist,    eine    Spritze    angebracht    werden    kann.      Der 


174  ^1'*    Notisen  aas  der  Joarnal-Kfteratur. 

HanptQUtseii  de«  Instniinaats  soll  der  «ein,  daes  keine  Luft 
während  der  Operation  in  die  Kyste  eindringen  kann.  Die  nibere 
Besohreibang^  mit  Abbildang  siebe  in 

(Medieal  Times  and  Gaaette,  Vol.  I.,  1862,  No.  696.) 


HeUl  Davis:    Verschluss   des  Orificium   uteri   nach   einer 
schweren   Entbindung. 

Bei  einer  Entbindung,  die  durch  an  frühen  Wasserabfluss 
und  mangelnder  Erweiterung  des  Muttermundes  sich  56  Stunden 
hingezogen  hatte,  wurde  nach  vorangegangenen  Versuchen  snr 
kunstlichen  Erweiterung  des  Muttermundes  ein  todtes  Kind  mit 
der  Zange  entwickelt.  Nach  dem  Wochenbette  bestand  drei 
Monate  lang  ein  eiteriger  Ausfluss.  Fünfzehn  Monate  später 
traten  heftige  Sohmersen  im  Unterleibe  ein,  nachdem  die  Regel 
noch  nicht  wieder  erschienen  war.  Der  Uterus  war  aasgedehnt 
wie  im  vierten  Monate  der  Schwangerschaft,  aeigte  deutliche 
Flactuation,  der  Muttermund  gänzlich  verwachsen.  Mittels  eines 
Troioart  wurden  mehrere  Unzen  Blut  entleert,  die  Oeffnnng  er- 
halten und  die  Menstruation  erfolgte  regelmässig. 
(Medieal  Times,  April  1862.) 


Mitchell:    Schwere  und  anomale  Ocrburtcn  in  Zusammen- 
hang  mit  angeborenem   Blödsinn. 

Unter  554  Idioten  war  über  60  in  Bezug  auf  ihre  Geburt 
nichts  zu  erfahren,  da  ihre  Angehörigen  keine  Auskunft  geben 
konnten,  so  bleiben  494  Blödsinnige,  die  im  Kreise  ihrer  Familie 
lebten,  so  dass  genaue  Auskunft  zu  erlangen  war.  Ueber  die 
Geburten  dieser  erfuhr  er  Folgendes:  1)  Verlangsamte  und 
schwere  Geburten  (36  Stunden  Dauer  und  mehr)  hatten  bei  67 
oder  bei  1  auf  8,7  stattgefunden.  2)  Unnatürlich  schnell  ver- 
laufene 4  Mal.  3)  Die  Zange  war  bei  22  applicirt  worden  oder 
1  Mal  bei  22,5,  während  in  Edinburgh  unter  472  Geburten  nnr 
1  Mal  die  Zange  in  Anwendung  kommt  und  nach  dem  Verf.  dies 
ziemlich  auch  das  Verhältniss  für  ganz  Schottland  ist.  Bei  9  von 
diesen  22  sollen  noch  Spuren  der  Zange  bemerkbar  gewesen 
sein,  als  Narben  etc.  4)  Mittels  der  Wendung  wurden  aui'  Welt 
gefördert  4.  5)  In  fehlerhaften  Lagen  (Steiss-  und  Fusslagen 
kamen  zur  Welt  6.  6)  Zwillingskinder  waren  11.  7)  Frühzeitig 
geboren  wurden  9.  8)  Scheintodt  kamen  zur  Welt  29,  oder 
1  auf  17.  9)  Von  den  443  Idioten  waren  135  lilrstgeborene« 
89  die  Letztgeborenen. 

(Medieal  Times,  Juli  1862.) 


VII.    Notiaen  ans  der  Joarnal- Literatur.  175 

L&vjfi    Beriebt  über   die  Entbindung  einer  Zwergin. 

Der  Fall  ist  folgender:  39jährige  Zwergin,  44  Zoll  hocb, 
proportionirt  gebaut;  feiner  Knochenbau;  Vater  und  vliterlicher 
GrosBvater  waren  zwerghaft  gewesen,  die  Mutter  ron  gewöhnlioher 
Grösse.  Die  Menstruation  erschien  ¥001  19.  Jahre  ab  in  normaler 
Weise;  Kum  letsten  Male  in  der  ersten  Hälfte  des  Juli.  Erste 
Wehen  den  4.  April  Abends.  Den  7.  April  Abends  Abfluss  der 
Wässer.  Leib  stark  in  die  Quere  ausgedehnt;  kein  Hängebauch; 
Fundus  uteri  im  Scrobiculus  cordis.  Sohambogen  eng;  Becken 
niedrig  und  nach  allen  Dimensionen  verengt.  Knochen  äusserst 
gracil.  Die  Conj.  vera  wurde  nach  der  mit  den  Fingern  aus- 
geführten Messung  auf  3  Zoll  geschätzt.  Bei  guten  Wehen  war 
den  8.  April  4  Uhr  Nachmittags  der  Muttermund  röllig  erweitert; 
der  Kopf  stand  noch  hoch;  8  Uhr  Abends  vier  Doben  Seoale 
cornut.  2U  gr.  z.  Um  Mitternacht,  da  der  grötste  Theil  des 
Hinterhauptes  im  Becken  stand  und  die  Wehen  fehlten,  wurde 
die  Zange  applicirt  und  mit  10 — 12  Tractionen  ein  mageres  todtes 
Mädchen  von  4V4  Pfund  Gewicht  entwickelt.  Am  9.  April  Abends 
geringe  Metritis  bei  der  Wöchnerin.  Den  11.  April  Abends 
plötslicher  Gollapsus.     Tod,  ohne  Agonie,  10 y,  Uhr  Abends. 

Section.  Im  Peritonäum  nur  einige  Unsen  dünner,  gelber 
Fliissigkeit.  Uterus  gut  contrahirt.  Linkes  Ovarium  und  Tuba 
mit  der  Hfnterseite  des  Uterus  verwachsen;  Corpus  luteum  rechts. 
In  der  Nähe  der  rechten  Tube  fanden  sich  die  Venen  an  der 
Hittterseite  des  Uterus  mit  dickem,  gelbem  Eiter  gefällt.  Innen- 
fläche des  Uterus  gesund;  keine  Verletzungen.  Die  Ausmesanng 
des  Körpers  ergiebt:  Länge  44";  vom  Nabel  zum  Scheitel  «:  18"; 
zur  Fusf sohle  »  26".  Abstand  der  Spin.  il.  a  8";  der  Crist.  il.  » 
9y,";  der  Spin.  post.  sup.  *»  2*//';  Breite  des  Kreuzbeins  =  3"  7'". 
Die  Verbindungen  der  Beckenknoohen  normal.  Unerhebliche 
Seoliose  nach  rechts  iwischen  dem  fünften  und  zwölften  Brust- 
wirbel. Linke  Beckenhälfte  ein  wenig  enger  als  die  rechte. 
Conj.  Vera  »  3"  IV«'";  Querdurchmesser  des  Eingangs  »4"  3'". 
Abstand  der  Spin,  ischii  ^  3"  6'".  Winkel  des  Schambogens  »  7b^. 
Höhe  der  Symph.  o.  p.  =»  11'";  Conj.  ext.  =  6"  47,"';  Conj. 
diag.  »  3"  8"'.     Gewicht  des  ganzen  Skeletts  »  37«  Pfund. 

Das  Becken  gehört  zu  derjenigen  Art  von  Zwergbecken, 
welche  proportionirt  und  echt  weiblich  sind,  wie  dies  bei  Zwergen 
mit  weiblichem  Charakter  und  gut  entwickelten  Zeugungsorganen 
der  Fall  zu  sein  pflegt.  Es  ist  nicht  auf  einer  kindlichen  Ent- 
wickelungsstufe  stehen  geblieben.  Die  Synostose  der  Scham«, 
Bits*  und  Hüftbeine  ist  hier  vollständig  erfolgt,  was  sonst  bei 
Zwergbecken  nicht  der  Fall  an  sein  pflegt. 

(Bibliothek  for  Lager,  Oetober  1860.) 


17ü  ^H.    Notisen  «ns  der  Joamal-LiteraUr. 

Levy:   Beschreibang  einer  Eztraatoriatahwangarflchaft 
mit  Einverleibung  des   Sackes   in  den  Darmcanal. 

Eine  40jährige  Fraa,  stets  regelinäsüig  lueustruirt,  verlor 
gegen  das  Ende  des  Jahres  1854  die  Menses.  Im  Jannar  1855 
erklKrte  eine  Hebamme,  sie  sei  einige  Monate  schwanger;  einen 
Monat  später  traten  Nachts  plötzlich  heftige  Unterleibsschmerien 
anf,  mit  karsem  Verlaste  des  Bewassiseins  und  Convulsionen. 
]m  Juli  hörten  die  schon  gefühlten  Kinde.sbeweguugen  wieder 
auf.  Es  ging  eine  faulige,  fleischähnliche  Masse  »b  (Decidna): 
danach  trat  ein  übelriechender  Ausfluss  ein,  welcher  bis  cum 
Frühjahre  1856  dauerte.  Um  diese  Zeit  fühlte  Levy  in  dem  massig 
aasgedehnten  Unterleibe  eine  tiefliegende  Geschwulst,  vom  Nabel 
bis  iVs"  oberhalb  der  Schamfuge  hinabreichend.  In  der  linken 
Seite  fühlte  man  an  der  Geschwulst,  kleine,  knochenharte  Theile; 
rechts  einen  grösseren  harten  Theil. 

Im  Sommer  1857  lag  die  Geschwulst  den  ßanchdecken  näher, 
war  in  ihrer  Breite  vermindert  und  härter.  Neigung  so  Diarrhöen 
war  vorhanden.  October  1857  gingen  per  rectum  die  Knochen 
ab  (drei  halbe  Wirbelbogen  und  ein  Os  mbtAtarsi).  Uectisches 
Fieber  trat  auf.  Die  Geschwulst  war  fast  auf  die  rechtü  Regio 
iliaca  und  hypogastrica  bcHchränkt;  bei  Druck  .empfand  man 
Crepitation  und  emphysematöses  Knistern.  Per  rectum  konnte 
eine  Perforationsöffnung  nicht  gefühlt  werden.  AUmälig  trat 
Besserung  ein;  im  Mai  1858  neues  Fieber  und  Schmersen.  Ein 
grösserer  Knochen  wurde  unter  den  Bauchdecken  so  deutlich 
fühlbar,  dass  man  sich  schon  zur  Eröffnuug  der  Unterleibshöhle 
un  dieser  Stelle  durch  Caustica  entschloss,  als  am  14.  Juni  eine 
allgemeine  Peritonitis  deoi  Leben  ein  Ende  machte. 

Section.  Geringe  Flüssigkeitsmenge  im  Peritonäum.  Därme 
injicirt  und  mit  Exsudat  bedeckt.  Der  Sack,  welcher  die  Kindes- 
theile  enthält,  hängt  oben  nnd  zu  beiden  Seiten  mit  dem  Mesenterinra 
und  einem  Theile  des  Dünndarmes  zusammen  und  wird  nach 
unten  von  der  mit  ihm  verwachsenen  Harnblase  bedeckt.  Am 
obersten  Theile  schienen  in  die  Geschwulst  die  beiden  mit  einander 
verwachsenen  Schenkel  einer  Darmschlinge  überzugehen;  in  der 
VerwachsungsUnie  beider  Schenkel  war  eine  3'" — 4'"  lange 
Ulcerationsöffuung  bemerkbar,  aus  welcher  die  scharfe  Kante 
eines  Schädelknoehens  hervorragte.  Blase,  Milz,  Leber,  Nieren 
und  die  Brustorgane  waren  gesand. 

Nach  seiner  Entfernunir  aus  der  Unterleibshöhle  war  der 
Tnmor  5V4"  lang  und  4'/,"  breit.  Die  Vorderwand  lag  mit  ihren 
zwei  oberen  Dritteln  den  Kauchwandungen  an  und  hatte  soweit 
eine  peritonäale  Bekleidung;  übrigens  war  sie  nur  gebildet  von 
der  ausgedehnten  Wandung  einer  Partie  des  Dünndarmes,  in 
welcher  der  Fötus  von  hiuttiu  her  hineingedrängt  war.  Das 
untere    Drittel   der  Vorderfläche    erstrockt    sich    hinter   die    Blase 


vir.    Notisen  ans  der  JonrsAl -Literatur.  177 

und  den  obersten  Tbeil  des  Utems  nach  abwfirts  nnd  iat  ron 
einer  fibrösen  Hant  gebildet,  welche  naeh  nnten  so  so  sart  int, 
dass  sie  beim  Ablösen  Ton  der  Blase  zerreisst.  Anf  der  Mitte 
der  rechten  Seite  der  Geschwulst  geht  eine  Dtinndarmschlinge 
in  sie  über,  als  deren  nKchste  Fortsetsung  die  erwähnte  Darin- 
sehlinge  am  oberen  Ende  der  Geschwulst  zu  betrachten  ist.  Als 
letzte  Fortsetsung  derselben  sieht  man  endlich  aus  der  Mitte  der 
linken  Seite  der  Geschwulst  noch  eine  Darroschlinge  hervortreten. 

Die  HinterflKche  der  Geschwulst  wird  nach  oben  su  von 
einer  Schlinge  des  lleum  bedeckt,  welche  von  rechts  naeh  links 
verläuft  und  dann  sich  umbiegend  wieder  nach  rechts  geht.  In 
den  ZwischenrSumen  zwischen  allen  erwähnten  Darmschlingen 
bildet  jene  fibröse  Hant  die  Wandung  des  fötalen  Sackes. 

In  der  vorderen  Mastdarrowand  findet  sich,  n"  über  der 
Analöfi^nung,  eine  erbsengrosse  Perforationssteile,  welche  in  den 
Fotalsack  führt.  Der  Uterus  ist  von  normaler  Grösse,  aber  mit 
dem  Fundns  nach  links  geneigt  und  gebogen.  Beide  Tuben  sind 
mit  djen  Wandungen  des  Fötalsackes  verwachsen;  die  rechte 
übrigens  normal;  die  linke  4"  lang  gestreckt,  ohne  deutlich 
erkennbare  Fimbrien,  in  dem  äusseren  Theile  ohne  Lumen.  Die 
Ovarien  atrophirt ;  das  linke  nicht  einmal  sicher  mehr  nachweisbar. 

Die  innere  Untersuchung  des  Sackes  ergab,  dass  da,  wo 
Husse/lich  die  Wandung  desselben  mit  Peritoneum  überzogen 
war,  innerlich  Schleimhaut  mit  deutlichen  Valvulae  conniventes 
sich  befanden.  Itlntsprechend  den  zwei  an  der  Hinterwand  vorbri- 
laufenden  IleuDistücken  fand  sich  eine  Schleimhaut,  welche  der 
hinteren  Wand  jener  Darmstücke  angehörte.  Auf  beiden  Seiten 
führten  unregelmässige  Oeffnungen  aus  dem  Inneren  des  Sackes 
in  das  Lumen  verschiedener  Darmschlingen.  Der  Fötalsack  endete 
nach  unten  blind  im  Douglcu^Bchen  Räume.  Die  Höhle  enthielt 
das  Skelett  eines  achtmonatlichen  Fötus,  welcher  zusammen- 
gebogen mit  dem  Kopfe  nach  oben  nnd  dem  Rücken  nach  hinten 
lag.  Es  fehlten  an  dem  Skelette  nur  einige  Wirbelbögen  und 
Endknochen  der  Extremitäten.  Die  Knochen  hingen  theils  durch 
Ligamente,  theils  durch  eine  schleimige  Masse  lose  zusammen, 
waren  nur  an  wenigen  Stellen  von  den  in  eine  fettige  Masse 
übergegangenen  Weichtheilen  bedeckt. 

Auf  und  zwischen  den  Skeletttheilen  fand  man  Ueberreste 
vegetabilischer  Nahrungsmittel,  unter  denen  Mohrrüben  und 
Spargelreste  deutlich  zu  erkennen  waren.  Diese  Speisereste 
waren  am  meisten  angehäuft  in  der  Richtung  der  Queraze  der 
Geschwulst,  zwischen  den  von  rechts  und  links  her  einmündenden 
Darmtheilen,  und  es  zeigten  einige  der  hier  gelegenen  Knochen 
in  Folge  dieser  Passage  der  Speisen  eine  bedeutende  Resorption 
ihrer  Oberfläche.  —  Spuren  einer  Placentarstelle  oder  des  Nabel- 
stranges waren  nicht  zu  entdecken. 
Monattaohr.  f.  aeburtak.  1063.  Bd.  XXI.,  Suppl.-Uft.  l2 


178'  ^^^*    Kotisen  «ob  der  Journal -Literatar. 

Die  Entstehnng  des  FötaUacke»  kano  man  sich  folgender- 
maassen  denken.  Eine  Tubo- abdominal -Schwangerschaft  der 
linken  Tobe  ging  in  Baochschwangerschaft  über.  Der  hinter  dem 
Qterus  belegene  Frachtsack  verwachs  mit  den  Darmpartien  und 
durch  Destraciion  theils  des  Sackes,  theils  der  Darmwandungen 
wurden  die  übrig  bleibenden  Darmwandungen  zugleich  Wandungen 
des  Sackes.  Die  den  Darm  passirendeu  Speisen  mussten  die 
Höhlci  besonders  vor,  zum  Theil  auch  hinter  den  Fötusresten 
durchwandern.  Zu  der  tÖdtlich  werdenden  Peritonitis  gab  natür- 
lich jene  Perforation  an  der  Vorderwand  des  Sackes  Veranlassung, 
flinter  dem  Fruchtsacke  fehlten  deshalb  die  Spuren  von  Ent- 
zündung. 

Die  Schwangerschaft  begann  Ende  1854.     Der  Fötus   starb 
im   Juli   1855.     Die   einige   Zeit  nach   dem   Tode    des  Fötus  per 
VHginam  abgegangene  Masse  war  wohl  Decidua. 
(Bibliothek  for  Lager,  October  1860.) 


Levy:  Fall  von  Kaiserschnitt,  tndicirt  durch  voll- 
ständigen Verschluss  der  Mutterscbeide  und  des 
Muttermundes. 

Die  25jährige  ii...,  seit  mehreren  Jahren  menstruirt,  wurde 
im  März  1857  schwanger;  bei  dem  öfters  an  ihr  vollzogenen 
Beischlafe  soll  immer  eine  vollständige  Immissio  penis  statt- 
gefunden haben.  Im  August  wurde  wegen  eines  Geschwüres  an 
den  Geschlechtstheilen  und  starken  Ausflusses  eine  Hebamme  zu 
der  Schwangeren  gerufen.  Diese  fand  die  Vagina  für  den  Finger 
unzugänglich.  Am  10.  December  4  Uhr-  Morgens  begann  die 
Geburt.  Tags  darauf  fand  der  hinzugerufene  Arzt  an  dem  2" 
breiten  Mittelfleische  eine  grosse  Narbe,  welche  ringförmig  auch 
den  After  umgab.  Die  Scheide  war  1"  oberhalb  ihres  Introitus 
verwachsen;  auf  ihrer  hinteren  Wand  befand  sich  eine  Narbe, 
welche  in  die  des  Mittelfleisches  überging.  Per  rectum  fühlte 
man  den  auf  dem  Beckeneingange  liegenden  Kindesschädel  und 
schien  es,  dass  die  Wandungen  der  Scheide  im  oberen  Theile 
vollständig  mit  einander  verwachsen  waren.  Den  11.  December 
Abends  11  Uhr  wurde  der  Kaiserschnitt  in  der  Linea  alba  voll- 
zogen. Der  durch  den  Schnitt  getroffene  Mutterkuchen  wurde 
vollständig  durchschnitten.  Die  Naht  wurde  durch  dieSutura  clavata 
hergestellt  und  durch  Heftpflaster  unterstützt.  Am  folgenden  Tage 
Frostanfall,  Erbrechen,  Leibschmerzen.  Tod  den  13.  September 
Morgens. 

Section.  Die  Biiuchwunde  iHt  verklebt;  im  unteren  Ab- 
schnitte der  Wunde  auf  dem  PeritonMum  beginnende  Exsudation; 
Uterus  gut  contrahirt;  die  Wunde  de»  Uterus  klaffte  nach  unten 
SU,   um   den  zurückgebliebenen  Theil   des   Mutterkuchens.     Levy 


Vn.    Notisen  ans  der  Jonnial- Literatur.  179 

untersveftte  nun  das  Ton  dem  behandelnden  Arste  ihm  ingesehickte, 
ans  der  Leiche  geschnittene  Präparat  der  Beckenorgane;  er  fand 
die  Innenfläche  des  Uterns  normal.  Die  Scheide  ist  von  2" 
unterhalb  des  Muttermundes  an  bis  zu  diesem  hin  su  einem 
soliden I  ^brÖsen  Strang,  ohne  Spur  von  Schleimhaut  oder  von 
einem  Lnmen  verwachsen.  Aenssere  Geschlechtstheile  minder 
entwickelt  als  gewöhnlich  in  der  Schwangerschaft.  Die  Scheide 
endet  als  Blindsack  V/'  über  dem  Introitus  vaginae;  der  Fundus 
vaginae  mit  Schleimhaut  übersogen;  die  Narbe  an  der  hinteren 
Wand  und  am  Perinäum  sind  so,  wie  oben  schon  erwähnt  wurde. 
Levy  glaubt  nun,  dass  die  Verwachsung  der  Vagina  schon 
im  sechsten  Schwange rbchaftsmonate  vorhanden  gewesen  ist, 
dass  ein  diphtheritischer  Process  ausgab reitetcre  Zerstörungen  der 
anliegenden  Soheidenschleimhaut  und  auch  wohl  anderer  Gebilde 
bedingt  haben  müsste.  Er  kommt  deshalb  auf  den  Gedanken, 
dass  Aetzmittel  die  Verwachsung  bedingt  haben  könnten.  Ein- 
spritsnngen  von  Scheidewasse r  dienen  nun  in  Schweden  (wo  sich 
unser  Fall  ereignete)  sum  criminellen  Abort  und  hierdurch  lässt 
sich  Alles  erklären:  die  Beschränkung  des  Processes,  der  Sitz 
der 'Narben  an  der  hinteren  Wand  der  Vagina  und  dem  Perinäum 
und  der  Umstand,  dass  die  Patientin  in  der,  die  Verwachsung 
bedingenden  Krankheit  keine  ärstliche  Hülfe  gebraucht  hat.  — 
Bei  so  vollständiger  Verwachsung  der  Vagina  muss  übrigens  dtfr 
Nutzen  des  Kaiserschnitts  immer  problematisch  bleiben,  da  die 
Lochien  nur  durch  die  Bauchwnnde  ausfliessen  können.  Es  kann 
deshalb  in  einem  solchen  Falle  gerathen  sein,  durch  die  vordere 
Wand  des  Rectum  und  den  Cervicaltheil  des  Uterus  und  die 
Höhle  des  letzteren  su  dringen ,  was  bei  normalen  Verhältnissen 
des  Peritonäum  ohne  dessen  Verletzung  geschehen  kann ;  in  Vor- 
liegendem Falle  wäre  das  tiefe  Herabtreten  des  Peritonäum  im 
Dougleu^schen  Räume  dieser  Operation  nicht  günstig  gewesen. 
(Bibliothek  for  Lager,  October  1860,  p.  331.) 


Niv0rii    Ueber  die  spontane  Entinndung  der  varicösen 
Venen  der  unteren  Extremitäten  im  Wochenbette. 

Verfasser  machte  bei  der  letzten  Puerperalfleberepidemie 
in  der  Matemit^  zu  Paris  interessante  Beobachtungen  über  obige 
Krankheit. 

Die  Phlebitis  der  oberflächlichen  Venen  der  unteren  Ex- 
tremitäten kann  nach  M.  Cruv^lhier  in  zwei  verschiedenen  Formen 
auftreten:  sie  kann  nämlich  suppurativ  und  nicht  suppurativ 
•ein.  Erstere  kann  sich  encystiren,  der  Eiter  also  nicht  in  den 
Blutstrom  hineingebracht  werden,  oder  die  eiterige  Entzündung 
kann  eine  freie  sein  und  dann  die  purulente  Infection  herbei- 
führen.     Die   nicht  suppurative   Phlebitis    ist    bald    obliterirend 

12* 


180  ^I'-    Notisen  «ob  der  Joarnal- Literatur. 

and  adhäsiv  nnd  kann  dann  eine  radicale  Heilung  der  Varicen 
folgen  oder  sie  ist  eine  freie,  d.  h.  die  Entzündung  giebt  keine 
Veranlassung  £nr  Eiterbildang,  unterbricht  also  nicht  oder  unter- 
druckt nur  momentan  die  Circnlation  im  entzündeten  Gefäsae, 
doch  auch  diese  Art  der  Phlebitis  kann  schwere  Folgen  haben 
und  Embolie  bewirken. 

Supparative  Phlebitis.  Bei  den  Wöchnerinnen,  über 
welche  die  Beobachtungen  mitgetheilt  werden,  zeigte  sich  die 
Entzündung  der  Venenwände  nicht  im  ersten  Anfalle,  es  traten 
vielmehr  vorher  Symptome  auf,  welche  an  den  Einflnss '  einer 
puerperalen  Epidemie  glauben  lassen:  mehr  oder  minder  heftige 
Schmerzen  im  Unterleibe,  ein  beschleunigter  Puls,  der  sich  im 
Mittel  auf  108  erhob,  ein  heftiger  Kopfschmerz,  Fröste  verschieden 
an  Intensität  und  Dauer  waren  die  ersten  Symptome,  welche 
sich  zeigten. 

Am  Ende  des  zweiten  oder  dritten  Tages  erst  kamen  die 
Zeichen  der  Phlebitis  hinzu.  Die  Kranken  klagten  an  ver- 
schiedenen Stellen  der  unteren  KxtreDiitäten  über  einen  heftigeu 
and  stechenden  Schmerz.  Dieser  Bchmerz,  der  an  den  mehr  oder 
wtiniger  gekrümmten  Lauf  der  Vene  gebunden  war,  wurde  durch 
Drnck  sehr  vermehrt  und  war  oft  von  einer  brennenden  Hitze 
be«jrleitet,  eine  rothe  Linie  zeigte  sich  auf  der  Haut  und  folgte 
allen  Krümmungen  der  varicösen  Vene,  ein  harter,  resistenter, 
schmerzhafter  Strang  erhob  die  Haut  und  von  Distance  zu 
Distance  fanden  sich  im  Niveau  der  partiellen  Ausbuchtungen  der 
Vene  Knoten.  Alle  diese  Zeichen  waren  sowohl  für  das  Auge, 
als  auch  für  den  Finger  sehr  leicht  zu  constatiren. 

In  keinem  Falle  konnte  man  Oedem  der  kranken  Extremität 
bemerken;  das  Zellgewebe,  welches  die  Vene  umgab,  nahm  an 
der  Entzündung  Theil  und  eine  phlegmonöse  Induration  konnte 
leicht  an  den  Stellen,  wo  Phlebitis  vorhanden  war,  wahr- 
genommen werden.  In  sehr  kurzer  Zeit  zeigten  sich  Symptome 
der  schwersten  Bedeutung;  die  Eiterung  nahm  schnell  in  den 
Venenstämmen  Platz  und  so  wurde  der  Eiter  in  den  Blutatrom 
gebracht.  Ein  einziges  Mal  nur  war  die  suppurative  Phlebitis 
eine  encystirte,  es  bildeten  sich  kleine  und  oberflächliche  Abscesse, 
aus  denen  ein  weisser,  rahmiger,  nicht  mit  geronnenem  Blute  ge* 
mischter  Eiter  heraustrat.  Die  Heilung  war  in  diesem  Falle  eine 
vollfitändige,  die  Vernarbung  Hess  jedoch  lange  auf  sich  warten. 

Die  drei  anderen  beobachteten  Fälle  endigten  mit  der 
purulenten  Infection  und  dem  Tode;  Fröste  vom  einfachen  Frost- 
gefühle bis  zum  Zittern  mit  Zähneklappern  folgten  in  kuriea 
Zwischenräumen  auf  einander  und  zeigten  die  Mischung  des 
Eiters  mit  dem  Blute  au;  die  Zunge  wurde  trocken,  die  Zähne 
und  die  Lippen  bedeckten  bich  mit  einem  schwarzen  Belege;  ein 
unauslöschlicher  Durst,  (Jebelkeit  und  m«^hr  oder  minder  häufiges 


yil,    Notizen  anR  der  Journal -Literatur.  lg} 

Erbrochen  zeigten  dich;  eine  gallige  Diarrhoe,  10 — 15  Stühle  in 
24  Stunden,  widerstand  allen  Verordnungen.  Trotz  dieser  furcht- 
baren »^yhiptoine  klagten  die  Kranken  dennoch  über  Hunger, 
konnten  jedoch  nichts  im  Magen  behalten. 

Der  Pnls  war  sehr  beschleunigt,  106 — 132,  gewöhnlich  gross, 
ohne  Härtp,  manchmal  w.eich,  einige  Mal  sehr  markirt  dicretisch. 

Die  Respiration  wurde  schwierig,  die  Ursache  hiervon  wnr, 
wie  sich  später  bei  den  Sectionen  zeigte,  entweder  eitriger  £r- 
guss  in  die  Pleuren  oder  metastatische  A bscesse,  Lungenödem 
oder  hypostatisehe  Pneumonie. 

Die  Haut  war  ungewöhnlich  heiss,  von  profusem  8ch weiss 
bedeckt. 

Was  die  cerebralen  Symptome  anlangt,  so  zeigten  sich  die 
drei  Kranken  vollkommen  rnhig  und  hatten  kein  Schmerzgefühl 
mehr  —  sie  befanden  sich,  sagten  sie,  sehr  wohl.  Endlich  nahm 
das  Gesicht  eine  erdfahle,  manchmal  sogar  eine  subikterische 
Färbung  an  und  die  Kranken  starben  ohne  auf  ihrem  Oesichte 
die  Zeichen  einer  schmerzhaften  Agonie  zurückzulassen. 

Die  Seotion  ergab  in  den  zwei  Füllen,  in  denen  sie  über- 
haupt vorgenommen  wurde,  Resultate,  wie  man  sie  gewöhnlich 
bei  Phlebitis  findet,  an  einigen  Punkten  des  Gefässes  fand  man 
Blutcoagula,  sie  waren  schwarz,  consistent,  zwischen  den  Fingern 
zerdriickbar  und  ganz  ähnlich  denen,  welche  man  oberhalb  einer 
arteriellen  Ligatur  vorfindet.  An  einigen  anderen  Punkten  war 
der  Blutpfropf,  der  schon  in  einem  bestimmten  Grade  verändert 
war,  aus  concentrischen,  fibrinösen  Ablagerungen  bestehend, 
von  denen  die  finssersten  am  resistentesten  und  am  wenigsten 
gefärbt  waren.  In  der  Mitte  fand  sich' eine  schwärzliche,  leicht 
mit  den  Fingern  zerdrückbare  Masse.  An  anderen  Stellen  waren 
die  Veränderungen  bedeutend,  im  Centrum  des  Pfropfes  sah 
man  eine  weiche,  schwärzliche,  manchmal  grauliche,  eiterähnliche 
Masse.  ^  £ndlieh  fand  sich  fast  im  ganzen  Verlaufe  des  kranken 
Gefässes  eine  Flüssigkeit,  welche  Eiter  in  den  verschiedensten 
Stufen  der  Umwandlung  zu  sein  schien,  sie  hatte  bald  das  An- 
sehen des  gesunden  Eiters,  bald  das  von  Jauche.  Diese  röth- 
liche,  grauliche  oder  rahmige  Flüssigkeit,  die  manchmal  ganz 
ähnlich  dem  phlegmonösen  Eiter  war,  fand  sich  frei  in  der  Mitte 
der  Gefässe,  deren  ganzen  Canal  sie  ausfüllte. 

An  verfcohiedenen  Punkten  einiger  Venen  zeigten  sich  an 
der  inneren  Gef&sswand  Ulcerationen,  in  welche  der  Eiter  sich 
ergossen  hatte  und  kleine  Heerde  bildete,  die  sich  manchmal 
zu  grossen  Abscessen  vereinigten. 

Was  die  Veränderungen  der  Gefässwände  betrifft,  so  zeigten 
si(t  verschiedene  Abstufungen,  die  Tunica  interna  war  bald  roth, 
injicirt,  runzelig  und  ihrer  Glätte  beraubt,  bald  von  einer 
körnigen  Masse  bedeckt,  die  sieh  manchmal  abziehen  Hess,  meist 


182  ^I^*    KotUen  aas  der  Jonroal-Literatar. 

jedoch  der  Gefaaswand  anhing^.  Diese  plastische  Ezsndation  war 
an  einigen  Punkten  so  stark,  dass  sie  das  Caliber  des  Oef&sses 
▼erengte;  die  Tnnica  media  hatte  eine  sehr  grosse  Festigkeit, 
die  noch  dadurch  vermehrt  wurde,  dass  sie  mit  der  Tuniea  externa 
snsammenhing,  welche  verdeckt  und  von  Serum  und  plastischer 
Lymphe  infiltrirt  war.  Das  ganse  Gefäss  blieb,  wenn  es  durch- 
schnitten wurde,  wie  eine  Arterie,  offen  stehen. 

Was  das  Peritonäum  anlangt,  so  war  es  in  einem  Fall  gans 
intact,  im  anderen  Falle  bot  es  dagegen  eitrige  Peritonitis  dar  — 
in  beiden  Fällen  war  der  Uterus  der  Dauer  des  Wochenbettes 
nach  gut  involvirt,  seine  Innenseite  war  jedoch  mit  einer  schwärs- 
liehen,  stinkenden  Masse  bedeckt.  Alle  Venen  waren  jedoch  toU- 
kommen  intact,  ebenso  die  Musculatur  des  Uterus. 

Der  Tod  erfolgte  in  zwei  Fällen  am  achten,  in  einem  am 
swansigsten  Tage. 

Der  Verfasser  nimmt  nun  an,  dass  die  Phlebitis  eine  Folg^ 
von  allgemeiner  Blutveränderung  sei  und  erster«  dann  die  Pyämie 
veranlasst  habe;  gestützt  auf  die  sehr  genaue  Beobachtung  der 
drei  Fälle,  welche  wir  hier  nicht  näher  mittheilen  können,  sieht 
er  folgende  Schlüsse: 

1)  Die  oberflächlichen  und  varicosen  Venen  oder  unteren 
Extremitäten  können  sich  bei  Wöchnerinnen  spontan 
entzünden. 

2)  Diese  suppurative  Phlebitis  kann  von  der  Epidemie  be- 
dingt worden  sein. 

8)  Die   purulente  Infection  ist  die  Folge  der  freien  suppu- 

rativen  Phlebitis. 
4)  Diese    suppurative    Phlebitis    kann    sich   ency stiren   und 

dann  die  Heilung  möglich  sein. 

Spontane,  adhäsive  Phlebitis.  Die  Entzündung  der 
Varicen  im  Wochenbette  hat  nicht  immer  die  traurigen,  oben 
beschriebenen  Folgen,  sehr  oft  ist  sie'  nur  eine  einfache'  Throm- 
bose, eine  einfache  vasculäre» Verstopfung  durcb  ein  Blutcoagulum, 
dieses  kann  einfach  durch  Compression  herbeigeführt  worden 
sein,  kann  man  aber  diese  Ursache  nicht  auffinden,  so  nimmt 
man  an,  dass  es  das  Resultat  einer  Mischung  des  Blutes  mit 
einer  von  aussen  eingedrungenen  Materie  sei.  Das  Blutcoagulum 
kann  nun  losgelöst  werden  und  dann  eine  Embole  bewirken  oder 
es  können  sich  auch  die  fibrinösen  Concretionen  organisiren, 
die  Oefässe  verstopfen  und  so  eine  radieale  Heilung  der  Varicen 
herbeiführen.  Blot  stellte  der  chirurgischen  Gesellschaft  zwei 
Beobachtungen  der  radicalen  Kur  bedeutender  Varicen  vor;  es 
waren  dies  zwei  Frauen,  die  im  siebenten  Monate  schwanger 
waren.  Die  varicösen  Tumoren  waren  vierzehn  Tage  nach 
der  Entzündung  total  verschwunden,  an  ihrer  Stelle  zeigten  sich 
nur  härtliche  Stellen.      Der  Verfasser  hat  ebenfalls  zwei  Fälle 


VIT.    NotiBen  aas  der  Joarnal-Literatar.  Igg 

hiervon  beobachtet   and    dieselben    in    seiner  Arbeit  genan  be- 
schri«ben. 

(Archives  Genörales  de  M^decine,  Aoüt  1862.) 


König:    Die  perimetritischen  ExSjiidate   im   Becken  der 

WSchn-erinnen. 

> 
Der  primäre  Sitz  dieser  perimetrftischen  (parametritischen, 

Virchow)  Exsudate    ist  das  lockere    Bindegewebe   zwischen    den 

breiten  Mntterbäudern)  welches  nnnnterbrochen   in   das  snbperi- 

tonSale  Gewebe   der  Nachbartheile  übergeht.     Verfasser  studirte 

die  eigenthumliche  Verbreitungsweise  dieser  Exsudate  und  stellt, 

gestützt  auf  die  Beobachtung  einer  grösseren  Anzahl  von  Fällen, 

sowie    auf   Injectionsversucbe    an    geeigneten   Leichen    folgende 

Sätze  auf: 

1.  Ein  in  der  Nähe  der  Tuben  und  der  Eierstöcke  in  dem 
Bindegewebe  des  breiten  Mutterbandes  sich  entwickelndes  Ex- 
sudat breitet  sich  primär  nach  dem  Verlaufe  des  Psoas  und  Iliacus 
aus;  erst  dann  senkt  es  sich  in  das  kleine  Becken. 

2.  Die  Exsudate,  welche  sich  primär  in  dem  tieferen  Binde- 
gewebe an  der  vorderen  seitlichen  Gegend  des  Ueberganges  der 
Gebärmutter  in  den  Halstheil  entwickeln,  füllen  zuerst  das  Zell- 
gewebe des  kleinen  Beckens  seitlich  von  den  tieferen  Theilen 
der  Gebärmutter  und  der  Blase  und  gehen  dann  erst  meist  mit 
dem  runden  Mutterbande  nach  dem  jPoupar^'schen  Bande  und  dem 
Leistenringe.  Von  da  gehen  sie  in  die  Fossa  iliaca  nach  aus- 
und  rückwärts. 

3.  Die  von  der  hinteren  Basis  des  Mutterbandes  sich  ent- 
wickelnden Abscesse  füllen  erst  die  hinteren  Seitentheile  des 
Beckens  und  verfolgen  dann  den  unter  1.  geschilderten  Weg. 

4.  In  der  späteren  Zeit  der  Entwickelung. gleicht  sich  dies 
aus,  indem  die  genannten  Theile  des  Bauchfelles  gleichmässig 
abgehoben  werden. 

5.  Bei  Versenkung  des  Eiters  nach  dem  PouparV »chen 
Bande  hin  löst  sich  schon  beim  Vorhandensein  einer  geringen 
Menge  von  Flüssigkeit  das  Bauchfell  so  weit  von  dem  genannten 
Bande- ab,  dass  ein  Stich  etwa  IV9  Finger  breit  über  demselben 
noch  diesseits  des  Bauchfelles  die  Bauchdecken  durchdringt. 

Durch  diese  Verschiedenheit  des  Ortes  wird  die  Verschieden- 
heit der  Symptome  erklärt.  Localer  Schmerz  fehlt  fast  nie,  ist 
meist  bedeutend,  besteht  spontan  oder  wird  nur  durch  Druck 
hervorgerufen.  Auf  die  Gegend  eines  breiten  Mutterbandes 
iixirter  Schmers  deutet  in  vielen  Fällen  den  Anfang  der  Ent- 
aündung  an.  Durch  Druck  des  Exsudates  auf  die  durch  das 
Becken  verlaufenden  Nerven  werden  neuralgische  Empfindungen 


]Lg4  VlI.    Notisen  aas  der  Journal -LHeratiir. 

henrorgerufen,  welche  sich  bald  als  reissende,  bohrende  Schmer- 
Ken,  bald  mehr  als  abnormes  Gefühl  von  Kälte,  Warme,  Ameisen« 
kriechen  darstellen  —  besonders  häufig  wird  der  N.  cutan.  ext., 
in  andern  Fällen  mehr  der  cruralis  oder  ischiadicus  betroffen. 
Eine  sehr  lebhafte  Schmerzempfinduug  wird  durch  die  Spannung 
des  von  Exsudat  umspülten  Psoas  bei  Bewegungen  hervorgernfen; 
das  Bestreben  des  Kranken,  dem  Schenkel  eine  für  den  be- 
treffenden Muskel  möglichst  schmerzlose  Haltung  cu  wahren,  be- 
dingt daher  zugleich  Störung  in  den  Functionen  des  Oberschenkels 
von  leichtem  Hinken  bis  zu  spitzwinkliger  Contractur  im  Hüft» 
gelenke.  Ausserdem  sind  meist  schmerzhafte  Empfindungen  in  der 
Tiefe  des  Beckens,  durch  den  Druck  hervorgerufene  Schmerzen  in 
den  Organen  des  Beckens  vorhanden,  doch  selten  von  hervor- 
ragender Intensität.  Durch  Druck  auf  die  GefUsse  entstehen  zu- 
weilen Schwächung  des  Pulses  und  Gefühl  von  Kälte  an  dem  be- 
treffenden Fusse,  häafig  Oedeme,  meist  von  venöser  Stase,  selten 
von  weitverbreiteter  Venenverstopfung  abhängig.  Stuhl  Verstopfung 
wird  meist  beobachtet,  als  deren  Ursache  namentlich  auch  die 
Fixirung  des  Darmes  durch  den  Druck  des  Exsudates  und  die 
ontznndliche  Verhärtung  des  umgebenden  Gewebes  zu  betrachten 
ist.  Durchfall  findet  nich  häufiger  im  Beginn  der  Krankheit  und  ist 
dann  mehr  bedingt  durch  einen  begleitenden  Katarrh  der  Darm- 
schleimhaut; später  auftretend  ist  er  meist  als  Eiterentleerung  in 
das  Rectum  aufzufassen.  Ausserdem  findet  sich  noch  häufiger  durch 
Druck  auf  die  Blase  bedingter  Trieb  zum  Urinlassen,  oft  auch 
Katarrh  der  Blase  und  der  Scheide,  wohl  zu  unterscheiden  vom 
Eiterdurchbruche  in  die  nämlichen  Organe. 

Fast  in  allen  Fällen  kann  man  von  den  Banchdecken  aus 
das  Exsudat  fühlen.  Seiton  fehlt  jede  äusserlich  erkennbare 
Schwellung.  Meist  fühlt  man  schon  früh  eine  harte,  runde 
Schwellung  in  der  Gegend  des  Ovarinm,  in  anderen  Fällen  ent- 
deckt man  eine  harte  Geschwulst,  welche  mehr  die  seitlichen 
Theile  der  Blaser  einnimmt  und  von  da  nach  dem  inneren  Drittel 
des  Poupart^BchQU  Bandes  sich  ausdehnt.  Meist  aber  findet  man 
die  Grenzen  der  Schwellung  schon  weiter  gehend.  In  ver- 
schiedener Höhe,  1  —  2  Zoll  hoch,  handhoch  und  mehr  über  dem 
Poifpar^ sehen  Band  sich  erstreckend,  die  ganze  Breite  desselben 
einnehmend  oder  auch  den  innersten  oder  äussersten  Theil  frei 
lassend,  findet  man  eine  harte,  wenig- gewölbte,  nach  oben  mit 
runden  Grenzen  in  das  kleine  Becken  sich  verlierende  Schwellung. 
Am  Pottjoar^'schen  Bande,  wo  meist  zuerst  die  innere  Hälfte  be- 
troffen ist,  so  dass  die  Schwellung  dann  bis  etwa  einen  Zoll  von 
der  Mittellinie  reicht,  ist  dieselbe  selten  scharf  umschrieben. 
Die  Härte  geht  allmälig  in  ein  weiches  Oedem  über,  welches  in 
Verbindung  mit  den  leicbt  geschwollenen  Drüsen  die  Schenkel- 
beuge  ausfüllt.      Die  Breite    einer    halben    Hand    gilt    wohl    als 


VII.   Notiien  am  der  Jonrtial-LUeratar.  185 

Dnrehsehiiitt  f&r  die  obere  Orettse  des  Exsudates  ober  dem  Bande. 
Die  Gesobwnlst  seichnet  sich  meist  darob  ihre  Härte  ans. 
Flttetvation  findet  man  anch  bei  bedentenden  Eiteransammlnng^ea 
selten  über  grössere  Strecken  der  Geschwulst  verbreitet.  Klei- 
nere flnctnirende  Stellen  sind  dagegen  öfter  über  dem  Pou- 
parf  9ehen  Bande  an  bemerken,  noch  h&nfiger  aber  kleine,  schmers- 
hafte  wetehe  Grübchen  in  dem  harten  Gewebe,  welche  anf  eine 
Krweichnng  der  den  Abscess  deckenden  Gewebe  dnrch  den  der 
Oberfläche  sich  nähernden  Eiter  deuten  und  vom  Verfasser  mit 
dem  Namen  „Gewebslücken"  beieichnet  werden. 

Von  den  PereussionsTerhältnissen  hebt  Verfasser  nur  die 
Dfimpfnng  am  Boden  der  Geschwulst  als  tür  die  Ablösung  des 
liauchfoHs  sprechend  hervor.  Bei  den  höher  gelegenen  Theilen 
war  bald  uesgesprochene  DUmpfung,  bald  wieder  bei  Torge- 
ld chobenen  Darmschlingen  weniger  gedämpfter  Ton  au  hören, 
meist  war  die  Dämpfung  wenigstens  stärker,  als  anf  der  entgegen- 
^esetatcn  Seite.  Bei  Beschränkung  der 'Schwellung  anf  die  Gegend 
der  breiten  Mutterbänder  und  Vorlagerung  von  lufthaltigen  Darm- 
schlingen  ward  natürlich  keine  Dämpfung  auf  der  Geschwulst 
gefunden. 

Findet  nmn  bei  der  Untersuchung  durch  Scheide  und  Mast- 
darm eine  Schwellung,  so  ist  dieselbe  meist  durch  beide  Organe 
gleichseitig  zu  bemerken;  sie  stellt  sich  je  nach  ihrer  Ent- 
wickelung  in  Bezug  auf  Grösse,  Lage  und  Gestalt  verschieden 
dar.  In  ausgedehnten  Fällen  werden  Gebärmutter,  Blase  und 
Darm  herunter  und  nach  der  Seite  gedrängt.  Wegen  der  harten 
Schwellung  des  die  Wandung  des  Exsudatheerdes  bildenden  Ge- 
webes ist  auch  von  hier  aus  die  Fluctuation  selten  in  früher 
2^eit  fühlbar,  doch  konnte  Verfasser  auch  hier  die  oben  er- 
wähnten „Gewebslücken"  fühlen.  Zuweilen  findet  man  nicht 
die  Geschwulst  selbst,  aber  mit  derselben  in  Zusammenhang  zu 
bringende  Symptome,  s.  B.  Fixirung  des  Uterus,  zuweilen  mit 
einem  auffallenden  Hochstehen  desselben,  wahrscheinlich  bei 
Entwickelung  des  Exsudates  in  den  höchsten  Theilen  des  breiten 
Mutterbandes. 

Die  die  Krankheit  begleitenden  Allgemeinerscheinungen 
sind  Fieber  mit  abendlichen  Exacerbationen,  welches  fast  nie 
fehlt  und  zuweilen  mit  einem  oder  wiederholten  Schüttelfrösten 
beginnt,  gastrische  Erscheinungen  von  leichter  Störung  des 
Appetites  bis  zu  vollkommenstem  Darniederliegen  der  Verdauung, 
und  die  ans  beiden  Symptomengruppen  resultirende  Anämie  und 
Abmagerung,  welche  selbst  den  leichtesten  Fällen  eigen  ist.  (?) 
Wenn  anch  der  Anfang  der  Entzündung  schon  in  der  letzten 
Zeit  der  Schwangerschaft  stattfinden  kann,  so  sind  doch  die 
ersten  vior  Wochen  nach  der  Geburt  die  Zeit,  in  welcher  sich 
am  häufigsten  die  puerperalen  FJxsudate  entwickeln.     Die  Dauer 


186  VII.    Notiien  aus  der  Jon  mal- Lite  ralur. 

der  Krankheit  hängt  ab  yon  der  Art,  in  welcher  dieselbe  endigt. 
Tritt  Resorption  ein,  00  scheint  dieselbe  wohl  meist  in  der  Tierten 
Woche  sa  be^nnen.  Die  sich  frtthseitig  mit  gehörig  den  Eiter  ans- 
fliessen  lassender  ErÖfinang  durch  Blase  oder  Dann  entscheidenden 
Exsudate  heilen  meist  in  Terhllltnissmässig  ebenso  rascher  Zeit, 
3  —  6  Wochen,  wie  die  kfinstlich  mit  gehörig  grossem  Schnitt  er- 
öffneten. Die  längste  Daner  haben  die  sich  spät  mit  langen 
Fistelg&ngen  öffnenden  Abscesse. 

Anf  die  Anwesenheit  von  grösseren  Mengen  Eiters  lassen 
Berücksichtigung  der  Zeitdauer  des  Exsudates,  sowie  des  mehr 
acuten  oder  chronischen  Verlaufs,  abendliche  Exacerbation  des 
Fiebers  und  Vermehrung  der  Schmershaftigkeit  schliessen.  Der- 
gleichen Exsudate  können  in  die  einaelnen  Beckenorgane  per- 
foriren;  am  häufigsten  und  mit  der  günstigsten  Prognose  ge* 
schiebt  dies  in  den  Darm,  oft  und  meist  ebenfalls  mit  günstigem 
Ausgange  in  die  Blase.  Eintreten  des  Inhalts  der  perforirten 
Organe,  in  die  Absces^höfile,  wodurch  Zersetsnngsprocesse  ein- 
geleitet werden  könnten,  kommt  nicht  zu  Stande  nach  DMpuyiren 
wegen  der  allmäligen  Entleerung  der  Abscesse,  wegen  der  schiefen 
Richtung  der  Oeffnung,  wegen  Ablösung  des  dann  als  Ventil 
dienenden  Darmes.  Verfasser  fugt  diesen  Gründen  hlnsu  die 
trockene  Beschaff'enheit  der  Stühle,  den  Druck  der  Bauchpresse 
auf  die  peritonäale  Oberfläche  der  Abscesswandnngen,  günstige 
Lage  und  Schiefheit  der  Oeffnung.  Erwähnt  sei  noch,  dass  die 
Nähe  des  Darmes  an  der  Abscesshöhle  genügt,  um  dem  Eiter 
Kothgeruch  mitzntheilen,  so  dass  dieser  Oeruch  des  auf  irgend 
welchem  Wege  entleerten  Eiters  kein  Beweis  für  Communication 
des  Darmes  mit  der  Abscesshöhle  ist.  Perforation  des  Uterus 
ist  selten  wegen  der  Dicke  und  Festigkeit  seines  Gewebes;  der 
Eiter  erhält  aus  demselben  Grunde  auch  meist  nur  ungenügenden 
Ausfluss,  wober  die  betreffenden  Fälle  des  Verfassers  einen  sehr 
protrahirten  Verlauf  zeigten.  Weit  günstiger  und  häufiger  sind 
die  Eröffnungen  in  die  Scheide;  die  Einführung  des  Spiegels  ist 
bei  Schenkelbeugung,  Schamlippenödem,  Schmerzhaftigkeit ,  au 
unterlassen.  Durchbrucb  nach  der  äusseren  Haut  kann  statt- 
finden oberhalb  des  Lig.  Poupartii,  wie  unterhalb  desselben, 
und  hier  besonders  an  drei  Stellen ,  entsprechend  den  Austritts- 
stellen der  Gefässe,  der  Muskeln  und  des  N.  cutan.  ext.  Die 
Abscesse,  welche  aus  den  vorderen  tiefen,  die  Basis  des  Lig. 
latum  bildenden  Bindegewebe  sich  entwickeln,  versenken  sich 
mit  dem  Lig.  rotundum  auf  die  innere  oder  äussere  Seite  der 
Sühenkelgefässscheide  und  kommen  dann  entweder  aussen  am 
Schenkelringe  zum  Vorschein,  oder  versenken  sich  noch  weiter 
nach  unten  oder  seitlich  nach  innen  unter  dem  Gracilis  durch 
nach  den  Adductoren.  Die  mit  dem  Psoas  von  der  Gegend  des 
Ovarium    kommenden  Eiterungen    haben    wohl    auch    wesentlich 


'>VII.  Notiien  ans  der  Journal- Literatur.  187 

die  Tendenz,  sich  auf  der  Aussenseite  der  Schenk elgef&iiecheide 
oder  mit  der  Mnskelscheide  su  Teraenken,  oder  sie  kommen 
noch  weiter  aussen,  etwa  1  —  IV,  Zoll  Ton  der  Spina  superior  in 
der  Gegend  des  Cutan.  ext.  aum  Vorschein  und  liegen  dann  ent- 
weder an  der  Innenseite  neben  dem  Sartorius,  oder  sie  senken 
sich  unter  demselben  nach  der  Aussenseite  des  Schenkels  hin. 
Auch  in  der  Lendengegend  bricht  der  Eiter  suweilen  durch, 
indem  er  anr  Seite  der  Sehne  des  Quadrat.  lumb.  aus  dem  Becken 
tritt;  ebenso  beobachtete  man  Olutaeenabseesse  nach  Versenkung 
durch  das  Foramen  ischiadicum.  Sehr  selten  ist  Versenkung 
nach  der  Haut  des  Mittelfleisches,  am  allerseltensten  Perforation 
nach  dem  Bauchfell.  Die  h&ufigsten  Senkungen  sind  die  unter- 
halb des  PotipaW*schen  Bandes;  dann  folgen  die  in  den  Darm; 
nach  diesen  stehen  sich  die  in  Blase  und  Scheide  hu  Häufigkeit 
(vohl  gleich,  während  die  übrigen  gleich  selten  vorkommen. 

Die  Entleerung  des  Eiters  ist  von  ausserordentlich  günstiger 
Einwirkung  auf  das  Befinden  der  Kranken;  Schmerzen  un^  Fieber 
nehmen  rasch  ab,  Appetit,  Kräfte  und  Körperfülle  kehren  zurück ; 
dies  alles  jedoch  nur  da,  wo  der  Eiter  frei  abfliessen  kann.  Da- 
liegen werden  die  Kräfte  der  Kranken  aufgerieben  bei  mangel- 
hafter Entleerung  and  Verschleppung  des  Processes;  ebenso  er- 
liegen die  Kranken  bei  später  Eröffnung  eines  Abscesses  von 
bedeutender  Ausdehnung,  indem  dann  ein  grosser  Theil  der  in 
sein  Bereich  fallenden  Gewebe  in  den  Zerstörungsprocess  mit 
einbezogen  ist,  durch  rasch  eintretende  Verjauchung  oder  lang- 
.  wierige,  erschöpfende  Eiterung.  Verhältnissmässig  seltene  Aus- 
gänge sind  Tod  durch  Pyämie,  sowie  durch  Perforationsperitonitis. 

Nach  der  Heilang  können  hinkender  Gang,  Unfruchtbarkeit, 
Störung  der  Menses,  Schmerzen  beim  Coitus  zurückbleiben. 

Was  die  differenzielle  Diagnostik  anbelangt,  so  kann  bei 
Hüftcontractur,  Schwellung  und  Schmerz  in  der  Gegend  des 
Hüftgelenks  die  Ausschliessung  einer  Affection  dieses  Gelenks 
von  grosser  Schwierigkeit  sein,  oder  bei  gleichzeitiger  Fest- 
stellung eines  solchen  die  Entscheidung  über  die  Priorität. 
Ausserdem  macht  die  meisten  Schwierigkeiten  die  Ausschliessung 
eines  intraperitonäalen  Exsudates.  Die  absolute  Unwahrschein- 
lichkeit  eines  solchen  ergiebt  sich  jedoOh  für  eine  Reihe  von 
Fällen,  welche  ganz  ohne  primäre  peritonitiscbe  Symptome  auf- 
treten. Sehr  unwahrscheinlich  ist  auch,  dass  die  Exsudate, 
welche  sich  rasch  nach  dem  Schenkelringe,  dem  Foramen  isch 
etc.  versenken,  intraperitonäale  sind.  Für  diejenigen  Fälle, 
welche  sich  nach  deutlichen  peritonitischen  .Symptomen  ent- 
wickelten, und  deren  Symptome  auch  allenfalls  auf  ein  abge- 
kapseltes peritonitisches  Exsudat  schliessen  lassen,  entscheidet 
der  £nt wickelungsgang.  Die  intraperitonäalen  Exsudate  sind 
gleich   im    Entstehen  mehr  gross   und    weich,   sie    werden    erst 


igg  VII.     Notiien  aos  der  Journal -Literatur. 

härter  mit  dem  Callöswerden  ihrer  Kapsel  and  intt  der  Resorption; 
be!  den  eztraperitonäalen,  welche  mit  einer  harten  kleinen 
Schwellung  anfangen,  zeigt  sich  die  Erweichung  erst  spKt  mit 
dem  starken  Wachsthnme  der  Geschwulst.  Bei  intraperitonäalen 
Exsudaten  erreichen  die  durch  den  Druck  derselben  hervor- 
gerufenen Erscheinungen  wohl  nie  die  Hohe,  wie  bei  den 
zwischen  das  Bauchfell  und  die  betreffenden  Organe  sich  hinein- 
schiebenden« 

Die  perimetritischen  Exsudate  entstehen  bei  Wöchnerinnen 
entweder  als  selbstständige  Krankheiten,  analog  den  acuten 
Abscessen  an  andern  Körperstellen,  wohei  in  der  vorausgehenden 
Geburt,  wie  in  derRückbildung  des  Uterus  mancherlei  begünstigende 
Momente  aufzufinden  sind,  oder  secundSr  als  Theilcrscheinnng 
eines  Puerperalfiebers  und  bleiben  nach  Verschwinden  der  übrigen 
Symptome  gleichsam  als  selbstständige  Krankheit  surfick.  Für 
die  selbstst&ndige  Form  ist  der  Ausgang  viel  hKufiger  günstig, 
als  für  die  secnndHre,  bei  welcher  die  Prognose'  von  dem  heftigen 
puerperalen  Fieber  und  der  Neigung  der  Exsudate  zum  Necro- 
siren  getrübt  wird. 

Hinsichtlich  der  Therapie  verwirft  Verfasser  Alles,  was 
geeignet  ist,  die  Kräfte  der  Kranken  noch  mehr  zu  erschöpfen, 
namentlich  auch  Blutentziehungen,  empfiehlt  dagegen  leicht  ver- 
dauliche, nährende  Speisen,  Sorge  für  offnen  Leib»,  möglichst 
ruhige  Lage,  Narcotica,  eine  Eisblase  auf  den  entsprechenden 
Theil,  oder,  wo  diese  nicht  vertragen  wird,  kühle  oder  warme 
UmschlUge  nach  dem  Befinden  der  Kranken.  In  der  Eiterungs- 
periode ist  durch  geeignete  Diät  auf  Erhaltung  der  Kräfte,  sowie 
auf  Linderung  der  Schmerzen  durch  Opiate,  starke  Chloroform- 
linimente,  ruhige  Lage,  Unterstützung  des  Schenkels,  nöthigen- 
falls  durch  eine  schiefe  Ebene,  hinzuwirken.  Eine  Hauptsache 
bleibt  die  frühzeitige  Entleerung  des  Eiters.  In  leichteren  Fällen, 
bei  Abwesenheit  dringender  Symptome  kann  man  das  Auftreten 
einer  umschrieben  fluctuirenden  Stelle  abwarten;  verläuft  da- 
gegen die  Affection  mit  schweren  Symptomen,  wie  bedeutender 
Schwellung,  sehr  heftigen  Schmerzen,  zunehmender  Hüftcontractur, 
und  lassen  die  Allgemeinerscheiuungen  auf  Eiterung  schliessen, 
80  ist  die  Operation  unter  Leitung  der  „Gewebslücken''  vorzu- 
nehmen; bei  Nichtauffindbarkeit  derselben  schlägt  Verfasser^ 
gestützt  auf  Reine  subperitonäHlen  Injectionen ,  vor,  die  Stelle 
nach  auswärts  von  der  Oefassscheide  etwa  einen  halben  Zoll 
breit  über  dem  FovparVschen  Bande  zu  wählen,  wo  man  vor  Ver- 
letzungen von  GefäFsen  wie  des  Bauchfells  sicher  ist,  oder  man 
kann  nach  Roter  den  Schenkelring  bioslegen,  an  seiner  äusseren 
Seite  eine  Kornzange  einfuhren  und  durch  Ausdehnen  derselben 
die  OeiTnung  erweitern.  Verfasser  räth  au  schichtenwetser  Prä- 
parirnng  und   Erweiterung   mittels  der  Kornzange,    verwirft   da- 


VTI.    Notiien  ans  der  Jounial-Literatar.  Ig9 

gegen  den  Gebrauch  des  Troicart  wegen  der  Möglichkeit,  einen 
Dann  damit  lu  verletien,  sowie  wegen  der  Kleinheit  der  durch 
ihn  gesetzten  Wunde,  welche  dem  Eiter  keinen  genügenden  Ab- 
fluss  gestattet. 

Erwähnt  sei  noch»  dass  der  Werth  der  verdienstTollen  Arbeit 
erhöht  wird  durch  den  Nachweis  der  betreffenden  Literatur,   wie 
durch  Miftheilung  eigener  Beobachtungen  des  Verfassers. 
(Archiv  d.  Heilkunde,  1862,  6.  Heft.) 


Kussmaul:   Ueber  geschlechtliche    Frühreife. 

Ein  1  Jahr  7  Monate  altes  MXdchen,  dessen  Aeltern  und 
fünf  Geschwister  vollständig  gesund  waren,  war  bisher  ebenfalls 
gesund  gewesen  bis  auf  eine  starke  Anschwellung  des  Unterleibes, 
die  sich  seit  einigen  Wochen  eingestellt  hatte.  Dr.  QeinitZy  nach 
dessen  Aufseiohnungen  K.  den  Fall  beschreibt,  fand  jene  von 
Wasseransammlung  in  der  Bauchhöhle  herrührend,  das  Kind  im 
Uebrigen  gesund,  leidlich  genährt,  seine  Grösse  dem  Alter  ent- 
sprechend, dabei  aber  beide  Brustdrüsen  entwickelt,  gerundet, 
ohne  Härte,  die  Brustwarsen  herro r ragen d ,  die  grossen  Scham- 
lippen gleichfalls  stark  entwickelt,  mit  '/Z'  langen,  etwas  gelockten 
Haaren  besetzt,  in  jeder  derselben  einen  rundlichen,  weichen, 
beweglichen  Körper  an  einem  Strange  hängend,  welcher  bis  in 
den  Leistenoanal  hinein  zu  verfolgen  war.  Der  Tumor  in  der 
rechten  Schamlippe  hatte  die  Grösse  einer  Haselnuss ,  der  in  der 
linken  die  Grösse  eines  Taubeneies;  letzterer  ging  später  in 
Eiterung  über.  Aus  den  Geschlechtstheilen  waren  vor  einiger 
Zeit  Tropfen  Blutes  geflossen,  und  vier  Wochen  später  trat 
förmliche  Menstruation  ein.  Nach  Entleerung  von  5  preuss.  Quart 
Wasser  fühlte  man  im  unteren  Theile  des  Bauches  ziemlich  in 
der  Mittellinie  eine  faustgrosse,  ovale,  glatte  Geschwulst  von 
der  Consistens  eines  Fibroides,  die  sich  leicht  nach  beiden  Seiton 
und  nach  unten  ver.'ichieben  liess,  jedoch  nicht  nach  oben,  so  dass 
sie  nach  unten  und  hinten  an  einem  Stiele  zu  sitzen  schien. 
Wiederholung  der  Paracentese  nach  drei  Wochen;  darauf  erneute 
Anschwollnng,  Erbrechen,  Durchfall,  Fieber,  Abmagerung;  Tod 
4  Wochen  nach  der  zweiten  Function.  Die  Section  ergab  Peritonitis 
mit  serös  -  faserstoffiger  Ezsndation;  die  inneren  Oeschlechtstheile 
wurden  K.  zugesendet.  Dieser  fand  die  Scheide  in  starke  Quer- 
mnzeln  gelegt,  den  Uterus  von  einer  Entwiekelung,  wie  sie  bei 
beginnender  Pubertät  getroffen  wird,  die  Ligg.  lata  und  rotunda 
durch  Zunahme  ihrer  glatten  Muskulatur  verdickt.  Das  rechte 
runde  Mutterband  war  in  seinem  äusseren,  in  der  grossen  Scham- 
lippe befindlich  gewesenen  Ende  zu  einem  länglich  eiförmigen, 
derben,    aus    glatten  Muskelfasern    bestehenden   Körper  von   7 


r*  '** 


190  ^^I*    Notizen  kob  der  Jonrnal- Lite  rata r. 

Länge;  4'"  Breite  und  2V«'"  Dicke  angeschwollen,  der  eine  erbeen- 
groBse,  glattwandige,  rnnde»  mit  eingedicktem  Eiter  erfQllte 
Höhle  in  sich  schloss;  der  an  dem  linken  befiodlich  gewesene 
Körper  war  durch  Verjauchnng  zerstört  worden.  Der  rechfe 
Eierstock  war  30'"  lang,  21'"  breit  und  bis  zu  8"'  diek,  sonst 
von  der  Gestalt  und  Consistens  eines  reifen  Eierstocks,  auf  der 
Durchschnittsfläche  granlichweiss  und  grangelblich  marmorirt, 
eine  fibrilläre  Streifung  erkennbar.  Unter  dem  Mikroskope  zeigten 
sich  starke  Gefässzüge,  die  sich  durch  die  Geschwnlst  verzweigten 
und'  maschenförmig  Gewebsmassen  umgriffen ,  die  aus  zahllosen 
dichtgedrängten,  spindelförmigen  Zellen  mit  Kernen  bestanden, 
in  den  peripherischen  Theilen  einzelne  Eikapseln  mit  den  Eiern. 
An  dem  linken  Eierstocke  wie  an  den  Tuben  wurden  keine  be- 
deutenderen Veränderungen  gefunden.  Die  Neubildung  betrachtet 
K.  als  Sarkom,  die  Kosten  der  runden  Mutterbänder  als  die  ab- 
geschnürten untersten  Endstücke  der  Divertleula  Nuckii.  Im 
Uebrigen  ist  er  der  Ansicht,  dass  die  krankhaften  Veränderungen 
am  Eierstocke  auf  die  übrigen  Geschlechtstheile  zurückgewirkt 
und  hier  vorzeitiges  Wachsen  und  Reifen  hervorgerufen  haben. 

An  diesen  Fall  anknüpfend  verbreitet  sich  Verf.  zunKchüt 
über  die  Krankheiten  des  kindlichen  Eierstockes  mit  Ausscbinjts 
der  schon  beim  Fötus  sehr  oft  vorkommenden  Entzündung  des 
serösen  Ueberzuges  und  der  Dislocationen.  Folgende  primäre 
Krankheiten  des  Eierstockes  sind  bis  jetzt  beim  Kinde  beobachtet 
worden:  Blutungen  in  das  Parenchjm  mit  Ausdehnung  desselben 
zu  einem  kystoiden  Maschenwerke,  Abscessbildung,  seröse  Kyzten, 
Dermoidkysten ,  sarkomatöse  und  krebsige  Neubildungen. 

Zur  Besprechung  der  vorzeitigen  geschlechtlichen  Ent- 
Wickelung  übergehend  bemerkt  Verf.,  dass  in  den  von  ihm  zn- 
sammengestellten  Fällen  sich  die  ursächlichen  Momente  in  der 
Regel  nicht  auffinden  Hessen;  drei  Mal  trat  sie  im  Gefolge  von 
Sarkomen  und  Krebsen  eines  oder  beider  Eierstöcke  ein,  einige 
Male  in  Begleitung  von  Rhachttis  und  Hydrocephalus ;  auch  kann 
sie  Folge  vorzeitiger  Erregung  des  Geschlechtstriebes,  namentlich 
der  Vollziehung  des  Beischlafes  vor  dem  Eintritte  der  Reife 
sein,  —  in  den  letzten  drei  Kategorieen  wird  vielleicht  die 
prKcipitirte  Reife  der  Geschlechtstheile  eonsensuell  durch  gewisse 
Veränderungen  angeregt,  welche  das  centrale  Organ  des  Ge- 
schlechtstriebes erleidet. 

Die  geschlechtliche  Frühreife  kann  schon  in  der  Periode 
des  Fötallebens  ihren  Anfang  nehmen.  Viel  öfter  beginnt  die 
vorschnelle  Reifung  der  Geschlechtstheile  erst  nach  der  Geburt, 
zuweilen  vor  Ablauf  des  ersten  Lebensjahres,  gewöhnlieh  erst 
später.  Doch  zeichneten  sieh  auch  solche  Kinder,  falls  die 
Pnliertät  überhaupt  in  den  ersten  Lebensjahren  eintrat,  meist 
schon   bei    der  Geburt  durch  eine  Ansehnliche,   selbst  ungewöhn- 


VII.   Notizen  aaa  der  Jonrnal-Literfttar.  191 

Hebe  Körpergrösse  aus,  so  dass  die  Triebfeder  der  vorzeitigen 
Entwiekelnng  schon  in  der  intrauterinen  Zeit  des  Lebens  sn 
wirken  scheint  und  die  betreffenden  ITüUe  daher  den  angeborenen 
Bildangsfeblern  sagesählt  werden  dürfen.  Vollendpte  Reife  ist 
bei  Neugeborenen  noch  nicht  beobachtet  worden.  Bei  Knaben 
kann  die  Geschlechtsreife  schon  im  Verlaufe  des  zweiten  Lebens- 
jahres ganz  oder  nahezu  vollendet  sein,  —  der  früheste  Terniin, 
in  welcbem  ein  vor  der  Zeit  körperlich  und  geschlechtlich  toU- 
koramen  reif  gewordenes  Mädchen  concipirte,  ist  das  »chte  Jahr. 
Die  Monatsblutung  erschien  zuweilen  unter  den  ersten  Symptomen 
der  Frühreife,  andere  Male  gingen  ihr  andere  Zeichen  voraus, 
in  den  meisten  Fftllen  werden  genaue  Beobachtungen  über  das 
auccessive  Eintreten  der  einzelnen  Erscheinungen  vermiHüt.  Die 
Behaarung  der  Geschlechtstheile  ging  der  Menstruation  bald 
voraus,  bald  na  eh. 

Besüglicb  des  Verhältnisses  der  vorzeitigen  geschlechtlichen 
£ntwickelung  zu  dem  Wachsthume  des  Körpers  unterscheidet 
Verf.  drei  Hauptformen:  die  einfache  vorschnelle  Körperreife, 
die  monströse  vorschnelle  Körperreife,  die  isolirte  geschlechtliche 
Frühreife. 

Bei  der  einfachen  vorzeitigen  Körperreife  handelt  es  sich 
am  ein  ungewöhnlich  rasches  Durcheilen  der  beiden  Entwickelungs- 
stnfen  der  Kindheit  und  des  Jünglingsalters,  so  dass  in  der 
Hälfte  der  gewöhnlichen  Zeit  oder  noch  schneller  nicht  nur  die 
Geschlechtsreife,  sondern  auch  das  Wachsthum  vollendet  wird. 
Doch  hält  mit  der  körperlichen  die  geistige  Entwickelung  niemsls 
gleichen  Schritt;  diese  bleibt  nicht  selten  sogar  hinter  der  von 
gleich  alten  Kindern  zurück.  Die  gewöhnliche  Ordnung,  in 
welcher  der  Mensch  die  Stadien  des  ersten  Zahnens,  des  Zahn- 
wechsels und  der  Geschlechtsreife  zu  durchlaufen  pflegt,  wird 
bei  der  präcipitirten  Entwickelpng  fast  nie  genauer  eingehalten; 
in  der  Regel  tritt  die  Pubertät  vor  dem  vollendeten  Zahn  Wechsel, 
oft  selbst  vor  oder  doch  mit  dem  ersten  Zahnausbruche  ein,  auch 
wenn  dieser  und  der  Zahnwechsel  gleichfalls  vorzeitig  erfolgen. 
Dab  Verhftltniss  der  geschlechtliehen  Frühreife  zum  Körper- 
waohsthume  pflegt  der  Art  zu  sein,  dass  bald  ein  vorschnelles, 
kräftiges  Körp erwachs thum  die  vorzeitige  Pubertät  einleitet,  bald 
Zeichen  der  letzteren  das  erste  ankündigen.  Das  vorschnelle 
Wachsen  pflegt  anfangs  am  rapidesten  vorzuschreiten  und  mit 
zunehmender  Geschlechtsreife  abzunehmen;  nach  Vollendung 
derselben  hört  das  Längenwachsthum  auf.  Die  einfache  prä- 
cipitirte  Körperentwickelung  kann,  wenigstens  bei  Mädchen, 
schliesslich  zu  einem  gftiz  ebenmässigen  Bau  führen ;  in  seltenen 
Fällen  ist  dabei  die  Entwickelung  der  Gesohlechtstheile  nicht 
nur  eine  vorschnelle,  sondern  auch  eine  excedirende.  Die 
Annahme,  dass  frühreife  Menschen  auch  früh  altern. und  sterben 
mn.«sten,  ist  irrig. 


192  ^11-    Notisen  ans  der  Journal- Literatur. 

Bei  der  monströsen  vorzeitigen  Körperretfe  conlbinirt  sich 
die  vorschnelle  Korperreife  mit  eioer  excedirenden,  ein  monströses 
Aussehen  bedingenden  Fettbildung.  Sie  ist  bei  weitem  selten«"? 
als  die  einfache  vorzeitige  EÖrperreife,  doch  seheinen  Uebergangs- 
formen  vorzukommen.  Man  darf  die  monstrOse  vorieitige  Körper- 
reife weder  mit  der  einfachen  Fettsucht  4^r  Kinder  noch  mit 
einer  monströsen  vorzeitigen  Entwickelnng  des  Körpers  ohne 
Bethelligung  der  Geschlechtssphäre  verwechseln»  Schon  in  der 
frühesten  Kindheit,  sogar  beim  Fötus,  kann  das  Fettgewebe  bp- 
deutend  wuchern,  ohne  dass  der  Körper  oder  die  Oeschlechti^- 
theile  sich  vorzeitig  entwickelten;  eine  solche  frühzeitige  Fett- 
sucht kann  von  selbst  mit  fortschreitendem'  Wachsthume  wiediT 
schwinden;  kräftige  Personen  erreichen  zuweilen  mit  früh  be- 
ginnender und  zunehmender  Fettsucht  das  Mannes-,  selbst  das 
Qreisenalter.  Bei  der  vorschnellen  Entwickelung  des  Körpers 
mit  Fettsucht  ohne  Betheiligung  der  GeschlechtssphKre  geht  da« 
Wachsthum  in  die  Länge  und  Breite  vorschnell  vor  sich,  Knochen. 
Muskeln  und  Fettgewebe  entwickeln  sich  mächtig,  aber  die 
Sezualorgane  bleiben  kindlich. 

Die  isolirte  vorzeitige  geschlechtliche  Entwickelung  wurde 
bei  Knaben  nie  gesehen,  höchstens  überwog  die  geschlechtliche 
Entwickelung  anfangs  eine  Zeit  lang  beträchtlich  die  der  übrigen 
Systeme.  Bei  Mädchen  wurde  dagegen  nicht  nur  mitunter  eine 
überwiegende,  sondern  auch  in  einzelnen,  äusserst  seltenen  Fällen 
eine  isolirte  vorschnelle  geschlechtliche  Entwickelung  beobachtet. 
(Wurzb.  med.  Zeitschr.,  3.  Bd.,  4.  u.  5.  Heft,   1862.) 


Bohr:    Ueber  das  Athmen  der  Kinder  vor  der  Geburt. 

Nach  einem  historischen  (Jeberblicke  über  die  mannichfachen 
hierher  bezüglichen  physiologischen  Controversen  nimmt  Verf.  die 
JSVaAf»0r*sche  Theorie  der  voraeitigen  Athmnngsbewegnngen  zum 
Ausgangspunkte  seiner  Beobachtungen.  In  allen  Fällen,  wo  der 
Wechselverkehr  zwischen  kindlichem  und  mütterlichem  Binte 
unterbrochen  wird,  sei  es  durch  pathologische  Zustände  vor  oder 
während  der  früh-  oder  rechtzeitigen  Gebnrt,  sei  es  durch  die 
physiologische  Ausstossung  des  Kindes,  treten  rythmische  Hebungen 
des  Thorax  ein,  ausgelöst  auf  reflectorischem  Wege  durch  die 
Medulla  oblongata,  welche  ihrerseits  dadurch  erregt  wird,  dass 
die  peripherischen  Nerven  den  jeweiligen  Zustand  ihrer  eigenen 
Stoffmetamorphose,  also  hier  die  relative  Kohlensäureüberladnng 
des  zu  ihrer  Ernährung  dienenden  .dhtes,  in  centripetaler 
Richtung  zum  Gehirn  fortleiten.  Dem  bekannten  physikalischen 
Gosetze  folgend  tritt  jedes  geeignete,  in  unmittelbarer  Nähe 
befindliche  Medium  in  die  Canalsysteme  des  erweiterten  Brust- 
kastens ein. 


VII.    Notisen  aiu  der  Joarnal- Literatur.  193 

D«8  Trachealsjstem  fallt  sich  nur  dann  mit  Luft,  wenn 
diese  frei  einströmen  kann,  was  während  der  Geburt  nur  nnter 
gans  besonderen  Verhältnissen  der  Fall  ist,  und  wenn  die 
Traoheal-  nnd  Rippenknorpel  bereits  genügende  Elastieität  and 
Besistens  besitsen,  am  der  Drackdifferens  zwischen  der  äusseren 
und  der  inspirirten  Luft  gegenüber  das  Lnmen  des  Canals  o<fen 
SU  erhalten.  Diese  Kesistens  fehlt  aber  vor  der  24.  Woche 
des  Fötallebens.  Sind  die  Respirationsöffnungen  von  anderen 
Medien  amgeben,  so  werden  auch  diese  aspirirt  und  füllen  die 
T|«cheulversweigongen.  Das  Eindringen  von  Flüssigkeiten  erfolgt 
höchstens  bis  in  die  feineren  Bronchialzweige ,  da  jene  nicht 
elastisch  genug  sind,  am  eine  massenhafte  Zertheilung  in  die 
unendlich  vielen,  feinen  und  noch  nie  ausgedehnten  Lungen- 
bläschen snsulassen.  Das  Eindringen  von  Flüssigkeit  in  das 
Tracheairohr  ist  bei  unreifen  Früchten  eher  möglich,  als  das 
von  Luft,  weil  die  Druckdifferenz  zwischen  dem  umgebenden 
und  eingesaugten  Medium  weit  geringer  ist,  als  die  bei  der 
Luftathmung,  und  weil  das  unentwickelte  Lumen  der  Knorpel 
durch  das  consistentere  Wasser  leichter  entfaltet  und  auseinander- 
gehalten wird,  als  durch  die  dünne  und  comprimirbare  Luft. 
Die  inspiratorische  Einsaugung  flüssiger  und  fester  Medien  ist 
mit  Schlingbewegungen  verbanden,  die  beim  Fassiren  des  Schlund- 
kopfes  hervorgerufen  werden.  Qänsliches  oder  theilweises  Leer- 
bleiben des  Trachealsystems  bei  vorzeitigen  Athembewegungen 
kommt  SU  Stande  bei  Verschliessung  der  Respirationsöffnungen 
durch  enges  Anliegen  mütterlicher  Theile. 

Die  Ausdehnung  des  Thorax  bewirkt  aber  auch  gleichzeitig 
eine  stärkere  Füllung  der  Lungenblutbahn.  Das  Blut  des  rechten 
Ventrikels  wird  bei  den  ersten  Inspirationen  zuerst  in  einem 
atärkeren  Strome  aus  seinem  fötalen  Laufe  abgelenkt  und  in  die 
Bahn  der  Pulmonalarterienäste  und  Capillaren  eingepumpt.  Bei 
Behinderung  des  Luftzutrittes  muss  natürlich  das  Missverhältniss 
in  dem  sich  entfaltenden  Räume  durch  Zuströmen  einer  grösseren 
Blutmasse  ausgeglichen  werden.  Bei  Fortdauer  der  Ursache  pflanzt 
•ich  dann  die  Stauung  rückwärts  zum  Herzen  und  den  venösen 
Gefiissen  fort.  Wegen  der  Dnnnwandigkeit  und  leichten  Zer- 
reiesliehkeit  der  Capillaren  äussert  sich  beim  Fötus  wie  beim 
Neugeborenen  jede  stärkere  Hyperämie  der  Lungen  durch  Blnt- 
austritte  der  verschiedensten  Art. 

Voneitiges  Athmen  zieht  nicht  immer  den  Untergang  der 
Frucht  nach  sich,  —  der  Grad  der  nsphjctisehen  Intoxication 
und  die  Möglichkeit  der  Exspiration  der  eingesaugten  Massen 
durch  Husten,  Würgen  nnd  Brechen  entscheiden  über  das  Fort- 
leben des  Kindes. 

Was    die   Diagnose    des  vorzeitigen   Athmens   während    der 
Qeburt  anbelangt,   so  gelingt  es  in  seiteneu  Fällen,  die  Athem- 
Monauaohr.  f.  Oeburtuk.  1868.  Bd.XXI..8oppl.H/t.  13 


194  ^n.    Notiien'  ans  der  Jonrnal-Literatar. 

bewegnngen  des  Kindes  direct  sn  sehen  nnd  zn  fühlen ,  letxieres 
zuweilen  selbst  dann,  wenn  sich  das  Kind  noch  ganz  im  Uterus 
befindet.  Von  Wahrnehmung  der  Athembewegnngen  innerhalb 
der  Gebärmutter  mittels  der  Anscultation  liegt  nur  eine  einselne 
Beobachtung  vor.  Vagitns  uterinns  und  vaginalis  wird  sehr  selten 
beobachtet  —  bei  passender  Lagerung  der  kindlichen  Bespirations- 
Öffhnngen,  Klaffen  der  mütterlichen  Oeburtswege,  Application 
von  Manualhülfe  am  nachfolgenden  Kopfe. 

Aus  den  vom  Verf.  tabellarisch  zusammengestellten  F&llen, 
in  denen  die  sorgfältige  Beobachtung  des  Geburtsactes  und  dps 
durch  ihn  bedingten  Absterbens  des  Kindes  mit  der  nachherigen 
Untersuchung  der  kindlichen  Leiche  Hand  in  Hand  ging,  gebt 
hervor,  dass  bei  Todtgeborenen  meist,  bei  sterbend  geborenen 
Kindern  etwas  weniger  häufig,  keine  Luft  in  den  Lungen  an- 
getroffen wird.  Theilweiser  Luftgehalt  bei  Leichen  von  Kindern, 
die  vorzeitig  geathmet  haben,  kann  gefunden  werden,  wo  die 
Respirationsöffnungen  passend  gelagert  und  die  Gebortawege 
klaffend  erweitert  waren  (letzteres  also  namentlich  bei  Konst* 
hälfe) ,  wenn  die  letzten  Athembewegungen  des  sterbenden  Kindes 
noch  nach  der  Ausstossung,  wenigstens^  seines  Kopfes,  erfolgten, 
wenn  dem  asphyctischen  und  nicht  athmenden  Kinde  oder  der 
Leiche  Luft  eingeblasen  wurde.  Selbst  unter  diesen  Bedingungen 
kommt  ein  selbst  nur  theilweiser  Luftgehalt  nicht  immer  vor; 
ohne  sie  ist  er  niemals  zu  erwarten.  Der  rechte  Mittel-  und 
Oberlappen  füllen  sich,  vermuthlich  wegen  der  grösseren  Weite 
des  rechten  Bronchus,  selbst  bei  spärlichem  Luftzutritte  am 
leichtesten.  Marmorirte  Färbung,  Knistern,  Entleeren  von 
blutigem  Schaum,  Schwimmfähigkeit,  Aufsteigen  von  Luftblftschen 
sind  auch  hier  die  Charaktere  des  geathmet  habenden  Lungen- 
parenchyms. Rührt  der  Luftgebalt  von  Einblaeen  her,  so  findet 
sich  statt  der  Marmorirung  gleiehmässige  zinnoberrothe  Färbung, 
Zerreissnng  von  Lungenzellen,  Hyperaerie,  Mangel  des  blutigen 
Schaumes,  was  indess  bei  kleineren  Partieen  oft  schwierig  zu 
constatiren  ist. 

Aus  derselben  Zusammenstellung  ist  ersichtlich,  dast  in  des 
meisten  Fällen  abnorme  Füllungen  des  Traehealrohres  mit  Massen 
gefunden  wurden,  denen  zum  Theil  Meconium,  zum  Theil  nur 
Geburtsschleim,  Fruchtwasser,  mitunter  auch  Blut  oder  Vernix 
caseosa  beigemischt  waren.  Die  Rückschlüsse,  die  sieh  an  den 
Befund  solcher  Massen  in  den  Lüftwegen  knüpfen  lassen,  sind 
1)  mit  absoluter  Ocwissheit,  dass  Athembewegungen  stattgefunden 
haben,  2)  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit,  dass  dieselben  vor  oder 
während  der  Geburt  stattgefunden  haben.  Keineswegs  aber  ist 
der  Befund  von  specifischer  riüssigkeit  in  den  Luftwegen  an  nnd- 
für  sich  ein  Beweis,  dass  das  Kind  wirklioh  während  der  Geburt 
abgestorben  und  todtgeboren  sei,  ausser  wenn  sie  in  reichlicher 


VIT.    Notisen  aas  der  Joarnul- Literatur.  195 

Men^e  eingedrungen  und  durch  grössere  Bronchialgebiete  ver- 
breitet ist.  Das  Fehlen  Ton  dergleichen  Flüssigkeit  berechtigt 
nicht  SU  dem  Schiasse ,  dass  keine  vorzeitigen  Athembewegnngen 
gemacht  sind.  In  zweifelhaften  Fällen  bieten  unter  dem  Mikroskope 
die  von  den  galligen  Bestandtheilen  des  Meconium  herrührenden 
Cholestearinkry stalle,  unter  der  Loupe  die  an  dem  Mangel  einer 
Markröhre  kenntlichen  Wollhaare  und  die  amorphen,  mit  Epidermis- 
zellen  gemischten  Massen  des  Räseschleims  einen  werthvollen 
Anhalt. 

Blutfiille  in  den  Lungen  ist  das  allgemeine  und  vorwiegende 
Symptom  des  Erstickungstodes,  in  Verbindung  mit  allgemeiner 
oder  vorwiegender  Luftleere  specifisches  Zeichen  der  fötalen 
Erstickung.  Die  Zeichen  der  Lungenblutfülle  sind  zu  unter- 
scheiden in  solche,  die  in  kurzer  Zeit  spurlos  schwinden 
können  (blosse  Blutanhänfungen),  und  in  solche,  die  noch  längere 
Zeit  hindurch  erkennbare  Spuren  hinterlassen  (Blutaustrittc, 
namentlich  in  Form  von  punktförmigen  Ecchymosen).  Letztere 
sind  nicht  in  allen  Fällen  anzutreffen. 

Die  Befunde  der  übrigpn  Organe  nach  vorzeitigen  Athem« 
versuchen  können  in  Zusammenhang  mit  denselben  stehen,  — 
dahin  gehören  namentlich  das  Auffinden  von  specifischen  Stoffen 
in  den  oberen  Theilen  des  Darmcanals,  dahin  gelangt  durch  gleich- 
zeitige Schlingbewegungen,  meconiale  Imbibitionsfärbung  der 
Adnexen  des  Fötus,  die  an  den  Erstickungstod  gebundenen  weiteren 
Ausbreitungen  der  Lnngenblutstase  im  Gefässsjsteme.  Von  zu 
fälligen,  aber  mehr  oder  weniger  häufigen  Complicationen  im 
Sectionsbefunde  unter  der  Gebart  erstickter  Kinder  sind  vor- 
süglioh  zu  erwähnen  Hyperämieen  der  SchädelhShe,  Apoplezieen 
des  Gehirns,  verschiedene  örtlich  beschränkt  bleibende  Blnt- 
anhäufungen  in  äusseren  oder  inneren  Organen;  die  Haapt- 
bedingungen,  unter  welchen  diese  Erscheinungen  ganz  unabhängig 
von  der  sich  rückwärts  fortgepflansten  Staanng  in  den  Pnlmonal- 
gefässen  zu  Stande  kommen  können,  sind  directer,  langdanernder 
Druck  einzelner  Körpertheile,  besonders  des  Kopfes,  durch  die 
mütterlichen  Geburtstheile ,  sowie  Circulationsstörungen,  welche 
der  Fötus  bei  lange  dauernder  Gebart  mit  stürmischer  Wehen- 
thtttigkeit  als  directe  Folge  des  Druckes  der  Placenta  und  des 
Nabelstrangs  erfährt.  Untersoheldungsmomente  zwischen  der 
Entstehung  der  Hyperämie  dnrch  directe  Kreislaufshemmang  in 
Placenta  und  Nabelstrang  und  der  darch  Weiterverbreitung  der 
Stauung  aus  den  Pulmonalgefässen  ergeben  sich  aus  dem  Ver« 
halten  der  Blutgefässe  zwischei|  den  Lungen  und  den  betreffenden 
mit  Blut  überfüllten  Organen. 

(Henke^B  Zeitschr.  f.  d.  Staatsarzneikunde,  1863,  L  Heft.) 


13  • 


196  ^^^'    Notiien  uns  der  Joarnal-LiteraUir. 

Hug&nberger:  Das  Puerperalfieber  im  St.  Petersburger 
Hebammen-Institute  Ihrer  Kaiserl.  Hoheit  derGross- 
fürstin   Helena  Pawloiona  von    1845  — 1859   etc. 

Im  fünfsebnjilhrigen  Cjclns  Ton  1845  bis  1859  erkrankten 
im  Hebammeninstitute  von  8036  Wöchnerinnen  1614  oder  20  Proc. 
nnd  starben  806  oder  3,81  Procent. 

Hiervon  litten  220  Wöchnerinnen  an  allgemeinen,  der 
weiblichen  Fortpflansangsperiode  nicht  ausschliesslich  eigenen 
Krankheitssaständen  und  160  an  verschiedenen  Folgeaustfinden 
der  Geburt  und  allgemeinen  Wochenbettsübeln ,  die  susammen 
betläufig  68  TodesföUe  boten.  An  Pnerperalprocessen  im'  engeren 
iSinne  aber  erkrankten  1234  Wöchnerinnen  oder  15,35  Proc.  und 
starben  238  oder  2,96  Proc.  Zu  letzteren  wurde  auch  jede  im 
Wochenbette  auftretende  acute  Erkrankung  hinzugerechnet ,  die 
sich  unter  dem  bekannten  Symptomencomplez  des  einleitenden 
heftigen  Frostanfalls  mit  consecutivem  Hitzestadinm,  Pulsfrequenx 
von  100  bis  120  Schläge ,  Störung  der  Wochenbettsfunctionen  etc. 
manifestirte.  Denn  wenn  auch  Verf.  als  Essentielles  des  Puerperal- 
fiebers im  engeren  Sinne  nur  acute  Blutkrankheit  anerkannte,  so 
konnte  er  doch  die  häufig  fragmentarischen  Annäherungen  an 
dasselbe  um  so  weniger  ansschliessen,  als  sie  einerseits  klinisch 
keine  ausreichende  Differentialdiagnostik  gestatteten,  anderer- 
seits durch  nicht  seltenes  Hinzutreten  des  pathognomonischen 
Blntleidens  selbst  die  volle  Identität  mit  demselben  gewannen. 
Verf.  unterschied  folgende  Puerperalfieberformen: 

Ä.    Localisirte  Pnerperalprocesse. 

1.  Leichtgradige  Metroperitonitis 278  FftUe  ohne  Todte. 

2.  „  Endometritis 806      n         n  n 

3.  Hochgradige  Metroperitonitis 346      „  mit  116  Todten. 

4.  „  Endometritis 79      „     «      80        „ 

5.  n  MetrophlebitisundPyämie  123      »     „      78        « 

B,    Nichtlocalisirte   Pnerperalprocesse. 

1.  Leichtgradiges  entzündliches  Fieber  88  Fälle  ohne  Todte. 

2.  Hochgradige  acute  Septicämie  14  Fälle  mit  14  Todten. 

Bezüglich  der  Todesfalle  musa  erwähnt  werden,  dass  hänfig 
noch  schwerkranke  Wöchnerinnen  die  Anstalt  verliessen  and 
somit  gewissem  Tode  entgegengingen. 

Mit  Bezugnahme  auf  den  jedesmaligen  Wöchnerinnenbestand 
ergaben  sich  für  die  vier  meteorologischen  Jahreszeiten  folgende 
Verhältnisse : 

Im  Winter  wurden  2106  Wöchnerinnen  verpflegt,  von  denen 
405  oder  19,23 Proc. erkrankten  und  88  oder  4,18Proc.  starben. 

Im  Frühling  wurden  1934  WÖehuerinnen  verpflegt,  von  denen 
292  oder  15,09  Proc.  erkrankten  und  66  oder  d«41  Proc.  starben. 


VTI.    Nottsen  ans  der  Journal -Literatur.  197 

Im  8ommer  wurden  1927  WÖehnerinnen  verpflegt,  ron  denen 
227  oder  11,77  Proc.  erkrankten  und  89  oder  2,02 Proc.Btarben. 

Im  Herbst  wurden  2069  Wöchnerinnen  verpflegt,  von  denen 
310  oder  14,98  Proc.  erkrankten  und  46  oder  2,17 Proc. starben. 

Mitbin  vindicirte  sich  der  Winter  ein  Mortalitätspias  von 
1  Proc,  der  Frühling  von  V,  Proc.  und  boten  der  Sommer  und 
Herbst  dagegen  ein  Minus  von  nicht  ganz  1  Proc.  MortalitXt 
gegen  das  mittlere  Verhältniss  der  ganzen  Zeit  von  2,96  Proc. 
Die  Monate  Juli,  August,  September  und  Ootober  fielen  um  das 
Doppelte  günstiger  aus,  als  der  December,  Januar,  Februar 
und  April. 

Hinsichtlich  der  jährlichen  £rkrankungs  -  und  MortalitAts- 
eurse  ist  zu  erwKhnen,  dass  10  Jahre  geringere  und  6  grössere 
als  die  mittlere  Sterblichkeit  ergaben ,  7  geringere  und  8  grössere 
als  die  mittleren  Erkrankungscurse.  Während  der  Quindecennii 
grnpptrten  sich  die  Puerperalprocesse  in  sogenannte  Epidemien 
in  folgender  Weise : 

1)  1846.  Das  Puerperalfieber  herrschte  im  Frühling.  Es 
begann  im  März,  cnlminirte  im  Mai  und  endete  im  Juni.  Von 
103  Wöchnerinnen  erkrankten  36  und  starben  10.  Den  Ausgangs- 
punkt bildete  eine  ältere  Erstgebärende,  die  wegen  langwieriger 
Motilitätsstörung  nach  72stündiger  Geburtsdauer  mit  der  Zange 
entbunden  worden  war  und  einen  Dammriss  erlitten  hatte.  Colpitis 
und  Endometritis  septica  verliefen  wegen  intercurrirender  Gangrän 
der  hinteren  Scheidenwand  äusserst  langwierig,  es  genas  jedoch 
Patientin.  r 

2)  1848.  Das  Puerperalfieber  herrschte  im  Frühling  und 
Herbst.  Beginn  im  März,  Höhepunkt  im  Mai,  Abnahme  im  Juni 
und  Juli,  neue  Tncretion  im  August  und  September,  Culroination 
im  Oetober.  Es  erkrankten  im  Frühling  von  98  Wöchnerinnen  20, 
also  circa  die  fünfte,  und  starben  8,  oder  je  die  zwölfte.  Im 
Herbst  erkrankten  von  66  Wöchnerinnen  19,  oder  circa  jede  dritte, 
und  starben  10,  oder  jede  siebente. 

3)  1840.  Häufige  aber  nicht  intensive  Puerperalprocesse 
herrschten  in  allen  vier  Jahreszeiten.  Beginn  im  Januar,  Cnlmi- 
nation  im  April,  Nachlass  im  August  und  September,  neue 
Incretion  im  Oetober  und  endliches  Erlöschen  im  November.  Es 
erkrankten  von  292  Woche  rinnen  69  oder  jede  vierte  und  starben  11 
oder  jede  siebenundawanzigste.  Abermals  eröffneten  als  nächstes 
ätiologisches  Moment  die  nachfolgenden  häufigeren  Erkrankungen 
zwei  pathologische  Geburten,  die  schon  in  den  Deeember  des 
vorhergehenden  Jahres  fielen. 

4)  185S/53.  Beginn  im  März  und  erste  Dauer  bis  zum 
Juni,  darauf  Nachlass  während  des  Sommers  und  Herbstes  und 
neues  Aufflackern  erst  im  November  mit  Culmination  im  Januar 
und  Erlöschen  Ende  Februar  des  nächstfolgenden  Jahres.    In  der 


198  VII.    Notizen  »na  der  JoarnaULiterMor. 

Früblingshälfte  erkrankten  tob  209  Wöchnerinnen  46»  oder  jede 
fünfte,  und  starben  7,  oder  jede  dreissig^ste.  Im  Winter  1852  anf 
1853  erkrankten  von  193  Wöchnerinnen  wiederum  46,  oder  jede 
vierte,  und  starben  11,  oder  jede  achtzehnte.  Die  Introduction 
zu  neuen  Erkrankungsfällen  bildete  dies  Mal  eine  mit  Typhus 
abdominalis  und  erschöpfenden  Durchfällen  behaftete  Mehr- 
gebärende ,  die  bald  nach  erlittener  Frühgeburt  einer  circa  sechs- 
roonatlichen,  todtfaulen  Frucht  unter  deutlichen  Symptomen  von 
Septicämie  erlag. 

5)  1854.  Das  Puerperalfieber  herrschte  im  Spätsommer. 
Beginn  im  Juli,  Culmination  im  August,  Erlöschen  im  September. 
Von  172  Wöchnerinnen  erkrankten  25,  oder  circa  jede  siebente, 
und  starben  9,  oder  jede  neunzehnte.  Den  Ausgangspunkt  bildete 
dieses  Mal,  nachdem  16  Monate  hindurch  der  Zustand  ein  voll- 
kommen günstiger  gewesen  war,  eine  junge  kräftige  Erstgebärende, 
die  nach  langwieriger  Verzögerung  des  Geburtsgeschäftes  durch 
Krampfwehen,  an  Metrophlebitis  starb. 

6)  1855/56.  Das  Puerperalfieber  herrschte  mit  Heftigkeit 
im  Winter  und  Frühling.  Beginn  im  November  1855,  Cnlmination 
im  Januar  und  FebruaT  und  Erlöschen  im  Mai  nach  sechsmonat- 
licher Dauer.  Von  322  Wöchnerinnen  erkrankten  106,  d.  h.  jede 
dritte,  und  starben  26,  oder  jede  dreizehnte.  Die  ersten  ein- 
leitenden Todesfälle  gehörten  auch  hier  pathologischen  Geburten  an. 

7)  1858/59.  Das  Puerperalfieber  herrschte  im  Winter, 
Sommer  und  Herbst.  Beginn  im  November  1858,  Incretion  im 
Januar,  Culmination  im  Februar,  Erlöschen  im  März.  —  Darauf 
im  Juli  neue  Incretion  und  Andauer  weniger  intensiven  Erkrankungen 
bis  zum  Ende  November.  Es  erkrankten  in  der  Wintergruppe 
von  252  Wöchnerinnen  97,  oder  jede  zweite  bis  dritte,  und 
starben  18,  oder  jede  vierzehnte.  Auch  dies  Mal  müssen  als 
vorzüglichste  Quelle  zwei  pathologische  Geburten  betrachtet 
werden. 

Am  ungünstigsten  erwiesen  sich  mithin  die  Jahre  1846, 
1848  und  1856  und  der  Winter  1858  auf  1859,  wobei  die 
Sterbefälle  zwischen  7  und  15,  die  Erkrankungen  zwischen  20 
und  38  Procent  schwankten;  am  günstigsten  dagegen  die  Jahre 
1849,  1852,  1854  und  der  Sommer  und  Herbst  1859,  in  welcher 
Zelt  die  Mortalität  zwischen  3  und  5,  die  Erkrankungen  aber 
zwischen  14  und  29  Procent  variirten. 

Was  den  Zustand  der  Neugeborenen  snrZeit  eben  herrschender 
Pnerperalprocesse  betrifft,  so  wurden  im  Ganzen  bei  längerem 
Verweilen  der  Schwangeren  in  der  Anstalt  nur  in  den  Jahren 
1846,  1848,  1856  und  1859  ein  Ansteigen  der  Zahl  der  todt-  und 
todtfaulgeboreoen  Kinder  gegen  das  durchschnittliche  Mittel  von 
15  Jahren  bemerkt.  In  Bezug  auf  die  Mortalitätsverhältnisse 
(ubend^reborener  Kinder    aber    erwiesen   sich    ausschliesslich   die 


VU.    Kotiiea  aus  der  Joamal*  Literatur.  1:^9 

Jahre  1846  und  1866  ungüneUg.  Doch  ist  eine  vergleichende 
ZaBammeDstelliinip  des  Ganges  der  puerperalen  Erkrankungen 
der  Mütter  und  Kinder  in  der  Anstalt  jeder  Zeit  erschwert,  da 
die  Ton  noehelichen  Müttern  geborenen  Kinder,  also  circa  Va  aller, 
stets  unmittelbar  nach  der  Geburt  in  das  Findelhaus  transferirt 
werden  und  somit  der  Beobachtung  entgehen.  £clampsie,  Trismos, 
Icterus  mit  Atrophie,  wandernde  und  phlegmonöse  Erysipele, 
Induratio  telae  cellulosae ,  bösartige  Ophthalmia  purnlenta, 
Phlebitis  umbilicalis  und  acute  exsudative  Peritonitis  erinnerten 
an  die  eben  herrschenden  Krankheitspro cesse  der  Mütter. 

Symptome,  Verlauf  und  pathologisch  -  anatomischer  Befund 
liefern  nichts  Neues.  Das  Essentielle  blieb  jedoch  in  jedem  Falle 
die  Blutintoxication  selbst. 

In  dem  Abschnitte  „Aetiologie  der  Puerperalprocesse''  be- 
spricht Verf.  den  Einfluss  der  Constitution ,  der  Altersverhältnisse, 
die  geringere  und  grössere  Häufigkeit  vorausgegangener  Schwanger- 
schaften, allgemeine  Krankheitszustände  der  Schwangeren  und 
Gebärenden,  den  längeren  oder  kürzeren  Aufenthalt  der  Schwangeren 
in  der  Anstalt,  starke  Ausdehnung  des  Fruchthalters,  kürzere 
oder  längere  Geburtsdauer,  dynamische  und  mechanische  Störung 
des  Geburtsgeschiiftes,  traumatische  Verletzungen  der  Geburts- 
wege, Blutungen  sub  partu  und  post  partum,  Gassengeburten, 
Aborte  und  Frühgeburten,  macerirte  und  todtfanle  Früchte,  die 
unterdrückte  Milchsecretion,  Diätfehler,  Erkältungen  und  Ge- 
müthsbewegungen,  epidemische  Einflüsse  und  endlich  die  cada- 
veröse  Infection. 

Hinsichtlich  der  epidemischen  Einflüsse  gewann  Verfasser 
folgende  Sätae: 

1)  Die  sogenannten  Puerperalfieherepidemien  ooinoidirten 
innerhalb  der  verschiedenen  Gebärhäuaer  der  Resideas  nicht 
oder  nur  ausnahmsweise. 

2)  In  dem  Weiohbilde  der  Stadt  herrschte  w&hrend  15  Jahren 
das  Puerperalfieber  niemals  epideroiseh. 

3)  Die  vorübergehenden  Schwankungen  des  Plus  oder  Minus 
der  Mortalität  in  der  Stadt  standen  in  stetem  Widerspruche  mit 
gleichseitig  ungünstigen  oder  günstigen  Verhältnissen  in  den 
Gebärhftusem. 

4)  Nur  die  verschiedenen  Jahresaeiten  behaupteten  einen 
durohsehnittlich  eoastanten  Einfluss  auf  den  Gesundheitssustand 
der  Wöchnerinnen,  sowohl  innerhalb  als  ausserhalb  der  Gebär- 
häuser. 

In  Besug  auf  eadareröse  Infection,  Selbstinfeetion,  Noso* 
comlalatmosph&re ,  bekennt  Verfasser,  dass  unl&ugbare  Beispiele 
vorliegen;  doch  sprechen  für  Infection  durch  Leichengift  die 
seltensten,    für   Selbstinfeetion    bei   weitem    die   Mehrzahl,    für 


200  VII.    Notiien  »ub  der  Journal- Lite ratar. 

Infection  durch  sersetate  organieche  Stoffe  fllhreBde  HospttaDnfl 
endlieh  die  hKnfigsten  Fdlle. 

Die  Prophylaxis  der  Pnerperalprocesse  iet  nnbeaweifelt  nnr 
in  den  ▼ollkommensten  V entilationsmitteln ,  in  minntiöser  ReiB' 
lichkeit  nnd  Ordnung  und  beeonders  in  der  andanemdeten  Ge- 
wissenhaftigkeit nnd  Anfmerksamkeit  des  Dienstpersonals,  der 
Hebammen  und  Aerzte  sn  suchen. 

Therapie   der  Pnerperalprocesse. 

Keine  der  bekannten  Heilmethoden  blieb  im  Verlaufe  der 
Jahre  y  denen  der  Bericht  entnommen  ist,  unversucht  und  keine 
war  schliesslich  des  rechten  und  nachhaltigen  Vertrauens  wertb. 
^ach  den  oben  anfgesählten  Puerperalfieberformen  war  die  Be- 
handlungsweise  folgende : 

1)  Metroperitonitis.  1845  bis  1860  wurden  allgemeine 
Blutentziehungen  bei  dazu  geeigneten  Subjecten  ▼orgenommen 
und  gewährten  in  64  ernsten  Erkrankungen  offenbaren  Nutzen, 
da  nur  14  derselben  lethal  endeten.  Nach  1850  geriethen  jedoch 
die  Venäsectionen  absolut  in  Miscredit  und  wurden  nachher 
nicht  wieder  aufgenommen,  da  fast  ohne  Ausnahme  nach  jeder 
Blnteutsiehung  rascher  Verfall  der  Kräfte  und  tödtlicher  Aasgang 
durch  Blutdissolution  erfolgte. 

Locale  Blutentziehungen  dagegen  erhielten  sich  stets  einen 
guten  Namen.  Calomel  fast  ausschliesslich  in  kleinen  Gaben, 
Nitrum,  Tartarus  stibiatns  und  Digitalis  genossen  die  ans- 
gebreitetste  Anwendung.  Bei  hochgradigem  Collapsus  und  schon 
eingetretener  Blutdissolution  konnte  nur  in  den  seltensten  Fällen 
den  Ezcitantien  irgend  ein  Nutzen  abgewonnen  werden. 

Die  lästigen  und  lebensgefährlichen  örtlichen  Symptome  der 
Metroperitonitis,  Hypogastrialschmers ,  Meteorismns,  profuse 
Diarrhöen,  Erbrechen  und  die  mehr  weniger  ansgebreiteten  Ez> 
sudationen  im  Peritonäalcaro  erfuhren  nachstehende  Behandlung: 

a)  Der  Schmers:  ausser  mit  Blutegeln  mit  feuohtwarmen 
Brei-  und  temperirten  Wasserumschlägen ,  in  höheren  Graden 
mit  Etsfomentationen  oder  hydrotherapeutisch  mit  Compresses 
ochanffantes.  Auch  die  CoUodiumübersüge  der  Bauehdeoken 
wurden  yersncht  und  in  nicht  unbeträchtlicher  Zahl  von  Fällen 
von  auffallend  schneller  und  günstiger  Wirkung  befänden. 
Dr.  Tamoff$ky  verwirft  die  Ansicht  Latour*s,  der  an  Folge  es 
an  den  damit  bedeckten  Hantstellen  durch  aufgehobene  Säuerstoff- 
resorption  entsündungswidrig  wirke  und  sucht  im  Gegentheile, 
bei  bekannt  grösserer  Ausgabe  als  Einnahme  von  Seiten  der 
Haut,  die  günstigen  Erfolge  des  Collodinm  in  der  inhibirten 
Ausscheidnng  von  CO«,  der  er  sodann  die  anästhesirende  Wirkang 
beilegen  sn  müssen  glaubt. 

b)  Gegen  den  Meteorismns :  entweder  Laxantien  oder  Opiate, 
doch  nie  mit  besonderem  Erfolge. 


VII.    NotiseB  ans  der  Jonrnal- Literatur»  201 

d)  Gegen  lebeDegef&hrliohe  und  hochgradige  Diarrhoen 
Opiate,  Höllenstein,  Tannin  and  Alaan,  snweilen  mit  Nntsen. 
Gegen  Erbrechen:  Eiepillen,  Gefrorenes,  Bransemisehnngen  nnd 
endlieh  Opiate,  stets  mit  nnr  geringem  Erfolge. 

d)  Leichtgradige  nnd  frische  Ezsadationen  wnrden  oft  daroh 
Qnecksilbereinreibnngen  nnd  Blasenpflaster  gehoben,  ausserdem 
kamen  auch  Jodbepinselnngen  in  Gebranch. 

2)  Endometritis.  Dnrch  die  topische  Behandlang  der 
Endometritis  wurde  stets ,  durch  die  allgemeine  nur  selten  sicher 
wahrnehmbarer  Nntsen  ersielt.  Die  einleitende  Behandlung  bildeten 
Blntegelapplicationen  ad  Collum  uteri. 

3)  Metrophlebitis  und  Pjämie.  Ebenso  wie  bei  Endo- 
metritis wurden  stets  allgemeine  Blutentsiehungen  vermieden, 
jedoch  gern  (im  Beginne  der  Krankheit)  Blutegel  an  die  Vaginal- 
portion, den  Damm  oder  die  äusseren  Genitalien  gebraucht. 
Chinin,  Injectionen  etc.  Doch  seigen  die  obigen  Mortalit&ts- 
ziffern  den  geringen  Erfolg. 

4)  Gegen  acute  Septicämie  seigte  sich  der  bekannte 
Arsneimittelschatz  yollkommen  erfolglos. 

(Petersb.  Med.  Zeitschrift,  Bd.  3,  1862.) 


Sey/ert:     Klinische     Bemerkungen     über     chronischen 
Uterusinfarot. 

Chronischen  Infarct  der  Gebärmutter  fasst  8.  auf  als  die- 
jenige FormTerKndening  des  Uterus,  welche  auf  gehemmter 
RQckbildung  seines  Gewebes  nnd  auf  mangelnder  Resorption  Ton 
in  denselben  gesetsten  Infiltraten  beruht.  Abhängig  ist  diese 
mangelhafte  Involution  von  schädlichen  Einflüssen ,  welche  in  der 
Böckbildnngsperiode  des  Uteringewebes  entweder  die  Gebftr- 
mutter  direet  treffen  oder  auf  den  gansen  Organismus  eine 
Süokwirknng  üben.  Aus  dieser  Entstehnngsweise  erhellt  die 
Unrichtigkeit  der  Beseiohnung  als  chronische  Gebärmutter - 
entsündnng.  Die  Vergrössemng  des  Uterus  übersteigt  gewöhn- 
lich das  Zwei-  bis  Dreifache  seines  normalen  Volumen,  die 
HShlendurchmesser  seigen  entsprechende  Zunahme,  die  Muskel- 
snbstane  ist  in  verschiedenem  Grade  fettig  degenerirt,  in  auf- 
Alliger  Weise  anämisch  und  brflohig,  die  Schleimhaut  geschwollen 
und  deren  Secretlon  vermehrt.  Die  Krankheit  äusert  sich  durch 
das  Gefühl  von  Druck  und  Zerrung  in  der  Leisten-  und  Krens- 
gegend,  und  swar  in  der  Art,  als  wollte  ein  schwerer  Körper  ans 
der  Beckenhöhle  treten,  dnrch  lästige  Empfindnngen  bei  jeder 
Art  von  Bewegung,  sowie  bei  Stnbl-  und  Harnentleerung, 
dnrch  unregelmässige  Menstruation  und  Schleimflüsse.  Diese 
Erscheinungen  sind   einer  weiteren  Stelgi^rnrg  fähig,   dnrch   die 


2d2  VIU;    LUQNkliir. 

•ich  häufig  im  Gefolge  de«  Gebärinntteriiilkrcte  enttri ekelnde 
Betroflexio  ntori.  Die  gesteigerte  Seaaibilität  de»  Frochthalters 
fei  darehftliB  nioht  »Is  Auedruok  einer  eatsüiidlichen  Affeetioii 
desselben  aafsafassen,  sondern  gehört  lediglich  sn  den  £r- 
eeheanongen  der  in  Folge  der  Sterilität,  der  Menorrhagieen  etc. 
allmäUg  sich  aasbildenden  Hysterie.  Die  Behandlang  hat  aar 
Anfgabe,  die  Stoffmetamorphose  mögUchat  anaaregen  and  sn 
beschleanigen ;  von  Natzen  sind  in  dieser  Besiehnng  ausser  einer 
geeigneten  Diät  vorzugsweise  gewisse  Mineralwässer,  welche  die 
Nieren-  and  Darmfanction  anregen,  haaptsächlicb  die  von 
Fransensbad,  Marienbad,  Krankenheil  und  Kissingen.  Das  An- 
setzen von  Blategcln  an  die  Vaginalportion  verwirft  S.  gänzlich, 
weil  die  BIntentziebang  die  allgemeine  Anämie  vermehrt. 
(Spitals -Zeitang,  1862,  No.  38.) 


VIIL 


Literatur. 


Baker  Brown:  On  surgical  diseases  of  women.  Zweite 
Auflage.  London  1861.  410  Seiten  mit  9  Tafeln  and  22  Holz- 
schnitten. 

£ine  neae  Auflage  dieses  vorsüglichen  Lehrbnches  über 
die  obirargischen  Fraaenkrankhetten  kann  um  so  weniger  sn 
einer  Kritik  aaffordern,  als  der  Verfasser  darin  hauptsächlich 
die  von  ihm  befolgten  Operationsverfahren  angiebt  and  daran 
die  Erfolge  derselben  iftus  seiner  reichen  Erfahrung  am  aurgioal 
home  for  Diseases  of  women  anreiht.  Erfolge  bieten  nun  jeden- 
falls die  beste  Kritik  für  Operationsverfabren  and  daher  mag  in 
Folgendem  ein  kurzer  Ausaug  die  Stelle  einer  eingehenden  Be- 
sprechung vertreten.  In  der  Einleitung  werden  die  Krankheiten 
der  weiblioben  Gesohleohtsorgane,  die  einer  obirargischen  Be- 
handlang zugänglich  sind,  sehr  zweckmässig  danach  eingetheiit, 
•b  sie  einen  ursHohlicben  Zosammenhang  mit  der  Geburt  und 
deoD  Woehenbette  haben  oder  nioht;  im  Verlaufe  dea  Werrkes  geht 
Verf»  jedoch  von  dieser  Eintheiinng  wieder  ab,  wobei  einaelne 
Kapitel  überhaupt  etwas  stiefmütterlich  behandelt  werden.  Zuerst 
bespricht  er  die  Operation  der  Dammrisse.  Unter  81  FiUlen  der 
Art,  die  von  B,  operirt  wurden,  war  die  Verletzung  64  Mal  bei 
der  ersten  Geburt  eingetreten,  darunter  war  diese  31  Mal  durch 


VIII.    LlterntQr.  203 

elae  Oper»tioB  beendet  worden«  Was  das  Alter,  in  welchem  die 
VerleUnng  stattfand,  anlani^y  so  waren  10  Frauen  20  Jahre  alt 
und  darunter  t«ämmtlich  £rstgebärende),  28  (darunter  25  Primi- 
parae) waren  20^30  Jahre,  16  (10  Primiparae)  30—40  Jahre  and 
3  (darunter  eine  44jährige  ErstgebKrende)  40 — ib  Jahre  alt.  Zur 
Verhütung  der  Dammrisse  hält  B,  das  Unterstützen  des  Dammes 
und  Ohloroformnarkose  für  sehr  wichtig.  Was  die  Operation 
anlangt,  so  kann  sie  auch  in  einer  Schwangerschaft  ohne  Störung 
derselben  gemacht  werden,  am  besten  geschieht  sie  unmittelbar 
nach  der  Verletzung,  wo  dann  die  Anfrischnng  der  Wundränder 
unnöthig  ist.  Durch  eine  Zapfennaht  werden  die  Ränder  ein- 
ander genähert  und  dann  durch  3 — 4  Silbersuturen  yereinigt. 
Um  die  Spannung  zu  heben,  macht  B.  swei  seitliche  Durch- 
schneidungen des  Sphincter  ani  nach  aus-  und  abwärts,  etwa  V4 
Zoll  lang,  wodurch  der  Sphincter  von  seiner  Anheftung  an  das 
OS  coccjgis  getrennt  wird.  Diese  Durchschneidungen  subcutan 
BU  machen,  hält  er  für  unnöthig.  Während  der  ganzen  Nach- 
behandlung muss  die  Operirte  in  der  Seitenlage  yerharren  und 
erhält  wiederholte  Gaben  von  Opium,  um  den  Stuhlgang  mög- 
lichst lange  anzuhalten;  die  angesammelten  Kothmassen  müssen 
das  erste  Mal  auf  mechanischem  Wege  möglichst  yorsichtig  aus 
dem  Mastdarme  entfernt  werden.  Die  tiefen  Nähte  entfernt  B. 
spätestens  am  dritten  Tage,  die  anderen  am  sechsten  bis  siebenten. 
Von  den  81  so  operirten  Frauen  starben  3  an  Pyämie,  bei  3  ge- 
lang die  Operation  nicht  (darunter  eine  65jährige,  bei  der  die 
Buptur  schon  20  Jahre  bestanden  hatte),  die  übrigen  wurden  alle 
ToUkommen  geheilt,  davon  haben  15  später  wieder  geboren  und 
nur  bei  4  ist  der  Damm  wieder  eingerissen.  Die  folgenden 
Kapitel  handeln  über  Prolapsus  vaginae  und  Prol^sus  uteri. 
Dass  letzterer  durch  Verlängerung  der  Vaginalportion  bedingt 
wird,  ist  sehr  selten  und  eine  Operation  alsdann  unnütz.  Sehr 
ausführlich  wird  dann  die  Operation  der  Blasenscheidenüstel  ab- 
gehandelt. Unter  42  Yon  B.  operirten  Fällen  derart  war  die  Ver- 
letzung eilf  Mal  allein  durch  lange  Geburtsdauer  ohne  geburtshülf- 
licbe  Operationen  bedingt,  interessant  ist  die  Aetiologie  eines 
Falles,  wo  ein  Stein  in  der  Blase  war  und  die  Blasenwand  während 
der  Geburt  zwischen  diesem  und  dem  Kindskopfe  gedrückt  wurde. 
B,  benutzt  eine  grosse  Anzahl  von  Instrumenten,  die  auf  dem 
Contioent  entweder  unbekannt  oder  wenigstens  nicht  in  Gebrauch 
sind»  über  deren  Werth  sicher  auch  schwer  au  urtheilen  ist. 
So  werden  beschrieben  und  abgebildet,  ein  harpunen-  oder 
gabelförmiges  Instrument,  um  beim  Anfrischen  der  Wundränder 
diese  zu  fixiren.  Klammem,  um  die  Ränder  einander  zu  nähern, 
▼erschiedene  Nadelhalter,  Specula  u.  s.  w.  B,  wendet  bei  den 
Nähten  oft  die  Methode  von  Bowman  an,  wo  die  Drähte  der 
Suturen    durch    kleine    Kugeln    auf   einer   Bleiplatte    zusammen- 


204  VIll.    Literatur. 

gepresat  and  so  yereinigt  werden.  Was  die  Operation  Reibst 
anlangt,  so  will  B,  auch  stets  die  Ränder  der  Fistel  in  toto  als 
Ring  ausgeschnitten  wissen,  nm  nicht  irgendwo  etwas  Ton  dem 
callÖsen  Rande  sn  Übersehen,  die  Sntoren  selbst  legt  er  so  an, 
dass  die  Schleimhaut  der  Blase  vermieden  wird.  Wfthrend  der 
Nachbehandlung  lässt  er  den  Katheter  fleissig  applieiren  oder 
iKsst  ihn  auch  wohl  liegen.  Von  den  so  behandelten  42  Pillen 
starben  3,  die  andern  39  wurden  geheilt,  darunter  19  durch  eine 
Operation.  (Bis  su  neun  Operationen  ist  B.  in  einem  Fall  vor- 
gegangen.) 

Die  nun  folgenden  Abschnitte  über  Operationen  der  Reeto- 
▼aginalfisteln ,  der  Verletssungen  der  Vagina,  enthalten  nichts 
Neues.  Bei  der  Entfernung  von  Fibroiden  des  Uterus  lässt  B.^ 
wenn  dazu  Einschnitte  in  den  Muttermund  nSthig  sind,  diese 
erst  verheilen,  ehe  er  an  die  Hauptoperation  geht,  um  so 
Prämie  su  vermeiden.  Durch  Excision  von  grossen  Stücken 
ans  einem  Fibroid  soll  man  bei  der  geringen  „Vitalität**  dieser 
Geschwülste  dieselben  sum  Absterben  bringen  können.  Bei  Polypen 
legt  B,  erst  eine  Ligatur  um,  schneidet  dann  aber  die  Geschwulst 
gleich  ab.  Es  folgen  nun  die  chirurgischen  Verfahren,  die  man 
ansnwenden  hat  bei  Blumenkohlgewftchs  der  Vaginalportion,  hei 
Steinen  in  der  Blase,  (die  Reihenfolge  der  Kapitel  ist  unverändert 
wiedergegeben),  bei  verschlossenem  Hymen,  Sackgeschwulst  der 
Schamlippen,  Geschwülste  des  Kitzlers,  der  Harnröhre,  Krank- 
heiten des  Mastdarms  durch  Gebärroutterleiden  bedingt  u.  s.  w. 
In  allen  diesen  Abschnitten  ist  nichts  wesentlich  Neues  geboten. 
Dasselbe  g^lt  von  dem  sehr  dürftigen  Kapitel  über  Sterilitftt. 
Dagegen  ist  der  letste  Theil  über  Ovarialkysten  und  deren  Be- 
handlung ebenso  ausführlich  wie  wichtig,  jedoch  eignet  er  sich 
sn  einem  Auszug  weniger,  insofern  im  ersten  Theile  desselben 
über  Pathologie  und  Diagnose  dieser  Geschwulst  nichts  Neues 
enthalten  ist,  und  dann  alle  Operationsverfabren  einer  Kritik 
unterworfen  werden,  aus  der  hervorgeht,  dass,  ohne  die  Punction 
gans  SU  verwerfen,  die  totale  Exstirpation  des  kranken  OvaHums 
die  beste  Methode  ist.  Die  Operation  selbst  wird  ausführlich 
beschrieben,  weicht  aber  in  nichts  von  der  ans  England  jetst 
schon  sur  Genüge  bekannten  Methode  ab.  Zum  Schluss  werden 
sKmmtliche  26  Fälle  von  Ovariotomie,  die  der  Verf.  gemacht  hat, 
specieller  angeführt,  bei  denen  10  Mal  die  dauernde  Heilung 
durch  die  Operation  herbeigeführt  wurde;  die  16  Todesfälle  waren 
meist  durch  Peritonitis  bedingt. 

(Ttfsssroto. 


VIII.    Literfttnr.  206 

Die  Hämatocele  retroaterina  und  die  freien  Blat- 
eztr&yasate  in  der  Beckenhöhle  von  A.  Voisin,  In's 
Dentsche  übertragen  von  B  r.  med.  Ed.  Langenbeck, 
Obergerichtsphysious  and  practischem  Arste  in  Göttingen. 
Göttingen  1862. 

Im  vorliegenden  Werke  wird  uns  eine  auBfährlicbe  Mono- 
graphie der  Hämatocele  geboten  and  es  war  eine  dankenswerthe 
Aufgabe )  das  Bach  za  übersetzen,  da  FowtVs  Arbeit  die  erste 
ist)  welche  die  bisher  in  Zeitschriften  and  wenig  zugänglichen 
Dissertationen  zerstreuten  Beobachtungen,  allerdings  mit  Ans* 
schluss  der  neuesten  deutschen  Literatur,  möglichst  ToUstfindig 
zusammenfasst.  Durch  einige  Kürzungen,  welche  der  Uebersetzer 
anzubringen  für  nothwendig  hielt,  hat  das  Werk  ohne  Zweifel 
nur  gewonnen. 

Das  erste  Kapitel  umfasst  eine  historische  üebersicht.  Bis 
zum  Jahre  1860,  wo  N4laton  die  von  ihm  so  genannte  Hämatocele 
retrouterina  als  bestimmte  Krankheitsform  aufstellte,  finden  sich 
über  dieselbe  in  der  medicinischen  Literatar  nur  einzelne  zer- 
streute Thatsachen.  Schon  Hippokrates  deutet  an  einigen  Stellen 
die  in  Rede  stehende  Affection  an.  Bei  CeUus  findet  sich  Nichts, 
während  Galen  eine  Bemerkang  macht,  die  später  von  den  ara- 
bischen Aerzten  fast  wörtlich  wiedergegeben  wurde.  Der  erste, 
welcher  eine  sehr  bestimmte,  klare  und  genaue  Beschreibung 
gab,  sowie  die  Hämatocele  retrouterina  benannt  hat,  war^l850 
NücUon.  • 

Im  zweiten  Kapitel  ist  von  der  Benennung,  dem  Begriff  und 
der  Häufigkeit  der  Hämatocele  die  Rede.  Verf.  behält  den  Namen 
Hämatocele  retrouterina  bei,  weil  hauptsächlich  der  hintere 
Theil  des  Uterus  von  dem  Extravasate  umfasst  wird.  Die  Häma- 
tocele ist  stets  eine  intraperitonäale  und  bezeichnet  einen,  in 
Folge  menstrueller  Zufälle  bedingten,  in  der  Peritonäalhöhle 
des  kleinen  Beckens  zwischen  Uterus  und  Rectum  abgekapselten 
Blutergnss.  Die  Hämatocele  ist  keine  häufige  Affection;  bisher 
sind  kaum  60  Beobachtungen  bekannt  gemacht  worden. 

Nachdem  im  dritten  Kapitel  kurz  einige  Punkte  der  Ana- 
tomie der  Organe  und  Theile,  die  bei  der  Hämatocele  retro- 
aterina Veränderungen  zeigen,  berührt  sind,  liefert  das  vierte 
Kapitel  eine  Kritik  der  verschiedenen  Theorien  der  Hämatocele 
retrouterina,  nämlich  den  spontanen  Eiaustritt;  die  Apoplexie 
des  Ovariums;  die  Hämorrhagie  der  Tuben;  den  Rückflnss  des 
Blutes  von  dem  Uterus  in  die  Muttertrompete  und  das  Peritonäum; 
den  extrauterinen  Eiaustritt,  und  die  Yaricen  des  Ligament,  la- 
tum.  Verf.  theilt  dem  Ovarium  eine  entschiedene  Hauptrolle 
bei  Entstehung  der  Hämatocele  retrouterina  zu.  Nach  ihm  (Kap.  6) 
giebt   es   drei  Arten   von  Ursachen:     1)  eine  während  der  Regel 


206  VBfl-    T.iteratnr. 

erfolgte  Congestion  and  Blntnng  der  Elerstocksfollikel,  2)  der 
Rückflass  des  Blutes  ans  dem  Uterns  in  die  Tuben  and  das  Peri- 
tonäum,  3)  eine  H&morrhagie  ^er  Tuben;  die  Hämotocele  retro- 
uterina  setst  eine  gleichzeitig  vorhandene  Menstruation  and  den 
erhöhten  Blutandrang,  welcher  dieselbe  begleitet,  voraas.  "Wir 
finden  daher  anter  der  Gesammtsumme  von  34  Beobachtungen, 
in  denen  das  Alter  erwähnt  ist,  nur  eine  einsige  Frau  von 
weniger  als  21  und  ebenso  nur  eine  von  mehr  als  40  Jahren 
(Kap.  5).  Die  nicht  abgekapselten  Blutextravasate  können 
gleichfalls  Ovarienblntnngen ,  Rückflass  des  Blutes  aus  dem 
Uteras  and  tubäre  Hümorrhagien  zur  Ursache  haben;  aber  sie 
können  auch,  was  bei  der  Hämatocele  ausgeschlossen  ist,  in 
Folge  der  Berstung  von  subovariellen  Varicen  entstehen. 

Der  Verlauf,    die    Daner  und   Ausgänge   (Kap.  8)   der  nicht 
abgekapselten  Blutest ravasate  war  in  allen  Fällen  ein  sehr  stür- 
mischer.   Der  Tod  trat  stets  in  weniger  als  12  Stunden  ein.    Bei 
der  Hämatocele   ist  der   Verlauf  verschieden;    bald  beginnt   die 
Affection    mit  grosser  Heftigkeit,    bald   sind   die   Symptome   die 
einer  subacuten  Krankheit.     Das  tödtliche  Ende  ist  im  Verhält- 
niss    zu    den   Fällen    von   Heilung  selten.      Ueberlässt    man    die 
Heilung  der  Natur,  so   beobachtet  man  verschiedene  Ausgänge: 
1)  Die  Resorption  der  Geschwulst,  2)  die  Entleerung  der  Flüssig- 
keit durch   das   Rectum,    3)    die   Oeffnung   des   Heerdes   in    die 
Vagina,  4)   den  Erguss   der  Flüssigkeit  in   den   frei  gebliebenen 
Theif  der  Bauchhöhle,  5)  die  Suppuration  des  Blutheerds.    Nach- 
dem  im  neunten  Kapitel    die  Diagnose   der  in   Rede  stehenden 
Affectionen  besprochen  ist,  wobei  sich  Verf.  ganz  energisch  gegen 
die  Explorativpunction  erklärt,  findet  sich  im  zehnten  Kapitel  der 
Sitz  der  Hämatocele  abgehandelt,    und   zwar  wird  derselbe,   ge- 
stützt auf  zahlreiche  Sectionen,   als   ein  intraperitonäaler  ange- 
nommen,  da  keine  Thatsache  bis  jetzt  zweifellos  den  extraperi- 
tonäalen  Sitz  der  Hämatocele  dargethan  hat.    Kapitel  11  und  12 
enthält  die  anatomischen  Veränderungen,   die  Prognose  und  Be- 
handlung.    Beide  Affectionen  sind  als   sehr  ernst  zu  betrachten, 
die  freien  Blutextravasate  sogar  als  schnell  tödtlich.    Die  bisher 
bejahend  beantwortete  Frage,  ob  die  Hämatocele  stets  Unfrucht- 
barkeit bedinge,  verneint  Verfasser,  indem  er  sich  auf  di«  Fort^ 
dauer  der  Menstraation  stützt.     Bei  Behandlang  der  Hämatocele 
sind    bis    jetzt    noch    zwei    Handlungsweisen    üblich;     die    eine 
chirurgische,   anfangs  ausschliesslich   angewandt,   besteht  in  der 
Function  oder  Incision  der  Geschwulst  und  Entleerung  des  Inhalts, 
(ein  Viertel  der  so  behandelten  Kranken  ging  zu  Grunde).     Die 
zweite   Methode   ist  hauptsächlich   exspectativ  und   ein   Resultat 
der  Anwendung   der  ersten;   einige  FlClli^  von  putrider  Infection 
mit  tödtlichem  Ausgange  veranlassten  If^laton,    das  Prlncip  des 
chirurgischen    Einsehreitens    in    so  allgemeiner  Auadehnang   zu 


Vm.    Literatar.  207 

▼eriassen,  er  besehr&nkte  es  seit  1861  auf  gewisse  gans  b^eirtimmt 
charakterisirte  Fälle.  Die  iDoere  Bebaiidifiiig  der  Hämstooele 
hat  die  Aufgaben  t)  neue  Blutungtn  su  verhüten,  2)  die  dureh 
die  Hftmorrhagie  bedingtes  Zustände,  Geschwulst,  Anämie  und 
Peritonitis  bu  beseitigen.  Die  Zabl  der  Todesfölle  von  nach 
dieser  Methode  Behandelten  betrug  nur  V^. 

Hieran    schliessen    sich    die  Mittheilungen    von   36   Krank- 
heitsfällen. 

Schliesslich  sprechen  wir  die  Ueberzeugung  aus,  dass  jeder 
Arzt,  nicht  bloss  der  Fachgenosse,  vorliegende  durch  Klarheit 
ausgezeichnete  Monographie,  die  eine  Lücke  in  der  Literatur 
der  Fraueukrankeiten  auszufüllen  bestimmt  ist,  mit  grosser  Be- 
friedigung lesen  wird. 

Haake, 


Klinische  Beiträge  zur  Gynäkologie.  Herausgegeben 
von  p.  p.  BettcKler,  A.  Freund  und  B.  Freund  zu 
Breslau.  Erstes  Heft.  (Mit  1  Tafel).  Breslau  1862,  bei 
E.  Margensterfi, 

I 

Mit  Freuden  mässen  wir  ein  Unternehmen  begrüssen, 
welches  bestimmt  ist,  die  selbst  heutigen  Tages  noch  etwas  stief- 
mutterlich behandelte  Gynäkologie,  mehr  und  mehr  in  den  Kreis 
naturwissenschaftlicher  Beobachtung  zu  ziehen,  und  somit  ihren 
Schwesterdisciplinen  näher  zu  bringen.  So  erhalten  wir  denn 
zu  den  zwei  der  Gynäkologie  ausschliesslich  gewidmeten  Organen 
in  der  deutschen  medicinischen  Journal-Literatur,  in  vorliegenden 
„  klinischen  Beiträgen  '^  ein  drittes,  und  der  Name  und  die  Stellung 
der  Herausgeber  bürgen  uns  für  die  Yerwirklichnng  der  leitenden 
Idee,  die  Gynäkologie  zu  fördern.  Schon  das  erschienene  erste 
Heft  bestätigt  unsere  Erwartungen  und  fesselt  durch  seine  ge- 
diegenen Aufsätze  in  hohem  Grade.  Vielleicht  ist  es  uns  später 
gestattet,  ein  ausführlicheres  Referat  der  einzelnen  Abhandlungen 
SU  geben,  hier  sei  nur  kurz  der  Inhalt  erwähnt.  Von  BeUMer 
finden  wir  folgende  Arbeiten:  Ueber  Inversio  uteri.  Ueber  die 
Blntkopfgeschwulst  der  Neugeborenen.  Ein  Fall  von  Hämatocele 
retrovaginalis  (retrouterina  subperitonäalis).  Zur  Dystocia  e 
fütus  hydrope  anasarca  gelatinoso.  Von  A.  Freund;  Kurze  Ge- 
schichte der  Urinfisteln  des  Weibes  nebst  Beschreibung  einer 
Harnleiter- Gebärmutterfistel  und  von  B,  Freund:  Ein  in  der 
Schwangerschaft  entstandener,  sehr  grosser  Abscess  in  der  Scheide 
der  geraden  Bauchmuskeln  und  drei  Formen  von  Bauch -Sack- 
wassersucht: der  Hydrops  peritonaei,  omenti,  vaginae  musculomm 
rectorum. 


208  Vin.     Literatur. 

Indem  wir  daher  die  „klioiechen  Beiträge"  allen  Fach- 
genoseen  anfs  Wärmste  empfehlen,  sowohl  sar  lesenden  als  ar- 
beitenden Theiloabme,  wänsdlen  wir  dem  Unternehmen  ein  gutes 
Gedeihen  und  den  Arbeitenden  ein  stetes  Beachten  der  Aufgabe, 
das  richtige  Maass  zu  halten  zwischen  der  Werthschfttaung  und 
Verwerthung  der  nackten  Beobachtung  und  der  Indjiction. 

Haak4. 


Druck  TOQ  ▲.  Th.  üngAlhM-dt  In  L«tpsig. 


Taf.l. 


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Monateschrift 


für 


GEBURTSKÜNDE 


und 


Frauenkrankheiten. 

Im  Verein  mit  der 

Gesellschaft  für  Geburtshülfe  in  Berlin 

heraaigegeben  von 

Dr.  C.  S.  F.  Cred6, 

Hoftrath ,  ord.  Prof.  and  Director  der  £ntbindTxngii- Anstalt  in  Lefpsig  etc. 

Dr.  C.  Hecker, 

ord.  Prof.  und  Director  der  Entbindangs •  Anstalt  in  München,  Ritter  etc. 

■ 

Dr.  Ed.  Martin, 

Qeh.  Batb,  ord.  Prof.  und  Director  der  Entbindungs-Anstalt  in  Berlin,  Bitter  eto. 

Dr.  F.  A.  von  Bitgen, 

Geh.  Rath,  ord.  Prof.  and  Director  der  Entbindangs -Anstalt  in  Giessen, 

Gomthur  eto. 


Zweiimdzwanzigster  Band. 


Mit  drei  Tafeln  Abbildungen,  einem  Holzschnitte  und  vierzehn 

Curven- Tafeln. 


Berlin,  1863« 


▼erlag  von  Angnat  Hirachwald, 

68  U.  d.  Linden,  Ecke  der  Schadow-SfcraM«. 


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Inhalt. 


Heft   I. 

Seite 
I.    üeber  die  Resistenz  der  Eihäute,  ein  Beitrag  snr Mechanik 
der  Gebnrt.    Von  Dr.  J.  Poppel  in  München    ......      1 

n.  Bemerkungen  Etir  „  Behandlang  der  Nachgeburtsperiode**. 
(Nach  800  BeobachtnngeD.)  Von  Heinrich  Schule  ^  prakt. 
Arete  und  bisherigem  Assistenten  an  der  Grossherzogl. 
Entbindungsanstalt  bu  Freibarg  i.  B 16 

m.  Schwangerschaft  in  dem  rechten  radimentären  Hörne 
eines  Uteras  anicornis  mit  einem  Corpns  luteum  im 
Eierstocke  der  entgegengesetzten  Seite.  Von  Professor 
H*  Luschka  in  Tübingen.     (Mit  einem  Holzschnitte.)  .  .     81 

JV.    Fünfzehn  Kaiserschnittoperationen  und  deren  Ergebnisse 
[  für  die  Praxis.     Von  Dr.  Ludwig  Winckel,   Sanitätsrath 

und  Phjsikns  des  Kreises  Gummersbach,  Reg.-Bez.  Cöln    40 

I 

y«     Notizen  aus  der  Journal -Literatur: 

I 

Oiordano:  Cauterisation  der  Cenrlcalhöhle  mit  HöUen- 
I  stein  zur  Einleitung  des  künstlichen  Abortus  ....    68 

Kuhn:  Erfahrungen  über  künstliche  Frühgeburt.    (Aus 
der  geburtshülflichen  Klinik  von  G,  Braun  in  Wien.)    68 

Biedl:  Ein  Fall  von  künstlicher  Frühgeburt 64 

nardwieke:  Kystengeschwulst  in  der  Matte rseheide   .    66 

Hubhimer:  Ein  Trinkglas  in  der  Vagina 66 

Bretlcu:  Ein  ausgezeichneter  Fall  freier  Gasentwicke- 
lung aus  eiterigem  PeritonKalezsudate •  .  .     66 

Hagg«nsy:  Bericht  über  die  Ereignisse  in  der  geburts- 
bainichen  Klinik  und  Poliklinik  zu  Greifswald  vom 
.  .       1.  October  1868  büi  81.  December  1861   .......    68 


IV  Inhalt. 

Bette 
VI.    Literatur: 

Lehrbuch  der  Hebammenkunst  von  Dr.  Woldemar 
Ludwig  Oremer^  Eönigl.  Sachs.  Hofrathe  etc.  Mit 
29  Holzschnitten.  Leipzig,  Verlag  von  8.  Hirzel,  1863. 
X.  u.  350  S.  nebst  einem  tabellarischen  Oebnrts- 
▼erzeichniss.    8 72 

Ein  Kaiserschnitt,  von  B.  Sehultze.  (Orat.- Schrift 
der  med.  Facnltät  zu  Jena  zu  Kieser^B  Jabilänm»  1862.)     79 


Heft    n. 

VII.  Verhandlungen  derGesellschaft  für  Oebnrtshfilfe  in  Berlin    81 

Hofmeier:  lieber  einen  Fall  von  Retroversion  des 
vier  Monate  schwangeren  Uterus  durch  Blasen- 
paralyse bedingt 82 

Mitseherlieh:  lieber  ein  halbjähriges  Mädchen  mit 
einem  Hjdrocephalus  partialis  herniosus 97 

Kaufmanns  Einwirkung  der  Därkheimer  Soolbäder 
in  Verbindung  mit  der  Traubencnr  auf  chronische 
Qebärmutterkrankheiten 101 

VIII.    Ueber  Anteversio    uteri   gravidi.     Von  Dr.  F.  HüUrf 

Privatdocent  in  Marburg 118 

IX.    Zur  Casuistik  des  Icterus  gravidarum.  Von  Sanitätsrath 

Dr.  Fidnus  in  Stolberg  a.  H 146 

X.  Zweiter  Beitrag  zur  Würdigung  dQ8Hofacker'8adler''achen 
Gesetzes,  betreffend  das  Geschlechtsverhältntss  der 
Kinder  bei  relativer  Altersverschiedenheit  der  Eltern. 
Von  Prof.  Dr.  Breslau  in  Zürich 148 

XL    Notizen  aus  der  Journal > Literatur: 

Nivert:  Die  Wendung  auf  den  Kopf  durch  Süssere 
Handgriffe 152 

Mayrhofer:  Untersuchungen  über  Aetiologie  der 
Puerperalprocesse     156 

Piani   Hydrocele  recto> vaginalis    166 

MaUhewa  Dunean:  Ueber  Lupus  und  Caneroid  der 
Vulva 167 

Köberle:   Fall  von  Ovariotomie 167 

Späth:  Ueber  die  SanitKtsverhKltnisse  der  Wöch- 
nerinnen an  der  Klinik  für  Hebammen  in  Wien 
vom  October  1861  bis  Januar  186S ^.  .  167 


Inhalt.  T 

Heft   m. 

Selto 
XII.    Die  apoplectische  Destruetion  der  Uterinschleimhaiit. 
Von  Dr.  Eigenbrodt  und  Dr.  Hegar,  praktiscben  Aerzten 
in  Darmstadt.    (Mit  drei  Abbildungen.) 161 

XIII.  Vermag  die  um  den  Hals  des  mit  dem  Kopfe  bereits 
geborenen  und  geatbmet  habenden  Kindes  entstandene 
krampfhafte  Znsammenzlebnng  des  Os  nteri  oder  des 
Constrictor  cunni  dasselbe  —  mit  oder  ohne  Hinter- 
lassung einer  Strangrinne  —  zu  tödten,  und  kann 
ein  solcher  Geburtsvorgang  ohne  Kunsthülfe ,  mithin 
auch  heimlich  beendet  werden?  Eine  Anfrage  an 
alle  Sachverständige  zur  geneigten  Beantwortung 
aufgestellt.    Von  Dr.  8.  E.  Loewenhardt  in  Prenzlau  196 

XIV.  Ein  Oeburtsfall,  bei  welchem  das  mit  dem  Kopfe 
geborene  Kind,  nachdem  dasselbe  Luft  su  athmen 
begonnen  hatte,  abstarb,  obschon  der  Rumpf  sofort 
ausgezogen  wurde.    Von  Eduard  Mariin 204 

XV.  Die  Quetschung  der  Plaeenta.  Ein  Beitrag  zur  Be- 
handlung der  Plaeenta  praevia.  Von  Dr.  (7.  Pfeiffer 
in  Demmin 207 

XVI.  Zur  Würdigung  der  neuesten  chemischen  Ansichten 
über  die  Ursache  der  Eclampsia  puerperalis.  Von 
Medicinalrath  Dr.  A,  Clemens ^  praktischem  Arzte  zu 
Frankfurt  am  Main  i 216 

XVII.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur: 

Hutchinson:  Mehrföcherige  Ovarienkyste  bei  einer 
65jährigen  Frau.    Ovariotomie.    Heilung   ....  224 

Stilling:  Geschichte  einer  Eierstocksgeschwulst .  .  224 

0.  V.  Franqud:  Ueber  Jodinjectionen  bei  Ovarien- 
kysten 226 

Forsten  Ezstirpation  des  vorgefallenen  Uterus  .  .  226 

Hamland:  Ruptura  uteri 226 

Thome:  Transfusion  mit  glücklichem  Erfolge  .  .  .  227 

Hillmann:  Ein  Kaiserschnitt  mit  günstigem  Erfolge 
für  Mutter  und  Kind 227 

Traetzl:  Vaginalpoljp  bei  einem  IV4  Jahre  alten 
Kinde 227 

Hugenherger  sen.;  Bericht  über  die  Vorkommnisse 
in  dem  Hebammeuinstitute  der  Grossforstln 
Helene  PawUnona  zu  St  Petersburg  in  den  Jahren 
1845  bis  1859 228 


VI  Inbftlt. 

Heft    IV. 

Seite 
XVIII.    Fünfsehn   Kaisers cbnittoperationen    nnd    deren   Er- 
gebnisse für  die  Praxis.    Von  Dr.  Ludwig  Winckel^ 
Sanitätsrath  nnd  Physikus  des  Kreises  Gummersbach, 
Reg.-Besfi.  CÖln.     (Fortsetzung  und  Scblnss.)    «...  241 

XIX.  Mittbeilnngen  über  die  Tbatigkeit  nnd  die  Ver- 
handlungen der  Gesellschaft  für  Geburtshülfe  su 
Leipzig  im  neunten  Jahre  ihres  Bestehens 270 

I.    Jahresbericht,  erstattet  durch  den  d. Z.Secretair 
Dr.  Emil  Apollo  Meissner 270 

XX.  Achtunddrcissigste  Versammlung  deutscher  Natur- 
forscher  und  Acrzte  in  Stettin  im  Jahre  1863.  Ver- 
handlungen der  Section  für  Gynäkologie.  Mitgetheilt 
von  Dr.  H.  Hadke 296 

XXI.    Notizen  aus  der  Journal-Literatur: 

Boaai:  Ueber  Credä^B  Methode  der  Entfernung  der 
Nachgeburt 809 

Qosehler:  Begründung  der  CredS^achen  Methode, 
die  Placenta  zu  entfernen,  durch  eine  neue 
Ansicht  über  die  wahre  und  häufigste  Ursache 
der  Einsackung  der  Nachgeburt 318 

Bloi:  Die  Verlangsamung  des  Pulses  im  Wochenbette  814 

C.  Braun:  Ueber  acute  Schmelzung  der  Leber  bei 
Schwangeren 315 

Ulrich:  Ueber  die  Operation  der  Blasenscheldenfistel  817 

Saueerotte:  Die  Ovariotomie  in  Strassburg 819 

Spiegelberg:  Bericht  über  die  Ereignisse  in  der 
Grossherzogl.  Entbindungs- Anstalt  an  der  Uni- 
versität Freiburg  in  den  Jahren  1861  und  1862  .  820 

Heft    V. 

XXII.  Beitrüge  zur  Physiologie  und  Pathologie  des  Wochen- 
bettes. Von  Dr.  jP.  Winckel,  Secundärarzt  der  geburts- 
hülflichen  Universitätsklinik  in  Berlin.  (Mit  vierzehn 
Curven- Tafeln.) 821 

XXIII.  Mittheilungen  über  die  Thätigkeit  und  die  Verhand- 
lungen der  Gesellschaft  für  Geburtshülfe  in  Leipzig 
im  nennten  Jahre  ihres  Bestehens.    (Scfalass.) ....  871 


Inhalt.  VII 

Seite 
II.   Einiges  über  die  fimbryotomie  in  der  beatigen 
Geburtshülfe    unter    MiCtbeilung    eigener    £r- 
fabmngen  von  Dr.  JEmil  Apoüo  Meissner    .  .  .  371 

in.    Ueber   künstliche   Erweiterung   des  Cervical- 

canales.    Beobachtungen  von  Dr.  E.  O.  Beck  386 

XXIV.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur: 

Qruenewaldt:  Ueber  die  Eigenwärme  gesunder  und 
kranker  Wöchnerinnen    394 

Haasler:  Darstellung  einer  vom  Dr.  von  Brum  con- 
strairten  Bandage  zur  directen  Zurückhaltung 
und  Heilung  des  Scheiden-  und  Gebärmutter- 
vorfalles   399 

Arthur  Scott  Donkin:  Ueber  die  pathologischen  Be- 
ziehungen zwischen  Albuminurie  und  Puerperal- 
manie 400 

Heft    VI. 

XXV.    Verhandinngen  der  Gesellschaft  für  Gebnrtshalfe  in 

Berlin 401 

Birnbaum:  Zwei  Fälle  von  Formvarietäten  des 
Uterus  mit  Schwangerschaft 401 

Louis  Mayer:  Das  Präparat  einer  Geschwulst, 
welche  aus  der  Brustdrüse  einer  Frau  aus- 
geschnitten wurde 407 

Boehr:  Ueber  das  Athmen  der  Kinder  Tor  der  Geburt  408 

XXVI.  Die    Drüsen    der    Decidua    und    die    Hydrorrhoea 
gravidarum.    Von  Dr.  Alfred  Hegar  in  Darmstadt  .  429 

XXVII.  Ueber  die  Heilbarkeit  und-Heilmittel  der  chronischen 
Metritis.    Von  F.  C,  Faye^  Professor  in  Christiania  451 

XXVIII.   Notizen  aus  der  Journal -Literatur: 

Qubler:  Ueber  die  von  der  Menstruation  un« 
abhängigen  Uterinblutungen  beim  Beginne  acuter 
Fieber  und  Entzündungen 455 

A,  Stad/eldt:  Untersuchungen  über  den  Kindskopf 
in  obstetritischex  Beziehung ,  .  .  .  461 

o.  Haartman:  Einiges  zur  Lehre  der  Deviationen 
der  Gebärmutter  im  ungescbwnngerten  Zustande 
und  ihrer  Behandlung  auf  mechanischem  Wege  467 


VUI  Inhalt. 

Seite 
Seppner:  Drei  OperatiousnUle  der  BUBenseheiden- 
fistel     .  .  .  ;• 470 

Weil:  Ein  neues  Pessarinm 471 

Kras80W8ki:  CoUoideEntartang  des  linken  Ovarinm. 
Ovariotomie.     Vollkommene  Genesang    ....  471 

Spencer  Wells:  Sieben  Fälle  Ton  Ovariotomie  in 
der  Privatpraxis 472 

Regnault:  Ovariotomie  einer  vielfache rigen  Kyste 
bei  einem  nennzefanjährigen  Mädchen 472 

Spencer  WelU:  Ovariotomie  an  einer  Person  swei 
Mal  ausgeführt 473 

van  Auhü:  Ueber  den  Kaiserschnitt ^  .  •  478 

Leyden:  Bericht  über  die  während  des  Zeitranmes 
vom  1.  November  1861  bis  15.  April  1862  auf  der 
inneren  Abtheilung  des  Herrn  Prof.  Traube  in  der 
Charit^  vorgekommenen  Puerperalerkrankungen  474 

XXIX.    Literatur: 

Ueber  die  Gefahren  der  Uterin- Inj  ectionen. 
Inaugnral- Dissertation  von  E.  H,  Klemm, 
Leipzig  1863 478 

Beitrag  zur  Casnistik  der  Beckengeschwtilste  in 
geburtshiilf lieber  Beziehung.  Inaugural- Disser- 
tation von  J.  U.  Künteiner.    Zürich  1863  .  .  •  479 


L 

Heber  die  Besisteiiz  der  Eihäute ,  ein  Beitrag 
zur  Mechanik  der  Gteburt 

Ton 

■ 

Dr.  J.  Poppel  in  Mönchen. 

Die  folgenden  Versuche  gingen  aus  dem  Bestreben  hervor, 
den  Vorstellungen  über  die  bei  der  Geburt  wirkenden  Kräfte 
bestimmte  Zahlenwerthe  zu  Grunde  zu  legen.  Durch  die 
Untersuchung  der  Widerstandsfähigkeit  der  Eihäute  ist  vielleicht 
ein  kleiner  Beitrag  dazu  geliefert,  aus  dem  sich,  wie  später 
angedeutet  werden  wird,  auch  approximative  Schlösse  auf 
4en  Gesammtdruck,  welchen  die  Uteruscontractionen  auf  ihr 
Contentum  ausüben,  ziehen  lassen,  und  aus  dem  selbst  theil- 
weise  die  bei  der  Geburt  der  Kinder  zur  Wirkung  kommende 
Kraft  abgeleitet  werden  kann. 

Die  Versuche,  zu  denen  mir  Herr  Prof.  Heeker  das 
reiche  Material  an  Placenten  im  hiesigen  Gebärhause  götigst 
zur  Verfügung  stellte,  wurden  in  der  Art  ausgeführt,  dass  die 
Hübe  einer  Quecksilbersäule  gemessen  wurde,  die  im  Stande 
war,  eine  auf  passende  Weise  befestigte  Eihautkreisfläche  zum 
Zerreissen  zu  bringen.  Der  Apparat,  dessen  ich  mich  dazu 
bediente,  war  so  construirt,  dass  auf  ein  mit  einem  krei^ 
förmigen  Loche  versehenes  Bret  zwischen  zwei  Gummiringe 
ein  Stock  der  zu  untersuchenden  Eihaut  gelegt  wurde.  Auf 
den  oberen  Gummiring  wurde  eine  Art  flacher  Glasglocke,  die 
ich  mir  durch  den  eben  abgeschMenen  obersten  Theil  eines 
gewöhnlichen  Reagenzglases  herstellen  liess,  gesetzt  und  in 
den  Hals  dieses  Glases  eine  Glasröhre  eingelorkt.  Dann  wurde 
die  Glasglocke  durch  ein  zweites  kreisförmig  ausgeschnittenes 

ICoiift«M«hr.  f.  OeborUk.  1888.  Bd.  XXII.,  Hit  1.  t 


2  !•    Poppelf  lieber  die  Resistena  der  Eihäute, 

ebenfalls  mit  Gummi  gepolstertes  Bret  mittels  dreier  Flögel- 
schrauben gegeü  das  erste  Bret  angepresst,  wodurch  eine 
vollkommen  hinreichende  Befestigung  der  Eihaut  gelang,  ohne 
dass  jedoch  der  Druck  so  gross  war,  dass  die  Membran  an 
den  gedruckten  Stellen  durchgequetscht  worden  wäre,  denn 
bei  den  Versuchen  entsprach  der  Eihautriss  fast  nie  der 
befestigten  Peripherie,  sondern  war  meist  in  der  Richtung 
eines  Durchmessers  oder  einer  Sehne  oder  auch  der  Peripherie 
eines  zur  Glasglocke  concentrischen  Kreises  da  entstanden, 
wo  die  Eihaut  frei  am  Rande  des  mit  Gummi  gepolsterten 
Loches  auflag;  und  bloss  solche  Fälle  wurden  verwerthet. 
Der  so  zusammengesetzte  Apparat  kam  auf  ein  Gefass  zu 
stehen  und  durch  die  Glasröhre  wurde  nun  mittels  eines 
Tropfenglases  langsam  Quecksilber  eingegossen,  bis  die  Eihaut 
zerriss.  Die  Höha  der  Quecksilbersäule  konnte  an  einem  an 
der  Glasröhre  befestigten  Maassstab  nach  ganzen  und  halben 
Centiroetem  abgelesen  werden.  Nach  den  Gesetzen  der 
Hydraulik  entspricht  der  Druck,  den  tdne  Flüssigkeit  auf  den 
Boden  eines  Gelasses  (hier  auf  die  zu  prüfende  Eihaut)  ausübt, 
dem  Flächeninhalte  des  Bodens  multiplicirt  mit  der  Höhe  und 
dem  specifischen  Gewicht  der  Flüssigkeitssäule.  Wenn  beispiels- 
weise der  Durchmesser  des  kreisförmigen  Loches  im  unterep 
Brete  und  damit  der  Durchmesser  der  dem  Drucke  aus- 
gesetzten Eifaautkreisfläche  5  Centimeter  beträgt,  und  wenn 
die  Höhe  der  Quecksilbersäule  12  CenChneter  ist,  so  ist  das 
Gesammtgewicht,  das  die  Eihaut  Irägt,  gleich  r^yr.A.«, 
wenn  h  die  Höhe  und  s  das  ^ec.  Gewicht  bezeichnet,  also 
gleich  19,62  X  12  X  13,6  =  3337,4  Gramm.  Dazu  muss 
noch  die  Menge  Quecksilber  addirt  werden,  die  jedes  Mal 
in  der  durch  d^  Druck  entstandenen  halbkugellörmigen  Hervor- 
wölbung der  Eihaut  entstanden  ist  und  die  dnfach  dadurch 
gemessen  wird,  dass  von  der  verbrauchten  Gesammtmenge  des 
Quecksilbers  das  in  der  Glasglocke  und  der  Glasröhre  enthalten 
gewesene  abgezogen  wird,  deren  beider  Kubikinhalt  durch 
Versuch  ermittelt  worden  ist 

"Ganz  ist  auf  diese  Weise  die  Natur  niclit  nachgeahmt, 
indem  die  Eihaut  am  Rande  fest  eingeklemmt  wird,  und 
hier  nicht,  wie  in  der  Natur,  iiirer  Elasticität  freier  Spieiranm 
gelassen   ist;  gross  jedoch   kann  der  Fehler  nicht  sein,  da 


ein  Beitrag  snr  Mechanik  der  Qebnrt.  3 

die  Verschiebbarkeit  der  Eihäute  an  der  Innenwand  des  Uterus 
tbeils  durch  die  Anheftungen  der  Decidua,  theils  durch  don 
auf  alle  Tfaeile  der  Innenfläche  gleich  vertheilten  Druck  gewiss 
sehr  beschränkt  ist,  und  jedenfalls  ist  der  Fehler  so,  dass 
er  eher  zu  kleine  als  zu  grosse  Zahlen  bedingt,  weil,  wenn 
im  Versuche  das  Maximum  der  Dehnbarkeit  erreicht  ist,  in 
der  Natur  noch  die  innerhalb  des  Muttermundes  gelegenen 
peripherischen  Eihautstellen  ihre  Dehnbarkeit  entfalten  können. 
Dass  dies  in  der  Regel  in  keinem  hohen  Grade  der  Fall  ist, 
gebt  auch  daraus  hervor,  dass  die  Hervorwölbung  der  Eihäute 
aus  dem  Muttermunde  sdten  die  Halbkugelform  übersteigt, 
was  doch  öfters  stattfinden  müsste,  wenn  die  gespannte 
Blase  die  nächst  gelegenen  Eihauttheile  bedeutender  herab- 
ziehen wurde.  Auch  der  Eibantriss  erfolgt  doch  in  der 
Mehrzahl  der  Fälle  an  der  im  Muttermunde  biossliegenden 
Eihautstelle  und  selten  etwas  höher  oben,  so  dass  nach 
Wasserabfluss  in  der  Regel  der  Kindestheil  ohne  Eihautuberzug 
vorliegt.  Die  durch  das  allmälige  Zugiessen  des  Quecksilbers 
bewirkte  successiv  steigende  Belastung  der  Eihaut  entspricht 
wohl  so  ziemlich  der  in  der  Natur  allmälig  hervorgebrachten 
Spannung  durch  die  Wehenthätigkeit. 

Die  nächste  Frage  ist  nun,  wie  sich  die  Tragfähigkeit 
verhält,  je  nachdem  die  zu  prüfende  Fläche  gross  oder  klein 
ist.  ^)  Wenn  eine  Kreisfläche  von  n  Durchmesser  x  Gewicht 
trägt,  so  muss  eine  von  2n  Durchmesser  jedenfaUs  mehr  ' 
als  X  tragen,  denn  der  Flächeninhalt  ist  im  letzteren  Falle 
vier  Mal  so  gross  als  im  ersten,  und  ist  demnach  schon 
der  vierte  Theii  im  Stande  x  zu  tragen.  Das  Gesammtgewicht 
wird  jedoch  nicht  4a;,  sondern  bloss  2x  sein  dürfen,  wie 
sich  aus  Folgendem  ergiebt.  Nehmen  wir  eine  kreisförmige 
Membran  an,  die  auf  ihre  Tragfähigkeit  geprüft  werden  soll, 
so  ist  klar,  dass  alle  Punkte  der  Peripherie  zusammen  die 
Gesammtbelastung  tragen  müssen.  Man  kann  also,  wenn  z.  B. 
die  Peripherie  10  Centimeter  lang  ist  und  die  Membran 
1000  Gramm  trägt,  sagen,  1  Centimeter  der  Peripherie  trägt 


1)  Ich  hatte  bei  dieser  Arbeit  vielfach  Gelegenheit,  die 
Fachkenntnisse  meines  verehrten  Freundes  Herrn  Dr.  Ä.  Steinheil 
zu  Rathe  au  sieben. 


4  I.    Popptiif  Ueber  die  Besisteni  der  EihSate, 

100  Gramm.  Wenn  nun  die  Peripherie  20  Geotimeter  lang 
wird ,  80  muss  wenn  man  ganz  dieselbe  Widerstandsfähigkeit 
der  Membran  voraussetzt,  die  ganze  Membran  2000  Gramme 
tragen,  d.  h.  das  absolute  Gewicht  verhält  sich  wie  die 
Peripherie,  oder  da  sich  die  Peripherieen  zweier  Kreise  wie 
ihre  Durchmesser  verhalten,  das  absolute  Gewicht,  welches 
zwei  gleich  widerstandsfähige  kreisförmige  Membranen  im  Stande 
zu  tragen  sind,  verhält  sich  wie  die  Durchmesser  der  Kreise. 
Daraus  folgt  auch,  dass  die  Höhe  der  Quecksilbersäule  oder 
das  relative  Gewicht  im  umgekehrten  Verhältnisse  zum  Durch- 
messer steht.  Wenn  die  Eihäute  ganz  homogene  Membranen 
wären,  so  musste  sich  dies  immer  herausstellen,  da  aber 
dickere  mit  dünneren  Stellen  abwechseln,  so  wird  die  zu 
prüfende  Fläche  Immer  an  der  relativ  schwächsten  Stelle  ein- 
reissen,  und  da,  je  grösser  die  Eihautfläche,  desto  wahr- 
scheinlicher das  Vorhandensein  einer  schwächsten  Stelle  ist, 
so  wird  sich  das  Verhältniss  etwas  zu  Ungunsten  der  grösseren 
Fläche  herausstellen,  selbst  so,  dass  in  einzelnen  Fällen  die 
kleinere  Fläche  mehr  zu  tragen  im  Stande  ist. 

Um  hier  gleich  Zahlen  anzuführen ,  so  stellte  ich  sämnit- 
liche  Versuche  doppelt  an,  ein  Mal  mit  einem  Durchmesser 
der  Eihautfläche  von  5  Centimeter  und  das  andere  Mal  mit 
einem  von  3,4  Centimeter.  Die  Mittelzahl  der  Gewichte  aus 
dieser  doppelten  Versuchsreihe  sollte  sich  nach  Obigem  ver- 
halten, wie  5  :  3,4,  sie  verhält  sich  aber  aus  90  Versuchen 
wie  5  : 4,09. 

Zuerst  finde  hier  eine  Tabelle  Platz,  um  die  Sdi wankungen 
vom  Minimum  zum  Maximum  der  Tragkraft  anschaulich  zu 
machen.  Zu  bemerken  ist,  dass  die  geprüften  Stellen  alle 
ganz  von  der  Nähe  der  natürlichen  Rissstelle  genommen 
wurden.  Zugleich  finden  sich  kurze  Notizen  über  die  Dauer 
der  Geburtsiperioden  und  über  die  Zeil  des  Abflusses  des 
Fruchtwassers. 


1 

H 

1 

s 

m 

•{n  BeltTa«  nt  Heebtnik  der  Geburt.                     5 

Hill  ppassiiiiiiiiii  1  1  1  1  1  1 

m 

•  5.S»   .=J.-S-S5:-5SS5&S-«»5. 

m 

si5»|-s-  JsKsMsiisi-JJJ 

6022,1 

6087 

1430,7 

4836,2 

2018,8 

2913,1 
4996,3 
5136,3 
3259,9 
8S3G,2 
4461,8 
1301,3 
4689,1 
6B2Ö,6 
4482,7 
3500,6 
4489,4 
5396,8 
5388,6 
6876,2 
6204,2 
2871,5 
6769,1 
4634,8 
3140,2 
3695,3 
2981,1 
4269,1 

m 

S?i2SJ:2    si"gSSS5H"SgSS2aKSSS5SSS 

m 

i^'^'^'%'^    S-2  H"2 1-  S  5  S  S  a  ts  S  ^S  ts  2"tf  *  2 

1          s 

i 
1 
1 

i 
1 
j 

■s 

,          1    _||             II       |,|| 

.?           SS            S    if    S       S    SS 

&■           SS        ds    |s    s      s    as 
a          .    a^'saa         .aaaSL=a      aaaa 

1    Li|      II  »''.I|    illi 

l''^«ll 

.f,f,^  .,S,.S.S^-S,,f.8jsS.S 

WierlelBt 
Oebbeude. 

i 

6  I.    Popptlf  Ueber  di«  S^sistena  dar  Eahftiite, 

Diese  Tabelle  widerlegt  die  vielleicht  gehegte  Venouthung, 
dass  die  Zeit  des  Abflusses  des  Fruchtwassers  im  Verhältnisse 
zur  Resistenz  der  Eihäute  stehe.  So  iindet  z.  B.  Traglahigkeil 
von  1430,7  und  1301,3  Gramm  in  Fällen  statt,  wo  die 
Velamente  erst  mit  der  Geburt  des  Kindes  rissen,  während 
bei  der  stärksten  Tragfähigkeit  von  6037  Gramm  die  Velameote 
schon  11  Stunden  vor  der  Geburt  bei  guldengrossem  Mutter- 
munde rissen.  Es  hängt  ja  auch  ganz  naturlich  der  Zeit- 
moment des  Zerreissens  von  der  Intensität  der  Wehen  ab, 
die  schon  gleich  anfangs  einen  hohen  Grad  erreichen  kann. 
Bei  No.  18  und  19  sind  zwei  Fälle  bemerkt,  bei  denen  die 
Webenthätigkeit  nicht  hinzureichen  schien,  die  Eihäute  zu 
zerreissen,  weshalb  die  kunstliche  Sprengung  gemacht  wurde ; 
man  sieht,  dass  in  beiden  Fällen  die  Resistenz  auch  durch 
sehr  hohe  Zahlen  (5796  und  5328  Gramm)  repräsentirt  isU 

Die  folgende  Tabelle  zeigt,  dass  die  Eihäute  an  der 
Rissstelle  im  Durchschnitte  erheblich  schwächer  als  in  der 
Nähe  der  Placenta  sind,  was  allerdings  ohne  weiteres  Interesse 
ist,  weshalb  auch  nur  wenige  Versuche  angestellt  wurden. 

Tabelle  ü. 


Gewicht  in  Grammen 

Gewicht  in 

Grammen 

bei  einem  ] 

Onrchmeseer 

bei  einem  Dorchmesser 

▼on  6  Centime ter. 

von  3,4  Centimeter. 

No. 

^ 

Eihaut  . 

Eihaut 

Eihaut 

Eihaut 

Ton  der 
BiasBtelle. 

Tom 

Placentar- 

rande. 

Ton  der 
Bissstelle. 

▼om 

Placentar- 

rande. 

1 

6748,7 

6983,6 

_ 

^^^ 

2 

1430,7 

1710,9 

1719 

1486,6 

3 

3140,7 

3742,7 

— ~ 

— 

4 

— 

— 

2143,3 

2648,6 

6 

4996,3 

6148,6 

2656,8 

4607,6 

6 

6136,7 

6289 

4004,6 

4469 

7 

3836,2 

4194,2 

2322,9 

2612,6 

8 

4451,3 

4103,1 

2748,3 

3174,6 

9 

1801,6 

2978,4 

987,6 

2370,6 

10 

4639,1 

6606,3 

4621,3 

6269,1 

11 

6926,6 

6602,2 

6032 

6142,2 

12 

4482,7 

4494,8 

3627,8 

4830,7 

MUUl|        4098,8        I        4602,9        |         2970,8 


3647,1 


ein  Bellraff  wmr  Meoluiüc  dor  Gdb«rt. 


Noch  kami  ich  eine  kieiiie  Tabelle  zuBammeDslellen,  die 
beweist,  dass  das  Amnion  allein  eine  bedeutend  gröesere 
Tragkraft  besitzt,  als  das  Chorion  mit  der  Deeidua« 

Tabelle  IH. 


Gewicht  in  Grammen 

Gewicht  fai  Grammen 

bei  einem  Durchmesser 

bei  einem  Dirchmesser 

No. 

von  5  Centimeter. 

Ton  8,4  Centimeter. 

Amnion. 

Chorion. 

Amnion. 

Chorion. 

1 

_ 

, 

4274,5 

951,9 

2 

3753,6 

1251,7 

— 

— 

3 

3058,6 

8092,6 

4699,4 

2869,6 

4 

4920,5 

1878 

2082,1 

1264,8 

6 

4414,4 

1977,4 

2166,7 

1232,2 

6 

2783,6 

587,2 

1260 

862,8 

7 

2246,7 

787,1 

2738,6 

685,4 

8 

— 

— 

2034,6 

1142,4 

8 

— 

— 

2842,4 

887,8 

10 

•*. 

2128,8 

1924,4 

Mittel 


3521 


]         1693,1        I 


2574,6 


1307,8 


Mit  HftMe  dieser  gefundenen  Zahlen  ist  es  mm  mögHcb, 
einige  weitere  Schlüsse  zu  ziehen.  Es  ist  bekannt,  dass 
nach  den  Gesetzen  der  Hydraulik  ein  auf  eine  ringsnmseblossene 
Flüssigkeit  ausgeübter  Druck  sich  nach  allen  Seiten  gleich^ 
massig  fortpflanzt,  und  also  gleich  grosse  Flächen  des  um- 
schliessenden  Gefässes  gleich  starken  Druck  auszuhaken  haben. 
Das  unversehrte  Ei  als  eine  mit  Flüssigkeit  gefällte  Blase 
genommen,  die  durch  den  einschliessenden  Uterus  einen  Druck 
erleidet,  muss  demnach  dieser  Druck  auch  hier  auf  gleiche 
Flächen  der  Innenwand  des  Uterus  gleich  gross  sein.  Da 
nun  durch  die  Versuche  ein  bestimmter  Werth  für  den  Druck 
gefunden  wurde,  den  die  Eihaut  zur  Zeit  des  Blasensprunges 
aushielt,  so  würde  sich  der  Druck,  den  der  ganze  Uterus 
auf  sein  Contentum  während  der  Buptur  der  Velamente  ausübt, 
einfach  dadurch  für  den  bestimmten  Fall  berechnen  lassen, 
wenn  man  weiss,  wie  oft  der  Flächeninhalt  der  geprüften 
Eihautfläche  im  Flächeninhalt  der  ganzen  Uterusinnenfläche 
enthalten  ist  Wäre  beispielsweise  das  Fruchtwasser  bei  einer 
Eröffnung   des  Muttermundes  Yon  5  Centimeter  abgeflossen 


3  I.    P«ffP«l>  üabor  dl«  Bealftoiui  Ur  EiUnte, 

und  hätte  mao  durch  den  Versuch  die  TragObigkeii  einer 
5  Centimeter  im  Durchmesser  habenden  Eihautkreisfiäohc 
gleich  3000  Gramm  gefunden,  wäre  femer  die  Innenfläcfae  des 

Uterus  gleich  1000  Quadratcentimeter,  so  wäre  der  Gesamml- 

1000 
druck  für  diesen  Fall  =  -^^  X  3000  =  152700  Gramm 

19,tö 

=s  152,7  Kilogramm  =  3  Centner. 

Diese  Berechnung  lässt  sich  für  gegebene  Fälle  auch 
approximativ  anstellen«  Die  Innenfläche  des  Uterus  ergiebt 
sich  aus  dem  Volumen  und  dem  specilischen  Gewkdite  des 
Inhaltes,  wenn  man  am  einfachsten  eine  Kugelgestalt  des 
schwangeren  Uterus  annimmt,  da  man  dadurch  ein  Minimum 
für  die  Oberfläche  erhält,  weil  die  Kugelfläche  unter  allen 
anderen  Begrenzungen  bei  gleichem  Inhalte  die  kleinste  Flächen- 
ausdehnung  einnimmt 

Das  Volumen  des  Inhaltes  findet  man,  indem  man  das 
absolute  durch  das  specifische  Gewicht  desselben  dividirt 
Das  durchschnittliche  absolute  Gewicht  des  Kindes  und  des 
Fruchtwassers  ist  5,16  Kilogramm.^)  Das  specifische  Gewicht 
des  Kindes  und  Fruchtwassers  kann  ohne  grossen  Fehler  zu  1 
angenommen  werden  und  somit  das  Volumen  in  runder  Summe 
zu  5  Kubikdecimeter,  da  1  Kilogramm  Wasser  =  1-  Kubik- 
dedmeter  misst    Die  Oberfläche  einer  Kugel  von  5  Kubik- 

decimeter  Inhalt  berechnet  sich  nach  den  bekannten  Formeln : 

4 

Kubikinhalt  einer  Kugel  =  -^  r'^r 

•    o 


r» 


16 
4« 


=fi; 


16 


r  =  1,04  Decimeta. 
r  =  10,4  Centimeter. 
Oberfläche  einer  Kugel  =  Ar^TC 

F  =  1358  Quadratcentimeter. 


1)  Ooftnar,  lieber  die  Veränderiingen  des  Körpergewichts  bei 
Sehwangeren,  Gebärenden  nnd  Wöchnerinnen.  Monatsschrift  fUr 
Gebartsknnde,  Bd.  XIX.,  1861. 


•in  Beitrag  siir  lleoliaofk  ä%t  Oebnrl. 


9 


Nehmen  wir  nun  aus  der  TabeUe  I.  die  FftHe  No.  4,  9, 
10,  11,  17,  18,  19,  21,  26,  bd  denen  die  Eihfiute  bei 
erweitertem  Multermmide  karze  Zeit  Tor  der  Gebart  zerrissen, 
so  können  wir,  den  Durdimesser  des  Muttermundes  zu 
2  Zoll  =aB  5  Gentime ter  angenommen,  ^)  folgenden  Schluss 
ziehen.  Zur  Zeit  des  Blasensprunges  war  in  den  angeführten 
FäUen^  der  Gesammtdruck  des  Uterus  auf  sem  Contentum  um 
so  yiel  Mal  grösser,  als  der  Quadratinhalt  der  im  Mutter- 
munde vorliegenden  Eihautfläche  im  Quadratinhalte  der  Uterus* 
Innenfläche  enthalten  ist,   also  nach  den  berechneten  Zahlen 

=  ^aao  ^^^  ^^  '^^  ^^  gross  als  die  far  die  bewusste  Eihaut- 

kreisfläche  durch  die  Versuche  gefundenen  Gewichtswerthe. 
Damach  für  die  genannten  Fälle  den  auf  das  Contentum  zur 
Zeit  des  Blasensprunges  ausgeübten  Gesammtdruck  berechnet, 
ergeben  sich  folgmde  Zahlen: 

Tabelle  IV. 


SB=^— 5 

Tragfähigkeit 

Qeiammtdmok 

der  Eihaut 

anf  das  £i 

No. 

bei  6  Ctm. 

inr  Zeit  des 

DarchmeMer 

Blasenspruogea 

in  Gramm. 

in  Kilogramm. 

4 

4836,2 

833,684 

0 

3269,9 

224,871 

10 

3885,2 

265,515 

11 

4451,8 

807,119 

17 

4489,4 

809,741 

18 

5796,8 

399,924 

19 

5328,5 

867,632 

21 

5204,2 

869,076 

26 

3635,8 

250,815 

Mittel  818,158  Kilogr. »  6  V«  dir. 

Wenn  man  Fälle  annimmt,  in  denen  das  Fruchtwasser 
bei  geringerer  Eröffnung  des  Muttermundes  abfloss,  so  bekommt 


1}  Die  SchätiQOg  der  GrSsse  des  Mottermnodes  ist  so  will- 
kiirlieh,  daas  namentlieh  fttr  den  Ausdruck  erweiterter  Mvttenniuid 
durchaus  kein  bestimmtes  Maass  angegeben  werden  kann;  wenn 
die  Eröftrang  einmal  über  Kronenthalergrösse  geht,  sprieht  man 
sehen  Ton  last  ToUkommen  erweitertem  Muttefmnnde,  wihrend 
er  es  in  der  Tbat  erst  dann  ist,  wenn  er  sich  fiber  den  Kopf 


DMkD  noch  gröSBere  Werllie.  B^ispiekwem  iai  auf  Tabelle  I. 
Fall  2  und  7,  in  eignen  ein  Abfti88  dos  Fruchtwassers  bei 
guldengrosaem  Muttermunde  notint  ist;  hier  berechnet  sieh 
der  Gesamaitdnick,  wenn  der  Durchmesser  xu  3,4  Genti- 
meter  angeBonimen  wird,  demnach  die  dem  Zerreiasen 
ausgesetzte  FUcbe  (9,07  Quadratcentimeler)  149,7  Ifad  in 
der  Imienfläclle  des  Uterus  enthalten  ist,  für  Fril  2  aof 
846,925,  für  Fall  7  auf  382,652  KUogramm  oder  auf  17  und 
7V<  Centnen  Hieraus  erklärt  sich  die  Thatsacbe,  dass  in 
der  Regel  das  Fruchtwasser  bei  erweitertem  Muttermunde 
abfliesst  Nach  der  anfangs  gegebenen  Deduction,  nach  der 
eine  Membran  um  so  weniger  trägt,  je  kleiner  ihr  Durch- 
messer ist,  hätte  man  denken  können,  der' Blasensprung 
müsste  in  der  Regel  gleich  zu  Anfang  der  Wehentbätigkeit 
erfolgen,  wenn  eben  der  Muttermund  sich  zu  öfinen  beginnt, 
weil  dann  der  Durchmesser  ein  sehr  kleiner,  also  auch  die 
Tragfähigkeit  eine  sehr  kleine  ist  Die  Sache  verhält  sich 
jedoch  folgendermaassen.  Vorausgesetzt,  dass  eine  bestimmte 
Eihaut  bei  5  C^itimetef  Durchmesser  3000  Gramm  trägt,  so 
gehört  Yon  Seite  des  Uterus  ein  Gesammtdruck  von  207,6  Kilo- 
gramm dazu,  um  sie  zu  zerreissen;  dieselbe  Eihaut,  wenn 
sie  aber  bloss  1  Centimeter  Durchmesser  hat,  ü^ägt  ungefähr 
600  Gramm,  woraus  mh  die  Gesammtleistung  des  Uterus, 
um  sie  bei  1  Centimeter  Durchmesser  zum  Zerreissen  zu 
bringen,  auf  1044,6  Kilogramm  berechnet;  d.  h.  die  Uterus- 
contractionen  müssten,  um  die  Eihäute  schon  bei  1  Centimeter 
mit  600  Gramm  zu  belasten,  einen  Gesammteffect  von 
1044,6  Kilogramm  erzeugen,  der  fünf  Mal  grösser  ist,  als 
derjenige,  welcher  genügt,  um  die  Eihaut  bei  5  Centimeter 
Durchmesser  zu  zerreissen.  In  der  Regel  sind  aber  die  Wehen 
am  Anfange  am  sdiwächsten,  und  steigern  sich  erst  mit  dem 


snraekznsiehen  beginnt;  es  ist  auch  nicht  viel  Werth  darauf  sn 
legen,  da  Ton  KronentliälergrSsse  an  die  Eröffnung  meist  rasch 
geschieht*  Ein  Kronenthaler  hat  4  Centimeter  Durchmesser, 
und  ich  glanbe,  dass  es  nicht  weit  gefehlt  ist,  wcqq  fiir  dea 
vorliegenden  Zweck  5  Centimeter  angenommen  werden,  als  für 
den  Zeitpunkt,  wo  meist  die  Bnptar  der  VelamcDte  etsttfindct, 
and  wo  maa  sagt,  die  Blasa  sei  bei  erweitertem  Muttermunde 
gesprungen. 


Vorscbreiteii  der  £ii5fiBUDg8{keriode;  so  dass  nur  sdteoer» 
entweder  bei  angewölmlicb  dünoen  Eibäutea,  oder  imgewämlich 
starken  gleieb  im  Anfange  aufiretenden  Wehen  die  Bihauie  bei 
genngerer  Eröfihung  des  Muttermundes  zenreissen. 

Die  in  Tabelle  lY.  angegebenen  Wertbe  für  den  Gesammt* 
druck  von  durchschnitüicb  über  6  Centno'B  könnten  wegen 
ihrer  Grösse  onwahrscbeinlich  erscheinen,  zumal  dies  nur 
Minimalwerthe  sind.  Vor  allem  ist  jedoch  zu  beachten,  dass 
diese  Zahlen  kein  Ausdruck  für  die  zur  Wirkung  kommende 
Kraft  sind,  denn  zur  Wirkung  kommt  bloss  eine  so  grosse 
Kraft,  als  der  Flächenausdehnung  des  geöffneten  Muttermundes 
entspricht.  Nach  allen  anderen  Richtungen  wird  der  Druck 
durch  Gegendruck  paralysirt.  Auf  ähnliche  Weise  hat  z.  i. 
Htdes^)  den  auf  die  Innenfläche  der  linken  Herakammer 
dorch  ihre  eigenen  Gontradionen  bewirkten  Druck  des  Blutes 
approximativ  auf  61,5  Pfund  berechnet,  während  die  zur 
Wirkung  kommende  Kraft  nur  5  Pfund  beträgt^)  loh  darf 
hier  nur  an  die  Ergebnisse  der  FFieAer'schen ')  Versudie  flbor 
Muskelkraft  erinnern ;  wenn .  naturlicb  zwischen  gestreiften 
wid  glatten  Muskelfasem  in  dieser  Beziehung  durdbaus  kein 
Ver^eich  gezogen  werden  kann,  so  finden  sich  doch  ha  den 
ersteren  auch  so  beträdithohe  Zahlenwertbe  für  ihre  Leistung, 
dass  man  auch  bei  den  letzteren  ähnliche  erwarten  darf;  so 
fand  WeheiTy  dass  die  beiderseitigen  Wadenmuskeln  eines 
erwachsenen  Menschen  eine  Kraft  entfalten  können,  die 
322,99  Kilogramm  entsprechen. 

Man  könnte  auch  gegen  die  hohen  Zahlen  einwenden, 
dass  die  Contenta  des  Uterus,  also  Kind,  Nabelschnur, 
Placenta,  einen  so  grossen  Druck  nicht  ohne  Gefahr  aushalten 
könnten.  Die  Zahlen  geben  natürlich  noch  nicht  den  Druck, 
den  jedes  von  ihnen  unterworfen  ist.  Um  denselben  kennen 
zu  lernen,  müssen  die  Oberflächen  der  genannten  Körper 
bekannt  sein.  Ich  konnte  nirgends  Angaben  über  die  Ober- 
fläche des  kindlichen  Körpers  finden ;  doch  ist  es  nach  einer 


1)  Bei  VoJkmcmn^  Die  HämodTnamik  Dach  Verraohen. 
Leipsig  1850. 

3)  B^ndMelbst 

S)  Wagner^  Hsndwörterbach  der  Physiologie.  Band  III., 
Abih.  8,  8.  90. 


12 


I.    P09p9l^  U^er  die  RMislMks  der  Eihftiite, 


too  Herrn  Dr.  SteinkeU  berechneten  Formel  rndg^kb,  ans 
dem  bekannten  Flächeninbalt  der  Oberfläche  eines  Erwacfaseiien^ 
dem  durchsdmittlichen  absoluten  Gewichte  eines  Erwachsenen 
und  eines  Kindes  die  Oberfläche  für  das  letzere  zu  berechnen, 
Torausgeseizt,  dass  das  specifiscbe  Gewicht  dasselbe  und  die 
Form  eine  ähnliche'  bleibt.  Die  Entwickelung  der  Formel 
wflrde  zu  weit  führen,   sie  stellt  sich  folgendermaassen  dar: 

0 


fw 


wenn  o  und  p,  und  o'  und  p*  die  Oberfläche  und  das  Ge- 
wicht der  Körp^  in  Frage  bezeichnen.  Daraus  ergiebt 
sich,  die  Oberfläche  eines  Erwachsmen  nach  Ftaüce^)  zu 
1127  Par.  Quadrat-Zoll  =  8701,56  Quadrat-Centimeter,  sein 
Gewicht  zu  60  Kilogramm,  das  eines  Kindes  zu  3,3  Kilogramm 
angenommen,  die  Oberfläche  eines  Kindes  zu  1260,84  Quadrat- 
Centimeter.  Wenn  man  also  für  die  in  Tabelle  IV.  angefahrten 
Fälle  dieselbe  Berechnung  wie  dort  für  die  Innenflädie  des 
Uteras,  hier  für  die  Oberfläche  des  Kindes  ausführt,  steilen 
sich  für  den  Gesammtdruck,  den  der  kindliche  Körp^  zu 
erfahren  hatte,  durch  die  den  Blasensprung  bewirkende  Wdie, 
folgende  Zahlen  heraus.  Zugleich  ist  in  der  Tabelle  auch  der 
Druck  berechne,  den  die  Placenta  auszuhalten  hat,  und  ist 
dabei  der  Durchmesser  derselben  zu  15  Centimeter,  ihr 
Fttchrainhalt  also  zu  176,6  Quadrat- Centimeter  angenommen. 

Tabelle  V. 


No. 

Qetammtdrack 

Geaammtdrack 

aaf  das  Kind. 

auf  die  Placenta. 

4 

310,471  ] 

Kilogramm. 

43,626 

Kilogramm. 

9 

209,286 

» 

29,339 

n 

10 

246,207 

}f 

36,616 

1» 

11 

286,778 

» 

40,061 

n 

17 

287,819 

9 

40,404 

» 

18 

872,122 

n 

62,166 

n 

19 

342,089 

n 

47,966 

9 

21 

334,096 

n 

46,837 

n 

26 

233,886 

n 

32,717 

n 

Mittel  I    291,249  Kilogramm.  |    40,947  Kilogramm. 


1)  Lebrbnch  der  Physiologie,  Bd.  I.,  8.  483,  Leipaig  1858. 


ein  Beitng  rar  Ifcdiaiiik  d»r  GvVvrt.  28 

kb  bitte  aucb  ftip  den  Druck»  den  die  NabebcbnOr  a^ 
leidet,  Zablen  aoffihren  könneü;  weim  man  die  mittlere  Uoge 
derselben  zo  60  Centimeter,  ihreo  mittleren  Umfimg  su 
3,5  Centimeter  annimmt,  so  berecbnet  sieb  die  Oberfläcfafe 
SU  17Ö  Quadrat- Centimeter,  es  würde  also  der  Druck  «ih> 
geffibr  mit  dem  der  Placenta  übereinstimmen. 

Als  Mittel  für  den  Druck  auf  den  kindlichen  K6rper  ist 
somit  291  Kilogramm  oder  5%  Centner  gefunden.  Diese 
Zahl  könnte  unglaublich  erscheinen,  wenn  man  nicht  berück- 
sichtigte, dass  dieser  Druck  ganz  dem  Luftdrucke  analog 
aufzufassen  ist,  zu  dem  er  einen  kleinen  Zuwachs  bildet*  da 
das  Kind  auch  intrauterin  unter  dem  Luftdrücke  steht  Wie 
wir  durdi  das  uns  allseitig  umgebende  Medium  der  Luft 
einem  unserer  Oberfläche  proportionalen  Druck  von  300  bis 
400  Cenfnem^)  imterworfen  sind,  und  wie  er,  wdl  er  von 
alleo  Seiten  gleich  stark  ist,  desweg^  auf  uns  ohne  Wirkung 
Meibt,  so  ist  es  aucb  mit  dem  Fötus,  so  lange  er  nodi  von 
Fruchtwasser  umgeben  ist  Als  Analogie  kann  ein  Taucher 
angeführt  werden,  der,  wenn  er  beispielsweise  10  Meter 
unter  der  Wasserfläche  sich  aufhält,  ausser  dem  Luftdrucke 
auch  noch  einen  Wasserdruck  von  etwa  174  Centnem  aus- 
zuhalten hat,  gegen  den  einer  von  5  bis  6  Centnern,  me 
er  auf  den  Fötus  einwirkt,  ganz  verschwindet  Dasselbe  gilt 
von  dem  Drucke  auf  die  Nabelschnur.  Nur  die  Placenta,  an 
der  Innenfläche  des  Uterus  anhaftend,  durch  den  Druck  des 
Fruchtwassers  gegen  die  Uteruswand  gepresst,  kann  einer 
nachtheiligen,  weil  einseitigen  Compression  ausgesetzt  sein; 
dadurch  wird  gewiss  auch  die  bei  und  nach  jeder  Wehe 
bemerkbare  Störung  im  Placentarkreislaufe ,  die  sich  durch 
Langsamerwerden  der  kindlichen  Herztöne  rückäussert,  bewirkt; 
denn  ein  wenn  auch  auf  die  ganze  Oberfläche  von  176  Quadrat- 
Gentimeter  vertheilter  Druck  von  circa  80  Pfund  ist  sicher 
im  Stande,  eine  theilweise  Compression  und  Verschliessung 
der  Gefilsslumina  hervorzubringen. 

Zum  Schlüsse  ist  vielleicht  eine  Andeutung  erlaubt,  wie 
gross  man  sich  die  Kraft  denken  muss,  die  den  Kopf  durch 
die  Geburtswege  presst    Ich  glaube  aus  den  Fällen  No,  1,  3, 


1)  J.  Miaier,  Lehrbneh  der  Physik. 


14         !•    P^>PP^i  VthtT  di«  Beiifltoav  der  BlhKvte  etc. 

19,  13,  22,  23  und  28  der  Tabelle  I.  ein  approximaÜTes 
Mmnum  ableiten  zu  dilrfen.  Bei  diesen  nätnKch  ist  bemerkt, 
dass  die  Gebort  des  Kindes  gleichzeitig  mit  dem  Abflasse 
des  Fruchtwassers  erfolgte,  d.  h.  bei  derselben  Wehe.  Es 
hat  alse  Aeselbe  Kraft,  die  die  EihMite  sprengte,  auch  den 
Kopf  zu  Tage  gefördert.  Leider  habe  ich  die  Untersuchungen 
nicht  auch  auf  Eihautflächen,  die  dem  Umfange  des  voll- 
kommen zuröckgezogenen  Muttermundes  entsprechen,  also 
etwa  von  10  Centimeter  Durchmesser  ausgedehnt,  doch  darf 
vielleicht  von  den  för  5  Centimeter  Durchmesser  gefundenen 
Werthen  auch  beiläufig  auf  grössere  FUchen  geschlossen 
werden,  wenn  wfar  nach  der  oben  gegebenen  Deduction  an- 
nehmen, dass  sich  die  absoluten  Gewichte  wie  die  Diirchnesaer 
verhalten  und  zugleich  den  zu  Ungunsten  der  grösseren  Fttcbe 
sich  herausstellenden  ^  Fehler  nach  dem  oben  angegebenen 
Verhiltnisse  zur  Recbnmg  bringen.  So  bekommt  man  dann, 
den  Durchmesser  zu  10  Centimeter  annehmend,  folgende 
Zahlen. 

Tabelle  VI. 


Belastung 

Belastung 

bei 

bei 

No. 

6  Centimeter 

10  Centimeter 

Durchmesser 

Durchmesser 

in  Gramm. 

in  Kilo^amm. 

1 

6002,1 

9,876 

8 

1480,7 

2,846 

12 

1301,8 

2,134 

13 

4639,1 

7,608 

22 

2871,6 

4,709 

23 

6769,1 

9,461 

28 

4269,1 

7,001 

Die  zweite  Reihe  druckt  also  für  die  speciellen  F^ie  die 
zur  Zeit  des  Blasensprungs  und  Durchtrittes  des  Kopfes  zur 
Wirkung  kommende  Kraft  des  Uterus  aus.  Wem  man 
berücksichtigt,  dass  dies  nur  for  die  leichtesten  Geburten  ein 
Minimum  der  Kraft  ausdrückt,  so  erscheinen  mir  die  Zahlen, 
obwohl  sie  mit  fosserst  schwankenden  Werthen  bereehnet 
wurden,  durchaus  wahrscheinlich.  Man  iiarf  demnach  fiOr 
sehr  leichte  Geburten  eine  Kraft  von  mindestens  4 — 19  Pfund 
annehmen,  die  den  Kopf  durch  das  Becken  presst   Yielfeicht 


n.   i9«lbflla,  BeM«rkKm|»6ii  ««r  B6bmB4lwi|f  6te.  96 

äst  es  spiUr  «mmal  auf  anderem  Wege  rnöglidi,  gemiiiepe 
BestiiBiiHiiigen  Aber  tfese  Kraft  lu  machen,  filmKcli  wie  für 
pathologische  FftUe  durch  die  irr»a^?2M*^6che  ^)  Zange  mit 
dynamometrisch^  Vorrichtung  ein  Mittöl  uns  zu  Gebele  steht, 
die  die  NatnrkrSfte  unterstützenden  und  ersetzenden  KrMle 
bei  der  Sunsthfllfe  zu  messen. 


n. 

Bemerkungen 
zur  „Behandlung  der  Nachgeburtsperiode". 

(Nach  dreihundert  Beobachtungen.) 

Von 

Heinrich  Sehttle, 

prftkt.  Afxte  «ad  bisherigem  AMlttealaa  en  der  Oroteiienogl.  Entblninngaanatelt 

SU  Freibnrg  i.  B. 

Es  sind  bald  drei  Jahre,  dass  Credä  auf  der  Königsberger 
Naturforschenrersammlung  im  Jahre  1860  sein  Verfohren  der 
„Kweckmässigsten  Entfernung  der  Nadigeburt'*  hervorgehoben  — 
eine  hinlängliche  Zeit,  um  fl[)er  den  praktischen  Werth  desselben 
erfahmngsgemlss  urtheilen  zu  können. 

Schon  bei  seiner  ersten  Darlegung  durch  Oredi  erwarb 
sich  das  Verfahren  Freunde  wie  auch  Gegner.  War  doch  in 
Deutschland  die  kc^nstliche  Entfernung  der  Nachgeburt  durdi 
sanften  Zug  an  dem  Nabdstrange  und  Einfuhren  der  Hand 
in  die  Scheide  nach  Ablauf  von  circa  20  Minuten  nach  der 
Geburt  der  Frucht  eine  seitdem  ganz  unangefochtene  Lehre 
jedes  geburtshWiichen  Lehrbuches! 

Ungeföhr  zu  derselben  Zeit  wie  durch  CrecU  geschah 
durch  Spiefftlherg  ein  entscheidender  Schi-itt  zu  Gunsten 
eines  der  Natur  entsprechenden  Verfahrens,  indem  Sjnegelberg 
in  seinen  „Erfahrungen  und  Bemerkungen  über  die  Störungen 


1)  Monatsschrift  fGr  Geburtsknnde ,  Bd.  17,  1861. 


10  II.   8Ml$t  Benerkan^ea  nur  Bebandlong 

des  NachgebttitsgeschäftB''  (Wörzb.  Med.  ZeiUohr.,  K,  1861), 
als  das  WeseDtliche  der  spoDtanen  Placentalommg  und  Plaeenta«- 
auatreibung  ^die  fortwährende  Ueberwachung  dea  Utenia  mit 
der  Hand**  bezeichnete  und  hervorhob,  „daas  der  Uterus  die 
Plaoenta  wohl  immer  spontan  löse,  wenn  die  Nachgeborts- 
Periode  gehörig  geleitet  werde,  und  dass  die  Retemionen  in 
der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  durch  Unterlassung 
entständen.*^  Er  zeigte,  dass  dies  Verfahren  schon  längst 
Ton  den  Engländern  (White  und  Clarke)  —  und  mit  dem 
schönsten  Erfolge  —  geöbt  werde,  und  bogröndete  es  durch 
Hinweis  auf  einfache  und  bekannte  anatomisch -physiologische 
Thatsachen.  ßpiegdber^s  Verfahren  wurde  auch  in  der 
unter  seiner  Leitung  stehenden  hiesigen  geburtshnlfUchen 
Klinik  sogleich  nach  deren  Uebernahme  von  seiner  Seite  ein- 
geführt und  bei  allen  Geburten  geübt  Die  dadurch  erzielten 
Resultate  bilden  den  Inhalt  vorliegenden  Aufsatzes. 

Die  Methode,  wie  sie  in  unserer  Klinik  zur  Anwendung 
kommt,  besteht  in  Folgendem: 

Hat  bei  der  Austreibung  des  Kindes  der  Kopf  durch- 
geschnitten, so  wird  jetzt  auch  gleich  die  Hand  auf  den 
Fundus  uteri  gelegt,  und  stellt  sich  dann  die  den  Rumpf  zu 
Tage  fördernde  Wehe  ein,  so  folgt  jetzt  die  Hand  dem  durch 
Entleerung  seines  Inhaltes  sich  immer  mehr  verkleinernden 
Uterus,  und  zwar  so,  dass  die  Hand  nach  geschehener  Geburt 
des  Fötus  den  Fundus  uteri  mit  der  vollen  Breite  umfasst, 
wobei  die  Ulnarseite  über  den  Fundus  uteri  hinweg  die 
Bauchdeeken  zurückdrängend,  an  dessen  Hinterseite  fest  sich 
anlegt  So  bleibt  die  Hand  (ohne  dass  man  sieh  um  das 
Neugeborene,  wenn  gesund,  bekümmert)  nun  ganz  ruMg  liegen, 
bis  nach  einigen  Minuten  (oft  10  Minuten  bis  y«  Stunde) 
diBTch  dis  leise  unter  derselben  fühlbare  Festerwerden  der 
Gebärmutter  sich  Contraclionen  ankündigen.  Und  nun  „umgreift 
die  Hand  (wie  CredS  angiebt)  mit  den  gespreizten  Fingern 
den  Uterus,  und  drückt  dreist  auf  den  Grund  und  die  Wände 
des  Uterus  in  die  Gegend  des  Kreuzbeins  Un.*^  Sehr  oft 
fühlt  man  schon  bei  dieser  ersten  Manipulation,  bei  der  man 
den  Uterus^  wie  Spiegelberg  zu  sagen  pflegt,  „wie  eine 
Citrone  ausquetschen  kann,**  an  der  jetzt  plötzlich  kleiner 
werdenden   Gebärmutter,    dass   die    gelöste  Placenta   in   die 


der  NftokfebniUperiod«.  17 

Vagina  heral^geUreteo.  Erfolgt  dies  noch  nicht,  ao  blaibt  die 
Hand  wieder  ruhig  liegen  und  wartet  eine  Contractian  ab;  das 
von  Credd  empfohlene  Reiben  und  Kneten  haben 
wir,  da  uns  Hauptsache  ist:  die  mit  der  Geburt 
des  Kindes  erfolgende. Contraction  zur  Lösung  der 
Placenta  zu  benützen,  nur  in  sehr  wenigen  Fällen 
anzuwenden  uns  gendthigt  gesehen.  -^  Bei  der  nun 
wiedenun  sich  einstellenden  Contraction  wiederholen  wir  das 
oben  besGbrid>ene  Verfahren,  und  in  den  weitaus  meisten 
Ftilen  fanden  wir  nach  zwei  bis  drei  Mal  wiederholter 
Manipulation  die  Placenta  in  die  Vagina  herabgetreten«  —  Ist 
dies  geschehen,  so  hat  nur  noch  ein  Druck  der  auf  dem 
Fundus  ruhenden  Hand  gerade  nach  abwärts  stattzufinden, 
worauf  die  Placenta  durch  den  herabgedrängten  Uterus  aus 
der  Vagina  fast  herausgeschnellt  wird  und  ausserhalb  df^r 
Genitalien  erscheint  Der  hin  und  wieder  noch  in  der  Vagina 
sich  befindliche  Strang  der  Eihäute  folgt  einem  leichten  Zuge 
mit  der  Hand« 

Auch  jetzt  noch  bleibt  die  Hand  einige  Zeit  über  dem 
Uterus  liegen,  „sowohl  um  einer  Relaxation  des  Uterus  vor* 
zubeugen,  als  auch  um  den  erschlafilen  Bauchdecken  eine 
Stütze  zu  geben.*"  Den  letzten  Act  in  der  Behandlung  der 
Naebgeburtsperiode  bildet  die  Anlegung  der  Bauebbiode*  — 

Dies  in  kurzer  Skizze  die  Methode,  bezüglich  derer  hier 
nochmals  im  Interesse  des  historischen  Rechtes  herrorgeboben 
werden  muss  —  wie  dies  auch  von  Prot  SpiegMerg  in 
seinem  Aufsatze  geschehen  ist  — ,  dass  sie  durchaus  nicht  neu 
an  und  fOr  sich  ist,  sondern  nur  in  DeutscUand  ziemlich 
uabekannt  war,  bis  Cred^  und  Spiegelberg  entschieden  auf 
sie  hinwiesen.  Zum  Beweise  dessen  dtire  ich  aus  Sindair 
and  Johnston's  „Practical  Midwifery'',  London  1868,  das,' 
was  diese  über  die  Behandlung  der  dritten  Periode  ^  wie  sie 
seit  langer  Zeit  im  Dubliner  Gebärhause  geübt  wird, 
S.  26—28,  sagen: 

(S.  26.)  During  the  time  the  right  band  was  engaged 
with  the  Perineum,  and  just  as  the  head  was  emerging  from 
tbe  outlet,  it  was  invariably  the  practice  to  place  the  left 
band  over  the  fundus  of  the  Uterus,  and  with  it  the  organ, 

M»9*tMf1ir.  f.  Ctobvrtok.  Ues.  Bd.  XXII.,  Hit  1.  2 


13  II.    Schau ,  BeiMrk^Bg^  lar  Blihandlang 

a»  its  capaeity  Amished,  was,  in  tbe  langoage  of  the  h^apital 
„foUowed  dowfi^  Thit  treatoieot  waa  atroogly  urgtd  for  tbe 
purpoae  of  easuiag  an  uniform  oontraclidn  of  ibe  tttertw, 
and  thus  randering  the  woman  less  liable  to  eitber  the  oecorrence 
of  hemorrliäge,  or  tbe  retention  of  the  placeuta.  In  „faHowiag 
down  Ibe  utorua*'  witb  tbe  left  band;  il  was  coosidered 
advisable  that  its  ulnar  edge  sbcMild'  be  completely  abeve  the 
fundus;  in  other  words,  that  tbe  operator's  band  shiNild  nat 
be  pennitiad  to  press  tbe  uterine  tamour,  but  rather  ta  graap 
tb6  organ  at  its  sumroit  Some  of  tbe  cases  of  reCamed 
placenta»  frooi  irregulär  contraction,  were  tiMugbt  (o  ha?e 
originated  from  such  mal-application. 

(S.  26«)  Tbe  exit  of  tbe  Shoulders  was  never  bastaned 
uiiless  the  child  presdnted  Symptoms  of  tbe  aspbyxia,  fron 
tbe  GODtinued  pressure  of  the  cord;  the  pause  aböve  aüuded 
to  being  of  too  great  duration. 

(S.  27.)  During  the  thtfd  or  placental  stage  of  labour, 
tbe  lelt  band  of  tlie  attendant  resunied  tbe  charge  „of  the 
conlraction*'  wliich  bad  been  under  tlie  custody  of  tlie  «idwife 
wthUe  tbe  cord  was  being  divided.  The  command  thus  obtained 
over  .the  utems  was  never  lost  until  the  piacenta  had  beea 
cidier  artificially  removed  as  naturally  discharged,  which  latter 
oecurred  generally  ia  aboul  a  qnarter  of  an  hour  or  twenty 
Biinutes. 

(S,  27.)  Hie  reasoBS  assigned  for  the  practice  were  as 
foUows:  —  The  woman  belüg  always  liable  to  the  occurrenoe 
of  bemorrhage  so  long  as  the  plaoenta  remained  within  Uterus^ 
it  was  considered  that  tbe  band,  retaining  in  its  grasp  the 
organ,  was  oontinually  oegnisaat  of  its  existing  State,  wbüo 
at  the  sa»e  time  a  sufficient  support  was  given  lo  the 
abdominal  parietes;  and  wben  a  due  and  proper  contraction 
was  wantjng,  the  necessary  Stimulation  could  at  once  be  given» 
mA  tbe  eoUectien  of  clots  within  tbe  cavity  prevented.  — * 

Meine  Erfahrung  nun  in  Betreff  der  Anwendung  ^t  be> 
aprochenen  llfethode  omfasst  dreihundert  Gebarten,  wie 
flia  seit  4em.  Antritte  des  Prof.  Sfiegdberg^  m  unserer  Klinik 
FOfgekommen.  Die  Methode  wurde  ausnahmslos  bei  natär« 
liehen  wie  künsthehen  Geburtea  genau  in  der  oben  bezeichneten 
Weise  vorgenommen  und  dabei  immer  das  spontane  Austreten 


der  Nae&^ebartsperiode.  19 

der  Placenta  bis  vor  die  äusseren  GeoitalieQ  erzielt.  Nur 
einmal  wurde  die  im  unteren  Tbeile  der  Scheide  gelöst  liegende 
Placenta,  weil  die  dritte  Periode  schon  über  IV2  Stunden 
gedauert  hatte,  mit  der  Band  entfernt.  Die  Placenten  waren 
ohne  Ausnahme  prichtig  erhalten;  ketoe  Spur  iiigeiid  wdchef 
gewaltsamer  Ablösung  zeigte  sich  an  der  Uterinfldche,  die 
Eihäute  waren  immer  Tottstdndig  intact.  Nie  beobachteten 
wir  einen  durch  Vornahme  der  Nachgeburtsmanipulationen  der 
Wöchnerin  entstandenen  Nachtheil  und  die  besohriebene  Ifetbode 
wurde  währead  dieser  300  Geburten  nicht  etwa  aHein  vom 
Director  der  Anstalt,  oder  von  mir,  oder  der  Anstallsb^amme 
ausgeübt,  sondern  auch  die  Praktikanten  wie  auch  die 
HebauHieDScbülerinneii  zweier  Curse  zeigten  im  Verlaufe  d^r 
Geburten,  die  sie  allein  zu  leiten  hatten,  wie  auch  ihnen 
die  Fertigkeit  zur  Ausübung  des  Handgriffes  günz  zu  eigen 
wurde.  Und  wie  mir  Herr  Prof.  Spiegelberg  mittiieilt,  haben 
im  Kreise,  dem  er  als  Oberhebarzt  vorsteht,  viele  Hebammen 
die  Methode  adoptirt,  und  die  Fälle  von  Hetention  der  Placenta 
sind  seitdem  bedeutend  seltener  geworden. 

Einzig^  verschieden  zeigte  sich  —  wie  schon  a  priori 
erhellt  —  bei  den  einzelnen  Gebärenden  die  Zeit,  innerhalb 
Welcher  die  Placenta  nach  der  Austreibnng  des  Fötus  vor 
den  Genitalien  erschien.  Die  Zusammenstellung  nach  unseren 
Geburtsjoumalen  ergiebt  folgendes  Resultat: 

:  I,    Bei  natürlichen  Gebarten. 

A.    Für  die  Erstgebärenden? 

1)  die   Fälle,    in  denen   die  Placenta  entweder 

unmittelbar  oder  höchstens  bis  fünf    ' 

Minuten  nach  der  Austreibung  des  Fötus 

vor  den  Genitalien  erschien,  betragen    .  =s  25,2  Proc, 

2)  die  Fälle  von  einer  Zeitdauer  der  dritten  Periode 

bis  V4  Stunde  =  44,6  „ 

3)  desgl.                bis  V2  Stunde  =  16  „ 

4)  desgl.              über  V^  Stunde  =:  14  „ 
Unter  diesen  sub  4)  waren: 

4  Fälle  mit  einer  Zeitdauer  von  45  Hinuten. 
3     „      „       „  ,,  „1  Stunde. 


20  n.    ScMiU,  Bemerkniigeii  lur  Behandloag 

1  Fall  mit  einer  Zeitdauer  von  IV4  Stunde, 
1     ,,      „      ,,  „  „1  Stunde  20  Hinuten. 

Mittlere  Dauer  der  dritten  Periode  bei  Primiparen  18  Minuten. 

A    Für  Mehrgebärende: 

1)  die  FMe  von  einer  Zeitdauer  unter  5  Minuten  =s  28  Proc, 

2)  „      „       „       „  ^        biß    V4  Stunde  =48     „ 
8)    „      „       „       „          „        big    V*      f,      =17 
4)    „      «       „       „          ^        überV«      n       =10 

Unter  diesen  sub  4)  waren 
.  8  Fälle  mit  einer  Zeitdauer  von  45  Minden, 

1  FaU      „       „  „  ,,1  Stunde, 

2  Fälle     „      „  ,,  „      ly«  Stunde. 
Mittlere  Dauer  der  dritten  Periode  bei  Multiparen  =  16  MinulcAi 

II.    Bei  künstlichen  Gebarten. 

* 

Hierher  gehören: 
8  Zangenoperationen,  darunter 

3  Fälle  mit  einer  Dauer  der  dritten  Periode  unter  5  Minuten, 

4  „      „     „        „      „        „  n    von  10—15  „ 

7  Wendungen: 

4  Fälle  mit  einer  Dauer  der  dritten  Periode  unter  5  Minuten, 

3      „         w         w  n         n  n  >,      VOUlO— 15   „ 

3  Extractionen  bei  Steisslagen: 

2  Fälle  mit  einer  Dauer  der  dritten  Periode  unter  5  Minuten, 

1  Fall     ;,      „        „      „        „  „      von  15      „ 

2  künstliche  Frühgeburten  a)  bei  32  Wochen  Gravidität, 

*)    H   34       „  „ 

1  Fall  mit  jeiner  Dauer  der  dritten  Periode  von  10  Minuten. 

1  35 

Um  nun  weiter  zu  eniiren,  worin  diese  Differenz  in 
der  Zeitdauer  der  Nachgeburtsperiode  begründet  sei,  habe 
ich  die  Zahlenangaben  der  Zeitdauer  der  ersten  und  zweiten 
Periode. im  Vergleiche   zu   der  Dauer   der  jeweiligen   dritten 

•  -  « 

Periode  bei  allen  300  Geburten  aus  unseren  Geburtsjoumalen 
zusammengestellt.  Hieraus  ergab  sich  als  erste  und  fast 
durchweg  constatirte  Thatsache:  dass  je  läng.er  und 
regelmässiger   die   erste  Periode   und   besonders  je 


d«r  N»c1igelmFUp«riod6.  21 

lAnger  die  Blase  erhalten  blieb,  desto  kflrzer  die 
iweite  und  dritte  Periode  ablief.  SpecieH  zeigte  aber 
die  Vergleichüng  der  Zeitrerhältnisse  bei  den  sab  4)  ver- 
zeicbneten  —  also  der  am  längsten  dauernden  —  FlUe  als 
eine  iweite  Thatsache:  dass  eine  sehr  raseke  Aas- 
treibangsperiode  in  der  Regel  eine  lang  wflhrende 
Nachgeburtsperiode  auf  sich  folgen  lisst  So  zeigen 
in  letzterer  Beziehung  zwei  FäUe,  in  denen  das  Kind  nach 
Eröffnung  des  Muttermundes  mit  einer  WeHh  zu  Tage  trat, 
eine  'Z«  Stunden  lange  Nachgeburtsperiode,  und  zwei  der 
Maximalfalle  bei  den  Primiparen  und  Multiparen  weisen  beide 
nur  eine  Stunde  Eröfftaungsperiode  und  einige  Minuten  für 
die  Austreibungsperiode  nach.  —  Nach  der  ersten  oben 
angeführten  Thatsache  löst  sich  bei  lang  dauernder  erster 
Periode  die  Placenta  am  Ende  der  zweiten  und  im  Anfange 
der  dritten  Periode  rascher  und  leichter. 

Ein  anderes  Mal  hatte  die  sehr  lange  dauernde  Nachgeburts- 
periode darin  ihre  Begründung,  dass  die  herabtretende  Placenta 
nidit  ihre  glatte  Fötalfläche,  sondern  die  UterinflSche 
nach  aussen  kehrte.  Bei  den  nach  aussen  gerichteten 
und  an  den  Wandungen  der  Genitalien  manniclifadi  sich  an- 
stemmenden Cotyledonen  der  Uterinfläche  geschah  das  Herab- 
treten  sehr  langsam.  Unsere  Geburtsjoumale  weisen  zwei 
derartige  Fälle  —  den  einen  von  einer  Dauer  der  dritten 
Periode  von  eiq^r  Stunde,  den  anderen  von  IV4  Stunde  —  auf. 

Unsere  Beobachtungen  am  Gebärbette  selbst  führten  uns 
noch  weiter  zu  folgenden  Erfahnmgen: 

1)  Dünne,  schlaffe  Bauchdecken  sind  ein  begünstigendes 
Moment  für  die  Ausstossung  der  Placenta;  dicke  schlaffe 
Bauchdecken  streicht  man  zweckmässig  mit  der  flaehen 
Hand  über  den  Uterus  zurück. 

2)  Bisweilen  wirft  ein  Hustenanfall  die  in  der  Vagina  liegende 
Placenta  durch  die  Contraction  der  im  Becken  laufenden 
Muskeln  mit  einem  Cho6  hervor. 

3)  Liegt  die  Placenta  länger  in  der  Vagina,  so  habe  man 
nur  etwas  Geduld;  sie  rückt  allmälig  herab  und  kommt 
sie  in  den  unteren  Theil  der  Scheide,  dann  treten  die 
hier  liegenden  Muskeln  zu  ihrer  Entfernung  mit  in 
Wirksamkeit 


4)  Zcioheti,  dass  diePltbCenta  vom  Utaiis  gelö«i  sei,  sM: 
Plattiwerden  des  Uterus  vou  vom  uaeli  hinteu,  »tycliB« 
von  oben  nach  untoD  fortschreHeU  Weon  dl«  Plaeeabi 
im  oberen  Tkeile  der  Scheide  liegt,  dano  steht  4er 
Utchis  poeh  boch;  ruckt  sie  beniDti^rt  so  »iakt  m* 
hferab  und  steht  nach  ihrer  AusstossuDg  ex  vagina  oft 
reeht  tief  hinter  der  Symphyse. 

5)  Die  Chlorofortn- Narkose,  die  bei  alleii  künstlichen 
Geburten  «in  Anwendung  kam,  halte  beznglieh  de« 
göfistii^  Erfolges  der  beschriebenen  Methode  nie  aueh 
pur  den  geringsten  NachtheiL 


An  diese  Resultate  des  in  neuerer  Zeit  von  SpUgelimrg 
empfohlenen  englischen  Verfahrens  und  der  aogekmpfteii 
Beobachtungen  erlaube  ich  mir  hier  eine  kurse  VergleiGhuBg 
desselben  gegenüber  der  CVede'scben  Methode  anzureihen  — 
was  übrigens  von  Prof.  Spiegelberg  in  seinem  mir  soeben 
zur  Hand  gekommenen  „Bericht  über  die  Leistungen  in  der 
Geburtsbülfe  pro  1861 ''  (s.  CanHati^s  Jahresbericht  pro  1661) 
bereits  geechefaea  isL  Crede  läset  zuerst  die  Austreibiwg 
dos  Kopfes  und  des  Rumpfes  vor  sich  geben;  erst  jetzt  legt 
er  die  Hand  auf  den  Uterus,  die  er  V« — Va  Stunde  ruhig 
liegen  läset,  um  sodann  anfanglich  sanile,  nach  und  nach 
verstärkte  Reibungen  des  Fundus  und  Corpus  uteri  auszufahren 
nsd  so  Wehen  zu  erregen,  durch  welche  die  Placenta  sich 
lösen  soll.  Die  während  der  Wehe  den  Fundus  uteri  mit 
gespreizten  Fingern  umfassende  Hand  soll  dann  die  geMsle 
Phcenta  herausdrücken.  —  Das  Wesentlichste  an  der 
ganzen  Manipulation ^ ist  wohl  jedenfalls  die  Beförd^erung 
der  vollständigen  Lösung  der  Placenta;  CrecU  erregt 
hierzu  durch  Reiben  des  Uterus  Wehen.  Nach  unserer  Methode 
ist  dieses  künstliche  Wehenerregen  nicht  nöthig;  wir  legen 
sogleich  nach  Geburt  des  Kopfes  die  Hand  auf,  folgen  jetzt, 
nacl^  unten  druckend,  dem  sich  verkleinernden  Uterus  und 
verwerthen  auf  diese  Weise  die  kräftige  W^ehe,  die 
zur  Austreibung  des  Kindes  verwendet  wird,  indem 
wir    sie    durch   äusseren   Druck   unterstützen,    zur 


L6«uog  der  Placenta.  hM  genügt  oil  <fer  kleinste  Druck 
oeeb  uoten,  dase  die  Placent*  gleich  den  aiiegetriebeiien 
F6tuft  aus  den  GeoilaJicfi  nacbschlupft  Sagt  ja  doch  OricU 
seibat:  i^eiiie  einrige  energische  Gontraction  der  Gebänoutter 
ttacht  dem  ganzen  Vergange  ein  schnelles  Ende/'  —  Sind 
aber  Reibungen,  m&  sie  Cred6  su  diesem  Zwecke  empfiehlt, 
auch  ein  iu  allen  Fällen  sicheres  and  vor  AUem  gefahrloses 
Mittel?  Letzleres  wohl,  wenn  sie  von  sachTeratlndiger  Hand 
ober  den  ganzen  Uterus  gleicbmässig  ausgeführt  werden.  Wie 
aber,  wenn  sie  der  Hand  nachlässiger  Hebammen  oder  un* 
koadiger  Aerzte  aoTertraut  sind?  Schon  SpiegMerg  hat  in 
seinem  mehifacfa  dlirtai  Aufsatze  sich  dahin  ausgesiirochen: 
dass  die  schlecht  ausgeführten  Reibungen  gerade  das  Gegen* 
Cbeil  Yon  dem,  was  man  ereielea  will  —  eme  gkkfamässige 
Ceotmction  —  herbeiführen  können«  Und  so  zeigen  aiioh 
iHisere  GeburUjournale  —  unmittelbar,  bevor  Prof.  SpiegMerg 
die  Leilimg  der  faiestgen  Anstalt  öbertkahtti  —  bei  einer  Erst- 
gebärenden nach  regehnäseiger  Geburt,  einen  Fall  von  Slrktur, 
wo  IVs  Stunden  hindurch  Reibungen,  Druck  nach  unten, 
Zusammenquetschen  des  Uterus  zur  Entbindung  der  Plaoeata 
versucht  worden  waren,  und  schliesslich  letaterc  in  der  Tuben- 
gegend eingeachnüri  sidi  zeigte,  von  wo  sie  nur  durch  maoualle 
Hülfe  entfernt  werden  koAOte.  Ist  dies  aber  in  einer  klinischen 
Anstalt  begegnet,  um  wie  viel  mehr  mnss  es  bei  ungestümen 
Hebammen  —  denen  doch  die  Leitung  der  weitaos  meisten 
Nachgeburtsperioden  in  die  Hand  gegeben  ist  —  befürchtet 
werden?  Ist  man  ferner  auf  die  künstliche  Hervormfung 
von  Contractionert  zur  Lüsung  der  Nachgeburt  angewiesen, 
so  können  auch  die  mehrfach  wiederholten  Zusammen- 
qoetscbuDgen  des  Uterus  mit  den  gespreizten  Fingern  nicht 
umgangen  werden»  Die  Anwendung  dieser  ist  Ubier,  meinen 
Erfahrungen  nach,  mögliebst  einzuschränkent  4%  ihre  AppUcaMon 
den  Gebärenden  meist  schmerzhaft  ist,  —  eine  Behauptung, 
die  ich  entschieden  gegen  Crtdi  und  StraaBmamn  aufrecht 
halten  muss.  Erwähnt  doch  auch  Gredi  solcher  Fälle  und 
i'äumt  ihnen  allein  die  Erlaubniss  ein,  „nach  der  bisher 
gebräuchlichen  Weise  die  Fortnahme  der  Placenta  zu  ver- 
suchen/* 


24  II*    SdUUe^  Bvm^tkmmg^  mm  Beluuidlaiig 


Alle  diese  UebektSnde  werden  aber  durch  die  engliedie 
Metiiode  ^)  umgangen.  Wir  haben  nkiA  ndtlug ,  zu  kdneUieb 
erseugten  Wehen  unsere  Zuflucht  zu  nehmen  ^  da  wir  die 
sUrkate  Wehe  wfihrend  der  ganzen  Geburt  zu  unserer  Be* 
notzung  verwenden  und  begeben  uns  mit  diesem  VorlbeAe 
auch  zugleich  der  Nachtheile  der  HerbeifUinii^  neuer  oiid 
vielleicht  noch  schwierigerer  Complicationen  durch  ongeschickte 
Reilningen  m  unerfahrenen  Händen.  Zugleich  ist  die  beschriebene 
Metiiode  auch  die  der  Gebärenden  am  wenigsten  Sdunerzen 
bereitende. 

Audi  8iras9mann  betont  das  möglichst  frfihe  Einleten 
der  Manipulationen  und  bezeichnet  den  Handgriff  Mr  um  so 
müheloser  imd  am  sidiersten,  waim  unmittelbar  nach  der 
Geburt  des  Kindes  das  Manoeuvre  begann.  Ich  stimme  diesem 
Ausspruche  vollkommen  bei,  nur  dass  Ich  statt  „wadk  der 
Geburt  des  Kindes^'  nach  der  .Geburt  des  Kopfes  sage. 
Auch  die  übrigen  Punkte,  die  8tr<usnumn  in  seiner  ge- 
diegenen Abhandking  (Monatsschrift,  Bd.  XIX.)  als  Resune 
aber  160  Fälle  angiebt,  sind  mit  meiner  Erfahrung  AbereiD* 
stimmend.  Nur  ist  die  Zeitdauer  der  dritten  Periode,  wie  sie 
/SCrcwamonn  annimmt,  wenn  er  sagt:  „1  —  2  Minuten  seien 
hinreicfaeBd,  nur  in  sehr  wenigen  Fällen  10 — 16  Minuten**  — 
nach  meiner  Erfahrung  durcbsdmittlich  etwas  zu  niedrig 
gegriffen.  Durchaus  nicht  kann  ich  aber  mit  van  Rooyet^ 
(Monatsschrift,  Bd.  XX.,  Heft  4)  übereinstimmen,  wenn  er 
daraus,  dass  er  „nach  zwei  Mal  durch  Druck  hervorgerufenen 
kräftigen  Wehen  beim  Einführen  von  zwei  Fingern  die  Nach«- 
gehurt  noch  nicht  erreicht'*  den  Sehluss  zieht:  „es  sei  ent- 
weder Verwachsung  oder  anomale  Lage  der  Placenta  oder 
vielleicht  Incarceration  der  Placenta  vorhanden.**  (1)  Jedenfalls 
ist  bei  solcher  Diagnose  Geduld  und  Zuwarten  bei  ge* 
höriger  Ueberwachung  des  Uterus  die  beste  Therapie.  — 


1)  Wenn  allerdiags  AUy  jüngst  (Elia.  Bericht,  Fr.  VierU^ahrt- 
sehrift,  1862,  8.  Bd.,  S.  46)  den  grdssten  Werth  auf  Beibniigee 
leg^  und  dies  „als  englisches  Verfahren  beschrieben  und  erapfohlen, 
seit  Jahren  auf  der  Präger  Gebärklinik  eingebnrgerf  sein  lasst, 
80  bemerke  ich  darauf,  dass  das  englische  Verfahren  eben  kein 
Beiben  ist. 


itti  ÜMbgvinirfspcvMle.  2^ 

UaberaMÜmaiend  mit  8iraB9m€mm  finde  ich  femer  die 
Beräcksichtigttiig  des  Ortes,  wo  die  Placenta  ailzt,  deo  man 
M  nur  einigenBaaseen  tractabeln  Decken  ab  etwas  stirker 
tienrorgelriebene  Steile  fdfaU,  als  fdr  das  Gelingen  des  Hand* 
grUKM  sehr  wesentlich.  Dass  schliesslich  schwere  Placenten 
leichter  binausgesehnellt  werden,  als  solche  Ton  geringereBi 
Gewicht  —  finde  ich  auch  im  Einklang  mit  den  Gewichts- 
verbMlaisseD  anserer  Placenten.  — 

■ 

Nach  GcAurt  der  Placenta  lassen  wir,  wie  Eingangs 
schon  angeführt,  die  Hand  zur  Ueberwachnng  des  Utems 
noch  einige  Minuten  liegen  und  es  ist  gewiss  dieser  Vorsk^t 
KHzuschreibett,  dass  wir  trots  mdirfadier  Fälle  von  HydranuMs 
und  mehrerer  Zwilfiogsschwangerschaften  mit  enormer  A«»* 
dehnmig  des  Uterus  nie  eine  Nachblutung  hatten.  Bleibt  der 
Uterus  gut  contrahirt,  so  schreiten  wir  —  auch  hierin  den 
Englfindero  folgend  —  bei  allen  Geburten  ohne  Ausnahme 
zur  Anlegung  der  Biauchbinde.  HMtf  (1.  c.  p.  47)  hUt  die 
Bauchbinde  tüar  nutzlos  und  gefthrlich,  „indem  es  auf  diese 
Weise  unmdglfeh  gemacht  wird,  eine  jede  Veränderung  in 
Vokim  und  Consistenz  des  Uterus  im  ersten  günstigen  Augen* 
bück  zu  erkennen/*  Wenn  freilich  HeUy  den  Uteme  jede 
Stunde  auf  Volum  und  Consistenz  prüfen  will,  so  muss  bei 
solcher  Gewissenhaftigkeit  die  Bauchbinde  allerdings  hind«md 
sein.  —  Bei  stattgehabter  grosser  Ausdehnung  des  Uterus  und 
nadi  allen  künsthdien  Geburten  reichen  wir  noch  eine  Dosis 
Seeale  (10  Gr.)  und  während  der  ersten  Wochenbettstage  ein 
Decoct  Yon  Seode,  wie  es  SpiegMerg  ebenfUls  schon  fWkber 
und  in  neoerer  Zeit  besonders  Abegg  (Monatsschrift,  Bd.  XVUI.) 
empfoUen,  der  es  sogar  den  Mehrgebärenden  ohne  Ausnahme 
gereicht  wissen  ^wül. 

Ich  komme  nun  zur  letzten  Frage:  ob  die  beschriebene 
Behandlung  der  Nachgeburtsperiode  in  allen  Fällen  zum  Ziele 
führe?  Im  Hinblick  auf  unsere  mehr  denn  300,  theSweise 
unter  den  Terschiedensten  pathologischen  Verhältnissen  statt* 
gdbabten  Geburten,  in  denen  die  Placenta  immer  spontan 
aus  der  Seheide  kam,  könnte  kh  fast  unbedingt  CreiU*B 
Ausspruch:  „das  von  ihm  angegebene  Verlkbren  werde  das 


Geapenst  der  rervTachseMen  Plaoeota  verächtlichen'*  «icb  an* 
acUiessen.  Allein  so  üanche  gewksfalige  Stinwe  erhebt  Mfe 
fegen  diese  BehaupliiBg;  in  onaerer  Anstalt  seibBi  ist  ein  FaM 
von  Stridur  im  Naehgeburtsstadium  trotz  aorgßUtiger  AnsiUiang 
der  besprocbeoeo  Methode  vorgekommen  und  diese  Thatsaohe 
lAsflt  flBch  die  vorliegende  Frage  etwas  genauer  eri^ägen. 

Nothweüdig  kann  die  Aetiologie  einer  PlacentarreteiMiott 
nur  in  einer  Störung  des  normalen  VeiUltaieses  swiadion 
GoßtracÜOR  des  Uterus  und  Verbindung  der  Plaoenta  mit  dem 
latsteren  begrnndet  s^.  Gestörte  Contraction  des  Ulems"* 
oder  zu  feste  Adhärenz  der  Placenta  sind  deshalb  die  zwei 
ätiologiscben  Momente  der  Plaeeotarreteation,  denen  ach  als 
drittes  noch  eine  abnorme  Beschafienbeit  der  Placenta  {Hegmr) 
anschüesst  Erstere  zertallt  wieder  in  Atome  des  Uterus  und 
unregnlmAssige  Contractionen.  Atonie  des  Uterus  hat  sdion 
HoKL  in  seiner  Reeedsion  der  CWei^'schen  Methode  unter 
den  Flllen,  wo  sie  zu  keinem  Erfolge  führen  sollte,  aiil* 
gezählt.  Was  kann  aber  einer  Atonie  energischer  entgegen^ 
«pirken  als  dieser  stete,  durch  die  aufgdegle  Hand  ausgeöble 
Aeiz?  Und  benötsen  wir  vollends  noch  die  zur  Auatreibong 
des  Rumpfes  dienende  Welie  durch  Nachfolgen  mit  der 
Hand  zur  Lösung  der  Plaoenta,  weiche  schon  wihrend.  dar 
Attstreibungsperiod«  eingeleitet  wurde,  und  verharren  wir  dann 
mit  der  Hand  auf  der,  wenn  auch  anfangs  scblafl^n  Gebfa^ 
mutter:  —  so  wird  nur  Consequenz  und  Ausdauer  dnzn 
gehören,  um  die  erst  allmfiiig  wiedm*  erstarkenden  Uterin- 
eettttradionen  abzttwarten  und  zur  Austreibung  der  Placenta 
2U  verweAhen.  Unsere  Geburtsjoumale  zählen  manche  FaUe 
von  Häogebanch,  von  Hydramnios  oder  ranhsamen,  er^ 
schöpfenden  Geborten  bei  Schwäcbezustäoden  .des  Organienus 
der  betreffenden  Personen  auf,  und  doch  hat  bei  diesen  nie 
das  ^»ontane  Austreten  der  Placenta  gefehlt*  He  einzige 
Diftrenz  bestand  höchstens  in  einer  längeren  DMer  der  dritten 
Periode  und  zwar  in  einem  FaUe  über  dne  Stunde;  aber  nie 
sahen  wir  uns  veranlasst,  den  Handgriff  wegen  Erfolglosigkeit 
nder  gar  wegen  Gefahr  der  Inversion  oder  Knickung  —  was 
f9an  Booyen  (1.  c.)  in  solchen  F&Uen  befürcbet  ^-  zu  vei*- 
lassen.     Mehrere  ZwiWngssohwangerschaften^   mehrere  FiUe 


atf  «■ohtiiwi>iip<iind»>  87 


Mi  fäMhoB  Lag^h  lind  mt  ASkm  die  scUöra  EMUge  in 
dieser .  HiBfeiciit  oabh  atten  «inaoreii,  imfliep  in  GUoreCün» 
Nwkaie  auBgeührleii  febarUhfllflicheA  Operaliaiien  Keiani 
den»  fetnere  Bekge. 

Etwas  aAd«ra  verhüt  es  sieft  iiä  den  StrieiiiraBu .  Ziw 
man  man  toa  vorn  herein  auf  den  gemiaa  ricahliglyii  AiMqNUch 
Crodä^B  mkd  ßipiegMerg^s:  ^dass  die  allermeialiA  gamaohte» 
arlüeieile  aind,  gemlBK^hk  von  den  Hebammen''  verwetsen, 
lo  demaeUben  Sinne  sprioiit  aick  aneii  ߧrtu8inann  Q.  c)  ans. 
Akcr  doch  Unbt  noch  eine^  wenn  auch  geringe  Zahl .  fihrig. 
8fitffM€Tg  (1.  0.)  weist  schon  auf  eine  eigenlbfiinliobe  Ftrai 
der  -Stricturan  hin»  dadurch  bedingt,  daae  aicb  die  ia  querer 
Rjehtliflg  Terlaufenden  ülerinbaem,  die  vorzugsweise  stark 
entwickelt  sind,  krampfhaft  lusammeniiehen.  Hegar  beatfttigt 
dieses;  die  Ursache  dieser  abnormen  GonUradionen  ist  uns 
tehekannt;  denn  zu  Hypothesen,  dass  „solche  Abschniile 
während  des  Geburtsrarlaufes  nicht  genügend  und  besoAders 
nicht  lang  genug  dibtirt  erhalten  wurden,  so  daes  sie  boM 
wieder  ihre  früheren  Gontractilität  erlangen*'  —  wie  H^gar 
aidi  die  Sache  erklärt,  greife  ich  nicht  gern*  Hierher  gebM 
anch  der  eine  unserer  FäUe,  wo  nach  fast  pMzIicher  finfr* 
leerong  des  Uterus  eine  Strictur  am  Isthmus  eintisat  —  4rott 
der  pünktlichsten  und  sofort  angewandten  UeherwachuDg; 
hlzlere  fortgesetat  in  Verbindung  mit  wannen  Fomettten  machte 
aUerdiflga  einen  nanaeHen  Eingriff  unndthig. 

Die  haiißgsle  Ursadie  der  Stricturan  bleiben  aber  iocale 
Reize  -^  bei  weüem  am  läufigsten  durdi  ungeduldiges  Zm^ 
am  Nal)d8trange  der  noeh  nicht  gelösten  Placenta  hervor« 
9iruftn«  Kfinnen  aber  nicht  aocfa  von  aussen  auf  den 
Uterus  abnorme  Reize  ihn  zu  ungleichmässiger  Coetraclion 
erregen?  .lUes  ist,  wie  mir  sclieint,  die  gefahrliche  Seite  dea 
fVe^^aeheii  Handgriffes:  ich  meine  die  aar  Er^engv^g 
von  Nachwehen  unachtsam  applicirten  Reibungen* 
6o  trdllich  diese,  von  kumfiger  Hand  ausgeführt,  wirkcRi 
so  kicbt  können  sie,  schiecht  angewandt,  gerade  enm  Gegen* 
Ibeil  —  au  emer  Strktnr  —  fahren  (Spiegdierg  L  c)» 
Baa  Mähete  hierüber  ist  oben  bereila  bei  Vergleiehung  der 
(Jtedä'd^bm  mit.  der  englbchen  Methode  auagefahri.  — 


88  U.    8MUf  Bufikiigf  Mit  BAMidliiBg 

EMis  zweite  fttidogieeke  Menent  der  Phcentarret mA ntw 
gründtt  ooh  auf  Abnormitäten  der  Plaeenta,  sei  «% 
sefern  sie  ihren  Ba«,  oder  ihren  Zusammenhang  mit 
dem  Uterus  betreffen.  Ich  erlaube  mir  nodi  die  knoc 
Berihrung  dieser  Frage;  Belege  fir  das  eine  oder  das  andere 
der  angefUnrten  Momente  haben  unsere  Jowtiaie  nkhl. 
Dennoch  glanbe  ieh,  dass  in  bddeiiei  Hinsicht  ontoohieden 
palbokigische  Zust&nde  Torkommen  können  und  filr  dieaft 
raiirt  woU  die  bescfariebene  liethode  nicht  zum  Ziele.  FiHe 
hterMr  hat  Hegar  aus  der  ganzen  Uterator  zusammengeslelt, 
und  wenn  auch  gegen  mandie,  bezüglich  der  stricten  ixlaiih^ 
Würdigkeit,  sich  Bedenken  vorbringen  lassen,  so  doch  nicht 
gegen  alle.  Im  Hinblick  auf  eine  abnorme  Beschaffenbeit  der 
Pkcenta  entgegnet  schon  Hohl  dem  O^^schen  Verfahren« 
dass  es  fAr  dömie,  weiche,  nachgiebige  Placenten  nicht  passe; 
und  es  ist  a  priori  leicht  einzusehen,  dass  ein  ungewöhnüdi 
lockeres  und  weiches,  wenig  resistentes  Parenchym  der 
Pbcenta  bei  den  Contractionen  des  Uterus  sich  nicht  ablteen 
kann,  sondern,  nach  dem  Vergleiche  Wigcmd*s^  wie  ein 
weiches,  ausgedehntes,  an  die  Hand  gekld>tes  Stück  VFachs 
den  Bewegungen  derselben  folgen  muss.  Die  palhotogisdien 
Bedmgttogen  zu  einer  so  ungewöhnlich  lockeren  Plaoentaiv 
bescbaftnh^t  sind  von  Hegar  angegeben. 

WkMiger  aber  noch  ist  die  eigei^ch  zu  feste  Adhirenz 
der  Placenta,  also  eine  abnorme  Beschaffianheit  der  Verbindutig 
deiwiben  mit  dem  Uterus.  Hegar  fUurt  eine  R«he  selcher 
Fälle,  verbunden  mit  Sectionsberichten,  an;  S^iegMerg  (L  c) 
hat  zwei  Mal  sehnige  Verwachsungen  gefunden,  eben  so  viele 
8trtM9ina»in  (1.  c.)  und  alle  drei  Autoren  halten  deshalb  die 
Existenz  abnorm  fester  Vert)indung  der  Placenta  mit  dem 
Ulems,  so  seken  sie  auch  vorkomme  (10 :  166S2  Gofima; 
87  :  1S748  Johnston  and  Sinclair,  p.  464),  airfreaht  Bei 
der  imgemein  mnigen  Veribindung  der  Decidna  mit  der 
Placenta ,  zwischen  deren  einzelne  Cotyledonen  ja  Sqvta  jener 
einragen,  sind  pathologische  Verhältnisse,  welche  ein  strafferes 
Deciduagewebe  bedingt,  gewiss  denkbar,  zumal  zu  letzteran 
die  ja  so  hänfig  vorkommende  UeherlUimng  des  jungen 
Bindegewebes  (wie  es  gerade  m  der  unteren  Dedduaschichte 


4mr  Wmch^hmftKpnhtd%* 


«aikomnt)  in  ftsi  eDlwickdte  Paseni  Afaren  idobs.  Bodenken. 
wir  Mhni  die  bistologiflclie  Verschiedenheit  der  mit  der 
MaoenCa  ^zu  Tage  tretenden  and  der  ain  iileruB  airüek- 
bWbenden  Deddaaidnchte ,  wo  in  der  ersteran  acben  w&hrend 
der  Schwangerschaft  eine  Fettmetamorphose  yor  sieh  gdit, 
wttirend  fai  der  an  die  Ctenis^Muecularis  angreacenden 
(Mnchte  organische  Moskehetten  (Ecket)  sieh  entwiekdn, 
welehe,  gleichzeitig  mit  dem  Uterasgewebe  sich  eontrahkrend, 
diu  gebeerte  obere  Schidit  leicht  Ton  sidi  Msen  kfonm:  -- 
so  genflgl  die  emlMie  Annahme,  dass  dmrch  irgend  einen 
pathologischen  Vorgang  diese  Diflbrenzirang  in  den  beiden 
Deciduaschichten  nicht  vor  sich  gegangen  wäre,  zur  Be* 
grfindung  der  von  zuverlässigen  Beobachtern  beschriebenen 
Pfacentar- Adhäsionen.  Muss  ja  bei  den  meisten  Fehlgdimrten 
in  den  allerersten  Scbwangerschaftsmonaten  die  Placenta 
kdnstlicb  entfernt  werden,  da  zu  dieser  Zeit  die  erwähnte 
Differenzirung  in  den  Deciduaschichten  noch  nicht  vor  sich 
gegangen  ist  und  die  Placenta  dl>en  deshalb  sich  nicht  spontan 
lösen  kann.  —  Zwar  sind  die  bisher  beobachteten  Placentar- 
AAäsionen  glfieklieherweise  nur  höchst  seltene  Fälle;  immerhin 
aber  verdienen  sw  in  hohem  Maasse  die  Beachtung  des  Arztes« 
da  sie  ihm  in  FäMen,  in  denen  nach  sorgsamster  und  genügend 
langer  Ueberwachnng  des  Uterus  die  Placenta  nicht  sj^ontan 
zu  Tage  getreten  und  andere  Erscheinungen  gleieUrib  fiitar 
eine  abnorme  Adhäsion  sprechen,  die  Indication  zur  Veriassnng 
der  oben  beschriebenen  Methode  und  der  Anwendung  operativer 
Eingriffe  angeben. 

In  Körze  lässt  sich  das  Angegebene  in  folgende  Sätze 
zusammenfassen : 

1)  Die  Hauptsache  für  die  spontane  Entfernung  der  Nach- 
geburt  ist,    nicht   Zusaromenziehungen   hervorzurufen, 
sondern  die  bei  und  mit  der  Geburt  des  Rindes  er* 
'  folgende   Contraction    sogleich   durch   Druck    auf  den 
Uterus  zu  benutzen. 
8)  Ein  fortgesetztes  Liegenlassen  der  Hand   genügt,   um 
Nachgeburtswehen  hervorzurufen;  Beibungen  sind  nicht 
.nöthig,  nebenbei  möglicherweise  gefährlich. 


80  II.   8Mae,  B^bi9wk^m9m  mmrBBhmädhkng  etc. 

S)  Die  Zeity  imierhalb  wekber  die  PkNSenia  vor  den 
tasserten  GeoitalieD  •rscheint,  ist,  oeteiw  parikM,  ipi 
«0  kOrier,  je  länger  ike  Bröffnungsperiode^  baModers 
bi^i  erhaltener  Blase,  gedauert  haUe;  eine  aofgeaiD  ge- 
leitete, naturgeinässe  Diätetik  dieser  Phiode  ist  deshalb 
üß.  beate  Badingiiog  fftr  eine  gute  NachgeMrtapeffiede* 

4)  Nach  der  Gebort  der  Plaeenta  muae  der  Uienn.  mkA 
enae  Zek  lang  Biit  der  Hand  Qberwacbt  und  oaohber 
eine  Bauiohhinde  arngtiegt  wmlen;  hei  Befi^rcbtimg 
einer  etwaigen  Relaxation  wird  inoeriich  noch  Secde 
verabreicht*  ~** 

lieber  die  Verhältnisse  des  erwähnten  Handgriffes  bei 
Frühgeburten  liegen  mir  nur  drei  Beobachtungen  (eine 
aus  der  24.  Woche  und  zwei  aus  der  34.  Woche,  daranter 
eine  Zwillingsgeburt)  mit  den  oben  schon  aufgeführten  zwei 
künstlichen  Frühgeburten  vor;  bei  allen  diesen  förderte  der 
Handgriff,  ganz  wie  bei  rechtzeitigen  Geburten,  die  Plaeenta 
spontan  und  zwar  innerhalb  weniger  Minuten  zu  Tage. 

■ 

Von  Zwillingsgeburten  liefcen  mir  ftef  fieobaobiuiigen 
vor.  Bei  diesen  {ob  eine  oder  zwei  Frucbtblasen,  eine 
oder  zwei  Plaoenten  vortianden  waren)  veriief  die  dritte 
Periode  wie  bei  den  gewöhnlichen,  einfachen,  rechtzeitigeD 
Schädelgeburten. 


III«    Ltutkk»,  SohwMgitntiMll  ta  d#iii  reektev  4te.       S& 


IIL 

Schwangerachaft  in  dam  rechten  rudimentären 

Home  eineB  UteruB  imicoimie  mit  einem  OerpoB 

Itttemn  verum  im  BierBteeke  der  entgegen* 

gesetzten  Seite. 

Von 

Professor  H.  Luschka  in  TQbingep. 

(Mit  einem  Holsschnitte.) 

WoDB  sehon  die  spieirsame  Erfahrung  genau  coostalirler 
Beispiele  von  Schwangerschaft  im  rudimentären  Herne  eines 
Dterus  unicornis  eine  Bereicherung  dieser  praklisdi  belang- 
reichen Casuislik  wunscheoswerth  macht,  so  ist  dies  in 
besonders  hohem  Grade  dann  der  Fall,  wenn  sich  hierbei 
zugleich  Fragen  ^n  allgemeinerer  Bedeutung  ihrer  Erledigung 
naher  bringen  lassen.  Ich  befinde  mich  in  der  glficklichea 
Lage  ein  Material  vortegen  su  können,  welebes  wohl  im 
Stande  sein  wird  in  dieser  Beziehung  ein  weitv  greifendes 
Interesse  in  Anspruch  zit  nehmen. 

Durch  die  Güte  des  Herrn  Dr.  Haaga  wurde  mir  vor 
einiger  Zeit  ein  Präparat  als  „Gravidilas  tubaria*^  nnt  dam 
Ersuchen  zugestellt,  nähere  Aufsdilüsse  hierüber  ertbeilen  zu 
wollen.  Dasselbe  wurde  der  Leiche  einer  krifUgen,  wohl- 
gebauten, schon  zwei  Mpl  Yon  einem  reifen,  gesunden  Kinde 
entbundenen  Frau  entnommen,  weiche  a^gjagaben  halle,  im 
dritten  Monate  schwanger  zu  sein*  Eines  Tages  wuMe  sie 
ohne  äussere  Veranlassung  von  einer  Ohnmacht  befallen, 
welcher,  trotz  der  Anwendung  von  Analeptica,.  Kälte,  Puls- 
losigkeit und  in  kurzer  Zeit  der  Tod  nachfolgte.  Nacb  Er- 
öffnung der  Etauohböhle  floss  ein  groaaesi  Quaptum  einer 
serösen  Flüssigkeit  aus,  während  der  Raum  des  Hypogastrium 
mehrere  Pfund  Blutcoagulum  enthalten  hat.  Beim  Eindringen 
in  das  Coagulum  der  rechten  Seite  machte  sich  ein  frei  in 
c^  Pancbböhle  liegendar  zehn  wöchentlicher  Fötus  h^merlilich, 
der  mittels  der  Nabelschnur  an  der  grösstenthcils  \90gdM0h 


18  OL    XmnUm,  SiAmMgarNkaft  In  d*«  fMkten 

Pkcenta  herabhing.  Dw  Uterus  und  seiiu  Adneis  waren 
ganz  frei,  auch  die  rechte  Tube,  welche  nach  der  Angabe 
des  genannt«!  Arztes  das  Ei  enthalten  haben  sollte,  se^te 
sich  nirgends  angel&thet. 

Gleichwie  A.  Kuaamavl^)  mehrere  Fälle,  weldie  in 
der  Literatur  und  in  Stmnilangen  als  Graviditas  tobaria  be- 
zeichnet worden  sind,  nach  eingebender  ünterauchui^  als 
Schwangerschall  in  eioem  rudimenUren  HoTDe  eines  Utenis 
unicornis  erkannt  hat,  so  war  es  auch  im  Toriiegenden  Falle 
möglich,   diese  Verwechselung  mit  Sicheriteit   nachznweiMn. 


V«r4aTe  Auslebt  der  ianam  OetohleshlaaTgaBe  ainer  92  J»hra 

•U«a  Frmn  ('/,  natUrL  OrGiie). 
Ä,  Entwickeltei  Hörn  de*  Uteras  nniconii«  onm  radimento  alterina. 

1.  Elleiter. 

2.  Normalea  Oitlnm  abdominale. 

S.     UebenlhHg'ei  Ostlam  abdoiuiiiale  deatenteii. 

4.  LiDkar  Elentock. 

5.  Coipnt  iDteam  reratn  deMelbsn. 

6.  lilg,  Qteri  terea. 

B.     RndinantSrei   Hörn    mit    eiaem    lateralen   EiariBs    und    den 
beraD«EotretaDea  PSta*  bebit  Placent&. 

1.    LlgamentSter  aolMer  Btranf  deiielbeo. 

S.    EiUtter. 

S.    OTarlnm. 

4.     Ligamentnm  terei. 

1)  Ton  dam  Hang«) ,  dar  TerkUmmenlog  ete.  der  SebHraiiittaT. 
WIntarr  IBM' 


iHidKaif  i«lftfim  Oiih»  «im«  UUn9  «LtUoliiit.  «te.  SQ 

Die  Aiialy«e  deitatbeo  wird  ohne  Zweifel  diuiupch  an 
lebnreichsteD,  das»  wir  das  zur  voUstSndigen  AüsbilduBg  ge- 
diehene Hom  nebst  seinen  Adoexis  und  das  radimentSre  Hom 
.mit  seinen  Anhängen  einer  gesonderten  Betrachtung  unterwerfiBn. 

A.    Das  vollständig  entwickelte  Hom. 

Im  Gegensatze  zur  gewöhnlichen  Form  des  Uterus  uni- 
comis,  welcher  lateralwärts  nach  oben  spitz  und  ohne 
bestimmte  Grenze  in  den  Eileiter  auszulaufen  pflegt,  zeichnet 
aieh  im  vorliegenden  Falle  die  eigentliche  Gebärmutter,  welche 
das  zur  vollkommenen  und  selbstständigen  Ausbildung  ge- 
diehene linke  Hom  repräsenlnt,  durch  einen  stark  gewölbten, 
flbrigens  in  der  Art  unsymmetrischen  Fundus  aus,  wie  er 
bei  der  ObUquitas  quoad  formam  gefunden  wird.  Ueberdies 
obwaltet  zugleich  auch  eine  seitliche  Umbeugung,  indem  sich 
der  Körper  unter  einem  stumpfen,  nach  links  offenen  Winkel 
gegen  diese  Seite  hin  vom  Halse  abbiegt,  während  dagegen 
dieser  letztere  eine  naturgemässe  Stellung  zur  Beckenachse 
bewahrte.  Er  geht  in  eine  Vaginalportion  Aber,  welche  nach 
Grösse  und  Form  durchaus  keine  Abweichung  von  einer 
solchen  zeigt,  die  aus  der  gesetzmässigen  Vereiniguiig  und 
aus  dem  normalen  Wachsthume  der  beiderseitigen  Anlage  des 
Uterus  hervorgegangen  ist.  Die  ungleich  langen,  wulstigen 
Lippen  derselben  fühlen  sich  weich  an  und  begrenzen  eine 
verhältnissmäsig  grosse  quere  Spalte,  welche  der  Fingerspitze 
gestattet,  gegen  den  Canalis  cervicis  vorzudringen,  der  fibrigens 
von  einem  ähnlichen  Schleimpfropfe  verstopft  wurde,  wie  bei 
einer  schwangertn  Gd>ärmutter.  Das  Volumen  dieses  Uterus 
äbertriOt  jenes  einer  schon  wiederholt  entbundenen,  aber  wieder 
völlig  nickgebildeten  Gebämmtter  mindestens  um  ein  Drittel, 
indem  sich  seine  grösste  Breite  auf  sechs,  seine  Länge  auf 
zwölf  Centimeter  belauft,  von  welchen  jedoch  nur  fünf  auf 
die  Längendes  Halses  kommen.  Der  Körper  und  der  Grund 
sind  stark  gewölbt  und  nach  links  hin  in  dem  Maasse  vor- 
wiegend, dass  rekhlich  zwei  Drittel  nach  links  von  der  Mediao- 
ebene  des  Beckens  zu  liegen  kamen.  Seine  im  Mittel  einen 
Centimeter  dicke  Husculatur  ist  sowohl  in  Betreff  der  gröberen 
Ausprägung    der   Fleischtaserung    als    auch    hinsichtlich   d^ 

MoMUMhr.  f.  aebartok.  186».  Bd.  JXU^  Bit  l.  A 


firöne  ÜMrer  CMtractilen  Elemente  nicht  weniger  aueg^bfldet, 
als  iiei  eioem  etwa  sdt  sechs  Wochen  schwangeren  Utenu. 
Eine     sehr    bemerkeaswerihe    Veränderung     hat    die 

•Schleimhaut  bis  zum  inneren  Matterimmde  herab  gezeigt« 
Sie  war  nicht  allein  in  hohem  Grade  aufgelockert,  an  der 
freien  Oberfläche  wie  gewulstet  und  durchschnittirch  4  Milli- 
nKter,  stellmweise  selbst  6  Milhmeter  dick,  sondern  auch 
▼oilständig  abgestossen,  so  dass  sie  einen  frei  in  der  Gebär- 
mutter liegenden  Sack  bildete,  der  nur  lose  mit  der  Mocosa 
eanafis  cervicis  zusammenhing.  Ihrer  Textur  nach  sliramle 
dieselbe  vollständig  mit  einer  Decidna  öberein,  indem  sie  von 
blutfährenden  Räumen  nach  allen  Richtungen  hin  durchzogen 
und  Ton  grossen,  kernhaltigen,  polygonalen,  zum  Theil  in 
Fertsätze  ausgewachsenen  Zellen  zusammengesetzt  wurde.  Die 
schlauchförmigen  Drösen,   welche  in  den  ersten  Tagen   der 

*  Sehwaugerscbaft  so  mächtig  entwickelt  zn  sein  pflegen,  wurden 
als  solche  gänzlich  vermisst  und  eigentlich  nur  noch  durch 
die  zahlreichen  Poren  an  der  freien  Oberfläche  angedeutet 
Die  Art  ihres  Unterganges  liess  sich  an  diesem  Ohjecle 
dentlich  verfolgen,  welches  zeigte,  dass  jene  den  Formelementeti 
der  Cancroide  so  ähnlichen  Zellen  allmälig  geg^  die  weiter 
gewordenen  Canalisationen  der  Dräsen  hereinwucbem  und 
scbliessiich  unter  dem  Schwunde  der  Grundmevbran  ihre  Steife 
einnehmen.  Trotz  dieser  Veränderungen  liess  sich,  wie  ich 
ausdrücklich  mf Ähren  will,  bei  der* sorgfältigsten  Beobachtung 
nirgends  die  Spur  eines  Fötus  nachweisen  und  zeigie  namenilicb 
auch  die  special  darauf  uiitersucbte,  der  Uterinalhöhle  zu- 
gekehrte Oberfläche  nicht  das  mindeste  Zeichen  einer  statt- 
gehabten Einpflanzung  irgend  welcher  Art.  Die  so  merkwfirdige, 
einer  wahren  Gravidität  entsprechende  Metamorphose  der 
Schleimhaut  weist  lediglich  nur  darauf  bin,  dass  das  leene 
Organ  in  eine  4et  Schwangerschaft  adäquate  erbäte  Lebens- 
tbätigkeit  versetzt  worden  ist  Die  der  Schleimhaut  zugekehrte 
Seite  der  Musculatur  war,  obgleich  man  einzelne  Faserzflge 
deutlieber  unterscheiden  konnte,  doch  nicht  voMständig  blose- 
gelegt  lieber  ihr  breitete  sich  eine  weiche,  unebene  Scbichte 
aus,  die  vorwi^nd  die  Elemente  des  unreifen  Bindegewebes, 
aber  auch  unverkennbare  AnStoge  von  Schlauebdrösen  enthielt 
Diese  stellten  sich  als  kurze  kolbige  Zellenanhäuftmgen  dar. 


4«MllBtafitHit  ^Himk^  '^fnetr'  tTterni  tmteortiir  '^f c.         -S5 

an  welchen  die  Bjldiij^  einer  sie  umchli^ssenden  Grund- 
membran  als  Product  ihrer  ausscheidenden  Thätigkei^  eben 
erst  begonnen  halte.  Ich  hege  keinen  Zweifel,  dass  diese 
Drdsenanfange  als  Knospungen  der  urspiiinglichen  Schläuche 
zu  betrachten  sind,  während  diese  in  der  Decidua  ihren 
Untergang  fanden  und  mit  ihr  abgestossen  wurden. 

Der  diesem  Uterushome  angehörige  Eileiter  hat  eine 
Länge  von  IIV2  Centimeler  und  weicht  von  der  Norm  insofern 
ab,  als  er  mit  zwei  Ahdominalmündungen  versehen  ist.  Das 
überzählige  Ostium  liegt  über  dem  geselzmässigen,  ist  kleiner 
als  dieses,  von  dem  es  durch  einen  3  Millimeter  langen 
Zwischenraum  getrennt  wird  und  mit  sparsamen,  meist  ver- 
kümmerten Fransen  besetzt.  Am  betrelTenden ,  also  linken 
Eierstocke,  dessen  Verhältniss  zu  seiner  Nachbarschaft 
durchaus  geregelt  ist,  machte  sich  gegen  sein  mediales 
Ende  'hin  ein  etwa  haselnussgrosser  Yorsprung  bemerklich, 
an  dessen  erhabenstem  Punkte  eine  in  der  Vernarbung  be- 
griffene kleine  Oeffhung  erkennbar  war.  Auf  dem  Durch- 
schnitte stellte  sich  diese  Prominenz  als  ein  Corpus  luteum 
verum  dar  mit  allen  denjenigen  Eigenschaften,  welche  bei 
einem  echten  gelben  Körper  erfahnmgsgemäss  im  dritten 
Monate  der  Schwangerschaft  gewöhnlich  gefunden  werden. 
Er  hatte  eine  Länge  von  1,8  Centimetef  und  eine  Dicke, 
welche  sich  im  Maximum  auf  1,6  Centimeter  belief.  Die  an 
tier  Innenseite  der  faserigen  Wand  ausgebreitete  gelbe  Schiebte 
besass  eine  Mächtigkeit  von  2V2  Millimeter  und  das  specifische 
stf ahlig  gelappte,  durch  die  Anordnung  der  Bindesubstanz  und 
der  Geflisse  erzeugte  Gefflge.  Sie  begrenzte  eine  verhältniss- 
niilssig  weite  centrale  Höhle,  die  jedoch  keine  Reste  eines 
Blutgerinnsels,  sondern  eine  gleichartige  blassgelbh'clie  Serosität 
enthielt,  die  bekanntlich  in  jener  Zeit  der  Schwangerschaft 
viellefcfat  ebenso  oft  im  Corpus  luteum  vorkommt  als  ein 
consistenterer  aus  verändertem  Coagulum  bestehender  Kern. 
Ausser  dem  echten  gelben  Körper  enthielt  dieser  Eierstock 
nHMft  etlichen  unversehrten  Graaf*9Chen  Follikeln  noch  zwei 
Corpora  hitea  faha,  #elche  nur  kleine,  nnregelmässige,  wie 
«ingesdirumpfte  fahle  Flecken  darstellten,  nnd  theils  aus 
fhliem  Fette,  theils  ans  l^ttig  degenerirten  Zöllen  bestanden. 

8* 


B.   Das  rudimentäre  Hom. 

Gegenüber  von  dem  beschriebenen  sehr  ausgebildeten 
Uterus  ist  sein  rechter  rudimentärer  Anhang  vor  der  Schwanger- 
Schaft  ohne  Zweifel  sehr  unscheinbar  gewesen.  Nunmehr 
stellt  er  aber  einen  verhältnissmässig  grossen,  ovalen  Sack 
dar,  welcher  auch  im  entleerten  Zustande  noch  dem  Umfange 
eines  Enteneies  gleichkommt.  Am  lateralen  Umfange  hat  er 
eine  seiner  ganzen  Höhe  entsprechende  Rissöifnung  mit  stellen- 
weise äusserst  dünnen,  allenthalben  sehr  unebenen  Rändern. 
Die  äussere  Oberfläche  des  Sackes  ist  überall  glatt  und  giebt 
nirgends  Zeichen  einer  stattgehabten  Adhäsion  zu  erkennen. 
Seine  Innenseite  dagegen  erscheint  im  höchsten  Grade  rauh, 
theils  in  Folge  stärker  vorspringender  Fleischbündel,  welche 
eine  Art  von  Balkenwerk  ähnlich  den  Trabeculae  cameae  des 
Herzens  erzeugen,  theils  durch  die  mit  ihnen  verfilzten  Zotten- 
reste der  Placenta,  die  allem  Anscheine  nach  mit  der  ge- 
sammten  Innenfläche  verwachsen  war.  Ausserdem  hafteten 
an  dieser  Fläche  Blutgerinnsel  fester  an,  welche  auch  den 
übrigen  Raum  erfüllten,  während  der  mit  der  angegebenen 
Scbwangerschaftsdauer  von  zehn  Wochen  nach  Grösse  und 
Entwickelung  übereinstimmende  Fötus  nebst  der  Nabelschnur 
und  den  zerrisseqen  Eihüllen  in  die  Bauchhöhle  ausgestossen 
und  daselbst  von  Coagulum  umgeben  worden  ^ar. 

Die  gegen  seinen  Stiel  hin  12  Millimeter  dicke»  nach 
aussen  hin  sich  allmälig  auf  2  Millimeter  verdünnende,  io 
der  nächsten  Umgebung  der  Rissöflnung  florähnlich  zart  ge- 
wcMrdene  Wand  des  Sackes  besitzt  eine  gut  ausgebildete 
Muskulatur,  welche  von  Venen  reichlich  durchsetzt  ist  und 
ein  der  cavernösen  Textur  um  so  ähnlicheres  Aussehen  ge- 
winnt, je  mehr  sie  sich  der  inneren  Oberfläche  nähert.  Die 
Fleischfasem  bilden  eine  superficielle  Schichte,  welche  in  das 
Lig.  terea  und  ovarii  übergeht,  sowie  eine  tiefere  niächtigere 
Lage,  die  in  Gestalt  eines  Flechtwerkes  angeordnet  ist. 

Das  innere,  am  meisten  verjüngte  Ende  dieses  rudi- 
mentären Homes  hängt  durch  einen  von  vom  nach  hinten  ab- 
geplatteten, medianwärts  schräg  herabziehenden  bandartigen 
Strang  mit  dem  linken  Umfange  des  Uterus  zusammen«    Bei 


mat  grSBsleii  Breite  yqb  1,1  Gentimeter  bat  derselbe  eiM 
Lftoge  von  3,5  Centimeter  «md  gegen  seine  Mitte  bin  eine 
Dieke,  welcbe  genau  nur  3  Mülimeter  beträgt.  Der  obere 
Rand  veriflQfl  zum  Halbirungspunkte  der  vertkalen  Hdbe  des 
Körpers  der  Gebärmutter,  sein  unterer  gegen  die  Grenze  von 
Körper  und  Hais  derselben  herab.  Unter  einem  gjatt^, 
serösen  Ueberzuge  breitet  sieb  eine  von  etlichen  Venen  durch- 
zogene, Torwiegend  longitudinal  veriaufende  Fleiscbfasemng 
aus,  welcbe  sich  in  die  tieferen  Schiebten  des  nicht  schwangeren 
Dtenishomes  fortsetzt 

Mit  besonderer  Rücksicht  auf  eine  später  zu  erörternde 
Fhige  wurde  der  das  rudimentäre  0om  mit  dem  entwickelten 
Uterus  in  Verbindung  setzende  fleischige  Stiel  auf  den  Mangel 
oder  die  Existenz  einer  Canalisation  untersucht  Zunächst  habe 
ich  mit  aller  nur  mögUchen  Umsicht  und  Sorgfalt  von  den 
Höhlen  der  beiden  Uterushörner  aus  nach  Mündungen  geforscht 
und  auch  nicht  die  kleinste  Gefasspore  der  eingehendsten 
Prüfung  auf  ihren  Verlauf  und  auf  ihren  Zusammenhang  ent- 
zogen. Ungeachtet  ich  mit  der  grössten  Sicherheit  die  überaus 
kleinen  Uterinalöffnungen  der  Tuben  zu  erkennen  vermodite, 
war  ich  nicht  im  Stande,  auch  nur  eine  Andeutung  von  der 
Einmündung  eines  Canales  weder  in  das  rudimentäre  noch 
auch  in  das  entwickelte  Hom  zur  Ansicht  zu  bringen.  Als 
letztes  Criterium  wurde  nun  die  vertical  auf  die  Längenachse 
4es  Stranges  mittels  eines  Rasinnessers  gebadete  Schnitt* 
flädie  sowohl  mit  blossem  Auge  als  auch  mit  Hülfe  der  Lupe 
der  scrupulösesten  Betrachtung  unterworfen.  Allein  weAn* 
ich,  noch  mein  von  mir  beigezogener  geehrter  College  Fr,  BreH^ 
wdcher  dem  vorfiegenden  Gegenstande  das  wärmste  Interesse 
zuwendete,  konnten  an  derselben  irgend  welche  Spur  der 
LJchtnng  eines  Verbindungscanales  unterscheiden.  Es  stimmt 
also  in  dieser  Beziehung  unser  FaH  mit  der  Wahmehmung  ?oti 
DionU  ^)  und  mit  der  in  neuerer  Zeit  von  Kun^moHl^)  revidirten 
Beobachtung  CmkoK^  überein,  während  in  foMkmtX^s *) 


1}  Miaoellaaea  cvioM  i.  epkemerid*  medie.-phyiio. 
Norimbergae  16S4.    p.  480. 
2)  A.  ft.  8.  139. 
S)  LehrbQch  der  pathol.  Aoatomie.  Wien  1861.  Bd.  III.  S.4Ö0. 


und  iSqafMfom''s>')  Falle  4er-  Strang;  -einin  ieutikifm  Cwai 
uAd  fr^ie  MünduDgeii  gezeigt  bal. 

Uaiev  den  Adoexa  des  rudimentären  Fmchteackee  zekiHicc 
sidb  <b3  Lig.  leres  durdbi  bedeutende  Stirfce  aus.  Seieeii 
Ursprung  nimmt  es  aus  der  oberflächlicbea  Faseni^g  desMlbea 
lunnitielbar,  ebe  er  sich  in  seinen  Stiel  fortselKt  Durch  4m 
Aqfoabme  ^ifies  vor  diesem  letzteren  schräg  aacb  abwärts  — 
a^swärts  berabsteigendeo  Aualäufera  der  oberSäcUwbeii 
FaseruBg  des  eniwickelten  Hornes  wurde  es  vergröss^t,  ab^r 
auch  zugleich  ein  Aussehen  herbeigeführt,  als  ob  iUe  ganse 
Format  nur  diesem  angehöre^  Der  Qtedktß)  Eileiter  zeigt 
ifu  ausgestreckten  Zustande  eine  Läoge  von  12ViC^meter« 
nbertrifft  alsi^  jene  der  linken  Tube  merkUcfa,  so  dasß  schalt 
diese  Tbatsache  mit  der  Annahme  einer  GraviifitaB  fubarin 
imneriräglieb  erscheinen  mosstq.  Der  Uebergang  in  das  Uterus«- 
rudittfeni  findet  naeb  innen  und  vom  von  der  Rissäffnong  stall 
und  geschieht  unter  einem  spilzen»  nach  unten  offenen  Winkel. 
Dsdurch  wurde  eine  sehr  steil  abfiiilende  Vcrtanfsricbtimg 
dieser  Tube  bedingt,  so  dass  ihr  übrigens  normal  beschaffenes 
Abdooünalende  ungleich  tiefer  als  jeAes  der  linken  Seite  au 
Uegen  kam. 

.Wer  nach  den  bisherigen  Erörterungen  noch  darflbeif 
aweifelbafl  sein  könnte,  ob  der  vorliegende  Fall  «drUkb 
Schwangerschaft  dea  rechten  rudimentären  Hornes  einea  UUma 
unic^nis  ^ei,  für  den  musa  bei  Betrachtung  der  rauayichM 
Bei|if hangen  des  Ovariiun  dextrum  auch  d^  letzte  JBe^ 
«Mu^  verschwinden.  Die  musaulöse  Insertion  dieses  Eiert> 
sinokes  gipscbieht  nämhch  nicht  mit  dem  linken  ansgdbädeten, 
snndem  durch  ein  Lig.  ovarü  von  gewöhnlicher  Länge  und 
9pute  mit  dem  rudimetttären  Home  und  zwar  nach  notaa 
ipd  hinten  von  der  Abgangastelle  des  Hauptfaserzuges  dea 
rechten  runden.  Muiterbaades.  Der  Eierstock  selbst  ist  einen* 
(allf  gai^  norm^  heacfaaflen,  unterscheideft  sich  aber  actanii 
In^sariic^  %m  jenepi  der  linken  Seii$  dadsr^,  dass  «r  W4de0 
einen  hügeligen  Vorsprung  besitzt,  noch  Reste  der  Debiscenz 
eiÄes  PeiBkeb  zu  erkemien  gMbt  Damit  stiniiit  auch 'sein 
Inhalt  überein,  welcher  keinen  echten  gelben  Körper  aufweist, 


1)  Beiträge  sar  Gebnrtskande  u.  Gynäkologie.    Bd.  I. 


sonderD  neben  vollkommenen  &raq/^schen  Bälgen  nur  mehrere 
ältere  Reste  von  Corpora  lutea  falsa,  in  Gestalt  kleiner,  ge- 
sehnimpfter  rostfarbiger  Flecken  darbietet 

Dieses  Yerbalten  giebt  also  nicht  den  mindesten  Anhalts- 
punkt dafür,  dass  dem  rudimentären  Home  von  dem  ihm  zu- 
gehörigen OvapiMn  ein  Eiehen  2Qg<^hrt  worden  ist  Dagegen 
stimmt  der  Zustand  des  Corpus  luteum  verum  im  Eierstocke 
der  entgegengesetzten  Seite  genau  mit  der  Schwangerschafts- 
dauer im  mangelhaft  entwickelten  Pmcfatsacke  überein,  so 
•dass  durchaus  kein  Grund  vorliegt,  die  Abstammung  des  Fötus 
m^  eitlem  Ovidom  des  linken  Eierstockes  in  Zweifel  zu  ziehen. 
Esi  kMB  aicfa  daber  doeh  wohl  nur  um  dm  Medus  sein^ 
Beftrdemng  in  dl#  Höhle  des  rudiwentäreB  Bornes  der  em- 
fBgengesetaten  Sette  bandeln. 

Nadi  dem  abigen,  jedweden  Zweifel  über  den  Mang4 
der  Commumcatiom  zwiscbeii  der  HöUe  des  rudimenttrea  mni 
des  entwickelten  Hernes  ausschliesseddeii  Nachweise «  kanv 
van  einer  intrauterinalen  Uekerwanderung  des  Eies  nicht  die 
ftede  seia  E»  bleib!  seoiaeb  scUeehterdings  kein  anderer 
Ausweg  übrig»  als  die  Anoabme  ehier  extrauterinalen  lieber« 
wanderting  des  Eieor  aus  den  Ovarium  sinistrMi  durch  den 
rechten  Eileiter  m  die  Höhle  des  mdinefttäreii  rechten  He^nee« 
Ich  weiss  wohl,  dass  diese  Hypothese  tbeoreCiselien  Bedenken 
nicht  entgehen  wird.  Dieselbe  ist  nämlich  mit  der  gegeih- 
wartig  geläufigen  YarsteUung,  «ach  welcher  eine  penaanente 
Goaptation  der  Fransen  des  AbdemioaleBdes  der  Tube  an  das 
heziigUche  Ovarium  siattfiaden  soll,  nicht  leicht  in  Einklang 
zu  briogen«  Sie  musate  viehnehr  die  von  manchen  A^iUunm 
ang^n^mmeae  periodische  Coaptatioa  cuuräunftea  md  zugleich 
die  Möglichkeit  voraussetzeit,  dass  der  Eileiter  der  einen  Seita 
unter  beguasligeadeo  Verhättqisaea  dem  Ovarium  der  ent«- 
gegengesetzten  Seite  genähert  werden  und  auf  ihn  geleg^NUr 
Ü^  einen.  Angriff  machen  könnte.  Indem  wir  die  lAwg 
dieser  und  ähnlicber  Fragen  der  Zqkunft  überlassen,  muss  es 
uns  für  den  Augenblick  genügen,  das'  Thatsäcbliche  eines 
io  Büehrfacfaer  Beziehung  heachtenawerthen  ceocrciten  Falles 
darflslagt  zu  tnbeo. 


40  IT*    WfnMtt  PUftfitliii  BAiMirieliiiiMop6f»41«iMft 


Fünfzehn  Kaiserschnittoperationen  und  deren 
Ergebnisse  fttr  die  Praxis. 

Von 

Dr.  Ladwl«  WInckel, 

SMaiiätorath  und  Physikns  des  Kreises  Gommersbaoh »  Reg. -Bez.  Cdln. 

Die  vielen  bekaiudt  gewordenen,  für  MAtter  ond  Kinder 
gläoUich  abgelaufenen  Kaifiersehnitte  haben  dieser  amialnr- 
lichen  Entbindungsweise  viel  Yon  ihrem  Fdrcbterli<dien  and 
Abschreckenden  genommen,  da  die  detaiUirten  Mittheilungen 
dor  einaelnen  Operationen  recht  Wesentlidies  zur  richtigen 
Wdrdigung  der  Indicationen,  YerbesBerung  der  cfairurgisdieii 
Technik  wie  der  Nachbehandlung  beigetragen  und  dadurdi 
die  günstigen  Erfolge  mehr  gesichert  haben.  Diese  unlSugbare 
Thatsacbe  macht  es  nach  meinem  Dafürhalten  Jedem  zur 
Pflicht,  durch  die  Veröffentiicbung  seinw  Erfahrungen  an  dem 
fßr  die  leidende  Menschheit  so  wichtigen  Werke  mitsaarbeiten. 
FreiKch  kann  von  dem  beschäftigten  Landarzte,  dem  die 
Kterarischen  Hnlfsmittel  und  der  lebendige  wissenschaftliche 
Verkehr  in  nur  geringem  Maasse  zu  Gebote  stehen,  nichts 
mehr  als  eine  wahrheitsgetreue  Darstellung  seiner  Erlebnisse 
verlangt  werden,  und  er  wird  daher  immer  auf  eine  nachsich^e 
Beurtheilung  der  günstiger  siUiirten  Fachgenossen  rechnen 
müssen,  wenn  er  die  angedeutete  Pflicht  getreulich  erfüU^  wiN% 

Das  fäberans  häufige  Vorkommen  der  Osteomalacie  und 
Rachilis  in  meinem  Wirkungskreise,  wodurch  ich  in  eineni 
Zeiträume  von  circa  23  Jahren  13  Mal  in  die  traurige  Noth* 
wendigkeit  versetzt  wurde,  den  Kaiserschnitt  selbst  zu  v^- 
richten  und  ausserdem  noch  zwei  Mal  bei  demselben  zu 
assistiren,  berechtigt  mich  gewiss  um  so  mehr  zu  der  vor- 
liegenden Mittheiluog ,  als  es  wohl  nur  wenigen  Kunstgenossen 
bescbieden  sein  mag,  aus  einer  so  reichen  Casuistik  Resultate 
zu  ziehen.  Es  hat  uns  zwar  kürzlich  ein  benachbarter  Cdlege 
in  Gegenwart  vieler  Aerzte  erzählt,  dass  er  schon  vierzehn 
Kaiserschnitte    und    zwar,    mirabile    dictu,    unter    alleiniger 


«Md  ä9f€A  Brg«^tsM  fit  die  ^httii.  41 

AMiBtese  der  Hebamme  Terrichtei  und  so  günstige  Resoltate 
ersielt  habe,  wie  wohl  Niemand  auvor,  was  er  lediglich  einer 
von  ihm  selbst  erfundenen  Methode,  die  jede  sachverständige 
Assistenz  flberfinssig  mache,  zu  danken  habe;  auch  wurde 
dieser  neuen  Methode  damals  eine  öffentliche  Anerliennung 
zu  Theil,  weshalb  ich  sehr  bedauere,  dass  der  betreffende 
Herr  College  es  nicht  fflr  ndthig  befindet,  seine  vierzehn 
eriebten  Fälle  nebst  der  erwähnten  neuen  Methode  zum  Nutzen 
und  FVommen  der  armen  unglöcklichen  Weiber  zu  ver- 
öffentlichen* 

Ich  weiss  auch  recht  gut,  dass  der  Kaisersdinitt  kein 
operatives  Kunststöck  ist  und  bin  weit  davon  entfernt,  ihn 
dazu  machen  zu  woHen.  Eine  Operation  aber,  bei  der 
zwei  Leben  auf  dem  Spiele  stehen  und  die  die  wichtigsten 
Interessen  des  Familienlebens  berfihrt,  sollte  man  meines 
Erachtens  nicht  allein  flbemehmen,  als  wenn  es  einem  Ader- 
lässe gälte  1  —  Wie  oft  bin  ich  trotz  aBer  Beckenmesser  und 
niedianiscber  Hfilfsmittel  zweifelhaft  gewesen,  wie  häufig  habe 
ich  meinen  eigenen  Irrthuro  erkennen  müssen,  wie  manchmal 
hätte  ich  meine  Meinung^  gern  durch  den  Bwath  eines 
tfichtigen  CoDegen  gekräftigt! 

Getrost  fibergebe  ich  daher  den  folgenden  Bericht  dem 
mfibefangenen  Urtheile  meiner  Herren  Collegen,  midi  ihrer 
gütigen  Nachsicht  versichert  haltend. 

Wie  schon  vorher  bemerkt  habe  ich  seit  1840  den 
Kaiserschnitt  dreizehn  Mal  selbst  verrichtet  und  zwei  Mal  bei 
demselben  assistirt  Neun  Mal  wurde  er  bei  osteomalacischen 
und  sechs  Mal  bd  rachitischen  Frauen  vollzogen.  Zur  besseren 
Uebersicht  werde  ich  die  eiozebien  Operationen  nicht  nach 
der  Zätfolge,  in  welcher  sie  gemacht  wurden,  sondern  nach 
den  Krankheiten,  welche  sie  nöthig  machten,  zusammensteUen 
and  mich  dabei  der  möglichsten  Kurze,  besonders  bei  den 
Fällen,  wdche  schon  anderwärts  mitgetheilt  wurden,  befleissigen. 

• 

Herrn  Kaiserschnitte  bei  Osteomalacischen. 

Erster  Fall. 

Derselbe  wurde  von  meinem  sei.  Vater  im  3.  Hefte  des 
12.  Bandes  der  „  neuen  Zeitschrift  für  Geburtskunde  **,  8.  880, 


41  IV.    WihMi  WtttoBk»  KtllWfiBMMpiNwMoiien 

htflctoieiieiu  Die  Ebefiraii  (hnrad  W0i0r'^'m  Sc)i%viMr«ettMi^ 
i^aiüeil  Wittgeoiteio^  eine  i33)ahrig6 'zarte  Btondiae,  wdohe 
kMDft  4  Fu8&  gros»  und  ganz  Ycrlyräppdt  war,  halte  Iriilieir 
S((hpn  fdaf  Mal  kicbi  gekoreo,  die  WochenbHteii  gul  Aber^ 
stoodeD  und  ihre  Kinder  alle  selbst  gesäugt  Seit  fibif  bis  Mcbs 
Jabren,  besonders  seit  der  ieUten  vor  drei  Jabren  erfolgten 
IHiederkiinft»  batte  aie  an  boAigen  KnoebenacbmerzeA  gyelHtoiii 
ohne  da«  Bett  hüten  zu  müssen  und  siob  einer  ärMlidieA 
B^ndlung  zu  .  unterwerfen.  Nur  sehr  ujiterbrochen  baue 
sie  Leberthran  gebraucht  und  allmälig  eine  so  ungMcUiche 
Verbiegung  der  Backenknochen  und  Wirbelsäule  erlitten,  dass 
die  Untersuchung  sehr  bald  zu  der  Ueberseiigung  füfarao 
musste,  die  Geburt  sei  auf  natfirlichem  Wege  durchaus  un* 
rn^gUeh.  Die  beiden  Sitzkjiorren  Btandea  nur  V/^"  aaa- 
einander,  die  Schambeine  ragten  staebelf^rmiff  vor,  die  CkN»j«  fi« 
maasa  6^4';  es  konnten  nur  mit  Muhe  zwei  Finger  in  dim 
Scheide  gebracht  werden,  welchen  es  nicht  gelang,  den  Vor-, 
berg  zn  erreichen,  doch  traf  man  leicht  den  mü  einer  starken, 
teigig  anaufiiblenden  Kof^fgesehwulst,  unbeweglich  in  den 
Beekenaingang  gekeilten  Kindskopf.  Von  Muttennunde  war 
nichts  mehr  zu  finden,  die  Fruchtwässer  schon  Abon^s  zuvor 
abgfiflossen,  die  Weben  sehr  stark  und  schmerzhaft  «md  die 
9U*me  Kreissende  auch  noch  tiemiich  bei  Krüftai,  doch  dundi 
den  schon  drei  Mal  24  Stunden  dauernden  fmebtlnsev  Weben* 
drang  auf  jede  Eventualität  gefaast  Da  seil  der'  vergangenen 
üHaeht  keine  Kindsbewegung  mehr  empfunden  und  der  Kofif 
sehr  fest  eingekeilt  war,  so  musste,  obwohl  ich  noch  schrwaebe 
FMalberztone  zu  hören  glaubte,  die  Vorhersage  avcb  für  lias 
Kind  missUcb  sein.  Doch  war  der  Kaieerscbnitl  der  «iozigo 
dettungsauk^r,  zu  dem  ich  daher  getrost  itntor  AtwietoAX 
meines  seligen  Vaters  und  des  Kreiswundarzteft  C^atera»  nm 
4  Uhr  Nachmittags  am  16.  Nei  18dO  schritte  Die  Operaipmi 
wurde  in  der  Linea  alba  auf  die  gewohnJicbe  Weise  voUzogjifl) 
die  Bauchhöhle  enthielt  wohl  IVa  Pfund  Wasser;  der  Uterus 
war  sehr  dick  und  fest  um  dia  Frucht  zusammengezogen. 
Bei  seiner  Eröffnung  drängte  sich  die  Placenta  in  die  Wunde 
und  musste  zuerst  gelöst  werden.  Die  Blutung  war  deshalb 
sicmlidi  -bedeutend.  Die  EaAwickelung  des  Kopfes  wan  sehr 
sohirierig,  4a.  der  untere  Aibsc^itt  des  Uterus  fest  iw(<lei| 


.     ••    -t 


««4<4mil.niiikV!«Ni  A«'4le,«iMßf<     .71  tf 


Hak  4e»  fkinim  gtlatoiiaiagMBdg^B  wir«  lieider  gah  da* 
KiiKl,  ei«  BciiHatt9f^  90rt«p  Kaabe/  keine  merUiohe  Leben»« 
zeictH^n  iU  erbew^n  und  kqmilft,  eUer  ßemiihungr^n  u»^ 
g«adilel,  9«chi  ^uni  Loben  gebracht  werduriL  Obae  ZweiW 
tAU«  <iie  Op0ration,  24  Stunden  frUier  unteraomiaMi,  ein 
giUuddioheB  ResuHafi  fSr  das  Leben  des  Kinde»  gegeben« 

DerwiiU  6  2oU  lange  Scbnitt  wurde  durdi  drei  hkitign 
Hefte»  T^n  denen  zw«  nb^r  den  Nabel  tu  liegen  kamen,  vereuligt 
lud  der  Verband  nteb  den  Reg^  der  Kunal  beendet  Bin 
Embundnne  lebte  nur  bis  zum  achten  Tagd;  die  ersten  Tage 
war  ik*  Zustand  sehr  bedenklich,  beseerte  sieh  dann  über 
niehrere  Tage  hindureh  se>,  dass  wir  nns  der  sdiöaalen 
ttefinung  hingaben;  leider  trat  am  Abfod  des  achten  Tagen 
gsuii  unerwartet  der  T^d  unter  den  Erscheinungen  der  Lunge»^ 
läfamuug  ein*  Das  Becken  hnbe  kh  der  Bertiner  UnivevsitMs*- 
sanmdwfg  dbergeben. 

Die  vier  folgenden  Fälle  sind  in  der  1858  erschienenen 
Inauguraldissertation  des  Dr.  Ernst  Hoestermann  kurz  mit- 
getheilt. 

Zweiter  Fall. 

Am  IB.. Uta  1817  Morgens  in  aUer  Frttie  erhielt  i«b 
ven  meinem  CnUegisn  Wirfei  m  Uillsenhuscb  die  Aitforderungi 
eihgsi  nach  Obergelye  au  kommen»  umibn  bei  einem  Kaiset-* 
schnitte  zu  unterstatzen.  Fxnu  Chr^  HahUt  42  Jahre  alt^ 
hatte  vor  sieben  Jahrein  zum  letzten  Male  durdi  eine  Fuas* 
gebart  g^boi^,  war  nachber  im  hdobsten  Grade  esteoroalacincir 
geword«  und  hatte .  oft  monatelang  auf,  der  Seite  liegend  im 
Bette  znbnagen  owssen.  Das  Rückgrat  war  stdiief  und  da9 
Becken  g9nz  Teronstaltet.  Aus  der  Vagina  ratfba  der  linke 
Funs  des  Kindes  mit  den  Zehen  nach  vom  bis  über  das  Knie 
hervor,  derselbe  war  stark  geichwollen  und  von  schwara* 
hrannev  Farbe,  er  föHte  das  ganze  Becken  so  aus,  daps  man 
9n  keiner  SteUe  zwei  Finger  neben  ihm  anbringen  konnten 
In  der  rechten  Kreuzdarmbemfuge  föhUe  man  die  ZetMm 
den  rechnen  Fusses»  Der  Leib  der  Kreisseoden  lag  fast  auf 
den  Oberschenkeln»  Die  Schambeine  bUdelen  einen  starken 
S^abel  and  das  Kreuzbein  war  sehr  auagehßhlt;  leider 
konnte  eine  genaue  Erforschung  der  innoren  Beckenvorhältnisse 


41  IV.    IFImM,  MlHelui  MtliM*elHM*|iiMiiloBeii 

iPiigeii  der  ▼orliegeiiden  Kindesäiefc  nkiit  aasgefffrrt  werdeii; 
mr  ^mdbUm  aber  die  Conjugata  tera  auf  kdam  3  ZoH  acfaitxefi 
M  dürfen.  Die  Wehen  waren  überaus  bftftig;  der  Blasen- 
tfMung  aoOte  Abends  zuvor,  gegen  11  Uhr  erfolgt  eeio. 
Nachdtffli  Praa  H»  nolhdürftig  gelagert  und  die  Blase  dnrdi 
den  Katheter  entleert  war,  versuchten  wir  sie  zu  ätherisiren, 
was  uns  aber  wegen  der  Mangelhaftigkeit  unseres  Apparates 
ttieht  gelingen  wollte.  Der  Utems  musste  in  die  Höbe  ge- 
hoben und  hinter  die  Mittellinie  gebracht  werden,  was  itfh 
nrit  den  ^J'raefe'sehen  Schwflmmen  bewerkstelligte.  College  W. 
machte  den  Schnitt  in  der  Linea  alba,  wohl  5V2  Zoll  lang, 
etwas  über  dem  Nabel  beginnend;  die  Banchdecken  waren 
sehr  dünn,  die  Uterinalwand  dagegen  fast  3  Zoll  diek.  Die 
Nachgeburt,  mitten  in  der  Wunde  liegend,  wurde  rasch  nach 
der  linken  Mutterseite  gelöst  und  das  sich  mit  dem  Gesiebte 
prSsentirende  Rind  leicht  entwickelt  und  sammt  der  Hacenta 
entfernt;  die  Blutung  war  ziemlich  bedeutend,  wurde  aber 
durch  Reibungen  des  Uterus  bald  zum  Stehen  gebracht.  Das 
scheintodte  wohlgebaute  Mädchen  wurde  glücklich  dem  Leben 
wiedergegeben  und  hiernach  die  Bauchwunde  von  oben  nach 
unten  mit  acht  Rnopiiiähten  und  mehreren  Insectennadehi 
sorgflUtig  verenrigt,  in  den  unteren  Wundwinkel  ein  Bourdonnet 
gelegt  und  der  Verband  durch  lange  sich  kreuzende  Heft- 
pftasterstreifsn,  einige  Longuelten  und  eine  Baochbinde  beentHgt. 
Die  Operation  mochte  mit  dem  Verbände  20  Minuten  gedauert 
haben;  sie  war  von  der  Entbundenen  mit  grosser  Sfimd- 
haftigkeit  ertragen  worden.  Nachdem  Frau  H.  zu  Bette 
gebracht  war,  erhielt  sie,  da  sich  Brechreiz  einstelHe, 
15  Tropfen  Tr.  thebaica,  welche  ihr  sichtlkh  woU  thaten. 

Erst  am  18.  März  konnte  ich  die  Wöchnerin  wieder- 
sehen; sie  hatte  sieh,  wie  College  W.  berichtete,  biä  dahin 
ziemlich  wohl  beAmden,  nur  war  sie  von  Tag  ni  T^g 
sehwächer  geworden.  Ich 'fand  ihren  Puls  fadenföniiig  und 
kaum  zählbar,  der  Leib  war  nicht  schmerzhaft,  auch  nicht 
aufgetrieben,  die  Haut  mit  klebrigem  Sehweisse  bedeckt  und 
doch  kühl,  der  Durst  sehr  heftig;  Stuhlgang  war  noch  sehr 
wenig  erfolgt  und  einige  Male  Ert>rechen  eingetreten.  .  Es 
Wurde  ein  Inf.  Ipecac.  mit  Tr.  opH  spl.  und  ein  Glysma  ver- 


Ardnat    Goge»  Abend  starb  die  Opawte,  ibr  Kim)  iet  aio 
Lebett  geblieben.  Eine  Obdnelioa  keimte  oicbi  gemaeht  irarden. 

Dritter  Fall 

Deraelbe  ist  in  der  ^  Prager  VferteUabreeachrift^  in  einen 
Reiaeberiebte  des  Herrn  Dr.  Aug.  Breifikiy.  kurz  mit  erwibnt 
worden. 

Frau  Pe<er  MaarhauB  zu  Hesselbaoh,  30  Jahre  alt, 
hatte  in  ihren)  24.  und  27.  Lebensjahre  lebende  Kinder  leiefat 
gebeiren.  Schon  wahrend  der  zweiten  Scbwiangersehaft  sieUlen 
sich  die  Knoobensohmerzen  ein.  Beide  Kinder  hatte  sie  ein 
Jahr  gestillt  Nach  de«  zweiten  Wochenbette  steigerten  eich 
die  Krankheitserscheinungen  in  bedenklicher  Weise  und  ihre 
dritte  Entbindung,  weklie  in  ihr  29.  Leben^r  fiel,  konnte 
nur  durch  die  Kunst  beendigt  werden. 

Am  14  März  1846  Nachts  zu  ihr  gerufen,  feod  ich  ein 
oaleomaladsches  Becken,  Conjugata  kaum  2^^  ZoU,  Seham- 
beine  schnabeU&rmig,  Fruchtwasser  seit  drei  Stunden  ab* 
gegangen;  Vorlage  des  rechten  Ellbogens,  welcher  kaum 
erreichbar,  Muttemuind  gehörig  vorbereitet*  Sofort  wurde 
die  Wendung  geniMsht  und  mit  grosser  Mühe  der  rechte  Fiise 
eingeleitel,  da  die  Füsse  nach  der  Bauchwand  der  Mutter 
lagen.  Die  EntwickelunJ;'  des  Kindes  ging  sehr  langsam, 
dasselbe  war  angeoscbeinlich  schon  längere  Zeit  lodt,  die 
ganze  Oberhaut  streifte  sich  ab;  die  Mutter  wollte  auch  seit 
dem  22.  Februar  keine  Kindesbewegung  mehr  wahrgenomasen 
haben.  Der  Kopf  musste  mittels  Perforation,  durch  das 
Foramen  occipitale  und  die  Zange  entwickelt  werden. 

Am  23.  November  1847  Abends  7  Uhr  wurde  ich  wieder 
zur  Frau  H.  gefordert,  um  ihr  bei  der  bevorstehenden  vier- 
ten Entbindung  beizustehen.  Vor  circa  zwei  Stunden  sollten 
sich  die  ersten  Wehen  gezeigt  haben.  Ueberzeugt,  dass  dieses 
Mal,  wo  sie  ausgetragen  und  vor,  wie  während  der  Schwanger- 
achaft  noch  sehr  bedeutend  von  ihrem  Knochenleiden  heim* 
gesucht  Word«!  sein  sollte,  ihre  Entbindung  nur  durch  den 
Kaiserschnitt  zu  bewerkstelligen  sei,  scbickle  ich  vorerst  die 
Hebamme  zu  ihr,  um  mir  genauen  Bericht  aber  den  Stand 
der  Gd^urt  erstatten  zu  lassen.  Gegen  V^ll  Ohr  Abends 
bekam  ich  folgende  Nachricht:    „Das  Becken  ist  sehr  ber 


dmkUmd  'vmngt,  dtf  ifiHt^rmimd  kmiin  ^eoMb^,  (A^  Ltlg^^&tfs 
Kkidet  niolit  ca  kustitifitMii,  d«  A«  Vnt^il)iiehuil|'«^^  «^M«<ler% 
ist.  Lebhafte  Kindesbewegung  und  starke  Wehen  sind  vor- 
handen/* —  Nachts  um  l'Uhr  wurde  ich  gerufen,  weil  die 
Sehnerien  unertrftgliöh.  teh>  fand  dii&  <Ki^issende  mk^hocfa- 
rotkcnn  Gesicht,  im  Sekwales«.  gebadet,  zm«aiiffneng«ekauert  mlf 
der  rechten  Seite  liegend,  ihr  Leib  war  sehr  stark  und  Älier- 
bingend;  der  Fundus  uteri  stand  »der  Hersgrabe;  fonchtbar 
befuge,  ka«im  aussetsende  Weben^  votter,  kräftiger,  «fietuMdi 
fMqMitor  Puds.  Der  nnflersucheiide  Finger  konnte  den  lltatler- 
nMind  nicht  erreichen,  zwei  f*inger  waren  niobt  emztfRibreii, 
vom  Sdianibogen  keine  Spar;  die  SiUknomn  so  genSbert, 
dass  sie  kaum  einen  Finger  7ur  UnK^rsnebttng  dui^bliessen, 
der  rechte  bedeutend  tiefer  slfhend  als  der  linke.  Der  Ramos 
descendens  des  rechten  Schambeins  biklete  eine  bandartige 
Falte;,  das  Steissbein  war  tief  ins  Becken  ged^uekC,  das 
Heiligenbein  stand  wie  ein  Buokel  nach  hinten;  die  LendHK 
wirbei  stark  vorwärts  gtdrangt,  machten  das  PromefitoHniii 
Jeicfat  erreichbar.  Während  dei*  Wehen  glaubte  ich  eine  gegen 
die  Fingerspitzen  drängende,  wurstfönnige  Blase  m  fDhkn, 
kanhte  mich  jedoch  nicht  recht  daf  on  dberEen^en ,  da  durch  die 
bedeutende  Spannung  der  Pinger  das  G«fQhl  sehr  beeinträehtfgl 
wurde.  Eine  genauere  Untersttchubg  war  eigentlvefa  nnxr  "mn 
hinten  mögUah,  indem  die  Schenkel  ntelM  von  einander 
entfernt  werden  konnten.  An  dem  unCersuebenden  Pkiger 
I  iriglf n  aich  Blutslreifen ,  auch  scdlie  am  Abend  sohon  cAlvas 
Bhit  abgegangen  sein.  Die  Pk*uchtwfieser  waren  noch  nlekt 
abgelaufen«  Die  Solieide  war  zwar  heiss,  aber  \^ftieb  •  md 
sohlioimig.  Heftiger  Durst  und  häufiges  Eriireche»  -quälten  die 
Kieissende. 

Da  unter  diesen  Umständen  kein  Zweifel  mehr  obwalten 
konale,  so  sohiokte  ich  sofoi^t  einen  Boten  zora  CoUegen 
Wirfei^  mit  der  Bitte,  aufs  Sehleunigsle  zu  meiner  Unter- 
stutsung  herbei  zu  eäen ,  der  Kreissenden  aber  gab  ich  den 
Rath^  ailes  Drangen  machst  zu  meiden  und  kehrte  selbst, 
um  die  ndthigen  Vorbereitungen  zu  treffen,  nach  Hanse  z«r§ck. 
Den  2d.  Norvember  gegen  7  Uhr  Morgens  trafen  wir  zusammen 
bei  Frau  H.  idn ,  welche  wir  aber  leider  in  ga»v  anderen, 
höchst  fflisaichen  Umständen  fandiert.    Seit  einer  Stunde  hallen 


Hfld  dvrfttt  firifetoiMre  ftr  4i«  F^bzU.      ' '  fj^l 


dte»  heflUgen  Vf^han  pMtriidi  gant  aufgehört,  statt  ihrer' 
äher  «in  flttSMrst  empftodlicher ,  anhaltender,  brennender 
Sohmers  in  der  Blaaeogegend  «ingest^t,  wobei  nech  hnmer 
heftiges  Erbrechen  galliger  Massen  andauerte.  Das  Geiddht 
der  Ton  unbeschreibKoher  Angst  gequälten  armen  Leidenden 
war  bieieh,  eingefaBen,  mit  dem  Ausdrucke  tiefen  Leidens, 
die  ExtfemiUiten  feucht  kalt ,  der  Puls  klein  fadenförmig  und 
kaum  stt  zählen.  Der  Leib  war  weidi,  aber  äusserst  empfind- 
Msh  gegen  die  leiseste  Berahrung;  yon  Gontractionen  de^ 
ülenis  nichts  mehr  zu  entdecken.  Kein  Fruchtwasser  war 
noch  abgeflossen  und  Prachtbefwegungen  seit  dem  Aufhftneh 
der  Wehen  nicht  bemerkt  worden. 

Die  Untersuchang  meines  CoUegen  lieferte  dieselben 
Resultate,  auch  er  konnte  weder  den  Muttermund  noeli  einfsi 
KMIestheil  entdecken.  Als  die  Krers^ende  auf  einem  Ttsohe 
gemagert  war,  befond  sie  sidi  dm*oh  die  unbesobreiblidien 
Schmerzen  in  einem  völlig  apatfiischen  Zustande.  Ich  ent- 
leerte zuerst  eme  grosse  Menge  Harn  mit  dem  Katheter  vnd 
versuchte  es  dann  niederholt,  den  Hnttm*mund  -  aufzufinden, 
um  die  Blase  zu  sprengen,  jedoch  mit  demselben  ungtnstigeti 
Erfolge.  In  ^ser  Lage  konnten  wir  indessen  den  Leib 
bes.<9er  betasten  und  uns  von  einer  Querlage  des  Kindes,  dessen 
Rficken  gegen  die  Bauch  wand  gekehrt  war,  fiberaevgen.  Dife 
letztere  war  so  Mnn,  dass  man  eine  Scapula  deodich  durcl^- 
fihlen*  konnte.  Es  war  nicht  möglkh,  den  Uterus  hinter  der 
weissen  Linie  zu  fixiren,  immer  drängten  sidi  eine  Menge 
Därme  zwischen  ihn  und  den  Bauchdecken,  dennoch  nia(iite 
ich  den-  Schnitt,  welchen  idi  einen  Zoll  über  dem  Nabel  be- 
gann, in  dieser  Richtung  und  fOhrte  ihn  bis  anf  zwei  t^^inger 
breic  oberhalb  der  Scbambeinvereinigung.  Vorsichtig  -wurden 
die  Bauchdecken  getrennt  und  der  PerMonäalsack  gediTAet, 
wobei  zu  unserem  nicht  geringen  Schrecken  eine  M^nge 
blutiges  Wasser  aus  der  Bauchhöhle  floss.  Rasch-  wm*do  ^as 
Bauchfell  der  ganzen  Lange  der  Wunde  nach  gespaltm  und 
ein  iMBtdkkes  Bhitcoagnlom  ans  der  Wunde  enCferat,  m  die 
sieb  jetzt  durch  den  anhaltenden  Brechreiz  begfinsligt,  nur 
Darmsahiingen  drängten,  welche  mit  der  grössten  Mühe  kaum 
zwrfldtgehalten  werden  konnten.  Nach  Entfernung  des  extra- 
vasirten  Bhites  traf  ich  den  entleerten  Uterus  fest  zusanNuen^ 


48  IV.    WuiMlt  rtefiittlui  KatoMtohaittoptimtioneii 

gezogen  auf  der  recblen  DarmbeinscbaiifeL  Von  hier  au»  Ahrte 
ich  nun  nueine  linke  Hand  hinter  den  Dünndärmen  in  die  tUkt, 
um  das  Kind,  Ton  don  nicht  die  Spur  zu  entdecken»  auf- 
zuBuchen.  Hoch  oben  im  Epigastrium  stiess  ich  auf  den 
Steias,  den  ich  sofort  ergriff  und  die  Entwickeluag  de«  ganten 
Kindes  saromt  der  Nachgeburt  langsam  bewerkstelligte,  wobei 
jeder  Darmvorfall  glücklich  vermieden  ward.  Dann  nahm  ich 
eine  Untersuchung  der  Gebärmutter  vor,  und  fand  luoteB  im 
Cervix  einen  Riss,  welcher  dicht  geschlossen  erschien.  Deoa- 
nächst  wurde  die  Bauchhöhle  von  Blutgerianseln  möglichst 
befreit,  die  Bauchwunde  durch  zehn  Näthe  sorgßiltig  ver- 
einigt, in  den  unteren  Wundwinkel  ein  geölter  Leinwandatreilen 
gelegt  und  die  uöthigen  Heftpflaster,  Compressen  und  Bauch- 
binde applicirt«  In  einer  hall)en  Stunde  war  die  Operation 
beendet  und  die  Entbundene  zu  Bette  gebracht.  Sie  hatte 
sich  offenbar  etwas  erholt,  ihr  Puls  hälfe  sich  gehoben,  das 
Erbrechen  nachgelassen  und  das  heftige  Brennen  im  Unter- 
leibe, wie  die  Beängstigung  gänzlich  aufgehört.  Das  wohl- 
gebaute, circa  7  Pfund  schwere  Mädchen  war  natürlich  todt. 
Die  Ruptur,  welche  ohne  Zweifel  gegen  6  Uhr  mit  dem  plötz- 
lichen Nachlass  der  Wehen  erfolgt  war,  hatte  nach  unserem 
Dafürhalten  nicht  allein  den  Cervix  uteri,  sondern  auch  das 
hintere  Scheidengewölbe  betroffen;  auffallend  war  uns,  dass 
nach  der  Auptur  so  wenig  Blut  per  vaginam  abg^angen  war. 

Bald  nach  der  Operation  stellte  sich  unter  gelindei^  Nach- 
wehen etwas  Blutabgang  durch  die  Scheide  ein.  Wir  reichten 
der  Entbundenen  einige  Tropfen  Tr.  op.  spl.  mit  Aeth.  acet 
und  überliessen  sie  dann  der  Aufsicht  der  Hebamme« 

Bei  meinem  Abendbesuche  fand  ich  sie  sehr  gut,  die 
Sehmerzen  hatten  nachgelassen,  es  ging  noch  etwas  Blut  ab, 
die  Haut  war  warm  und  feucht,  der  Puls  massig  voll,  etwas 
schoeU,  130  Schläge  in  der  Minute,  Erbrechen  war  nicht 
eingetreten. 

Den  25.  November  Morgens.  Heftiges  Brennen  in  der 
Blasengegend,  es  ist  noch  kein  Urin  entfeert  worden,  Schmerz 
in  allen  Gliedern  und  bei  jeder  Bewegung  auch  im  Leibe;  der 
Leib  etwas  aufgetrieben,  viel  Durst,  Puls  sehr  klein,  faden- 
förmig, kaum  zählt  er  (170  Schläge  in  der  Minute).  In  der 
Nacht  war  etwas  Blut  abgegangen.     Die  Wöchnerin  wird  mit 


«nd  d«rMi  Sig«iMiÜM  für  die  Pfaxis.  49 

▼ieler  Mdhe  Mf  einen  Nachtstnhl  gebracht,  da  sie  nach  ihrer 
Versicherung  im  Liegen  nicht  uriniren  kann,  und  entleert  viel 
Drin,  mit  grosser  Erleichterung.  Abends  derselbe  Zustand, 
sie  hat  noch  mehrmals  urinirt,  auch  etwas  Suppe  gegessen. 
Da  noch  kein  Stuhlgang  erfolgt,  aber  Neigung  dazu  da  war, 
so  wurde  ein  Clysma  applicirt  In  der  Nacht  trat  wehen- 
artiges aber  erfolgloses  Drängen  auf  den  Stuhl  ein,  welches 
zwar  ein  Qystier  in  Verbindung  mit  einer  Mandeleraulsion  und 
Opium  beseitigte,  ohne  aber  Oeffnung  zu  verschaffen. 

Den  26.  November.  Die  Operirte  befindet  sich  leidlich, 
sie  hat  wenig  Schmerz,  der  Leib  ist  nicht  mehr  so  auf- 
getrieben, der  Durst  hat  nadigelassen ;  die  Lodiien  fliessen 
ziemlich ;  aus  dem  unteren  Wundwinkel  sickert  blutiges  Serum. 
Der  Puls  hat  sich  gehoben,  ist  nicht  mehr  so  schnell  und 
macht  nur  136  Schläge  in  der  Hinute.  Sie  schläft  ab- 
wechselnd ,  schwitzt  miässig  und  hat  auch  etwas  Appetit  Stuhl 
ist  noch  nicht  erfolgt,  Urin  öfters  entleert 

Den  27.  November.  Vergangene  Nacht  trat  unerwartet 
heftiges  Erbrechen  und  grosse  Beängstigung  ein.  Ein  Inf. 
Ipecac  mit  Tr.  Iheb.  gttx.  verschaffte  Erleichterung;  gegen 
Morgen  erfolgte  reichliche  Stuhlentleerung.'  Aufstossen  und 
Brechreiz  dauern  fort,  die  Zunge  ist  selur  belegt,  die  Haut 
trocken  und  die  Schwäche  gross.  Puls  126.  Die  Lochien 
sparsam,  der  Schlaf  gering,  Milch  noch  nicht  vorhanden. 
Abends  keine  Veränderung;  wenig  Schmerz,  viel  Durst  und 
brennend  heisse  Haut  Dem  inf.  Ipecac  werdoi  3ij.  Aq.  amygd. 
amar.  und  gttxv.  Tr.  op.  spL  zugesetzt 

Den  28.  November.  Frau  H.  hat  sich  gebessert,  die 
Uebelkeit  hat  nachgdassen,  die  Lochien  fliessen  reichlich. 
Der  Puls  ist  zwar  noch  eben  so  häufig,  aber  kräftiger.  Die 
Zunge  hat  sich  gereinigt,  der  Durst  ist  geringer  und  etwas 
mehr  Esslust  vorhanden.  Der  Leib  ist  nicht  sehr  empfind* 
lieh,  nicht  aufgetrieben,  doch  etwas  härtlich.  Aus  dem  unteren 
Wundwinkel  fliesst  eine  dünne,  übdriechende  Jauche.  Zwei 
Drittel  der  Wunde  von  oben  herab  sind  schön  verklebt,  eins 
der  unteren  Hefte  ist  sehr  gespannt 

Den  29.  November.  Das  Befinden  der  Wöchnerin  ist 
gut,  die  Lochien  fliessen  regelmässig,  Stuhlgang  ist  erfolgt 
der  Durst  geringe,  der  Aj^ietit  besser.    Die  Milch  veranlasst 

MonatMehr.  f.  Geburtok.  18«.  Bd.  XZU.,  Htt.  1.  4 


50         IV.    TFureM,  Fünfoelm  E«S««r«cfaiiUUpintioneii 

nocb  keine  Beschwerden.    Der  Pols  ist  noch  iminer  frequeiU 
und  gereizt  (136  Schläge).  ^ 

Den  30.  November.  Viel  Au&tossen,  sonst  derselbe  Zustand 

Den  1.  December.  Heute  lösten  sich  die  drei  untersten 
Hefte,  das  Bourdonnet  liegt  noch  lest,  die  Prima  intentio  ist 
grossentheils  gelungen«  Der  Leib  ist  nicht  mehr  hart,  nicbt 
schmerzhaft,  die  Kranke  kann  sich  viel  leichter  bev^egen;  der 
Schlaf  ist  besser,  die  Zunge  rein,  Stuhlausieerung  erfolgt, 
Appetit  hinreichend.  Puls  130.  Da  noch  etwas  krampfliaftes 
Drängen  auf  den  Stuhl  Statt  hatte,  so  wurde  das  Inf.  Ipecac 
repetirt. 

Den  2.  December.  Das  Allgemeinbefinden  ist  sehr  be- 
friedigend, nirgends  Schmerz,  nur  beim  Harnlassen  einiges 
Brennen  und  einiger  Stuhlzwang.  Das  Fieber  mindert  sich 
täglich,  der  Puls  ist  kräftiger  und  weniger  häufig  (124),  keio 
Durst,  die  Haut  feucht  und  der  Lochialfluss  natürlich.  Etwas 
Husten.  Die  Wunde  ist  bis  auf  den  unteren  WundwinkeL 
in  dem  das  Bourdonnet  noch  sehr  fest,  und  aus  welchem  noch 
ziemUch  viel  Jauche  fliesst,  völlig  verheilt.  Es  wurden  heute 
alle  Ligaturen,  bis  auf  die  mittelste,  welche. ich  aus  Vorsicht 
liegen  liess,  entfernt. 

Den  3.  December.  Beim  heutigen  Verband  löste  sich 
das  Bourdonnet  und  die  letzte  Ligatur  wurde  weggenonmien. 
Die  Stichwunden  eitern  etwas  und  es  fliesst  noch  viel  Jauche 
aus  dem  Wundenrest.  Frau  H,  fühlt  sich  wohl,  sie  ist 
kräftiger,  die  Verdauuiig  wie  der* Appetit  gut  und  der  Puls 
macht  nur  116  Schläge. 

Den  4.  December.  Die  Eiterung  scheint  sich  zu  ver- 
ringern; alle  Se-  und  Excretionen  sind  normal;  Puls  108. 

Den  5.  December.  In  der  Mitte  der  Narbe  hat  sich  um 
eine  Ligaturwunde  ein  Abscess  gebildet,  der  geöffnet  wurde 
und  wohl  eine  Obertasse  voll  Eiter  entleerte.  Uehrigens  ist 
das  Befinden  der  Wöchnerin  sehr  befriedigend,  sie  ist  schmerz* 
los,  hat  gutaii  Schlaf  und  genügenden  Appetit.  Die  Lochien 
sind  regelmässig,  Milch  hat  sich  fast  gar  nicht  gefunden 
Puls  104. 

Den  7.  December.  Der  Ausfluss  hat  sich  sehr  vermindert, 
der  Wundenrest  verkleinert  sich  tägb'ch,  das  Allgemeinbefinden 
ist  sehr  gut  und  der  Puls  bis  auf  90  Schläge  gesunken. 


ittMl  deres  ^eteisM  fBr  die  PraxiB.  51 

Den  8.  Deceniber.  Die  Besserung  macht  täglich  Fort- 
schritte; Pols  88;  Sclilaf,  Appetit  und  Verdauimg  in  Ordnung. 

Den  10.  December.  Frau  H.  hat  bei  der  stftrmischen 
Witterung  viel  Sdimerz  in  den  Gliedern,  die  Lochien  sind 
wieder  gerötliet  Die  Wunde  sondert  nur  wenig  mehr  aus. 
Pols  84,  kräftiger. 

Den  12.  December.  Die  Wunde  ist  fast  geschlossen  und 
das  Befinden  der  Operirten  fortwährend  gut 

Den  14.  December.  Frau  H,  hat  sieh  den  Hagen  ver- 
dorben, sie  leidet  seit  gestern  an  Leibschmerz,  Erbrechen 
und  Abfuhren,  wobei  unverdaute  Speisen  abgehen.  Sie  fiebert 
sehr  ld)haft,  Pols  120,  die  Zunge  ist  belegt,  die  Haut  trocken 
ond  heiss,  heftiger  Durst.   Inf.  Ipecac.  mit  8  Tropfen  Tr.  opii  spl. 

Den  15.  December.  Es  geht  wieder  besser,  Durchfall, 
Erbrechen  und  Schm«*z  haben  aufgehört,  doch  ist  das  Fieber 
noch  nicht  beseitigt  und  die  Schwache  sehr  gross.  Die 
Wimde  ist  vernarbt. 

Den  20.  December.  Heute  traf  ich  die  glucklich  Ge- 
nesene auf  einem  Stuhle  sitzend,  sie  klagte  zwar  fiber  einigen 
Schwindel  und  war  etwas  aufgeregt,  was  wohl  Folge  der  vor 
zwei  Tagen  eingetretenen  und  noch  fliessenden  Menses  sein 
mochte.  Die  Wunde  ist  vamarbt,  man  fQhlt  den  Uterus  faust- 
dick rechts  neben  der  Narbe,  seine  Berührung  ist  empfind- 
lich und  erregt  Aufstossen  und  Hustenreiz. 

Den  6.  Januar  1848  fand  ich  Frau  H,  völlig  genesen 
und  mit  häuslichen  Arbeiten  beschäftigt. 

im  Februar  habe  ich  das  Becken  gemessen,  C.  B.  6^ 
Sp.  »",  Troch.  9y4".  Der  Schnabel  beträgt  wohl  2".  Der 
Zeig^nger  kann  kaum  2"  tief  in  die  Scheide  gebracht  werden 
ond  triifl  an  der  hinteren  Schddenwand  auf  einen  narbigen, 
bei  der  Berührung  empfindlichen  Wulst. 

Frau  H,  lebt  heute  noch  (October  1862).  Ihre  Krank- 
heit, welche  imm«r  noch  Exacerbationen  macht,  hat  sie  merk- 
wftnlig  verunstaltet,  sie  ist  kaum  3  Fuss  8  Zoll  gross,  die 
Rippen  stossen  auf  die  von  vom  nach  hinten  aufgerollten 
Darmbeine,  die  Schambeine  sind  so  aneinander  gedrängt,  dass 
ich  kürzlich  bei  einer  Urinverhaltung  den  Katheter  nicht 
applldren  konnte,  ja  die  ganze  Beckenhöhle  ist  so  terengt,  dass 
der  Durchgang  des  Koths  erheblidie  Schwierigkeiten  findet 

4» 


gS         IV.    WincM,  Fintetha 

Vierier  Fall. 

hm  6.  Januar  1848  Abends  gegen  8  Uhr  wurde  ich  von 
Herrn  Dr.  Flate  zu  Neustadt  aufgefordert,  .ihn  am  aaderen 
Morgen  bei  einem  Kaiserschnitt  an  der  Ehefrau  des  I^eter 
Hahemickel  zu  Hakenberg,  einem  V/^  Stunde  von  Uer  ge- 
legenen Orte,  zu  unterstutzen.  Mit  dem  anbrechendea  Tage 
dort  angekommen,  fand  ich  den  Collegen  bereits  anwesend. 

Die  36jährige  Kreissende    litt    an   der  ausgeprägtesten 
Knochenerweichung,  sie  war  zum  siebenten  Male  schwanger 
und  hatte  vor  circa  vier  Jahren  das  letzte  Kind  zwar  schwer, 
aber  ohne  Kunsthülfe  lebend   geboren.     College  Plate^    der 
damals   ebenfalls  zugegen  gewesen   war,   erzählte,   dass  das 
Kind   einen  bedeutenden  Eindruck  am  Stirnbein  gehabt  habe. 
Die   Wässer    waren    am  vergangenen  Nachmittage  zwischen 
1  und  2  Uhr  abgeflossen  und  erst  gegen  Abend  hatte  man 
den  Geburtshelfer  begehrt     Die  Wehen,   welche  am  vorigen 
Nachmittage   ausserordenüich  heftig  gewesen   waren,   hatten 
gegen  10  Uhr  Abends  plötzlich  nachgelassen,  worauf  sich  ein 
permanenter,  brennender  Schmerz  im  Leibe  eingestellt  hatte. 
Der  Puls  war  klein,  fadenförmig  und  sehr  frequent,  die  Ex* 
tremitäten  kühl  und  mit  kaltem  Schweisse  bedeckt,   zugleich 
wurde  die  arme  Frau  von  einer  unbeschreibUchen  Angst,  be- 
ständigem Erbrechen    grünlicher  Massen    und   unlöschbareoi 
Diu*ste  gequält.    Ihre  Lippen  waren  blau,  ihr  Gesicht  drückte 
tiefes  Leiden  aus.  Während  der  Nacht  waren  Kindesbewegungen 
nicht  mehr  wahrgenommen   worden.     Der  Uterus  war  sehr 
conlrahirt,  sein  Grund  stand  zwischen  Nabel  und  Schambein- 
fuge, der  Leib  war  sehr  überhängend  und  zwischen  Uterus 
und   Bauchdecken    einige   Darmschlingen;    von  KindestheiJen 
äusserlich  nichts  fühlbar.    Aus  den  Geburtswegen  fioss  dunkles, 
zersetztes  Blut  in  ziemlicher  Menge  ab.     Die  osteomaiadsche 
Beckenverunstaltung  war  so  bedeutend,  dass  die  Untersuchung 
kaum  mit  einem  Finger  möglich  war.    Vom  Muttermunde  konnte 
ich  nichts  mehr  erreichen,  wohl  aber  glaubte  ich,  einen  Ellen- 
bogen des  Kindes  zu  fülilen;  Dr.  PUUe  und  die  Hebamme 
wollten  am  vorigen  Abend  den  vorliegenden  Kopf  deutlich  ge- 
fühlt haben. 

Bo'er  und  Osiander  sagen:   „wer  einmal  ein  solches 
Unglück  erlebt,   wird  es  wohl  nie  vergessen."  —  Ich  hatte 


und  dereD  Er^bnlsse  flir  di«  PnziB.  &3 

das  vor  wenigen  Wochen  Erlebte  wahrlich  auch  nicht  ver- 
gessen und  theilte  es  dem  CoUegen  sofort  mit,  der  indess  an 
eine  Ruptur  noch  nicht  glauben  woDte.  Das  unglückliche 
Weib  wurde  also,  da  keine  Zeit  zu  verlieren  war,  gleich  auf 
einen  Tisch  gelagert,  der  leider  etwas  hoch  war,  was  die 
Assistenz  sehr  erschwerte;  und  die  freie  Aussicht  auf  das 
Operationsfeld  liinderte ,  dann  wurde  der  Kafheter  mit  einiger 
Schwierigkeit  appKcirt  und  die  Kreissende  chloroformirt  Hots 
machte  nun  einen  vier  Zoll  langen  Schnitt  in  der  Linea  alba, 
zwischen  Nabel  und  Schamfuge;  als  er  durchs  Bauchfell  ge- 
drungen, floss  etwas  blutige  Flüssigkeit  aus  der  Bauchhöhle 
und  gleich  legte  sich  der  blaurothe  Uterus  in  die  Wunde. 
Statt  nun  meine  Ansicht  in  Betreff  der  Ruptur  zu  theilen, 
schnitt  er  sofort  den  Uterus,  dessen  Wand  ungeheuer  dick 
war,  an,  fand  aberi  natürlich  nichts  anderes  in  demselben,  als 
nur  noch  einen  Theil  der  gelüsten  Nachgeburt  und  einige 
Blttteoagula  und  ehe  er  es  sich  versah,  schlüpfte  auch  dieser 
Rest  der  Placenta  durch  den  Riss  in  die  Bauchhöhle.  Da  er 
das  Kind  nicht  gleich  finden  konnte,  so  bat  er  mich,  die 
Operation  zu  beendigen.  Ich  schlug  sofort  den  mir  von 
früher  bekannten  Weg  ein ,  ergriff  den  Kopf  des  hinter  den 
Gedärmen  liegenden  Kindes  und  entwickdte  es  langsam  und 
nicht  ohne  Mühe,  sammt  der  Nachgeburt  durch  die  etwas  zu 
kleine  Banchwunde.  In  aller  Eile  besah  und  betastete  ich 
mir  nun  den  Uterus,  konnte  aber  den  kleinen  Schnitt  aus- 
genommen, keine  Verwundung  an  demselben  finden,  wahr- 
scheinlich war  auch  hier  der  Hals  und  das  hintere  Scheiden- 
gewölbe eingerissen.  Eine  genaue  Untersuchung  konnte 
natürlich  nicht  vorgenommen  werden,  da  die  Umstilnde  die 
Beschleunigung  des  letzten  Actes  erheischten.  Es  wurden 
sechs  NSthe  angelegt  und  der  Verband  wie  gewöhnlich  be- 
endigt Frau  H.  war  schon  während  der  Operation  aus  der 
Narcose  erwacht,  und  war  durch  den  starken  Blutverlust  und 
die  beständigen  Vomituritionen  im  höchsten  Grade  erschöpft. 
Nachdem  sie  zu  Bette  gebracht,  wurden  ihr  einige  Tropfen 
Äther,  acet  mit  Tr.  op.  spl.  gereicht,  sie  erholte  sich  aber 
nicht  recht  und  es  bot  sich  wenig  Aussicht  für  ihre  Erhaltung. 
Später  habe  ich  die  Operirte  nicht  vrieder  gesdien,  aber 
von   meinem  Collegen  gdiört,   dass  sie   sich  in  den  ersten 


54         IV.    WkuM,  Flialnl»  K«iMnRlMatt»pti«lioiieD 

• 

Tagen  nach  der  Operation  sehr  erlioll  und  ihn  wieder  Hol- 
nung  tu  ihrer  Rettung  gemacht  hebe,  dann  aber  wider  aUn 
ErwarUn  am  aecheten  Tage  plöulieh  veraehieden  sei.  lune 
Obdociiou  wurde  nicht  geblattet 

Die  beiden  lettten  Fälle  äad  gewiss  von  ganz  besooderaa 
luinrease,  da  Zerreisaungen  der  Seheide  mit  Austreten  des 
Kinde«  in  die  Unterkibahöhle  selten  »ir  Beobachtung  kominn. 
Doeh  möchte  ich  nach  meinen  EHäbmogea  wohl  ajinehmeo, 
daaa  bei  osteomalaciflcJier  itecAeöwAildung  die  Scheide  wd 
eher  aJa  dar  Uterus  geMrdei  ist,   den  letzteren  habe   iA 
immer  «ehr  dick  und  kräftig  gefunden,  wo  hingegen  die  Scheide 
gewAlmJicb  diirdi  vorhergegangene,  schwere  Geburten  schon 
gaachwicht  und  während  des  Geburtsactee  sehr  gedehnt  und 
der   scbötsenden    Beckenwände    beraubt    wird.     In     beiden 
Fällen  ist  der  Scheidenriss  an  der  hinteren  Wand   erfolgt, 
gewiss   weil  diese  bei  der  bedeutenden  Beckenenge  aus  deoi 
starken  Hängebauche  am  meisten  gespannt  werden  luusste. 

In  diagnostischer  Beziehung  muss  ich  noch  bemerken, 
dass  von  beidoi  Gebärenden  jenes  Geräusch  des  Beraten«, 
weiches  oit  sogar  von  der  Umgebung  vernommen  werden  sott, 
nicht  wahrgenommen  wurde  und  dass  das  leichtere  Betasleo 
der  Kindestheile  unmittelbar  hinter  den  Bauchdecken  auch 
nur  im  ersten  Falle  möglich  war.  Die  sichersten  Kriterien 
werden  wohl  immer  in  dem  plötzlichen  Nachlassen  der  Wehen- 
thätigkeit  und  den  auflallenden  Veränderungen,  welche  sieb 
nach  erfolgter  fiuptur  in  dem  Allgemeinbefinden  der  Kreiasendeo 
zu  erkennen  geben,  gefunden  werden.  Endlich  aber  be- 
rechtigen beide  Fälle  gewiss  zu  der  Lehre,  dass  man,  wenn's 
anders  möglieb,  die  Sectio  caesarea  niemals  lange  aufschieben, 
sondern  gleich  nach  vollständig  entwickelter  Wehenthätigkeil 
unternehmen  solle,  was  freilich  auf  dem  Lande,  wo  man  sich 
die  nothdürftigste  Hülfe  oft  erst  nach  Stunden  verschaffen 
kann,  nicht  immer  ausfuhrbar  isL 

Fünfter  Fall 

Bisher  noch  nicht  ausführlich  veröffentlichL 

Frau  W.  Werth  in  Gummersbach  ist  35  Jahre  alt,  kaum 
4  Fuss  gross  und  trägt  unzweideutige  Spuren  fiberstandener 
Rachitis  an  ihren  unteren  Extremitäten,  auch  hat  sie  nach 


«Bd  dereü  firgebnisae  Hir  die  Pmiis.  g5 

ihrer  Angabe  erst  spät  das  Gehen  erlernt  Sechs  schwere 
Geburten  haben  ihr  kein  lebendes  Kind  gebracht »  die  ersten 
drei  wurden  mit  der  Zange  von  einem  anderen  Geburtshelfer 
beendet,  bei  der  vierten  habe  ich  sie  ebenfalls  mit  der  Zange 
entbanden  und  mich  schon  damals  von  der  rachitischen  Becken- 
enge öberzeugt,  weshalb  ich  ihr  im  Wiederholungsfalle  die 
kunsUiche  Frühgeburt  empfahl,  die  auch  am  7.  August  1846 
und  1.  Mai  1847  leider  mit  eben  so  ungünstigem  Erfolge  für 
die  Kinder  zur  Ausfuhrung  brachte.  Die  letzte  Fiiihgeburt 
hatte  ich  schon  in  der  dreissigsten  Schwangerschaftswoche 
vorgenommen,  sie  dauerte  acht  Tage.  Hinzugetretene  Osteo- 
malacie  hatte  das  Becken  so  verengt,  dass  ich  das  winzige 
Kkid,  welches  sich  mit  den  Füssen  zur  Geburt  stellte,  kaum 
durchführen  konnte.  Seit  dieser  Zeit  hat  sie  fortwahrend  an 
Knodienerweichung  gelitten.  Als  sie  sich  zum  siebenten  Mal 
schwanger  fühlte,  bat  sie  abermals  um  Einleitung  der  Früh- 
geburt, die  Beckenenge  hatte  aber  so  zugenommen,  dass  ich 
ihren  Wunsch  von  der  Hand  weisen  musste,  denn  der  zu 
verwendende  Theil  der  Conjugata  vera  erreichte  nicht  zwei  Zoll. 
Die  rachitische  Vorbildung  hatte  zwar  die  Schnabelbildung  der 
Schambeine  in  etwas  beeinträchtigt,  aber  die  Beckenbühle  von 
vom  nach  hinten  desto  mehr  verengt.  Mit  aller  Schonung 
machte  ich  sie  deshalb  mit  dem  was  ihr  bevorstehe,  bekannt, 
und  wunderte  mich  nicht  wenig,  sie  durchaus  vorbereitet  zu 
finden.  Während  der  ganzen  Schwangerschaft  musste  sie  fast 
anhaltend  das  Bette  hüten  und  hatte  in  der  letzten  Hälfte  viel 
mit  Husten,  Dyspnoe  und  anhaltendem  Erbrechen  zu  kämpfen, 
ohne  aber  dadurch  sehr  abzumagern. 

Den  26.  Januar  1849  Morgens  9  Uhr  wurde  ich  zu  ihr 
begehrt  und  fand  sie  im  Kreissen ,  die  Wehen  waren  sehr 
kräftig,  die  Blase  fast  springfertig.  Eine  nochmalige,  sorg- 
faltige Untersuchung  überzeugte  mich,  dass  die  Entbindung, 
selbst  von  einer  todten  Frucht  nur  auf  einem  aussergewöhnlichen 
Wege  möglich  sei;  die  Conjugata  vera  mass  IV4  Zoll.  Nach 
der  erst  gegen  Vs3  Uhr  Nachmittags  erfolgten  Ankunft  des 
CoUegen  Wiefei  schritt  ich  zur  Operation.  Die  Wässer 
waren  eine  Stunde  zuvor  abgeflossen,  die  Wehen  selir  stark 
und  trotz  der  schon  vorhandenen  Kopfgeschwulst ,  der  K(^f 
ausser  der  Wehe  nocli  beweglich.    Nachdem  ich  die  Kreissende 


56  IV.    Wineka,  FtinfMhB  KaUerseknittopwalionen 

chlorofonuirt,  machte  ich  den  Schnitt,  wie  gewöhalich  in  der 
Linea  alba,  neben  dem  Nabel  beginnend,  6 — 7"  lang;  die 
Bauebdecken  waren  sehr  dick  und  fettreich,  ebenso  war  die 
Wand  des  Uterus  wohl  ly^"  stark.  Nach  Vollendung  des 
Scimittes  wurde  der  sich  in  der  Wunde  präsentirende  Sieisi 
ergriffen  und  das  Kind  langsam  entwickelt,  es  war  wenige 
Augenblicke  scheintodt,  erholte  sich  aber  nach  einer  geringen 
Blutung  aus  der  Nabelschnur  bald.  Die  Nachgeburt  wurde 
sofort  oitfernt  und  die  Vereinigung  der  Wunde  durch  sechs 
Knopihathe  und  ebenso  viel  Insectennadeln  bewerkstelligt  la 
den  unteren  Wundwinkel  legte  ich  einen  geölten  Leinwand- 
streifen und  beendete  den  Verband  durch  Heftpflaster,  Louguetteo 
und  Bauchbinde.  Während  des  Verbindens  trat  mehrmals 
heftiges  Erbrechen  ein,  wodurch  ein  grosser  Theil  des  Netzes, 
aber  keine  Gedärme  durch  die  noch  nicht  geschlossene  Wunde 
gedrängt  wurde.  Die  Blutung  war  ziemlich  beträchtlich,  auch 
durch  die  Vagina  ging  viel  Blut  ab.  Nachdem  die  Entbundene 
aus  der  Narcose  erwacht  und  zu  Bette  gebracht  war,  klagte 
sie  über  heftigen  Leibschmerz  und  Brechreiz,  weshalb  lOTropfeii 
Tr.  thebaica  gereicht  wurden.  Ausserdem  verordnete  ich  eine 
Oelemulsion  mit  Tr.  op.  spl.  Das  Kind  ist  ein  wohlgebildetes, 
kräftiges  Mädchen. 

Den  27.  Januar.  Viel  Leibschmerz,  wenig  Schlaf,  Lochiea 
sparsam,  etwas  Blutabgang  durch  die  Wunde  und  Scheide, 
Urin  entleert    Puls  146. 

Den  28.  Januar.  Weniger  Schmerz,  viel  Husten,  wenig 
Schlaf,  Blase  und  Darm  entleert    Puls  140. 

Den  29.  Januar.  Wenig  Schmerz,  Lochien  sparsam, 
keine  Milch,  keine  Esslust,  viel  Durst.    Puls  120. 

Den  30.  Januar.  Viel  Husten  mit  Schleimrasseln,  mehr 
Schlaf,  Lochien  reichlicher,  Stuhlgang  regelmässig,  keine  Miloh. 
Puls  132. 

Den  31.  Januar.  Heftiger  Husten,  quälendes  Schleim* 
rasseln,  Schlaflosigkeit,  copiöser  Abfluss  stinkender  Jauche 
aus  dem  unteren  Wundwinkel,  Erbrechen.  Stuhlgang  und 
Urinentleernng  ist  erfolgt  Puls  136.  Der  Verband  wurde 
erneuert;  %  der  Wunde  sind  gut  vereinigt  Verordnung 
Dec.  Senegae  mit  Tr.  op.  benz. 


md  d«r«a  ErgebabM  Ar  dit  Präzis.  57 

Den  1.  Februar.  Bedeutende  Besserung  der  Brust- 
beschwerden, noch  keine  Milch.    Pub  124 

Den  2,  Februar.  AUgemeinbefinden ,  etwas  Brechreiz 
abgerechnet,  gut;  Husten  und  Schlaf  besser,  aber  noch 
krioe  Milch  und  trockne  Haut.  Die  beiden  oberen  Ligaturen 
wurden  entfernt  und  ein  Inf.  Ipecac.  mit  Tr.  op.  spl.  verordnet 

Den  3.  Februar.  Obwohl  Frau  Wirth  eine  Menge  Aphthen 
im  Munde  hat,  so  gebt  es  ihr  doch  tftgüch  besser.  Die  Wunde 
ist  bis  auf  den  unteren  Wundwinkel  fest  geschlossen;  alle 
Ligaturen  werden  entfernt    Pols  112. 

Den  9.  Februar.  Das  AUgemeinbefinden  ist  sehr  gut, 
Frau  Werth  erholt  sich  zusehends.  Aus  dem  unteren  Wund* 
Winkel  fliesst  noch  viel  Eiter.  Milch  hat  sich  noch  nicht 
geftmden. 

Den  11.  Februar.  Die  Eiterung  liat  sich  sehr  ver- 
mindert, die  Wunde  verkleinert.  Milch  ist  nicht  vorhanden. 
Schlaf  und  sonstige  Functionen  normal.     Puls  108. 

Den  13.  Februar.  Heute  fand  ich  die  Wöchnerin  mit 
dem  Wickeln  ihres  Kindes  beschfiftigt,  im  Bette  sitzend,  sie 
befindet  sich  wohl,  hat  etwas  Milch  in  den  Brüsten,  die  Wunde 
ist  fest  geschlossen,  der  Ausfluss  sehr  gering.    Puls  100. 

Den  16.  Februar.  Die  Milchabsonderung  nimmt  zu,  das 
Kind  saugt  gut  und  Mutter  und  Kind  sind  wohL 

Den  26.  Februar.  Frau  Wirth  ist  genesen,  hat  Üb- 
reichende  Nahrung  für  ihr  Kind  und  ist  fast  den  ganzen  Tag 
avsser  dem  Bette. 

Sechster  Fall. 
(Ebenfalls  noch  nicht  veröffentlicht) 

Am  3.  October  1861  entband  ich  die  eben  genannte 
Frau  Wirth  unter  Assistenz  der  CoUegen  Wiefei  und  Stabs- 
arzt Dr.  BdUes  zum  zweiten  Male  von  einem  gesunden, 
kräftigen  Mädchen  durch  den  Kaiserschnitt  Die  Beckenenge 
hatte  so  zugenommen,  dass  kaum  ein  Finger  die  Conjugata 
passiren  konnte.  Die  Operation  bot  nichts  Beroerkenswerthes. 
Auf  der  Oberfläche  des  Uterus,  um  die  alte  Narbe  fanden  sich 
bedeutende,  traubenförmige  Varicositäten ,  welche  bei  ihrer 
Durchschneidung  stark  bluteten.  Die  Entwickelong  des  Kinds- 
kopfes war  ziemlich  mühsam.    Frau  Wirth  war  seit  ihrem 


58         IV.    Wituka^  FfinflMlui  KMa^rtChaifttepmittoiieB 

letitea  Wocheobette  immer  leidend,  sie  hatte  ihr  Bchönes  Kind 
Ober  ein  Jahr  selbst  genährt  und  dann  bald  wieder  eaneipirL 
Während  ihrer  Schwangerschaft  war  sie  so  elend,  dass  sie 
meisi  das  Bette  hüten  musste.  Am  Abend  nach  der  Operation 
befand  sie  sich  in  leidlichem  Zustande,  ihr  Puls  w«r  aber 
sehr  klein  und  kaum  zählbar. 

Den  4.  Oclober  hatte  die  Schwäche  anseerordenüiob  zu- 
genommen,- der  Puls  war  fadenförmig,  nicht  zu  zählen,  der 
Laib  s^r  ausgedehnt  und  schmerzhaft,  dabei  anhaltender 
Brechreiz,  der  durch  Opium  nicht  gelindert  wurde.  Eis  war 
nicht  aufzutreiben.     Abends  zwischen   11  und  12  Uhr  starb 

Operirte.    Beide  Kinder  leben  noch  gegenwärtig. 


Siebenter  Fall. 

(Noch  nicht  publicirt) 

Frau  Heüvr.  Schowiberg,  38  Jahre  alt,  hatte  6  ibd 
leicht  geboren.  Nach  der  fünften  Geburt,  welche  1850  er- 
folgte, entwickelte  sich  Osteomalacie,  die  schon  1862  im 
Juni  einen  so  hohen  Grad  erreicht  hatte,  dass  ich  kaum  die 
Perforation  auszuführen  vermochte.  Zum  siebenten  Mal 
schwanger,  begehrte  sie  am  16.  November  1853  früh  Morgens 
meine  Hitfe.  Die  Beckenenge  hatte  bedeutend  zugenommen, 
der  kleinste  Durchmesser  mass  unter  2  ZoU,  die  Unke  Seite 
des  Beckens  war  auffallend  enger  als  die  rechte.  Die  Schnabel- 
bildung war  stark,  die  Conjugate  externa  hatte  öVs".  Starker 
Hängebaucb;  den  Kindskopf  konnte  ich  nur  erreichen,  wenn 
ich  mit  vier  Fingern  untersuchte.  Die  Fruchtwässer  standen 
noch,  der  Muttermund  war  gehörig  vorbereitet  und  die  Wehen 
kräftig.  Mittegs  um  3  Uhr  trafen  die  zur  Assistenz  geladenen 
GoUegen  Wiefd  und  Dr.  LUbiers  ein  und  da  sie  sich  mit 
mir  einverstanden  erklärten,  wurde  sofort  zur  Operation  ge^ 
schritten.  Nachdem  Fran  S.  chloroformirt  war,  machte  ich 
den  Schnitt,  den  ich  wegen  des  starken  Hängebauchs  über 
dem  Nabel  beginnen  musste,  in  der  weissen  Linie.  Bei  der 
Eröffnung  der  Uterinhöhle  stiess  ich  auf  die  Nachgeburt, 
welche  ich  eiligst  nach  einer  Seite  löste  und  drang  mit  der 
linken  Hand  in  die  EiböMe,  führte  dieselbe  über  den  Rücken, 
um  den  Kindskopf  und  hob  den  kräftigen  Knaben  trota  der 
Sterken    Zusammenziebuogeo    der  Gebärmutter    mit   leiebter 


IMhe  durcb  die  Wunde.  Die  Nachgriiurt  wurde  sofort  ettl- 
femt,  die  Blutung  wftr  nichl  bedeutend.  Während  des  Ver- 
bandes, der  wie  in  den  früheren  Fallen  ausgeführt  wurde, 
drängten  sidi  mehrmais  kleine  Darmschlingen  vor,  die  sieh 
leioht  rcponiren  liessen.  Das  Schreien  des  Knaben  erweckte 
die  Mutter  aus  der  Narcose.  Nach  der  Operation  befsiid  sieh 
Frau  8.  sehr  wohl,  Elrbrechen  trat  nicht  ein  und  der  Sdunrnn 
war  nur  sehr  unbedeutend  und  auf  die  Wunde  beschränkt 

Den  17.  November  liess  das  Befinden  der  Operirten  niohts 
Btt  wteschen  übrig,  der  ScRraeri  war  gering,  die  Haut  feuclil, 
sie  hatte  urinirt  und  etwas  Blutabgang  per  vagmam ;  der  Puls 
war  massig  voll  und  machte  100  Schlage  in  der  Ninate«  Im 
Verlaufe  des  Tages  trat  etwas  Husten  und  Meteorismus  ein, 
der  sich  gegen  Abend  bedeutend  steigerte  und  mit  ^osser 
Beängstigung  verbunden  war,  weshalb  ich  zweistündlich  1  Gr. 
Gaiomel  mit  %  Gr.  Extr.  op.  aq.  reichte.  Bei  meinem  Be- 
suche am  18.  fand  ich  den  Zustand  der  Frau  S.  sehr  ge- 
liessert,  der  Leib  war  beigefallen,  doch  immer  noch  etwas 
tympanitisch,  aber  nicht  empfindlich,  Athemsnotb  «nd  Be- 
ängstigung hatten  sich  verloren,  da*  Husten  war  lose.  Die 
Lochien  flössen  reichUch,  die  Haut  duftete  und  die  Laotation 
war  im  Gange.  Da  noch  keine  Stuhlenüeerung  eingetreten« 
liess  ich  ein  Clysma  geben  und  dreistündlich  1  Essloffel  Ol, 
Ricini  nehmen.  Gegen  Abend  steigerten  sich  die  genannten 
Erscheinungen  in  bedenklicher  Weise,  und  war  durch  mehrere 
Klystiere  und  Sij*  Ol.  Ricini  keine  Damiausleerung  erzielt 
worden,  weshalb  ich  wieder  zu  den  Tages  zuvor  angewendeten 
Pulvern  meine  Zuflucht  nahm.  Unter  Zunahme  des  Meteoris-* 
nuis  und  der  Athmungsbeschwerden  starb  die  Kranke  in  der 
Macht  vom  18.  bis  19.  November.  Die  Obducüon  wurde 
mh*  nicht  gestattet    Das  Kind  blieb  am  Leben. 

Achter  Fall. 

(Noch  nicht  publicirt) 

Frau  Orote,  37  Jahre  alt,  hatte  lihif  Kinder  ohne  Kunsl* 
hülfe  geboren,  das  letzte  vor  5  Jahren.  Vor  zwei  Jahren 
von  einer  Manie  be&llen,  wurde  sie  nach  einem  halbjährigen 
Aufenibalt  aus  der  Irrenheitanstalt  zu  Siegburg  geheilt  eutr 
lassen.    Seit  dieser  Zeit  hat  sie  beständig  an  GUederschmeriwn 


00         IV.    WimeM^  PflnlMl»  KtAB^mthaimfmnMonen 


geÜtten  und  id  «ehr  traurigen  VerfaälUiiMen  gelebt,  da  ihr 
Gatle  eio  Trankenbdd  und  TaugeniditSt  sie  eeibst  eine 
heftige  und  hocfamöthige  Person  war«  Den  37.  Februar  1859 
Abends  9  Uhr  wurde  ich  lu  ihr  gefordert,  um  ihr  bei  einer 
Geburt  beizustehen.  Die  anwesende  Hebamme  theike  mir  mit, 
dass  das  Becken  bedeutend  verengt  und  kein  Kindestheil  so 
erreichen  sei.  Meine  Dntersudiung  ergab :  .hochgradige  osteo- 
malaciscbe  Beckenenge,  der  Schambogen  so  yerengt,  dass 
kaum  eine  Fingerspitae  zur  Symphyse  gelangen  konnte,  die 
Schambeine  schnabelförmig  vorgelreten,  die  Entfernung  der 
Sitiknorren  kaum  zwei  Finger  breit,  die  Conjngata  diagonalis 
wegen  Enge  des  Scbambogens  nicht  messbar.  Die  Fnichi- 
wisser  standen  noch,  der  Muttermund  war  zwei  Thaier  gross 
ge6ffnet,  weich,  der  Kindskopf  ruhte  auf  dem  linken  Darm- 
beine. Ausser  den  starken  Wehen  klagte  Frau  O.  fiber  eines 
dauernden  Schmerz  fiber  den  Schambeinen  und  schmersfaalle, 
stArmische  Kindesbewegungen.  Unter  diesen  Umstanden  war 
nur  Tom  Kaiserschnitte  Hülfe  zu  hoffen  und  da  sich  Frau  O, 
dazu  bereit  erklärte,  so  wurde  derselbe  am  28.  Februar 
Morgens  8  Uhr  unter  Assistenz  des  CoUegen  WUfA  uacli 
gewohnter  Weise  in  der  CUoroformnarcose  yerrichtet  Die 
FmchtwAsser  waren  in  der  Nacht  vorher  schon  abgeflossen. 
Auch  hier  fanden  wir  die  Wandung  des  Uterus  sehr  stark. 
Der  krfiftige  Knabe  gab  sein  Leben  sofort  durch  Schreien  zu 
erkennen.  Die  Entfernung  der  Nachgeburt  war  mit  einer  be^ 
trächtlichen  Blutung  verbunden  und  der  Uterus  zog  sich  schlecht 
zusammen,  als  wenn  er  seine  ganze  Kraft  erschöpft  bitte. 
In  solchen  Fällen  hilft  nichts  besser,  als  ein  kräftiges  Zu- 
sammendrucken der  Gebärmutter  nach  dem  Becken  hin;  auch 
im  vorliegenden  Falle  gelang  es  dadurch  der  Blutung  Herr 
zu  werden  und  den  Verband  bewerkstelligen  zu  können. 
Gegen  den  Brechreiz,  welcher  sich  nach  Beendigung  der  Nar- 
cose  einstellte,  wurde  eine  Dosis  Tr.  thebaica  gegeben.  Am 
Tage  war  das  Befinden  leidhch,  Abends  trat  wiederum  starker 
Brechreiz  und  grosse  Auflegung  ein,  wogegen  abermals 
10  Tropfen  Tr.  op.  spL  mit  Erfolg  genommen  wurden. 

Den  1.  März  Morgens.  Die  Nacht  war  leidlich,  Frau  &. 
hat  etwas  geschlafen,  doch  ist  noch  inuner  Neigung  zum  Er- 
brechen und  viel  Durst  vorhanden.    Die  Haut  ist  trocken, 


«od  Aw0m  Sfi»lNii«M  Ar  4ia  Praxis.  61 

der  Piilg  niadit  100  SeUige.  lof.  Ipecac  (gr.vi$.)  Sit.  Tr. 
op.  spL  ^ß.  Syr.  spi.  iß,  mds.  Stündlich  1  Esslöffd.  Abends. 
Weniger  Brechreiz,  mehr  Rohe,  feuchte  Haut   Pols  104. 

Den  2.  Hän.  ÄUgemeinbeflnden  leidlich,  der  Brechreiz 
bat  sich  vermindert,  Haut  feucht,  Urin  wurde  gdaaaoi,  Stuhl- 
gang ist  nicht  erfolgt.   Glyama.   Pols  104. 

Den  3.  März.  Etwas  Leibschmerz,  viel  Durst,  wenig 
Schbf.  Puls  120.  Etwas  Blutabgang  durch  die  Scheide.  Da 
noch  keine  Eröflhung  erfolgt  war,  wurde  1  Esslöffel  OL  Ridni 
fageben. 

Den  4.  März.  Heute  Nacht  trat  Erbrechen  saurer, 
gallichter  Massen  und  starke  Diarrhoe  ein.  Ein  Theü  der  Näthe 
wurde  entfernt,  der  Leib  ist  nicht  mehr  schmerzhaft,  auch 
nicht  aufgetrieben.  Aus  dem  unteren  Wundwinkel  fliesst  viel 
zersetztes  Blut  Puls  124  R.  Extr.  opii.  aq.  gr.V4.  Conch. 
prpt,  gr.ij.  Secal.  ^ß.  okfp»  D.  d.  viij.  S.  Zweistfindlich  1  Pulfer. 
Zwei  Dritttheile  der  Wunde  sind  gut  vereinigt 

Den  5.  März.  Die  Operirte  ist  sehr  erschöpft  und  hat 
Neigung  zu. Ohnmächten,  das  Erbrechen  hat  sich  verloren. 
Pkds  kkin,  fadenförmig.  Viel  Durst  und  wiederholtes  Ab- 
fahren. Die  Lactation  ist  im  Gange.  R.  Int  Ipecac.  (gr.  vüjO 
Siv.  Tr.  thebaic.  9i.  Syr.  simpl.  iß.  mds.  StOndl.  1  Essläflfel. 

Den  6.  März.  Besserung,  Schlaf,  feuchte  Haut;  Puls 
kräftiger,  112.  Zunge  reiner,  etwas  Essiust,  aber  immer  noch 
Abftihren«  Entfernung  der  letzten  Hrfte.  Die  Wunde  ist  bis 
auf  dem  unteren  Wundwinkel,  aus  dem  noch  viel  Jauche 
fliesst,  geschlossen. 

Den  7.  März.  Das  Allgemeinbefinden  ist  erträglich,  der 
Puls  kräftiger  und  langsamer,  100  Schläge.  Die  Diarrtioe  hat 
sich  vermindert,  die  Esslust  gehoben.  Der  A^sloss  aus  der 
Wunde  ist  besser,  scheint  aber  mit  Lochien  vermischt;  der 
Lochialfluss  ist  stark. 

Den  8.  März.  Die  Besserung  schreitet  voran.  Die  Mikh 
niebrt  sich. 

Den  9.  März.  Frau  O.  laxirt  wieder  mehr  und  fiebert 
heftiger.  Puls  112;  sie  ist  sehr  aufgeregt  und  mit  Allem  un- 
zufrieden. Die  Wunde  ist  in  der  Heilung  nicht  fortgeschritten, 
in  ihrer  Umgebung  und   den  Weichen  haben  sich  durch  den 


Od     IV.    WindMi  Füttikekm  Kai§er«iliailtopefttli4meii  etc. 

copiösen   ond   scharfen   Aosfluss   Excoriationen  gebildet,  die 
sehr  sebmerzhaft  sind.    Wiederholung  des  Inf.  Ipecac 

Den  10.  undll.Mirz.  Derselbe  Zustand.  Grosse  Schwidie, 
starkes  Abfahren.  Puls  klein,  112.  Der  Ausfluss  aus  der 
noch  bestehenden  Oeflhung  im  unteren  Wundwinkel  ist  sehr 
stark.  R.  Dec.  columb.  (3iij.)  ir,  Tr.  thebaic.  $i  Syr.  cort. 
aur.  iß.  mds.   Zweistilndlich  1  Esslöffel. 

Den  12.  März.  Besserung.  Das  Abfuhren  hat  sich  ge- 
mässigt, die  Zunge  ist  rein  und  mehr  Appetit  Toriianden. 
Wenig  Schmerz,  geringer  Durst,  Puls  108.  Es  wurde  eine 
kräftigere  Diät  angeordnet. 

Den  13.,  14.  und  15.  März  war  das  Befinden  ganz  er- 
wänscht,  den  16.  März  (rat  nach  einer  heftigen  Gemöths- 
bewegung  abermals  Abführen  und  gixisse  Schwäche  ein,  die 
Frequenz  des  Pulses  steigerte  sich  auf  130  Schläge.  Die 
Oeffhcmg  am  unteren  Wundwinkel  ■  nahm  eine  kraterformige 
BeschafTenlieit  an,  der  Ausfluss  wurde  wieder  copiöser  und 
schärfer  und  excoriirte  die  ganze  Umgegend  bis  auf  die  grossen 
Schamlippen  und  innere  Fläche  der  OberBcbenkel.  Es  trat 
grosser  Durst  und  Beängstigung  ein,  einige  Gaben  0|)ium  yer* 
schafften  zwar  Erleichterung,  aber  keine  Besserung.  Den 
17.  März  nahm  die  Schwäche  noch  zu  und  am  18.  März 
Morgens  (am  Ende  der  dritten  Woche)  starb  Frau  GroU.  Da 
sich  in  den  letzten  Tagen  die  Milch  ganz  verloren  hatte,  so 
konnte  das  Kind  nicht  mehr  angelegt  werden;  e»  gedieh 
(ibrigens  gut  und  wurde  am  Leben  erhalten. 

Neunter  Fall. 

Derselbe  ist  im  Januarheft  der  Monatsschrift  für  Ge^ 
burtsknnde  etc..  1861  ausfuhrlich  beschrieben.  Frau  W.  8chm$%€ 
eine  Mehrgebärende,  wurde  am  2.  September  1860  operirt 
und  befand  sich  am  29.  September  desselben  Monats  mit 
ihrem  kräftigen  Knaben  so  wohl,  dass  sie  denselben  sellist 
verpflegen  und  ihrem  kleinen  Haushalte  wieder  vorstfdien  konnte. 

(Forttetsnng  folgt.) 


V.    NotUen  aas  der  Joiinuil*LitoTatiur.  ^ 

V. 

Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 


Oiordano:  Cauterisation  der  Gervicalhöhle  mit 
Höllenstein  zur  Einleitung  des  künstlichen 
Abortus. 

Mit  den  Betult«ten  der  übrigen  Methoden  aar  Einleitau^ 
des  künstlichen  Abortus  nicht  satrieden,  leitet  G.  denselben  d«- 
dadurch  ein,  dass  er  mittels  eines  gewöhnlichen  Höllensteintrügcrs 
die  Innenfläche  des  Cervix  energisch  ätst.  Das  Verfahren  ist 
einfach,  leicht  anssnführen  und  hat  den  Yortheil,  dass  nach 
Anwendung  desselben  das  £i  in  seiner  Gesammtheit  ausgestosson 
wird;  dabei  ist  die  Wirkung  so  rasch,  dass  in  den  bisher  be* 
handelten  FftUen  stets  innerhalb  30  Standen  der  Abortus  voll- 
ständig beendet  war. 

(Presse  m^d.  Beige,   No.  3,   1863,  n.  Med.-chir.  Monats- 
hefte, Mars.  1863,  S.  277.) 


Kuhn:    Erfahrungen    nher    künstliche    Frühgeburt. 
(Aus  der  geburtshülflichen  Kh'nik  von  C.  Braun  in  Wien.) 

In  den  Jahren  1860 — 1862  wurde  in  gedachter  Klinik  bei 
einer  Gesammtsahl  von  12,628  Geburten  18  Mal  die  Früh-,  2  Mal 
die  Fehlgeburt  eingeleitet.  Die  Anseige  dasa  wurde  gefunden 
9  Mal  in  Beoken^erengemng  (Conj.  int.  2  Mal  3",  8  Mal  2V4', 
2  Mal  2V,",  1  Mal  27«",  1  Mal  X%^  [künsüicher  Abort]),  in 
urämischer  Eclampsie  4  Mal  (1  Abort),  in  ErstiokungsanflUlen 
neben  Morbus  Brightii  2  Mal,  in  tetanischen  Convalsionen, 
Pneumonie,  acuter  Tubereulose,  chronischer  Kehlkopf  -  und  Lungen- 
tuberculose,  Erstickungsgefahr  neben  Struma  und  chtoniseheM 
Lungen catarrh  je  1  Mal.  Die  relative  Seltenheit  der  wegen 
Beckenenge  eingeleiteten  Frühgeburten  beruhte  nicht  auf  einen 
seltenen  Vorkommen  von  Beckenverengerungen  überhaupt  (es 
wurden  in  genanntem  Zeiträume  101  FäUe  davon  beobaehtet), 
sondern  in  der  meist  späten  Aufnahme  der  betreffenden  Individsten. 
Die  Geburt  wurde  eingeleitet  in  der  23.  Woche  ein  Mal,  in  der  24. 
•in  Mal,  in  der  29.  ein  Mal,  in  der  30.  drei  Mal,  in  der  32.  seehs 
Mal,  in  der  34.  swei  Mal,  in  der  36.  swei  Mal,  in  der  36.  drei  Mal, 
in  der  37.  ein  Mal.  Diese  Zeitangaben  sind  wegen  der  meist 
ungenügenden  Angaben  der  Mütter  über  die  Schwangörschaflsdauer 
den  Grössen-  und  Gewiohtsrerhältnissen  der  geborenen  Früchte 


04  ^*    Notiteii  msa  der  JohihaI- Literatur. 

angepMft  Der  künstliche  BUtenstieh  unmittelbar  fiber  dem 
inneren  Ortfioiam  wnrde  4  Mal  (3  Mal  mit  dem  elaetisehen 
englisehen  Katheter,  1  Mal  mit  der  Simpton'acheii  Sonde),  die 
intranterine  Katheterisation  12  Mal  (6  Mal  mit  dem  elastischen 
englischen,  1  Mal  mit  dem  französischen  Katheter,  5  Mal  mit 
einer  Darmsaite),  eine  Combination  des  Blasenstiches  mit  der 
Katheterisation  S  Mal,  die  intranterine  Injection  {Lazior&wiUek) 
2  Mal  ansgeffihrt.  In  swei  Fallen  von  hochgradiger  Beckenenge, 
welche  erst  in  der  86.  und  37.  Woche  aar  Behandlung  kamen, 
wnrde  nachträglich  die  Craniotomie,  in  drei  Fällen  die  Anwendung 
der  Zange  bei  tiefem  Kopfstande,  in  einem  Falle  wegen  Qaerlage 
die  Wendung  anf  die  Fiisse  mit  nachfolgender  Eztraetion  er- 
forderlich, während  die  übrigen  Gehörten  spontan  endeten.  Von 
den  Früchten  worden  18  lebend  geboren  (davon  starben  6  in 
Folge  mangelhafter  Entwickelnng),  7  todt  (2  waren  bereits  Tor 
Einleitung  der  Geburt  abgestorben).  Von  dnn  Müttern  worden  8 
nach  einem  normalen  Wocheobettsverlaufe  entlassen,  1  wegen 
Lungentubercolose ,  1  wegen  acuter  Kniegelenksentiondung  in 
das  Krankenhaus  transferirt,  10  starben,  davon  4  an  Pnerperal- 
Processen,  welche  swei  Mal  schon  während  der  Erdfibnngsaeit 
begannen,  4  an  Morbus  Brightii,  welcher  in  2  Fällen  von 
Eclampsie  mit  einem  schon  während  der  Geburt  auftretenden 
Pnerperalprocesse  sich  combinirte,  1  an  acuter  Tubercnlose, 
I  an  Anämie  nach  einer  Nachgeburtsblutung. 
(Spitals -Zeitung,  1863,  No.  9  u.  flgd.) 


Rieäl:    Ein  Fall  von  künstlicher  Frühgeburt 

Eine  Person,  deren  Becken  sich  durch  Rachitis,  welche 
▼on  ihrem  iweiten  bis  ▼ierten  Lebensjahre  bestanden  hatte,  in 
der  sogleich  an  beschreibenden  Weise  yerbildet  aeigte,  war  im 
Deoember  1860,  19  Jahre  alt,  in  der  mit  der  K.  K.  Josephsakademie 
Terbandenen  geburtshfilflichen  Klinik  von  einem  reifen  Kinde 
nach  fruchtloser  Zangenapplication  mittels  der  Perforation  und 
Kephalothrypsie  entbunden  worden.  In  Folge  des  ihr  damals 
ertheilten  Käthes  Hess  sie  sich  am  11.  Februar  h.  a.  angeblich 
im  achten  Lnnarmonate  ihrer  «weiten  Schwangerschaft  in  ge- 
dachter Anstalt  wieder  aufnehmen.  Nach  ihrer  Aussage  war  sie 
seit  dem  Wochenbette  immer  gesund  gewesen.  Die  angestellte 
Untersuchung  ergab  Schwangerschaft  in  der  82.  Woehe,  lebendes, 
▼erhältnissmBssig  grosses  Kind  in  erster  Schädellage.  HinsicbtUch 
des  Knochenbaues  wurden  im  Einklang  mit  der  vor  der  ersten 
Entbindung  angestellten  Exploration  keine  auffallenden  Yer- 
bildnngen  an  Schädel,  Thoraac,  Wirbelsaule  und  Extremitäten 
wahrgenommen,  die  Epiphysen  der  leteteren  nicht  verdickt,  die 
Darmbeine   und    das    Kreusbein    niedrig   befunden.     Dieses   war 


Y»  K^HilMl/jnui  4er  Jk>«nal^LHenttntf.  66 


iSmA  liialta  ifnr  weni^  öotvez  and  war  mit  dem  Steiiibeitte  apita'* 
winkelig  TeTbuiideii.  Der  Abstand  der  TOTderea  obefraa  Hflftb^ia» 
staehel  beirag  9"  8''\  der  Darmbeiakftmme  10"  8''%  derRöUhfig«! 
11"  8'";  die  CojQtigaU  vera,  früher  nach  der  8"  7"'  ergebenaaa 
IHgiftalraeestuig  der  Diagonalis  aaf  3"  gesehtttBt,.wnrde  mit  dem 
fMOMdl'echen  Seokenmesser  anf  2"  11'"  bestimmt»  Unter  dieeea 
Verh&lfBiBsen  nnd  mit  HiabUck  auf  den  frfiheren  Oebarteferfamf 
wurde  am  14.  Febrnar  nach  Einwilligung  der  Sehwaageren  chtreh 
Biafilhren  eines  Darmaaitenboagiee  Ton  der  LSnge  imd  Dicke 
eines  gewöhnlichen  Katheters  in  die  Uterinhdhle  bis  auf  6"  die 
Qebnrt  eingeleitet.  Sieben  Standen  darauf  traten  schwach^  Zn- 
sammensiehnngen  in  grösseren  Pansen  auf,  erloschen  jedoch 
nach  fünf  Standen  wieder,  am  nach  Yerianf  einer  gleichen  Vxißt 
mit  dem  Charakter  wirklicher  Gebartswehen  in  minntenlanger 
Daner  nnd  Intervallen  Ton  5  Hinoten  aafsntreten.  Kach  weiteren 
10  Standen  erfolgte  der  Blasensprang  und  sogleich  die  Ans- 
treibnng  des  vollkommen  erweichten  nnd  am  das  Doppelte  in 
seiner  Dicke  anfgeqnollenen  Bongies,  —  die  Yaginalportion  war 
am  diese  Zeit  verstrichen,  der  Mattermand  erst  V,"  im  Durch- 
messer,'der  Kopf  stand  noch  hoch  und  beweglich  fiber  dem 
Beckeneingange.  Yon  da  ab  steigerten  sich  Dauer  und  Stftrke 
der  Wehen,  —  die  vollst&ndige  EröffDung  des  Muttermundes  er- 
folgte 8  Standen,  die  Gebart  10  Standen  nach  dein  Blasensprange. 
Das  Kind^  dessen  Hersschlag  V,  Stunde  vorher  noch  gehört 
worden,  war  abgestorben,  —  wie  die  Section  seigte,  in  Folge 
von  Apoplexien  der  HimhSnte  und  Himhöhlen.  Es  war  3  Pfd.  8  Loth 
sehwer,  16"  8"'  lang.  Der  Umfang  des  Kopfes  betrag  12"  10"*, 
der  gerade  Darohmesser  9"  10"',  der  vordere  quere  2"  8"*,  der 
hintere  quere  2"  8'".  Die  Wöchnerin,  welche  die  ersten  sechs 
Tage  Sjrmptome  einer  ro&ssigen  Endometritis  hatte  wahrnehmen 
lassen,  konnte  am  sehnten  Tage  entlassen  werden.  Yerf.,  den 
terfrUhten  Blasensprang  als  Ursache  des  Absterbens'des  Kindes 
annehmend,  versichert,  dass  der  Grund  fSr  das  Befssen  der 
Blbinte  lediglich  in  abnormer  Zartheit  derselben,  keineswegs 
aber  In  der  Besohaifenheit  der  Kerse  oder  in  unterlassener  Yor« 
sieht  bei  Einffihrung  derselben  sa  suchen  sei. 
(Spitals-Zeitung,  1868,  Ko.  17,  18,  19.) 


Hardwicke:  Kystengeschwulsl  in  der  Mutterscheid«. 

H.  wurde  su  einer  Frau  gerufen,  welehe  mit  ihrem  vierte» 
oder  fünften  Kinde  In  reebtaeltiger  Geburt  lag.  Er  fnid  «ine 
nieht  gestielte  Gesehwnlet  in  der  Seeto-Tagiiuil*WaBd,  welefce 
in  die  Yagina  eingedrttagt  war.  Der  Kindeskopf  hatte  den  Htttter-» 
moad  dvrehschristen  nnd  drückte  die  Geschwulst  herab ,  die  un^r 
dar  Wehe  stark  hei^orragte  und  gespannt  war.  Da  der  ILepf 
MonsUiehr.  f.  Qebartok.  1888.  Bd.  XZU..  Hfl.  1.  ^ 


66  IT.   N«tiaeii  wu  4ef  JomnMa^Uteimtui^. 


wtder  siir11ekf««ehobeii  werden,  noeh  b«i  det  Oesebwvltt 'vofWI* 
rttokm  koBBte,  diam  mi«fa  eine  Plllnigireit  sn  enthalten  #elifen, 
eo  maehte  H.  alibald  mit  dem  eiaslfen  Mesaer,  welehea  er  bei 
•idh  führte ,  einem  Fadermeaaer,  einen  Binatioh.  £a  üomb  eine 
Pittte  IclaMt  Flüaaisrheit  ab  und  die  Oeaebwnlat  fiel  ba4antead 
auaamman.  Da  Enehöpfang  der  Gebärenden  eintrat,  wntda  an- 
letat  die  Sänge  angelegt  nnd  ein  lebendes  Kind  entwiehelt.  Die 
linttor  genas  soiinell. 

Verf.  eitirt  noeh  ähnliche  Fälle  Ton  iUtosK,  Lamgltp^ 
(Laneet,  Sl  Maroh,  186a.) 


Hubbamer:  Ein  Trinkglas  in  der  Vagina. 

Ein  19 jähriget  Mädchen  hatte  ein  Trinkglas  sam  Onanir«a 
benutst;  dasselbe  war  mit  dem  Boden  ^oran  in  der  Vagina  steelKeii 
geblieben  und  yerblieb  ein  halbes  Jahr  in  derselben,  bis  endlieb 
der  durch  eine  EIntstindang  herTorgebrachte  Schmers  die  Ent- 
fernung des  Glases  mittbis  der  Komaange  nSihig  maehte. 

(ZeiUchrlft  für  Wundärate  u.  Geburtshelfer,  XV.  Jahrg., 

IV.  Heft,  1862.) 

Br^Uiu:    Ein    ansgezeichneter    Fall    freier    Gas- 
entwickelung   aus    eiterigem  Peritonäalexsudate. 

Vaehfolgender  Fall  ist  nach  Verfassers  Ifeinang  gealgnet, 
das  ▼OB  Mambm'(f«r  behauptete ,  Ton  ITenoeä  geleugnete  Vprkommaa 
▼on  spontaner  Qasentwiokelung  in  dar  Peritonäalhöhle  an,  he» 
stäUgei^ 

.EUne  28jährige  Person  hatte  am  15.  Juni  Yerfloasenen  Jähret 
in  der  Gebäranstalt  an  Zarich  ein  unreifes  47,  Pfd.  schweres 
Mädchen  in  aweiter  Fusslage  geboren.  Nach  ohne  eingreifenda 
Behandlung  fibeistandenen  und  ohne  naohweiahare  (ioealisationen 
Terlaufenem  Puevperalßeber  verliass  sie  am  27.  Juni,  noch  mfitt, 
aber  sonst  in  befriedigendem  Znstande»  die  Anstalt,  ▼erhlieh 
jedoch  fortwährend  kränklich,  litt  namentlich  an  Schwindel» 
Husten  mit  wenig  Answiirf,  Auitreibnng  des  Unterlaibes,  jedoch 
ohne  bedeutende  Sehmeraen  in  Brust-  oder  Bauchgegend,  ohne 
erhebliehe  VerdauungsstSrung,  ohne  Athembeschwerden.  Nachdem 
sechs  Wochen  vorher  yon  einem  Arate  durch  eine  Punetion  links 
unterhalb  des  Nabels  ein  Schoppen  gelblicher  Flfissigkeit  entleeri 
wiorden  war,  witrde  aie  am  2a.  Septeasber  desselhen  Jahres,  sehr 
hetfabgeJkeminen,  attf  VeKassers  gyaäkologiaohe  Klinik  gelmraiit» 
Die  Diagnose  konnte  auf  Grund  der  ansgesproehensten  Symptoasa 
gestettl  werden  anf  ein  groases  reohtaaeltigea  pleuritisehes  Biatidaf 
und  ein  beträchtliches  auf  der  rechten  Seita  unT^Uatäadlg  nb* 
gekapseltes  Peritaaäalexsndat  mit  Verwachsung  von  DnrmadhItegBii 


y*  Votl«en*MW  der  Janmal*  Literatur«  07^ 

en  der  Knken  Torderen  Bauohwand.  Die  Bebundlang  bestand  in 
kydropathiecbeB  In  Iodlös«Qg  getauchten  Cfitaplaamen  iber  den 
Unterleib,  Bepiaseliuigen  der  rechten  Hälfte  dee  Thorax  mit 
lodtinctttr^  innerlich  in  dodawaeeer  alt  Dinretionm,  leicht  Ter- 
daoHcher,  gfnter  Nahraug.  Eine  am  16.  Oetober  forge&eBimeae 
Ezploratirpnnotion  rechte  unterhalb  des  Kabels  entleerte  eine 
Unse  -einer  grQngelblichen  Flfiseigkeit,  welche,  mücroseopiech 
nntertneht,  ausser  sahlreichen  woblerhaltenen  EiterkSrperehen 
▼lele  solche  in  fettiger  Degeneration  begriffene  nnd  freie  moleenlare 
FettkSmchen  seigte«  Die  Kranke  befand  sich  in  einem  erträg- 
lichen Zustande  nnd  war  stets  bei  gntem  Appetite,  -*  die  an- 
nehmende  Abmagerong  jedoch,  sowie  die  abendlichen  bedentenden 
Exacerbationen  des  Fiebers,  profnse  Schweisse  und  Diarrhoen 
Hessen  eine  baldige  Oonsnmption  erwarten.  Am  25.  Oetober 
erschien  der  Unterleib  plötalloh  bedentend  mehr  anfgetriebea, 
Jede  DXmpfnng  rom  nnd  seitlich  war  Tcrschwnnden,  mit  Ausnahme 
der  beiden  Lnmbalgegenden  war  überall  ein  hell  tjmpanitischer, 
theilweise  dentlich  metallisch  klingender  Percnssionston  an  hören, 
welcher  durch  eine  scharfe  Grenze  von  dem.  TollstSndig  leeren 
Ton  über  der  ersten  BmsthKIfte  geschieden  war.  Da«  snbjectiTe 
Befinden  war  dabei  nnverftndert,  die  Djspnoe  hatte  nicht  an- 
genommen. Bei  der  bedentenden,  gleichaiässigen ,  plötslieh  ein- 
getretenen Anftreibnng  des  Unterleibes  hielt  sich  Verf.  anfänglich 
ftnr  Annahme  einer  freien  Gasansammlong  im  Bancfafellsacke 
berechtigt,  obwohl  das  wichtigste  Merkmal  einer  solchen  -^  der 
Kachweis  des  dadurch  bewirkten  AbdrSngens  der  Leber  ron  def 
Torderen  Banehwand  —  unter  den  gegebenen  TerhiTtnissen  fehlen 
innssfe.  Als  Ursache  der  Oasansammlnng  glaubte  er  fetner  eine 
Darmperforation  annehmen  su  dürfen.  Da  jedoch  weder  Erbrechen, 
noch  Collaps,  noch  Zeichen  einer  frischen  Peritonitis  eintraten, 
das  Befinden  der  Kranken  vielmehr  fast  im  Gleichen  blieb,  gab 
er  diese  Termuthungen  auf  und  kam  su  der  Meinung,  dass  das 
so  massenhaft  nachweisbare  Gas  gleichwohl  in  DarmsehUngen 
enthalten  sei,  welche,  lange  Zeit  in  einem  Paket  an  der  linken 
Torderen  Seite  der  Banehwand  angelöthet,  sei  es  durch  stärkere 
peristaltfsche  Bewegungen,  sei  es  durch  Daswischentreten  des  sie 
umspülenden  Exsudates,  pl5tslich  frei  geworden,  sich  fiberall 
flottirend  auf  die  Oberfiäche  des  Exsudates  begeben  und  in  einem 
Zustande  mangelhafter  Contraotionsfähigkeit  mit  Gas  stark  an- 
gefüllt haben  konnten.  Die  Kranke  erlag,  nachdem  unter 
hectischem  Fieber,  .erschöpfenden  Schweissen  und  DarchfSUen 
die  Consumption  die  hSchsten  Grade  erreicht  hatte,  am  8.  Korember 
einem  acnten  Lungenödem.  Die  Verfaftltnisse  der  Brust  wie  des 
Unterleibes  waren  sich  dabei  wesentlich  gleich  geblieben.  -^  Ans 
dem  Seetfonsberichte  dürfte  Folgendes  henro ranheben  sein.  Bei 
ErÖfl^nng  der  Bauchhöhle  wurde  eine  Menge  übelriechenden  Gases 

6* 


08  y.   NotUfln  ans  dbr  jDvumal^IAitrtanr* 

eatleert;  der  gante  rechte  Leberlappeo  war  tob  der  Torderea 
BaachwABd  and  dem  Zwerchfelle  nm  2 — 3"  znrüekgedrSagt,  die 
Blaintlichen  Dünndarms chlingen  nach  links  and  rückwftrte  ge- 
lagert,  ein  Paket  derselben  an  die  linke  Seite  der  Torderen 
Baachwand  fest  angewachsen.  Die  ganse  rechte  Seite  dea  Umter- 
leibes  erschien  fast  leer  und  enthielt  nar  eine  geringe,  in  der 
Nieren-  and  Lambalgegend  angesammelte  Menge  grunlicben, 
fötiden  Eiters.  Nirgends  konnte  man  eine  Spar  Ton  DarraiahaU 
in  der  Banchhöble  nachweisen;  die  Serosa  des  gesammten  Darm- 
traotes  leigte  nirgends  eine  Perforationsstelle,  die  Macosa  nirgend« 
Gescbwürsbildang.  Beide  Blätter  des  Bauchfelles  waren  f  erdickt, 
sum  Theil  schiefergrau  pigoientirt,  durch  Auflagerung  membianöaer 
Fetaen  rauh,  uneben,  Yon  grünlich  gelbem,  schmierigem  Eiter 
bedeckt.  In  der  rechten  Pleurahöhle  wurde  eine  enorme  Masae 
dfinnflüssigen  Eiters,  die  rechte  Lunge  stark  oomprfmirt,  von  einer 
dicken  Pseudomembran  umgeben,  die  linke  ödematöa  gefunden. 
(Wien.  med.  Wochenschrift,  1863,  No.  12  u.  13.) 


Haggeney:  Bericht  über  die  Ereignisse  in  der 
geburtshölflichen  Klinik  und  Poliklinik  zu  Greifs- 
wald vom  1.  October  1858  bis  31.  December  1861. 

In  der  Klinik  erfolgten  in  der  angegebenen  Zeit  316  Geburten, 
worunter  4  Zwillingsgeburten.  Den  Mechanismus  derselben  an- 
langend, wurden  189  erste,  105  zweite  Schädellagen  (die  Drehung 
des  Hinterhauptes  nach  vorn  kam  nicht  zu  Stande,  bei  letzterer 
2  Mal,  bei  ersterer  1  Mal),  2  Gesichtslagen,  11  Beckenlagen, 
2  Schulterlagen  beobachtet,  —  2  Mal  blieb  die  Lage  unbestimmt, 
Vorfall  der  Nabelschnur  neben  dem  Kopfe  wurde  4  Mal,  Yortiegen 
eines  Fusses  neben  demselben  1  Mal,  Placenta  praevia  lateralis 
1  Mal  gefunden.  Von  Operationen  wurden  ausgeführt:  Extraction 
des  Kopfea  mittels  der  Zange  23  Mal,  Ausziehung  am  Kumpfe 
nach  theilweiser  Geburt  desselben  6  Mal,  Wendung  auf  einen 
Fuss  2  Mal,  Acconchement  forcd»  blutige  Dilatation  des  Mutter- 
mundes, Lösung  der  Placenta  je  1  Mal.  Ferner  wurde  1  Mal  die 
künstliche  Frühgeburt  eingeleitet,  und  eine  an  Endocarditis,  Zer- 
reisaung  der  Klappen  und  consecutiTem  Lungenödem  verstorbene 
Schwangere  durch  den  Kaiserschnitt  von  einem  todten  Kinde  ent- 
banden. Von  den  Wöchnerinnen  starben  18,  davon  12  während 
der  Puerperalfieberepidemie  im  Winter  1858 — 1859.  Von  den 
Kindern  (181  Knaben  und  139  Mädchen)  wurden  lebend  geboren  306, 
todt  14  (davon  schon  vor  der  Geburt  abgestorben  8).  22  Kinder 
starben  an  verschiedenen  Krankheiten  in  den  ersten  Lebenetagen« 
In  der  Poliklinik  fanden  in  derselben  Zeit  295  Geburten  statt 
(davon  6  ZwiUingsgeburten),  167  in  erster,  80  in  zweiter  Scbädel- 
lage  (1  Mal  Unterbleiben  der  Kotation   des  Hinterhauptes  nach 


y.   Kotisen  ans  der  iJoumal-Literatar.  ^69 

▼orn),  3  Mal  in  Gesichtslag'^ ,  15  Mal  in  Beckenlag^e«  Behnlter- 
lage  wnrde  12  Mal,  keine  bestimmte  Lage  16  Mal  gefanden. 
Vorliegen  oder  Vorfall  der  Nabelschnur  allein  neben  dem  Kopfe 
ereignete  sich  3  Mal,  Vorliegen  beider  Fiisse  mit  Vorfall  der 
Nabelschnnr,  Vorliegen  einer  Hand  und  der  Nabelschnur,  Vorfall 
eines  Armes  je  1  Mal.  Placenta  praevia  centralis  unrde  1  Mal 
beobachtet.  Zangenoperationen  wurden  10  Mal,  Wendung  auf 
einen  Fuss  4  Mal,  Wendung  mit  nachfolgender  Eztraotion  6  Mal, 
Eztraction  am  Steisse,  Reposition  der  Nabelschnur,  eines  Armes, 
Acconchement  forcö  je  1  Mal,  Perforation  des  SehKdeis  2  Mal, 
Lösung  der  Placenta  5  Mal  ausgeführt.  Von  den  Wöchnerinnen 
starben  6,  davon  8  während  der  obenerwähnten  Epidemie.  Von 
den  Kindern  (162  Knaben  und  127  Mädchen,  —  in  12  Fällen  war 
das  Geschlecht  der  unreifen  Früchte  nicht  su  bestimmen)  wurden 
lebend  geboren  266,  10  waren  unter,  10  vor  der  Geburt  ab- 
gestorben, 14  hatten  die  Grenze  der  Lebensfähigkeit  noch  nicht 
erreicht  Die  Zahl  der  in  den  ersten  Lebenstagen  verstorbenen 
Kinder  ist  nicht  bekannt. 

Ans  der  weiteren,  die  Vorkommnisse  in  beiden  Anstalten 
gemeinsam  umfassenden,  sehr  ausfShrliehen,  trotidem  aber  In 
mehrfacher  Hinsicht  lückenhaften  Relation  möge  noch  Folgendes 
hervorgehoben  werden. 

Abnorme  Drehung  des  geborenen  Kopfes  bei  Sohädeüagen 
erfolgte  9  Mal,  —  4  Mal  bei  Vorliegen  einer  Hand  an  der  vorderen 
Beckenwand,  2  Mal  bei  fester  Uroschlingung  der  Nabelacbnur  um 
Nacken  und  Schultern.  In  den  4  Fällen,  wo  die  Drehung  des 
Hinterhauptes  nach  vom  nicht  su  Stande  kam,  waren  die  Köpfe 
auffallend  rund  und  klein,  die  Geburten  verliefen  leicht  tind 
schnell.  Uebergang  aus  Gesichts-  und  aus  Stirnlage  in  Scbädel- 
lage.  wurde  je  1  Mal  beobachtet.  Neben  dem  Sobädel  vorgelagert 
gefunden  wurde  ein  Fuss  (spontan  bei  festerer  Einstellung  jenes 
beseitigt)  und  ein  Arm  (reponirt)  je  1  Mal,  die  Nabelschnur  9  Mal, 
2  Mal  in  der  Blase  vorliegend  (durch  passende  Lagerung  reponirt), 
7  Mal  nach  dem  Sprunge  derselben  vorgefallen  (4  Mal  deshalb 
Zangeneztraction  [2  Mal  mit  Rettung  des  kindlichen  Lebens], 
1  Mal  Reposition,  1  Mal  schnell  erfolgte  spontane. Geburt  eines 
lebenden  Kindes,  I  Mal  Zuwarten  bei  schon  abgestorbenem  Kinde). 
Als  Ursache  der  Vorlagerung  wurde  in  3  Fällen  tiefer  Sita  des 
Fruchtkuchens,  in  den  übrigen  hoher  und  beweglicher  Stand  des 
Kopfes  und  grosse  Menge  des  Fruchtwassers  angeaehen. 

Bei  den  5  Gesichtsgeburten  (2  bei  Erst-,  8  bei  Mehrgebärendea) 
wurden  die  Kinder  stark  entwickelt  (namentlich  grosse  Köpfe), 
dagegen  , weder  in  Becken,  noch  Weichtheilen  Abnormitäten 
gefunden.  In  einem  Falle,  wo  bei  einer  Drittgebärenden  wegen 
Wehenschwäche  die  Geburt  mit  der  Zange  beendet  wnrde,  war 
das  Kind  abgestorben.  Die  Section  ergab  alle  der  Suffoeaüon 
ankommenden  Erscheinungen  und  keine  Spur  von  Himkyperämio. 


70  V-  Motiien  «iis  der  Jonnial*Lifteratiir« 

Bei  d«D  86^  Beekenläe^ti  (6  |l>ei  Erat^bRrende«)  frar  der 
Rä'eken  defe  Rindes  nach  links  Tora  gerichtet  11  Mal,  aaeb  rechts 
▼om  6  Mal,  nach  links  hinten  6  Mal,  nach  rechts  hinten  4  M«l; 
die  Nabelschnur  lag  dabei'  4  Mal  ▼or.  Von  den  Kindern  wardan 
lebend  21,  todt  6  geboren;  Ton  letsteren  waren  3  bereits  ror  der 
Gebart  abgestorben.  Die  Herableitang  des  Kopfes  wurde,  wo 
adthig,  dnreh  Zog  yon  den  Schnltem  herbeigeführt,  ohne  das« 
sieh  ein  nachtheiliger  Einflnss  geltend  gemacht  hKtte. 

In  den  14  Fällen  Ton  Qnerlagerang  fand  man  bei  nach  vorm 
gesandtem  Bttcken  den  Kopf  links  nnd  rechts  je  3  Mal,  bei  naeii 
hinten  gewandtem  Rücken  den  Kopf  links  nnd  rechts  je  4  Mal,  — 
3  Mal  war  dabei  1  Arm,  1  Mal  die  Nabelschnur  yorgefallen.  Die 
Wendung  würde   12  Mal  Torgenommen  (10  Mal  auf  eiaea  Fnsa, 

2  Mal  auf  beide  Fasse),  9  Mal  bei  stehender  Blase,  3  Mal  «  bU 
3*^  Stunden  naoh  dem  Sprunge  derselben.  Von  den  Kindern 
wurden  lebend  9,  todt  3  (daron  1  bereits  Tor  der  Geburt  ab« 
gestorben)  entwickelt;  2  bereits  längere  Zeit  abgestorbene  Fruchte 
wurden  im  achten  Monate  durch  die  Naturkr&fte  ausgestossen. 

Bei  den  10  Zwlllingsgeburten  wurden  6  Mal  beide  Kinder 
im  SchädelUgen,  1  Mal  beide  in  Beckenlagen  geboren;  3  Mal 
stellte  sieh  das  erste  Kind  mit  dem  Schädel,  das  aweite  mit  dem 
Beckenende  ein;  1  Mal  wurde  Becken-  und  Schulterlage  beobachtet. 
Die  Zwischenaeit  swischen  der  Geburt  .des  ersten  und  des  »weiten 
Kindes  betrug  3  Mal  10  Minuten ,  2  Mal  V«,  3  Mal  %,  1  Mal 
2*4  Stunde,  —  1  Mal  wurde  die  Wendung  gemacht.  In  5  Fällen 
war  das  Geschlecht  gleich  (4  Mal  Knaben,  1  Mal  Mädchen),  in 
allen  waren  swei  fiihöhlen  vorhanden  und  die  Placenten  verwachsen 
(8  Mal  doppelteSi  2  Mal  einfaches  Chorion).  Mit  Ausnahme  eines 
6  Wochen  au  früh  geborenen  Paares  trugen  sämmtUche  Kinder 
die  Zeic&en  der  Reife. 

Beckenverengerungen  wurden  6  beobachtet.  Zwei  Mal  betrug 
die  Coi^ugata  diagonalis  4"  3'"  (in  dem  einen  Falle  Impression 
des  dem  Vorberge  angekehrt  gewesenen  Scheitelbeins  von  IV," 
Länge,  1"  Breite,  4'"  Tiefe  bei  durch  die  Natnrkräfte  beendeter 
Geburt,  Tod  des  Kindes  nach  24  Stunden,  —  iu  dem  anderen 
Impression  des  sternförmig  fracturirten  Scheitelbeins  und  Tod 
des  Kindes  nach  einstündigen  Zangentractionen  eines  fremden 
Aretes ,  10  Stunden  darauf  Entwickelnng  des  unterdess  ausammen- 
geschobenen  Kopfes  mit  der  Zange),  1  Mal  4"2'"  (nach  vergeblichen 
Tractionen  mit  der  Zange  und  misslnngenem  Wendnngsversuche 
wegen  fieberhafter  Erkrankung  der  Matter  mit  Symptomen  von 
Uterus -Perforation  am  lebenden  Kinde ,  —  Genesung  der  Frau 
von    Endometritis   und    Entzündung    des   Ileosacralgelenks   nach 

3  Monaten),  1  Mal  auf  3"  10'"  (Erstgeschwängerte ,  Einleitung 
der  Geburt  6  Wochen  vor  dem  Termin  durcb  Katheterisiren  des 
Uterus,  Beendigung  derselben  durch  die  Zange  wegen  Wehen- 
schwache ,   lebendes  Kind  von  6  Pfd.  Gewicht).     Ein  Mal   fand 


Y.   Notisen  ao*  dir  Jouttutl-Literatar.  ^ 

Meh  b«i  ieiiMr  CBjtthrigeii  EritgascbirXiifvrUii  aÜgeneiae  Ver- 
Migtraag  Am  BaofeesB  (im  Eisgänge  gerader  Dtirefamesser  8''  2'*', 
^«•tar  4"  8*^,  im  der  Beekenweita  gerader  Dm^ehmeaeer  4", 
qaerer  4"  S'^t  im  Beekenaoegange  gerader  Darchmeaaer  8"  4^^, 
qaerer  8"  6'").  Kack  laügwietigea»  GahiixtaTerlaafe  wurde  der 
Kopf  des  lebenden  reifen  Kindes  mitteU  der  Zange  ans  der 
Beokenhohle  entwickelt.  Die  Matter,  schon  seit  mehreren  Moaaten 
an  Brt^A<*seher  Krankheit  leidend,  starb  am  fSnften  Tage  nach 
der  Entbindung.  Bei  der  Seetion  wurden  ausser  der  Nieren- 
eatartnng  brandige  Zerstörung  der  hinteren  Scheidenwand  und  des 
Mittelfleisohes,  eiterige  Infiltration  der  Schamlippen,  sangninolentes 
Exsudat  in  der  Bauchhöhle  gefunden. 

In  den  beiden  FUlen  Yon  Plaoenta  praevia  waren  die  Kinder 
gleich  au  Anfang  der  Geburt  abgestorben  —  an  Suffoeation  (Eztra- 
▼asate  4inter  den  Pleuren,  HyperSroie  der  Lungen,  lieconium  in 
den  Luftwegen).  Die  Frauen  (Erstgebftrende)  wurden  durch  das 
Aaeoueheniettt  tön6  entbunden;  die  eine  erlag  am  siebenten  Tage 
ainar  Parhonltla ,  die  andere  starb  nach  7  Wochen  im  Krankenhanaa. 

Zn  erwähnen  ist  nooh,  daas  fast  alle  Operationen,  in  der 
Chloroformnarkose  ausgefKhrt  wurden;  in  den  meisten  FUlen 
war  ein  die  WehenthKtigkeit  störender  Einfluss  des  Mittels  nicht 
SU  bemerken. 

Die  Krankheiten  def  Wöchnerinnen  sind  einer  besonderen 
Bearbeitung  Torb ehalten.  Von  den  Kindern  wurden  66  ron 
Blennorrhoen  der,  Conjunctiva  befallen.  Bemerkens werth  er* 
scheint,  dass  wKhrend  der  Poerperalfieberepidemie  dergleichen 
Erkrankungen  nicht  vorkamen.  Die  Behandlung  bestand  in 
wiederholten  Aetsungen  mit  dem  modificlrten  Lapis  und  darauf 
folgenden  Eisübe rschl&gen  und  hatte,  mit  Ausnahme  sweier  Fülle, 
we  Narben  der  Cornea  surüokblieben ,  günstigen  Erfolg;  die  Knr 
dauerte  meist  2 — 3  Wochen.  Ausserdem  wurden  yon  Icterus  18, 
▼on  Soor  11,  von  Intertrigo  2,  Ton  Mastitis  8,  von  Hemia  umbi- 
licalis 2,  von  NabelTcrschwSrung  1,  von  Kephalämatom  1,  Ton 
Atrophie  2  Fülle  beobachtet,  —    in  allen  wurde  Heilung  ersielt. 

WKhrend  der  Puerperalfieberepidemie  starben  7  Kinder;  die 
Seetion  ergab  bei  4  in  den  ersten  Tagen  nach  der  Geburt  Ter* 
•torbenen  theerartige  Beschaffenheit  des  Blutes  und  Ateleetoaa 
der  Lungen  2  in  den  äbrigan  Fällen  trat  der  Tod  erat  am  10.  bis 
14.  Tage  ein,  —  eiu  Mal  fand  man  ausgebreitete  Verschwftruag 
am  Nabel  mit  Jauchebildnng  und  Zerfall  der  Thromben  in  Arterien 
and  Venen,  ein  anderes  Mal  aahlreiche  Eiterungen  in  den  Ge- 
lenken der  Hände  und  Fasse ,  in  einem  wetteren  Falle  Jauchigen 
Zerfall  der  Thromben  in  der  NabeWena.  Alle  Mütter  litte«  an 
•ahwerer  Peritonitis ,  welcher  6  erlagen.  Ausserdem  starben  in 
der  Klinik  16  Kinder,  davon  3  an  ausgebreiteter  lndiira|ion  des 
Zellgewebes,   2   an   Syphilis   (Pemphigus,   Infiltrationen   in   den 


72  ^«    LiUitUnM. 

Luttges,  b«i  üem  eÜMB  aiieh  ia  iei*  Ine^r  und  AiMMdiniAg  d« 
Thymus),  1  «a  TriinNW  und  Ttttonns,  1  mi  Ai^oplexl«»  1  a 
.PnenoHmte,  1  ad  eiiMm  Braeb«  ini  oberes  Drittel  dee 
H*inemt. 

(Oreifew*  med.  Beitrag,  1868»  1.  Bd.) 


VI. 

Literatur. 


Lehrbuch  der  Bebammenkunst  von  Dr.  Woldemar 
Ludwig  Grenser,  König!.  Sachs.  Hofirathe  etc.  JUt 
29  Erisflchnittiefi.  Leipzig,  Verlag  von  3.  ßünsdj  186Sw 
X.  u.  ^860  S.  nebst  einem  tabellarischen  GeburtsvttrKeichBiss.  8. 

Bei  der  grossen  Anzahl  von  Lehrbüchern  der  Hebammen- 
kunst  wird  es  fast  zar  Pflicht,  über  die  MotiTe,  welche .  die 
Abfassung  eines  neuen  veranlasst  haben,  ö£fentlich  Rechenschaft 
XQ  geben.  Bei  anderen  Werken  sprechen  sieh  die  Yerfaaaer 
Tiferüber  gewöhnlich  in  der  Vorrede  ans;  eine  solche  ist  aber 
dem  Bttche  nicht  beigegeben  worden,  weil  ein  Vorwort  für  daa 
Pnbliknra,  für  welches  das  Buch  zunächst  bestimmt  ist,  für  die 
Schulerinnen  der  Hebammenkunst  und  für  die  Hebammen,  nach 
der  Ansicht  des  Verfassers  unnöthig  ist,  ja  diese  irre  machen 
kann,  indem  es  von  denselben  nicht  gehörig  rerstanden  wird. 
Aus  diesem  Grunde  ist  in  einem  der  neuesten  Lehrbücher  der 
Hebammenkunst,  dem  ron  Professor  Dr.  SehuUze  in  Jena  rer- 
fassten,  der  Vorrede  eine  Notiz  für  den  Buchbinder  angefügt 
worden,  dieselbe  in  die  zum  Gebrauche  der  Hebammen  bestimmten 
Exemplare  nicht  mit  einzubinden.  Wir  haben  es  vorgezogen, 
gegen  unsere  Oollegen  in  dieser  Zeitsehrift  uns  über  die  Entstehung 
und  Tendenz  des  gegenwärtigen  Lehrbuches  auszuspreeh^n  und 
dadurch  die  vielleicht  von  Manchen  yennirate  Vorrede  zu  ersetseli. 

Im  Königreich  Sachsen  war  durch  das  Mandat  vom  2.  April  1818 
das  Lehrbuch  der  Hebammenkunst  von  Dr.  Joh,  OhrUU  QoUfr,  Jiftg 
•um  Unterrichte  der  Hebammen  des  Landes  gesetzlich  bestimutt 
worden  und  hat  dieses  Lehrbuch,  wovon  die  neueste,  fünfte 
Aufläge  im  Jahre  1855  erschien,  beinahe  ein  halbes  Jahrhundert 
hindurch  die  gesetamSssige  Geltung  behalten  und  seinen  Zweek 
gant  gut  erfüllt.  Allein  bei  den  mancherl^  Voraügen  d«a 
(/l^^eohen  Hebammenbuehea ,  welche  auch  wir  in  dankbarer 
Pietät  fSr  unseren  ehemaligen  Lehrer   anerkennen,   fanden  wir 


jedoeh)  'dmM*4lttfc8«M  nm  elfler  g«w!e#efl  Breite  leiivt,  welAe 
flfte  VerfttKfldnin  eehr  «nofawert ,  so  dnm ,  wevri  wir '  in  de« 
Ifebmtnn^Bn  die  tSektiteHflneii ,  melideni  eine  Ton*  ilmen  einen 
Parai^ph  vori^elesen  hatte,  nach  dem  Inhalte  fragten,  in  der 
Be|*el  keine  Antwort  erhielten..  Deslialb  eignet  eich  dn  Jbrg*B€h» 
Bnch  anch  wenig  räoi  Repetiren,  snmal  da  in  demeelhen  ver* 
lännlt  worden  iet,  dnrch  sweekmtesigefl  Absetaen  und  dnreh 
gesperrte  Schrift  dem  QedKohtnlese  an  Hfllfe  an  kommen.  Endlleh 
Bind  nianehe  ganae  Kapitel  des  genannten  Lehrbnches,  a.  B.  das 
fiher  die  Untersnehnng,  den  Oebnrtsmechanismns,  die  fiegel* 
Widrigkeiten  des  Beckens,  das  Kindbettfleber,  einige  Krankheiten 
des  weibUohen  Geschlechts  ansser  der  Schwangerschaft  pnd  dem 
Wochenbette  n.  s.  w.  nicht  mehr  dem  gegenwftrtignn'  Standpvflkte 
der  Wissenschaft  entsprechend,  so  dass  wir  genttihigt  waren, 
mündlich  diese*  GkgeflstKnde  anders  nnd  abweichend  ren  dmn 
Torantragen,  wie  es  in  dem  Lehrbache  steht,  was  jedenAills  ein 
groeser  Uebelstand  ist,  da  Ja  dasaelbe  für  die  Hebammen  an* 
gleich  als  Qeaetabneh  gilt  nnd  die  Torkommenden  gerichtllokea 
Klagen  über  Knnstfehler  derselben  danach  beortheilt  werden. 

.  Diese  Gründe  bewogen  nns,  nns  nach  J9rff*»  Tode  nach 
einem  anderen  Lehrbnche  nmsnsehen  nnd  haben  wir' die  gesammte 
einsehl&gige  Literatur  einer  genauen  Prfifang  unterworfen.  Allein 
so  Tortreffitch  anch  mehrere  Lehrbficher  der  Bebammenknnst 
sind,  namentlich  die  aas  der  neuesten  Zeit  herrührenden, 
so  wollte  ans  doch  keines  entweder  besliglich  der  Anordnung 
des  Stoffes,  oder  besüglich  der  Darstellnngsweise  oder  des  Um- 
fanges  des  den  Hebammen  aa  gestattenden  Wirkungskreises  gana 
befriedigen.  Deshalb  fassten  wir  den  Entechlnss,  selbst  ein 
Lehrbach  fBr  Hebammen  au  schreiben,  woau  wir  durch  reiche, 
in  46  Lehrcursen  gewonnene  praktische  Erfahrung  und  durch 
unsere  sonstige  literarische  ThXtigkeit  einige  Berechtigung  au 
haben  glaaben.  Das  Künigl.  Siebs.  Ulnisterium  äBB  Innem, 
welchem  wir  die  Gründo ,  dass  das  «TiE^r^sche  Lehrbuch  sich  nicht 
mehr  aum  Unterrichte  der  Hebammen  eigne,  und  angteleh  unsere 
Absicht,  ein  anderes  Hebammenlehrbuch  selbst  au  schreiben, 
erSffheten,  fknd  nnsere  Vorstellung  gerechtfertigt  und  so  wurde 
Verf.  durch  MinisterlalTcrordnung  Tom  80.  Juli  1860  mit  der 
Abfassung  desselben  betraut. 

Was  nun  die  Grenaen  anlangt,  welche  heu  tau  tage,  wo  daa 
Land  mit  Aeraten  und  Geburtshelfern  hinreichend  rersorgt  ist^ 
dem  Wirkungskreise  der  Hebammen  anauweisen  sind,  so  kante 
wohl  kein  Zweifel  darfiber  obwalten,  dass  diese  mügliehst  eng 
gesogen  und  auf  die  tJeberwachung  und  Wartung  des  gesundheit- 
gemXssen  GeburtsTerlaufes  und  Wochenbettes  nebst  der  ersten 
Pflege  de«  Kindes,  sowie  aUf  mSgllehste  Verhütung  der  durch 
anomalen  C^bvrtsTeriauf  bedingten  Gefahren,  besondere  dadurch, 
dass  die  Hebamme  die  Torkommenden  Regelwidrigkeiten  in  Zeiten 


74  VI^    läUnUM. 

•i%MMit  «ali  ftr  iolBrtig«  HMrbeiniAiaf  «iM«  Aifeto»  4orgi»  tb«- 
Mluriakt  .w«r4ea  nfifM«.  WandimC)  A«eal0k«Bf  4«r  Fmekt  «« 
d«tt  FttiM«  «ad  köitstltohd  Likuaf  4m  Pni«ktk«ali«M^  via  «i« 
ta  «inigea  I^ahrbftehera  dar  QebammaakiiQat  aaah  gaffeanlftic 
gaUhri  «erd«a ,  bliabaa  daher  vag.  D^<9gtk  iat  Vart  dar  dnalrh^ 
da»  das  Laban  Tleler  Kinder  arbalten  werden  bann»  wann  4ia 
Hebamme  in  FUlieQ,  wo  ein  GebarUbelfer  niabt  eehnell  gamig 
erlangt  werden  kann,  bei  Becbenendelagea  die  Arme  and  das 
aaletal  komoenden  Kopf  der  Fracht  an  eatwiakaln  and  bei  Vorfall 
der  Habeleebnnr  oder  des  Armea  dieae  Tbeile  geeeUekt  anrfiak* 
aabriagaa  vereteht.  Femer  iet  die  Zahl  dar  Hellmittel»  daran 
Aatrendaag  der  Hebamme  gestattet  let|  attf  nnr  sehr  waaiga 
redneirt  and  Ton  den  wirkUehen  Hedieamentea  nur  die  SUmautttaa^w 
ale  «nentbehrlioh  überlaMeb  wardeoii  lodern  dnrcb  Aether,  Salmlak- 
geiat,  Easigaftttre  nnd  deigl.  la  den  Händen  Ton  Hebammen  mahr 
Schaden  oder  Uafng  angeriohtet»  als  Nntaen  gestiftet  wird.  Bbenaa 
arscbeint  es  ons  nicht  rathsam,  dass  Hebammen  BadasehwiaHaa 
and  eine  Büchse  mit  Pomade,  Fett  oder  Oel  führen,  tbeila  dv 
Reinlichkeit  halber,  theils  weil  dareh  gebranchte  SehwKmoia 
Ansteeknngsstoifa  g^r  so  leicht  übertragen  werden.  Dagegen 
sind  GnrtbiUider  als  Handhaben  sam  Erfassen  and  Anhalten  beim 
Verarbeiten  der  Wehen  gewiss  weit  sweokm&ssiger  nnd  wenigar 
ttmstftndUch,  als  wenn  der  Bath  gegeben  wird»  9ftriaka,  Hand- 
tücher nnd  dergl.  an  die  unteren  Pfosten  des  Gebärbettes  an 
befestigen.  Wenn  endlieh  Einige  die  Vorschrift  geben,  daaa 
Hebammen  au  jeder  Gebärenden  ihr  Lehrbuch  nnd  wohl  auch 
das  sogenannte  Tagebuch  mitbringen  sollen,  so  begreifen  wir 
nicht,  wie  4iMe  für  die  Daner  reinlich  und  ordentlich  gehalten 
werden  können,  da  Hebammen  nicht  selten  in  Tollstem  Bagenguaa 
au  Gebärenden  eilen  müssen  und  in  der  Hütte  des  Armen  kaum 
ein  PUUachen  finden  werden,  wo  sie  diese  Gegenstände  hinlegen 
nnd  Tor  Verunreinigung  sichern  könnten,  abgesehen  davon ,  dasa 
dadareh  oft  unberufenen  Augen  Gelegenheit  gegeben  werden 
dürfte,  darin  au  lesen. 

Das  Lehrbuch  beginnt»  nach  ▼oransgesehlekter  Einleitongt 
mit  einer  allgemeinen  Uebersiobt  des  menachlichen  Körpers,  weil 
ahne  eine  solche  die  Vorgänge  der  Sehwangerachalt,  der  Geburt 
und  des  Wochenbettes  unmöglich  gehörig  yerstsnden  werden 
können.  Natürlich  hatte  sich  diese  nur  auf  die  allarnatbwendigsten 
Pagriffe  und  auf  die  ersten  Elemente  der  Anatomie  au  besohräaken. 
Auch  uns  hat,  wie  Andere,  die  Erfahrung  gelahrt,  4h*  die 
^«hülerinnen  gerade  diese  anatomischen  Lehren,  aum^l  wi|nn  sie 
dareh  Voraeignng  guter  Abbildungen  und  Präparate  erläutert 
werden,  sehr  aufmerksam  anhören  und-  behalten,  wodurch  der 
Lahrer  viel  gewinnt,  Indem  es  daim  später,  vial  laiahtar  wird, 
ihnen  ei&nan  Begriff  s.  B.  ?oa  den  ZusamaanaiahBagan  dar. Gebär» 
^netter,   von  ^^  Veränderungen  jm  Wochenbette   n.  ^.  ww  bfi- 


.?E   Ltoninr.  ,1^ 

sttbria^ii.  Di«  6««ehr#i)(ttag  dt»  B0ek«as  ud  4«r  O»0elil«elrtA' 
thelle  ict  dorch  lo  des  Text  etagelfigte  Hol««obiiUto  ni3gU«hit 
•rliiatort  wordm,  ttnd  in  der  Darttellaof  eelbtt  «ftid  wir  bemUlit 
9«wes«B,  darcih.  Abaetaen  dea  Dmeket,  Namaiera  und  Ter- 
•ebted«»«  Lettern  dem  GedachtniMo  dabei  sn  Hülfe  an  kommen. 
Ebenso  glnnben  wir  die  Verftndernngen  de«  Eies  nnd  des  müttnr- 
liehein  Körpers  wKbrend  der  Sehwengersehaft  mdgliebit  fasallch 
gescbUdert  an  baben.  Besonders  ansAbrlieb  ist  das  wiobtign 
Kapitel  fiber  die  äussere  nnd  innere  Üntersncbang  abgebandelt 
werden,  da  ja  diese  die  eigentllebe  Qmndlage  der  Hebammea» 
knnst  bildet.  Bei  der  Sehildemng  der  regelmässigen  GebnrI  ist 
der  sweekmässigen  Bedocirnng  der  fünf  Gebnrtsaeiten  .in  drei« 
nässlieh  in  die  Eröffnnngs-,  die  Anstreibnngs-  nnd  die  NaebgehnTts* 
periode  Becfbnnng  getragen  worden,  ebne  jedoeb  die  ältere  Ein- 
theilnng  bei  Seite  so  setsen ,  weil  diese  unter  den  GebnrtAelfem 
nnd  Hebammen  noob  immer  die  gebränehliobste  ist.  Znr  Er- 
leiobternng  des  Verständnisses  des  Gebnrtsmecbanismns  haben 
wir  §  138«- 141  ein  übersiebtHche«  üehema  nnd  die  allgemeinen 
Begeln  ro rangestellt,  naeh  welöhen  der  Dnrebgang  der  Fraeht 
dnreb  das  kleine  Beeken  erfolgt.  Bei  Darstellnng  der  Lehre  Ten 
der  Beistandleistnng  bei  der  normalen  Oebnrt  bat  Verf.  das  Ver* 
halten  der  Hebamme  in  den  einseinen  Qebnrtsseiten  dnreh  fette 
nnd  gesperrte  Lettern  besonders  berrorgeboben,  Znm  ersten 
Male  in  einem  Hebammenlehrbnehe  findet  sich  hier  die  Vorsohrift, 
die  Kaohgebart  durob  angemessenen  Dmok  von  Anisen  sn  ent- 
fernen, eine  Methode,  über  deren  Zweckmässigkeit  nnd  Vorsfige 
Tor  der  älteren  die  Erfahmng  Jetst  hinlänglich  entschieden  hat 
Femer  enchte  Ver&  die  hohe  Bedentung  des  Wochenbettes  nnd 
die  Nothwendlgkeit  der  sorgsamsten  Pflege  desselben ,  als  hänfig 
üiber  die  künftige  Qesnndheit  der  Betbeiligten  entscheidend,  den 
Hebammen  recht  eindringlieh  Torsastcllen.  Ebenso  legten  wir 
ihnen  die  erste  Leitung  der  Pflege  des  Nengeborenen  möglicbsl 
an  das  Hers  nnd  fügten  ein  besonderes  Kapitel  Über  die  weitere 
Pflege  des  Kindes  im  ersten  Lebensjahre  hinsn,  weil  anf  dem 
Lande  nnd  in  kleinen  Städten  die  Hebammen  immer  die  nächsten 
Berathe  rinnen  in  der  Kinderstube  bleiben  werden  nnd  wahrhaft 
segensreich  wirke*  kSnnen,  wenn  sie  in  dieser  Besiehnng  wirklich 
guten  Rath  s«  ertheilen  wissen. 

Im  sweiten  Theile  des  Lehrbuches ,  welcher  Ton  den  Begel* 
Widrigkeiten  der  Qebnrt,  des  Wochenbettes  und  der  Schwanger* 
Schaft  handelt,  hat  Verf.  nach  dem  Vorbilde  Na$gßie*a  d.  V.  att 
den  GebnrtsstSmngen  begonnen  nnd  die  Scbwangerschaftsanomalien 
sniotst  behandelt,  weil  es  wünsehenswerth  ist,  dass  die  Schülerinnen 
während  ihres  Aufenthaltes  in  der  Hebammensohule  die  daselbst 
rerkommenden  Regelwidrigkeiten  möglichst  bald  Terslehea  and 
mit  dea  Lehren  des  Buobes  Tcrgleichen  lernen,  wäiirsad  die 
Keaalaiss  der- Sohwangerschaftsstürungen  weniger  dringlich  e»- 


(76  VI.    LitoraM'. 

««b^iiit.    Üeberftll  ftt  bei  den  AnomaHen  der  Omndsats   «n  4ic 
Bpitae  g^estellt  worden,  dase  es  nicht  Sache  der  Hebamme  aeia 
darf,    die   Hülfe    bei    Störnngen    der   Geburt    selbst    an    lefetea, 
sondern  dass  diese  Hülfe  nur  dem  Geburtshelfer  ansteht  and  daas 
daher  Hebammen  in  allen  Füllen,  wo  das  Lehrbuch  iiineii  tot- 
schreibt,  einen  Geburtshelfer  hiniurufen  au  lassen,   darch  ihren 
'fiSid  verpflichtet  sind,  dafür  au  sorgen,  dass  die  Erstliehe  Hülfe 
Womög^Kch  noch  sur  rechten  Zeit  anlangt.    Die  Eintheilnn^  der 
GeburtsstSrungen  ist  so,  wie  sie  suerst  yon  NaegsU  d.  V.  und 
aeitdem  von  vielen  Anderen  als  sweckmSssig,  logisch  richtig  and  das 
Gedftchtniss  erleichternd  befunden  worden  ist.    Bei  der  speciellen 
Schilderung  der  einseinen  Anomalien  ist  hauptsächlich  die  £r^ 
IcenntnlsB    und    Symptomatologie    eingehend    gewürdigt    worden, 
weil  diese  von  Hebammen  verlangt  werden  muss,   damit  sie  dia 
Irztliche  Hülfe  seitig  genug  beantragen  können. 

Von  den  Krankheiten  des  Weibes,  die  auch  ausser  der 
Schwangerschaft  und  ausser  dem  Wochenbette  vorkommen,  deren 
Erkenntniss  für  Hebammen  von  Wichtigkeit  ist,  hat  Verf.  der 
Lustseuche  eine  besondere  Abhandlung  gewidmet,  weil  Hebammen 
nicht  selten  Gelegenheit  haben,  syphilitische  Frauen  sa  unter- 
suchen und  sich  nicht  nur  um  deren  Wiederherstellung  sehr 
verdient  machen  können,  dadurch  dass  sie  die  Kranken  auf  die 
schlimmen  Folgen  ihrer  Krankheit  und  auf  die  dringliche  Noth- 
wendigkeit  gründlicher  ärstlicher  Behandluog  aufmerksam  machen, 
sondern  auch  sich  selbst  vor  Ansteckung  an  ihren  Fingern  und 
Hftnden  sorgfältiger  hüten  werden,  wenn  sie  die  bei  der  Unter- 
suohung  gefundenen  Geschwüre  als  syphilitische  erkennen.  Bei 
der  Fehlgeburt  haben  wir  besonders  auf  die  nachtheiligen  Folgen 
aufmerksam  machen  zu  müssen  geglaubt,  welche  deren  Ver- 
kiachlKssigung  herbeigeführt ,  weil  Frauen  gewöhnlich  der  Ansicht 
leben,  dass  nach  Fehlgeburten  Pflege  und  Schonung  nicht 
nöthfg  seien. 

Unter  den  krankhaften  Zuständen  der  Neugeborenen  ist  der 
Seheintod  am  ausführlichsten  abgehandelt  worden,  weil,  wenn 
Hebammen  dabei  die  richtige  Hülfe  au  leisten  verstehen,  manches 
Menschenleben  gerettet  wird.  Uebrigens  hat  Verf.  auch  hier  an 
^em  Grundsatse  festgehalten,  dass  bei  wirklicher  Erkrankung 
eines  Woohenkindes  die  Hebamme  immer  auf  einen  Arst  ver- 
weisen soll  und  ihr  nur  bei  leichtem  vorübergehendem  Unwohl- 
aein  der  Kinder  mehr  bloss  diätetischen  Rath  au  ertheilen 
austeht.  Indess  darf  man  wohl  auch  nicht  sn  weit  gehen  und 
nicht  bei  jeder  Kleinigkeit,  a.  B.  wenn  das  Kind  verstopft  ist, 
wegen  Blähungsbeschwerden  viel  schreit,  an  leichten  Graden 
Von  Wandsein,  Öchwämmchen  oder  Gelbsucht  leidet  und  dergl., 
von  der  Hebamme  verlangen,  dass  sie  nach  einem  Arst  schickt. 
Sehr  richtig  sagt  der  uUvergessliche  «/os.  Herrm,  Sehmitk  in  dieser 
Besiebnag:   „  Uebertreibnngen  dind  in  Betreff  der  Nothwendigkelt 


Yh    Uteratnr.  ^f 

etees  Arkttfi  ebeoso  gef&hrlith,  wie  in  grosse  Küchifobt '  Eis 
Buch,  welehes  bei  jeder  Kleiiffgkeit  so  gössen  LXrm  sehlügt, 
erinnert  an  den  SehKfer,  der  eines  erdichteten  Wolfee  wegen 
immer  am  Hälfe  schrie,  dafür  aber  im  Stiche  gelassen  varde» 
als  der  wirkliche  Wolf  ankam.*'  Verf.  hat  duher  kein  Bedenken 
getragen,  den  Hebammen  au  gestatten,  dass  sie  bei  blosser 
Ansehwollnng  nnd  Hftrte  der  Brüstohen  Neugeborener  diesslben 
mit  Watte  oder  Schafwolle  bedecken,  bei  Schwftmmchen  den 
Mund  mit  einem  schwachen  Feldthymiananfgnsse  ausspülen  lassen^ 
bei  beginnendem  Durchfall  schleimige  Kljstiere  ans  Hafergrütae 
oder  Stärkmehl  geben  und  statt  der  Kuhmilch  Arrow root, 
Saiep  oder  Haferschleim  sur  Nahrung  rathen,  bei  Verstopfung 
und  Blahungsbeschwerden  Klystiere  Ton  Kamillenthee  und  wenn 
diese  nicht  Darmausleerang  bewirken,  einen  TheelSffel  toII 
wasserigen  Rhabarbersaft  oder  eine  Messerspitae  voll  Kinder- 
palrer  in  Wasser  gerührt  anrathen  u.  s.  w. 

In  dem  Kapitel  über  einige  besondere  Pflichten  und  Ob- 
liegeaheiten  der  Hebammen  sind  einige  Paragraphen  ans  der 
Allgemeinen  Hebammen -Ordnung  des  Königreiches  Sachsen  toui 
Jahre  1818,  weil  sie  dem  Verf.  sweckmSssig  erschienen,  un* 
Terändert  aufgenommen  worden;  als  §  6,  6,  7,  8,  Torgleiche 
§  467,  461,  462,  46S,  464  unseres  Lehrbuches. 

Was  die  dem  Buche  beigegebenen  Holasohnitte  anlangti 
so  haben  wir  uns  nur  auf  die  aller nothwendigsten  beschrftnkt. 
Wenn  z.  B.  in  den  meisten  Lehrbfichem  der  Hebammenkunst  die 
Äusseren  Scbamtheile,  die  Oestalt  und  A^usdehnung  des  Unter- 
leibes wahrend  der  Schwangerschaft,  die  Haltung  des  Fingers 
bei  der  Untersuchung,  die  Dammunterstätsung  und  dergl.  bildlich 
dargestellt  werden,  so  halten  wir  dies  für  überflüssig,  da  Hebammen 
Gelegenheit  genug  haben ,  diese  Dinge  in  natura  au  sehen  und 
die  genannten  Handgriffe  an  üben«  Die  Abbildungen  sollen  doch 
wohl  nur  dasu  dienen,  den  Hebammen  das,  was  sie  während  ihres 
Aufenthaltes  in  der  £ntbindnngsschnle  von  grösseren  Zeichnungeni 
Kupferstichen,  nassen  und  trocknen  Präparaten  u.  s.  w.. gesehen 
haben y  in*s  Qedächtniss  aarfickaarufen.  Daher  eignen  sich  Toraugs- 
weise  das  regelmässige  und  fehlerhafte  Becken,  die  inneren  Oe- 
aohlecbtstheile  und  die  Veränderungen  der  Gestalt  der  schwangeren 
Gebärmutter I  sowie  die  Haltung  nnd  Lage  der  Frucht  in  der 
Gebärmutter  an  solchen  Abbildungen.  Dass  es  ferner  weit 
sweckmässiger  ist,  die  Figuren  als  Holascbnitte  dem  Texte  ein- 
surerleiben,  als  am  Ende  des  Baches  anaufügen,  werden  alle 
Diejenigen,  welche  sich  mit  Hebammenunterricht  beschäftigt 
haben,  bestätigen.  Die  unserem  Lehrbuche  einTcrleibten  Hols- 
schnitte  sind  theils  nach  eigener  Vorseichnung  entworfen,  theils 
anderen  Werken  entnommen  worden,  in  welchem  letsteren  Falle 
aber  sie  nirgends  blosse  Copien  darstellen,  indem  Verf.  bei 
genauer  Prüfung  immer  kleine  Abänderungen  für  nothwendig  fand. 


TS  71.    Littratar. 

So  aiad  Orlgiiiftlsoifsfaaiiiigeii  die  Fig;iir«i:    1,  8,  5,  6,  7,  8,  t% 
U,  18,  19,  20,  82,  SS  und  27.  -^  Ftf.  S,  4,  21,  26  nfld  89  aisd 
ftiu  dem  Lehrbnelis  der  HebammenkaBtt  voo   Dr.  SchuUae  e«t« 
■oBUMiif  doeh  mit  des  ModificaUoaen ,  dass  bei  Figf.  8  die  Irfiiiere 
TreanaBg  la  drei  Knoehen  uad  deren  ZuMüBineAtreireB  la  der 
Pfaaae  aogedeatet,  bei  Fig.  4  die  Bogealinie  scbftrfer  aiarisirt, 
bei  Fig.  21  der  Fmcbtkaobea  liebt  gebaltea  and  eia  weai^  meiir 
aaeb  aafw&rts  gerückt,  der  Kabelttraag  dfiaaer  geseiehaet,  bei 
Fig.  85  der  leiste  Leadeawirbel  breiter  and   die  Qaerforfeeitae 
kttraer   aad   bei  Fig.  29   die  vordere  Oebftraintterwaad   flaeber, 
dae    aatere   Uteriaeegmeat    dUa&waadiger   aad    die    forUegeade 
Sobalter    mehr    markirt   wordea    sind.     Die   Schemata   fiir   dea 
Beekeaeiagaag ,  die  BeekenhSble  and  den  Beckenaaegaagy  Vi$»  9, 
10    aad    11,    00    wie    Fig.    16,    eind    nach    dem    PreaecieciieB 
HebammeabUcbe  entworfen  werden^  aber  die  ecsterea  drei  auf 
Weglaeeung  der  panktirtea  Liaien  aad  Hiasafügaag  der  Zaile, 
bei  Fig.  16  siad  die  Eileiter  eia  wenig  kttrser,  aa  der  ßinmüadnaga- 
itelle  ia  dea  Uten»  dünner,  der  Mattermnad  eine  reinere  Quar- 
spalte  bildend  and  die  Orarien  mit  Punkten  aar  Andentaag  dar 
Graq/^eehea  Bl&achea  gesei ebnet  worden.    F%.  17  aad  24  ea^lek 
tiad  aaoh  dem  Handatlas  der  Gynäkologie  aad  Oebartshltlfe  rom 
Ed,  Martin   eatworfen,   doch    mit  dea  Hodifieatioiien,   data   bei 
Fig.  17  das  Steissbein  däaaer,  die  Aftermundang  eager  aad  die 
Sebambaare  aa  die  richtige  Stelle  geieichaet  wordea  eiad,  bei 
Fig.  24  die  Fettschicht  der  vorderea  Banohwaad  nnd  das  aatere 
Uterlasegmeat  dfinaer,   die  Harablase  dünawaadiger  aad   etwas 
geriamiger  gebaltea  wordea  siad. 

Schliesslich  darf  nicht  nnerwShnt  bleiben,  dass  das  Uaaa- 
seript  anseres  Lehrbuches,  nachdem  es  ToUeadet  war,  aaf  daa 
Waasch  des  Eönig^.  8&ehs.  Miaisteriam  des  lanern,  welebem 
daraa  gelegea  sein  mnsste,  dass  die  beiden  Hebammenlehrer  Im 
KSaigreiche  Sachsen ,  Hofrath  Dr.  Ored4  in  Leipefg  und  der  Verf., 
ia  den  wesentlichsten  Lehren  des  Faches  miteinander  überein- 
stimmten, diesem  vorgelegen  hat  Hofrath  Dr.  OttS4  hat  das 
Mannscript  genaa  darchgesehen ,  hier  und  da  mit  Bemerktfagea 
begleitet  und  in  mehreren  Kapiteln,  a.  B.  über  die  Süssere  and 
laaere  Uatersnchang,  den  Gebartsmechanismns,  den  Seheiatöd 
der  Keugeboreaen,  iweckmftssige  AbSndetongen  rergeeehlagea, 
worüber  sp&ter  Verf.  sieh  mit  demselben  in  mehreren  persöaKchea 
Coafereaaea  defiaitiT  geeinigt  hat  nad  wolfir  wir  aaserea  aaf- 
richtigea  Daak  hier  öffentlich  aussasprechen  aas  gediuage« 
fühlen. 

Dresden,  im  Jani  1863. 

Dr.  Orentir. 


Ein  Kaiserschnitt,   Ton  B.  SthuUze.     (CSrat-^ Schrift 
der  medic.  Facultät  zu  Jena  zu  Kieter^s  Jubiläum,  1863.) 

Bei  6lB«riieniiiddr€iMigjahHg^eBEr«tg^eMh4rlttgf«rteii,  trelih« 
•in  10.  Ftbnutf  1668  in  das  Bnlbliidiiagsiiistitat  mi  J«aii  nmt* 
gwa^mmtn  wurde,  fftod  maan  die  Abttüode  d«r  TorderMt  ob«r«fl 
Hiftbftteftaeb«!  8"  (P«f.)i  der  antg^sebwefftestea  8t6n«B  der 
H8ftbeftilEiiniie  9**  lO*^,  der  Trecbantereii  11"",  die  ftaaeere 
Conjttgata  6'*'  10"%  die  diagonale  Z"  betragend,  die  Neignag  dee 
Beekene  nnd  die  Krttnimnug  aeiner  blntevea  Wand  etwas  ettrit^r 
als  normal.  Da»  ibrlge  Skelet  neigte  keine  aalMlende  AbnormtUt 
IJbettse^ettig  tteee  die  Unfeersnebnng  der  wiebtlgeren  Organe  eine 
AbwelalMnig  wahmebmen,  mit  Anenabme  einer  mUtsigen  Dftmpftmg 
den  Pereneelonseeballes  aber  ii^t  r^eblen  Lvngenspitse  nnd  einee 
Knblkopfgeeebwtree ,  welobe  in  Verbindung  otit  ebrenieeber 
ReUerkeit  und  bteilgem,  heftigem,  ecbmembaltem  Rneten  einen 
Verdacbt  auf  TnbercnloBe  einigen  Anhalt  geben.  Die  Sebwangnr* 
•ebnft  wnrde,  der  86.  Woehe  entaprechend,  dae  Kind  lebend  nnd 
In  erster  Sdkidelirtelhing  gefiinden. 

Die  betrftebtiiebe,  dnreh  dleVerklnrang  der  Coi^ngntn  anf, 
wie  nngnnemmen,  %"  8*^,  bei  gleiebaeitiger,  auf  mehrern  Linien 
nrtt  Beetimowtheit  rerantohlagter  seitlieher  Verengemng,  gesetole 
Ranmbeachranknng  reranlaaste  Verf.,  die  Indication  snm  Kaiser* 
•cbnftte  als  absolute  anfsnstellen,  wfthrend  er  sonst  Bmwdeloeque 
beistimmt,  welcher  2"  als  die  Orenae  der  Verengemng  annahm, 
innerhaN»  deren  sein  Instrument  mit  Vortheil  fllr  die  Untier  a»- 
gnweadet  werden  k8nne,  nnd  sieh  in  dieser  Beniehung  auf  awel 
Fälle  beruft,  in  denen  er  ansgetragene ,  w&hrend-  der  Geb«vt 
nbgnstorbene  Kinder  (tou  1$  und  80"  Lunge)  bei  Beeken  8"  2"' 
Cnnjngnta,  aber  nomalen  Querdurefamessem  nach  TorgSnglger 
Kephalotkrypsie  anf  die  Fflsse  wendete  und  eztrahlrte  (Aügem. 
mnd.  €enlml- Zeitung,  1868,  Stfkk  60  und  61). 

Am  Morgen  des  17.  MSrs  wurde  naeb  eingetretanet  Onbnrti« 
thStigkeit  bei  stehenden  W&ssem  nnd  in  der  Cbloroformnarkose 
die  Operation  in  der  Weise  ausgeführt,  dass  der  Hautsehnitt  ohne 
Erhebung  einer  Falte ,  genau  der  weissen  Linie  entsprechend ,  tou 
3  Vs''  oberhalb  bis  eben  so  yiel  unterhalb  des  Nabels,  denselben  links 
umgehend,  geffihrt,  die  Aponenrose  und  das  Peritoneum  eröffiaet 
(wobei  eine  IHngere  Unterbrechung  durch  das  Vorfallen  einer 
2  Fuss  langen  Darmsehlinge  entstand),  sodann  Uterus  und  £ibia«e 
gespalten  und  das  Kind  am  linken  Fusse  extrahirt  wurde.  Die 
Nachgeburt,  spontan  gelöst,  konnte  ohne  Mühe  durch  die  Wunde 
herausgeführt  werden.  Nach  Binlegung  eines  Eisstüekcbens  sog 
sich  die  Oebärmutter  fest  susammen,  die  Torher  nicht  unerhebliche 
Blutung  stand.  Die  Vereinigung  der  Bauchwunde  wurde  nun 
durch  sieben  je  ^^  von  einander  entfernte,  das  Peritonäum  theils 


80  YL  .  U^nktVi 

fftr  niebt|  theils  nur  knapp,  die  übrige  BaiiehwMid  ia  derBr#iti 
eines  Centimetert  Tom  Wnndrande  ab  fastende  NXbte  und  da- 
Bwischen  angelegte  Ueftpflaete  rat  reifen  bewirkt.  Darüber  ward 
eiA  fiUbebftlter  Ton  Gummi  gelegt  and  der  mittlanreil«  (die 
Op«ratloA  hatte  eine  Stande  gedauert)  ant  der  Narkoee  ErwaditeBt 
veleke  sieh  bis  auf  Brennen  in  der  Wände  wobl  befand ,  Mnlt^r- 
kom  gereicht,  ansaerdem  ein  Opiat,  wie  überhaupt  Verf.,  die 
▼ielgerähmte ,  wohltbStige  Wirkung  kflnettieh  herrorgemllNier  od«r 
•pontaa  eintretender  Stuhlgänge  bei  Peritonitis  besweifelad,  bei 
dttt  puerperalen  Perito^itiden  bestrebt  ist,  üe  Darmbewegwig 
durch  Opium  mögÜcbst  au  aistirea.  Unter  bald  auftreteadfln 
ZeUben  von  Baaehfellentaündung,  unter  attmällger  Steigerung 
der  Frequenz  der  Pnlsschläge  bis  auf  146,  der  Athemsfige  bis 
auf  72  und  Erhöhung  der  Temperatur  bis  auf  31,6  Temebleokterta 
sieh  jedoch  das  Befinden,  Blutungen  aus  der  Wund«,  Brach*  und 
Hustenanfülle ,  dünne  Stuhlgänge  stellten  sieh  ein  und  der  Tod 
erfolgte  am  20.  Mars  früh  %A  Uhr. 

Bei  der  Section  wurde  Peritonitis  mit  eiterig- faaerstoffiger 
Exsudation,  die  Baachwnhde  nur  äusserlich  Tereinigt,  di»  des 
Uterus  nur  mit  den  inneren  Rändern  aneinanderliegend  gefunden,  — 
es  war  nicht  ersichtlich,  dass  von  den  das  Bauchfell  lassenden 
Nähten  ein  grösserer  Bein  ausgegangen  sei,  als  Ton  deiyenigOB, 
welche  dasselbe  schonten. 

Am  trockenen  Becken  gemessen  betrug  die  Conjugata  2"  4% 
der  Querdnrchmesser  des  Beckeneinganges  4''  7"',  die  Diatana 
der  Tubera  ischil  8'  S"\  der  Spinae  isehtt  d''  6"^,  der  Spltne 
des  wenig  beweglichen  Steissbeines  you  der  Torderen  Bedcan- 
wand  2'  1'". 

Das  Kind,  welches  asphyctisoh  entwickelt  und  erst  nack 
Tiertelstündigen  Bemühnngen  zu  kräftigen  Lebensftnsserungen 
gebracht  worden,  am  Tage  der  Geburt  6  Pfd.  27  Loth  ZoUgewiohi 
schwer,  IS'/t'  lang  gewesen  war,  gedieh  rortrefflich  an  dar 
Bruat  einer  Amme» 


VIL 

Verhandlungen  der  Gesellschaft  fUr  Oeburtshülfe 

in 

Berlin. 


SiUurig  vom  28.  April  1863. 

Herr  Martin  bemerkt  zu  der  von  Herrn  Wegscheider 
eigenhändig  zu  Protocoll  gegebenen  Darstellung  seiner  Ansicht, 
es  scheine  darin,  als  ob  von  ihm  und  Herrn  C,  Mayer  die 
sogenannte  orthopädische  Behandlung  des  vertirten  Uterus  als 
das  alleinige  Hulfsmittel  aufgeführt  sei.  Dieser  Auffassung 
müsse  er  noch  einmal  entgegentreten.  Er  wiederhole,  dass  er 
in  vielen  Fällen  von  allen  Aufrichtungs-  und  Geradestreckungs- 
instrufflenten  abstrahire  und  sich  lediglich  auf  anderweitige 
Behandlung,  entweder  örüiclie  oder  auch  bloss  allgemeine, 
beschränke  und  damit  auch  vollkommen  ausreiche.  Wenn  aber 
z.  B.  in  einzelnen  Fällen  die  Geraderichtung  und  das  Tragen 
eines  Iiitrauterinpessariums  lange  bestehende  Dysmennorrhoen 
sofort  erleichtere  und  beseitige,  die  allen  anderen  Behandiungs- 
weisen  stets  widerstanden  hatten,  so  beweise  dies  doch  wohl, 
dass  diese  Orthopädie  nicht  überflüssig  und  zwecklos  sei. 

Herr  0.  Mayer  behauptet ,  dass  er  in  mandien  Punkten 
wohl  mit  Herrn  Wegscheider  übereinstimme.  Er  erkenne 
vollständig  an,  dass  die  Version  oft  keine  erhebliche  Symptome 
hervorrufe  und  dann  auch  kein  örtliches  Eingreifen  erfordere. 
Dahin  gehören  meist  die  Versionen  bei  alten  Frauen ,  welche 
wiederholt  geboren  haben.  Er  habe  aber  bei  seinem  Vortrage 
junge  Frauen  im  Auge  gehabt,  Frauen,  die  wegen  Uufruchtbar- 
kett  seinen  Rath  gesucht  oder  von  den  heftigsten  Dysmennorrhoen 
gequält  dringend  Abhälfe  ihrer  Leiden   verlangt  hätten.    Da 

MQiiaUaebr  .  f.  aebartok    1868.  Bd.  ZXII.,  Uft.  3.  ^ 


82  VIT.    VerhADdlnogen  der  GesellBchaft 

müsse  man  auf  eine  mecbanische  Behandlung  zuröckkoniroen, 
denn  die  falsche  Lage  sei  der  Grund  aller  dieser  Uebel  und 
werde  durch  kein  anderes  Verfahren  als  durch  ein  mechanisches 
gehoben.  Er  habe  oft  Frauen  in  Behandlung  gehabt,  die 
nach  vergeblichen  Consultalionen  anderer  Aerzte  für  unheilbar 
erklärt  seien  und  habe  durch  die  Sonde  und  Ringe  Heilungen 
herbeigeführt.  In  diesen  Fällen  müsse  man  der  mechanischen 
Behandlung  doch  einen  Werth  zuerkennen. 

Herr  Wegschetder  erkennt  diese  Einwendungen  an,  hat 
aber  seine  Ansichten  hauptsächlich  deshalb  entwickelt,  um 
die  Frage  auch  einmal  von  einer  anderen  Seite  aus  aufzufassen. 
Die  Debatte  habe  sich  so  ausschliesslich  um  die  mechanische 
Behandlung  gedreht,  dass  alles  Andere  dabei  in  den  Hinter- 
grund gedrängt  wäre  und  er  fürchte,  dass  die  Empfehlung 
der  Sonde  leicht  zu  einem  Missbrauch  derselben  führen  könne 
und  bei  der  grossen  Zahl  ungeübter  Aerzte  eher  Schaden 
als  Nutzen  stiften  wurde. 

Herr  C.  Mayer  befurchtet  dies  nicht.  Die  Einführung 
der  Sonde,  bei  gesunden  und  wiederholt  entbundenen  Frauen 
so  leicht,  stosse  bei  diesen  Kranken  auf  so  erhebliche 
Schwierigkeiten  und  erfordere  eine  solche  Zeit  und  Geduld, 
um  einen  Erfolg  herbeizuführen ,  dass  die  Behandlung  solcher 
Krankheiten  doch  immer  nur  die  Sache  einiger  Specialislen 
bleiben  werde. 

Herr  Hofmeier  berichtet  über  einen  Fall  von 

Retroversion   des  vier  Monate   schwangeren  Uterus 
durch  Blasenparalyse   bedingt. 

V^enn  von  gleichzeitigem  Vorkommen  einer  Retroversion 
des  schwangeren  Uterus  und  Blasenparalyse  die  Rede  ist,  so 
wird  man  von  vornherein  geneigt  sein,  die  Reiroversion  als 
primäres  Leiden  anzunehmen,  die  Paralyse  als  Folgezustand. 
Einen  umgekehrten  ursachlichen  Zusammenhang  bezweifeln  ja 
viele  Gelmrtshelfer  überhaupt,  einzelne  halten  ihn  geradezu  für 
unmöglich  und  bezeichnen  die  dahin  gemachten  Beobachtungen 
als  auf  Täuschung  und  Irrtlwm  beruhend  (mit  welchem  Reclila 
ist  freilich  aus  ihren  Deductionen  nicht  ersichtlich),  während 
andere  gerade  auf  die  UnnreCention  als  veranlaHseodes  Momeol 


li^r  O^bottsliftll»  in  Berlin.  g^ 

2ur  Bellt)  versiMi  das  Hauplg«^ wicht  legen.  Einen  vermiUekidii* 
Standpunkt  nimmt  Seunzont  mi,  hacii  tvielchem  R«(rovei-slon 
des  sehwangeren  Uterus  dwch  Urioretention  vom  Verhaltao 
der  Peritonial-^DupJicaittren  abbaogig  ist  und  die  Mögliefakok 
einer  Retroversion  durch  Blasenausdehnung  nur  dann  i^ 
Btatniren  ist,  wenn  die  Ligg.  uteri  rotunda  und  utero -vesicaha 
entweder  überhaupt  zu  lang  oder  durch  Schlatrheit  und 
Elasticität  einer  bedeutenden  Verlängerung  lahig  sind.  Als 
Beweis  dient  8oanzon%  das  Experiment,  dass  au  einer  Leiche 
die  Blase  bis  zur  grosstmöglieben  Ausdehnung  könstiieb 
gefnllt  wurde,  wonach  Spannung  der  Ligg.  uteri  rotunda  und 
utero -vesicalia  eiati*at  und  in  demselben  Grade  alich  eine 
grössere  Straffiidt  iu  d^  normalen  Uteriislage.  Waren  jedoch 
die  benannten  Bänder  vorher  durchschnitten,  so  wurde  selbst 
bei  massiger  Füllung  der  Blase  der  Grund  des  Uterus  stark 
nach  hinten,  die  Vaginalportion  nach  vorn  getrieben.  £ui 
eben  solches  Verhalten  des  Uterus  findet  natürlicherweise 
statt,  wenn  die  genannten  Ligamente  an  und  für  sich  zu  lang 
oder  sehr  ersclüalTt  und  elastisch  sind.  Wenn  Scamoni  auf 
Grund  dieser  Experimente  eine  Abneigung  des  Uterus  nur 
unter  den  angegebenen  Bedingungen  zugeben  will,  so  lässt 
sich  dagegen  der  entscheidende  Einwurf  machen,  dass  es 
nicht  möglich,  die  Blase  an  einer  Leicbe  in  dem  Grade  an- 
znfüllen,  als  sie  bei  pathologischen  Zustanden  bisweilen 
gefüllt  ist.  Spritzt  man  nämlich  an  der  Leiche  durcli  den 
Katheter  Flüssigkeit  in  die  Blase,  so  wii*d  es,  wie  sich  Jeder 
leicht  überzeugen  kann,  schwerlich  gelingen,  bis  zu  eineju 
Quart  Flfiösigkeit  einzubringen.  Eine  auf  diese  Weise  geföiite 
Blase  steigt  ungefähr  eine  Hand  breit  über  die  Symphyse  und 
spannt  allerdings,  indem  sie  sieh  namentlich  nach  oben  und 
vorn  ausdehnt,  die  genannten  Ligamente  und  trägt  so  zu 
einer  grösseren  Fixirung  des  Uterus  bei,  dessen  Grund  dabei 
etwas  nach  vorn  tritt  Ganz  anders  wird  und  muss  es  sich 
aber  verhalten,  wenn  die  Blase  in  krankliaiten  Zuständen  und 
vor  Allem  bei  der  Lähmung  ihrer  beiden  Muskeln  bis  hoch 
über  den  Nabel  emporsteigt,  bei  einem  Inhalte  von  4  Quart 
und  danlber  und  dem  entsprechenden  Gewichte  Tage  und 
Woctien  lang  den  Uterus  heiastet.  Unter  solchen  Umständen 
werden,  wie  leh^ht  begreiflich,   die  Ligaineiite  nicht  mehr  in 

6* 


g4  ^n.    VeriuindliiBgftii  d«r  iSitselkchftfi 

Rede  kommen  kGnneo  und  wird  selbst  der  in  der  Schiranger- 
schaft  weiter  Torgeschrittene  Utei^is  einer  derartiges  Belafitimg 
Rieht  Wideretand  leisten,  um  so  weniger,  als  in  soldieD 
Fällen  die  Riickenlage  fär  die  Kranken  die  einsige  ertriglicbe 
Position  bleibt 

Zur  Erläuterung  des  Gesagten  erlauben  Sie  mir,  Ibnen 
folgende,  auch  in  anderer  Beziehung  interessante  Krankeo- 
geschiebte  mitzotheüen: 

Frau  Fritze,  43  Jahre  alt,  hat  sieben  normale  Geburten 
ohne  Schwierigkeiten   überstanden,   ist  ausserdem   nie  krank 
gewesen.    In  den   ersten  Tagen   des  April  v.  J.  bat  sie  zom 
letzten  Male  ihre  Regeln   gehabt  und   befand   sich  bis  zum 
15.  August  so   wohl,  dass  sie  zweifelhaft  war,   ob  sie  da:i 
Ausbleiben    ihrer   Regeln    einer    Schwangersdiaft   oder   ihren 
vorgerückten  Jahren  zuschreiben  sollte.    Am  15.  August  —  die 
Kranke   giebt   an,   dass  ein  Irrthum  im  Tage  nicht  möghcli 
sei,   weil   an  diesem  Tage  ein  bestimmtes  Familienfest  statt- 
gefunden —  traten,    nach   Ansicht   der  Kranken    in  Folge 
anhaltender   Durchnässung  der   Füsse,    ilrinbeschwerden   ein, 
und  zwar  in  der  Art,   dass  sie  beim  Zubettgehen  nicht,  wie 
gewöhnlich   ihren  Urin  entleeren  konnte,   sondern  die  Hände 
zur  Unterstfitzirog  der  Bauchpresse  gebrauchen  musste.    Am 
anderen  Tage   blieb  dieselbe  Erscheinung,   die  Kranke  fühlte 
oft  das  Bedürfoiss  zum  Uriniren,  während  sie  es  vorher,  wie 
sie  versichert,   stets   nur   einige  Male   des  Tages  empfunden 
und  immer  mit  Leichtigkeit  habe  befriedigen  können.    Da  die 
Kranke  ausserdem  sich  wohl  und  ohne  jede  andere  Beschwerde 
fühlt,    legt   sie   keinen  Werth   auf  diesen   Zustand,    der  sie 
auch   nicht   hindert,    ihre    schwere,    häusliche    Arbeit   nach 
wie  vor  zu   thun.    Nach  mehreren  Tagen,   während  welcher 
die  Kranke  Tag  und  Nacht  vom  Bedürfniss  zum  Harnen  geplagt 
wird,   ohne  es  vollkommen   befriedigen  zu  können,   bemerkt 
sie,    dass  sie,   wie   sie   sich  ausdrückt,    „ihre  Röcke   nicht 
mehr   zubringen   konntet     Dadurch    mehr   aufmerksam   ge- 
macht, besiebt  und  befählt  sie  ihren  Leib  und  bemerkt,  wie 
derselbe   hoch  aufgeschwollen;   daraus  schliesst  sie,  dass  sie 
doch  wohl  schwanger  sei,  aber  in  einem  weit  vorgaräckteren 
Termine  sich  befinden  müsse,  als  sie  nach  den  ausgebliebenen 
Regeln  hätte  glauben  können.    Nadjdem  der  Zustand  drei  bis 


für  QebartslifiUe  ia  Berlin.  ^ 

Tter  Wochen  so  gedauert,  die  Fusse  io  der  Zeit  fttark  zu 
icbweUeD  begioneD  und  det  Urin  mir  nocb  träufelod  abflieast, 
weon  die  Kranke  die  Rückenlage  einnimiiit,  wird  die  Kranke 
so  schwach  und  binfUbg,  dass  sie  das  Bett  nicht  mehr  voi^iassea 
kann  and  sucht  nun  erst  ärztliche  Hälfe.  Der  Arzt  erklärt 
nach  äusserer  Untersuchung  des  Leibes  die  Kranke  zu  Ende 
des  siebenten  Monates  schwanger  und  wiederholt  einige  Tage 
später  nach  nochmaliger  Untersuchung  dieselbe  Erklärung* 
Eine  binzugerufene  Hebamme,  die  durch  innere  Untersuchung 
den  Zeitpunkt  der  Entbindung  genauer  bestimmen  soll,  spricht 
sich  dahin  aus,  „sie  könne  nicht  gewiss  sagen,  wie  lange  es 
noch  dauern  werde,  da  sie  das  oidit  finden  könne,  worauf 
es  ankäme,"^  ein  Ausspruch,  der  eine  gewisse  Berechtigung 
hatte,  wenn  sie  die  Scheidenportion  meint«,  die  in  der  That, 
wie  sich  später  ergab,  nidit  zu  finden  war.  Ein  zweiter 
consultirter  Geburtshelfer  hält  die  Frau  für  wassersöchtjg 
und  räth  der  Kranken  nach  achttägiger  Behandlung,  während 
welcher  die  Kranke  um  Vieles  elender  geworden  war,  in 
einer  Anstalt  Aufnahme  zu  suchen,  da  die  gewöhnlichen  Mittel 
nicht  anscblögen. 

Als  ich  die  Kranke  am  1.  October,  also  45  Tage  nach 
dem  ersten  Erscheinen  der  Harnbeschwerden  und  beinahe 
sechs  volle  Monate  seit  den  letzten  Regeln  im  Elisabeth- 
Krankenhause  sah,  war  ihr  Zustand  folgender:  Die  auf  das 
Aeusserste  abgezehrte  Kranke  fiebert  heftig,  Respiration 
oberflächlich  und  beschleunigt,  Puls  klein  (140),  Haut  brennend 
heiss,  Zunge  trocken  und  hochroth,  Durst  quälend,  Appetit- 
mangel vollständig ;  die  Fasse  sind  bis  über  die  Haften  enorm 
angeschwollen.  Die  Haut  glänzend,  zum  Theil  feuerroth,  die 
Labien  ebenfalls  hoch  aufgeschwollen,  entzündet,  geschwürig, 
bei  Berührung  äusserst  schmerzhaft;  dabei  fliesst  der  Urin 
fortwährend  unfreiwillig  ab  und  zwar  in  solcher  Menge,  dass 
der  Hanirecipient,  über  dem  die  Kranke,  die  den  Abend 
vorher  in  die  Anstalt  aufgenommen  war,  von  da  ab  bis  zun 
Morgen  gelegen  hatte,  über  ein  Quart  Harn  enthielt  Zu 
allen  diesen  Leiden  gesellte  sich  ein  weit  verbreiteter,  brandiger 
Decubitus.  Der  Leib  war  hoch  aufgetrieben  und  vennochte 
man  durch  die  Bauchdecken  eine  sehr  umfangreiche  Geschwulst 
zu   entdecken,    deren    Fundus   weit   über   dem   Nabel 


86  VIl.    Verhftndliro^ii  4«r  OeBellsehaft 

abgrenzen  und  in  der  sich  entschieden  Pluctuation  erkennen 
Hess.  Ich  zweileite  nicht,  dass  die  Geschwulst  die  Wase  sei 
und  dass  es  sich  Oberhaupt  um  eine  gleichzeitige  Lähmung 
des  Sphincler  und  Detrusor  vesicae  handle.  Dureh  den  sofort 
appHctrten  Katheter  wurde  die  enorme  Menge  von  4V4  Quart 
decomponirten  und  stinkenden  Urins  entleert 

(Die  Beobaclitungen  von  veralteten  Paralysen  der  beklen 
Blasen -Antagonisten,  sind,  so  viel  mir  bekannt,  selten.  Unter 
ver.iltelen  Paralysen  verstehe  ich  solche,  in  deren  Folge  bereits 
allgemeine  Reactionserscheinungen,  namentlich  Cystitis,  ein- 
getreten sind.  Ich  habe  noch  zwei  Mal  Gelegenheit  gehabt, 
solche  Paralysen  ohne  Complication  Seitens  des  Uteros  zu  sehen 
und  zu  behandeln.  Der  eine  Fall  betraf  eine  Apoplectica, 
der  andere  ein  sonst  ganz  gesundes  junges  Mädchen,  bei  der 
durchaus  keine  andere  Krankheitsursache  nachweisbar,  als 
ein  ungewöhnlich  langes  Urinverhalten  während  einer  Reise. 
Das  Krankheitsbild  dieser  beiden  Fälle  war  mit  dem  be* 
sclniebenen  ein  ausserordentlich  ähnKches.  Bei  der  einen 
Kranken  bestand  die  Paralyi>e  acht  Wochen,  bei  der  anderen 
ziemlich  V4  Jahr,  die  Menge  des  durch  den  Katheter  ab- 
gelassenen Harnes  betrug  zwischen  3  und  4  Quart;  es  waren 
el>enfalis  hydropische  Anschwellungen  der  unteren  Extremitäten, 
starkes  Fieber,  Cystitis,  hoher  Grad  von  Decubitus  und  forl- 
dauernder unfreiwilliger  Harnabgang  vorhanden.  Die  Haupt- 
klage der  Kranken  bestand,  wie  auch  in  der  mitgetheilten 
Krankengeschichte,  über  das  Nichthallenkönnen  des  Urins. 
Dadurch  wird  wohl  auch  ein  Verkennen  des  Zustandes  möglieb, 
dass  man  bei  dem  sichtbaren,  fortwährenden  Harnabgänge,  der 
in  demselben  Grade  bedeutend  ist,  als  die  Kranken  fiebern 
und  viel  trinken  und  als  jede  weitere  Vermehrung  de^ 
Blaseninhaltes  den  Abfluss  einer  entspi^echenden  Menge  Harnes 
bedingt,  dadurch  sich  verleiten  lässt,  eine  einfache  Paralyse 
des  Sphincter  vesicae  anzunehmen  und  die  Blase  für  leer 
zu  halten,  wozu  man  um  so  leichler  geneigt  sein  mag,  als 
die  Geschwulst,  die  sich  zeigt,  eine  so  colossale  ist,  dass 
man  von  vornherein  der  Blase  diese  Ausdehnungsfähigkeit 
nicht  zutraut.  —  Als  mir  das  erste  Mal,  kurze  Zeit  nach 
meinem  Eintritte  in  die  Praxis,  eine  solche  Paralyse  und 
zwai'  mit  der  Diagnose  eines  Hydrops  saccatus  zur  Behandlung 


Ar  eeburtohlltfe  I*  fiery«.  87 

forkam,  ^mv  ich  in  niefal  geringer  VerlogeDbett,  was  icli  damit 
beginnen  soHie«  Dass  es  kein  Hydrtps  saceatus  war,  schien 
mir  aus  mancherlei  Granden,  beaonders  aus  der  AnamoeBe 
bervorzugebeo,  —  ich  gestehe  aber,  dass  mich  damals  mehr 
ein  glöckliober  Instinct,  als  die  Ueberzeugung,  dadiii*ch  die 
Geschwulst  zu  beseitigen,  bestimmte,  den  Katheter  zu  appiicireu« 
Ei*st  der  nioht  endenw^oUeude  StraM  aus  dem  Katheter  zeigte 
mir,  womit  ich  es  zu  ihun  hatte.  —  Dass  sokbe  Paralysen 
auch  bei  Männern  mit  Hydrops  verwechselt  werden  köimen, 
gebt  aus  einer  llittbeilung  Wuizer^s  .hervor  {Org.  d.  Palb« 
II.  Chirg.,  111.,  2].  £in  64 jähriger  Mann  war  von  seinem 
Arzte  längere  Zeit  an  Wassersudit  behandelt  worden  und  liess 
steh,  da  er  punctirt  werden  sollte,  in  die  Klinik  zu  Bonn 
aufnehmen.  Auch  hier  hatte  ^ch  der  Arzt  durch  die  Ver*' 
fliebemng  des  Kranken,  dass  er  sogar  häufiger  als  sonst  harne, 
irre  leiten  lassen.  In  der  Klinik  wurden  dem  Kranken  dann 
138  Unzen  Urins  durch  den  Katheter  abgelassen,  woranf  der 
Leib  zusammenfiel  —  Ganz  eigenthämliche  Symptome  scheint 
die  incomplete  Paralyse  der  beiden  Blasen -Antagonisten 
zu  machen.  Ich  habe  augenblicklich  einen  Herrn  von  sehr 
kraftiger  Constitution  in  Behandlung,  der  mir  schon  seit  Jahren 
durch  einen  eigentliömlichen  Gang  und  dien  solche  Haltung 
aufgefallen  war.  £r  hielt  sich  nämlich  etwas  gekrümmt  und 
machte  trotz  seiner  Grosse  nur  kleine,  kurze  Scltrilte.  Das 
Gefühl  von  Steifigkeit,  über  das  er  klagte  und  dessen  Grund 
man  im  Rfickenraarke  gesucht  hatte,  war  Veranlassung  zu 
den  verschiedenartigsten  Guren  .  gewesen ,  die  alle  erfolglos 
waren.  Vor  acht  Wochen  consultirte  mich  der  Herr  wegen 
einer  ihm  sehr  lästigen  Schwäche,  nämlich  dass  ihm  bisweiten, 
früher  seltener,  jetzt  häufiger,  namentlich,  wenn  er  nicht  an 
steh  denke,  ohne  dass  er  eine  Empfindung  vorher  habe«  eine 
geringe  Menge  (circa  ein  £sslöffel)  Urin  abgehe.  Auf  meine 
Fragen  über  sein  sonstiges  Harnlassen  versicherte  er,  dass 
er  in  24  Stunden  höchstens  drei  Mal  harne  und  stets  eine 
gehörige  Menge  in  kräftigem  Strahle.  Auf  meine  Aufforderung 
legte  er  hiervon  vor  raeioen  Augen  Zeugniss  ab  und  liess, 
nachdem  er  seit  acht  Stunden  nicht  urinirt  hatte,  in  einem 
kräftigen  Strahle  circa  V«  Quart  Urin.  Ich  applicirte  nun 
den   Katheter   und   entleerte   dadurch   noch   dieselbe  Menge. 


gg  VII.    VerbMidkragen  der  OeweHtebafl 

Dieselbe  Ersebeinirog  des  Niobtmubaniens  zeigte  sieh  qiitar 
jedes  Mal  bei  einem  sweiiaaligeD  tiiglieheD  Gebrauche  des 
Katheters  unmittelbar  nach  dem  Urinlassen,  isl  auch  heirie 
noch  nicht  ginzlich  verschwunden;  doch  hat  sich  die  Menge 
des  Harnes,  der  durch  den  Katheter  noch  abfltesst,  bis  md 
ungefShr  16  Unzen  vennindert  Ausser  der  Applicatioo  des 
Katheters  und  längeren  Liegenlassens,  eines  Bougies  wandte 
ich  Injectionen  von  einer  Chlorwasseriteung  [als  ReiimittcQ, 
später  von  kaltem  Wasser,  kake  Sitzbäder  und  innerlich 
Bais.  Copaiv.  an.  Von  Stunde  an,  dass  die  Blase  gehörig 
durch  den  Katheter  entleert  wurde,  verschwand  das  unbewusste 
Urinabgehen  vollständig,  ebenso  verminderte  sich  die  Steife 
im  Kreuze,  so  dass  der  Patient  jetzt  eine  Haltung  und  einen 
Gang  hat,  wie  nicht  seit  Jahren.) 

Die  enUeerle  Blase  collabirte  nidit  und  lühlte  sich  ähniidi 
einem  von  der  Placenta  befreiten,  nicht  contrahirten  Uterus  an. 

Aus  einer  Mittbeilung  unseres  Mitgliedes,  Prof.  Veüy  die 
er  vor  Jahren  in  dieser  Gesellschaft  machte  aber  einea 
ähnlichen  Fall,  in  welchem  die  Section  gemacht  wurde,  aus 
einer  anderen  von  Bamberger  in  „^cafusont's  Mittheilungen**, 
wo  ebenfalls  die  Section  stattfand,  geht  hwvor,  dass  die 
Blasenwände,  nach  lange  bestandener  Paralyse  und  Ausdehnimg, 
sehr  verdickt,  die  Muskelbdndd  auseinander  gezerrt  und 
hypertrophisch  sind.  —  Aus  der  Schmerzhaftigkeit  der  Blasen- 
wände  und  der  Beschaffenheit  des  Harnes  mosste  man  auf 
das  Vorhandensein  einer  Cystitis  schlieseen;  deshalb,  theib 
aucl)  um  die  Muskelaction  anzuregen,  die  freilich  nicht  so 
bald  zu  erwarten  stand,  wurden  auf  den  Unterleib  Eis* 
'  umschlage  gemacht,  nach  Verlauf  von  drei  Tagen  nur  kalte 
Umschläge,  diese  aber  bis  zu  Ende  der  Krankheit  Tag  und 
Nacht  fortgesetzt  Sechs  bis  acht  Stunden  nach  dem  Anlegen 
des  Katheters  begann  wieder  Urinträufeln  und  als  24  Stimden 
nach  dem  ersten  Ahlassen  des  Urins  der  Katheter  von  Neuem 
angelegt  wurde,  floss  eine  schwarze,  jauchige,  aasbaft  riechende 
Flüssigkeit  ab,  die  ^/^  Quart  betrug.  —  Während  der  ganzen 
Dauer  der  Krankheit  wurde  bei  einem  anfanglich  dreimaligem, 
später  zweimaligem  Katheterisiren  mit  wenigen  Ausnahmen 
jedes  Mal  Aber  ein  Quart  Blaseninbalt  entleert,  ein  Bewm, 
wie   stark  Fieber  und   Hautinliltration   sein   mussten.  —   Es 


fir  GebtirtsMU«  in  B^rlhi.  80 

mirden  Dun  Bogleieh  mehrere  Quart  lauen  Gbamilleitthee«, 
hierauf  kallen  Wassers  so  lange  iujieirt,  hie  die  Eiospritzui^ 
wieder  klar  abfloss,  sodann  wurde  eine  InjecUon  mit  einer 
Verdünnung  von  Chiorwasser  gemacht  und  diese  mehrere 
Minuten  mit  den  Blasenwänden  in  Contact  gelaasen.  Obgleich 
die  Kranke  bei  und  nadi  dieser  Procedur  im  höchsten  Grade 
erschöpft  und  übeiiiaupt  so  consumirt  war,  dass  die  Prognose 
mc^r  wie  zweifelhaft  sein  musste,  so  schien  mir  bei  sonstiger 
Ratldosigkeit  das  angegebene  Verfahren  noch  das  meiste 
Vertrauen  zu  verdienen  und  wurde  zwei  Mal  täglich  in 
derselben  Weise  wiederholt.  Nach  vier  Tagen  hatte  der 
Blaseninhalt  schon  insoweit  sidi  gebessert,  dass  er  seinen 
Blotgdialt  nach  und  nach  verloren,  der  jauchige  Charakter 
verminderte  sich  von  nun  an  von  Tage  zu  Tage,  so  dass  zu 
Ende  der  dritten  Woche  nur  noch  Spuren  von  Eiter  im  Urin 
nachweisbar  waren.  Nach  dem  Verschwinden  der  blutigen 
Absonderungen  bis  zu  Ende  der  zweiten  Woche  war  nach 
jedesmaliger  Entleerung  durch  den  Katheter  zwei  Mal  täglich 
nur  eine  Ghlorwasseridsung  eingespritzt  worden,  welcher  dann 
eine  Tanninlösong  substituirt  wurde.  Innerlich  erhielt  die 
Kranke  Kraflbrube,  Wein,  Eisen  und  Chinin.  Am  30.  October, 
also  30  Tage  nach  Beginn  der  Cur,  27«  Monate  seit  be- 
standener Paralyse,  zeigten  sich  Spuren  einer  wiederkehrenden 
Thfttigkeit  der  Bhsenmuskehi,  zuerst  im  Sphincter  vesicae; 
am  1.  November  vermochte  die  Kranke  V4  Quart  Hani  aof 
einmal  zu  lassen  und  floss  in  der  Zwischenzeit  kein  Harn 
unfreiwillig  mehr  ah,  was  bis  dahin  anfanglich  6 — 6  Stunden« 
später  8  -- 10  Stunden  nach  jedesmaliger  Kalheterisirung  stets 
der  Fall  gewesen  war,  Am  21.  November  harnte  die  Kranke 
nur  drei  Mal  in  24  Stunden  und  entleerte  die  Blase  dabei 
vollständig,  wie  ich  mich  durch  den  Katheter  überzeugte. 
In  derselben  normalen  Function  blieben  von  nun  an  die 
Blasenmuskeln  fortdauernd. 

Als  ich  am  1.  October  die  Blase  zum  ersten  Male  von 
ihrem  Inhalte  befreit  hatte,  venuochte  ich  durch  die  Bauch* 
decken  von  einem  anderen  Organe  Nichts  zu  fflhlen,  auch 
noch  nach  14  Tagen ,  als  bereits  die  verminderte  Empfindlieh* 
keit  der  BlasR,  das  Nachlassen  des  blutigen  und  janrliigeii 
lohaltes    derselben    eine    kräftigere,    äussere    Untersuchung 


90  VII.    ¥«rh«n(ltiingen  d«r  068tllich*ft 

gestattete,  wnr  tiuBser  der  Leber  fliehte  Beetimmtes  durch 
die  BauchdeckeD  nachweisbar.  £ine  Exploration  per  vagiiiam 
war  am  ersten  und  den  folgenden  drei  Tagen  nicht  zulässig, 
da  die  Schnierzhaftigkeit  der  eiitzifndeten  und  geschwoilenea 
Genitalien,  durch  häufige  Application  des  Katheters  Boeh 
gesteigert,  xu  lebhaft  war.  Ich  gestehe  aach,  dass  ich  an- 
fänglich eine  Schwangerschaft  nicht  annehmen  mochte,  da  bei 
Untersuchung  durch  die  Bauchdeciien  von  dem  Uteras  Nichts 
zu  finden  war,  dieser  aber,  nach  dem  Ausbleiben  der  Regdo 
imd  nach  Annahme  eines  mittleren  Termins  zu  rechnen,  ia 
Mitte  des  sechsten  Schwangerschaftsmonats  sich  bitte  befinden 
messen,  in  welcher  Zeit  der  Utemsgrund  ober  delii  Nabel 
steht,  Kinde&beweguugen  wahrgenommen  werden,  der  ¥M^ 
puls  gehört  wird,  von  welchem  Allem  nichts  vorhanden  war. 
Dass  der  Uterus  durch  Retroversioa  der  äusseren  Untersuchung 
sich  entzöge,  schien  von  vornherein  deshalb  unwahrscfadolidi, 
weil  eine  Retroversion  bei  vollständigem  Wohlbefinden  der 
Kranken  bis  zum  15.  August  nach  derselben  Rechnung  zu 
En(9e  des  vierten  Schwangersciiaflsmonate  hätte  stattfinden 
m Assen,  wofür  jeder  Anhalt  in  der  Anamnese  fehlte,  vielmehr 
nach  dieser  das  Blasenleiden  als  selbstständiges  aufg«fosst 
werden  musste.  Als  ich  am  fünften  Tage,  nachdem  Schnierz- 
haftigkeit und  Geschwulst  der  Genitalien  eine  innere  Exploratioo 
zulässig  machten,  diese  vornahm,  traf  der  untersuchende 
Pinger  auf  eine  harte,  gespannte,  kugelige,  äusserst  empfind- 
liche Geschwulst,  die  den  hinteren  Beckenumfang  austollte 
und  die  hintere  Scheidenwand  tief  herabgezerrt  hatte;  von 
der  Sdieidenportion  war  nichts  zu  finden;  sie  war  so  hoch 
hmaufgestiegen ,  dass  ich  auch  bei  späterer,  in  der  Rückenlage 
vorgenommener  Untersuchung  ausser  Stande  war,  sie  zu  er- 
reichen. Die  Untersuchung  per  auum  ergab  dieselbe  Ge- 
schwulst; der  Mastdarm  selbst  war  von  vom  nach  hinten 
comprimirU  Ich  versuchte  sofort  die  Reposition,  die  Schmerzen 
dabei  waren  jedoch  so  heftig,  die  Schwäche  der  Krauken, 
die  sogleich  ohnmächtig  wurde  und  deren  Tod  so  schon 
täglich  zu  fürchten  war,  so  gross,  dass  ich  mich  zu  einem 
fortgesetzten,  eingreifenderen  Verfahren  um  so  weniger  be- 
rechtigt hielt,  als  eine  augenblickliche  Gefahr  durch  den  ein- 
geklemmten Uterus  (für  die  Mutter  wenigstens)  nicht  vorhanden 


• 

war,  dfeee  vielmehr  aHdn  durch  die  BesebatR^nlMit  der' Blase 
und  der  dadurch  bedingten  allgemeinen  Reaction  drohto.  **^ 
Als  nach  weiteren  14  Tßt^en  die  Qualität  des  Urins  sieb 
besserte,  das  Allgemeinbefinden  der  Kranken  bei  aHmAHger 
Venninderung  des  Fiebers,  des  Hydrops,  der  geschwollenen, 
eiternden  Genitalien  und  des  Decubitus,  einigerroaassen  sich 
göiistiger  eu  gestalten  schien ,  die  Prognose  hiernach  ebenfalls 
eine  bessere  wurde,  unternahm  ich  einen  neuen,  kräftigeren 
Repositioiisversuch.  leb  verfuhr  in  der  bekannten  Weise, 
mdem  ich  bei  Ellbogenlage  der  Kranken  mit  Zeige*  und 
MiCtetfinger  in  das  Rectum  hoch  hinaufging  und  den  Danmen 
fißr  die  Vagina  benutzte.  Ich  erreichte  den  Zweck  nicht  und 
musste  von  dem  Versuche  abstehen,  da  die  Kranke  nach 
Aeusserung  der  heftigsten  Schmerzen  wiederum  ohnmächtig 
wurde.  Einen  erneuten  Versudi  unterliess  ich  für  jetzt,  ein 
ähnliches  negatives  Resultat  als  wahrscheinlich  annehmend; 
zum  Aetherisiren  schien  mir  die  Kranke  zu  schwach;  auch 
musste  ich  mir  sagen,  da  die  Erfahrung  lehrt,  wie  leicht 
selbst  nach  der  glucklichsten  Reposition  Recidive  eintreten, 
dass  ein  solches  liier  um  so  wahrscheinlicher  gewesen  wäre, 
als  die  Kranke  eine  andere,  als  die  Röckenlage  nicht  ertragen 
konnte,  als  ferner  12  Stunden* nach  dpr  Urinentleerung  die 
Blase  jedes  Mal  über  1  Quart  Urin  enthielt  und  ausserdem 
auch  noch  mehrere  Male  des  Tages  Einspritzungen  in  die  Blase 
nothwendig  waren.  Die  Dringlichkeit  einer  Reposition  wurde 
aber  auch  durch  den  Umstand  geringer,  dass  ich  zu  derselben 
Zeit,  als  ich  den  angegebenen  Versuch  machte,  im  Stande 
gewesen  war,  den  Uterus  durch  die  BauchdeckeO  durch- 
zufühlen. Ich  glaubte  hieraus  schiiessen  zu  müssen,  dass 
der  nicht  eingekeilte  Theil  des  Uterus,  dessen  Ausdehnung 
nach  dem  freien  Theile  der  Bauchhöhle  hin  früher  durch  die 
ausgedehnte  Blase  ein  Himlerniss  gesetzt  war,  jetzt,  nach 
Beseitigung  di<'ses  Hindernisses,  df>m  PöUis,  wenn  er  noch 
lebte,  Platz  zu  seiner  weiteren  Entwickelung  in  dem  fk*ei 
gewordenen  Räume  gewähren  würde.  Immerhin  wollte  ich 
mit  neuen  Versuchen  warten,  bis  die  Blasenerscheinungen 
und  der  allgemeine  Zustand  der  Kranken  mehr  Freiheit  zum 
Handeln  gestatteten. 


9S  VII.    V6rk«tidionf6ii  6tf  G«tttlitch*ft 

Nacbdeiii,  wie  ich  Toriiiii  erwählte,  nach  ner^  bis  töiiF- 
wöchenüicber  Behandlung  die  vollständig  normale  TUtigkeit  der 
Blasenmuekebi  wieder  hergestellt  war,  maicbte  ich  einen  dritten 
Repoeitionsversuch.  Das  ResnUal  war  ein  nicht  viel  besseres, 
als  die  ersten  Male.  Einem  ziemlich  starken  Kraftaufwande 
gelang  nicht  mehr,  als  ein  geringes  Fortheben  des  UCems, 
eine  Reposition  erreichte  ich  keineswegs,  die  Vaginalportion 
blieb  unfühlbar.  Dabei  schienen  die  dadurch  yenirsacbten 
Schmerzen  ganz  ausserordentliche  zu  sein.  Ich  bescUoss 
hierauf  weitere  Versuche  aufzugeben  und  exspectativ  zu  ver- 
fahren, wozu  der  Umstand,  dass  bei  der  Schwierigkeit  der 
Reposition  Verwachsungen  angenommen  werden  musslen,  deren 
Trennung  bedenkliche  Zufalle  hervorrufen  konnte,  dass  bei 
dem  Hangel  subjectiver  und  objectiver  Erscheinungen  für  das 
Leben  einer  Frucht,  dieses  im  hohen  Grade  fraglich  war, 
wohl  hinreichend  berechtigte.  Lebte  die  Frucht  trotzdem, 
so  wissen  wir  ja  (Hittheilung  von  Oldhamy  Transact  of 
the  obstet«,  Soc.  1),  dass  selbst  bei  vollständiger  ReU*oversion 
die  Schwangerschaft  ihr  normales  Ende  erreichen  kann.  — 
Vier  Tage  später,  am  7.  November,  entsteht  bei  der  Kranken 
während  der  Nacht  plötzlich  ein  heftiges  Di'ängen  zum  Hamen. 
Sie  lässt  sich  das  Steckbecken  reichen;  kaum  hat  sie  dies, 
so  wird  unter  einem  einzigen  heftigen  Schmerze  das  Kind, 
dem  die  Nachgeburt  auf  der  Stelle  folgte,  ausgestossen. 
Obgleich  die  äusseren  Erscheinungen  des  Kindes  solche  waren, 
wie  man  sie  einem  Fötus  zu  Ende  des  sechsten  Monats  zu- 
misst,  so  musste  man  selbst  bei  der  Annahme,  dass  die 
Conception  unmittelbar  vor  dem  ersten  Ausbleiben  der  Regeln 
stattgefunden  (sie  hätten  sich  in  den  ersten  Tagen  des  Mai 
zeigen  müssen)  sich  wenigstens  im  Beginn  des  siebenten 
Monats  befinden.  Das  Kind  lebte,  wimmerte  und  starb  nach 
zwei  Stunden.  Das  Wochenbett  verlief  gut,  die  Blase  wurde 
keinen  Moment  in  ihren  Functionen  gestört.  Die  Wöchnerin 
erholte  sich  langsam,  war  aber  noch  mehrere  Monate  voll- 
standig  gesund;  der  Uterus  befindet  sich  noch  heute  in 
normaler  Lage. 

Für  meine  Ansicht,  dass  in  diesem  Falle  die  Retroversion 
durch  die  Blasenparalyse   veranlasst   wurde,   und   nicht  um* 


mr  Q^biirtabiiU«  in  fierU».  g^ 

gikahrt,   niöobt«  ich  auim  Schlüsse  noch  Folgendes  aofübrea 
und  resumireD: 

Bei  ReUr^versisD  als  Ursache  der  Blasenparalyse  würden 
xwei  Arien  derselben,  nämlich  die  acute  und  chronische,  in 
Bede  koDuneo.  Was  erslere  betrifft,  so  ist  ihr  Zustande* 
kommen  su  Ende  des  vierten  und  Anfang  des  fünften 
Schwangerschaftsroonats,  zu  welcher  Zeit  der  Uterus  die 
Grösse  eines  Kindskopfes  hat,  ohne  bewusste,  erhebliche 
Äussere  Schädlichkeit  geradezu  unmöglich.  Eine  solche  Schäd* 
Uchkeit  hat  in  dem  mitgetheilten  Falle  aber  nicht  stattgefunden, 
ebenso  wie  die  Erscheinungen,  die  dadurch  noth wendig  hätten 
herrorgerufen  werden  müssen,  als  Ohnmächten,  Erbrechen, 
heftige,  drängende  Schmerzen  auf  den  Unterleib  und  dcrgi 
gänzlich  fehlten.  Die  Kranke  emp£ayad,  als  sie  am  15,  August, 
nacl)  einer  heftigen  Durchnässung  des  Körpers,  Abeuds,  also 
zu  Ende  des  vierten  und  zu  Anfang  des  fünften  Schwanger- 
schaftsmonats,  Urin  lassen  will,  nichts  Anderes,  als  die 
Erscheinungen,  welche  die  Paralyse  des  Detrusor  vesicae 
überhaupt  verursacht,  nachdem  sie  bis  dahin  nicht  die  geringste 
Functionsstörung  beim  Harnen  gehabt  hatte.  Von  irgend  einer 
anderen  krankhaften  Erscheinung,  die  auf  eine  Retroflexion  oder 
Retroversion  des  schwangeren  Uterus  hatte  schliessen  lassen, 
war  keine  Spur  vorhanden.  Es  ist  auch  gar  nicht  denkbar, 
dass  die  Kranke  sonst  im  Stande  gewesen  wäre,  trotz  der 
Paralyse,  ihre  schweren  häuslichen  Geschäfte  so  lange  fort- 
zusetzen, bis  sie  nach  mehreren  Tagen  bemerkt,  dass  ihr 
Leib  so  hoch  wie  im  siebenten  Monate  der  Schwangerschait 
angeschwoUen  ist.  —  Was  die  andere  Fomn,  die  chronische 
oder  allmälige  Retroversion,  betrifft,  so  entsteht  sie  (so  viel 
mir  bekannt)  nach  allgemeiner  Annahme  nur  dann,  wenn  die 
Conception  bei  unvollkommenem  Prolapsus  des  Uterus  erfolgt; 
er  begiebt  sich  mit  seinem  Grunde,  an  weiterem  Aufsteigen 
durch  das  Promontorium  verhindert,  in  die  Kreuzbeinhdhiung» 
seine  Scheidenporiion  hinter  die  Symphyse.  Wollte  man  for 
den  erzählten  Krankheitsfall  diese  Form  der  Retroversion  als 
Ursache  der  Paralyse  annehmen,  so  würde  dagegen  sprechen» 
dass  die  Kranke  an  einem  Prolapsus,  auch  nicht  einmal  einem 
imvolikommenen,  litt,  wie  dies  eine  Untd'suchung  nach  über- 
standenem   Wochenbette    und   wieder   eingetretenen   Regeln 


^  VIT.    tTerhandkiageti  4«f  8«B«HBcb*^t 

ergab;  audi  wArde  «in  solc^r  ureiehticher  Eüsaimneohaiig 
80  lange  zurückzuweisen  sein,  als  nicht  die  MögU«iikeit  nacfa- 
gewiesen  ist,  dass  eine  Schwangere,  wie  die  betrelTende, 
währeod  einer  vier  Monate  und  länger  bestehenden  Retroverma 
des  schwangeren  Uterus  sich  keinen  Moment  unwohl  fühlen, 
im  Gegentheil  sicli  so  frisch  und  kräftig  belinden  kam,  dass 
sie  die  schwersten  Arbeiten  verriclitet,  weite  Wege  gebt,  ja, 
trotz  ihrer  Aufmerksamkeit  auf  jedes  für  eine  Schwangerschaft 
sprechende  Symptom,  ein  solches  durchaus  nicht  empliiidei 
und  sich  nicht  einmal  für  schwanger  hält.  —  Höchst  autfaJIend 
und  bezeichnend  ist  endlich  auch  noch  der  Umstand,  dass 
die  Heilung  der  Paralyse  ganz  unabhängig  von  der  RetroTersion 
und  trotz  dieser  erfolgte,  während  die  Hebung  der  Incarceration 
des  Uterus  durch  Selbstreposition  erst  nach  Beseitigung  des 
Blasenleidens  stattfand. 

Nach  Allein  ist  wobt  mit  ziemlicher  Bestimmtheit  an* 
zunehmen,  dass  in  dem  mitgetheilten  Falle  die  Retroversion 
durch  die  bis  zu  einem  Inhalte  von  4V4  Quart  angefüllte, 
weit  über  den  Nabel  emporgestiegene  und  schwer  belastende 
Blase  nach  und  nach  entstanden,  dass  der  schwaogei^ 
Uterus  und  die  dabei  hetheiligten  Organe  durch  ein  allmäliges 
Eingezwängtwerdeu  des  Uterus  an  die  widernatArliche  Lage 
sich  gewöhnen  konnten,  ohne  erhebliche  Reactionserscheinungeo 
zu  äussern.  Vielleicht  war  die  Retru?ersion  erst  dann  eine 
vollständige,  als  die  Kranke  'im  Stehen  und  Sitzen  keinen 
Urin  mehr  verlor,  da  in  diesen  Stellungen  durch  die  hoch 
hinauf  gestiegene  Scheidenportion  und  das  untere  Uterin* 
Segment  die  Harnröhre  nur  noch  mehr  belastet  und  gezei*rt 
wurde,  was  bei  der  Rückenlage  weniger  der  Fall  sein  mussCe. 


Herr  Martin  theilt  die  Ansicht  des  Vorredners  mdbL 
Er  halt  die  Retroversion  des  Uterus  fär  das  primäre  Leiden 
und  die  Paralyse  der  Blase  für  eine  Folge  derselben.  Die 
allmälige  chronische  Entwickeiung  der  Zurückbeugung  des 
schwangeren  Uterus  bilde  sich  meist  schon  im  zweiten  oder 
dritten  Monate  der  Schwangerschaft  und  bedinge  häufig  anfangs 
nur  so  unbedeutende  Beschwerden ,  dass  sie  oft  von  den  damil 
b^afteten  Kranken   ganz   übersehen  werden.     Erst  in  Falge 


Idr  Gkebmrtolialfe  im  Berlia.  ,95 

einer  firkälumg  u.  s.  w.  treten  iilAlzJieh  bedreUicfaere  Ef«- 
soheinuDgen  auf,  HarnTerhaltung  und  wehenartige  Seiinierz^n 
und  er  erkläre  sich  diesen  Umstand  so,  dass  eine  catan'halisciie 
ScibweJlung  der  Scheide  und  Harnröhre  eiiitrelen  müsse,  um 
den  YoUständigen  Verschluss  der  Harnröhre  hervorzubringen« 
Ein  solcher  Fall  sei  seiner  Ansicht  nach  auch  der  vorliegend«^ 

Herr  Hofmeier  stellt  dies  in  Abrede.  Die  Frau  habe 
sich  unbedingt  wohl  gefühlt  und  an  Schwangerschaft  gar  nicht 
gedacht  Dies  weise  darauf  hin,  dass  sie  vor  dem  Eintritte 
der  Blasenparalyse  keine  Retroversion  gehabt  haben  könne, 
da  diese  jedenfalls  durch  gewisse,  wenn  auch  nicht  sehr 
stürmische  Symptome  ihre  Aufmerksamkeit  auf.  mögliclie 
Schwangerschaft  geleitet  hätte. 

Herr  Z».  Mayer  meint,  es  könne  vielleicht  ein  Umstand 
für  die  Ansicht  des  Herrn  Hofmeier  sprechen:  nämlich  dass 
die  Entbindung  leicht  und  ohne  Störung  vor  sich  gegangen 
und  der  Uterus  nach  derselben  spontan  in  seine  normale 
Lage  gestiegen  sei.  Man  könne  daraus  folgern,  dass  bei  Aus- 
stossung  des  Fötus  eine  Incarceralion  des  Uterus  nicht  mehr 
stattgefunden  habe,  und  vielleicht  auch  im  vierten  Monate 
nicht  vorhanden  gewesen  sei,  da,  wenn  sie  da  gewesen 
wäre,  bei  den  fruchtlos  angestellten  Aufrichtungsversuchen  eine 
spontane  Erhebung  des  Uterus  noch  viel  unwahrscheinlicher 
sei.  Es  wäre  also  daraus  zu  schliessen,  dass  wirklich  eine 
consecutive  Retroversio  uteri  durch  die  ausgedehnte  Blase 
vorgelegen  habe,  woraus  sich  auch  nach  Hebung  der  bedingenden 
Ursache  die  Leichtigkeit  der  stattgehabten  Entbindung  erkläre. 
Er  wolle  noch  einmal  auf  seine  Mittheilungen  in  der  vorletzten 
Sitzung  verweisen;  wo  er  der  Versuche  Erwähnung  gethan, 
den  Einfluss  von  Injectionen  in  die  Blase  auf  die  Stellung 
des  Uterus  nachzuweisen.  Beim  nichtscbwangeren  Uterus, 
auf  den  sich  diese  Versuche  bezogen,  habe  eine  Ciberroässige 
Ausdehnung  der  Blase  eine  Retroposition  des  ganzen  Uterua 
mit  vermehrter  Räckwärtsdrängung  des  Corpus  uteri  zur  Folge 
gehabt.  Es  seien  hieraus  freilich  keine  bestimmten  Schlösse 
auf  das  Verhalten  des  schwangeren  Uterus  zu  ziehen, 
indess  lasse  sich  aus  den  anatomischen  Verhältnissen  vermuthen. 


96  VII.    VerhMidliiBflpeB  4er  G«8«llBch»ft 

daBs  bei  bedeutender  AusdebnoDg  des  Uterus,  DaineBtUck 
also  durch  Schwangerscbafl  eher  eine  Steigerung  der  an- 
gegebenen Lageabweichung  stattfinden  werde. 

Herr  (7.  Mayer  hält  es  für  sehr  schwierig  zu  ent- 
scheiden, was  primär  gewesen  sei,  die  Retroflexion  oder  die 
Blasenparalyse;  neigt  aber  zu  der  Ansicht,  dass  die  Blasen- 
paralyse  wohl  eine  Folge  der  Retroflexion  gewesen  sei. 

Herr  Martin  hält  die  von  Herrn  L.  Mayer  angestellten 
Versuche  mit  Injectionen  in  die  Blase  nicht  für  maassgebend. 
Einerseits  lasse  sich  eine  todte  Blase  nie  zu  solcher  Aus- 
dehnung anffillen,  wie  sie  bei  Lebenden  durch  spontane 
Ansammlung  des  Urins  aufträte,  andererseits  aber  haben  die 
Versuche  nur  eine  Retroposition  und  keine  Rückwärtsneigung 
des  Uterus  herbeigeführt. 

Herr  Wegscheider  glaubt  auch,  dass  eine  allmälige 
Bildung  der  Retroflexion  in  diesem  Falle  stattgefunden  und 
die  Biascnparalyse  bedingt  habe;  er  entsinne  sich,  in  seiner 
Praxis  zwei  Fälle  beobachtet  zu  haben,  wo  bei  Retroflexio 
uteri  gravidi  die  Lähmung  der  Blase  erst  allmälig  ein- 
getreten sei. 

Herr  Hofmeier  wirft  ein,  dass  es  scheine,  als  ob  die 
Gesellschaft  ein  primäres  Auftreten  einer  Blasenlähmung  ohne 
vorangegangene  Retroflexion  ganz  in  Abrede  stelle.  Er  erinnere 
an  die  vorausgeschickten  Fälle  bei  Männern,  wo  also  vou 
dieser  Ursache  keine  Rede  sein  könne. 

Herr  Krieger  giebt  zu,  dass  er  ebenfalls  bei  einein 
Manne  eine  Blasenlähmung  beobachtet  habe,  die  er  durchaus 
auf  kein  Ruckenmarksleiden  beziehen  konnte.  In  dem  vor- 
liegenden Falle  indess  scheine  ihm  doch  die  Retroflexion  das 
primäre  Leiden  gewesen  zu  sein. 

Herr  Martin  hebt  noch  hervor,  dass  nach  Herrn 
Hofmeier's  Angabe  die  Frau  vorher  nie  an  Blasenbeschwerden 
gelitten  habe,  also  jeder  Grund  fehle,  eine  spontane  Eni- 
wickdung  einer  Biascnparalyse  anzunehmen. 


ffir  aeburtshülfe  in  Borlin.  97 

Silzung  vom  12.  Mai  1863. 

An  die  Verlesung  des  Protocolies  der  letzten  Sitzung 
schloss  sich  sofort  eine  Wiederaufnahme  der  Debatte,  die 
jedoch  im  Wesentliclien  dieselben  Punkte  berührte.  Es  wurde 
indess  von  mehreren  Seiten  hervorgehoben,  dass  die  Retro- 
flexion  des  schwangeren  Uterus  durchaus  nicht  stets  die 
sturmischen  Symptome  bedinge,  die  allerdings  in  der  Mehr* 
zahl  die  Diagnose  sofort  auf  diesen  Punkt  leiten.    So  erwähnte 

Herr  Strassmann  zwei  Fälle,  wo  als  einziges  Symptom 
eine  Dysurie  die  Aufmerksamkeit  auf  das  Verhalten  der  Gebär- 
mutter leitete  und  zu  einer  Untersuchung  Veranlassung  gab, 
liei  der  sich  die  Relroversion  herausstellte.  In  einem  dritten 
seien  sogar  nur  weheuarlige  Schmerzen  eingetreten,  die  die 
Kranke  zwei  Tage  lang  in  dem  Wahne  erhalten  hätten,  die 
Geburt  träte  ein,  bis  die  am  dritten  Tage  erkannte  Lage- 
veränderung reponirt  sei,  worauf  alle  Beschwerden  wieder 
verschwanden. 

Herr  Kaufmann  meint,  dass  wohl  Alles  auf  den  Grad 
der  dadurch  herbeigeführten  Einklemmung  ankomme.  Ein 
drei-  bis  viermonatlicher  Uterus,  der  nach  hinten  vollständig 
unter  das  Promontorium  getreten,  dadurch  den  ganzen 
Beckenraum  vollständig  ausfülle,  müsse  natürlich  ganz  andere 
Symptome  hervorrufen,  als  eine  theilweise  Einklemmung, 
wie  sie  doch  jedenfalls  in  dem  Hof meier* sehen  Falle  statt- 
gefunden habe.  Ein  sechsmonatlicher  Uterus  fände  keinen 
Platz  im  kleinen  Becken;  ein  Theil  desselben  müsse  also 
über  demselben  gelegen  haben  und  die  abgeschnürte  Partie 
nur  wie  ein  Divertikel  des  Uterus  anzusehen  sein.  Bei  dem 
fluctuirenden  Inhalte  des  Uterus  werde  sich  somit  bald  eine 
Ausgleichung  hergestellt  haben,  so  dass  die  heftigeren  Ein- 
klemmungserscheinungen  gar  nicht  eingetreten  seien. 

Herr  Mitscherlich  stellte  der  Gesellschaft 

ein  halbjähriges  Mädchen  mit  einem  Hydrocephalus 

partialis  herniosus 
vor. 

Das   ein   halbes  Jahr    alte   Mädchen,    Ulrike  Krüger, 

stammt  von  gesunden  Eltern,  in  deren  Familie  nie  eine  dem 

|CoB»tt«ehr.  f.  Qebortak.  1863.  Bd.  XXII.,  Hft. 2.  7 


98  Vit.    VerhaDdlun^eii  der  Oe—tbchmh 

?orHegenden  Falle  ähnliche  AfTection  beobachtet  isL    Es  selbst 
ist  seit  seiner  Geburt   stets   gesund   gewesen,    litt  besoinJers 
nie  an  Krämpfen  oder  Hirnerscheinungen  irgend  weicber  Art 
und  entwickelte  sich  gut  und  kräftig.    Die  Geschwulst,  welche 
sich   dicht  unterhalb  der  Rrotuberantia  occipitalis  externa  iai 
Verlaufe  der  Crista  occipitalis,  also  ungefähr  in  der  Mittelliiiie 
des  Schädel,  befindet,  brachte  das  Kind  mit  zur  Weit;  jedoch 
hatte  dieselbe  damals  kaum  die  Grösse  einer  Haselnuss.    Seil 
dieser  Zeit    hat   sie  langsam   und   besonders   beim    Schreien 
des  Kindes  um  so  ?iel  zugenommen,  dass  sie  jetzt  bei  Tölliger 
Ruhe   desselben   im  grössten  Umfange  3^/^"  misst,   wahreiid 
der  der  gestielten  Basis   circa  3V4"  beträgt  und  mithin  aise 
nur  wenig  dem  grössten  Umfange  nachgiebt.    Ihr  Durchmesser 
beträgt  circa  1",  ihre  Höhe  %'',  so  dass  sie  fast  kugelförmig 
isl.    Ihre  Oberfläche  ist  glatt,  nicht  höckerig,  ihre  Gonsistenz 
sehr  weich  und  elastisch,  beim  Schreien  des  Kindes,  während 
dessen   die  Geschwulst   auch   an  Umfang   zunimmt,   wird  sie 
fester  und  praller,  gleichzeitig  ist  sie  deutlich  fluctuirend  und 
vollständig  durchscheinend ;  die  Pulsation  des  Gehirnes  so  wie 
besonders  jegliche  Stauung  im  venösen  Systeme  desselben  isl 
sogleich   auf  ihrer  OberÜäche  bemerkbar.     Die  Haut,   welche 
sie   bedeckt,    erscheint   verdünnt  und   ist    nur    mit   wenigen 
sparsamen    und    dünnen    Haaren    besetzt.     Uebt    man    einen 
auch   nur   schwachen  aber  gleichmässigen  Druck  auf  die  Ge- 
sell wulst  aus,  während  das  Kind  schläft,  so  kann  man  dieselbe 
mit   Leichtigkeit  vollständig    in    der  Hirnhöhle   verschwinden 
lassen.     Um    etwas    wird    dieses    beim   Wachen    des   Kindes 
durch    das    Schreien,    wodurch    die   Geschwulst   immer    von 
Neuem'  hervorgedrängt   wird,    erschwert,   jedoch   nicht  ver- 
hindert.    Ist  die   Reposition  vollständig,    so   fühlt  man  nur 
noch    die    erschlafften    weichen    Hüllen    des   Inhaltes.      Die 
Schmerzen   können   bei   der  Reposition  nicht  sehr  bedeutend 
sein,   da   bei  vorsichtigen  Manipulationen  das  Kind  nicht  am 
Schlafe  gehindert  wird ;  dennoch  niuss  aber  jeder  Druck  auf 
die  Geschwulst  dem  Kinde  ausserordentlich  unangenehm  sein, 
da  es  beim  Wachen  sich  in  jeglicher  nur  möglichen  Weise  gegen 
dieselbe   sträubt  und   stets   heftig   schreit.     Lässt  man  nach 
der  Reposition   mit   dem  Drucke  nach,   so  schwillt  die  völlig 
entleerte   Geschwulst    auch    beim   Schreien    des   Kindes   nur 


j 


ftr  Qebartshülfe  io  BerÜ«.  99 

« 

allmälig  wieder  an,  bis  sie  schliesslich  ihre  alte  Gi'össe 
erreicht  hat.  In  keinem  Falle  sah  ich  bei  der  Reposition 
irgend  welche  Hirnsyniptome  auftreten. 

Drückt  naan  an  den  Seiten  der  (jeschwulst,  besonders 
oben  und  unten,  am  Stiele  derselben  den  Finger  in  die 
Tiefe  zum  Knochen  ein,  so  fühlt  man  deutlich  die  ovale,  mit 
glatten  Rändern  versehene  Oeifnung  in  demselben,  im 
Verlaufe  dei*  Crista  occipitalis  von  der  Länge  eines  halben 
Zolles  und  der  Breite  eines  achtel  Zolles,  durch  welche  die 
Geschwulst  mit  dem  Gehirne  communicirt.  Wenn  das  Kind 
ruhig  ist,  so  kann  man  dieselbe  so  deutlich  palpiren,  dass 
man  mit  Sicherheit  angeben  kann,  dass  in  derselben  kein 
fe&iei*  Gegenstand  fühlbar  ist.  Ihre  Form  beurtheilt  man  am 
genauesten  nach  der  Reposition  des  Inhaltes,  da  man  dann 
die  Oellhung  mit  der  Spitze  des  Zeigefingers  schliessen  und 
so  am  besten  die  Contouren  derselben  fühlen  kann. 

Es  würde  bei  dieser  Geschwulst  meiner  Ansicht  nach 
nur  in  Frage  kommen  können,  ob  sie  durch  einen  Uirnbruch 
oder  durch  den  Vorfall  eines  abgegrenzten  mit  Wasser  er*- 
füllten  Theiles  des  Sackes  der  Arachnoidea  gebildet  wird. 
Alle  übrigen  Geschwülste  am  Schädel  sind  nach  den  oben 
angegebenen  Symptomen  mit  Sicherheit  auszuschliessen.  Wenn 
wir  die  Entscheidung  zwischen  den  beiden  oben  erwähnten 
Vorlallen,  die  ja  in  fast  continuirlicher  Reihenfolge  in  einander 
übergehen  können,  auch  nicht  mit  Sicherheit  zu  fällen  im 
Stande  sind,  so  können  wir  doch  mit  Wahrscheinlichkeit  den 
Vorfall  von  Gehirnmasse  und  zwar  selbst  in  geringerer  Menge 
ausschüpssen.  Hierfür  spricht  zunächst  die  grosse  Leichtigkeit, 
mit  welcher  die  Geschwulst  reponirt  werden  kann ,  ohne  dass 
irgend  welche.  Gehirnsymptome  jemals  dabei  eingetreten  wären. 
Femer  ist  die  Geschwulst  auch  an  ihrer  Basis  noch  vollständig 
durchscheiaend ,  was  nicht  möglich  wäre,  wenn  gleichzeitig 
feste  Massen  vorlägen,  da  durch  dieselben  das  einfallende 
licht  am  Durchscheinen  gehindert  würde,  endlich  aber  fühlt 
man  selbst,  wenn  man  bei  völliger  Ruhe  des  Kindes,  hart 
an  den  Rändern  der  weichen  Geschwulst  eingeht,  nirgend  eine 
festere  Masse  in  der  Oeffnung  durch  die  Flüssigkeit  hindurch. 

Bei  einer  methodischen  sanften  Compressioo  durch  Be^ 
streichen   der  Geschwulst  mit  Güllodium   während   das  Kind 


100  VII.    Verhnndliini^eii  der  G«s«ll«chaft 

schlief,  dieselbe  also  relativ  klein  war,  ist  sie  in  den  leixleo 
zehn  Tagen,  in  denen  sich  das  Kind  in  Berlin  aufhielt,  etwas, 
jedoch  nur  wenig  verkleinert  worden,    so   dass   nicht   zu  er- 
warten steht,    dass   durch  diese  Behandlung  eine  voUständige 
Rückbildung   zu   erzielen   sein   wird;    ich   glaube   aber,    dass 
hier,  da  die  Geschwulst  sich  vollständig  und  leicht  reponiren 
iässt,   ohne  dass   irgend  welche  Uirnsymptome  hervorgerufen 
werden,    die  Heilung   dadurch   wieder  erzielt   werden    könne, 
dass  man  einen  Verband  anlegt,  welcher  den  Voifall  reponiit 
erhält.    Dieser  müsste  natürlich  beim  Eintreten  irgend  welcher 
Zufalle,   die  Bedenken  erregen  könnten,    sofort  entfernt,  un^ 
sollten  diese  nicht  eintreten,  vielleicht  jeden  oder  jeden  zweiten 
Tag  gewechselt  werden,   bis   die  Oeflnung  im  Schädel  durch 
die  vom  Rande  vorschreitende  Verknöcherung  sich  geschlossen 
haben  wird.     Es   würde   hierbei   nur   in  Frage   kommen,  ob 

m 

die  schon  jetzt  so  verdünnte  Haut  ohne  Nachtheil  einen  so 
lang  dauernden  Druck  wird  aushalten  können;  jedenfalls  wird 
die  grösste  Aufmerksamkeit  bei  dieser  Behandlung  in  jeder 
Hinsicht  nöthig  sein. 

Herr  Kristdler  hält  es  nicht  für  wahrscheinlich,  dass 
der  Sack  durch  die  Arachnoidea  gebildet  werde.  Die  ver- 
schiedenen Manipulatiouen,  die  von  Seiten  der  Anwesenden 
so  eben  mit  der  Geschwulst  vorgenommen  seien,  könnten 
unmöglich  ohne  heftige  Reactionserscheinungen  bleiben,  wenn 
eine  Gehirnhaut  mit  prolabirt  wäre.  Er  halte  es  für  eine 
abgesackte  Kyste  auf  der  Dura  mater  sitzend  und  durch  die 
Knochenspalte  hervorge wuchert. 

Herr  Mitscherlich  sagt,  dass  alle  Fälle,  die  ihm  aus 
der  Literatur  bekannt  worden  seien,  stets  die  Arachnoidea 
mit  betrolfen  hätten.  Uebrigens  müsse  seiner  Ansicht  nach 
der  Druck  auf  eine  abgesackte  Kyste  viel  heftigere  Reiz- 
erscheinungen hervorrufen,  als  bei  freier  Gommunication 
des  vorgefallenen  Divertikels  mit  der  ganzen  Rücken-  und 
Cervicalhöhle ,  wo  bei  Gompression  der  Druck  sich  auf  die 
ganze  Tlussigkeitssäule  erstrecke  und  ausgleiche. 

Herr  Gurlt  ist  auch  der  Meinung,  dass  es  ein  Vorfall 
der  Dura  mater',  bekleidet  mit  dem  parietalen  Blatte  der 
Arachnoidea  sei. 


Air  Gebnrtsluilfe  rn  Berlin.  101 

Herr  Kaufmann  aus  Dürkheini  (auswäitiges  .Mitglied) 
spricht  über  die 

Einwirkung    der   Dürkheimer   Soolbäder   in  Ver- 
bindung mit  der  Traubencur  auf  chronische 
Gebärmutterkrankheiten. 

Wiewühl  schon  früher  einzelne  Fälle  über  günstige  Er- 
folge der  hiesigen  Soolbäder  auf  Erkrankungen  des  Uterus 
beobachtet  wurden,  so  standen  diese  doch  zu  vereinzelt  da, 
um  dieselben  weiteren  Kreisen  mitzutheilen.  im  Herbste  1862 
bot  sich  mir  Gelegenheit,  eine  Reihe  von  Uteruserkrankungen 
zu  behandeln,  die  ich  der  reichhaltigen  Praxis  der  bekannten 
Gynäkologen  Herrn  Geheimen  Sanitätsrath  Dr.  Carl  Mayer 
und  dessen  Sohn  Louis  Mayer  zu  verdanken  habe.  Im 
Ganzen  wurden  während  der  Saison  1862  vierzig  Uterinkranke 
von  mir  behandelt,  unter  denen  die  Lageveränderungen  am 
stärksten  vertreten  waren,  nämlich:  Retroflexionen  acht  Mai; 
Anteflexionen  sechs  Mal;  Anteversio  uteri  zehn  Mal;  Endo- 
metritis chron.  mit  Erosionen  und  Fluor  albus  neun  Mal; 
Chron.  Metrit.  drei  Mal;  Intumescentia  uteri  ein  Mal,  Hypertr. 
uteri  mit  Indur.  port.  vaginal.,  fungöse  Zottenbildung  der 
Schleimhaut  der  Ulerusböhle  mit  anhaltenden  Metrorrhagien 
und  Reconvaiescens  nach  der  Operation  von  Cancroidbildung 
im  Introitus  vaginae  mit  Hypertrophia  hepatis  und  Neuralgien 
je  ein  Mal. 

Bei  allen  diesen  Erkrankungen  ging  eine  längere  örtliche 
Behandlung  voraus,  so  dass  einzelne  Kranke,  in  ihren  örtlichen 
Leiden  gebessert,  die  hiesigen  Bäder  nur  als  Nachcur  ge- 
brauchten, während  bei  anderen  bei  dem  Gebrauche  der 
Soolbäder  und  Traubencur  noch  eine  örtliche  Behandlung 
nothwendig  war. 

Die  Soolbäder  wurden  entweder  einfach  oder  mit 
Mutlerlaugzusätzen  gebraucht;  bei  letzteren  muss  ich  übrigens 
vorausschicken,  dass  grosse  Zusätze  Mutterlauge  nicht  ver- 
tragen werden,  indem  sie  leicht  Congestionen  nach  den  Becken- 
organen herbeiführen  und  die  schon  bestehenden  Hyperämien 
nur  noch  verniehren,  weshalb  ich  in  der  letzten  Zeit  den 
Bndern  nur  noch  kleine  Quantitäten  Mutterlauge  mit  günstigem 
Eifolge    zusetzen    Hess.     Wir    sehen    allerdings    bei    grossen 


»1 


102  ^I^»    Verhandlnngen  der  Gesellschaft 

Zusätzen. von  Mutterlauge  Hautausschläge,  Eczeme  entstehen, 
die  von  anderen  Badeärzten  für  kritische  Badeausschläge  ge- 
"halten  werden,  von  mir  aber  als  durch  Beizung  der  Haut 
bedingte  Eczeme  betrachtet  werden.  Bei  den  meisten  Kranken 
wurden  noch  Injectionen  mit  reiner  Soole  oder  mit  Wasser 
verdünnter  Soole  angewandt.  Die  Soole,  die  zum  Baden  benutzt 
wird,  ist  aus  einer  neuen  Quelle,  die  während  der  Jahre 
1857  — 1859  erbohrt  wurde  und  nach  der  Analyse  von 
Geh.  Hofrath  Professor  Bunsen  in  Heidelberg  in  1000  Theilen 
Wassers  folgende  Bestandtheile  enthält: 

Zweifach  kohlensauren  Kalk  ....  0,28350. 
kohlensaure  Magnesia  .  .  0,01460. 
kohlensaures  Eisenoxydul    0,00840. 

Chlor- Calcium 3,03100. 

Chlor -Magnesium 0,39870. 

Chlor- Strontium 0,00810. 

Schwefelsaures  Strontian 0,01950. 

Chlor- Natrium 12,71000. 

Chior- Kalium 0,09600. 

Chlor-Lithium    0,03910. 

Chlor -Rubidium     0,00021. 

Chlor- Caesium 0,00017. 

Thonerde 0,00020. 

Kieselerde 0,00040. 

Freie  Kohlensäure 1,64300. 

Stickstoff 0,00460. 

Schwefelwasserstoff  .........       Spur. 

Ammonium -Salze 

Salpetersäure  Salze 

Phosphorsaure  Salze 

Organische  Stoffe 

Sümm~a~i«,28028. 
An  Gasen    sind   in    1000  Gramm    Soole ^  dem  Volumen 
nach,  enthalten: 
.   Sogenannte  halbgebuiidene  Kohlensäure  47,8  Kub.-Ctni. 

Freie  Kohlensäure 83,6 

Stickstoff 3,7 

Schwefelwasserstoff Spur. 


1» 
n 


ffir  Qobortshfilfe  in  B«rlin.  IQS 

Tausend  Theile  der  Mutterlauge  enttialteo: 

Chlor- Calcium 296,SK). 

Chlor- Magnesium  ....    41,34, 

Chlor- Strontium    ....      8,00. 

Chlor-KaUum 16,13. 

Chlor-Rubidium 0,04 

Chlor-Caesium 0,03. 

Chlor-Lithium     11,09. 

Chlor -Natrium    20,98. 

Bromkalium 2,17. 

Schwefelsaures  Strontian      0,20. 
Jodverbindungen,  welche  in  den  anderen  hiesigen  Sool- 
quellen  nachgewiesen  sind,  gelang  es  bis  jetzt  noch  nicht  in 
dieser  aufzufinden.     Möglich,   dass   sie  in  dem  Salzscblamme 
gefunden  werden,  der  noch  chemisch  untersucht  wird. 

Die  Traubencur  wurde  in  allen  Fällen  mit  den  Soolbädern 
verbunden  und  äusserte  dieselbe  bei  den  Uteruserkrankungen 
durch  ihre  auflösende  Wirkung  bei  gelinder  Ernährung  einen 
sehr  wohllhätigen  £influss.  — 

Betrachten  wir  die  einzelnen  Erkrankungen,  so  kam 
der  chronische  Cdlarrh  des  Uterus  entweder  für  sich  allein 
bestellend,  oder  in  Verbindung  mit  Lageveränderung  der 
Gebärmutter  häufig  zur  Beobachtung.  Die  an  chronischer 
Endometritis  Leidenden  waren  mit  wechselndem  Ausfluss  aus 
den  Genitalien  behaftet,  wobei  die  Untersuchung  mit  dem 
Speculum  die  bekannten  Symptome  aufgelockerter,  dunkel 
gerötheter  Portio  vaginalis  mit  Erosionen  um*s  Orificium  ex- 
ternum  zeigte.  Die  meisten  Kranken  litten  an  Digestions- 
slörungen  mit  hartnäckiger  Verstopfung,  Urinbeschwerden, 
ziehenden  Schmerzen  in  der  Kreuz-  und  inguinalgegend, 
Anomalien  der  Menstruation,  consensuellen  Nervenleiden  aller 
Art,  profusen  Blennorrhoen,  ja  selbst  sieches  Aussehen  beobachtet 
man  häufig.  In  den  Kinderjaliren  gingen  öfters  scrophulöse 
Erkrankungen  voraus,  während  in  der  Entwickelungsperiode 
chlorotische  Erkrankungen  sich  zeigten.  Die  Wirkung  der 
Traubencur  besteht  in  Regelung  der  Verdauung,  die  Digestions- 
störungen werden  durch  ^^^  ^u^  ^^n  Darmcanal  gelind  wirkende 
Trauben  gehoben,  Soolb^der  mit  Zusätzen  von  Mutterlauge 
und  fnjectionen  vermindern  ^^^  Ausfluss,  sogar  einzelne  Fälle 


104  VIJ.    Verhflndlangen  der  Geselbchaft 

vollständiger  Heilung  wurden  von  mir  beobachtet  Folgender 
Fall,  in  dem  vollständige  Heilung  eintrat,  möge  der  Er- 
wähnung werlb  sein: 

Frau  V. «/.,  19  Jahre  alt,  seil  vier  Monaten  vcrheiralhet, 
hat  früher  an  Chlorose  gelitten  und  viel  Eisen  geDoininea, 
klagt  seit  der  Verheirathung  über  Schmerzen  im  Leibe,  im 
Kreuze,  in  den  Hüften,  Dysmennorrhoe,  DigesUonsstörungen. 
Die  Unlersucluuig  zeigt  chronische  Endometritis,  tiefstefaenden 
schmerzhaften  Uterus,  den  Rand  des  Orificium  gewulstet, 
erodirL  Die  Behandlung  bestand  in  Soolbädern,  denen  Mutter- 
lauge bis  zu  12  Litern  zugesetzt  worden,  Injectionen  mit 
verdünnter  Soole  bei  täglichem  Gebrauche  von  5  Pfund  Trauben. 
Die  Verdauungsstörungen  wurden  gehoben,  das  Allgemein- 
befinden besserte  sich,  der  Ausfluss  vollständig  beseitigt,  so 
dass  die  Kranke,  nach  vier  Wochen  vollkommen  hergestellt, 
die  Cur  beendigen  konnte.  Da  die  Mehrzahl  der  an  chronischer 
Endometritis  Erkrankten  mit  Lageveränderungen  der  Gebär- 
mutter complicirt  waren,  so  wollen  wir  die  Flexionen  und 
Versionen  specieller  erörtern,  die  unter  40  Kranken  mit  24 
vertreten  waren. 

Die  verschiedenen  Ansichten  bewälu'ter  Gynäkologen  über 
die  örtliche  Behandlung  der  Flexionen  mittels  Sonden  oder 
Hedresseurs  brachte  die  Frage  im  Jahre  1854  in  der  Pariser 
Akademie  zum  Abschluss  eines  Urtheils,  ohne  dass  dieselbe 
hierdurch  entschieden  wurde,  indem  die  Erfahrungen  von 
Simpson,  Carl  Mayer j  v.  Kiwisch,  Valleix,  die  mittels 
Aufrichtung  durch  die  Sonde  Heilungen  erzielten,  nicht  ge- 
läugnet  werden  können,  wobei  zugestanden  wird,  dass  veraltete 
Flexionen,  durch  ausgedehnte  Verwachsungen  des  Uterus  mit 
den  Nachbarorganen  bedingte,   resullatlos   behandelt   werden. 

Carl  Mayer  spricht  sich  gegen  das  fortwährende  Liegen- 
lassen der  von  Kiwisch,  Simpson,  Valleix  und  Anderen 
gebrauchten  Hedresseurs  aus,  da  bei  der  Empfindlichkeit  und 
Reizbarkeit  der  Uterusschleimhaut  dieselben  nicht  vertragen 
werden,  sondern  (durch  den  beständigen  Reiz)  Endometritis 
erzeugen,  hiergegen  wendet  derselbe  zur  Aufrichtung  der 
Gebärmuiler  verschiedene  Sonden  an,  die,  je  nachdem  we 
vertragen  w<*rden,  einige  Stunden  liegen  bleiben,  ein  Verfahren, 
das    von    Seiten    der    Kranken    und    Aerzte    grosse    Geduld 


für  Qebiiitshülfe  in  Berlin.  X05 

erheischt,  das  aber  bei  lange  fortgesetzten)  Gebrauche  endlich 
doch  zum  Ziele  fuhrt,  wie  ich  mich  selbst  in  niehrereu  Fällen 
überzeugte.  Die  Aufrichtung  des  Uterus  wird  unterstützt 
durch  Einfuhren  von  Gharpietampons,  Gummiringen  und  ent- 
sprechender allgemeiner  Beliaudlung. 

Wenn  die  durch  Flexionen  entstandenen  secundären  Ver- 
änderungen der  Gebärmulter,  wie  Catarrhe,  Entzündungen, 
Anschoppungen,  als  Folge  des  flectirten  Uterus  zu  betrachten 
sind,  so  ist  wohl  nicht  anzunehmen,  dass  irgend  welche 
Therapie  von  günstigem  Erfolge  auf  diese  secundären  Störungen 
sein  kann,  ohne  dass  auf  die  Lageverbesserung  des  flectirten 
Uterus  Rucksicht  genommen  wird. 

Denn  mit  der  Dauer  der  Knickung  verengert  sich  zugleich 
das  Oriiicium  internum,  die  Ausfuhr  der  blennorrhoischen 
und  catamenialen  Absonderung  wird  hierdurch  gestört,  in 
Folge  deren  eine  Reihe  secundärer  Störungen  eintreten,  die 
Gebarmutter  wird  durch  Zerrung  des  Gewebes  in  anhaltenden 
Reizungszustand  versetzt,  es  kommt  zu  Hyperämien,  zu 
JMetritiden  und  Peritonitiden.  Es  ist  wohl  natürlich,  dass 
durch  Einführung  und  längeres  Liegenbleiben  der  Sonde  die 
Verengerung  des  Orificium  internum  gehoben  wird,  dass  der 
Ausfluss  des  Secrets  und  der  catamenialen  Absondeiting  stall- 
linden  kann,  wodurch  eine  Reibe  secundärer  Symptome  ver- 
mieden wird.  Ich  glaubte,  diese  allgemeinen  Bemerkungen 
über  die  Behandlung  der  Flexionen  vorausschicken  zu  müssen, 
da  ich  in  mehreren  nachfolgenden  Fällen  bei  dem  Gebrauche 
der  Bäder  und  der  Traubencur  mehrfachen  Gebrauch  von 
der  Sonde  machte  und  mich  hinlänghch  von  der  günstigen 
Wirkung  derselben  überzeugte.  Die  Soolbäder  und  Traubencur 
sind  daher  als  ein  kräftiges  Unterstützungsmittel  bei  der 
Behandlung  der  Flexionen  zu  betrachten,  als  durch  dieselben 
die  SU  lästigen  Erscheinungen  des  häuOgen  Dranges  den 
Harn  zu  entleeren,  die  sich  manchmal  zur  unvollkommenen 
Incontinenz  steigerten,  minderten,  die  besonders  bei  Reflexionen 
so  schmerzhaften  Stuhlentleerungen  werden  durch  den  Ge- 
brauch der  Trauben  beseitigt  und  anstatt  der  unbehaglichen 
Symptome,  der  ziehenden  Schmerzen  in  der  Leistengegend, 
der  Brechneigung  stellt  sich  grosse  Erleichterung  ein. 
Die   hysterischen    Nervenverstimmungen ,    die    verschiedensten 


10g  VII.    Verhandlangen  der  Oeflellscbafk 

Störungen  der  Sensibilität  und  Motilität,  die  so  häufige 
Gemuthsverstimmung  finden  durch  Verbesserung  des  Allgemein- 
befindens, durch  Zunahme  des  Körpergewichtes,  durch  ver- 
mehrten Tonus  in  der  MuskeUubstanz,  durch  gehobene  Energie 
eine  wesenlJiche  Besserung. 

Aus  nachfolgenden  Krankengeschichten  ist  ersichtlich« 
inwielern  die  Soolbäder  in  Verbindung  mit  der  Traubencar 
einen  Einfluss  auf  die  aus  den  Lageveränderungen  resultireodeii 
Symptome  ausübte. 

1.  Frau  V.  G.,  seit  drei  Jahren  verheirathet,  war  nie 
Gravida.  In  der  Kindheit  scrophulös,  in  den.  Mädchenjahren 
chlorotisch,  immer  unregelmässig  tnenstruirt,  litt  dieselbe 
an  einem  massigen  Grade  von  Anteflexio.  Die  blass 
aussehende,  zart  gebaute  Dame  klagt  Aber  Verdauungs- 
besch werden,  grosse  Mattigkeit,  Schmerzen  in  der  Magen- 
gegend,  unregelmässige  Verdauung.  Beim  Beginn  der  Cur 
fand  sich  noch  massiger  Grad  von  Anteflexio,  Catarrh  des 
Cervix  uteri,  leichte  Erosionen.  Die  Sonde  wurde  während 
eines  sechs  wöchentlichen  Aufenthalts  öfters  applicirt,  blieb 
mehrere  Stunden  liegen,  die  Verdauungsbeschwerden  wurden 
bei  täglichem  Verbrauche  von  6  Pfund  Trauben  beseitigt,  das 
Allgemeinbefinden  besserte  sich  der  Art,  dass  die  Kranke  bei 
der  Abreise  sich  kräftig  und  wohl  fühlte.  Menstruationen 
vollkommen  schmerzlos.  Achlundz  wanzig  Soolbäder  mit 
Mutterlaugzusätzen,  Injectionen  verdünnter  Soolen  beseitigten 
die  Blennorrhoe,  die  Erosionen  überhäuteten  sich. 

2.  Fräulein  v.  Z.,  24  Jahre  alt,  seit  dem  14.  Jahre 
menslruirt,  anfangs  gut,  seit  sechs  Jahren  mit  sehr  heftigen 
Schmerzen  leidet  an  einer  exquisiten  Anteflexion  fast  mit  spitzem 
Winkel,  der  Erfolg  der  Sonde  bis  jetzt  noch  gering,  der  Fundus 
sinkt  immer  wieder  nach  vorn.  Bei  der  Ankunft  klagt  die 
ohnedies  schwächliche  Dame  ober  gestörte  Verdauung,  der 
Appetit  fehlt,  Zunge  belegt,  Stulil  angehalten,  unruhiger 
Schlaf.  Dauer  der  Cur  vom  12.  September  bis  13.  October. 
Die  Verdauungsbeschwerden  voltständig  beseitigt,  Appetit  gut, 
Zunahme  des  Körpergewichts  ist  constatirt,  Menstruation 
schmerzlos,  regelmässig.  Traubenquantum  täglich  5  Pfund. 
Siebenundzwanzig  Soolbäder  mit  Multerlaugzusätzen. 


fflr  Oebnrtsbiilfe  In  Berlin.  107 

S.  Frau  t?.  JT.,  30  Jahre  alt,  seil  11  Jahren  verheiratbet, 
ohne  je  schwanger  gewesen  zu  sein,  regelmässig  menslruirt, 
wobei  heftige  Schmerzen  im  Rücken  und  Unterleibe  sich 
einstellten,  klagt  dieselbe  über  Beschwerden  beim  Uriniren, 
Stuhlverstopfung,  profuse  Blennorrhoe.  Die  Vaginalportion 
in  der  Aushöhlung  des  Kreuzbeines,  so  dass  das  Orißcium 
schwer  dem  Finger  zugänglich,  Fundns  nach  vom,  Erosionen 
am  Orificium,  Endometritis.  Sonde  leicht  einzuführen. 
Während  einer  fünfwöchentlichen  Cur,  wobei  die  Sonde  einen 
Tag  über  den  anderen  eingeführt  wurde,  besserte  sich  die 
Stellung  der  Gebärmutter,  die  so  lästigen  Schmerzen  im 
Kreuze  und  (Jnterleibe  Hessen  nach,  die  Erosionen  heilten, 
die  Blennorrhoe  verminderte  sich.  Dieselbe  gebrauchte 
26  Soolbäder  mit  Mutterlauge  bis  auf  20  Liter  steigend  bei 
täglichem  Gebrauche  von  3 — 5  Pfund  Trauben. 

4.  Frau  v.  B,^  23  Jahre  alt,  5  Jahre  verheirathet, 
nie  schwanger,  leidet  an  Anteversio  uteri,  die  Vaginalportion 
stark  nach  hinten,  Uterus  schmerzhaft,  die  Lippen  erodirt. 
Die  Stellung  der  Gebärmutter  hatte  sich  während  der  Be- 
handlung des  Herrn  Gelieimrath  Carl  Mayer  gebessert,  die 
Erosionen  begonnen  zu  heilen,  übrigens  bestand  beim  Beginn 
der  Cur  noch  Endometritis  und  Intumescens  der  Leber. 
Während  einer  fünfwöchentlichen  Behandlung,  wobei  die  Sonde 
öfters  eingeführt  längere  Zeit  liegen  blieb,  besserte  sich  die 
Stellung  der  Gebärmutter  noch  mehr,  tägiichor  Gebrauch  von 
6  Pfund  Trauben  regelle  die  Darmentleerungen,  die  einen  Zoll 
über  die  falschen  Rippen  herunterragende  Leber  verkleinerte 
sich,  so  dass  die  Kranke  als  geheilt  in  ihre  Heimath  zurück- 
kehrte. Achtundzwanzig  Soolbäder  mit  Mutterlauge  und  In- 
jectionen  verdünnter  Soole  wurden  gebraucht. 

5.  Frau  8ch,,  29  Jahre  alt,  seit  sieben  Jahren  ver- 
heirathet, war  nie  schwanger,  immer  schwach,  bleich,  mager, 
hat  sie  schon  seit  dem  15.  Jahre  vor  dem  ersten  Auftreten 
der  Menstruation  an  hysterischen  Krämpfen  in  dem  heftigsten 
Grade  und  in  den  verschiedensten  Formen  gelitten  und  ist 
vielfach  ohne  Erfolg  behandelt  worden.  Seit  Anfangs  August 
1862  in  Behandlung  des  Herrn  Carl  Mayer  fand  derselbe 
eine  exquisit«*  Anteversio  uteri  und  bei  sehr  unregelmässiger 
Verdauung   hartnäckige  Verstopfung.     Die  Sonde  wurde  öfters 


103  ^'1^*    Verbandlungen  der  Geflellschitft 

applicJrt,  wobei  es  leidlich  ging  und  die  Anteversio  gebessert 
wurde.  Dieselbe  gebrauchte  24  Soolbäder  mit  Mutterlaug- 
zusätzen bis  auf  26  Liter  steigend,  Injectionen  verdunnttf 
Soole  bei  laglichem  Verbrauche  von  4  Pfund  Trauben.  Die 
Oarmentleerungen  wurden  reichlicher,  ein  bis  zwei  Mal  tägMcb, 
das  Aügeineinbefiaden  besserte  sich,  jedoch  traten  während 
der  funfwöchentlichen  Cur  zwei  hysterische  KrampfanfaUe  auf, 
ein  Mal  unmittelbar  nach  der  Entfernung  der  Sonde.  Ob  die 
hysterischen  Krämpfe  später  ausblieben,  darüber  habe  ich 
bis  jetzt  keine  Nachricht. 

6.  Frau  (?.,  26  Jahre  alt,  seit  vier  Jahren  verheirathet, 
hat  vor  drei  Jahren  ein  nicht  ausgetragenes  Kind  geboren, 
welches  bald  nach  der  Geburt  starb.  Seitdem  litt  sie 
an  Digestionsstörungen,  an  Menstruationsbeschwerden,  an 
Blennorrhoe  mit  heftigem  Jucken,  an  Hinfälligkeit,  hysterischen, 
nervösen  AfTectionen.  Die  Untersuchung  ergab  Catarrbus 
pudendorum,  chronische  Metritis  mit  beträchtlicher  Anteversio; 
diese  Erscheinungen  hatten  sich  unter  der  Behandlung  des 
Herrn  Geheimrath  Mayer  gebessert,  jedoch  klagt  die  Kranke 
beim  Beginn  der  Cur  noch  über  Schmerzen  im  Kopfe  und 
Magen,  Appetitlosigkeit,  unregelmässige  Verdauung.  Das  Jucken, 
das  bei  ihrer  Ankunft  noch  vorhanden  war,  verlor  sich  unter 
dem  Einflüsse  der  Soolbäder  vollständig,  die  Erosionen  örtlich 
mit  Solut.  Zinc.  alumin.  und  Injectionen  von  Soole  behandelt 
heilten  vollkommen,  von  Blennorrhoe  keine  Spur  mehr  vor-* 
banden.  Die  Menstruation  stellt  sich  ohne  Schmerzen  ein, 
der  Appetit  wird  gut,  Darmentleerungen  regelmässig,  wobei 
das  Aligemeinbefinden  ein  gutes  wurde.  Vom  23.  September 
bis  zum  25.  October  nimmt  dieselbe  26  Soolbäder  bis  auf 
28  Liter  Mutterlauge  steigend  bei  täglichem  Verbrauche  von 
4  Pfund  Trauben. 

Mögen  diese  Krankengeschichten  Ober  Anteflexionen  und 
Anteversionen  genügen,  um  den  wahren  Wer th  der  Soolbäder 
mit  Traubencur  auf  genannte  Erkrankungen  beurtheilen  zu 
können.  Nur  noch  einige  Fälle  von  Retroflexionen  und  andere 
Gebärmutterkrankheiten  sollen  näher  beigefügt  werden. 

7.  Frau  8ch,,  32  Jahre  alt,  seit  13  Jahren  verheirathet, 
hat  vier  Kinder  geboren,  das  letzte  vor  10  Jahren,  und  leidet 
seit  dieser  letzten  Geburt,  in  Folge  einer  heftigen  Metrorrhagie, 


fdr  Gebartshüife  in  Berlin.  109 

an  hysterischen  KrampfanfaJien ,  die  besonderH  uach  An* 
strengungen  und  Aufregungen  einUreten.  Bereits  im  Juhre  1861 
wurde  sie  von  Carl  Mayer  nf)it  selir  gulem  Erfolge  nach 
Franzensbad  geschickt,  im  Mai  1862  kam  sie  wieder  in 
seine  Behandlung,  klagt  seit  Weibnachten  über  Herzklopfen, 
hysterische  Krämpfe,  dabei  war  die  Digestion  nicht  recht  in 
Ordnung,  der  Magen  empfindlich,  der  Geschmack  oft  sauer, 
der  Stuhl  sparsam.  Die  Menstruation  war  regelmässig,  mit 
Schmerzen  verbunden,  Blennorrhoe  nicht  sehr  copiös,  die 
Vaginalportion  nach  vorn  geneigt,  der  Uterus  geschwollen, 
schmerzhaft,  nach  hinten  gerichtet,  die  Lippen  in  .zwei  grosse 
Lappen  getheiit,  deren  innere  aufgewulstete  Flächen  stark 
erodirt.  Nach  längerer  örtlicher  und  innerer  Behandlung 
besserte  sich  das  Uterinleiden,  die  Kranke  gehrauchte  zur 
Nachcur  nochmals  Franzensbad,  von  wo  sie  nicht  so  wohl,  wie 
im  vorigen  Jahre,  zurückkehrte.  Am  18.  September  1862 
trifft  sie  zum  Gebrauch  der  Traubencur  und  Soolbäder  hier 
ein,  ffihlt  sich  angegriffen,  schwach,  reizbar,  klagt  über 
Seitenschmerzen,  Magenleiden,  namentlich  über  anhaltendes 
heftiges  Aufstossen,  über  Weinkrämpfe,  die  Beschaffenheit  des 
Uterus  ist  etwas  besser,  jedoch  bestehen  noch  Erosionen 
und  Blennorrhoe.  Beim  Gebrauche  von  24  Soolbädern  mit 
8  Liter  Mutterlauge  und  5  Pfund  Trauben  täglich,  womit 
örtliche  Behandlung  mittels  Solut  Zinc.  alum.  verbunden  wird, 
heilen  die  Erosionen,  Blennorrhoe  wird  vollkommen  beseitigt, 
die  Menstruation  am  7.  October  regelmässig,  schmerzlos, 
Herzklopfen  lässt  nach,  Digestion  in  Ordnung,  regelmässige 
Ausleerung,  so  dass  die  Kranke  am  19.  October  als  geheilt 
in  ihre  Heimath  zurückkehrt. 

8.  Frau^.,  25  Jahre  alt,  seit  drei  Jahren  verheirathet, 
war  nie  schwanger,  dabei  leidet  sie  an  heftiger  Dysmennorhoe, 
die  Schmerzen  beginnen  gewöhnlich  mit  dem  Eintritte  der 
Mensti*uation,  dauern  einige  Tage  fort,  nachher  folgt  reichliche 
Blennorrhoe.  Am  29.  August  kommt  die  Kranke  hierher,  der 
Uterus  ein  wenig  nach  hinten  gekrümmt,  bei  Druck  schmerz- 
haft, im  Umfang  des  Orificium  die  Schleimhaut  gelockert, 
erodirt,  scharlachroth.  Ich  behandelte  dieselbe  örtlich  mittels 
Sonde,  wegen  der  beträchtlichen  Hyperämie  des  Orificium  nahm 
ich  zwei  Mal  Scariiicationen  vor,  ätzte  mit  SoluL  argent  nitr. 


110  Vir.    V^rhandlnngea  der  OeMlltchaft 

ein  Mal,  wobei  die  Kranlie  Soolbäder  und  Traubeocur  ge- 
brauchte, womit  noch  laue  Injectionen  verduniiter*  Sooie  ver- 
bunden werden.  Am  4.  September  1862  steille  sich  die 
Menstruation,  wie  früher,  mit  Schmerzen  ein,  während  am 
9.  October  dieselbe  ganz  ohne  Schmerzen  eintritt,  die  Steiiinig 
der  Gebärmutter  gebessert,  Blennorrhoe  geheilt,  so  dass 
Patieniin  am  9.  October  vollkommen  hergestellt  Dürkheim 
verlässl.  Im  Ganzen  wurden  30  Soolbäder  mit  16  Liter 
Mutterlauge  und  4  Pfund  Trauben  täglich  verbraucht. 

9.  Frau  M,^  51  Jahre  alt,  seit  neun  Jahren  verheiralhel, 
hat  bereits  sechs  Kinder  geboren ,  das  letzte  vor  einem  Jabre, 
seit  welcher  Zeit  zum  Theil  ihr  gegenwärtiges  Leiden  herrührL 
Froher  immer  gesund  und  kräftig  trat  in  der  letzten  Schwanger- 
schaft nach  körperlichen  Anstrengungen  eine  reichliche  Hämoptoe 
ein,  die  sich  öfters  wiederholte,  bei  der  sich  aber  weiter 
kein  Husten  einstellte.  Nach  dem  letzten  Wochenbette  traten 
dysmennorrboische  Beschwerden  ein,  es  gingen  der  Menstruation 
acht  Tage  laug  bedeutende  gastrische  Störungen,  Magen- 
beschwerden mit  belegter  Zunge,  Uebelkeiten,  Schmerzen  in 
den  Gliedern,  Ziehen  im  Kreuze  nach  den  Schenkeln  voran 
und  nachher  folgte  Blennorrhoe.  Die  immer  sehr  copiöse., 
4 — 5  Tage  dauernde  Menstruation  fehlt  seit  12  Wochen  ganz, 
die  Leber  unter  den  kurzen  Rippen  etwas  hervorragend,  beim 
Drucke  schmerzhaft,  der  Uterus  tief  stehend,  nach  hinten 
leicht  gekrümmt,  die  Vaginalportion  tief  nach  vorn,  der  ganze 
Uterus  beim  Di*ucke  von  aussen  und  innen  schmerzhaft,  die 
innere  Fläche  der  Lippen  bis  über  den  Rand  des  Orilicium 
hinaus  beträchtlich  erodirt,  die  Schleimhaut  aufgewulstet, 
leicht  blutend.  Die  Sonde  lässt  sich  leicht  nach  hinten  ein- 
fuhren und  richtet  den  Uterus  leicht  auf,  doch  nicht  ohne 
Sclimerzen.  Die  Untersuchung  der  Brust  ergiebt  in  der  rechten 
Fossa  supraspinata  unbestimmtes  Athmen.  Unter  diesen  Um- 
ständen beginnt  die  sehr  heruntergekommene  Kranke  am 
16.  September  1862,  bei  vorsichtigem  Gebrauche  der  Trauben 
die  Soolbäder,  denen  anfangs  2  Liter  Mutterlauge  aümäfig 
steigend  bis  zu  10  Liter  zugesetzt  werden,  bei  welcher  letzteren 
Dose  die  Schwäche  wieder  zunahm,  so  dass  das  Mutteriaug- 
quantum  wieder  verringert  werden  musste;  hierbei  werden 
Injectionen  lauer  Soole  und  Eingiessungen  einer  Solut.Ziuc.  alum. 


mr  0«bartohfilfe  in  Berlin.  Hl 

verbunden  mit  zeilweiser  Aufrichtung  des  retroflectirten  Uterus, 
bei  weicbev  Bebandiung  die  Kranke  nach  funfwöchentJicheni 
Gebrauche  sich  so  erholte,  dass  das  Allgemeinbefinden  bei 
einer  Körpergewicbtszunahnie  von  5  Pfund  ein  ToUkommen 
gutes  wurde,  bei  Vermiuderung  der  Blennorrhoe  und  Heilung 
der  Erosionen. 

Noch  einige  Fälle  chronischer  Metritis  mögen  hiei  eine 
Stelle  finden,  für  die  schon  v.  Kitvisch  die  Soolbäder  empfiehlt 

10.  Frau  8. ,  21  Jahre  alt,  seil  2%  Jahren  verheirathet, 
gebar  vor  einem  Jahre  ein  Kind,  litt  vor  und  nachher  an 
sehr  profuser  Menstruation,  an  Blennorrhoe,  an  Verdauungs* 
und  Brustbeschwerden,  an  schweren  Stuhlentleerungen.  Die 
Vaginalportion  steht  stark  nach  hinten,  die  Lippen  sind  in 
zwei  grosse  Lappen  gerissen,  aufgewulstet,  umgeworfen,  die 
aufgewulstete  innere  Fläche  ist  stark  papillär  erodirt,  scharlach- 
roth,  blutend,  der  ganze  Uterus  ist  geschwollen  und  schmerz- 
haft; chronische  Metritis  mit  papillären  Erosionen,  mit 
Congestionen  nach  den  Beckenorganeu ;  ausserdem  klagt  die 
Kranke  über  Brustbeschwerden,  Husten  mit  blutig  geßrbten 
Sputis,  Heiserkeit.  Die  Untersuchung  der  Brust  ergiebt,  mit 
Ausnahme  unbestimmten  Athmungsgeräusches,  in  der  rechten 
Fossa  supraspinata  keine  Veränderung.  Am  17.  September 
beginnt  die  Kranke  die  Traubencur  mit  kldnen  Dosen  3  Pfund 
täglich  beginnend  und  allmälig  auf  6  Pfund  steigend,  wodurch 
die  Verdauungsbeschwerden  gehoben,  die  Stuhlentleerungen 
geregelt,  die  Heiserkeit  vermindert  sich  hierbei:  den  Sooibädern 
werden  kleine  Zusätze  Mutterlauge  von  2 — 8  Liter  beigefugt, 
Injectionen  lauer  Soole,  wegen  der  Hyperämie  der  Vaginal- 
portion Scarificationen  und  Eingiessungen  von  SoluL  Zinc.  alum. 
Die  Kranke  gebraucht  bis  zum  28.  October  die  hiesige  Cur, 
ihre  Klagen  werden  seltener,  das  Uterusleiden  ist  gebessert, 
die  Blennorrhoe  gemindert  und  die  Erosionen  beginnen  zu  heilen. 

11.  Frau  V.  B,,  37  Jahre  alt,  seit  17  Jahren  ver- 
heirathet hat  sieben  Mal  geboren,  die  beiden  letzten  Male 
zu  fräh  im  siebenten  Monate,  das  letzte  Mal  vor  vier  Jahren, 
seit  welcher  Zeit  sie  leidend  geblieben  ist,  über  Unordnungen 
der  Menstruation  geklagt  hat,  welche  thcils  Folge  der  früh- 
zeitigen Geburten,  der  gewaltsamen  Lösungen  der  Placenta 
bei  einigen  Geburten,  der  dadurch  bedingten  papillären  blutenden 


112  ^^^'    Verhandtnngen  der  G^Benschaft  etc. 

£rosioDßn   der   Lippen    und    des  Cervicalcanals ,    tiieils    Folge 
von  Abdominal -Plethora,   Leberaffeclionen  sind.   «Der  ülenis 
war    beträcliUich    iiitumescirt,    die    blutenden,    vüliiininös<*n, 
aufgelockerten   Lippen    sehr    erodirt   und   stark    nacli    hinten 
gericbtet,  die  Menstruation   profus  und   in   der  Zwischenzeit 
zeigt  sich  blutige  seröse  Absonderung.    Diese  Symptome  waren 
nach  (1er  Behandlung  von  Seite  des  Herrn  Geheinirath  Mayer 
gebessert,   jedoch   traten   zuweilen   Recidive   ein,    besonders 
blutige  Absonderung  aus  den  Genitalien.    Die  Kranke  beginnt 
am  17.  September  die  hiesige  Cur,  die  Soolbäder  werden  in 
der   ersten  Zeit   einfach   gegeben,   später   kleine  Zusätze   ?on 
Mutterlauge  gemacht,   welche   die  Kranke  selbst  ein  Mal  auf 
18  Liter  steigerte,  es  trat  alsdann  wieder  blutige  Absonderung 
mit  grosser  Verstimmung  ein,  ich  liess  dann  kleine  Mutterlaug- 
Zusätze    von    8    Litern    bis    zur    Beendigung    der    Cur    am 
16.  October   machen,   wobei   sich   die   Dame   wohler   fühlte, 
die   Menstruation    tritt  normal,    nicht   so   copiös   wie    früher 
ein,    die    blutige    Absonderung    wird    vollkommen    beseitigt, 
das  Allgemeinbefinden  ist  so  gut,   dass  am  Schlüsse  der  Cur 
eine  Körpergewichtszunahme  von  3  Pfund   zu  constatiren  ist 
Der  tägliche  Gebrauch  von  3 — 5  Pfund  Trauben  regelte  die 
Verdauung. 

12.  Frau  Jf.,  34  Jahre  alt,  seit  14  Jahren  verheirathet, 
lebte  bis  vor  sieben  Jahren  in  kinderloser  Ehe,  consultirle 
damals  Herrn  Geheimrath  Mayer ,  welcher  Anteflexio  und 
Endometritis  fand,  sie  längere  Zeit  behandelte  und  dann 
Soden  und  Durkheim  gebrauchen  liess.  Seit  fünf  Jahren  hat 
dieselbe  drei  Kinder  geboren;  das  letzte  im  April  1862, 
seitdem  ist  sie  leidend  geblieben,  wurde  lange  mit  Eisenmitteln 
behandelt,  weil  sie  im  Wochenbette  viel  Blut  verloren  und 
anämisch  wurde.  Seit  jener  Zeit  klagt  sie  über  eine  plötzliche, 
rasch  vorübergehende  Bewusstlosigkeit  bis  zum  Umfall  und  über 
einen  plötzlich  auftretenden  von  der  Mittelzohe  ausge^henden 
heftigen  Krampf  des  rechten  Fusses.  HiTr  Carl  Mayer  fand 
Melritis  chronica,  schmerzhaften  angeschwollenen  Uterus, 
verordnete  Blutegel  und  liess  ausleerende  Mittel  nehmen. 
Am  7.  September  beginnt  sie  die  hiesige  Cur,  nimmt  bis 
zum  8.  October  26  Soolbäder,  denen  Mutterlauge  bis  zu 
80  Liter  steigend   zugesetzt  wurde,   bei  täglichem  Gebrauche 


VJII.     HüUr,  lieber  AoteTer^io  uteri  graridi.  Hg 

von  4  Pfund  Trauben,  weiche  die  Darmentleerungen  be- 
thätigen,  die  von  der  Zehe  ausgehenden  Schmerzen  sind 
beseitigt,  anstatt  dessen  bleibt  noch  ein  Gefühl  von  Ein- 
geschlafensein in  der  Zehe  zuiiick,  in  der  ersten  Woche  ihres 
Hierseins  ti^elen  häußge  Anfalle  von  Bewussüosigkeit  auf,  die 
vom  24,  September  an  vollständig  ausbleiben. 

Mit  den  vorliegenden  Krankengeschichten  beabsichtige 
ich  durchaus  nicht,  die  in  vielen  Fällen  herbeigeführten 
Besserungen  und  Heilungen  den  Bädern  und  den  Trauben 
allein  zuzuschreiben,  sondern  betrachte  dieselben,  wie  oben 
angedeutet,  als  kräftiges  Unterstülzungsmillel  für  üterin- 
erkrankungen ,  bei  denen  entweder  eine  entsprechende  örtliche 
und  allgemeine  Behandlung  vorausging,  oder  dieselbe  noch 
mit  der  Cur  selbst  verbunden  wurde.  Bezüglich  der  physio- 
logischen Wirkung  der  Soolbäder,  so  muss  ich  mir  diese 
Arbeit  für  einen  späteren  Aufsatz  vorbehalten,  während  ich 
über  die  Wirkung  der  Traubencur  auf  meine  im  vorigen  Jahre 
bei  Hirschwald  in  Berlin  erschienene  Schrift  verweise. 


VIII. 

üeber  Anteversio  uteri  gravidi. 

Von 

Dr.  T.  Hüter, 

Privatdocent  In  Harburg. 

Vergleicht  man  die  Literatur  über  Retroversio  uteri  gravidi 
mit  der  über  Anteversio  uteri  gravidi,  so  wird  man  sich  von 
einem  grösseren  Reichthume  der  ersteren  und  einem  verhältniss- 
mässig  spärlichen  Vorhandensein  der  letzteren  überzeugen. 
Man  könnte  demnach  glauben,  zu  der  Annahme  berechtigt  zu 
sein,  dass  die  erstgenannte  Lageveränderung  des  Uterus  viel 
häufiger  als  die  letztgenannte  vorkomme.  Es  ist  jedoch  das 
Gegentheil  durch  unabweisbar  sichere  Thatsachen  constatirt 
worden.  Die  Anteversio  uteri  gravidi  ist  nämlich  in  den 
ersten  drei  Schwangerschaftsmonaten,  wenn  auch  in  geringem 

Monatoscbr.  f  Oebnrtok.  1868.  Bd.  XXII.,  Hft.  2.  8 


114  Vlll.     HiU^Ty  Ueber  Anteversio  ateri  graridi. 

Grade  so  hitifig,  dagg  man  diese  LageTeränderung  zu  diesn* 
Zeit  gar  nicht  als  pathologisch  auffassen  darf.  Zu  dieser 
Ansicht  ist  man  auch  aus  dem  Grunde  berechtigt,  weÜ  das 
Leiden,  wenn  es  in  unbedeutendem  Grade  besteht,  keine 
lästigen  und  gefährlichen  Symptome  hervorruft  Diese  treten 
erst  dann  ein,  wenn  die  Anteversio  uteri  einen  höheren  Grad 
erreicht  In  seltenen  Fällen,  wenn  ein  sehr  hoher  Gra<l  des 
Leidens  zu  Stande  gekommen  ist,  nehmen  die  Symptome 
einen  solchen  Charakter  an ,  dass  man  glauben  kann ,  es  leide 
die  Schwangere  an  Retroversio  uteri. 

Ich  hatte  Gelegenheit,  mich  bierron  in  zwei  Fälien  zu 
fibiTzeugen.  Bevor  ich  deren  ausführliche  Beschreibung  liefere, 
glaube  ich  die  älteren  Beobachtungen  ober  Anteyersie  uteri 
gravidi  voranstellen  zu  nifisgen. 

Zugleich  will  ich  hier  darauf  aufmerksam  machen,  dass 
nur  die  Fälle  in  Betracht  kommen  können,  in  welchen  die 
Anteversio  uteri  gravidi  im  Beckenraume  statthatte,  dass  da- 
gegen das  Vorwärtsneigen  des  Grundes  der  schwangeren 
Gebärmutter  in  den  späteren  Monaten,  besser  unter  dem 
Namen  des  Hängebauches  bekannt,  ausser  Betracht  bleibt 

I.  Baudelocque  (L'Art  des  accouchemens.  Tom.  1. 
Nouvelle  Edit,  Paris  1789,  p.  148)  schreibt  in  einer  An- 
merkung: ^M,  Ghopparty  notre  confrere,  nous  a  communique 
un  exemple  d*ante-version  de  matrice  chez  une  femme  grosse 
de  deux  niois,  qui  ne  sembloit  avoir  eu  d'autre  cause  que 
les  efl'orts  du  vomissenient" 

IL  Mad.  Boivin  (Boivin  und  Dug^a^  Traite  pratique 
des  maladies  des  Tuterus  et  de  ses  annexes.  Paris  1833. 
Tom.  L,  p.  116)  berichtet  mit  folgenden  Worten  über  ein 
Beispiel  von  Anteversio  uteri  gravidi:  „Le  fond  de  la  matrice 
s'etait  incline  en  avant  plus  bas  que  le  col,  et  la  reduction 
paraissait  impossible;  mais  la  nalure  seule  en  vint  ä  bout 
Sans  difficulles  par  les  progres  m^mes  de  Taccroissement  de 
In  matrice,   qui   fut   ainsi  forcee  de  s'elever  dans  Tabdomen.** 

IH.  Nad.  Boivin  (p.  134)  beobachtete  bei  einer  Frau, 
welche  im  nicht  schwangeren  Zustande  an  Anteversio  uteri 
behandelt  war,  den  Eintritt  der  Schwangerschaft.  Zwei  Monate 
nach  dem  Beginn  derselben  bekam  die  Frau  Schmerzen  hinter 
den  Schambeinen  und  zugleich  heftiges  Erbrechen.    Ein  starker 


VIII.     Hüier,  üeher  AnteTernio  uteri  grayidl.  115 

Aderiass  hraehl«  Erleichtening.  Einige  Zeit  darntif  traten 
dieselben  Symptome  em,  wurden  aber  auch  beseitigt,  so  dnss 
die  Schwangerschaft  ohne  weiteren  Zufall  ihr  normales  Ende 
erreichte. 

IV.  Hachmann  (Magazin  der  ausländ.  Literatur  der 
ges.  Heilk.  u.  s.  w.,  von  0er son  uud  Julius,  Hamburg  1834. 
8.  Bd.,  S.  852)  beobachtete  eine  Anteversio  uteri  bei  einer 
im  dritten  Monate  schwangeren  Frau,  welche  zwei  Jahre  vorher 
abortirt  hatte,  in  Folge  eines  Fehlti*itts  auf  der  Treppe  des 
Hauses.  Die  hierdurch  verursachte  Erschütterung  des  Körpers 
rief  sogleich  die  lebhafteste  Schmerzen  in  der  Magengegend 
und  in  dem  rechten  Hypochondrium  hervor.  Diese  Schmerzen 
dauerten  unter  Fiebersymptomen  und  heftigem  Drängen  zum 
Harnlassen  zwei  Tage  an.  Der  Zustand  wurde  als  entzQndlidie 
Unterleibsaffection  behandelt,  bis  am  dritten  Tage  die  Vaginal- 
exploration  vorgenommen  wurde,  deren  Ergebniss  folgendes 
war:  Hinter  der  Symphyse  lag  eine  halbkugelige  elastisch 
weiche  Geschwulst,  welche  in  die  mittlere  Apertur  des  kleinen 
Beckens  hinabragte  und  die  vordere  Scheidenwand  bedeutend 
nach  unten  drängte.  Die  Vaginalportion  lag  hinten  in  der 
Aushöhlung  des  Kreuzbeines  gegen  das  Rectum  gedrängt. 

Mit  dem  elastischen  Katheter  wurde  nun  eine  grosse 
Menge  Urin  entleert.  Dies  wurde  am  Abend  desselben  Tages 
wiederholt  und  hierauf  die  Reposition  des  antevertirten  Uterus 
vorgenommen.  Zu  diesem  Zwecke  wurde  die  Kreuzgegend 
etwas  erhöht  gelagert.  Ein  Druck  gegen  die  tiefste  Steile 
der  vorderen  Vaginalwand,  welcher  mit  den  vier  Fingern  der 
rechten  Hand  ausgeübt  wurde  uud  für  die  Kranke  höchst 
schmerzhaft  war,  bewirkte,  dass  der  Uterus  aus  dem  kleinen 
Becken  sich  ^hob  und  der  Muttermund  in  die  Föhrungs- 
lini«  trat. 

Die  Schwangere  musste  noch  einige  Tage  hindurch  die 
Röckenlage  beibehalten.  Die  Schmerzen  und  Fiebersymptome 
hörten  auf.  Es  trat  völlige  Genesung  ein.  Nach  26  Wochen 
erfolgte  eiae  natürliche  Geburt 

V.  Wilcke  (Casper^s  Wochenschr.,  1838,  No.  52;  vergl. 
Sehmidfs  Jahvh.,  23.  Bd.,  S.  76)  hat  unter  der  Ueberschrift 
,^V<erwärtabeugung  der  Gebärmutter'*  eine  Beobachtung  ver- 
öffentlicht,   welche,    wie  es  scheint,   diese  Bezeichnung  nicht 


116  Vm*     Hüter,  Ueb«r  AnteTertio  atari  gravidi. 

verdient.  Eft  handelte  sich  niinlich  um  die  Entbindung  einer 
Erstgebärenden  am  Ende  der  Schwangerschaft,  bei  wekher 
das  vordere  Scheidengewölbe  durch  den  voriiegenden  Kindstheii 
stark  herabgedrängt  und  der  Muttermund  in  Folge  desseii 
weit  nach  hinten  gestellt  war. 

Godefroy  (Annales  de  gynecologie  et  de  pediatrique 
par  M,  Schönfdd,  Tom.  II.,  Serie  IL,  9.  Livraison,  Juiii, 
Bruxelles  1842,  p.  303)  hat  folgende  Beobachtungen  gemacht: 
VI.  Eine  Frau  mit  grossem  Becken,  weJche  bereits  zwei 
Kinder  geboren  hatte,  empfand  im  August  1839,  zu  welcher 
Zeit  sie  sich  im  vierten  Schwangerschadsmonat  befand,  die 
Symptome  von  Schwere  im  Becken,  von  Reissen  beiderseits 
in  der  Leistengegend  und  von  beständigem  Bedörfniss  zum 
ürinlassen.  Trotz  der  stärksten  Anstrengung  Hess  die  Kranke 
jedes  Mal  nur  einige  Tropfen  Urin.  Dabei  schrie  sie  vor 
Schmerz  und  Angst  und  wälzte  sich  mit  geröthetem  Gesichte 
unruhig  im  Bette  umher.  Die  Vaginalschleimhaut  war  unter 
dem  beständigen  Pressen  gegen  die  Schamspalte  hingedrängt. 
Die  Regio  hypogastrica  war  bei  Druck  empfindlich.  Das 
Collum  uteri  stand  hinten  und  hoch.  Vom  befand  sicli  eine 
abgerundete  Geschwulst,  welche  gegen  die  Schambeine  drückte. 
Es  wurde  nach  diesem  Befunde  eine  Anteversio  uteri  diagnosticlrL 
Ein  Katheter,  welcher  in  die  Blase  gefuhrt  wurde,  hatte  den 
Erfolg,  dass  ungefähr  ein  Glas  voll  Urin  abfluss.  Mit  dem 
Kaibeter  konnte  man  den  Fundus  uteri  in  querer  Richtung 
an  den  Wänden  der  Blase  erkennen. 

Als  die  Kranke  wie  zu  einer  schweren  Entbindung  ge- 
lagert war,  wurde  die  Gebärmutter  mit  den  beiden  Zeige» 
tingern,  von  denen  der  eine  in  die  Vagina,  der  andere  in 
das  Rectum  eingeführt  wurde,  in  senkrechte  Stellung  gebracht 
Diese  Manipulation  war  schmerzhaft  für  die  Kranke,  weiche 
sehr  empfindlich  war,  und  ermüdend  für  den  Operateur,  weil 
die  Schamhaftigkeit  der  Frau  ihm  bei  dem  Reponiren  hinder- 
lich war.  Eine  ruhige  Lage  im  Bette,  welche  die  Kranke 
einige  Tage  lang  beobachten  musste,  vollendete  die  Heilung. 
VII.  In  dem  folgenden  Jahre  traten  bei  der  Frau  zu 
derselben  Zeit  (4.  Monat)  einer  neuen  Schwangerschaft  die- 
selben Zufälle  ein.  Oodefroy  war  verhindert,  sich  zu  der 
Schwangeren  zu  begeben  und  ertheilte,   durch  die  Symptome 


VIII.    jgrittdr,  Ueber  Antevertio  Qteri  graridi.  117 

von  dem  Bestehen  der  Antevergio  uteri  überzeugt  >  d^m 
Ehemanne  der  Schwangeren  den  Ratb,  diese  in  die  Lage  zu 
bringen,  dass  der  Kopf  mit  den  Händen  auf  dem  Fussboden 
und  die  unteren  £xti*eroitäten  auf  dem  Betle  ruhten.  Bei 
dieser  Lagerung  wurde  beabsichtigt,  dass  die  Eingeweide  durch 
ihre  Schwere  gegen  das  Zwerchfell  gezogen  wurden.  Dadurch 
sollte  die  Gebärmutter  vom  Drucke  befreit  werden,  vermöge 
ihrer  Schwere  die  Neigung  gegen  die  Mitte  des  Leibes  hin 
bekommen  und  in  Folge  dessen  ihre  normale  Stellung  wieder 
eimehmen. 

Der  Erfolg  war  günstig.  Kaum  hatte  die  Frau  15  Minuten 
in  dieser  Lagerung  verhant,  so  fühlte  sie  sich  erleichtert. 
Das  Gefühl  der  Schwere  war  verschwunden.  Sie  legte  sich 
wieder  zu  Bett  und  war  nach  einigen  Tagen,  welche  sie  in 
ruhiger  Lage  hinbrachte,  wieder  geheilt. 

VUL  Die  folgende  Beobachtung  ist  zuverlässiger,  weil 
Godefroy  die  Anteversion  durch  die  Untersuchung  feststellte. 
Die  Kranke,  welche  seit  3V2  Monaten  schwanger  war,  wurde 
ebenfalls  in  die  vorher  beschriebene  Lage  gebracht.  Man 
musste  sie  dabei  an  den  Schultern  halten.  Nach  20  Minuten 
konnte  man  durch  die  Untersuchung  feststellen,  dass  der 
Uterus  sich  wieder  in  seiner  normalen  Stellung  befand. 

IX.  Die  sehr  grosse  und  kräftige  Frau  (?.,  welche  bereits 
drei  Kinder  nach  jedes  Mal  regelmässig  verlaufener  Schwanger- 
schaft natürlich  geboren  hatte,  war  in  den  ersten  Tagen  des 
Monat  Juni  1862  zum  letzten  Mal  nienstruirt  und  wurde 
nach  dieser  Zeit  zum  vierten  Male  schwanger.  Abgesehen 
von  zuweilen  eintretendem  Erbrechen  und  Widerwillen  gegen 
gewisse  Nahrungsmittel  verlief  die  Schwangerschaft  bis  zum 
3.  September  ohne  Störung.  An  diesem  Tage  war  die  Frau 
mit  dem  Waschen  des  Fussbodens  in  ihrem  Wohnzimmer 
beschäftigt,  wobei  sie  sich  meist  in  gebückter  Stellung  befand 
und  üfter  niederkniete.  Wahrend  dieser  Beschäftigung  stellten 
sich  Schmerzen  in  der  Sacralgegend  ein,  welchen  sich  auch 
ein  sehr  lästiges  Drängen  zum  Harnlassen  und  zur  Stuhl- 
entleerung  zugesellte.  Diese  Beschwerden  hörten  am  4.  und 
5.  September  nicht  auf,  wurden  vielmehr  am  6.  September, 
an  welchem  Tage   auch  Blutfluss   aus  den  Geschleehtstheilen 


118  VIII.    HüUTy  Ueber  ADteversU  uteri  ip-iiriAi. 

io  massiger  Menge  hiuzutuini,   so  hefiig,   das»  ^  Frau  ach 
enUcbloes,  meine  HOlfe  in  Anspruch  zu  nehmen. 

Ich  traf  die  Frau  am  Nachmittage  stark  schwitzend  und 
mit  ängstlichem  Gesichtsausdrucke  im  Bette  sitzend.  Sie  hielt 
sich  mit  beiden  Händen  an  den  Seiten  dieses  fest  und  presste 
mit  Hülfe  der  Bauchmuskeln  und  des  Zwerchfelles  mehrmals 
rasch  hintereinander  so  stark,  wie  eine  Frau,  welche  sich  in 
der  Austi*eihungsperiode  befindet.  Dabei  klagte  sie  über  an- 
dauernde Sacralschmerzen,  sehr  lästigen  Druck  im  Becken  und 
beständiges  Drängen  zum  Harnlassen  und  zur  Stuhlen Üeerang. 

Mit  Widerstreben  liess  sich  die  Frau  bewegen,  die  Racken- 
läge  anzunehmen.  Als  dies  bewerkstelligt  war,  applicirte  i<^ 
einen  elastischen  Katheter,  aus  welchem  eine  geringe  Menge 
Urin  ausfloss.  Ein  Druck  oberhalb  der  Symphyse  brachte 
keine  weitere  Harnentleerung  zu  Stande.  Die  Palpaiion  des 
Leibes  war  sehr  erschwert,  weil  die  Bauchmuskeln  in  fast 
ununterbrochener  Conlraclion  verharrten.  Doch  gelang  e^ 
mir  dadurch,  dass  ich  in  einem  kurzen  Zeitabschnitte,  während 
dei^sen  die  Kranke  auf  mein  Auffordern  stark  ausathmete, 
meine  Finger  unmittelbar  über  der  Symphyse  in  der  Richtung 
gegen  die  Wirbelsäule  hin  tief  eindruckte,  einen  festen  Tumor, 
der  sich  etwa  einen  Zoll  über  der  Symphyse  erhob,  nach- 
zuweisen. 

Die  innere,  mit  meinem  linken  Zeigefinger  vollzogene 
Untersuchung  lieferte  folgendes  Ergebniss.  Das  vordere  Scheiden- 
gewölbe war  durch  eine  prall  anzufühlende  und  gleichmässig 
gespannte  Geschwulst  sehr  tief  berabgesenkt  und  beim  Ein* 
drücken  mit  meinem  Finger  schmerzhafL  Die  Vaginalportion 
konnte  ich  anfangs  nicht  ausfindig  machen.  Ich  liess  daher, 
um  njeiuen  Ellenbogen  besser  senken  und  dadurch  meinen 
Zeigefinger  besser  nach  hinten  und  in  die  Höhe  führen  zu 
können,  die  Kreuzgegend  der  Kranken  durch  ein  dickes  Polster 
erhöhen  und  erreichte  nach  dieser  Vorbereitung  die  Vaginal- 
portion. Dieselbe  bildete  mit  der  Geschwulst  ein  Conthiuom, 
lag  in  der  Aushöhlung  des  Kreuzbeins,  war  fast  1  Zoll  laug 
und  hatte  eine  ziemlich  derbe  BescliafTenheit.  Ihre  Längenaclise 
stand  fast  senkrecht  zu  der  Kreuzbeinflache.  Die  Muttermunds- 
lippen w^ren  mit  der  hinteren  Vaginalwand  in  solcliem  Contact, 
dass   es  schwer  war,  die  Fingerspitze   in   die  Multermoods- 


yill.    HiUm-,  Uel>«r  Antev«r«io  utorl  graridi.  ]19 

ölfoiuig  bineiozubriugen.  Düouoch  gelang  es  niii*,  mit  derselben 
eine  kurze  Strecke  in  dem  Cervicalcanal  vorzudringen  und 
»>inige  kleine  Blatcoagula  in  diesem  wahrzunehmen.  Wäbi-end 
die  Kranke  die  Bauchmuskeln  und  das  Zwerchfell  in  Thätigkeii 
setzte,  wurde  der  Contact  der  Vaginalporlion  mit  der  hinteren 
Vaginalwand  so  innig  und  fest,  dass  es  ganz  unmöglich  war, 
den  Finger  zu  dem  äusseren  Muttenuunde  zu  führen.  Das 
Rectum  war  in  Folge  der  am  Vormittage  stattgehabten  Stuhl- 
entleerung leer.  Meine  linke  Hand  war  durch  die  Unter- 
suchung mit  viel  Blut  beschmutzt. 

Ich  hatte  nun  die  Gewissheit  erlaugt,  dass  der  Fundus  uteri 
hinter  der  Symphyse  lag,  das  vordere  Scbcidengewolbe  durch 
die  vordere  Wand  des  Uterus  tief  herabgedröckt  wurde  und  somit 
ein  bedeutender  Grad  von  Anteversio  uteri  gravidi  vorhanden 
war.  Das  Fortbesteheu  dieser  LageabweichuHg  der  Gebarmutter 
rausste  mit  der  allergrössten  Wahrscheinlichkeit  den  bereits 
drohenden  Abortus  in  den  Gang  bringen,  während  nach  der 
Reposition  der  antevertirten  Gebärmutter  von  der  sistirenden 
Behandlung  des  Abortus  einige  Hoffnung  für  die  Erhaltung 
der  Schwangerschall  zu  erwarten  war. 

Ich  Hess  daher  die  Kranke  Morph,  acetic.  gr.  V2  nehmen 
und  suchte  sogleich  darnach  durch  Zeige*  und  MittelGnger 
meiner  linken  Hand  den  Uterus  hinter  der  Symphyse  in  die  Höhe 
zu  schieben.  Die  Kranke,  welche  dabei  beständig  die  flach« 
Rückenlage  beibeliielt,  empiand  während  dieses  Reposition»- 
Verfahrens  wenig  Schmerz.  Ais  ich  aber  die  Vaginalportion 
von  hinten  her  hakenförmig  mit  meinem  Zeigefinger  umfasste 
und  nach  vorn  zog,  klagte  die  Kranke  .l^ut  über  sehr  hefUgeu 
Schmerz.  Derselbe  hörte  jedoch  nach  Beendigung  dieses  Actes, 
welcher  viel  mehr  als  das  Eniporschieben  des  Uterus  mit  den 
Fingern  dazu  beitrug,  die  Stellung  des  Uterus  zu  verbessern, 
sogleich  auf. 

Obwohl  es  nicht  gelang,  durch  diese  Art  der  Reposition 
die  Anteversio  uteri  vollständig  zu  beseitigen,  so  brachte  ich 
es  doch  dahin,  dass  die  vordere  Vaginalwand  nicht  mehr  so 
tief  stand  und  das  Orilicium  uteri  der  Führungslinie  des 
Beckens  näher  gerückt  war.  Die  Sacralschmerzen  waren 
bedeutend  gemindert,  der  Druck  im  Becken  nicht  mehr  so 
stark.     Der  Blutabgang  war  massig. 


120  Vfll.     HUUr,  Ueber  AnteTertio  uteri  g^ravidi. 

Bei  der  Dach  beendeter  Reposition  vorgenomnnenen  äusseren 
Untersuchung  fand  ich  den  Uterus  etwas*  h6her  ober  der 
Symphyse  stehend.  Hit  der  Anordnung,  dass  die  Schwangere 
in  der  grössten  Ruhe  die  Rückenlage  beibehalten  müsse, 
verliess  ich  das  Krankenzimmer  und  kehrte  am  Abend  nach 
Ablauf  von  etwa  vier  Stunden  wieder  zurück.  Die  Schwangere 
hatte  bald  nach  meinem  Weggehen  zwei  Stunden  lang  ge- 
schlafen. Beim  Erwachen  und  noch  jetzt  klagte  sie  über 
Schwindel  und  Kopfweh.  Der  Drang  zum  Harnlassen  war 
beseitigt,  die  Sdimerzen  waren  ganz  verschwunden  und  nur 
noch  ein  lästiges  Gefühl  von  Druck  im  Becken  zurückgeblieben. 
Die  Metrorrhagie  war  gering  gewesen.  Bei  der  inneren 
Untersuchung  fand  ich  in  der  Vagina  einige  kleine  Blutcoagula. 
Die  mehr  nach  vorn  gerückte  Vaginalportion  war  noch  eben  so 
lang  und  eben  so  derb  wie  vorher.  Zwischen  den  Mutlermunds- 
lippen  steckte  ein  Blutcoagulum.  Den  Versuch,  mit  meinem 
Zeigefinger  in  den  Cervicalcanal  einzudringen,  unlerliess  ich 
aus  Furcht,  hierdurch  zum  Eintritte  des  Abortus  etwas  bei- 
tragen zu  können.  Vor  meinem  Weggehen  ordnete  ich  an, 
dass  die  Kranke  zum  zweiten  Male  Morph,  acet.  gr.  V2  nehmen 
und  ruhig  auf  dem  Rücken  liegen  bleiben  möge. 

Am  Morgen  des  7.  September  fand  ich  die  Kranke,  welche 
sich  von  allen  Schmerzen  frei  fühlte,  in  einem  halb  comatösen 
Zustand.  Die  massig  gefüllte  Harnblase  wurde  mit  dem 
elastischen  Katheter  entleert.  Es  gelang  mir  hierauf,  den 
Fundus  uteri  deutlich  2  Zoll  hoch  über  der  Symphyse  nach* 
zuweisen.  Es  war  immer  noch  etwas  Blut  aus  den  Geschlechts- 
theilen  abgegangen.  •  . 

Am  Nachmittage  desselben  Tages  hörte  ich  die  Schwangere 
noch  über  etwas  Schwindel  und  Kopfweh  klagen.  Der  Blut- 
abgang  hatte  seit  dem  Vormittage  aufgehört.  Das  Urinlassen 
war  willkürlich  und  ohne  Schmerzen  verrichtet  worden. 

Auch  an  den  nächsten  Tagen  traten  keine  Schmerzen 
und  kein  Blutabgang  mehr  ein,  so  dass  die  Frau  acht  Tage 
später  wieder  aufstand. 

Im  weiteren  Verlaufe  der  Schwangerschaft  wurde  die 
Frau  durch  häufiges  Erbrechen  belästigt  und  litt  in  unregel- 
mässigen Intervallen  an  Hydrorrhöe.  Die  abgebende  Flüssig- 
keit betrug  niemals  mehr  als  einige  Unzen. 


VTII.     HiUer;  üeber  Anterertio  uteri  gravidi.  ]21 

Am  4.  MSrz  1863  gebar  die  Frau  nach  funfstöndiger 
Gehurtsdauer  ein  Kind  männlichen  Geschlechts  natürlich  in 
erster  Schädelstellung. 

X.  Frau  jf.,  sehr  gross  und  stark,  gebar  im  October  1859 
ihr  erstes  Kind  ohne  Kunsthillfe.  Nach  Beendigung  des 
Säugungsgeschäfles  bekam  dieselbe  regelmässig  alle  vier  Wochen 
ihre  Periode  wieder.  Am  Ende  September  1862  floss  die 
Menstruation  zum  letzten  Mal  und  hierauf  erfolgte  Conception. 
Ohne  dass  die  Frau  eine  Ursache  anzugeben  wusste,  stellten 
sich  am  23.  December  1862  Kreuzschmerzen,  verbunden  mit 
spärlichem  Blutabgange  aus  den  Geschlechstheilen  ein.  Beide 
Symptome  wurden  an  den  folgenden  Tagen,  an  denen  die 
Frau  ihre  häuslichen  Geschäfte  besorgte,  stärker  und  heftiger 
und  erreichten  am  30.  December  eine  solche  Höhe,  dass  die 
Frau  sich  zu  Bett  begeben  musste  und  um  4  Uhr  Nach- 
mittags mich  rufen  Hess. 

Die  Frau  sass  mit  bleichem  und  ängstlichem  Gesicht  im 
Bette,  klagte  über  sehr  heftige  Sacralschmerzen,  einen  an- 
dauernden Drang  zum  Harnlassen  und  einen  sehr  lästigen 
Druck  in  dem  Becken,  durch  welchen  sie  zu  beständigem 
Drängen  und  Pressen  mit  den  Bauchmuskeln  und  mit  dem 
Zwerchfelle  aufgefordert  wurde. 

Nachdem  ich  die  Frau  in  eine  möglichst  horizontale 
RäcKenlage  gebracht  hatte,  schritt  icli  zur  Vornahme  der 
äusseren  Untersuchung,  welche  jedoch  bei  der  starken  Spannung 
der  Bauchmuskeln  ein  negatives  Ergebniss  lieferte. 

Das  Einfuhren  des  elastischen  Katheters  in  die  Harnblase 
bewirkte  den  Abfluss  von  einer  kleinen  Quantität  Urin.  Vor 
der  Schamspalte  lag  eine  Hand  voll  coagulirten  Blutes.  Als 
ich  den  Zeigefinger  meiner  rechten  Hand  in  die  Vagina  geführt 
hatte,  bemerkte  ich,  dass  die  vordere  Vaginalwand  durch  einen 
ziemlich  festen  Tumor,  welcher  hinter  der  Symphyse  begann 
und  das  kleine  Becken  ganz  ausfüllte,  herabgedrängt  war.  Die 
Vaginatportion,  welche  sich  unmittelbar  an  den  Tumor  an- 
schloss,  befand  sich  hinten  in  der  Aushöhlung  des  Kreuzbeins- 
Sie  fühlte  sich  weich  und  aufgelockert  an  und  bot  das  nun- 
mehr zu  beschreibende  eigentbümliche  Verhalten  dar.  Der 
äussere  Muttermund,  welchen  man  gewöhnlich  als  den  tiefsten 
Theil  der  Vaginalportion  antrifft,  war  in  diesem  Falle  als  am 


132  VI  IL    HiUery  Ueber  Anteversio  ateri  grATidi. 

böcbsleu  slübeiider  Tbeil  der  Vagioalportion  zu  fahlen.  Dies 
röhrte  daher,  dass  das  Collum  uteri  an  der  Stelle,  an  welcher 
die  Vaginalwand  in  die  Vaginalportion  übergebt,  durcli  die 
Lageveränderuog  des  Uterus  eine  Knickung  erlitten  hatte,  in 
Folge  deren  die  Vaginalportion  an  der  hinteren  Vaginalwand 
fest  anliegend  aufwärts  verlief.  Es  war  somit  eine  Retro* 
llexion  des  Collum  uteri  zu  Stande  gekommen.  Der  Knickung^- 
Winkel  wurde,  wenn  die  Frau  durch  die  Thätigkeit  ihr«* 
Bauchmuskeln  und  des  Zwerchfells  den  anteveriirten  Uterus 
tiefer  und  nach  hinten  drängte,  nahezu  ein  rechter,  während 
er  in  der  Wehenpause  ein  stumpfer  war.  Die  hintere 
Muttermundslippe  stand  etwas  höher  als  die  vordere,  sodass 
der  äussere  Muttermund  etwas  klaffte,  wodurch  es  mir  gelang, 
meinen  Zeigefinger  in  denselben  einzuführen.  Das  Vordringen 
des  Fingers  in  dem  Cervicalcanal  konnte  nur  allmälig  ge- 
schehen, weil  die  vordere  und  hintere  Wand  desselben  fest 
gegen  einander  gepresst  waren.  Je  weiter  ich  vordrang,  um 
so  mehr  wurde  die  Vaginalportion  nach  unten  gezogen.  Am 
festesten  lagen  die  Cervical wände  an  der  Knickungsstelle  an 
einander,  wodurch  der  Cervicalcanal  an  dieser  Stdie  eine 
solche  mechanische  Verscbliessnng  erlitt,  dass  mit  dem  Pinger 
nicht  durchzudringen  war.  Die  Verschliessung  war  jedoch 
durchaus    keine    vollständige,    da    das   aus    der    Uterinhöble 

ausfliessende  Blut  seinen  Ausweg  fand. 

■ 

Die  Knickung  wurde  nun  dadurch  beseitigt,  dass  iph  ryit 
dem  Zeigefinger,  welchen  ich  in  dem  Cervicalcanale  stecken 
liess,  die  Vaginalportion  nach  rechts  und  abwärts  und  datm 
nach  vorn  und  abwärts  zog.  Als  dies  gelungen  war,  fühlte 
ich  mit  dem,  in  dem  Cervicalcanale  steckenden  Zeigefinger 
die  kleine  Fruchtblase,  welche  rasch  tiefer  ruckte  und  sctiuu 
bei  der  nächsten  Wehe  aus  dem  äusseren  Muttermunde  herv<»r- 
trat.  Ich  zog  nun  in  der  Absicht,  den  Abortus  ferner  natürlich 
verlaufen  zu  lassen,  meinen  Zeigefinger  aus  den  Geä<*hlechts- 
theilen  zurück. 

In  der  folgenden  Viertelstunde  hatte  die  Frau  drei  Wehen. 
Bei  derdritU^n  Wehe,  bei  welcher  sie  stark  mitpresste,  ging 
nach  ihrer  Angabe  viel  Blut  weg.  Dies  forderte  mich  zu 
einer  neuen  Untersuchung  auf. 


VIII.     mutr,  Ueber  AnteTertlo  uUrf  ^nridl        .    123 

Vor  der  Sehamspalte  lagea  ekiige  Unzen  Blut,  in  denen 
iob  den  der  Schätzung  nach  3  Zoll  langen  Embryo  auffand. 
Aus  dem  Muttermunde,  welcher  der  Führungslinie  des  Beckens 
zwar  mehr  genShert,  aber  doch  noch  immer  weil  hmteii  stand, 
hmgen  die  übrigen  Eitheile  hervor  und  wurden  leicht  entfernL 
Man  konnte  die  kleine  zerrissene  Nabelschnur  und  deren 
Insertionaslelle  in  der  kleinen  Placenta  deutlich  erkennen« 
An  dem  grösslen  Theile  des  Chorion  waren  die  Zotten  schon 
alrophirt.  An  der  Aussenfläche  desselben  hafteten  einige 
Stöckchen  der  Decidua  an. 

Der  Uterus  war  noch  immer,  wenn  auch  in  geringerem 
Grade  als  vorher,  antevertirt.  Ein  Druck  mit  Zeige-  und 
Mittelfinger  gegen  die  vonlere  Vaginalwand  gerichtet  besserte 
die  Stellung  des  Uterus  nur  für  kurze  Z^iL 

Um  8  Uhr  Abends  wurde  ich  wieder  zu  der  Frau  gerufen, 
weil  ein  neuer  Blntfluss  eingetreten  war.  Ich  traf  die  Frau 
mit  sehr  bleichem  Gesichte  und  kleinem,  frequentem  Pulse. 
Sie  hatte  wegen  grossen  Durstes  viel  Wasser  getrunken,  zwei 
Mal  erbrochen ,  war  schon  mehrmals  ohnmächtig  gewesen  und 
halle  wiederholt  über  Flimmern  vor  den  Augen  und  Brausen 
vor  den  Ohren  geklagt.  Vor  der  Schamspalte  lagen  16  bis 
20  Unzen  Blut,  die  Vagina  enthielt  auch  Blut  An  di*m 
inneren  Muttermunde  traf  ich  auf  einige  aus  der  Uterinhölile 
heraushängende  Stuckchen  der  Decidua,  welche  leicht  entfernt 
wurden.  Hierauf  führte  ich  ein  elastisches  Mutterrohr  in  die 
Uterinhöhle  und  injicirte  einige  Spritzen  kalten  Wassers.  Die 
Blutung  stand.  Die  Kranke  nahm  einige  Esslöflel  voll  Wein 
und  später  halbstündlich  sechs  Dosen  Secal.  cornut  gr.v. 

Am  anderen  Morgen  (31.  December)  vernahm  icli,  dass 
iKe  Kranke  in  der  Nacht  nicht  geschlafen  habe,  einige  Male 
ohnmächtig  gewesen  sei,  viel  Wasser  getrunken  und  öfter 
erbrodien  habe.  Einige  kleine  Blutcoagula  waren  noch  ab- 
gegangen. Ich  ordnete  den  Fortgebrauch  von  kleinen  Quantitäten 
Wein,  ausserdem  noch  andere  roborirende  Nahiningen  und  Hess, 
um  der  Kranken  etwas  Ruhe  zu  schaffen  und  das  Erbrechen 
zu  beseitigen,  einige  kleine  Dosen  Opium  darreichen.  Dieses 
Arzneimittel  schien  zwar  die  Wirkung  zu  haben,  dass  das  Erbrechen 
aufhörte,  doch  rief  es  wahrscheinlich  wegen  des  anämischen 
Znstandes    eine    solche   Aufregung   hervor,    dass   ich   es   am 


124  VIII.    Hüter,  IJeber  Anterersio  atAri  graridi. 

Nachmittage  nicht  mehr  fortnehmeo  liess,  hingegen   wegen 
des  andauernden  Durstgefühles  etwas  MineralsHare  verordn^e. 

Am  Morgen  des  1.  Januar  1863  sagte  mir  die  Kranke, 
welche  noch  immer  einen  Puls  üher  100  Schläge  hatte,  da» 
sie  einige  Stunden  lang  geschlafen  habe.  Der  Durst  war 
geringer,  Erbrechen  hatte  sich  nicht  wieder  eingestellt.  Der 
Ausfluss  aus  den  Geschlechtstheilen  war  nicht  mehr  blutig,  hatte 
vielmehr  eine  missfarhige  seröse  Beschaffenheit  angenommen. 

Am  2.  Januar  verordnete  ich  der  Kranken,  welche  mir 
ober  Schwäche  klagte,  neben  der  vorzugsweise  animalisch« 
Kost  ein  mildes  Eisenpräparat. 

Am  7.  Januar  verliess  die  Kranke  zum  ersten  Male  das 
Bett  und  erholte  sich  rasch. 

Am  27.  Januar  wurde  ich  wieder  zu  der  Frau  M.  fe* 
rufen.  Sie  sagte  mir,  dass  sie  seit  sieben  Tagen  an  BlutOuss 
aus  den  Geschlechtstheilen  leide^  dass  namentlich  beim  Geben 
Stöcke  geronnenen  Blutes  abgingen.  Mein  Rath,  dass  sie  sich 
niederlegen  und  untersuchen  lassen  möge,  wurde  ausgeschlagen, 
weil  sie  nothwendig  ihre  Wäsche  besorgen  müsse.  Am 
29.  Januar  hatte  sich  der  Blutfluss  bei  der  Frau  M.  so  ver* 
mehrt,  dass  sie  am  Morgen  dieses  Tages  zu  Bett  liegen  blieb. 
Sie  hatte  einen  beschleunigten  Puls,  klagte  über  Kopfweh  und 
viel  Durst  Bei  der  inneren  Untersuchung  fand  ich  einen  noch 
bestehenden  massigen  Grad  von  Anteversio  uteri.  Zugleich 
fühlte  ich,  das  der  Umfang  des  Uterus  noch  ziemlich  gross 
war.  Die  Vaginalportion  war  etwa  %  Zoll  lang  und  stand 
mit  ihrer  Längenachse  gegen  die  hintere  Wand  der  Vagina 
gerichtet.  Der  äussere  Muttermund  war  so  geöffnet,  dass  er 
die  Fingerspitze  aufnahm.  Weiter  mit  dem  Finger  vor- 
zudringen, war  wegen  der  zu  engen  Beschaffenheil  des 
Gervicalcanals  nicht  möglich.  Das  gewöhnliche  elastische 
Mutterrohr  konnte  aus  demselben  Grunde  nicht  eingeführt 
werden,  so  dass  die  Injectionen  mit  kaltem  Wasspr  nur  gegen 
die  Vaginalwände  gerichtet  werden  konnten.  Ich  ordnete  an, 
dass  die  Kranke  ruhig  bleiben  müsse  und  verschrieb  sechs 
Dosen  Secal.  cornut.  gr.  v.,  weiche  V^  stundlich  genommen 
werden  sollten. 

Der  Blutfluss  dauerte  trotzdem  den  ganzen  Tag  über 
fort,    weshalb  ich  am  Abend  einen  gewöhnlichen  elastischen 


Vill.    HUUr^  lieber  Anterertio  uteri  gruridl  125 

Katheter  durch  deii  Cemcalcmal  in  die  Ulei'inliöhle  zu  fähren 
suchte.  Es  gelang  dies  nach  einigen  vergeblichen  Versuchen 
und  die  kalten  Injectionen  konnten  nun  direct  in  die  Uterin- 
höhle gemacht  werden. 

lo  .der  Nacht  von  dein  29.  zum  30.  Januar  war  noch 
etwas  Bhit  abgegangen.  Die  Frau  hatte  nicht  geschlafen, 
klagte  aber  viel  Durst,  starkes  Kopfweh  und  grosse  Schwäche. 
Die  Pulsfrequenz  betrug  90  bis  95  Sddäge  in  der  Minute. 
Ich  fährte,  wie  Tags  zuvor,  den  elastischen  Katheter  in  die 
Uterinböble,  machte  aber  nun  Injectionen  mit  Liq.  fern 
sesquichlor.  3/3,  Aq.  destill.  Sxij. 

Die  Blutung  horte  nach  der  zweiten  Anwendung  dieses 
Mitteis  ganz  auf.  Frau  M.  erholte  sich  innerhalb  der  nächsten 
acht  Tage  bei  gut  nährender  Kost  und  dem  innerlichen  Ge- 
brauche von  Tiuctr.  ferri  pomat  so,  dass  sie  nach  Ablauf 
dieser  Zeit  wieder  das  Bett  verlassen  konote. 

Am  22.  Februar  stellte  sich  bei  Frau  Jf.,  welche, 
seitdem  sie  umherging,  eine  oberhalb  der  Symphyse  fest 
anliegende  Leibbinde  trug,  der  Ausfluss  einer  hellen,  kaum 
eiwas  blutig  geförbten  Flüssigkeit  aus  den  Geschlechtstheilen 
ein.  Derselbe  hörte  nach  acht  Tagen,  während  welcher  Zeit 
Frau  M.  in  Rückenlage  ruhig  im  Bette  zubrachte,  wieder  auf.  — 

Anatomisches  Verhalten.  Bei  Anteversio  uteri  gravidi 
befindet  sich  die  Längenachse  dieses  Organs  nicht  mehr  in 
der  Achse  des  Beckeneinganges,  vielmehr  trilll  jene  mit  dieser 
in  einem  gewissen  Winkel  zusammen,  weicher,  jemehr  sich 
der  Fundus  uteri  der  Symphyse  nähert,  um  so  grösser,  und 
wenn  derselbe  hinter  der  Symphyse  gelagert  ist,  fast  ein 
rechter  wird.  *  Es  ist  hieraus  ersichtlich,  dass  man,  je  nachdem 
dieser  Winkel  kleiner  oder  grösser  ist,  gewisse  Gradunterschiede 
von  Anteversio  annehmen  kann.  In  Bezug  auf  die  praktische 
Wichtigkeil  der  zu  besprechenden  Lageveränderung  der  Gebär- 
mutter, glaube  ich  jedoch  nur  drei  Grade  dieses  Leidens 
aufstellen  zu  dürfen. 

Es  ist  bereits  oben  angegeben,  dass  der  Uterus,  so  lange 
er  sich  im  Becken  befindet,  bei  den  meisten  Schwangeren  in 
geringem  Grade  antevertirt  angetrofien  wini  und  diese  Lage- 
Veränderung  desselben  durchaus  nicht  pathologisch  aufzufassen 
ist.     Die  Längenachse   des  Uterus  bildet  in  diesem  Falle  mit 


126  VIII.     Bai9r,  Üibber  Aiiteveraio  uteri  grsri<H. 

der  Achse  des  Beckeneinganges  einen  8|)iUen  Winkel.  Lassen 
wir  diesen  Zustand  als  den  geringsten  Grad  von  Antevei^o 
gelten,  so  müssen  wir  einen  höheren  Grad  dieses  Leidens 
dann  annehmen,  wenn  der  Fundus  uteri  der  Symphyse  mehr 
genähert  ist,  ohne  aber  dieselbe  zu  erreichen.  Der  Winkel, 
in  welchem  die  Längenacbse  des  Utenis  mit  der  Achse  des 
Beckeneinganges  zusammentrifil,  wird  dadurch  grösser.  Wird 
der  Fundus  nteri  hinter  der  Symphyse  festgestellt,  so  kommt 
hierdurch  der  höchste  Grad  von  Anteversio  uteri  zn  Stande. 
Die  Längenachse  des  Uterus  liegt  mehr  oder  weniger  horizonlai 
und  tiiffl  mit  der  Achse  des  Beckeneinganges  in  einem  fast 
rechten  Winkel  zusammen.  Es  ist  kaum  nöthig,  besonders 
zu  bemerken,  dass  dieser  höchste  Grad  von  Anteversio  uteri 
immer  aus  dem  geringsten  und  aus  dem  höheren  Grade 
dieses  Leidens  hervorgeht  ^  -' 

Die  Vaginalportion  ist  bei  der  zu  besprechenden  Lage- 
abweichung des  Utenis  aus  der  Föhrungslinte  des  Beckens 
verruckt,  befindet  sich  immer  in  dem  hinteren  Theile  der 
ßeckenböhle  und  ist,  je  höher  der  Grad  der  Anteversio,  um 
so  mehr  der  hinteren  Beckenwand  genähert  Ihre  Längen- 
achse zeigt  ein  ähnliches  Verhalten  zu  dieser  wie  die  Längen- 
acbse des  Uterus  zu  der  Achse  des  Beckeneinganges.  Bei 
dem  höchsten  Grade  der  Anteversio  uteri  kann  die  Längenachse 
der  Vaginalportiou  fast  senkrecht  zu  der  hinteren  Beckenwand 
zu  stehen  kommen.  Nur  als  höchst  seltenes  Vorkommen  darf 
es  angesehen  werden,  wenn  die  Vaginalportion  im  Zustande 
der  Retroflexion,  wie  wir  in  unserer  zweiten  Beobachtung 
mitgetheilt  haben ,  an  der  hinteren  Vaginalwand  fest  anliegend 
aufwärts  verläuft.  Eine  solche  Knickung  der  Vaginalporiion 
kann  nur  dann  zu  Stande  kommen,  wenn  diese  in  gewissem 
Grade  erweicht  und  aufgelockert  ist,  und  wenn  der  Utenis 
durch  das  Drängen  der  Schwangeren  in  einen  immer  höheren 
Grad  von  Anteversio  versetzt  wird.  Wenn  diese  Bedingungen 
vorhanden  sind,  so  zweifele  ich  nicht,  dass  die  Vaginal- 
portion im  geknickten  Zustande  an  der  hinteren  Vaginalwand 
auch  abwärts  verlaufen  kann. 

Bei  dem  Zustandekommen  der  uns  beschäftigenden  i^age» 
abweichung  eiieidet  der  Uterus  eine  Drehung  um  seine  Quer* 
achse.     Diese  Drehung  wird   um   so   grösser  werden,   ein  je 


VIII.    BÜter,  UM»er  Anteverfiip  nteri  gravidl.  127 

höiierer  Grad  von  Anlevrrsio  sich  niishildel.  Dabei  wird  das 
vordere  Scheidengew^lbe  durch  die  vordere  Wand  des  Uterus 
immer  mehr  gespannt,  ausgedehnt  und  herabgedruckt  werden. 
Die  hintere  Wand  des  Uterus  bleibt  nicht  mehr  dem  Rectum 
zugewendet,  wird  mehr  oder  weniger  schräg  oder  nahezu 
horizontal  gestellt,  so  dass  Dünndarraschljngen  sich  an  ihr« 
ganze  Fläche  anlagern.  Je  mehr  sich  die  hintere  Wand  des 
Uterus  von  dem  Rectum  entfernt,  um  so  mehr  werden  die 
beiden  Plicae  recto-uterinae,  welche  die  Excavatio  rectc»- 
uterina  seitlieh  begrenzen,  gespannt  und  gezerit  werden 
mössen.  Der  untere  Umfang  des  Uterus  muss  gegen  das 
Rectum  und  sein  Fundus  gegen  die  Blase,  je  nach  dem  Grade 
4er  Anteversio  eine  mehr  oder  weniger  starke  Compression 
ausüben. 

Mad.  Boivin  und  Dug^a  (1.  c.  planche  XI.)  haben  eine 
Abbildung  von  Anteversio  uten  hi  der  ersten  Zeit  der  Schwanger- 
schaft geliefert  und  in  derselben  eine  stark  winkelige  Knickung 
des  Blasenhalses  gezeichnet  Dass  diese  in  einem  solchen 
Grade  eintritt,  scheint  mir  deshalb  nicht  wahrscheinlich,  weil 
das  Einführen  des  elastischen  Katheters  in  die  Harnblase  bei 
den  beiden,  von  mir  an  hochgradiger  Anteversio  uteri  gravidi 
behandelten  Frauen  ohne  Schwierigkeit  gelang. 

Aetiologie.  Zunächst  glaube  ich  darauf  hinweisen  «zu 
müssen,  dass  man  sich  Mühe  gegeben  hat,  das  Zustande- 
kommen von  Anteversio  uteii  gravidi  für  unmöglich  zu  er- 
klären.  Lohmeier  (Theden's  neue  Bemerkungen  und  Er- 
fahrungen zur  Bereicherung  der  Wundarzneik.  u.  s.  w.,  3.  Thl., 
Berlin  und  Leipzig;  1795)  macht  nämlich  geltend,  dass  das 
beständige  Anffillen  und  die  Ausdehnung  der  Harnblase  nach 
hinten,  der  Mangel  an  Raum  und  das  öftere  Liegen  auf  dem 
Röcken  das  Vorwärtsbeugen  des  Gebärmuttergrundes  nicht 
zu  Stande  kommen  lasse.  Kitoisch  (Beiträge  zur  Geburts- 
kunde,  H.  Abth.,  Würzburg  1848,  S.  159)  hat  die  Bildung 
einer  primären  Anteversio  uteri  gravidi  nicht  beobachtet  und 
hält  sie  auch  nicht  für  wahrscheinlich,  weil,  wie  er  (Klinische 
Vorträge  Ober  specielle  Pathologie  und  Therapie  der  Krank- 
heiten des  weibl.  Geschlechts,  3.  Aufl.,  I.  Abth.,  1.  Hälfte, 
Prag  1851,  S.  215)  angiebt,  durch  die  schiefe,  nach  oben 
gerichtete  Fläche   der  Schambeine,   durch   die  nach  abwärts 


128  VllI«    HUUr,  lieber  Antaveraio  uteri  ^ravidi. 

gekehrte  KreuzbeinaushöhluDg,  ferner  durch  die  V:on  uiUeo 
nach  aufwärts  stattfindende  Ansammlung  des  Harnes  in  der 
Blase  und  durch  die  von  oben  nacli  abwärts  vor  sich  gebende 
Entleerung  des  Rectums  die  horizontale  Stellung  der  Gebär^ 
mutter  mit  ihrem  Grunde  nach  vorn  verhindert  wird.  Scanzoni 
(Lehrbuch  der  GeburUhülfe,  ä.  Aufl.,  Wien  1855,  S.  305} 
erklärt  sich  mit  Kiwisch  völlig  einverstanden  und  glaubt, 
dass  eine  bedeutendere  Anteversio  des  schwangeren  Uterus 
im  Beckenraume  zu  den  seltensten  Zufallen  gehört. 

Man  weiss  aber  jetzt,  dass  der  schwangere  Uterus,  so 
lange  er  noch  nicht  aus  dem  kleinen  Becken  emporgestiegen 
ist,  sehr  häufig  in  einem  onliedeutenden  Grade  von  Anteversio 
angetroffen  wird.  Dieser  Zustand  wird  einfach  dadurch  erklärt, 
dass  der  Uterus  vermöge  seiner  Schwere  etwas  vom  übersinkt 

Ist  das  Becken  ziemlich  geräumig  oder  grösser  als  ge- 
wöhnlich und  berücksichtigt  man,  dass  der  Uterus  in  dem 
dritten  Schwangerschaftsmonate  schon  beträchtlich  an  Umfang 
und  Gewicht  zugenommen  hat,  so  sind  diese  beiden  Momente 
genügend,  um  aus  ihnen  das  Zustandekommen  eines  höheren 
Grades  von  Anteversio  zu  erklären.  Ist  die  Beckenneiguog 
grösser  als  gewöhnUch,  so  muss  die  hintere  Fläche  der 
Gebärmutter  mehr  nach  oben  gerichtet  sein,  wodurch  die 
In(|$stina  sich  in  grösserer  Ausdehnung  an  dieselbe  anlagern 
und  so  auf  den  durch  seine  Schwere  zum  Vornübersinken 
an  sich  geneigten  Uterus  einen  stärkeren  Druck  ausüben. 

Ein  solcher  Druck,  welcher  auf  die  hinlere  Wand  des 
schwangeren  Uterus  einwirkt  und  dadurcli  die  Anteversio 
hervorruft,  kann  auch  durch  pathologische  Neubildungen  in 
der  Umgebung  des  Uterus  erzeugt  werden.  Namentlich  sind 
es  Ovarientumoren,  Ascites  und  peritonäitische  Exsudate.  Auch 
durch  peritonäitische  Adhäsionen,  welche  sich  an  der  vorderen 
Fläche  des  Uterus  gebildet  haben,  kann  derselbe  in  antevertirter 
Stellung  erhalten  werden.  Durch  diese  Entstehungsweise  konmat 
die  secundäre  oder  consecutive  Form  der  Anterversio  uteri 
zur  Ausbildung. 

Man  setzt  gewöhnlich  für  das  Zustandekommen  der 
Anteversio  uteri  einen  gewissen  Grad  von  Erschlaffung  der 
Vaginalwände  und  der  Ligamente  des  Uterus,   besonders  des 


VIIT.    Bnter,  Ueber  Anterersio  oterl  grHvidi.  129 

Ljgainrntum  rotiincloin,  Zustande,  welche  nur  bei  Mehr- 
gebärenden vorkommen,  roraus.  Ich  glaube  aber,  dass  man 
ganz  besonderen  Werth  auf  die  Erschlaffung  der  Yorderen 
Wand  der  Vagina,  durch  welche  die  Gystocele  vaginalis  bedingl 
wird,  zu  legen  hat.  Wenn  nämhch  die  vordere  Wand  der 
Vagina  erschlafft  und  sich  zu  senken  beginnt,  so  giebt  dies 
zu  einer  tieferen  Stellung  des  Grundes  der  Harnblase  Ver- 
anlassung. Durch  die  Ansammlung  des  Harnes  in  der  Blase 
muss  dann  nach  hinten  gegen  den  unteren  Tbeil  der  Gebär- 
mutter ein  Druck  einwirken  und  hierdurch  das  Uebersinken 
des  Gebärmuttergrundes  nach  vom  begünstigt  werden. 

Die  bisher  angefilhrten  ätiologischen  Momente  können 
vorhanden  sein,  wenn  die  Anteversio  uteri  gravidi  sich  ganz 
ailmälig  bis  zu  einem  gewissen  Höhepunkte  entwickelt.  Tritt 
jedoch  diese  Lageveränderung  plölzlicii  ein  und  erreicht  die- 
selbe, wie  es  meist  der  Fall  ist,  einen  bedeutenden  Grad, 
so  wirken  zwar  auch  die  erwähnten  Beckenverhältnisse  und 
die  Erschlaffung  der  Vaginalwände  zugleich  begünstigend  ein. 
Besonders  aber  wird  ein  plötzlich  eintretender  und  stark 
wirkender  Druck  von  Seiten  der  Intestina,  welche  den  in 
unbedeutendem  Grade  anteverUrten  Uterus  umlagern,  in 
ätiologischer  Beziehung  in  Anschlag  gebracht  werden  müssen. 
Dieser  Druck  kann  nur  durch  eine  heftige  und  plötzliche  Con- 
traction  der  Bauchmuskeln  unter  Mitwirkung  des  Zwerchfells  zu 
Stande  kommen.  Zugleich  sind  immer  plötzliche  und  heftige 
Bewegungen  und  Erschütterungen  des  ganzen  Körpers  vor- 
handen. So  wird  in  Choparfs  Fall  der  Act  des  Erbrechens, 
in  der  Beobachtung  von  Hachmann  ein  Fehltritt  auf  der 
Treppe,  in  dem  ersten  von  mir  beschriebenen  Falle  häufiges 
Knieen  beschuldigt. 

-  Hat  das  Leiden  einen  so  hohen  Grad  erreicht,  dass  die 
Frau,  durch  quälende  Symptome  stark  belästigt,  ihre  Bauch- 
presse und  das  Zwerchfell  in  willkürliche  Action  setzt,  so 
wird  dadurch  die  Anteversio  uteri,  mag  dieselbe  ailmälig 
oder  plötzlich  den  bisherigen  Grad  erreicht  haben,  bis  zum 
allerhöchsten  Grade  gesteigert  werden  können. 

Symptomatologie.  Schon  sehr  oft  habe  ich  den  Uterus 
bei    Schwangeren,    welche    sich   in    Betreff  dessen,    ob    sie 

MoilNtiaebr.  f.  Qebnrtak    1888.  B4.  XXII.,  Elft  i,  9 


130  ^m*    IJ1U$r,  Uebe?  Aiitey«rtio  Qteri  graridi. 

wirküdi  sehwanger  waren,  von  mir  untarsuchen  Uesaen,  im 
dritten  Honale  in  unbedeutender  Anteversion  gefunden,  aber 
von  keiner  dieser  Schwangeren  eine  solche  Klage  gehört,  welche 
mit  dieser  Lageabweichung  in  Causalzusammenhang  zu  bringen 
gewesen  wäre.  Sinkt  aber  der  Fundus  uteri  etwas  roeJir 
vom  über,  bleibt  er  jedoch  in  einer  gewissen  Entfernung  von 
der  Symphyse,  so  empfinden  die  Frauen  einen  zeitweise  ver- 
mehrten Drang  zum  Harnlassen ,  klagen  über  Stuhlverstopfung, 
welche  von  vorübergehendem  Tenesmus  begleitet  ist,  und 
werden  zuweilen  von  Sacralschmerzen  belästigt  Ist  aber  der 
höchste  Grad  von  Anteversio  uteri  eingetreten,  d.  h.  der 
Fundus  uteri  hinter  die  Symphyse  geruckt,  so  steigert  sich 
die  Heftigkeit  der  ebenerwähnten  Symptome.  Die  Sacral* 
schmerzen,  welche  ihren  Gnind  in  der  Spannung  und  Zerrung 
der  Plicae  recto-ulerinae  habbn,  sind  ohne  Unterbrechung 
vorhanden.  Die  auf  das  Rectum  von  Seiten  des  unteren 
Abschnitts  des  Uterus  einwirkende  Compression  bewirkt  einen 
anhaltenden  Drang  zur  Stuhlenlleerung,  welche  wegen  des 
mechanischen  Hindernisses  unmöglich  ist.  Die  auf  die  Harn* 
blase  einwirkende  Compression  von  Seiten  des  Fundus  (iteri 
gestattet  das  Ansammeln  einer  nur  geringen  Quantität  Harn 
und  bewirkt  gleichzeitig  ein  sehr  häufig  wiederkeJirendes 
Drängen  zum  Harnlassen,  wobei  nur  wenige  Tropfen  dieser 
Flüssigkeit  ausgeschieden  werden.  Die  auf  die  Harnblase 
und  auf  das  Rectum  einwirkende  Compression  ruft  bei  der 
Schwangeren  das  Gefühl  eines  in  der  Beckenhöhle  befindlichen 
schweren  Körpers  hervor  und  erweckt  bei  derselben  das 
Bestreben,  sich  des  schweren  Körpers  zu  entledigen.  Sie  fängt 
an,  das  Zwerchfell  und  die  Bauchmuskeln  in  Thätigkeit  zu 
setzen.  Die  Bauchpresse  kann  nur  die  Wirkung  erzielen» 
dass  der  Fundus  uteri  immer  tiefer  hinter  die  Syno^hyse 
herabgedrängt  und  hierdurch  der  ganze  Uterus  in  eine  fast 
horizontale  Lage  gebracht  wird.  Die  Schwangere  geräth  durch 
die  wegen  ihrer  Erfolglosigkeit  immer  gesteigerte  Thätigkeit 
ihrer  Bauchpresse  in  die  grössle  Aufregung.  Der  Puls  wird 
beschleunigt.  Das  mit  Scfaweiss  bedeckte  Gesiebt  bekommt 
einen  ängstlichen  Ausdruck.  Ohnmächten,  Uebelsein  und 
Erbrechen  vollenden  das  Bild  der  Erscheinungen,  welche 
mit  den,   der  plötzlich  eintretenden  Retroversio  uteri  ^vidi 


VlJf.    BUier,  Ueber  AnteversSo  uteri  gravidi.  ]31 

zukommenden  Symptomen  die  grösste  Aehnlichkeit  haben. 
Ueber  den  Abortus,  welcher  in  Folge  von  Anteversio  uteri 
eintritt,  werden  wir  ausführlich  handeln,  wenn  wir  den  Verlaur 
und  die  Prognose  des  Leidens  besprechen. 

Ehe  wir  die  Symptomatologie  der  Anteversio  uteri  ver- 
las.sen,  will  ich  noch  auf  ein  nicht  leicht  zu  erklärendes 
Symptom,  welches  Hachmann  in  seiner  Beobachtung  anführt, 
hinweisen.  Derselbe  hat  nämlich  vor  der  Reposition  des 
antevertirten  Uterus  eine  grosse  Menge  Harn  aus  der  gefüllten 
Harnblase  mit  dem  elastischen  Katheter  entleert,  während 
Oodefroy  und  ich  in  den  mitgetbeilten  Fällen  nur  geringe 
Quantitäten  Harn  m  der  Blase  fanden.  Kyü  {E.  v.  Stebold*» 
Journal  für  Geburuhülle  etc.,  XYU.  Bd.,  1.  Stück,  Leipzig  1837, 
S»  16)  schreibt  über  diesen  Gegenstand:  Gänzliche  Urin- 
verhaltung, wie  es  bei  der  ReCroversio  uteri  häufig  vorkommt^ 
ist  in  keinem  der  bekannt  gemachten  Fälle  (von  Anfeversio  uteri) 
beobachtet  worden,  welches  gewiss  seinen  Grund  darin  hat, 
dass  bei  der  Anteversion  der  Fundus  der  Gebärmutter  von 
oben  nach  unten  auf  die  Blase  fällt  und  dadurch  die  Ein- 
mündung der  Harnröhre  in  die  Blase  frei  lässt,  wogegen  bei 
der  Retroversion  die  Vaginalportioo  des  Uterus  von  unten 
nach  oben  steigt  und  die  Harnröhre  zusammendrückt 

Einen  hohen  Grad  von  Anteversio  uteri  und  eine  dabei 
gefällte  Harnblase  muss  ich  ebenfalls  ffu*  zwei  Erscheinungen, 
welche  unter  sich  in  Widerspruch  stehen,  halten.  Ist  nämlich 
die  Harnblase  angefüllt,  so  wird  dadurch  das  Zustandekommen 
der  Anteversio  uteri  gehindert  Das  Untersinken  des  Grundes 
dieses  Organs  gegen  die  Symphyse  kann  vielmehr  nur  bei 
leerer  oder  wenig  gefüllter  Harnblase  möglich  gedacht  werden. 
Zuerst  wird  bei  dem  Uebersinken  der  Scheitel  und  dann  der 
Körper  der  Harnblase  comprimirt  Ist  der  Fundus  uteri 
hinter  die  Symphyse  gelangt,  so  werden  die  Blasenwände 
so  gegen  die  Symphyse  angedrückt,  dass  ein  Anfüllen  der 
Harnblase  mit  Harn  unmöglich  ist  und  der  aus  den  Ureteren 
in  den  Blasengrund  abfliessende  Urin  sehr  häufig,  gewöhnlich 
in  Tropfenform  ausgeschieden  werden  muss.  Obgleich  wir 
in  Folge  der  Betrachtung  dieses  Hergangs  berechtigt  sind, 
die  Richtigkeit  der  von  Hachmann  mitgetbeilten  AnfäUung 
der   Harnblase  bei   hochgradiger  Anteversio   uteri  in   Abrede 


](32  VIII.     unter,  lieber  Anteversio  uteri  gravidi. 

ZU  stellen,  so  bleibt  doch  für  diese  Erscheinung  eine,  wenn 
auch  etwas  gesuchte  ErklSrungsweise  denkbar.  W^nn  nämlich 
in  der  Gegend  des  Blasenhalses  in  Folge  der  Anteversio  uteri 
eine  Knickung,  wie  sie  von  Mad.  Boivin  und  Dugia  ab- 
gebildet wird,  zu  Stande  kommt  und  durch  dieselbe  das 
Ausscheiden  des  Urins  mechanisch  gehemmt  ist,  wenn  ausser- 
dem die  Wandungen  der  Blase  hinter  der  Symphyse  durch 
den  Fundus  uteri  nicht  allzu  fest  gegen  einander  gepresst 
sind,  so  dass  sie  das  Heraufdringen  des  Urins  gestatten,  so 
scheint  es  möglich,  dass  sich  ein  Tbeil  der  Harnblase,  der 
sich  über  dem  Fundus  uteri  befindet,  mit  Urin  anfüllen  kann. 

Verlauf  und  Prognose.  Die  meisten  Fälle;  in  welchen 
es  sich  um  eine  unbedeutende  Anteversio  uteri  gravidi  handelt, 
gelangen,  weil  die  Schwangeren  von  dem  Leiden  keine  er- 
heblichen Symptome  empfinden,  nicht  zur  Beobachtung  des 
Arztes.  Sobald  der  Uterus  an  dem  Ende  des  dritten  oder 
in  dem  Anfange  des  vierten  Schwangerschaftsmonats  eine 
solche  Grösse  erreicht  hat,  dass  er  in  dem  kleinen  Becken 
keinen  Raum  mehr  findet  und  deshalb  in  die  Bauchhöhle 
emporzuwachsen  gezwungen  ist,  so  isf  die  Anteversio  uteri 
dadurch  als  beseitigt  zu  betrachten.  Dieser  günstige  Verlauf 
tritt  jedoch  nicht  in  allen  Fällen  ein.  Es  kann  vielmehr, 
wenn  die  Anteversion  einen  höheren  Grad  erreicht  hat,  das 
Forlbestehen  der  Schwangerschaft  sehr  gefährdet  werden. 
Mende  (Die  Geschlechtskrankheiten  des  Weibes  etc.,  fortgesetzt 
von  Balling,  H.  Theil,  Göltingeri  1836,  S.  88)  hat  bereiu 
darauf  hingewiesen,  dass  er  in  einem  Falle  von  Abortus 
keine  andere  Ursache  desselben,  als  Anteversio  uteri  auffinden 
konnte.  Mir  selbst  sind  schon  viele  Fälle  von  Abortus  am 
Ende  des  dritten  Schwangerschaftsmonats  zur  Behandlung 
gekommen,  in  weichen  durch  die  sorgfältigste  Untersuchung 
und  Anamnese  keine  andere  Ursache  des  im  Gange  befindlichen 
Abortus  zil  entdecken  war  als  ein  ziemlich  hoher  Grad  von 
Anteversio  uteri. 

Durch  diese  Lageveränderung  des  Uterus  wird,  nämlich 
ein  Druck  auf  die  Becken-  und  Uteringefasse  ausgeübt,  wodurch 
das  Zurückfliessen  des  venösen  Blutes  aus  dem  Parenchym 
der  Gebärmutter  gehindert  und  ein  gewisser  Grad  von 
Hyperämie   in   diesem  Organe   unterhallen   wird.     Sobald   die 


Vin.     ffüter,  Uober  ABteTersio  uteri  grartdi.  138 

Uteroplacentar-  und  Deciduagefasse  durch  die  Blutßberfuliung 
zu  sehr  ausgedehnt  und  gespannt  werden,  kommt  eine 
Berslung  derselben  zu  Stande  und  das  in  Folge  dessen  ein* 
tretende  Blutextra vasat  bewirkt,  wenn  es  eine  grosse  Aus* 
dehnung  besitzt,  eine  ausgebreitete  Lostrennung  des  Eies, 
Störung  des  embryonalen  Kreislaufes  und  Absterben  des 
Embryo.  Es  würde  zu  einer  unnöUiigen  Wiederholung  von 
bereits  bekannten  Tbatsachen  führen,  wenn  wir  das  Zustande* 
kommen  des  Abortus  ausführlich  weiter  besprechen  wollten. 
Nur  das  mag  noch  kui*z  erwähnt  werden,  dass  entweder  zu* 
gleich  mit  der  Berstung  der  Gefasse  Blutaustrilt  nach  aussen 
stattfindet  und  die  Contractionen  des  Uterus  dann  sehr  bald 
nachfolgen,  oder  dass  das  Blut  nicht  gleich  nach  der  Berstuog 
der  Gefasse  seinen  Weg  zu  dem  Orificium  uteri  findet,  viel* 
mehr  erst  mit  der  nach  Tagen  und  Wochen  erwachenden 
Wehenthätigkeit  Blutabgang  eintritt  und  dann  das  Ovulum 
ausgeschieden  wird. 

Wir  wollen  in  dem  eben  Gesagten  keineswegs  die  Be- 
hauptung zur  Geltung  bringen,  dass  in  allen  Fällen  von 
Antbversio  uteri  höheren  Grades  Abortus  eintritt  £s  mag 
wohl  bei  geringer  Ausdehnung  des  Blutextravasats  in  vielen 
Fällen  die  Schwangerschaft  fortbestehen,  ja  es  kann  vielleicht 
bei  einer  richtig  geleiteten  Behandlung  die  BlutüberfüUung 
und  Zerreissung  der  Gelasse  verhütet  werden.  Der  Uterus 
kann  sich  bei  zweckmässigem  Verhalten  der  Schwangeren 
aus  dem  kleinen  Becken  erheben  und  dadurch  nicht  allein 
die  Gefahr  des  Abortus,  sondern  auch  das  Leiden  selbst  be- 
seitigt werden.  Ist* die  Anteversio  besonders  durch  Neu* 
bildungen  in  der  Umgebung  des  Uterus  veranlasst  und  sind 
diese  für  die  Behandlung  unzugänglich,  so  wird  das  Zustande- 
kommen des  Abortus  schwerlich  abgewendet  werden  kdnnen. 
Ist  der  höchste  Grad  von  Anteversio  uteri  aUiuälig  oder 
plötzlich  zu  Stande  gekommen,  hat  sich  nämlich  der  Fundus  uteri 
hinter  der  Symphyse  fest  gestellt,  so  kommt  es  in  prognostischer 
Hinsicht  für  das  Fortbestehen  der  Schwangerschaft  wesentlich 
darauf  an,  wie  lange  der  Uterus  in  diesem  Zustande  verharrt. 
Ein  zeitig  und  zugleich  zweckmässig  ausgeführter  therapeutischer 
Eingriff  kann  dem  bereits  drohenden  Abortus  Einhalt  gebieten 
und  das  Fortbestehen  der  Schwangerschaft  sichern,  wie  die 


134  Vin.     flfttor,  Ueber  Aoteversio  nteri  gravidi. 

F§lle  TOD  Hachmann,  Oodefroy  und  der  von  mir  be- 
schriebene erste  Fall  beweisen.  Ist  die  richtige  Zeit  för  den 
therapeutischen  Eingriff  vorübergegangen,  so  wird  der  höchste 
Grad  der  Anteversio  nur  durch  die  Entleerung  des  Uterus  zu 
beseitigen  sein. 

Mit  Ausnahme  des  Znstandes,  wenn  durch  die  Knickung 
der  Yaginalportion,  welche  in  der  zweiten  Beobachtung  von 
mir  beschrieben  worden  ist,  der  Austritt  des  Eies  mechanisch 
behindert  ist,  wird  dem  Zustandekommen  des  Abortus  kein 
Hemmniss  entgegenstehen.  Die  bei  der  Retroversio  uteri  graridi 
hSnfige  Erscheinung  der  Incarceration  des  Dterus  ist  bei  der 
Anteversio  uteri  gravidi  noch  nicht  beobachtet  worden,  und 
es  scheint  auch  die  Incarceration  des  anlevertirten  Uterus 
deshalb  nicht  möglich  zu  sein,  weil  die  glatte  Beschaffenheit 
der  nach  vorn  und  oben  gerichteten  Wand  der  Symphyse  das 
Wiedererheben  des  Fundus  uteri  ohne  grosse  Schwierigkeiten 
zulässt 

Insofern,  als  es  sich  um  das  Portbestehen  der  Schwanger- 
schaft handelt,  muss  demnach  die  Prognose  in  den  Fällen, 
in  welchen  eine  unbedeutende  Anteversio  uteri  vorhanden  ist, 
gänstig,  dagegen  bei  dem  höheren  und  bei  dem  höchsten 
Grade  dieses  Leidens  zweifelhaft  gestellt  werden. 

Die  so  sehr  belästigenden  Symptome,  welche  den  höheren 
und  den  höchsten  Grad  der  Anteversio  uteri  begleiten,  schwinden 
nach  dem  Gelingen  des  betreffenden  therapeutischen  Verfahrens 
oder  nach  Beendigung  des  Abortus,  ohne  weitere  Folgezustände 
zu  hinterlassen.  Dagegen  können  die  Frauen,  bei  welchen 
die  Schwangerschaft  durch  Abortus  unterbrochen  wird,  von 
den  nachtheiligen  Folgen,  welche  der  Abortus  überhaupt  mit 
sich  bringt,  betroffen  werden. 

Wenn  wir  diese  hier  ausfuhrlich  besprechen  wollten,  so 
müssten  wir  die  dieser  Arbeit  gesteckten  Grenzen  über- 
schreiten. %s  kann  deshalb  hier  nur  auf  die  Gefahr  der  mit 
Anteversio  uteri  in  Causalzusaramenhang  stehenden  Gebärmntter- 
blutungen  hingewiesen  werdea  Durch  das  Zustandekommen 
des  Abortus  wird  H^  Anteversion  des  Uterus  nie  ganz  be- 
seitigt, sondern  dieser  nur  besser  gestellt.  Ein  gewisser 
Grad  von  Anteversion  bleibt  also  immer  zurock  and  dies  ist 
die  Ursache,   dass  der  hyperämisclie  Zustand,   wenn  auch  m 


Vin.    BUer,  Ueber  AnteTersio  uteri  graWdi.  135 

geriDgeretn  Maasse,  in  dem  Uterus  fort  erhalten  wird.  Diese 
Hyperdinie ,  welche  der  Infolution  dieses  Oi^ans  sehr  huider- 
lieh  ist,  kann,  wie  aus  dem  zweiten  von  mir  beschriebenen 
Falle  zur  Genfige  hervorgeht,  zu  heftigen  Nachblutuugen, 
welche  die  Kranite  in  einen  sehr  anämischen  Zustand  ver* 
setzen,  Veranlassung  geben.  Tritt  bei  Fortbesteben  der 
Anteversio  uteri  im  nichtschwangeren  Zustande  nach  einer 
gewissen  Zeit  wieder  Coneeption  ein,  so  kann,  wenn  die 
Lageabweichung  durch  die  Schwangerschaft  einen  sicheren 
Grad  erreicht  hat,  wiederum  und  zwar  meist  zu  derselben 
Zeit  wie  früher  Abortus  stattfinden.  Auf  diese  Weise  kann 
bei  einer  Frau  das  Abortiren  sehr  häufig  vorkommen,  was 
man,  wie  bekannt  ist,  als  habituelles  Abortiren  bezeichnet  hat 
.  Diagnose.  Aus  den  subjectiven  Symptomen,  welche 
eben  so  gut  ffir  Retroversio  wie  für  Anteversio  uteri  gravidi 
sprechen,  kann  die  Diagnose  des  uns  beschäftigenden  Leidens 
niemals  mit  Sicherheit  gestellt  werden.  Der  Arzt  muss  daher, 
sobald  er  aus  den  Symptomen  eine  solche  Lagevefänderung 
des  Uterus  vermuthet,  durch  die  Manualuntersuchung  eine 
genaue  Vorstellung  von  den  Veränderungen  der  Genitalien 
sich  zu  verschaffen  suchen.  Die  Diagnose,  dass  der  Uterus 
antevertirt  ist,  wird  dadurch  wohl  meist  ohne  Schwierigkeit 
gelingen,  schwieriger  wird  dagegen  in  gewissen  Fällen  die 
Frage  zu  beantworten  sein,  ob  der  antevertirte  Uterus  sidi 
im  schwangeren  Zustande  befindet  oder  nicht.  Findet  man 
die  Vaginalportion  hinten  und  hoch  stehend  und  mit  dem 
äusseren  Muttermunde  gegen  die  Aushöhlung  des  Kreuzbeins 
gewendet,  die  vordere  Vaginalwand  durch  eine  mit  der 
Vaginalportion  in  unmittelbarer  Verbindung  stehende  Geschwulst 
ausgedehnt,  gespannt  und  herabgedrängt,  so  ist  die  Diagnose 
der  Anteversio  uteri  gesichert.  Zugleich  ist  bei  der  Unter- 
suchung darauf  Rücksicht  zu  nehmen,  ob  das  Becken  die 
oben  angegebenen  Eigenschaften  besitzt,  ob  pathologische 
Neubildungen  in  der  Umgebung  des  Uterus  zu  diagnosticiren 
sind.  Auch  darf  die  Einführung  des  Katheters  in  die  Harn- 
blase nicht  unterlassen  werden,  weil  man  mit  demselben  eine 
etwa  vorhandene  Cystocele  vaginalis  diagnosticiren  kann.  Den 
Katheter  zur  Begründung  der  Diagnose  von  Anteversio  uteri 
zu  verwenden,  d.  li.  mittels  desselben  von  der  Blase  aus  den 


136  VIII.     HüUr,  Ueber  Antev^rdo  uteri  graTidi. 

Fundus  uteri  durchzufuMen,  wie  Qodefroy  gethau  hat,  balle 
ich  bei  sorgfältiger  Mauualexploration  in  die  Vagina  für 
überflüssig. 

Bei  oberfläcblicher  Untersuchung  wäre  eine  Verwechselung 
mit  Anteflexio  uteri,  d.  h.  mit  der  Knickung  des  Uterus  nach 
vorn  möglich.  Bei  genauer  Untersuchung  ist  diese  Lage- 
veränderung des  Uterus  auszuschliessen,  sobald  man  von  der 
Vaginalportion  aus  nach  der  Symphyse  hin  ununterbrochen 
und  gleichmässig  das  feste  Uterusparenchym  mit  den  Fingen 
durchfühlt.  Wäre  eine  Anteflexio  uteri  vorhanden,  so  würde 
man  zwischen  dem  umgeknickten  Fundus  uteri  und  der  meist 
mit  eine;n  klafTeuden  Muttermunde  versehenen  Vaginalportioa 
einen  durch  den  Knickungswinkel  entstandenen  Zwischenraum 
in  der  vorderen  Vaginalwand  durchfühlen. 

Je  nachdem  man  fühlt,  ob  der  antevertirte  Uterus  die 
vordere  Vaginalwand  mehr  oder  weniger  tief  berabgedrängt 
hat,  und  ob  die  Vaginalportion  in  entsprechender  Weise  mehr 
oder  weniger  weit  hinten  und  hoch  steht,  wird  man  die 
Uebcrzeuguttg  gewinnen,  dass  ein  unbedeutender  oder  ein 
höherer  Grad  der  Anteversion  vorhanden.  Gelingt  es  nicht, 
die  Vaginalporlion  zu  erreichen,  so  kann  man,  wie  Meissner 
(Die  Frauenzimmerkrankheiten  u.  s.  w.,  I.  Theil,  2.  Hälflle, 
Leipzig  1843,  S.  726)  sehr  richtig  bemerkt,  zweifelhaft  seui, 
ob  man  eine  Retroversio  oder  Anteversio  uteri  vor  sich  hat 
Auch  sind  wir  mit  Meissner  völlig  oinverstanden ,  wenn  er 
es  in  einem  solchen  Falle  für  nothwendig  erklärt,  zu  ver* 
schiedenen  Zeiten,  in  verschiedenen  Stellungen  und  zugleich 
durch  den  Hastdarm  die  Untersuchung  anzustellen  und  den 
Rath  ertheilt,  dass  man,  wenn  es  auch  auf  diese  Weise  nicht 
gelingt,  die  Vaginalportion  zu  erreichen,  sich  bloss  an  den 
Vorfall  der  hinteren  oder  vorderen  Scheidenwand  in  diagnosti- 
scher Hinsicht  halten  möge. 

Kann  man  die  vordere  Wand  des  Uterus  in  bedeutender 
Ausdehnung  gegen  die  Symphyse  hin  durch  die  vordere  Vaginal- 
wand durchfühlen  und  durch  Eindrücken  mit  der  aussen 
befindlichen  Hand  oberhalb  der  Symphyse  den  Gebärmutter- 
köqier  gegen  den  in  der  Vagina  befindlichen  Finger  hindräi^en, 
so  gewinnt  man  hierdurch  die  Ueberzeugung ,  dass  der  ante- 
vertirte  Uterus   vergrössert  ist.     Ob   nun   die  Vergrösserung 


VIII.     Hüttr,  Ueber  AateTersio  uteri  graTidi.  137 

durch  Schwangerschaft  oder  durch  pathologische  Vorgänge 
hervorgerufen  worden  ist,  inuss  durch  eine  selir  sorgfältige 
Abwägung  der  durch  die  Untersuchung  gewonnenen  Resultate 
und  durch  die  Anamnese  entschieden  werden.  Am  häufigsten 
geben  folgende  pathologische  Zustände:  Haematometra,  Hyper* 
trophie  des  Uterus,  Fibroide,  Polypen  und  Infarctus  uteri, 
bei  welchen  gleichzeitig  ein  gewisser  Grad  Ton  Anteversion 
dieses  Oi^ans  vorkommen  kann,  Veranlassung,  dass  der 
Uteras  eine  solche  Vergrösserung  wie  im  dritten  und  vierten 
SchwangerschafUmonate  erreicht  Bei  Haematometra,  bei 
welcher  durch  die  Atresia  uteri  das  Henstrualblut  in  der 
H6ble  dieses  Organs  zurückgehalten  ist,  wird  die  Anamnese 
ergeben,  dass  das  Menstrualblut  niemals  ausgeschieden  wurde 
und  dass  jedes  Mal  zur  Zeit  des  Eintrittes  der  Menstruation 
heftige  Schmerzen,  ja  entzündliche  Erscheinungen  im  Unter- 
kibe  auftraten.  Die  in  gewissen  Zeitabschnitte  zu  wieder- 
holende Untersuchung  wird  lehren,  dass  das  Wachsthum  des 
Uterus  nicht  so  rasche  Fortschritte  macht,  wie  es  bei 
Schwangerschaft  geschehen  müsste. 

Man  beobachtet  ziemlich  häufig,  dass  ein  massiger  Grad 
von  Anteversio  uteri  gemeinschaftlich  mit  Hypertrophie  und 
geringer  Senkung  des  Gebärorgans  vorhanden  ist  und  kann 
daher  vermuthen,  dass  diese  Eigenschaften  des  Uterus  durch 
Gravidität  veranlasst  sind.  Das  Fehlen  der  die  Schwanger- 
schaft gewöhnlich  begleitenden  Veränderungen  an  der  Vaginal- 
portion und  an  dem  äusseren  Muttermunde,  sowie  der  Um- 
stand, dass  in  der  Lagerung  und  Vergrösserung  des  Uterus 
während  eines  gewissen  Zeitraumes  keine  erhebliche  Ver-* 
ander ung  eintritt,  werden  als  vollwichtige  Gründe  für  das 
Attsscbiiessen  der  Schwangerschaft  sprechen. 

Wenn  durch  ein  Fibroid  oder  durch  emen  Polypen  der 
etwas  antevertirte  Uterus  so  ausgedehnt  ist,  dass  eine  Ver- 
wechselung mit  Gravidität  stattfinden  kann,  so  entscheiden 
zur  Feststellung  der  Diagnose  vorzugsweise  die  Beobachtung 
des  Wachsthums  des  Uterus,  sowie  die,  die  vorher  genannten  ^ 
Neubildungen  stets  begleitenden  heftigen  und  häufigen  Uterin- 
blutungen. 

Kommt  ein    durch   Infiltration    seines   Parenchyms   ver- 
grösserter   und   in   massigem  Grade   antevertirter  Uterus   zur 


138  VIII.     ffüter^  lieber  Anterersio  uteri  grayidf. 

Untersuchung,  so  zeigt  derselbe  bei  acutem  Auftreten  des 
Leidens  eine  sehr  grosse  Schmerzhaftigkeit.  Bei  chronischem 
Verlaufe  desselben  fühlt  man  an  dem  vergrösserten  Uterus 
und  an  der  geschwellten  Vaginalportion  zugleich  eine  grosse 
Härte.     Die  M<*nstruaüon  ist  meist  profus. 

Ist  es  gelungen,  die  eben  durchgegangenen  pathologischen 
Zustände  des  Uterus  auszuschliessen ,  so  wird  man  wohl  das 
Recht  haben,  die  Vergrösserung  des  antevertirten  Uterus  mit 
Schwangerschaft  in  Causalverbindung  zu  bringen  und  die 
Schwangerschaflsdiagnose  mag  als  gesichert  betrachtet  werden, 
wenn  die  Anamnese  ergiebt,  dass  die  Menstruation  einige 
Male  cessirt  hat  und  durch  die  Untersuchung  ein  gewisser 
Grad  von  Auflockerung  der  Vaginalportion  und  die  rundliche 
Form  des  äusseren  Muttermundes  wahrzunehmen  ist. 

Es  ist  nicht  zu  bestreiten,  dass  in  einzelnen  Fällen  selbst 
bei  längerer  Beobachtung  und  häufiger  Untersuchung  gewisse 
Symptome  fttr,  andere  gegen  Schwangerschaft  sprechen,  und 
daher  die  Diagnose  unsicher  bleibt.  Der  Arzt  wird  sich  dann 
die  Frage  aufwerfen,  ob  er  sich  durch  die  Uterinsonde  Ge- 
wissheit verschaffen  darf.  Die  Antwort,  welche  ich  hierauf  in 
Uebereinstimmung  mit  den  meisten  Geburtshelfern  gebe,  kann 
nur  dahin  lauten,  dass  man  sich  des  Gebrauchs  der  Uterin- 
sonde bei  dem  geringsten  Verdacht  auf  Schwangerschaft  zu 
enthalten  hat.  Die  Anwendung  dieses  Werkzeugs  ist  nur  dann 
zu  gestatten,  wenn  die  überzeugendsten  Grande  gegen  das 
Bestehen  der  Schwangerschaft  sprechen. 

Bleibt  die  Diagnose  bei  wiederholter  und  sorgfältig  an- 
gestellter  Untersuchung  zweifelhaft,  so  wird  der  Arzt  gewiss 
den  richtigen  Weg  einschlagen,  wenn  er  sein  therapeutisches 
Verfahren  so  einrichtet,  als  ob  Schwangerschaft  wirklidi 
vorhanden  ist.  Wird  er  später  von  der  Ueberzeugung  durch- 
drungen, dass  Schwangerschaft  nicht  vorliegt,  so  wird  das 
bisherige  Handeln  des  Arztes  keine  nachtheiligen  Folgen  ver- 
anlasst haben.  Dagegen  wird  denselben  ein  grosser  Vorwurf 
.  treffen,  wenn  er  sich  zur  Sicherung  der  Diagnose  der  Uterin- 
sonde bedient  und  durch  diese  Abortus  hervorgerufen  hat 

Bei  dem  so  häufigen  Vorkommen  des  Abortus  in  Folge 
von  Anteversio  uteri  ronss  man  in  Betreff  desselben  ebenfalls 
eine  sichere  Diagnose  zu  stellen  suchen.    Es  kann  unro(»glich 


Till.     HtUer,  üeber  Anterersio  uteri  gravidl.  189 

meine  Aufgabe  sein,  hier  von  der  Diagnose  des  Abortus  im 
Allgemeinen  zu  sprechen,  ich  glaube  aber  darauf  aufmerksam 
machen  zu  müssen,  dass  es,  um  ein  richtiges  therapeutiscbes 
Verfahren  einschlagen  zu  können,  von  der  grössten  Wichtig- 
keit ist,  zu  wissen,  ob  das  Zustandekommen  des  Abortus  be- 
vorsteht, oder  ob  derselbe  schon  zu  Stande  gekommen  ist 
Das  erstere  hat  man  bekanntlich  anzunehmen,  so  lange  noch 
kein  Theil  des  Eis  die  Uterinhöhle  verlassen  hat.  Ist  dagegen 
der  Liquor  amnii  abgeflossen,  oder  sind  andere  Theile  des 
Eis  in  dem  Cervicalcanal  oder  in  der  Vagina  zu  fühlen,  so 
weiss  der  Arzt  sicher,  dass  der  Abortus  zu  Stande  gekommen 
ist.  Auch  muss  in  diagnostischer  Beziehung  auf  die  Quantität 
des  bei  dem  Abortus  abgegangenen  Blutes  geachtet  werden. 

Therapie.  Eine  unbedeutende  Anteversio  uteri  gravidi, 
welche,  wie  wir  angegeben  haben,  sehr  häufig  vorkommt,  keine 
erheblichen  Symptome  veranlasst  und  desshalb  gar  nicht  als 
pathologisch  aufzufassen  ist,  fordert  bei  ihrem  gefahrlosen 
Verlauf  keinen  therapeutischen  Eingriff. 

Der  Arzt  hat  aber  die  Aufgabe,  das  Zustandekommen 
eines  höheren  Grades  des  Leidens  besonders  dann  zu  ver- 
hüten, wenn  die  Frau  bereits  einmal  oder  mehrere  Mal  abortirt 
hat  und  die  Ursache  des  Abortus  in  dieser  Lageabweichung 
der  Gebärmutter  allein  zu  finden  ist.  Man  erreicht  diesen 
Zweck,  wenn  man  die  Schwangere  anhaltend  in  liorizoiilaler 
Rückenlage  verharren  lässt  und  kommt  gewiss  noch  sicherer 
zum  Ziel,  wenn  man  zugleich  die  Kreuzgegend  durch  ein 
untergeschobenes  Polster  erhöhen  lässt.  Ich  habe  schon  wieder- 
holt Frauen,  welche  wegen  Anteversio  uteri  an  habituellem 
Abortus  litten,  mit  dem  besten  Erfolg  so  lange  in  horizontaler 
Rückenlage  verharren  lassen,  bis  der  schwangere  Uterus  sich 
aus  dem  Beckeu  erhob.  Man  erreicht  durch  die  Anwendung 
dieses  einfachen  Mitteis  sicher,  dass  der  obere  Theil  des 
schwangeren  Uterus  sich  vermöge  seiner  Schwere  etwas  mehr 
rückwärts  lagert,  und  verhütet  so,  dass  die  Anteversio  uteri 
einen  höheren  Grad  erreicht,  während  dies  immer  zu  be- 
fürchten ist,  wenn  man  die  Schwangere,  welche  früher  schon 
einmal  an  einem  höheren  Grade  dieses  Leidens  erkrankt  war, 
umhergehen  und  arbeiten  lässt. 


140  VIII.    HiUer,  üober  Anteversi«  aUri  gravMi. 

Kommt  eine  Schwangere,  durch  die  Symptome  des  höheren 
Grades  von  Anteversio  uteri  belästigt,  zur  Behandlung,  so  wird 
die  Lage  des  Uterus  gebessert  und  damit  auch  die  Symptome 
gemindert  werden,  wenn  wir  die  horizontale  Lagerung,  welche 
wir  vorher  in  prophylaclischer  Beziehung  angerathen  haben, 
jetzt  bei  der  Schwangeren  als  Heilmittel  in  Anwendung  bringen. 
Der  grösseren  Sicherheit  wegen  muss  die  Schwangere  so  lange 
liegen  bleiben,  bis  der  Uterus  sich  aus  dem  Becken  erhebt. 
Wir  glauben  keineswegs,  dass  durch  die  horizontale  Racken- 
lage der  anteverlirte  Uterus  in  seine  normale  Stellung  voll- 
kommen zurückgeht,  wir  sind  aber  durch  die  Erfahrung  von 
der  Wirkung  sicher  überzeugt,  dass  der  Fundus  uteri,  welcher 
sich  der  Symphyse  zu  sehr  genähert  hatte,  wieder  mehr  von 
derselben  sich  entfernt,  wodurch  die  Anteversio  zu  einer  un- 
bedeutenden und  darum  ungefährlichen  herabsinkt 

Oodefroy  hat,  wie  oben  angeführt  ist,  die  mit  Anteversio 
uteri  gravidi  behafteten  Frauen  V4  Stunde  lang  eine  solclie 
Lage  einnehmen  lassen,  dass  der  Kopf  und  die  Arme  ao  dem 
Fussboden  und  die  unteren  Extremitäten  sich  im  Bette  be- 
fanden. Mit  Recht  nennt  Meissner  (L  c.  S.  730)  die;»es 
Verfahren  fehlerhaft  und  verwerflich,  und  durchaus  zu  büiigen 
ist  auch  die  nachfolgende  Aeusserung  von  Meissner:  JLut 
19.  Jahrhundert  muss  ein  solcher  Vorschlag  befremden,  denn 
die  Rückenlage  mit  erhöhtem  Steisse  entspricht  dem  Zwecke 
ungleich  besser.'* 

Lässt   man   die  Schwangere   die  horizontale  Rückenlage 
mehrere  Wochen  lang  einnehmen,  so  hat  man  sorgfaltig  darauf 
zu  achten,  dass  die  Harnabsonderung  und  die  Stuhientleerung  * 
regelmässig  stattflndet 

Es  muss  hierauf  die  Frage  in  Erwägung  gezogen  werden, 
üb  bei  dem  höheren  Grade  der  Anteversio  uteri  gravidi  in 
allen  Fällen  die  Behandlung  durch  die  horizontale  Rückenlage 
allein  genügt.  Ich  glaube  nach  meinen  bisherigen  Erfahrungen 
eine  bejahende  Antwort  geben  zu  können,  muss  aber  zugleich 
die  Möglichkeit,  dass  diese  Behandlung  unter  gewissen  Be- 
dingungen nicht  zuverlässig  ist,  zugeben.  Giebt  nämlich  ein 
perilonäitisches  Exsudat  oder  ein  Ovarientumor  für  die 
Anteversio  uteri  gravidi   das  wichtigste  Causahnoraent  ah,  so 


Vni.     HiUer,  Ueber  Anterersio  uteri  gravidi.  141 

kann  die  flache  Rückenlage  der  Schwangeren  nur  den  Vor- 
Chei)  bringen,  dass  der  Uterus  nicht  stArker  vorn  übersinkt 
Hit  dem  Wachsthume  einer  Neubildung  in  der  hinteren  Unt^ 
gebung  des  Uterus  nimmt,  wie  leicht  einzusehen  iM,  die 
Anteversio  uteri  auch  in  der  Rfickenlage  zu.  Steht  das  Leiden 
mit  Ascites  in  Causalzusammenhang,  so  ist  die  horizontale 
Röckenlage  der  Schwangeren  gewiss  von  dem  aUergrössten 
Nutzen,  weil  bei  ihrer  Anwendung  der  Uterus  durch  seine 
Schwere  die  seröse  Flüssigkeit  verdrängen  und  dadurch  sich 
besser  lagern  kann. 

Ist  es  gelungen,  durch  die  Untersuchung  pathologische 
Neubildungen  in  der  Umgebung  des  Uterus  auszuschliessen, 
und  erzielt  man  dennoch  durch  die  horizontale  Röckenlage 
keine  Besserung  in  der  Lagerung  des  Uterus,  so  ist  es  ge- 
wiss indicirt,  dass  man  durch  die  Reduction  den  Uterus  in 
eine  bessere  Lage  zu  bringen  sucht.  Dies  gelingt  wohl  immer, 
wenn  die  Nachharorgane  des  Uterus  sich  in  einem  physio- 
logischen Zustande  befinden.  Wenn  dagegen  der  Uterus  durch 
peritonäitische  Adhäsionen  fixirt  ist,  wenn  ein  festes  Exsudat 
oder  ein  Ovarientnmor  sich  zwischen  Uterus  und  Rectum 
gelagert  hat,  so  wird  die  Anteversio  uteri  allen  Rednctions-' 
versuchen  Trotz  bieten,  und  der  Abortus  mit  grosser  Wahr- 
scheinlichkeit eintreten,  mag  die  Schwangere  noch  so  ruhig 
in  horizontaler  Rückenlage  verharren.  Hat  der  Reductions- 
versuch  einigen  Erfolg  gehabt,  so  ist,  um  denselben  zu 
behalten,  darnach  jedenfalls  die  horizontale  Rückenlage  an- 
zuordnen. 

Hat  die  Anteversio  uteri  den  höchsten  Grad  erreicht,  ist 
nämlich  der  Fundus  uteri  hinter  die  Symphyse  gerückt,  so  ist 
ohne  Verzug  zur  Vornahme  der  Reduction  zu  schreiten.  Wenn 
es  auch  gelingen  kann,  durch  die  horizontale  Rückenlage  allein 
diesen  höchsten  Grad  des  Uebels  zu  beseitigen,  so  darf  man 
sich  doch  auf  die  Anwendung  dieses  Mittels  desshalb  nicht 
verlassen,  weil  ein  längeres  Verweilen  des  Uterus  in  der  un- 
günstigen Lagerung  unfehlbar  den  Abortus  herbeiführen  muss. 
Um  die  Reduction  auszuführen,  bringt  man  die  Schwangere 
nach  der  Entleerung  der  Harnblase  und  des  Rectums  m  die 
Rückenlage  mit  so  erhöhter  Kreuzgegend,  dass  die  Genitalien 
gtihörig  frei  liegen,  führt  hierauf  den  Zeige-  und  Mittelfinger 


142  Viil.     Hüter,  lieber  AnteTereto  uteri  grevidi. 

in  die  Vagina  und  sucht  mit  deuselben  den  Uterus  zu  er- 
heben. Reagin  hingegen  die  Schwangere  stark  mit  ihren 
Bauchmuskeln  und  sind  ihre  Genitalien  sehr  emp&ndlich,  so 
wird  man  am  zweckmässigsten  Chloroform  anwenden.  Es  ist 
unnölhig  und  wird  auch  gewiss  selten  gelingen,  dass  man  den 
Uterus  vollkommen  gerade  richtet  Wenn  der  Fundus  uteri 
bei  der  Reduction  in  eine  solche  Entfernung  von  der  Sym- 
physe gebracht  ist,  dass  eine  unbedeutende  Anteversio  uteri 
noch  besteht,  so  kann  man  die  Reduction  als  gelungen  und 
beendet  betrachten. 

Mao  hat  noch  einige  Modificationen  des  beschriebenen 
Reductionsverfabrens,  durch  welche  man  sicherer  zum  Ziel  zu 
kommen  glaubt,  angegeben,  und  ich  will  auf  dieselben,  obwohl 
sie  in  den  Krankengeschichten  bereits  mitgetheilt  sind,  hier 
nochmals  aufmerksam  machen.  Hachmann  hat  die  Reduction 
mit  vier  Fingern  der  rechten  Hand  ausgeführt  Oodefray 
beschreibt,  dass  er  mit  beiden  Zeigefingern,  von  denen 
der  eine  in  das  Rectum,  der  andere  in  die  Vagina  eingeführt 
war,  den  Uterus  in  senkrechte  Stellung  gebracht  hat  Ich  habe 
in  dem  ersten  Falle  die  Vaginalportion  mit  meinem  Zeigefinger 
von  hinten  her  hakenförmig  umfasst  und  allmälig  nach  vom 
gezogen.  In  dem  zweiten  Falle  gelang  mir  dies,  nachdem  ich 
mit   dem  Zeigefinger   in   den  Gervicalcanal  eingedrungen  war. 

Gelingt  das  zuerst  beschriebene  einfaclie  Emporschieben 
des  Uterus  von  der  Vagina  aus  nicht,  so  kann  man,  wie  ich 
gethan  habe,  die  Vaginalportion  hakenförmig  fassen  und  nach 
vorne  ziehen.  Sicherer  gelingt  dies,  wenn  man  den  Zeige- 
finger in  den  Gervicalcanal  einfuhrt  Doch  darf  dies  gewiss 
nur  dann  geschehen,  wenn  man  sicher  überzeugt  ist,  dass 
der  Abortus  in  vollem  Gange  oder  schon  zu  Ende  ist  Dieses 
Verfahren  will  ich  durchaus  nicht  als  ein  von  mir  neu  er- 
fundenes bezeichnen.  Denn  Mende  (1.  c.  p.  90)  räth  schon 
den  Muttermund  allein  zu  ergreifen  und  herabzuziehen ,  während 
man  mit  der  anderen  Hand  über  der  Schambeinvereinigung 
von  aussen  den  Fundus  einwärts  und  in  die  Höhe  drängt 
Dieses  letztere,  auch  von  einigen  anderen  Autoren  empfohlene 
Verfahren  unterstützt  gewiss  die  Reduction  des  schwangeren 
Uterus  wesentlich. 


VIII.    Hüter,  lieber  AnteTeraio  uteri  graviili.  ]^43 

Es  bleibt  wir  nocti  zu  erwäbnen  übrig,  da^s  mau  be- 
bufo  der  Reduetion  des  aDteverlirteu  nicht  scbwangcreD  Uterus 
verschiedene  AHanipulationen  angewendet  und  empfohlen  bat« 
welche,  wenn  die  bisher  beschriebenen  Reductionsverfabreu 
nicht  zu  dem  Ziele  fuhren,  auch  bei  der  Anteversio  uteri 
gravid!  in  Anwendung  kommen  können.  KyU  (v.  Siebold'» 
Journal  für  Geburtshulfe,  Bd.  XVU.,  1.  Stack,  Leipzig  1837, 
S.  22)  sah  sich  genöthigt,  in  einem  Falle  von  Anteversion 
des  nicht  schwangeren  Uterus  ein  Verfahren  anzuwenden, 
welches  darin  bestand,  dass  er  mit  dem  Daumen  den  Fundus 
in  die  Höhe  drückte,  während  er  mit  dem  Zeigefinger  der- 
selben Hand  den  Mutterhals  herunterzog  und  somit  eine 
Drehung  der  Gebärmutter  um  ihre  Querachse  bewirkte. 
Meissner  (1.  c  p.  729)  bestreitet  die  Möglichkeit  dieses 
Verfahrens.  Ich  glaube,  dass  es  wenigstens  sehr  schwierig 
und  für  die  Kranke  sehr  schmerzhaft  ist.  Meissner  ist  der 
Meinung,  dass  die  Reposition  des  Uterus  durch  folgenden  Hand- 
griir  sicher  gelingt.  Er  bringt  nämlich,  während  die  Kranke 
horizontal  auf  dem  Rücken  liegt,  und  die  Oberschenkel  an 
den  Leib  gezogen  hat,  den  Zeige-  und  Mittelfinger  zugleich 
in  die  Mutterscheide,  sucht  den  Mutterhals  in  der  Aushöhlung 
des  Kreuzknochens  etwas  abwärts  zu  leiten,  und  den  Mittel- 
finger hakenförmig  um  denselben  zu  legen,  während  der  Zeige- 
finger sich  mit  der,  dem  Mittelfinger  zugewendeten  Seitenfläche 
unter  den  Mutterkörper  legt,  so  dass  die  Spitze  desselben 
den  Grund  berührt.  Wenn  man  nun  mittels  des  hakenförmig 
gekrümmten  Mittelfingers  den  Muttcrhals  abwärts  zu  leiten 
sucht,  soll  durch  den  Zeigefinger  gleichzeitig  der  Gebärmutter- 
grund und  Gebärmutterkörper  erhoben  werden. 

Dass  der  Zeigefinger  so  stark  von  dem  Mittelfinger  ab- 
ducirt  werden  kann,  wie  es  das  eben  beschriebene  Verfahren 
fordert,  möchte  ich  bezweifeln. 

Ist  es  nun  durch  die  horizontale  Lagerung  der  Schwangeren 
oder  durch  die  Vornahme  der  Reduetion  gelungen ,  einen  un- 
bedeutenden Grad  von  Anteversio  uteri  gravidi  herbeizuführen, 
so  hat  der  Arzt  die  Aufgabe,  den  Uterus  in  dieser  Lage  zu 
erhalten  und  vor  der  Rückkehr  in  einen  höheren  Grad  dieses 
Leidens  zu  bewahren.  Um  didl^n  Zweck  zu  erreichen,  kann 
man    sich   keines  besseren  Mittels  als  der  schon   mehrfach 


144  Vlli.     Hüter,  Ueber  Anteversio  uteri  g^raYtcli. 

gedachten  horizontalea  Ruckenlage,  welche  die  Schwangere 
unausgesetzt  einige  Wochen  beizubehalten  hat,  i)edieDeD.  Man 
geht  ganz  sicher,  wenn  man  diese  Lage  so  lange  anwendet, 
bis  man  durch  die  Untersuchung  den  Nachweis  Hefern  kann, 
dass  der  Uterus  sich  aus  dem  Becken  erhoben  hat  und  in 
dem  Bauchraum  emporwächst. 

Um  den  nicht  schwangeren  Uterus  nach  der  Reduction 
Tor  der  Rückkehr  in  den  antevertirten  Zustand  zu  bewahren, 
ist  die  Anwendung  von  Schwämmen,  welche  sowohl  an  die 
hintere  wie  an  die  vordere  Wand  der  Vagina  gelegt  werden 
sollen,  und  die  Application  von  Pessarien  empfohlen  worden. 
Abgesehen  von  der  unsicheren  Wirkung  dieser  Mittel  dürfen 
dieselben  bei  einer  Schwangeren  deshalb  nicht  angewendet 
werden,  weil  man  mit  denselben  Abortus  hervorrufen  kann. 

Gestalten  es  die  Verhältnisse  nicht,  dass  eine  Schwangere 
nach  der  Reduction  einige  Wochen  lang  zu  Bett  liegen  kann, 
oder  gehl  die  Schwangere  gegen  die  Vorschrift  des  Arztes 
umher,  so  muss  sie  sich  wenigstens  jeder  schweren  körper- 
lichen Arbeit  enthalten,  darf  namentlich  bei  der  Stuhlentleerung 
nicht  zu  stark  drängen.  Den  besten  Nutzen  wird  aber  einer 
solchen  Frau  das  Tragen  einer  oberhalb  der  Schambeine  fest 
anliegenden  Leibbinde,  deren  man  sich  bekanntlich  auch  bei 
Anleversio  des  nicht  schwangeren  Uterus  mit  Erfolg  bedient, 
gewähren.  Ich  stimme  mit  Meissner  (1.  c.  S.  731)  darin 
völlig  öberein,  dass  er  eine  solche  Leibbinde  nach  der  Repo- 
sition der  Anteversio  uteri  gravid!  dringend  anempfiehlt,  van 
die  Wiederkehr  dieser  Dislocation  zu  verbäten. 

Kommt  eine  Anteversio  uteri  gravidi,  bei  welcher  Abortus 
einzutreten  droht,  zur  Behandlung,  so  ist  ohne  Verzug  zunächst 
die  Reduction  vorzunehmen,  weil,  wenn  man  ein  exspectatives 
Verfahren  einschlägt,  der  Abortus,  wie  wir  oben  nachgewiesen 
haben,  unfehlbar  zu  Stande  kommen  wurde.  Ist  die  Reduction 
gelungen,  so  hat  man  derselben  die  sistirende  Behandlung  des 
Abortus  sofort  folgen  zu  lassen,  durch  welche  man,  wie  in 
dem  ersten  von  mir  beschriebenen  Falle  zu  ersehen  ist,  die 
gunstigste  Wirkung  erzielen  kann. 

Weisen  die  Symptome  darauf  hin,  dass  die  sistirende 
Behandlung  des  Abortus  erfolglos  ist,  droht  der  Blutfluss  ge- 
fährlich zu  werden,  so  ist  die  beschleunigende  Behandlung  des 


VlII.     HiUer,  Ueber  AnUTerslo  uteri  ^raridi.  145 

Abortus  gebolen.  Man  soii  durch  alle  Mittel  die  Uterinböhle 
zu  entleeren  suchen  und  wird  diesen  Zweck  gewiss  viel  sicherer 
dann  eiTeichen,  wenn  man  vorher  durch  die  Vornahme  der 
Reduction  die  hochgradige  Anteversio  uteri  zu  beseitigen  sucht. 
Es  ist  dieses  Verfahren  auch  aus  dem  Grunde  in  An- 
wendung zu  bringen,  um  den  mechanischen  Verschluss  des 
Os  uteri  zu  verhindern.  In  dieser  Beziehung  will  ich  an  die 
von  mir  gegebene  Beschreibung  in  der  zweiten  Beobachtung 
erinnern.  Wie  man  nach  der  Reduction  den  Uterus  zu 
energischen  Contractionen  antreibt,  wie  man  überhaupt  die 
Aufgabe,  den  Abortus  zu  beschleunigen,  richtig  löst,  dies 
hier  anzugeben,   liegt  ausserhalb   der  Grenzen  dieser  Arbeit. 

Durch  den  Abgang  des  Eies  wird  die  Anteverfio  uteri 
zwar  immer  etwas  gebessert,  aber  niemals ' beseitigt  werden. 
Die  Besserung  ist  in  bedeutendem  Grade  zu  erzielen,  wenn 
man  die  Frau  nach  dem  Abortus  einige  Zeit  lang  in  flacher 
RQckenlage  und  womöglich  mit  \ gleichzeitiger  Anwendung  der 
Bauchbinde  verharren  lässt.  Würde  eine  solche  Frau  nach 
flberstandenem  Abortus  zu  früh  das  Bett  verlassen,  so  könnte 
bei  der  noch  unvollkommenen  Involution  des  Uterus  die  Ante- 
versio wieder  einen  höheren  Grad  erreichen,  hierdurch  der 
hyperämische  Zustand  dieses  Organs  gesteigert  werden  und 
dies  zu  starken  Nachblutungen  aus  der  Gebärmutter  Anlass 
geben. 

Bei  Gebärmutterblutungen,  welche  nach  überslandenem 
Abortus  eintreten,  habe  ich  die  Injectionen  mit  Liquor  ferri 
sesquichlorati  ^ß  und  aq.  destill.  Sxij.  in  die  Uterinhöhle  neben 
der  inneren  Darreichung  von  Seeale  coroutum  am  wirksamsten 
gefunden. 

Viele  Frauen  werden  einige  Zeit  nach  uberstandenem 
Abortus  wieder  Ober  Symptome  klagen,  welche  auf  Anteversio 
uteri  zurückzuführen  sind.  Der  Arzt  wird  gewiss  nicht  über 
(Ke  Vermehrung  seiner  Praxis  durch  solche  Patientinnen  er- 
freut sein. 


MonatüRehr.  f.  Gebnrtsk.  1863.  Bd  XXII  ,  HH  2  10 


146      I^'    FieintiSj  Zur  Ctsvintik  des  leieras  grariäMmm. 


IX. 

Zur  Casuistik  des  Icterus  gravidarum. 

Von 

Sanilatsrath  Dr.  Flclnus  in  Stoiberg  a.  H. 

Am  5.  October  1862  suchte  eine  24  Jahre  alte  Primipara 
wegen  intensivem  Icterus  bei  mir  Hülfe.  Sie  war  stai*k  ab- 
gemagert und  ganz  dankelgelb.  Die  Dauer  der  Krankheit 
wurde  auf  zwei  Monate  angegeben,  die  Schwangerschaft  mussie 
als  baldigst  beendet  betrachtet  werden,  wenngleicb  die  Frau 
noch  mehrere  Wochen  Zeit  zu  haben  glaubte.  Ich  verschrieb 
Rheum  mit  Tart.  dep.,  um  der  bestehenden  Verstopfung  ab- 
zuhelfen. Schon  am  8.  October  erfolgte  die  Geburt  eines 
todlen  Kindes  und  etwa  14  Tage  nachher  verschwand  der 
Icterus. 

Eine  andere  Frau,  in  den  30  Jahren,  Htt  in  ihren  vier 
Schwangerschaften  entsetzlich  an  Magensiure,  Magenkrampf 
und  Erbrechen  fast  alles  Genossenen.  Die  Abmagerung  wurde 
erstaunlich  und  in  den  letzten  Monaten  trat  Oedem  der  unteren 
Extremitäten  mit  massigem  Eiweissgehalte  des  Urins  ein,  worauf 
für  die  letzten  drei  bis  vier  Wochen  Icterus  folgte.  Sobald 
nun  fast  unerträgliches  Hautjucken  sich  einstellte,  war  mit 
Bestimmtheit  anzunehmen,  dass  die  Entbindung  in  zehn  bis 
14  Tagen  zu  erwarten.     Also  viermahger  Icterus  einer  Frau. 

Ueber  dieses  unerli*ägliche  Hautjucken  haben  mir  schon 
mehrere  Frauen  geklagt  und  es  gleichfalls  als  gewisses  Zeichen 
der  nächst  bevorstehenden  Entbindung  aus  wiederholter  Selbst- 
erfahrung betrachtet.  Sie  waren  niemals  gelbsüchtig ;  ob  aber 
in  diesen  Fällen  das  Jucken  nicht  auch  durch  Gallenbestand- 
theile  in  Blut  und  Haut  veranlasst  wird,  wäre  gelegentlicher 
Nachforschung  werth. 

Die  Descendenz  der  vier  Mal  iclerischen  Mutter  ist 
rhachitisch  und  leidet  an  Spasmus  glottidis.  Ich  huldige  der 
Säuretheorie  und  glaube,  dass  die  allen  Alkalien  spottende 
Magensäure  der  Frati  die  genossenen  Erdsalze  während  der 
Schwangerschaft   und   Lactation   in   Lösung  erhält  und  dem 


IX.    Fieinuit  Zur  Caetiistilc  des  fcterns  fravidnriim.      ]47 

Foctus  nicht  zukommen  lässt.  Das  erste  Kind,  ein  Mädchen, 
wurde  ahgemagert  und  elend  geboren,  erholte  sich  aber  rasch 
bei  Mutter-  und  Ruhmilch.  Im  sechsten  Monate  traten 
alle  Abende,  etwa  10  Minuten  nach  dem  ersten  Schlafe  An- 
ftUe  Ton  Spasmus  glottidis  ein,  die  sich  drei  bis  vier  Monate 
lang  wiederholten.  Das  Kind  entwickelte  sidi  geistig  sehr 
früh,  sprach  schon  mit  acht  Monaten  einzelne  Namen  deut- 
lich, zahnte  aber  erst  im  zweiten  Jahre  und  bekam  die  an- 
sehnlichsten, später  verschwundenen  Deformitäten  der  Extre- 
mitäten knochen.  Die  zweiten  Zähne  sind  narbig  und  hahen 
schlechtes  Email.  Jede  Erkältung  brachte  bis  zum  fünften 
Jahre  Crouphusten. 

Der  folgende  Sohn  erlag,  20  Wochen  alt,  einem  Respi- 
rationscatarrhe  mit  Convulsionen.  Der  nächste  Sohn,  kräftiger, 
obgleich  die  Mutter  im  achten  Monate  der  Gravidität  etttt 
scbweres  gastrisches  Fieber  überstand,  litt  im  sechsten  und 
siebenten  Monate  an  Spasmus  glottidis,  zahnte  nach  dem 
ersten  Jahre  und  hat  grosse  Neigung  zu  Larynxcatarrhen : 
Crouphusten  bei  jeder  Erkältung.  Sonstige  rhachitische  De- 
formitäten fehlen.  Darauf  folgte  schon  nach  13  Monaton  ein 
Mädchen,  das  am  Anfange  des  sechsten  Monats  bei  weichem 
Schädel  an  der  Lambdanaht  Spasmus  glottidis  bekam,  der 
mit  einzelnen  Anfallen  im  ersten  Schlafe  begann,  dann  seine 
Anfalle  beim  Trinken,  bei  Bewegung,  kleinen  Aergerlichkciten, 
endlich  in  den  letzten  acht  Tagen  in  fast  ununterbrochenem 
Wechsel  mit  allgemeinen  Convulsionen  machte,  denen  dii^ 
kleine  Kranke  erlag.  Die  Symptomatik  der  Krankheit  hat 
West  mit  Meisterhand  gezeichnet;  kein  noch  so  unbedeutender 
Zug  ist  darin  vergessen.  Das  habe  ich  als  Vater  mit  Schmerz, 
als  .\rzt  mit  Bewunderung  erfahren! 


10* 


148 


X.     BretUm,  Zweiter  Beitrag  sur  Wiirdigaep 


X. 

Zweiter  Beitrag 

zurWürdigung  des  Hofacker-Sadler'scheiiGesetses, 

betreffend  das  Gesehleehtsverhältiiiss  der  Kinder 

bei  relativer  Altersverschiedenheit  der  Aeltem. 

Von 

Prof.  Dr.  Breslau  in  Zürich. 

Als  ich  vor  einiger  Zeit  ^)  meine  ersten  Untersuchungen  über 
den  Werth  des  Hof  acker-Sadter^ sehen  Gesetzes  veröfTentiichte, 
versprach  ich  von  Zeit  zu  Zeit  weitere  Beiträge  zu  liefern. 
Dies  mag  nun  auch  im  Folgenden  geschehen,  nachdem  ich 
die  der  hiesigen  Medicinaldirection  eingelieferten  Hebammen- 
tabellen des  Cantons  Zürich  pro  1862  zu  meinem  Zwecke 
excerpirt  habe  und  dadurch  in  den  Stand  gesetzt  worden  bin, 
über  ein  neues  Material  von  8408  Geburten  oder  genau  ge> 
nommen  Geborenen,  zu  verfügen. 


1. 

2. 

3. 

4. 

5. 

6. 

7. 

Namen 

Geborene 

a.  Vater 

b.  Vater 

e.  Vater 

Ge- 

Ge- 

Ge- 

der 

w             *       1 

iin 

älter 

a.  Mutter 

jfinger 

borene 

borene 

borene 

Bezirke. 

Jahre 

als  die 

gleich 

ala  die 

▼on  a. 

von  5. 

▼OD  c. 

1862. 

Mutter. 

alt. 

Mutter. 

in  Proc. 

in  Proc. 

in  Prot 

K. 

M. 

K. 

M. 

K.       M. 

K. 

Jn. 

K.  u.  M. 

K.a.M. 

K.  n.  M. 

Zürich   .  .  . 

1053 

958 

783 

733 

53      52 

217 

173 

75,8 

6,2 

19,5 

A  (foltern 

192 

171 

138 

119 

13  1    12 

41 

40 

70,8 

6,8 

22,4 

Horgen  . 

416 

391 

307 

'J83 

20,    37 

89 

71 

73,1 

7,0 

19,^J 

Meilen    .  , 

288 

287 

204 

205 

22      19 

62 

68 

71,2 

7,1 

21,8 

Hinweil 

489 

423 

313 

285 

33      26 

93 

112 

69,3 

6,8 

2.%9 

Uster  .  • 

315 

283 

207 

175 

33 

28 

75 

80 

63,9 

10,2 

25,9 

Ffaffikon 

317 

293 

210 

186 

33 

25 

74 

82 

64,9 

9,5 

23,6 

Andelfingen 

244 

221 

181 

164 

15 

12 

48 

45 

74,2 

5,8 

20,0 

Bülach  .  .  . 

370 

333 

251 

232 

30 

27 

89 

74 

68,7 

8,1 

23,2 

Kegensho  rg 

259 

220 

179 

160 

24 

18 

56 

42 

70,8 

8,7 

20,5 

Winterthar 

496 

'439 

341 

.S09 

50 

34 

105 

96 

69,6 

8,9 

21,6 

Snnime 

4389  14019 

3114  2851 

326    290 

949  1878 

70,9 

7,3 

21,7 

8408 

5966 

616 

18! 

27 

— 

.— 

— 

Verb&ltnisB 

1 

dvr  Knaben 

xn  M&drhen 

wie  1000 

:      1 

m 

)2       1 

10 

92      1 

11! 

24      1 

m 

)0     I 

^ 

— 

— 

1)  Monatsschrift  für  Gebartsknnde,  Bd.  XXI.,  Sappl. -  Heft. 


498  ffo/ädt6r-ßadUf*8ch9n  OeAetses  «tc.  149 

Die  voranstehende  Tabelle  für  sicti  betrachtet  ohne  ver- 
gleichende Rücksicht  auf  meine  frühere  Zusammenstellung  für 
das  Jahr  1861 ,  berechtigt  zu  folgenden  die  Geschlechts- 
propoition  der  neugeborenen  Kinder  betreffenden  Sätzen: 

1)  Die  Knabenproportion  übersteigt  im  Jahre  1862  das 
gewöhnliche  Mittel  um  ungefähr  3  Proc. ,  indem  auf 
1000  Mädchen  1092  Knaben  statt  1060—1066  kommen. 
Dieser  Knabenüberschuss  ist  aber  kein  ausserhalb  der 
gewöhnlichen  Grenzen  liegender  t  sondern  ein  solcher 
wie  er  an  allen  Orten  und  so  auch  im  Canton  Zürich  ^) 
zu  gewissen  Zeiten  vorzukommen  pflegt. 

2)  War  der  Vater  älter  als  die  Mutter  (normale  Ehen), 
so  wurden  im  gleichen  Verhältnisse  mehr  Knaben  als 
Mädchen  producirt,  nämlich  1092: 1000,  wie  im  Grossen 
Ganzen  ohne  Berücksichtigung  der  Altersverschiedenheit 
der  Aeltern. 

3)  War  Vater  und  Mutter  gleich  alt,  so  wurden  uro  3,2  Proc. 
mehr  Knaben  producirt,  als  im  Grossen  Ganzen,  näm- 
lich 1124  :  1000. 

4)  War  der  Vater  jünger  als  die  Mutter,  (beide  letzte 
Klassen  nenne  ich  anomale  Ehen),  so  wurden  etwas 
weniger,  nämlich  1,2  Proc.  weniger  Knaben  producirt 
als  im  Grossen  Ganzen. 

5)  Die  Schwankungen  in  der  Knabenproportion  bei  allen 
drei  relativen  Altersverschiedenheiten  der  Aeltern  sind 
gering,  und  wenn  man  berücksichtigt,  dass  man  es 
bei  Golumne  3  (Vater  und  Mutter  gleich  alt)  mit  den 
kleinsten  Zahlen  (616  Kinder),  aber  mit  der  grösaten 
Differenz  zu  thun  hat,  so  wird  der  Werth  des  daraus 
gewonnenen  Resultates  ein  zweifelhafter  und  es  bleibt 
als  einzig  sicher  nachweisbares  Gesetz  stehen: 

6)  Unter  allen  relativen  Altersverschiedenheiten 
der  Aeltern  überwiegt  die  Zahl  der  Knaben 
die    der  Mädchen    in   nahezu  gleicher  Weise. 


t)  Cfr.  meiDon  Aufsatz:  „lieber  die  Ursachen  des  Oeschlechts- 
verhältntsses  der  Kinder  etc.**  iu0e9terlen*B  Zeitschrift  für  Hygieine, 
Bd.  I.,  H.  2. 


150 


X.    Breslau  t  Zw<U«r  Beitrag  »nr  Watdigittng 


Dieser  letzte  Satz  ist  es  auch,  den  ich  allein 
als  feststehend  betrachten  möchte,  wenn  ich  die 
statistischen  Ergebnisse  des  Jahres  1861  mit  denen  von  1862 
vereinige  und  zu  welchem  ich,  wenn  ich  beide  Jahrgänge 
vergleiche,  hinzusetzen  kann:  „Die  Schwankungen  in  der 
Geschiechtsproportion  der  neugeborenen  Kinder  sind  der  Art, 
dass  ein  Causalnexus  zwischen  ihnen  und  der  relativen 
Altersverschiedenheit  der  A eitern  nicht  zu  bestehen  scheint. 

Für  beide  Jahre  •zusammen  ergiebt  sich: 


Summe 

aller 

Geborenen. 


Vater  alter 
aU  die 
Matter. 


Vater  nnd 

Matter 
gleich  alt. 


Vater  jünger 
als  die 

Mutter. 


16492 

11762 

1201 

3529 

K. 

M. 

K. 

M. 

K. 

M. 

K. 

M. 

85G1 

7931 

,   6069 

5693 

623 

578 

1869 

1660 

1079: 

:  1000 

1   1066: 

1000 

1077: 

1000 

1125: 

1000 

Keine  Spur  des  Hofacker-Sadler^^hen  noch  eines 
anderen  verwandten  Gesetzes  findet  sich  in  den  voran  gegebenen 
Zablen,  und  es  müsste  sich  doch  ohne  Zweifel  äussern,  wenn 
es  überhaupt  in  der  Natur  existirte.  Wir  haben  es  nicht  mit 
ein  paar  hundert  Geborenen,  sondern  mit  16492  zu  tliun, 
und  stehen  mit  diesen  Zahlen  einzig  denen  von  Legoyt  aus 
der  Pariser  Statistik  nach.  Wie  wenig  Vertrauen  aber  Legoyfs 
Untersuchung  im  Ganzen  verdient,  habe  ich  schon  in  meinem 
letzten  Aufsatze  nachgewiesen.  Bei  dieser  Gelegenheit  niuss 
ich  noch  einer  der  Academie  des  Sciences  in  Paris  in  der 
Sitzung  vom  23.  Februar  1863  mitgetheilten  Note  von  Herrn 
M.  Boudin  Erwähnung  thun,  als  Auszug  in  der  Girzette 
m^dicale  de  Paris  wiedergegeben  mit  dem  Titel:  ,,de  Tinlluence 
de  Tage  relatif  des  parents  sur  le  sexe  des  enfants.**  Herr 
Boudin  erklärt  gleich  in  den  ersten  Sätzen,  dass  er  nicht 
im  Sinne  habe,  den  Werth  all  der  Hypothesen  zu  prüfen, 
welche  über  die  auf  das  Geschlecht  der  Kinder  influencirenden 
von  den  Aellern  ausgehenden  Bedingungen  aufgestellt  worden 
seien,  er  wolle  nur  die  Aufmerksamkeit  der  Academie  auf  die 
Resultate  lichten,  welche  sich  ihm  bei  Berücksichtigung  des 


de«  Hofatk^r'SadUr^ach^u  QeseU«8  ein.  J^51 

relatifen  Alters  der  Aeltern  ergeben  licil)en.  Seine  persön* 
liehen  Nachforschungen  hätten  ibm  ergeben,  dass  sich  Mädchen 
zu  die  Knaben  verhalten 


wie  1000 
„  1000 
„    1000 


910  wenn  der  Vater  junger, 
945  bei  gleichem  Aller  der  Aeltern, 
1092  wenn  der  Vater  älter. 
Damit  wäre  nun  freilich  wieder  das  Hof acker-Sadler'ich^ 
Gesetz  bestätigt,  allein  Herrn  Boudin's  persönliche  Nach- 
forschungen sind  olTenbar  nichts  anderes,  als  eine  kriliklus«^ 
Zusammenstellung  der  durch  Hofacker,  Sadler ,  Gochleri 
,  und  Legoyt  gewonnenen  Resultate.  Hätte  Herr  Boudin  auf 
eine  neue  Statistik  sich  gestutzt  oder  stützen  können,  so 
wurde  er  sicher  nicht  versäumt  haben  und  nicht  haben  ver- 
säumen dürfen,  solche  etwas  eingehend  zu  erwähnen  und  mit 
den  vorhandenen  ähnlichen  zu  vergleichen.  Mit  keiner  Silbe 
ist  aber  einer  solchen  gedacht,  sondern  nachdem  Herr  Boudin 
seine  oben  angeführten  „recherches  personelles"  in  den  Vorder- 
giHind  gestellt  hat,  geht  er  auf  die  den  gleichen  Gegenstand 
betreifende  Literatur  über,  und  giebt,  ohne  auf  den  Gang  der 
Untersuchung  früherer  Forseber  sich  einzulassen,  lediglich 
deren  Endresultate,  die  er  in  Eins  verschmolzen,  der  Academie 
der  Wissenschaften  als  etwas  ganz  Neues  vorlegt.  Solche 
Oberflächlichkeit  bedarf  keiner  weiteren  Erörterung;  es  ge- 
nügt, hingewiesen  zu  haben,  wie  von  mancher  Seite  Statistik 
betrieben  wird,  und  wie  sich  Irrthumer  von  Generation  zu 
Generation  fortpflanzen  können,  wenn  man  nicht  auf  die 
Quellen  zurückgeht  und  nicht  die  Spreu  vom  Weizen  zu 
scheiden  sucht 

Ich  fordere  nochmals  die  Statistiker  von  Fach  auf,  sich 
die  Erforschung  der  Ursachen  des  Geschlechtsverhältnisses 
der  Kinder  angelegen  zu  lassen,  ich  selbst  werde  dieses  Thema 
nicht  ausser  Auge  lassen  und  will  auch  in  den  kommenden 
Jahren  mein  Möglichstes  beilragen,  das  Hof  ackerSadler' sehe. 
Gesetz  zu  reconstruiren  oder  vollends  zu  destruiren,  wie  ich 
es  bisher  luibe  thun  müssen. 

Zürich,  im  Juli  1863. 


X52  ^^*    NoUsen  um  der  Journal «Lileratw. 


XL 

Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 


Nivert:   Die  Wendung  auf  den  Kopf  durch   äussere 
Handgriffe. 

N,  hatte  in  seiner  Eigenschaft  als  Interne  der  Matemite 
▼lelfHltig  Gelegenheit,  die  Wendung  anf  den  Kopf  durch  äussere 
Handgriffe  aussuführen  nnd  ansführeu  su  sehen  und  legte  die 
Resultate  seiner  auf  diese  Operation  besäglichen  Studien  und 
Wahrnehmungen  in  seiner  Inauguralschrift  nieder.  Von  den 
historischen  Daten,  mit  welchen  er  dieselbe  beginnt,  mochte 
Folgendes  Yon  Interesse  sein.  Die  erste  Veröffentlichung  des 
▼on  Wigand  entdeckten  Verfahrens  geschah  im  Hamburger 
Magasin  1807.  Die  1812  erschienenen  „Drei  den  medicini^ohen 
Facultäten  übergebene  geburtshülfliche  Abhandlungen  "  desselben, 
worin  es  mit  grosser  Ausführlichkeit  beschrieben  wird,  gelangten 
auch  an  die  Facultät  zu  Paris,  blieben  jedoch  yollständig  un- 
benchtet,  bis  sie  1857  von  Prof.  Hergott  in  Strassburg  übersetst 
wurden.  Aach  das  Verfahren  selbst  blieb  in  Frankreich  lange 
Zeit  unbekannt  oder  verkannt,  obgleich  yon  Plamant  (Jonm. 
complem.  d.  sc.  m.,  tom.  XXX.)  bestens  empfohlen.  Er8t  Velpeau 
erklärt  es  (Trait^  ^lem.  de  Part  des  acc,  1829)  für  in  einzelnen 
Fällen  ausreichend.  Einen  wärmeren  Fürsprecher  fand  es  in 
JP.  Dubois  im  Dictionaire  en  30  toH.  Weiter  sind  zu  registriren 
die  von  LecorchS -  Colombe  1836  mit  günstigem  Erfolge  angestellten 
klinischen  Versuche,  die  Inauguralschrifl  von  Vulfranc-Gerdyj  1B37, 
worin  er  die  Methode  vertheidigt,  ein  Abschnitt  im  Trait^  des  acc. 
von  Chailly - Honori  (1842),  in  welchem  sie  dieser  unter  An- 
führung günstiger  Resultate  aus  eigener  und  fremder  Praxis 
empfiehlt,  ohne  jedoch  den  Namen  FTt^and^s  zu  nennen,  die  laue 
Befürwortung  von  Jaequemier  (Trait^  d'obstdtr. ,  1846)  und  die 
von  Cazeaux  (Trait^  des  acc,  1853),  das  günstige  Urtheil  von 
Mattei  (1855)..  Die  erwähnte  Uebersetzung  des  FTt^aari'schen 
Originals  durch  Hergott  verschaffte  endlich  dem  namentlich  von 
Cazeaux  und  Stoltz  begünstigten  Verfahren  das  Bürgerrecht  in 
Frankreich. 

Zum  Ausgangspunkte  seiner  weiteren  Betrachtungen  nimmt 
Verf.  die  Selbstwendung,  auf  deren  Nachahmung  die  Methode 
busirt.  Den  Vorgang  bei  derselben  genügend  zu  erklären,  hält 
er  sich  ausser  Stande  und  führt  nur  die  Ansichten  von  Velpeau 
und  Cazeaux  darüber  an,  ohne  sich  für  die  eine  oder  die  andere 
an    erklären.      Während    jener    die    Ursache    des    häufigen    Vor* 


Xf.    Nfrtlsmi  aas  der  Jovnial-Lit«rat«r.  153 

konroens  spontuner  Lageregolirang  in  den  Umctaode  ao  finden 
glanbt,  daea  nur  bei  LängBlagernng  dea  Fotaa  der  Druck  dea 
Uterua  annähernd  gleich mSsaig  auf  deaaen  Oberflftehe,  bei  Schief- 
lagen dagegen  nur  auf  die  noch  dasu  abgerundeten,  leicht 
gleitenden  Enden  desselben  wirke ,  wodureh  beim  Beginn  der 
Wehenthätigkeit  leicht  eine  Adaptirung  der  Längsachsen  von 
Frucht  und  Fmchthalter  eintrete,  —  sueht  sie  dieser,  ähnlich 
wie  Wigandy  in  partiellen  Zuaammensiehungen  der  OebHrmutter. 
Die  Häufigkeit  der  Seibatwendung  ist  hinreichend  constatirt, 
jedoch  ist  es  nicht  su  billigen,  mit  Psitsna»  im  Hinblick  auf 
dieselbe  an  lange  der  Ezspectative  su  huldigen.  Der  Zeitpunkt 
der  Selbstlrendung  ist  meist  vor  oder  kurs  nach  dem  Blasen- 
sprunge, doch  kann  sie  selbst  geraume  Zeit  nach  demselben  noch 
su  Stande  kommen,  wie  eine  Beobachtung  Ton  Velp^au  (Traitä 
d'acc,  t.  I. ,  p.  685)  lehrt. 

In  Betreff  der  Diagnostik  der  Quer-  oder  Schieflagen  sagt 
Verf.  meist  Bekanntes.  Hervorzuheben  mSchte  sein  hinsichtlich 
der  Inspection,  dass  er  mit  Hergott  annimmt,  der  bei  Qnerlnge 
meist  den  verticalen  Durchmesser  des  Uterus  an  Länge  über- 
treffende Querdarcbmesser  desselben  könne  nach  Abfluss  der 
WHsser  mit  Ausbildung  einer  Schieflage  ein  umgekehrtes  Ver- 
halten annehmen,  hinsichtlich  der  Anamnese,  dass  er  grosses 
Gewicht  auf  Constatirung  abnormer  Kindeslagen  bei  voraus- 
gegangenen Geburten  legt,  hinsichtlich  der  Percussion,  dass  er 
die  von  Piorry  allen  Ernstes  sur  Ermittelung  der  Kindeslage 
empfohlene  Anwendung  derselben  mit  Depaul  verwirft,  hin- 
sichtlich der  Auscultation,  dass  er  sie  mit  ebendemselben  und 
mit  Danyau  für  werthvoU  in  denjenigen  Lagen  hält,  wo  der 
Rücken  des  Kindes  nach  vorn  gewandt  ist,  indem  hier  die  Deut- 
lichkeit der  Herztöne  von  dem  Orte  ihrer  höchsten  Intensität  in 
querer  Richtung  abnimmt,  dieselben  dagegen  über  einem  grossen 
Theile  des  Uterus  fehlen,  während  bei  nach  hinten  gekehrtem 
Rücken  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen  ihre  geringere  Wahr- 
nehmbarkciit  ihren  diagnostischen  Werth  vermindert.  Die  Form 
der  sich  stellenden  Blase  zu  Schlüssen  auf  bestimmte  Kindeslagen 
zu  benutzen,  hält  er  für  gänzlich  unstatthaft. 

Von  den  Bedingungen,  welche  Wigand  zu  einer  erfolgreichen 
Ausübung  seiner  Methode  für  nöthig  erachtete,  hält  Verf.  die 
Gegenwart  einer  reichlichen  Menge  von  Fruchtwasser  in  un- 
versehrter Eiblase  nicht  für  unbedingt  erforderlich.  Er  bemft 
sich  auf  drei  Fälle,  in  denen  die  Operation,  trotz  einer  sehr 
geringen  Menge  von  Wasser  (300  und  400  Grammes),  sowie  auf 
andere,  wo  sie  längere  Zeit  nach  dem  Blaaensprnnge  noch  gelang. 
Ebenso  hält  er  die  Gegenw'art  von  Zaaam  man  Ziehungen  der  Gebär- 
mutter, ohne  ihre  Bedeutung  für  Zustandekommen  und  Sicherung 
der    besweokten  Kindeslage    zu   leugnen,    im   Hinblick    anf  von 


•^ 


-k. 


164  ^I-    NotTsea  aq»  der  JoarDal-I*ft0r«t«r. 

ihm  in  der  Sohwangersehaft  ersielte  günstige  Beeultete  fiir  eat- 
behrlich,  desgleichen  mit  Jfar<>M  (Berlin)  die  Ton  Lumpe  geforderte 
Dünne  nnd  Nachgiebigkeit  der  Banchdecken.  Hinsichtlich  der 
Statthaftigkeit  der  Wendang  auf  den  Kopf  bei  Beckenenge  schlteaat 
er  sieh  seinem  htihr^r  Danyau  an,  welcher  diese  im  AUgemeineB 
der  Wendung  nnf  des  Beckenende  entschieden  vorsieht,  w&hrend 
#r  letztere  bei  schrägoTalem  Becken  billigt,  anch  für  solehe 
FHlle  rXth,  wo  bei  einem  kleinsten  Dnrchmesser  nnter  2Vs"  die 
Extraction  nach  der  Craniotomie  auf  Schwierigkeiten  stosst. 
Nach  Belin  ist  das  Leben  dos  Kindes  fiir  die  Ansfnhrnng  der 
Operation  von  Wichtigkeit.  Verf.  stimmt  dem  nar  insofern  bei, 
als  ein  längere  Zeit  abgestorbener  Pötns  in  Folge  der  Erweichung 
seiner  Gewebe  sn  wenig  Resistenz  besitze,  nm  den  äusseren 
Handgriffen  einen  genügenden  Angriffspunkt  zu  bieten. 

Mit  Wigand  hKit  Verf.  die  Methode  für  contraindicirt  im 
Allgemeinen  in  den  Fällen,  welche  eine  schleunige  Beendigung 
der  Geburt  erheischen,  —  gegen  Blutungen  bei  yorliegendem 
Fruchtkuchen  fand  er  dagegen  das  Herableiten  des  Kopfes  und 
Sprengen  der  Blase  sehr  nützlich.  Ferner  glaubt  er  sich  auf 
Grund  seiner  Erfahrungen  berechtigt,  die  von  dem  Hamburger 
Geburtshelfer  aufgestellten  weiteren  Gegenanzeigon  —  Vorfall  des 
Nabelstranges,  Zwillingsschwangerschaft,  Difformitäten  (Ascites, 
Hydrooephalie  etc.)  des  Fötus  —  zurückzuweisen. 

Den  Zeitpunkt  der  Operation  anlangend,  gelang  es  Verf., 
in  6  von  7  Fällen,  dieselbe  in  der  letzten  Zeit  der  Schwanger- 
schaft mit  dauerndem  Erfolge  auszuführen;  bei  schon  begonnener 
Geburt  rHth  er,  sie  so  zeitig  als  möglich  rorzunehmen,  indem  er 
die  Forderung  Chailly's,  die  TollstUndige  Erweiterung  des  Mutter- 
mundes abzuwarten,  um  nicht  durch  die  benöthigten  Manipulationen 
einen  vorzeitigen  Wasserabgang  zu  bewirken,  für  unberechtigt 
erklärt,  indem  dieselben  an  sich  diese  Eventualität  herbeizuführen 
nicht  im  Stande  seien,  und  für  gefährlich,  da,  falls  aus  irgend 
welchem  Grunde  ein  verfrühter  ßlasensprung  eintrete,  die  Aus- 
sicht auf  Erfolg  wesentlich  geschmälert  sei, —  doch  will  er  auch 
nach  dem  Wasserabflüsse  die  Methode  wenigstens  versucht  wissen 
mit  Rücksicht  auf  selbst  unter  diesen  Verhältnissen  gelungene  Fälle. 

Während  Wigand  vorschrieb,  die  Handgriffe  kurz  vor  und 
in  den  Wehen  vorzunehmen,  da  er  diese  für  den  Erfolg  wesentlich 
unterstützend  hielt,  agirt  Verf.  in  den  Wehenpausen,  da  dann 
die  Gebärmutter  weicher,  eindrückbarer,  weniger  empfindlich, 
der  Fötus  in  seinen  Vorragungen  markirter,  sowie  leichter  be- 
weglich ist. 

Die  Operation  selbst  wird  in  der  Matemit^  in  der  Art  ans- 
geführt,  dass  in  der  Rückenlage  der  f^ran  nnd  ausser  der  Wehe 
der  Kopf  durch  sanftes,  gradweise  verstärktes  Eindrücken  der 
Banchdecken  nnd  der  Uternswand  mittels  beider  Hände  umgrenst 


Xi.    NDrtiaeii  ans  der  Jo«nial'LU«r«tttr.  155 

tmd  dnreb  foti^nt^mten  mainigMi  Dra«k  id  geeigneter  Bieiitanfl 
dem  Heekeneingmige  svgefiihrt  wird,  worauf  en  seiner  bester«*!! 
KiKirnng  bei  begonnener  Gebart  ohne  Küokfliefat  auf  den  Grad 
der  ßrweiternng  des  Mattermandet  die  Blase  gesprengt  wird, 
Schwangere  dagegen  eine  Stnnde  in  mhiger  Räckenlage  eu  yer* 
harren  roraBlasat  werden. 

Die  von  Wigand  als  wesentKches  Unterstfitsungsmittel 
empfohlene  Seitentage mng  sab  Verf.,  der  sie  bei  gleichseitiger 
Anwendang  der  ftusseren  Handgriffe  für  fiberBüssig,  bei  alleiniger 
Anwendung  llir  nur  in  besonders  günstigen  Fällen  ansreiohend 
b&lt,  nicht  in  Gebrauch  gesogen. 

(Gas.  des  hdpitanz,  1863,  Ko.  47,  50,  51,  56.) 


Mayrhofer:    Untersuchungen    über    Aetiologie    der 
Puerperalprocesse. 

Verf.  beschäftigt  sich  seit  längerer  Zeit  mit  umfassenden 
Untersuchungen  über  die  Bedeutung  der  häufig  in  Lochialsecreteii 
anzutreffenden  Vibrionen  hinsichtlich  der  Aetiologie  der  Puerperal- 
processe. Obgleich  dieselben  noch  au  keinem  Abschlüsse  ge- 
kommen, hält  er  es  doch  für  der  Mühe  werth,  ihren  bisherigen 
Gang  und  die  vorläufigen  Resultate  darsulegen. 

Die  Vibrionen  erschienen  in  grösster  Menge  bei  der  Faul- 
niss  organischer  Substanzen.  Ihre  Grundform  ist  die  einer  an 
den  Enden  abgerundeten  Walze  von  sehr  verschiedener  Länge. 
Diese  Waisen  kommen  theils  einzeln,  theils  zu  mehreren,  ihrer 
Längsachse  nach  aneinander  gereiht,  vor,  und  zeigen  die  kürzeren 
meist  eine  kolbige  Verdickung  beider  Enden.  Manchmal  zeigdn 
sie  in  fast  gleichen  Abständen  seichte  Einschnürnngen.  Ihr 
Qnerdurchmesser  ist  sehr  verschieden ,  dürfte  nie  0,002  Millimeter 
erreichen  und  bleibt  bei  der  Mehrzahl  unter  0,0008  Millimeter. 
Ihre  Bewegung  ist  eine  sehr  rasche,  gleitende,  pendelnde  oder 
schlängelnde;  die  einzelnen  Glieder  zusammengesetzter  Formen 
bewegen  sich  hänfig  gegen  einander  wie  in  Gelenken.  Bei 
mangelnder  Bowegnng  ist  es  schwer  oder  unmöglich,  sie  sicher 
von  anderen,  ähnlich  aussehenden  Dingen  zu  unterscheiden.  Zur 
Untersuchung  empfiehlt  sich  eine  mindestens  450 fache  Ver- 
grössernng  und  helles  Lampenlicht.  Ob  die  verschiedenen  Formen 
auch  verschiedenen  Arten  angehören,  ob  sie  als  Thiere  oder 
Pflanzen  aufzufassen  seien,  lässt  Verf.  unentschieden. 

Um  die  etwaige  Bedeutung  der  Vibrionen  hinsichtlich  des 
Puerperalprocesses  kennen  zu  lernen,  untersuchte  M,  89  Mal 
Lochialseeretö  gesunder  Wöchnerinnen,  wo  er  sie  nur  15  Mal 
antraf,  und  zwar  am  zweiten,  dritten  und  vierten  Wochenhetts- 
tage  (in  32  Fällen)  nie,  am  fünften  Tage  unter  16  Fällen  3  Mal 
und  nach   dem  fünften  Tage   unter  41   Fällen   12  Mal,   während 


156  ^^'    Notifteii  mn  der  Jottraftl*Llici*at»r. 

•r  sie  in  dorn  WoeheDflosae  Ton  ZB  an  Pverpertt^roeeaven  Br- 
krankten  mit  Ausnabme  aweier  FHIle  oonttant  vor^Rnd,  und  swar 
fast  immer  schon  bei  der  ersten  üntersnchnng,  wenn  an  der 
betreffenden  Wöchnerin  snr  Zeit  derselben  bereits  ansg^asproeheiie 
Symptome  der  Erkrankung  sieh  eingestellt  hatten.  Nach  diesen 
Untersncbungen  erscheint  ihm  als  das  Nächstliegende,  an  eieen 
eausalen  Zusammenbang  au  denken,  sei  es  nnn,  daas  die 
Vibrionen  bei  Endometritis  einen  geeigneten  Boden  an  ihrer 
Entwickelueg  finden,  oder  dass  sie,  in  den  Uterus  einwandernd, 
den  Pnerperalprocess  verursachen. 

Femer  stellt  Verfasser  Infections versuche  mit  gfthrenden« 
Vibrionen  enthaltenden  Flüssigkeiten  an,  über  die  er  vorlftafig 
mittheilt,  dass  es  ihm  durch  Eintragung  dieser  Substansen  in 
die  Frnchthalter  von  Kaninchen  kurz  nach  dem  Wurfe  gelang, 
Entzündung  der  Innenfläche  genannter  Organe  und  Erscheinungen 
septischer  Blutvergiftung  hervorzurufen. 

(Da  nun  aus  den  classischen,  in  den  „Comptes  rendus* 
niedergelegten  Arbeiten  von  Pcuteur  die  Gegenwart  von  Vibrionen 
in  gährendeu  Substansen,  aus  anderweitigen  Versuchen  die 
Möglichkeit,  durch  Infection  mit  dergleichen  Stoffen  Septichämie 
zu  erzeugen,  hinlänglich  bekannt  ist,  so  erscheint  als  wesentlich 
neu  nur  der  gelieferte  Nachweis,  dass  sich  Vibrionen,  die  wahr- 
scheinlichen Zeichen  von  Gährungsprocessen  im  Bereiche,  der 
absondernden  Fläche,  in  den  Lochialsecreten  Gesunder  seltener 
finden,  als  in  denen  an  Puerperalprocessen  Erkrankter,  —  Grnnd 
genug,  um  weiteren  Resultaten  der,  wie  gern  angegeben  wird, 
äusserst  mühsamen  und  zeitraubenden  Untersncbungen  entgegen- 
zusehen.) 

(Wien.  med.  Jahrb.,  1863,  1.  Heft.) 


Pian:    Hydrocele   recto-vaginalis. 

P4an  beschreibt  eine  an  der  Leiche  einer  alten  Fran  ge- 
fundene Geschwulst.  Dieselbe  ragte  am  Perinäom  hervor, 
drängte  die  grossen  Schamlippen  an  ihrer  hinteren  Commissur 
auseinander  und  war  von  birnfönniger  Gestalt.  Bei  näherer 
Untersuchung  communicirte  ihre  mit  Serum  angefüllte  Hohle 
mit  der  Unterleibshöhle.  Wir  haben  hier  den  änssorst  seltenen 
Fall  einer  alten  Enterocele  vaginalis  vor  uns. 
(Gazette  des  hdpitanx,  1863,  No.  27.) 


XI.    Notisen  ans  der  JonrnaULitaratar.  157 

MatihewB  Duncan:   lieber   Lupus   und   Caneroid   der 
Vulva. 

Dr.  Dunean  beschreibt  einen  Fall  von  Lupus  Ynlvae  bei  einer 
28jährigen  Fjran,  bei  welcher  nie  eine  syphilitische  Affection 
stattgefunden  haben  soll.  Die  sonst  sehr  seltene  Krankheit  findet 
sich  gewöhnlich  nur  bei  Prostituirten  und  ist  besonders  dadurch 
charakteristisch,  dnss  die  Zunahme  der  Sensibilität  selbst  in  den 
tilcerirten  Theilen  nur  eine  äusserst  geringe  ist.  Gewöhnlich 
seigt  sich  der  Lupus  vulvae  nur  als  eine  bedeutende  Hyper- 
trophie der  Schamlippen,  mit  nur  geringer  Ulceration.  Im 
beschriebenen  Falle  jedoch  war  die  innere  Fläche  der  Labien 
8  Zoll  im  Durchmesser  bedeutend  uicerirt;  die  Oberfläche  des 
Geschwürs  war  mit  blassen  Qranulationen  bedeckt,  die  bei  Be- 
rührung nicht  bluteten.  Der  Lupus  dehnte  sich  auf  das  Perinäum 
und  den  Anus  aus  nnd  wurde  durch  das  Messer  entfernt.  Die 
Geschwüre  wurden  geätzt. 

Ansserdem  beschreibt  Verfasser  noch  einen  Fall  von  Caneroid 
der  Vulva. 

(Edinburgh  Medical  Jourjial,  Dec.  1862,  No.  XC.) 


Köberle:    Fall   von   Ovariotomie. 

K.  bat  kürslich  mit  Glück  seine  vierte  Ovariotomie  ans- 
geführt|  obwohl  in  diesem  letzten  Falle  ein  bedenklicher  Zwischen- 
fall eintrat.  Die  Kranke  befand  sich  bis  snm  zwölften  Tage 
darchans  wohl,  als  in  Folge  einer  Auftreibnng  der  D&rme,  der 
Stiel  der  Geschwulst  riss  und  eine  intraperitonäale  Blutung  er- 
folgte. K.  öffnete  nochmals  die  Wunde,  nntersuchte  den  Stiel, 
unterband  die  blutende  Ovarialarterie  nnd  leg^e  chlorsanres  Eisen 
auf.  Bei  der  Entfernung  des  ergossenen  Blutes  reinigte  er  die 
Bauchhöhle  sorgfältig  mit  einem  Schwämme  und  schloss  die 
Wunde  in  derselben  Weise  wie  nach  der  Operation.  Kein  übler 
Zufall  trat  danach  ein  nnd  am  42.  Tage  war  vollkommene  Ge- 
nesang eingetreten. 

(Gaz.  des  hdpitanz,  1863,  No.  18.) 


Späth:  Ueber  die  Sanitätsverhäitnisse  der  Wöch- 
nerinuen  an  der  Klinik  ffir  Hebammen  in  Wien 
vom  October  1861  bis  Januar  1863. 

In  dieaer  Zeit  von  16  Monaten  wurden  in  gedachter  Anstalt 
416S  Franan  entbanden;  Ton  diesen  starben  212  an  Pnerperal- 
prooaaaen  (6,tProo6nt).  Denselben  Zeitraam  theilt  8.  der  besseren 
Uebersieht  halber  ein  in  die  Periode  der  Endemie  (Tom  1.  October 
1861  bis  incl.  2.  Februar  1862)  —  von  1127  Neuen tbUBdenen  Mi 


158  ^^'    Notisoa  aus  der  JottroAl-LHeratar. 

bedentanderen  Pa«rp«ral|vo«eMen  286,  wovon  148  (18»%  Plroe.) 
iitarben  — ,  in  die  Periode  der  Bessernng^  (toih  3.  Pebroar  bis 
incl.  8.  Jaoi  1862)  —  Ton  1166  Wöchnerinnen  erkrankten  94, 
davon  starben  54  (4,6  Proc.)  — ,  endlich  in  die  Periode  mit 
günstigeti  Oesundheitsverhältnissen  (▼om  9.  Jani  bis  Ende  iStiS) 
—  von  1861  Frauen  erkrankten  bedeutender  bloss  37,  hiervon 
starben  10  (0,53  Proc).  Vorsüglicli  die  klinischen  Ergebnisse 
wKhrend  des  ersten  dieser  Zettabschnitte  sind  es,  welche  Verf. 
nach  deq  verschiedensten  Richtungen  hin  einer  sorg^ltigeu 
Prüfung  unterzog,  deren  Gang  zu  controliren  die  beigefugten, 
sehr  übersichtlichen  Tabellen  ermöglichen.  AU  die  wesentlichsten 
Resultate  sind  die  folgenden  Ermittelungen  zu  beseichnen. 

Wöchnerinnen,  welche  schon  entbunden  der  Anstalt  über-, 
geben  wurden  (von  Gassengeburten),  machten  cur  Zeit  der 
Endemie  einen  nicht  bloss  relativ,  sondern  einen  überhaupt 
günstigeren  Verlauf  des  Wochenbettes  durch  —  von  90  erkrankte 
nur  1 ,  welche  am  28.  Tage  nach  der  Entbindung  als  genesen 
entlassen  werden  konnte. 

Das  Erkranknngsverhältniss  derjenigen,  welche  noch  am 
Tage  ihres  Eintrittes  oder  am  folgenden  Tage  entbunden  wurden 
(18,5  Proc),  ist  von  jenem  der  Wöchnerinnen,  die  schon  längere 
oder  kürzere  Zeit  vor  der  Entbindung  in  der  Anstalt  waren  (22,6  Proc), 
nicht  so  bedeutend  verschieden,  als  dass  die  Annahme  berechtigt 
erscheinen  könnte,  ein  längerer  Aufenthalt  in  der  Anstalt  vor 
der  Geburt  zur  Zeit  der  Endeuiie  hätte  eine  grössere  Disposition 
zu  Erkrankungen  bedingt.  Auch  ist  aus  den  Zusammenstellungen 
zu  ersehen,  dass  von  den  Frauen  diejenigen,  welche  während 
der  vierten  Woche  ihres  Aufenthaltes  in  der  Klinik  geboren 
hatten,  in  geringster  Zahl  erkrankten,  während  jene,  welche  in 
der  zweiten  Woche  nach  ihrer  Aufnahme  niederkamen,  die  zahl- 
reichsten Erkrankungsfälle  aufzuweisen  hatten,  und  die,  welche 
über  vier  Wochen  in  der  Anstalt  waren,  ebenfalls  häufiger  er- 
krankten, als  jene  aus  der  vierten  Woche. 

Eine  directe  Beantwortung  der  Frage,  ob  die  Frauen 
wenigstens  in  grösserer  Anzahl  schon  nachweisbar  krank  in  die 
Anstalt  gekommen,  oder  ob  der  Ausbruch  der  Krankheit  erst  in 
derselben  erfolgt  sei,  hält  Verf.  für  unmöglich  aus  den  folgenden 
Gründen.  Nach  den  in  der  Anstalt  bestehenden  Verhältnissen 
gelangen  die  Ankommenden  selten  gleich  in  verlässliche  ärztliche 
Beobachtung;  es  ist  ferner  oft  nicht  möglich,  den  Beginn  der  Er- 
krankung zu  terminiren,  indem Pnisbeschleunigung  und  Temperatur- 
erhlihttng  während  der  Gebart  häufig  genug  gefunden  werden, 
oline  von  Störangen  im  Wochenbette  gefolgt  tm  sein;  ain«h  emttere 
krankhafte  Erscheinungen,  die  auf  den  Ausbrach  eines  Pnerperal- 
processes  hindeuten,  berechtigen,  während  der  Gebart  auftretend, 
jiicht  lu  der  Annahme,  dass  die  Kreisseade  schon   infictrt  auf* 


XI.   NotiB«n  kiuB  der  Journal- Ijiturutur.  159 

f^enooimen  worden  sei,  wenn  oian  aio  nicJbt  aagenblioklich  bei 
ilirer  Ankunft  selion  in  diesem  Zustande  gefunden  hat,  da  man 
die  Daner  der  Incnbationsseit  nicbt  kennt,  —  das«  aber  maneUe 
krankiuaehende  Agentien  «ehr  scbnell  wirken,  erfuhr  Verf.  an  aicb 
186Ki,  wo  tick  eine  Stunde  nach  der  von  ihm  bewirkten  Zangen« 
entfaindung  einer  am  Puerperalfieber  Erkrankten  eine  von  einer 
geringen  Verletsung  ausgehende  Entsündnng  des  gansen  Fingers, 
naob  acht  Stunden  aber  den  gansen  Arm  ausgedehnte  Phlebitis 
einstellte. 

DesseDungeachtct  wagt  iS.  die  Behauptung  aufzustellen,  dass 
die  Zahl  jener  Frauen,  die  schon  entschieden  krank  zur  Ent- 
bindung hereinkamen ,  keine  auffallend  grosse  gewesen  sein  kann, 
wenn  es  auch  bei  einzelnen  zweifellos  der  Fall  war.  Dafür  sprechen 
nach  ihm 

1)  die  Vergleichung  der  ErkrankungsyerhXitnisse  der  schon 
entbunden  Aufgenommenen  (1,1  Proc),  der  schon  mit  Wehen 
Eingetretenen  (18,6  Proe.)  und  der  erst  einige  Zeit  nach 
der  Aufnahme  Entbundenen  (22,6  Proc),  — 

2)  die  Erwägung,  dass  der  Gesundheitsznstand  in  der  mit  der 
Josefsakademie  verbundenen  Gebäranstalt  während  der  Zeit 
der  grössten  Heftigkeit  der  in  der  von  ihm  geleiteten 
Klinik  herrschenden  Epidemien  sehr  günstig  war  (vom  Juni 
bis  November  incl.  starb  Ton  177  Wöchnerinnen  nur  1,  im 
August),  obgleich  die  Pfleglinge  beider  Institute  derselben 
Bevölkerung  entstammen,  sowie,  dass  überhaupt  zahlreiche 
Erkrankungen  von  Wöchnerinnen  ausserhalb  der  Anstalt 
unter  keiner  Volksklasse  beobachtet  wurden,  — 

fi)  der  Umstand,  dass,  während  die  Kinder  solcher  Mütter,  die 
schon  vor  Eintritt  oder  wenigstens  Iftngere  Zeit  vor  Be- 
endigung der  Geburt  vom  Puerperalfieber  befallen  sind,  an 
der  Bluterkrankung  der  Mutter  theilzunehmen  und  bald 
unter  pyamischen  Erscheinungen  zu  Grunde  zu .' gehen 
pflogen,  aus  den  Lebensverhältnissen  der  betreffenden 
Kinder,  wie  sie  von  dem  Arzte  des  Findelhauses  Dr.  Koller 
erhoben  wurden,  ein  derartiger  Rückschluss  sich  nicht 
machen  Itlsst. 

Die  Häufigkeit  von  vorzeitigen  Geburten  in  gedachter  Zeit 
(8,3  Proc.  gegen  4,3  Proc.  im  Jahre  1851  mit  2,1  Proc.  Mortolit'at 
der  Wöchnerinnen)  weiss  Verf.  nicht  zu  erklären ,  glaubt  aber, 
da  sich  die  Morbilität  der  vorzeitig  Entbundenen  auf  12,5  Proc, 
ihre  Mortalität  auf  8,8  Proc.  stellt  (bei  einem  Verhältniss  der 
allgemeinen  Morbilität  18,7  Proc.,  der  allgemeinen  Mortalität  von 
13,2  Proc),  daaa  man  keineswegs  berechtigt  sei,  anzunehmen, 
dass  dasselbe  Agens,  welches  die  häufigeren  Puerperalerkrankungen 
hervorrief,  durch  seine  Einwirkung  während  der  SchwaogerHchaft 
aach  die  zahlreicheren  Frühgeburten  hervorgerufen  habe. 


\ 


130  ^1-    NoUsen  «an  der  Joarnal«  Literatur. 

Da  nach  dem  Voraungegan^enen  die  InfectioD  «nsterfaalb  der 
Anstalt  keineswegs  in  grösserem  oder  gleichem  Maasstabe  wie 
innerhalb  derselben  stattgefunden,  da  femer  ein  längerer  Auf» 
enthalt  in  ihr  Tor  der  Gebnrt  ebenfalls  keine  grössere  Disposition 
■nr  Erkrankung  bedingt  haben  kann,  da  endlich  die  bereits  ent» 
banden  mr  Klinik  Gebrachten,  Ton  denen  auch  nnr  eine  einiige, 
nnd  nicht  tödtlich  erkrankte,  in  die  nämlichen  Zimmer,  wie  die 
fibrigen  Wöchnerinnen,  und  mitten  unter  diesplben  gelegt  wurden, 
bleibt  nach  Verf.  für  das  krankmachende  Agens  keine  andere  Zeit 
der  Einwirkung  übrig,  als  die  Geburt  und  die  ersten  Standen 
nach  derselben,  und  kein  anderer  Ort,  als  das  Kreissiramer,  so 
dass  er  sich  su  der  Aufforderung  veranlasst  sieht,  bei  Er- 
forschung der  Ursachen  der  Puerporalerk  rankungen 
und  behufs  ihrer  Ve  rhütung*die  Aufmerksamkeit  vor 
Allem  auf  den  Geburtsact  and  das  Rreissimmer  so 
richten. 

Der  Seuche  unterlagen  ferner  entschieden  inehrKrstgeb&rende 
und  Individuen,  welche  das  25.  Lebensjahr  noch  nicht  überschritten 
hatten.  Ob  die  Betreffenden  aber  deswegen  mehr  zur  Erkrankung 
disponirt  waren,  weil  sie  cum  ersten  Male  in  der  Geburt  waren, 
oder  weil  sie  sich  noch  in  einem  jugendlichen  Alter  befanden,  wagt 
Verf.  nicht  bestimmt  la  entscheiden.  Doch  scheint  ihm  eine  grössere 
Disposition  sur  Erkrankung  durch  Erstgeburt  wahrscheinlicher 
wegen  des  bedeutenden  Unterschiedes  in  den  Verhältnissen  der 
Morbilität  (um  -f  9,2  Proc.)  und  der  Mortalität  (um  -f  5,6  Proc.)- 

Die  Znsammenstellung  derjenigen  Geburten  endlich,  welche* 
in  irgend  einer  Periode  mit  VersÖgerung  verliefen,  ergiebt,  dass 
diese  155  Falle  52  Erkrankungen,  darunter  37  tödtliche  lieferten 
(Mortalitätsverhältniss  33,5  Proc).  Von  15  Frauen,  bei  denen 
nach  der  Geburt  Blutflüsse  eintraten,  erkrankten  9  und  starben  7. 
Von  den  760  Geburten  mit  regelmässigem  Verlauf  waren  133  von 
Puerp^ralprocessen  gefolgt;  von  den  Wöchnerinnen  starben  96, 
so  dass  sich  für  sie  das  Verhältniss  der  Morbilität  auf  17,5  Proc, 
das  der  Mortalität  auf  12,6  Proc  stellt.  Aus  dem  relativ  ge- 
ringen Unterschiede  dieser  Verhältnisse  von  jenem  der  Morbilität 
und  Mortalität  im  Allgemeinen  (18,7  Proc.  und  13,2  Proc)  schliesst 
Verf.,  dass  die  anomalen  Fälle  die  Erkrankungs Verhältnisse  im 
Allgemeinen  nicht  wesentlich  beeiaflussen. 
(Wien.  med.  Jahrb.,  1863,  1.  Heft.) 


XII. 

Die  apoplectische  Destruction  der  Uterin- 

schleimhaut. 

Von 

Dr.  Blgenbrodt  und  Dr.  A.  Hegar, 

praktisehen  Aersten  in  Darrastadt. 
(Mit  drei  Abbildungen.) 

Wir  haben  diesen  Vorgang  vorzugsweise  an  der  zur 
Decidua  umgewandelten  Schleimhaut  des  schwangeren  Uterus 
beobachtet  und  hätten  deshalb  nicht  mit  Unrecht  „die 
apoplectische  Destruction  der  Decidua"  als  Ueberschrift  setzen 
können.  Da.  aber  auch  an  der  Mucosa  des  menstruirenden 
Uterus  apoplectische  Zerstörungen  vorkommen,  so  haben  wir 
die  obige  Benennung  vorgezogen. 

Die  nachfolgenden  Mittheilungen  werden  darthun,  dass 
apoplectische  Ergiessungen  in  der  Uterinscbleimhaut  weit 
häußger  vorzukommen  pflegen,  als  man  dies  bisher  an- 
genommen hat,  und  dass  dieselben  sehr  häufig  eine  Zer- 
störung und  Zertrümmerung  dieser  Membran  bewirken.  Trotz 
seiner  Häufigkeit  ist  dieser  letztere  Vorgang ,  der,  so  viel  uns 
bekannt  ist,  bis  jetzt  noch  nicht  beschrieben  wurde,  über- 
sehen worden,  weil  in  den  meisten  Fällen  das  anatomische 
Substrat  verloren  geht.  Das  zertrümmerte  Gewebe  wird  in 
Blutcoagula  eingehüllt  und  mit  denselben  innig  gemengt  aus 
den  Geschlechtstheilen  abgeschieden.  Bei  Sectionen  wird  man 
nur  selten  Gelegenheit  haben,  diesen  Process  nachzuweisen. 
Wir  sind  im  Frühjahre  1861  zuerst  durch  Beobachtungen 
am  Krankenbette  auf  denselben  aufmerksam  geworden.^)  Durch 


1)  In  Dr.  Hegar^t  Beiträgen  znr  Pathologie   des  Eies  (siehe 
diese  Zeitschrift,  Bd.  XXI.,  Supplement  Heft)  ist  S.  16  a.  f.  bereits 
▼orl&ufig  Einiges  über  diesen  Gegenstand  mitgetheilt  worden. 
M ooatasohr.  f.  Oebartsk.  1868.  Bd.  XXII.,  Hfl.  8.  H 


162  ^^I*    Big0nhrodt  a.  Hegar^  Die  »poplectiache 

Untersuchungen  an  Abortiveiern  und  Nachgeburten,  sind  wir 
jetzt  im  Stande,  auch  genauere  anatomische  Nachweise  zu 
liefern. 

Anatomische  Verhältnisse. 

Um  eine  sichere  Grundlage  zu  gewinnen,  beschreiben 
wir  zunächst  Präparate,  an  welchen  die  mit  Blut  durchsetzt^i 
und  hierdurch  zerstörten  Gewebstheile  noch  im  Zusammenhange 
mit  anderen,  erhalteneu  Eigebilden  stehen  und  beginnen  mit 
einem  Präparate,  das  die  verschiedenen  Formen  der  apo- 
plectischen  Destruction  der  Decidua  in  höchst  instructiver 
Weise  darbietet. 

I.  Nachgeburtstheile,  einem  27  Centimeter  langen  Fötus 
angehörend,  demnach  ungefähr  dem  Ende  des  fünften  Monats 
entsprechend.  —  Wir  haben  dieses  Präparat  durch  die  Gute 
unseres  Collegen  Herrn  Dr.  Louis  Büchner  im  Februar  1863 
erhalten.  Die  Placenta  hatte  frisch  gemessen  einen  Durchmesser 
von  11  Centimeter.  Das  Chorion  mit  dem  Amnion  waren 
grösstentheils  erhalten.  Ausserdem  hingen  dem  Placentarrande 
rings  grössere  oder  kleinere  Partieen  der  Decidua  vera  an.  Die 
breiteste  Stelle  derselben  hatte  eine  Ausdehnung  von  6  Centimeler, 
die  schmälste  von  1  Centimeter.  Die  Dicke  der  Vera  betrug 
2  bis  3  Millimeter.  Auch  die  Reflexa  war  ringsum  erhalten,  so 
dass  die  Uebergangsstelle  (Umschlagsstelle)  der  Vera  in  die 
Reflexa  sich  um  den  ganzen  Umkreis  der  Placenta  herum  verfolgen 
Hess.  Die  Ausdehnung  des  noch  erhaltenen  Theiles  der  Reflexa 
war  jedoch  sehr  gering.  Dieselbe  beschränkte  sich  auf  einen 
der  Uebergangsstelle  anhängenden  schmalen  Saum,  dessen  Breite 
an  keiner  Stelle  mehr  als  1  Centimeter,  an  sehr  vielen  nur 
wenige  Millimeter  betrug.  In  diesen  beiden  Abschnitten  der 
hinfälligen  Haut  sind  zahlreiche  Blutextravasate  sichtbar,  theils 
frei,  grösstentheils  aber  in  das  Gewebe  eingebettet  An 
einer  Stelle  lagen  mehrere  Schichten  bis  3  Centimeter  grosser, 
scheibenförmiger  Blutcoagula  in  dem  Gewebe  der  Vera  über- 
einander (siehe  Figur  1).  Diese  Membran  war  hier  in  mehrere 
Schichten  getheilL  Die  oberflächlichste  Schichte  (g),  welche 
einen  kleineren  apoplectischen  Heerd  enthält,  ist  in  der  Ab- 
bildung Figur  1  nach  der  Placenta  hin  umgeschlagen,  ebenso 
wie  der  benachbarte  unveränderte  Theil  der  Vera  (c')«  der 


DetlraetioB  der  Uterio8«hleimhaiit.  \Q^ 

deshalb  seine  raube  OberflSche  darbietet  Die  tieferen  Schichten 
der  Vera  mit  den  in  sie  eingelagerten,  grossen,  scheiben- 
förmigen Extravasaten  {h)  sind  nach  der  entgegengesetzten  Seite 
zurückgeschlagen,  so  dass  ihre  dem  Cavurn  uteri  zugewendete 
Seite  sichtbar  wird.  Auf  derselben  Abbildung  sieht  man  bei  e 
ein  anderes  Extravasat  von  mittlerer  Grösse,  das  in  den 
tieferen  Schichten  der  Vera  in  der  Nähe  der  Uebergangsstelle 
in  die  Serotina  seinen  Sitz  hat  E^  ist  der  Susseren  rauhen 
Seite  der  Vera  theils  aufgelagert,  theils  erstreckt  es  sich 
zwischen  die  Gewebstheile  derselben.  Zwischen  den  beiden 
soeben  beschriebenen  Stellen  fand  sich  in  und  an  der  Reflexa 
ein  bandförmig  gestaltetes,  3  Centiroeter  langes,  V2  Centimeter 
breites  und  3  Millimeter  dickes  Extravasat  (t),  das  ebenfalls 
dem  Gewebe  theils  aufgelagert,  theils  in  dasselbe  infiltrirt 
war.  Unmittelbar  daneben  lag  ein  kleines  Blutcoagulum  (A;), 
tbeilweise  frei  zwischen  Vera  und  Reflexa,  theilweise  in  das 
Gewebe  der  Reflexa  eingelagert 

An  einer  anderen  Stelle  des  Placentarrandes  fanden  wir  an 
der  Vera  und  Reflexa  anhängende,  apoplectisch  destruirteGewebs- 
tlieile  Ton  kolbiger  und  traubenförmiger  Gestalt  Dieser  Theil 
des  Präparates  ist  in  Figur  2  dargestellt  Die  Umschlagsstelle 
der  Vera  ist  hier  in  der  ganzen  Ausdehnung  der  Abbildung 
auseinander  gefaltet,  wir  sehen  deshalb  ilberall  am  Kuchenrande 
sowohl  die  glatte  Seite  der  Vera  (d)  als  der  Reflexa  (/). 
Bei  g  durchsetzen  lange,  walzenförmige,  parallel  gelagerte 
Extravasate  das  Gewebe  der  Vera,  an  deren  Rändern  kolbig 
gestaltete,  mit  geronnenem  Bhite  durchsetzte  Fetzen  herab- 
hängen. Von  der  Reflexa  ist  nur  ein  schmaler  Saum  er- 
halten, an  welchem  traubenförmige  Gebilde  hängen  (it). 
Dieselben  bestehen  vorzugsweise  aus  geronnenem  Blute,  das 
von  Gewebstheilen  der  Reflexa  durchsetzt  und  theilweise 
dberkleidet  ist.  Bei  l  ist  ein  cylindrisches,  mit  Gewebs- 
theilen durchsetztes  Blutcoagulum  sichtbar,  das  sich  von  der 
Vera  bnlckenartig  über  die  Umschlagsstelle  nach  der  Reflexa 
hin  erstreckt  und  auf  beiden  Seiten  in  das  Gewebe  dieser 
Membranen  übergeht  Ba  k  befindet  sich  eine  von  Extravasat 
freie,  fadenförmige  Gewebsbrücke.  Es  ist  dies  eine  der  theiis 
fadenförmigen,  theils  lamellösen  Brücken,  welche  nicht  selten 

an  der  Uebergangsstelle  vorkommen. 

11  ♦ 


II.  Ausser  diesem  Präparate  aas  der  miUleren  Zeit  der 
Schwangerschaft  haben  wir  eine  Reihe  von  Abortiveiern  aus 
der  Zeit  des  dritten  Schwangerschaftsmonats  su  untersuchen 
Gelegenheit  gehabt,  an  welchem  sich  apopleclisch  destruirte 
Theile  der  Decidua  vorfanden.  Wir  theilen  hier  die  Befunde 
mit,  welche  von  besonderem  Int^esse  sind.  Zwei  dieser 
Eier  sind  bereits  von  Dr.  Hegar  in  dieser  Zeitschrift  (a.  a.  O«, 
S.  45,  Fall  3,  und  S.  52,  Fall  7)  beschrieben  und  abgebildet 
worden.  An  beiden  Präparaten  ist  die  Vera  an  verschiedeoen 
Stellen  durch  apoplectische  Destruction  zu  trauboifönnigen 
Gebilden  umgeänderL  Bei  einem  dieser  Eier,  welches  einen 
verkümmerten  Embryo  einschliesst  (a.  a.  0.,  Fig.  1)  befinden 
sich  ausser  diesen  traubenfonuigen  Formen,  auch  flächenartig 
ausgebreitete  Blutergusse  in  dem  Gewebe  der  Vera  am  unteren 
Eipol.  Das  Gewebe  ist  durch  diese  Extravasate  in  ver- 
schiedene Schichten  getheilt,  zwischen  denen  Massen  ge- 
ronnenen Blutes  bis  zu  einer  Dicke  von  1,5  Millimeter 
eingelagert  sind. 

An  einem  anderen  Abortiveie  aus  dem  dritten  Monate 
fand  sich  eine  apoplectische  Destruction  der  Reflexa.  Da 
Dr.  Hegar  (a.  a.  0.,  S.  57,  Fall  10)  hauptsächlich  nur  die 
Veränderungen,  welche  an  der  Serotina  dieses  Eies  walir- 
nehmbar  sind,  beschrieben  und  abgebildet  hat,  so  geben  wir 
hier  eine  Beschreibung  der  übrigen  Theile.  Es  gehört  dieses 
Ei  zu  der  so  häufig  vorkommenden  Art  von  Abortiveiern  aus 
dem  dritten  und  vierten  Monate,  welche  man  als  Blutmoles 
bezeichnet  hat  Ein  colossaler  Bluterguss  zwischen  Chorion 
und  Reflexa  hatte  die  Holde  des  Amnion,  ebenso  wie  das 
dem  Amnion  eng  anliegende  Chorion  so  platt  gedruckt,  dass 
die  Wandungen  überall  eng  aneinander  lagen.  Im  Amnion 
fand  sich  ein  Nabelstrang  ohne  Embryo.  Die  Reflexa  war 
an  der  Seite  des  Eies,  nach  welcher  das  Chorion  durch  dea 
Bluterguss  hingedrängt  worden  war  und  am  unteren  Eipel 
grösstentheils  zerstört.  Hier  hingen  kolbige,  trauben-  und 
scheibenförmige  Blutcoagula  an  den  Rändern  der  Reflexa. 
Diese  Gebilde  standen  mit  den  zwischen  den  Gewebstheilen 
der  Reflexa  und  den  Zotten  des  Chorion  abgelagerten  Blut* 
ergussen  in  unmittelbarem  Zusammenhange  und  die  Unter- 
suchung ergab,  dass  ihre  Masse  von  Gewebstheilen  der  Reflexa 


DestrQction  der  Uterinsebleimhant.  165 

durchsetzt  und  tbeilweise  fiberUeidet  war.  Am  unteren  Eipole 
fanden  wir  einen  Riss  im  Chorion,  durch  welchen  sich  Blut- 
massen zwischen  Chorion  und  Amnion  in  das  lockere  Binde- 
gewebe eingedrängt  hatten,  welches  die  innere  Flache  des 
Chorion  mit  der  äusseren  des  Amnion  verbindet. 

Ein  anderes  Abortivei  ans  dem  zweiten  Schwangerschafts- 
flionate  (siehe  weiter  unten  Fall  5)  zeigt  die  apoplectische 
Destruction  der  Rcflexa  ebenfalls  in  instructiver  Weise.  Es 
liefert  dies  Ei  auch  noch  in  anderer  Beziehung  einen  be- 
merkenswerthen  Befund.  Die  Chorionblase  lag  in  einem  ab- 
geplatteten Sack,  welcher  eine  Länge  von  4  Centimeter  hatte 
und  die  gewöhnliche  Beschaffenheit  des  Deciduagewebes  besass. 
Man  konnte  an  demselben  zwei  Wände  unterscheiden,  welche 
unter  einem  spitzen  Winkel  zusammenliefen.  Die  eine  dieser 
Wände  war  vollständig  erhalten,  von  der  anderen  fehlten 
zwei  Drittheile.  Nach  unten  zu  lief  der  Sack  in  eine  ab- 
gestumpfte Spitze  aus,  nach  oben  hin  war  er  weit  geöffnet 
Die  äussere  Fläche  der  Sack  wand  war  glatt,  die  innere  raub. 
Zwei  Centimeter  von  der  abgerundeten  Spitze  entfernt  hing 
die  Chorionblase  an  der  inneren,  rauhen  Fläche  der  voll- 
ständig erhaltenen  Wandung.  Der  Durchmesser  der  Choriou- 
blase  betrug  1,3  Centimeter,  die  Zotten  waren  an  einer  Stelle 
7  Millimeter  lang,  an  den  fibrigen  um  einige  Millimeter  kürzer. 
Die  eine  Hälfte  der  Chorionblase  lag  frei,  die  andere  war 
mit  der  Sackwand  verbunden.  Diese  Verbindung  war  jedoch 
nur  eine  mittelbare,  indem  zwischen  dem  Chorion  und 
der  Sackwandung  mehrere  beträchtliche  Blulextravasate  lagen. 
Unmittelbar  an  den  Zotten  des  Chorion  hingen  Gewebstheile 
fest  an.  Weiter  nach  aussen  lagen  mehrfache  Schichten  von 
1  Centimeter  grossen,  1,5  bis  2  Millimeter  dicken,  scheiben- 
f5rmigen  Blutgerinnungen,  welche  von  Deciduagewebe  über- 
kleidet  waren.  Hier  hingen  verschiedene  cylindrische,  von 
Gewebe  durchsetzte  Blutcoagula  und  hämorrhagisch  infiltrirte 
Gewebsfetzen  an.  Diese  Massen  standen  durch  einen  dünnen 
Gewebsstrang  mit  den  an  den  Zotten  haftenden  Theilen  der 
hinfälligen  Haut  und  ebenso  auch  durch  einen  solchen  mit 
der  wohlerhaltenen,  nach  aussen  liegenden  Sack  wand  im  Zu- 
sammenhange. —  Die  Gestalt  des  vorliegenden  Deciduastückes 
und  der  noch  nicht  ganz  zerstörte  Zusammenhang  des  Chorion 


IQß  XII.    Eigenbr^dt  n.  Hegarf  Die  »popledttche 

mit  der  rauhen  Seite  desselben  lassen  keinem  Zweifd  Raiwi, 
dass  hier  die  Reflexa  vorlag.  Auffallend  ist  die  Grösse  der 
von  der  Reflexa  gebildeten  Höhle,  deren  Durchmesser  den 
des  Cliorion,  die  Länge  der  Zotten  mitgerechnet,  um  das 
Doppelte  ubertrifll. 

III.  Auch  bei  normalen  Niederkünften  lassen  sich  an  den 
reifen  Nachgeburtstheilen  häufig  hänlorrhagische  Infiltrationen, 
Extravasate  und  apoplectische  Destructionen  in  der  Decidua 
nachweisen. 

Wir  haben  bei  einer  Anzahl  von  normalen  Gehurten 
die  Eihäute  untersucht  und  hierbei  häufig  diese  Zustände 
gefunden.  Ehe  wir  aber  auf  ihre  Reschreibung  eingdien, 
erscheint  es  uns  nothwendig,  einige  Remerkungen  über  das 
Verhalten  der  Vera  und  Reflexa  an  reifen  Eiern  nach  eigenen 
Untersuchungen  vorauszuschicken.  Wir  stellen  diesen  Mit- 
theilungen das  voran ,  was  wir  in  der  uns  zu  Gebote  stehenden 
Literatur  über  diese  Verbältnisse  vorgefunden  haben.  — 
Bischoff  sagt  (Entw. -Gesch.,  S.  135):  „Meist  ist  es  in  der 
späteren  Zeit  nicht  mehr  möglich,  noch  eine  Vera  und  Reflexa 
zu  unterscheiden;  zuweilen  ist  mir  dies  aber  auch  an  aus- 
getragenen Eihäuten  gelungen,  wenn  die  Decidua  besonders 
stark  entwickelt  war.  Uebrigens  habe  ich  schon  erwähnt, 
dass  man,  verleitet  durch  den  Namen  Decidua,  meist  gelehrt 
hat,  diese  Membran  verschwinde  mit  dem  dritten  Monate. 
Sie  fehlt  aber  an  keiner  ausgetragenen  Nachgeburt,  ist  aber 
oft  mit  anderen  Theilen  verwechselt  worden.^'  —  HoU 
(Geburtsh.,  S.  138):  „Jemehr  das  Ei  sich  ausdehnt,  desto 
dünner  wird  die  Reflexa  und  besonders  an  der  Rodenfläche 
des  Eies,  während  sie  in  der  Nähe  der  Piacenta,  da  also, 
wo  die  Stelle  der  Einstülpung  sich  anlegt,  dicker  bleibt  und 
noch  an  reifen  Placenten  mehr  oder  weniger  unverletzt,  vom 
Chorion  in  Stücken  abgezogen  werden  kann/'  Und  S.  140: 
„Nach  der  Geburt  findet  man  auf  dem  Chorion  nur  einzelne 
Inseln  bildende  Rudimente  der  Decidua,  die  nach  dem  oberen 
Theile  hin  zuweilen  noch  als  häutige  Ausbreitungen  bestehen."* 
Virchow  (Gesam.  Abb.,  S.  782)  sagt:  „Wie  sich  dasVerhältniss 
zwischen  Decidua  vera  und  reflexa  später  gestaltet,  ist  durch 
die  mir  bekannten  Untersuchungen  noch  keinesvregs  ganz  klar 
dargelegt.    In  manchen  Fällen  bleibt  die  Trennung  persistent 


Destraotion  der  Utorinsohleimhant.  IQf 

und  ich  habe  ein  paar  Mal  Gelegenheit  gehabt,  am  Uterus 
?on  Wöchnerinnen,  die  bald  nach  der  Geburt  gestorben  waren, 
mich  zu  überzeugen,  dass  nicht  nothwendig  bei  der  Geburt 
die  ganze  Uterinschleimhaut  losgetrennt  wird.  In  diesen  Fällen 
bestand  nur  an  der  Placentarstelle  eine  Verwundung,  während 
die  ganze  übrige  Oberfläche  des  Uterus  noch  ihre  Schleim- 
haut (die  Decidua  vera)  trug.  Was  man  daher  an  der  Ober- 
fläche der  Eihäute  nach  einem  Abort  oder  einer  Geburt  findet, 
ist  zuweilen  nichts  weiter  wie  die  Reflexa,  obwohl  in  der 
Regel  sowohl  bei  einem  Abortus  oder  einer  regelmassigen 
Geburt  die  ganze  innere  Partie  der  Utenisschleunhaut  mit 
abgerissen  wird.  Dann  entsteht  aber  die  Frage,  was  aus 
der  Reflexa  geworden  sei.  Da  man  sie  in  späterer  Zeit  oft 
gar  nicht  mehr  nachweisen  kann,  so  habe  ich  seit  langer 
Zeit  die  Ansicht  gehegt,  dass  sie  durch  fettige  Metamorphose 
ihrer  Elemente  untergehen  müsse.  Ich  wurde  zu  dieser 
Hypothese,  welche  Miüiades  Wenüelos  nach  meinen  Vor- 
lesungen mitgetheilt  hat,  durch  die  grosse  Häufigkeit  des 
Vorkommens  von  Fettk6rncheuzellen  in  der  Reflexa  geführt, 
und  ich  kann  auch  nach  dem  vorliegenden  Falle  nicht  umhin 
zu  glauben,  dass  eine  solche  FetUnetamorphose  schon  sehr 
früh  auftrete.  Nur  ein  einziges  Mal  habe  ich  bei  einem  Fütus 
aus  dem '  fünften  oder  sechsten  Monate  gesehen ,  wie  der 
grüssere  Tfaeil  des  Chorion  mit  einer  sehr  feinen,  gelblichen, 
stellenweise  fast  unterbrochenen  Lage,  wekhe  der  Reflexa 
angehörte,  überzogen  war  und  wenn  man  sich  überdies  an 
die  grosse  Geneigtheit  erinnert,  welche  alle  am  schwangeren 
Uterus  vorkommenden  Elemente  besitzen,  in  fettige  Degeneration 
überzugehen,  so  ist  diese  Art  von  Rückbildung  gewiss  die 
wahrscheinlichere.*'  —  Nach  Kölliker  (Entwickelungsgeschichte, 
1861,  S.  153)  sind  am  Ende  der  Schwangerschaft  die  Decidua 
Vera  und  reflexa  mit  einander  verwachsen  und  zugleich  so 
verdünnt,  dass  sie  eine  einzige  ganz  dünne  Haut  darstellen. 
»Wenn  man  daher  einen  hochschwangeren  Uterus  durch- 
schneidet, so  stösst  man  nach  Trennung  der  sehr  verdünnten 
Muskelhaut  auf  ein  dünnes,  gelblichweisses,  faserig -blätterig 
erscheinendes  Häutchen  und  dieses,  welches  eben  die  Decidua 
darstellt,  führt  durchschnitten  gleich  zum  Chorion.  —  Mit 
dem  Grösserwerden  des  Eies   nämlich   vereinigen   sich  die 


Igg  XII.    Bigenbtoät  n.  Hegar^  Die  «poplectuehe 

beiden  Decidaae,  nachdem  sie  schon  vom  sechsten  Monale 
an  oder  schon  etwas  froher  verklebt  waren;  mit  der  Grössen- 
zonahme  des  Uterus  ferner  nehmen  dieselben  nicht  anch  an 
Masse  entsprechend  zu  und  werden  immer  dänner,  nichts- 
destoweniger kann  man  nicht  selten  selbst  am  Ende  der 
Schwangerschaft  da  und  dort,  jedoch  niemals  in  grösseren 
Strecken  beide  Decidnae  künstlich  von  einander  trennen.^  — 

Diese  verschiedenen  Angaben  widersprechen  sich  theil- 
weise.  Es  hat  dies,  wie  sich  aus  dem  Folgenden  ergeben 
wird,  darin  seinen  Grand,  dass  der  Befand  in  verschiedenen 
Fällen  nicht  selten  von  einander  abweicht  —  Wir  haben 
Folgendes  gefunden. 

In  der  Mehrzahl  der  Fälle  war  das  Chorion  nahezu  in 
seiner  ganzen  Ausdehnung  mit  einem  Deciduailberzug  ver- 
sehen ,  welcher  in  der  weitesten  Entfernung  vom  Placentarrande 
sehr  dünn  wurde  oder  auch  fehlte,  gegen  diesen  Rand  hin 
dagegen  beträchtlich  an  Dicke  zunahm.  Die  Unterscheidung  der 
Decidua  vera  und  reflexa  ist  oft  mit  vielen  Schwierigkeiten 
verknüpft,  da  beide  fest  miteinander  verklebt  sind,  in  anderen 
Fällen  ist  dagegen  die  Trennung  beider  durchaus  nicht 
schwierig.  Dies  gelingt  im  Allgemeinen  besser,  wenn  die 
Dicke  der  Vera  und  Reflexa  vcrbältnissmässig  stärker  ist  Es 
finden  in  dieser  Beziehung  grosse  Verschiedenheiten  statt 
In  einzelnen  Fällen  war  die  Verbindung  dieser  beiden  Membranen 
nicht  fester  wie  die  des  Chorion  mit  dem  Amnion,  bi  solchen 
instructiven  Fällen  gelang  es,  die  Vera  in  grosser  Ausdehnung 
von  der  Reflexa  abzupräpariren  und  die  Uebergangssteile 
dieser  beiden  Membranen  an  dem  ganzen  Umfange  der  Placenta 
zur  Anschauung  zu  bringen.  Wir  geben  hier  die  BeschreibuDg 
eines  solchen  Falles  mit  den  Worten,  wie  sie  sogleich  nach 
der  Untersuchung  in  das  über  unsere  Beobachtungen  ge- 
führte Journal  niedergeschrieben  wurden. 

Die  Decidua  bedeckt,  mit  Ausnahme  einzelner,  in  ihrer 
Ausdehnung  beschränkter,  weit  vom  Kuchenrande  entfernter 
Stellen,  das  ganze  wohlerhaliene  Chorion.  Dieselbe  lässt 
sich  überall,  besonders  leicht  in  der  Nähe  des  Mutterkuchens, 
in  zwei  Platten  spalten,  von  welchen  die  eine  dem  Ghorion 
folgt,  während  die  andere  sich  leicht  abziehen  lässt.  Letztere 
ist   röthlich,    von   succuienter    Beschaffenheit,    während    die 


D«8traetion  der  Uterinsehleimbaiit.  169 

dem  Gborion  anhaftende  Platte  weniger  saftreich  and  von 
hellgelber  Farbe  ist  Diese  beiden  Platten  kehren  sich  einander 
glatte  Flächen  zu.  Die  rOthliche,  succulente  Membran  ist 
nach  aussen  zu  uneben  und  von  grobmaschigem  GefTige. 
Tremit  man  in  der  Nähe  des  Kuchenrandes  die  dem  Chorion 
aufätzende,  gelbe  Platte  von  demselben  ab,  so  erscheinen 
die  Zotten  des  Chorion,  welche  sich  in  diese  Platte  einsenken 
und  bei  dem  Abziehen  derselben  zerreissen.  Die  so  ab- 
präparirte  gelbe  Membran  erscheint  dann  an  ihrer  inneren 
Seite  rauh  und  an  ihrer  äusseren  glatt,  während  die  succulente 
rOthliche  Membran  das  umgekehrte  Verhallen  darbietet.  — 
Am  ganzen  Umfange  der  Piacenta  lässt  sich  durch  einfaches 
Voneinanderziehen  der  beiden  glatten  Flächen,  die  Uebergangs- 
stelle  der  gelben  Membran  in  die  röthliche  sehr  schön 
freilegen. 

Dass  die  gelbe  Platte  in  diesem  Falle  die  Reflexa  und 
die  röthliche  die  Vera  war,  wird  schon  aus  der  Beschreibung 
einleuchten.  Durch  die  Nachweisung  von  Chorionzotten  in 
der  gelben  Platte  und  deren  Mangel  in  der  röthlichen  ist  der 
Beweis  geliefert.  —  Hat  man  eine  Anzahl  von  Nachgeburten 
untersucht,  an  welchen  eine  solche  Trennung  der  Vera  von 
der  R^exa  leicht  ausfährbar  ist  und  hierdurch  die  ver- 
sdiiedene  Beschaffenheit  dieser  beiden  Membranen  kennen 
gelernt,  so  ist  man  in  Fällen,  in  welchen  die  Trennung 
schwierig  oder  unausföhrbar  ist,  im  Stande,  die  Reflexa  von 
der  Vera  zu  unterscheiden.  Es  ist  jedoch  mitunter  höchst 
sdiwierig,  die  Grenzlinie  beider  genau  anzugeben.  Dies  ist 
besonders  in  solchen  Fällen  schwer,  in  welchen  die  Be- 
schaffenheit und  das  Aussehen  der  Reflexa  weit  weniger  von 
der  Vera  verschieden  ist,  wie  in  dem  oben  angeführten  Bei- 
spiele. Die  Reflexa  ist  nämlich  zuweilen  durchscheinend, 
wodurch  sie  dünnen  Lagen  der  Vera  ähnlich  vrird,  und  aus- 
nahmsweise kommen  auch  in  der  Vera  gelbe  Stellen  vor. 
In  vielen  Fällen  wird  der  Nachweis  der  Reflexa  dadurch  in 
hohem  Grade  erschw^t,  dass  diese  Membran  in  einiger  Ent- 
fernung vom  Placentarrande  überaus  dünn  ist.  Unter  den 
von  uns  untersuchten  Nachgeburten  befand  sich  indess  keine^ 
an  welcher  die  Reflexa  nicht  mehr  nachweisbar  gewesen  wäre. 
In  der  Nähe  des  Placentarrandes  hatte  ihre  Auffindung  immer 


170  XI'*    £igMbrodl  u.  Hegar,  Die  apopUcUache 

die  geringste  Schwierigkeit  Ein  Mal  fanden  wir  die  R^exa 
am  Kucbenrande  ausnabmsweiße  über  drei  Millimeter  dick, 
während  sie  weit  vom  Kuchen  entfernt  kaum  die  Dicke  des 
Amnion  hatte.  In  allen  anderen  Fällen  war  dieser  Unter- 
schied zwar  viel  geringer,  aber  immer  noch  merklich  genug. 
Auch  dann,  wenn  der  Schwund  dieser  Membran  am  Kuchen- 
rande  sehr  bedeutend  war,  fanden  wir  ihn  hier  stets  weil 
weniger  vorgeschritten,  wie  an  den  von  der  Placenta  enl- 
fernten  Partieen  der  Eihäute.  Hier  war  in  vielen  Fällen  die 
Reflexa  nur  als  eine  papierdunne  Lage  erbalten.  —  Der  Thetl 
des  Dedduaüberzuges,  welcher  der  Vera  angehört,  ist  eben- 
falls in  verschiedenen  Fällen  von  sehr  verschiedener  Dicke. 
Auch  für  ihn  gilt  die  Regel,  dass  seine  Dicke  nach  dem 
Placentarrande  hin  zunimmt. 

Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  findet  mau  in 
der  Vera  ein  fibrilläres  Bindegewebe  oder  ein  junges  Binde- 
gewebe, welches,  ausser  spindelförmigen  Zellen,  zahlreiche 
runde  oder  polygonale  Zellen  verschiedener  Form  und  Grösse 
enthält  Meist  zeigen  diese  Gewebselemente  eine  deutlich 
ausgeprägte  Fettmetamorpbose,  auch  wenn  die  Membran  bei 
Betrachtung  mit  freiem  Auge  vollständig  erhalten  scheint  Die 
Reflexa  besteht  fast  immer  aus  einem  kömigen,  fettreichen 
Detritus,  oft  mit  zahlreichen  runden  oder  ovalen  Kernen. 
In  der  moleculären  Hasse  sieht  man  meist  einzelne  Zellen 
mit  feinkörnigem  Inhalte,  mit  od<^  ohne  deutlichen  Kern. 
Zuweilen  besteht  die  Reflexa  ebenfalls  aus  einem  fibrillären 
Bindegewebe.  Stets  ist  die  Fettmetamorphose  oder  Fett- 
infiltration in  hohem  Grade  vorhanden.  Sehr  häufig  lassen 
sich  in  der  Reflexa  Zottenrudimente  nachweisen. 

Während  in   der  Mehrzahl  der  normalen  Geburten,  das 
I  Chorion,    wie  oben   erwähnt  wurde,    fast  in   seiner   ganzen 

i  Ausdehnung  von  Deciduagewebe  bekleidet  ist,  findet  man  in 

anderen  Fällen  dasselbe  nur*  theilweise  mit  diesem  Uebenuge 
I  versehen.    Am  Rande  der  Placenta  ist  derselbe  fast  immer 

I  gut  erhalten;  an  allen  anderen  Stellen  finden  sich  nur  einzdne 

■  Inseln  auf  dem  Chorion.    Sie  besteben  entweder  aus  Reflexa 

und  Vera,  oder  es  ist  nur  die  Reflexa  allein  erhalten.    Diese 
Rudimente  der  Decidua  sind  scharf  begrenzt,   so  dass  sie  an 


Deairaction  der  UtariDsebleimhaiit.  ],71 

ihren  Rändern  abgerissen  erscheinen.  Es  wirft  sich  die 
Frage  auf:  was  in  sokhen  Füllen,  in  welchen  nur  Bruch- 
stücke der  Decidua  an  dem  Chonon  sitzen,  aus  den  übrigen 
Tbeilen  dieser  Membran  geworden  ist  ?  Unsere  Beobachtungen 
werden  zur  Beantwortung  dieser  Frage  einen  Beitrag  liefern, 
indem  sie  darthun,  dass  sehr  häufig  Theile  der  Decidua  an 
reifen  Eiern,  durch  frische  oder  apoplectische  Ergüsse  zerstört 
und  in  Blutgerinnungen  gehüllt,  bei  der  Gd)urt  ausgestossen 
werden. 

Es  ist  eine  bekannte  Sache,  dass  an  dem  Deciduauberzuge 
der  reifen  Plaeenta  häufig  Blutexlravasate  vorkommen,  dagegen 
ist,  so  viel  wir  wissen,  bis  jetzt  noch  von  keiner  Seite 
darauf  aufmerksam  gemacht  worden,  wie  überaus  häufig 
apoplectische  Ergüsse  in  dem  Deciduauberzuge  des  ChorioQ. 
angetroffen  werden.  Wir  werden  zuerst  die  frischen  apo- 
plectischen  Extravasate  und  Dcstructionen  der  Vera  beschreiben 
und  dann  einige  Befunde  derselben  Zustände  älteren  Datums 
mittheilen. 

Untersucht  man  den  Deciduaüberzug  einer  Anzahl  reifer 
Eier,  so  findet  man  sehr  häufig  frische  Blutextravasate  in 
der  Vera,  bald  in  grösserer,  bald  in  geringerer  Ausdehnung 
und  Anzahl.  Diese  Extravasate  dringen  meist  als  hämorrhagische 
Infiltrationen  bis  in  die  Nähe  der  glatten  Oberfläche  der  Vera, 
wie  man  sich  leicht  überzeugen  kann,  wenn  es  gelingt,  die 
Vera  von  der  Reflexe  zu  trennen.  Nach  der  rauhen  Seite 
der  Vera  zu  nehmen  sie  an  Ausdehnung  zu  und  stehen  hier 
gewöhnlich  mit  grösseren  apoplectischen  Ergiessungen  und  fest 
anhängenden  Blutgerinnungen,  welche  Gewebstheile  der  Vera 
in  ihrer  Masse  eingeschlossen  enthalten,  im  Zusammenhange. 
Besonders  häufig  sind  solche  apoplectische  Dcstructionen  der 
Vera  in  der  Nähe  des  Placentarrandes.  —  In  den  mit  der 
Nachgeburt  abgehenden  Blutgerinnungen  findet  man  bei  sorg* 
faltiger  Untersuchung  häufig  Stücke  der  Vera.  Sie  sind  von 
sehr  verschiedener  Grösse,  oft  Lappen  von  1  bis  3  Centimeter 
Durchmesser,  oft  auch  nur  kleine  Fetzen  und  Theilchen, 
welche  mit  freiem  Auge  kaum  wahrnehmbar  sind.  Nimmt 
man  bei  diesen  Untersuchungen  das  Mikroskop  zu  Hülfe,  so 
findet  man  oft  in  ganz  homogen  aussehenden  Blutgerinnungen 
eine  grosse  Menge  von  Gewebselementen  der  Decidua.    An 


172  ^11-    Bigsnhrodt  u.  S^gatf  Die  «popleetische 

den  grösseren  BruchstAcken  der  Vera  findet  man  nidit  sehen 
anhängende,  apoplectisch  destruirte  Theile. 

Man  findet  apoplectisch  destmirte  Theile  der  Vera  inner- 
halb der  mit  oder  nach  dem  Abgange  der  Nachgeburlstheile 
ausgeschiedenen  Blutmassen  auch  in  solchen  Fällen,  in  wdcheD 
das  Chorion  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  von  einem  conti- 
nuirlichen  Ueberzuge  der  Decidua  vera  bedeckt  ist  Hier 
%ind  es  ofienbar  die  mittleren  Schichten  dieser  Membran, 
welche  apoplectisch  zerstört  wurden,  wenn  man,  wie  man 
nach  zuverlässigen  Beobachtungen  berechtigt  ist,  annimmt, 
dass  eine  Lage  der  Schleimhaut  auf  der  Muscularis  sitzen  bleibt. 

Als  Beispiele  von  apoplectischen  Ergüssen  älteren  Datums 
in  dem  Deciduaüberzuge  reifer  Eier  theilen  wir  folgende 
Fälle  mit 

1.  An  den  bei  normalem  Geburtsverlaufe  abgegang^en 
Nachgeburtslheilen  einer  Frau,  deren  Schwangerschaft,  eine 
unbedeutende  Blutung  im  dritten  Monate  abgerechnet,  ganz 
normal  verlaufen  war,  fanden  wir  7  Centimeter  vom  Kuchenrande 
entfernt  ein  8  Centimeter  im  Durchmesser  grosses,  halb  ent- 
färbtes Blutcoagulum  von  5  Millimeter  Dicke  auf  dem  Chorion 
aufsitzend.  Es  Hess  sich  leicht  vom  Chorion  abziehen;  so  weit 
es  sich  erstreckte  fehlte  die  Beflexa  ebenso  wie  die  Vera.  An 
allen  übrigen  Stellen  des  Chorion  waren  diese  beiden  Membranen 
fast  ohne  Ausnahme  wohl  erhallen.    Näher  am  Placentarrande, 

1  Centimeler  von  demselben  entfernt,  fanden  sich  noch  einige, 
aber   kleinere   halb    entfärbte    Blotextravasate   v(hi   ungefähr 

2  Centimeter  Durchmesser  und  2  Millimeter  Dicke.  Diese 
apoplectischen  Heerde  befanden  sich  in  der  Refiexa,  deren 
Gewebe  nach  aussen,  nach  der  Vera  zu,  einen  Ueberzug 
über  denselben  bildete.  Ihr  Sitz  in  der  Reflexa  war  mit 
Sicherheit  nachweisbar,  weil  die  Vera  nur  sehr  lose  mit  der 
Reflexa  zusammenhing  und  deshalb  über  die  Grenzlinie  beider 
nicht  der  geringste  Zweifel  obwalten  konnte. 

2.  An  den  Nachgeburtslheilen  einer  Frau,  welche  im 
vierten  und  sechsten  Monate  ihrer  Schwangerschaft  je  einen 
Tag  lang  Blutungen  gehabt  hatte  und  mit  einem  sehr  kleinen, 
aber  reifen  Kinde  bei  normalem  Geburtsverlaufe  nieder- 
gekommen war,  fanden  wir  Folgendes.  Auf  dem  Placentar- 
rande lag  ein  mehrere  Centimeter  langes  und  0,5  Centimeter 


Dettraotion  der  UtorlDsehleimlrnnt.  178 

dickes,  cyliodrisches  halbentfarbtes  BlatGoaguIum,  welches  mii 
GewebselemeDten  der  Decidua  durchsetze  war  und  an  einigen 
Stellen  mit  dem  Dedduaüberzuge  der  Placenta  und  den  am 
Kuchenrande  hängenden  Stucken  der  Vera  in  Verbindung  stand. 
Auf  dem  Chorion  sassen  einzelne  Inseln  der  bräunlichgelben 
BeOexa  mit  scharfen  Bändern;  in  der  Nähe  des  Mutterkuchens 
war  die  Beflexa  in  der  Breite  von  2  Centiroeter  erhalten. 
Von  der  Vera  fand  sich  nur  sehr  wenig  vor.  Abgesehen  von 
einigen  kleinen  Budimenten  am  Placentarrande  fand  sich  nur 
ein  5  Centimeter  im  Durchmesser  betragendes  Stuck  auf 
einer  grösseren  Insel  der  Beflexa  aufsitzend,  von  welcher  es 
sich  durch  einen  leichten  Zug  abtrennen  liess.  —  Die  mit 
dieser  Nachgeburt  abgegangenen  Blutcoagula  wurden  sämmt- 
lieh  gesammelt  und  untersucht  Es  befanden  sich  unter 
denselben  zwischen  frischen  Blutgerinnungen  auch  mehrere 
entfärbte;  zwei  der  letzteren  von  7  bis  10  Centimeter  Länge 
und  2  Centimeter  Dicke.  Diese  entfärbten  Blutmassen  waren 
mit  einer  Unzahl  ungefähr  1  Millimeter  grosser  weisslicher 
Theilchen  durchsetzt,  welche  aus  einer  krümmlichen  Masse 
bestanden.  Ihre  mikroskopische  Untersuchung  ergab  Form- 
elemente, welche  genau  dieselbe  Beschaffenheit  hatten,  wie 
diejenigen,  welche  wir  in  der  Beflexa  dieser  Nachgeburt 
gefunden  hatten.  —  An  den  frischen  dunkelrotheu  Blut- 
gerinnungen fanden  sich  einzelne  dieser  weisslichen,  aus 
krümmlicher  Masse  bestehenden  Theilchen  vor. 

3.  An  den  nach  einer  rechtzeitigen,  normalen  Geburt 
abgegangenen  Nachgeburtstheilen  einer  Frau,  welche  vom 
zweiten  bis  fünften  Monate  ihrer  Schwangerschaft  an  Blutungen 
gelitten  hatte,  fanden  wir  Folgendes.  Das  Chorion  ist  mit 
einer  grossen  Menge  von  Blutextravasaten  älteren  Datums 
bedeckt.  Dieselben  sind  von  verschiedener  Grösse  von  0,5  bis 
4  Centimeter  Durchmesser  und  von  0,5  bis  3  Millimeter  Dicke. 
Die  nähere  Untersuchung  ergiebt,  dass  diese  röthlichgelb 
entfärbten  Extravasate  ihren  Sitz  grösstentlieils  zwischen  Vera 
und  Beflexa  haben.  Mehrere  derselben  in  der  Nähe  des 
Placentarrandes  sind  aber  in  das  Gewebe  der  Beflexa  eingelagert 
Die  mikroskopische  Untersuchung  ihrer  röthlichgelben  Masse 
zeigt  die  Blutkörperchen  in  stark  geschrumpftem  Zustande. 
Die  Decidua  vera  ist  an  diesem  Präparate  auffaUend  dilnn, 


174  ^11*    Migenhrodt  n.  HeffaTf  Die  apoplectitehe 

816  bfldet  einen  ganz  TeiDen  Ueberzug,  der  den  grössten  TheS 
der  Eihäute  fiberkleidet  und  nur  an  wenigen  uroschriebeneB 
Steilen  gänzlich  fehlt,  nur  am  Kuchenrande  hat  sie  die  ihr 
gewöhnlich  zukommende  Dicke  von  ungeföhr  1  Hilhnieter.  — 
Hier  gelang  es,  an  einer  2  Zoll  langen  Stelle  den  Uebergang 
der  Vera  in  die  Reflexa  freizulegen.  —  Es  befinden  ach  in 
der  Vera  besonders  in  der  Nähe  des  Mutterkuchens  mehrere 
firiscbe  Blutextravasate ,  welche  mit  fest  anhängenden  Blat- 
gerinnungen  in  Verbindung  stehen,  deren  Masse  mit  Gewebs- 
theilen  der  Decidua  durchsetzt  ist.  Das  Chorion  dieses  Eies 
ist  mit  dem  Amnion  fest  verwachsen,  nur  an  der  Placenta 
liess  sich  dasselbe  leicht  ablösen.  —  An  und  in  den  mit  der 
Nachgeburt  abgegangenen  frischen  Blutgerinnungen  fanden 
sich,  ausser  kleinen  Bruchstücken  der  Vera,  kleine  gelbliche 
Theilchen,  welche  unter  dem  Mikroskop  ganz  die  Beschaffen- 
heit der  rötblichgelben  Masse  der  oben  beschriebenen  Extra- 
vasate darboten. 

Bei  diesen  Untersuchungen  ist  es  oft  nicht  leicht,  za 
entscheiden,  ob  man  es  mit  einem  entfSrbten  verfetteten 
Blutgerinnsel  oder  mit  einem  von  Blutergüssen  durchsetzten 
und  destruirten  Stuck  der  Decidua,  deren  Gewebe  zerfaümi 
ist,  zu  Ihun  hat  Besonders  schwierig  ist  es,  die  so  ver- 
änderten Gewebstheile  in  den  Blutgerinnungen  zu  erkennen, 
welche  bei  der  Geburt  ausgestossen  werden.  Leichter  ist 
dies  an  Blutgerinnungen,  welche  an  den  Eihäuten  anhängen, 
weil  sie  hier  oft  noch  mit  weniger  destruirten  Theilen  in 
Verbindung  stehen,  so  dass  man  die  Uebergänge  vom  un- 
versehrten bis  zum  vollständig  destruirten  Gewebe  noch  in 
ihrer  natQrlichen  Verbindung  neben  dnander  vorfindet 

SymptomatolQgie. 

Bei  der  normalen,  rechtzeitigen  Geburt  wird, 
wie  wir  sahen,  häufig,  wenn  nicht  immer,  ein  Theil  der 
atrophischen  Uterinschleimhaut  mit  Blutergfissen  durdisetzt 
und  mit  Gerinnsdn  untermengt  ausgeschieden.  Es  ist  dies 
ein  physiologischer  Vorgang.  Unter  besonderen  Umstanden, 
wie  z.  B.  bei  mangelhafter  Contraction  der  Gebärmutter,  ge«> 
seUen  sich  hieran  gewisse  abnorme  Erscheinungen,  weldie 
wir  qpäter  betrachten  werden. 


Destraetion  der  üterinschleimhaat.  175 

Wenn  Extravasate  Tor  Ablauf  der  Schwangerschaft 
in  die  Decidua  gesetzt  werden,  so  kann  auch  dies  ohne 
irgend  ein  Krankheitssymptom  geschehen.  Die  Schwanger- 
schaft verläuft  trotzdem  zu  ihrem  normalen  Ende.  Die  Unter- 
suchung der  Nacbgeburtsheile,  welche  apoplectische  Heerde 
ergiebt,  beweist  aliein  die  Gegenwart  eines  pathologischen 
Processes. 

Zuweilen  sind  dagegen  während  der  Gravidität  äussere 
Blutungen,  leichte  Schmerzen  im  Unterleibe,  vorübergehende 
Wehenthätigkeit  vorhanden,  ohne  dass  jedoch  jene  eine  Unter- 
brechung erleidet. 

Die  Blutergüsse  in  die  Decidua  können  endlich  Abort 
und  Frühgeburt  hervorrufen.  Die  Bedingungen,  unter  welclien 
dies  geschieht,  sind  nur  zum  Theil  bekannt  Es  kommt  sicher 
nicht  allein  auf  den  Umfang  und  die  Menge  des  Extravasats, 
sondern  auch  auf  die  Stelle  desselben  und  auf  den  Zeitpunkt 
der  Schwangerschaft  an,  in  welchem  es  auftritt  Ein  Blut- 
erguss  in  die  Serotina  ist  von  ungleich  grösserer  Bedeutung, 
als  ein  solcher  in  einen  anderen  Abschnitt  der  hinfalligen 
Haut  Ein,  wenn  auch  kleines  Extravasat  im  ersten  oder 
zweiten  Monate  ist  für  das  zarte  Ei  dieser  Periode  viel  nach- 
theiliger, als  ein  grösseres  im  sechsten  bis  siebenten  Monate. 
Eine  Apoplexie  der  Beflexa  wird  hauptsächlich  einen  Abort 
hervorrufen,  wenn  sie  zu  einer  Zeit  zu  Stande  kommt ^  in 
wefeher  die  Reflexa  noch  wesentlich  zur  Ernährung  der  fötalen 
Gebilde  dient  Auch  die  Ursache  der  Blutergüsse  ist  von 
Wichtigkeit  Sind  diese  secundär,  hervorgerufen  durch 
Bildungsanomalien  oder  patliologische  Processe  der  Uterin- 
scUeimhaut,  so  findet  wohl  fast  immer  eine  Unteril)rechung 
der  Schwangerschaft  statt 

Es  liegt  nicht  in  unserer  Absicht,  diesen  Gegenstand 
weiter  zu  verfolgen,  wenn  auch  der  Abort  und  die  Frühgeburt 
als  die  häufigste  Begleiterscheinung  der  apoplectischen  Zer- 
störung der  Decidua  zu  betrachten  sind.  Wir  wollen  vielmehr 
verschiedene  Reihen  anderer  Krankheitserscheinungen  hier  vor- 
führen, deren  ursächlicher  Zusammenhang  mit  hämorrhagischen 
Vorgängen  in  der  Schleimhaut  des  schwangeren  und  nicht- 
schwangeren  Uterus  bis  jetzt  wenig  gewürdigt  wurde.  Auf 
Vollstfindigkeit  machen  diese  Mittheilungen  keinen  Anspruch. 


176  ^n.    Mügmihroäi  a.  Hegar,  Die  »iH>pleetitche 

/ 

Es  kam  uns  hauptsächlich  darauf  an,  die  Anflnericsamkeii 
der  Beobachter  auf  diesen  Gegenstand  zu  lenken.  Wir  be- 
schränken uns  daher  auf  die  Hittheilung  einiger  interessanteren 
Fälle,   welcher  wir  kurz  einige  Bemerkungen  beifugen. 

Die  apoplectische  Zerstörung  und  Losstossang 
der  Uterinschleimhaut  im  nichtschwangeren  Zu- 
stande scheint  nicht  ganz  selten  zu  sein.  Hstn  kennt  schon 
seit  längerer  Zeit  die  Ausscheidung  grösserer  Membranen 
oder  selbst  der  ganzen  Mucosa  während  der  Menstruation. 
Häufiger  noch  werden  ganz  kleine  Stucke  dieser  Haut,  in 
Gerinnsel  eingehüllt,  entleert  nnd  zuweilen  ist  das  Gewebe 
so  zertrümmert,  dass  nur  die  mikroskopische  Untersuchung 
nachweist,  dass  wirklich  Bestandtheile  der  Schleimhaut  in  den 
Gerinnseln  sich  vorfinden.  Unsere  Beobachtungen  hierüber 
beziehen  sich  auf  Metrorrhagie  während  der  climacterischen 
Jahre  und  auf  Dysmenorrhöen. 

Fall  I.  Dysmenorrhoe.  Sterilitas.  Losstossung  von 
Gewebstheilen  der  Uterusschleimhaut  während 
der  Menstruation,  welche  nur  mit  Hülfe  des 
Mikroskops  als  solche  zu  erkennen  sind, 

Frau  £"....,  25  Jahre  alt,  schlank,  blass  ausseh^ul, 
ist  seit  ihrem  14  Jahre  menstruirt  und  seit  drei  Jahren  ver- 
heirathet,  ohne  dass  bis  jetzt  Concepüon  eintrat  Patientin 
ist  bis  auf  leichte,  anämische  Erscheinungen  gesund.  Die 
Periode  war  im  Anfange  vollständig  normal.  Vor  sechs  Jahren 
wurde  sie  zuerst  unregelmässig  und  schmerzhaft.  Seit  vier 
Jahren  sind  die  Beschwerden  auffallend  heftig  geworden. 
Die  Menstruation  ti*itt  sehr  verschieden,  alle  4 — 7 — 9  Wochen 
ein.  Einen  Tag  vorher  verspürt  PaL  schon  starke  Schmerzen 
im  Kreuze  und  Leibe.  Kommt  es  alsdann  zur  blutigen  Aus- 
scheidung, so  lässt  der  Schmerz  nach.  Nachdem  drei  bis 
vier  Tage  lang  flüssiges  heUes  oder  mehr  dunkeles  Blut  in 
massiger  Quantität  entleert  wurde,  gehen  grössa^  oder  kleinere, 
höhnen*  bis  wallnussgrosse  Massen  von  geronnenem  Blute  ab. 
Dabei  sind  unerträgliche,  bohrende,  brennende  und  reissende 
Schmerzen  im  Dnterleibe  vorhanden.  Der  Schmers  bort 
hierauf  ganz  auf  und  ein  bis  zwei  weitere  Tage  wird  noch 
eine  hellere,  biassrothe,  schleimige  Flüssigkeit  ausgeschieden. 


Destrnction  d«r  UteelofebUinhant.  17^ 

Die  Ealleei^uDg  jener  ieaten  Massen  findet  nicht  bei  jeder 
Menstruation  statt  Man  bemerkt  sie  in  erheblicher  Menge 
nur  dann,  wenn  die  Periode  länger  als  gewöhnlich,  bis  sieben 
und  neun  Wochen,  ausgeblieben  war. 

Die  Gerinnsel  sind  gewöhnlich  länglich  und  abgeplattet 
oder  cylindrisch,  von  yerscbiedener  Grösse,  bis  zu  3  Centiraeter 
in  der  Länge,  1  Centimeter  in  der  Dicke  und  Breite.  Zuweilen 
haben  sie  eine  ausgeprägte,  traubenförmige  Form.  Ein  Mal 
gelang  es,  darunter  mehrere  kleine  Läppchen  von  grauweisser 
Beschaifenheit  zu  entdecken,  welche  schlilzarlige  Löcher  zeigten 
und  unter  dem  Mikroskop  das  Gewebe  der  Schleimhaut  dar- 
boten. In  den  meisten  Fällen  jedoch  zeigte  das  Coagulum 
ein  ganz  homogenes  Aussehen.  Mit  dem  Mikroskope  konnte 
man  sich  jedoch  auch  dann  von  der  Gegenwart  zahlreicher 
kleiner  polygonaler  oder  cylindrischer  Zellen,  einzelner  spindel- 
förmiger Zellen  und  selbst  ganzer  Lagen  spindelförmiger  Zellen 
überzeugen. .  Uebrigens  fanden  sich  auch  Coagula,  besonders 
solche  von  tranbenförmiger  Gestalt,  welche  nichts  der  Art 
enthielten. 

Die  Untersuchung  der  Kranken  ergab  keine  besondere 
Abnormität.  Die  Vaginalportion  war  weder  vergrössert,  noch 
sonst  verändert  Die  nächste  Umgebung  des  Muttermundes 
zeigt  eine  oberflächliche,  schmale  Excoriation.  Vermehrte 
Secretion  des  Uterus  war  nur  kurze  Zeit  nach  der  Periode 
vorhanden.    Eine  Vergrösserung  des  Organs  Gndet  niclit  statt 

Application  von  Blutegeln  an  die  Vaginalportion,  der 
Gebrauch  von  lauwarmen  Sitzbädern,  Jodsalben  hatten  keinen 
Einflnss  auf  das  Uebel.  Dagegen  zeigten  Aetzungen  der 
Uterinhöhle  mit  Höllenstein  in  Substanz  einen  guten  Erfolg. 
Wenn  auch  die  Periode  noch  unregelmässig  eintritt,  so  haben 
die  Schmerzen  dabei  doch  sehr  nachgelassen.  Der  Abgang 
fester  Massen  ist  geringer  und  erfolgt  fast  ohne  Schmerz. 
Das  Allgemeinbefinden  hat  sich,  unter  dem  Gebrauche  von 
Stabipräparaten ,  sehr  gebessert 

Es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  dass  hier  eine  blosse 
Henslrnationsanomaiie  bestand.  Die  Annahme  wiederholter 
Conceptionen  winl  durch  das  Vorhandensein  des  Uebels  vor  der 
Verlieirathung  unwahrscheinlich.  Auch  waren  sonst  durchaus 
keine  Symptome  von  Sdiwangerscbad  zu  bemerken.    Dagegen 

Monatnüchr.  f.  Qebnrtok.  1863.  Bd.XXIT.,Hft.3.  12 


178  Xl^'    Eigenhrodi  n.  Htgar^  Di«  ftpoplectische 

ist  für  die  fotgenden  FäHe,  in  wekhen  apoplecfisch  destruirtp 
SchleimhauUbeJle  nach  Menopause  unter  heftigen  und  lang- 
dauernden  Blutungen  entleert  wurden,  eine  stattgefundene 
Conception  wahrscheinlich.  Ausser  der  Vergi^dsserung  des  Ut^iis 
fehlten  zwar  alle  Schwangerschaftssymptome  und  unter  den 
ausgeschiedenen  Massen  waren,  trotz  sehr  sorgfältiger  SammluDg 
und  Untersuchung,  Theile  fötaler  Eigebilde  nicht  aufzufinden. 
Allein  es  ist  sehr  wohl  möglich,  dass  der  Embryo  nebst 
Chorion  und  Amnion  in  der  ersten  Zeit  seiner  Entwickelung 
gehemmt  und  dann,  seiner  Kleinheit  wegen,  übersehen 
wird  oder  auch  YoUständig  zu  Grunde  geht,  während  die 
Decidua  vera  und  reflexa  fortbesteht  und  sich  selbst  weiter 
entwickelt.  Es  ist  genügend  bekannt,  dass  die  gesammten 
Eihäute  nach  dem  Absterben  des  Embryo  fortwucfaern. 
Dagegen  ist  eine  Weilerentwickelung  der  mütterlichen  Eihäute, 
der  Decidua  allein,  nach  dem  Untergange  sammtlicher 
Fötalgebilde  noch  nicht  beschrieben.  Ein  von  Dr.  Hegar 
beobachtetes  Beispiel  dieser  Art,  in  welchem  nach  all- 
wöchentlicher Menopause  eine  stark  hypertrophirte  Vera  nelist 
vollständig  entwickelter  Reflexa  ausgestossen  wurde,  in  deren 
Innern  keine  Spur  von  Embryonaltheilen  aufzufinden  war, 
beweist  diesen  Vorgang.  Auch  die  weiter  unten,  anter  IV., 
mitgetheiite  Beobachtung  zeigt,  dass  die  Decidua  aUein,  nach 
Schwund  sämmthcher  anderer  Eigebilde,  wenn  auch  hier  in 
atrophischem  Zustande,  persistiren  könne. 

Fall  II.  Habituelle  Metrorrliagieen.  Zeitweise  Sistirung 
der  Menses.  Ausstossung  von  mit  Blut  durch- 
setzten  und   davon   eingehüllten  Deciduastucken. 

Frau  /S.,  43  Jahre  alt,  corpulent  und  von  grosser  Statur, 
Htt  als  Kind  an  Drüsengeschwülsten  und  Augenentzünddi^. 
Die  Menstruation  trat  schon  seit  dem  zwölften  Jahre  ein,  war 
ein  halbes  Jahr  unregelmässig,  dann  vollständig  regdmäsaig. 
Die  ersten  vier  Jahre  ihrer  mit  dem  22.  Jahre  eing^angenen 
Ehe  waren  kinderlos.  Im  fünften  Jahre  erfolgte  ein  Abort 
am  Ende  des  dritten  Monats.  Ein  Jahr  später  kam  Frau  8. 
mit  reifen  Zwillingen  nieder  und  machte  ausserdem  noch  in 
ihrem  31.  und  33.  Lebensjahre  eine  rechtzeitige  Niederkunft 
durch.     Die    Kinder    wurden    wegen    ungenügender    Mitcli- 


D«atr«etio&  dar  UteriaMhIttImbAat.  179 

secrelioD  nie  seitist  geslBlt  Nach  dem  letzte  Wochenbette 
im  Jahre  1862  war  die  Menstruation  wieder  regelmässig  ein- 
getreten and  dauerte  jedes  Mal  acht  Tage.  Im  Sommer  1857 
erfolgte  nach  zweimonatlichem  Ausbleiben  der  Periode  eine 
sehr  starke  Metrorrhagie.  Seit  dieser  Zeit  ist  die  Menstruation 
ganz  unregelmässig,  tritt  zuweilen  alle  8,  alle  14 — 21  Tage 
ein,  zuweilen  cessirt  sie  6 — 8  Wochen.  Die  letzte  Menopause, 
welche  sieben  Wochen  dauerte,  fand  im  Herbste  1860  statt, 
worauf  im  October  sich  eine  heftige  Metrorrhagie  einstellte. 
Jedes  Mal  nach  längerem  Ausbleiben  der  Menses  gehen  grosse 
Stucke  geronnenen  Blutes  ab.  Seit  October  1860  hat  der 
Blutabgang  niemals  länger  als  acht  Tage  sistirt  und  dauerte, 
ab  endlich  ärztliche  Hülfe  in  Anspruch  genommen  wurde, 
bereits  sechs  Monate  in  grösserem  und  geringerem  Grade  forL 
Im  März  1861  wurde  er  sehr  heftig,  so  dass  starke  anämische 
Erscheinungen  eintraten.  Man  konnte  den  Uterus  etwa  drei 
Querfinger  oberhalb  dei*  Schoossfuge  durchfühlen.  Die  Vaginal- 
portion  war  weich  und  etwas  vergrössert,  der  äussere  Mutter- 
mund für  den  Zeigefinger  durchgängig,  der  innere  geschlossen. 
Die  Blutung  wurde  durch  Injection  von  Chloreisenlösuog 
gestillt  Die  vorher  abgegangenen  Stücke  coagulirteu  Blutes, 
unter  welchen  sich  kleinere  und  solche  bis  zur  Länge  von 
5 — 6  Zoll  befanden,  hatten  theilweise  eine  traubenförmige 
Gestall.  Unter  den  Coagulamasseu  liessen  sich,  mittels  des 
Mikroskops,  Bindegewebseleroente  auffinden.  Die  Hämorrhagie 
erneuerte  sich  sehr  bald  wieder  und  wurde  jedes  Mal  durch 
Injection  einer  verdünnten  Chloreisenlösung,  welche  jedoch 
nur  auf  8 — 12  Stunden  fruchtete,  gestillt  So  dauerte  der 
Zustand  noch  sechs  Tage,  während  welcher  Zeit  der  Mutlei** 
mund  sich  mehr  öffnete  und  die  Yaginalporlion  weicher  wurde. 
Am  siebenten  Tage  wurde  eine  3  Zoll  lange,  1  Zoll  dicke 
Masse,  welche  scheinbar  nur  aus  geronnenem  Blute  bestand, 
entleert  Unmittelbar  darauf  hatte  sich  der  Uterus  so  ver- 
kleinert, dass  er  nicht  mehr  oberhalb  der  Schoossfuge  zu 
fühlen  war.  Der  Abgang  geronnenen  Blutes  hörte  von  dieser 
Zeit  an  auf.  Doch  wurde  noch  vier  Wochen  lang  eine  blutig 
liugirte,  seröse  Flüssigkeit  ausgeschieden. 

Unter  jenem  Coagulum   liessen   sich   nach  soi^ältigem 
Auswaschen  siehförmig  durchlödierte,   dünne   Schichten  der 

12* 


IgO  XI^-   Si^enirodt  n.  Eegar.^  Die  apopleetische 

Decidoa  autßoden,  welche  anch  mikroskopiaGh  als  soldie 
kennbar  waren. 

Fall  III.  Metrorrhagie  nach  dreimaligem  Cessiren 
der  Menses.  Abgang  von  Blutgerinnungen,  in 
welchen  die  Gewebselemente  der  Schleimhaut 
nur  mikroskopisch  erkennbar  sind  und  Abgang 
eines   unveränderten   Schleimhautlappens. 

Frau  D,,  38  Jahre  alt,  gross,  von  blasser  Gesichtsfarbe, 
ist  seit  ihrem  21.  Jahre  regelmässig  menstruirL  Der  Blut- 
abgang war  jedes  Mal  stark  und  dauerte  10-^12  Tage.  Im 
2ö.  Jahre  heirathete  Frau  B.  Im  27.  Jahre  trat  nach  drei- 
maligem Cessiren  der  Menses  eine  starke  Häniorrhagie  ein. 
Ganz  derselbe  Vorgang  wiederholte  sich  im  34.  Lebensjahre. 
Eine  rechtzeitige  Niederkunft  fand  nie  statt 

Am  14.  Juli  1862  trat  die  Periode,  wie  sonst  auch,  ein, 
sistirte  aber  von  da  an.  Am  3.  November  wurde  Frau  2). 
von  einer  überaus  heftigen  Blutung  befallen,  welche  bereits 
sechs  Stunden  anhielt,  als  ärztliche  Hülfe  in  Ansprach  ge- 
nommen wurde.  Die  Kranke  hatte  mehrere  Ohnmächten, 
der  Puls  war  kaum  fühlbar,  die  Extremitäten  kalt  und  mit 
Scbweiss  bedeckt.  Die  Gebärmutter  stand  drei  Querfinger 
oberhalb  der  Schoossfuge.  Die  Vaginalportion  erschien  verkürzt, 
weich.  Der  Muttermund  war  geöffnet,  so  dass  man  mit  dem 
Finger  bis  über  den  inneren  Muttermund  eindringen  konnte. 
Man  stiess  jedoch  nur  auf  weiche  Massen,  welche  sicli  wie 
Gerinnsel  anfühlten.  Einspritzungen  von  Chloreisenlösung 
sistirten  die  flämorrhagie.  Da  Alles,  was  abgegangen  war, 
noch  im  Bette  lag,  so  wurde  dasselbe  sorgfaltig  gesammelt 
und  untersucht.  Es  bestand  aus  massenhaften  Coagulis,  von 
verschiedener  Grösse  und  Form.  Mit  dem  blossen  Auge 
konnte  man  durchaus  keine  Gewebstheile  auffinden,  dagegen 
gelang  es  mit  dem  Mikroskope,  in  einzelnen  Gerinnsehi 
spindelförmige  Zellen  und  Epithelialzellen  von  verschiedener 
Grösse  und  feinkörnigem  Inhalte  nachzuweisen. 

Die  Blutung  stand  sieben  Tage,  während  welcher  Zeit 
nur  eine  blutigseröse  Flüssigkeit  mit  einzelnen  krömmlicheo, 
schwarzen  Coagulis,  offenbar  durch  die  Ghloreiseninjectionen 
entstanden,  entleert  wurde.    Am  10.  November  entstand  jedodi 


Desiroeiion  der  Uteirioscbleiaihaat.  Jg] 

wieder  eine  starke  Hämorrhagie,  mit  welcher  ausser  den 
oben  beschriebenen  Gerinnsehi,  ein  5  Centimeter  langes, 
1  Centimeler  breites  und  3  Hillimeter  dickes  Deciduastöck 
entleert  wurde.  Die  Ränder  waren  verdünnt  und  ausgefranst 
Auf  der  glatten  Seite  der  Membran  liessen  sich  Drüsenlöcher 
erkennen.    Die  andere  Fläche  war  rauh. 

Bis  zum  10.  December  bestand  ein  wässeriger,  zeitweise 
blutiger  Abgang  fort,  dem  ein  massiger  Fluor  albus  folgte. 

Wir  erwähnen  hierzu,  dass  in  diesem  Falle  besonders 
sorgfaltig  alle  Abgänge  untersucht  wurden,  ohne  dass  es 
gelang,  Theile  embryonaler  Gebilde  zu  entdecken. 

Die  mitgetheQten  Beobachtungen  erscheinen  auch  von 
Wichtigkeit  für  die  Lehre  von  den  sogenannten  fibrinösen 
Polypen.  Man  hat  in  neuerer  Zeit  die  Bildung  derselben 
stets  einem  vorausgegangenen  Abort  zugeschrieben.  Das  hat 
gewiss  für  die  meisten  Fälle  seine  Richtigkeit  und  die  unter  IV. 
mitgetheilte  Beobachtung  liefert  ein  sehr  sprechendes  Beispiel 
Denken  wir  uns  hier  das  rudimentäre  Ei  von  älteren  und 
frischeren  Coagulaschichten  umhüllt,  so  dass  die  Reflexa  als 
solche  noch  unkenntlicher  ward,  so  konnte  man  das  Ganze 
recht  gut  für  ein  festsitzendes  Gerinnsel  halten.  Entdeckte 
man  alsdann  im  Innern  Gewebselemente  der  Decidua,  wie 
junges  Bindegewebe,  so  halte  map  einen  sogenannten  fibrinösen 
Polypen  vor  sich  mit  beginnender  Faserstoflbrganisation.  Doch 
möchten  wir  die  Entstehung  nicht  immer  dieser  Ursache  zu- 
schreiben. Es  ist  uns  sehr  unwahrscheinlich,  dass  ein  frei 
in  der  Dterinhöhle  liegendes  Coagulum  eine  Verbindung  mit 
dor  Gebärmutterwand  eingehe.  Dagegen  kann  sehr  gut  ein 
grösstentheils  losgestossener,  mit  Blut  durclisetzter  Schleim- 
hautlappen an  einer  Stelle  fest  haften  und  den  Mittelpunkt 
einer  weiteren  Gerinnung  bilden.  Dass  aber  Abtrennungen 
der  Schleimhaut  ohne  vorausgegangene  Conception  vorkommen, 
steht  fest,  und  dass  sie  so  zur  Bildung  fibrinöser  Polypen 
fuhren  können,  ist  nach  dem  Vorausgegangenen  leicht  er- 
sichtücb. 

Bei  den  unter  IL  und  III.  angeführten  Fällen  erklärten 
wir  eine  Schwangerschaft  für  wahrscheinlich.  Ein  sicherer 
Beweis  hierfür  existirte  jedoch  nicht.  Die  Entscheidung,  ob 
man  es  bei  emer  Blutung,  welche  unter  wehenartigen  Sdimerzea 


182  ^^^'    JBig&nbrodt  n.  Hegar,  Die  spoplectische 

nach   ein-   oder  zweimaligem  Sistiren   der  Menses   entsteht, 
mit  Abort  zu  thun  habe,  ist  überhaupt  zuweilen  sehr  sdmierig. 
Die  Zeichen  der  beginnenden  Scliwangerschafl  sind  trügerisch. 
Das  Ausbleiben  der  Catamenien  bei  einer  Frau,  welche  ganz 
regelmässig  menstruirt  war  und  vollständig  gesund  ist,  macht 
die   Gravidität   sehr    wahrscheinlich.     Anders   gestalten    sich 
jedoch   die   Verhältnisse   bei    einer   Frau,    welche    erivankt, 
welche    unregelmassig    menstruirt    ist,     eine    Localaffection 
der  Generationsorgane  darbietet   oder  sich   in  der  Nähe  der 
climaclerischen    Jahre    befindet.      Hier    kann    eine   Blutung, 
welche   nach  Menopause   auftritt,   noch  lange  nicht  als  von 
Abort   herrührend    betrachtet   werden,    auch    wenn    sie   selir 
stark  und   anhaltend   sein   sollte.     Man  muss  unter  soidien 
Umständen  Bestandtheiie  des  Eies  auffinden,  deren  Nachweis 
überhaupt    zur    exacten    Diagnose    der   Fehlgeburt 
unerlässlich  ist.    Zu  jenen  Bestandtheilen  des  Eies,  welche 
die  vorausgegangene  Conceptiou   sicher   stellen,   gehören  d&r 
Bmbryo,   der  Nabelstrang,   Chorion  und  Amnion.^)     Stucke 
der   Ulerinschleimhaut   allein   sind,    entgegen   der    allgemein 
herrschenden  Ansicht,   nicht  dazu   zu  rechnen.     Die  Decidua 
menstrualis  hat  denselben  Bau,  wie  die  Decidua  uteri  gravidL 
Ob    man    aus    dem    Abgange    einer   sehr   bedeutend    hyper- 
Irophirten,  etwa  6 — 7  Millimeter  dicken  Membran,  was  jedoch 
sehr  selten  vorkommt,   auf  Schwangerschaft  sicher  schliessen 
kann,    muss   erst  durch   weitere   Untersuchungen   festgestellt 
werden.     Wir   betrachten    das    Auffinden   von    Theilen    der 
Mucosa  nur  dann  als  beweiskräfUg,  wenn  sich  hiermit  andere 
Symptome  der  Gravidität,  insbesondere  stärkere  Pigmentirung 
des  Warzenhofes,  Vortreten  der  Montgomery^wheu  Körper  etc* 
verbinden.      Auch    der   Nachweis    einer   als.  solche    deutSch 
erkennbaren  Reflexa  sichert  die  Diagnose. ') 


1)  Auch  hierbei  ist  Vorsicht  nöthig.  Das  Scbeidenepithel 
stösst  sich  saweilen  unter  dem  Einflnsse  adstringirender  In- 
jectionen,  insbesondere  der  Chloreisensolntion  in  Form  däaner, 
darchscbpinender  Membranen  los,  welche  man,  dem  Kuweren 
Ansehen  nach,  fürTheile  des  Amnion  halten  kann.  Das  Mikroskop 
stellt  den  Irrthuro  leicht  heraus. 

2)  Zuweilen  kommen  in  der  Vera  Falten  vor,  welche  einer 
Befleza  tänschend  fthnlich  sind.    Ist  gar  eine  solche  Falte  der 


Dettruction  der  Uterioscbleimhaut.  Ig3 

Es  schien  ooüiwendig,  die  Grundsätze,  welche  uns  bei 
Annahme  des  Aborts  leiteten»  hier  anzuführen.  Wir  wenden 
uns  nun  zu  den  Erscheinungen,  welche  die  Los- 
stossung  der  Decidua  hierbei,  die  fast  stets  mit 
apoplectischen  Ergüssen  und  mit  hämorrhagischer 
Destruction  verbunden  zu  Stande  kommt,  begleiten. 
Zuweilen  wird  das  ganze  Ei  nach  längerer  oder  kürzerer 
Wehentbätigkeit  mit  allen  seinen  Theilen  und  selbst  mit  der 
ganzen  oder  dem  grossten  Theil  der  Vera  ausgestossen.  Es 
ist  dies  ein  sehr  günstiger,  jedoch  seltener  Verlauf  des  Abort. 
Der  Uterus  in?olvirt  sich  gewöhnlich  rasch«  Die  Ausscheidungen 
verlieren  bald  ihre  blutgefarbte .  BescbaiTenheit.  —  Häufiger 
bleibt  ein  Theil  der  Serotina  und  der  Vera  im  Uterus  zurück. 
Die  Reflexa  allein  nebst  den  in  ihr  enthaltenen  FötaJgebilden 
wird  mit  anhängenden  kleineren  Parlieen  jener  Abschnitte 
der  Decidua  entleert  Die  Wehentbätigkeit  sistirt  dann  einige 
Zeit.  Dies  geschieht  ganz  sicher  und  wir  machen  in  Bezug 
auf  die  Therapie  darauf  aufmerksam,  wenn  vorzeitig  manuell 
eingegriffen  wird.  Untei*  solchen  Verhältnissen  involvirt  sich 
die  Gebärmutter  langsamer.  Häufig  sind  fixe  locale  Schmerzen 
und  Nachwehen  vorhanden.  Gewöhnlich  wird  alsdann  in  den 
nächsten  Tagen  unter  erueueter,  stärkerer  oder  geringerei* 
Blutung  der  übrige  Theil  der  hinfälligen  Haut  in  grösseren 
oder  kleineren  Theilen  ausgeschieden.  —  Zuweilen  kommt 
diese  Ausscheidung  jedoch  erst  innerhalb  mehrerer  Wochen, 
ja  innerhalb  mehrerer  Monate  zu  Stande.  Langwierige  und, 
wenn  auch  selten,  selbst  copiöse  Hämorrhagieen  oder  übel- 
riechende, missfarbige  und  blutgefarbte  Ausflüsse  sind  alsdann 
begleitende  Symptome.  Der  Uterus  involvirt  sich  schlecht 
und  ist  Nachkrankbeiten  (chronischem  Catarrb,  Infara)  aus- 
gesetzt. Zugleich  leidet  das  Allgemeinbefinden  erheblich. 
Uehrigens  ist  nicht  zu  verkennen,  dass  Localkrankheiten  der 
Gebärmutter  und  Allgemeinleiden  auch  als  Ursache  dieses 
Ausganges  auftreten  können. 


SitB  eines  Blnterg^BBes,  so  IXsat  sie  sich  von  einer  Reflexa,  in 
welcber  das  Ei  sn  Ornnde  geg^angen  ist,  nicht  nnterscheiden. 
Beobachtungen  dieser  Art  wurden  jedoch  nur  bei  hypertrophischen 
Zuständen  der  Decidua  uteri  gravidi  gemacht. 


184  ^1'*    £igenbrodt  u  Hegar^  Die  apopKjctische 

Beispiele  dieses  verschiedenen  Verlaufes  sind  bereits  bei 
Hegar  (1.  c.)  aufgeführt.    Wir  theilen  hier  nodi  folgende  mit 

Fall  IV.  Abort  im  zweiten  Monate.  Manuelle  Ent- 
fernung einer  atrophischen  Reflexa.  Ausstossung 
apoplectisch  zerstörter  Schleimhautreste  bis  in 
den  zweiten  Monat 

Frau  W,^  40  Jahre  alt,  Mehrschwangere,  wurde  im 
August  1861  durch  Wendung  und  Extraction  bei  unvollständig 
erweitertem  Muttermunde  entbunden.  Es  bestand  Placenta 
praevia.  Die  Geburt  war  rechtzeitig  erfolgt  Das  Kind  wurde 
nicht  gestillt.  Seitdem  litt  die  schon  durch  die  Blutung  bei 
der  Geburt  sehr  herabgekomroene  Frau  an  unregebnSss^ 
häufig  eintretender  und  sehr  copiöser  Menstruation.  Sie  nahm 
Eisenpräparate,  konnte  sich  jedoch,  ihrer  höchst  ärmlichen 
Verhältnisse  wegen,  weder  einem  passenden  diätetischen  Regime, 
noch  einer  geeigneten  Behandlung  unterwerfen.  Von  Ende 
Juni  1862  cessirte  die  Periode,  bis  am  23.  August  unter 
leichten  Leibschmerzen  eine  sehr  heftige  Hämorrhagie  sich 
einstellte,  welche  in  geringerem  Grade  bis  zum  28.  Angust 
fortdauerte.  Erst  an  diesem  Tage  nahm  Frau  FT.,  zu- 
nehmender Schwäche  wegen,  ärztliche 'Hälfe  in  Anspruch. 
Bei  der  Untersuchung  zeigten  sich  die  Baucfadecken  gespannt, 
so  dass  man  Nichts  deutlich  durchfühlen  konnte.  Der 
Muttermund  stand  tief  und  die  Lippen  waren  weich.  Man 
konnte  bequem  durch  den  schlaffen,  geöffneten  Cervix  bis  in 
das  Cavum  uteri  dringen.  Am  Fundus  hing  ein  5  Centimeter 
langes,  1  Centimeter  breites  und  dickes,  cyiindrisches  Gebilde 
herab,  welches  sich  an  seiner  Insertionsstelle  leicht  ablösen 
liess.  Dieser  Korper  glich  vollständig  einem  sehr  in  die 
Länge  gestreckten  Eie,  von  einer  äusserst  runzeügen,  ge- 
falteten und  vollständig  in  Fettmetamorphose  begriffenen 
Reflexa  umhüllt,  welche  deutlich  siebförmig  durchlöchert  war. 
Doch  waren  im  Innern  nur  alte,  metamorphosirte,  entfärbte 
Coagulareste  zu  entdecken. 

Am  6.  October  schickte  Frau  W.  wieder  um  HOlfe.  Sie 
war  sehi'  anämisch.  Die  Blutung  halle  fünf  Tage  gestanden, 
war  aber  alsdann  von  Neuem  aufgetreten  und  hatte,  mitunter 
sehr  stark,   fortgedauert,   trotzdem  sich  die  Pat  meist  ruhig 


De«tmotioii  der  UterittBehleimbaüt.  185 

im  Belle  hielC  Hit  flössigem  Blute  gingen  zeitweise  grösMre 
und  kleinere  Genunsel  unter  leichten  Schmerzen  ab.  Der 
Leib  war  scfamerzlos  gegen  Druck,  jedoch  gespannt.  Der 
Muttermund  steht  tief,  ist  geschlossen  und  mit  seichten 
Ezcoriationen  versehen.  Die  Sonde  dringt  6V4  Centimeter 
ein.  Das  Mikroskop  zeigt  in  dai  Coagulis  zahlreiche  Spindel- 
zeOen  mit  feinkörnigem  Inhalte  und  selten  deutlichem  Kerne, 
Kömchenzellen,  kleine  and  grössere,  runde  und  polygonale 
Zdlen  mit  feinkörnigem  Inhalte. 

Trotz  Injectionen  von  Chloreisenlösung  dauert  die  Blutung, 
wenn  auch  in  geringerem  Grade,  fort  Sie  verliert  sich  erst 
vollständig,  als  nach  acht  Tagen  die  Uterinhöhle  mit  Höllen- 
stein in  Substanz  stark  toucbirt  wurde. 

Fall  V.  Abort  im  zweiten  Monate.  Ei,  aus  einer 
theilweise  apoplectisch  zerstörten  Reflexa,  aus 
Chorion  und  Amnion  ohne  Embryo  bestehend. 
Nachwehen  während  drei  Tagen.  Am  vierten 
Tage  Entleerung  eines  Dccidualappens. 

Frau  i?.,  24  Jahre  alt,  gesund,  etwas  blass  aussehend, 
viel  an  Migraine  leidend,  regelmässig,  aber  stark  menstruirt, 
hat  vor  zwei  Jahren  ein  reifes  Kind  gd)oren.  Die  Menses 
sislirten  sieben  Wodien.  Am  12.  Juni  Blutung,  welche  zwölf 
Stunden  dauerte,  worauf  das  schon  oben  unter  den  anatomischen 
Verhältnissen  beschriebene  Ei  abging.  Die  Hämorrhagie  hörte 
hierauf  zwar  auf;  allein  die  Frau  wurde  drei  Tage  lang  durch 
starke  Nachwehen  belästigt.  Während  dieser  Zeit  war  der 
Leib  rechts  unterhalb  des  Nabels  gegen  Druck  empfindlich. 
Am  vierten  Tage  ging,  in  Blutgerinnsel  eingehüllt,  welche 
leider  nicht  aufgehoben  wurden,  ein  V^  Centimeter  breites, 
2  Centimeter  langes  Deciduastöck  ab,  worauf  alle  Beschwerden 
nachiiessen. 

Fall  VI.  Abort  im  dritten  Monate.  Retroversio  uteri. 
Ausstossung  apoplectisch  destruirter  Schleim- 
hautfetzen während  acht  Tagen.    (Hierzu  Figur  3.) 

Frau  TT.,  kleine,  schwächlidie  Frau,  von  etwa  30  Jahren, 
kam  vor  vier  Jahren  zum  ersten  Male  leicht  nieder  und  war 
seitdem  regelmässig  menstruirt    Doch  htt  sie  an  einer  geringen 


186  ^'''    -Si^nbrodi  a.  Hegar,  Die  apopleeUache 

Senkung  der  Gebärmutter,  wohl  veranlasst  durch  ekien  bei 
ihrer  Niederkund  entstaudeaien,  schlecht  verheilten  DwBmrisib 
Vor  dem  Eintritte  der  Periode  waren  seitdem  ieidite  zidiende 
Schmerzen  im  Leibe,  Schwere  in  demselben,  Gefühl,  als  ob 
sich  etwas  senkte,  vorhanden.  Am  25.  December  1862  war 
die  Periode  wie  gewöhnlich  vorhanden.  Bald  darauf  litt  Frau  W. 
an  Uebelkelt,  Erbrechen  und  Sluhlverstopfung.  Noch  zwei  Hai 
zeigten  sich  zur  regelmässigen  Zeit  Spuren  der  Meastruation. 
Zu  den  angeführten  Beschwerden  traten  später  noch  häufiger 
Drang  zum  Urinlassen,  starker  Stuhlzwang.  Nur  beiai  Ge- 
brauch von  Abfulirmitteln  konnte  Oeflhüng  erzielt  werden. 

Am  7.  April  Blutung  mit  sehr  heftigen  Schmerzen  im 
Kreuze  und  Leibe.  Am  8.  April  Morgens  Fortdauer  der 
Blutung,  unerträgliche,  fast  beständige,  wehenartige  Schmo^eo. 
Durch  die  Bauchdecken  ist  der  Uteius  nicht  durchzufuhleo. 
Der  Muttermund  steht  lief  und  gerade  an  der  Symphyse. 
Tief  in  der  Kreuzbeinaushöhlung  liegt  der  angeschwollene 
und  bei  leiser  Berührung  scbnicrzbafle  Uterusgrund.  Es 
gelingt,  denselben  in  die  Höhe  zu  schieben,  einen  Fmger 
durch  den  geöffneten  Gervix  einzuführen  und  das  fast  voll- 
ständig gelöste  Ei  zu  entfernen. 

Dasselbe  ist  6  Centimeter  lang,  2% — 3  Gentimeter  breit 
und  fast  durchgängig  von  einer  1  Millimeter  dicken,  vott- 
ständig  fettig  degenerirten  Beflexa  bekleidet,  in  welche  sieb 
ein  geschlossenes  Chorion  und  Amnion  mit  einem  2%  Centimeter 
langen  Embryo  befinden.  —  An  einer  Stelle  des  Eies  quollen 
die  hier  sehr  stark  entwickelten  Zotten  frei  vor  (Stelle  der 
Serotiiia),  ohne  einen  Deciduaöberzug  zu  besitzen.  Theile 
der  Vera  sind  nicht  an  dem  Ei.  Dagegen  wird  ein  grosserer 
Lappen  derselben  für  sich  entfernt,  von  welchem  ein  mit 
Extravasat  durchsetzter  Theil  Figur  3  abgebildet  ist.  In  einer 
grösseren  Falte  der  Schleimhaut  (a;),  welche  fast  so  au^ekt, 
wie  das  untere  Ende  einer  Reflexa,  ist  ein  starker  Bluterguss 
im  Gewebe  eingebettet,  hi  der  Nähe  davon  ist  der  Rand  der 
Membran  sehr  unregelmässig  zerrissen  und  zungenförmige, 
traubenförmige  und  quastenartige  Gebilde  hängen  an  demselben. 
Schon  mit  blossem  Auge  lässt  sich  der  Uebergang  des  Ge- 
webes der  Schleimhaut  auf  diese  Massen  erkennen.  Unter 
dem  Mikroskope  zeigt  der  Ueberzug  und  der  Stiel  jener  GekiUe 


I 


DestraotioD  der  Uteriiieohleimhaat.  iQ^ 

dieselben  Elemente,  wie  die  noch  unversehrte  Deciduaschichi. 
Man  sieht  junges  Bindegewebe,  kleine  runde  und  polygonale 
Zellen,  gi*össere  Zellen  mit  zwei  bis  drei  Kernen. 

Noch  acht  Tage  lang  werden  unter  leichten  Leibschmerzen 
und  gelinder  Blutung  theilweise  wohlerhaltene,  kleine  Läppchen 
der  Decidua,  theilweise  jene  mit  Bluterguss  durchsetzten  und 
eingehüllten  Massen  ausgeleert,  wie  sie  eben  beschrieben 
wurden.     Der  Uterus  behielt  seine  normale  Stellung. 

Bei  Geburten,  welche  rechtzeitig  oder  in  den 
letzten  Monaten  der  Schwangerschaft  eintreten,  ist 
der  Losslossungsprocess.  der  Uterinschleimhaut, 
welcher  auch  hier  häufig  durch  eine  apoplectische 
DestrucHon  derselben  sich  einleitet,  nur  unter 
besonderen  Verhältnissen  mit  pathologischen  Er* 
scheinungen  verbunden.  Die  Decidua  ist  durch  den 
Involutionsprocess  so  in  ihrer  Verbindung  mit  der  Uterinwand 
gelockert,  dass  mit  der  Beendigung  der  Nachgeburtsperiode 
der  grösste  Theil  der  Mucosa  entfernt  ist,  der  Theil,  welcher 
überhaupt  bei  der  Niederkunft  entleert  zu  werden  pflegt. 
Zwei  Umstände  können  diese  Abstossung  verhindern  oder 
veraögem.  Diese  sind  ein  atonischer  Zustand  des  Uterus  und 
eine  festere  Verbindung  der  Mucosa  mit  der  Gebärmutter. 
Beide  können  sich  corobiniren,  wodurch  eine  Steigerung  der 
Symptome  hervorgerufen  wird.  Man  beobachtet  in  solchen 
Fällen  innere  Blutungen  und  sehr  hartnäckige  und  schmerz* 
hafte  Nachwehen.  —  Bei  den  inneren  Blutungen  ist  gewiss 
selten  der  atonisebe  Zustand  des  Uterus  als  alleinige  Ent- 
stebungsursache  zu  betrachten.  Das  aus  den  geöflineten  Ge- 
fössen  ausströmende  Blut  hat  stets  noch  eine  gewisse  vis  a  tergo. 
Diese  und  hinkommende  Actionen  der  Bauchpresse  sind  bei 
den  nie  oder  doch  sehr  selten  vollständig  fehlenden  Con* 
tractionen  der  Gebärmutter  genügend,  um  bei  dem  schlaflen, 
weitgeöfibeten  Muttermunde  das  Blut  nach  aussen  zu  scha/TeD« 
Bei  den  meisten  atonischen  Hämorrhagieen  strömt  das  Blut 
daher  durch  die  Vagina.  Kommt  jedoch  auch  bei  gejingeren 
&aden  der  Atonie,  ein  Moment  hinzu,  welches  den  Ausflass 
des  Blutes  hemmt  und  dessen  Coagulation  befördert,  so  bilden 
sich  massenhafte  Gerinnsel,  welche  ihrerseits  in  derselben 
Weise  wirken  und  intensive,  innere  Blutungen  hervorzubringen 


188  ^11*    t^^nbrodi  o.  Hegar,  Die  apopleelisclie 

vermögen.  Fetzen  der  Sclileimliaut,  welche  frei  in  der 
Uterinhöble  liegen  oder  balbgelost,  halb  anhängend  in  der- 
selben flotüren,  werden  in  dieser  ArC  wirken.  Bringen  ja  doch 
fremde  Körper,  in  den  Arterienstrom  gebracht ,  Coagulatioo 
hervor,  indem  sie  ein  Centrum  der  Gerinnang  bilden. 

Fall  VII.  Frühgeburt  im  Anfange  des  siebenten 
Monats,  veranlasst  durch  vorzeitige  Involution 
und  hochgradige  Fettmetamorphose  der  Uterin- 

•  Schleimhaut.  Innere  Blutung,  in  Folge  von  ver- 
langsamter Abstossung  der  Decidua  und  von 
Atonie. 

Frau  £.,  42  Jahre  alt,  durch  den  Verlust  eines  älteren 
Kindes  und  häusliche  Sorgen  physisch  und  moralisch  herunter- 
gekommen,  kam  in  der  ersten  Hälfte  des  siebenten  Monats 
nieder.  In  der  Nacht  traten  leichte  Wehen  mit  geringem 
Blutabgange  ein.  Um  9  Uhr  Morgens  wurden  die  Wehen 
heftiger  und  um  10  Uhr  war  die  Frucht,  welche  dem 
Schwangerschaftstermine  entsprechend  entwickelt  war  und 
auch  mehrere  Respirationsbewegungen  machte,  geboren.  Fünf 
Minuten  später  folgten  die  Nachgeburtslbeile,  unter  erneuter 
Wehenlbätigkeit.  Dieselben  waren  vollständig  normal  be- 
schaffen. Nur  zeigte  der  Deciduauberzug  der  Placenta  und  der 
des  Chorions,  welcher  letztere  stellenweise  fehlte,  die  später 
anzugebende  fettige  Degeneration  in  sehr  hohem  Grade.  Eine 
Stunde  später  wurde,  als  bei  geringem  Blutabgange  ein  be- 
deutender Cüllapsus  der  Entbundenen  eintrat,  ärztliche  Hfdfe 
beansprucht.  Die  Frau  befand  sich  in  einem  Zustande  hoch- 
gradiger Anämie,  hatte  mehrere  Ohnmächten  gehabt  und 
klagte  über  Druck  auf  der  Brust,  Herzklopfen  und  Schwindel. 
Die  Gebärmutter  stand,  sclüaff  anzufülilen  und  auch  in  die 
Quere  stark  ausgedehnt,  2  —  3  Zoll  oberhalb  des  Nabels. 
Auf  kräftiges  Massuden  zog  sie  sich  zusammen,  die  Wandung 
wurde  hart  und  aus  der  Scheide  stürzte  ein  Klumpen  von 
Gerinnsein,  mit  flüssigem  Blute  vermischt  Da  der  Uterus 
trotz  fortgesetzten  Massu^ns  und  obgleich  er  sich  deutlich 
verkleinerte,  noch  sehr  hoch  stehen  blieb,  so  wurde  die 
Hand  eingeführt.  Diese  fand  den  Muttermund  und  Cervix 
geschlossen,    die  Vagina  aber  ganz  enorm  durch  Gerinnsel 


Destractio»  iw  Uterimohleimbaüt.  Ig9 

au8ge3tq>ft  und  fdmilich  damit  tain)M>Qirt.  Wir  macbeto  auf 
diesen  Umstand  aufmerksam.  Man  beschuldigt  den  aus- 
gedehnten Hastdarm  oder  die  Harnblase  als  Ursache  von 
mangelhafter  Contraction  oder  von  Dislocation  des  Uterus  und, 
in  Folge  dessen,  von  Hämorrhagieen.  Auch  eine  übermässige 
Ausdehnung  der  Vagina  kann  diese  Rolle  spielen.  Die  Blutung 
stand  nach  der  Entf^nung  der  Gerinnsel  sogleich,  der  Uterus 
nahm  seine  normale  Stellung  ein  und  blieb  gut  cootrahirt 

In  den  massenhaften  Blutgerinnseln  Hessen  sich  neben 
sehr  kleinen  Partikeln  der  Schleimhaut  auch  grosse  7 — 8  Centi- 
meter  lange,  3 — 4  Centimeter  breite,  1  —  ly^  Millimeter  dicke 
Membranstucke  auflinden,  mit  frisch  abgerissener,  rauherund 
siebförmig  durchlöcherter,  glatter  Fläche.  Die  mikroskopische 
Untersuchung  zeigte  den  intensivsten  Grad  der  Fettmetamorphose 
der  Gewebselemente,  neben  viel  freiem  Fette  in  kleineren 
und  selbst  grosseren  Fettbläschen. 

FallVni.  Normale,  rechtzeitige  Geburt  Sehr  heftige 
Nachwehen,  weiche  mit  der  Ausstossung  massen- 
hafter, grössere  und  kleinere  Theile  der  Schleim- 
haut enthaltender  Blutgerinnsel  enden. 

Frau  B.^  23  Jahre  alt,  kam  am  2.  April  d.  J.,  Morgens 
57^  Uhr,  nach  zwölfstimdiger  Geburtsdauer  mit  einem  kräftigen, 
ausgetragenen  Knaben  nieder.  Es  war  die  erste  Niederkunft. 
Die  Hebamme  entfernte  10  Minuten  später  die  gelöste  Placenta 
durch  einen  leichten  Zug  an  der  Nabelschnur.  Bald  darauf 
wurde  die  Entbundene  von  sehr  heftigen,  alle  5 — 10  Minuten 
erscheinenden  Nachwehen  l>efallen.  Als  dieselben  gegen  Nach- 
mittag in  sehr  hohem  Grade  fortdauerten,  wurde  ärztliche 
BiUfe  beanspruchL 

Die  Entbundene  hatte  einen  vollständig  ruhigen  Puls. 
Der  Uterus  stand  in  der  Höhe  des  Nabels,  war  schmerzhaft 
gegen  Druck  und  contrahirte  sich  bei  der  Berührung  mit  der 
Hand  unter  den  heftigsten  Schmerzen.  Dabei  ging  etwas 
dünnes,  helles  Blut  aus  den  Genitalien  ab. 

Trotz  einigen  Gaben  Morphium  dauerten  die  Nachwehen 
in  unverändertem  Grade  fort  bis  zum  Morgen  des  folgenden 
Tages,  wo  ein  grosser  Blutklumpen,  unter  vollständigem 
Nachlasse  aller  Erscheinungen,  plötzlich  aus  der  Vagina  entleert 


190  ^n.    Stf^nhrodt  n.  ffegat,  Die  «poplftctlfohe 

wurde.  Da  der  Auftrag  gegeben  wer,  die  abgegengeneo 
Massen  sorgföltig  aufzuheben,  so  wurde  das  Gaoxe  alsbald 
zur  Untersuchung  gebracht  Es  bestand  aus  einem  zusamaieo- 
hängenden  Goaguium  von  der  Grösse  eines  kJeineo  Kindskopfes. 
Nachdem  wir  dasselbe  in  Wasser  suspendirt  hatten,  konnten 
wir  mehrere,  ö — 8  Gentimeter  lange,  2 — 3  Gentimeler  breite, 
1 — IV2  Millimeter  dicke,  bandartige  Deciduastucke  aus  des- 
selben entfernen.  Ausserdem  waren  zahlreiche,  kleinere 
liilppclien  und  Fetzen  dieser  Membran  aufzußnden.  Als  sieb 
bei  etwas  längerer  Suspension  in  Wasser  die  einzehoen  Theüe 
des  Goagulums  mehr  von  einander  getrennt  hatten«  bemerkte 
man  noch  sehr  zahh^che,  weisse  oder  gelbweisse,  kleine 
Partikel  in  das  rothe  Gerinnsel  eingesprengt 

An  den  grösseren,  membranartigen  Stücken  liess  sich 
noch  eine  mehr  rauhe  und  eine  mehr  glatte  Fläche  unter- 
scheiden, wenn  auch  dieser  Unterschied  nicht  so  in  die 
Augen  sprang,  wie  bei  Eiern  der  früheren  SchwangerschaAs- 
monate.  Das  Gewebe  war  mascbig,  netzartig,  durchscheinend. 
Die  mikroskopische  Untersuchung  zeigte  bei  sämmtlichen 
Deciduatheilen  ein  faseriges  Gewebe,  sehr  zahlreiche  mit  Fett- 
partikeln gefüllte  Zellen  verschiedener  Form,  Spindelzellcn, 
sowie  runde,  ovale  und  polygonale  Zellen  von  verschiedener 
Grösse. 

Diagnose. 

Wir  beschäftigen  uns  hier  mit  dem  Nachweise  von  Theilen 
der  Uterinschleimhaut  in  den  blutigen  Ausscheidungen  der 
Genitalien.  Dieser  Nachweis  ist  oft  sehr  schwierig.  Nur 
grosse  Sorgfalt  kann  gegen  Täuschungen  schätzen.  Das 
Gewebe  ist  nicht  selten  in  sehr  hohem  Grade  von  den 
apoplectischen  Ergüssen  zertrümmert  Es  hat  besonders  im 
verfetteten,  atrophirten  Zustande,  wenig  Charakteristisches. 
Verwechselungen  mit  allen,  verfetteten  Faserstoffschwarten  sind 
leicht  möglich.  Wir  glaubten  früher  in  der  eigenthümlicben 
Scheiben-  und  traubenförmigen  Gestalt  der  ausgestossenen 
Massen  einen  Anhaltspunkt  für  die  Diagnose  gründen  zu  haben,') 


1)  Bei  Hegar  (Beiträge  zur  Path.  des  Eies,  S.  16)  findet  sich 
eine  hierauf  besaglichej  irrthfimliehe  Angabe. 


Bestraetion  der  Uteriasehleimhant.  191 

weil  wir  in  solchen  Fällen  stets  jene  Hassen  mit  Gewebs- 
theilen  der  Schleimhaut  durchsetzt  gefunden  hatt^^n.  Weitere 
Beobachtungen  haben  uns  jedoch  gelehrt,  dass  solche  Formen 
bei  Gebärmutterblatungen  entstehen,  ohne  dass  eine  Spur 
von  Schleimhautgewebe  sich  vorfindet  Das  Ganze  kann  ganz 
ausschliesslich  aus  Blutcoagulum  bestehen.  Selbst  bei  anderen 
Hämorrhagieen;  wie  z.  B.  denen  des  Magens,  beobachtet  man 
ähnliche  Gerinnsel.  Man  kann  diese  Formen  sogar  känstlich 
hervorbringen,  indem  mau  Blut  in  einem  schlafl'en,  stark 
zusammengefalteten  Leinwandbeutel  gerinnen  lässt.  —  Das 
Blnt  dringt  in  die  Falten  und  Ungleichheiten  eines  hohlen 
Organs  oder  in  die  Buchten  und  Falten  eines  zerrissenen 
Gewebes  ein  und  gerinnt  daselbst  in  den  mannichfaltigftten 
Formen,  welche  nichts  Charakterislisches  für  ein  besüromtes 
Organ  besitzen.  —  Wir  überzeugten  uns  sogar,  dass  Blut- 
gerinnsel auf  einer  Fläche  zahlreiche,  kleine  Oeffnungen  be- 
sitzen können,  gerade  wie  die  siebförmig  durchlöcherte  Decidua. 
Ist  ein  solches  Coagiilum  entfärbt  und  membranartig  gestaltet, 
so  kann  man  es  leicht  för  diese  halten. 

Es  gdingt  indessen,  bei  genauerer  Untersuchung  der  ab- 
gegangenen Massen,  oft  mit  blossem  Äuge  die  Diagnose  sieher 
zu  stellen;  in  anderen  Fällen  jedoch  ist  dies  nur  mit  Hülfe 
des  Mikroskops  möglich. 

Die  Schleirohauttbeile  finden  sich  in  sehr  verschiedener 
Weise  innerhalb  der  Blutgerinnungen: 

1)  £s  lassen  sich  grössere  oder  kleinere  Membranstücke 
der  Mucosa,  welche  zwischen  den  Gerinnseln  liegen  oder 
theilweise  fest  zwischen  diese  eingebettet  sind,  herausziehen 
und  isolireo.  Diese  Stücke  zeigen  deutlich  eine  glatte,  mit 
Sieblüchem  versehene  und  eine  rauhe,  ungleiche  Oberfläche. 
Der  äussere  Anblick  sichert  schon  die  Diagnose. 

2)  Es  finden  sieh  nur  sehr  dünne  Gewebsschichten  der 
Decidua  in  den  Goagulis  eingebettet  Die  Schleimhaut  ist, 
wie  es  scheint,  in  mehrere  zarte  Lagen  zerrissen.  Zuweilen 
haben  jedoch  auch  diese  noch  eine  deutlich  siebförmig  durch- 
löcherte Oberfläche.  Stets  wird  man  indess  gut  daran  tbun, 
die  mikroskopische  Untersuchung  vorzunehmen,  um  einer 
Verwecliselung  mit  einfachen,  entfärbten  Faserstofiinassen  zu 
entgehen. 


192  X^T*    EigMbrodi  a.  B^gar^  Die  apopleetUclie 

3)  Auf  den  Gerionsein  und  innerhalb  dersdben  liegen 
weissliche,  gelbe  oder  graugelbe  Parükd.  Zuweilen  ist  die 
Oberfläche  eines  Coagulums  dadurch  weiss  oder  wcässgeib 
gesprenkelt  Aus  dem  Ende  eines  zungen-  oder  walzen- 
förmigen Gerinnsels  hängt  ein  zartes,  weisses  oder  gelbweisses 
Läppchen  heraus  oder  der  Stiel  eines  traubenförmigen  Coagulaois 
iiat  eine  weisse,  gelbweisse  Farbe.  Unter  solchen  Umständen 
kann  allein  das  Mikroskop  entscheiden.  Jene  Theile  können 
auch  aus  entfärbtem  Faserstoffe  bestehen  und  geben  daher 
nur  einen  Anhaltspunkt  für  die  weitere  Untersuchung. 

4)  Das  Coagulum  ist  ganz  homogen  und  gleichmässig 
roth  gefärbt  und  enthält  doch  Bestandtheile  der  Schleimhaut 
und  zwar  zuweilen  in  grosser  Menge.  Hier  kann  nur  das 
Mikroskop  Aufklärung  geben. 

Für  die  Methode  der  Untersuchung  wäre  noch  zu  be- 
merken, dass  man  stets  die  abgegangenen  Massen  mit  Wasser 
überschritten  und  mehrmals  auswaschen  muss.  Doch  darf 
man  dies  Auswaschen  nicht  lange  fortsetzen,  weil  sich  sonst 
die  Blutcoagula  selbst  entfärben  und  den  ScbleimhauttheileD 
dadurch  ähnlich  werden.  Diese  heben  sich  im  Anfange  divch 
ihre  Farbe  sehr  gut  von  den  rothen  Coagulis  ab,  während 
später  der  Unterschied  sich  verwischt 

* 

Auch  die  mikroskopische  Untersuchung  hat  ihre  Schwierig- 
keiten und  Fehlerquellen,  zumal  in  solchen  Fällen,  in  welchen 
man  nur  nach  der  AufTmdung  einzelner  Gewebselemente 
auf  die  Gegenwart  oder  das  Fehlen  von  Schleimhautresten 
schliessen  soll.  Die  Decidua  besitzt  fast  keine  ganz  charakte- 
ristischen Gewebselemente.  Die  Beschaffenheit  dieser  wechselt 
sehr  nach  der  Zeit  der  Schwangerschaft  und  ist  leicht  durch 
pathologische  Processe  beeinflusst  Ausserdem  finden  Bei- 
mengungen des  Secrets  der  Vagina,  des  Mutterhalses,  selbst 
der  Harnblase  statt,  welche  zu  Verwechselungen  führen  können. 

Die  Decidua  enthält  Zellenformen  der  verschiedensten 
Art:  kleine,  platte  Epithelzellen,  cylindnsche  Zellen,  grosse 
runde  oder  oblonge  oder  polygonale  Zellen,  runde  sehr  grosse 
Zellen  mit  2 — 5  Kernen,  spindelförmige  Zellen  der  ver- 
schiedensten Grösse  und  Form,  ferner  faseriges  Bindegewebe 
und  alle  Uebergänge  des  jungen  in  fibrilläres  Bindegewebe. 


Destraction  der  (Tterintclileimhaiit.  193 

'Die  Auffindung  spindelförmiger  Zellen  deutet  unter  aDen 
Umständen  auf  eine  Zerstörung  der  Uterinschleimliaut  in  ihren 
tieferen  Lagen  und  ist  unbedingt  das  sicherste  Zeichen,  dass 
einem  Coagjilum  Bestandtheile   der   Mucosa   beigemengt   sind. 

Die  Gegenwart  kleiner,  pflasterförmiger  oder  cylindrischer 
Epithelien  beweist  nur,  dass  das  Epithel  der  Schleimhaut 
sich  ahstiess  oder  eine  Auspressung  des  Druseninhaltes  statt- 
fand. Ohne  die  Gegenwart  anderer  Formen  ist  die  Ab- 
stossung  tieferer  Schichten  der  Mucosa  nicht  nachgewiesen. 

Was  die  grösseren,  polygonalen,  runden  oder  oblongen 
Zellen  betrifft,  so  können  sie  nur  dann  als  beweiskräftig 
betrachtet  werden,  wenn  sie,  was  sehr  häufig  ist,  ausgf^prägte 
Spuren  der  Fettmetamorphose   oder  Fettinfiltration  darbieten. 

Im  anderen  Falle  sind  Verwechselungen  mit  dem  Epithel 
der  Scheide  oder  des  Cervix  uteri  leicht  möglich.  Die  oberste 
Lage  des  Scheidenepithels  ist  zwar  sehr  charakteristisch; 
allein  die  tieferen  Lagen  und  das  Epithel  des  Mutterhalses 
mögen  Formen  enthalten,  welche  den  Zeliengebilden  der 
Decidua  gleichen. 

Fibrilläres  Bindegi^webe  schliessen  wir  von  den  Unter- 
sclieidiingszeichen  aus.  Geronnener  Faserstoff  kann  hier  zu 
leicht  täuschen.  Da  wo  man  deutliche  Lagen  fibrilläres 
Bindegewebe  oder  von  Uebergängen  des  jungen  in  fibrilläres 
Bindegewebe  vorfiudet,  ist  schon  die  Unterscheidung  mittels 
des  blossen  Auges  möglich. 

Schliesslich  bemerken  wir  noch,  dass  man  diese  Unter- 
suchungen an  möglichst  frischen  Präparaten  anzustellen  bar, 
was  überhaupt  ffir  alle  Untersuchungen  der  Decidua  gilt 
Aeltere  Objecte,  man  mag  sie  in  Weingeist,  in  Cbromsaure 
oder  irgend  einem  anderen  Conservirungsmittel  aufbewahren, 
ergeben  nur  seilen  ein  sicheres  Resultat. 

K  e  8  u  m  6. 

1)  An  der  Mehrzahl  der  bei  normaler,  rechtzeitiger 
Niederkunft  abgehenden  Nachgeburten  besitzt  das  Chorion  fast 
in  seiner  ganzen  Ausdehnung  einen  Deciduauberzug,  welcher  aus 
der  Reflexa  und  einer  der  Vera  angeliörigen  Schichte  besteht. 

MonaUaobr.f.  Oebartok.  1863.  Bd.  XZIT.,  Hft.8,  13 


194  ^11*    SigMhrodi  n.  ffegar.  Die  apople«titehe 

2)  Bei  Domnalen,  rechtzeitigen  Geburten  wird  häufig  ein 
Theil  der  Decidua  vera ,  durch  Blutergusse  losgerissen  und  Ton 
solchen  durchsetzt,  ausgeschieden.  Es  ist  dies  ein  physio- 
logischer Vorgang,  bedingt  durch  die  Involution  des  Gewebes 
und  hervorgerufen  durch  die  Contractionen  der  Gebärmutter. 

3)  Unter  gewissen  Verhältnissen,  wie  hei  mangelnder  Con- 
traction  des  Uterus ,  bei  festerem  Anhaften  einer  Schleimhaut- 
partie,  treten  hierbei  Krankheitserscheinungen  auf,  wie  innere 
Blutungen,  heftige  und  anhallende  Nachwehen. 

4)  An  den  bei  rechtzeitiger,  normaler  Niederkunft  ab- 
gehenden Nachgeburtstheilen  flnden  sich  nicht  selten  apo- 
pleclische  Heerde  fiteren  Datums  in  der  Reflexa  und  zwischen 
dieser  und  der  Vera. 

5)  Bei  Abort  und  Frühgeburt  ist  die  apoplectiscbe 
Destruction  der  Decidua  vera  und  reflexa  ein  sehr  gewöhnKcher 
Vorgang.  In  Folge  der  geringen  oder  fehlenden  Involution 
des  Gewehes  und  des  dadurch  bedingten  festeren  Anhaflens 
der  Decidua  vera  und  serotina  ist  die  Losstossung  und  Aus- 
scheidung dieser  Theile  nicht  selten  verzögert  und  findet  nur 
in  längeren  Zeiträumen  statt  Während  dessen  flnden  Blutungen, 
welche  zuweilen  sehr  copös  werden,  statt  oder  es  zeigt  sich 
ein  übelriechender  missfarbiger  Ausfiuss.  Die  Involution  des 
Uterus  erfolgt  dabei  langsam. 

In  den  ausgeschiedenen  ßlutmassen  lassen  sich  grössere 
oder  kleinere,  zuweilen  nur  durch  das  Mikroskop  nachweisbare 
Theile  der  Uterinschlbimhaut  entdeckeiL 

6)  Auch  während  der  Menstruation  kommen  apoplectische 
Zerstörungen  der  Uterinschleimhaut  vor.  Zuweilen  lassen  sich 
die  Gewebselemente  derselben  nur  mikroskopisch  in  den  aus- 
geschiedenen Gerinnseln  nachweisen. 

7)  Es  kommen  Blutungen  nach  Menopause  vor,  welche 
sehr  hartnäckiger  Natur  sind  und  sich  mit  Ausstossung 
apoplectiscb  zerstörter  Schleimhautstücke  verbinden.  Es  kann 
in  solchen  Fällen  zweifelhaft  sein,  ob  hier  Conception  an- 
zunehmen sei  oder  nicht 


l>e«tnieiioii  der  ÜterioschUirakftQi  196 

Erklärung  der  Abbildungen. 

Figur  1.  Die  Hälfte  einer  Placenta  vom  Ende  des  rOnllen 
Schwangerschaflsnionats  mit  anhängenden  Stücken  der  Decidua 
Vera  und  reflexa. 

a.  Fötale  Oberfläche  der  Placenta. 

b.  Aenssere  Fläche  des  Chorion. 

c.  und  c'.    Aeussere,  rauhe  Seite  der  Vera. 

d.  Innere  glatte  Fläche  derselben. 

u.  Uebergangsstelle  der  Vera  in  die  Reflexa. 

g.  Innerste  Schichte  der  Vera  nach  der  Placenta  hin  um- 
geschlagen. 

h.  Scheibenförmige  in  das  Gewebe  der  Vera  eingebettete 
Blutextravasate. 

i.    Blutcoagulum  in  dem  Gewebe  der  Reflexa. 

k.  Blutcoagulum,  tbeils  in  der  Reflexa,  theils  zwischen 
dieser  und  der  Vera  liegend. 

o.    Deciduaüberzug  der  Placenta. 

p.   Zotte  der  Placenta. 

Figur  2.    Eine  andere  Partie  derselben  Placenta. 

&.  c,  d.  wie  in  Figur  1. 

/.    Decidua  reflexa,  nur  als  schmaler  Saum  erhalten. 

g.  Walzenförmige  in  Vera  eingebettete  Blutextravasate  und 
apoplectisch  destruirte  Tlieile  derselben. 

i.   Apoplectisch  destruirte  Theile  der  Reflexa. 

h.    Franzenförmige  von  Bluterguss  freie  Fetzen  der  Reflexa. 

k.  Fadenförmige  Brücke  zwischen  Vera  und  Reflexa  an  der 
Uebergangsstelle. 

l  Walzenförmiges  Blutcoagulum,  welches  die  Uebergangs- 
stelle bruckenförmig  überspannt 

Figitr  3.    Ein  Stuck  der  theüweise  apoplectisch  zerstörten 

Vera  aus  der  ersten  Zeit  der  Sdiwango^haft 

0.  Bluterguss  in  einer  starken  Falte  der  Vera ,  deren  glatte, 

innere  Oberfläche  hier  sichtbar  ist    An  den  übrigen 

Theilen  der  Abbildung  ist  die  äussere,  rauhe  Fläche 

der  Vera  sichtbar. 


13 


196  ^11'*    Loewenkw/^dtf  Vermag  ^ie  vn  4w  Hals 


XllL 

Vermag  die  um  den  Hals  des  mit  dem  Kopfe 
bereits  geborenen  und  geathmet  habenden  Kindes 
entstandene  krampfhafte  Zusammenziehiuig  des 
Os  uteri  oder  des  Constrictor  ounni  dasselbe 
—  mit  oder  ohne  Hinterlassung  einer  Strang- 
rinne —  zu  tödten,  und  kann  ein  solcher 
Oeburtsvorgang  ohne  Eunsthtllfe,   mithin   auch 

heimlich  beendet  werden? 

Eine  Anfrage  an  alle  Sachverständige  zur  geneigten 

Beantwortung  aufgestellt. 

Von 

Dr.  S.  E.  Loe'vrenhardt  in  Prenzlau. 

Die  endliche  Feststellung  des  in  der  Ueberschrift  ge- 
n<')nnten  geburtshülf liehen  Vorganges,  über  den  sich  noch 
immer  eine  Meinungsverschiedenheit  unter  den  Sachverständigen 
geltend  .macht,  scheint  mir  ein  so  hohes  Interesse  sowohl 
an  und  für  sich,  als  besonders  auch  für  die  Strafrechtspflege 
in  Anspruch  zu  nehmen,  dass  ich  nicht  beanstande,  die 
Aufmeri(san)keJt  der  Geburtshelfer  von  Neuem  darauf  zu  lenken, 
um  diese  Controverse  möglicherweise  zu  einem  definitiven 
Abschluss  zu  bringen.  Wenn  nun  demnach  die  Entscheidung 
dieser  Streitfrage  für  jeden  Gerichtsarzt  von  hoher  Wichtigkeit 
sein  muss,  so*  hat  der  Verfasser  dieses  Aufsatzes  noch  ein 
ganz  specielles  Interesse  daran:  weil  derselbe  diesan  Gegen- 
stand schon  früher  einmal  zur  Sprache  gebracht  hat;  sodann 
aber  auch,  weil  seiner,  dieselbe  Frage  bejahenden  gut-* 
achtlichen  Auslassung  erst  kürzlich  wieder  zum  zweiten  Male 
von  anderer  Seite  —  wenn  auch  ohne  Nachtheil  für  die 
Inculpatin  —  entgegengetreten  wurde. 

Von  den  durch  Busch  (Abhandlungen,  Marburg  1826)  u.  A. 
näher  beschriebenen  allgemeinen  Krampfzustanden  des  ge- 
gebärenden  Uterus  gänzlich   verschieden,  sowohl   dem  Wesen 


d«8  mit  di'Ui  Kopfe  bereits  geborenen  etc.  ],97 

als  der  Bedeutung  nach,  ist  die  spastische  Afiection  des 
Gebäroiuttermundes  bei  reizbaren  Gebärerinnen  nach  einem 
Gemütlisaffect  oder  Temperatur  Wechsel,  besonders  der  Genitalien. 
Die  Wässer  pflegen  früh  abzugelten  und  die  Wehen  plötzlich 
oder  allfflälig  aufzuhören  und  der  untere  Abschnitt  des  Gebär- 
organs oder  das  Os  uteri  contrahirt  sich  um  einen  vor- 
gefallenen Kindestheil  oder  auch  um  den  Hals  des  Kindes 
n»ck  bereits  ausgeschlossenem  Kopfe  und  strangulirt  so  bei 
einiger  Andauer  das  Kind,  möglicherweise  selbst  nachdem 
dasselbe  bereits  mehrmals  gealhmet  hat.  Absichtlich  über- 
hebe ich  mich  hier  der  Schilderung  des  Verhaltens  des  Uterus 
sowie  der  Symptomenreihe,  weil  ich  nur  die  hierunter  von 
HoJd  mitgetlieilte  erfahrungsgemässe  wiederholen  könnte. 

Nachdem  nun  aber  diese  krampfhafte  Umschliessung  des 
Gebärmuttermundes  nachgelassen  hat,  kann  der  Wehendrang 
wieder  normal  von  Statten  geben  und  den  Geburtsvorgang 
naturgemäss  beenden,  oder  sich  auch  —  was  ich  ausdrucklich 
noch  hinzufügen  will  —  auf  den  oberen  Tbeil  des  Uterus, 
der  ja  ohnehin  in  einem  gewissen  Antagonismus  mit  dem 
unteren  Abschnitte  steht,  mit  solcher  Vehemenz  zurück- 
versetzen, dass  das  Kind,  wenn  die  Kreissende  in  ihrer 
Angst  unlerdess  aufgestanden,  plötzlich  zu  Boden  geschleudert 
werden  kann.  Es  bedarf  daher  wohl  kaum  der  Erwähnung^ 
dass  unter  diesen  Umstanden  ein  solcher  Geburtsvorgang 
auch  heimlich  vor  skh  gehen  kann,  dieser  sich  heimlich 
vollzogene  Hergang  mithin  weder  einer  etwa  am  Neu- 
geborenen vorgefundenen  Strangulation  noch  Schädelverlelzung 
widerspreclien  würde. 

Zur  Unterstützung  dieser  Ansicht  verweise  ich  zunächst 
auf  frühere  und  spätere  Beobachter  und  Schriftsteller  über 
die  sogenannten  Krampfwehen  und  erwähne  hierbei  ausser 
H.  C.  Heysinger  praes.  Grüner  (Diss.  de  dolorum  partes  spast. 
obtur.  etc.),  Wigand  (Die  Geburt  des  Menschen,  Tbl.  L,  S.  213), 
J,  F.  Oslander  (Die  Ursachen  und  Hülfsleistungen,  §  13), 
ganz  besonders  auf  HoU  (Lehrbuch  der  Geburlshülfe,  S.  623); 
derselbe  sagt: 

„Die  Erscheinungen  bei  den  partiellen  Contractionen 
des  Uterus  sind  nach  den  Stellen,  au  welchen  sie  vorkommen, 
YerscfaiedeD.    Ohne  jetzt  auf  das  Befindea  der  Kreissenden 


198  XIII.    Loewenhardt ,  Vermag  die  am  den  Hals 

Rücksidit  zu  nehmen,  beschränken  wir  uns  auf  die  örtlichen 
Erscheinungen.  Am  häufigsten  gewiss  kommt  die 
.  krampfhafte  Contraction  des  Muttermundes  vor,  und 
zwar  des  äusseren  wie  des  inneren.  Es  scheint  uns,  dass 
man  bisher  auf  diesen  Unterschied  zu  wenig  oder  gar  keine 
Röcksicht  genommen  hat.  Da  nämlich  zur  Zeit  der  Geburt 
der  wirklich  innere  Muttermund  gar  nicht  mehr  vorbanden 
ist,  so  kann  auch  von  einer  krampfhaften  Contraction  desselben 
nur  in  einer  besonderen  Weise  die  Itede  sein,  und  wollen 
wir  darauf  sogleich  zurückkommen.  Der  äussere  Muttermund 
kann  während  der  Geburt  in  der  Zeit  seiner  Erweiterung,  sowohl 
bei  noch  unverletzten  Eihäuten,  als  nach  dem  Abgange  des 
Fruchtwassers  krampfhaft  contrahirt  werden.  Seine  Erweiterung 
ist  dabei  mehr  oder  weniger,  öfters  ungemein  schmerzhaft. 
Untersucht  man  innerlich,  so  fühlt  man  den  Rand  desselben 
bei  der  ersten  Geburt  zwar  verdünnt,  aber  saumartig 
scharf,  als  sei  durch  ihn  ein  feiner  Faden,  eine 
Metallsaite  gezogen.  Dieser  stülpt  sich  während  der  Wehe 
nach  innen  um,  und  wird  nicht  oder  nur  sehr  langsam  er- 
weitert und  erschlafft  nicht  oder  nur  sehr  unbedeutend  aussa* 
der  Wehe.  Ist  das  Fruchtwasser  abgeflossen,  so  schwillt 
seine  Umgebung  an  und  die  Erweiterung  erfolgt  höchst  langsam 
oder  gar  nicht.  Diese  Beschaffenheit  beobachtet  man  auch, 
wenn  der  Muttermund  auf  irgend  eine  Weise  gereizt  wird. 

.  Was  nun  die  krampfhafte  Contraction  des  inneren  Mutter- 
mundes betrifft,  so  dürfen  wir  die  Veränderung  desselben 
und  des  Mutterhalses  nicht  aus  dem  Auge  lassen,  wollen  wir 
eine  richtige  Ansicht  erhalten.  Es  ist  Thatsache,  dass  der 
innere  Muttermund  aus  Kreisfasern  besteht  und  der  Canal 
des  Mutterhalses  in  der  Schwangerschaft  in  der  Ausdehnung 
des  Körpers  gezogen  wird.  Zwischen  diesen  Kreisfasem 
oder  dem  ausgedehnten  inneren  Muttermunde  und  dem  äusseren 
Muttermunde  liegt  der  ringsum  verdünnte  Mutterhals.  Nun 
können  die  Kreisfasern  des  inneren  Muttermundes  zur  Zeit 
der  Geburt,  jedoch  nur  nach  dem  Abflüsse  des  Fruchtwassers 
und  also  nach  vollständiger  Erweiterung  des  äusseren  Mutter- 
mundes sich  krampfhaft  contrahiren  und  die  Uterushöhle  mehr 
oder  weniger  verschliessen.  Geschieht  dies  nach  der  Geburt, 
so  hängt  der  ausgedehnt  gewesene  Mutterhals  und  der  äussere 


des  mit  dem  Kopfe  bereits  geborenen  etc.  199 

MuUermund  in  die  Scheide  herab  und  bestätigt  um  so  mehr 
die  Täuschung,  dass  die  zur  Wegnahme  der  Piaceuta  ein- 
geführte Hand  bereits  in  der  Uterinhöhle  sich  befinde.  Die 
Diagnose  ist  nicht  besonders  schwierig.  Die  Vorbewegung  des 
vorliegenden  Kindestheiles  geht  nicht  von  der  Stelle,  obwohl 
durchaus  kein  mechanisches  Hinderniss  von  Seiten  des  Beckens 
und  des  Kindes  zu  entdecken  ist,  au.ch  die  Wehen  sonst  gut 
sind.  Ist  der  Kopf  des  Kindes  noch  nicht  vollständig  durch 
den  Muttermund  getreten  und  legt  man  den  untersuchenden 
Finger  an  den  Kopf,  so  wird  er  zwar  währeYid  der  Wehe 
vorgetrieben,  aber  es  geschieht  dies  nicht  von  der  Wehen- 
kraft, sondern  durch  die  Hülfskräfte,  daher  man  am  Mutter- 
munde die  Wehe  gar  nicht  fühlt.  Der  Muttermund  ist  dabei 
wie  ein  barter,  vorspringender  Knorpelring  anzu- 
fühlen, sehr  glatt  und  gespannt.  Ist  der  Kopf  durch 
den  Muttermund  getreten  und  umschnürt  derselbe 
den  Hals,  so  fühlt  man  nicht  nur  im  Becken  oder  in  der 
Grösse  des  Kopfes  kein  Hinderniss,  sondern  dieser  kann 
sogar  beweglich  sein  und  steht  unverrückt  während  der  Wehe. 
Wir  kennen  kein  Mittel,  womit  sich  dies  Yerhäitniss  bestimmt 
erkennen  liesse,  da  der  Kopf  ganz  in  gleicher  Lage  gefunden 
wird,  wenn  die  Schultern  sich  am  Eingange  festgestellt  haben. 
Das  einzige  Mittel  giebt  noch  einigen  Aufschluss,  dass  man 
den  Finger  in  der  Scheide  an  den  Kopf  legt  und  mit  der 
anderen  Hand  den  Uterus  vom  Grunde  aus  stossweise  nach 
unten  bewegt,  wobei  der  Kopf  ruhig  bleibt,  wenn  es  an  den 
Schultern  liegt,  aber  mitbewegt  wird,  wenn  der  Muttermund 
den  Hals  umschliesst.'^ 

Aus  der  naturgetreuen  Charakteristik  der  krampfhaften 
Zusammenziehung  des  Gebärmuttermundes  dürfte  sich  folge- 
recht ergeben: 

1)  dass  auch  im  Fruchlhalter,  wie  in  anderen  Gebilden, 
z.  B.  der  Blase,  deren  Längen-  und  Cuxularfasern  einer 
antagonistischen  Function  vorstehen,  bei  anomalem  Ver- 
halten in  diesen  verschiedenen  Fasern  auch  eine  so 
überwiegende  Thätigkeit  erregt  werden  kann,  dass  die 
tonische  Zusammenziehung  der  unteren  Circularfibern 
das  Uebergewicht  über  die  abwechselnden  Contractionen 
der  Längefibem  des  Gebärmutterkörpers  behalten  können; 


200  XIII.    Loßwenhcardl ,  VerDiag  die  um  den  Hab 

* 

2)  dass  die^Behauplung:  „eine  durch  stattgefundoRe  Strictura 
des  Os  uleri  bewirkte  Slrangulatioo  des  Kindes  k(imie 
nur  eine  Strangrinue  mit  breiten  Conluren  zurücklassen/' 
sich  keinesweges  aus  der  Beschafl'enheit  des  conlrahirlen 
äusseren  Gebännutternmndes,  namentlich  bei  Erst* 
gebäreriunen,  bei  weitem  dem  meisten  Conting^nt  der 
des  Kindesmordes  Angeklagten,  rechtfertigen  lasst;  und 
endlich 

3)  dass  die  Annahme  als  wohlbegrundet  anzusehen  ist, 
dass  wenn  dem  Kopfe  des  Kindes  oder  viehuehr  dessen 
Gesicht  bereits  die  atmosphärische  Luft  zugänglidi  ge- 
wesen, zur  Zeit,  als  dessen  Hals  vom  Gebärmutter- 
munde krampfhaft  umschlossen  worden  ist,  das  Kind 
sehr  'wohl  geathmet,  dann  durch  die  Strictur  getödtet 
und  nach  deren  Aufhören  ohne  Kunsthülie  geboren 
werden  kann. 

In  meiner  langjährigen  geburtshulfliclien  Praxis  sind  mir 
zwar  mehrere  Fälle  vorgekommen,  wobei  sich  das  Os  uteri 
krampfhaft  um  eine  vorgefallene  Extremität  und  zuweilen 
auch  um  den  Hals  des  mit  dem  Kopfe  bereits  geborenen 
Kindes  fest  zusammengezogen  und  den  Fortgang  der  Geburt 
verhindert  hatte;  aber  diese  spastische  Afiection  wurde  durch 
eine  starke  Dosis  Opium,  warme,  aus  aromatischen  und 
narcotischen  Kräutern  bereitete  Umschläge  und  passende 
manuelle  Uülfsleistungen  gewöhnlich  bald  beseitigt.  Dass 
diese  spastische  Contraction  um  den  Hals  des  Kindes  dasselbe 
aber  auch  bei  längerer  Andauer  tödteu  kann,  wird  man  gewiss 
eben  so  wenig  in  Abrede  stellen  wollen,  als  dass  die  Natur 
in  anderen  Fällen  dieselbe  auch  allein  und  ohne  tudtliche 
Folgen  zu  besiegen  vermag. 

Auch  dürfte  man  im  Anbetracht  der  milgetheilten  Um- 
stände das  Vorkommen  solcher  Geburtsvorgänge  um  so  weniger 
bezweifeln,  als  sich  auch  einige  ältere  SchriftsteUer,  z.  B. 
de  Ilaen  und  Teichmeyer  —  ob  aus  eigener  Erfahrung?  — 
tur  das  Vorkommen  derselben  aussprechen,  und  sich  auch  in 
gewisser  Beziehung  eine  Analogie  mit  der  tödtenden  Wirkung 
der  um  den  Hals  des  mit  dem  Kopfe  geborenen  und  respirirl 
habenden  Kindes  geschlungenen  Nabelschnur,  wie  sie  uns 
besonders  Rügen  mitgetlieilt  hat,  nicht  verkeimen  lässt. 


des  mit  dem  Kopfe  bereits  geborenen  etc.  201 

Zur  ErifiuteruDg  und  Bestätigung  unserer  Auslassuntgen 
sowohl  über  das  Wesen,  als  der  für  das  Kind  todtiichen 
Wirkung  der  Gebärniutlerstrietui'en  in  ihrem  Unterschiede 
von  der  anderen  minder  gefährlichen  spastischen  Art,  dem 
eigentlichen  Streitobjecte,  gestatte  ich  mir  unter  Hinweis  auf 
die  hl  mehreren  Schriften  verzeichneten  Fälle  hier  nur  zu 
bemerken,  da  mir  de  Haen^s  „ratio  medendi''  augenblicklich 
nicht  zur  Hand  ist,  dass  bekanntUch  Teichmeyer  es  bereits 
in  seinen  „Iiistil.  med.  leg/',  cap.  XX[V.,  p.  241  bestimmt 
ausgesprochen  hat:  fieri  i)Otest,.  ut  infans  capite  exclusus, 
antequam  totus  excludalur,  respiraverit,  statim  vero,  antequam 
reliquo  corpore   utero   egressus  fuerit,   moriatur,   et  quidem 

absque   malitia   matris potest  sufTocari,  vel  a 

fumculo  umbilici  eum  strangulante,  vel  quando  Uterus  et  pudenda 
muliebra  externa  constringuntur  circa  coUum  infantis.  IIa  ex 
duplici  causa  foelus  capite  exclusus,  et  qui  semel  respiravit, 
pulmonesque  aere  replevit,  suflbcatur  in  partu  ante  exclusionem 
totius  cor|>ori8.  —  Ebenso  ist  von  Bitgen  (Gemeins.  deutsche 
Zeitschr.  f.  d.  Geburtsk.,  Bd.  I.,  S.  143)  der  Fall  mitgetheilt, 
wo  ein  Kind  durch  Umschlingung  der  Nabelschnur  um  den 
Hak  durch  Biutsciilagfluss  des  Gehirns  getodtet  wurde,  nach* 
dem  es  bereits  geatbmet  hatte. 

Böcker  (Memoranda  der  gerichü.  Medicin,  I.  Hälfte, 
1853,  S.  140)  hat  zwei  Fälle  von  Gebärmutterzusammen* 
schnärungen  beobachtet,  und  bei  dem  einen  die  Strictur  der 
Gebärmutter  durchschneiden  müssen,  wobei  der  Hals  des 
todten  Kindes  eine  Strangulationsnnne  hatte,  und  Löffler 
(Hufelancrs  Journal,  Bd.  XXI.,  1805,  S.  69),  sowie  Hohl 
(a.  a.  0.,  S.  633)  wollen  ähnliche  das  Kind  tödtende  Wirkungen 
solcher  spastischen  Uterusstricturen  beobachtet  haben.  Der 
eine  von  Hohl  mitgetheille  Fall  hat  insofern  für  uns  hier 
das  meiste.  Interesse,  obwohl  der  Gebämmttermund  den  Hals 
des  todtgeborenen  Kindes  erst  nach  geborenem  Rumpfe 
krampfhaft  umschlossen  hatte,  als  diese  Contraction  erstlich 
eine  rings  um  den  Hals  laufende  Strangrinne,  deren  Conturen 
und  sonstige  Beschaffenheit  freilich  nicht  näher  angegeben 
sind  —  zurückgelassen  hat;  sodann  aber,  dass  diese  Strictur, 
wenn  auch  mit  Mühe,  gelöst  wurde,  und  somit  sich  an* 
scheinend    als    ein   Fall    einer    wirklich    krampfhaften   Vnn 


202  Xill.    L^ewenhardtf  Vermag  die  um  den  Haie 

Schliessung  des  Gebärmuttermundes  am  den  Hals  des  Kindes 
darstellt  Es  ist  in  der  Tfaat  sehr  zu  bedauern,  dass  dieser 
Schriftsteller  nicht  die  näheren  Umstände  der  von  ihm  er* 
wähnten  Fälle  angiebt,  um  seihst  das  Wesen  dieser  Zusammen- 
Ziehungen  beurtheilen  zu  können.  Da  der  Verfasser  indess 
den  stattgefundenen  Zustand  einen  partiellen  Krampf  des 
Uterus  nennt,  so  dürfte  dieser  Umstand  bei  einem  so  gewissen- 
haften Beobachter  gar  sehr  für  eine  wahrhaft  spastische 
Afieclion  des  Os  uteri  sprechen  und  giebt  somit  auch  den 
genügenden  Beweis  für  deren  Vorkommen  überhaupt,  woran 
man  auch  im  Allgemeinen  wohl  kaum  zweifebi  dürfte.  Wohl 
aber  scheint  es  mir  den  geburtshülflichen  Erfahrungen  zu 
widersprechen,  wollte  man  daraus,  weil  die  bisher  mit- 
getheilten  derartigen  Geburten  nur  durch  Kunsthulfe  beseitigt 
worden  sind,  schliessen,  dass  nun  auch  jeder  vorkommende 
ähnliche  Fall  von  spastischer  Strictur  des  Gebärmuttermundes 
nur  durch  Hülfe  Seitens  der  Kunst  zu  beenden  sei :  indem  man 
dabei  ganz  ausser  Acht  lässt,  dass  ^u  den  durch  die  Natur 
nach  Aufhören  der  krampfhaften  Zusammenziehung  glücklidi 
beendeten  Geburtsvorgängen  die  Kunsthülfe  selten  oder  nie 
beansprucht  wird ,  und  eben  so  wenig  dürfte  sich  der  Geburts- 
helfer gemüssigt  fühlen,  seine  glücklich  beseitigten  Fälle  von 
krampfhaften  Zusammenziehungen  des  Gebärmuttermundes, 
selbst  um  den  Hals  des  lebend  geborenen  Kindes  mitzutheilen. 

Dennoch  aber  darf  ich  hier  den  Ausspruch  einer  Autorität 
in  der  gerichtlichen  Medicin  nicht  übergehen.  Casper  fugt 
seinen  Auslassungen  über  „Strictur  der  Gebärmutter'' 
(Handbuch  der  gerichll.  Medicin,  I.  ThL,  S.  806)  unter  Mit- 
theilung der  vorhin  erwähnten  Fälle  von  Böcker,  Löffler 
und  Hohl  hinzu :  „  Diese  eigenthümliche  und  wohl  nur  äusserst 
selten  vorkommende  Todesart  des  Kindes  in  der  Geburt  hat 
indess  kaum  gerichtlich -medicinisches  Interesse,  da  sie  eine 
schwere  und  langdauernde  Geburt  voraussetzt,  die  nicht  ohne 
Zeugen  und  Sachverständige  beendet  werden  kann,  welche 
dann  dem  Richter  über  den  Vorgang  bei  der  Gd)urt  hin- 
längliche Aufklärung  geben  werden.'' 

Da  ich  durch  vorstehende  Ausführung  nachgewiesen  zu 
haben  glaube,  dass  die  Behauptung  dieses  Gelehrten  sich 
nicht  so   unbedingt  und  unter  allen  Umständen  rechtfertigen 


des  mit  dem  Kopfe  bereite  geborenen  eto.  203 

lassen  durfte,  wohl  aber  das  Urtheil  der  jüngeren  Kunst- 
genossen  leicht  beirren  und  nach  meiner  Erfahrung  in  vor- 
kommenden Fällen  selbst  von  älteren  Gerichtsär2ten  ein  für 
die  Inculpatin  gravirendes  Erachten  veranlassen  kann;  so  wende 
ich  mich  an  alle  Männer  von  Fach  im  Interesse  der  Wissen- 
schaft mit  der  Bitte: 

1)  „Alle  derartige,  auf  unser  Thema  Bezug  habende, 
geburtshulfliche  Fälle  zur  Belehrung  in  dieser  oder 
einer  anderen  Zeitschrift  zur  öffentlichen  Kenntniss  zu 
bringen;** 

2)  in  Erwägung,  dass  kein  denkbarer  Grund  vorhanden 
ist,  weshalb  ein  Geburtsvorgang,  bei  dem  eine  spastische 
Gonstriction  des  Os  uteri  den  Hals  eines  bereits  mit 
dem  Kopfe  geborenen  und  respirirt  habenden  Kindes 
mit  tödtlicher  Wirkung  comprimirt,  nadi  dem  Aufhören 
des  Krampfes  nicht  hatte  ohne  Kunsthölfe  beendet  werden 
können,  diese  durch  die  Natur  bewirkte  Beendigung 
der  Geburt  vielmehr  schon  nach  der  Analogie  der  vor- 
liegenden Beobachtungen  und  geburtshölfüchen  Er- 
fahrungen nicht  zu  bezweifeln  ist  —  „dass  die  Sach- 
verständigen zur  Verhütung  von  Fehlsdilüssen  und 
fdilerfaafleu  gerichtsärztlichen  Gutachten  9ir  Votum  dar- 
über abgeben  möchten,  ob  ein  derartiger,  in  der 
Deberschrift  dieses  Aufsatzes  näher  bezeidineter  Geburts- 
vorgang  —  versteht  sich  unter  Berücksichtigung  aller 
auf  den  Fall  Bezug  habender,  nicht  dawidersprechender 
Umstände  —  sich  ereignen  könne,  oder  ob  eine  solche 
Annahme  von  Seiten  eines  Gerichtsarztes  an  und  für 
sich  den  Grundsätzen  der  Geburtshülfe  widersprechen 
würde." 


204  XIV.    Martin,  Ein  Geburtofall,  Bei  welchem 

< 

XIV. 

Ein  Geborts&lly  bei  welchem  das  mit  dem  Kopfe 
geborene  Kind,  naohdem  dasselbe  Luft  zu  athmen 
begonnen   hatte,    abstarb,    obschon   der  Bumpf 

sofort  ausgezogen  wurde. 

Von 

Eduard  Martin« 

Im  AdscIüuss  an  den  vorfaergebenden  Aufsatz  des 
Dr.  Loewenhardt  theäe  ich  folgeiMien  GeburUfall  mit»  welcher 
in  meiner,  des  Hausassistenlen  und  mehrerer  Praktikanten 
Gegenwart  am  1.  März  d.  J.  iu  der  gdiurtshüiflichea  Klinik 
zu  Berlin  beobachtet  wurde,  eine  Zweitgebärende  unter  den 
gfnistigsten  Verhältnissen  betraf,  uud  trotz  der  kurzen  Geburts- 
dauer, trotz  sofort  geleisteter  Hülfe  den  Tod  des  Kindes 
nach  eingetretenem  Athroeu  bei  geborenem  Kopfe  zur  Folge 
hatte. 

Caroline  Ehrickey  21  Jahre,  Dienstmädchen  aus  Zempow, 
litt  als  Kind  an  Masern  und  Scharlach  und  lernte  erst  im 
dritten  Jahre  laufen,  ohne  jedoch  an  Rachitis  erkrankt  zu 
sein.  Seit  dem  fünfzehnten  Jalu'e  regelmässig  vierwdchentlich 
inenstruirt,  wurde  sie  am  17.  Juli  1861  zum  ersten  Male 
in  der  Königl.  Entbindungsanstalt  zu^Berlin  von  einem  lebenden 
Knaben  entbunden;  bei  der  natürlichen  Geburt  entstand  trotz 
mehrerer  Incisionen  in  die  hintere  Commissur  ein  kleiner 
Einriss.     Im  Wochenbette  blieb  sie  gesund. 

Am  1.  März  1863  ging  die  E,  von  Neuem  der  Anstalt 
zu;  sie  war  seit  dem  Ende  Juni  1862  zum  zweiten  Male 
schwanger,  hatte  die  erste  Khidesbewegung  im  October  ge- 
fühlt, war  in  der  Schwangerschaft  ganz  gesund  gewesen  und 
hatte  seit  2 — 3  Stunden  Wehen  bekommen.  Der  Muttermund 
war  (Abends  5V4  Uhr)  fast  1  Zoll  im  Durchmesser  erweitert, 
das  Fruchtwasser  bereits  Mittags  abgeflossen.  Im  Muttermunde 
fülilte  man  den  Kopf  in  erster  Schädelstellung,  neben  diesem 
nach  rechts  und  vorn  den  rechten  und  hinter  diesem  auch 
den  linken  Fuss.  —  Die  Ausdehnung  des  Leibes  war  normal, 


da«  mit  dem  Keffe  geborene  Kind  etc.  205 

«Ke  HentAne  des  Kindes  in  4er  linken  Dnterbiiuchgegend 
deutlidi  zu  hören.  Die  Beckenmessung  ergab  Spin.  II.  ss  97/, 
Cr.  J.  =  10",  Conjugata  externa  1^U\  beide  schräge  Durch- 
mester  des  grossen  Beckens  8V4'',  das  Promontorium  war 
nicbt  zu  erreichen. 

Bei  kräftigen  häufigen  Weben  wurde  der  Mulla*mond 
bis  Abends  8  Uhr  vollständig  erweitert;  es  gelang  allmälig, 
in  der  linken  Seitenlage  die  Fösse  hinter  den  herabrückenden 
Kopf  zurückzuschieben,  und  um  8%  Uhr  wurde  bei  der 
gewöhnlichen  Daromunlerstülzung  der  Kopf  ausgetrieben.  Das 
Gesicht  drehte;  sich  sogleich  nach  dem  rechten  Schenkel  der 
Mutler,  verfärbte  sich  aber  sofort  nach  dem  Austritte  sehr 
sichtlich  und  wurde  tief  blauroth. 

Ich  entdeckte  bei  der  alsbald  unternommenen  Extraclion 
eine  Umschlingung  der  Nabelschnur  um  den  Hals  und  das 
rechte  Händchen  neben  dem  Halse,  während  die  Fusse  voll- 
ständig zurückgewichen  waren.  Ohne  Zögerung  wurde  dfr 
Rumpf  an  den  Schultern,  den  Regeln  der  Kunst  gemäss, 
ohne  Schwierigkeit  ausgezogen. 

Das  geborene  Mädchen  war  scheintodt  und  kam  trotz  aller 
Belebungsversuche  nicht  zum  Athmen.  Es  wog  5  Pfd.  29  Loth, 
war  18 Va"  resp.  11  Va"  lang,  seine  Kopfdurchmesser  3",  374^ 
4*',  5V3",  ^y*i»  —  Die  Placenta,  wenige  Minuten  später 
durch  den  Druck  entfernt,  wog  28  Loth,  die  excentrisch 
inserirende  Nabelschnur  war  22''  lang;  der  Eihautriss  war 
seitlich,  die  Eihäute  verklebt 

Die  Mutter  blieb  im  Wochenbette  ganz  gesund  und  ver- 
liess  am  elften  Tage  die  Anstalt. 

Die  SecUon  des  Kindes  ergab: 

Keine  Todtenflecke,  geringe  Todtenstarre.  Abdomen. 
Die  Nabelvene  mit  flössigem  Blute  gefüllt.  Höchster  Stand 
des  Zwerchfells  an  der  vierten  Rippe.  Leber  sehr  hyperämisch ; 
Milz  ebenfalls,  sehr  brüchig.  Nieren  auch  etwas hypenimisch. 
Thorax.  Beide  Pleura -Säcke  frei  von  Flüssigkeit.  Die 
linke  Lunge  schwimmt  auf  dem  Wasser.  Der  unlere 
scharfe  Rand  des  unteren  Lappens  derselben  ist  purpur- 
roth  gefärbt.  Aus  Durchschnitten  lassen  sich  kleine  Gas- 
blasen ausdröcken.    Die  rechte  Lunge  sinkt  zu  Boden  und 


206  2IV.    Um-Ün,  Ein  Oebnrisftill  eie. 

ist  Dur  am  scharfen  Rande  des  mittleren  Lappens  leidil 
lufthaltig.  Herz  und  Pericardium  zeigen  nichts  Abnormes. 
Schädel:  Die  Galea  blutig  infiltrirt,  ebenso  das  Pericranium. 
Ein  stärkerer  Blutanstritt  auf  dem  hinteren  oberen  Viertheil 
des  rechten  Scheitelbeins.  Der  Sinus  longitudinaiis  stark  mit 
Blut  gefQllt;  lebhafte  Injection  der  Dura  mater;  Pia  mater 
leicht  geschwellt.  An  der  Basis  cerebri  unterhalb  des 
Tentorium  ceräbelli  etwa  zwei  Drachmen  flüssigen  Mutes. 
Die  feste  Crehimsubstanz  überall  von  strotzenden  Gefössen 
durchzogen.  In  den  Ventrikeln  keine  Flüssigkeit  Di«  graue 
Substanz  sehr  hyperämisch« 

Der  Tod  dieses  Kindes  ist  ohne  Zweifel  durch  Apoplexia 
cerebri  nach  begonnenem  Luftalhmen  erfolgt,  und  diese  ist 
durch  Druck  auf  die  uro  den  Hals  geschlungene  Nabelschnur 
mittels  der  daneben  liegenden  Hand  im  Scheidenausgange 
m  Stande  gekommen.  Für  die  gerichtliche  Hedicin  muss 
eine  solche  Beobachtung  von  Bedeutung  werden,  da  es  sich 
dabei  um  Vorgänge  handelt,  welche  in  gleicher  Weise  bei 
einem  vermutheten  Kindesmorde  stattfinden  können,  indem  es 
einem  Zweifel  nicht  unterliegt,  dass  das  Kind  im  vorliegenden 
Falle  auch  ohne  Kunsthülfe  und  ohne  ungewöhnliche  Ver- 
zögerung hätte  geboren  werden  können.  Der  ganze  Geburts- 
hergang war  kein  schwieriger  oder  langwieriger,  der  wesentlid) 
in  Betracht  kommende  Act  sogar  ein  rasch  vorübergehender 
gewesen. 


XV.    Pfeffer,  Die  Qnetackiing  der  Placeota.  207 

XV. 

Die  duetschnng  der  Flacenta. 

Ein  Beitrag  zur  Behandlung  der  Placenta  praevia. 

Von 

Dr.  C.  Pfeiffer  in  Demmin. 

In  neuerer  Zeit  sind  mehrere  Methoden  für  Behandlung 
von  Placenta  praevia  angegeben,  welche  den  Torliegenden 
Mutterkuchen  selbst  in  Angriff  nehmen  und  die  Gefahren  der 
Blutung  unmittelbar  an  der  Quelle  aufzuheben  suchen.  Auch 
das  Verfahren,  welches  ich  an  der  Mehrzahl  von  ungefähr 
zwanzig  mir  zur  Behandlung  gekommenen  Fällen  geübt  habe 
und  in  Kürze  als  Quetschung  der  Placenta  bezeichne, 
verfolgt  diese  Richtung  und  sucht  ihren  Werth  in  der  un* 
mittelbaren  Hemmung  der  Blutung,  ohne  sich  als  eine  aus- 
scldiessliche,  für  alle  Fälle  verwendbare  Operationsmethode 
geltend  machen  zu  wollen.  Bevor  ich  es  indessen  besclireibe, 
seien  mir,  soweit  der  Zweck  dadurch  gef&rdert  wird,  einige 
allgemeine  Bemerkungen  und  kurze  Beleuchtung  einzelner 
Methoden  gestattet 

Die  bisher  veröffentlichten  statistischen  Angaben  über 
das  Vorkommen  von  Placenta  praevia,  an  sich  schon  von 
ausserordentlichen  Schwankungen,  verlieren  dadurch  besonders 
an  allgemeinem  Wertbe,  dass  sie  meistens  klinischen  Instituten 
entnommen  sind,  wo  das  Verhältniss  der  Erstgebärenden  sich 
ausnehmend  hochstellt,  dagegen  Frauen,  welche  vielfältig 
geboren  haben,  aus  deren  Anzahl  das  grösste  Conlingent  für 
Placenta  praevia  hervorgeht,  nur  spärlich  vertreten  sind. 
Deshalb  ist  gegen  jene  Angaben  im  Ganzen  ein  viel  häufigeres 
gewiss  doppdtes  Vorkommen  von  Placenta  praevia  anzunehmen 
und  halte  ich  mich  überzeugt,  wie  es  mit  meinen  eigenen 
Beobachtungen  stimmt,  schon  bei  200  bis  300  Geburten  auf 
einen  Fall  rechnen  zu  können. 

Ebenso  ist  gegen  jene  TabeDen  die  allgemeine  Sterblich- 
keit der  Mütter  und  Kinder  bei  Placenta  praevia  sicherlich 
zu  erhöhen,  weil  die  in  den  Gebäranstalten  der  Entbindung 


208  XV.    Pf^fer,  Die  Qaetschnng  der  PUcenta. 

gewöhnlich  schon  einige  Zeit  vorangehende  Ueherwacbnng 
der  Schwangeren,  noch  vielniehr  die  schleunigste  und  best- 
geleitete Hülfe  ffir  Erhaltung  von  Mutter  und  Kind  ganz 
andere  Resultate  herbeifuhren  muss,  als  in  der  PnVatpraxis, 
wo  der  Eigenwille  und  die  Unkenntniss  der  Hebaromen,  nicht 
weniger  der  Schwangeren  seihst,  häufig  auch  die  durch  Ent- 
fernungen verzögerte  Hölle  viel  ungunstigere  Bedingungen 
dafür  abgeben. 

Im  Anfange  der  Blutungen  ist  eine  häuOge  wenn  auch 
nicht  beständige  horizontale  l^ge  der  Schwangeren  anerkannt 
das  wichtigste  Erforderniss;  diejenigen  aber,  welche  deren 
Wirkung  durch  eine  entziehende  Diät  zu  fordern  meinen, 
irren  gewiss,  da  die  dessenungeachtet  nachfolgenden  Blutungen 
von  einem  kräftig  und  gut  genährtem  Individuum  jedenfalls 
leichter  überwunden  werden.  Die  grössere  Gefahr  führt  zum 
Tampon,  welcher  die  Blutung  entweder  gar  nicht  oder,  wie 
gewöhnlich,  augenblickhch  hemmt,  aber  meistens  schon  nach 
Stunden  zu  wirken  aufhört 

Jeder,  der  fleissig  tamponirt  hat  und  auch  bei  Blutungen, 
welche  nicht  von  Placenta  praevia  stammten,  wird  die  Er- 
fahrung gemacht  haben,  dass  das  Blut  zum  Oefleren  steht, 
ohne  dass  die  Scheide  völlig  ausgestopft,  der  Muttermund 
überhaupt  erreicht  ist.  Kutan  erklärt  diese  Wirkung  aus 
der  durch  Berührung  des  Blutes  mit  dem  Tampon  l>ewirkten 
Coagulirung  des  Blutes  und  der  dadurch  gegebenen  Ver- 
stopfung der  Gefässe.  Allein  das  freie  Blut  in  der  Scheide 
wird  oft  schon  geronnen  angetroffen  und  für  profuse  Blutungen 
aus  entfernten  Quellen  kann  der  angegebene  Grund  nicht 
ausreichend  sein.  Dass  der  Tampon  auf  mechanische  Weise 
unmittelbar  durch  Compression  der  blutenden  Gefasse  wirke, 
wie  Holst  meint,  ist  ebenfalls  schwerlich  anzunehmen.  Denn 
mag  er  anfangs  gegen  den  Mnttermund  kräftig  vorgeschoben 
sein,  die  herabdrängende  Bewegung  der  Scheide  wird  jedenfalls 
den  Druck  bald  aufheben ,  2umal  da  der  Gegendruck  schwach 
ist  oder  gänzlich  fehlt,  wie  bei  Querlagen  und  hochstehendem 
Muttermunde.  Auch  würde  schon  der  Lage  wegen  der  Druck 
nur  selten  oder  sehr  vereinzelt  die  blutenden  Geßsse  selbst 
treffen.  Ebenso  geben  die  Kälte  und  andere  Adstringentien 
keine  genigende  Erklänmg,   da   die  Quelle  der  Blutung  sich 


XV.    Pf^g»^  Die  Qtteteehang  der  Placeota.  209 

ifaBen  durch  £nti'erfiuiig  zu  bäüfig  enteieht,  sowie  denn  die 
Blaaentampons  trotz  ihrer  aohaltendeu  WärmoenUiehung  keines- 
wegs die  Vortheile  hieteo,  weldie  man  sonst  von  ihnen  er- 
warten mflsste. 

Mag  auf  solche  verschiedene  Weise  die  Wirkung  des 
Tampons  bisweilen  selbststäudig  gelingen  oder  wenigstens 
UnterstuUung  finden,  viel  einfaclier  und  allgemeiner  wird  sie 
durch  den  Reiz  erklärt  werden,  welchen  unteres  Uterus- 
segment und  Placenta  entweder  von  dem  Tampon  selbst  oder 
als  Reflexreiz  von  der  Seheide  empfangen.  In  Folge  dieses 
Reizes,  den  der  Tampon  durch  Reibung,  Druck  oder  Ab- 
käitung  veranlasst,  ziehen  sich  unteres  Utcrussegment  und 
Placenta  zusammen  und  bewirken  Verschluss  der  blutenden 
Gefösse  oder  diese  reagiren  selbst  auf  den  empfangenen  Reiz. 
Der  Uterus  ist  längst  euier  solchen  Einwirkung  für  zugänglich 
gehalten,  die  Placenta  als  coniractiles  Organ  noch  nicht  ge- 
würdigt worden.  Man  hat  sie  zwar  auf  Grund  ihrer  blut- 
misdienden  Thätigkeit  die  Lunge  des  Fötus  genannt,  aber 
bis  jetzt  unterlassen,  ihr  für  die  Blutzufuhr  zu  demselben 
eine  mehr  als  passive  Rolle  zu  übertragen. 

Aus  diesen  Gründen  muss  eine  rauhe  Aussenfläche  des 
Tampons,  der,  gehörig  abgekältet,  die  Scheide  bis  zum 
Muttermunde  ausfüllt,  vortheilhaft  erscheinen,  während  die 
Tamponblasen  wegen  ihrer  Glätte  und  weil  sie  mehr  gegen 
die  Seitenwände  als  gegen  den  Muttermund  pressen,  gewiss 
oft  iliren  Zweck  nicht  erreichen.  Den  von  Höht  in  Dorpat 
empfohlenen  in  kaltes  Wasser  getauchten  Leinwandstreifen 
gebe  ich  den  Vorzug,  nehme  sie  aber  nur  von  Thalergrösse 
und  führe  sie,  während  ich  mit  den  Fingern  der  linken  Hand 
den  Scbeideneingang  gleichwie  mit  einem  Speculum  schütze, 
locker  auf  einen  Faden  gereiht  und  ungeölt  nacheinander 
ohne   wesentliche  Unbequemlichkeit   für   die  Schwangere   ein. 

Es  ist  überdem  ungeeignet,  in  Lehrbüchern  ein  com- 
plicirtes  Verfahren  zu  empfehlen,  weil  die  scUeunige  Hülfe» 
welche  der  Arzt  leisten  soll,  ein  einfaches  stets  bereites 
Material  erforderL 

Während  alle  Lehrer  der  Geburlshülfe  die  Gefahren  des 
Accouchement  force  schildern   und  seine  Anzeigen  möglichst 

UoMUtfcbr,  f.  Ctobnrtak.  18«.  Bd.  XXIL,  Hft.  9.  X4 


210  ^V.    Pftiffw,  Die  Qaetschnng  der  Placenia. 

einschränken,  ist  dasselbe  bis  jetzt  bei  Placenta  praevia  der 
gebieterische  Rettungsanker  geblieben,  dessen  Verwendung 
von  unentschlossener  Hand  gewiss  schon  zum  Verderben  un* 
zähliger  Frauen  versäumt  worxlen  ist  Andererseits  hat  es 
mit  den  Gefahren  allein  sein  Bewenden  nicht  gehabt,  sowie 
denn  v.  OZi^c^n^H  (Med.  Central -Zeitung,  101,  1858)  unter 
14  Fällen  von  Plazenta  praevia  centralis,  in  denen  es  zur 
gewaltsamen  Entbindung  kam,  schon  12  Todesfalle  aufzählt 
Die  von  Kilian  so*  warm  befürwortete  blutige  Erweilerang 
des  Muttermundes  hat  bisher  einen  sparsamen  Eingang  ge- 
funden und  wird  immer  nur  vereinzelt  die  Schwierigkeiten 
und  Gefahren  haben,  welche  viele  Fälle  besonders  frühzeitiger 
Geburt  der  beschleunigten  Entbindung  entgegenstellen. 

Die  Anwendung  des  Troikarts  und  die  Durchbohrung 
der  Placenta  mit  der  eingeführten  Hand  könnte  ich,  weil  sie 
schon  oft  genug  von  der  Kritik  zurückgewiesen,  hier  über- 
gehen, wenn  mich  nicht  die  letztere  Oj)eration  veranlasste, 
den  von  Scanzoni  gemachten  Einwurf  zurückzuweisen,  dass 
die  Verwundung  des  Mutterkuchens  zu  vermehrter  Blutung 
Anlass  geben  könne.  So  weit  nämlich  keine  grössere  Lösung 
von  der  Uteruswand  damit  verbunden  wäre,  würde  nach 
meinen  analogen  Erfahrungen  gewiss  nie  Blutung  dadurch 
entstanden  sein. 

Bei  dem  /9imjp«on'schen  Verfahren  ist  kaum  bestritten 
und  sogar  bestätigt  worden,  dass  die  Blutung  gewöhnlich  damit 
gehemmt  wird,  und  wenn  P.  Dubois  (Gaz.  des  H6p.,  43,  1857, 
in  «ScAmWs  Jahrb. ,  Bd.  95,  S.  66)  nur  10  Todesfälle  unter 
140  Hüttern  aufzählt,  so  ist  das  Resultat  jedenfalls  ein  so 
glänzendes,  wie  es  mit  dem  sonst  üblichen  Verfahren  nicht 
erreicht  ist  Die  haltbaren  Einwürfe  können  deshalb  nur  von 
dem  Preissgeben  der  Frucht  gewonnen  werden,  weil  diese 
nach  Trennung  des  Nabelstrangs  absterben  muss,  wo  die 
Geburt  über  das  Maass  zögert;  und  es  ist  schwerlich  erklärlich, 
wenn  Küian  das  Verfahren  wegen  der  nicht  sofort  bewirkten 
Entleerung  der  Gebärmutter  halb  oder  schlecht  nennt,  da 
gerade  durch  die  natürliche  Verzögerung  der  Entbindung  die 
Gefahren  vermieden  werden,  welche  die  gewaltsame  Methode 
dem  mütterlichen  Leben  bereitet  Duhoia  a.  a.  0.  zählt 
sogar  unter  jenen  140  Geburten  nur  92  todte  Kinder,  wonach 


XV.    Pfdff^r^  Die  Qaotsohiipg  der  PlAcenta.  211 

die  Sterblichkeit  derselben  bei  dem  Simpson' uhefk  Verfahren 
noeh  um  eiuige  Procente  niedriger  erschiene,  als  in  der« 
deutschen  Anstalten  entnommenen,  grösseren  Zusammenstellung 
von  8ickd  {Schmidts  Jahrb.,  Bd.  104,  S.  106),  wo  über- 
haupt bei  Placenta  praevia  unter  dem  üblichen  Verfahren 
über  70  Procent  zu  Grunde  gingen.  Mag  dies  günstige 
Verhältniss  sel}>st  der  Wahrscheinlichkeit  widersprechen,  mag 
die  Methode  in  ihren  Anzeigen  da,  wo  die  Frucht  am  Leben 
erhallen  werden  kaim,  die  äusserste  Einschränkung  erfahren, 
ihre  blutstillende  und  das  mütterliche  Leben  schützende 
Wirkung  muss  ihr  auch  in  der  deutschen  Geburtshülfe  ein 
gewisses  Maass  von  BürgeiTecht  verschaflen. 

Cohetiy  Barnes  und  Seyfert  nehmen  den  Mutterkuchen 
selbst  zum  Ausgangspunkte  ihres  Verfahrens,  indem  sie  den- 
selben auf  verschiedene,  doch  unnöthig  hier  zu  wiederholende 
Weise  partiell  von  der  Uleruswand  loslösen.  Während  Seyfert 
dies  nur  behufs  der  nachfolgenden  kalten  Einspritzungen, 
welche  das  Blut  hemmen  sollen,  unternimmt,  wollen  Cohen 
und  Barnes  damit  nicht  sowohl  die  Blutung  unmittelbar  an- 
halten, als  auch  der  natürlichen  Geburt  Fortgang  verschaffen. 
Barnes  ist  dabei  der  Meinung,  dass  theils  Blutgerinnsel, 
womit  sich  die  getrennten  Flächen  bedecken,  theils  die 
tUeruscontractionen  die  Blutung  hemmen.  Cohen  hingegen 
schreibt  dem  Eindringen  des  kalten  Luflstronies  hauptsächlich 
die  blutstillende  Wirkung  zu.  Den  Werth  der  Methoden  hier 
unerörtert  lassend,  erkenne  ich  die  Thatsache  an,  dass  durch 
Vornahme  der  partiellen  Trennung  der  Placenta  die  Blutung 
zum  Stillstande  gebracht  wird.  Cohenh  Erklärung  aber  ist 
von  der  Kritik  längst  verworfen  und  eben  so  wenig  hat  Barnes 
Recht.  Die  Quetschung  nämlich,  welche  Placenta 
und  Uteruswand  bei  der  partiellen  Trennung  er- 
fahren, hemmt  allein  und  unmittelbar  die  Blutung 
in  den  betroffenen  Theilen. 

Einscblaglich  führt  von  Rügen  in  seinem  Aufsätze  über 
Gebärmutterblutnngen  bei  tiefem  Sitze  des  Mutterkuchens 
(Mouatsschr.  f.  Geburtsk.,  XI.,  349)  als  Mittel,  welche  der 
Erweiterung  des  unteren  Gebännuttersegments  entgegenwirken 
und  die  Blutungen  hemmen  sollen,  nicht  nur  das  Losschälen 
der  Placenta   nach  Art   der   vorigen    Methode  ^   obwohl   in 

14* 


312  .        ^V*    Pfeffer ^  Die  QuetechttDg  der  PUeeaU. 

kleinerem  Umfange,  sondern  auch  das  Abpflücken  in  den 
Muttermund  hineinragender  kleiner  Massen  des  deckendea 
Kuchens  auf. 

Mein  Verfahren,  die  Blutung  bei  Placeuta  praevia  zu 
hemmen,  beruht  nun  auf  folgender  Beobachtung:  Wenn  bei 
hinlänglicli  vorbereiteter  Scheide  die  ganze  Hand  eingeführt 
und  der  Muttermund  bequem  erreicht  wird,  wenn  alsdann 
bei  seitlich  aufsitzender  Placenta  der  in  den  Muttermund 
hineinragende  Rand,  bei  centralem  Sitze  der  deckende  Theil 
derselben  mit  den  Fingern  gequetscht  wird,  darauf  ein  oder 
zwei  Finger  rings  um  den  Muttermund  zwischen  Placenta 
und  Uterus  auf  V2  bis  1  Zoll  fortgeschoben,  endlich  im 
Umfange  dieser  Trennung  die  Uteruswand  mit  den  Fingern 
gestrichen  und  leicht  gedruckt,  ebenso  die  Placenta  gedruckt 
und  möglichst  gequetscht  wird,  so  steht  die  Blutung  und 
kehrt  im  Laufe  der  Entbindung,  mag  diese  naturlich  oder 
künstlich,  schleunig  oder  langsam  erfolgen,  nicht  wieder. 

Die  methodische  Verwendung  der  Operation  erklären 
wenige  Zusätze. 

Die  Scheide  muss  räumUch,  der  Muttermund  über  1  Zoll 
weit  sein,  um  mit  zwei  oder  mehreren  Fingern  die  Placenta 
quetschen  zu  können,  obschon  auch  bei  geringerer  Weite  mit 
einem  Finger  bisweilen  erfolgreich  vorgegangen  wird.  Das 
vorliegende  Placentagewebe  wird  möglichst  zertrümmert  und 
locker  gewordene  Theile  abgepflückt  und  entfernt  Auf  den 
vom  Uterus  gelösten  Theil  der  Placenta  kann  gewöhnlich 
nur  eine  leichlere  Quetschung  mittels  Streichens  und  Pressens 
ausgeübt  werden,  während  die  entsprechende  Uteruswand 
mit  noch  grösserer  Schonung  behandelt  wird. 

Die  ganze  Operation  wird  mit  Leichtigkeit  in  6  bis 
10  Minuten  vollendet  und  nur  das  Einführen  der  Hand  kann 
der  Schwangeren  Unbequemlichkeiten  verursachen« 

Die  Blutung  stellt  natürlich  onmitldbar  in  den  Tlieilen, 
welche  selbst  gequetscht  wundeti  und  der  Erkläning  gemäss, 
welche  idi  von  der  Wirkung  des  Tampons  gegeben  habe» 
ist  anzunehmen,* dass  auch  die  von  der  Quetschung  nicht 
betroffenen  blutenden  Gefasse  sich  durch  Fortpflanzung  des 
Reizes  contrahiren  und  aufhören  zu  bluten. 


XV.    Pf€iff4r,  Die  QoeUcboDg  der  PlaceüU.  213 

Diese  voo  mir  «ngenomiaene  grosse  Reübarkeit  der 
Pfacenta  kömite  nun  die  Befürchliing  erwecken,  das»  sdbst 
die  Circulatioo  der  gansen  Placenta  durch  die  partielle 
Quetschung  gehemmt  und  das  Leben  der  Frucht  bedroht 
wüi*de;  indessen  widerlegt  die  Eifahrung  eine  so  gefahrliche 
AttsdehouDg  des  Reizes  und  der  Einfluss  dej*  Quetschung  und 
Zertrümmerung  eines  Theiles  der  Placenta  auf  das  Leben  der 
Frucht  stellt  sich  nicht  ungunstiger,  als  bei  der  partiellen 
Trennung,  wie  Cohen,  Holst  u.  A.  behaupten,  dass,  wenn 
nur  die  grössere  Hülfle  der  Placmita  festsitzt,  diese  seihst 
bei  langsamem  Verlaufe  der  Geburt  genagt,  das  Leben  der 
Frucht  zu  erhalten. 

Bedenklicher  freilich  zeigt  sich  das  Verfahren  für  den 
möglichen  FaU,  dass  die  Quetschung  die  Nähe  des  Nabel- 
sürangs  oder  dessen  Insertionsstelle  selbst  erreicht,  wodurch 
naturlich  die  Circulation  alsbald  aufgehoben  und  der  Fötus 
getödtet  würde,  wenn  die  Geburt  zögerte.  Der  Umstand 
indessen,  dass  auch  bei  PlacenU  praevia  centralis  der  Nabei- 
slrang  selten  oder  nie  (?  Red.)  innerhalb  des  Muttermundes 
iuserirt,  die  Möglichkeit,  bei  der  partiellen  Trennung  den 
grösseren  Lappen  des  Mutterkuchens,  wo  der  Nabelstrang  zu 
vermuthen  ist,  zu  entdecken,  werden  die  drohende  Nahe  der 
Insertionsstelle  meistens  vermeiden  lassen,  während  die  wirk- 
liche Gefahr,  in  welche  der  Fötns  geräth,  allenfalls  nodi 
durch  Auscultation  erkannt  und  durch  beschleunigte  Ent- 
bindung aufgehoben  werden  kann. 

Die  Zerreissung  der  Eihäute  und  die  völlige  Trennung 
der  Placenta  sind  ebenfalls  Ereignisse,  welche  nicht  im  Zwecke 
des  Verfahrens  liegen  und  bei  welchen  gleicher  Weise  nach 
allgemeinen  geburtshülflichen  Regeln  vorgegangen  wird. 

Angezeigt  ist  nun  die  Quetschung  der  Placenta,  vonus- 
gesetzt,  dass  die  Räumlichkeit  der  Scheide  und  die  Beschaffen- 
heit des  Muttermundes  ihr  nicht  entgegenstehen,  in  allen 
Fälkn  von  vorliegendem  Mutterkuchen,  wo  Blutungen  gehemmt 
werden  müssen,  nachdem  der  Tampon  sich  unzureichend 
erwiesen  hat,  und  wo  nicht  momentane  Gefahren  für  Schwangere 
und  Frucht  die  beschleunigte  Entbindung  erheischen. 

Dagegen  können  als  Gegenanzeigen  gelten:  Geringe,  un- 
gefährliche  Blutungen,    welche   eine   natürliche   oder  durch 


214  ^V.     Pfeiffer,  Dia  QaeUchting  der  Placcnta. 

• 

Kunst  leicht  zu  volleudende  Entbindung  erwarten  lassen, 
Losiösungen  des  Mutterkuchens  und  solche  Bluluiigen,  welche 
durch  Quetschung  nicht  zu  hemmen  sind ;  endlieh  dntretender 
Tod  der  Schwangeren. 

Ist  die  Blutung  gehemmt,  so  treten  die  allgemeinen 
Regeln  in  ihr  Recht,  so  weil  sie  nicht  durch  Beseitigung 
der  Furcht  vor  neuen  Blutungen  modificirt  werden,  ond  jedes 
andere  nöthige  operative  Vorgehen  kann  dadurch  wed^  ver- 
zögert noch  beeinträchtigt  werden.  Anderenfalls  wird  es  von 
der  mehr  weniger  vorgerückten  Geburtsthätigkeit  abhängen, 
ob  sich  die  Kreissende  in  der  nächsten  Zeit  nicht  der  besten 
Ruhe  erfreuen,  selbst  durch  gesunden  Schlaf  von  ihrer  Ohn- 
macht erholen  und  für  die  Entbindung  neue  Kräfte  sammeln  kann. 

Demnach  suche  ich  die  Vortheile  meines  Verfahrens  nicht 
sowohl  in  der  unmittelbaren  Hemmung  der  Blutung,  als  auch 
in  der  häufigen  Umgehung  des  Accoucheroent  force,  dessen 
Schrecken  und  Gefahren  bei  frühzeitigen  Entbindungen  noch 
nie  zu  hoch  angeschlagen  sind. 

Die  Einwände  gegen  das  Verfahren  werden  aber  haupt- 
sächlich dahin  lauten,  dass  es  selten  oder  schwer  ausföhrbar 
sei,  dass  es  keinen  genugenden  Schutz  gegen  wiederkehrende 
Hutung  gebe  und  dass  es  das  Leben  des  Fötus  bedrohe. 

So  weit  das  früher  Gesagte  hierfür  keine  Widerlegung 
enthält,  erwidere  ich  noch,  dass  das  Verfahren  nicht  für 
alle  Fälle  gültig  ist,  indem  einige  es  überflussig,  andere 
unzulässig  machen.  In  den  meisten  Fällen  bietet  die  Aus- 
führung keine  Schwierigkeiten  und  wo  die  Versuche  nur 
unvollkommen  gelingen,  kann  auch  von  Nachtheilen  nicht  die 
Rede  sein.  Betreffs  der  blutstillenden  Wirkung  wird  gewiss 
nicht  bestntten  werden,  dass  die  von  der  Quetschung  be- 
troffenen Theile  sofort  ihre  Blutung  einstellen;  meine  Er- 
fahrungen über  die  fast  regelmässigen  Erfolge  der  Operation 
scheinen  aber  auch  zu  beweisen,  dass  die  Theile  von  Placenta 
und  Uterus,  welche  nur  eine  leichte  oder  gar  keine  Quetschung 
erfuhren,  ebenfalls  an  der  Wirkung  Theil  nehmen,  und 
zweckmässig  angestellte  Wiederholungen  des  Verfahrens  werden 
hierüber  die  Entscheidung  bringen. 

Endlich  ist  der  Grad  der  Gefährlichkeit  der  Ofieration 
für  das  Leben   der  Frucht  ebenfalls  noch   durch  neue  und 


XV.    Pfeiffer,  Die  Qoetscbong  der  Placenta.  215 

vermehrte  Beobachtungen  festzustellen.  Meine  eigenen  Er- 
fahrungen ergeben  so  viel,  dass  auch  bei  ziemlich  umfangreicher 
Quetschung  des  Mutterkuchens,  ohne  indessen  mehr  als  den 
dritten  Theil  zu  erreichen,  und  bei  langsam  nachfolgendem 
Geburtsveriaufe  das  Lehen  der  Frucht  erhalten  werden  kann. 
Ist  das  Verhältniss  der  lebend  geborenen  Kinder,  welches  ich 
wegen  in  froheren  Jahren  unterlassener  Aufzeichnung  nicht 
sicher  angeben  kann,  auch  keineswegs  besonders  gunstig 
gewesen,  so  ist  doch  die  Zahl  der  meistens  durch  Schwierig- 
keit ausgezeichneten  Fälle  zu  massig,  um  darüber  schon 
entscheidend  zu  sein.  Dagegen  starb  von  den  HQttern,  bei 
denen  das  Verfahren  in  Anwendung  kam,  keine,  wahrend 
unter  den  etwa  20  Fällen  sich  allerdings  zwei  Todesfälle 
ereigneten,  der  eine  plötzlich  bei  der  Geburt  ohne  voran- 
gegangene Behandlung,  der  andere  mit  leichten  Blutungen 
unter  Hinzutritt  eines  typhösen  Fiebers. 

Mit  dem  Huckblicke  auf  die  enorme  Sterblichkeit  der 
Fröchte  in  allen  schweren,  besonders  mit  frühzeitiger  Geburt 
verbundenen  Fällen  von  vorliegendem  Mutterkuchen  lassen 
sich  aus  der  gewissenhaften  Abwägung  der  Indicationen  die 
nieht  besseren  Resultate  meines  Verfahrens  für  das  Frucht- 
leben rechtfertigen,  wobei  mir  die  moralische  Ueberzeugung 
zu  HöUe  kommt,  dass  das  Leben  der  Mutter,  wenn  es 
mit  dem  der  ungeborenen  Frucht  auf  einer  Waage  gewogen 
wird,  schwerer  in*s  Gewicht  fallt,  sowie  die  Volksstimme, 
welche  stets  und  fiberall  das  Leben  der  Mutter  von  ihm 
fordert,  dem  Geburtshelfer  hierin  entscheidend  zur  Seite  steht. 


216    ^VI.    CUtn^itSt  Zur  Würdigung  der  neneslett  chenaiscben 


XVI. 

Zur  Würdigung  der  neuesten  chemischen  Ansichten 
über  die  Ursache  der  Eclampsia  puerperal». 

Von 

Medicinalrath  Dr.  A.  Clemens, 

prakt.  Arzto  kq  Fraukfart  »m  Main. 

Zur  Würdigung  der  neuesten  chemischen  Ansichteo  aber 
die  Ursache  der  Eclampsia  pnerperalis  gedaclile  der  Verfasser 
dieser  Zeilen  in  der  Versammlung  milteirheinischer 
Aerzte  zu  Frankfurt  am  Main  am  8.  October  1859  einige 
Worte  zu  sprechen.  Die  Kilrze  der  den  Vortragen  vergdoolen 
Zeit  hinderte  jedoch  dessen  Vorhaben.  Er  hat  daher  aeioe 
Bedenken  fiber  diese  Erklärungsari  bereits  im  „Gorrespondenz- 
Matt  des  Vereins  Nassau'scher  Aerzte,"  No.  1,  1860,  in  Kurze 
angegeben,  findet  sich  aber  veranlasst,  diesen  Gegenstand 
in  der  „Monatsfchrift  fiir  GeburtsiiAlfe  und  Frauenkrankheiten** 
um  so  ansfCihrlicher  zu  behandeln,  als  er  fiher  einige  glöek- 
liehe  FAlle  von  geheilter  Eclampsia  pnerperalis  nach  der  alten 
Behandlungsweise  in  dieser  Zeitschrift  (August  1853,  2.  Brnd, 
2.  Heft)  einige  Krankengeschichten  mitgetheilt  hat 

Wenn  ausgezeichnete  deutsche  und  fremde  Geburtshelfer 
und  unter  den  Letzteren  noch  Robert  Gollins  in  seinem 
neuesten  Werke:  „A  practical  Preatise  oo  MidHififtry*  offen 
gestehen,  die  eigentliche  Ursache  dieses  gefahrlichen  Leidens 
nicht  zu  kennen,  so  suchten  doch  hinwiederum  die  besten 
deutschen  und  französischen  Geburtshelfer  bis  auf  die  neueste 
Zeit  im  Allgemeinen  ihre  nächste  Ursache  in  der  Ruckwirkung 
des  Geburtsactcs  auf  das  gesammte  Nervensystem  und  in 
einer  dadurch  veranlassten  bedeutenden  Congestion  nach  Kopf 
und  Ruckenmark  der  Gebärenden.  Indessen  kann  ich  doch 
Spiess  nicht  beistimmen,  der  in  seiner  „Physiologie  des 
Nervensystems,  Braunschweig  1844"  diese  Krankheit  bloss 
als  Hirnconvulsion  betrachtet,  die  nicht  vom  Uterus  aus, 
sondern  durch  unmittelbare  Einwirkung  heftiger  Congestionen 
auf  das    Gehirn    entstehl.      Nach    meiner   Meinung    werden 


AtiBioltten  über  die  Uniache  der  EiPlampsis'pverperali«.     217 

die  Congestionen  darch  Rfickwirkong  des  Gebäractes  aaf  das 
HQckenmark  und  durch  dieses  auf  das  Gehiro  erst  hervor- 
gerufen. Der  Plexus  sacralis,  als  der  zuoädist  betroffene, 
leitet  seine  krankhafte  Erschütterung  auf  die  MeduUa  spinalis, 
Nedulla  oblongata  und  Gehirn  ober.  Wäre  dies  nicbt  der 
Fall,  so  mOsste  schon  bei  der  starken  Bluteongestion  nach 
dem  Kopfe,  die  schon  sehr  heftige  Wehen  bei  der  gewöhn- 
lichen Geburtsarbeit  mit  sich  bringen,  die  Krankheit  weit 
hSofiger  sein,  als  sie  es  zum  Glücke  ist  Eine  besondere 
Schmerzhaftigkeit  der  Wehen  wurde  schon  von  älteren  Geburts- 
helfern als  ein  Causahnoment  fftr  diese  Krankheit  lietrachiet. 
Zu  heftige  Wehen  bei  engem  Becken  nahm  schon  Michctelis 
als  Ursache  an. 

lieber  das  eigentliche  Wesen  der  Krankheit  halten  die 
Autopsieen  bisher  kein  befriedigendes  Resultat  geliefert 
Veränderungen  im  Gehirne  wurden,  so  weit  meine  Forschungen 
reichen,  keine  gefunden.  Der  bei  Eclampsieen  leider  oft  so 
schnell  eifolgende  Tod  liess  sich  nur  durch  Ueberreiznng 
und  nachheiige  Paralyse  des  Nervensystems  erklären,  ohne 
dass  die  Sectionen  eine  immer  genügende  materielle  Ursache 
nachgevriesen  hätten. 

Frau  LetchapeUe  findet  die  Convulsionen  bei  Erst- 
gebärenden am  häufigsten  und  meist  von  einer  zu  grossen 
Menge  Fnichtwassers  herröhren.  Lever  (Cases  of  puerperal 
oonvttlsions  in  (Tuy's  Hospital  Reports,  second  series, 
T^ndon  1843)  legt  besonderes  Gewicht  darauf,  dass  bei  allen 
Fällen  von  Puerperalconvulsionen  der  Urin  albuminös  war. 
Oslander,  Duges,  VeVpeau  betrachteten  ödematöse  An- 
schwellungen als  prädisponirende  Momente  zu  diesen  Con- 
vulsionen. Man  sieht,  die  älteren  Ansichten  stehen  schon  im 
Begriffe,  den  neueren  den  Weg  anzubahnen.  Die  Wehen- 
thätigkeit  selbst,  ihr  Uebergang  auf  Plexus  sacralis,  MeduUa 
spinalis,  Gehirn  und  Nervensystem,  ?ls  lebendige  Ursachen 
werden  verlassen,  um  den  beliebten  neuesten  chemischen, 
besonders  einer  Urämie  Platz  zu  machen. 

Wenn  Alfred  Clinton  und  Samuel  Hardy  (Praetical 
Observations  on  midwifery  and  (he  diseases  incident  to  the 
puerperal  State,  Dublin  1848)  schon  den  Harn  albuminös 
fanden,    so  geht   Brann   schon   weiter.     Nach  «hm   ist  die 


218     ^^'*  Clemens^  Zar  Würdigung  cl«r  oeoesteo  chemisoben 

IjjmfigBte  Ursache  der  Eclampsie  Urftmie  und  Morbos  BrigfaCiL 
Die  Stauung  des  venösen  Blutes  in  den  Nieren,  hervorgehraclit 
durch  den  Druck  des  vergrösserten  Uterus  und  der  sCraffeo 
Bauchdecken  sind,  sowie  die  Blulbeschaffenheit  der  Sdiwangeren 
äherhaupt,  als  eine  der  wichtigsten  Ursachen  des  in  der 
Schwangerschaft  stattfindenden  Morbus  Brightii  anzusebeo. 
Wegen  der  Nierenkrankheit  (Nephritis  difiüpa)  wird  Harnstoff 
im  Blute  zurückgehalten,  der  sich  in  Ammoniak -Carbonate 
verwandelnd  dann  die  Convulsionen  hervorrufen  soll.  Fur's 
Erste  mache  ich  liier  sogleich  die  Bemerkung:  Da  nun  diese 
Urämie  (BlutvergiflUing)  schon  während  eines  grossen  Tlieiles 
der  Schwangerschaft  besteht,  also  die  Ursache  der  Convulsionen 
eine  geraume  Zeit  stattfinden  soll,  so  frage  ich,  wohl  mit 
einigem  Bechte,  warum  diese  Convulsionen  mit  so  erstaim- 
lieber  Heftigkeit  erst  mit  dem  Eintritte  der  Geburtsthätigkcät 
auftreten  ?  Die  Geburtsthätigkeit  rousste  doch  erst  die  vorher 
vergiftete  Blutmasse  in  Aufregung  iietzen,  musste  daher  nicht 
als  die  nächste,  doch  als  entfernte  Ursache  der  Convulsionen 
anzusehen  sein.  —  Ferner  kann  ich  mich  des  Gedankens 
nicht  entschlagen,  diese  chemische  Ansicht  der  Krankheit 
möchte  von  einer  durchgreifenden  antiphlogistischen  Behandlung 
derselben,  als  der  einzigen  bisher  mit  einigem  Erfolge  an- 
gewendeten, allerdings  der  Theorie  zu  Liebe  abhalten.  Denn 
was  soll  man  zu  dem  Vorschlage  sagen,  „bei  urämischer 
Ei'lampsie  bestände  die  zweckmässigste  Methode  der  künst- 
lichen Geburlsbeschleunigung  in  energischer  Vaginaltan^onade 
mittels  eines  Kautschukapparats!'*  —  Wer  sich  bei  einer  so 
gefahrlichen  Krankheit  bloss  darauf  verlassen  wollte,  machte 
sich  gewiss  der  grösslen  Unterlassungssünde  schuldig! 

Ist  ferner  diese  chemische  Theorie,  gegen  welche  ich 
bereits  einen  Einwurf  ausgesprochen,  auch  wirklich  in  der 
Natur  begründet?  —  Jeder  Geburtshelfer  hat  gewiss  Frauen 
entbunden,  die  besonders  beiZwillingsschwangerscliaften  während 
der  letzten  Periode  der  Schwangerschaft  bedeutende  hydropische 
Anschwellungen  der  unteren  Extremitäten  und  grossen  Scham- 
lefzen  aufzuweisen  hatten ,  ohne  dass  während  der  Entbindung 
auch  nur  der  leiseste  Anfall  von  Krämpfen  erfolgt  wäre. 
Im  Gegentheil  sind  diesen  Convulsionen  gerade  junge  kräftige 
Erstgebärende,  die  vorher  nie  an  Hysterie,  Krämpfen,  noch 


Aosiohfcen  über  die  Urinebe  der  EolaiDpsia  paerperalis.     219 

an  hydropisohen  AnsdiweHongen  gelitten,  am  meisten  unter- 
worfen. Chisholm  weist  nach,  es  entstanden  viele  Falle 
von  Eclampsie  ohne  Eiweiss  im  Harne.  Auch  Sempe  erklärt, 
Eclampsia  puerperalis  sei  zwar,  aber  nicht  immer  mit  Morbus 
Brightü  verbunden.  Scamoni  sagt  in  seinen  Beiträgen  zur 
GeborCsliunde,  2.  Band:  „Steht  es  fest,  dass  die  uroskopiscben 
Symptome  ini  causalen  Zusammenhange  stehen  mit  der  durch 
die  Wehenthätigkoit  veranlassten  Kreislaufstauungen  innerhalb 
des  Nierenparenchyms  und  dass  sie  verschwinden ,  sobald  nach 
beendigter  Geburt  die  Nierenhyperäroie  abnimmt,  so  muss 
man  auch  zugeben,  dass  die  im  Irrthume  sind,  welche  die 
Gegenwart  der  gedachten  Erscheinungen  ffir  ein  untrügliches 
Zeichen  einer  schon  während  der  Schwangerschaft  aufgetretenen 
parenchymatösen  Nephritis  (Morbus  Brightü)  betrachten  und 
die  sich  etwa  einstellende  Edampsie  stets  als  die  Folge  einer 
sich  aus  den  Nieren  entwickelnden  Urämie  deuten.*"  Man 
sieht,  dass  meine  oben  angegebene  Ansicht  einigermaassen 
mit  der  SeanzonPs  übereinstimmt.  —  Nach  GredS  beobachtet 
man  ebenfalls  die  Krankiieit  bei  robusten,  kräftigen  Frauen, 
bei  denen  während  der  Schwangerschaft  weder  eine  Bhit- 
entmischung  nodi  Eiweiss  im  Harne  za  entdecken  war. 
Dagegen  habe  ich,  wie  schon  oben  erwähnt,  solche  Frauen 
entbunden,  die  während  der  Schwangerschaft  und  nodi  zur 
Zeit  der  Entbindung  ganz  bedeutende  Anschwellungen  der 
unteren  Extremitäten,  der  äusseren  Schamlefzen,  selbst  des 
Unterleibes,  zeigten,  ohne  dass  während  der  Entbindung  auch 
nur  der  leiseste  Krampfanfall  entstanden  wäre.  Von  einer 
Eolampsie,  die  bei  einer  29jährigen,  kräftigen,  bisher  gesunden 
Person,  ungefähr  12  Stunden  nach  einer  ganz  normal  vei^ 
laufenen  Entbindung  (Zweitgeburt)  eintrat,  berichtet  uns 
Berliner  (Deutsche  Klinik,  No  12,  S.  120).  Nirgends  war 
Oedem  vorhanden.  Der  in  grösserer  Quantität  in  der  Blase 
befindliche  Urin  zeigte  weder  jetzt  noch  später  eine  pathologische 
Beimischung.  Blutegel,  kalte  Fomentationen,  Sinapismen  und 
Morphium  stellten  die  Kranke  her.  —  Allerdings  mag  nur 
das  fast  constante  Vorkommen  von  Morbus  Brightü  bei 
Eclampsie  sein;  aber  eben  so  .begründet  ist  die  Erfahrung, 
dass  Eclampsie  zuweilen  ohne  alle  Nierenerkrankung  vor- 
kommt, wodurch   dann   weiugstens  die  allgemeine  Gültigkeit 


220     ^yi'  Clement  f  Zur  WDrdigung  der  nenesien  cheoiUoiMii 

der  chemischen  Theorie  äher  den  Haufen  geworfen  und  sie 
sogar  für  die  Regel  sehr  erschüttert  wird. 

Habe  ich  nun  gegen  diese  Theorie  einzuwenden,  daas 
sie  weit  entfernt  ist,  fest  begründet  zu  sein,  so  bin  ich  mn 
so  entschiedener  ihr  Gegner,  weil  sie  von  eioem  kräftigen, 
durchgreifenden  Heilverfahren  ablenkt,  das  sich  bisher  in 
dieser  gefahrdrohenden  Krankheit  noch  als  das  sicherste  be- 
wiesen. Die  gepruftesten  Geburtshelfer  empfehlen  die  aus- 
gedehnteste Anwendung  des  antiphlogistischen  Halapparales. 
Ja,  nicht  bloss  bei  robusten  und  vollblütigen,  selbst  bei 
chlorotischcn  Kranken  —  wo  schon  das  Blut  auf  eine  Ent- 
mischung hinweist  —  bewirkten  Aderiässe,  Blutegel  an  den 
Kopf,  Eisumschläge  auf  denselben,  schnellwirkende  Laxanzen, 
Klystiere,  Sinapismeo  an  den  Waden  u.  s.  w.  ausgezeichnete 
Dienste.  Bei  vollblütigen  Frauen  sind  Blutentziehungen  dreist 
vier  bis  fünf  Mal  zu  wiederholen,  ohne  dass  daraus  ein 
späterer  Nachlheil  zu  befürchten  wäre.  Bei  chlorotischen 
besteht  bei  weitem  nicht  der  starke  Blutandrang  zum  Kopfe 
und  zur  Brust,  deshalb  sind  hier  nur  kleinere  und  seltenere 
Aderlässe  nöthig,  dagegen  die  frühere  Anwendung  des  Opiums 
zu  Va  —  gr.j.  oder  Morphium  zu  V^gr.  pro  dosi  in  kurzen 
Zwischenzeiten  von  V4  bis  V2  Stunde  zweckmässig  bis  eine 
merkliche  Beruhigung  des  Nervensystems  einti*ilt  (Crede), 
In  meinen  früheren  Mittheilungen  über  Eclampsie  habe  ich 
bemerkt,  dass  zuweilen  mit  den  Convulsionen  ein  so  heftiger 
Trismus  verbunden  ist,  dass  nichts  geschluckt  werden  kann 
und  die  ganze  Behandlung  auf  Aderlässe,  Blutegel,  blutige 
Schröpfköpfe  längs  der  Wirbelsäule,  eiskalten  Fomentationen 
und  eröffnenden  Klystieren  beschränkt  sein  muss.  — 

So  wollte  ich  besonders  meine  therapeutischen  Bedenken 
in  Hinsicht  auf  diese  neue  chemische  Theorie  mit  diesen 
wenigen  Worten  zu  erkennen  geben.  Ausgemacht  dürfte  es 
sein,  dass  nicht  allein  die  strengste  Antiphlogose  Hirn  und 
Bückenmark  von  dem  zuströmenden  Blute  befreit,  sondern 
auch  günstig  auf  den  Muttermund  wirkt,  der  im  Anfange 
rigid,  gespannt,  fast  tetanisch  zusammengezogen  durch  diese 
Behandlung  weicher,  nachgiebiger,  ausdehnbarer  wird  und  endlich 
ohne  Gefahr  der  Verletzung  der  Zange  Baum  zur  Anwendung 
verstattet.    Ehe  diese  durch  strenge  Antiphlogose  im  Mutter- 


An«iohtoii  über  die  Ursacbe  der  ISolampsU  piierperAllg.     2S1 

munde  günstige  VeräoderuDg  eingetroffen,  kann  vom  Accouche- 
ment  forc6  Oberbaupt  nicht  die  Rede  sein. 

Es  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  der  Urin  als  Krankheits- 
ttoment  die  B^te  noire  d«r  neueren,  exacten  Medicin  geworden 
isL  Urämie  sptt  nicht  allein  die  Ursache  der  Eclampsia 
puerperalis  sein.  Ihre  Domaine  erstreckt  sich  schon  viel 
weiter.  Der  Gicht  liegt  jetxt  Urämie  zu  Grunde.  So  werden 
auch  nach  Zimmermann  Kranke  mit  Morbus  Biightii  und 
Albuminurie  häufig  von  Dysenterie  ergriffen.  Nach  Treiiz 
sollen  dann  die  Nieren  verbindert  werden,  das  Blut  von  diesen 
zuströmenden  Ilarubestandtheilen  zu  befreien,  daher  harnsloll* 
haitige  Transsudationen  auch  im  Dickdarme  vorkommen,  die 
zu  kohlensaurem  Ammoniak  zerfallend  die  Dannschleimhaut 
abätzen,  so  zu  Resorbtion  des*  Ammoniaks  und  dadurch  zu 
Paralyse  und  Tod  führen.  Wie  sich  nun  mit  dieser  Theorie 
die  bisher  berühmteste  Heilmethode  durch  Extr.  Nucis  Yomicae 
aquosum,  Natron  nitricum  in  Salepdecoct  vereinen  lässt,  ver- 
mag ich  wenigstens  nicht  zu  begreifen.  Doch  will  es  mir 
vorkommen,  dass  man  nach  Herumtasten  nach  manchen,  auf 
Grundsätzen  der  exacten  Medicin  gegründeten  Heilverfahren, 
allmäUg  wieder  in  die  alte  Bahn  einzulenken  bcgimiL 

Während  die  neuere  Zeit  von  den  starken  Blutentleerungen 
bei  Cerebral -Congestiouen  abgekommen  zu  sein  scheint,  werden 
dagegen  in  der  neuesten  Zeit  —  und  zwar  in  Frankreich, 
dem  Mutterlande  der  exacten  Medicin  —  wieder  entgegen-* 
gesetzte  Stimmen  laut,  die  sich  in  diesen  Fällen  für  die  An- 
wendung starker  Blutentziehnngen  aussprechen  und  dieselbe 
als  souveränes  Mittel  empfehlen.  So  Cabaret  (Gaz.  des 
höpit.,  120)  und  OrcUiniol  (Ibid.,  128),  welche  ihre  An- 
wendung besonders  bei  den  Congestionen  wälu*end  der  Geburts- 
arbeit das  Wort  reden. 

Moreau  behauptet,  Erstgebärende  im  vorgerilckteren  Alter 
wären  diesen  Gonvulsionen  häufiger  ausgesetzt.  CUntoch 
und  Hotrdy  geben  den  Rath,  besonders  auf  die  Vorboten 
der  Krankheit  zu  achten  und  bei  Kopfweh,  Ohrensausen, 
Lichtfunken,  Oedem  des  Gesichts  durch  eine  zweckmässige 
vorbauende  Beliaudlung  den  Ausbruch  der  Krumpfe  zu  ver- 
hüten.    In   meiner   der   Göttingisclien   Universität   zu   ihrer 


222    ^VI.  Clmen»,  Zur  Wurdiganff  der  neuestoa  cbeiniaebMi 

ersten  Säculaifeier  gewidmeten  Schrift:  ^Beobacbtungea 
über  die  weisse  schmerzhafte  Fussgescbwulst  der 
Kindbetterinnen,  Frankfurt  1837,'*  habe  ich  ilen  jetzt  so 
sehr  Temachlässigten ,  von  den  Alten  in  Ehren  gelialtenen 
Venäsectionen  während  der  Schwangerschaft,  verbunden  mit 
dem  Gebrauche  kühlender  und  gelind  abführender  Neutralsaixe, 
als  den  vorzüglichsten  Mitteki,  Missfallen,  Frühgeburten  vor- 
zubeugen und  eine  gesunde  Schwangerschaft  und  Wochenbett 
zu  erzielen,  lebhaft  das  Wort  geredet  Zur  Bestätigung  der 
hier  geäusserten  Meinungen  möge  einigermaassen  die  Mit- 
theihing  folgenden  Falles  dienen: 

Am   8.  August   1856   wurde   ich  zu  einer  Kreissenden 
entboten,   die  im  37.  Jahre  ihres  Alters  geheirathet  und  ein 
Jahr   später   schwanger  wurde.     Ausser  vielen  Uebelkeiten, 
Erbrechen,   Schwere   und  Müdigkeit  in  den  Gliedern,  Druck 
im  Kreuze  zeichnete  sich  die  ScIi wanger schaft  durch  dumpfen, 
drückenden  Kopfschmerz,  sowohl  im  Vorder-  als  im  Hinter- 
kopfe aus.     Blutentziebungen,  sowohl  allgemeine  als  örtliche, 
durch    Blutegel    und    Schröpfköpfe    wurden   durcli    die  .ver- 
stimmte,   eigensinnige   Patientin    hartnäckig    verweigert     Sie 
fühlte   sich  —  ihrer  Meinung  nach  —  sclion  schwach  genug 
und  wollte  nicht  noch  mehr  ge^schwächt  werden.     Kaum  ver- 
mochte ich   sie  gegen  Ende  der  Schwangerscliaflt  zum  regel- 
mässigen Gebrauche  des  Saidschützer  Bitterwassers  anzuhalten. 
Am    späten   Abend   des   8.   fand   ich   bei   der   ersten   Unter- 
suchung den  Muttermund  noch  sehr  hoch,  nach  hinten,  wenig 
erweitert,   aber  die  Wasser  schon  abgeflossen.     Die  Geburls- 
arbeit ging  langsam  von  Statten.    Die  Wehen  waren  allerdings 
stark,   äusserten   aber  wenig   Einfluss   auf  den   Muttermund, 
der  dick,   wulstig,   schwer  auszudehnen  war.     Dabei  nahmen 
die  Kopfschmerzen  der  Kreissenden  zu.    Dröhnen  und  Sausen 
vor    den   Ohren   stellte    sicli   ein.     Die  Augen   erhielten   ein 
eigenthümliches  verglastes  Aussehen.    Leise  Zuckungen  gaben 
skh   in   den  Händen   kund.     Oll  schüttelte   der  Körper   wie 
im  Fieberfroste   zusammen.     Nach  Mitternacht  wurden   bei 
vermehrter  Congestion  nadi  dem  Kopfe  die  Wehen  schwächer. 
Dies  bestimmte  mich,  gegen  1  Ulir  Nachts  eine  Yenäsection 
von   einem  Pfunde  Blut  anzustellen.     Darauf  folgte  blasseres 


Ansichtall  über  die  UrMieha  der  EcUmpfti*  pnerperalis.     228 

Aussehen,  mehr  Ruhe,  dann  ein  erquickender  Schlaf. .  Gegen 
3  Uhr  stellten  sich  wieder  stärkere  Wehen  ein.  Um  6  Uhr 
Morgens  fand  ich  den  Muttermund  so  nachgiebig  und  er- 
weitert, auch  den  Rand  des  Kopfes  so  weit  vorgerückt,  dass 
ich  bei  bedeutender  Kopfgeschwulst  die  Zange  anlegte  und 
um  7^3  ^^1*  ^>n  lebendes  Kind  weiblichen  Geschlechts  zur 
Welt  brachte.  Ich  halte  mich  überzeugt,  dass  hier  .der 
Aderlass  auf  den  Verfolg  der  Geburt  die  feste  Wirkung 
geäussert  und  namentlich  dem  Aa8l>ruche  dei*  Convulaionen 
vorgebeugt  liabe.  Hätte  die  Frau  Blutentziehungen  während 
der  Schwangerschaft  erlaubt,  so  wäre  die  Entbindung  leichter* 
von  Statten  gegangen.  In  dieser  Meinung  bestärkte  mich  die 
folgende  Entbindung. 

Am  12.  October  1857  entband  ich  dieselbe  Frau  von 
einem  Kinde  männlichen  Geschlechts.  Um  6  Uhr  Abends 
enll)oten  war  23  Minuten  nach  8  Uhr  die  ganz  natürliche 
Entbindung  schon  vollendet  Eben  so  leicht  folgte  nach 
10  Miuuten  die  Nachgeburt  meinem  gewöhnlichen  Handgriffe. 
Auch  war  die  ganze  Scbwangerschafl  ohne  alle  Beschwerde. 
Die  vorhergehende  Venäsection,  wie  der  in  der  Schwanger- 
schaft regelmässig  forlgesetzte  Gebrauch  des  Bitterwassers 
hatte  auf  die  zweite  Schwangerschaft  und  Geburt  den  heil- 
samsten Eioflnfis. 


224  XVII.    Notisen  ans  der  Journal  •  Lüeratar. 


XVIL 


Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 


Hutchinson:   Mehrfächerige   Ovaricnkyste   bei   einer 
65jährigen   Frau.     Ovariotoniie.     Ueiluug. 

8.  2^*,  06  Jahre   alt,  anschcincDd  jedoch   10  Jahre  jünger, 
litt   seit    drei    Jahren    an    einer    Kierstocksgeflch willst.      Anfang» 
*wnch8   dieselbe   langsam  and  verursachte  keinerlei  Beschwerden. 
SpUter  erfolgte  eine  rapide  Volumenznnahme,  wobei  die  Gesund- 
heit der  Fran  gleichzeitig  wesentlich  gestört  wnrde.     Patientin 
hat  früher  fünf  Mal  geboren.    Der  Umfang  des  Unterieibe»  betrag 
45  Zoll;  der  Percnssionston  war  überall  gedämpft,  mit  Aosnahuie 
in   der    rechten  Lendengegend.     Fluctuation   war   undeutlich   sn 
fühlen.    Der  Uterus  seigte  sich  normal,  doch  sehr  hoch  stehend. 
Am    9.   December    wurde    die   Ovariotomie    gemacht.     Nach    Er- 
öffnung der  Bauchhöhle   mussten  einige   lockere  Adhüsionen   mit 
der  Hand  gelöst  werden,   worauf  man  in  die  Hauptkysta   einen 
dicken   Troikar   einstiess.     Nach    fast   vollständiger   Entleerung 
dieser  Kyste  wurde  dieselbe  aus  der  Wunde  herausgezogen,  wobei 
noch    zwei    bis   drei   kleinere   Kysten    punktirt   werden    mussten. 
Der  lange   und   dicke  Stiel  wurde   durch«  eine  Klammer  befestigt 
und    die    Geschwulst    ungefähr   3   Zoll    oberhalb    derselben    ab- 
geschnitten.    Die  Wunde  wurde  durch  Ua^enschartenaadela  Tor- 
einigt,     eine    Flanellbinde    angelegt    und    2    Gran    Opium     als 
Suppo6itorium    applicirt.      Die    Operation    erforderte    nur   kurze 
Zeit   und   wurde  von   der  Fat.  gut  vertragen.     Am   12.  December 
wurde   die  Klammer,    am   13.   die   Nadeln   entfernt.    Die  Wunde 
seigte  sich  vollständig  geheilt,  doch  war  der  im  unteren  Wund- 
winkel   gelegene  Stielrest  von  beträchtlicher   Grosse.     Mit  Aas- 
uahme    einer    am    zehnten    Tage    auftretenden    leichten    Blasen- 
entzöndung    hatte    Fat.    während    ihrer    Convalescenz    nicht    das 
leichteste  Unwohlsein  und  konnte  am  dreissi  nisten  Tage  nach  der 
Operation  als  vollkommen  gesund  entlassen  werden. 
(The  Lancet,  March  28,  1863.) 


Stilling:    Geschichte    einer    Eierstocksexstirpation. 

Der  Fall  betraf  eine  rechte  Eierstockskyste.  Nach  voraus- 
geschickter Probepunction  wurde  bei  der  Operation  ein  10  — 11" 
langer  Schnitt  in  der  Linea  alba  gemacht,  der  später  noch  bei 
Herausnahme  des  Sackes  am  4 — 6"  verlängert  werden  mnsste. 
Die    Kyste    war    mehrfächerig    und    machte    acht    yerschiedene 


XVII.   Notisen  ans  der  Jonrnal- Literatur.  226 

Panctioaen  nothig,  auch  war  ilie  Tordere  linke  Flüche  der  Kyste 
aasgedehnt  mit  dem  Bauchfelle,  jedoch  locker  verwachsen.  Die 
Kranke  tiberstand  die  Operation  anfangs  nnter  Chloroformnarkose, 
später  bei  vollem  Bewnsstseiii  sehr  muthig.  In  den  ersten  Tagen 
trat  wiederholte  Blatnng  ans  der  Wände  ein,  warde  aber  nach 
sorgftitiger  Unterbindung  des  blatenden  Oefftsses  in  der  Schnitt- 
fläche des  Stieles  gestillt.  Andere  verschiedene  bedenkliche 
Erscheinungen  während  der  Nachbehandlung  verschwanden  gleich- 
falls bald  und  gänzliche  Heilung  erfolgte. 

St.  hat  schon  zwei  Mal  die  Ovariotomie  ausgeführt,  1834  mit 
ungünstigem  und  1841  mit  günstigem  Erfolge;  welche  Fälle  früher 
veröfTentlicht  worden  sind.  Er  hat  damals  schon  zuerst  aus- 
führlich über  die  Art  und  Weise  geredet,  wie  die  Gefahren  der 
Orariotomie  auf  ihr  Minimum  herabzusetzen  sind,  dadurch,  dass 
man  —  nach  beendeter  Operation  die  Höhle  des  Bauchfelles, 
ohne  irgend  einen  fremdartigen  Körper  zurückzulassen,  hermetisch 
schliesst,  die  Wnndfläche  des  Stieles  nach  aussen  legt  und  somit 
Blutung  wie  Eiterung  von  der  Bauchfellhöhle  ausschliesst.  Es 
ist  dies  Verfahren  seit  den  22  Jahren  das  allgemein  gebräuchliche 
geworden  und  wird  meist  „die  englische  Methode*  genannt. 
Verf.  nimmt  jedoch  für  sich  die  Priorität  der  Anwendung  in  An- 
spruch. Er  spricht  sich  auch  gegen  die  Ligatur  en  raasse  aus, 
empfiehlt  vielmehr  die  Unterbindung  jedes  einzelnen  BlutgeHisses. 
(Deutsche  Klinik,  1863,  No.  34,  36.) 


O.v.FranquS:  lieber  Jodinjectionen  beiOvarienkysteo. 

Verfasser  theilt  aus  der  gynäkologischen  Klinik  in  Würzburg 
sechs  Krankheitsfälle  von  Ovarienkysten  mit,  bei  welchen  neun 
Injectionen  reiner  Jodtinctnr  und  eine  Injection  einer  Höllenstein- 
lösung gemacht  worden  waren.  Alle  Injectionen  waren  ohne  Erfolg, 
bei  allen  trat  WiederfUIlung  der  Kyste  ein,  vielleicht  mit  Aus- 
nahme eines  einzigen  (des  dritten)  Falles,  bei  dem  eigenthümliche 
Complicationen  das  Krankheitsbild  unklar  machten.  Die  Jod- 
injectionen sind  demnach  ganz  unzuverlässig  zur  Radiealheilong 
selbst  der  einfachen  Kysten,  die  in  allen  angeführten  Fällen 
vorhanden  waren.  Selbst  eine  längere  Pause  bis  zur  Wieder- 
füllang  nach  der  Jodinjection  wurde  nicht  beachtet,  als  nach  der 
einfachen  Ponction,  in  einzelnen  Fällen  trat  sogar  die  Wieder- 
fUIlung auffallend  schnell  ein.  Dagegen  wurden  durch  die  Injection 
der  reinen  Jodtinctnr  gar  keine  gefahrlichen  Erscheinungen  herbei- 
geführt, obwohl  selbst  ein  thetlweises  U eberströmen  in  die 
Bavobhöhle'  angenommen  werden  muss. 

Die  Frage  über  die  WirksaBikeit  oder  Unwirksamkeit  der 
Jodinjection  ist  demnach  noch  keineaweges  absehlossen. 
(Spitalsseitung,  Juni  u.  Juli  1868.) 

Monfttiaelir.  f.  Qebnrtak.  1868.  Bd.  ZXn.,  Hfl.  8.  15 


226  XVn.    Notisen  aua  der  Joarnal-Lttoratnr. 

Förster:  Exstirpation  des  vorgefallenen  Uterus. 

Die  Kranke,  40  Jahre  alt,  litt  seit  vier  Jahren  an  Senkang 
der  Gebärmutter  und  erlitt  nach  einem  anstrengenden  Maraclie 
einen  bedeutenden  Vorfall  mit  den  Erscheinungen  der  Einklemmung. 
Die  7  —  8"  lange  und  5''  dicke  Geschwulst  hing  an  eiaem  2" 
langen  darmähnlichen  Stiele  zwischen  den  Schenkeln  herab,  wog 
fast  2  Pfund,  war  fest,  derb,  wie  ein  Fibroid.  Nachdem  ver- 
geblich die  Reposition  versucht  worden  war,  wurde  vier  Tage 
abgewartet.  Als  jedoch  das  Allgemeinbefinden  jetst  sehr  be- 
denklich wurde  und  der  Uterus  von  seiner  faulenden  Oberfläche 
einen  zunehmenden  Gestank  verbreitete,  nahm  Verf.  am  fünften 
Tage  die  Unterbindung  des  Stieles  (Vagina)  mit  einem  3  Linien 
breiten  Bändchen  in  der  Mitte  desselben  vor,  wickelte  den  Uteras 
in  mit  Chlorwasser  befeuchtete  Lappen  und  sorgtis  fiir  möglichst 
gute  Verpflegung.  Am  sechsten  Tage  war  der  Gestank  so  un- 
erträglich, dass  der  Uterus  1  Zoll  unterhalb  der  Ligatur  ab- 
geschnitten werden  musste.  Es  traten  kaum  bedenkliche  Symptome 
mehr  auf,  die  Kranke  erholte  sich  schnell  und  fuhr  schon  am 
sechsten  Tage  nach  der  Operation  nach  ihrer  nicht  fernen  Heimath. 
Vier  Monate  später  sah  Verf.  die  Frau  im  blühendsten  Zustande 
wieder.  Die  Vagina  war  nur  ein  blinder  Sack  und  es  erschien 
regelmässig  eine  schwache  Menstruation. 

Die  ezstirpirte  Masse  zeigte  bei  näherer  Untersuchung 
gleichmässiges ,  faserknorpelähnliches  Gewebe  mit  Blutgef&sa- 
verzweigungen  bis  zur  Federkieldicke.  In  der  Mitte  der  Masse 
fatid  sich  eine  flache ,  dreispitzige  H5hle  von  1  —  I  y^"  Durch- 
messer, der  Best  des  Cavum  uteri. 

(Allgem.  Wiener  Medic  Zeitung,  1868,  No.  26.) 


Havüand:   Ruptura  uteri. 

Verfasser  erzählt  einen  Fall  von  Ruptura  uteri,  bei  einer 
S6  Jahre  alten  Frau,  die  schon  acht  Mal  geboren  hatte.  Der 
Riss  erstreckte  sich  auf  der  hinteren  Seite  vom  Cervix  bis  nun 
Fundus  der  Gebärmutter;  das  ganze  Ei  war  vollständig  in  die 
Bauchhöhle  geschlüpft.  Haviland  ging  dann  durch  den  Riss  in 
die  Bauchhöhle  ein ,  fühlte  hierbei  beide  Nieren  der  Gebärenden, 
sprengte  hierauf  die  Eihäute  und  zog  dann  den  Fötus  an  den 
Füssen  durch  den  Riss  in  die  Uteriuhöhle  herein;  'er  eztrahirte 
hierauf  die  ganze  Frucht,  hatte  jedoch  bei  Entwickeinng  des 
Kopfes  mit  sehr  grossen  Schwierigkeiten  zu  kämpfen;  wie  sich 
dann  seigte>,  war  der  Fötus  hydrocephalisch.  Die  Wöchnerin 
starb  sechs  Tag  nach  der  Ruptur. 

(The  Lancet,  February  88,  1863.) 


XVII.    Notimeii  ans  der  Journal -Literatur.  227 

Thome:   Transfusion  mit  glückliebem  Erfolge. 

ITiome  wandte  die  Transfusion  nach  einem  Aborte  im 
siebenten  Monate  an.  Die  Placenta  war  von  ihm  gelöst  worden, 
die  vorb  ergeh  enden  Blntrerlnste  waren  jedoch  so  stark  gewesen, 
dass  der  fast  palslose  Zustand  der  Frau  die  Transfusion  als 
einzige  Rettangsquelle  erscheinen  liess.  Nach  einer  Injection 
▼on  nur  2  Unzen  Blnt  —  mehr  konnte  wegen  Ohnmacht  der 
Person I  an  welcher  der  Aderlass  gemacht  worden  war,  nicht 
erlang^  werden  —  konnte  der  Pnis  an  der  Temporalarterie 
dentlich  gesehen  werden.  Zwölf  Standen  nach  der  Operation 
■eigte  sieh  eine  geringe  Reaotion  (Puls  112,  voll),  die  jedoch 
keine  weiteren  Folgen  hatte. 

(The  Lancet,  March  7,  1863.) 


HtUmann:  Ein  Kaiserschnitt  mit  günstigem  Erfolge 
für  Mutter  und  Kind. 

Veranlassung  snm  Kaiserschnitte  gab  ein  osteomalacisches 
Becken.  Die  Operation  an  sich  bot  nichts  Eigenthümliches,  der 
Verlauf  des  Wochenbettes  war  überaus  günstig  und  Verf.  glaubt 
das  günstige  Ergebniss  sum  Theil  seinem  in  der  Praxis  bisher 
nicht  empfohlenen  Verfahren,  die  ganze  Bauchwnnde  vollständig 
und  fest  an  schliessen  anschreiben  zu  dürfen. 
(Deutsche  Klinik,  1868,  No.  31.) 


Traeid:  Vaginalpolyp  bei  einem  IV4  Jahre  alten  Kinde. 

Verfasser  wurde  an  einem  l'/g  Jahre  alten  Kinde  gerufen, 
das  angeblich  nicht  uriniren  konnte.  Er  fand  die  Harnblase  stark 
gefüllt,  die  Xusseren  Geschlechtstheile  geröthet,  heiss,  edematSs 
geschwellt.  Im  Scheideneingange  lag  ein  weicher  elastischer 
Körper  mit  glatter  Oberfläche  Yon  graublaurother  Farbe  und 
awar  so  fest  eingeklemmt,  dass  er  sich  weder  vor-  noch  rückwärts 
bringen  liess.  Dadurch  wurden  Harnröhre  und  Mastdarm  so  be- 
deutend gedrückt,  dass  das  Kind  schon  seit  ly.  Tagen  weder 
den  Urin  noch  den  Koth  entleeren  konnte. 

Mit*  wahrer  Kraftanstrengung  wurde  die  Geschwulst  aurück- 

gedrängt,  worauf  eine  bedeutende  Menge  Urin  von  selbst  abfloss. 

Jeder  Versuch,  die  Geschwulst  nach  aussen  zu  bringen,  misslang 

wegen  der  bedeutenden  Grösse   derselben.    Am  anderen  Morgen 

jedoch  war  unter  heftigem  Drängen  des  Kindes   die  Geschwulst 

au  Tage   getreten,  sie  hatte  die  Grösse  einer  Mannsfaust,  hing 

an  einem  kleinfingerdicken  Stiel,  war  bimförmig,  ihre  Oberfl&che 

rotbbl&ulicb,    theils    glatt,    glänaead,    theils    mit    Furchen    und 

15  ♦ 


228  XVII.    Notisen  ans  d«r  Journal •Literatar. 

Einschnitten  verMheo,  selbst  gelappt,  gefftssreioh,  die  Ooiiaiaf«DB 
fibrös,  sehr  gef&ssreich. 

D.er  Stiel  wurde  abgebunden    und    die   Geschwulst   fiel    am 
sechsten  Tage  ab.     Es  trat  vollständige  Heilung  bald  ein. 
(AUgem.  Wiener  medic.  Zeitung,  1863,  No.  30.) 


Hugenberger  sen.:  Bericht  über  die  Vorkommnisse  in 
dem  Hebammeninstitute  der  Grossfürstin  Helene 
Pawlowna  zu  St.  Petersburg  in  den  Jahren  1845 
bis  1859. 

In     genanntem    Zeiträume    wurden    8319    Schwangere    auf- 
genommen, 3  aus  dem  Vorjahre  übertragen.    Von  diesen  wurden 
entlassen   geheilt   von  Lungen-   und  Bauchfellentzündung  4,    von 
Metroperitonitis  2,  von  rheumatischem  Fieber  4,  von  Cholera  4, 
von  Blutungen  12,  von  Brustwassersncht  1,  nngeheilt  in  Kranken- 
häuser transferirt  1  Maniakalische  und  2  Syphilitische,  und  starben 
unentbunden  an  Cholera  9,  an  Lungenentzündung  1 ,  au  Lungen- 
schwindsucht 1 ,  an  Petechialtyphus  1 ,  an  Kxtranterinschwanger- 
schaft   2,    an    IJterinruptur    1,    an    acutem    Lungenödem    2,    an 
Brustwassersucht,    an   Kleinhirnabscess,    Meningitis  je    1.     Fünf 
an  der  Cholera  Verstorbene  befanden  sich  nahe  dem  rechtzeitigen 
Oeburtstermine    und    wurden,    da    der   Fötalherzschlag   noch   bis 
kurz  vor  ihrem  Tode  wahrgenommen  wurde,  nach  diesem  durch 
den  Kaiserschnitt  entbunden;  in  keinem  Falle  wurde  ein  lebendes 
Kind    gewonnen.      Mit    demselben    Resnltate    wurde    die    gleiche 
Operation    (resp.    Gastrotomie)    an    den    an    Meningitis,    Uterin- 
ruptur,    Hydrothorax  Verstorbenen   ausgeführt,   während   sie   bei 
den   beiden  an   Lungenödem   zu  Grunde  gegangenen  scheintodte 
Kinder    lieferte,    von    denen    das    eine    nicht    zu    vollkommenem 
Leben  zu  bringen  war,   das  andere  nach  14  Stunden  an  Lebena- 
schwäche   starb.     Von   den    beiden  Extrauterinschwangerschaften 
war  die  eine  abdominal  und  endete  nach  langwieriger  Peritonitis 
^und  Bildung  eines  Nabelabscesses  im   zehnten  Lunarmonate  mit 
dem  Tode  des  Kindes  und  darauf  der  Mutter,  die  andere  war  tnbar 
und  wurde  durch  den  im  siebenten  Monate  an  Lungentubercuiose 
erfolgten  Tod  der  Frau  beendet.    Von  erheblicheren  Krankheiten 
der  Hausschwangeren   wurden   überhaupt  beobachtet:  Blutungen 
von    drohendem    Abort    15    Mal,    von    Placenta    praevia    1    Mal, 
Mastitis  4  Mal,  Oophoritis  1  Mal,  Metroperitonitis  10  Mal,  Manie 
und    Melancholie    3    Mal,    Hysterie    6    Mal,     Epilepsie    3    Mal, 
Eclampsia  2  Mal,.  Cystitis  und  Dysurie  5  Mal,  Blutharnen,  Blut- 
husten je  1  Mal,  Bronchialcatarrh42Mal,  Lungen-  und  B nutfeil- 
entzündung   36    Mal,    Laryngitis    und    Tracheitis    1    Mal,    Kehl- 
Schwindsucht  6  Mal,  Lungenschwindsucht  18  Mal,  Wechselfieber 


XVXi.    Notttten  aus  der  Joaniml*LUenitor.  229 

17  M«l,  rhemnatisches  Fieber  36  Mal,  aenter  GeleDkrhemnatismiiB 
9  Mal,  Darmcatarrh  und  Ruhr  36  Mal ,  Cholera  62  Mal,  Typhus  und 
typhöse«  Fieber  17  Mal,  Variola  1  Mal»  acate  Meningitis  1  Mal, 
Icterus  5  Mal,  Herabeutelentsondung  1  Mal,  Erysipelas  6  Mal, 
Wassersucht  13  Mal,  ßrtyAi'sche  Krankheit  6  Mal,  Extrauterin- 
schwangerschaft  2  Mal,  Skorbut  1  Mal,  Syphilis  10  Mal,  Ver- 
krümmung der  Wirbelsäule  37  Mal,  darunter  24  Mal  rhachltischer 
Natur  (wobei  13  Mal  Verengerung  des  Beckens),  Kropf  3  Mal, 
Blödsinn  1  Mal,  Taubstummheit  6  Mal,  Blindheit  9  Mal,  Lähmung 
2  Mal,  yeraltete  Luxation  des  Hüftgelenkes  1  Mal. 

Geburten  erfolgten  8036,  wovon  184  mehrfache ,  und  lieferten 
8210Kinder,  daron 7712  lebend,  498  todt,  4240 Knaben,  3970 Mädchen. 
Ihre  mittlere  Daner  betrug  bei  Erstgebärenden  23,  bei  Mehr- 
gebärenden 16  Stunden.  In  Uebereinsttmmung  mit  dem  von  Veit 
und  Hedker  hinsichtlich  des  Einflusses  der  Tageszeit  auf  Beendigung 
der  Geburten  Aufgestellten  endeten  von  je  100  Geburten  31  Nachts, 
28  Abends,  24  Morgens,  17  Nachmittags.  In  Bezug  auf  den 
Geburtsmechanismus  wurden  beobachtet  (nach  ^as^e2s*scher 
Eintheilung)  7676  Hinterhauptslagen  (92,2  Procent),  davon  4966 
erste,  2620  zweite,  42  Gesichtslagen  (0,6  Procent),  davon  34  erste, 
8  zweite,  412  Beckenendlagen  (6  Procent  —  bei  6  Drillingen, 
119  Zwillingen,  89  vorzeitig  geborenen  Kindern),  davon  243  erste 
mit  dem  Kücken  nach  links ,  77  erste  mit  demselben  nach  rechts, 
73  zweite  mit  dem  Rücken  nach  links,  18  zweite  mit  demselben 
nach  rechts,  77  Querlagen  (0,9  Procent),  worunter  39  Mal  erste 
Schulterstellung  Kopf  links,  13  Mal  rechts,  17  Mal  zweite 
Sehulterstellung  Kopf  links,  8  Mal  rechts,  104  unbestimmte  Lagen. 
Von  ungewöhnlichen  Geburtsmechanismen  wurden  beobachtet 
Sehädellagen  mit  nach  rückwärts  rotirtem  Hinterhaupte  31  Mal, 
wovon  14  dritte  und  17  vierte  nach  dem  älteren  Schema  (von 
letzteren  gingen  8,  von  den  ersteren  7  in  Stirnlagen  über), 
Gesichtslage  mit  nach  rückwärts  rotirtem  Kinne  9  Mal,  davon 
6  dritte,  4  vierte  (keine  durch  die  Natur  allein  beendet),  erste 
Gesichtslage  mit  vierter  Scheitelstellung  alternirend  1  Mal ,  querer 
Kopfdurchtritt  38  Mal,  querer  Schulterndurchtritt  62  Mal,  doppelte 
Schulterndrehung  168  Mal,  Selbstentwickelung  der  Frucht  7  Mal 
(6  Mal  bei  unzeitigen,  meist  macerirten  Früchten,  das  siebente 
Mal  bei  einem  ausgetragenen,  während  der  Geburt  abgestorbenen 
Zwilling),  Selbstwendnng  6  Mal.  Bei  Schädellagen  fand  man 
133  Mal  eine  Hand,  4  Mal  beide,  3  Mal  Hand  und  Fuss,  1  Mal 
einen  Fuss  allein,  1  Mal  beide  Füsse,  1  Mal  beide  Füsse  und 
Hände  neben  dem  Hinterhaupte,  bei  Beckenendlagen  4  Mal  eine 
Hand,  3  Mal  beide  neben  dem  Steisse,  bei  Gesichtslagen  1  Mal 
eine  Hand  neben  dem  Munde ,  1  Mal  beide  Hände  neben  dem  Kinne. 

Bei  73  Gjassengeburten  zerriss  der  Nabelstrang  9  Mal; 
von  den  Frauen  erlitten  unbeträchtliche  Dammrisse  6,  erkrankten 
an  Puerperalprocessen  6,  von  denen  2  starben;  von  den  Kindern 


230  XVXI.    Notisen  aus  der  Journal- LUeratur. 

UBterlagen  ein  mit  dem  nachfolgenden  Kopfe  eteckeag^liebeiiea 
und  awei  mit  aerrisBener  Nabelschnur  au  Boden  gefallene. 

Von  mehrfachen  Geburten  fanden  statt  3  Drillinga- 
und  181  Zwillingsgeburten  (0,04  und  2,2  Procent).  Von  den 
Drillingsgeburten  erfolgte  die  eine  in  der  37.  Schwangersehafte- 
woche  nach  dreistündiger  Eroffnungszeit  in  10  Minuten  (8  MKdchen, 
das  erste  und  dritte  in  Kopf-,  das  sweite  in  Beckenendlage,  wogen 
zusammen  9  Pfund,')  gingen  wenige  Tage  nach  der  Geburt  zu 
Grunde,  —  zwei  Frucbtkuchen  yon  y,  und  1 V4  Pfund ,  der  letztere 
mit  einfacher  Leder-  und  doppelter  Wasserhaut),  die  andere  in  der 
27.  Woche  nach  Slsttindiger  Yorbereitungszeit  in  15  Minuten  (die 
zwei  ersten  Kinder  Knaben,  das  dritte  ein  Mttdchen-,  alle  drei 
in  Beckenendlagen,  Gesammtgewioht  6  Pfund,  starben  kurz  nach 
der  Geburt,  -^  zwei  Fruchtkuchen  von  Y,  und  1  Pfund,  der  den 
beiden  ersten  Kindern  gemeinschaftliche  hatte  einfache  Leder-, 
getrennte  Wasserhaut) ,  die  dritte  in  der  32.  Woche  nach  14stündig^r 
Eroffnungszeit  (die  beiden  ersten  Kinder,  Knaben,  wurden  in 
Kopflagen,  das  dritte,  Mädchen,  in  Beckenendlage,  die  beiden 
letzten  fünf  Stunden  nach  dem  ersten  geboren,  blieben  sämmtlich 
am  Leben,  Gesammtgewicht  isy,  Pfund,  -^  der  den  Knaben 
gemeinsame  Mutterkuchen  wog  2  Pfund  und  hatte  geschiedene 
Wasser-  und  LederhKute,  der  andere  war  %  Pfund  schwer). 
Nur  eine  Wöchnerin  erkrankte  au  leichter  Endometritis.  Die 
Zwillingsgeburten  betrafen  33  £rst%  und  148  Mehrgeb&rende. 
Von  den  Kindern  stellten  sich  zur  Geburt  beide  in  Kopflagen 
73  Mal,  beide  in  Beckenendlagen  24  Mal,  das  erste  in  Kopf-, 
das  zweite  in  Beckenendlage  50  Mal,  umgekehrt  17  Mal,  das  erste 
in  Kopf*,  das  zweite  in  Querlage  9  Mal,  umgekehrt  2  Mal,  das 
erste  in  Beckenend-,   das  zweite  in  Querlage  3  Mal,  umgekehrt 

1  Mal,   das  erste   in  Kopf-,    das   zweite  in  unbestimmter  Lage 

2  Mal.  Bei  164  Zwillingspaaren  erfolgte  die  Geburt  ann&hernd 
rechtzeitig,  bei  5  unzeitig,  bei  12  frühzeitig.  In  3  Fällen  war  der 
eine  Zwilling  ausgetragen,  der  andere  auf  früherer  Entwickelungs- 
stufe  abgestorben  (ein  zweimonatlicher,  1  Loth  schwerer,  in 
eigener  Wasserhaut  bei  gemeinschaftlicher  Placenta  sitzender 
Embryo  mit  noch  ungeschlossenen  Banchdecken,  ein  in  eigener 
Eihöhle  dem  gemeinsamen  Fruchtkuchen  ansitzender,  viermonat- 
lieber,  männlicher,  V4  Pfund  schwerer,  6  Zoll  langer,  mumificirter 
Fötus  mit  vollkommen  torquirter,  vier  Mal  fest  um  den  Hals 
geschlungener  Nabelschnur,  eine  sechsmonatliohe ,  2V4  Pfund 
schwere,  in  eigener  Eihöhle  befindliche  und  mit  eigener  Placenta 
versehene ,  mit  Hasenscharte  und  Gaumenspaltung  behaftete ,  stark 
macerirte  Frucht).  Das  schwerste  Zwillingspaar  wog  19,  das 
leichteste  ausgetragene  7  Pfund.    Die  Fruchtkuchen  waren  125  Mal 


1)   Die  Pfunde   sind   russische   Medicinalpiiinde,    welehe   mit   den 
Pfunden  des  alten  Nürnberger  Gewichts  übereinstimmen. 


XYII.    Motwen  «us  der  Jouiaal-Llleratar.  231 

geneloMliaftlieh  (grösttea  Oewielii  SVi  PAiad) ;  Ton  den  geirenatoa 
worden  nur  9,  je  nach  dem  betreffeBden  Kinde,  die  übrigen  eieis 
nach  Gebart  beider  noegestOMen.  Bei  160  näher  anterraobteD 
Fällen  ergab  in  104  gemeinschaftliche  Plaoenta  mit  ▼oUttändig 
getrennten  EililUiten  76  Mal  gleiches,  28  Mal  nngleiohes  Qe« 
schlecht.  In  64  getrennte  Placenta  und  Bihäate  38  Mal  gleiches, 
31  Mal  Terschiedenes  Geschlecht ,  in  awei  gemeinsame  Placenta, 
eine  Lederhant,  awei  Amnien  gleiches  Geschlecht.  Die  küraeste 
Daner  des  Gebnrtsgescbäftes  betrog  2 V«*  ^«  längste  104  Stunden; 
die  Gebart  des  s weiten  Kindes  erfelgte  im  Darohschnitte  nach 
V,  Stande.  Sechs  sweite  Zwillinge  worden  in  der  Gläckshaabe 
geboren.  Von  den  Kindern  worden  814  lebend  (18  soheintodt 
ond  wiederlebt,  82  lebensschwach),  82  todt,  16  todtfaal  geboren. 
Von  den  Müttern  erlitten  16  Blutongen  in  der  Naohgebortsperiode, 
an  Poerperalprocessen  erkrankten  26  and  starben  2,  an  schon 
vor  der  Gebort  bestandenen  Krankheiten  litten  16  and  starben  8. 
Molengeborten  worden  8  Mal  beobachtet  (0,04  Pro oent). 

2  erfolgten  bei  Erstgeschwängerten  im  vierten  Monate  nach  circa 
24stfindiger  Geburtsdaoer  und  onter  beträchtlichem  Blatverlaste 
(t  Fleisch-,  1  Hydatidenmole) ,  die  dritte  bei  einer  Mehr* 
geschwängerten  im  dritten  Monate  nach  44 ständiger  Wehendaoer, 
ebenfalls  anter  starker,  schon  in  der  Schwangerschaft  wiederholt 
aufgetretener  Blatang  (gänseeigrosse  Mole,  flüssiges  Blut  enthaltend, 
mit  mehreren  nusegrossen,  fleischigen,  traubenartig  gestielten 
Körpern  an  der  Innenfläche).  Alle  8  Wöchnerinnen  blieben  gesund. 

Abort  hatte  21  Mal  statt  (0,8  Procent),  bei  4  Erst-  und 
17  Mehrgeschwängerten,  8  Mal  im  aweiten,  4  Mal  im  dritten, 
14  Mal  Im  vierten  Schwangerschaftsmonate.  Stärkere,  aar 
Tamponade  nöthigende  Blutungen  traten  dabei  nur  2  Mal  auf. 
Drei  Eier  aus  dem  vierten  Monate  barsten  b%i  der  Geburt,  die 
übrigen  wurden  unverletst  ausgestossen.  Als  Ursache  der  Fehl- 
geburt Hess  sich  4  Mal  Apoplexie  des  Eies,  sonst  meist  körper- 
liche Anstrengungen  und  Gemüthsbewegungen  ermitteln. 

Unaeitige  und  frühseitige  Geburten  kamen  414  Mal 
vor  (6,1  Procent),  bei  140  Erst-  und  274  Mebrgebärenden.  Von 
den  Früchten  (darunter  1  Mal  Drillinge  und  17  Mal  Zwillinge) 
waren   22   ans   dem    fünften   Monate   (7  Kopf-,    10  Beckenend-, 

3  Quer-v  2  unbestimmte  Lagen),  72  aus  dem  sechsten  (86  Kopf-, 
80  Beckenend-,  2  Quer-,  4  unbestimmte  Lagen),  76  aus  dem 
siebenten  (62  Kopf-,  28  Beckenendlagen),  169  aus  dem  achten 
(120  Kopf-,  82  Beckenend-,  4  Quer-,  8  unbestimmte  Lagen), 
96  aus  dem  neunten  (89  Kopf-,  14  Beckenend-,  2  Querlagen). 
Das  mittlere  Gewicht  der  in  Beckenend-  und  Querlagen  geborenen 
uoseitlgen  Früchte  betrug  1,6,  der  frühseitigen  4^1  Pfund,  während 
die  in  Kopflagen  geborenen  unaeitigen  ein  Durchschnittsgewicht 
von  2,6,  die  frühseitigen  von  6,1  Pfund  besassen.  Als  Ursache 
der  Schwangerschaftfunterbreohong  wurden  am  häufigsten  An- 


232  XVII.    Notiken  Ras  der  Jotirnal-Literfttiir. 

strengODg  od«r  Erschfitternng  des  KSrpen  und  heftige  GemStfa»- 
bewegnng  angesehen,  von  Krankheiten  Oholera,  aente  EntsSndnngen, 
Diarrhoen  nnd  Rnhr,  Schwindincht,  Syphilis,  Wassersneht,  — 
Ton  Seiten  der  Fmeht  habxtaelles  Absterben  (17  Mal),  MonstrositSt 
(tl  Mal),  Zvrillinge  und  Drillinge  (18  Mal),  Plaeentartrennnng 
(6  Mal),  PlacenU  praevia  (18  Mal),  Fettplaeenta  (16  Mal),  Kalk- 
ablagernngen  in  der  Placenta  (21  Mal).  Fibrinablagemngen  in 
derselben  (16  Mal),  Infiltration  ihrer  Zotten  (8  Mal),  Oedem  de« 
Pmchtknchens  (8  Mal),  Apoplexie  desselben  (18  Mal),  Plaeentitis 
mit  plastischer  Bxsndation  (9 Mal),  Torsion  der  Nabelsehnnr  (11  Mal), 
Obllteration  ihrer  GefÜsse  (3  Mal),  Hydramnios  (5  Mal).  Von 
den  Müttern  erlitten  bedentendere  Blntnngfen  6,  erkrankten  an 
▼ersehiedenen  Pnerperalprocessen  58;  ron  diesen  starben  12, 
ausserdem  32  an  den  die  Schwange rsehafts an terbrechnng  be- 
dingenden Krankheiten  (11  an  Cholera,  3  an  Durchfällen,  5  an 
Typhus,  4  an  Wassersucht,  2  an  acuten  Entsundungeh ,  4  an 
Erschöpfung  naoh  Blutungen  bei  Placenta  praevia,  8  an  Lungen- 
tuberculose).  Von  den  unseitigen  Frachten  wurden  36  todt 
geboren,  63  todtfaul,  70  lebend;  ron  letsteren  starben  noch  in 
der  Anstalt  54  an  Lebensschwäche.  Die  Frühgeburten  lieferten 
36  todte,  66  todtfanle,  162  lebende  Kinder;  Ton  diesen  starben  41 
bald  nach  der  Geburt 

Von  Anomalien  der  Wehenthätigkeit  wurde  beobachtet 
Wehenstnrm  3<2  Mal,  hei  3  Erst-  und  27  Mehrgebftrendein,  mit  einer 
Gebnrtsdauer  von  15  Minuten  bis  2  Standen.  Nach  der  Gebart 
trat  2  Mal  Blutung  ein,  2  Frauen  erkrankten  an  Puerperal- 
processen, keine  starb.  Drei  Kinder  wurden  todt  geboren, 
▼on  denen  eines  betrUchtliche  Fractnren  der  Schädelknochen 
seigte,  2  scheintodt  und  nicht  wiederbelebt;  bei  einem  au  Boden 
gefallenen  serrfss  die  Nabelschnur  ohne  nachtheillge  Folgen. 
WehenschwRche  277  Mal,  bei  135  Erst*  und  140  MehrgebSrenden, 
in  Form  ron  Asthenie  der  Gebärmutter  160  Mal,  ron  Adynamie 
und  Atonie  93  Mal,  von  Ezhaustion  und  Parese  22  Mal,  ron 
vollkommenem  Zuräckgiehen  der  schon  begonnenen  Geburt 
2  Mal  (1  Mal  auf  14  Tage  [Kind  8  Pfund],  1  Mal  auf  21  Tage 
[Kind  9  Pfund]).  Als  Causalmoment  findet  man  für  die  meisten 
Fälle  welke  Muskulatur  des  Uterus  angeführt,  ausserdem 
Mehrzahl  der  Frucht,  Hydramnios,  Beckenendlagen,  meefaa- 
nische  Geburtshinde misse,  Frühgeburten,  Blutungen,  Rheuma- 
tismus uteri,  hydrämische  Zustände,  Durchfälle  und  Cholera. 
Von  den  Wöchnerinnen  erkrankten  81  an  verschiedenen 
Puerperalproceslen  und  starben  15;  von  den  Kindern  wurden 
16  scheintodt,  35  todt  (7  macerirt)  geboren. 
Wehenkrampf  309  Mal,  bei  194  Erst-  und  115  Mehrgo bärenden, 
und  swar  in  Form  von  allgemeinem  Krämpfe  des  Gebärorgans 
828  Mal,  von  Strioturen  73  Mal,  von  Tet-anus  uteri  8  Mal. 
.    Als  Ursachen  werden  beseichnet  neben  allgemeiner  und  örtlicher 


XVII.    Notisen  aus  der  Journal 'Literatur.  293 

BlntfUlle  am  lAufigsUn  RigidttKt  der  Geburtswege,  sodann 
▼erfrfihter  Wasserabfioss,  Zwillinge,  Beekenend-  QueHagen, 
Beekenenge,  Torfaergegangene  kunstwidrige  Behandlung  dureb 
Pfuseherinnen  ausserhalb  der  Anstalt.  Hinsiehtlieh  der  Be* 
bandlung  wird  der  Oh  loro  form  Inhalationen  rfihmlich  erwtthnti 
Von  den  Wöchnerinnen  erkrankten  180  und  starben  47;  von 
'den  Kindern  wurden  10  seheintodt,  46  todt,  11  todtfani  geboren. 
Wehenhype rXsthesie  82  Mal,  bei  514  Brst-  und  8  MehrgebKrenden, 
14  Mal  in  Folge  von  Metritis  (6  Frauen  starben  an  Puerperal- 
processen), 2  Mal  Ton  OebKrmutterkrebs,  .1  Mal  von  Fibroid 
derselben  (die  betreffenden  8  Frauen  starben).  Ein  Kind 
fcodtfaul,  2  todt,  2  scheintodt. 
WehenanÜsthesle  8  Mal ,  bei  2  vollkommen  betrunkenen  Frauen, 
welche  ohne  jede  Empfindung  gebaren  (die  eine  in  5  Stunden 
ein  reifes  macerirtes,  die  andere  in  8  Stunden  ein  lebendes 
Kind)  und  ein  normales  Wochenbett  überstanden,  und  bei 
einer  blödsinnigen,  welche,  von  einem  todten  Kinde  mit  der 
Zange  entbunden,  an  Puerperalfieber  starb. 

Zu  feste  Eihäute  wurden  138  Mal  gefunden  (85  Mal  künst- 
lich gesprengt,  42  Mal  GIfickshaube,  6  Mal  wnrde  das  ^i  in 
seiner  Totiilttfit  ausgcstossen  [bei  2  Zwillingen  und  4  Früchten 
aus  dem  achten  bis  neunten  Monate]).  Bin  Mal  wurde  carnöse 
Beschaffenheit  der  ausserdem  durch  Zellgewebsneubildungen  an 
der  InnenflHche  des  Uterus  angelötheten  Velamente  in  einer 
Ausdehnung  von  8  Zoll  rings  um  die  Placenta  beobachtet,  was 
ihre  operative  Trennung  erforderlich  machte.  Vorzeitiger  Wasser- 
abflnss  fand  216  Mal  statt.  Zu  grosse  QuantitÜt  des  Frucht- 
wassers fand  sich  in  69  Füllen  (in  16  derselben  mit  gleiehueitigvn 
hydropischen  Schwellungen  der  Eztremitliten,  Genitalien  und  des 
Gesichts,  und  darunter  bei  8  eclamptisohen  Zwillingsgebtrenden), 
ging  stets  mit  Respirationsbeschwerden  und  Wehenanomalien 
einher  und  war  in  12  Fällen  von  Blutungen  in  der  Nachgeburts- 
periode oder  im  Wochenbette  gefolgt.  Zu  geringe  Menge  29  Mal 
(in  einem  besonders  eclatanten  Falle  mit  Pedibus  varis  der  Frucht). 
Nabelsohnnrvorfall  ereignete  sich  68  Mal  (0,8  Prooent), 
bei  10  Erst-  und  67  MehrgebXrenden,  bei  26  Schädel-,  1  Gesichts-, 
27  Beckenend  ,  14  Querlagen,  10  Mal  bei  Zwillingen,  bei  einer 
Drill ingsgebnrt  2  Mal,  um  das  Dreifache  häufiger  bei  marginaler 
Insertion,  als  bei  centraler,  bei  Hydramnios  14  Mal,  sugloich 
mit  Vorfall  einer  oberen  Extremität  14  Mal  —  und  erheischte 
Wendung  mit  nachfolgender  Aussiehung  18  Mal,  Zangenapplieation 
an  den  vorausgehenden  Kopf  11  Mal,  Manualextracfcion  bei 
Beckenlagen  12  Mal  (2  Mal  mit  Zangenentwickelung  des  Kopfes); 
die  Reposition  gelang  in  18  Fällen;  von  16  ohne  Knnsihiilfe  Ver- 
bliebenen Fällen  endeten  8  glücklich  durch  energische  Wehen- 
thätigkeit,  die  übrigen  8  betrafen  unreife  oder  bereits  todte  Kinder« 
In   2    FUllen    von   Vorliegen   des   Nabelstranges    trat   spontanu 


234  ^VIL   NoiUea  ans  der  Joiunua«Lilenitttr. 

B«po«ilion  «in.    Von   den  Kindern   kamen  eoheiniedt  sar  Welt 
nnd  worden  wieder  belebt  11 «  todi  geboren  wniden  S4,  davon  17 
f  öhoa  todt  enr  Beebaehtony  gekommen.   Die  Seetion  der  wlihrend 
der    Oebnrt    abgestorbenen    seifte    eonstant    Hypesfanien    nnd 
Apoplexien  des  Gebims,  meist  aacb  Blntiiberföilnag  in  L«Ag«n 
nnd  lieber.     Umscblingong   der  Nabelscbnar   wurde   1084  Mal 
beobaehtet  (12,4  Pro cent),  —  $78  Mal  einfach,  196  Mal  sweilach, 
39  Mal  dreifach,  9  Mal  vierfach,   1  Mal  fünffach  um  den  Hai«, 
43  Mal  einfach  am  Hals  nnd  Bnmpf ,  64  Mal  einfach  nm  Rmmpf 
nnd  Extremitäten.    In  21  Füllen  mnsste  die  Nabelscknnr  wegen 
OebnrtsTersögemng  nach  geborenem  Kopfe  dnrchsohnitten  werden ; 
in    28    bewirkte    ihre   UnischliDgnQg    qaeren   Durchtritt,    in   54 
doppelte  Drehung  der  Schultern;  22  Kinder  wurden  scheintodt, 
10  todt  geboren  (von  letsteren   bei  swei-  nnd  fünfmaliger  Um- 
seblingnng  je  1,  bei  dreimaliger  2,  bei  viermaliger  6). 

102  NabeUtr&nge  maassen  swischen  88  und  60''  (dabei  kMmäg 
Umschlingnngen,  11  Mal  Vorfall),  ö3  awischen  2  und  9"  (dabei 
1  Mal  Zerreissung  bei  todtfauler  Frucht,  2  Mal  Metrorrhagien). 
Velamentöse  Insertion  der  Nabelschour  fand  man  9  Mal  (1  Kind 
scheintodt  geboren  bei  Gefassserreissungen  durch  den  Blasen« 
spmng),  Stenose  21  Mal  (18  Mal  durch  Torsion  [7  Mal  unvoU- 
siXndige  —  reife,  lebende  Kinder,  11  höheren  Grades  ^—  unaeitige 
Geburt  macerirter  Früchte],  3  Mal  durch  atheromatöse  Processe 
an  ihren  Arterien  mit  nachfolgender  Obliteration  [unaeitige, 
raaoerirte  Früchte]),  Zerreissung  9  Mai  (2  Kinder  todt). 

Von  Anomalien  der  Placenten  findet  man  angegeben 
32  Mal  Pettdegeneration,  69  Mal  Kalk-,  20  Mal  Fibrinablage  rangen, 
3  Mal  Infiltration  der  Zotten,  8  Mal  Oedem,  13  Mai  Apoplexie, 
17  Mai  Entaündung  und  Hepatisation,  32  Mal  abnormes  Gewicht 
(27,-3  Pfund,  in  13  Fällen  dabei  Nebenfruohtkuchen) ,  90  Mal 
Betention  (in  43  Fällen  durch  sn  feste  Adhäsion  oder  Accretio«, 
in  den  ihrigen  durch  Stricturen  der  Gebärmutter,  in  allen 
operative  Entfernung). 

Von  Abweichungen  von  Seiten  des  Fötus  beobachtete 
man  abnorme  Grösse  323  Mal  (Gewicht  10»  16  Pfund),  habituelles 
Abslerben  17  Mal  (dasselbe  betraf  4  M»l  den  sechsten,  6  Mal 
den  siebenten,  6  Mal  den  achten,  je  1  Mal  die  Mitte  des  neunten 
nnd  den  Anfang  des  sehnten  Lunarmonates  und  ereignete  sieh 
ohne  nachweisbare  Ursache  snm  sweiten  bis  sechsten  Male,  — 
10  Früehte  wurden  todtfaul,  6  todt  geboren;  2  hält  man  für 
gerettet,  die  eine  durch  Einleiten  der  Frühgeburt  vor  ihrem  an 
erwartenden  Absterbin ,  die  andere  durch  tonisirende  Behandlung 
der  Mutter),  Hfdrocephalns  14  Mal  (6  Mal  combinirt  mit  Spina 
bifida,  1  Mal  eben  damit  und  mit  Atresia  ani ,  1  Mal  mit  doppeltem 
Jjagophthalmns  —  11  in  Kopf-,  3  Mal  in  Steisslage  —  8  Mal  lebend 
geboren  -~<  1  Mal  Zange  am  vorausgehenden,  1  Mal  am  nach- 
folgenden Kopfe,  1  Mai  Punotion,  3  Mal  Kephalothrypsie),  Bauch- 


XVII.   NotiMo  aiu  der  JonnwI-Literstor.  285 

WMMnucht  1  Mal  (der  18"  im  Umfaiife  metsende  Üaterlelb  der 
8  Pfund  vchweren  todten  Fmeht  mühsam  mannell  entwtekelt), 
OhrapeieheldrÜtenbypertropfaie  1  Mal,  Hemieephalns  8  Mal  (belral 
steta  an  früh  preboreoe,  todtfanle  Fruebte),  Exeneepbalna  1  Mal 
(awei  hühnereigrosae  Gesehwültte  aas  der  äiiroaabt  aber  das 
Gesieht  des  lebenden  Kindes  ragend) ,  Spina  bifida  4  Mai  (an  den 
Lendenwirbeln  lebender  Kinder),  Hasenscharte  und  Wolfsraehen 
6  Mal,  Atrophie  eines  Aagapfels  2  Mal,  Zwergbildnng 2  Mal  (1  Mal 
bei  einer  fÜnfmonatlieben  Fracht,  1  Mal  bei  einem  10  PAind 
schweren  reifen,  lebenden  Kinde),  Atresia  ani  6  Mal  (bei  2  lebenden 
Kindern  gleichaeitig  mit  Cloakenbildang  and  bei  3  todten),  Atresia 
arethrae  1  Mal  (darchstochen  and  geheilt),  Epi-  and  Hypospadiaens 
4  Mal,  7  Finger  and  7  Zehen  beiderseits  1  Mal,  doppelter  Danmen 
oder  fünfter  Finger  6  Mal,  rollkommene  Verwachsang  Ton  Zeige- 
and  Mittelfinger,  Verwachsang  von  4  Fingern  bis  aar  s weiten 
Phalanx  je  1  Mal,  Klampfüsse  beiderseits  6  Mal,  KlampbKnde  8  Mal. 
Die  weichen  Gebart swege  betreffend  begegnete  man 
Unnachgiebigkeit  and  Straffheit  des  Dammes  62  Mal  (nnr  bei 
Brstgebftrenden ,  yorafiglich  Klteren  —  die  Behandlung  bestand  in 
Bfthnngen,  Scarificationen ,  Darchleiten  des  Kopfes  mittels  der 
Zange  —  Dammrisse  erfolgten  dabei  12),  Entsfindang  der  Genitalien 
17  Mal  (Bähnngen,  Zange),  Oedem  derselben  48  Mal  (6  Mal 
Scarifioation  erfordernd),  betrüchtliche  Varices  14  Mal  (1  barst, 
setate  eine  starke  Blatang  and  hinterliess  ein  Geschwür),  Blnt- 
Infiltration  der  Schamlippen  nach  geborstenem  Scheidenvarix 
2  Malj  Schamlippenbrach  1  Mal,  Vorfall  der  Scheide  anter  der 
Gebart  4  Mal  (1  Mal  mit  nachfolgender  langwieriger  nloeratirer 
Scheidenentsündang),  Cystocele  vaginalis  1  Mal,  balkenfürmiger 
Verschluss  der  Scheide  durch  ein  fingerdickes,  derbes  Ligament 
1  Mal  (bei  der  Gebart  durch  den  Kopf  abgedr&ngt),  Atresie  und 
Stenose  der  Scheide  2  Mal  (das  eine  Mal  war  dieselbe  dareh 
knorpelharte  Einlagerungen  in  einer  Ausdehnung  von  1'/,"  und 
in  einer  kaum  den  Durchgang  der  Uterussonde  gestattenden 
Weite  verengt,  das  andere  Mal  durch  einen  knorpeligen,  1"  hohen 
Narbenring  bis  auf  Vi''  ^i»  Durchmesser,  —  in  beiden  Fällen 
musste  die  Eröffhang  durch  Incisionen  angebahnt  werden) ,  Atresie 
und  Stenose  des  Muttermundes  2  Mal  (1  Mal  wurde  bei  Ter- 
strichener  Vaginalportion  der  Muttermund  durch  eine  dünne 
Membran  verschlossen  gefunden  und  mit  dem  Troikart  erSffiset, 
ein  Mal  knorpelige  Faserstränge  im  Matte rmundarande  blutig 
getrennt),  Callositftt  des Muttermundrandes  8 Mal  (durch  Incisionen 
behoben),  Sigiditat  desselben  49  Bfal  (warmeh  Injectionen,  Bella- 
donnabougies ,  Opiaten  weichend),  Fibroid  der  Gebärmutter  2  Mal 
(in  dem  einen  Falle  ein  1  %  Pfund  schweres  interstitielles  Fibroid 
de«  Gebärmnttergmndes,  welches  bei  der  Section  einer  nach 
langer  Geburtsdauer  von  einem  lebenden  Kinde  Entbundenen  und 
im    Wochenbette    an   Metroperitonitis    an   Grande   Gegangenen 


236  XVII.    Notifeen  ans  der  Jonrnia- Literatur. 

gefunden  w«rde ,  —  im  anderen  maeliten  sieli  Tier  ble  fBaf  barte, 
bis  Inibnerei  grosse  Herrorragangen  am  GebftrmiitteTgroade  be- 
merlclioh,  die  Geburt  wurde  von  einer  befugen  Blutung  gestört), 
Krebs  derselben  2  Mal  (dabei  1  Mal  Snsserst  sebmersbafte,  langsam 
wirkende  Wehen,  1  Mai  Verblntungstod  der  Frau  swei  Stunden 
nach  der  Entbindung),  BetroperitonKalabsoess  1  Mal  (Tod  der  Frau 
ewei  Stunden  nach  der  Zangeneztration  der  todtfaulen  Fmebt), 
OebKrmutterrupturen  6  Mal  (bei  4  Schulter-  und  2  Kopflagen;  die 
Kinder  wurden,  6  dnreh  Wendung  und  Eztraetion,  1  durch  die 
Qastrotomie ,  todt  entwickelt;  von  den  Frauen  starb  Tor  der  Ent- 
bindung, 10,  12,  24,  60  Standen,  10  Tage  nach  derselben  je  1)» 
Dammrisse  82  Mal  (davon  keine  eentral  oder  bis  in  den  Scbliess- 
mnskel  des  Afters  sich  erstreckend,  —  die  unbedeutenderen 
worden  durch  Lapiscauterisationen,  von  den  erheblicheren  12 
dureb  Anlegung  ron  Serres  fines,  28  durch  die  meist  ton 
Collodinmbepinselungen  nnterstiitste  blutige  Naht  gebeilt). 

Verengte  Becken  wurden  bemerkt  94  (1,2  Froeent), 
und  swar 
gleichmKssig  und  ungleichmässig  allgemein  verengte,  Conj.  vera 
3"_3>/^",  45  (5  Geburten  verliefen  dabei  ohne  Kunsthftlfe, 
26  wurden  durch  die  Zange,  2  durch  Wendung  und  Ex- 
traction,  1  durch  Wendung,  Eztraetion  und  Kepbalothrypsie, 
1  durch  Embrynloie  beendet,  1  Mal  wurde  die  kfinstlicbe 
Frühgeburt  eingeleitet,  —  von  den  Müttern  erkrankten  26 
und  starben  18,  von  den  Kindern  wurden  24  lebend  [4  starben 
kiirs  darauf],  13  todt,  8  todtfaul  geboren), 
theilweis  verengte  oder  platte,  Conj.  vera  3'//' ^8'//'»  24  (3  Ge- 
burten endeten  ohne  Kunstbülfo,  2  durch  manneile  Eztraetion, 
16  durch  die  Zange,  1  durch  Wendung,  Eztraetion  und 
Kophalothrypsie,  2  durch  Perforation  und  Kephalothrypsie,  — 
von  den  Frauen  erkrankten  18  und  starben  6;  es  wurden 
16  lebende  [4  bald  darauf  gestorben],  6  todte,  2  todtfaule 
Kinder  geboren), 
schrägverengte,  Conj.  vera  3'//' — 8*/|",  4  (3  Geburten  durch 
die  Zange  beendet,  1  durch  die  Natur,  —  von  den  Frauen 
erkrankten  3  und  starb  1,  3  Kinder  wurden  todt,  1  todtfani 
geboren,  —  1  Becken  wurde  bei  der  Section  als  NaegeU^sches 
constatirt,  während  die  übrigen  als  solche  vermuthet  wurden), 
rhachitisohe,  Conj.  vera  ^^/^  —^*U\  18  (8  Geburten  ohne 
Kunsthnlfe,  6  durch  die  Zange,  1  durch  Wendung  und  Ez- 
traetion, 3  durch  Perforation  und  Kephalothrypsie  beendet, 
6  Mal  Einleitung  der  Frühgeburt,  —  von  den  Müttern  er- 
krankten 11  und  starben  4,  —  Kinder  wurden  geboren 
13  lebende  [davon  2  bald  darauf  gestorben]«  6  todt,  1  todtfaul), 
Beckenezostose  1  Mal  (bei  einer  Conj.  vera  von  S"  Verkursnng 
des  rechten  schrägen  Durchmessers  durch'  deutlich  wahr- 
nehmbare  spitae    und   höckerige  Knochefiauswfiehse  ao  der 


XYII.    Notben  ans  dar  Joamal- Lite  rata  r.  237 

Innenfl&ehe  clat  horiBOiitaleii  Astes  das  Unken  Sohanbefaes  — 
Extraction  des  todtfaulen  Kindes  mit  der  Zange  —  ansgebreitete 
fiznloeraüonen  der  Scheide,  Endometritis,  Qenesnng), 
spondyiolistbetisehes  Backen   1  Mal   (falscher  Vorberg,   darcb 
den  dritten  und  vierten  Lendenwirbel  gebildet,  Oonj.  sp.  3"  — 
könstliche    Frühgeburt    naeh    Schweighäuaaw-Ovhtn    in    der 
86.  Sehwangersehaftswoche  —  die  Mutter  starb  an  Puerperal- 
fieber, das  Kind  blieb  am  Leben), 
BeckenTerengerung  durch Litbopädion  IMal  (der  ossifieirte  Fötus 
sass  in   einer  8'/,"  langen,   2%"  breiten,   2''  dicken  Kyste 
dem  rechten  KrensbeinflUgel  und  der  Hüftkreuabeinfuge  auf  — 
Kaiserschnitt — Kind  lebend,  dieMutterstarbam  sechsten  Tage). 
Blutungen   (mit  Ausschluss  der  von  Placenta  praevia  und 
Ton  Verletaungen  herrührenden)  kamen  282  Mal  vor  (8  Procent  — 
bei  47  Erst-  und  186  Mebrgebärenden ,  64  Mal  in  dei  Eröffnungs- 
und Austreibungsperiode  [1  Mal  Gefassserreissnng  der  velamentös 
inserirten  Nabelschnur,   1  Mal  Qebärmutterfibrold,  2  Mal  Gebftr- 
mutterkrebs,  2  Mal  Berstung  eines  Scheid envariz,  8  Mal  Molen- 
geburten, 21  Mal  Abort,  6  Mai  Frfihgeburten ,  18  Mal  voraeitige 
Lösung  des  Fruchtkuchens],   162  Mal  in  der  Nachgeburtsperiode 
[1  Mal  theilweise  Accretion   bei   trilobulürer  Form   der  Placenta, 
8  Mal  desgL  bei  vorausgegangener  Placentitis,  6  Mal  desgl.  bei 
Kalkablage rnngen  in  der  Placenta,   20  Mal   theilweise    su  feste 
Adhäsion    derselben,   86  Mal  Incarceration    der  Placenta   durch 
Stricturen    des   Uterus,    d8  Mal   Atonie   desselben],   16  Mal   im 
Verlaufe    des  Wochenbettes    [1    Mal '  heftige    Gemüthsbewegung, 
1   Mal  anrückgebliebener  Neben mutterkuchen,  8  Mal  verhaltene 
Kachgebartsreste,  6  Mal  mangelhafte  Involution  des  Uterus],  — 
von  den  Kranken  ging  eine  Krebskranke  an  Verblutung  au  Grunde, 
66  erkrankten  an  Puerperalproeessen,  wovon  14  starben). 

Eclampsie  wurde  38  Mal  beobachtet  (0,4  Procent  —  bei 
26  Krst-t  7  Mehrgeschwängerten,  2  Mal  in  der  Schwange rschaft, 
21  Mai  während  der  Geburt,  10  Mal  im  Wochenbette,  ~  in  18 
genau  beobachteten  Fällen  konnte  nur  6  Mal  Brigkl' sehe  Krank- 
heit constatirt  werden,  —  hinsichtlich  der  Behandlung  der  An- 
falle erwiesen  sich  hauptsächlich  allgemeine  und  örtliche  Blut- 
entsiehungen ,  sowie  Chloroforminhalationen  als  von  Nutsen,  — 
von  den  Frauen  starben  12,  wovon  4  an  hinangetretenen  Puerperal- 
processen; von  87  Kindern  (4  Mal  Zwillinge)  wurden  12  todt 
geboren,  davon  2  todtfaul). 

Ausserdem  wurden  Co nvulsionen  beobachtet  4  Mal  hyste- 
rischer, 8  Mal  epileptischer  Natur,  7  Mal  in  Folge  acuter  Uimhaut- 
entaündung. 

Die   Gesammtaabl   der  Operationen   betrug  766,  —   es 
wurde  aaigefiährt 
Sprengen   der  Eihäute   126  Mal  (86  Mal   bei  au  derber  Be- 
schaffenheit derselben,  22  Mal  bei  Hydramaios,   16  Mul  bei 


338  XVII.   VotfMU  «Ol  der  /onmal-Litenilar. 

PUiMBto  prMiTi»,  4  Kai  bdi  fraksoHiger  L5muif  det  Pracht- 
koehMis), 

Lotung  der  PUeeoto  184  Mal  (43  IUI  b«i  ni  fetter  AdUsioa 
und  Acoretion,  47  Kai  bei  krampfbafter  Binsekiifimug,  44  Hml 
bei  Atonle  dea  Ute  ms), 

Episiotomie  10  Kai  (bei  rigidem  Damm), 

Soarifieatlon  der  Schamlippen  6  Kai  (bei  hochgradigem  Ocdem 
dereelben), 

Scarifieation  der  Scheide  8  Kai  (bei  Atreeie  dereelben), 

Soarification  dee  Kattermnndes  10  Kai  (2  Kai  bei  Atreeie,  8  Kai 
bei  Callofität  desselben), 

Application  der  Zange  an  den  rorausgehenden  Kopf  248  Kai 
(bei  161  Erst-,  81  KehrgebKrenden,  66  Kai  bei  Wehen- 
schwäche, 60  Kai  bei  Rigidität  des  Dammes,  62  Kai  bei 
Beokenenge,  89  Kai  bei  grossen  Rindern,  1  Kai  bei  Hydro- 
cephalas  congenitns,  18  Kai  bei  erschwerter  Rotation  de« 
Hinterhauptes,  6  Kai  des  Gesichtes,  14  Kai  bei  Bolampsie, 
8  Kai  bei  Nabelsehnnrrorfall,  8  Kai  bei  Ketritis,  2  Kai  bei 
Yorseitiger  Placentalösnng,  -—  88  Kai  stand  der  Kopf  im 
Beckeneingange,  124  Kai  in  der  Beckenhdhle,  S6  Kai  im 
Beckenausgange,  —  StellnngsTerbesserang  durch  Rotation 
wurde  82  Kai  gofibt,  —  von  schon  krank  aur  Geburt  ge- 
kommenen Kattem  starben  12,  von  den  dbrigen  erkrankten  88 
und  starben  28,  —  von  den  Kindern  wurden  161  lebend, 
28  Bcheintodt,  40  todt,  14  fauUodt  geboren), 

Extraction  bei  Beckenendlagen  101  Mal  (bei  46  Erst-  und 
60  Mehrgebärenden,  60  Kai  bei  adgemdem  Dnrchtritte  der 
oberen  Körperhälfte,  41  Kai  Folle  Extraction  [18  Mal  bei 
Wehenschwäche,  12  Mal  bei  Nabelschnurrorfall ,  4  Kai  bei 
Placenta  praevia,  4  Mal  bei  Edampsie,  2  Mal  bei  Becken« 
enge ,  1  Mal  bei  Wasserkopf),  —  der  Kopf  wurde  12  Mal  durch 
den  modificirten  StneÜie^uchen,  66  Mal  durch  den  Pmger 
Handgriff,  84  Mal  mit  der  Zange  entwickelt,  —  ron  den 
Frauen  starben  je  2  an  Placenta  praeria  und  Eclampsia, 
16  erkrankten  an  Puerperalprocessen,  wovon  1  staib, —  von 
den  Kindern  wurden  60  lebend ,  26  scheintodt  [8  starben  kurt 
darauf],  24  todt,  2  todtfaul  geboren^, 

Wendung  96  Mal  (bei  12  Erst-,  84  Mehrgebärenden,  6  Mal  auf 
den  Kopf,  91  Mal  auf  einen  oder  beide  Füsse,  81  Mal  bei 
stehendem,  66  Mal  bei  abgeflossenem  Fruchtwasser,  70  Mal 
bei  Quer-,  28  Mal  bei  Schädel-,  8  Mal  bei  Gesichtslage,  — 
Wendung  allein  26  Mal,  mit  nachfolgender  Extraction  61  Mal, 
mit  nachfolgender  Extraction  und  Zange  7  Mal,  mit  nach- 
folgender Extraction  und  Kephalothrypsie  2  Mal,  —  bei  den 
Querlagen  war  29  Mal  eine  Extremität,  18  Mal  die  Kabel- 
schnur vorgefallen,  8  Mal  Placenta  praevia  vorhanden  [1  Mal 
mit  Vorfall  der  Kabelschnor],  8  Mal  Ruptur  dee  Uteras  ein- 


XVII.   KotiMn  aiM  der  Joumal-Literatar.  230 

getreten,  bei  den  ScIiftdelUgen  8  Mal  NabeleehnnrTerMl, 
16  Mal  Plaeenta  praevia,  1  Mal  groeees  Kind  mit  Metro- 
peritanitie,  1  Mal  desgL  und  Utemsniptar,  8  Mal  Beeken- 
enge  [je  1  Mal  mit  Kabelschnnirorfall,  Utemamptiir  und 
Wehenschwäche],  bei  den  Oesichtelagen  1  Mal  abnorme 
Rotation  des  Kinnes  mit  Vorfall  der  Hand,  2  Mal  Becken- 
enge [1  Mal  mit  Vorfall  der  Nabelsohnar],  —  von  den  Frauen 
starben  8  an  Anämie  von  Plaeenta  praevia,  6  an  Utemsraptnr, 

1  an  Hersbentelwaasersneht,  1  an  MeiroperitonitiB,  ansserdem 
erkrankten  an  Paerperalprocesaen  87,  wovon  18  starben,  ^ 
von  den  Kindern  worden  16  lebend,  20  scheintodt,  41  todt, 
19  todtfanl  geboren,  9  starben  bald  nach  der  Gebnrt), 

Einleitung    der  Frühgeburt  8  Mal  (bei  3  Erst*   und  6  Mehr- 
gebärenden,  1  Mal  nach  Brünninffkauten ^  1  Mal  nach  Sefteal, 

2  Mal  nach  Sehw$igkämM»«r' Cohen ,  8  Mal  nach  BrauH^  1  Mal 
nach  KitDueh,  1  Mal  wegen  habituellen  Absterbens  der  Frucht, 
7  Mal  wegen  Beekenenge;  von  den  Frauen  erkrankten  2  und 
starb  1,  von  den  Kindern  wurden  2  todt  geboren), 

Perforation  nnd  Kephalothrypsie  18  Mal  (bei  je  9  Erst-  und 
Mehrgebärenden,  16  Mal  am  vorausgehenden,  2  Mal  am 
nachfolgenden  Kopfe,  2  Mal  bei  Wasserkopf,  die  übrigen 
Fälle  bei  Beckenenge  [dabei  1  Mal  Wasserkopf,  4  Mal  grosses 
Kind,  je  2  Mal  abnorme  Botation  des  Kinnes  und  des  Hinter- 
hauptes ,  1  Mal  Uterusrnptur] ;  von  den  Frauen  erkrankten  12 
und  starben  10), 
Embryulcie  1  Mal  (bei  einer  Mehrgebärenden,  welche  starb, 

bei  hochgradiger  Beckenenge  und  übergrossem  Kinde), 
Laparotomie  1  Mal  (in  mortua  bei  Uterrusruptur,  todtes  Kind), 
Kaiserschnitt  10  Mal  (bei  8  Erst-  und  7  Mehrgebärenden,  1  Mal 
in  Viva,  welche  seclis  Tage  nach  der  Operation  starb,  9  Mal 
in  mortuis,   1  Mal  bei  Beokenversehluss  durch  Lithopädion, 
6  Mal  bei  Tod  durch  Cholera,  8  Mal  bei  Tod  durch  acutes 
Lungenödem,    1   Mal   bei   Tod   durch   acute   Meningitis,   — 
das  der  Lebenden  entnommene  Kind  blieb  am  Leben,  von  den 
übrigen  Kindern  waren  7  todt,   2  scheintodt  [1  starb  nach 
einigen  Atbemaügen,  1  nach  14  Stunden]). 
Das  Chloroform  kam  seit  dem  Jahre  1847  bei  806  Operationen 
sur  Anwendung,  ohne  nachtheilige  Folgen. 

Das  Gewicht  der  Neugeborenen  betrug  im  Durchschnitt 
für  die  Knaben  8,8  Pfund,  für  die  Mädchen  8,6  Pfund,  die  Länge 
fdr  erstere  19''  8'"  (engl.),  für  letitere  18''  7'".  Scheintodt 
geboren  wurden  190  Kinder  (49  bei  Beckenendlagen  [8  Nabelschnur- 
vorfälle 9  12  bei  Querlagen  [6  desgl.],  1  bei  Gesichtslage  mit 
Nabelschnurvorfall,  bei  2  Kopflage  mit  Nabelschnurvorfall,  16  bei 
Beckenenge,  22  bei  Nabelsohnurnmscblingungen,  80  bei  Wehen- 
anomalien, 4  bei  perverser  Kindeshaltnng,  41  bei  FruhgeburteUi 
l  bei  Glückshaube I  7  bei  Plaeenta  praevia,  1  bei  Blutung  bei 


240  XVII.    Koiisen  aiu  der  Jonrnal -Literatur. 

Tdlamentös  interirter  NabelachDar^  8  bei  Krankheit  der  Matter, 
2  bei  Tod  derselben),  todt  282  (98  bei  Beokenendlagen  [12  Nabel- 
•ohnnrvorf&lle] ,  28  bei  Querlagen  [7  desgl.],  13  bei  Kopflage  mit 
NabelschnurTorfall,    10   bei   Nabelschnnramschlingongen ,    2    bei 
Nabels chnaraerreissnngen,  27  bei  Beckenenge,  2  bei   perreraer 
Haltung,  72  bei  Früh-  oder  mehrfachen  Gebarten,  4  bei  Monstro- 
•itftt,  6  mit  Wasserkopf,  18  bei  Placenta  praevia,  10  bei  Eelampaie, 
8  bei  Tod,    19  bei  Krankheit  der  Matter),    todtfaul  216  (2  bei 
rerschleppten  Beckenend  ,  15  bei  verschleppten  Querlagen  [2  Nabel- 
sehnurvorfUtle],  13  bei  Beckenenge,  5  mit  Wasserkopf,  4moa8iroae, 
2  bei  Eclampsie,  129  bei  Früh-  oder  mehrfachen  Gebarten,  9  bei 
Wehenanomalien,  27  bei  Krankheit,  2  bei  Tod  der  Mutter).    Von 
den  Kindern    erkrankten  664  und  starben  213,  ~   es  litten   an 
LebenssehwKche    von     mangelhafter    fintwickelung    232    (davon 
starben  99),  an  Convalsionen  43  (davon  starben  20),  an  Apoplexia 
meningum  19  (st.  19),  an  Atelectasia  pulmonum  8  (st.  8),  Anfimie  10 
(st.  10),  HKmaturie  2  (st.  2),  Enterorrhagie  8  (st.  3),  Cholera  4 
(st.  4),  Icterns  48  (st.  11),  Pemphigus  syphiliticus  8  (st  6),  Zell- 
gew ebsverhürtnng  3  (st.  2),  Erysipelas  phlegmon.  und  gangraen.  14 
(st.  18),  Phlebitis  umbil.  und  Pyämie  8  (st.  8),  Peritonitis  8  (st.  5), 
Meningitis  traumatica  2  (st.  2),  Mastitis  10  (st.  1),  Kephalaematom  9, 
Ophthalmie  94,  Harnverhaltung  21,  Verdauungsstörttngen66,  Soor  62. 

Ueber  die  Gesundheits Verhältnisse  der  Wöchnerinnen 
wurde  vom  Verf.  bereits  berichtet  (Petersb.  med.  Zeitschrift,  IL, 
Heft  11  u.  12;  s.  Monatochrift,  Bd.  XXI.,  Suppl.-Heft,  8.  196). 

In  der  gynäkologischen  Abtheilung  wurden  597  Frauen 
behandelt  (Senkung  und  Vorfall  der  Gebärmutter  36  Mal,  Vor- 
und  Ruckwärtsbeugung  derselben  28  Mal,  Knickungen  derselben 
24  Mal,  Inversionen  derselben  5  Mal,  acute  Entsündung  derselben 
86  Mal,  chronische  79  Mal,  Hypertrophie  der  Vaginalportion  6  Mal, 
Catarrh  der  Gebärmutterschleimhaufc  121  Mal,  Fibroid  der  GebSr- 
mutter  24  Mal,  Polypen  derselben  25  Mal,  Krebs  derselben  28  Mal, 
Hämatocele  retrouterina  2  Mal,  Anomalien  der  Menstruation  75  Mal, 
Oophoritis  17  Mal,  Eierstocksgeschwülste  13  Mal,  Atresie  und 
Stenose  der  Scheide  7  Mal,  Harnfisteln  derselben  5  Mal,  Ge- 
schwülste derselben  2  Mal,  Darmscheidenbruch  1  Mal,  Entsündung 
und  Vereiterung  der  Brustdrüse  9  Mal,  Ezcrescensen  an  der 
Harnröhrenmündung  4  Mal,  Psoasabscess  1  Mal),  davon  wurden 
als  genesen  281,  als  gebessert  239,  ungeheilt  60  entlassen  und 
starben  17.  Ausserdem  wurden  poliklinisch  behandelt  5570 
Frauen  und  341  Kinder. 

(Petersburger  med.  ZeiUchrift,  Bd.  IV.,  1863.) 


XVllL 

Fünfzehn  Eaisersclinittoperationen  und  deren 
Ergebnisse  für  die  Praxis. 

Von 

Dr.  Ludwig  Winckel, 

SanitftUrath  und  Phyaikns  dei  Kreises  Gummersbach,  Reg.-Bex.  CÖln. 

[Fortsetzung  und  Schluss.  *)] 

Sechs  Kaiserschnitte  bei  Eachitischen. 

Zehnter  Fall. 
(Nocb  nicht  veröffentlicht.) 

Den  13.  Februar  1843  Morgens  9  Uhr  wurde  ich  Tom 
Collegen  Wiefei  zu  Hulsenbusch  eingeladen,  ihm  bei  einem 
Kaiserschnitte  zu  assistiren.  Die  27jährige  Frau  Wirih  zu 
Ehberg  war  vor  vier  Jahren  durch  denselben  Arzt  auch  auf 
diese  Art  von  einem  todten  Kinde  entbunden  worden.  Sie  litt 
an  hochgradiger  rachitischer  Beckenenge;  der  Vorberg  war 
leicht  zu  erreichen,  die  Conjugata  vera  wurde  auf  2^^  Zoll 
taxirt;  sonst  war  Frau  W,  von  kräftigem,  wenn  auch  gracilem 
Körperbau  und  seit  ihren  ersten  Lebensjahren,  in  denen  sie 
an  Rachitis  gelitten  hatte  und  erst  spät  auf  die  Beine  ge- 
kommen war,  stets  gesund  gewesen.  Bei  meiner  Ankunft 
fand  ich  die  Wässer  abgeflossen,  den  Muttermund  thalergross 
geöffnet,  den  Kopf  in  erster  Schädellage  unbeweglich  auf  dem 
Beckeneingange  stehend  und  den  Uterus  fest  um  die  Frucht 
zusammengezogen.  Die  Wehen  waren  seit  dem  vorher- 
gegangenen Abende  stark  und  schmerzhaft  gewesen,  ohne 
die  Geburt  nach  dem  Wassersprunge  noch  zu  fördern.    Die 


1)  8.  Bd.  XXII.,  Heft  1. 
MonaUsehr.  f.  GeburUk.  1868.  Bd.  XXII.,  Hft.  4.  16 


242      XVIIl.    Winekfd,  Ffinfzelm  Kaiserschnittoperationeii 

Kreissende  fohlte  sich   sehr  erschöpft,   wurde  toiq  UebeJsein 
und  Erbrechen  anhaltend  gequält  und  versicherte,  scboo  seit 
mehreren  Stunden  keine  Kindesbewegungen   mehr   enipfundeD 
zu   haben;   mit   Sehnsucht   sah   sie    der  Operation    entgegen. 
Nachdem   wir   sie   bequem   auf  einen  Tisch   gelagert    halten, 
machte  College  W.  den  Schnitt  links  neben  der  alten  Narbe, 
in  der  Linea  alba.    Als  die  Bauchhöhle  geöffnet  war,  drängten 
sich   sogleich   eine  Menge  Darmschlingen    in    die  Wunde    und 
konnten    wegen    der    permanenten    Vomituritionen     nur    mit 
unbeschreiblicher  Anstrengung    von    dem  Operationsfelde    fern 
gehalten  werden,    was   die  Operation   selbst  sehr  erschwerte. 
Die  Uterinnarbe  war   deutlich   zu  erkennen,    sie  schien  recht 
derb;     der    neue    Schnitt    wurde    einen    halben    Zoll    links 
neben    ihr,   in   paralleler  Richtung    angelegt,    die   Frucht   am 
Steisse    ergriffen    und    mit    einiger    Mühe    durch    die    etwas 
kleine  Wunde  entwickelt.     Leider  war   der  Knabe  schon  vor 
mehreren  Stunden    abgestorben.     Die  Nachgeburt  wurde   ent- 
fernt; die  Blutung  war  nur  unbedeutend.    Wegen  der  immer 
mehr  vordrängenden  Gedärme  wurde   die   blutige  Vereinigung 
sehr   beeilt.     Selbst   zwischen  den  einzelnen  Heften  drängten 
sich   immer   noch   kleinere   Daiinpartieen   dmxh    und    hatten 
wir  grosse  Last,  die  sorgfältige  Schliessung  der  Bauchwunde 
durch    sieben  Hefte    und    mehrere  Insectennadeln  zu  bewerk- 
stelligen.    In    den    unteren    Wundwinkel    wurde    ein    Sindon* 
gelegt;   lange,    über  der  Wunde  sich  kreuzende  Klebepflaster, 
Compressen    und   Bauchbinde   vervollständigten   den  Verband. 
Die  Entbundene  hatte  die  Operation  mit  grosser  Standhafligkeit 
ertragen,   sie   erhielt,    da   das  Brechen   noch   immer   anhielt, 
15  Tropfen  Tr.  thebaica. 

Als  wir  sie  zwei  Stunden  nach  der  Operation  verliessen, 
war  ihr  Befinden  leidlich,  doch  zeigten  sich  schon  einige 
Nachwehen.  In  der  folgenden  Nacht  bekam  ich  die  Nachricht, 
dass  die  Nachwehen  sehr  heftig  seien  und  verordnete  deshalb 
eine  Oelmixtur  mit  gr.x.  Extr.  hyosc,  von  der  aber  nichts 
mehr  gereicht  werden  konnte,  weil  die  Boten  die  Opeiirte 
bei  ihrer  Nachhausekunft  bereits  verschieden  fanden. 

Den  16.  Februar  wurde  die  Obduction  von  uns  Beiden 
vorgenommen.  Wir  fanden  den  Leib  enorm  aufgetrieben  und 
nach  Abnahme  des  Verbandes  zeigte  sich  eine  grosse  Dünndarm- 


und  deren  Er^ebniiae  für  die  Praxis.  243 

schlinge  vor  dem  unteren  Wundwinkel,  neben  dem  Sindon 
liegend,  welches  sie  ans  der  Wunde  gedrängt  hatte.  Der 
Magrn,  alle  Dünn-  und  ein  Theil  der  Dickdärme  waren  bis 
zum  Bersten  von  LufL  ausgedehnt,  aber  nicht  entzündet.  Der 
Uterus  fand  sich  gut  zusammengezogen,  seine  Wunde  wenig 
klaffend,  nicht  gespreizt  und  keine  Darmschlinge  in  derselben. 
Ob   die  Darmschlinge   schon   während   des  Lebens  oder  ^rst 

« 

im  Tode  prolabirt  war,  Hess  sich  nicht  mit  Gewissheit  er- 
mitteln; das  Letztere  ist  mir  wahrscheinlich.  Eine  zweifellose 
Causa  mortis  fanden  wir  nicht.  Das  ßecken,  dessen  Con- 
jugata  Vera  im  trockenen  Zustande  2"  2'"  misst,  ist  in 
meinem  Besitze. 

Eilfter  Fall. 
(Noch  nicht  veruflentlicht.) 

Frau  August  8teper  zu  Ohl,  von  gesunden  noch  lebenden 
Eltern  gezeugt,  hatte  in  den  sechs  ersten  Lebensjahren  be- 
ständig an  Rachitis  gelitten  und  erst  im  sechsten  das  Gehen 
erlernt.  Von  anderen  Krankheiten  weiss  sie  sich  nichts  zu 
erinnern,  ihr  Aussehen  ist  gesund  und  blühend,  ihre  Muskulatur 
kräftig  und  ihre  Hände  geben  Zeugniss  harter  Arbeit  ab. 
Siebenzehn  Jahre  alt  bekam  sie  die  Periode,  welche  stets 
regelmässig  floss;  mit  19  Jahren  verheirathete  sie  sich  und 
ist  jetzt  21  Jahre  alt.  Ihre  Schwangerschaft  verlief  nalui"- 
gemäss   und  war   sie  während   derselben  immer   recht  wohl. 

Am  4.  Octoher  1852  Morgens  traten  die  ersten  Wehen 
ein,  die  hinzugerufene  Hebamme  erkannte  die  Beckenenge 
sogleich,  liess  mich  aber,  da  der  Muttermund  noch  kaum 
geöffnet  war,  erst  am  ^bend  hiiizurufen. 

Die  Kreissende  ist  kaum  4  Fuss  gross,  Ober-  und 
Unterschenkel  sind  bedeutend  gekrümmt  und  das  Becken  der 
Art  verunstaltet,  dass  eine  Geburt  auf  gewöhnlichem  Wege 
durchaus  unmöglich.  Rechterseits  ist  das  Becken  so  zusammen- 
gedrückt, dass  es  die  Durchführung  zweier  Finger  niclit  ge- 
stattet, das  Promontorium  steht  sehr  tief,  nach  rechts; 
linkerseits  war  etwas  mehr  Raum,  hier  liess  sich  der  Mutter- 
mund erreichen.  Die  Conjugata  vera  maass  kaum  1%  Zoll. 
Den  Muttermund  fand  ich  hinreichend  erweitert  und  in  dem- 
selben   eine    ziemlich   pralle,    fast  springfertige  Blase.     Der 

16* 


244      XVIII.    WUfa^  Fanfselin  KaiserechnittBCperationen 

Kindskopf  lag  auf  der  linken  Darmbeinschaufel,  der  Sleiss  m 
der  rechten  Mutterseite.  Zwei  Finger  durch  die  linke,  ge- 
räumigere Beckenhälfle  geführt,  erreichten  so  eben  den  Kopf. 
Die  Wehen  waren  kräftig. 

Unter  solchen  Umständen  durfte  ich  nicht  säumen,  die 
beiden  Ehegatten  mit  der  Nolhwendigkeit  des  Kaiserschnittes 
bekannt  zu  machen,  wozu  sich  die  Kreissende  auch  ohne 
Weiteres  bereit  erklärte.  Nachdem  ich  eine  Seitenlage  an- 
geordnet und  alles  Verarbeiten  der  Wehen  widerrathen  hatte, 
entfernte  ich  mich,  um  die  Vorbereitungen  zur  0|>eration  zo 
treffen  und  die  Assistenz  zu  beschaffen. 

Am  5.  October  Morgens  8  Uhr  traf  ich  mit  meinem 
Collegen  Wiefei  bei  der  Kreissenden  ein.  WiefeVs  Unter- 
suchung bestätigte  meine  Ansicht  in  allen  Theilen.  Im  Stande 
der  Geburt  war  seit  gestern  Abend  eine  Aenderung  eingetreten; 
die  Fruchtwässer  standen  noch,  die  Wehen  waren  massig  und 
die  Gebärende  gutes  Muthes,  weshalb  wir  sofort  zur  Operation 
schritten.  Rectum  und  Blase  waren  kurz  vorher  entleert. 
Nachdem  die  Kreissende  passend  gelagert  und  chlorotonnirt 
war,  begann  ich  den  Schnitt  V^  Zoll  über  dem  Nabel  und 
führte  ihn  im  Verlaufe  der  Linea  alba,  bis  1V<2  Zoll  oberhalb 
der  Schambeinvereinigung.  Hierauf  wurden  die  sehr  starken 
Bauchdecken  mit  einigen  kräftigen  Messerzügen  bis  auf  das 
Bauchfell  getrennt,  letzteres  iii  einer  Falte  durchschnitten  und 
dann  mit  dem  Knopfbistouri  auf-  und  abwärts  bis  zu  den 
äusseren  Wundwinkeln  gespalten,  worauf  sich  der  schief 
liegende  Uterus  in  der  Wunde  präsentirte.  College  Wufd 
schob  den  Uterus  in  eine  gerade,  der  Baucbwunde  conforme 
Richtung,  den  ich  alsdann  mit  wenigen  Scimttten,  bis  auf 
die  Eihäute  durchdrang.  Nach  gehöriger  Erweiterung  der 
Uteruswunde  führte  ich  die  linke  Hand  um  den  Kindskopf, 
zerWss  mit  der  rechten  die  Eihäute  und  entwickelte  unter 
heftigen  Conlractionen  des  Uterus  das  Kind  mit  grosser  Muhe, 
obwohl  die  Wunde  hinreichend  gross  war.  Der  sehr  kräftige 
laut  schreiende  Knabe  wurde  sofort  abgenabelt  und  die  noch 
adhäi*enie  Nachgeburt  ohne  Zögern  entfernt.  Die  Blutung  war 
nicht  sehr  stark,  doch  blieb  die  entleerte  Gebärmutter  schlaff 
und  nöthigte  mich,  die  Entbundene  durch  Bespritzen  mit 
kaltem  Wasser  aus   der  Narcose   zu   wecken.    Nachdem   sie 


und  deren  Ergebnisse  für  die  Praxis.  246 

sich  erbolt  und  eine  Gabe  Tr.  thebaica  empfangen  hatte, 
stellten  sich  kräftige  Contractionen  ein  und  erlaubten  uns 
zum  Verbände  zu  schreiten.  In  den  unteren  Wundwinkel 
wurde  nach  gehöriger  Reinigung  der  Bauchhöhle  ein  Bourdonnet 
gelegt,  die  Wunde  mit  fünf  Knopfnähten  und  sechs  Insecten- 
nadeln  sehr  sorgfähig  vereinigt  und  die  Naht  durch  gekreuzte 
Pflastercompressen  und  Bauchbinde  unterstützt.  Die  nun  zu 
Bette  gebrachte  Entbundene  befand  sich,  etwas  Schmerz  in 
der  Bauchwunde  abgerechnet,  recht  wohl,  sie  hatte  durchaus 
keinen  Brechreiz  und  ihr  Puls  war  recht  kräftig. 

Den  6.  October.  In  der  verwichenen  Nacht  bekam  die 
Wöchnerin  heftige  Schmerzen  in  der  rechten  Seile,  welche 
indess  durch  den  Gebrauch  einer  Oelmixtur  mit  Natr.  nitr. 
und  Aq.  Laurocerasi  bald  beseitigt  wurden.  Am  Morgen  dieses 
Tages  fand  ich  sie  im  Ganzen  recht  gut,  es  waren  in  der 
Nacht  mehrere  Blutcoagula,  zu  ihrer  grossen  Erleichterung, 
per  vaginam  abgegangen.  Der  Puls  machte  120  Schläge.  Das 
Kind  hatte  tüchtig  getrunken.  Abends  kehrten  die  Schmerzen 
in  der  rechten  Seite  noch  heftiger  wieder,  weshalb  einige 
Löffel  Ol.  Ricini  in  mehrstündigen  Zwischenräumen  gereicht 
wurden. 

Den  7.  October.  Der  Schmerz  hat  sich  zwar  vermindert, 
ist  aber  noch  immer  nicht  ganz  gehoben;  da  das  Ol.  Ricini 
noch  nicht  gewirkt  hatte,  wurde  ein  Clysma  verordnet.  Der 
LochialOuss  wie  die  Lactation  sind  im  Gange;  die  Haut  ist 
feucht;  Urin  wurde  mehrmals  entleert;  der  Puls  zählte  noch 
120  Schläge  in  der  Minute. 

Den  8.  October.  Das  Klystier  hat  grosse  Erleichterung 
verschaflt,  nach  einer  reichlichen  Ausleerung  hat  sich  der 
Schmerz  fast  ganz  verloren.  Das  Allgemeinbefinden  ist  gut, 
der  Puls  hat  noch  dieselbe  Frequenz.  Milch  ist  hinreichend 
vorhanden;  das  Kind  gedieh  gut. 

Den  9.  October.  Heute  wurden  die  Ligaturen  bis  auf 
zwei  Insectennadeln  entlernt,  die  Vereinigung  ist  sehr  schön, 
nur  in  den  Nadelstichen  etwas  Eiterung.  Das  Befinden  der 
Wöchnerin  ist  sehr  gut,  es  findet  sich  Esslust  und  alle  Se-  und 
Excretionen  sind  in  Ordnung;  Puls  noch  120. 

Den  10.  October.  Die  Pulsfrequenz  hat  nur  108  Schläge. 
Die   beiden  letzten   Ligaturen  wurden   heute  weggenommen, 


246      XYin.    Winekel,  Fänfaehn  Kaiserscbnittoperationeii 

ebenso    das   Bourdonnet,    wonach    eine   ziemliche    Quantität 
dünnen,  nach  Lochien  riechenden  Eiters  ausflcss. 

Den  11.  October.  Frau  S.  i<lagte  heule  wieder  über 
Schmerz  in  der  rechten  Seite,  in  welcher  ich  die  Gebärmutter 
auf  der  DarmbeinschaufeJ  liegend  auffinden  und  mich  über- 
zeugen konnte,  dass  von  ihr  der  Schmerz  ausging.  Die 
Nadelstiche  eitern  noch  stark,  der  Eiter  ist  aber  gutartig. 
Per  vaginam  wenig  Ausfluss,  desto  mehr  durch  den  unteren 
Wundwinkel.     Puls  108,    aligemeiner  Schweiss,   etwas  Durst, 

Den  13.  October.  Die  Heilung  macht  gute  Fortschritte: 
das  Allgemeinbefinden  ist  ganz  befriedigend  und  der  Ausfluss 
aus  dem  unteren  Wundwinkel  geringer.     Puls  104. 

Den  16.  October.  Die  Wöchnerin  geht  mit  jedem  Tage 
mehr  ihrer  Genesung  entgegen;  alle  Schmerzen  sind  beseitigt. 
Schlaf  und  Appetit  sind  natürlich,  der  Ausfluss  aus  der  Wuude 
ist  nur  noch  sehr  gering.     Puls  100  Schläge. 

Den  23.  October.  Die  Wunde  ist  fast  ganz  geschlossen, 
nur  am  unteren  Wundwinkel  lässt  sich  die  Sonde  noch  %  Zoll 
tief  einbringen.  Die  Narbe  scheint  ziemlich  derb.  Der  Aus- 
fluss  aus  dem  unteren  Wundwinkel  hat  aufgehört,  er  enthält 
etwas  Caro'  luxur.,  welches  touchirt  wurde.  Die  Lochien 
fliessen  noch  reichlich.  Verdauung  und  Schlaf  sind  in  guter 
Ordnung;  Frau  S.  hat  genug  Milch  für  ihr  prächtiges  Kind. 
Puls  90  Schläge. 

Den  28.  October.  Ich  fand  Frau  S.  heute  so  wohl,  dass 
ich  sie  aus  der  Cur  entlassen  konnte.  Die  Wunde  war  nicht 
allein  völlig  geschlossen,  auch  das  ganze  Befinden  liess  nichts 
zu  wünschen  übrig  und  hatte  die  glückliche  Mutter  schon 
seit  zwei  Tagen  das  Bett  verlassen. 

Zwölfter  Fall. 

Dieselbe  Frau,  August  Sieper,  welche  ich  am  5.  October 
1852  durch  den  Kaiserschnitt  glücklich  von  einem  lebenden 
Knaben  entbunden  hatte,  begehrte  den  25.  August  1854 
abermals  meine  Hülfe.  Die  schon  seit  der  verwicheneu  Nacht 
hinzugerufene  Hebamme  hatte  den  Ehemann  nicht  dazu  be- 
wegen können,  mich  früher  zu  holen,  weil  derselbe,  auf  den 
glücklichen  Ausgang  der  trüberen  Operation  gestützt,  glaubte, 
dass  seine  Frau  auch  auf  natürlichem  Wege  gebären  könne. 


und  deren  Ergebnisfle  f&r  die  Präzis.  247 

Da  ich  bei  meiner  Ankunfl,  gegen  1  Uhr  Mittags,  den  Mutter- 
mund nicht  erreichen  konnte,  durch  die  Regelmässigkeit  der 
Wehen  aber  doch  überzeugt  wurde,  dass  die  Geburt  in  vollem 
Gange  sei,  liess  ich  sofort  die  mehrere  Stunden  entfernt 
wohnenden  Collegen  Wiefei  und  Dissmann  zur  Assistenz 
einladen.  Ersterer  wurde  nicht  zu  Hause  getroffen  und  letzterer 
kam  in  Begleitung  des  Studiosus  med.  Carl  Wiefd  erst 
Abends  in  der  Dämmerung  an.  Gegen  3  Uhr  hatte  die 
Kreissende  sehr  heftige  Wehen  gehabt,  die  aber  plötzlich 
nachgelassen,  ohne  bis  dahin  wiederzukehren.  Der  Leib  war 
gegen  jede  Betastung  sehr  empfindlich,  der  Muttermund  nur 
an  seiner  vorderen  Lippe  dem  untersuchenden  Finger  zu- 
gänglich. Ich  sprach  meine  Ueberzengung  dahin  aus,  dass 
die  Uterusnarbe  geborsten  und  die  Frucht  in  die  Bauchhöhle 
getreten  sei.  Die  Dunkelheit,  wie  der  gänzliche  Mangel  an 
zweckmässigen  Beleuchlungsmitleln,  zwangen  uns,  die  Operation 
zum  Morgen  zu  verschieben. 

Den  2ü.  August  Morgens  6  Uhr  fanden  wir  uns  wieder 
bei  der  Kreisseuden  zusammen.  Ihr  Leib  hatte  seine  Form 
bedeutend  verändert,  er  war  noch  sehr  empfindlich,  liess 
aber  einzelne  Kindestheile  durch  Betastung  leicht  erkennen. 
Frau  Steper  hatte  gar  keine  Wehen  mehr  bekommen ;  Frucht- 
wasser oder  Blut  waren  per  vaginam  nicht  abgegangen, 
Kindesbewegtmgen  seit  gestern  Nachmittag  nicht  mehr  wahr- 
genommen worden.  Vom  Muttermunde  konnten  wir,  wie  am 
gestrigen  Abend,  kaum  die  vordere  Lippe  erreichen.  Der 
Kräftezustand  der  Kreissenden  war  gnt,  ihr  Puls  zählte 
100  Sciilage,  die  Haut  war  warm  und  feucht,  auch  keine 
Anwandlungen  von  Ohnmächten  bemerklich.  Nur  bei  Be- 
rührungen  und  Lageteränderungen   schmerzte  der  Leib  sehr. 

Sie  wurde  auf  einen  Tisch  bequem  gelagert  und  chloro- 
formirt.  Unter  dem  Nabel  war  ein  kleiner  Bauchbruch, 
den   ich   als   Haulfaite    durchschnitt    und    dann    abwärts   den  I 

Schnitt  in  einem  Zuge  von  Innen  nach  Aussen  bis  einen  Zoll 
oberhalb  der  Schambeinfuge  verlängerte,  wobei  sich  eine  be- 
deutende Menge  Blut  aus  der  Bauchhöhle  ergoss.  Nachdem 
die  Bauchdecken  so  durchdrungen  waren,  präsentirte  sich  die 
Frucht  frei  in  der  Bauchhöhle,  in  den  noch  unverletzten 
Eihäuten,  sammt  allem  Fruchtwasser  und  der  Nachgeburt;  die  ' 


248      XYIII.    Winekel,  FAnfsehii  Kaicerschnittoperationen 

Eihäute   waren    so    stark,    dass    ich    das   ganze    Ei    un- 
verletzt   herausnehmen    und    auf   einen    neben    mir 
stehenden    Tisch    legen    konnte.     Da    das    Kind    sieber 
schon   seit   gestern  Nachmittag  von   der  Mutter  getrennt  und 
also  lange  abgestorben  war,  liessen  wir  die  Eihäute  unverieCzt 
und  beeilten  uns  den  Verband   anzulegen.     Der  Riss   in   der 
Gebärmutter  nahm  die  alte  Narbe  ein,  er  war  aber  schon  so 
zusammengezogen,   dass   man  ihn  kaum  noch  finden  konnte, 
ohne    den    schon   verkleinerten   Uterus    aus    seiner   Lage    zu 
bringen.     Sechs   Knopfnähte    und    eben   so   viel   umwundene 
vereinigten  die  Bauchwunde  sehr  genau,  nachdtMi)  sie  möglicfasl 
gereinigt  worden  war;  in  den  unteren  Wundwinkel  wurde  ein 
Sindon  gelegt  und  der  Verband  mit  Kreuzpflastem ,  Longuetten 
und   Bauchbinde    beendet.     Während    ich    die   Naht  anlegte, 
kam  Frau  S*  wieder  zu  sich  und  begehrte,  da  sie  das  Nähen 
sehr  schmerzte,   noch   etwas  Chloroform,   was  ihr  auch  ge- 
reicht wurde.    Als  die  Entbundene  zu  Bette  gebracht,  befand 
sie  sich  sehr  wohl  und  kräftig.    Sie  hatte  durch  die  Operalion 
fast  gar  kein  Blut  verloren;  da  auch  durch  die  Scheide  noch 
kein  Blut  abgeflossen  war,   nahm   ich   eine  Exploration  vor, 
konnte   aber   auch  jetzt   den  Muttermund   noch  nicht  besser 
erreichen.    Das  Kind  war  ein  wohlgebildetes,  kräftiges  Mädchen. 

Den  26.  August  befand  sich  die  Enlbundene  wohl,  es 
war  etwas  Blut  durch  die  Scheide  abgegangen,  der  Schmerz 
war  sehr  unbedeutend,  das  Fieber  sehr  gering.  Puls  kaum 
100  Schläge. 

Bis  zum  30.  August  blieb  das  Befmden  der  Frau  S. 
sehr  gut.  Am  Nachmittage  dieses  Tages  stellte  sich  heftiger 
Leibschmerz  ein,  der  indess  einigen  Gaben  Ol.  Ricini,  wodurch 
eine  copiöse  Ausleerung  erzieh  wurde,  bald  wich. 

Den  31.  August  wurden  sämmtliche  Ligaturen  entfernt, 
die  erste  Vereinigung  war  bis  auf  den  unteren  Wundwinkel, 
aus  welchem,  nachdem  das  Sindon  entfernt  war,  etwas  Eiter 
aussickerte,  vollständig  erzielt. 

Bis  zum  7.  September  war  die  Heilung  vollendet.  Die 
Lochien  flössen  regelmässig,  Appetit,  Verdauung  und  Schlaf 
Hessen  nichts  zu  wünschen  übrig  und  das  Allgemeinbefinden 
war  und  blieb  durchaus  zufriedenstellend.  Auffallenderweise 
ist  die  Pulsfrequenz  nie  über  100  Schläge  gestiegen. 


ond  deren  Ergebnisse  für  die  Praxis.  249 

Dreizehnter   Fall. 

Frau  August  Sieper  fühlte  sich  im  December  1854 
wiederum  schwanger  und  verlangte  sowohl  von  mir  als  dem 
CoUegen  Wiefei  Abortiva,  die  ihr  natürlich  nicht  gereicht 
werden  konnten.  Am  13.  April  1855  liess  sie  mich  spät 
Abends  rufen  und  gab  an,  seit  dem  vorigen  Tage  Wehen 
verspürt  zu  haben,  welche  nach  dem  Heben  eines  schweren, 
mit  Wäsche  gefüllten  Fasses  plötzlich  eingetreten  sein  sollten. 
Die  in  der  verwichenen  Nacht  zu  Rathe  gezogene  Hebamme 
hatte  erlüärt,  dass  die  Geburt  noch  nicht  begonnen  habe  und 
sie  dabei  nichts  machen  iiönne.  Frau  8.  klagte  über  sehr 
heftigen,  andauernden  Leibschmerz  und  konnte  ich  mich  leicht 
durch  die  Betastung  des  Bauches  überzeugen,  dass  die  Frucht 
wiederum,  wie  das  vorige  Mal,  aus  dem  Uterus  getreten,  frei 
in  der  Bauchhöhle  liege.  Ich  beschied  deshalb  den  Collegen 
Wiefei  auf  den  nächsten  Morgen  früh  zur  Laparotomie.  Als 
wir  am  14.  April  Morgens  Y^?  Uhr  mit  meinem  Sohne  bei 
Frau  &  eintrafen,  fanden  wir  ihr  Allgemeinbefinden  bis  auf 
den  jetzt  massiger  gewordenen  Leibschmerz  ganz  erwünscht, 
und  da  mein  College  meine  Ansicht  theilte,  so  machte  ich 
sofort,  nachdem  die  Kreissende  auf  einen  Tisch  gelagert  und 
anästhesirl  war,  den  Bauchschnitt  in  gewohnter  Weise.  Die 
Frucht  lag  auch  dies  Mal  in  dem  noch  ganz  erhaltenen 
Eihautsacke;  doch  zerrissen  während  der  übrigens  leichten 
Cntwickelung  die  dünnen  Eihäute.  Das  Kind  war  weiblichen 
Geschlechts,  etwa  57^  Monate  alt  und  wohlgebildet.  Die 
Wunde  wurde  wie  »gewöhnlich  sehr  sorgfältig  vereinigt  und 
die  Operirte  befand  sich,  zu  Bette  gebracht,  ganz  wohl 
und  heiter. 

Al^  ich  am  19.  April  die  Ligaturen  entfernte,  fand  ich 
die  Bauchwunde  völlig  vernarbt,  es  waren  keinerlei  Zufalle 
eingetreten  und  schon  nach  wenigen  Tagen  traf  ich  die  völlig 
Genesene  wieder  mit  leichten  häuslichen  Arbeiten  beschäftigL 

Wäre  Frau  8.  nicht  nach  einigen  Monaten  an  einer 
Parotitis  (so  wurde  mir  nämlich  die  Krankheil  beschrieben, 
da  man  keinen  Arzt  zu  Rathe  gezogen)  gestorben,  würde 
mir  die  Wiederholung  dieser  Operation  vielleicht  noch  öfter 
zur  Aufgabe  geworden  sein. 


250      XVIII.    Winekel,  Fänfiebn  KaiBenobiiittoperfttioDen 

Vierzehnter  Fall. 

(Noch  nicht  mitgetheilL) 

Frau    Ferdinand    Heinz    zu    Schöoebach    im-  Kreis«* 
Waldbruel    hatte    in    ihren   ersten   Lebensjahren   an   Rachitis 
gehlten.     Sie   war  29  Jahre   alt,   keine  4  Fuss  gross,    hatte 
sehr    gebogene    Ober-    und    Unlei'schenkel    und    ein    höchst 
verengtes  Becken.     Am   Morgen  des  25.  März    1860   traten 
die  ersten  Wehen  ein  und  als  der  hinzugerufene  Kreisphysikos 
ür.  Wichmann   die   bedeutende   Beckenenge    erkannt   hatte, 
Hess    er   mich    in   der  Nacht   vom   24.   zum   25.   März    zur 
Cottsultation  bitten.     Ich  fand  ein  von  vorn  nach  hinten  zu- 
sammengedrucktes Becken  mit  ziemlich  weitem  Beckenausgange, 
den  Vorberg   sehr   erreichbar  und  eine  Conjugata  vera   unter 
2  Zoll.    Der  Kräftezustand  der  Kreissenden  war  gut,  der  Puls, 
massig  voll,    machte   90  Schläge   in   der  Minute,   die  Wehe» 
waren    stark.     Das   Fruchtwasser  war   am   Nachmittage   ab- 
geflossen, der  Kindskopf  stand  in  erster  Schädellage  beweglich 
auf  dem  Beckeneingange,   die  Fötalherztöne  waren  leicht  zu 
hören   und   der  Muttermund   gehörig  vorbereitet.     Den  unter 
solchen    Umständen    einzig   möglichen    Entbindungsweg,    die 
Sectio    caesarea,    verweigerten    beide    Ehegatten    ganz    ent- 
schieden,   da    eine   Schwägerin   von    ihnen  dieser   Operation 
erst  vor  wenigen  Monden  erlegen  war.     Da  alle  Vorstellungen 
vergeblich  waren  und  meine  Gegenwart  nichts  nützen  konnte, 
begab  ich  mich  nach  Hause  zunick,    wurde   aber   am  Nach- 
mittage   des    26.   März    wieder   berufen,    um    nunmehr    den 
Kaiserschnitt    auszuführen.     Ich    fand    di«   arme    Kreissende 
sehr  erschöpft,  ihr  Puls  war  klein  und  äusserst  frequent,  die 
heftigen  Wehen   hatten   sich   in   einen    anhaltenden   Schmerz 
verwandelt.     Der  Uterus  war  fest  um   das  Kind   zusammen- 
gezogen,   dessen   Kopf   mauerfest   auf   dem   Bf^ckeneingange 
stand  und  etwas  Kopfgeschwulst  erkennen  liess;  Pötalberzschlag 
war  nicht  mehr  zu  ermitteln.     Die  Gebärende  war  einer  ge- 
wissen  Gleichgültigkeil  verfallen,   sie  drängte   nur  zur  Eile, 
um  bald  erlöst  zu  werden.     Nachdem   sie   bequem  auf  einen 
Tisch    gelagert    und    chloroformirt   worden   war,    wurde    ein 
beinahe   7  Zoll   langer   Schnitt  in   der  Linea   alba   gemacht, 
Bauchfell  und  Uterus  mit  dem  Messer  durchdrungen  und  das 


und  deren  Ergebnisie  für  die  Praxis.  251 

mit  dem  Rucken  sich  in  der  Wunde  präsentirende  Mädchen 
leicht  und  schnell  entwickelt.  Das  Kind  war  stark,  aber 
ohne  Zweifel  schon  vor  mehreren  Stunden  abgestorben.  Die 
Entfernung  der  Nachgeburt  bot  keine  Schwierigkeit.  Die  Blutung 
während  und  nach  der  Geburt  war  sehr  gering.  Die  Wunde 
wurde  durch  sechs  Knopfnähte  und  eben  so  viel  Insecten- 
nadeln  vereinigt  und  der  Verband  wie  in  den  früheren  Fällen 
angelegt.  Frau  Heim  erwachte  während  des  Verbandes  aus 
der  Narcose  und  befand  sich,  einigen  Brechreiz  abgerechnet, 
leidlich.  Es  wurden  ihr  10  Tropfen  Tr.  thebaic.  gereicht, 
und  als  ich  sie  eine  Stunde  nach  der  Operation  verliess, 
fählle  sie  sich  ganz  behaglich.  Nach  Ablauf  von  24  Stunden 
ist  sie,  wie  ich  später  erfahren,  gestorben. 

Fünfzehnter   Fall. 

,      (Noch  nicht  mitgetheilt) 

Frau  W,  Bren9ing  zu  Strombach,  26  Jahre  alt,  4'  3%" 
gross,  ist  das  jüngste  von  sieben  Kindern,  deren  eines,  eine 
Schwester,  nur  noch  am  Leben,  durchaus  gesund  und  wohl 
gewachsen  ist  Der  Vater  soll  einem  Knochenleiden  erlegen 
sein,  die  Mutter  ist  noch  rüstig  und  gesund.  Von  Rachitis 
befallen,  lernte  Frau  B.  erst  im  fünften  Lebensjahre  laufen, 
hatte  sich  dann  aber  ihr  ganzes  Leben  hindurch  einer  so 
guten  Gesundheit  zu  erfreuen,  dass  sie  trotz  ihrer  bedeutenden 
Knochendeformitäten  mehrere  Jahre  hindurch  als  Dienstmagd 
fungiren  konnte  und  aller  Warnungen  ungeachtet  sich  im 
vorigen  Jahre  verheirathete.  Ihre  beiden  Tibien  sind  curven- 
förmig  gebogen,  das.  linke  Knie  ist  so  nach  einwärts  gedrückt, 
dass  Ober-  und  Unterschenkel  einen  stumpfen  Winkel  bilden; 
das  rechte  Bein  erscheint  kürzer  als  das  linke,  weshalb  sie 
beim  Gehen  mit  dem  linken  Unterschenkel  und  Fuss  einen 
Bogen  beschreibt.  Die  Oberschenkel  sind  beide  nach  vorn 
gebogen  und  liegen  an  den  Knieen  dicht  zusammen.  Die 
linkerseits  ausgewichenen  Lendenwirbel  bilden  eine  bedeutende 
Kyphose  und  die  Darmbeinschaufeln  reichen  fast  unter  die 
falschen  Rippen.  Das  Becken  ist  platt  gedrückt,  die  rechte 
Hüfte  höher  stehend;  der  Brustkorb  erscheint  verkürzt,  die 
rechte  Schulter  ist  höher  und  der  Hals  sehr  kurz. 


252      XVIII.     Winekely  Fänfzebn  RaiaerschnittoperationeD 

In  der  Mitte  November  1861  war  Frau  B,  zum  letzten 
Male  menstruirt  und  will  Mitte  April  die  ersten  Kindes- 
hewegungen  verspürt  haben.  Schon  am  25.  August  werde 
sie  einmal  von  so  heftigen  Wehenschmerzen  befallen,  dass 
sie  die  Hebamme  in  der  Nacht  rufen  liess,  gegen  Morgen 
Hessen  aber  die  Schmerzen  v«^ieder  nach.  Sie  ist  der  festen 
Meiming,  schon  aclit  Tage  übertragen  zu  haben. 

Den  3.  September  Abends  fanden  sich  abermals  Geborts- 
schmerzen  und  die  hinzugerufene  Hebamme,  welche  die 
beckenenge  erkannt  hatte,  foixlerte  die  Herbeiholung  eines 
Geburtshelfers.  College  Wiefei  kam  gegen  5  Uhr  Morgens 
an,  überzeugte  sich  sofort  von  der  bedeutenden  Becken- 
deformität und  liess  mich  eiligst  hinzurufen.  Am  4.  September 
gegen  10  Uhr  Morgens  bei  der  Kreissenden  angelangt,  nahm 
ich  zunächst  die  Beckenmessung  vor.  Die  Entfernung  der 
Spin.  ^t.  super,  hetrug  8Va"»  ^^^  Cristae  9%*^  und  der 
Trochanteren  llVa"-  Die  Conjugata  B.  maass  5"  7^.  Die 
innere  Untersuchung  liess  mich  die  Scheide  gehörig  vor- 
bereitet, den  Muttermund  schlaff  und  mindestens  zweithaler- 
gross  geöffnet,  die  Blase  noch  stehend,  aber  wenig  Frucht- 
wasser enthaltend  und  den  Kindskopf  mit  sehr  harten  Knochen 
fest  auf  dem  Schambogen  stehend,  finden.  Das  Becken  ist 
sehr  geneigt,  der  Yorberg  mit  leichter  Mühe  zu  erreichen, 
offenbar  nach  links  stehend  und  die  linke  Beckenhälfte  mehr, 
als  die  rechte  verengend.  Die  Conjugata  diagonalis  misst 
kaum  2V4". 

Bei  so  absoluter  Beckenenge  konnte  kein  Zweifel  aber 
das,  was  zu  thun,  aufkommen,  Frau  £.  schien  aber  auch 
schon  mit  dem  Gedanken,  auf  natürlichem  Wege  nicht  gebären 
zu  können,  vertraut  zu  sein  und  nahm  den  Vorschlag  zum 
Kaiserschnitte  ganz  gelassen  auf.  Die  Wehen  waren  sehr 
heftig  und  schmerzhall,  wodurch  sie  auch  wohl  leichter  be- 
stimmt werden  mochte. 

Nachdem  Alles  gehörig  vorbereitet  und  die  Kreissende 
bequem  auf  einen  Tisch  gelagert  war,  übertnig  mir  College 
Wiefel  die  Operation  und  übernahm  die  Chloroformirung  und 
Assistenz.  Rectum  und  Blase  waren  kurz  vorher  entleert 
worden.     Der  Hängebauch    war   so    stark,    dass   ich  Raum 


and  d^ren  ErgebnUaa  for  die  Praxis.  253 

genug  für  einen  Schnitt  von  7"  zwischen  Nabel  und  Symphyse 
hatte.  Da  der  Uterus  mehr  nach  links  lag,  so  musste  er 
in  die  Mittellinie  gebracht  werden,  was  leicht  zu  bewerkstelligen 
war.  Den  Hauptschnitt  machte  ich  in  einem  Zuge,  ohne 
Faltenbildung,  durchschnitt  die  Linea  alba  bis  aufs  Bauchfell 
und  öffnete  die  Bauchhöhle,  vorsichtig  die  Wunde  auf-  und 
abwärts  zur  nölhigen  Grösse  erweiternd,  wobei  etwa  ein 
Schoppen  gelben  Wassers  abfloss.  Der  sich  in  der  ganzen 
Wunde  präsentirende  Uterus  wurde  nun  rasch  bis  auf  die 
Eihäute  durchdrungen,  die  Wunde  so  weit  nöthig  erweitert 
und  dann  erst  die  Eihaut  zerrissen.  Fruchtwasser  lief  dabei 
nicht  ab.  Der  Röcken  des  Kindes  lag  vor,  quer  über  dem- 
selben eine  Schlinge  der  Nabelschnur,  eine  zweite  um  den 
rechten  Schenkel.  Die  Entwickelung  des  Kindes,  welches 
die  erste  Scheilellage  einnahm ,  war  trotz  der  grossen  Wunde 
ziemlich  schwierig;  ich  musste  mit  der  linken  Hand  um  den 
Kopf  gehen,  um  denselben  hervorzuheben.  Das  scheintodte, 
starke  Mädchen  wuixle  sofort  abgenabelt#und  der  Hebamme 
übergeben,  die  es  hM  zum  Leben  brachte.  Zur  Entfernung 
der  Nachgeburt  musste  ich  eine  Hand  in  den  Uterus  bringen 
und  dieselbe  in  der  linken  Mutterseite,  wo  sie  sich,  wie  in 
einen  Sack  theilweise  eingeschlossen,  noch  adhärent  fand, 
lösen.  Während  der  Operation  war  die  Blutung  unbedeutend, 
nur  beim  Durchschneiden  des  Uterus  wurden  einige  grössere 
Gefasse  getroffen,  die  sich  aber  leicht  contrahirten.  Nach 
Entferntmg  der  Placenta  war  aber  die  Blutung  in  Folge 
mangelnder  Coiitractionen  so  stark,  dass  ich  genöthigt  wurde, 
noch  einmal  mit  der  ganzen  Hand  in  das  Cavum  abdominis 
zu  dringen  und  den  Uterus  durch  unmittelbaren  Druck  und 
Reizung  zu  Gontractionen  zu  zwingen,  was  auch  bald  gelang. 
Darniscblingen  fielen  während  der  Operation  nicht  vor  und 
nur  einen  kurzen  Moment  trat  Brechreiz  auf.  Nachdem  die 
Bauchhöhle  thunlichst  von  den  Blutcoagalis  befreit  und  ge- 
reinigt war,  wurde  die  Wunde  durch  sieben  Knopfnähte  und 
fünf  Insectennadeln  geschlossen  und  in  den  unteren  Wundwinkel 
ein  geölter  Leinwandstreifen  gelegt  Gekreuzte  Heftpflaster, 
Longuellen  und  Bauchbinde  vervollständigten  den  Verband, 
während  dessen  die.  Entbundene' aus  der  Anästhesie  erwachte. 


254      XVIII.    Winekelj  Fünfiehn  Kaisergchnittop^rationen 

und  da  sie  über  Schmerz  in  der  Wunde  klagte,    15  Tro|ifeD 
Tr.  thebaica  empfing. 

Das  kräftige  Mädchen  wog  7%  Pfund  alt  Gewicht.  Der 
Qiierdurchmesser  seines  Kopfes  maass  3'^  10"^  der  sagittale 
4V2"  und  der  longiludinale  öVa"«  Die  Nachgeburt  war  gross, 
die  Nabelschnur  stark  und  20"  lang. 

Da  sich  nach  Ablauf  einer  Stunde  das  Brennen  in  der 
Wunde  nicht  legte,  wurden  nochmals  10  Tropfen  Tr.  opii  spl. 
gegeben.     Durch  die  Scheide  ging  einiges  Blut  ah. 

Den  4.  September  Abends.  Wegen  heftiger  Nach  wehen 
waren  der  Entbundenen  am  Nachmittage  nochmals  10  Tropfen 
Opiumtinctur  gereicht  worden,  worauf  Besserung  eintrat,  hie 
flaut  ist  feucht,  der  Schmerz  gering.  Der  Puls  macht 
100  Schläge.  Das  Kind  war  schon  zwei  Mal  mit  Erfolg  an 
die  ßrujBt  gelegt  worden.  Durch  die  Scheide  ging  noch  einiges 
Blut  ab. 

Den  5.  September.  Patientin  hat  die  Nacht  leidlich  zu- 
gebracht, sie  hat  mehrere  Stunden  geschlafen,  etwas  Wasser- 
suppe mit  Wcissbrod  genossen,  mehrmals  Urin  entleert  und 
leicht  transpirirt.  Die  Lochien  tliessen  noch  spärlich.  Der 
Leib  ist  zwar  etwas  aufgetrieben,  aber  nicht  besonders 
empfindlich;  der  Puls  ziemlich  voll  und  kräftig,  hat  100  Schläge. 
Das  Kind  trinkt  gut. 

Abends.  Der  Zustand  ist  ziemlich  derselbe,  doch  fuhit 
sich  die  Entbundene  weniger  behaglich.  Der  Leib  ist  noch 
mehr  aufgetrieben;  etwas  Husten.  Die  Haut  ist  feucht  und 
warm,  der  Puls  wie  am  Morgen.  Stuhlgang  noch  nicht  er- 
folgt.    Viel  Durst.     Das  Kind  gedeiht  gut. 

Den  6.  September.  Der  Meteorisuuis  hat  zugenommen. 
Die  Nacht  war  unruhig,  der  Schlaf  sehr  unterbrochen.  Viel 
Husten,  der  Schmerzen  im  Leibe  veranlasst,  —  grosser  Durst, 
starker  Schweiss.  Urin  sehr  saturirt,  Stublentleerung  hat 
noch  nicht  stattgefunden,  weshalb  ein  Glysma  verordnet  wurde. 
Die  Zunge  ist  rein;  der  Puls  kleiner,  104  Schläge. 

Abends.  Der  Leib  ist  noch  mehr  aufgetrieben,  verträgt 
wohl  einen  gelinden  Druck,  stärkerer  verursacht  aber  Schmerzen. 
Stuhlgang  ist  trotz  wiederholter  Klystiere  noch  nicht  ein- 
getreten.   Die  Lochien  fliessen  fast  gar  mchl.    Patientin  klagt 


Xknd  deren  ErgebnUee  ffir  die  Praxis.  255 

nicht  so  sehr  über  Schmerz,  als  über  Athmungsbeschwerden, 
der  Athem  ist  kurz  uDd  mit  Schleimrasseln  Yerbunden.  Der 
Pals  ist  voll  und  frequent,  110  Schläge;  der  Durst  massig, 
Haut  feucht  und  warm.  Die  Alhemnotii  röhrt  ofTenbar  von 
dem  Meteorismus  her.  —  So  eben  erfolgt  etwas  Erbrechen 
von  Schleim  und  Abgang  der  Klystiere  mit  vielen  Flatus, 
worauf  grosse  Erleichterung  der  Beklemmung  einCrilL  Auch 
etwas  trockener,  fest  geballter  Koth  ging  ab,  wonach  sich 
die  Schmerzhaftigkeit  und  Auftreibung  des  Leibes  verminderte. 
Die  Milchsecrelion  ist  gehörig  im  Gange  und  das  Kind  nimmt 
die  Brust  sehr  gut.  Verordnet  wurde :  Kec.  Calomelanos  gr.j., 
Extr.  op.  aq.  gr.V4  9  Sacch.  alh.  ^ßy  m.  f.  p.  D.  d.  viij.  S.  Zwei- 
stöndhch  ein  Pulver  mit  Wasser  zu  nehmen. 

Den  7.  September.  Die  Nacht  war  unruhig,  wenig  Schlaf, 
starke  Dyspnoe,  Rhonchus  mucosus  und  Husten,  Viel  Durst. 
Bedeutender  Meteorismus.  Der  Leib  ist  sehr  empfindlich. 
Flatus  gehen  nicht  ab;  die  Lochien  fliessen  nicht.  Puls  110, 
kleiner  als  gestern.  Die  Haut  ist  warm  und  feucht.  Milch 
ist  genug  vorhanden.  Da  kein  Stuhlgang  mehr  erfolgt  ist, 
wird  dreistündlich  ein  Esslöfiel  Ol.  Riciui,  bis  zur  Wirkung 
imd  ein  Clysma  verordnet, 

Abends.  Nach  dem  Genüsse  zweier  Löffel  Ol.  Riciui  und 
mehreren  Kiystieren  erfolgten  endlich  einige  Darmentleerungen, 
welche  grosse  Erleichterungen  verschafften.  Das  Alhmen  ist 
freier,  Husten  und  Schleimrasseln  haben  nachgelassen,  die 
Aufti'eibung  des  Leibes  hat  bedeutend  abgenommen,  eben  so 
auch  die  Empfindlichkeit  desselben.  Die  Haut  ist  duftend, 
die  Zunge  rein,  der  Durst  massiger.  Der  Puls  macht 
112  Schlage  und  ist  noch  härllich.  Das  Siodon  ist  aus  dem 
unteren  Wundwinkel  gedrängt  worden.  Es  wurde  verordnet: 
Rec.  Calomel.  gr.j.,  Extr.  opii  aq.  gr.V4t  Conch.  praep.  gr.iv., 
Elaeos.  foenic.  ^j3,  m.  f.  p.  D.  d.  viij.  S.  2  —  äslündlich  ein 
Pulver  mit  Wasser  zu  geben. 

Den  8.  September.  Nachdem  die  Operirie  gestern  Abend 
noch  zwei  Pulver  genommen,  hat  sie  eine  sehr  gute  Nacht 
gehabt.  Gegen  Morgen  ist  noch  eine  gehurige  Ausleerung 
erfolgt.  Der  Puls  zählt  112  Schläge;  die  Haut  ist  feucht; 
der  Lochialfluss  findet  sich  wieder.    Schmei^z  und  Meteorismus 


256      XVill.    Wtnekelt  Fünfsehn  Kalte rschnittoperationen 

haben  sieb  Yerriogert    Die  Zunge  ist  rein  und  mehr  Appetit 
vorhanden.     Das  Kind  gedeiht  sichtlich. 

Den  9.  September.  Die  Nadit  war  gut;  Patientin  hat 
bis  4  Uhr  geschlafen  und  dann  kurz  nach  einander  zwei  MaJ 
gehörige  Stuhle  gehabt.  Der  Locbialfluss  ist  stärker,  aacii 
ist  etwas  Blut  abgeflossen.  Die  Haut  transpirirt,  die  Zungv 
ist  rein,  der  Kopf  frei  und  der  Durst  geringer.  Heute  nahm 
ich  die  Heftpflaster  ab,  entfernte  die  InsectennadeJn  und  eine 
Knopfnaht,  aus  welcher  letzleren  viel  dicker  Eiter  ausfluss.  Die 
Wunde  scheint  zwar  schön  vereinigt,  doch  sickert  an  einigen 
Stellen  lochienartige  Flüssigkeit  und  Eiter  durch.  Trotz  dem 
besseren  Allgemeinbefinden  zählte  der  Puls  beute  120  Schläge 
und  war  ziemlich  voll.  Es  wurde  etwas  dünne  Fleischbrühe 
und  Weizenbrod  erlaubt.     Die  Pulver  wurden  ausgesetzt 

Abends.  Da  wieder  mehr  Husten  und  Scldeimrasseln 
eingelreten,  so  wurde  abermals  eines  der  zuletzt  verordneten 
Calomelpulver  gegeben. 

Den  10.  September.  Viel  Husten  und  einiger  Schmerz 
in  der  Wunde  haben  heute  Nacht  den  Schlaf  gestört  Stuhl- 
gang ist  erfolgt,  auch  der  Appetit  etwas  besser.  Der  Urin 
ist  sehr  dunkel  und  saturirt.  Der  Lochialfluss  ist  noch  sehr 
sparsam. 

Den  11.  September.  Frau  B.  hat  gut  geschlafen.  Der 
Husten  ist  weniger  lästig,  der  Meteorisinus  fast  ganz  gewicfaeir. 
Stuhlgang  noch  einmal  erfolgt.  Die  Zunge  ist  rein,  das  Fieber 
massiger,  Puls  116,  die  Haut  feucht;  die  Lochien  fliessen 
reichlicher.  Die  letzten  Hefte  wurden  heute  entfernt;  einige 
Stichwunden  eitern  ziemlich  stark  und  an  vei*scbiedenen 
Stellen  der  Wunde  dringt  noch  Lochialsecret  durch,  übrigens 
ist  die  Beschaflenheit  der  Wunde  sehr  gut,  sie  ist  beinahe 
geschlossen  und  es  scheint  die  vordere  Wand  des  Uterus  mit 
der  Bauchwand  verklebt  zu  sein.     Das  Kind  gedeiht  gut. 

Den  12.  September.  Die  Operirte  bessert  sich  täglich. 
Puls  108,  weich,  Haut  feucht;  Stuhlgang  ist  zwei  Mal  er- 
folgt; der  Unterleib  ist  nicht  mehr  gespannt  und  das  Allgemein- 
befinden ist  zufriedenstellend.  Auch  die  Wunde  sctireitet 
täglich  in  der  Heilung  voran. 

Den  14.  September.  Die  Wunde  grösstentheils  vernarbt, 
nässt  nur  an  einigen  Stellen.     Stuhlgang,  Lochialfluss,  Haut- 


nnd  deren  Ergebnisse  für  die  Praxis.  257 

thaligkeit  und  Milchsecretion  sind  naturgemäss,  der  Schlaf  ist 
erquickend,  Meleorismus  und  Leibschmerz  haben  sich  gänzlich 
verloren.  Der  Puls  halle  zwar  heute  wieder  112  Schläge, 
doch  ist  das  Befinden  der  Wöchnerin  befriedigend. 

Den  16.  September.  Frau  B.  bessert  sich  täglich.  Die 
Wunde  sondert  nur  wenig  eiternde  Flüssigkeit  mehr  ab,  auch 
eitert  noch  ein  Nadelstich.  Schlaf,  Appetit  und  Stuhlgang 
sind  normal,  der  Lochialfluss  ist  massig,  Milch  in  grosser 
Menge^  vorhanden. 

Den  19.  September.  Die  Besserung  schreitet  stetig  voran. 
Das  Allgemeinbeßnden  lässl  nichts  zu  wünschen  übrig;  alle 
Se-  und  Excretionen  gehen  naturgemäss  von  Statten,  Schlaf 
und  Appetit  sind  gut  und  das  Fieber  sehr  gering.  Der  Puls 
verlangsamt  sich  mehr  und  mehr,  er  ist  kräftiger  und  zählt 
100  Schläge.  Die  Wunde  heilt  zusehends,  ist  aber,  weil  sie 
einige  Tage  nicht  verbunden  wurde,  in  der  Umgegend  etwas 
excoriirt.     Das  Kind  gedeiht  bei  voller  Nalirung  sehr  guL 

Den  23.  September.  Heute  Morgen  um  8  Uhr  kam  der 
Ehemann  der  Operirten  und  berichtete,  dass  sie  seit  gestern 
Abend  11  Uhr  an  heftigen,  periodischen  Schmerzen  im  Leibe 
oberhalb  des  Nabels  leide.  Sie  habe  gestern  Abend  noch 
eine  gut  verdaute  Stuhlentleerung  gehabt  und  sich  Ins  dahin 
durchaus  wohl  befunden,  die  ganze  Nacht  aber  wegen  der 
Schmerzen  nicht  geschlafen.  Da  ich  nicht  sogleich  mitgehen 
konnte,  liess  ich  fünf  Tropfen  Tr.  thebaic.  in  Chamillenthee 
nehmen.  Mittags  V^l  Uhr,  als  ich  ankam,  war  der  Schmerz 
noch  nicht  besser.  Die  Zunge  war  ganz  rein,  der  Puls 
machte  88  Schläge,  war  etwas  unregelmässig,  aber  ziemlich 
kräftig  und  nicht  hart.  Die  Wunde  ist  bis  auf  eine  kleine, 
mit  Caro  luxurians  besetzte  Stelle  vernarbt.  Die  ganze  Narbe 
ist  derb  und  fest  anzufühlen,  auch  in  ihrer  Umgebung,  wie 
die  ganze  Partie  unterhalb  des  Nabels  durchaus  nicht  empfind- 
lich, selbst  bei  stärkerem  Drucke.  Ich  gab  noch  acht  Tropfen 
Tr.  thebaic.  und  etwas  später  einen  Löffel  Ol.  Ricini,  mit 
der  Weisung  nach  drei  Stunden  noch  einen  Löffel  voll  zu 
geben,  wenn  der  Schmerz  sich  nicht  gelegt  habe  und  keine 
Oeffnung  erfolgt  sei.  Wahrscheinüch  hat  Frau  B.  gestern 
Abend  zu  viel  Schwarzbrod  und  Kartoffeln  genossen. 

Monatuchr.  f.  GabarUk.  1868.  Bd.  XXlI.,Hft.<4.  17 


258      XVIII.    Winckel,  Fünfeehn  Kaiserscbnittoperationen 

Abends.  Da  sich  der  Zustand  noch  nicht  gebessert  halte, 
die  Leibschmerzen  fortdauerten  und  auch  noch  keine  Oeflnung 
erfolgt  war,  verordnete  ich  eine  Emulsio  oleosa  c.  Extr.  hyosc. 
stündlich  zu  nehmen.  - 

Den   24.  September.     Noch    keine   Besserung;    Frau  -ß. 
hat   die  Arznei   ausgebrochen,   keinen  Stuhlgang   gehabt    und 
wegen  der  anhaltenden  Schmerzen   gar  nicht  geschlafen.     Es 
wurden    zwei  Klystiere   gegeben,    die   niclit  wieder   abgingen. 
Man  fühlt  oberhalb  des  Nabels  einige  Partien  der  Dönudänne, 
welche  wie  ausgestopft  erschienen.    Der  Puls  hat  96  Schläge 
und    ist    klein.     Die   Zunge   ist    rein,    aber   viel   Aufstossen. 
Verordnung:   Rec.  Calomel.  gr.ij.,  Morph,  acet.  gr.y4,  Conch. 
prpt.  gr.ij.,  Sacch.  alb.  ^/9,  m.  f.  p.  D.  d.  vijj.  S.  Zweistündlich 
ein  Pulver  mit  Wasser. 

Abends.  Der  Schmerz  ist  minder  heftig  und  kehrt  seltener 
wieder.  Die  Lochien  sind  wieder  mehr  gerölbeL  Stuhl- 
en tleerung  ist  noch  nicht  erfolgt.  Da  ich  die  angehäuften 
Kothmassen  noch  fühlen  konnte,  Hess  ich  wiederholt  etwas 
Ol.  Ricini  nehmen,  welches  aber  bald  wieder  abgebrochen 
wurde.     Die  Calomelpulver  wurden  repetirt. 

Den  25.  September.  Die  Nacht  war  schlecht,  mehr- 
maliges Erbrechen,  noch  kein  Stuhlgang,  der  Leih  ist  mehr 
aufgetrieben  und  schmerzhafter;  starkes  Aufstossen,  Neigung 
zu  Singultus,  Gollapsus  virium.  Puls  124,  klein,  fadenförmig. 
Mehrere  Klystiere  bleiben  alle  bei  der  Kranken;  der  Schmerz 
oberhalb  des  Nabels  ist  oft  so  heftig,  dass  sie  laut  aufschreit. 
Die  Narbe  ist  gar  nicht  empGndlich,  auch  der  Uterus  nichL 
Die  Milch  hat  sich  fast  verloren.  Rec.  Calomel.  gr.iv.,  Extr. 
op.  aq.  gr.j.,  m.  f.  p.  D.  d.  viij.    S.   Zweistündlich  ein  Pulver. 

Abends.  Der  Zustand  verschlimmert  sich  von  Stunde  zu 
Stunde.  Puls  klein,  128;  andauernde  Verstopfung  und  Brech- 
reiz; der  Schmerz  ist  jetzt  permanent,  wenn  auch  nicht  mehr 
so  heftig,  doch  ist  die  Zunge  ganz  rein  und  die  Haut  noch 
warm  und  feucht:  Rec.  Inf.  Senn.  comp.  3iv.  d.  s.  Stündlich 
ein  EsslöfTel. 

Den  26.  September.  Die  arme  Leidende  hat  eine  schreck- 
liche Nacht  verlebt,  immerfort  erbrochen.  Grosse  Unruhe 
und    Angst,    totale  Verstopfung,    heftige   Schmerzen.     Kalte 


Tind  deren  Ergebnisse  far  die  Praxis.  269 

Schweisse  der  Extremitäten;  Singiiltus;  Puls  nicbt  zählbar; 
furchtbarer  Durst.  Rec.  Ol.  croton.  gtt  V*»  Morph,  acet.  grJ/^, 
Sacch.  alb.  ^ß,  in.  f.  p.  D.  dos.  viij.  S.  Zweistündlich  ein  Pulver 
mit  Wasser  zu  nehmen.  College  Wiefei  applicirte  noch 
einige  Rlystiere  so  hoch  als  möglich,  die  aber  zum  Theil 
wieder  abflössen. 

Als  wir  die  Kranke  des  Abends  wieder  gemeinschaftlich 
besuchten,  fanden  wir  sie  etwas  besser.  Es  waren  mehrere 
copiöse,  dünnflüssige,  sehr  übelriechende  Stuhle  erfolgt,  der 
Leibschmerz  hatte  zwar  noch  nicht  aufgehört,  war  aber  viel 
gelinder,  doch  war  der  Leib  noch  mehr  aufgetrieben.  Der 
Puls  hatte  siöb  etwas  gehoben,  machte  aber  noch  immer 
136  Schläge,  auch  war  der  Durst  noch  sehr  heftig.  Die 
Vorderarme  nicht  nielu*  so  kalt,  die  Füsse  warm.  Aufstossen 
und  Brechreiz  bestanden  noch,  auch  war  am  Nachmittage 
noch  einmal  erbrochen  worden.  Es  wurde  verordnet:  Bec. 
Ol.  tereb.,  Aeth.  sulph.  äa  Siv.  Mds.  Zum  Umschlag  auf  die 
Präcordialgegend.  Bec.  Tr.  castor.  canad.,  Aeth.  acet.  aa  3ij., 
Tr.  op.  simpl.  5ß.  Mds.  Alle  zwei  Stunden  15  —20  Tropfen 
zu  nehmen. 

Es  stellte  sich  zu  meinem  nicht  geringen  Schrecken  jetzt 
heraus,  dass  bei  der  Verordnung  des  Ol.  crotonis  ein  Irrthum, 
der  mir  selbst  zur  Last  fiel,  vorgekommen  war;  es  enthielt 
nämlich  jede  Gabe  statt  V4  zwei  Tropfe li  und  die  Kranke 
hatte  im  Laufe  des  Tages  vier  Gaben  oder  adit  Tropfen 
bekommen,  wodurch  aber  ohne  Zweifel  eine  so  günstige 
Wirkung  erzielt  worden  war,  dass  wir  wieder  einige  Hoffnung 
schöpfen  durften.  Wir  beschlossen  daher,  falls  nicht  noch 
mehr  Ausleerungen  eintreten  sollten,  in  einigen  Stunden  noch 
%  Pulver  nehmen  zu  lassen. 

Den  27.  Septeml>er.  Der  Zustand  hat  sich  erheblich 
gebessert,  gegen  11  Uhr  Nachts  ist  noch  ein  Tropfen 
Ol.  crot.  gereicht  worden,  worauf  wieder  mehrere  Stühle  er- 
folgten. Der  Puls  ist  kräftiger  und  voller,  er  macht  nur 
120  Schläge  mehr.  Der  Leib  ist  bedeutend  beigefallen ,  beim 
Drucke  fast  nicht  mehr  empfindlich.  Die  Extremitäten  sind 
warm,  die  Haut  feucht  und  die  Kranke  hat  fast  die  ganze 
Nacht  geschlafen.     Obwohl   sie   sich   gestärkt  fühlt,   ist  doch 

17* 


260      XVIII.     Winekel,  Fünfzehn  Kaitersehnittoperationen 

die  Schwäche  noch  sehr  gross  und  das  Gesicht  aufrallend 
eingefallen.  Die  Wunde  ist  geschlossen;  die  Lochien  fangen 
wieder  an  zu  fliessen.  Es  wird  etwas  Fleischbrühe  mit  Eigelb, 
auch  Milch  zu  nehmen  erlaubt  und  die  gestern  verordneten 
Tropfen  weiter  gegeben. 

Den  28.  September.  Frau  B.  hat  gut  geschlafen,  der 
Leib  ist  nicht  mehr  aufgetrieben  und  nicht  empßndlich, 
doch  sind  seit  gestern  noch  sieben  copiöse,  viel  Kleien  Ton 
Schwarzbrod  enthaltende  Ausleerungen  erfolgt.  Die  Zunge 
ist  rein,  die  Haut  duftend.  Puls  124;  etwas  mehr  Durst 
Die  Milch  mehrt  sich  wieder.  Alle  Arzneien  werden  aus- 
gesetzt und  nur  Haferschleim  zum  Getränk  gefeicht. 

Den  29.  September.  Die  Nacht  verlief  ruhig,  Durst  und 
Fieber  haben  sich  gemindert;  Puls  120,  kräftiger.  Die  Esslust 
erwacht  wieder  mehr  und  mehr,  auch  die  Milch  nimmt  wieder 
zu,  doch  ist  die  Kranke  noch  sehr  erschöpft  Da  noch 
mehrere  Male  Abführen  eingetreten  war,  so  reichte  ich  beule 
Morgen  sechs  Tropfen  Opiumtinctur. 

Den  2.  Oclober.  Patientin  hat  sich  sehr  erholt;  die 
Diarrhoe  hat  sich  verloren,  die  Stuhle  sind  regelmässig  und 
geformt.  Schlaf  und  Appetit  sind  gut.  Milch  ist  genug  für 
das  prächtige  Kind  vorhanden.  Der  Puls  macht  nur  noch 
104  Schläge  und  die  Gerettete  ist  sehr  glücklich  und  vergnügt 

Den  8.  October.  Die  Kräfte  haben  sich  so  gehoben, 
dass  Frau  B.  täglich  einige  Stunde  ausser  dem  Bette  zubringt 
Der  Zustand  lässt  nichts  zu  wünschen  übrig. 

Den  14.  October.  Heute  traf  ich  die  Genesene  schon 
vor  der  Hausthüre.     Mutter  und  Kind  sind  ganz  wohl. 


und  deren  Ergebnisse  füi  die  Praxis. 


261 


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262       XIX.    Winckel,  Fünfsebo  K»i0ersohDittoperationeo 

Um  die  vorher  nülgetheilten  Kaisergeburten  für  die  Praxis 
einigermaassen    zu    vcrwerlhen,    ist    es    iiölhig,    diejenigen 
Momente   besonders   hervorzuheben,   denen   ein    vorwiegendo^ 
Einfluss    auf   die   Erfolge    zugeschrieben    werden    muss.      Vor 
allen  Dingen  ist   hier   darauf  aufmerksam   zu   machen,    dass 
sämmtliche  Operirtc  der  allerdurftigsten  Classe  angehörten  und 
in   allen   Beziehungen   höchst    ungünstig   situirt   waren.      Die 
Meisten   fielen  der  öffentlichen  Wohlthätigkeil  anheim,  ja   es 
musste   in   einzelnen  Fällen  Seitens  der  Gemeinden  für  Auf- 
wartung und  Pflege    gesorgt  werden.     Dr.  Fagenstecher  hat 
dieses  traurigen  Umslandes  in  seiner  trefflichen  Arbeit:  „E^n 
Beitrag    zur  Statistik  des  Kaiserschnitts  etc."  (s.  das  Januar- 
Heft  d.  Zeitschrift,  1862,  S.  111)  ebenfalls  Erwähnung  gethaii. 
Nicht  genug,    dass  wir   uns   in   den   meisten  Fällen  alles  zur 
Operation    und    Nachbehandlung    Nöthige    selbst    beschafTen 
musstcn,     hatten    wir     auch    noch    mit    vielen    anderweiten 
Hindernissen  und  Widerwärtigkeiten  zu  kämpfen ,  welche  einen 
gunstigen  Ausgang   an   und    für   sich   schon  in  Frage  stellen 
konnten.     Hierher   gehört   ganz  besonders   die  in  der  Regel 
stundenweite  Entfernung  von   der  Kreissenden,   wodurch   uns 
die  Herbeiholung  sachverständiger  Assistenten  sehr  erschwert 
und,  was  noch  weit  schlimmer,  die  Wahl  des  richtigen  Zeit- 
punktes zur  Operation   aus  der  Hand  genommeu  wurde.     So 
würden  in  den  Fällen  1,  3,  4  und  12  wenigstens  die  Kinder 
erhalten  worden  sein,  wenn  die  Operationen  rechtzeitig  hätten 
ausgeführt  werden  können.    Aber  auch  für  die  Nachbehandlung 
ist   die   weite  Entfernung  von   der  Entbundenen   immer   sehr 
störend,   da   mitunter  Ereignisse   eintreten,   welche   eine   so- 
fortige Berücksichtigung  erheischen. 

Auch  in  diesen  Fällen  hat  es  sich  wiederum  bewahrheilet, 
dass  die  Osteomalacie  eine  weit  ungünstigere  Prognose  für 
die  Operation  zulässt,  als  die  Rachitis.  Von  den  neun  wegen 
osteomalacischer  Beckenenge  Operirten  starben  sechs,  also 
zwei  Drittel,  während  von  den  an  den  Folgen  der  Rachitis 
Leidenden  sechs  nur  ein  Drittel  erlagen.  Das  Verhältniss 
würde  sich  offenbar  noch  gunstiger  gestaltet  haben,  wenn 
die  Entscheidung  über  die  Wald  des  Zeitpunktes  der  Operation 
von   uns   allein   abhängig  gewesen  wäre.     Der  Grund  hiervon 


nnd  deren  Ergebniase  filr  die  Praxis.  263 

ist  lediglich  in  dem  Forlhestehen  der  Krankheit  und  der 
dieselbe  bedingenden  Verhältnisse  za  suchen,  während  die 
Rachitischen  ihre  Krankheit  meist  vor  Jaiiren  überstanden 
und  sich  zur  Zeit  der  Operation  einer  ungetrübten,  ja  ich 
mochte  sagen,  noch  mehr  gestählten  Gesundheit  zu  erfreuen 
haben.  Es  ist  zwar  nicht  zu  läugnen,  dass  die  Vulnerabilität 
Osteomalacischer  keineswegs  eine  erhöhte  ist,  ja  es  lehrt 
uns  die  Erfahrung  hier  täglich,  dass  an  Knochenerweichung 
leidende  Frauen,  die  schwersten  geburtshülflichen  Operationen 
wunderbar  leicht  überstehen.  Auch  sind  sie  überaus  fruchtbar, 
als  wenn  sich  alle  ihre  Lebenskraft  im  Geschlechtsleben 
gleichsam  concentrire.  Selbst  die  Gebärmutter  Osteomala- 
cischer wird  gemeiniglich  weit  kräftiger  und  dicker  in  ihren 
Wandungen  als  bei  Rachitischen  gefunden.  Aber  das  Fort- 
bestehen der  Osteomalacie  und  besonders  die  Fortdauer  der 
sie  bedingenden  Momente  sind  es  gewiss  allein,  welche  den 
Ausgang  so  sehr  gefährden. 

Von  wesentlichem  Einflüsse  auf  den  Erfolg  ist  unstreitig 
auch  die  richtige  Wahl  des  Geburtzeitraumes,  in  welchem 
die  Operation  unternommen  werden  muss.  ist  mir  die  Wahl 
überlassen,  so  operire  ich  am  liebsten  gegen  das  Ende  der 
zweiten  Geburtsperiode,  bei  springfertiger  Blase,  ohne  in 
letzter  Zeit,  wie  Dr.  J.  H.  Schenk  anräth,^)  die  Blase  vorher 
zu  sprengen.  Es  hat  um  diese  Zeit  die  Gebärmutter  ihre 
grösste  Ausdehnung  erreicht,  ihre  Thätigkeit  ist  gehörig  ent- 
wickelt, Muttermund  und  Scheide  sind  genügend  vorbereitet 
und  die  Entwickelung  des  Kindes  ist  am  leichtesten,  da  man 
mit  dem  Zerreissen  der  Eihäute  sehr  leicht  mit  einer  Hand 
in  die  Eihöhle  dringen  und  den  Kopf  des  Kindes  umfassen 
kann.  Wie  sich  bei  stehendem  Fruchtwasser  eine  Wendung 
leichter  ausführen  lässt,  so  ist  es  mit  der  Entwickelung  des 
Kindes  beim  Kaiserschnitte.  Dass  man  den  Abfluss  des 
Fruchtwassers  in  die  Bauchhöhle  dabei  nicht  zu  fürchten 
habe,  weiss  Jeder,  der  den  Kaiserschnitt  einmal  verrichtet 
hat;   in  diesem  Momente  sind  alle  Organe  thätig,  den  Inhalt 


1)  E.  V.  Siebold^B  JöXkTutdf  1826,  Geschichte  einer  ^Ificklichen 
Entbindung  durch  den  Kaisersohnitt  von  Dr.  J.  H.  Schenk, 


264      XVIII.    Winckelj  Fünfzehn  EaiaerBchnittoperationen 

des  Fnichüiahers  nach  aussen  zu  entleeren,  auch  werden  sie 
gerade  jetzt  am  Entschiedensten  durch  die  Hunde  des  Assistenten 
in  ihren  Bestrebungen  unterstützt.  Sollte  aber  auch  wirklieb 
etwas  Fruchtwasser  in  die  Bauchhöhle  gelangen,  die  Fälle  3, 
11  und  12  beweisen  zur  Geitöge,  dass  dadurch  keineswegps 
der  Erfolg  notbwendig  gefährdet  werde.  In  diesem  Zeiträume 
ist  ferner  die  Gebärmutter  durch  nutzlose  Anstrengungen 
noch  nicht  eVschöptt,  sie  besitzt  noch  die  zur  Trennung  der 
Nachgeburt  und  nöthigen  Verkleinerung  erforderliche  Energie 
ganz  ungeschwächt,  auch  sind  ihre  Zusammenziehungen  viel 
regelmässiger  und  harmonischer,  als  wenn  sie  nach  langer, 
vergeblicher  Arbeit  den  Kindeskörper  fast  tetanisch  umfasst  hält. 

Dass  dieser  Zeitpunkt  für  die  Erhaltung  der  Kinder  der 
glücklichste  ist,  bedarf  keiner  Beweisgründe.  Die  in  dem 
oben  citirten,  treffhchen  Aufsalze  von  Dr.  Schenk  aus- 
gesprochene Ansicht,  dass  die  Kinder  oft  viele  Tage  lang 
die  Angrifle  des  Uterus  ertragen  könnten,  da  die  unfruchtbaren 
Wehen  meistens  mehr  schmerzhaflt  als  kräftig  seien  unil  die 
Beihülfe  der  Bauchpresse  wenig  oder  gar  nicht  in  Anspruch 
nähmen,  habe  ich  durch  meine  Erfahrung  leider  nicht  bestütigt 
gefunden.  In  den  Fällen  1,  3,  4,  12  und  14  würden  die 
Kinder  gewiss  gerettet  worden  sein,  wenn  die  Operationen 
rechtzeitig  hätten  vorgenommen  werden  können,  und  die 
Rupturen  bei  3,  4  und  12  wären  gewiss  nicht  eingetreten, 
wenn  die  Wehen  mehr  schmerzhaft  als  kräftig  gewesen  und 
der  Beihülfe  der  Bauchpresse  entbehrt  hätten.  Besonders  bei 
Osteomalacischen  sind  die  Wehen  oft  ganz  entsetzlich;  wie 
manche  arme  Kreissende  habe  ich  rufen  hören:  „ich  muss 
bersten!" —  Es  ist  unbeschreiblich,  zu  welchen  enormen  Kraft- 
anstrengungen  Weiber,  die  seit  Monden  ja  Jahren  sich  kaum 
bewegen  konnten ,  durch  die  Wehen  gezwungen  werden.  Eine 
derartige  Einschnürung  können  die  Früchte  unmöglich  mehrere 
Tage  hindurch  aushalten! 

Wesentlich  für  den  Erfolg  der  Operation  ist  femer,  dass 
ihr  nicht  andere  Enlbindungsversuche  schon  vorausgegangen 
sind.  In  allen  mir  vorgekommenen  Fällen  war  dies  nicht 
geschehen;  ich  war  so  glücklich,  die  Diagnose  stets  mit  Sicher- 
heit sogleich  bei  meinem  Hinzutreten  stellen  zu  können. 


Qiid  deren  Ergebnisse  für  die  Praxis.  265 

Ueber  die  Operation  selbst  ist  nur  wenig  zu  bemerken, 
sie  wurde,  die  Fälle  1,  2,  8  und  10  abgerechnet,  immer 
in  tiefer  Chloroformnarcose  verrichtet;  im  Chloroform 
haben .  wir  überhaupt  einen  mächtigen  Bundesgenossen  für 
den  Kaiserschnitt  erlangt;  es  benimmt  der  Operation  nicht 
allein  das  Schmerzhafte  und  Grausige ;  es  erleichtert  auch  die 
Assistenz  in  hohem  Grade  und  habe  ich  nachtheilige  Wirkungen 
desselben  niemals  beobachteL 

Die  Wahl  des  Ortes  wird  wohl  heut  zu  Tage,  wenn 
nicht  ganz  aussergewöhnliche  Verhältnisse  stattfinden,  nicht 
mehr  in  Frage  kommen.  Die  Vurtheile,  welche  die  Linea  alba 
bietet,  sind  zu  entscheidend;  mir  ist  kein  Fall  vorgekommen, 
in  welchem  sich  der  schief  nach  einer  Seite  hin  gerichtete 
Uterus  mit  leichter  Muhe  hätte  in  die  Mittellinie  bringen 
lassen.  Nur  im  dritten  Falle  war  es  scheinbar  unmöglich, 
den  Uterus  hinter  der  weissen  Linie  ^u  fixircn,  warum,  das 
sollte  uns  bald  klar  werden;  das  Kind  war  aus  demselben 
getreten  und  schlüpfte  bei  der  Betastung  bald  hier-,  bald 
dorthin.  Würde  nicht  gerade  in  diesem  Falle  die  Operation 
an  einer  anderen  Stelle  bei  Weitem  schwieriger  gewesen  und 
ungünstiger  ausgefallen  sein? 

Der  Mangel  an  kunstgerechter  Hülfe  hat  meinen  trefflichen 
Assistenten  und  Freund,  Herrn  Wiefei,  auf  ein  Verfahren 
geführt,  den  Vorfall  der  Eingeweide  zu  verhindern,  welches 
zu  praktisch  und  zweckentsprechend  ist,  um  hier  übergangen 
zu  werden.  Es  greift  nämlich  der  Assistent  sogleich  nach 
Eröffnung  des  Uterus  mit  dem  Zeigefinger  der  einen  Hand 
in  den  oberen  Winkel  der  Uteruswunde  und  zieht  ihn  mit 
demselben  Winkel  der  Bauchwunde  zusammen,  ist  der  Schnitt 
nach  unten  vollendet,  so  macht  er  mit  der  anderen  Hand 
dieselbe  Manipulation  im  unteren  Winkel  und  hält  durch 
einen  gelinden  Zug  Bauch-  und  Uteruswand  in  so  enger  Be- 
rührung, dass  ein  Darmvorfall  dadurch  unmöglich  gemacht 
wird.  Durch  diesen  einfachen  Handgriff  werden  nicht  allein 
Assistenten  erspart,  sondern  auch  andere  Hüifsmittel,  wie  die 
von  V.  Graefe  empfohlenen  Schwämme,  welche  das  Operations- 
feld so  sehr  beeinträchtigen,  und  der  Vorschlag  AutenrietK^ 
und  Zang's^   im   oberen   Drittel   der  ßauchwunde,   efie   man 


266      XVIII.    Win^elf  Fünfsehn  KaUerachniltsoperationen 

weiter  gebt,  einige  Heftfäden  anzulegen,  die  drei  Mal  so  lang 
als  gewöhnlich  sein  und  bis  nach  der  Entbindung  in  Bogen 
nach  oben  geschlagen  werden  sollen,  durchaus  überflüssig 
gemacht. 

Für  sehr  wichtig  halte  ich  es,  den  Uterus  roöglicbsl  in 
der  Mitte  seiner  vorderen  Wand  zu  eröffnen  und  den  Grund, 
wie  den  unteren  Abschnitt  desselben,  thunlichst  zu  schonen. 
Die  Erfahrung  hat  mich  gelehrt,  dass  die  bis  in  den  Gniod, 
resp.  in  den  Mutterhals  sich  erstreckenden  Wunden  beim 
Zusammenziehen  des  Uterus  sich  nie  so  dicht  schliessen, 
ja  sogar  leicht  klaffen,  was  in  der  Wirkung  der  an  diesen 
Orten  besonders  zahlreichen  Circularfasern  seine  Erklärung 
finden  wird.  —  Wahrscheinlich  ist  in  dem  vom  Professor 
O.  W.  Stein,  s.  dessen  geburtshölfliche  Abhandlungen,  1.  Heft, 
Marburg  1803,  mitgetheilten  Falle,  der  Schnitt  bis  in  den 
Grund  geführt  und  dadurch  die  von  Stein  so  sehr  gefürclitele 
„Spreitzung''  herbeigeführt  worden. 

Einige  Male  ist  mir  der  unangenehme  Fall  begegnet, 
die  Insertionsstelle  der  Nachgeburt  bei  der  Eröifnung  der 
Uterinhöhle  zu  treffen,  ich  habe  dann  dieselbe  stets  seitlich 
gelöst  und  die  Operation  möglichst  beschleuuigt.  Ueberhaupl 
habe  ich  die  Placeuta,  auch  wenn  sie  sich  nicht  freiwillig 
gelöst  hatte,  sofort  nach  der  Entwickelung  des  Kindes  durch 
die  Uteruswunde  künstlich  entfernt,  was  weder  schwierig, 
noch  besonders  schmerzhaft  war. 

Blutungen  nach  der  Entleerung  des  Uterus  werden  am 
sichersten  durch  unmittelbare  Compression  und  directe  Reizung 
desselben  mit  der  Hand  sistirt,  und  es  ist  deshalb  ratbsam, 
die  blutige  Vereinigung  der  ßauch wunde  nicht  eher  zu  be- 
werkstelligen, als  bis  sich  die  Gebärmutter  kräftig  contrahirl 
hat  und  in  ihrer  Contraction  zu  verharren  bestrebt  scheint. 
Durch  dieses  Manoeuvre,  welches  Schenk  schon  in  seiner 
mehrfach  augeführten,  trefflichen  Abhandlung  sehr  warm 
empfiehlt,  ist  es  mir  gelungen,  keine  Operirte  an  Verblutung 
zu  verUeren.  Ist  die  Entbundene,  was  häufig  der  Fall,  während 
dieser  Manipulation  aus  der  Narcose  erwacht,  so  lasse  ich 
ihr  sofort  eine  kräftige  Dose  -Tr.  opii  simpl.  reichen,  wo- 
durch das  Nervensystem  beruhigt  und  die  jetzt  gewöhnlidi 
eintretenden,  höchst  lästigen  Vomiturilionen  gehoben  werden. 


Qnd  deren  Ergebniste  für  die  Praxis.  267 

Nachdem  die  Blutung  zum  Stehen  gebracht,  schreite  ich 
zur  sorgfältigen  Vereinigung  der  Bauchwunde  durch  die  blutige 
Naht.  In  einzölliger  Entfernung  werden  von  oben  herab 
starke,  das  Bauchfell  mitfassende  Knopfnähte  angelegt,  die 
ich  durch  dazwischen  angebrachte  Insectennadeln  unterstütze, 
in  den  unteren  Wundwinkel  lege  ich  einen  schmalen,  aus* 
gefranzten  und  in  Oel  getauchten  Leinwandstreifen,  den  ich 
aber  nicht,  wie  Schenk  1.  c.  vorschlägt,  hinter  der  Bauch- 
wunde in  die  Höhe,  sondern  nach  der  Uleruswunde  zu  führe, 
weil  ich  der  Ueberzeugung  bin,  dass  durch  iSchenk's  Verfahren 
ein  verderblicher  Reiz  auf  die  Gedärme  ausgeübt  werden  müsse, 
und  der  Zweck,  Leitung  der  Wundsecrete  nach  aussen,  da- 
durch namentlich  für  die  Aussonderungen  des  Uterus  noch 
besser  ermöglicht  wird.  Den  völligen  Verschluss  der  Bauch- 
höhle halte  ich  für  höchst  wichtig.  Oftmals  habe  ich  mich 
überzeugt,  dass  der  Austritt  wenigen  Blutes  in  die  Unterieibs- 
höhle  nicht  von  sehr  hoher  Bedeutung  sei.  Uebrigens  sorgt 
schon  die  Natur  für  baldige  Entfernung  in  das  Cavum  abdominis 
getretener  Flüssigkeiten  durch  Aclion  der  Bauchpresse,  denn 
immer  wird  der  erste  Verband,  trotz  der  genauesten  Ver- 
einigung der  Bauch  wunde,  durchnässt  angetroffen. 

Nach  der  blutigen  Naht  bringe  ich  zu  beiden  Seiten  der 
Wunde  Longuetten  an,  welche  durch  lange,  von  einer  Seite 
zur  anderen  laufende  und  sich  in  der  Mitte  kreuzende,  zwei 
Finger  breite  Heflpflasterstreifen  befestigt  werden.  Circular- 
pfiaster  habe  ich  nie  angewendet  und  halte  sie  in  der  Land- 
praxis für  nachtheilig,  weil  sachverständige  Hülfe  zu  ihrer 
Lösung  nur  selten  rechtzeitig  zur  Hand  sein  wird.  ^  Der  ganze 
Verband  wird  durch  eine  ziemlich  fest  angelegte,  breite,  den 
ganzen  Unterleib  umfassende  Binde,  wozu  ich  gewöhnlich  ein 
Betltuch  benutze,  unterstützt  Ein  massiger  Druck  auf  sämmt- 
liehe  Organe  des  Unterleibes  scheint  mir  dringend  geboten, 
um  Hyperämieen  und  Meteorismus  vorzubeugen. 

Die  Angabe  Schenk^Sj  dass  die  blutige  Naht  fast  schmerzlos 
sei,  muss  ich  entschieden  widersprechen,  sie  ist  nach  meiner 
Erfahrung  der  empfindlichste  Act  der  ganzen  Operation,  was 
mir  nicht  in  der  Narcose  Operirte,  oder  aus  derselben  vor 
der  Naht  Erwachte,  oftmals   bestätigt  haben.     Es  wird  aber 


268        XVIII.    Winckel,  Fünfsefan  EaiserschDittopcratiooen 

dieser  Schmerz  durch  die  Freude  der  glücklich  uberstandenen 
Operation  sehr  erleichterl  und  erregt  derselbe,  wie  ich  öflers 
wahrgenommen,  die  Gebärmutter  zu  kräftigeren  Contractionen  an. 

Nach  Beendigung  des  Verbandes  nehme  ich,  bevor  ich 
die  Entbundene  zu  Bette  bringe,  eine  Exploratio  per  vaginam 
vor,  um  mich  vom  Stande  des  Muttermundes  und  dessen 
Permeabilität  möglichst  zu  überzeugen  und  etwa  ia  den 
Geburts wegen  befindliche  Eihautreste  oder  Blutcoagula  zu  ent> 
fernen,  denn  es  ist  für  den  Erfolg  sehr  nutzlich,  dass  alle 
Ausscheidungen  des  Uterus  von  vorn  herein  ihren  Ausweg 
auf  dem  naturlichen  Wege  nehmen. 

Die  Nachbehandlung  bctrelTend  bemerke  ich  schliesslich, 
dass  ich  mich  bei  derselben  immer  möglichst  passiv  ver- 
halten und  keiner  Methode  besonders  gehuldigt  habe.  Zunächst 
lasse  ich,  gegen  den  von  Schenk  1.  c.  ertheilten  Ralh,  den 
ersten  Verband  so  lange  liegen,  bis  mich  die  Durch- 
nässung desselben  zum  Wechsel  zwingt,  was  in  der 
Regel  am  vierten  oder  fünften  Tage  eintritt  Nach 
jeder  Operation  habe  ich,  wie  oben  schon  bemerkt,  der 
Entbundenen  eine  kräftige  Dosis,  10 — 20  Tropfen  Tr.  tbebaic. 
gegeben,  selbst  dann,  wenn  \veder  Schmerz  noch  Brechreiz 
statthatten.  Es  übt  das  Opium  überhaupt  eine  magische 
Wirkung  auf  die  Uterin ihätigkeit  aus  und  kann  ihm,  was 
die  Einleitung  und  Regulirung  der  Wochenbettsfunctionen 
betrifft,  kein  Mittel  an  die  Seite  gesetzt  werden.  Wurde 
durch  eine  solche  Gabe  die  gewünschte  Wirkung  nicht  bald 
erzielt,  so  habe  ich  oft  mit  gutem  Erfolge  eine  zweite,  ja 
selbst  eine  dritte  nach  einiger  Zeit  verabreicht,  —  Hat  die 
Entbundene  einige  Stunden  Ruhe  genossen,  so  lasse  ich, 
wenn's  möglich,  das  Kind  an  die  Brust  legen,  selbst  wenn 
die  Schwäche  der  Mutter  noch  so  gross  ist,  deun  die  baldige 
Einleitung  der  Lactation  scheint  mir  ein  wichtiges  Erforderniss 
für  den  günstigen  Ausgang  zu  sein.  Der  lästigsten  und 
gefahrdrohendsten  Erscheinung  bei  Kaisergeburten,  dem 
Meteorisraus,  bin  ich  öfters  durch  frühzeitige  Sorge  für 
Darmentleerung,  sowie  durch  kleine  Gaben  von  Ipecacuanha 
cum  opio  mit  Glück  entgegengetreten.  Gewöhnlich  wurden 
schon  am  zweiten  Tage  nach  der  Operation  Kiystiere  applicirt 


nnd  deren  Ergebnisse  ffir  die  Praxis.  ^  269 

■ 

und  wenn  diese  keinen  Erfolg  hatten,  ein  oder  mehrere 
Löffel  voll  Oh  Ricini  bis  zur  Wirkung  gegeben. 

Blutenfziehungen  habe  ich  nie  nöthig  gefunden,  da  mir 
entzündliche  Erscheinungen  überhaupt  nur  selten  vorkamen. 
Die  vielfach  gepriesene  Anwendung  des  Eises,  war  ich  nie- 
mals in  der  Lage  versuchen  zu  können,  Aohl  aber  habe  ich 
von  einigen  kräftigen  Dosen  Calomel  in  Verbindung  mit  dem 
unersetzlichen  Opium,  mehrere  Male  recht  günstige  Wirkungen 
beobachtet. 

Die  blutigen  Hefte  wurden  in  Her  Regel  zwischen  dem 
fünften  und  siebenten  Tage  nach  und  nach  entfernt.  War 
die  Secretion  der  Wunde  sehr  stark  und  übelriechend,  so 
wurde  täglich  zwei  Mal,  sonst  nur  ein  M3l  und  in  späterer 
Zeit,  wenn  die  Heilung  schon  fortgeschritten,  oft  nur  alle 
zwei  Tage  verbunden.  Eine  sehr  lästige  Erscheinung  sind 
die  häufig  durch  das  scharfe  und  copiöse  Wundsecret  ent- 
stehenden Excorialionen  an  der  Unterbauchgegend ;  Reinlichkeit 
und  häutiger  Wechsel  der  Verbandstücke  sind  die  besten  Mittel 
dagegen. 


270  .     XIX-   MeUtn^,  Mittfaeilangen  über  die  Thätigkeit 


XIX. 

Mittheilungen  über  die  ThAtigkeit  und  die  Ver- 
handlungen der  Gesellschaft  für  Geburtshttlfe 

zu  Leipzig 

im  neunten  Jahre  ihres  Bestehens. 


I.   Jahresbericht, 

erstattet  durch  den  d.  Z.  Secretair 

Dr.  Emil  Apollo  Meissner. 

Vorgetragen  am  20.  April  1863. 

Für  das  mit  dem  heutigen  Tage  ablaufende  neunte 
(leschäflsjahr  der  Gesellschaft  war  Herr  Hennig  (im  Laufe 
desselben  zum  ausserordentlichen  Professor  der  Medicin  be- 
fördert) zum  Director,  und  für  diesen  Herr  Beck  zum  Cassirer, 
aufs  Neue  aber  Herr  Sickel  zum  Vicedireclor  und  der  Bericht- 
erstatter 'zum  Secretair  erwählt  worden.  Wahrend  ihrer  Amts- 
führung wurde  Herr  Friedrich  Hermann  Wendt  (Dr.  med. 
und  d.  Z.  Assistent  der  Königl.  Entbindungsschule  hier)  als 
ordentliches  Mitglied  aufgenommen. 

Als  Geschenke  für  das  Archiv  der  Gesellschaft  gingen 
ein :  Hennig ^  Vererbte  Syphilis  und  Syphiliden  (Separatabdruck 
aus  dem  Jahrbuch  für  Kinderheilkunde,  IV.  3);  Alt,  Behandlung 
der  Syphihs  mit  Mercur;  Koeberle,  Des  cysticerques  de  lenias 
chez  Thomme,  und  Essai  sur  le  cretinisme;  Charles  Girard, 
La  vie  au  point  de  vue  physique  ou  physiogenie  pihlosophique; 
Grede,  Programmata  in  memoriam  Bosii  1858,  1860,  1862; 
Semmelweiss ,  Offener  Brief  an  sammtliche  Professoren  der 
Geburtshfilfe  (in  mehreren  Exemplaren);  R.  Hagen,  Die 
seit  1830  in  die  Therapie  eingeführten  Arzneistoffe  und  deren 
Rereitungsweisen ;  Neugebauer,  Neue  Methode  der  blutigen 
Dammnaht;  üWntz,  Die  Irrenheil-  und  Pflegeanstalt  Thonberg; 
Rosenihalj  Beitrag  zurKennhiiss  und  Heilung  des  Stotternbels; 


n.  d.  Verhandl.  d.  GeaellBcbaft  f.  Gebortshülfe  sa  Leipzig  etc.    271 

Gautier,  De  ia  fissure  anale  cbez  les  enfants;  Breslau, 
Jahresbericht  der  Zürcher  Gebäranslalt  1862;  Spiegelberg, 
Bericht  über  die  Leistungen  in  der  Geburtshülfe  1861  (aus 
Ganstatt^s  Jahresbericht),  sowie  eine  grössere  Anzahl  von 
fnauguraldissertationen  verschiedener  üniversitAten ,  mehrere 
Berichte  von  Bädern,  Mineralwässern,  Curorten  und  Heilanstalten 
und  endlich  einige  Gesellschaflsschriflen  wissenschaftlicher 
Corpora lionen  und  dergleichen. 

War  damit  schon  für  den  seit  Ende  October  1861  ein^ 
gerichteten  Lesecirkel  ein  Theil  del  materiellen  Bedarfes 
gedeckt,  den  die  von  der  Gesellschaft  käuflich  erworbenen 
Schriften  noch  offen  Hessen,  so  ist  doch  noch  rühmend  die 
Liberalität  der  Uerren  Hennig,  Hadke  und  Credi  an- 
zuerkennen, welche  zur  Ausfüllung  der  noch  verbleibenden 
Lucken  noch  folgende  Werke  zum  Circuliren  dargeliehen  haben, 
als:  Koelerle,  Notice  sur  une  ovariotomie  und  deuxieme 
Operation  d'ovariotomie ;  Naegele-Grenser,  Lehrbuch  der 
Geburtshülfe,  5.  Auflage,  1.  Hälfte;  B.  S.  8chultze,  Ein 
Kaiserschnitt;  Hugenberger,  Das  Puerperalfieber  im  St.  Peters- 
burger Hebammeninstitute;  Bob,  Olshausen,  Observationum 
de  partubus  pelvi  angusta  impeditis  particula;  Voisin,  Die 
Haematocele  relro- uterina  und  die  freien  Blutextravasate  in 
der  Beckenhöble,  deutsch  von  W,  Langenbeck;  Spoendli, 
die  unschädliche  Kopfzange,  casuistisch  bearbeitet;  Enssmann, 
die  Specialgesetze  der  Ernährung  sämmUicher  Organismen; 
Walther  Francke,  die  Wendung  auf  die  Fösse  bei  engem 
Becken;  Betschier  und  Freund  (uterque).  Klinische  Beiträge 
zur  Gynäkologie;  A.  Werthheimber,  Diätetik  der  Neugeborenen 
und  Säuglinge. 

Die  Gesellschaft  vereinigte  sich  im  eben  abgelaufenen  Jahre 
zu  eilf  am  14.  April,  19.  Mai,  16.  Juni,  21.  Juli,  15.  September, 
20.  October,  17.  November,  15.  December  1862,  19.  Januar, 
LG.  Februar  und  16.  März  1863  abgehaltenen  (der  97.  bis  107.) 
Sitzungen  und  zwei  Mal  nach  deren  Schluss  zu  geselligen 
Zusammenkünften  im  abgesondertem  Locale  einer  benachbarten 
Restauration.  Als  Gäste  betheiligten  sich,  bei  den  Verhandlungen 
zum  Theil  selbst  millhätig,  die  Henen  Prof.  Dr.  Goccius, 
DDrr.  Goepel  und  Klemm  von  hier,  Ernst  aus  Reudnilz, 
Med.  pract.  Gust,  Schmidt  aus  Neuschönefeld. 


272       XIX*  Meissner,  Mittheilnng^en  über  die  ThStigkeit 

Bei  Gelegenheit  der  100.  Silziing  am  21.  Juli  v.  J.  gab 
Herr  Hennig   einen   km*zen   geschiclillichen   Rückblick 
auf  die  Tiiätigkeit,   wie   die   goschichlliche  Entwickelung   der 
Gesellschaft  und  die  Verluste,  die  dieselbe  leider  schon  durrb 
den  Tod  zum  Theil  hervorragender  Mitglieder  bisher  erlitten.  - 
Von  inneren  Angelegenheiten  wurde  nur  die  üebernabfne 
der   Bestellgebuhren    für    die   Einladungen    zu    den   Sitzungen 
Seiten  der  Gesellschaflscasse  beschlossen  und  seit  October  t.  J. 
eingeführt;    auch    in    den    Jahresberichten    der    Wegfall    der 
Titulaturen  der  Mitglieder  beliebt. 

Die  wissenscbafüichen  Verhandlungen  eröffnete  Herr 
Germann  in  der  97.  Sitzung  über  Beckenmessungen  mit 
seinem  neuen  Instrumente  (vergl.  Monatsschrift  für  Geburt«- 
künde,  Bd.  18,  Supplementhcft,  S.  174)  unter  Deinonstratioo 
des  Gebrauches  am  lebenden  Phantome. 

Einen  Fall  von  Blindheit  in  der  Schwangerschaft 
hatte  vom  4.  März  a.  c.  an  in  verschiedenen  Briefen  HeiT 
Becker- Laurich  in  Ronneburg  mit  der  Bitte  um  Rathschläge 
mitgetheilt,  letztere  waren  auch  zum  Theil  bereits  durch 
Vorstandsmitglieder  ertheilt  worden,  als  in  der  107.  Sitzung 
der  bisherige  Verlauf  mit  Folgendem  zum  Vortrag  kam: 
„Frau  Schuhmachermeister  M.  von  hier  ist  28  Jahre  alt  und 
seit  sechs  Wochen  verheirathet.  Ihre  Ellern  sind  vor  einem 
und  drei  Jahren  gestorben  und  haben  bis  zu  ihrem  Ende  an 
keiner  bemerkenswerthen  Krankheit  gelitten,  ihr  Bruder  ist 
noch  heute  vollständig  gesund.  In  ihrer  Jugend  hat  sie  die 
gewöhnlichen  Kinderkrankheiten  überstanden,  und  ist  mit  dem 
22.  Jahre  —  eine  für  hiesige  Gegend  sehr  späte  Zeit  — 
menstruirt  worden.  Ohne  eigentlich  krank  zu  sein,  ist  sie 
immer  schwächlich  gewesen,  hat  aber  als  ein  in  jeder  Be- 
ziehung ordentliches  Mädchen  bei  ehrbaren  Bürgersleuten  in 
Diensten  gestanden.  Ihre  Menstruation  ist  bis  zu  ihrer  Ver- 
heirathung  —  vorige  Weihnachten  das  letzte  Mal  —  regelmässig, 
aber  sehr  sparsam  geflossen.  Kurz  vor  Weibnachten  kam 
sie  zu  mir,  um  Hülfe  zu  suchen,  da  sie,  nachdem  sie  bis 
spät  Abends  gescheuert  hatte,  plötzlich  auf  dem  rechten  Auge 
erblindet  sei.  Die  genaueste  Untersuchung  mit  Coccius^  Augen- 
spiegel zeigte  bloss  eine  höhere  Röthung  des  Augengrundes 
als  auf  der  gesunden  Seite,  Brustorgane  ganz  gesund,  Appetit 


Q.  d.  Yerhftiidl.  d.  GeaelUcbaft  f.  GebnrtshüUe  so  Leipsig  etc.    273 

und  Stuhl  Dormal,  nur  ein  anäuiisches  Aussehen  des  Mädchens 
und  deutliches  Bl^^en  in  der  rechten  Jugularvene  deuteten 
auf  einen  liöheren  Grad  von  Blularmuth.  Verordnung:  Ungt. 
Kali  jodaU  iß\  Extr.  bellad.  gr.iij.  zur  Einreibung  in  Stiin- 
und  Schläfengegend ;  innerlich:  Tinct.  ferr.  acetic.  aether.  3ij. 
froh  und  Abends  zehn  Tropfen  in  Wasser  zu  nehmen.  Ich 
hielt  den  Zustand  für  eine  passive  Congestion  nach  dem 
Kopfe  hei  vorwiegender  ßlutarmuth.  Bis  Weihnachten  wenig 
Besserung,  der  Eintritt  der  Menstruation  liess  jede  Medicalion 
aufhören.  Den  28.  Decemher  trat  ohne  alle  Veranlassung 
ein  heftiger  eclamp tischer  Anfall  ein.  Nach  dem  Aufhören 
der  Menstruation  liess  ich  die  Salbe  fortgebrauchen  und  ver- 
ordnete Pillen  aus  Chinin,  sulfur.  gr.vj.,  Pulv.  rad.  rhei  5ß, 
As.  foetid.,  Ferr.  carhonic.  äa  gr.xv.,  Exlr.  Gentian  q.  s.  ut  f.  pil. 
No.  30.  S.  Zwei  Mal  täglich  zwei  Stück  zu  nehmen.  Bei 
dieser  Behandlung  verlor  sicli  die  Blindheit  vollständig,  das 
Mädchen  erholte  sich  sichtlich,  ein  neuer  Anfall  war  nicht 
eingetreten  und  Ende  Januar,  kurz  vor  ihrer  Verheirathung, 
stellte  sie  sidi  mir  als  genesen  vor.  —  Am  3.  März  d.  J. 
wurde  ich  zu  ihr  gerufen,  da  sie  auf  beiden  Augen  erbUudet 
sei.  Der  Augenspiegel  zeigte  höhere  Röthung  des  Augen- 
grundes auf  beiden  Seiten,  Sensoriuin  vollständig  frei,  keine 
Kopfschmerzen,  Functionen  des  Körpers  normal,  Menstruation 
fehlt  seit  Mitte  Januar ;  die  Frau  glaubt  sich  seit  vier  Wochen 
schwanger  und  behauptet,  dass  ohne  Erkältung,  Gemuths- 
aufregung  oder  sonstige  Gelegenheitsursache  seit  ihrer  Ver- 
faeirathung  das  Augenlicht  auf  beiden  Seiten  trüber  geworden  sei 
und  dass  nach  erfolgter  Gonceptiou,  die  sie  aus  einem  eigen- 
thümlichen,  den  ganzen  Körper  durchzuckenden  Gefühle  als 
erfolgt  ansieht,  täghch  ihr  Sehen  weniger  geworden  sei,  bis 
sie  endlich  in  vollständige  Nacht  versank.  Sie  bat  besonders 
um  die  Pillen,  die  sie  zuletzt  erhielt,  und  ich  lasse  sie  sie 
wieder  einnehmen.  Daneben  Einreibung  von  Jodsalbe  mit 
Extr.  Belladonnae.  —  Am  4.  März  Abends  berichtete  der 
Mann,  dass  sie  früh  beim  Aufstehen,  nachdem  sie  zusammen 
vier  Pillen  genommen,  das  Fenster  gesehen  habe.  —  6.  März. 
Lichtempfindung  des  Morgens  deutlicher,  als  im  Verlaufe  des 
Tages.     Stuhl,   Appetit,    Schlaf  regelmässig.     Reissen  in  den 

Monalflichr  f.Qebnrtiik.  1868    Bd.XXII..  nn.4  18 


274       ^IX*    lfew<n«r 7.  MittheUangen  über  die  Thätigkeit 

Oberarmen  und  Oberschenkeln,  später  Kreu2scbmerzen,  gegen 
Abend  entsetzliche  Kopfschmerzen.  —  9.  A|ärz.  Der  über  Nacht 
gefallene  Schnee  wird  von  der  Kranken   nicht  gesehen,    aber 
sehr  schmerzhaft  in  den  Augen  empfunden ;  Kopfschmerz  fast 
unerträglich,   abwechselnd   mit  Kreuzschmerzen   und    Reissen 
in  den  Extremitäten,  natürliche  Verrichtungen  ungestört.    Ver- 
ordnung:   Galomel  ^^,   Pulv.  radic.  Jalap.  ^j. ,   Saech.  iß. 
DJv.  in  parU  iij.    D.  S.    Früh  ein  Stück  zu  nehmen.    Im  Urin 
weder  Ei  weiss,   noch  Cylinder   aus   den  Harncanälcheu,    nur 
einige  wenige  verschrumpfte  ßlutkörperchen  im  Uebergange  zu 
Haematoidin.    —    10.  März.     Die  Pulver  haben  schon  kräftig 
gewirkt.    —    11.  März.    Patientin  sieht  meinen  Hut  auf  dem 
Tische  stehen.    Nur  ein  Pulver  heute.   —    12.  März.    Gestern 
Abend  viel  Kopfschmerz,  die  Wirkung  des  Pulvers  nicht  sehr 
bedeutend.  —    13.  März.    Heute  früh  sieht  die  Kranke  meine 
Hand,   ohne  die   einzelnen  Finger  zu   unterscheiden  und  er- 
kennt ganze  grosse  Gegenstände,  doch  keine  Farben.    Nadits 
ruhiger,    ohne    Reissen    und    Kopfschmerz,    Stuhlgang    un- 
erheblich,  sie   klagt  schon   über  Zahnfleisch   und  faulen  Ge- 
schmack.     Beginnende    Stomatitis    mercuriaiis.     V^ordnung: 
Infus,   digital,   purpur.   (ex   9j.)   Süj^    Kali   jodaL   3/3,    Tr. 
colocynthidis  ^j.,  Syr.  Mann.  3j.    M.  S.  Drei-  bis  vierstündlicli 
einen  Esslöifel  voll  zu  nehmen.  —  14.  März.  Patientin  hat  sich 
den  ganzen  gestrigen  Tag  wohibefunden ,  bis  spät  Abends  von 
der  Lampe   einen  Schein   gesehen,   heute   erkennt   sie  kleine 
Gegenstände  auf  dem  Tische  trotz  des  sehr  trüben  Wetters.  — 
15.  März.     Bis   auf  einige   durcbfällige  Ausleerungen  ist  der 
gestrige   Tag  gut  verlaufen.     Heute    früh   erkennt  Patientin 
die  Tassen  auf  der  Etagere,  auch  die  Uhr  in  der  Hand,  doch 
klagt  sie  beim  hellen  Sonnenschein  über  arges  Blenden.** 

Zur  Erörterung  dieses  Falles  sowohl,  als  wegen  der  im 
Allgemeinen  erwünschten  Besprechung  derartiger  Fälle  ein* 
geladen,  verbreitete  sich  Herr  Coccius  in  der  genannten  (107.) 
Sitzung  über  die  Amblyopie  während  der  Schwanger- 
schaft im  Allgemeinen  und  bei  der  ^rt^rArschen  Krank- 
heit im  Speciellen.  Nach  geschichtlichen  und  statistischen 
Mittheilungen,  aus  denen  hervorging,  dass  die  Amblyopie 
nicht,  wie  Landouzi  glaubte,  constantes  Symptom  der 
BrigMschen  Krankheit  sei,   wendete   sich  derselbe   zunächst 


a.  d.  Verhandl.  d.Oesellscbaft  f.GebnrtabulfA  tu  Leipzigs  etc.    275 

zm*  ophthalmoskopischen  Diagnose  und  zur  mikroskopischen 
Untersuchung  der«  Netzhaut.  Die  fettige  Entartung  dieser 
Membran  kennzeichnet  sich  vorzüglich  durch  wachsarlig 
glänzende  Fettkörnchenconglomerate ,  welche  zunächst  iu  der 
Gegend  der  Steile  des  directen  Sehens  hervortreten  und  eine 
verschiedengradige  Ausdehnung  erreichen  können,  sowie  auch 
die  diffuse  Trübung  der  Netzhaut  in  verschiedenen  Fällen  in 
verschiedenem  Grade  beobachtet  wird.  Die  fettige  Entartung 
kann  die  Körnerschichte  ebenso  wie  die  Gauglienschicht  be- 
treffen, oder  in  einer  vorwiegend  sein;  sie  ist  aber  nicht  in 
jedem  Falle,  wie  man  behauptet  hat,  mit  einer  stärkeren 
Biiidegewebsentzöndung  im  Bereiche  des  Sehnerven  verbunden, 
durch  welche  die  Umgrenzung  des  Sehnerven  völlig  verwischt 
wird  und  die  Netzbaut  an  dieser  Stelle  grauwdss  getrübt  und 
angeschwollen  erscheint.  Die  letztere  Entzündung,  welche 
ganz  ähnlich  auch  beim  syphilitischen  Process,  bei  Entzündung 
des  Ghiasma  und  Sehnerven  durch  Hirntumoren  u.  s.  w. 
beobachtet  wird,  fand  Coccius  in  drei  Fällen  bereits  aus- 
gebildet, in  welchen  die  an  ^rt^A^'scber  Krankheit  Leidenden 
unter  comalösen  Erscheinungen  bald  darauf  und  zwar  durch 
Hirnapoplexie  starben.  An  den  Kranken,  welche  er  vom 
ersten  Beginne  der  Amblyopie  an  ophthalmoskopisch  unter- 
suchen konnte,  und  wo  erst  später  die  Nierenentzündung 
entdeckt  wurde,  sah  er  zuerst  nur  kleine  Blutergüsse  an  der 
Stelle  des  directen  Sehens,  eine  dunklere  in's  Livide  spielende 
Färbung  der  Gentralvenenzweige,  alsdann  Entwickelnng  von 
fettwaclisartig  glänzenden  Klümpcheu  und  feine  parenchymatöse 
Trübung  der  Netzhaut  an  der  Stelle  des  directen  Sehens; 
bei  bereits  eingetretener  Entzündung  des  Bindegewebes  im 
Bereiche  des  Opticus  hat  Coccius  bisher  nie  einen  günstigen 
Aus-  oder  Rückgang  beobachtet.  Die  objectiven  Erscheinungen 
bei  BrigM'&clier  Amblyopie  sind  nach  ihin  aber  nicht  zu- 
verlässig für  das  bestimmte  Vorhandensein  der  Allgemein- 
krankheit, da  er  analoge  Ersclieinnngen  und  ähnlichen  Verlauf 
auch  an  zwei  Hirnkranken  beobachtete,  welche  starben;  und 
ferner  auch  die  Brighi'sche  Krankheit  im  granulösen  Stadium 
weder  durch  Eiweiss  noch  durch  Cylinder  im  Harne  jedes  Mal 
entdeckt  werden  kann.   —   E.  WcLgner  hat  Coccius  einen 

18* 


276       ^I^*    Meissner,  Mittheilnngen  über  die  Thätigkeit 

Fall  siebenjäbrigf^r  Niereukrankbeit  von  einer  Frau  mitgetheiit, 
in  welchem   die  Nieren    bis   zur  Gross«   welscher  Nüsse   ge- 
schrumpft    waren,    und   die   Diagnose   im   lieben    auch    nichl 
gestellt    werden    konnte.      Ausserdem    sind    auch    Fälle    von 
Amblyopie  bei  Nierenentzündung  beobachtet  worden,  in  denen 
dib   iettige   Entartung   fehlte,    so    dass    man   eine    urämische 
Vergiftung   annehmen  muss,   gerade   so  wie   in   der  Alkohol- 
amblyopie    einfache   Hyperämie    durchaus   nicht    Ursache   der 
Amblyopie,    sondern    diese    auf    eine    wirkliche    Intoxication 
zurückzuführen  ist,  was  bei  einer  grösseren  Zahl  von  Kranken 
leicht  zu  beweisen  ist.  —  Die  Hypertrophie  des  Herzens  bei 
der  Nierenentzündung  nur  als  Nebenerscheinung  der  Amblyopie 
berührend,  entschied  sich  Cocciua  zur  ursachlichen  Erklärung 
der    fettigen    Entartung    der    Retina    für    die    Theorie    einer 
krankhaft    veränderten    Blutbeschaffenheit,     welche    bei    der 
Bright' sehen  Nierenerkrankung  die  Entzündung  der  Netzhaut 
veranlasse,    so   sehr   man  auf  der  anderen  Seite  auch  in  der 
Controverse  über  die  Entstehung  der  Fettkörnchen  zum  Theil 
zugeben  müsse,   dass  diese  auch  direct  aus  den  Blutergüssen 
hervorgehen  könnten.   Bei  Amblyopischen  in  Folge  von  Eciampsie 
(ohne  Nierenerkrankung)  beobachtete  Coccius  in  einem  Falle 
Entzündung   der  Netzhaut   an   der  Stelle  des  directen  Sehens 
in    geringem   Grade    und   Ausgang    in    völliges  Verschwinden 
der  weissen  Trübung  und  völlige  Heilung  der  Sebstörung;  in 
einem  Falle  war  bei  Amaurose  des  einen  Auges  keine  ohjective 
Verändenmg   nadiweisbar   und   das  Gesicht   stellte  sich  eines 
Tages   plötzlich  wieder  her;    solche  schnelle  Wiederkehr  des 
Gesichtes    nach   starker   Amblyopie   beobachtete   er   auch  an 
einem   durch   Diphtherie   am    Gaumen   und   den   unteren  Ex- 
tremitäten   gelähmten   Mädchen   von    18  Jahren,   und   endlich 
erwähnte  er  noch  einen  Fall  von  Hemeralopie  an  einer  jungen 
Frau,    welche    in    zwei   Schwangerschaften    gegen    das   Ende 
derselben   auftrat   und  nach  der  Entbindung  von  selbst  wicJi. 
Er  konnte  hier  weder  im  Urin,  noch  im  Auge  durch  chorioideale 
Hyperaemie    oder    Netzhautkrankheit    eine    Ursache    für    die 
Hemeralopie  auffinden.  —   In  Bezug  aiif  die  Behandlung  der 
Amblyopie  bei  BrtghV&cher  Krankheit   erklärte  sich  Coccius 
für  die   örtlich  antiphlogistische  bei  gleichzeitiger  allgemeiner 


n.  d.  Verhandl.  d.  Oesellaohaft  f.  Odbartshtilfe  sa  Leipzig  etc.    277 

Behandlung  der  Krankheit,  bei  geringen  örtlichen  Erscheinungen 
und  bei  geschwächten  Personen  aber  für  die  tonische  Be- 
handlung, besonders  bei  chronkchem  Verlaufe. 

Heute  freut  sich  der  Berichterstatter,  durch  eine  Mii- 
Iheilung  des  Herrn  Becker-  LauHch  vom  7.  April  d.  J.  in 
den  Stand  gesetzt  zu  sein,  den  Schluss  obiger  Kranken- 
geschichte noch  in  diesem  Jahresberichte,  wie  folgt,  mit- 
zutheiien:  „Die  Frau  sieht  vollkommen  scharf  auf  dem  linken 
Auge,  und  das  rechte,  allerdings  weniger  scharf  sehende  und 
mit  einer  leichten  Ptosis  des  oberen  Lides  behaftete  Auge 
genügt  allen  den  Anforderungen,  die  sie  an  dasselbe  stellt.  — 
Vom  27.  bis  28.  Mär2  hatte  ich  unter  steter  Besserung  des 
Sehens  folgende  Mixtur  nehmen  lassen.  Rec:  Kali  jodat  3j., 
Tr.  Colocynthidis  ^ij.,  Aq.  as.  foetid.  3j.,  Aq.  menth.  3vj. 
M.  S.  Drei  bis  vier  Mal  täglich  einen  TheeldlTel  voll  zu  nehmen. 
Vielleicht  eine  Folge  davon  war  Abortus  eines  27^ — Smonat» 
liehen  Fötus  am  1.  April,  mit  dem  zugleich  eine  heilige 
Kniegelenksentzöndung  linksseitig  eintrat.  Unter  entsprechender 
Behandlung,  besonders  mit  Jodtinctur  und  Einwickelung  in 
Watte  ist  auch  dies  Leiden  beendigt  und  ich  komme  soeben 
von  der  Frau,  deren  Dankbarkeit  unendlich  gross  ist'' 

In  der  98.  Sitzung  gab  Herr  Ploss  in  einer  längeren 
Mittheilung  über  die  Personen,  welche  bei  der  Geburt 
helfen,  und  das  Hebammenwesen  verschiedener 
Völker  im  Besonderen,  eine  weitere  Probe  seiner  cultur- 
historisch -ethnographischen  Arbeit,  deren  bereits  im  letzten 
Jahresberichte  gedacht  wurde,  und  die  für  spätere  Zeit  als 
selbstständiges  Ganzes  der  VerölTentlichung  vorbehalten  bleibt. 
An  den  Vortrag  des  erwähnten  Capitels  scMoss  sich  eine  Be- 
sprechung des  wechselseitigen  Zusammenhanges  der  griechischen 
und  altindischen  Medicin  nach  Hippocrate$  und  Susrutas. 

In  derselben  Versammlung  erbat  sich  auch  Herr  Flo$» 
die  Beihülfe  der  Gesellschaft,  um  zum  Zwecke  grösserer 
statistischer  Zusammenstellungen  möglichst  gleich  förmig 
rubricirte  Uebersichten  der  stattgehabten  Ope- 
rationen von  den  verschiedenen  Gebäranstalten  zu  erlangen, 
wozu  ein  Antrag  bei  der  Naturforscherversammlung  das 
passendste  Mittel  zu  sein  scheine.  Dagegen  machte  Herr  Grede 
auf  die   Schwierigkeiten    aufmerksam,   welche   es   überhaupt 


278       XIX.    MeUiner,  Mittheilntigen  liber  die  Th8iigk«it 

schon   mache,   von   melnreren  Anstalten   irgend  welche  Nach- 
richten zu  erhalten. 

In  der  101.  Sitzung  gab  Herr  Hdfer  das  Referat  ober 
zwei    Fälle    von    ihm    durch    Einlegung    elastischer 
Bougies      eingeleiteter      künstlicher      Frühgeburt, 
welcher   Methode   er  namentlich   vor   dem  Co%en*schen  Ver- 
fahren   den  Vorzug   geben    müsse:    „Der  erste   Fall    betrifft 
Frau   WaUher,    Viertgebärende,   jetzt  35  Jahre   alt,    welclie 
als  Kind  von  %  Jahren   schon   lief,    im  zweiten  Lebensjahre 
aber  heftig  auf  den  Leib  gefallen  war,   ohne  dass  sich  eine 
dadurch   bewirkte  Fraclur  nachweisen   liess,    auch   in    Folge 
dessen    das    Laufen    nicht    wieder    verlernte,    trotzdem    aber 
diesem  Unfälle  die  Veranlassung  der  bei  ihr  seither  so  schwer 
erfolgten  Geburten  zuschreibt.     In  ihrer  Jugend  will  sie  stets 
gesund  gewesen   sein    und  war  vom  einundzwanzigsten  Jahre 
an    in    regelmässigem    Typus,     aber    spärlich,     menstruirt 
Siebenundzwanzig  Jahre   alt   sei    sie   nach   einer  ohne  grosse 
Beschwerden    regelmässig    verlaufenen    Schwangerschaft    zum 
ersten   Male    vermittels    der    Zange    entbunden    worden,    die 
Operation  habe  ganze  fünf  Stunden  gedauert,   der  Knabe  sei 
zwar  lebend  geboren  worden,  aber  nach  11  Stunden  in  Folge 
von  zu  heftigem  Drucke  auf  die  Kopfknochen  (das  linke  Auge 
war  herausgedrückt)   gestorben.     Zwei  Jahre   darauf  erfolgte, 
ebenfaUs    sehr    schwer,    die    Entbindung    von    einem    todten 
Mädchen.     Bei   der  dritten  Geburt   am    12.  September  1859 
wurde  nach   einer   1%  stündigen   Zangenoperation   das   Kind 
asphyctisch  geboren  und  konnte  nur  mit  der  grössten  Mühe  von 
meiner  und  der  Hebamme  Seite  zum  Leben  gebracht  werden, 
aber  erst  am   zwölften  Tage   schrie  dasselbe  vollständig  und 
begann  zu  saugen.    Durch  Druck  auf  den  linken  Nervus  cruralis 
der  Mutter  war  der  betreffende  Fuss   gelähmt   und  erst  nach 
Monate  langer  Anwendung  der  Electi*icität  mittels  Inductions- 
apparates   war  das  Gefühl   in  demselben   und   das  Vermögen 
zu  Gehen  wieder  hergestellt  worden.    Somit  war  die  künstliche 
Frühgeburt  fQr  die  nächste  Schwangerschaft  indicirt,  welche 
nach  der  Anfang  April  1861  erfolgten  letzten  Menstruation  eintrat 
und  Ende  August  die   ersten  Kindesbewegungen  fühlen  Hess* 
Am   8.   December   1861    wurde    sie   von   mir   explorirt,    die 
CoDJugata   externa   mit  dem  Baudeloeque'edien  Instrumente 


n.  d. VflrfaMidl.  d.  QeselbeliHffc  f.  Gebortf bfilfe  in  Leipsig  etc.    279 

betrug  6  Zoll  6  Linien,  der  Rmgumfang  des  Beckeneinganges 
nach  Kiiotsch  83  Centimeter;  die  Conjugaia  interna  auf 
3V4  Zoll,  die  Entfernung  der  Tubera  ischii  auf  circa  2Vs  Zoll 
geschätzt,  die  Rami  descendentes  ischii  einander  genähert, 
der  Torliegende  Kindestheil  hoch  oben  im  Beckeneingange 
schwer  zu  fühlen,  wahrscheinlich  in  Unterendlage.  Bei  der 
äusseren  Untersuchung  zeigte  sich  der  Kopf  links,  Herzschlag 
rechts  vom  Nabel.  Am  12.  December,  Nachmittags  47«  Uhr, 
wurde  im  Beisein  des  Herrn  Dr.  £.  A.  Mei$sner  eine 
Darmsaiten -Bougie  von  kaum  einer  Linie  Dicke  nach  voraus- 
gegangener einzölliger  Erweichung  der  Spitze  im  heissen 
Wasser  und  EinÖlung ,  während  die  Schwangere  in  der  linken 
Seitenlage  sich  befand,  in  den  etwas  klaffenden  Muttermund 
unter  leicht  drehenden  Bewegungen  bis  auf  7  Zoll  ohne 
Schmerzempfindung  eingebracht  Schon  gegen  6  Uhr  traten 
zwei  heftige  Wehen  auf,  setzten  aber  dann  bis  gegen  10  Ubr 
aus,  in  der  Zwischenzeit  dumpfer  Kreuzschmerz  und  Pressen 
auf  die  Blase.  974  Uhr  zeigte  sich  noch  keine  wahrnehmbare 
Veränderung  am  Mutterhalse,  aber  sehr  aufgeregter  Körper- 
zustand, als  dunkelrothes  Gesicht,  Haut  heiss,  mit  Seh  weiss 
bedeckt,  Puls  116,  voll,  hart;  dabei  Klagen  Ober  periodisch 
auftretende  heftige  Kopfschmerzen.  Sinapismus  im  Nacken 
und  ein  Brausepulver  verminderten  diesen  Zustand  etwas, 
doch  trat  in  der  Nacht  kein  Schlaf  ein«  denn  von  1  Uhr 
(13.  December)  an  erschienen  Wehen  in  Pausen  von  10  bis 
15  Hinuten  bis  gegen  %1  Uhr  Morgens.  Eine  Stunde  später 
fand  ich  die  Bougie,   theils  durch  die  Wehenthätigkeit,   theils 

• 

durch  die  Bewegungen  beim  Urinlassen  aus  dem  Uterus 
herausgedrängt,  in  und  vor  der  Mutterscheide  liegend;  der 
Muttermund  aber  höchstens  für  eine  Fingerspitze  durch- 
gängig. —  Ich  brachte  daher  von  Neuem  eine  Bougie  von 
2  Linien  Stärke  ein,  konnte  sie  aber  höchstens  Bis  auf  5  ZoU 
hioaufschieben,  weil  sofort  Wehen  eintraten,  die  sich  bis 
Mittag  in  Zwischenräumen  von  einer  halben  Stunde  wieder- 
holten. Dabei  klagte  die  Frau  über  den  Kopf,  Puls  weicher,  104. 
Nachmittags  wiederholten  sich  die  Wehen  häufiger,  von  3  Uhr 
Nachmittags  an  nach  je  5  bis  8  Minuten  und  von  1  bis  IV«  Minute 
Dauer,  so  dass  Abends  6  Uhr  sich  die  Blase  hervor-,  bald 
darauf  auch  die  Bougie  herausdrängte,  8  Uhr  der  Muttermund 


280       ^1^-    MeisMer,  liittheilangen  fiber  die  Tfafttigkeit 

volIstSndig  erweitert  war  und  der  Blaseosprong  erfolgte.     Der 
Steiss   des  Kindes   zeigte   sich   um   diese  Zeit  hoch  oben   im 
schrägen  Durchmesser  des  Einganges  von   links   nach    recLts 
sich    einstellend   und   blieb   trotz  der  häufigen  und  kräftigen 
Wehen   bis  9  Uhr  daselbst   stehen,   worauf  er  in   die  Höhle 
einrückte.     74^0  ^'^i*   ^^^^   ^^^  Steiss  zum  Durchschneiden, 
kurz  darauf  der  übrige  Rumpf,  der  linke  Arm  wurde  ziemlich 
schwierig  zuerst  gelöst,   die  Nabelschnur  mehrmals  um  den 
Hals  geschlungen,   nicht  mehr  pulsirend  gefunden*,   der  Kopf 
ruckte  aber  wegen  einige  Minuten  aussetzender  Wehen  nicht 
gleich  nach.     Nach  Reibungen   des  üteinisgrundes  ruckte  der 
Kopf  im   schrägen   Durchmesser  in   die   Höhle,   wurde   dort 
durch  den  SmeUie*schen  Griff  in   den   geraden  Durchmesser 
übergeführt   und  entwickelt.     Das  Kind,   ein  Mädchen,  blieb 
trotz  allen  angestellten  Belebungsversuchen  todt    Blutimg  un- 
bedeutend, Nachgeburt  nach  Crede*s  Methode  entfernt    Wegen 
des  wiederum  ziemlich  aufgeregten  Zustandes  der  Wöchnerin 
wurde  Emulsio  papaverina   cum  Nitro   verordnet;   der  Uterus 
war  bei  Druck  empfindlich.  Nachwehen  sehr  heftig  und  häufig 
wiederkehrend.  Puls  112.  —   14.  December.    Sinapismus  aaf 
den  Unterleib,  Puls  100,  doch  Schlafmangel  und  heftige  Nach- 
wehen fortdauernd.    Unter  Gebrauch  von  Emulsio  oleosa  cum 
infuso   ipecacuanhae   et  tinctura   thebaica    verlief  der   übrige 
Theil  des  Wochenbettes  normal." 

„Zweiter  Fall.  Frau  Lippe ,  28  Jahre  alt.  Zweitgebärende, 
eine  anämische  Frau,  war  in  frühester  Jugend  angeblich  hieis 
gesund,  litt  vom  10.  Jahre  an  häufig  an  Ohnmächten,  bis 
vom  18.  Jahre  an  die  Menses  im  vierwöchentlichen  Typus 
ein  bis  zwei  Tage  lang  spärlich,  doch  regelmässig  zu 
fliessen  begannen,  worauf  sie  in  der  ersten  Schwangerschaft, 
bei  ausserdem  normalem  Verlaufe,  viel  an  Erbrechen  litt. 
Wegen  zu  grosser  Beckenenge  musste  am  31.  August  1860 
vom  Herrn  Dr.  E.  A.  Meissner  das  Kind  perforirt  werden, 
darauf  erfolgte  Ulceratio  vaginae  et  labiorum  pudendorum, 
Blasenlähmung  und  ^Rententio  urinae,  weshalb  der  Katheter 
sechs  Wochen  lang  früh  und  Abends  applicirt  werden  musste. 
Vollständig  genesen,  war  sie  Mitte  April  1861  abermals  zuletzt 
menstruirt  und  fühlte  Mitte  September  die  ersten  Kindes- 
bewegungen, befand  sich  im  Uebrigen  während  dieser  Schwanger- 


n.  d.  VerhAiidl.  d.  Qesellsehaft  f.  Oebnrtshulfe  s«  Leipzig  etc.    281 

Schaft  wohl.  Am  Ende  der  36.  Schwangerschaftswoche,  am 
4.  Januar  1862,  wurde  die  Exploration  von  meiner  Seite  in 
Gegenwart  des  Herrn  Dr.  E.  A,  Meissner  wiederholt  und 
dabei  die  Conjugata  externa  nach  Baudelocque  6"2"\  nach 
Kiwisch  der  Ringumfang  76  Centimeter,  die  Conjugata  interna 
kaum  3  Zoll  und  als  vorliegender  Theil  der  Kopf  gefunden. 
Nachmittags  4y4  Uhr  wurde  eine  Bougie  von  gleicher  Stärke, 
wie  im  ersten  Falle,  in  der  linken  Seitenlage  bei  verkürztem 
Hutterbalse*in  den  nicht  geöffneten  Muttermund  unter  leicht 
drehender  Bewegung  jedoch  nur  4  Zoll  weit  eingebracht;  das 
Hinderniss  war  wahrscheinlich  durch  den  Sitz  der  Placenta 
bedingt  Trotz  dieser  geringen  Länge  traten  die  ersten 
heftigen  Weben  ebenfalls  gegen  7  Uhr  Abends  auf,  wieder- 
holten sich  um  10  Uhr  leicht  wieder ,  worauf  die  Frau  einige 
Stunden  lang  ruhig  schlief.  Zwischen  12  und  1  Uhr  Nachts 
klagte  sie  ebenfalls  aber  Kopfweh,  bekam  leichte  fieberhafte 
Aufregung,  jedoch  nicht  in  dem  Grade,  wie  Frau  Walther, 
weshalb  auch  Senfteig  und  Brausepulver  nicht  in  Anwendung 
kamen.  Gegen  Morgen  verlor  sich  dieser  Zustand,  auch 
empfand  sie  immerwährendes  Pressen  und  Drängen  auf  Mast- 
darm und  Blase.  Gegen  12  Uhr  Mittags  (am  5.  Januar) 
wurden  die  Wehen  häufiger  und  stärker ;  Nachmittags  zwischen 
2  und  3  Uhr  wurden  sie  kräftiger  und  wiederholten  sich  alle 
Viertelstunden.  Abends  10  Uhr  war  der  Muttermund  voll- 
ständig erweitert  und  die  Bougie  herausgedrängt ;  froh  ^2  Uhr 
fand  der  Blasensprung  statt,  der  Kopf  rückte  in  den  Becken- 
eingang und  wurde  darauf  mit  seinem  vorliegenden  Segment 
bis  in  die  Höhle  hineingetrieben,  wo  er  stecken  blieb  und 
V44  Uhr  die  Entwickelung  desselben  mit  der  Zange  bewerk- 
stelligt wurde.  Die  Schultern  und  Arme  folgten  leicht,  die 
Nabelschnur  ist  sehr  snlzig.  Das  Kind,  ein  anfangs  asphyctisches 
Mädchen ,  machte  nach  Beiben  und  Börsten  langsam  periodische 
Athembewegungen ,  die  allmälig  kräftiger  wurden  und  im  Bade 
zum  kräftigen  Schreien  sich  steigerten.  Die  Mutter  war  nach 
der  Geburt  sehr  aufgeregt,  der  Puls  besclileunigt,  weshalb 
Emulsio  semin.  papav.  cum  syrupo  diacodii  verordnet  wird. 
Das  Wochenbett  verlief  normal. und  die  Muttor  konnte  selbst 
nähren.  Das  Mädchen  ist  jetzt  ein  gut  genährtes  Kind,  das 
vor  circa  14  Tagen  entwöhnt  worden  ist."  — 


282       ^IX.    MeUgner,  MUtheiliiii|ren  über  die  ThBtigktit 

^Wenn  man  beide  Fälle  vergleicht,  so  ist  der  Erfdg 
in  der  Wirkung  des  angewandten  Mittels  fast  in  allen  seineo 
Einzelnheiten  ein  gleichmässiger:  Die  erste  Webenthätigkeif 
(ritt  in  beiden  nach  ungefähr  zwei  bis  drei  Stunden  einige 
Male  mit  Heftigkeit  auf;  es  folgt  eine  gewisse  Ruhe,  wdcbe 
aber  nur  scheinbar  ist,  denn  die  vorbereitenden  Wehen  geben 
ruhig  vor  sich,  sie  äussern  sich  aber  nur  in  ebsem  Dräagen 
und  Pressen  auf  Mastdarm  und  Blase.  Mit  diesen  Erscheinungen 
der  Wehen thätigkeit  tritt  zugleich,  vrie  es  ja  auch  so  häufig 
hei  ganz  normalen  Geburten  vorkommt,  ein  Congestivzustand 
nach  dem  Gehirn  ein,  dieser  ist  aber  nicht  rein  mechaniscber 
Natur,  er  muss  auch  mit  Rücksicht  auf  den  psychischen 
Zustand  der  Frau  gewürdigt  werden;  Uuruhe**  des  Gemulhes 
und  Aengstlichkeit  wegen  des  weiteren  Verlaufes  der  Geburt 
und  der  glücklichen  Beendigung,  wie  Furcht  vor  weiteren 
operativen  Eingriffen  giebt  sich  in  ihren  vielfachen  Fragen 
zu  erkennen,  und  wird  nur  allmälig  durch  die  Zuspraclie 
des  Arztes,  durch  angewandte  Palliativa  beschwichtigt  — 
Was  die  Kräfligkeit  der  späteren  Wehen  anlangt,  so  ist 
t'benfalls  eine  Parität  vorhanden;  in  dem  ersten  Falle  bei 
einer  kräftigen  Frau  ist  nach  circa  26  Stunden  der  Mutterhals 
verstrichen  und  der  Muttermund  vollständig  eröffnet;  währeod 
bei  der  anderen,  schwächeren  Frau  dasselbe  zwar  erst  nach 
34  Stunden  geschieht;  die  übrigen  Geburtsperioden  aber  finden 
:a  gleich  schneller  Zeit  statt.  —  Das  Wochenbett  ti*itt  beide 
Male  unter  den  nämlichen  Erscheinungen  der  noch  vorhandenen 
Gefasserregung  auf,  doch  sehr  bald  verschwindet  dieses  und 
jenes  nimmt  seinen  normalen  Verlauf.  —  Noch  ist  ein  Um- 
stand von  Wichtigkeit  zu  bemerken:  Bei  dem  einen  Falle  ist 
die  Bougie  7  Zoll  weit  in  die  Gebärmutterhöhle  eingebracht 
worden,  während  bei  dem  anderen  jene  nur  4  Zoll  in  diese 
eingedrungen  ist;  und  doch  treten  die  Wehen  in  gleicher  Zeit 
und  gleich  hinsichtlich  der  Stärke  und  des  Verkaufes  ein,  das 
Resultat  ist  mithin  ein  gleiches.  —  Wenn  ich  mir  scbliesshcfa 
erlaube,  ein  Urlheil  über  die  Ausführbarkeit  der  Operation 
abzugeben,  so  halte  ich  diese  Methode  für  die  leichteste  und 
ungefährlichste ;  die  an  der  Spjtze  erweichte  und  aufgelockerte 
Darmsaiten -Bougie  dringt  mit  der  grössten  Lieichtigkeit,  ohne 


n.  d.  VerhaDdl.  d.  Geeellsehaft  f.  Gebartahülfe  %u  Leipzig  etc.    283 

den  iDtnde8teD  Schmerz  hervorzurufeD,  zwischen  den  Eihiuten 
und  der  inneren  GebarmuUerwand  in  die  Gebärinutterhöble  ein, 
bleibt  daselbst  bis  zur  völligen  Verstreicbung  des  Multerhalses 
und  ErölTnung  des  Multermuodes  liegen,  um  durch  die  Wehen- 
thätigkeit  von  selbst  herausgedrängt  zu  werden.  Nur  das  Eine 
ist  fiir  die  Kreissende  unangenehm  und  unbequem,  dass  sie 
Stunden  lang  auf  der  Seite  liegen  bleiben  muss,  auch  einige 
Vorsicht  beim  Urinlassen  anzuwenden  hat,  damit  beim  Auf- 
stehen, Aufsitzen  und  Sichwenden  im  Bette  die  Bougie  nicht 
mit  hervorgezogen  wird,  wie  es  beim  ersten  Fall  eintraf  — 

In  der  98.  Sitzung  zeigte  Herr  Hennig  eine  von  ihm 
angegebene,  neue  und  vom  Instrumentenmacher  Patisch  hier 
zuerst  gefertigte  Vorrichtung  am  Cranioklast  vor,  die 
sich  ebenso  leicht  auch  an  der  Kephalotribe  anbringen  lässt, 
mn  das  Abgleiten  und  Nichtfolgen  Seiten  des  verkleinerten, 
resp.  nur  zusammengedrückten  Schädels  zu  verhüten,  ohne 
wie  ein  stark  nach  Innen  hervorragender  Haken  (der  überdies 
nicht  leicht  in  einer  Branche  noch  anzubringen)  Schwierig- 
keiten bei  der  Anlegung  unter  beengten  Raumverhällnissen 
darzubieten.  In  einer  Branche  von  Siinpson*&  Cranioklast 
war  ein  halb  vertieft  gelagerter  Stab  angebracht,  bei  dessen 
Herabziehung  nahe  am  Ende  der  Kopfkrümmung  ein  recht- 
winkelig hervorspringender  Doppelzahn  den  Schädel 
von  hinten  fixirt,  mit  Aufschiebung  des  Stabes  aber  wieder 
zurücktritt.  Beim  Anlegen  der  betreffenden  Branche  störe 
der  feine  Stab  nicht,  da  die  dadurch  verursachte  Raum- 
verkürzung  gleich  Null  sein  dürfte. 

Ein  in  der  105.  Sitzung  von  Herrn  Haake  gehaltener 
Vortrag  über  Extraction  der  Frucht  am  Steissende 
ist  bereits  in  Küchenmeister*»  Zeitschrift  für  Medicin,  Chirurgie 
und  Geburtshulfe ,  Neue  Folge,  U.  Bandes  2.  Heft,  Seite  77 
erschienen.  Dem  Vortrage  in  unserem  Kreise  folgte  e'iaa 
allgemeine  Besprechung,  in  welcher  die  Anwesenden  ihre 
einschlagenden  Erfahrungen  mittheilten. 

Einiges  über  die  Enibryotomie  in  der  heutigen 
Geburtshulfe  sprach  der  Berichterstatter  unter  Miltheilung 
eigener  Erfahrungen  in  der  99.  Sitzung.  Die  Gruudzüge  des 
frei  gehaltenen  Vortrages  sind  kürzlich  später  in  der  Beilage 
sub  No.  2  zusanimengefasst  worden. 


284       ^IX-    Meissner,  Hittheiinngen  fiber  die  Th&iigkeit 

Herr  Sichel  veranlasste  am  ScUasse   der  105.  Sitzung 
eine  kleine  Besprechung  über  Dammrisse  unter  Mittlieilung 
der  von  einem  Arzte  (der  aber  nicht  zugleich  auch  Geburts- 
lielfer)   aufgestellten   Frage,    ob   es  nicht  möglich   sei,    eine 
Rinne  an  der  hinteren  Scheidenwand  so  anzubringen,  dass  das 
gesammte  Lochiarsecret  über  die  Wunde  hinweggeleitet  würde. 
Man  hielt  diesen  Vorschlag  für  unausführbar,   abgesehen  von 
der  Unbequemlichkeit,    welche   ein  blosser  Versuch  schon  für 
die  Wöchnerin  herbeiführen  müsse;  dagegen  für  die  meisten 
Fälle  das  Zusammenbinden  der  Schenkel,  ileissige  Injectionen 
in  die  Scheide  und  Katheterisiren  für  genügend.    Herr  Crede 
dringt   auf  Ocularinspection  bei  jedem  irgend  fraglichen  Falle 
wegen    der    so    häufig   vorkommenden  Verheimlichung    dieser 
Verletzung  durch  Hebammen  und  Wartefrauen. 

In  der  104.  Sitzung  gab  Herr  Crede  eine  Darstellung 
der  jüngsten  Puerperalfieber-Epidemie,  welche  im 
Monat  November  v.  J.  mit  der  grössten  Bösartigkeit  und 
Heftigkeit  in  hiesiger  Königlicher  Entbindungsschule 
auftrat.  Der  Epidemie  voraus  ging  eine  grosse  Zahl  von 
Frühgeburten,  nicht  nur  bei  Hausschwangeren,  sondern  auch 
bei  Personen,  die  erst  mit  Eintritt  der  Geburt  in  die  Anstalt 
kamen,  wobei  das  dem  Grade  der  fehlenden  Reifezeit  nicht 
entsprechende  schnelle  Versterben  vieler  zu  früh  geborenen 
Kinder  in  den  ersten  Lebenstagen  auffallend  war.  Nicht 
minder  gingen  der  Epidemie  selbst  hochgradige  Fieberzustände 
einzelner  Wöchnerinnen  ohne  locale  Erkrankungen  voraus,  bis 
der  erste  tödtliche  Erkrankungsfall  nach  einer  am  17.  November 
fM folgten,  an  sich  leicht  verlaufenen  Geburt  eines  todt^^n 
Knaben  mit  nachfolgender  Metrorrhagie  eintrat,  welche  durch 
Massiren  des  Uterus  und  kalte  Injectionen  znm  Stillstand  ge- 
bracht worden  war.  Die  zweite  tödtliche  Erkrankung  folgte 
einer  schweren  Zangenoperation.  Sehr  schnell  folgten  nun 
die  übrigen  Erkrankungen,  so  dass  zuletzt  keine  Wöchnerin 
(auch  nach  Beziehung  eines  neuen  Stockwerkes)  fieberfrei 
blieb.  Am  häufigsten  war  Peritonitis  und  Lymphangoitis ,  im 
zweiten  Fall  begann  die  Erkrankung  mit  Gangraena  labiorum 
pudendorum,  der  Vagina,  des  Muttermundes;  in  einem'  Falle 
fand  sich  selbst  Gangrän  der  Bedeckungen  des  Musculus  iliacus. 
Dem  heftigen  Fieber   gegenüber   zeigte   sich  eine  vollständige 


ü.  d.Verhasdl.  d.  Gesellschaft  f.  Geburtsbülfe  zu  Leipsig  etc.    285 

Wirkungslosigkeit  aller  dagegen  angewendeten  Mittel,  und  die 
hartnäckige  Verstoprung  trotzte  oft  den  stärksten  Drasticis 
längere  Zeit.  Die  Therapie  bestand  meist  in  CaJomel  und 
Jalappe  (auch  prophylactisch  ohne  Erfolg  für  den  Ausgang 
angewendet),  tiächstdem  in  Chinin,  Morphium  und  in  Chlor- 
injectionen  in  die  Vagina.  Blutentziehungen  und  Mercurial- 
salben  wurden  nicht  angewendet  Niemals  zeigte  die  Obduction 
Endometritis  oder  Gangrän  der  Uterusschleimhaut,  oder  Ent- 
zündung der  Tubenmündung,  wodurch  directes  Vorwärts- 
schreiten einer  durch  lofection  entstandenen  Diphtherie  sich 
nachweisen  liesse.  Bei  einem  Kinde  zeigte  sich  Gangrän  der 
Nabeigegend,  bei  einem  anderen  trat  Tod  durch  Zellgewehs- 
sclerose  ein.  —  Nach  dem  Tode  von  sieben  Müttern  wurde 
das  Haus  gesolilossen  und  die  Localität  vollständiger  Renovation 
unterworfen,  während  die  Gebärenden  tn  Privatbäusern  der 
Stadt  untergebracht  werden  mussten.  Zwei  erkrankte  junge 
Wöchnerinnen  wurden  dagegen  in's  Jacobshospital  transferirt, 
wo  sie  (dort  von  Herrn  Wunderlich  mit  unterschwefeJig- 
saurer  Magnesia  behandelt)  unter  gleichen  Erscheinungen 
starben  und  gleiches  Sectionsergebniss  zeigten.  —  Die  Wieder- 
eröffnung der  Thätigkeit  im  Institutslocale  zeigte  Herr  Cred^ 
in  der  105.  Sitzung  mit  der  Notiz  an,  dass  indessen  auch 
dann  noch  eine  Wöchnerin,  welche  mit  einem  faultodten, 
unreifen  Kinde  niederkam  und  deren  Nachgeburt  zum  Theil 
nicht  entfernt  werden  konnte,  unter  typhösen  Erscheinungen 
erkrankt  und  in's  Jacobshospital  übertragen  worden  sei,  wo 
sie  gleichfalls  starb.  Die  Section  ergab  Pneumonie  und  Endo- 
metritis mit  Piacentarresten.  Weitere  Erkrankungen  kamen 
dann  nicht  mehr  vor. 

Als  Beiträge  zur  vergleichenden  Geburtshülfe  ferner  ge- 
langten zur  Mitlheilung  in  der  103.  Versammlnng  aus  dem 
durch  Herrn  Kreissecretair  Dr.  phil.  Schwarzwadler  freund- 
lichst überlasse nen  Protocoll  einer  hier  am  2.  October  v.  J. 
gehaltenen  Versammlung  von  Thierärzten  und  Landwirthen 
zwei  Punkte,  betreffend:  1)  die  Frage:  „aus  welchen 
Ursachen  geben  die  Königlichen  Landbeschäler 
weniger  Füllen  als  Privatbeschäler?''  und  2)  die 
Häufigkeit  des  Verkalbens  bei  Perlsucht  der  Kübe. 
Ueber  letzteren  Gegenstand   erhielt   die  Gesellschaft  auch  die 


288       XIX*    Meiuner,  llittheilnogen  fiber  die  Tbiiiigk^U 

längere  Zeit  in  der  hiesigen  bumöopathiscben  Poliklinik  ver- 
geblich mit  StreukugeJrhen  behandelt  worden  war  und  bei 
der  Untersuchung  einen  Uterinpolyp  darbot,  der  durch  die 
Siebold*»che  Scheere  entfernt  wurde. 

Die  von  Herrn  Hennig  für  die  letzte  Versanonilung 
angekündigte  Erörterung  der  Frage  über  die  Möglicbkeii, 
Flüssigkeiten  vom  Uterus  aus  durch  die  menschliche 
Tuba  zu  spritzen,  musste  der  zu  weit  TorgeschriUeoen 
Zeit  halber  vertagt  werden. 

Wir  wenden  uns  jetzt  zu  den  besprochenen  Capiteln  der 
PAdiatrik    und    gedenken    eines    neuen    BelebungsmitteJs 
bei  Asphyxie  der  Neugeborenen,  welches  Herr  i^r^^/ott 
in  Zürich   zuerst   mit   einigem  Erfolge   au   eiuem   durch   den 
Kaiserschnitt   nach   dem  Tode   erhaltenen  Kinde  angewendet, 
bei   dem   offenbar   vorzeitige  Athembewegungen   staltgefunden 
hatten,  indem  Mund,  Rachen  und  Nase  voll  zähen  Schleimes 
waren,  dessen  Entfernung  erst  gelang,  als  B.  seinen  Mund  auf 
den  des  Neugeborenen  setzte  und  die  in  ihm  enthaltene  zähe 
Flüssigkeit    adspirirle   (Monatsschrift    für  Geburtskuode, 
Bd.  20,    S.  72).    Herr  Hennig  lenkte   in   der  102.  SiUung 
die   Aufmerksamkeit    auf   diese    neue    Methode,    welche    an- 
gesichts der  von  Hüter  und  ^Schwarz  längst  nachgewiesenen 
massenhaften    Schleimansammlungen    selbst    in    den    tieferen 
fironchialverzweignngen   gewiss,  rationell  zu  nennen  sei,    aber 
für   den    dieselbe    ausübenden   Arzt   durchaus    nicht    überall 
ganz   unbedenklich   erscheine,   so   z.  B.  bei   der  so  vielseitig 
constatirten   syphilitischen   Choryza   der  Neugeborenen,   oder 
wenn  diese  blenon*hoiscbes  Vaginalsecret  verschluckt  halten; 
auch   die   traurigen  Opfer,    welche  das  Aussaugen  des  Blutes 
aus  der  W(mde  nach  Tracheotomie  croupöser  Kinder  bereits 
gekostet,   müssten   zur  grössten  Vorsicht  in   dieser   Hinsiclit 
aulTordern,   und   uns  lieber  zu   dem  Zwecke   auf  den  Mund 
des  Kindes   eine  Extractionsspritze  appliciien  lassen,   wie  H. 
sie  in  seiner  Sclirifl  über  den  Catarrh  der  inneren  weiblichen 
(■eschlecbtstheile  zur  Entfernung  des  Schleimpfropfes  aus  dem 
Mutterhaiscanale  angegeben. 

In  der  99.  Sitzung  stellte  Herr  Kreuasler  aus  Reiidnitz 
ein  10  Wochen  altes  Kind  mit  offenem  Däiindarm> 
divertikel    am  Nabel    vor,    bei   dem  später  Herr  Hennig, 


n.  d.  VtriMndl.  d.  Gesellscbafl  f.  Geburtghfilfe  sn  Leipsig  etc.    289 

nachdem  sich  eine  Vs  Zoll  lange  Ausstfilpnng  der  Divertikel- 
wände  gebildet  halte,  durch  Abbinden  und  Aetzen  yollkommene 
Heilling  erzielte.  Mit  dem  Berichte  Aber  diese  Heilung  in 
der  102.  Versanmdung  ferband  Herr  Hennig  einen  kleinen 
Vortrag  über  die  Pathologie  der  Dönndarmdivertikel  unter 
namentlicher  Bezugnahme  auf  die  anatomischen  Untersuchungen 
von  Meckel  und  Foerster,  wie  die  von  Oeaentus  und  BlcLsins 
berichteten  Fälle  von  Einklemmungen  derselben. 

Nachdem  durch  den  Berichterstatter  bereits  in  der 
97.  Sitzung  ein  diphtheritisches  Product  der  Nase 
eines  zweijährigen  Kindes  vorgezeigt,  welches  die  ganze  hnke 
Nasenhältte  ausgefällt  haCte,  auch  unter  Mittheilung  der  be> 
treffenden  mit  dem  Tode  an  Bronchialcroup  endenden  Kranken- 
geschichte, hinsichtlich  der  Pathogenese  in  diesem  Falle  auf 
die  Möglichkeit  der  Infection  durch  eine  an  corrodirender 
LeucoiThoe  leidenden  Wärterin  hingewiesen  hatte;  —  ver- 
dankten vnt  in  der  103.  Versammlung  Herrn  Kirsten  die 
Mittheilung  Qber  eine  Epidemie  von  Diphtheritis  in 
Nordamerika  aus  der  Feder  Dr.  Eduard  Joerg'^  in 
Gondersport  in  Port  Caundy  in  Pennsylvanien,  welche  wörtlich 
Tolgendermaassen  lautet:  „Der  Charakter  der  Krankheit 
besteht  in  einer  fauligen  Halsentzündung,  die  sich  zuweilen  über 
den  Rachen,  den  oberen  Tbeil  der  Mundhöhle,  die  Schleimhaut 
der  Nase  und  die  Luftröhre  fortsetzt  und  dann  gewöhnlich 
mit  dem  Tode  endeL  Dem  Charakter  fauliger  Krankheiten 
gemäss  werden  die  Prodromi  des  Uebels  gewöhnlich,  wal  sie 
sich  durch  Schmerzen  nicht  äussern,  öbersehen  und  unter- 
schätzt und  namentlich  bei  Kindeni  findet  man  die  Rrankheit, 
sobald  sie  über  Schmerzen  im  Halse  klagen,  schon  ziemlich 
eiflwickelt.  Sie  muss  sich  natörlich,  wie  alle  anderen 
ansteckenden  Krankheiten,  von  geringen  Anfangen,  unter 
ungänstigen  zufälligen  Umständen  aus  atmosphärischen  oder 
anderen  Einflüssen  entwickelt  haben,  gewiss  aber  und  un- 
bestritten ist  es,  dass  sie  in  ihrer  gegenwärtigen  ausgebildeten 
Form  sich  einzig  und  allein  durch  Ansteckung  verbreitet  und 
zwar  ganz  nach  den  Regeln  anderer  ansteckender  Krankheiten. 
Sie  befällt  Personen  jedes  Lebensalters,  doch  häufiger  Kinder 
und  Personen  in  den  zwanziger  Jahren,   als  ältere,   auch  ist 

lloiiato8«br.  f.  Oebortuk.  1868.  Bd.  XXII.,  Hft.  4.  19 


290       21^*    IfeMMMT,  MitthtUoBgen  über  dU  TUtSglieU 

sie  bei  leUteren  viel  sicherer  und  schneller  heitt»ar,  als  bei 
jüngeren.  Die  Ansteckung  kann  noch  nach  Wer  Wochen  den 
Ausbruch  der  Krankheit  bewirken,  wovon  ich  in  njehreren 
Fällen  Beweise  hatte.  Das  Hebel  ist  sich  selbst  u^ieriassen, 
mit  wenigen  Ausnahmen  tödllich ,  weicht  aber  einer  rationeUen 
Behandlung  in  49  Fällen  von  50  sehr  bald,  und  ist  denioach 
die  Prognose  sehr  günstig,  obschon  in  den  Vereinigten  Staaten, 
namentlich  im  Norden,  viele  Tausende  von  Kindern  und  Er- 
wachsenen demselben  erlagen.  Ich  selbst  habe  nicht  einen 
einzigen  Kranken  an  dieser  Fest  verloren,  und  auch  nur 
ein  Mädchen  von  adit  Jahren  daran  sterben  sehen.  Sie  war 
die  erste  in  unserem  Orte  davon  Befallene  und  ihre  Mutter 
bebandelte  sie  drei  bis  vier  Tage  lang  mit  Hausmitteln. 
Am  fünften  Tage  (den  1.  März  1862)  rief  sie  erst  einen 
Arzt,  der  die  Kranke  für  unheilbar  erklärte,  am  Tage  darauf 
Abends  wurde  ich  zu  einer  Consuitation  eingeladen,  nud 
obschon  ich  wenig  Hoffnung  hatte,  rieth  ich  dennoch  das 
zweckmässigste  Heilverfahren  streng .  durchzuführen  und  Nichts 
zu  versäumen,  was  die  Genesung  noch  ermöglichen  könnte. 
Allein  obgleich  am  dritten  Tage  (ärztlicher  Behandlung)  eine 
geringe  Besserung  eintrat,  starb  die  Kleine  dennoch  am 
fünften.  Vielleicht  hätte  auch  sie  gerettet  werden  können, 
allein  die  schwache  und  leichtsinnige  Mutter  erlaubte  iiir  kaltes 
Getränk,  £is  und  Schnee,  um  den  Mund  zu  kühlen,  und  war 
nachlässig  in  der  Anwendung  der  nöthigen  Heilmittel,  theils 
weil  sie  selbst  die  Hoffnung  aufgegeben,  theils  weil  sie  meinte, 
um  die  Kranke  nicht  zu  plagen.  Der  Tod  erfolgte,  ähnMcb 
dem  beim  Croup,  durch  langsames  Ersticken.  Ueberhaupt 
kommen  selten  die  niemals  sehr  quälenden  und  gewaltsamen 
Erstickungszufalie  vor,  wie  bei  Brustwassersucht.  Im  Gegen- 
theile  sind  die  Kranken  bis  kurz  vor  dem  Tode  noch  im 
Stande,  aufzustehen  und  zu  gehen,  und  verrathen  dem  ober- 
flächlichen Beobachter  keine  Gefahr.  Einer  meiner  GoUegen 
bat  in  der  Nähe  und  auch  ziemlich  entfernt  von  hier  viele 
Kranke  verloren  und  mir  häufig  diese  Bemerkung  gemacht, 
die  sich  auch  in  den  Berichten  anderer  Aerzte  bestätigt  fand,  — 
Dia  pathognoroonischen  Kennzeichen  der  Dipluberie 
bestehen  neben  ihrem  fauligen  Charakter  in  weissen  oder 
weissgelblichen ,   einen   häutigen  (Jeberzug  bildenden  Flecken, 


n.  d.  y eiliandl.  d.  GeseUseUft  f.  Gebarttbülfe  in  Leipzig  etc.    291 

die  sich  gewöhnliob  zuerst  an  der  inneren  Flache  einer  oder 
beider  Tonsillen,  zuweilen  aber  auch  an  der  hinteren  Wand 
der  Fauces  oder  an  der  Uvula»  ja  sogar  hinter  derselben, 
und  am  hinteren  Rande  des  Arcus  tonsill.  post  zeigen.  Solclie 
weisse,  häutige,  wie  Schimmel  aussehende  und  zuweilen  ober 

m 

eine  Linie  dicke  Flecken  müssen  täglich  zwei  Hai  mit  HöUeiH 
stein  betupft  werden,  worauf  sie  dann  meistens  in  zwei  bis 
drei  Tagen  verschwinden.  Anstatt  der  erwähnten  weissen 
Flecke  sieht  man  zuweilen  auch  gelbliche,  mehr  längliche 
als  runde  Geschwüre  oder  Schrunden  an  und  neben  den 
Tonsillen  oder  an  der  hinteren  Wand  der  Fauces;  dieselben 
bedürfen  nur  -des  ein-  oder  mehrmaligen  Betupfens  mit  einei' 
saturirten  Spirituslösung  von  Jod ,  um  zu  heilen.  Sehr  sekeu 
sieht  man  die  Tonsillen  mit  weissen  Punkten  bedeckt,  als 
wären  sie  mit  Kreidepulver  bestreut  Das  erste  Auftreten  der 
Krankheit  und  auch  diese  verschwinden  fast  ohne  Ausnahnje 
nach  Anwendung  der  Jodtinctur.  Sorgfaltige  Beobachter  ihres 
eigenen  Zustaudes  empfinden  als  erstes  Merkmal  der  Krank- 
heit einen  plötzlichen,  eigenthumlich  brennend -atechenden 
Schmerz  der  sich  von  Ohr  zu  Ohr  durch  die  Fauces  und 
entlang  der  Zungenwurzel  erstreckt,  oder  auch  nur  an  einer 
Seite  unter  dem  Winkel  der  unteren  Kinnlade  erscheint.  Je 
nachdem  nur  eine  oder  beide  Seiten  des  Halses  afißcirt  sind. 
Alle  Kranke  beschrieben  die  Empfindung  als  verschieden  von 
jeder  anderen,  die  sie  früher  bei  Halsleiden  und  selbst  bei 
chronischer  oder  häufig  wiederkehrender  Entzündung  der 
Tonsillen  und  des  Rachens  gefühlt.  Ich  selbst  kann  dies 
aus  Erfahrung  bestätigen.  Der  Schmerz  kam  so  plötzlich 
und  war  so  eigenthumlich  und  aussetzend,  dass  ich  ihn  für 
eine  hinreichende  Warnung  ansah  und  gleich  darauf  meinen 
Hak  untersuchen  liess,  wo  sich  denn  auch  beide  Tonsillen 
wie  mit  Kreide  bestreut  landen.  Binnen  24  Stunden  war  das 
Uebel  aber  auch  schon  beseitigt.  Gewöhnlich  sind  die  Tonsillen 
oder  andere  mit  der  weissen  Membran  oder  den  gelben 
Schrunden  afficirten,  sowie  die  äusseren  Theile  zu  beiden 
Seiten  des  Halses  geschwollen  und  letztere  zuweilen  so  be- 
deutend und  so  hart,  wie  bei  Parotitis,  zuweilen  aber  auch 
nur  eine  geringe  Spur  von  innerer  oder  äusserer  Geschwulst 
voi'handen.    Die  Zunge  ist  gewötinlich  anfangs  rein  oder  nur 

19» 


292       ^'^-    MMmur,  liittheiluigeii  ftb«r  die  Tbitigkeit 

wenig   belegt,    der  Athein   aber   entsetzlich   fauKg  stinkend, 
und   wenn   selbst  dieses  Symptom   in   grösserer  Ausdebnong 
fefilen  sollte,  so  hallet  doch  an  dem  Löffelstiele,  mit  dem  man 
die  Zungenwurzel  niedergehalten,  ein  aashafler  Geruch.     Der 
Puls   ist  in  der  Regel  nur  wenig  beschleunigt,   selten  mehr, 
als  bei  einem  einfachen  Caiarrh  und  der  Appetit  gut   Ueberfaaupt 
halten  sich  die  Kranken  für  gesund,    mit  Ausnahme  eines 
leichten  Hindernisses  beim  Schlucken   und  des  eigenthümbcli 
brennend -stechenden  Schmerzes  in  der  Kehlgegend,   und  da 
selbst  dieser  bei  Vielen   nicht  sehr  heftig  ist,    so   wird  er 
auch  häufig   nicht  berücksichtigt,    und   die   Kranken   suchen 
erst  Hülfe,   wenn   das  Uebel  ziemlich  weit  vorgeschritten  ist. 
Manche  Kranke  klagen  auch  über  mehr  oder  weniger  heftige 
Schmerzen  an  der  Nasenwurzel  und  dies  ist  stets  ein  Zeichen, 
dass   das  Uebel  sich   nach  der  Nasenhöhle  auszubreiten  an- 
fängt, und  eine  Mahnung,  mit  der  grössten  Energie  und  £ile 
zu  verfahren,     ^ird  der  Krankheit  nicht  Einhalt  gethan,   so 
überzieht    die    Aflermembran    nach    und    nach    den    ganzen 
Gaumen,  Schlund,  die  Luftröhre  und  Nasenhöhle,  und  macht 
das  Athmen   fast  unmöglich,  ja   die  weisse  Membran  dringt 
zuweilen   aus   beiden   Nasenlöchern   hervor   und   erscheint  in 
der  Form  abgebrochener  Thoupfeifenröbren.    Mit  der  Zunahme 
der  Krankheit  entsteht  Fieber,   der  Puls  wird   sehr  hfiufig, 
schnell  und  klein  und  zuletzt  zitternd.    Bis  fast  zu  Ende  der 
Krankheit   ist  das  Gesicht  geröthet   und   das  Benefan»en   der 
davon  Befallenen  wenig  verschieden  vom  gesunden  Zustande; 
namentlich  sind  junge  Leute  beider  Geschlechter  vom  15.  bis 
25.  Jahre   sehr  häufig  lustig  und   frohen  Mulhes  und   kaum 
zu  bewegen,   den   ärztlichen  Anordnungen  Folge  zu   leisten, 
obschon  ein  solcher  Patient  im  Stande  ist,  mit  seinem  Odem 
das  ganze   Haus   zu   vergiften.  —   Die  Diagnose   ist  dem 
Obigen  zu  Folge   sehr  leicht  festzustellen:   denn  ^ewohl  bei 
manchen  Personen  häufig  bei  Angina  tonsillaris  weisse  Flecken 
an   den  Tonsillen   sichtbar  sind,  so   fehlt  doch   bei  diesem 
Uebel  der  aashafte  Geruch   und  mehrere  andere  patbognomo- 
nisdie  Symptome  der  Diphtherie.    Ausserdem  erzeugt  Angina 
tonsillaris    sowie  jede    andere   catarrhalische   Halsentzdndung 
mehr  Schmerzen  und  ein  scheinbar  grösseres  Allgemeinleiden, 
als  dies  jemals   bei  Diphtherie   der  Fall  ist*     Deshalb  ist  es 


Q.  d.TerIiandI.  d.Gesellschaft  f,0«biirtfihülfe  sa  L^pzi^*etc.    §93 

auch  nötbig,  an  Orten,  wo  die  Krankheit  verbreitet,  oder  in 
FainiKen,  wo  schon  ein  Glied  davon  ergriffen  ist,  täglich 
den  Schlund  der  Kinder  zu  untersuchen,  um  das  Uebel  zeitig 
genug  zu  entdecken,  denn  mehr  als  die  Hälfte  aller  davon 
befallenen  Personen  und  namenllich  Kinder  klagen  nicht  eher 
über  Halsschmerzen,  als  bis  die  Krankheit  schon  bedeutende 
Portschrille  gemacht  hat.  Bei  Säuglingen  wurde  es  namentlich 
sehr  schwer  sein ,  das  Vorhandensein  der  Diphtherie  rechtzeitig 
zu  entdecken;  daher  habe  ich  denselben  stets,  wo  die  Krank- 
heit in  der  Familie  herrschte,  je  nach  ihrem  Alter  4  bis  6  Gran 
Chinin  als  vorbauendes  Mittel  gegeben  und  dadurch  stets 
meinen  Zweck  erreicht,  selbst  wenn  jedes  andere  Familien- 
mitglied von  den  Grossälteru  bis  zu  den  Enkeln  an  dem 
Uehel  litt.  —  Von  der  Prognose  habe  ich  schon  froher 
bemerkt,  dass  sie  bei  zweckmässiger  und  zeitiger  Behandlung 
sehr  gönstig,  die  Diphtherie  aber  sich  selbst  überlassen  und 
unrichtig  behandelt,  meist  tödtlich  ist.  —  Behandlung.  Man 
beginnt  mit  einem  Abfuhrmittel  (Ricinusöl,  Pillen  aus  Aloe 
und  Jalappe,  Infusum  Sennae  etc.),  wobei  man  darauf  zu 
sehen'  hat,  dass  binnen  sechs  bis  acht  Stunden  wenigstens 
vier  bis  sechs  Ausleerungen  erfolgen.  Sogleich  nach  der 
ersten  derselben  beginnt  man  Chinin  zu  geben  und  zwar  für 
die  verschiedenen  Alter  in  Proportionen,  wie  ich  in  meiner 
Schrift  über  die  Cholera  angegeben.  Es  ist  fast  ohne  Aus- 
nahme nöthig,  das  Mittel  so  lange  fortzubrauchen ,  bis 
Ohrensausen  entsteht,  und  es  dann  täglich  noch  in  kleineren 
Gaben  fortzusetzen,  bis  alle  pathognomonischen  Kennzeichen 
der  Diphtherie  verschwunden  sind.  Wie  oben  bemerkt,  werden 
die  weissen  häutigen  Stellen  im  Schlünde  täglich  zwei  Mal  (selten 
ist  es  nöthig,  es  öfter  zu  thun)  mit  Höllenstein,  die  gelblichen 
Schrunden  dagegen  oder  ganz  dünne  Anfänge  der  weissen 
häutigen  Stellen  mit  saturirter  Jodtinctur  betupft.  St^bald  in 
beiden  Fällen  anstatt  der  weissen  oder  gelben  Flecken  reine 
Wunden  sichtbar  werden,  unterlässt  man  die  erwähnten 
örtUchen  Applicationen.  In  den  schlimmsten  Fällen  ist  es 
rathsam,  den  Hals  mit  einer  Chlorkalkauflösung  öfters  gurgeln 
und  alle  zwei  Stunden  etwas  davon  in  die  Nasenlöcher  spritzen 
zu  lassen.  Aeusserlich  lasse  ich  den  Hals  reichlich  mit 
Liniment,  volat  camphor.  oder  Capsicumtipctur  einreiben  und 


294       SIX«    MeiMn^r,  MUtheilnngeii  über  die  TIiiHgkeit 

unter  dem  hinteren  Winkel  der  unteren  Kiniriade  Pine  Steile 
von  ly^Zoil  im  DarchmeBSer  mit  Jodlinctur  bestreichen  (ein 
Mal  täglich)  und  Zugpflaster   auf  einen  oder  beide  Oberarme 
legen,   je    nachdem    das  Uebel    eine   oder   beide   Seilen    des 
Halses  befallen  hat.     Zuweilen  ist  es  nöthig,   die  Anwendung 
der  Zugpflaster  zu  wiederholen.     Um  eine  schnelle  Ahleitong 
zu  bewirken,   ist   es   in   schlimmen  Fällen  rathsam,    zugleich 
mit   den  Zugpflastern   auch  Senlteige  anzuwenden.     Nachdem 
das  Chinin   in   möglichst   kurzer  Zeit  bis  zur  Hervorbringting 
des  Ohrensausens  (bei   kleinen  Kindern   ist  diese  Ntirin    un- 
statthaft und  muss  man  die  Gabe  nach  den  Jahren  einriclRen) 
gegeben  worden  ist  (und  spater  nur  V^  oder  1  Gran -Dosen 
aller    zwei    oder    drei   Stunden    angewendet   wird)    gebe    ich 
stündlich  oder  alle  zwei  Stunden  je  nach  Umständen  folgende 
Mischung  für  Erwachsene:   Rec.   Solphur.  aurat.  gr.  ?iy.,  Pulv. 
radic.  ipecac.  gr.  viij.,  Pulv.  gi.  arab.  gr.  viij.,  Aq.  dest  3ilj.<» 
Syrup.  rubi  idaei  3j.    M.  D.  S.   Wohl  umgeschutlelt!    Stäiidlich 
oder   alle   zwei  Stunden   einen  Theelöffel  voll  (Kindern    nach 
ihrem  Alter  schwächere  Portionen)  zu  geben.    Dabei  Leinsamen* 
thee   als  Getränk.  —   Anstatt  des  Chlorkalk  habe  ich  hSuflg 
chlorsaures  Kali  (Potassae  chloras),  einen  Theelöffel  bis  einen 
halben   Esslöflel   voll    auf  vier   Unzen    warmen  Wassers,    als 
Gurgelmittel  und  später,  wenn  bloss  noch  einfache  Wunden  vor- 
handen waren,  Salicinauflösung  zu  demselben  Zwecke  angewendet 
Ist  das  Uebel  hartnäckig,  oder  wird  erst  zu  spät  Hälfe  gesucht, 
so  sollte  die  Behandlung  mit  einem  Brechmittel  aus  Ipecacuanha 
beginnen.    Kinderu  habe  ich  öfters  die  obige  Mixtur  (Ipecac, 
Sulph.   aurat.   etc.)   in   schneller  aufeinanderfolgenden   Dosen 
geben   lassen,    bis    sie    sich    erbrachen,    und   später   wieder 
seltener,  so  dass  es  bloss  als  Eipectorans,  d.  h.  eine  Reaction 
in   den   Schleimhäuten   hervorbringend   wirkte.    Nur  in   sehr 
seltenen  Fällen   bleibt  der  Höllenstein  ohne  den  gewünschten 
Erfolg,   so  dass  die  weisse  Aftermembran   sich  verdickt  und 
ausbreitet.     Unter    solchen    Umstanden    habe   ich    sehr   fein 
gepulverten  blauen  Vitriol  (Cupri  ammonio-sulphas)  mit  einem 
feuchten  Pinsel  auf  die  Aftermembran   zwei  Mal  täglich  auf- 
getragen, wodurch  dieselbe  schnell  zersetzt  wird  und  zusehends 
sich  ablöst.     Ich   habe  den  ganzen  Schlund,   die  Uvula  und 
den  Arcus  tonsjU,  post«  mit  einer  festen  weissen  Haut  ober- 


Q.  d« y«rh«ad].  rl.  Qei«liscbaft  f  Gelmrtshiflfe  so  Leipsig  ete.    295 

logen  gesehen,  auf  welche  das  Betupfen  mit  Höflenstein  nicht 
den  geringsten  Eindruck  madite  und  wo  zu  furchten  war, 
dass  die  ganze  Uvula  zerstört  werden  würde.  Der  Kranke, 
25  Jahre  alt,  aber  (durch  Pflege  anderer  Kranker  in  der 
Familie,  in  welcher  das  achtjährige  Mädchen  starb)  dem 
bösartigsten  Contagium  viele  Tage  und  Nächte  ausgesetzt,  war 
sehr  schwach,  verzweifelte  selbst  an  seiner  Genesung,  nahm 
wenigstens  40  Gran  Chinin,  ehe  es  den  geringsten  Eindruck 
zu  machen  schien,  und  später  wenigstens  noch  40  Gran 
mehr,  musste  Lagerbier  trinken  und  nahrhafte  Kost  geniessen 
und  ungefähr  acht  Tage  lang  mit  dem  blauen  Vitriol  im  Halse 
betupil  werden,  bis  die  letzte  Spur  der  Aflermembran  verschwand, 
worauf  er  ein  Gurgelmittel  von  Salicin  und  Myrrhe -Auflösung 
erlüelL  Er  hatte  bereits  früher  neun  Zugpflaster  und  Brech- 
weinsteinsalbe auf  Armen  und  Brust  gehabt.  Nach  dem 
letzten  Verschwinden  der  Aftermembran  erholte  er  sich  sehr 
schnell ,  befindet  sich  jetzt  vollkommen  wohl  und  sein  Schlund 
gleicht  in  jeder  Beziehung  dem  des  gesundesten  Menschen. 
Die  Kranken  müssen  warm  gehalten  werden,  nur  warmes 
schleimiges  Getränk  und  die  leichteste  Kost  erhalten  (Hafer- 
grütze, Leinsamenthee,  Brodwasser,  Fruchlsyrupe,  gekochtes 
Obst,  Zwieback  in  Fenchelthee  etc.).  Bei  grösserer  Schwäche 
ist  Kindern  Milch,  Eier,  und  Erwnchsenen  Bier,  Austern  etc. 
zu  gestatten.  —  Gewöhnlich  belallt  eine  Krankheit  alle  Mit- 
glieder einer  Familie,  die  älteren  etwa  ausgenommen.  Man 
schütze  sich  und  Andere  möglichst  durch  die  desinficirende 
und  prophylactische  Methode.  Man  wende  Kafleeräucherungen 
und  Chinin  als  Prophylaxis  an  (vergl.  diese  Abschnitte  in 
meiner  Schrift  über  Cholera).  Gesunde,  nahrhafte  Kost, 
massiger  Genuss  von  Lagerbier  für  Alt  und  Jung,  hinreichende 
Bewegung  und  warme  Kleidung  und  Wohnung  sind  mit  Ver- 
meidung der  Gelegenheit  für  Ansteckung,  die  sichersten  Mittel, 
die  Gesundheit  zu  erhalten.  Als  ich  selbst  die  ersten  An- 
ziehen der  Diphtherie  an  mir  bemerkte,  nahm  ich  sogleich 
vier  Abführpillen  und  binnen  vier  Stunden  darauf  24  Gran 
Chinin,  und  war  in  24  Stunden  wohl!"  — 

In  derselben  (103.)  Sitzung  wurden  mehrere  patho- 
logisch-an-atomische  Präparate  aus  der  Kinder- 
praxis vorgelegt,  so  von  Herrn  Ored4  1)  ein  auffallender 


296    ^^-   ^aofce,  38.  VerMmmlQBg  denUclitrllafttrforscker 

Verlauf  der  Nabelvene  beim  Durcbtritte  zwischen  den  beiden 
Nabelarterien;  2)  ein  Aborti?-Fölus  mit  Torsion   der  Nabel- 
schnur; 3)  eine   durchgängig   hepatisirle  Lunge,   welche  sich 
neben  eiterig- biuligeni  pleuritischem  Exsudate  bei  einem  etwas 
zu    früh    geborenen   Kinde    zeigte,    welches,   einen   Tag    alt, 
pl6tzlich    verschied,    nachdem    es   nach    der   Gebart    kräftig 
geschrieen  und  gesaugt  hatte.     Desgleichen  von  Uerrn  PIosm 
aus  der  Leiche  eines  Kindes  mit  erschwerter  Defäcation  eine 
nicht  weit  von  der  Ueocoecalklappe  befindliche  DarmverengeruDg 
mit   der   —   als  zweites  Hinderniss  — ^^  darüber  befindlichen 
starkeu  Achsendrehung  einer  an  sich  erweiterten  Darmparlie. 
Als  neuerschieneiie  Schrift  wurde  vorgelegt:  Wilh,  Braune j 
Die   Doppelmissgeburten    und    angeborenen   Geschwülste    der 
Kreuzbeingegend  in  anatomischer  und  klinischer  Beziehung.  4. 
Leipzig,  TT.  Engelmann, 

(Schluss  folgt.) 


XX. 

Achtunddreissigste  Versammlung  deutscher  Natur- 
forscher und  Aerzte  in  Stettin  im  Jahre  1863. 

Verhandlungen    der   Section    für   Gynäkologie. 

Mitgetheilt 
▼on 

Dr.  H.  Haake. 

Erste  Sitzung,  am  18.  September  V^ll  Uhr  Vormittags. 

Dr.*  Wieamann  aus  Stettin  eröffnet  die  Sitzung  und 
wird  auf  seinen  Vorschlag  Herr  Geh.  Rath  Prof.  Dr.  Betschier 
aus  Breslau  zum  Präsidenten  der  heutigen  Sitzung  erwdhlL 
Secretäre :  Dr.  Kugler  aus  Stettin  und  Dr.  Haake  aus  Leipzig. 
Der  Vorschlag  des  Herrn  Präsidenten,  die  Dauer  der  Vorträge 
durch  keine  bestimmte  Zeit  zu  beschränken,  sowie  es  dem 
jedesmaligen  Redner  zu  überlassen,  ob  er  frei  sprechen  will 
oder  nicht,  wird  Ton  der  Versammlung  gebilligt. 


und  AeiHte  in  Stettin  im  Jahre  184K8.  297 

Hierauf  erhill  Dr.  Neugebaü^  aas  Warschau  das  Wort 
und  spricht 

uher  das  querverengte  Becken. 

Bis  heute  hat  man  unter  dem  querrerengten  Becken  jene 
zuerst  von  Robert  näher  hescbriebene  Beckenform  verstanden, 
bei  der  die  quere  Verengerung  durch  verringerte  Breite  des 
Kreuzbeins  bedingt  und  mit  Verknöcherung  beider  Beosacral- 
symphysen  combinirt  ist.  Diese  beschränkte  Anwendung  des 
Begriffes  „querverengtes  Becken*'  ist  nicht  richtig;  es  giebt 
noch  andere  Formen  des  querverengten  Beckens,  als  das 
Robert'&che.  Schon  das  osteomaiacische  Becken  ist  ein  quer- 
verengtes. Ausserdem  aber  existirt  eine  Beckenfonn,  bei 
welcher  die  quere  Verengerung  sich  als  Folgezusland  einer 
durcli  cariöse  Verödung  der  Knochensubstanz  hervorgerufenen 
Kyphose  des  Lenden- Kreuzbeinllieiles  der  Wirbelsäule  dar- 
stellt. Das  Kreuzbein  atropbirt  und  die  Form  des  Beckens 
wird  in  Folge  dessen  querverengt.  Rokitansky  hat  dieser 
Form  den  Namen  „kyphoti^ches  Becken''  gegeben,  ohne 
hinlänglich  auf  die  quere  Verengung  des  Beckens  Rucksicht 
zu  nehmen. 

Redner  hat  selbst  drei  Präparate  dieser  Beckenform 
gesehen,  nämlich  in  Heidelberg,  Wien  und  Mailand.  Bei  allen 
Dreien  ist  die  Verengerung  ziemlich  bedeutend  und  eine  gewisse 
Symmetrie  nicht  zu  verkennen.  Ausserdem  hat  Lambl  zwei 
Präparate  beschrieben,  die  Redner  als  in  diese  Kategorie 
gehörend  betrachtet;  endlich  glaubt  er  ein  sechstes  Exemplar 
dieser  Beckenform  wiederzuerkennen  in  einem  Falle,  der  von 
Birnbaum  beschrieben  worden  ist  (S.  Monalschr.  f.  Geburtsk.) 

Redner  schlägt  ferner  eine  Discussion  vor  über  die 
von  Taylor  (J.  8.  E,  Taylor  in  American  medical  times, 
1862,  Juni)  angeblich  gemachten  Beobachtungen,  dass 
sich  der  Gebärmutterhals  während  der  Schwanger- 
schaft nicht  verkürze,  sondern  bis  zur  Geburt 
unverändert  bleibe.  Die  Herren  DDr.  Kronaer  (Carlsbad), 
j?€im. (Stettin)  und  ^rän&62  (Stettin)  heben  hervor,  dass  die 
Veränderungen  des  Gebärmutierhalses  individuell  sehr  ver- 
schieden sind  und  ein  solcher  Unterschied  namentlich  bei 
Erst-  und  Mehrgeschwängerten  deutlich'  hervortrete.  Auch 
Geh.Rath  Betschier  zweifelt  an  der  Richtigkeit  der  Taylof^sthett 


298     ^^-    Baak€f  38.  Versammlang  Ami taeber  NftUirfon eher 

Bcobachtangen ;  ^r  wörde  sich  nie  entschiiessen  können,  etoi^ 
Ansicht  aufzugeben,  die  er  während  einer  funfunddreissigälirigeD 
Praxis  fast  täglich  bestätigt  fand»  Die  weitere  Disciission 
hiember  wird  von  der  Versammlung  verworfen;  desgieichen 
über  folgende  Fragen :  Ueber  Eclampsie  und  Placenta  praevia 
(Dr.  Behm  jun.) ;  ober  die  Entfernung  der  Placenta  nach  der 
von  Grede  empfohlenen  Methode  (Neugebauer),  — 

Dr.  Kronser  (Carlsbad)  theilt  hierauf  kurz  einige  Fälle  von 
Retroflexio  uteri  mit,  in  welchen  nach  erfolgter  Reposition 
sofort  ein  Nachlass  der  Schmerzen  eintrat  Redner  fragt, 
üb  die  Schmerzen  und  hysterischen  Symptome  vielleicht  durch 
Ansammlung  von  Luft  in  der  Gebärmulterhöhle  bedingt  wären, 
deren  Entweichen  erst  nach  ausgeführter  Reposition  möglich 
gewesen. 

Gegen  diese  Ansicht  erklären  sich  die  Herren  Geh.  Bath 
Betschier,  Wissmann  und  FränkeL  letzterer  hebt  hervor, 
dass  die  Ansammlung  von  Luft  .in  der  Gebarmutterhöhle,  also 
die  sogenannte  Physometra,  zur  Annahme  einer  Erkrankung 
der  Ulerinschleimhaut  zwinge,  mithin  leicht  recidivire.  Da 
ein  solches  Recidiv  in  den  von  Kronser  erzählten  Fällen 
jedoch  nicht  eintrat,  so  glaubt  Redner,  abgesehen  davon, 
dass  ein  Abgang  von  Luft  nicht  nachgewiesen  wurde,  den 
Grund  der  Schmerzen  anderswo  suchen  zu  müssen;  denn  es 
sei  doch  nicht  anzunehmen,  dass  die  Reposition  auch  die 
Krankheit  der  Uterinschleimhaut  beseitigt  habe.  Geh.  Rath 
Betschier  erinnert  an  die  Untersuchungen  W.  FreuncT»^ 
welche  ohne  allen  Zweifel  darthun,  dass  in  vielen  Fällen  von 
Lageveränderungen  des  Uterus  der  Druck  auf  einen  oder  den 
anderen  Ureter  und  dadurch  bedingte  Erweiterung  desselben 
die  Quelle  der  heftigsten  Schmerzen  ist,  welche  sofort  nach 
Beseitigung  dieses  Druckes  durch  Reposition  des  Uterus  ver- 
schwinden. — 

Geh.  Rath  Betschier  theilt  darauf  Einiges  über  Gebär- 
mutterblutungen besonders  hinsichtlich  ihrer  Therapie 
mit.  Es  giebt  Ulerinblutungen ,  die  vergeblich  durch  die  ge- 
wöhnlichen Styptica  bekämpft  werden«  Derartige  Blutongen 
werden  jedoch  ziemlich  sicher  beseitigt,  wenn  man  bei  ihrer 
Behandlung  der  causalen  Indication  Rechnung  trägt*    So  e.  B. 


mid  Aerate  in  SteUin  in  Jvbre  1863.  299 

giebt  68  eine  Hetrorrhagia  intermittens,  die  nur,  me  Redner 
in  drei  Fällen  selbst  beobachtet  hat,  dein  Chinin  weicht 
Eine  andere  Art  ist  die  Metrorrhagia  rheumatica,  die  durch 
kurze  Dauer,  die  Schmerzen  und  die  abendhchen  Exacerbationen 
charakterisirt  ist.  Sie  erfordert  die  Anwendung  des  Colchicinn  etc. 
Endlich  muss  als  dritte  Species  die  Metrorrhagia  haeniorrhoidalis 
bezeichnet  werden,  die  namentlich  bei  Frauen,  welche  an 
Abdoroinalplethora  leiden,  beobachtet  wird.  Hier  bewirkt  eine 
entsprechende  Behandlung  mit  Tartarus,  Sulphur,  Rheum  etc. 
die  Heilung. 

Zweite  Sitzung,  am  21.  September  10  Uhr  Vormittags. 

Der -am  Schlüsse  der  ersten  Sitzung  zum  Präsidenten 
gewählte  Herr  Prof.  Dr.  Olahausen  aus  Halle  ertheilt  Herrn 
Dr.  Hegar  aus  Darmstadt  das  Wort,  welcher 

über   den   Drflsenkörper    der   Decidua   Yera 

und   die  Hydrorrhoea  gravidarum 
spricht. 

Leider  entbehren  noch  viele  wichtige  geburtsbulfliche 
Doctrinen  einer  pathologisch -anatomischen  Basis.  Der  Grund 
davon  liegt  theils  in  der  Schwierigkeit,  das  zu  anatomischen 
Forschungen  nolhwendige  JMaterial  zu  erhalten,  theils  in  der 
Schwierigkeit  der  Untersuchung  selbst  und  besonders  in  der 
mangelhaften  Kenntniss  der  normalen  Verhältnisse. 

Die  Angaben  der  Anatomen  über  die  Drüsen  der  Decidua 
sind  sehr  different  KöUiker  fand  in  der  Mitte  der  Schwanger* 
Schaft  nur  noch  Rudimente  derselben,  die  von  den  Sieb- 
löchern ausgehenden  weiten  Canäle  und  Buchten.  Coate  und 
Franz  Kutan  beschreiben  die  Drüsen  dieser  Zeit  als  lange, 
spiralförmig  gewundene  Schläuche.  « 

Das  gewöhnliche  Untersuchungsmaterial  liefern  die  bei 
Aborten  oder  Frühgeburten  ausgestossenen  Schleimhautstücke. 
Die  Mucosa  trennt  sich  jedoch  in  sehr  verschiedener  Dicke 
von  der  Uterinwand.  Sie  wird  bald  nur  in  iliren  ober- 
flächlichen Schichten,  bald  auch  in  ihren  tieferen  ausgeschieden 
und  daher  bald  so,  dass  die  Drüsen  sehr  schwer,  bald  so, 
dass  sie  sehr  leicht  nachgewiesen  werden  können. 


300     ^X*    Hetahe,  36.  VermtnailiiD^  dentseber  I^Attirforscber 

Man  findet  im  letzteren  Falle  diese  Gebilde  als  2 — 5  Centf> 
ineter  lange,  weisse  oder  gelblich -weisse  Piden,  welche  a«f 
den  Unebenheiten  der  rauben  Schleimbaiitfläche  festsitzend. 
mit  ihrem  freien  Theile  flottiren,  sobald  man  die  Menobran 
unter  Wasser  setzt  Unter  dem  Mikroskop  erkennt  man  eise 
Wandung  mit  zwei  bis  drei  Reihen  langgestreckter  oder  faserig 
ausgezogener  Kerne  und  einen  Inhalt,  der  meist  aus  molecalärer 
Masse  mit  zahlreichen  Kernen  oder  aus  einem  deutlichen, 
kleinen  Pflasterepilhel  besteht 

Schwierig  ist  der  Nachweis  der  Drusen  in  den  ober- 
flächlichen Schichten  der  Decidua.  In  den  Unebenheiten  der 
rauhen  Fläche  sieht  man  sie  häufig  als  Spiralknäuel.  In  der 
Schichte  der  Schleimhaut,  welche  der  freien  Fläche  zunächst 
liegt,  verlaufen  sie  dicht  gedrängt  nebeneinander',  um  in 
grösserer  Anzahl  in  der  von  dem  Siebloche  ausgehenden 
Bucht  zu  munden.  Diese  ist  nicht  als  das  erweiterte  Endstöck 
einer  einzigen  Druse  anzusehen. 

Man  kann  die  Drusen  noch  am  Ende  des  sechsten 
Schwangerschaftsmonats  als  2  —  5  Centimeter  lange 
Schläuche  aulBnden.  Der  Grund,  aus  welchem  man  sie  übersah, 
liegt  darin,  dass  man  entweder  nur  Deciduen  untersuchte, 
welche  bloss  in  ihren  oberflächlichen  Schichten  ausgestossen 
wurden ,  in  welchen  jene  verändert  sind  und  nur  mil  Schwierig- 
keit dargestellt  werden  können,  oder  dass  man  die  von  der 
abgerissenen  Fläche  herabhängenden  Fäden  nicht  berack- 
sichtigte.  —  Auch  liefert  die  gewöhnliche  Untersuchungs- 
melhode  mittels  Durchschnitten  keine  guten  Resultate. 

Vom  siebenten  bis  neunten  Monate  kann  H.  keine  sicheren 
Angaben  machen,  da  es  ihm  am  genügenden  Untersuchungs- 
inateriale  fehlte.  Ein  rasches  und  voDständiges  Verschwinden 
(ier  Drusen  evscheint  nicht  als  wahrscheinlich. 

Bei  der  Hydrorrhoea  gravidarum  entdeckte  H.  in  der 
Decidua  vera  und  zwar  im  Anfange  des  achten  Schwanger- 
schafismonats  einen  enorm  entwickelten  Drüsenkörper.  Diesem 
Krankheitsprocesse  liegt  ein  hypertrophischer  Zustand  der 
Decidua  im  Ganzen  und  ihrer  Drüsen  insbesondere  zu  Grunde. 
Letztere  liefern  die  massenhaften  Ausscheidungen.  Diese 
beginnen  in  den  schwereren  Formen  der  Hydrorrhoea  schon 
im  vierten  Monate.    In  leichteren  Fällen  beginnt  der  wässerige 


und  Aersto  in  SteUin  im  Jahre  1808.  '  901 

Ausfluss  ertft  in  den  letzten  Schwangersdiafl^monaien.  Diese 
leiebleren  Formen  mögen  oft  bloss  in  der  Ansammlupg  des 
Drüseiisecretes  aus  früherer  Zeit  der  Gravidität  ihre'  Quelle 
fioden.  Hierauf  sind  auch  die  falschen  Fruchtwasser  zu 
beziehen. 

Alle  diese  Erscheinungen,  verbanden  mit  dem  anatomischen 
Nachweise  machtiger  Drusenschläuche  noch  am  Ende  des 
sechsten  Monats  machen  es  wahrs('heinlich ,  dass  die  Deddua  vera 
auch  nach  der  Mitte  der  Schwangerschaft  noch  ein  thätiges, 
üinctionirendes  Organ  und  kein  todtes  Gebilde  ist,  als  welches 
man  dieselbe  gewöhnlich  betrachtet.  Bildung  und  Erhaltung 
des  Fruchtwassers  dürfte  wohl  von  der  Decidua  vera  abhangen. 
H.  erläutert  das  Gesagte  an  interessanten  mikroskopischen 
Präparaten«  — 

Herr  Dr.  Neugebauer  bespricht  kurz  die  bisher  bekannt 
gewordenen  Fälle  von  Atresia  und  Verengungen  der 
weiblichen  Harnröhre.  Er  bebt  hervor,  dass  in  allen 
Fällen  von  Atresia  urethrae  eine  Harnröhren-  oder  Blasen- 
Scheidenfistel  zugegen  gewesen.  Der  Heilung  der  Fistel  muss 
nothweudigerweise  die  Operation  der  Atresie  vorausgehen.  — 

Herr  Prof.  Dr.  Olshauaen  zeigt 

ein   spondylolisthetisches  Becken, 

das  achte,  welches  bis  jetzt  beobachtet  wurde. 

Das  aus  seinen  festen  Knochen  bestehende  Becken  er- 
scheint, die  hintere  Wand  desselben  forlgedacht,  regelmässig 
geformt;  an  der  hinteren  Wand  dagegen  bemerkt  man  folgende 
Anomalie.  Die  Lendenwirbelsäule  erscheint  tief  in  das  Becken 
hinabgesunken  und  so  weit  nach  vom  genickt,  dass  dadurch 
der  Beckeneihgang,  mit  Ausnahme  seines  vordersten  Segmentes, 
in  zwei  seitliche  Hälften  getheilt  wird.  Der  untere  Rand  des 
dritten  Lendenwirbels  ist  stellvertretendes  Promontorium  ge- 
worden: die  stellvertretende  Conjugata  misst  V  10'''.  Auf 
dem  Sagitlaldurchschnitle  erkennt  man ,  dass  der  letzte  Lenden- 
wirbel vollständig  der  vorderen  Seite  des  ersten  Sacral- 
wirbeis  aufsitzt  und  sogar  die  vordere  Wand  des  zweiten 
Sacralwirbels  in  ihrer  oberen  Hälfle  zudeckt  Die  letzte  Inter- 
vertebralscheibe  ist  nur  noch  in  einem  schwachen  Rudiment 
vorhanden.     Der   Bogen  des  letzten   Lendenwirbels  ist  voll- 


802'   XX.    Hodke,  S8.  Versamnlang  deiito^«r  Mstnrforscher 

Ständig,  abnorm  breit  und  nach  vorn  geräckt;  sein«  Praec 
ohliq.  infigrr.  sind  mit  den  betreffenden  Theilen  der  oberen 
Kreuzbeinfläche  synostotii^ch  vei4>iinden.  Der  Caoalis  vertehralU 
iat  dber  und  hinter  dem  ersten  Kreusbeinwirbel  erfaeUicb 
verengt;  eine  Erweiterung  oberhalb  dieser  Steile  ist  niebt 
bemerkbar.  Der  Canalis  sacralis  ist  durch  FebJen  seiner 
hinteren  Wand  seiner  ganzen  Länge  nach  in  einen  HaibeaaaJ 
verwandelt.  Spuren  eines  rudimentären  Schaltwirbels  sind 
nirgends  sichtbar. 

Bei  der  Untersuchung  des  Beckens  an  der  Lebeodea 
—  welche  von  0.  durch  den  Kaiserschnitt  entbunden  wurde  — 
wurde  der  fühlbare  Theil  der  Lendenwirbelsäule  (dritter  bis 
fünfter  Lendenwirbel)  für  das  nach  vom  schwach  convexe 
Kreuzbein  gehalten,  während  der  unterste  Theil  des  Kreuz- 
beins winkelig  geknickt  erschien  (wie  öfters  bei  rfaachitischen 
Becken),  weil  die  Richtung  des  unteren  Theiles  der  hiotereii 
Beckenwand  mit  dem  oberen  Theile  nicht  übereinsüoimte. 
Die  Stelle  des  sogenannten  Vorbergsglittwinkels  war  wegen 
zu  grosser  Entfernung  von  dem  Schambogen  im  Leben  der 
Untersuchung  nicht  zugängig.  Leider  hatte  man  eine  Unter- 
suchung per  rectum  unterlassen.  Es  ist  höchst  wahrscheinlich, 
dass  diese  Anomalie  hier  erworben  ist,  indem  Pat.  in  ihrem 
17.  Jahre  an  heftigen  Kreuzschmerzen  erkrankte  und  drei 
Monate  lang  im  Krankenhause  zu  Halle  ärztlich  behandelt  wurde. 

Hinsichtlich  der  Diagnose  dieser  Beckenanomalie ,  die 
von  Kilian  für  möglich  gehalten  wiiti,  ohne  dass  er  jedocli 
je  Gelegenheit  gehabt  hat,  an  einer  Lebenden  die  Diagnose 
zu  stellen,  durften  nach  0.  für  die  Zukunft  die  foblban»! 
Pulsationen  der  Arteriae  iliacae  (die  auch  in  diesem  Falle 
deutlich  wahrgenommen  werden  konnten)  zu  verwerthen  sein.  — 

Hierauf  spricht  Herr  Prof.  Simon  aus  Rostock 
über    die    Radicalheilung   der   Ovariengeschwulste. 

Redner  beschränkt  sich  auf  die  Ausfährung  der  iod- 
injection  urfd  auf  die  Ovariotomie,  da  alle  übrigen  Operationen 
sich  als  zu  gefährlich  erwiesen  haben. 

Die  Jodiujection  wurde  von  Boinet  zuerst  in  Aus- 
fährung  gebracht  und  mit  Enthusiasmus  von  den  Franzosen 
aufgenommen.     Im  Jahre  1856  machte  Boinet  die  Resultate 


\ 


and  Aento  in  Stettin  im  Jälire  1808.  9Q3 

Beiner  Operationsmetbode  bekannt,  die  ein  Material  von 
45  Fallen  lunfassen.  Von  45  Patientinnen  wurden  31  gebeilt, 
9  sind  gestorben,  bei  5  blieb  die  Injec^pn  ohne  Erfolg. 
Unter  diesen  45  Patientinnen  hatten  11  Ky2>toide,  34  einfache 
Kysten. 

Von  den  ersten  11  starben  6,  die  anderen  5  wurden 
erfolglos  behandelt;  ?oo  den  34,  welche  einfache  Kysten 
darboten,  starben  nur  3  und  31  Patientinnen  wurden  geheilt 

Die  Statistik,  welche  Vdpeau  nach  den  Discussionen 
in  der  Acadeinie  de  medecine  1856  zusammenstellte,  umfasst 
110  Fälle,  welche  mit  Jodinjection  ohne  Liegenlassen  der 
Canüle  behandelt  wurden. 

Von  diesen  starben  10;  60  wurden  gebeilt;  bei  36  ent- 
standen Recidife;  bei  4  ist  der  Ausgang  unbekannt. 

Redner  weist  darauf  hin,  dass  alle  diese  Statistiken  den 
Mangel  haben,  dass  sie  ober  den  wichtigsten  Punkt:  aber 
die  Dauer  der  Kystenschrumpfung,  also  über  den 
Bestand  der  Radicalheilung  keine  oder  nur  sehr 
ungenügende  Auskunft  geben. 

Die  Erfahrungen  des  Redners  erstrecken  sich  ober 
acht  Fälle,  welche  er  mit  Dr.  Orih  an  seinem  früheren 
Wohuorle  Darmstodt  behandelte;  allerdings  eine  kleine  Zahl, 
die  jedoch  deshalb  sehr  gut  zu  verwertben  ist,  als  die  Fälle 
von  8,  noch  lange  nach  der  Operation  controlirl  werden 
konnten. 

Durch  die  Jodinjection  starb  von  den  acht  Patientinnen 
unmittelbar  nur  eine  Patientin.  Alle  übrigen  vwtrugen  die 
Jodinjection  sehr  gut,  sogar  zwei  Patientinnen,  die  sehr 
heruntergekommen  waren,  erlangten  ein  blühendes  Aussehen. 
Bei  sechs  Patientinneu  stellten  sich  jedoch  nach  1% — 2  Jahren 
Recidive  ein.  Fünf  dieser  Kranken  sind  bereits  gestorben, 
nachdem  bei  einigen  derselben  die  Jodinjection  wiederholt 
worden  war,  ohne  jedoch  Radicalheilung  zu  erzielen;  sie 
starben  au  Marasmus.  Die  sechste  dieser  Patientinnen,  welche 
erst  vor  1%  Jahren  mit  Injection  behandelt  wurde,  bat  ein 
nicht  mehr  iujeciionslahiges  Kystoid  als  Rccidiv.  Nur  bei 
einer  Patientin  ist  jetzt  nach  vier  Jahren  die  Kyste  noch 
geschrumpft. 


304     ^^*   n^floi^ey  38.  Versamnilnng  deatseher  NatQrfoncher 

Aehnliche  Resallate  hat  Charles  West  Von  aehl  seiner 
Kranken  war  nach  zwei  Jahren  nur  noch  bei  einer  einzigen 
die  Kyste  gesc^umpfl.  Bei  allen  übrigen  waren  Recidii« 
und  zwar  meist  Kystoide  eingetreten.  Bei  den  meisten  jedoch 
war,  wie  in  des  Redners  Fällen,  eme  Retardation  des  Leidens 
erzielt  worden. 

Der  Unterschied  der  Resultate  in  den  ersten  Jahren 
nach  der  Jodinjection  und  in  späterer  Zeit,  weicher  in 
Simon*»  Fällen  so  aulTallend  ist,  beruhte  ohne  Zweifei  daraur, 
dass  /9.  im  guten  Glauben  einfache  Kysten  vor  sich  zu  iiaben, 
Kystoide  injicirte.  Redner  wirft  hier  die  Frage  auf,  ob  nun 
anzunehmen  sei,  dass  die  französischen  Resultate  günstiger 
sind,  als  die  unserigen,  weil  die  Franzosen  besser  diagnosticirt 
und  nur  einfache  Kysten  injicirt  haben,  oder  ob  anzunehmen 
sei,  dass  sich  bei  erneuter  Conlrole  deren  Resultate  eben  so 
ungünstig  herausstellen  werden,  als  es  bei  den  unserigen 
geschieht? 

Redner  nimmt  das  Letztere  an  und  zwar  aus  zwei 
Gründen:  1)  Weil  die  einfachen  Kysten,  welche  Operations- 
objecle  abgeben  können,  im  Gegensalze  zu  den  Kystoiden 
ausserordentlich  selten  sind ;  2)  weil  diese  Kysten  von  Kystoiden 
mit  vorzugsweiser  Entwickelung  nur  einer  Kyste  nicht  zn 
unterscheiden  sind.- 

Die  Seltenheit  der  einfachen  Kysten,  welche  Operations- 
objecle  abgeben,  erhellt  aus  einer  Statistik  der  pathologischen 
institule  zu  Prag,  Berlin  und  i^eipzig;  unter  30  Ovarien- 
geschwülsten ,  welciie  Kindskopfgrösse  hatten  oder  überstiegen, 
wai'en  nur  vier  einfacher  ige  Kysten.  . 

Die  Unmöglichkeit  der  Diagnose  einer  einfachen  Kyste 
von  einem  Kystoide  mit  vorzugsweiser  £nlwickelung  nur  einer 
Kyste  bedarf  keiner  weiteren  Argumentation. 

Redner  giebt  bezüglich  der  Jodinjeclion  folgende  Scbiuss- 
Sätze : 

1)  Die  Jodinjectionen  bei  einfachen  Kysten  so- 
wohl als  bei  Kystoiden  ist  verhältuissmässig 
wenig  lebensgefährlich. 

2)  Bei  einfachen  Kysten  ist  sie  im  Stande  Radical- 
heilung  zu   erzielen. 


und  Aeczte  in  Stettin  im  Jabre  1868.  305 

3)  Auch  bei  Kystoiden  können  die  vorzugsweise 
ausgedehnten  Kysten  zur  Schrunopfung  ge- 
bracht, der  tödtliche  Verlauf  aufgehalten,  aber 
wohl    niemals   Radicalheilung    erzielt  werden. 

4)  Da  die  einfächerigen  Kysten  von  solcher  Grösse 
und  Beschaffenheit,  dass  sie  die  Jodinjection 
indiciren,  nur  äusserst  selten  und  von  drn 
Kystoiden  mit  vorzugsweiser  Enlwickelung  nur 
einer  Kyste  nicht  zu  unterscheiden  sind,  so 
wird  durch  die  Jodinjection  auch  nur  selten 
Radicalheilung  —  in  den^meisten  Fällen  aber 
eine  Retardation  des  tödtlicben  Verlaufes  er- 
zielt. — 

Redner  geht  nun  zur  Besprechung  der  Ovariofomie  über, 
einer  «Operation,  deren  Resultate  in  Deutschland  und  Frank- 
reich fast  ungunstiger  sind,  als  beim  Kaiserschnitte;  daher 
ihr  Miscredit.  Auch  bei  der  Ovariotomie  zeigen  die  be- 
treffenden Statistiken  verschiedene  Resultate.  So  z.  B.  wurden 
nach  Kiwiseh  und  Fock  mehr  als  die  Hälfte  der  Openrlen 
geheilt.  Doch  müssen  diese  Resultate  angezweifelt  werden, 
da  die  Controle  fehlte.  Redners  Statistik  (1858)  war  die 
einzig  coiilrolirle,  daher  erklären  sich  wohl  die  so  schlechten 
Resultate:  von  64  theils  ausgeführten,  theils  vorsuchten 
Ovariotomien  wurden  nur  12  Patientinnen  radicai  geheilt 

In  England  liessen  sich  die  Operateure  nicht  abschrecken, 
und  von  ihnen,  besonders  von  den  Londoner  Aerzten,  besitzen 
wir  jetzt  controlirte  Statistiken,  welche  ein  überaus  günstiges 
Resultat  nachweisen. 

In  der  Statistik  von  OurÜ  über  die  von  1858—1861 
in  Londoner  Spitälern  vorgekommenen  Ovariotomien  finden 
sich  75  Patientinnen  angeführt,  bei  welchen  die  Operation 
vollendet  wurde :  auf  45  Fleilungen  kommen  30  Todesfalle. 

Spencer  Wells  zählt  in  seiner  Statistik  von  50  Ex- 
stirpationen  33  Heilungen  und  17  Todesfälle. 

Diese  Resultate  werden  nicht  verfehlen,  die  Ovariotomie 
überall,  auch  in  Deutschland,  immer  mehr  zur  Geltung  zu 
bringen.  Sie  berechtigen  zur  Früboperation ,  bei  welcher  die 
Patientinnen  noch  im  Stande  sind,   den  EingiMff  zu  ertragen, 

Monatflnebr.  f.  Gebarttk.  1888    Bd.  XXII.,  Hfl.  4.  20 


306     XX'   i?aaJk0,  88.  VersammlaDg  deutscher  Naturforscher 

wäbreud   früher  nur  dann   operirl  wurde,   wenn   die  Kranke 
schon  zu  sehr  heruntergekommen  war. 

Redner   giebt   nach   dem  Vorhergesagten    folgende  Incli- 
cationen  zur  Radicalbehandlung  der  OvarieiigeschwüJste : 

1)  Bei  dünnwandigen  Kysten,  mit  serösem  oder 
blutig  serösem  Inhalte  ist  die  Jodinjection 
(unter  Umständen  selbst  die  wiederholte)  an- 
gezeigt. 

2)  Füllt  sich  eine  einfache  Kyste  nach  der  Jod- 
injection immer  wieder,  oder  ist  das  Recidiv 
ein  Kystoid,  oder  wird  von  Tornbereio  eine 
zusammengesetzte  Kyste  diaguoslicirt,  so  ist 
die  Ovariotomie  angezeigt  und  zwar  zu  einer 
Zeit,  in  welcher  die  Patientin  noch  nicht 
heruntergekommen  ist,  oder  die  Geschwulst 
wächst  oder  schon  bedeutende  Beschwerden 
verursacht.  — 

In  der  sich  hieran  anschliessenden  Discussion  theilt  Herr 
Geh.  Ratb  Bardeleben,  welcher  übrigens  den  Ansichten 
Simonis  beitritt,  kurz  die  drei  von  ihm  ausgeführten  Ovario- 
tomien  mit,  von  denen  zwei  mit  Genesung  der  Patientinnen 
endeten.  —  Groihuisen  aus  Berlin  referirt  zwei  Fälle  von 
Jodinjection,  die  kürzlich  auf  der  Langenbeck'^cXieu  Klinik 
ausgeführt  wurden  und  tödtliclirn  Ausgang  nahmen.  —  Simon 
bemerkt  nachträglich,  dass  Spencer  Weih  bei  der  Ovariotomie 
noch  günstigere  Resultate  jetzt  erziele,  indem  unter  den  19 
zuletzt  Operirten  17  geheilt  wurden.  —  Med.-Rath  Werner 
aus  Königsberg  hat  für  beide  Operationsmethoden  (Injection 
und  Ovariotomie)  je  einen  unglücklichen  Fall  aufzuweisen. 
Er  macht  für  die  Ovariotomie  besonders  auf  die  Adhäsionen 
aufmerksam ;  es  kann  als  nicht  gleichgültig  betrachtet  werden, 
in  welchem  Zustande  das  Bauchfell  ist.  Lethal  ist  die  Ver- 
letzung desselben  gewöhnlich  dann,  wenn  es  ganz  normal 
ist,  während  das  mehr  oder  weniger  veränderte  Peritonäum 
leichter  die  Verletzung  verträgt.  —  Simon  berichtet,  dass 
Tyler  und  Spencer  Wells  diese  Frage  schon  entschieden 
haben,  da  sie  bei  verändertem  Bauchfelle  stets  glücklicher 
operirten  als  bei  normalem.  —  Hegar  bezweifelt  die 
Ungeföhrlichkeit    der    Jodinjection.    —    Gurlt    bestätigt    die 


aqd  Aerste  in  6t«nin  im  Jabre  18<(3.  307 

Uiigefahrlichkeit  der  Operation  bei  bestehenden  Adhäsionen  aus 
der  Slleren  englischen  Statistik.  —  Behm  sen.'  will  hinsichtlich 
der  Prognos/e  der  Operation  das  Entwickeiungsstadiuin  des 
pathologischen  Processes  berücksichtigt  wissen,  namenlJirh 
ob  Entzündung  bestehe  oder  nicht. 

Die  fernere  Discussion  wird  wegen  vorgerückter  Zeit 
vertagt. 

Bei  der  nun  folgenden  Wahl  eines  Vorsitzenden  der 
nächsten  Sitzung  wurde  Heir  Geh.  Rath  Behm  gewählt,  Ua 
derselbe  die  auf  ihn  gefallene  Wahl  wegen  dringender  ander- 
weitiger Beschäftigung  ablehnte,  wurde  Dr.  Hegar  zum 
Präsidenten  ernannt. 

Dritte  Sitzung,  am  23.  September  früh  11  Uhr. 

Die  Sitzung  ist,  da  schon  viele  Mitglieder  abgereist  sind, 
nur  spärlich  besucht. 

Die  Fortsetzung  der  Discussion  über  Ovariotomie  wird 
aufgegeben. 

Geh.  Rath  Behm  demonstrirt  ein  exostotisches  Becken, 
welches  sich  näher  in  diesen  Blälterif,  Jahrgang  1854,  be- 
schrieben findet  Die  betrelTende  Person  wurde  durch  die 
Sectio  caesarea  von  Zwillingen  entbunden.  Der  Tod  erfolgte 
am  fünften  Tage  nach  der  Entbindung;  die  Section  zeigte 
keine  Entzündung  des  Peritonäum,  wohl  aber  ein  bedeutendes 
Blulcoagulum  in  der  Bauchhöhle.  Ferner  zeigte  Redner  ein 
von  ihm  construirtes  Speculum  vor,  dessen  nähere  Beschreibung 
in  diesen  Blättern  später  erfolgen  wird.  — 

Neugehauer  spricht  über  die  Technik  bei  Blasen- 
scheide nfistel- Operationen. 

Nach  kurzen  geschichtlichen  Notizen  über  die  dabei  in 
Anwendung  gekommenen  Specula  zeigt  Sprecher  ein  neues 
von  ihm  erfundenes  Instrument  vor,  welches,  in  der  Knie- 
ellenbogenlage der  Kranken  eingeführt,  die  Fistel  um  Vieles 
zugänglicher  machen  soll.  Das  ganze  Instrument,  dessen 
nähere  Beschreibung  hier  nicht  wiedergegeben  werden  kann, 
hat  grosse  Aehnlichkeit  mit  dem  Speculum  matricis  der  Alten.  -^ 

Zum  Schlüsse  der  Sitzung  ergreift  Dr.  Bloss  aus  Leipzig 
das  Wort.     Er  macht  darauf  aufmerksam,  dass,   während  hi 

20* 


308    ^X*  Saakef  8S.  Versainmloog  deatocher  Katprforbcher  etc. 

einzelnen  Staaten,  z.  ß.  in  Preussen,  die  Regierung  von  der 
Tbätigkeit  der  Geburtshelfer  keine  Notiz  nimmt,  in  anderen 
Staaten  die  Geburtshelfer  Rechenschaft  über  die  von  ihnen 
ausgeführten  Operationen  geben  müssen,  z.  B.  in  Sachsen, 
Würtemberg,  Baiero  etc.  Auf  diese  Weise  werde  ein  be- 
deutendes Material  lünsichtlich  der  Häufigkeit  der  geburts- 
hülfiichen  Operationen  zusammengetragen,  zu  dessen  zeitweiser 
Verölfentlichung  Redner  die  betreffenden  Medicinalpersoneii 
auffordern  möchte.  Die  vom  Redner  vertbeilte  „Statistische 
Uebersicht  über  die  Häufigkeit  der  gebm*tshülflichen  Operationen 
bei  2,329,200  Geburten  in  sechs  deutschen  Staaten ''  berechtigt 
zu  folgenden  Schlussfolgerungeu : 

1)  In  jedem  Lande  herrschen  ziemlich  stationäre  Grundsätze 
in  Bezug  auf  geburtshulf liebes  Handeln,  denn  die  in  den 
einzelnen  Landeslhei^en  und  in  den  einzelnen  Perioden 
in  einem  Lande  bemerkbaren  Differenzen  in  der 
Operationsfrequenz  schwanken  in  ziemlich  engen  Grenzen. 
Während  die  einzelnen  Länder  sowohl  im  Ganzen  als 
auch  in  ihren  einzelnen  Theilen  eine  grosse  Verschieden- 
heit hinsichtlich  jcler  Operalionsfrequenz  zeigen,  bleibt 
das  gegenseitige  Verhältniss  in  der  Operationsfrequenz 
der  einzelnen  Bezirke  auffallend  stabil.  Es  sind  hierbei 
also  dauernde  localc  Ursachen  wirksam. 

2)  Fast  in  jedem  Lande  nimmt  die  Operalionsfrequenz 
allmälig  zu,  und  diese  Zunahme  muss  mit  Wahrschein- 
keit  der  »teigenden  Ausbreitung  der  männlichen  Geburls- 
hülfe  zugeschrieben  werden. 

3)  Die  Operalionsfrequenz  steht  unter  dem  direclen  Ein- 
flüsse der  relativen  Zahl  der  Geburtshelfer,  und  diese 
wieder  unter  demjenigen  des  Wohlstandes  der  Be- 
völkerung. 

4)  Die  Differenz  in  der  Operationsfrequenz  von  Stadt  und 
Land  trifft  namentlich  die  Zangen-  und  Nachgeburts- 
operationen, welche  sich  besonders  zu  Luxusoperationen 
eignen,  und  in  den  Städten  so  sehr  bevorzugt  werden, 
dass  diese  erhöhte  Frequenz  der  am  leichtesten  und 
fast  bei  jeder  Entbindung  ausführbaren  Operationen 
nur  zum  kleineren  Theile  mit  einer  Differenz  in  der 
Constitution    der    Bevölkerung,    vielmehr    vorzugsweise 


XXI.   Notisen  an»  der  Jonmal- Literatur.  309 

mit  dem  Grade  des  Wohlstandes  und  der  Intdligenz 
der  Bevölkerung,  sowie  mit  der  mebr  oder  weniger 
dichten  Vertheilung  der  Geburtshelfer  in  ursächlichem 
Zusammenhang  stehen  kann. 

5)  Mit  dem  allmäligen  Steigen  der  Operationsfrequenz 
verringert  sich  die  Mortalität  der  durch  KunsthöUe 
geborenen  Kinder. 

6)  Auch  für  die  Mütter  scheint  die  grosse  Operations- 
frequenz günstig  zu  sein,  denn  in  jenen  Ländern,  wo 
verhältnissmässig  häufiger  operirt  wird  und  wo,  wie 
es  scheint,  die  männliche  Geburtshulfe  mehr  Fuss 
gefasst  hat,  sterben  von  den  mit  Hülfe  der  Kunst  ent- 
bundenen Frauen  relativ  weniger,  als  in  solchen  Ländern, 
in  welchen  ärztliche  Hülfe  bei  der  Entbindung  seltener 
in  Anspruch  genommen  wird. 


XXL 

Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 


Bossi:    lieber  Cred^'s  Methode  der  Entfernung  der 
Nachgeburt 

In  Anschlass  an  frühere  Mittbeilangen  (No.  25,  26  der  Wiener 
Diedic.  Wochenschrift,  1862)  über  denselben  Gegenstand  ver- 
öffentlicht  Verf.  eine  Reihe  neuer  Beobachtungen.  Es  wurde 
seitdem  bei  947  Geburten  fast  ohne  Ausnahme  die  CredS^ache 
Methode  gehandbabt.  Zugleich  stand  ihm  ein  Material  Ton 
312  Geburten  an  der  Zablgebftrabtheilung  sn  Gebote,  bei  welchen 
von  den  swei  dort  angestellten  erprobten  Hebammen  das  frühere 
allgemein  übliche  Verfahren  in  der  Nachgeburts^eriode  zur  An- 
wendung kam.  Um  den  Werth  der  Cred4*achon  Methode  zu 
beleuchten,  bedarf  eh  nur  weniger  Zahlen,  welche  mehr  als  viele 
Worte  sagen. 

An  der  Klinik  ereigneten  sich  14  Nachgeburtsblntnngen, 
d.  i.  1,47  Procbut,  an  der  Zahlabtheilnng  11,  d.  i.  3,52  Procent. 
Wenn  man  von  diesen  Zahlen  jene  Fälle  abzieht,  bei  welchen 
die  Blutung  durch  sn  feste  Adhärenz  des  Fruchtkuchens  bedingt 
war   ~    die    durch    die    beste    Ueberwachung   des   Utems    nicht 


310  ^^^-    NotUea  aaa  der  Joarnal-LUeraiar. 

yermieden  und  erst  darcb  die  Entferonng  der  PUcenta  gf^tillt 
werden  ktinn  —  so  ergiebt  sich  ein  noch  günstigeres  BeMnltat 
für  die  Cred^''ache  Methode.  Auf  947  Fälle  kamen  nur  sif^ben 
Blutungen  und  zwar  vier  vor  und  drei  nach  Abgang  der  Placenta, 
d.  i.  0,73  Procent  oder  auf  je  tSö  Geburten  erst  eine  HUitang. 
Anf  der  Zahlabtbeilung  dagegen  auf  312  Oebnrten  fünf  Blntungen 
in  Folge  von  Atonie  des  Uteros,  d.  i.  1,60  Procent  oder  anf 
je  62  Geburten  schon  eine  Blutung.  In  der  Klinik  war  übrigens 
nur  ein  einziges  Mal  die  Blutung  eine  heftigere,  während  in  Hllen 
übrigen  Füllen  die  Menge  des  verlorenen  Blutes  eine  so  geringe 
war,  das8  ausser  einem  kurz  andauernden  Uebelbefinden  keine 
andere  anKmiscbe  Erscheinung  zu  bemerken  wer. 

Anlangend  die  pathologischen  Verhältnisse  der  Nachgeburt«- 
periode,  so  waren  anf  der  Klinik  drei  künstliche  Lösungen  der 
Placenta,  d.  i.  1  :  315  oder  0,81  Procent,  auf  der  Zahlabthnilung 
Yier  künstliche  Lösungen,  d.  i.  1  :  78  oder  1,25  Procent  der 
Gebarten  nöthig.  Diese  Thatsachen  widersprechen  dem  von 
CV«<2^  (Monatsschr.  f.  Geburtsk.,  Bd.  XVI.,  S.  337,  nnd  Bd.  XVIL, 
8.  274)  aufgestellten  b^atze:  „Bei  genauer  Durchführung  seiner 
Methode  verschwänden  alle  Anomalien  der  Nachgeburtsperiode 
(Blutungen,  Incarcerationen)  aus  dem  Bereiche  der  Beobachtung 
und  seine  Methode  reiche  auch  bei  allen  von  ihm  als  Gespenster 
angesehenen  Verwachsungen  der  Placenta  aus.'*  ^) 

Um  zu  beweisen,  dass  die  vom  Verf.  mit  grosser  Vorliebe 
gehandhabte  Cre<2^sche  Methode  doch  nicht  im  Stande  ist,  die 
PlacentalösQDgen  aus  der  Reihe  der  geburtshül fliehen  Operationen 
za  verdrängen,  und  zugleich,  um  die  wahrscheinlichen  Ursachen 
des  Nichtgelingens  der  CVe(2^*schen  Methode  festzustellen,  hält 
Verf.  es  für  unumgänglich  nöthig,  die  obigen  sieben  Fälle  kurz 
einzeln  zu  berichten,  aber  auch  jene  Fälle  hinzuzufügen,  wo  nnter 
gleichen  Verhältnissen,  näuilich  bei  gegebener  Anzeige  zur  Lösung 
der  Placenta,  CredS^s  Methode  dieselbe  entbehrlich  niaehte.  — 
Im  ersten  Falle  blieb  der  Cred^^sche  Handgriff  ohne  Erfolg,  es 
wurde  deshalb  wegen  Blutung  zur  manuellen  Lösung  der  Placenta 
geschritten.  Dieselbe  war  dünn,  schlaff  und  fand  sich  zum 
grösslen  Tfaeile  schon  in  der  Scheide  gelöst  und  nur  eine  etwa 
einen  Quadratzoll  grosse  Stelle  im  Fundns  uteri  anhängend.    Die 


1)  Obiges  Citat  ans  meinen  früheren  Abhandlungen  über  denselben 
Gegenstand  ist  *  ungenau.  Ich  habe  den  Handgriff  zunächst  nur  für 
natürliche  Geburten,  also  für  normnlc  Zustände,  empfohlen,  aber  der 
Wahrheit  gemäss  auch  anführen  müssen,  dass  mir  der  Handgriff  stets 
auch  bei  den  vermeintlich  pathologischen  Zuständen  bisher  ausgereicht 
habe.  Dass  er  mir  aber  auch  in  Zukunft,  oder  anderen  Geburtshelfern, 
bei  allen  angenommenen  Verwachsungen  oder  anderen  pathologischen 
Vorgängen  stets  ausreichen  werde,  wie  aus  obigem  Citate  abgeleitet  werden 
müsste,  eine  solche  Behauptung  aufzustellen,  ist  mir  nie  in  den  Sinn 
gekommen.  Ich  bitte  in  dieser  Beziehung  nachlesen  zu  wollen  Monats* 
Schrift,  Bd.  XVIL,  S.  286  a.  287.  Cred^, 


# 


XXI.    Motisen  ans  der  Joninal  •  Llteratnr.  311 


LSsnng  dieses  Stückes  gelaDji^  sehr  leicht;  das  Blat  stand, 
Wocbenbett  normal,  an  der  Placenta  war  keine  Abnormitit  an 
finden.  —  Beim  zweiten  Falle  bestand  Atonie  des  Uteras  and 
das  Massireu  genügte  nicht  snr  Entferttnng  der  Placenta  ans 
dem  Uterus.  Da  stärkere  Blntnng  eintrat,  wurde  die  in  einem 
mehr  als  bandtellergrossen  Umfange  durch  kurszelliges  Binde- 
gewebe fest  adhHrente  Placenta  erst  nach  IHngerem  Bemühen  mit 
der  Hand  entfernt.  Die  Untersnchabg  ergab  eine  aasgebreitete 
Bindegewebswacherung  der  auffallend  dünnen,  blassroth  gefärbten 
Placenta.  Die  Wöchnerin  erkrankte  an  einer  leichten  Endo- 
metritis. —  Im  dritten  Falle  war  schon  vor  27,  Jahren  eine 
künstliche  Placentaiösung  wegen  Blutung  gemacht  worden.  Auch 
dieses  Mal  trat  Blutung  ein;  mit  der  ersten  Nachgebartawehe 
wurde  durch  den  (7rs<2^schen  Handgriff  die  Placenta  snm  grösütea 
Theile  in  die  Scheide  herabgedrnokt,  doch  die  Tollständige  Ent- 
fernung  wollte  nicht  gelingen.  Da  der  Blutverlust  bereits  etwa 
3  Pfund  betrug,  wurde  die  mit  einigen  Cotyledonen  am  Fundus 
adhärente  Placenta  gelöst.  Die  Wöchnerin  wurde,  awar  noch 
schwach,  aber  gesund  entlassen.  —  Im  rierten  Falle  war  %  Stunde 
nach  dem  Ausschlüsse  des  lebenden  Kindes  bei  schlaffer,  nicht 
bestKndig  überwachter  Gebärmutter  eine  Blutung  aufgetreten. 
Der  Uteras  war  atonisch,  beim  Massiren  gingen  grosse  Blut- 
klumpen,  aber  nur  ein  Theil  der  Placenta  aus  dem  Uterus,  so 
dass  nach  einigen  yergeblichen  Versuchen  wegen  der  Blutung 
aar  manuellen  Entfernung  der  Placenta  gesehritten  wurde.  Die 
sehr  schlaffe,  dilnne  blasse  Placenta  adhärirte  noch  mit 
einigen  Cotyledonen  im  rechten  Uterushom  und  wurde  leicht 
gelöst.  Die  Mutter  ei krankte  an  Endometritis,  genas  aber.  — 
Im  fünften  Falle  war  schon  das  Kind  weg^n  Atonia  uteri  mit 
der  Zange  geholt  worden.  Die  Atonie  dauerte  fort,  der  Crsi2^*sche 
Handgriff  wurde  mehrmal«  vergeblich  versucht.  Nach  1 7,  Stunden 
schritt  man  snr  manuellen  Lösung  der  Placenta,  die  mit  einer 
mehr  als  handtellergrossen  Fläche  ziemlich  fest  an  der  vorderen 
und  rechtsseitigen  Uterinwand  ansass.  Die  Matter  erkrankte  an 
Endometritis,  aber  genas.  —  Im  sechsten  Falle  bestanden  zwar 
gute  Nachgeburtswehen,  aber  weder  das  Massiren,  noch  ein 
sanfter  Zug  an  der  Nabelschnur  brachten  die  Placenta  aus  dem 
Uterus.  Nach  %  Standen  entschloss  man  sieh,  wegen  der  in- 
zwischen erfolgten  Blutverluste  zur  manuellen  Entfernong.  Der 
Kachen  war  sehr  klein  und  dünn  und  nur  mit  einigen 
Lappen  im  rechten  Home  durch  langzelliges  Bindegewebe  feater 
adhärent — •  Im  siebenten  Falle  trat  aus  dem  nicht  überwachten 
und  schlaffen  Uterus  eine  bedeutende  Blutung  ein,  die  bereits 
zwei  Stunden  dauerte,  ehe  der  CVe<2^sche  Griff  war  Ausfnhrang 
kam.  Da  derselbe  nicht  schnell  zum  Ziele  führte,  war  die 
manuelle  Entfernung*  der  an  einer  kaum  thalergrossen  Stelle  fester 
adhärlrenden    Placenta   geboten.     Auch    diese    war   auffallend 


312  XXl.    NotiB«ii  aOB  der  Jonnial* Literatur. 

dfinn  nnd  schlaff.  —  In  einem  noch  anderen  Falle  aoR  der 
PrlTatpraxit  de«  VerfasBers  war  schon  bei  «wel  früheren  Ge- 
borten die  künstliche  Losnnj^  der  Plaeenta  gemacht  word<»o. 
Dieses  Mal  war  schon  IV,  Stunden  die  Geburt  des  Kindes 
▼oräber,  die  Gebarende  im  hohen  Grade  verblatet,  der  Uterus 
gross  und  schlaff.  Da  der  Cred^^Bche  Griff  nicht  schnell  coui 
Ziele  führte,  wurde  die  Placent«  kiinetlioh  entfernt,  sie  adhürirte 
nur  mehr  mit  einer  thalergrossen  Flache  im  rechten  Utenis 
home  und  erwies  sich  als  auffallend  schlaff  und  dfinn. 
Die  Mutter  erholte  sich  lang-sam. 

Als  Ursache  der  Placentarretentionen  und  der  Metrorrhagie 
in  obiges  acht  Fällen  ergiebt  sich  demnach  drei  Mal  eine  festere 
und  fiinf  Mal  eine  leichtere  Adhärenz,  stets  nur  eines  Theiles  des 
Kncshens.  In  sechs  Fällen  war  die  Plaeenta  zugleich  auffalleod 
dfinn  und  schlaff.     Zu  geringe  Knergie  der  Nachgeburtewehen  j 

war  nur  in  rier  Fällen  gleichzeitig  vorbauden.  Verf.  legt  die 
Hauptursache  der  Betention  in  die  auffallend  dünne  und  acblaffe 
Beschaffenheit  der  Plaeenta,  denn  in  Tier  weiteren  Fällen  von 
Metrorrhagie  und  Placentarretcntion  gelang  die  Entfernung^  durch 
den  €fred4*Bchen  Handgriff  nach  langem  Bemühen,  als  man  sar 
könstliehen  Lösung  schreiten  wollte:  aber  die  Plaeenta  war  jedes 
Mal  dick  und  umfangreich.  Spastische  Contractionen  sind  in  der 
obigen  Beobacbtungszeit  dem  Verfasser  nicht  vorgekommen  und 
kann  er  deshalb  nicht  angeben,  ob  diese  ein  Hindemias  f&r 
die  Austreibung  des  Fruchtkuchens  nach  CredS  abgeben.  Als 
Gegenanseigen  oder  mindestens  erschwerende  Zustönde  för  den 
Creci^schen  Handgriff  bezeichnet  Verfasser:  Meteorismns  bei 
strafferen  Banchdecken,  grosse  Schmerzhaftigkeit  des  Unterleibes 
bei  beginnender  oder  schon  vorhandener  Metritis;  Peritonitis; 
Paralysis  uteri;  Paresis  oder  Paralysis  der  Placentarstelle ; 
Senkung  oder  Vorfall  der  Gebärmutter;  Rnptura  uteri  u.  ähnl. — 
Die  Klagen  über  Schmerzen  beim  Griffe  rühren  meist  von  un- 
geObter  oder  roher  Ausffihrung  desselben  her,  wenn  man  zu  friib 
oder  in  falscher  Richtung  drückt.  Niemals  bleiben  Placentar- 
reske  zurück,  vielmehr  geht  stets  die  ganze  Nachgeburt  ohne 
grössere  Schmerzen,  als  solche  bei  kräftigen  Wehen  häufig  vor- 
kommen,   meist   aber   ganz   schmerzlos   ab. 

Das  in  der  Klinik  ausgeübte  Verfahren  besteht  in  Folgendem: 
Gleich  nach  der  Abnabelung  und  Entfernung  des  Kindes  wird  die 
flache  Hand  auf  die  Uterinkugel  gelegt  und  dieselbe  nur  dann 
ganz  leise  massirt,  wenn  ein  Grösser-  oder  Weicherwerden  der- 
selben  bemerkt  wird.  Mit  der  vierten  bis  sechsten  kräftigen 
Wehe,  wenn  sich  dabei  die  Gebärmutter  aufbäumt,  wird  der 
Handgriff  versucht.  Bemerkt  man  dabei  keine  Verkleinerung  des 
Uterus,  so  wirit  der  Handgriff  erst  nach  mehreren  Wehen  wiederholt. 

Verfasser  schliesst  seine  MittheilungAn  mit  dem  Satze: 
Credd'a  Methode    der    Entfernung    der  Nachgeburt   ist 


XXI.    Notisen  «na  der  Journal -Literfttnr.  313 

als  ein  grosser  Fortschritt  in  der  gebnrtshülflichen 
Technik  ansnerkennen,  weil  sie  im  Stande  ist,  die  Zahl 
der  »tonischen  Blutungen  bedeutend  zu  Termindern;  weil 
sie  den  Arzt  und  die  Hebamme  in  die  Lage  bringt,  jode  Blutung 
in  ihrem  Beginne  zu  erkennen  und  dieselbe  so  schnell  als  möglich 
zu  bekämpfen;  weil  ferner  die  künstlichen  Losungen  der 
Plaeenta,  welche  besonders  in  der  Priratpraxis  zu  den  miss- 
liebsten  geburtshnlf  liehen  Operationen  gehören,  bei  Credi^a 
Methode,  zu  selteneren  Ereignissen  werden,  wenn  sie  auch 
nicht  ganz  yermieden  werden  können. 

(Wiener  medic.  Wochenschrift,  1868,  No.  30—32.) 


Goschler:  Begründung  der  CredS'schen  Methode, 
die  Plaeenta  zu  entfernen,  durch  eine  neue  An- 
sicht über  die  wahre  und  häufigste  Ursache  der 
Einsackung  der  Nachgeburt 

Verfasser  hebt  als  einen  bisher  noch  nicht  gewürdigten 
Grund  der  zurückbleibenden  und  eingesackten  Plaeenta  die  In- 
flexio  uteri  post  partum  hervor.  Diese  Art  der  Incarceratio 
kommt  nach  Verf.  am  häufigsten  vor  und  sie  zu  Yerhindern  ist 
die  CredS- Spiegelber g*Bche  Methode  Tollkommen  geeignet  und 
darin  besteht  ihr  Hauptwerth.  Die  Inflexio  entsteht  besonders 
bei  Mehrgebärenden,  deren  Fruchthalter  erschlafft  ist,  unmittelbar 
nach  der  Geburt  des  Kindes,  wodurch  der  Abgang  der  Plaeenta 
sehr  erschwert,  bei  höheren  Graden  sop^ar  unmöglich  wird.  Der 
Knickuncrgwinkel  liegt  im  erschlafften  Cerrix,  der  Grund  des 
Uterus  ist  nach  dem  Gesetze  der  Schwere  durch  den  Druck  ron 
oben ,  nach  vorn  oder  hinten  umgebeugt.  £ine  solche  Inflexlon 
kann  nur  dadurch  verhindert  werden,  dass  die  Hand  gleich  nach 
der  Geburt  des  Rindes  den  Uterus  fortwilhrend  Überwacht  und 
in  seiner  normalen  geraden  Richtung, halt.  Hut  sich  bei  Ausseracbt- 
lassung  der  O^i^'schen  Methode  die  Inflezion  wirklich  gebildet, 
so  muss  der  Fundns  uteri  nach  aaf-  und  rückwärts  gehoben, 
dann  nach  abwärts  in  die  Ffihrungslinie  des  Beckens  gedrOckt, 
kurz  die  Reposition  gemacht  werden. 

Verfasser  legt  einen  grossen  Werth  auf  die  Cred^ -  Spiegel- 
berg'*Bche  Methode,  und  nennt  ihren  Vorzug  vor  der  bisherigen 
Methode,  die  Plaeenta  zu  entfernen,  bedeutend,  glaubt  aber, 
dass  sie  niemals  im  Stande  sein  werde,  das  Einführen  der  Hand 
zur  Lösung  der  Plaeenta  gänzlich  entbehrlich  zu  machen. 
(Allgem.  Wiener  med.  Zeitung,  1868,  No.  37.) 


314  XXI.    Kotisen  ans  der  .Toamal-LiterAttir. 

Blot:  Die  Verlangsamung  des  Pulses  im  Wochenbette. 

In  seioer  der  Akademie  der  Medicin  in  Paris  eiag'ereicbten 
^ehrift  kommt  Verfasser  za  folgenden  tichlüseen: 

1.  Qesande   Wöchnerinnen    aeigen    im   AlIgemeineD    einen 
mehr  weniger  rerlangsamten  Pols. 

2.  Drei  in  der  Klinik  und  dem  Hotel  Dien  gemachte 
Beobachtnngsreihen  beweisen,  dass  die  Häufigkeit  dieser  Er« 
scheinnng  nothwendig  mit  dem  Gesandheitssastande  wechselt. 
im  physiologischen  Zustande  scheint  die  Verlangsamung  des 
Pulses  eine  allgemeine  Thatsache  su  sein ,  die  mit  der  Entleerung 
des  Uteras  in  Beziehung  steht.  Nur  der  Grad  ist  verschieden. 
Sie  hängt  nicht  mit  einer  manchen  Frauen  eigenthnmlichen 
Disposition  zusammen,  immer  einen  langsamen  Puls  zu  haben. 
Diejenigen  Frauen,  welche  zu  den  Beobachtungen  benntat  wurden, 
hatten  vielmehr  die  gewöhnliche  physiologische  Frequenz  ausser^ 
halb  der  Zeit  ihres  Wochenbettes. 

3.  Der  Grad  der  Verlangsamung  ist  sehr  verschieden;  in 
drei  Fallen  fiel  er  auf  .^5  Schläge  in  der  Minute,  am  häufigsten 
schwankt  er  zwischen  44  und  60.  Die  Kost  übt  keinen  Einfluss 
aus,  wie  die  21  Beobachtungen  aus  dem  Hdtel  Dieu  beweisen. 

4.  Mau  findet  die  Verlangsamung  häufiger  bei  Mehr- 
entbundenen als  bei  Erstentbundenen,  was  sich  aus  der  grösseren 
Häufigkeit  puerperaler  Zufälle  bei  Letzteren  erklären  läset. 

5.  Die  Dauer  der  Verlangsamung  wechselt  zwischen  einigen 
Stunden  und  10  oder  14  Tagen,  gewöhnlich  um  so  länger,  je 
stärker  sie  ist,  vorausgesetzt,  dass  keine  Krankheit  die  Frauen 
plötzlich  befällt. 

6.  Der  Gang  der  Verlangsamung  des  Pulses  ist  fast  immer 
derselbe.  Sie  beginnt  gewöhnlich  in  den  ersten  24  Stunden  nach 
der  Geburt,  wird  dann  immer  bedeutender,  bleibt  eine  Zeit  lang 
gleichmässig  und  verliert  sich  allmälig  wieder.  Sie  besteht  oft 
selbst  sehr  deutlich  ausgeprägt  zur  Zeit,  in  welche  mau  ge- 
wöhnlich das  fälschlich  sogenannte  Milchfieber  verlegt. 

7.  Die  Daaer  der  Geburt  scheint  keinen  Einfluss  auf  die 
Bntwickelung  und  den  Grad  der  Verlangsamung  zu  haben,  im 
Gegentheil,  der  geringste  pathologische  Zustand  verhindert  ihr 
i&ustandekomroen  und  beseitigt  sie.  Man  beobachtet  sie  nach 
Fehlgeburt,  Frühgeburt  und  rechtzeitiger  Geburt,  nach  natür- 
licher und  künstlich  beendeter.  Selbst  heftige  Nach  wehen  be- 
seitigen sie  nicht,  dasselbe  gilt  nicht  von  Blutungen,  obwohl 
nach  geringfügigen  Blutungen  die  Verlangsamung  auch  zuweilen 
zu  beobachten  ist. 

8.  Es  tritt  ein  sehr  deutlicher  Wechsel  ein,  je  nach  der 
Stellimg  der  Entbundenen,  ob  sie  liegt,  sitzt  oder  aufgestanden  ist. 

9.  Die  Verlangsamung  giebt  eine  sehr  günstige  Prognose. 
Man    findet    sie    nur    bei   Frauen,    die   sich   ganz   wohl   befinden. 


XXI.    NoUsan  «tis  dar  Journal -Literatm'.  315 

In  eSnem  Hospitale  zaig^t  «las  hHufige  VorkotnineD  derflelben  einen 
aua^eeei ebneten  Gesundbeitsstand  an,  das  seltene  Vorkommen, 
IKast  den  Eintritt  von  Krankheiten  and  ßpidemien  befHrcbten. 

10.  Die  Ursache  der  Verlang'samnn^  Hegt  nicht  in  einer 
nervösen  Krschöpfung,  wie  Verf.  anf&nglich  glaubte,  die  sphygnio* 
graphischen  Untersnehangen,  die  Verf.  gemeinsam  mit  Mwrey 
anstellte,  weisen  yielmehr  deutlich  nach,  dass  sie  in  Verbindung 
steht  mit  einer  Vermehrung  der  arteriellen  Spannnng  nncb  der  Gebart. 

(Bulletin  de  Tacad^mie  de  m^deo.,  T.  XXVIII.,  No.  21, 1863, 

p.  926.)  

C  Braun:    lieber   acute  Schmelzung   der  Leber   bei 
Schwangeren. 

In  der  Gesell  Schaft  für  Geburtsbülfe  in  Berlin  (s.  d.  Monatsscbr., 
Bd.  XXI.,  H.  2,  ä.  90)  erklärte  Virekow,  noch  nie  einen  Fall 
von  acuter  Leberatrophie  mit  tödtUchem  Verlaufe  bei  Schwangeren 
beobachtet  au  haben,  dass  aber  Lebererkranknngen,  besonders 
acute  parenchymatöse  Hepatitis,  bei  Wöchnerinnen  ohne  Gelb- 
sucht  nicht  selten  seien,  wobei  man  die  Leber  geschwollen  und 
brüchig,  die  Zellen  Tergröasert  und  getrübt,  ähnlich  wie  in  den 
Kieren  findet 

Braun  hat  andere  Erfahrnngen  gemacht  und  seine  Ansichten, 
denen  er  jetst  noch  anhängt,  früher  schon  in  seinem  Lehrbuche 
der  Gebnrtshälfe,  8.  492  und  626,  ausgesprochen.  Nach  ihm  ist 
der  Icterus  bei  Schwangeren  ziemlich  selten  und  tritt  in  awei- 
facher  Form  auf,  entweder  mit  einer  intensiren  goldgelben 
Färbung  der  Albuginea  ocuii  und  Haut  ohne  Fieber  und  ohne 
cephalische  Erscheinungen,  oder  mit  schwefelgelber  Färbung  der 
Haut,  mit  Fieber  und  mit  Hirnsymptomen. 

a)  Der  fieberlose  Icterus  führt  gewöbnlich  zum  Abortus  oder 
snr  Frühgeburt,  bei  längerer  Dauer  des  Icterus  theilt  er  sieh 
dem  Fötus  mit,  dessen  Eingeweide  eine  grüngelbe  Färbung 
zeigen.  Die  Ursache  dieses  icteius  hängt  nicht  von  der  Schwanger- 
schaft, sondern  von  allgemeinen  Momenten  ab,  Prognose  und 
Behandlung  sind  wie  beim  gewöhnlichen  Icterus.  Die  künstliche 
Frühgeburt  lässt  sich  wegen  der  Schwangeren  nicht,  aber  wohl 
wegen  des  Kindes  rechtfertigen,  falls  dessen  yorzeitiges  Absterben 
■n  besorgen  wäre. 

b)  Der  Icterus  mit  fieberhaften  und  encephali sehen  Er- 
scheinungen wird  gewöhnlich  durch  die  acute  gelbe  Leberatrophie 
bedingt.  Die  Hirnsymptome  treten  ali  sogenannte  cholämische 
Eclampsia  und  Coma  auf  und  rühren  von  Ueberladtnig  des  Blutes 
mit  Zersetsungsprodncten  der  Galle  und  wahrscheinlich  auch  von 
Urämie  her.  Die  Schmelzung  der  Leber  geschieht  gewöhnlich 
plötzlich,  die  Vorerscheinungen  werden  öfter  übersehen,  die 
Symptome  sind  heftig,  der  Tod  erfolgt  schnell.    Die  Leber  wird 


316  XXI.    Notiaea  «as  der  Jonmal  Literatur. 

plfitter  ond  dünner,  ein  Miletamor  tritt  meint  im  spute ren  Verlaafe 
anf;  dae  Mikroskop  sei^  in  der  Leber  statt  der  normalen  Leber- 
sellen, Fetttröpfchen  nnd  moleonlttre  Masse.  Meist  gleichseitig 
fand  B.  Morbus  Brightii,  sowie  im  Bindegewebe  und  in  den 
.Sebnenseheidcn  der  Schenkelranskeln,  besonders  aber  anter  der 
Hrnst  anf  den  grossen  Brnstmnskeln  fanstgrosse  Bintergaese. 

Bei  Wöchnerinnen  ist  Icterns  in  Folge  von  Paerpernl- 
Processen  nicht  selten,  wobei  Fettleber,  meist  aber  keine  acute 
Leberatrophie  sa  finden  ist. 

Bei  28,000  Schwangeren  kamen  in  der  Wiener  Klinik  nur 
19  Fälle  von  Icterus  vor,  also  1  :  147S,  und  unter  diesen  fand 
sich  nur  ein  febriler  Icterus,  bedingt  durch  acute  Leb eratrophie 
und  ohne  Vorhandensein  eines  Pnerperalprocesses.  Bei  den 
18  Fällen  von  fieberlosem  Icterus  war  der  Verlauf  des  Wochen- 
bettes 16  Mal  normal  nnd  der  Icterus  heilte.  Die  Fälle  tob 
Icterus,  die  sich  au  Puerperalfiebern  gesellten,  sind  in  obigen 
Angaben  nicht  mitbe'griffen« 

Verfasser  berichtet  ausfährlich  eine  Beobachtung  von  mcaier 
Lebererweichung  bei  einer  Schwangerschaft  Ton  sechs  Monaten. 
Die  Erscheinungen  waren  Fieber,  Icterus,  Tyrosin  and  Leaein 
im  Harne,  Obstipation,  blutiges  Erbrechen;  spontaner  Abortns, 
Tod  am  nennten  Tage  der  Krankheit  und  wenige  Standen  nach 
erfolgtem  Abortns. 

Die  Obduction  ergab :  auffallender  Seh  wund  der  Leber, 
Milatumor,  Bright^sche  Nieren,  Cirrhonosis  des  Fötus.  Die  Be- 
funde der  Section  bestätigten  Rokitansky^ n  Lehren  über  die  acute 
Bchmelsung  der  Leber  und  den  Verlauf  der  Krankheit  mit  den- 
wenigen  genau  verseichneten  Fällen  der  Literatur,  welche  in 
dem  Werke  Frerieh*8  kritisch  beleuchtet  sind«  Es  sind  überhaupt 
bis  zum  Jahre  1861  nur  eilf  Fälle  von  acuter  Leberatrophie  bei 
Schwangeren  beobachtet  worden,  welchen  Hecker-Buhl  eine 
Bwölfte  nnd  Verfasser  hier  die  dreitehnte  Beobachtang  anreihten. 

Ueber  das  Wesen  der  acuten  Leberatrophie  machten  sieh 
in  neuerer  Zeit  drei  Ansichten  geltend:  1)  erklärt  man  die  acute 
Leberschmelsnng  durch  einen  Zerfall  der  secre torischen  Elemente 
in  ihrem  Secrete,  d.  i.  durch  Erweichung  (Bokitafuiky) ;  2)  nimmt 
man  eine  diffuse  Leberentaündung  an,  wobei  man  die  Zer- 
störung der  Leberaellen  entweder  als  Fettmetamorphose  anffaast 
{Brightf  Engel,  Wedlf  Bamberger),  oder  auch  damit  nicht  identi- 
ficirt  (jFrertd^) ;  3)  glaubt  man  eine  acute  Fettdegeneration 
des  Hersens,  der  Nieren  und  Leber  nachweisen  su  können  (JSicU). 

Nach  Braun'*B  Meinung  ist  die  beschriebene  Erkrankung  in 
einer  acuten  Schmelsung,  Erweichung  der  Leber  begründet  nnd 
die  vorhandenen  Hirnerscheinungen  dürften  durch  Urämie  wahr- 
soheinlioh  au  erklären  sein. 

Arsneimittel  können  bei  der  vollständig  aufgehobenen  Thätig^ 
keit  der  Leber  schwerlich   einwirken,   der  J^naga.ng  war   biaher 


XXh    NotisoB  ans  der  Journal 'Literatur.  317 

auch  immer  tödtlieh.  Künstlicher  Abortus  oder  künstlii^he  Frtih* 
fi^ebart  können  die  Schwangere  nicht  retten,  letstere  vielleicht 
aber  das  Kind,  wenn  sie  imAnfange  der  Krankheit  bei  lebender, 
lebensfUhiger  Frucht  rorgenommen  wird. 

(Allgem.  Wiener  medio.  Zeitung,  1863,  No.  35 — 37. 


Ulrich:  Ueber  die  Operation  der  Blasenscheidenfistel. 

Auf  der  gynäkologischen  Abtbeilung  des  Wiener  allgemeinen 
Krankenhauses  kamen  seit  der  Zeit  der  Direction  des  Verfassers 
sehn  Frauen* mit  Blasensoheidenfisteln  cur  Behandlung,  an  denen 
zwölf  Operationen  gemacht  wurden.  Neun  Fisteln  (an  acht  Frauen) 
wurden  Yollkommen  geheilt,  die  sehnte  Fistel  (an  einer  der  acht 
Frauen)  hat  sich  zwar  nur  unvollkommen  geschlossen,  ist  aber 
noch  yollkommen  verschliessbar  und  nur  bei  swei  Frauen  war 
die  Operation  gans  erfolglos.  —  Verfasser  wahrt  sich  in  Beaug 
auf  seine  Operationsmethode  seinen  eigenen  Ideengang,  auf  den 
aber  natärlieh  die  Verfahrungsweisen  anderer  Operateure,  wie 
Jobertf  «Stm«,  >tmon,  Boaer  u.  Jt,  nicht  ohne  Einfluss  waren.  Er 
ist  überzeugt,  dass  für  jede  überhaupt  noch  operirbare  Fistel 
der  endliche  Erfolg  der  Operation  als  gesichert  angenommen 
werden  kann,  wenn  es  gelingt,  die  Fistel  zur  Operation  gut 
einzustellen,  d.  h.  für  das  Auge  und  für  eine  sichere  Führung 
der  Instrumente  sugängig  zu  machen. 

Verfasser  hat  demgemäss  auch  einen  Einstellnngs- Apparat 
empfohlen  (Wochenblatt  d.  Zeitschr.  d.  Gesellsch.  d.  Aerste  in 
Wien,  No.  29,  1863),  der  einerseits  mit  dem  Becken  der  Kranken 
unbeweglich  verbunden,  andererseits  an  dem  freien  Rande  des 
Operationstisches  befestigt  wird  (s.  a.  a.  O.  die  Beschreibung  und 
Abbildung).  Der  Apparat  hat  in  den  fünf  Fällen ,  in  denen  er 
bisher  angewendet  wurde,  vollkommen  genügt,  lasst  sich  aber 
leicht  dem  gegebenen  Falle  anpassend  ändern.  Die  beigefügten 
Krankengeschichten  ergeben  sehr  verschiedenartige  Fistelformen, 
von  der  leicht  zngängigen  und  kleinen  Fistel  bis  zu  einer  Form 
und  Grösse,  bei  welcher  Verf.  sich  zur  operativen  Obliteration 
der  Scheide  entscbliessen  musste. 

Ehe  man  znr  Operation  schreitet,  muss  das  Allgemein- 
befinden der  Kranken  geregelt  nnd  gestärkt,  etwaige Complicatiouen 
heMeitigt,  der  Vernarbiingsprocess  abgelaufen  sein.  Entzündliche 
Infiltration  in  der  Umgebung  der  Fistel  darf  nicht  bestehen,  was 
bei  Wiederholungen  der  Operation  wohl  zu  beachten  ist.  Das 
Lager  der  Kranken  für  die  Operation  muss  so  hoch  sein,  dass 
der  Operateur  bequem  ankommen  kann.  Für  den  ersten  Act  der 
Operation,  die  Einstellung  der  Fistel,  welche  mit  grosser 
Umsicht  und  Ueberlegnng  je  nach  der  Eigenthümlichkeit  des 
Falles  geschehen  muss,  empfiehlt  Verf.  die  Zurückschiebung  der 
hinteren  Wand  der  Jöcheide  nnd  des  Dammes  durch  eine  rinnen- 


318  XXI.    STotiien  aoa  der  Jonnal- Literatur. 

förmige )  der  LKnge  nach   im  Segment   eines  Kreises  gekrümmte 
Spatel  von  entsprechender  Breite.    Ein  Blatt  des  Nßugebauer^Behen 
Scheidenspiegels   und   noch  besser  der  Hcheidenspiegel  toh  Siima 
stellt   eine   solche  Spatel  vor.     Verf.   nennt  sie   die   Hauptapatel, 
weil    oft    ausser   Ihr    keine    weitere   Spatel   nötfaig  ist.     Je   nach 
dem  Falle  sind  drei  verschiedene  Grössen  der  Spa^tel  erforderlich. 
Die  Gebärmutter   wird   am   besten   durch    einfache   oder   Doppel- 
haken,  welche  vom  Muttermunde   aus   in   die  Muttermnndslippen 
eingesetzt  werden,   so  weit  wie   möglich   herabgesogen,   so   daas 
in    geeigneten    Fällen    die    Fistel    bis    in    den    Scheideneingang 
herabkommt,     ist    aber    die  Fistel  unbeweglich   und   folgt   nicht 
nach   unten,    so    müssen    ausser    der  Hauptspatel   noch    seitliche 

m 

Spatel  eingebracht  werden,  dieselben  müssen  sanft  S förmig  ge> 
krümmt,  flach  löffeiförmig  und  schmal  (fingerbreit)  und  sn  ihrem 
Stiele  rechtwinklich  oder  stumpfwinklieh  gestellt  sein.  Diese 
seitlichen  Spatel  werden  je  nach  dem  Bedürfnisse  verschieden 
angesetzt,  selten  längs  der  Urethra  und  an  der  vorderen  Wand 
der  Scheide;  ein  in  die  Blase  eingeschobener  Katheter  bringt 
die  Fistel  weniger  gut  zu  Gesicht,  als  ein  in  der  Scheiden- 
schleimhaut eingesetztes  Häkchen.  Die  Spatel  dürfen  niemals 
nach  aufwärts  drücken,  weil  sonst  die  nachher  einzusetzenden 
Häkchen  die  Fistel  nicht  herabbringen  können,  der  Druck, 
welchen  die  Spatel  zur  Erweiterung  der  Vagina  auszuführen  haben, 
muss  mit  einem  gewissen  Zuge  in  der  Richtung  gegen  den 
Scheideneingang  verbunden  werden,  um  die  Scheide  zu  verkürzen 
und  die  Fistel  zu  nähern.  Um  nicht  beim  Halten  der  Spatel 
und  Haken  den  öfter  unzuverlässigen  Händen  der  Gehnlfen 
sich  überlassen  zu  müssen,  hat  der  Verf.  den  oben  erwähnten 
sinnreichen  Einstellungsapparat  erfunden.  Derselbe  stellt  einen 
eisernen  Ring  dar,  welcher  um  die  Schamspalte  herumgelegt  und 
durch  vier  Bänder  am  Becken  befestigt  wird,  durch  verschiedene 
Schrauben  können  sowohl  die  eigens  geformten  Griffe  der  Spatel, 
als  auch  die  Fäden,  welche  an  die  kurzen,  besonders  constrairten 
Doppelhäkchen  angebunden  sind  und  dieselben  anziehen,  befestigt 
werden.  Oder  Verf.  bindet  diese  Häkchen  auch  nur  an  die  Spatel 
an.  Bei  dem  zweiten  Acte  der  Operation,  der  Anfrischung 
der  Fistelränder  schneidet  Verf.  womöglich  in  einem  Stücke  alles 
Narbige  heraus  und  glaubt,  dass  in  der  constanten  Bemühung 
nach  einer  idealen  gleichmässigen  trichterförmigen  Ausechneldnng 
des  Narbencanales  die  sicherste  Bürgschaft  für  das  Zustandebringen 
eines  tanglichen  Wnndrandes  liege.  Zur  Erreichung  dieses 
Zweckes  giebt  Verf.  ausführliche  Rathschlägo.  Für  den  dritten 
Act,  die  Einziehung  der  Fäden,  bediente  sich  Verf.  bislier 
der  Linnen-,  Zwirn-  und  Seiden  faden  und  führte  die  Nadeln 
meist  von  innen  nach  aussen,  es  ist  ein  grosser  Nadelhalter  (Roux) 
nöthig,  ebenso  ein  gutes  Instrument  zum  Fassen  der  Nadelspitaeii. 
Die  Richtung  der  Wunde  ist  am  besten   die  quere,    weil  Scheide 


XXI.    NotiseD  ftU8  der  Joarnal* Literatur.  319 

und  HIase  in  ihrer  LHogeDachse  dio  Verkürzung  nro  leichtesten 
vertragen.  Die  Stichcanäle  wurden  nicht  bis  durch  die  Blasen- 
Rchleimhaut  geführt,  sogenannte  Entspannungsnähte  {^Simon)  oder 
KntspannungsBchnitte  zeigten  sich  in  keinem  Falle  nöthig.  £8 
wurden  immer  nur  einfache  Fäden  eingelegt.  Der  vierte  Act, 
Vereinigung  der  Wunde,  geschehe  erst  nach  gehöriger 
Reinigung  und  genauer  Revision ,  dass  Alles  in  gewünschter 
Ordnung  ist.  Die  Fäden  dürfen  weder  zu  fest,  noch  sn  locker 
zugezogen  werden,  sie  werden  mit  den  Fingern  oder  Pincetten 
sorgfältig  geknotet,  2 — 3"  von  dem  Knoten  abgeschnitten  und 
die  Enden  in  die  gereinigte  Scheide  gelegt.  —  Zur  Abnahme  des 
Harnes  zieht  Verf.  das  je  nach  Bedürfniss  jeweilige,  vorsichtige 
Einführen  des  Katheters,  dein  in  einzelnen  Fällen  bei  starkem 
Harndrange  nöthigen  Liegenlassen  desselben  vor.  Manche  Kranke 
können  gleich  von  Anfang  an  gut  den  Harn  allein  entleeren,  und 
es  möchte  sehr  zweckmässig  sein,  das  spontane  Entleeren  als 
Princip  festzuhalten  und  nur  im  Nothfalle  davon  abzuweichen. 
Die  Stnhlentleernng  erfolge  nicht  zu  früh  und  rauss  dann  ohne 
Anstrengung  vor  sich  gehen.  £\je  Entfernung  der  Hefte  begann 
meist  am  fünften  oder  sechsten  und  endete  stets  mit  dem  achten 
Tage.  Es  muss  dabei  die  Hauptspatel  wieder  eingeführt  werden, 
wobei  eine  Zerrung  der  Fäden  streng  zu  vermeiden  ist,  dann 
wird  die  Scheide  mit  lauem  Wasser  ausgespritzt,  ein  Doppelhaken 
hinter  der  Fistel  sicher  in  die  Scheide  eingesetzt  und  nun  die 
Fistel  herangezogen.  Man  beschränke  sich  auf  das  blosse  Ent 
fernen  der  Fäden,  unterlasse  jede  weitere  Prüfung  der  Wunde, 
um  nicht  durch  unnützes  Drucken  und  Zerren  zu  schaden. 

Zum  Schlüsse  giebt  Verf.  nähere  Anweisung  über  die  Operation 
der  Verschliessung  tier  Scheide  durch  die  Naht. 

(Medic.  Jahrb.,  Zeitschr.  d.GesoIlnch.  d.Aerzte  in  Wien,  1863| 

Heft  2,  8,  4.)  

Saucerotte:    Die   Ovariotomie   in   Sirassburg. 

Nach  den  ungünstigen  Urtheilen,  welche  in  Frankreich 
bisher  über  die  Ovariotomie  gefjillt  wurden  und  welche  noch  in 
den  Verhandlungen  der  Akademie  von  1866—  1867  bei  Malgaigne^ 
MoreaUj  Velpeau  u.  A.  hervortreten,  während  Cazeaux  allein  ihr 
die  gebührende  Stelle  anzuweisen  trachtet,  gebührt  Koeherle  in 
Strassburg  das  Verdienst,  durch  eine  Reihe  von  fünf  kurz  hinter- 
einander ausgeführten  Operationen  mit  vier  günstigen  Erfolge« 
(Juni  bis  December  1862),  derselben  eine  gesicherte  Stellung 
auch  in  Frankreich  errungen  zu  haben.  Die  vo'n  K.  zum  möglichst 
sicheren  Erfolge  angewendeten  Vorsichtsmaassrcgeln  vor  und 
während  der  Ausführung  der  Operation  sind  so  durchdacht  und 
umfassend,  dass  sie  fast  zu  peinlich  erscheinen  könnten. 
(Gnz.  m^dic.  de  Paris,  1863,  No.  5.) 


320  ^^1*    Noticen  ans  der  JonraftN  Literatur. 

Spiegelberg:  Bericht  über  die  Ereignisse  in  der 
Grossberzogl.  Enlbindungs-Anstait  an  der  üai- 
versität  Freiburg  in  den  Jahren  1861  und   1862. 

Verfasser  übernahm  am  5.  April  1861  die  Direction  der  Anatali 
Von  da  bis  Ende  1862  worden  288  Schwangere  anfgenomroeB, 
8  waren  Bestand.  Es  kamen  281  Geburten  vor.  Von  diesen  sind 
261  gesund  entlassen,  10  in  die  anderen  Kliniken  Terlegt  (meiit 
wegen  nicht  mit  dem  Puerperium  snsammenhftngendeii  Kranfcheitea, 
einige  als  Reconvalescenten),  10  sind  in  der  Anetalt  gestorbea 
Es  kamen  5  Zwillingsgebarten  vor,  160  Knaben  nnd  136  Mädchen 
wurden  geboren.  10  Kinder  (5  Knaben  und  5  Mädchen)  kiunea 
todt  Bur  Welt,  meist  in  Folge  von  Druck  auf  die  Kabelsehnnr 
während  der  Geburt.  29  Kinder  starben  in  der  Anstalt,  die 
grösste  Anzahl  unter  ihnen  in  Folge  puerperaler  Infection.  Sieben 
Frühgeburten  kamen  zur  Beobachtung. 

Knnsthülfe  wurde  21  Mal  für  nöthig  erachtet,  Zange  8  Mal. 
Extraction  am  Beckenende  3  Mal,  äussere  Wendung  auf  den  Kopf 
2  Mal,  Wendung  auf  den  Fuss  6  Mal,  künstliche  Frühgeburt  1  Mal, 
Kaiserschnitt  an  der  Lebenden  1  Mal,  Nachgeburteoperjitionea 
fanden  nicht  statt.  —  Kindeslagen  waren:  268  Schädellagen, 
4  Gesichtslagen,  8  Beckenlagen,  6  iSchieflagen.  In  S  Fällen 
konnte  die  vorgefallene  Nabelschnur  mit  glücklichem  £rfolge 
mittels  der  Hand  reponirt  worden. 

Die  künstliche  Frühgeburt  ward  wegen  Lenkaemie  in  der 
32.  Schwangerschaftswoche  durch  Katheterisation  des  Uterua  be- 
wirkt  Die  Mutter  starb  nach  acht  Tagen  an  ihrem  Leiden,  das 
Kind  gedieh.  Der  Kaiserschnitt  war  durch  Beckenenge  angeseigt. 
Die  Operirte  starb  nach  24  Stunden  an  GoUapsus;  das  Kind  blieb 
am  Leben. 

Der  Gesundheitszustand  der  Mütter  und  Kinder  war  bis 
zum  Spätsommer  1862  sehr  gut,  im  September  begann  aber  eine 
heftige  Puerperalfieberepidemle.  Sämmtlicbe  Todesfälle  kommen 
in  diesen  Zeitraum.  Sieben  Wöchnerinnen  starben  an  Puerperal- 
processen,  eine  an  einem  alten  Herzleiden,  eine  an  Lenkaeraie, 
eine  an  CoUapsus  nach  dem  Kaiserschnitte«  Siebensehn  Kinder 
starben  an  den  verschiedenen  Formen  puerperaler  Infection,  wie 
Thrombose  der  Nabel-  und  anderer  Gefasse,  Peritonitis,  Pleuritis, 
Pyaemie,  Sepsis.  Eine  kleine  Zahl  gynäkologischer  Kranken 
%nd  Aufnahme,  nämlich  sechs  verschiedene  Blasenfistel -Kranke. 
Vier  davon  wurden  geheilt,  zwei  blieben  in  Behandlung. 

(Berichte  der  naturforsch.  Gesellschaft  in  Freiburg,  1863.) 


XXII. 

Beiträge  zur  Physiologie  und  Pathologie 

des  Wochenbettes. 

Von 

Dr.  F.  WInckel, 

Second&rarzt  der  geburtshülflicben  UnlTersitfttaklliiik  in  Berlin. 

Das  Temperaturverlialten  des  normalen  Wochenbettes  ist 
nach  Hecker  spater  nur  von  Wenigen  untersucht  worden. 
Man  beschränkte  sich  meist  darauf,  die  Temperaturcurven 
bestimmter  Puerperaierkrankupgen  festzustellen.  Und  hier  war 
es  namentlich  die  höchst  sorgfaltige  Arbeit  von  Leyden  (Bericht 
über  die  vom  1.  November  1861  bis  15.  April  1862  auf  der 
inneren  Abtheilung  des  Herrn  Prof.  Traube  in  der  Charite  vor- 
gekommenen Puerperalerkrankungen :  Charit  e-Annalen,  Bd.  X., 
Heft  2,  1862),  welche  bewies,  dass  das  Thermometer  als 
werthvoUes  diagnostisches  Hfüfsmittel  auch  bei  den  septischen 
Wochenbeltsaffectionen  benutzt  werden  könne.  Erst  in  der 
allernenesten  Zeit  ist  ein  Aufsatz  von  0.  v.  Qruenewaldt 
erschienen  (Petersburger  medicinische  Zeitschrift,  1863,  Heft  7, 
S.  1  —  34:  über  die  Eigenwärme  gesunder  und  kranker 
Wöchnerinnen),  in  welchem  auch  die  Temperatur  des  normalen 
Wochenbettes  besprochen  wird.  Der  Verfasser  erwähnt  in 
dieser  Arbeit  meine  in  der  Monatsschrift  für  Geburtskunde, 
December-Heft  1862  veröffentlichten  „Temperaturstudien'*  und 
nöthigt  mich  hierdurch  zu  nachfolgender  Entgegnung: 

Ich  beginne  zunächst  mit  seinem  Schlusssatze:  „Die 
von  W,  angefühlten  Untersuchungen  über  die  Eigenwärme 
der  Wöchnerinnen  von  Gfierse,  v.  Baerensprung ,  Traube 
und  Hecker  haben  wir  nirgends  beschrieben  gefanden 
und  auch  keine  Angaben,  wo  sie  veröffentlicht  sind.**  Die 
angeführten  Autoren    sind    aber    leicht    zu  finden,    da  der 

MoB«UMhr.f.Gebartak.  1868.  Bd.ZXn.,  Hft.6.  21 


322  XXIL    Winckel,  BeitrSge  sor  Physiologie 

Aufsatz  von  Hecker  (Cbarite-Annalen,  fünfter  Jahrgang,  2, 
S.  333)  nicht  bloss  in  allen  neueren  Lehrbfichern  der 
Geburtshülfe,  die  überhaupt  eine  Literatur  besilzeu,  an- 
gegeben (C.  Braun,  Hohly  S.  913;  Naegele-  Grenser,  S.  260), 
sondern  auch  in  Journalen,  z.  B.  in  der  Monatsschrift  für 
Geburtskunde,  Band  IV.,  Heft  6,  1854,  S.  464  ausführUch 
referirt  worden  ist.  Die  so  allgemein  bekannte  Arbeit  von 
Baerensprung ,  die  ebenfalls  an  vielen  Orten  erwähnt  wird, 
beOndet  sich  in  MneUer's  Archiv,  Jnhrgang  1851,  und  gehört 
in  specie  der  §  3  derselben  S.  135  und  136  —  mit  einer 
Tabelle,  welche  die  Temperalur  der  Mutter  vor  und  nach  der 
Entbindung  in  der  Scheide  geniessen,^)  mit  der  des  Kindes 
vergleicht  —  hierher.  Traube  und  Gierse  werden  terner 
nicht  bloss  von  Hecher  (1.  c),  Virchow  (Specielle  Patliologie, 
Band  I.,  S.  27)  u.  A.  genannt,  sondern  in  dem  erwähnten 
Aufsalze  von  Baerensprung  S.  148,  §  6,  speciell  von  Gterie, 
dessen  Arbeit  mir  im  Original  nicht  zur  Disposition  stand, 
gesagt,  dass  er  die  Scheidenteraperatur  bei  Frauen  =  30,3^Ä 
gefunden  habe.  Auch  wird  von  Baerensprung  der  Titel 
der  Gierse'schen  Arbeit  genannt:  Quaenam  sit  ratio  caloris 
organici  etc.,  Halae  1842.  Hiernach  kann  (x.'s  Suchen  nach 
obigen  Forschern  nicht  besonders  sorgfaltig  gewesen  sein. 

Es  wird  ferner  von  Ö.  eine  Differenz  in  den  Temperatur- 
höhen gleich  nach  der  Geburt  zwischen  seinen  und  meinen 
Beobachtungen  erwähnt,  welche  er  den  von  mir  gebrauchten 
Instrumenten  zuschreibt.  Ich  muss  ihm  in  dieser  Beziehung 
vollkommen  Recht  geben.  Schon  durch  die  Angaben  der 
Tempera lurcurven  kranker  Wöchnerinnen  von  Breslau  (Archiv 
der  Heilkunde,  IV.,  97—  134)  war  ich  auf  diese  Höhen- 
differenz aufmerksam  geworden  und  eine  Reihe  von  Vergleichen 
der  genannten  Gretner*schau  Thermometer  mit  sehr  vielen 
anderen  Thermometern  hiesiger  Instrumentenmacher,  zeigte 
mir  Anfangs  März  d.  J.,  dass  die  erstgenannten  immer  OJö^C» 
höher   wie   die   letzteren   stiegen  —   im  Uebrigen  aber  diese* 


1)  Da  ich  früher  die  Unterflachnngen  von  Baerensprung 
nicht  AUS  dem  Originale  selbst,  sondern  nar  durch  Keferate 
kannte,  so  entstand  die  iiirrige**  Angabe  meinerseits,  dass 
Beobachtungen  über  die  bei  der  Geburt  vorhandene  Temperator 
ganz  und  gar  fehlten,  welche  ich  hierdurch  berichtige. 


nnd  Pathologie  des  Woclienbettes.  323 

Differenz  bei  allen  Graden  von  36 — 42^  (7.  gleichmässig 
zeigten.  Dass  die  beiden  von  mir  benutzten  aufs  Genaueste 
untereinander  übereinstimmten,  sprach  ausserdem  für  ihre 
Güte  und  die  angesteUten  Messungen  verlieren  also  um  so 
weniger  an  Werth,  als  sie  nach  Reduction  um  0,75^  C.  mit 
den  Zahlen  von  (?. ,   WimderlicK  u.  A.  ganz  harmoniren. ') 

Auch  ich  lege  auf  eine  den  Zehntel- Graden  noch  an- 
gehängte 5  keinen  besonderen  Werth,  habe  sie  aber  gewöhnlich 
mit  niedergeschrieben ,  weil  ich  sie  bei  der  Beobachtung  selbst 
immer  so  genau  notirt  hatte.  Jedenfalls  konnte  ich  sie  an 
den  14y4  Zoll  langen  Thermometern  so  sicher  ablesen 
wie  G.  bei  den  Oeissler^schen  Thermometern  mit  Eintheilung 
nach  Funftelgraden  die  Zehntelgrade  noch  erkannte.  —  Da- 
gegen war  ich  bei  Untersuchung  der  Temperatursteigerung 
während  der  Wehe  selbst  gezwungen,  auch  diese  kleinen 
Veränderungen  zu  notiren  und  habe  dort  auch  erwähnt,  dass 
ich  dieselben  wiederholt  von  anwesenden  Praktikanten  hätte 
abschätzen  lassen.  Inzwischen  hat  mir  Prof.  Breslau  mündlich 
versichert,  dass  er  ebenfalls  an  kleineren  Thermometern  mit 
einer  Loupe  eine  Teraperatursteigerung  während  der  Wehe 
und  ein  Zurücksinken  nach  derselben  beobachtet  habe.  — 

Wenn  O.  ferner  sagt:  „die  Messungen  haben  wir  nicht 
jede  einzelne  selbst  gemacht,  sondern  ein  grosser  Theil  der- 
selben wurde  von  einer  intelligenten  und  gewissenhaften 
Hebamme  angestellt,  die  darin  sehr  geschickt  war  und  ein 
grosses  Interesse  für  die  Sache  hatte;  häufig  vorgenommene 
Controlirung  ihrer  Messungen  bestätigte  ausnahmlos  die 
Richtigkeit  derselben;  ausserdem  bewies  der  Gang  der  Wärme- 


1)  Hiernach  sind  also  auch  die  in  meinen  Temperaturstudien 
erhaltenen  Durchschnittszahlen  zu  reduciren  und  als  mittlere 
Temperatur  der  Scheide  in  den  letzten  zwei  Monaten  der 
Schwangerschaft  würde  Morgens  =  37,^,  Abends  37,475^  C;  als 
mittlere  Temperatur  bei  der  Geburt 

Morgens  7—9:  37,583,   Nachmittags  2—4:  87,399®  C, 
„         9  —  11:  37,482,  ,  4—6:  37,819 

»       11—2:  87,295,  „  6—8:  37,7 

Abends    8  —  10:37,518,         Nachts     10—12:37,444 
und    endlich    als    Durchschnitt    der    Temperatur    in    der 
ersten    Geburtsperiode:    87,531,    der   zweiten   Periode: 
37,592®  zu  lesen  sein. 

21* 


324  ^XII*    Wintkel,  Beiirfige  cur  PhyBiologie 

Verhältnisse  in  jedem  einzelnen  Falle  (?!),  ob  eine  Uiigenauig. 
keil  stattgehabt  haben  konnte/*  —  so  sehe  ich  mich  trotzdem 
zu  der  Bemerkung  veranlasst,  dass  selbst,  wenn  eine  Hebamme 
noch  so  sorgfältig  diese  Untersuchungen  anstellt  und  wirklich 
alle  die  Cautelen  anwendet,  welche  nach  Traube's  Vorschrifi 
dabei  erforderlich  sind,  dennoch  das  Resultat  der  Beobaclitungeo, 
namentlich  aber  die  richtige  Erklärung  der  Befunde,  entschieden 
dabei  leiden  muss.  Jeder,  der  eine  grössere  Reihe  von  Messungen 
selbst   angestellt  hat,    wird   wissen,    dass   man  nicht    selten 
durch    das   Auffinden    unerwarteter  Temperaturveränderungen 
zu    einer   nochmaligen    genauen    Untersuchung    der    Kranken 
aufgefordert  wird ,  welch«;  dann  oft  noch  positive  Anhaltspunkte 
für   die   genannte  Veränderung  an  die  Hand  geben,   während 
sich    dieselbe    am    grünen    Tische    bisweilen    unnachsichtlich 
theoretischen    Erklärungen    fügen    muss.     Kann    man    aber 
die   Messungen   nicht   selbst  anstellen,    so   sollte   mindestens 
ein  Student  oder  ein  promovirter  Arzt  die  Vertretung  über- 
nehmen. 

Endlich  bedauere  ich  aufrichtig,  dass  6r.  bei  dem  schönen 
Material  von  432  Personen,  welche  er  vom  7.  Januar  1863  an 
zu  diesen  Untersuchungen  benutzen  liess,  es  nicht  für  nöthig 
befunden,  bei  der  Geburt  selbst  noch  zahlreiche  Messungen 
auszuführen.  Die  Entschuldigung,  dass  wichtige  Befunde  in 
dieser  Beziehung  kaum  zu  erstreben  gewesen  wären,  da  der 
Gegenstand  von  mir  ja  genau  und  erschöpfend  behandelt 
sei,  ist  keineswegs  stichhaltig,  da  ich  selbst  in  der  genannten 
Arbeit  wiederholt  darauf  hingewiesen  habe,  dass  noch  ein 
grosses  Feld  zur  Untersuchung  hierbej  sich  fände  und  dass 
die  geringe  Zahl  der  von  mir  mitgetheilten  Fälle  allein  zu  > 
weiteren  Nachforschungen  auffordern  müsste. 

Soviel  zuerst  über  die  mir  gemachten  Einwendungen ;  auf 
die  Resultate  der  gepannten  Arbeit  selbst  komme  ich  in 
den  folgenden  Blättern  wiederholt  zurück. 

Die  vorliegenden  Wochenbettsbeobachtungen  bilden  eine 
Fortsetzung  meiner  früheren  Teniperaturstudien  und  würden, 
da  sie  in  dem  Zeiträume  vom  5.  Juni  1862  bis  31.  März  1863 
angestellt  sind,  schon  eher  publicirt  worden  sein,  wenn  mich 
nicht  die  wiederholte  sorgfältige  Prüfung  über  die  Güte  der 
gebrauchten  Thermometer  längere  Zeit  daran  verhindert  hätte. 


und  Patholog^ie  des  Wochenbettes.  325 

In  den  einzelnen  Krankengeschichlen  sind  nun  die  Zahlen 
uberal]  reducirt  und  stimmen  so  mit  denen  anderer  Beobachter 
ziemlich  genau  öberein.  Wie  die  früheren,  so  wurden  auch 
diese  Untersuchungen  in  der  stationären  gehurt shülflichen 
Klinik  des  Herrn  Geh.  Med.-Raths  Prof.  Dr.  Martin  von  mir 
yorgenommen  und  werden  mit  dessen  Genehmigung  dem 
Urtheile  unserer  Fachgenossen  unterbreitet. 

Ungefähr  200  Wöchnerinnen  wurden  in  df^m  genannten 
Zeiträume  eine  jede  zwei  Mal  täglich  nacheinander  mit  dem 
Thermometer  untersuchL  Morgens  fand  die  Messung  zwischen 
7  und  9  Uhr,  Abends  zwischen  5  und  7  Uhr  statt  und  wurde 
bei  derselben  Puerpera,  soweit  dies  möglich  war,  immer  zu 
derselben  Zeil  das  Thermometer  Morgens  und  Ahends  ein- 
gelegt. Ein  Theil  der  Messungen  fiel  freilich  in  die  Zeit 
nach  dem  Kaffee  und  nach  dem  Abendbrode:  doch  Hess  sich 
annehmen,  dass  der  Einfluss  der  Verdauung .  bei  dieser 
geringen  Nahrungszufuhr  nicht  erheblich  sei,  zumal  wie 
schon  Hecker  hervorhebt,  kleine  Temperaturdiflerenzen  nicht 
von  Bedeutung  sind. 

I.    Die  Temperatnrcnrve  des  normalen  Wochenbettes 

beginnt  nothwendig  mit  der 

a)   Temperatur   gleich   nach  der   Geburt. 

In  100  Fällen,  bei  denen  ich  Gelegenheit  fand,  die 
Scheidentemperatur  direct  nach  Entfernung  der  Nachgeburt 
zu  messen,  waren  70  Mal  mehr  oder  minder  gesundheits- 
gemässe  Gebui*ten  vorhergegangen.  Beim  ersten  Vergleiche 
der  erhaltenen  Zahlen  musste  das  Verhalten  der  Temperatur 
gleich  nach  der  Geburt  höchst  schwankend  und  wandelbar 
erscheinen.  Berücksichtigt  man  aber  alle  Momente,  welche 
von  EinHuss  auf  dieselbe  sind,  so  lässt  sich  auch  hier  ein 
bestimmtes  Gesetz  erkennen.  Schon  in  der  Einleitung  zu 
dem  ersten  Theile  hob  ich  liervor,  dass  offenbar  die  Temperatur 
inier  partum  die  post  partum  mit  bedinge ;  dieselbe  ist  ausser- 
dem abhängig  von  der  Dauer  der  Geburt,  der  dabei  statt- 
gefundenen Entblössung,  dem  Blutverluste  bei  derselben 
und  von  der  Zeit,  in  welche  die  Geburt  selbst  fallL  Man, 
kann  also  nicht,  wie  dies  Hecker  in  seiner  Tabelle  I.  gelban 


326  XXII.    Winehel,  Beiträge  zur  Physiologie 

aus  dem  Vergleiche  der  erhaltenen  Zahlen  mit  der  Weben- 
beschaffenheit  und  der  Dauer  der  Geburt  allein  irgend  welche 
positive  Schlüsse  ziehen,  sondern  muss  auch  die  anderen 
Verhältnisse  mit  berücksichtigen. 

Sehen  wir  zuerst,  wie  sie  sich  in  Betrelf  ihrer  Höhe 
und  nach  der  Tageszeit  zur  Höhe  der  Temperatur  vor 
und  bei  der  Geburt  verhält,  so  fand  ich,  dass  sie 

Morgens  von  2  — 11  Uhr  in  25  Fällen   durchschnittlich: 
37,60  C; 

Mittags    von    11— -2   Uhr    in    10   Fällen    durchschnitt- 
lich: 37,54; 

Nachmittags  von   2 — 8  Uhr  in  13  Fällen   durchschnitt- 
lich: 37,65 

und  Abends  von  8  bis  Nachts  2  Uhr  in  22  Fällen  durch- 
schnittlich: 37,425 
betrug;  daraus  folgt,  dass  sie  0,2^(7.  höher  als  die  während 
der  Schwangerschall  und  mehr  oder  weniger  gleich  der 
Temperatur  inter  partum  (cf.  die  reducirte  Tabelle  L  und  IV. 
aus  dem  ersten  Theil).  Zugleich  erhellt  hieraus,  dass  sie 
am  Abend  im  Allgemeinen  etwas  höher  als  am 
Morgen  ist  und  übrigens  den  Tagesschwankungen 
ebenfalls   unterworfen  ist. 

Mit  der  wälirend  der  Geburt  gefundenen  Temperatur 
verglichen  zeigte  in  45  Fällen  die  Temperatur  gleich  nach 
der  Geburt  folgendes  Verhalten:  Sie  war  höher  als  jene, 
wenn  die  Geburt  in  die  Zeit  der  Temperaturzunahme  fiel, 
niedriger  oder  gleich,  falls  jene  in  der  Remissionszeit  endigte. 
Die  Differenz  zwischen  der  letzten  Messung  bei  der  Geburt 
und  der  Temperatur  gleich  nach  der  Geburt  betrug  in  den 
45  Fällen  durchschnittlich  nur  0,26  ^  C. ;  schwankte  übrigens 
zwischen  0,025  und  0,75 ^  (7.  bei  gesundheitsgemässen  Geburten. 
Aus  dem  Vorigen  erhellt  nun,  dass  der  Einfluss  der 
Dauer  der  zweiten  Geburtsperiode  und  namentlich  der 
Wehen  beschaffenheit  auf  die  Temperatur  gleich  nach 
der  Geburt  nur  dann  richtig  beurtheilt  werden  kann,  wenn 
man  Geburten  vergleicht,  die  in  dieselbe  Zeit  fallen.  Dies 
ist  in  40  Fällen  geschehen,  von  denen  20  normale,  kräftige, 
20  aber  sehr  kräftige  Wehen  zeigten  und  während  bei  den 
ersteren    in    der    Zeit    der    Temperaturzunahme    ein    Mittel 


^       nnd  Patholojrte  des  Wochenbettes.  327 

von  57,6,  in  der  Remissionszeit  aber  nur  37,3  gefunden 
wurde,  zeigte  sich  hei  sehr  kräfligen  Wehen  in  dieselben 
Zeit  37,7  und  37^^(7.,  so  dass  hei  letzteren  also  nach- 
weislich die  Temperatur  auch  im  Durchschnitte  etwas 
hob  er  war. 

Erwähnt  sei  schliesslich  noch,  dass  in  jenen  70  Fällen 
nach  gesundheitsgemässen  Geburten  die  Temperatur  zwischen 
36,95  und  38,05<>  C.  schwankte. 

Kurz  zusammengefasst  ist  also  die  Temperatur  gleich 
nach  der  Geburt  immer  etwas  höher  als  die  ante  partum 
(bis  zu  0,5^  C);  ferner  je  nach  der  Tageszeit  niedriger, 
gleich  oder  hoher  als  die  Temperatur  inter  partum,  sodann 
hoher  nach  sehr  kräftigen  und  sluniiischen  Wehen,  als  nach 
normalen  Wehen  und  endlich  ist  die  Differenz  zwischen  der 
Temperatur  ante,  inter  et  post  partum  selten  höher  als  die 
normale  Beweglichkeit  der.  Eigenwärme  i.  e.  =  0,5^  C. 

So  mannichfallig  also  auch  die  Verhältnisse  sind,  welche 
die  Temperatur  gleich  nach  der  Geburt  beeinflussen,  so  ist 
dieselbe  trotzdem  auch  an  und  für  sich  in  vieler  Beziehung 
werthvoll.  Sie  erlaubt  uns,  auch  wenn  die  Temperatur  inter 
partum  nicht  gemessen  wurde,  bestimmte  Schlösse  auf  diese 
und  sind  Abweichungen  von  dem  oben  angegebenen  Hohen* 
Stande  von  prophylaclischer  und  therapeutischer  Bedeutung. 

W^as  den  Einfluss  der  Dauer  der  zweiten  Geburts- 
periode auf  die  Temperaturhöhe  gleich  nach  der  Geburt 
betrifll,  so  besitze  ich  noch  nicht  genug  extreme  Beispiele 
dieser  Art  von  sonst  normalen  Geburten,  um  denselben  an 
Zahlen  deutlich  nachzuweisen.  Doch  lässt  sich  erwarten,  dass 
wenn  die  längere  Dauer  von  dem  stärkeren  Widerstände  der 
Weichtheile  herrührt  und  nicht  etwa  von  Wehenschwäche,  die 
Temperatur  die  Durchschnittshöhe  etwas  übersteigt,  weil  eine 
grössere  Anzahl  von  Muskeln  länger  und  nach  und  nach  stärker 
angestrengt  weTden.  —  Bei  sehr  kräftigen,  namentlich  auch 
stürmischen  Wehen  ist  aber  die  nachweisbare  Temperatur- 
erhöhung nicht  allein  auf  die  grosse  Muskelanstrengung  zu 
schieben ,  sondern  zum  Theil  wohl  auch  eine  Folge  der  abnorm 
verminderten  Lungenverdunstung.  Solche  Kreissende  nehmen 
sich  kaum  Zeit  tief  Athem  zu  holen  oder  zu  schreien;  sie 
pressen  aufs  heftigste  mit  und  verarbeiten  die  Weben  mit 


328  XXII.    Win€kel,  BeitrSge  sur  Pbjslologief 

einer  Kraft,  die  ihre  Gesichtszüge  oft  sehr  entstellt  In 
einem  Falle  der  Art,  wo  bei  dem  helligsten  Pressen  einer 
Zweitgehärenden  starke  Cyanose  des  Gesichts  und  Halses 
auftrat,  war  Nachmittags  IV4  ^^hr  bei  sehr  kräftigen  Wehen 
die  Temperatur  der  Scheide  38,25  <^  C  IV2  Stunden  später 
direct  nach  der  Geburt,  deren  zweite  Periode  mit  Ausstossung 
eines  8Vs  Pfund  schweren  Kindes  endigte,  aber  nur  eine 
halbe  Stunde  dauerte,  betrug  die  Temperatur  der  Scheide 
39,4^  C;  wieder  2  Stunden  später:  38;9  und  12  Stunden 
daraut  37,35  0  0.!  — 

b)  Das  Verhalten  der  Temperatur  in  den  ersten 
vierundzwanzig   Stunden   des  Wochenbettes. 

Gleich  nach  der  Beendigung  der  Geburt  wird  die  verlier 
beschleunigte  Respiration  langsamer  und  tiefer,  der  vorher 
raschere  Puls  zeigt  sich  ebenfalls  langsamer,  das  Bediirfniss 
nach  Nahrung  macht  sich  sehr  selten  geltend,  dagegen  ver- 
langt die  Puerpera  oft  nach  einem  Trünke  frischen  Wassei^ 
Da  die  vorangegangenen  Muskelanstrengungen  jetzt  aufhören, 
meist  absolute  Ruhe  folgt,  da  ein  nicht  unerheblicher  Blut- 
verlust eingetreten  ist  und  die  Wöchnerin  anfangs  sehr  wenig 
Nahrung  zu  sich  nimmt,  so  könnte  man  glauben,  dass  nun 
zunächst  eine  Temperaturabnahme  im  Wochenbette  eintreten 
müsste.  So  deducirt  denn  auch  Hecker  1.  c,  indem  er 
sagt:  „Es  ist  a  priori  wahrscheinlich,  dass  in  der  ersten  Zeit 
des  Wochenbettes,  sobald  der  Uterus  in  Ruhe  gekommen 
und  in  das  Stadium  der  Ruckbildung  eingetreten  ist,  ein 
Absinken  der  Temperatur  erfolgt."  —  Trotzdem  ist  dies 
jetzt  noch  nicht  der  Fall.  Alle  Beobachter  stimmen  darin 
uberein,  dass  bald  nach  der  Geburt  vor  oder  in  einem 
wohlthätigen  Schlafe  eine  gleichmässig  höhere  Wärme  der 
ganzen  Haut  sich  zeigt,  welche  allmälig  in  einen  allgemeinen 
Schweiss  übergeht.  In  der  Regel  kann  man  schon  Y4 —  V2  Stunde 
nach  der  Geburt  diese  Turgescenz  und  Wärme  der  Haut 
durch  das  Gefühl  wahrnehmen.  Dabei  ist  der  Puls  langsamer 
aber  voller,  das  Lumen  der  Arterie  ist  scheinbar  weiter  ge- 
worden. Gleich  mit  der  Verkleinerung  des  Uterus  wird  ja 
ein  Theil  des  Blutes,  welches  bisher  in  diesem  circulirte,  in 
die   grossen    Gelasse    zurückgedrängt    und   naturgemäss    den 


und  Pathologie  des  Woehenbettes.  329 

Organen  am  meisten  zugeführt,  die  sich  nach  Entleerung  der 
Bauchhöhle  wieder  mehr  ausdehnen  können ,  wie  den  Lungen ; 
oder  in  ihre  frähere  Lage  zuröckkehren ,  wie  Leber,  Milz 
und  Darm;  zum  grossen  Theile  aber  auch  dem  Gefassgebiete 
zugewiesen,  welches  durch  seine  Entwickelung  in  der  Schwanger- 
schaft seinen  engen  Connex  mit  den  Genitalien  bekundet, 
nämhch  dem  der  Brüste  und  mit  diesen  auch  der  ganzen 
Hautoherfläche.  In  diesen  Organen  steigen  entsprechend  der 
Blutzufuhr  auch  die  Se-  und  Excretionen.  Dass  mit  diesem 
vermehrten  Stoifumsalze  auch  eine  vermehrte  Wärmebildung 
stattfindet,  kann  man  mit  dem  Thermometer  beweisen.  —  Durch 
den  Ausbruch  eines  reichlichen  allgemeinen  Schweisses  und 
die  mit  demselben  vermehrte  Hautverdunstung  wird  ein  Theil 
der  gebildeten  Wärme  allmälig  wieder  abgegeben;  die  Temperatur- 
zunahme beschränkt  sich  daher  nur  auf  eine  gewisse  Zeit, 
auf  die  ersten  zwölf  Stunden  post  partum.  Erst  in  den 
zweiten  zwölf  Stunden  machen  sich  dann  die  oben  genannten 
Momente  geltend,  welche  die  Körpertemperatur  herabsetzen. 
Wenn  man  also,  wie  Hecker,  erst  gegen  Ende  der  ersten 
24  Stunden  nach  der  Geburt  die  Temperatur  wieder  unter- 
sucht, so  muss  man  allerdings  in  normalen  Fällen  einen  im 
Vergleich  zu  dem  direct  nach  der  Geburt  gefundenen  niedrigeren 
oder  gleich  hohen  Stand  finden;  man  übersieht  dabei  aber 
die  vorangegangene  Steigerung,  welche  bestimmten  Gesetzen 
folgt,  deren  Abweichungen  stels  von  Bedeutung  sind. 

In  der  Tabelle  I.  habe  ich  die  Temperatur  gleich  nach 
der  Geburt  mit  den  beiden  folgenden  innerhalb  der  ersten 
24  Stunden  gefundenen  Werthe  zusammengestellt  Da  die 
nächstfolgende  Messung  immer  Morgens  von  7  —  9  oder 
Abends  von  5 — 7  Uhr  stattfand,  so  sind  die  Fälle  in  zwei 
Colonnen  geordnet,  je  nachdem  dieselbe  Morgens  (I.)  oder 
Abends  (II.)  vorgenommen  wurde.  A  priori  könnte  nun  der 
so  gefundenen  Temperatursteigerung  entgegengehalten  werden, 
dass  auf  diese  Weise  immer  zur  Zeit  der  Temperaturzunahme 
überhaupt  zum  ersten  Male  gemessen  worden  sei,  während 
die  Geburt  selbst  in  die  Remissionszett  oder  in  den  Anfang 
der  gewöhnlichen  Zunahmezeit  gefallen  sei.  Allein  erstlich 
habe  ich  in  einer  Reihe  von  Fällen  Unlersucliungen  angestellt, 
in  denen  die  Beendigung  der  Geburt  gerade  mit  der  Höhe  der 


330  XXI Y*    Wijukel,  BeierÄge  snr  Physiologie 

TemiMH'alurzunaliine  zusaniineiiüel  und  wenige  Slnnden  nachher 
trotz  der  Remissionszeit  eine  nicbl  unerlieliliciie  Slei'gerung 
gefunden,  z.  ß.  von  37,6  auf  38 <^  C,  von  37,7  auf  30,025, 
von  37.725  auf  38,075  etc.;  sodann  doc4in[)eulirt  sich  dit 
Steigerung  als  solche  durch  die  Hohe  der  Temperatur  selbst 
und  ferner  beweist  auch  das  nachfolgende  Sinken,  welciies 
auch  in  der  Zeit  der  eigentlichen  Exacerbation  stattfiodet, 
dass  \%'ir  es  hier  mit  einem  wirklich  activen  Voi^ange  zu 
thun  haben. 

In  Betreff  der  Höhe  dieser  Zunahme  und  der  Momente, 
von  denen  dieselbe  abhängig  ist,  ergicbt  sicli  aus  der  an- 
gehängten Tabelle,  dass  die  mittlere  Zimabme  am  Morgea 
=  0,311,  am  Abend  dagegen  =  0,52  ist.  Während  näudich 
die  Temperatur  gleich  nach  der  Geburt  in  der  ersten  Colonoe 
ein  Mittel  von  37,521^  C.  zeigte,  ergab  sich  als  Mittel  der 
ersten  Messung:  37,832,  eine  Teuiperatur,  die  nicht  nur  im 
Vergleiche  zur  Schwangerschaft,  sondern  auch  zu  der  zu 
derselben  Zeit  während  der  Geburt  gefundenen  sich  erhöbt 
zeigt.  In  der  zweiten  Colonne  ist  diese  Erhöhung  sogar 
noch  bedeutender;  hier  beträgt  das  Mittel  sogar  38,06.  — 
Jeder  Steigerung  folgt  dann  das  Absinken  und  dieses  ist, 
wie  aus  der  Tabelle  erhellt,  grösser  vom  Abend  bis  zum 
Morgen  als  umgekehrt.  In  Uebereinstimmung  mit  Hecker 
fand  ich  also  eine  Verstärkung  der  Abnahme  durch 
die  Coincidenz  mit  der  allgemeinen  Remission, 
daneben  den  Grad  der  Zunahme  am  Abend  höher 
als  am   Morgen. 

Ebenso  ist  aus  der  Tabelle  ersichtlich,  dass  der  Grad 
der  Temperaturzunahme  in  normalen  Fällen  dem  der  Temperatur- 
abnahme im  Wesentlichen  gleich  ist,  so  dass  im  Allgemeinen 
der  Stand  des  Thennometers  am  Ende  der  ersten  24  Stunden 
dem  gleich  nach  der  Geburt  beobachteten  ziemUch  genau 
gleichkommt.  Und  wir  können  auch  hier  wieder  das  echt 
physiologische  Verhalten  an  der  enge  innegehaltenen  Grenze 
der  normalen  Wärmebeweglichkeit  erkennen  (0,186 — 0,6  ^C). 

Es  giebt  auch  Fälle,  in  denen  die  der  Geburt  folgende 
Temperatursteigerung  sich  über  die  nächsten  zwölf  Stimden 
hinaus  erstreckt   iind   die   folgende  Temperaturabnahme  erst 


und  Pathologie  des  Wocbenbetted.  331 

am  zweiten  Tage  des  Wochenbettes  sich  zeigt  Diese  sind 
jedoch  sehen.  Weiterhin  habe  ich  eine  Anzalil  von  Beispielen 
noiirt,  in  denen  allerdings  zunächst  eine  Temperaturabnahme 
eintrat,  allein  der  weitere  Wochenbettsverlauf  bewies  bald, 
dass  dieses  Sinken  durch  irgend  einen  schädlichen  Einfluss 
bedingt  sein  miisste.  Ueberhaupt  lässt  sich  aus  dem  eben 
geschilderten  Verhalten  der  Temperatur  in  den  ersten  24  Stunden 
nach  der  Geburt  in  der  Bogel  ein  guter  Verlauf  des  Wochen- 
bettes prognosticiren,  während  jede  Abweichung  von  demselben, 
namentlich  in  Bezug  auf  Höhe  der  Steigerung  und  des  Falles 
fast  mit  Sicherheit  schliessen  lässt,  dass  Compensations- 
störungen  eingetreten  sind,  die  nun  den  weiteren 
Verlauf  des  Wochenbettes  stören  werden. 

Schon  in  den  „Temperaturstudien  bei  der  Geburt '*  hatte 
ich  sub  No.  VI.  das  Verhalten  der  Temperatur  gleich  nach 
der  Geburt  und  in  den  ersten  24  Stunden  nach  derselben 
kurz  erörtert  und  auf  diese  späteren  ausfuhrlicheren  Er- 
örterungen hingewiesen.  Inzwischen  ist  dasselbe  auch  in  der 
genannten  Arbeit  von  0,  v,  Gruenewaldt  einer  Besprechung 
unterworfen  worden.  &.  hat  meine  Beobachtungen  an  einer 
grossen  Reihe  von  Fällen  vollkommen  bestätigt;  er  sagt  S.  11: 
„Für  die  ersten  24  Stunden  post  partum  stimmt  das  Gesammt- 
ergebniss  unserer  und  der  genannten  in  Berlin  gemachten 
Untersuchungen  überein,  indem  hier  wie  dort  für  die  ersten 
zwölf  Stunden  ein  allmäliges  Ansteigen,  für  die  letzten  ein 
allmäliges  Abfallen  der  Körperwärme  resullirte."  —  Ebenso 
erwähnt  er  ferner  S.  10,  „dass  überwiegend  häuGg  am  'zweiten 
Tage  Morgens  die  Temperatur  eine  niedrige  ist  und  dass  er 
sehr  bald  auf  den  Umstand  aufmerksam  geworden,  dass  wenn 
auch  nur  bei  einer  der  in  den  ersten  24  Stunden  gemachten 
Messungen  die  Temperatur  bis  zu  dem  Maximum  des  für 
diesen  Zeitraum  Normalen  (37,8  in  der  Achselhöhe  oder 
38,1 — 2  in  der  Vagina)  oder  darüber  stieg,  in  den  nächsten 
Tagen  eine  Erkrankung  folgte."  —  Die  hohe  prognostische 
Bedeutung  der  erwähnten  Temperaturveränderungen  ist  dadurch 
also  auch  constatirt 


h.  J 


332 


XXII.    Wtnckel,  Beiträge  tor  Physiologrie 


Tabelle  I. 


Das  Verhalten   der  Temperatur  in   den    ersten 


I. 


Temperatur  gleich  nach  der  Gebort. 


Folgende  MessQDgen. 


1. 
Morgens. 


2. 
Abends. 


Nachts       2Va  Uhr 37,76 

Morgens   6  „  37,86 

Abends      6'4  ^  37,86 

Morgens   2%  „  37,776 

—  37,16 

Abends      8'/^  »  37,46 

Nachts       3  „  37,95 

Abends    lOV^  »  37,2 

Morgens    6  „  37,476 

Abends    IOV4  »  37,46 

IIV4  »  86,9 

»  7V4  „  37,.S6 

8Vs  »  37,3 

Nachts       1  „  37,76 

Abends    lOV,  „  37,3 

Morgens   5%  „  37,8 

^'U  n  37,45 

Abends      67,  „  37,7 

Morgens   6V4  „  37,4 

Nachts     llV,  „  37,26 

Morgens   4  „  37,66 

Abends      l\  „  37,4 

y,  lOV,  n  37,66 

IIV4  »  »7,46 

Morgans   4'/,  „  37,46 

Abends      5*  4  „  ........  37,6 

IOV4 37,76 

Morgens   27,  »  37,46 

3'/,  „  87,06 

Abends      97.  „  87,75 

Morgens   4  „  37,75 

Abends   llV,  „  38,0 

n         IOV4 37,06 

IOV4  „  37,4 

11  «  37,65 


Snmme  der  Fälle     36 


Dnrchschnitt  37,621 


37,93 

37,96 

87,75 

38,1 

37,5 

37,45 

38,0 

37,7 

37,75 

38,05 

37,3 

38,05 

37,6 

38,2 

37,7 

38,0 

37,96 

37,76 

37,65 

37,55 

37,86 

37,7 

37,7 

37,8 

38,05 

37,95 

37,9 

37,8 

37,75 

38,05 

38,0 

38,16 

37,6 

37,9 

37,4 


36 


87,832 


37,46 

37,7 

37,« 

37,95 

37,4 

37,8 

87,06 
37,65 
37.45 
38,4 

37,75 

37,5 

38,16 

37,65 

37,76 

37,4 

37,36 

37,65 

37,56 

37,55 

87,8 

37,7 

87,9 

38,1 

37,8 

37,46 

37,9 

37,3 

37,4 

38,1' 


30 


37,646 


0,311  0,186 

Steigerung.    Fall, 


und  Pathologe  des  Wochenbettes. 


333 


Tabelle  I. 
vierundzwanzig   Stunden   nach   der  Geburt. 

U. 


Temperatur  gleich  nach  der  Qebnrt. 


Folgende  Messungen. 


1. 
Abends. 


2. 
Morgens. 


Morgens        lO'/^  Uhr  . 


10%4 


n 

107« 

n 

11 

t» 

11 

n 

874 

12% 

Mittags 

n 

1'/. 

n 

1 

n 

12 

n 

12 

Nachmittags 

*v. 

Morgens 

8'/. 

Mittags 

»2% 

Morgens 

107« 

Nachmittags 

n 
Morgens 

loy. 

Nachmittags 

6% 

Morgens 

77. 

Mittags 

12 

Morgens 

10 

Nachmittags 

2 

Mittags 

12 

n 

12 

Morgens 

^'/* 

n 

11/« 

Nachmittags 

'/« 

n 

*/« 

» 

,   ^V. 

1 

''•', 

Morgend 

11/. 

Nachmittags 

47« 

n 

V/« 

Morgens 

8'/« 

Nachmittags 

3 

n 

3'/« 

I» 

n 
n 
I) 
n 
» 
n 
» 
n 

» 

n 

n 

n 

I» 

n 

n 

I» 

n 

I» 

I» 

n 

»» 

n 

I» 

» 

n 
p 

D 

n 

» 

m 
n 

9 


•     .     *    • 


37,55 

37,9 

37,35 

37,65 

37,3 

37,9 

37,0 

37,8 

37,65 

37,45 

37,85 

37,9 

37,65 

37,3 

37,8 

37,7 

37,8 

37,15 

37,66 

37,05 

36,76 

37,7 

37,75 

37,3 

37,75 

36,95 

38,05 

37,75 

87,95 

37,55 

37,45 

37,6 

37,55 

37,65 

37,15 

37,65 

37,4 


Summe  der  Fälle    37 


38,0 

37,95 

37,85 

88,15 

88.0 

38,8 

38,1 

38,3 

38,15 

37,95 

38,0 

38,1 

88,05 

37,85 

38,4 

38,0 

88,05 

38,35 

38,1 

37,9 

87,7 

38,35 

88,15 

37,65 

38,2 

38,15 

88,15 

88,2 

38,05 

88,2 

38,05 

38,8 

87,95 

38,05 

37,4 

87,85 

38,05 


37 


37 
37 
37 
37 
37 
37 
87 
37 
37 
87 
37 
37 
87 

37 
38 
37 
37 
87 
37 
37 
37 
37 
37 
37 
37 
37 
37 
87 
37 
37 
37 
37 
37 
37 
37 

a7 


55 

4 

35 

55 

45 

35 

25 

65 

6 

55 

6 

6 

65 

35 

05 

95 

15 

35 

15 

45 

16 

4 

3 

7 

45 

4 

35 

4 

6 

o 

35 

55 

15 

•  * 

65 
55 


Durchschnitt  87,54 


38,06 


36 


37,458 


0,52  0,602 

fc^teigerung.     Fall 


334  XXII.    Windcel,  Beiträge  zur  PLjsiologie 

c)  Weiteres  Verhalten  der  Temperatur  vom  zweileo 
bis  zehnten  Tage   des  Wochenbettes. 

Wenn  man  bedenkt,  dass  bei  der  besonderen  Erregbarkeit 
der  Wöchnerin  für  alle  krankmachenden  Einllusse  schon  die 
geringfügigsten  Ursachen  bedeutende  Temperaturschwan  klingen 
hervorzurufen  im  Stande  sind,  so  wird  man  die  Angabe,  dass 
von  jenen  200  Wöchnerinnen  nur  15  ein  durchaus  normales 
Wochenbett    durchmachten,    obwohl    wir    keine    sogenannte 
Puerperalfieberepidemie    erlebten,    nicht   besonders    auffallend 
finden.    Doch  muss  ich  erwähnen,  dass  ich  den  BegrifT  eines 
normalen  Wochenbettes  noch  viel  enger  fasse,  als  z.  B.  Hecker, 
der  in  seiner  Tabelle  IV.  von  38  Fällen  15  als  in  den  Bereich 
der  physiologischen  Wärmezunahme  gehörend  verzeichnet  hat, 
deren  Temperaturmaximum  von  40,0 — 41,3  ^C  betrug.     Ich 
komme   hierauf  weiter  unten   ausführhcher   zurück    und  will 
zunächst  die  Definition   des   normalen  Wochenbettes   an    vier 
typischen  Fällen  eruiren. 

1.  Chr.  Br,,  30  Jahre  alt,  am  5.  Juni  1862  nach 
dreizehnstündiger  Geburtsdauer  zum  ersten  Male  von  einem 
lebenden  Mädchen  entbunden,  ist  gross,  kräftig  gebaut,  gut 
genährt,  ruhigen  Gemülhes  (Curve  No.  I.) 

Am  5.  Juni  Abends  6  Uhr,  16  Stunden  nach  der  Ent- 
bindung, betrug  die  Scheidentemperatur  37,7  ^C 

6.  Juni.     Morgens  9  Uhr  Puls  72,  Temperatur  37,6. 

Abends  53/4,,      ,.     64,  „  37,6. 

7.  Juni.    Morgens  9      „       „     74,  „  37,9. 

Abends  6      „      „    60,  „  38,0. 

Die  Brüste  sind  gefüllt,  die  Warzen  gesund,  reichliche 
Milch  vorhanden,  das  Kind  trinkt  gut.  Lochien,  Stuhl-  und 
Urinausleerung  ganz  normal. 

8.  Juni.     Morgens  9  Uhr  Puls  68,  Temperatur  37,75. 

Abends    572,,       „     64,  „  38,1. 

9.  Juni.     Morgens  9     „       „    64,  „  37,6. 

Abends    ö'/a  „       „     64,  „  37,75. 

10.  Juni.     Morgens  8V2,,       n    64,  „  37,9. 

Abends    5      „       »,62,  „  37,6. 

11.  Juni.     Morgens  9      „       „     68,  „  37,9. 

Abends    ö'A  „       „    68,  „  37,8. 


Tafel! 


zuSeite.m. 


/.Tag.     ^'T     J'r      .If'i'-    J'f      fih'-     ?<«•    S'v     !f*v-   ff^'r" 


Tafel  II. 


'^eSSi*^  \\/T€u/.  ^''r    Ö"T    4*T   S'f  6't    7't   (S^t   .P4y 


Tafel  in. 

'^'Ü.H.    /.Triff.    2'7     3'v     .'/'»•     .y'r      0''J-      7'V   S'T.9<T 


Tafel  IV; 

'ti^tZf  /.Tag.  :"'.'•    3*7     //^    5"r     6'v     7^    <S*T    .Q't 


ISeil 


\ 


<  ^ 


saa 


und  Pathologie  des  Woclienbettes.  335 

12.  Juni.    Morgens  9  Uhr  Puls  68,  Temperatur  37,9. 

Abends    6     „       »68,  „  38,0. 

13.  Juni.    Morgens  872  „       «68,  „  37,8. 

Abends    5V4»       »56,  „  37,7. 

14.  Juni.    Morgens  8V2,,       „68,  „  37,8. 
Abends   als  Amme   entlassen,   nachdem   sie   bereits  seil 

dem  13.  Juni  ausser  Bett  und  ganz  wohl  gewesen  war. 

Die  niedrigste  Temperatur  betrug  also  37,6,  die  höchste 
38,1;  die  Differenz  dieser  Extreme  ist  mithin  genau  gleich 
der  normalen  Beweglichkeit  der  Eigenwärme.  Die  Höhe  der 
Temperatur  öbertrifll  die  der  letzten  Schwangerschaflsmonate 
etwas,  die  bei  der  Geburt  beobachtete  ebenfalls.  Die  Excursionen 
an  den  einzelnen  Tagen  schwanken  zwischen  0,1  und  0,3"  C. 
Vom  zweiten  Tage  Morgens  bis  zum  vierten  Tage  Abends 
entsprechend  der  allmäligen  Entwickelung  der  Milchsecreüon 
ganz  allmälige  Steigerung  der  Temperatur.  Die  Abend- 
temperatur in  der  Begei  höher  als  die  Morgentemperatur. 
Bei  reichhcher  Milchabsonderung,  gesunden  Warzen,  einem 
krädig  saugenden  Kinde  blieb  Puerpera  frei  von  jedem  Un- 
wohlsein. 

Dieser  Curve  fugen  wir  die  einer  Wöchnerin  bei,  welche 
ihr  erstes  Kind  nicht  säugte  (Curve  No.  II.). 

2.  F.  H.,  28  Jahre  alt,  gross,  blond,  kräftig,  am 
10.  August  1862  Nachmittags  4  Uhr  von  einem  lebenden 
Mädchen  leicht  entbunden  (siehe  Tabelle  III.,  No.  10  in  den 
Temperaturstudien)  zeigte 

inter  partum 
Morgens  8%  Uhr  bei  76  Pulsen:  Temperatur  der  Scheide  37,8  ®  0. 
„     IOV4  „     „  76     „  „         ,        ,     37,6. 

«     1174  M     w  76      „  „         „        „     37,65. 

Nachm.   2V4  „     „  76      „  „         „        „      37,15. 

gleich  post  partum 
Nachm.  4  V2  Uhr  bei  68  Pulsen:  Temperatur  der  Scheide  37,4. 
Abends  6%   .    .  68      „  „  „        •      37,85. 

Die  weitere  Untersuchung  im  Wochenbette  zeigte  nun: 

11.  August.    Morgens  8  Uhr  Puls  64,  Temperatur  37,45. 

Abends  ....    „64,         „  37,95. 

12.  August    Morgens  8  Uhr    „    68,  „  37,6. 

Abends  .  .  .  .    „    64,         „  37,9. 


336  XXlh    Winckel,  BeitrSge  snr  Phjrsiologie 

13.  August   Morgens  8  Ubr  Puls  64,  Temperatur  37,75. 

Abends  ....     „    60,  „  38,125. 

Trotz  Ol.  Ric.  ist  noch  kein  Stuhl  eingetreten;  die  Brüste 
sind  beide  ziemlich  straff;  das  Befinden  gut 

14.  August    Morgens  Puls  60,  Temperatur  37,75. 

Abends      „60,  „         38,1. 

Stuhl  erfolgte,  die  Brüste  fangen  an  zu  laufen. 

15.  August    Morgens  Puls  60,  Temperatur  37,75. 

Abends       „56,  „  37,9. 

16.  August  Morgens  „60,     „    37,9. 

Abends   „  60,     „    37,65. 

17.  August  Morgens  „  60,     „    37,75. 

Abends   „60,     „    37,95. 

18.  August    Morgens     „     62,  „  37,75. 

Abends      „     60,  „  37,75. 

19.  August    Morgens     „     62,  „  37,7. 
Befinden  gut    Puerpera  ist  bereits  ausser  Bett 

Das    allmälige   Steigen    und    der  nachherige   Abfall    der 
Temperatur   und   dessen  Zusammenhang   mit  der  Ent:>teiiung 
und  dem  Versiegen  der  Milchsecrelion  kann  wohl  nicht  deutlicher 
dargestellt  werden.    Die  niedrigste  Temperatur  15  V2  Stunilen 
post  partum  unterschied   sich  von  dem  Temperaturmaximuro 
am  Abend   des  dritten,   am  Beginne   des   vierten  Tages   von 
38,125  um  0,675^0.    Die  täglichen  Excursionen  schwankten 
zwischen  0,15  und  0,5.   Der  Puls  liess  diese  kleinen  Temperatur* 
Schwankungen   nicht  genau   erkennen.   —    Die  Wocbeubetts- 
curven  dieser  beiden  zum  ersten  Male  Entbundenen,  von  denen 
erstere  ihr  Kind  säugte,  letztere  nicht,  stimmen  also  in  jeder 
Beziehung  überein. 

Daran    reihen   wir   die  Wochenbettscurve    einer  Persou, 
die   zum   zweiten  Male   entbunden  worden  war  (No.  III.). 

P..K.,  31  Jahre  alt,  mittelgross,  brünett,  kräftig  gebaut, 
phlegmatisch. 

Dauer  iev  ersten  Geburtsperiode  6y^  Stunden,  der  zweiten 
V4  Stunde,  der  dritten  5  Minuten. 

Temperatur   gleich  nach  der  Geburt  am  25.  Juni  1862 
Abends  6  Uhr  37,15«  C. 

26.  Juni.    Morgens  7%  Uhr  Puls  72,  Temperatur  37,5. 
Abends   5V4    „      „    64,  „  37,4. 


Abends    5V4 

»* 

W 

80, 

•» 

37,75. 

Morgens  7  V4 

»1 

»1 

68, 

»» 

37,75. 

Abends  .  5V4 

»> 

»» 

68, 

n 

38,05. 

Morgens  7V4 

»»  . 

» 

64, 

n 

37,7. 

Abends  5V4 

M 

»» 

68, 

u 

37,65. 

Morgens  7V4 

» 

1» 

56, 

>» 

37,35. 

Abends   5V4 

>» 

?1 

64, 

>i 

37,5. 

Morgens  77^ 

M 

n 

76, 

» 

37,65. 

Abends  6 

»> 

»» 

64, 

»> 

37,6. 

Morgens  8 

>7 

»» 

60, 

>» 

37,6. 

Abends  57« 

W 

»» 

60, 

>» 

37,45. 

und  Pathologie  des  Wochenbettes.  337 

27.  Jani.    Morgens  71/4  Uhr  Puls  64,  Temperatur  37,4. 

Abends   5V4    „      „72,  „  37,55. 

28.  Juni.    Morgens  7  Va    „      n    76,  „  37,55. 

Abends  „      „    64,  .,  37,55. 

Puerpera  säugt  ihr  Kind,  die  Brüste  sind  ziemlich  straff; 
die  Brustwarzen  gesund,  Stuhl  regelmässig. 

29.  Juni.    Morgens  7V4  Uhr  Puls  72,  Temperatur  37,675. 

30.  Juni. 

1.  Juli. 

2.  Juli. 

3.  Juli. 
4  Juli. 

Die  graphische  Darstellung  dieser  Curven  zeigt  uns  fast 
dasselbe  Bild,  wie  die  beiden  vorhergehenden,  nur  fällt  das 
Temperaturmaximum  auf  den  Abend  des  fünften  Tages.  Die 
Differenz  zwischen  höchstem  und  niedrigstem  Stand  in  diesen 
neun  Tagen  betrug  nur  0,65^  (7.  Die  Excursionen  an  den 
Tagen  schwankte  zwischen  0,05  und  0,3^  C,  Der  allmäligen 
Steigerung  und  dem  späteren  Sinken  am  Abend  entspricht 
genau  ein  gleiches  Verhalten  am  Morgen.  — 

Der  Vollständigkeit  halber  theilen  wir  denn  noch  die 
Wochenbettscurve  einer  zum  zweiten  Male  Entbundenen,  welche 
ihr  Kind  nicht  selbst  stillte,  mit.    (No.  IV.) 

M,  (?.,  23  Jahre  all,  mittelgross,  brünett,  bleich,  schwäch- 
lich, mager. 

Am  23.  Juni  1862  Morgens  1%  Uhr  57^  Stunden  post 
partum  betrug  die  Temperatur  der  Scheide  38,0^  C.  Abends 
6  Uhr  dagegen  37,45^  C. 

24.  Juni.    Morgens  77^  Uhr  Puls  68,  Temperatur  37,3. 

Abends  5%    „      „    72,  „  37,65. 

25.  Juni.    Morgens  774    w      «64»  „         37,45. 

Abends    574    „      „    68,  „         38,36. 

Brüste  straffer.  Befinden  sonst  gut. 

Ilonatssctar.  f.  Qebartak.  1888.  Bd.  XZIJ.,  Hft,  8,  2*4 


338  ^XII'    Winekel,  Beiträge  sar  Physiologie 

26.  Juni.    Morgans  7V2  l^l»r  Puls  63,  Temperatur  37,3. 


AbtMuls     6Va 

n 

1» 

64, 

M 

37,35. 

27.  Juni. 

Morgens  7% 

n 

M 

64. 

n 

37,35l 

Aliencis     6V4 

»» 

»» 

72, 

»» 

37,5. 

28.  Juni. 

Moi-gons  8V4 

« 

»» 

64, 

M 

37,4ä 

Ahoiuls     6V2 

»} 

f» 

80. 

rt 

37,65. 

29.  Juni. 

Morgens  8V2 

»1 

n 

64. 

n 

37.5. 

* 

Abends     6^4 

»» 

» 

60. 

79 

37.6. 

30.  Juni. 

Morgens  9 

»» 

w 

60, 

»1 

37.45. 

Abends    6 

w 

»1 

60. 

w 

37,55. 

1.  Juli. 

Morgens  974 

»j 

w 

64. 

n 

37,35. 

Abends    6 

n 

w 

60, 

»* 

37,3. 

Pnerpera,  ganz  wohl,  ist  bereits  ausser  Bett. 

2.  Juli.     Morgens  9Va  Uhr  Puls  68,  Temperatur  37,6. 
Abends  Puls  72,  Teinp.  37,55.  Gesund  enüasseo. 

flier  betrug  das  Temperaturmaximum  am  Abend  des 
dritten  Tages  38,35^0.  Die  ungewöhnliche  Steigerung  gegen 
den  Morgen  (um  0,9  ^  C.)  und  der  eben  so  ungewöhnliche 
Abfall  gegen  den  nächsten  Morgen  (um  1,05^  C)  bewies,  dass 
dasselbe  nicht  ganz  physiologisch  war.  Da  diese  Steigerung 
aber  sehr  vorübergehend,  ohne  jede  sonstige  Folgen  war, 
ist  sie  ganz  ausser  Acht  zu  lassen.  Im  Uebrigen  gleiciit 
auch  diese  Curve  den  drei  vorhergebenden  vollständig  und 
zeigt  alle  die  eben  erörterten  Charaktere  einer  noruialea 
Wochenbeltscurve.  ^) 

Bei  einer  zum  dritten  Male  Entbundenen,  welche  bis 
zum  dritten  Tage  Morgens  über  heftige  Nachwehen  klagte, 
betrug  die  Temperatur  gleich  nach  der  Geburt  Abends  IIV4  ^^^ 
36,95^  C,  am  ersten  Tage  Morgens  7%  Uhr  der  Puls  64, 
Temperalur  37.3;  Abends  6  Uhr  Puls  68,  Temperatur  37,5. 
Am  zweiten  Tage  Morgens  Puls  72,  Temperatur  37,35; 
Abends  6V4  Uhr  Puls  72,  Temperatur  37,35  und  am  dritten 
Tage  Morgens  Puls  72,  Temperatur  37,65;  seit  der  Nacht 
hatten  die  Nachwehen  ganz  aufgehört 


1)  Bei  allen  yier  Carven  seig^te  sich  eine  kleine  iweite 
Stetgerang  utn  den  siebenten  bis  nennten  Tag,  welche,  wie  aas 
No.  IV.  am  besten  erhellt,  gewöhnlich  mit  dem  ersten  Verlassen 
des  Bettes  susammenfUUt  and  eine  Folge  der  grösseren  Matkel- 
anstrengung  ist. 


n 


68, 

9» 

37,35. 

64, 

1» 

36,9. 

68, 

n 

37,65. 

72, 

f» 

37,15. 

72, 

»1 

37,35. 

und  Pathologie  des  Wochenbettes.  339 

EiDe  andere  zum  zweiten  Male  entbundene  Wiicbnerin 
mit  ebenfalls  sehr  ausgeprägten  Nachwelien  zeigte  in  den 
drei  ersten  Tagen  folgende  Temperatur: 

Erster  Tag:   Morgens  8  Ubr  Puls  64,   Temperatur  37,15. 

Abends    b%  „ 
Zweiter  Tag:  Morgens  7%„ 

Abends    5%  n 
Dritter  Tag:  Morgens  774«      ^ 

Abends    5%  „      „ 

Auch  das  weitere  Wochenbett  verlief  sehr  gut 

Bei  physiologischen  Nachwehen,  d.  h.  solchen, 
die  weder  durch  abnormen  Inhalt  des  Uterus,  noch  durch 
Entzündung  seiner  Wandungen  bedingt  sind,  ist  mithin  keine 
ungewöhnliche  Temperaturerhöhung  nachweisbar. 

Abstrahiren  wir  nun  von  diesen  Paradigmen  den  Typus 
der  normalen  Temperaturcurve  des  Wochenbettes,  so  würde 
dieselbe  folgenden  Regeln  entsprechen: 

Nach  dem  Eintritte  der  Temperaturerniedrigung  am  Ende 
der  ersten  24  Stunden  pflegt  die  Temperatur  wieder  allmälig 
zu  steigen. 

Die  Abendtemperatur  ist  dabei  gewöhnlich  höher  als  die 
am  Morgen,  die  täglichen  Excursionen  sind  aber  gering. 

Bei  genauer  Beobachtung  findet  man,  dass  diese  Steigerung 
in  der  Regel  gleichen  Schritt  hält  mit  der  Entwickelung  der 
Milchsecretion ,  sich  daher  meist  auf  drei  bis  fünf  Tage  erstreckt 

Ist  die  Milchsecretion  in  regelrechtem  Gange,  oder  bereits, 
bei  Nichtsäugenden,  wieder  am  Versiegen,  so  erfolgt  eine 
eben  so  allmälige  Abnahme  der  Temperatur. 

In  ganz  normalen  Fällen  beträgt  aber  die  Differenz  zwischen 
dem  beobachteten  Temperaturmaximum  und  Temperaturminimum 
kaum  mehr  als  die  gewöhnliche  Beweglichkeit  der  Eigenwärme. 

Säugende  und  Nichtsäugende,  Erst-  und  Mehrgebärende 
unterscheiden  sich  in  Betreff  des  erwähnten  Temperatur- 
verhaltens gar  nicht  von  einander. 

Normale  Nachwehen  sind  ohne  Eiufluss  auf  die  Tem- 
peraturböhe. 

Endlich  ist  die  mittlere  Temperatur  der  Wöchnerinnen 
immer  etwas  höher  als  die  durchschnittliche  Normaltemperatur 
Gesunder.  — 

22  ♦ 


540  X^^^*    Winckel,  Beitrage  sar  Physiologie 

Länger  als  bis  zum  elften  Tage  des  Wochenbettes  konnte 
ich  das  Teaiperaturverhailen  gesunder  Wöchnerinnen  nicht 
beobachten,  da  dieselben  meist  um  diese  Zeit  aus  der  Anstalt 
entlassen  werden.  Daher  Hess  sich  auch  die  Frage  nicht 
erniren,  wann  die  eben  erwähnte  erhöhte  Temperatur  wieder 
auf  die  mildere  Höhe  Gesunder  zurückkehrte.  Es  lässl  sich 
jedoch  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  voraussetzen,  dass  dies 
bei  Micl)tsäugenden  in  der  Regel  früher  der  FaiT  sein  wird, 
als  bei  Säugenden,  wo  die  fortgf'setzte  oft  sehr  entwickelte 
JMilchsecretion  einen  stärkeren  und  rascheren  Stoffumsatz  be- 
dingen muss. 

Was  nun   die  Grunde   der  höheren  bei  WöchoeriDneo 
beobachtrten  Temperatur  betriilt,  so  ist  Gruenetoaldt  in  der 
genannten  Arbeit  S. 6  —  8  geneigt,  nach  der  Zimmermann*scbeß 
Theorie   der  Entzündung,   „die   normal   höhere   Eigenwärme 
der  Wöchnerin,   auch  wenn    sie  kein  Fieber  habe,    aas  dem 
entzündlichen  Processe  hei'zuleiten,   der  unvermeidlich  in  ge- 
ringerem oder  höherem  Grade  in  den  Geburtstheilen  eintreten 
muss,  um  die  gesetzten  Verletzungen  zur  Heilung  zu  führen.*'    Die 
Untersuchungen  (r.'s  stimmen  in  Betreff  des  normalen  Wochen- 
bettes übrigens  mit  meinen  Resultaten  fast  ganz  genau  übereio, 
indem   er  z.  B.   sagt  S.  6:    Die  Temperatur  ist  unmittelbar 
nach  der  Geburl  am  niedrigsten  und  steigt  an,  bis  12  Stunden 
verflossen  sind,    um   dann   in  den   nächsten  12  Stunden  um 
fast  0,05  ^  abzufallen.     Er   zeigt  ferner  an  einer  sogenannten 
Durcbschnittscurve,  dass  die  mittleren  Zahlen  der  Eigenwärme, 
Puls-  und  Respirationsfrequenz  vom  ersten  bis  achten  Tage  des 
Wochenbettes  sich  vollkommen  innerhalb  der  Grenzen 
bewegen,    welche   der  Eigenwärme   unter  normalen 
Verhältnissen   gesteckt   sind;    dass   die   Schwankungen, 
wie   sie   sich   in  der  Durchschnittszahl    ergeben,    auch    nur 
sehr  unbedeutend  sind   und  daher  beim  einzelnen  Individuum 
beobachtet  nicht  so   angesehen    werden   dürften,   als   ob   sie 
nennenswertben   Veränderungen    des   Allgemeinbefindens    ent- 
sprächen.   Dagegen  erwähnt  er  kurz  vorher,  dass  in  der  Höbe 
der  Eigenwärme  während  der  ersten  sieben  Tage  des  Wochen- 
bettes  bedeutendere  Unterschiede  vorkämen,   welche  eine 
sorgfältigere  Beobachtung  verdienten,  und  diese  Schwankungen 


und  Pathologie  des  Woehenbettef.  341 

Bind  es  gerade,  die  ihm  för  die  Richtigkeit  der  Zimmer^ 
ma7in*schpn  Ansicht  zu  sprechen  scheinen.  Die  oben  von 
mir  mitgetheiken  normalen  Wochenbettscurven  widersprechen 
aber  dieser  Behauptung  (r/s  ganz  unzweifelhaft.  &.  muss 
in  der  Auswahl  der  „normalen  VVochenbeitscurven  zur  Be- 
rechnung der  mittleren  Durchschnittszahlen'*  nicht  genau  genug 
gewesen  sein  oder  doch  den  Begriff  derselben  weiter  stecken, 
als  aus  seinen  eigenen  Angaben  hervorzugehen  scheint.  — 
Bedeutendere  Schwankungen  in  den  Temperaturhöhen  der 
einzelnen  Tage  sprechen  immer  für  stattgehabte  Störungen 
und  müssen  die  Wochenbetten,  in  denen  solche  vorgekommen, 
bei  der  Aufstellung  der  Charaktere  des  normalen  Wochenbettes 
entschieden  eliminirt  werden,  namentlich  aber  dann,  wenn 
es  sich  um  eine  Erklärung  des  physiologischen 
Verhaltens  handelt.  Mir  scheinen  vielmehr  folgende  Punkte 
die  Annahme  zu  widerlegen,  dass  die  höhere  Eigenwarme 
der  Wöchnerinnen  zum  Theil  Folge,  eines  nothwendigen  localen 
Entzündungsprocesses  in  den  Genitalien  seien:  zunächst  die 
geringen  Excursionen  der  Temperatur  an  den  einzelnen 
Tagen;  ferner  die  geringe  Differenz  zwischen  dem  zu 
beobachtenden  Temperaturminimu^i  und  Maximum 
in  den  ersten  acht  Tagen,  welche  kaum  die  normale 
Beweglichkeit  der  Eigenwärme  überschreitet  und  welche  trotz 
der  Behauptung  (r.'s  von  beträchtlicheren  Unter- 
schieden in  den  einzelnen  Fällen,  bei  seiner  Durchschnitts- 
curve  (No.  I.)  auch  nicht  mehr  als  0,6*^(7.  beträgt  (Temperatur- 
minimum  36,95,  Temperaturmaximum  37,55),  endlich  auch 
die  später  noch  ausfuhrlich  erörterte  Thalsache,  welche  O. 
ebenfalls  wörtlich  zugiebt,  dass  selbst  die  kleinsten 
Entzündungen,  z.B.  schmerzhafte  Risse  und  Excoriationen 
<ler  Brustwarzen  ein  sehr  lebhaftes  Fieber  bei  den  so 
leicht  erregbaren  Wöchnerinnen  hervorzurufen  im  Stande  sind. 
Man  müsste  ja  auch  annehmen,  dass  nie  eine  vollständige 
Heilung,  um  so  zu  sagen  per  primam,  zu  Stande  käme,  wenn 
alle  Wöchnerinnen  nothwendig  einen  Entzündungsprocess  durch- 
zumachen hätten.  Ich  kann  also  die  factisch  nachweisbare 
gleichmässige ,  aber  geringe  Temperaturerhöhung  gesunder 
Wöchnerinnen  nur  dem  ohne  jede  Entzündung  erhöhten  Stoff- 
umsatz  zuschreiben,    der   tbeils    durch    die   neue   nach   der 


und  Pathologfie  des  Wocbeobettes.  343 

Bei  den  meisten  Erkrankungen  des  Wochenbettes  findet 
sich  ferner  ein  sehr  rasches  und  hohes  Steigen  der 
Temperatur.  Wenige  Stunden  bringen  oft  eine  Steigerung 
um  2,  3  —  4^  C  hervor;  so  zeigte  eine  Wöchnerin  Morgens 
7Va  IJl^r  37,45"  a,  Abends  b'U  l^*"*  ^0»35<>  C;  eine  Andere 
Abendi»  b%  Uhr  37,9  und  am  folgenden  Morgen  9  Uhr 
40,5  u.  s.  w.  Unter  150  Wöchnerinnen  waren  niclit  weniger 
als  98!  die  innerhalb  der  ersten  10  Tage  des  Wochenbettes 
eine  Temperatursteigerung  bis  zu  39,5  —  40,5^  C,  erfuhren. 
Bedenkt  man  dabei,  dass  die  Mehrzahl  derselben  schon  am 
eUften  bis  zwölften  Tage  fieberfrei  das  Haus  veiliess,  so  er- 
hellt hieraus,  dass  die  Ausgleichung  gewöhnlich  auch 
rasch  von  Statten  gehen  muss.  So  konnten  auch  nicht 
selten  einmalige  bedeutende  Temperatursteigerungen  nach- 
gewiesen werden,  die  eben  so  rasch  und  Tollständig  wieder 
verschwanden,  als  sie  aufgetreten  waren.  In  dieser  Be- 
ziehung boten  namentlich  die  „Besuchstage^'  Gelegenheit 
zu  mancherlei  Studien ,  wie  sich  diese  auch  als  die  häufigsten 
„Frosttage'*  auszeichneten.  Eine  Wöchnerin  z.  B. ,  die  bis 
zum  siebenten  Tage  ganz  fieberfrei  gewesen  und  am  siebenten 
Tage  Morgens  bei  72  Pulsen  eine  Temperatur  von  37,9"  C 
zeigte,  hatte  Abends  by^  Uhr  nach  einem  Zanke  mit  einer 
Nachbarin  88  Pulse  ,  und  eine  Temperatur  von  40,15"  C! 
dabei  einen  kurzen  „Frost''.  Am  folgenden  Morgen:  Puls  68, 
Temperatur  37,65,  Abends:  Puls  64,  Temperatur  38,05  und 
am  nächstfolgenden:  Puls  60,  Temperatur  37,5  u.  s.  w.  — 
Gewöhnlicher  ist  aber  die  Ausgleichung  nicht  so 
sprungweise  wie  die  Steigeruug,  sondern  geschieht 
langsamer  und  bei  bedeutendem  Abfalle  der  Abendtemperatur 
bis  zum  Morgen  findet  zum  folgenden  Abend  doch  wieder 
eine  nicht  unbeträchtliche,  wenn  auch  geringere  Steigerung 
statt.  —  Die  höchste  Temperatur,  welche  ich  bei  einer 
Wochenbeltserkrankung  fand,  betrug  42,1"  (7.  Eine  Tem* 
peratur  von  41,5"  C.  gehörte  keineswegs  zu  den  seltenen 
Vorkommnissen.  Es  reihen  sich  also  die  Puerperal- 
krankheilen  den  exanthematischen  und  inter- 
mittirenden  Fiebern  an,  mit  denen  sie  auch  die  kurz 
andauernden  Paroxysmen  manchmal  gemein  haben.  Hierbei 
will  ich  erwähnen,  dass  ich  in  einem  Falle  eine  plötzliche 


344  XXII-    Wineka,  Beiträg^e  snr  Physlolog^ie 

TeroperaturabDahme  von  6,3^  C*  sicher  constaürt  habe. 
Ich  führe  die  betrefiende  Temperaturcurve,  auf  die  ich  weher 
unten  zurückkoramc,   kurz  an,   um   zu   beweisen,   dass  kein 
Beobachtungsfehler  hier  vorliegt. 
Eine  Wöchnerin  zeigte  am 
ersten  Tage  Morgens  8  Uhr  Puls  104,  Temperatur  40,0 

Abends     „     104,  „  41,0 

zweiten  Tage  Morgens  8  Uhr  Puls  108,  „  40,6 

Abends     „     116,  „  41,85 

Respiration  44! 
dritten  Tage  Morgens  8  Uhr  Puls  64,   Temperator  35,6 

Respiration  18 
Abends   Puls  72,   Temperator  36,4 
Respiration  26 
vierten  Tage  Morgens  8  Uhr  Puls  64,   Temperatur  38,15 

u.  8.  w. 
Für  die  Richtigkeit  der  Beobachtung  spricht  erstlich  die 
alimälige  Steigerung  der  Tenaperatur,  die  Sicherheit  der 
höchsten  Höhe  wird  documentirt  durch  die  Congruenz  des 
Pulses  und  der  Respiration  mit  der  Temperatur,  welche  sieb 
auch  beim  tiefsten  Stande  derselben  nachweisen  liess  und  die 
Richtigkeit  des  letzteren  wird  auch  durch  das  langsame 
Wiedersteigen  dargethan ,  abgesehen  davon,  dass  ich  bei  dem- 
selben das  Thermometer  länger  als  gewöhnlich  liegen  liess. 

Dieser  sowie  ein  anderer  Fall,  in  welchem  am  vierten 
Tage  Abends  die  Temperatur  40,7 ,  am  fünften  Tage  Morgens  ' 
40,55,  Abends  40,4,  am  sechsten  Tage  Morgens  40,3,  Abends 
40,7  und  ebenso  am  siebenten  Tage  Morgens  40,35,  Abends 
40,7  betrug,  also  mehr  als  72  Stunden  zwischen  40,3  und 
40,7  ^  (7.  sich  bewegte  und  der  trotzdem  wie  jener  mit  Ge- 
nesung endete,  zeigen,  dass  Wöchnerinnen  auch  die  höheren 
Temperaturgrade  nicht  selten  längere  Zeit,  ohne  zu  erUegeu, 
aushalten. 

Der  Puls  war  bei  Wochenbettserkrankungen  in  der  Regel 
der  Temperatur  ziemlich  parallel,  sehr  oft  aber  liess  sich 
wahrnehmen,  dass  seine  Steigerung  erst  nach  der 
Temperatur  eintrat. 

Schliesslich  fuhren  wir  noch  die  dem  Wochenbette  eigen- 
thilmlicbe   rasche    und    lebhafte    Reaction    auf   die    sonst 


und  Pathologie  des  Wochenbettes.  845 

geringfügigsten  Störungen  an.  Diese  Eigenschaft  der 
Wöchnerinnen  ist  den  Geburtshelfern  längst  bekannt;  man 
kennt  die  unangenehmen  Störungen,  welche  Diätfehler,  Gemüths- 
bewegungen,  leichte  Entblössungen,  wunde  Warzen  binnen 
Kurzem  hervorzurufen  im  Stande  sind  und  weiss  auch,  dass 
dieselben  fast  eben  so  oft  Anlass  zu  den  schwersten  Pueri)eral- 
erkrankungen ,  wie  zu  leichteren  rasch  vorübergehenden 
Schwankungen  in  dem  Wohlbefinden  der  Frau  werden  können. 
Wenn  ich  nun  auch  den  Satz  Gruenewaldfs,  dass  wir  hier 
in  den  Schwankungen  des  Thermometers  einen  genauen  Haass- 
stab besitzen,  welcher  uns  erlaubt,  mit  einiger  Sicherheit  den 
Grad  der  stattgehabten  Einwirkung  abzuschätzen ,  gern  unter* 
schreibe,  so  geht  mir  sein  Schluss,  dass  eine  jede  die 
Wöchnerin  beeinflussende  äussere  Einwirkung  das  Allgemein- 
befinden mittelbar  dadurch  beeinflusse,  dass  sie  die 
örtliche  Entzündung  steigere,  doch  viel  zu  weit,  denn 
eine  locale  Entzündung  gehört  entschieden  nicht  zu  jedem 
Wochenbette,  und  selbst  wenn  auch  die  verwundeten  Genitalien 
durch  äussere  Einflösse  am  leichtesten  und  häufigsten 
in  Entzündung  versetzt  werden,  so  sind  darum  die  sehr 
häufigen  Störungen  anderer  Organe  (Lungen,  Darmcanal, 
Haut)  und  deren  Einfluss  auf  die  gehmdene  Temperatur- 
erhöhung keineswegs  so  gering  anzuschlageu  und  nicht  so 
selten,  wie  G,  anzunehmen  scheint,  die  alleinigen 
Urheber  des  Fiebers.  — 

Zum  Beweise  der  ausserordentlich  leichten  und  starken 
Erregbarkeit  der  Wöchnerinnen,  bei  selbst  unbedeutenden 
Anlässen,  reihen  wir  hieran  zunächst 

1.    den   Einfluss   der  Brust-   und   Brustwarzen- 
erkrankung auf  das  Allgemeinbefinden. 

Wie  häufig  zunächst  die  Excoriationen  der  Brustwarzen 
sind,  geht  daraus  hervor,  dass  von  den  erwähnten  200  Wöch- 
nerinnen nicht  weniger,  als  70!  an  denselben  erkrankten. 
Man  weiss  längst,  dass  so  klein  diese  Wunden  auch  sind, 
sie  doch  Ursache  eines  lebhaften,  die  Wöchnerin  sehr  er- 
schö[)fenden  Fiebers  sein  können.  Wie  hoch  dasselbe  steigen 
kann  und  dass  es  allein  von  den  genannten  Excoriationen 
herrülire,   war  bisher  noch   nicht   genau  nachgewiesen,   und 


346  XXIT.    Winekel,  BeitrK^e  cor  Phyfiolo^ie 

wenn  Gruenewaldt  \,  c.  S.  15  s^j^l:  „Ebenso  finden  sich 
Temperaturen  von  38  bis  selbst  40^,  die  bald  wieder  ab- 
fallen und  durch  nichts  anderes  bedingt  sind,  als  durch  die 
bekannten  und  sehr  schmerzhaften  Risse  und  Excoriatiooeo 
der  Brustwarzen ;  39  und  40^  kommen  allerdings  bei  solchen 
Ursachen  nicht  oft  zur  Beobachtung,  wohl  aber  38  —  39® 
und  zwar  schwankt  dann  die  Eigenwärme  auf  und  ab,  während 
einiger  Tage,  bis  sie  endlich  beim  vollkommenen  Nacblass 
des  ursächlichen  Moments  in  die  Grenzen  der  Norm  zurück- 
kehrt*' — ,  so  ist  er  uns  doch  den  Beweis  schuldig  geblieben, 
dass  es  wirklich  allein  die  Rhagaden  der  Brustwarzen  waren, 
welche  ein  so  bedeutendes  Fieber  veranlassten.  Diesei-  Beweit 
wird  aber  durch  den  nachstehend  mitgetheilten  Fall  geliefert 

UIcera  beider  Brustwarzen;  Mastitis  lobularis  in- 
cipicns;  Febris  continua  remittens;  starke  rasche 
Defervescenz  nach  dem  Absetzen  des  Kindes 
am    1.  Juli. 

Auguste  E.,  eine  zum  ersten  Male  Entbundene,  zeigte 
nach  4V2Slündiger  Geburtsdauer  und  sehr  stürmischen  Wehen, 
direct  nach  der  Geburt  Morgens  10^4  Ubr  eine  Temperatur 
von  37,90  C. 

Am  22.  Juni  Abends  5^4  Uhr  bei  60  Pulsen  —  Temperatur 
der  Scheide  37,85. 

23.  Juni.     Morgens  7  Uhr  Puls  68,  Temperatur  37,4. 

24.  Juni. 

25.  Juni. 

Die  Brüste  sind  etwas  gespannt,  massiger  Kopfschmerz; 
die  Warzen  geruthet,  schmerzhaft,  das  Kind  trinkt  kräflig. 

26.  Juni.  Morgens  7%  Uhr  Puls  68,  Temp.  der  Scheide  37,8. 

Abends  6V4    „      „   72,      „      ,        „     38,4. 
Frost  ist  nicht  eingetreten. 

27.  Juni.  Morgens  7%  Uhr  Puls  82,  Temp.  der  Scheide  39.35. 

Abends  6      „      „    90,      „      „        „      39,3. 
Die  excoriirten  W^arzen  sind  beide  sehr  schmerzhaft,  die 
Brüste  noch  strafiT  (Perubalsam,  Gummihütchen), 


Abends     5% « 

„     68, 

»» 

38,05. 

Morgens  T%„ 

«     68, 

»» 

37,4 

Abends    5V2  „ 

.     60, 

w 

37,75. 

Morgens  7V2m 

„     68, 

»» 

37,6. 

Abends    5%  „ 

.,    60, 

1» 

38,0. 

l'.Bfil-J^ 


and  Pathologie  des  Wochenbettes.  347 

28.  Juni.  Morgens  8  Ubr  Puls  80,  Tercp.  der  Scheide  38,65. 

Abends  6  V4  „      „    96 ,      „       „        „      40,35. 
Die  excoriirten  Warzen  eitern  beide  ziemlich  stark ;  leb- 
hafter Kopfschmerz;  kein  Stuhl  —  Ol.  Ricini. 

29.  Juni.  Morgens  8  Uhr  Puls  96,  Temp.  der  Scheide  38,65. 

Abends  ....     „  100,      »        »        n      39,8. 

30.  Juni.  Morgens  87»  Uhr  „104,      „       „        „      38,3. 

Abends  6       „    „  104,      »        »«        »      40,1. 
Die  Wunden  der  Warzen  noch  eiternd  werden  beide  mit 
Arg.  nitr.  in  Substanz  touchirl ;  eine  leichte  Röthung  der  Haut 
um  die  rechte  Brustwarze  mit  ßleiwasserumschlägen  behandelt. 

1.  Juli.    Morgens  9  Uhr  Puls  108,  Temp.  der  Scheide  39,65. 
Nachts  wiederholt  kurze  Frostanfälle;  die  Röthung 

der  Brusthaut  ist  noch  sichtbar;  einzelne  härtere  Knoten  in  der 
rechten  Brust,  entsprechend  der  eiternden  Stelle  der  Warze, 
Mastitis  lobularis  incipiens.  Jetzt  wurde  das  Kind 
abgesetzt  und  Perubalsam  und  Bleiwasserumschläge  für  beide 
Warzen  weiter  gebraucht. 

Abends  7  Uhr  Puls  112,  Temperatur  der  Scheide  40,55. 

Kein  Frost  mehr;  grosse  Hitze;  Brüste  straff. 

2.  Juli.  Morgens  9V4  Uhr  Puls  88,  Temp.  der  Scheide  38,0. 
Die  Brüste  sind  schlaffer,  aus  beiden  läuft  die  Milch  aus; 

subj.  Befinden  und  Schlaf  gut.  Die  Genitalien  vollständig  gesund. 
Abends  6V2  Uhr  Puls  88,  Temperatur  37,7. 
Die  Ulcjera  der  Warzen  heilen. 

3.  Juli.    Morgens  9V4  Uhr  Puls  68,   Temperatur  37,05. 

Abends    6        „       „    56,  „  37,0. 

Stiche  in  beiden  Brüsten,  die  übrigens  weich  sind;  kein 
Stuhl  —  Ol.  Ricini. 

4.  Juli.    Morgens  9  Uhr  Puls  56,  Temperatur  36,8. 

Abends    6    „       „    52,  „  36,95. 

Das  Befinden  vollkommen  gut.  Bald  darauf  verliess  die 
Wöchnerin  die  Anstalt  und  blieb  auch  nach  der  Entlassung 
frei  von  weiteren  Entzündungen  der  Brustdrüse.    (S.  Tafel  V.) 

So  lange  die  Brustwarzen  gesund  waren,  zeigte  das  Ver- 
balten der  Temperatur  keine  besonderen  Abnormitäten.  Seit 
der  Erkrankung  der  Brustwarzen  wurde  die  Wöchnerin  aber 
in  einem  fortwährenden  Fieber  erhalten,  welches  vom  26.  Juni 
ßp  nie  mehr  unter  38,3^  C,  sank  und  welches  nur  durch 


348  X^II^-    WifUikely  Baitrage  cur  Physiologrie 

den  Reiz  der  schroerzhafleii  Warzen^'escIiH  fire ,  den  das  Säugen 
des  Kindes  verursachte,  bedingt  sein  konnte,  da  es  schon 
sehr  exquisit  war,  ehe  noch  irgend  welche  Erkrankung  der 
Brustdrüse  nachweislich  und  während  die  Wöchnerin  sonst 
durchaus  gesund  war.  Es  erhellt  dies  femer  unzweifeihafl  aus 
dem  fast  sofortigen,  enormen  Abfall  der  Temperatur, 
der  nach  Beseitigung  jenes  Reizes  eintrat;  wie  denn  auch 
das  Ausbleiben  einer  stärkeren  Lobularmastitis  dafür  spricht, 
dass  weniger  diese  geringe  locale  Entzündung  als  die  Fort* 
dauer  des  Reizes  das  hohe  Fieber  mit  sich  fährte. 

Die  Art  des  Fiebers  anlangend,   so  müssen  die  ofl  sehr 
bedeutenden   Exacerbationen   vom   Morgen    zum    Abend    auf- 
fallen   und   diese   fanden    sich  auch  in  der  Regel  bei  anderen 
Fällen.     Oefter   fand   ich  jedoch    auch   eine   besonders    bobe 
Exacerbation  am  ^Morgen  und  zwar  gewöhnlich  dann,  wenn  das 
Kind  Nachts  sehr  unruhig  gewesen  und  od  angelegt  war;  die 
Temperatur  zeigte  also  kein  gesetzloses  Hin-  und  Herschwanken, 
sondern   hing  nachweislich  von  der  Dauer  und  Intensität  des 
Reizes   ab.     Diese  interessante  Thatsache  spricht  dafür,    dass 
es    nicht   etwa   die   geringe  Entzündung  der  kleinen  Wunden 
ist,    welche   die  bedeutende  Fiebererregung  bedingt,    sondern 
dass  hier  das  Fieber  wohl  nur  durch  Reizung  der  zahlreichen 
sensibeln  Nerven   verursacht  wird,   und   somit  hätten  wir   an 
diesen  Fällen  fast  einen  positiven  Ausdruck  für  den  Grad  der 
Temperaturerhöhung,  der  grösstenlheils  durch  Nervenerregung 
herbeigeführt    werden    knnn.    —    Hiermit    stimmt    auch    die 
Beobachtung  uberein,   dass   bei   einfacher  Bläschenbildung  auf 
den  Warzen,   welche  ohne  rasche  Abstossung  der  Epidermis, 
ohne    Ulceration     und    Blosslegung    der    Cutis     heilen,     die 
Temperatur  nicht  wesentlich  erhöht  ist. 

Eine  weitere  Erkrankung  der  Wöchnerinnen,  die  mit  den 
Brüsten  meist  in  Zusammenhang  gebracht  wurde,  ist  das 
sogenannte  Milchfieber,  welche  wir  hier  einer  kurzen 
Besprechung  unterwerfen  müssen.  Obwohl  Carus  in  seiner 
Gynäkologie,  Band  IL,  S.  569,  schon  im  Jahre  1820  darauf 
aufmerksam  machte,  dass  die  Entstehungsweise  und  die  Ursachen 
„dieser  Zufälle*'  sehr  verschieden  seien  (§  1606),  namnUlich 
aber  leichtere  Erkältungen,  Gemuthsbewegungen,  Difilfehler, 
besonders  auch  gereizte  Zustände  der  Brustwarzen  und  Brüste, 


und  Pathologie  des  Wochenbetters  349 

sowie  der  inneren  Genitalien,  dass  mithin  da»  sogenannte  Milch- 
lieber  ein  sehr  vielgestaltiges  Ding  sei  and  man  durchaus 
gezwungen  sei,  hei  solchen  leichten  Fieberanfällen  immer  die 
veranlassende  Ursache  scharl  in's  Auge  zu  fassen  —  so  ist  diese 
Ansicht  doch  bis  heute  noch  wenig  durchgedrungen.  Es  giebt 
noch  genug  Aerzte,  welche  die  Essentiaiität  des  Milchfiehers 
entschieden  aufrecht  erhalten  und  z.  B.  länger  dauernde 
fieberhafte  Zustande  des  Wochenbettes  als  „protrahirtes 
Milch fieber^  bezeichnen.  Wenn  diese  Annahme  durch  die  oft 
erwähnte  Hecker'sche  Arbeit  in  den  Chatite-Annalen  neuen 
Halt  gewonnen  zu  haben  schien,  so  liat  H.  dieselbe  jetzt 
gewiss  längst  fallen  lassen,  da  er  in  seiner  Geburtskunde,  S.  214, 
die  leichten,  rasch  vorübergehenden  Fieberanlalle  als^Febriculae*^ 
bezeichnet  und  erwähnt,  dass  man  sie  beim  Vorhandensein 
einer  Epidemie  als  durch  Infection  entstanden  betrachten  müsse ; 
dass  man  sie  bei  normalem  Gesundheitszustande  der  Wöchnerinnen 
„früher"  oft  mit  dem  Namen  Milchfieber  belegt  habe/'  — 
Gruenewaldt  bezeichnet  (1.  c.  S.  13)  alle  jene  leichten  Fieber- 
formen des  Wochenbettes,  die  das  Pub'likum  vulgo  Milclifieber 
nennt,  mit  dem  Namen  Wundfieber  —  Fehris  traumatica  oder 
inflammatoria — ,  die  durch  die  mehr  weniger  unbedeutenden 
Quetschungen  und  Zerreissungen,  welche  wohl  nur  ausnahms* 
weise  nach  den  Geburten  fehlen,  bedingt,  fast  alle  in  nicht  langer 
Frist  zur  Heilung  kommen.  Von  432  Wöchnerinnen  zeigten  88 
mehr  oder  weniger  die  Symptome  eines  derartigen  Wundfiebers 
und  unter  diesen  könnten,  wie  er  selbst  in  einer  Anmerkung 
sagt,  noch  einzelne  Fälle  unterlaufen,  in  denen  die  höheren 
Teinperaturgrade  durch  calarrhalische  Affectionen  der  Respi- 
ralionsschleimhaul  bedingt  waren.  Ich  muss  dagegen  mit 
Carus  feslhalten,  dass  das  sogenannte  Milchfieber  ein  wirklich 
viel  vielg(*6laUiger4*s  Ding  ist  und  dass  die  Prädisposition  zu 
demselben  ebensowohl  durch  Diätfehler,  Erkältungen,  Wunden 
der  Brustwarzen,  psychische  Erregungen,  wie  durch  die  Ver- 
wundung der  Genitalien  gegeben  wird;  der  Name  VVundficber 
passt  daher  für  eine  grosse  Reihe  von  Fällen,  wo  Catarrhe 
des  Darmes,  der  Respirationsorgane  etc.  Folge  jener  Störungen 
sind,  ebenfalls  nicht.  Jedenfalls  aber  ist  es  endlich  an  der  Zeit, 
den  Namen  „Milch fieher^'  aus  der  wissenschaftlichen 


850  ^^1'-    Winekel,  Beiträge  %nr  Pfaytiologte 

Sprache  ganz  <u  eliminiren,  da  er  als  unklare 
zeiclinung  für  eine  Reihe  der  verschiedenslen  ErkraDkungen 
die  Erkennlniss  der  wahren  Fieberursacbe,  die  Diagnose  des 
wirklichen  Leidens  entschieden  verhinderL  —  Die  Charakteristik 
dieser  kurz  vorübergehenden  Fieberanläile,  die  sich  am  häufigsleo 
vom  zweiten  bis  fünften  Tage  des  Wochenbelles  findeo,  iveil 
bei  dem  noch  ungeschickten  Anlegen  des  Kindes,  bei  den 
starken  Seh  weissen,  den  noch  frischen  Genitalverlelzungen  etc. 
Störungen  in  dieser  Zeit  am  leichtesten  sind,  ist  vod  Hecker 
1.  c.  (Klinik  etc.)  S.  214  und  noch  ausführlicher  und  treffender 
von  Gruenewaldt  1.  c.  S.  15  gegeben.  Ich  verzichte  daher 
hier  auf  ihre  weitere  Besprechung  und  will  bloss  den 
Ausspruch  (r.'s  noch  besonders  hervorheben,  dass  sich  bei 
den  betreffenden  Kranken  meistens  eine  isolirt 
bleibende  einmalige  Temperaturerhöhung  von  37,8 
bis  38,0  und  mehr  in  den  ersten  vierundzwanzig, 
gewöhnlich  schon  in  den  ersten  zwölf  Stunden  nach 
der  Geburt  zeige  und  dass  diese  selten  38,5^  über- 
steigt, da  ich  dasselbe  durch  eine  Reihe  von  Fällen  be- 
weisen kann. 

Ein  Fall  dieser  Art  möge  also  als  Uebergang  zu  den 
von  den  inneren  Genitalien  ausgehenden  fieberhaften  Er- 
krankungen hier  Platz  finden,  besonders  um  den  hoben 
prognostischen  Werth  des  Verhaltens  der  Tem- 
peratur in  den  ersten  vierundzwanzig  Stunden 
post  partum  nachzuweisen. 

Ankündigende  Temperatursteigerung  in  den  ersten 
vierundzwanzig  Stunden  post  partum;  ephemeres 
Fieber  am   dritten  Tage;    rascher  Abfall. 

Eine  26jährige  Zweitgebärende  hatte  während  der  Geburt: 
Morgens  11  Uhr  eine  Scheidentemperatur .  von  37,5^  C  bei 
88  Pulsen.  Die  erste  Geburtsperiode  dauerte  im  Ganzen 
lOVa  Stunden,  die  zweite  nur  9  Minuten  und  nach  der 
eben  so  kurzen  dritten  zeigte  sich  12%  Uhr  bei  76  Pulsen 
die  Scheidentemperatur  =  37,0  bei  der  Geburt  selbst  war 
der  Blutverlust  massig. 

Abends  5%  Uhr  Puls  84,  Temperatur  der  Scheide  38,1. 
Die  Haut  ist  noch  trocken,  geringe  Nach  wehen. 


und  Pathologie  des  Wochenbettes.  351 

14.  Juli.    Morgens  7%  Uhr  Puls  80,  Temperatur  37,3. 

Abends    ö^U    «       ,,64,  „  37,6. 

15.  Juli.    Morgens  3        „       ,,.    84,  „  37,b5. 

Abends    ö\    „       „100,  „  39,45. 

Hitze  seit  2  Ubr  Nachmittags,  der  Leib  weich,  aber 
bei  leiciitem  Drucke  in  der  rechten  Inguinalgegend  ziemlich 
schmerzhaft,  die  Lochien  serös,  nicht  übelriechend.  Beide 
Brüste  slrafT,  die  Warzen  mit  dünnen  trockenen  Borken 
bedeckt,  nicht  besonders  schmerzhaft,  kein  Stuhl,  die  Haut 
feucht.     Ol.  Ricini. 

16.  Juli.    Morgens  Puls  88,  Temperatur  37,6. 

Abends      „76,  „  37,85. 

17.  Juli.    Morgens    „76,  „  37,35. 

Abends      „64,  „  37,3. 

18.  Juli.    Morgens    „76,  „  37,45. 

Abends      „    76,  „  37,5  etc. 

Puerpera  blieb  bis  zur  Entlassung  frei  von  weiteren 
fieberhaften  Affectionen.  i)     (S.  Tafel  VL) 

Ohne  die  Beobachtung  der  ganz  ungewöhnlichen  Tem- 
peratursteigerung in  den  ersten  zwölf  Stunden  post  partum 
von  37,0  auf  38,1^  C  würde  dieses  Beispiel  als  prächtiger 
Typus  eines  sogenannten  Milchfiebers  citirt  werden  können 
—  ein  eintägiger  ziemlich  lebhafter  Fieheranfall  bei  An- 
schwellung beider  Brüste,  leichten  Rhagaden  der  Brust- 
warzen u.  s.  w.  —  diese  „ankündigende  Temperatur- 
steigerung" zu  einer  Zeit,  in  der  von  einer  durch  irgend 
welchen  Zustand  der  Brüste  und  der  Milchsecretion  bedingten 
fieberhaften  Erregung  kaum  die  Rede  sein  kann,  bewies 
dagegen,  dass  hier  schon  bald  nach  der  Geburt  eine  Störung 
eingewirkt  hatte,  die  ei*st  am  dritten  Tage  in  ihren  Folgen 
sich   weiterhin  geltend   machte.  —  Dieser  Fall,   sowie  viele 


1)  Hier  kann  anch  die  oben  beim  normalen  Wochenbett 
mitgetheilte  Curve  IV.  verglichen  werden,  wo  ebenfalls  die 
„ankündigende  Temperatnrsteigernng''  in  den  ersten  24  Standen 
post  partum  der  Erhöbnng  am  zweiten  Tage  Abends  vorherging; 
doch  fehlten  dort  Localaffectionen  ganx  nnd  gar;  wHlirend  hier 
die  Empfindlichkeit  des  rechten  Uterasrandes  dafür  spn.ch,  dass 
hier  wohl  ein,  wenn  anch  geringer  „Entsündungsprocess** 
vorbanden  war. 


352  ^XU.    Wineka,  BeitrSgre  ear  Physiologie 

andere  köDnten  auch  constatiren,  dass  Q.  Recht  hat,  nenn 
er  1.  c.  S.  15  sagt:  „Mit  sehr  seltenen  Ausnahmen  steht  dano 
(nach  jener  abnormen  Temperaturerhöhung)  die  Temperatur 
in  den  nächsten  Messungen  niedrig,  um  sich  erst  beim 
manifesten  Eintritte  der  Erkrankung  zu  heben."* 

2.     Localerkrankungen    der   Genitalien    und    deren 
Einfluss   auf  die  Temperatur  der  Wöchnerinnen. 

a)  Dammrisse 

sind  zunächst  am  besten  geeignet,  falls  sie  ohne  sonstige 
Complicationen  vorkommen,  ein  reines  puerperales 
Wundfieber  zu  demonstriren.  Ein  Fall  der  Art  mag  daher 
hier  folgen. 

Beträchtlicher  Dammriss,   puerperales  Wundfieber. 

L.  M.,  eine  Primipara,  brachte  12  Stunden  in  der  ersten 
Geburlsperiode  zu;  dagegen  dauerte  die  zweite  Periode  unter 
sehr  kräftigen  Wehen  nur  eine  Stunde  und  endete  bei  der 
unter  heftigem  Mitpressen  erfolgenden  raschen  Ausstossung 
des  Kindes  mit  einem  beträchtlichen,  dicht  bis  an  den  äusseren 
Schliessmuskel  des  Afters  reichenden  Dammriss. 

Gleich  nach  der  Geburt  betrug  die  Temperatur  der  Scheide 
Morgens  10 V4  Uhr  =  37,35^  C,  am  selbigen  Tage  Ahends 
6V4  Uhr  =  37,85. 

Am  30.  Juni  Morgens  7%  Uhr  Puls  68,  Temperatur  37,35. 
Nachmittags  57^    n       «  112,  „  39,2. 

Nachmittags  hat  Puerpera  circa  vier  Stunden  hindurch 
einen  starken  Frost  mit  nachfolgender  Hitze  und  starkem 
Schweisse  gehabt;  der  Leib  ist  etwas  empfindlich;  die  Wunde 
schmerzhaft,  aber  ihre  Ränder  nicht  geschwollen.  —  Die 
Brüste  sind  noch  ganz  schlaff;  die  Warzen  gesund.  Das 
Kind  hat  getrunken.  Puerpera  giebt  an,  dass  sie,  als  der 
Frost  eingetreten  sei,  biossgelegen  habe. 

1.  Juli.     Morgens  8  Uhr  Puls  100,  Temperatur  38,25. 
Abends     .  .  .  .     „     108,  „  40,0. 

Hitze  und  Seh  weiss  ohne  Frost.  Der  Damm  ist  nicht 
geschwollen,  doch  sind  die  Wundränder  geröthet,  die  Wund- 
fläche beginnt  zu  eitern.  Die  Brüste  sind  straffer.  Die  Warzen 
nicht  wund. 


ttnd  Pathologie  des  Wochenbette«.  353 

2.  Juli.    Morgens  Puls  102,  Temperatur  39,1. 

Abends      „     106,  „  39,76. 

Die  Brüste  sind  ziemlich  straff,  die  Warzen  leicht  empfind- 
lich.    Stuhl  ist  noch  nicht  erfolgt.     Ol.  Ricini. 

3.  Juli.    Morgens  TV»  Uhr  Puls  92,   Temperatur  37,9. 

Ahends    6        „      „     72,  „  39,0. 

Die  Brüste  sind  wieder  schlaffer;  Stuhl  ist  erfolgt;  die 
Wunde  sieht  gut  aus,  die  Eiterung  ist  massig. 

4.  Juli.     Morgens  7*4  Uhr  Puls  80,  Temperatur  37,3. 

Abends    1%    „      „     72,  „  38,0. 

Puerpera  hat  gar  keine  Klagen.  Die  Milchsecretion  ist 
reichlich. 

5.  Juli.     Morgens  Puls  88,  Temperatur  37,55. 

Abends      „68,  „  38,0. 

Der  Uterus  steht  knapp  handbreit  über  der  Symphyse, 
ist  ganz  schmerzfrei ;  Lochia  serosa ;  die  Wunde  eitert ;  in  der 
Tiefe  deutliche  gutartige  Granulationen.    * 

6.  Juli.     Morgens  8  Uhr  Puls  76,  Temperatur  37,6. 

7.  Juli. 

8.  Juli. 

Der  Uterusgrund  dicht  über  der  Symphyse.  Die  Lochien, 
vorher  weiss,  sind  beim  Verlassen  des  Bettes  heute  wieder 
etwas  blutig  geworden.  Die  Wunde,  in  der  Tiefe  mit  zahl- 
reichen Granulationen,  eitert  ziemhch  stark,   verkleinert  sich 

• 

allmälig.      Das    Befinden    der    Wöchnerin    ist    im    üebrigen 
gut.     (S.  Tafel  VIL) 

Die  hieraus  ersichtlichen  Charaktere,  die  4 — 5tägige 
Dauer  des  Fiebers,  das  1 — 2tägige  Fastigium  desselben,  die 
starken  Exacerbationen  der  Abendtemperatur  gegen  die  vom 
Morgen  und  der  Beginn  nach  den  ersten  24  Stunden  des 
Wochenbettes  kennzeichnen  das  typische  Wund fi eher  der 
Wöchnerinnen.  Diese  Curve  bringt  zugleich  die  durch  zu- 
nehme[Hle  Entwickelung  der  Milchsecretion  gesteigerte  und  mit 
dem  Naciiiasse  der  Brustanschwellung  verminderte  Exacerbation 
sehr  schön  zur  Anschauung. 

Monatoschr.  f.  Oeburtsk.  1868.  Bd.  XXII.,  Hft  6.  23 


Abends    6V4,, 

.    64, 

»» 

38,1. 

Morgens  9     „ 

„    64, 

M 

37,6. 

Abends    6V2» 

,,    72, 

»» 

37,85. 

Morgens    .  .  . 

„    72, 

»» 

37,65. 

Abends     .  .  . 

„    76, 

» 

38,1. 

364  JiXlI.    Winekel,  Beiträge  B«r  Pbjsiolog;!« 


b)  Colpitifl,  Oedem  derTulva,  Ischuiie,  XSndometriiiffi 

nnd  Perimetritis. 


Schon  in  der  Einleitung  zu  den  Temperaturstudien  bei 
den  vergleichenden  Messungen  der  Temperatur  in  Achselliöhle 
und  Scheide  habe  ich  mehrere  Curven  bei  Colpitis  und 
Puerperalgeschwören  und  Oedem  der  äusseren  Genitalien  mit- 
getheilt  Die  Fälle  von  ganz  isolirter  Endometritis  sind  sehr 
selten,  gewöhnlich  ist  Colpitis  oder  Perimetritis  oder  gar 
Peritonitis  damit  verbunden,  und  ich  will  zunächst  einen  in 
mehrfacher  Beziehung  interessanten  Fall  dieser  Art  anführeD. 

Perimetritis,  beginnende,  aber  coupirte  Peritonitis 
mit  Endometritis,  Colpitis  und  späterem  Oedeme 
der   äusseren  Genitalien;   Ischurie. 

Auguste  P. ,  eine  23 jährige  Primipara  hatte  in  der 
ersten  Gehurtsperiode  Abends  10%  Uhr  eine  Scheidentemperatur 
von  37,5"  C.  bei  68  Pulsen.  Am  folgenden  Morgen  8V^  Uhr, 
direct  nach  der  Geburt  betrug  die  Temperatur  =  37,9.  Am 
folgenden  Abend  5%  Uhr:   Puls  56,   Temperatur  =  38,75. 

5.  Juli.    Morgens  7  V2  Uhr  Puls  90,  Temp.  der  Sciieide  37,5. 

Abends  5V4    -,     ^  118,      «       w        «      40,35. 
Grosse   Hitze,   kein   Frost,   Leib   rechts  schmerzhaft 
Oedem  der  hinleren  Commissur,  jedoch  unbedeutend. 

6.  Juli.    Morgens  7  V4  Uhr  Puls  120 ,  Temp.  39,7. 

Abends  5V4  „  „  144,  ,.  41,25;  Resp. 41. 
Grosse  Hitze,  lebhafter  Stirnkopfschmerz; 
leichte  Cyaiiose  des  Gesichts;  Brüste  etwas  voller;  Leib 
stark  tympanitisch;  rechts  in  der  Inguinalgegend  sehr 
schmerzhaft;  Ischurie.  Ther.  hirud.  x.  ad  abdomen;  temper. 
Wasserumschläge;  Injectionen  von  Leinsamenthee  mit  filei- 
Wasser  in  die  Scheide  und  innerlich:  Sol.  Kai.  acetici  (3ij.)  Svj. 

7.  Juli.    Morgens  7 1/4  Uhr  Puls  112,  Temp.  38,9 ;  Resp.  28. 
Aeusserst    starke    Schweisse    in    der   Nacht;   seit 

12  Uhr  Nachts  (Ol.  Ric.)  sehr  reichliche  Stuhlentleerungen. 
Nur  noch  beim  Aufrichten  etwas  Leibschmerz;  BrOste  massig 
gespannt.  In  der  Nacht  ist  ein  viertelstündiger  geringer  Frost 
aufgetreten.  Die  Blutegelstiche  hatten  stark  nach- 
geblutet. 


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3.BeiMs 


und  Pathologie  des  Wochenbettes.  S&5 

Abends  5%  Clir  Puls  100,  Temp.  37,85.  Kein  Frost 
mehr,  starke  Schweisse;  Leib  weicher;  fast  schmerzfrei, 
Iscfaiirie  besteht  noch. 

8.  JalL  Morgens  7  V«  Uhr  Puls  104,  Temp.  38,6.  Schlaf  gut. 
Abends  5V4  Uhr  Puls  108,  Temp.  38,6.  Kein  Leibschmer/., 
Oedem  der  äusseren  Genitalien  massig,  die  Ulcera  puerperalia  leicht 
blutend;  kein  Stuhlgang.    Ischurie;  Lochien  sehr  stark ,  weiss. 

9.  Juli.    Morgens  7'/«  Uhr  Puls  100,  Temperatur  37,45. 


Abends     5% 

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112, 

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38,0. 

10.  Juli. 

Morgens  7% 

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96,    - 

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37,45. 

Abends     6 

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92. 

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38,1. 

11.  Juli. 

Moi-gcns  8V4 

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104, 

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37,8. 

Abends    6% 

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»» 

96, 

M 

38,0. 

Die  Ischurie  besteht  noch  immer;  das  Oedem  der  äusseren 
Genitalien  und  die  Ulceration  im  Scheideneingange  ist  ziemlich 
stark.  Der  Leib  weich,  aber  noch  voll.  Ol.  Ric.  bewirkt 
meist  Sluhlentleerung. 

12.  Juli.    Morgens  9V4  Uhr  Puls  92,  Temperatur  37,85. 

Abends    7        „       „    84,  „  38,1. 

13.  Juli.    Morgens  9        ^       *«    88,  «  37,9. 

Abends    6%    „       ♦,    90,  „  38,1. 

Das  Oedem  der  rechten  Nymphe  ist  noch  stark,  die 
Eiterung  beträchtlich,  sonst  das  Befinden  gut. 

14  Juli.    Morgens  7V4  Uhr  Puls  92,  Temperatur  37,75. 

Abends    7        „       „92,  „  38,35. 

Puerpera  ist  aufgestanden;  die  öderoatöse  rechte  kleine 

Schamlippe   ist  ihr  beim    Gehen   und   Sitzen  hinderlich   und 

ziemlich  schmerzhaft. 

15.  Juli.    Morgens  8  Uhr  Puls  92,  Temperatur  38,05. 

Abends    ....      „92,  „  38,15. 

16.  Juli.    Morgens  8  V«  Uhr  „    88,  „  37,75. 
Die  Wöchnerin  ist  stets  ausser  Bett;  bei  Bespülung  mit 

einer  Sol.  arg.  nitrici  Oj.  auf  SiJO  heilt  das  Scheidengeschwör 
mehr  und  mehr  und  die  ödematöse  Anschwellung  verringert 
sich  merklich.  Nach  einigen  Tagen  wurde  sie  aus  der  Be- 
handlung entlassen.     (S.  Tafel  VIII.) 

Auch  aus  dieser  Krankengeschichte  ersehen  wir  zu- 
nächst wieder  den  hohen  Werth  der  ankündigenden 
Temperatursteigerung    innerhalb    der    ersten   12    bis 

23* 


356  ^^n.    Wini^el,  Beiträge  sar  Physiologie 

24  Stunden  post  partum.   Während  die  Temperatur  ioter  partiüD 
Abends  10%  Uhr  ganz  normal  war,  aber  schon  direct  nacb 
der 'Geburt  (37,9)   um   diese  Zeit  (Morgens   8%  Uhr)    im- 
gewöhnlich  hoch  genannt  werden  musste,  musste  aus  der  nno 
folgenden  ganz  ungewöhnlichen  Steigerung  auf  38,75  auf  eine 
stattgeliahte  Störung  geschlossen  werden,  deren  Folgen  deoM 
nicht  lange  auf  sich  wartt^n  Hessen.    Merkwürdigerweise   trat 
aber    auch   hier   wieder   zuerst   nach  dieser   ungewdbnlicben 
Steigerung    ein    starker  Abfall    ein  —   auf  37,5,    welchem 
dann   aber   in   wenigen   Stunden    die   immense   Temperatur- 
Steigerung    folgte,    die    am    Abend    des    dritten    Tages    ök 
gefahrliche   Flöhe   ?on  40,25^  C.   erreichte.     Die    begonnene 
partielle    Peritonitis    charakterisirte    sich    durch    die     starke 
Auflreibung    und  Schmerzhaflligkeit   des    Leibes,    die    grosse 
Dyspnoe  und  Cyanose  und  das  intensive  Fieber,  welches  zum 
Theil  auch  von   der  Scheiden-  und   Blasenentzundung    her- 
rührte.    Eine  energische  locale  Blutentziehung,  die  Anregung 
der  Haut-  und  Darmsecretion  coupirten  das  beginnende  Leiden 
sehr  rasch   und  nach  einem  Abfalle  der  Temperatur  bis  auf 
37,45  ^  C.  (9.  Juli ),  blieb  dieselbe  femer,  wenn  auch  durch 
die  Colpitis  und  Endometritis  noch  massig  erhöht,  doch  ohne 
Exacerbationen  auf  niedrigem  Standpunkt,  und  die  Wöchnerin 
genas.  — 

Nur  ein  einziger  Fall  von  isolirter  Endometritis  in 
puerperio,  die  schon  bei  der  Geburt  vorhanden  war,  kam 
zur  Beobachtung.  Derselbe  mag  als  Portsetzung  der  Tem- 
peralurstudien  während  der  Geburt  und  Vervollständigung  der 
vergleichenden  Temperaturmessungen  zwischen  Achselh  üble 
und  Scheide  hier  ausführlich  erwähnt  werden. 

Sophie  M.,   geb.  J3.,   eine  26  Jahre  alte  Secundipara, 
kam  am  9.  September  1862  Abends   zur  Anstalt    Vor  zwei 
Jahren   zuerst  mittelst   des  Forceps  von  einem  todten  Kinde 
in  Gesichtslage  entbunden,  hatte  dieselbe  seitdem  an  Prolapsus 
uteri  gelitten,   der  im  Anfang  dieser  zweiten  Schwangerschaft 
sich  spontan  reponirt  hatte,   seit  dem  sechsten  Monate  aber 
wieder  hervorgetreten  war.    Bei  ihrer  Ankunft   war  sie  am 
Ende   des  neunten   Mondsmonates;   der  Fundus   uteri  stand 
etwas  oberhalb  des  Nabels,  Herztöne  waren  rechts  zu  hören; 
das  enorm  hypertrophische  CoUupi  uteri  war  4  Zoll  aus  des 


nnd  Pathologie  des  Wochenbettes.  357 

äusseren  Genitalien  berTorragend  und  hoch  im  Becken  durch 
den  Muttermund  der  Kopf  in  zweiter  Schadelstellung  zu 
fühlen.  Seit  Mittag  hatten  sehr  schmerzh.ifte  Wehen  begonnen, 
doch  war  der  Muttermund  kaum  Tür  zwei  Finger  durchgängig. 
Während  die  trockene,  rosarothe  Scheidenschleimiiaut  überall 
ganz  intact,  ohne  Geschwöre  war,  zeigten  sich  am  Mutter- 
munde verschiedene  grössere  Ulerationen  und  aus 
dem  Collum  uteri  quoll  ein  reichlicher  gelber  Eiter  hervor. 
Ich  schob  das  Thermometer  5 — 6  Zoll  weit  zwischen  Uterus 
und  Eihäute  hinauf  und  fand  Abends  7  Uhr  eine  Temperatur  des 
Uterus  von  38,65  bei  100  Pulsen;  Abends  8  Uhr:  Temperatur 
des  Uterus  =  39,05;  dabei  notirle  ich:  häufige,  schinerzlialle, 
wirkungslose  Wehen;  die  Haut  ist  trocken;  Parluriens  übrigens 
ganz  gesund,  namentlich,  frei  von  Katarrhen  der  Respirations- 
und Digestionsorgane.  Abends  SVs  Uhr  reponirte  ich  nn't 
Leichtigkeit  das  prolabirte  Collum  uteri.  Nach  Verabreichung 
eines  Clysma  trat  beim  Pressen  zur  Ausleerung  des  Darmes 
der  Uterus  wieder  liervor,  und  bald  darauf,  Abends  9  Uhr, 
war  die  Temperatur  des  Uterus  39,0 ;  ich  maass  zu 
gleicher  Zeit  die  Temperatur  der  Achselhöhle,  und  dirse 
zeigte  33,85,  die  Differenz  betrug  mithin  nur  0,15"  (7. 
Nach  einer  zweiten  Reposition,  Abends  97^  Uhr.  liess  ich 
einen  Senfleig  appliciren.  Allmälig  besserten  sich  die  Wehen. 
Nachts  12  Uhr  sprang  die  Blase  und  nach  recht  kräftigen 
Weben  wurde  Nachts  2  Uhr  ein  lebender  Knabe  geboren.  Nach 
Ausstossung  desselben  entfernte  ich  die  Placenta  durch  Druck 
in  der  Seitenlage  der  Frau,  ohne  dass  der  Uterus  dabei 
wieder  vor  die  äusseren  Genitalien  trat,  und  fand  dann  Nachts 
2V4  Uhr  die  Temperatur  der  Scheide  ==  38,65 "  C. 

Wochenbett:  11.  September.  ^Morgens  8V4  Uhr, 
Puls  82,  Temperatur  der  Scheide  37,35.  Abends  Puls  88, 
Temperatur  38,15. 

Alle  Stunden  schmerzhafte  Nachwehen,   Uterus  in 
normaler  Lage,  Urin  mehrmals  entleert,  Leib  weich.  Befinden  gut 
12.  September.    Morgens  Puls  76,  Temperatur  37,25. 

Abends       „     78,  „  38.75. 

Nachwehen  noch  vorlianden;  leichtes  Frösteln;  Lochien 
reichlich.  Uterus  stand  normal;  keine  Schmerzen.  Brüste 
weich,  säugt  nicht. 


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90, 

»» 

39,55. 

80, 

»1 

38.0. 

64, 

1» 

38,55. 

64. 

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37,7. 

den 

folgenden 

Tagen 

35g  XXII.    Winekel,  Beiträge  %nr  Physiologie 

13.  September.  Morgens  8  Uhr  Puls  88,  Temperatur  38A 

Abends    5    „       „84,  „  39ä 

Brüste  straff;  das  Kind  trinkt  nicht ,  Leib  inissig  empfind- 
lich; kein  Stuhl.     Ol.  Ric. 

In    der    vergangenen    Nacht    trat    ohne    Frost    das 
Gefühl  starker  Hitze  auf. 

14.  September.    Morgens  9  ülir  Puls  88,  Temperatur  38,4. 

Abends  5V4„     „    92,  „  39,4. 

Keine   Klagen,  die  Brüste   sind   weniger   gespannt,    die 
Milch  läuft  aus ;  durch  Ol.  Ric.  ist  reichlicher  Stuhl  eingetreteo. 

15.  September.  Morgens  8  Uhr  Puls  80,  Temperatur  383- 

Abends    6 

16.  September.  Morgens  .  .  . 

Abends    6    „       „ 

17.  September.  Morgens  8    „      „ 
Puerpera    ganz    wohl,    war    in    den 

fieberfrei;  der  Uterus  drei  Finger  breit  über  der  Symphyse, 
nicht  schmerzhaft.  Der  weisse  Wochenfiuss  ziemlich  stark; 
Stuhl  stets  retardirt. 

Am  29.  erkrankte  sie  von  Neuem  stärker  und  zeigte 
Abends  5%  Uhr  Puls  108,  Temperatur  39,7  —  lebhafte 
Leibschmerzen;  der  Leib  stark  aufgetrieben,  kein  Stuhl; 
Zunge  stark  belegt;  Frost  ist  nicht  eingetreten.  Emulsio 
papav.  c.  Kai.  acet.  und  ein  Clysma. 

23.  September.  Morgens  8  V4  Uhr  Puls  96,  Temperatur  38,3. 

Abends  5^4  „      „  96,  „         39,15. 

Trotz  eines  Clysma  ist  kein  Stuhl  eingeti*eten ,  der 
Leibschmerz  ist  weit  geringei*,  soll  aber  ruckweise  'wieder 
auftreten.     Der  Wochenausfluss  ist  reichlich. 

24.  September.  Morgens  8Va  Uhr  Puls  92,  Temperatur  37,9. 

Abends  5%   „      „   90,  „        38,1. 

Zwei  dünne  Stühle  sind  eingetreten;  die  Zunge  ist  reiner; 
das  Befinden  besser. 

25.  September.  Morgens  8 '4  Uhr  Puls  90,  Temperatur  38,3. 

Abends  5V4    „      „    96,  „        39^. 

Das  subjective  Befinden  ist  durchaus  gut;  kein  Leibschmerz 
vorhanden;  doch  ist  der  Leib  stark  und  voll. 

26.  September.  Morgens  8%  Uhr  Puls  96,  Temperatur  38,9. 

Abends  5%    „      „    100,        „        39,3, 


and  Pfttholo^e  des  Wochenbettes.  •  359 

27.  September.    Morgens  Pul8  108,  Temperatur  38,1. 

Auch  diesmal  trat  schnelle  Defervescenz  ein,  und  die 
Wöchnerin  wurde  dann  auf  ihren  Wunsch  entlassen.  (S.  Tafel  IX.) 

Fälle,  in  denen  man  die  vorhandene  Endometritis  so  mit 
blossem  Auge  erkennen  kann,  sind  selten.  Der  Grad  der- 
selben musste  hier  ein  beträchtlicher  sein,  da  die  aus  dem 
Collum  uteri  abOiessende  Eitermenge  reichlich  und  die  Tem- 
peratur stark  erhöht  war.  Es  bestätigt  dieses  Beispiel  wieder 
meine  früheren  Beobachtungen,  dass  bei  „Krampfwehen,  die 
durch  Endometritis  bedingt  sind,''  ebenfalls  die  Temperatur 
entsprechend  der  Dauer  derselben  steigt  (von  Abends  7  bis 
8  Uhr  =  0,5^  C.)  ferner,  dass  sie  nach  Aufhören  derselben 
in  der  Regel  rasch  und  beträchtlich  fällt  (von  Nachts  2'/«  bis 
Morgens  8%  Uhr  um  1,3^  (7.).  Ausserdem  beweist  die 
geringe  Diflerenz  zwischen  der  Temperatur  der  Achselhöhle 
und  der  Uterushöhle  =  0,15^  C,  wiederum  ,*  dass  selbst  in 
entzündeten  und  stark  hyperämischen  Organen  und  in  der 
Umgebung  enorm  entwickelter  Gefässe  die  Temperatur  nicht 
viel  höher  ist,  als  an  anderen  geschützten  Stellen  des 
Körpers  —  dass  mithin  die  Wärmeabgabe  und  Ausgleichung 
ausserordentlich  rasch  und  vollständig  geschieht.  Speciell  die 
Endometritis  im  Wochenbette  anlangend,  so  machte  sie  in 
ihrem  weiteren  Verlauf  bis  zum  sechsten  Tage  stets  sehr 
starke  Abendeiacerbationen,  während  der  Stand  des  Thermo- 
meters am  Morgen  verhälnissmässig  niedrig  war;  nach  einem 
kurzen  Nachlass  des  Fiebers  vom  sechsten  Tage  trat  aber 
am  zwölften  Tage  eine  Art  Nach  lieber  auf,  welches  sich 
ebenfalls  mit  starken  Exacerbationen  und  raschen  I\,emissionen 
fünf  bis  sechs  Tage  hinzog.  —  Hif^r  ist  man  vollständig 
gerechtfertigt,  in  diesen  so  starken  abendlichen  Exacerbationen 
und  den  wiederholten  Nachschüben  eine  jedesmalige  Zunahme 
der  localen  Entzündungen  zu  sieben  und  icli  bin  vollständig 
mit  Gruenewaldt  einverstanden,  wenn  er  1.  c.  S.  18  sagt: 
Es  wäre  ceteris  paribus  gerechtfertigt,  in  der  Temperatur- 
veränderung am.  Morgen  ein  günstiges  Moment  zu  finden, 
wenn  nicht  für  alle  Puerperalprocesse  jeden  Augenblick 
ein  Nachschub  zu  befürchten  stände,  welcher  selbst,  wenn 
schon  längere  Zeit  bei  befriedigendem  Wobls.eiu  der  Kranken 


360  ^^I^*    WUekd,  Beitrftge  sur  Physiologe 

die   Körperwarme  eine    nahezu   normale    war,    eioe    jede 
Prognose  zu  Schanden  macht. 

Endlich  muss  ich  hier  eine  Beobachtung  einschaiIeD ,  dm 
ebenfalls  sehr  selten,  eine  Reihe  der  inleressaolesteii 
Erscheinungen  bot 

Acute  Entstehung  einer  coiossalen  Colloidkyste  des 
Ovariums    im  Wochenbette    mit   sehr   intensivem 
Fieber,   durchsetzt  von  unregelmässigen  starken 
Remissionen.     Mit  der  Zunahme  der  Entzündung 
jedes  Mal   eine   starke  Febris  continua,    mit    dem 
Nachlasse  derselben  Morgens  grössere  Remissionen. 
Nach     der    Function    der    Ovarialkyste     rascher 
bedeutender    Temperaturabfall,     dem     bei     Fort- 
dauer   der   Entzündungen   von   Neuem    eine    hohe 
Febris  coatinua  folgte. 

Ich  beschranke  mich  darauf,  die  Temperaturgrade  der 
ersten  7  —  8  Tage  mit  den  dabei  gemachten  Notizen  kurz 
anzuführen  und  verweise  wegen  der  weiter  beobachteten 
Schwankungen  auf  die  graphische  Darstellung  der  Temperatur- 
curve. 

Auguste  H,,   eine   32  Jahre  alte   Erstgebärende,    von 
grosser    Statur,    bleich,    aber    krädig,    wurde    nach    kaum 
2  V4  stundiger   Geburtsdauer    mit    sehr    kräftigen   Weben    von 
einem   lebenden  Kinde  leicht   entbunden.     Morgens   5V2  L'hr 
5  Minuten   nach   Ausstossung   desselben   entfernte   ich    solbst 
die  Nachgeburt   durch  Druck    auf  den  Uterus  ziemlich  leicht, 
wobei  mir«  nichts  Ungewöhn-liches,  weder  am  Uterus 
noch  seiner  Umgebung  auffiel.    Gleich  nach  der  Geburt 
betrug  die  Temperatur  der  Scheide  =  37,45,    Abends  5%  ülir 
bei  48  Pulsen  ==  37,85. 

11.  August.    Morgens  8  Uhr  Puls  56,  Temperatur  37,05. 

Abends    5%  „       „    52,  „  37,45. 

12.  August.    Morgens  7%  „      „    64,  „  37,4. 

Abends    6      „      „    80,  „  38,3. 

Seit  einer  Stunde  sind  Schmerzen  im  Unterleibe 
und  Kreuze  aufgetreten,  der  Leib  ist  gespannt;  der  Uleras 
noch  in    der  Höhe   des  Nabels  stehend.     Urin   entleert    Die 


und  Pathologie  des  Wochenbettes.    *  361 

rechte  Maromilla  mit  erbengrossen  Blasen,  wenig  scbmerzbafl; 
die  Brüste  voll. 

13.  August   Morgens  8  Uhr  Puls  96,  Temperatur  39,0. 
Gestern   Abend    sind   zwei   grosse   Blutcoagula 

abgegangen;  von  Morgens  V26 — 7  Uhr  ist  ein  starker 
Prost  eingetreten;  der  Leib  ist  gespannt,  aufgetrieben  und 
schmerzhaft,  nur  wenig  Stuhl  vorhanden  gewesen. 

Abends  6V4  Uhr  Puls  120,  Temperatur  40,35.  Um 
den  Afler  ist  ein  Kranz  von  stark  geschwollenen  und  schmerz- 
haften Hämorrhoidalknoten  aufgetreten. 

14.  August.    Morgens  8  Uhr  Puls  136,  Temperatur  41,15. 

Abends    5    „      „    116,  „  41,45. 

Frost  von  1  —  4  Uhr  Nachmittags;  Puerpera  ist  sehr 
aufgeregt,  intensive  Kopf-  und  Leibschmerzen.  Im  Abdomen, 
welches  ausserordentlich  gespannt  ist,  fühlt  man  rechts  und 
etwas  oberhalb  des  Nabels  einen  breiten,  rundlichen,  schwer  zu 
umgrenzenden  Tumor.  Trotz  Ol.  Ric.  kein  Stuhl.  Ther.: 
Clysma,  Hirud.  x.  ad  abdomen,  temperirte  Wasserumschläge ; 
innerlich  Natr.  nitr. 

15.  August.    Morgens  7^^^  Uhr  Puls  80,  Temperatur  37,86. 
Schlaf  sehr  gut;  reichliche  Ausleerungen.    Leib 

viel  weniger  schmerzhaft,  Tumor  noch  ebenso;  Brüste  weich; 
Kind  abgesetzt  seit  gestern  Morgen. 

Abends  5V4  Uhr  Puls  108,  Temperatur  41.05.  Von 
1 — 5  Uhr  Nachmittags  starke  Hitze,  ohne  Frost.  Die  rechte 
ganze  Seite  des  Unterleibes  ist  wieder  höchst  schmerzhaft; 
das  Lochialsecret  höchst  übelriechend;  leichtes  Oedem 
der  äusseren  Genitalien;  Einspritzungen  werden  schon  seit 
einigen  Tagen  gemacht. 

16.  August  Morgens  7  V4  Uhr  Puls  100,  Temperatur  38,85. 

Abends   6       „      „    100,  „         39,15. 

Kein  Frost,  sehr  starke  Schweisse,  der  Leib  ist  weniger 
gespannt;  Urin  wird  spontan  entleert;  der  Tumor  steht 
schon  einen  Zoll   über  dem  Nabel. 

Das  Wachsthum  der  Geschwulst  schritt  nun  gleichmässig 
voran,  die  Ausdehnung  des  Leibes  wurde  immer  beträchtlicher, 
die  Spannung  der  Hautdecken  stärker;  es  traten  neue  Striae 
in  denselb.en  auf  und  dann  auch  ein  beträchtliches  Oedem  der 


362  XXII.    WituM,  Reitr&g^e  inr  Physiologe 

unteren  Hautpartieen.  Am  6.  August  1862  —  28  Tagf 
nach  der  Entbindung  —  betrug  der  höchste  Umfang  des  Leibes 
102  Centinieler  und  die  Länge  der  vorderen  stark  gewölblen 
Wand  des  Tumors  von  der  Symphyse  an  37  CeDtimeCer. 
Dat^ei  bestand  ein  hohes  Fieber  und  wiederholte  FrostanßJle 
sprachen  für  den  fortdauernden  Eiterungsprocess.  Ueberafl 
an  dem  Tumor  die  deutlichste  Fluctuation. 

Am  11.  Morgens  zeigte  Puerpera  Puls  92,  Temperalor 
S9ß^  (7.,  Abends  Puls  104,  Temperatur  40,1. 

12.  August.    Morgens  Puls  92,  Temperatur  39,15. 

Abends       „  108,  „  39,9. 

13.  August     Morgens      „  104,  „  39,7. 
Patientin    war    öfter   ausser    Bett;    das    subj.    Befinden 

ziemlich;  der  Schmerz  massig. 

Morgens  10  Vj  Uhr  wurde  die  Punction  gemacht  ood 
I9V2  Pfund  einer  grünlich  eiterigen  Flüssigkeit  zu  grosser 
Erleicliterung  der  Patientin  entleert;  diese  schied  sich  bald 
in  eine  graubraune  Colloid-  und  grünliche  EiterflüssigkeiL 

Al)ends  ÖV^  Uhr  hatte  der  Puls  76  Schläge  und  die 
Temperatur  der  Scheide  nur  87,0^  (7.  Puerpera  hatte  etwas 
kalten  Schweiss;  gar  keine  Schmerzen;  hatte  Urin  entleert  etc. 

14.  August.    Morgens  8  Uhr  Puls  100,  Temperatur  40,0. 
Nachts   ein   einstundiger   Frost,   dann   guter  Schlaf; 

kein   Leibschmerz;   Urin   entleert;   kein  Stuhl;   subj.  Be- 
finden gut. 

Abends  Puls  92,  Temperatur  39,15. 

15.  August.    Morgens  Puls  88,  Temperatur  38,75. 

Abends       „96,  „  40,0. 

16.  August.    Morgens     „    88,  „  38,5. 

Abends        „     96,  „  39,45  etc. 

Das  schnell  wieder  eingetretene  hohe  Fieber,  die  noch 
öfter  wiederkehrenden  Fröste  zeigten ,  dass  der  Entzundungs- 
process  in  dem  Ovarium  fortdauerte;  die  bald  wieder  zu- 
nehmende Ausdehnung  des  Leibes  bewies,  dass  auch  die 
Exsudation  beträchtlich  steige  und  schon  am  21.  August  liess 
sich  von  Neuem  Fluctuation  fühlen ;  spater  wurde  die  Punction 
nochmals  ausgeführt  und  das  Leben  der  Patientin  noch  eine 
Zeit  lang  erhalten;  schliesslich  aber  ging  sie  in  der  Charite 
an  Erschöpfung  zu  Grunde  und  durch  die  Section  wurde  ein 


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XIV. 


zu  SrifrSfKi 


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IXIV. 


ZuSritrSdni 


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71/ 


nnd  Pathologie  des  Wocbenbettei.  363 

colossaler  Sack  mit  eiterigem  Inhalte  vom  rechten  Ovarium 
ausgehend  gefunden,  der  zum  Theil  mit  der  vorderen  Bauch- 
wand verwachsen  war.  — >  Interessant  ist  in  diesem  Falle  die 
ungeheuer  rasche  Entwickelung  der  Kyste,  die  bei  der  Geburt 
doch  nur  sehr  klein  gewesen  sein  konnte,  da  sie  mir  beim 
Umgreifen  und  Herabdrucken  des  Uterus  nicht  auffiel. 
Interessant  ist  ferner  die  plötzliche  Temperaturabnahme  am 
Morgen  des  sechsten  Tages,  die  zum  Theii  auf  die  locale 
Blutentleerung,  zum  Theil  auf  die  reichlichen  Stühle,  theil- 
weise  aber  gewiss  auch  auf  die  in  dieser  Zeit  besonders 
starke  Exsudation  und  Ausdehnung  der  Kyste  ge- 
schoben werden  muss.  Interessant  ist  endlich  die  bedeutende 
Temperaturabnahme  direct  nach  Entleerung  der  Kyste  die 
2,7  ^C  betrug,  leider  aber  wieder  eben  so  rascher  und 
noch  stärkerer  Zunahme  derselben  um  3^  C  weichen 
mussle.     (S.  Tafel  XIV.) 

e)  Temperatnrcnrve  bei  septischen  ▼on  den  Genitalien 
ausgehenden  Erkrankungen  im  Wochenbette. 

Neben  den  zahlreichen  und  sehr  sorgfältig  ausgewählten 
Krankengeschichten  von  difluser  Peritonitis,  Netrolymphangilis 
und  Metrophlebitis,  welche  Leyden  1.  c.  mitgetheilt  hat, 
wurde  ich  die  Beschreibung  ganz  analoger  Fälle  hier  für 
überflüssig  halten,  wenn  nicht  der  Umstand,  dass  ich  mehrere 
dergleichen  Fälle  von  der  ersten  Entstehung  im  Wochenbette, 
ja  sogar  während  der  Geburt  beobachten  und  ihre  Entwickelung 
bis  zum  scbliesslichen  Ausgange  genau  verfolgen  konnte,  die 
ausführliche  Erzählung  Einiger  wohl  rechtfertigen  könnte^ 
zumal    da    Leyden    nur    die    bereits    vorher    erkrankten 

« 

Wöchnerinnen  zur  Beobachtung  bekam. 

1)  Colpitis  diphtheritica;  Gangrän  der  Vulva;  Endo- 
metritis seplica;  Metrolymphangitis ;  diffuse 
Peritonitis,   Tod  am  sechsten  Tage. 

M,  K,,  eine  28jährige  Primipara,  wurde  den  12.  No- 
vember 1862  Nachmittags  3  Ulir  von  einem  lebenden  Mädchen 
ziemlich  leicht  entbunden.  Ein  leichter  Einriss  in  den 
Damm  war  dabei  eingetreten.  Die  Temperatur  gleich  nach 
der  Geburt  zeigte  37,4  <>  C,  der  Puls  hatte  72  Schläge, 
Abends  5%  Uhr  Puls  68,  Temperatur  38,05. 


364  X^II*    Winekel,  Beitrftge  snr  Physiologie 

13.  November.    Morgens  8V4  Uhr  Puls  80,  Temp.  37,6. 

Abends    5%    „       „    80,      „      38,95. 
Sehr  starkes  Oedero  beider  Nymphen;  Ulcus  puerperale. 

14.  November.   Morgens  S%  Uhr  Puls  124,  Temp.  40,6. 

Abends    6       „      „    128,      „     40,8. 
Nachts  starker  Frost;  Oedem  stark;  Ulcus  miss- 
larbig;  Leib  ziemlich  weich,  Uterus  nicht  schmerzhaft. 
16.  November.    Morgens  8V2  Uhr  Puls  108,  Temp.  39,8. 

Abends  6  „  „  116,  „  41,1. 
Nachts  fünf  Mal  diarrhoische  Ausleerungen; 
Leib  schmerzhaft  und  aufgetrieben;  Oedero  sehr 
stark;  missfarbige  Ulcera.  (Injectionen  mit  Leinsamenlhee 
und  Chlorwasser;  *hirud.  x.  ad  abdomen;  temp.  Umschläge; 
innerlich  Säuren.) 

16.  Nov.  Morgens  SV«  Uhr  Puls  1 16,  Respir.  32,  Temp.  40,1. 

Abends    6%   „    „    124,      „     36,     „     40,3. 

Gangrän  der  rechten  Seile  der  Vulva;   putride  Lochien; 

bedeutender    Meteorismus;    beträchtliches    Peritonäalexsndat; 

starkes  Erbrechen   mit  Nasenbluten;  Zunge   braun,   trocken; 

Respiration  röchelnd;  Bronchialcatarrh. 

17.  Nov.  Morgens  8  Uhr  Puls  160,  Respir.  40,  Temp.  39,45. 

Abends  5V4  „     „    160,       „      42,      „      40,15. 

Nachts  vierSlulile;  Exsudat  gestiegen;  viel  Erbrechen  galliger 
Massen;  Husten,  ohne  Auswurf,  sehr  lästig  und  schmerzhaft 

Der  Tod  erfolgte  am  18.  November  Morgens  4V4  Uhr, 
5V2  Tage  nach  der  Enibindung.     (S.  Tafel  X.) 

Die  Section  ergab:  Diphtheritis  vaginae  et  uteri;  Metro- 
lymphangitis;  dilfuse  Peritonitis;  leichte  Pleuritis;  Bronchitis. 
Hier  hatte  also  höchst  wahrscheinlich  inter  oder  gleich  nach  der 
Geburt  eine  locale  fnfection  stattgefunden,  deren  Einwirkung  sich 
schon  in  den  ersten  drei  Stunden  post  partum  geltend  machte. 

2)  Endometritis  inter  partum;  Wehenschwäche, 
später  Krampfwehen;  verzögerte  Lösung  der 
Nachgeburt;  künstliche  Lösung  derselben;  Endo- 
metritis septica  in  puerperio;  Metrolymphangitis. 
Tod  am   achten  Tage. 

Den  ersten  Theil  dieser  Krankengeschichte,  das  Temperatur- 
verhalten in   den  letzten  14  Tagen  der  Schwangerschaft  und 


Tafel  IX. 

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und  Pathologie  des  Wochenbettes.  365 

die  bei  der  Geburt  beobachtete  Temperaturcurve  habe  ich 
schon  in  den  Temperatursludien  bei  der  Gehurt  unter  der 
Rubrili:  Uebergangsformen  von  Wehenschwäche  in  Krampf- 
wehen, No.  I.,  genau  beschrieben  und  kann  daher  darauf 
verweisen.  Die  inter  partum  erst  entstandene  Endometritis 
hatte  sich  auch  mit  dem  Thermometer  erkennen  lassen.  Direct 
nach  der  vom  Herrn  Geh.  Rath  Martin  vorgenommenen 
künstlichen  .Lösung  der  Placenta»  Morgens  7Va  Uhr,  betrug 
die  Temperatur  der  Scheide  38,4,  am  Abend  desselben  Tages 
39,75 <>  C,  Puls  148.  Schon  am  Nachmittage  von  2Va— 4Va  Uhr 
war  ein' starker  Frostanfall  eingetreten;  der  Leib  weich; 
der  Uterus  schmerzhaft;  Urin  hatte  die  Puerpera  entleerL 
31.  Juli.  Morgens  7  V^  Uhr  Puls  1 52,  Respir.  56,  Temp.  40,05. 
Abends  5Va  „  „  160,  „  56,  „  41,4. 
Puerpera  schläft  sehr  viel;  ist  oft  sehr  unruhig 
nach  dem  Aufwachen;  Zunge  feucht;  massiger  Durst;  kein 
Erbrechen.  Die  Rrüste  schlaff;  der  Leib  ist  weich,  an- 
geblich schmerzfrei;  der  Uterus  zwei  Finger  breit  unter  dem 
Nabel,  empfindlich  gegen  Druck;  die  Lochien  übelriechend. 
In  der  rechten  Inguinalgegend  —  Dämpfung. 

1.  August,   Morgens  8  Uhr  Puls  140,  Respir.  42,  Temp.  40,2. 

.  Abends  5V4,,     „    152,      „     44,      „     41,25. 

Sensorium  benommen;  schläft  viel  und  unruhig;  hat 

mehrmals  gebrochen;  Leib  schmerzhafter,  massig  aufgetrieben. 

2.  August.  Morgens  7  Va  Uhr  Puls  140,  Respir.  38,  Temp.  39,9. 

Mittags  12  V4  „     „    152,     „     44,     „     40,8. 
Abends  6%  „      „    168,     „     32,     „     40,4.   . 

3.  August.  Morgens  8      „      „   140,      „     32,     „     39,75. 

Abends  6%  „      „    148,     „     36,     „     40,5. 
Redeutender  Meteorismus;  Singultus;  Flocken- 
lesen; metastatische  Gelenkentzündung  des  zweiten  Phalangen- 
gelenkes am  linken  Daumen.     Ischurie. 

4.  August.  Morgens  8  Uhr  Puls  144,  Respir.  36,  Temp.  39,6. 


Abends   6    „ 

w 

152, 

„     40,      „     39.85. 

5.  August. 

Morgens  8  Va 

n 

144, 

„     42,     „     39,35. 

Abends  .  .  . 

>» 

140, 

„     44.      ,     39,3. 

6.  August. 

Morgens  8  V4 

w 

140, 

„      68,      „     39,0. 

Abends   5% 

M 

140, 

„     56,      „     39,1. 
(S.  Tafel  XI.) 

366  XXlh    Wineka,  BeitrHge  sur  PhTsioIogie 

« 

Qufileoder  Singultus;  häufiges  Würgen  und  Erbrechen 
mit  etwas  Blut  Secessus  inyoluntarü;  enormer  Meteorisniiis ; 
Euphorie.  Tod  am  7.  August  Morgens  3V4  Uhr.  —  Die 
Section  ergab:  eiterige  Entzündung  des  genannten 
linken  Daumengelenks;  doppelseitige  stark  eiterige 
Pleuritis;  geringe  Peritonitis;  Endometritis;  an  der 
Placentarstelle  missfarbige  Ulcera;  Metrolymphangitis. 

Diese  beiden  Fälle  mögen  genügen  zur  Vervollständigung 
der  Curven  solcher  Erkrankungeii.  In  beiden  entwickelte  sich 
die  Krankheit  äusserst  rapide,  die  rasch  und  immense  steigende 
Temperatur  zeigte  nur  geringe  uuregelmässige  Remissionen, 
die  hier  meist  in  die  Morgenzeit  fielen;  gegen  Ende  der 
Krankheit  war  namentlich  im  letzten  Falle  das  constant  fort- 
schreitende beträchtliche  Absinken  der  Temperatur  neben 
unverminderter  Pulsfrequenz  sehr  ersichtlich. 

In  beiden  erreichte  der  Puls  rasch  eine  bedeutende  Höhe, 
betrug  sogar  im  letzteren  nie  unter  140  Schlägen. 

Endlich  waren  auch  die  jagenden  oberflächlichen  sehr 
frequenten  Respirationen  sehr  deutlich  ausgesprochen,  deren 
Erklärung  durch  Traube  Leyden  in  seiner  Arbeit  1.  c.  S.  18 
ausführlich  erwähnt 

Soviel  von  dem  Fieber  und  der  Temperaturcurve  dieser 
septischen  Erkrankungen,  deren  sonstige  Symptome  leider 
nur  zu  bekannt  sind.  —  Phlebitische  Erkrankungen  im  Wochen- 
bette konnte  ich  mit  dem  Thermometer  bis  jetzt  noch  nicht 
genau  untersuchen,  da  mir  dieselben  zu  spät  oder  zu  selten 
zur  Beobachtung  kamen.  Nur  will  ich  erwähnen,  dass  ich 
allerdings,  wie  Leyden,  schon  zwei  Mal  kurz  vor  Beginn 
einer  exquisiten  Phlegmasia  alba  dolens  duplex  (in  der  Poliklinik) 
eine  auffallende  Remission  in  der  bis  dahin  sehr  hohen 
Temperatur  gefunden  habe. 

3.     Anderweitige   fieberhafte   Erkrankungen 

der  Wöchnerinnen. 

P&lle  von  Typhus  in  der  Schwangerschaft,  bei  der  Geburt 

und  im  Wochenbette. 

1)  Therese  B,,  22  Jahre,  zum  ersten  Male  schwanger, 
erkrankte  am  10.  November  unter  lebhaftem  Fieber  an  Kopf- 


Tafel  XI. 


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and  Pathologie  des  Woehenbettes.  367. 

schmerzen,  Heiserkeit,  Durchfall.  Bei  ihrem  Zugange  am 
16.  Noverobo*  war  sie  circa  neun  Mondsmonate  schwanger, 
die  Geburt  hatte  begonnen;  die  Haut  war  trocken,  sehr  heiss: 
die  Lippen  mit  Borken  bedeckt,  ein  allgemeines  deutliches 
Roseolaexanthem  zeigte  sich.  Bei  viergroschengrossem  Mutter- 
munde betrug  die  Temperatur  der  Scheide  40,5^  C,  der 
Puls  hatte  124  Schläge  Abends  7V4  Uhr;  die  Geburt  dauerte 
bis  Nachts  27^  Uhr  und  endete  mit  Ausstossung  eines 
8  V2  monatlichen  Fötus.  Gleich  nach  derselben  wurde  die 
Temperatur  nicht  gemessen,  erst  am  folgenden  17.  November 
Morgens  8  Uhr  war  sie  =  39,3.  Abends  ÖV4  Uhr  Puls  120, 
Temperatur  40,4.  Nachmittags  Frost;  Hitze;  trockene 
Haut;  kurzes  Hüsteln.  Mehrfach  diarrhoische  Ausleerungen. 
Rechte  Injuguinalgegend  gegen  Druck  sehr  empßndlich.  Milz- 
anschwellung beträchtlich. 

18.  November.    Morgens   8  Uhr  Puls  120,   Temp.  40,2. 

Abends     5V4  „      „     108,       „      40,9. 

19.  November.    Morgens   8      „      „     120,       „      40,45. 

Abends     5V4  „      „120,        „      40,9. 
Drei  Mal  dünne  Stühle.     Stiche  beim  Athemholen;  viel 
Husten  mit  Leibschmerz. 

20.  November.    Morgens  8V2  Uhr  Puls  116,  Temp.  40,6. 

Abends    5V4    „        „ 

21.  November.    Morgens  8        „        „ 

Abends   5V4    »        m 
'  22.  November.    Morgens  8        „        „ 

Abends    ÖV4    „        „ 
Sehr  unruhig;   Flockenlesen;   braune   Lippen;   Borken; 
trockene  braune  Zunge;   öftere  Secessus  involuntarii;   keine 
Darmblutungen. 

23.  November.    Morgens Puls  120,  Temp.  40,75. 

Abends    5%  Uhr    „     140,      „       40,5. 
Tympanie;   grosse  Unruhe. 

24.  November.    Morgens  Puls  120,   Temperatur  41,0. 

Abends       „120,  „  41,5. 

25.  November.    Morgens      „     128,  „  42,1. 
Tiefer  Sopor.     Am  25.  Nachmittags   3  Uhr  Exitus 

lethalis.    (S.  Tafel  XH.) 


124, 

„     40,95. 

124, 

„     40,1. 

132, 

„     40;3. 

124, 

„          ö\j^ö» 

128, 

r,       41.1. 

368  XXII.    Winck$l,  Beifrägre  sar  Pby Biologie 

Die  Tags  darauf  angestellte  S  e  c  t  i  6  n  bestätigte  die 
Diagnose  in  jeder  Beziehung.  Die  Genilalien  waren  vollständig 
gesund;  der  Uterus  noch  6  Zoll  lang,  die  Placentarslelle 
an  der  hinteren  Wand,  nirgendwo  Ulcera  in  ihm  oder 
in  der  Scheide.  Die  Blase  ebenfalls  intacL  Im  oberen 
Theile  des  Mastdarmes  und  im  ganzen  Dickdarme  kleine 
Stecknadelknopf-  bis  erbsengrosse  sehr  zahlreiche  Ulcera  der 
SolitärfoUikel ;  im  Dünndärme  ausser  diesen  noch  zahlreiche 
prominente  Peyer'&che  Plaques  mit  oberflächlichen  Ulcerationen, 
nirgendwo  hämorrhagische  Heerde.  Die  Mensenterialdrüsen 
beträchtlich  geschwellt  Die  Milz,  massig  vergrössert,  zerfloss 
nach  Anschneiden  ihres  Peritonäaluberzuges  in  eine  schwarz- 
braune, breiige  Masse.  Auch  die  Leber  massig  geschwellt. 
In  beiden  unteren  Lungenlappen  ausgesprochene  Hepatisation ; 
diffuse  Röthung  und  Schwellung  der  Bronchialschleimhaut  etc. 

Der  Anfang  der  Krankheit  konnte  hier  anamnestisch  nicht 
genau  festgestellt  werden;  doch  ist  es  höchst  wahrscheinlich, 
dass  das  Wochenbett  in  das  zweite  Stadium  der  typbösen 
Erkrankung  fiel.  Das  Fieber  war  um  diese  Zeit  (also  im 
Anfange  der  zweiten  Woche,  da  bei  ihrem  Zugange  das 
Roseolaexanthem  auch  noch  sehr  deutlich  ausgesprocheu  war) 
ein  sehr  hohes  und  die  sehr  geringen  morgendlichen  Remissionen 
liessen  den  lethalen  Ausgang  bald  sicher  voraussehen.  In  den 
letzten  zwei  Mal  24  Stunden  stieg  bis  zum  Tode  das  Fieber 
nocfh  beträchtlich.  Der  Tod  trat  wahrscheinlich  gegen  den 
16.  Tag  der  Erkrankung  ein.  Die  Temperaturcurve  dieses 
Typhus  im  Wochenbette  gleicht  also  vollkommen  der  anderer 
Typhen. 

2)  Frau  D.  geb.  Z.,  27  Jahre,  ging  am  22.  December  1862 
der  Anstalt  mit  Wehen  zu.  Sie  ist  gross,  hellblond,  mager, 
seit  Ende  April  zum  zweiten  Male  schwanger  und  seit  acht 
Tagen  angeblich  krank.  Die  Erkrankung  begann  mit  Frösteln, 
Mattigkeit,  intensivem  Kopfschmerz,  Leibschneiden  und  Durch- 
fall. Schon  am  20.  December,  drei  bis  vier  Wochen  vor 
dem  erwarteten  Termine,  waren  Wehen  eingetreten.  Bei 
ihrer  Ankunft  war  der  stark  gespannte  Leib  überall  sehr 
empfindlich;  die  Zunge  roth,  ganz  trocken;  viel  Durst;  die  Haut 
trocken;   kein  Exanthem;   die  Temperatur  der  Scheide  zeigte 


Tafel  XnL 


miinmJdtrMnld^&Ci:  2Z.       23.         2JI^.^      2X       26.        2  t       2  H. 


b.BeiiiCt^ 


ri /  :  •    ' 


und  Pathologie  des  WochenbetteB.  369 

Mittags  12 V,  Uhr  =  39,55*  C,  dabei  hatte' sie  108  Pulse. 
Die  Milz  war  vergrösserL  —  Die  Geburt  endete  ziemlich 
rasch  und  mit  massigem  Blutverluste;  der  geborene  Knabe 
war  allerdings  circa  drei  bis  vier  Wochen  zu  früh  geboren. 
Gleich  nach  der  Entbindung  betrug  die  Scbeideutemperatur 
38,65 0  G.  bei  100  Pulsen:  Nachmittags  VU  Uhr.  Abends 
6  Uhr  Puls  88,  Temperatur  38,85. 

23.  December.    Morgens  8  Uhr  Puls  104,  Temp.  40,0. 

Abends  b\  „  „  104,  „  41,0. 
Blande  Delirien;  Puls  doppelschlägig ;  Kopf-,  Kreuz-  und 
Brustschmerzen;  Tympanie;  Uterus  vier  Finger  breit  über 
der  Symphyse  nicht  schmerzhaft;  dagegen  die  Ileosacrai- 
gegend  bei  Druck  sehr  empAndiich;  Darmgurren;  drei  dünne 
Stuhle. 

24.  December.  Morgens  8  Uhr  Puls  108,  Temp. 40,6,  Respir.44. 

Abends  4^4,,    „    116,     „    41,85,    „     44 
Grosse    Unruhe;    Delirien;    SiugultQs;   Lochien    gering; 
kein  Durchfall  mehr. 

25.  December.    Morgens  Puls  64,  Temp.  35,6,  Respir.  18. 
Schlaf  sehr  gut;  Zunge  feucht,  reiner;  Sensorium  freier; 

Rückenlage;   sehr  matt 

Abends  Puls  72,  Temp.  36,0  Respir.  26.  Gar  keine 
Schmerzen;  Neigung  zu  Ohnmächten;  viel  Schwiudelanfalle ; 
Stuhl  ist  nicht   mehr  erfolgt     Leib  weich  und  schmerzfrei. 

26.  December.    Morgens  Puls  64,  Temperatur  38,15. 
(Abends  nicht  gemessen.) 

27.  December.    Morgens  Puls  108,  Temp.  39,25,  Respir.  42. 
Mehrmaliges    Frösteln;    ein    ziemlich    reichlicher    con- 

sistenterer  Stuhl.     Leib  nicht  schmerzhaft 

Abends  Puls  62,  Temperatur  36,85.  Sehr  reichliche 
Schweisse.    Befinden  sehr  gut 

28.  December.    Morgens  .  .  .  Puls  64,  Temperatur  36,5. 

Abends  6  Uhr   »66,  „  37,75. 

Appetit  gut;  Zunge  feucht  imd  rein;  Leib  weich  und 
ganz  schmerzfrei;  ein  gut  gallig  gefärbter  dönnbreiiger  Stuhl; 
Lochien  gering.    Subj.  Befmden  sehr  gut    (S.  Tafel  XIIL) 

Patientin  genas  allmälig  vollständig. 

MonatMohr.  f.  GeburUk.  1868.  Bd.  XXII.,  Hft.  6,  24 


370  XXn.    WiMkel,  Beiträge  sur  Phjsfolofie  etc. 

In  diesem  Falle  beobachteten  wir  die  schon  oben  erwähnte 
rasche  und  sehr  bedeutende  Temperaturabnahme  von  41,8  auf 
35.6^  C.  innerhalb  des  dritten  Tages  nach  der  Entbindung, 
der  circa  dem  zwölften  Tage  der  Ei*krankung  entspracli.  Schon 
der  nicht  unbeträchtliche  Temperatur abf all  (um  0,9^  C.) 
direct  nach  der  Geburt  und  di«  für  die  nächsten  Stunden  nur 
geringe  Steigerung  (um  0,2  ^  C.)  liess  auf  einen  gfinstigen 
Ausgang  hülfen.  Das  lebhafle  sehr  hohe  Fieber  war  dann 
nur  noch  auf  zwei  Tage  beschränkt  und  endete  mit  einer 
colossalcn  Krise  vom  24.  zum  25.  December.  Die  späteren 
Icichlercn  Schwankungen  kommen  wenig  in  Betracht  —  Zu 
solclitui  sehr  ausgesprochenen  und  starken  Krisen  ist  der 
Zustand  einer  Wöchnerin  überhaupt  prädisponirt,  da  der 
Blutverlust  mit  Beendigung  der  Geburt  und  im  weiteren 
Wochenl)ette  die  sehr  starke  Haulthätigkeit  rasch  einen  be- 
trachtlichen Temperaturlall  bewirken  können.  Die  Möglichkeit 
einer  solchen  wird  sich  dann  aber  immer,  wie  auch  hier, 
schon  in  dem  Temperaturverhalten  innerhalb  der  ersten 
12 — 24  Stunden  post  partum  erkennen  lassen  (cf.  hierzu 
auch  besonders  Fall  No.  4  —  Colpitis  etc.)  und  es  kann 
daher  gar.  nicht  genug  auf  die  Wichtigkeit  derselben  auf- 
merksam gemacht  werden. 


XXIU.   IMf^Jwr,  Mittheiliuigea  über  die  Thätigkeit  etc.    37]^ 

XXUL 

Mitäieiliingeii  ttber  die  Thfltigkeit  und  die  Ver» 
handlungen  der  Gesellschaft  fttr  Oeburtshttlfe 

zu  Leipzig 

im  neunten  Jahre  ihres  Bestehens. 

(Schlass.) 


II.   Eisiges  über  die  Embryotomie  in  der  heutigen 

Geburtshülfe 

unter  Mittheilung  eigener  Erfahrungen 

von 

Dr.  Emil  Apollo  Heissner* 

Vorgetragen  am  16.  Juni  1862. 

Wie  in  der  Polilik,  wie  in  der  Mode,  so  sehen  wir 
auch  nicht  selten  in  der  Wissenschaft  ein  Extrem  auf  das 
andere  folgen,  und  speciell  in  unserer  Disciplin  zeigte  sich 
dies  recht  auffallend  hinsichüich  der  Erobyrotomie.  Nachdem 
das  leidige  Zeitalter  eines  Deisch  und  Mittelhaeuser,  in  dem 
die  Zerslückung  des  Kindes  fast  das  einzige  Rettungsuiittel 
für  die  Mütter  bei  schwierigen  Entbindungen  abgab,  endlich 
glücklich  überwunden ;  —  nachdem  durch  Wendung  und  Zange 
die  deutsche  Geburtshülfe  ein  ebenbärtiger  Zweig  der  Heil- 
kunst geworden;  —  nachdem  die  exacten  neueren  Unter- 
sttchungsmethoden  uns  gelehrt  haben,  nicht  nur  Leben  und 
Tod  einer  Frucht  im  Uterus  zu  erkennen,  sondern  auch  die 
Lagerung  desselben  schon  vor  Beginn  der  Geburtsthätigkek 
genau  zu  ermitteln;  —  nachdem  es  allgemeine  Ehrenpflicht 
aller  Collegen  am  Geburtsbelte  geworden,  selbst  unter  den 
schwieligsten  Verhältnissen  Mütter  und  Kinder  lebend  und 
unversehrt  zu  erhallen ;  —  nachdem  endlich  durch  sorgfältigen 
Unterricht  der  Wehmütter,  durch  weise  und  rationelle  ge* 
seizliche  Ordnung  des  Hebammenwesens  eine  rechtzeitige 
Erkenntniss    und  Hülfe    bei  Querlagen  ermöglicht  ^^s]  — 

2** 


373      XXitl.    IfMMiaer,  Mittheilungen  fiber  die  Tiifttigkdlt 

0 

meinle  man  die  traurige  Indicaüon  dazu  für  die  Folgezeit 
unmöglich  gemacht  zu  haben,  und  somit  verschwand  mit  dem 
gewiss  anerkennungswcrlhen  Wunsche,  der  Zerstflckung  des 
Kindes  in  praxi  nicht  weiter  zu  bedöifen,  dieselbe  fast  voll- 
ständig aus  der  Literatur.  Mehrere  Decennien  hindurch  suchten 
fast  alle  Hand-  und  Lehrbücher  die  Embryotomie ,  wenn  sie 
derselben  überhaupt  noch  gedachten,  als  eine  glücklicher 
Weise  nicht  mehr  erforderliche.  Operationsmethode,  als  ein 
Ueherbleibsel  aus  roher  Vorzeit  hinzustellen,  und  nur  wenige 
ehrliche  Autoren  wagten  den  Zusatz,  dass  für  gewisse  äusserst 
seltene  Fälle,  die  ihnen  allerdings  zumeist  noch  nicht  begegnet, 
als  ultima  Ratio  der  Hülfe  noch  zu  ihr  die  Zuflucht  zu 
nehmen  sein  durfte,  doch  suchte  man  auch  bei  ihnen  nach 
einer  Anweisung  zumeist  vergebens,  wie  man  in  solchen 
Fällen  die  Operation  zu  unternehmen  habe.  Exempla  sunt 
odiosa;  —  sonst  konnte  ich  mittheilen,  wie  eine  seiner  Zeit 
hochgeschätzte  Autorität  der  Aufforderung,  der  Indication 
gemäss  im  verzweifelten  Falle  zu  handeln,  sich  zu  entziehen 
wusste,  und  später  wiederholt  in  mündlichen  Vorträgen  be- 
tonte, wie  „er  ein  sokiies  Operationsverfahren  seihst  noch 
nie  habe  in  Awendung  bringen  müssen.'*  —  Was  Wunder 
also,  wenn  diejenigen  Operateure,  die  sich  unter  dem  Drange 
der  VerhäUnisse  genöthigt  sahen,  nach  eigenem  besten  Er- 
messen schliesslich  die  Embryotomie  zu  unternehmen,  sich 
scheueten,  damit  vor  die  Oeffentlichkeit  zu  treten,  weil  sie 
den  in  der  ölTenlUchen  Meinmig  der  Fachgenossen  nur  zu 
begründeten  Vorwurf  scheueten,  dass  nur  ihre  eigene  Un- 
künnlniss  und  Ungeschicklichkeit  die  Veranlassung  zu  dem 
barbarischen  Endverfahren  gegeben  habe?  —  Und  doch  ist 
Perforation  und  Kephalothrypsis,  von  denen  wir  bestimmt  wissen, 
dass  sie  jährlich  in  hundert  und  aber  hundert  Geburtsfallen 
auf  unserem  Erdlheil  vorgenommen  werden,  nichts  Anderes 
als  die  Zerstückung,  die  Zertrümmerung  des  edelsten  und 
lebenswichtigsten  Kindestheiles  1  Warum  sollte  nun  nicht  auch, 
obschon  seltener,  hinsichtlich  der  anderen,  allerdings  gewöhn- 
lich weit  nachgiebigeren  und  daher  ungleich  seltener  ein 
Geburtsliinderniss  abgebenden  Theile  die  unbedingte  Nolh- 
wendigkeit  sich  herausstellen* können,  behufs  der  schliesslich 
doch   noch   zu  bewirkenden   Extraction   eine    derartige    ?ei> 


n.  d.  Verbandl.  d.  OeselUcbaffc  fOebnrtshülfe  su  Leipvig  etc.    373 

kleinermle,  Terstriinmelnde,  trennende  Operation  am  Kindes* 
körper  vorzunehmen?  Oder  sollte  man  etwa  einem  allerdings 
herrschenden  Vorurtheil  zu  Gefallen  so  weil  gelten,  in  der 
ftu8$ersten  Lebensgefahr  die  gebärenden  Frauen  hulfios  zu  lassen, 
bis  die  nüt  jeder  Wehe  drohender  lierantrelende  Ulerusruptur 
für  das  grausame  Schauspiel  des  Gehärun Vermögens  hei  nicht 
nacblassentlem,  ja  immer  stärkerem  Wehendrange  das  traurig« 
und  doch  für  die  unwillkürlich  erfolgh)S  sich  ahmiHiende 
und  liülflos  Dahinslerhende  zu  gönnende  Finale  bildet?  Aus 
diesen  Erwägungen  müssen  wir  bei  aller  Lebhaftigkeit  des 
auch  von  uns  gelheilten  Wunsches,  alle  die  sogenannten 
blutigen  Operationen  in  der  Gehtu'tshnlfe  auf  eine  möglichst 
geringe  Anzahl  von  Entbindungen  zu  beschränken,  es  rühmend 
als  einen  Fortschritt  in  der  Wissenschaft  bezeichnen,  auch 
hier  nunmehr  der  Wahrheit  die  Ehre  gegeben,  die  alte  falsche 
Schaam  überwunden  zu  haben,  und  namentlich  der  Neuzeit 
das  ehrende  Zeugniss  geben,  durch  Miltlieilimg  schonender 
Methoden,  Empfehlung  eigens  dazu  construirter  Instrumente 
und  dergleichen  endlich  belehrendes  Licht  verbreitet,  und  so 
namentlich  auch  durch  die  Aufstellung  bestimmter  Indi- 
cationen  für  die  Embryolomie  ihie  moralische  und  huma- 
nistische Berechtigung  als  geburtshülfiiche  Opera lionsweise 
für  gewisse  äussersle  Fälle  revindicirt  zu  haben.  — 

Unter  den  Anzeigen  selbst  nun  ist  1)  die  abnorme 
Vergrösserung  des  Fötus  durch  Verwachsung  von 
Zwillingsfrüchten ,  durch  Monstrositäten  per  excessum,  hin- 
sichtlich der  Zahl  der  Extremitäten,  oder  durch  pathologische 
Zustünde  in  Brust-  und  Bauchhöhle  (enorme  Volumenszunahme 
der  Organe,  Wasseransammlungen  etc.)  meiner  Ansicht  nach 
vorauszustellen,  obgleich  nur  seilen  so  liohe  Grade  vorkommen, 
dass  die  Zerstückung  deshalb  nöthig  wird ;  —  aber  wo  durch 
dergleichen  fehlerhafte  Bildungen  ein  absolutes  Missverhältniss 
zum  Beckenraume  gegeben  ist,  tritt  uns  eben  eine  unabwendbare 
Indication  zur  Embryolomie  entgegen.  Keine  Versäumniss- 
schuld während  der  ersten  Geburtsperioden  kann  hier  an- 
geklagt werden ,  und  selbst  die  meist  unmögliche  Erkenntniss 
der  vorliegenden  Bildungsfehler  am  Fötus  schon  während 
der  Schwangerschaft  vorausgesetzt,  ist  eine  Prophylaxis  eben 
80  wenig  als  später  bei  Eintritt  eines   daraus  resultirenden 


374      XXIII.   Meißner,  Mittheilan^ea  aber  die  Thiti^keit 

Geburisbindernisses  eine  Anweisung  zum  Operationsyeifafaren 
aufzustellen  möglich.  Hinsicbüicb  der  fötalen  MisAbildnngen 
kommen  so  unendliche  Verschiedenheiten  vor,  sind  so  viele 
Möglichkeiten  denkbar,  dass,  wenn  ja  bei  den  überdies  so 
äusserst  seltenen  Fällen  die  Noth wendigkeit  der  Zerstnckung 
zu  Tage  tritt,  nur  nach  der  Individualität  des  einzelnen 
Falles  zu  handeln  ist.  Es  empfiehlt  sich  daher  zu  dem  Ende 
ein  Eingehen  mit  der  Hand  in  den  Uterus,  um  die  Natur  der 
Missbildungen  zu  erforschen  und  eine  darauf  angemessene 
Wahl  unter  den  später  niitzutheilenden  Operattonsmethoden 
zu  treffen.  — 

Dagegen  linden  wir  fast  durchgängig  in  der  ganzen  ein- 
schlagenden Literatur  die  häufigste  Indication  zur  Embryotonne, 
nämlich  2)  die  Unmöglichkeit  der  Wendung  bei  der 
ins  Becken  eingekeilten,  vom  Uterus  fest  um- 
schlossenen Querlage  eines  todten  Kindes  lediglkh 
als  Folge  von  Vernachlässigung  dargestellt.  Ich  selbst  zweifele 
zwar  nicht,  dass  für  die  unbedingt  weitaus  grösste  Mehrzahl 
der  Fälle  der  allerdings  verspätete  Eintritt  geburtsärztlichor 
Hülfe  als  einzige  Ursache  des  Misslingens  aller  Wendongs- 
versuche  angesehen  werden  muss;  —  möchte  aber,  leider 
durch  eigene  Beobachtungen  erst  belehrt,  nicht  den  exclusiven 
Standpunkt  und  das  Verdamm  ungsurtheil  der  bisherigen 
Autoren  theilen,  welche  (ohne  die  folgenschweren  Compli- 
cationen  nur  im  Mindesten  zu  würdigen,  welche  Seiten  der 
mütterlichen  Geburtswege  ein  zeiliges  Operiren  conlraindiciren 
oder  ganz  verhindern,  und  die  spätere  Hülfe  wesentlich 
erschweren  und  gefährlich  machen  können)  einstimmig  die 
Hebammen  und  zunächst  zugezogenen  Collegen  beschuldigen, 
durch  Säumniss  allein  die  traurige  Situation  veranlasst  zu 
haben.  Ich  sagte ,  dass  ich  leider  erst  durch  eigene 
Beobachtungen  zu  einer  anderen  Ansicht  gekommen  bin;  — 
die  beiden  Beobachtungen  aber,  welche  ich  Ihnen  nun  im 
Folgenden  ausführlich  mittheilen  will,  haben  für  mich  ein  um 
so  grösseres  Gewicht,  weil  sie  die  Unmöglichkeit  der  Wendung, 
selbst  für  einen  anerkannten  Meister  der  Kunst,  bei  einer 
durchaus  ganz  gleichen  Reihe  auf-  und  auseinanderfolgender 
Complicationen  bedingten ;  als :  Vorfall  der  Gebärmutter,  auch 
noch  am  Ende  der  Schwangerschafl  sich  in  massigem  Grade 


o.  d.  VeriuuidL  d.  GksoUscbftft  f.  GebartohUlfe  %n  Leip«is  eic.    375 

geltend  machend «  Emklemmung  des  unteren  Uierinsegiiienle6 
im  kleinen  Becken,  dadurch  bedingte  Metrilis  und  vorzeitiger 
Abgang  des  Fruchtwassers,  heftige  Webeu  ohne  gehörig 
fortschreitende  Erweiterung  des  Muttermundes,  und  als  leztere 
endlich  erzwungen:  complete  Umschliessung  der  Frucht  durch 
die  fest  contraturte  Gebärmutter.  —  Ich  lasse  zunächst  die 
beiden  Beobachtungen  selbst  folgen: 

Eleonore  Wültelmine  Findeisen,  Handarbeiterin  aus 
Liebertwolkwitz ,  38  Jahre  alt ,  früher  stets  gesund  und 
regelmässig  menstruirt,  hatte  bereits  zwei  Male  ohne  Kuns^ 
IiQUb  geboren,  doch  war  eine  dreitägige  Geburtsarbeit  jedes 
Mal  der  Entbindung  vorausgegangen.  Nach  dem  ersten 
Wochenbette  bildete  sich,  angeblich  in  Folge  von  An- 
strengungen im  Dienste,  ein  sich  immer  mehr  vergrössernder 
Scheiden-  und  Gebärmuttervorfall  aus,  doch  so,  dass  gewöhn- 
lich nur  eine  Falte  der  vorderen  Scheiden  wand ,  seltener 
auch  die  Portio  vaginalis  uteri  zwischen  den  grossen  Scham- 
ÜH^n  hervortraL  Nach  ihrer  dritten  Conception,  weiche 
Hitie  October  1853  erfolgt  war,  machten  sich  die  Beschwerden 
des  Vorfalles  so  geltend,  dass  ihr  im  April  1854,  als  sie 
sich  behufs  ihrer  Niederkunft  in  der  Entbindungsschule 
meldete,  die  Proposition  gemacht  wurde,  zur  möglichsten 
Linderung  dieser  Beschwerden  sofort  in  die  Anstalt  einzutreten. 
Dies  that  sie  am  1.  Mai;  wo  sich  gleichfalls  nur  eine  Falle 
der  vorderen  Scheiden  wand  zwischen  den  Lab.  pudend.  zeigte; 
der  untere  Gebärmutterabschnitt  war  bis  in  die  Höhle  des 
kleinen  Beckens  herabgetreten.  Neben  ruhiger,  horizontaler 
Lage  im  Bette  wurden  früh  und  Abends  Sitzbäder  von 
Infusum  berbae  Meliloti  gebraucht,  der  Stuhlgang  durch 
Klystire  erleichtert,  nach  dem  dritten  Sitzbade  in  horizontaler 
Lage  der  Schwangeren  der  Prolapsus  reponirt  und  ein  Leinwand- 
cylinder,  mit  Pulv.  cortic.  quercus  und  radic.  calami  aromatici 
gefallt,  eingebracht,  auch  durch  eine  T-Binde  und  eine  vor 
die  Schamspalte  gelegte  Compresse  befestigt.  Am  zweiten 
Tage  darauf  wurde  der  Cylinder  mit  einem  neuen  vertausdit, 
und  der  F,  gestattet,  einige  Standen  aufzustellen  und  herum- 
zugehen»  wobei  die  vordere  Scheidenwand  nicht  weiter  hervor- 
trat. Am  4.  Mai  Nachmittags  wurde  die  F,  auf  ihr  Ansuchen 
mit  der  Weisung  wieder  entlassen,  an  jedem  zweiten  Tage 


376      ZXIIJ.   Meiunw,  Mittbeilaii^en  filier  die  Th&tigbeit 

behnfe   der   Ekibringuog   dnes   neuen   Cylinders   wieder   zo 
kommen  und   sich  jedweder  Körperanstrengung  zu  enthaUea. 
Sie  that  jedoch  weder  das  Eine,   noch  das  Andere,  und  so 
war  am  6.  Mai  Nachmittags  beim   Tragen  gefüllter  Wasser* 
kannen  der  Cylinder  aus  der  Vagina  herausgedrängt  worden, 
die  Falte  der  vorderen  Scheidenwand  zwischen  den   grossen 
Schamlippen  wieder  herausgetreten,  auch  etwas  Fruchtwasser 
sofort  mit  abgegangen.     Erst  nach  Eintritt  kräftiger  Wehen 
am  8.  Mai  Nachmittags  kam  sie  wieder  in  die  Anstalt.    Die 
Untersuchung  ergab  jetzt  die  Scheide  von  erhöhter  Temperatur, 
die    vordere   Wand    jedoch    nicht    vorgetreten,    die    Portio 
vaginalis   tief  in  der  Höhle   des  kleinen  Beckens,   Mntlerhals 
noch    V4   2^^^    '^"Ef    ^>^   vordere   Muttermundslipppe   sehr 
verdickt,  Muttermund  noch  geschlossen;  der  Uterus  von  den 
Baucbdeeken  aus  sehr  fest  contrahirt  und   hart  anzufl&hien, 
und   so   die  Lage  des  Kindes  weder  von   Innen  noch  von 
Aussen  zu  ermitteln,  Herzschläge  desselben  nicht  vernehmbar, 
dabei    unausgesetzt    schleichender    Abgang    gelblich  -  gritoien 
Fruchtwassers.     Abends  11  Uhr  zeigte  sich  der  Muttermund 
Ys  Zoll  im  Durchmesser  erweitert,  und  in  ihm  anscheinend 
ein  Kniegelenk  vorliegend,  doch  war  die  Substanz  der  Portio 
vaginalis  weder  verdünnt,  noch  lockerer  geworden,  ja  gegen 
Mitternacht  zog  sich  der  Muttermund  wieder  mehr  zusammen. 
Nachts  1  Uhr  (am  9.  Mai)   trat  Erbrechen  einer  schleim^ 
grünlichen  FiOssigkeit,   darauf  von  2 — 5  Uhr  Morgens  eine 
Wehenpause,  Vormittags  11  Uhr  aber  ein  heiliger  Fieberfrost 
ein;  letzterem  folgte  Ritze  mit  sehr  frequentem  vollen  Pulse 
und    starkem  Schweisse,   se  dass  erst  Nachmittags  2   Uhr, 
als  ein  Nachlass  in   dem  Sturme  der  Aligemeinerscheinnngen 
erfolgte,   ein  Versuch   zur  kunstlichen  Entbindung   gemacht 
werden  konnte.     Die   F.   wurde  auf  das  Querbett  gebracht, 
und  Joerg  fahrte  seine  rechte  Hand    m    die   Seheide  ein, 
aus  der  ein  alkalisch -stechender  Geruch  hervordrang.    Nicht 
ohne  Schwierigkeiten  vermochte  der  Operateur  die  manuelle 
Erweiterung  des  Muttermundes  zu  bewirken;  weit  scbwieriger 
aber  war  es  für  ihn,  vor   dem   stark  hervorragenden  Pro*- 
montorium   vorbei,    neben   dem   sehr  eingeklemmten   Rinde, 
welches  mit  der  linken  Schulter  vorlag,  die  Hand  in  die  fest 
cpntrabirte  Gebärmutterhöhle  einzudrängen.    Nachdem  die  F. 


Q.  d.Yeirliatidl.  d.  OeselUchaft  f.  GeburUhülfe  zu  Leipsig  etc.    377 

«Ke  Knie-EUetthogenlage  eingenommen,  erreichte  Joerg's 
Hand  die  Schenkel,  aber  selbst  bei  den  angestrengtesten,  und 
uriederhollen  Versuchen  wollte  es  nicht  glücken,  auch  nur 
einen  derselben  berabzuleilen.  Die  durch  den  heftigen  Druck 
des  Uterus  erlahmte  rechte  Hand  vertauschte  der  Operateur 
spAter  mU  der  linken,  ohne  einen  günstigeren  Erfolg  zu 
erzielen,  und  so  musste  ^I^A.  Uhr  einstweilen  von  der  weiteren 
Fortsetzung  der  bis  dahin  unausgesetzten  Wendungsversuche 
abgesehen  und  der  Gebärenden,  deren  Wehen  jetzt  aussetzten, 
Ruhe  gegdnnt  werden.  Nach  5  Uhr  wurden  die  Wehen 
wieder  stärker,  die  nach  dem  mittlerweile  erfolgten  Vorfalle 
des  linken  Armes  von  heiligem  Drange  zum  Mitpressen  begleitet 
waren.  Am  vorgefallenen  Arme  löste  sich  bereits  die  Epider- 
mis, und  aus  der  Vagina  drang  ein  fauliger  Geruch.  Nachdem 
um  6  Uhr  die  F,  wieder  aufs  Querbett  gebracht  worden, 
suchte  Joerg  den  spitzen  Haken  in  eine  Sutur  des  auf  dem 
rechten  Darmbeine  oberhalb  der  Linea  innoniinata  ruhenden 
Kopfes  einzubringen  und  so  letzteren  neben  dem  Arme  ins 
kleine  Becken  herabzuziehen.  Aber  dieser  Plan  misslang,  der 
Haken  machte  eine  Oeffnung  in  die  linke  Thoraxhalfle  ohn* 
weit  «des  Schultergelenkes,  riss  aber  bei  den  Versuchen,  diese 
tiefer  in*s  Becken  herabzuziehen,  öfters  aus,  so  dass  die 
Brusthöhle  geoffliet ,  eitiige  Stöcken  der  Rippen  und  der 
Clavicula  entfernt  wurden  und  die  linke  Lunge  hervortrat 
auch  endlich  der  linke  Arm  mit  der  Scapuia  abriss;  wobei 
fortwährend  faulige  Gasarten  aus  Uterus  (Physometra)  und 
Vagina  unter  Geräusch  (dem  Abgange  von  Darmgasen  ähnlich) 
hervordrangen.  Nach  V49  Ulir  Abends  war  ich  an  tJoerg*8 
Stelle  getreten  und  vermochte  nun  neben  dem  verkleinerten 
Truneus  an  der  hinteren  Gebärmutterwand  in  die  Höhe  gehend 
zu  den  Füssen  des  Kindes  zu  gelangen  und  diese  herab  zu 
leiten.  Schnell-  toigte  darauf  der  Truneus  und  nach  Losen 
des  in  die  Holte  geschlagenen  rechten  Armes  auch  der  sehr 
langgedruckte  Kopf.  Dagegen  musste  die  Placenta  später 
noch  wegen  der  (im  Gegensatz  zu  der  alsbald  in  der 
Cervicalportion  wieder  stärker  contrahirten  Musculatur)  im 
Fundus  uteri  stattfindenden  Atonie  künstlich  gelöst  werden.  — 
Die  Mutter  starb  am  vierten  Tage  darauf  in  Folge  von 
Putrescenz  des  Uterus  und  Gangrän  der  Scheide. 


378      XXIII.    Meümm-,  Mittheilangen  filber  die  Thatigkeit 


Die  z weile  Beobachtung  betriff  einen  Fall  in  der 
unseres  Collegen  Kreusshr,  durch  dessen  Aufzeichnungen 
meine  heutige  Darstellung  wesentlich  unierstdtzt  worden  ist: 
Die  Handarbeiters  Ehefrau  Geidd  in  Volkmarsdorf,  untei^ 
mittelgrossen  Körperbaues  und  schwächlicher  Constitution,  batle 
bereits  dreimal  glücklich  und  ohne  Kunsthfilfe  geboren,  und 
angeblich  in  Folge  der  letzten  Niederkunft  einen  Prolapsus  uteri 
sich  zugezogen.  Zum  vierten  Male  schwanger  consolürte  sie  JT. 
bereits  am  18.  August  1861  wegen  blutigen  Abganges  aus  der 
Scheide  und  heftiger  Kreuzschmerzen.  —  Am  9.  September  rief 
sie  K,  wieder,  da  die  Kreuzschmerzen  immer  intensiver  ge- 
worden, auch  ein  copiöser  Schleimabgang  aus  der  Scheide  sich 
eingestellt  hatte.  K  fand  bei  der  HannaluntersucbuBg  den  Uterus 
faustgross  aus  der  Scheide  prolabirt.  Der  aus  dem  wulstigen, 
für  den  untersuchenden  Finger  etwas  durchgängigen  MuUei^ 
mund  hervordringende  Schleimabgang  war  zwar  missfarbig, 
doch  nicht  so  stinkend,  wie  zwei  Tage  später  bei  der  Geburt. 
Reposition,  Ordination  von  Op.  pur.  cum  Ipecae.  aa  V«  gr., 
Anempfehlung  strengster  Ruhe.  —  Am  11.  September  Nach- 
mittags sandte  die  Hebamme  Ruprecht,  die  schon  seit  früh 
10  Uhr  bei  der  Gebarenden  gesessen  hatte,  zu  JT.,  der  aber 
auf  entfernter  Landpraxis  vom  Hause  abwesend  war  und  erst 
Abends  8  Uhr  bei  der  O.  ankam.  Die  Hebamme  berichtete, 
dass  kurz  nach  ihrer  Ankunft  die  Gebärende  von  einem 
heftigen  Schultelfroste  befallen  worden  sei,  in  Folge  dessen 
dieselbe  über  unaufhörliche  Schmerzen  in  der  Kreuzgegend 
und  in  den  Füssen,  wie  allgemeines  Unwohlsein  klagte,  ohne 
dass  eine  normale  Wehenthäligkeit  zu  bemerken  gewesen, 
oder  die  ungefähr  die  Grösse  eines  ZweithaWsUickös  be- 
tragende Erweiterung  des  Mutt^mundes  seitdem  vorgeschritten 
sei.  Stellen  einer  Blase  und  Fruchtwasserabgang  war  aber 
weder  von  der  Hebamme,  noch  von  der  Gebärenden  beaierkt 
worden.  Gleich  bei  K's  Eintritt  in  die  Stube  war  diesem 
ein  sehr  übler  Geruch  auifailend  gewesen,  der  bei  der  Unier- 
sucliung  ganz  unerträglich  wurde,  denn  er  kam  aus  der 
Scheide,  resp.  aus  dem  Uterus.  Bei  der  Untersuchung  stiess 
K.  auf  den  sehr  tief  in  die  Beckenhöhle  hereinragenden 
rechten  Ellenbogen,  der  Kopf  lag  in  der  rechtep  Seite  der 
Mutter,  das  Gesicht  der  vorderen  Gebärroutterwand  zugekehrt. 


XL.  d.yerhancLI.  d.  GeselleclMifl  f.  Gebnrtshülfe  sn  Leipsig^  etc.    379 

die  Fasse  links.  K.  versuchte  die  Wendung  zuerst  in  der 
Rückenlage,  dann  in  der  Seitenlage  und  zuletzt  in  der  Kni^ 
EUenbogenlage  der  Gebärenden,  ohne  dass  es  ihm  bei  der 
heftigen  tonischen  Contraction  des  Uterus  gelingen  wollte,  die 
Fiisse  zu  erfassen  und  herabzuziehen.  Nach  einer  Stunde  ' 
Tergeblichen  Hilhens  liess  mich  K.  rufen,  zumal  ein  abei^ 
maliger  Schfiltelfrust  mit  mehrmaligem  Erbrechen,  Leichen- 
blasse  des  Gesichtes,  Ausbrechen  kalten  Schweisses  auf  der 
Stirn  und  Kälte  der  Extremitäten  eintrat  Erst  durch  warme 
Breiumschläge  auf  den  Unterleib  und  Wärmflaschen  an  den 
Possen  war  es  gelungen,  die  Gebdrende  zu  erwärmen  und 
in  Schweiss  zu  bringen.  Ich  fand  dieselbe  mit  einem  kleinen 
sehr  frequentem  Pulse  (144)  im  bewusstlosen  Zustande  und 
delirirend.  Nachdem  auch  ich  einen  Tergeblichen  Wendungs- 
▼ersuch  angestellt  hatte,  und  dabei  auch  der  linke  Arm  mit 
prolabirt  war,  glaubten  wir  bei  der  ungemeinen  Dringlichkeit 
der  Erscheinungen  Seiten  der  Mutter  und  dem  nicht  zu 
bezweifelnden  Tode  des  Kindes,  ja  dessen  bereits  ein- 
getretener Fäulniss  von  allen  weiteren  Wendungsversuchen 
absehen  zu  müssen.  Ich  führte  deshalb  den  stumpfen  Haken 
um  den  Hals  des  Kindes  und  versuchte  unter  gleichzeitiger 
Anziehung  des  rechten  Armes  nach  dem  Mechanismus  der 
Selbstentwickelung  die  Extraction  zu  ermöglichen,  was  nicht 
nur  nicht  gelang,  sondern  das  Losreissen  der  rechten  oberen 
Extremität  zur  Folge  hatte.  Nachdem  so,  ehe  ich  es  be- 
absichtigte, die  Zerstöckung  bereits  begonnen,  zögerte  ich 
keinen  Augenblick,  den  spitzen  Haken  in  den  packen  einzu- 
setzen und  mit  Deckung  der  Spitze  durch  den  Zeigefinger 
meiner  linken  Hand  .einige  halbkreislißrmige  Drehungen  vor- 
zunehmen. Mit  kaum  geahnter  Leichtigkeit  und  SchneHigkeit 
war  die  Decapitation  vollbracht  und  der  Rumpf  ausgezogen. 
Weniger  leicht  war  die  Extraction  des  zurückgebliebenen 
Koj)fes,  die  mir  endlich  noch  durch  Einfuhrung  eines  Fingers 
in  das  Hinterhauptsloch  gelang.  Dr.  KreuBsler  entfernte 
durch  leichten  Zug  am  Nabelstrange  alsbald  darauf  die 
Placenta,  an  deren  Rande  die  Eihäute  kurz  abgerissen  waren, 
Das  Kind  trug  die  deutlichsten  Spuren  bereits  weit  fort- 
geschrittener Fäulniss  (die  Epidermis  war  in  grossen  Stücken 
gelöst  oder  streifte  sich  bei  der  geringsten  Bewegung  ab)  an 


380      XXni.    Meumer,  Mittheiliin^en  tfber  die  TbKtfgkeit 

sich;  und  war  anschriripml  mf  oder  hödistens  vierzehn  Tage 
Tom  Reifefermine  annocli  entfernt.  —  Die  Mutter  hlieb  an- 
dauernd in  liefligem  Fieber  (144  Puls),  der  andauernd 
penetrante  Geruch,  die  missfarhigen  Exsudate  an  unf^eren 
untersnelienden  Fingern  kennzeichneten  die  septische  Melrifts 
nnd  die  HofTnungsiosiglieit  ihres  Zuslandes  hinlänglich.  Es 
wurde  Ipecacuanha  cum  Opio  aa  gr.  V^  und  der  Gehrauch 
antiseptisclier  InjiTlionen  angeordnet,  doch  schon  nach  wenigen 
Stunden,  am  12.  Sej)temher  fiiih  V^ß  l^lir  war  sie  sanft 
versdiieden ,  olnie  aus  ihrer  Bewussllosigkeil  wieder  erwacht 
zu  sein.  Die  Seclion  wurde  von  den  Hinlerlassenen  verweigert. 
Es  bedarf  wolil  keiner  weiteren  Betheuerung,  dass  nur 
allein  das  wissenschafi liehe  Interesse  mich  verlassen  konnte, 
diese  beiden  Beobachtungen  lieute  bekannt  zu  machen;  — 
der  überaus  traurige  Ausgang  l)eider  Fälle,  die  höchst  uner- 
quickliclie  Erinnerung  an  den  nichts  weniger  als  ästhetischen 
Anblick  eines  zerfleischten,  todtfaulen  Truncns,  beide  Mal 
eines  Oberarmes,  einmal  auch  des  Kopfes  beraubt,  endlich 
die  mehr  als  zweideutige  Ehre,  die  mit  dergleichen  Operations- 
fällen einzulegen  ist ,  erscheint  allseilig  zu  wenig  verlockend.  — 
Aber  die  grösste  Lebhaftigkeit  meines  Wunsches,  nie  selbst 
wieder  in  dieser  Art  operativ  thälig  sein  und  gleich  traurigen 
Ausgängen  auch  fQr  die  Mutter  entgegensehen  zu  müssen, 
wie  auch  anderwärts  dergleichen  Fälle  möglichst  vermieden 
zu  sehen ,  —  scheinen  mir  nicht  nur  es  zu  recht- 
fertigen ,  sondern  sogar  gebieterisch  zu  verlangen ,  dass  mau 
in  ihrer  vollen  Schwere  diejenigen  Verhältnisse  und  Conipli- 
cationen  eruire,  welche  crfahrungsgemäss  so  unüberwindliche 
Hindernisse  für  die  Wendung  einer  quergelagerlen  Frucht, 
so  erhebliche  Gefahren  auch  für  die  Mutter,  so  schwere  und 
traurige  Indicationen  für  den  Geburtshelfer  involviren.  Ich 
bezeichnete  vorhin  demgemäss  als  Veranlassung  dazu  die 
in  beiden  von  mir  beobachteten  Fällen  durchaus  gleiche 
Reihe  aus-  und  aufeinander  folgender  Complicationen ,  at^: 
Vorfall  der  schwangeren  Gebärmutter,  Einklemmung  des 
unteren  Uterinsegmentes  im  kleinen  Becken,  dadun*.h  Gedingte 
Metritis  mit  vorzeitigem  Abgange  •  des  Fruchtwassers,  heOige 
Wellen  ohne  gehörig  fortschreitende  Erweiterung  des  Mutter- 
mundes und  complete  Uroschliessnng  der  Frucht  durch  tonisehe 


VL.  d.  Verhandl.  d.  Geselhchaft  f.  Geburtslittife  sn  Leipzig  etc.    381 

Contraciur  der  uterinaien  Muskulatur.  —  Bedarf  es  fAr  die 
Glaubhaftigkeit  dieser  meiner  Annahme  noch  eines  weiteren 
Beweises,  so  mag  ein  Hinweis  auf  die  Sammlung  schwieriger 
Geburtsßlle  genügen,  welche  sich  in  Dr.  V,  Hüter's  Arbeit 
(Monatsschrift  för  Geburtskunde,  Bd.  16,  Heft  3,  S.  186) 
finden,  denn  unter  79  Beobachtungen  von  Vorfall  der  Gebär- 
mutter während  der  Schwangerschaft  und  Geburt  erfolgte 
nur  in  sechs  Fällen  naturlicher  Geburtsverlauf,  in  einem 
Falle  starb  die  Frau  nach  dreitägigen  Wehen  unent- 
bunden  ;  die  Geburtsverzögerung  war  allenthalben  in  der 
Unnachgiebigkeit  des  Muttermundes  begründet,  welche  auf 
dessen  Gewebsveränderung,  Induration  und  Hypertrophie  be- 
ruhet. Wer  sich  ausserdem  über  die  Schwierigkeiten  unter- 
richten will,  welche  sich  der  Entbindung  des  prolabirten 
Uterus  entgegensetzen,  der  lese  die  Originalmittheilungen  von 
Seidel  (Organ  für  die  gesammte  Heilkunde,  herausgegeben 
von  sämmllichen  Medico- Chirurgen -Vereinen  des  preussischen 
Staates,  8.  Jahrg.,  1859,  3.  Heft,  S.  152),  Scheurich  (eben- 
daselbst, 9.  Jahrg.,  1860,  6.  Heft,  8.  343),  Felsenthal 
(Intelligenzblatt  bayrischer  Aerzte,  No.  25,  vom  18.  Juni  1859, 
S.  314),  Huaty  (Allgemeine  Wiener  medicinische  Zeitung, 
7.  Jahrg.,  No.  5,  vom  4.  Februar  1862,  S.  46),  Costa 
Leite  (aus  Gaz.  med.  de  Porto  excerpirt  in  Gaz.  med.  de 
Paris  1862,  No.  17,  S.  262)  und  Weickert  (Deutsche 
Klinik,  No.  29,  vom  19.  Juli  1862,  S.  286).  —  Demgemäss 
wurde  ich  in  der  Folge  bei  Prolapsus  der  Gebärmutter 
in  partu  nicht  Bedenken  tragen,  die  Unnachgiebigkeit  der 
Portio  vaginalis  bei  hinreichender  Wehenthätigkeit  durch  er- 
giebige Incisionen  baldigst  zu  heben,  bevor  die  schnell  sich 
steigernde  Reizung  der  uterinaien  Muskulatur  einen  zu  hohen 
Grad  erreiclil,  und  durch  allzufeste  Umschliessung  der  Frucht 
die  complete  Unmöglichkeit  der  Wendung  herbeigeführt  liat. 
Nur  ein  demgemäss  energisches  und  zeitiges  Einschreiten 
wird  unter  derartigen  Verbältnissen  die  ausserdem  spiiter 
meist  sicher  zu  erwartende  traurige  Indication  zur  Zersluckung 
und  einen  gleichbeträbenden  Ausgang  der  Gebprt  und  des 
Wochenbettes  verhüten  können,  und  deshalb  die  eindringlichste 
Warnung  vor  dem  exspectativen  Verfahren  und  fnichliosen 
Versuchen  mit  milderen,  die  Erweiterung  des  Huttermuode9 


382      XXUI.    M^Usner,  Mit(heilQn|re&  über  die  Tliätigkeit 

befördernden  Mitteln  auf  Grund  meiner  Beobachtungen   hin- 
reichend gerechtfertigt  erscheinen. 

3)  Die  Amputation  des  Armes,  wenn  dieser  in  Folge 
von  Vorfall  desselben  neben  dem  Kopfe  eingekeilt 
und  bedeutend  angeschwollen  ist,  wurde  zwar  mit- 
unter vorgenommen^  doch  von  den  meisten  Autoren  nicht 
als  wissenschaftlich  indicirt  anerkaunt,  da  sie  zur  Beendigung 
der  Geburt  nicht  absolut  nölhig  sei  und  höchstens  bei  sicher 
eingetretenem  Tode  des  Kindes  zur  Erleichterung  des  opera- 
tiven Verfahrens  vorgenommen  werden  dürfe,  ohne  dass  ein 
Kunstfehler  deshalb  anzunehmen  sei.  Wegen  des  immerhin 
möglichen  diagnostischen  Irrthumes  hinsichtlich  des  erloschenen 
kindlichen  Lebens  mag  hier  als  Warnung  auf  Joseph  Her- 
mann Schmidts  Superarbitrium  (zur  gerichtlichen  Geburts- 
hülfe,  I.  Abiheilung,  Berlin  1851,  S.  1)  verwiesen  werden. 
Denn  wenn  ich  auch  dem  berühmten  Concipienten  desselben 
hinsichtlich  der  Freisprechung  des  betreffenden  Geburtsarztes 
von  dem  diesem  zur  Last  gelegten  Vergehen  beislimroe,  se 
würde  doch  für  spätere  Fälle  eine  Präjudiz  daraus  um  so 
weniger  zu  abslrabiren  sein,  da  die  sichere  Kenntniss  des 
noch  möglichen  Lebens  des  Kindes,  auch  wenn  der  längere 
Zeit  neben  dem  Kindeskopfe  eingekeilte  Arm  schon  blauschwarz 
geworden  und  uro  das  Dreifache  seines  Volumens  kissenartig 
angeschwollen  ist,  nur  als  Belastungsmoment  dienen  würde. 

Wenn  4)  wegen  Becken  enge  die  Vornahme  des 
Kaiserschnittes  von  der  Gebärenden,  resp.  ihren  Angehörigen, 
verweigert  oder  der  rechte  Zeitpunkt  dazu  längst  versäumt 
worden,  auch  das  Kind  todt  ist;  wo  nicht  gai*  nach  Perforation 
und  sonstiger  Verkleinerung  des  Kopfes  das  Kind  wegen 
absolutem  Missverhältniss  zum  knöchernen  Geburtswege  nicht 
geboren  werden  kann,  bleibt  nichts  als  die  Embryotomie 
übrig.  In  diese  unangenehme  Nothwcndigkeit  sah  ich  mich 
leider  am  12.  Januar  1860  versetzt,  als  meine  Hülfe  von 
zwei  erschöpften  Landärzten  requirirt  wurde,  nachdem  die 
2r)jährige  Tagelöbnersfrau  Fleischer  in  Allsellerhausen  schon 
seit  dem  8.  Januar  Abends  gekreist  hatte.  Ich  fand  eine 
rhachilische  Erstgebärende  mit  2%  Zoll  Conjugata,  die  auch 
erst  im  fünften  Lebensjahre  halte  laufen  gelernt*  Nach  an- 
gestellter Perforation  des  Kindes  waren  drei  Stunden  lang  bereits 


Q.  d.  VerbandL  d.  Gesellscbaft  f.  C ebnrtoliSUe  %n  Leiptig^  eto.    388 

fruchtlose  Versuche  zur  ExtractioD  mit  dem  Haken  gemacht 
und  der  grösste  Theil  der  Schädel- .  und  Gesichlsknochen 
durch  die  Kochenzange  entfernt  worden.  Da  ein  Kephalo- 
thryptor  nkht  zur  Stelle  war,  der  Kopf  für  den  spitzen  Haken 
aber  keinen  festen  Ansatzpunkt  mehr  gewählte,  suchte  ich 
durch  Einsetzen  desselben  in  die  Halswirbel- Zwischenräume 
die  Extraction  zu  ermöglichen ,  musste  aber  bald  davon 
abstehen,  als  sich  eine  Lockerung  zwischen  denselben  immer 
mehr  geltend  machte.  Unter  diesen  Umstanden  zog  ich  mit 
dem  in  die  betreffende  Achselhöhle  eingesetzten  stumpfen 
Haken  zuerst  den  rechten  (sich  ablösenden)  und  dann  den 
linken  Arm  in  die  Scheide  herab,  worauf  endlich  der  Rumpf 
ehies  mittel  grossen ,  zum  Theil  mit  sich  lösender  Epidermis 
bedeckten  Knaben  ausgezogen  werden  konnte.  —  Die  Mutter 
ist  sieben  Tage  später  an  Gangraena  pudendorum  verstorben. 
Ein  nicht  nur  am  Orte  seiner  praktischen  Wirksamkeit 
geschätzter,  sondern  auch  weltbekannter  Operateur  brach 
einst  bei  der  unabwendbaren  Nothwendigkeit,  die  Zerstilckung 
vorzunehmen,  in  die  mir  noch  jetzt  in  den  Ohren  klingenden 
Worte  aus:  ,,hier  hört  die  Kunst  auf!'*  Allerdings  eine 
characterisliscbe  Aeusserung  für  die  CoUision  seines  Gefühles 
bei  der  unabwendbar  dringenden  Indication  zur  Embryotomie 
mit  der  sonst  von  ihm  aufgestellten  Anforderung  an  die 
Geburtsärzte,  nicht  nur  eine  möglichst  schonende  Handlungs- 
weise in  partu  Platz  greifen  zu  lassen,  sondern  ein  auch 
äusserlich  ästhetisch- künstlerisches  Gepräge  im  Operiren  zu 
offenbaren;  —  aber  keine  Verrufserklärung  der  Kunst,  als 
Inbegriff  des  geburtsärztlichen  „Könnens**  die  bei  der  unab* 
wendbai*en  Nothwendigkeit  zur  Zerstfickung,  an  einem  Ziel- 
punkte angelangt  wäre,  wo  sie  nichts  weiter  vemiöclile.  Die 
Neuzeit  hat  aber  auch,  wie  nicht  zu  verkennen,  viel  dazu 
beigetragen,  ein  schonenderes  Verfahren  bei  der  Zerstuckung 
durch  Empfehlung  und  resp.  Anwendung  eigens  dazu 
construirter  Instrumente  und  den  Vorschlag  weilerer 
Operationsmethoden  zu  ermöglichen.  Ich  kann  mich 
darüber  um  so  kürzer  fassen,  da  ich  dem,  was  die  neueren 
Hand-  und  Lehrbucher  der  Geburtshülfe  und  was  in  der 
jüngsten  Journalliteratur  darüber  enthalten,  nichts  aus  eigener 
Erfahrung  zuzusetzen  habe. 


384      XXIIL   MeU$ner,  Mittheilungdn  «ber  die  Thütigkeit 

Was  zunächst  die  Instromentenlehr«;  anlangt,  so 
zeige  ich  Ihnen  zunächst  aus  der  alten  Rüstkammer  der 
Geburtshelfer  einige  Sichel-  und  Lanzenspilzen-ähnliche  Messer 
in  dieselben  bei  der  Einffihrung  deckenden  breiten  Messing- 
hülsen,  rein  nur  als  geschichthche  Antiquitäten  vor;  in  einer 
späteren  Zeit  wurde  Smeüie's  scheerenförmiges  Perforatoriam, 
der  stumpfe  und  spitze  Haken  viel  in  Anwendung  gebracht; 
letztere  empfehlen  sich  als  zur  Zeit  meistens  noch  in  den 
Händen  der  Gehurtsärzle ,  wo  bei  nicht  möglichem  weiterem 
Aufschub  der  Operation  und  grosser  Entfernung  vom  Wohn- 
orte oder  mangelnder  Ausrüstung  weitere  Instrumente  nicht 
zur  Hand  sind.  ^)  Dagegen  ist  der  scharfe  (schneidende) 
Haken  Levret's  mit  Recht  jezt  ganz  obsolet  Vielfache 
Empfehlung  fand  jetzt  der  Kephalothryptor,  nachdem  derselbe 
nicht  nur  am  Kopfe,  sondern  auch  am  Steisse  und  der  Brust 
(Hüter)  erfolgreich  angewandt  wurde.  VeiiiSltnissmässig  am 
Meisten  wird  jetzt  der  bekannte  Schldsselhaken  von  Garl 
Braun,  auch  modificirt  von  Spiegelberg,  und  der  neuerdings 
von  Scanzoni  (Würzburger  medicinische  Zeilschrifl  1860, 
1 .  Band ,  2.  Heft )  angegebene  Auchenister  besprochen ,  und 
namentlich  hat  eine  lebhafte  Polemik  betreffend  die  Zweck- 
-^>ässigkeit  dieser  beiden  letztgenannten  Instrumente  jüngst 
ia  der  Wiener  medicinischen  Wochenschrift  (1861,  No.  45, 
46,  47,  48,  49,  50,  51,  und  1862,  No.  5,  11,  12,  23)  PlaU 
gegriffen.  —  jBöer's  Knochenpincette  findet  meist  mir  für  die 
späteren  Momente  der  Operation  Anwendung.  —  Verhältniss- 
mässig  nur  geringe  Verbreitung  fanden  bis  jetzt  Bauddocque^s 
Somatome,  Küian's  Kelten- Hakensäge,  Rügen'»  Zangensäge, 
HeyerdahT»  Haken  mit  Kette.  Letzlere  fand  namentlich  in 
einem  von  Faye  mitgetheilten  Falle  grosse  Schwierigkeiten 
bei  der  beabsichtigten  Umfuhrung  der  Kette  um  den  Rumpf; 
wogegen  eine  von  Fays  selbst  angegebene  Zangensage  mit 
schmalen  Armen  sich  bewährte.  Am  26.  November  1861 
legte  3/.  Mathieu  der  Pariser  Acaderaie  ein  embryotome 
Cache  ä  lames  mobiles  et  a  chatnons  de  scie  qu*il  a  consirutt 

1)  Vergrl.  auch  E,  Martin^  Fall  von  glücklicher  Entbindung 
durch  Decapitution  ui'n,Stnellle^8  Hakeu,  vorgetragen  am  17.Dec.  1861 
in  der  Berliner  Gesellschaft  für  Geburtahülfe  (MonatSBchrift  für 
Oeburtskunde,  ßd.  XIX.,  Heft  4,  S.  247). 


u.  d.yerhandl.  d.Oesellscbaft  f.Oebnrtshülfe  zu  Leipsig  etc.    385 

sur  ies  indications  de  Hr.  Jacquemier  vor.  Im  Hangel  der- 
artiger besonderer  Instrumente  würde  ich  im  gegebenen  FalJe 
nicht  Bedenken  tragen,  auch  den  Ecraseur  denselben  zu 
substituiren.  —  Für  die  Extraction  des  abgetrennten  Kopfes 
wird  durch  die  immer  grössere  Verbreitung  des  Kephalo- 
thryptors  der  früher  nicht  unbeträchtliche  Apparat  an  Hülfs- 
mittein  dazu  um  so  mehr  entbehrlich,  je  complicirter  meist 
ihre  Construcüou  und  Handhabung,  je  ungenügender  die 
durch  sie  erreichten  Erfolge  waren. 

Unter  den  Hethoden  hat  die  Amputation  resp. 
Enucleation  eines  oder  gar  beider  Oberarme  vor- 
dem einestheils  verhältnissmässig  die  verbreitetste  Anwendung, 
anderntheils  in  der  wissenschaftlichen  Welt  die  meiste  An* 
fechtung  gefunden,  da  man  behauptete,  dass  weder  Lage 
noch  Anschwellung  die  Wendung,  oder  nach  Befinden  die 
Decapitation  hindern  könne,  zumal  dieselbe  durch  eine  Schlinge 
leicht  auf  die  Seite  gezogen  und  daselbst  erhalten  werden 
könne.  Neuerdings  haben  denn  auch  Scamoni  und  Hohl 
die  vordem  von  OeMer,  Michaelia  und  Naegele  d.  S.  ver- 
theidigte  Nothwendigkeit  dieses  Eingriffes  constatirt.  (Auch 
meinem  Vater  gelang  nach  Abnahme  beider  Arme  die  vordem 
von  verschiedenen  Operateuren  wiederholt  vergeblich  an- 
gestrebte Wendung;  siehe  Honatsschrifl  für  Gebunskunde, 
Bd.  9,  Heft  1,  S.  47.)  Die  Opei*ation  ist  an  sich  leicht,  nach 
Anziehung  des  Armes  wird  eine  starke  Scheere,  besser  noch 
das  Levret'  Smellie' sehe  Perforatorium  in  das  Gelenk  ein- 
gestossen  und  mit  Erweiterung  der  gemachten  Oeffnung  ist 
meist  auch  schon  die  Ablösung  vollendet.  —  Die  Eröffnung 
der  Brust-  und  Bauchhöhle  erfolgt  gleichfalls  durch  das 
scheerenformige  Perforatorium  am  leichtesten,  worauf  die 
Entleerung  der  Eingeweide  durch  die  Hand  des  Operateurs, 
da  nöthig  mit  dem  spitzen  Haken  oder  der  JG^oer'schen 
Knochenpincette  bewaffnet,  erfolgt.  Heist  gelingt  bald  darauf 
das  Herabziehen  des  Steisses  oder  die  Wendung  auf  die 
Füsse,  wenn  eingekeilte  Querlage  die  Indication  zur  Em- 
bryulcie  gebildet  hatte;  so  dass  es  in  der  Regel  der  Um- 
führung des  stumpfen  Hakens  um  den  Rumpf  und  dessen 
Anziehung  bis  zur  Zusammenfaltung  meist  nicht  erst  bedürfen 

Monfttssehr.  f.  Qeburtsk.  ISeS.  Bd.  ZXII.,  Hft.  5.  ^0 


386       XXII J.    Meißner,  MittheiloBgen  über  die  Thfttigkeit 

wird,  wie  neuerdings  Boens  (Journal  de  Med.»  de  Cbir.  et 
de  la  Pbarmacie  de  Bruxelles,  September  1860  und  Gaz. 
hebdom. ,  Nu.  42 ,  1860)  vorgescblagen  bat.  Weit  leicliter  ist 
in  der  Regel  die  Decapitation  mit  C.  Braunes  Scblussel- 
haken ,  der  bei  der  obnedies  nötbigen  Deckung  seines  Knopfes 
recht  wohl  durch  SmeUie^s  stumpfen  Haken  zu  ersetzen  ist, 
nach  den  bekannten  Regeln  für  seine  Anwendung.  Die 
Extraction  des  Rumpfes  geschieht  am  besten  durch  Anziehung 
des  vorgefallenen  Armes,  wo  dieser  fehlt  oder  keine  genügende 
Handhabe  bildet,  mit  Hülfe  des  zwischen  die  Rippen  einge- 
setzten spitzen  Hakens.  Die  früher  oft  mit  unüberwindlichen 
Schwierigkeiten  verknüpft  gewesene  Zutageförderung  des  ab- 
getrennten Kopfes  gelingt  der  geschickten  Einfuhrung  des 
Daumens  in  den  Mund,  des  Zeige-  oder  Mittelfingers  in  das 
Hinterhauptslocii,  oder  dem  Kepbalolbryptor.  Die  Durch- 
trennung des  Rumpfes  in  seiner  Continuität  ist  eine  jetzt 
ebenso  verlassene  und  allgemein  aufgehobene  Methode,  als 
die  Abtrennung  des  zuletzt  kommenden  Kopfes, 
eine  Yerfahrungsweise,  die  sich  bei  dem  jetzigen  Standpuncte 
der  Wissenschaft  durch  nichts  mehr  rechtfertigen  lässt. 

Ich  schliesse  hiermit  für  heute  diese  kurzen  aphoristischen 
Bemerkungen,  die  ich  Sie  bitte,  als  kleinen,  aus  eigenen 
Anschauungen  gewonnenen  Beitrag  zum  weiteren  Aufbau  der 
Lehre  von  der  Embryotomie  wohlwollend  aufzunehmen  imd 
demgemäss  zu  beurtheilen. 


III.  lieber  künstliche  Erweiterung  des  Cervicalcanales. 

Beobachtungen 

Ton 

Dr.  E.  G.  Beck. 

Vorgetragen  am  16.  Februar  1868. 

Ich  habe,  meine  Herren!  in  den  letzten  fönf  Jahren 
einige  Male  die  künstliche  Erweiterung  des  Cervicalcanais 
des  Uterus  vorgenommen,  mit  der  Speculation,  die  Dy&- 
mennorrhoe  und  die  Sterilität  zu  beseitigen,  und  habe  dabei 


u.  d.Verhandl.  d.  GeBellschaft  f.  GebartshtOfe  in  Leipzig  etc.    387 

Beobachtungen  gemacht,  die  zwar  den  gewöhnlichen  physio- 
logischen und  mechanischen  Gesetzen  der  Menstruation  und 
der  Conception  widersprechen,  die  mir  aber  praktisch  genug 
erscheinen,  um  sie  Ihnen  nicht  vorzuenthalten. 

Ich  will  Ihnen  ohne  Weiteres  die  Fälle  mittheilen  und 
die  etwa  nöthigen  Bemerkungen  dazwischen  einflechten. 

1.  Frau  Saalbach)  28  Jahre,  vollständig  gesund,  etwas 
scoliotisch,  nach  ihrer  wie  ihrer  Mutter  Aussage  nie  wesentlich 
krank,  und  seit  ihrem  18.  Jahre  regelmässig,  anfangs  spärlich, 
später  reichlicher,  menstruirt  gewesen,  doch  stets  mit  den 
grössten  Beschwerden ,  die  sie  mehrere  Tage  das  Bett  zu  hüten 
nöthigten ,  wobei  der  Leib  jedes  Mal  stark  anschwoll ,  heftiger 
Kreuzschmerz,  häufiges  Brechen  und  ein  fieberhafter  Zustand 
auftrat.  In  ihrem  21.  Jahre  heirathete  sie  einen  kleinen,  aber 
kräftigen  und  gesunden  Mann,  dadurch  Beseitigung  von  ihren 
Menstrualbeschwerden  erwartend.  Indess  war  der  Mann  nicht 
im  Stande,  den  Penis  trotz  häufiger  Versuche  tiefer  als  V2  bis 
1  Zoll  und  unter  den  stärksten  Schmerzen  der  Frau  in  die 
Scheide  zu  bringen.  Da  die  Frau  zu  ärztlicher  Hülfe  nicht 
zu  bringen  war,  bekam  ich  sie  erst  fünf  Jahre  nach  der 
Yerheirathung  in  Behandlung  und  fand  die  äusseren  Ge- 
schlecbtstheile  normal,  die  Scheide  dagegen  nur  so  weit,  dass 
ein  Gänsekiel  gerade  eingeführt  werden  und  4  Zoll  tief,  jedoch 
ohne  Erweiterungen  in  den  tieferen  Abschnitten  der  Vagina 
constatiren  zu  können,  eindringen  konnte.  Narben  konnte 
ich  nirgends  an  der  Scheide  finden;  das  Scheidengewölbe 
war  nach  allen  Seiten  weich  und  dehnbar.  Dilatation  anfangs 
mit  langen  Stücken  Pressschwammes,  später  Injectionen  von 
warmem  Wasser  etc.  führten  nach  einem  halben  Jahre  eine 
für  den  Penis  genügende  Erweiterung  ein,  und  konnte  der 
Coitus  unter  Anwendung  von  Oel  nach  und  nach  ganz  gut 
ausgeführt  werden.  Eine  bei  Beendigung  der  Cur  vorgenommene 
Manualuntersuchung  liess  ausser  einem  etwas  engen  Scheiden- 
gründe,  in  den  die  part.  vagin.  uteri  normal  hereinragte,  nichts 
Abnormes  fühlen.  Die  Menstrualbeschwerden  blieben  nach  wie 
vor  dieselben. 

Nachdem  ich  hierauf  IV2  Jahre  lang  fast  zu  jeder 
Menstruation  gerufen  worden  war,  und  nachdem  ich  alle 
Mittel,  die  Beschwerden  zu  mindern,  erschöpft  hatte,  nach- 


388      XXIII.    MeUsnA',  Mittbeilnngen  über  die  TbStigkeit 

• 

dem  ich  endlich  dieser  ewigen  Menslrualhesuche  nachgerade 
herzlich  müde  war,  versnchle  ich  als  letztes  Mittel,  den  Cervical- 
caiial,  den  ich  bei  mehreren  Untersuchungen  mit  der  Sonde 
so  eng  gefunden  hatte,  dass  ich  seihst  mit  einer  ungeknöpfien 
Sonde  schwer,  und  erst  gar  nicht  eindringen  konnte,  künstlich 
zu  erweitern,  wozu  ich  anfangs  meine  ungeknöpfle  Sonde  einen 
halben  Tag,  aussen  befestigt,  liegen  lie»s,  dann  (einen  Tag  lang) 
jeden  zweiten  Tag  drei  Mal  ein  Bougie  von  Zinn  und  endlich 
Pressschwamm  anwandte,  bis  der  Canal  einen  kleinen  Finger 
dick  erweitert  war.  Dies  Verfahren  war  vierzehn  Tage  vor 
der  nächsten  Regel  beendet,  und  diese  trat,  sowie  jede 
nächste  seitdem  fast  ohne  Beschwerden  ein ;  die  vierte  aber  blieb 
wegen  eingetretener  Gravidität  aus.  Die  rechtzeitige  Geburt 
verlief  normal.  Vor  einem  halben  Jahre  gebar  die  Frau  das 
zweite  Kind,  nachdem  die  zwischen  beiden  Geburten  be- 
standenen Menstruationen  gleichfalls  ohne  wesentliche  Be- 
schwerden verlaufen. 

Der  zweite  Fall  ist  dem  ersten  fast  gleich  und  folgender: 
2.  Frau  Winter,  32  Jahre,  gross  und  stark;  meastruirt 
seit  ihrem  20.  Jahre,  nachdem  sie  längere  Zeit  an  Bleichsucht 
gelitten,  regelmässig,  aber  stets  sehr  schmerzhaft.  Sie  musste 
sich  während  der  ersten  zwei  Menstruationstage  zu  Bett  legen, 
bekam  heftige  Kreuzschmerzen,  anhaltendes  Drängen  in  den 
Hypochondrien  nach  unten,  brach  sehr  viel  und  konnte  die 
Beschwerden  nur  dadurch  lindern,  dass  sie  sich  ganz  krumoa 
zusammengezogen,  die  Oberschenkel  an  den  Unterleib  gedruckt, 
ruhig  im  Bette  verhielt.  Vom  dritten  Tage  an  floss  die  Regel 
gewöhnlich  schmerzlos.  Der  Zustand  blieb  derselbe,  nachdem 
sie  mehrere  Aerzte  zugezogen,  sich  aber  von  keinem  hatte 
untersuchen  lassen.  In  ihrem  25.  Jahre  verheirathet ,  war 
es  dem  Manne  jedoch  wegen  Enge  der  Vagina  nicht  möglich 
den  Coitus  auszuüben,  weil  derselbe  nie  tiefer  als  kaum 
1  Zoll  in  die  Scheide  eindringen  konnte,  wobei  die. Frau  nicht 
nur  die  heftigsten  Schmerzen  äusserte,  sondern  auch  oft  und 
angeblich  stark  blutete,  und  die  Schmerzen  erst  nach.mehreren 
Tagen  verschwanden.  Nach  vergeblich  von  Hebammen  an- 
gewandten Mitteln  (weil  ein  Arzt  von  Seiten  der  Frau  stetig 
verweigert  wurde)  und  erst  nachdem  der  Mann  Scheidung 
verlangte,  erlangte  ich,  zuvor  mehrfach  consultirt,  die  Unter- 


a.  d.  Verhandl.  d«  Gesellschaft  f.  Geburtshülfe  sa  Leipzig^  etc.    389 

suchung,  und  fand  den  Scheideneingang  entzündlich  geschwollen 
(weil  angeblich  mehrere  Tage  zuvor  der  letzte  vergebhche 
Versuch  zum  Coitus  gemacht  worden  war),  und  die  Scheide 
selbst  nur  so  weit,  dass  ich  die  Hälfte  des  kleinen  Fingers  unter 
grossen  Schmerzen  einbringen  konnte.  Andere  Narben  als 
die  vom  Hymen  konnte  ich  nirgends  entdecken.  Eine  gerade 
Sonde  drang  tief  ein  und  stiess  in  der  Tiefe  an  einen  harten 
Gegenstand,  wahrscheinlich  die  Gebärmutter.  Das  Scheiden- 
gewebe seihst  liess  sich  mit  der  Sonde  leicht  dehnen.  Lau- 
warme Einspritzungen  durch  eine  Spritze  mit  einem  kleinen 
aber  langen  Mutterrohre  und  warme  Sitzbäder  führten  nach 
2%  Monaten  zum  gewünschten  Ziele.  Bei  der  Untersuchung 
mit  Finger  und  Sonde  zeigte  sich  nur  insofern  eine  Abnormität, 
als  die  Sonde  nur  äusserst  schwer  in  den  normalen  Uterus 
einzuführen  war.  In  den  Menstruationsverhältnissen  war 
weder  während  noch  nach  der  Cur  eine  Veränderung  ein- 
getreten,  nur  schienen  der  Frau  die  Menses  seitdem  etwas 
reichlicher.  Ein  Jahr  und  zwei  Monate  später  nahm  ich,  wie 
in  dem  vorigen  Falle,  die  Erweiterung  des  Mutterhaiscanales 
vor,  und  zwar  sogleich  mit  Pressschwamm,  weil  derselbe  im 
kleinsten  Kaliber  einzuführen  war.  Die  sechste  Anwendung 
hatte  den  Canal  fast  kleinfingerdick  weit  gemacht.  Die 
näcliste  Regel  trat  viel  weniger  schmerzhaft  auf,  die  Frau 
brauchte  sich  nicht  mehr  zu  legen,  ebenso  die  zweite  und 
dritte,  die  nächsten  blieben  wegen  Schwangerschaft  aus.  Die 
Geburt  erfolgte,  wie  bei  bereits  älteren  Erstgebärenden,  etwas 
langsam,  aber  normal. 

Bevor  ich  in  der  Mittheilung  der  Fälle  weiter  gehe, 
muss  ich  bemerken,  dass  ich  mich  in  der  Anwendungsweise 
des  Pressschwammes  ganz  dem  Verfahren  Simpaon's  anschloss. 
Conisch  zugespitzte,  2  Zoll  lange,  feine  Schwämme,  anfangs 
ganz  kleine,  später  mehr  und  mehr  grössere,  werden  in  eine 
concentrirte  Lösung  von  Gummi  arabicum  getaucht  und  mittels 
dünnen  Bindfadens  auf  einen  mitten  durch  die  Längsachse 
des  Schwammes  geschobenen  Draht  durch  Bindfaden  fest 
aufgewickelt  und  getrocknet.  Je  schlanker  der  Schwamm 
werden  soll,  desto  dünner  muss  derselbe  nicht  nur  vor  der 
Compression,  sondern  desto  dünner  müssen  auch  der  Draht 
und   der   Bindfaden    sein ,    letzterer   besonders ,   damit   der 


390      XXIII.   MeiMMT,  MUtheilongen  über  die  TbStigkeit 

Schwamm  eine  möglichst  wenig  rauhe  Oberfläche  bekommt  Ich 
lege  Ihnen  hier  eine  Probe  davon  vor.  Nach  dem  Trocknen 
wird  der  Draht  herausgezogen  und  der  Faden  abgewickelt. 
Der  so  bereitete  Schwamm  lässt  sich  mit  scharfen  Messern 
leicht  schneiden  und  je  nach  Belieben  noch  weiter  zurichten. 
Um  oder  durch  das  untere  Ende  wird  ein  Faden  angebracht, 
um  den  aufgequollenen  Schwamm,  leicht  herausziehen  zu 
können.  —  Die  Einführung  erfolgt  mittels  und  auf  einer  oben 
zugespitzten  (Jterussonde ,  auf  die  derselbe,  mit  etwas  Fett 
eingerieben,  aufgesteckt  und  unter  Leitung  des  Fingers  in 
den  Canal  eingeschoben  wird,  was  bei  grosser  Enge  nicht 
leicht  geschieht,  durch  die  Härte  des  Schwamraes  aber  wesent- 
lich erleichtert  wird;  während  gewöhnlicher  Pressschwamm, 
der  vor  der  Compression  nicht  in  Gummilösung  getaucht  ist, 
sich  viel  schwerer  und  bei  grosser  Kleinheit  gar  nicht  sich 
einführen  lässt,  da  er  in  sehr  schlanker  Form  viel  zu  elastisch 
isL  —  Weniger  leicht  ist  es,  den  Schwamm  im  Canale  fest 
liegend  zu  erhalten,  da  er  wegen  seiner  Schwere,  wegen 
seiner  conischen  Gestalt  und  endlich  besonders  wegen  der 
Contraction  der  Uterusfasern  den  Canal  stets  zu  verlassen 
strebt.  Ich  liess  die  Frauen  deshalb  stets  liegen  und  tamponirte 
ausserdem  die  Scheide  mit  einem  grösseren,  etwas  harten 
Schwämme.  Im  Ganzen  habe  ich  zwischen  sechs  bis  zehn 
Eiulegungen  nöthig  gehabt,  um  eine  Weite  von  Kleinfinger- 
dicke zu  erzielen.  Vor  einer  jeden  erneuten  Einlegung,  die 
taglich  geschah,  liess  ich  die  Scheide  durch  Einspritzungen 
von  den  Harzlheilen  des  Gummis  reinigen.  Die  Empfindungen, 
welche  die  Frauen  sowohl  während  des  Einföhrens  als 
während  des  Wirkens  des  Schwammes  äusserten,  waren  sehr 
geringer  Art,  und  bestanden  in  Kreuzschmerzen  und  einem  un- 
behaglichen Drängen  nach  unten.  Letzteres  hörte  2 — 3  Stunden 
nach  jeder  Einführung  meist  ganz  auf,  wogegen  die  Kreuz- 
schmerzen die  Cur  noch  4 — 6  Tage  überdauerten.  — 
Schlimme  Folgen,  wie  Beckenabscesse  u.  s.  w.,  habe  ich 
nicht  beobachtet,  habe  aber  auch  stets  die  grösste  Vorsicht 
beobachtet. 

3.  Der  folgende  Fall  betrijQTt  eine  Ende  JuU  1859  von 
mir  an  Hypertrophia  portionis  vaginalis  uteri- operirte  dreissig- 
jährige  gesunde  Frau.    Dieselbe  hatte  vom  17.  Jahre  an  regel- 


Q.  d. Verbaiidl.  d.  GeielUehaft  f.  Gebnrtthfilfe  so  Leipzig  otc.    391 

massig  und  jedes  Mal  ohne  jedwede  Beschwerde  menstruirt, 
hatte  sich  im  18.  Jahre  verheirathet ,  und  im  19.  Jahre  ein 
Mddchen  normal  geboren  und  es  seihst  genährt.  Nachdem 
sie  wieder  mehrere  Jahre  gesund  und  wie  früher  nienstruirt 
gewesen  war,  bemerkte  sie  häufig  eine  Schwere  im  Unterleibe 
und  zeitweilig  einen  festen,  harten  Körper  zwischen  den 
Schamlippen  hervortreten.  Sie  wandle  sich,  damals  auswärts 
wohnend,  an  mehrere  Collegen,  welche  ihr  wegen  des  Uterus- 
vorfalles Multerkränze  einlegten,  die  aber  alle  heftige  Schmerzen 
veruursachten  und  regelmässig  bald  wieder  herausfielen.  Nach 
Reudnitz  gezogen,  wandte  sie  sich  an  mich  und  ich  fand 
die  Port,  vagin.  uteri  dick,  hart,  etwas  excoriirt  und  IV^" 
zwischen  den  Schamlippen  vortretend.  Die  eingeführte  Sonde 
constatirte  eine  hypertrophische  Verlängerung  des  Mutterhalses, 
welche  ich,  wie  oben  angegeben,  Mitte  Juli  1859  unter 
Assistenz  des  damals  noch  studirenden  Dr.  Gruenewald  zu 
Lindenau  amputirte.  Operation  und  Nachbehandlung  verliefen 
ganz  nach  Wunsch.  Der  Vorfall  war  verschwunden.  Doch 
stellte  sich  ein  neues  Uebel  ein.  Die  Menses,  die  fnHier  so 
beschwerdelos  geflossen  waren ,  wurden  mit  jedem  Male 
schmerzhafter,  und  ich  konnte  keinen  anilern  Grand  daför 
finden,  als  dass  der  künstliche  Muttermund  in  Folge  der 
gebildeten  ^arbe  so  eng  geworden  war ,  dass  ich  unter 
Leitung  des  Speculums  nur  mit  Muhe  eine  feine  Sonde  ein- 
zufuhren vermochte.  Ich  dachte  schon  damals  an  eine  Er- 
weiterung desselben,  besonders  durch  Excision,  konnte  mich 
aber  nicht  recht  dazu  entschliessen,  zumal  damals  zur  gleichen 
Zeit  eine  Schwangere  in  hiesiger  Anstalt  entbunden  ward, 
die  einen  solchen  Verschluss  der  Scheide  hatte,  dass  der 
Eingang  in  die  hintere  Scheidenabtheilung  nur  durch  eine 
feine  Oeffnung  möglich  war.  Sie  hatte,  wenn  ich  mich  recht 
erinnere,  sehr  gut  menstruirt.  Anfang  vorigen  Jahres  nun 
ging  mich  die  in  Rede  stehende  Frau  wegen  der  Menstrual- 
beschwerden  abermals  um  Hülfe  an  und,  verföhrt  durch  die 
beiden  ersten  Fälle,  schlug  ich  dasselbe  Verfahren  wie  im 
ersten  Falle  ein.  Vor  sechs  Wochen  wurde  sie  in  meiner 
Anwesenheit  normal  entbunden,  nachdem  sie  ein  volles  halbes 
Jahr  ohne  Beschwerden,  leichtes  Kreuzweh  ausgenommen, 
menstruirt  hatte. 


392      XXIII.   Mei9iner,  MUtheilungen  fiber  die  ThSti^eit 

Diesen  drei  Fällen,  meine  Herren,  waren  patbologiscbe 
Veränderungen  der  Scheide  und  des  Uterus  vorausgegangen, 
Verhaltnisse,  deren  Beseitigung  erst  nöthig  war,  bevor 
eine  Coiiception  überhaupt  stattfinden  konnte;  wenigstens 
lässt  sich  sehr  leicht  dagegen  anfuhren,  dass  sie  keinen 
Beweis  für  den  Nutzen  der  Erweiterung  des  MuUerbalscanals 
zur  Speculation  auf  Conception  liefern.  Und  in  der  That 
Diuss  ich  auch  selbst  gestehen,  dass  ich  wenig  Vertrauen 
zu  einem  Verfahren  habe,  das  den  physiologischen  und 
mechanischen  Gesetzen  der  Conception  gerade  zuwiderläuft, 
denn  wo  Menstrualblut  austreten  kann,  muss  auch  Sperma 
eindringen  können. 

Es  kam  daher  darauf  an,  sogenannte  normale  Fälle 
herbeizuziehen  und  damit  wenigstens  die  Wahrscheinlichkeit 
zu  beweisen.  Zu  dem  Ende  habe  ich  an  vier  weiteren  Fällen, 
die  weder  Dysmennorhoe,  noch  irgend  einen  krankhaften 
Zustand  der  Geschlechtswerkzeuge  darboten,  weitere  Versuche 
gemacht,  die  ich  Ihnen  jedoch,  da  sie  sonst  nichts  Wesent- 
liches darbielen,  nicht  so  ausfuhrlich  mittheilen  will,  um  Ihre 
Geduld  nicht  auf  eine  zu  harte  Probe  zu  stellen. 

4.  Frau  Böse:  Der  erste  Fall  betraf  eine  27iährige, 
gesunde,  seit  ihrem  15.  Jahre  regelmässig  menstruirte,  im 
19.  Jahre  zum  ersten  Male  an  einen  gesunden,  zwei  Jahre 
später  im  30.  Jahre  am  Typhus  verstorbenen,  zum  zweiten 
Male  an  einen  ebenfalls  gesunden  und  sehr  kräftigen  32jährigen 
Mann  verheiratljete  Frau.  Drr  zweite  Mann  hatte  vor  der 
Ehe  drei  uneheliche  Kinder  von  drei  verschiedenen  Müttern. 
Die  Dilatation  ward  im  sechsten  Jahre  der  zweiten  Ehe 
der  Frau  vorgenommen,  nachdem  an  ihren  Genitalien  trotz 
mehrfachen  Untersuchens  mit  Finger  und  Sonde  keine  nach- 
weisbare Störung  walirgenommen  worden  war.  Ohne  dass 
sich  in  den  leidlichen  Verhältnissen,  in  denen  die  Leute 
lebten,  irgend  etwas  geändert  hatte,  wodurch  der  Erfolg 
irgendwie  hätte  erklärt  werden  können,  ward  die  Frau  zwei 
Monate  nach  der  Vornahme  der  Dilatation  schwanger  und 
gebar  normal. 

5.  Frau  K....den:  Der  zweite  Fall,  der  fünfte  der 
ganzen  Reihe,  betrifll  eine  kleine,  25jährige,  etwas  anämische, 


u.  d.  VerhftBdl.  d.  GesellscliAft  f.  Geburtobiilf e  su  Leipiig  ete.    393 

sonst  aber  gesunde  Frau,  die  seit  ihrem  16.  Jahre  normal 
menstruirt  und  seit  fünf  Jahren  an  einen  gleichfalls  kleinen, 
aber  gesunden  und  geschlechtlich  leicht  aufgeregten  Mann 
verheirathet  ist,  der  während  seiner  Ehe  mit  seiner  Köchin 
einen  kräftigen  Knaben  zeugte.  Seit  der  Erweiterung  des 
Canals  ist  jetzt  ein  volles  Jahr  ohne  Erfolg  verflossen. 

6.  Frau  Lohse:  Der  dritte  Fall,  der  sechste  der  Reihen- 
folge, betrifll  eine  in  zehn  Jahren  drei  Mal  verheirathete, 
darunter  zwei  Mal  geschiedene  gesunde  Frau.  Der  Mann 
ist  früher  schon  verheirathet  gewesen  und  hat  zwei  Kinder. 
Bis  jetzt  sind  drei  Monate  seit  der  Operation  verflossen 
und  es  hat  sich  noch  kein  Erfolg  gezeigt. 

Ebenso  erfolglos  ist  bis  jetzt  der 

7.  Frau  Kersten:  letzte  Fall  gewesen,  der  vier  Jahre 
verheirathete  Eheleute  betrilTt,  die  beide,  besonders  die  Frau, 
gesund  sind,  die  aber  beide  kurze  Zeit  nach  der  Verheirathung 
secundär  syphilitisch  (Ansteckung  durch  den  Mann)  waren 
und  von  mir  damals  bis  zum  Verschwinden  der  Symptome 
mit  Jodkalium  und  örtlichen  Mitteln  behandelt  wurden.  Durch 
die  neuen  Wagnerische^  Mittheilungen  über  Behandlung 
der  Syphilis  mit  Merkur,  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass 
Sterilität,  wie  es  bereits  bekannt,  aber  gewiss  mit  Unrecht 
wieder  vergessen,  oder  wenigstens  nicht  genug  gewürdigt 
worden  ist,  durch  eine  Merkurialkur  beseitigt  werden  kann, 
wenn  Syphilis  dagewesen,  habe  ich  beide  in  Rede  stehende 
Eheleute  gegenwärtig  in  Behandlung  genommen  und  werde 
Ihnen  zur  Zeit  das  Resultat  milzutheilen  mir  erlauben. 


394  X3CIV.    NotisoB  aas  der  JonniAl-Literatar. 

XXIV. 

Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 


Gruenewaldt :   lieber  die  Eigenwärme  gesunder  und 
kranker  Wöchnerinnen. 

yoro  7.  Janaar  1863  worden  bei  sämmtlicheii  im  Petersburger 
Hebaminen -Institute  verpflegten  Wöchnerinnen,  deren  Zahl  sich 
gegenwärtig  bis  auf  482  belauft,  nn gerechnet  eine  Anzahl  Messungen 
aas  dem  Jahre  1862,  t&glieh  Morgens  und  Abends  der  Pals  nnd 
die  Respiration  gezählt  nnd  die  Temperatur  in  der  Achselhöhle 
gemessen.  Bei  einem  grossen  7^^^!^*  derselben  worden  auch 
Temperatorbestimmongen  zor  Zeit  des  Eintrittes  in  das  GebKr« 
Zimmer,  unmittelbar  nach  vollendeter  Geburt  und  2  —  6  Stunden 
nach  Beginn  des  Wochenbettes  gemacht,  nm  für  die  mannichfaltigen 
Zustände  ond  Zeiten  des  Wochenbettes,  des  physiologischen  sowohl 
als  des  pathologischen,  die  gesetzliche  Veränderlichkeit  der 
Temperatorscala  festzustellen.  Als  normale  Temperatur  in 
der  Achselhöhle  worden  zunächst  (mit  Wunderlich)  36,8^  C7. 
festgehalten.  Temperaturen  darunter  kommen  verhältnissmässig 
sehr  selten  vor,  nnd  man  kann  annehmen,  dass  die  Temperatur  in 
der  Achselhöhle  einer  gesnnden  Wöchnerin  gewöhnlich  über 
87 ,0*^0.  beträgt,  indem  aus  den  Berechnungen  sämmtlieher 
niedrigsten  Temperaturen  die  Durchschnittszahl  von  37,04^  C 
herauskam.  Als  Maximum  der  Normaltemperator  ist  38,0^  C, 
anzunehmen,  eigentlich  schon  37,84^(7.  und  jede  höhere  Temperatur 
zeigt  einen  pathologischen'  Zustand  an.  —  Die  Schwankungen 
der  Temperatur  bei  gesnnden  Wöchnerinnen  unmittelbar  nach 
der  Geburt  bewegen  sich  zwischen  86,2  und  37,8,  zwei  Stunden 
nach  der  Geburt  zwischen  36,1  ond  37,8.  Die  Tageszeit,  in  welche 
die  Gebart  fällt,  hat  Einfluss  auf  die  Carve  ond  stellt  sich  das 
Verhältniss  in  folgender  Weise  heraus: 

Gleich  Zwei  Standen 

nach  der  Gebart:       nach  der  Gebart: 
Morgens         Abend«  Morgens        Abends 

Im  Mittel 37,10  37,11  37,23  87,26 

„    Minimum   ....  36,2  36,4  86,4  86,4 

„    Maximum  ....  37.6  87,8  87,8  87,8. 

Im  späteren  Wochenbette  finden  sich  so  niedrige  Temperatar- 
grade nicht  wieder,  nämlich: 

Minimam    Maximom  Mittel 

6  —  12  St.  nach  der  Geburt  36,8  37,8        37,42  (28  Beob.), 

12  — 18     „        „       ,  ,        36,6  87,8         86,97  (42  Beob.), 

18—24    »        «       «  n       36,4  87t8        87,00  (43  Beob.), 


XXIY.   Notiaea  aus  der  Joamal-Litentftar.  3d5 

d.  h.  die  Temperatar  ist  uDinittelbar  nach  der  Gebort  am 
niedrigsten  and  steigt  an  bis  12  Stunden  verflossen  sind,  nm 
denn'  in  den  nftchsten  12  Standen  am  fast  0,6^  abinfallen.  •— 
Während  der  ersten  7  Tage  des  Wochenbettes  seigen  sich  be» 
dentendere  Unterschiede  nnd  ergiebt  sich,  dasa  die  Normal- 
temperatnr  Gesunder  meistentfaeils  am  einige  Zehntelgrade  niedriger 
steht,  als  die  der  Wöchnerinnen,  was  seine  ErklHrnng  darin 
finden  möchte,  dass  die  Wöchnerin  eine  so  ansgeseichnete  Er- 
regbarkeit für  alle  krankmachenden  Einflüsse  besitst.  In  den 
Schwankungen  des  Thermometers  besitsen  wir  einen  Maassstab, 
am  mit  einiger  Sicherheit  *^.en  Grad  der  stattgehabten  Einwirknng 
abzuschUtaen ,  nnd  möchte  wohl  jede  ftnssere  Einwirkung  das 
Alljgemeinbefinden  mittelbar  dadurch  l>eeinflassen,  dass  es  die 
örtliche  Entsändnng  steigert.  —  Zuweilen  ergeben  sich  nun 
Wärmegrade  in  der  Achselgrabe,  welche  das  Thermometer  bei 
einem  gesunden  Menschen  su  keiner  Zeit  erreicht,  ohne  dass 
doch  die  Wöchnerinnen  für  krank  im  specieilen  Sinne  gelten 
konnten.  Eine  Wöchnerin  ist  aber  eben  nur  relativ  gesund, 
einem  Verwundeten  vergleichbar,  der  kein  Wnndfieber  hat.  Die 
höchsten  Temperatargrade  bei  gesunden- Wöchnerinnen  schwankten 
swischen  37,4  und  38,6  in  den  Morgen-  und  87,6 — 38,8  in  den 
Abendstunden;  sie  waren  aber  meist  nur  vorübergehend  und 
konnten  diese  Wöchnerinnen  nicht  unter  die  Kranken  gesählt 
werden,  weil  ein  jedes  andere  Symptom  von  Krankheit  fehlte. 
Demnach  ist  die  Temperatur  von  über  37,9  —  38,0  als  eine  aus- 
nahmsweise auftretende  anausehen.  Die  höchste  Temperatur, 
welche  am  Morgen  verzeichnet  ist,  beträgt  38,6.  Erbalten  sich 
solche  hohe  Temperaturen  für  einige  Tage,  so  folgt  ihnen  meist 
eine  Wochenbettskrankheit. 

Die  fieberhaften  Erkrankungen  des  Wochenbettes 
sind  mannichfacher  Art,  und  es  mnss  eingestanden  werden,  das« 
gerade  das  Irreguläre ,  ausser  aller  menschlichen  Berechnung 
Liegende  im  Verlaufe  der  verschiedenen  Puerperalprocesse  sich 
besonders  in  den  Temperaturverhältnissen  wiederspiegelt  und  dass 
bis  jetzt  sich  für  die  Wärmescalen  ähnlich  regelmässige  Linien, 
wie  sie  s.  B.  die  Intermittens,  der  Typhus,  die  Pneumonie  eto. 
darbieten,  nicht  auffinden  Hessen.  Vor  dem  leichten  Wundfieber 
sowohl,  als  auch  vor  sehr  vielen  schwereren  Erkrankung^  zeigt 
sich  eine  diese  ankündigende  Temperaturstefgerung,  indem  eine 
isolirt  bleibende  einmalige  Temperaturerhöhung  von  87,8  bis  38,0 
und  mehr  in  den  ersten  24,  gewöhnlich  schon  in  den  ersten 
12  Standen  nach  der  Geburt  eintritt.  Mit  sehr  seltenen  Aus* 
nahmen  steht  dann  mit  den  nächsten  Messungen  die  Temperatar 
niedrig,  um  sich  erst  beim  manifesten  Eintritt  der  Krankheit  zu 
beben.  Puls  und  Respiration  ergeben  dabei  gewöhnlich  keine 
Abweichung.  Das  traumatische  Fieber  beginnt  meiat  mit  88^ 
und  mehr  vom  sweiten  Tage  Abends  bis  aam  viertea  Tage  and 


396  XXIV.    Moticen  ftos  der  Joamal- Literatur. 

soweilen  auch' noch  iipäter,  die  Krankheit  erreicht  swisehen  dem 
dritten  nnd  fünften  Tai^e  ihre  Höhe  nnd  fallt  dann  schnell  ah. 
Die  Daner  des  Fastiginms  ist  nicht  lang,  selten  tiber  swet  Ta{;e, 
meist  Tiel  kürzerf  geht  nicht  selten  über  40®  (in  21  FKllen  ron  52), 
erhält  sich  aber  nicht  lange  anf  dieser  Hdhe.  Es  stimmen  diese 
Beobachtungen  mit  denen  von  BiUroih  beim  Wnndfieber  gemachten 
fiberein.  Auch  bei  Wöchnerinnen  treten  suweilen  die  bei  Ver- 
wundeten beobachteten  Nachfieber  ein,  nämlich  plötsltch  eine 
nene  Temperatnrsteigemngf  die  wahrscheinlich  die  Folge  nener 
EntEÜndangen  in  den  wunden  Stellen  sind.  Es  kam  dasselbe 
unter  62  F&llen  12  Mal  vor.  —  Die  Schwellung  der  Brnste,  die 
meist  bald  wieder  weicht,  kann  eine  auffallend  bedeutende  Er- 
höhung der  Temperatur  bedingen,  ebenso  auch  Excoriationen 
und  Risse  der  Brustwarzen. 

Was  die  Temperatur  bei  Puerperalerkranknngen  betrifft, 
so  ist  die  ezacte  Messung  ;fnr  die  einzelnen  Formen  der  Er- 
krankungen ungemein  schwer,  ja  selbst  unmöglich,  da  diese 
Formen  sich  meist  nicht  streng  genug  scheiden,  sondern  gleich- 
seitig neben  einander  zu  laufen  pflegen.  Jeder  einzelne  Process 
bedingt  eine  gewöhnlich  bedeutende,  bis  über  39^(7.  betragende 
Steigerung  der  Eigenwärme.  Wenn  wir  bei  der  croopösen 
Pneumonie  mit  der  beendigten  Absetzung  des  Exsudates  die 
Eigenwärme  plötzlich  selbst  bis  unter  die  Norm  fallen  und  sich 
im  Verlaufe  der  Abheilung,  wenn  keine  Zwischenfälle  störend 
eintreten,  niedrig  erhalten  sehen,  so  zeigen  die  puerperalen  Ent- 
ziindungen  des  Uterus  und  seiner  Adnexe,  des  Bauchfelles  n.  s.  w. 
ein  wesentlich  anderes  Verhalten ,  welches  durch  die  Eigenthüm- 
lichkeit  dieser  Krankheiten,  immer  Nachschübe  zu  setzen,  bedingt 
ist.  Daher  zeigen  die  bezüglichen  Temperaturcurven  in  der  Regel 
nicht  ein  einmaliges  Ansteigen  zur  höchsten  Höhe  und  nachheriges 
Abfallen  ohne  weitere  Schwankungen,  sondern  übereinstimmend 
mit  dem  jedesmaligen  entzündlichen  Vorgange  steigt  die  Temperatur, 
fällt  bisweilen  für  nur  eine  oder  mehrere  Messungen  und  erhebt 
sich  wieder,  oder  sie  bleibt  hoch  trotz  augenscheinlich  erfolgter 
Absetzung  ron  Exsudat,  je  nachdem  die  durch  das  Exsudat  selbst 
bedingte  Entzündung  sich  rascher  oder  langsamer  an  die  primäre 
Entzündung  anschliesst.  Dies  dürfte  das  Wesentlichste  sein, 
was  sith  im  Allgemeinen  über  die  Eigenwärme  in  diesen  Krank- 
heiten sagen  Iftsst. 

Die  Messungen  wurden  angestellt  bei  60  Fällen,  nämlich  13 
von  reiner  Peritonitis  (2  Todesfälle) ,  26  von  reiner  Endometritis, 
(1  Todesfall),  11  mit  combinirten  Erscheinungen  (2  Todesfälle). 
Die  Therapie  hatte  möglicherweise  Einfluss  auf  die  Temperatur. 
26  Mal  konnte  die  Erkrankung  durch  die  ankündigende  Teroperntur- 
erhöhung  im  Voraus  rermuthet  werden ,  obwohl  im  Durchschnitte 
auf  die  Ankündigungen  42  Stunden  lang  die  Temperatur  normal 
befunden  wurde  (6  Mai  24  St.,  6  Mal  36  St.,  7  Mal  48  St.,  2  Mal 


XXIV.   Notisen  ans  der  Journal -Literatur.  397 

60  8t. ,  4  Mal  72  St.  und  1  Mal  84  St.).  Die  Danef  der  normaleo 
Temperatur  awiscfaen  der  Ankündigung  und  dem  Ausbruche  der 
Krankheit  zeigte  keinerlei  Bedeutung  auf  die  Heftigkeit  der 
folgenden  Erkrankung.  Dem  Eintritte  der  Krankheit  entsprachen 
Temperaturen  von  40®  und  darüber  8  Mal;  von  39®  und  darüber 
13  Mal,  von  38—39®  27  Mal.  Die  Endometritis  scheint  schleichender 
und  mit  geringerer  Temperatur  au  beginnen,  als  die  Peritonitis. 
Am  Abend  pflegt  die  Wärme  um  0,2  bis  1,6®  und  mehr  höher 
SU  sein,  als  am  Morgen,  unmittelbar  nach  einem  8chüttelfiroste 
kommen  unbedingt  die  höchsten  Temperaturen  vor,  niemals 
jedoch  kommen  höhere  Temperaturen  als  41,6  oder  41,8  ®  vor. 
Am  sweiten  und  dritten  Tage  erhält  sich  die  Temperatur  swischen 
88  und  41,4®,  je  nach  der  Heftigkeit  des  F'aHes;  in  leichteren 
Fällen  tritt  schon  am  dritten  Krankheitstage  Morgens  und  Abenda 
eine  Abnahme  ein,  diese  ist  aber  niemals  plötzlich,  sondern 
alliiiälig,  also  wesentlich  verschieden  von  Typhus  und  Pneumonie. 
Auch  in  heftigeren  Fällen  kommen  zuweilen  vom  zweiten  bis  zum 
fünften  Tage  Temperaturab fälle  vor.  Auch  in  den  letzten  Stunden 
vor  dem  Tode  zeigte  die  Temperaturschwankung  kein  bestimmtes 
Gesetz,  indem  zuweilen  eine  Abnahme  erfolgt,  zuweilen  eine 
bedeutende  bis  zum  Tode  bestehen  bleibt,  bei  Nachkrankheiten 
sind  ebenfalls  sehr  grosse  Schwankungen  zu  bemerken,  zuweilen 
zeichnet  sich  jeder  Process  durch  Ansteigen  und  Abfallen  der 
Eigenwärme  ab.  Die  Absetzung  eines  Exsudates  bewirkt  einen 
Abfall  der  Eigenwärme ,  der  sich  ganz  charakteristisch  gestaltet 
und  der  Temperatnrcurve  ein  ganz  eigenthümliches  Gepräge 
giebt,  wenn  ohne  bedeutende  Steigerung  der  Entzündung  das 
peritonitische  Exsudat  gewissermaassen  zur  einzigen  Todesursache 
wird.  Die  Fälle  von  hinzugetretener  Pneumonie,  Pleuritis, 
Meningitis  waren  zu  selten,  um  zu  einer  Zusammenstellung  so 
berechtigen. 

Die  Beobachtungen  genügen,  um  festzustellen,  dass  die 
mehr  weniger  bedeutenden  Steigerungen  der  Eigenwärme,  wie 
sie  durch  die  Puerperalprocesse  bedingt  werden,  in  der  über- 
wiegenden Mehrzahl  der  Fälle  von  Entzündung  bedingt  werden 
und  in  ihrem  Ansteigen  und  Abfallen  der  vermehrten  und  ver- 
minderten extensiven  und  intensiven  Grösse'  der  Entzündung 
entsprechen.  Die  leichteren  Fälle  entsprechen  ganz  den  Ver- 
hältnissen, welche  die  Verwundungen  im  Allgemeinen  nach  sich 
ziehen.  Eine  grosse  Mehrzahl  aber  bieten  charakteristische  Eigen- 
thümlichkelten ,  welche  sich  analog  den  heftigen  chirurgischen 
oder  pyämischen  Fiebern  gestalten  und  die  zu  dem  Schiasse 
nöthigen «  dass  zu  ihrem  Zustandekommen  noch  andere  Momente 
mitwirken,   als  nur  die   durch  die  Geburt  bedingte  Verwundung. 

Verf.  geht  nun  auf  die  ätiologischen  Momente  der  Puerperal- 
fieber ein  und  erklärt,  dass  die  Aerzte,  welche  im  Petersborger 
Hebammen -Institute    arbeiten,   der  festen  Ueberzeugnng   seteOi 


398  XXIV.    Notisen  ans  der  Journal -Literatur. 

das«  das  Puerperalfieber  eine  InfectioDskrankbeit  ist,  die  dnrcli 
Einwirkung  sersetster  thierischer  oder  überhaupt  organischer 
Sabstanien  auf  die  Blntmasse  entsteht.  Die  von  den  Gegnern 
dieser  Theorie  angeführten  Argomente  lassen  sich  mit  Leichtigkeit 
widerlegen.  Namentlich  ist  die  Behauptnng,  dass  viele  erkrankte 
Wöchnerinnen  nicht  in  die  entfernteste  Berührung  mit  Infections- 
stoffen  gekommen  seien,  an  nnd  für  sich  sehr  gewagt,  da  eine 
so  sichere  Controle  nnmöglich  ist,  ausserdem  aber  ist  auch  jeder 
die  Placentarwnnde  bedeckende,  in  Zersetsnng  übergehende 
Haat>   oder  Plaeentarrest  im  Stande,  die  Infection  an  bewirken. 

Als  Verf.  die  Bemerkung  machte,  dass  nachfolgende  Er- 
krankungen, gleichviel  ob  leichtere  oder  schwerere,  sich  sehr  oft 
durch  eigentbümltche,  isolirt  auftretende  Temperatursteigerungen 
ankündigten,  glaubte  er  annehmen  an  können,  dass  dieser  Zeit- 
raum erhöhter  Eigenwärme  der  Einwirkung  des  Infectionsstoffes 
entsprach;  die  darauf  folgenden  verschieden  langen  Perioden 
normaler  Temperatur  Hessen  sich  dann  mit  dem  Incubations- 
stadium  der  Krankheit  vergleichen.  Somit  lag  es  sehr  nahe,  den 
Versuch  su  machen,  der  Krankheit  vorsubeugen,  resp.  den  Tn- 
fectionsstoff  unschädlich  su  machen,  obschon  mit  Recht  der 
Einwand  gemacht  werden  kann,  dass  wenn  wirklich  die  an- 
kündigende Temperatursteigerung  die  eingetretene  Infection  kenn- 
seichnet,  es  nach  derselben  zu  spät  für  jedes  vorbeugende  Ver- 
fahren ist.  Da  alle  nur  erdenklichen  Vorsichtsmaassregeln  in 
Anwendung  gekommen  waren  und  trotadem  eine  Reihe  von  Er- 
krankungen vorkamen  und  sich  nur  auf  den  ersten  und  letzten 
Ort,  an  dem  der  Infectionsstoff  sur  Einwirkung  gelangt,  die 
Sohutsmaassregeln  sich  noch  nicht  bezogen  hatten,  nämlich  auf 
die  Innenfläche  des  Uterus,  so  wurden  intrauterine  Injectionen 
einer  28^  R.  warmen  Chlorkalklösnng  bei  jeder  Wöchnerin  an- 
geordnet, die  in  den  ersten  24  Stunden  eine  abnorme  Steigerung 
der  Körperwärme  zeigte  (ein  Esslöffel  voll  Chlorkalk  auf  etwa 
drei  Pfund  Wasser)  und  diese  Injection  nach  Umständen  noch 
wiederholt.  Die  Zahl  der  schweren  Krankheitsfälle  war  seitdem 
viel  geringer,  wie  das  bedeutend  kleinere  Sterblichkeitsprocenf 
beweist.  Jedenfalls  waren  die  Injectionen  ganz  gefahrlos  und 
man  schritt  deshalb  su  ihnen  bei  allen  Wöchnerinnen. 

Eine  beigefügte  Tabelle  giebt  folgende  Resultate:  Vor  dem 
Gebrauche  der  Chlorinjectionen  waren  von  ISO  Wöchnerinnen 
61  erkrankt  und  8  gestorben  (46,9  Proceat  erkrankt,  6,1  Procent 
gestorben),  beim  Gebrauche  individueller  Chlorinjectionen  waren 
von  160  Wöchnerinnen  69  erkrankt  und  8  gestorben  (36,8  Procent 
erkrankt  und  1,8  Procent  gestorben),  beim  Gebrauche  allgemeiner 
ChlorinjecTtionen  waren  von  142  Wöchnerinnen  46  erkrankt  und 
1  gestorben  (81,5  Procent  erkrankt  und  0,7  Procent  gestorben). 

Diese  Zahlen  sind  freilich  noch  nicht  beweisend,  da  auch 
ganz  von  selbst  die  Endemien  nachlassen  und  aufhören ,  jedenfalls 


XXIV.    Notisen  ans  der  Journal  «Literatur.  399 

fordern  sie  au  weiteren  Versnchen '  anf.  Die  Injecttonen  massen 
natürlich  sehr  sorgfältig  gemacht  werden,  nnd  da  man  sich  anf 
das  Wärterinnenpersonal  nicht  sicher  genug  Terlassen  kann,  so 
ist  es  bei  der  Unschädlichlseit  der  injectionen  sweckmHsstg, 
einer  jeden  Wöchnerin  mindestens  iwei  Mal  in  den  ersten 
24  Stnnden  eine  Injection  za  machen. 

Znm  Schldsse  fordert  Verf.  noch  in  den  allerdings  schwierigen 
Wärmemessnngen  der  Temperatnnrerandernngen  anf,  welche  durch 
bestimmte  Arsneimittel  bewirkt  werden.  Seine  eigenen  Beob- 
achtungen scheinen  ihm  noch  nicht  genügende  Resultate  zu 
liefern.  Er  weist  hauptsächlich  hin  au^  die  Digitalis,  die  ver- 
schiedenen Quecksilberpräparate  (Calomel,  Ungt.  ein.),  örtliche 
Blutentleerungen,  allgemeine  Bäder,  Uebergiessungen  und  hydro» 
pathische  Einwickelnngen. 

(Petersburger  medic.  Zeitschrift,  Bd.  V.,  U.  1,  8.  1,  1868.) 


Hassleri  Darstellung  einer  vom  Dr.  von  Brum  con- 
struirten  Bandage  zur  directen  ZurückhaHung 
und  Heilung  des  Scheiden-  und  Gebärinutter- 
vorfalles. 

Für  eine  mit  einem  Bildungsfehler  der  Harnblase  und  Scham- 
theile  behaftete  Person,  bei  welcher  nach  einer  plastischen 
Operation  die  Scheide  noch  prolabirte,  wurde  der  Apparat  zu- 
nächst erdacht  und  später  vielfach  bei  einfachen  Scheiden-  und 
Gebärmuttervorfällen  mit  Nutzen  angewendet. 

Die  Bandage  (gut  abgebildet)  hat  Aehnlichkeit  mit  einem 
elastischen  doppelten  Bruchbande,  deren  beide  eigenthfimlich 
geformten  Pelotten  auf  die  beiden  äusseren  Schamlippen  nach 
aufwärts  einen  Druck  ansahen,  wodurch  die  Vagina  und  auch  der 
Uterus  Hindernisse  finden,  nach  abwärts  zu  sinken.  Sie  besteht 
gleich  einem  elastischen  Brnchbande  aus  zwei  mit  Leder  Über- 
zogenen, das  kleine  Becken  nmschliessenden  Stahlfedern,  die 
rückwärts  über  dem  Kreuzbeine  mit  einem  ledernen  Riemehen 
nach  Erforderniss  des  Körperumfanges  Tereinigt  werden;  nach 
7orn  laufen  sie  beiderseits  in  einen,  der  Wölbung  des  Ober- 
schenkels entsprechenden,  bis  an  die  grossen  Schamlippen 
reichenden  Bogen  aus,  an  deren  Enden  sich  beiderseits  eine 
kleine,  länglich  orale  Pelotte  befindet,  die  mittels  einer  Schraube 
beweglich  an  dieselben  befestigt  ist.  Die  beiden -Pelotten  ent- 
sprechen der  Grösse  der  äusseren  Schamlippen,  haben  als  Banis 
eine  dünne  Bleiplatte,  die  an  der  dem  Körper  zugekehrten  Fläche 
weich  gepolstert  und  mit  Leder  überzogen  ist,  wodurch  die 
Pelotten  erforderlich  biegsam  und  an  die  äussere  Scham  gut 
angeschmiegt  werden  können.  Zur  besseren  Befestigung  werden 
die    beiden    Pelotten    untereinander    durch    ein    Lederst  reifeben 


400  XXIV.    Notisten  ans  der  Journal- Literatur. 

verbunden  and  anch  um  deren  Anfwürtsschieben  zn  verbitten,  geht 
von  ihrem  unteren  Ende  jederseite  ein  Riemen  ab,  der,  wie 
bei  einem  Bruchbande  um  den  Schenkel  nach  rückwärts  sich 
schlingend,  am  Perinäum  mit  dem  entgegengesetsten  sich  kreusend, 
Eum  hinteren  Tbeile  des  Leibgurtes  nach  aufwärts  zieht  und  an 
dessen  hinterer  Fläche  befestigt  wird.  Des  Abends  wird  die 
Bandage  abgenommen,  vor  dem  Aufstehen  des  Morgens  angelegt. 
Nach  einiger  Gewohnheit  gestattet  sie  frei  alle  Bewegungen. 
Jeder  Bandagist  ist  im  jätande,  sie  ansufertigen ,  jeder  Patient, 
sie  selbst  zu  handhaben. 

(Wiener  Medicinalballe ,  1863,  No.  S6— 38.) 


Arthur  Scott  Donkin:  Ueber  die  pathologischen  Be- 
ziehungen zwischen  Albuminurie  und  Puerperal- 
manie. 

Der  Verfasser  theilt  einen  Fall  von  Puerperalmanie  mit 
gleichzeitiger  Albuminurie  mit,  ein  Verbältniss,  das  bis  jetzt  nur 
von  Simp$on  beobachtet  wurde.  Durch  diesen  Fall  findet  sich 
Donkin  veranlasst,  die  Puerperalmanie  überhaupt  in  zwei  Gruppen 
einzutheilen:  eine  constitaiionelle  und  eine  nicht  constitutionelle. 
Bei  ersterer  nämlich,  mit  gleichzeitigem  Vorhandensein  vod 
Albuminurie  ist  der  Verlauf  ein  acuter  und  kurzverlaufender,  der 
Puls  ist  sehr  rapid,  die  Haut  gewöhnlich  feucht.  Der  Anfall 
selbst  kündigt  sich  einige  Zeit  vorher  durch  8chmerzen  und 
Hitze  im  Kopfe,  grosse  Empfindlichkeit  gegen  Licht  und  Schall, 
überhaupt  gegen  jede  Bewegung  im  Zimmer,  durch  Tinnitus  aori^m 
und  Pervigilium  an.  Sehr  leicht  tritt  der  Tod  durch  Coma  oder 
Asthenie  ein. 

Die  zweite  Gruppe  ist  charakterisirt  durch  vollkommene 
Abwesenheit  irgend  eines  constitutionellen  Symptoms,  der  Puls 
ist  meist  normal,  Gefahr  für*s  Leben  nicht  vorbanden,  die  geistige 
Störung  mehr  oder  weniger  chronisch  und  häufig  in  Wahnsinn 
übergebend. 

Die  ivLT  die  erste  Gruppe  aufgestellten  Symptome  sind  nach 
Verfasser  nur  die  einer  urämischen  Intoxication. 

Der  von  ihm  beschriebene  Fall  bezieht  sich  auf  eine  Frau 
von  23  Jahren,  die  einen  Tag  nach  der  Geburt  von  Zwillingen 
ein  stark  ödematös  geschwollenes  Gesicht  bekam;  im  Urin  fand 
sich  viel  Eiweiss,  doch  keine  Cylinder.  Die  näheren  Angaben 
über  den  sehr  interessanten  Fall  siehe  in 

(Edinburgh  Medical  Journal,  No.  XCV.,  May  1863.) 


XXV. 

Verhandlungen  der  Gesellschaft  für  Gebnrtshttlfe 

Berlin. 


Sitzung  YoiD  9.  Juni  1863. 

Von  Herrn  Birnbaum  in  Cöln  ist  folgende  Abhandlung 
der  Gesellschaft  zugeschickt  wordi^n. 

Zwei  Fälle    von  Formvarietäten   des  Uterus 

mit  Schwangerschaft. 

Durch  Zufall  fanden  sich  die  beiden  Personen,  welche 
den  Gegenstand  dieser  Hittheilung  bieten,  im  Sommer  1860 
gleichzeitig  in  der  Anstalt  ein  und  konnten  durch  mehrere 
Wochen  genau  beobachtet  werden. 

Der  eine  Fall  betraf  eine  ZwiUingsschwangerschafl  mit 
Uterus  bicornis  unicoUis  oder  arcuatus  und  war  nur  durch 
die  Deutlichkeit,  mit  welcher  die  Form  entgegentrat  und  sich 
weiter  entwickelte,  interessant  Die  26jährige  Erstgebärende 
war  mittlerer  Grösse,  mit  schwarzem  Haare,  dunklen  Augen, 
vollsaftig  und  sehr  kräftig.  Der  Uterus  zeigte  bei  der  Auf- 
nahme schon  bei  sehr  grossem  Umfange  auifallend  spitze 
Prominenz  nach  unten  und  Neigung,  oben  ganz  nach  links 
hinüber  mit  starker  Einbiegung  des  Grundes  über  dem  Nabel 
und  entwickelte  die  aulTallende  Ungleichmässigkeit  seiner  Form 
bei  sehr  bedeutender  weiterer  Zunahme  im  Verlaufe  der 
nächsten  sieben  Wochen  bis  zur  Geburt  zu  höchster  Vollendung. 

Zu  Ende  der  Schwangerschaft  fiel  die  grösste  Vorragung 
des  Uterus  gerade  in  die  sehr  stark  und  spitz  vorgetriebene 
Nabelgegend  und  maass  hier  der  Leib  vom  Kreuze  aus  ringsum 
gemessen  44  Zoll,  im  vorderen  Umfange  vom  Schamberge 

MonatMchr.  f.  aebartak.  1868.  Bd.  XXII.,  Hft.  6.  26 


402  XXV.    VerhnDdlnngen  der  Gesellschaft 

aufwärts  über  den  Muttergrund  her  39  Zoll.  In  der  so  stark 
Yorgedrängten  Nabelgegend  mit  etwas  blasenformig  heraus- 
getriebenem Nabel  überragte  der  Grund  in  scharf  abgegrenzter 
sattelförmiger  Wölbung  deutlich  fühlbar  den  Nabel  nur  um 
einige  Finger  Höhe,  und  unter  ihm  sprang  der  Körper  genau 
in  der  Mittellinie  des  Bauches,  die  beiden  Seiten  mehr  ab- 
geflacht lassend,  nach  vorn  vor  und  bildete  unten  in  der 
Mitte  vor  dem  Schoossrande  einen  spitzen  tief  herabgehendeD 
sackförmigen  Hängebauch. 

Mit  dieser  schmalen  seitlich  abgeflachten  Gestalt  der 
unteren  Gebärmutter  unter  dem  durch  sie  gerade  so  weit 
vorgedrängten  Nabel  stand  die  breite,  schief  herzförmig  ver- 
schobene, in  die  Breite  eine  nicht  weniger  starke  Ausdehnung 
erreichende  Form  des  oberen  Theiles  im  aufTallendsten  Contraste. 

Von  der  sattelförmig  eingebogenen  Wölbung  in  der 
Nabelgegend  ging  nämlich  -^  eine  Abtheilung  der  Gebärmutter 
eine  starke  Hand  hoch  in  der  linken  Seite  hinauf  und  nach 
hinten  ganz  in  das  linke  Hypochondrium  hinüber,  indem  sie 
nach  oben  in  immer  spitzer  werdender  W^ölbung  auslief. 
Eine  zweite  Abtheilung  konnte  man  nach  rechts  weit  in's 
rechte  Hypochondrium  hinein  verfolgen,  die  aber  nicht  so 
hoch  über  den  Sattel  emporstieg  und  dafür  in  um  so  breiterer 
Wölbung  sich  ausdehnte. 

Der  Grund  der  Gebärmutter  erschien  so  in  eine  schief 
nach  links  verschobene  tief  eingeschnittene  herzförmige  Gestalt 
ausgebreitet,  mit  schmalem,  in  der  Mitte  stark  nach  vom 
vortretendem  unteren  Körperansatze  und  zeigte  in  der  Mitte 
eine  ungewöhnlich  geringe,  nach  rechts  die  der  Zeit  der 
Schwangerschaft  zukommende  nach  links  eine  ungewöhnlich 
hohe  Erhebung  in  der  Bauchhöhle  der  Frau. 

Mit  dem  hohen  Stande  des  Muttergrundes  nach  beiden 
Seiten  im  Widerspruch,  mit  der  geringen  Erhebung  in  der 
Nabelgegend  ganz  übereinstimmend  stand  der  Kopf  der  Fracht 
mit  dem  äusserst  verdünnten  unteren  Abschnitte  ganz  tief 
unten  im  Becken  und  der  Muttermund  mit  wulstig  dicken 
Lippen  bei  ganz  verstrichenem  Mutterhalse  hoch  nach  rechts 
und  hinten.  Die  Gebärmutterwände  waren  dünn,  sehr  be- 
weglich und  namentlich  in  der  Nabelgegend  von  fast  blasiger 
Dünne,  und  hier  kleine  Kindestheile  bemerklich,  die  oft  spitz 


für  Gebartshülfe  in  Berlin.  403 

vortretend  Knöchel  und  Ferse  selbst  leicbt  erkennen  liessen, 
oft  hoch  in  die  rechte  Seite  hinaufspielten.  Eben  so  deutlich 
erkannte  man  kleine  Kindstheile  hoch  oben  in  der^  linken 
Abtheilung.  Das  Herzgeräusch  hörte  man  links  in  grossem 
Bogen  von  der  Gegend  *  zwischen  Nabel  und  Spina  anterior 
superior  bis  zur  unteren  Grenze  des  Hypochondrium. 

Die  grosse  Masse  Fruchtwasser  bei  übergrosser  Ausdehnung 
der  Gebärmutter  hinderte  die  unmittelbare  genaue  Verfolgung 
der  Fruchtkörper,  doch  konnte  an  die  Gegenwart  von  Zwillingen, 
deren  einer  das  Mittelstöck  ausfällte  und  in  das  rechte  Hom 
hineinragte,  deren  anderer  von  dem  Mittelstücke  aus  in  das 
linke  Hom  hinaufging,  nicht  gezweifelt  werden.  Die  Wehen 
begannen  Abends,  steigerten  sich  allmälig  in  der  Nacht  und 
hatten  am  Morgen  den  Muttermund  zu  Thalergrösse  erweitert. 
Doch  ging  erst  Abends  5  Uhr  das  Wasser  ab.  Unter  dem 
Einflüsse  der  Wehen  rückte  der  rechte  Muttermund  immer  mehr 
gegen  die  Mitte  vor,  so  dass  die  rechte  Ausbiegung  immer 
kleiner  wurde,  und. nur  die  linke  Ausbiegung  hielt  sich  immer 
noch  stark  nach  der  Seite  herumgehend,  so  wie  die  Spuren 
der  Eintiefung  in  der  Mitte,  so  dass  nun  die  Gestalt  der 
Gebärmutter  noch  auffallender  wurde.  Nach  dem  Blasensprunge 
war  die  Drehung  des  Kopfes  aus  Tierter  in  die  erste  Scheitel* 
Stellung  und  sein  endlicher  Austritt  äusserst  beschwerlich 
und  mühselig  trotz  der  energischen  Einwirkung  langdauemder 
Wehen  und  des  geringen  nur  5y^  Pfund  betragenden  (vewichts 
des  gleich  lebenden  Mädchens.  Das  zweite  Kind  folgte  schon 
nach  10  Minuten,  indem  nun  rasch  auch  der  linke  Muttermund 
gegen  die  Mitte  herabdrängte,  das  linke  Hörn  niederstieg  und 
die  Drehung  aus  dritter  in  zweite  Scheitellage  äusserst  rasch 
erfolgte.  Es  war  ebenfalls  ein  Mädchen  von  öy^  Pfund.  Der 
Mutterkuchen  musste  wegen  innerer  Reibupgen  und  Knetungen 
Trotz  bietender  Blutung  durch  Eingehen  mit  der  ganzen  Hand 
entfernt  werden,  und  zeigte  sich  als  einfache  Masse  mit  ge* 
meinsamem  Chorion.  getrenntem  Amnion.  Der  Uterus  behielt, 
so  lange  man  ihn  im  Wochenbette  constatiren  konnte,  seine 
oben  breite  in  der  Mitte  eingedriickte  Form  bei. 

Der  zweite  Fall  bot  bei  einfacher  Schwangerschaft  eine 

viel  auffallendere  und  eigenthümlichere  Formvarietät  dar.    Er 

betraf  eine  grosse,  etwas  hagere ,   stramm  muskulöse  Erstf» 

26* 


404  XXV.    VerhAndlangen  der  GesellBchaft 

gebärende,  bleiche  einäugige  Lichtbrünette,  die  immer  gesund, 
im  16.  Jahre  zuerst  menstruirt,  am  12.  October  ihre 
Menstruation  zuletzt  gehabt  und  Ende  März  die  letzten  Be- 
wegungen gespürt  hatte.  Der  Leib  war  stark  ausgedehnt, 
und  man  fühlte  an  ihm  den  Grund  der  Gebärmutter  in  der 
Mitte  eine  Hand  breit  über  dem  blasenförmig  Tortretendee 
Nabel,  nach  links  in  grosser,  breiter  Wölbung  eme  knappe 
Hand  breit  höher  hinitufgehend,  nach  rechts  in  kugeliger 
Wölbung  das  rechte  Hypochondrium  vom  ganz  ausfüllend. 
Bei  genauerem  Zufühlen  ergab  sich  eine  vollkommene  Trennung 
der  Gebärmutter  in  eine  grosse,  niedrigere,  aber  breit  gewölbte, 
etwas  nach  links  verschobene  untere  Abtheilung  und  in  eine 
kleine,  über  sie  schief  in  der  rechten  Seite  hinaufgestellte, 
fast  kugelig  abgegrenzte  obere  Abtheilung,  welche  durch  eine 
deutlich  fühlbare  tiefe  Ein-  und  Abschnürung-  der  kleinen 
Abtheilung  ganz  bestimmt  von  einander  abgegrenzt  erschienen. 
Die  eine  Abtheilung  konnte  man  auf  den  Umfang  eines  acht- 
monatlichen Uterus  schätzen,  die  andere  «nes  etwa  vier- 
monaüichen,  und  bei  der  Rückenlage  traten  sie  auch  sehr 
deutlich  für  den  Anblick  erkennbar  durch  die  Bauchdecken 
durch  in  genauer  Abgrenzung  hervor,  so  dass  auch  den 
Schülerinnen  bei  diesem  Anblicke  unverkennbar  die  Aehnlich- 
keit  mit  einem  Zwillingsapfel  auffiel,  wo  ein  kleiner  einem 
grösseren  schräg  ansitzL  Beide  Abtheilungen  waren  immer 
gleich  deutlich,  mochte  nun  der  Uterus  in  Ruhe,  überall 
abgespannt,  oder  bei  längerer  Untersuchung  in  Bewegung 
gerethen  und  sich  anspannen  und  blieben  sich  auch  für  den 
Anblick  während  des  mehrwöchentlichen  Aufenthaltes  bis  2ur 
Geburt  immer  gleich.  Die  rechte  Abtheilung  war  meistens 
leer,  obschon  man  oft  die  Bewegung  kleiner  Theile  in  sie 
hinüberspielen  führte.  Der  sehr  verdünnte  untere  Abschnitt 
lag  dem  Kopfe  eng  an,  der  sehr  verkürzte  Mutterhals  war 
nach  hinten  und  rechts  gezogen. 

Am  27.  Juli  gegen  Tagesanbruch  begannen  die  Weben. 
Beide  Theile  des  Uterus  zogen  sich  ziemlich  gleichmässig  zu- 
sammen, wobei  die  doppelte  Form  der  Gebärmutter  nur  um 
so  schärfer  hervortrat  Die  Geburtsthätigkeit  wurde  im  Laufe 
des  Tages  äusserst  energisch  und  zuletzt  fast  anhaltend  mit 
kurzen  Remissionen.   Da  aber  bei  um  6  Uhr  Abends  nur  noch 


fttr  Oebnrtsbülfe  in  Borlin.  405 

Yorhandener  stark  gespannter  Vorderlippe  gar  kein  Fortgang 
der  Sache  bemerklich  wurde  und  das  Wasser  sich  später 
wiederum  mehr  hinter  den  Kopf  zurückzog,  liess  ich  die 
Eihäute  nach  8  Uhr  Ahends  sprengen,  was  aher  mit  den 
Fingern  nicht  gelang,  sondern  Anritzen  mit  einem  Salz- 
krystalle,  dem  einfachsten  und  wohlfeilsten  Wassersprenger, 
forderte. 

Die  Wehen  blieben  jedoch  äusserst  schmerzhaft;  ein 
anhaltender,  wirkungsloser,  sehr  schmerzhafter  Drang  mit 
heftigem  Kreuzschmerze  und  der  Muttermund  verstrich  erst 
nach  10  gr.  pulv.  Do  wer.,  während  im  Uebrigen  ungeberdig 
¥nldes  Sichumherwerfen  mit  anhaltendem  lautem  Jammern 
und  Wehklagen  fortdauerte  und  die  kleine  Fontanelle  mit 
stark  übergeneigtem  rechten  Scheitelbeine  an  den  linken 
Schoossbogenschenkel  angestemmt  blieb.  Der  Uterus  spannte 
sich  oben  immer  schief  von  beiden  Seiten  her,  die  so  gegen- 
einander zu  wirken  schienen  statt  in  gemeinsamer  Hiltel- 
richtung  nach  unten. 

Ein  um  lOy^  Uhr  bei  der  grossen  Gefassaufregung 
gemachter  Aderlass  bewirkte  vorübergehend  Erleichterung 
und  Beruhigung  selbst  bis  zu  ruhigem  Schlummer  in  den 
Wehenpausen,  doch  ohne  das  Gegeneinandergekehrtsein  der 
Wirkung  der  beiden  Seiten  des  Uterus -aufzuheben,  und  da 
ohne  allen  Erfolg  um  12%  Uhr  die  Unruhe  und  der  stürmische 
Drang  wieder  ganz  den  früheren  Grad  erreicht  hatten,  ent- 
wickelte ich  nicht  ohne  Mühe  und  grossen  Schmerz  für  die 
Frau  den  Kopf  mit  der  Zange,  wobei  während  der  End- 
tractionen  starke  Blutung  eintrat  Eine  feste  Umschnürung 
der  Nabelschnur  um  den  Hals  liess  auch  die  Entwickelung 
des  Rumpfes  nur  mühsam  unter  starker  Umbiegung  zu 
Stande  kommen.  Die  Nabelschnur  ging  drei  Mal  um  den 
Hals,  ein  Mal  um  den  Leib.  Der  6 Vs pfundige  Knabe  war 
scheintodt,  wie  denn  schon  bei  Anlegung  und  Schliessung 
der  Zange  viel  stark  mit  Kindspech  veninreinigtes  Wasser 
abgegangen  war. 

Der  Mutterkuchen  forderte  nach  vergeblichen  anderen 
äusseren  und  inneren  Manipulationen  Entfernung  mittels  Ein- 
gehen mit  der  ganzen  Hand,  wobei  ich  ihn  leicht  iii  der 
Haupth5hle  erreichen  und  umfassen  konnte,  aber  mit  einem 


« 


406  XXV.   Verbandluiigea  der  GeBellschaft 

grossen  Stücke  in  der  rechten  Seitenabtheilung  eingesperrt 
fand.  Durch  äusseren  Gegendruck  von  rechts  her  gelang  die 
Lösung  mittels  Eindringens  mit  zwei  Fingern,  worauf  die 
Entfernung  keine  Schwierigkeiten  mehr  bot 

Im  Wochenbette  zeigte  der  Uterus  wohl  eine  ungieidi- 
mässige  Form,  doch  war  jene  deutliche  Abgrenzung  nicht 
mehr  bestimmt  durch  die  Bauchdecken  zu  erkennen. 

Es  reiht  sich  diese  Beobachtung  offenbar  an  die  Fälle 
Yon  Graviditas  tubouterina  nach  der  früheren  Bezeichnung  an, 
wobei  die  Placenta  in  dem  vermeintlichen  Sacke  der  Tuba 
ihren  Sitz  gehabt,  wie  deren  unter  anderen  einer  von 
Monteil  Pons  (l'union,  1856,  51)  mitgetheilt  wird,  und  es 
•  '  begreift   sich   leicht,    wie   mau,    wenn   man  etwa  erst  nach 

dem  Austritte  des  Kindes  hinzugekommen  wäre,  zu  der  yod 
d'Outrepant  und  Riecke  (N.  Zeitschr.  f.  Geb.,  XXV.,  2,  305) 
aufgestellten  Ansicht  eines  Einragens  des  Mutterkuchens  in 
die  erweiterte  Tuba  hätte  geführt  werden  können.  Ist  auch 
die  Möglichkeit  solcher  Fälle  weder  durch  derartige  Beobachtungen 
noch  durch  die  trefflichen  Untersuchungen  von  Kussmaul 
unbedingt  widerlegt,  so  fordern  sie  doch  zur  grössten  Vorsicht 
auf  und  lassen  jene  Auslegungen  immer  in  dem  ailerzweifd* 
haftesten  Liebte  erscheinen.  Denn  dass  wir  es  in  meinem 
Falle  mit  einem  Uterus  unicornis  mit  verkümmertem  Nebenhorne 
zu  thun  haben,  und  dass  hier  ursprünglich  das  Ei  in  dem 
verkümmerten  Nebenhorne  sich  entwickelt  und  erst  später  die 
Frucht  den  Weg  in  die  Haupthöhle  gefunden  habe,  möchte 
kaum  zu  bezweifeln  sein.  Wie  aber  KussmauV^  anatomische 
Untersuchungen  unbedingt  sicher  feststellten,  dass  die  weit 
vorgeschrittenen  Graviditates  tubariae  und  die  meisten  Fälle  der 
Graviditas  interstitialis  uud  tubouterina  nur  Schwangerschaften 
in  verkümmerten  Gebärmutterabthoilungen  sind,  so  reiht  sich 
jene  diagnostisch  und  dem  Verlaufe  nach  in  stufenweiser 
Entwickelung  des  Vorganges  verfolgbare  Beobachtung  neben 
anderen  gleichartigen  in  vervollständigender  Weise  diesen 
Untersuchungen  an,  nachweisend,  wenn  und  wie  hierbei  ein 
Irrthum  in  der  Anschauung  oder  eine  Zweideutigkeit  der 
Beobachtungsresultate  möglich  war. 

Indem  ich  hoffe,  dass  in  diesem  Sinne  die  verehrte 
Gesellschaft  meine  übersendeten  Mittheilungen  freundlich  ent- 


fär  Gebnrtsbülfe  in  Berlin.  407 

gegeDnebmeo  werde,  glaube  ich  auch,  dass  die  Yoriaufige 
Mittbeilung  itur  iiidit  uninteressant  sein  möchte,  dass  die  Frau, 
bei  welcher  mir  die  Reposition  des  seit  zwei  Jahren  invertirlen 
Uterus  gelungen  ist,  im  Monate  März  ihre  zweite  Niederkunft 
erwartet. 

Ich  erlaube  mir  zugleich  noch  die  kurze  Notiz,  dass  ich 
in  diesem  Herbste  in  einem  Vortrage  in  der  Gesellschaft  der 
Aerzte  des  Regierungsbezirkes  Cöln  in  einer  Parallele  zwischen 
den  Cred^^&c^en  Manipulationen  zur  Entl'ernung  des  Mutter- 
kuchens und  den  Repositionsversuchen  des  invertirten  Uterus 
auf  die  verschiedenen  Verhältnisse  dieser  Versuche  hingewiesen 
habe.  Mit  Bezugnahme  darauf,  dass  in  den  Beobachtungen 
von  Tt/lor  Smiths  White  und  Bockenthai  der  Tamponvessie 
ausreichte,  bei  mir  nicht,  dass  ebenso  die  manuelle  Reposition 
auch  in  veralteten  Fällen  oft  gelang,  oft  nicht,  scheint  mir 
einestheils  der  Umfang  des  invertirten  Organes  im  Verhältniss 
zur  Durchgangspforte  wichtig,  ob  es  noch  turgide,  lebensvoll 
oder  schon  atrophirt,  anderentheils  die  Consistenz,  ob  das 
Gewebe  mehr  oder  weniger  indurirt,  indem  danach  der  Uterus 
in  einem  Falle  dem  Drucke  folgt  und  zurückgeht  oder  im  anderen 
Falle  dem  Drucke  ausweicht  und  mit  Formänderung  zur  Seite 
geht.  Es  mögen  diese  kurzen  Andeutungen  genügen,  um  es 
gerechtfertigt  erscheinen  zu  lassen,  dass  ich  an  dem  Antheile, 
welchen  ich  der  Sonde  in  meinem  Falle  zuschri^^b,  auch  immer 
noch  festhalte,  sowie  der  Ausgang  meiner  Beobachtung  es 
gerechtfertigt  erscheinen  lässt,  dass  ich  sie  in  der  von  mir 
angegebenen  Ausstattung  nicht  nur  als  durchaus  ungefährlich, 
sondern  auch  als  das  mildeste  und  sicherste  Mittel  bezeichne, 
vorausgesetzt  die  Enthaltung  von  jedem  raschen,  stürmischen 
oder  gar  gewaltsamen  Verfahren.  Eine  sehr  langsam  und 
allmälig  angewendete  Steigerung  im  Drucke  lässt  um  so  eher 
eine  bedeutende  Kraftanwendung  gefahrlos  zu,  da  man  der 
Chloroformnarcose  bei  diesem  Verfahren  ganz  entrathen  kann 
und  in  den  Schmerzäusserungen  sichere  Fingerzeige  besitzt 


Herr  Louis  Mayer  legt  der  Gesellschaft 

das  Präparat  einer  Geschwulst 
vor,  welche  er  in  jüngster  Zeit  aus  der  Brustdrüse  einer 
Frau  ausgeschnitten  hat. 


408  XXV.   Verbandlangen  der  GesellBchaft 

Die  Operirte,  56  Jahre  alt,  im  AUgemeineD  gesund,  hat 
sechs  Mal  unter  normalen  Verhältnissen  geboren.  Vor  etwa 
einem  Jahre  fühlte  die  Frau  in  ihrer  rechten  Brust  einen 
Schmerz,  der  aber  nach  einiger  Zeit  verschwand.  Hierauf 
entwickelte  sich  in  der  linken  Brust  unter  schmerEhafter 
Empfindung  die  vorliegende  Geschwulst,  welche  anfangs  lang- 
sam wachsend,  seit  Weihnachten  vorigen  Jahres  eine  sehr 
rapide  Entwickelung  nahm.  Die  Haut  über  der  Geschwulst 
war  gerdthet,  teleangiectatisch  und  wenig  gespannt  Die 
Geschwulst  hatte  eine  unebene  hügelige  Gestalt  und  bot  für 
das  Gefühl,  oberflächlich  eine  weiche,  in  der  Tiefe  eine 
härtere  Consistenz.  Die  Umgebung  war  gesund,  so  dass  das 
Krankhafte  streng  abgegrenzt  war. 

Das  exstirpirte  Stuck  bietet  etwa  die  Form  einer  Linse 
von  2V2  Zoll  Höhendurchmesser  und  ly^  Zoll  Dicken- 
durchmessen  Das  Präparat  ist  leicht  zu  durchschneiden, 
die  Durchscbnittsfläche  bietet  verschiedene  Consistenzgrade, 
am  Messer  klebt  eine  milchige  Substanz.  Die  Farbe  des 
Durchschnittes  erschien  bei  Lampenbeleuchtung  als  blasses 
Weissgelb  und  Weissroth.  Die  mikroskopische  Untersuchung 
hat  wenig  drüsiges  Gewebe,  Fettanhäufungen,  an  vielen  Stellen 
glatte  Muskelfasern,  als  überwiegend  aber  kleine  zdlige 
Gewebselemente  ergeben. 

Herr  Mayer  bezeichnet  die  Geschwulst  als  ein  Hedullai^ 
sarcom  und  berichtet,  dass  ihm  nur  drei  ähnliche  Erkrankungen 
der  Brustdrüsen  aus  der  Literatur  bekannt  seien.  Diese  Fälle  seien 
mitgetbeilt  von  Kemm  in  Grätz,  WaM  in  Aarburg  und  Biüroth, 


Hierauf  hielt  Herr  Boehr  seinen  Vortrag 

über  das  Athmen  der  Kinder  vor  der   Geburt. 

Es  ist  bekannt,  dass  die  respiratorische  Function  der 
Placenta  eine  oft  debattirte  physiologische  Controverse  ge- 
wesen, über  die  die  Meinungen  der  Physiologen  und  Geburts- 
helfer mannichfach  auseinandergingen.  Und  doch  ist  und 
muss  der  respiratorisdie  Gasaustausch  in  der  Placenta  heutigen 
Tages  als  zweifellos  vorhanden  anerkannt  werden.  Da  der 
directe  Beweis,  die  Verschiedenheit  der  beiden  Blutarten  in 
Nabelvenen  und  Arterien  des  Kindes  sieh  nicht  fOhren  liess, 


Iftr  GebnrtshOlfe  in  Berlin.  409 

80  musste  ein  mehr  inducÜTer  Weg  aus  den  Folgen  der 
Unteii)rechung  des  Placentarkreislauffes  für  das  Kind  betreten 
werden.  Diesen  inductiven  Weg  aus  der  gebortshälflichen 
und  anatomischen  Beobachtung  heraus  hat  zuerst  Krahmer 
mit  positivster  Entschiedenheit  betreten,  der  im  Jahre  1852 
in  einem  Aufsatze  der  ,, Deutschen  Klinik"*  bei  Mittheilung  eines 
geburtshöifiichen  Falles  (von  Nabelschnurumschlingung  und 
Zangenoperation)  mit  grdssterPräcision  die  Theorie  aufstellte,  dass 
bei  jeder  Unterbrechung  des  Placentarkreislaufes  physiologisch 
nothwendig  inspiratorische  Hebungen  des  kindlichen  Thorax, 
somit  Vollpumpen  von  dessen  Canalsystemen  eintreten  müssten, 
und  zwar  ohne  Rücksicht  auf  die  Möglichkeit  ihres  teleologischen 
Endzwecks,  ohne  Rücksicht  auf  die  Möglichkeit,  Luft  mit 
Blut  in  Berührung  zu  bringen,  dass  somit  diese  vorzeitige»! 
respiratorischen  Hebungen  des  kindlichen  Thorax  die  Athem- 
noth  des  jungen  Wesens  meistentheils  nicht  abzuwenden 
vermöchten,  dessen  Leiche  vielmehr  in  allen  Fällen  die  recht 
eig^tlichen  Beweise  des  Erstickt-  oder  Ertrunkenseins  im 
Mutterieibe  darböte.  Fälle,  in  denen  die  geburtsbülfliche 
Beobachtung  der  Unterbrechung  des  Placentarkreislaufes  mit 
einem  solchen  Leichenbefunde  im  Kinde  coincidirt,  können 
allein  das  Material  sein,  aus  dem  die  Richtigkeit  dieser  An- 
schauung erwiesen  wird,  und  die  eine  klare  Einsicht  in  die 
einzelnen  Modalitäten  vorzeitiger  Lungenathmung  der  Kinder 
gewähren.  Im  Schoosse  unserer  Gesellschaft  veröfTentlidite 
Becker  in  der  Sitzung  vom  13.  Mai  1853  siebenzehn 
derartige  geburtsbülfliche  Belege  für  die  Richtigkeit  der 
Krahmer*schen  Theorie.  Krdhmer's  und  Hecker^s  An- 
schauungen und  Beweise  erwarben  sich  schon  damals  weit 
verbreitete  Beistimmung,  wenngleich  auch  einzelne  sehr  acht- 
bare Stimmen,  unter  denen  wir  nur  Scanzoni  nennen,  bei 
der  alten  Anschauung  stehen  blieben,  dass  die  Blutfülle  und 
Schlagflüssigkeit  der  Respirationsorgane  zumeist,  virie  ja  die 
übrigen  localen  Hyperämieen  der  Kindesleiche  auch  auf  die 
Druckroomente  des  Kindeskörpers  und  der  Placenta  zu  beziehen 
seien,  und  dass  das  wirksame  Agens  des  oder  der  ersten 
Athemzüge  nicht  ein  inneres,  sondern  ein  äusseres,  der  neue 
Reiz  der  atmosphärischen  Luft  sei.  In  den  zehn  Jahren,  die 
seit   der  Krahmer'schen   und  Heckei^sehen   Beweisführung 


410  ^^^-   Verbandlmigefi  dar  OeselUchaft 

verflossen,  sind  mannichfalüge  einschlägliche  Beobachtungen 
veröffentlicht  und  namentlich  hat  die  Frage  in  einer  Mono* 
grapbie  von  Schwartz  (Die  vorzeitigen  Athembewegungen, 
Kiel  1858)  die  grändlichste  und  wissenschaftlichste  Bearbeitung 
gefunden..  — 

Es  liegt  demnach  genügendes  Material,  eine  ganze  Reibe 
geburtshüiflicher   Beobachtungen    und   Leichensectioneu    zur 
Beurtheilung  und  Prüfung  der  Krdhmer' sehen  Theorie  vor. 
Ich  habe  es  mir  nun  zur  Aufgabe  gestellt,  in  einem  Journal- 
artikel:  „Ueber  das  Athmen  der  Kinder  vor  der  Geburt«**  der 
in  der  Henke^schen  Zeitschrill  im  ersten  Quartal  dieses  Jahres 
veröffentlicht  ist,  alle  seit  dem  Auftauchen  der  JTraAmer'schen 
Theorie  veröffentlichten  Fälle  zusammenzustellen  und  mit  Heran- 
ziehung  eigener   Beobachtungen   tabellarisch   zu   verwertben. 
Dadurch  bin  ich  im  Stande  gewesen,  TabeUen  von  in  Summa 
100  Fällen   zu   entwerfen.    Diese  Zahl,   zwar  an  sich   nicht 
sehr  gross,    reicht  doch,    wie  ich  glaube,   vollkommen  aus 
zur  Beurtheilung  und  Verwerthung  der  betreffenden  anatomisch- 
diagnostisdien  Fragen.    Bei  jedem   einzelnen  Falle  sind  in 
der  Tabelle  die  pathologischen  Verhältnisse  der  Geburt,  d.  b. 
die  Art  der  Unterbrechung  des  PJacentarkreislaufes,  ersichthcb« 
und  die  bei  aller  Verschiedenheit  im  Einzelnen  doch  grosse 
Gleichförmigkeit    der   Erscheinungen    im    Ganzen    bei    einer 
solchen  Reihe  von  Fällen   dürfte  gewiss  als  ungezwungenes 
Beweismoment  für  die  Constanz  der  Facta,  die  aus  der  Zu- 
sammenstellung  erhellen,   anzusehen    sein.     Die   Tabelle  A, 
umfasst  2ö  Fälle  nach  Unterbrechung  des  Placentarkreislaufes 
as|ihYctisch  geborener  Kinder,  die  ohne  Schaden  fortlebten, 
die   Tabelle  B,,    die  grösste,    75  Todlgeburten ,    nach  der 
Unterbrechung  des  Placentarkreislaufes  geordnet,  die  Tabelle  C. 
zehn  sterbend  geborene  Kinder  und  die  Tabelle  D.  acht  Fälle 
von  Kindern,  die  kui*zere  oder  längere  Zeit  nach  der  Geburt 
in  Folge  von  Schädigungen  in  der  Geburt  zu  Grunde  gingen, 
und  in  deren  Leichen  sich  Residuen  verfrühter  Athemversuche 
fanden.   Wir  können  somit  nach  den  Tabellen  jB.  ,  G.  und  D, 
über  eine  Summe  von  75  Sectionen  referiren. 

Es  kann  hier  nur  die  Aufgabe  sein,  kurz  die  Resultate 
meiner  tabellarischen  Zusammenstellungen  anzugeben.  Da  es 
wünschenswerth  war,    für   die  Verschiedenheit   unter  vielem 


Ittr  Oebartsbülfe  In  Barlia.  411 

Gldchartigen  und  Aehnlichcdü  eine  Beziehungsweise  festzustellen, 
welche  in  nuce  mit  einem  Worte  den  ganzen  Todesvorgang 
und  Leichenbefund  des  ^Kindes  im  einzelnen  Falle  erkennen 
liesse,  so  habe  ich  in  der  letzten  Columne  der  Tabelle  unter 
der  Rubrik:  „Anatomische  Diagnose  des  Todes,"  die  Be- 
zeichnungen: „Fötaler Ertrinkungstode  „fötaler  Erstickungstod", 
und  „Mischform  des  Erstickungs-  und  Ertrinkungstodes"  ge- 
wählt. Es  kann  nicht  daiüber  gerechtet  werden,  ob  dies 
generelle  Verschiedenheiten  sind,  aber  die  Bezeichnung  drückt 
mit  einem  Worte  das  Bild  des  Secüonsbefundes  aus,  ob  die 
Bronchien  in  erheblichem  Grade  äberfüllt  und  mit  Deglutitions- 
Phänomenen  vergesellschaftet,  oder  ob  alle  diese  Befunde 
fehlen,  oder  endlich  ob  sie  in  geringem  Grade  vorhanden  sind. 
Gemeinsaro  aber  ist  allen  drei  Arten  der  grössere  oder  geringere 
Grad  von  Blutuberfüllung  der  Brustorgane.  Als  reinen  fötalen 
Ertrinkungstod  habe  ich  15  Fälle,  als  reinen  Erstickungstod 
24  Fälle,  als  Mischformen  28  Fälle  in  den  Tabellen  bezeichnet. 
Die  Tabellen  ergeben,  dass  jede  der  drei  Arten  bei  den 
allerverschiedensten  pathologischen  Verhältnissen  des  Geburts- 
Vorganges  vorkommen  kann,  und  dass  somit  das  Zustande- 
kommen der  einen  oder  der  anderen  Art  im  concreten  Falle 
nur  abhängt  von  den  Nebenbedingungen,  dem  Abgeschlosseusein 
des  Fruchtwassers,  der  passenden  Lagerung  der  kindlichen 
RespirationsölTuungen  u.  s.  w.  Dennoch  ist  ihre  Unterscheidung 
wichtig,  nicht  bloss  zur  Entwerfung  einer  theoretisch  wissen- 
schaftlichen Häufigkeitsscala,  sondern  auch  zur  Verwerthung 
dieser  rein  geburtshiHflichen  Fälle  auf  forensischem  Gebiet, 
weil  der  rein  fötale  Ertrinkungstod  auch  dem  Gerichtsarzte 
den  allerzweifellosesten  Beweis  des  Todes  durch  vorzeitiges 
Athmen  gewähren  würde,  der  auch  in  den  meisten  Fällen 
der  Mischformen,  wo  sich  je  die  Spuren  der  Geburtsilussigkeiten 
in  Bronchien  oder  Magen  des  erstickten  Kindes  nachweisen 
lassen,  nicht  zweifelhaft  sein  wird.  Aus  unseren  Tabellen  B.y 
C.  und  D.  erhellt,  dass  un^  57  Todtgeburten  32  Mal  die 
Luftwege  mit  den  specifischen  Massen  erfüllt  waren,  16  Mal 
vollkommen  leer  und  bei  9  Kindern  ihr  Inhalt  nicht  an- 
gegeben ist.  Bei  den  10  sterbend  Geborenen  der  Tabelle  C, 
waren  in  allen  Fällen  die  Luftwege  erfüllt  und  unter  den 
8  Kindern   d^r  Tabelle  B,  fand  sich  dies  noch  5  Mal  vor. 


412  XXV.    Verhandlungen  der  OeseUschaft 

Wir  haben  somit  bei  47  die  positive  Angabe  des  Befundes, 
d.  h.  bei  627s  Procent  der  secirten  Kinder.  Was  die  Natur 
der  specifischen  Massen  bei  diesen  47  Fällen  anbetrifft,  so 
können  wir  noch  die  Angabe  hinzufügen,  dass  23  Mai  die 
aspirirten  Massen  zweifellos  meconiale  Beimengungen  er- 
hielten ,  in  den  übrigen  24  Fällen  bestand  der  Inhalt  nur  aus 
Geburtsschleim,  Fruchtwasser,  mitunter  mit  Blut  oder  Vernix 
caseosa,  jedoch  nicht  deutlich  mit  Meconium  gemischt  Rechnet 
man  nun  zu  diesen  47  Fällen  noch  21  Fälle  der  Tabelle  A., 
bei  denen  das  Eindringen  der  specifischen  Massen  durch 
Rasseln  in  den  Bronchien  und  Hustenstösse  zu  erschliessen 
ist,  so  erhält  man  68  Procent  der  Gesammtzahl  von  100  Fällen. 
Wir  wollen  hier  gleich  die  Bemerkung  daran  knüpfen,  dass 
bei  den  Mischformen  des  Erstickungs-  oder  Ertrinkungstodes, 
zu  denen  wir,  wie  erwähnt,  28  Fälle  aus  unseren  Tabellen 
rechnen,  in  ihrer  Mehrzahl  nämlich  19  Mal.  die  Deglutitions- 
Phänomene  fehlen.  Dahingegen  ist  das  umgekehrte  Verhältniss, 
eih  Leersein  der  Laftwege,  während  Degliitationsphänomene 
vorhanden  sind,  bei  vorzeitig  athmenden  Kindern  gewiss 
äusserst  selten.  Wir  finden  in  unseren  Tabellen  nur  einen 
einzigen  Fall  dieser  Art,  No.  79  der  Tabelle  J?.,  eine 
Beobachtung  von  Liman,  bei  der  die  Luftwege  leer  waren, 
während  sich  im  Magen  grünliche  meconiale  Flüssigkeit  fand. 
In  allen  übrigen  Fällen  coincidirte  immer  Leersein  der  Luft- 
wege mit  Nichtvorhandensein  von  Deglutitionsphänomenen. 

Den  Luftgehalt  der  Lungen  betreffend ,  versteht  es  sich 
von  selbst,  dass  die  Tabellen  bestätigen,  was  längst  bekannt 
war,  dass  die  grosse  Mehrzahl  aller  vorzeitig  athmenden 
Kinder  trotz  der  energischesten  Athmenversuche  nicht  die 
Spur  von  Luft  in  die  Lungen  ziehe.  Nach  unseren  Tabellen 
ist  dies  bei  62%  Procent  aller  zur  Section  gekommenen 
Kinder,  und  wenn  wir  die  Tabellen  der  Todtgeburten  allein 
in's  Auge  fassen  bei  77  Procent  der  Fall.  Die  Ausnahmefalle 
eines  theilweisen  Luftgehaltes  sind  immer  an  eine  von  drei 
Bedingungen,  entweder  Kunsthälfe  oder  Sterbendgeborensein, 
so  dass  die  letzten  Athemzüge  extrauterin  sind,  oder  an  Luft- 
einblasen gebunden.  Auf  eine  dieser  drei  Bedingungen  lässt 
sich  in  unseren  Tabellen  jeder  Fall,  bei  dem  ein  Luftgehalt 
angemerkt  ist,    zurückführen.     Es  ist   sehr  zweifelhaft,    ob 


för  OebartahfUfe  in  Berlin.  413 

sogenannte  reine  Fälle  Torkomnien,  bei  der  keine  dieser  drei 
Bedingungen  zutrifit.  Ich  weiss  sehr  wohl,  dass  von  zu- 
verlässigen Beobachtern  solche  anscheinend  reine  Fälle,  selbst 
mit  vollständigem  Luflgehalte  mitgetheilt  sind,  indess  eine 
nähere  Besprechung  derselben  würde  mich  an  diesem  Orte 
zu  weit  fuhren,  ich  will  nur  bemerken,  dass  ein  sehr  merk- 
würdiger und  weit  bekannt  gewordener  Fall  von  Hecker 
in  Virchow*&  Archiv,  1859,  Heft  6  mitgetheilt  ist.  Indess 
die  Kreissende  wurde  hierbei  wiederholt  „mit  der  halben  Hand 
untersucht**,  was  gewiss  für  den  Effect  des  möglichen  Luft- 
zutrittes der  Kunsthülfe  gleich  zu  achten  ist 

Uebrigens  veranlassen  Kunsthülfe  und  Sterbendgeborensein 
noch  keinesweges  nothwendig  den  Luftzutritt  Es  geht  sogar 
aus  unseren  Tabellen  hervor,  dass  bei  30  von  den  44  Kindern 
in  der  Tabelle  B.,  die  ohne  Luflgehalt  todt  geboren  wurden. 
Kunsthülfe  in  Anwendung  kanf,  und  trotzdem  die  Lungen 
keine  Luft  schöpften  und  dass  bei  Dreien  in  der  TabeUe  G. 
die  beiden  concurrirenden  Bedingungen  des  Sterbendgeboren- 
seins  und  der  Kunsthülte  zusammentrafen,  ohne  hier  die 
Wirkung  des  Luftzutrittes  zu  bedingen. 

Es  lässt  sidi  a  priore  gar  nicht  bestreiten,  dass  bei 
Vagitus  uterinus,  wo  er  ja  einmal  vorkommt,  Luft  wenigstens 
stellenweise  in  den  Kinderlungen  gefunden  werden  wird.  Es  ist 
sehr  zu  verwundem,  dass  bei  den  vielen  und  alten  Streitig- 
keiten, die  die  äusserst  seltene  und  ominöse  Erscheinung  des 
Vagitus  uterinus  veranlasst  hat,  nicht  eine  ganze  Reihe  glaub- 
würdiger Sectionsberichte  über  derartige  Kinder  in  der  Literatur 
existirt.  Hag  in  der  älteren  Literatur  verstreut  ein  einzelner 
Fall  mit  Section  erzählt  sein,  in  der  neuen  Literatur,  in  den 
letzten  zehn  Jahren  seit  Bekanntwerden  der  JTroÄmer'schen 
Theorie  ist  kein  Fall  veröffentlicht,  und  daher  keiner  in 
unseren  Tabellen  enthalten.  Schwartz,  der  sich  so  viel  und 
so  eingehend  mit  dem  Studium  der  vorzeitigen  Athembewegungen 
beschäftigt,  hat  nie  den  geringsten  Laut  gehört  Woher  kommt, 
bei  der  ohnehin  schon  eminenten  Seltenheit  des  Vagitus  uterinus 
die  noch  grössere  Seltenheit  von  Sectionsberichten  darüber? 
Sicher  aus  einem  Umstände,  der  meiner  Meinung  nach  noch 
nirgend  genügend  gewürdigt  ist  Es  ist  nämlich  die  Wahr- 
scheinlichkeit grösser,  ein  Kind,  das  bei  seinem  vorzeitigen 


414  XXV.    Verbandltiii^eii  der  Gesellscbaft 

Athemversuchen  noch  Lebensfriscbe  genug  hatte,  um  trotz 
seiner  beginnenden  asphyctischen  Intoxication  im  Mutterieibe 
kräftig  zu  schreien,  und  das  kräftigste  Lebenszeichen  zu 
anticipiren  —  werde'lebend  geboren  werden  und  nicht  auf 
den  Sectionstisch  wandern.  In  der  That  wird  dies  durch  die 
Erfahrung  bestätigt.  In  einer  Schrift  von  Kunze  über  Kindes- 
mord, Leipzig  1860,  sind  11  Fälle  von  Vagitus  uterinus  aas 
der  älteren  Literatur  mitgetheilt,  von  denen  in  sieben,  also 
in  zwei  Drittel  der  Fälle  die  Kinder  lebend  geboren  wurden, 
und  bei  den  vier  Todtgeburten  kam  ein  Maldie  Kephalotbrypsie, 
drei  Mal  schwierige  Wendungen  u.  s.  w.  zur  Anwendung,  die 
Kinder  starben  also  theils  zweifellos ,  theils  sehr  wahrscheinlich 
bei  der  Ausäbung  der  Kunsthälfe.  Dennoch  ist  es  zu  be- 
dauern, dass  auch  bei  diesen  vier  Todtgeburten  die  Sectionen 
nicht  gemacht  sind. 

Viel  häufiger  als  der  Vagitus  uterinus  gehört  wird,  werden 
bei  der  geburtshülflichen  Untersuchung  die  vorzeitigen  Athem- 
bewegungen  des  Kindes  direct  gefühlt.  Bei  der  Wichtigkeit 
und  dem  Interesse  der  Erscheinung  und  der  Mannichfaltigkeit, 
wie  sie  zur  Beobachtung  kommt,  theils  als  wirkliche  inspira- 
torische Hebungen  des  Thorax,  theils  als  zuckende  Bewegungen 
des  Kopfes  oder  der  Extremitäten  im  Uterus  selbst,  in  der 
Scheide  oder  bei  theilweisem  Austritt  des  Kindes,  habe  ich 
in  allen  Tabellen  eine  eigene  Columne  für  die  vorzeitigen 
Athembewegungen  angelegt,  die  einen  genauen  Einblick  in 
jeden  einzelnen  Fall  gestattet.  Danach  sind  vorzeitige  Athem- 
bewegungen im  Ganzen  bei  21  Procent  direct  diagnosticirt 
worden,  und  zwar  10  Mal  in  der  Tabelle  A,  bei  25  fort- 
lebenden Kindern,  10  Mal  in  der  Tabelle  B.  bei  57  Todt- 
geburten und  ein  Mal  (Tabelle  (7.)  bei  10  sterbendgeborenen 
Kindern. 

Wir  haben  nun  noch  einen  Blick  zu  werfen  auf  die 
Resultate  unserer  Tabellen  in  Bezug  auf  das  Canalsystem  der 
Lungenblntgefasse.  Bei  allen  Fällen,  mögen  die  Kinder  fötal 
ertrunken  oder  fötal  erstickt  sein,  oder  mehr  die  Mischformen 
von  beiden  Sectionsbefunden  zeigen,  finden  wir  Blutfulle  der 
Brustorgane  verzeichnet,  freilich  in  den  allerverschiedensten 
Gradationen,  von  der  einfachen  Hyperämie  und  Blutfulle  an 
bis  zu  dem  eclatantesten  Lungenschiagflusse.    Gerade  durch 


far  Gebortübillfe  in  Berlin.  415 

die  parallele  NebeneinandersteUung  aller  dieser  und  so  vieler 
Gradationen  bei  gleichartigen  Fällen  glaube  ich  im  Stande  za 
sein,  einige  positive  Aufklärungen  über  eines  der  hervor- 
ragendsten Symptome,  die  Petechialsugillationen  zu  geben. 
Man  war  bisher  gewohnt,  die  Petechialsugillationen  als  das 
gewöhnlichste  und  constanteste  Erstickungs-  oder  wenn  man 
will  Hyperämie  -  Symptom  in  luftleeren  oder  nur  theilweise 
lufthaltigen  Lungen  anzusehen,  wie  sie  ja  auch  bei  Erstickungen 
schon  lebend  gewesener  Kinder  so  häufig  und  selbst  bei  er^ 
stickten  Erwachsenen  nicht  selten  sind.  Dass  hingegen  die 
Petechialsugillationen  trotz  des  zweifellosesten  fötalen  Erstickungs- 
und Ertrinkungstodes  fehlen  können  und  nicht  vorhanden 
zu  sein  brauchen,  ist  eine  Thatsache,  die  wir  ausdrucklich 
hervorheben  müssen,  da  sie  bisher  noch  nirgends  genügend 
gewürdigt,  ja  geradezu  in  Abrede  gestellt  worden  ist.  So 
sagt  Liman  in  einem  Aufsatze:  „Ueber  die  forensische  Be- 
deutung der  punktförmigen  Ecchymosen*'  (in  Gasper^s  Viertel- 
jahrsschrift,  Heft  I.,  Januar  1861):  „So  oft  bisher  bei 
Erstickungen  vor  und  unter  der  Geburt  instinctive  Athem- 
bewegungen  beobachtet  wurden ,  denen  der  Tod  folgte,  hat  man 
subseröse  Ecchymosen,  sowohl  in  den  Brustorganen,  als  auch 
oft  in  weiter  Verbreitung  auf  die  Unterleibsorgane  gefunden.'*  — 
Dies  ist  positiv  falsch.  Unsere  Tabellen  liefern  den  Beweis, 
dass  sich  18  Mal  unter  75  Sectionen,  also  bei  24  Procent, 
keine  Petechialsugillationen  fanden,  und  zwar  fehlen  sie, 
wie  die  nähere  Einsicht  dieser  18  Fälle  ergiebt,  bei  den 
allerverschiedensten  Ursachen  der  Unterbrechung  des  Placentar- 
kreislaufes  und  des  Geburtsvorganges  sowohl  beim  fötalen 
Ertrinkungstode,  als  beim  Erstickungstode,  als  bei  den  Miscb- 
formen  von  beiden,  trotzdem  die  übrigen  Zeichen  dieser 
Todesarten  au^*s  deutlichste  ausgeprägt  sind.  Schwartz,  unter 
dessen  Beobachtungen  sich  neun  FMle  dieser  Art  finden,  und 
Breisky,  der  vier  Fälle  dieser  Art  erzählt,  habeti  die  That- 
sache nicht  besonders  hervorgehoben.  An  diese  dreizehn  Fälle 
schliessen  sich  fQnf  Fälle  unserer  eigenen  Beobachtung. 

Eine  andere  Thatsache  über  die  Petechialsugillationen 
müssen  wir  ebenfalls  hervorheben,  dass  sie  nämlich  in  einzelnen 
Fällen  noch  vorhanden  sein  und  als  bleibendes  Residuum 
einmal  dagewesener  Athemnoth  gefunden  werden,  ohne  dass 


416  XXV.    VerhandlmigeD  der  Gesellschaft 

das  Kind  an  Erstickung  gestorben,  während  der  Tod  viekaeiir 
aus  jeder  beliebigen  anderen  Ursache,  Iheils  mit  dem  Processe 
in  Verbindung  stehend,  theils  nicht  mit  ihm  zusammenhängend 
erfolgt  sein  kann. 

Da  nämlich  die  durch  vorzeitige  Athembewegungen  ein- 
geleitete Lungenstase  eben  so  wenig  in  allen  Fällen  zum  Tode 
führt,  als  die  Aspiration  der  Fruchtwässer,  da  man  zweifellos 
das  Vorhandensein  und  die  demnächstige  Rückbildung  der 
Lungencongestion  bei  allen  aspbyctisch  geborenen  Kindern 
annehmen  muss,  die  nachher  wieder  zum  Leben  erwachen, 
so  muss  man  für  derartige  Fälle  die  einzelnen  Zeichen  der 
Lungenblutfülle  wohl  unterscheiden: 

1)  in  solche,   die   binnen  Kurzem,    ohne  irgend  welche 
Spuren  zurückzulassen,  schwinden  können, 

2)  und  in  solche,  welche  ^ie  deutlichen  Spuren  ihres  Be- 
stehens noch  einige  Zeit  hindurch  erkennen  lassen. 

In  die  erste  Gruppe  gehört  unfehlbar  jedes  Blutquantum, 
welches  noch  nicht  die  Gefassbahnen  selbst  verlassen  hat  — 
kommt  die  normale  extrauterine  Respiration  in  Gang,  wird 
die  ganze  Circulation  eine  freiere,  so  schwindet  diese  Blut- 
anhäufung innerhalb  der  Gefasse  sicher  schnell. 

In  die  zweite  Gruppe  gehört  dagegen  jeder  Tropfen 
Blutes,  der  wo  immer  aus  dem  Lumen  gerissener  Gefass- 
oder  CapillarverzweigUDgen  ausgetreten  ist,  die  Sugillationen, 
kleinen  Apoplexien  und  Suffusionen.  Diese  bedürfen  sicher 
des  Zeitraumes  mehrerer  Tage  zu  ihrer  Resorption. 

Sie  können  sich  daher  sehr  wohl  als  isolirtes  und  nicht 
verwischtes  Symptom  in  Leichen  von  Kindern  finden,  die 
vorzeitige  Athembewegungen  gemacht  hatten,  ohne  gerade 
daran  zu  Grunde  zu  gehen,  und  wenige  Stunden  oder  selbst 
Tage  nach  der  Geburt  aus  anderweitigen  beliebigen  Ursachen 
gestorben  *  sind.  In  sofehen  Fällen  gestattei>  die  kleinen 
noch  nicht  'resorbirten  apoplectischen  Ergüsse  natürlich  keine 
andere  Scblussfolgerung,  als  die:  auf  einmal  stattgehabte 
Athemnoth:  mit  Wahrscheinlichkeit  auf  Athemnoth  wäbr^d 
der  Geburt. 

Die  Section  eines  Kindes,  dessen  Geburt  und  kurzes 
Leben  ich  beobachtete,  gab  mir  Gelegenheit,  das  Bleiben  der 
Petechidsugillationen  als  einziges  Zeichen  verfrühter  Athem- 


för  Qebartshfilfe  in  Berlin.  417 

versocbe  za  constatiren,  wIKbrend  der  Tod  erweislich  aus 
anderer  Ursache  erfolgt  war. 

Am  11.  December  1859  extrahirte  ich  bei  einer  Multipara 
das  bereits  seit  vier  Stunden  in  Steisslage  unbeweghch  über 
dem  Beckeneingange  stehende  Kind  wegen  Vorfalles  einer 
kleinen  Nabelschnurschlinge,  Abgang  von  Meconium  und 
Langsamerwerden  der  FötalpulsaUon  durch  Herabholen  eines 
Fusses.  Als  der  Rumpf  entwickelt  war  und  der  Kopf  noch 
im  Becken  steckte,  folgten  drei  bis  vier  deutlich  sichtbare 
ins[Mratorische  Hebungen  des  Thorax.  Der  Kopf  folgte  mühsam 
dem  gewöhnUchen  Handgrifie.  Das  Kind  war  asphyctisch, 
wurde  indess  durch  kalte  fiegiessungen  im  warmen  Bade  zum 
Leben  gebracht  Das  schwächliche  Kind  schrie  wenig  und 
starb  drei  Stunden  nach  der  Geburt. 

Section  32  Stunden  p.  m.  Fäulnisssymptome  gering. 
Alle  Zeichen  der  beinahe  vollständigen  Reife,  Stand  des 
Zwerchfelles  zwischen  der  fünften  und  sechsten  Rippe. 

Leber  und  Nieren  massig  bluthaltig,  desgleichen  die  grossen 
Gefasse  des  Unterleibes.  Rectum  und  Blase  halb  gefüllt  Die 
Ränder  der  Lungen  überragten  den  Herzbeutel  und  lag^  klar 
zu  Tage.  Die  Farbe  der  Lungen  war  eine  hellbraunröthliche, 
überall  marmorirte,  an  den  hinteren  Partieen  wenig  dunkler. 
Beid^  Lungen  waren  mit  zahlreichen  stecknadelknopfgrossen 
Petechialsugillationen  bedeckt,  die  sich  auch  auf  der  Aorta 
fanden.    Bei  Einschnitten  in  die  Substanz  überall  reichlicher, 

m 

massig  blutiger  Schaum  und  wenig  Blut  Vollständige  Schwimm- 
fähigkeit in  allen  einzelnen  Tbeilen,  Knistern,  reichliche  Luft- 
blasen bei  Einschnitteo  unter  Wasser.  Die  Lungen  hatten 
also  vollständig  geathmet,  waren  aber  trotz  der  Petechial- 
sugälationen  wenig  blutreich. 

Herz  in  allen  vier  Höhlen  eine  massige  Menge  dunkel- 
flüssigen Blutes  enthaltend. 

Die  wdcben  Schädelbedeckungen  normal,  nirgends  eine 
Kopfgeschwulst  vorhanden.  Schädelknochen  unverletzt  Gehirn- 
häute sehr  bluthaltig  und  stark  injicirt  Gehimsubstanz  selbst 
sehr  blutreich.  Beide  Seitenventrikel  waren  strotzend  mit 
dunkelschwarzen  Blutcoagulis  gefüllt,  ihr  Ependym  stark  injicirt 
Die   Basis   des   grossen   Gehirns   war   überall   mit  dunklem 

MoD»to«obr.  f.  G«burUk.  1888.  Bd.  ZZII.,  HA.  8.  27 


418  XXV.    Verhandlatigen  der  Gesellschaft 

Biutextravasate  bedeckt,  das  'sich  schwer  von  der  darunter- 
liegenden Hirnsubstanz  abwischen  Hess.  Das  Mittelgehim  stark 
bluthaltig,  im  vierten  Ventrikel  ebenfalls  Blutcoagulum.  Das 
kleine  Gehirn  sehr  bluthaltig,  desgleichen  die  Sinus  der  Schädel- 
höhle.     Schadelgrundfläche  unverletzt. 

Die  direct  beobachteten  vorzeitigen  Athembewegungen 
hatten  also  zahlreiche  Petechialsugillationen  ohne  sonstige 
Hyperämie  der  Lungen  zurückgelassen,  und  der  Tod  war 
nach  vollständig  eingeleitetem  Alhmen  drei  Stunden  nach  der 
Geburt  an  exquisiter  Apoplexia  sanguinea  cerebralis  erfolgt, 
die  wahrscheinlich   schon  unter   der  Geburt  entstanden  war. 

Schliesslich  haben  wir  in  unseren  Tabellen  noch  die 
Complicationen  der  Sectionsbefunde  zu  berücksichtigen.  Es 
finden  sich  37  Mal  unter  75  Sectionen,  also  fast  in  der 
Hälfte  der  Fälle  wichtige  Complicationen  in  inneren  Organen, 
und  zwar  ist  die  weitaus  häufigste  unter  diesen  Apoplexia 
cerebralis,  grössere  oder  geringere  Biutextravasate  auf  der 
Oberfläche  oder  im  Innern  des  Gehirns:  21  Mal,  d.  h.  bei 
28  Procent  der  Gesammtfalle  von  75  secirten  Rindern.  Ein- 
fache Gehimhyperämie,  ohne  dass  es  zu  einer  Gefasszerreissung 
gekommen  wäre,  ist  sieben  Mal  notirt.  Drei  Mal  finden  sich 
beträchtliche  Blutergüsse  in  die  Bauchhöhle,  von  denen  ein 
Fall  mit  Gehimapoplexie  vergesellschaftet  ist,  drei  Mal  Blut- 
ergüsse in  das  Duodenum  (zwei  Mal  von  Hirnblutung  begleitet) 
und  ein  Mal  ein  beträchtlicher  Bluterguss  in  das  Cavuro 
mediastini  antici. 

Es  weisen  alle  diese  Complicationen,  die  beinahe  die 
Hälfte  der  Fälle  von  Geburten  mit  Unterbrechung  des  Placentar- 
kreislaufes  begleiten,  darauf  hin,  dass  die  ältere  Anschauung 
von  der  Blutfülle  und  Schlagflüssigkeit  der  kindlichen  Organe 
durch  Druckmomente  des  Kindes  und  der  Placenta  ihre  gute 
Berechtigung  hat  und  auch  heutigen  Tages  noch  als  causales 
Moment  mit  verwerthet  werden  darf,  sie  aber,  wie  es  früher 
geschehen,  zur  allein  gültigen  machen  zu  wollen  und  mit  ihr 
die  so  einfache  Krahmer'sche  Theorie  läugnen  und  verwerfen 
zu  wollen,  scheint  mir,  einer  so  grossen  Reihe  von  Fällen 
gegenüber,  wie  die  von  uns  tabellarisch  verwertheten,  unstatthaft 
Alle  anatomischen  Befunde  der  Brustorgane  erklären  sich  leicht 
und  ungezwungen,  sobald  man  die  inspiratorischen  Hebungen 


für  OebnrtaliiUf«  in  Berlin.  41g 

des  Th<irax,  als  eines  Pumpwerkes  für  zwei  Canalsysieme, 
als  die  physiologisch  erste  und  nothwendigste  Folge  jeder 
Unteii>rechung  des  Placentarkreislaufes  aonimmt. 

Herr  KriHdler  knöpft  hieran  folgende  Bemerkungen: 
Sowohl  in  dem  eben  gehaltenen  Vortrage  des  Herrn  Boehr 
als  auch  in  den  Arbeiten  anderer  Autoren  über  diesen  Gegen- 
stand scheint  mir  jenes  Druckverhältniss ,  unter  welchem  ein 
vom  Uterus  eingeschlossener  Inhalt  sich  befindet,  nicht  ge- 
nügend berücksichtigt  worden  zu  sein.  Dieses  Druckverhältniss 
entsteht  aus  der  Gegenwirkung  zweier  Kräfte,  nämlidi  der 
wachsenden  Frucht  und  des  sich  vermehrenden  Liquor  amnii 
einerseits  und  des  sie  umscliliessenden  Fruchthälters  anderseits. 
Da  der  Uterus  in  den  letzten  Monaten  der  Schwangerschaft 
keiner  grossen  Massenzunahme  mehr  unterworfen  ist,  sondern 
sein  bis  dahin  durch  wirkliche  Gewebsverroehrung  entstandenes 
Volumen  nun  ausreichen  muss,  das  noch  wachsende  Ei  zu 
umschliessen,  so  wird  nothwendig  die  Spannung  der  Uterus- 
fasern  eine  immer  strafiere  werden  und  das  Druckverhältniss 
zwischen  Ei  und  Uterus  bis  zur  Geburt  stetig  fortschreiten. 

Dass  dieses  Druckverhältniss  vorhanden,  ist  ja  anerkannt, 
und  ich  will  hier  nur  an  zwei  Umstände  erinnern,  welche, 
weil  sie  das  physikalische  Verhältniss  deutlich  darlegen,  ffir  die 
vorliegende  Frage  besonders  brauchbar  sind.  Dass  sich  nämlich 
erstens  der  Uterus  als  ein  fester  elastischer  Körper  von 
bestimmter  Grösse  und  bestimmter  Form  durch  die  Bauch- 
decken durchfühlen  lässt,  rührt  von  Druck  und  Gegendruck 
zwischen  Uterus  und  Ei  her:  denn  denken  wir  uns  dieses 
Verhältniss  plötzlich  aufgehoben,  das  heisst,  den  schwangeren 
Uterus  von  seinem  Inhalte  plötzlkh  befreit,  wie  dies  ja 
zuweilen  bei  einer  präcipitirten  Geburt  vorkommt,  so  zieht 
sich  der  Uterus  sofort  auf  ein  kleineres  Volumen  und 
auch  zu  einer  anderen  Formgestaltung  zusammen,  und  das 
extrauterinär  befindliche,  unverletzte  Ei  nimmt  ebenfalls  eine 
andere  Gestaltung  an,  welche  namentlich  durch  die  Be- 
schaffenheit der  dasselbe  umgebenden  Körper  bedingt  ist 
Einen  zweiten  Beweis  erhalten  wir,  wenn  das  zwischen  Uterus 
und  Ei  bestehende  Druckverhältniss  sidi  auf  einen  dritten 
Körper   überträgt,   was   wir   in  jenen   seltenen   Fällen   von 

27* 


420  XXY.    Verhaodliingeii  der  OeaellschAft 

2wiUmg88chwangerschaft  beobachten  können,  wo  der  eine 
ZwiUing  in  einem  früheren  Stadium  zu  Grunde  geht,  nicht 
ausgestossen  wird  und  endlich  als  ein  plattgedrückter  Körper 
neben  dem  reifen  Zwillinge  geboren  wird.  —  Dieser  Druck 
zwischen  £i  und  Uterus  befindet  sich  während  der  Schwanger- 
schaft in  einem  physiologischen  und  physikalischen  Aequiiibrium; 
mit  der  Aufhebung  dieses  Aequilibrii  beginnt  eben  die  Gdivurt 

Betrachten  wir  nun  mit  Rücksicht  auf  die  Toriiegende 
Frage,  welche  Wirkung  der  Druck  des  Uterus  auf  den 
Liquor  amnii  und  auf  die  Frucht  ausübt. 

Die  Frucht  lebt  im  Liquor  amnii  so  yollständig  von  ihm 
umschlossen  und  umgeben,  wie  wir  in  der  Atmosphäre,  nur 
mit  dem  Unterschiede,  dass  der  Druck,  den  der  Fötus  im 
Liquor  amnii  zu  ertragen  hat,  stärker  ist,  als  ein  Atmosphären- 
druck,  denn  es  addirt  sich  ja  zu  dem  Atmosphärendrucke, 
unter  dem  schon  der  mütterliche  Körper  steht,  nodi  der 
besondere  Druck  der  gespannten  Uterusfasern.  So  wie  wir 
uns  nun  im  extrauterinen  Leben  keinen  luftleeren  Raum  denkea 
können,  es  sei  denn  in  einem  hermetisch  abgeschlossenen 
Körper,  so  dürfen  wir  uns  auch  im  intrauterinen  Leben 
keine  Höhle  des  Fötus  ohne  Liquor  amnii  denken,  es  sei  denn 
eine  solche,  welche  durch  einen  wasserdichten  Verschluss  für 
den  Liquor  nicht  zugängig  sei.  Die  Pleurahöhle  also  z.  B. 
kann  unter  normalen  Verhaltnissen  nicht  mit  Fruditwasser 
gefüllt  sein,  die  Nasenhöhle  aber,  die  Rachenhöhle  u.  s.  w. 
muss  beim  Fötus  ebenso  mit  Wasser  gefüllt  sein,  wie  diese 
Höhlen  bei  uns  mit  Luft  gefüllt  sein  müssen.  Hieran  ist  ja 
auch  nicht  zu  zweifeln,  denn  wir  finden  im  ganzen  Daucanale 
vom  Munde  bis  After  Theile,  welche  im  Liquor  amnii  suspendirt 
sind,  welche  in  den  Fötus  durch  Mund  und  Rachenöffhung 
eindringen  und  von  da  aus,  wie  wir  mit  Wahrscheinlichkeit 
vermuthen,  durch  Schlingbewegungen  weiter  beiordert  werden. 

Was  nun  die  Frage  anbetrifift,  ob  auch  Liquor  amnii 
in  die  Athmungsröhren  eindringe,  so  sehe  ich  keinen  Grund, 
dies  zu  verneinen,  da  der  Eintritt  des  Liquor  bei  offener 
Stimmritze  eine  physikalische  Nothwendigkeit  ist  Nur  zwei 
Umstände  könnten  den  Eintritt  des  Liquor  hindern.  Erstens 
nämlich,  wenn  die  Röhren  als  Hohlräume  noch  gar  nicht 
ttistiren,   wenn  also  in  der  ersten  Hälfte  des  fötalen  Lebens 


fiUr  Oeburtohalfe  in  Berlin.  421 

wegen  der  Weichheit  der  Knorpelgrundlage  vordere  und  hmtere 
Wand  der  Trachea  eng  gegen  einander  liegen.  Em  zweiter 
ümatand  wäre,  dass  der  Kehlkopfverscbluss  während  des 
ganzen  Fötallebens  ein  wasserdicht  abgesperrter  sei.  Dies  ist 
aber  nicht  der  Fall,  denn  wir  linden  ja  in  den  Luftwegen 
nicht  selten  Liquor  amnü  und  solche  Dinge,  die  in  ihm 
suspendirt  waren.  Ergiebt  sich  nun  ein  solcher  Befund,  so 
beweist  dies  vorläufig  nichts  Anderes,  als  dass  die  Rima 
geöffnet  war  und  Liquor  aninii  durch  das  oben  geschilderte 
Druckverhältniss  ehigetreten  sei;  aus  einem  solchen  Befunde 
aber  immer  eine  vorangegangene  Athmungsbewegung 
der  Frucht  beweisen  zu  wollen,  scheint  mir  gewagt  zu  sein. 
Zweckmässige  Respirationsbewegungen  bewirken  nicht  nur  ein 
Oeffnen  der  Stimmritze,  sondern  auch  ein  Entfalten  der  Luflweg& 
Wenn  wir,  wie  dies  die  in  den  Boehr*s€hen  Tabellen  angeführten 
Befunde  ergeben,  nur  die  knorpelichten  Luftwege  mit  Liquor 
gefüllt  finden,  so  ist  dies  kein  genügender  Beweis  für  voran* 
gegangene  Athmung,  weil  an  diesem  Röhrensysteme  keine 
Entfaltung  noth wendig  ist  Wenn  nun  Herr  Boehr^  um  das 
Niditentfalten  der  feineren  Luftwege  zu  erklären,  aus  seiner  Sdurift 
„lieber  das  Athmen  der  Kinder  vor  der  Geburt**  (Erlangen  1863, 
Verlag  von  Palm  u.  Enke)  S.  18  folgenden  Satz  heranzieht: 
„Zwar  hat  man  nicht  ein  Eindringen  des  Fruchtwassers  in 
das  eigentliche  noch  unenlfaltete  fötale  Lungenparenchym  zu 
erwarten,  denn  das  Wasser  ist  nicht  elastisch  und  durchlässig 
genug,  um  eine  massenhafte  Zertheilung  in  die  unendlich 
vielen  im  entfalteten  Zustande  je  nur  Vi^  —  %  Linie  im 
Durchroesser  haltenden  und  überdies  noch  nie  ausgedehnten 
Lungenbläschen  zuzulassen  — dazu  bedarf  es  ein«*  so  hohen 
Elasticität  und  Dünnflüssigkeit,  wie  sie  nur  gasartige  Fluida 
(und  in  specie  die  atmosphärische  Lud)  besitzen;"  so  kann 
ich  ihm  das  nicht  zugeben.  Der  Liquor  amnü  enthält  einen 
so  geringen  Procentsatz  fester  Bestandtheile,  dass  er  sich 
allerdings  in  seinem  physikalischen  Verhalten  dem  Wasser 
vergleichen  lässt  Wasser  ist  aber  viel  zertheilbarer  als  es 
Herr  Boehr  darstellt  Ich  erinnere  an  das  Durchtreten  des 
Wassers  durch  die  mikroskopischen  Oeffhungen  pflanzlicher 
und  thieriscber  Gewebe,  an  die  Erscheinung  der  Ex-  und 
Ettdosmose,  und  man  wird  mir  zugeben  müMai,  dass,  alw 


422  ^^V.    VerhAndlangen  d«r  Gesellschaft 

gesehen  von  den  im  Liquor  schwimmenden  gröberen  Stücken 
Vernix,  Meconium  etc.,  aus  der  geringen  Zertheilbarkeit  des 
Liquor  kein  Grund  für  das  Nichteindringen  in  die  feinerai 
Luftwege  zu  entnehmen  ist  Ich  glaube  den  ScUuss  tfaun 
zu  müssen,  dass,  würde  nur  der  Fötus  im  Liquor  durch 
Entfaltung  der  feineren  Luftwege  mittels  zweckmässiger  so- 
genannter Respirationsbewegungen  leere  Räume  bilden,  so 
würde  nothwendig  auch  in  diese  Räume  Liquor  amnii  eintreten. 
Da  wir  nun  aber  das  eigentliche  Lungenparenchym  frei  finden, 
da  für  die  Entfaltung  der  gröberen  Luftwege  aber  sogenannte 
Atbembewegungen  nicht  nothwendig  sind,  so  durfte  es  wohl 
gerechtfertigt  sein,  auf  das  Verhalten  der  Rima  und  auf  das 
Dr^^kverhältniss  des  Uterus  als  auf  zwei  sehr  wichtige 
Factoren  für  die  Füllung  der  Tracbealwege  hinzuweisen,  nnd 
es  wird  auf  diese  Factoren  um  so  grösseres  Gewicht  zu  legen 
sein,  als  ja,  wenn  die  ^oeAr^sche  Anschauung  von  der  ge- 
ringen Zertheilbarkeit  nicht  stichhaltig  wäre,  damit  eine 
grosse  Stütze  der  von  ihm  vertheidigten  Theorien  fiele. 

Es  sei  mir  noch  gestattet,  auf  die  mir  voraussichtlich 
bevorstehende  Entgegnung  einzugehen,  dass  jsP  unter  den 
obwaltenden  Druckverhältnissen  die  Tracheen  aller  Früchte  mit 
Liquor  amnii  gefüllt  sein  müssten ,  so  wie  femer  auf  die  Frage, 
in  welcher  Verbindung  dann  die  Unterbrechung  der  Placentar- 
circulation  mit  der  Trachealfullung  stände. 

Schwartz  behauptet  in  seiner  vortrefflichen  Arbeit:  „Die 
vorzeitigen  Atbembewegungen"  (Leipzig,  Breitkopf  u.  Härtet, 
1858)  S.  228,  dass  er  bei  normal  und  völlig  lebensfrisch 
Geborenen  die  Hundhöhle  stets  frei  von  fremdem  Iifhalte  und 
das  Athmungsgeräusch  völlig  rein  fand.  Obwohl  ich  nun  vor 
der  Sorgfältigkeit  und  Treue  eines  Beobachters  wie  Schwartz 
alle  Achtung  habe,  so  muss  ich  doch  sagen,  dass  ich 
abweichende  Erfahrungen  gemacht,  d.  h.  dass  ich  nadi 
normalen  Geburten  und  bei  gesunden  Neugeborenen 
die  Mundhöhle  nicht  immer  rein  gefunden  habe,  dass  ein 
kräftiges  und  regelmässiges  Athmen  bei  einigen  erst  begann, 
nachdem  ich  Schleim  aus  der  Mundhöhle  entfernt  hatte ,  dass 
bei  anderen  wieder  neben  dem  Schreien  auch  Rasselgeräusche 
zu  hören  waren,  und  dass  diese  Kinder  kein  Zeichen  irgend 
einer  Krankheit  weder  bei  der  Geburt  noch  in  den  folgenden 


für  Gaburtshülfe  in  Berlin.  423 

Tagen  an  sich  trugen.  Wenn  die  TrachealfüUung  aber  bei 
normalen  Geburten  und  lebensfrischen  Kindern  seltener  gefunden 
wird,  so  erinnere  ich,  dass  in  der  Mehrheit  dieser  Fälle  die 
Kopflage  vorwaltet,  dass  aber  in  dieser  Lage  der  Liquor  amnii 
nicht  bloss  nach  den  Gesetzen  der  Schwere  während  der 
Geburt  aus  den  Luftwegen  leicht  ausüiesst,  sondern  dass  die 
Geburtscontractionen  durch  ihren  Druck  auf  den  Brustkorb 
während  des  Durchtrittes  durch  Muttermund,  Scheide  und 
Vaginalöllhung  diese  Entfernung  des  Liquor  amnii  noch  be^ 
fördern.  Der  geringe  Rest  des  Liquor  amnii,  welcher  nun 
noch  in  den  Bronchien  zurückgehlieben  ist,  findet  aber  an 
der  Terhältnissmässig  nicht  unbedeutenden  Fläche ,  welche 
sich  nach  der  Athmung  durch  die  Entfaltung  des  Lungen- 
parenchyms entwickelt  eine  so  grosse  Vertheilung,  dass  seine 
Anwesenheit  sich  leicht  der  Wahrnehmung  entziehen  kann.  — 
Was  nun  aber  die  so  häufig  vorkommende  Verbindung  zwischen 
gestörter  Placeniarcirculation  und  gefüllten  Luftwegen  an- 
betrifft, so  scheint  es  mir  sehr  natürlich  zu  sein,  dass 
lebensschwache  oder  gar  schon  sterbende  Früdite  mit  ge- 
lähmten S^hincteren  der  physikalischen  Wirkung  des  von  mir 
herangezogenen  Druckverhältnisses  und  dem  Eindringen  von 
Fruchtwasser  viel  mehr  ausgesetzt  sein  müssen,  als  gesunde 
und  kräftige  Fruchte.  Dieselbe  Lähmung,  welche  den  Austritt 
des  Meconii  gestattet,  wird  wahrscheinlich  auch  den  Eintritt 
des  Meconii  in  die  Trachea  begünstigen.  Gesellen  sich  zu 
dieser  Lebensschwäche  der  Frucbt,  zu  dem  Offenstehen  der 
Zugänge  noch  stürmische  Geburtscontractionen,  so  werden 
hierdurch  gerade  die  günstigsten  Bedingungen  für  die  Füllung 
der  Trachealverzweigungen  gegeben  sein. 

Ich  glaube  also,  dass  wenn  man  bei  der  Auslegung  von 
Sectionsbefunden  auf  jenes  Druckverhällniss  niemals  Rücksicht 
nimmt,  man  einen  sehr  wichtigen  Erklärungsgrund  vernachlässigt, 
und  dass,  wenn  man  die  Befunde  der  ^o^Ar'schen  Tabelle 
auch  von  meinem  Standpunkte  aus  interpretiren  wollte,  es  sich 
sehr  ungezwungen  erklären  liesse,  warum  sehr  oft  Füllungen 
der  Trachealverzweigung  stattfinden,  ohne  dass  irgend  welche 
Athmungsbewegungen  beobachtet  werden,  ferner,  warum  bei 
Fällen,  wo  stüi^mische  Wehen  verzeichnet  sind,  auch  die 
TrachealfüUung  eine  reichlichere  und  ausgedehntere  ist,  und 


424  XXV.    yerhandlnngen  der  Gesellschaft 

warum  endlich  da,  wo  die  Weben  schwach  sind,  oder  wegen 
plötzlichen  Todes  der  Mutter  sich  erst  gar  nicht  entwickele, 
auch  die  Füllung  der  Luftwege  sehr  gering  sei  oder  voll- 
ständig fehle.  

Herr  Martin  erklärt  sich  gegen  die  Ansicht  von  Sehtoartz^ 
dass  bei  normal  und  lebend  geborenen  Kindern  kein  Schleim 
im  Munde  oder  in  den  Luftwegen  vorhanden  sei.  Er  halte 
das  Gegentheil  für  die  Regel  und  unterlasse  niemals  den 
Hund  des  Neugeborenen  sofort  nach  der  Geburt  zu  reinigen. 
Auch  rasselndes  Athmen  sei  gar  nicht  selten  und  so  könne 
man  diese  Phänomene  also  nicht  als  Zeichen  nahenden  Todes 
auffassen.  Gegen  Herrn  Kristeller  mässe  er  einwenden, 
dass  es  doch  ein  Unterschied  sei,  ob  wir  Liquor  amnii  in  den 
Luftwegen  finden  oder  ob  sie  Schleimmassen  und  Meconiuro 
enthalten.  Meconium  träte  wohl  erst  in  der  Geburtsperiode 
aus  dem  Afler  und  falle  dann  nach  den  Gesetzen  der  Schwere 
nach  unten,  also  in  der  Mehrzahl  in  die  Nähe  des  Mundes. 
Da  nun  nach  Herrn  Kri8teüer*s  Meinung  der  Druck  des 
Uterus  die  Bronchien  bereits  mit  Liquor  amnii  gpföUt  habe, 
so  sei  kein  rechter  Grund  ersichtlich,  wie  dieser  Druck  nach- 
träglich noch  Meconium  in  den  Bronchien  drucken  solle,  es 
sei  denn,  dass  ihm  eine  freiwillige  Inspirationsbewegung  des 
Fötus  entgegen  käme. 

Herr  Kristeller  entgegnet,  dass  dieser  Einwand  erstens 
Herrn  Boehr*s  Theorie  zum  Theil  gar  nicht  berühre,  denn 
er  frage  Herrn  Boehr,  ob  er  nicht  die  Erfüllung  der  Bronchien 
nur  mit  Liquor  amnii  schon  für  einen  ausreichenden  Beweis 
des  stattgehabten  Athmens  ansehe;  zweitens  aber  können  zähe, 
glasige,  verschiedenartig  gefärbte  Schleimmassen  in  den  Luft- 
wegen erzeugte  Krankheitsproducte  sein,  und  brauchen  nicht 
gerade  durch  Aspiration  eingetreten  zu  sein,  endlich  halte 
er  es  nicht  für  unmöglich,  dass  turbulente  Wehen  auch 
Meconium  in  die  Luftwege  hineingetrieben. 

Herr  Boehr  giebt  zu,  dass  die  von  Herrn  KristeUer 
vertretene  Anschauung  in  theoretischer  Beziehung  viel  Wahr- 
scheinliches für  sich  habe,  dennoch  lägen  positive  Beweise 
dafür  nicht  vor;  vielleicht  könnten  Sectionen  schwangerer 
Thiere  darüber  Auskunft  geben. 


für  Gebnrtshftlfft  in  BerliB.  426 

Wert  Martin  bemerkt,  dass  derartige  Versuche  gemacht 
seien.  Man  habe  den  schwangeren  Uterus  von  Thieren  einem 
solchen  Kältegrade  ausgesetzt,  dass  der  Inhalt  desselben 
gefroren  sei  und  habe  dann  bei  der  Eröffnung  ebenfalls 
Fruchtwasser  in  den  Bronchien  des  Fötus  gefunden. 

Herr  Boehr:  Er  halte  den  Streit  über  das  normale 
Vorhandensein  von  Fruchtwasser  in  den  Bronchien  fär  eben  so 
müssig,  wie  den  alten  Streit  darüber,  ob  das  Capillarsystem 
der  Pulmonararterien  (die  Bahn  des  kleinen  Kreislaufes)  während 
des  Fötallebens  absolut  leer  sei  und  nur  dieVasa  propria  nutritia 
der  Lungen  (die  aus  der  Aorta  entspringenden  Bronchialarterien* 
gebiete)  Blut  föhren.  Wie  man  in  diesem  Streite  trotz  des 
Nichtvorhandenseins  des  kleinen  Kreislaufes  zugeben  milsse, 
dass  auch  die  Pulmonararterienbahn  schon  in  geringer  Menge 
Blut  führe,  und  es  dennoch  zweifellos  gewiss  sei,  dass  erst 
mit  den  ersten  Athemzügen  die  kleine  Kreislaufsbahn  in  er- 
heblichem Maasse  mit  Blut  vollgepumpt  würde,  so  sei  es 
auch  sehr  wohl  möglich,  dass  die  Bronchien  während  des 
Entwickehmgslebens  des  Fötus  im  Fruchtwasser  eine  geringe 
Quantität  dieser  Flüssigkeit  enthalten,  und  sei  diese  Quantität, 
deren  Erheblichkeit  er  aus  dem  Grunde  der  eng  aneinander 
liegenden  Bronchialwandungen  bezweifle,  als  der  physiologischen 
Breite  der  Gesundheit  entsprechend  aufzufassen.  Sobald  indess 
eine  grössere  Quantität  der  Flüssigkeit,  zumal  mit  den  speci- 
fischen  Beimengungen,  dem  glasigen  Schleime,  den  Bestand* 
theilen  des  Meconium  etc.  untermischt  in  den  Bronchien  sich 
fände,  so  halte  er  diesen  Befund  für  pathologisch  und  glaube, 
dass  sie  durch  Inspirationsbewegungen  dahin  gelangt  seien. 
Das  Entscheidende  für  eine  solche  Deutung  sei  aber  nur  eins: 
das  gleichzeitige  Vorhandensein  einer  Ueberfüllung  der  Pulmonar- 
arterienbahn, wie  ja  denn  auch  in  aUen  Fällen,  um  die  es 
sich  hier  handele,  die  verschiedensten  Grade  des  sogenannten 
Lungenschlagflusses  aufs  Deutlichste  ausgeprägt  seien.  Dies 
deutet  auf  stattgehabte  Respiration,  welche  ja  die  Blutzufuhr 
in  soldiem  Maasse  erst  in's  Werk  setze,  und  daher  werde 
auch  wohl  die  Annahme,  dass  die  Bronchien  auf  gleichem 
Wege,  nämlich  durch  Athmung,  mit  Flüssigkeiten  überfüllt 
seien,  nichts  Gezwungenes  hab^o.  In  den  47  Fällen  der 
Tabelle,  wo  der  Befund  angemerkt  sei,  haben  sich,  wie  oben 


426  XXV.    V^rhandlangen  d«r  OeseHschaft 

ausgeführt,  23  Mal  meconiale  Beimengungen,  24  Mal  nur 
Geburtsschleim  oder  Vernix  caseosa  in  der  Flüssigkeit  suspendirt 
gefunden.  Möchte  inmierliin  dies  einzelne  Symptom  an  und 
ffir  sich  Streit  über  die  Art  des  Dahingelangtseins  erregen, 
ob  durch  Druck  oder  durch  Aspiration,  so  glaube  er  doch, 
wenn  man  die  Fälle  in  ihrer  Totalität  betrachte,  die  Ueber- 
füilungen  der  Lungenblutbahn,  die  Geburtsgeschichten,  dass 
Herrn  Kri8teUer'&  Zweifel  gegen  die  Aspiration  nicht  gerecht- 
fertigt seien. 

Herr  Krieger  hält  es  zur  Entscheidung  der  Frage  zuerst 
für  nöthig,  dass  der  stets  in  den  Bronchien  neugeborener  Kinder 
vorgefundene  Schleim  mikroskopisch  untersucht  werde.  Erst 
wenn  das  Mikroskop  constant  die  Gegenwart  von  Epidermis- 
Zellen  nachweise,  wie  sie  im  Liquor  amnii  vorhanden  seien, 
so  könne  man  das  Eindringen  von  Fruchtwasser  in  die 
Bronchien  als  eine  regelmässige  Erscheinung  betrachten.  Der 
zweite  Theil  der  Frage  indess,  auf  welche  Weise  es  ein* 
dringe,  erkläre  sich  hierdurch  nicht.  Wir  kennen  die  Grösse 
des  Druckes  nicht,  dem  das  Kind  im  Uterus  ausgesetzt  ist; 
Herr  Kristeller  sage  zwar,  dieser  Druck  sei  grösser  als  der 
Druck  einer  Atmosphäre;  wäre  dies  richtig,  so  müsste  jedes 
Kind  nach  der  Geburt  sofort  athmen,  weil  nach  Aufhebung 
des  grösseren  Druckes  der  flüssige  Inhalt  der  Bronchien  sofort 
heraustreten  und  das  Eindringen  der  Luft  ermöglicht  werden 
musste.  Dies  sei  aber  nicht  in  der  Erfahrung  begründet, 
da  in  manchen  Fällen  das  Athmen  erst  künstlich  in  Gang 
gebracht  werden  müsse.  Bei  asphyctisch  geborenen  Kindern 
seien  regelmässig  die  Zeichen  der  Blutüberfullung  vorhanden, 
die  sich,  wie  bekannt,  nicht  allein  durch  reichlichen  Blut- 
gehalt  der  Gefässe,  sondern  auch  durch  Extravasate,  Ecchymoseu 
unter  der  Pleura  u.  s.  w.  ausspreche.  Finde  man  eine  er- 
hebUcbe  Menge  Liquor  amnii  in  den  Bronchien,  so  sei  dies 
ein  Beweis  für  stattgehabte  Athembewegung.  Dies  ergebe 
sich  z.  B.  aus  den  Ertränkungsversuchen  an  Tlüeren.  Hielte 
man  Thiere  mit  dem  Kopfe  nnter  Wasser,  so  schliesse  sich 
sofort  die  Rima  glottidis,  und  es  werde  keine  Erüränkungs- 
flüssigkeit  in  den  Bronchien  gefunden;  erst  wenn  das  Thier 
inspirirt  habe,  trete  letztere  in  die  Luftwege  ein. 


för  Geblirtshfilfe  fn  BerKii.  427 


9 


Herr  Winckel  hebt  hervor,  dass  alle  von  Herrn  Kri$teUer 
angeführten  Beweise  doch  wohl  nur  bei  unverletzten  Eihäuten 
gellen  sollten.  Wäre  die  Blase  einmal  gesprungen,  so  könne 
von  Druckwirkung  nicht  mehr  die  Rede  sein,  da  das  Frucht- 
wasser dann  eher  nach  aussen  weiche. 

Herr  Kristeüer  entgegnet:  Auf  Herrn  Krieger^s  erste 
Bemerkung  sei  die  Antwort  schon  gegeben,  denn  die  Zu- 
saromensetzung  des  Meconioms  aus  Epidermiszdlen  u.  s.  w. 
beweise,  dass  es  aus  verschlucktem  Fruchtwasser  seinen 
Ursprung  nehme.  Herrn  Boehr*»  Einwand  glaube  er  folgender* 
maassen  zu  entkräften.  Wenn  sich  die  Bronchien  erfüllt  and 
zugleich  der  kleine'  Kreislauf  entwickelt  und  mit  Blut  gefüiit 
finden,  so  könne  er  dies  doch  nicht  für  einen  unwiderleglichen 
Beweis  der  Athmung  gelten  lassen.  Wird  beim  intrauterinen 
Fötus  die  Nabelschnur  durch  Vorfall,  Umschlingung  u.  s.  w. 
comprimirt,  so  ist  durch  diese  Compression  ungefähr  die 
Hälfte  der  Blutbabn  undurchgängig  gemacht.  Das  Blut,  vom 
Herzen  mit  gleichem  Drucke  fortgetrieben,  muss  sich  deshalb 
nothwendig  andere  Bahnen  suchen  und  wird  sie  am  ehesten 
im  Lungenkreisläufe  finden;  dies  sei  ein  rein  mechanischer 
hydrostatischer  Vorgang  und  deute  in  nichts  auf  die  Notfa- 
wendigkeit  einer  Athembewegung.  Man  behaupte  zwar  sehr 
häufig  in  diesen  Fällen  (wie  sie  bei  der  Wendung  und  Extraction 
namentlich  eintreten),  die  Respirationsbewegnng  des  Kindes 
gefühlt  zu  haben,  indess  glaube  er,  dass  man  zu  leicht  jede 
zuckende  Bewegung  des  Kindeskörpers  als  inspiratorische 
Anstrengung  deute.  Herr  Winckel  sei  natürlich  im  Rechte; 
eine  unverletzte  Blase  sei  allerdings  vorausgesetzt,  denn 
später  träte  doch  Luft  hinzu  und  ändere  alle  Verhältnisse 
wesentlich. 

Uebrigens  leugne  er  ja  gar  nicht,  dass  in  häufigen  Fällen 
wirklich  Athembewegungen  stattgefunden  haben  mögen,  aber 
er  wolle  nur  gegen  die  einseitige  Auffassung  aller 
der  angezogenen  Fälle  auftreten,  unter  denen  ihm 
viele  nicht  die  Garantie  wirklich  auf  diese  Weise  eingetretenen 
Todes  darböten. 

Herr  Boehr:  Die  Ansicht,  die  Herr  Kristdler  geäussert, 
die  UeberfüUung  der  Lungenblutbahn  auch  nicht  als  Beweise 


428  ^^V.    Verii«ii41iiagen  der  aeaelUeiiaft  etc. 

t 

Stattgehabten  Athmens  gelten  zu  lassen,  sondern  als  einfache 
Schlagflfissigkeit  anzusehen,   sei  sehr  alt;   sie  sei  vor    dem 
Auftauchen  der  KraJimer'^chen  Theorie  die  allgemeine    ge* 
wesen.  *Erst  Krcthmery  Hecker  und  Schwartz  seien    ihr 
entschieden   entgegengetreten   und   nur   Scanzoni  sei    noch 
bei   der  alten  Anschauung  stehen  geblieben.    Es  scheine  ihm 
aber    sehr    gezwungen,    für   jedes    der    beiden    Symptome, 
welche   in   ihrer  Combination   von  Kr  ahmer  ^   Hecker    uud 
Schwartz  als  Diagnose  des  Todes  durch  vorzeitiges  Athmen 
angesehen   werden,    eine    andere  und   verschiedene   Deutung 
heranzuziehen :  für  die  Ueberfüllung  der  Blutbahn  die  einfache 
Schlagflössigkeit  und  für  die  Ueberfüllung  der  Bronchien  das 
ganz  neue  und  gar  nicht  damit  in  Zusammenhang  stehende 
Moment  des  Hineinpressens,   während  sieh  beide  Phänomene 
nach    der  Krahmer^schen   Theorie   leicht    und    einfach    aus 
einer  Grundursache,  den  vorzeitigen  inspiratorischen  Hebungen 
des  Thorax  erklärten.    Uebrigens  gebe  er  zu,  dass  in  dem  Ton 
Herrn  Krtsteller  urgirten  Punkte  der  zuckenden  Bewegungen 
der   Kinder  die   Bezeichnungsweise  derselben   als  vorzeitiger 
Athembewegungen  incorrect   und   eine  ungenaue  Ausdrucks- 
weise  seien.    Nur  die  z.  B.  bei  Wendungen  deutlich  gefühlten 
Hebungen   des  kindlichen  Thorax  worden  zweifellos  und   ia 
correctester  Weise   als   directe  Diagnose   vorzeitiger  Atbem* 
bewegung  gelten  müssen. 

Hier  wurde  die  Debatte  abgebrochen. 


XXVI.   Hegair t  Die  Dnisen  der  Decidna  etc.  429 


XXVL 

Die  Drttsen  der  Decidua  und  die  Hydrorrhoea 

gravidarum. 

Von 

Dr.  Alfred  Hegar  in  Darmstadt. 

Man  kann  sich  wohl  fragen,  warum  manche,  sehr  wichtige 
geburtshülfliche  Doctrinen,  wie  die  Lehre  vom  Abort,  von 
der  Frühgeburt,  von  der  vorzeitigen  Placentenlösung  u.  a.  der 
sicheren,  wissenschaftlichen  Barsis  entbehren,  wdche  allein  die 
pathologische  Anatomie  zu  bieten  vermag,  so  dass  die  Fort- 
schritte, welche  die  Medicin  im  Allgemeinen  durch  diese 
Wissenschaft  machte,  hier  vermisst  werden.  Die  Ursachen 
sind  zahlreich.  Ich  will  hier  kurz  einige  derselben  anführen, 
weil  sie  sich  direct  auf  den  vorliegenden  Gegenstand  beziehen. 

Es  ist  vor  Allem  nicht  ganz  leicht,  sich  das 
Material  zu  anatomischen  Untersuchungen  zu  ver- 
schaffen. Sectionen  von  Schwangeren,  welche  das  Produot 
der  Empfangniss  in  sich  tragen,  sind  im  Allgemeinen  selten. 
Man  ist  daher  auf  Eier  beschränkt,  welche  bei  einem  Abort 
oder  bei  einer  Frühgeburl  ausgestossen  wurden.  Das  Ei  gebt 
nun  selten  in  Zusammenhang  mit  allen  seinen  Hüllen  ab. 
Hat  man  nur  einzelne  Theile  desselben  vor  sich,  wie  z.  B. 
die  Frucht  und  den  Nabelstrang,  so  gelangt  man  leicht  zu 
irrigen  Schlüssen.  Es  ist  unmöglich,  zwischen  primären  und 
secundären  Affectionen  zu  unterscheiden  und  den  Zusammen- 
hang der  Krankheitsprocesse  in  den  einzelnen  Gebilden  des 
Eies  herauszubringen,  sobald  man  dies  nicht  vollständig  zur 
Verfügung  hat  Es  gelingt  nicht  selten,  das  nöthige  Material 
beizubringen,  sobald  man  nur  sorgfaltig  alle  abgegangenen 
Massen,  insbesondere  die  Blutklumpen,  welche  mit  den  Nach- 
geburtstheilen  und  in  den  ersten  Tagen  des  Wochenbettes 
ausgeschieden  werden,  sammelt  und  auswäscht  Man  findet, 
hierin  versteckt  und  eingehüllt,  oft  gerade  die  Theile,  welche, 
wie  z.  B.  grössere  Lappen  der  Uterinschleimhaut,  den  patho- 
logischen Vorgang   am   besten   erklären.     Die   Untersuchung 


430  XXYI.    Ajtof ,  Die  DriUeo  d«r  Decidmi 

der  Abgänge  aus  den  Genitalien  liefert  überhaupt  zuweileo 
ganz  überraschende  Aufschlüsse.  So  wird  der  Abort  d^ 
vierten  und  funiten  Woche,  der  nicht  ganz  selten  ist,  fast 
stets  übersehen  und  mit  anderen  Krankheitszuständen  ver- 
wecliselt.  Die  sogenannte  Hetritis  haemorrhagica  hat  häufig 
in  einer  Fehlgeburt  oder  in  Retention  von  Eiresten  nach 
derselben  ihren  Grund.  Hämorrhagieen  nach  Fehlgeburten, 
welche  kürzere  oder  längere  Zeit  nach  dem  Abgange  des 
Eies  auftreten,  lassen  sich  oft  auf  die  Losstossung  zurück- 
gebliebener Reste  der  Decidua  vera.  odar  Serotina  zurückfuhren. 
Es  ist  dies  auch  von  praktischer  Tragweite.  Findet  man 
bei  einem  Abort  der  ersten  Monate  an  dem  in  die  Reflexa 
gehüllten  Ei  gleichzeitig  die  Serotina  und  Vera  oder  wenigstens 
grosse  Bruchstücke  der  Decidua  in  den  gleichzeitig  oder  etwas 
später  entfernten  Blutklumpen,  so  ist  man  vor  nachfolgender 
bedeutender  Hämorrbagie  sicher.  Sind  dagegen  grössere 
Partieen  der  Decidua  vera  oder  Serotina  im  Uterus  zurück- 
geblieben, so  folgen  noch  Blutungen  nach.  Man  kann  daß 
Verhalten  der  Kranken  hiernach  einrichten. 

Manche  Theile  des  Eies,  wie  insbesondere  die 
Decidua  stellen  der  feineren,  .mikroskopischen 
Untersuchung  erhebliche  Hindernisse  entgegen.  Es 
rührt  dies  davon  her,  dass,  wie  Robin  sich  ausdrückt,  eine 
äusserst  zähe,  amorphe  Materie  die  einzelnen  Gewebstheile  und 
Gewebselemente  jener  Membran  mit  einander  verklebt,  so 
dass  sie  nur  mit  Mühe  zu  isoliren  sind.  Der  Streit,  ob  die 
Decidua  organisirt  oder  eine  amorphe  Ausschwitzungsmembran 
sei,  hat  lange  gedauert. 

Die  ungenügende  Kenntniss  der  normalen  Ver- 
hältnisse ist  es  endlich,  welche  die  pathologische 
Forschung  am  meisten  erschwert.  Man  muss  sidi 
stets  fragen:  was  ist  normal  und  was  ist  krankhaft?  Die 
Entscheidung  ist  meist  schwierig,   oft  selbst  ganz  unmöglich. 

Bei  einer  Hydrorrhoe,  welche  im  achten  Schwangersebafts- 
monate  mit  Frühgeburt  endete,  entdeckte  ich  in  der  Decidua 
vera  einen  sehr  entwickelten  Drüsenkörper.  In  der  Literatur 
konnte  ich  keine  genaue  Beschreibung  der  Uterinscbleimbaut 
während  dieser  Zeit  der  Gravidität  auffinden.  Ich  versuchte, 
mich   durch   eigene  Untersuchungen  über  die  Beschaffenheit 


und  die  Hydrorrhoea  gravidaram.  431 

der  Decidua  and  vorzugsweise  ihrer  Drüsen  in  den  späteren 
Schwangerschaftsepochen  zu  unterrichten  und  theile  hier  kurz 
die  gewonnenen  Resultate  mit 

I.    Die  Drüsen  der  Decidua  unter  norinaleii  VerhältnisseD. 

Die  Angaben  über  die  Beschaffenheit  der  Decidua 
in  den  späteren  Schwangerschaftsmonaten  lauten 
sehr  verschieden. 

KbUiker  (Entwickelungsgeschichte  etc.)  konnte  in  der 
Mitte  der  Gravidität  keine  unveränderten  Uterindrfisen  mehr 
vorfinden.  Er  nimmt  an,  dass  die  Buchten  und  Canäie, 
welche,  von  den  Siebiöchern  der  freien  Schleimbautflache  aus* 
gehend,  in  dem  der  Muscularis  zugewendeten  Theile  der 
Hucosa  blind  endigen  sollen ,  die  veränderten  Drüsen  darstellen. 
Er  bemerkt  ausdrücklich,  die  Vera  bestehe  in  dem  ersten 
Monate,  so  zu  sagen,  aus  Nichts  als  gewucherten  Drüsen, 
während  man  später  nur  äusserst  wenig  mehr  davon  wahrnehme. 
In  der  Serotina  konnte  K.  schon  in  der  vierten  Woche  keine 
Drüsen  mehr  auffinden. 

Die  älteren  Autoren,  wie  Coste,  Robin  und  F.  KiUan, 
welcher  letztere  freilich  fast  ausschliesslich  an  Thieren  unter«- 
suchte,  geben  eine  wesentlich  andere  Beschreibung.  Goste 
schildert  die  Drüsen  aus  der  Mitte  der  Schwangerschaft  als 
spiralig  gewundene  Röhren,  welche  Knäuel,  ähnlich  den  Scbweiss- 
drüsen,  bilden.  F.  Küian  (Henle  und  Pfeufer^s  Zeitschrift, 
9.  Bd.,  S.  25)  hatte  einmal  Gelegenheit,  einen  menaohlichen 
Uterus  vom  vierten  bis  fünften  Monate  zu  untersuchen.  „Die 
innerste  Auskleidung  bildete  die  eigentliche  Decidua,  haupt- 
sächlich aus  grossen,  rückgängigen  Drüsenschläuchen  bestehend, 
deren  Zellen  in  dem  ersten  Stadium  der  Fettbildung  sieh  befanden. 
Diese  eigentliche  Decidua  war  durch  ein  lockeres  Bindegewebe 
auf  eine  unterliegende  Hautschichte  geheftet,  von  der  sie  sich 
leicht  abziehen  Hess,  die  äusserlich  dieselbe  Beschaffenheit, 
wie  die  absterbende  Decidua,  darbot.  Sie  bestand  jedoch  bei 
genauerer  Untersuchung  aus  denselben,  jedoch  jungen*  und 
unreifen  Elementen,  welche  in  der  eigentlichen  Decidua  im 
Absterbungsprocesse  begriffen  genannt  wurden.  Namentlirh 
fanden   sich   reichlich  ganz  junge  Drüsenschläuche  in  diesw 


432  XXVI.   He^^r,  Die  Drüien  der  Deeidoa 

zweiten  Schichte  der  Schleimhaut  vor."  —  Coste^  Bobin 
und  F,  Kutan  lassen  vom  vierten  Monate  an  unter  der 
alten  Schleimhaut  eine  neue  entstehen,  welche  dieselben 
Gewebstheile,  nur  in  jungem  und  unreifem  Zustande,  enthälL 

Zu  meinen  Untersuchungen  über  die  Drüsen 
des  Uterus  standen  mir  nur  Schleimhautstücke  zu 
Gebote,  welche  bei  Aborten  mit  oder  nach  dem 
Ei  ausgestossen  wurden.  Diese  bilden  überhaupt  das 
gewöhnliche  Material.  Bei  der  Benutzung  desselben  zu  Auf- 
schlüssen über  das  normale  Verhalten  der  Glandulae  utriculares 
ist  jedoch  grosse  Vorsicht  nöthig. 

Man  kann  sich  nämlich  leicht  überzeugen,  dass  die 
Decidua  vera  von  Eiern  aus  einer  und  derselben 
Schwangerschaftszeit  in  einer  sehr  verschiedenen 
Form  und  besonders  in  verschiedener  Dicke  au&- 
gestossenwird.  Zuweilen  bildet  die  Vera  eine  V/^ — 2  Milli- 
meter dicke  Membran,  deren  äussere  Fläche  nur  leistenartige, 
kleine  Vorspränge  oder  ein  maschiges,  netzartiges  Geföge 
zeigL  Meist  ist  die  Membran  jedoch  dicker,  bis  zu 
3 — 5  Millimeter,  und  auf  der  äusseren  Fläche  mit  zahlreicbea 
Erhabenheiten  besetzt,  welche  gewöhnlich  mit  breiter  Basis 
entspringen  und  nach  der  Spitze  zu  sich  verschmälem,  so 
dass  sie  Höckern  oder  Zotten  gleichen.  In  den  früheren 
Monaten  springen  dieselben  gewöhnlich  stark  über  das  Niveau 
vor,  in  der  späteren  Zeit  sind  sie  flacher.  Auch  auf  dieser 
äusseren,  abgerissenen  Fläche  sind  stets  mit  blossem  Auge 
und  mit  der  Loupe  zahlreiche,  runde  oder  ovale  Löcher  zu 
erkennen. 

In  einer  dritten  Reihe  von  Fällen  bemerkt  man,  sobald 
die  Membran  unter  Wasser  gesetzt  ist,  zahlreiche  weisse 
oder  gelbweisse  2 — 5  Centimeter  lange,  zuweilen 
mit  Anschwellungen  versehene  Fäden,  welche,  auf 
jenen  Unebenheiten  aufsitzend,  mit  ihrem  freien  Theile  in  der 
Flüssigkeit  flottiren.  Hat  man  ein  ganzes  Ei  vor  sich,  so 
wird  man  diese  Gebilde  stets  am  Placentarrande  und  in 
dessen  Nähe  in  grösster  Zahl  und  Stärke  wahrnehmen. 
Bringt  man  einen  solchen  Faden  unter  das  Mikroskop,  so 
^ieht  man  an  der  Wand  zwei  bis  drei  Reihen  lang- 
gestreckter  Kerne«  welche  in  den  späteren  Schwangerschafts» 


und  du  Bjdrorrhoes  graTidAmm.  4d8 

moDaten  faserig  ausgezogen  erscheinen.  Den  Inbah  bildet  ein 
kleines  Pflasterepitbel  oder  eine  ganz  amorphe, 
fettreiche  oder  eine  amorphe,  mit  zahlreichen 
Kernen  versehene  Masse.  Um  das  Epithel  klar  zur 
Anschauung  zu  erhalten,  muss  man  sehr  frische  und  möglichst 
normale  Objecto  benutzen.  Eine  £arminl6sung  lässt  Kern  und 
Zellenwand  besser  hervortreten.  Die  Dräsenröhre  ist  oft  so 
vollgepfropft,  dass  man  nur  die  dichtgedrängten  Kerne  deutlich 
sieht.  Im  vierten  Monate  konnte  ich  die  Epithelzellen  noch 
•wofalerhalten  darstellen.  Im  fünften  und  sechsten  Monate 
dagegen  bestand  der  Inhalt  aus  einer  molekular  zerfallenen 
Masse  mit  und  ohne  Kerne.  Ich  muss  übrigens  bemerken, 
dass  ich  in  dieser  Zeit  nur  an  Präparaten  untersuchte,  bei 
welchen  die  ganze  Decidua  offenbar  in  einem  vorzeitigen 
Varfettungsprocesse  begriffen  war.  —  Zuweilen  sieht  man  in 
der  Wand  eine  Querstreifung,  welche  von  der  Gegenwart 
circulär  verlaufender,  langeausgezogener  Kerne  bedingt  scheint, 
welche  auch  Kilicm  an  den  Drüsen  einiger  Thiere  beschreibt. 
Manchmal  ist  der  Inhalt  in  Form  von  Epithelcylindern  aus- 
gepresst,  und  es  gelingt  wohl  auch  die  Dräsenröhre  mit  ziemlich 
freien  Lumen  sichtbar  zu  eriialten,  so  dass  die  Contouren 
der  Wand  sehr  scharf  hervortreten.  Die  scheinbaren  Knoten 
und  Anschwellungen  sind  durch  Windungen  hervorgebracht. 
Leider  wird  das  Studium  dadurch  sehr  erschwert,  dass  häufig 
Theile  des  interstitiellen  Gewebes  fest  an  der  Aussenwand 
kleben. 

Die  letztbeschriebenen  Objecto  sind  es  nun, 
welche  man  zu  Untersuchungen  über  den  Drüsen- 
körper der  Schleimhaut  am  besten  benutzt  Hat 
man  Deciduen  vor  sich ,  welche  nur  in  ihren  oberflächlichsten 
Lagen  ausgestossen  wurden,  so  sieht  man  auf  der  freien 
Schleimhautfläche  die  Sieblöcher,  welche  in  weite  Buchten 
und  Kanäle  führen  und  hält  diese  für  die  einzigen  Ueben*e8te 
des  mächtigen  Drüsenkörpers  des  ersten  Schwangerschafts- 
monates.  Die  Anwesenheit  der  runden  oder  ovalen  Löcher, 
welche  offenbar  dem  Lumen  der  abgerissenen  Glandulae 
utriculares  angehören,  sollte  schon  diesen  Irrtbum  vermeiden 
lassen. 

Monatocehr.  f.  Oebartok.  ISQS.  Bd.  XXn.,  Hfl.  6.  28 


m 


434  XXVI.   Eegw^  Di«  DrüMB  der  Deaidna 

Während  sich  die  Dräsen  aus  den  tieferen  Lagen  der 
Mucosa  in  jener  Art  nicht  seilen  gewissennassen  durch  eine 
Art  naturlicher  Präparatien,  sehr  gut  präsentiren,  ist  ihre 
Gegenwart  und  ihr  Verlauf  in  den  oberflächlichsten 
Schichten  viel  schwieriger  su  erkennen.  Man  bat 
vielfach  mit  Durchschnitten  irischer  oder  getrockneter  Prä- 
parate gearheitet  Dies  ist  die  gewöhnliche  Methode«  welche 
man  auch-  am  Uterus  nach  Sectionen  in  Gebrauch  sog. 
Allein  sie  liefert  keine  guten  Resultate.  Man  taiirt  z.  B. 
hiernach  die  Länge  der  Drusen  viel  zu  gering,  auf  3 — 4 
während  sie  bis  zu  5  Centimeter  beträgt  Es  rährt  dies 
davon  her,  dass  die  Drüsen  sich  vielfach  winden  und  bald 
senkrecht,  bald  schief,  bald  parallel  zur  freien  Sehleimbaul- 
fläche  verlaufen,  so  dass  man  bei  Durchschaitten  immer  blos 
kleinere  Segmente  zahlreicher  Drüsen  erhält,  welche  in  den 
verschiedensten  Richtungen  sich  kreuzen  und  oft  schwer  mit 
Sicherheit  als  solche  zu  erkennen  sind.  Man  kann  bei 
Durchschnitten  oft  genug  nur  sehen,  dass  die  Decidua  aus 
äusserst  verschiedenen  Gewebselementen  besteht ,  welche 
scheinbar  ohne  bestimmte  Anordnung  neben  einander 
lagern.  Ich  versuchte,  die  Drüsenröhre,  ausgehend  von  der 
rauhen  Schleimhautfläche,  dadurch  zu  verfolgen,  dass  ich 
das  Gewebe  nur  mit  Nadeln  auseinanderzog  und  ohne  viei 
Präparation  unter  das  Deckglas  brachte  und  zusammenpresste. 
Man  erhalt  hierdurch  oft  sehr  schöne  Bilder  und  kann  schon 
mit  blossem  Auge  oder  mit  einfacher  Loupe  die  Drüse  im 
Gewebe  erkennen.  —  Die  Röhre  windet  sich,  sobald  sie  in 
eine  Unebenheit  der  rauhen  Fläche  eintritt,  in  zahlreichen 
Spiraltouren,  und  es  wird  so  der  Höcker  nicht  selten  durch 
den  Knäuel  einer  einzigen  Drüse  constituirt.  Meist  treten 
jedoch  mehrere  in  seine  Zusammensetzung  ein.  Zuweilen  ist 
jedoch  der  Höcker  der  abgerissenen  Schleimhautfläche  auch 
durd)  enorm  erweiterte  Drüsenröhren  gebildet,  und  es  kano 
hierdurch  zu  Kystenbildungen  kommen,  wie  ich  sie  in  meinen 
Beiträgen  zur  Pathologie  des  Eies  etc.  bereits  beschrieb.  Es 
ist  mir  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  Drüse  in  den  tiefsten 
Stellen  der  Mucosa  ebenfalls  in  Windungen  liegt  Die  Drei 
flotlirenden  Drüseniaden  besitzen  fast  stets  eine  Neigung  sich 


OBd  die  Hydro rrlioaa  graTidaram.  486 

zuBammeiizurolleD  and  sind  oft  knotig   angeschwoUen,   was 
von  Windungen  bedingt  ist 

Am  schwierigsten  ist  die  Drüse  in  der  zunächst  der 
freien  Schleiml^autfläche  liegenden  Gewebsschichte  zu  erkennen; 
besonders  ihr  Verhdliniss  zu  den  Sieblöchern  ist  schwer  zu 
eruiren.  Ich  kann  mich  über  diesen  Punkt  nicht  mit  Sicher- 
heit aussprechen,  da  mir  die  gemachten  Durchschnitte  keine 
Märe  Anschauung  gaben.  Es  schien  mir,  als  ob  die  Dnisen 
mit  verengertem  Lumen  ^  dichtgedrängt  und  oft  parallel  neben 
einander  herlaufen,  um  endlich  in  grösserer  Anzahl  in  die 
von  dem  Sieblocbe  ausgehende  Bucht  einzumünden.  Ich  glaube 
nicht,  dass  man  diese  als  das  erweiterte  Endstück  einer 
Drüse  betrachten  darf.  Wahrscheinlich  ist  sie  das  Product 
der  Erweiterung  zahlreicher  Drüsenstücke  mit  Confluenz  ihrer 
Scheidewände.  Besteht  ein  Isolcher  Rareficirungsprocess  in 
den  tieferen  Schleimhautschichten,  so  kann  es  zu  jenen, 
bereits  erwähnten  Kystenbildungen  kommen. 

Was  die  Schwangerschaftszeit  betrifft,  bis  zu 
welcher  die  Drüsen  noch  als  lange  Schläuche  sich 
präsentiren,  so  reichen  meine  Untersuchungen 
bis  in  den  sechsten  Monat  Sie  stehen  in  dieser  Zeit 
weniger  dichtgedrängt,  die  Kerne  der  Wand  sind  schmäler, 
länger  ausgezogen,  der  Inhalt  zeigt  keine  deutlichen  Epithel- 
zellen. Er  bildet  eine  molekulare  Masse,  in  welcher  jedoch 
meist  zahlreiche  Kerne  sichtbar  sind.  Wenn  ich  jedoch 
bedenke,  dass  ich  nur  Präparate  aus  dieser  Zeil  vor  mir 
hatte,  bei  welchen  die  ganze  Decidua  sich  in  einem  Zustande 
hochgradiger  Fettmetamorphose  befand,  welche  wahrscheinlich 
die  Hauptursache  des  Aborts  war,  so  glaube  ich  annehmen 
zu  dürftn,  dass  die  Drüsen  unter  normalen  Verhältnissen  noch 
in  ziemlich  gut  erhaltenem  Zustande  existiren.  Im  vierten 
Monate  sind  jedenfalls  noch  vollständig  unveränderte  Drüsen 
mit  normalem  Epithel  vorhanden.  Dies  gilt  von  der  Vera. 
In  der  Serotina  konnte  ich  diese  Gebilde,  freilich  nur  in  der 
Nähe  des  Placentarrandes,  bis  in  den  dritten  Monat  verfolgen. 

Was  den  siebenten  bis  neunten  Schwanger- 
schaftsmonat betrifft,  so  fehlte  es  mir  an  aus- 
reichendem Materiale  zu  Beobachtungen.  Es  ist  mir 
nicht   wahrscheinlich ,    dass    sie   in   dieser   Zeit   rasch   und 

28* 


436  XXVI.   Hegar,  Die  DrUsen  der  Deoidna 

vollständig  verschwinden.  Man  findet  am  Rande  aasgetragener 
Placenten  häufig  verdickte  Stellen  der  Decidua ,  welche 
wenigstens  Rudimente  der  Drüsen  sehr  deutlich  zeigen. 

Die  Schleimhaut  des  schwangeren  Uterus  trennt 
sich  vom  vierten  Monate  an,  jedoch  nicht  selten 
auch  schon  viel  früher,  leicht  in  zwei  Schichten, 
von  welchen  die  oberflächliche  beim  Abort  oder 
durch  künstliches  Abreissen  bei  Sectionen  von  der 
tieferen,  welche  im  Uterus  sitzen  bleibt,  losgezogen 
wird.  Man  hat  jene  erste  Schicht  gewöhnlich  für  die  ganze 
Mucosa  genommen.  Da  man  keine  oder  nur  Rudimente  der 
Drüsen  in  jener  bemerkte,  so  nahm  man  an,  dieselben  seien 
atrophirt.  Da,  wo  man  sich  von  der  Gegenwart  einer  von 
der  Muscularis  differenten  Gewebslage  noch  ausserdem  über- 
zeugte ,  sprach  man  von  der  Bildung  einer  ganz  neuen 
Schleimhaut.  Ich  halte  dies  für  keine  ganz  richtige  Anschau- 
ung. In  den  tieferen  Lagen  herrscht  noch  ein  reger 
Neubildungsprocess  vor  und  die  Gewebselemente  zeigen  die 
rückgängige  Metamorphose  nicht,  welche  in  der  oberflächlichen 
Schicht  sich  schon  vom  vierten  Monate  an  entwickelt  Allein 
die  Schleimhaut  des  Uterus  bildet  immerhin  ein  Ganzes  und 
wenn  die  Trennung  auch  gewöhnlich  so  yor  sich  geht,  dass 
eine  3—4  Millimeter  dicke  Membran  sich  als  eigentliche 
hinfällige  Haut  abhebt,  so  ist  dies  doch  durchaus  nicht 
constant.  Häufig  wird  die  Decidua  vera  auch  in  ihren  tieferen 
Lagen  losgerissen  oder  sie  bleibt  ganz  oder  partiell  in  ihrer 
vollständigen  Dicke  im  Uterus  sitzen.  Liest  man  Sections- 
berichte  aus  derselben  Schwangerschaftszeit  nach,  so  findet 
man,  dass  der  eine  Beobachter  die  Schleimhaut  in  dieser, 
der  andere  sie  in  jener  Tiefe  am  leichtesten  vom  unterliegenden 
Gewebe  losziehen  konnte  und  dass  der  Eine  die  Dicke  der 
Decidua  etwa  auf  1  —  IVa»  <ler  Andere  auf  3 — 4'"  taxirt. 
Auch  in  den  ersten  zwei  Schwangerschaflsmonaten  trennt  sich 
die  Decidua  zuweilen  als  eine  2 — 3  Millimeter  dicke  Membran, 
also  blos  in  ihrer  oberflächlichen  Schicht  los. 

Nach  diesen  Bemerkungen  über  den  physiologischen  Zu- 
stand der  Kinder  und  ihres  Drüsenkörpers,  wende  ich  mich 
zu  einem  Krankheitsprocess,  bei  wdchem  eine  abnorme  Be- 
schaflenheit  dieser  Theile  vorhanden  ist. 


und  die  Hydrorrho«*  grAVidarom.  437 

IL    Die  Drüsen  der  Decidna  unter  pathologischen 
Verhältnissen  der  Hydrorrhoea  gravidarum. 

Mao  findet  unter  dem  Namen  der  Hydrorrhoea 
gravidarum  eioen  Complex  von  Sym'ptomen  zu- 
sammen gestellt,  als  deren  wichtigstes  derAusflass 
einer  wässerigen  oder  schleimigwässerigen,  oft  mit 
Blut  tingirten  Flüssigkeit  aus  dem  Uterincavum 
zu  betrachten  ist.  Dieser,  häufig  sehr  profuse  Ausfluss 
beginnt  gewöhnlich  mit  dem  sechsten  bis  siebenten  Monate, 
zuweilen,  und  es  sind  dies  die  wichtigstenFäUe,  jedoch  auch 
viel  früher,  am  Ende  des  dritten  und  im  vierten  Monate. 
Der  Uterus  ist  starker  ausgedehnt,  als  die  SchwangerschafU- 
Periode  es  mit.  sich  bringt.  Er  verkleinert  sich ,  sobald  die 
Entleerung  vor  sich  geht  und  vergrössert  sich  rasch,  sobald 
dieselbe  stockt.  Die  Vaginalportion  ist  aufgelockert,  ödematös 
geschwellt  Die  Beschwerden  der  Kranken  sind  dabei  zu- 
weilen sehr  gering.  Doch  werden  vorübergehende ,  ziehende 
Schmerzen  im  Unterleibe,  in  den  Lenden  und  Hüften  beobachtet 
Diese  haben  oll  einen  wehenartigen  Typus.  Dabei  sind  nicht 
selten  fixe  Schmerzen  und  gegen  Druck  empfindliche  Stellen 
vorhanden.  Auch  hartnäckige  gastrische  Symptome,  leichtes 
Fieber  und  Abmagerung  werden  bemerkt  Der  Verlauf  ist  im 
Allgemeinen  günstig;  doch  ist  stets  Gefahr  des  Aborts  oder 
der  Frühgeburt  da.  Das  Kind  ist,  auch  wenn  die  Schwanger- 
schaft zu  Ende  geführt  wird,  schlecht  genährt.  Der  Wochen- 
fluss  ist  in  den  ersten  Tagen  des  Puerperiums  aufiallend 
profus  und  wässerig. 

Ehe  ich  auf  die  verschiedenen  Ansichten  über  das 
Wesen  des  vorliegenden  Krankheitsprocesses  eingehe,  führe 
idi  zwei  Fälle  von  Hydrorrhoe  an,  welche  schon  in  den 
früheren  Schwangerschaftsmonaten  ihren  Anfang  nahmen. 
Leider  wurde  blos  der  erste  einer  ganz  genauen  Beobachtung 
imterzogen. 

Fall  L  Frau  L  ,  .  .y  32  Jahre  alt,  gross  und  stark 
gebaut,  früher  stets  gesund,  kam  vor  sechs  Jahren  zum 
ersten  Mal  rechtzeitig  nieder.  Es  fand  dabei ,  wie  es  scheint 
wegen  Wehenschwäche,  die  Application  der  Zange  statt  Die 
kurz  darauf  folgende  Schwangerschaft  endete  mit  Frühgeburt 


438  XXVI.    ffeffar.  Die  Dra«eii  der  Decldna 

im   achten  Monate.     Hierbei   wurde,  angeblich  wegen  fester 
Adhärenz,    der  Mutterkuchen    manuell  entfernt.     Bald  darauf 
von  Neuem  Conception  mit  Abort  im  dritten  Monate.     Dabei 
starker  BlutTerlu8t.     Die   Frau    kam    in   Folge    de^en    sehr 
herunter  und   litt  an   den  mannichfachsten  hvsterischen  Be- 
schwerden,  welche  mit  bedeutender  Gemuthsdepression,  selbst 
mit    Zeichen    leichter    Geistesverwirrung    verbunden    waren. 
Sie  gebrauchte  mit  gutem   Erfolge    eine  Kaltwasserkur    und 
wurde  bald   darauf   im    Anfange    des    Jahres    1861    wieder 
schwanger.     Die   Niederkunft  erfolgte  rechtzeitig  im  October 
desselben   Jahres.     Nach    spontaner  Beendigung    des   Nadi- 
geburtsgeschäfts  erfolgte   eine  starke,    atbnische  Nachblutung. 
Der  Uterus  verkleinerte   sich  im  Wochenbette   sehr  langsam. 
Der  Lochialfluss   war  vier  Wochen   lang  blutig,    dann    erst 
schleimig  und   weiss   gefärbt.     Das  Kind   war  nicht  angelegt 
worden.     Sieben   Wochen  nach   der  Niederkunft    traten    die 
Regeln   und   zwar   sehr  profus   wieder  ein.     Von   da   regel- 
mässiger Eintritt    der    stets    starken  Menstruation.     In    der 
Zwischenzeit  nicht  unbedeutender  weisser  Fluss.    Am  27.  April 
1862  war  der  Monatsfluss  sehr  copiös.     Patientin  datirt    von 
da  an  ihre  Conception,  obgleich  noch  drei  Mal  zu  regelmässiger 
Zeit  ein   schwacher  Blutabgang  bemerkt  wurde.     Das   AOge- 
befinden  war  in  den  ersten  zwei  Monaten  ein  sehr  schlechtes. 
Die   Frau    magerte    auffallend   ab ,    litt    an    Appetitlosigkeit, 
schlechtem  Geschmack,  belegter  Zunge,  Schmerzen  im  Unter- 
leibe  und  einem  sehr  starken   Bronchialkatarrh.     Im  dritten 
Monate  Hessen  diese  Beschwerden  nach.   Am  6.  September,  also 
im  Anfange  des   fünften  Monats,   Morgens,   starkes   Drfingen 
nach  unten  und  Entleerung  einer  grossen  Menge  wässeriger, 
nur  wenig  mit  Blut  tingirter  Flüssigkeit.     Gegen  Abend  lassen 
die  Schmerzen  nach  und  nur  eine  schleimige,  rothe,  grumöse 
Masse    geht   in   geringer   Menge  ab.     Der   Uterus   stand   V 
oberhalb   des    Nabels.      Die    verkürzte ,    weiche ,    gelockerte 
Vaginalportion  steht  weit  nach  hinten  und  oben.     Der  Mutter- 
mund bildet  eine  unregelmSssige  Querspalte,  in   welche  man 
mit  zwei   Fingern   eindringen  kann  und  die   dicke,    vordere 
Gervicalwand  fühlt,  welche  in  Form  eines  Längswulstes  nach 
dem  Lumen   der  Halshohle  und  nach  unten   sich  vordrängt 
Der    innere   Muttermund    ist    nicht    zu    erreichen.     In    den 


und  die  Hjdrorrhoaa  gtaridaraiB.  489 

folgeoden  Tagen  dauert  der  Wasserabgang,  welcher  leider 
me  aufbewahrt  wurde,  fort.  Der  stets  weich  anzufohlende 
Uterus  verkleinert  sich  dabei  fortwährend,  so  dass  er  vier 
Tage  später  V  unterhalb  des  Nabels  stehLr  Die  Vaginalporü<»i 
wird  dicker  und  feater,  der  Muttermund  schllesst  sich  mehr. 
Zeitweise  Gefühl  von  Druck  auf  den  Mastdarm,  öfterer  Drang 
zum  Urinlassen  sind  die  einzigen  subjectiven  Beschwerden* 

Von  dieser  Zeit  an  wiederholt  sich  der  Ausfluss  mit 
Pausen  von  5 — 8  Tagen.  Die  Gebärmutter  vergrössert  sich 
rasch,  sobald  jener  sistirt,  und  verkleinert  sich  mit  dessen 
Eintritt  Dieser  ist  von  wehenartigen  Schmerzen  eingeleitet 
Die  Beschaffenheit  des  Abganges  wechselt  sehr.  Bald  wird 
eine  ganz  wässerige  und  dünne  Flüssigkeit,  bald  eine  schleimige 
und  weissliche  Masse  entleert  Dabei  Abmagerung,  zeitweise 
Frösteln  und  fliegende  Hitze.  Später  stellte  sich  ein  constanter, 
durch  Druck  sich  vermehrender  Schmerz  in  der  rechten  Seite 
des  Leibes  ein. 

Am  26.  October  erfolgte  unter  starken  Kreuz*-  und 
Leibschmerzen  eine  massige  Blutung.  Der  Uterus  steht  1" 
oberhalb  des  Nabels.  Kindestheile  sind  leicht  durchzufühlen. 
Die  Bewegungen  der  Frucht  lebhaft.  Vaginalportion  weich 
und  gewulstet,  der  äussere  Muttermund  klaffend.  Die  Blutung 
sistirt  bei  ruhiger  Lage  im  Bette  und  es  geht  in  den  nächsten 
Tagen  wieder  eine  grosse  Menge  wässeriger,  mit  Bkit  tingirter 
Flüssigkeit  ab,  wobei  der  Uterus  sich  verkleinert,  so  dass 
er  in  die  Höhe  des  Nabels  zu  stehen  kommt.  Die  Wasser- 
abscheidung  dauert  in  der  ganzen  folgenden  Zeit  fort  und 
ist  oft  stark  mit  Blut  vermisdit,  so  dass  Patientin  das  Bett 
fast  nicht  mehr  verlässt  Der  Schmerz  in  der  rechten  Seite 
des  Leibes  und  in  der  Lumbaigegend  ist  quälend,  wird  jedoch 
durch  Ghloroformliniment  gelindert 

Am  6.  December  erfolgte  mit  kurzer  Wehenthätigkeit 
die  Frühgeburt  Dem  Blasensprunge,  welcher  eine  nicht  un- 
bedeutende Menge  Fruchtwassers  entleerte,  folgte  sehr  bald 
die  Ausstossung  des  Kindes  in  einer  Gesichtslage.  Die  Nach- 
geburtstheile  gingen  auf  Reibungen  des  schlecht  contrahirten 
Uterus  ab.  Am  folgenden  Tage  wurden  unter  starken  Nach- 
wehen viel  Blutcoagula  und  häutige  Gebilde  entleert  Das 
Kind,  männliohen  Geschlechtes,  hat  ungefähr  die  Grösse  einer 


440  XXVI.  Hegmr^  Di«  Drüseo  der  Decidaa 

siebenmonaüichen  Frucht,  ist  scheinbar  normd  eatwickelt, 
athmet  soj^icb,  stirbt  aber  nach  einer  halben  Stunde  unter 
Cottvulsionen.  Der  Nabeistrang  ist  ohne  Abnormität.  Das 
Wochenbett  ging  gut  vorüber.  Doch  dauerte  die  blutige  Ab- 
sonderung lan^e.  Die  sich  später  wieder  regelmässig  ein- 
stellende Periode  war  im  Anfange  profus.  Auch  weisser  FIuss 
trat  wieder  ein.  Doch  verminderten  sich  diese  Beschwerden 
spater,  ohne  dass  sich  Patientin  einer  Behandlung  unterzog. 
Bei  der  nun  folgenden  Schilderung  des  anatomiscben 
Befundes  unterscheide  ich: 

1)  Den  Mutterkuchen  mit  den  Eihäuten; 

2)  die  mit  diesen  Gebilden  und  nach  denselben  entleerten, 
zusammenhängenden  Membranen ,  der  Decidua  vera  an- 
gehörig ; 

3)  die  mit  1  und  2  zugleich  ausgestossenen  BlutUumpen, 
in  welchen  sich  zerstörte  und  zerrissene  Partieen  der 
Schleimhaut  vorfinden. 

1.  Der  Mutterkuchen  mit  den  Eihäuten.  Die 
Placenta  ist  rund,  hat  9  Centimeter  im  Durchmesser.  Die 
Dicke  beträgt  2 — 3  Centimeter.  Fötalfiläcbe  ohne  Abnormität; 
nur  gegen  den  Rand  hin  befinden  sich  unter  dem  Chorion  fiache, 
3 — 4  Millimeter  dicke  Faserstoffschiebten.  Das  Parenchym 
des  Kuchens  ist  weich;  die  Zotten  normal  beschaffen.  Die 
Uterinfiäche  der  Placenta  besitzt  einen  sehr  gut  erhaltenen, 
IVt — 2  Millimeter  dicken  Deciduaüberzug,  welcher  sich  gegen 
den  Rand  hin,  bis  zu  5 — 6  Millimeter  verdickt  und  ein  durcb- 
schimmerndes  Ansehen  hat.  Auch  die  Cotyledonscheiden  sind, 
besonders  in  der  Nähe  der  Peripherie,  erheblich  verdickt. 
Am  Kuchenrande,  sowie  an  verschiedenen  Stellen  der  Eihäute 
liegen  flache  Schichten  entfärbter  Coagula  auf.  Die  genauere 
Untersuchung  des  Deciduaöberzugs  der  Placenta  ergiebt 
folgende  Resultate.  Derselbe  lässt  sieb,  besonders  leicht  am 
Placentarrande ,  in  mehreren  Schichten  abziehen.  Die  ober- 
flächlichste Schicht  besteht  wesentlich  aus  spindelförmigen 
Zellen,  welche  nicht  selten  lang  ausgezogen  und  mit  gekrümm- 
ten Enden  versehen  sind.  Der  Kern  ist  sehr  stark.  Dabei 
finden  sich  grosse,  platte  Zellen,  oft  mit  sternartigen  Ecken, 
grosse  und  kleine  runde  Zellen  mit  starkem  Kerne,  femer 
grössere  Blasen  von  circa  0,08—0,15  Millimeter  Durchmeaser 


und  die  Hjdrorrhoea  graTidarom.  441 

mit  3  —  6  Kernen,  kolossale  autgequidlene  S^ndehellen,  welche 
ebenfalls  oft  mehrere  Kerne  enthalten,  platte,  bandartige  Zellen 
mit  starkem  Kerne.  —  Die  mittlere  Schicht  entlialt  dieselben 
Elemente.  Doch  ist  im  Allgemeinen  ein  fibriUäres  Binde- 
gewebe vorherrschend,  mit  langen,  schmalen,  stäbchenartigen 
Kernen.  Dabei  finden  sich  Fettmolekule,  oft  perlschnnrartig 
geordnet  und  mit  molekularem  Detritus.  Die  einzelnen  Zellen 
zeigen,  eine  beginnende  Fettmetamorphose,  von  der  sich  in 
der  ersten  Schicht  nur  wenig  Spuren  finden.  —  Noch  mehr 
tritt  diese  Fettmetamorphose  in  der  dem  Kuchen  zunächst 
liegenden  Gewebslage  hervor,  welche  grösstentheils  aus  fibrillärem 
Bindegewebe  und  aus  amorpher  Hasse  besteht.  Dabei  finden 
sich  einzelne  spindelförmige,  runde  oder  polygonale  Zellen 
mit  körnigem  Inhalte. 

Das  Chorion  hat  nur  stellenweise  einen  Deciduauberzug. 
Da,  wo  derselbe  vorbanden  ist,  bildet  er  eine  V^ — 1  Milli- 
meter dicke,  grauröthliche,  weiche  Schicht,  von  maschigem 
Geföge.  Nach  dem  Kuchenrande  ist  sie  dicker  und  wird  lüer 
von  zahlreichen ,  mit  blossem  Aiige  sichtbaren ,  injicirten 
Gelassen  durchzogen.  Das  Mikroskop  zeigt  theils  faseriges 
Bindegewebe  mit  und  ohne  längliche,  stäbchenförmige  Kerne, 
theils  ganze  Lagen  spindelförmiger  Zellen  mit  feinkörnigem 
Inhalte,  ferner  runde  oder  platte,  polygonale  Zellen  in  geringer 
Zahl.  An  einzelnen  Stellen  des  Ghorions  sind,  jedoch  nur  in 
geringem  Umfange,  weisse,  undurchsichtige,  trokene  Schwarten 
von  V<£ — 1  Millimeter  Dicke,  anstatt  jenes  Ueberzugs  vor- 
handen. Diese  besteben  aus  einer  vollständig  amorphen, 
fettreichen  Masse. 

Die  Eihäute  zeigen  einen  einzigen,  centralen  Riss. 

2.  Die  mit  und  nach  den  Nachgeburtstbeilen 
entleerten,  zusammenhängenden  Membranen.  Diese 
sind  zweierlei  Art.  Es  finden  sich  nämlich  zuerst  weissiiebe, 
1 — 2  Millimeter  dicke  Membranen  verschiedener  Grösse,  deren 
beide  Flächen,  ziemlich  gleichmässig  glatt,  zahlreiche  runde 
und  ovale  Löcher  zeigen.  Das  Gewebe  ist  in  einem  molekularen 
Zerfall  begrifien.  Dies  sind  offenbar  Theile  der  Decidua,  welche 
sich  in  vorgeschrittener  Fettmetamorphose  befinden.  Ausser- 
dem fand  ich  jedoch  grössere  Partieen  wohlerhaltener  Schleim- 
haut.    Ausser  kleineren  Lappen  waren  zwei  Membranen  von 


442  XXVI.   J5r«^ar,  Die  Drttseii  der  Deoidoa 

6  —  8  Centimeter   im  Durchmesser   und   ein  4  Centimeter 
langes,    1  Centimeter  dickes,  cylindrisches  Stück  yorbanden. 

Die  Membranen  sind  4 — 5  Millimeter  dick,  granröthlich 
gefärbt,  mit  einzelnen  injicirten  Gelassen  versehen  und  be- 
sitzen eine  glatte,  von  zahlreichen  Sieblöcbern  durchbohrte 
Oberfläche.  Die  andere  Fläche  ist  rauh  und  mit  zahlreichen, 
1 — 2  Millimeter  hohen,  dichtgedrängten,  conischen  Erhaben- 
heiten besetzt.  An  diesen  Höckern  hängen  weisslicbe, 
1 — 3  Centimeter  lange  Fäden,  gewöhnlich  mehrere  an  einer 
Erhabenheit,  zuweilen  auch  bloss  einer.  Nur  einmal  war  ein 
solcher  Faden  gabelig  getheilt.  Unter  dem  Mikroskop  lässt  sieb 
der  röhrenförmige  Bau  dieser  Gebilde  leicht  erkennen.  Die 
Wand  besteht  aus  langen,  starken  Fibrillen  mit  eingdagerten, 
schmalen  Kernen,  der  Inhalt  aus  einem  kleinen  Pflasterepithel. 
Die  Dräsen  sind  so  vollgepfropft,  dass  oft  nur  die  regelmässige 
Anordnung  der  Kerne  die  Gegenwait  des  Epithels  beweisst. 
Doch  sind  in  einigen  auch  die  Contouren  der  Zellenwand 
sichtbar.  Zuweilen  war  der  Drdseninhalt  ausgepresst  und  lag 
in  grösseren  und  kleineren  Hauflsn  beisammen.  Der  Durch- 
messer der  Dräsen  variirte  von  0,13 — 0,25  Millimeter.  An- 
schwellungen, durch  Windungen  bedingt,  waren  im  Verlaufe 
der  Röhren  ziemlich  häufig.  —  Schnitt  man  einen  Höcker  der 
rauhen  Fläche  mit  dem  in  sie  eintretenden  Drösenfaden  ab, 
zog  das  Gewebe  mit  Nadeln  etwas  auseinander  und  brachte 
es  bei  massigem  Drucke  unter  das  Deckglas,  so  Hess  sich 
schon  mit  blossem  Auge  der  Verlauf  der  Di'üse  verfolgen. 
Sie  bildete  in  den  Erhabenheiten  zahlreiche  Spiralwuulungen, 
oft  mit  sehr  wenig  interstitiellem  Gewebe.  Dachte  man  sich 
die  Spiraltouren  aufgewunden,  so  betrug  die  Länge  mancher 
Röhren  wenigstens  4 — 6  Centimeter.  —  Durchschnitte,  welche 
ich  anfertigte,  um  die  Dnlsen  in  der  oberflächlichen  Schleim- 
hautschicht zu  Studiren,  lieferten  nur  unvollkommene  Bilder. 
Bei  einigen  war  es  jedoch  unverkennbar,  dass  die  Drüsen 
dichtgedrängt,  parallel,  mit  verengertem  Lumen  neben  einander 
h^liefen. 

Ein  besonderes  Interesse  bot  die  Untersuchung  des 
oben  erwähnten ,  4  Centimeter  langen ,  1  Centimeter 
dicken   und  breiten,   cylindrischen   Scbleimhautwalstes.     Der- 


tmd  dte  Hydrorrhoea  graTidaram.  443 

selbe  haftte  das  Aosseben  der  Reflexa  eines  ein*  bis  zwei- 
monatlichen Eies.  Man  sieht  wenigstens  nicht  selten  betm 
Abort  der  ersten  Scbwangerschaftszeit  solche  schmale  Reflexa- 
sacke,  welche  ein  degenerirtes  Ei  umscbliessen.  Jener  Wulst 
zeigte  an  fast  allen  Stellen  seines  Umfanges  eine  glatte,  yon 
zahlreichen  Sieblöchern  durchbohrte  Oberflache.  Diese  war 
nun  von  einer  in  dem  Längendurchmesser  verlaufenden, 
5  Millimeter  breiten  Spalte  durchbrochen,  zwischen  deren 
zerrissenen  Rändern  man  in  die  Höhlung  des  Wnlstes  dringen 
konnte.  Breitete  man  die  Lücke  aus,  so  bemerkte  man 
sehr  zahlreiche  weisse  Fäden,  zwischen  Blutcoagulis  ^ich 
durchziehend.  Diese  Fäden  stellten  sich  bei  genauerer  Unter- 
suchung als  Drusen  heraus.  Das  Ganze  war  also  nichts,  als 
eine  durch  Blutextravasat  ausgedehnte  Falte  der  Decidua  vera. 
Ich  mache  auf  diesen  Befund  aufVnerksam,  weil  nicht  ganz 
selten  einfache  Falten  der  Decidua  vera,  wenn  sie  durch 
apoplectische  Ergnsse  stark  vortreten,  Refiexasäcken  täuschend 
ähnlich  sehen.  Hält  man  die  langen,  weissen  Drüsenfäden 
für  Cborionzotten ,  so  glaubt  man  seine  Diagnose  vollständig 
sicher  gestellt.  Ich  kenne  kein  sicheres  Mittel  der  Unter- 
scheidung, als  den  Nachweis  der  Cborionzotten  durch  das 
Mikroskop.  Uebrigens  sind  diese  auch  schon  durch  das  blosse 
Auge  von  den  langen,  fast  nie  getheilten,  nie  mit  Ausläufern 
versehenen,  in  ihrem  Durchmesser  sich  gleich  bleibenden 
Drüsenföden  zu  unterscheiden. 

Das  interstitielle  Gewebe  der  Decidua  bestand  grössten- 
theils  aus  starken,  jungen  Spinddzellen.  Dabei  fanden  sich 
zahlreiche  andere  Zellenformen,  und  selbst  jene  grösseren 
Blasen  mit  4  —  6  Kernen,  welche  also  nicht  ausschliesslich 
der  Serotina  angehören. 

3.  Die  mit  den  Nachgeburtstheilen  und  den 
zusammenhänge ndenDeciduamem brauen  zugleich 
entleerten  Blutmassen.  Diese  enthalten  bei  genauerer 
Untersuchung  schichtenweise  zerrissene,  von  Blut  durchsetzte, 
grössere  und  kleinere  Schleimhautpartieen.  Die  nähere  Be- 
schreibung kann  hier  um  so  mehr  unterbleiben,  als  ich  mit 
meinem  Collegen  Dr.  Eigenbrodt  die  apoplectische  Destruction 
der  Uterusschleimhaut  in  einem  kürzlich  in  dieser  Zeitschrift 
erschienenen  Aufsätze  ausführlich  behandelt  habe.    Der  BeAind 


444  XXVI.   Heffor^  Pie  Drfisea  der  Deoidaa 

bot  in  diesem  Falle  nichts  Besonderes  dar.  Nur  waren  die 
einzelnen  Gewebselemente,  ihrer  Grösse  und  guten  Erbaltung 
wegen,  mitten  in  den  Blutmassen  sehr  leieht  und  deutlich 
nachzuweisen. 

Fall  IL  Frau  von  W.y  31  Jahre  alt,  hat  rasch  hinter- 
einander fönf  rechtzeitige  Niederkünfte  und  einen  Abort 
durchgemacht  Einmal  wurde  sie  mit  der  Zange  entbunden 
und  zweimal  wurde  die  Placenta  von  ihrem  früheren  Arzte 
manuell  entfernt.  Zeichen  retardirter  Involution  des  Uterus, 
langdauernde  blutige  Lochien,  Leucorrhoea  sind  nach  den 
letzten  Geburten  jedes  Mal  bemerkt  worden.  Auch  fand 
während  der  vierten  Schwangerschaft  angeblich  Hydrorrhop, 
wenn  auch  in  geringem  Grade  statt  Die  Kinder  wurden 
nie  angelegt  Die  siebente  Schwangerschaft  verlief  fast  genau 
mit  demselben  Symptomencomplexe,  wie  er  bei  der  ersten 
Beobachtung  angegeben  wurde.  Die  Wasserabgänge  begannen 
übrigens  schon  am  Ende  des  dritten  Monates.  Intercurrbende 
Blutungen  waren  dabei  nicht  selten.  In  den  letzten  zwei 
Monaten  wurden  die  Wasserausscheidungen  viel  weniger  copiös 
und  das  Allgemeinbefinden,  welches  sehr  gelitten  hatte,  wurde 
recht  befriedigend.  Die  Geburt  erfolgte  rechtzeitig.  Die 
Blase  entleerte  wenig  Fruchtwasser.  Es  war  blos  ein  Eihaut- 
riss  bemerkbar.  Das  Kind  war  auffallend  klein  und  schlecht 
genährt,  obgleich  vollständig  entwickelt  Die  Epidermis  war 
spröde,  rauh,  an  einzelnen  Stellen  verdickt  An  den  Augen- 
Udern  befanden  sich  zahlreiche,  kleine  Wärzchen.  Bei  sorg- 
fältiger Pflege  erholte  es  sich  jedoch  bald.  Der  Lochialfluss 
war  in  den  ersten  Tagen  des  Puerperiums  sehr  profus  und 
wässerig.  Später  folgten  blutige  Ausscheidungen,  welche  bis 
in  die  siebente  Woche  anhielten  und  erst  mit  dem  sich  ein- 
steilenden, starken,  weissen  Fluss  durch  adstringirende  In- 
jectionen  beseitigt  wurden.  Seitdem  trat  wieder  eine  normal 
verlaufende  Schwangerschaft  ein. 

Der  Mutterkuchen  war  klein,  kreisrund,  von  derber, 
fester  Gonsistenz.  Einzelne  Randlappen  weiss,  blutleer,  härtlich, 
mit  verödeten  Zotten.  Der  Deciduaüberzug  der  Uterinfläche 
ist  theil weise  durchscheinend,  granulös,  theilweise  weisslich 
und  verdickt  Am  Rande  erhebt  sich  die  Decidua  wallartig. 
Auch  die  Septa  der  Cotyledonen  zeigen  eine  ungewöhnliche 


und  die  Hydro rrhoea  graTidanim.  445 

Stfirke.  Eine  genauere  Untersuchung  dieser  Theile,  sowie 
der  erst  am  dritten  und  vierten  Tage  unter  starken  Nachweben 
abgeschiedene  Blutklumpen  wurde  leider  nicht  yorgenommen, 
da  ich  damals  auf  die  Wichtigkeit  solcher  Beobachtungen  noch 
nicht  aufmerksam  war. 

Ausser  diesen  zwei  Fällen  von  Hydrorrhoea  beobachtete 
ich  noch  mehrere  andere,  welche  erst  in  den  letzten  Monaten 
der  Schwangerschaft  ihren  Anfang  nahmen.  Jedesmal  war  der 
Uterus  vor  dem  Beginne  des  Ausflusses  abnorm  ausgedehnt  und 
gespannt  Die  Ansammlung  und  der  zu  Grunde  liegende  Krank* 
heitsprocess  war  also  offenbar  schon  vorhanden,  ehe  es  zur 
Ausscheidung  der  Flüssigkeit  kam.  Mit  Ausnahme  der  durch 
die  bedeutende  Grösse  des  Uterus  bewirkten  Spannung  und 
der  hierdurch  hervorgebrachten  Alhembescbwerden  waren 
durchaus  keine  krankhaften  Erscheinungen  zu  bemerken. 
Auch  erfolgte  die  Geburt  rechtzeitig. 

Von  den  älteren  Hypothesen  über  den  Ur- 
sprung der  Hydrorrhoea  gravidarum  erwähne  ich  nur 
die  von  Ingleby^  Dubais  und  Danyau  aufgestellte.  Diese 
Beobachter  fanden  bei  der  Untersuchung  der  Nachgeburtstheile, 
ausser  dem  Hauptrisse  des  Eisackes,  einen  zweiten,  kleinen 
an  einer  anderen  Stelle.  Die  Hydrorrhoea  ist  daher  nach 
Ihnen  nur  ein  allmählig  erfolgender  Abfluss  des  Fruchtwassers. 
Ohne  diese  Entstehungsursacbe  wässeriger  Ausflösse  aus  den 
Genitalien  ganz  läugnen  zu  wollen,  stelle  ich  sie  doch  ent- 
schieden für  die  von  mir  und  Anderen  beobachteten  Fälle  in 
Abrede,  bei  welchen  keine  zweite  OefiTnung  im  Eihautsacke 
vorgefunden  werden  konnte. 

In  neuester  Zeit  haben  sich  vorzugsweise  (7.  Braun 
und  Hennig  mit  unserem  Krankheitsprocesse  beschäftigt. 
C.  Braun  nennt  ihn  eine  intermittirende  Endometritis 
serosa ,  welche  eine  serös  -  albuminöse  Exsudation  auf 
der  Innenfläche  des  Uterus  absetzt.  Die  entzündliche 
Reizung  wird  nach  Ihm  durch  die  zellenreiche  Neubildung 
bewiesen ,  welche  die  Oberfläche  des  Kuchens  überzieht. 
0.  Hennig  (Katarrh  der  inneren  weiblichen  Geschlechtstheile, 
Leipzig  1862)  bezeichnet  die  Hydrorrhoea  geradezu  als  einen 
Katarrh  des  schwangeren  Uterus.  Auch  er  fand  die  zellen- 
reiche  Neubildung,  die  wallartige  Verdickung  der  Dectdua  am 


446  ZXVI.   H$gar^  Die  Drüsen  der  Deelina 

PlaceDtarraode.  Die  grosseji,  mit  zahlreichen  Kernen  ver- 
sehenen Zelleogebilde  siebt  er  als  die  Quellen  der  Secretion  ao. 

Man  findet  als  anatomische  Grundlage  der 
Hydrorrhoea  eine  mit  Hyperämie  und  Gefässreicb- 
thum  verbundene,  hypertrophische  Entwickelung 
der  Uterinschleimhaut,  welche  sich  nicht  bloss 
auf  das  interstitielle  Gewebe,  sondern  auch, 
nach  meinen  Untersuchungen,  auf  den  Drusen- 
körper erstreckt.  Es  ist  ein  reger  Zellenneubildungs- 
process  vorhanden  und  die  einzelnen  Gewebstheile  und 
Gawebselemente  selbst  besitzen  eine  ungewöhnliche  Stärke 
und  Ausbildung.  Insbesondere  fand  ich  die  Drüsen  in  solcher 
Zahl  und  Grösse,  wie  ich  sie  kaum  im  ersten  Schwanger- 
schaftsmonate je  gesehen  habe.  Dabei  bemerkte  man  von  der 
rückgängigen  Metamorphose  der  Decidua  viel  weniger,  als 
dies  sonst  im  achten  Monate  der  Fall  ist. 

Mag  man  nun  diesen  Process  als  chronische  Entzündung 
bezeidinen  oder  mag  man  es  vorziehen,  hlos  von  einem 
hypertrophischen  Zustande  der  Uterinschlehnhaut  zu  sprechen, 
sicher  ist,  dass  das  Hauptsymptom  der  Hydrorrhoe,  die  ver- 
mehrte Secretion  der  Mucosa  in  dem  anatomischen  Befunde 
eine  genügende  Erklärung  findet.  Ich  nehme  keinen  Anstand, 
die  Secretion  vorzugsweise  in  die  Drüsen  zu  verlegen. 

Durch  die  vermehrten  Ausscheidungen  der  Decidua  ent- 
stehen Ansammlungen  von  Flüssigkeit  zwischen  Chorion,  oder 
richtiger,  zwischen  Reflexa  und  Vera.  Der  Uterus  wird 
abnorm  ausgedehnt  und  gespannt  Allmählig  und  oft  mit 
Hülfe  vorzeitiger  Contractionen  bahnt  sich  das  Fluidum  einen 
Ausweg  durch  den  Muttermund.  Zuweilen  verlegt  sich  der 
Ausweg  wieder,  und  so  entsteht  der  Anschein  einer  inter> 
mittirenden  Abscheidung.  Gegen  diese  spricht  jedoch  der 
Umstand,  dass  beim  Stocken  des  Ausflusses  die  Gebärmutter 
bald  bedeutender  anschwillt. 

Die  übrigen,  nicht  constanten  Symptome  der  Hydrorrhoea, 
wie  gastrische  fieschwerden,  jßxe  Schmerzen,  gegen  Drucdt 
empfindUche  Stellen  des  Unterleibs,  Fieberbewegungen  und 
Abmagerung  sind  theils  sympatlüscher  Natur,  theils  durch 
Hyperämieen  einzelner  beschränkter  Stellen  der  ganzen  Ulerin- 
wand,    theils  durch  die  copiösen  Säfteverluste  zu  erklären. 


und  die  Hydrorrbo«a  graTidarnia.  447 

Der  Abort  and  die  Frühgeburt  leiten  sich  durch  hämorrhagische 
Ergüsse  in  das  hyperämische  Schleimhautgewebe  ein.  Diese 
entstehen  um  so  leichter,  da  durch  die  Ausdehnung  und 
Spannung  der  Gebärmutterwand  ein  Reiz  zu  vorzeitigen  Con- 
traclionen  gegeben  ist.  Uebrigens  kommt  es  auch  bei  häufigen 
und  nicht  unbedeutenden  Blutungen  nicht  so  leicht  zur  Unter- 
brechung der  Schwangerschaft,  was  darin  seinen  Grund  hat, 
dass  die  .Gefasszerreissung  oft  nur  in  der  Deddua  yera 
stattfindet 

Die  milderen  Formen  der  Hydrorrhoea,  mehrmals,  zuweilen 
nur  zwei  oder  dreimal  erfolgende  Wasserabgänge  in  den 
letzten  Schwangerschallsmonaten  mögen  oft  blos  Ansamm- 
lungen von  Flüssigkeit,  in  früherer  Zeit  der  Gravidität 
entStauden,  ihren  Ursprung  verdanken.  Die  abnorme  Aus- 
dehnung der  Gebärmutter,  welche  den  AusQüssen  vorhergeht, 
spricht  dafür,  dass  der  zu  Grunde  liegende  abnorme  Zustand 
schon  existirte,  ehe  das  gewöhnlich  zuerst  bemerkte  und  am 
leichtesten  in  die  Augen  fallende  Symptom  auftrat  £rst  durch 
die  zunehmende  Atrophie  und  Lockerung  der  Decidua  wurde 
der  Durchbruch  der  angesammelten  Flüssigkeit  ermöglicht 

In  dieselbe  Kategorie  fallen  die  sogenannten  wilden  oder 
falschen  Fruchtwasser. 

Diese  letzteren,  theilweise  noch  in  die  Grenzen  des 
physiologischen  Zustandes  fallenden  Erscheinungen,  der  Nach- 
weis sehr  wohlerhaltener  und  mit  Epithel  versehener  Drüsen- 
schläuche  im  vierten  Monate,  die  Auffindung  langer  Drüsen- 
röhren im  fünften  und  sechsten  Monate  und  die  Wahrnehmung 
neugebildeter,  junger  Drüsen  nach  der  Mitte  der  Gravidität 
durch  üoste,  Robin  und  Kutan  führen,  wie  ich  glaube, 
nothgedrungen  zu  einer  Ansicht  über  den  Bau  und  die 
Function  der  Decidua,  welche  von  den  herrschenden  Angaben 
wesentlich  abweicht  Man  betrachtet  die  Decidua  vera 
gewöhnlich  vom  vierten  Monate  an  als  ein  todtes  Gebilde, 
welches,  der  Fettmetamorphose  verfallen,  gewissermassen  nur 
darauf  wartet,   um  bei  der   Geburt  abgestossen  zu  werden. 

Es  ist  im  Gegentheil  anzunehmen,  dass  jene 
Membran,  wenn  auch  in  ihren  oberflächlichen 
Schichten  theilweise  atrophirt  und  in  Fett- 
metamorphose begriffen.,    doch  in  ihren  tiefen 


448  XXVI.   H^gar,  Die  Drttsen  der  Decidas 

Schichten  wohlerbalten,  als  absonderndes  Organ 
bis  gegen  das  Ende  der  Schwangerschaft  fort- 
besteht. Unter  normalen  Verhältnissen  wird  das  Secret 
resorbirt  oder  gelangt  durch  Endosmose  in  die  Chorionhdble, 
wo  es  zur  Bildung  und  Erhaltung  des  Fruchtwassers  dienL  — 
Unter  abnormen  Verhältnissen,  bei  bestehendem  hyper- 
trophischen Zustande  der  Uterinschleimhaut  und  ihrer  Drusen, 
ist  die  Absonderung  vermehrt  Es  kommt  zu  Ansammlungen 
an  der  Innenfläche  der  Mucosa  und  so  zur  Hydrorrhoe. 

Ursachen.  Die  Ursachen  der  Hydrorrhoe  sind  sehr 
zahlreich.  Alle  Momente,  welche  einen  Congestivzustand  nach 
den  Beckenorganen  bedingen,  werden  in  der  Aetiologie  dieses 
Leidens  angeführt.  Neubildungen,  verzögerte  Involution,  rascb 
auf  einander  folgende  Schwangerschaften,  Katarrhe,  Herzfehler 
können  alle  in  der  Art  wirken,  dass  sie  Hyperämieen  der 
Gebärmutterschleimhaut,  Reizungszustande  derselben  und  einen 
Wucherungsprocess  ihrer  Gewebstheile  und  Elemente  hervor- 
bringen. Von  der  Stärke  der  einwirkenden  Ursachen  wird 
der  höhere  oder  niedere  Grad  des  Krankheitsprocesses  ab- 
hängen. 

Therapie.  Da  das  Zustandekommen  der  Hydrorrhoe 
durch  Erkrankungen  bedingt  scheint,  welche  schon  vor  der 
Conception  bestehen,  so  ist  die  Therapie  wesentlich  elDe 
prophylactische.  Insbesondere  ist  die  Involution  der  Gebär- 
mutter im  VTochenbette  zu  äberwachen.  Man  wird  hierauf 
um  so  mehr  seine  Aufmerksamkeit  richten ,  wenn  eine 
Hydrorrhoe  bereits  bestand ,  da  Recidive  in  folgenden 
Schwangerschaften  häufig  beobachtet-  wurden. 

Hat  man  eine  ausgebildete  Hydrorrhoe  vor  sich,  so  ist 
Alles  entfernt  zu  halten,  was  einen  vermehrten  Congestiv- 
zustand nach  den  Beckenorganen  hervorbringt  Anstrengende 
Körperbewegungen,  der  Coitus,  erhitzende  Getränke,  wie 
Wein,  Bier,  starker  Kaffee  und  Thee  sind  zu  vermeiden* 
Die  Nahrung  sei  kräftig,  doch  leicht  verdaulich.  Sorge  für 
taglichen  Stuhl,  wo  möglich  durch  diätetische  Mittel,  wie  Obst, 
unabgekochte  Milch  etc.,  hervorgebracht,  ist  ein  dringendes 
Bedfirfniss.  Tägliche  Bewegung  in  Irischer  Luft  ist  anzurathen. 
Dabei  mag  die  Kranke  ein-  oder  zweimal  täglich  eine  Stunde 
in  horizontaler  Ruckenlage  auf  dem  Sopha  zubringen.  Uebrigeos 


xmä  die  Hydro rrboea  graTidaram.  449 

hüte  man  sich,  solche  Schwangere,  aus  Furcht  vor  Blutung, 
zu  sehr  an  das  Zimmer  oder  gar  das  Bett  zu  fesseln.  Sie 
kommen  hierdurch  meist  ausserordentlich  herunter.  Die  ge- 
ringen Blutungen  und  Blutbeimischungen  des  Ausflusses  haben, 
wie  schon  erwähnt  wurde,  ihre  Quelle  oft  nur  in  Geiass- 
zerreissungen  der  Decidua  vera.  Nur  bei  drohender  oder  schon 
eingetretener  Hämorrhagie  ist  eine  ruhige  Lage  durchaus 
nothwendig.  Bei  heftigen,  besonders  fixen  Schmerzen  wird 
man  mit  Gegenreizen,  Sinapismen,  Chloroformliniment,  lau- 
warmen Fomenten  gewöhnlich  auskommen.  Selten  wird  eine 
örtliche  Blutentziehung  nothwendig  sein.  —  Bei  bedeutenderem 
Allgemeinleiden,  Sinken  der  Kräfte  sind  Tonica,  Chinin  und 
milde  Stahlpräparate  dienlich.  Bei  drohendem  upd  eintretendem 
Abort  verfährt  man  nach  den  allgemein  gültigen  Regeln. 

1.  Die  Drüsen  der  Decidua  vera  lassen  sich  bis  in  den 
vierten  Monat  der  Schwangerschaft  als  2 — 5  Gentimeter  lange, 
mit  gut  erhaltenem  Epithel  versehene,  einfache,  ungetheilte 
Schläuche  nachweisen,  welche  als  fadenartige  Gebilde  auf  der 
rauhen  Fläche  der  beim  Abort  losgerissenen  Membran  auf- 
sitzen. In  der  Serotina  waren  die -Drüsen  an  der  Nähe  des 
Placentarrandes  bis  in  den  dritten  Monat  aufzufinden. 

2.  Im  fünften  und  sechsten  Monate  waren  die  Drüsen 
der  Vera  in  derselben  äusseren  Form  vorhanden.  Sie  standen 
weniger  dichtgedrängt,  die  Wand  wurde  durch  Faserzuge 
mit  eingelagerten  Kernen  gebildet.  Der  Inhalt  zeigte  kein 
deutliches  Epithel.  Er  bestand  aus  molekular  zerfallener 
Hasse,  meist  mit  zahlreichen,  eingestreuten  Kernen.  Da 
jedoch  nur  Deciduen  mit  bedeutender,  vorzeitiger  Fetl- 
metamorphose  zur  Untersuchung  kamen ,  da  ferner  von  Coste, 
Robin  und  Kutan  die  Existenz  junger  Drüsenscliläuche  in 
der  Mitte  der  Gravidität  festgestellt  wurde,  so  erscheint  es 
als  wahrscheinlich,  dass  auch  im  fünften  und  sechsten  Monate 
wohlerhaltene  Drüsen  in  der  Vera  vorhanden  sind. 

3.  In  der  mittleren  Schicht  der  Vera .  verlaufen  die 
Drüsen  in  Spiralwindungen,  ähnlich  den  Schweissdrüsen.  Die 
Unebenheiten  der  rauhen  Schleimhautfiäche  werden  meist 
durch  Knäuel,  in  welche  eine  oder  mehrere  Drüsen  eintreten, 

Uonatiflchr.  f.  Gebnrtak.  1863.  Bd.ZXn.»Hft.6.  29 


450  XXVI.    Hegar,  Die  Drüsen  der  Decidna  etc. 

coDstituirt.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  die  Glandulae  utri- 
culares  auch  in  den  tiefen  Schichten  der  Hucosa  in  Windungea 
liegen,  da  die  einzelnen  Drüsenröhren  häuOg  eine  Neigung 
zum  Zusammenrollen  besitzen  und  knotenartige  Anschwellungen 
bemerken  lassen,  welche  durch  Windungen  bedingt  sind. 

4.  In  der  Schicht  der  Schleimhaut,  welche  der  freien 
Oberfläche  zunächst  liegt,  ist  die  Gegenwart  und  der  Verlauf 
der  Drusen  am  schwierigsten  zu  erkennen.  Sie  scheinen  hier 
in  ihrem  Lumen  sich  zu  yerengern  und  dichtgedrängt,  oft 
in  parallelen  Zügen  neben  einander  her  zu  laufen,  um  in 
grösserer  Anzahl  in  die  von  dem  Siebloche  ausgehende  Bucht 
einzumünden.  Diese  entsteht  durch  Erweiterung  mehrerer 
Drüsenendstücke  mit  Confluenz  ihrer  Scheidewände.  Entsteht 
ein  solcher  Rareficirungsprf)cess  in  den  tieferen  Lagen  der 
Mucosa,  so  kann  es  zur  Bildung  von  Kysten  kommen,  welche 
alsdann  auf  der  rauhen  Fläche  sichtbar  werden. 

5.  Die  Schleimhaut  des  Uterus  trennt  sich  beim  Abort 
oder  durch  künstliches  Losziehen  bei  Sectionen  in  sehr  ver- 
schiedener Tiefe  los,  auch  in  einer  und  derselben  Schwanger- 
schaftszeit. Die  widersprechenden  Angaben  über  die  Be- 
schaffenheit und  Dicke  der  Decidua  und  über  den  Zustand 
ihrer  Drüsen  werden  zum.Theil  hierdurch  erklärt 

6.  Der  Hydrorrhoea  gravidarum  liegt  ein  mit  Hyperämie 
und  Gefassreichthum  verbundener,  hypertrophischer  Zustand 
der  Uterinschleimhaut  zu  Grunde.  Insbesondere  sind  die 
Drüsen  sehr  zahlreich  und  stark.  Die  copiösen  Ausscheidungen 
finden  in  dem  anatomischen  Verhalten  ihre  Erklärung. 

7.  Die  Decidua  vera  ist,  auch  in  und  nach  der  Mitte 
der  Schwangerschaft,  als  ein  functionirendes,  absonderndes 
Organ  anzusehen.  Hierfür  sprechen  die  Uebergangsstufen 
von  den  milden  Graden  der  Hydrorrhoea  und  den  falschen 
Fruchtwassern  bis  zu  den  ausgebildetsten  Formen  der 
Hydrorrhoe,  der  Nachweis  wohlerhaltener  und  mit  Epithel 
versehener  D/üsen  im  vierten  Monate,  die  AufGndung  langer 
Drüsenschläuche  im  fünften  und  sechsten  Monate  und  die 
Entdeckung  junger  Drüsen  durch  Coste ,  Robin  und  Kilian 
in  dieser  Zeit 


XXYII.  JP'oye,  Ueber  die  Heilbarkeit  und  Heilmittel  etc.    451 

Hachtrag. 

Während  des  Druckes  des  vorliegenden  Aufsatzes  erhielt 
ich  die  Gelegenheit,  den  Uterus  einer  im  siebenten  Schwanger- 
schaftsmonate an  Lungentuberkulose  gestorbenen  Frau  zu 
untersuchen.  Es  gelang  mir  an  Durchschnitten  von  Präparaten, 
welche  in  Holzessig  erhärtet  waren,  kolbig  angeschwollene, 
mit  erhaltenem  Epithel  versehene  Drüsenendstücke  nach- 
zuweisen. Dieselben  lagen  theilweise  mitten  zwischen  Muskel- 
büiideln,  nur  durch  eine  Bindegewebslage  von  denselben 
getrennt 


!xxvn.    , 

Ueber  die  Heilbarkeit  und  Heilmittel  der 

chronischen  Metritis, 

Von 

F.  C.  Faye, 

Profeaaor  in  Christianl«. 
(Ans  einer  brieflichen  Mittheilnng  an  JEd.  Martin,) 

In  seinem  neuesten  Werke:  „Die  chronische  Metritis'S 
Wien  1863,  sagt  Professor  von  Scanzoni:  „dass  er  bis 
jetzt  auch  nicht  einen  einzigen  Fall  aufzuweisen  habe, 
wo  eine  complete  Heilung  der  chronischen  Metritis  und  ihrer 
Ausgänge  zu  constatiren  gewesen  wäre*'.  — 

In  einer  Anzeige  seines  Buches  in  den  Medicinisch- 
chirurgischen  Monatsheften  für  September  1863  sagt  Dr.  von 
Franque:  „Leider  finden  wir  eine  solche  wahrheitsgetreue 
Darlegung  der  gemachten  Erfahrungen  bei  sehr  wenigen 
Schriftstellern ;  wurde  dieses  der  Fall  sein,  dann  wurden  manche 
glänzende  Resultate,  mit  welchen  sich  diese  Herren  rühmen, 
bedeutend  zusammenschmelzen'*.  —  Obgleich  ich  früher  nicht 
über  die  chronische  Metritis,  Hypertrophie,  Engorgement  des 
Uterus  —  Zustände,  welche  oft  in  Verbindung  mit  mangel- 
hafter Involution,  localer  Peritonitis  mit  Exsudation,  ZeU- 
gewebsentzündung  u.  s.  w.  zur  Beobachtung  und  Behandlung 


452  XXVIl.   Faye,  üeber  die  Heilbarkeit 

kamen,  —  geschrieben  habe,  so  fühle  ich  mich  doch 
gedrungen,  meine  Meinung  und  Erfahrung  auszusprechen 
hinsichtlich  der  traurigen  Prognose  des  Prof.  von  ScamonCs 
und  des  Urtheils  des  Dr.  Franque*&,  indem  es  mir  scheint, 
dass  die  beiden  geehrten  Herren  Collegen  in  ihren  Aussagen 
viel  zu  weit  gegangen  sind. 

Alle  beschäftigten  Aerzte,  und  insbesondere  die  Frauen- 
ärzte sind  ohne  Zweifel  damit  einverstanden,  dass  nicht 
wenig  Fälle  vorkommen,  wo  ein  chronisch -inflammatorischer 
und  hypertrophischer  Zustand  der  Gebärmutter  schwer  zu 
heilen  ist,  und  dass  diese  Abnormität  sich  sehr  in  die  Lange 
ziehen  kann  — ,  was  auch  wohl  öfters  eintritt,  wenn  eine 
passende  Behandlung  von  Anfang  an  versäumt  ist  Dass  aber 
ein  solcher  krankhafter  Zustand  unheilbar  sein  soll,  —  zumal 
wenn  die  Gebärmutter  nicht  an  einer  bedeutenden  Deviation 
und  Intumescenz  durch  Druck  leidet,  —  dagegen  streiten 
meine  und  andere  Erfahrungen  und  viele  genau  beobachtete 
Fälle.  Vielmehr  bin  ich  geneigt  zu  behaupten,  dass  solche 
Zustände  fast  immer  heilbar  sind  unter  der  Bedingung,  dass 
eine  mit  Ausdauer  inslituirte  Behandlung  stattfindet  Es 
ist  wo^l  wahr,  dass  viele  derartige  Patienten,  welche  nach 
den  verschiedenen  Bädern  hingewiesen  werden,  oft  genug 
keinen  dauerhaften  Nutzen  davon  tragen,  weil  die  Wirkung 
vonibergehend  bleibt,  indem  die  Kur  nachher  nicht  mit  der 
nothwendigen  Vorsicht  und  Beharrlichkeit  geregelt  wird  oder 
werden  kann.  Ich  glaube,  dass  die  Behandlung  zu  Hause 
manchmal  consequenter  geleitet  wird,  wenn  Arzt  und  Patientin 
nur  einverstanden  sind  darin,  dass  allein  eine  mit  Geduld  gut 
durchgeführte  Behandlung  zum  Ziele  führt.  Ich  habe  Patienten 
gehabt,  bei  denen  die  Kur  wirklich  von  Monaten  bis  zu 
Jahren  gedauert  hat,  und  die  gründlich  geheilt  sind.  Es  ist 
ein  „Labor  patientiae'*  für  beide  Parteien,  und  es  ist  erklärlich, 
dass  ein  Arzt  nicht  gern  viele  solche  Patienten  lange  behandelt^ 
weil  ihm  die  Zeit  fehlt.  In  einem  von  mir  beobachteten 
Falle  war  die  Gebärmutter  seit  zwei  Jahren  so  gross,  dass 
die  Cavilät  8  Zoll  mass;  und  in  zwei  anderen  Fällen  erreichte 
der  Fundus  uteri  den  Nabel,  respective  sechs  bis  neun  Monate 
nach  der  Entbindung,  mit  Adhärenzen  am  Parietalblatt  des 
Peritonäums  und  häufigeren  intercurrirenden  Schmerzanfallen. 


Qnd  Heilmittel  der  cbroDischeD  Metritis.  453 

Die  Behandlung  dauerte  in  einem  Falle  ober  ein  Jahr,  aber 
die  Heilung  war  eine  radicale  und  dauerhafte.  Der  Uterus 
blieb  wieder  klein  und  beweglich,  die  Patientinnen  waren 
sonst  kräftig  und  gesund,  und  zwei  haben  später  mehrmals 
Kinder  gehabt.  Wenn  behauptet  wird,  dass  die  während  der 
Menstruation  stattfindende  Blutcongestion  ein  Hinderniss  fQr 
die  Heilung  ist,  so  bin  ich  der  Meinung,  dass  dieser  natörliche 
Vorgang  selten  nachtheilig  ist,  ja  vielmehr,  dass  die  Blut- 
secretion  sogar  oft  einen  guten  Einfluss  hat  Sexuelle  Auf- 
regungen dagegen  sind  immer  nachtheilig,  und  müssen  soviel 
als  möglich  vermieden  werden.  Ob  die  chronische  Inflammation 
und  Infiltration  des  Mutterhalses  häufiger  Folge  als  Ursache 
des  Uterintumors  ist,  —  wie  es  gesagt  ist,  —  kann  wohl 
nur  in  den  concreten  Fällen  beurtbeilt  werden;  so  viel 
glaube  ich  aber  doch  mit  H.  Bennet,  Tili  u.  A.  behaupten 
zu  können,  dass  eine  voraus  bestehende  chronisch -inflannna- 
torische  Hypertrophie  des  Mutterhalses  nicht  selten  Veran- 
lassung gibt  zu  einem  ähnlichen  Zustande  des  Uteruskörpers, 
wenn  das  Uebel  nicht  durch  eine  frühzeitige  Behandlung 
gehoben  wird. 

Die  Mittel  gegen  die  chronisch -infiaromatoriscben  Hyper- 
trophieen,  Infarcte,  mangelhafte  Involutionen  u.  s.  w.  des  Uterus 
sind  ganz  gewiss  so  ziemlich  dieselben  und  überall  bekannt, 
aber  ohne  eine  methodische,  dauernde,  abwechselnde  An- 
wendung erreicht  man,  wie  gesagt,  oft  nicht  das  Ziel.  Alle 
Aerzte  sind  wohl  darin  einverstanden,  dass  bittere,  roborirende 
Extracte,  Eisenmittel  mit  Zusatz  von  abführenden  Digestiv- 
mitteln, in  Verbindung  mit  einer  guten,  leicht  verdaulichen 
Nahrung  von  Nutzen  sind.  Bromkalium,  Jodkalium  mit 
kleinen  Gaben  der  Narcotica,  die  als  wahre  umstimmende 
Mittel  wirken,  sind  wohl  auch  innerlich  im  Gebrauch. 
Weniger  angewandt  wird;  wie  ich  glaube,  der  sogenannte 
Neptunusgürtel ,  das  heisst,  Wasserumschläge  über  den  Unter- 
leib, kalt  angelegt,  drei  bis  vier  Mal  täglich  umgewechselt, 
und  mit  Wachstalfet  bedeckt  Dieser  Gürtel  kann  jedenfalls 
während  der  Nacht  lange  angewandt  werden,  und  je  kälter 
er  angebracht  wird,  desto  wärmer  werden  die  Umschläge 
nachher  und  desto  besser  wirken  sie.  In  Verbindung  mit 
Aufpinselong  von  Jodtinctur  (mit  Glyöerin  gemildert)  auf  die 


454    XXVII.    Fay$,  üeber  die  Heilbarkeit  und  Heilmittel  etc. 

Regio  bypogastrica  ist  die  Wirkung  der  lange  fortgesetzten 
Wasserumschläge  unzweifelhaft  gut. 

Im  Vaginalgewöibe  und  um  den  Mutterhals  sind  die 
Blutegel  nicht  zu  verachten;  aber  insbesondere  möchte  ich 
dabei  eine  tägliche  Application  von  Boli ,  bereitet  von 
Mercurialsalbe,  oder  Jodkalium  mit  Butyrum  Cacao  and  Oel, 
und  Belladonnaextract  empfehlen.  Douchen  von  Wasser,  auch 
Oeleinsprilzungen  Üiun  dabei  gute  Dienste.  Noch  bin  ich 
sehr  geneigt,  kleine  Lavements,  täglich  zwei  bis  drei  Mal, 
zu  rühmen.  Ich  wähle  dazu  Leberthran,  einen  Esslöffel  voll 
mit  fänf  bis  zehn  Tropfen  Jodtinctur  und  eben  so  viel 
Eisentinctm*  und  Laudanum  versetzt. 

Diese  Mittel  lernen  die  Patientinnen  sich  selbst  so  zu 
appliciren,  dass  sie  Alles  bei  sich  behalten.  Mit  dem  Thran 
geht  es  oft  besser,  so,  als  wenn  er  innerlich  genommen 
werden  soll;  das  Mittel  wirkt  resolvirend  und  unterstutzt  die 
Ernähnmg  ganz  vorzüglich.  Wenn  den  Patientinnen  erlaubt 
ist,  Bett  oder  Sopha  zu  verlassen,  so  gebrauche  ich  immer 
eine  bequeme  hypogastrische  Binde  mit  einem  guten  Perinäal- 
kissen,  durch  welches  letztere  der  Beckenboden  erhöht  und 
gestutzt,  und  somit  die  Gebärmutter  leichter  getragen  wird. 
Wenn  die  Kranken  sich  daran  gewöhnt  haben,  fühlen  und 
loben  üe  selbst  die  gute  Wirkung. 

In  einem  Falle  habe  ich  von  sehr  kleinen  Dosen  von 
Jodarsen  merklichen  Effect  gesehen;  in  ein  paar  anderen 
Fällen  habe  ich  die  Hypophosphide  von  Natron  und  Kalk 
versucht,  ohne  besondere  Wirkung.  Wo  mit  Intumescenz 
des  Uterus  ein  hartnäckiger  Katarrh  verbunden  war,  habe  idi 
mit  einer  dazu  construirten  Spritze  Injectionen  von  Wasser 
mit  Glycerin  und  kleinen  Zusätzen  von  Jod  und  Eisen- 
Chlorid  gemacht,  und  mit  entschieden  gutem  Erfolge.  Es 
versteht  sich,  dass  man  mit  Injectionen  in  die  Gebärmutter- 
bohle  sehr  vorsichtig  sein  muss,  weil  leicht  eine  Peritonäal- 
irritation  dadurch  veranlasst  werden  kann. 

Wenn  die  Vaginalportion  des  Mutterhalses  hypertrophisch, 
offen  und  sogar  ulcerirt  ist,  so  bin  ich  mit  Dr.  TiÜ  und 
H.  Bennet  darin  einverstanden,  dass  eine  Cauterisation  mit 
Lapis  causticus  cum  calce  im  Canal  angewendet,  ein  sehr 
wirksames  Mittel  ist,   indem  die  Schmelzung  des  indurirten 


XXVIII.    Notiien  ans  der  Journal -Literatur.  455 

Geweben  und  eine  sich  in  den  ganzen  Gebarmutterturoor  er- 
streckende Resolution  danach  folgt.  Tägliche  Oeleinspritzungen, 
narcotische  Suppositorien  im  Rectum,  Neptunusgörtel 'auf  den 
Unterleib  und  innerlich  Chinin  mit  Opium  wird  eine  mögliche 
Peritonäakeizung  beseitigen. 

Selbst  Uterusinfarcte  in  Folge  von  Flexionen  habe  ich, 
nachdem  die  Deviation  bei  einer  combinirten  medianischen 
und  cauterisirenden  Behandlung  gehoben  oder  wesentlich 
gebessert  War,  mehrmals  so  weit  geheilt  gesehen,  dass  die 
Patientinnen  nach  mehrjährigen  Leiden,  Blutflüssen  u.  s.  w., 
wieder  ihre  gewöhnliche  Lebensweise  aufnehmen  konnten. 
Nur  bemerke  ichj  in  Uebereinstimmung  mit  Dr.  Freund  in 
seinem  Vortrage  auf  der  Naturforscherversammlung  in  Karlsbad 
1862:  dass  eine  Behandlung  von  1 — IVa  Jahren  bisweilen 
erfordert  wird,  damit  die  geknickte  und  atrophirte  Flexurstelle 
wieder  ihre  Resistenz  erreichen  könne. 


XXVIII. 

Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 


Gubhr:  lieber  die  von  der  Menstruation  unab- 
hängigen Uterinblutungen  beim  Beginne  acuter 
Fieber  und  Entzündungen. 

Aas  der  Entdeckung  der  Physiologen,  dass  die  Menstroation 
mit  einer  periodischen  Eireifung  zusammenhänge,  hat  die  Patho- 
logie noch  nicht  den  nöthigen  Vortheil  gesogen,  indem  noch  die 
meisten  Uterinhiutungen  als  Menstruationen  angesehen  werden, 
ohne  ihre  Wechselwirkung  mit  der  Eireifung  festzustellen. 
Verf.  ist  mit  Racihorsky  der  Ansicht  und  glaubt  dieselbe  zuerst 
ausgesprochen  zu  haben,  dass  der  Uterus  seine  Blutungen  habe, 
wie  jedes  andere  Organ,  welche  sich  bei  gewissen  Erkrankungen 
einstellen,  ähnlich  wie  die  Blutungen  aus  der  Nase,  aber  von 
der  Eireifung  ganz  unabhängig  sind.  Verf.  Tersueht  seine  An- 
nahme durch  beweisende  Beobachtungen  festzustellen,  nachdem 
er  denselben  noch  einige  bekannte  Sätze  über  die  Physiologie 
der  Menstruation  vorausgeschickt  hat     Die   Oyalation   und   die 


456  XXVIil.    Notisen  aus  der  Journal- Lite ratar. 

Uterinblntong  stehen  nicht  immer  aof  gleicher  Hohe  ihrer  Er- 
schcinnngen,,  die  eine  ist  nicht  immer  von  der  anderen  abhängig 
nnd  ihr  untergeordnet,  das  Ei  reift  öfter,  ohne  oder  bei  sehr  geringer 
Blntnng,  und  die  Blutung  ist  zuweilen  stark  bei  unvollkommener  oder 
mangelnder  Eibildnng.  So  beobachtete  Verf.  eine  diffuse  Meningo* 
Encephalitis,  mit  deren  Beginn  sich  reichliche  Menstruation 
seigte  und  bis  zum  Tode,  der  am  zehnten  Tage  der  Krankheit 
eintrat,  andauerte.  Die  Section  ergab  vollRtändige  Vernarbung 
des  Follikels  und  Bildung  eines  Corpus  luteum  mit  gleichzeitigen 
frischen  Blutgerinnseln  in  der  Gebärmntterhöhle.  Das  Alter  des 
genau  untersuchten  Corpus  luteum  entsprach  der  Zeit  des  Ein- 
trittes der  Menstruation  vor  zehn  Tagen.  Es  wurde  in  diesem 
Falle  die  Menstruation  durch  die  acute  Gebirnerkrankung  nur 
übermässig  verlängert,  und  zwar  kommt  nur  die  Gebärmutter- 
blutung in  Betracht,  indem  die  mit  der  Reifung  und  Ablösung 
einhergehende  Blutung  der  Ovarien  und  Tuben  überhaupt  eine 
ganz  kurze  und  untergeordnete  Rolle  bei  der  normalen  Menstruation 
spielt  und  in  obigem  Falle  längst  aufgehört  hatte.  Eine  gleiche 
Unabhängigkeit  beider  Thätigkeiten  lässt  sich  auch  in  den 
pathologischen  Fällen  verfolgen.  Bei  kachektischen  Personen 
entwickelt  sich  oft  nur  die  eine  oder  die  andere  der  beiden 
Thätigkeiten,  durch  den  Einfluss  der  Krankheit  scheinen  beide 
zugleich  nicht  mehr  sich  entwickeln  zu  können,  oder  die  Blutung 
fällt  der  Zeit  nach  nicht  mehr  mit  der  Ovulation  überein,  die 
Blutung  kommt  zu  früh  oder  zu  spät  nnd  sie  stehen  schliesslich 
in  gar  keinem  Zusammenhange  mehr.  Das  ist  denn  keine 
Menstruationsanomalie'  mehr,  sondern  ein  für  sich  bestehender 
KrankheitszQstand. 

Die  früheren  Erklärungen  der  Menstruation,  wie  Reinigung 
des  Blutes,  Bereithaltung  von  Ernährungsmaterial  u.  s.  w.,  sind 
entschieden  falsch.  Die  blutige  Ausscheidung,  welche  die  Ovulation 
begleitet,  ist  eine  Erleichterung  des  mit  Blut  überfüllten  Organes, 
eine  Beruhigung  der  gesetzten  Reizung,  die  Zerreissnng  der 
Capill  arge  fasse  und  die  Aussickerung  des  Blutes  beseitigt  den 
Bubinflammatorischen  Zustand  und  verhindert  die  Bildung  der 
Decidua.  Sehr  wichtig  ist  aber  f^ie  durch  die  Blutüberfüllung 
herbeigeführte  Lockerung  und  Schwellung  der  Genitalien,  welche 
die  im  ruhigen  Zustande  engen  Canäle  und  Oeffnungen,  zumal 
der  Tuben,  weit  und  leicht  durchgängig  macht.  Die  eintretende 
Blutung  beendigt  die  Schwellung  und  führt  den  früheren  Zustand 
zurück,  der  Eintritt  des  Eies  in  den  Uterus  ist  von  nun  an 
verhindert,  das  Ei  geht  unter.  —  Die  physiologischen  Gesetze 
beherrschen  aber  auch  die  pathologischen.  Nach  Ablauf  einer 
regelmässigen  Menstruation ,  zuweilen  schon  nach  wenigen  Tagen 
zeigt  sich  in  Begleitung  fieberhafter  Zustände  eine  neue  Uterin- 
blutnng,  welche. aber  mit  der  Ovulation  nicht  in  Verbindung 
steht.     So    fand  Vibert  in    der  Klinik    des  Verfassers    bei   einer 


ZXVIII.    KotiseD  ans  der  Journal  •Literatur.  457 

Typhnskranken  den  Eintritt  von  Nasen-  nnd  Gebärmntterbintnng 
acht  Tage  nach  dem  Eintritte  der  lotsten  regelmässig  ab- 
gelaufenen Menstrnation,  Durante  ebendaselbst  gleichfalls  eine 
OebSrmntterblutnng  bei  einer  Varioloiden- Kranken  acht  Tage 
nach  dem  Aufhören  der  Menstrnation.  Beide  Kranke  waren 
früher  stets  regelmässig  menstmirt  gewesen.  Soll  man  in  solchen 
Fällen  annehmen  dürfen,  dass  die  Eier,  welche  bisher  stets 
yier  Wochen  snr  Reifong  bedurften,  plötzlich  während  einer 
Krankheit  in  acht  und  zwölf  Tagen  reif  geworden  seien?  einer 
Krankheit,  in  welcher  der  Körper  so  wenig  zur  plastischen 
Bildung,  vielmehr  zum  Schwunde  geneigt  ist?  Gerade  das  Gegen- 
theil  findet  statt,  Krankheiten  halten  die  Ovulation  auf.  Auch 
wiederholte  und  unregelmässig  während  der  Krankheiten  auf- 
tretende ßlutflusse  stehen  mit  der  Ovulation  nicht  im  Zusammen- 
hange. HippoertUea  giebt  an,  bei  vielen  jungen  Mädchen  erscheine 
die  Menstrnation  zum  ersten  Male  während  einer  acuten  Krankheit. 
Wenn  diese  Blutung  auch  zuweilen  die  wirkliche  Menstruation 
gewesen  sein  mag,  so  war  sie  gewiss  häufiger  nur  Krankheits- 
symptom, zumal  in  den  von  Hippocrate$  erwähnten  Fällen  zu- 
gleich Nasenbluten  vorkam  und  die  Mädchen  übrigens  keine 
weiteren  Zeichen  der  Reife  darboten. 

Gegen  die  gewöhnliche  Ansicht,  jede  Mutterblutung,  ausser 
die  nach  Verletzungen,  als  Menstruation  anzusehen,  spricht  auch 
die  Erscheinung  der  Mutterblutnng  bei  Ammen  oder  bei  Frauen, 
die  für  gewöhnlich  nicht  menstruiren  und  dann  in  constitutionelle 
Amenorrhoe  verfallen,  endlich  die  Häufigkeit  von  Aborten  während 
acuter  Krankheiten.  Ein  grosser  Theil  der  Aborte  ist  die  Folge 
einer  Blutcongestion,  die  nichts  mit  einer  Ovulation  geroein  hat. 
Das  Ausbleiben  der  Blutung  wUhrend  der  Schwangerschaft  spricht 
entschieden  gegen  eine  Ovulation  in  dieser  Zeit  und  die  aus- 
nahmsweise erscheinenden  Blutungen  während  der  Schwangerschaft 
können  vielleicht  anfeine  Congestionsgewohnheit  des  hyperämischen 
Organes  zurückgeführt  werden.  Ebenso  will  Verf.  die  Blutungen, 
wenigstens  während  der  sechs  ersten  Monate  der  Lactation  nicht 
als  Menstruation,  sondern  als  reine  Gebärmutterblntung  gelten 
lassen.  Die  zu  den  Krankheiten  hinzutretenden  Mutterblutungen 
lassen  meist  die  Beschwerden,  welche  die  eigentliche  Menstruation 
bei  denselben  Individuen  häufig  begleiten,  vermissen.  So  fand 
Verf.  bei  einer  Masemkranken,  die  stets  mit  örtlichen  bekannten 
Schmerzen  menstruirt  hatte,  eine  durchaus  schmerzlose  leichte 
Gebärmutterblntung  eintreten,  welche  der  erwarteten  Menstruation 
acht  Tage  vorausging  und  deshalb  nicht  als  Menstruation  zu 
deuten  war.  In  einem  von  Vibert  beobachteten  Falle  von  Typhus 
zeigte  sich  eine  sieben  Tage  dauernde  Blutung  zehn  Tage  vor 
der  erwarteten  Menstruation,  dann  setzte  das  Blut  zwei  Tage 
ans  nnd  nun  erschien  es  auf  vier  Tage  von  neuem  als  wahre 
Menstruation.    Diese  Deutung  der  Blutungen  ist  keine  gezwungene, 


458  XX  VIII.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 

obwohl  man  sie  anzweifeln  könnte.  Eine  von  Martin- Magron 
gemachte  Beobachtung^  war  noch  deutlicher,  indem  bei  einem 
febrilen  Erythem  eine  Geb'ärmutterbluton^  14  Tage  nach  der 
letzten  Menstruation  eintrat  und  die  folgende  Menstruatiop  zur 
erwarteten  Zeit  wieder  erschien,  nachdem  die  Kranke  wieder 
gesund  geworden  war,  während  in  dem  vorhergehenden  Falle 
bei  Erscheinung  der  angonommenen  Menstruation  die  Krankheit 
noch  fortbestand,  diese  Blutung  also,  ebenso  wie  die  erste,  als 
Erscheinung  der  Krankheit  gedeutet  werden  könnte. 

Auch  die  anatomischen  Beweise  sind  zu  liefern,  dass  die 
Blutungen  nicht  immer  mit  der  Ovalation  zusammenhängen,  da 
1)  die  Ovarien  keine  auf  die  Eireifnng  bezügliche  Thätigkeft 
zeigen,  2)  das  Alter  des  vorgefundenen  Corpus  luteum  nicht  mit 
der  frisch  aufgetretenen  Blutung  übereinstimmt,  3)  ein  Mis- 
verhältniss  zwischen  dem  blutigen  Ansehen  des  Gerinnsels  und  der 
Beschaffenheit  der  älteren  Rückbildungsproducte  des  €9^aa/*6cheii 
Bläschens,  welches  jenes  einschliesst,  verbunden  mit  der  Un- 
versehrtheit der  Hülle  des  Eierstockes  an  der  Stelle  des  Blut- 
heerdes  besteht.  Leider  sind  die  anatomischen  Untersuchungen 
bisher  sehr  selten  gemacht  worden  und  bieten  auch  grosse 
Schwierigkeiten.  H^ie  fand  (Journal  de  la  section  de  m^d. 
de  1a  Soc.  acad.  de  la  Loire -Inf^rieure,  1858)  bei  einem  jungen 
Mädchen,  welches  am  siebenten  Tage  einer  Scharlacherkranknng 
starb  und  während  der  Krankheit  ihre  Menstruation  gehabt  hatte, 
den  Uterus  und  die  Tuben  bis  2  —  3  Centimeter  von  den  Fimbrien 
entfernt,  gänzlich  mit  einem  Blutgerinnsel  angefüllt,  beide 
Ovarien  gross,  mit  vielen  Oraaf*8chen  Bläschen  gefällt,  kein 
frisches  Corpns  luteum,  dagegen  am  äusseren  Ende  des  linken 
Ovarium  eine  Oraaf*8che  Blase,  wahrscheinlich  die  bei  der 
letzten  Menstruation  gereifte,  von  der  Grösse  einer  kleinen  Nuss, 
27,  Centimeter  lang,  2  Centimeter  breit  und  mit  drei  Viertheilen 
ans  der  Oberfläche  des  Eierstockes  hervorragend,  mit  einem 
Blutgerinnsel  gefüllt.  Die  innere  hypertrophirte  Membran  zeigte 
beim  queren  Durchschnitte  der  Blase  die  eigenthnmlicben 
hängenden  Falten  ungeachtet  der  durch  die  Blutansammlung 
herbeigeführten  Ausdehnung.  Während  HSlie  hier  den  Blutgang 
als  wirkliche  Menstruation  ansieht  und  das  Blutgerinnsel  im 
Eierstocke  damit  zusammenbringt,  sucht  Verf.  nachzuweisen,  dass 
der  Blutgang  während  der  Scharlachkrankheit  keine  Menstruation 
gewesen  sei,  dass  das  Blut  nur  die  Höhle  des  von  der  letzten 
wirklichen  Menstruation  zurückgebliebenen  und  schon  in  der 
Rückbildung  begriffenen  Corpus  luteum  gefüllt  und  zu  einem 
neuen  Gerinnsel  sich  gebildet  habe,  denn  es  könnten  sieh  die 
eigenthÜmlichen  Falten  auf  der  inneren  Oberfläche  des  Follikels 
nicht  in  den  wenigen  Tagen  so  entwickelt  haben,  wie  sie  vor- 
gefunden wurden,   dieselben   müssten   vielmehr  schon  älter  seiD. 


XXVIII.    Notiaen  ans  der  Journal -Literatnr.  459 

In  einem  anderen  Falle,  den  Lahoulhhne  beobachtete  (Comptes 
rendns  et  m^moires  de  la  «oci^t^  de  biologie,  1852,  t.  TV.,  p.  185), 
trat  bei  einer  Variola -Kranken,  welche  swei  Wochen  vorher 
menstmirt  hatte,  eine  heftige  Uterinblutung  ein  nnd  am  folgenden 
Tage  erfolgte  plötzlich  der  Tod.  Die  Section  zeigte  den  üterns 
mit  Blutgerinnseln  und  beide  Tuben  mit  wurroförmigen  Blut- 
gerinnseln gefüllt,  das  linke  Ovarium  war  krankhaft  entartet, 
das  rechte  war  4  Centimeter  lang,  in  seinem  äusseren  Drittheil 
blauroth  und  enthielt  hier  ein  haselnussgrosses  Gerinnsel  ohne 
Spur  eines  Risses.  Dieser  Fall  ist  ähnlich  wie  der  vorige 
zu  deuten.  In  einer  Beobachtung  von  Ch,  Bemard  (Comptes 
rendus  de  la  soc.  de  biologie,  1856,  t.  III.,  p.  65)  starb  die 
Frau  in  Folge  heftiger  Krämpfe,  veranlasst  durch  Blutergüsse 
in  den  Wirbelsäulencanal,  besonders  der  Dorsalgegend.  Auch 
andere  Organe  waren  sehr  blutreich.  Aus  dem  Collum  uteri 
floss  reichliches  dunkles  flüssiges  Blut,  während  die  Ovarien 
keinen  Congestionszustand  darboten  und  keine  frische  Blase  zu 
finden  war.  Eine  sehr  wichtige  Beobachtung  wurde  von  Cornt7, 
Interne  in  der  Abtheilnng  LailUr's  gemacht.  Eine  26jnhrige 
Magd  wurde  am  30.  Januar  im  Höpital  Beaujon  in  Paris  auf- 
genommen. Sie  litt  an  Typhoid,  zu  dem  sich  Mutterblntung 
zugesellte.  Vier  Tage  nach  Eintritt  der  Blutung  erfolgte  der 
Tod,  acht  Tage  nach  Beginn  der  Krankheit.  Die  Section  ergab 
ein  drei  Wochen  altes  Corpus  luteum  im  rechten  Ovarium,  keine 
Spur  eines  neuen  Corpus  luteum  in  dem  einen  oder  anderen 
Ovarium. 

Den  Einfluss  einer  acuten  Krankheit  in  ihren  verschiedenen 
Stadien,  auf  die  Hervorrufung  der  Menstruation  oder  Mutter- 
blutung  und  die  äusserste  Grenze  der  schnellen  Wiederkehr  einer 
wahren  Menstruation  festzustellen,  ist  bisher  noch  nicht  genügend 
gelungen.  Verfassers  Ansicht  geht  dahin,  dass  der  Einfluss  ein  sehr 
verschiedener  ist.  Die  acuten  Krankheiten  halten  die  Menstruation 
auf,  wenn  der  Beginn  beider  nngefHhr  zusammenfällt,  sie  be- 
schleunigen die  Menstruation,  wenn  die  Krankheit  zwischen  den 
Menstruationen  und  zwar  möglichst  bald  nach  der  abgelaufenen 
Menstruation  beginnt.  Beides  jedoch,  Aufschub  und  Beschleunigung, 
dürfen  nicht  eine  Woche  überschreiten,  wenn  sie  noch  als  wahre 
Menstruation  mit  Ovulation  angesehen  werden  sollen.  Drittens 
stören  die  Krankheiten  die  Menstruation  gar  nicht,  wenn  die 
allgemeinen  und  örtlichen  Erscheinungen  der  Krankheit  gering 
sind  oder  wenn  bei  heftigem  Fieber  die  Reaction  mit  der  Zeit 
der  regelmässigen  Wiederkehr  der  Menstruation  zusammenfallt. 
Die  Gebärmutterblutungen  können  aber  jederzeit  eintreten,  einige 
Tage  nach  und  vor  einer  Menstruation  oder  mitten  in  der 
Zwischenzeit. 

Die  die  Menstruation  erregenden  Mittel  sind  nur  im  Stande, 
eine  Congestion  nnd  Blutung  der  Gebärmutter  zn  erzeugen,  nicht 


460  XXVIII.    Notizen  ans  der  Journal  -  Literatur. 

aber  eine  Ovulation.  Sie  sind  nnr  heilsam,  wo  eine  schon  bereite 
▼erzögforte  Menstruation  angetrieben,  eine  ungenügende  Eibildung* 
gefördert,  das  Platzen  des  EiblKschens  herbeigeführt  werden 
kann,  aber  sie  sind  unwirksam  bei  einem  sterilen  Eierstocke. 

Zum  Schlnss  stellt  Verf.  folgende  Sätze  auf: 

1.  Das  Wesen  der  Menstruation  liegt  in  der  Eireifung. 
Der  Blutfluss  ist  nur  ein  untergeordnetes  Symptom,  bestimmt, 
die  Erregung  der  Genitalien  zu  beruhigen  und  die  Fruchtbarkeit 
SU  begrenzen. 

2.  Ebenso  wie  die  Eibildung  ohne  Blutung,  so  kann  auch 
Mutterblutung  ohne  Eibildung  stattfinden. 

8.  Viele  Mutterblutungen,  welche  während  acuter  Krank- 
heiten auftreten,  werden  fälschlich  für  antecipirte  Menstruationen 
gehalten. 

4.  Es  ist  dies  zu  beweisen  a)  durch  die  kurze  Zwischenzeit 
zwischen  den  Blutungen,  in  welcher  ein  Ei  nicht  reifen  kann, 
h)  durch  Blutungen  bei  nicht  menstruirten  Frauen  (Krankheit, 
Schwangerschaft,  SUugungszeit),  c)  durch  Mangel  der  die  Men- 
struation begleitenden  Erscheinungen,  d)  durch  die  punktliche 
Wiederkehr  der  Menstruation  wUhrend  der  Krankheit  oder  Ge- 
nesung zu  einer  Zeit,  welche  der  erwarteten  Menstruation 
entspricht. 

6.  Auch  die  Sectionen  liefern  den  Beweis,  denn  es  finden 
sich  in  den  Ovarien  keine  reife  Bläschen,  wohl  aber  frische  Blut- 
ergüsse in  alte  Corpora  lutea  oder  nur  alte  Corpora  lutea  bei 
Gebärmutterblutungen.^ 

6.  Der  Einflnss  acuter  Krankheiten  auf  die  Wiederkehr  der 
Menstruation  ist  früher  falsch  beurtheilt  worden,  indem  viele 
einfache  Blutungen  für  Menstruationen  gehalten  wurden. 

7.  Die  acuten  Krankheiten  stören  die  Menstruation  nicht, 
oder  sie  beschleunigen  oder  sie  halten  sie  auf.  Die  Beschleunigung 
kann  wahrscheinlich  eine  Woche  nicht  tiberschreiten. 

8.  Die  acuten  Krankheiten  können  dagegen  Gebürmutter- 
blutungen  erregen,  knrz  nach,  kurz  vor  einer  Menstruation  und 
in  jeder  Zeit  der  Pause. 

9.  Im  Beginne  der  acuten  Krankheiten  werden  am  leichtesten 
Blutungen  erregt;  günstig  für  dieselben  sind  ferner  Heftigkeit 
der  Krankheit,  Erkrankung  der  hypogastrischen  Organe,  Blut- 
zersetzung, Erweichung  der  Gewebe  in  dem  blutenden  Organe. 

10.  Am  häufigsten  kommen  Mutterblutungen  vor  im  Beginne 
der  Entzündungen  der  Brust-  und  Bauchorgane,  beim  Typhus, 
Erysipelas,  den  acuten  Exanthemen. 

11.  Die  Unterscheidung  einer  Mutterblutunpr  von  einer 
Menstruation  ergiebt  sich  ans  den  unter  4  und  6  aufgeführten 
Schlüssen. 


XXVin.   Notisen  ans  der  Journal -Literatur.  461 

12.  Die  Statistik  der  periodischen  Wiederkehr  der  Men* 
strnation  nnd  die  Annahme  der  Wirksamkeit  der  gegen  Amennorrhöe 
empfohlenen  Arzneimittel  bedarf  einer  Keyision. 

(Gaz.  möd.  de  Paris,  1863,  No.  9,  18,  15,  16,  18,  20.) 


A.  Stadfeldt:  Untersuchungen  über  den  Kindskopf 
in  obstetritischer  Beziehung. 

Der  Verfasser  veröffentlicht  hiermit  seine  im  Jahre  1869 
yorgenommenen  Messungen  nnd  Untersnchnngen,  die  in  dem 
Kopenhagencr  Gebärhause  und  an  den  Präparaten  in  dem  Museum 
Saxtorphianum  vorgenommen  sind.  Die  Missverhältnisse  in  der 
Käumlichkeit  unter  der  Geburt  werden  im  Ailgemeinen  hervor- 
gerufen durch  Missverhältnisse  zwischen  zwei  Factoren:  Frauen- 
becken und  Kindskopf.  Der  erste  Factor  wird  gewöhnlich  mehr 
berücksichtigt,  als  der  zweite,  weil  er  leichter  zu  taziren  ist. 
Doch  kann  man  durch  Uebung  viel  erreichen  in  Bestimmung  der 
Grössenverhältnisse  des  Kindskopfes,  aber  vor  Allem  ist  es 
nothwendig,  die  Grösse  nnd  das  Accomodationsvermögen  dee 
Kopfes  im  Allgemeinen  zu  kennen,  ohne  dasselbe  kann  man  kein 
Urtheil  in  jedem  einzeli^en  Falle  abgeben.  S*  hat  deswegen  den 
normalen  Kindskopf  als  Ausgangspunkt  für  seine  Untersnchungen 
gemacht;  ferner  hat  er  Studien  über  die  Formveränderungen 
und  Beschädigungen  des  Kindskopfes  bei  der  Geburt  hinzugefügt 
und  glaubt  dadurch  eine  Seite  der  mechanischen  Miss  Verhältnisse 
unter  der  Geburt  beleuchtet  zu  haben. 

Die  Form,  Grösse  und  das  Accomodationsvermögen 
des  Kindskopfes.  S.  macht  erst  darauf  aufmerksam,  dass  der 
Kindsschädcl  in  seinen  zwei  Seitentheilen  nicht  symmetrisch  ist, 
wie  es  schon  bei  Erwachseneu  angegeben  ist.  Er  hofft  später 
darauf  zurückzukommen,  vorläufig  giebt  er  nur  an,  dass  er  bei 
allen  Kindern  eine  constante  Asymmetrie  beobachtet  hat;  sie 
ist  ein  wenig  wechselnd,  aber  ziemlich  unveränderlich  und  am 
deutlichsten  ausgesprochen  am  Hiuterhaupte,  wo  die  linke  Hälfte 
mehr  hervortretend  nnd  gewölbt  ist  als  die  rechte,  wenn  man 
den  Kopf  von  oben  betrachtet.  Diese  Asymmetrie  ist  ganz  un* 
abhängig  von  der  Geburt,  denn  sie  ist  in  den  grossen  Zügen 
immer  dieselbe,  wenn  auch  die  Kinder  in  den  verschiedenen 
Schädel-  oder  Beckenendlagen  geboren  sind;  und  der  Verf.  hat 
auch  diese  Schiefheit  bei  Kindern  in  utero  gefunden,  deren 
Mütter  im  Anfange  der  Geburt  gestorben  waren.  In  dieser 
Schiefheit  will  er  auch  die  Erklärung  finden  zu  der  Observation 
von  Hyril  (Topograph.  Anatomie,  Bd.  I.),  dass  bei  grösserer 
Compression  des  Schädels  durch  die  Zange  das  linke  Scheitelbein 
gewöhnlich  sich  unter  das  rechte  hineindrücken  lässt.  Ein  sehr 
häufiger  Hauptcharakter  der  genannten  Asymmetrie  ist  eben,  dass 


462  XXVIII.    Notisen  ans  dar  Joarnal*  Literatur. 

das  rechte  Scheitelbein  weniger  gewölbt  ist  als  das  linke,  mit  seinem 
inneren  Bande  mehr  nach  oben  gekehrt  ist  und  dnreh  Compression 
des  Schädels  von  den  Seiten  aas,  also  über  das  linke  gehen 
muss.  Diese  «physiologische  Asymmetrie"  ist  oft  be- 
deutend; deswegen  darf  man  nicht  hHzu  schnell  mit  F,  Weber 
die  Schiefheiten  des  Kindskopfes  als  dnreh  die  Geburt  hervor- 
gebracht betrachten.  Sie  fangt  früh  an  und  «S*.  hat  sie  schon 
bei  einer  sechsmonatltchen  Frucht  gefunden,  deren  Kopf  vor- 
sichtig mit  Gyps  gefüllt  war. 

Die  SchKdelform  wechselt  etwas  und  wir  finden  auch  bei 
Kindern  runde,  ovale  und  elliptische  Schädel,  aber  wie  schon 
Smellie  und  Scuctorph  hervorgehoben  haben,  die  Kopfformen  können 
auch  modificirt  werden  durch  die  verschiedenen  Stellungen  nnd 
Bewegungen  des  Kopfes  unter  der  Geburt.  Das  hat  er  besonders 
gefunden  bei  Gesichts-  und  Stimgeburten ,  wo  der  Kopf  aam 
Theil  mit  seinem  diagonalen  Durchmesser  durch  das  Becken  ge- 
trieben wird.  Dadurch  wird  dieser  Durchmesser  verkürzt,  der 
Occ- frontal -Diameter  dagegen  nm  % — y/'  verlängert.  Grosse 
Schwankungen  sind  überhaupt  in  den  Diametern  an  den  ver- 
schiedenen Köpfen  möglich,  wie  seine  Tab.  1  nachweist;*)  bei 
75  ausgetragenen  Kindern  differirt  Diam.  diagonalis  von  4'/4 — b^/4'9 
Diam.  transv.  post.  von  374 — %",  Diam.  occ. -front,  von  4*/, — ^V," 
nnd  der  verticale  Durchmesser  von  3% — 4Ve".  8,  hat  folgende 
Mittelmaasse  gefunden:  Diam.  occ. -front  4,527",  Diam.  transT. 
post.  3,486'',  Occ. -frontal -Umfang  13,324",  verticaler  Durchmesser 
8,660"  nnd  Umfang  12,110". 

£s  wird  in  mehreren  Lehrbüchern  angegeben ,  dass  die 
Schädel  bei  Knaben  grösser  sind  als  bei  Mädchen,  and  dass 
eben  das  dadurch  bedingte  grössere  Missverhältniss  zwischen 
Kopf  und  Becken  als  Ursache  des  häufigeren  Absterbens  der 
Knaben  unter  und  kurz  nach  der  Geburt  zu  betrachten  ist. 
Maurieeau  (237  Aphorisme),  Clarke  und  Simpson  haben  das 
behauptet,  und  besonders  der  Letzte  hat  das  mechanische 
Missverhältniss  als  die  einzige  Ursache  zu  diesem  häufigeren 
Absterben  der  Knaben  angegeben.  Allerdings  sind  die  Schndel 
bei  Knaben  im  Durchschnitte  grösser  als  bei  Mädchen,  und  wie 
Clarke,  ThuUtrup  und  Simpson  h&t  Stadfeldt  durch  seine  Messungen 
auch  eine  Mitteldifferenz  von  0,1.15"  in  dem  Occ. -frontal -Umfange 
gefunden,  aber  es  ist  doch  bemerkenswerth,  dass  man  in  jedem 
einzelnen  Falle  nicht  einen  Schluss  daraus  ziehen  kann,  denn 
die  drei  grössten  Schädel  in  seiner  Tabelle  gehörten  eben  Mädchen. 
Der  Verf.  will  auch  nicht  die  Berechnungen  von  Simpson  als 
beweisend  annehmen,  denn  in  der  Benutzung  des  Materials  von 
Coüins  hat  Simpson  allzu  yieles  zusammengemischt.  Für  ihn  ist 
nar  die  Frage:  Knabe  oder  Mädchen,  und  die  Verschiedenheiten 


1)  Ein  dänischer  Zoll  =  11,6  Pariser  Linien. 


XXVIII.    Notisen  aas  der  Journal -Literatur.  463 

des  Gebnrtsmecbanismus  seitens  der  Mutter  sind  gar  nicht  berück- 
sichtigt; er  anterscheidet  nicht,  ob  es  sich  um  Erstgebärende 
oder  Mehrgebärende  handelt,  ob  die  Becken  und  Qeschlechtstheile 
eng  waren  oder  nicht  u.  s.  w.  Diese  Fragen  können  aber  nicht 
Burückgedrängt  werden.  A  priori  kann  man  nicht  verstehen, 
dass  ein  Unterschied  in  dem  Schädelumfange  von  ^Vioo"  ^^ 
Mittelmaass  so  nachtheilig  wirken  sollte.  Stad/eldt  meint  auch, 
dass  das  nicht  der  Fall  ist,  denn  wäre  die  Grössendilferenz  allein 
die  Ursache  eu  der  grösseren  Sterblichkeit  der  Knaben,  dann 
miisste  erstens  die  Anzahl  der  todtgeborenen  Kinder  in  Amerika 
viel  grösser  sein,  als  in  Europa,  weil  die  Kindsköpfe  dort  nach 
von  PeWs  Messungen  (Monatsschrift  f.  Geburtsk. ,  16.  Bd.,  4.  H.) 
bedeutend  grösser  sind,  als  in  Europa,  ohne  dass  das  Normal- 
maass  der  Weiberbecken  (nach  Meig*%  Angaben)  grösser  ist; 
von  einer  solchen  bedeutend  grösseren  Sterblichkeit  wissen  wir 
aber  nichts.  Zweitens  müssen  nothwendig  die  ausgetragenen, 
unter  der  Geburt  abgestorbenen  Kinder  bei  Erstgebärenden  öfters 
Knaben  sein,  als  Mädchen,  denn  wo  die  Käumlichkeitsverbältnisse 
bei  den  Müttern  am  ungünstigsten  sind,  kann  es  nicht  anders 
sein,  als  dass  die  grösseren  Knabenschädel  ein  mechanisches 
Missverhältniss  leichter  hervorrufen,  als  die  kleineren  Mädchen- 
Schädel.  Aber  das  ist  eben  nicht  der  Fall.  Macht  man  in  dieser 
Hinsicht  eine  Sonderung  nach  CoUina*  Tabellen,  so  findet  man, 
dass  das  Verhältniss  bei  Primiparis  für  die  Knaben  günstiger  ist, 
als  wenn  man  alle  Geburten  zusammennimmt.  Die  todtgeborenen, 
ausgetragenen,  nicht  macerirten  Knaben  verhalten  sich  bei  Erst- 
gebärenden zu  den  Mädchen  wie  146  :  100  (145  Knaben  gegen 
99  Mädchen),  bei  den  Geburten  im  Allgemeinen  dagegen  wie 
151  :  10^).  —  Die  Räumlichkeiten  in  den  mütterlichen  Geburts- 
wegen sind  viel  grösseren  Schwankungen  unterworfen  und  ver- 
ursachen auch  leichtere  Räumlichkeitsverhältnisse  unter  der 
Geburt  als  die  Kinderschädel.  Die  Richtigkeit  dieser  Bemerkung 
tritt  noch  deutlicher  hervor,  wenn  wir  bei  Collins  und  tSimpaon 
sehen,  dass  die  Sterblichkeit  der  Kinder  unter  der  Geburt  bei 
Erstgebärenden  5  Piocent  beträgt,  aber  nur  2^^  Procent  bei 
Mehrgebärenden,  und  doch  sind  die  Schädel,  nach  StadfeldC» 
Messungen  in  Tab.  6.  grösser  bei  Kindern  von  Mehrgebärenden 
als  bei  Kindern  von  Erstgebärenden.  Obgleich  die  Mehrgebärenden 
in  seiner  Tabelle  mehr  Mädchen  geboren  haben  als  Knaben, 
sind  die  Schädel  im  Mittelmaass  doch  um  0,104''  grösser  im 
Occ- frontal -Umfange  und  0,035"  in  D.  occ.  front,  als  bei  Erst- 
gebäreuden.  Diese  und  noch  ein  paar  Gründe  zeigen  nach 
StadfeldVs  Ansicht,  dass  andere  Momente  in  Betracht  kommen 
müssen,  um  die  schlechtere  Prognose  für  Knaben  zu  erklären. 
Ohne  tiefer  in  diese  Frage  eingehen  zu  wollen,  fügt  er  noch 
hinzu,  dass  CZorArs's  Meinung,  dass  bei  Knaben  ein  Missverhältniss 
in  der  Ernährung  oder,  wenn  man  will,  in  dem  Luftwechsel  unter 


46-1  XXVIII.    Notisen  ans  der  Journal- Literatur. 

der  Geburt  leichter  entsteht,  etwas  für  sich  hat.  —  Die  neueren 
Üntersuchnngen  yon  Breslau  über  die  GewichtsTeränderungen  der 
Neugeborenen  können  dafür  sprechen,  denn  darnach  schienen 
die  Knaben  empfindlicher  zu  sein  als  die  Mädchen. 

Das     A  ccomodationsverniögen     des     Kindskopfes     ist 
schon  lange  bekannt,    aber  bei   einer  gewöhnlichen  Gebnrt  und* 
gewöhnlichen  RäumlichkeisTerhältDissen  meint  S.  gegen  Saxlorph, 
dass   die   mütterlichen  Weicbtheile   mehr  Einfiuss   auf  die  Forra- 
veränderung    des  Kopfes    haben    als    das  Becken.     Die   Schadel- 
knochen  nähern  sich  einander  und  gehen  über  einander  und  öfters 
geschieht  es  —  worauf  Levy  aufmerksam   gemacht  hat  — ,   dass 
ein    Knochen    nicht    in    seiner    ganzen    Länge    über    oder    unter 
den   nächstliegenden   gebt,  sondern   eine  Kreuzung  in  der  Mitte 
der   Knochenränder    stattfindet.    —    S.    hat    versucht,    durch    67 
successive   Messungen  zu   constatiren,   wo    die  Compression  und 
wo  die  Compensation  hervorgebracht  wird.    £r  hat  deswegen  die 
Schädel  zwei  Mal  gemessen,   gleich  nach  der  Geburt  und  36  bis 
48  Stunden  später.     Wie  schon  Burns  hervorgehoben  hat,   kann 
man  doch  nicht  immer  erwarten;   die  Compensationserweiterung 
mit  den   Passerbeinen   zu   ergreifen,    weil    sie    öfters   ausserhalb 
der  gewöhnlichen  Messpunkte  fällt.    Nichtsdestoweniger  meint  8, 
nach  seinen  Messungen  sagen  zu  können,   dass   die  Compression 
gewöhnlich    in    dem  Diam.   occ- front,   und   verticalem   Umfange 
geschieht,   die  Compensation  dagegen  in  dem  diagonalen  Durch- 
messer.    Dies    ist    der  Fall    bei   der  gewöhnlichen   Geburt  oder 
besonders    bei    dem   gleichmässig,    allgemein    verengten  Becken; 
wo    aber    ein    Räumlichkeitsmissverhältniss     in    einer    Richtung 
stattfindet  —  und  dabei  denkt  er  namentlich  an  die  Verengerung 
in  Diam.   conj.  vera   —    sucht    der  Kopf   mit    seinem    kleineren 
Diameter  durch  die   verengte  Stelle   za  kommen   und   durch  das 
Durchdrücken   wird   Diam.  transv.  post.    oft  bedeutend   verkürzt; 
hier   ist    gewöhnlich    auch    mehr    Platz    für    die    Compensations- 
erweiterung.   Sehr  instructiv  ist  in  dieser  Beziehung  ein  skeletirter 
Kopf  im  Museum  Saxtorphiannm,  wo  Diam.  transv.  post.  nur  S*//' 
misst,  Diam.  occ.  front,  dagegen  ^^/^"  und  der  diagonale  Durch- 
messer 57,''  ist.     Das  Kind  wurde  mit  diesem   sehr  configurirten 
Kopfe   todt  geboren,    das   weibliche   Becken  war   rachitisch   und 
die  Geburt  dauerte  zwei  Tage.    Wie  Baudelocque  und  Hyril  durch 
Compressionsversnche   mit   der  Zange  an  todten  Kindern  gezeigt 
haben,  lassen  sich  die  Schädel  nicht  mehr  als  4  bis  6'"  im  Quer- 
durchmesser   zusammendrücken.      Die    Naturkräfte    sind    gewiss 
wiiksamer  in  dieser  Hinsicht  als  die  Zange,   doch  ist  eine  Ver- 
minderung von  y,''  in  Diam.  transv.  post.   (wie  BamsboÜiam  nn- 
giebt)  äusserst  selten,    wenn    man  von    ausgetragenen    lebenden 
Kindern  spricht.     Nach   seinen   successiven   Messungen  (Tab.  1.) 
meint  8,,    dass  KivoUch  Recht  hat,   wenn  er  die  Grenze   für  die 
Compressibilität    des   Schädels   in  einem  Diameter  zu   2   bis  4' 


//# 


XXVin.    Notisen  ans  der  Journal- Literatur«  465 

setzt;  Dar  bei  sehr  weichen  Schädeln  von  anreifen  Kindern  hat  S, 
eine  Differenz  von  Y,"  gefunden,  und  doch  war  das  Missverhältniss 
in  der  Räumlichkeit  bei  den  57  Geburten  oft  bedeutend.  Man  mnss 
aber  messen,  denn  die  blosse  Schätzung  ist  bei  dem  durch  Kopf- 
geschwulst verlängerten  Kopfe  sehr  trügerisch.  Weiter  bespricht 
der  Verf.  die  Beschädigungen,  durch  welche  die  Naturkräfte 
suchen  eine  Accomodation  hervorzurufen,  die  Rupturen  in  den 
Nähten,  Depressionen,  Fissuren  und  Fracturen.  Die  Depressionen, 
ncomme  l*on  voit  auz  pots  dVtain  et  de  cuivre*,  wie  schon 
Amhr.  Paraeus  gesagt  hat,  zeigen  gewöhnlich  eine  drei-  oder 
vierwinkliche  Faltung  der  Knochensubstanz,  entstehen  in  der 
grossen  Mehrzahl  der  Fälle  durch  Druck  gegen  das  Promontorium 
sehr  selten  von  den  Spinae  ischii  oder  Exostosen  im  Becken. 
Sie  sind  aber  oft  sehr  bedeutend  und  von  einer  Abflachung  der 
unterliegenden  Gehirnwindungen  begleitet.  Er  theilt  zuletzt  eine 
Beobachtung  mit,  wo  zwei  Fissuren  in  den  Schädelknochen  hervor- 
gebracht waren  bei  einer  durch  die  Naturkräfte  allein  beendigten 
Geburt.  Diese  Fissuren  trafen  das  linke  Scheitelbein;  bedeutender 
Bluterguss  war  auch  vorhanden.  Das  Kind  wog  6  Pfund  und 
starb  gleich  nach  der  Geburt.  Die  Frau  war  eine  37jährige 
Erstgebärende,  die  Geburt  eine  normale  Kopfgeburt  bei  nicht 
ungewöhnlicher  Geburtsdauer.  Das  Becken  war  dagegen  etwas 
verengt,  Diam.  conj.  ext.  6%",  Sp.  II.  mit  einer  Entfernung 
von  S*//'-  Er  findet  in  diesem  Falle  noch  einen  Beweis  für  den 
jetzt  allgemein  angenommenen  Satz,  dass  solche  Beschädigungen 
nicht  beweisen  können,  dass  eine  Gewaltthat  vorausgegangen  ist. 
Wenn  nun  auch  die  Natur  alle  diese  Mittel  benutzt,  um  den 
Kopf  für  die  Geburtswege  zu  accomodiren,  kann  man  doch  nicht 
hoffen,  eine  Verkleinerung  von  mehr  als  V/'  '^  erreichen. 

Die  diagnostische  Bedeutung  von  den  Folgen  der 
Accomodation  des  Kopfes.  Wie  SmelUe^  Stein  d.  J.  und 
besonders  Michaeli»  hervorgehoben  haben,  bedingen  die  engen 
Becken  sehr  oft  eine  Modification  in  dem  Geburtsmechanismus. 
Wenn  die  Beckenform  verändert  ist,  muss  die  „active  Rolle' 
des  Beckens  eine  «andere  sein  als  bei  normaler  Beckenform. 
Ueber  die  dadurch  bedingte  Formveränderung  des  Kopfes  hat  er 
schon  gesprochen.  Was  die  Druckstellen  der  Kopfhaut  und  die 
Depressionen  der  Schädelknochen  betrifft,  so  haben  sie  insofern 
eine  diagnostische  Bedeutung  für  die  Kopfstellungen  und  Becken- 
arten, als  ihr  Sitz  durch  eine  Zusammenwirkung  der  verminderten 
Räumlichkeit  und  des  veränderten  Geburtsmechanismus  bestimmt 
wird.  Sie  kommen  deswegen  am  meisten  vor  bei  der  Geburt 
durch  die  ungleichmässig  verengten  Becken.  Sie  kommen  an  den 
Bcheitelbeinen  vor  und  S,  theilt  vier  Observationen  mit,  wo  diese 
Spuren  von  Druck  beim  vorausgehenden  Kopfe  vorgefunden 
wurden;  die  Becken  waren  theils  Pelves  planae,  theils  rachitische 
UonatABchr.  f.  Oebttrtsk.  1868.  Bd.ULU.,  HfU6.  30 


466  XXVIII.    Notizen  ans  der  Joarnal-Literatar. 

QngleicbmSssig  verengte  Becken.  Anch  beim  znletzt  kommenden 
Kopfe  können  diese  Drnckstellen  Torkommen  un  der  erörtert  zwei 
Fälle:  Die  Depressionen  sassen  bier  zwischen  Tub.  pariet.  nnd 
dem  Ohre  nnd  zwischen  Tab.  pariet.  nnd  der  Kranznaht.  In  dem 
einen  Falle  maass  Diaro,  transv.  an  der  Depressionsstelle  des 
Schädels  Z^/^  nnd  rechnen  wir  dazn  die  Dicke  der  Weichtheile 
dos  Kopfes  und  des  Beckens,  so  haben  wir  das  Maass  für  den 
Diam.  conj.  vera  des  BeckeneiDgaoges  (3%")'  ^^^  ^^'  Erwähnung 
dieser  Beschädigungen  am  nachfolgenden  Kopfe  bespricht  8.  die 
alte,  von  Simpson  und  einigen  deutschen  Geburtshelfern  empfohlene 
Wendung  auf  den  Kopf  bei  engen  Becken.  Er  glaubt,  dass 
diese  Indication  für  Wendung  nicht  annehmbar  ist.  Es  ist  wohl 
wahr,  dass  die  Schädel  leichter  comprimirt  werden  können, 
wenn  di«^  Snt.  sagit.  nach  oben  gekehrt  und  frei  liegt,  aber  man 
darf  nicht  vergessen,  dass  der  Kopf  bei  nachfolgender  Eztraction 
in  einigen  Secunden  nnd  Minuten  accomodirt  werden  soll.  Man 
ändert  also  die  Kopflage  in  die  ungünstigere  Beckenendlage 
und  kann  leicht  Beschädigungen  hervorrufen,  die  oft  nicht  ent- 
standen wären,  wenn  man  das  ausserordentliche  Accomadations- 
vermögen  der  Naturkräfte  bei  vorausgehendem  Kopfe  benutzt 
hätte.  —  In  der  Beckenenge  allein  findet  S.  nur  eine  Indication 
für  Wendung,  die  von  E.  Martin  und  Seyfert  angegeben  ist,  das 
ist  bei  asymmetrischen  Becken,  wenn  das  Hinterhaupt  sich  in  der 
engeren  Hälfte  zur  Geburt  präsentirt.  Man  kann  dann  durch  die 
Wendung  das  Hinterhaupt  in  die  räumlichere  Hälfte  leiten.  Levy 
hat  dieselben  Ansichten  von  der  Wendung  bei  engem  Becken; 
er  will  jedenfalls  nur  dann  von  der  Wendung  etwas  wissen,  wenn 
die  Beckenenge  nicht  beträchtlich  ist  und  man  bei  früheren  Ge- 
burten gesehen  hat,  dass  die  Kinder  unter  dem  langsamen  Geburts- 
verlaufe  absterben;  hier  kann  man  die  Wendung  versuchen, 
wenn  die  Bedingungen  dafür  günstig  sind. 

Auch  an  den  Stirnbeinen  können  Depressionen  vorkommen. 
Sie  werden  oft  hervorgebracht  durch  übereilte  Zangenversuche, 
wie  Michaelia  angegeben  hat.  S^  hat  auch  eine  Beobachtung,  wo 
eine  Depression  an  einem  Stirnbeine  hervorgebracht  wurde  bei 
einer  durch  die  Naturkräfte  allein  beendigten  Geburt.  Sie  betrifft 
eine  34jährige  Mehrgebärende,  die  nach  12 stündigen  Wehen 
im  Kopenhagener  Gebärhause  den  21.  September  1860  Vormittags 
9V,  Uhr  niederkam.  Das  Kind  wurde  in  erster  Scheitellage 
geboren  und  das  nach  hinten  liegende  Scheitelbein  war  stark 
vorgelagert,  so  dass  eine  grosse  feste  bläuliche  Kopfgeschwnist 
sich  dort  gebildet  hatte.  Das  Kind  war  scheintodt,  aber  bald 
belebt.  Das  linke  Stirnbein  war  gleich  über  dem  Tub.  frontal, 
stark  deprimirt  und  die  Kopfhaut  bläulich  gefärbt;  nach  18  Tagen 
war  noch  eine  facetförmige  Abflachung  an  dieser  Stelle  nach- 
weisbar. Das  Becken  scheint  ein  ungleichmässiges,  allgemein 
verengtes  Becken  zu  sein.    Sp.  II.  8V9",  Cr.  IL  10 W,  Tr.  11", 


XXVIII.    Notisen  aus  der  Joarnal-LiterBtar.  467 

D.  conj.  ext.  6V4",  D.  conj.  vera  c.  ^Vs'*  MicJiaelU  hat  keine 
solche  Beobachtung,  aber  er  giebt  zu,  daee  die  Depression  an  den 
Stirnbeinen  bei  allgemein,  doch  ungleichmKssig  verengtem  Becken 
darch  die  Natarkräfte  hervorgebracht  werden  können.  Vielleicht 
hat  in  diesem  Falle  auch  das  angewohnliche  Vorliegen  des  nach 
hinten  gekehrten  Scheitelbeines  etwas  zu  dem  Platze  der  Druck- 
stelle  beigetragen. 

Zum  Schlüsse  veröffentlicht  8,  eine  Beobachtung,  wo  am 
rechten  Stirnbeine  eine  lineare  violette  Druckstelle  bemerkbar 
war,  und  wo  der  Druck  nur  bewirkt  werden  konnte  von  einem 
bei  der  später  folgenden  Section  gefundenen  scharfen,  etwas 
unebenen  Enochenrand  am  Os  sacrum  an  der  rechten  Synchondrosis 
sacro-iliaca.  Diese  Form  von  KiUan  Stachelbecken  genannt, 
ist  nicht  selten,  aber  sie  bewirkt  nicht  oft  Spuren  von  Druck 
am  Kindsköpfe.  Hier  war  aber  der  Diam.  transv.  des  Becken- 
einganges nur  4V2",  was  vielleicht  etwas  Bedeutung  gehabt  hat. 
Der  rechte  schräge  Beckendurchmesser  von  der  Exostose  ge- 
messen, war  nur  47/',  der  linke  dagegen  ^^/^'^  Spinae  ischii 
nicht  vorspringend.  Das  Kind  wog  67,  Pfund,  kam  todt  in 
erster  Schädellage  zur  Welt,  so  dass  das  Promontorium  am 
rechten  Stirnbeine  keinen  Druck  ausüben  konnte. 

(Undersozelser  om  Barnehoved  i  obstetrisk  Hensseende. 
Kjöbenhavn,  1861,  84  Pag.  —  Saerskilt  Aftryk  of  „Biblio- 
thek for  Laeger%  VB.,  III.  Bd.,  2.  H.) 


V.  Haartman:  Einiges  zur  Lehre  der  Deviationen 
der  Gebärmutter  im  ungeschwängerten  Zustande 
und    ihrer  Behandlung    auf   mechanischem   Wege. 

Verfasser  spricht  besonders  über  die  Versionen  und  Flexionen 
der  Gebärmutter  und  theilt  letztere  ein  in  die  Flexionen  im 
engeren  Sinne  und  die  Infractionen  oder  Knickungen.  Für  alle 
diese  Formen  kommen  die  Deviationen  nach  vorn  und  nach 
hinten  vor.  Die  Entstehung  dieser  Deviationen,  über  welche 
Verf.  vom  pathologisch  anatomischen  Standpunkte  '  aus  keine 
eigenen  Erfahrungen  hat,  legt  er  nach  seinen  eigenen  vielfachen 
Beobachtungen  an  Lebenden  in  irgend  einen  von  oben,  oder 
seitlich  oben  kommenden  Druck  auf  die  Gebärmutter,  welche 
ausserdem  schlaff  sein  muss,  um  eine  Biegung  oder  Knickung 
zu  Stande  kommen  zu  lassen.  Das  Wochenbett  ist  dafür  die 
günstigste  Zeit.  Die  an  der  Knicknngsstelle  befindliche  Atrophie 
ist  meist  secundär.  Bei  Frauen  und  Jungfrauen,  welche  niemals 
geboren  haben,  ist  die  Ursache  in  verschiedenen  Krankheiten 
der  Gebärmutterschleimhaut  zu  suchen,  besonders  in  Entzündung, 
Verdickung,  Schwellung  der  Follikel,  die  zu  Verengungen,  Zurück- 
haltung  der  Secrete,    Versch wärungen,    Lockerung  der  Uterus- 

30* 


468  XXVIII.    Notisen  ans  der  Journal- Lite ratnt. 

Substanz  und  Knickung  fahren;  ferner  in  allgemeiner  Erschlaffiiii^ 
mit  Anämie,  in  Fremdbildungen  neben  der  Gebärmutter,  partiellen 
Entzündungen  mit  Exsudat;  durch  Druck  tritt  eine  Resorption 
des  erweichten,  umliegenden  Uterusgewebes  ein,  und  da  später 
auch  das  Exsudat  durch  Resorption  oder  Abscessbildung  fort* 
geschafft  wird,  entsteht  eine  Einknickung.  Zuweilen  ist  der 
Grund  der  Lageveränderung  in  einer  ungleichen  fötalen  Ent- 
Wickelung,  Kurse  eines  Lig.  latnm  u.  dergl.  £U  suchen  {Virehow')» 

Die  Untersuchung  zur  Feststellung  der  Diagnose  geschieht 
nach  Verf.  am  besten  in  der  Seitenlage,  auch  hält  er  mit  Recht 
die  Sonde  für  unentbehrlich.  Dieselbe  muss  aber  mit  Vorsicht, 
Geduld  und  Geschicklichkeit  gehandhabt  werden.  Bei  complicirten 
Krümmungen,  wo  man  mit  der  Sonde  vergebliche  Versuche  ge- 
macht hat,  •  ist  es  zweckmässig,  die  Zeit  gleich  nach  der 
Menstruation  zum  Sondiren  zu  benutzen,  weil  durch  die  Schwellang 
des  Uteras  die  Knickungsstelle  gerader  gerichtet  ist.  Auch  die 
Sonde  wendet  Verf.  in  der  Seitenlage  an,  nur  bei  gewissen 
Antefractionen  ist  die  Rückenlage  vorzuziehen.  Sonden  von 
verschiedener  Dicke  müssen  vorräthig  sein,  die  dicksten  fdr 
schlaffe  Uterinwandungen  und  gelockerte  Schleimhaut,  die  dünnsten 
für  Strictnren. 

Wenngleich  in  vielen  Fällen  die  Deviationen  der  Gebärmutter 
als  solche  nur  eine  secnndäre  Bedeutung  haben,  so  ist  doch  die 
Wichtigkeit  und  Nothwendigkeit  der  directen  und  zwar  mecha- 
nischen Behandlung,  besonders  bei  gewissen  Arten  der  Lage- 
und  Formveränderungon  im  Auge  zu  behalten.  Eine  Radicalcur 
ist  ohne  mechanische  Behandlung  undenkbar.  Zweckmässig  wird 
eine  entsprechende  allgemeine  und  locale  Therapie  der  mecha- 
nischen vorausgeschickt,  nur  bei  frischen  und  gewaltsam  ent- 
standenen Fällen  ist  baldigst  die  mechanische  Behandlung  zu 
machen. 

Als  mechanisches  Mittel  hat  Verf.  den  ^tmpxon^schen  Uterus- 
supporter  als  das  einfachste  und  solideste  Instrument  benutzt, 
das  in  einzelnen  Fällen  eine  etwas  modificirte  Constrnction  er- 
halten mu^.  Stricturen  am  inneren  Muttermunde  hat  Verf.  in 
neuerer  Zeit  immer  zuvor  eingeschnitten,  auch  den  äusseren 
engen  Muttermund  gespalten  und  die  Lippen  tbeilweise  ab- 
getragen; andere  Complicationen  sind  vorher  oder  gleichzeitig 
zu  beseitigen  (Excoriationeu,  Entzündungen,  Auflockerungen). 
Grosse  Empfindlichkeit  und  Reizbarkeit  des  Uterus,  veraltete 
Granulationen  und  leichte  Excoriationeu  hielten  dagegen  nicht 
von  Anwendung  des  Supporters  ab.  Wichtig  ist  es,  in  jedem 
individuellen  Falle  dem  Instrumente  richtige  Dimensionen  zu 
geben.  Der  Intranterintheil  des  Supporters  muss  1  Centimeter 
kürzer  sein  als  die  Länge  der  Uterüshöhle  und  möglichst  dick, 
da  dünne  Stiele  leicht  in  die  Substanz  einschneiden;  die  Kngel 
am  unteren  Ende  des  Stieles  muss  ebenfalls  gross,   oben  flach 


-XXVIII.    Notisen  aas  der  Journal- Literatur.  469 

oder  selbst  etwas  ausgehöhlt  sein,  sonst  wirkt  sie  erweiternd 
anf  den  äusseren  Mattermnnd,  der  sich  allmälig  öffnet  nnd  die 
Engel  in  den  Cervicalcanal  eindringen  lässt.  Die  EinfUhmng  ist 
bei  enger  Scheide  nnd  hochstehendem  Muttermunde  nicht  leicht 
und  mnss  sehr  schonend  und  geduldig  ausgeführt  werden  und 
nach  der  Anlegung  ist  eine  sehr  genaue  Controle  über  die  passende 
Lage  des  Instrumentes  nöthig.  In  vielen  FSlIen  wird  das  Instrument 
sogleich  gut  vertragen  und  die  früheren  Beschwerden  verschwinden 
sehr  schnell.  In  anderen  Fällen  gewöhnen  sich  aber  die  Kranken 
schwer  an  das  Instrument,  es  entstehen  selbst  Krämpfe  und  £nt- 
BÜndungen,  die  jedoch  Yerf.  stets  ohne  Entfernung  des  Instrumentes 
durch  Ruhe,  Narcotica  u.  s.  w.  su  beseitigen  das  Glück  hatte. 
Das  Instrument  ist  in  solchen  Fällen  nur  dann  su  entfernen, 
wenn  es  schlecht  liegend  gefunden  wird.  Bei  gleichzeitigem 
Schleimflusse  sind  laue  Einspritzungen  zu  empfehlen;  die  Men» 
struation  wird  meist  stärker,  eteigert  sich  zuweilen  zu  Blut- 
flüssen, so  dass  blutstillende  Mittel,  ja  selbst  die  Entfernung 
des  Instrumentes  nöthig  wird.  Bei  einfachen  Fällen  muss  das 
Instrument  2 — 3  Monate  getragen  werden,  bei  Infractionen 
7— 10  Monate,  in  sehr  alten  Fällen  2 — 3  Jahre  und  länger.  Die 
Kranke  muss  stets  in  der  Seitenlage  liegen  und  darf  sich  Nachts 
nicht  über  den  Bücken  nach  der  anderen  Seite  wenden,  weshalb 
zuweilen  während  der  Nacht  ein  Arm  leicht  angebunden  werden 
muss.  Nur  in  gewissen  Fällen  von  Anteflezio  und  Antefractio, 
in  denen  der  Uterushals  gut  befestigt  und  von  seiner  Normallage 
nicht  abgewichen  ist,  kann  die  Rückenlage  mit  Vortheil  gestattet 
werden.  Bei  der  Stuhl-  und  Urinausleernng  mnss  alles  Drücken 
vermieden  werden.  Nach  dem  Aufstehen  ist  das  Sitzen  möglichst 
zu  vermeiden,  sondern  es  muss  mit  Gehen  und  Liegen  abgewechselt 
werden.  Der  Coitus  ist  nur  gleich  nach  der  Menstruation  zu 
rathen,  um  Schwangerschaft  zu  erzeugen;  Verf.  glaubt  auch 
Erfolg  durch  Einführen  der  Sonde  kurz  vor  dem  Coitus  gesehen 
SU  haben,  in  dem  er  für  das  Eindringen  des  Samen,  den  Uterin- 
«anal  möglichst  gerade  gestreckt  und  vom  Schleime  befreit  hatte. 

Unter  einigen  60  Fällen  ans  des  Verfassers  eigener  Praxis 
sah  er  niemals  einen  Nachtheil  für  die  Gesundheit  hervorgehen, 
in  einem  Falle  in  der  Praxis  eines  Collegen  stellte  sich  in  Folge 
von  unverantwortlicher  Unvorsichtigkeit  eine  5 — 6  Tage  dauernde 
gefahrdrohende  Metroperitonitis  ein;  bei  einer  Section  einer  am 
Typhus  verstorbenen  Kranken  fand  sich  nicht  das  geringste  Zeichen 
einer  localen  Entzündung  am  Uterus. 

Der  Erfolg  der  Behandlung  war  freilich  zuweilen  ungenügend, 
keiner  war  nur  sehr  selten  und  in  keinem  Falle  befand  sich  die 
Kranke  nach  derselben  schlechter  als  vorher.  Verf.  tritt  ent- 
schieden gegon  die  Behauptung  Mancher  auf,  dass  durch  die 
mechanische  Behandlung  keine  Inflexion  oder  Infraotion  je  bleibend 
geheilt  werden   könne.     Zwar  kommen   oft  ^ecidive  vor,   aber 


470  XXVIII.    Notizen  aus  der  Jonrnal>  Literatur. 

auch  hSnfig  danemde  Heilaogen.    Wo  ReeidiTe  folgten,    waren 
dieselben  jedoch  geringer,  die  Reizbarkeit  abgestampfter. 

In  acht  Fallen  traten  nach  voransgegangener  Sterilität 
Conceptionen  ein  and  wenn  dieser  Erfolg  aach  nicht  beBtimmt 
als  Ton  der  mechanischen  Behandlang  abhängig  zn  beweisen  ist, 
so  ist  er  doch  anzanehmen,  da  sich  überhaapt  s&mmtliche 
Fanctionen  der  Genitalien  zn  regeln  pflegen. 

(Petersbarger  medic.  Zeitschrift,  Bd.  V.,  U.  2, 1863,  8.  65.) 


neppner:  Drei  Operationsfälle  der  Blasenscheiden- 
fistel. 

Verfasser  hat  in  der  chirnrgischen  Fraaenabtheilang  an  der 
Petersbarger  medicinisch- chirnrgischen  Akademie  drei  Blasen- 
scheidenfisteln  mit  Erfolg  operirt.  Er  folgte  dabei  der  amerika- 
nischen Methode,  die  von  Hayward  in  Boston  and  Sims  in 
Nen-Tork  erfanden,  besonders  darch  Bozeman  zar  allgemeinen 
Anerkenonng  gebracht  wurde.  In  einigen  epikritisehen  Be- 
merknngen  giebt  Verf.  praktische  Winke  über: 

1)  die  Lage  der  Kranken  während  der  Operation.  In  den  von 
ihm  beobachteten  Fällen,  in  denen  die  Fisteln  nicht  sa  tief  lagen, 
war  die  Knieellenbogenlage  die  bequemste,  die  vordere  Scheiden- 
wand legt  sich  dabei  in  bedentender  Aasdehnang  and  ohne  Falten- 
bildang  dem  Aage  dar  and  man  operirt  sehr  beqaem  von  oben 
nach  nnten.  Bei  tief  liegenden  Fisteln  dagegen  leistet  die  er- 
höhte Steisslage  TortrefiTliche  Dienste.  Aach  das  Chloroformiren 
war  in  der  Knieellenbogenlage  möglich; 

2)  das  Zntagefördern  der  Fistel.  Bei  zugänglichen  Fisteln 
genügen  zam  Oeffnen  der  Scheide  die  Finger  oder  die  gewöhn- 
lichen Plattenspecala;  bei  tiefer  liegenden  pflegt  man  gewöhnlich 
mit  der  ilf«zsua?*schen  Zange  die  Vaginalportion  oder  die  Scheide 
nach  Bedarf  herabzuziehen ;  Verf.  giebt  den  von  Simon  empfohlenen 
Fadenschlingen,  welche  durch  die  Matte rmundslippen  gezogen 
werden  ,  bei  weitem  den  Vorzug; 

8)  die  Beleuchtung  des  Operationsfeldes.  Bei  leichteren 
Fällen  genügt  das  gewöhnliche  Tageslicht;  bei  tiefer  liegenden 
Fisteln  ist  entweder  das  Sonnenlicht  einzuleiten  oder  bequemer 
das  Lampenlicht  mittels  vom  Operateur  selbst  zu  handhabenden 
Hohlspiegels,  ähnlich  wie  bei  der  Larjngoscopie ; 

4)  die  Bildung  der  Wundfläche  blos  in  der  Scheide,  ohne 
Verletzung  der  Fistelränder  ist  der  Hauptvorzug  der  amerikanischen 
Methode  vor  allen  übrigen.  Es  wird  dadurch  der  Defect  niemals 
grösser,  was  nach  den  anderen  gebräuchlichen  Methoden  leider 
so  oft  beim  Nichtgelingen  der  Operation  beobachtet  wird  und 
selbst  zur  Unheilbarkeit  fahren  kann.  Es  ist  dabei  wichtig,  so 
weit    vom   Fistelrande    zu    präpariren,    bis    man    auf  gesundes, 


XXVIII.    Notisen  aus  der  Journal -Literatur.  471 

riiQ  reiclilicli  blutendes  Gewebe   gelangt  ist.    Die  Blasenschleimhaut 

wird   nach  der  araerikanischen  Methode   bei   der  Wundmachnng 

t^  unverletzt  erhalten,  nnd  dadurch  wird  derVortheil  erreicht,  dass 

e:,!  der  Urin  von  der  Wundfläche  fern  gehalten  wird. 

\j^  6)  die  Anlegung   der  Nähte.     Verf.   empfiehlt,    die  Blasen- 

1^  Schleimhaut  nicht  mit  zu  durchstechen  und  die  Ein-  nnd  Ausstichs- 

pnnkte    stets  ausserhalb    der  ringförmig  die  Fistel  nRigebenden 

g^i  Wundfläche  zu  machen.    Dabei  kommt  kein  Theil  der  Ligatur 

in  die  BlasenhShle  zu  liegen  und  dies  verhindert  manche  störende 
Complication  durch  verschiedene  Blasenerkrankungen; 

6)  das  Material,  welches  zur  Naht  verwendet  wird.   Verfasser 

I'  entscheidet  sich  für  Fäden,   welche  mittels  der  durchlöcherten 

Klammern  (bar  clamps)  Baker  Brownes  zusammengehalten  werden. 

1  7)  die  Nachbehandlnng.    Verfasser  empfiehlt  (gegen  Simon) 

das  Liegenlassen  des  Katheters,  spricht  sich  gegen  Vaginal* 
einspritzungen  aus,  wandte  dagegen  mitVortheil  die  permanente 
Irrigation  an.  Die  Fäden  dürfen  nicht  zu  früh  entfernt  werden, 
etwa  zwischen  dem  siebenten  und  dreizehnten  Tage.  Ruhige 
Lage  der  Kranken  ist  zweckmässig. 

(Petersburger  medic.  Zeitschrift,  1863,  Bd.  4,  Heft  4,  8. 251.) 


Weil:   Ein  neues  Pessarium. 

W,  stellte  sich,  wie  er  sagt,  die  Aufgabe,  ein  Pessarium 
zu  construiren,  welches,  ohne  Bandage,  mit  dem  möglichst  ge- 
ringen Drucke  gegen  die  Scheide  festhalte  und  bei  welchem  sich 
dieser  Druck  stets  nach  der  jeweiligen  Last,  die  das  Pessarium 
zu  tragen,  selbstwirkend  regulire.  Eigene  Erfahrungen  über  die 
praktische  Brauchbarkeit  des  vorgeschlagenen  Instrumentes  sind 
nicht  beigefügt,  vielleicht  also  vom  Erfinder  noch  nicht  gemacht 
worden.  Die  aus  der  Beschreibung  und  den  vier  beigegebenen 
Abbildungen  ersichtliche  Construction  ermuthigt  gerade  nicht  zu 
Versuchen,  namentlich  scheint  uns  das  Anschrauben  des  Stempels 
zum  Einbringen  und  Entfernen  des  Pessarium  verfehlt.  Möge 
also  der  Erfinder  zuerst  seine  Erfahrungen  veröff'entlichen,  ehe 
er  Andere  verführt,  mit  seinem  Erfindungsproducte  zu  ex- 
perimentiren.  • 

(Wiener  medic.  Wochenschrift,  1863,  No.  28.) 


Krasaowski:  Colloide  Entartung  des  linken  Ovarium. 
Ovariotomie.     Vollkommene   Genesung. 

Die  glucklichen  Erfolge,  welche  in  Amerika  und  England 
die  Ovariotomie  gekrönt  haben,  führen  zu  immer  weiterer  Ver- 
breitung der  Operation.  Obrger  Fall,  in  Petersburg  ausgeführt, 
ist  der  erste  in  Bussland.    Der  günstige  Verlauf  der  Operation 


472  XXVIII.    Notizen  ans  der  Journal- Lite ratnr. 

selbst,  sowie  der  Heilung  wird  zu  weiteren  Versuchen  ermuntern. 
Der  Fall  an  sich  war  gönstig  und  bot  keine  wesentlich  nenen 
Beziehungen  für  die  Art  der  Operation.  Verf.  verspricht  Versache 
an  Thieren,  um  die  beste  Methode  der  Unterbindung  und  Fixirung 
des  Stieles  der  Geschwulst  festzustellen. 

(Petersburger  medic.  Zeitschrift,  1863,  Bd.  4,  Heft  4,  S.  242.) 


Spencer  Wells :  Sieben  Fälle  von  Ovariotomie  in  der 
Privatpraxis. 

In  dem  Medical  times  and  gazette,  Ju\j  26,  1862,  wurde 
bereits  ein  Fall  veröffentlicht,  bei  welchem  Verf.  den  Znsammen- 
hang  zwischen  Ovarinm  und  Uterus  mit  dem  Ecrasenr  trennte 
und  vollkommene  Heilung  eintrat.  Ausser  diesem  Falle  hat 
Verf.  noch  sieben  Mal  in  der  Privatpraxis  die  Ovariotomie  ge- 
macht und  berichtet  dieselben  einzeln.  Der  Erfolg  war  ein 
ausserordentlich  günstiger,  denn  sechs  Fälle  endeten  mit  Genesang 
und  nur  bei  einem  Falle  folgte  der  Tod.  Dieser  letzte  Fall  war 
von  vom  herein  dnrch  sehr  feste  und  zahlreiche  Adhäsionen 
ungünstig  und  lehrte  von  Neuem  die  Nothwendigkeit,  die  Operation 
nicht  zu  lange  hinauszuschieben.  Der  Tod  erfolgte  durch 
Peritonitis. 

Die  vom  Verf.  in  demselben  Zeiträume  im  Samaritan  Hospital 
ausgeführten  Ovariotomien  sind  in  dem  Medic.  times  and  gazette, 
Decbr.  20,  1862  und  March  14,  1863,  bekannt  gemacht. 
(Medic.  times  and  gazette j  March  28,  1863.) 


w 

RegnauU:    Ovariotomie    einer   vielfächerigen   Kyste 
bei   einem  neunzehnjährigen   Mädchen.     Heilung. 

Die  Kranke  war  von  zarter  Constitution,  aber  stets  gesund 
gewesen.  Seit  zwei  Jahren  fing  der  Leib  an  zu  schwellen  und 
erreichte  die  Ovarialgeschwnlst  die  Grösse  des  Uterus  im  neunten 
Monate  der  Schwangerschaft.  Eine  Probepunction  ergab  einen 
dicken,  fadenziehenden  Inhalt  und  neben  einer  grösseren  Ejste 
zahlreiche  kleinere.  Die  Operation  wurde  in  der  bekannten 
Weise  ausgeführt,  die  Heilung  verlief  günstig  und  war  nur  durch 
die  Bildung  eines  Abscesses,  der  von  der  einen  Naht  ausging, 
unterbrochen.  Zwanzig  Tage  nach  der  Operation  konnte  die 
Kranke  vollständig  geheilt  das  Haus  verlassen. 
(6az.  de  hdpit.,  1863,  No.  120.) 


XXVIII.    Kotifen  ans  der  Journal -Literatar.  473 

Spencer  Wells:    Ovariotomie    an   einer  Person  zwei 
Mal  ausgeführt. 

Spencer  Wells  erwähnt  eines  Falles,  ohne  ihn  jedoch  näher 
zu  beschreiben ,  wo  an  einem  und  demselben  Individuum  die 
Entfernung  des  linken  Eierstocks  im  Mai  1862,  die  des  rechten 
im  Januar  1863  glücklich  ausgeführt  wurde.  Der  Autor  stellt 
in  Bezug  hierauf  folgende  8ätze  auf: 

1.  Die  Ovariotomie  kann  an  einer  und  derselben  Patientin 
zwei  Mal  ohne  uugewöhnliche  Schwierigkeiten  ausgeführt  werden. 

2.  Es  ist  empfehlenswerth,  die  zu  setzende  Wunde  etwas 
entfernt  von  der  Karbe,  die  von  der  ersten  Operation  zurück- 
geblieben ist,  anzubringen. 

3*  Immer  soll  man  bei  einer  Ovariotomie  nach  Entfernung 
des  kranken  Eierstocks  auch  den  anderen  genau  untersuchen. 

4.  Bei  allen  penetrirenden  Bauchwunden  soll  das  zer- 
schnittene Peritonänm  so  sorgfältig  wie  möglich  wieder  vereinigt 
werden. 

(Tho  Lancet,  No.  XXVI.,  Vol.  I.,  1863.) 


van  Auhel:   lieber  den  KaiserschnitL 

Damit  während  der  Ausführung  des  Kaiserschnittes  weder 
Luft  noch  Blut  in  die  Peritonäalhöhle  gelangt,  schlägt  Verfasser 
folgendes  Verfahren  vor:  Nach  einer  Incision  in  der  Linea  alba, 
welche  bis  auf  die  Aponeurose  dringt,  trennt  man  vorsichtig 
von  der  Aponeurose  in  der  Ausdehnung  eines  halben  Daumens 
die  beiden  durchschnittenen  Lagen,  Haut  und  das  unterliegende 
Gewebe.  Darauf  schneidet  man  die  Aponeurose  mit  dem  ihr 
adhärenten  Bauchfell  ein,  öffnet  den  Uterus  und  eztrahirt  das 
Kind,  wobei  man  sorgfältig  darauf  zu  achten  hat,  dass  die  beiden 
serösen  Blätter  miteinander  in  Berührung  bleiben.  Darauf  wird 
ebenfalls  in  der  Ausdehnung  eines  halben  Daumens  das  Visceral- 
blatt  des  Peritonäums  mit  einer  ganz  feinen  Lage  der  Muskel- 
substanz des  Uterus  lospräparirt.  Damit  aber  in  Folge  dieser 
Lostrennung  kein  Bluterguss  in  die  Bauchhöhle  statthabe,  heftet 
man  das  Visceral-  und  Parietalblatt  aneinander.  Nach  Reinigung 
der  Uteruswunde  schliesst  man  die  Uterushöhle  dadurch,  dass 
man  die  beiden  losgetrennten  Lappen  mittels  der  von  GUy  an- 
gegebenen Darmnaht,  so  dass  Serosa  mit  Serosa  in  Berührung 
ist,  zusammennäht.  Das  Peritonäalblatt,  das  die  Aponeurose 
überzieht,  wird  durch  die  Eürschnernaht  vereinigt;  die  Hautwunde 
wird  durch  die  unterbrochene  Naht  geschlossen.  Die  Bauchhöhle 
ist  also  vollständig  von  Seiten  der  Haut  geschlossen,  der  Eiter, 
der  sich  von  der  Hautwunde  aus  bildet,  wird  nicht  in  die 
Bauchhöhle  gelangen  können;  bildet  sich  ein  Abscess,  so  ist  er 
leicht  zu  öfihen.    Ebenso  ist  von  der  Seite  des  Uterus  die  Bauch« 


474  XXVIII.    Notizen  aus  der  Journal- Literatur. 

höhle  Tollkommen  'abgeschlossen,  von  hier  kann  also  eben  so 
wenig  Biat  u.  s.  w.  in  die  Bnucbhöble  gelangen;  ausserdem  kann 
man  in  den  vollkommen  geschlossenen  Uterus  Injectionen  machen, 
ohne  befürchten  zu  müssen,  dass  von  der  Injectionsflussigkeit 
etwas  in  die  Bauchhöhle  gelange. 

(Bulletin  de  TAcad.  de  M^d.  de  Belgique,  1862,  No.  4;  — 
Medic.-chir.  Monatshefte,  Juni  1863,  S.  642.) 


Leyden:  Bericht  über  die  während  des  Zeitraumes 
vom  I.November  1861  bis  15.  April  1862  auf  der 
inneren  Abiheilung  des  Herrn  Prof.  Traube  in  der 
Charite  vorgekommenen  Puerperalerkrankungen. 

Verfasser  hat  dazu  beigetragen,  eine  noch  vorhandene  Lücke 
in  der  Tempernturbestimmung  der  Puerperalerkrankungen  aus- 
füllen zu  helfen.  Die  Temperaturmessung  ist  sehr  wesentlich 
zur  Feststellung  des  Fiebers  und  steigt  in  Verbindung  mit  den 
übrigen  Fiebererscheinungen,  namentlich  dem  Pulse  zur  höchsten 
Bedeutung.  Das  Beobachtungsmaterial  umfasste  83  Erkrankungen, 
meist  aus  der  Gebäranstalt  der  Charit^  übertragen,  davon  starben  40 
und  genasen  43.  Im  Februar  und  Mürz  waren  die  Erkrankungen, 
im  Februar  und  December  die  Todesfälle  am  zahlreichsten. 

Obwohl  Verf.  eine  strengere  Trennung  der  einzelnen  Er- 
krankungsformen für  nöthig  hält  und  namentlich  die  puerperale 
Phlebitis,  wie  schon  Meckel  angegeben,  vom  eigentlichen  bös- 
artigen Puerperalfieber  ganz  zu  trennen  ist,  so  hat  er  für  seine 
Untersuchungen  doch  alle  Erkrankungen,  welche  sich  im  Zu- 
sammenhange mit  dem  Wochenbette  bei  Wöchnerinnen  entwickelt 
haben,  in  seine  Betrachtung  hineingezogen. 

Die  Erkranknngs formen  waren  demnach 

1.  Metritis  und  die  von   hier  ausgehenden  phlegmonösen 

Processe 60 

2.  Phlebitis 9 

3.  Phlegmasia & 

4.  Polyarthritis  mit  Pericarditis 1 

6.    Pleuritis 2 

6.  Eclarapsie 1 

7.  Geistesstörungen * 

8.  Leukhämie ^ 

Summa  83. 
1.  Die  Metritis  und  die  von  ihr  ausgehenden 
phlegmonös  diphtheritischen  Processe  zeigten  auf  der 
Höhe  der  Epidemie  eine  enorme  Heftigkeit  mit  schnell  tödtendem 
Verlaufe.  Von  den  60  Erkrankten  starben  23  an  den  eigentlich 
bösartigen  Formen  der  septischen  Metritis  mit  diffuGier  Peritonitis. 


/ 


XXVIII.    Notisen  aas  der  Joaraal- Literatur.  475 

Die  Sectionen  bestäUgteD  die  AnffasBQog  VirchouPs^  dass  die 
Affection  der  LymphgefÄBse  wesentlich  eine  Thrombose  derselben 
darstelle,  welche  eher  geeignet  ist,  der  Weiterverbreitung  der 
aafgesangten  jauchigen  Stoffe  einen  Damm  entgegenzustellen,  als 
sie  SU  begünstigen«  Der  Ausgangspunkt  war  in  allen  Fällen 
ohne  Zweifel  der  Uterus,  der  in  Form  septischer  Metritis  mit 
intensiver  Diphtheritis  der  Innenfläche  tief  erkrankt  gefunden 
wurde.  Nicht  selten  war  diese  am  stärksten  am  Collum  uteri 
and  ging  hier  von  Ulcerationen  aus,  die  sich  aus  Verletzungen 
während  der  Geburt  (z.  B.  seitlichen  Einschnitten)  gebildet  hatten. 
Für  die  Therapie  sind  diese  Ulcerationen  die  directen  und  be- 
stimmten Angriffspunkte,  denn  wenn  auch  die  Allgemeinerkrankung 
nicht  nothwendig  von  ihnen  ausgehen  muss,  so  bilden  sie  doch 
die  geeignetsten  Stellen  zur  Aufnahme  von  Miasmen  und  Con- 
tagien,  namentlich,  wenn  die  Secrete  der  Gebnrtswege  jauchig 
geworden  sind.  Neben  der  Metritis  wurde  in  allen  tödtlich 
endenden  Fällen  auch  diffuse  Peritonitis,  häufig  auch  die  meist 
doppelseitige  Pleuritis  gefunden.*'  Nur  zwei  Fälle  wichen  hiervon 
ab.  Unter  den  geheilten  Fällen  war  dagegen  nur  vier  Mal  diffuse 
Peritonitis  aufgetreten. 

Verfasser  spricht  sich  gegen  die  von  Heeker  vorgeschlagene 
Eintheilung  in  1)  Febricola,  2)  Metroperitonitis  mittleren  Grades, 
3)  Lympbangoitis,  4)  Pyämie  ohne  Peritonitis,  Phlebitis  als  nicht 
scharf  genug  aus,  und  zieht  es  vor,  dem  verbreitetsten  Usus 
gemäss,  die  Bezeichnung  der  Erkrankungsformen  nach  den  er- 
griffenen Organen  und  Geweben  zu  wählen,  zumal  als  sich  im 
Beginn  der  Erkrankung  kaum  voraussehen  lässt,  wo  dem  Fort- 
schreiten des  Processes  wird  Einhalt  gethan  werden. 

Die  leichtesten  Formen  treten  als  einfache  Metritis  und 
Parametritis  auf,  ohne  Betheiligung  des  PeritonUum.  Temperatur, 
meist  beträchtlich  erhöht,  erreichte  40®  C,  ja  41®  und  mehr. 
Puls  massig  frequent,  100 — 110,  vorübergehend  bis  120;  Respiration 
massig.  Nach  wenigen  Tagen  Remission  des  Fiebers.  Snbjectives 
Befinden  meist  sehr  günstig.  Sensorium  vollkommen  frei.  Beginn 
der  Krankheit  am  zweiten  bis  dritten  Tage  des  Wochenbettes, 
Dauer  8  bis  20  Tage.  Im  Anfange  meist  Frost,  selbst  heftiger 
Schüttelfrost,  in  einzelnen  Fällen  nicht. 

Die  schwereren,  langwierigeren  Formen  zeigten  ausser  der 
Affection  des  Uterus  und  seiner  Anhänge  auch  umschriebene 
Betheiligung  des  Peritonäum.  Schüttelfrost  leitete  die  Krankheit 
ein,  spontane  Schmerzen  im  Unterbauche,  Resistenz  daselbst, 
Percussionsschall  gedämpft,  zuweilen  circumscripte  Exsudate 
durchzufühlen.  Dazu  meist  noch  Entzündungen  im  Becken,  die 
zu  Abscessen  führten.  Bedeutende  Temperaturerhöhung,  Puls 
selten  über  120,  Respirationsfrequenz  massig",  subjectives  Be- 
finden erträglich,  doch  heftige  Schmerzen,  neuralgische  Affectionen, 
Diarrhöen.     Sensorium    meist   frei,    zuweilen   ungerechtfertigtes 


476  XXyill.    Notüen  BUS  der  JoumaU  Literatur. 

Wohlbefinden.  Nach  wenigen  Tagen  Remiseion  des  Fiebere, 
Abends  noch  die  Temperatur  erhöht;  schleppender  Verlauf  der 
Krankheit,  Wechsel  der  Erscheinungen  und  im  Befinden,  ea 
währte  lange,  ehe  die  Fieberbewegungen  ganz  cessirten. 

Die  bösartigen  Erkrankungen  waren  im  Allgemeinen  die 
mit  diffuser  Peritonitis  und  septischer  Metritis  einhergehenden. 
Sie  gehören  zu  den  fürchterlichsten  Krankheiten,  die  wir  über- 
haupt kennen,  und  Ternichten  das  kräftigste  Leben  in  wenigen 
Tagen.  In  keinem  Falle  fand  sich  bei  der  Obdnction  eine  deut- 
liche Tuberkulose.  Die  rapidesten  Fälle  verliefen  in  vier  Tagen 
tödtlich,  die  meisten  in  neun  Tagen.  Heftiger  Schuttelfrost  im 
Anfange,  anch  wiederholt,  heftiges  Fieber,  hohe  Pulsfrequenz, 
diffuse  Schmerzen  im  Bauche,  starker  Meteorismus,  grünes  Er- 
brechen; sparsamer  fötider  Wochenflnss,  Geschwüre  am  Damme 
und  den  Genitalien  mit  üblem  diphtheritischem  oder  putridem 
Aussehen.  In  manchen  Fällen  entwickelt  sich  die  Krankheit 
allmäliger.  Die  Temperaturerhöhung  ist  immer  beträchtlich, 
doch  nicht  so  sehr  über  die  der  leichteren  Fälle  hinausgehend; 
ja  zuweilen  frühzeitiger  Collapsus  ohne  erhebliche  Temperatur- 
erhöhung, oder  nur  voräbergehend  von  40.®  oder  darüber.  In 
anderen  Fällen  continuirlich  40® — 42®  mit  geringen  nnregel- 
mässigen  Remissionen.  Gegen  Ende  der  Krankheit  fast  constant 
ein  beträchtliches  Absinken  der  Temperatur  mit  unverminderter, 
oder  selbst  gesteigerter  Pulsfrequenz,  was  als  sehr  ungünstiges 
Zeichen  anzusehen  ist.  Puls  von  vorn  herein  sehr  freqnent  120, 
bald  140 — 160,  seltener  allmälig  steigend.  Sehr  frequente 
Respiration  und  Cjanose  durch  Behinderung  der  Zwerchfell- 
bewegungen. In  scheinbarem  Widerspruche  damit  ein  hoher, 
selbst  mehr  als  normal  gespannter  Puls,  nach  TrenU>e  nur  die 
Folge  des  Reizes  der  angesammelten  Kohlensäure  auf  das  Herz. 
Blutentleerungen  erleichtern  momentan,  halten  das  Ende  aber 
nicht  auf.  Das  Sensorium  in  vielen  Fällen  benommen,  Nachts  oft 
Delirien,  selbst  furibunde;  dagegen  subjective  Euphorie  im  grellsten 
Widerspruche.  Zuweilen  das  Sensorium  bis  zum  Tode  ganz  frei. 
Meteorismus  fehlte  fast  nie,  meist  von  enormer  Höhe;  Durchfälle 
sehr  häufig,  meist  ans  dem  Dickdarme,  wo  bei  den  Sectionen 
zuweilen'leichte  diphtheritische  oder  katarrhalische  Veränderungen, 
oder  auch  Nichts  zu  finden  war.  Der  Durchfall  ist  durch  die 
Nachbarschaft  des  in  putrider  Entzündung  begriffenen  Uterus 
und  seiner  Anhänge  zu  erklären. 

Fünfunddreissig  Krankengeschichten  mit  Sectionsberichten 
geben  über  die  genannten  Krankheitsformen  belehrende  Details. 

2.  Die  phlebitischen  Processe  zeigen  sich  zuweilen 
schon  in  der  Schwangerschaft  als  Varicenbildung  mit  Thromben. 
Die  Geburt  setzt  neue  Gefassverletzungen.  Die  Thromben  können 
zerfallen  und  die  Venenwand  zur  Entzündung  reizen;  entweder 
kommt    es    zur   Zellhautentzündnng    und    diese    nimmt   den  für 


XXVIII.   Notiseo  ans  der  Journal -Literatur.  477 

Phleg;monen  möglichen  Verlauf  oder  es  geht  die  Entzündung  von 
den  Venen  des  Uterns  selbst  ans;  die  Wandungen  derselben 
•eigen  sich  verdickt,  die  Intima  ein  unebenes,  rauhes,  meist 
misfarbiges  Aussehen,  suweilen  ist  sie  nur  gerunzelt,  meist 
grünlich  eiterig  und  diphthe ritisch  infiltrirt.  Diese  Processe  er- 
strecken sich  oft  weit,  selbst  in  die  Vena  cava.  Das  Lumen 
enthielt  meist  entfärbte,  in  einen  puriformen  Brei  verwandelte 
Thromben,  anweilen  war  es  leer,  in  einzelnen  Fällen  fast 
obliterirt,  der  Weg,  der  allein  zur  Heilung  führen  kann. 

Es  kamen  nur  14  phlebitische  Erkrankungen  vor,  sie  ent- 
wickeln sich  aber  in  einer  Pnerperalendemie  häufiger  als  sonst. 
Unter  den  Fällen  fand  sich  fünf  Mal  Phlegmasia,  anscheinend 
ohne  wesentliche  Betheiligung  des  Uterus.  Massiges  Fieber  und 
Wohlbefinden  Hessen  im  Anfange  eine  Genesung  hoffen,  bis  ein 
Schüttelfrost  und  andere  Erscheinungen  die  Scene  änderten  und 
zum  Tode  führten.  Indess  kann  auch  selten  Genesung  eintreten. 
Dauer  durchschnittlich  20  Tage,  die  kürzeste  5  Tage;  also  lang- 
samer als  die  Metritis.  Seltener  kommt  es  zur  Complication  mit 
diffuser  Metroperitonitis,  da  diese  in  der  Regel  viel  schneller 
tödtlich  verläuft,  als  es  zur  Phlebitis  kommt.  Das  constanteste 
und  auffäUtgste  Symptom  der  Phlebitis  sind  die  intermittirendeu 
Schüttelfröste,  welche  aber  auch  bei  anderen  Zuständen  vorkommen. 
Mit  dem  Eintritte  des  Frostes  steigt  die  Temperatur  bis  40  und  41, 
der  Puls  auf  120 — 140  und  sinkt  nachher  langsam  oder  schneller, 
bis  fast  zum  normalen;  also  grosse  Schwankungen  innerhalb  je 
24  Stunden.  Die  Temperaturerhöhung  ist  nicht  an  die  Tagee- 
seiten,  sondern  an  die  Frostanfalle  gebunden.  Ohne  Zweifel  sind 
die  in's  Blut  übergehenden  putriden  Stoffe  die  Ursache  der 
Fröste;  inzwischen  werden  sie  irgend  wie  ausgeschieden  und 
lassen  Ruhe  eintreten,  bis  eine  neue  Ueberladung  des  Blutes 
stattgefunden  hat.  Nach  und  nach  wird  die  veränderte  Blut- 
beschaffenheit constant  und  die  typhösen  Erscheinungen  treten 
schliesslich  auf.  Dazu  kommen  die  verschiedenen  Metastasen 
und  andere  Complicationen,  welche  das  Bild  mehr  weniger  ver* 
wischen. 

3.  Arthritis  und  Polyarthritis  gesellte  sich  zu  den  anderen 
Processen,  sowohl  der  Metritis  als  besonders  Phlebitis,  mehrfach 
hinzu.  Zuweilen  treten  sie  so  bedeutend  in  den  Vordergrund, 
dass  man  sie  als  ein  besonderes  Krankheitsbild  darstellen  könnte. 
Der  Verlauf  ist  sehr  ähnlich  der  Polyarthritis  rheumatica  und 
zeigte  auch,  wie  diese,  die  Eigenschaft,  sich  mit  Entzündungen 
der  serösen  Häute  zu  combiniren  und  das  Herz  zu  ergreifen. 

4.  Die  Entzündungen  der  serösen  Häute,  besonders  die 
Pleuritis,  treten  meist  in  Folge  von  Erkältungen  im  Puerperium 
auf.  Die  Utemsaffeetion  kann  dabei  fehlen  oder  ganz  unbedeutend 
sein.     In  ähnlicher  Weise  kommt  auch  Peritonitis  vor. 


478  XXIX.    Literatur. 

6.    Ein  Fall  von  Eclampsie  bot  wenig  Bemerkenswerthes. 

6.  Geistesstörntigen  wurden  fünf  Mnl  beobachtet.  Sfimmt* 
liehe  Fälle  mit  mehr  oder  minder  lebhaftem  Fieber.  Theile  Anf* 
regung,  theils  Depression  des  Sensorinm.  Eine  Localisation  der 
Krankheit  war  nicht  su  constatiren. 

7.  Ein  Fall  von  Leueaemie  warde  nicht  erkannt,  mneBte 
flieh  schon  in  der  Schwangerschaft  ausgebildet  haben. 

(Annalen    des    Charit^  -  Krankenhauses ,    1863,    Band    10, 
Heft  2 ,  S.  22.) 


XXIX. 

Literatur. 


Ueber  die  Gefahren  der  Uterin-Injectionen.  Inaugurai- 
Dissertation  von  E,  H.  Klemm,     Leipzig  1863. 

Bekanntlich  sind  die  Gefahren  der  Uterin-Injectionen  7011 
verschiedenen  Beobachtern  sehr  verschieden  angegeben  worden 
Qud  namentlich  wird  der  Durchtritt  der  injicirten  Flüssigkeit 
durch  die  Tuben  bis  in  die  Bauchhöhle  am  meisten  gefürchtet. 

Verf.  hat  eine  Reihe  sehr  zweckmässiger  Versuche  angestellt 
und  beweist  durch  dieselben ,  dass  unter  gewöhnlichen  Umständen 
an  einen  Uebertritt  der  Flüssigkeit  in  die  Bauchhöhle  nicht  su 
denken  ist.  Die  gefahrvollen  Zustände ,  die  nach  den  Injectionen 
beobachtet  wurden,  müssen  also  auf  andere  Weise  erklärt  werden. 
Sie  entstehen  wahrscheinlich  durch  die  grosse  Sensibilität  des 
Organes,  welche  freilich  je  nach  dem  Individuum  und  bei  dem- 
selben Individuum  zu  verschiedenen  Zeiten  verschieden  ist. 
Verf.  fand  bei  drei  seiner  Injectionsexperimente  die  nicht  un- 
wichtige Erscheinung,  dass  die  gefärbte  Masse  in  das  Venen- 
fljstem  des  Uterus  und  der  breiten  Bänder  gedrungen  war,  eine 
Erscheinung,  die  früher  schon  von  Vidal  und  auch  bei  Injectionen 
der  Nieren  von  U.  H.  Weher  beobachtet  worden  ist.  Vielleicht 
liegt  hierin  die  Erklärung  der  nur  in  einzelnen  Fällen  auftretenden 
bedenklichen  Zufälle  nach  den  Injectionen.  ' 

Zur  möglichen  Verhütung  der  üblen  Zufalle  empfiehlt  Verf. 
die  Herstellung  eines  leichten  Abflusses  des  injicirten  Mittels 
durch  hebeiförmige  Bewegungen  der  Canüle,  nach  der  Einspritzung, 
wodurch  der  Muttermund  erweitert  wird.  Da  aber  das  Zurück- 
bleiben der  Flüssigkeit  nicht  die  alleinige  Ursache  der  Zufalle 


XXIX.    Literatur.  479 

ist,  sondern  die  ind^vidnelle  Empfindlichkeit  eine  wesentliche 
Bolle  spielt,  so  wende  man  graduirte  Flüssigkeiten  in  progressiver 
Weise  an  und  operire  nur  mit  möglichst  wenigen  Mitteln  (Liq.  ferri 
sesqoichlor. ,  Tannin  bei  Blutungen,  Ungt.  nitric.  bei  Katarrhen). 
Im  puerperalen  Zustande  möchte  die  wunde  Fläche  der  GebUr- 
mutter  durch  die  Injectionen  leichter  entzündlich  afficirt  werden, 
obwohl  die  Flüssigkeit  bequem  abfliessen  kann,  nnd  deshalb 
schreite  man  hier  zu  den  Injectionen  erst  nach  Erschöpfung  der 
übrigen  Mittel.  Am  geeignetsten  wäre  hier  einfach  kaltes  Wasser, 
oder  mit  etwas  Essig  vermischt. 


Beitrag  zur  Casuistik  der  Beckengeschwülste  in 
geh  urtshül  flieh  er  Beziehung.  Inaugural-Dissertation 
von  */.  U.  Kürsteiner,    Zürich  1863. 

Unter  den  Beckengeschwülsten,  welche  eine  Störung  für  die 
Geburt  abgeben  können,  sind  die  vom  Mastdarme  ausgehenden 
bisher  sehr  selten  beobachtet  worden.  Verf.  hat  nur  zwei  derartige 
FKlle  in  der  Literatur  verzeichnet  finden  können,  von  Cruveilher 
nnd  von  Lever,  Als  dritten  berichtet  er  einen  von  Breslau  theil- 
weise  beobachteten  Fall,  dessen  Präparat  sich  in  der  geburts- 
hülflichen  Sammlung  in  Zürich  befindet.  Die  Kranke  befand  sich 
in  ihrer  vierten  Schwangerschaft  und  war  bedeutend  von  Stuhl- 
verstopfung geplagt.  Die  Geburt  begann  am  8.  August  1861  und 
ging  das  Fruchtwasser  frühzeitig  ab.  Der  Kopf  rückte  jedoch 
nicht,  es  wurden  nacheinander  zwei  Geburtshelfer  zugezogen, 
welche  ein  enges  Becken  diagnosticirten,  und  nach  vergeblichen 
sehr  kräftigen  Zügen  mit  der  Zange,  die  Entbindung  mittels  der 
Perforation  vollendeten.  Urin  und  Fäces  gingen  gleich  nach  der 
Entbindung  unwillkürlich  ab;  die  Frau  wurde,  da  ihr  Znstand 
sehr  bedenklich  geworden  war  nach  einem  mehrstündigen  Trans- 
port  zu  Schifi'e  über  den  See  nach  Zürich  in  das  Spital  gebracht, 
wo  sie  am  19.  August  starb.  Die  Section  ergab  Verlöthung  der 
Dürme,  reichlichen  Eitererguss  im  kleinen  und  grossen  Becken, 
hinter  dem  noch  vergrösserten  Uterus  im  kleinen  Becken  eine 
harte  Geschwulst,  5"  lang,  gegen  3''  dick,  welche  sich  bei  näherer 
Untersuchung  als  colloides  Carcinom  des  Rectum,  besonders  der 
hinteren  Wand  ergiebt.  Das  unterste  Stück  des  Rectum  in  iV^" 
Länge  ist  frei,  auch  sonst  nirgends  colloide  Ablagerungen. 
Uterus,  Scheide  mit  diphtheritischen  und  gangränösen  Geschwüren 
bedeckt,  Perforation  in  die  Urinblase. 

Verf.  erzählt  auch  kurz  die  beiden  Fälle  von  Cruveilher 
nnd  Lever^  geht  dann  auf  die  anatomischen  Verhältnisse  des 
Colloid-Carcinoms  ein,  bespricht  die  Bedeutung  der  Geschwulst 


480  XXIX.    Literatur. 

für  Schwangerschaft   und  Gebart   nnd    erzählt  schliesslich  noch 
einen  Fall  ans  der  Zürcher  Gebäranstalt,   der  ihm  von  Breslau 
brieflich  mitgetheilt  worden  ist.    Er  betraf  eine  am  10.  Joni  1863 
aufgenommene    kräftige     Frau,     bei    deren    UnterBOchang     man 
eine    beträchtliche   Geschwulst    hinter   dem    schwangeren   Utems 
fand.     Die  Bectaluntersuchnng    ergab   etwa  2''   über    dem   After 
eine     stark    verengte    Stelle ,     so    dass     die    Fingerspitee    nicht 
mehr    durchdringen    konnte,    und    darüber   eine   bedeutende    An- 
schwellung   des    Darmrohres,    welche    als    Carcinoma    gedeutet 
wurde,    obwohl    das    Aussehen    der    Kranken    nicht   auf    ein    so 
wichtiges  Leiden  schliessen  Hess.     Sie  abortirte  am  12.  Juni  ein 
1    Pfund    26    Loth    schweres  Knäbchen,    welches    gut   durchtrat. 
Die  jetzt  vorgenommene  Untersuchung  wies   nach,   dass  die  6e- 
schwalst  bis  zur  Leber  hinauf8ti(>g,  seine  Oberfläche  war  ziemlich 
gleicbmässig.      Es    entwickelte    sich    bei    der   Wöchnerin   acute 
Peritonitis,    an   der  'sie   am   16.   starb.     Bei    der  Section    zeigte 
sich  in  der  rechten  Bauchseite  der  etwa  mannskopfgrosse  Tumor, 
während  nebenbei  kleine  Markschwämme  sehr  zahlreich  über  das 
Peritonäum    verbreitet   lagen.     Die    grosse  Geschwulst  war    der 
durch    Colloidcarcinom    entartete    rechte    Eierstock,    auf  seiner 
Oberfläche    durch    acute    Peritonitis    erweicht.     Der  Uterus    mit 
dem  Rectum    fest   verwachsen;    das  Rectum    stellte    ein   starres 
Bohr  dar,  dessen  Wände  4 — 6"  von  oben  herab  durch  eine  ein- 
gelagerte  coUoide  Masse   um  das   Zwei-   bis  Dreifache  verdickt 
war.    Daneben   mehrere  kleinere  Krebsknoten.    Auch   das   linke 
Ovarium   war  colloid    entartet,    aber  nur  um   das  Doppelte   ver- 
grössert  und  eine  kleine  Stelle  desselben  schien  noch  normal  zu 
sein.    Trotzdem  war  Schwangerschaft  eingetreten. 


Druck  von  A.  1'h.  Engelhardt  in  Leipzig. 


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