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Full text of "Monatsschrift für Geburtskunde und Frauenkrankheiten"

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IfflMEMSM^ 




# 



Monatsschrift 
GEBURTSKUNDK 

und 

Frauenkrankheiten. 

Im Verein mit der 
Gesellschaft für Geburtshülfe in Berlin 

herausgegeben Ton 

Dr. C. S. F, Cred6, 

Hofrath, ord. Prof. and Director der £ntl)indungR- Anstalt in Leipzig eto. 

Dr, C. Hecker, 

Hofk'atb , ord. Prof. und Director der Entbindungs • Anstalt In München, Ritter etc. 

Dr. Ed. Martin, 

Oi»h. Rath, ord. Prof. und Director der Entblndungit - Anntalt in Berlin, Ritter etc. 

Dr. F. A. von Ritgen,. 

Geh. Rath, ord. Prof. und Director der EntbindungH- Anstalt in GienscMi, 
Comthur etc. 

Sifbenundiwamigster Band. 

Mit .S Tafeln Abbildungen und 2 Curventafol. 



Berliu, 186ß. 

Verlag von Aagaai Hinch^ald, 

<W V. d. Liadeu, Ecke der Scha<low-8tra«»e. 



Inhalt 



Heft I. 

I. Verhandlnng^en der Gesellschaft für Gebartshülfe in Berlin 1 

Scharlau: BeekenyerengQng mit najchfolg^ender Pntres- 
cenz des Fnndns uteri 1 

A. Vom: Zwei Fälle von Gebnrtsbehinderangf dnreh 
Ansdebnnng des Bauches der Fracht 16 

II. lieber die NägeWsche Obliquität des Schädels. Ein Vor- 
trag von Dr. W. Küneke, Privatdocent in Göttingen ... 29 

JH. Nennnndvierzigster Jahresbericht über die Ereignisse in 
dem Entbindnngsinstitnte bei der königl. säcbs. chirur- 
chisch-medicinischen Akademie sn Dresden im Jahre 
1863. Von Prof. Dr. Qrenser 39 

IV. Peritonitis in Folge pnrulenter Entzündung der Eileiter 

ausser dem Wochenbette. Von Dr. v. Dessauer in Kochel 60 

V. Notizen aus der Journal-Literatur: 

PSan: Fall von O^ariotomie 64 

Keith: Fall von Ovariotomie, wobei die Cyste gan- 

gränescirt wmr 64 

De Montet (Veve^^): Ein Fall von Ovariotomie 66 

Erichsen: Bericht über die im Hebammeninstitut I. K. H. 
der Grossfürstin Helena Paulo wna musgeführten Sec- 

tionen für die Jahre 1862 bis 1868 67 

J. SekmidtmÜUer: Ein Fall von Rupturm perinäi centralis 70 
Jaulini Anatomische Untersuchungen über die Mem- 
brana laminosa, den Zustand des Chorion und der 
Circulation in der Placenta zu Ende der Schwan- 
gerschaft 70 

V. Dumreieker: Ein Fall von Cystovariotomie 72 

Saresina: Ueber die Natur der Schleimhauttuberkel der 
VuWm und des Ados bei den Prostitalrlen ...... 1^ 



IV Inhalt. 

Seit« 
G. Braun: Die Amputation der Clitoris und Nymphen, 
ein Beitrag zur Behandlung des Vaginismus 75 

VI. Literatur: 

H. Lemser: Die physiologische Lösung des Mutter- 
kuchens nach Beobachtungen und Experimenten. 
Giessen, 1865 77 

Becherches sur la disposition des fibres musculaires de 
Tutörus d^velopp^ par la grossosse par H^lie, pro- 
fesseur d* Anatomie k T^cole de M^decine de Nantes. 
Avec un Atlas de dix planches. Paris, 1864 .... 78 

Berichtigung 80 



Heft n. 

VII. Verhandlungen der Gesellschaft für Geburtshülfe in 

Berlin 81 

Abegg: Rhachitlsdhes Becken, Cephalothrypsie, Me- 

troperitonitis puerperalis — Genesung 83 

ff Hepatisatio partialis placentae 88 

Ousseroto: üeber den normalen Sitz der Placenta 90 
Eggel: Cancroid der Vaginalportion. Operation 
ohne locales Recidiv; secundärer Tumor des Os 
Ileum 100 

VIII. Temperaturbeobachtungen im Wochenbette von Dr. 
Sehröd&r, Assistenzart an der gcbnrtshälflich-gynäko- 
logischen Klinik in Bonn 108 

IX. Ein Fall von Embolie der Lungenarterie bei einer 
Wöchnerin. Berichtet von Dr. F, Ritter y früherem 
Gehülfsarite an der Entbindungsanstalt zu Marburg 138 

X. Ueber das künstliche Sistiren der Milchsecretion. Von 
Dr. Bartscher jun., erstem Arzte des Marien-Hospi- 
tals zu Osnabrück 143 

XI. Notizen aus der Journal-Literatur: 

Baeiboreki: Ueber die Abhängigkeit der Amenor- 
rhoe von psychischen Ursachen, besonders von 
der übertriebenen Furcht schwanger zu sein und 
dem lebhaften Wunsche schwanger zu werden 150 

Spencer- Wells: Ein Fall von Ovariotomio, compli- 
cirt mit Sectio caesarea in viva, mit glücklichem 
Ausgange 152 

Barnes: Ueber Dysmenorrhoea, Metrorrhagie, Oopho- 
ritis und Sterilität in Verbindung mit einer eigeu- 
thümlichen Form des Cerriz uteri und deren 
Behandlung durch Discision 154 

V. Franque: Ueber Ruptur des Uterus und der 
Scheide während der Geburt 155 

Hecker: Statistische Tabelle über die Vorkomm- 
nisse in der Kreis- und GebHr- Anstalt za Mün- 
chen im Etats -Jahre 1864/66 156 



InhAlt. V 

XII. Literatur: 

An essay, historlcal and critical, on the mechanism 
of partnrition by William Leishmann. London, 
1864. 129 8 157 

Orenser: Bericht über die Ereignisse in dem K. S. 
Entbindnngsinstitute sa Dresden vom 1. Decbr. 
1814 bis zara 1. Nov. 1864. Zur 50jährigen Ja- 
bilKamsfeier des Institutes am 1. December 1864. 
Dresden, 1864 158 

L. Reinhard: Ueber den Einflnss. des Puerperiums 
auf Thoraxform und Lungencapacität, Inaugu- 
rmldissertot. Marburg, 1865 159 

Druckfehler in Band 26 160 



Heft m. 

XIII. Verhandlungen der Gesellschaft für Geburtshülfe in 

Berlin . 161 

Martin: Ueber spontane Uterusrupturen 161 

KristeUer: Uebermässig ausgedehnter Urinsack des 
Fötus als Geburtshinderniss. — Vollständige 
Atresie d. Genital-, Urinal- u. Intestinalschläuche. 
— Innerliche Verbildung und Verschmelsung die- 
ser Systeme 165 

XIV. Zur Lehre von der Wechselwirkung iwischen Krank- 

heit und den Fortpflanzungsvorgängen von C Hecker 169 

XV. Ein ausgeseiohneter Fall von Gummi-Becken beschrie- 
ben von Dr. med. Sehieck in Leipzig. (Mit 2 Abbil- 
dungen.) 178 

XVI. Mittheilungen über die Thätigkeit und Verhandlungen 
der Gesellschaft für Geburtshülfe zu Leipzig im 
elften Jahre ihres Bestehens. — Jahresbericht erstat- 
tet durch den d. Z. Secretär Dr. Emil Apollo Mei»»- 
ner. Vorgetragen am 24. April 1865 201 

XVII. Eine combinirte äussere und innere Wendung. Von 
Dr. Werner Pra<il, Assistent am GebKrhause zu Han- 
nover 219 

XVIII. Notizen aus der Journal -Literatur: 

V, Haaelberg: Dreizehnter Bericht über die Ereig- 
nisse der unter der Leitung des G. M.-R. Prof. 
Martin stehenden geburtshülfl. und gynäkologi- 
schen Klinik u. Poliklinik der Universität Berlin 

während des Wintersemesters 1864/65 224 

Delore: Experimente über geburtshülfl. Mechanik . 225 

iiimpeon: Ueber die Wassersucht des Eies 228 

L, Lehmann: Ueber Bestimmung der thierischen 

Wärme bei Puerperal-Processen 229 

Bardinet: Das Leben ohne Respiration bei gewissen 
Nengeborenen ^"^ 



VI Inhalt. 

8«it« 
Senator: Ueber den Tod des Kindes ,,in der Ge- 
biet*'. (Als Beitrag^ snr Lehre vom Kindesmord.) 232 
Hrealau: Zwillingsschwmngerschaft; eine Frucht aas- 
getragen, die andere plattgedrückt, im Utenxs 
anrückgeblieben. Tod der Neuentbnndenen durch 
Blutung 234 

XIX. Literatur: 

Contribution to assist the study of ovarian physio- 
logy and pathology by Ck. Ritehie. London 1865. 
208 Seiten 235 

Kormann: Ueber die Uterusrupturen in forensischer 
Besiehung. Diss. inaug. Leipzig, Decbr. 1864 237 



Heft IV. 

XX.. Beiträge zur Kenntniss des Verhaltens der Temperatur 
im Wochenbette von Dr. med. Oscar Wolf in Ha- 
nau. (Mit einer Currentafel.) 241 

XXI. Zerreissung der Scheide mit Vorfall eines Hydroova- 
rium, mitgetheilt von Herrn Prof. Luschka in Tü- 
bingen an Ed, Martin in Berlin. (Mit einer Ab- 
bildung.) 267 

XXII. 'Mittheilungen aus der Gebäranstalt in Stuttgart von 

Q. Hartmannt zweitem Hebammenlehrer 273 

XXIII. Ueber das Gewicht des Fötus und seiner Anhänge in 

den verschiedenen Monaten der Schwangerschaft 
von C. Hecker 286 

XXIV. Zur Contagiosität des Puerperalfiebers. Von Dr. G. 

Stehberger, Arzt am allgemeinen Krankenhause in 
Mannheim 300 

XXV. Notizen aus der Journal -Literatur: 

E, Pflüger: Ueber die Bedeutung und Ursache der 
Menstruation 309 

Breslau: Subcutane Injection von Atropin gegen 
Krampfwehen 310 

ZeUsl: Zur Physiologie und Pathologie der Bar- 
iköUn{nc\i%n Vulvo-Vaginaldrüse 311 

Kuhn; Weitere Erfahrungen über künstliche Früh- 
geburt aus der geburtshülflichen Klinik von 
C. Braun in Wien 312 

XXVI. Literatur: 

Wandtafeln zur Schwangerschafts- und Geburts- 
kunde. 20 Tafeln in grösstem Landkarten-Im- 
perial-Format. Gezeichnet und mit erläutern- 
dem Texte herausgegeben von Dr. B. 8' 8chuU»e 
in JeuH. Leipzig, E. J. Günther. 1866 313 

Aerzlicher Bericht des k. k. Gebär- und Findel- 
hanses zu Wien, vom Solarjahre 1864. (Wien 



Inhalt. VII 

Seite 
1865, bei W. BraamüUer. 286 S. nebBt stati- 

stisohen Tabellen.) 314 

Daa in Zürich befindliche kypbotisch-querverengte 
Beeken von Dr. Johannes Moor, Mit einem 
Vorworte von Prof. Dr. Brealati. Zürich 1865. 317 
Drnckfehler 320 



Heft V. 

XXVII. Verhandlangen der Gesellschaft für Geburtshülfe in 

Berlin 321 

Ouaterow: Fall von Endometritis decidualis tnbe- 

rosa 321 

Lehnerdt: Fall von Nabelblutnng 324 

Sehtoahn: Fall von spontaner Uternsraptur. . . . 326 
Liman: Drei Fälle von Abortus, welche zu ge- 
richtlichen Gutachten Veranlassung gaben. . . 328 

XXVIII. Zwei erfolgreiche Ovariotomien. Mit Bemerkungen 

von Otto Spiegelberg, (Mit einer Cnrventafel.) . . . 368 

XXIX. Notisen aus der Journal -Literatur: 

E. Martin: Heilsamer Erfolg der Seitenlage bei 
Behandlung der Geburten mit vorangehendem 
Schädel durch rhachitisch verengte Becken. . 399 

Haughton : Statistiken des Gebärhauses zu Moskau. 400 



Heft VI. 

XXX. Verbandlungen der Gesellschaft für Geburtshülfe in 

Berlin 401 

Cohnheim: Präparat von Ruptura uteri 401 

Kleba: Abortiv-Ei 401 

Hüter: Präparat von Cy Stoma ovarii 408 

Bote : Ein ungewöhnlicher Fall von Spina bifida 404 
C. Mager: Fall von hochgradiger Retroflexio 

uteri 407 

F. G, Möller: Inversio uteri post partum .... 411 
Wegecheider: lieber verschiedene Methoden der 

künstlichen Ernährung 414 

XXXI. Ueber die Diagnose der Atresie einer Scheiden- 
h&lfte bei Duplicität des Uterus und der Vagina 
von anderen Vaginal- und Vulvalgeschwülsten in 
specie der Haematocele periuterina und periva- 
ginalis. Von Prof. Ghutav Simon in Rostock . . 417 

XXXII. Einige Bemerkungen über den Typhus abdominalis 

im Wochenbette von C. Hecker 423 

XXXIII. Fünfzigster Jahresbericht über die Ereignisse in 
dem königl. sftchs. Entbindungsinstitute zu Dres- 
den im Jahre 1864. Von Prof. Dr. Orenter^ Ge- 
heimen MedicinaJrath etc 4*5^^ 



Vllf Inhalt. 

Seit« 
XXXIV. Notiien ans der Journal -Literatur: 

V, Wiedtmherg: Zwei FSlle von Extrauterin- 
Schwangerschaft .^ 471 

B. 8. 8chuÜ%e: Ueber die beste Methode der 
Wiederbelebung seheintodt geborener Kinder 472 

Duncan:_ Ueber die Art der v ergleichung der 
Häufigkeit von Zwillingsgeburten in den ver- 
schiedenen Schwangerschaften 474 

Inglii: Ueber Erleichterung der ersten Geburts- 
periode 475 

Hervieux: Einige neue Fälle von plötslichem 
Tode während des Puerperiums ......... 476 

XXXV. Literatur: 

H, Hildebrandt: De mechanismo partus capite 
praevio normali et enormi. Coinroentatio. Re- 
giomonti. 1866. 4. 34 Seiten 477 

W, Brummerstädti Beriebt aus der Grossheraogl. 
Central- Hebammen -Lehranstalt in Rostock, 
nebst einer statistischen Zusammenstellung kos 
135 theils veröffentlichten, theils noch unbe- 
kannten Fällen von Eclampsie. Rostock, Stil- 
lersche Hofbuchhandlnng. 1866 478 



L 
Verhandlungen der Oesellschaft fOr Oeburtshttlfe 

in 

Berlin. 



Sitzung vom 17. October 1865. 

Herr Martin eröffaet die Sitzung mit der Anzeige von 
dem Tode des Herrn Brandt^ eines langjährigen und eifrigen 
Mitgliedes der Gesellschaft. Die Anwesenden erheben sich 
als Zeichen der Theilnahme von ihren Sitzen. 

Herr Scharlau trägt, unter Vorzeigung der betreffen- 
den Präparate, einen Geburtsfall bei 

Beckenverengung mit nachfolgender Putrescenz 

des Fundus uteri 
vor. 

Pelvis ubique justo minor. Vorzeitige Zangenversuche 
mit Sprengung der rechten Synchondrose, Durchstossung des 
Scheidengev^ölbes, Zerreissung des Mutterhalses und der Scheide, 
Perforation. Tympanites uteri. K^phalothrypsie. Mesnard- 
iS^iVsche Zange. Im Wochenbett Peritonitis und Gangraena 
vaginae. Endometritis. Putrescentia uteri. Spontane Per- 
foration des Fundus uteri und Durchbruch in den angc\ol\\eletv 
Dan», Fä/Ius lethalls die decimo sexto post partum. 

MoBMtuebr. f, aebnriak. 1866, Bd. XXVlL, Hft. i. 1 



2 r* Verhandlungen der Gesellschaft 

Mit wenigen Worten habe ich in der Ueberschriflt den 
Verlauf der Geburt und des Wochenbettes gegeben in einem 
Falle, welcher während der letzten Abwesenheit des Herrn 
Geh. Raths Martin in der königl. Universitätsentbindungs- 
anstalt zur Behandlung kam. 

Frau Johanna H., eine 34jährige Erstgebärende, weiss 
sich nicht zu entsinnen, dass sie an irgend welchen erheb- 
licheren Kinderkrankheiten gelitten habe; namentlich wird 
Rhachitis, und Scrophulosis entschieden in Abrede gestellt. 
Die Menses traten zuerst im 20. Lebensjahre ein, kamen 
regelmässig, reichlich, ohne Beschwerden. Nachdem sie bis 
zum Jahre 1864 gedient hatte, verheirathete sie sich, und 
concipirte zum ersten Male im November desselben Jahres. 
Die Schwangerschaft verlief normal bis zum vollen Ende. 
Am 3. September 1865 stellten sich die ersten Wehen ein; 
dieselben nahmen allmälig an Stärke zu, und am 5. Sep- 
tember Morgens war der Muttermund nahezu völlig erweitert. 
Bei dem langsamen Vorrucken der Geburt sah sich die Heb- 
amme jetzt veranlasst, ärztliche Hülfe in Anspruch zu neh- 
men. Ein hinzugerufener Arzt legte um 6 Uhr Morgens zum 
ersten Male die Zange an, ohne jedoch im Stande zu sein, 
selbst bei den stärksten Tractionen den Kopf auch nur in 
den Beckeneingang hereinzuleiten. Nach vergeblichen Be- 
mühungen erbat er sich die Hülfe eines Collegen, mit 
welchem er jetzt abwechselnd noch zwei Stunden lang die 
Extractionsversuche fortgesetzt haben soll, 'aber mit dem- 
selben negativen Erfolge. Sie hielten jetzt die Perforation 
des Kindes für unvermeidlich, und riethen dem Ehemanne, 
seine Frau in die Entbindungsanstalt aufnehmen zu lassen. Am 
5. September um 10 Uhr Vormittags wurde mir die Kreis- 
sende zugeführt. 

Status praesens: die Kreissende, ein massig gut ge- 
nährtes Individuum von starkem Knochenbaue, ist im hohen 
Grade erschöpft, Gesicht hoch geröthet, Puls frequent und 
hart, fortwährende Schmerzensäusserungen. Fund^is uteri zwi- 
schen Nabel und Herzgrube, etwas spitz prominirend, Ute- 
rinwandungen fest contrahirt, kleine Theile in der rechten 
Hutterseite, Herztöne links, 128 Schläge in der Minute. Die 
Beckenmessung ergab: 



für Gabartohülfe in Berlin. 3 

D.Sp. 8"6'". 
D. Cr. 9" 9"'. 

D. B. r. 

D. Obl. utrq. r &". 
Bei der inneren Untersuchung fühlte man rechterseits einen 
Scbeidenriss, welcher sich bis zum Sclieidengewölhe erstreckte ; 
rcclits vom Mutterhalse war das Scheidengewölhc durchstos- 
sen und konnte der untersuchende Finger bis in das periute- 
rine Bindegewebe geführt werden. Der Muttermund zeigte 
noch einen schmalen Rand und war nach allen Seiten viel- 
fach eingerissen, namentlich schien rechterseits ein Riss sich 
hoch hinauf zu erstrecken. Der Kopf war mit einer grossen 
Kopfgeschwulst bedeckt und stand in erster Schädellagc mit 
sehr tiefstehender kleiner Fontanelle schwer, aber doch noch 
beweglich auf dem Beckeneingange. Das Promontorium liess 
sich nicht erreichen. Aus den Genitalien träufelte fortwäh- 
rend Blut und anscheinend auch Urin; aus der Blase liess 
sich mittels des Katheters kein Urin entleeren. 

Aus der Vergeblichkeit der so lange fortgesetzten Zangen- 
versuche, welche den Kopf nicht einmal in den Beckencin- 
gang hatten herabführen können, sowie aus der vorgenom- 
menen Beckenmessung, welche eine Verkürzung, namentlich 
des geraden Durchmessers und der beiden schrägen ergeben 
hatte, musste die Diagnose auf ein gleichmässig allgemein 
verengtes Becken gestellt werden. Das Befinden der Kreis- 
senden drängte trotz der grossen Laesionen noch nicht zu 
einer sofortigen Entbindung, das Kind lebte, wenn gleich auch 
schon die Herztöne langsamer und schwächer als normal wa- 
ren. Wehen waren vorhanden: ich wollte daher nicht früher 
zur künstlichen Beendigung der Geburt schreiten, als bis ich 
mich sicher überzeugt hatte, dass die Naturkräfte nicht leisten 
könnten, was die Kunst vergeblich angestrebt hatte. Vor- 
läufig gab ich der Kreissenden zur Beruhigung Pulv. Doweri 
gr. X. und verordnete linke Seitenlage. 

Um 11^2 Uhr waren keine Herztöne mehr zu hören, 
die Kopfgeschwulst erschien von etwas teigiger Consistenz; 
um 1 Uhr Mittags war dieselbe entschieden coUabirt, so dass 
an dem Tode der Frucht nicht mehr zu zweifeln war. Ich 
unternahm daher jetzl die Perforation, da troU <ii\Vv^\Vie;Tv&«c 

1* 



4 I. Verhandlungen der Gesellschaft 

Wehen der Kopf auch nicht um Haarsbreite herunlergetreteii 
war, mit Martinas trepanförmigem Perforatorium und spritzte 
das Hirn so viel wie möglich mit warmem Wasser aus. Den 
Kephalothryptor scheute ich mich wegen der bereits vorhan- 
denen Risse einzufuhren, indessen hoffte ich, die Wehen wür- 
den vielleicht im Stande sein, den nun nachgiebig gewordenen 
Schädel durch das Becken zu treiben. 

Das Befinden der Kreissenden war nach vollzogener Per- 
foration bedeutend besser, doch hörten die Wehen bald dar- 
auf fast ganz auf. 

2 Uhr Mittags: Die Kopfknochen haben sich etwas 
zusammengeschoben, die dadurch kleiner gewordene Perfora- 
tionsöffnung ist von der Kopfhaut so weit bedeckt, dass keine 
scharfen Knochenränder hervorstehen. Von Zeit zu Zeit tre- 
ten schwache Wehen auf, welche noch kein Herabrucken des 
Kopfes zu Stande gebracht haben. Die Percussion lässt eine 
beginnen()e Luftentwickelung in der Uterinhöhle erkennen. 
Mittels eines Catheters werden circa 6 Unzen dunklen trüben 
Urins entleert. 

7 Uhr Abends: Die Luftansammlung im Uterus hat 
zugenommen, der Uterus selbst ist bei Berührung ausser- 
ordentlich empfindlich. Der Kopf ist kaum merklich tiefer 
getreten. Aus der Scheide fliesst fortwährend übelriechendes, 
dünnflüssiges, hellröthliches Blut. Die Kreissende ist sehr er- 
mattet und klagt über Dyspnoe. Da eine spontane Beendi- 
gung der Geburt jedenfalls nicht sobald, vielleicht überhaupt 
nicht zu erwarten stand, das Befinden der Kreissenden eine 
solche aber dringend erforderte, so entschloss ich mich nun 
zur £xtraction mittels des Kephalothryptors, wobei ich Rück- 
sicht nahm, den rechten Löffel möglichst weit nach hinten 
anzulegen, um dem in der rechten Multerseite befindlichen 
Riss fern zu bleiben. Die Compressionsschraube zog ich an- 
fänglich nur so weit an, um den Kopf sicher zu fassen und 
ein Abgleiten zu verhindern, und verstärkte alimälig nach 
jeder Traction die Compression. Der Kephalothryptor hielt 
gut, bis der Kopf zum Durchschneiden kam, da jedoch be- 
gann er zu gleiten, und ich nahm ihn ab. Die völlige Ent- 
w/cAeJuug des Kopfes geschah mittels der Mesnard-Stein'^ 
»eben Zange. 



für Gebnrtshtllfe in Berlin. 5 

Die Auszicbung des Rumpfes bot noch einige Schwie- 
rigkeit, weil sich die rechte Schulter auf die Symphyse stemmte. 

Die bereits gelöste Placenta kam sofort nach dem Kinde 
zu Tage. Letzteres, ein Knabe, ist sehr kräftig entwickelt; 
die Perforationsöflnung flndet sich auf dem rechten Scheitel- 
beine nahe der kleinen Fontanelle. 

Wegen mangelhafter Uterin contraction wurde sofort Se- 
eale cornutum verabreicht, ausserdem Eisumschläge auf das 
Abdomen verordnet. Um neun Uhr Abends war der Ute- 
ras gut zusammengezogen, auf Druck wenig empfindlich. Der 
Urin wurde mittelst Catheterismus entleert. 

Wochenbettsverlauf. 6. 9 Uhr Morgens: Die Wöch- 
nerin hat gut geschlafen, Uterus wenig empfindlich, begin- 
nender Meteorismus; äussere Genitalien stark geschwollen. 
Temp.: 38^3C. Puls: 70. Eisumschläge, Catheterismus, 
Injectionen mit Leinsamenthee. 

Abends: Temp.:39«C. Puls: 80. 

7. 9 Uhr Morgens: Patientin hat wegen grossen 
Harndranges wenig geschlafen, Meteorismus bedeutender. Urin 
wird durch den Catheter entleert, Stuhlgang ist spontan er- 
folgt Fundus uteri in der Höbe des Nabels, Lochien übel- 
riechend. Temp.: 38« 2 C. Puls: 70. Bepinselung des 
ganzen Abdomens mit Collodium, darüber Eisblase. Injectio- 
nen mit Leinsamenthee und Ghlorwasser. 

Abends: Temp.: 39<>7C. Puls: 84. 

8. 9 Uhr Morgens: Die Nacht ist nur durch einige 
diarrhoische Stuhlgänge gestört gewesen, Krankheitserschei- 
nungen dieselben, nur ist noch in Folge des grösseren Me- 
teorismus Dyspnoe hinzugetreten. Temp.: 40® C. Puls: 
120. — Sol. gummosa mit Opium, sonst dieselbe Therapie. 

Abends: Temp.: 40^3 C. Puls: 120. — Die Wöch- 
nerin beginnt etwas zu collabiren, weshalb Rothwein gereicht 
wird. Die Diarrhoe hat nachgelassen. 

9. 9 Uhr Morgens: Temp.: 39® 2 C, Puls: 104. 
Der Meteorismus hat abgenommen, Abdomen und Uterus we- 
niger empfindlich. Zunge dick belegt, Klage über grossen 
Durst Innerlich wird eine Saturatio kalina verorduel, m 
Vebrigen dieselbe Therapie beibebaken , die Bep\Qse\ung mW 

Cdiodium täglich 2 Mal erneuert 



6 I. Verhandlung^en der Gesellschaft 

Abends: AJlgemeinbefinden bedeutend gebessert, die 
Zunge ist viel reiner geworden. Temp.: 40^ C. Puls: 104. 

10. 9 Uhr Morgens: Die Wöchnerin hat wenig ge- 
schlafen; dagegen sich mehnnals heftig erbrochen; auch ist 
das Abdomen wieder mehr empfindlich. Temp.: 39^ 5 C. 
Puls: 104. 

Abends: Nachdem heute Mittag wegen einiger diar- 
rhoischen Stuhlgänge TincL thebaicae gtt. xii verabreicht sind, 
hat die Kranke fast den ganzen Nachmittag gescfdafen. Temp. : 
40^0. Puls: 120. 

11. 9 Uhr Morgens: Patientin hat in Folge einer 
Gemuthserregung wenig geschlafen. Meteorismus kaum noch 
vorhanden. Der Fundus uteri steht noch immer fast in der 
Näbelhöhe und ist ganz nach links gelagert; ebenso sind die 
Genitalien noch sehr geschwollen. Lochien sehr übelriechend 
mit zersetztem ßlute und gangränösen Fetzen vermischt, 
welche sich in der Scheide losstossen; die letztere ist, so 
weit man sehen und fühlen kann, mit grossen gangränösen 
ülcerationen bedeckt. Temp.: 40^4 C. Puls: 104. Ein- 
spritzungen mit Sol. Argenti nitrici, sonst dieselbe Therapie. 

Abends: Temp.: 40^60. Puls: 112. 

12. 9 Uhr Morgens: Die Wöchnerin fohlt sich sub- 
jectiv vollkommen wohl, isst und trinkt mit grossem Appetite. 
Der örtliche Genitalbefund unverändert Temp.: 39^50. 
Puls: 104. 

Abends: Temp.: 40^30. Puls: 112. 

13. 9 Uhr Morgens: Die Kranke hat gut geschlafen, 
heute früh ist spontan breiiger Stuhlgang eingetreten. Ab- 
domen weich, eindruckbar ohne Schmerzen. Beim Ausspritzen 
der Scheide kommen jedesmal grosse necrotische Fetzen zu 
Tage. Das Allgemeinbefinden ist gut, nur, klagt sie, dass die 
schon seit den ersten Tagen bestehenden Schmerzen im recli- 
ten Schenkel und im Kreuze in der Gegend der rechten Syn- 
chondrose sehr zugenommen haben. Temp. 40^. Puls: 104. 

Abends: Temp.: 40^5C. Puls: 104. 

14. 9 Uhr Morgens: Temp,: 39<>9C. Puls: 96. 
Abends: Temp.:40«9C. Puls: 112. 

lö. 9Ubr Morgens: Temp.: 40^2C. Puls: 108. 
Subjectives Wohlbennden , freies Sensoriutn, Xw^Wl notViäw- 



für Oebnrtshülfe in Berlin. 7 

cIeD, massiger Durst; auf der Zunge entwickelt sich Soor. 
Der Urin wird noch immer durch Katheterismus entleert. 
Abdomen weich, Uterus noch fast in Nabelhöhe, ganz nach 
links geschoben*, mit seinem rechten Seitenrande kaum die 
Linea alba erreichend, mit seinem linken Rande auf die 
Fossa ihaca gedrängt und hier wie im Fundus auf tiefen 
Druck leicht empfindlich. Die gangränescirenden Parthien des 
Scheideneinganges haben sich gereinigt und beginnen zu ver- 
heilen. Aus der Vagina fliesst eine stinkende, jauchige, mit 
schwärzhchen , leicht zerreisslichen Fetzen gemischte Flüs- 
sigkeit. Ungefähr einen halben Zoll vom Scheideneingange 
gelangt man in eine weite, mit morschen Gewebsfetzen er- 
füllte Höhle, in welcher man vorn auf den entblössten, rau- 
hen, absteigenden, rechten Schaambeinast gelangt. 

Injectionen mit Aqua chlori, temperirte Wasserumschläge, 
Katheterismus, Solutio Boracis zum Mundauswaschen. 

Abends: Temp.: 4102C. Puls: 120. 

16. 9 Uhr Morgens: Temp.: 39^4:C. Puls: 104. 
Schlaf gut, Stuhlgang seit einigen Tagen nicht vorhanden, 
deshalb Ol. Ricini. 

Abends: Temp.: 39«9C. Puls: 108. 

18. 9 Uhr Morgens: Temp.: 39o6C. Puls: 96. 
Grosse Mattigkeit, Gesichtszüge verfallen, icterische Färbung, 
starke Zunahme des Soor, welcher auch den Pharynx über- 
zieht. Uterus noch immer gross und weich, Lochialfluss 
übelriechend. 

Abends: Temp.: 4P2C. Puls: 112. 

19. .9 Uhr Morgens: In der Nacht ist ein heftiger 
Schüttelfrost dagewesen, auch soll die Kranke delirirt haben. 
Temp.: 39« 6 C. Puls: 100. Gesichtszüge stark verfal- 
len, grosse Mattigkeit, reissende Schmerzen in beiden Beinen. 
Uterus auf Druck empfindlich, sein Grund zwei Finger breit 
unter dem Nabel. Deco ct. Chinae. Wein. 

Abends: Temp.: 41o5C. Puls: 120 Schläge in der 
Minute, klein, geringe Spannung. Heute Vormittag um 11 
Uhr ist ein zweiter Schüttelfrost eingetreten, auch sind zwei 
grosse Blutcoagula abgegangen, stinkender Ausfluss ex vagina 
unverändert. Ausserdem bat sie zwei Mal ex auo s\AuVewdi^> 
schwärzliche, iheerartige Massen entleert. Bei der T£»^v^ot%S\q 



8 I. Verhandlungen der Gesellschaft 

per vaginam äussert Puerpera, aus leichter Somnolenz er- 
wachend, nur Schmerzen, wenn man nach links gegen das 
Scheidengewölbe dringt. 

Abends um 11 Uhr sind die Extremitäten kühl, mit 
klebrigem Schweisse bedeckt, Puls fadenförmig, interniit- 
tirend. Tiefere Somnolenz, aus der sie jedoch auf Anrufen 
leicht erwacht. 

20. 9 Uhr Morgens: In der Nacht mehrmaliges 
Erbrechen schwärzlicher Massen sowie mehrmaliger unwill- 
kürlicher Abgang schwärzlich gefärbter Faeces. Abdomen 
eingezogen, schmerzlos. Die Extremitäten sind kühl, tiefe 
Somnolenz mit heiteren Delirien abwechselnd. T e m p. : 38^ 9C. 
Puls: 108. 

Unter Zunahme des Collapsus erfolgt um 3 Uhr Nach- 
mittags der lethale Ausgang. — 

Die am nächsten Morgen vorgenommene Obduction ergab 
Folgendes: 

Der Cadaver ist ziemlich abgemagert. Haut leipht icte- 
riscb, massige Todtenstarre, geringe Hypostase, Bauchdecken 
muldenförmig eingezogen. 

Cavum thoracis: Vordere Lungenränder und Spitzen 
adhärent, Lungen lufthaltig, die unteren Lappen ödematös, 
rechts in höherem Grade als links , Parenchym gesund. Im 
Herzbeutel viel seröse Flüssigkeit. Das Herz ist klein, schlaff, 
von blassröthlicher Farbe; im rechten Ventrikel feste fibrinöse 
Gerinnsel, Klappen intact. 

Cavum abdominis: Därme wenig gashaltig, das 
grosse Netz ist durch leicht trennbare Verklebungen mit 
Darmschlingen, mit der vorderen Bauchwand und mit dem Uterus 
verbunden; nach Aufhebung desselben finden sich die Dünii- 
darmschlingen vielfach unter einander verklebt, tief in das 
kleine Becken rechts vom Uterus herabreichend und dort eben- 
falls adhärent; eine über den Fundus uteri hinziehende Dünn- 
darmschlinge ist daselbst durch dicke fibrinöse Auflagerungen 
angelöthet. Uterus ganz seitlich auf die linke Darmbein- 
schaufel gelagert, mit.-seinem Fundus nur zwei Finger breit 
unter dem Nabel stehend. Von seiner vorderen Wand ziehen 
zarte Exsudatmembranen über die Harnblase weg zur vorde- 
ren Beckenwand; ebenso sind breite zarte Membranen und 



für GebortBhülfe in Berlin. 9 

feine Fäden über den Douglaa^schen Raum gespannt. An 
der rechten Uterinwand ist das Peritonäum in der Gegend 
des Mutterlialses missfarbig und abgehoben, und lasst nach 
dem Einschneiden eine jauchig-eitrige Flüssigkeit ausfliessen. 
— Die Venae spermaticae sind ohne Thromben. — Nach 
Ablösung der. erwähnten mit dem Gebärmultergrunde verkleb- 
ten Darmschlinge zeigt sich eine von dünnen^ zackigen, miss- 
farbigen Rändern umgebene guldeugrosse Perforationsöfl&iung 
ini Uterus, ihr entsprechend eine kleine Oeflhung in der mit 
ihm verkh^bt gewesenen Darmwand, so dass eine directe 
Communication zwischen Uterinhöhle und Darmcanal bestan- 
den hat. Behufs genauerer Besichtigung werden Uterus, 
Sclieide, Blase und Hastdarm im Zusammenhange herausge- 
nommen. In der Scheide findet sich entsprechend der necro- 
tischen Stelle am Schaambeinaste ein langer tiefer Riss rechts 
vorne; das Scheidengewölbe rechterseits ist durchstossen und 
lässt sich der Finger in die oben erwähnte Höhle fuhren, 
welche nach der Bauchhöhle zu durch das blauschwarze, ab- 
gehobene Peritonäum begrenzt wird. Im Mutterhalse fmden 
sich mehrere, zum Theil tief in das Gewebe eindringende 
Risse. Die Innenfläche des Uterus ist mit eJner erweiditen, 
fetzigen, schwärzlichen, putrescirenden Masse überdeckt, welche 
sich zum Theil durch den Wasserstrahl entfernen lässt, zum 
Theil aber auch in schwärzlichen Fetzen anhängen bleibt. 
Die Muscularis ist im unteren Uterinsegmente gut erhalten und 
ziemlich derb, ziemlich scharf gegen die necrotisirte Schleim- 
haut abgegrenzt, weiter nach oben jedoch, desto' mehr greift 
der Necrotisirungsprocess tiefer und tiefer in die Muskelsub- 
stanz ein, namentlich findet sich an der hinleren Uterinwand 
eine ungefähr thalergrosse Höhlung, welche bis auf den Pe- 
ritonäalüberzug dringt; im Fundus selbst ist die Muscularis 
an einer über thalergrosseu Stelle vollkommen zerstört und 
das Cavum uteri nur noch durch das verdickte Peritonäum 
gegen die Bauchhöhle abgeschlossen; das Peritonäum selbst 
ist nur so weit zerstört, als der Fundus an der mit ihm ver- 
klebten Dünndarmschlinge überdeckt ist. — Thromben sind 
nirgendwo zu finden. — In der Harnblase findet sich auf 
dem TrigoDum Lieutaudii ein silbergroschengrosses mit Harn- 
säurekrystallen bedecktes Ulcus. Die übrigen Unlerleibsor^^u^ 



10 I- Verhaadlongen der Gesellschaft 

zeigten keine krankhafte Beschaflenheit. Die Leber ist mas- 
sig blutreich, Leberacini deutlich sichtbar, von normaler Grösse ; 
in der Gallenblase bräunliche Galle mit einigen leicht zer- 
dröckbaren Concrementen. Die Milz von gewöhnlicher Grösse, 
von festerer Consistenz als man sie bei Wöchnerinnen zu 
finden pflegt; die Nieren von normaler Grösse, ihre Kapsel 
leicht abziehbar, auf dem Durchschnitte von nonnalem Anse- 
hen. Das Becken wurde sodann herausgenommen und ge- 
messen. Die Conjugata vera maass 10 Centimeter, der quere 
Durchmesser IIV« Centimeler, der rechte schräge lO^a Cen- 
timeter, der linke schräge 11 Centimeter, der gerade Durch- 
messer der Beckenweite 10 Centimeter, die Entfernung der 
Sp. Ichii 8 Centimeter, die Entfernung der Spinae Ilium 
22 Centimeter, der Cristae 27 Centimeter. 

An der linken Synchondrosis sacro-iliaca findet sich eine 
kleine Exostose, die rechte Synchondrosis ist gesprengt, die 
Gelenkränder sind rauh , im Gelenke selbst findet sich ziem- 
lich viel jauchig-eitrige Flüssigkeit. Am rechten absteigenden 
Schaanibeinaste findet sich eine sechsergrosse , necrotische, 
vom Periost vollkommen entblösste Stelle auf dem Knochen, 
entsprechend dem bereits frulier erwähnten tiefen Schei- ' 
denrissse. 

Das ganze Becken ist von sehr fester und compacter 
Masse, jetzt im getrockneten Zustande 1 Pfund 14 Loth wie- 
gend. Der Schambogen ist abnorm eng, die aufsteigenden 
Sitzbeinäste und absteigenden Schambeinäste steil gestellt, 
wie bei einem männlichen Becken. Die Linea innominata ist 
wenig gekrümmt, und dadurch sowie durch die Schmalheit 
des Kreuzbeins die bedeutende Verkürzung im Querdurch- 
messer bedingt. Dieses letztere zählt abnormer Weise fünf 
Interverlebrallöcher, und besteht aus sechs Wirbeln, von denen 
der erste mit dem zweiten noch ein falsches Promontorium bildet. 
Das wirkliche Promontorium ist sehr wenig vorspringend und 
überragt wegen der grösseren Höhe des Kreuzbeins beträcht- 
lich -die Linea innominata. Die Aushöhlung des Kreuzbeins 
ist eine kaum merkliche, und dadurch, sowie durch die etwas 
einwärts vorspringenden Sitzbeinstacheln und durch die stark 
genäherten Sitzbeinhöcker auch der Raum in der Beckenhöhle 
wesentlich beeinträchtigt. 



für Geburtshülfe in Berlin. H 

Nach diesem Befunde muss man das vorliegende Becken 
zu den gleichmässig allgemein verengten rechnen, und zwar 
speciell zu denen, welche Michaelia als männlich -starke 
Becken bezeichnet, die ihren Räumen nach gleichmässig ver- 
engt, doch von durchaus regelmässiger und meist weihlicher 
Form sind, dagegen einen ungewöhnlich starken Knochenbau 
besitzen. (Siehe Michaelis: das enge Becken. IL Auflage. 
Seite 136.) 

Was nun die AfTection der Gebärmutter betrifit, durch 
welche nach glucklich üherstandener Peritonitis doch noch 
am sechzehnten Tage des Wochenbettes der lethale Ausgang 
zu Stande kam, so glaube ich, dass wir es mit der gluck- 
lieber Weise seltenen Form des höchsten Grades einer En- 
dometritis puerperalis zu thun haben, welche von verschie- 
denen Autoren als Endometritis nosocomialis, Typhus puerpe- 
ralis, Metritis septica, Sphacelus uteri und Putrescentia uteri 
bezeichnet wird. 

Boer machte in seinen „Abhandlungen und Versuchen 
zur Begründung einer neuen einfachen und naturgemässen 
Geburtshülfe*^ auf eine dem Brande ähnliche Krankheitsform 
aufmerksam, welche er als Putrescentia uteri bezeichnete; 
doch hielt er dieselbe nicht für entzändlicher Natur, vielmehr 
wollte er sie dem Sphacelus beim Scorbut gleichgestellt wis- 
sen. W^izelj Jörg und Garus traten ihm bei und hielten 
wie auch er die Affection für ausgehend von einer Mortifica- 
tion der Membrana decidua. Romberg und Schönlein hiel- 
ten die Putrescenz ffir ein eigenthumliches Leiden der Ute- 
rinschleimhaut und vergleichen es namentlich mit der Angina 
gangraenosa. Andere Autoren, wie Lee und Deaormeaux^ 
sahen in der Krankheit die Folgen eines entzündlichen Vor- 
ganges, noch andere, wie Elias von Siebold und Kiwisch 
halten ein Contagium für die wesentliche Ui^sache dieser eigen- 
thümlichen Krankheitsform. Erst durch die neueren patholo- 
gisch-anatomischen Untersuchungen ist Klarheit auch in diese 
Afiectionen gebracht, namentlich durch Rokitansky und Vir- 
chow, welcher letztere die Krankheit dem phlegmonösen 
Erysipeias der Haut und des Unterhautzellgewebes gleichsteUt 
und demnach als „Erysipeias malignum puerperale internum*' 
bezeichnet. 



12 I- Verhandlangen der Gesellschaft 

Den Ansichten Rokitansky^ folgend, welcher die Pu- 
trescenz als höchsten Grad der Endometritis puerperalis an- 
sieht, schreibt Klob in seiner ., pathologischen Anatomie der 
weiblichen Sexualorgane, Wien 1864'*, folgendertnaassen : 
,,Die höchsten Grade der puerperalen Endometritis ergeben 
Befunde, welche an Scheusslichkeit mit jedem andern wett- 
eifern können, und für welche der Name Putrescentia uteri 
eine gelinde Bezeichnung erscheint. Der Uterus ist dabei meist 
mangelhaft contrahirt, seine Wandungen sind dünn, oft schon 
von der Peritonäalseite aus rötlilich - missfarbig erscheinend. 
Der Uterus ragt hoch in den Bauchraum und steht meistens 
schief nach der einen oder andern Seite hin. Bei Eröffnung 
der Uterusböhle findet sich die Schleimhaut zu einem brau- 
nen, schwärzlich-fetzigen, stinkenden Schorfe verwandelt, wel- 
cher zottig abhangt oder aber verschiebbar aufsitzt. Beim 
Einschneiden findet man nicht selten das suhmucöse Gewebe 
zu einem fahlweissen Schorf verwandelt. Die PlacentarsteUe 
ist häufig der Sitz tiefgreifender Jauchung, die Thromben sind 
meistens ausgefallen, die Venenenden fetzig necrotisch, zwi- 
schen und in denselben chocoladebraune jauchige Flüssigkeit, 
eiterähnliche Massen oder dicker Eiter. Häufig greift die Ne- 
crose weiter in die eigentliche Uterussubstanz, so dass die 
Innenfläche tiefere Aushöhlungen zeigt, und die Muscularis 
selbst in bedeutender Ausdehnung zerfällt. Die Deslruction 
geht entweder an einer oder an mehreren Stellen bis an das 
Peritonäum, welches darüber in einen weisslichen, von der 
Mitte her sich entfärbenden Schorf necrotisirl, so dass end- 
lich eine Perforation des Uterus in dieser Weise zu Stande 
kommt*' 

Dieser von Kloh gegebenen &e$chreibung entspricht auch 
ziemlich genau der Befund an unserem Präparate, so dass kein 
Zweifel obwalten kann, es habe sich im vorliegenden Falle 
um eine solche hochgradige Endometritis gehandeJt, 

Schliesslich möchte ich mir noch erlauben anzuführen, 
dass, obwohl die Wöchnerin während der ganzen Zeit mit an- 
deren Wöchnerinnen dasselbe Zimmer getheilt hat, doch das 
Befinden aller Uebrigen ein durchaus vor treuliches gewesen 
ist. Allerdings ist auch mit Strenge darauf gehalten worden. 



för Gebartshfilfe in Berlin. 13 

dass Nichts von Anderen benutzt worden ist, was mit der 
Kranken irgendwie in Berührung gekommen war. 

Herr Martin bemerkt in Bezug auf den vorgetragenen 
Geburtsfail, dass er selbst Durchbohrungen am Fundus uteri 
nur drei Mal beobachtet habe. Jedesmal sei dies der Fall 
bei Nicht- Wöchnerinnen gewesen , zwei Mal nämlich sei dies 
in Folge von Garcinom, ein Mal von Tuberculose, die von 
der Tuba ausging, entstanden. Was das' Becken anlangt, 
so bemerkt Herr Martin^ dass die allgemein zu engen Becken 
io Berlin, ihm viel seltener zu sein scheinen, als in Jena. Im 
leuteren Orte erinnere er sich besonders zweier ausgezeichne- 
ten Fälle der Art. In dem einen Falle starb die Frau nach 
einer schweren Zangenentbindung an den Folgen der Quet- 
schung der Weichtheile des Beckens. In dem zweiten Falle 
starb die Frau» zwölf Stunden nach der Entbindung, die nach 
voraufgegangener Perforation des kindlichen Schadeis mit der 
Zange beendet worden war. Bei der Section fand sich 
eine Durchreibung der hinteren Wand des Uterus, eine 
Sprengung aUer Symphysen des Beckens und eine Verkürzung 
sämnitlicher Beckenmaasse um einen Zoll. Näheres über diese 
Fälle in Heim: „De pelvi ubique justo minore. Ig. Diss. 
Jena". 

Herr Kristeller fragt, ob die an der rechten Synchon- 
drose gefundenen Veränderungen wirklich als Folgen einer 
Sprengung des Beckens aufzufassen seien, oder ob die Ver- 
schiebung der Knochen an dieser Stelle nicht Folgen einer 
Entzündung seien? 

Herr Scharlau erwidert: der Umstand, dass die Verän- 
derungen nur an der rechten Synchondrose stattgefunden 
hätten, wo eben die Verletzungen überhaupt in diesem Falle 
am stärksten gewesen, deute darauf hin, dass die Entzündung 
Folge der Verschiebung und nicht umgekehrt Ursache der^ 
selben gewesen sei. 

Herr Martin schliesst sich dieser Ansicht an, indem er 
bemerkt, dass an der Möglichkeit einer derartigen Sprengung 
nicht zu zweifeln sei, wie schon der von ihm so eben ange- 
führte Fall beweist, in welchem der Tod so bald nach der 
Entbindung eingetreten sei, dass die Trennungen der Sym- 
physen nicht Folge einer Entzündung sein koi\Qlet\. 



14 I. VerbHodlangen der Gesellschaft 

Herr v. Chatnisso erzählt kurz die Geschichte eines 
Abortus, der acht Wochen nach der Conception eingetreten 
war. Der Fötus, der nicht mehr aufgefimden werden konnte, 
musste dem Verlaufe der Schwangerschaft und der Grösse des 
Eies nach in der vierten Woche abgestorben sein. Das Ab- 
sterben des Fötus war bedingt durch einen Bluterguss in die 
Eihäute, wobei namentlich die Zotten des Chorion auseinan- 
dergedrängt wurden. Herr v. Chamisso demonstrirte an 
mikroskopischen Präparaten die Chorionzotten sehr deutlich 
innerhalb des Blutergusses. 

Herr Grusserow legt auf Wunsch des Herrn Green" 
halgh zu London einen von demselben construirten Becken- 
messer vor. Derselbe soll besonders dazu dienen^ die Distanz 
vom Promontorium zur Symphyse genau zu messen. Derselbe 
besteht aus einem breiten Metallbande, welches durch seine 
Biegsamkeit sich auszeichnet und mit Hülfe eines Gummizuges 
um die Hand zwischen Zeigefinger und Daumen befestigt wird. 
An dem Metallbande befindet sich eine Metallstäbchen, welches 
durch eine sinnreiche Vorrichtung leicht \m und her bewegt, 
aber auch in jeder Distanz unveiTuckbar fest gestellt werden 
kann. Die Entfernung zwischen Promontorium nnd Symphyse soll 
nun in der Art gemessen werden, dass man Zeige- und Mit- 
telfinger der rechten Hand, auf welcher das Instrun)ent befe- 
stigt ist^ in der gewohnten Weise an das Promontorium bringt, 
und nun das oben erwähnte Stäbchen so lange nach vor- 
wärts bewegt, bis es an die Symphyse anstösst. Man kann 
dann leicht an der Hand die Grösse der Conjugata diagöna- 
lis ablesen. Ob und wel6heti Nutzen dieses Instrument in 
der Praxis haben wird, will der Vorzeiger aus Mangel an Er- 
fahrung mit diesem Bc^ckenmesser nicht entscheiden. 

Herr Martin legt der Gesellschaft den von ihm verein- 
fachten Beckenmesser vor, der zur äusseren Beckenmessung 
bestimmt ist, und dadurch, dass die beiden Aitne desselben 
auseinandergeschraubt und die Scala zur Seite geklappt wer- 
den kann, äusserst portativ isL 



für Geburtshttlfe in Berlin. 15 

Sitzung vom 14. November 1865. 

Herr Martin verliest folgende von Herrn A. Voss zu 
Colliiiqhorst in Ostfriesiand eingesandte Geburtsgeschichte: 

Zwei Fälle von Geburtsbehinderung durch Aus- 
dehnung des Bauches der Frucht. 

Im Nachstehenden erlaube ich mir einen Fall vorzufuh- 
ren, d^ nicht allein wegen der indicirlen Operationsweise 
von Wichtigkeit ist, sondern auch wegen der vielen bedeuten- 
den Anomalien an der Leibesfrucht seihst des Interessanten 
viel bietet, und darum mit Recht zu den sehr seltenen Miss- 
geburten zu rechnen ist. 

Der Fall betriill eine 43jährige Primipara, welche etwa 
ein Jahr vor ihrer Niederkunft an einen Wittwer, den Moor- 
colonisten G. L. in der Nähe meines Wohnortes sich ver- 
heiralhet hatte. Derselbe hatte in seiner ersten Ehe mehrere 
gesunde und wohlgebildete Kinder gezeugt. Diese zweite Frau, 
bisher onverheiralhet, vgn schwächlicher Constitution, mittel- 
gross, von schlankem, schmächtigem Körperbaue^ blasser Ge- 
sichtsfarbe, blondem Haare, phlegmatischem Temperamente, 
wurde in der Mitte des August 1860 zum ersten Male in 
ihrem 43. Jahre schwanger. — Im dritten Monate ihrer 
Schwangerschwall erkrankte dieselbe an einer hartnäckigen 
Intermittens in einer Zeit, wo gerade die Febris intermittens 
hier in allen möglichen Formen herrschte, und selbst ande- 
ren Krankheiten sich häufig beigesellte. Erst im December 
erholte sich die Erkrankte, und erfreute sich mehrere Monate 
hindurch einer guten Gesundheit. Im Anfange des letzten 
Monates ihrer Schwangerschafl verlor sie wieder den Appetit, 
hatte ein blassgelbliches, aufgedunsenes Gesicht, klagte über 
grosse Schwäche, leichte Ermüdung; namentlich wurde ihr 
jede Bewegung sehr beschwerlich. Der Unterleib war unge- 
wöhnlich umfangreich, so dass sie selbst eine Zwillingsschwan- 
gerschaft befürchtete. 

Am 14. Hai 1861 Nachmittags 5 Uhr gerufen, fand ich 
die Schwangere im Anfange der Geburtsarbeit. Die ersU^n 
Weben haUen sieb kurz nach Mittag eingestellt , und Iraile^ii 
^mir regelmässig, aber langsam und schwach ein, Deu \iu- 



lg I. Verhandlungfen der Gesellschaft 

teiieib fand ich sehr ausgedehnt, namenüich zu beiden Sei- 
ten. Kindesbewegungen waren kräftig^ besonders in der lin- 
ken Oberbauchgegend zu fühlen. Den Muttermund fand ich 
in der Grösse eines Fönfgroschenstückes geöffnet, ziemlich 
hoch im Beckeneingange stehend und schwer zu erreichen. 
Von der Wasserblase war noch nichts wahrzunehmen. Durch 
den Muttermund Hess sie!) deutlich als vorliegender Theil ein 
runder harter Gegenstand mit einer dreieckigen Gnibe nach 
links erkennen, die ich für die kleine Fontanelle hielt. — 
Ich war vorerst beruhigt in der sichern Ueberzeugung , das 
Kind würde in erster Schädellage zur Geburt kommen, und 
glaubte, der anwesenden Hebamme das Weitere ^getrost über- 
lassen zu dürfen. 

Gegen drei Uhr des folgenden Morgens verlangte indess 
die Hebamme meine Hülfe, weil die eine Hand vorgefallen 
sei. — Die Wehen waren nach meinem Weggange kräftiger 
und rascher geworden, so dass gegen zwei Uhr Morgens der 
Blasensprung erfolgte. Mit dem Abgange des Fruchtwassers 
war eine Hand in die Vagina vorgefallen. Bei der sofort an- 
gestellten Untersuchung fand ich in der rechten Seite des 
Beckens die eine Hand in die Vagina hinabgetreten, den Mut- 
termund völlig geöffnet, die Labien ganz verstrichen. Aus 
der linken Seile des Beckens war der anfangs dort erkenn- 
bare runde Gegenstand mit der dreieckigen Grube verschwun- 
den, und an dessen Stelle weiche rundliche Theile mit einer 
spaltartigen OefTnung in der Mitte getreten. Bei dem Ver- 
suche, die vorgefallene Hand zu reponiren, erkannte ich deut- 
lich an der rechten Seite der hinteren Beckenwand -über dem 
Beckeneingange ein Ohr des Kuides, und es wurde mir da- 
durch die Gewissheit ^ dass ich es mit der zweiten Ge- 
si^sbtslage zu thun hatte; um so mehr da ich nun mit dem 
untersuchenden Finger in der linken Beckenseite am oberen 
Beckenrande das Kinn gewahrte. Auflallend dabei blieb mir 
jedoch die jetzt mehr in der Mitte des Beckens fühlbare 
dreickige Spaltöffnung, die ich unmöglich für die normale 
Mundspaite halten konnte. Eine nochmalige genau angestellte 
Untersuchung brachte mich zn der Vermuthung, das diese 
anomale Oeffnung möglicher Weise eine Hasenscharte 
sew }iönne, wie es sich später auch als richtig herausstellte. 



für Geburtshülfe in Berlin. 17 

iNaclidem icli die vorgefallene Hand reponirt hatte, fiberliess 
ich nun das Weitere vorerst den kräftig eintretenden Wehen. 
Die Hand fiel jedoch nochmals wieder vor; indess gelang es 
mir, diesmal niciit ohne Muhe, dieselbe bis hinter den Kin- 
deskopf zurückzubringen, und das jetzt tiefer ins Becken ge- 
triebene Gesicht verhinderte den abermaligen Vorfall der Hand. 
Nach zweistündigen kräftigen und anhaltenden Wehen kam 
das Gesicht endlich bis zum Beckenausgange. So weit ging 
Alles gut von Statten, und ich hoffte nun bald die Geburt 
beendigt zu sehen. — Indess meine Erwartung wurde sehr 
bald getäuscht. Trotz der kräftigen und andauernden We- 
henthätigkeit war das Gesicht um keine Linie weiter gerückt 
nach stundenlangen Warten. Da die Kräfte der Kreissenden 
anfingen sich zu erschöpfen, und damit die Wehenthätigkeit 
nachliess , sa entschloss ich mich gegen sieben Uhr Morgens, 
die Geburt mit der Zange zu beendigen. 

Schon beim Einbringen der Branchen der Zange erkannte 
ich über dem Beckenoingange einen ungewöhnlichen, zwar 
weichen elastischen Widerstand, welcher aber dem höheren 
Hinaufschieben der Branchen widerstrebte. Indess gelang es 
mir bald nach sechs kräftigen Traclionen den Kopf des Kin- 
des in zweiter Gesichtslage zu entwickeln, indem die linke 
Wange zum Einschneiden kam. Nach der Geburt des stark 
geschwollenen, blau angelaufenen Gesichtes, präsentirte sich 
zunächst eine doppelte Hasenscharte, mit dem üeber- 
gange in einen völlig gespaltenen Gaumen. Neben 
dem Kopfe drängte sich aus dem Scheideneingange in der 
rechten Seite desselben eine dunkelrothe Geschwulst 
hervor, die sich nach der Geburt des Kopfes als ein 
geldbeutelförmiger Fortsatz der Kopfhaut auswies, und auf 
der rechten Sutura lambdoidea aufsass. Gleich nach dem 
Austreten des Kopfes aus den Geburtstheilen machte das 
Kind einige Respirationsbewegungen. Die nächste Wehe för- 
derte die Geburl unerachtet meiner Nachhälfe um nichts 
weiter. Als auch die zweite und dritte Wehe ebenso erfolglos 
waren, suchte ich die Spitzen meiner Finger bis in die 
Achselhöhlen des Kindes hinauf zu bringen, um die W\iV\<itv 
durch kräftigere Tracliowen unterstützen zu Vöi\f\ew. WxftiWx 
mirde mir die abnorme Kürze des Halses aviÄÄWcuA , ?ä 

MoBMUgcbr. f. OeburtHk. 1866. Bd. ÄXVII., Hft 1. 2 



]^3 t* Verhandlungen der Gesellschaft 

dass es mir vorkam, als sässe der Kopf unmittelbar auf den 
Schultern. Obgleich ich nun die Tractionen allmälig von 
der Achselhöhle aus verstärkte, und zuletzt meine ganze Krafl 
aufwandte, war es mir doch nicht möglich, die Entwickelung 
des Kindes aus dem mutterlichen Schoosse weiter zu för^ 
dern, als bis zum Einschneiden der Schultern. Dabei ge- 
wahrte ich zugleich das Ungewöhnliche, dass, sowie ich die 
kräftigen Tractionen einstellte, der Rumpf jedesmal mit einer 
gewissen Vehemenz in die Gehurtstheile bis zum Kinn zu- 
rückschnellte, gleichsam als wenn er von einem starken ela- 
stischen ßande festgehalten würde. Nach vielen Anstrengun- 
gen gelang es mir endlich, die beiden Kindesarme herab- 
und aus den Geburtstheilen heraus zu leit^. Auch die ver- 
einten Tractionen der Hebamme mit mir an den hervorgelei- 
teten Armen vermochten nicht diesen Widerstand im Becken 
zu überwinden. Das Kind war natüi*lich unter diesen erfolg- 
losen Versuchen längst gestorben. In Bezug auf die Natur 
des Geburtshindernisses war mir das Wahrscheinlichste, dass 
dies Hinderniss mit der Leibesfrucht in Verbindung stand, 
um so mehr, da die Elasticität des Widerstandes mir von 
dem kindlichen Körper auszugehen schien. Bei genauerer 
Untersuchung gewahrte ich den Bauch noch fast eben so 
ausgedehnt, als vor der Gehurt des Kopfes, an einigen Stel- 
len teigig-schwappend anzufühlen, besonders zu beiden Seiten, 
an anderen Stellen deutliche Kindestheile. Nachdem ich zur 
inneren Untersuchung neben dem Kindeskopfe meine ganze 
Hand in die Vagina eingeführt hatte, gewahrte ich mit den 
Fingerspilzen eine weiche teigige Geschwulst, welche den gan- 
zen Umfang des Beckeneinganges ausfüllte in der Art, dass 
sie gleichsam von der den Beckeneingang begrenzenden Linea 
arcuata wie eingeschnürt erschien. Eine starke Tractiun, die 
ich während dieser innern Exploration von der Hebamme an 
den Schultern und Armen des Kindes vornehmen liess, über- 
zeugte mich bald, dass der Thorax ins kleine Becken tiefer 
herunter ghtt, der Bauch des Kindes aber nicht folgte und 
sich gleichsam über der Linea arcuata aufliing. Bei stärke- 
ren Tractionen dehnte sich der Thorax des Kindes nach unten 
aus, während die über ihn liegende Geschwulst nach oben 
über den Beckeneingang hinaufgedrängt wurde. Dadurch ent- 



für Gebnrtshülfe in Berlin. 19 

Stand beim plötzlichen Nachlasse der Tractionen das jedesmal 
energische Zurückschnellen der geborenen Theile. Hierdw*cb 
wurde mir nun klar, das Geburtshinderniss müsse sich in 
der ßaucbhöhle des Kindes befinden ; denn von einem zweiten 
Kinde konnte ich bei der angestrengtesten Untersuchung nichts 
gewahr werden. Die weiche, gespannte und anscheinend fluc- 
tuirende BeschafTenheit der Geschwulst führte mich nun zu- 
nächst zu der Vermuthung, dass diese Anschwellung von einer 
beträchtlichen Wasseransammlung im Cavo abdominis der 
Frucht herrühre, und beschloss ich demgemäss, die Para- 
centhese zu machen und das Cavum von seinem ver- 
meintlichen Inhalte zu enfleeren. Da ich aber nur einen ge- 
wöhnlichen Troikart zur Hand hatte, mit dem die Bauchhöhle 
des Kindes direct nicht zu erreichen war, sah ich mich .ge- 
nöthigt, vorher die Exenteration der Brusthöhle vorzunehmen, 
um von hieraus zur Bauchhöhle zu gelangen. Dies war auch 
unter den vorliegenden Verhältnissen für die Mutter der 
schmerz- und gefahrloseste, für mich der leichteste und sicherste 
Weg. — Nach Eröffnung der Brusthöhle fährte idi meine 
Hand mit dem Troikart in dieselbe ein, und stiess densel- 
ben durch das Zwerchfell in die Bauchhöhle ein. Ich erwar- 
tete nun mit einiger Sicherheit, ein Strom Wassers würde 
mir entgegenströmen , und liess , während ich meine Hand 
zunick zog, durch die Hebamme starke Tractionen machen, 
um die Bauchdecken des Kindes zu comprimiren und da- 
durch die Entleerung des Cavum abdominis zu befördern. 
Aber es floss kein Tropfen Wassers ab. — Entweder war 
nun meine Diagnose nicht richtig, oder der Troikart war 
nicht in das Cavum abdominis eingedrungen, möglicherweise 
in die Magenhöhle. Ich musste mir darüber Gewissheit ver- 
schaffen; brachte zu dem Ende die Fingerspitze in die mit 
dem Troikart gemachte Oeffnung, erweiterte dieselbe mit dem 
geknöpften Bistouri soweit, dass ich bequem drei Finger ein- 
führen konnte und mich überzeugte, dass das Cavum abdo- 
minis geöffnet sei. Mit meiner Diagnose eines Ascites als 
Geburtshinderniss war es demnach ein Irrthum; es musste 
eine andere Anschwellung im Cavo abdpminis der Frucht 
existiren. Nachdem ich die Oeffnung im ZwettWeW wod\ 
mehr erwmtert halte, so dass ich die ganze HauA cxtvlvsSM^X!^ 



2Q I. Verhandlungen der Gesellschuft. 

konnte, traf ich bald auf zwei nebeneinander gelagerte eoonn 
grosse Geschwulste, die in der Mittellinie, sobald ich Trac- 
tionen am Kinde machen liess, fest an einander gepresst und 
etwas hinaufgedrängt wurden. Nach Lage und Beschaffen- 
heit der anderen Unterleibsorgaue , dachte ich mir, könnten 
möglicherweise die beiden Nieren die beiden wahrgenomme- 
nen Geschwülste bilden, und es stand jetzt fest, dass diese 
der Geburt des Kindes ein bislier so unüberwindliches Hin- 
derniss entgegengestellt hatten. Welcher Art diese so um- 
fangreiche Degeneration beider Nieren war, liess sich unmög- 
lich schon jetzt bestimmen. Mir lag auch jetzt vor Allem 
am Herzen, wie ich am raschesten ^ind schonendsten die Ge- 
burt beendigte. Ich sah ein, dass ich auch das CaTum ab- 
dominis von einem Theile seiner Organe vorher entleeren 
müsse, um die beiden Geschwülste für den Beckeneingang 
zugänglich zu machen. Nachdem der Magen, die Leber ent- 
fernt waren, suchte ich, während die Hebamme mit einer 
anderen Gehüllin starke Tractioncn am Kopfe und Armen 
des Kindes ausführten, die beiden Geschwülste aus ihrer Ne- 
benlagerung, so viel als möghch war, in der Richtung der 
Beckenaxe zu dislociren, und merkte dann ein allmäliges 
Herabgleiten des kindlichen Körpers. Nun machte icii mit 
den • l>eiden anderen Gehülflnnen vereint unausgesetzte Trac- 
tionen, mit Aufwand aller Kraft; das Hinderniss gab allmälig 
nach, der Truncus rückte immer liefer in's kleine Becken, 
und hatte ich endlich die Freude, nach dreistündiger Arbeit, 
die Geburt noch glückhch für die Mutter beendet zu sehen. 
Das Kind, weiblichen Gescldechts, war ein ausgetragenes 
kräftiges, von etwa zehn Pfund Gewicht Der Zustand der 
Entbundenen, obgleich dieselbe sehr ermattet war, bot Nichts 
Beunruhigendes. Die Nachgeburt entfernte ich nach zwanzig 
Minuten mit LeichtigVeit, und konnte ich es nicht unterlassen, 
bei dieser Gelegenheit mich nochmals genau über die Räum- 
lichkeiten des Beckens zu informiren. Ich koimte nirgends 
eine Abnormität entdecken. Das Hinderniss lag hier allein 
in den Verhältnissen der Frucht, deren Bild ungsfeh 1er ich nun 
noch in Kurzem beschreiben will. 

Trotzdem, dass ein grosser Theil der Eingeweide aus 
fffim Cava ahihmiiiis entfernt war, zeigte der Unterleib des 



fiir Goburtshülfo in Berlin. 21 

Kindes noch eine enorme Ausdehnung. Obgleich d(T Valer 
«les Kindes, einem hier zu Lande herrschenden Aberglauben 
huldigend, der Section anfangs durchaus sich widersetzte, 
gtlang es mir doch, ihn daliin zu bringen, dass er mir end- 
lich gestaltete, den Unterleib des Kindes zu öffnen. 

Am Hinterhaupte befand sich ein Gehirnbruch, aus- 
serlich sich darstellend als ein drei Zoll langer , 7* Zoll breiler, 
in eine slumpfe Spitze verlaufender beuteiförmiger Fortsatz 
der Kopfliaut. Derselbe halte seinen Sitz in der Nahe der 
kleinen Fontanelle auf der rechten Sutura lambdoidea; aus- 
serlich mit spärlichem Haare besetzt. Die Eröffimng dessel- 
ben durch einen Längsschnitt zeigte im Innern des Beutels 
nur eine geringe Quantität wässeriger röthlicher Flüssigkeit, 
mit ßlulcoagulis und weissen Stückchen, die das Ansehen 
von Gehirnpartikeln hatten, untermischt. An der Basis com- 
municirte dieser Sack durch eine runde Oeffhung von der 
Grösse eines Groschens in der Sutura lambdoidea dextra mit 
der Schädelhöhle. Nach innen war der Sack mit einer dun- 
kel gerötheten gelassreichen Membran bekleidet, die sich in 
die Schädelhöhle fortsetzte. Der übrige Kopf war normal 
gebildet, dessen Durchmesser von der Grösse einer ausge- 
tragenen Frucht. Die Eröfl'nung der Schädelhöhle wurde nicht 
erlaubt. 

Das Gesicht war durch eine doppelte Hasenscharte, 
die in einen gespaltenen Gaumen überging, verunstaltet. 

Als sehr auffallend erschien mir der im Verhall niss zur 
übrigen Körperstatur zu kurze FI als. Der Kopf schien un- 
mittelbar auf den Schultern zu sitzen Wahrscheinlich fehlten 
ein oder mehrere Halswirbel; leider konnte ich mich davon 
nicht überzeugen. 

Eben so auflallend war die enorme Kürze beider 
Oberarme und Oberschenkel von 2V2 Zoll Lfmge; 
während die Vorderarme und Unterschenkel die normale Länge 
hatten. 

An Händen und beiden Füssen, mit Ausn^mie der rech- 
ten Hand, war ein überflüssiger kleiner Finger und 
Zehe. 

Beide Füsse erschienen als Pedes vari. 

Bei Eröffnung des enorm ausgcdelmlen \3wtoW\>ö«?>, 



22 ^* Verhandlungen der Gesellschaft 

drängten sich sofort zwei voluminöse nebeneinander gelagerte 
Körper mit ihrer Convexität nach vorn in die Schnittfläche. 
Sie hatten beinahe die Form und Grösse zweier Kinderschä- 
del. Fast die ganze Bauchhöhle wurde von ihnen ausgefüllt. 
Sie iiatten eine blassröthliche Farbe, eine glatte convexe 
Oberfläche, eine straffe durchscheinende ödemalöse Textur. 
Der Längendurchmesser der einzelnen Geschwülste , der mit 
der Längenachse der Frucht coincidirte, betrug fünf Zoll, der 
quere SVs Zoll. In der Mittelhnie des Bauches lagen beide 
Geschwülste fest aneinander in der Art, wie die beiden Ge- 
hirnhemisphären, ohne mit einander verwachsen zu seim Bei 
näherer Untersuchung ergaben sich diese Geschwülste als die 
beiden Nieren, die durch eine hydropische Degeneration ein 
solches enormes Volumen erlangt halten. Beide Nieren waren 
von gleichem Umfange; beide Geschwulste nahmen ihren Ur- 
sprung aus der Nierengegend, sassen mit ihrer hintern Fläche 
auf dem Musculus quadrat. lumbor., während ihr übriger Um- 
fang frei in die Bauchhöhle ragte, und hatten im allgemeinen 
die Gestalt der Nieren bewahrt. Ein Druck mit dem Finger 
auf ihre Oberfläche hinterhess eine Grube, die aber rasch 
wieder verschwand. Durch einen Längenschnitt spaltete ich 
nun die Tumoren in zwei gleiche Hälften bis auf den Grund 
(Basis). Aus beiden Schnittflächen entleerte sich eine hell- 
gelbe klare Flüssigkeit erst beim stärkeren Druck, ähnlich 
wie aus einem Schwämme, und die ganze Nierensubstanz 
erschien von dieser wässrigen Flüssigkeit infiltrirt. Dieselbe 
hatte einen ganz schwach salzigen Geschmack. Weder die 
Cortical- noch MeduUar-Substanz liess sich mehr unterschei- 
den, ebensowenig die Tubuli uriniferi und die Pyramides; 
auch die Papillen und Calyces waren nicht genau zu erken- 
nen, und erschienen alle als eine von Wasser infiltrirte gleich- 
förmige Masse. Nur am Hylus zeigte sich ein kleiner häu- 
tiger Sack, ohne Zweifel das Nierenbecken, welches sich in 
zwei häutige Canäle fortsetzte, die Ureteren. Diese waren 
aber nur angedeutet, und verUefen blind in die Ligamenta 
uteri lata, mit denen sie verwachsen waren. Von dem Nie- 
renbecken aus drang die Sonde in diese Appendices nur einen 
halben Zoll tief ein, und stiess auf das blinde, geschlossene 
Ende. Unterhalb der Geschwülste verlief das Colon zur 



für Geburtshülfe in Berlin. 23 

Flexura sigmoidea hinab. Am unteren stumpfen convexen 
Ende einer jeden Niere lagen zu beiden Seiten die Ovarien 
und breiten Mutterbänder mit den Tuben, in deren Mitte 
der Uterus, durch lockeres Zellgewebe an die Symphysis os- 
sium pubis angeheftet; denn vergebens suchte ich nach der 
Harnblase. Sie fehlte ganz, eben so die Urethra. 
Um vor jeder Täuschung sicher zu sein, nahm ich die ge- 
naueste Untersuchung der äusseren Geschlechtstheile vor. Die 
Labia majora waren durch ein Paar kleine Hautfalten ange- 
deutet, die Labia minora, sowie die Clitoris waren nicht zu 
erkennen; eben so wenig liess sich die äussere Oeffnung der 
Urethra entdecken, die nur durch ein kaum bemerkbares 
blindes Grubchen über dem Introitus vaginae angemerkt war, 
aber selbst die feinste Sonde keine Linie tief aufnahm. Da- 
gegen zeigte sich die Vagina vollständig entwickelt, und drang 
die Sonde mit Leichtigkeit in den Scheideneingang bis zum 
Muttermunde hinein. Die Aiteröffnung war ebenfalls normal 
und durchgängig und durch das Perinaeum deutlich von dem 
Scheideneingange getrennt. 

Weitere Untersuchungen an dem Kinde wurde mir leider 
nicht zugestanden. 

Die Nabelschnur war von gewöhnlicher Länge, aber bis 
zu ihrer Insertion in die Placenta stark ödematös ge- 
schwollen. An der Nachgeburt selbst war sonst nichts Ab- 
normes wahrzunehmen. 

Die Entbundene, die eine so schwierige Operation glück- 
lich überstanden hatte, blieb nicht allein von allen gefahr- 
drohenden Zufällen verschont, sondern erholte sich ziemlich 
rasch, so dass meine ärztliche Hülfe gar nicht weiter in An- 
spruch genommen zu werden brauchte. Sie wurde später 
nochmals schwanger, und gebar nach ungestörtem Verlaufe der 
Schwangerschaft mit Leichtigkeit einen gesunden wohlgebil- 
deten Knaben, der noch am Leben ist. 

AU ich eben die Aufzeichnung des Vorliegenden Falles 
beendet hatte, wurde ich am 29. Juli dieses Jahres zu einem 
^ ähnlichen Falle gerufen, der ebenfalls die Embryotomie so un- 
vorhergesehen nöthig machte. Da dieser Fall zugleich auch 
wegen der an der Frucht gefundenen Missbildung von Inter- 



24 I- Verhandlungen der Gesellschaft 

esse ist: so erlaube ich mir, denselben in wenigen Worten hier 
änzuschliessen. 

Es betrifll dieser Fall eine 22 jährige Primipara, Namens 
•7. (r», ebenfalls in der Nahe meines Wohnortes. Dieselbe 
war vor und während ihrer Schwangerschaft stets gesund ge- 
wesen, von kräftiger Constitution, gedrungener Statur, blühen- 
der Gesichtsfarbe, hatte rothlich blondes Haar. 

Die seit etwa zwölf Stunden anwesende Hebamme berich- 
tete mir: Bei normaler Wehenthätigkeit sei das Fruchtwasser 
vor mehreren Stunden abgeflossen, worauf der Kopf in erster 
Schädellage tiefer ins Becken getreten. Seit geraum zwei 
Stunden stehe der Kopf im Beckenausgange; sie bemerke 
eine pralle Geschwulst an demselben, und da nun die Wehen 
fast ganz ausblieben, habe sie mich zur ferneren Hülfe rufen 
lassen. 

Ich fand den Unterleib der Mutter ungewöhnlich, nament- 
lich zu beiden Seiten ausgedehnt, so dass ich dadurch zunächst 
zu der^Vermuthung einer Zwillings -Schwangerschaft geführt 
wurde. Den Kopf des Kindes fand ich im Beckenausgange 
feststehend, und zwar das rechte Stirnbein unter dem Scham- 
bogen, die grosse Fontanelle von einer schwammigen Ge- 
schwulst bedeckt, die kleine Fontanelle in der linken hinte- 
ren Seite des kleinen Beckens; also die vierte Schädellage. 
Der Muttermund war bereits ganz verstrichen und geöffneL 
Obgleich die Kreissende vor kurzer Zeit noch Kindesbewegun- 
gen bemerkt zu haben glaubte, konnte ich solche doch nir- 
gendS; ebenso wenig den Herzschlag gewahren. Nach Verlauf 
einer halben Stunde stellten sich nach Darreichung einiger 
Dosen Secale conutum, die Wehen zwar kräftig ein, allein 
ohne den Kopf tiefer hinabzutreiben. Ich entschloss mich 
daher die Geburt mit der Zange zu beendigen. Die Ent- 
wickelung des Kopfes gelang auch rasch und leicht, nachdem 
vorher noch wegen der grossen Enge der Schamspalte die 
blutige Erweiterung derselben nöthig geworden war, um einen 
Dammriss zu vermeiden. Nach einigen Tractionen trat das 
Hinterhaupt über den Damm hervor, während Stirn, Nase und 
Kinn sich unter dem Schanibogen hervordrängten. Die Stirn 
war in grossem Umfange von einer schwarzrothen schwam- 
migen Geschwulst bedeckt; beide Augen des Kindes fehlten 



für Geburtshülffs in Berlin. 25 

gänzlich. Als nach der Geburt des Kopfes bei kräftigen We- 
hen die Geburt des Kindes nm nichts weiter rückte, und 
durchaus keine Lehenszeichen, vielmehr alle Anzeichen des 
bereits erfolgten Todes von Seiten des Kindes sich kund ga- 
ben, versuchte ich die Schultern zu entwickeln, um so eine 
kräftigere Handhabe für die Tractionen zu gewinnen. Es 
gelang mir zwar, die Arme neben dem Kopfe aus den Ge- 
burtstheiien herauszuleiten ; aber die Schultern zur Geburt zu 
tordem, war nicht möglich. Bei dieser Gelegenheit überzeugte 
idi mich, dass kein zweites Kind mehr im Becken sei; zu- 
gleicii aber gewahrte ich eine enorme Ausdehnung des nach 
vom und rechts gelagerten Unterleibes der Frucht als das- 
jenige Hinderniss, welches sich der weiteren Austreibung der 
Frucht entgegenstellte. Um dies Hinderniss zu überwinden, 
durfte ich an den Armen und am Kopfe keine stärkeren Tractio- 
nen mehr vornehmen, indem ich bemerkte, dass bei den vor- 
herigen Tractionen die leicht zerreisbare Musculatur und die 
Wirbelverbindungen am Halse nachgaben und auch wirklich 
!»c!ion bedeutende Einrisse an den Schultern und Halswirbeln 
entstanden waren. Unter diesen Umständen sah ich mich 
abermals veranlasst, die Exenteralion der Brust vorzunehmen, 
um von hier aus, weil ich eine freie Wasseransammlung in 
der Bauchhöide der Frucht mit einiger Sicherheit vermuthete, 
die Paracenthese der Unterleibshöhle zu vollziehen. Denn ich 
sah keine Möglichkeit, ohne Gefahr einer Verletzung der Kreis- 
senden, oder auf einem mehr schonenden Wege mit dem ge- 
wöhnlichen Troikart den Unterleib der Frucht zu erreichen. 
Nach vollbrachter Exenteration der Brusthöhle punktirte ich 
von hieraus das Zwerchfell, und indem ich zugleicti mit dem 
Zurückziehen meiner Hand aus den Geburtstheilen am Kinde 
leichte Tractionen machen Hess, stürzte mir eine enorme 
Wassermenge entgegen. Jetzt erfolgte die völlige Extraction 
des Kindes sehr leicht. Die Austreibung der Nachgeburt ge- 
schah ^/4 Stunde später. Die Mutter erholte sich bald und 
ist bis zum heutigen Tage gesund geblieben. 

Das Resultat der mir von den Eltern gestatteten Section 
des neugeborenen Kindes, so gut sich dieselbe beim Lampen- 
licht vornehmen liess, war folgendes: 

Der Kopf zeigte normale Durchmesser. Die GescVvvixA^X^ 



26 ^' Verhandlan^en der Oesellschaft 

die, wie oben erwähnt, von dunkelblaurother Farbe war, er- 
streckte sieb über beide Stirnbeine bis über die grosse Fon- 
tanelle hinaus auch auf die vordere Partie der Seitenwand- 
beine, hatte eine halbkugelige Form, und war teigig anzu- 
fühlen. Ich verrauthete eine Communication derselben mit 
der Kopfböhle, zumal da die Stirnbeine in der Sutura fron- 
talis ziemlich weit auseinander klaßtcn; konnte aber eine 
Oeffnung, die in die KopfiiöhJe führte, weder in der Sutur, 
noch in der grossen Fontanelle entdecken. Die Gi*schwuist 
war ganz mit schwarzrothem festen ßlutcoagulum gefüllt, wel- 
ches mit dem Pericranium ziemlich fest verwachsen war. 
Nach Eröffnung der Dura mater in der Mitte der Fontanelle 
und der Sutura frontalis fanden sich die beiden Geliirnhemi- 
s|>h§ren, von dem Processus falciformis der Dura mater ge- 
schieden, von normaler Beschaffenheit. — Im Gesicht war 
das Auffallendste der vollständige Mangel beider Au- 
gen, deren Höhlen nur durch zwei flache, von der äussern 
Haut überzogene, Grübchen zu beiden Seiten der Nasenwur- 
zel kaum angedeutet waren. Ein vorsichtiger Einschnitt in 
die Längsachse dieser Grübchen von der Nase nach der 
Schläfe hin liess in der Tiefe den verschrumpflen Bulbus 
oculi mit getrübter faltiger Hornhaut erkennen. Die Organe 
der Brusthöhle schienen, sowie sich nach geschehener Exenteration 
noch erkennen liess, von normaler Deschaffienheit zu sein. — 
Nach Eröff'nung der durch die vorherige bedeutende Span- 
nung des Ascites jetzt sehr erschlafften Bauchdecken gewahrte 
man in der Unterleibshöhle Leber und Magen normal, die 
Milz sehr vergrössert. Der vom fehlenden Omentum niajus 
ganz entblösste Dünndarm war in einem festen Convolut von 
der Grösse eines Taubeneies ganz vor dem linken Lebcrlap- 
pen hinaufgedrängt, nur das Coecum, Colon ascendens und 
descendens in normaler Lage und Beschaff'enheit. Die linke 
Niere mit dem Ureter fehlte ganz und gar. Die rechte 
Niere dagegen zeigte sich unter der Leber in normaler Lage 
und Grösse, und aus ihr lief der Ureter zur Blase hinab. 
Diese war mit einem länglichen festen Körper, der sich nach- 
her als der Uterus erwies, innig verwachsen. An diesem 
waren die Tuben deutlich erkennbar; die Ovarien fehlten. 
Hinter dem Uterus stieg das Rectum zum Anus hinab. Die 



für Oeburtshülfe in Berlin. 27 

Ossa pubis waren in der Symphysis weit von einander ge- 
lrennt, die grossen und kleinen Schamlippen fehlten, und vor 
der Afleröffnung zeigte sich nur eine rundliche OefTnung als 
gemeinschaftliche Mündung für die Urethra und Vagina. Die 
vollzähligen Finger und Zehen waren bis zur dritten Phalanx 
schwimmhautartig verwachsen, die Füsse klunipfussartig. Die 
Nachgeburt zeigte, ausser der grossen Dunnheit des Stranges, 
nichts Abnormes. 

Herr Wegscheider erinnert sich aus seiner Praxis haupt- 
!Ȋchlich eines Falles von so bedeutender Nierenentartung, dass 
dadurch eine Geburtsbehinderung eingetreten sei. In diesem 
Falle hatte W. die Zange wegen sehr langen Kreissens an 
den vorliegenden Kopf applicirt, konnte diesen aber erst ent- 
wickeln, als nach einem heftigen Ruck und gleichzeitigem 
Abgleiten der Zange eine bedeutende Menge Wasser hervor- 
gesturzt war. Es ergab sich, dass es sich um einen ge- 
platzten Hydrocephalus gehandelt hatte. Das eigentliche Ge- 
burtshinderniss zeigte sich jedoch nun erst bei der Geburt 
des Rumpfes, der nur mit der grössten Anstrengung ent- 
wickelt werden konnte. Als Ursache der colossalen Vergrös- 
serung des Unterleibes der Frucht ergaben sich die bedeu- 
tend entarteten Niereu, deren jede fast die Grösse eines 
Kindskopfes hatte. Die Nieren sind von Virehow in den 
Würzburger Verhandlungen vom Jahre 1854 (Würzburg 1855) 
S. 453 und auch in den Verhandlungen der gehurt shülflichen 
Gesellschaft Dnd. III. S. XXIII. als hochgradig cystös entar- 
tete beschrieben worden. 

Herr Klebs macht darauf aufmerksam, dass man die 
Obliteration der Harnröhre in dem mitgetheilten Falle nicht 
in ätiologischen Zusammenhange mit der cystösen Niereneut- 
artung bringen dürfe, da selbstständige Cysten bildungen in den 
Nieren auch so, wohl in Folge von interstitieller Nephritis, im 
spätem Leben vorkämen. Dass auch im Fötus dergleichen 
im Spiele sein könne, darauf deute der Umstand hin, dass 
derartige Fälle, wie auch der vorliegende, fast immer mit 
einer grössern Reihe anderweitiger Störungen verknöpft sind. 
Allerdings komme auch eine zweite Art von cystischer Degenera- 
tion der Nieren vor, bei der eine Obliteration der Ureleren 



28 I- Verhandlungen der- Gesellschaft etc. 

gcwölinlich die Ursadic sei. Diese Fälle seien aber iuiiner 
mit Verkleinerung und Schrumpfung der Nieren verbunden. 

Herr Krieger erwäbnl gelegentlich des Defcctes der 
Augen in dem einen vorgetragenen Falle, dass er einen ahn- 
lichen bei einem lebenden zwei Jahre alten Kinde beobachtet 
habe. Das Kind war mit Defect beider Augen geboren. Bei 
der Untersuchung konnte man die oberen Ränder der Orbi- 
tae deutlich fühlen. Die Augenhölilen erschienen leer. Die 
unteren Ränder waren nicbt fühlbar, sondern hier war eine 
Promhienz, die als Bulbus gedeutet werden konnte. Das Kind 
schien sogar eine leise Lichtempfindung zu besitzen. \\\\ Krieger 
wies das Kind in die v, GVae/e'sche Klinik und hat über 
sein ferneres Schicksal nichts vernommen. 

Herr Martin erinnert sieb einer Fussgeburt, die sein* 
schwer verlief wegen grosser Ausdehnung des kindlichen Biui- 
ches. Das Kind machte nach der Geburt einige unvollkom- 
mene Athembewegungen und starb. Die Section ergab eine 
bedeutende Flüssigkeitsansammlung im Peritonäum bei enor- 
mer Hypertrophie des Pancreas, die Herr Prof. Förster nach 
seiner Untersuchung als Folge eines entzündlichen Processen 
betrachtete. 

Herr Hüter (als Gast) trug seine Untersuchungen ilber 
die Lymphgefässe der Decidua und über die fehlere Anord- 
nung des Amnionepithels unter Vorzeigung mikroscopischer 
Präparate vor. (Vergl. Ceutralblatt für die medicinischen Wis- 
senschaften. 1865. Nr. 41.) Der Vortragende behält sich eine 
ausführliche Veröflentlichung seiner Untersuchungen an einem 
anderen Orte vor. 



II. Künekp, üebfir die NJtffelo'sohe Obliquität do 8 Schädels. 29 



II. 

lieber die Nftgele'sche Obliquität des Schadeis. 
Ein Vortrag 



Dr. W. KAneke, 

Prlvattlooent in Oüttingeii. 

• 

Es sind l»ekannllicii drei Obliquilälen des Sciiadols zum 
Beckeiieingange besr.iiriehen worden. Die erste ist die von 
Solayr^s de Renhac und Sc^xtorph, der gemäss der Schä- 
del mit seinem sagitluien Durchmesser im obliquen Durch- 
messer der oberen Apertur steht; die zweite diejenige, wo- 
nach das Hinterhaupt dem Vorderhauple vorangeht, und dii* 
dritte die Nägele's^cha oder biparietale Obhquitäl. 

Unter diesen ist es die letztere, welche als unangefoch- 
tenes Gesetz des Geburtsmechanismus bis jetzt feststeht. 

Die bedeutende Autorität Naegele's, sowie die exacte 
Methode seiner Forschung gaben den Ausprüchen dieses Man- 
nes eine so unbedhigte Geltung, dass es noch heute als ein 
kühnes Unternehmen erscheint, dieselben in Zweifel zu ziehen. 

Nichtsdestoweniger will ich den Versuch wagen, meine 
auf fremde Forschungen und eigene Untersuchungen begrün- 
deten abweichenden Ansichten und Ergebnisse Ihnen, meine 
Hen-en, zu nachsichtiger Prüfung vorzutragen. 

Ich behaupte nämlich die Nichtexistenz 
der Nägele'scheu Obliquität, dagegen das 
directe Eintreten des Schädels in den Be- 
ck ene ingang. 

Der Begriff der Nägele' scheu oder biparietalen Obliquität 
bestimmt sich bekanntermaassen dahin, dass der transversale 
DuiThmesser des fötalen Schädels den sagittnlen Durchmesser 
des Beckeneinganges in ihr Art winklig schue.iAel, iiÄ^'Ä v\wc 



30 ^^' Küneke, Ueber die NHgele'sche Obliquität des ScbKdels. 

vordere Theil jenes unter diesen herabsinkt, wäiirend der 
hintere über demselben sich befindet ; oder mit anderen Wor- 
ten: das nach vorn liegende Scheitelbein steht zum Becken- 
eingange tiefer als das nach hinten befindliche. Supponiren 
wir für unsere Betrachtungen die erste Stellung, so ist dem- 
nach das rechte Scheitelbein das tiefer, das linke das höher, 
stehende. 

Der ältere Nägele hat diese seine Entdeckung in MeckeFs 
Archiv vom Jahre 1819 bekannt gemacht. Später ward die- 
selbe durch den jüngeren Nägele in seinem Buche: Die 
Lehre vom Mechanismus der Geburt v. J. 1838 reproducirt 
und ausführlicher dargelegt. Wir wollen uns jedoch hier an 
die Angaben des Entdeckers halten. 

Der ältere Nägele sagt: 

„Der Kopf hat am Beckeneingange keine gerade, son- 
dern eine ganz schiefe Stellung , so dass der am niedrigsten 
oder tiefsten stehende Theil nicht der Scheitel oder die Pfeil- 
naht ist, sondern das rechte Scheitelbein.^' 

Diesen Satz, welcher eben so richtig als falsch sein kann, 
wollen wir vor der Hand keiner Kritik unterziehen. 

Dagegen müssen wir gleich die fernere Behauptung: „die 
Pfeilnaht ist dem Vorgebirge des Kreuzbeins ungleich naher 
als den Schossbeinen, und theilt fast quer den rückwärts 
ragenden Muttermund in zwei sehr ungleiche Theile"* näher 
betrachten. 

Die Untersuchung des im Beckeneingange befindliclien 
Schädels ist nicht ohne namhafte Schwierigkeiten auszufüh- 
ren. Matthews Duncan in seinen Aufsätzen über den Ge- 
burtsmechanismus und über das Verhalten des Mutlermun- 
des im Edinburgh raedical Journal v. J. 1861 und William 
Leishman in seinem Buche über den Geburtsmechanismus 
V. J. 1864 heben diesen Umstand ebenfalls ausdrücklich her- 
vor. Mit einem Finger sind die Verhältnisse meist nicht zu 
Consta tiren. Duncan untersucht daher mit der ganzen Hand 
und Leishman wendet zum Messen „Prof. Buchanan's rec- 
tanguiären Stab zum Steinschnitt'' an. Ich halte indess beide 
Methoden für mindestens überflüssig, und bin fast immer mit 
flfer Untersuchungswehe ausgekommen, Vielehe uus Michaelis 
^ur Messung der Diagon alconjugaia geAeferV V\v\V, \\ä«vY\c\\ w[\V 



II. KUneke^ Ueber die NSgele'sche Obliquität des SchKdels. 31 

tels der vereint eingeführten Zeige- und Mittelfinger. Und 
hier, wenn man nur die Finger genau in der Beckenaxe 
leitet, steUt es sich heraus, dass der von Nägele angegebene 
Verlauf der Pfeilnaht nur scheinbar ist, und dass in Wahr- 
heit diese]L»e in gleicher Entfernung von Promontorium und 
Symphyse absteht. 

Was den Muttermund betrifft, so durfte derselbe wohl 
kaum beweiskräftig sein, da seine Lage und Richtung, wie 
auch Dvncan und Leishman anerkennen, gar zu variabel 
ist. Ilebrigens muss ich bemerken, dass derselbe der 
Regel nach doch auf der Mitte des Scheitels sich befindet. 

Nägele schreibt ferner: „Je höher der Kopf steht, 
desto schiefer ist seine Stellung, weshalb auch das rechte Ohr 
meistens ohne Schwierigkeil hinter den Schambeinen gefohlt 
werden kann, was nicht der Fall sein wurde, wenn der Kopf 
eine gerade Stellmig hätte.'' 

Diese angebhche Lage des Ohres bietet der Kritik eine 
höchst bequeme Gelegenheil, und jene Behauptung ist ganz 
geeignet uns gegen die inductive Forschungsmethode Näge- 
le'», die er allerorten so sehr betont, mistrauisch zu machen, 
und Zweifel an der Treue seiner Beobachtungen einzuflössen. 
Das Ohr wird ja eben nicht hinter der Symphyse gefühlt, 
sondern das Scheitelbein, und selbst wenn man zwischen 
Symphyse und Schädel mit dem Finger empor dringt, so 
lässt sicli das Ohr, wie auch Leishman bestätigt, doch 
nicht ohne beträchtliche Schwierigkeit berühren, das Ohr, 
welches demnach gerade so wenig vorliegt, wie etwa der 
Steiss. Es scheint denn auch, dass nientand diese Behaup- 
tung Nciegele's hat bestätigen können und ich bin gewiss, 
keiner von Ihnen, m. H. , hat bei der Schädelstellung, um 
die es sich hier einzig handelt, jemals das Ohr als vorlie- 
genden Theil gefühlt. Ich brauche kaum ausdrücklich zuzu- 
geben, dass das Ohr in seltenen Fällen an dem erwähnten 
Orte gefunden wird, allein das sind Schiefstellungen des Schä- 
dels, s. g. Ohrlagen, die uns hier gar nichts angehen. Es 
ist also evident, dass Nägele nur seiner Theorie zu Liebe 
das Ohr hinter die Schambeine gelegt lial. 

^Es coincidirt demnach,'' ßhrt A^. fori, „\)e\wil>UTdv^^Tv%«i 
/Ä? grössle Breite des Schädels (von einem Tu\\ct ^^mVA^ 



32 IT. KÜn€ike, Ueber die Nä);ele*flchß Obliqaitltt des SchSldels. 

zum andern) wie dessen Grundfläche der Breite nach natür- 
lich nie mit den Durchmessern des ßeckeneinganges/' 

Selbstverständlich meint er mit letzteren die sagittalen Durch- 
messer des Einganges. Und somit erfahren wir denn genau, wie 
die im ei*sten Satze aufgestellte Obliquität zu verstehen ist, 
nämlich als Obliquität des Schädels zum Becken. 
Und gerade diesen schiefen, indii^ecten Eintritt des Schädels 
hält er für besonders vortheilhaft und erleichternd für den 
Durchgang. Nun aber wird dieser Mechanismus als Normal- 
mechanismus gar nicht beobachtet. Vielmehr treten die trans- 
versalen Durchmesser des Schädels durch die sagitlalen des 
Beckeneinganges, so dass die Conj. vera mit dem kleinen 
transversalen des Schädels, dem bitemporalen, ungefähr zu- 
sammenfällt. Wo dies hingegen nicht «ler Fall ist, wo eine 
wirkliciie Schiefstellung, eine Ohrlage, besieht, da ist bekannt- 
lich die Schwierigkeit des Mechanismus mit Recht überaus 
gefürchtet und kann zu operativen Eingriffen \ßranlassung 
geben. 

Als ferneres Argument für die Lateralflexion des Schädels 
zieht Nägele den Ort des Caput succodaneum heran. 

„Diese Geschwulst, sagt er, befindet sich auf dem rech- 
ten Scheitelbeine nahe am oberen Bande desselben fast in 
gleicher Entfernung von den beiden Winkeln; zuweilen er- 
streckt sie sich auch mit einem kleinen Tbeile über die 
Pfeilnabt hinaus auf das andere. Scheitelbein. Ihr Umfang 
richtet sich nach der Weite der Muttermundsöfl'nung. 

Es kann sich hier natürlich nur um diejenige Anschwel- 
lung handeln, welche entsteht, so lange der Schädel sich in 
der oberen Apertur beflndet, und die vom jüngeren Nägele 
als erste Kopfgeschwulst bezeichnet worden ist. Diese kann 
imn erst dann zu Stande kommen, wenn der Schädel nach 
erfolgtem Blasensprunge bereits ein gewisses Engagement mit 
der oberen Apertur eingegangen ist und bildet sich auch hier 
am Locus minoris resistentiae. A^. legt diesen Ort — so 
verstehe ich wenigstens seine Worte — richtig auf den 
Scheitel in die Mitte zwischen beide Fontanellen, aber mehr 
auf das rechte als auf das linke Scheitelbein, genau an die 
Stelle, welche er früher der Oeflimng des Muttermundes ge- 
geheu hat. 



IT. Kümeke, lieber die Kä^ele'sche Obliquität des SohHdelH. 33 

Die eingebenden Studien über den Ort der Kopfgeschwulst 
von Duncan,j welchen Leishman, sich ihren Resultaten an- 
schliessend, zwar das Epitheton „ingeniös'' beilegt, bringen 
in der fraglichen Beziehung nach meiner Ansicht gleichwohl 
nichts Neues, noch weniger die Controverse Aufklärendes. 
Denn abgesehen davon, dass der Ort des Muttermundes, wie 
wir wissen, variabel ist, bleibt die Bildung dieses Tumors 
eine seltene Erscheinung, und kommt noch seltener zur Be- 
obachtung; so dass ich wenigstens — ich gestehe es — . 
nus Mangel an genügender Erfahrung nicht wage, die Anga- 
ben Kägele*s hierüber einer Beurtheilung zu unterziehen, und 
ich möchte Sie, m. H., bitten, in diesem Punkte meinen 
lückenhaften Kenntnissen zu Hülfe zu kommen. Jedenfalls 
bleibt es mir mindestens auffallend, dass Nägele den in HeiUi 
stehenden Umstand unter sonst normalen ßeckenverhaltnissen 
so genügend zu beobachten Gelegenheit hatte, um damit seine 
Theorie stützen zu können. 

Noch eines Umstandes, nämlich der Haltung der Frucht 
bei der Schiefstellung Nägele*»^ muss ich hier erwähnen. 
Derselbe ist zwar von Nägele selber nicht ausdrücklich aus- 
gesprochen, doch aber von anderen als logische Consecfuenz 
seiner Lehre hinzugefügt worden. Aus dieser ergäbe sich 
nämlich mit Nothwendigkeit in Folge der f.ateralflexion des 
Kopfes, dass die eine Seite desselben, und zwar die nach 
hinten befindliche der hnken Schulter entsprechend genähert 
wäre, je mehr oder weniger innig derselben aufläge; die 
vordere Seite dagegen .von der rechten Schulter in dem näm- 
lichen Grfdc sich entfernt habe^ der Flals also eine bedeu- 
tende Flexion um seinen Sagittalen erleide. 

Diese Annahme dürfte kaum eine grössere Wahrschein- 
lichkeit für sich haben, als die sehr ähnliche Angabe Sil* 
Fielding Ould*^^ welcher bekanntlich die sonderbare Vor- 
stellung hatte, dass, da die Schädellänge im Queren einträte, 
zugleich aber der Rücken der Frucht nach vorne gerichtet 
sei, das Kinn auf der Schulter ruhen müsse. Icli meine, 
dass diese Consequenz der Nägele'^di^w IFypolhesen ganz 
geeignet ist, auch den letzten Anhänger von der Lehre Nä- 
gele*% abwendig zu machen. 

UoDaMAebr. /. Oebartitk. 1866. Bd. XXYU., Hfl. 1. *^ 



34 n. Küneke, Ueber die Nüg'Oc'äche Obliquität des Sch&dels. 

NaclHicm ich so gegen die Lehre Nägele'?» von der 
Obliquität des Schädels zum Beckeneingange in negiren- 
der Weise arguinenlirt habe, liegt es mir nunmehr oh, auch 
den positiven Beweis dagegen durch den Nachweis der 
wirklichen Stellung und zwar für das s. g. directe Ein- 
treten des Schädels in den Beckeneingang zu fuhren. 

Es ist zunächst der soeben berührte letzte Punkt, der 
von der Abweichung von der normalen Haltung des Fötus, 
von der Lateralflexion des Halses, weichen Duncan in Edin- 
burgh und Leishman in Glasgow gegen die Lehre Nägele'» 
und ffu' das directe Eintreten des Schädels in die obere 
Apertur benutzen. 

Duncan a. a. 0. sagt: „Wenn man sich erinnert, dass 
die Axe des kindhchen Körpers , die Axe des Uterus und die 
Axe des ßeckeneinganges durch die nändiche Linie repräsen- 
tirt werden, so kann die Biegung des Halses nicht stattfinden, 
sondern der Fötus muss bei der Geburt dieselbe Haltung bei- 
behalten, die er schon vorher im Uterus hatte, d. h. der 
Kopf stellt sich mit feiner Vertic<ilaxe in rechtem Win- 
kel auf die Eingangsiluche des Beckens/' 

Weim aucl) an dieser Argumentation an sich nichts aus- 
zusetzen ist, so hat sich doch Duncan meiner Ansicht nach 
den Punkt, auf den es hier besonders ankommt, und der 
freilich implicite darin liegt, nicht klar und ausdrücklich her- 
vorgehoben. Diesen Hauptpunkt im Allgemeinen richtig an- 
gedeutet zu haben, ist das grosse Verdienst Leishman'^ *). 

Er giebt Seite 66 an: „Nach meinem Dafürhalten war der 
fundamentale Fehler Nagele's, durch den mehr als dnrch irgend 
einen anderen sein Irrthum entstand, eine Unbekanntschafl 
zu der Zeit, als Nägele seine Abhandlung schrieb, mit <ler 
Thalsache von der bedeutenden Geneigtheit des Becken- 
eiuganges in Bezug zum Horizonte. Es muss da, glaube 
ich, ein Rest der alten Vorstellung von dem horizontalen 
Beckeneingauge in seinem Geiste zurückgeblieben sein; denn 
man muss bedenken; dass seine Aufmerksamkeit auf die Be- 
ziehung des Beckens zum Rumpfe und zu den Extremitäten 



1) An Eflsay, hiHtorical and critical, on the MechaniBm of 
Parturirion. By William Leiahman, M. D. T^ondou 1864. 



ir. KSneke^ (Jebor Jie NägAle'sche Obliqnität des SchKdel». 35 

erst einige Jahre nach der Veröffentlichung seiner Arbeit über 
den Geburlsmechanismus gerichtet ward. Wäre der Eingang 
wirklich oder nahezu parallel mit dem Horizonte, so würde 
das Factum, dass der Finger in der Nähe des Tuber auf das 
Os parietale Irifll, ein klarer und unumstösslicher Beweis für 
die s. g. laterale oder bilaterale Obliquilät des Kopfes sein. 
Allein wenn wir uns nicht erlauben die Tliatsache aus dem 
Gesichte zu verlieren, dass der Beckeneingang in einem Win- 
kel von 60^ geneigt, und dass der Scheitel oder vorliegende 
Theil in der Art sich abwärts und rückwärts bewegt, dass 
er unter einem Winkel von 30^ auf den Horizont trifft, so 
kann ich nicht einsehen, wie dies als Beweis für etwas an- 
deres als für das directe Vorrücken des Kopfes in der 
Axe des Beckeueinganges, aber für sein obliques Verhalten 
zum Horizonte genommen werden kann.'' 

Auf der exacten Unterscheidung dieser beiden Umstände 
nämlich der topographischen Beziehung des Schädels zum Ho- 
rizonte einerseits, und zum Becken andererseits, oder wie 
wir uns kurz ausdrücken können, der absoluten und relativen 
topographischen Beziehungen des Schädels, beruht in der 
That wesentlich das ganze Verständniss der mechanischen 
Vorgange bei der Geburt, Beziehungen, welche wir hier jedoch 
nur in Betreff des Beckeneinganges genauer zu würdigen 
haben. 

Es sind die zwei absoluten bekannten Factoren: 

1) die Neigung des Beckeneinganges zum Horizonte und 

2) das Verhalten des Schädels zum Horizonte, 

aus denen sich uns das gesuchte relative Verhältniss des 
Schädels, nämlich das zum Beckeneingange, ergeben mnss. 

Was den ersten Punkt: die Neigung des Beckeneingan- 
ges zum Horizonte betrifft, so erscheint es als ein sonder- 
bares Verhängniss, dass Nägele selbst es ist, der uns die 
Waffe in die Hand gegeben hat, mit der wir seine eigene so 
berühmt gewordene Theorie siegreich zu bekämpfen im Stande 
sind. Sein bekanntes Werk: Das weibliche Becken betrachtet 
in Beziehung auf seine Stellung und die Bichtung seiner Höhle 
nebst Beiträgen zur Geschichte der Lehre von den Beckeu- 

3* 



36 II- Küneke, lieber die NägeleVsche Obliquität des SehSdels. 

axen, erschien 1825, 6 Jahre nach seiner Arheil über den 
Goburtshiechanismus. Wir wissen nicht, ob und in wie weil 
die dadurch gewonnene Crkenntniss alterirend auf seine An- 
sichten vom Mechanismus eingewirkt habe, aber auffallend 
bleii>t es, dass der Sohn noch 1838 dieselbe Lehre des Va- 
ters wiederholen, auffallender noch, dass sie bis heute allge- 
mein Geltung behalten konnte. 

Nägele's Untersuchungen geben uns die bekannten Ver- 
hältnisse ; 

Neigung des Beckeneinganges zum Horizonte = 60 ^, 

Neigung des Beckenausganges zum Horizonte = 11^* 
u. s. w. 

Es erscheint übertlössig, diese Angaben zu begründen, wir 
müssen sie vielmehr als Thatsache anerkennen. Es kommt 
also nur nodi auf den zweiten Factor an, auf das Ver- 
halten des Schädels zum Horizonte. 

Schon Michaelis *) hob 1851 hervor, dass die hochschwan- 
gere Gebarmutter nicht aufrecht im Leibe stehe, vielmehr 
mit einer Neigung von im Mittel 30^ gegen die Horizontal- 
linie liege. Dasselbe gelte vom Kinde; es stehe nicht auf 
dem Kopfe, sondern liege gleichfalls geneigt. 

Auch die Richtigkeit dieses Satzes wollen wir einfach 
constatiren und nur noch genauer bestimmen, dass der Inhalt 
des Uterus natürhcb die nämliche Neigung, wie der Utenis 
selbst haben muss, also auch der Fötus, und da endlich die 
normale Haltung seines Kopfes nicht zu bezweifeln ist, dass 
auch der Schädel desselben mit seiner verticalen Axe in dem 
nämlichen Grade gegen den Horizont geneigt sein muss. 

Aus diesen zwei absoluten Factoren nun, aus der Nei- 
gung des Beckeneinganges um 60^ und der Neigung der 
Verticalaxe des Schädels um 30^ zum Horizonte, ergiebt 
sich das relative Verhältniss des Schädels, nämlich sein Ver- 
hältniss zum Beckeneingange und zwar dass die Verticalaxe 
des Schädels zur Eingangsebene des Beckens sich perpen- 
diculär verhält. 

1) I)ii8 enge Hecken. Krste Aufl. Seite 174. 



11. Küneke, CTeber die NSge]e*8che Obliquität des Schädels. 37 

Dieser Satz lässt sich geometrisch folgenderniassen he- 
weisen. Wenn man auf den gegehenen Horizont AB so- 
wohl den Neigungswinkel des Beckeneinganges von 60^ in 
A Oy als auch den Neigungswinkel der Schädelverticalen von 




30*^ in DB, auftragt, so erhalten wir ein Dreieck, dessen 
Winkel an der Basis bekannt sind , indem der eine B AC 
= 60^; der andere ABD = 30^ beträgt. Da nun die 
Summe der drei Winkel eines Dreiecks = 2 i2, und die 
Summe der bekannten Winkel 60 <^ + 30« = 90^ oder 
1 i?. ist , so muss der dritte Winkel nämlich BGA, ebeO' 
falls = 12?. sein, also müssen auch die Scheitel- und Ne- 
benwinkel von BGA rechte Winkel sein, also auch die 
Verlängerung von B (7, nämlich C D oder der Verticale des 
Schädels perpendiculär auf A G oder der Eingangsebene des 
Beckens stehen. Ja wir fmden sogar, dass die Natur sich bestrebt, 
selbst unter abnormen Neigungs Verhältnissen des Beckens von 
diesem Gesetze nicht abzuweichen, denn je beträchtlicher 
die Neigung des Beckens, um so stärker pflegt sich die Nei- 
gung des Uterus nach vorn auszubilden , wodurch sich der 
Neigungsfehler des Beckens compensirt; oder anders ausge- 
drückt: je mehr der Eingangswinkel wächst, um ebensoviel 
vermindert sich der Neigungswinkel des Uterus, so dass die 
Sunune beider stets = 1 jR. und der dritte Winkel demnach 
ebenfalls = 1 Ä. Ueiht, die perpendiculäre Richtung des Sc\\V 



38 II* Künekef Ueber die Nägele^sche Obliquität des Schädels. 

deiverticalen auf die Eiogangsflächc also keine Störung er- 
leidet. 

Hieraus ergiebt sieb, was zu beweisen war, dass die 
Scheitelfläcbe, d. ii. jene Region des Scliädels, welcbe in 
sagittaler Richtung durcli die beiden P'ontanelb^n, in trans- 
versaler Richtung durch die beiden Tubera parietalia be- 
grenzt wird, parallel zur Eingangsfläche auf und in 
der oberen Apertur sich verhält, oder der Schädel tritt, wie 
die Engländer sich ausdrucken, direct ins Becken ein. 

Da nun wiederum die Oberfläche mit der Eingangi*ebene 
in Parallelismus sich befindet , so muss erstere auch die näm- 
liche Neigung zum Horizonte besitzen, wie letztere, also ist 
die Scheitelfläcbe geneigt und zwar um 60^ gegen 
den Horizont oder der Schädel befindet sich in Obliquität. 

Wir haben also — ich wiederholtes — als Resultat 
unserer Untersuchung zweierlei gefunden: 

1) Der Schädel befindet sich absolut, d. h. in Bezug 
zum Horizonte, in Obliquität. 

2) Der Schädel befmdet sich relativ, d. h. in Bezug 
zur Eingangsebene des Beckens, in Parallelismus. 

Auf der strengen Scheidung dieser beiden Thatsachen 
beruht das Verständniss der Art und Weise des Eintrittes 
des Schädels in das Becken. Wir finden nämlich, dass das 
absolute Verhältniss des Schädels hier gar nicht 
in Betracht kommt, uns gar nichts angeht, son- 
dern einzig und allein das relative, das Verhal- 
ten des Schädels zum Becken. 

Kehren wir nunmehr zu den Angaben Nägele' s zurück, 
so ergiebt sich 1) dass jener erste Satz Nagele's , dessen 
Richtigkeit wir vor der Hand in suspensu Hessen, nämlich: 
„Der Kopf hat am Beckeneingange keine gerade, sondern 
eine ganz schiefe Stellung, so dass der am niedrigsten oder 
tiefsten stehende Theil nicht der Scheitel oder die Pfeilnaht 
ist, sondern das rechte Scheitelbehi,'' wohl eine ganz richtige 
und damals neue Beobachtung ist; 2) dass aber diese an 
sich richtige Beobachtung von ihm eine falsche Deutung er- 
hielt, indem er sie auf das relative Verhalten des Schädels 
in Anwendung brachte. Dieser Irrthum ist' jedoch aus dem 
Grunde erklärlich und verzeihhch, als zu jener Zeil, die später 



III. Chretuer, NeanandTierzigster JahreBberieht etc. 39 

theils von ihai selbst, theils von anderen gefundenen Nei- 
guiigsverbältnissc des Beckens und des Uterus noch nicht 
genügend bekannt waren. Alle übrigen aus diesem Irrthume 
von Nägele deducirten Sätze indess sind folglich gleichfalls 
falsch, sind in der Natur nicht begründet, sondern dem Grund* 
irrlhume gemäss construirte abslracte Theorien. 

Die A'a^e^e'sche Obliquität des Schädels exi* 
stirt nicht, sondern der Schädel tritt direct in 
lUe obere Apertur ein. 

Zum Schluss, m. H., will ich nur noch andeuten, dass 
uach meiner Ansicht dieses für den ßeckeneingang gewon- 
nene Gesetz des Geburtsmechauismus in Bezug auf den Ge- 
burtsmechanismus überhaupt eine paradigmatischc und fun- 
damentale Bedeutung hat und auf das Verständniss desselben, 
sowie auf die Terminologie der Stellungen nicht ohne alte- 
rirendea Einfluss sein dürfte. 



III. 

Neunundvierzigster Jahresbericht über die Er- 
eignisse in dem Entbindungsinstitute bei der 
königL Sachs, chirurgisch -medicinischen Aka- 
demie zu Dresden im Jahre 1863. 



Prof. Dr. Grenser, 

Königl säch». Och. Med. -Ruth etc. 



Im Jahre 1863 fanden 779 Schwangere, Gebärende und 
Wöchnerinnen in der Anstalt Verpflegung, von denen 11 
Schwangere und 12 Wöchnerinnen am Schlüsse des Jahres 
1862 in ßestand geblieben waren, und 756 tlieils als Schwan- 
gere, theils als Gebärende im Laufe des Jalires neu ein- 
traten. 

Geburten ereigneten sich 732, und zwar im Januar 
77, im Februar 60, im März 53, im April 60, im Mai 66, 
im Juni 62, im Juli 58, im August 64, im SeplemY^ec ^^ 



'40 ^'1* Orenaerf Nennnndviervigster Jahresberieht 

im October 59, im November 58 und im December 59. — 
Davon waren Erstgebärende 384, zum zweiten Male 
gebaren 234, A\m dritten M. 76, zum vierten M. 11, 
zum fünften M. 9, zum secbsten M. 2, zum sieben- 
ten M. 7, zum achten M. 4, zum neunten M. 3, zum 
zehnten M. 1, zum zwölften M. 1. — Verheirathet 
waren 67, verwittwet 8, ledigen Standes 657. — 175 
hatten ihre Heimatli in Dresden, 478 in andern Orten des 
Königreichs Sachsen und 79 gehörten dem Auslande an. — 
Zur evangelischen Confession bekannten sich 696, zur 
katholischen 35. — Die jüngsten Wöchnerinnen waren 
in dem Alter von 17 Jahren, die älteste von 47 Jahren, 
die Mehrzahl in dem Alter von 23 bis 26 Jahren. — Von 
den Wöchnerinnen wurden gesund entlassen 704, an andere 
Heilanstalten abgegeben 4, nämlich 2 an das Stadtkran- 
kenhaus und 2 an die innere Klinik, 4 starben und 14 
Wöchnerinnen blieben am Schlüsse des Jahres in Bestand. 

719 waren einfache Geburten und 13 Mal wurden 
ZwiJlinge geboren. — 648 Mal reichten die Naturkräfte 
zur Vollendung der Geburt hin, in 96 Fällen waren operative 
Eingriffe nöthig, und zwar: 58 M. die Zangenoperation, 5 M. 
die Wendung, 2 M. die Extraction an den Füssen, 3 M. die 
Perforation, 1 M. die künstliche Erregung der Frühgeburt, 
17 Mal die Lösung und 10 M. die künstliche Wegnahme der 
Nachgeburt. 

Den Geburtsmechanismus anlangend, so stellten 
sich zur Geburt: 

499 in erster Schädellage. 
202 „ zweiter „ 

9 „ „ „ ohne Drehung. 

2 „ erster Cesichtslage. 

4 „ zweiter „ 

8 „ erster Steisslage. 

3 „ zweiter „ 

5 „ erster vollkommener Fusslage. 
3 „ zweiter ,i „ 

5 „ fehlerhafter Lage. 
5 „ unbestimmter Lage. 
"Sa;745. 



über difr Ereignisse in dem KntbindnngBinsHtate etc. 41 

Geboren wurden 745 Kinder, aJs 387 Knaben und 
358 Mädchen; davon waren 3 un zeitig (2 Knaben, 1 Mäd- 
chen), 18 frilhzeitig (9 Knal>en, 9 Mädchen). — Schein- 
tod.t kamen ziir Weit 31 (davon 22 Knaben). — Todt- 
gehoren wurden 47 (als 26 Knaben und 21 Mädchen): da- 
von 14 bereits in macerirlem Zustande, einige, wie es schien, 
in Folge von Torsion der Nabelschnur, 5 angeblich in Folge 
von heftigen Gemöthsbrwegungen, welche kurz vor der Ge- 
hurt auf die Mutter eingewirkt hatten ; 3 unzeitige ; die übri- 
gen starben erst während des Geburtsactes , als 6 in Folge 
von Druck der Nabelschnur, 3 wegen Beckenenge, welche 
die Perforation erforderte , 6 wälirend schwieriger Zangenope- 
raüonen, 2 während zu langdauernder Entwickelung des Kopfes 
nach vorausgegangener Wendung. In den übrigen Fällen liess 
sich die Todesursache nicht ermittein. 

Bei den Zwillingsgeburten waren die Kinder 9 Mal reif, 
4 Mal frühzeitig; bezüglich des Geschlechts 6 Mal Kna- 
benpaare, 4 Mal Mädclienpaare, 3 Mal je ein Knabe und ein 
Mädchen. 

Die Placenten fanden wir 9 Mal mit beträchtlichen Fa- 
serstofTablagenmgen ; der Nabelstrang war 129 Mal central, 
405 Mal seitlich, 210 Mal am Rande und 1 Mal velamentös 
inserirt 6 Nabelschnuren enthielten wahre Knoten , 41 falsche. 

Anomalien der Schwangerschaft. 

Partus immaturus wurde drei Mal beobachtet; in 
zwei dieser Fälle waren die Früchte todtfaul und Torsion der 
Nabelschnur das causale Moment; im dritten Falle war Sy- 
philis der Mutter als die Ursache des Absterbens der Frucht 
mit nachfolgendem unzeitigen Eintritte der Geburt anzusehen. 

Unter 18 Frühgeburten waren drei Mal Zwillinge als 
Ursache des zu frühen Eintrittes der Geburt anzunehmen, in 
einem anderen Falle Placentitis, wodurch der Fruchtkuchen 
so bepatisirt war, dass er seine Functionen nicht mehr ver- 
richten konnte, die Frucht mithin wegen Unwegsamkeit des 
Placentarkreislaufes absterben musste; in den meisten andern 
Fällen wurden heftige Gemüthsbewegungen, übermässige kör- 
periiche Anstrengungen, Misshandlungen u. dgl. als Ursachen 
angegeben. Zwei Mal trat die Frühgeburt in der SO. \\oij\ve 



42 in. Oretuer, Neunandviersig^ster Jahresbericht 

ein, ein Mal in der 31., sechs Mal in der 32., drei Mal in 
der 33., zwei Mal in der 34., zwei Mal in der 35. und 
2wei Mal in der 36. Woche. Von den frühzeitigen Kindern 
wurden 8 lodtgehoren, 6' staii)en in der ersten Woche nach 
der Geburt. Die Mütter konnten alle gesund entlassen werden. 

Bei einer Schwangeren waren die Katamcnien re- 
gelmässig aller vier Wochen bis-zu Ende der 
Schwangerschaft eingetreten. 

In einem Falle beobachteten wir an einer Schwangeren 
Epilepsie, und zwar traten fast täglich ein, zwei, ja sogar 
drei Anfalle ein, welche ohne Nachtheil vorübergnigen. Die 
Geburt verlief regelmässig, das Kind, ein Knabe, hatte ein 
Gewicht von 7 Pfund und befand sich wohl. Weitere Pa- 
roxysnien während des Wochenbettes traten nicht ein. 

Eine im 10. Monate befindhche Hausschwangere wurde 
von Fieber befallen, ohne dass sich eine locale Af- 
fection herausgestellt hätte. Pulsfrequenz 110 — 120 
Schläge, Temperatur 31,2 — 32^ R. Nach Stägiger Dauer 
dieses Zustandes, welcher eine puerperale Erkrankung nach 
der Niederkunft fürchten hess, trat die Geburt ein, welche 
wegen Wehenschwäche mittels der Zange beendet weixlen 
musste. Das Neugeborene, ein Knabe von 7 Pfund Schwere, 
war gesund und das Wochenbett verlief bis auf geringi' En- 
docolpitis und leichte Ulcera puerperalia wider Erwarten 
günstig. 

Hochgradiges Oedem der grossen und vorzugsweise 
der inneren Schamlippen, sowie der Ober- und Unterschen- 
kel, mit starkem Eiweissgehalte des Harnes, beobachteten 
wir bei einer im achten Monate beiindlichen Schwangeren. 
Alle angewendeten Mittel leisteten nichts zur Verminderung 
des enormen Oedenis der Schamlippen, welches jede Bewe- 
gung hinderte. Sie gebar Zwillinge, von denen der erste 
todt, der zweitem sehr schwächlich war und am vierten Tage 
starb. Während der Geburt sprang die linke, vorzugsweise 
angeschwollene, innere Schandippe und ergoss eine nicht un- 
beträchtliche Menge Wassers. Nach drei Tagen war das 
Oedem völlig verschwunden, der Ham nicht mehr eiweiss- 
haltig. Die kleine Wunde der geborstenen inneren Scham- 
)ofze heilte sehr bald. 



über die Ereigfnisse in dem Entbindangsinstitate etc. 43 

Allgemeine Syphilis (breite Condylome der Scham - 
lefzen, des Dammes und des Ätlers) gab die Veranlassimg 
zum Absterben und zur frühzeitigen Ausstossung eines männ- 
lichen Fötus, an welchem übrigens Spuren von Syphilis nicht 
zu bemerken waren. 

An Tuberculosis pulmonum litt eine Hausschwan- 
gere. Die physikalische Untersuchung zeigte i*echts oben in 
der Lunge bedeutende Dämpfung und alle Symptome einer 
Ca venia. Der Puls hatte stets 100 Schlüge. Sie wurde we- 
gen Wehenschwüche mittels der Zange von einem 6V2 Pfund 
schweren Knaben entbunden, welcher nach zwei Tagen starb. 
Nach der Entbindung trat heftiges Fieber ein; Puls 160, 
Temperatur 32,3. Eine massige Peritonitis wurde durch er- 
weichende Umschläge und die Darreichung des Extract. Opii 
nach sechs Tagen beseitigt. Dagegen bildeten sich später 
ziemlich tiefgehende puerperale Geschwüre an der inneren 
Fläche der Schamlippen und der Scheidenmundung, welche 
unter dem Gebrauche von Injectionen eines dnfus. Clor, cha- 
inomill. , später eines Decoct. Chinae nur sehr allmälig- heil- 
ten. Nach dreiwöchentücher Pflege in der Anstalt wurde die 
Wöchnerin zur weiteren Behandlung der Lungentuberculose 
an die innere Klinik abgegeben. 

Anomalien der Geburt. 

Rhachitisch verengte Becken fanden wir bei 10 
Gebärenden, von denen 4 angaben, im zweiten Lebensjahre, 
4 im dritten und 2 erst im vierten das Laufen gelernt zu 
haben. Die Conjugata (vera) mass bei 3 bis S^j^', bei einer 
3V4", bei vier 3", bei einer 2V4" und bei einer nur 2" b'". 
Nur in einem Falle, bei 3V2" Gonjugata, reichten die Natur- 
kräfle hin, die Geburt zu vollenden, in allen übrigen machte 
sich Kunsthülfe nöthig, und zwar 4 iMal die Zangenoperation, 
wodurch 2 Kinder lebend, 2 todt extrahirt wurden, 3 Mal 
die Perforation, 1 Mal die künstUche Erregung der Frühge- 
burt mit Wendung, welche einen todten Knaben zur Welt 
förderte, und ein Mal die Extraction an den Füssen, eben- 
falls mit unglückhchem Ausgange für das Kind. Von den 
Entbundenen starb eine, wo bei 2'*b"' Conjug. die PcrtovaWow 



44 ^^I* Orenaer^ neunundvierzigster Jahresbericht 

gemacht worden war, an Peritonitis, 4 litten im Wochen- 
bette an Endocolpitis, wurden aber, wie die übrigen, wo das 
Wochenbett ohne Störung verlief, gesund entlassen. 

Rigidität des Muttermundes trat in 7 Fällen be- 
sonders hervor, und erschwerte die; Erweiterung des Mutter- 
mundes in der Art, dass die Eröffnungsperiode 44, 56, 64 
und 70 Stunden dauerte, ohne dass entzündliche Erschei- 
nungen dadurch bedingt worden wären. Erweichende Sitz- 
bäder mit Einlegung des Baderöhrchens reichten in allen Fäl- 
len hin, die Erweiterung des Muttermundes zu Stande zu 
bringen, worauf in der Regel die Austreibungsperiode sehr 
schnell verlief. 

Scheidenvorfälle kamen im massigen Grade drei 
Mal vor, zwei Mal der vorderen und ein Mal der hinteren 
Scheidenwand. Sie liessen sich während des Geburtsactes 
leicht zurückhalten, und nur in dem Falle, wo die hintere 
Scheidenwand prolabirt war, schwoll dieselbe mit livider 
Farbe sehr an, ohne jedoch den Geburtshergang weiter zu 
stören. 

Ilängebauch in besonders hohem Grade wurde in 2 
Fällen durch Hydramnios bedingt. Gleichzeitig bestand bei 
der einen Kreissenden zweite Schullerlage der Frucht, welche 
die Wendung erforderte, worauf ein bereits Zeichen der Ma- 
ceration an sich tragender Fötus von 6 Pfund Schwere und 
17" Länge extrahirt wurde. 

Varicosi täten der Schamlippen, Ober- und Unter- 
schenkel sahen wir zwar öfter in bedeutendem Grade, in kei- 
nem Falle aber kam es zur Berstung, und im W^ochenbette 
schwanden dieselben in der Regel sehr schnell. 

Struma höheren Grades bewirkte bei zwei Kreissenden 
sichtbare Orthopnoe, doch erfolgte die Geburt in beiden Fäl- 
len noch rechtzeitig, so dass ein künstliches Einschreiten 
nicht nöthig war. 

Besondere Erwähnung verdient ein Fall von Eclam- 
psia deshalb , weil trotz 14 Anlallen dennoch ein le!)endes 
Kind entwickelt wurde. Der Fall lietraf eine starke kräftige 
Person, Erstgebärende, 27 Jahre alt, mittler Grösse. Sie 
wurde am 24. Mai Abends 11 Uhr in ihrer Behausung von Krampf- 
anfä}}en JbefaJlei), wie die begleitende Frau angab, und wieder- 



über die Ereigniffse in dem KntbiDdungsinstituto etc. 4f) 

holten sich selbige bis zum 2\ früh 8 Uhr, zu welcher Zeil 
lue Kranke in die Anstall Iranspurtirt wurde, acht Mal. 
Schon nach dem zweiten Anlalle war das Rewusstsein nicht 
wiedergekehrt. Kaum war die Person auf das fieburtslager 
gebracht, als ein neuer, sehr heftiger Paroxysmus einiral. 
Das Abdomen war massig ausgedehnt, kleine Fruchttheile 
Uessen sich nach oben und links fühlen, der Fötalpuls rechts 
hören. Der Muttermund zeigte die Weite eines Thalerstückes, 
der vorliegende Schädel stand in zweiter Stellung fest im 
BeckeneJngangc. Es wurden eine Venaeseelion von 12 Unzen 
vorgenommen, mit vieler xMühe einige Dosen Calomel (gr. ii) 
beigebracht, Eisfomente auf den Kopf, Tücher mit warmem 
Essig befeuchtet um die Fasse geschlagen und Sinapismen in 
deu Nacken gelegt. Die Anfalle wiederholten sich bis Nach- 
mittag Vs^ U^'i* "^^-^'^ 6 ^^^^'-^ ^^hloroforminhalationen ver- 
schaOten keine Linderuug. Gegen 2 Uhr Nachmittags wurde 
nach vollkonmiener Erweiterung des Muttermundes die Zange 
angelegt und ein ö^'a Pfund schwerer, lebender Knai)e extra- 
birt. Die Nachgeburt folgte sehr bald auf massigen Druck, 
die Hlulung dabei war ziemlich reichlich. Sowohl wahrend, 
als auch bald nach der Operation stellten sich AnHille ein, 
wm'den alKT von da an seltener, waren von geringerer, In- 
tensität und währten nur 30 Secunden. ßis zum Abende 
des 25- waren 28 Anlalle erfolgt, die Hewusstlosigkeit dauerte 
fort, schnarchendes Athmen blieb nach dem letzten Anfalle 
zurück und wurde endhch so stark, manchmal aussetzend, 
dass man bei der cyanotischen Gesichtsfarbung, dem grob- 
blasigen über beide ßrusthfdften hörbaren Rasseln und dem 
kalten klebrigen Schweisse den nahen Tod in Folge von Lun- 
genödem befürchten musste. Pieser Zustand wfdirle bis 
nächsten Vormittag 9 Uhr. Da fing das Rasseln an schwä- 
cJier zu werden, nach drei Stunden kehrte das natürliche 
Athmen und das Rewusstsein zurück. Ausser Renonmienheit 
des Kopfes bestanden für jetzt keine weiteren Klagen; der 
Urin zeigte keinen Eiweissgehalt, der Puls zählte llü, die 
Temperatur betrug 31,3. Es wurde eine Emnlsio pa|)averina 
verordnet Die darauf folgende Nacht trat ruhiger Schlaf 
uud Schweiss ein. Das Kind trank an den Rrüsten seiner 
Mutler. Unter allmäliger Ahnahmc des Fiebers und rege\\\vvvs«A% 



46 '^^* OrenseVt ncaniindvierzi^ster JahreRbericht 

sich gestaltenden Wochenfunclionen war die Wöchnerin am 
6. Tage nach ihrer Niederkunft vollkommen wohl, konnte am 
8. Tage auf einige Stunden das Bett verlassen und am 10. 
entlassen werden. 

Von 20 Dammrissen, wovon 19 hei Crstgehärenden, 
1 hei einer Zweitgehärenden vorkamen, heilten 8 unter dem 
Gehrauche des Collodiumverhandes per primam reunionem, 
5 nur theilweise durch Granulation, ehenso 7, wo nur die 
Schenkel zusainmengehuuden worden waren, 

7 Mal heohachteten wir Vorfall der Nahelschnur 
5 Mal hei Erstgehärenden, 1 Mal hei einer zum zweiten Male 
und 1 Mal hei einer zum dritten Male Gehörenden. In 2 
Fällen fanden ^yir die vorgefallene Schlinge der Nal)elschnur 
hereits hei Ankunft der Gehärenden pulslos, daher Reposi- 
tionsversuche unterhliehen. In den 5 iihrigen wurde, da der 
Kopf hereits fasshar für die Zange stand, schnell die Zange 
angelegt, wodurch es jedoch nur ein Mal gelang, das Kind 
lehend zur Well zu fördern. 

G e b u r t s h ü 1 f 1 i c h e p e r a t i n e n. 

* Von grösseren gehurtshulflichen Operationen wurden 
nherhaupt ausgeführt 96. Davon waren 58 Zangenope- 
rationen, wozu folgende Indicationen gegehen waren: 
35 Mal Wehenschwäche. 
9 ,, heträchlliche Kopfgeschwulst. 

3 „ Nahelschnurvorfall, der nicht zu reponiren 

war. 

4 ,, feste Einkeilung des Fruchtkopfes. 
2 „ Beckenenge. 

1 ,, bedeutendes Oedem der Schandippen. 

2 „ Metron'hagie in Folge theilweiser Abtren- 

nung der Placenta. 
1 ,, Eklampsie. i 

1 „ Vorfall des Armes neben dem Kopfe, der 
sich nicht reponiren liess. 
Summa: 58. 

Z//75 Besuliat wvjr, dass 43 Ma\ vWe VLiwiVv WUeiwl und 
^3 Mul lodi rxlraUivi wurden, wovtm 3 sUvVew vj«^\y-w 



über die Kreig^nisfte in dorn Enthindnngainstitate etc. 4? 

Druckes der Nabelschnur, 12 wegen zu starkor Conipres- 
sion des Gehirnes. Von den enthundenen MuUern starb eine 
an Melroperilünilis (s. die Anoniahen des VVochenhetles). 

Die Wendung, und zwar auf einen Fuss, machte sich 
5 Mal nöthig, davon 1 Mal nach künslllcher Erregung der 
Frühgeburt (s. das Nähere unter künstlicher Frühgeburt), 
1 Mal wegen zweiter Schulterlage in der Seitenlage der Kreis- 
senden, worauf ein todtfauler Knabe von fünf Pfund Gewicht 
extrahirt wurde; in den übrigen. drei Fällen bei Zwillings- 
geburten, jedes Mal beim zweiten Kinde, welches sich in 
erster Schulterlage zur Geburt stellte und wo es gelang, das 
kindliche Leben zu erhalten. 

Die beiden Extra ctionen an den Füssen waren 
leicht und wurde ein Mal nach vorausgeschickter Wendung 
eine lodtfaule Frucht, ein Mal ein lebendoß Kind extrahirt. 

Ueber die drei vorgekommenen Perforationen berich- 
ten wir Folgendes: 

1. Am 2. Januar erschien in der Anstalt ein 32jähriges 
Dienstmädchen, Erstgebärende. In Gang, Statur und Haltung 
zeigte dieselbe nichts Auffallendes; der Leib war massig gross, 
mehr fest, die Herztöne der Frucht in der linken Seite 
hörbar, der Mutlermund 2" im Durchmesser erweitert, 
der Schädel in erster Stellung ff^st quer über dem Be- 
ckeneingange, das Wasser war bereits abgegangen, Conjugata 
(vera) 2" 5'". Als der Kopf bei kräftigen Wehen sich in 
den Eingang stellte, die Kopfgeschwulst sehr überhand nahm 
und die Herztöne schwächer wurden, wurde versuchsweise die 
Zange angelegt, wobei man sich aber sehr bald von der Un- 
möglichkeit , den Kopf mit der Zange zu exirahiren, über- 
zeugte. Nachdem mittlerweile die Herztöne erloschen waren, 
schritt man mittels des Levref sehen Perforatorium zur (]e- 
phalotomie und Überhess, da die Wehen noch kräftig waren, 
die weitere Austreibung des Kindes den Naturkräften, welche 
nach fünf Stunden einen 6 Pfund schweren Knaben austrieben. 
Schon am folgenden Tage zeigten sich Symptome von allge- 
meiner Peritonitis, welche unaufhaltsam bereits am 7. Januar 
zum Tode der Wöchnerin fährte. Die Seclioa beslaü^Ve ÄW. 
IXagnose und ergab den gewöhnlichen Befund der PevW^vvvvVivs. 
// Ein 27ßhrigPFi Pienstmädcht^n kleiner SlaVuv, Ae\M>v\ 
ifi^rr alle Zeichen früher uierslaiideiier Hhadnüs au s\d. 



48 ^I^- O-renseVt Nenniindvierzi^ster Juhresbericht 

trug, kreisste am 5. August früh. Diß Conjugata niass 3''. 
Die Gebarende erschiiMi sehr hald heftig aufgeregt, der Puls 
110, die Haut heiss und trocken, und die Labia pudendi 
schwollen ödenialös an. Daher wurde nach dem Erlöschc^n 
der Herztöne sogleich zur Perforation mittels der LevreV- 
schen Scheere geschritten, und zwar wegen grosser EmpGnd- 
lichkeit der Gebärenden unter dem Gebrauche der Chloroform- 
inhalationen. Nach gehuriger Ausspritzung des Gehirns wurde 
die Zange angelegt und (;in ÖV2 Pfund schwerer Knabe ent- 
wickelt. Die Blutung war reichlich, stand aber, nachdem die 
Nachgeburt durch äusseren Druck entfernt war. Im Wochen- 
bette folgte ziemlich heftige Colpitis, die sich nach einigen Tagen 
bis zur Gangränescirung der rechten Schamlippe steigerte, in 
deren Folge ein Theil derselben abgeslossen wurde. Eine 
am fünften Tage ^eintretende leichte Peritonitis wurde durdi 
Cataplasmata, Unguent. einer, und die hniere Darreichung des 
Extracl. Opii nach einigen Tagen wiedtT beseitigt. Da die 
Heilung der brandigen Stelle nur langsam vorwärts schritt, 
wurde die Kranke nach 14tägiger Verpflegung an das Stadt- 
krankenhaus abgegeben. 

HI. Eine 23jrduige Näherin von schwächlichem Körper- 
bau und blasser Gesichtsfarbe, welche bis in's vierte Lebens- 
jahr an ühachitis gelitten hatte, erschien als Kreissende in 
der Anstalt am 14. November. Die Untersuchung ergab einen 
massig grossen, festen, etwas überhängenden Unterleib, Fö- 
talpuls links, Muttermund = 2" im Durchmesser erweitert, 
Schädel in erster Stellung noch beweglich über dem Ein- 
gänge, Blase stand noch, Conjugata v<Ta 3''. Nachdem nacli 
33 stündiger Geburtsdauer die Herztöne nicht mehr zu hören 
waren, wurde mittels des scheereniörmigen i^erforatorium die' 
Enthirnung gemacht und darauf mittels des Ce])hal(itribe ein 
6^.^ Pfund schwerer, 18 Zoll langer Knabe extrahirt. Die 
Blutung in der Nachgeburtsperiode war reichlich. Am dritten 
Tage Symptome von Peritonitis und Endocolpitis, welche der 
gewöhnlichen Medication bald wichen, so dass am elften Tage 
des Wochenbettes die Entlassung erfolgen koniite. 

Die künstliche Frühgeburt kanj bei einer 41jäh- 
r/^r/j Ehefrau zur Anwendung, l)ei \veVc\ier sd\ou vver Mal 
€/i> Pet'tbiMiou und zwei Mal die W\\uftÜu\\e YAV^^%\\\\% v\w 



3ber die Ereignisse in dem Entbindungsinstitate eto. 49 

Frühgeburt vorgenommen worden war. Die Conjugata vera 
maass 3^' 3"^. Sie erschien wieder in der 33. Schwanger- 
schaftswoche. Wir wählten abermals die Gohen'sche Me- 
thode. Nach der zweiten Injection zeigten sich schwache 
Wehen, die nach der vierten und fünften so überhand nah- 
men, dass weitere Injectionen nicht nöthig waren. Als nacli 
völliger Erweiterung des Muttermundes bei der Untersuchung 
mit einem Finger nach innen kein vorliegender Fruchttlieil 
sich erreichen liess, wurde die Kreissende auf das Querlagcr 
gebracht. Die eingeführte Hand fand zweite Scbultcrlage^ wes- 
halb sogleich die Wendung vorgenommen wurde, die in der 
Seitenlage der Gebärenden leicht gelang. Ebenso fand man 
bei der Entwickelung der Schultern und des Kopfes keine 
Sciiwierigkeiten , dessenungeachtet zeigte das Kind, ein 472 
Pfand schweres Mädchen, keine Spuren von Leben mehr. 
Das Wochenbett verlief ohne alle Störung. 

Die beträchtliche Zahl von Nachgeburtsoperatio- 
nen erklärt sich dadurch, dass auch alle die Fälle hier- 
her gereclmet worden sind, wo man sich wegen Blu- 
tung, Wehenschwäche u. s. w. veranlasst sah, den bereits 
abgetrennten Fruchtkuchen aus dem Muttermunde' mit der 
Haud heraus zu nehmen. Dies geschah notorisch 10 Mal, 
nachdem durch wiederholten äusseren Druck die Nachgeburt 
nicht abging. Von den übrigen 17 Fällen fanden wir eigent- 
Gch nur in fünf starke Adhäsion eines grösseren Stückes der 
Placenta, in zwölf betraf die Adhäsion nur einzelne Cotyle- 
donen des Fnichtkuchens , die sich sehr leicht trennen Hes- 
sen. Uebeie Zufälle nach diesen Nachgeburtsoperationen wur- 
den in keinem Falle beobachtet. 



Anomalien des Wochenbettes.. 

Die geringste Mortalität unter den Wöchnerinnen, welche 
in dem Enlbindungsinstitute seit dessen Bestehen überhaupt 
Torgekommen ist, ergiebt das Jahr 1863, wo von 770 Nev- 
pOegten vier ö, L 0,51 pr. C. starben, 

Siasen und EnUündungen des Bauc\\te\\\iÄ 

Mßmmiuebr. f. Oeburtak. 1866. Bd. XX VII. , Uft. 1. 4 



50 11^« Orenaer, Nennandvierzigster Jahresbericht 

traten in 59 Fällen auf, betrafen aber in 30 Fällen nur den 
peritonäalen Ueberzug des Uterus als leichte Perimetri- 
tiden. 14 Mal betheiligte sich das Bauchfell nicht nur in 
der nächsten Umgebung der Gebärmutter, sondern auch an 
der vorderen Bauchwand, und in 15 Fällen war die Perito- 
nitis ausgebreitet mit heftigem Fieber, Tympanitis und meist 
sehr bald nachweisbarem Exsudate. Nach den Monaten ver- 
theilten sich diese Entzündungen folgendermaassen : auf den 
Januar kamen 10, auf den Februar 3, März 8, April 3, Hai 
5, Juni 3, Juli 8, August 4, September 3, October 4, No- 
vember 8, December keine. — Die Hauttemperatur betrug 
selten unter 30,0, meist 31,0 — 32,4. — Unsere Behandlung 
bestand gewöhnlich zu Anfang, wenn der Schmerz auftrat, in An- 
wendung von Sinapismen, wo diese nicht ausreichten, von Kataplas- 
men, bei nachweisbarem Exsudate mit gleichzeitigem Gebrauche 
des Unguenl. einer. Innerlich wurde bei heftigem Schmerz, und 
wo der nervöse Factor der Entzündung sehr prädominirte, 
das Extract. theb. ^1^ — Ya Gr. zwei- oder dreistündlich ge- 
reicht; interponirt wurden Emulsionen. Durch Klystire und 
Ol. Ricini wurde für Stuhiausleerung gesorgt, nur in seltenen 
Fällen durch 2 — 3 Dosen Calomel gr. ii. Bei Brechneigung 
empfahlen sich Kalisaturationen. 

Folgende zwei Fälle verHefen tödtlich: 

I. Ein 25 jähriges Dienstmädchen, mittlerer Statur, guter 
Ernährung, zeigte schon bei ihrem Eintritte in die Anstalt am 
29. October früh erhitztes Aussehen, trockene Haut und einen 
Puls von 110. Die EröfTnungsperiode währte 77 Stuniden, 
die Austreibungsperiode nur % Stunden. Es wurde ein 7 
Pfund schwerer, lebender Knabe in zweiter Schädellage gebo- 
ren. Die Blutung in der Nachgehurtsperiode war reichlich. 
Schon wenige Stunden nach der Geburt zeigten sich Symp- 
tome von Peritonitis, Puls 120, Temperatur 31,4; Exsudat 
war sehr bald nachweisbar, Wochenfluss spärlich, Milchse- 
cretion fast gänzlich fehlend. Aufstossen, Brechneigung. Am 
4. November trat bereits CoUapsus und der Tod ein. Die 
Section ergab Melroperitonitis und Metrophlebitis. 

// Eine 20 jährige Sängerin, mittlerer Statur, gracilem 



über die Krcignisae in dem Entbindiingsinstitnte etc. 51 

Körperbau, .blasser Gesicbtsfarbe, kam am 26. October mit 
scheinbaren, durch Erkultimg bedingten Wehen in die Anstalt. 
Ruhige Belllage, erwärmter Flanell auf den Unterleib, tägliche 
Sorge für Stuhlentleerung und Diät beseitigten den Zustand. 
Am 31. October stellten sich wirkliche Wehen ein, die Er- 
öfTmingsperiode verzögerte sich aber auch hier bis zum 2. No- 
vember, und als auch in der Austreibungsperiode die Wehen- 
Ihäligkeil ungenügend blieb, wurde die Zange angelegt und 
in erster Schädellage ein oVa Pfund schwerer, lebender Knabe 
exlrabirt. Die Nachgeburt folgte leicht, aber unter starkem 
Blutabgange. Die Pulsfrequenz, welche schon während der 
Geburt sich bemerklich machte, setzte sich fort und steigerte 
sich immer mehr, mit gleichzeitiger Erhöhung der Tempera- 
tur zu 32,0. Unter Zunahme der entzündlichen und exsu- 
dativen Erscheinungen erfolgte schon am 6. Nov. der Tod. 
Die Section ergab Metroperitonitis. 

Endometritis kam 40 iMal vor, davon in 14 Fällen 
im höheren Grade. In den meisten Fällen begleiteten Col- 
pitiä oder Ulcera puerperalia die Endometritis. Gewöhnhch 
hielt das Fieber bis zum achten oder neunten Tage an, der 
Puls stieg von 100 allmälig bis auf 140 mit entsprechender 
Steigerung der Temperatur. 

Folgender Fall, der mit allgemeiner typhöser 
Blutzersetzung endete, verlief tödtlich: 

Am 11. November Vormittags erschien in der Anstalt 
eine 25 jährige Erstgebärende von gracilem Bau und bleicher 
Gesichtsfarbe. Sie hatte schon seil drei Tagen an Frost- 
schauer, abwechselnd mit fliegender Hitze, Kopfschmerz und 
Diarrhoeen gelitten, und zeigle bei ihrer Ankunft einen Puls 
von 120 Schlägen, heisse trockene Haut, rothe trockene 
Zunge und bräunlich gefärbte Lippen. Die Eruffnungsperiode 
verschleppte sich 86 Stunden, worauf schnell ein 5 Pfund 
schweres,. 17 Zoll langes, etwa um fünf Wochen zu frühes, 
todtes Mädchen in erster Schädellage geboren wurde. Die 
Nachgeburt musste künsilich gelöst werden, indem die Pla- 
cenla an der vorderen Vterinwand theilweise so tesl ä\\sä%^, 
^jisg einzelae fasersloffige Stränge mittels der Fmger ä\^%^- 

4* 



52 IJ^' Orenser, Neiinuiidvierzigster Jahresbericht 

knippcn werden mussten. Das Gewebe der Placenta war an 
vielen Stellen von einem weissgelbliclien Exsudat inOltrirt 
Zwei Stunden nach der Geburt stellte sich Blutabgang aus 
dem After ein, die Haut blieb trocken und heiss, die Tem- 
peratur stieg bis 32,4, der Puls auf 132, Zunge und Lippen 
waren trocken und mit braunen Krusten bedeckt, die Milz 
zeigte sich bei der Percussion um das Doppelte vergrösscrl, 
so dass die Diagnose eines ausgebildeten Typhus niclit 
länger zweifelhaft sein konnte. Die Kranke erhielt ein Infus, 
rad. Tpocac. mit Acid. murial. dilul. — Unter rascher Zu- 
nahme der angegebenen Sym|)tome und Wiederholung von 
Blutungen aus dem After und der Nase starb die Kranke 
schon zwölf Stunden nach ihrer Entbindung. — Bei der See- 
tion fanden wir die Leber sehr gross, blass, blutleer, weich, 
die Milz um das Doppelte vcrgrössert, schmierig, die Mesen- 
terialdrüsen von grauröthlicher Masse infiltrirt, das ganze 
Jejunum und Ileum mit pechschwarzen Massen erfüllt, und 
auf der Schleimhaut des Ileum, nach dem Coecum hin, mehrere 
flache ty|)höse Geschwöre. Der Uterus war noch sehr gross 
und schlaff. 

Von besonderem Interesse war eine Eclampsia da- 
durch, dass darauf eine mehrere Tage anhaltende complete 
Amaurose folgte: 

Eine 21juhrige Erstgebärende, kleiner Statur, kräftigen 
Körperbaues und gesunden Aussehens, erschien den 13. April 
früh 5 Uhr auf dem Gebärsaale. Das Fruchtwasser war vor- 
zeitig schleichend abgegangen. ^1^7 Uhr war der Muttermund 
vollkommen erweitert, und schon V28 Uhr erfolgte die Ge- 
burt eines Mädchens in zweiter Schädellage. Die Nachgeburt 
wurde durch Druck leicht entfernt, Blutung massig, Allgemein- 
befinden während und nach der Geburt gut. Nachmittags 
trat plötzlich ein eclamptischer Anfall ein, welcher ungefähr 
zwei Minuten anhielt. Therapie: Venaeseclio von Sxiv, Eis- 
fomente auf den Kopf, Calomel 1 Dos. von gr. ii. Um drei 
Uhr trat der zweite Anfall, Nachmittags 5 Uhr der dritte 
ein. Das Bewusstsein blieb nun weg, schnarchendes Athmen 
und grosse Unruhe folgten jedem neuen Paroxysmus. Der 
/'i/Zs stieg ir/lhrend der Anfälle auf 100 und sank darauf stels 



über die Erei^niase in dem EntbindnD^sinstitnte etc. 5?* 

wieder auf 80. Es wurden jetzt Sinapismen auf die Arme 
und Oberschenkel gelegt und die Unterschenkel mit in warmen 
Essig getauchten Tüchern eingewickelt, auch einige Gaben 
Morph, acetic. ä Ve gr. verabreicht. Nach dem 20. Anfalle 
worden Chloroforminhalationen versucht, die aber die Unruhe 
eher zu vermehren schienen. Der Harn zeigte starken Ei- 
weissgehalt. Unter stetem Herumwerfen verging die Nacht. 
Erst gegen Mittag wurde die Kranke etwas ruhiger. Am 
Morgen des 16. April koimte die Kranke auf Befragen lang- 
sam mit schwerer Sprache antworten, versicherte aber, voll- 
kommen blind zu sein. Die Augen waren ohne Ausdruck, 
die Bulbi meist nach oben gerichtet, die Iris reagirte auf 
Licbteindruck. Tiefe Betrübniss bemächtigte sich der Kran- 
ken, als sie sich ihres traurigen Zustandes, der vollkomme- 
nen Blindheit, bewusst ward. Ihr übriges Befinden war gut, 
die Milchsecretion zwar gering, doch konnte die Kranke das 
Kind stillen. Der Eiweissgehalt des Harns war heute schon 
beträchtlich vermindert. Bei der Untersuchung mittels des 
Augenspiegels, nachdem vorher eine Lösung des Atropin. 
sulfur. (gr. i auf Siv) eingetröpfelt worden war, erschienen 
rechterseits die Venen stärker gefüllt, wogegen die Arterien 
eine grössere Leere bemerken Hessen. Die Papilla nervi op- 
tici war von grünlicher Färbung, um dieselbe herum sah man 
auf der Retina mehrere inselformig graugetrübte Stellen. 
Ziemlich derselbe Befund ergab sich auf dem linken Auge. 
Nicht die mindeste Lichtempfindung bestand, denn die Kranke 
konnte von einer mit grosser Flamme brennenden Stablampe, 
die ihren Augen genähert wurde, nicht das Mindeste wahr- 
nehmen. Es wurde auf jede Schläfegegend ein blutiger 
Schröpfkopf gesetzt, welche beide zusammen gegen 2 Unzen Blut 
entleerten. Ausserdem wurde das Unguent. hydragyr. einer, 
um den oberen und äusseren Theil der Orbita täglich zwei 
Mal eingerieben. Am 17. April war der Befund mittels des 
Augenspiegels noch immer derselbe, die Amaurose bestand 
noch unverändert fort, das übrige körperliche BeGnden Hess 
nichts zu wünschen übrig. Während der folgendeu Nä^vV» 
vom 17. zum 18., bemerkte Patientin die sicVi Aar \Ä\vcnv^fe 
Wärterin, wiewohl nur in gröberen Umrissen. Xm \%. , W\ 



54 11^* Greruer, NeuDundvierziji^ster Jahresbericht 

der Morgenvisite, war sie im Stande, kleinere Gegenstände, 
wie Uhren, Ringe, Schlüssel u. s. w. zu erkennen. Am 19. 
früh was das Sehvermögen wie früher. Eine vorgehaltene 
massig grosse Schrift las sie und zwar mit beiden Augen 
gleich gut. In ihrem sonstigen Befinden war etwas Regel- 
widriges nicht aufzuiinden^ die Milchsecretion wurde jetzt 
reichlicher. Auch die Kräfte, unterstützt durch kräftigere 
Kost, fanden sich vollkommen wieder ein, und so konnte die 
Wöchnerin y die in dem Gefühle, ihr Sehvermögen vollkom- 
men wieder erlangt zu haben, sehr glücklich war, am 27. April 
als vollkommen genesen entlassen werden. 

Pleuritis wurde zwei Mal beobachtet. In dem einen 
Falle bei einer Wöchnerin von schwächlichem Körperbaue und 
floridem Aussehen stellten sich die Symptome einer recht- 
seitigen Pleuritis am vierten Tage des Wochenbettes ein. 
Puls 120, Temperatur 31,4. Nach sieben Tagen war die 
Krankheit gehoben, und am 14. Tage des Wochenbettes 
wurde die Person gesund entlassen. — Der zweite Fall be- 
traf eine Erstgebärende, bei welcher nach regelmässigem Ge- 
burtsverlaufe eine geringe Peritonitis auftrat, welche plötzlich 
auf die Pleura linkerseits übersprang, doch sehr beschränkt 
blieb und schon nach wenigen Tagen in Genesung überging. 

Lungenkatarrhe heiligeren Grades kamen 12 Mal 
vor. Gewöhnlich reichten ruhiges Abwarten des Wochen- 
schweisses und der Genuss schleimigen Thee*s hin, den Ka- 
tarrh zu beseitigen. Wo dadurch Rulie und Schlaf zu sehr 
beeinträchtigt wurde, verschaßle ein Linctus mit einer kleinen 
Gabe Morphium grosse Erleichterung. 

Ausser der unter den Anomalien der Schwangerscliafl 
(siehe oben) beschriebenen Lungen tuberculose fanden wir bei 
einer Wöchnerin im rechten oberen Lungenlappen eine Ca- 
verne, welche ziemliche Orthopnoe und in den ersten sechs 
Tagen des Wochenbettes GeberhafLe Aufregung mit einem 
Pulse von 120 und einer Temperatur von 31,3 bewirkte. In 
der zweiten Woche nach der Geburt besserten sich alle Er- 
scheinungen so,-dass am zehnten Tage die Person zur wei- 
teren Behandlung ihrer Krankheit entlassen werden konnte. 



über die Greig^nisse in dem Eotbindnngsinstitate etc. 55 

Darmkatarrhe waren sehr häufig, wichen aber stets, 
wenn der Wochenschweiss gehörig abgewartet und schlei- 
miges Getränk gereicht wurde. In den heftigeren Fällen be- 
wirkten einige Gaben Extract. thebaic. Heilung. 

Ein Erysipelas bullosum brach bei einer Wöchne- 
rin schon 18 Stunden nach der Geburt, die sehr rasch und 
leicht verlaufen war, auf der Stirn und den Wangen hervor. 
Schnell bildeten sich auf den stark geschwollenen und glan- 
zenden Theilen blasige Erhebungen der Oberhaut unter hef- 
tigem Fieber, Eingenommenheit des Kopfes und stark weiss- 
belegter Zunge. Von den Wangen und der Stirn verbreitete 
sich das Erysipelas nach dem Scheitel, fing jedoch schon 
nach einigen Tagen an abzuschwellen und zu vertrocknen. 
Die Behandlung bestand in Einhüllen und Bedecken der be- 
troffenen Theile mit erwärmter Watte und dem inneren Ge- 
brauche einer Salmiaksolution. 

Metrorrhagien in den ersten Stunden nach Entfer- 
nung der Nachgeburt hatten wir zwölf zu behandeln. Die 
Ursache war stets Atonie; kräftige Frictionen, Entfernung der 
angehäuften Blutcoagula nöthigenfalls durch Einführen der 
ganzen Hand in die Gebärmutterhöhle, Injectionen von Oxy- 
krat und einige Gaben Zimmttinctur bewirkten immer ziem- 
lich rasch und ausdauernd Stillung der Blutung ; nur in einem 
Falle war die Entbundene dem Verblutungstode nahe, so dass 
erst nach längerem kräftigen Frottiren der Arme und Schen- 
kel mit erwärmten Tüchern es gelang, den Puls und den pe- 
ripherischen Blutkreislauf wieder herzustellen. Hochgradige 
Anämie blieb naturlich noch längere Zeit zurück, und das 
Kind musste wegen mangelnder Milchsecretion mit Kuhmilch 
ernährt werden. 

Harnverhaltung, bedingt durch Anschwellung des 
Blasenhalses, erforderte bei 25 Wöchnerinnen die wiederholte 
Anwendung des Katheters. Ein Mal dauerte die Ischurie 
14 Tage, ein anderes Mal 17 Tage, wich aber immer, ohne 
dass andere Mittel sich nöthig gemacht hätten. 

Von zwei Fällen von heftigem Bheumatismus der 
unteren Extremitäten wich der eine schon nach sieben Tagen 



56 I^^' Chremer^ Neunandvierzigster Jahresbericht 

bei EinwickeluDg der betroffenen Extremität unter Mithülfe 
der reichlich eintretenden Wochenschweisse. In dem ande- 
ren Falle aber Gxirte sich die acute rheumatische Entzündung 
auf das Hüftgelenk, und war so hartnäckig, dass blutige 
Schröpfköpfe, Senfteige und Einwickelungen in Flanell ohne 
Erfolg blieben, und wir uns genöthigt sahen, die Kranke an 
die innere Klinik abzugeben. 

An Wundsein der Schamtheile litten sechs Wöch- 
nerinnen, und war die Ursache davon stets scharfer Wo- 
chenfluss. Reinigende Einspritzungen von Infus, serpilli, bei 
gleichzeitiger äusserer Anwendung einer Ceratsalbe Hessen das 
Uebel bald weichen. 

Syphilis, und zwar stets secundäre Formen, trafen 
wir bei sechs Wöchnerinnen. In fünf Fällen waren es breite 
Condylome, welche sich am Damme und in der Aftergegend, 
und zwei Mal selbst an der inneren Fläche der Oberschenkel 
zeigten. Ein Mal fanden wir an der rechten Seite des Hal- 
ses einen Herpes circinatus von dem Umfange eines Zwei- 
thalerstückes, nicht weit davon weiter abwärts einige kupfer- 
farbene kreisrunde Flecken. Gleichzeitig waren die grossen 
Schamlippen mit zahlreichen kleinen Geschwürchen bedeckt. 
Fünf Mal wurden lebende Kinder und nur ein Mal ein todtes 
Kind (Knabe) geboren. Kein Kind trug Zeichen einer syphi- 
litischen Erkrankung an sich. Das Stillen wurde stets unter- 
sagt und den Müttern beim Abgange aus unserer Anstalt zur 
Pflicht gemacht, sich einer gründlichen Kur zu unterwerfen. 

Anomalien der Neugeborenen. 

Von den Neugeborenen starben zwanzig in der Anstalt» 
davon : 

5 an Lebens seh wache, indem sie in der 32. bis 
34. Schwangerschaftswoche geboren worden 
waren; 
1 an Darmblutungen, wo die Section im oberen 
Theile des Dünndarms ein flaches Geschwür von 
der Grösse einer Linse nachwies; 



über die Ereignisse in dem Entbindangsinstitute etc. 57 

1 an Meningitis, in deren Folge sich ein Eiter- 

heerd von der Grösse eines Quadratzolles unter- 
halb des rechten Scheitelbeines gebildet hatte; 
3 an Atelectasis pulmonum; 

2 an hochgradigem Icterus; 

6 an Krämpfen in Folge von Hirnhyperfimie; 
2 an Zellgewebsverhärtung. 



Summa 20. 

Die Ophthalmia neonatorum kam in diesem Jahre 
33 Mal vor; davon 14 Mal in sehr massigem Grade und nur 
auf das eine Auge beschränkt, 19 Mal intensiver und beide 
Augen ergreifend, doch waren wir so glücklich, alle Fälle 
ohne nachbleibende Hornhauttrübung u. s. w. geheilt zu 
sehen. Von 94 Kindern Hausschwangerer erkrankten in die- 
sem Jahre nur neun an Augenentzündungen. 

Cephalaematome sahen wir zwei Mal fast in der 
Mitte des einen Scheitelbeines. Bis sich der Ring um die 
Geschwulst gebildet hatte, wurden kalte Fomentationen ge- 
macht, später Fomente von verdünnter Arnicatinctur. 

Soor höheren Grades trat nur fünf Mai auf. 

Verhärtete Brüstchen kamen drei Mal vor und 
wurden nur mit Watte bedeckt, welches hinreichte, der Ent- 
zündung vorzubeugen und die Zertheilung zu bewirken. 

Entzündung des Nabels ging in zwei Fällen ohne 
schwerere Erkrankung des Kindes vorüber. 

Icterus massigen Grades trat bei sechs Kindern auf 
und verlor sich unter 3em Gebrauche warmer Bäder; nur m 
zwei Fällen steigerte sich die Krankheit so, dass der Tod 
eintrat, ohne dass es nur gelungen wäre, |lurch die Section 
die Ursache nachzuweisen. 

In dem oben erwähnten Falle von Darmblutung er- 
hielt sich das Leben des Kindes bis zum dritten Tage. 

Pemphigus trat bei zwei Kindern über den ganzen 
Körper verbreitet auf, heilte aber unter dem Gebrauche von 
Bädern aus einem Infus, hb. SerpiJJJ schon nach 8 Tiai^ew. 



58 '^^* Orenaer^ Neanundvierzigster Jahresbericht 

Nabelbrüche sahen wh* zwei und wuredn diese durch 
einen entsprechenden Verband zurückgehalten. 

1 angeborener Leistenbruch blieb ohne Verband. 

Bruch des rechten Oberarmbeins wurde zwei Mal 
in den ersten Tagen nach der Geburt durch unvorsichtiges Beneh- 
men der Mütter beim Handhaben ihrer Säuglinge während der 
Nacht bewirkt und erforderte einen Pappschienenverband, 
wodurch biimen drei Wochen Heilung erzielt wurde. 

Von Missbildungen sahen wir: 

einen Hemicephalus, welcher todtgeboren wurde; 
eine Spina bifida; das betreffende Kind nahm die Brust 
und schien bei seiner Entlassung aus der Anstalt übri- 
gens sich wohl zu befinden; 
ein Labium leporinum massiger Grösse, und 
verkrüppelte Bildung beider Unterschenkel, 
welche nach Aussen in so hohem Grade umgebogen 
waren, dass die äusseren Fussränder ganz aufwärts ge- 
richtet erschienen. 



Da im Juli dieses Jahres mit Schluss des Sommerseme- 
sters die Thätigkeit der chirurgisch - medicinischen Akademie 
als öffentlicher Lehranstalt für Studire.nde aufhörte, betrug 
die Zahl der Schüler nur 12, während Ö6 Schülerinnen Heb- 
ammenunterricht erhielten. 



über die Ereignisse in dem EntbiDdnngsinstitiite etc. 59 



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60 IV. De$9au€r^ Peritonitis in Folgre pnralenter Entsündung 



IV. 

Peritonitis in Folge purulenter Entzündung der 
Eileiter ausser dem Wochenbette. 

Mitgetheilt 



Dr. H. V. Dessaaer in Kochei. 

In der Wiener Mediz. Wochenschrift Nr. 44. u. 45. 185Ö 
veröffentlicht Förster ib einer eingehenden Besprechung der - 
Peritonitis in Folge purulenter Salpingitis und Perforation der - 
Tuben ein paar Krankengeschichten, welche besonders dadurch 
Interesse verdienen, dass sie ausser dem Wochenbette zur 
Beobachtung kamen und Mittheilungen hierüber in der Lite- 
ratur sich fast gar nicht finden. Seitdem erfolgte meines 
Wissens erst eine weitere einschlägige Mittheilung von E, Wag^ 
ner in Leipzig (Monatsschrift für Geburtskunde Band ^¥. 
pag. 436). Dieser Fall betrifH eine am Ende des achten 
Schwangerschaftsmonates plötzlich an einer sehr schmerzhaf- 
ten UnterleibsafTection erkrankte, und schon nach nicht 24 
Stunden verstorbene Frau. 

Crede förderte sofort durch den Kaiserschnitt zwei seit 
ein paar Tagen abgestorbene Fruchte zur Welt. Die Section 
ergab eine Peritonitis von sehr geringer Ausdehnung, nur 
auf die nächste Umgebung des Uterus beschränkt, — femer 
Ausscheidung von Margarinkrystallen in den Fettzellen — ^ 
(Kölliker^ Handbuch der Gewebelehre, IV. Auflage. Figur 
52 b.) — in der Gallenblase circa 60 polygonale 1 — 3'" im 
Durchmesser haltende Steine. Die rechte Tuba war 1'' von 
i/en Fransen uicerirt und perforirl, die ¥«ftoaX\o\\ \\w^u- 
gross, die Ränder derselben zoltig, indem Äe d\e 1\xW wi&- 



der Eileiter ausser dem Wochenbette. Q\ 

kleidende Schleimhaut ausgestülpt war — so dass die OefT- 
nung fast wie ein Ostium accessorium aussah. Die Tuha enthielt 
wenig schleimigen Eiter. Im rechten Ovarium befand sich 
ein Corpus luteum. 

Förster lässt die Peritonitis bei Salpingitis auf drei Ar- 
ten entstehen: 1) durch Fortpflanzung durch das Tubar- 
ostium auf das Peritonäum; 2) durch Perforation der Tuba; 
3) durch Eitererguss aus dem offenbleibenden Tubarostium. 

Folgenden Fall der zweiten Gattung, welcher gleichfalls 
ausser dem Wocbenbeftc vorkam, habe ich selbst beobachtet. 

Am 18. Oct. 1858 wurde ich als Practikant der Poli- 
klinik zu Manchen zu einer Frau Th. K, gerufen. Dieselbe 
war seit 20 Jahren verheirathet und hatte nie geboren. Die 
Menses waren im 15. Jahre eingetreten und stets regelmässig 
und ausgiebig gewesen. Kurz nach der Verheirathung er- 
krankte sie nach vorhergegangener Menstruation an einer 
Unterleibsentzündung, und dies wiederholte sich mehrmals, 
zum letzten Male vor vier Jahren. Sie klagte — nachdem 
die Menses drei Monate cessirt hatten und vor acht Tagen 
unter heftigen kreuz- und kolikartigen Schmerzen plötzlich 
wieder eingetreten waren, wobei sie viel und fast nur coagu- 
lirles dunkles Blut verloren haben will — über die Fortdauer 
dieser Schmerzen, besonders seien die beiden unteren Extre- 
mitäten wie eingeschlafen, wie taub. Die Untersuchung ergab 
eine Peritonitis, deren Ausgangspunkt und Ausdehnung bei 
der bestehenden mcteorislischen Spannung und Schmerzhaf- 
tigkeit des Abdomen nicht zu bestimmen war. Nur bei schon 
leisem Drucke in der Blasengegend äusserte die Kranke be- 
sonderen Schmerz, sowie ihr auch das Uriniren Schmerz ver- 
ursachte. Der Puls 108, klein, schleudernd. Leinsamenum- 
schläge auf den Leib und Tinct. Opii innerlich beruhigten die 
aufgeregte Kranke und linderten die Schmerzen. 

Den 19. October befand sich die Kranke nach einer 
guten Nacht scheinbar besser — namentlich die Pulsfrequenz 
liatte abgenommen — 100 — und war der Puls weniger^ 
schleudernd — doch hatte sie zwei Mal Schleim erbrochen. 
Um eine bestimmte Diagnose und Prognose sleWen v\ \Js\sr- 
nen, schien mir eine innerliche Untersuchung nacVi o\>\%ex 
Anamnese dringend geboten. 



62 ^^* Detaauer, Peritonitis in Fol^^e parnlenter Rntzündaug 

Dieselbe ergab Folgendes: Die Scheidenschleimbaut heiss, 
wenig zähes Secret, Vaginalportion ungleich, heiss — das 
Orificium externum nur wenig geölTnct, kaum der Fingerspitze 
zugänglich; bei nur leisem Drucke auf den Uterus lebhafte 
Schmerzen, welche sich sehr steigern bei Druck auf den 
Scheidengrund nach aufwärts gegen die Tuben oder Ovarien 
hin, während Druck im Verlaufe der Urethra und gegen den 
Blasengrund keinen Schmerz verursacht. 

Damit musste ich mich begnügen, weil eine eingehen- 
dere Untersuchung nicht ertragen worden wäre. Doch ge- 
nügte sie um die Diagnose bestimmt zu stellen auf: Perito- 
nitis ausgehend von den Tuben oder Ovarien. Die Prognose 
wurde nicht absolut ungunstig gestellt, da die Pulsfrequenz 
abgenommen halte und die Kranke. durchaus keinen Gollapsus 
zeigte, sie auch bestimmt versicherte, diese Krankheit mehr- 
mals in viel heftigerer Form gut überstanden zu haben. 

Die Behandlung wie bisher. 

20. Oct. Alle Erscheinungen zeigten sich verschlim- 
mert, die Schmerzen in der Coecalgegend gesteigert. Puls 
über 130, Meteorismus stark zugenommen. Die Kranke ge- 
steht, in der Nacht — den erwachten Appetit zu stillen — 
ein Paar Bergamotlebirnen gegessen zu haben. 

Es wurdtm auf die Coecalgegend zwölf Blutegel gesetzt, 
mit den Umschlägen fortgefahren, und dreistündlich ein 
EsslöfTel Olei Ricini verabreicht 

Gegend Abend allgemeiner Nachlass der Erscheinungen. 
Die Kranke fühlt sich bedeutend leichter — sie geniesst in 
der Nacht, „um sich zu stärken,** erst ein Paar ßergamotte- 
birnen, dann eine aufgeschmälzte Eiersuppe, und trinkt dazu 
eine halbe Flasche Augsburger Kiasow'sche Lebensessenz. 

Den 21. October ist die Kranke vollständig collabirt, 
moribund, heftiger Singultus eingetreten, unter dessen Zu- 
nahme der Tod eintritt. 

"Section 24 Stunden nach dem Tode am 22. October. 

Der Körper ist wohlgenährt, ausgedehnte Netze varicöser 
Venen am rechten Unterschenkel. Abdomen stark aufgetrie- 
ben. Das Fettlager ziemlich dick — die Muskeln roth. Die 



der Eileiter ausser dem Wochenbette. 63 

Oberlappen beider Lungen sind trocken, die unteren öde- 
malös. In der linken Pleurahöhle circa fünf Unzen roth ge- 
färbtes Serura — in der rechten ebenfalls hlulig seröse Flüs- 
sigkeit. — Der Herzmuskel ist mnrbe, leicht zerreisslich — 
Die Kamnaern enthalten etwas weniges Coaguinm. Die Klap- 
pen unverändert. Bei Eröffnung der Bauchhöhle ergiesst sich 
ziemlich viel seröse Flüssigkeit — das Netz und die von 
Gasen aufgeblähten Gedärme allseitig durch alte Adhaesidnen 
verwachsen, sowie durch neues Exsudat verklebt. Nach Ent- 
fernung der Eingeweide quillt aus dem Becken — dem Dou- 
^Zo^'schen Raum eine ziemliche Quantität gelben, rahmähn- 
lichen Eiters. Beide Tuben sind beträchtlich aufgetrieben und 
stellenweise eingeschnürt, so dass die stärkste hühnereigrosse 
Erweiterung in der Mitte liegt — schiefergrau — querge- 
faltet , scheinbar wie cystös — die linke ist an der Stelle der 
grössten Ausdehnung kreuzergross ulcerirt und perforirt — 
die Ränder der Perforation sind wie gerissen, nicht rund, 
glatt — es ergiesst sich hieraus der Eiter. Der Innenraum 
der Tuba ist durch zahlreiche Querbalken scheinbar in eine 
Menge kleinere und grössere Cysten getheilt. Die Schleim- 
haut ist verdickt, missfarbig, an der Perforationsstelle frisch 
injicirt. Die rechte Tuba bietet ganz die gleichen Erschei- 
nungen dar — nur ohne die Perforation. Beide Tuben liegen 
frei ohne ältere Anheflungen im Cavum Douglaaii, dessen 
peritoDäaler üeberzug eben so schiefergrau gefärbt ist, wie 
die Tuben selbst. — Das linke Ovarium enthält mehre linsen- 
bis haselnussgrosse Cysten mit klarem Serum gefüllt — im 
rechten findet sich ein geplatzter öraa/*scher Follikel mit 
frischem Coagulum. — Die Milz ist mehrfach gelappt, Kapsel 
gerunzelt, verdickt — leicht abziehbar — die Pulpa anämisch, 
derb. Die übrigen Organe bieten nichts Auffälliges dar. 



54 ^- Notizen aus der Journal -Literatur. 



V. 
Notizen aus der Journal -Literatur. 



P4an: Fall von Ovariotomie. 

P. stellte der Academie eine vor acht Wochen von ihm 
operirte Kranke yor, die mittels der Ovariotomie von einer mnl- 
tiloculären Cyste von 10 Kilogr. Gewicht befreit worden war. 
Die Patientin ist eine Italienerin im Alter von 80 Jahren, hat 
fünf Kinder. Der Zustand war so bedenklich, dass man den Re- 
ginn einer Phthisis hHtte diagnosticiren können. Von der Mitte 
zwischen Nabel und Symphyse ging die Einschnittsnarbe bis sn 
letzterer herab. Die Operation geschah nach den allgemeinen 
Regeln, nur mussten Adhäsionen der Geschwulst mit dem Netze, 
den Därmen und den Bauch Wandungen excidirt und unterbunden 
werden. EineMetallligatur vereinigte das Peritonäum. Sie musste, 
da sie in F'olge einer Bronchitis und der bedeutenden Erschüt- 
terungen durch den Husten zerstört worden war, von Neuem 
angelegt werden. Trotzdem war 20 Tage nach der Operation 
die Kranke geheilt und 6 Wochen später in vollster Gesundheit, 
(Bulletin de PAcad^mie Impt^riale T. XXX. No. 21. 
15. August 1865.) 



Keith: Fall von Ovariotomie, wobei die Cyste 
gangränescirt war. 

Verf. erzählt diesen Fall, weil er unter sehr ungünstigen 
Verhältnissen doch' glücklich heilte, und die Praxis beweist, dass 
man stets zur Operation schreiten soll, wenn nach der Punction 
schlechte Symptome auftreten. Die 51 jährige Patientin litt seit 
mehr als vier Jahren an einer Ovarialgoschwulst. Binnen der 
letzten 12 Monate war die Punction zwei Mal nöthig gewesen. 
Als Verf. sie sah, war die Geschwulst gross, der grösste Umfang 
des Leibes 47'/,", und der Abstand des Nabels von der Scham- 
fuge 32 Zoll. Am nächsten Tage nahm er die Punction vor — 
eine Art der Praxis, die Verf. häufig einige Tage vor der Radi- 
ealoperBtioD grosser Cysten mit gutem Erfolge befolgt hat. Es 



V. Notisen ans der Journal- Literatur. 65 

wurden 49 Pfnnd albnniinöser Flüssigfkeit entleert. Am Abend 
des zweiten Tages nach der Function traten Schmersen bei Be- 
wegungen in der linken Regio iliaca, Flatulenz, Aufregung und 
Schlaflosigkeit ein. Vier Tage später war Patientin noch auf- 
geregter, schlief gar nicht, hatte hochgradiges Fieber, stärkere 
Schmerzes — Symptome, die auf Entzündung der Cyste hindeu- 
teten; sie dauerten bis zum Morgen des 0. Tages in schwanken- 
der Intensität. Dennoch unternimmt jetzt Verf. die -Operation. 
Mach Eröffnung der Bauchhöhle geht er mit dem Finger ein und, 
was dieser erreichte, war ohne Adhäsionen. Bei Entfernung von 
% Gallone Flüssigkeit bemerkte er einen starken, gangränösen 
Geruch. Nach der Erweiterung der Wunde nach oben und unten 
kam er auf sehr feste "Adhäsionen der Eingeweide mit dem obern 
und hintern Theile der Cyste; die Eingeweide selbst waren stark 
entzündet; Nach einer Stunde war die ganze Masse vorsichtig 
entfernt worden, die Blutung ziemUch stark gewesen. Der Stiel 
war dick und ziemlich lang, die Patientin fast zwei Stunden in 
der Cbloroformnarkose gewesen. — Die CystenwUnde wogen 
8Va Pfand, und die grosse Cyste enthielt 49 Pfund Flüssigkeit. 
Mau fand bei Eröffnung der Cysten vollständige, brandige Zer- 
störung der vordem, Y,' dicken Wand, welche mit einer dicken 
Lage frischer Jauche bedeckt war; die hintere Wand war in 
ihrem grössten Theile in einem Zustande vollständiger Verschor- 
fang. Die iV, Zoll dicke Basis der Geschwulst war von knor- 
pelartiger Härte. — Mit der Entfernung der Quelle der entzünd- 
lichen Erscheinungen wichen auch die letzteren; am selbigen 
Abende hatte die Patientin, die früher 120 Pulsschläge in der 
Minute gehabt, nur 90. In drei Wochen Heilung. Dies war 
Verf.^s 24. Operation binnen der letzten zwei Jahre, und die 
achte glückliche hinter einander. Sechs Patienten (25\) star- 
ben von diesen 24 Operirten, achtzehn (75 %) wurden völlig 
geheilt. ^^j^^ Lancet. No. II. Vol. III. 8. Juli. 1865.) 



De Montet (Vevey): Ein Fall von variotoiiiie. 

Die betreffende Kranke, ein 26 jähriges Mädchen, hatte nach 
dem 14. Jahre zwei Mal einen heftigen Gelenksrheumatismus 
durchgemacht; die Menstruation war bis vor vier Jahren regel- 
mässig. Als sie um diese Zeit einen heftigen Schmerz im rech- 
ten Hypogastrium fühlte, fand sich daselbst eine wenig circum- 
scripte Geschwulst, bald nachher wurden die Schmerzen heftig, 
und als die Geschwulst ziemlich gewachsen war, wurde sie (am 
17. Dec. 1863) zum ersten Male punktirt; es wurden 57« Kannen 
brSunlicber gelatinöser Flüssigkeit entleert. Bis zum April 1H^4 
MonatMobr. f. Oebartsk. 1868. Bd. XXVII., HA. 1. 5 



66 V. Notizen au« der Journal -Literatar. 

hatte der Leibesnmfang^ wieder sehr zugenommen; damals zopf 
sich Patientin durch einen Fall auf den Leib eine sehr heftig-e 
Phlegmone am linken Schenkel zu, welcher bisher ödematös 
blieb. Im Mai und August wurden fernere Punctionen unter- 
nommen, sie lieferten dieselben Quantitäten gleicher Flüssig- 
keit. Jetzt sieht sie Verf. zum ersten Male und findet«eine zwei- 
faustgrosse , resistente Geschwulst gegen die Mitte des Hypo- 
gastrium hin, wenig beweglich, neben zwei bis drei kleineren 
Geschwülsten; die erstere hatte sich bis Ende October schon 
wieder gefällt und wuchs rapid. Die Kranke, ins Spital geschafft, 
war schwach, blass, aber fieberfrei, und klagte nur wegen 
Schmerzen im Leibe und Beklemmung. So blieb der Stand drei 
Wochen lung. Am 8. Dec. wurde die Operation ausgeführt; der 
Hautschnitt war 22 Centimeter lang, beim Umgreifen der Ge- 
schwulst fanden sich einzelne .weiche Adhäsionen, die leicht zer- 
rissen wurden; festere hatten sich an den früheren Pouctions- 
Öffnungen gebildet. Hinter der Hauptgeschwulst fand sich noch 
eine härtere, höckrige Masse von der Grösse eines neugebornen 
Rindskopfes, mit starken Adhäsionen an Netz und Därmen, nach 
deren Unterbindung mit zwei Ligaturen sich die Geschwulst ans 
der Bauchhöhle herausziehen Hess; sie stellte sich als ein Ag- 
glomerat zahlreicher Cysten mit sehr resistenten Wänden dar ; 
der Stiel war ziemlich breit und besass zwei Gefässe von Ka- 
benfederkieldicke, welche mit Klammer und Metallligatur unter- 
bunden wurden ; er selbst wurde in der Mitte der Wunde befe- 
stigt, und dieselbe dann durch zehn Nadeln vereinigt (umschlun- 
gene Nähte). Der Blutverlust betrug ungefähr zwei Unzen. Dia 
Nachbehandlung bestand in feuchten Cataplasmen, Suppositorien 
mit Eztr. Opii, Catheterismus; bis zum vierten Tage ging Alles 
nach Wunsch; die Wunde schloss sich gut, der Stiel mumi- 
ficirte. Am fünften und sechsten Tage wurden drei Nadeln weg- 
genommen, der Catheterismus fortgesetzt; am siebenten Tage 
stellte sich Schmerz im rechten Knie ein, der sich auf Chinin 
besserte und dann verlor, so dass die Kranke am 15. Tage auf- 
stehen konnte. 

Verf. macht schliesslich noch auf die interessanten Seiten 
dieses Falles aufmerksam, die sich nicht allein auf den glück- 
lichen Erfolg der Operation beschränken, sondern vielmehr in 
der Art der Geschwulst und deren Structur beruhen. Hier ist 
es einleuchtend, dass eine einfache oder mit Jodinjection ver- 
bundene Function Einer Cyste nicht zur Heilung führen konnte, 
wie dies bei einfachen Cysten der Fall sein kann. 

(Gazette h^bdomadaire No. 11. 17. März 1865.) 



V. Notizen nas der Journal -Literatur. Qf 

Erichsen: Bericht über die im Hebainnieninstitut 
I. K. H. der Grossfürstin IIelen(i Paulowna 
ausgeführten Sectionen für die Jahre 1862 bis 
1863. 

Als durchaus doroinirend bei Aufstellunfzr einer Classification 
der puerperale» Erkrankungen betrachtet Verf. die anatomisch- 
pathologische Anschauung, auf Grund deren er drei Uauptgrup- 
pen annimmt. 

1) Die puerperale Entzündung. 

2) Die puerperale Thrombose. 

3) Die puerperale Ichorrhämie. 

Zur puerperalen Entzündung rechnet er drei Specios: 
a) die pue rperale Peritonitis, b) die puerperale Phlegm oue, 
c) die puerperale Metritis. 

In Hinsicht auf dies Schema unterzieht er die von Buhl 
aufgestellte Eintheiinng einer kritischen Beleuchtung, wobei er jene 
wenigstens vom pathologisch-anatomischen Standpunkte aus nicht 
acceptiren, ihr mindestens keinen Vorzug vor der vom Verf 
selbst aufgestellten Classification einräumen zu können glaubt. 
— Seiner Eintheilung entsprechend, bespricht Verf. im weiteren 
Verlaufe seiner Arbeit zunächst eine Gruppe von 19 Füllen uni- 
verseller Peritonitis. Er verwirft dabei die von Afar^in unä 
Buhl ausgesprochene Ansicht, dass die Endometritis und Salpin- 
gitis der Ausgangspunkt sämmtlicher puerperalen Affectionen 
sei, und dass jedesmal Endometritis nnd Salpingitis der Peri- 
tonitis vorangehen und sie bedingen. Verf. fand zwar unter sei- 
nen 19 Füllen die Peritonitis 11 Mal mit Endometritis compli- 
cirt, aber 8 Mal liess sich auch nicht eine Spur davon constn- 
tiren. Es fand sich ferner nur 9 Mal eitrige Salpingitis, während 
10 Mal die Tubarschleimhant entweder normal oder doch nur 
katarrhalisch geschwellt mit einem mehr oder minder schleimigen 
Beleg bedeckt war. Von den 9 Fällen eitriger Salpingitis waren 
6 Fälle beiderseitig und 3 Fälle rechtsseitig. Verf. meint daher, 
dass wenigstens die Frage nicht von der Hand zu weisen sei, 
ob nicht vielmehr' die vorhandene Peritonitis in manchen Fällen 
die Veranlassung zur Entstehung der Salpingitis gegeben habe, 
so dass chronologisch und ätiologisch die Aufeinanderfolge eine 
umgekehrte sei. Die Möglichkeit der ^u^rschen Ansicht will 
übrigens Verf. durchaus nicht bestritten haben. Um die eben 
erwähnten Beziehungen der Peritonitis zur Endometritis und Sal- 
pingitis darzuthun, lässt Verf. 2 Beobachtungen von intensiver 
Peritonitis mit tödtlichem Ausgange in extenso folgen. Im ersten 
Falle bot dabei die Innenfläche des Uterus und der Tuben keine 
nennenswerthe Affection, während im zweiten Falle diese Organe 
mit einer hochgradigen Entzündung am Gesammtproccss parti- 
eipirten, ao dass Ytrf, für wahrscheinlich hielt, dass d\Q V^ikVi^X.^- 

5* 



53 ^* Notizen an« der Jonmal- Literatur. 

hnng der Peritonitis von einer confcinnirlichen Ansbreitiing der 
Endometritis und Salpingitis abhängig za machen sei. Ichor- 
rhümische Erscheinangen fehlten trotz aasgedehnter Mesenterial- 
phlegmone in beiden Fällen. — 

Weiterhin bespricht Verf. die Ursachen der an den Orga- 
nen der Unterleibshöhle besonders hervortretenden Schwellnngs- 
znstKnde, rücksichtlich deren er ansführlicher einen Fall wieder 
giebt, in welchem die vorgefundene Peritonitis nach Ansieht des 
Verf. ihre Entstehung einer Endometritis mit eitriger Salpingitia 
verdankt; als consecutive Erkrankung trat eine phlegmonöse 
Entzündung des mesenterialen und retroperitonKalen Zellgewebes 
hinzu, von wo aus nun eine ichorrhämische (septic^mische) Tn- 
fection mit acuten Schwellungszuständen der Unterleibsorgane 
bedingt wurde. 

Die Organe der Brusthöhle fand Verf. in der Mehrzahl der 
Beobachtungen nur durch mechanische Einwirkung (tympanitische 
Auftreibung des Darmes) verändert. — 

An das Vorausgegangene schliessen sich 8 Fälle secnndfirer 
zu anderen Wochenbettsaffectionen hinzugetretener Peritonitia. 
Als secundär fasst sie Verf. deshalb auf, weil bei ihnen die In- 
tensität der EntjEÜndung im Vergleiche zu der tödtlichen Primär- 
erkrankung entweder zu gering schien, oder — wo das Exsudat 
bedeutender war — doch der Gesammtzustand dermassen das 
Gepräge der anderen Affection an sich trug, dass sich diese als 
der entschieden dominirende Factor des gesammten Krankheits- 
processes herausstellte. Hiermit kommt Yerf, zu einer Form der 
puerperalen Erkrankung, bei welcher der contagiöse Charakter, 
d. h. die Tendenz der raschen, continuirliohen Ausbreitung und 
die Neigung, andere Systeme in den Kreis der Krankheit hinein- 
zuziehen, vorwaltet: zur puerperalen Phlegmone. Speciell 
bespricht er hierbei die Entzündung des subserösen Zellge« 
webes des Uterus und der nächsten Ut erinadnexa (Para- 
metritis Virchow^s)^ ferner die Entzündung des Beckenzell- 
gewebes und endlich die des subcutanen Gewebes der 
Oberschenkel und der Bauchdecken, die bald gesondert, 
bald alle drei combinirt auftreten. Die Quelle der Erkrankungen 
seien meist diphtheritische Processe an der Innenfläche des Ute- 
rus, doch sah Verf. die Beckenphlegmone und Parametritis auch 
genuin entstehen. Endlich giebt die Venenthrombose sowohl der 
Becken als Cruralveneu häufig die Ursache der Phlegmone ab. — Meist 
erstreckt sich die erstere Erkrankungsform diffus über die ganze 
Subserose des Uterus und der Alae vespertilionis, die dann suc- 
culent, wie von einem ödematösen Infiltrat geschwellt erschei- 
nen, späterhin findet sich an dieser Stelle eine ziemlich conti- 
nuirliche Eiterlage, worauf die regressive Metamorphose — Fett- 
degencration — Platz greift. Nicht selten fand Verf. daneben 
perlschnnrArtig aneinandergereihte, kleine abscessartige Bildun- 



V. Nofcisen aus der Journal Literatur. 69 

g»ti, die sich ala Ton Tlirombeii gefüllte Lymphgefässe erwiesen 
and sa benacbbarteo eotzändlich geschwellten Lymphdrüsen 
führten. — Hieran schliesst sich die Entzündung des Becken- 
zellgewebes, die meist secundar durch Ausbreitung benach- 
barter Phlegmonen, oder primär durch Thrombose oder cariöse 
Processe an den Beckenknochen entstehen; und zuletzt die Ent- 
zündungen des subcutanen Zellgewebes der Schen- 
kel und der äusseren Hautbedeckungen überhaupt. 
Zur Illustration des Vorhergehenden führt Verf. einige Fälle spa- 
eieller an. 

Weiterhin bespricht er die puerperale Metritis. Unter 
den vorhandenen Beobachtungen fand er nur wenige Fälle, wo 
das ganze Organ difTus befallen war, dagegen erwiesen sich die 
Formen partieller Metritis als überaus häufig; Placentarinser- 
tionsstelle und nächstdem die Vaginalportion zeigten sich dabei 
meist am tiefsten infiltrirt. Die diffuse Metritis nahm vor Allem 
das interstitielle Gewebe in Anspruch, indem eine Proliferation 
jungen Bindegewebes statthatte. — Bis zur Bildung interparie- 
taler Abscesse sah es Verf. nie kommen. 

2) Die puerperale Thrombose. Nach Vtrchow schei- 
det Verf. dieselbe in drei Formen: die Placentarthrombose, die 
Dilatationstfarombose und die Compressionsthrombose. Die Bil- 
dung rasch fortschreitender Placentarthrombosen in den ab- 
norm weiten Gefässen unterstütze die durch mangelhafte Con- 
traction bewirkte Unzulänglichkeit des äusseren Druckes; es 
reiht sich also diese Form der Dilatationsthrombrose an, welche 
besonders die Plexus pampiniformes, uterini, die tieferen Becken- 
▼enen und die Spermatica interna betreffe. Das Motiv zur Ge- 
rinnung sei hierbei die Verlangsamung der Stromgeschwindigkeit, 
die wiederum durch abnorme Dimensionen der Gefässlumina be- 
dingt sei. Die Compressionsthrombose betrifft hauptsächlich die 
Schenkelvenen, und entsteht meist — aber nicht immer — durch 
den Druck des schwangeren Uterus. Es folgen darüber in der 
Kürze einige Fälle aus seinen Beobachtungen; ausführlicher 
tbeilt er hierbei einen Fall mit, der die grössten Dimensionen 
interparietaler Thrombose darbietet. Der tödtliche Ausgang 
wurde hier durch weiteren Transport von Embolis in die Lunge, 
theils durch directe Infection bedingt. — Den häufigsten Aus- 
(rnng der Thrombose bildet die Ichorrhämie, die bald durch 
Selbstinfection vom erweichten Thrombus aus oder von den durch 
diesen provocirten Localaffectionen aus herzuleiten oder endlich 
direct durch diphtheritische Processe an der Uterininnenfläche 
motivirt war. 

3) Die puerperale Ichorrhämie. Diese chnrakteri- 
«ire schon klinisch der entschieden infectiöse, den typhösen Er- 
kranknogen ähnliche Verlauf, ausserdem aber die pareücViymt^- 
tdsen EntMändang^ßvorgMoge in Afila, Lober und lilieTen. km 



70 V. Notizen aus der Joarnal- Literatur. 

intensivsten stellt sich die Infection in den Fällen dar, wo die 
Erscheinungen an der Leber sich zur acuten Atrophie steigern, 
deren parenchymatös entzündlichen Charakter er als durch In- 
fection bedingt betrachtet wissen will (4 Beobachtungen). 

(St. Petersburger medicinische Zeitschrift. 1866. 
5. und 6. Heft.) 



J. SchmtdtmilUer : Ein Fall von Ruptura perinäi 
centralis. 

Eine 29 jährige Erstgebärende kam am 19. Jan. 1865 in die 
Geburt, aber erst nach einer 2 tägigen Geburtsarbeit wurde der 
Kopf unter heftigen Wehen endlich sichtbar. Trotz kräftiger 
Unterstützung des Dammes seitens der allein anwesenden Heb- 
amme brach der Kopf plötzlich mit aller Kraft in der Mitte des 
Dammes durch, worauf leicht und schnell der Rumpf des Kindes 
und alsbald auch die Nachgeburt auf demselben Wege folgten. 
Am dritten Tage nach der Geburt wurde Verf. gerufen und fand 
das Mittelfleisch 2y," lang; in seiner Mitte eine gerissene und 
gequetschte I nur wenig quer über dasselbe verlaufende Wunde 
von 174'' Länge, von deren vorderem Rande ein unverletzter 
Theil des Dammes von ^/^" sich gegen die Schamspalte, von dem 
hinteren Ende ein gleicher von y^" bis zum After erstreckte, 
After und Geschlechtstheile waren somit nicht in den Bereich 
der Verletzung gezogen. Der durch die Wunde geschobene Fin- 
ger konnte nach Vorn und Aussen leicht durch die Schamspalte 
und nach hinten bis zur vorderen Wand des Mastdarmes geführt 
werden, so dass sich auch die hintere Scheidenwand vollständig 
durchgerissen zeigte. Der geschwollenen und gtingränescirenden 
Wundränder halber war eine blutige Vereinigung nicht möglich, 
es wurde also nur ruhige Lage im Bette mit möglichst geschlos- 
senen Schenkeln und Einspritzungen verordnet, die Wunde aber 
äusserlich mit Oharpie belegt. Die Wunde granulirte gut, so 
duss schon nach circa drei Wochen dieselbe fast geschlossen 
war. Die vollständige Heilung erfolgte-£nde März ohne jeden 
zurückbleibenden Nachtheil. 

(Aerztliches Intelligenzblatt bayerscher Aerzte. 1865. Nr. 38.) 

Joulin: Anatomische Untersuchungen über die 
Membrana laminosa, den Zustand des Cho- 
rion und der Circulation in der Placenta zu 
Ende der Schwangerschaf L 
Die Ansicht der meisten Embryologen und Geburtshelfer, 

tfssa die Membran, welche nach Abzug des Amnion die Fötal- 



V. Notizen au» der Journal- Literatur. 71 

fläche der Placenta überkleidet, durch das Chorion gebildet 
werde, sieht Verf. für ung^enan an; er nennt sie Membrana lami- 
nosa and datirt ihren Ursprung von der Allantois, für deren, 
aus dem an der fötalen Placentarfläche verdichteten, reticulirten 
Magma gebildeten, Rest er sie hält. Er unterscheidet Laminosa 
und Chorion durch ihre histologischen Elemente und ihre Lage 
sur Placenta, und swar beziehen sich die neubeobachteten That- 
Sachen 1) auf die Vertheilnng der Plaoentar gefässe, 
2) auf die Art der Insertion und des Verlaufes der Zot- 
ten, 3) auf die Membrana laminosa, 4) auf die Beziehun- 
gen der Zotten zu der Circulation in den mütter- 
lichen Gefässen, wodurch Verf. beweisen will, dass das Cho- 
rion sich am Ende der Schwangerschaft nicht mehr im Zustande 
einer auf die Oberfläche der Placenta sich fortsetzenden Mem- 
bran befinden könne. 

Bei der Bildung der Circulation der Allantois (ad 1.) wen- 
den sich die Gefässstämme auf die fötale Fläche des Chorion 
and es genügt dieser unleugbare Umstand zum Beweise, dass die 
Membrana laminosa nicht ein Theil des Chorion sein könne, da 
sie sich im vollendeten Ei auf einem oberflächlicherem Punkte 
vorfindet, als die Gefässstämme. Beim Austritte aus dem Nabel- 
strange schlängeln sich die GefSsse durch die Substanz der La- 
minosa und nach verschieden langem Wege kreuzen sie sich 
schräg, um in die Placentarsubstans zu gelangen; nach einem 
weiteren Wege von Einem Millimeter bis zu mehreren Centime- 
tem endigen sie, Büschel (bouquet) bildend, in verschiedenen 
Aesten, die sich sofort wieder theilen, um in die Zotten zu 
gelangen. 

Bei der Bildung des Allantoiskreislaufes (ad 2.) theilt dai 
Cborion die Gefässe in zwei verschiedene Schichten; auf seiner 
fötalen Fläche verlaufen die Stämme, auf der Uterinfläche die 
Cdpillargefässe. Zu Ende der Schwangerschaft ist diese Tren- 
nung in der Placenta verschwunden; die Stämme sind mitten in 
die zottigen Massen in allen Bichtungen gelangt, so dass ihre 
Vertheilung nicht mehr regelmässig von der Oberfläche nach der 
Tiefe, des Organs hin stattfindet und man an allen Stellen beide 
Arten von Gefasseu neben einander sehen kann. Die Zotten 
haben nämlich ihren Ursprung jetzt nicht mehr auf gleicher 
Höhe wie früher, nnd ihre Richtung ist nicht etwa stets perpen- 
diculär zur Oberfläche des Organs; ihre Insertion hat gleich- 
uinssig an den Enden der erwähnten Gefässbüschel statt, in jeder 
möglichen Tiefe und Richtung. Das durch das Wachsthum der 
Gefasse vernichtete Chorion hört auf diese Weise, durch sein 
Verschwinden von der Placentaroberfläche , auf eine zusammen- 
hängende Membran zu sein. 

Femer lind die histologischen Elemente der Lammo&«k "Vf^u 
denen des Choriona ganz verschieden (ad 3.); sie \)q&\.q\l\. «i'tOA 



72 ^« Notizen aas der Journal -Literatur. 

Fascikeln von Streifenfasern in parnllelen Schichten, nur snwei- 
len sich kreuzend, au$ amorpher MaRso nnd einigen FetckKrn- 
chen. Weder Kerne noch molecnläre Granulationen, welche die 
Basis des Choriongewebes abgeben, finden sich vor; keine Zotte 
nimmt ihren Ursprung von der Laminosa, sondern die beider- 
seitige Verbindung wird nur durch ein amorphes Gewebe, wel- 
ches die Zotten ebenfalls untereinander vereinigt, gebildet; durch 
Schaben, Ziehen und Maceriren kann man sie völlig von der 
Oberfläche der Membran und von den Stämmen der Gefasse ab- 
heben. Man kann die Laminosa in zwei verschiedene Blätter 
trennen, deren Oberfläche stets äusserst dünn ist (fast nicht über 
*/io bis V,o Millimeter), wenig an den Gefässen adhärirt nnd sich 
mit dem tiefen Blatte an der Wurzel des Nabelstranges nnd in 
der Circumferenz der Placenta vereinigt. Das letztere ist ein 
wenig dicker, zuweilen nnd an manchen Stellen bis 1 Centime- 
ter, besonders zwischen den grossen Aesten der Gerdssbüschel. 
Eng mit den Gefässen verbunden, begleitet es in Form von 
Scheiden dieselbed in die Tiefe des Organs und schickt zur Cir- 
cumferenz der Placenta Lamellen ab, welche zwischen die Zot- 
ten gelangen, ohne dass jedoch die Laminosa irgend welche 
eigenen Gefässe besässe. — Diese Thatsachen haben die Ver- 
änderung der Lehre vom Zusammenhange der Zotten mit den 
Uterinalsinus zur Folge (ad 4.). Die Zottenmasse ist durch ihr 
Volumen zu gross für die Capacität der Sinus (UtricnlardrQsen- 
schläuche). Das mütterliche Blut gelangt nicht in die intercotj- 
ledonären Bäume und die Berührungsfläche des Uterus und der 
Placenta ist fast glatt; denn wenn man auch die Zotten in die Sinnt 
gelangen lassen wollte, so würde dies doch mir für einen kleinen 
Theil der Endzotten möglich sein, und es müssten letztere dann 
stets perpendiculär zur Placentaroberfläche stehen, was nicht 
der Fall ist. Im Gegentheile geschieht die Ernährung durch die 
Vermittelnng des amorphen Gewebes, welches die Zotteuabthei- 
lungen umgiebt und welche eine Ausbreitung des hypertrophi- 
schen Epithelialblattes ist, das an der Oberfläche der Sinus die 
Zotten vom mütterlichen Blute trennt. Die Transmission der 
Blutbestandtheile findet in der Capillarität der betreffenden Ge- 
webe durch Endosmose und Ezosmose zwischen Fötal- und Ma- 
te rnalblute statt. 

(Bulletin de PAcaddmie Imp(^.riale T. XXX. No. 18. 30. Jnni 
1866. und Arohives g^n^rales de M<idecine. Jnillet 1866.) 



V. Dumreicher: Ein Fall von Cys tovariotomie. 

Eine 47 jährige ledige Kindsfrau, die ein Mal glücklich ge* 
boren, und angeblich 1847 an Unterleibseutzüudung gelitten hatte, 
bemerkte drei Jahre darauf eine schmerzlose Geschwulst im Un- 



V. Notisen aus der Journal -Literatur. 73 

terleibe, die flieh Dach und nach so beträchtlich Tergröaserte, 
daflfl Pat. im Krankeohause Hülfe suchte. Die Uotcrsnchnng am 
23. NoY. 1864 ergab einen sehr bedeutenden Ovarientumor (Cj- 
8te), durch welche die Därme in die Lumbargegend und nach 
abwärts gedrängt wurden, jedoch konnte Tor der Hand nicht be- 
stimmt werden, ob die Geschwulst vom rechten oder linken Ova- 
riom ausgegangen sei. Bei der am 24. NoTember vorgenomme- 
nen Function wurden 11 Mass gelbliches dünnes Serum entleert, 
aber schon am 12. Januar musste diese Operation wiederholt 
werden, v. D. machte hierauf eine Injection von Jodtinctur und 
Wasser, um eine Erneuerung des Exsudats zu verhindern. Trotz- 
dem füllte sich die Cyste aufs neue; doch schien nach einer 
Mitte Mars vorgenommenen Untersuchung die Fluctuaiion nicht 
so gleichmäseig, wie bei der Aufnahme, und freies Exsudat im 
Banchfellsacke vorhanden su sein. Dabei trat Schmershaftigkeit 
des Unterleibes und Brechneigung ein, ja Pat. wurde am 24. Mars 
sogar noch von einer rechtsseitigen Pneumonie befallen, die bis 
cum 2. April dauerte. Nach Ablauf dieser Affectionen wurde am 
29. April die Vornahme der Cystovariotomie beschlossen. Die 
Geschwulst erstreckte sich jetzt von der Symph. oss. pub. bis 
2" unter d. proc. xiphoid. sterni, und der Quere nach von einer 
Papillarlinie bis zur anderen. Am obgenannten Tage wurde in 
der Linea alba IV,'' unter dem Nabel eingeschnitten, und die 
Schichten der Bauchdecken in einer Länge von Z" bis zur Cyste 
getrennt. Nach Lösung der lockeren Adhäsionen der Cyste 
wurde dieselbe entleert, wobei es sich zeigte, dass sie mit einem 
10" langen Darmstück verwachsen war. Nach Lösung dieser 
Verwachsungen wurde die Cyste aus dem Abdomen leicht her- 
ausgehoben, und ihr sehr dünner Stiel nut einem vierfachen Fa- 
danbändchen unterbunden und durchgeschnitten. Die Wunde wurde 
mittels der umschlungenen Naht geschlossen und das Bändchen, 
womit der Stiel unterbunden war, zur Wunde herausgeleitet. 
Die Blutung während der ganzen Operation war sehr gering. — 
Am 2. Mai Morgens 8 Uhr trat unter fortwährender Zunahme der 
Schwäche und des CoUapsus bei vollständigem Bewusstsein der 
Tod ein. — Bei der Section zeigten sich in der Hauptsache 
an der vorderen Bauchwand zahlreiche, eitrig -infiltrirte Reste 
alter Pseudomembranen; am rechten Ovarium zwei haselnuss- 
grosse Cysten; das linke Lig. ovar. knapp am Ursprünge durch- 
trennt, die Schnittfläche mit etwas Eiter bedeckt; die linke Tuba 
nahe an ihrem Ursprünge durchschnitten, der Rumpf unterbun- 
den. — Das abgetragene linke Ovarium war fast gänseeigross, 
schlaff, ziemlich blutreich; von seinem äusseren Pole erhebt sich 
eine l^s mannskopfgrosse Cyste, deren bindegewebige Wand 
2"" dick, deren äussere Fläche mit Pseudomembranen bedeckt, 
Qod deren Innenfläche durch höckrige, bald blasse, bald pigm^n- 



74 ^* Notisen aas der Journal -Lttoratur. 

tirte UindegewebswacheruDg'en aasj^ekleidet ist, aber auch bnch- 
tige Substanzverluste zeigt. — 

Ad den mitgetheilten Fall kuiipft v. D. noch einige Bemer- 
kungen über die Cystoyariotomie. Das glückliche Resultat, wel- 
ches die Operateure Euglands in dieser Beziehung gegenüber 
dorn unglücklichen Ausfalle erwühnter Operation auf dem Conti- 
nente haben, sei wohl wesentlich mit durch die dort waltenden 
klimatischen Verhältnisse bedingt. — Was das Vorausschicken 
einer Injection Ton Jodtinctur betrifft, so glaubt Verf. davon ab> 
rathen zu müssen, trotzdem nach anderen Operateuren dies Ver- 
fahren vor der Operation nicht unversucht zu lassen ist. 

(Allgemeine Wiener medicinische Zeitung. 1865. 
Nr. 27 und 28.) 



Sorestna: lieber die Natur der Schleiiiihauttuber- 
kel der Vulva und des Anus bei den Prosti- 
luirten. 

Nachdem Thinj (Brüssel) ein Werk veröffentlicht hatte, in 
dem er bewies, dass 

1) die Schleimhauttuberkel eine, einfach durch Unreinlichkeit 
und Missbrauch des Coitus entstandene und deshalb durch 
rein locale Heilmittol heilbare Krankheit seien, 

2) dass sie nur in so weit, als sie von Uicerationen syphi- 
litischer Natur begleitet seien, ansteckend durch das auch 
auf sie ausgebreitete Contagium wirkten, und 

3) dass constitntionelle Syphilis nur dann erschiene, wenn 
die neben den Tuberkeln einhergehenden Ulcera indurirt 
wären, — 

nahm Verf. Untersuchungen über diesen Punkt auf, und sehloss 
zuerst jedes Mercurialpräparat von der Therapie aus; er ver- 
ordnete, wenn keine Ulcera da waren, nur Bäder von einfachem 
Wasser. Ulcera wurden von Zeit zu Zeit geätzt. Verf. behielt 
die Krauken möglichst lange unter seiner Beobachtung, um da.s 
Auftreten secundärer Erscheinungen möglichst zu entdecken. 
So behandolte Verf. im obigen Zeiträume vom Juni 1863 bi» 
December 18C4 25 Fälle. Drei von ihnen mussten wegen secun- 
därer Affectionen sofort in Mcrcurialkur genommen werden. Die 
22 übrigen wurden von ihm nach obigem Plane behandelt — die 
Tuberkel verschwanden vollständig, durchschnittlich binnen 2(i 
Tagen, aber wenn man die drei hartnäckigsten Fälle abrechnet, 
binnen 20 Tagen. Von diesen 22 Krankon erkrankten nur zwei 
secnndär; von den übrigen 20 blieben 8 Fälle 10—12 Monate, 
9 aber 6 — 9 und die übrigen 8 allerdings nur 8 — 5 Monate in 
Beobachtung, ohne dass je ein Zeichen secundärer Infection auf- 
i^otreteu w'iire. Für diese 20 Fälle erkennt Verf. Thiry^ ersten 



V. Notisen aus der JouitikI* Literatur. 75 

Sats an. Ferner inocnlirte er, sur Controle des zweiten Satzes 
einifre Male, and erreichte dadurch zwei negative nnd zwei po- 
sitive Beweise: er erhielt frische, nicht aicerirende Tuberkel. 
Die erste ren zwei Ffille gpehörten zu den durch ausschliesslich 
loeale Behandlung geheilten (ohne constitntionelle äymptome). 
Im einen Falle, wo die Inocnlation gelang, erschien constitntio- 
nelle Syphilis, die im anderen Falle fehlte, weil sofort Mercn- 
rialbehandlnng eingeleitet wurde. Den dritten Satz obiger Schrift 
bestätigt Verf. nicht. Unter den 5 Constitutionen Erkrankten 
hatten 4 Ulcerationen, aber im 6. Falle war auch nicht eine 
Spur davon, noch von Indurationen zu bemerken. Diese Thatsachen 
lassen zwar die Hypothese zu, dass es zwei Arten von Schleimhaut- 
tuberkeln giebt, von denen die einen specifische Producte syphi- 
litischer Erkrankung sind, während die anderen damit nichts ge- 
mein haben, aber Verf. interpretirt sie folgendermassen : Die 
Schleimhauttuberkel der Vulva und des Analrandes bei den Pro- 
stitnirten sind stets von Anfang an frei von jedem specifischen 
Charakter, und entwickeln sich nur unter dem Einflüsse allge- 
meiner Ursachen, können aber specifischen Charakter annehmen, 
auf dieselbe Weise, wie jede traumatische Verletzung, wenn sie 
bei einer unter dem Einflüsse der Syphilis befindlichen Person 
entstehen. 

(Gazette medica Italiana Lombardia. 1864. Nr. 52. — 

Gazette hdbdomadaire de M^decine et de Chirurgie. 

Nr. 10. Maerz 1865.) 



0. Braun: Die Amputation der Clitoris und Nym- 
phen, ein Beitrag zur Behandlung des Vagi- 
nismus. 

Nach einer eingehenderen Beleuchtung der Symptome und 
der Aetiologie des Vaginismus, wobei er rücksichtlich der letz- 
teren besonders die Anomalien der Clitoris und unter diesen 
vorzugsweise die Hypertrophie derselben als ursächliches Mo- 
ment der Entstehung oder doch der Verschlimmerung des Vagi- 
nismus hervorhebt, erzählt Verf. zur Begründung seiner Ansicht 
den nachstehend kurz wiedergegebenen Fall: Ein 25 jähriges 
lediges, früher stets gesundes Mädchen, will seit dem 13. Jahre) 
durch eine Freundin aufmerksam gemacht, öfters Berührungen 
der Clitoris mit dem Finger vorgenommen und so lange fortge- 
setzt haben, bis unter Erschütterung des ganzen Nervensystems 
eine klebrige Flüssigkeit von eigenthünilichem Gerüche in der 
Schamsi^alte abfioss. Dadurch geschlechtlich äusserst reizbar 
gemacht, gab sie sixsh jedoch ohne Befriedigung der geschlecht- 
lichen Vereinigung im reichsten Maasse hin. Im 22. Jahre abor- 
tirte sie, und im 24. traten angeblich nach einem voiaxia^^^Mi- 



76 ^* Notizen aus der Joamal-Literatnr. 

genen Falle KrampfanfUlIe ein, die sich beAonders aaf Angpen-, 
Mnnd- nnd Nackenrhusknlatnr erstreckten, nach und nach sehr 
intenstT wurden and nnter beträchtlicher Steigerung der ge- 
schlecbtlichen Erregungen einher gingen. Bei der Untersuchung 
aoigte sich die kleine 8chaiulippe mehr als zollweit über die 
grosso hervorragend, herabhängend, tief braun pigmentirt, cutis- 
ähnlich; das Praeput. clitoridis stark entwickelt, leicht zurück- 
flchiebbar, die Ciitoris sehr leicht erigirbar, und dann als ein 
über 1" langer, rabenfederkieldicker, fester Körper, fthnlich wie 
ein kleiner Penis hervorstehend, fühl- und sichtbar. Der Schei- 
denoingang war eng, bei Berührung desselben traten sogleich 
heftige spasmodische Znsammenziehungen des Sphincter cuniii 
unter den Zeichen der gewaltigsten Erregung des Nervensystems 
ein. Der Uterus war grösser und anteflectirt. — Um die Kranke 
von der Berührung der Genitalien abzuhalten, wurden Nymphen 
und Praeput. clitoridis mit Lapis in Substanz geätzt; gegen die 
Anteflexion ein geschlossenes Hebelpessarium No. 2. mit dop- 
pelter Krümmung in die Scheide eingeführt, dasselbe aber später 
wegen des starken Reizes wieder entfernt; die Uterinhöfale wegen 
eines reichlichen Schleimabganges mit dem CAtart'scben Aetz* 
mittel träger cauterisirt und gegen die geschlechtliche Aufregung 
Lupulin in 3 granigen Dosen verordnet. Da indess von der me- 
dicamentösen Einwirkung nichts zu erwarten war, wurde die Ex- 
stirpation der den Reiz unterhaltenden Gebilde, der Ciitoris be- 
schlossen und mit Einwilligung der Patientin mittels der galvano- 
caustischen Schneideschlinge glücklich ausgeführt. Während der 
Operation zeigte sich eine so ausserordentliche Sensibilität der Cii- 
toris, dass als dieselbe mit der Hakenzange .«^efasst worden war, die 
Pat. sich plötzlich mit dem ganzen Becken fast einen Schuh hoch 
von der Unterlage erhob, und trotz der tiefen Chloroformnar- 
kose allsogleich rythmische Vor- und Rückwärtsbewegungen des 
Beckens machte. — Der Zustand der Kranken nach der Opera- 
tion war durchaus befriedigend. Die Aufregungen und Krampf- 
anfälle hörten auf nnd Patientin konnte nicht nur als geheilt 
entlassen werden , sondern sie erklärte bei einem späteren Be- 
suche in der Klinik selbst, dass sie jetzt von den früheren plötz- 
lichen Aufregungen ganz frei sei. 

(Wiener medizin. Wochenschrift. 1865. 73 u. 74.) 



VF. Literatnr. ^^ 



VI. 
Literatur. 



H, Lemser: Die pliysiologische Lösung des MuUerkuchens 

nach Beobachtungeu und Experimenten. Giessen, 1865. 

Angesichts der „über die physiologische Lösnng 
der PlaceDta zur Zeit noch herrschenden differenten Ansichten 
ist Verf. bestrebt, durch eine auf gründliche Untersuchung ge- 
stützte Beobachtung sowie durch Experimente die wahren Vor- 
gange zu begründen. Er berücksichtigt hierbei drei Punkte: 1) die 
Oebnrtszeit, in welcher die Lösung vor sich geht; 2) die Sym- 
ptome der Lösung; 3) den Mechanismus dei^selben. 

Hinsichtlich des ersten und zweiten Punktes kommt er nach 
kurzer Belenchtnng der von den verschiedenen Autoren aufge- 
stellten Ansichten zu dem Schlüsse: die Lösung des Frucht- 
knchens ist bei Erst- und ZweitgebKrenden in der Regel mit der 
Aostreibung des Kindes vollendet; und zwar ist das Vorliegen 
des Placentarrandes im Muttermunde ein sicheres Zeichen der 
totalen Lösung des Mutterkuchens. Selbstverständlich gilt dieser 
Satz nur für ganz normal verlaufende Geburten, und will Verf. 
nicht entscheiden, inwieweit derselbe auch für pathologische Ver- 
hiltnisse Gültigkeit besitzt. Der früher als Symptom der Lö- 
sung angesprochene Blutabgang ans den Geschlechtstheilen vor 
Aasstossnng der Placenta spricht nach Verf. mit Sicherheit nur 
für eine partielle Lösung der Placenta unter der Voraussetzung 
normaler Verhältnisse. 

Was den Mechanismus der physiologischen Placentar- 
losung betrifft, so berechtigen die an Kaninchen angestellten 
Versuche zu folgenden Schlüssen: 

1) In früheren Perioden der Schwangerschaft sind die unter 
den concreten Verhältnissen der Vivisection (Erkalten des Ute- 
ms and der Genitalien, Blutung, allmälige Circnlationsunterbre- 
chnng) auftretenden Contractionen ungenügend, die noch fest an 
dem Uterus anhaftende Placenta zu lösen. 

2) In späteren Perioden der Gestation kann die Placenta 
schon durch Verschiebung infolge der fortschreitenden Con* 
tractionen tou ihrem Boden abgelöst werden, wenn die FlKcheu- 



78 VI. Literatur. 

reduction des anfgeschnittenen Uterus zur Lösung nnzulitng- 
lieh ist. 

3) Die reife Placenta wird rascher und vollständiger mit- 
tels fortschreitender Utoruscontructionen, als durch einfache Flä- 
chenrednction-vom Boden abgelöst. 

4) Es ist wahrscheinlich, dass eine nachträgliche Infiltra- 
tion der allein im Uterus zurückgebliebenen Placenta, 'deren Lö- 
sung den Contractionen nicht gelang, zur secundären Lostren- 
nung vom Boden führen wird. 

Mit grösster Wahrscheinlichkeit glaubt Verf. sich schliess- 
lich rücksichtlich der Lösung der Placenta beim mensch- 
lichen Weibe dahin aussprechen zu können, dieselbe geschehe 
dadurch, dass die Adhärenzen des Kuchens der durch die Wehen 
bedingten Flächenverminderung der Gebärmutterwand und haupt- 
sächlich der Verdrängung des Kuchens von der Insertionsstelle 
durch die auf- und abwärtsschreitenden Verengerungen der Ge- 
bärmutterhöhle nicht Folge zu leisten vermöchten. 



Recherclies sur la ilispusilioii des librcs luusculaircs de l'ut^- 
rus developpu par lu grosstisse iiar Helie, professeur 
d'Anatoinie ä Tecole de Medecine de Nantes. Avec iin 
Alias de dix plaiiches. Paris, 1864. 

Die vorliegende Brochüre, von wenig mehr als 100 Seiten, 
ist das Kesultat zwölfjähriger Arbeit. Der Verf. hat aber auch 
damit eine Frage, die bis jetzt unlösbar schieu , in ausgezeich- 
neter Weise der Lösung nahe gebracht, wenn nicht überhaupt 
endgültig gelöst. Besser als alles Lob wird es sein, wenn in 
dem Folgenden ganz kurz die Ergebnisse der mühevollen und 
sorgfältigen Untersuchungen dargestellt werden. 

Um die Anordnung der Uterusmusculatur zu studiren, müs- 
sen die betreffenden Organe von Frauen herstammen, die ent- 
weder während oder nur wenig Tage nach der Geburt gestorben 
sind. Der Uterus wird gut ausgewaschen und dann in stark mit 
Salpetersäure gesäuertes Wasser gelegt, das oft erneuert werden 
muss. Dies ist die beste Methode, um die Muskelschichten gnt 
KU isoliren. Zunächst hebt der Verf. hervor, dass der seröse 
Ueberzug der Gebärmutter nicht direct auf der Musculatur liegt, 
sondern dass darunter sich eine fibröse bindegewebige Lage be- 
findet, in weiche ein Theil der Musculatur sich inserirt. Die 
Musculatur selbst lässt sich nun leicht in drei ziemlich getrennte 
Lagen sondern. Die erste oder äussere Lage ist folgendcrmassen 
zusammengesetzt: der hauptsächlichste Muskelzng ist der, den 
H, als schleif enföruiiges Bündel bezeichnet. Von der Verbin- 



VI. Literatar. 79 

dnng88te11e des CoIIditi mit dem Corpus uteri entspringen nHnilich 
in der Mittellinie der hinteren Wand aus transyer^alen Fasern 
eine grosse Menge longitudinaler Fasern, die bis enm Fnndns 
aafsteigen and auf die vordere Fläche übergehen, jedoch nicht 
80 weit nach unten als an der hintern Wand. 

Am Fandns strahlen hiervon seitliche Fasern in die Tuba, 
Lig. ovarii etc. ans; ebenso auf der anderen Flnrlie in die Lig. 
rotunda. Vorn vereinigen sich die Fasern dieses Bündels wieder 
mit transversalen. Die transversalen Fasern bilden überhaupt 
den grössten Theil der äusseren Lage, sie gehen auch haupt- 
lächlich in die breiten Mutterbänder u. s. w. über. Die Fasern des 
Lig. ovarii theilen sich in zwei Parthieen, von denen die eine 
an den Fundus, die andere bis an den unteren Theil des Uterus 
geht. Die Fasern d^s Lig. rotnnd. steigen erst in die Höhe, um 
dann sich in einer eigenthümlichen Weise wieder zu senken und 
in das scbleifenförmige Bündel überzugehen. Hebt man nun das 
achleifenförmige Bündel utit seinen Ausstrahlungen ab, so bleiben 
nur transversale Fasern übrig, die am ganzen Organ überhaupt 
vor den andern überwiegen. Hebt man auch diese ab, so kommt 
man auf Fasern, die in schräge übergehen und schleifenförmig die 
eingetretenen Gefässe umfassen, man ist damit auf die mittlere 
Schicht der Uterusmusculatur angelangt. An den Seitentheilen des 
Uterus ist nun die oi^erüächliche Lage noch eigenthümlich angeord- 
net. Die transver.oalen Fasern, die hier anter den Ausstrahlungen der 
Lig. lata liegen, biegen sich nämlich in Schleifen um auf die andere 
Seite der Gebärmutter, bleiben aber dabei nicht in derselben 
Ebene, sondern die Fasern, die vorn tief lagen, werden hinten 
SU oberflächlichen und umgekehrt. Dadurch entstehen contractile 
Schleifen um die an dieser Stelle ja hauptsächlich eintretenden 
Gefässe. Im Collum uteri sind fast ausschliesslich transversale 
Fasern vorhanden, die in die Lig. sacro-uterina und in die 
Scheide ausstrahlen. Die innere Lage der Uterusmusculatur ist 
nieht so complicirt wie die eben geschilderte äussere. In der 
Mitte der hinteren Wand findet sich ein dreieckiges Muskelbün- 
del, welches mit seiner Spitze nach unten, mit seiner Basis nach 
oben gerichtet ist, und zwar so, dass die Basis von einer Tuba 
zur andern reicht. Dasselbe entsteht aus den transversalen Fa- 
sern des Collum, die von der linken Seite aufsteigen, während 
nach rechts von diesem Bündel direct transversale Fasern ab- 
gehen. Transversale Fasern schliessen auch die Basis ab, wäh- 
rend einzelne in die Tuba selbst übergehen. An der vorderen 
Wand befindet sich ein ganz gleiches dreieckiges Bündel , bei 
dem die Fasern von der rechten Seite aufsteigen und nach links 
als transversale abgehen. Diese Fasern gehen direct , ohne 
Kreuzung, in die der anderen Wand über. Sonst kommen an 
der Innenfläche nur transversale Fasern vor, besonder« «\iKt\k. 



80 Vr. Literatur. 

am inneren Muttermande. Am Fundns bilden die Fasern Bogen, 
die um die Tuba sich zu ordentlichen Ringen gestalten. An der 
Placentarstelle ist die regelmässige Anordnung der Muskelfasern 
unterbrochen. Die mittlere Lage der Uterusniusculatur ist deut- 
lich von den eben geschilderten beiden Lagen zu unterscheiden, 
indem keinerlei Kegelmilssigkeit in ihrer Anordnung herrscht, 
aber sie ist durchaus nicht anatomisch davon zu trennen. Die 
tieferen Fasern der äusseren und inneren Schicht werden all- 
niKlig schiefi durchkreuzen sich, und es entsteht eine Verfilaung 
von Fasern, die aller Beschreibung spottet. Das Wesentliche 
dabei ist nur das, dass diese mannigfach verschlungenen Fasern 
die in dieser Schicht so zahlreichen Gefässe ring- und schleifen- 
förmig nmgeben. Auf diese Weise verläuft eigentlich jedes Ge- 
fans in einem förmlichen mnsculösen Rannl, der von Unter c!r- 
culären Fasern gebildet wird. Die Wandungen der Venen sind 
mit diesen KanKlen untrennbar verschmolzen, während die Arte- 
rien frei durch die Kanäle verlaufen. Indem Verf. zum Schluss 
auf die praktische Bedeutung 'dieser Untersuchungen in Bezug 
auf das Verständniss der Wehenthätigkeit und der sogenannten 
Stricturen des Uterus aufmerksam macht, hebt er besonders 
hervor, dass die Erweiterung des Muttermundes nur durch die 
überwiegende Thätigkeit des Fundus uteri zu Stande kommt, 
indem longitudinale Fasern , die den Muttermund activ durch 
Emporziehen dilatiren könnten, nicht existircn. 

Ousaeroto, 



Berichtigung. 

Im 26. Bande, Seite 208, dieser Zeitschria, sagt Veit 
von mir, ich halte ihn bezuglich der NabeJschnunimschlin- 
gimg missverslanden, und bezieht sich hierbei auf die Recen- 
sion von Hecker's „ Klinik *S in der Monatsschrift Daod 23. 
Seite 73. Zur Berichtigung diene, dass die mit 0. unter- 
zeichnete Recension nicht von mir geschrieben ist. 

Spiegelberg, 



VIL 
Verhandlungen der Gesellschaft für Oeburtshttlfe 

in 

Berlin. 



Sitzung vom 28. November 1865. 

Herr Klebs legt der Gesellschaft ein ihm von Herrn 
Martin übergebenes Abortivei vor, welches gleichsam an 
einem Stiele sitzend mit der ursprünglichen Gihöhle nach 
unten gerichtet ist, so dass die Spitze in diesem Falle der 
Anheftungstungsstelle des Eies entspricht. Es sind in dem 
Präparat noch Chorionzotten deutlich zu unterscheiden, die 
von Resten von Blutextravasaten un)geben sind. Mitten darin 
befindet sich eine kleine Cyste, in welche hinein wunderbarer- 
weise auch Chorionzotten ragen. Man muss für dergleichen 
Abortiveier in Bezug auf die äussere Gestalt demnach zwei 
Formen unterscheiden : Erstens solche^ bei denen die Schleim- 
baut des Uterus mit ausgestossen wird, in deren Innern dann 
das Ei liegt In diesen Fällen wird die Eispitze nach unten 
gerichtet sein, wie dies in dem von Herrn Klebs in der 
Sitzung vom 28. Mai d. J. (Monatsschrift für Geburtskunde, 
Bd. XXVI. S. 273.) vorgelegten Präparate der Fall war, wo 

Monausebr. f. Qebartok. 1866. Bd. XXVJL, Hfl. 3. 6 



g2 VII. Verhandlangen der Gesellschaft 

das Choriongewebe in der Höhle des ganzen Abortuspräpa- 
rates lag. Ein Beispiel der zweiten Reihe liegl hier vor, wo 
sich in dein Stiele des Gebildes Choriongewebe findet Es 
handelt sich demnacli hier um einen älteren Zustand eines 
zu Grunde gegangenen Eies, der sehr schön die IMöglichkeit 
darlegt, wie aus einem derartigen Abortus ein sogenannter 
fibrinöser Uteruspolyp hervorgehen kann. 

Ein anderes Präparat stammt von einem sehr mangel- 
haft entwickelten Mädchen von 15 — 16 Jahren her, das nach 
einem einjährigen Aufenthalte im Krankenhause gestorben 
war. Die noch kindlich zu nennenden Geschlechtstheile las- 
sen an dem Hymen einen deutlichen seitlichen Einriss er- 
kennen, dessen Ursache beim Aufschneiden der Vagina sich 
ergab. Man sieht nämlich in dieser eine Haarnadel Hegen, 
die ihrer ganzen Beschaffenheit nach schon längere Zeit in 
der Scheide sich befand, so dass ein vollständiger Abdruck 
derselben auf der Scheidenschleimhaut zu Stande gekommen 
ist. Entsprechend dem stumpfen Ende derselben findet sich 
nämlich in der Schleimhaut eine kleine strahlige weissHche 
Narbe, während genau entsprechend den beiden Spitzen der 
Nadel sich zwei kleine mit Schleimhaut überzogene polypöse 
Wuclierungen zeigen. Schliesslich bespricht Herr Klebs noch 
das Ergebniss einer von ihm vor einigen Tagen angestellten 
Section. Es handelte sich um ein an Carcinoma uteri verstor- 
benes Individuum, bei weichem die locale Erkrankung die ge- 
wöhnlichen weichen Wucherungen des Collum zeigte. Ober- 
halb der eigentlichen krebsigen Wucherung zeigte sich in der 
Uterussubstanz eine kleine mit Eiter gefüllte Abscessböble 
deren benachbarten Venen frei von Tturomben waren. So 
selten nun bekanntlich bei diesen krebsigen Erkrankungen des 
Collum uteri Metastasen überhaupt sind, so war es um so 
interessanter, in diesem Falle eine doppelte Metastasenreibe 
neben einander hergehen zu sehen. Ausgehend von der kreb- 
sigen Erkrankung des Collum uteri fand sich nämhch ein 
einzelner secundärer Krebsknoten ^ in der Muskulatur an der 
Spitze des rechten Herzens, der in die Trabekel hineinge- 
gewachsen war. Gleichzeitig fanden sich kleine eitrige Ab- 
scesse im Herzen, in den Lungen und ein kleiner Infarkt in 



für Oebartshülfe in Berlin. g3 

einer Niere. Wichtig ist hierbei^ dass die einzige Krebsme- 
tastase diesseits des Lungenkreislaufes liegt. Da die Verbrei- 
tung nur von einem Punkte ausgegangen sein kann, so ist 
ein Krebspartikelchen in diesem Falle durch die ßlutgeßisse 
in das rechte Herz gelangt, und ist dann nicht weiter gekom- 
men, während die andere Infection denselben Weg natürlich 
genommen hat, aber weiter gekommen isL Das Seminium 
muss also, da es sich hier nicht um Embolie handelt, von 
der Cavität des rechten Herzens aus gleich inficirend gewirkt 
haben, wie man solche directe Uebertragungen auf seröse 
Häute auch bei Krebsknoten in der Bauchhöhle zu sehen im 
Stande ist. Hier sieht man die Reihe der neu entstandenen 
Knoten sehr häutig nicht den Lymph- oder Blutbahnen fol- 
gen, sondern direct auf den Peritonäalöberzug der Därme 
z. B. von einer Schlinge auf die andere übergehen. 



Herr Ahegg (aus Danzig als Gast) giebt folgende ca- 
suistischen Mittheilungen : 

Rhachitisches Becken, Cephalothrypsie, Metro- 
peritonits puerperalis — Genesung. 

Wegen der Beckenverhällnisse, der Schwierigkeit der Ge- 
burt und wegen seines glucklichen Ausganges ist der im Fol- 
genden beschriebene Fall von Interesse. 

Am 2. Mai 1865 wurde ich Morgens 4 Uhr zur Ent- 
bindung der Frau P. gerufen. Dieselbe war 22 Jahre alt, von 
massig entwickelter Musculatur, 4! b" gross, Primipara. Sie 
hat stark einwärtsgekrämmte Unterschenkel ^ gleichfalls etwas 
nach innen concav gebogene Oberschenkel, lernte auch nach 
ihrer Angabe erst im siebenten Lebensjahre gehen, und soll 
bis zum 19. Jahre viel krank gewesen sein. Die Regel soll 
seit dem 18. Jahre, im Ganzen regelmässig, alle vier Wochen, 
aber spärlich , zwei bis drei Tage lang, eingetreten sein. Der 
Knochenbau ist ziemlich stark. 

e* 



84 VII. Verhandlnngen der Gesellschaft 

Die manuelle Untersuchung des Beckens ergiebt 
eine auffallige Vertiefung in der Gegend der Verbindung des 
untersten Lendenwirbels mit dem oberen Rande des Kreuz* 
beines. Dieses letztere ist sehr stark convex nach aussen 
gekrümmt, seine Höhe offenbar ungewöhnlich gering, die Spttce 
des Steissbeines ist nicht schräge nach vom und unten, son- 
dern fast ganz horizontal nach vorn gerichtet. Die ^ecken- 
neigung ist sehr bedeutend. Von den Spinis antt. supp. nach 
hinten nähern sich die Cristae ileum einander immer mehr. 
Die sofort angestellte und am 15. Mai und 4. Juli wieder^ 
holte sorgfältige Messung des Beckens lieferte die fol- 
genden, bei den verschiedenen Untersuchungen kaum um 1^ 
differirenden , Maasse, mittels des ifor^tVschen Becken- 
messers : 

Spin, ileum ant. sup. 9^'. 
Crist. il. (2^2'' hinter den Spinis gemessen) 8". 
Trochant. 10". 

Höhe der Symphys. oss. pubis 1" 6'". 
Diameter Baudeloequii 5" 6'". 
Conjugata diagon. 3" 1'". 

Danach dürfte die Conjug. vera auf 2" 7'" höchstens, zu 
schätzen sein. 

Distanz der Tubera ischii 3" 6'". 

Höhe des Kreuzbeins bis zur Spitze des Os coccygis 3^' 2^ 

Beide Diametri obliqu. des Beckeneinganges 6''. 

Der Arcus ossium pubis ist spitzwinkelig. 

Am 1. Mai Abends sollen sich die ersten kräftigen We- 
hen eingestellt, unter ferneren guten Wehen 2. Mai Morgens 
gegen 3 Uhr nach spontanem Blasensprunge das Fruchtwas- 
ser abgeflossen und sofort die Nabelschnur vorgefallen sein. 
Zunächst fand ich, wie es nach der durch obige Maasse con- 
statirten ungewöhnlich grossen räumlichen Beschränkung, ins- 
besondere auch des Beckenausganges, nicht zu verwundem 
ist, schon die Einfuhrung der Hand, ja schon zweier Finger, 
behufs der inneren Exploration ausserordentlich schwierig. 
Demnächst wurde Folgendes ermittelt: die Nabelschnur hing 
in grosser pulsloser Schlinge, welche angeblich schon seit 



für Gebartshülfe in Berlin. g5 

länger als Vs Stunde keine Pulsalion mehr zeigte, aus der 
Scheide hervor, in der Scheide lag der von der rechten Seite 
her vorgefallene rechte Arm, weitere Theile waren vorläuGg 
Dicht zu erreichen. Es fehlte jedes Lebenszeichen der Frucht, 
welche sich in Schieflage, mit dem Kopfe in der recliten 
Seite, mit dem Gesichte und der Vordeifläche seines Körpers 
oach vom gekehrt, befand. 

Bei nachweisbarem Leben der Frucht würde unter 
Berücksichtigung der obigen Ermittelungen über die Enge des 
Beckens der Kaiserschnitt am Orte gewesen sein, wahrend 
ich mich hei der Ueberzeugung vom Tode des Kindes für die 
Wendung mit nöthigenfalls nachfolgender Perforation und Ce- 
phalothrypsie entscheiden musste. Die Frau wurde demge- 
mäss auf das bereits vorbereitete Querbett mit gehörig er- 
höhter Kreuzgegend gelagert 

Die Wendung war über alle Beschreibung schwer aus- 
führbar. Auf den einzig erreichbaren linken Fuss wurde ge- 
wendet, an ihm extrahirt, nach der Entwickelung des Rumpfes 
mit grosser Mühe beide Arme, der linke erst nach der noth- 
weudigen Seitenwendung der Frucht nach links, gelöst; der 
Kopf stand sehr hoch im Beckeneingange , nunmehr mit dem 
Gesichte etwas nach hinten und links gekehrt, und war manuell 
gar nicht fassbar. Es wurde nun versuchsweise erst zur Anle- 
gung der Zange geschritten. Dieselbe gelang zwar vollkom- 
men und verhaltnissmassig leicht. Das Instrument umfasste 
jedoch den Kopf mehr in seinem Längendurchmesser, über 
Gesicht und Hinterhaupt, und war in keiner besseren Rich- 
tung zu appliciren. Jeder Zug war völlig vergeblich. 

Jetzt wurde die Frau in tiefe Chloroformnarkose ver- 
setzt, und unter grosser Schwierigkeit die Perforation durch 
die Hinterhauptsnaht ausgeführt, worauf ein grosser Theil 
Gehirnmasse ausfloss, und endlich, da auch nach dieser Ver- 
minderung des Schädelhöhleninhaltes die Extraction des zwi- 
schen Promontorium und Symphyse feststehenden Kopfes nicht 
gelang, unter dem freundlichen Beistande meines sehr erfah- 
renen Collegen und Freundes Dr. Oehhchläger ^ die Cepha- 
lothrypsie vorgenommen. Drei Mal glitt der Cephalothrypter 



^6 ^II- Verhandlangen der Ge Seilschaft 

nach hinten ab. Erst, nachdem die Löffel in fast verticaler Rich- 
tung an den Kopf angelegt waren, gelang dessen Ausziehung. 
Der Knabe war gut entwickelt, reif, 11" lang. Die Entbin- 
dung hatte von 4 bis ^/48 Uhr gedauert. 

Die Frau war während der beiden letzten Operationen 
in hinreichender Narkose erhalten worden, so dass sie sich 
während derselben ganz ruhig verhielt, und bei ihrem Er- 
wachen sehr angenehm durch die Beendigung der Geburt 
überrascht war. 

Der Verlauf des Wochenbettes war ein über alle 
Erwartung günstiger. 

Bald nach der Entbindung war der Puls 96, ziemlich 
voll, Abends nur 100 Schläge, 26 Athemzüge, der Unterleib 
massig empfindlich und etwas aufgetrieben ; Urin war spontan 
gelassen worden, Stuhl fehlte seit 24 Stunden, ebenso der 
Schlaf. Da Ricinusöl nicht vertragen wurde, liess ich durch 
Inf. Sennae comp, täglich für reichliche Stuhlentleerung sor- 
gen, femer Sstündlich einen EsslölTel voll eines Inf. Digital. 
Svi (e 9i p.) c. Natr. nitric. 3ii und Morph, acetic. gr. i/J, 
nehmen, und endlich halbstündlich feuchte, kalte Umschläge 
auf den Leib machen. 

Am 3. Mai Morgens fand ich den Unterleib stark me- 
teoristisch aufgetrieben, den Puls 144; 40 Athemzüge, die 
Zunge . trocken , ebenso die Haut , deren Temperatur erhöht 
war, viel Durst. Die Nacht war schlaflos gewesen; der Lo- 
chienfluss hatte aufgehört, die linke Ovarialgegend war schon 
ohne jede Berührung sehr schmerzhaft, gegen jede solche 
natürlich um so empfindlicher; der Percussionston war dem 
entsprechend gedämpft, Exsudat also vorhanden. Einige Blut- 
egel wurden angesetzt, auch Abends bis 6. Mai einschliess- 
lich Morph, acetic. gn ^j^ gereicht, übrigens die bisherige 
Behandlung fortgesetzt 

Am 4. Mai hatte der Meteorismus und Schmerz etwas 
abgenommen, sonst sich der Zustand nicht verändert. 

Am 5. Mai flössen die Lochien wieder, die Spannung 
und Empfindlichkeit des Unterleibes waren geringer als am 
vorigen Tage, Puls 136, Respiration 32, die Haut war noch 
trocken, jedoch weniger heiss. 



für Oeburtfihüire in Berlin. 87 

Vom 7. Mai ab wurden nur die kalten Umschläge, wie bis- 
her, beharrlich weiter gebraucht, und ausserdem Solut. Natri 
oitrici Svi (e 3ii p.), 2stöndlicb ein EssIölTel voll gegeben. 

Am 13. Mai fand ich den Unterleib weich, den Umfang 
des Exsudates vermindert, die Haut, sowie die Zunge etwas 
feucht. Der Durst war geringer, etwas natürlicher Schlaf 
hatte sich in den letzten vier Nächten eingestellt, das Allge- 
meinbefinden war den Umständen nach gut. 

Unter allmälig eintretenden reichlichen Schweissen vollen- 
dete sich nun die Genesung, und am 31. Mai war die Pa- 
tientin als völlig gesund zu betrachten, und ist es seitdem 
geblieben. 

Den günstigsten Ekifluss schreibe ich den feuchten, 
kalten Umschlägen zu, die ich schon häufig, und wie 
ich glaube, mit grossen Nutzen, nicht nur bei puerperaler, 
sondern auch bei jeder Art von Peritonitis, in Gebrauch zog, 
und im Aligemeinen den warmen Breiumschlägen entschieden 
vorziehe. Mit Recht kommen dieselben bei den erwähnten 
entzündlichen Processen immer mehr in Aufnahme, wie sie 
denn auch namentlich von Martin ^) dringend empfohlen 
werden. 

Was das ScanzonVsche Instrument betrifft, dessen ich 
mich bei der Cephalothrypsie bediente, so finde ich , dass für 
dergleichen verbildete, rhachitische und so stark geneigte 
Becken, wie das hier in Betracht kommende, die Becken- 
krümmung der beiden Löfi'el eine zu geringe, ihre Richtung 
eine zu gerade gestreckte ist. Man kann öfters nur ein so 
kleines Segment des Kopfes fassen, dass das Abgleiten des 
Instrumentes nach hinten, wie es mir schon einmal vor- 
kam, oder nach vorn, wie z. B. Böcker ^) berichtet, un- 
ausbleiblich ist, sobald man dasselbe schliessen will. Führt 



1) Martin in Monatsschrift für Gebnrtskande. Bd. 26. S. 88. 

'2) Böcker in Charitd-Annalen Bd. 12. Heft 2, Bericht über 
die Vorfälle im OebSrhause der Charitc^ S. 15. Die Cephalotribe 
glitt drei Mal nach vom ab, daher Perforation und Wendung 
eines 21" langen Knaben. 



38 ^11* Verhandlungen der Gesellschaft 

man aber, wie es hier, um den Kopf gehörig zu umfassen, 
nöthig war, die Löffel in fast senkrechter Richtung ein, so 
läuft man Gefahr, den Damm, wenn derselbe nicht nachgiebig 
genug ist, wie es hier d^r Fall war, bedeutend zu verletzen. 
Ein Cephalothryptor mit starker Beckenkrümmung scheint 
daher für solche Becken zweckmässiger. 

Hepatisatio partialis placentae. 

Am 25. März 1865 beobachtete ich die Geburt eines 
reifen, wohlgebildeten Mädchens, welches sich in erster Schei- 
tellage einstellte, und mit dreifacher Nabelschnurumschlingung 
um den Hals zur Welt kam. Das Kind war 20^^ die Nabel- 
schnur 25'^ lang; überdies erschien* letztere relativ noch ver- 
längert durch ihre Insertion am unteren Placentarraude, 
wodurch sowohl die Möglichkeit eines Vorfalles, als auch des 
natürlichen Hülfsmittels gegen denselben, der Umschlingungf 
noch befördert wurde. 

Die Placenta war IVs Pfund schwer , von gewöhnlicher 
Form, ihre Uterinseite mit sehr zahlreichen, gruppenweise 
und einzeln stehenden, hirsekorngrossen, weissen, verkreide- 
ten Ablagerungen besetzt, und durch zwei tiefe, aber nicht 
ganz penetrirende Furchen in drei Lappen von ungleicher 
Grösse getheilt. Der kleinste, centrale, etwa vier Quadrat-, 
zoll grosse, ist durchweg in eine rundliche, nicht verästelte« 
gelbweisse, derbe und schwielige Hasse umgewandelt, die keine 
Spur von Placentargewebe mehr erkennen lässt. Thrombose 
der Placentarvene , oder Verengerung der Nabelschnurgefisse 
war nicht vorhanden. 

Diese Verödung des ursprünglichen Gewebes unter Bin- 
degewebswucherung und Fettmetamorphose muss auf einen 
entzündh'chen Vorgang und durch ihn herbeigeführte Abla- 
gerungen bezogen werden, welche je nach dem Grade ihrer 
Verbreitung den Placentarblutumlauf beschränken und so die 
Ernährung, ja das Leben des Fötus gefährden.^) 

Ob diese Texturveränderung des Mutterkuchens bereits 
einer sehr frühen Entwickelungsperiode angehört, und die 

1) Rokitafuiky, Pathol. Anat. III. S. 545. 



f8r Oebortshülfe in Berlin. ^Q 

Ursache der tiefen Nabelscbnurinsertion ist, oder ob sie, ganz 
ohne Beziehung zu letzterer, erst in spaterer Zeit stattfand, 
ist schwer zu entscheiden. Auch fand ich. bei den freilich 
selten zu beobachtenden Placenten aus den ersten Schwan- 
gerschaftsmonaten solche Anomalien nicht. 

Jedenfalls kann aber die Hepatisation der Placenta nicht 
der einzige Grund der marginalen Anheftungsstelle des Na- 
belstranges sein; denn wir finden diese letztere nicht selten 
^e irgend welche pathologische Erscheinungen am Mutter- 
kuchen. 

In Bezug auf den ersten Fall bemerkt Herr Martin, 
das6 das Abgleiten des Cephalothryptor einerseits in der Con- 
stnictiou desselben liegen mag, wie denn seiner Ansicht nach 
das Scanzoni^sche Instrument eine zu geringe Becken- und 
Kopfkrüromung besitzt, so dass man den Kopf nicht immer 
follkoniroen zu fassen im Stande sei. Aber auch hei Instru- 
meoten, die wie das seinige, eine grössere Becken- und Kopf- 
krömroung hätten, sähe man öfter Abgleiten eintreten, und 
es scheine dies durch kein Instrument vollständig vermieden 
werden zu können. Beim nachfolgenden Kopfe hat jedoch 
Herr Martin das Abgleiten des Cephalothryptors nie gesehen, 
und es mag dies darin seinen Grund haben, dass in diesem 
Falle eine grössere Sicherheit vorhanden ist, die Branchen 
des Instrumentes an die Seitentheile des Kopfes zu bringen. 
Dd)rigeD8 handelt es sich in Rücksicht auf die Sicherheit des 
Extrahirens mit dem Instrumente weniger um den Zug allein, 
als nm die Drehung des Kopfes in die günstigsten Verhält- 
nisse. Man sidit diese Drehung oft von selbst so stark ein- 
treten, dass die Branchen des Instrumentes fast im geraden 
Bnrchmesser zu liegen kommen, der der verengte war. Da- 
dorcb kommt zugleich der am meistens verkleinerte Theil 
des Schädels in den engsten Durchmesser. 

Herr Ousserow giebt ein Referat über das Werk von 
Hüie: Recherches sur la disposition des fihres musculaires 
de Tuterus developpe par la grossesse. Paris 1864. 



90 ^11- Verhandlangen der Gesellschaft 

Sitzung vom 12. December 1865. 
Herr Ousserow hält einen Vortrag 
Ueber den normalen Sitz der Piacentn. 

Es ist sicherlich von einer gewissen Bedeutung den Ort 
zu kennen, wo sich die Nachgeburt am häufigsten an den 
Gebärmutterwandungen inserirt, oder zu erfahren, ob überhaupt 
eine solche Prädilectionsslelle für den Sitz der Placenta besteht. 
Ganz abgeselien von dem rein wissenschaftlichen Interesse, 
welches die Beantwortung dieser Frage darbietet, so ist die- 
selbe auch in ])raktischer Beziehung keineswegs bedeutungsloa. 
Bei der kunstlichen Losung der Nachgeburt, bei der Einlei- 
tung der künstlichen Frühgeburt nach gewissen Methoden, 
bei Ausführung des Kaiserschnittes, ist es wichtig zu wissen, 
an welcher Stelle man am ehesten die Nachgeburt vermuthen 
kann. Nicht minder wichtig ist die Insertionsstelle der Pia* 
centa für die mehr weniger glückliche d. h. vollkommene 
Lösung derselben durch die natürlichen Kräfte, ferner in 
Bezug auf die Deutung gewisser Auscultationsphänomene, und 
endlich in Rücksicht auf manche Nachkrankheiten im Wochen* 
bette. 

In der Literatur sind die Angaben über die normale An- 
heflungsstelle der Nachgedurt bis auf einige Ausnahmen wenig 
sicher und selten auf exacle Beobachtung begründet. Darin 
sind mit Recht alle Beobachter von den ältesten Zeiten 
bis auf die Gegenwart einig, dass die Nachgeburt sich überall 
in der Gebärmutter entwickeln könne. Sobald es sich aber 
um den Ort handelt, wo sie sich meistentheils inserirt, so 
stossen wir auf ein buntes Gemisch von Anschauungen, das 
eben nichts weiteres ergiebt, als dass nahezu auch eben jeder 
Punkt der Gebärmutter von irgend Jemand als normale An* 
heflungssteile angesehen wird. Man muss verschiedene Grup- 
pen in Bezug auf die Methode, nach welcher die verschiede- 
nen Autoren den Sitz der Placenla feststellen oder gar diagno- 
sticircn wollten, unterscheiden. In den ältesten Zeiten (De- 
venter, Mauriceau) nahm man uns rein theoretischen Gründen 
an, die Placenta entwickele sich direct am Fundus uteri. Von 



für Geburtahälfe in Berlin. 91 

dieser Ansicht kam man jedoch verhältnissmässig hald zurück, 
sobald man Rucksicht nahm auf das Verhältuiss des Eihaut- 
risses zum Rande der Placenta nach ilirer Ausstossung. 
Schon Levret (Suite des observations etc. Paris, 1751. S. 
113), Baudelocque (L'art des accouchements. 5. Aufl. Paris, 
1815. Tom. I. S. 243.) und andere machen mit Recht dar- 
auf aufmerksam, dass, falls die Placen^ am Fundus ihren 
Sitz hätte, der Eihautriss, der doch meist im Muttermunde 
stattfindet, gleichweit von der Circumferenz der Placenta ent- 
fernt sein müsse. Bekanntermassen ßndet man aber einen 
vollkommen centralen Eihautriss fast niemals, sondern der- 
selbe ist immer dem einen Placentarrande näher als dem 
anderen. Hieraus folgerte schon Baudelocque mit der gröss- 
ten Bestimmtheit, dass die Nachgeburt für die Mehrzahl der 
Fälle im mittleren Theile der Gebärmutter sich insefire; am 
Fundus entwickele sich dieselbe seltener, jedoch nicht so 
selten wie auf oder dicht am Muttermunde. Es scheint jedoch 
beiläufig, als wenn der abnorme Sitz der Placenta auf dem 
Muttermunde noch häufiger sei, als der am Fundus. Von 
Baudelocque an findet man nun die widersprechendsten An- 
gaben über die eigentliche Placentarstelle. Diese Angaben 
sind in einer Reibe von Fällen basirt auf die Configuration 
des Uterus in der Nachgeburtsperiode, ferner auf die Erfah- 
rungen einzelner Autoren bei künstlicher Entfernung der Nach- 
geburt u. s. w. Die meisten dieser Angaben sind schon des- 
halb ohne Werth, weil sie nur aus der Erfahrung Einzelner 
jedesmal geschöpft sind, und dann ist, um anderes zu über- 
gehen, die Configuration des Utems in der Nachgeburtspe- 
riode und beim Eingehen mit der Hand so wechselnd, dass 
der einzelne Beobachter den mannigfaltigsten Täuschungen 
dabei ausgesetzt ist. Aus diesem Umstände ist es zu erklä- 
ren, dass die meisten Angaben sich direct widersprechen, 
und fast keine, wie wir sehen werden, der Wahrheit ent- 
spricht. Manche Angabc scheint auch, wie dies wohl ge- 
schieht, ein küfnmerliches Dasein von einem Lehrbuche in das 
andere hinein gefristet zu haben. 

Es kann nicht in meiner Absicht liegen ^ alle über den 
Sitz der Placenta gemachten Angaben zu wiederholen, son- 
dern ich will, um meine obigen Behauptungen zu bev?e\%e^^ 



92 VII Verhandinngen der Gesellschaft 

nur aus den gerade mir zu Gebote stehenden Werken eine 
kurze üebersicht geben. *' 

Ostander (Handbuch der EntbindungskunsL Tübingeiit 
1819. I. S. 483.) sagt; der Mutterkuchen entwickele sich 
meist in dem rechten Winkel der Gebärmutter, weil das Weib 
meist nach dem Coitus sich dem Schlafe überlasse, und dieser 
bei den meisten Menschen in der rechten Seitenlage statt- 
fände, so adhärire das Ei an der rechten Gebärmutterwand. 
Den Ansatz in der linken Seite halte er für bedenklich, und 
warnt mirabile dictu vor der „Galanterie'' der Ehemänner, 
ihren Frauen nach dem Coitus den Ehrenplatz an der reclH 
ten Seite zu belassen, wodurch diese gezwungen wären, aof 
der linken Seite zu schlafen, wenn sie nicht d<!m Gatten den 
Röcken zukehren wollen! 

Naegele hat bei Entfernung von Nachgeburten den Sita 
derselben häuißger links als rechts dem Grunde der Gebär- 
mutter genähert gefunden. Busch (Lehrbuch der Geburt«- 
künde. Berlin, 1842. S. 67.) sagt, die Nachgeburt sitze meiat 
rechts im Grunde der Gebännutter, während E. v. Siebold 
(Lehrbuch der Geburtshölfe. Berlin, 1841. S. 118.) ihren SiU 
seitlich im Grunde, öfter links als rechts, annimmt. Seitlich 
im Grunde ist nach Kiwisch (Die Geburtskunde. Erlangen, 
1851. S. 156), nach Litzmann (Artikel: „Schwangerschalt^* 
in Wagner's Handwörterbuch) seitlich bis zum Muttermunde 
herab die Nachgeburt meist angeheftet. Hohl giebt in sei- 
nem Lehrbuche (Leipzig, 1855. S. 146.) als den häufigsten 
Sitz der Placenta die rechte Seite der hinteren Gebärmutter- 
wand an. Seine früheren Ansichten müssen wir gleich nach- 
her erwähnen. Scanzoni (Lehrbuch. Wien, 1855. S. 103.) 
hält es für eine ausgemachte Erfahrungssache, dass die Nach- 
geburt am häufigsten am rechten hinteren Umfange der Ge- 
bärmutter, zuweilen an der vorderen oder seitlichen Wand 
der rechten Seite, viel seltener aber an der linken sitze. 
C. Braun meint, der Placentarsitz sei ganz unbestimmt. 
Credd (Klinische Vorträge. Berlin, 1853. S. 244.) sowohl als 
Spiegelberg (Lehrbuch. Lahr, 1858. S. 59.) kommen wieder 
zu der älteren Ansicht, dass der obere rechte Winkel der 
Gebärmutter meist die Anheftungsstelle der Placenta seL 
JEine äbnhcbe Fülle von Anschauungen Gnden wir in den 



ISr Gebnrtshülftt in Berlin. 93 

französischeD Werken. Erwähnen will ich nur, dass Vel- 
peau (Traite de TArt des accouchement. Tom. I. S. 290.) 
den Winkel einer Tubenmöndung als normalen Placentarsitz 
anspricht, da bei normaler Dichtigkeit der Decidua das Eichen 
dieselbe nicht weiter von der Uteruswand abtrennen könne. 
Vom Standpunkte der damals gültigen Einstulpungstheorie war 
diese Erklärung nicht ohne Wahrscheinlichkeit. Sonst will 
ich nur anfuhren, dass Cazeaux und Oardien (Traite com- 
plet d*accouchenient. IL S. 162. Paris, 1824.) keinen Punkt 
der Innenfläche der Gebärmutter als besonders häufigen Sitz 
der Nachgeburt annehmen. Von englischen Autoren ist Rigby 
(Essay on uterine haemorrhagies. London, 1822.) derselben 
Ansicht, während Blunddl und Campbell die oberen seit- 
lichen Parthien des Uterus für die häufigsten insertionsstellen 
hält. Denman (Introduction to Midwifery. London, 1824) 
glaubt, dass die Placenta meist an der vordem Wand, Rams- 
bothanty dass sie meist an der hinteren Wand sässe. Aus 
dies«* Masse sich widersprechender unsicherer Angaben schien 
man eine Zeit laug für immer das Richtige aufzufinden im 
Stande zu sein, als man durch die Auscultatiou der schwan- 
geren Gebärmutter einen diagnostischen Anhaltspunkt für den 
Sitz der Placenta gefunden zu haben meinte. Es bedarf heu- 
tigen Tages kaum mehr des Beweises, dass das sogenannte 
Placentargeräusch mit der Placenta in gar keinem Zusammen- 
hange stellt, und dass es nur ein Zufall ist, wenn man dieses 
blasende Geräusch dort vernimmt, wo man nachher vielleicht 
die Nachgeburt 'inserirt findet. Ich will aus diesem Grunde 
auch nur ganz kurz der Vollständigkeit halber die Ansichten derer 
anfuhren, die aus dem Orte des Placentargeräusches den Sitz 
der Placenta diagnosticirten. Von diesen ist vor Allen H. F. 
Nctegele zu nennen, der in seinem Werke: Die geburtshülf- 
liche Auscuitation. Mainz, 1838. S. 82, sich dahin ausspricht, 
dass man durch die Auscuitation in der Mehrzahl der Fälle 
mit hoher Wahrscheinlichkeit den Siu der Placenta zu be- 
stimmen vermöge, er habe wenigstens den vorher diagnosti- 
cirten Sitz in zehn Fällen durch Eingehen mit der Hand, und 
zwei Mal durch die Section bestätigen können. Die Resul- 
tate, die nach dieser falschen Methode gewonnen sind, kön- 
nen uns nur so weit inleressiren, als durch sie die ^elUoii^ 



94 VI^- VerhandlaDgen der Gesellschaft 

selbst charakterisirt wird, iiideiii verschiedeDe Beobachter bei 
der Anwendung des gleichen Verfahrens zu ganz entgegen- 
gesetzten Resultaten kamen. Naegele fand den Placentarsitz 
am häufigsten in der linken Seite der Gebärmutter Bei 600 
von ihm untersuchten Schwangeren und Gebärenden fand er 
238 Mal das Placentargeräusch links, 141 Mal rechts, 7 Mal 
deutlich am Grunde, 20 Mal hörte er gar kein Geräusch, und 
160 Mal war es zu schwach und zu diffus, um seinen Haupt» 
sitz erkennen zu können. Vorn ist nach ihm der Sitz des- 
selben selten, er fand ihn dort nur 13 Mal, in der Nähe des 
Muttermundes war es 11 Mal zu vernehmen. Diesen Anga- 
ben schliesst sich, wie es scheint ohne eigene Prüfung, 
Churchill vollständig an. Hohl sucht in seiner „Geburls- 
hülflichen Exploration'\ Halle 1833, Th. I. S. 141 u. f. aus- 
föhrhch zu beweisen, dass das Placentargeräusch dem SiUe 
der Placenta entspräche, weil es in derselben entstände. Er 
will sogar aus pfeifenden Tönen dieses Geräusches auf vor- 
handene Kalkconcretionen in der Placenta schliessen ! Indem 
Hohl nun angiebt, dass er dieses Geräusch meistens rechts 
an der Gebärmutter gehört habe, macht er den eigenthüm- 
lichen Zirkeischluss dass dies ein Beweis dafür sei, dass die- 
ses Geräusch in der Nachgeburt entstände , denn die Erfah- 
rung lehre „unumstösslich" , dass die Nachgeburt sich rechts 
oben inserire, und diese Lage müsse sie auch einnehmen, da 
sie Respirationsorgan sei, und bei Thieren, die nur eine Lunge 
hätten, sässe diese rechts, bei Menschen sei ja die rechte Lunge 
dreigelappt u. s. w. In seinem Lehrbuche druckt er diese 
letztere Betrachtung auch noch ab. Durch vier Seclionser- 
gebnisse sucht Hohl schliesslich noch die Richtigkeit seiner 
Behauptung über die Ursache des Placentargeräusches zu be- 
weisen, indem er die Nachgeburt immer an der diagnosticirten 
Stelle fand, nämlich zwei Mal rechts und zwei Mal links. 
Wenn er diesen Zahlen nun audi Beweiskraft in dem ange- 
gebenen Sinne zuschreibt, so stimmen sie nicht mit der An- 
gabe über die Häufigkeit der Placentarstelle an der reclilen 
Seite. 

Der erste, der einen neuen und den bis jetzt einzig rich- 
tigen Weg zur Erkenntniss der Placentarinsertiou einschlug, 
f¥ar Hugh Carmichad in seinem Aufsalze: On tlie posi- 



für Geburtsliiilfe in Berlin. 95 

lion of the Placenta or Afiterbirth in the Womb during pre- 
gnaiicy, and on Ihe manner the lalter Organ expands (herein, 
as also of its subsequent conlractions in the Process of Par- 
turilioii. Dublin Journal of medical science. VoJ. XIV. 1839. 
S. 445—483. (Vergl. auch Schmidfs Jahrbucher. 1841. 
Bd. 29. S. 56.) Carmichael geht von einer Idee aus, deren 
Richtigkeit oder Unrichtigkeit hier niclit erörtert zu \yerden 
braucht. Dämlich, dass die Placenta in der Nähe des Fundus 
uteri sitzend, mit der Ausdehnung desselben 'während der 
Schwangerschaft und mit seinen Zusammenziehungen während 
der Geburt nicht Schritt hallen könne und daher unfehlbar 
abgelöst werden müsse, dass somit die Geburten lebender 
Kinder zu den Ausnahmen gehören müssen. Da aber be- 
kanntlich das Umgekehrte der Fall ist, so schliesst Car-^ 
michael, dass die Placenta sich an einer anderen Stelle als 
in der Nähe des Fundus inserireu müsse. Um diese Stelle 
ausfindig zu machen,, kommt er zuerst nun auf den Gedan- 
ken, Sectionsergebnisse bei Schwangeren und kurzlich Ent- 
bnndenen zu verwerthen. 

Es fand bei vier verstorbenen Schwangeren die Placenta 
an der hinlei*en Wand, etwas nach unten sitzend, bei der 
Section einer am dritten Tage des Wochenbettes Verstor- 
benen war der Placentarsilz ebenfalls an der hinteren Wand. 
Dasselbe zeigte sich bei zwei Präparaten des Museum's of 
tbe Royal College of Surgeons zu Dublin , und bei zwei an- 
deren Präparaten des Coombe Lying Hospitals. Er scbloss 
aus diesen Fällen, dass die Placenta immer an der hinteren 
unteren Wand der Gebärmutter ihren Sitz habe. Die übri- 
gen Grunde, womit er seine Behauptung unterstützen will, 
können wir übergehen, da sie sich auf das Placentargeräusch 
u. s. w. stutzen. Die geringe Zahl seiner Sectionsfalle macht 
es begreiflich, dass das Resultat nicht allgemein richtig 
war. Dieser Aufsatz rief einen unerquicklichen Streit, der 
sich durch eine Reihe von Aufsätzen im XV., XVI. u. XVII. 
Bande der Dubhner Zeitschrift liinzieht, hervor, und von dem 
Carmichael selbst tragikomisch ausruft: Wenn er das hätte 
foraos wissen können; würde er die Placenta ruhig in der 
Nähi* des Fundus haben sitzen lassen. Richard Doherty 
grllf nämlich die allgemeiiie Giilügkeii der Ansicht CarmicIiaeU 



96 VII- Verhandlungen der Gesellschaft 

mit Recht an. Seine Beweise , dass die Nachgeburt jedoch 
auch am Fundus sitzen könne, sehr häuGg an der vorderen 
Wand oder seitlich adharire, sind theils von Placentarlösun* 
gen an Lebenden, theils aus Resultaten der AuscultaÜQD ge- 
wonnen, haben demnach für uns keinen weiteren Werth. 
Wichtig ist nur, dass er ein Secüonsergebniss von Murphy 
anfuhrt, wo die Nachgeburl an der linken Seite des Fundus 
anhaftete und zweier Präparate aus den Privatsammlungen 
von Montgomery und Kennedy erwähnt, wo der Placentar- 
sitz an der vorderen Wand sich befand. Nach längerer Zeit, 
während welcher mau wieder, wie die obige Zusammensiet- 
lung ergeben hat, zu den alten unbestimmten Ansichten xu* 
ruckgekommen war, war Hegar der Erste, der von Neuem 
auf Sectionsergebnisse gestützt, die Frage vom normalen Pia* 
centarsitze zu erledigen suchte (Pathologie und Therapie der 
Placentarreteiition. Berlin, 1862. S. 12.). Hegar fand bei 
fänf Sectioncn die Placcntarstelle stets ^n der hinteren Wand, 
ein Mal inserirte der Kuchen auf der rechten Seitenwand, in 
einem siebenten Falle nahm die Insertionsstelle des Kucliens 
die vordere Uterinwand eiu. Hiernach schien also die hin- 
tere Wand der Hauptsitz der Nachgeburt zu sein. Es ist 
jedoch hinreichend klar, dass diese Zahlen zu gering sind, 
um einen derartigen Schluss allgemeiiier gültig zu machen, 
wie dies auch Hegar hervorhebt. Als mein Freund Prof. 
Winckd mit mir an der hiesigen Entbindungsanstalt war, 
fand er aus den Buchern der Anstalt von der Gründung bis 
zum 1. October 1861 bei 24 Sectionen an Wöchnerinnen den 
Sitz der Placenta uotirL Einer Reproduetion dieser Tabelle, 
die er mir gütigst überschickt hat, bin ich jedoch überhoben, 
da Herr Geh. Rath Martin in seinen), in den letzten Tagen 
erschienenen Werke: Die Neigungen und Beugungen der Ge- 
bärnmtter nach vorn und hinten. Berlin, 1866, auf Seite 29 
eine Zusammenstellung giebt, die viel weiter geht, da sie 63 
Fälle umfasst. Das Ergebniss ist folgendes: 

Gänzlich an der vorderen Wand sass die Placenta 10 Mal, 

vorn und rechts 6 Mal, 

vorn und links 8 Mal^ 

also 24 Mal mehr an der vorderen Wand. 



fSr Gebnrtshülfe in Berlin. 97 

Ganz an der hinteren Wand fand sich die PJacenta 15 Mal, 

hinten und rechts 12 Mal, 

hinten und links ö Mal, 

also 32 Mal vorwiegend an der hinteren Wand. 

5 Mal fand sich die Placeutarstelle am rechten, 2 Mal 
am linken Winkel der Uterushöhle. 

Noch ehe diese Zusammenstellung publicirt war, hatte 
ich mit gütiger Eriauboiss des Herrn Prof. Virchow die 
SectioDsprotokoUe des hiesigen pathologischen Institutes, um- 
fassend die Zeit vom October 1856 his zum 1. Januar 1865, 
durchgesehen um eine grössere Zahl zur Beantwortung der 
Frage Dach dem normalen Placentarsitz zu gewinnen. Ich 
fand unter einer grösseren Zahl von Sectionen von Wöchne- 
rinnen 99 Mal die Steile der Placentarinsertion genau ihrem 
Sitze nach beschi'ieben. Um mit einer runden Zahl zu thun 
zu haben, nahm ich aus einem Sectionsberichte von Prof. 
Winckel (Studien über den SlolTwechsel während der Geburt 
und im Wochenbette. Rostock, 1865. S. 118.) eine hierher- 
gehörende Angabe hinzu, und fand somit in 100 Fällen fol- 
gende Verhältnisse. Die Placenta inserirte: 

Ad der Mi^ der vorderen Wand .... 40 Mal. 
An der vorderen Wand dicht am Fundus . . 5 Mal. 
An der vorderen Wand nach links .... 2 Mal. 
An der vorderen Wand nach rechts .... 2 Mal. 

Demnach vorwiegend au der vorderen Wand 49 Mal. 
An der Mitte der hinteren Wand fand sich die Placenta 37 Mal. 
An der hinteren Wand dicht am Fundus ... 4 Mal. 

An der hinteren Wand links 2 Mal. 

An der hinteren Wand rechts 2 Mal. 

An der hintern Wand dicht am Orif. int ^ . . 1 Mal. 
Demnach im Ganzen vorwiegend an der hinteren Wand 
46 Mal. 

Links seitlich sass die Nachgeburt 1 Mal. 
Rechts seitlich ...... 3 Mal. 

An der rechten Tubamündung . 1 Mal. 
Wenn wir nun die in dieser Arbeit von verschiedenen 
Autoren angegebenen Zahlenverhältnisse in eins vereinigen, 
80 finden wir Angaben aus Sectionsverhältnissen über den 
Placentarsitz von 

UonmUselir. f. aeburtak. tS60. Bd. XXVII., 11 ft 2. 1 



98 VII. Verbandlungen der OeselUcbaft 



Hohl 


4 


Carmichael 


9. 


Doherty 


3. 


Hegar 


7. 


Martin 


63. 


Gusserow 


99. 


Winckel 


3. (Au 

I 



(Ausser dem schon erwähnten Falle theilte 
mir Prof. Winckel noch 2 brieflich mit.) 

In Summa 188. 

In diesen 188 Fällen war der Sitz der Placenta, tabel- 
arisch geordnet, folgender: 





vom 


binten 


recht« 


links Summa 


Hohl . . 


— 


— 


2 


2 4 


Carmichael 


— 


9 


— 


— 9 


Doherty . 


2 


— 


— , 


1 3 


Hegar . . 


1 


5 


1 


— 7 


Martin 


24 


32 


5 


2 63 


Winckel . 


1 


2 


— 


— 3 


Gusserow 


49 


45 


4 


1 99 


Summa : 


77 


93 


12 


^ 188 



Das Resultat ist demnach, dass die Nachgeburt in den 
188 Fällen 77 Mal in der vorderen, 93 Mal in der hinteren 
Wand sass. Rechts war ihre Anheftungsstelle 12 Mal, links 
6 Mal. Es ist gewiss immer misslich, aus einer vcrhältniss- 
mässig so geringen Zahl allgemeine Regeln ableiten zu wol- 
len, allein auch bei grösseren Zahlen ist die statistische Me- 
thode nicht frei von Fehlerquellen, und die Beantwortung 
einer Frage, wie die vorliegende, kann doch nur auf diesem 
Wege geschehen. Eine andere Sache ist die, ob die Me- 
thode, nach welcher der Sitz der Nachgehurl überhaupt be- 
stimmt worden ist, eine sichere ist. In dieser Beziehung 
durfte zu bemerken ^in, dass die Rückbildung des Uterus 
im Wochenbette unseren bisherigen Kenntnissen nach eine 
ziemlich gleichmässige ist, und wenn auch die Rückbildung 
der Placentarstelle selbst manchmal unvollständig oder ver- 
zögert ist, so kann doch dadurch kaum eine Verschiebung 
ihres Sitzes. möglich sein. Durch die Verzögerung ihrer Rück- 



für Qebartshülfe in Berlin. 99 

Bildung kauri die PJacentarslelle scheinbar einen grösseren 
Theil des Uterus einnehmen, sie kann aber nicht vorn z. B. 
zu sitzen scheinen, während ihr Sitz an der Seite war. Es 
scheint demnach die Methode den Placentarsitz durch See- 
tionen von Wöchnerinneu festzustellen, so ziemlich unanfecht- 
bar zu sein, besonders da wir jedenfalls keine bessere Me- 
thode haben. Die obige Zahl durch Angaben aus der Lite- 
ratur wesentlich vergrössern zu wollen, ist ein ziemlich fr- 
folgloses Bemühen, da man höchst selten Angaben über den 
Sitz der Nachgeburt in den SecUonsberichten ßndet. 

Bei den Berichten über Kalserschnittsoperationen findet 
man regelmässig eine Angabe über die Anheftungsstelle der 
Nachgeburt, wenn diese sich an der vorderen Wand fand. 
Hätte ich diese Angaben mit verwerthen wollen, so würde 
ich eine unverhältnissmässig grosse Zahl für den Sitz an der 
vorderen Wand erhalten und das Resultat der Untersuchung 
dadurch wesentlich getrübt haben ^ denn in den Fällen von 
Kaiserschnitt, wo der Operateur nicht auf die Nachgeburt kam, 
findet sich höchst selten eine Angabe über den Sitz derselben. 

Aus der obigen Zusammenstellung geht demnach hervor, 
dass die Nachgeburt sich in der Mehrzahl der Fälle an der 
hinteren Wand inserirt, jedoch beinahe eben so oft an der 
Torderen Wand^ so dass mau, wenigstens in Vergleich mit 
den anderen Anheftungsstellen, sagen kann., die Placenta ist 
entweder an der hinteren oder an der vorderen Wand des 
Uterus inserirt. Es ist dies in Rücksicht auf die Configura- 
tiou des Uterus, der zur Zeit, wo sich die Placenta bildet, 
noch eine mehr platte als rundliche Form hat, leicht begreif- 
lich. Weniger leicht ist ein Grund aufzufinden, warum die 
Nacligeburt, wenn sie überhaupt seitlich aufsitzt, mehr an der 
rechten Seite, wie es scheint (12:6), als an der linken 
ihren Sitz hat. 

Herr Klebs ist der Ansicht, dass die betreffenden Resul- 
tate richtig seien, nur hatte er gewünscht, die Untersuchung auch 
auf die ätiologischen Momente ausgedehnt zu sehen. Es schiene 
ihm doch, als wenn die Entwickelungsstellc der Placenta von 
der Lage des Uterus während der Befruchtung abhängig sei. 
Dass die Nachgeburt sich z. B. etwas häufiger vecUls iw \\v- 

1* 



XOO VII. VerhAiidlungen der Gesellschaft 

seriren scheine, könne davon abhängen, dass der Uterus ja 
häuGg roil seinem Fundus . nach rechts abgewichen sich 
zeige. 

Herr Martin legt Gewicht darauf, dass bei den Fällen, 
wo die Placenta hinten oder vorn aufsass, angegeben wird, 
ob sie auf eine oder die andere Seite etwas übergreift, wie 
er dies mehrfach beobachtet habe. 

Herr Kleba erwidert, dass man im puerperalen Utenis 
die Ränder der Placentarstelle nicht immer exact feststellen 
könne, auch scheine ihm das Wesentliche das zu sein, dass 
die Nachgeburt mit ihrem Centrum, also mit ihrem grössten 
Theile fast niemals an einer Seite des Uterus sich finden. 



Herr Eggel trägt einen Fall vor von 

Cancroid der Vaginalportion. Operation ohne 

locales Recidiv; secundärer Tumor des 

Os Ileum. 

Nachdem die lange streitige Frage, ob die Cancroide zu 
den malignen Geschwülsten zu rechnen, und ob also nach 
ihrer operativen Entfernung Recidive in anderen Körpertheilen 
oder nur local zu erwarten seien, besonders durch die Mit- 
theilung Virchow*)i an die Acadeuiie des Sciences und die 
Arbeit Dupuy's dahin entschieden worden war, dass die Er- 
krankung innerer Organe bei primären Gancroiden, mögen 
sie durch Operationen entfernt worden seien oder nicht, 
eine häufige Erscheinung ist, haben sich die Beobachtungen 
von solchen Fällen rasch vermehrt. Es ist nur das Auftreten 
im Knochen während die gewöhnlichen ergrilTeneu Organe, 
namentlich die Leber, frei blieb und jedes locale Recidiv 
fehlte, was dem folgenden Falle ein grösseres Interesse verleiht 
und seine Mittheilung rechtfertigen dürflte. 

Frau N., an einen Schriflgiesser verheirathet , 45 Jahre 
alt, kam Ende November 1864 in die Armensprechstuude des 
Herrn Dr. Louts Mayer, wo ich Gelegenheit halte, sie zu 



för Oebartohülfe in Berlin. IQl 

untersuchen. Frau N. hatte sechs Mal geboren, zuletzt vor 
fünf Jahren. Die Entbindungen waren, mit Ausnahme der 
ersten, die durch die Zange beendet worden war« immer 
leicht gewesen. Die Menstruation war seit dem 16. Jahre 
immer regelmässig alle vier Wochen, zwei bis drei Tage 
dauernd, eingetreten. Erst seit Juli 1864 hatten sich alle 
8 — 14 Tage dauernde stärkere Blutungen und leichte Leib- 
schmerzen eingestellt, und dies veranlasste Frau N., Hülfe 
zu suchen. Im Uebrigen bemerkt sie keine krankhaften Er- 
scheinungen, und hat, so viel sie sich erinnert, auch früher 
an keiner schweren Krankheit gelitten. 

Die Untersuchung ergab damals Folgendes: Frau N. 
ist von kleinem, ziemlich gracilem Körperbau, aber wohlge- 
nährt. Das Abdomen ist etwas tympanitisch aufgetrieben, nir- 
gends schmerzhaft, durch die Palpation nichts Abnormes zu 
entdecken. Die Inguinaldrusen sind nicht vergrössert. Die 
äusseren Genitalien boten nichts Abnoimes dar, der Uterus 
ist in geringem Grade anteflectirt, nicht vergrössert, in dem 
etwas hinter der ßeckenaxe, ungefähr in der Höhe der mitt- 
leren Beckenapertur befindlichen, quergespaltenen Orificium 
findet sich ein etwa kirschengrosser , rundlicher, ziemlich 
weicher Tumor mit etwas lappiger Oberfläche, der mit einem 
breiten Stiele an der hinteren Wand des Gervicalkanals etwas 
nach rechts hin festsitzt. Im Speculum zeigt derselbe eine 
theils blasse, theils ziemlich rotlie Farbe und leichte Blutung 
aus der Oberfläche bei der Berührung. Die Ovarien waren 
nicht zu fühlen, in den Ligamenten nichts Abnormes zu finden. 

Da die Blutung nur sehr unbedeutend war, so wurde 
beschlossen, ein stärkeres Hervortreten des kleinen Tumors 
abzuwarten, und vorläufig Acetum pyrolignosum rectificatum 
sowohl innerlich als durch das Speculum äusserlich angewen- 
det Die Blutung stand auch sehr bald vollständig, und es 
blieb nur ein wässeriger Abfluss zurück. Anfangs Januar be- 
gann jedoch die Oberfläche des kleinen Tumor, die wieder- 
holt beobaditet wurde, ein warziges, himbeerartiges Aussehen 
anzunehmen und neben ihm sich kleinere warzige Wuche- 
rungen auf der Vaginalportion zu entwickeln, so dass wegen 
diesen verdächtigen Erscheinungen die Entfernung der er- 
krankten Theiie uoibwendig erschien. Deshalb wurde vais 



102 ^H* VerhAndlnn^en der Gesellschaft 

von Herrn Dr. Mayer die Operation übertragen und di^'selbe 
am 16. Januar dieses Jahres unter giftiger Mitwirkung des 
Herrn Dr. Bohr in der Art ausgeführt, dass die vordere 
Lippe der Vaginalportion mit dem Tumor ziemlich vollständig 
mittels der/SieioZcTschenScheere entfernt wurde. Die nicht sehr 
erhebliche Blutung wurde durch mehrmalige Application des 
GlQheisens leicht gestillt, die schon aus dem Grunde wün- 
schenswerth erschien, um etwa noch in dem scheinbar ge- 
sunden Gewebe zurückgebliebene Erkrankungsherde zu zer- 
stören. In kaum vier Wochen war die Wunde geheilt, die 
Menstruation trat ohne alle Beschwerden ganz regelmässig 
alle vier Wochen ein, und eine unbedeutende Blennorrhoe der 
Vagina wurde in einigen Wochen durch die gewöhnliche Be- 
handlung beseitigt 

Bis zum August dieses Jahres fühlte sich Frau N, voll- 
ständig gesund. Mitte August wurde ich wegen einer seit 
etwa acht Tagen bestehenden fieberhaften Krankheit gerufen. 
Frau N, klagte über Kopfschmerzen, Appetitmangel, angehal- 
tenen Stuhlgang, Schlaflosigkeit, Ziehen in allen Gliedern, 
Hitze, die besonders des Abends stärker werde, und starken 
Durst. Die Körpertemperatur war beträchtlich erhöbt, die 
Haut dabei feucht, die Pulsfrequenz über 100, das Gesiebt 
gerölhet und aufgedunsen ; die Zunge massig weisslich belegt, 
das Abdomen aufgetrieben und etwas empfindlich. Bei dem 
Fehlen aller localen Erkrankungen als Veranlassung des star- 
ken Fiebers musste wohl zunächst an einen beginnenden Ty- 
phus gedacht werden. Es zeigte sich jedoch sehr bald, da 
alle für die spätere Zeit des Typhus characteristischen Er- 
scheinungen ausblieben, dass ich es damit nicht zu than 
hatte. Das Fieber nahm einen ausgesprochen remittirenden 
Character mit starker Exacerbation des Abends an, dabei 
stellten sich heftige Schmerzen im rechten Beine, namentlich 
an der äusseren Seite des Oberschenkels ein, ohne dass die 
geringste Veränderung nachzuweisen war, die Schmerzen wur- 
den durch Druck und durch die kleinste Bewegung sehr be- 
deutend vermehrt, und steigerten sich des Abends spontan 
so, dass sie den Schlaf verhinderten. Dabei bestand völlige 
Appetitlosigkeit und Stuhlverstopfung fort. Trotz der genaue- 
sien Untersuchung des Beines und des Beckens per Vaginam, 



für Gebartshttife in Berlin. 103 

Hess sich jedoch durchaus keine Veränderung nachweisen, 
Uterus und Ovarien waren bis auf die unhedeutende Ante- 
flexion normal, und auch in der Umgehung des Uterus Hess 
sich keine Geschwulst oder Exsudation auffinden, an welche 
ich zup Erklärung der Schmerzen gedacht hatte. 

Ende September stellte sich eine ödematöse Anschwel- 
lung auf der inneren Seile des Oberschenkels in seinem ober- 
sten Drittel ein, und das rechte Bein konnte nur bei fast 
rechtwinkeliger Flexion des Knies und Hüftgelenkes gehalten, 
and wegen des besonders betonten Gefühls bleierner Schwere 
nicht willkürlich von der Kranken bewegt werden. Der Ver- 
such, das Bein zu strecken, verursachte die heftigsten Schmer- 
zen. Hauptsächlich durch das Oedem veranlasst, vermuthete 
ich eine Knochenkrankheit, und hatte, da sich der entfernte 
Tumor der Vaginalportion als deutliches Cancroid bei der mi- 
kroskopischen Untersuchung herausgestellt hatte, Verdacht 
auf eine maligne Erkrankung. Doch fehlte jeder feslere An- 
haltspunkt för diese Vermulhung, und so wurde von einem 
zugezogenen CoUegen und mir die Annahme einer rheumati- 
schen Erkrankung für die einzig haltbare geballen. Alle bis- 
her und weiter angewendeten inneren und äusseren Mittel, 
erwiesen sich jedoch als fruchtlos, und Morphium war das 
Einzige, wodurch der Kranken ihr Zustand erträglich gemacht 
werden konnte. 

In der ersten Hälfte des Octobers Hess sich bei wieder- 
holter Untersuchung endlich eine zwischen der Spina anterior 
super, und dem Os. Pubis der rechten Seite auftretende, un- 
deutlich begrenzte, äusserst schmerzhafte, harte Anschwellung 
entdecken, die sehr rasch wuchs, sich nach oben bis zum 
Rippenende, nach links bis zur Mittellinie ausdehnte, Anfangs 
ganz hart war, allmälig aber etwas weicher wurde. Die 
Diagnose eines malignen vom Os Ileum ausgehenden Tumor 
konnte nun wohl nicht mehr zweifelhaft sein. V^ährend dieser 
Zeit war die Kranke mehr und mehr abgemagert, es stellte 
sich Oedem des rechten Beines bis zum Knie, bald auch des 
linken ein, das Oedem des Oberschenkels breitete sich auf 
die Genitalien und das Hypogastrium aus; Decubitus auf dem 
Krenzbane und dem linken Trochanter bildete sich aus, auf 



104 VII. Verbandlang^en der Oeaellachaft 

dem die Kranke häufig lag und endlich den 19. November slari) 
dieselbe an gänzlicher Entkräflung. 

Die am folgenden Tage, 36 Stunden nach dem Tode 
vorgenommene, leider nur für das Abdomen gestattete Ob- 
duction, ergab Folgendes: 

Die Leiche ist im hohen Grade abgemagert, die Haut 
blass, massige Todtenflecke an Ai*men und Beinen sowie dem 
Rucken, auf der rechten Seite des stark aufgetriebenen Ab- 
domens grünlich gefärbt. Beide Unterschenkel bis zum Knie, 
ebenso der rechte Oberschenkel, das Hypogastrium und die 
Genitalien stark ödematös. Todtenstarre nicht vorhanden; 
das rechte Bein ist im Knie nicht weiter als bis zu einem 
Winkel von etwa 150^ zu strecken und auch im Hüftge- 
lenk flectirt, dabei nach aussen rotirt, das Unterhautfettgewd>e 
ist atrophirt, bei Einschnitt in das Hypogastrium entleert sich 
aus demselben eine ziemlich J)elrächtliche Menge klarer FlAe- 
sigkeit. Bei Eröffnung des Abdomens, dessen Höhle nur sehr 
wenig gelbliche Flüssigkeit enthält, fällt zunächst ein mit 
glatter Oberfläche versehener rundlicher Tumor in die Augen, 
welcher fast die ganze rechte Hälfte desselben einnimmt und 
alle anderen Orgaue nach links verdrängt hat. Zunächst dem 
Tumor fmdet sich das Coecum ziemlich in der Mittellinie 
liegend, der Processus vermiformis nach oben und rechts ge- 
wendet, etwa in der Gegend des Nabels; von hier aus steigt 
das Colon nach oben und links bis an die Rippenwand, biegt 
hier scharf um, kehrt nach unten und etwas nach rechts 
zurück, um noch ein Mal nach links und oben zu veiiaufen 
und in der Flexura lienahs des Colon descendens überzuge- 
hen. Die Leber findet sich nach oben und links derart ver- 
schoben, dass die Incisura vesicae felleae sich fast genau 
unter der Linea alba befindet. Ihr rechter Lappen, soweit 
er dem Tumor anliegt, zeigt eine grünliche Färbung, sonst 
bieten mit Ausnahme einer ziemlich ausgesprochenen Schnör- 
furche, Farbe, Gestalt und Grösse nichts Abnormes dar, be- 
sonders waren, worauf ich besonders achtete, keine Knötchen 
an derselben zu bemerken. Die Milz ist nicht vergrössert, 
nichts Besonderes an ihr wahrzunehmen. Der Magen ^ etwas 
ausgedehnt und sehr weil nach links gelagert, enthielt eine 
massige Quantität bräunlicher Flüssigkeit, seine Schleimhaut, 



ffir Oebnrtshülfe id Berlia. 105 

ebenso wie der durch Luft ausgedehnte Darm war ganz 
normal. Die rechte Niere, welche dicht an dem obersten 
Tbeile der Geschwulst anliegt, zeigt eine etwas grünliche Fär- 
bung, sie ist um wenigstens ein Drittel kleiner als die rechte, 
etwas glatt und weich. Die Kapsel lässt sich nicht ohne 
SubstanzTerlust von der Oberfläche trennen, auf dem Durch- 
schnitte erscheinen sowohl Cortical- als Medullarsubstanz ver- 
kleinert, erstere gelblich gefärbt, trübe, die Glomeruli nicht 
dentlicb zu unterscheiden. Das Nierenbecken, so wie die Ca- 
lyces, sind durch klare Flüssigkeit, welche beim Herausneh- 
men der Nieren starke Strahlen herausspritzl, angefüllt und 
erweitert Der Urether verläuft am inneren Rande des Tu- 
mors nach unten und erscheint platt und bandartig. Die 
linke Niere ist von normaler Grösse, ihre Kapsel ziemlich 
leicht trennbar, die Corticalsubstanz ebenfalls gelblich gefärbt, 
die Glomeruli undeutlich. Der Icterus ist von normaler Grösse, 
»chwach anteflectirt, seine vordere Lippe nur sehr kurz, die 
Schleimhaut der Vaginalportion und der Höhle Mass. Das 
linke Ovarium und die linke Tuba zeigen nichts Abnormes. 
Das rechte Ovarium ist etwa um die Hälfte grösser als das 
linke, im Ganzen blass, nur an der äusseren Seite mit einigen 
röthlichen, die Oberfläche sehr wenig überragenden Flecken 
versehen, auch auf dem Durchschnitte zeigen sich in der sonst 
blassen, derben Substanz mehrere rölliliche, theils runde, 
theils anregelmassig gestaltete Flecken. Die Tuba der rechten 
Seite ist bedeutend verdickt, an ilirem abdominalen Ende 
mehr als federkieldick, von dunkelrother Farbe, sie verläuft 
stark geschlängelt nach aussen. Ihre Fimbrien zeigen ein 
sehr eigenthümliches Ausseben dadurch, dass die Schleimhaut 
derselben eine sehr dunkelrothe Farbe hat, und in eine grosse 
Zahl strahlig nach dem Ostium abdominale der Tuba con- 
vergirende, blätterartige Falten gelegt erscheint, die sich in 
den einzelnen Fimbrien wiederholt wieder verästeln und zum 
Theil eine sternartige Anordnung an derselben zeigen. 

Was den bereits erwähnten Tumor hetriiTl, so erstreckt 
sich derselbe vom. rechten horizontalen Schambeinaste nach 
oben bis an den Rippenrand, wo er an die Leber anstösst, 
und erreicht nach der Mitte bin die Linea alba. Er sitzt 
mit breiter Basis fest und unbeweglich auf dem KnocYi^u ^>3X^ 



106 VII. Verhandlangen der Geaellschaft 

und ist sowohl mit der ganzen Fossa iliaca interaa des Os 
Ileuin dextrum als mit der Wirbelsäule vom dritten Lenden- 
bis zweiten Sacralwirbel fest verwachsen. Bei den Versuchen, 
die Verbindung mit den Knochen zu trennen, zeigte sich, dass 
die Masse des Tumors direct in spongiöse Substanz der er- 
wähnten Knochen öbergeht. Vom Periost sowie von den Mm. 
Psoas und iliacus intern, lässt sich nichts mehr entdecken. 
Die Nerven des Plexus lumbaris verlieren sich in der Ge- 
schwulst, und ebenso verschwindet in seinem unteren Ende 
die hier beträchtlich erweiterte Vena cruralis. Die Oberfläche 
der Geschwulst ist von dem Peritonaeum bekleidet und ganz 
glatt; an den am meisten hervorragenden Stellen zeigt sich 
in der sonst ziemlich derb anzufühlenden Masse der 6e* 
schwulst eine etwa faustgrosse, weiche und fluctuirende Stelle, 
die von bräunlicher Farbe und etwas durchscheinend ist. Bei 
einem gerade von unten nach oben durch die grösste Aus- 
dehnung des Tumors geführten Schnitte ergiebt sich, dasB 
diese Stelle von einer fast faustgrossen rundlichen Höhle ein- 
genommen wird, welche mit einer brauneii, schleimigen, fast 
halbflössigen , gallertartigen Substanz gefällt ist, die dureh 
weissliche, maschenförmige Zuge in grössere und kleinere Ab- 
theilungen zerlegt ist. Bei gelindem Drucke schon fliesst der 
halbflussige Inhalt aus und die Höhlung fallt zusammen. 
Ausser dieser grossen finden sich noch mehrere kleinere kir- 
schen- bis wallnusgrosse, mit derselben schleimig- gallertartigen 
Masse gefüllte Hohlräume. Nach der Tiefe dem Knochen näher 
besteht die Geschwulst aus einem weissgelben, ziemlich 
trockenen Gewebe, welches durch mehr grauliche, weniger 
opake Zuge in kleine, etwa hanfkomgrosse Abtheilungen ge- 
schieden wird, während sie der Oberfläche näher in der Um- 
gebung der Höhlungen ein mehr grauröthliches Ausseben und 
saftigere Beschaffenheit hat, und nur einzehie grössere und 
kleinere von Stecknadelkopf- bis Kirschengrösse verschiedene 
Stellen die weissgelbe Farbe der tieferen Theile zeigen. 

Die retroperitonäalen Dräsen in der Nähe des Tumors 
sind bedeutend, mehrere bis Taubeneigrösse angeschwollen, 
von graurothem, markigem Aussehen. 



fttr GeburUhälfe in Berlin. 107 

So weit ich bis jetzt eine mikroskopische Untersuchung 
anstellen konnte, ergab sich, dass die blätlerartigen Falten der 
Fimbrien im gewöhnlichen Bindegewebe, dessen Zellen nur theil- 
weise eine Wucherung zeigen, kleinere und grössere Einlage- 
rungen von dichtgedrängten ziemlich grossen runden Zellen 
enthalten, die an einzelnen Stellen, besonders an einigen klei- 
nen Herden der Oberfläche eine deutliche concentrische Schich- 
tung erkennen lassen. Dieselbe haufenweise Neubildung ziem- 
lich grosser runder, zum Theil fettig getrübter Zellen fmdet 
sich in den Ovarien, in dem normalen welligen und faserigen 
Bindegewebsstroma derselben. In den oben erwähnten röth- 
lieben Stellen zeigt sich eine dichte Aneinanderhäufung dieser 
Zellen ohne jedes Zwischengewebe, das auch in den erwähn- 
ten, grossentheils zapfenförmigen Haufen der Zellen in den 
weniger veränderten Theilen nicht nachzuweisen gelang. 

In dem grossen Tumor besteht die Umgebung der gros- 
sen Hohlräume aus einem deutlichen Netzwerke von wuchern- 
dem Bindegewebe, welches theils grössere, theils kleinere 
Areolen umschliesst, die theils leer, theils mit den Zellen des 
Ovariums und der Tubenschleimhaut ganz analogen Zellen 
geföilt sind. Die gelblich weissen Herde scheinen nur aus 
dichtgedrängten grösstentheils fettig degenerirenden Zellen zu 
bestehen, ein bindegewebiges Geäste liess sich in denselben 
nicht nachweisen, 

Wie schon erwähnt, sind dies jedoch nur die Resultate 
einer vorläufigen Untersuchung, und ich werde mir daher er- 
lauben, sowie eine genauere Untersuchung, besonders nach 
stärkerer Härtung der Präparate, stattgefunden hat, dies in 
einer der nächsten Sitzungen mitzutheilen. 



l08 V"!!!. Schrödetf Temperaturheobaohtangen im Wochenbette. 



VIIL 
Temperaturbeobachtungen im Wochenbette 



Dr. Schröder, 

Aisistensarst an der gebartshttlflich-gynSkologischeB Kliaik In Bona. 

Unter 135 Wöchnerinnen, bei denen ich persönlich regel- 
mässig täglich wenigstens zwei Mal die Temperatur n)ass, befanden 
sich 19, deren Wochenbett in jeder Beziehung normal verlief. Bei 
keiner von diesen überstieg die Temperatur — von der in 
den ersten 12 Stunden posl partum, die in einzelnen Fällen 
höher war, abgesehen — 38,2, und keine von ihnen hatte 
subjective oder objective Störungen irgend welcher Art. leb 
weiss wohl, dass 38,2 das für gewöhnlich als normal ange- 
nommene Wärmemaximum bereits etwas übersteigt; da aber 
bei Wöchnerinnen die Körperwärme überhaupt etwas höher 
ist als in andern physiologischen Zuständen, so halte ich es 
für durchaus gerechtfertigt, eine Wöchnerin, die bei dieser 
Temperatur ein vollständig physiologisches Verhalten zeigt, 
als absolut gesund zu betrachten. Stieg die Temperatur höher, 
80 liess sich in allen Fällen bei genauer Untersuchung ein 
Grund dafür aus6ndig machen. Bei obigen 19 Wöchnerinneu 
betrug die Differenz zwischen höchster und niedrigster Tem- 
peratur im Maximum 1,5, im Minimum 0,5 und im Durch- 
schnitt 0,9, ein Verhältniss, das jedenfalls nicht sehr weit 
über die Normalschwankungen hinausgeht. Im übrigen ist 
das Verhalten der Temperatur im normalen Wochenbette von 
Hecker ^) , Winkel *) und v. Grünewald ') ausführlich ge- 

1) Charit^annaleD 18f>4. 5. Jabrg. S. .333 a. f. 

2) Monatsschrift iür Geburtsknnde 1862. S. 409 u. f. and 
1863 8. 321 n. f. 

3) Petersburger medicinische Zeitschrift 1863. 7. Heft. 

S. 1 u. f. 



VIII. 8€hröd€r^ Temperatnrbeobaohtungen im Wochenbette. 109 

nug behandelt, und muss ich ihre Beobachtungen im Ganzen 
durchaus bestätigen. Nur sind die Zahlen v. Orünewald*s 
fast überall zu klein, was sich aus der ungenügenden und 
nur relative Werthe liefernden Methode der Messung erklärt- 
Die Temperatur steigt in den ersten zwölf Stunden etc., um 
in den nächsten zwölf Stunden wieder zu fallen. Die Steige- 
rung kurz nach der Geburl kann verhältnissmässig sehr be- 
deutend sein, ohne dass dies auf den weiteren Wochenbetts- 
verlauf von nachtheiligem Einflüsse wäre, und kann ich den 
Werth der „ankündigenden Temperatursteigerung*' WinkePs 
und V. Grünewald'» in der Ausdehnung, wie dieselben ihn 
geltend machen, nicht anerkennen. Abgesehen davon, dass in 
vielen Fällen von schwerer Wochenbettserkrankung diese an- 
kündigende Steigerung fehlt — denn in diesen Fällen könnte 
man sie als nicht beobachtet annehmen — habe ich bei 
vollständig normalem Wochenbettsverlaufe dieselbe in exqui- 
siter Weise beobachtet* Von geringeren Steigerungen (bis 
38,4) die öfter vorkamen, abgesehen, beobachtete ich ein Mal 
38,6 7 Stunden p. p. und ein Mal 39,2 1% Su \i. p., ohne 
dass die geringste Woclienbetlscrkrankung gesetzt wäre. Im 
letzten Falle war die Auslreibungsperiode trotz sehr kräftiger 
lind anhaltender Wehen ungewöhnlich langsam verlaufen. Aus- 
serdem aber kam in vier Fällen, die mit Ausnahme einer durcti 
Congestion zu den Brüsten verursachten kurzen Temperatur- 
erhöhung bis 38,3 und 38,6 ein durchaus normales Verhalten 
zeigten, eine ankündigende Temperatursteigerung in den ersten 
5 — 7 Stunden in zwei Fällen von 38,7, in einem von 38,9 
und in dem vierten von 39,1 vor. Es hängt diese Tempe- 
raturerhöhung gewiss nur von den Vorgängen unter der Geburt 
ab und bat auf den weiteren Wochenbetlsverlauf nur insofern 
EinQuss, als besonders Geburten mit räumlichem Missverhält- 
nisse sowohl zur einmaligen Steigerung nach der Geburt Ver- 
anlassung geben als auch zu späteren Erkrankungen prädis- 
poniren, und insofern ist es gewiss praktisch , auf Wöchne- 
rinnen, die kurz nach der Gehurt eine bedeutende Steigerung 
zeigen, sein besonderes Augenmerk zu richten; haußg genug 
aber wird man sich in derartigen Fällen angenehm überrascht 
finden, wenn die erwartete Wochenbettserkrankung ausbleibt. 
Eine andere Frage, ist es, ob nicht in einzelnen Fälleu \^<^v 



110 ^m* Schröder^ TemperAtorbeobachtungen Im WoehenbetU. 

herschendem epidemischem Puerperaltieber diese Steigemog 
als Infectionsfieber zu betracliten sei, wo sie dann naiärlich 
eine sehr bedenkliche prognostische Bedeutung haben würde. 
Für ihre Lösung liegt leider noch zu wenig Material yor. 

Die Tempera turcurve verläuft gewöhnlich so, dass auf 
den Abend die Exacerbationen, auf den Morgen die Remi»- 
sioneu fallen; doch ist nicht selten (unter obigen 19 Falleo 
vier Mal), wenigstens vom 4, 5. Tage an das Umgekehrte 
der Fall. Die höchste erreichte Temperatur fiel^ von der 
kurz nach der Geburt abgesehen^ in zwei Fällen auf den 
zweiten, in vier auf den dritten, in neun auf den vierten, 
und in je zwei auf den fünften und siebenten Tag. Es stimmt 
dies Verhalten mit den Beobachtungen von Hecker *), WinM^) 
und V. Grunewald ^) überein, und ist diese geringe Tempera- 
tursteigerung durch den Eintritt der Milchsecretion bedingt 
Dass der Giiind für diese Steigerung nicht in dem Verhalten 
der Genitalien zu suchen ist, beweisen die von mir angestell- 
ten vergleichenden Temperatursteigerungen, die m einem der 
nächsten Hefte des FircAow'schen Archiv's erscheinen wer- 
den, in denen regelmässig die Differenz zwischen der Tem- 
peratur der Achsel und des Uterus gegen den vierten Tag 
hin abnimmt; ein Zeichen, dass um diese Zeil eine andere 
Wärmequelle als die von den Genitalien ausgehende die all- 
gemeine Temperatur etwas erhöht. Es ist nämlich im nor- 
malen Wochenbette der durchschnittliche Unterschied iwi- 
schen der Temperatur der Achsel und des Uterus nach 
6 X 12 Stunden 0,46^ nach 7 : 0,35«, nach 8 : 0,28» und 
erst nach 9 X 12 Stunden wieder 0,44 *>. 

Was das Verhalten des Pulses anbelangt, so war er im- 
mer verhältnissmässig niedrig, und kann ich die gunstige 
prognostische Bedeutung des niediigen Pulses im Wochen- 
bette, auf die von französischer Seite (Blot) aufmerksam 
gemacht ist, in vollstem Masse bestätigen, wenn auch eine 
niedrigere Ziffer als 48 von mir nicht beobachtet worden 
ist. Die Frequenz der Respirationen ist meistens über 20, 



1) R. a. O. S. 365. 

2) a. B. O. S. 339. 
8) a. a. O. S. 9. 



VIII, SekrödeTj Temperatarbeobaohtangen im Wocbenbette. Hl 

gebt jedoch auch bis 12 heruuter und übersteigt, von der 
Zeit kurz nach der Geburt abgesehen, nur selten 30. 

Wochenbettstemperaturen, die 38,2 übersteigen, sind, 
wie das obige Zahlen verhältniss zeigt, ungemein häufig und 
lässt sieb bei aufmerksamer Untersuchung wohl immer ein 
ursächliches Moment der Steigerung iierausfinden. 

In zwei Fällen hin ich geneigt, dieselbe den ungewöhn- 
lich heftigen und anhaltenden Nachwehen zuzuschreiben ^). In 
beiden Fällen waren keine nennenswerthen Verletzungen unter 
der Geburt entstanden, und waren sämmtliche Wochenbetts- 
functionen normal. Beide klagten aber über die heftigsten 
Nachwehen und der Uterus war steinhart anzufühlen; die 
Temperatur erreichte in einem Falle 38,5, in dem ande- 
ren 39,4. 

Bei weitem häutiger, in 32 Fällen, Hess sich die Tem- 
peratursteigerung auf unter der Geburt entstandene Verletzun- 
gen zurückführen, und empfiehlt sich für diese Fälle der von 
t;. Orünewald auch bei Wöchnerinnen gebrauchte Name 
Wundfieber, da das Verhalten der Temperatur, mit dem von 
BiUroih^) ausführlich geschilderten Fieber frisch Verwun- 
deter übereinstimmt. Von den 32 Fällen dieser Art hallen 
sieben mehr weniger bedeutende Dammrisse erlitten, die an- 
deren 25 hatten unbedeutendere Schleimhautrisse im Schei- 
deneingange. Es muss hierbei bemerkt werden, dass die 
Reaction auf diese Scheideuverletzungen sehr individuell ist, 
so dass man selbst bedeutende Dammrisse mit ganz unerheb- 
lichen Steigerungen einhergehen sieht, während geringe Ver- 
letzungen, die nur. durch die Schleimhaut gehen, bei empfind- 
lichen Individuen scbon sehr merkliche Fiebererscheinungen 
machen können. Das Fieber fing in vier Fällen unmittelbar 
von der Geburt so an, dass die gleich nach der Geburt ab- 
norm erhöhte Temperatur in den ersten 24 Stunden keine 
erhebliche Remission zeigte^ in neun Fällen sank die unmit- 
telbar nach der (leburt gleichfalls erhöhte Temperatur in den 
zweiten zwölf Stunden bis zur Norm, worauf das Fieber 



1) Die nHhere Motiyiriing dieser Ausnahme siehe in dem 
oben angefahrten Aufsatze. 

2) Lang€Hh€ck'9 Archiv. 1862. 2. Bd. 3. Hft. 8. 37^ v\. i. 



112 VIJI. iSe^r^'tier, TemperAtarbeobacbtangen Im Wochenbett«* 

begann, in einem Fall fing das Wundfieber bei normaler Tem* 
peratur gleich nach der Geburt vom ersten Tage an, in drei ^ 
Fällen begann es am zweiten, in acht am dritten, in vier am 
vierten und in je einem Falle am fünften, sechsten und sie- 
benten Tage. Das Wundfieber beginnt äusserst selten mit 
einem heftigen Schuttelfroste, hingegen ziemlich häufig mit 
Frösteln oder einem Gefühle von Kälte. Die Dauer des Fie- 
bers war: 



1 


Mal 


1 


Tag. 


5 


1» 


2 




1 


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3 




5 


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5 




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6 




5 


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2 


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8 




1 


ff 


9 




1 


ff 


10 




1 


ff 


13 





Das Steigen der Temperatur fand ziemlich schnell statt, 
häufig so, dass gleich beim ersten Ansteigen des Fastigium 
erreicht wurde; der Typus war mehr oder weniger remit- 
tirend bis intermittirend, die höchste Temperatur fiel: 
6 Mal auf den 1. Tag. 



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3. 


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5. 


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6. 


1 . 


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7. 


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9. 



Die Höhe des Fiebers war seilen sehr bedeutend, nur 
ein Mal über 40^. Genauer war die Temperatur: 
bis 38,5 incl. 10 Mal. 
ff 39,0 „ 8 „ 
ff 39,0 „ 7 „ 
„ 40,0 „ 6 „ 
„ 40,1 ein Mal. 
ISachlieber kmn sieben Mal vor, zwei Mal höher als das 



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YIII. Sckrödert TeniperatarbeobacbtongeD im Wochenbette. 113 

Wundfieber; jedoch kann man in Fällen, wo das Wundfieber 
er8t spät begann, das Fieber nach dem Vorgang \on BiU- 
roih wohl als Nachfieber mit fehlendem Wundfieber bezeich* 
Den, besonders da in diesen Fällen auch in den ersten Tagen 
eine, wenn auch unbedeutende Steigerung stattzufinden pflegt 
Der Puls ist meist niedrig und steigt nicht gerade häufig 
aber 100. 

Als Beispiel diene: 
Taf. I. Agnes Ä., Scdp. Nach einem Temperaturab- 
fall bis 37,3 am zweiten Tage der Steigerung, am dritten 
Tage Fastigium und dann Abfall. 

Taf. 11. Anna M,^ Pmp. Verhalten ähnlich, nur steigt 
das Wundfieber langsamer an und erreicht erst am fünften 
Tage p. p. das Fastigium, um dann schnell, aber nicht ganz 
Tollständig abzufallen. Sie hatte ein enges Becken, das bei 
todtem Kinde die Perforation und Cephalothrypsie nöthig 
machte. Das Frenulum war erhalten, hinler demselben ein 
Schleimhaulriss. Bedeutende Congestioneu zu den Brüsten 
fanden nicht Statt, doch mag immerhin die Milchsecretion 
filr das Fastigium des zweiten Tages nicht ohne Einfluss ge- 
wesen sein. 

Taf. III. Cornelia IT., Pmp. Sehr langsame Geburt. 
Zange. Zackiger Dammriss bis zum Pphincter ani. Die 
Zacken werden mit der Scheere abgeschnitten und der 
Riss mit drei Knopfnäthen vereinigt. Der hintere Theil des 
Risses heilt per primam int. , der vordere granulirt. Die 
Temperatur ist 11 Stunden nach der Geburt 39,7 und lallt 
dann langsam, aber ziemlich regelmässig continuirlich ab. 

T. III. Therese St, Pmp. Zange wegen räumlichen 
Miss Verhältnisses. Am Kopf des Kindes brandige Druckstelle 
rom Promontorium. Das Frenulum ist durchgerissen und die 
Spitzen der Carunkeln im Scheideneingange stark sugillirt. 
Vom 6. bis 8. Tage geringes Nachiieber. 

An das Wundfieber schliesst sich die Curve einer Wöch- 
nerin an, die bis auf eine einmalige Steigerung von 39,2 am 
achten Tage des Wochenbettes vollständig gesund war. Die 
Steigerung war bedingt durch eine puslulöse Dermatitis auf 
''**m linken Tuber ischii. 

'^'ibnrtak. 1866. Bd. XXVII., Hft. 2. 8 



114 ^lU.'Schröätrj Temporaturbeobachtungeii im Wochenbette. 

Durch Affectioncn anderer Organe (Lungen, Darmkanal) 
bedingte Störungen, die Winkel *) häufig beobachtete, kamen 
nicht vor. 

Störungen ganz ähnlicher Art, wie das gewöhnliche 
Wundfieber können von den Brüsten ausgehen, doch scheint 
der Grad und die Stärke dieser Fiebererscheinungen noch 
individueller als beim Wundfieber zu sein. Man sieht hSufig 
schmerzhafte, stark geschwollene Brüste ohne bedeutende Er- 
hebungen, während in den meisten Fällen ein wehn auch ge- 
ringes Fieber mit ihnen verbunden ist Man kann für diese 
Fälle den Namen Milcbfieber festhalten , und ist es jedenfalls 
nicht nötliig, diesen Namen des damit getriebenen Missbrau- 
ches halber, wie Winkel will, vollständig zu verbannen. Dies 
eigentliche Milchfieber kommt entschieden nicht so sehr selten 
vor, wenn es auch in seiner reinen Form ohne anderweitige 
Gomplicationen nicht häufig ist. Meistens findet man es bei 
todtem Kinde oder schlecht entwickelten Wai*zen. Aber auch 
bei guten Warzen und kräftig trinkendem Kinde beobachtet 
man mitunter, dass die Brüste ungewöhnlich stark anschwel- 
len, dass sie, besonders bei Druck, schmerzen und die Haut 
gespannt und geröthet ist. Man fühlt in ihnen empfindliclie 
harte Knoten, die sich oft bis in die Achselhöhle erstrecken. 
Häufig sind die letzteren mit der Brust durch sclmierzhafte 
Stränge, über denen die Flaut geröthet ist, verbunden, Haben 
solche Wöchnerinnen leichtes Fieber und lassen sich sonst 
keine Abnormiläten nachweisen, so ist man jedenfalls be- 
rechtigt, diesen Zustand als Milchfieber zu bezeichnen. Die 
Curve unterscheidet sich von der des Wundfiebers hauptsäcfa- 
heb durch den späteren Beginn des Ansteigens. Unter mei- 
nen 135 Curven finde ich sieben reine Formen dieses Milch- 
fiebers. Es begann: 

1 Mal am 2. Tage 

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und dauerte: 

1) a. a. O. S. 345. 



TaCW: Wundfieber mit Nachfteber 















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VilL Sehroder, TemperatarbeobacRtcingen im Wochenbette. 115 

1 Mal 1 Tag 
3 „ 3 Tage 
3 „ 4 „ 

Die höchste Höhe wurde erreicht vier Mal am ersten 
iiod drei Mal aoi zweiten Tage der Erkrankung, oder, anders 
ausgedrückt, ein Mal am dritten Tage nach der Geburt, vier 
Mal am vierten und zwei Mal am fünften. 39,6 war die 
höchste Temperatur, meist stieg dieselbe * nicht über 38,5. 
Der Puls war selten über 100. Es mag hier ein Beispiel 
von starkem Milcbfielter seinen Platz finden. 

Taf. V. Caroline J3., Scdp. Wegen vorgefallener Na- 
belschnur Wendung und Extraction eines todten Kindes. Am 
Morgen des vierten Tages sind die Brüste stark geschwollen 
und schmerzhaft, am Abend steigt die Temperatur auf 37,8 
und am nächsten Morgen auf 39,6. Die Brüste sind sehr 
empfindlich, hdss und geröthet. Die Temperatur steigt lang- 
sam zur Norm zurück. 

Diese Entzündungen der Mamma führen nicht häufig zur 
Eiterung,^ sondern die Entzündung bildet sich bei zweckmäs- 
sigem Verhalten unter dem Gebrauche starker Laxantien zu- 
nick. Mastitiden mit Ausgang in Eiterung sind nicht gerade 
häufig (unter 135 Wöchnerinnen nur drei Mal beobachtet). 
Sie treten — wohl sehr seilen in den ersten acht Tagen des 
Wochenbettes — acut auf mit einem Schüttelfroste und sehr 
plötzlichem Steigen (bis 40,6) und baldigem Abiall, auf den 
ein längeres geringes Eilerungsfieber folgt. 
Als Beispiel diene: 

Taf. VI. Catharina K.y Pmp. Am achten Tage p. p. 
Morgens 8 Uhr ein einstündiger Schüttelfrost mit Temperatur- 
erhöhung bis 40,4 ; dann Abfall und später wieder Erhebung. 
Auf ihr Verlangen wird sie am elften Tage entlassen. Aus 
der Warze lässt sich ein dicklicher Eiler drücken. 

Eine eigene Bewandniss hat es mit der Bedeutung der 
Schrunden an den Warzen für die Erhöhung der Tem- 
peratur. Während fast allgemein angenommen wird, dass 
wunde Brustwarzen die Temperatur nicht unbedeutend zu 
erhöhen vermögen — nach Martin *) sogar zu mehr als 42,0 ^, 



1) Seharlauy Berliner klinische Wochenscbr. 1864. S. \^\. 

8* 



IIG VIII. SehrSdtr, Teoiperatarbeobachtnnsen im Woobeabelt«. 

behauptet Pohl^)^ dass wunde Warzen an sich kein Fieber 
herbeiführen und belegt dies durch K ranken geschicliten, die 
allerdings nur beweisen, dass wunde Warzen nicht nothwen- 
dig Fieber im Gefolge zu haben brauchen. Diese Divergens 
der Ansichten erklärt sich aus der Schwierigkeit im Wochen- 
bette andere entzündliche Störungen mit Sicherheit augzu- 
schliessen. Ich habe in einem Falle Schrunden beobachtet, 
die fast täglich geätzt wurden, bei denen die Temperatur nur 
ein Mal 38,2 erreichten, in allen übrigen Fällen waren 
Schrunden mit Fieber verknüpft, ohne dass sich jedoch des 
herrschenden Puerperalfiebers wegen andere Processe , die für 
sich Fieber machen, mit absoluter Sicherheit ausschliessen 
Hessen. Indessen spricht doch der Verlauf in einzelnen Fäl- 
len eclatant dafür, dass Schrunden an sich hochgradiges Fie- 
ber herbeiführen können, indem die Temperatur nach Ab- 
setzung des Kindes mit dem Aufhören des Reizes plötzlich 
abfällt. Einen ßeleg dafür giebl Winkel a. a. 0. S. 34& 
Das Fieber bei Schrunden scheint sich durch sehr schnelle 
Re- und Intermissionen und plötzliche Exacerbationen mil 
häufigen Frostanfällen auszuzeichnen. 

Wir kommen jetzt zu den häufigsten Ursachen von fie- 
berhaflen Wochenbettserkrankungen , zu den entzündlichen 
Störungen, die im Uterus selbst und seinen Adnexen statt- 
finden. Endometfitiden sind jedenfalls nicht selten im Wo- 
chenbette. Bei sehr vielen Wochenbettserkrankungen , beson- 
ders bei Peri- und Parametritiden lassen erhebliche Altera- 
tionen der Lochien ^) auf eine iMItbetheiligung der ja so 8\;hon 
stark verwundeten Uterusschleimhaut schliessen. Hingegen 
sind reine Endometriliden , die fieberhafte Störungen bedin- 
gen, jedenfalls nicht häufig. Ich konnte sie nur unter epi- 
demischen Bedingungen beobachten ^ wo in zwei Fällen bei 
sehr bedeutend erhöhter Temperatur und septicämischen Er- 
scheinungen das Endometrium das einzige nachweisbar alfi- 
cirte Organ bildete. Die Seltenheit der uncomplicirten Endo- 



1) Charit^annalen 1866. 12. Band. S. 64. 

2) Vtit^ Aionatsschrift für Gebartskande 1865. 26. Band. 
2. a. 3. Heft. 8. 128. 



YIII. 6ekrBd&r, Tampenitnrbeobaohtangen im Wochenbette. 117 

metritis wird auch von Winkel^) erwähnt, während v. Orüne- 
wald*) unter 50 Fällen von Endo- und Perimetritis 26 von 
reiner Endometritis aufzählt. Wie es mit der eigentlichen 
Meirilis puerperalis steht, ist gleichfalls nicht leicht zu ent- 
scheiden. Wenn man nicht einzelne Fälle von auffallend 
schneller Involution des Uterus als acute Metritis hierherzäh- 
len will, möchte sie sich nicht leicht als isolirte Erkrankung 
nachweisen lassen. Ich hahe es desshalh vorgezogen, in allen 
Fällen, in denen sich eine TheiJnahme des Peritonäalüber- 
zugs der Gebärmutter nachweisen liess, dies als das wesent- 
liche zu betrachten, und scheint mir dies, da die Theünahme 
des serösen Ueberzugs — von septicämischen Processen im- 
mer abgesehen — den Charakter der Gefahrlichlieit bedingt, 
das praktisch Nützlichste zu sein. Reine Parametritiden, die 
vollständig ohne Betheiligung des Peritonäum verlaufen, sind 
jedenfalls selten, wohl in allen Fällen weist bei Exsudaten 
in der Umgebung des Uterus im Anfange der Erkrankung 
eine mehr weniger starke Empfindlichkeit an den Seiten des 
Ulerus auf eine Mitbetheiligung des serösen Ueberzuges hin, 
mag' dieselbe auch in sehr vielen Fällen nur in einer durch 
den Druck des Exsudates bewirkten Reizung desselben be- 
stehen. 

Para- und Perimetntiden kommen sowohl sporadisch, als 
besonders häufig unter epidemischen Verhältnissen vor. 

Da wir bisher nur Krankheiten des Wochenbettes , die 
nicht durch epidemische Einflüsse bedingt sind, betrachtet 
haben, so müssen wir uns jetzt die schwierige Frage der 
Unterscheidung der epidemischen von der nicht epidemischen 
Form dar Para- und Perimetritis vorlegen. Am leichtesten 
wäre die Frage beantwortet, wenn man zu Zeiten herschen- 
den Puerperalfiebers alle Fälle zur epidemischen Form rech- 
nete. Indessen kommen während einer Epidemie häufig Er- 
krankungen d^ Uterusüberzuges vollständig gutartigen Cha- 
rakters vor, die sich von den sporadischen Fällen durch 
mchts unterscheiden. Zum Theil haben sie jedoch einen ent- 
schieden bösartigen Charakter, der sich auf der Höhe einer 



1) a. a. O. S. 364. 
S) a. a. O. S. 17. 



118 VIII. Sekr^er, TemperatnrbeobachtnDgen im Wochenbotte. 

Epidemie hauptsächlich im Verhalten des Pulses kennzeich- 
uet. Der Puls geht bei unbedeutendem örtlichen Befund un- 
gemein rapid in die Höhe bis über 160 hinaus, während oft 
die Temperatur eine dieser Pulsfrequenz nicht entsprechende 
ist. Aber auch die letztere ist oft sehr hoch und besonders 
schnellen Schwankungen unterworfen, und ebenso verhält sich 
die Anzahl der Respirationen, so dass häufig das Missver- 
hältniss zwischen localen Erscheinungen und subjectivem Be- 
linden einerseits und dem Verhalten von Temperatur, Puls 
und Respiration zusanmien oder einzelner derselben andererseits 
das für die epidemische Form Charakteristische ist. Ein 
nicht unwichtiges Zeichen epidemischer Verbreitung bilden 
ferner die Puerperalgeschwöre , in die auf der Höhe einer 
Epidemie die kleinen unter der Geburt entstandenen Schleim* 
hauti'isse sich fast bei allen Wöchnerinnen umwandeln. Doch 
giebt es auch bei ihnen, von dem tiefgreifenden gangränösen 
Geschwür bis zum leichten gelblichen Beleg einer RisssteUe^ 
so zahlreiche Abstufungen, und kommen gutartige Geschwüre 
auch ohne Infection so häufig vor, dass auch dieses Kenn- 
zeichen sein Charakteristisches verliert. 

Giebt es demgemäss auch bei gruppenweisen Erkran- 
kungen kein sicheres Critcrium, dass der einzelne Fall zur 
Epidemie gehört, so kommen auf der anderen Seite auch Fälle 
vor, die man, obwohl sie sporadisch auftreten, zum epide- 
mischen Puerperalfieber zu zählen berechtigt ist. Ein solcher 
Fall ist der weiter untei* erwähnte (s. Taf. XV.) der Gor* 
dfda S.j der ganz geeignet war, zum Ausgangspunkt einer 
Epidemie zu werden, und der nur durch vollkommene Iso- 
lirung unschädlich gemacht wurde. Die si)oradisclien Fälle 
können auf Selbstinfection , wie der eben erwähnte, oder auf 
manuelfe Ansteckung mit zersetzten tliierischen Stoffen beru- 
hen. Sie werden naturgemäss in Entbindungsanstalten, in 
denen stets der geeignete Boden und auch die Gelegenheit 
zur Weiterverbreitung gegeben ist, verhältnissmässig selten 
sein, kommen aber in der Privatpraxis gewiss häufiger vor. 

Da nun in den meisten Fällen von Parametritis es un- 
möghch ist zwischen epidemischer und nicht epidemischer 
zu unterscheiden, so will ich in der folgenden Kategorie alle 
Fä)}e von Parametritis zusammenfassen, und nur die ausschei- 



VI iL Sekrodir, Tempuariitarbeobaohtangen im Wochenbette. 119 

deo, die durch ihren charaktertstischeu Verlauf sich sofort 
als ilurch Infection bedingt kennzeichneten. 

Es waren unter obigen 135 Wochenbetten 47 Para- 
und Perimetritiden, von denen 28 durch spontane Schmerzen 
und circuniscripte Empfindlichkeit auf Druck diagnosticirt wur- 
den, ßei vier liess sich ausserdem an einer Seite des Uterus 
vermehrte Resistenz mit Schmerzhafligkeit nachweisen, und 
bei 15 wurden deutlich abgrenzbare Tumoren zwischen den 
Blättern des Lig. latum beobachtet. 

Die betrefTenden Wöchnerinnen erkrankten meist mit 
leichtem Frösteln, häufig auch mit einem Schuttelfroste, ohne 
dass dies auf den Verlauf von Einiluss gewesen wäre. Es 
hängt der Schüttelfrost ja lediglich von der Schnelligkeit des 
Steigens ab, und sein Eintritt ist überhaupt sehr subjectlv, 
so dass er durchaus von keiner durchgreifenden prognosti- 
schen Bedeutung ist. Die Wöchnerinnen erkrankten: 

Tage 



10 Mal 


am 


1. 


17 „ 




2. 


7 „ 




3. 


5 .. 




4. 


2 „ 




5. 


1 ,, 




6. 


2 ., 




7. 


1 „ 




8., 



und je 1 „ „ 8., 9. und 11. Tage nach der 

Entbindung. Das Fieber dauerte in 35 Fällen continuirlich 
^fort, in 12 Fällen mit mehr oder weniger langen Unter- 
brechungen und darauf folgenden neuen Exacerbationen. Die 
letz leren Fälle zeichneten sich demgemäss durch ihre Hart- 
näckigkeit und ihre lange Dauer aus. Genauer dauerte d^ß 
Fieber continuirlich: 

1 Mal 1 Tag 



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2 


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4 


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120 V^m« Sekröder, Tetnperatarbeobachtangen im Woohwibatt«. 

4 Hai 11 Tage 

2 „ 12 „ 
und je 1 ,, 15, 19, 20 und 23 Tage. Die 

Dauer des Fiebers war in den Fällen, wo Unterbrechungen 
daEwischen fielen, diese letzteren nicht mitgerechnet: 

1 Mal 4 Tage 



1 „ 


5 „ 


2 „ 


6 „ 


2 „ 


7 „ 


2 „ 


8 „ 


1 « 


9 „ • 


1 „ 


10 „ 


2 „ 


20 .. 


Die Höhe des Fiebers war sehr verschieden, im Durch- 


schnitte bei weitem höher als beim einfachen Wundfieber. 


Sie ging 




bis 38,5 incl. 3 Mal 


„ 39,0 


„ 4 „ 



„ 40,0 „ 6 „ 
„ 40,5 „ 13 „ 
„ 41,0 „ 11 „ 

„ 41,0 yy „ 

Die höchste Temperatur wurde erreicht vom Tagö dar 
ersten Erkrankung an gerechnet: 

10 Mal am 1. Tage 



10 


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11. 


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Der Verlauf des Fiebers ist sehr mannigfach und mag 
durch einige Beispiele veranschaulicht werden. Der einfachste 
Fall war folgender: 



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1 

5 







VIII. Sehröder, Temperatarbeobachtnng^eo ira Wochenbette. 121 

Taf. VII. Frau Cathanna P., Mltp. Enges Becken 
von c. 3'' C. V. Todtes Kind. Sie klagte am Morgen des 
zweiten Tages p. p. um V2IO Uhr plötzlich über sehr hef- 
tige Schmerzen im ünterleibe, so dass sie laut jammerte. 
Der Unterleib ist rechts unempfindlich, links schmerzhaft. 
Etwas Meteorismus. Heute Morgen hat sie Stuhl gehabt. Die 
Temperatur, die heute Morgen 37,8 war ist 37,5. Ord. 
Oysma, Ol. Ricini 5/3, Priessnitz'schev Umschlag. Um ^4 vor 
11 Uhr sind die Schmerzen etwas geringer. T. 37,8. 94. 
33. Um V4 nach 11 Uhr 38,55. 96. 34. Sie klagt über 
Kälte, hat aber keinen Schüttelfrost. Schmerzen ebenso. Um 
V4I2 Uhr: 38,8. 104. 34. Um % nach 12 Uhr 38,95. 96. 
36. Die Schmerzen sind etwas geringer. Bekommt mehr- 
mals Ol. Ricini S/5. 'Von 2—3 Uhr Nachmittags hat sijB wie- 
der ungemein heftige Schmerzen und hat um ^j.ß Uhr 39,25. 
96. 25. Sie bekommt Calomel. gr. iv. Von 3 Uhr an lassen 
die Schmerzen nach und haben um y^,^ ^^^ ^^^^ ^^^^ au^~ 
gehört. Leib etwas meteoristisch , aber nicht empfindlich. 
Am Abend hat sie zwei Mal Stuhl gehabt und hat gar keine 
Schmerzen mehr. Die Steigerung vom vierten Tage ab ist 
reines Milchfieber. Bei ihrer Entlassung ist der Uterus noch 
wenig zurückgebildet, anteflectirt, Orif. int. durchgängig. Nir- 
gends Schmerzhaftigkeit oder Tumor. 

Der Fall ist ausführlicher mitgetheilt, weil er in mehr- 
facher Beziehung Interessantes darbietet. Die Schmerzhaftig- 
keit war das erste Symptom und trat 1^/^ Stunden vor der 
Temperatursteigerung auf, die letztere trat also erst ein, als 
die Entzündung, die ja auch dem Schmerze vorhergehen 
musste, bereits geraume Zeit gedauert hatte. Das Fieber war 
verhältnissmässig niedrig, und war durch die gewöhnliche 
Abendmessung nur noch zum Theil nachweisbar. Das Nacb- 
fiebef ging einzig und allein von den Brüsten aus. 

Gewöhnlich findet das Ansteigen und der Abfall treppen- 
artig statt, ersteres meist- schneller als letzteres, beides aber 
nicht ganz regelmässig. 

Taf. VIII. Veronica H.y Pmp. Schnelles Ansteigen 
mit bedeutender Pulsfrequenz, starker Abfall und hohes Nach- 
fieber. Sie hatte bei ihrer Erkrankung am rechleu liVetus- 



122 VIII. Schröder, Temperatarbeobachtangen im Wochenbette. 

rand Schmerzen, später lifiks, und war links eine vermehrle 
Resistenz iiachweisbar. 

Taf. IX. Maria K. , MJlp. Sehr langsames treppen- 
arliges Steigen und Fallen. Sie hat Anfangs rechts Schmer- 
zen, links ganz unbedeutend. Bei ihrer Entlassung hat sie 
links vom Uterus einen eigrossen, hrettharten kaum empfind- 
lichen Tumor, rechts einen kleinen Tumor, der etwas em- 
pfindlicher ist. 

Taf. X. Helene W., Scdp. Schnelles Steigen mit sehr 
lange sich hinziehendem Abfall. Sie i^rkrankte am zweiten 
Tage Nachmittags ^a"^ ^^^^ >iii^ heftigen Schmerzen in der 
linken Seite. Erst eine Stunde später, um V^ö Uhr« kriegi 
sie FrosL Sie ist links empfindlich. Ein Tumor ist weder 
jetzt noch später nachzuweisen. 

Der Verlauf des Fiebers ist häufig noch unregelmas- 
siger, durch kürzere oder längere Re- und Intermissionen 
unterbrochen. 

Taf. XL Margarethe F., Pmp. Am dritten Tage 
Morgens ist sie rechts vom Uterus empfindlich. Am elften 
lässt sich rechts oben neben dem Fundus ein kleiner elasti- 
scher empfindlicher Tumor nachweisen, der auch bei ihrer 
Entlassung noch vorhanden und etwas empfindlich ist. 

Taf. XII. Christine P. , Pmp., erkrankt mit kurzem 
Frost und Empfindlichkeit links. Sie zeigt mehrfache kurze 
Intermissionen. Rechts halbmondförmig um den Cervix uteri 
herum ist ein harter, nur auf tiefen Druck schmerzhafter 
Tumor. 

Mitunter steigt die Temperatur schnell an, und bleibt 
mit geringen Remissionen auf der Höhe, bis nach einem 
plötzlichem Abfall ein bald kürzere bald längere Zeit dcHiexn- 
des hektisches Fieber folgt. 

Taf. XIII. Anna Z., Pmp., ^krankt mit einem Frost, 
ohne dass sie bedeutende Schmerzen hätte. Erst am zehn- 
ten Tage lässt sich ein kleiner Tumor links am Isthmus uteri 
nachweisen, der auch bei ihrem Abgang noch vorhanden, aber 
nicht mehr genau abzugrenzen ist. 




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VIII. Stkroder, TemperatQrbeobaohtongfen iin Wochenbette. 123 

Taf. XIV. Lucie R., Scdp., erkrankt mit Frost und 
Schmerzen an der rechten Seite des Uterus, am vierten 
Tage sind die Schmerzen links stärker. Am sechsten sitzt 
links vom Uterus ein empfindlicher Tumor. Am 14. ist das 
vordere Scheidengewölbe überall hart und schmerzhail. Der 
Uterus ist nicht anteflectirt Am 19. Tage ist der Utenis 
schwer beweglich, das linke Scheidengewölbe ist ausgefüllt 
mit einem Tumor, der auch nach hinten und vorn gelit, 
aber zu schmerzhaft ist, als dass sich seine Grenzen genau 
bestimmen liessen. Am 22. Tage erscheint der Tumor etwas 
kleiner, jedenfalls weniger schmerzhaft und bei ihrem Abgange 
ist links nur noch geringe Empfindlichkeit und vermehrte Re- 
sistenz bemerkbar. 

Mitunter tritt noch in späterer Zeit des Wochenbettes, 
durch äussere Schädlichkeiten veranlasst, eine acute Parame- 
triiis auf. Hierher gehört der von Veit ^) mitgelheilte Fall. 
In einem anderen Falle erkrankte eine bis zum 9. Tage ganz 
gesunde Pmp. , nachdem sie zum ersten Male das Bett ver- 
lassen, mit Schmerzen in der linken Seite und einer Tempe- 
ratur von 39,6. Der Uterus lag links ponirt, das Scbeiden- 
gewölbe war links resistent und schmerzhaft. Vielleicht batte 
sie schon früher eine Perimetritis überstanden, die exacer- 
birte. Der links ponirte Uterus schien darauf hinzudeuten. 

War bei den bisher erwähnten Störungen die Prognose 
trotz des in einzelnen Fällen sehr protrahirten Verlaufes gün- 
stig, so gehen wir jetzt zu den schwereren Erkrankun- 
gen über. 

W^ochenbcttserkrankungen mit ungünstiger Prognose, die 
zum epidemischen Puerperalfieber in keiner Beziehung stehen, 
eine einfache Thrombose *) oder Eclampsie wurden nicht be- 
obachtet. Ip allen noch folgenden Fällen liess sich eine in- 
fection annehmen. Die meisten fielen in die Zeit, wo das 



1) a. a. O. Nr. 1. 

2) Einfache Thrombosen können, worauf schon Meckel (Cha- 
rit^annalen 1854. 1. Heft. S. 309.) anfmerksant macht, selbst 
wenn Stürke der Thromben als Emboli in den Kreislanf gelan- 
gen und exquisite pyämische Erscheinungen machen, nicht zum 
epidemischen Puerperalfieber gezählt werden. Unter der Eiu- 
Wirkung dee letzteren tritt regelmäBsig Zerfall der Tbrombeu e\ii. 



124 VIII. Sehröd€r, Temperatarbeobaohtangen im Wochenbett«. 

PuerperaJOeber lierrschte, in einem Falle liess sich die Selbst- 
infection deutlich nachweisen. 

Eine jede Eintheilung der auf Infection beruhenden Wo* 
chenbeUserkrankungen hat ihr missliches, da die meisten Er- 
krankungen keine reinen sind, sondern in verschiedenen Com- 
plicationen bestehen, von denen allerdings meist eine die 
hervorstechendsten Symptome macht. Die vom pathologisch- 
anatomischen, wie klinischen Standpunkte brauchbarste ist 
die bekannte Vir chow* sehe ^) Eintheilung, die im Wesent- 
lichen mit der von Buhl^) zusammenfällt. Nur möchte es 
praktisch erscheinen, die erste Virchow'sche Form je nach 
der Art der Infection des Gesannntorganismus in Pyaemie 
einerseits und in Ichoraemie und Septicaemie andererseits zu 
trennen, so dass wir folgende drei Gruppen fülen: 

I. Parametritis, Perimetritis, Peritonitis. 
II. Thrombose — physiologische oder pathologische — 

mit Zerfall der Thromben und Embolien. 
HL Ichorhaemie und Septicaemie. 

Es möchte sich nach dem Vorgänge von Buhl^) und 
Fischer^) empfehlen, noch Mischformen aufzustellen, doch 
fallen dann bei weitem die meisten Fälle unter diese Form 
und man kommt andererseits wieder nicht mit einer Misch- 
form aus, so dass es praktischer erscheint, den Process der 
klinisch hervorragendsten Form unterzuordnen. Eine Schwie- 
rigkeit der Unterordnung wird dadurch bedingt, dass es in 
einzelnen Fällen selbst am Sectionstisch ungemein schwierig 
sein kann, die Art der Entstehung eiifes Processes zu erklä- 
ren. Nehmen wir als Beispiel die so sehr häufigen Entzön- 
dungen der serösen Häute im Puerperalfieber. Fischer ^) ist 
geneigt, die Pleuritiden und Pericarditiden von einem örtlichen 
Weiterkriechen des Processes vom Peritonäum aus abzuleiten. 
Nun kommen aber Pleuritiden ohne Peritonitis vor, es kom- 

1) Monatsschrift für Gebartsknn^e 1864. 2S. Bd. S. 406. 

2) Klinik der Gebnrskande 1861. S. 232. 

3) a. a. O. S. 232. 

4) Charit^annalen 1864. 12. Bd. 1. Hft. 8. 68. 
b) a. a. O. 69. 



VUI. 8ckröd€rf TemperatarbeobaohtiiD^on im Wochenbette. 125 

men Endocarditidea ohne Pericarditis vor, und wie erklärt 
sich eine Arthromeningilis auf die angegebene Weise? Wo 
also nicht der örtliche Zusammenliang zwischen Peritonitis 
und Pleuritis bei der Autopsie unzweideutig nachzuweisen 
ist, thut man am besten, die Pleuritis unter die Ichorhaemie 
einzureihen, d. h. sie als eine Entzündung aufzufassen, die 
durch dem Blute beigemengte specifische Producte des Zer- 
falls der Gewebe gesetzt isL Ja es steht nichts im Wege, 
im gegebenen Falle auch ein Mal eine acute Peritonitis die- 
ser Kategorie zu überweisen, und es ist wahrscheinlich, dass 
wenigstens ein Theil der ganz acut auftretenden unter sep- 
ticämischen Erscheinungen schnell lethal verlaufenden allge* 
meinen Peritonitiden hierher gehört. Was das Zustandekom- 
men dieser Art Entzündungen anbelangt, so sind wir durch 
die Weber*schen Untersuchungen ^) in dem Verstandniss dieses 
Processes einen Schritt weiter gelangt. Nach den schönen 
Experimenten dieses Forsches hat nicht Mos das Blut, son- 
dern auch die Parenchymsäfte in Entzündungsbeerden die 
Eigenschaft, Entzündung und Fieber zu erregen, so dass wir 
uns das Zustandekommen von acuten Entzündungen paren- 
chymatöser Organe (Leber, Milz, Nieren) sowie auch seröser 
Häute dadurch erklären können, dass von der verwundeten 
Innenfläche der Genitalien durch Lymphgefässe (hierauf scheint 
die so ungemein häufige Mitbetheiligung der Gefasse hinzu- 
weisen) oder Venen specifische Stoffe aufgenommen werden, 
die in anderen Organen Entzündungen eiTegen. Diese phlo- 
gozone Eigenschaft, wie Weber sie nennt, kann ohne Zweifel 
dem Blute in verschiedener Intensität mitgetheilt werden. In 
geringem Grade mag das entmischte Blut auf den zu Entzün- 
dungen leicht geneigten serösen Häuten eitrige Entzündungen 
hervorrufen, während in den höchsten Graden ganz acut ver- 
laufende Entzündungen die grossen Untcrleibsdrüsen zur ra- 
piden Degeneration bringen, und so dem Leben schnell ein 
Ende machen können. In wie weit Ichoraemie und Septi- 
caemie zu unterscheiden -sind, mag dahingestellt bleiben. Der 
Unterschied ist wohl — hierauf deutete das so häuflge Her- 



1) Experimentelle Stadien über Pyämie n. s. w. SepariA* 
abdniok aüe der äeotBcben Klinik, 8. 66 u. 8. w. 



126 VIII. Sekrodm'f Temperiiturbeobachtangen im Woehenbett«. 

vorgehen der Sepücaemie aus der Icliorbaemie hin — nur 
ein gradweiser. Wir brauchen den Namen Sepücaemie, wenn 
der Zustand der Innenfläche des Uterus unsere Geruchsner- 
?en sehr direct auf eine verdorbene Beschaffenheit hinweist. 
Ist uns auf diese Weise das Verstandniss der multiplen acu- 
ten Entzündungen im Wochenbette näher gelangt, so bleiben 
uns noch die nicht so seltenen Eiterheerde in den willkuhr- 
liehen Muskeln und im vom Uterus weit entfernten Zellge- 
webe zu erklären übrig. Ohne in Abrede nehmen zu wollen, dass 
auch diese Eiterheerde durch Ichoraemie entstehen können '), 
erscheint es doch wahrscheinhcher , einzelne solche Eiter- 
heerde l)ei sonst wohlerhaltenen Muskeln einer Embolie zu- 



1) Für diese Ansicht seheint der Befand Ton BuJU (a. a. O. 
3. 261 und 252) bu sprechen, der am Hersen 2&erfall der Pri- 
mitivbündel und in einseinen FUUen an willkürlichen Muskeln 
eine acute Erweichung (,, Zerfall der Muskelbündel zu einem 
gelbröthlichen oder rothbraunen Brei'^J fand. Leider ist bei 
unseren Sectionen eine mikroskopische Untersuchung des Her- 
zens und der willkürlichen Muskeln TersKumt worden. Der mi- 
kroskopische Befund, bei dem die Muskeln in den acuten Fäl- 
len auffallend mürbe und dem äusseren Anscheine nach fettig 
entartet gefunden wurden, scheint dafür zu sprechen, dass auch 
beim Pnerperalfieber dieselben Veränderungen in den Muskel- 
primitivbändeln vor sich gehen, die Zenker (Ueber die Verände- 
rungen der willkürlichen Muskeln im Typhus abdom.) im Ty- 
phus, Scharlach und in der acuten Miliartuberkulose beobachtet 
und beschrieben hat. ZusammengehaJten mit den parenchyma- 
tösen Organen, die im Wesentlichen derselben Art sind, wie -die 
von Zenker an den Muskeln beschriebenen, und mit den mul- 
tiplen Entzündungen der serösen Häute, würden sie nnabweis- 
lieh darauf hinführen, den degenerativen Vorgang als den Ana- 
^ang einer acuten Entzündung aufzufassen, die in sUmmlichen 
genannten Organen durch das Blut, dem in den Genitalien die 
entzündungserregenden Eigenschaften mitgetheilt sind — viel- 
leicht kann dies auch durch Medicamente, wie Phosphor ge- 
schehen — vermittelt ist. Zenker freilich spricht sich nach der 
Lte&ermeM(er*schen Recension {SckmidCs Jahrbücher. 1866. Band 
126. Nr. 3. S. 361) — das ZenA;sr*sche Werk stand mir leider 
nicht zu Gebote" — mit Entschiedenheit dahin aus, dass es kein 
entzündlicher Vorgang sei, doch ist auch Lteberm eitler mit der 
J^snA;sr^8chen Hypothese der Art der Abhängigkeit der Degene- 
ration von Fieber nicht einverstanden. Die Sache ist theore- 
tisch so wichtig, dass genaue Untersuchungen dringend zu wün- 
Mcben Bind. 



VIII. 8ekrÖd0r, Temperatnrbeobacbtnngen im Wochenbette. 127 

zuschreiben. Man muss dann allerdings annehmen, dass 
der Embohis das rechte Herz und die Lungen passirt hat, 
ehe er in einer kleinen Arterie stecken geblieben ist, doch 
hat diese Annahme nach Weber *) nichts Wunderbares. 

Wenn Buhl^) die Peritonitis ohne Pyaemie von einer 
Forileitung durch die Tuben abhängig macht, so widerspricht 
dies geradezu seinen eigenen sowie allen übrigen Sections* 
befunden. Die Salpingitis ist jedenfalls — ohne die Mög- 
lichkeit der BuhTschen Entstehung negiren zu wollen — in 
der grossen Mehrzahl der Fälle erst durch die Peritonitis be- 
dingt, wie '}a auch in den meisten Fällen nur das Abdomi- 
nalende der Tuba voll Eiter gefunden wurde. Für die Ent- 
stehung der Peritonitis und Endometritis und Metritis sind 
die Reckltnghausen'^chen Untersucliungen^ über die Ortsver- 
ändenmgen der jüngeren ßuidegewebskörperchen von der gröss- 
len Wichtigkeit. 

Gehen wir nun zu der Schilderung der einzelnen beob- 
achteten Fälle über, so muss zuvörderst erwähnt werden, 
dass in die erste Form der epidemischen Para- und Perime- 
tritis jedenfalls viele von den früher augeführten Fällen ge- 
hören. 

Von diesen abgesehen wurden drei Fälle beobachtet, die 
insgesammt günstig verliefen, bei denen eine mehr weniger 
beti*ächtliche umschriebene Schmerzhafligkeit eines Uterusran- 
des auf eine Betheiligung des Peritonäum schliessen liess. 
Doch standen in allen drei Fällen das Verhalten der Tempe- 
ratur und des Pulses sowie auch die Allgemeinerscheinungen 
in auffallendem Missverhältniss zu der örtlichen Erkrankung. 
Ein Exsudat war in keinem Falle nachzuweisen. Besonders 
in zwei Fällen war Temperatur und Puls auffallend hoch. 
Die eine Wöchnerin erkrankte am ersten Tage und erreichte 
am sechsten Tage das Fastigium mit 41,0. 140. 36. Am 
elften Tage sank die Temperatur schnell ab, und der weitere 
Verlauf war normal. Die andere Wöchnerin erkrankte am 



1) Handbuch der allg. u. spec. Chirargie Ton Pitka u. Bill' 
roO. Effter Band. I. S. 86. 

8) Klinik der GebnrtBkonde von Hecker und Buhl. 1861. 
Seit* 288. 



128 VII f. ÜekrodeTf Texnperatarbeobaehkmi^en im Wochenbette. 

zweiten Tage und erreichle uiuie dazwiscbenfailende Remis- 
sionen am dritten Tage die iiöchste Höhe mit 41,3. 128. 40. 
Mit einzelnen Remissionen dauerte das Fieber zehn Tag«. 
Sie hatte dahei ungemein hartnäckige und heftige spontane 
Durchfalle, jedoch ohne dass dieselben beunruhigende Er- 
scheinungen gemacht hätten. Der dritte Fall, der in mancher 
Reziehung Interesse bietet, und der ausserhalb einer Epide- 
mie vorkam, mag hier folgen: 

Taf. XV. Cordtila >S'., Pmp., wird mit Wehen aufge- 
nommen. Entbindung normal. Links war am Scheidenein- 
gang ein kleiner Schleimhaut riss. Am Vormittage des ersten 
Tages hat sie einen gelinden Frost von 11 — 12 Uhr, und 
ist links etwas empfindlich; am dritten Tage ist sie niclit 
mehr empfindlich und klagt erst am vierten nach dem star- 
ken Ansteigen der Temperatur wieder über etwas Schmerzen. 
Es ist jedoch nur geringe Empfindlichkeit vorbanden. An 
demselben Tage wird aus der Scheide ein jauchiger, von den 
Eihäuten zuruckgebliel>cner Fetzen entfernt. Die missfarbigen 
Lochien verbreiten einen sehr ilblen Geruch. Das AUgeroeiiH 
befinden ist schlecht. Sie fühlt sich elend und klagt über 
Mattigkeit. Nachdem am zehnten Tage die Temperatur nb- 
gefallen, beginnt sie vom elften an wieder zu steigen. Am 
zwölften Abends läuft sie mit einer Temperatur von 39,0^ 
ohne Erlaubniss weg. Ein Tumor war nicht nachzuweisen. 

Interessant ist, dass sie 27 Tage nach der Entbindung 
und 15 Tage nach ihrem Abgange auf der inneren Klinik an 
einem Typhus augenonnnen wurde, dessen Zeit bei ihrer Auf- 
nahme auf den Anfang der dritten Woche bestimmt wurde. 
Man kommt darnach zu der Annahme, dass am elften Tage 
p. p. der Typhus begormen habe, in welchem Falle die vor- 
aufgehende Zeit des Wochenbettes dem Incubationsstadium 
entsprechen würde. Welche Beziehung die in Zersetzung 
übergegangenen Eihäute für die Aetiologie dieses Typimsfalles 
haben, mag dahingestellt bleiben. In der Stadt kamen da- 
mals keine weiteren Typhen vor. . 

Perimetitriden mit nachweisbarem Tumor und schwerem 
Verlaufe kamen vier vor. Zwei, der eine davon durch seine 
Gomplicationen interessant, sind von Veit (a. a. 0. II. und 
)}}.) ausluhryicher mitgetheilt. Von den beiden anderen er- 




ddti^/ 



VIII. SdirSder, Temperatnrbeobaehtnngen im Wochenbette. 129 

krankte die eine am zweiten Tage und erreichte am vierten 
Taye der Krankheit die höchste Höhe mit 41,5. 144. 38. 
Darauf folgte ein langwieriges unregelmässig remittirendes 
Fieber, das erst am 25. Tage des Wochenbettes in Genesung 
überging. Nachweisbar war links vom Uterus ein kleiner Tu- 
mor. Die vierte Wöchnerin erkrankte am fünften Tage des 
Wochenbettes mit einem heftigen Froste, und erreichte an 
demselben Abende 41,3. 150. 40. Später hatte sie noch 
ein Mal 41,4. 140. 37. Dabei war sie unbesinnlich, klagte 
über Schwindel, Ohrensausen, „Fell vor den Augen'*. Sie 
wurde mit kalten Einwickelungen behandelt und hatte dann 
sehr bedeutende Intermissioncn , die vom 19. Tage an in 
normale Temperatur übergingen. Vom- 16. Tage an Hessen 
sich links vom Uterus zwei kleine hasehiussgrosse, und rechts 
ein grosser breit aufsitzender brettharler Tumor nachweisen, 
die auch bei ihrem Abgange noch nicht resorbirt waren. 

Drei Fälle von allgemeiner diffuser Peritonitis, einer da- 
von mit dem Ausgang in Heilung, sind von Veit (a. a. 0. 
Nr. IV., V. und VI.) beschrieben worden. Ein beträchtliches 
Absinken der Temperatur gegen das Ende, wie es v. Grüne" 
wdld (m. a. 0. S. 19.) und Leyden^) angeben, wurde in 
diesen beiden Fällen nicht beobachtet. Dagegen war aller- 
dings das Vertialten des Pulses in diesen beiden Fällen cha- 
rakteristisch. 

Von eigentlicher Pyaemie durch Thrombose veranlasst, 
sind von Veit drei Fälle mitgetheilt (m. a. 0. Nr. VHI., XI. 
und XII.). In aüen drei Fällen konnten die von Leyden ' 
(a. a. 0. S. 73.) als charakteristisch erwähnten Intermissio- 
nen niclit beobachtet werden. Ein vierter Fall, in dem die- 
selben in exquisiter Weise vorhanden waren, mag hier näher 
erzählt werden: 

Barbara M., Pmp. Vorfall der Nabelschnur. Repo- 
sition. Kind stirbt einige Stunden darauf durch partielle 
frühzeitige Lösung der Plucenla. Zwanzig Stunden später 
Extraction mit der Zange. Wegen Blutung muss die Nach- 
geburt mit der Hand entfernt werden. In den grossen La- 
bien sind seitliche Incisionen gemacht. Eine Stunde vor der 

1) ChariteannRlen 1862. 10. Bd. 2. Hft. S. 37. 
UouMMebr. f. üebuitsk. 1865, Bd. XXV 11., Hft. 2. 



130 VIJI. Schröder^ TempeiHtarbeobachtungen im Wochenbette. 

Entbindung war die Temperatur: 38,5. 96. 34. Eine Stunde 
nach der Entbindung 39,2. 136. 32. 
A. 38,8. 112. 34. 

2. Tag: M. 39,Q. 106. 26. Sie klagt über Schmerzen im 

ünterleibe. 
A. 40,0. 106. 25. 

3. Tag: M. 38,9. 106. 30. Gestern Abend 10 Uhr Frost. 

A. 40,4. 106. 32. Ol. Ricini ^ß 2 Mal. 

4. Tag. M. 34,9. 98. 30. Clysma. Kurz nach 9 Uhr Mor- 

gens hat sie 40,8. Von da an fallt die Tem- 
peratur wieder. 
A. 39,8. 98. 29. 4 Mal Stuhl. 

5. Tag. M. 40,7. 112. 34. 1 Mal Stuhl. 12 Uhr Mittags 

37,6, Mittags Vs^ Uhr Schüttelfrost und die 
Temperatur steigt auf 
A. 40,8. 120. 34. 

6. Tag. M. 40,6. 114. 35. Die WundOachen an den La- 

bien sehen gut aus EmpfindUch ist sie nir- 
gends. Die Temperatur steigt bis 41,15. 
A. 40,1. 116. 24. 

7. Tag. M. 37,2. 92. 22. Sie hat über Nacht gut geschla- 

fen, nirgends Schmerzen. Mittags 12 Uhr sehr 
starker Schüttelfrost. Die Temperatur steigt in 
2 72 Stunden von 37,4 auf 41,4. 
A. 38,5. 100. 32. Abends 11 Uhr 36,75. 

8. Tag. M. 39,6. 112. 37. 3 Mal Stuhl. Sie hat keinen 

Frost gehabt. Die Temperatur fallt bis 39,1. 
94. 34. Gegen Mittag Frost, um ^4 vor 1 Uhr 
41,55. 130. 52. 
A. 38,25. 104. 34. 

9. Tag. M. 38,6. 110. 34. In der Scheide sind 2 Schleim- 

hautrisse. Links gegen den Scheideneingang ist 
ein ulcerirter, in den man den Finger haken- 
förmig hineinlegen kann. Ein oberflächlicher 
Riss ist rechts oben im Scheidengrund. Injec- 
tionen in die Scheide. 
Um I/^IO Uhr Morgens: 38,0. 96. 28. Mittags 
Vi3 Uhr: 41,6. 138. 48. 



VFIf. SdiTodw^ Temperotnrheobuchtnngen im Wochenbette. 131 

9. Tag. A. 39,05. 110. 39. Um V2IO Uhr Frost, um 
V4II Uhr: 40,2. 

10. Tag. M. 39,2. 110. 36. Um %\0 Uhr 38,05. 106. 

38. Schüttelfrost. 
A. 41,25. 130. 50. 11 Uhr A. 38,9. 110. 42. 

11. Tag. M. 38,4. 102. 38. Mittags Va* Uhr 41,15. 

126. 56. 
A. 40,8. 116. 48. 

12. Tag. M. 38,6. 102. 34. 

A. 41,3. 124. 50. Sie klagt üher Schmerzen in 
der linken Seile, die" bei tiefen Inspirationen 
nicht zunehmen. Auscultation und Percussion 
der Lungen und des Herzens normal. Milz- 
dämpfung 3" lang. 

13. Tag. M. 38,9. 94. 37. Chinin, gr. v. Mittag V^^ Uhr 

41,0. 122. 38. 
A. 40,4. 120. 42. Chinin gr. v. 

14. Tag. M. 38,0. 94. 14. Chinin gr. v. 

A. 40,4. 100. 37. 

15. Tag. M. 37,9. 82. 31. Sie wird etwas unbesinnlich, 

ohne jedoch somnolent zu sein. Schmerzen in 
der Milzgegend. 
A. 40,5. 104. 48. 

16. Tag. M. 39,0. 98. 42. Sie wird unbesinnlich, will auf- 

stehen. Die Risse in der Scheide schmerzen. 
A. 40,7. 108. 47. Die Milzdämpfung ist ilher 3" 
lang. 

17. Tag. M. 38,6. 98. 36. 

A. 38,4. 112. 34. 

18. Tag. M. 39,3. 166. 38. 

A. 40,5. 118. 48. 

19. Tag. M. 38,9. 104. 88. Die Schmerzen in der Milzge- 

gend sind heftig, sie hat die ganze Nacht ge- 
klagt. Milz gut 3V2" l^ng, Druck ist nicht 
empfindlich. 
A. 39,6. 110. 44. 

20. Tag. M. 39,4. 114. 36. Ol. Ricini iß. 

A. 39,2. 102. 48. 4 Mal Stuhl. 



132 VIII. Sehröder, Temporaturbeobachtung^en im Wochenbette. 

21. Tag. M. 39,6. 106. 46. 1 Mal Stuhl. 

A. 41,0. 124. 42. 

22. Tag. M. 39,6. 108. 29. Die Schnitte granuliren und 

sehen gut aus. Der Riss im Fundus vag. gra- 
nniirt, der Riss im untern Theile der Scheide 
ist tiefer und sehr empfmdlich beim Unter- 
2£uchen. Der Uterus ist gut zuröckgebildet und 
nicht ompßndlich. Sie ist schwach und theil- 
namlos, ist aher bei Besinnung. 
A. 39,6. 110. 40. Sie ist sehr apathisch und 
lässt sich zu allem, was sie tliun soll, mehr- 
mals auffordern. Sie hat Appetit, starken Durst. 
Stellenweise delirirt sie, das Gedächtniss hat 
sehr gelitten. Sie verlangt nach der letalen 
Oelung. 

23. Tag. M. 40,2. 120. 42. Ol. Ricini 5/5. Sie hat drei 

mal Stuhl mit Urin vermischt unter sich gehen 
lassen. 
A. 41,2. 140. 44. Das Sensorium ist benommen, 
aber sie ist nicht soporös imd reagirt auf 
alles. 

24. Tag. M. 40,3. 136. 54. Sedes involunt. Sie klagt seil 

einigen Tagen über Schmerzen im rechten Anne. 
Die Gelenke sind frei, auf DiHick nirgends 
Schmerzen. 
A. 40,6. 138. 58. 

25. Tag. M. 40,2. 130. 64. Das Sensorium ist stärker be- 

nommen, der Habitus typhös. Sic gleitet an 
das Fussende des Bettes. 
A. 40,6. 144. 58. Auf der Brust Schnurren und 
Pfeifen, besonders rechts. Links an der Herz- 
spitze pericardiales Reibegerausch, hinten links 
Dämpfung und sehr schwaches Athmungsge- 
rausch. Milzdämpfung stark vergrössert. Das 
rechte Schultergelenk geschwollen und trotz 
ihres benommenen Zust<mdes schmerzhaft. Im 
Urin ist Eiweiss, viel Eiter und sparsame Blut- 
körperchen. Er reagirt schwach sauer. 



VIJI. Schröder^ Temperaturbcobaclitungen im Wochenbette. 133 

26. Tag. M. 41,3. 154. 52. Am iMUlag boginnt Tracheal- 
rasseln, das Abends 6 Uhr sehr stark wird. 
Sie ist vollständig ohne Besinnung, hat Trisnnis. 
Um 6 Uhr Abends hat sie 41,8. 168. 58. Um 
7 Uhr 42,0. Um 7^8 Uhr 42,3 und in der 
Vagina 42,7. Um V4 vor 8 Uhr Achsel 42,35, 
Vagina 42,75 und im Tode um 8 Uhr Achsel 
42,4, Vagina 42,8. Gleich nach dem Tode 
fängt die Temperatur an zu fallen. 
Sectiun 13 Stunden p. m. 
Scbudelhöhle : normal, Hirn sehr derb. 
Brusthöhle : rechte Lunge consistent, ganz wenig Oedem. 
Ziemlich zahlreiche aber kleine Infarcte, einige ganz frisch, 
blos byperhämisch und hämorrhagisch, andere weit ältere ver- 
eitert, und abgekapselt. Links Pleuritis mit starkem blutig- 
serösem Exsudat, das äussere Blatt des Pericardium mit er- 
griffen. Untere Lappen comprimirt. Infarcte ebenso wie 
rechts, aber geringer an Zahl. Herzbeutel normal. Auf der 
Valv. tricnspidalis ältere Vegetationen, an der Valv. mitralis 
ganz circumscriple Endocarditis , die die beiden Zipfel zum 
grossen Theile an einander gelöthet hat. Reisst man sie von 
einander, so erscheint eine schwärzlich grüne jauchige Masse, 
die vollständig abgekapselt war. Das Endocard. geht an den 
Rändern fiber diese Masse hinweg, so dass es den Anschein 
hat, als ob diese Masse ursprünglich nur unter dem dem 
Vorhof zugewandten Endocanhum des einen Zipfels gesessen, 
von hier aus das Endocardium durchbrochen hat, und so mit 
dem andern Zipfel verlöthet ist. Das linke Ventrikel ist etwas 
hypertrophisch, im Uebrigcn ist das Herz normal. 

Bauchhöhle: In der Milz ist eine apfelgrosse jauchige 
Abscesshöhle, die mit dem Zwerchfell und dem linken Leber- 
lappen verlöthet ist. Das Zwerchf<»Il ist an der betreffenden 
Stelle jauchig zerfallen und perforirt. Von hier aus ist die 
linksseitige Pleuritis und Pericarditis exL entstanden. Leber 
etwas fettig, enthält keine Infarcte. Die linke Niere ist mit 
sehr zahlreichen, ganz kleinen frischen Infarcten der Cortica- 
lis besäet In der rechten Niere sind mehrere grosse ver- 
eiterte und einzelne frische Infarcte. Bluse stark melrorha- 
gisch mit zahlreici^e/i Hätnorrhagieu in die Schleimhaut. \At\V«i 



134 VIII. Schröder^ TemperaturbcobachtUDgen im Wochenbette. 

in der Scheide ist eine jauchige Abscesshöhle, rechts im Fun- 
dus der Scheide eine kleinere. Rechts im Lig. latum stei- 
gen mit Eiter gefüllte Lyniphgeiasse auf, die in der Uterus- 
Substanz mit Eiter gefüllte Räume bis zu Bohnengrösse bil- 
den. Die Beckenvenen sind, soweit sie sich verfolgen lassen, 
nicht tlirombosirt. In der Umgebung des rechten Schulter- 
gelenkes ist Eiler, das Gelenk selbst ist frei. Am Caput 
humeri sind an einer groscheogrossen Stelle dichte Hämor- 
rnagien unter dem Periost. 

Obgleich in diesem Falle keine Thro*nbose nachweisbar 
war, so muss der Fajl doch entschieden als Pyaemie bezeich- 
net werden, deim es lässt sich kaum bezweifeln, dass, wahr- 
scheinlich von dem verjauchten Schleimiiautrisse der Scheide 
aus, minutiöse jauchige Emboli in den Kreislauf gelangt und 
durch die Lunge hindurchgegangen sind. Einer von diesen 
bewirkte, in die A. coronaria gelangt, in dem inneren Zipfel 
der Mitralis eine jauchige Embolie, in deren Gefolge die beiden 
Mitralzipfel durch die consecutive Endocarditis verlötheten. 
Ein anderer wurde in die Milz getrieben und gab hier Anlass 
zu dem grossen jauchigen Abscesse, der das Zwerchfell per- 
forirte, und die Pleuritis und Pericarditis externa im Gefolge 
hatte. Die Emboli der Lungen und Nieren waren vielleicht 
durch die abkapselnde Endocarditis veranlasst; ihr nicht jau- 
chiger Charakter spricht dafür. Allerdings mussten dann 
die in der Lunge beßudlichen das Capillargebiet des gros- 
sen Kreislaufes, und das rechte Herz passirt haben. Auch 
die Eiterung in der Gegend des rechten Schultergelenkes muss 
wohl auf Emboli zurückgeführt werden. Der Fall liat noch 
insofern Interesse, als er beweist, wie nothwendig es ist, in 
derartigen Fällen Tempera turmcssungen öfter als zwei Mal 
täglich vorzunehmen. Ich habe die Curve nicht mitgetheiU, 
weil die regelmässigen Abend- und Morgenmessungen durch- 
aus kein Bild des Ficberverlaufes geben würden. Interes- 
sant sind die ungewöhnlich starken Intermissionen vom fünf- 
ten Tage an, die entschieden der Invasion der Milz von Seiten 
des jauchigen Embolus entsprechen. 

Unter der dritten Kategorie will ich zunächst zwei Fälle 
von günstig verlaufener Ichorhaemie erwähnen , in denen nur 
eine geringe Alteration der Lochien, bei der einen mit Puer- 






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yill. Schröder^ Temperaturbeobachtang^en im Wochenbette. 135 

peralgeschwüren verbunden, bei sehr hoher Temperatur und 
Pulsfrequenz nachzuweisen war. Die eine Wöchnerin erkrankte 
am zweiten Tage und hatte am dritten Abends 40,9. 120. 22, 
worauf ein remittirendes Fieber am zehnten Tage in Gene- 
sung äberging. Ich habe mich berechtigt geglaubt, diesen 
Fall hier aufzuführen, da die Höhe des Fiebers mit den ge- 
ringen localen Erscheinungen in aulTallendcm Widerspruch 
stand, besonders da sie auch Zeiclien von etwas benommenem 
Sensorium darbot. Von dem' anderen Falle mag die Curve 
hier noch ihren Platz finden. 

Taf. XVI. Frau Helene K., Scdp. Normale Entbin- 
dung. Hinter dem Frenulum ein kleines Risschen. Am drit- 
ten Tage klagt sie über Nachwehen. Auf Druck ist der Leib 
nicht empfindlich. Vom dritten Morgen ab kriegt sie ein 
Digitalis infus. (5ß ad ^vi) und hat bis zum sechsten Morgen 
2*/« Flaschen verbraucht. Die ungemein hohe Pulsfrequenz 
von 178 bei vollständig fehlenden örtlichen Erscheinuiigen 
weist deutlich auf eine Infection hin. 

Zur Septicaemie mit ziemlich reinem Charakter gehören 
die von Veit a. a. 0. Nr. IX. und X. mitgetheilten Fälle, 
und wohl auch der unter Nr. VII., der mit Pleuritis und Pe- 
ritonitis complicirt war. Auch bei ihm traten die seplicS- 
nnischen Erscheinungen in den Vordergrund. Die Gurven die- 
ser Septicaemien unterscheiden sich von den von v. Grune- 
wald beobachteten dadurch, dass die bedeutenden Abfälle 
gegen das Ende fehlen und schliessen sich also mehr den 
BtUrotVschen an, vor denen sie sich jedoch durch bedeu- 
tendere Höhe der Temperatur auszeichnen. 

Zur Septicaemie gehört ferner noch ein Fall, der am 
neunten Tage lethal endete. Ich würde die Krankengeschichte 
und Gurven ausführlich mittheilen, wenn nicht die letztere 
durch kalte Einwickelungen sehr beträchtlich modificirt wäre. 

Hier will ich nur den äusserst interessanten Sections- 
befund mittheilen. 

Section 27 Stunden p. m. : 

Gonjunctiva weiss, Hände leicht icterisch. 

Schädelhöhle: nichts abnormes. 

Brusthöhle: Rechte Lunge ödomalös und der untere 
Lappen fasi ganz Jobär, die übrigen lobulär in der Xusc\\v>v- 



136 VIII. Sehröder, TeniperaturboobachtuDgen iin WoobeDbette. 

piiiig begriffen. Aus dor Schnillflucho ({uilll missfai^biges Se- 
rum. Liuks alte Pleuritis und gebeilte Fractur der ffinflen 
Rippe. Lunge massig ödematus, ßrondiialdrusen geschwollen, 
ßroncliicu mit schaumigem Serum gcrulU. Herz schlaff, im . 
rechten Ventrikel ein kleines Gerinnsel und flüssiges BluU 
Das Endocardium irijicirt vom Conus arteriosus über den in- 
neren Zipfel der V. Iricuspidalis um das Foramen ovale, herum. 
Unter dem gerötheten Endocard. zahlreiche Ecchymosen bis 
zu Linscngrösse, die zunt Theil bis in die Musculatur reichen. 
Linkes Herz schlalT. In der Ausbreitung der rechtsseitigen 
Aflcction viele Ecchymosen und Injcctionsrothe , ebenso im 
Vorhof wie rechts. Das Endocardium ist überall glatt und 
glänzend. 

Bauchhöhle : Leber exquisit glatt, an der dichtesten Stelle 
VI2" hoch. Links am Rande und an der Convexität des 
rechten Lappens eine lebhafte durch Ecchymosen und In- 
jection bedingte Röthung» Diese geht bis 5'" ins Parenchym 
und bildet hier rothe Stellen, die von schmutzig grauem Pa- 
renchym umgeben sind. Das Parenchym ist stellenweise ganz 
hellgelb fettig entartet, matsch, die Läppchenzeichnung un- 
kenntlich. Die Leberzellen sind fast überall vollständig zer- 
fallen. An einzelnen Stellen sind die Gontouren noch kennt- 
lich, die Zellen jedoch mit feinkörniger Masse gefüllL Die 
Milz ist schlaff und ganz maisch. Die OherfläcJie der Niereu 
bildet eine eigenthümliche Zeichnung, indem zahllose kleine 
weissgelbe, stecknadelkopfgrosse Puncte, an denen sich mi- 
kroskopisch nicht unterscheiden lässt, ob sie aus Eiter oder 
aus Fett bestehen , mit zahlreichen Ecchymosen und Gefass- 
kränzen in einem grau durchscheinenden gallertigen Paren- 
chym abwechseln. Auf dem Durchschnitte derselbe Befund, 
doch sind die umschrieben weissen — unter dem Mikroskop 
als aus Fett bestehend erkannten — Stellen an der Peri- 
pberic am zahlreichsten. Pyramiden blass, Streifung undeut- 
lich. Auch die Ecchymosen sind hier spurlicher. Der Uterus 
ist weich, dünn. Die Innenfläche gangränös mit dickem 
schmierigem intensiv stinkenden Beleg. Auf dem Dui*ch- 
schnitte der Placentarstelle sind die klaflenden Venen mit jau- 
chiger Flüssigkeit gefüllt. Im rechten Lig. latum zahlreiche 



VIII. Schröder^ Teinperatarbeobachtungon im Wochenbette. 137 

mit Eiter gefüllte Lymplig^nisse. Darinschleiinhaut hlass, 
locker ödematös. 

Von drr Kranken will ich nur erwähnen, dass sie 
im Anfang heftige Schmerzen an den Seiten des Uterus 
hatte, die sich aher bald verloren; dann hatte sie starke 
Fieherorhehtingen his 42,2. 162. (am Tage darauf 176) 54, 
u\ii\ befand sich subjectiv sehr elend, so dass sie bei unbe- 
Qommeneni Sensoriura laut jammerte, ohne jedoch irgend 
eine Gegend als besonders schmerzhaft anzugeben. Nur ein 
Mal klagte sie über leichte Schmerzen in der Lebergegend, 
[m Urin war eine sehr bedeutende Menge Eiweiss und Cy- 
linder. Der Ausfluss aus der Scheide war sehr foetid. 

Dieser Fall bietet einen sehr schönen Beleg für die ent- 
zündungserregende Eigenschaft der resorbirten Jauche auch 
ohne Emboli. Ueberall fanden srch entzündliche Processe 
eigenthümlichen Charakters. In der rechten Limge zum Theil 
lobäre, zum Theil lobuläre Pneumonie; das gesetzte Exsudat 
jedoch nicht croupös, sondern missfarbig und serös ; im Her- 
xen ganz frische Endocarditis mit zahlreichen Ecchymosen; 
die Leber exquisit im hochgradigen Stadium der acuten Atro- 
phie; die Milz matsch; die Nieren zum Theil frisch injicirt 
und ecchymosirt, zum Theil mit circumscripten , fettig ent- 
arteten Stellen. Die Uterusinnenfläche verjaucht. Die mi- 
kroskopische Untersuchung der Muskeln wurde leider ver- 
siuiot. 



138 IX. Ritter^ Kin Fall von Embolie der 



IX. 

Ein Fall von Embolie der Lungenarterie bei 
einer Wöchnerin. 

Berichtet 
von 

Dr. F. Ritter, ^ 

früherem Oehillf<«arzte an der Entbindungsanstalt zu Marburg. 

In den mßisten FälJen des Vorkommens von Embolie 
der Arteria pulmonalis bei Wöclmerinnen erfolgte plötz* 
lieber Tod. 

In neuesler Zeit hat Hervienx ^) über einen derartigen 
Fall berichtet. Er betraf eine Wöchnerin, die drei Wochen 
nach der Geburt als Heconvalescentin sich zum ersten Male 
einige Minuten ausserhalb des Bettes auf einem Stuhle sitzend 
befand, plötzlich zu Boden stürzte und nach wenigen vSecun- 
den den Geist aufgab. Bei der Section fanden sich rpihlich 
graue, zähe und dehnbare Fibringerinnsel im Stamme und in 
den beiden Hauptästen der Arteria pulmonalis, die sich aber 
nicht bis in die kleim^ren Verzweigungen erstreckten. Das 
Gehirn war völlig gesund. 

Bei dem Falle, welchen ich hier veröffentliche, handelt 
es sich nicht um plötzlichen, apoplexiearlig eintretenden Tod, 
sondern um ein bis zum lethalen Ausgange sich fast drei 
Tage hinziehendes Krankheitsbild, das klar genug war, um 
die Diagnose auf Embolie der Arteria pulmonalis zu ermög- 
lichen. 

E. Ä, Bipara, 26 Jahre alt, wurde am 19. Oct. v. J. 
in die hiesige Entbindungsanstalt als Gravida aufgenom- 
men; sie litt bis zu der am 11. December eintretenden Ge- 
burt hin und wieder an nicht unbeträchtlichem Blutabgange 

Ij Gbb. des Hdp. 8. 1864. 



LnngeDarterie bei einer Wöchnerin. 139 

aus den Gesclilechlstheilen, der den VerdaclU anf Placenta 
praevia erweckte. Die Geburt erfolgte in z\veiter Steisslage; 
der BIntabgang war dabei sehr massig, die Placenta nicht 
ffiblhar gewesen, zeigte jedoch nach ihrer durch den Cred6'- 
sciien Handgriff bewirkten Entfernung die Spuren vorzeitiger 
theiiweiser Losreissung. 

Die ersten Tage des Wocheidiettes verliefen völlig regel- 
mässig. 

Am 14. December zeigten sich die Lochien etwas putrid, 
Empfindlichkeit am Abdomen nirgends wahrnehmbar. 

Am 15. Dec. stat. id. 

Am 16. Dec. Geringe Empfindlichkeit auf Druck über 
dem rechten Schambein. Uterus fest contrahirt. Klagen über 
anhaltende Schmerzen der empfindlichen Stelle entsprechend. 

Temperatur 38,0 C. 

Behandlung: Morphium. Waime Tücher auf den 
Leih. Sslündlich warme Injectionen. 

Am 17. Dec. Lochien nicht mehr so putrid, Empfind- 
lichkeit geringer; keine Schmerzen mehr. 

Am 18. Dec. Lochion ohne üblen Geruch. Völhges 
Wohlbefinden. Ihres anamischen Aussehens halber erhalt die 
Wöchnerin Eisen verordnet. 

Am 21. Dec. stand die Wöchnerin Mittags eine Stunde 
auf, klagte aber dabei über Schmerzen in den Waden. Nir- 
gends an den Beineu Empfindlichkeit auf Druck. Sie erhielt 
Spiritus cam])horatus zum Einreiben. 

Am 22. Dec. Als die Wöchnerin, die Mittags über auf- 
gewesen war, Abends um ß^l^ Uhr auf dem Bette sitzend 
die Einreibung in die Waden vornahm, sank sie nach Er- 
zählung der gerade anwesenden Ucbanmie plötzlich zurück; 
indem sich ihr Aussehen wie bei tiefer Ohnmacht veränderte. 
Das Bewusstsein scheint jedoch nicht geschwunden zu sein, 
da die Kranke auf die Frage über etwaige Schmerzen auf 
die Herzgegend hinwiess, und dabei schwer und stöhnend 
alhmete. Ich kam um 7 Uhr hinzu und fand die Person in 
einem förmlich agonisirenden Zustande, mit farblosem Gesichte, 
blassen Lippen, halbgeöffneten Augen, normal auf Licht rea- 
girendea Pupillen. Die Respiration war* nicht auffallend be- 
scbl«uDigl und oherMchlich, der Puls sehr freqnenl uuA %e\- 



140 IX. Bitter, Ein Fall von Ktnbolie Aer 

n«*r Kleinheit halber nicht zu zählen, die Häuttemperalur, 
nnmentlicli die der Extremitäten herabgesetzt. Auf öfteres 
Anreden öffnete die Kranke die Augen vollständig und klagte, 
über den Sitz von Schmerzen befragt, über Druck auf der 
Brust und Beängstigung, indem sie dabei die Hand auf die 
Herzgegend legte. Lähniungserscbeinungen waren nii*gend8 
wahrnehmbar. Die Untersuchung der Brust ergab nichts Pa- 
thologisches. Der Leib zeigte sich nieteoristisch aufgeU*iebeo, 
war aber überall leicht einzudrücken ; nirgends eigentliche 
Empfindlichkeit auf Druck. lUenis nicht durchzuföhlen, Per- 
cussionston überall tynipanitisch. Bei der Untersuchung per 
vaginam zeigte sich der Muttermund in Form ehies Quer- 
ovals noch geöffnet, stark eingelassen und lief stehend, dabei 
etwas nach vorn. Der Fundus lastete schwer auf dem hin- 
teren Scheidengewölbe. Die Consistenz des Uterus war ge- 
ring. Die Untersuchung ri(»f Schmerzensempfindnngen bei 
der Kranken hervor. Es wurde zunächst etwas Rothwein 
verabreicht, nachher Spiritus nitricn aethereus in einer Mixtur 
^.um Fortgebranche. 

Abends 10 Va Uhr zeigte sich die Respiration frequen- 
tcr, als bisher, 36 in der Minute; dabei wurden die Hals- 
muskeln mehr als gewöhnlich angestrengt. Die Haut War 
überall mit kaltem Scbweisse bedeckt. 

Ich hatte zwar alsbald, als ich die Kranke sah, an eine 
entstehende Embolie gedacht, war jedoch wegen der im An- 
fange fehlenden eigentlichen Athemnotli der Richtigkeit meiner 
Diagnose nicht ganz gewiss; bei dem augenblicklichen Zu- 
stande der Kranken jedoch konnte ich der Meinung meines 
Collegen Dr. Mannd, den ich (Herr Professor Dohrn war 
verreist) consultirte, dass es sicli gewiss um Embolie der 
Lungenarterie handele, nur beistimmen. 

Am 23. Dec. Morgens 6 Uhr sah die Krai'le, welche 
die Nacht schlaflos zubrachte, etwas weniger ci- Shirt aus; 
die P'ragen wurden rascher und deutlicher beantwortet, und 
die Bewegungen waren energischer. Puls 130 Schläge. 
36 Athemzüge in der Minute. 

Morgens 9 Uhr: Puls 120. Temperatur 36,8 C. Die 

Athemzüge hatten einen schnappenden Charakter angenom- 

wen, ihre Frequenz betrug noch immer 36. Auffallend cyano- 



Longennrterie bei einer Wöcbiierin. ^41 

(jäclie FürbuDg der Lippen und Zunge, ßei der Percussion 
fiiod sich rechts vorn, nainentlich an der Lungenspitze und 
vom dritten Int^rcostaJraume an nach abwärts ein etwas kür- 
zerer Ton als links. Das Respirationsgeräusch war überall 
scharf vesiculär; die Exspiration wurde an den Stellen, wo 
der Percussionston verkürzt war, schwach gehurt, während 
sie sonst nirgends hörbar war. 

Mittags 3 Uhr war die Dämpfung vorn rechts etwas 
(leuliicher. Atheninoth. Puls 116. Respiration 40. Tem- 
peratur 36,5 C. Die Kranke erhielt von neuem eine ana- 
leptische Mixtur verordnet. 

Nachts 11 Uhr. Starker CoUapsus. 48 schnappende 
AtLeuizüge. 144 Pulsschiäge. Erscheinungen bei der Auscul- 
latiou und Percussion unverändert. 

Am 24. Dec. Morgens 9 Uhr. Die Kranke brachte die 
.\achl in fortwährender Athemnoth und Beängstigung zu. 
Stuhlgang und Uriuentleernng normal, Gesicht völlig farblos, 
Zuuge und Lippen stark cyanotisch, Hände und Füsse ei&kall. 
Bewegungen kraftlos. Puls 100. Respiration 44, Tempe- 
ratur 36,2 C. 

Mittags 3 Uhr. Stat. id. 

Abends 5 Uhr. Puls 104. Alhen)züge 44. Temperatur 
36,4 C. 

Nachts 11 Uhr. Puls 102. Athemzüge 52. Athemnoth 
und Beängstigung im Zunehmen. 

Am 25. Dec. Morgens 9 Uhr. Aeusserste Schwäche, be- 
ginnende Apathie der Kranken, Haut mit kaltem Schweiss 
bedeckt. Puls 116. Respiration 44, Temperatur 36,6 C. 
Ain Thorax noch immer derselbe Befund, wie bei der letzten 
phfsicahscheu Untersuchung. 

Morgens 11 ^^2 ^^'i'* Kranke in Agone, Puls nicht mehr 
fulilbar. Rpspiratio collaris und phrenica, am Thorax keine 
Cxcursione oemerklich. Pupillen eng, reactionslos. 

MitUgs 12 Uhr Tod. 

Die Section wurde in Beisein mehrerer Collegen vorge- 
nommen und ergab im Wesentlichen folgenden Befund. 

In der Bauchhöhle kein flüssiges Exsudat, keine peritoni- 
tisclieu Erscheinungen. Länge des Uterus 13 Centim., grösste 
Breite 11 Ontira.; beide Homere Oviducte und Ovaricu \\^v^.y- 



142 IX- RiUer, Ein Fall von Rmbolle etc. 

umiscb, alle Venen stark üheiTiilll. An der vorderen Fläche 
des rechten Horns des Uterus ein wallnussgrosser Abscess, 
zum Theil in der Musculatur des Uterus, zürn Theü im Li- 
gamentum latum liegend, der etwa zwei EsslöfTel guten Eiters 
entleerte. An der inneren Fläche des Uterus keine Zer- 
setzungserscheinungen, Substanz gesund. Fn den Ovarialvenen 
auf beiden Seiten kleine, körnige, gelblich aussehende, wahr- 
scheinlich ante mortem entstandene FaserstofTgerinnangen. 

Die linke Lunge hatte oben einige alte Adhäsionen und 
enthielt in der Spitze ziemlich zahlreiche miliare Tuberkeln; 
in der Mitte des obern Lappens noch eine isolirte tuber- 
culöse Infiltration in Form eines sternförmigen Knotens. Un- 
terer linker Lungenlappen sehr luflreich, derbes Gewebe, an 
seiner Oberfläche, namentlich an seinem Rande einige emphy- 
sematöse Hervorragungen. Die rechte Lunge zeigte sich im 
ganzen Umfange durch frische und hinten auch durch ältere 
Adhäsionen mit der Thoraxwand verwachsen; an ihrer Spitze 
frische und alte Tuberkeln. In dem rechten Hauptaste der 
Arteria pulmonalis befand sich ein blassröthlicher, an einzel- 
nen Stellen weissgelblicher zäher Thrombus, der das Gefass 
völlig obturirte und sich in die grösseren Verzweigungen, so 
weit man sie verfolgte, fortsetzte. Von diesem Thrombus 
aus erstreckte sich eine, das Lumen nicht ganz ausfällende, 
Fortsetzung in den linken Hauptast hinein. 

Das Herz enthielt Fibringerinnungen, die dem Endocar- 
dium locker anhafteten ; im Stamme der Pulmonalis ein locke- 
res, aller Wahrscheinlichkeit nach post mortem entstandenes 
Coagulum. 

Als Ausgangspunkt der Embolie ist mit Wahrscheinlich- 
keit eine der Ovarialvenen zu betrachten; es spricht für diese 
Annahme die Beschaffenheit der in ihnen gefundenen Fibringe- 
rinnungen; die Möglichkeit noch eines anderen Ausgangs- 
punktes ist jedoch nicht ausser Acht zu lassen. Die Kranke 
klagte vor ihrer plötzhchen Erkrankung über Schmerzen in 
den Waden, und wenn auch durchaus keine weiteren Sym- 
ptome von Thrombose an den Unterschenkeln wahrzunehmen 
waren, so lässt sich die Möglichkeit, dass dennoch eine solche 
bestand, nicht bestreiten, und es wäre denkbar, dass die 
Einreibung^ H'^iireiid deren das plötzliche Erkranken erfolgte. 



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X. Hartschär, Ueber das künstl. Sistiren d. Milchsecretion. 143 

die LosstossuDg eiaes £iubulus begünstigte. Leider wurde 
auf diesen Punkt bei der Seclion niciit geachtet; vielleiclit 
wurde die bereits angeregte Warnung, bei Thrombose nie- 
mals Einreibungen machen zu lassen, in unserem Falle eine 
neue Berechtigung gefunden haben. 

Das ganze Kranklieitsbild führt zu dem Schlüsse, dass 
der Embolus primär eine der Verzweigungen des rechten Astes 
der Pulmonalis verlegte, und dass von da aus weitere secun- 
däre Thromeubildung in andere Verzweigungen und in die bei- 
den Hauptäste erfolgte; nur auf diese Weise lässt sich die 
verhältnissmässig lange Dauer der Erkrankung, der immer 
mehr zunehmende SauerstofThunger erklären ; die Kranke erlag 
einer sich allmälig ausbildenden kohlensüureintoxication. 

Die niedrige Temperatur (s. Curve) findet ihre Erklä- 
rung in dem behinderten Verbrennungsprocesse. 



X. 
üeber das künstliche Sistiren der Milchsecretion. 

Von 
Dr. Bartscher jun., 

erRtero Arzte den Marien-RoRpitals zu Osnabrüek. 

Das künstliche Sistiren der Milchsecretion kann noth- 
wendig werden bei beiderseitiger Mastitis, bei völligem Man- 
gel der Warzen, bei syphilitischer Erkrankung derselben, bei 
selir schmerzhaften langwierigen Excoriationen der Warzen, 
sobald das fortgesetzte Säugen des Kindes nervöse Zufälle be- 
deutender Art in Folge hat, nach dem Tode des Neugebornen. 

Es fragt sich in solchen Fällen, darf man die Milch- 
secretion rasch sistiren oder nicht, und ist ein bestimnUer 
Zeitpunkt, eine Zeitdauer dabei zu beobachten. Manche haben 
sich durch die sogenannte Milchversetzung ängstigen lassen, 
und verbieten das künstliche rasche Sistiren der M\VcVk^v^c.t^- 



144 X* BrcUMt^er, lieber das kUnstl. SistireD d. Milebseeretion. 

lion ein für alJe Mal, andere türchleii sicli während der ei*8ten 
neun Tage dieselbe zu sistiren. Meine besonders im letzten 
Jahre zahlreichen Erfahrungen haben mir gezeigt, dass man 
keine so grosse Angst zu hegen braucht, wenn man sicli 
zum Sistiren des Jodkaliunis nach RousseVs Empfehlung 
bedient. Sechs Fälle stehen mir zur Hand, in denen ich 
(in diesem Jahre) das Jodkali ( ^i auf ^vi. 28lundlich einen 
Esslöll'cl voll) vom ersten Tage des Wochenbettes reichte; 
in drei dieser Fälle waren die Kinder todtgeboren, in einem 
Falle war das Kind mit Lab. lepor. geboren, wodurch das Sau- 
gen unmöglich wurde, in zwei Fällen durfte das Säugegeschfift 
wegen Tuberculose der Mutter nicht geduldet werden. In allen 
sechs Fällen verbrauchten die Wöchnerinnen ^i in 1% Ta- 
gen, fortgesetzt bis zum 7 — 10. Tage. Das Milchfieber war 
hl allen Fällen massig, in keinem Falle fand gegen die mas- 
sige Anschwellung eine andere Medication statt, als Auflegen 
von Watte oder Werg. Es trat in keinem dieser Fälle eine 
Störung des Allgemeinbefindens ein, auf die Digestionsorgane 
wirkte das Mittel entschieden günstig, die Schweisse schienen 
in manchen Fällen etwas reichliciier ; nicht die geringste An- 
deutung von Jodism. wurde wahrgenonnnen. In allen sechs 
Fällen blieben die Brüste von Entzündungen und dei*en Fol- 
gen verschont. 

Zwei der betreffenden Wöchnerinnen waren sehr rolNist 
und vollblütig; bei ihnen hörte die Milchsecretion schon mit 
dem siebenten Tage auf; am spätesten sistirte sie bei einer 
tuberkulösen Frau, die bis zum 15. Tage das Jodkaii fort-^ 
setzte. 

Aehnliche Erfolge gewährte njir dasselbe Mittel mit der- 
selben Anwendung, die durch beiderseitige Mastitis und durch 
syphilitische Excoriation der Warzen nölhig wurde. 

Die doppelseitige Mastitis beobachtete ich hei einer jun- 
gen blonden 23jährigen scrophulösen Frau, welche ilir kräf- 
tiges Kind fünf Monate genährt hatte. Da die Drüsensub- 
stanz selbst entzündet war, die Entzündung durch das Säu- 
gen schlimmer werden musste^ die dadurch erzeugten Schmer- 
zen aber ganz unerträglich wurden, liess ich die Brüste mit 
Collodinm dick bepinseln, das Kind absetzen, und das Jod- 
AaJJ in obiger Weise nehmen. In den ersten vier T<ageii 



X. BarUeker, Uebfir das ktinstl. Sistiren d. Milebsecretion. 145 

zweifelte ich f'asl an der Wirksamkeit des Mittels, da die 
Beklemmungen, die druckende Schwere der Brüste, die Schmer- 
zen zwischen den Schulterblättern, statt zu weichen, sich 
schlimmer gestalteten. Doch von da ab milderten sich diese 
Erscheinungen, das Jodkali wurde bis zum 17. Tage gereicht, 
die Hastitiden abscedirten beiderseitig schmerzlos durch ihre 
dicken Collodiumdecken. liebele Folgen wurden nicht be- 
obachtet. 

Zwei Fdlle von grosser syphilitischer Erkrankung der 
Warzen will ich noch hinzufugen, welche das Absetzen des 
Kindes erheischten, wo ich dann mittels Jodkali die Mileb- 
secretion sistirte. 

Beide Frauen consultirten mich drei und sieben Wochen 
Dach der Geburt wegen Wundsein der Warzen, und schal- 
ten mich, dass trotz des Plumb. acet., welches sie in den 
letzten Wochen der Schwangerschaft so treulich auf die War- 
zen geschmiert hatten, das Wundsein eingetreten war. Frau 
iL., eine junge kräftige Frau (Erstgebärende), hatte syphilitische 
Geschwüre auf beiden Arcub. glossopalat, und der Uvula, 
sparsame Hautausschläge (Roseola), und neben einem speckigen 
Geschwüre der rechten Warze zahlreiche Rhägades bei bei- 
den Warzen. Das sieben Woclien alte gut genährte Kind 
hatte Stomacace syphilit. und Excoriation beider Mundwinkel. 
Das Säugen wurde eingestellt, besonders weil die Frau den 
unerträglichen Schmerz, den es verursachte, nicht länger dul- 
den konnte noch wollte. 

Frau St., 39 Jahre alt, gut genährt, hatte seit dem 
eilften Tage des Wochenbettes heftige Schmerzen beim Fas- 
sen der Warze; sie ertrug dieselben in der Hoffnung baldiger 
Besserung und vertröstete sich mit der Erfahrung, die sie 
darüber in früheren Wochenbetten gemacht hatte. Als ich 
sie nach Ablauf der dritten Woche sah, war die sonst blü- 
hende Frau blass und elend, in bestandiger Transpiration. 
DiiB Warzen waren geschwollen, schmerzhaft bei der Berüh- 
rung, bedeckt mit zahlreichen Schrunden und Rissen; das 
Kind hatte Stomacace. Beide Frauen waren durch eine und 
dieselbe Frau angesteckt, welche ihre Brüste vom dritten 
Tage bis zum neunten des Wochenbettes ausgesogen haUA^ 
bei der einen, um die Warzen bervorzusaugen, Ave di^^Vwvci^ 

MoBMUgehr. /. Ombnrttk. 1866. Bd. XXYll., Hft. %, 10 



146 X* BarttdUr, Ueber das kQnstl. Bistiren d. Milehseeration. 

nicht hatte fassen können, bei der anderen aus übler Ge- 
wohnheit. Dieselbe Frau hat um dieselbe Zeit vielfache An- 
steckungen hier vermittelt, in einer Stadt, in der man bis 
dahin in den Familien die Syphilis durchaus nicht kannte. 

Beide Frauen wurden mit der Stgümund'schen Schmier- 
kur behandelt, welche Behandlung mich am wenigsten im 
Stiche gelassen hat und wovon ich nie nachtheilige Polgen 
gesehen habe. 

Nebenbei erhielten sie Jodkali (^i auf Svi). Nach fttnf 
und neun Tagen hatte die Milchsecretion aufgehört. 

In solchen Fällen, ebenso auch wo Mastitis das Siogen 
iiihibirt, hat das Jodkah ausserdem noch eine nicht so ge- 
ringe die Heilung begünstigende Nebenwirkung, wie es mir 
scheint, grosser als das Verfahren mit Extr. belladonnae nach 
Newman, 

Das Jodkali wirkte in den Fällen, die ich einer Parallele 
unterziehen kann, bei weitem sicherer und rascher, als Bd- 
ladonna. Aufboren der Milchsecretion nach Belladonna in 
fünf resp. neun Tagen habe ich nie beobachtet; sie min- 
derte die Secretion wohl, doch sistirte sie dieselbe nie in ao 
kurzer Zeit so völlig, wie das Jodkali. Ausserdem hat die 
Belladonna in so grossen Gaben eingerieben oder aufgelegt 
für manchen einen widerwärtigen betäubenden Geruch, den 
sechs bis zwölf Tage zu octroyren, eine wissenschafUicbe 
Grausamkeit sein würde. Ferner ist das Jodkaliverfahren 
nach Rousset ein bei weitem hilligeres Bemedium, ab die 
grossdosigen A'eu7man'schen BcUadonnasalben ; das Jodkali 
gewährt seine Vortheile leicht der ärmeren Klasse, die auf 
Belladonna in der Weise oft verzichten müssten. Endlich 
bewirkt die Belladonna bei mancher lymphatischen CoDSti- 
lution schon sehr sclmell Pupillenerweiterung, und muss dann 
wegfallen; während Jodism nach so kleinen Gaben Jodkalis 
wohl Idiosynkrasie sein dürfte. 

IL Das Gollodium als bestes Bemedium bei Mastitis. Ich 
rede nicht von der einfachen Phlegmone der Brust, noch Ton 
der Entzündung des Warzenhofes, noch auch von der Ent- 
zündung eines Milchgangos, den sogenannten Milchknoten, 
sondern von der Entzündung der Drüse, diesem so schmenbaf- 
ien Leiden der Frauen. Wie manches Mittel wendet man an, 



X. BarUeker^ üeber das künstl. Sistircn d. Milchsecretion. 147 

um die Entzündung zu zertheilen, doch wie selten gelingt 
es uns mit den gewöhnlichen Mitteln; ausser dem Druck- 
Kleister- Verbände, etwa noch mit einem Mercurial- und Bella- 
donnapflaster verbunden , sieht man von alle den Mitteln, die 
helfen soUen, fast nie Erfolg; die Entzündung erreicht unter 
den schlafraubenden, rasch consumirenden Schmerzen ihre 
Höhe; nach grossen Schmerzen und Beklemmungen, allerlei 
nervösen Erscheinungen und Zufallen hat die Eiterbildung 
ynter tagelang fortgesetzten Umschlägen, soweit Fortschritte 
gemacht, dass das geffirchtete kleine Messerchen sichtbar 
werden darf. Um diese langwierige Procedur zu hindern 
oder abzukflrzen, habe ich in den letzten Jahren den Kld- 
ster-Druckverband angewendet, und wirklich in manchen Fäl- 
len Rückbildung der Entzündung und ziemlich rasche und 
vollständige Resorption bewirkt. Doch ziehe ich jetzt das 
Collodium allen anderen Mitteln vor, nachdem ich in fünf 
Fällen überraschende Erfolge davon gesehen habe. 

Kaum kann ich glauben, dass die Erleichterung, welche 
«ye Kranken dadurch bekommen, in allen fünf Fällen auf 
ZofaDigkeiten beruht, oder die rasche, fast schmerzlose Ab- 
scedirung Zufall gewesen sein könnte. Jedenfalls musste es 
sich nach meiner festen Ueberzeugung der Mühe lohnen, das 
freflich nachgerade etwas zu stark als universell gepriesene 
Anliphlogisticum bei der Behandlung des Mastiliden anzuwen- 
den und mit den anderen Mitteln in Vergleich zu steilen. 

Frau «/., 25 Jahre alt, Blondine, Mutter von drei Kin- 
dern, welche sie selbst genährt hat, war nie von Krankheiten 
der Brüste belästigt gewesen. Nachdem sie drei Wochen 
hng ihr viertes Kind genährt hatte, klagte sie über heftige 
Sehmerzen in der linken Mamma während des Säugens. Die 
Warzen waren gesund, nirgends eine Schrunde; die Drüse 
vergrössert, sehr schmerzhaft. Als das fortgesetzte Säugen 
nervöse Zufälle, Ohnmächten, VVeinkränipfe etc. erzeugte, 
wurde die kranke Brust zum Nähren weiter nicht verwendet 
und dick mit Collodium überzogen, so dass zwei Unzen da- 
von auf der kranken Mamma in ziemlicher Ausdehnung mit 
alleiniger Freilassung der Warze, verdunsteten. Es entstand 
hierdiirch eine pergamentarlige Bedeckung, deren Coi\traiClvoTV 
mid DrofJr wen^ Schmerz verursachte. Die \\y&Vemc\\«ii 

10* 



148 X* BarUeherj Ueber das kiinstl. Sistiren d. Milchfeeretion. 

resp. nervösen Erscheinungen verschwanden am folgenden und 
zweiten Tage völlig; der Schmerz war verschwunden, nur 
etwas Beängstigung, die bei der nervösen Dame auch Folge 
der Collodium- Spannung hätte sein können, blieb, zugleich 
naturlich die Unfähigkeit, den Arm bis zur horizontalen Rich- 
tung zu abduciren. 

Am elften Tage rausstc Frau «7. sich legen, da sie beim 
Gehen und Stehen stedienden Schmerz und schmerzende 
Schwere in der kranken Brust fühlte. 

Am zwölften Tage war die Brust abscedirt; der reich- 
Hebe gesunde Eiter hatte neben der Warze die CoUodium- 
decke erweicht und perforirt. Die Abscessöffuung wurde frei- 
gelegt, der Collodiumüberzug blieb. 

Obschon der Abscess nach der Menge des Eiters zu 
schliessen, ein ziemlich grosser gewesen war, hatte PatieotiD 
durchaus keinen anderen Schmerz, als den am Vortage des 
Pcrforirens verspürt, im Uebrigen nur über Schwere und Span- 
nung geklagt. 

Frau Sch.f Blondine, 29 Jahre alt, hatte ihr erstes Kind 
ohne alle Unfälle genährt; beim Stillen des zweiten begioot 
am 17. Tage die linke Brust beim Nähren zu schmeraen. 
Die in immer drohenderen Formen durch das Säugen sich 
einstellenden hysterischen Zufalle machen das Freilassen der 
kranken Brust nölhig. Die sonst schon sehr starke Brüst 
schwillt beträchtlich, die Berührung der sehr vergrösserteu 
Druse sehr schmerzhaft. Die Brust wird mit Siü Gollodium 
überschüttet, welche allmäiig darauf verdunsten und eine 
starke Horndccke bilden. Am ersten Tage Schmerzen durch 
den Druck des Gollodium ; vom zweiten Tage bis zum neun- 
ten in ruhiger Lage nur ein Gefühl von grosser Schwere an 
der kranken Brust, beim Gehen stechende Schmerzen, in den 
letzten Tagen Beängstigung, am neunten und zehnten Tage 
lebhafterer Schmerz, dann spontane Abscedirung. Bei beiden 
genannten Damen traten keine ferneren Entzündungen ande- 
rer Drüsenlappen ein, wie es mir sonst wohl zur Beobach- 
tung kam; bei beiden blieb die kranke Brust niilchlahm, wäh- 
rend die gesunde Brust sichtlich dafür vicarirte. 

Frau O., Rongett., 33 Jahre, Erstgebärende, bekam, 
aacAdem sie kaum zwölf Tdi^Q ihr Kind genährt hatte ; wunde 



X. BtnrUeker, Ueber das künstl. Sistiren d. MilchMcretion. 149 

Warzen, die ich mit Lapis in Substanz behandelte. Die 
Frau ertrug die durch das Anfassen des Kindes erzeugten 
Schmerzen aus Liebe zu ihrem Kinde mit Geduld. Obschon 
die Warzen gut heilten, musste sie doch das Nähron aufge- 
ben, da beide Milchdrüsen sich entzündeten. Beide Brüste 
wurden mit einer dicken Collodiumdecke überzogen (auf jede 
Brust Jii), die Warzen mit Wasserläppchen überdeckt. Der 
Schmerz minderte sich vom vierten Tage an, die Berührung 
der Brüste war weniger empfindlich, das Gefühl der Span- 
nung und Schwere verlor sich. Die Brüste abscedirten nicht. 
Wenn die Frauen, bei denen die Mastitis abscedirte, auch 
fast schmerzfrei waren, so klebte ihrem Gesicht, ihrer 
Haltung und ihrer Laune doch ein Krankheitscharakter an, 
der sich verlor, nachdem die Mastitis einige Tage abscedirt 
war; derselbe Krankheitscharakter verschwand jedoch bei 
dieser letzten Frau am sechsten Tage, nachdem alle Schmer- 
zen verschwunden waren. Diese Beobachtung ist beim Collo- 
diiun, wie beim Kleisterverbande das sichere Merkzeichen für 
Resorption oder Abscedirung. 

Frau S., Blondine, 37 Jahre alt, hatte ihr siebentes Kind 
wiederum bis zum sechsten Monat reichlich genährt, ohne je 
über Beschwerden an den Brüsten geklagt zu haben. Dies- 
mal musste das Säugen aufgegeben werden, weil sie in Folge 
einer heftigen Erkältung linksseitige Mastitis bekommen 
hatte. Durch den Schmerz schwand der Appetit und da- 
mit die Milch auch aus der gesunden Brust. Die starke Brust 
wurde mit Siii Collodium überzogen; der Schmerz minderte 
»ich, doch blieb bis zum elften Tage ein nicht unbedeutendes 
beklemmendes Schmerzgefühl, welches das Gehen fast unmög- 
lich machte. Am elften Tage lebhafter Schmerz und spon- 
tanes Abscediren. 

Trat nach dem sechsten Monate des Nährens Mastitis 
auf, so habe ich last stets Abscedirungen gesehen; glückte 
die Resorption im ersten Monate ab und an, bei Mastitis 
in späteren Monaten habe ich sie fast nie beobachtet. Den 
(ünnen Fall habe ich oben erwähnt. 



150 ^* Notisen aus der Journal- LitoraUir. 



XL 
Notizen aus der Journal -Literatur. 



Raciborski: Ueber die Abhängigkeit der Amenor- 
rhoe von psychischen Ursachen, besonders 
von der übertriebenen Furcht schwanger zu 
sein und dem lebhaften Wunsche schwanger 
zu werden. 

AU eine ^Form von Amenorrhoe'' beschreibt Verf. die Zu- 
stände, wo unter dem Einflüsse psychischer Erregungen oder Ein* 
drücke eine Cessatio mensium durch Vermittelung des sympathi- 
schen Nervenapparates herbeigeführt wird, da ja der letalere 
seinen Einfluss auch auf die Zeugungsorgane in hohem Ghrad« 
ausübe. Er weist darauf hin, dass der Schreck oder die Fareht 
auch beim Manne Bedingungen herbeiführt, die dem Znstande- 
kommen der Erection ungünstig sind, k. B. Anaemie der Hoden 
durch Contraction der GeOisso derselben. Dieselben Einflüsse 
können aber bei der Frau ähnliche Veränderungen in den Ova- 
rien heryorrufen, was sich entweder durch Verzögerung des Ein- 
tritts oder durch Ausbleiben der Menses auf siemlich lange Zeit 
hin kund giebt. Verf. hatte einige Mal Gelegenheit, Frauen su 
beobachten, welche glaubten oder fürchteten, schwanger su sein, 
und welche mit der grössten Spannung das Erscheinen der nfteh- 
sten Regel oder das der sämmtlichen Schwangerschaftssymptome 
erwarteten; die Reisung der Tasomotorischen Nerren durch Ver- 
mittlung des Sympathicus brachte dann analoge Wirkungen, wie 
oben beim Manne, herTor; die physiologische Congestion, die 
zur Reifung des Eies nöthig ist, blieb aus und mit ihr auch die 
Regel. Viele Beispiele anzuführen, hält Verf. für unnothig und 
ohne Vortheil für die Wissenschaft; daher erzählt er nur zwei* 
Der erste Fall betriflft eine Frau von 30 Jahren, die durch Einen 
Einmal begangenen Fehltritt schwanger geworden su sein fürch- 
tete ; sie befand sich in sehr aufgeregtem und ganz yeriweifel- 
tem Zustande, weil die Regel ausgeblieben war. Die Unter- 
suchung gab den Beweis, dass Ton Schwangerschaft keine Rede 
sein konnte — es war durch diesen psychischen Reiz die Ame- 
norrhoe herbeigeführt worden. Warme Senffussbfider, Liq. Min- 
deren (15 gtt. in einer Tasse Thee etc.) und Erheiterung der 



XI. Notisen aas der Journal -Literatur. 151 

Kranken führten zwei Tage nach der Untersuchung die Men- 
struation herbei; im anderen Falle handelte es sich um eine 
Frau von 38 Jahren, die regelmässig menstruirt war; sie yer- 
beirathete so eben ihre Tochter; yieraehn Tage später erwartete 
sie sechs Tage lang vergeblich ihre Regel und glaubte sich 
sohwanger. Obwohl sie dies früher sehr gewünscht, so fürchtete 
sie jedoch jetst, wo sie zu Gunsten ihrer Tochter das Testament 
ausgestellt hatte, die Geburt eines anderen Kindes sehr und be- 
fragte deshalb den Verf. Sie war nicht schwanger und Verf. 
glaubt, dass auch hier die Furcht oder der Wunsch nicht schwan- 
ger zu sein, die Amenorrhoe bedingt habe, unter dem Einflüsse 
der, freudigen moralischen Eindrücke der jüngsten Zeit. Am 
zweiten Tage nach der Behandlung mit Apiol- Capsulen, Ruhe 
und Lindenblüthenthee, trat die Regel ein und die Frau strahlte 
vor Freude. Verf. hält es bei einiger Uebnng für sehr leicht, 
die Amenorrhoe durch psychische Einflüsse von der bei Gravi- 
dität zu unterscheiden. Die Hauptcharaktere der ersteren sind 
die ezcessive Furcht vor dem Sohwangersein, welche in den Zü- 
gen, Augen und Worten der Kranken Ausdruck findet. Die Be- 
handlung hat vorzüglich auf den Geist der Kranken einzuwirken, 
sie zu beruhigen und nebenbei durch leicht ezcitirende Infusio- 
nen auf eine Congestion der Beckenorgane hinzuwirken; dabei 
Apiolcapsülen (2 pro Tag), Ammonium muriatio« oder acetic. 
15 — 20 gtt. in eine Tasse Thee von einem Gemisch von Flor. 
Tiliae und Flor. Aurantior. — alles Mittel, welche einen^bei Gra- 
vidität bestehende Amenorrhoe widersteht, welche also ersterer 
Nichts schaden. — Von praktischer Seite hebt Verf. hervor, dass er 
nicht allein habe zeigen wollen, dass eine Amenorrhoe durch psychi- 
sche Eindrücke hervorgerufen werden könne, sondern auch dass 
der Arzt einen Blutfluss nach einem längeren oder kürzeren ' 
Ausbleiben der Regel nicht stets für den genügenden Beweis 
einer Fehlgeburt ansehen dürfe. 

Ebenso, wie die excessive Furcht vor Schwangerschaft, hat 
auch der lebhafte, heisse Wunsch, schwanger zu werden« oder 
die Furcht steril zu sein und das unausgesetzte Denken an die- 
sen Gegenstand eine intercurrirende Amenorrhoe zur Folge. 
In beiden Fällen ist die Sachlage ganz anders; bei Furcht vor 
Schwangerschaft thut man Alles, die Regel herbeizuführen, hier 
aber, sie zu verzögern — und so bietet auch eine Frau mit 
Amenorrhoe, die sich lange wünschte schwanger zu werden, ein 
ganz anderes Bild dar: Ruhig, glücklich, erfreut überlässt sie 
sich angenehmen Träumereien, durch die die bestehende Amenor- 
rhoe nur unterhalten wird. Diese eingebildeten Schwangerschaf- 
ten als Gravlditas nervosa zu bezeichnen, hält Verf. mit Recht 
fBr Unainn, sondern er rechnet die Frauen, die sich für schwan- 
ger halten, ohne es zu sein , zu derselben Classe von Menschen^ 
die Hypochonder sind; weil gie Magenkrebs au haben |;\axx>c^«&. 



152 ^I* Notfsen ans der Journal- Literatur. 

(Hier mÜRSte man denn auch ein Carcinoma nervosum erfinden f) 
Die EinbiiduDg^, schwanger zu sein, kann sich aber in den nfteh- 
sten Monaten so steigern, dass die Franen Uebelkeiten, Ekel 
and Klndesbewegungen empfinden. Für den Arst danem die 
Zweifel natürlich nicht lange, wie der beigefügte Fall beweist. 
Eine 22jährige, seit iVs Jahren verheirathete Frau hatte im 
zweiten Monate nach ihrer Verheirathung fehlgeboren. Im aehten 
Monate blieb, da sie sich sehr wünschte, den ersten ÜB» 
fall auszugleichen, die Begel ans. Grösste Freude I — Uebel* 
keit; Qefühl von Anschwellung des Leibes stellten sich ein, eo 
dass die Frau sich im dritten Monate der Amenorrhoe fttr sehwaa- 
ger im vierten Monate hielt; da trat eine heftige Metrorrhagie 
ein, und 28 Tage später wieder; dies war die Regel, und doeh 
beschwor es die Kranke, Kindesbewegungen gefohlt nt babeni 
Zwei Untersuchungen bewiesen dem Verf., dass keine Schwan- 
gerschaft vorliege, eben so sprach sich der ebenfalls consnlttrte 
Depaul aus. 

Verf. fügt schliesslich hinzu, dass man diese Fälle nicht 
mit den anhaltenden Menstruationssuppressionen bei Seelenlei- 
denden yerwechseln dürfe, sondern dass er sich den Einflnti 
dieser psychischen Eindrücke dergestallt yorstelle, dass Blnt- 
circulation im Ovarium durch Contraction der Gefftsse mittels 
der sympathischen Gefässnerven modificirt würde, in weloher 
Ansicht auch Cl, Bemard mit ihm übereinstimme. 

(Archives g^nörales de M^decine. Mai 1866.) 



Spencer " Wells : Ein Fall von Ovariotomie, com- 
plicirt mit Sectio caesarea in viva, mit glück- 
lichem Ausgange. 

Nachstehender interessanter Fall von Oyariotomie beweist, 
welche unendliche Vorsicht die Vornahme der in neuester Zeit 
so oft geübten Operation mit Bücksicht auf die Differential- 
diagnose zwischen Ovarienerkrankungeu und Schwangerschaft 
erfordert. — Eine 24JHhrige Ehefrau, die ein Mal geboren und 
sich seitdem nie vollständig wohl gefühlt hatte, bemerkte seit 
August 1864 eine stetige Zunahme ihres Leibesumfanges, obgleich 
die im November desselben Jahres wieder aufgetretene Men- 
struation der Annahme einer Schwangerschaft widersprach. Es 
wurde von Sp,'W. eine multiloculäre Ovariencjste, die aus einer 
grösseren und mehreren kleineren zu bestehen schien, diagnoeti- 
cirt. Am 4. Juni d. J. wurde, um zeitweilige Erleichterung der 
in letzter Zeit sich hKufenden Beschwerden zu schaffen, die an- 
scheinend grösste Cyste punktirt, wobei etwa Vi Pinta halbflüs- 
siger sttlziger Substanz abfloss. Als die Beschwerden hierauf an- 
n»bmeD und Fieber and freies Exsudat in der Bauchhöhle anf- 



XI. Notizen aas der Journal -Literatur. 153 

traten, ohne dass ein Tumor wahrgenommen werden konnte, 
glaubte 8p.' W, nach den bestehenden Erscheinungen annehmen 
SU mössen, Habs eine der vorhandenen Cysten geborsten sei, 
ihren dickflüssigen Inhalt in das Peritonäalcavum ergossen habe, 
und dass der untere Theil der Cyste noch mit dem Uterus in 
Verbindung stehe. Der Gedanke an eine bestehende Schwanger- 
schaft lag ihm durchaus fern. Es wurde die Ovariotomie he- 
schlössen; und am 14. August d. J. ausgeführt. Nach Trennung 
der Bauchdecken kam Sp.-W, auf eine adhärente Cyste, während 
deren Loslösung ans einer anderen geborstenen Cyste mehrere 
Finten flockigen Fluidums ausflössen. In letztere mit der Hand 
eingehend, löste Sp,-W, eine bedeutende Anzahl kleinerer inner- 
halb derselben eingeschlossener Cysten los, brachte dann die 
Hauptcyste selbst aus der Bauchhöhle heraus, und trennte den 
nahezu drei Finger breiten , ziemlich langen vollständig torquir- 
ten Stiel der Cyste von dieser ab. Nach dem Herausnehmen 
der ersten Cyste zeigte sich ein zweiter Tumor, eben nur 
80 weit sichtbar, um einen Troicart in denselben 
elnznstossen. Der Abfluss von 2—3 Finten blutiger Flüssig- 
keit verminderte die Spannung der Geschwulst, und man erkannte 
jetzt an der Ausmündung der Tuba, dass man den Uterus 
punktirt hatte. Nach Entfernung der Canüle drängte sich 
sofort eine weiche, schwammige, blutige Masse vor, bei deren 
Zurückdrängen die vordere Uterinwand in einem Umfange von 
3—4" nachgab und einen etwa fünf monatlichen Fötus nebst 
einer reichlichen Menge Liquor amnii hervortreten liess. Die 
Losschälung der Flacenta gelang leicht, doch contrahirte sich 
der Uterus nicht, und es erfolgte eine intensive Blutung aus drei 
anterhalb der Rupturstelle liegenden Oefässen, die* unterbanden 
werden mussten. Zur Stillung der Blutung aus der Flacentar- 
stelle wurde von der Vagina aus durch den Cervix und das 
Ostinm uterinum ein Stück Eis in den Uterus geschoben, worauf 
sich dieser contrahirte. Die peritonäalen Ränder der Rissstelle 
des Uteros wurden durch Seidenfäden ohne Ende verbunden, und 
darauf die intensive aus einem Stöcke des von der Cyste losgetrenn- 
ten Netzes erfolgende Blutung durch Anlegung dreier Ligaturen 
gestillt. Der Stumpf des Stiels blieb mittels des Hakens ausser- 
halb des linken Wundrandes liegen, und zwar waren die Fäden 
der an die Uteringefässe angelegten Ligaturen um denselben be- 
festigt. Die Bauchwunde wurde durch sechs Seidennähte ge- 
schlossen. Am 33, Tage nach der Operation konnte Fatieutin 
geheilt das Hospital verlassen. 

(Wiener mediz. Presse. 1866. 43. u. 44.) 



154 X* Notisen an« der Joanial- Lltoratnr. 

Btzrnes: lieber Dysmenorrhoea, Metrorrhagia, 
Oophoritis uud Sterilität in Verbindung mit 
einer eigenthömlichen Form des Cervix uteri 
und deren Behandlung durch Discision. 

Bamea regte durch einen Vortrag über obiges Thema eine 
lungere Discnssion in der gebnrtshülflichen Oesellschalt la Lon- 
don (am 7. Juni 1866) an, er beschrieb mündlich and fig^rlfeh 
eine Form des Cervix uteri, and der derselbe als ein konischer 
Körper in die Vagina ragt, bei die Insertionsstelle der Yagii» 
am Collum uteri sich dem inneren Muttermunde mehr, ale nor- 
mal, genähert zu haben scheint. Das Os extern, war dabei ge- 
wöhnlich eng und schwer für die Sonde darchgängig, oder der 
wirkliche Sita einer Strictur, während der normale innere Blat- 
termund ein wenig offen stand. In diesen Fällen waren Steri- 
lität und Dysmenorrhoe gewöhnlich, aber da eben das Os intern, 
▼on normalem Caliber war, so war es nicht nöthig, es einso-- 
schneiden. Diese Form des Cerrix ist, nach Verf.'s Meinung, 
eine Ursache der retro- und periuterinen Haematocelen und Pe- 
ritonitiden. Alle diese Frauen sind steril, and waren sie je 
schwanger, so fand dies vor Ausbildung dieser Cervicalgestaltang 
statt, welche durch Flexionen, Deviationen, Inflammationen und 
Hypertrophie des Corpus und Cervix sich ausbildete. 

Die Behandlung anlangend, hält Verf. die Dilatation für an- 
genügend, die Incision des inneren Muttermundes für annöthig 
und überflüssig , wohl aber die des äusseren für heilsam. Sein 
eigenes Instrument, das wie ein Paar Messer constmirt und naeh 
demselben Princip, wie es Sims angiebt, zu handhaben ist, er- 
scheint ihm zur Erreichung dieses Zweckes» am dienliehsten; er 
trennt den äusseren Muttermund, um so die Cervicalhöhle zu öff- 
nen. Verf. hat die Operation einige Male gemacht und war mit 
den Resultaten zufrieden; er erzählt zwei Fälle; in dem erste- 
ren derselben wurden Cervix und Orific. extern, zum normalen 
Zustande zurückgebracht, und nach 4Vt— 5 Monaten ein Fötus 
gut geboren, während im anderen Falle es nöthig war, mittels 
Barnes Cervicaldilatator und Incisionen den Cervix zu öffnen, um 
ein aasgetragenes Kind hindurchgehen zu lassen. In beiden Fäl- 
len folgte der Gebart eine Cellulitis im kleinen Becken. 

Nachdem B. Brown der Dilatation eine grössere Wichtigkeit 
eingeräumt und einen Fall, wo er nach der Dilatation noch mit 
Simpson^B Hysterotom die Trennung des Os extern, ausführte, er- 
zählt hat, Qreenhalgh sich gewundert, dass Barnes die Strictur- 
stelle öfter an den äusseren als den inneren Muttermund verlege, 
was gerade umgekehrt sei, bekräftigt BotUh seines Vorredners 
Ansicht and Savage zeigt der Versammlung ein injicirtes Präpa- 



XI. Notisen aus der Journal- Literatur. Xö5 

rat eines jungfräalichen Uteru«, beschreibt es aufs Genaueste, 
und stellt folgende Punkte auf: 

1) Ausser in Fällen von nnregfelmüssiger Gefässyertheilnng 
kann man den Cerrix vom Corpus trennen, ohne die Gefahr einer 
starken Blutung vor sich lu haben. 

2) Eine seitliche Incision tiefer als V» ^ol^ ^^ irgend einer 
Stelle des Cervicalcanals kann sohKdlicb sein. 

3) Der von WelU beschriebene Bingmuskel am Orific. in- 
temum besteht nicht. 

4) Die Dilatationsinstrnmente reichen cur Erweiterung des 
Cervicalcanals nicht ans, es sind Scalpell oder Messer snr voll- 
ständigen Trennung nöthig. 

5) Die kleinste Krümmung des Canales muss eine Obstrnc- 
tion ohne organische Constrietion herbeiführen. 

(The Lancet: Vol. II. No. III. 15. Juli 1866.) 



V. Franque: lieber Ruptur des Uterus und der 
Scheide während der Geburt. 

Verf. veröffentlicht einen kurzen Bericht über die im Her- 
togthume Nassau in den Jahren von 1843 bis 1859 vorgekomme- 
Ben Rupturen des Uterus und der Scheide, und schliesst daran 
in allgemeiner Uebersicht einen Vergleich der gefundenen Zahlen 
mit den Angaben anderer Autoren. Im Mittel kommen nach ihm 
auf 867,708 Geburten 114 Rupturen des Uterns und der Scheide 
(1 .* Z22b^%f), Aus den ausführlicher mitgetheilten weiteren Zah- 
len glaubt Verf. folgende Schlüsse ziehen zu können: 

1) Die Rupturen des Uterus und der Scheide während der 

Geburt treten häufiger spontan* auf, als während einer 
Operation. 

2) Von den Rupturen des Uterus und der Scheide während 

der Geburt sind jene des Uterus überwiegend häufiger. 

3) Von den Uterusrupturen sind die meisten spontan, 

während 

4) die Scheiden rnpturen wenigstens ebenso oft bei Operatio- 

nen als spontan entstehen. 
Beziehendlicb der Actio logie der Uterusrupturen während 
der Geburt hält Verf. eine spontane Zerreissung des Uterns ohne 
eine im Parenchym desselben selbst liegende Prädispostion für 
kaum möglich, nnd sucht die letstere meist in abnormer Dünn- 
beit, Verdünnung oder Erweichung des Uterusparenchyros. Ueber- 
wiegend häufiger entstünden übrigens Uterusrupturen bei Mehr- 
gebärenden — unter 26 Fällen: 21 Mehrgeb., 1 Erstgeb., fünf 
Fälle ohne Notii darüber — ; und angeborener Hjdrocephalua 
sowie Becken Verengerungen tragen ebenfalls oft dazu \>e\. ^«\ 



156 ^1' Notizen ans der Journal -Literatur. 

Qnerlnf^en komme verhKltnissmässig hHnfig^er als bei Längenlagen 
eine Rnptur vor, und ebenso erfolgte sie öfter bei nicht pro- 
t^ahirten Gebarten. In den meisten seiner Fälle war der Körper 
nnd Grnnd eingerissen, nnd zwar ging der Riss in allen F&Uea 
(einen ausgenommen) durch alle Strata des Uterns and der Scheide 
hindarch. Ein Mal war das Kind in die Baachhöhle getreten, 
zwei Mal warden Theile des Darmes in der Uterinhöhle geAin- 
den, and rier Mal bildete sich eine Commanication swisehen 
Uterus nnd Mastdarm. 

Als Symptome fanden sich fast in allen Fällen plöts- 
liehes Aufhören der Wehenthätigkeit nach einer Toraasgegao- 
genen stärkeren Wehe, rascher Collapsus, Zaräektreten des 
vorliegenden Theiles. Nicht immer trat äussere Blutung ein. 

Die Prognose für die Kinder war in den angegebenen 
26 Fällen sehr schlecht, indem alle todt kamen ; günstiger gestal- 
tete sie sich für die 26 Mütter, von denen sieben gerettet wur- 
den. Es starben unentbunden fünf (eine während der Operation), 
gleich nach dem Kiss fünf, am folgenden Tage zwei, zwei Tage 
nachher drei, vier Tage nachher eine, sechs Tage nachher eine. 
— Rücksichtlich der geburtshülflichen Behandlung der durch 
Uterusruptur complicirten Gebart ist nach Verf. das Einfuhren 
der Hand in die Unterleibshöhie unter allen Umständen zu ver- 
werfen. Ist nur ein Theil des Kindes ausgetreten, so ist immer 
die Entbindung auf natürlichem Wege zu versuchen; stösst aber 
das Zurückbringen der ausgetretenen Theile auf grössere Schwie- 
rigkeiten, ist dabei eine bedeutende Vergrösserung des Bisses 
unvermeidbar, dann müsse bei lebenden Kindern der Bauchschnitt 
gemacht werden. Ist das Kind abgestorben, so sei vielfach das 
exspectative Verfahren empfohlen worden, doch spreche die Er- 
fahrung mehr zu Gunsten des activen Einschreitens. 

(Wiener medicin. Presse. 1865. Nr. 28.) 



Hecker: Statistische Tabelle über die Vorkomm- 
nisse in der Kreis- und Local-Gebäraustall 
zu München im Etats-Jahre 1864/65. 

Von den 809 Aufgenommenen haben 792 in der Anstalt ge- 
boren, 320 Erstgebärende, 472 Mehrgebärende. Von den 808 
Kindern waren 410 Knaben, 398 Mädchen. Zwillingsgeburten 
kamen 16, unseitige 20, frühzeitige 61 vor. Kindeslagcfki wurden 
beobachtet: Scheitellagen 743, Gesichtslagen 3, Beckenendlagen 
34, Schulterlagen 9, unbestimmte Lagen 19. — Unter den beson- 
deren Zufällen während der Geburt sind hervoriuheben iwei FftDe 
von Eclampsia und neun Vorfälle der Nabelsehniir. Operatlo- 



XII. Literatar. 157 

nen wardeD aas^ofnhrt: eine künstliohe Frühgeburt, eine Wen- 
düng anf den Kopf, acht Wendangen anf die Fasse, 17 einfache 
Eztractlonen , acht Extractionen nach der Wendung, 16 £xtrac' 
tionen des Kopfes mittels der Zange, eine Perforation, eine Ke- 
phaloihrypsie , ein Kaiserschnitt, swei Repositionen der Nabel- 
schnor, nenn Nachgebortsoperationen. Von den Entbundenen 
starb 1 kurs nach der Geburt und drei im Wochenbette. Von 

39 im Wochenbette Erkrankten waren 16 transferirt worden und 
von diesen starben auch noch drei. Von den Kindern wurden 

40 todtgeboren, von denen 25 schon vor der Geburt, 16 während 
derselben gestorben waren; ausserdem starben 38 Kinder bald 
nach der Geburt an Lebensschwäche, und Yon 21 erkrankten 
Kindern noch acht. Gesund entlassen wurden 722. 

(Aerztl. Intelligenzbl. bayerscher Aerzte 1865. No. 49.) 



XII. 
Literatur. 



An essay, historical and critricaJ, on the mechanism of par- 
turilion by William Leishman, London, 1864. 129 S. 

Gewiss gilt nicht nur von England, was der Verf. in der 
Einleitung zum vorliegenden Buche sagt, dass nämlich die Kennt- 
niss vom Geburtsmechanismus theoretisch wohl den meisten Ge- 
burtahelfem geläufig sei, dass aber die wenigsten jemals den Ver- 
such gemacht hätten, diese theoretischen Anschauungen am Kreiss- 
bette zu prüfen und so sich praktisch von dem Werthe derselben 
SU überzeugen. Das voliegende kleine Werk ist nun die Frucht 
einer solchen vorurtheilsfreien Prüfung der Lehren vom Geburts- 
mechanismns, und darin liegt auch hauptsächlich der Werth der 
Arbeit, die sonst nicht besonders reich an neuen Anschauungen 
ist. In den beiden ersten Kapiteln wird die historische Eut- 
Wickelung der Lehre vom Geburtsmechanismus von den ältesten 
Zeiten an in sehr ausführlicher Weise gegeben. Dieser Abschnitt 
iat überaus fleissig gearbeitet und entschieden werthvoU. Ueber- 
f'ehend sum Geburtsmechanismus selbst, so meint der Verf., nach 
••inea Beobachtungen, dass der Schädel sich immer vom Beginn 
4«r Geburt an mehr in einen schrägen als in den qu^ieik BuxcV 



158 XII- Literatar. 

messer des Beckeneing^anges eioRlellt, da wenn das eine Ohr am 
oberen Rande der Symphyse gefühlt wird, das andere immer 
nach rechts oder links vom Promontorinm gefanden wird. Eben* 
sowenig Termag Leiahmitn die von Nägele luerst beobaehtete 
schiefe Einstellnng des Kopfes in*s Becken, so dass das Torlie- 
gende Scheitelbein tiefer steht als das andere , der Wahrheit 
entsprechend m finden. Er meini, dass diese OblfqnitSt im TeV- 
hftltniss mm Becken nur scheinbar sei, da Nägele nnd seine An- 
hSnger bei dieser Anschaunng die Beckenneignng übersehea 
hätten. In allen anderen Punkten stimmt der Verf. faet toII- 
ständig mit der Nägele^aehen Darstellung vom Geburtsnechanie* 
nms überein. CfuBierow. 



Grenser: BericLl über die Ereignisse in dem K. S. Entbin- 
duiigsinstitute zu Dresden vom 1. December 1814 bis 
zum 1. November 1864. Zur Feier des 50 jährigen Ju- 
biläums des Institutes am 1. December 1864. Dresden, 
1664 

Nach einer gedrängten Uebersicht über die Vorstände, die 
Assistenzärste and das übrige Personale des Institates während des 
betreflfenden Zeitraumes geht Verf. aaf die Leistungen ein. Es 
wurden 15,685 Schwangere aufgenommen und von ihnen 16,Sö6 
im Institute entbunden, wobei 15,481 Kinder geboren wurden. 
Mit Absug der todtgeborenen Kinder beträgt die Summe der 
Pfleglinge der Anstalt 29,822. Hier nimmt Verf. Gelegenheit| 
nicht allein auf die progressive Zunahme der Besachsfrequeas 
der Anstalt in den letzten sehn Jahren aufmerksam in maeheDi 
sondern auch su bemerken, dass dessenungeachtet das Mortall- 
tätsprocent in den letzten sehn Jahren beträchtlich abgenommen 
hat. £s belänft sich durchschnittlich auf 0,93 — eines der beeten 
Resultate in öffentlichen Gebärhäusern, von denen Yerf. die Ter- 
schiedenen Mortalitätsprocente nach Bra«n*s Zusammenstellung 
(Wiener Med. Jahrb. Jahrg. 1864. II. u. III. Heft. p. 201) anfBhrt. 
In Betreff des Gesnndheitssnstandes der vergangenen Jahre fährt 
Verf. an, dass von 15,356 Wöchnerinnen 373 starben, woin be- 
sonders das mehrmalige Ausbrechen einer Pnerperalfleberepide- 
mie die Veranlassung gab. Es trat dieses Ereigniss 11 Mal 
ein, nämlich in den Jahren: 1819—20, 1822—28, 1824 (18S5 blieb 
noch eine Neigung su bösartigen Wochenfiebcm inrück), 1830, 
1831, 1837, 1838 1839, 1844, 1851-52, 1853; die schwersten Epi- 
demien trafen die Jahre 1830, 31, 38, 44, 51 — 52, nnd mnsste hier 
stets die Evacnirnng der Anstalt cum Zwecke der Tilgung der 
Krankheit bewerkstelligt werden. Das jährl. Mortalitätsproeent der 



XII. Literatar. 159 

Wöchnerinnen belftufk sich sonach darchsehnitUich auf 2,70 ^l^. 
Von den 14,466 lebendgeborenen Kindern starben an verschie- 
denen Affeetionen 709 (4,91 7o)* ^^ warden überhaapt 8066 Kna- 
ben nnd 7425 Madchen, 2 X Drillinge und 305 X Zwillinge ge> 
boren, worunter 1015 todtgeborene (6,55 %) sich befinden. 

Von sonstigen selteneren Krankheiten nnd Anomalien wnr* 
den beobaohtet, 41 Mal Eelampsie der Wöchnerinnen oder Kreis- 
lenden, davon 8 starben; femer je ein Mal Uterus et Vagina 
dtplez (die eine UterushKlfte hatte schon geboren) und Vagina 
duplex. Verengte Becken, meist rhachitischer Art, fanden sich 
ansserordentlich häufig: so s. B. 1858 unter 532 Geburten 34 Mal 
(6,89%) rhachitische Beckenenge. Deshalb musste bei 15,356 
Geburten 7 Mal die Sectio caesarea, 63 Mal die Perforation und 
S48 Mal die Eztraction mit der Zange ausgeführt, 30 Mal aber 
die Frflhgeburt eingeleitet werden. Der Gesundheltsaustand der 
in der Anstalt lebendgeborenen und -entlassenen 13,457 Kinder 
war ein erfreulicher, wenn auch die Ophthalmia neonatorum siem- 
lieh hHufig vorkam, so minderte sich doch deren Häufigkeit in 
den lotsten Jahren bedeutend (1858:15,38%, 1864 : 3,43 7o)- 
68 Mal bildete sich ein Cephalaematom aus und 99 Mal wurden 
verschiedene Bildungsfehler beobachtet. 

Naturliche Geburten wurden beobachtet 13,922 Mal, Moleu- 
fsburten 2 Mal, Aborte 7 Mal; künstlich beendet wurde das Oe- 
kmrtsgeschäft 1437 Mal, nnd swar 1020 Mal durch die Zange, 
166 Mal durch die Wendung, 142 Mal durch die Extraction an 
den Fassen, 63 Mal durch die Perforation (7 Mal mit nachfol- 
gender Cephalothrypsie) , 2 Mal durch die Embryotomie (davon 
ehi Mal nach vorausgegangener Perforation), 5 Mal durch Ac- 
eoneh. forc^, ein Mal durch die Brachiotomie, 10 Mal durch die 
Sectio caesarea (davon 3 Mal post mortem) und 82 Mal durch 
die Einleitung der Frfihgeburt. Nachgeburtsoperationen waren 
800 Mal nöthig. 

Die Fmchtlagen waren 14,490 Schädellagen, 119 Gesichts-, 
846 Steiss-, 177 Fuss- nnd 165 Querlagen. 

Das Institut bildete 1781 Schüler und 2389 Schülerinnen aus. 



Ir. Reinhard: Ueber den Einfluss des Puerperiums auf Tho- 
raiforiD und Lungencapacitäl. Inauguraldisserlat. Mar- 
burg, 186Ö. 

Gestfitst auf eine Reihe von 50 von Prof. Dohm in Mar- 
b«rg gemachten und vom Verf. mitgetheilten Beobachtungen über 
obigen Gegenstand, gelangt Verf. zu folgenden Schlnsssätsen: 

1) In den meisten Fällen zeigt die Thoraxbasis während 



160 XI<' Literatar. 

der Schwangerschaft einen geringeren TiefendarchmesBer, dage- 
gen einen grösseren ßreitendarchmesser. Nach der Schwanger- 
schaft sinkt der Thorax ansammen von beiden Seiten; der Qaer- 
durchmesser wird geringer, der Tiefendarchmesser dagegen 
grösser. 

2) Eine Ansnahme hiervon scheint der Thorax schon älte- 
rer Schwangerer so nnachen, indem bei diesen nach der Schwan- 
gerschaft sowohl der Tiefendorchmesser als auch der Breiten- 
darchmesser abnimmt, sonach während der Schwangerschaft beide 
Durchmesser grösser sind. 

3) Der vermuthlich vorhandene Einfluss, welchen auf diese 
VerhKItnisse die Ansaht voransgegan gener Geburten haben wird, 
ist nicht eklatant genug, am bei wenigen Beobachtungen her- 
vorsutreten. 

4) Das Qleiohe, wie sub 8, gilt von der Differeni de« Lei* 
besnmfanges vor und nach der Niederkunft, 

5) Die LungencapacitKt ist nach der Geburt in den meisten 
Fällen grösser, als wKbrend der Schwangerschaft. 



Druckfehler in Band 26. 

Seite 447 lies „1846<' statt „1866<<. 

„ 463 Zeile 1 v. o. lies „eigenthümliehen^ statt ,eigenthQm- 

lieh«. 
, 454 „ 14 V. u. „ „liefert«« statt »lieferte*«. 
, 456 n 10 ▼• u- n »Abgänge«« statt „Abhänge''. 
„ — „ 4 V. u. „ „und« statt „nur«. 
„ 473 „ 20 V. u. und Inhaltsverzeichniss S. VIII. Zeile 
18 V. o. lies „E. MartW statt .fibm««. 



XlII. 
Verhandlungen der Gesellschaft für Oeburtshttife 

f 
in 

Berlin. 



Sitzung vom 9. Januar 1866. 
Herr Martin spricht 

Ueber spontane Uterusrupturen. 

Die Fälle von Zerreissung der Gebärmutter ohne vor* 
angegangene geburtshfilf liehe Operationen und ohtie jede Ein- 
wirknng einer äusseren Gewalt sind im Allgemeinen selten. 
Ihr Sitz ist manchmal am Grunde der Gebämmtter, weit häu- 
figer jedoch am Halse derselben. Bei denjenigen Fällen, wo 
die Rissstelle am Fundus uteri sich fand, liess sich sehr 
biafig eine vorangegangene Erkrankung des Utenisgewebes 
naehweisen. Ferner sind derartige Rupturen beobachtet wor- 
den bei Misbildungen des Uterus , bei Fibroiden u. s. w. Die 
Symptome und den Verlauf dieser Zerreissungen schildert der 
Vortragende nur kurz, um so mehr, da ihm keine eigenen 
Beobachtungen der Art zu Gebote stehen. 

Bei weitem häufiger als die eben crwälmten spontanen 
Rupturen sind nun diejenigen, die am Halse der Gebärmutter 
vorkommen. Bei diesen Zerreissungen finden sich ent- 
weder verticale oder transversale und schräge Risse. Die 
ersleren, die Längsrisse, sind ihrer Bedeutung nacli entschie- 
den von den anderen zu trennen. Dieselben reihen sich den 
leicliten Einrissen an, wie, sie bei jeder Erstgebärenden am 
Muttennunde auftreten, und entstehen gewöhnlich dann, wenn 
bei mangelhafter Vorbereitung des unteren Uterinsegmentes 

. 0«bortok. 18e6. Bd. XXYII., Hfl.S. H 



162 XIII* Verhandlang^en der Gesellschaft 

Austreibungswehen eintreten. Diese Einrisse können dann ge- 
föhrlich werden, wenn grosse Venen mit zerrissen sind, wodurcli 
profuse, das Leben bedrohende, Blutungen entstehen können. 
Besonders gefahrUch sind aus diesem Grunde derartige Risse 
bei grösserem Gefassreichtlium des unteren Gebärmutter- 
abschnittes, wie derselbe sich bei Placenta praevia entwickelt. 
Später geben derartige Risse zu Ulcerationen im Wochen- 
bette u. s. w. Veranlassung. Die Quer- oder Schrigriase 
sind anfanglich gewöhnlich auf den Mullerhals, dessen Wan- 
dungen verdünnt sind, beschränkt, verbreiten sich jedoch 
auch auf den Mutterkörper, besonders weim der Fötus durch 
den Riss theilweise odrr ganz ausgetreten ist. In der Lite- 
ratur finden sich sogar Angaben, wonach derartige Risse auch 
auf die Blase übergegangen sind. Die Bissstelle ist oft ent- 
sprechend einer Hervorragung im Becken, wie z. B. entspre- 
chend dem Promontorium, dem Schamfugenknorpei, der ja 
häufig während der Schwangerschaft besonders wuchert, 
ferner entsprechend SUcheln oder scharfen Kanten des 
Beckens. Die so entstandenen Verletzungen zeigen sich tiald 
nur als einfache Usur, bald als ausgedehnte Zerslöniag. 
Wichtig ist dabei auch der Umstand, ob die Verletzung das 
Bauchfell mit betroffen hat oder 'nicht. Obgleich bis jelit 
nicht festgestellt ist, ob das Gewebe des Uterus an den be- 
trefTenden Stellen vielleicht auch erkrankt ist, so liegt hier^ 
für eine gewisse Wahrscheinlichkeit in dem Umstände« dat« 
derartige Verletzungen bei Mehrgebärenden viel häufigfr for- 
konunen. Weitere Ursachen für diese Rupturen sind ferner 
enges Becken, sehr stark entwickelter Kindeskopf u. s. w., 
als die eigentliche unmittelbare Veranlassung müssen aber 
in dergleichen Fällen die Presswelien angesehen werden, bei 
welchen durch die Wirkung der Bauchpresse hauptaächlicli 
eine Zerreibung der Weichtheile zwischen Kopf und Becken- 
wandung zu Stande kommt. Der Symptomencomplex bei der- 
artigen Rupturen ist oft verschieden, meist ist vorwiegeml 
Sehmerz, manchmal mit einem deutlichen Gefühle von einer 
Zerreissung, ferner Collripsus, Aufhören der Wehen, Zurück- 
weichen des vorliegenden Kindestheiles vorhanden, dazu ge- 
sellen sich nicht seilen Zeichen einer inneren Blutung, und 
*^cbmai Irki auch eine Darmschlinge durch die Rissöfftiung. 



ffir Gebnrtshülfe in Berlin. . Ig3 

Der Ausgang dtTartiger Fälle ist fast immer der Tod. In 
Bezug auf die Therapie ist nur anzuführen, dass eine mög- 
lichst schonende Enthindung das Wesentlichste ist. Wenn die 
Entbindung nicht auf anderem Wege mögHch ist, so muss 
man zur Laparotomie schreiten, denn die Erfahrung lehrt, 
dass für Fälle der Art, die man der Natur überlassen hat, 
die Prognose noch schlechter für die Mutler wird. 

Herr Martin schliesst hieran die Erzählung einiger be- 
treffenden Fälle von spontanen Uterusrupturen, deren aus- 
führliche ßesclireibung er sich noch ?orbehält. Der erste 
betraf eine 46jährige Person, die schon vier Geburten glück- 
lich überstanden hatte, obwohl sie in Folge von Rhacliitis eine 
Beckenengo massigen Grades (Conj. v. 3" 5''') hatte. Bei 
der fünften Entbindung waren die Erscheinungen von Krampf- 
wehen vorhanden gewesen, später waren die Weben regel- 
mässig geworden, bis sie plötzlich unter heftigem Pressen 
seitens der Frau aufgehört hatten. Gleichzeitig war die Frau 
eollabirt, so dass man dieselbe in die Entbindungsanstalt 
transferirle. Hier konnte man bald das Vorhandensein einer 
Ulerusruptur constatiren. Der unter Chloroformnarkose an- 
gelegte Cephalolhryptor glitt ab, und es wurde deshalb die 
Wendung ausgeführt. Bei der Untersuchung konnte man einen 
Querriss an der vorderen Gebärmutterwand constatiren. Bei 
der Section der am vierten Tage des Wochenbettes verstor- 
benen Person konnte man ebenso wi^ an dem vorgelegten 
Präparate einen solchen perforirenden Querriss an der vorde- 
ren Wand des Mullerhalscs erkennen. Aehnlich in ihrem 
Verlaufe waren zwei Fälle, die Herr Martin in der Umgegend 
von Jen» zu beobachten Gelegenheit gehabt hat. Der eine 
betraf eine 9. Gebärende, bei welcher das Kind sich in Quer- 
, läge befand. Die Frau hatte heftig ^epresst, bis die Wehen 
plötzlich aufgehört hatten und die Frau ziemlich schnell eol- 
labirt war. Herr Martin hinzugerufen , konnte die Wendung 
leicht ausführen. Die Frau starb sehr bald an einer heftigen 
Peritonitis, und die Section eingab eine Huptur der Gebärmutter 
ao dem rechten horizontalen Schambeinaste mit Erhaltung des 
Biuchtelles, Der Kopf des Kindes hatte rechts gelegen. Ein 
dritler Fall der Art wurde bei einer Drittgebärenden beob- 
wo neben dem Schädel des Kindes ein Nabe\«c\iT\>it- 



184 XIU. Vorbandlniigen dar Gasellschaft 

Vorfall bestand, bei massiger Beckenenge. Unter heftigem 
Drängen der Kreissenden hatten ebenfalls die Wehen plöli* 
lieh aufgehört. Der Kopf stand tief im Becken, und neben 
dem Steiss des Kindes liess sich eine harte rundliche Ge* 
schwulst durch die Bauchdecken nachweisen, die man geneigt 
war, für einen Ovarialtumor zu halten. Die Gebart konnte 
leicht durch die Anlegung der Zange beendet werden. Die 
Frau starb 48 Stunden danach, und es fand sich eine Quan- 
tität blutigen Serums in der Bauchhöhle. Das Bauchfell war 
vom linken Darmbeine durch einen Bluterguss ganz abgelHH 
ben, der Uterus an der linken Seite vom Scheidengewäbe 
ganz abgerissen, er hatte zusammengezogen neben dem Kiadk 
gelegen, und war so für eine Geschwulst gehalten worden^ 

Herr Gusserow ist der Ansicht, dass bei den Rupturea» 
wo das Bauchfell erbalten sei, eine Durchreibung an aboor* 
roen oder normalen Hervorraguugen des Beckens auszuschUea- 
sen ist, Abl hier die Verletzung von aussen nach imie«^ 
also mit primärer Zerstörung des Bauchfelles gescliehen mäase. 

Herr Martin erklärt die Fälle derart dadurch, dass die 
Hervorragung des Beckens an einer Stelle gesessen habe, wo 
der untere Gebärmutterabschnitt frei von Peritonäalöbenug 
gewesen sei, wie sich dies durch die Lockerungen während 
der Schwangerschaft manchmal weiter als gewöhnlich abhebe. 

Herr Siegmund ist der Ansicht, dass die Kraft des 
sich contrahirenden Uterus grösser sei, als die Wirkung der 
Baiichp rosse, und hält letztere nicht für liinreichend zur Er- 
klärung von spontanen Uterusrupturen. Er meint, dass in 
diesen Fällen der Uterus wahrscheinlich an den belrefifenden 
Stellen oder überhaupt erkrankt sei, und so bei den tiefUgen 
Presswehen die Substanz desselben zerreisse. 

Herr Martin macht für seine Ansicht folgende Um* 
stände geltend, einmal seien derartige Uterusrupluren fast 
immer nach gesprungener Blase entstanden, und bei vollstäo* 
diger oder fast vollständii^^er Erweiterung des Muttermundes, 
dann sei inuner das heltige Pressen der Kreissenden nach- 
zuweisen gewesen , und endlich erkläre seine Anschauung am 
besten den Umstand, dass die Ruptur bei Querlagen sich 
immer an der Stelle finde, wo der Kopf des Kindes gelegen 
habe. - ^ \ 



Ar f^bortahfllfe in Berlin. Ig5 

Herr Ousserow glaubt den letzteren von Herrn Martin 
angeführten Umstand auch oft nur durch eine mechanische 
Zerreibung des Gebärmultergewebes zwischen Kopf und Becken 
erklären zu können, ist aber mit Heirn Siegmund der Mei- 
nung, dass die Uterinthätigkeit seihst hierbei die Hauptrolle 
spiele. £r vermag wenigstens nicht einzusehen, wie die 
Bauchpresse den Uterus zwischen Kopf und Becken quetschoi 
solle, während der sicli zusammenziehende Uterus zugleich 
den Kopf gegen seine eigenen Wandungen quetscht Dass 
hierbei auch immer noch heftige Wehen vorhanden gewesen 
sind, beweist der stets angeführte Umstand, dass dieselben 
mit dem Eintritte der Ruptur verschwunden sind. 

Herr Martin entgegnet, dass in dem Stadium der Ge- 
burt, wo die Rupturen einzutreten pflegten, die Bauchpresse 
einen viel grösseren Einfluss auf den Fortgang der Geburt 
habe, als der Uterus selbst, der sich dann nur mechanisch 
iber das Kind zurückziehe, während dieses selbst durch die 
Bauchpresse ausgestossen wörde. 



Herr Kristeller legt ein Präparat vor von einem Fötus 
mit enormer Ausdehnimg der Harnblase, bedingt durch voll- 
ständiges Fehleu der Harnröhre. 

Uebermässig ausgedehnter Urinsack des Fötus 

als Geburtshinderniss. — Vollständige Atresie 

der Genital-, Urinal- und Inlestinalschläuche. — 

Innerliche Verbildung und Verschmelzung 

dieser Systeme. 

Anna F., 21 Jahre alC unter mittlerer Grösse, gut ge- 
nährt, ausserehelich geschwängert, Primipara, war bis zum 
9. Juni 1865 regelmässig menstruirt. Die Schwangerschaft 
fcriief normal. Am 2. Januar 1866 zeigten sich nach Frost 
nd Erbrechen die ersten Wehen. Von dieser Zeit an spürte 
te. F. keine Kindesbeweguugen mehr. Am 5. Januar 6 Uhr 
Abends wurde Herr Dr. S, zu der Kreissenden gerufen. Der 
Hmtenmind war in der Grösse eines Zweithalerstuckes ge- 
Uurdi die 8cb}affe Blase fühlte man deuÜ\c»Yk &«a 



IQß XIII. Verhandlong^n der Oesellsohaft 

Kopf in der rechten MuUerseite, während die linke leer war. 
Die Kopfknochen Hessen sich leicht verschieben und schlot* 
terten gegen einander. Die Wehen waren gut, wirkten aber 
sehi" langsam auf den Fortgang der Geburl, namentlich ruckte 
der Kopf, trotz seiner Kleinheit und Zusammendröckbarkeit, 
nach gesprungener Blase und nachdem der Beckeneingang pas* 
sirt war, fast gar nicht weiter. Gegen 9 Uhr legte Herr Dr. S; 
die Zange an, was nicht ohne Schwierigke^iten gelang, da die 
Kopfknochen wegen ihrer grossen Beweglichkeit leicht aus^ 
wichen. Nachdem der Kopf bis an den Beckenausgang ge- 
bracht worden, war eine Weiterbeförderung nach Entfernung 
der Zange durch Manualhiilfe nicht zu ermöglichen, und bei 
den Versuchen dazu riss der Kopf ab, ebenso wie die ein Mal 
um den Hals geschlungene sehr dünne und welke Nabelschnur. 
Bei dem Versuche mit dem hakenförmig in die Achselhöhle 
eingesetzten Finger den Körper herabzuholen, wich der rechte 
Arm sogleich aus dem Schultergelenke und riss ab. JeUt 
gelang es dem Dr. S, mit den Fingerspitzen über Hals und 
Brust des Kindes zu kommen, und das Geburtshindemiss in 
einer enormen Ausdehnung des Kindesbauches zu finden, 
welcher einer flucluirenden strafTgespannten Blase glich. Durch 
Function mit dem Zeigefinger entleerte sich etwa ein Quart 
Flüssigkeit, welche in starkem Strahle hervorschoss, worauf 
auch der Körper des Kindes sofort folgte. Die Nachgeburt 
wurde nicht gleich ausgestossen , trotz der wiederholt und 
lange fortgesetzten Crec^^'schen Methode; ein Zug an der 
Nabelschnur Hess sich nicht ausfuhren, da sie sehr mürbe 
und da beim Abreissen nur ein kleines Stuck derselben zu* 
rückgeblieben war, und da endlich weder eine Blutung noch 
sonst ein gefahrdrohender Zufall vorlag, so enthielt sich Herr 
Dr. S. vorläufig jedes weiteren Eingriffes. Nach einigen Stun- 
den lag die Nachgeburt in der Scheide. Sie war klein, 
etwa zehn Centimeter im Durchmesser, mürbe und zerreissHch. 
Das Wochenbett verlief bis auf eine ganz leichte Metroperi* 
tonilis normal. Die F. giebt an, im September 1865 einen 
starken Schreck erlitten zu haben. 

Diese Geburtsgeschichte und den Fötus war Herr Dr. 8. 
so gütig mir zu übergeben. 

Die Frucht, dem Alter von sieben Monaten oDtsprecbend, 



ffir Gebnrttbfilfe in Berlin. 167 

ist im Skelett bis auf leichte KiiiDipffisse normal gebaut. 
Am Rumpfe fallt sofort die enorme Fläche der Baucbdeckeu 
auf, welche io reichen breiten Querfallen zwischen Rippen 
und Becken gelagert sind. Die Nabelschnur welk und dünn, 
ist etwa in einer Strecke von fünf Centimeter oberhalb der 
Insertion mit den Bauchdecken verwachsen, und liegt auf 
dieser Strecke als ein wassersuchtig angeschwollener, etwa 
Nannsfinger dicker Kolben. Von Afteröffnung ist keine Spur. 
Die magere Bedeckung des Sacralbeines geht ohne Kerbe, 
ohne Vertiefung in den Damm über, an welchem wieder keine 
Spur einer Genital* oder Urinalöffnung zu finden isL Da- 
gegen sieht man oberhalb des Mons veneris eine etwa gries- 
komgrosse, warzenförmige Hervorragung, welche sich in dem 
Winkel zweier kleiner Hautfallen befindet, von denen sie in 
Form eines A von oben her bedeckt wird. £s lässt sich 
diese Bildung als Andeutung einer rudimentären Clitoris mit 
äusseren Schamlefzen deuten, doch soll bemerkt sein, dass 
man mit der Sonde von diesen Theilen aus durchaus nicht 
in einen Kanal gelangt, noch dass die Haut hier die Beschaf- 
fenheit einer Schleimhaut verräth. Innerhalb der Bauchhöhle 
und ausserhalb des Peritonaei liegt ein grosser Sack , in welchem 
sich rechts und links die Ureteren hineinsenken. Dieser 
Sack, welcher ausgedehnt einen Umfang von 45 Centimeter 
ergiebt, hat keinerlei Ausfülirungsöffnung, sondern communi- 
drt nur mit den beiden Ureteren, welche in geradem Ver- 
kiufe und ohne durch Ruckstauung erweitert zu sein, sich 
aufwärts zu den normal gelegenen Nieren begeben. Der Urin- 
sack ist mit einer Schleimhaut ausgekleidet, welche an ver- 
schiedenen Stellen verschiedenartiges Epithel, und nach unten 
und hinten eine Reihe deutlicher Querrunzeln zeigt. Im Becken 
der Fruclit sind neben dem beschriebenen Urinsacke keinerlei 
Organe vorhanden. Die Nabelschnur hängt an der fnsertions- 
stelle mit dem Urinsacke zusammen^ ohne mit ihm zu com- 
municiren. Zwischen dem Urinsacke und den Bauchdecken 
aber oberhalb der Nabelschnurinsertion liegen rechts und 
links, querverlaufend, zwei rölhlich gefärbte, parallele Kanäle, 
an da* Aussenseite schleifenartig in einander umgebogen etwa 
drei Centimeter lang. In dem unteren Kanäle haftet ein 
Maenartiges, etwa unzengrosses Organ. Eine CommusÄcaL- 



158 ^m* Verhandlnngea der Gesellsoliaft etc. 

tion dieser Kanälchen mit dem Urinsacke ist nicht aufzufin- 
den. Es liegt nahe, diese Gebilde als Tuben und OrMrien 
aufzufassen. Der Dickdarm setzt sich blind endigend an die 
hintere obere Wand des Urinsackes an. Die übrigen Einge- 
weide sind normal gebildet, nur durch den ausgedehnten 
Urinsack in die Höhe gedrängt, sowie der untere Abschnitt 
des Brustkorbes durch die Ausdehnung erweitert isL Herr 
Prof. Virchow, dem ich die Misbildung gezeigt habe, er- 
klärt die Frucht für eine weibliche, und fasst den Sack, wel- 
cher sich dem ersten Anscheine nach als blosse Urinblase 
darstellt, als einen verschmolzenen Genital- und Urinalsaek 
auf, und deutet die verschiedenartig aussehenden Schleimhaat- 
stelleu als der Vagina, dem Uterus und der Urinblase ange- 
hörig. Wenn die beiden oben als Tuben und Ovarien ge- 
schilderten Organe scheinbar an der vorderen Wand des 
Sackes (weil zwischen ihm und den Bauchdecken) liegen, so 
stellt sich dies anders dar, wenn man „vom** und „hinten** 
nach der Insertionsslelle der Nabelschnur orientirt. Die nr- 
spränglicbe Form des Sackes fand ihren Scheitelpunkt in 
der Nabelschnurinsertion. Durch die spätere Füllung mit 
Urin ist namentlich die hintere Wand ausgedehnt und gebeu- 
telt worden^ da die vordere Wand an dem 'Nabelringe ein 
Punctum fixnm hatte, welches eine Dislocaüon nicht zuüeas« 
Alles also, was oberhalb des Nabekinges liegt, ist als der 
hinteren Wand angehörig aufzufassen, und so angesehen liegt 
die Geschlechtsdrüse am nonnalen Orte. 



XIV. Heeker^ Zar Lehre von der Weohselwirkangr etc. 169 



XIV. 

Zur Lehre von der Wechselwirkung zwischen 
Krankheit und den Fortpflanzungsvorgftngen 

von 
€. Hecker. 



Es hat sieb bei mir immer mebr die Uei)erzeugimg aus- 
gebildet, dass die allermeisten clironiscbcn Krankheiten innerer 
Organe durch den Process der Schwangerschaft und seine 
CoDsequenzen eine bedeutende, oft rasch zum Tode fahrende 
Verschlimraerufig erfahren. Ich habe diesen Satz bei einer 
Mhern Gelegenheit^) an einer Reihe von Beispielen zu er- 
hftrieD gesucht, und alle Erfahrungen, die mir in den letzten 
Jahren zu Gebote gestanden, haben ihn nach den verschie- 
densten Richtungen illustrirl. Es ist ja auch so natürlich, 
daw die enorme Abgabe von Bildimgsmatorial, welches für 
die Entwickelung des Uterus und seines Inhaltes erforderlich 
ist, auf schon länger vorhandene Ernährungsstörungen in 
ebem wichtigen Organe einen sehr nachlheiligen Einlluss aus- 
üben muss, und man sieht leicht ein, dass unter gewissen 
Bedingungen ein Moment kommen nmss, wo das mülisam 
aufrechl erhaltene Gleichgewicht des Organismus plötzlich in 
völlige Zerrüttung umschlägt. Diese Bedingungen zu erfor- 
schen ist mitunter gewiss recht, schwierig, aber wenn man 
genau zusieht, handelt es sich doch meist um Compli- 
cationen bei der Schwangerschaft resp. Geburt, die an und 
Ar sich wenig erheblich sind, vielleicht auch bei frühem 
Eatbindungen, wo das chronische Leiden noch nicht bestand, 
allen Anstand ertragen worden waren, nun aber auf 



1) H§ek9r n. Bühl^ Klinik der Gebnrtskande , Leipsig 1861. 



170 ^ly- Httker^ Zar Lehre Ton der WeohaelwirlniBg 

den geschwächten Körper einen tödtlichen Eindruck maclien. 
Wenn ich nun diesmal die Aufmerksamkeit auf die chronische 
Erkrankung der Nieren lenken will, während ich mich früher 
mehr mit Herz- und Lungenkrankheiten heschäfligt habe, so 
geschieht dies, weil überhaupt in dem geschiecbtsreifen Alter 
der Frauen Nierena flectionen nicht gerade sehr häuflg zur 
Beobachtung kommen, und weil mir daran liegt, iii letgen» 
dass auch ohne das Auftreten von Urämie hier ia Folge 
näher zu erörternder Geburtscomplicationen plötzliche Todes- 
fälle zu Stande kommen können. 

1. Morbus Brightii. Beträchtliche Verengerung 
der Luftröhre durch Kropf. Plötzlicher Tod in 
Folge von acutem Lungenödem, Kaiserschnitl 
gleich nach demselben mit ungünstigem Erfolge 
für das Kind. 

Am 28. November 1862 trat eine 36jährige Person in 
die Gebäranstalt ein, die früber in ihrer Heimath schon 3 
Mal regelmässig niedergekommen war. Sie hatte.ein gesundes 
Aussehen, aber es liel an ihr eine bedeutende Entwicklung 
der Schilddruse auf, die durch Druck auf die Luftröhre etwas 
beschwerliches und rasselndes Athmen erzeugte. Dieser Zu- 
stand hatte indessen gar keinen Einlluss auf die Gebart: 
Diese erfolgte an dem Tage der Aufnahme in kurzer Zeit^ 
nachdem erst bei dem Durchtritte des Kindes das Frucht- 
wasser abgeflossen war. Die Wöchnerin nährte das erster«, 
einen V]^ Pfd. schweren Knaben, und wurde am 5. Decenber 
mit ihm gesund entlassen. 

Dieselbe Person suchte am Ende ihrer 5. Schwanger- 
schaft, den 16. Februar 1865, das Gebärhaus wieder auf, 
nun aber unter sehr veränderten Auspicien: sogleich fiel bei 
der Untersuchung eine beträchtliche ödematöse Anschwellung 
der Unterschenkel, der Bauchdecken, sogar der Handrücken 
auf, womit ein bedeutender Gehalt des Urins an Eiweiss, 
weniger an Faser stofl'cylindern correspondirte, so dass das 
Vorhandensein einer stark entwickelten parenchymatösen Nie- 
renentzündung nicht zweifelhaft sein konnte. Das Gesiebt 
war nicht gedunsen, dagegen schien die Anschwellung der 
Schilddrüse gegen früher zugenommen zu haben und in Folge 
dessen die Respiration erschwerter zu sein, die noch am leicb- 



swiaeben Rmnlcheit Q. den FortpflNnsnngsTorgHngen. 171 

Iffsten bei aufgerichtetem Oberkörper von statten ging und 
weithin hörbar war. Die physikalische Untersuchung hatte in 
Being auf etwaige Erkrankung von Lungen und Herz ein durch- 
aus negatives Resultat; überall am Brustkorbe hörte man aber* 
tracbeales Rasseln. Nach dem Umfaflge des Leibes, der 
98 Cm. m3Sß, und nach der vollkonnnenen Durchgängigkeit 
des Innern MuUerniundes zu schliessen^ war die Geburt wohl 
sehr nahe bevorstehend, Zusammenziehungen des Uterus konn- 
leo indessen noch nicht bemerkt werden; das Kind lebte und 
befand sich in erster Scheitellagc im Uterus. Auf Befragen 
tlieilte Patientin mit, dass die stärkere Anschwellung der 
Unterschenkel etwa seit vier Wochen dalire, dass sie sich 
aber, abgesehen von dem erschwerten Athnien, bis jetzt voll- 
kommen wohl gefühlt habe; im Widerspruche hiermit gaben 
aber die Verwandten^ die sie in die Anstalt begleitet hatten, 
aB, dass sie ungefähr 3 Wochen vorher einen Erstickungs- 
anfall durchgemacht hätte. Erscheinungen, die auf Urämie 
la beziehen gewesen wären, fehlten durchaus. Die nächsten 
Tage vergingen nun ohne weitere bemerkenswerthe Verän- 
derungen, am 19. Februar Abends 8V2 ^^^^ klagte Patientin 
aber plötzlich über Dunkelwerden vor den Augen und Hess 
sich von ihren Genossinnen aus dem Schwangernsaale heraus- 
fihren ; angeblich etwas besser wurde sie bald darauf wieder 
nirückgefuhrt , worauf dann nach einiger Zeit ein heftiger, 
schnell zum Tode führender Anfall von Suffocation eintrat. 
Der zu Hülfe gerufene Assistent fand die Kranke auf dem 
Bette ausgestreckt, die Glieder schlaff herabhängend, den Puls 
kauiii fühlbar, die Respiration sehr selten, und auf Versuche, 
darch abwechselnden Druck auf Brust und Bauch bei hervor- 
gezogener Zunge den Lungen Luft zuzuführen, sich nicht 
verändernd. Noch einige tiefe Athemzüge, und das Leben 
war 9 Uhr 5 Minuten erloschen. 

In Folge unrichtiger Bestellung, wodurch etwa 3 Minuten 
verloren gegangen sein mochten, konnte ich die Eröffnung der 
Bauch- und Gebärmutterhöhle erst 7 Minuten nach dem letz- 
len Athemzüge vornehmen. Hierbei traf der etwa 5'' lange 
Sfhnitt in den Uterus gerade die Placenta, die nach vom 
htt Einpflanzungsstelle hatte, und in Folge dessen entstand 
mt nemlich beträchtliche Blutung. Das Kind, welches \e\di\. 



173 ^I^* S^oktr, Zar Lehre von der Weehselwirkung . 

am Steisse aus der Wunde liervorgezogen werden konnte, 
war ein voilkonniien ausgelragener und sehr wohlgebildeter 
Knabe von öVs P^d. Gewicht und 52 Cm. Länge; es hatte 
.durch eine halbe Stunde hindurch deutlichen, mitunter sogar 
kräftigen Herzschlag^ aber alle Bemühungen, es zum Athmen 
zu bringen, durch Lufleinhlasen mit dem Catheter, durch die 
Anwendung der Marshall Hairscheu Methode u. s. w. 
waren vergeblich. Die Placenta fand sich noch vollkommen 
mit der Uteruswand verklebt, musste daher ganz mit der 
Hand abgeschält werden, wobei sich die wie ein Benlel 
schlaffe Gebärmutter zur Wunde heraus umstülpte. Nachdem 
die Bauchwunde durch Nähte vereinigt worden war, föhll« 
man hinter den Wandungen den vorher so welken Utenii 
zu einer festen Kugel zusammengezogen. Die 12 Stundeo 
nach dem Tode angestellte Obduction hatte folgende Resul- 
tate: das Gehirn zeigte sicli etwas weicher als gewöhnlich, 
auch fand sich eine geringe Quantität Wasser in den Ven- 
trikeln und Subaracbnoidalräumen , aber ein eigentliches Ge- 
hirnödem fehlte. Die Lungen waren aufgebläht ond stark 
ödematös, so dass aus den Schnittflächen eine Menge Flüssig- 
keit hervorquoll. Herz ohne Fehler. Die Schilddrüse in der 
Mitte und auf der rechten Seite stark entwickelt; der rechte 
Lappen trat unter dem Schlüsselbeine und der ersten Rippe 
hindurch in das Mediastinum anticum dextrum und erreichte 
dort die Lungenspitze, Luft- und Speiseröhre in Folge dosen 
in einem nach links convexen Bogen stark verschoben und 
durch Compression verengert. Leber sehr gross, enthieli 
vielfache capilläre Ectasien. Die Nieren boten das exquisite 
Bild einer parenchymatösen Entzündung im zweiten Stadium 
dar: die ganz gelbe Rindensubstanz stach gegen die dunkd- 
roth gefärbten Kelche bedeutend ab; nicht nur die Epithelieo 
der Harnkanälchen, sondern auch die Gefässe und Glonäeruli 
zeigten sich fettig dcgenerirt. Der Uterus war zusammen- 
gezogen, seine Schnittränder klafilen in der untern Partie 
etwas. Die Höhle desselben enthielt ziemlich viel geronnenes 
Blut, nach dessen Entfernung sich ein Gewicht von 950 Grm. 
herausstellte. Ueherall in den Gelassen dünnflüssiges schau- 
miges Blut. 

Die Untersuchung der Kindesleiche ergab ausser dünn- 



mwifdien Knuikheit n, den FortpfliiDBiiiig^orgSng^n. 173 

llössiger Beschaflenbeit des Blutes nichts Besonderes. Die 
Erscheinungen des Erstickungstodes fehlten: Luftröhre und 
Bronchien waren leer, nirgends suhpleurale oder subpericar- 
diaJe Ecchymosen walu-zunehmen. Im Uebrigen zeigten sich 
üe Lungen TorlrefQich durch die Kunst aufgeblasen und ohne 
eine Spor von Emphysem. 

Bei der Analyse dieses Falles muss man .augenscheinlich 
auf zwei Factoreti Werth legen, durch deren Combination 
der erzählte Verlauf bedingt worden ist. Patientin halte, 
wahrscheinlich seit langer Zeit, einen Kropf, der allmäiig 
dorch sein Waclisthnm eine Conipression der Luftröhre her- 
beigeführt und dadurch die regelrechte Zufuhr von Sauer- 
iloff zu dem Blute der Lungen beeinträchtigt hatte. Eine 
solche Anomalie ist nun aber an und für sich sehr selten 
im Staude, beängstigende Symptome hervorzurufen, selbst 
wenn der kleine Kreislauf durch Schwangerschaft gestört 
vird; oft genug beobachtet man hier zu Lande Gebärende 
■it sehr umfangreichen Kmpfen und trachealem Athinen, 
ohne dass man darauf ein besonderes Gewicht zu legen ge- 
wohnt wäre, und so hat auch die Patientin einige Jahre 
forber mit ihrer Struma, die damals gewiss nicht viel kleiner 
gewesen war, eine ganz physiologische Geburt durcligemaclil. 
Nun aber ist der zweite Factor, die parenchymatöse Nieren- 
entzniidung hinzugetreten, von welcher dahingestellt bleil>en 
■ag, ob sie mechanisch durch den Druck des scliwangerti 
Dienis auf die Nierenvenen, oder unabhängig davon aus an- 
dern Ursachen entstanden; durch diese Krankheit, deren 
Sjnptom, die wassersüchtigen Anschwellungen verschiedener 
Kdrpertlieile, sich schon seit längerer Zeit entwickelt hatte, 
war die BeschaiTenheil des Blutes bei der Patientin bedeutend 
f9schlechtert imd die Ernährung der einzelnen Organe in 
MieiD Grade gestört worden. Aber auch so intensive Nie- 
ranentzündungen, wie hier eine vorlag, können unter Umstän- 
den nach erfolgter Geburt schnell in Genesung übergehen, 
mögen sie edamptiscbe Convulsionen erzeugt haben oder 
nicht: nicht selten sieht man^ dass der Hydrops im Wochen- 
bette unter enonn vermehrter Üiurese, sanmit dem Eiweiss* 
gelialte des Urin's in wenigen Tagen verschwindet, und so 
Kegt in dem Morbus Brigtliii an und für sich duixliaus Vm« 



174 XIV* ^^ckar. Zur Lehre Ton der WeehaelvirkEiig 

prognostisch allemal durchaus ubel zu deutende Complication. 
Aber nun wirkten die beiden genannten Veränderungen m 
einem Körper, der seit lange sein Bildungsmaterial zum Auf- 
bau eines neuen Wesens verwendete, so ungunstig aufeinan- 
der ein, dass die für das Leben nolhwendigen Bedingungen 
plötzlich aufliörten, die durch den Morbus Brightii hervorge- 
rufene und durch die Schwangersciiafl vermehrte Verschlech- 
terung des Blutes konnte nur unter der Bedingung einer 
vollständigen Oxydation desselben durch genugende Luftsufuhr 
ertragen werden; da letztere durch die verengte Trachea 
schon seit langer Zeit nicht genügend, und zuletzt Tielleicbl 
in besonders insufficientem Grade bewerkstelligt wurde , fo 
hörte das Leben in Folge von Ueberschwemmung der Lan- 
gen mit Wasser auf. 

(Jeher den Werth des Kaiserschnitles an der Todten ist 
in der letzten Zeit vielfach hin und her debattirt worden, man 
ist sogar so weit gegangen, die Berechtigung desselben wegen 
seiner notorischen Erfolglosigkeit für das Kind ganz in Frage 
zu stellen. Von meinem Standpunkte muss ich mich denen 
anschliessen, die, wie Breslau,^) seine Nothwendigkeit für die 
Fälle nachdrucklich betonen, wo die Mutter ganz plötzlieb, 
oder wenigstens nach einer kurzen Agonie zu Grunde gegangen 
ist. Sowohl die von dem genannten Autor an Thieren ange- 
stellten Experimente, als die Thatsache, dass er seihet noch 
^4 Stunde nach dem Tode der Mutter durch die Operation 
ein lebendes Kind gewinnen konnte, sprechen dafür, dase das 
kindliche Leben das mütterüche hier eine Zeit lang über- 
dauert und unter günstigen Bedingungen durch die Kunst 
gerettet werden kann. Auch im vorhegenden Falle war man 
nahe daran, das Kind dem Leben zu erhalten, und wurde 
meiner Meinung nach unfehlbar zum Ziele gekommen sein, 
hätte man nicht in Folge unglücklicher umstände die Eröff- 
nung des Uterus etwas später vorgenommen, als es mögüch 
und statthaft gewesen wäre. Man muss sich nun immer ver- 
gegenwärtigen, dass der Tod der Mutter einen der vielen Um- 
stände abgiebt, wodurch das Kind wegen der Aufhobung der 
Placentarcirculation seines Hespirationsmaterials beraubt wird 



1) MoDAtsscbrift f. GebnrtskiiDde. Bd. XXIV. Hefl 2. 



Bvisehaa Krankheit n. den FortpflansangSTprgängen. 175 

und der Erstickung anheiin fallt; so gut wir nun bei diesen 
uns keine Mübe verdriesserr lassen, das kindliche Leben durcb 
künstliche Entbindung oder durch Beseitigung der Kreislaufs- 
Störung zu retten, und mitunter durch Erfolge belohnt werden, 
die mit der Ungunst der vorhandenen Bedingungen fast im 
Widerspruch zu stehen scheinen, so muss die durch den 
plötzlichen Tod der Mutter für das Kind gesetzte Erstickungs- 
gefahr ganz ebenso energisch beseitigt werden. Zu diesem 
Zwecke kann man sich, wie ich glaube, öfter, als es gescliiehl; 
mit Vortljeil der Entbindung auf dem natürlichen Wege be- 
dienen; sie hat in manchen Fällen gewiss nicht so grosse 
Bedenken, weil ich wiederholt gefunden habe, dass der plötz- 
liche Todesfall mit dem Beginne der Geburt und dem ent- 
sprechend mit einer gewissen Erweiterung und Auflockerung 
des untern Uteriusegmentes zusammenfallt, und sie bietet den 
Vortheil dar, dass man eben hn Momente, wo die drohenden 
Symptome der Erstickung sich zu entwickeln beginnen, Hand 
anlegen kann, und nicht erst den Eintritt des Todes abzu- 
warten braucht. Dass man in dem erzählten Falle von dieser 
Methode keinen Gebrauch gemacht hat, ist wohl leicht be- 
greiflich; verhältnissmässig so lange nach dem Tode war die 
allergrösste Eile geboten, unti man glaubte das Kind eher 
darch den Kaiserschnitt enlwickehi zu können; dass aber das 
sogenannte Accouchement force hier nicijl nur möglich, son- 
dern vielleicht selbst leicht ausführbar war, das dürfte kaum 
önen Widerspruch erfahren. Auffallend war bei der Section 
des Kindes, das die Erscheinungen des Erstickungstodes so 
ganz vermisst wurden, wähi*end doch Niemand nach dem heu- 
tigen Stand der Frage über die vorzeitigen Alhembewegungen, 
die Ansicht vertheidigen wird, dass solche in diesem Falle nicht 
stattgefunden hätten, der Tod vielmehr auf eine andere unlie- 
kannte Weise erfolgt sei; ein analoges negatives Resultat bei 
notorischem Erslickungslode ist mir übrigens doch nicht so 
ganz selten vorgekommen. Weiterhin möchte ich n(»ch auf 
ein Paar Punkte aufmerksam machen. Aehnlicli, wie in einem 
Falle, den ich fiiiber bescbrielHMi,^) wo aber die Operation 
etwas schneller nach dem Ableben der Mutter ausgeführt 

1) 1. e, S. 175. 



176 ^^IV. HeekeTy Zur Lehre Ton der Weekaelwirknng 

werden konnle, hatte die Durchscbneidang der an der for- 
dern Uteruswand angehefteten Phcenta eine bedeutende Blu- 
tung zur Folge gehabt, die auch noch, wie man aus dem 
Vorhandensein von geronnenem Biute in der Gebärmutter- 
höhle schliessen musste, nach der Vollendung des ganzen 
Actes fortgedauert; dagegen war das Verhalten des Uteras 
nach seiner Entleerung in beiden Fällen ein sehr verschiedenes: 
während in dem frühem die von vornherein beobachtete 
Schlaffheit seiner Musculatur, die sogar eine regdrechle Sebnitt^ 
führung verhindert hatte, noch andauerte, so sah man in dem 
jetzigen diesen Zustand in eine kräftige Zusammensiebong 
übergehen, ein Vorgang, der kaum anders richtig verstanden 
werden kann, als wenn man dem den Uterus haupCsäohlich 
versorgenden sympathischen Nervensysteme eine gewisse SeINt- 
ständigkeit gegenüber dem cerebrospinaleh zuerkennt, durch 
welche zu einer Zeit noch Impulse zur Contraction ertheüt 
werden, . wo die Nervencentra schon ihre Function total nnd för 
immer verloren haben. Dass diese Action aber jemals soweit 
gehen konnte, dass durch sie das Kind nach dem Tode der 
Mutter aus der Gebarmutierhöhle ausgestossen werden könnte, 
dafür liegen absolut keine Beweise vor. 

2. Morbus Brigbtii. Blutung aus einer zerrissenen Vene 
des Scheideneinganges nach dem Durchtritte des Kindes. Plötz- 
licher Tod am 6. Tage des Wochenbettes. 

Eine ä9jährige Frau hatte am 5. Juli 1866 ihr nemiles 
Kind, einen grossen Knaben, ohne Kunslhnlfe geboren. Bald 
darauf stellte sich eine bedeutende Blutung ein, die auch nacli 
der Entfernung der Placenta nicht aufhörte und nicht aus dem 
Ulenis stammen konnte, da derselbe ganz fest contrahirt war. 
Bei näherer Besichtigung der Genitalien entdeckte man jetzt 
in der Nähe der Harnröhrenmöndung am Praeputium clitoridis 
in einem tiefen Einrisse in die Schleimhaut eine grössere 
Vene, aus der das Blut im Strahle bei'vorspritzte. Da die 
einige Zeit lang fortgesetzte Conipression mit dem Finger 
nicht zum Ziele führte, so machte man die Umstechung des 
Gefasses, worauf die Blutung sistirte. Die Erscheinungen 
der Blutleere; welche folgten, waren derart, wie man sie oft 
genug im Woclieiibclte wahrniiiimi , und flussten selbst dann 
AeJae erDstUchen Besorgnisse ein, als sicli am dritten Tage 



swisehen Krankheit n. den FortpflausangsTorgängen. 177 

ein heftiger Schüttelfrost mit nachfolgender bedeutender Tem- 
peraturerhöhung, aber ohne Betheiligung des Unterleibes hin- 
zugesellt hatte; am 5. Tage, als man die Umstechungsnaht 
entfernte, war dieser Sturm wieder verschwunden, und die 
Frau bot das Bild einer etwas blutleeren, aber sonst auf dem 
besten Wege befindlichen Wöchnerin dar. Am folgenden Tage 
trat jedoch ein ganz jäher Vorfall ein, der ohne irgend welche 
hervorstechenden Symptome in Tod überging. (Jeher diesen 
sonderbaren Hergang gab die Obducüon insofern Aufschluss, 
als man neben allerdings ziemlich ausgesprochener Anämie 
die Nieren im dritten Stadium der parenchymatösen Entzün- 
dung antraf, eine Veränderung, die früher nicht diagnosticirt 
worden war, weil dazu alle Anhaltspunkte, namentlich Oedem 
der untern Extremitäten gefehlt hatten. Wie war nun der 
plötzliche Eintritt des Todes zu erklären? Ohne Zweifel hatte 
die Affection der Nieren schon seit langer Zeit bestanden und 
sich mit dem Organismus in ein gewisses, die Fortsetzung 
des Lebens ermöghchendes Gleichgewicht gesetzt; sie hatte 
»cb sogar mit der Schwangerschaft relativ gut vertragen, und 
wäre gewiss auch durch das Wochenbett hindurch in ihrem 
mehr latenten Verlaufe verharrt, wenn nicht zufällig ein acuter 
Säfteverlust durch eine nicht gleich zu stillende Blutung hin* 
zugekommen wäre ; dieser war wieder an und für sich durch* 
aus nicht so bedeutend, um das Leben wirklich zu gefährden, 
ond wäre von einer gesunden Person, wie es selbst bei ihr 
den Anschein hatte, leicht überwunden worden, aber ihr Kör* 
per konnte ihn nicht ertragen, weil in ihm ein durch Morbus 
Brightii verschlechtertes Blut circulirte, und hierdurch die 
Möglichkeit einer schnellen Ausgleichung abgeschnitten war. 



>. f. 0«burttk. 1866. Bd. 7LXVI1., Hft. 8. ^^ 



178 ^V- SehUek, Ein aQSgreseiohiieter Fall . 



XV. 
Ein ausgezeichneter Fall von Gummi - Becken 

besohrieboD tod 

Dr. med. Schieck in Leipzig. 

(Mit 2 AbbildongOD.) 



Die reichhaltige Sammlung von Becken der königücheR 
Entbindungsschule zu Leipzig erhielt im März des Jahres 1865 
durch ein Präparat, welches Herr Dr. Klotz, Director des 
Kreiskrankenstiftes zu Zwickau, freundlichst übersandte, einen 
neuen werthvollen Zuwachs. Es belriflt dasselbe einen ex- 
quisiten Fall von Osteomalacia cerea, der ohne Schwanger- 
schaft verlief und durch seine Intensität zu einem letalen 
Ende führte. Die Halisterese ist eine so ausgedehnU; , das« 
noch jetzt, nachdem das Becken ein Jahr in SpiriUis gelegen 
bat, die Dehnbarkeit und Wachsweiche der Knochen im höch- 
sten Maasse erhalten ist. 

Herr Hofrath Prof. Dr. Crede gestattete mir bereitwilligst 
dieses Präparat meiner Dissertation zu Grunde zu legen, aus 
welcher ich mir erlaube , die folgenden interessanteren Er- 
gebnisse meiner Untersuchungen einem grösseren Leserkreise 
durch diese Zeischrift vorzulegen. 

Für die Anamnese und Krankengeschichte nebst Sections- 
befund mögen folgende kurze Angaben genügen. 

Johanne Juliane Afelzer, Handarbeiters Ehefrau aus 
Gelenau, 38 Jahre all, litt als Kind an Rachitis , hatte Ma- 
sern, Blattern und später das iNervenfieber. Mit 13 Jahren 
begann die A/e/if^truation ; dieselbe war stets unregelroässig. 



von Gummi -Becken. 179 

pausirte einmal ^4 Jahre, einmal vier Jahre und ist im letzten 
Lebensjahre nicht wiedergekehrt 

Die Kranke war verheirathet und hat nie geboren. 

Vor 6 Jaliren stellten sich angeblich die ersten Spuren 
der jetzigen Krankheit ein und zwar mit Schmerzen in den 
Höften, im Kreuze und in den Knieen. Die Kranke konnte 
damals nicht auftreten und niusste 6 Wochen lang liegen, 
wonach sich die Schmerzen angeblich wieder verloren. Alle 
Jahre will die Kranke nun Rücklalle dieser rheumatischen 
Afifection gehabt haben mit jedesmal darauf folgender Bcsse* 
rung. — Seit 2 Jahren war das Leiden stationär geworden 
und die Kranke fortwährend an das Bett gefesselt. — Seit 
V2 Jahre begannen Deformitäten des Thorax. 

In der letzten Zeit klagte die Kranke hauptsächlich über 
Schmerzen in den Rumpf- und Beckenknochen. Die Schmer- 
zen waren dem Witterungswechsel sehr unterworfen, von den 
Gelenken die Höften und Schultern vornehmlich afßcirt, die 
übrigen frei von Schmerz. 

Kopfschmerz war zeitweilig vorhanden; kein Schwindel 
und Ohrensausen; der Schlaf, wenn nicht durch die Schmer- 
zen gestört, gut. — Keine Halssymptome. Der Athem kurz, 
seitdem der Thorax deform ist. Kein Husten; kein Herz- 
klopfen. Appetit fehlte seit mehreren Wochen, war froher angeb- 
lich noch gut. Kein Erbrechen, kein Leibweh, Stuhl regel- 
mässig alle Tage ; häufig vermehrter Drang zum Urinlassen 
mit schmerzhaftem Brennen verbunden. Fluor albus schon 
seit mehreren Jahren. Die Mattigkeit so gross, dass die 
Kranke sich nicht allein aufrichten konnte ; kein Frost, keine 
Hitze, dagegen viel DursL 

Die Kranke brauchte gegen ihren Zustand, der*för rheu- 
matisch gehalten wurde, im Sommer 1864 das Wolkensteiner 
Bad 7 Wochen ohne Erfolg. Innerlich will sie nichts weiter, 
als Eisentinctur genommen haben. 

Bei ihrer Aufnahme ins Kreiskrankenstift zu Zwickau am 
13. Januar 1865 ergab sich Folgendes: 

Die Kranke ist klein, schwächlich gebaut, von herabge- 
kommener Ernährung. Die Haut sehr bleich, Muskulatur atro- 
phisch. Temperatur sehr erhöht. Kopf ohne besondere Anoma» 
lien. Thorax in hohem Grade deform, nach voru uw& uä^ 

1^» 



180 ^^- Schieekj Ein ansgeseiebneter Fall 

hinten entsprechend convex ausgebuchtet. In dem vorderen 
von dem Slernum und den Rippenansätzen gebildeten Höcker 
liegen Lunge und Herz, sie bieten sonst nichts Krankhaftes 
weiter dar. Keine Symptome eines Aneurysma. Der Thorax 
ist beim Zusammendrücken von den Seiten her 
sehr schmerzhaft und auffallend nachgiebig. Das 
Zwerchfell hat einen abnorm hohen Stand. Der Leib ziem- 
lich stark aufgetrieben, weich, allenthalben tympanitisch, bei 
Druck wenig empGndlich. Die Leberdämpfung hört einige 
Finger breit vor dem Thoraxraude auf, die Leber ist weder 
auffallend vergrössert, noch verkleinert. Milzdämpfung klein. 
Das Becken ist asymmetrisch, bei Druck sehr 
empfindlich, beim Zusammendrücken von den 
Seiten her deutlich nachgiebig. Die Rückenwirbel 
nach links scoliotisch; vom 1. bis 6. Ruckenwirbel starke 
bogenförmige Kyphose. Der Urin ist frei von Eiweiss, ent- 
hält Phosphatsedimenle. 

Die Behandlung war symptomatisch. 

Unter den Erscheinungen von Verdauungsstörungen, Schlaf- 
losigkeit, Athemnolh, Husten und vielfachen Knochenschmer- 
zen nahmen die Kräfte schnell ab und die Kranke starb am 
22. Februar. 

Die am 23. Februar gemachte Section ergab Fol- 
gendes : 

Der Körper klein, abgemagert; Haut weiss, mit dunklen 
ausgebreiteten Todtenilecken auf dem Rucken; Todtenstarre 
mittleren Grades. 

Kopf ohne besondere Anomalie. 

Thorax zeigt die erwähnte Sternal- Ausbuchtung. Rippen 
ausserordentlich weich und biegsam von knorpelartiger Be- 
schaffenheit, auf dem Durchschnitte bei Druck eine Töthliclie 
fettige Flüssigkeit enlleerend. Pleurahöhlen ohne Flüssigkeit, 
Lungen frei, nach hinten gedrängt, klein; die* unteren Lappen 
comprimirt, luftleer, die oberen hyperämisth , schwach öde- 
matös. Herz, in der Sternalausbuchtung gelagert, vergrössert, 
besonders in seiner rechten Hälfte, mit schlaffen dünnen Wan- 
dungen, schlussfahigen Klappen. 



von Gommi -Becken. X81 

Der Leib stark aufgetrieben, besonders nach der Brust- 
höhle hin. Die Leber normal gross, mit abgestumpften Rändern, 
auf dem Durchiscbnitte hellbraun, von eigenthümlichem matten 
Glauz. Die Milz klein. Beide Nieren etwas zu gross, ziem- 
lich blutreich. Der Magen und Darmkanal ohne besondere 
Anomalien. Die Harnblase weit. Der Uterus nach links gela- 
gert, klein, atrophisch. 

Das Becken asymmetrisch, weich, wie Kautschuk biegsam, 
besonders von den Seiten her. Die Knochen des übrigen 
Körpers (Wii*belknochen, Extremitäten) weich, compressibe^ 
leicht zerbrecbUch ,' auf dem Durchschnitte ausserordentlich 
porös, mit einer fettigen rölhlichen Gallerte erfüllt. 

Beschreibung des präparirten Beckens. 

Schon aus den beiden in halber natürlicher Grösse an- 
gefertigten Abbildungen ergiebt sich, dass sich an dem uns 
vorliegenden Becken alle charakteristischen Erscheinungen der 
Osteomalacie vorfinden. Vor Allem auffallend ist die Senkung 
des Kreuzbeins zwischen den beiden Darmbeinen mit in den 
Beckeneingang hineingedrängtem Promontorium , die beträcht- 
liche Knickung des Kreuzbeins, die Schnabelbildung der ho- 
rijonlalen Schambeinäste und die bedeutende Verengerung 
des Beckenausganges. Ausserdem sind die correspondirenden 
Theile beider Beckenhälfllen in hohem Grade asymmetrisch. 

Die Senkung des Promontorium zwischen den beiden 
Darmbeinen ist eine so vollständige, dass die Linea innomi- 
nata nicht, wie gewöhnlich, nach dem Vorberg zu in die Höhe 
steigt, sondeni sich auf beiden Seiten, namentlich rechts, 
unter das Niveau einer Ebene, parallel zu den horizontalen 
Schambeinästen gestellt, senken rouss, um den Vorberg zu 
erreichen. — Die Kreuzbeinflugel verlaufen nicht mit den 
Dannbeinschaufeln in einer Fläche, sondern von unten und 
vorn nach oben und hinten, eine Stellung, die sie dadurch, 
dass das Promontorium so weit gegen den Beckeneingaiig 
vorgedrängt ist, anzunehmen gezwungen waren. Beide Kreuz.- 
beinfiügel ersclieinen schmäler, namentlich der rechte, das 
PromQDtorium wurde dadurch nach der rechten Seite gezo- 
geO| und das Kreuzbein erhielt eine Richtung von rechts oben 



Ig2 XV. Schiech, Ein ausgezeichneter Fall 

nach links unten. — Die Kreuzbein wirbel lassen sich an dem 
Präparate, das gerade an dieser Stelle sehr weich ist und 
sich deshalb vom Periost nicht befre'en liess, da beim Ver- 
such, dasselbe zu entfernen, stets Stucke aus dem Knochen 
mit abrissen, nicht genau von einander abgrenzen. Die- 
selben sind im höchsten Grade verkümmert und zusammen- 
gedrückt und zwar erstreckt sich die Verkruppelung nicht 
nur auf die schwächeren Stellen der untern Partien, obwohl 
diese, sowohl in Bezug auf Höhe und Breite, als nament- 
Tich Dicke, am meisten atrophisch erscheinen, sondern auch 
auf die compacte Knochensubstanz der oberen Kreuzbein- 
wirbel. Der obere Theil des Os sacrum verläuft vom Pro- 
montorium, unter einem ziemlich scharfen Winkel abgehend, 
fast gerade nach hinten, der untere Theif hingegen ist, mit dem 
obern in der Gegend des 2. — 3. Kreuzbeinwirbels einen spitzen 
Winkel bildend, horizontal nach vorn gerichtet. Die hintere 
Fläche des Kreuzbeins, an der die Knickung nicht so auffol- 
lend ist, als vorn, gleicht mehr einem stark gekrümmten Kreis- 
segment. Die obern Domfortsätze sind mit der umliegenden 
Bandmasse so innig verschmolzen, dass eine scharfe Unter- 
scheidung unmöglich wird, doch sind sie als noch vorhanden 
deutlich hervortretend. Die untern dagegen sind entweder 
ganz geschwunden, oder doch so sehr zusammengedruckt, dass 
die Fläche beinahe glatt erscheint. 

Das Steissbein ist im Gegensatze zu dem Kreuzbeine wieder 
unter einem rechten Winkel abgebogen und verläuft mehr nach 
unten und hinten. 

Der letzte Lendenwirbel, der an dem Präparate noch 
vorhanden ist, überragt das Promontorium nach vorn circa 
Va Gm. , daneben ist die rechte Seite des Körpers weniger 
hoch als die linke, die erste Anlage zu der compensatorischen 
Scoliosis dextra der unteren Lendenwirbel zu der Scoliosis 
sinistra der obern Brustwirbel. 

Während die linke Darmbeinschaufel eine mehr senk- 
rechte Richtung eingenommen hat und so ihre Crista ziemlich 
hoch zu stehen kommt, ist die der rechten Seite flacher und 
mehr horizontal gestellt. Auf der linken Seite geht von der 
Linea innominata ab, die Schaufei erst einen Zoll weit nach 
aussen, daon, wo die Knochenplatten anfangen dünner zu 



von Gomini - Becken. Igi3 

ivorden, steigt dieselbe, uuler eineoi ziemlich scharren Winkel 
nach oben. Die Knickungsstelle, namentlich auf der hintern 
Fläche ist sehr deutlich ausgebildet, beginnt vorn gleich ober- 
halb der Spina inferior und verlauft in einem nach unten 
con?exen Bogen nach der Grista ilei, 1 Zoll oberhalb der 
Symphysis sacro-ihaca. Dabei ist die Darmbeiuschaufel im 
Vergleich zu andern normalen Becken, tiefer ausgehöhlt. 
Am rechten Darmbeine ist eine Knickung gleich der der lin- 
ken Seite nicht vorhanden, oder doch wenigstens kaum an- 
gedeutet. Die Durchsichtigkeit beider Darmbeinschaufeln hat 
zugenommen, sie sind beide in ^er Ausdehnung eines Zwei- 
Ibalerstilcks im höchsten Grade durchscheinend. 

Der linke horizontale Schambeinast zeigt vom Tuber ileo- 
pectinaeum anfangend eine starke Gonvexität nach innen und 
eine dergleichen im geringern Grade nach unten, eine wirkliche 
Knickungsstelle lässt sich nicht nachweisen. Der. entsprechende 
Tbeil der rechten Seite besitzt neben einer gleichen Form nach 
innen, eine bedeutendere Gonvexität nach oben, sein Niveau 
überragt das der andern Seite um beinahe 1 Gm. Die Höhe 
des obern Randes der Scliamfuge entspricht, denkt man sich 
das Becken in der Lage, die es bei der Lebenden angenoin- 
men hat, der Gartilago intervertebralis zwischen Promontorium 
und letztem Lendenwirbel. Die rechte Seite des obern Randes 
der Symphysis steht gegen das Tuber ileo-pectinaeum derselben 
Seile tiefer, die linke Seite etwas tiefer als die reclite, aber 
immer noch einige Linien höher als das Tuber der linken 
Seite. An der Schnabelbildung nehmen die horizontalen Scham- 
beinäste ihrer ganzen Länge nach Antheil. 

Der 1/ukc absteigende Scham- und aufsteigende Sitzbeinast 
ist soweit ohne besondere Abnormität, nur dass ihre Gon- 
vexität nicht nach aussen, sondern nach innen gestellt ist. 
Anders verhält es sich mit der rechten Seite. Der absteigende 
Scham- und aufsteigende Sitzbeinast ist mehrfach geknickt 
und gebogen, so dass der Knochen einem S nicht unähnlich 
sieht. Die erste Biegung, von der Symphyse anfangend, sieht 
mit der Gonvexität einestheils nach rechts und zugleich nach 
tmieu, während die Gonvexität der untern Biegung mehr nach 
vom und links zeigt. Dass natürlich unter solchen Verhält- 



184 ^^* Sehie^j Ein aasgeseichneter Fall 

nissen das Foramen o?ale der betreffenden Seite im höchslen 
Grade seine Form verändern musste, versteht sich von selbst; 
während nämlich das der hnken Seite seine normale Gestalt 
beibehalten, gleicht das der rechten einer Niere mit dem llilus 
nach links. 

Das Tuber ischii rechts ist durch die Verkürzung der 
angrenzenden Knochenstücke um 2 Cm. höher gestellt als das 
linke, welches auch weniger Masse zeigt. 

Der Schamhogen, wenn man die Apertur unter der Sym* 
physe noch mit dem Namen „Bogen'* bezeichnen daK, 
wird anfangs von den beiden parallel laufenden, abstei- 
genden Schambeinästen begrenzt, erst c. 1 Zoll unterhalb der 
Symphyse biegt der Knochen der rechten Seite nach aussen 
um. Die Pfannengegenden sind nicht, wie es sonst bei deo 
osteomalacischen Becken zu sein pflegt, nach der Beckenliohle 
als vorspringende Höcker eingcti*ieben. Beide Pfannenhöhlen 
stehen nach vorn, so dass man, das Becken von vorn be* 
trachtet, beide zugleich in ihrer ganzen Ausdehnung überseiien 
kann. Eine weitere Eigenthümlichkeit zeigt sich im Be* 
trachten der Pfannen in Bezug auf ihre Höhe; auf der rechten 
Seite steht nämlich der obere Pfannenrand hoher als die Sym- 
physe, während dies auf der linken Seite gerade umgekehrt 
der Fall ist. 

Die Spinae ischii haben normale Stellung, sind aber 
einander genähert und bedingen so eine Verengung des Becken- 
ausganges. 

Schliesslich komme ich noch mit wenigen IVorten auf 
die Raumverhältnisse des Beckens im Ganzen zu sprechen. 
Was zunächst das grosse Becken anlangt, so ist (^sselbe na- 
mentlich in seiner linken Hälfte, durch das steile Empor- 
steigen des linken Darmbeins verengt, während die rechte 
Seite, eineslheils durch die mehr horizontale Lage der Darm- 
beinschaufel , anderntheils durch die grössere Excavation des 
Darmbeins relativ mehr Raum bietet. 

Wichtiger sind die Verhältnisse des kleinen Beckens. 
Der Beckeneingang hat seine querovale Form fast ganz ein- 
gebüsst, das Promontorium springt vor, der Querdurcbmesser 
hat an Länge abgenommen, der gerade ist anscheinend länger 
geworden, die ganze Form gleicht einem Kartenherzen mit 



TOn Gommi-BeckeD. 186 

abgestampfter Spitze. Die Beckenweite so genommen, dass 
sie in den Knickiingswinkel des Kreuzheins hineinpassl, bietet 
gerade an dieser Stelle bedeutend mehr Raum dar, als der 
Eingang. Der Beckenausgang wieder ist noch bedeutender 
verengt als der Eingang, einestheils trägt zur Verengung der 
weit nach vorn geschobene, geknickte Theil des Kreuzheins 
bei,' anderutheils die nach innen getriebenen Spinae ischti und 
die einander genäherten Tubera ischii. Die Beckenneigung 
ist eine geringe. Das BtH^ken ist demnach ein allgemein ver- 
engtes, dessen Querdurchmesser namentlich verkürzt und dessen 
Ausgang noch enger erscheint als der Eingang. 

Das grösste Interesse erregt an dem vorliegenden Becken 
die schon erwähnte gummiähnliche Dehnbarkeit und Biegsam* 
keit seiner Knochen. Hier eine kurze Besprechung derjenigen 
Puncle, die am meisten nachgiebig sind. 

Die Darmbeine sind nach der Crista zu in solchem 
Maasse ohne alle Ge*walt zu biegen und zu drücken, dass der 
Kamm wellenförmig erscheint ; die Spinae lassen sich sowohl 
mindestens einen Zoll einander nähern, als auch mehr von 
einander entfernen; ebenso lasst sich die Knickung des linken 
Darmbeines leicht ausgleichen und noch mehr vertiefen. Stets 
aber kehren die Knochen beim Nachlassen des Druckes in 
ihre alte Lage schneller oder langsamer zurück , ganz wie 
ein Stück Kautschuck die frühere Gestalt und Lage wieder 
annimmt. 

Auch der Lendenwirbel zeigt eine solche Nachgiebigkeit 
des Knochens, dass sich seine ovale Form leicht in die kreis- 
runde überführen lässt. 

In weit höherem Maasse aber ist die Wachsweichheit der 
Knochen am kleinen Becken und hier vor Allem an dem 
Kreuzbeine und dem rechten absteigenden Schambeine bemcr- 
kenswerth. Das Kreuzbein lässt sich nämlich mit Bequem- 
lichkeit mit der Spitze dem Promontorium bis zur Berührung 
nähern und ebenso leicht sich in seine normale Lage aus- 
dehnen. In dem Maasse ist das Kreuzbein an seiner Knickungs- 
slelle beweglich, dass man versucht ist, anzunehmen, es sei 
dort an Stelle des Knochens ein fibröses Band getreten, eine 
Anncbt, die nach den microscöpischcn Untersuchungen osteo- 
malacischer Knochen sich ganz wohl vertheidigen ^es^e. ^vw 



186 X^- Schieck, Ein auigeseiebneter Fall 

Durchsclmitt an dieser Stelle wurde zu Gunsten des Präparates 
Bieht gemacht £benso ist das Os sacrum von der Seite her 
comprimirbar und lässt sich seine Spitze mit dem Steissbeine 
nach Belieben mehr der linken oder rechten Beckenhälfte 
einschieben. 

Ist der Beckeneingang, so weit er von den Darmbeinen 
gebildet wird, im Ganzen genommen, weniger dehnbar und 
bietet er, ohne desshalb fest und unnachgiebig genannt werden 
zu müssen, der Extension mehr, der Compression geringeren 
Widerstand, so sind wieder im exquisiten Maasse die hori- 
zontalen Schambeinäste biegsam, sie lassen sich sowohl bis 
zur Berührung einander nähern, als auch so weit dehnen, 
dass der Schnabel ganz schwindet und die dreieckige Gestalt 
des Beckeneingangs in eine nierenförmige nbergefuhrl wird. 
Noch mehr, es lässt sich auch das Promontorium etwas aus 
dem Beckenausgange herausdrängen und so erscheint der Becken- 
eingang, wenn auch allgemein etwas zu 'klein, doch beinahe 
in seiner normalen Form. 

Die Pfannen lassen sich ohne Schwierigkeit dem Pro- 
montorium merklich zudrängen und treten dann als kleine 
Höcker in die Beckenhöhle hinein, ebenso leicht lässl sich 
aber die kleine Hervorbachtung der Pfannen durch Gegendruck 
ganz heben. 

Der absteigende rechte Scham- und aufsteigende Sitz- 
beinast, die zusammen eine S förmige Biegung zeigteo, kann 
sowohl ohne Mühe gestreckt, als auch bis zur Winkelstellung 
comprimirt werden. Ist die Biegung ausgeglichen, so er- 
scheint die Apertur unter der Symphyse, wie sie sein soll, 
als Bogen und das rechte Foramen obluralorium hat seine 
normale eirunde Gestalt. 

Auch die absteigenden Scham- und aufsteigenden Sitz- 
beinäste lassen sich einander nähern und von einander ent- 
fernen, in hohem Grade auch die Tubera ischii. 

Lässt sich so durch Druck von «allen Seiten her, der 
bekanntlich- überhaupt die osteomalacische Form des Beckens 
bedingt, die Beckenhöhlc und namentlich der Eingang und 
Ausgang so sehr verengern, dass kaum zwei Finger quer 
Platz haben, so lässt sich durch entgegengesetzten Druck 



TOD Gnmiiii - Beeken. Ig7 

pbeiiso leicht das Becken in dem Maasse erweitern, dass die 
ganze Hand eingeführt werden kann. Ist dies jetzt noch 
möglich, nachdem das Becken, so lange in Spiritus gelegen, 
doch mehr oder weniger erhärtet ist, in wie viel höherem Maasse 
muss dies während des Lehens möglich gewesen sein? Schade, 
dass unter solchen Verhältnissen der Knochen keine Geburl 
stattgefunden hat. 

Alle Knochentheile sind su wt>ich, dass sie ohne weitere 
Vorbereitung sidi mit dem Messer wie Knorpel schneiden, ja 
sich selbst microscopische Durchschnitte mil Leichtigkeit aus 
ihnen anfertigen lassen. Beim Einschneiden knirschte das 
Gewebe nur höchst unbedeutend. Auf dem Durchschnitte zeigt 
der Knochen grosse leere Laciinen. 

Das Periost ist theilweise verdickt und lässt sich an 
den meisten Stellen nur mit Verletzung des Knochens selbst 
von letzterem abziehen. 

Beckenmessung nach paris. Zoll und Centimeter. 
Orosseii Beck en. 

ZU. Lid. Cent. 
Entfernung der Spinae ilei ant. sup. labiuni ex- 
tern 8 — 21,8 

„ „ sup. lahium in- 
tern. .... 7 4 19,9 
,, „ infer. labium in- 
tern 5 4 14,6 

Entfernung der Spina ilei ant. su]). dextra zur 

Spina anter. in- 
fer. sinistr. . . 7 — 19 
„ „ sup. sinistr. zur 

Spina ant. infer. 
dextr. . * . 6 3 17 
„ „ sup. sinistr. zur 

Mitte der Sym- 
physe (oberer 
Rand) ... 3 11 10,7 
„ „ sup. dextr. zur 

Mitte der Sym- 
physe (oberer 
BaDd) . . . 4 VO 1^^ 



18g XV. SehUeky Ein aiifl««Mieb«eier Fall 

ZIL Lin Cent. 
Entfernung der Spina ilei ant. inf. siuistra xur 

Mitte der Sym* 
pbyse (oberer 
Rand) . . • 2 11 8 

„ „ inf. dextr. zur 

Mitte der Sym- 
physe (oberer 
Rand) ,..349 

„ „ sup. dextr. zur 

Linea innom. an 
Symphysis sa- 
cro-i]iaca . . 3 7 9,8 

„ „ sup. sinistr. zur 

Linea innomi- 
nata an Sym- 
physis sacro- 
iliaca .... 3 4 9 

„ „ sup. dextr. zum 

Proc. spin. des 
letzten Lenden- 
wirbels ... 5 8 15,5 

,, „ sup. sinistr. zum 

Proc. spin. des 
letzten Lenden- 
wirbels ... 5 10 16,0 

„ ,, sup. dextra zur 

Mitte des Pro- 
mont. ... 4 11 13,3 

„ „ sup. sinistr. zur 

Mitte des Pro- 

mont. ... 4 3 11,6 

dextra 
,. ,t sup. . . - zur 

smistra 

Spin, ilei post. 

dextra - „ ^ ^ « 
sup. -^-r—- 5 3 14,2 
smistra 



▼on 6iixDiiü-B«ekeD. Ig9 

ZU. Lin. Cent. 
Eotfernung der Spina ilei ant. sup. dextr. zur 

Spin. post. sup. 

sin 7 _ 19 

„ „ sup. sin. zur 

Spin, post sup. 

dextr. ... 6 6 17,7 
„ „ sup. dextr. zur 

" Spin. post. inf. 

sin 7 3 19,7 

„ „ sup. sin. zur 

Spin, post inf« 

dextr. ... 6 4 17,1 
„ „ sup. zum Tuber 

ischii derselben 

Seite .... 5 5 14,7 
„ „ sup. zur Spin. 

ant inf. dersel- 
ben Seite . . 1 6 4,4 
„ „ post sup. sin. 

zum obern Rand 

der Symphyse . ö 5 14,7 
„ „ post. sup. dextra 

zum obeni Rand 

der Symphyse . 5 3 14,8 
„ der Cristae oss. ilei labium extern. 8 4 22,7 
„ der Cristae oss. ilei labium intern. 7 6 20,4 
Schräger Durchmesser des grossen Beckens 
(▼on Spin. ant. sup. zur Mitte der Crista 

der andern Seite) 7 5 20,2 

Excavation des rechten Darmbeins .... 1 2 3,2 
Excavation des linken Darmbeins .... 1 — 2,8 

Kleines Becken. 

Conjiigata externa 4 10 13,2 

„ ' diagonalis 3 4 9,1 

„ Yera 3 11 



180 ^y» Sehieek^ Ein äatgeaetehneter Fall 

ZU. Lin. Cent. 
Mitte des Promontorium zur grössten Einbie- 
gung des horizontalen Schambeinastes 
(kleinster gerader Durchmesser) ... 2 2 6,9 

Oistantia sacro-cotyloidea sinistr 1 11 5,3 

„ „ dextra .... 1 10 5,0 
Linker schräger Durchmesser des Becken- 
eingangs 3 9 10,2 

Rechter schräger Durchmesser des Becken- 
eingangs 311 10,7 

Querdurchmessef des Beckeoeingangs ... 4 1 11,1 
Entfernung der.Tubera ileo-pectinea ... 3 5 9,4 
„ horizont. Scbambeinäste an 

ihrem Ursprünge .... 3 1 8,5 
„ horizont. Schambeinäste in 

ihrer Milte 1 9 4,8 

„ horizont. Schambeinäste 1 Zoll 

von Symphyse 1 — 2,8 

Breite des Os sacrum an der Linea innomin. 3 7 9,8 
Querdurchmesser am Scheitel der Incis. ischia- 

dic. m^jor. . . . . ^ 4 5 12,0 

Pfannenabstand 2 10 7,8 

Symphysenbreite von einem For. oval, zum 

andern 1 6 4,1 

Entfernung der Tub. ischii labium extern. .4 1 11,1 

intern. . . 2 10 7,7 

„ <]er Spinae pubis .2 9 7,5 

„ „ post. superior. ... 2 1 6,0 

„ der Spina posL infer 3 10 10,6 

„ • ,r post. sup. dextr. vom 

Proc spioos. des letzten 
Lendenwirbels ... 1 13 
„ „ post. sup. sin. vom 

Proc. spio. des letzten 
Lendenwirbels ... 1 4 3,7 
Entfernung von Mitte der Symphyse nach 

Knickungs Winkel des Kreuzbeins . , •. 4 7 12,5 
(Gerader Durchmesser des Bt^ckenausgangs .2 8 7,3 



TOB Qnminf- Becken. 



191 



Höhe dse Promontorium zur SteissbeinspiUe 
(verticaJ) 

Läoge des obern Stucks des Os sacrum . . 

Länge des untern Stucks des Os sacrum 

Hübe der Linea innomin. zum Tuber iscbii dextr. 

Höhe der Linea innomin. zum Tuber iscbii sin. 

Höhe der Symphyse 

Entfernung des Tuber ischii sin. vom obern 

Rand der Sym- 
physe . . . 
j, „ dextr. vom ob. 

Rand der Sym- 
physe .... 

Entfernung der Spin, ischii dexti*a von Spitze 

des Steissbeins 



.11. 


Lin. 


Cent. 


1 


11 


5,2 


2 


— 


5.5 


1 


8 


4.5 


3 


— 


8,1 


3 


5 


9,4 


1 


6 


4.2 



4 1 11,1 

3 3 8,8 
1 7 4,2 



„ „ sin. von Spitze 








des Steissbeins 


1 


4 


3,6 


„ „ dextr. von Mitte 








des Promont. . 


2 


3 


6,2 


„ „ sin. von Mitte 








des Promont . 


2 


6 


6,8 


Kleinster Absland der absteigenden Scham- 








beinäste 7 Linien unterhalb des Scham- 








bogens (an der Knickungsstelle des rech- 








ten absteigenden Schambeinastes) . . . 


— 


8 


2.0 


Höhe des linken Foramen ovale 


1 


U 


5,1 


Breite des linken Foramen ovale .... 


1 


3 


3,5 


Höhe des rechten Foramen ovale .... 


1 


9 


4,8 


Breite des rechten Foramen ovale .... 


■"^ 


10 


2,2 



Die microscopische Untersuchung der Knochen, 
bd welcher mir Herr Prof. E. Wagner freundlichst zur Hand 
ging, konnte sich nur noch auf das Knochengewebe erstrecken, 
da das zarte Mark durch die lange Aun)ewahrung in concentrir- 
tem Weingeist, so sehr verändert und meistentheils so^o^v 
vollkommen geschwunden war, dass eine microsco\^WcYv^ V^w- 



102 XV. Sckietky Eia atugeseichBeter Fall 

tersuchuDg nicht mehr zulässig erschien. Die Untersuchung 
zeigte sich aber auch wieder dadurch begünstigt und erläch- 
tert, dass das Präparat stets feucht erhalten, sich ohne jede 
weitere Vorbereitung zu microscopischen Schnitten yerarbeiten 
liess. Die Resultate meiner Beobachtungen bestanden, -wie dies 
nicht anders zu erwarten war, nur in der Bestätigung dessen, 
was Lambt und C. 0. Weber ') schon vor Jahren veröffent- 
licht haben. 

Am normalsten erschien der Knochen an der Aussen- 
Seite des linken Darmbeins, entsprechend der Linea arcuata 
externa; die Grundsubstariz zeigte dort ein fast normales, nur 
schwach körniges Aussehen, die Knochenkörperchen waren in 
gewöhnlicher Menge vorhanden, deutlich zackig und mit zahl- 
reichen Ausläufern versehen. — Schnitte ferner, welche dem 
äussersten Rande der linken Crista ilei entnommen wareri, 
gewährten insofern einen vom Normalen durchaus abweichen- 
den Anblick, als man, mitten in annähernd wohlerhaltenem 
Knochengewebe , kleine Inseln von Knorpel eingesprengt fand, 
welche theils unmittelbar, theils durch Vermittelung einer 
faserigen und körnigen Grundsubstanz, an einander grenzten. 
Die Zwischensubstanz der knöchernen Partien unterschied sich 
von derjenigen der Knorpelinseln durch ihre lamelläre Structur 
und durch ein dunkleres körnigeres Aussehen. Die Grenze 
zwischen beiden war bald ziemlich scharf gezogen, bald auch 
wieder die Knorpelinseln von dem Knochengewebe durch 
schmale Zuge eines undeutlichen und grobfaserigen Gewebes 
mit eingelagerten spindelförmigen Körpern geschied^. Die 
knorpeligen Partien erreichten steilenweise die inneren Lagen 
des Periostes, in welchen Fällen die mehr homogene Grand- 
substanz des Knorpels gegen das Periost hin eine fibrilläre 
Structur und die Knorpelzellen allmalig den Character der 
Bindegewebskörperchen annahmen. 

Ich verfertigte nun Durchschnitte von den am meisten 
erweichten Stellen, und zwar zunächst von dem absteigenden 
rechten Schambeinaste. Ich fand daselbst, im Vergleiche zum 
normalen Knochen, die Havers^^hen Kanäle erweitert, die 



1) Kutan, Das balisteretische Becken etc. Bonn, 1867. 
/?. 72 seq. 



von Gomini -Becken. 198 

Snbstaoz des Knochens im ganzen Umkreise des betreffenden 
Lamellensystems erschien durchsichtiger, mit Andeutung ihrer 
• coocentrischen Schichtung; die Knoclienzellen ganz zusam- 
mengedruckt^ spaltförmig, in Spitzen auslaufend , anscheinend 
ohne Auslaufer. Am ehesten glich das Bild einem starren 
Fasergewebe mit zellenartigen , den Bindegewebskörperchen 
ähnelnden, Elementen, ohne jede Spur ?on Kalksalzen. Nur 
das interlamelläre Gewebe hatte ein opakes Aussehen , war also 
der Kalksalze nicht vollständig beraubt^, seine Zellen entspra- 
chen ganz und gar normalen Knochen körperchen. Knorpel- 
inseln konnte ich an diesen Stellen, gleich wie an Präparaten 
der Spina ilei posterior superior, der Knickungsstelle des 
Kreuzbeins und des Steissbeins, die alle den eben geschil- 
derten Bildern mehr oder weniger glichen, nicht finden. 
Ebenso wenig gelang es mir, das, von Recklinghausen ^) bei- 
nahe im Centrum der spongiösen Substanz der beiden letzten 
Lenden wirbelkörper eines osteomalacischen Beckens gefundene 
Seheibchen hyaliner Knorpelsubstanz an meinem Becken nach- 
zuweisen. — Die Markräume zeigten sich überall stark er- 
weitert. 

Im Ganzen also fand ich die Grundsubstanz feinstreifig, 
weklier und durchscheinender geworden, ohne, ihre lamellöse 
Anordnung um die Gefässe aufgegeben zu haben, sie glich 
an vielen Stellen faserigem Bindegewebe. Die Knochenkör- 
perchen fast überall noch als solche erkennbar, schienen we- 
niger reich an Ausläufern, stellenweise von normaler Grösse, 
an andern Puncten schmäler und, vielleicht, gleichwie das 
ganze Becken durch Druck seine Gestalt verändert hat, auch 
durch Druck von den Seiten her, spaltförmig gestreckt Ob 
die einzelnen Knorpelinseln, als Entzündungsproducte , wie 
denn Virchoto *) und Andere die Osteomalacie als einem 
entzündlichen Processe entstammend aufgefasst haben wol- 
len« anzusehen sind, wage ich nicht zu entscheiden. Durch 
welche Veränderung der Ernährung des Knochens, ob 
etwa von den Knochenkörperchen die Halisterese ausgeht, 
oder, was mir wahrscheinlicher ist, von den Havers^schen 



1) MoAatsschrift für Geburtskunde, 2H. Band 2. 3. p. %. 
S) Virehow^B Archiv, 4. Band. 1852. pag. 307. 
MomÜMeir. f. QeburUk, 1866. Bd. ZXVII., Hft. 8. 13 



104 XV. 8cki0ck, Ein MigeteiehBeter Fall 

Canälen aus, da im Umkreise dieser die Kalksalze am meistea 
geschwunden und auf ein blosses Bindegewebssubstrat redu- 
cirt schienen, kann nur Gegenstand der Untersuchung an fri- • 
sehen Präparaten sein. 

Die chemische Untersuchung der Knochen. 

Die chemische Untersuchung, die ich unter Leitung des 
Herrn Dr. Huppert vornahm, musste sich auf die anorga- 
nischen Bestandtheile erstrecken, da die organischen Bestand-* 
tbeile wegen der Aufbewahrung des Beckens in Spiritus einer 
genauen Untersuchung nicht mehr zugänglich waren. Doch ver«- 
dient in Uebereinstimmung mit den Angaben von C, Schmidt 
und C. G, Lehmann über den Gehalt osteomalacischer Kno- 
chen an freier Säure die Wahrnehmung hervorgehoben zu 
werden, dass das Wasser, mit welcliem der zerkleinerte Kno- 
chen gewaschen wurde, saure Reaction annahm. 

Zur Analyse wurde ein Lendenwirbel verwendet. Nach 
der Befreiung desselben von den Bandmassen, dem Knorpel 
und dem Zellstoff, wurde derselbe klein geschnitten, mit 
Wasser so lange gewaschen, bis dasselbe mit salpetersaurem 
Silber keinen Niederschlag mehr gab, und dann vollständig 
mit Alkohol und mit Aether ausgezogen. Dabei nahm der 
ursprunglich hellgelbe Knochen eine immer dunklere Farbe 
an. Zur Bestimmung des Gehalts an anorganischer Sub- 
stanz wurden zwei Portionen des Knochens bei 110® C. ge- 
trocknet, eingeäschert, der Ruckstand mit kohlensaurem Am- 
moniak schwach geglüht und gewogen; sie gaben 25.66 und 
26.76 % Asche, also nicht ein Mal halb so viel als gesunde 
Wirbel, was mit dem geringen Gehalt des Knochens an 
wirklicher Knochensubstanz übereinstimmt. Von der feinge-^ 
pulverten schwach röthlichen Asche wurde eine Portion zur 
Bestimmung der Kohlensäure mit Borax geschmolzen, die 
andere wurde in Salpetersäure gelöst, die Lösung nnt Am- 
moniak übersättigt, der Niederschlag mit viel Essigsäure be- 
handelt, und das in Essigsäure unlösliche (basisch phosphor- 
saures Eisenoxyd) abflltrit und gewaschen; mit dem Filtraie 
gab salpetersaures Silber nur eine ganz schwache Trübung; 
das überschüssige Silber wurde mit Salzsäure entfernt und 
^1/ der FJüs$igkeU erst Ammoniak gesetzt, bis es nur noch 



von (ahiinmi- Becken. 195 

schwach sauer reagirte, dann oxal saures Ammoniak. Der 
Niederschlag von oxalsaurem Kalk wurde nach dem Glühen 
noch mit kohlensaurem Ammoniak liehandelt. Das Filtrat 
wurde dann mit Ammoniak gefallt (pbosphorsaure Magnesia) 
und die übrige Phosphorsäure endlich als Tripelphosphat ge- 
flUt Nach dieser Analyse bestand die Knochenasche aus 
8.6 ^/o basisch phosphorsaurem Eisenoxyd , 74.5 % basisch 
pbosphorsaurem Kalk, 9.9 ^/^ basisch phosphorsaurer Magne- 
sia, 91% kohlensaurem Kalk und Spuren Chlor; sie wich 
also in ihrer Zusammensetzung kaum von den normalen Kno- 
chen ab; nur enthielten die Knochen mehr Magnesia und 
Eisen, ^Is man gewöhnlich angegeben findet, und dem ent- 
sprechend weniger Kalkphosphat. 

In der mir zugängigen Literatur fand ich, abgesehen 
von den Fällen, wo das ßecken der Abbildung nach exquisit 
osteomalacisch , der Beschreibung nach aber als rhachitisch 
aufgeführt worden ist ^), nur wenige Fälle über Osteomalacie, 
bei welchen diese nicht in Folge oder zugleich mit Schwanger- 
schaft oder Geburt auftrat. 

Ich verweise in dieser Beziehung auf die Beobachtungen 
von Waldeck^), Niederer^), Münch*), Fleischmann ^), 
Barnes % S. das Nähere in meiner Dissertation, Leipzig 
1865. 

Die verschiedenen Lehrbücher und Abhandlungen über 
Geburtshülfe, die ich in Betreff des operativen Eingreifens bei 
bedeutender osteomalacischer Beckeneuge nachgelesen, kommen 
beinahe alle in dem Schluss uberein, dass das einzige Mittel, 



1) Hohl, Rachitis und OflteomRlAcie ete. Leipeig:, 1852. 

2) Waldeckj Dr. Martin^ Beschreibung eines durch Osteo- 
malacie vernnstalteten Beckens. Inangnral-Dissertation. Lands- 
bnt, 1832. 

3) Niederer, Dr. Johann^ Ueber die Osteomalacie des Beckens 
nach den Pubertätsjahren einer etc. Junj^frau. Dissertation. Bern, 
1848. 

4) Müneh, Beitrags zur Lehre von dem osteomal. Becken. 
Oittertation. Giessen, 1861. 

5) Fleiachmann, Leichenöffnung^en. Erlangen. 181&. p. 242. 

6) Barne»t Medico-Chirnrgical Transactions. London^ 1862, 
Band 46. 



19Q XV. Schieckt Eis aasgeseiohneter Fall 

die Geburt bei diesen Zustanden zu beenden , in Ausübung 
des Kaiserschnittes geboten sei, ohne Rücksicht darauf asu 
nehmen, ob der Krankheitszustand der Knochen, das heisst 
ihre Erweichung und folglich auch Nachgiebigkeit und Bieg* 
samkeit noch forlbestelie oder zum Abschluss gekomme» sei. 
So nehmen Spiegelberg ^), Siehold^^) wwA Kiwisch^) über- 
haupt keine Rucksicht auf die durch Osleomalacie bedingte 
Beckeuenge, sondern enipft^hleu einfach bei dem kleinsten 
Durchmesser von 2 Zoll und darunter die Eröffnung eines 
neuen Geburtsweges. 

Hohl% der Rachitis mit Osteomalacie identiOcirt, sagt, 
dass die Geburt nach den ersten Antallen von Spät- Rachitis 
(OsteomaJacie) durch die Geburlskrüfle allein für Mutter und 
Rind glucklich beendet werden könne, dass aber nach meh- 
reren Anfallen, die Deformität, die Zange, die Perforation, 
selbst den Kaiserschnitt (Conj. von 2 Zoll und darunter) er- 
fordere. 

Andere Autoren erwähnen die Thatsache, dass bei der- 
artigen Becken natürliche Geburten beobachtet worden sind, 
ohne aber hieraus irgend welche Winke für die Praxis zu 
entnehmen. 

So meint Krause^), dass man auf Nachgiebigkeit der 
Knochen, wie solche beobachtet, nicht . rechnen dürfe, und 
Braun ^) fuhrt zwar an, die Knochen seien weich, nach- 
giebig und Hessen sich durch die eingeführte Hand oder l>ei 
massigen Verengerungen der Reckenräumlichkeiten etwas erwei- 
tern, empfiehlt aber doch, ohne auf diese Dehnbarkeit der 



1) Spiegelberg y Lehrbach der Gebnrtshülfe. Lnhr, 1858. 
pag. 223. 

2) Siehold, Lehrbuch der Oeburtshülfe. Brannsehweigf, 1864. 
pag. 307. 

3) Kiwiech, Die GebiirtHkunde. IL Abthetl. Erlaugen, 1861. 
p. 196 seq. 

4) Hohl, Lehrbuch der CieburlHhülfe. Leipzig, 1855. p. 49. 
673, 1073. 

5) Krause, Die Theorie und Praxis der Gehortshülfe. Berlin, 
18o3. iL Theil. p. 239. 

ti) Braun, Lehrbuch der Oeburtshülfe. Wien, 1867. p. 416. 
4Ö3 seq. 



TOfi Oammi- Becken. 197 

Knochen Rücksicht zu nehmen, bei einer Beckenenge von 
ilberhaupt 1" — 2" als einziges Mitte) für die wahrscheinliche 
Rettung des Kindes und mögliche, aber höchst unwahrschein- 
liche der Mutter die Sectio caesarea (absolute Indication). 

Scanzoni^), der gleich Hohl zwischen OsteomaJacie 
und Rachitis keinen Unterschied kennt, erwähnt die von 
Wdchmannf Barlow etc. beobachtete Biegsamkeit der ver- 
engten osleomalacischen Becken während der Geburt, hält sie 
aber für die grössfen Ausnaiimen und stellt bei dem kürzesten 
Durchmesser von unter 2^1^ Zoll, als einzige rationelle Hülfe 
bei den durch Knochenerweichung im höchsten Grade verengten 
Becken, den Kaiserschnitt auf. 

Crede^) geht schon einen Schritt weiter, er spricht über 
die höchst unbedeutende Erweiterung des Beckens in seinen 
Verbindungen und fahrt dann fort : „Dagegen hat man beob- 
achtet, dass verengte Becken, bei denen die die Verengung 
bedingende Knoqh^nkrankheit (Osteomalacie) zur Zeit der Ge- 
burt noch besteht, durch Auseinanderweichen ihrer biegsamen 
Knochen sich für den Durchtritt des Kindes hinreichend 
erweitern können. Wenn auch die Regel oben anstehen muss, 
in solchen Fällen die Kräfte der Natur, soweit nur irgend 
zulässig, %virken zu lassscn, so darf man doch auch nicht 
die geeigneten Fälle und bei ihnen die passende Zeit für die 
künstliche Eröflhung und Erweiterung unbenutzt vorüber gehen 
lassen, da sonst erhebliche Nachtheile für das Kind und 
die Mutter entstehen. Nicht unerwähnt darf bleiben, dass 
wenn die Beckenknochen so biegsame Beschaffenheit (Osteo- 
malacie) besitzen sollten, dass sie nach innen verbogen, nach 
aussen weichen könnten, ähnliche Versuche in passenden Fällen 
aud) künstlich mit der Hand vorgenommen werden könnten.*' 

Gazeanix^) nimmt noch mehr Rücksicht auf den Um- 
stand, dass natürliclie Geburten bei osteomalacischen, in hohen 
Graden verengten Becken vorgekommen und stellt darnach 



1) Seanzoni^ Lehrbuch der Geburtshülfe. Wien, 1863. pag. 
670. 603. 

2) CtBde, Klin. Vorträge Über Geburtshtilfe. Berlin, 1864. 
pag. 806. 812. 

3) Ctt^eaux, traite theoriqne et pratique de VatV» 4«% «k«- 
epueheaents, Farig, 1868. p, 600, 617 seq. -^ 



J98 ^^* Schieckt Ein ansgeBeiohneter Fall 

seioe Indicationeu. Nachdem derselbe die Unterschiede zwischefi 
Rachitis und Osteomalacie besprochen ^ kommt er auf die 
Prognose zu sprechen und schreibt dort über die Osteomalazie : 
„L'osteomalacie a pour premier resultat de produire un ra- 
moUissement extreme du tissu osseux et la deformation du 
squelette n'est que consecutive. Or ce ramollissement, quand 
il existe encore au moment de Faccouchement, offre afu prac- 
ticien une ressource bien precieuse, quelque soit d'aiüeurs le 
degre du retrecissement. 11 resulte, que souvent les os con- 
servent encore au moment de racconchement assez de soo- 
piesse pour se laisser dilater spontanement et permettre i'ex- 
pulsion du foetus ou du moins son extraction artificielle. Le 
medecin pourra enfin par l'exploration manuelle constater, dans 
quelques cas un ramollissement tel, que les os c^dent ä la 
pression d'un ou plusieurs doigts. Nu) doute qu'alors il ne 
puisse compter sur Faccouchement spontan^ ou du moins sur 
le succes d*une application de forceps ,% faile avec mena- 
gement/^ 

Grenser^) stellt die Indication noch bestimmter, er be- 
spricht die Wahrnehmung, dass die Knochen osteomalacischer 
Becken zur Zeit der Geburt nachgaben und so die Ausschlies- 
sung der Frucht mit oder ohne Beihfiife der Natur ermög- 
lichten und fährt dann fort: „Ehe man sich daher zur Vor- 
nahme einer bedeutenderen Operation, zumal zur Sectio 
caesarea eutschliesst, sollte man nie unterlassen, das Becken 
durch wiederholte Untersuchung während der Geburt und nach- 
dem die Wehen hinreichend lange gewirkt haben, in Bezug 
auf etwa stattfindende Biegsamkeit der Knochen zu prüfen/* 

Kilian^) endlich kommt zu dem Schluss: „Es kann 
durch die Osteomalacia cerea, in sofern sie sich in den 
Knochen des Beckens und namentlich seiner Vorderwand 
äussert, eine so weitgehende Nadigiebigkeit und Dehnbarkeit 
der Beckenwandungen herbeigeführt werden, dass sogar bei 
scheinbar absoluter ßeckenenge noch die Geburt eines aus- 



1) Qrtnaer, NägeUs Lehrbuch der Gebnrtsbfilfe. Main», 1863. 
pag. 634. 

2) Kilian, Dae halisteretisohe Becken etc. Bonn, 1867. 
Pßg'. 96 aeq. 



Ton Gommi- Becken. X99 

getragenen und lebenden Kindes theils durch die alleinigen 
Kräfte der Natur, theils durch milde Kunsthilife (Zange, Wen- 
dung) ohne alle Beeinträchtigung der Integn'tdt der Knochen, 
möglich wird, und es müssen die bis jetzt bekannten Fälle 
der Raunierweiterung, als feste Anhaltspuncte zur bestimmten 
That und energischen Handeln betrachtet werden/* 

Lässt auch die durch OsteoniaJacie bedingte Beckeuenge 
in vielen Fällen die Geburt auf normalem Wege nicht ge- 
schehen, so ist doch auf die mögliche Nachgiebigkeit der 
Beckenknochen, die sich in manchen Fällen freilich erst wäh- 
rend des Geburtsactes selbst nachweisen liesS; im Allgemeinen 
von der grössern Anzahl der Geburtshelfer bis jetzt zu wenig 
Rücksicht genommen und eine grosse Anzahl der eingreifend- 
sten Operationen, von denen namentlich die Sectio caesarea 
die ungünstigsten Resultate ^) geliefert hat, vollzogen worden, 
bei denen die Beckenknochen Dehnbarkeit genug besessen 
haben, um die Geburt auf leichterem und gefahrloserem Wege 
erfolgen zu lassen. 

Zur Bekräftigung meiner eben ausgesprochenen Behauptung 
erinnere ich schliesslich an eine, freilich nur geringe, Anzahl 
von Fällen, von Cooper^), Welchmann^), Humphry^) 
Pagenstecher ^) und Breslau ^)y bei denen, nach VoUfüh- 
mng des Kaiserschnittes, sich die Knochen nachgiebig zeigten 



1) Vergleiche: Winkel^ Monatsschrift für Oebnrtskunde XXII. 

p. 40. 241. 
Btuchf Lehrbuch der Qeburtskunde. Berlin, 

1836. 
Kilianf Die operative GeburUhülfe. Bonn, 

1834. 
Dormann, Monatsschrift für Gebartskunde XX. 

321 etc. 

2) Medical Observations and Inqniries etc. Vol. V. pag. 
217 seq. 

3) The London Medical Jonrnai. Vol. XL London, 1790. 
p. 46 seq. 

4) Assoc. Journal. Sept. 1856. p. 193. u. Schmidt'B Jahr- 
bfieher Nr. 92. p. 308. 

6) SchmideB Jahrbücher. Nr. 84. p. 60. 
6) Monatsschrift für Gebartsknnde. 1862. Band XX. ya^. 
366 ■•q. 



"l 



200 ^V* SekUck, Ein ausg^eseichneter Fall von Gammi-Beoken. 

und dann an eine grössere Menge von Beobachtungen, wo 
durch Nachgiebigkeit der Beckenknochen, bei anfangs abso- 
luter Enge, lebende Kinder geboren wurden, von Duvemey ^), 
Hofmeister ^\ Noury ^\ Barlow^), Fleiachmann^), Wetd-- 
mann^), Rügen'') ^ Cazeaux^), Lange% Kutan ^*^), Sie- 
ioZd"), Feist ^^), Winkel ^^), Schmitz ^^), über welche in 
meiner Dissertation näher berichtet worden ist. 



1) Duverney , trait^ des maladies des Os. Tome II. p. 297. 

2) BusVb Magazin für die g^esaramte Heilkunde. XIX. 1825. 
Heft 8. p. 517 sq. 

5) Gaiette medioale de Paris. T. II. Nr. XXIII. 4. Joni. 
1881 pag. 197. 

4) Hullf John, Observations on Mr. Simmons deteotion etc. 
Manch. 1794. 

6) FUischmann, Leichenöffnungen. Erlangen, 1815. p. 168. 

6) Weidmann j J, F., De forcipe obstetricio etc. Mogan- 
tiaoi, 1813. p. 56 seq. 

7) Gemeins. Zeitschrift für Gebortskande. 1831. Band VI. 
Heft 3. pag. 401 seq. 

8) Ca%taux, trait^ thdorique et pratiqne de Tart des accon- 
chements. Paris, 1853. p. 617. 

9) Med. Jahrbücher f. d. Herzogthum Nassau. 11. Heft. 
Wiesbaden, 1853. p. 497 seq. 

10) Kutan, Das haliste retische Becken etc. Bonn, 1867. 
pag. 58. 80. 88. 

11) Siebold, Lehrbuch der Geburtshülfe. Braunschweig, 1864. 
pag. 28, An merk. 

12) Schmidts Jahrbücher. 1853. Bd. 80. p. 53. 

18) Monatsschrift für Geburtskunde. XVIII. Suppl. p. 207. 
14) Scanzoni, Beitrüge zur Geburtshülfe und Gynäkologie. 
Bd. IV. 1860. 



XVI. M^Uaner^ Mittheilongen über die ThKfcigkeU «te. 201 



XVI. 

Kittheiltingen über die Thätigkeit und Verhand- 
lungen der Gesellschaft für Oeburtshttlfe zu 
. Leipzig im eilften Jahre ihres Bestehens. 



Jahresbericht 

erBtattet darch den d. Z. Secretär 

Dr. Emil Apollo Meissner. 

Vorgetragen am 24. April 1865. 



All) Tage der Feslfeier des zehnjährigen Bestehens un- 
serer Gesellschaft wurde für das obengenannte Jahr Herr 
Cred^ zum Director, Herr Hennig zum Vicedirector, Herr 
Beck zum Gassirer und Verfasser dieses zum Secretair er- 
wihlt. 

Der Personalbestand der ordentlichen Mitglieder erfuhr 
am 17. März 1865 durch den Tod des Herrn ErnstAdolf 
Julius Schmidt, dereinstigen Mitstiflers der Gesellschaft, 
einen vielseitig betrauerten Verlust Durch seinen Freund, 
Herrn Hennig, wurde unter Mittheilung seines Lebensbildes 
seh) Andenken auch in unserer Mitte gefeiert. 

Zu ordentlichen Mitgliedern wurden aufgenommen die 
Herren DDrr. med. Ernst Ludwig Klemm und Livius 
Fdrst hier. 

Als Geschenke gingen dem Archive der Gesellschafl zu : 
Verhandlungen der medicinischen Gesellschaft zu Leipzig L, 
Dr. Theodor Hermann, zur Lehre vom Kaiserschmtt» 
Dr^J. Lange tiber comprimirte Luft, Grede Ohftwv^ticmum 



202 XVI. lieitsner, Mittheil. üb. d. Thütigkeit q. Verhaodlnngen 

dii foetus situ inter gravidilatem series altera, Grenser 
Beriebt über die Ereignisse in dem königl. säcbs. Entbindungs- 
Institute zu Dresden 1814—1864, Spiegelberg, Bericht 
über die Leistungen in der Geburtsbült'e 1863 (aus Can- 
stats Jahresbericht), M. ß. Freund, die Lageentwickelung 
der Beckenorgane, insbesondere des weiblichen Genitalkanales 
und ihre Abwege u. s. w., — während Herr Hennig mit 
grösster Liberalität einen Theil seiner geburtshülflich-gynäko- 
logischen Bibliothek als Ergänzungsmaterial für den Lesezirkel 
zur Verfügung stellte. 

Die Mitglieder traten im 11. Geschäftsjahre zu 10 wisseu- 
schafllicben (den 119. bis 128.) Sitzungen, sowie bei der 
Feier des zehnjährigen Stiftungsfestes zur 4. geselligen Ver- 
einigung zusammen. 

Von den Verhandlungen der gynäkologisch-geburtshülf- 
Uchen Section bei der vorjährigen Versammlung deutscher 
Naturforscher und Aerzte in Giessen gaben die Herren Crede 
imd Hennig in der 123. Sitzung ein übersichtliches Bild, 
bei welcher Gelegenheit der Erstgenannte, wie es dort ge- 
schehen, so auch hier, seine Modification am Cephalothryptor 
vorzeigte, dazu bestimmt, durch einen rechtwinkelig hervor- 
springenden Doppelzahn das Abgleiten von dem zusammen- 
gequetschten Schädel ebenso zu verhindern, wie es von ihoi 
bereits früher (vergl. 9. Jahresbericht) bei seiner Modüication 
von Simpson's Cephaloklast angegeben worden ist — Der- 
gleichen zeigte Herr Hennig in der darauffolgenden (124.) 
Sitzung eine Anzahl Abbildungen und plastische ModeUe vor, 
um die auf der Giessener Versammlung ilurch SpiegMerg 
entwickelten Vorgänge beim Verstreichen de^ Mutterbalses 
während der Schwangerschaft ansohaulich zu machen. 

Von verschiedenen Mittbeilungen des Herrn Becker* 
Laurich in Ronneburg kam in der 121. Versammlung zu* 
nächst die folgende zum Vortrag: ,JEine aasserorden t- 
liche, Conceptionsfähigkeit zeigte eine Frau H., welche 
seit 12 Jahren verheirathet, jetzt zum 19. Male sdiwangef 
ist Zuerst gebar sie ein ausgetragenes Kind, hierauf abor- 
tirte sie 9 mal im 4. Monat, brauchte darauf das hiesige Bad, 
gebar dann ein Kind am Ende des 8. Monats und abortirte 
JbienMif wieder 7 Maie im 4. Monate und ist m deolsclbeii 



der Oesellscliafk für Gebnrtshciire zu Leipsig etc. 20är 

Monate wieder schwanger, behauptet aber auch diesmal wie- 
der die Zeichen der Fehlgeburt» wie Abgang von bhitigeni 
Wasser u. s. w. zu spüren. Die sehr wohlhabende Bör- 
gersfrau arbeitet so unvernünftig in Unterstützung ihres 
Mannes, dass nicht zu erwarten steht, dass sie die jetzige 
Schwangerschaft bis zu einem glucklichen Ende durchführt; 
sie ist überdem trotz der mit ihren Aborten jedesmal ver- 
bunden gewesenen Blutilüssen. die sie öfters dem Tode nahe 
gebracht haben, dick und wohlgenährt." — Die anschliessende 
Discussion erörterte das nicht ganz seltene Vorkommen von 
Anaemie neben Fettsucht, die Behandlung der Fettsucht nach 
Banting und die analoge Fettdegeneration der Neugeborenen 
nach Hecker und BvhV^ Klinik der Geburtskunde 1. Bd. 
p. 269. 

Eine an demselben Abende ve.rlesene briefliche Notiz des 
Herrn Becker- Laurich betraf die Entsteh ungvon Bla- 
senmoJen - Schwangerschaften, welche derselbe auf 
Grund zweier neuerlichst gemachler Beobachtungen als zu- 
sammenhängend mit nachweisbar im Uterus zurückgebliebenen 
Piacentarresten nach Aborten darzustellen suchte. 

In der 128. Sitzung gab Herr Beck einen Ueberblick 
der histologischen Geschichte der Traubenmolen 
welche nach ihm in zwei Hauptabschnitte zerfallt, nämlich 
1. in die Zeit yor, und 2. in die Zeit nach Kenntniss der 
Placentarzotten. — I. Abschnitt. Der Ausdruck Mole 
wani znerst von Aristoteles (de generatione animantium 
üb. 4. cap. 7.) und Galen (de usu part. lib. 14. cap. 7.) 
gebraucht and zwar im Sinne der Mola camosa. A'etiua 
(Tetrabiblion 4. Serm. 4 c. 79.) beschreibt sie zuerst als 
eine Art Hydrops uteri. Schenck von Graffenberg (Observ. 
med. rarior. lib. 4 Francof. 1665) oder Grafenberg führt 
die Traobenmole bereits unter dem Capitel der Molen auf, 
und Tulpius (Observ. med. Amslel. 1652 pag. 246) erklärt, 
dass manche Schriftsteller diese Molenform Mola aquosa 
nennen. Ende des vorigen und Anfang dieses Jahrhunderts 
bemächtigten sich die Helminthologen der Traubenmole, sie 
sahen sie als wirkliche Entozoen, als Blasenwürmer an, wie 
09z€ (Versuch einer Naturgeschichte der EingeweideN^^tm^c 
iÜmkiiet Körper, Blankenburg 1782 S. 196) uud Brem««ir 



204 ^V^^- MeUtner, Mittheil. üb. d. Thfttisrkeit u. Verhandlnngen 

(Über lebende Wurmer im lebenden Menschen, Wien 1819 
S. 253) beweisen. Auf dem Titelblatte des letzteren Werkes 
ist eine solche Traube abgebildet. Ja, diese Ansicht findet 
sich noch in Gluge^s Atlas der pathologischen Anatomie, 
Jena 1843, Lief. IV. S. 5. — Der zweite Abschnitt der 
histologischen Geschichte der Traubenmole, die Zeil nach 
der Kenntniss der Placentarzotten zerfallt zunächst wieder 
in zwei Perioden, nämlich a. in die Zeit der Kenntniss der 
Gefösse in den Zotten, und b. in die Zeit der Kenntniss auch 
des Parenchyms derselben. — Diese Zeit beginnt mit Ruyach 
(Advers. anat. prima p. 7. Thes. anat. VI. N. 102 — 104. 
Tab. V. Fig. 3 — 6,) der erklärte, dass die Blasen aus einer 
Veränderung der Gefässe hervorgingen. Ihm schlössen sich 
HaUer (Opuscula pathologica Laus. 1768 p. 130.), Wrisberg 
(Nov. comment. Götting, T. IV. p. 73.), SandifoH (Obs. 
anaL path. Lib. II. cap. 3. p. 89. Tab. VI.), Cruveähier, 
(Atlas d'anat. paUi. 1829 Livr. I. PI. I. und 11.) und Andral 
(Path. Anatomie übers, von Becker Th. 11. S. 421) an. 
Allein diese Ansicht konnte sich nicht lange halten, da man 
den Bau der Zotten näher erforschte und das Parencbym 
derselben kennen lernte. Je nach den Ansichten, die man 
von dem Baue der Zotten hatte, erklärte man auch den Ur- 
sprung und die Entwickelung der Cysten. Es entwickelten 
sich besonders zwei Ansichten nach den fundamentalen Streit- 
fragen, ob nämlich die Entartung mehr den Grundeiementen 
der Zotten oder mehr ihrem Ueberzuge zuzuschreiben sei. 
Hier ist zunächst Velpeau (Revue medicale 1827 SepL 
pag. 508. Embryologie und Ovologie des Menschen, deutsch 
von Schwabe, Ilmenau 1834 S. 18) anzuführen, der die 
Gefösstheorie zuerst fallen liess und nachwies, dass die so- 
genannten Hydatideu keine Blasen im gewöhnlichen Sinne 
seien, dass vielmehr der Zustand der Zotten mehr dem eines 
mit Flüssigkeit getränkten Schwammes gleiche. Johannes 
Müller (Archiv 1843. S. 441.) fand, wie er sagt, keine 
Cysten, sondern nur solfde Anschwellungen der Zotten. 
Oierse und Meckel (Berliner geburtsh. Verhandlungen 1847. 
Bd. IL S. 133) nahmen eine Hypertrophie der Zotten mit 
Oedem an, ähnlich dem gewöhnlichen blasigen Oedem des 
Aaasarca. Heinrich MiiUer (Abhandlung über den Baa der 



der GeiellBchaft f&r Geburtshülfe su Leipsig etc. 205 

Molen, Wfirzburg 1847. S. 41. 46.) setzte den Anfang der 
Erkrankung in den äusseren Ueberzug der Zotten, in das so- 
genannte £iochorioii, welches sicli verdicke und in sich 
Höhlen erzeuge, welche nachträglich von einer faserigen Schicht 
des sogenannten Endochorions überzogen würden. Gerade 
eutgegengesetzl der soeben entwickelten Müller*»cheu Ansicht 
suchte Metienheimer (in Müller's Archiv 1850 S. 424. 
Taf. 9 und 10) den Anfang der Blasen in ehier Umbildung 
der in dem Innern der Zotten enthaltenen Zellen zu Cysten 
und sah in Auswüchsen der letzteren den Grund der spä- 
teren traubigen Anhäufung. Virchowy nach dessen Ansicht 
(Würzburger Verhandlungen 1851 Bd. II. 8. 161) sowohl 
die normalen ais die hypertrbphirten Zotten der Hydatidenmole 
aus. einer Fortsetzung desselben Schleimgewebes bestehen, 
welches die GallerU^ des Nabelstranges bildet, zeigte, dass 
die Zotten nur aus zwei wesentlichen Theilen bestehen ^ aus 
dem epithelialen Uebei*zuge (Exochorion) und aus dem schleim- 
gewebigen Grundstocke (Endochorion), der zuerst gefasslos 
ist, später aber Gelasse erhält (Würzburger VerhandL 1853 
Bd. IV.' S. 875), dass dieses Epithel hervorwuchere und 
dass diesen Wucherungen nach einiger Zeit das knospenartige 
Hervorwachsen des Grundstockes (der Papille der Zotte) folge 
und in der Zotte, nicht aber im Epithel die besondere Ver- 
änderung stattfinde, welche zu der Molenbildung führt. 

Der Berichtei*statter theilte in der 122. Versammlung 
eine Uebersicht derjenigen in seiner Privatpraxis vorgekom- 
Dienen Geburtslalle mit, zu denen er wegen Vorfall der 
Nabelschnur neben dem vorliegenden Kopfe gerufen 
war, was ihm unter 646 beobachteten Entbindungen 16 Mal 
begegnet war. Unter den 16 Müttern war nur eine Erst- 
gebärende, 3 befanden sich in der zweiten, 2 in der vierten, 
2 in der siebenten, 1 in der achten, 2 in der neunten, 3 
in der zehnten, 1 in der elften, 1 in der zwölften Nieder- 
kunft Nur in einem Falle gelang anfänglich die Reposition 
der Nabelschnur vollständig (während bei wiederholtem Ein- 
tritt des Vorfalles sie nicht wieder möglich war), und da bei 
seiner Ankunft eine mehr oder minder lauge Zeit seit dem 
Auftreten der Dislocation bereits verflossen war, auch bereits 
driageiide Indicatio vitaJii^ vorlag, so musste fast duvd\%«(v%\% 



206 XVI. Mmaner, Mittheil. Üb. d. Thfttigkeit n. VerhaadluDgen 

die operative Beendigung der Geburt., eintreten. Dabei war 
es fjür ihn von grossem Interesse, noch lebende Kinder zur 
Welt zu bringen in 2 Fallen, wo grosse Nabelschnurschlingen 
kalt und pulslos vor den Genitalien lagen und nur hoch oben 
in der Nahe des Kopfes ein schwaches Vibriren in den- 
selben zu fühlen war; — und ein asphyctisches Kind durch 
methodisch d. i. in bestimmten Zeiträumen wiederholtes Luft- 
einblasen wieder vollständig zu beleben, bei welchem die häu- 
fig wiederkehrenden und ziemlich anhaltenden Wehen fdr 
deren ganze Dauer die Blutgefässe der Nabelschnur strotzend 
gefüllt und den Puls ganz aussetzend gemacht hatten. Die 
Beendigung des Geburtsactes in den beregten 16 Fällen er* 
folgte 1 Mal spontan bei todtfaulem Kinde; 1 Mal durch die 
Naturkräfte nach vorherigen vergeblichen Versuchen, den zu 
hoch stehenden Kopf mit der Zange zu fassen, so lange die 
Nabelschnur noch pulsirle (Kind todtgeboren;) 2 Mal in 
Folge angestellter Perforation (nach vergeblichen Zangenver- 
suchen) bei Beckenenge. (In einem Falle hatten vor ihm 
bereits zwei Aerzte verschiedene Operalionsversuche gemacht); 
8 Mal durch die Zange, dabei wurden 5 Kinder leb'end (bei 
noch hohem Kopfslande in der Seitenlage der Mutter ent- 
wickelt) 2 Kinder todt (in einem Falle gleichzeitiger Aimvor- 
fall der nur erst 7monatlichen Frucht und Aufhören der 
Puisation schon vor seiner Ankunft) und 1 Kind asphyctiscb 
aber noch mit deutlichem Herzschlage geboren, ohne dass die 
Belebungsversuche das Beginnen selbstständiger Athembe- 
wegungen erzielen konnte; endlich 4 durch Wendung and 
Extraction, dabei wurden 3 Kinder lebend geboren, 1 toilt 
(bei gleichzeitigem Vorfalle des linken Armes, schliesslicke 
Extraction des nachfolgenden Kopfes durch die Zange — vor- 
gängiger Schüttelfrost der Mutter) — zwei Mutter starben an 
Metritis septica. — Zwei, auffallender Weise in gleicher Weise 
durch Wendung und Extraction von lebenden Kindern ent- 
bundene Mutter zogen sich im Wochenbette bei mangelnder 
Schonung durch schwere Arbeit Retroflexio uteri zu. 

Für die 120. Sitzung stand eine allgemeine Discussion 
über Caulelen und Hulfsmittel bei schwierigen 
Wendungsfällen auf der Tagesordnung, eingeleitet durch 
iien Berichtersialler. Die aufgestellten Thesen waren folgende: 



d«r GkaeÜMbaft fttr Geburtahttlfe so L«ipiig ete. 207 

1. Die Knie-EHenbogenlage Gebärender in schwierigen Weo- 
dungsfallen ist überflüssig und wird durch die gekrümmte 
Seitenlage mehr denn ersetzt. 2. Die baldige künstliche 
Vollendung der mangelhaften Erweiterung des Muttermundes 
nach abgegangenem Fruchtwasser und bei steigender Ein- 
kiemmuug der querliegenden Frucht ist unbedingt geboten, - 
sie geschehe nicht zu früh, sei mit Vorsicht angestellt, aber 
stets vollständig, ehe man zur Wemlung selbst, resp. zur 
Eitraction übergeht. 3. Die Wirkung des Chloroforms bei 
fest umschlossener Querlage entspricht den gehegten Erwar- 
iQOgeD jiicht. 4. Auch nach längst abgegangenem Frucht- 
wasser haben unterstützende äussere Handgriffe bei der 
imieren Wendung einzutreten. 5. Die Wendungsschlinge ist 
för gewisse (obschon äusserst seltene) Fälle nicht ganz zu 
entbehren. — Die Discussion, welche sich darauf entspann, 
besprach einzelne Missbräuche im Verhallen der Hebammen 
und intonirle zunächst die vorher vollständig durch die Enchei* 
rese zu bewirkende Erweiterung des Muttermundes, um eine 
spätere Strictur des Mutterbalses in dem Momente zu ver- 
böten, wann es sich darum handelt, den nachfolgenden Kopf 
lu entwickeln, ßleibe auch Chloroform bei zu fester Um- 
schliessung der quer gelagerten Frucht erfolglos, so sei die 
snbcutane Morphium-Injection angezeigt, das wirksamste Ar- 
caoum sei zumeist zeitweiliges Aussetzen aller Wendungsver- 
sttcbe. Auch wurde bei dieser Gelegenheit der Vorschlag des 
d. Z. Bezirksarztes Dr. Leopold zu Glauchau: „man möge 
in Fällen von Querlagen mit noch stehendem Wasser, das- 
selbe durch ein um den Arm des Operateurs geschlungenem 
und fest an die Schamspalte angedrücktes Handtuch sich 
zur leichteren VoUfuhrung der Wendung zu erhalten suchen,'' 
als erfahrungsmässig nicht sehr erbeblichen Nutzen bringend 
heieicbneL 

In der 127. Sitzung sprach Herr G ermann über vier 
Fälle von Ruptura uteri spontanea; Fehlerquellen 
der Diagnose; Laparotomie oder Extraction? unter 
Vorlegung von drei der betreffenden Präparate. Von den 
raiigetheilten Fällen ist der erste vom Sprecher in der Mo- 
natsschrift für Geburtskunde Bd. XHl. S. 210, der zweite 
uml dritte aber in der i/zauguraidissertation von £m8t Kor*- 



208 ^VL ifeiM9Mr, Miltheil. üb. d. Thfttigk«ft n. VerhMkfllim^ii 

mann (lieber Dterusrupturen in forensischer Beziehung, Ter* 
theidigt Leipzig 30. Decbr. 1864 S. 17 u. 20) iiereils ver- 
öffentlicht, der vierte dagegen, der sich erst wenige Tage 
zuvor ereignet hatte, in der Kürze folgender: Die Arbeiterin 
'in einer Fabrik nahe dem städtischen Vorwerksgute Pfaffen- 
dorf fohlte daselbst während der letzten Schwapgerschafl 
beim Heben einer Last die Empfindung eines Risses im 
Leibe nebst nachfolgenden heftigen Schmerzen, die Sich aber 
auf dem Heimwege unter gleichzeitiger Besserung des All- 
gemeinbefindens etwas mässigten. Als unter Blutung bedeu- 
tende Zunahme der Schmerzen wieder eingetreten war, zeigte 
sich Einkeilung des vorgefallenen rechten Armes der quer- 
gelagerten und vermöge einnr Achsendrehung des Rumpfes 
halb mit dem Rucken und halb mit dem Bauche vorliegenden 
l^rucht, wodurch die Wendung längere Zeit d. i. bis zum 
Eintritt von Ohnmächten unmöglich gemacht wurde; auch 
musste ihr wegen allgemeiner Beckenenge — die Section 
ergab ein scharfkantiges und Stachel - Becken — später 6wi 
Perforation des nachfolgenden Kopfes folgen. — Die Möglich- 
keil, während des Lebens eine richtige Diagnose der ein* 
getretenen Uterusruptur zu stellen, hängt von dem Zeitpunkte 
der Schwangerschaft, Grösse und Sitz des Risses, der Lage 
des Kindes, den anamnestischen Verhältnissen, etwaigen An- 
deutungen der Gravida oder deren Umgebung hinsichtlich des 
etwa vernommenen Geräusches bei Entstehung der Ruptur 
und sonstigen Erscheinungen ab. Das Zurücktreten des vor- 
liegenden Kindestheiles und darauf eintretende Bewq^Kcbkeit 
des Kindes ist durchaus nicht überall, wie man gemeint hat, 
zu beobachten ; das Fühlen des Kindes dicht unter den Baucli- 
decken, ein Zeichen, auf das sonst sehr viel Gewicht gelegt 
wird, fehlte in allen vorerzählten Fällen, wogegen eine we- 
nigstens zum Theil veränderte Bauchform mitunter auf die 
Wahrheit führen kann. Blutung zur Zeit des Risses ist 
allerdings das constanteste Symptom, doch ist dieselbe sehr 
oft nicht auch nothwendig äusserlich sofort wahrnehmbar, da 
der Austritt des Blutes durch den sich vorlagernden Kopf 
oder einen anderen Kindestheil gehindert sein, oder der 
Erguss in die Bauchhöhle u. 8. w. stattfinden kann. Der 
plötzlich eiügeU'etene Tod des Kindes, zusammengciialten mit 



4«r OMeUMhftft für Geburtthülfe tn Leipiig eto. 209 

piöUlichen Veränderungen im Befinden der Mutter wird nach 
(?.'s Ansicht noch die sichersten Wegweiser bieten. Als 
solche Veränderungen werden gewöhnlich plötzlicher Wehen- 
nachlass und Collaps der Mutter, wie sonstige Nervenzufalle 
derselben bezeichnet, doch können die Wehen auch nach ein- 
getretenem Uterinalrisse noch fortdauern und alle Nervenzu- 
fille fehlen, wie denn in einem der mitgetheilten Fälle keine 
AhBung der vorhandenen schweren Verletzung (Darmvorfall 
dorch Uteras und Scheide) und dagegen selbst vollständige 
Heiterkeit vorhanden war, so dass kein einziges der sonst 
fBur pathognomonisch gehaltenen Kennzeichen sich als solches 
in allen Fällen bewährt hat. Um so leichter ist aber eine 
Täuschung mögiidj, wenn der Arzt zu einem schon bereits 
•eil längerer Zeit bestehenden Risse hinzugerufen wird, den 
Torberigen Verlauf also nicht mit beobachten konnte. — Das / 
einzuschlagende operative Verfahren anlangend, wurde 
^ die Extraction des Kindes an den Füssen, oder am Kopfe 
mit der Zange (je nach Lage des Kindes) als zumeist vor- 
loziehen bezeichnet, wo sie überhaupt anwendbar sei und 
me schnelle Beendigung der Geburt bei noch lebendem 
Kinde sidi hoffen lasse. Ist dagegen der Muttermund nicht 
genügend erweitert, das Becken verengt oder sonstige Hinder- 
nisse vorhanden, sei die Laparotomie zu empfehlea Der 
Natur dagegen sei der Fall bei exspectativem Verfahren zu 
überlassen, wenn alle Reizerscheinungen bei der Mutter vor- 
über sind, das Kind todt, der Uterus fest contrahirt ist und 
die Ruptur' sich im Grunde der Gebärmutter befindet. 

Die Herren Koümann und Helfer berichteten im An- 
schlüsse daran über einen ähnlichen Fall, der drei Tage vor- 
her mit dem Tode endigte. Bei einer 34 Jahre alten Schuh- 
machers Ehefrau M. (welche die ersten beiden Kinder ohne 
Konsthülfe geboren halte, zum dritten Male wegen Steisslage 
unter dem Beistande des Herrn Kollmann niedergekommen 
war) hatte am 16. Febr. nach Ablauf der vierten Schwanger- 
schaft Herr K. den tief im Becken stehenden Kopf durch 
leichte Zangentractionen entwickelt. Nach der Geburt des 
Kindes, welches dreifache Nabelschnurumschlingung zeigte 
qnd todt war, zeigte sich sehr wenig Blutabgang; die Nacb- 
l^urt aber wj»r durch die Hebamme enlfeml Nvotd^eiw. — 

atommtMohTs f. QehurUk, 1866, Bd, XXYU,, Hft. 8. 14 

ik- 



210 XVI. MtUtner, Mittbeil. Bb. d. ThStifirkeit v. Verhttidlangen 

Nachdem das Befinden am ersten Tage, lachte OhnmaehliHi 
abgerechnet, befriedigend gewesen war, zeigte sich am zwd- 
len Tage ein sehr blasses Ansehen, kleiner Puls 129, Er- 
brechen und Sclimerz im Leibe. — Inzwischen war bereits 
die Behandlung der Frau M. Herrn Helfer übertragen, dieseni 
aber nicht nur die vorherige Operation verschwiegen, sondern 
selbst auf Befragen versichert worden, die Geburt sei aUeiti 
durch die Naturkräfte zu Ende gefuhrt. Herr H, bericbtat 
ober den Befund Folgendes: „Gesicht blass, gelblich waehüH 
artig, verfallen, kalt anzufühlen; Fat. klagt über grosse AtheflJ- 
noth, kein Schleimrasseln hörbar, Bauch tympanitisch uoge- 
heuer aufgetrieben, lleocoecalgegend bei Druck schmerzhalt, 
bis zum Poupartischen Bande herab und auf der linken Seite 
verbreitet bei der Percussion Dämpfung wahrnehmbar; Zunge 
belegt, feucht; Durst übergross, immerwährendes Würgen; 
fünfmal war gallig-schleimiges Erbrechen, Stublausleerung da- 
gegen nicht dagewesen; Puls klein, 144 bis 150 in d^ 
Minute, Blutabgang aus der Scheide sehr spärlich; die vor^ 
zunehmende Untersuchung per vaginam konnte wegen lu 
grosser Reizbarkeit und Schmerzhafligkeit nicht ausgefObrt 
werden. Diagnose: Peritonitis acutissima mit Exsudatioo in 
die rechte Seite der Bauchhöhle. Ob das Exsudat aus filot 
oder Eiter bestände, konnte aus der Anamnese nicht geschlos- 
sen werden. Ebenso war die Entstehungsursache jenes sieb 
schnell entwickelnden Collapsus , des Erbrechens und Wür- 
gens zweifelhaft, (ob innere Verblutung oder Darmverschlingang 
die Ursache sei), weil nach Angabe der Umstehenden die Frau 
sich bis gegen Morgen wohl gefühlt und erst aswisdien 7 
und 8 Uhr das Erbrechen sich eingestellt habe. Ordination: 
Sinapismus ad abdomen, darauf Cataplasmen, Clysma, innerlidi 
Emulsio oleosa cum Extr. opii aquoso gr. IV ad SIV, stündlich 
einen Esslöfiel voll zu nehmen; Eispillen. — Abends ^2^ Ubr 
gleicher Zustand, nur dass der Puls von 144 auf 126 — 136 
(jedoch immer noch klein) herabgegangen; die früher kühl 
gewesene Haut mit reichlichem Schweisse bedeckt. Das blasse 
Gesicht war wieder roth gefärbt, Erbrechen nicht wieder da- 
gewesen, das Würgen selten und auf kurze Momente anf^ 
treten, Tympania^s zugenommen, daher grosse Athemnotb; 
Huaieo behindert, keine Expectoratioa. Medicio wird got ver- 



der Geiellschaft fSr Geburtshülfe zu Leipiif( atc. 211 

(ragen, Eispillen sehr gern genommen, Clysma, weil ohne Er- 
folg, wiederholt. Sensorium ungetrübt bis zum Tode, welcher 
am 18. Febr. früh 3/48 Uhr nach plötzlich verstärktem Col- 
lapsuft eintrat. — Secüon am 19 Febr. Morgens nach 8 Uhr 
von Dr. JB. Wagner angestellt: Körper mittelgross, wenig 
gut genährt, von schlaffer Musculatur, geringem Unterhaut- 
fettgewebe, graugelber Hautfarbe. Spärliche violette Todten- 
flecke, schwache Starre. Beide Lungen in den unteren Lap- 
pen sehr comprimirt, sonst blutreich, stark ödematös durch- 
tränkt , Herz normal. Leib 5 — 6 Zoll über das Brustbein 
8pit2 aufgetrieben hervorragend. In der Bauchhöhle circa 
3 — 4 Pfd. fast rein blutiger Flüssigkeit; Leber etwas fett- 
reich, sonst normal; Milz und Nieren normal; Magen sehr 
aufgetrieben, reichliche graugrüne, Flüssigkeit enthaltend. Die 
Schlingen des Jejunum und Ueum sehr aufgetrieben, viel Luft 
enthaltend, leicht verklebt; ihre Oberfläche mit ganz dünnen, 
eitrigen, klebrigen Massen bedeckt^ nach deren Entfernung 
die Serosa eine deutliche Injection wahrnehmen lässL Uterus 
circa 672" lang, b" breit, weich und schlaff anzufühlen, zeigt 
anf seiner Serosa, wie die Dünndärme, einen ganz dünnen, 
ätrigen, fibrinösen Beleg, unter welchem eine leichte Injection 
wahrnehmbar ist. Uterushöhle nicht eröffnet. Der Cervical- 
canai geht continnirlich in die Vagina über. An der hinteren 
Seite des Uterus, etwas nach links, zeigt sich ein circa 2" 
langer, von dem iimeren Muttermunde ausgehender, bis '/«'^ 
über den äusseren Muttermund sich erstreckender, von 
ganz weichem, schmuzig graurothem, ödematös geschwelltem, 
sulzigeni Gewebe umgebener, stark klaffender Riss. Die Rän- 
der desselben haben circa ^l^" in der Umgebung die gleiche 
Structur, und gehen plötzlich hi scheinbar gesundes Uterus- 
gewebe über. Serosa längs des Risses circa 2V2 Zoll vom 
Dterusgewebe losgetrennt. Vagina und äussere Genitalien 
uormal. Die mikroskopische Untersuchung der Umgebimg des 
Risses (des weichen Gewebes) durch Prof. Dr. E. Wagner^ 
zeigt eine starke Fettmetamorphose der glatten Muskelfasern 
und des Bindegewebes, an einigen Stellen sind stärkere, fettig 
entartete Züge wahrnehmbar, welche oft von geringer, fettig 
entarteteo Zwischensubstanz getrennt sind.'* 

Eine gleiche anatowjscbe Grundlage muss iml ^<^%%V«c 

14* 



212 XVI. Meisner, Mittheil. üb. d. T^iXtigrkeit q. Verhandlangaii 

Wahrscheinlichkeit in zwei Fällen angenommen werden, welch« 
nicht zur Section gelangten, aher für den Berichterstatter, m 
dessen Praxis sich dieselben im Verlaufe der letzten drei 
Jahre ereigneten, Veranlassung wurden, in der 126. Sitzung 
das Auftreten von hochgradiger Atonie und Collap- 
sns Gebärender und das angezeigte Verfahren des 
Hebarztes in dergleichen Fällen zum Gegenstande einer 
Besprechung zu machon. — Die genannten Zufälle, weldie 
den Geburtsarzt nicht selten in die unangenehmste Lage vei^ 
setzen, werden in niederen Graden häufig in der Nachgeburts- 
periode mit oder ohne heftige Blutung beobachtet, sind meist 
mit mangelhaft eintretender Lösung der Placenta, welche audi 
dem Crcrfe'schen Verfahren stetig trotzt, verknöpft und ver- 
langen meist die künstliche Trennung durch die eingefAbrte 
Hand und Alkoholica, namentlich guter Wein leistet hier das 
Meiste, und wird nöthigenfalls in Form von Klystiren appli- 
cirt, wo die Einfuhrung durch den Mund nicht möglich ist. 
Ein schneller, überstürzter Geburtsverlauf, eine grosse An- 
zahl bereits vorausgegangener Geburten bedingen meist das 
Auftreten hochgradiger Atonie in der Nachgeburtsperiode mid 
bald nach deren Ablauf. — Weit bedenklicher mid gefahr- 
voller sind aber dergleichen Erscheinungen in den froheren 
Stadien des Geburtsverlaufes (d. i. vor Ausschliessung des 
Kindes). Unruhiges Umherwerfen auf dem Lager, öfteres 
Aufsetzen, grosse Ungeduld im Verlangen nach anzusteJIeoden 
Operationen, wechselnd mit früher nicht gezeigter Veraagt- 
heit, ein kleiner sehr beschleunigter Puls, Klagen Aber «ehr 
schmerzhafte Wehen ohne wahrnehmbare kräftige Contradio- 
nen des Uterus, sprosse Hast in den mit Vorliebe gepflogenen 
fast unausgesetzten Gesprächen, kalte Extremitäten, Wfirgen 
und nach Befinden anstrengendes Erbrechen, Ohnmächten 
meist ohne Blutung, oder massig starker Abgang von kii*scli- 
saftähnlichem , flüssigem (nicht coagulablem) Blute, kenn- 
zeichnen hinlänglich das stunnische Herannahen derartiger 
verzweifelter Wendungen im Befinden der Gebärenden. Wäh- 
rend nun die Chirurgen meist schon in leichten Zwischen- 
fallen die gewiss nur zu sehr gerechtfertigte stricteste Con- 
traindication für etwa schon beabsichtigte und vorbereitete 
Operathneu erblicken, kann und darf der Gehurtsartt ein 



dar Oeeellschaft für Qeburtshälfe so Leipsig etc. 213 

exspectatives Verfahren dabei nicht beobachten. Einestheils 
indicirt die Sorge für das schleunigst zu rettende Kind meist 
ein um so entsclüedeueres Eingreifen, als die Sectio caesa- 
rea post mortem eine weit ungünstigere Prognose ergiebt,- 
und deshalb in neuerer Zeit zu deren Verhütung mit Recht 
die Entbindung Sterbender empfohlen wird, anderentheils 
muss auch bei todlem Kinde, nöthigenfalls mit Hülfe der 
Cepbalothrypsie durch schleunige Entleerung der Uterus ver- 
sucht werden, den Reiz der todtcn Frucht in kürzester Zeit 
zu beseitigen, resp. die vermehrten Gefahren hinwegzuräumen, 
welche eine längere Dauer der Schwangerschaft oder Geburt 
dabei nothwendig bedingt. — Das in zwei Fällen vom Be- 
richterstatter in dieser Weise eingeschlagene Verfahren fand 
die Billigung der anwesenden Mitglieder. 

An die letzte Versammlung richtete Herr Fürst die 
Frage, ob eine sogenannte vollständige Resorption der 
Placenta in der Weise möglich sei, wie durch einen neu- 
lich von ihm in Schmidt' & Jahrbüchern 1862, Band 114. 
Heft 1. p. 56. excerpirt gelesenen Fall als bewiesen ange- 
geben worden sei. — Da der Beweis nur auf den Umstand 
gestützt ist, dass die Aerzte weder bei der Geburt noch 
später bei der Section die Placenta haben auffinden können, 
auch daselbst nirgends angegeben war, was aus der Nabel- 
schnur geworden sei, so hält Herr Grede eine vorliegende 
Täuschung für das Wahrscheinlichste. Herr Hennig erklärt 
allerdings einestheils bei totaler Verwachsung einer dünnen 
Placenta die Verfettung des schrumpfenden Gewebes für mög- 
lich, wie anderentheils den Abgang der durch Fäulniss de- 
struirten Theilreste von nicht vollständig entfernten Placenten 
mit dem Wochenflüsse für nicht ungewöhnlich, doch müsse 
im ersteren Falle, zumal in nicht zu langer Zeit nach Ablauf 
der Geburt, eine Spur sich noch deutlich bei der Section 
finden lassen. ^) 



1) Spater worde es Herrn Fürtt möglich, das betreffende 
Original {Faye Utems duplex bicornis cum vagina simplici in 
Nonik Magasin for Laegendsk. XV. Bd. 7. Heft. p. 593. 1861) 
sa ▼ergleiehen, nach welchem sich ergab, dass 1) ^ SVcm^^ii 
aaefa der Gebart des faultodtea KiaieB der PUoeutuTtkiQU ^^t 



214 XVI. tf0Mfn0r, Mittheil. üb. d. Th&ti^kelt a. Verhandlnngen 

In der 124. Sitzung besprach Herr Braune die Trans- 
fusion und deren Anwendung bei Blutungen Neu- 
Entbundener unter Vorausschickung einer geschicbtliclH^n 
Skizze dieser Operation, deren Vorlheile, wie vermeintlichen 
Nachtheile vielfach übertrieben worden seien. Bei Anaemie, 
besonders recenten Blutungen, herabgekommener Individuen 
(nach langen Eiterungen), auch bei Wasserscheu, Chloroform- 
und Kohlenoxydgas- Vergiftungen bisher angewendet, ist sie 
durch Martin, Neudörfer, Demme und Panum besonders 
in der Geburtshölfe empfohlen worden. Jetzt gelten allge- 
mein fast nur recente Blutungen als bestimmte Indicatiön^n. 
das Urtheil der Statistik über diese Operation ist grössteu- 
theils günstig, allerdings mag eine Anzahl unglücklicher Fälle 
nicht bekannt geworden sein. Die Gefahren sind besonders 
Eintritt von Luft, Gerinseln und Oeltröpfchen in die Venen, 
Quetschungen derselben, Thrombose, Embolie und Pyaemie, 
wie allzugrosse Spannung in den Venen durch zu starken 
Druck vom Spritzenstempel. Diese Gefahren können aller- 
dings umgangen werden. — Die Qualität des zur Transfusion 
zu wählenden Blutes anlangend, glaubte man Blut von frem- 
den Thierspecies für giftig, und es ist Factum, dass Vögelblut 
die Säugetbiere tödteL Man muss überhaupt darauf achten, 
dass man kein Blut von Tbieren nimmt, die grössere Blut- 
körperchen haben. Haussäugethiere , besonders Ziegen, kön- 
nen Blut zur Transfusion liefern, jedoch steht immer noch 
die Frage offen, ob Blut einer fremden Thierspecies zur 
Transfusion geeignet ist, und sich deshalb zu therapeutischen 
Zwecken eignet. Beim Menschen kann fast nur Menschenblut 
in Frage kommen, trotz der gegenthciligen Behauptungen 
von Demme und Panum, Nach Panum ist das Fibrin im 
Blute nicht nur nutzlos, sondern sogar auch schädlich, man 
hat daher zur Vermeidung von Thromben nur defibrinirtes 
Blut anzuwenden. — Die Quantität anlangend, kommt in Frage, 

Nabelschnur noTersehrt, der Muttermund aber so stark contrabirt 
war, dass die Schnur nicht bis cur Placenta verfolg werden 
konnte; dass 2) die Schnur am dritten Tage nach der Geburt 
abfiel; und dass 3) im Wochenbette putrider Ausflnss stattfand, 
die Placenta also wohl grösstentheils lersetit abgegangen, theils ' 
rielleicbt nmch 7erfettimg resorblrt wurde. 



dar Oesellaohaft für Gebarts hülfe zn Leipsig etc. 215 

ob das Blut nur als Reiz- oder auch als Ersalzniitlel wirken 
soü. Nach Panum ist eine möglichst grosse Quantität über- 
zufahren, um nicht nur als Reiz-, sondern auch als Ersatz- 
uittel zu wirken, da er nachwies, dass Beides der Fall sei. 
— Der unmittelbaren Transfusion ist die mittelbare vorzu- 
ziehen ; zu ihr bedient sich Herr Braune einer von ihm selbst 
angegebenen Hodiiication der Pravaz'schen Spritze, die bei 
grösseren Mengen überzuführenden Blutes die Gefahr des 
LuAeintrittes (wenn die Spritze abgenommen und wieder ge- 
f&Ut werden muss) dadurch aufliebt, dass eine Glasröhre nach 
Art der Quetschburetten durch einen kurzen Gununischlauch 
mit der Canüle verbunden wird. Einige Erwärmung der Glas- 
röhre durch Einschlagen in ein heisses Tuch ist passend, 
obgleich etwas erkaltetes defibrinirtes Blut nicht schadet. 
Die Glasröhre vermeidet auch einen zu starken Druck und 
den Eintritt der Oeltröpfchen vom Spritzenstempel ; den Druck 
selbst aber kann man durch Heben und Senken der oberen 
Röhrenmüüdung beliebig vermehren und vermindern. Das 
Blut wird durch einen Atlasfilter auf einem Glastrichter in 
die Glasröhre übergeführt. — Seine Versuche hat Herr 
Braune hauptsäcldich mit Hunden und Kaninchen gemacht, 
unter Andern auch einer trächtigen Hündin Blut bis zum 
Eintritt von Convulsionen entzogen, und dann tiansfundirt, 
worauf das Thier sich wieder erholte und rechtzeitig glück- 
lich gesunde Junge geworfen hat — Herrn Braune*s betref- 
fende Methode wird demnächst ausführiich in Langenbßck*^ 
Archiv für klinische Chirurgie veröffentlicht werden. ^) 

In der darauf folgenden (125.) Sitzung sprach Herr 
Hennig über die Schleimhaut der Tuben. Sie besteht 
aus Flimmerepithelium, cyhndroiden und ellipsoiden Zellen, die 
sich beim Katarrh auffallend vermehren. Der Redner ver- 
breitete sich namentlich über die Recessus der drüsigen Or- 
gane in der Tubenschleimhaut, zeigte ein betreffendes mikros- 
kopisches Präparat sowie die Abbildungen zahlreicher anderer 
Präparate von Thieren und Menschen vor, die er selbst ge- 
fertigt hatte. Zu möglichst deutlicher Demonstration der Ele- 
mente in den betreifenden Drüsenkörperchen würde Herrn 



1) Iflt aeitdezD in Band 6, Heft 3, Seite 64B gQBc\i«Vi«ii. 



216 XVI. tf0M«ner, Mittheil. fib. d. ThStigkeit n. Verbsndlangen 

Hennig ganz vorzöglich erwünscht das frische Präparat einer 
Tuhenschwangerschaft sein, und bittet derselbe belrelTenden 
Falls um gutige Uebersendung eines solchen. — Eine jins- 
fOhrliche Arbeit des Herrn Hennig fiber diesen Gegenstand 
wird in den Verhandlungen der medicinischen Gesellschaft zu 
Leipzig erscheinen. 

In der 126. Sitzung suchte der als Gast anwesende Dr. 
phil. 8chöpffer hier die Gesellschaft för die von ihm in des 
Handel gebrachte chinesische Drogue Tsa-tsin und die AiH 
Wendung derselben bei Amenorrhoe und Dysmenorrhoe 
zu interessiren. Herr Hennig hatte das Mittel nach Vor- 
schrift, aber ohne Erfolg angewendet; dringt auch zur mög- 
lichsten Erkenn tniss von Verfälschungen darauf, dass die ganze 
getrocknete Pflanze, nicht nur das Pulver aus China über- 
schickt werde. Herr Ploas verweist hinsichtlich dieses und 
ähnlicher von Dr. Schöpffer hier verbreiteter chinesischer 
Pflanzenmittel auf die betreffenden Notizen in der neuesten 
Tagesliteratur, welche es höchst wahrscheinlich machen, dass 
der hiesige Verbreiter das ja vielleicht unschuldige Opfer eines 
Betruges sein möchte. 

In der 121. Sitzung gab Herr Beck den Kranken- und 
Sectionsbefund eines fünfjährigen Kindes mit Neubildung von 
cytogenem Gewebe in Leber, Nieren, Dünndarm 
und Peritonaeum, der auch durch Herrn Wagner in des- 
sen Archiv der Heilkunde 1865, 1. Heft, p. 53, im Druck 
veröffentlicht worden ist. 

In der 119. Sitzung theilte Herr jB«cÄcer-Zaurtc& aiis Rönne- 
bürg seine in zwei Scharlachepidemien gesammelten 
Erfahrungen aus den Jahren 1856 u. 1863 mit. Im Winter 
1847—48 hatte er unter den Auspicien Martin\ damals Profes- 
sors in Jena, eine weitverbreitete Scharlachepidemie beobachtet, 
und niditein Kind von vielleicht 200 Patienten sterben sehen, 
trotzdem die Verordnungen die einfachsten und die Ahwartung in 
vielen Fällen die unvollkommenste waren; — dagegen star- 
ben 1856 hundert Menschen in seiner Stadt mehr, als 1768, 
in welchem Jahre der ,,schwarze Tod", und als 1819, in 
welchem Jahre das Nervenfieber die Stadt heimsuchten. 
1856 hatte B. 50 Scharlachkranke, davon sUrben 10 = 20 %. 
1863 „ „ 84 „ „ „ 82 = 38,9 „ 



der OeeeHflehaft für Oebartshalf«» bo Leipslg; eto. 217 

Eine merkwfirdige Pause — epidemische Gesundheit, 
wie hier ein College meinte — herrschte in R. , während in 
den Nachbarstädlen Gera, Weida, SchroöUn, Werdau, spora- 
disch Scharlach, Masern und Varioloiden auftraten; dafär 
ereigneten sich Aborte in ungewöhnlicher Zahl, Eclampsien 
fon Gebärenden, Wöchnerinnen und Kindern, und eine vor- 
wiegende Neigung zu Darm- und Nierenblutungen bei den 
wenigen Kranken. Plötzlich trat die Krankheit wie ein Ge- 
witter auf; 18Ö6 wie 1863 kamen gleich 4 bis 6 Scharlach- 
Erkrankungen von ausserordentlich bösartigem Charakter vor. 
1856 trat der erste Fall am 28. Mai, der leUte Ende Octo- 
ber auf; 1863 der erste am 8. August, der letzte am 2. Fe- 
bruar 1864. — Interessant war es, dass nie eine einzige 
Erkrankung an einem Tage erfolgte, immer waren es ^eren 
mehrere; dann folgten einige Tage Paüse^ und dann wieder 
ein mehr massenhaftes Erscheinen. In beiden Epidemien 
waren die ersten und die letzten Fälle die gefahrlichsten; der 
jOngste Patient */4 , der älteste 16 Jahre als. — Gleichzeitig 
erschienen bei Erwachsenen Urticaria und Miliaria, welche 
bis jetzt noch bei entzändlichen Krankheiten, besonders bei 
Pneumonie (deren es jetzt eine grosse Anzahl giebt) sich zei- 
gen. — Dass die Krankheit verschleppt wurde, ist bei dem 
' regen Verkehr, in welchem Rotmeburg mit den Nachbarstäd- 
ten steht, wohl zu vermuthen. Die Ansteckbarkeit, beson- 
der« im Desquaminationsstadium unleugbar, aber eben so un- 
erklärlich, warum in den Familien, wo 4 bis 6 Kinder er- 
krankten, gerade eins oder zwei verschont blieben, — und 
zwar, dass die Erkrankung der einzelnen Kinder in einer 
Familie so nach und nach erfolgte, dass zwischen zwei Er- 
krankungen immer ein Zwischenraum von 4 bis 5 Wochen 
blieb, und die Erkrankung des zweiten fast immer mit dem 
Desquammationsstadium des ersten Patienten zusammen fiel. 
SSmmtliche Formen der Scarlatinn waren vertreten: laevigata, 
papulosa' (dje leichteste), miliaris (sehr bedenklich), haemorrha- 
gica. Die Uebergänge aus der einen in die andere, selbst gleich- 
zeitiges Aufbreten von zwei Formen an einem Kranken waren 
sehr häufig; auch ist noch zu erwähnen: Febris scarlatinosa 
«oe eianthemate. Diese höchst interessante Erscheinung wurde 
so oft he<ABcbtet, dass sie uns zweifellos eiisUrl, ä\« ¥bt«iv- 



21g XVI. Mßiasusr, Mitiheilaogen über die TbHtigkeii etc. 

keo ähaelteti am Meisten deneo von einem leichten Typhus 
ergriffenen, doch waren die Halsentzündung und hesonders 
die Nachkrankbeiten — Hydrops, selbst Desquammation -*- 
so untrögli<ihe Zeichen einer Scharlachaffection, dass B. diese 
Kranken im Journal als Scharlachpatieuten aufgeführt bat. 

Die Stadien der Krankheit waren in den meisten Fällen 
wie die Formen sehr verschwomnoen , und Hessen sie sich 
auch nach den Erscheinungen auf der Haut ziemlich sicher 
abgrenzen , so erfolgten doch so oft noch Nadiscbübe der 
papulösen Form, dass das Bild ein unklares wurde. Die aUr 
gemeinen Erscheinungen als Unterscheidungsmomente zu he* 
nutzen, gelang nur in den gutartigen Fällen , hier zeigte der 
sich verlangsamende Puls, der stark sedimentirende Urin, das 
erleictiterte Schlucken, Nachlass des Durstes an, dass der 
Krankheitsprocess auf der Haut zugleich der maassgebende 
für allgemeine Erkrankung sei. 

Unter den Nachkrankheiten und begleitenden Zufällen 
stellte sich häuOg Harnverhaltung schon in dem Stad. flore&- 
centiae ein, doch fehlten besondere üble Folgen; bei Unter- 
suchung der Unterbauchgegend zeigte sich die Blase gar nicht 
gefüllt, und die Urinabsonderuug mithin suspendürt. — Der 
Urin war oft eiweisshaltig, doch ohne dass dieses Zeichen 
irgend welchen Einfluss auf den Verlauf der Krankheit ge- 
nommen hätte; manchmal erhielt sich der Eiweissgehalt bis 
in die Reconvalescenz , plötzlich verschwand er, besonders 
wenn wassersüchtige Anschwellungen eintraten. -^ Der Urin 
war stets sehr stark sedimentirend ; — einige Male durch Blut von 
der Farbe eines sehr starken schwarzen Ka£fee*s; diese Erschei- 
nung zeigte sich in den fünf Fällen von Scarlat. haemorrha- 
gica, von denen vier unter den Erscheinungen der Biutzer- 
setzung starben. Wassersucht trat in % ^^^^ Erkrankungen 
auf; von den Füssen erstreckte sich die Wasseransammlung 
weiter nach oben, füllte die Bauchhöhle und zwei Mal die 
Brusthöhle. Ein Mal kam es vor, dass der später sehr weit 
verbreitete Hydrops bei einem Knaben noch auftrat, der nach 
seiner Genesung vom Scharlach schon wieder 14 Tage lang 
die Schule besucht hatte. Augen- und Ohrenentzündungen, 
Ozaena und, Schwerhörigkeit sind die Ueberbleibsel der Krank- 
Aeii, die aock beule sicli bemerkiich machen » doch sind sie 



X?II. Präüj Eine eombinirte Koasere and innere Wendang. ^19 

alle bis anf einen Fall von Caries des Processus niastoideus 
milder Natur. Die Schwerhörigkeit beruhte entweder auf Un- 
durchgängigkeit der Eustachischen Trompete, oder es lag die 
Bildung von bis erbsengrossen Geschwüren im äusseren Gehör- 
gange vor, die dann durch ihre Absonderung mechanisch das 
Gehör hinderten. Blieb auch noch einige Zeit Schwerhörig- 
keit, so ist doch kein Fall von Taubheit durch Zerstörung 
des inneren Ohres bekannt geworden. — Die langdauernde 
Reconvaiescenz ist ein sicherer Beweis för die schwere Af* 
fection des kindlichen Organismus durch das Scharlachiieber. 
In allen, selbst in den leichtesten Fällen, dauerte es merk- 
würdig lange, ehe die Kinder geistig und körperlich wieder 
genasen. 



XVIL 
Eine combinirte äussere und innere Wendung. 

Von 

Dr. Werner PraM, 

A*«i8t6nt MD GebärhauAe sa Hannover. 



Das Studium der kürzlich ?on Küneke in Göttingen 
herausgegebenen Schrift: Die combinirte äussere und 
innere Wendung, von Brtixton Hicks in London, hatte 
mein Interesse an der neuen Operationsmethode in hohem 
Grade gefesselt, als sich mir bald darauf Gelegenheit bot, 
eine hierher bezugliche Beobachtimg zu machen. Da bei der 
Wichtigkeit des Gegenstandes die Mittheilung auch des ge- 
ringsten Beitrages nicht allein gerechtfertigt, sondern auch 
geboten erscheinen durfte, so will ich dieselbe kurz vor- 
legen. 

A. 8. aus B., 26 Jahre alte Zweitgebärende, trat am 
10. December 1865 5Vs Uhr Abends in die Anstalt. Seit 
dkm 15. Jahre regelmäsBig meostruit, hat sie \u *iiKC«ca 



230 ^VlI. Prü'el, Eine bombinirte 8iira«fe und innarcf W«tadliii||^. 

20. Jahre, am Tage nach Beerdigung ihres Brüutigam», eine 
Fehlgeburt im 6. Monate erlitten. 

Dieses Mar fand die letzte Menstruation Ende Februar 
statt, die Kindesbewegungen wurden zuerst Mitte Juii ver- 
spürt. Am 10. Deoember Nachmittags 3 Uhr sind die ersten 
Wehen eingetreten. 

Bei der äusseren Untersuchung fand ich den Leib sehr 
in die Breite ausgedehnt, auf dem rechten Os üeum einea 
harten runden Theil, in der linken oberen Hälfte des Uteniti 
einen grösseren weniger resistenten und runden Körper. Die 
normalen Herztöne befanden sich links neben der Linea alba« 

hie innere Untersuchung zeigte die Geburtstbeile giH 
vorbereitet, aufgelockert, den Muttermund schlaff und dehiH 
bar, in der Grösse von ungefähr zwei Centimeter eröfifbet, 
die Eihäute unverletzt Letztere liessen einen kleinen Kin- 
destheil, eine Hand durchfühlen, die sich bei jedesmaliger 
Berührung lebhaft zurückzog. Weiter oben war deutlich die 
Schulter zu erreichen. 

Die Diagnose der Kindeslage war nicht schwer: Schul- 
terlage, Kopf rechts, Rücken nach vorn. 

Nach Anordnung der linken Seftenlagentng — in iii^ 
siger Anstalt werden Alle in englischer Lagerung entbunden 
— bestätigte eine nochmalige Untersuchung den obigen Be- 
fund. Die Wehen traten immer heftiger auf, und bewirkten 
ein Vorrücke» der Schulter. 

Es erschien wünschenswerth, die hier indicirle Verwand- 
lung der Querlage in die Längslage thunlichst h*öhzeiüg, wo 
möglich mit Erhaltung der Blase zu bewerksteUigen. Audi 
war es noth wendig, da bei dem Stande der Dinge eine Auf* 
fdrderung zur Extractlon im weiteren Geburtsverlaule tor* 
aussichllich nicht eintreten werde, 6er Wendung auf den Kopf 
den Vorzug zu geben. Weil jedoch einestbeils der zwar 
dehnbare Muttermund das Durohdringen der ganzen Hand 
behufs Ausführung der Wendung nicht gestattete,' anderer- 
seits der Fall sehr geeignet für die neue eombinirte Methode 
zu sein schien, so beschloss ich den Versuch mit letzterer 
Methode zu machen. 

Indem ich nun die einmal in der Scheide befindlichen 
Z«^ und Mittelfittgtt mäntr fechten Hüttd in Mult«^- 



X?IL PnM, Bhie oombiairto üaisere und inxiere Waniong. 221 

muDde liegen liess, versicherte ich mich mit der linken 
Hand des links oben befindlichen Steisses. Ich schob nun 
zuerst innerlich die vorliegende Hand zurück, welches nach 
einigen Versuchen gelang. Unter bestandigem äusseren Drucke 
auf den Steiss nach der rechten Seite hin, trat die Schulter 
in den Mutlermund. Auch diese schob ich nach links hin- 
Aber, worauf ich alsbald ein kleines Segment des Schädels ' 
fohlte. Dieser stellte sich dann bei fortgesetztem Drücken 
und Schieben des Steisses nach der rechten Mutterseite hin 
in den Querdurchmesser des Beckeneinganges völlig ein. 

Die ganze Operation nahm etwa fünf Minuten in An- 
sprudi. 

Da ich bei der starken BewegHchkeit der Frucht ein 
Zurückgehen in die ftühere Lage fürchtete , so suchte ich Jede 
Locomotion der Kreissenden zu verhindern, und beliess die- 
selbe daher lieber in der einmal eingenommenen linken 
Seitenlagerung, obwohl die rechte indicirt war, liess jedoch 
dnrdi eine zuverlässige Wärterin den Fundus uteri noch 
dauernd nach rechts hinüber halten. Die Blase zu sprengen 
schien mir zur Fixirung des Kopfes nicht noUiwendig, die- 
selbe bei der noch nicht vollendeten Ausdehnung des Mutter- 
mundes zu erhalten, hingegen empfehlenswerth. 

- Um 8 Uhr Ab. fand ich den Muttermund etwas grösser, 
die Blase noch vorhanden, den Kopf auf dem Beckeneingange 
etwa« fester stehend. Um 12 Uhr Nachts hielt der Mutter- 
mund etwa vier Cenlimeter im Durchmesser, und der Schade] 
war etwas tiefer in die obere Apertur eingetreten. Als ich am 
folgenden Morgen früh 6 Uhr den Muttermund völlig ver- 
strichen, den Schädel tiefer und in erster Scheitellage bereits 
nn schrägen Durchmesser fand, sprengte ich nunmehr 6\e 
Blase, worauf eine grosse Menge Fruchtwasser abfloss. Die 
jetzt stärker auftretenden Wehen bewirkten schon um öy^ Uhr 
die Geburt eines lebenden Mädchens. Die Nachgeburtsperiode 
verlief normal. Die Placenta ward auf gewöhnliche Weise 
von einer Schülerin entfernt. 

Das Kind wog 6^/^ Pf\ind, war 18 Zoll lang. Sein 
$chfidelumfang betrug 34 Cenlimeter. Der schräge Durch- 
messer fönf, der gerade 47^, und der quere 3V2 Zoll. Die 
da Mund schwere Nachgeburl hei nichts AVNioni\e« A^t. 



222 HYU* Praelt Eine oombinirte &08Mfe and itUkBn Ww&99$> 

Die zwanzig Zoll. lange Nabelschnur war axcenlriscb in* 
serirti 

^ Die Mutter ward nach ganz regelmassigeiii Wochenbette 
mit ihrem Rinde am 14. Tage, dem gewöhnlichen Entlas* 
sungstage, gesund entlassen. 

Man wird bemerken, dass die Wendung in diesem Falle 
zwar nach den Prindpien von Braxton Hicka^ jedoch mit 
einigen Abweichungen in den HandgriiTen ausgeführt worden 
ist. Es geht nämlich aus der Schrift von H%ck$ und be* 
sonders aus Fall 21, Seite 67, wo, wie in meinem Falk, 
ebenfalls der Kopf rechts und die linke Schulter vorlag, her- 
vor, erstens, dass die linke Hand zur Verschiebung des Fö- 
tus von der Scheide aas zu wählen gewesen wäre, und zwei- 
tens, dass die Wirkung der äusseren Hand bei der Wendung 
auf den Kopf aus der Querlage zunächst nicht auf das Sleisa- 
ende, sondern ganz, wie bei UohV^ Verfahren, direct auf den 
Kopf ausgeübt wird, so dass, wie aich EickB ausdrückt, 
„der Kopf wie eine Kugel zwischen beiden Händen spielt, • 
sich in Uirer Gewalt befindet, und nach Willkölir beliebig 
placirt werden kann'*. Erst nach Einstellung des Kopfes in 
den Muttermund räth er, wenn der Steiss nicht glatt nach 
dem Fundus aufsteigen will, die Haild aus der Seheide zu- 
rückzuziehen, und damit von aussen den Steiss in die Höhe 
zu drängen, während die Hand, welche den Kopf sanft von 
aussen zurückhält, dieses noch einige Zeit fortsetzt, bis die 
Wehen die Zurückhaltung des Kindes in seiner neuen Lage 
sicher gestellt haben. Mein obiges erfolgreiches ManipuUren 
scheint zu beweisen, was auch schon Ricks selber andeutet, 
dass seine Methode nicht nothwendig im Einzelnen an ganz 
bestimmte Handgrille bindet, wenn nur das Princip im Gan- 
zen richtig befolgt wird. Auch nicht einmal das Sprengen 
der Blase war in meinem Falle nöthig, so dass der Geburts- 
verlauf so natürlich und einfach von statten ging, als wäre 
gar keine, nicht die geringste Störung dagewesen, geschweige 
denn eine so schwere. 

Von der Wendung auf den Kopf bei Querlage finden 

sich bei Hicks nur zwei Beobachtungen, Fall 18 und 19, 

mitgetheilt, denen von Küneke noch zwei, eine, welche der- 

jseJbe von SpiUh ausführen sah, und eine eigene, ab Fall 



ZYII. /VM, Eine eottbinirte inttere vticl fiinerd WendoDg 233 

25 a. 26 hinzugefügt worden sind. Somit wäre der soeben 
beschriebene, der fünfte Fall, und der von Allen am erfolg- 
reichsten und gläcklichsten operirt zu sein scheint. 

Dieser Fall hat mich in meiner bereits gehegten Ueber- 
zeugung ausserordentlich bestärkt, dass meine Operation, 
welche, obwohl sie kaum einen Eingriff weder in den mät- 
lerhcben noch kindlichen Organismus involvirt, dennoch von 
so grosser and fiberraschender Wirkung ist, zu der ernste- 
sten Beobachtung und sorgfältigsten Prüfung verpflichtet. 

Es ist durch obigen Fall nur Eins berührt; die Wen- 
dung auf den Sleiss aus der Querlage, auf den Steiss aus 
der Kopflage und umgekehrt, und verschiedene andere neue 
und wichtige Gesichtspunkte bieten sich zur weiteren prak- 
tischen Verfolgung dem Leser des Buches dar, für dessen 
Bekanntschaft wir dem Herausgeber zu aufrichtigem Danke 
verpflichtet sind. 

Schliesslich bin ich der Ansicht, dass die corobinirte 
Wendungsmethode für die Wendung auf den Kopf eine neue 
Aera einleiten dürfte, für eine Operation, die viel häufiger 
geübt werden und die bei jeder Querlage zunächst in Frage 
kommen sollte, die wir ausdrücklich gegen Hecker in Schutz 
nehmen möchten, und die allerneuestens in Küneke (Schu- 
chardt*s Zeitschrift für praktische Heilkunde. Jahrg. 1864. 
S. 148) und namentlich in O. v. Franque (Würz!, med. 
Zeitschrift VL S. 341. 1865) erfreulicherweise warme Ver- 
theldiger gefunden hat. 



]g[^ X?II(. NQtipen ans der Jovrnal-iLitonUur. 



XVIII. 
Notizen aus der Journal -Literatur. 



V. Baaelberg: Dreizehnter Bericht über die Er- 
eignisse der unter der Leitung des G. M.-R. 
Prof. Martin stehenden geburtshülflichen n. 
gynäkologischen Klinik und Poliklinik der 
Universität Berlin während des Winterseme 
sters 1864/65. 

Vom 15. October bis 13. April kamen im Ganzen 1046 PXlle 
Bor Beobachtung. 

I. GeburtsfKIle in der Entbin dünge- Anstalt ond 
derPoliklinik. 

Beobachtet wurden in ersterer 227, in letzterer 240 Qebnr- 
teo. Zu spät kamen die Practicanten in 101 Fällen. Unter den 
467 Fällen kamen 10 Zwlllingsgeburten vor, so dass also 477 
Kinder geboren wurden (207 Mädchen und 245 Knaben), damnter 
befanden sich lebensfähig 452, todtge boren 81 Kinder. 
In 436 Fällen findet sich die Lage notirt. Es kam Tor I. SehJI- 
dellage 277 Mal. II. 108 Mal. III. 1 Mal, IV. 3 Mal; femer 
I. Gesichtslage 5 Mal, II. 2 Mal; sodann I. Steisslage 8, H. 4 M.; 
I. Fusslage G, II. 4 Mal. Schieflagen 18. — Weiterhin wurde 
beobachtet.* 6 Mal Abortus; 18 Mal Part, immaturus; 15 Mal 
Part, praematur. — Beckenenge coroplicirte 20 Mal die Ge- 
burt. Die Conjug. betrug 5 Mal 37,-3»/;, 9 Mal 3— 37^— 3V«, 
4 Mal 2" 10"' — 11". Hierbei wurde in 5 Fällen die Kephalo- 
tribe angelegt; 1 Mal bei Conjug. v. 3'' 2"'-~3'" die künstliche 
Frühgeburt eingeleitet. Von den Kindern kamen todt 9, von den 
Müttern starben 2. — Ferner kam vor: Placenta praevia 3 Mal; 
Vorfall der Nabelschnur U Mal; Verhaltung der Placenta 6 Mal 
(1 Mal dabei durch Strictnra uteri); Blutungen durch vomeitige 
Lösung der Placenta bei gewöhnl. Sitze 4 Mal; Blutungen nach 
der Geburt 5 Mal; Eklampsie 1 Mal (nach der Entbindung folg- 
ten keine neuen Anfälle, Patientin wurde gesund entlassen). — 
Operative Hülfe wurde in 67 Fällen geleistet: davon inter- 
eaßiren: künstliche Frühgeburt 1 Mal; — die innere 



XVIII. Notisen-aui der Journal -Literatur. 295 

Waadan^'24 Mal: wegen Querlage 18 Mal — 4 Früchte fanl- 
todt, 2 todtgeboren — wegen Plac. praev. 2 Mal, wogen Becken- 
enge bei SchSdellage 3 Mal (2 Kinder todt). Auf beide Füsse 
warde nnr in einem Falle gewendet, wo bei einem Zwillingskinde 
alle 4 Extremitäten neben dem Kopfe lagen. Von den Müttern 
starb t (Plac. praev.). — Die ExtrHCtion an den Füssen 
reep. am Steiss 6 Mal: — Anlegen der Zange 14 Mal; — 
Kephalothryp^ie 7 Mal, 4 Frauen starben (dabei ist an be- 
merken, dass in den meisten dieser Fälle schon ausserhalb der 
Anstalt längere Zeit die Entbindung mit der Zange versocbt 
worden war, und dass die Operation mit der Kephalotribe meist 
leicht und schnell von statten ging); — die Perforation ein 
Mal (Conjug. ver. 2" 11'", grosses Kind, Vorfall einer pulslosen 
Nabelschnurschlinge, spontane Ausstossung des Kindes). — Re- 
position der vorgefallenen Nabelschnur gelang in einem 
Falle. — Künstliche Placentarlösung 5 Mal nach recbt- 
seitigen Geburten, 1 Mal wegen Strictur, 7 Mal nach Aborten 
oder vorzeitigen Entbindungen. 1 Frau starb. 

II. Erkrankungen der weiblichen Sexnalorgane 
ausser der Geburt. 

Auf der gynäkologischen Abtheilung der Charit^, in der 
ambulanten Klioik und in der Entbindungsanstalt kamen eur 
Beobachtung 578 Fälle. Darunter: Ruptur, perin. 14; Uleera 
puerperal. 14; Fistul. vesico- vaginal. 3; Fistul. reoto-vagio. 4; 
Atres. orifie. uter. 1; Stenos. orif. nt. ext. 7; Endometritis in 
pnerper. 6; Endometritis chronic. 102; Retrovers, uter. gravid. 
S; Fibroides 6; Polyp, uter. follicul. 1; Cancroides 21 (1 Mal 
Ecrasement der Port, vagin.); Tumor ovarii 9(1 Mal Punction); 
Haematocele 14; Peritonitis 2; Mania puerp. 1; Variolois in 
pnerp. 2. 

m. Missbildungen und Krankheiten Neugebo- 
rener. 
Darunter sind bemerkenswerth: Hemicephalus 3; Spina 
bifid. 1; Ectop. vesic. 1; Cephalaemntoma 1; Arteriitis umbi- 
lical. et Pjämia 4; Haemorrhag. e fun. umbil. 1; Hydrocele 2. 
(Deutsche Klinik. 1865. Nr. 28.) 



Delore: Experimente über geburtshülfl. Mechanik. 

Verf. hat durch directe Experimente nicht allein die Grösse 
der Widerstandsfähigkeit des mütterl. Beckens und die des Kin- 
deskopfea im Verhältniss su der Wirkung der Zange, sondern 
auch das Verhältniss awischen einer bestimmten Druckkraft bei 
der Zai&gentraction und der Verringerung des Kopfdurchmessers 
MeaatMehr. f. Oebnrtok. 1866, Bd. XXYII., Hft. 8. ^'^ 



XVIII. Kotisen aas der Journal -Literatur. 

swischen Promontorium und Symphyse eu erforschen gesuebt. 
Ferner löst Verf. folgende Fragen: Woran liegt es, wenn die 
Wendung die Zangenextraction übertrifft? Welches muss die 
Kraft und die Richtung der Tractionen sein? Ist es besser, dass 
sie nach einer Richtung hin oder mit leichten seitlichen Bewe- 
gungen verbunden ausgeführt werden? — Die Hanptresultate 
seiner Experimente sind folgende: 

Das Becken widersteht einer Gewalt von 200 Kilogramm. 
Verf. bediente sich hier sowohl einer Kugel, die dem Kopfe un- 
gefähr entsprach, als auch eines nachgebildeten und wirklichen 
Rindeskopfee. Im ersteren Falle traten bei 200 Kilogr. , wenn 
keine Schwangerschaft vorhergegangen war, bei 170—200 Kilogr. 
aber, wenn durch Schwangerschaft die Beckenverbindungen ge- 
lockert waren, B^ckenrupturen ein; im «weiten Falle widerstand 
ein normales Becken einem Drucke von 200 — 250, ein verengtes 
(9 Ctm. C. Vera) sogar einem Drucke von 270 Kilogr. Bei Ver- 
suchen mit dem SchMdel eines todten Kindes widerstand das 
Becken den Tractionen von 150 — 160 Kilogr., wobei allerdings 
die Schädelkoochen bedeutend fracturirten. Bei partiell einwir- 
kenden Druckkräften, z. B. an der Symphyse entstanden bei 
200—250 Kilogr. stets Rupturen. 

Ein Druck auf den kindlichen S c h K d e I , auf eine grosse Obcir- 
fläche desselben ausgeübt (also in den Branchen einer Zange) kann 
in der Richtung des Occipitofrontal-Durchmessers eine Höhe tou 
105, tu der biparietalen Richtung die von 100 Kilogr. erreichen, 
ohne dass Fractnren der Schädelknochen eintreten; wirkt dage- 
gen der Druck nngleichmässig, d. h. nur auf eine besebrinkte 
Stelle, aber unter verschiedenen Winkeln, so stellen sieh die 
Verhältnisse gans anders heraus; denn es bewirkt dann ein 
Druck mit einem convexen oder spitzen Körper in der Richtung 
des biparietalen Durchmessers und der Höhe von 19 — 26 Kilogr. 
schon vorübergehende Depression, von 51—60 Kilogr. Fracturen, 
in der des Occipitofrontaldurchmessers aber eine Gewalt von 45 
bis 55 Kilogr. Depression. Durch den Druck der Zange wird 
der comprimirte Durchmesser auf Kosten des andern verkleinert 
und um so energischer, je stärker Druck und Traction sind. 
Verf. giebt eine tabellarische Uebersicht über diesen Punkt, 
indem er Experimente von Baudeloque und P^trequin beifügt. 

Dagegen bewirkt ein Druck mittels eines convexen 
Körpers auf eine Seitenfläche des Schädels, wenn dieser weich 
und gross ist, in der .Stärke von 19 Kilogr. eine Reduction um 
17 Mllm.; in der von 38 Kilogr. eine solche von 25 Mllm.; ist 
der Schädel ein wenig solider, so brin^ ein Druck von 26 Kilogr. 
eine Reduction um 10 Mllm. sn Stande. Was andere Theile des 
kindlichen Körpers betrifft, so vertrugen 



XVIII. Notiaen aus der Journal- Lite ratiir. 227 

der HaU eines sciiwäcbl. Kindes den Zug von 80 Rilogr. nicht 
ohne SU serreissen; 

il30 Kilogr. nicht ohne 
Wir.beltrennunff; 
150 Kilogr. nicht ohne 
Hautriss; 
die Lenden „ „ „ , „ „ 150 Kilogr. gut. 

Die obere Extremität einet schwächl. Kindes den Zng ▼. 40 Kilogr. 

nicht |>hne Schulterroptur; 
9 n n n kräftigen Kindes den Zug v. 60 Kilogr. 

nicht ohne Scholterruptur; 
eine untere Extremität eines kleinen Kindes den Zug v. 65 Kilogr. 

nicht ohne Beckenrnptur; 
beide untere „ ^ kräftigen Kindes den Zug v. 110 bis 

150 Kilogr. gut. 
Die Traction mit der Zange darf für gewöhnlich, wenn 
nicht Practnren zu fürchten sein sollen, die Kraft von 80 Kilogr. 
nicht fiberschreiten; hierbei beträgt aber die Redoction des com- 
primirten Durchmessers 5 Mllm.; ist jedoch Raum genug da, so 
kann auch eine Traction von 100 Kilogr. mit einer Reduclion 
um 100 Mllm. noch ohne Schaden ausgeführt werden. Ist aber 
ein grösserer Kraftaufwand nöthig, so ist nach Vcrfs. Meinung 
die Cephalotribe oder Wendung indicirt, wenn der Mutter kein 
Sehaden zugefügt werden soll, denn bei letzterer bedarf es 
einer geringeren Kraft, um die Kopfdnrchmesser zu verringern. 
— Stets muBS der LSngsdurchmesser des Schädels (sphärischer 
K8rper) unter der Geburt perpendicnlär zu der Beckenebene 
(Kreis) stehen, welche gerade vom Kopfe durchschnitten wird. 
Ks muss also auch die Direction der Zangentractionen nach und 
nach eine krumme Linie einnehmen. 

Anlangend den Beckeneingang muss, entsprechend der nor- 
malen Neigung des Beckens = 60^ (Duhoia) in der horizontalen 
Rückenlage der Frau die Traction einen Winkel von 60*^ mit 
dtr horizontalen machen. Im pathologischen Zustande aber, also 
bei geringerer oder stärkerer Neigung (Werf, fand rhachitische 
Becken mit 65, 72 und 80*^ Neigungswinkel), muss die Richtung 
der Tractionen sich nach dem Winkel richten und so verändert 
werden. Denn eino jede nicht in die ßeokenaxe fallende Trac- 
tion giebt einen Kraftverlust um 15—40 Kilogr. oder einen hal- 
ben Kilogr. für jeden Abweichnngswinkel von 1®; ebenso leichte, 
seitliche Bewegungen mit der Zange einen solchen um 10 — 70 
Kilogr.; dennoch sind letztere wegen der leichteren Extraction 
«ehr anznrathen. Aus Verf. 's Schlussfolgerungen ist nur noch 
hervorzuheben, dass der Druck der Zange um so grösser wird, 
je grSsser die Tractionskraft wird. Der Druck ist ungefähr 
gleieh der Hälfte der Tractionskraft. Die Solidität der Becken- 

15* 



XYIII. Notiien ans der Journal- Lite rator. 

tjmphjBen ist bedeatend höher, als es die Kraftaufwäade der 
Tractionen, die nach den Regeln der Knnst erlaubt sind, er- 
fordern. 

(Gazette h^bdomadaire Nr. 22. 2. Juni n. Nr. 26. 
30. Jnni 1865.) 



Simpson: lieber die Wassersucht des Eies. 

Verf. berichtet *über die Producte der Conception dreier 
Patientinnen, welche an Hydramnios litten. Bei der ersten der- 
selben hatten verschiedene Aerzte schon Ovariencysten und As- 
cites diagnosticirt; als Verf. sie sah, war die Diagnose deshalb 
leicht zn stellen, weil der Mutteriuand geöffnet war, so dasf die 
Vorwölbung der Eihäute durch das Orificiuni zu fühlen war. 
Die Schwangerschaft bestand seit 6 — 6 Monaten. Nach der 
Function der Eihäute floss ein Becken voll Wasser ab, und einige 
Stunden später wurde der Fötus geboren; die Durchmesser der 
Eihöhle betrugen der Länge nach 16 Zoll, an der breitesten 
Stelle 127^ Zoll; die grosse Placentarmasse maass 11 — 18 Zoll; 
in der gemeinschaftlichen Eihöhle sah man zwei Fötus liegen. 
Verf. bemerkt hiezu dass schon Kutan, M^CUntock und Haiin 
das öftere Zusammentreffen von Zwillingsschwangerschaft und 
Hydramnios erwähnen. Das Wochenbett verlief normal. Der 
zweite Fall betraf eine Mutter von zwei glücklich geborenen 
Kindern, welche mit ihrem Gatten sechs Wochen vor ihrer drit- 
ten Niederkunft eine Reise zu Wagen unternahm und • dabei 
öfters über Schmerzen im Leibe klagte, dessen Umfang von jetzt 
ab mit ungewöhnlicher Schnelligkeit zunahm; sie litt während 
der letzten zwei Wochen darunter ungemein. Als Verf. sie sah, 
waren die lieftigen Schmerzen constant, das Orific. geöffnet, die 
Blase wurde in konischer Form vorgetrieben; der Fötna konnte 
nicht gefühlt, die Herztöne nur schwer gehört werden (wegen 
grosser Beweglichkeit des Fötus). Nach künstlich bewerkstel- 
ligtem Blasensprunge stürzte eine grosse Menge Flüssigkeit her- 
vor, und es stellte sich ein abnorm gebildeter Kopf ein. Verf. 
nimmt keinen Anstand, als Ursache des Hydramnios die Erkran- 
kung des Fötus anzusehen, welcher das vollständige Bild einer 
aeephalen Missgeburt mit serösem Inhalte der Meningen dar- 
stellte, ausserdem aber auch noch mit einer Spina bifida in der 
Gegend der unteren Luinbarwirbel behaftet war. Die reichliche 
Wassermenge, meint er, war das Resultat der Transsudation des 
Inhaltes der krankhaften Ansammlungen in beiden membranösen 
Räumen. 

Im dritten Falle litt die Kreissende seit vier Tagen an heftigem 
Erbrechen; der Leib war ungewöhnlich ausgedehnt. Dae Orifie. 
aierj weit geöffnet und der Fötus konnte leicht gefühlt werden, 



X¥IH. Notisen aos der Jounmt- Literatur. 229 

aber sehr balloUirend. Wegen Wehenschwäcbe wnrde ein Catheter 
iwifcben EihKote and Uternswand eingeschoben; nnter der Wir- 
kaog der bald sich yerstärkenden Wehen floss eine nngeheore 
Mepge Wasaer ab, and der Fötas stellte sich mit dem Steisse ein ; 
nach iwei Stunden wurde das asphyktische , weibliehe Kind von 
17 Y4 Zoll Länge geboren, und lebte 8 — 10 Stunden. Der Kopf 
niaas« im geraden Durchmesser hy^^ im queren 4}/^\ Der Spi- 
nalkanal war in der Gegend der unteren Lenden- and oberen 
Sacralwirbel nar mit einem transparenten, seröse Flüssigkeit 
enthaltendem Sacke verschlossen. Der letstere maass in deK 
Breite 1 Zoll und in der LMnge iVs't °"d besass an seinem obe- 
ren Rnde eine klappenförroige Oeffhung, ans der Flüssigkeit so- 
wohl bei Druck auf den Kopf aIs auf die Blase selbst austrat; 
durch diese Oeffhnng soll dann die grosse Menge Fruchtwasser 
sieh angesammelt haben. Verf. sUhlt diesen Fall zu Förtter^s 
Uydrorrhachis interna cystica. 

(Edinburgh Medical Journal Nr. 118. Juni 1866.) 



L, Lehmann: lieber Bestimmung der thierischen 
Wärme bei Puerperal-Processen. 

Bereits seit zwei Jahren hat Verf. bei einer grossen An- 
zahl Schwangerer, Gebärender und Wöchnerinnen der ver- 
schiedensten Lebensalter, im gesunden und kranken Zustande, 
Messungen der Temperatur, verbunden mit der Bestimmung der 
Puls- und Respirationsfrequenz , angestellt, konnte aber dabei 
nicht immer dieselben Resultate, wie andere bedeutende For- 
scher auf diesem Gebiete erhalten. Die Temperatarmessungen 
wurden zu ganz bestimmten Tagesstunden meist in der Scheide, 
doch aach in der Achselhöhle vorgenommen. Es stellte sieh 
zwischen beiden Messungen einige Male ein Unterschied bis zu 
2® Geis, heraus, während die Resultate der Messungen in Scheide 
und Mastdarm tiberoinstiramten. 

Als constante Temperatur bei jungen und mittelalten ge- 
sunden Frauen fand Verf. ausserhalb der Schwangerschaft 37^ C. ; 
während der Schwangerschaft ' — gleichgültig in welchem Zeit- 
räume derselben sie standen — 37,4^ C. ; bei einzelnen chro- 
nischen Uterinleiden ohne bestehende Schwangerschaft ein 
Sehwanken der Temperatur zwischen 37,0 — .S7,6 C. Es erhellt 
daraus, dass bei gesunden Individuen die Temperatur im Allge- 
meinen constant ist, dass sie selbst während der Schwanger- 
schaft, wo doch eine gesteigerte Blutzufuhr nach den inneren 
Gazchleehtstheilen stattfindet, nur wenig steigt und sogar bei 
wirkHehen Gebärmutterkrankheiten noch keine belangreiche Stei- 
gßnng erAhrt, so lange dadurch kein TermehTteT ^loÜ^««^%^\ 



230 XVIII. Notiien ans der Journal •Literatur. 

im gaDzen Organismus hervorgernfcn wird. Gans anders Ter- 
hlUt sich die Temperatur bei der Geburt. Dieselbe nimmt hier 
plötslich und constant su, und Icann nach Beschaffenheit nnd 
Häufigkeit der Wehen, und besonders der Geburtsdauer, bis auf 
40^ Gels, und höher steigen: ein Beweis, dasri die Geburt mit 
einem krankhaften Zustande viel Uebereinstimmendes habe. — 
Unmittelbar nach der Geburt füllt die Temperatur wieder, bleibt 
indess immer nicht unbetrKchtlich höher, als sie wXhrend der 
Sohwangerschaft gewesen war, Puls nnd Respirationsfrequens 
hielten fast gleichen Schritt mit der Temperattfr. 

Im weiteren Verlaufe des Wochenbettes seigt die Temp. 
▼iele Schwankungen , in der Weise jedoch, dass sie meist erhöht 
bleibt, selten bis auf 37^0., fast nie darunter fällt; dem entspre- 
chend fand Verf. bei gesunden Wöchnerinnen nach der vierten 
Woehe die Temperatur in der Regel noch 87,4 und höher. — 
£s folgen jetzt aus einer Reihe von Temperaturbeobaehtungen 
graphisch dargestellte Schemata suerst des normalen Wochen-- 
bettverlaufes, dann einiger der hauptsächlichsten Wochenbetts- 
krankheiten immer mit gleichzeitiger Bezugnahme auf Puls- und 
Respirationsfrequenz. Hierbei hebt Verf. besonders hervor, wie 
schwer oft die scharfe Scheidung eines physiologischen von 
einem pathologischen Zustande sei; denn wenn auch die Ther- 
moroetrie hier, wie bei anderen Krankheiten in der Regel ein 
treffliches Criterium abgebe, so sei sie doch trügerisch, da man 
hauiSg genug bei Wöchnerinnen auf die geringsten Diütfehler 
imd Gemüthserregnngen hin bedeutende FieberAteigerungen beob- 
achte, wahrend das Umgekehrte bei wirklich schweren Affectio- 
nen der Fall sei. Die sorgfältigste Untersuchung und Verglei- 
chung des gegenwärtigen mit dem früheren Zustande u. s. w. 
schätze hierbei allein vor Irrthümern. Aus einer einmaligen 
Messung aber sei nie etwas Bestimmtes zu entnehmen. — Trotz- 
dem hält er die Temperatur fiir ein ausgezeichnetes Hülfsmittel 
zur Beurtheilung von Pnerperalprocessen, da in manchen Fällen 
eine exacte Beobachtung nicht allein den Grad, sondern auch 
den Charakter der Krankheit erkennen lasse. 

(Nederlandsch Tijdschrift voor Geneeskunde Jaargang 1865.) 



Bardinet: Das Leben ohne Respiration bei gewis- 
sen Neugeborenen. 

Verf. sucht festzustellen, dass 1) ein Kind, getrennt vom 
Uterus, nicht zu athmen braucht, nnd dennoch, in Folge von 
Quetschungen, Ecchymosen und Blutaustriite zeigen kann, als 
ob es vollständig ein extrauterines Leben geführt hätte. 2) Dass 
ein Kisd, ohne geathmet au haben, doch innerhalb fünf Stuadea 



Xyill. Notisen aas der Journal -Literatur. 231 

(▼er lahlreiehenZen^eD) die Glieder bewegen, die Gesichtssüge ver- 
Xadern und sogar eine Art von Geschrei ansstossen könne. 3) Dass 
•in Kind innerhalb vier Stunden unter einer £rdlage Ton 25 Gen- 
timeier Dicke leben und vier Tage lang nach der Ausgrabung 
leben bleiben könne. Nachdem eich Verf. Euvörderst über die 
Unterschiede der Circnlation während des intrauterinen und des 
extrauterinen Lebens verbreitet hat, kommt er su der Behaup- 
tung, dass der Zustand von Scheintod, in dem viele Neugeborene 
sich befänden, über V4 — V4 Stunde sich verlängern könne, wäh- 
rend welches Zeitraumes die Hersschläge nur das Gefühl eines 
Zittems abgäben, an dessen Stelle durch fleissige Bemühungen 
und Anregungen der Circnlation allmälig lebhaftere Pulsationen 
gleichseitig mit dem Eintritte der Respiration träten, — so dass 
ansunehmen sei,^das Rind habe vorher ohne Respiration gelebt! 
Je näher die Geburt dem Ende des 6. Monates eintritt, um so 
länger dauerte auch der Zustand dieses Lebens (also bei sehr 
früh geborenen Kindern). Verf. beruft sich ausser auf seine 
eigenen , auch auf die Versuche und Erfahrungen von HalUr^ 
Buffon, Legallois und Edwards, die neugeborene Thiere verschie- 
dene Zeit lang unter Wasser leben sahen. — Es handelt sich 
hierbei aber um den sweifachen Beweis: 1) um die Probe, dass 
das Kind wirklich gelebt hat und 2) dass trots den evidenten 
Lebensseichen, die es gegeben, die Respiration auch nicht im 
kleinsten Theile der Lungen vollzogen wurde. 

Der erstere Beweis ergiebt sich entweder durch unver- 
werfliche Zeugen, welche deutliche und öfters wiederholte Be- 
wegungen während eines bestimmten Zeitraumes wahrnahmen — 
oder nach dem Tode, wenn man Spuren von Misshandlungen 
findet, die weder unter der Geburt statthaben, noch nach dem 
Tode des neugeborenen Kindes ausgeübt werden konnten (hydro- 
statische Lungenprobe). Zu allen diesen Fällen berichtet Verf. 
Beispiele. 

In Betreff des zweiten Beweises fragt es sich, wie Neuge- 
borene noch leben können , welche bereits geathmet haben und 
bei denen ans gewissen Gründen die Respiration sich abge- 
schwächt hat oder selbst aufgehoben ist, vorausgesetzt, dass 
man das Fortleben der Kinder, bei denen sich die Respiration 
noch nicht hergestellt hat, erkennt. Wenn beim Neugebo- 
renen sich die Respiration hergestellt hat, so vermittelt 
sie den Lungenblntkreislauf. Die Lunge war vorher nicht ein 
Organ sur Athmung, sie wird es mit Einem Male, und die Blut- 
masse will in sie hineinstürzen. Wenn aber durch irgend eine 
Ursache der respiratorische Apparat seine mechanischen -Funk- 
tionen nicht erfüllen kann, wo will dann der Blutstrom hin? Es 
wird sich der fötale Kreislauf wieder herstellen, begünstigt durch 
die noch bestehenden Communicationen zwischen beiden Vor- 
hSftm und dem BotallischeD Qang. 



XVIII. Notizen aus der Joarnal- Literatur. 

Die Fonktionon der Ernährung, fortwährend geeehwäoht, 
führen in der Zusammensetzung des Blutes nur ziemlich schwache 
Aenderungen herbei, und verzögern somit eine Asphyxie. 
Hieraus ergiebt sich, dass das Blut, welches nach Einlei- 
tung der Respiration die Elemente der Verbrennung mit »ich 
führt, nicht fähig ist, das Leben der Neugeborenen eben so lange 
zu unterhalten, als das Blut bei unterdrückter Respiration. 
Sebliesslich nimmt Verf. an, dass diese Lebensweise 6 — 7 Stan- 
den lang andauern könne: über die Art und Weise aber,- wie 
dies geschähe, stellt er mehrere Hypothesen auf. 

1) Entweder unterhält sich das kindliche Leben allein durch 

das Fortbestehen der fötalen Circulation, oder 

2) durch eine unsichtbare Respiration, welche durch eine 

schwache Ausdehnung der Lungenspitzen herbeigeführt 
wird, oder endlich 

3) beide Funktionen tragen zur Unterhaltung des kindlichen 

Lebens bei. 
Verf. theilt der ersten dieser Hypothesen die grösste Wahr- 
scheinlichkeit zu und fügt bei , dass Miuchka der erste gewesen 
Bfli, der diesen Punkt berührt, und dessen Ansichten Verf. in 
dieser Schrift daher mehrfach angezogen habe. 

(Bulletin de TAcad^mie Imperiale T. XXX. No. 21. 
15. August 1865.) 



Senator: lieber den Tjod. des Kindes „in der Ge- 
burt*': (Als Beitrag zur Lehre vom Kindesinord.) 

Verf rügt zuvörderst den bei den Gerichtsärzten gebräuch- 
lichen Ausdruck: „Ein Kind ist todtgeboren^. Denn durch die- 
ses Urtheil wird dem Richter meist die nöthige Unterlage zur 
Untersuchung in Sachen der Kindestödtung entzogen, da an einem 
todten Rinde das fragliche Verbrechen nicht mehr 'ausgeübt 
werden konnte. Und doch kann ein sogenanntes todtgeborenes 
Kind d. h. welches noch nicht geathmet bat, getödtet worden 
sein, nHrolich „in der Geburt". Es hat daher der Gerichts- 
arzt stets zu begutachten, ob das betreffende Kind „in (zur Zeit 
oder bei) der Geburt", oder ob es „nach der Geburt" gestor- 
ben eyent. getödtet worden ist. 

Den Zeitraum, in welchem ein Kind als „in der Geburt 
lebend" betrachtet werden muss , beginnt mit dem Anfange der 
Geburt und dauert bis zum ersten Athemzuge des Kindes ausser- 
halb des mütterl. Organismus, d. h. das „Nachgeburtslebcn" be- 
ginnt erst dann, wenn das Kind nicht mehr von dem aus dem 
mütterliclien Organismus mitgebrachten Vorrath von oxydirtem 
BJute zehrt — wenn es also beginnt za athmen. Ein Kind hat 



XVIJI. Notiften ans d«r Journal- Lite rata r. 2S3 

lyOiieh der Gebart** gelebt, wenn es Luft geathmet hat; Luft- 
atbtnen ist daher nach der Geburt Leben. Dhs Nichtathmung^s- 
lebea vom Bej^inne der Geburt an (incl. Scheintod der Kinder 
opp. Oasper) ist das Leben „in der Geburt**. Dass ein Kind „in 
der Gebort** gelebt und gestorben ist, kann aus der Leiche tuit 
Gewissheit oder an Gewissheit gränzender Wahrscheinlichkeit 
nachgewiesen werden. Als Beweis des Lebens nud Todes des 
Kindes ^nach der Geburt** dient nach Obigem einfach der Luft- 
gehalt der Lunge. 

Nicht so einfach ist der Beweis des „in der Geburt** statt- 
gehabten Todes, a priori aber ist anzunehmen, dass jedos Neu* 
geborene, welches kein Zeichen des vor der Geburt erfolgten 
Todes (Maceration) an sich trägt und das nicht geathmet hat, 
wahrscheinlich in der Gebart gestorben ist. Zur Gewissheit wird 
diete Wahrscheinlichkeit 

1) durch Todten flecke an Stellen, die unter der Geburt 

bei keiner Kindeslage die tiefsten sein konnten. 

2) Durch Druckerscheinungen während der Geburt 

(Kindestheilsgeschwülste, besonders Blutergüsse un- 
ter dpm Pericraninm, welche nicht allein die Kopf- 
geschwulst begleiten, sondern noch viel häufiger nnd 
constanter als diese sind und in höhcrem Grade das 
Cephalaematom liefern. Nur bei Fracturen können die- 
selben. Veränderungen auch künstlich herbeigeführt 
werden). 

3) Durch vorzeitige Athemb ewegungen bei Störungen 

der fötalen Ciroulation {Krahmer), Diese con^tatirt man 
einestheils durch die Erweiterung des Brust- 
raums (Stand des Zwerchfells) und die Aspiration von 
Blut oder anderen leicht beweglichen Stoffen der um- 
gebenden Medien. Ein Tiefstand des Zwerch- 
fells bei luftleeren Lungen ist dem Verf. der Beweis 
von stattgehabtem vorzeitigem Athmen (was Engel be- 
streitet). Durch die Aspiration werden die Pulmo- 
nalgefasse sich mit Blut überfüllen, ebenso die Lunge, 
was bis zur Bildung von Petechialsugillatione n 
sich steigern kann.' Das Gewicht der blutüber- 

* füllten Lunge wird vermehrt. Die Lungen von 
reifen Neugeborenen müssen, wenn sie 60 Grammes 
(ca. 16y, 30 wiegen, schon Blut in sich aufgenommen 
haben. Dieselbe Blntfülle führt eine Injection der 
Luftröhrenschleimhaut, ein strotzend gefülltes 
Herz, besonder^ rechts, ebenso gefüllte grosse Gefäss- 

' stftmme herbei, und in Folge von Schlingbewegun- 
gen fremde Körper, meist flüssige Stoffe, in Speise- 
röhre und Magen, Zuweilen wurde auch elü« n«^V\ 



234 XVIII. Notizen aue der Journal -Literatur. 

vorbei Agierte Zange nach dem Tode dnrch vorseitigfe 
Athembewegnngen beobachtet. Endlich lenkt Verf. noch 
4) die Anfmerksamkeit auf die Besudelung des Kindes- 
körpers mit Meconium, welche stets nur statthaben 
kann, wenn Mecon erst nach dem Blasensprunge ab- 
ging, wenn also das Kind in der Gebart noch gelebt 
hat; im entgegengesetzten Falle sind die Meconspnren 
stets mehr oder weniger verwischt und nndeatlich. 
(Vierteljahresschrift für gerichtl. a. öffentliche Medicin. Nene 
Folge. IV. Band. 1. Heft. 1866.) 



Breslau: ZwilliDgsschwangerschaft; eine Frucht 
ausgetragen, die andere plattgedrückt, im 
Uterus zurückgeblieben. Tod der Neuenl- 
bundenen durch Blutung. 

Eine 3B jährige, kräftige Erstgebärende hatte in der Zürcher 
(Hebärklinik unter kräftigen Wehen ein 67e Pfund schweres Kind 
geboren, worauf die vollständig normale Placenta alsbald folgte. 
Wegen einer siemlich heftigen Blutung ans dem seitweise relaxi- 
renden Uterus wurde dieser durch kräftiges Reiben mit der Hand von 
anssen zur Contraction angeregt, Seeale cornnt. gegeben, die 
kalte Douche applicirt und schliesslich die Scheide tamponirt, 
in der Meinung, die Quelle des Blutes möchte in der Scheide 
sein. Als hierauf die Blutung zwar aufhörte, doch Zeichen von 
acuter Anämie sieh einstellten, Hess der die Oeburt bisher allein 
behandelnde Assistent des Verf., letzteren zu Hülfe holen. Nach 
den vorhandenen Zeichen glaubte dieser auf eine keineswegs 
bedenkliche Anämie schliessen zu dürfen, und beg^nügte sich, 
da mit der Herausnahme der Tampons in dem Kingeben mit der 
Hand die Möglichkeit und Gefahr einer neuen und jetzt vielleicht 
recht gefährlichen Blutung gegeben schien, mit der Oompression 
der Aorta abdominalis, und der Verabreichung von Wein und 
warmem Thee. Der Collapsus nahm indess rasch zu, ein Clysma 
von ffo^stann*schen Tropfen mit etwas Wasser und ein grosser 
Senfteig auf die Brust änderten Nichts, so dass Verf. sioh ent- 
schloss, die Transfusion vorzunehmen; ehe dieselbe jedoch zur 
Ausführung gelangen konnte, war Fat. bereits todt. Bei der 
Seetion fand sich in der Hauptsache ein in der Uterinhöhle be- 
befindlicher plattgedrückter, in seinen Eihäuten noch eingeschlos- 
sener, circa 16 — 17 Wochen alter Fötus 'vor, dessen handteller- 
grosse Placenta im linken Hörne des Uterus befestigt war. Dieser 
Umstand war unzweifelhaft als die Veranlassung der Verblutung 
anzusehen, indem dadurch die nach der Geburt der enten zurück- 



XIX. Literatur. 235 

bleibende sweite Fracht die re^elmHsgigen Contractionen des 
Uterofl yerhinderte. Verf. glüabt^ durch diesen Fall belehrt, an 
die alte praktische Massregel wieder erinnern su müssen, das 8 
man bei jeder etwas stärkeren Blutung auch nach 
Aasstossung der Placenta in den Uterus eingehen und 
sich überieugen solle, ob irgend etwas darin suruck- 
gebli e ben sei. 

(Wiener media. Presse 1865. Nr. 52.) 



XIX. 
Literatur. 



Contributions to assisl Ihe study of ovariaii physiology and 
pathology by Ca. Ritchie, London 1865. 208 Seiten. 

Dem Verfasser stand zu seinen Untersuchungen das grosse 
Material von Spencer- WelUy dem auch das vorliegende Ruch ge- 
widmet ist, SU Gebote. Wenig Vertrauen erweckend in Besug auf 
die Benutsung dieses Materiales ist jedoch ein* Passus in der 
Vorrede, wo der Verf. meint, das Studium der Structnr des £ier- 
stoekes und der Genese des Kies sei zwar sehr verführerisch, 
aber eben so leitraubend und nutzlos wie die Aufsuchung des 
Steint der Weisen und des Lebenselixirs. Diesen Standpunkt 
scheint der Verfasser auch bei der geschichtlichen Darstellung 
unserer Kenntnisse vom Eierstocke und seinen Funktionen befolgt 
SU haben , denn diese ist besonders in Bezug auf die deutsche 
Literatur äusserst unvollständig und mangelhaft, in dem ersten 
Kapitel, das die Geschichte bis 1844 enthält, fehlen Namen wie 
Bieehoff s. B. gänzlich; Virchow soll schon 18B8 einen Aufsatz 
über ßierstookscolloide geschrieben haben. Es hat überhaupt 
den Anschein, als ob die Kenntniss der deutschen Literatur 
nicht direet ans den Quellen geschöpft wäre, denn es kommen 
Entstellungen von Namen vor, wie man sie wohl in französischen 
Werken immer noch reichlich findet, in englischen aber sehr 
selten, so z. B. immer Pflügel statt Pflüger, und dies sind keine 
Druekfehler. Ein grosser Theil des Werkes besteht in einem 
direeten Abdruck eines weitschichtigen Aufsatzes über die Phy- 
siologie der menschlichen Ovarien vom Vater des Verfo^a««!« «iiU% 



336 XIX. Literatur. 

der Medical Gasette von 184S — 45. Dieser Aufsats, der uns 
▼ielen sorgfHltigen 8ectionen besteht und zn 47 Schlussfolge- 
ruDgen führt, war seiuer Zeit eine sehr yerdienstliche Arbeit, 
ist jetzt aber in den meisten Punkten antiquirt, so dass ein kor- 
■er Auszug daraus vollständig genügt haben würde. lu dieser'' 
Arbeit des Vaters werden die Entdeckungen von Baer und Büchoff 
besprochen, die aber doch sicherlich in der Darstf ilong der Ge- 
schichte einen hervorragenden Platz verdient hätten. Sehr aus- 
führlich werden in einem weitern Kapitel die Arbeiten von Grohi 
und Pflüger referirt, dann die chemische Znsammensetzung des 
Cysteninhaltes nach Owen Bees und Scherer besprochen. Hieran 
schliesst sich die Beschreibung einer von «Sp. TTsZ^ entfernten Der- 
moidcyste an. Im letzten Kapitel giebt der Verf. eine Skisie über 
die Art und Weise, wie die Entwickelnng von Cysten im Ovarinm 
■u Stande kommen soll. Es würde den Raum dieser Besprechung 
zu sehr ausdehnen, auf die Ansichten, die viel Wahres und Fal- 
sches in buntem Gemische enthalten, einzugehen, und ich führe 
nur die Eintheilung an, die in Bezug auf die Ovarlentnmoren 
dabei aufgestellt wird. Hypertrophie des Ovarium zerfallt nach 
Bitchie in partielle (Bildung einzelner und multipler Cysten ans 
einem oder mehreren G^aa/*schen Follikeln hervorgehend) und 
allgemeine (Hypertrophie der primären und der Graa/*8chen Fol- 
likel). Die Hyperplasie wird in eine fibröse, follikuläre und eine 
allgemeine eingetheilt. Als dritte Hauptgruppe werden die Neo- 
plasmen besprochen. Gleich die erste Art derselben ist so we- 
nig pathologisch klar aufgefasst und beschrieben, dass es dem 
Beferenten nicht möglich ist, irgend welches Verst&ndnist fftr 
die Anschauungen des Verf. zu gewinnen. Es ist dem Dr. Siiehie 
unter Leitung von Dr. Webb gelungen, in einzelnen Cysten von 
Ovarialtumoren das Ovum aufzufinden; in anderen FSllen, wo 
ihm dies nicht gelang, spricht er kleine Cysten, die in der 
Wandung einer grösseren gelegen waren, für das degenerirte 
Ovum an. (1). Ja, er bleibt hierbei nicht stehen^ sondern be- 
hauptet, dass diese Degeneration des Ovum*s so weit gehen 
kann, um die Haare, Zähne etc., die ja so oft in Ovarialtnmoren 
gefunden werden, zu erzeugen, und sagt wörtlich, dass ein un- 
befruchtetes Ei im G^aa/*schen Follikel sich bis zu einem ge- 
wissen Grade ebenso entwickeln kann, wie ein befruchtetes im 
Uterus! Es können sich die drei Keimlager entwickeln, und es 
seien die Zähne etc. von dem oberen Keimblatte abzuleiten, 
während die anderen beiden Keimblätter ihre Lebenskraft (},vi- 
tality**) nicht so lange bewahren! Um diesen Anschauungen die 
Krone aufansetzen, meint Herr Bitchie ^ dass auch in einem sol- 
chen Ovum ein Amnion gebildet werden möge!!! Das Vorhan- 
densein von Zähnen u. s. w. in OvarialgOBchwülsten soll demnach 
ein Beweis sein, dass viele dieser Geschwülste (die erste Ab- 



XIX. Literatar. 287 

tbeilang der Neoplasmen) von dem OvQm aufgehen („bclonging 
to the ovam') und wie groes die Kräfte desselben sur „Parthe- 
BOgenesie** seien. Man wird mir die weitere Besprechnng der 
übrigen Neoplasmen hiernach gewiss gern erlassen, allein es 
•ehien Pflicht eines deutschen Referenten derartige veraltete 
Dingst aufgegebene Anschauungen eines englischen Autoren blos- 
anstellen, um so mehr, da derselbe verächtlich von den Unter- 
snehnngen deutscher Schriftsteller in diesem Fache spricht. 
BeilXufig mag noch bemerkt werden , dass in der neuesten Zeit 
Hi9 in dem SchuUze* sehen Archiv für Mikroskopie sehr schön 
die Entstebnng von Zähnen etc. in Ovarialtumoren begreiflich 
gemacht hat. HU leitet diese Gebilde mit vollem Rechte von 
dem obersten Keimblatte ab, indem er beweist, dass dieses Blatt 
an der embryonalen Entwickelung des Eierstockes einen we- 
sentlichen Antheil hat. Ouateroto. 



Kormann: lieber die UterusruptureD in forensischer Bezie- 
hung. Diss. inaug. Leipzig, Decbr. 1864. 

Verf. veröffentlicht drei FHlle von spontanen Uterusrnptnren, 
welche sich binnen ly, Jahren in den Leipsiger GebKranstalten 
(Klinik und Poliklinik) ereigneten. 

Der erste Fall betraf eine 41jährige schlecht gebaute (Conj. 
Tera »» 3" 5'") Fmu, die schon sechs Mal geboren hatte (binnen 
18 Jahren); sammtliche Wochenbetten waren normal verlaufen. 
Nach einstündiger Wehendaner sollte mit „Fetsen'^ gemischtes 
Fmcbtwasser abgegangen sein. Nach fernerer einstündiger Dauer 
sehmershafter, kräftiger Wehen bemerkte die Frau plötzlich beim 
Umhergehen einen heftigen fixen Leibschmerz und starken Blut- 
verlnst. Bis 4*/4 Stunde später änderte sich Nichts; der in vier- 
ter Schädellage vorliegende Kopf sollte soeben mit der Zange 
gelasst und geholt werden, war eben noch gefühlt worden, aber 
plötslich verschwunden; ebenso die Wehen; die Frau eollabirte, 
da der eipgeföhrten Hand eine grosse Menge Blut entgegen- 
stürzte. Im Uterus fanden sich Darmschlingen sammt Mesente- 
rium nnd Netz; das in der Bauchhöhle befindliche todte Kind 
wurde sammt der gelösten Placenta mittels der Wendung extra- 
hirt. Die Matter starb in Folge der Erschöpfung 28 Stunden 
nach der Entbindung. Die Section zeigte den an der hinteren 
Scheiden- und Cecvicalwand verlaufenden, bis zum äusseren Mut- 
termunde allein sechs Zoll haltenden Riss. Das Promontorium 
sprang stark in den Eingang vor, und nach der Anamnese wird 
sieb der Uterus während der Wehen an demselben durchgerieben 
haben;' als Moment des Eintrittes der Perforation erscheint der 
BlatfBflproDg. 



288 ^ ^I^- Liierainr. 

Der aweite Fall betraf ein 28jKlinge8 Mädobeii, Zweitge- 
bärende; das erste Wochenbett, nach regelmässiger aber sebwe- 
rer Entbindung war gut verlaufen. Wegen Querlage des Kinde« 
(IT. Q. 2. Unterart) wurde die Wendung gemacht und wegen der 
Grösse des Kindes die £xtractioB nach den gewöhnliehen BegalB 
der Kunst. 

Das 207t'' lange Kind war leicht asphyktiseh, wog Oy, Pfd. 
Die Nachgeburt wurde, trots der Uterus leer war, nicht ansge- 
stossen, sondern fand sich bei der inneren Untersuchung im 
jPott^/as'schen Räume vor, wohin sie durch einen, an der rechten 
und hinteren Wand der Gebärmutter befindlichen^ Riss ge» 
langt war. Unter den gewöhnlichen Erscheinungen einer heftigen 
Peritonitis trat am sechsten Tage nach der Entbindung dar 
Tod ein. Die 8ection seigte ausser einem grossen, abgesacktes - 
Eiterdepot in der rechten Seite der Bauchhöhle an Stelle des 
früheren Risses einen Substanzverlnst, nur durch einen nach der 
Mittellinie hin festsitzenden 2 Q " grossen, Lappen verlegt. Das 
Scheidengewölbe war unverletzt, der Riss selbst in der Mittel- 
linie 8 Centimeter lang, 6 Ceutimeter breit. — Zur Entstehung 
der Ruptur haben beigetragen sowohl die Grösse des Kindes als 
die in der Oogend des Risses bemerkbare Diinnwandigkeit der 
rechten und hinteren Seite des Cervix uteri, welcher Theil bei 
der Ausführung der Wendung unberührt blieb. 

Der dritte Fall ereignete sich bei einer 29 jährigen Mehr- 
gebärenden, welche im aweiten Wochenbette schon eine schwere 
Peritonitis durchgemacht hatte. Da die beiden Kinder todt zur 
Welt gekommen waren und besonders weil eine bedeutende 
Beekenenge mit einer Conj. vera »s 2'/4 P« Zoll bestand, worda 
in der 37 — 38. Woche die künstliehe Frühgeburt eingeieitat. Als 
Meconabgang sich einstellte, wurde die Wendung auf die Ffiaaö 
gemacht und ihr der Erschöpfung der Mutter wegen die Extrac« 
tion angeschlossen; der Kopf musste erst perforirt und dann mit 
der Cephalotribe entwickelt werden. Der Knabe maass 18", wog 
6 Pfund 1 Loth. Nach 22 Stunden starb die Mutter unter Ool- 
laps, und bei der Autopsie fand sich eine Uterusruptar vor, wo- 
bei nur das ungewöhnlich war, dass sich in ziemlicher Ausdeh- 
nung der Peritonäalüüerzug vom Uterus losgelöst hatte and mit 
den Ligg. latis und ovarii einen heutigen Sack darstellte, der 
an seiner Peripherie nur wenig eingerissen war. An der Ruptur- 
steile fand sich auch hier eine partielle Diinnwandigkeit der 
Uterusmusculatur vor, geringer jedoch, als ,im vorigen Falle. 
Diese , jedenfalls eine Folge der früher bestandenen Peritonitis, 
wird bei der hochgradigen Beckenenge als disponirende Ursache 
der Ruptur anzusehen seien. 

Für den Gerichtsarzt ist es von besonderem Wertfie, genau 
über die möglichen Ursachen der Rupturen nachzuforiehan* 



XIX, Literatar. 289 

4i6 in dem sa beortbeilenden Falle vorliegen. Im Allg^emeinen 
sind die Bnptureu entweder spontan entstanden oder gewalt- 
sam herbeigeführt. 

Znr spontanen Entstehung eines Uterusrisses prädis- 
ponirt sowohl eine pathologische Gestaltnng des mütter- 
lieken Beckens, als eine krankhafte Strnctur des Ute ras, 
oder endlich Abnormitäten des vorliegenden Kindesthei- 
les. Ausserdem können noch Eventualitäten jeder Art zu Ge- 
legenheitsursachen der Ruptur werden, und bei völlig regel- 
missiger Beschaffenheit der Geburts- und Kindestheile auftreten. 

Im motte rliohen Becken können sich Exostosen, Vor> 
Sprünge einselner Beckenknochen oder eine ungewöhnliche 
8eh&rfe der Linea innominata vorfinden, im höchsten Grade bei 
Küidm^B Stachelbecken. Ferner disponirt schon jedes rhachi- 
tische «nd osteomalaeische Becken zur Rnptnr. Alle diese Ab- 
normitttten können angeboren .oder durch Krankheiten erworben 
sein, unter denen besonders Rokitansky^s puerperale Osteophyt- 
bilduugen zu nennen sind. Die Ruptur kann hier sowohl primKr 
als secundftr durch Gangrän einer gequetschten Stelle (am Pro- 
montor) eintreten. 

In der überwiegend grösseren Anzahl von Fällen, giebt die 
krankhafte Strnctur des Uterus die Prädisposition zur 
Ruptur, zwar auch während der Schwangerschaft, jedoch am 
häufigsten unter der Geburt, durch Vermittelung der Weheuthä- 
tigkeit. Bei zu starker Ausdehnung und Verdünnung des Collum 
uteri, bei grösserer Dünnwandigkeit einzelner besonders des un- 
teren Gebärmutterabschnittes, bei Kraropfzuständen und hochgra- 
diger Rigidität des Orificium uteri, bei ungleicher Entwickeiung 
der verschiedenen Muskelparthien, z. B. bei Uterus duplex, und bei 
angeborener Dünnwandigkeit des ganzen Organs können Rup- 
turen eintreten; ferner bei localen Verfettungen, Atrophien, Nar- 
benbildnngen oder Bindegewebshypertrophien nach acuten oder 
chronischen Entzündungen des Organs oder dessen Umgebungen 
(Haematocele), nach überstandenen Kaiserschnitten oder früheren 
Rupturen des Uterus, sowie bei geheilten oder noch bestehenden 
Flexionen. 

Endlich gehören hierher das zeitige Eintreten des pnerpe- 
ralen Involntionsprocesses, die Gegenwart von Polypen und Fi- 
broiden oder Carcinom des Cervix, Atresien des Cervicalkanals 
und Placenta praevia. 

Von Abnormitäten des vorliegenden Kin desth ei le s 
sind besonders aufzuführen: abnorme Grössenverhältnisse des 
ganzen Kindes oder nur einzelner Theile besonders des vorlie- 
genden, mit oder ohne fehlerhafte Lage des Kindes, sowie ein 
langer Stand eines Kindestheiles an Einer Uternsstelle. Am sel- 
tensten ist das intrauterine Entstehen eines Hydrocephalns die 
Urtaehe znr Rnptnr geworden. 



240 S:iX. Literatur. 

Unter den G el egenheitsursachen Ussen - sieh ▼orEfig^ 
lieh nennen tranmatische Einflüsse jeder Art e. B. ein einmali^s 
Fallen. Hierher za rechnen ist anch ein kq kräftiges, unver- 
nünftiges oder fftlschliches Verarbeiten der Wehen, oder ein un- 
gestümes Gebaren , Unifaerwerfen der Kreissenden w&hrend der 
Vornahme von Operationen. Ferner sollen anch schon einma- 
liges heftiges Erbrechen, ein stärkerer Hnstenanfall ausgereicht 
haben, Rupturen zu bewerkstelligen (wohl nicht ohne bestehende 
Prädisposition). 

Rietet die Untersuchung nach allen diesen Seiten hin negative 
Resultate, so wird der Verdacht einer gewaltsamen Entstehung 
der Ruptur sich uns aufdrängen. Bei jeder Operation sowohl mit 
der Hand als 'mit Instrumenten können Kunstfehler begangen 
worden sein, und hat der Gertchtsarst besonders die Methoden 
der Hülfsleistungen zu prüfen. Auch die Beschaffenheit der 
Wundränder wird oft A-ufschluss über di« Art und Ursache der 
Verletzung darbieten, z. B. wenn dieselbe mittels des Zangen- 
blattes herbeigeführt wurde etc. 

Trotz genauester Untersuchung wird doch mancher Fall 
noch dunkel und unerklärt bleiben. Ans der zahlreichen Lite- 
ratur führt Verf. ^ Fälle an, indem er sie auf die verschiede- 
nen Entstehungsursachen der Ruptur vertheilt. 



XX. 

Beiträge zur Eenntniss des Verhaltens der 
Temperatur im Wochenbette 



Dr^ med. Oscar Wolf in Hanau. 

(Mit einer Curventafel.) 



Nachdem durch die Untersuchuntgen Wunderlich'& die 
Anregung zu ausgedehnterer klinischer Verwerthung der Ther- 
raomeirie gegeben wurde, ist auch auf dem Gebiete der Ge- 
burtshfilte und Gynäkologie das Verhalten der Eigenwärme 
häufig untersucht und sind namentlich neuerdings durch 
Winckel und v, Grünewaldt den früheren Angaben von 
Hecker, Oierse, v. Bärensprung und Traube umfassende 
Reihen von Beobachtungen an die Seite gestellt worden. 
Dies nunmehr vorliegende Bcobachlungsmaterial nach einigen 
Richtungen zu controliren und zu ergänzen, war die Aufgabe 
vorliegenden Aufsatzes. 

In der Ueberzeugung, dass, um pathologische Tempe- 
raturschwankungen richtig zu würdigen, vor Allem nölhig sei, 
eine sichere Basis für das physiologische Verhalteu deV FA^^w- 

MoTiAtsiichr. f. OebiirftfJt. 1866. Bd. XXVII., Uft.i. 1^ 



242 ^^* Wolf^ Beitrüge enr Kenntniss 

warme im Puerperium zu gewinnen, richtete ich meine Un- 
tersuchung zunächst auf folgende Fragen: 

1) Wie verhält sich der Gang der Temperatur in den 

ersten 24 Stunden post partum, zeigen sich hier 
Differenzen je nach der Tageszeit, in die das Ende 
der Geburt fiel? 

2) Wie verhält sich die Temperatur zur Milchsecretion ? 

3) Zeigen sich in dem Verhalten der Temperatur zur 

Milchsecretion Differenzen : 

a) bei Säugenden und Nichtsäugenden? 

b) bei Erst- und Mehrgebärenden? 

Das mir von Herrn Prof. Dohrn zu Marburg gütigst 
zur Disposition gestellte Material besteht aus 106 von ihm 
selbst in Kiel und aus 160 in der Entbindungsanstalt zu 
Marburg, Iheils von den betreffenden Herrn Assistenzärzten, 
theils von mir selbst genau und vollständig beobachteten 
Wöchenbettsfällen. Die Thermometer, deren sich Herr Prof. 
Dohrn in Kiel bediente, waren nach den Angaben von 
Wunderlich in Leipzig von Leyser gefertigt, und ermög- 
lichten genaue Ablesung bis auf ^/|o Grade nach Reaumur; 
die in Marburg angewendeten Thermometer waren von Nie- 
mann in Alfeld gleichfalls bei 28" Barometerstand gefertigt; 
jedoch nach Celsius eingetheilt, und stimmten, soweit sich 
dieses aus den Durchschnittsberechnungen erschliessen lässt, 
mit den in Kiel gebrauchten genau überein. Der Gleichmäs- 
sigkeit halber habe ich die Gesammtresultate in Oelsius'schen 
Graden ausgedruckt. 

Zunächst habe ich kurz die Methode der Messung zu 
besprechen. Alle unsere Beobachtungen sind so erlangt, dass 
wir das Thermometer in der Achselhöhle einlegten, sodann 
Hessen wir die Puerpera die Achselhöhle schliessen und den 
betreffenden Arm mit der anderen freien Hand durch mas- 
siges Andrucken an den Thorax fixiren; das Thermometer 
blieb dann so mindestens 15 Minuten liegen. 

In welchem Verhältniss die Temperatur der Achselhöhle 
zu der der Vagina steht, haben wir erfahren durch die ver- 



de8 Verhaltens der Temperatur im Wochenbette. 243 

gleicheoden Beobachtungen von Berger und Maunoir, Hecker, 
Gierse, v, Bärensprung ^ am vortrefflichsten aber hierüber 
ist unstreitig die Arbeit von Winkel ^) , welcher folgende 
Fundamentalsätze feststellte: 

1) Unter sonst gleichen Verhältnissen (Luft, Nahrung, K1<m- 

dung etc.) ist bei gesunden Genitalien die Differenz 
zwischen Achselhöhle und Scheide fast constant. Er- 
stere bleibt gegen letztere um 0,1 <^ C. bis 0,4^ C. 
zurück. 

2) Treten Schwankungen in jener Differenz ein, so wer- 

den sie fast immer durch grössere Haupttemperatur- 
schwankungen bedingt. 

3) Auch bei stärkerer Erkrankung der Scheide und des 

Uterus hält die Temperatur der Achselhöhle fast ge- 
nau gleichen Schritt mit derjenigen der Vagina und 
schwankt zwischen 0,005 bis 0,54^ C. Bei einem 
Falle von der heftigsten Colpitis betrug die höchste 
Differenz nur 0,4^ C. 

Winkel begründet dann seine Ansicht, die Messungen 
in der Scheide vorzunehmen, ein für wissenschaftliche For- 
schungen in Entbindungsanstalten gewiss sehr beherzigens- 
werther Rath, dessen Befolgung aber in der Privatpraxis bei 
den Aerzten sowohl, als bei den Puerperen auf unüberwind- 
liche Hindernisse stossen würde, denn die Bücksicht gegen 
die Decenz darf doch nicht ausser Acht gelassen werden; 
ausserdem lässt sich ja, nach den vorstehenden Sätzen, die 
Temperatur der Vagina mit ziemlicher Genauigkeit aus der 
der Achselhöhle erschliessen. 

Iph wende mich nun zur Beantwortung der ersten Frage, 
welche lautet: 

„Wie verhält sich der Gang der Temperatur in den 
„ersten 24 Stunden post partum? zeigen sich hier 
„Differenzen je nach der Tageszeit, in die das Ende 
„der Geburt iiel?** n 



1) Monatsschrift für Geburtskunde. Bd. XX. S. 409 u. «, 



244 XX. Wolf^ Beiträg^e sur Renntniss 

Mit Winkd halte ich diese Frage gerade für die Pri- 
vatpraxis von der grössten Wichtigkeit, denn Abweichungen 
von der Norm deuten in dieser Zeit schon ziemlich sicher 
auf Störungen des normalen Ruckbildungsprocesses, die sich 
in den ersten 24 Stunden meist durch kein anderes Symptom 
bemerklich machen; der Arzt kann dann seine Maassregeln 
treffen und gerade hier steht ihm das Thermometer so recht 
als Wegweiser zur Seite. 

Zu einer richtigen Beurtheilung dieser Frage ist aber 
vor Allem die Berücksichtigung der normalen Schwankungen 
der Eigenwärme des Menschen überhaupt nach der Tages- 
zeit nöthig. 

Diese sind durch Davy und t?. Bärenaprung normirt; 
ausserdem hat Wunderlich^) für den gesunden Organismus 
die Schwankungen der Tagestemperatur innerhalb der Gren- 
zen von 0,5® C. festgestellt. 

Bei gesunden Schwangern ist nach Winkel^) das Ver- 
hältniss folgendes: 

Die Temperatur steigt Morgens von 2 bis* 10 Uhr, 
Nachmittags von 2 bis 6 Uhr; sie fällt Mittags von 10 bis 
2 Uhr und Abends von 6 bis 2 Uhr Nachts. Morgens zwi- 
schen 9 und 10 Uhr fand sich die Temperatur der Scheide 
in den zwei letzten Schwangerschaftßmonaten durchschnittlich 
= 37,400 C. Abends zwischen 5 und 7 Uhr = 37,47 « C. 
(je 50 Fälle). 

Bei der Auswahl aus dem früher genannten Material 
von 266 Wochenbettsfällen schied ich die nicht normalen 
nach folgendem Grundsatze aus: Als normales Wochenbett 
betrachtete ich dasjenige, bei welchem die Schwankungen der 
Temperatur das Maass der unter gewöhnlichen Verhältnissen 
bestehenden Schwankungen der Eigenwärme nicht wesentlich 
überschritten, und das Allgemeinbefinden bei sorg faltigster 
Beobachtung keinerlei krankhafte Störung zeigte. 

Ich scheue mich, wie ich in der Folge ausführlicher 



1) Archiv der Heilkunde. 1860. XXII. 
3) ]. c. pag. 418. 



des VfsrhalteoH der TemperAtnr im Wochenbette. 245 

darthun werde, in Uebereinstiromung mit Hecker und v. Grü- 
newaldt ^) nicht, auch dasjenige Wochenbett noch als nor- 
males zu betrachten, in dem ausnabmweise eine mit der 
Milchsecretion in Verbindung stehende einmalige Temperatur- 
erhöhung bis zu 40,2^ C. vorkam, v. Orünewaldt betrachtet 
die Wöchnerin in ihrem Temperaturverhalten mehr wie eine 
Verwundete und ihre hohe Empfindlichkeit gegen atmosphä- 
rische Einflösse besonders, lassen auch mich den Satz v. Orü- 
newaldfs als begründet betrachten, ist uns ja doch über- 
haupt seit def Ausbreitung der Zellenlehre das Geschehen im 
kranken Körper nur eine Modification des Normalen. 

Für Wöchnerinnen, die sich, wie schon erwähnt, in Be- 
zug auf die Temperatur nicht wie gesunde Schwangere ver- 
halten können, folgen die normalen Tagesschwankungen etwa 
dem Gesetz, dass die niedrigste Temperatur in den Morgen- 
stunden bis 9 Uhr sich zeigt, dann ein allmäliges, anfangs 
sehr langsames Steigen bis zum Abend 8 Uhr erfolgt, dann 
wieder eine Remission beginnt und, bis zum Maass von- 
0,5® C. für gewöhnlich, zum nächsten Morgen sich fortsetzt. 

Als Grenze des normalen Wochenbettes nimmt i;. Grü- 
neweUdt^) für gewöhnlich die Temperatur von 36,5® C. bis 
37,9® C. an, doch gestattet er, wie schon erwähnt, Aus- 
nahmen. 

Nach Ausscheidung der nach den eben ausgesprochenen 
Grundsätzen nicht normalen Wochenbettsfalle aus der Ge- 
saromtsumme von 266 blieben noch 90 Fälle für die Beur- 
theilung der ersten Frage übrig. Bei diesen 90 Fällen wur- 
den 210 Messungen angestellt, die sich folgendermaassen ver- 
theilen: 

1. Von Herrn Prof. Dohm in Kiel beobachtet 140 

2. Von uns in der Marburger Entb.-Anstalt 70 

~^1Ö~~" 

Die Messungen ad 1. in 62 Wochenbettsfällen, wurden 
der Art angesteUt, dass: 



1) Petersbarger medicin. Zeitschrift. 1863. S. 10. 

2) 1. c. pag. 11. 



246 ^^* Wolf, Beitrüg^e zar KeDUtnis» 

Tabelle I und II gleich nach der Geburt 16 Beobachtungen 
„ I am ersten Morgen post pari. 45 „ 

am darauf folgenden Abend 45 „ 

„ II am ersten Abend post part. 17 „ 

am darauf folgenden zweiten 

Morgen 17 „ 

Zusammen 140 Beobachtungen 

Die folgenden 70 Messungen (ad 2.) in 28 Wochen- 
betlsfallen vertheilen sich so, dass 

Tabelle III u. IV gleich nach der Geburt 14 Beobachtungen 

„ III am ersten Morgen post parL 18 „ 

am darauf folgenden Abend 18 „ 

„ IV am ersten Abend post part. 10 „ 

am darauf folgenden Morgen 10 „ 

Zusammen 70 Beobachtungen 
«angestellt wurden. 

Leider wurde „gleich nach der Geburt'^ verhällnissmässig 
wenig beobachtet; es geschah dies aus Rücksicht gegen die 
Wöchnerin, der, man gleich nach uberstandener Geburt bil- 
ligerweise Ruhe gönnen soll, nicht aus Unterschätzung der 
Wichtigkeit solcher Beobachtung. Wegen der geringen Zahl 
der „gleich nach der Geburt*' angestellten Messungen bean- 
spruche ich für deren Resultate bei Weitem nicht den Wcrih, 
den die Beobachtungen Winkel! ^ haben, nur gewinnnn sie 
allerdings dadurch an Bedeutung , dass sie mit den Beobach- 
tungen dieses Autors übereinstimmen, wie ich unten des Nä- 
heren zeigen werde. Dagegen sind die Beobachtungen der 
ersten 24 Stunden post part. zahlreich genug, so dass sie 
für die Feststellung der Frage, ob die in den ersten zwölf 
Stunden post pari, um einige Zehntelgrade gesteigerte Tem- 
peratur in den zweiten zwölf Stunden in ähnlichem Verhält- 
nisse falle, wohl sicher gut verwerthet werden können. Auch 
die Frage, wie sich die Temperatur in den ersten 24 Stunden 
nach der Geburt verhalle, je nachdem diese am Morgen oder 
Abend endigte, lässt sich daraus entscheiden. 



des Verhaltens der Temperatur im Wochenbette. 247 

Nach Winkd^) betrug die Temperatur gleich nach der 
Geburt durchschnittlich (50 Fälle) 37,612^ C. (nach seiner 
späteren Berichtigung um 0,75^ C. reducirt); da er seine 
Messuifgen in der Scheide anstellte, wir in der Achselhöhle, 
80 hat man von obiger Ziffer die betreffende Differenz von 
noch etwa 0,15^ C. abzuziehen, wodurch man für WinkeV^ 
Resultate die Durchschnittszahl 37,46*^ C. für die Achsel- 
höhle erhält, ganz die gleiche erhielt ich aus dtT Durch- 
Schnittsberechnung der Tabellen 1, II, 111, IV für die Tem- 
peratur nach der Geburt. (S. Tabelle IV u.) Mag diese 
(lebereinstimmung eine zufällige sein, jedenfalls ist sie beach- 
tenswerlh, denn sogar bis aui lOOstel Grade sind unsere 
Resultate die gleichen. 

Weitere eingehende Beobachtungen über diese Frage hat 
O. r. Grünewcddt angestellt ^). Er findet als Durchschnitts- 
zahl für die Temperatur unmittelbar nach der Geburt 37,1^ C. 
(52 Fälle), 2 Stunden ^lost part. 37,23 <> C. Morgens, 37,26« C. 
Abends. Mit unseren Beobachtungen verglichen, wären also 
die V. Grünetvaldt durchschnittlich um 0,3*^ C. bis 0,4 *^C. 
niedriger, eine für unsere Grenzen gewiss nicht unbedeutende 
Differenz. 

V, Chrünetoaldt führt für die Richtigkeit seiner Beob- 
achtungen die Thatsache an, dass die Temperatur von 37,1^ 
bis 37,26 *> C. genau mit den von Wunderlich für den ge- 
sunden Organismus gefundenen Mittelzahlen übereinstimme, 
betrachtet jedoch, wie oben erwähnt, die Wöchnerin wie eine 
Verwundete bezüglich ihres Temperaturverhaltens. Abgesehen 
von diesem Widerspruch ist es aber auch undenkbar, dass 
die Temperatur eines Organismus, der eben noch während 
mehrerer Stunden ^ie heftigsten Muskelanstrengungen aus- 
führte und dessen Stoffwechsel ein bedeutend beschleunigter 
gewesen ist, nach vollendeter Geburt binnen wenigen Minuten 
seine Normaltemperatur wieder erreichen soll; ein solcher 
überaus rascher Temperaturabfall könnte gewiss nicht ohne 
Nachtheil für den Organismus eintreten. Die Regulatoren 



1) Monatsschrift für Geburtskunde. ß. XX. S. 425. 

2) 1. 0. pag. 11. 



248 X^* Wolf, Beiträge snr Kenntniss 

der Jnter partum erhöhten Temperatur, insbesondere die bald 
nach der Geburt eintretende Ruhe und vermehrte Schweiss* 
absonderung, wirken gewiss nicht so momentan, wie man es 
nach V, Grunewalds % Behauptungen annehmen müsste. Aus- 
serdem hat TFi/tieZ ^) das Gesetz stricte bewiesen, dass die 
Temperatur gleich nach der Geburt höher ist als in den 
letzten Monaten der Gravidität, und zwar im Mittel um 0,2 ^ G. 
(70 Fälle). ^ 

Fragen wir weiter, wie sich der Gang der Temperatur 
in den ersten 24 Stunden des Wochenbettes gestaltet! 

Winkel findet für die ersten 12 Stunden ein 
allmäliges Steigen [25 Fälle im Mittel um 0,4<>C. «)], 
für die zweiten 12 Stunden einen entsprechen- 
den Abfall^) (durchschnittlich um 0,5^ G.). Hiermit 
stimmt V. Grrünewaldt 1, c. S. 11 üb er ein. 

Ich will nun zuerst „das Gesammtresultat unserer Beob- 
„achtungen ohne Rucksicht auf die entsprechende Tageszeit, 
„in der die Gebut endigte, und die, wie ich später zeigen 
„werde, beträchtliche Differenzen bewirkt, angeben**. 

Wenn ich als Ausgangspunkt für die Temperatur un* 
mittelbar nach der Geburt die mit Winkel übereinstimmende 
Durchschnittszahl 37,46 ^ C. als feststehend annehme, so linde 
4ch für die ersten 12 Stunden post part. 37,49^ d. (aus Ta- 
belle I, 11, ni, IV). Also ist die ganze Steigerung von 0,03^ C. ; 
dagegen findet Winkel für die ersten 12 Stunden post part. 
eine Durchschnittssteigerung von 0,45*^ C., für die zweiten 
12 Stunden post part. einen Abfall von 0,394^ C. gegen die 
erste Steigerung; ich finde denselben gleichfalls aber nur im 
Werthe von 0,18^ C. im Mittel. Diese Differenzen im Ge- 
sammtresultate gewiss für unsere Grenzen bedeutend, erklä- 
ren sich aber leicht, wenn man das Verhältniss der Tages- 
zeiten, in welche das Ende der Geburt fiel, berücksichtigt. 
Hiernach stellt sich das Verhältniss zwischen den beidersei- 
tigen Resultaten folgendermassen: 



1) Monatsschrift für Geburtskunde. B. 22. S. 326. 

2) op. citat. Tom. XX. pag. 426. 

3) op. citat. Tom. XXUI. pag. 332. 



des VArhaltens der TeinperRtur im Wochenbette. 249 

För die ersten 12 Stunden post part. finden: 



Erste (Morgen) Messung. 
Winkel:^) Steigerung 0,3 1 l^C. 

(36 Fälle); 
Wir: „ 0,041« C. 

(45 Fälle); 



Erste (Abend) Messung. 

Steigerung 0,52 «C. (37 Fälle); 
„ 0,351 «C. (17 Fälle). 



Für die zweiten 12 Stunden post part. finden: 



Zweite (Abend) Messung. 
Winkel: Fall 0,186 <> C. 



ZwiMte (Morgen) Messung. 
Fall 0,602« C. (37 Fälle); 



Wir: FallO,061^C.(45 „ ) 



(36 Fälle) ;i „ 0,625« C. (17 „ ). 



Winkel zieht dann im Weiteren in Uebereinstimmung 
noit Hecker den Schluss. *) 

„Es fand sich also eine Verstärkung der Abnahme durch 
„die Coincidenz mit der allgemeinen Remission, daneben der 
„Grad der Zunahme am Abend höher, als am Morgen." 

Mit diesem Schluss bin ich vollkommen einverstanden, 
wenn auch, wie sich aus obiger Zusammenstellung zeigt, un- 
sere Resultate nicht in den genannten Zahlen, namentlich 
nicht in denen der ersten Morgenmessung harmoniren. Denn 
meinen Resultaten nach ist, um dies gleich von vorn herein 
zu sagen, die Annahme WinkeVs und v. Chrünewaldt% 
dass die Temperatur in den ersten 12 Stunden post partum 
constant um mehrere Zehntelgrade steige, dahin zu modißci- 
ren, „dass die Steigerung nur dann deutlich eintritt, wenn 
sie mit der Zeit der allgemeinen Steigerung vom Morgen 
zum Abend coincidirt, während keine Steigerung, ja zuweilen 
sogar eiu geringer Abfall (s. Tabelle III) erfolgen kann, wenn 
sie mit der allgemeinen Remission vom Abend zum Morgen 
coincidirt. 

Fällt nämlich das Ende der Geburt in Zeit etwa von 
kurz nach Mittag bis vor Mitternacht, so zeigt die Tempe- 



1) op. citat. Tom. XXII. pag. 332. 
8) 1. c. pag. 330. 



250 XX. Wolf^ ReitrHge zur Kenntoins 

ratur gleich nach der Geburt ein Mal die gewöhnliche Abend- 
exacerbation, dazu die Steigerung, die das Geburtsgeschäfl 
bewirkt hat; es folgt dann einestheils die gewöhnliche Remis- 
sion zum Morgen, anderntheils reguliren Ruhe und die ge- 
steigerte Hanlsecretion die Temperatur. 

Nach Tabelle I. zeigt sich die Temperatur durchschnitt- 
lich am ersten Morgen post part. nur um 0,041** C. erhöht, 
nach Tab. II. sogar um 0,154® C. gegen die entsprechende 
Temperatur gleich nach der Geburt erniedrigt. 

Vielleicht würde Winkel hier ein ähnliches Resultat er- 
halten haben, wenn er bei der Aufstellung der Tabelle auch 
die Fälle eingereiht hätte, die in der Folge eine mangelhafte 
Milchsecretion zeigten; denn gerade sie hatten, wie ich später 
noch ausfuhrhcher zeigen werde, schon in dem genannten 
Zeitraum eine auffallend niedrige Temperatur, gegenüber der 
Temperatur gleich nach der Geburt. 

Solche Fälle im streng physiologischen Sinne nicht nor- 
mal, hatten doch im Uebrigen einen so ungestörten Wochen- 
bettsverlauf, dass ich auf ihre Einreibung nicht so verzichten 
konnte, wie Winkel dies bei seiner strengeren Auffassung 
des normalen Wochenbettes gethan zu haben scheint. Der 
Einwurf, dass die Zahl unserer Messungen gleich nach der 
Geburt zu gering gewesen sei, lässt sich unschwer wider- 
legen, wenn man berücksichtigt, dass die Differenz zwischen 
der auch von Winkel als feststehend angenommenen Durch- 
schnittstemperatur von 37,46 *^C. gleich nach der Geburt und 
der unserigen ganz i/nbedeulend ist; — man vergleiche nur 
die Werthe der jetzt folgenden Tabellen I, II, III, IV. 



des Verhaliens der Temperatur im Wochenbette. 261 



Das Verhalten der Temperntar in den ersten 24 Standen 
des Wochenbettes. 



Tab. 



(Kiel.) 





T*?niper»itur g[eic 


1 imch d<5r 


Geburt. 


Folgend« Messugen. 
Morgetis. 1 AUeDda, 


1 


Abends 6 ü 


80. H <* R. 


■i0.4'^K. 

30.9 

29.2 

30.0 

29.4 

30.1 

29.6 

30.0 

29.8 

29.2 

29.5 

30.3 

29.8 

80.0 


30.7 


3 


Abends halb 9 U. . 




. 29.2 
.30.2 


29.4 


5 


Nachmittags 2 U. . 




80.0 


8 


Abends 9 U 




29.9 


11 


Abends 9 U 


80.7 


18 


-Nachmittags 3 U. . 




30 2 


29.6 


•15 
17 


Nachts halb 12 U. 
Abends halb 6 (J. . 




.30.4 
. 29.8 


29.8 
29.6 


20 
23 
9.h 


Nachmittags halb 3 
Nachmittags halb 5 
Nachts 1 U 


U. . . : . . 
U 


29.6 
29.4 
80.8 


26 
28 


Nachmittags halb 4 
Nachts 1 U 


U 


.30.2 


29.9 
30.0 


M 


Nachts halb 2 U. . 






29.6 
29.8 
29.9 
29.8 
29.9 
29.4 
30.6 
29.8 
30.1 
29.4 
80.2 


29.4 


89 


Abends halb^ 10 U 


80.2 


47 
48 


Abends halb 12 U 

Abends halb 8 U 


29.9 

29.8 


61 


Nachts 1 ü 


29.8 


58 


Abends 8 U 


30.0 


65 

60 


Abends halb 11 ü 

Abends 11 U 


30.4 
30.4 


63 


Nachts 2 U 


30.0 


66 


Abends halb 7 U 


29 6 


67 


Nachts 2 U 


29.6 


71 
72 
74 


Nachts 2 U 

Abends 8 U 

Abends 9 U 


29.9 
30.0 
30.1 
30.1 
30.2 


29.8 
29.8 
30.0 ^ 


77 


Nachts 11 ü 


29.5 


78 


Abends 8 U 


30.0 


81 


Abends 11 U 


30.0 
30.0 
29.8 
29.8 
30.0 
29.9 
30.0 
30.1 
30.2 
30.2 
29.8 
29.9 
29.9 
29.8 
30.1 


30.3 


82 
86 


Nachmittags halb ä 
Nachts 12 U 


ü 


.30.2 


80.2 
29.7 


86 


Nachts 12 U. ... 







30.3 


88 
90 
91 
92 


Nachts 2 U 

Nachts 12 U 

Nachts 2 U 

Abends halb 9 U. . 






295 
295 
29.6 
29.7 


93 
94 


Nachts 12 ü 

Nachts 1 U 






30.0 
30.1 


95 
96 
97 


Nachts 2 U 

Nachts 2 U 

Abends 9 U 






299 
29.6 
30.0 


98 
100 


Abends halb 8 U. . 
Nachts 2 ü 







29.6 
29.9 


45 


Summa der Messungen 


9 


46 


L_45 



Durchschnittszahl 29.911« R. 29.9440 R. 29.895« R. 
=r 37.39« C. 37.43« G. 37.37« C. 

Steigerung ^^^^^o q. YaW ^^^^^^ ^^ 



262 



XX. WQ\f, Beiträge sar Kenntnis« 



Das VerhalteD der Temperatar in den ersten 24 Stunden 
des Wochenbettes. 



Tab. IL 



(Kiel.) 






Temperatar gleich nach der Gflbnrt. 



[Morgens. Abanda, 



4 

12 
14 
16 
19 
24 
29 

46 
53 
Ö7 

m 

65 
76 

79 
80 
99 



Morgen» 8 U. Geburtsende . 
MorgQnr>i halb lü U. . . _ , 
MorgeuH 10 Ü, .,..,... 

Mittags 12 U . » . 

Morgoas halb SU....... 

Horeren« halb 9 U. ..... . 

Morf^ens halb 10 U. . , - . . 
Morgena ba]b 11 U. ..... 

Morgens 4 ü. ...,.*,.. 

Morirens halb S U. « > « ^ ■ , 

Morgens halb 12 U 

Morgens 11 U. . , ..... . . 

Nachmittaf^i 1 U. * 

Mittags 13 Ü 

Morgens halb 7 U 

Morgens 10 U. ....... , . 

NechmittafTS 1 U, 



.29.7'^E. I 2Ü.4*B. 



.30.3 



.29.4 

. 29.8 



.30.2 

. 29.6 



. 29.9 



29,7 

80.1 
30.0 
30.2 
30.0 
804 
j 80.4 
29.2 
29.9 
30.4 
30.4 
80,6 
80.2 
80.3 
30.3 

go.ß 



30.0 «R. 

29.S 

2<*.7 

2^.4 
29.7 
29.7 
29,4 
298 
29.6 
29.6 
298 
296 
29.6 
29fi 
29.7 
29.9 



17 



Hnmme der Messiingen 



17 



1 n 



Durchschnittszahl 29.842 ""R. 30.123OR. 29.6230R. 
= 37.302 »C. 37.953^0. 37.028 ®C. 



0.281« R. 

Steigerung 

0.361« C. 



0.60« R. 

Fall 

0.626« C. 



des Verhaltens der TemperaiQr im Wochenbette. 253 



Das Verhalten der Temperatnr in den ersten 24 Stunden 
des Wochenbettes. 



Tab. III. 



(Marburg.) 



U O 



Temperatur gleich nach der Geburt. 



I Folgende Messngen. 



I Morgens. 



2. 

Abends. 



4412, 

4409 

4438 

4474 

466l{ 

4527; 

4540: 

45281 

4542' 

4522, 

4521 

4637 

4128: 

4468 

4567 

4564 

4539 

4536 



Nachts 12 U. Geburtsende 

Abends 9 U 37.1» C. 

Nachts 1 U 

Abends 6 U 

Abends halb 7 U 

Nauhts halb 12 U 

Abends halb 9 ü 

Nachmittags 4 U 

Abends halb 11 U 37.5 

Nachmittags halb 5 U 37.8 

Nachmittags 1 ü 37.6 

Nachmittags halb 5 U 37.5 

Abends 8 U 37.0 

Abends halb 10 U 

Abends 7 ü 

Nachts 12 U 

Abend halb 9 ü 

Abends 5 ü 37.7 



Summe der Messungen 7 




18 



Durchschnittszahl 37.459® C. 37.305 <> C. 37.401 <» C. 
0.154« C. 0.096» C. 
Fall. Steigerung. 

Das Verhalten der Temperatur in den ersten 24 Stunden 

des Wochenbettes. 

Tab. IV. 



^ 2l 



Temperatur gleich nach der Geburt. 



.Folgende Messngen. 

T j 8^ 
I Abds.^) iMorgens. 



4474| Morgens 6 U. Geburtsende . . .37.8» C. 

4571 Morgens halb 8 U 38.0 

4568' Morgens 8 ü 

45691 Morgens halb 7 U 36.8 

4525 Morgens l.alb 7 IJ 37.5 

45241 Morgens 10 U 

4531 Morgens 4 U 38.1 

4534 Morgens SU 37.5 

4532; Morgens 10 U 

4538| Morgens 9 U 38.4 



10 



Summe der Messungen 




»C. 



- Durchschnittszahl 37.72»C. 37.59<*C. 37.44» C. 
0.13»C. 0.15» C. 
Fall. Fall. 

Durchschnittszahl für die 30 Beobachtungen in Tab. I, II, III, IV 

37.4600. 



1) Ich bemerke hier, dass die Abendmessnngen zwischen 5 
und 7 U., die Morgenmessungen zwischen 8 und 9 U. cotL«l«^Ti\. 
Torgenommen Bind. 



254 XX. PTo//, Beiträge sur ReDatnisfi 

Nehmen wir zweitens an, das Geburtsende sei in die 
Zeit etwa von Nachmitternacht bis Mittag gefallen, so wurde 
also die nächste Messung für die ersten 12 Stunden posi 
part. in die Zeit der allgemeinen Abendexacerbation. fallen. 
Ich finde die Durchschnittssteigerung (siehe Tab. IL) für den 
ersten Abend == 0,351 <> C, Winkel^) = 0,52^ C, die Dif- 
ferenz unserer Beobachtungen beträgt demnach nur 0,17^ C;; 
auch sie stammt vielleicht von der Einreihung der oben ge- 
nannten Fälle her. In Tabelle IV. finde ich gegen die ent- 
sprechende Durchschnittstemperatur gleich nach der Geburt 
zwar einen Abfall von 0,13^ C. , aber ich lege gerade dieser 
Tabelle keinen erheblichen Werth bei, da einerseits die Zahl 
der Fälle zu gering ist , andererseits die Temperatur gleich 
nach der Geburl hier unverhältnissmässig hoch; würden wir 
statt ihrer hier die gefundene allgemeine Durclischnittstempe- 
rafur von 37,46 ^C. substituiren können, so würden wir 
allerdings auch eine Steigerung für den ersten Abend er- 
halten. — 

Es folgen nun die Beobachtungen für die zweiten 12 
Stunden post part. Winkel findet dafür ein allmäliges Ab- 
sinken und zwar ist dies grösser vom Abend zum Morgen, 
als umgekehrt;^) v. Grünewaldt stimmt hiermit überein und 
fügt noch hinzu, ^) dass überwiegend am zweiten Morgen die 
Temperatur eine niedrig« sei. Ich freue mich beide Sätze 
vollständig bestätigen zu können. 

Im SpecieUen verglichen zeigen unsere Beobachtungen 
Folgendes: ^ 

Winkel findet für das Ende der zweiten 12 Stunden 
post part. am Abend einen Abfall von 0,186^ C. gegen die 
erste Steigerung von 0,311^ C; ich finde Tab. I. einen Ab- 
fall von 0,061 ^ C. gegen die unbedeutende Morgensteigerung 
von 0,041 ^ C. ; im Einzelnen zeigt sich also das oben ange- 
führte Gesetz viel deutlicher in meinen Resulten; denn hatte 
ich als viel wahrscheinlicher hingestellt, dass, wenn das Ge- 
burtsende am Abend fiel, für den nächsten Morgen eine Aus- 



1) 1. c. pag. 330. 

2) l. c. pag. 330. 

3) L c. pag. 10, 



des Verhaltens de» Temperatur im Wochenbette. 255 

gleichuQg in der Art stattfinde, dass die gewöhnlicl^ie Mor- 
genreinission die Steigerung der ersten 12 Stunden, die ich 
im Princip keineswegs läugne, wieder fast auf liehe, so inuss 
consequenterweise der von den Autoren fvw die zweiten 12 
Stunden beobachtete Abfall dann geringer sein, wenn er sich 
mit der gewöhnlichen Abendexacerbation ausgleichen muss. 
Dies Gesetz zeigt sich am prägnantesten bei der folgenden 
Beobaclitung (siebe Tab. II.j; hier fallt die Steigerung der 
ersten 12 Stunden mit der gewöhnlichen Abendexacerbation, 
der Abfall der zweiten 12 Stunden mit der gewöhnlichen 
Morgenreniission zusammen; und hier stimmen denn auch 
WinkeTs, v. Grünewaldt^s und meine Resultate ganz genau 
überein, und die niedrigste Temperatur findet sich am zweiten 
Morgen durchschnittlich mit 37^ ^ C. Winkel hatte für den 
ersten Abend eine Durchschnittssteigerung von 0,52^ C, wir 
0,35*^ C, für den darauffolgenden (zweiten) Morgen einen 
Abfall von 0,602«» C, wir 0,625« C. (s. Tabelle IL). 

Hiernach glaube ich die erste Frage „betreffend die Tem- 
peratur in den ersten 24 Stunden post part." damit erledigt 
zu haben, und gehe nun zur Beantwortung der Fragen „die 
Hilchsecretion betreffend'' über. 



Die bis jetzt noch so geheimnissvolle, aber von der Natur 
wunderbar und herrlich durch Vermittelung des Gentralnerven- 
systems bewirkte Verbindung zwischen dem Organ des müt- 
terlichen Körpers, in welchem sich das neue Wesen bildet, 
das, bis es das Licht der Welt begrüsst, es schützt und 
nährt, und den Organen, welche ihm dem nach der Geburt 
bülflosesten aller Wesen die Nahrungsquelle spenden — diese 
Verbindung gehorcht einem bestimmten Gesetze, dessen Be- 
folgung für Mutter und Kind zum Heile, dessen Verletzung 
für Beide zum Nachtheile gereicht. ^ 

Die grosse Blutmenge, welche vor «ier Geburt ihren na- 
turlichen Abfluss nach der Placenla hin fand, nimmt nach 
der Geburt auf das geheimnissvolle Gebot des Nervensystems 
hin ihren Weg nach den Brüsten, in denen sich allmälig ein 
bedeutender Stoffwechsel entwickelt. Jede Vermehrung des 
Stoffwechsels erzeugt Wärme, und diese wird gemft?i W\ ^vwüc 



256 ^^- Wolf, Beiträgre snr Kenntnits 

SO grossartigen Umwandlung, wie sie in den Brästen vor sich 
geht, keine geringe sein. — Bis dahin hahen wir also nur 
ganz normale Vorgänge, die für Mutter und Kind den Natur- 
gesetzen nach nur wohlthätig sein sollten. Aber die Weis- 
heit der Menschen wollte es hesser haben ; man glaubte frö- 
lier nicht der guten und weisen Mutter Natur und ihren Ge- 
setzen in Physik und Chemie, sondern übte sich in Hypo- 
thesen lieber, als dass man den mühsamen Weg der natur- 
wissenschaftlichen Forschung betrat, und so erschien denn 
auch als eine solche Hypothese die Bezeichnung „Milchfleber*\ 
ja sogar das fürchterliche Wort „Milchzersetzung", wenn eine 
Wöchnerin stark turgescirende Brüste mit einigem Schmerz 
und Ziehen, auch erhöhter Wärme gegen den dritten Tag 
hin zeigte. Fieber, ein undefmirbarer abnormer Körper- 
zustand < wurde an die Stelle des ganz normalen Bildungs- 
processes der kindlichen Nahrung und demgemäss schleunigst 
der antiphlogistische Heilapparat in Bewegung gesetzt, viel- 
leicht sogar das arme junge Wesen lieber mit Kamillen- oder 
Fenchelthee als mit der Muttermilch genährt, denn diese zer- 
setzt und fieberhaft hätte ja dem armen Würmchen schaden 
können! Doch wir wollen die Alten nicht tadeln, wbr weiss, 
ob unserer Generation nicht später in Folge der rapiden 
Fortschritte der Chemie und Physik ebenfalls ein mitleidiges 
Lächeln von der Zukunftsmedicin nachgesendet wird; aber 
freuen können wir uns immerhin ; dass wir in den Natur- 
wissenschaften so herrliche Hülfsmittel für die Forschung 
haben, die unseren Vätern noch verborgen waren. 

Die Literatur früherer Zeiten über „Milch und Milch- 
fieber'' ist eine sehr reichhaltige , ^) doch finden sich in ihr 
nirgends Forschungen über das Verbal tniss der Eigenwärme 
zur Milchsecretion. 

1) Um nur einige Werke zu citiren: 
Will^ Ueber tlie Milchabsonderung. Erlangen 1859. 
Vernois et Becquerel^ Rechercbes snr le lait. Paris 8. 1863 et. 
Annales d^Hygi^ne publique et de ni^decine legale. Tome 
XLIX. 2e partie Juillef 1853. 
Hoppe f Die Bestandtheile der Milch und ihre nächsten Zer- 
setzungen, Virchow's Archiv XVII. 1859. S. 417—451. 
Simons Die Frauenmilch in ihrem chemisch-physiolog. Verhalten 
dargeatellt. Herlin 18SS. 



des Verhaltens der Temperatur im Wochenbette. 257 

NoB Neueren giebt Hecker ^) einzelne Momente an, eben 
80 WtTikel^), auf dessen Mittlieüungen ich auch hier wieder 
ausführlicher eingehen werde; möge es meinen schwachen 
Kräften gelingen, Einiges zur Kenntniss des Verhaltens der 
Milchsecretion im Folgendem beizutragen. 

Hohl sagt ^) in seinem Lehrbuch unter dem Artikel die 
Eröfifoung der Quelle für die Ernährung des Kindes: „Wir 
halten daher die Annahme einer mit der Milchsecretion allein 
in Verbindung stehenden Fieberbewegung, die man „Milch- 
fieber'' nennt, nicht für erwiesen, stellen sie vielmehr mit der 
Richtung der Säfte nach der Oberfläche hin in Verbindung. 
Es turgesciren daher die Brüste mit dem eintretenden ersten 
und sich wiederholenden Wochen schweisse, werden gespannt 
und es entstehen in Folge dieser Spannung und der conscn- 
suellen Affection der Achseldruseu : Kopfschmerzen, Ziehen 
io den Armen, eine Verminderung der Lochien und mit dem 
Nachlasse des Congestivzustandes nach der Haut und 
den Brüsten erfolgt die Milchsecretion''. 

Winkel sagt l c. S. 342 am Schluss des physiologischen 
Theiles: 

. „Ich kann also die factisch nachweisbare gleichmässige 
aber geringe Temperaturerhöhung gesunder Wöchnerinnen nur 
dem ohne jede Entzündung erhöhten SlofTumsalz zuschreiben, 
der theils durch die neue nach der Geburt eintretende Func- 
tionsregulirung der meisten und wichtigsten Organe der Brusl- 
und Bauchhöhle eingeleitet, theils durch neue besonders starke 
Secretionen der Haut und Brüste längere Zeit unterhalten 
wird." Weiter oben stellt er dann 4 Paradigmen als Typus 
der normalen Temperaturcurve des Wochenbettes zusammen, 
die alle vier eine einmalige beträchtliche Abendexacerbation 
und zwar am zweiten, dritten, vierten und fünften Tag erken- 
nen lassen. Er scheint diese Exacerbation mit der sehr ge- 
steigerten Milchsecretion in Zusammenhang zu bringen, wenn 
er sich auch nicht des Näheren darüber auslässt. 

Ich habe mit möglichster Sorgfalt die Fälle zur Beur- 



1) Charit^annalen. Berlin, Jahrgang; V. 2. 

2) 1. c. p. 334 u. ff. 

8) Hohl, Lehrbuch der Gehiirtshülfe. 4. Mift. S. ^\^. 
MooMtsaebr. f. Gebartsk. 1866. Bd. XXVII., Hft. 4. 'V^l 



258 ^^* ^<'{^* Beitrftge sar KeniitnisB 

theilung ausgewählt, in welchen das Wochenbett ohne wei- 
tere Störung verlief und die Milchsecretion überall genau notirt 
war, und erhielt von den 266 Wochenbettsfällen überhaupt 
für unsern Zweck 45, die in den Tabellen V, VI, VII, VIII 
zusammengestellt sind. Die entsprechende Nummer des Falles 
ist vorn beigefügt, um die Temperaturen mit dem für die 
ersten 24 Stunden post parL gefundenen Werthe vergleichen 
zu können. Sonach haben wir in allen Fällen eine fortlau- 
fende Beobachtung für die ersten Tage des Wochenbettes. 
Später werde ich kurz erwähnen, wie sich die Temp^ntor 
in de» noch übrigen Tagen verhielt. 

Die Fragen, die ich hier mir stellte, sind folgende: 

1) Steht die bedeutende durchschnittlich am dritten Tage 

nach der Geburt eintretende Temperatursteigerung 
in directer Beziehung zur Milchsecretion? 

2) Ist diese Steigerung auch noch als normal zu betrach- 

ten, wenn sie sich höher als 0,5^ C. d. h. als das Maäss 
der gewöhnlichen Tagesschwankung der Eigenwärme 
stellt? 
3) Zeigen sich in dem erwähnten Verhalten Differenzen? 

a. zwischen Säugenden und Nichtsäugenden? 

b. zwischen Erst- und Mehrgebärenden? 



des Verhaltens der Temperatar im Wochenbette. 259 

Tab. V. 
Erstgebärende. 



MUchsec retton. 



'S » S 

«CS 



I TemperatUf 
I in der 

I Acbselböhle. 
I Mörgena. f Abends. 



Fnlasehl^^e 
pro Minnte. 



Mrg». \ Abd«. 



a 
& 

23 
26 



6a 

69 
61 

67 

71 

U 
76 

78 
60 

Sl 
B6 



Mä»8ig « 

Beiehlicb . . , ^ , . . . . 
Sehr refcbltcb ,«,... 
Brüate fiturk turgesclrend 
ßrüite wßtilg-or turgejte. 
Brüale «tark geschwellt 
Reicfilich Müoh , . . . , 

De»gl 

Viel Hiloh ........ 

Eeieblicb Mileh 



Brüiie sehr prall 
Sehr viel Milch . 
Eeichlich Müeh . 



MlUiig ....... 

Etwa« reichlicher 

Mäüdg- ...... t 

Viel reichlicher, . 



Reiehltcb Milch . . 
Ziemlich reichlich . 
Brette viel itÄrkcr . 
Uässig ... . . . . 

Sehr reichlich , . . 
Heicblicb MUch . , 
Kein Milchandrang 
Eeiehlich Mitcb . 
Bcieblich Mitch . , 

Massig 

Sehr reichlich , . . 
EeiGblich Milcb . . 
HHifltg reichlieh . . 
Reichlicb Milch . . 



s. 


2t>.7°R. 


30.7'* E. 


60 


90 


4. 


29J 


30.8 


-92 


100 


6. 


ao.4 


31.4 


92 


104 


3. 


29.8 


31.6 


76 


96 


4. 


so.e 


31.1 


SO 


96 


3. 


32.1 


31.4 


96 


104 


4. 


ai.D 


51.2 


84 


92 


8, 


29.9 


29.6 


64 


72 


5. 


29.6 


29-9 


SO 


72 


1, 


30.3 


30.8 


120 


104 


Abde- 










ls st, f.!?. 




^ 






2. 


30.8 


31.2. 


104 


100 


a. 


30,3* 


31.7 


88 


120 


2. 


2Ü.4 


30.0 


76 


80 


Abd«. 










3. 


29.4 


29.6 


76 


84 


4, 


30.0 


29,4 


68 


76 


2. 


21^7 


:^o.o 


88 


92 


3. 


29.8 


30.6 


84 


96 


Äbd». 










4. 


8o:2 


ao.5 


104 


92 


2- 


2f'.4 


29.4 


80 


98 


3. 


29.7 


30.9 


84 


104 


2. 


30.0 


ao.o 


30 


§2 


3. 


29.6 


29.8 


68 


60 


4. 


29.8 


29.8 


92 


96 


3. 


29.8 


29.5 


68 


60 


4. 


30-2 


30,2 


70 


64 


3. 


29.9 


30.2 


72 


fiO 


4. 


30,2 


30,0 


92 


92 


5, 


29.7 


30.D 


B4 


80 


6. 


S9J 


30.6 


72 


72 


2. 


29.Ö 


30 


92 


72 


3. 


29.9 


29.af 


80 


76 


31 


31 


81 


31 


31 



18 I Snmme der Messuugen 



DnrchschnittSEabl 3.2 30.322"^ R. 30.3680 R. 
=: 37.9» C. 37.940 c. 



n* 



260 



XX. Wolf, Beiträge seur Kennen iss 



Tab. VI. 
Mehrgebärende. 



f^ 9 



Milchsecretion. 



Temperatur 

iD der 
Achselhöhle. 



^ ^ I Morgens. | Abends. 



PnlsschlSge 
pro Minute. 



Mrgs. Abds. 



4 
18 



16 
17 



19 

28 
29 
48 
51 

52 
55 

56 



57 

60 
63 



66 



Brüste stark gespannt . 

Sehr reichlich Milch . . 

KeineCiOcalerkrank.Abds. 
Brüste mehr geschwol- 
len als Tags .\ 

Befinden gut, reichl. Milch 

Reichlich Milch 

MKssig 

Reichlich 

Viel reichlicher 

Mlissig 

Reichlicher 

Sehr reichlich 

Massig . . 

Reichlicher f . . 

Massig . .' 

Bedeutend stärker . . . . 

Brüste sehr gespannt . . 

Sehr reichlich 

Mlissig reichlich 

Nachts reichlicher .... 

Sehr reichlich 

Etwas Milch 

Sehr reichlich 

Ziemlich viel Milch . . . 



Vorher NB. 



Massig 

Reichlicher 

Etwas Milch 

Ziemlich reichlich . . . . 

Viel Milch 

Ziemlich reichl. (Ciemelli) 

Reichlicher 

Desgl. 

Reichlich Milch 

82 { Reichlich Abends .... 

— ' Desgl \ 

85 Reichlich 



4. 
5. 



6. 

7. 

3. 

3. 

4. 

5. 

2. 

3. 

4. 

3. 

4. 

3. 

4. 

5. 

6. 

3. 

4. 

5. 

2. 

3. 

3. 

30St.p.p 

2 9a. 

ISSt.p.p, 

3. 

4. 

3. 

4. 

3. 

1. 



3. 
2. 
3. 
4. 
2. 



29.9« R. 
29.6 



29.7 
29.2 
29.9 
29.5 
29.7 
29.8 
29.4 
30.1 
30 
29.4 
29.6 
29.8 
30.2 
30.2 
30.0 
29.4 
30.0 
29.7 
29.6 
29.6 
29.9 

S0.6 

29.9 
30.4 
29.6 
29.5 
30.0 
30.1 
29.6 
29.6 
29.4 
30.0 
30.2 
29.4 



30.2« R. 
29.7 



32.2 

29.3 

30.1 

29.7 

29.7 

30.2' 

30.0 

30.1 

30.1 

29.6 

30.0 

29.8 

30.2 

30.2 

29.9 

29.5 

29.9 

29.8 

29.7 

29.8 

30.4 

30.4 

30.5 
30.8 
29.8 
30.0 
29.6 
30.0 
29.8 
30.0 
29.6 
80.4 
29.8 
80.0 



80 
60 



86 
84 
84 
64 
60 
72 
72 
60 
64 
72 
72 
72 
88 
84 
64 
68 
78 
56 
60 
66 
86 

84 



76 
64 
64 

84 
68 

92 



88 
60 



132 
88 
72 
68 
60 
72 
64 
62 
72 
72 
64 
80 
88 
64 
68 
60 
60 
66 
60 
64 
84 

96 



92 
98 
80 
72 



84 
92 
80 
72 ._ 

76 I 68 



68 
64 
76 

84 



92 



18 , Summe der Messungen. 



36 



36 



36 



36 



36 



Durchschnittsiahl 8.03 29.78« R. 30.027« R. 
= 37.22« C. 37.52" C. 
Differena der Durchschnittssahlen bei reichl. eingetretener Milchsecre- 
tion: Erstgebärende Morgens mehr 0.58« C: mehr Abends 0.42« C. «N 
HehrgebKrende. Durchschnittszahl von allen 134 Messnns'en für reichl 
Milchsecretion 30.121 « R. oder (am dritten Tag) = 37.85« C. 



dc8 Verhaltonfl der Temperatur im Wochenbette. 2G1 

Meine Antwort mit ja auf die erste Frage stimmt mit 
Winkel vollständig ühorein, und die angeführten Tabellen V. und 
Vf. beweisen die Richtigkeit meiner Annahme zweifellos. Solche 
Tomperatnrsteigerungfen bei sonst völligem Wohlbefinden kön- 
nen eben nur ihren Grnnd in dem vermehrten Stoffwechsel der 
Brüste haben; v. Orünewaldt sucht dagegen den Grund der be- 
treffenden Temporaturstuigerung in Allem anderen, z. H. dem 
ersten Verlassen des Bettes, nur nicht in der Milchsocretion. 

In Betreff der Bezeichnung der Tage in den genannten Ta- 
bellen will ich znm besseren Verständniss erwUhncn, dass als 
erster Tag des Wochenbettes stets derjenige, an welchem dn» 
Ende der Geburt fiel, angenommen worden ist. In vielen Num- 
mern der Tab. V. und VI. füllt ganz genau die Steigerung der 
Temperatur besonders am Abend mit starker Turgescenz der 
KrÜBte zusammen; so in Nr. 3,, 67^, 13, 4,, 48; hier haben wir 
die höchsten Temperaturen notirt, während in diesen Fällen ge- 
wöhnlich mit der darauf folgenden Milchsecretion die Tempe- 
ratur wieder etwas sank, aber immer noch vorhilltnissmnssig 
hoch blieb; in anderen Nummern sahen w^r gradatim die Tem- 
peratur mit den Prndicaten der Milchsecretion „massig", „reich- 
lich/ oder „sehr reichlich" steigen, so in Nr. 1, 25, 59, 61, 65, 
17, 28, 51; in anderen notirton Fällen lässt sich diese Stufen- 
folge zwar weniger deutlich einsehen, dagegen sehr gut die be- 
trächtliche Steigerung gegen die Messung am Ende der ersten 
24 Stunden (cf. Tab. I. und II.); vielleicht haben auch in ein- 
zelnen Fällen andere Einflüsse, z. H. Entblössung oder ein Clysma 
oder sonstige Agentien irgend welcher Art eingewirkt, welche 
gerade bei Wöchnerinnen leicht Schwankungen der Temperatur 
hervorrufen; dennoch sind auch alle diese Dnrchschnittstempe- 
ratnren viel höher, als die bei mangelhafter Milchsecretion, die 
ich im folgenden in Tabelle VII. und VIII. vorführe. 



Tab. VII. 
Verhalten der Temperatur in den ersten 24 Stunden des Wochen- 
bettes von Fällen mit nachheriger mangelhafter Milchsecretion. 



■SS 


Temperatur nach der Geburt. 


Folgende Messungn. 


i^ 


l. 


2. 


^ es 




Morgens. 


Abends. 


8 


9 Uhr Abend« Geburtsende 


' 29 4« R. 


29.9^ R. 


20 


Halb 3 ü. Nachmittags . . 30.4'» R. 


i 29.2 


29.6 


27 


Halb 2 U. Nachmittags . . 30.2 


29.8 


29.6 


31 


2 U. Nachmittags 29.8 


29.7 


29.6 


65 


2 U. Nachmittags 30.6' 


29.6 


29.6 



24 
34 
79 



Durchschnittszahl 30.25 «^ R. 
== 37.81 ®C, 



29.54^R. j 29.66" R. 
36.92 "C. ' 37.06 «C. 



Halb 9 U. Morgens 29.8 

Halb 3 U. Morgens 29 6 

Halb 7 U. Morgens ..... 29.9 



I ^• 
Abends. 

I .SO.O 

29.4 

• 30.3 



2. 
Morgens. 

29.7" 
i 29.4 
I 29.5 



Durchschnittszahl 29.76» R. 
= 37.2" C. 



29.9 R. 29.52" R. 
87.37" C. 'Ä^*.^*' V:. 



262 



XX. Wo\f^ Beitrüge lur KeoDtBiss 



Tab. VIII. 
Verhalten der Temperatar bei mangelbafter Milcbteoretioo. 



MtlobseeretioD, 



der 
ÄcbselhöbU 



- - • o 



icbllCge JS % 
pro Min. « ^ 



Bräute geet^bwelU ...... 

Aboabine der Schwellung, 

iveDig Milch 

DeFtgl 

14 HrÜRlä iiebr gering miLcbhdt. 

W«?oig Milcb _ 

10 Brüite gering milchbaUigi 
da« Kind zeatorb«D .... 

ßrüate geicbwelH, aber we- 
nig Milch .......... 

34 Hoblwaraen, da« Kindnicbl 
ge»tillt^ Brüste Dichl ge- 
schwellt ........... 

Brüate gering geschwollem, 
wenig Milch ........ 

27 Brüftte nicht geacbwellt, 
Kidd ntcht ^eatlllt . . . . 

Genog milchhaltiif 

31 Da» erate Kmd wurde we- 
gen Mitchmangeifl nicht 
geatltUf HrilPCe schlaff . . 
Briiitfl praller f doch ange* 

niigcnd Milch 

:d4 Briiüte «chlaff - 

— Deagl. 

66 Wenig Milch - 

— Deflgl - - 

79 I Wenig Milch 

— I D««gl. ............. 



90.1 **B. 20,6** E. a, S4 



29.8 
29.4 

29-7 
29.6 

29.2 

29.6 

29.7 
29.6 

29.8 

29.a 

29.7 

29.7 

2^1.4 
29.6 
29.S 

I 29.8 
29.5 

I 29.9 



30.0 
29.5 

29.4 
29.8 

29.e 

29.6 

30.8 

30.0 

29.8 
29.6 

29.6 

80.4 
29.0 
29.4 
29.6 
S0.4 
29.6 
29.9 



68 V g. 



64 
88 
72 
82 

84 

6$ 

7S 

S4 

92 
82 

68 

84 
78 
88 
80 
SO 
80 
80 



64 
64 
62 
64 

6S 

66 

88 
78 



I P. 



IP. 



Bp^ 



80 II p. 
82 - 



84 



"P 



I p. 



88 
76 
88 

84 |I p. 
78 — 
76 I p. 

78 { *^ 



9 Srnnme der Me^tenngen. 



19 



19 



DnrehiebnittiBabl 29.64* K.;29.76*R, 
-^ 87.05 ''a|37.2"C. 



19 



19 



19 



51 p. 
3ilp. 
iVp. 



Nehmen wir die Durchscbnittstemperatur aus allen 134 
Messungen für die eintretende reichliche Milchsecretion mit 
37,65^ C. etwa am dritten Tage, so zeigt sich eine Steige- 
rung gegen die Durchschnittstemperatur des zweiten Morgens 
(37,20 C.) uiQ 0,45 <>C.; während bei mangelhafter Milch- 
secretion dieDurchschnittstemperatur derselben Zeitsich 
so verhält, wie die niedrigste im ganzen Wochenbette der 
Fälle mit reichlicher Milchsecretion (37,2 <>C). Merkwürdiger- 
weise zeigen nuD gerade diese Fälle von mangelhafter Milchsecre- 



des Verhaltens der Temperatur im Wochenbette. 263 

tioB schon in den ersten 24 Stunden des Wochenbettes 
von allen dort notirten überhaupt die niedrigste Tempe- 
ratur, ich musste sie, wie schon erwähnt, gleichwohl dort 
mit einreihen, weil sie im Uebrigen normal verliefen und ist 
es sehr wahrscheinlich, dass sie gerade an der grossen Ge- 
sammtdifferenz mit Winkel schuld sind, da sie alle über- 
einstiimnend ein nicht unbeträchtliches Absinken der Tem- 
peratur in den ersten 12 Stunden gegenäber der Temperatur 
gleich nach der Geburt zeigen, wenn diese in der Abendzeit 
endigte (bis zu 1,2 ^R.). 

Während in meinen übrigen Resultaten die Durchschnitts- 
temperatur 12 Stunden post part Morgens 37,36^ C, 
Abends 37,62 <>€. betrug; finden wir in Tab. VIL 29,54» R. 
= 36,92« C., resp. 29,2 <> R. = 37,37 <> C; ferner in den 
Resultaten durchschnittlich 37,2 <>€. Morgens und 37,4 »C. 
Abends 24 Stunden postpart., hier 29,52 <> R. =36,90 C. 
resp. 29,65 OR. = 37,06 <> C. 

Bei der Beurtheilung der Temperatur in den ersten 12 
Stunden post parL sagte ich im Gegensatz zu Winkel^ dass 
sogar hier ein Absinken vom Abend zum Morgen stattfinden 
könne, ohne dass nachher eine Erkrankung einzutreten brauchte, 
in allen oben bemerkten Fällen (Tab. VII.) zeigt sich dies 
Verhalten, und doch verlief das Wochenbett ohne Erkran- 
kung; gleichwohl lassen sie bez. der Prognose einen in- 
teressanten Schluss zu: Findet man nämlich eine fortdauernd 
verhältnissmässig abnorm niedrige Temperatur schon am Ende 
der ersten 12 Stunden post part. noch mehr aber am Ende 
der zweiten 12 Stunden Abends 37,0»C. oder darunter, 
so kann man mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen, dass 
die MUchsecretiou sich in der Folge mangelhaft zeigt, und 
wird dann an die rechtzeitige Beschaffung einer Amme den- 
ken müssen, eine für die Privatpraxis gewiss nicht unwich- 
tige Frage. 

Leider standen mir für eingehendere Forschungen „be- 
treffend die mangelhafte Milcbsecretion" nur we- 
nig Fälle zu Gebote, da in unserer Schwalm- und Lahngegend 
glücklicherweise die Erziehung des Volkes eine naturgemässe 
ist, und besonders die Mädchen wegen ihrer blühenden Ge- 
sundheit viel gesucht werden, um den zarten ^i^tibs^w^^^ 



264 ^X. Wolf, Beiträge sur Kenntniss 

scliwächlicLer Frauen aber die ersten Lebensinonate hinao»- 
zuhelfen. Bei städtischer Bevölkerung, namentlich der gebil- 
deten Cladsse, wird dagegen wahrscheinlich eine viel reichere 
Zahl von solchen, die mangelhaft Milch secerniren, zur Beob- 
achtung kommen. 

Die Beantwortung der zweiten Frage ist nach den 
eben angeführten Thatsachen und den beigefügten Tabellen 
ebenfalls nicht schwer. Die Fälle von mangelhafter Milch* 
secretion im streng physiologischen Sinne abnorm, zeigten im 
ganzen Verlaufe des Wochenbettes ausserdem keinerlei Stö- 
rung; dasselbe gilt von denen mit überaus reichlicher Milch- 
seeretion. Hatten wir bei ersteren als höchste Tem|)eratur 
Abends 2 Mal 30,4^ R. (38,0« C.) als niedrigste 29;2<>R. 
(36,52 «C.) nolirt, so fanden wir bei letzteren als höchste 
Temperatur ein Mal Morgens und ein Mal Abends über 
40" C. (32,1 <>R. resp. 32,2 «B.), ohne dass im weiteren 
Verlaufe i'ine Puerperalerkrankung eingetreten wäre, und stim- 
men hierin mit Hecker ^) und v. Grilnewaldt^) vollständig 
überein. Solche Temperaturhöhen sind naturlich selten und 
fallen gewöhnlich schon innerhalb der nächsten 12 Stunden 
wieder bedeutend ab, wie dies die Fälle 5 u. 13 (Tab. V. u. 
VII.) zeigen; bei beiden ist starke Schwellung der Brüste und 
nachher sehr reichliche Milchsecretion notirt. Es war also 
wohl an der Steigerung der Temperatur eine plötzliche und 
starke Hyperämie der Brüste schuld, die sich schnell wieder 
ausglich; wäre dies letztere nicht geschehen, so würde in 
der Folge bei ähnlicher Temperaturhöhe wohl eine Entzün- 
dung d(T Mamma eingetj*eten sein. Bei dem so leicht irrita- 
blen Organismus einer Wöchnerin kann also bei dieser an- 
scheinend geringen Veranlassung eine plötzliche Temperatur- 
steigerung nicht in Verwunderung setzen. Wir haben aber 
noch lange kein Milchiieber in dem früheren Sinne, wenn 
eine einmalige bedeutende Temperatursteigerung mit entspre- 
chendem Puls, Schmerz und Schwellung der Brüste, der selbst 
in die Arme ausstrahlt, ^heftigen Durst etc. einhergeht. Uabeiif 
wir den Temperatnrverlauf vom Beginn des Wochenbettes an 



1) Charit(^annalen, Jahrgang V. 2. Tab. IV. 
2J ;. e. S. 15. 



des Verhaltens der Temperatur im WocheDbette. 265 

richtig beobachtet, und war dieser normal, so können wir 
in solchen Fällen die Mutter ruhig exspectativ^ das Kind aber 
nicht exspectativ behandeln, und werden ihm ohne das SchrecJi- 
bild der Milchzersetzung, die alsdann gebildete imd für es 
bestimmte Nahrungsquelle gewähren. 

kl den Tabellen V., ML und VIII. habe ich die Zahlen 
für den Puls beigefugt, nicht weil ich einen grossen VVertij 
auf seine Frequenz als solche legte, sondern weil sie eine 
gewisse Bedeutung dadurch erliält, dass sie durch die Tem- 
peratur controlirt wird und ihren Schwankungen folgt. 

Auf dieses Yerhältniss macht Wunderlich ^) in der sehr 
interessanten Abhandlung über Einzelmessungen aufmerksam. 
Trotz der grossen Erregbarkeit der Wöchnerin sehen wir 
doch in den belrelTenden Fallen die Frequenz des Pulses meist 
dem Gange der Temperatur folgen. Bei plötzlichen Steige- 
rungen von 1^ C. Steigen des Pulses um 15 bis 20; von 
20 C. um 25 bis 30, um 2Jb'' C. um 35 bis 45 Schläge pro 
Minute. 

Das Resume der zweiten Frage geht schliesslich mei- 
ner Meinung nach dahin , dass zwar gewöhnlich die in Folge 
der Milchsecretion gesteigerte Temperatur das Maass von 
0,5^0. nicht überschreitet, dass aber bei besonders 
starker Fluxion nach den Brüsten eine einmalige 
Temperaturerhöhung bis zu 40^ C, ohne weitere 
Erkrankung zu bedingen, eintreten kann. 

Die dritte Frage hat Winkel bei seiner im übrigen 
ausgezeichneten Abhandlung leider am wenigsten berücksich- 
tigt. Er sagt 2): 

„Säugende und Nichtsäugende, Erst- und Mehrgebärende 
unterscheiden sich in BetreifT des erwähnten Temperaturver- 
bakens gar nicht von einander,*' widerspricht sich aber gleich 
nachher, indem er fortfahrt: „Es lässt sich mit grosser Wahr« 
scheinlichkeit voraussetzen, dass die erhöhte Temperatur bei 
Nichtsäugenden in der Kegel früher zur Norm zurückkehrt 
als bei Säugenden, wo die fortgesetzte oft sehr entwickelte 
Milchsecretion einen rascheren StolTumsatz bedingen muss.'' 



)1 Archiv der Heilkunde, Jahrg. VI. 2. 
2) 1. c. pag. 339. 



XX. Wolf^ Beiträge snr Kenntniss etc. 

Ein kurzer Vergleich der Tabellen von reichlicher MUcbsecre- 
tion, in denen nur solche Wöchnerinnen verzeichnet sind, die 
ihre Kinder wirklich stillten und derjenigen von mangelhafter 
Milchsecretion, die nicht stillten, zeigt schon die bedeutende 
Differenz im Temperaturverhalten, und ist diese auch so na- 
türlich, dass Winlid selbst gewiss den erwähnten Passus 
schon als widerlegt anerkannt hat. Auch zeigten* im wdte- 
ren Wochenbettsverlaufe, dessen Temperaturverhältnisse im 
übrigen ich wegen der Kurze der Zeit für jetzt nicht spe- 
cieller erörtern kann, Säugende höhere Durchscbnittstempe- 
raturen und beträchtlichere Tagesscbwankungen als Nicht- 
säugende ^). 

Bezüglich des zweiten Tb eil es der Frage zeigen 
meine Resultate so deutlich Differenzen zwischen Erst- und 
Mehrgebärenden, dass man unbedingt annehmen muss, dass 
Erstgebärende in der Zeit der eintretenden Milchsecre- 
tion vom dritten bis fünften Tage geringere Tagesschwan- 
kungen und bedeutend höhere Durchschnittstemperaturen zd- 
gen als Mehrgebärende. In Tabelle V. finde ich die 
Durcbschnittstemperatur (18^ Fälle) aus je 31 Messungen 
Erstgebärender etwa am dritten Morgen mit 37,9^ C. an 
demselben Abend mit 37,94® C. verzeichnet. Die Mehrge- 
bärender dagegen zeigt durchschnittlich (18 Fälle) aus je 36 
Messungen, für dieselbe Zeit Morgens 37,22 ®C., Abends 
37,52 «C. (s. Tab. V. und VI.). 

Dies Verhalten der Temperatur erklärt sich ganz natür- 
lich daraus, dass sich grössere Jugend und grössere Reiz- 
barkeit bei jenen finden, und dass der Eintritt der ganz 
neuen Function mit grösseren Veränderungen in jenem Dru- 
sengewebe verbunden ist, als in einer Mamma, deren Läpp- 
chen und Ausführungsgänge schon einmal den bedeutenden 
Process der Milchsecretion durchmachten, welcher bei diesen 



1) Zur ErlänteruDg der beigefügten Cnrventafeln erwähne 
ich noch , dass gegen den 6. bis 7. Tag des Wochenbettes sich 
nach allen bisherigen Beobachtungen ffbereinstiaimend wieder 
nicht anbeträchtliche Abendexacerbationen seigen, ein Verhal- 
ten, welches theils im Verlassen des Bettes, theils in Verände- 
rung der Kost seinen Grnnd hat. 



XXI. Luschka, Zerreissnng der Scheide etc. 267 

etwas froher eintritt, als bei jenen; zeigt ja doch auch der 
ganze Schwangerschafts- und Geburtsverlauf entsprechende 
Difierenzen zwischen Erst- und Mehrgebärenden. 

Indem ich hiermit meine Betrachtungen schliesse, bitte 
ich für mein Erstlingswerk um Nachsicht und wohlwollende 
Beurtlieilung, und hofie zugleich, dass noch weitere Unter- 
sachungeu über die Milchsecretion meine Resultate bestätigen, 
und endlich überall auch in der Privatpraxis einer mehr wis- 
senschafUichen Auffassung „dos Milchfiebers*' Eingang ver- 
schaffen mögen. 



XXL 

Zerreissuxig der Scheide mit Vorfall eines 
Hydroovarium, 

mitgetheilt 
yon 

Herrn Prof. Luschka in Tubingen 

«n 

Ed. Martin in Berlin. 

(Mit einer Abbildang.) 



Nachdem Martin in einem Oberguiachten der wissen- 
schaftlichen Deputation zu Berlin, und in seiner Schrift über 
die Neigungen und Beugungen der Gebärmutter, S. 145, 188, 
Fälle von Durchbrechung der hinteren Scheidenwand durch 
den retroflectirten schwangeren oder soeben entschwängerten 
Uterus zusammengestellt hatte, erscheint die Mittbeilung eines 
Falles von Zerreissung der hinteren Scheidenwand 
mit Vorfall eines Hydroovarium bei der Geburt durch 



1) S. Hom's Vierteljahrsschrift f. d. Staatsarsneiknnde 186^. 
Heft 8. 



268 X\l. Lutelika^ Zorreissang der Scheide 

Prof. Luschka von ganz Ix^sonderem Wertlie um alle Zweifel 
über die Möglichkeil des Vorganges zu heseiligen. Desshalb 
mag die Beschreibung dieses Falles, wie sie in Ad. 8uceo*s 
Dissertalion,. Tübingen, 1864, S. 12 ff. gegeben ist, um 
so mehr hier eine Stelle finden, als Prof. Luschka die Güte 
gehabt hat, uns die Zeichnung des ausgestossenen Ovanuia 
zum Behuf der Veröffentlichung zu äbergeben. 

Nach dem Bericht des Oberarztes Dr. Midhr und dess^ 
Sohnes Dr. Carl Müller zu Obemdorf war der betrefieode 
Fall folgender: 

Am 13. April 1864 wurde in einem benachbartem Orte 
von 0. die Frau eines Schafers von einem Wundarzte wegen 
Wehensschwache mittels der Zange von einem lebenden, 
reifen Kinde entbunden. Die Frau, eine Mehrgebarende, 
hatte schon ihre letzten drei Kinder nicht normal geboren, 
war früher von robuster, kräftiger Körperconstitution, soll 
aber während dieser letzten Schwangerschaft abgemagert sein, 
stets fiber schlechte Verdauung, unregelmässige Darmfünc- 
tionirung und einen beschränkten Schmerz im linken Hypo- 
chondrium geklagt haben. Vor der Entbindung fiel dem 
Wundarzle bei der Palpation des Unterleibes eine Unregel- 
mässigkeit der Contouren auf, sowie die Em)>findlichkeit bei 
der äusseren Untersuchung sowohl, als auch bei der innern. 
Bei der Ex])]oralion per vaginam fand der Geburlshelfer eine 
weiche, faustgrosse, vor die Vagina herausragende, den Damm 
stark wölbende Geschwulst, die er anfangs für eine Kopf- 
geschwulst zu halten geneigt war; alsbald fand er jedoch, 
dass der Tumor sich zurückdrängen liess und von der 
Schleimhaut der hinteren Vaginalwand äberkleidet war, wor- 
auf der untersuchende Finger auf den zangengerechten Kinds^ 
köpf sfiess. 

Die Hebamme hatte mit der Dachen HamI den Tumor 
zurückgehalten, und als nach vier Tractionen der Kopf ge- 
boren war, wurde die Placenta mit leichter Mühe künstlieli 
entfernt, da fiel plötzHch eine grosse Geschwulst vor die 
Vagina, welche mit Flüssigkeit gefüllt schien, aber keinem 
normalen Organe des Unterleibes verglichen werden konnte. 
Die Gebärende halte während der Entbindung nichts geklagt, 
AMc auch nicht das Gefühl, als ob im Leibe irgend etwas 



mit Vorfall eines Hydrooyafinm. 269 

• 

zerrissen oder zersprengt wäre ; Schnierzhaftigkeit des Unter- 
leibes war nach wie vor gleich vorhanden. Einige Zeit nach 
der Geburt trat, wie schon nach früheren Geburten, Erbrechen 
auf. 

Rathlos über die vorgefallene Geschwul?! bat der Wund- 
arzt die beiden obengenannten Herren Aerzte an Ort und 
Steile. Diese fanden die Kranke mit schmutziger, gelber 
Gesichtsfarbe, massig kleinem und frequentem Pulse, nalur- 
lichem Glänze der Augen und verhältnissmässig munterem 
Geiste. Ihre Klagen waren Müdigkeit, Abgeschlagenheit, ver- 
mehrter Durst, Schmerzen bei Druck auf den Unterleib; der 
Bs^uch war nur massig aufgetrieben; vor der Vagina lag die 
schon erwähnte Geschwulst, deren gcnauei*e Beschreibung 
wir weiter unten nachholen werden. Der Tumor war schmerz- 
los bei Druck, und verursachte nur durch freies Herabhängen 
oder leichtes Anziehen massige Schmerzen im Unterleibe; 
die Katbeter -Untersuchung ergab vollkommene Intactheit der 
Blase, aus welcher ca. 4 Unzen klaren Urins abflössen. 
Das Rectum zeigte sich bei der Exploration vollständig un- 
verletzt 

Verfolgte man mit einem Finger die Geschwulst, so 
stellte sich heraus, dass sie an einem einzigen Stiel birn- 
förmig aufgehängt war; dieser Stiel jedoch schien dem Ge- 
föhle nach aus zwei festverbundenen Theilen, einem dickeren« 
strangformigen nach rechts und einem dünneren aber breiteren 
nach der Mutter linken Seite hin zusammengesetzt zu sein. 
So weit der untersuchende Finger hinaufdringen konnte, 
vermochte man nichts Verdächtiges, namenthch keinen Riss 
zu entdecken, sondern kam nur mit grösserer Anstrengung 
an euj aufgelockertes Gewebe, ähnlich einer verstrichenen 
hinteren Muttermundslippe; weiter hinauf konnte man den 
Strang unmöglich verfolgen. Genauere äussere Untersuchungen 
waren unstatthaft wegen des aufgetriebenen Unterleibes und 
der Schmerzhaftigkeit bei tiefem Drucke auf die Gegend über 
der Schoossfuge. 

Da jegliches charakteristische Symptom für einen Riss 
der Gebärmutter oder des oberen Scheidentheiles fehlte, da 
die Nachweisung eines Risses der möglichst genauen Unter- 
nicbt gelang, und da der Tumor n\\l ke\v\f»vc\ w^t- 



270 * ^^^ lAuehkOf Zerreissan^ der Seheide 

malen Eiogeweide des Abdomens zu vergleichen war, eiU* 
schieden sich die Aerzte für die Diagnose eines langgestielten 
Uteruspolypen, der seine Insertion an der linken Seite der 
innern Gebärmutterwand oder im Uterus -Grunde habe. 

Die Kräfte der Kranken waren zu sehr erschöpf! und 
die Beschwerden der Geschwulst waren zu gering, als dass 
die Aerzte jetzt einen operativen Eingriff für indicirt gehalten 
hätten und so wollten sie ein spontanes Ausstossen abwarten, 
schlugen zunächst eine palliative Behandlung ein und verord* 
neien Priessnitz'sche Umschläge auf den Unterleib und robo- 
rirende Nahrung. Am zweiten Tage nicht viel verändert, 
Brechen war nochmals eingetreten, Schmerzen im Leibe etwas 
zugenommen, ebenso die Auflreibung. Die Behandlung be- 
stand an diesem Tage wegen mehrtägiger Verstopfung in 
einer Emulsion mit Ol. ricin., äusseriich die genannten Fp- 
mente. 

Am 15. April Krankenbesuch: Stuhl keiner erfolgt, da- 
gegen heute wieder einigemal Erbrechen auf die Emulsion. 
Abdomen mehr aufgetrieben, elastisch tympanitischer Ton. 
Lochialfluss übelriechend. Puls massig klein, 108 Schläge. 
Der Tumor, nicht mehr prall gefüllt, war unter der Luft- 
einwirkung geschrumpft und pergamentartig anzufühlen. Schon 
schien die Fäulniss im Innern zu beginnen. Die Geschwulst 
war vollkommen schmerzlos, nur bei Zerrung verursachte sie 
Schmerzen. Da der Tumor sehr hinderlich für die reinigenden 
injectionen in der Vagina war, da bei weiterem Zusehen die 
Gefahr der Pyämie zu befürchten war, machten die Aerzte 
nach Entleerung der Harnblase durch Katheter die Function 
mittels eines feinen Troikarts und entleerten ein klares, 
gelbliche^, stark eiweisshaltiges Fluidum. Nach Entleerung 
der Geschwulst wurde eine Ligatur um den Stiel derselben 
gelegt; unter derselben durchgeschnitten und der Tumor 
entfernt. Patientin empfand bei dieser ganzen Operation 
nicht nur gar keine Schmerzen, sondern fühlte vielmehr nach 
Entfernung des lästigen Körpers zwischen ihren Beinen grosse 
Erleichterung. Ordination wie vergangenen Tages. 

In den nächsten Tagen steigern sich »die Krankheits- 

ersclioinungen, es tritt bei hartnäckiger Obstipation wieder- 

/9oJies Erbrechen auf, das facalen Geruch bat. Der Unter- 



mit Vorfall eines Hydro ovarinm. 271 

leib ist immer stärker aufgetrieben, vollständiges Koth- 
erbrechen, Collapsus und endlich tödtlicher Ausgang am 
20. April Hittags. 

Sectionsbefund. Die Eröffnung des Unterleibes von 
den Angehörigen gestattet. Fäulniss an dem massig auf- 
getriebenen Abdomen noch nicht eingetreten. Ueberall tym- 
panitischer Percussionsschall. Bei Eröffnung des Unterleibes 
zeigt sich nirgends flüssiges Exsudat, dagegen sind die 
Gedärme mit dem Netze und stellenweise mit den Bauch- 
wandungen durch faserstoffreiches Exsudat frisch verklebt, 
besonders der Fundus coeci in einen grösseren fibrinösen 
Klumpen eingebettet. Der Hagen und der ihm ähnlich auf- 
getriebene Blinddarm und das Colon ascendens mit wenigen 
wurstförmigen Dunndarmscbiingen verdecken die anderen 
Unterleibsorgane, alle sind durch frisches Exsudat verklebt. 
Von Flexura sinistra und Colon descendens ist auch nach 
Entleerung des Gases durch kleine Einstiche nichts be- 
merklich. Um genauere Inspection vornehmen zu können, 
wurden die Gedärme nach Unterbindung des Pylorus heraus- 
genommen. Die Loslösung des Duodenum macht ausser- 
ordentliche Schwierigkeiten, weil dasselbe sammt der Bauch- 
speicheldrüse durch ungemein dicke, bandartige Stränge nach 
rückwärts und links festgehalten wurde. Die Entwickeiung 
des Ueum und Jejunum, sowie des Blinddarms aus ihren 
frischen Adhäsionen gelingt ohne grosse Hübe. Unterhalb 
der Flex. coli dextra wandte sich das Colon transversuro 
hinter die Leber und den Hagen, und während die Därme 
mit ausserordentlich reichlichen flüssigen Hassen, das Coecum 
mit massenhaftem weichem Koth und Gas erfüllt waren, 
spitzte sich der Dickdarm hier albmälig zu, verlor bedeutend 
an Lumen und war von der Gegend der knieförmigen Flexura 
sinistra an dergestalt durch alte, dicke Adhäsionen mit der 
hinteren und seitlichen Bauch wand verwachsen, dass man 
das Colon descendens kaum darin erkennen konnte. ^ Dem 
entsprechend fanden sich, obwohl nirgends das Lumen ver- 
schlossen war, fast keine Spuren von Fäces, und bot das 
Innere des Darmes ein eigentbümlich trockenes Ansehen. 

Der Uterus, in seiner Involution etwas zurückgeblieben » 
ragte noch ziemlich über die Symphyse eivivor, viw nqüi 



272 ^XI- Luachka, Zerreiesnng der Scheide etc. 

blasser Farbe. Verbunden mit ihm durch eine sehr vei^ 
dickte Tuba Fallopiae und Ligamentum uteri latum und mit 
der Baüchwandung und dem Fundus coeci durch frische 
Adhäsionen festgehalten, war das in eine birnförmige, gänse- 
eigrosse Cyste umgewandelte rechte Ovarium. Ihr Inhalt 
war serös, etwas blutig gefärbt; innere Wandung voHkommeD 
glatt, im Ausführungsgange nicht zu entdecken. 

Das Fehlen des linken Eierstocks wurde bald erklärlich 
durch Vei:folgen eines aus dieser Gegend entspringenden und 
in die Beckenhöhle hinab verlaufenden Stranges, indem beim 
Aufziehen desselben die aus der Vagina heraushängenden Un- 
terbindungsfaden sich bewegten und der untersuchende Finger 
tief im Douglas'schen Räume eine Ruptur der Vaginalwand 
entdeckte. Die Beckenorganc wurden in toto herausgenommen 
und hier fand sich ungelahr zwei Zoll unter der hinteren 
Muttermundslippe ein beiläufig eben so langer Querriss durch 
die äusserst verdünnte Vaginalwand, welche überdiess ohne 
Zweifel durch den Druck der gedachten Geschwulst um ein 
Ziemliches verlängert schien. An der Riss-Stelle war das 
Gewebe der Vagina stark imbibirt, zum Theil durch Ausstos- 
sung von Gewebstlieilen leicht zersetzt. 

Das Uterusparenchym zeigte auf Durchschnitten sein 
normales derbes Gewebe, dagegen war der Sitz des Mutter- 
kuchens noch auffallend mit schwarzen Gewebsfetzen besetzt^ 
obgleich die Placenta ohne den geringsten Substanzverlust 
abgegangen war. Die übrigen Organe des Unterleibes boten 
nichts Auffallendes, 

. Die exslirpirte Geschwulst ward als der cystös entartete 
linke Eistock erkannt. Die Cyste gehört zu den einfachen 
serösen , welche aus dem Hydrops eines oder mehrerer Graaf- 
scher Follikel entstanden sind. Form und Grösse der Ge- 
schwulst betreffend, so bietet sie vorherrschend eine birnför- 
raige Gestalt mit einer dünneren, stielähnlichen Basis und 
einem voluminöseren Körper. Ihre Länge mag beiläufig 
sieben Zoll, ihr Umfang zwölf betragen haben. Die Wandung^ 
der Cyste war von massiger Dicke, die innere Fläche voll- 
kommen glatt, mit einem Epitholium bekleidet. Der Inhalt 
bestand aus hellem, stark eiweisshaltigem Senim und einem 
einzigen grösseren Fibringerinnsel. Die äussere Fläche an- 



XXII. Hartmann, MittbeilaDg^en aus der GebSranstalt etc. 273 

nähernd glalt anzufählen, lässt doch ihre derbe der Tunica 
fibrosa angehörende Faserung erkennen. Der äusseren Wand 
siizl ein zweites, kleines, stark bohnengrosses Cystchen auf; 
welches gleichfalls Flüssigkeit enthält. 

Ausserdem finden sich zahlreiche Fibringerinnsel auf der 
Äussenfläche, die von einem peritonäalen Entzundungsprocesse 
herrühren mögen. An der Basis der Geschwulst lässt sich 
noch ein kleiner Theil unveränderten Eierstock -Gewebes er- 
kennen. Der durchschnittene Stiel der Geschwulst besteht 
aus dem sehr verdickten Ligamentum ovarii und der gleich- 
falls verdickten Ala vespertilionis, welche aufs innigste mit 
der Geschwulst verwachsen sind; ausserdem geht in die Zu- 
sa^imensetzung des Stiels die ebenfalls etwas verdickte Tuba 
Fallopiae ein, welche in ihrer ganzen Länge der Geschwulst 
fest adhärirt, jedoch ihr Lumen deutlich erhalten hat und 
auch an ihrem Ostium abdominale ihre mit der Cyste ver- 
klebten Fimbriae deutlich erkennen lässt. 



XXIL 
ÜCttheilungen aus der Oebftranstalt in Stuttgart 

^ voo 

Cr. Hartmann, zweitem Hebammenlehrer. 

L Tod des Kindes während oder kurz vor der 

Geburt durch Ueberfullung der Harnblase 

desselben. 

Eine 27jährige, gesunde Erstgeschwängerte, die sich 
ihrer Rechnung nach etwa in der 36. Woche der Gravidität 
befinden wollte, kam am 21. October Abends in die Anstalt, 
um. sich zur Aufinahme vormerken zu lassen, wurde aber, 
da sich Zeichen beginnender Geburtsthätigkeit) nämlich n^^VL- 
kommenes Verstrlcheaseia der Vaginalporüon uiiä ¥At<b%\ww% 

Monmigeebr. f. GeburUk, 1B96. Bd. XXVII., Hft 4, "VÄ 



274 XXn. ffartmimnf Mittheilnngen aas der 

des Muttermundes für zwei Finger, bei ihr fanden, gleich 
da behalten. (Eine genauere Untersuchung, die am folgenden 
Tage vorzunehmen beabsichtigt gewesen war, unterblieb leider, 
da wir durch einige andere Kreissende den ganzen Tag voll- 
auf beschäftigt waren.) In der Nacht vom 22. bis 23. kam 
die Person dann, ganz am Ende der Eröflihungsperiode, ins 
GebSrzimmer, .gab aber an, dass sie erst seit kurzer Zeit 
ganz schwache Wehen verspüre und nachträglich erfuhr man 
noch, dass sie seit gestern Nacht keine Kindsbewegangen 
mehr fühle, and dass es ihr den Tag über immer übel ge- 
wesen sei. Kaum zn Bette gebracht, erbrach sie sich heftig 
und während dieses Actes platzten die Eihäute und es ging 
etwas Fruchtwasser von gewöhnlicher Beschaffenheit ab. Die 
Wehen wurden nun sehr kräftig und förderten in emer halben 
Stunde ein abgestorbenes, ausgetragenes Mädchen zu Tage, 
das schon die Zeichen beginnender Maceration an sich trug 
und dessen Tod schon während der Austreibungsperiode ans 
der deutlich erkennbaren Lockerung der Schädelknochen in 
ihren Nahtverbindungen und aus dem Umstände, dass, ob- 
wohl der Rucken des Kindes nach vorn sah, keine Herztone 
gehört wurden, erschlossen worden war. Eine Umschlingung 
der 48 Cm. langen und massig sulzhaltigen Nabelschnur um 
irgend einen Theil des Kindes hatte nicht stattgefunden; die 
Nachgeburtsperiode verlief normal und auch an der Placenta 
war durchaus nidits besonderes zu entdecken. 

Die Section des Kindes , die 6 Stunden nach der Geburl 
vorgenommen wurde, ergab nun folgendes: kräftige, ganz 
schlaffe Leiche (6Va Zollpfund schwer, 49 Va Cm. lang) mit 
reichlich entwickeltem Paniculus adiposus, Kopfhaare lang 
und dunkel, Nägel die Fingerspitzen überragend, Nymphen 
von den Labien ganz bedeckt, der Knocbenkern in der unteren 
Epiphyse des Femur 4 Mm. breit. Die äussere Haut des 
ganzen Körpers, an der sich die Epidermis bei etwas stär- 
kerem Drucke Idcht abstreifen lässt, gleichmässig eyanotisch- 
missfSrbig, d. h. bläulich mit einem Stich ins grau -bräun- 
liche. Der Bauch etwas mehr als gewöhnlieh ausgedehnt, 
undeutlich fluetuirend, prall gespannt, sein Umfang beträgt 
etwas über dem Nabel 31*4 Cm. 

Ke wekben Scbädeldecken fiber Aet Ueitiea Fontanelle 



GebUranstalt zu Stuttgart. 275 

etwas serös inOltrirt und unter dem Pericranium an beiden 
hintieren, oberen Scheitelbeinecken flache Blutaustritte, rechts 
etwas starker (I. Schadellage). Die Nähte und Fontanellen weit 
und die Verbindung der Knochen mit dorn Nahtgewebe in der 
Art gelockert, dass sich dieselben ohne Anwendung stärkerer 
Gewalt isoliren lassen. Die Sinus der Dura und die Venen der 
Pia prall mit flüssigem, dunklem Blute gefüllt; das Gehirn nicht 
gerade blutreich, aber sehr weich, fast zerfliessend. 

Die grossen Venenstämme des Halses prafl mit dunklem, 
flüssigem Blute gefüllt, Thyreoidea gross und blutreich. 
Tliymus asymmetrisch, indem der linke Lappen fast doppelt 
so gross , als der rechte ist , ihr Gewebe blutreich und unter 
ihrer Hülle eine grosse Zahl kleiner Blulaustritte. Die Gon- 
vcxität des Zwerchfells zwischen 2. bis 3. Ri])pe und beide 
Lungen ganz hinten im Brustraume; dieselben sind vollkommen 
foelal, sehr blutreich und mit einer Unzahl kleiner, subpleu- 
raler Ecchymosen übersäet; in den Bronchien und in der 
Trachea nur eine geringe Quantität wässerigen Schleimes, 
in welchem kein Fremdkörper entdeckt werden konnte. Das 
Herz gross und seine Hühlen, insbesondere der rechte Vor- 
hof, mit halbgeronnenem, dunklem Blute prall gefüllt; an 
seiner Oberfläche, namentlich den Sulcus horizontalis entlang 
eine ganze Reihe relativ grosser, subpericardialer Blutaus- 
Irillc; ebensolche kleinere auch im Pericardium parietale; die 
Klappenapparate normal , das Foramen ovale von seiner 
Klappe nicht ganz bedeckt, der Ductus Botalli offen, seine 
Innenwand aber in Längsrunzeln gelegt. 

Beim Eröflnen der Bauchhöhle flössen einige Drachmen 
klarer, hellgelber Flüssigkeit aus und es präsentirte sich nun 
zunächst eine 19 Cm. lange, 5 Cm. breite, birnförmige, im 
Becken festsitzende, durclischeinende und mit klarer, wein- 
gelber Flüssigkeit gefüllte Geschwulst, die sich durch die 
ausnehmend deutliche, balkige Muscularis gleich als Harnblase 
zu erkennen gab. Von dem Grunde derselben, der der con- 
caven Leberfläche fest anlag, stieg der Urachus, der noch 
ein ganz haarfeines Lumen zeigte, gegen den Nabel hinab. 
Die üreteren leicht durchgängig, aber nicht erweitert; die 
Nieren ganz normal, aber sehr blutreich* ebeu^o fiv^'^Äi^w- 
meren, die Milz und die Leber; in der FeUkapseV Aev^\c«««v., 



276 XXli. Hartmannf Mittbeilnngen aus der 

in iler Sclileimhaiit der Nierei)l)orken und im Ugamentam 
coronar. hepatis zerstreute Ecchymosen. Der Magen und 
Dünndarm ist stark contrahirt und fast leer, der Dickdarm 
dagegen enthält massenhaft Meconium bis an den Sphincter 
ani tertius , die unterste Partie des Rectums ist aber wieder 
leer und die Mucosa daselbst ganz rein, so dass gar kein 
Meconium entleert worden zu sein scheint. 

Nachdem die Urogenitalorgane sammt Rectum und vor- 
derer Beckenwand herausgeschnitten waren, Hess sich (was 
vorher bei natürlichem Zusammenhange der Theile nicht mög- 
lich gewesen war) durch einen Druck auf die Blase ihr In- 
halt durch die Harnröhre, bei stärkerem Drucke sogar in 
einem schwachen .Strahle entleeren, und ich habe hier nur 
eines zu bedauern, dass ich es nämlich unterliess, die circa 
vier Unzen betragende Flüssigkeit zum Behuf e einer chemi- 
schen Analyse aufzutangen. Als Hihderniss für den Urinab- 
fluss fand sich nun, nachdem die Harnröhre gespalten war, 
in ihrer Wand oben rechts, ein Centimeter hinter der Mün- 
dung, ein drei bis vier Millimeter im Durchmesser haltendes, 
halbkugelig in das Lumen hereinragendes, ziemlich festes Ge- 
schwülstchen und etwas oberhalb desselben eine fünf Mil- 
limeter lange, ein Millimeter breite, etwas kolbige Excreacenz 
der Mucosa. 

Bei einer näheren Untersuchung, die Herr Professor 
V, Luschka in Tübingen vorzunehmen die Güte gehabt hatte, 
ergab sich, dass dieser Miniaturtumor im submucösen Gewebe 
sass und höchst wahrscheinlich eine der sparsamen (Ltttre*- 
sehen) Drüsen darstellte, deren Ausführungsgang auf irgend 
eine Weise sich verstopft, und die sich in Folge davon mit 
epithelialen Massen angefüllt hatte. Es Hess sich nämlich die 
Schleimhaut von dem Tumor abziehen und beim Versuche 
einige sitzengebliebene Bindegewebsfäden vollends zu entfer- 
nen, riss seine Hülle ein und sein Inhalt ergoss sich, ganz 
ähnlich einem Comedo, nach aussen als eine zusammenhän- 
gende, wurstförmige Masse von der Consistenz und Beschaf- 
fenheit eines Kleisters, die sich mikroscopisch lediglich aus 
grossen, platten, polygonalen, mit deutlichen grossen Kernen 
versehenen^ theilweise wie zusammengeknitterten Epithelial- 



Oebäranstalt zu Stuttgart. 277 

Zeilen beslehcnd erwies, ganz älinlich denjenigen des nächst- 
Hegenden Harnröhrenepithels. 

Nebenbei kann icli nicht umhin, noch einen ebenso minu- 
tiösen, aber nicht weniger interessanten Befund an dem den 
Uterus überziehenden Pcrilonäum zu erwähnen: es fand sich 
nämh'ch hinten und vorn am Uterus, ja beinahe genau in seiner 
Mitte^ ein Fortsatz am Peritonäum von der Dicke eines star- 
ken Fadens; der hintere war zwei Cenlimeter lang und 
endigle frei, kolbig abgestumpft und bestand aus welligem 
Bindegewebe, das' deutliche Blutgefässe und auch ein Nerven- 
zweigchen (aus circa sechs Nervenröhren bestehend) enthielt; 
Epithel war keines zu sehen (das Präparat hatte schon meh- 
rere Wochen in Weingeist gelegen). Der vorn entspringende 
Fortsalz wand sich über die linke Tuba hinüber nach hinten 
und unten, und war weit unter dem Ovarium in das breite 
Mullerband eingewachsen. 

Diese beiden Formationen stellen zweifellos Beispiele der 
von Luschka an allen serösen Häuten nachgewiesenen Zotten 
dar, nur in einer für ein Neugeborenes ganz ungewöhnlichen 
Ausbildung, und den zweiten, an beiden Enden festgewach- 
senen Faden könnte man ganz ungezwungen den von älteren 
Autoren sogenannten Habenae der Pleura an die Seite 
stellen. — 

Fälle von Ueberfullung der kindlichen Harnblase sind in 
der Literatur nicht allzuhäufig verzeichnet, und ich hielt des- 
halb den eben beschriebenen, trotzdem dass er zu keinem 
Gebnrtshinderniss Veranlassung gab, jedenfalls der Mitthei- 
lung werth und glaube, dass er vor den sonst erwähnten den - 
Vorzug hat, dass er die Art und Weise klar macht, wie der 
Tod des Kindes, der doch bei dem normalen Verhalten sämmt- 
licher lebenswichtiger Organe irgend einen besonderen Grund 
haben muss, zu Stande kommt, worüber ich in der mir zu 
Gebote stehenden Literatur nichts erwähnt gefunden habe. 

Dass in meinem Falle der Tod durch Störung und schliess- 
liche Aufhebung der Blutcirculation zu Stande kam und dass 
diese Störung durch den Druck und die Zerrung, welche die 
sich immer weiter ausdehnende Harnblase auf die Nabelge- 
fässe und namentlich die Nabelvene ausübte, bewirkt wuude^ 
wird Jedem sofoii klar soiii, ohne dass idi y^eW^t^ \twVfc 



278 XXII. Hartmann^ Mittheiinngen aus der 

liierüber verliere, und es bleibt mir nur noch zu erklären 
übrig, warum — im Gegensatze zu den sonstigen Beobadi- 
tungen — der Tod des Kindes nicht sclion in einer früheren 
Periode der Schwangerschaft erfolgte, und warum die AnfuU 
lung der Harnblase einen relativ nur geringen Grad erreichte, 
obwohl man — in Anbetracht des langsamen Waclisthums 
ähnlicher Geschwülstchen, wie z. ß. der Comedonen und Mi- 
lien — anzunehmen genöthigt ist, dass das llinderniss für 
den ürinabfluss: das kleine Geschwülstchen in der Urellira 
jedenfalls schon Monate lang bestand. ^ 

Der Ilauptunlerschied zwischen den in der Literatur 
verzeichneten und meinem Falle besteht darin, dass bei die- 
sem das Hinderniss für den Ürinabfluss zuerst wenigstens 
nur ein relatives, bei jenen aber von Anfang an ein absolutes 
war, und ich glaube, dass aus diesem Umstände die Antwort 
auf die beiden oben gestellten Fragen abgeleitet werden muss, 
und stelle mir den ganzen Hergang folgendennassen v^r: 
Anfanglich war die Harnexcretion nur mehr oder weniger 
erschwert und später derart behindert, dass mehr Urin se- 
cernirt wurde, als abfliessen konnte, die ßlase blieb bestän- 
dig gefüllt und erreichte endlich eine solche Grösse, dass ihr 
Druck eine Störung der Blutcirculation in den Nabelgefässeu 
d. h. eine mangelhafte Zufuhr von arteriellem Blute zum 
Kinde, hervorrief. Durcli diesen Vorgang wurden vorzeitige 
Alhembewegungen beim Kinde ausgelöst, welche ein mög- 
hchst tiefes Hinabrücken des Kindspeches in den Mastdarm 
zur Folge hatten, und jetzt erst, als die Harnröhre auch a 
tergo einen Druck erlitt, wurde ihre Wegsamkeit vollständig 
aufgehoben, die Blase füllte sich rasch noch mehr an und 
comprimirte schliesslich die Nabelgefässe vollständig, wodmxh 
der Tod des Kindes unvermeidhch in kürzester Frist eintreten 
musste. Dieser, so zu sagen, acute Tod des Kindes verhin- 
derte eine weitere, enorme Anfüllung der Harnblase, wie die- 
selbe, zum Geburtshinderniss geworden, schon bei anderen 
Früchten beobachtet worden ist, bei denen das Hinderniss 
für den Ürinabfluss durch Obiileration oder gänzlichen Mangel 
der Urethra von Anfang an ein absolutes war. Wie in die- 
sen Fällen die Ansammlung des Urins eine so enorme wird, 
kaoD man sich meines Erachtens nur dadurch erklären, dass 



Gebäranstalt xo Stuttgart. 279 

ebeoy weil der Fehler von Anfang an vorbanden ist, das 
Wachslbum der Bauebdecken und der Nabeigetasse gleichsam 
dadurch bestimmt wird, so dass der Druck, den diese letz- 
teren von der Blase auszulialten haben, eine Zeit lang com- 
peusirt und für den Organismus unschädlich gemacht wird, 
bis endlich auch hier ein Punkt erreicht wird, wo dies nicht 
mehr möglich ist. Der Widerspruch, der zwischen solchen 
Fällen und dem meinigen zu bestehen schien, löst sich mit 
dieser Annahme von selbst auf, und ich nehme deshalb kei- 
nen Anstand, für alle Fälle die gleiche Art und Weise des 
Abstei'bens anzunelimen. 

II. Seltener Fall von regelwidriger Haltung eines 
reifen Kindes; Wendung auf die Fasse mit gluck- 
lichem Ausgange für Mutter und Kind. 

Am 24. Juli Vormittags ging der Anstalt eine Zweitge-« 
schwängerte kreissend zu, bei der die erste von der Ober- 
bebamme vorgenommene Untersuchung dcQ Scheidentheil noch 
nicht ganz verstrichen, den Muttermund thalergross, den Schä- 
del sehr hoch und beweglich stehend, den Gebärmuttergrund 
nach re<;hts geneigt und den Rucken des Kindes nach vorn 
und links sehend ergeben hatte. Später, als der Muttermud 
etwas weiter geworden war, wurde der Kopf nicht mehr, 
aber beide Füsse in der Eihautblase gefunden. Als ich ge- 
gen zwei Uhr Nachmittags hinzukam, fand ich den Mutter- 
mund fast vollkommen offen, in demselben eine grosse, auch 
in den Wehenpausen gespannte Blase, die beide lebhaft sich 
bewegenden Fusse, aber sonst nichts, enthielt; äusserlich 
zeigte sich der Uterus mit seinem Grunde ziemlich stark 
nach rechts abgewichen, und der nach links hin gerichtete 
Rücken des Kindes Hess sich deutlich von rechts oben nach 
links unten, beiderseits mit einem grossen Tlieile endigend, 
verfolgen; die Fruchtwassermenge war durchaus keine bedeu- 
tende, das Kind dagegen schien kräftig entwickelt zu sein. 
Die Diagnose wurde, da man ein Vorliegen beider Fusse 
neben dem Kopfe eines reifen Kindes als nicht wohl möglich 
von der Hand weisen zu müssen glaubte, auf eine einer 
L RückenendJa^e eülspieclienda Schiellage ge^VäliL^ \3isA ismol 



280 XXII. Hartmann, Mittheilnngen aas der 

war, in Anbetracht des ResulUiles der ersten Untersuchung 
genöthigt, entweder eine Täuschung hierbei oder eine seither 
stattgefunden habende totale Umdrehung des Kindes anneh- 
men zu müssen. — Dui*ch fortgesetzte linke Seitenlage kam 
der Gebärmultergrund allmälig fast ganz in die Mitte, und es 
konnte jetzt auch innerlich neben den Füssen, hochstehend 
ein grosser Theil erreicht, aber bei der beständigen Spannung 
der Blase nur so unbestimmt gefühlt werden, dass über seine 
nähere BeschafTenheit nichts Sicheres ausgesagt werden konnte. 
Nachdem der Muttermund schon längst vollkommen offen, 
und die Blase endlich bis in die äusseren Geschlechtstheile 
herabgedrängt war, liess ich dieselbe — in der Annahme 
einer Beckenendlage — von einer Schülerin sprengen, aber 
statt des erwarteten Steisses stellte sich der Schädel, 
und neben demselben nach rechts hin beideFüsse 
und der rechte Arm, und zwar gleich ziemlich 
.fest in den Beckeneingang. Ich versuchte nun erst in 
der Rucken-, dann in der Seitenlage, die Füsse und den Arm 
zu reponiren, aber es gelang durchaus nicht, und blieb des- 
halb nichts anderes als die Wendung auf beide Füsse übrig, 
die aber nicht gleich gelingen wollte, da der Kopf schon 
ziemlich tief in den Beckeneingang herabgetreten war. Es 
wurden deshalb beide Füsse angeschlungen, der Arm aber, 
da eine dritte Schlinge nicht gleich bei der Hand war, sich 
selbst überlassen und nun mittels des sogenannten doppellien 
Handgriffes die Umdrehung des Kindes rasch und leicht voll- 
bracht, auf welche ich, da in der Nabelschnur nur noch ganz 
schwache Pulsationen zu bemerken waren, auch gleich die 
Extraction folgen liess. Der Rücken des Kindes drehte sich 
dabei nach rechts, der rechte vorgefallen gewesene Arm kam 
von selbst, mit dem Elhibogen voraus, zu Tage, der linke 
(hinten befindliche) wurde gelöst, und der Kopf rasch mit- 
tels des Prager Handgriffes entwickelt. Das Kind, ein Mäd^ 
dien, 6V2 Zollpfund schwer, 50 Centimeler lang. Kopfumfang 
34,6 Centimeter, dem die 70 Centimeter lange Nabelschnur 
um Hals und linke Schulter lierumgeschlungen war, war sehr 
stark betäubt und konnte erst durch länger forlgesetzte Reize 
zu ordentlichem Alhinen gebracht werden, zeigte aucli noch 
taebvere Tage lang eine stark rasselnde Respiration. Die 



Gebäranstalt zn Stattgart. 281 

Nacbgeburtsperiode Terlief normal und ebenso auch das Wo- 
chenbett; am 15. Tage wurden Mutter und Kind gesund 
entlassen. 

Der einzige Umstand, der auf eine richtige Diagnose 
bitte leiten messen, den ich aber, offen gestanden, nicht 
beachtet hatte, betrifft die Stellung der Fussc gegenüber dem 
mitvorliegenden, ilur unbestimmt gefühlten, grossen Kindes- 
theil: sind die Fersen gegen denselben hingekehrt, so muss 
es der Steiss, sind die Zehen gegen ihn gerichtet, so muss 
es der Kopf sein, welches Raisonnement bei gehöriger Wür- 
digung zu einer genauen Erkenntniss und damit auch zu 
einer besseren Therapie hätte führen müssen , denn ich bin 
fiberzeugt, dass, wenn man, statt die Blase in den äusseren 
Genitalien zu sprengen, mit der ganzen Hand eingegangen 
wäre und die Eihäute erst oben zerrissen hätte, es mit ge- 
ringer Mühe gelungen wäre, die Füsse zu reponiren, den 
Kopf allein einzuleiten, und die Geburt dadurch zu einer 
natürlichen zu machen. 



lU. Eclarapsie ohne Nierenaffection; günstige Wir- 
kung der subcutanen Application von Morphium; 
glucklicher Ausgang für Mutter und Kind. 

Am 11. Juli kam eine gesund aussehende, 23jährigH 
Näherin, die sich ihrer Angabc nach im 9. Lunarmonat ihrer 
ersten Schwangerschaft befand, in die Anstalt, um sich eine 
Aufhahmskarte zu holen und wurde, da sie bedeutende 
Oedeme der Beine, der äusseren Genitalien, der unteren Partie 
des Bauches, und in geringerem Grade auch der Vagina uiid 
der Vaginalportion zeigte, in das (]atharinen- Hospital gewie- 
sen, woselbst durch einfaches Bettliegen die Oedeme bald 
grösstentheils verschwanden. Im Spitale trat, nach einer an- 
gebKch unruhig und schlaflos verbrachten Nacht, am 21. Juli 
Morgens 8V2 Uhr der erste Anfall von Krämpfen und im 
Laufe des Tages noch fünf weitere ein, aber alle von sehr 
kurzer Dauer, so dass nur der letzte vom Arzte gesehen 
wurde. Das Bewusstsein war während der Anfäile ganz auf- 
gehoben, und nach dem vierten und fünften auch iu deu Iw- 
tenralleo bedeutend getrübt und da sich jeUl duöv X^xövüCi 



2S2 XXII. Hßrtmann, MiUheilangeii aus der 

beginnender Geburtsthätigkeit bei der Patientin fanden, so 
wurde sie, nach 5 Uhr Abends, in die Gebäranstalt herauf* 
gebracht. Noch in der Porte-chnise liegend, bekam sie um fünf 
Uhr 30 Hinuten den siebenten und dann im Betre um fünf 
Uhr 55 Minuten und um 6 Uhr 18 Minuten zwei weitere 
Anfalle, je von drei bis fünf Minuten Dauer; während der* 
selben waren der Rumpf und die Beine tf tanisch gestreckt^ 
der Kopf nach hinten gezogen, beide Arme, nach vorn aus- 
gestreckt, waren in beständig zitternder Bewegung, die Buibi 
stark riacb oben rotirt, in den Gesichtsmuskeln zeigten sich 
clpnische Krämpfe, die Kiefer wurden fest aufeinander ge- 

. presst; das Gesicht wurde im Verlaufe des Anfalls stark cya- 
notisch. Während der Intervalle zeigte sich folgender Zu* 
stand: die Körpertemperatur etwas erhöht, die Haut trocken. 
Puls 94 — 98, Respiration 28, lautschnarchend , das Gesicht 
naturlich aussehend, nicht echauflirt; das Bewusstsein voU* 
kommen aufgehoben, auf sehr lautes Anrufen reagirte sie 
entweder gar nicht oder nur durch geringe Bewegungen der 
Augen; daneben war sie äusserst unruhig, so dass mehrere 
Personen alle ihre Kräfte aufbieten mussten, um sie nur im 
Bette zu halten. Die Erscheinungen von Seite der Genitalien 
betreffend, fand sich: der Bauchumfang zu 89 Centimeter, der 
Uterusgrund an der Herzgrube, der Uterus selbst beständig 
ganz gleichmässig gespannt, so dass die Theile des Kindes 
nur ganz undeutlich duixbzuffihlen waren; der Scheidentheü 
fast vollkommen verstrichen, der Muttermund für einen Fin- 
ger geöffnet, ein lebendes Kind in erster Schädellage, eigent- 
liche Wehen waren nicht nachzuweisen. Der alsbald mit dem 
Catheter entleerte Urin zeigte sich stark saturirt, sauer, enthielt 
aber keine pathologischen Bestandtheile. Es wurden nun Eis- 
umschläge auf den Kopf applicirt, und kurz vor dem neunten 
Anfalle ein halber Gran Morphium subcutan injiciri und zum 
Schutze der bereits angebissenen Zunge ein Uolzkeil zwischen 
die Kiefer geschoben. 

Die Wirkung des Morphiums war eine ganz eclatante 
und rasche, indem wenige Minuten nach dem letzten Anfalle 
(etwa 8—10 Minuten nach der Injection) nicht nur vollkom- 
mene Ruhe des Körpers, sondern auch eine lange Pause in 

den Aaßlfeß einlrAt ; Pu]$ und Respiration verl«ngsanUen sich 



Gebäranstalt sa Stuttgart. 283 

auf 86 und 20, die Haut wurde feucht; eigeotliche Wehen 
Avareo auch jetzt nicht zu heüierken, aber der Uterus zeigte 
sich ininiei' in autTalJendem Grade gespannt. Nachts 10 Uhr 
49 Minuten trat, nachdem die Patientin kiu'Z vorher ange- 
fangen halte wieder unruhig zu werden, namentlich gegen 
die Eisumschläge zu reagiren, ein neuer Anfall, nach dem- 
selben aber wieder vollkommene Ruhe ein, und dies wieder- 
holle sich in gleicher Weise noch ein Mal am Morgen des 22. Juli 
2 Uhr 47 Minuten. Später gegen 4 Uhr wurde die Patientin 
wieder Sehr unruhig, fast wie am Abend zuvor, und es wurde 
deshalb um 4 Uhr 15 Minuten eine neue Injection von einem 
halben Gran Morphium gemacht, die aber nicht ganz zur 
Wirkling gelangte, da etwa der vierte Theil der Lösung neben 
der Canule durch die Hautwunde zurücklloss. Wenige Minu- 
ten darauf kam ein weiterer Anfall, aber dann für längere 
Zeit wieder vollständige Ruhe, während deren ein neues, un- 
gewöhidiches Symplom, nämlich vollständige Incontiuenz des 
Urins sidi einstellte. Die Geburt hatte immer noch keine 
erkennbaren Fortschritte gemacht, doch schienen hier und da 
leichte Wehen vorhanden zu sein, indem bei wiederholten 
Untersuchungen die beständig gespannte Eihautblase sich auf 
kurze Augenblicke, während deren aber äusserlich am Uterus 
nichts besonderes zu fühlen war, noch stärker spannte. (Zur 
Verständigung will ich hier noch bemerken, dass auch die 
Bauchdecken, selbst während der tiefen Narkose, sehr stark 
gespannt waren, wodurch die Betrachtung des Uterus wesent- 
lich erschwert wurde.) Es wurde deshalb nach 8 Uhr Mor- 
gens ein elastischer Catheter tief zwischen Eihäute und Ute- 
ruswand eingeschoben, was ohne allen Einlluss sowohl auf 
das Befinden überhaupt, als auch auf die Anfalle blieb, und 
wodurch bald ordenthche Wehen, die den Muttermund all- 
QiäJig erweiterten, hervorgerufen wurden. Im weiteren Ver- 
laufe kamen noch zwei Anfälle, ein sehr heftiger, fünf Minuten 
dauernder um 11 Uhr 28 Minuten, und ein ganz schwacher 
Nachmittags 3 llhi* 9 Minuten, der vierzehnte und letzte. 
Schon während der letzten Pause und noch mehr nach dem 
letzten Anfalle erwachte die Gebärende allmäiig wieder aus 
der Nai^kose, und auch das Bewusslsein kehrte eini^eru\'d^\^v\ 
wieder: sie rcagirle üuf äussere Reim fast jedes 1\ä\, ^O^Clm^ 



284 XXII. Hen-lmtmu^ Mittheilangen aus der 

bei lautem Anrufen die Augen auf, schluckte gern einge- 
flösstes Wasser, und machte hierzu zweckmässige Bewegungen 
mit dem Munde; auch fühlte sie die jetzt immer kräftiger 
werdenden Wehen augenscheinlich, indem sie während der- 
selben sich hin und her bewegte, und manchmal mitdröckie, 
während sie in den Wehenpausen sich fast ganz ruhig ver- 
hielt. Auch jetzt noch, nachdem die Wehen eigentlich ganz 
normal geworden waren, war der Uterus in den Pausen sehr 
stark gespannt. Um 5^4 Uhr Abends ging bei fast vollkom- 
men geöffnetem Muttermunde das Fruchtwasser in ziemlich 
grosser Menge und von ganz klarer Beschaffenheit ab, der 
Kopf stellte sich fest in den Eingang und der elastische Ca- 
thcter wurde jetzt entfernt; die Spannung des Uterus und 
der Bauchdecken ermässigte sich jetz bedeutend, und dieselbe 
scheint sonach grösstentheils passiver Natur, bedingt durch 
eine relative grosse Fruchtwassermenge, gewesen zu sein, 
was auch durch das Wohlbefinden des Kindes während der 
langen Dauer der Geburt bewiesen wird. Die völlige Eröff- 
nung des Muttermundes und das llerabrucken des Kopfes 
erfolgte rasch, so dass schon um 6 Uhr ein kleines Segment 
desselben während der Wehen in der Schamspalte gesehen 
werden konnte; seinem weiteren Vordringen setzte aber der 
sehr unnachgiebige (noch etwas ödematöse) Beckenboden ein 
bedeutendes Hinderniss entgegen, dessen Ueberwindung durch 
die Nciturkräfle in bälde nicht zu erwarten war; da nun auch 
der Zustand der Mutter, obwohl für den Augenblick nicht 
gerade besorgnisserregend, doch unter allen Umständen eine 
baldige Beendigung der Geburt wönschenswerth machte, so 
wurde um 6^/2 Uhr der Kopf vollends mit der Zange, unter 
Zuhulfenahme der Ej)isioloniia bilatcralis, extrahirt, und der 
Rumpf an den Schultern entwickelt. Das Kind, ein nicht ganz 
ausgetragenes Mädchen (5V2 ^^^- schwer, 46 Cntni. lang, Kopf- 
umfang 33,9 Centimeter), dem die 56 Ontimeter lange Na- 
belschnur fest um den Hals geschlungen war, zeigte sich 
nur wenig betäubt und schrie und alhmete bald ganz regel- 
mässig. Bald darauf wurde die IMacenta, ganz leicht, durch 
äusseren Druck entfernt, der Uterus aber contrahirle sich 
nachher nicht gehörig, und namentlich hatte ein Theil des 
Grundes beständig die Neigung wc\c\\ zu werden und sich 



Gebäranstalt an Stuttgart. 285 

elwcis gegen die lUerushölile hin zu vertiefen (beginnende 
Inversion , walirscheinlich Paralyse der Placcnlarinsertions- 
slelle) weshalb eine Zeil lang kalle Injeclionen gemacht und 
eine Dosis Secale gegeben wurde , mit baldigem und andauern- 
dem Erfolge. 

Die Mutter schien jelzl vollkommen bei Bewusstsein zu 
sein, verhielt sich aber noch zieudich unruhig, sprach keine 
Sylbe und war auch gegen ihr Kinif vollkommen gieichgill- 
tig; erst spfiter in der Nacht klagte sie über Schmerzen au 
den Genitalien,, und gab auch einige Male Antworten, aber 
noch in den nächsten acht Tagen sprach sie ausser „Ja" 
und „Nein" fast gar nichts, und erwies sich überhaupt als 
ein sehr mürrisches und unfolgsames Individuum. 

Das Wochenbett verlief zunaclist normal (die Incon- 
tinentia urinae war mit dem Erwachen des Bewusstseins ver- 
schwunden) und auch das Kind gedieh an der Mutter Brust ganz 
gut; am zehnten Tage aber wurde die Person (vielleicht in 
Folge einer Erkältung durch ausdrucklich ihr verbotenes Auf- 
slehen und Herumgehen) von Rheumatismus acutus befallen, 
der mit starkem Fieber verbunden nacheinander das linke 
EUnbogen-, das linke Hand-, das rechte EUnbogengelenk, 
einige Finger- und beide Kniegelenke ergriff, und sich end- 
lk:h in der linken Schulter Hxirte, weshalb sie am 25. Tage 
in das Catharinenhospital zurück transferirt wurde, woselbst 
sie erst nach zehn Wochen im Wesentlichen geheilt, aber mit 
zuröckgebliebener geringer Beweglichkeitsbeschränkung im 
linken Schultergelenke entlassen werden konnte. 



286 XXIII. Heeker, liehet Jar (Gewicht 



XXIII. 

tTeber das (Gewicht des Fötus und seiner Anhänge 

in den verschiedenen Monaten der 

Schwangerschaft 

von 
C. Hecker. 



Vor einiger Zeit ^) habe ich den Versuch gemacht, durch 
genaue Wägungen die Zunahme des Fötus in den einzelnen 
Schwangerschaftsmonaten zu verfolgen. Das Material indes- 
sen, welches ich damals den Beobachtungen zu Grufide legen 
konnte; war verhältnissmässig so klein, dass ich es späterer 
Zeit überlassen musste, durch massenhaftere Beobachtungen 
die nöthige Correction der gewonnenen Zaiilen eintreten zu 
lassen. Seitdem sind nun drei Jahre verflossen, und diese 
habe ich mit allem Eifer benutzt, möglichst viele Fötuswä- 
gungen anzustellen, so dass ich gegenwärtig für jeden Monat, 
mit Ausnahme des dritten, der überhaupt neu hinzugekom- 
men ist, mindestens 50 Exemplare zur Statistik benutzen 
kann. Die relativ bedeutende Grösse dieser Zahlen findet 
ihre Erklärung in dem Umstände, dass ich als Vorstand der 
geburtshülflichen Poliklinik in München vielfache Gelegenheit 
habe, durch die Hebammen der Sladt, von denen schon viele 
von mir ausgebildet worden sind, unter manchen anderen 
Präparaten auch viele Fötus in die Gebäranstalt einsenden 
zu lassen, um sie dort für den klinischen Unterricht und für 
andere wissenschaftliche Zwecke zu verwerthen. Und doch bin 
ich auch jetzt noch der Meinung, dass diese Rcobachtungen 

JJ Klinik der Oebartskunde, zweilQT Bai^a. \%^^. 



des FStas imd seiner Anhängte ete. 28^ 

nur mit Vorsicht statistisch verwerthel werden dürfen, und 
ich würde mich nicht entschlossen haben, die Resultate zu 
veröffentlichen, wenn nicht bei der schwierigen Erreichbar- 
keit der Untersuchungsobjecle eine grosse Reihe von Jahren 
verfliessen musste, um mit einer strengen Anforderungen ent- 
sprechenden Zahlenmasse hervortreten zu können, und der 
menschliche Geist es nach aller Erfahrung müde wird, die 
Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand durch lange Zeit hin- 
durch in gleicher Weise gerichtet zu einhalten. 

I. Der Fötus. 

Zunächst will ich die Resultate der Wägungen der Fötus 
für die verschiedenen Monate in detaillirter Weise mittheilen, 
wobei zu bemerken ist, dass ich dieselben Voraussetzungen 
in Bezug auf die jedem Monate zukommende Fötudänge ge- 
macht habe, wie früher; der Uebersicht wegen will ich sie 
wiederholen : 

Ein Kind aus dem 3. Monate ist bis 9 Centim. lang 



4. 


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17 


5. 


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27 


6. 


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41 


9. 
10. 


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9« 


44 

47 



Das männliche Geschlecht werde ich mit K., das weib- 
liche mit M. bezeichnen, zuerst die Zahlen fQr die frischen 
Früchte imd darunter die für die abgestorbenen geben, wobei ich 
noch dea Unterschied zwischen todtikulen (tf.) und lipoiden 
(Ip.) machen werde. 

3. Monat. 

Zahl der Beobachtnngen 18. 12 Knaben, 2 tf&dchen, 4 unbe- 
Btimmt. 16 frisch, 2 lipoid. 

8 9 
K. 20 K. 20 
K. 16 K. 16 
K. 10 K. 16 Ip. 
K. 10 ^ 

K. 11 \p. 



LiDge in Cm. 


4 


5 6 


7 


Gew. in Grm. 


? 6 


K. 10 M. 10 


? 16 






M. 6 K. 6 


V 15 






? 6 


K. 10 
K. 6 



288 XXIU. Heekßr, Uebcr das Gewicht 

4. Monat. 

Zahl der Beobachtangen 61, 34 Knaben, IC Mädchen, 1 unbestimmt. 

46 frisch, 7 abgestorben (2 todtfaul, 5 lipoid). 

KeinCro. 10 11 12 13 14 16 16 17 

. in Qrm. K. 42 ? 40 K. 36 M. 66 K. 70 K. 86 K. 90 K. ISO 

M. 31 K. 86 M. 36 K. 60 K. 69 M. 70 K. 86 K. 116 

E. 26 E. 30 M. 36 K. 60 K. 69 K. 66 M. 84 K. 110 

K. 26 K. 20 M 66 ip M. 66 K. 65 K. 66 K. 62 K. 100 

M.26 Kr26if:M:21 T ^Jl tl l. fo ^^^^ Si Sl 

K.20 K. 40 M. 60 Ip. K. 76 

K. 16 K. 40 tf. 

K. 10 K. 36 Ip. 



5. Monat. 

Zahl der Beobachtangen 76, 38 Knaben, 38 Mädchen, 67 frisch, 
19 abgestorben (11 Knaben, 8 MKdchen, 8 todtfanl, 11 lipoid). 

LfingeinCm. 18 19 20' 21 22 

Gew. in Grm. K. 170 M. 216 K. 186 M. 260 K. 376 

K. 140 K. 210 M. 180 M. 176 M. 306 

K. 186 M. 190 M. 126 M. 160 M. 290 

K. 130 M. 180 K. 100 Ip. K. 160 Ip. W. 260 

K. 130 K. 166 *^ K. 106 , 

M. 126 M. 156 

K. 125 M. 100 Ip. 

M. 112 M. 90 , 
M. 112 Ip. 

Länge in Cm. 23 24 26 26 27 
Gew. in Grm. M. 330 K. 396 M. 469 M. 466 K. 600 
K. 320 K. 370 M. 370 M. 440 M. 469 
K. 312 K. 360 lOöÖlf M- 376 M. 420 
M. 300 M. 316 K* 260 Ip" BT. 870 K. 415 
K. 296 K. 312 k 220 M. 343 K. 410 
M. 266 M. 306 M* 206 " ^ *00 
M. 260 M. 2^ tS K. 200 ;; M. 390 
K. 240 " K. 376 

K. 219 K. 376 

M. 200 K. 370 

K. 290 tf. M. 626 tf. 

K. 190 Ip. K. 376 „ 

K. 360 „ 
M. 312 „ 
K. 290 „ 



des Fötas und seiner Anhänge etc. 289 



6. Monat. 

51 Beobacbtangen , 29 Knaben, 22 Mädchen, 33 frisch, 18 abge- 
storben (10 Knaben, 8 Mädchen, 15 todtfanl, 3 lipoid). 

(•in 

itiiB. 28 29 30 31 32 33 34 

ieht 

)r». K. 760 K. 562 K. 656 M. 670 M. 750 

K. 505 K. 540 K. 625 M. 562 K. 670 

K. 500 K. 536 K 594 K. 719 tf. M. 610 

M- 495 k: 380lp' ^' ö^^ k! 656 - ' K. 969 tf. 

K. 455 K. 300 , M^49ö m. 750 „ 

£• »2^ M. 687 tf: M. 687 „ 

M.375 K. 656 „ 

K. 406 Ip. K. 899 „ 



K. 


938 


K. 


84C 


K. 


783 


M. 


81£ 


M. 


775 


K. 


75e 


K. 


750 


M. 


76( 


M. 


710 


K. 


1031 


M. 


687 






K. 


670 






M. 


657 






K. 


485 






K. 


1438 tf 




M. 


1376 „ 






M. 


938 ^ 






M. 


905 „ 






M. 


710 „ 






K. 


531 - 







7. Monat 

52 Beobachtnngen. 28 Knaben, 24 Mädchen, 33 frisch, 19 abge- 
storben (13 Knaben, 6 Mädchen, 18 todtfanl, 1 lipoid). 

Länge in Cm. 35 36 37 38 

Gew.inGrm. K. 1280 K. 1281 M. 1682 K. 2250 

K. 1090 M. 1156 M. 1500 M. 1812 

M. 1030 M. 1156 M. 1375 M. 1470 

M. 970 K. 1155 K. 1312 K. 1281 

K. 896 M. 1093 M. 1186 K. 1250 

M. 780 K. 1062 K. 1000 K. 1250 

K 1155 tf K. 1030 M. 980 K. 1250 

K.* 842 „* M. 1406 tf. M. 950 K, 1238 

K. 1250 „ K. 1562 tf. M. 1219 

K. 1186 „ K. 1375 „ M l^ßö 

K. 1000 „ M. 1312 „ M. 1062 

K. 660 Ip. K. 1062 „ M. 985 

K. 1000 „ K. 1320 tf. 

M. 910 „ M. 1312 „ 

K. 740 „ M. 1310 ri 

K. 723 „ M. 938 „ 



Monatssobr. f. QiBhnHak, 1866. Bd. XXVIT.. Hft. 4. t^ 



890 XXUI. Becker t Ueber clfts Qewicht 



8. Monat. 

64 Beobaohtangen. 80 Knaben, 34 Mädchen. 45 frisch, 19 abge- 
storben (10 Knaben, 9 Mädchen, 17 todtfani, 2 lipoid). 

Länge in 

*Centini. 39 40 41 

Gewicht 

i& Grm. K. 1655 M. 1281 K. 2062 E. 1281 K. 2438 M. 1600 

K. 1562 K. 1093 K. 2000 K. 1219 M. 1875 M. 1875 

K. 1562 M 1930 tf M. 1938 M. 1186 K. 1841 M. 1876 

K. 1631 m' 1875 * M. 1812 M. 1146 M. 1841 K. 1281 

K. 1631 k" 1812 l ^ 1760 K'2i26tf. M. 1812 M. 1186 

M. 1631 K.* 1719 , K. 1625 k. 1625 „ M. 1781 K.ngltf. 

M. 1631 K. 1686 „ K. 1625 m. 1626 „ K. 1750 k. 1750 „ 

K. 1630 K. 1281 ! K. 1662 m. 1626 " M. 1760 m. 1662 " 

M. 1438 M. 1186 ij. ^. 1312 m. 1406^ JJ' }2?2 M. 1600 ^ 

M. 1876 M. 1300 M. 1666 g 1312 

M. 1812 M. 1666 K* 1260 '' 

M.m5M.906.;. 



9. Monat. 

81 Beobachtungen. 40 Knaben, 41Mädchen. 64 frisch, 17 abge- 
storben (7 Knaben, 10 Mädchen, sämmtlich todtfaul). 

Länge in 

Centim. 42 43 44 

Gewicht 

in Grm. M. 2438 M. 1686 M. 2281 M. 1875 M. 2906 M. 1988 
K. 2125 K. 1681 M. 2187 K. 1812 M. 2500 K. 1906 
K. 2000 M. 1500 iK. 2126 M. 1812 K. 2376 K. 1906 
K. 1938 K2000tf M. 2125 K. 1750 K. 2376 M. 1906 
K. 1906 M*1990 ' M. 2062 M. 1719 M. 2375 K. 1876 
K. 1906 m' 1906 "* K. 2000 K. 1687 M. 2312 K. 1875 
M. 1875 k'.1875 ! K. 1938 MTsisTT K. 2281 M. 1875 
K. 1812 M. 1875 ! K. 1906 r 2031 „ M. 2250 K. 1781 
K. 1781 M 1781 ! K. 1906 K 1781 K. 2187 K. 1760 
M. 1750 K 1662 K. 1876 K1719 " M. 2186 M. 1760 
K. 1719 m'i662 "* M. 1876 " M. 2126 M. 1626 
K. 1718 M1662 "* M. 1875 K. 2093 K. 1662 

M. 1686 • " M. 2093 K 2106tf 

K.2062 M.1906„ 
M. 2062 m. 1781 I 
M.2081 M.1406^ 
K.2000 " 
M. 2000 



des Fötus and seiner Anfaänge ete. 291 



10. Monat. 

93 Beobachtangen. 44 Knaben, 49 Mädchen. 79 frisch, 14 abge- 
storben (6 Knaben, 8 Mädchen, sämmtlioh todtfaul). Behufs der 
Gleichmässigkeit der Statistik ist die Zahl der Fälle gegen frü- 
her bedeutend herabgesetst worden. 

Länge in 

Centim. 45 46 ' 47 

Gewicht 

in Grm. M. 2938 E. 2250 E. 2813 E. 3360 M. 2875 M. 2250 

M. 2875 E. 2250 K. 2750 M. 2186 E. 2625 E. 2186 

E. 2812 M. 2186 M. 2750 M. 2186 E. 2625 E. 2126 

M. 2750 M. 2186 E. 2562 E. 2125 M. 2625 E. 1938 

M. 2750 M. 2186 M. 2662 E. 2126 M. 2531 M. 1876 

M. 2719 E, 2125 E. 2438 E. 1968 M. 2500 E. 1760 

M. 2625 E. 2125 E. 2438 M. 1906 M. 2500 ^m 2625 tf 

M. 2562 E. 2125 M. 2438 E. 1812 M. 2376 k. 2468 „' 

M. 2562 M. 2125 M. 2437 M. 1686 M. 2375 K, 2438 „ 

E. 2500 M. 2125 E. 2375 M. 1625 M. 2375 m 2375 , 

E. 2500 M. 2062 E. 2375 v oglötf ^ ^^'^^ E. 1968 , 

M. 2600 M. 1938 E. 2376 M'2ß00 ' ^ ^260 

M. 2468 E. 1750 E. 2375 m'2376 " ^' ^250 

E. 2438 E. 1719 M. 2376 K 1876 " 

K. 2438 M.2342tf. K. 2312 

M. 2438 M. 2312 « K. 2281 
M. 2438 M. 1968 1 
M. 2343 m. 1812 : 
E.2312 K.2750" 
E.2812 "* 

Dieses etwas ermudeude Detail liess sich nicht wohl 
vermeiden, da es mir darauf ankam, Jedem die Controlie 
ober die weiter unten folgenden Durcbschnittswerthe zu er- 
mögUchen; auch möchten die niitgelheilten Zahlen nicht ganz 
ungeeignet sein, über die fortschreitende Entwickelung des 
Fötus ein übersichtliches Bild zu verschaffen. Die Berech- 
nungen nun, die sich mit dem Material anstellen Hessen, 
werden sich am besten in einer meiner früheren ähnlichen, 
aber ziemlich erweiterten Tabelle geben lassen. * 



1^* 



292 



XXni. Heeker, Ueber das Gewicht 





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Monat. 



Zalil der Beobachtungen. 



in friffcbem ^natande. 
friiche Knaben. 



inaahQ liliiflcheD, 



in abgoatorben^m Zu- 



abgcEtorboneEa&bi3i3. 



abg^eatorbenc IfUdchen, 



todtfRuI, 






Maximnm der friscben 



MlDimum der friachou 

Fälle. 



Dttrcliachnltt der friechen 
Knaben, 



Dufchtchnitt der frischen 
MM ob an. 



Durchschnitt aller fri- 
«tthen Fälle. 



Diirach^chnitt aller fri- 
schen Füllü in Zoll- 
pfuaden. 



MdSLtmum der nbgetttor- 
betien FqUo, 



MiniinttiTi der «bgeitor- 

benen FBUe, 
Dart^bsc^hnitt d«r abga- 

storfacncn Knabci]. 
Dnrehnchnitll der ab^e- 

Btorbencn Bladcheti. 



DurcbschniU aller abge- 
ßtt»rbfioen FJilTö. 



DurcLachnttt der tadt- 
f aulen, 

D n rc hfl cbn i tt der lt|i Olli eti. 



TolAldnrchschnitt aHtr 

Knaben. 

Totjvtdnrchflchnitl aller 

Mädchen. 

Totr\idnTeUachi\\U a\\«T 
Fm\c. 






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des Fötus und seiner Anhänge eto. 293 

Die Betrachtungen, die sich an die mitgetheilte Tabelle 
knöpfen lassen, sind mannigfacher Art; folgende Punkte dürften 
hervorzuheben sein. 

1) Zu dem Gesammtmaterial von 486 Fällen tragen die 
bischen und abgestorbenen Früchte in einem Verhältniss von 
ungefähr 3:1 bei ; die relativ bedeutende Zahl der ersteren 
lässt diesmal den Versuch gerechtfertigt erscheinen, die roass^ 
gebenden Durchschnittswerthe nur aus ihnen zu berechnen. 
Wenn wir uns über das Wachsthum des Fötus genau unter- 
richten wollen, so kann dazu eben nur das Material verwen- 
det werden, wo dieser Vorgang plötzlich durch die Ausstos- 
suug der Frucht unterbrochen worden ist ; die Veränderungen, 
die mit dem abgestorbenen Kinde vor sich gehen, gehören 
iu das Gebiet des Pathologischen, und es war nur ein Noth- 
belielf^ dass die todtfaulen Früchte den Gesammtdurchschnitts- 
werth mitberechneu helfen mussten. 

2) Unter den 371 frischen Früchten wurden 192 Knaben 
und 174 Mädchen beobachtet, während bei fünf die Geschlechts- 
bestimmung nicht ausführbar war oder versäumt worden ist; 
es kommen also auf 100 Mädchen 110 Knaben d. h. letztere 
überwogen um ca. 57ü ^^s normale Verhältniss. 

3) Unter den 115 abgestorbenen Früchten befanden sich 
63 Knaben und 52 Mädchen; erstere stehen also zu letzte- 
ren in einem Verhältniss wie 121 : 100, und überschreiten 
das normale um ca. 16 %• Es wird hierdurch wieder be- 
stätigt, dass Einflüsse, welche das Absterben des Fötus zur 
Folge haben, das männUche Geschlecht in viel höherem Maasse 
treffen, als das wcibliclie. 

4) In der Tabelle lindet sich angegeben, dass von den 
genannten 115 Früchten 91 in todtfaulem und 24 in lipoidem 
Zustande geboren wurden. Für di&Art, wie vorher gesunde 
und im Uterus während der Schwangerschaft abgestorbene 
Früchte sich verwandeln, scheint mir diese Unterscheidung 
in der That die einzig zulässige und richtige zu sein, da ich 
andere Formen nicht gesehen habe. Indem ich in Bezug 
auf den anatomischen Befund bei lipoiden Früchten auf die 
Beschreibung eines Falles bei Buhl^) verweise, bemerke ich 



\) Klinik dar Geburtskunde, Theil I. 8. Z%1, 



394 XXIU. Heeker, Ueber das Gewicht 

nur, dass sie immer gegen ein frisches und todlfauies Kind glei* 
chen Alters bedeutend an Gewicht verloren haben, wie aus der in 
der Tabelle enthaltenen Durchschnittsbestimmung für den fünften 
Monat, wo eine solche allein ausführbar war, deutlich hervorgeht: 
das Mittel für die frischen Früchte beträgt hier 284 Gi-m., för 
die todtfaulen 349 Grm. , und für die lipoiden 157 Grm. 
Diese Gewichtsabnahme ist um so bedeutender, je länger sie 
im Uterus gelegen halten; ich habe öfter genau constatiren 
können, dass zwischen dem Absterben und der Ausstossung 
ein Zeitraum von drei Monaten und darüber gelegen war; gegen- 
über den todtfaulen Früchten zeigt der Uterus wohl niemals eine 
solche Duldsamkeit, wiewohl auch hier mitunter Termine des 
Verbleibens bis zu sechs Wochen und zwei Monaten berech- 
net werden können. Das Fruchtwasser ist bei den lipoiden 
Früchten, bei denen nicht selten die Ausstossung des Cies 
in toto erfolgt, gewöhnlich ganz braun gefärbt, schmutzig 
lehmig, und als ätiologisches Moment der Veränderung des 
Fötus lässt sich meistentheils eine Behinderung der Nabel- 
scbnurcirculation durch Torsion oder Umschlingung nach- 
weisen; die Placenta pflegt secundär in Folge von Oblitera- 
tion der Gefasse indurirt zu sein. Aus der Tabelle scheint 
endlich hervorzugehen, dass die lipoide Verwandlung in der 
ersten Hälfte der Schwangerschaft häufiger zu Stande kommt, 
als in der zweiten. Was den sogenannten Foetus papyraceus 
betrifft, so ist derselbe meiner Ansicht, nach nur eine Modi- 
fication des lipoiden, aus dem er sich durch mechanische 
Coropression, die am ehesten bei einem zu Grunde gegan- 
genen Zwilling eintritt, entwickelt. 

5) Eine Vergleichung der Maxima und Minima für die 
frischen und todtfaulen Früchte, wie sie sich in der Tabelle 
angegeben linden, lehrte dass bei ersteren die Differenzen 
grösser sind, als bei letzteren; eine Ausnahme machten nur 
der fünfte und sechste Monat, bei denen sich d^ grössere 
Unterschied in den Gewichten der abgestorbenen Früchte 
aus dem Umstände erklärt, dass das Minimum lipoiden Früch- 
ten angehört. Die grösste Differenz zwischen Maximum und 
Minimum fallt bei den frischen Fruchten in den 7. Monat 
(1470 Grm.), und diese absolut bedeutendste Gewichtszunahme 



des Fötns aod seiner Anhänge etc. 296 

bewahrheitet sich auch, wenn man die Maxima der einzelnen 
Monate in Bezug auf ihre Differenz untersucht ; der Sprung 
vom Maximum des 6. Monats bis zu dem des 7. ist von 
allen der grössle (1312 Grm.)« und bleibt es auch noch, 
wenn wir die höchste Zahl von 22.50 Grm. (vergl. die De- 
tailtabelle des 7. Monats) als exceptionelle Beobachtung fallen * 
lassen, und erst die nächste, 1812 Grm., in Rechnung setzen. 
Dann erhalten wir immer noch einen Unterschied von 874 
Gnu., den höchsten, der bei den Maximis vorkommt. Die 
Unterschiede zwischen Maximum und Minimum der frischen 
Fruchte zeigen für die letzten vier Monate keine auffallenden 
Schwankungen und sind unverhältnissmässig grösser, als in 
den ersten vier Monaten. 

6) Die Durchschnittswerthe für die frischen Früchte, die 
ich dies Mal, wie schon erwähnt, allein als massgebend be- 
trachten möchte, weichen von den früher beobachteten nicht 
so erheblich ab, als man aus der Verschiedenartigkeil des 
Materials hatte schliessen sollen. Die grössten Unterschiede 
betreffen den 6. und 10. Monat, und betragen hier circa 
•100 Grm. Für den ersteren ist klar, dass die Differenz ihren 
Ursprung der früheren Hinzunahme der todtfaulen Kinder 
verdankt, denn der Durchschnitt der irischen ist sich gegen 
früher ziemlich gleich geblieben (658 und 634 Grm.); auch 
dies Mal ist der Gesammtdurchschnitt durch diesen Umstand 
auf 676 Grm. erhöht worden, wenn er audi die frühere Ziffer 
von 742 Grm. nicht erreicht. Der 10. Monat hat wahr- 
scheinlich wegen Beschränkung des Materials einen geringe- 
ren Durchschnitt gegeben, aber ich niöchte auch den frü- 
heren von 2450 Grm. oder 4,9 Zollpfund noch für zu klein 
halten, denn es entsteht auf diese Weise ein zu grosser Un- 
terschied mit dem Durchschnitte eines ausgetragenen Kindes, 
den ich früher auf 6,55 Zollpfund berechnet habe; für kei- 
nen Zeitraum des Wacbsthums stellt sich ein Unterschied 
von 1,6 Zollpfund heraus, wie hier, und ich kann mir nicht 
denken , dass gerade in der letzten Zeit die Zunahme des 
Kindes eine so ungewöhnliche sein sollte, wiewohl die Mög- 
lichkeit derselben nicht absolut von der Hand gewiesen wer- 
den kann. Vielleicht lässt sich diese aufTallende Tlv9X%^!d\<^ 



296 XXm. Heekir, Ueber das Gewicht 

theilweise durch die Erfahrung erklären^ die ich in der letz> 
ten Zeit oft genug zu machen Gelegenheit hatte, dass manche 
Kinder mit 48 und 49 Centimeter Länge nicht zu den reifen 
gehören, sondern noch in den 10. Monat verwiesen werden 
müssen. Durch Hinzunahme dieses gewiss nicht unbedeuten- 
• den Materials wurde sich der Durchschnittswerth wahrschein* 
lieh erhöhen. 

Entsprechend den Auseinandersetzungen in Nr. 5 finden 
wir wieder die grösste DurchschnittsdilTerenz zwischen dem 
6. und 7. Monat, nämlich 684 Grm. oder 1,368 Pfund, und 
es ist hierauf der Schluss erlaubt, dass in der That zu die- 
ser Zeit die absolut grösste Gewichtsvermchrung stattfindet. 
Ganz anders verhält sich dagegen die relative Zunahme, denn 
diese ist für den 3. bis 4. und 4. bis 5. Monat weitaus die 
bedeutendste: der Sprung von 11 Grm. auf 57 Grm., sowie 
von diesen auf 284 Grm. bedeutet eine Vergrösserung um 
das 5 fache, die später nie wieder vorkommt. 

7) Der Versuch, durch Trennung der frischen und todt- 
fauleu Früchte in Knaben und Madchen eine vom Geschlechle 
abhängige Diflerenz in dem Durchschnittsgewichte der ver- 
schiedenen Monate herauszufinden, kann nicht als gelungen 
bezeichnet werden: bei den frischen sehen wir in der Tabelle 
in vier Monaten die Knaben schwerer, in drei die Mädchen, 
bei den todtfaulen nur zwei Mal die Knaben und vier Mal 
die Mädchen im Vortlieil. An diesen Schwankungen ist ge- 
wiss die Kleinheit des Materials Schuld, und man würde ohne 
Zweifel bei grösseren Zahlen, die aber kaum jemals von 
einem Einzelnen zu beschalTen sein durften, ein conslantes 
Uebergewicht der Knaben, wie bei den reifen Kindeni, er- 
mitteln. 

8) Auch das Verhältniss zwischen frischen und abge- 
storbenen Früchten in Bezug auf ihr Gewicht ist, wie aus 
der Tabelle ersichtlich, kein sehr conslanles, obwohl die er- 
steren in der überwiegenden Mehrzahl der Monate und zum 
Theil bedeutend schwerer sind, als die letzteren : unter sieben 
Monaten lallt die Differenz bei fünf zum Vorlheil der frischen 
aus, und trifft hier das Maximum von 167 Grm. auf den 
neunten Monat; der achte Monat zeigt eine ganz kleine Dif- 

fereoz (8 Gnu,), zu Gunsten der abgestorbenen, und nm* im 



des Fötas and seiner Anhänge eto. 



297 



secbslen Monate sehen wir ein Ucberwiegen der abgestorbe* 
nen um 118 Grm. 

Wir können also wohl sagen, dass mit dem Processe 
der Maceration im Allgemeinen ein Gewichtsverlust verbun- 
den ist,^wenn auch in manchen Fällen eine bedeutende Quel- 
iung hierdurch entsteht, die, wie das deutlich aus einer Be- 
trachtung der Detailtabellea erhellt, mit einer Erhöhung des 
Gewichtes einbergeht, 

IL Die Pkcenta. 

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Beobachtun- 
gen Übel* die Gewichte der Placenten nicht so zahlreich sein 
können, wie die über die Fötusgewichtc, denn sehr oft be- 
kommt man die letzteren in die Hände, ohne dass ihre An- 
hänge mitgeschickt werden, nie aber umgekehrt Das Mate- 
rial durfte aber doch eine statistische Behandlung zulassen, ja 
auch hier möchte ich den Schwerpunkt auf den Durchschnitt 
der frischen Placenten legen. 

Tabelle über das Wachsthum der Placenta. 







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0,072' 36 0,072 


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17 — 


136 55 


80!0,160; — 





— 


0460, 80 0,160 


5. 


35 


24 n 


S65 60 17810,356260 


68 


136 


0,27Si, 165 0,330 


6, 


22 11 n '594 155 273! 0,546; 60D 


156 


296 


Ü,ÖTO. 281 0.562 


7, 82: 11* 13 625 186 37410,7^8 7B0 


155 


Si$ 


Üfim 364 ] 0,728 


t 44 32 12 


812 186'461i0,'.t02, 938 


186 


504 


1,008 467 . 0,934 


9. 57, 45 12 


625 31Ü,46l!ai>22 875 


406 


689 


1,178 488 0,076 


10. 70| 62j a 


665 '3431481 0,962,812 

1 1 1 l 


226 


500 


l,00€j4B4|0,9ß8 




280 


216 


64 








1 















Aus der eben mitgetheilten Tabelle ergiebt sich Tür das 
Wachsthum der Placenta eine ziemlich regelmässige Stelle- 
nmg, die bis zum Ä Monat elwa 0^ Pfund oAev 100 ^tm* 



XXin. Heeker, Ueber das Gewicht 



beträgt. Von da ab nimmt die Durchschnittszahl nur noch 
in der zweiten Decimale um Weniges zu, und es scheint 
hieraus hervorzugehen, dass für die letzten Monate die schon 
oft ausgesprochene Vermuthung, die Placenta wachse nicht 
mehr in dem Verhältnisse, wie in den früheren, ihre that- 
säcliliche Begründung hat. Fernerhin ist ei*sichtlich, dass die 
Nachgeburten abgestorbener Früchte in der Mehrzahl der 
Fälle, namentlich aber in den letzten Monaten ein grösseres 
Durchschnittsgewicht besitzen, als die frischer : ?on sechs Mo- 
naten fmdet sich vier Mal die grössere Zahl bei den ersteren, 
und nur zwei Mal bei den letzteren; auch wird dies Ver- 
hältniss an den Maximis illustrirt, die für die vier letzten 
Monate bei den todtfaulen Nachgeburten bedeutend höber 
liegen, als bei den frischen. Die Gesammtdurchschnittsge- 
wichte ei*leiden hierdurch eine mannigfache Steigerung gegen 
die der frischen, und ich habe deshalb wohl nicht Unrecht, 
wenn ich trotz der dadurch entstehenden Vemngerung des 
Materials nur die Durchschnittswerthe der frischen Piacenten 
als die brauchbaren bezeichnet wissen möchte. 



III. Der Nabelstrang. 
Tabelle über das Wachsthum des Nabelstranges. 





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3. 


10 


16 Cm. 


3,6 Cm. 


7 Cm. 


1 9 Cm. 


— 2Cm.? 


4. 


28 


29 


8 


19 


17 


+ 2 


6. 


38 


60 


19 


31 


27 


+ 4 


6. 


29 


68 


20 


37 


34 


+ 3 


7. 


87 


66 


21 


42 


38 


+ 4 


8. 


50 


89 


80 


46 


41 


+ ö 


9. 


66 


89 


80 


47 


1 44 


+ 3 


10. 


70 


94 


32 


51 


47 

1 


+ 4 




324 













Das Wachsthum der Nabelschnur in den verscliiedenen . 
Moaaten zeiclmet sieb nach dieser Tabelle durch ein sebi* 



des FötQs und seiner Anhänge etc. 



299 



regelmässiges, der Zunahme des Fötus enlsprechendes' Fort- 
scbreiten aus; wie es sich mannigfach, aber ohne thatsäcb- 
lieben Beleg ausgesprochen findet, ist dieselbe immer etwas 
länger als der Fötus in dem entsprechenden Monate, und 
zwar wird seine Maximallänge von ihr um 2 — 5 Centimeter 
öberscbritten. Ueber die Maxima und Minima des Nabel- 
Stranges in den verschiedenen Monaten, lässt sich nichts Be- 
stimmtes aussagen. 

Scbliesshch erscheint es wohl nicht unzweckmässig, die 
Resultate der in dieser Arbeit niedergelegten Statistik noch 
ein Mal tabellarisch zusammenzufassen. 



Tabelle über das Wachsthum des Fötus und 
seiner Anhänge. 





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B. 


11 


0,022 


36 


0,072 


7 


4 


fi7 


0,114 


80 


0,160 


19 


5. 


284 


0,568 


178 


0,366 


3t 


«. 


634 


1,268 


^73 


0,646 


37 


1. 


iSiid 


2,436 


374 


0,748 


4ä 


8. 


1Ö69 


3,138 


451 


0,902 


4« 


9. 


U71 


3,^42 


461 


0,922 


47 


10. 


2334 


4,668 


4SI 


0»963 


&L 



300 XXJV. StMerger^ Zur Contagiosltät 



XXIV. 
Zur Contagiositat des Puerperalfiebers. 

Von 
Dr. G. Stehberger, 

Arzt am allgemeinen Krankcnhaase in Mannheim. 

Die Contagiosilät des Kindbottßebers wuidc zwar in den 
letzten Jalnen vielfach besprochen, gehört jedoch — bei uns 
in Deutschland wenigstens — nocii keineswegs zu den allge- 
mein als richtig anerkannten Thatsachen. Gewichtige Stim- 
men klinischer Lehrer und Geburtshelfer erklären sogar ge- 
radezu, dass ihr klinisches Material nicht geeignet sei, die 
Sache endgültig zu entscheiden, und dass es besonders Auf- 
gabe der praktischen Aerzte sei, die Streitfrage näher zu ver- 
folgen. Dies ist der Grund, warum ich eine kleine im letz- 
ten Frühjahre daliier vorgekommene Epidemie der näheren 
Besprechung und Mitlheilung werth halte. 

Nachdem seit einigen Jahren das Puerperallieber wohl 
häufiger als früher, aber doch immer noch nur vereinzelt 
in hiesiger Stadt vorgekommen war, steigerte sich diese 
Krankheit im Frühjahr 1865 bis zu 13 Todesfallen binnen 
vier Monaten. 

Diese an sich allerdings sehr geringe Zahl gewinnt üi- 
dess dadurch mehr Bedeutung, dass diese Todesfalle fast 
ausschliesslich den Geschäftskreis von rmr zwei Hebammen 
(unter 14) berührten. 

Wir bezeichnen dieselben einzeln, hidem wir jedoch vor- 
erst nur den Todestag und Namen der belrefTenden Heb- 
amme bezeichnen: 

Tag _28_6_11 24_ 2 19 1^ 7 16 19 27 30 
Monat" ~ 3 4 4 4 ö" 5 6 6 G 7 7 J7__7 

Nam^ f^ F. K. F. K. D. K. 



des Puerperalfieber». 301 

Die Hebamnrio F. ist sonach mit 7, die Hebamme K, 
mit 5 Todesfällen hetheiligt. 

Die Zahl der hier praclicirenden Hebammen ist, wie 
schon bemerkt, 14. 

Die Zahl der hier vorkommenden Geburten zwischen 
800 und 900 jährlich. 

Die Hebamme F, ist hieran mit 81, die K, mit 76 Ge- 
burten betheiligt. Beide Hebammen gehören zu den liier 
beliebtesten, fähigsten und reinlichsten. Man ersieht hieraus, 
dass die gewöhnliclien Erklärungsversuche, dass besonders 
ungeschiclcte oder unreinliche, oder aber übermässig beschäf- 
tigte Hebammen von der fraglichen Calamität belroffen wür- 
den ^ hier niclit passen; und es bleibt wohl nur die Frage 
noch übrig, ob diese auffallende Thatsache nicht etwa nur 
eine rein zufallige sei? 

Wenn nun schon der einfache Ueberblick der oben an- 
geführten Zahlen nicht sehr für blossen Zufall spricht, so 
wird diese Möglichkeit noch mehr dadurch verdrängt, dass 
in dieser Zeit unseres Wissens noch kein Fall von geheiltem 
epidemischem schwerem Puerperalfieber in der Praxis ande- 
rer Hebammen hier vorkamen. Nur ein Fall, jedoch trau- 
malischer Art nach stattgehabter Ceplialotripsie ist uns be- 
kannt, und bleibt noch in der Praxis der betreflenden Heb- 
amme vereinzelt. Alle Recherchen nach weiteren Puerperal- 
erkrankimgen, sowohl bei Aerzten als bei Hebammen, hallen 
wesentlich negatives Resultat. 

Wir verkennen nun nicht, dass es Angesichts der oben 
citirten completen Todtenlisle — gewiss das nächtsliegende 
Desiderat wäre, auch eine complete Statistik sämmtlicher in 
der genannten Zeit hier vorgekommenen, wenn auch nur 
leichten Puerperalerkrankungen zu haben. Die Unmöglichkeit 
einer solchen, wenigstens einer zuverlässigen und mit Kritik 
geübten Statistik, liegt für die geburtshülfliche Privati)raxis 
auf der Hand; — und eine von verschiedenen Beobachtern 
oder gar Beobachterinnen zusammengetragene Statistik gerade 
leichterer Puerperalerkrankungen hielten wir zur Entscheidung 
solcher Fragen nicht für brauchbar. 

Als Ersatz hierfür bin ich jedoch in der Lage., bcx\i^V\d\ 
der bei den^ SterLefiUJeu am meisten (mit T) belW\\\%VftW 



302 XXIV. 8tehberg4rt Znr Coniagiosität 

Hebamme F. das Verzeichniss alJer von ihr in der betreffen- 
den Zeit vorgenommenen Geburtei> mitzutlieilen, da ich deren 
Mehrzahl selbst gesehen und die Erkranknngsfalle meist be- 
handelt habe. 

Da die Hebamme F. zugleich Hospitalhebamme ist, so 
halten wir es für instrucliver, diesen Theil ihrer Geburten in 
gesonderter Spalte neben den gleichzeitigen Privatgeburten zu 
notiren. 

Hospital. Privatpraxis. 

Im biesigen Hospitale waren zwar Die hier vorgekomme- 
einzelne Male erkrankte Wöchnerin- nen Fälle waren nicht an 
nen aus der Stadt in die Kranken- eine einzelne Gegend der 
abtheilung aufgenommen worden ; in Stadt gebunden, sondern 
der hiervon ganz getrennten Gebar- in der ganzen Stadt zer- 
abtheihing aber seit vielen Jahren streut, 
kein Fall ernsterer Puerperalerkran- 
kung vorgekommen. 

Im Beginn des Jahres 1865 
mussten nun wegen vermehrten Zu- 
ganges und gleichzeiger Bauverände- 
rungen die Wöchnerinnen etwas dich- Noch unter d. 24. März 
ter gelegt werden, und bald nach- entband sie zwei Erst- 
her datiren wir die ersten Erkran- gebärende, welche gesund 
kungsfalle. blieben. 

25. März. aScä, , Erstgeb., nor- 
male Geburt, erkrankte an Metri- 
tis, entlassen nach 17 Tagen. 

29. März. F., Mehrgeb., normale 
Geburt, Metritis, entlassen nach 
12 Tagen im Wagen in ihre Woh- 
nung. 

31. März« W,, Mehrgeb. normale 
Geburt, neben der Vorigen liegend, 
bleibt gesund. 

1. April. />., Erstgeb., Frühgeb., 
Placentarretention, lag in besonderem 
Zimmer, bleibt gesund. 



des Puerperalfiebers 303 

Hospital. Privatpraxis. 

1. April. K.y Mehrgebärende, tu- 
berkulös, an heftigem Husten leidend, 
bleibt gesund. 

S.April. K.y Mehrgebärende, er- S.April, ff., Mehrge- 
lurankt an Metritis. Nach 14 Ta- bärende, normale Geburt, 
gen transferirt. erkrankt den 2. Tag und 

stirbt den 4. Tag post 
part. an Metrolym- 
phangoitis- Perito- 
nitis. 
S. April. Ä^. Erstgebärende, er- 
krankt an Metritis. Nach 12 Ta- 
gen noch sehr schwach entlassen. 

8. April. 2)., Mehrgebärende, nor- 
male Gd>urt, jedoch massige Blutung 
nach der Geburt, erkrankt den S. Tag 
an Metrolymphangoitis-Peritonitis u. 
stirbt den 6. Tag nach dei* Geburt. 
Das Kind lebte noch eiiuge Wochen. 
Verlegung des Gebärzim- 
mers in das andere Ende des 
Hospitals. 

18. April. W.y Erstgebärende, er- 
krankt schon den 2. Tag und stirbt 
den 6. Tag an Peritonitis. Ge- 
burt war normal, das Kind aber 
faultodt. 

4. Mai. JT., Mehrgeb., 
in schlechtesten Verhält- 
nissen lebend, bleibt ge- 
sund. 

11. Mai. 8t.y Mehrgeb., 
bekam nach normaler Ge- 
burt eine schwer zu stil- 
lende Blutung^ welche erst 
wiederholten In^ecüoiv^w 
von Eisenchlond mcYi« 



304 XXIV. Stehberger, Znr Contagiosität 

Hospital. Privatpraxis. 

Das 6 Wochen durchüiftete und Erkrankt den 3. Tag und 
^gereinigte frühere Gebärzimraer wird stirbt am 8. Tage au Pe- 
wieder bezogen für ritonitis. Das Kind lebt. 

11. Mai. R., Erstge- 
bärende, normale Geburt, 
erkrankt den 5. Tag. Am 
9. Tage gerufen, fand ich 
heftiges Fieber und 
hartknollige Exsu- 
datmassen in der 
rechtenUnterleibsgegend. 
Reconvalescenz in der 
^ 4. Woche. 

26. Hai. D., Mebrge- 
bärende, bleibt ge- 
sund. 
27. Hai. 2?., Hehrgebärende und 27. Hai. K., Erstge- 
schon seit einigen Wochen im Hospi- bärende, normale Geburt, 
tal ihre Niederkunft erwartend. Nor- erkrankt den 2. Tag und 
male Geburt. Erkrankt den 2. Tag stirbt den 5. Tag an 
an heftigster HetroJymphangoi- Peritonitis. 
tis-Peritonitis. Nach 2 Hona- Kind starb nach eini- 
ten entlassen, stellt sich Thrombose gen Wochen, 
der linken Cruralvene (?in, im Ver- 
laufe deren sich abermals mehrwö- 
chentiiches heftiges (pyämisches) Fie- 
ber mit grosser Schwäche und Ab- 
magerung einsteilt. Erst > mit Ende 
des Jahres, also nach sieben Mona- 
ten, kann sich Pat. als ganz wieder 
hergestellt betrachten. 

29. Hai. W., Erstge- 
bärende. Zangenopera- 
tion Erkrankt den 2. Tag 
und stirbt den 5. Tag 
an Peritonitis. 
Kind starb nach eiiii- 



des Paerperalfiebers. 305 

Hospital. Privatpraxis. 

30. Mai. Ä, Erstge- 
bärende, normale Geburt. 
Erkrankt den 3. Tag und 
starb den 9. Tag au 
Peritonitis. 

Kind starb nach eini- 
gen Wochen. 

5. Juni , und fernere 
Geburten blieben gesund. 
14. Juni. A. und fernere gesund. 

Nach dem letzten Erkrankungsfallc unterzog sich die Heb- 
amme F., sowie aucli ihre Kleider und Utensilien einer 
gröndlichen Chlorräucherung und Cblorwaschungen, und hatte 
Ton da an, wie oben bemerkt ist, keine weiteren Erkrankungen. 

Die Hebamme F. entband somit vom 25. MArz bis 
30. Juni 18 Pers., von welchen 7 starben, 1 schwer erkrankte, 
5 mehr oder weniger leicht an fieberhafter Metritis er- 
krankten und nur 5 gesund blieben. Rechnet man hiervon 
die schon an vorgeschrittener Tuberkulose (und nach ^/^ Jahr 
gestorbene) leidende K, sub \/4 ah, so beträgt die Zahl 
der Gesundgebliebenen nicht einmal 1 Viertel 
(4 unter 17). 

Auch die mit 5 Sterbefallen betheiligte Hebamme K. hatte 
noch schwerere und leichtere Erkrankungen unter ihren Wöch- 
nerinnen jener Zeit. Docb waren dies meist operative Fälle, 
und von den normalen Geburten blieb ihrer Angabe nach die 
grosse Mehrzahl ganz gesuncf. 

Auch die mit nur 1 Stcrbefalle betheiligte Hebamme will 
weder vor oder nach diesem andere kranke Wöchnerinnen 
gehabt haben. 

Wir erwähnen hier noch kurz das Wenige patholo- 
gisch-bemerkenswerthe der 13 Todesfälle. 

Es befand sich darunter nur 1 Zangenoperation, bei 2 
Fällen stellte sich nach spontan abgegangener Nachgeburt 
nodi Blutung ein; die übrigen Geburten verliefen ganz normal. 

Von den Kindern kam nur 1 faultodt zur Welt; die 

. f. Ckbttrtak. 1866. Bd. XXVn., Hft. 4. VS 



306 XXIV. SUhherger, Zur Contagiosität 

Meisten starben einige Woclien nach der Geburt, die Wenig- 
sten blieben um l/eben. 

Der Verlauf war nur in zwei Fallen protraliirt über 
14 Tage. Alle anderen verliefen rasch ludtlicb am 3. oder 
4. Tage der Krankheit nnd zwischen dem 4. und 9. Tage 
nach rfcr Geburt. 

Symptome waren die bekannten einer stürmischen Pe- 
ritonitis. Bemerkenswerth schien mir nur, dass beim ersten 
Beginne der Krankheit mit ausbrechendem Schultelfrosl fast 
immer nur die eine seitliche Uteringegend sich bei Berührung 
schmerzhaft zeigte nnd dass an dieser Stelle dann immer 
einzelne geschwollene Lymphdrüsen als am meisten schmerz- 
halle Punkte zu fühlen waren. Erst etwa 1 Tag spfUer 
zeigte der Unterleib die Form und übrigen Symptome peri- 
tonitisclien Exsudates. 

Section wurde in % der Fillle gemacht, und zeigte 
constant (auch bei den zwei protrahirten Fällen) die Befunde 
der eitrigen Metrolymphangoitis und Peritonitis. 

Therapeutisch wurden sowohl früher schon als nodi 
in dieser kleinen Epidemie, wenigstens im Beginne der Krank- 
heit, die von mancher Seite so emphatisch gepriesenen Pur- 
gantien (Senna und Ol. Ricini) angewandt. Wir müssen aber 
eingestehen, dass sowohl bei beginnender Metrolymphangoitis 
als auch in allen deutlich prononcirten Fallen von Melritis 
wir eher eine deutlich nachtheilige Wirkung dieser Behand- 
lungsmetliode beobachteten. 

W^enden wir uns wieder zu unserer eigentlichen stalisli- 
sdicn Aufgabe und untersuchen, wie sich die oben erwilbn- 
ten Thatsachen zu den in den lelzlcn Jahren so vielfach 
ventilirlen Fragen über Conlagiosiira, Miasmen und erste 
Entstellung des Puerperalßebers verhalten: 

a) In Bezug auf die Conlagiosi tu l düiilen nun wohl 
unsere oben erwähnten Angaben über die 13 Todesföllr, als 
auch die Mittheilung über vorgekommene Erkrankungen, sich 
einander ergänzend so überzeugend sprechen, als dies nur 
ohne directes Experiment möglich ist. Allerdings blielten 
einzelne Wöchnerinnen der F. mitten zwischen den Erkrank- 
ten gesund; allein solche ausnahmsweise Immunität wird ja 
bei aUon ansteckenden Krankheiten nicht selten gefunden. 



des Puerperalfiebers. 307 

b) Giebl es ein Miasma? Ist auch die mit den ver- 
scIiiedeneD £xl)aIationen Puerpcralßeberkranker geschwängerte 
Luft ansteckend? Manche Autoren, gerade der neuesten Zeit, 
antworten hierauf mit Nein. Es bleiben manchmal Wuchne- 
riimeii mitten unter Erkrankten hegend, gesund, wenn nur 
der gelahrliche Conlact des Muttermundes vermieden worden, 
wie besonders bei sogenannten Gassengeburten. 

In den oben mitgethcilten Thatsachen findet sich zwar 
Nichts, was für die Existenz eines Miasma's spricht. A priori 
aber ist schwer zu begreifen, dass rein gewaschene Hände, 
nur noch nach fauligen Stoffen riechend, infectionsfähig sein 
sollen, wä|)rend die mit denselben Ausdunstungen iuprägnirte 
Luft eines Krankensaales es nicht wäre! 

c) In Bezug auf die erste Entstehung aber ist 
unsere kleine Epidemie in vollständiges Dunkel gehCdit. 

' Die modernen Erklärungsversuche durch putride In- 
fection von Aussen oder gar durch SeJbslinfec- 
lion treffen hier nicht zu. Gerade die Hebamme F, behan- 
delte zwei Monate lang vor ihrem ersten Puerperalfieberfalle 
keinen Abortus, und kam auch sonst nicht, wie z. B. bei 
Sectionen, mit fauUgen thierischen StofTen in Benlhrung. Ihre 
ersten Fälle entstanden nach normalen Geburten mit leben- 
den Kindern. 

Wir erwäimen dies, weil in neuester Zeit hierauf von 
mancher Seite grosses Gewicht gelegt wurde, und man die 
Entstehung aller ersten Fälle auf solche Vorkommnisse zu- 
rückfuhren zu müssen glaubte. Wir halten diese Erklärungs- 
methode (vergl. FeiVs Aufsalz in Bd. XXV. dieser Monals- 
scbrifl) zwar für sehr leicht zu handhaben — denn jede be- 
schäftigte Hebamme behandelt von Zeit zu Zeit ehien Abortus ; 
und ebenso geht den Aerzten, welche ausserdem meist 
zugleich Wundärzte sind und auch Sectionen machen, die 
Gelegenheit zu septischer infection ja nie aus; aber wir httiten 
sie bis jetzt nicht für die richtige. Jahrzehnte lang war in 
hiesiger Stadt der weitaus beschältigste Hebarzt {NoetUng) 
zugleich fast der einzige Chirurg, und machte ausserdem 
als Gerichtsarzt alle legalen Sectionen; nach seinem Tode 
wui-de die operative Geburlshülfe von mehreren jüngeren 
Aerzten ausgeübt, welche sammtlich gern und viel secirUw 

^0* 



308 XXIV. Stehberger, Zur Contagiosität des Puerperalfiebers. 

— und in dieser ganzen Zeit kam das Puerperalfieber nur 
ganz selten und vereinzelt lüer vor (1 bis 3 Todesfälle im 
Jahre). 

Erst mit dem Jahre 1863, ziemlich gleichzeitig mit dem 
häufigeren Auftreten der Diphlheritis, häuften sich die Fälle. 

Als Nosocomialkrankheit können wir unsere kleine 
Epidemie aber auch nicht gelten lassen, da sowohl in der 
Stadt, als auch in der Umgegend das Puerperalfieber schon 
über 1 Jahr herrschte, ehe im Hospital die ersten Fälle 
vorkamen. 

Dass Ueberfullung allein Puerperalfieber erzeugen 
könne, ist allerdings aus den von Veit (Bd. XXV. d. Zeil- 
schrift) mitgctheiltgi englischen Statistiken nicht anzunehmen. 
In unserem Hospitale befanden sich drei Monate lang durch- 
schnittlich acht Wöchnerinnen in zwei luftigen Parterrcsälen 
von je 8600 Cubikfuss Rauminhalt. Es ist dies gewiss keine 
allzugrosse Ueberhäufung, und doch ist der schädliche Ein- 
fluss dieses Umstandes aus dem oben mitgetheilten Journal 
der Hebamme F. leicht ersichtlich. Früher aber waren we- 
gen Mangel an Raum öfter mehrere Wöchnerinnen in enge, 
nicht lüflbarc Dacbzimmer in unserem Hospital zusammen- 
gelegt worden — und es kam kein Puerperalfieber vor. 

Auch Witterung und einzelne Jahreszeiten sind 
schon beschuldigt worden, die Entstehung des Puerperalfiebers 
zu begünstigen. Unsere kleine Epidemie f^llt, der allgemei- 
nen Häufigkeit entgegen, in die wärmere, theilweise in die 
heisse Jahreszeit. Man ersiebt hieraus nur mit, dass Puerpe- 
ralfieber bei jeder Witterung auftreten kann. 

Bemerkenswerth aber scheint uns hierbei der Umstand, 
dass in verschiedenen anderen Gegenden des llheiiuliales sich 
seit 1863/64 dieselbe Steigerung der Puerperalerkrankungen 
geltend machte. 

So betrug t. B. in dem b(;nachbarlen jährlich ca. 1000 
Geburten zählenden Landbezirk Schw. die Zahl der im Wo- 
chenbette gestorbenen Frauen 1852—55 je 3, in den Jahren 
1860—63 durchschnittlich 8; im Jahre 1864 aber 22. 

In diesem gemeinsamen urdtekannten Umstände aber 
glauben wir den Grund suchen zu müssen , weshalb zu ge- 
wissen Zellen Mangel an Reinlichkeit, Ueberfullung und andere 



XXV. Notiaen aus der Journal -Literatur. 309 

Schädlichkeiten Pucrporalßeber erzeugen und auf dem Wege 
der Contagiosität eine Epidemie hervorbringen können, ganz 
analog der Diphtherie und den acuten Exanthemen. Es 
kommt dies freilich auf Nichts Besseres, als den alten Gen. 
epideraicus heraus; — allein wir glauben, dass diese lako- 
nische Bezeichnung unseres Nichtwissens besser ist, als Fest- 
Italien an nicht haltbaren Hypothesen. 



XXV. 
Notizen aus der Journal -Literatur. 



E, Pflüger: Ueber die Bedeutung und Ursache 
der Menstruation. 

Der Umstand, dass die Menstruation sich nur bei solchen 
Geschöpfen zeigt, in deren Innern die befruchteten Eier sich zu 
fast vollkommener Ausbildung entwickeln, führt den Verf. auf 
die innigen Beziehungen der Menstruation zu der Entwickelnng 
des befruchteten Kichens. Diese EntVrickeluug werde aber um 
so vollkommener sein, je inniger die Verbindung des mütter- 
lichen und kindlichen Organismus sei, am vollkommensten also bei 
Menschen und solchen höher organisirten Säugethieren, bei denen 
die Untersuchung der Placenta die innigste Verwachsung beider 
Organismen erkennen lasse. Um eine solche innige Verwachsung 
des Eies mit der Uterinschleimhaut zu ermöglichen, inoculiro 
gleiohsam die Natur den durch die Menstruation wund geroachten, 
noch granulirenden Schleimhautflächen des Uterus das Ovuhiro, 
wo dasselbe alsbald von den Wucherungen der jungen Zellen über- 
wallt werde. Letzterer Pröcess sei (wahrscheinlich) nichts an- 
deres als der Beginn der Bildung der Membrana decidua und da- 
her unabhängig von der Befruchtung, wie die Entstehung, Rei- 
fong und Lösung des Eies selbst. Die vorher ausgesprochene 
Ansicht bestätige der Umstand, dass gerade bei den Thieren die 
Menstruation unzweifelhaft vorkomme, bei welchen die Placenta 
foetalis von dem mütterlichen Organismus nicht ohne Blutung 
getrennt werde. Von diesen zeigten nach den Untersuchungen 
von Numann, besonders die Wiederkäuer, dass das Menstrual- 
blat nur aus den Warzen der mütterlichen Placeuta^ v(«l<^\i^ 
10 der Schwangerschaft zur AnheftUDg der Coly\aäLouwi ^ 



310 XXV. Notizen ans der Journal- Literatur., 

nen, hervortrete. Bei denjenigen Thieren, bei welchen das Ki 
nicht festwAchse, wie bei den Pachydermen, scheine dag^eg^en die 
blutige Menstruation zu fehlen. Das Vorkommen der Concep- 
tion ohne vorherige Menstniation, der Abdominal- und Tubar- 
schwaogerschaft widerlege die ausgesprochene Ansicht nicht : sie 
sei nur ein Beweis dafür, dass im Organismus häufig genug auch 
grosse Mangel ausgeglichen werden könnten; die Regel sei an- 
dererseits aber doch dns Zusammenvorkommen des Menstrua- 
tionsmangels mit der Unfruchtbarkeit. — Aus ausführlicher ent- 
wickelten Gründen theilt Verf. übrigens die Anschauung nicht, 
dass Keifung des Graa/Vschen Follikels und die KmiRsio ovuli 
die eigentliche directe Ursache der Menstruation sei ; dns har- 
monisch rhytmische Zusammenwirken symmetrischer, sonst ge- 
trennter Organe weise auf eine Intervention des Nervensystems 
hin, und »war meint er, dass das fortwährende Wachsthum von 
Zeilen im Eierstocke eine Schwellung des Organs und dadurch, 
dass sie. in einer derben Masse eingebettet iMgen, bei ihrer Aus- 
dehnung eine continuirliche Reizung der benachbarten Nerven- 
fasern bewirkten. Habe die Summe dieser fortdHuernden Rei- 
zungen einen gewissen Werth erreicht, so erfolge der reflecto- 
rische Ausschlag als gewaltige Hlutcongestion nach den (Jenita- 
Hen, welche ihrerseits wiederum sowohl die mcnstrualen Ver- 
änderungen und Blutungen, als auch das schnellere Reifen der 
grösseren Follikel und das Platten desselben bewirke. 

(Untersuchungen aus dem physiol. Laborator. zu Bonn. 
18C5. S. 53.) 



Breslau: Subcutane Injeclion von Alroi)in gegen 
Kranipfwehen. 

Seit ca. drei Jahren bedient sich Verf. gegen jene Form 
von Wehenanomalic , die allgemein als „Kranipfwehen^ be- 
zeichnet werde, mit Erfolg der subcutanen Injcction von schwo- 
felsaurem Atropin. Er macht an der Bauchhaut in der Regio 
hypogastrica eine Injection von %„ Gran dieses Mittels, indem 
er eine verdünnte Lösung bereiten lässt, von welcher genau die 
erwähnte Quantität eine halbe oder ganze Praraz^sche Spritze 
füllt. Meist schon nach einmaliger Injcction erwetterte sich bald 
der bis dahin krampfhaft geschlossene Muttermund vollständig, 
und während regelmässige Pausen sich einstellten, hörten die 
krampfhaften Schmerzen nnd die ficberhsfte Aufregung der Ge- 
bärenden yollständig auf, und die Geburt ging in vcrhUltniss- 
mässig kurzer Zeit zu ?3nde. Nur selten war eine abermalige 
Injection von 7^^ gr. Atrop. sulf. nöthig, dies nur in dem Falle, 
iro nach drei biB vier ^Stunden nach der ersten der gewünschte 
Erfolg nicht eiDge treten war. Die Wirkung Äe* in ^^t M^^e^e« 



XXV. Notizen aus der Journal- Literatur. 311 

benen Weise bei Wöchnerinnen injicirten Atropin^s scheint nach 
Verf. mehr locaUsirt zu bleiben, wenigstens beobachtete er nie 
danach IntoxicHtionserscheinrnigen, falls aber solche auftreten, 
so räth Verf. zu Morphinminjcctionen als ein sicheres Gegen- 
gougift bei jenen. — Verf. ist sonach versucht, dem Atropin eine 
ähnliche Wirkung auf den Uterus beizulegen, wie man sie an 
der Iris beobachte: Hemmung der ringförmigen Contractioncn 
dos unteren Uterinsegmentes und dadurch Herstellung eines 
Uebergcwichtos der Contnictionen der längs und sehnig verlau- 
fenden Uterinmuskeln. 

(Wiener medizinische Presse 1866. 3.) 



Zeiasl: Zur Physiologie und Pathologie der Bar- 
th o 1 i n i s ch c ii V u I V - V a gi 11 a 1 (Ir fi s e. 

Obwohl über die sogenannte HartJiolini^ sehe Drüse eine 
reichhaltige Literatur von klangvollen Namen {^Morgagni, Ver- 
heyerit Haller, Uunter^ Tiedemann, lluguier) vorliegt, kommt Verf. 
doch hier noch einmal specicller auf die physiolog. Thatigkeit 
und krankhaften Vorgänge in derselben zurück. — Auf Grund 
zahlreicher Untersuchungen leugnet er, der Behauptung Huguier's 
entgegen, eine physiologische und pathische WcchselseitigkeiL 
zwischen dieser Drüse und dem Ovarium. Im gesunden Zustande 
sei die Absonderung jener hell, zähflüssig, schleimig, und werde 
b^i reizbaren Frauen während des Coitus durch krampfhafte 
Contractiuu der Dainnimuskeln stossweise und im Strahle ejacu- 
lirt. Bei schwacher Ausbildung der grossen Schamlippen fehle 
übrigens die BartholinVscho Drüse nicht selten. — Die Er- 
krankungen letzterer sind nach ihm entweder Entzündungen 
der Drüse selbst und des umliegenden Bindegewebes, oder katar- 
rhalische Affectioncn des Ausführungsganges. Auf letztere P>- 
krankuugsform geht er, weil sie noch weniger bekannt und be- 
sprochen ist, specicller ein. Dieselbe tritt meist einseitig auf, 
hat acuten oder chronischen Verlauf, ist wenig schmerzhaft und 
nur von massiger Schwellung der Lnbie begleitet. Der betref- 
fende Ausführungsgang buchtet sich zu einer höhnen- bis hnsel- 
nussgrossen, an der inneren Labialfläche hervorragenden, fluc- 
tuirendeu Geschwulst aus, deren eitriger Inhalt nach Aussen 
durchbricht oder durch Incision entleert wird. In Fällen, wo 
ohne vorausgegangene Entzündung oder Abscessbildung im Ver- 
laufe des Drüsenschlauchs sich eine gesteigerte, continuirliche 
Secretion der Drüse zeigt, sind keine greifbaren anatomischen 
Veränderungen ausser leichten Kxcoriationen und erythematöser 
Köthung an der Mündungsstelle dos betreffenden Drüsenschlauchs 
und in der Schleinihantregion des Vorhofs vorhanden. Häufig 
simulirt auch das prickelnde und bronnendo üotüVvV ku ^^x'Sx\'s^ 



^^^ ZXV. Nofeiseii «Tis der Journal- Literatur. 

sowie an der Wäsche bemerkliche von dem eingetrockneten, 
schmutzigweissen öder gräulichen Sekrete herrührende Flecken 
eine Vaginalblennorrhöe. In diesem Falle läset indess der auf 
die Drüsengegend drückende Finger das Sekret leicht aus dem 
AnsfUhrungsgange hervorquellen. Nicht selten entsteht auch im 
Verlaufe des Ausfiihrnngsganges durch Stagnation des Sekretes 
eine ampullenartige bis haselnussgrosse Erweiterung; ist dieser 
Divertikel vollkommen gefüllt, so entleert er sich, um sich raseh 
aufs Neue zu füllen u. s. f., so dass die Patientin an einer inter- 
mittirendpn Vaginalblennorrhöe zu leiden glaubt. — Als ätio- 
logische Momente der Affectionen der ^ar/^oZinrscheu Drüse 
führt Verf. auf: roh ausgeführten Beischlaf, Onanie, Vaginal- 
und Vnlvatripper, syphilit. Catarrhe und Chankererosionen an 
den Ansführungsgängen der Drüsen. — Bei zunehmender Ge- 
schwulst der Labien räth er kalte Umschläge, bei Eintritt der 
Fluctuation: Cntaplasmcn und Incision; bei katarrhal. Affection 
der Ausführungsgänge: kühle Sitzbäder und mit adstringirenden 
Lösungen versehene Charpicbäuschchen; bei Abscess- und Di- 
vertikelbildung in den Drüsengängen schlitzt Verf. diese auf und 
toucbirt wiederholt die Schnittwunde mit Lapislösung. 

(Allgem. Wiener mediz. Zeitschr. 1865.' 45 u. 46.) 



Kuhn: Weitere Erfahrungen über könslliche Früh- 
geburt aus der geburtshülfiichen Klinik von 
C, Braun in Wien. 

Verf. veröffentlicht 7 Fälle, bei denen 8 Kinder, sämmtlich 
in Kopflagen, lebend zur Welt kamen, von denen zwei wieder 
starben. Von den Müttern starben zwei an Puerperalprocessen. 
Zur Erregung der künstlichen Frühgeburt wurde die Methode 
der intrauterinen Katheterisation in allen Fällen versucht und 
sechs Mal zur Ausführung gebracht, und zwar modiücirte C Braun 
die Methode dahin, dass er in die Uternshöhle nur kurze 2y," 
lange Laminaria- Stäbchen über den inneren Muttermund ein- 
schob, die dort aufquollen und einen fortwährenden sanften Reiz 
auf die Gebärmutter ausübten. 

(Wiener mediz. Wochenschrift 1865. Nr. 94-98.) 



XXVI. Literatur. gl3 



XXVL 
Literatur. 

Wandtafeln zur Schwaogerschafls- und Geburlskunde. 20 Ta< 
fein in grösstem Landkarten-Imperial-Format. Gezeichnet 
und mit erläuterndem Texte herausgegeben von Dr. B, S, 
Schnitze in Jena, Leipzig, E. J. Günther. 1865. 

Die gebartshülflichen Lehrmittel babeu durch Sehultxe^B 
Wandtafeln eine sehr gediegene Bereicherung erfahren. Sie ver- 
dienen die beste Empfehlung und sollten in keiner Klinik für 
Geburtshtilfe und in keiner Uebamnienschule fehlen. Die Zahl 
der Tafeln wurde ans ünsseren Küoksichten auf 20 festgestellt, 
die Abbildungen sind meist lebensgross, nach genauen, sahlrei- 
chen, yergleichenden Messungen und betreffen hauptsächlich nor- 
male Verhältnisse. Durchweg ist grosse Correctheit in der Zeich- 
nnng, Naturtreue und Geschmack in der Darstellung su finden. 
Wir kdnnen nur wünschen, dass der Verf. sich später su einer 
»weiten Serie von Wandtafeln entschliessen möchte. 

Die drei ersten Tafeln geben verschiedene Darstellungen 
des weiblichen Beckens und der weiblichen Genitalien in ihren 
natürlichen, normalen oder besser idealen Verhältnissen, die 
Gha€{f*Behen Follikel und das Ei in bedeutender Vergrösserung 
aphr anschaulich. Desgleichen sind die auf Tafel 4 dargestellten 
Zustände der Einbettung und Entwickelung des Eies sehr klar 
und lehrreich. Tafel 5 enthält die Formverändernngen der schwan- 
geren Gebärmutter, Tafel 6 ein Schema für die objective 
Diagnose der Schwangerschaftsdauer. Die Tafeln 8 — 10, 12 — 15, 
17 — 19 stellen in musterhafter Weise die meebanisehen Vcrhält- 
Disse der Schwangerschaft und Geburt dar, nämlich die regel- 
mässige Haltung, Lage und Stellung in der Gebärmutter, den 
Profilschnitt durch eine 36 Wochen Schwangere, die Gesiohts- 
lage, Sieisslage, Querlage, die Lage der Kinder bei Zwillings- 
sehwaogersohaft, endlich den Mechanismus der Schädel- und 
Oesichtsgeburten. Den auf Tafel 7 befindlichen Sehwangerschafts- 
kalender halten wir für überflüssig oder aber hätte er in beschei- 
denen Dimensionen eine Stelle auf einer anderen Taf^l finden 
können. Statt seiner hätten wir die Darstellung des Mechanis- 
mo8 der Steisslagen oder die Selbstentwickelung bei C^vk^tVsL^^n 
lieber geteben, Aaf Tafel 11 finden wir die p^Uq\q||^i«0;i«iv 1»^* 



814 XXVI. Literatur. 

stände der Ruckwärtsknickung und Rückwartsbengung der schwan- 
geren Gebärmutter. Die Demonstration der Geburtswehen auf 
Tafel 16 ist sehr gut, aber die scbematische Darstellung des 
Blutkreislaufes im Kinde vor und nach der Geburt auf Tafel 20 
könnte unserer Ansicht nach etwas anschaulicher gemacht wer- 
den, denn sie erfordert ein genaues Studium zum gehörigen Ver- 
ständnisse und möchte, wenigstens von Uebammen- Schülerinnen 
nicht richtig aufgefasst worden. 

In dem erläuternde'h Texte, welcher sehr zweckmässig kurz 
und bündig abgefasst ist, finden sich einzelne werth volle stati- 
stische und praktische Notizen eingestreut. C 



Aerzllicher Bericht des k. k. Gebar- und Findelliauses zu 
Wien, vom Solarjahrc 1864. (Wien 1865, bei W. Brau- 
iiuiller. 286 S. nebsl slulislischeii Tabellen.) 
Der sehr umfangreiche, interessante Bericht, welcher im 
Auftrage des k. k. Staasministeriums abgefasst ist, bietet ein 
überraschendes, bis ins kleinste Detail ausgearbeitetes Bild von 
den grossartigen Anstalten und von der Fülle des daselbst snr 
Beobachtung kommenden Materials. Kin für die Statistik äo 
wichtiges Werk von mehr als 18 Bogen im Auszuge mittheilen 
zu wollen, ist nur dann möglich, wenn man sich auf Mittheilung 
der hervorragendsten j)aten, auf eine Skizze des Inhalts be- 
schränkt, wobei freilich zu berücksichtigen ist, dass diese Daten 
erst im Zusammenhange mit den anderen speciellen statistischen 
Angaben wahrhaft belehrend sein können. 
Der Bericht umfasst: 
1. Die Gebäranstalt für Aerzte und die für Hebammen. 
II. Das Findelhaus mit dem Schutzpocken • Impflings - Haupt- 
institut. 
Hieran schliessen sich noch: 

1) ein Bericht über die im Findelhause beobachteten Chi- 
rurg. Krankheitsfälle und die daselbst ausgeführten 
Operationen. 
• 2) 11 statistische Tabellen über Oebär- und Fiudelanstalt 
Was I. die Gobüranstalt betrifft, so ergicbt ein Aus- 
weis über die Bewegung der gesammten Gebäranstalt im 
Jahre 1864 einen IJestand von O'iöS Schwangeren und 9142 Wöch- 
nerinnen. — Bei den 9142 Geburten (worunter 54'2 Gassengebur- 
ten) waren lebend geboren 4608 Knaben, 4335 Mudchen, tödtge- 
borcn 181 Knaben, 141 Mädchen. 

Entlassen wurden: 164 Schwangere, 781 Wöhnerinnon, 
66 Knaben, 62 MUdchen. 

Ins FindelhauA gestellt: 8265 Wöchnerinnen, 1:50^ Kna- 
b€D, 406$ Mädchen. 



XXVI. Literatur. 316 

Gestorben: 89 Mütter, 251 KnAben, 190 Mftdohen. 
Von den Gebarten waren n. A. Fehlgeburten 92, Früh- 
geburten 464, Zwillingsgebarten 116, Drillingugeburten 8, mit 
abnormen Scheitelbeinlagen 18, Gesichtslagen 43, Beckcnendlagen 
233, Querlagen 63, fehlerhafte Haltung IG, Stirnlagen 2, mit Na- 
belschnurvorrälle 51, Plac. pracv. 12, tiefem Lateralsitze 4, Con- 
▼alsionen 37, Beckenverengung 100, Metrorrhagien 199, Damm- 
rissen 72, Morb. Brightii 19, Rnptura uteri 4, Uterus bilocn- 
larls 1, Vagina dupl. 1, Hymen intactum 1, Syphilis 102 etc. 

Im Gänsen wurden 606 Operationen ausgeführt (also 
6,62 7o der Geburten) und zwar: Wendung auf den Kopf 5, Wen- 
dung auf das Beokenende 60, künstliche Frühgeburt 5, Manual- 
bilfe bei Beekenendlagcn 137, Manualextraction 8, Keposit. der 
Nabelschnur 25, der Extremitäten 12, Lösung der Placenta 38 
Mal. An instrumenteilen Operationen wurden u. A.: Zange 186, 
Craniotoraie 16, Perforation und Extraction 1, Episiotomie 99, 
Kpisiorhaphie 8, Laparotomia post mortem 3 Mal ausgeführt. 

An Puerperalprocessen erkrankten (ausser 3 aus dem 
Voijahre) 146 Wöchnerinnen, von den 84 geheilt und 3 trans- 
ferirt wurden, wahrend 58 starben und 3 in Pflege verblieben. 
Von sonstigen Krankheiten der Mütter wurden 506 FKlle 
beobachtet, worunter Gare, vagin. 1, Kat. intest. 40, Kat. pulm. 
33, Convuls. hystor. 3, Eclampsia 17, desgl. sequ. Erysip. faciei 
1, Epilepsia 2, Excor. pap. mamm. 23, Febr. ante partum 1, Febr. 
interroittens 4, Fibrois uteri 4, Galactostasis 13, Mania afebri- 
lis 2, Mania pucrp. 1, Mastitis 5, Metrorrb. in puerp. 6, Morb. 
Brigbt. 4, Oed. lab. pnd. 16, Oed. extrem, inf. 7, Paralys. extrem, 
inf. 1, Pityriasis versicolor 1, Ruptura uteri spontanea 1, Sy- 
philis 160, Thromb. vaginae 1, Ulcera puerp. 41, Varices 1, Ve- 
sania 1, etc. 

Von den Kindern erkrankten in den ersten Lebens- 
tagen U.A.: an Convulsionen 14, Diarrhoe 65, Inflanim. umbilic. 
26, Laryngismus 30, Ophthalmia 74, Pemphigus syph. 7, Roseola 
syph. 4, Thrombus 16, Anns imperfor. 1, Digitus sextus 2, Di- 
lypogastricus 8, Eventratio umbil. compl. , Fanx lupina 1, Hy*- 
drocoph. 6, Hypospadia 2, Janus synotus 1, Lab. leporinum 3, 
Lab. lepor. c. fauc. lup. 3, Uterus unicoru. 1, Pseudohermaphro- 
disia 1, Spina bif. 4, Spont. Amputationen 2, Stenos. Hei 1, Uro- 
meles m. Anencephalie 1. 

Gestorben sind 441 Kinder, worunter an Apopl. nienfng. 
50, Ascites 5, Atelectas. pulm. 62, Convulsionen 27, Hydroceph. 
2, Ichthyosis congen. 1 , Nabelblntung 6 , Pemphigus congen. 5, 
Pneumonie 8, Stenos. Hei 1, SyphiUs 12, Thrombus diffusus 1, 
mangelhafte Entwickclung 257. 

Die Todtgeb orenen waren meist durch Krankheiten der 
Adnex» (Verfettung nnd Oedem der Placenta, Totäioh xiti^ ^\ä- 



316 XXVI. Literatur. 

nose der Nabelschnur), schwierigen Gebartsverlaufe and Krank- 
heiten der Matter gestorben. 

Jl. Im Findelhaasc wardeuim J. 1864: 9795 Kinder, und 
■war 4990 Knaben und 4805 Mädchen, aufgenommen, von denen 
173 über 1 Jahr, 617 über 1 Monat, 1144 unter 8 Tage, die 
übrigen 7863 darchscbnittlich 9 Tage alt waren. Die Hälfte der 
in. die Anstalt gebrachten Kinder musste als schwächlich bezeich- 
net werden, während sehr viele krank tiberbracht wurden, so 
dass einschliesslich der Neuerkrankten 2261 Erkrankungen und 
1021 Todesfälle vorkamen. Von den Erkrankungen kamen 
u. A. vor: Apoplexia cerebr. 1 (f), Arteriitis umbil. 148 (20 f), 
Atelectasis pulm. 6 (f), Cat. bronch. 107, Oat. intest. 214 (75 t)t 
Cholaemia 2 (f), ConvuUiones 23 (17 f), Debilitas vitae 307 (f), 
Diphtheritit 7 (f), Dissolutio sangu. 13 (f), Djspepsia 91, £n* 
oephalitis 1 (f), Enteritis 57 (43 f), Erysipelas 28 (16 f), Faux 
Inpina 4 (2 f), Galactostasis 58, Gangr. ambil. 43.(34 f), Hae- 
morrh. ex umbil. 6 (f), Hern, ingii. 3 (1 f), Hydrocele 5 (1 t)i 
Hydrocephalus 2 (f), Icter. neonat. 4 (2 f), Labium leporin. 4, 
Mastitis 24 (2 f)» Meningitis 10 (f), Mening. tuberc. 1 (f), Mor- 
billi 8, Omphalitis 6 (l f)» Ophthalm. neonat. 354 (96 t)i Oph- 
thalm. catarrh. 126, Otorrhoea 76 (6 f), Palatum fissum 5 (3 f), 
Parotitis 2 (f), Pemphig. 17 (14 f). Perforat. intest. 2 (f), Peri- 
tonitis 5 (4 t), Pleuritis 2 (1 f), Pneumonia 50 (33 f), Sclerosis 
7 (t), Scorbut 1, Spina bif. 8 (f), Syphilis 28 (17 f) , Stomat. 
>«phth. 145 (23 t)» Scarlatina 1, Tabes 154 (f), Throrabns 48 (2t)i 
Trismus 6 (f), Tubereal. pulm. 8 (5 f), Typh. abdora. 1, Variola 
19, Varicella 6, etc. 

Von grossem Interesse sind die hieran geknüpften, fleis- 
sigen Beobachtungen über die einzelnen Krankheitsformen, sowie 
ein spccicller Bericht über die von Oruber im Jahre 1864 behan- 
delten ohrenkranken Kinder (74). 

Im Jahre 1864 waren 1249 Ammen in der Anstalt thätig, 
unter denen 259 Krankheitsfälle vorkamen, am häufigsten Cat. 
intestin. 42, Cat. pulm. 51, Excor. pap. niamm. 47, Mastitis 22, 
Status febrilis 29, Oedema extrem, inf. 15. 

Im Schutzpo c k en- Im p fun gs-Haupti nstitute wur- 
den 1130 Kinder geimpft, und zwar mit Erfolg 1017, ohne Er- 
folg 27, ohne Revision 86. Revaccinirt: 69, und zwar mit 
Erfolg 14, ohne Erfolg 22, ohne Revision 33. — Hieran schliesst 
sich ein ausführlicher Aufsatz, enthaltend: Geschichtliches über 
Blattern, Menschenblatterimpfung, Schutzpockenimpfung, Logik 
aus der Geschichte der Blattern, Verhältntss des Impfhanptinsti- 
tuts zum Kronlande Nied^österreich und zum ganzen Reich, 
Vcrhältniss der Impfanstalt zu den Bestimmungen der Findel- 
anstalt, das Impfhauptinstitnt als Consorvirungsanstalt der Vac- 
cinlymphe, spcc. Bestimmihig der Vaccinlyinpbe-Conserv.-Anstalt, 



XXVI. LHeratur. 317 

üffentliebe Impfanstalt, Impflymphnnstalt and rmpf-Unterrichts* 
aastRlt etc. 

Hieran reiht sich eine alphabetische Ueber8ic4)t der im Fin- 
delhanse während des Jahres 1864 vorgekommenen chirurgischen 
Krankheitsfälle, Bildungsanomalien und Operationen. 

Den Schlnss bilden Tabellen folgenden Inhalts : 

1) Uebersicht der in die GehXr- und Findelanstalt seit ihrer 

Gründung (1784) bis Ende 1864 Aufgenommenen. 

2) Die Snmme der Aufgenommenen von 10 sn 10 Jahren. 

3) Standesbewegnng bei der Gebäranstalt in den leisten zehn 

Jahren. 

4) Verseicbniss der im Verwaltnngsjahre 1864 in die Gebär- 

Anstalt anfgenoramenen Schwangeren nach deren Gc» 
burtsländern. 

5) Desgleichen über die letzten 10 Jahre. 

6) Wie 5, aber nach Procenten. 

7) Kostenaufwand bei der Gebäranstalt in den letzten sobn 

Jahren. 

8) Standesbewegung der Kinder bei der Findelanstalt in ih- 

rem ganzen Umfange in den letzten 10 Jahren. 

9) Standesbewegung der Kinder bei der Findelanstalt im 

Hause allein in den letzten 10 Jahren. 

10) Standesbewegung der Ammen bei der Findelanstalt in den 

letzten 10 Jahren. 

11) Kostenaufwand bei 4er Findelanstalt für die Yerpffegung der 

Kinder in den letzten 10 Jahren. 



t^as in Zuriclj bentidJicIie kypljotiscli-quervereogte Becken von 
Dr. Johannes Moor, Mit einem Vorworte von Prof. 
Dr. Breslau, Zürich 1865. 

Die d2JHhrige E, A. will in Folge eines Sturzes vom Stuhle 
im dritten Lebensjahre kyphotisch geworden, und vor sechs Jah- 
ren von einem lebenden reifen Kinde durch eine leichte Zangen* 
Operation entbunden worden sein. Im Jahre 1859 wnrde sie znm 
ersten Male in das Züricher Gebärhaus als Schwangere aufge- 
nommen und von Prof. Breslau untersucht. Derselbe fand eine 
wesentliche Beeinträchtigung des queren Durchmessers des Be- 
ckenauagangs (Tub. isch. 2" 1'" P. M.; and glaubte zugleich eine 
noch nicht sehr weit gediehene osteomalacische Erkrankung an- 
nehmen SU müssen. Es wurde in der 34 — 85. Schwangerschafts* 
Woche die Frühgeburt eingeleitet, worauf nach 73% stündiger 
Gebnrtadauer ein etwa obiger Zeit entsprechendes Mädchen iu 
Fnaslage, spontan, über mit plattgedrücktem Schädel, todtgeboren 
wurde. Während der Geburt konnte eine Erweiterung des Scbam«- 
bogen« deutlich wahrgenommen werden. Bei d^r am 1^. "1^^% 



318 XXVl. Literatur. 

erfolgenden Entlassung war indess die während der Scbwaoger- 
schaft gefundene Verengerung wieder vorhanden. Ein Jnhr nach 
dem Austritte- aus der Ocbäranstalt wurde Pat. wieder schwan- 
ger; die Geburt eines angeblich reifen Mädclions erfolgte unter 
kräftigen Wehen ohne Kunstbülfe in Gesichtslage. Mutter und 
Kind blieben wohl. — Seit £nde Februar 1803 glaubte Pat. wie- 
der schwanger bu sein; von der Mitte der Schwangerschaft stellten 
sich angeblich unter starker Abmagerung heftige 3chnierEen in 
der Hüft- und Perinäalgegend ein, und am 31. October früh 
2 Uhr begannen die Wehen, worauf um 8 Uhr Morgens die Heb- 
amme gerufen wurde. Dieselbe hat angeblich den Kopf schon 
fest im Damme und mit dem Scheitel dicht hinter dem Scheiden- 
auflgange stehend gefunden. Von 9^^ — 97t ^^^^^ hörten die We- 
hen plötzlich gans auf, es trat Blässe und Schwäche an der Pat. 
auf, und der Kopf wich wie.der so weit zurück, dass die Heb- 
amme ihn bald kaum noch erreichen konnte. Der jetzt (12yt Uhr 
Mittags) consnltirte Arzt empfahl die Patientin zur Aufnahme 
ins Geblirhaus, wo sie gegen Abend im Zustande des höchsten 
Collapsas eintrat. Die von dem Manne der Pat. und der Heb- 
amme bestimmt gemachten Angaben, sowie der Befund der ob- 
jectiven Untersuchung bewogen Breslau folgende Diagnose zu 
stellen: Rupturu uteri; Austritt des grössten Theiles des Kindes- 
körpers in^die Beckenhöhle; Tod der Frucht, Peritonitis trau- 
matica, innere Bindung. Da das Kind sicher todt war und die 
Mutter mit Wahrscheinlichkeit währenc^ der Operation gestorben 
wäre, so wurde von der Laparotomie abgesehen und nun die 
Euthanasie möglichst begünstigt. Der Tod erfolgte am 2. No- 
vember YjO Uhr früh. Bei der Obduction fand sich im Wesent- 
lichen: der Unterleib sehr betrKchtlich durch im Bauchfellsacke 
befindliche Gase ballonartig aufgetrieben; das Kind unmittelbar 
unter den Bauchdecken, quergelagert, so dass der Steiss nach 
links, der Rücken nach oben und der Bauch nach unten sah; 
strafTgespannte Nabelschnur um das rechte Kniegelenk gewun- 
den; die Placenta matschig; vollständig von ihrer Insertionsstelle 
losgetrennt, in der Bauchhöhle auf dem rechten Darmbeine lie- 
gend, der Kopf des Kindes, bedeckt von Placenta, Uterus und 
Blut, quer im hinteren Douglas'' Bchen Räume und mit seinem 
Scheitel noch in der Rissöffnung des Uterus steckend. Die Ute- 
rusruptur selbst, 7 Centimeter lang, an der hinteren Seito des 
Uterus, wenig rechts von der Medianlinie, in der Richtung schief 
von oben nach unten den Cervicaltheil betreffend ; die Oeffnnng 
desselben begränzt: 1) nach unten durch die Insertionsstelle der 
Scheide an den Cervix, und 2) nach oben und seitlich von dem 
Cervix uteri selbst; der Spalt nach oben bis an den Mutterkör- 
per reichend, der Scheidengrund an der Rissstelle ausserordent- 
lich dünn, fast nur aus Schleimhaut bestehend, dns submacöse 
Oewebe darunter fast vollständig geschwunden. An der hinteren 



XXVI. Literatur. 3t9 

Scheidenwand eine tlialergrosse Stelle, oborflächlich gangränös, 
ebenso der vaginnic Rand des Risses, der Uteruskörper gut con- 
trabirt, von normaler Consistens, seine Mnscnlaris durchaus nicht 
pathologisch verUndovt. — Das Kind, ein Mädchen, war frühreif, 
faultodt, der Umfang seines Schädels, nach Abtrennung der durch 
Gase ballonförmig aufgetriebenen Kopfschwarte, maass 34 Ceu- 
timeter, seine Knochen waren in den Nähten gelöst. — Das 
skeieitirte i^ccken wog mit den darangelassenen 47," langen 
Oberschenkelstumpfen ca. 700 Gramms, es was mittelgross , von 
gracilem Bau. Der Neigungswinkel der Lumbarwirbelsüule zur 
Ebene des Bockeueiugangos betrug nur oa. 80^ au ersterer war 
deutlich ein Ein- und Vorübcrgesunkensein auf das Kreuzbein, 
nnd nur drei vollständig entwickelte Wirbelkörper zu bemerken, 
während doch sechs (ein Wirbel schien überzählig) Process. 
ftpin. und ebensoviele Bogen vorhanden waren, über deren letzte 
drei die oberen etwas nach vorn herabgerutscht, und so mit 
ihren Körpern auf den obersten Kreuzbeinwirbelkörper zu sitzen 
gekommen waren. Die letzten Wirbelbogen, deren Körper fehl- ' 
ten, waren keilartig hinten zwischen die obersten Lendenwirbel- 
and eraten Krenzbeinwirbolbogen eingeschaltet. Das Kreuzbein 
erschien allseitig kleiner, seitlich zusammengedrückt, wodurch 
die quere Concavität desselben beträchtlich vermehrt war, wuh* 
rend die in der Richtung von oben nach unten flacher erschien. 
Die seitlichen durch die Flügelfortsätzo der Wirbel gebildclon 
Zonen des Kreuzbeines waren ungleich schmäler als gewöhn- 
lich, und die Ilalbcanälo der Sacrallöcher erreichten überall 
die Kreuzbeinränder. Von der Synchondr. sacr, iliac. abwärt.«« 
nahm die Breite der seitlichen Zone unverbilltnissmässig schnell 
ab. An der hinteren Fläche der Wirbelsäule fand sich an Stelle 
der sattelförmigen ICinbuchtung eine buckeiförmige Hervorragnng. 
Die Verbindung zwischen Kreuz- und Seitenbeckenbeinen war 
sehr locker, die Beweglichkeit zwischen beiden auffallig. Die 
Beweglichkeit war besonders in swei Achsen vorhefnden: 1) bei 
Fixation der Seitenbeckenknochen konnte man nur das Kreuz- 
bein uud seine in der Höhe zwischen ersten und zweiten Sa- 
crallöcherpaare liegende Queraxe um einige Linien nach vorn 
und rückwärts bewegen. 2) Bei Fixirung des Kreuzbeins eine 
Bewegung der Seitenbeckenknochen wahrnehmen, um eine Achse, 
welche in sagittaler Richtung durch je eine Synchondrose nach 
vorn zur Schambeinsymphyse geht. Die Darmbeine waren fla- 
cher, im Ganzen etwas kleiner, die Kleinbeckenwände desselben 
stärker nach innen gedreht, die Pfannengegenden des kleineu 
Beckens nicht unbedeutend in die Höhe desselben hineingetrie- 
ben (ihr Abstand 3" 2'"); die Vereinigungsstollo des Os pubig 
und Os ischii war (rurch eine die Stelle des Tubcrc. ileo-pect. 
einnehmende umfängliche Knochengeschwulst angedeutet« U\^ 
Distanz der beiden Sitzbeinstacheln betrag nur ^" ^^U"'> ^^^ ^^"^ 



320 XXVI. Literatur. 

Sitsbeinhi^cker 1" 6 — 7"'. — Das Becken zeiget sonach eine nicht 
unbeträchtliche Abnahme der vorderen Höhe des Sacrum ; eine 
Zunahme der Conj. ver. , eine relative Abnahme der CoRJ. dia- 
gon.,'eine relative Abnahme des geraden Durchmessers des Becken- 
aasganges (snr Krenzbeinspitse) ; eine Zunahme der Höhe aod 
Dicke der Symphyse ; eine Erweiterung des Abstandes der Crist. 
il. und 8pin. il. ant. sup. — Im Beckeneingange ist die Conj. 
ver. der relativ und absolut längste Durchmesser,* der grosse 
Qnerdurchmesser hat hier absolut abgenommen, die Dietantia 
intercondyloidea ist relativ als absolut kleiner, die beiden sehrä* 
gen Durchmesser absolut kleiner. Die Distantia sacrocotyloidea 
ist etwas gewachsen. — Ferner seigt sich eine constante be- 
trächtliche Abnahme der grÖssten Querdurchmesser vom Eingänge 
gegen den Ausgang und eine beträchtliche 'Abnahme der schrä- 
. gen Dnrchmesser in der Beckenhöhle. Die seitliche Höbe er- 
scheint etwas grösser als beim normalen Becken. 

Auf die Entstehung der angegebenen Formen Verhältnisse 
geht Verf. weiterhin ansführlich ein. Hiervon nur soviel. Verf. 
glaubt annehmen au müssen, dass infolge des im dritten Jahre 
geschehenen Sturzes der Fat. ein sehr schleichender entsHnd- 
lieber Erweichnngsprocess , wahrscheinlich ohne nach Aussen 
gelangende Eiterung sich entwickelt habe, welcher die untersten 
Lendenwirbel und die Wurzeln ihrer Bögen verzehrte, während 
in der Umgebung ossificirende Neubildung zum Theil die ent- 
stehenden Lücken deckte. Die Zerstörung der vorderen Len- 
denwirbel und die entzändlicho Er,weichung bedingte ein Vorn- 
über- und Einsinken der Wirbelsäule; es wurde dadurch der 
Schwerpunkt der Rumpflast zur Beinaze in eine andere Lage 
gebracht, und das Becken mit dem Rumpfe als Ganzes zusam- 
men, veränderte die Neigung gegen den Horizont. Diese ver- 
änderte Neigung musste aber auf die Form des Beckens den 
grössten Einflus« üben, da sie einmal zu einer Zeit eintrat, wo 
die BeckenkAochen noch nicht fest unter «ich vereinigt waren, 
und ihr Wachsthum nach einer anomalen Richtung hin noch ver- 
ändert werden konnte, andemtheils aber, weil die cariöse Wir- 
belzerstörung dicht über dem Kreuzbeine stattfand, so dass kein 
die Ausgleichung oberhalb des Beckens vermittelnder Höcker- 
schenkel sich bildete. 



Druckfehler, 
fid. 26. H. 6. im tnhaltsverzeichniss lies ^t^aW statt „«ScAtDaW«" : 

Praeparat von Inversio uteri. 
Bd. 27. H. 1. S. 88. Z. 10. v.o. lies: „ScheitelflUche" statt ,.Ober' 

fläche«. 



/ ßunAstA/it/&in/7w:Mmt. UMiftibftf ffber/mipt, Ofburf sende Jkty ff k. 
iFof/ Zrt/ff. Jiraff. ^JUfi. Jrrtff. Srae/. ITuff. 




JJfunJhschiiiUsnirifrsAimLlMifnbeffnöaiiai^, Murtsmde Abends, 



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ßf. Dtfrc^sc/iniifscuroe: Bacfil. MMsfcrrtim f^i^eMmnIir. 




IK Dunhscfim'itsninfr: ßridiL MhAsttjrtion .W/in/fbüirm/fT: 




V DimfLsr/i/uftsatrw: JAmffrffui/ff JfttthmrYfim (»eburivfftt/rJfefpiiis, 




VI, DifnihstfmUli'nirfH': Mmf/Ma/fe MMfsnrr/im fUeöurtAYm/rJbr/fds, 

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XXVIL 



Verhandlungen der Gesellschaft für Geburtshttlfe 

In 

Berlin. 



Sitzung am 23. Januar 1866. 

Herr Gusser otv spricht uulor Vorzeigung des Präpa- 
rates über einen 

Fall von Endometritis decidualis tuberosa 
( Virchoiü), 
Virchow Irat zuerst („Ueber eine eigenthumlicbe, viel- 
leicht syphilitische Veränderung der Decidua'* [Virchow*s 
Archiv Bd. XXI. S. 118]) eine Erkrankung der Decidua be- 
schrieben, die im Wesentlichen aus einer hochgradigen Hy- 
perplasie derselben besteht, und wobei es zur Bildung höchst 
eigenthümlichcr Schleimpapeln ähnlicher Höcker der Decidua 
kommt. Aus der Aetiologie dieses Falles deutet Virchow 
mit Recht auf die Möglichkeit der syphilitischen Natur dieser 
Erkrankung hin. Seitdem ist erst ein neuer Fall derart ver- 
üflentlicht worden von H, Strassmann (Eigenthüraliche Hy- 
perplasie der Decidua. Verhandlungen der geburtshülflichen 
Gesellschaft zu Berlin. Monatsschrift für Geburtskunde, Bd. 
XIX. S. 242), in welchem eine syphilitische Grundlage des 
Leidens bestimmt ausgeschlossen werden konnte. (Vergl. 
auch Virchow: Die krankhaften Geschwülste. Bd. H. S. 478.) 
Durch die Güte meines Freundes, Herrn Dr. H, Behrendt, 
hin ich in den Stand gesetzt, einen dritten hierher gehörigen 
Fall vorzulegen. Einer ausführlichen Beschreibung der De- 
cidua bin ich überhoben, da diese ganz das von Virchow 
und Strassmann so genau beschriebene und abgebildete 
höchst charakteristische Ansehen darbietet. Die Aussenfldche 
i\o.r vom Uterus ausgestossenen iMasse, die einen geschlos- 
senen Sack bildete, war rauh und von Blutcoagulis bedeckt. 
Beim Aufschneiden Helen zunächst die macUüg ei\V.NS'\c\v^\\ftw 

MonMUsobr. f. Oeburtsk. 1866. Bd. XXVIl., Hft. 5. ^"^ 



322 XXVTI. Verhandlungen der Gesellschaft 

und zatilreichen Sdiieinipapeln ähnlichen Höcker der Decidua 
auf, die ganz wie in den früheren Fällen an ihrer Oberfläche 
glatt waren und keine Andeutung der OeiTnungen der Utri- 
cular- Drüsen erkennen liessen. Beim Durchschnitte zeigten 
sich die grösseren mit coagulirtem Blute durchsetzt. Eigen- 
thümlich waren kleine Stränge, die bruckenförmig die einzel- 
nen Papeln an verschiedenen Stellen mit einander verbanden. 
Das Ei selbs,t lag in dieser gewucherten Decidua noch von 
einer Deciduaschicht überkleidet (als Decidua reflexa nach 
früherer Anschauung zu deuten), so dass es eine glattwan- 
dige kugelige Masse darstellte, die erst beim Eröffnen rings 
herum Ghorionzotten zeigte und an welcher man dann Amnion, 
Nabelblase und einen kleinen, etwa der achken bis neunten 
Woche entsprechenden wohlgebildeten Embryo deutlich er- 
kennen konnte. 

Die vorläufige, mit meinem Freunde Herrn Prof. Klebs 
gemeinschaftlich angestellte mikroskopische Untersuchung dev 
Decidua ergab Folgendes: An den höckerigen Hervorragungen 
und auch in deren Umgebung fanden sich alle Kennzeichen 
einfacher Hyperplasie. In der Grundsubstanz zeigten sich 
steilenweise schwachfaserige weisshche Stränge, ausserdem 
aber grosse Mengen dichtgedrängter grosser Deciduazellen, 
die besonders nach der inneren Oberfläche zu in einem Wu- 
cherungsstadium zu sein schienen, indem sie oft mehrere 
deutliche Kerne enlljieltcn. Freie Kerne waren nur sehr 
wenig zu bemerken. Besonders deutlich waren diese Wuche- 
rungen neben concentrischen Schichtungen des Grundgewebes 
in der Umgebung der Gefasse. Die innerste Schicht der De- 
cidua (die Reflexa), die von der eben beschriebenen vollstän- 
dig getrennt war und die das Chorion dicht umgab, zeigte 
die dicht gedrängten Deciduazellen fast ohne jede Grund- 
substanz zum grossen Tlieile in fettiger Degeneration begrif- 
fen. Die Zotten endigten mit eigenthümlichen koll)igen An- 
schwellungen, und die Zolim derselben waren getrübt und 
hatten an einzelnen Partien einen feinkörnigen Inhalt. Zu 
genauerer mikroskopischer Untersuchung ist das Präparat in 
Chronisäure gelegt. Etwaige weitere Ergebnisse werde ich 
.später mittheilen. 

Wicbtig 8ind nun noch die aeliologischen Momente , die 



für Qebartshülfe in Berlin. 323 

ich der freundlichen Angabe des Herrn Behrendt verdanke. 
Das Präparat stammt von einer 26jährigen blonden, sehr 
kräftigen und stels gesund gewesenen Frau. Zunächst ist zu 
bemerken^ dass dieselbe niemals syphilitisch gewesen ist und 
auch an ihrem ganzen Körper nichts aufzufmden ist, was auf 
eine frühere derartige Erkrankung hindeuten könnte. 

Im Jahre 1862 und 1863 gebar sie leicht zwei voll- 
ständig gesunde Kinder/ die noch am Leben sind. Am 10. Sep- 
tember 1865 kam sie mit einem dritten gesunden lebenden 
Kinde nieder, welclies nach einigen Tagen am Trismus starb. 
Das Wochenbett verlief ohne Störung. Anfang November, 
also etwa* 6 — 7 Wochen nach der Niederkunft, fand der 
erste Colins wiederum Statt. Die Regel trat nicht wieder ein. 
Mit einer am 17. Januar 1866 auftretenden Blutung begann 
der Abortus, der am 19. mit der Ausstossung des beschrie- 
benen Eies endete. Es durfte noch zu erwähnen sein, dass 
der Mann mehrere Jahre vor seiner Verheirathung syphilitisch 
gewesen, aber vollständig geheilt ist. Die genaueste Unter- 
suchung lässt an seinem Körper nicht die geringste Spur von 
Syphilis auffinden (keine Lymphdrüsenschwellung od. dergl.) 
und auch die gesunden kräftigen Kinder sind wohl lebende 
Zeugen dafür, dass die Syphilis bei ihm geheilt ist. Es 
wäre in diesem Falle gewiss höchst gezwungen, eine syphi- 
litische Grundlage für die eigenthumliche Erkrankung der 
Decidua supponiren zu wollen. Da bis jetzt keine weiteren 
Fälle der eben beschriebenen Art bekannt sind, so sind wir 
also über die Aetiologie dieser Form von Abortus noch sehr 
im Unklaren. In dem Virchov)'%(AnM\ Falle kann man mit 
grösster Wahrscheinlichkeit Syphilis als Ursache ansehen; in 
dem Stra88mann!%c\\e,\\ Falle waren schon früher alle Symptome 
von Endometritis dagewesen. In dem eben geschilderten Falle 
ist beides auszuschliessen, und es dürfte hier wohl ein gros- 
ses Gewicht auf die so schnell nach dem Wochenbette er- 
folgte Conccption zu legen sein, wodurch die junge eben 
neu gebildete Schleimhaut des Uterus zu übermächtiger Wu- 
cherung gei>racht wurde. 



^i* 



324 XXVII. Verbandlungen der Qesellschaft 

Bei der Wahl ni'iier iMilgliediT wurden gewählt: 
zu ausserordeiUlicIien Mitgliedern: 

Herr Dr. C. Hüter, 
„ ^, Cohnheim; 

zu ordentlichen Mitgliedern: 

Herr Dr. Michelet, 
„ „ Rigler, 
„ „ Mendel'^ 

zu auswärtigen Mitgliedern: 

Herr Prof. Churchill in Duhlin, 
„ Dr. Braxton Ricks in London,. 
„ „ Graily Hewitt in London, 
„ „ von Franque in Wnrzhurg, 
„ Prof. Edmonaton Charles in Calcutta, 
„ Dr. Voss in CollinghorsL 

Die Kasse wurde revidirt und richtig hefunden. 
Bei der Neuwahl dos Vorstandes wurde der vorigjährige 
wieder gewählt. Da aher Herr KristeUer später die Wahl 
zum Vicesecrelair dankend ahlehnte, wurde in der Sitzung 
vom 27. März Herr Boehr zu dieser Stelle erwählt. 
Der Vorstand hesteht demnach aus: 
C. Mayer, l*räsident, 
Martin^ Vicepräsident, 
Gusseroic^ Secretair, 
Boehr, Vicesecretair, 
L, Mayer, Kassenfuhrer. 
Zur Vorhereitung für das Stiftungsfest wurde eine Com- 
mission gewählt, hestehend ans den Herren: 

Kaufmann^ Börner, JScharlau und Gusserow, 



Sitzung am 27. Fehruar 1866. 

Herr Lehverdt erzählt folgenden: 

Fall von N a h e I h I u t u n g. 

Im Anschlüsse an den Vortrag des Herrn Zober vom 
J^Z Juni vorigen JaJires nher Nahelhlutungen, erlauhe ich 



für Gebartshülfe in Berlin. 325 

mir, der geehrten Versammlung einen von mir beobachteten 
Fall dieser Art mitzutheilen. 

Frau £., 40 Jahre alt, hatte in erster Ehe drei lebende 
Kinder geboren; seit 1860 wieder verheiralhel, kam sie noch 
zwei Mal, jedoch mit todten Kindern nieder; beide Male soll 
Nabelschnurvorfall die Ursache des Abslerbcns gewesen sein. 
Im Beginne vorigen Jahres wurde sie zum sechslen Male 
schwanger, niadite im Sommer ein „gastrisch-nervöses" Fie- 
ber durch, und war ausserdem noch durch häuslichen Kum- 
mer sehr heruntergekommen, als am 19. November nach 
einem Prodromalstadium von vier Tagen Variolois bei ihr 
ausbrach. iNoch war Patientin nicht ganz fieberfrei, doch die 
Abtrocknung der Pusteln schon im Gange, als am 3. Decbr. 
die Niederkunft begann. Ich fand eine erste ßeckenendelage, 
den linken Fuss und die Nabelschnur vorliegend, und för- 
derte nach einigen Stunden durch die Exlraction einen asphyk- 
lischen Knaben zu Tage. Das Kind wurde bald wieder be- 
lebt, war 20 V2" lang und wog circa 8 Pfund; die Nabel- 
schnur war dunkelblau, mager und etwas matschig. An; 
Abend des folgenden Tages war noch keine Urinentleerung 
lind Leibesüffnung eingetreten , die Nabelcompresse und Binde 
mit dunklem flüssigem Blute getränkt. Ich fand den gut 
unterbundenen Nabelschnurrest bereits fauhg und schon den 
Beginn einer Demarkationslinie. Hier sickerte das Blut her- 
vor, doch konnte ich mich überzeugen, dass auch die Na- 
belschnurarterien noch Blut durchliessen, als ich den Nabel- 
schnurrest durchschnitt, um Vorsichts halber tiefer noch eine 
zweite Ligatur anzulegen. Am 5. December Morgens fand 
ich keine neue Blutung; Urin und Mekonium waren entleert 
worden, doch sparsam; das Kind sah sehr verfallen aus und 
saugte gar nicht, so dass ich, da ein hochgradiges Ankylo- 
glosson vorhanden war, dasselbe mit der Scheere durchschnitt, 
wobei kein Tropfen Bluts floss. Am Abend war dagegen das 
Mundbassin mit Blut gefüllt; die Demarkationslinie am Nabel 
war bedeutend grösser geworden, und es hatte sich eine 
nene Blutung aus dem Nahelgrunde eingestellt, die jedoch, 
wie das erste Mal, nach Tonchiren mit Argent. nitr. und 
Anlegung eines Druck Verbandes für den Augenblick ?>\^V.vcV^. 



326 XXVII. yerhandlan^n der Gesellschaft 

Wenige Stunden später starb das Kind ; es hatte 49 Stunden 
gelebt und während dessen nur ein Mal Urin gelassen. 

Bei der Besichtigung der Leiche, die Section wurde 
leider, nicht gestattet, fand sich als letzte Todesursache eine 
heftige Blutung aus dem Nabel und zugleich aus dem After; 
beiläufig erwähne ich noch, dass trotz der starken Blutver- 
luste der Rücken . des Kindes acht Stunden nach dem Tode 
mit zahlreichen Todtenflecken bedeckt war. 

Um nicht von Herrn Zober bereits Gesagtes zu wieder- 
holen, hebe ich nur einige Besonderheiten des Falles her- 
vor. In der Mehrzahl der in der Literatur bekannten Fälle 
trat die Blutung nur am Nabelgrunde, und zwar am bäu- 
ligsten erst nach Ahstossung des Nabelschnurrestes am secfai»- 
ten bis neunten Tage, selbst noch später auf; in unserem 
Falle erinnerte die dreifache Blutung aus Nabelgrund, After 
und dem Schnitte im Zungenbändchen an die eigentliche Blu- 
terkrankheit, von der übrigens in der Famihe der Aellera 
kein Fall bekannt ist. ^Dem Ermessen der geehrten Ver- 
sammlung muss ich es anheimstellen, ob sie mit dem Er- 
griffenseiu der Mutter von Variolois eine besondere Disposi- 
tion zu Blutungen bei dem Neugeborenen erblicken will. In 
Betrefl der Therapie glaube ich, dass in diesem Falle das 
Z)u6oiVschc Verfahren der Umstechung nicht zum Ziele ge- 
führt haben würde, man vielmehr in den Nadelstichen nur 
neue blutende Wunden geschaffen hätte. 



Herr Schwahn Iheilt einen Fall mit von 

spontaner Uterusruptur. 

Bei einer Zweit-Ge bärenden, deren erste Entbindung ohne 
besondere Störung verlaufen sein soll, fand man am Ende 
der Schwangerschaft ausser einem Vorfalle der hinteren Schei- 
denwand nichts Abnormes, mit Ausnahme einer geringen 
Beckenbeschränkung, indem der Abstand der Sp. 8V2", der 
r.r. 9V2" und die Conjug. extern. 6%" betrug. Als vor- 
liegender Theil liess sich der schwer bewegliche Kopf im 
Beckeneingaoge erkennen. Beim Begmue d«r Geburt flössen 

> 



für Geburtshülfe in Berlin. 327 

schon bei zwei Groschen grossem Muttermunde die Wässer 
ab. Die Wehen waren kräftig, folgten schnell aufeinander, 
und aucli ausser der Webe hess sich der Uterus immer fest 
zusammengezogen durch die Oauchdecken erkennen. Obwohl 
die Weben sehr schmerzhaft waren, war der Leib selbst auf 
Druck nirgends empfindlich. Das Kind lag in zweiter Schä- 
dellage vor, Herztöne waren rechts 140 zu hören, und es 
machte sieb bald eine beginnende Kopfgeschwulst bemerkheb. 
Als die Geburt in dieser Weise eine Zeitlang bestanden hatte, 
meldete die Hebamme, es sei eine Blutung eingetreten und der 
Kopf nicht mehr so gut zu erreichen wie bisher. Bei der 
sofort angestellten Un' ersuchung fand man die Frau wohl- 
aussehend, die Schmerzen hatten ganz aufgehört, der Puls 
machte 84 — 90 Schläge. Der Uterus war weich, nachgiebig, 
ganz unempfindlich. Der Muttermund war schlotternd, der 
vorliegende Kopf nicht zu fidilen, hess sich aber von aussen 
dein untersuchenden Finger enl^egendrucken. Die Wehen 
hatten gänzlich cessirt. Die Herztöne des Kindes konnte man 
nicht mehr wahrnehmen. Da eine Zerreissung der Gebär- 
mutter hier anzunehmen war, entschloss sicti Herr Schwahn 
zu sofortiger Entbindung der Frau mittels der Wendung und 
Eitraction. Beim Eingehen mit der Hand floss eine blutige 
Flüssigkeit ab, es hess sich aber keine Verletzung des Ute- 
rus constatiren. Der Kopf stand auf der Unken Darmbein- 
schaufel auf, die Nabelschnur war pulslos. Wendung und 
Extraction konnten leicht ausgefilhrt werden. Die Nachge- 
burt folgte etwa zehn Minuten später spontan. Das Kind 
war etwa 7V4 Pfund schwer, 19" lang. Auf dem linken 
Scheitelbeine fand sich eine massige Kopfgeschwulst. Unmit- 
telbar nach der Entbindung befand sich die W^öchnerin sub- 
jectiv Wühl. Der Uterus war fest hinter der Symphyse zu- 
sammengezogen , sehr empfindlich. Eine Stunde darauf war 
der Uterus bei Druck nicht mehr empfindhch, der Leib jedoch 
etwas aufgetrieben. Temperatur etwas erhöht. Puls 96. 
Eisumschläge und Opium wurden verordnet. Am Nachmit- 
tage desselben Tages war der Leib stärker aufgetrieben. 
Puls 100. Temperatur 39^. Respiration 36 bis 40. Die 
Wöchnerin wurde verlegt und starb 30 Stunden nach der 
Entbindung unter den Erscbeimwgen der PenlomU^. T^«i^«l 



328 XXVII. Verbandlangen der Gesellschaft 

von Herrn Cohnheim ausgeführten Section ergab sich eine 
Ruptur 1" oberhalb des Muttermundes, so dass der Cer?ical- 
kanal in einer Ausdehnung von 4 — 5" vom Uterus dui'ch 
einen Querriss abgetrennt war. Gegenüber dieser Steile^ fand 
sich in der Schleimhaut des Gervicalkanals eine etwa zwei 
Grosclien grosse Narbe. Die Conjug. vera betrug S*/«"« 

Herr Cohnheim versprach in der nächsten Sitzung das 
betreffende Präparat vorlegen zu wollen, und bemerkte einst- 
weilen, dass an der Rupiurslelle keinerlei Gewebserkrankung 
der Uterussubstanz nachweisbar war. 

Herr C. Mayer maciit auf die grosse Seltenheit der- 
artiger Fälle aufmerksam, indem ihm z. B. in seiner grossen 
geburtsbölflichen Praxis nie ein ähnlicher Fall vorgekom- 
men sei. 

HeiT Wegscheider erinnert sich in Prag und Wien früher 
die Lehre habe vortragen hören, dass Frauen, die Puerperal- 
ßeber durchgemacht hätten, zu Utcrusrupturen besonders dis- 
ponirt sein sollen. 

Herr Martin meint, dass dies für die Fälle geilen könne,' 
wo durch Parametritis nach früheren Entbindungen ein Ex- 
sudat im subserösen Bindegewebe eine Verfettung des be- 
nachbarten Uterusparenchymes veranlasst habe, wodurch ein 
prädisponirendes Moment für Rupturen gegeben sei. Im 
Uebrigen verweist er auf seine in der Sitzung vom 9. Januar 
d. J. gemachten Bemerkungen. 



Herr Liman theilte mit; 

Drei Fälle von Abortus, welche zu gerichtlichen 
Gutachten Veranlassung gaben. 

l. Abortus nach voraufgegangenen Misshandlungen. — 

Ausstossung einer verseiften Frucht 4 Monate nach 

Abslerben derselben. 

Mit Bezug auf den in der Vorladung der Beklagten zur 

Klagebeantwortung im Ehescheidungsprocesse des Rentier N, 

und seiner Ehefrau (Beklagte) ausgesprochenen Antrag auf 

UiHersachung der etc. N. durch den Physicus, hat dieselbe 



für Gebnrtshülfe in Berlin. 329 

sich an mich gewoiidot, mit der Frage,^ oh sie aus einer 
jeUt zu unternehri)eiul(M) Reise iiacli Köiiigsherg in Preussen 
eine Gefahr für ihre Gesundheit zu hefurchten habe,' und 
krichte ich, nachdem ich die N. untersuclit habe, nach- 
steheud : 

Die A\, 40 Jahre alt, gieht an, vier Mal geboren zu 
haben, wovon ein Mal durch eine Fehlgehurt. Im Juni a. p. 
seien plötzlich ihre bis dahiu regelmässig wiedergekehrten, im 
Mai zuletzt erschienenen Regeln ausgehliehen, und habe sie 
von da an eine neue Schwangerschaft datirt. Wie bei frü- 
heren Schwangerschaften habe sich auch jetzt Erbrechen und 
Unwohlsein eingestellt. Ihr Leib sei starker geworden, Milch 
habe sich in den Bfüslcn gebildet, und nach etwa vier Mo- 
naten habe sie Bewegungen gespürt, welche sie für Kindes- 
bewegungen gehalten habe. 

Seit drei bis vier Monaten habe sich ihr Zustand we- 
sentlich verändert. Der Leib sei gesunken, die Milch aus 
den Brüsten verschwunden, sie habe wiederholentlich und 
noch jetzt Frostanlalle gehabt, ein leichler, blutwasseräbn- 
licher Abgang aus den Geschlechtslheilen habe sich eingestellt, 
der einen üblen Geruch angenommen habe, und wehenartige 
Schmerzen seien aufgetreten , so dass sie einen Abort be- 
fürchte, indess sei ein solcher bisher nicht eingetreten, so 
dass sie über ihren Zustand auf das Aeusserste besorgt sei. 
Ich fand Explorirle im Bette mit lieberhafl eiTcgtem 
Pulse und nervös sehr erregt. Sie ist sehr fetter Leibes- 
beschafTenheit und sind auch die Bauchdecken sehr fettreich. 
Der Leib ist weich. In dem rechten Hypochondriuni fühlt 
man eine Geschwulst von mehr als Faustgrösse. Hier ist 
Explorirte bei Druck empündlich. Die Percussion ist daselbst 
leer. Innerlich steht der Gebärnuitterhals hoch, weicht nach 
links hin ab, folgt bei Druck auf die Geschwulst nach unten. 
Der Gebarmutternmnd ist quer, nicht sonderhch gcölfnet. 
Der Hals ist etwa ein Fingerglied lang, nicht weich. Nach 
rechts hin fühlt man n«'ben dem Halse und nach oben hin 
das untere Segment einer Geschwulst, welche sich hart und 
prall anfühlt. Ein Ausfluss war zur Zeit der Untersuchung 
nicht vorbanden. 

Aus dem Vorstehenden ergicbl sich, dass *jeAe\\^Ä\\% ««i 



330 XXVII. Verhandlangen der Gesellschaft 

abnormer und krankhafter Zustand vorhanden ist. Es dürfte 
unmöglich sein, nach einmaliger Untersuchung, zumal bei einer 
so fetten und deshalb scliwieriger zu untersuchenden Person 
und bei nicht fortgesetzter Beobachtung in einem nicht ge- 
wöhnhchen Falle, wie der vorliegende, ein bestimmtes Urtheil 
über die vorhandene Abnormität zu fallen, ob nämlich eine 
Krankheit der Gebärmutter vorliege, oder ob, was nach dem 
übrigens glaubhaft erscheinenden Berichte der £xplorirten das 
Wahrscheinlichste ist, vielmehr eine durch Absterben des 
Fötus erfolgte Unterbrechung des Verlaufes der Schwanger- 
schaft vorhanden ist, ohne dass bisher es zu einer Ausslos- 
sung des Fötus gekommen ist; indem, wenn auch in seltenen 
Fällen, beobachtet worden ist, dass die eigentliche Geburl 
des abgestorbenen und liegengebliebenen Fötus erst nacii Mo- 
naten, mitunter auch gar nicht erfolgt; sondern eine Resorb- 
lioii, resp. Umwandlung in eine steinartige Masse desselben 
erfolgt. Misshandlungen, wie Gemüthsbewegungen während 
der Schwangerschaft, disponiren erfahr ungsgemäss zum Ab- 
sterben der Frucht. Beide Momente haben angeblich auf die 
N. eingewirkt. 

Wenn nicht mit positiver Bestimmtheit zu sagen, dass 
gerade der erwähnte Umstand vorliege, so ist jedenfalls ein 
krankhafter Zustand der Geschlechtstheile vorhanden, welcher 
nicht ' ohne Röckwirkung auf das Allgemeinbefmden der Ex- 
plorirten gebheben ist. 

Es ist einleuchtend, dass dieselbe aber in diesem Zu- 
stande eine Reise überhaupt nicht, geschweige denn eine so 
weite Reise in dieser Jahreszeit unternehmen kann, schon 
aus dem Grunde allein nicht, weil sie, die Richtigkeit der 
oben als wahrscheinlich aufgestellten Vermuthung angenom- 
meU; dass sie nämlich einen abgestorbenen Fötus trage, un- 
terwegs den Chancen einer Entbindung von demselben aus- 
gesetzt ist, die keineswegs ein nur vorübergehender Ein- 
griff in die Gesundheit genannt werden kann. — Ganz ab- 
gesehen hiervon ist aber Explorirte allgemein leidend und 
tageweise bettlägerig krank, und ist nach alledem, wohin ich 
mich amiseidlich erkläre, aus einer jetzt und für die nächste 
Zeit zu unternehmenden Reise nach Königsberg in Preussen 



für Gebartshülfe in Berlin. 331 

für die Frau N, eine nahe, bedeutende und nicht wieder gut 
zu machende Gefahr zu befnrchlen. 

Dies Gutachten war am 24. Januar abgegangen, als am 
28. Januar eine Ilebannne bei mir erschien und meldete, 
(iass die N. gestern entbunden worden sei. Sie brachte mir 
den Fötus mit, weicher 7 ^'2" lang war, und seiner übrigen 
Bildung nach etwa Ende des vierten oder Anfang des fünften 
Monates sich befinden mochte. Die Placenta hing durch die 
Nabelschnur noch mit der Frucht zusammen. Die Frucht 
hatte weder das Ansehen einer frischen, noch das einer todt- 
faulen Frucht, sondern glich durch graugeJbe Farbe und zähe, 
lederartige Consistenz der Haut vielmehr einem Spiritusprä- 
parat, nur dass sie nicht danach roch. Sie fühlte sich glatt 
und schlüpfrig an. Dieser Zustand der Saponification ßndet 
sich nur bei Früchten, welche längere Zeit im Uterus geblie- 
ben sind, nachdem sie, gewöhnlich frühzeitig, abgestorben 
waren, am häufigsten da, wo von Zwillingen frühzeitig einer 
abgestorben wai , der andere fortgelebt hatte, oder bei 
Bauchschwangerschaften, bei denen der Fötus abstarb und 
Monate lang in der Bauchhöhle liegen blieb (wie Hohl einen 
Fall mittheiit). Doch, wie der mitgetheilte Fall lehrt, auch 
bei einfachem Fötus am rechten Orte. Beiläufig ist dies übri- 
gens der einzige Fall, wo der ganze Körper verseift, während 
sonst nur stellenweise Verseifungen bei langem Aufenthalte 
im Wasser oder in feuchter Erde angetroffen werden. — Die 
Bedingungen des Absterbens waren am regelmässig gebildeten 
Fötus, der Nabelschnur und Placenta, die ebenfalls saponi- 
ficirt waren, nicht sichtbar, und interessant sind die hier 
constatirten Gemülhsbewegungen, wie Misshandlungen, welche 
anscheinend die Veranlassung zum Absterben der Frucht ge- 
geben haben. 

II. Abortus 1 Monat nach voraufgegangener Misshand- 
lung. Ausstossung einer todten Frucht. . 

Iti Folge Ew. Hochwohlgeboren Auftrages von 13. De- 
ceniber unter Anheimstellen einer etwa erforderlichen Unter- 
suchung der etc. Schultz ein Gutachten über (he Bedeutung 
der der letzteren zugefügten Misshandlungen, iasbesowd^xv^ 
daröJber zu erstatten, ob mit Sicherheit anzuueViuveu^ öäsä 



332 XXVII. VerbADdlangen der Gesellschaft 

der Abortus Folge der Misshandlungen gewesen ist, beiie- 
hentlich dass dieselben Arbeitsunfähigkeit herbeigeführt haben, 
berichte ich ganz ergebenst nachstehend: 

Am 14. August c. wurde die etc. Schuh von dem 
etc. Markus der Art misshandelt, dass sie unter Anderem 
auch einen Stoss mit dem Fusse vor den Bauch erhielt und 
rücklings einige Stufen der Treppe herunter gegen die 
etc. Baum Oel, wie diese, die Stuss lind sie selbst aussagen. 
Die Zenseh führte sie darauf nach ihrer, der Schuh Woh- 
nung, wo sie anscheinend von nervösen Zufällen befallen woi^ 
den ist, wenigstens giebt sie selbst an, bewusstlos geworden 
zu sein, die Zenseh, dass sie in einen „Schreikrampf'* ver- 
fallen sei. — Die Schuh hielt sich für schwanger im vierten 
Monate, und will am darauf folgenden Tage, den 15. August, 
,, Blutverlust*' (sc. aus den (>eschleclilslheilen) gehabt haben. 

Am 15. August sah sie der Dr. Pf,, indess weder das 
Attest desselben vom 18. Octuber, noch seine Deposition 
vom 15. November c. enthalten irgend eine objective Beob- 
achtung über den Zustand der Schulz, nur das führt er 
wenigstens in seiner Vernehmung an, dass die Schuh über 
„heftige Schmerzen im ünterleibe und Ziehen im Kreuze ge- 
klagt habe.** Auch darüber, ob am 15. August die Schuh 
zu ihm gekommen, oder er sie besucht habe, stehen seine 
beiden Depositionen (f. 17 und 30 d.) im Widerspruch. 

Am 13. September wurde die Schuh entbunden. Heber 
den Vorgang vor und bei der Geburt constirt aus den Acte« 
Folgendes : 

Dr. Pf. giebt an: „Am 11. September c. kam ich 
auf Verlangen der Schuh in deren Wohnung. Ich fand 
sie im Belte. Ich untersuchte sie innerlich durch Einfüh- 
ren eines Fingers. Es lag schon eine Unmasse Blut im 
Belte. Es fand , nachdem ich den Finger wieder heraus- 
gezogen hatte, noch weitere Blutung statt. Ich führte den 
Finger bis zum Gebärmultermunde und fand, d:iss derselbe 
geöffnet war, und dass sich regelrechte Wehen eingestellt 
hatten, [ch verordnete krampfstiliende Mittel, einen Tliee 
aus Baldrian, Pfeffermünze und Chamillen zum Trinken. 
Ich suchte eine weitere OefTnung des Muttermundes, indem 
/Afr auch einen zweiten Finge? ew\vv\\YVv*, iv\ bewirken. 



für Gebortshülfe in Berlin. 333 

Um die Blutung zu massigen, habe ich auch „Haller'sches 
Sauer*' der Patientin verordnet. Ich habe sie an dem- 
selben Tage und in der Nacht, und ebenso häufig an den 
beiden darauf folgenden Tagen besucht. Ich habe jedes 
Mal die Untersuchungen und die Manipulationen wieder- 
holt. Es kamen ab und zu Wehen und sogar sehr schmerz- 
hafte, so dass die Patientin laut schrie. Am dritten Tage 
ging die Frucht ab, doch war ich hierbei nicht zugegen.*' 
Die Wickelfrau Krell fand ebenfalls bei ihrem ersten 
Besuche, 8. oder 9. September — sie kann die Zeit nicht genau 
angeben * — die Schulz im Bette, und zwar lag sie im Blute. 
Am 13. September Nachiuittags fand sie bei einer Unter- 
suchung der Schulz, dass die beiden Fusse eines Kindes 
aus dem Muttermunde hervorragten, und habe das Kind ge- 
holt. Pf. habe die Nachgeburt zu entfernen gesucht, doch 
sei ihm das nicht gelungen. 

Am 17. September entfernte sie die Nachgeburt, die 
auch Pf, in seiner zweiten Vernehmung gesehen zu haben 
zugiebt. Wie sie beschafTeii gewesen, namentlich ob sie voll- 
ständig gewesen, constirt nicht aus den Acten. 

Sehr verschiiMJen sind die Depositionen der betreffenden 
Zeiigen über das Product der Geburt der Schulz. Mit sich 
selbst in vielfachem Widerspruche steht der Pf Nach seinem 
ersten Atteste vom 18. Octoher war es „eine in Verwesung 
übergegangene circa drei bis vier Monate alte Frucht.'' Am 
15. November erklärt er, sie habe ihm acht Wochen alt ge- 
schienen, seil 4 — 6 Tagen in Fäulniss übergegangen. „Es 
war keine ausgebildete menschliche Leibesfrucht, mehr mo- 
lenähnlich, n)an konnte einzelne Körpertheile noch nicht un- 
terscheiden. Es war ein Convolut von Fleisch und Blut, 
einer Nachgeburl ahnlich," diese aber sei zurückgeblieben ge- 
wesen, wie er sich davon überzeugt habe, indem er sie ge- 
fühlt habe. Am 15. December spricht er wieder von einem 
„Kinde", das er zwar „angesehen, aber nicht speciell und 
anatomisch uniersucht" habe. 

Dagegen bekundet die Zensch, dass das Kind natur- 
gemäss ausgebildet gewesen, ein kleines xMädchen gewesen 
sei, was sie an den Geschlechlslheilen erkannt habe, IVvt 
Schulz selbst sagt, dass es ein „ausgelragenes ^\i\A nn«&^- 



334 XXVII. Verhandlnngen der Gesellschaft 

liehen Geschlechts*' gewesen sei. Ihr Ehemann, der die 
Frucht ebenfalls gesehen, sagt, dass es ein Kind weibhchen 
Geschlechtes von circa 5" Länge gewesen sei. Die Krell 
endlich erklärt es für ein etwa vier Monate altes Kind von 
9 — 10 Zoll Länge, das todt zur Well gekommen, das sie 
gebadet und nachher, auf ein Brett hingelegt habe. Es wäre 
ein ganz naturgemäss ausgebildetes Kind, an den Geschlechts- 
theilen als ein Mädchen kenntlich, gewesen. 

Was die ArbeitsunfUhigkeit der Schuh nach der Ent- 
bindung betrifft, so datirt Ff. dieselbe bis zum 19. September; 
der Ehemann der Schuh sagt, dass sie noch 14 Tage nach- 
her das Bette habe böten müssen und schwere Arbeit noch 
am 29. November nicht wieder habe verrichten können. Sie 
selbst giebt an, dass sie nach der Entbindung noch drei 
Wochen „krank" gewesen sei. — 

Die vorsiehenden Thatsachen gestatten kaum weiter 
zu gehen, als die Möglichkeit eines Causalzusammenhanges 
zwischen Misshandlung und Abortus zuzugeben. Es fehlt 
jedes Verbindungsglied, und wir wissen gar nichts über die 
wichtige Zeit vom 15. August, wo sie der Dr. Pf. sah und 
dem 11. September. Nur der Ehemann sagt in seiner De- 
nunciafion, dass seine Frau „in der ganzen Zwischenzeit in 
Folge der Misshandlung krank gewesen sei, so dass sie den 
Arzt mehre Male zu Hülfe ziehen musste", ein Punkt, der 
weder in der Vernehmung der Schuh, noch ihres Eheman- 
nes am 24. Novbr. wieder zur Sprache gekommen ist, und 
auch durch die Aussage des Ff, am 13. December nicht 
aufgeklärt ist, 

deren abermalige Vernehnumg in dieser Beziehung 
ich mir eventuell zu beantragen erlaube. 

Einstweilen habe ich mit Rucksicht auf die Verfügung 
der Königl. Slaalsanwaltschaft die Untersuchung der Schuh 
meinerseits für erlorderlich erachtet. Das Ergebniss der von 
ihr gemachten Angaben ist folgendes, das ich nur insoweit 
anführe, als es das bereits Bekannte zu ergänzen geeignet ist : 

Die Schuh ist eine kräftig gebaute Frau von angeblich 

und anscheinend 34 Jahren. Sie will sechs Mal geboren^ 

bisher niemals abortirt haben. Am 9. Mai 1865 sei ihre 

Jetzie Regel beendet gewesen, am \0. Ma\ h^^be «ie Umgang 



für Oebnrtshfilfe in Öeilin. 335 

mit ihrem Manne gehabt, und von da ab ihre Schwanger- 
schaft datirt, weil sich ein eigenthumliches Unwolilbefinden, 
welches sie aus früheren Conceptionen lier kenne, eingestellt 
habe. Am Tage nach der Misshandlung, am 15., sei sie 
nicht ausgegangen, vielmehr Dr. Pf, bei ihr gewesen, und 
sei seine erste Deposition ein Irrtlium, vielmehr die zweite 
die richtige. Pf, habe sie mehrmals in dieser Zeit besucht. 
Sie habe nämlich am anderen Tage Blut verloren und sei 
vier Wochen lang Blut mit Wasser von ihr abgegangen. Dabei 
habe sie Schmerzen im Bauche gehabt, die wie „blinde 
Wehen" gewesen wären und öfter Brechreiz empfunden. Acht 
Tage nach der Misshandlung habe sie zu Bette gelegen, dann 
ihre Wirthschaft besorgt, soweit das oime Anstrengung mög- 
lich gewesen sei. Wasser z. B. habe sie nicht getragen, 
weil sonst die Blutung stärker wurde. Es sei ihr zwar ver- 
ordnet gewesen, liegen zu bleiben, jedoch sei sie stunden- 
weise aufgewesen. — Am 10. September habe sie, ohne dass 
sie sich einer Veranlassung bewusst wäre, einen Frostanfall 
bekommen, um 1 Uhr, der bis gegen Abend hin gedauert 
hätte. Montag den 11. habe sie wieder einen Frostanfall 
gehabt, Vormittags, der mehrere Stunden angehalten habe, 
Blutung und Schmerzen seien stärker geworden, hätten sich 
am Dienstage zu ordentlichen Wehenschmerzen gesteigert, und 
am Mittwoche sei sie entbunden worden. Das Rind sei ein 
Mädchen gewesen, 5 — 6 Zoll lang, „rein und glatt*'. Pf 
habe sie das erste Mal erst nach dem ersten Frostanfalle 
untersucht, dann sei er ötler mit den Fingern, auch wohl 
mit der Hand eingegangen. Soimtag sei die filachgeburt ge- 
kommen, welche von der Wickelfrau, die ebenfalls mit der 
Hand eingegangen sei, mit Gewalt geholt worden sei. Vier 
Wochen lang habe sie nach der Enthindung noch Blutabgang 
gehabt, in der fünften Woche habe sie noch nicht wieder 
waschen können, namentlich weil sie Schwäche in den Beinen 
gehabt habe, erst Anfang November sei sie wieder in frü- 
herer Weise arbeitsfähig gewesen, und jetzt wieder gesund. 
FJne Untersuchung der (lenitalien der Schulz ist von mir 
nicht unternommen worden, weil sie in Bezug auf die hi 
Rede stehenden Fragen einen Zweck nicht haben WowuVä, 



336 XXVII. Verhandlungen der Gesellschaft 

Nach diesen Auslassungen 

über die, so weit sie in seiner Wisseuschaflt liegen 
können, eventuell ich den Pf, zu vernehmen bitte, 
bin ich im Stande, ein Gutachten abzugeben. Dieselben er- 
scheinen mir äusserst wichtig, weil sie eine grosse innere 
Wahrheit haben und ofTenbar Erlebnisse wiedergeben , wie 
2. B. die den Abortus einleitenden Erscheinungen , die Explo- 
rata nicht fugh'ch ersonnen haben kann, und mit welchen sie 
mir gegenüber ganz von selbst hervorgetreten ist. 

Es fragt sich zunächst, was und zu welcher Zeit ihrer 
Schwangerschaft hat die Schulz geboren. 

Es ist mir niclit einen Augenblick zweifelhaft, dass das 
Geborene eine Frucht mit menschlicher Bildung und Form 
gewesen sei^ und nicht eine Mole oder molenähnliches Con« 
volut von Fleisch und Blut, an dem man einzelne Körpej*- 
iheile nicht habe unterscheiden können. Die Weiber haben 
das Geborene gesehen, an den Geschlechtslheilen als ein 
Mädchen erkannt, die Schulz nennt es rein und glatt, die 
Zensch hat es sogar gebadet, ein Umstand, der allein schon 
hinreicht, zu beweisfen, dass eine Mole nicht vorgelegen hat. 
So hoch ich auch die Phantasie des Weibes veranschlage, 
so halte ich es für unmöglich, dass man eine Mole statt eines 
Kindes badet. Diese nämlich ist ein klumpen ohne mensch- 
liche Form und Bildung, entstanden aus einer Degenerirung 
der Eihäute oder zwischen sie und dem Fötus, der recht oft 
unentwickelt in den Molen sich vorlindet, ausgetretene Blut- 
massen, hiernach sich als Trauben- oder Blutmole darstel- 
lend. Eine Mole würde im Gegentheile der Phantasie und 
Klatschsucht der. Weiber, deren nach Angabe der Zen^cA 
das ganze Zimnier voll war, den grössliMi Stolf gegeben haben, 
wie denn ja auch das Kind srhon die Zeichen des Stiefel- 
hackens des Markus an der Slirn getragen haben soll. An- 
dererseits giebt Ff. kein einziges Kriterium an, woraus er 
die „Molenähnlichkeit" gefolgert habe, und wenn er er- 
klärt, dass er das Kind zwar angesehen, nur nicht speciell 
anatomisch untersucht habe, so ist die Art des Ansehens 
vielleicht durch seine eigenen hinzugefügten Worte: „ich war 
froh, dass es weg war," gekennzeichnet. 

Vd nun wc'ilev \o\\ vl^iiv Zeugen als ein 



fSr GebartBbülfe in Berlin. 337 

solches geschildert, dessen Geschlecht sie hätten unterscheiden 
können, das 5 — 6^' lang gewesen sei, und wenn gleich die 
Krell es 10 — 11 Zoll taxirt, so giebt sie doch den Stand 
seiner Entwicklung auf vier Monate an. Auch der Ausdruck 
der Schulz, dass es ein ^,ausgetragenes" Kind gewesen, dörfle 
nicht wörtlich zu verstehen sein, vielmehr hat sie offenbar 
damit bezeichnen wollen, dass dasselbe bereits vollständig 
gebildet gewesen sei. Nach diesen Angaben aber wäre das 
Kind ganze vier Monate alt gewesen^ denn Ende des dritten 
Monates erreicht es eine L|inge von 2 --272 Zoll, Ende des 
vierten 5 — 6 Zoll, Ende des fünften 10 — 11 Zoll, Ende des 
vierten ist das Geschlecht bereits mit blossem Auge zu unter* 
scheiden, die Haut ist rosenfarbig, und hat schon eine ge- 
wisse CoDsistenz, auch die Fettabsonderung im Unterhaut* 
Zellgewebe hat begonnen, so dass der Ausdruck der Schuh, 
das Kind sei „rein und glatt'' gewesen, vollkommen passt. 
Endlich steht im Einklänge damit die Rechnung der Schulz, 
welclie ihre Schwangerschaft vom 10. Mai an datirt und wo* 
nach die Geburt mit dem Solleintritt der vierten Regel zu- 
sammengefallen wäre, so dass auch nach dieser Reclmung 
dag Kind bereits vier Monate alt gewesen wäre. 

Es ist mithin die Schulz Ende des vierten Monates ihrer 
Schwangerschaft von einer vier Monate alten Frucht entbun- 
den worden, d. h. sie war zur Zeit der erlittenen Misshand- 
lung bereits drei Monate lang schwanger. 

Unmittelbar nach der Misshandlung, welche, wie keiner 
weiteren Ausfuhrung bedarf, sehr geeignet war, nachtheilig 
auf den Verlauf der Schwangerschaft zu wirken, in sofern 
durch Fusstritt vor den Bauch und Fall eine heftige Erschüt- 
terung herbeigeführt werde und eine theil weise Lösung des 
Mutterkuchens bewirkt werden kann, unmittelbar nach der 
Missbandlung verfiel die Schulz in einen mit nervösen Sym- 
ptomen verbundenen Zustand, der jedenfalls ehie heftige Ge- 
mfithsbewegung bekundet, und bekam anderen Tages Blut- 
abgang, welcher Abgang, mit Wasser vermischt, die ganze 
Zeit bis zur Niederkunft angehallen haben soll. Gleichzeitig 
stellten sich Leibschmerzen ein, welche blinden Wehen glichen, 
bis Frostanfälle eintraten und der Abortus sich eiukvl^V^« 

UmmMU»ehr. f, Oeburtak, 1866. Bd. XXVJI., Hfl. 6. ^^ 



838 XXVII. Verhandlungen der GeBellsebaft 

Es ist hier eine Goiitinuität der Erscheinungen unver- 
kennbar, und unter der Voraussetzung der Bichtigkeit der 
Angaben der Schulz nehme ich keinen Anstand, ein Causal- 
▼erhältniss zwischen der Missbandlung und dem endlich er-- 
folgten Abortus anzunehmen. Die ßlutung wurde erzeugt und 
unterhalten durch theil weise Lösung des Mutterkuchens, die 
Wasser gingen allmälig ab, zur Zeit der Frostanfalle starb 
der Fötus ab und wurde nunmehr ausgestossen. Die An* 
nähme eines Gausalverhältnisses gewinnt um so mehr Raum, 
aU die Schulz ein kräftiges Frauenzimmer ist , die , obwohl 
sie sechs Mal schwanger gewesen zu sein angiebt, kein ein* 
ziges Mal aborlirt haben will, also eine Disposition zum Abor- 
tus bei ihr nicht angenommen werden kann, auch andere 
schädliche Einwirkungen in der Zwischenzeit, so viel bekannt, 
nicht eingewirkt haben. 

Ob es möglich gewesen wäre, den Abortus bei zweck- 
mässigerem Verhallen aufzuhalten resp. zu vereiteln, muss 
vollständig dahin gestellt bleiben. Die Seh. ist ihrer eigenen 
Angabe nach, nach acht Tagen bereits wieder aufgestanden 
und hat. ihre Wirthschaft besorgt, obgleich sie fort Blut 
verloren hat. Nur die strengste Ruhe und passende diätetische 
und ärztliche Behandlung kann in solchen Fällen die Con- 
sumirung des Abortus möglicherweise vereiteln. 

Es könnte aber noch geltend gemacht werden, dass das 
Verfahren des Pf. wesentlich zur Erzeugung des Aboi*tus 
beigetragen habe, indem er anstatt die Ausstossung des Fötus 
der Natur zu überlassen, wenn sie erfolgen sollte, durch 
geschäftiges Untersuchen und wiederholtes Eingehen in den 
Mutternmnd die Möglichkeit einer Hintanhaltung des Abortus 
nicht nur verhindert hat, sondern durch dies Eingehen den- 
selben nur befördert haben konnte. 

Das Verfahren des iy. ist allerdings, so treu er seinem 
Berufe obgelegen zu haben scheint, kein hinreichend moti- 
virtes. Entweder es war keine starke Blutung vorhanden, 
wenigstens keine lebensgefährliche, oder es war eine solche 
vorhanden. War keine Lebensgefahr vorhanden, und meinte- 
er, der Abortus sei nicht mehr aufzuhalten, so war gar kein 
Grund vorbanden , mit den Fingern in die Gebärmutter ein- 
zugehen und den M'utternmnd erw^^Yl^vu zu wollen, zumal, 



für Gebartshülfe in Berlin. 339 

wie er selbst angiebt, „regelrechte'' Wehen sich eingestellt hatten. 
Oder es war eine lebensgefährliche Blutung vorhanden, so war 
schnelles Handeln und zwar die Einleitung eines der kilnsüichen 
Frühgeburt analogen Verfahrens nach den in der Goburtshulfe 
vorgeschriebenen Regeln angezeigt und eine möglichst schnelle 
Eoibindung Pflicht; nicht aber die von Pf, unternommenen 
durch Tage hindurch fortgesetzten Manipulationen. Eine lebens- 
gefahrliche Blutung aber lag nicht vor, wenigstens ist kein 
Zeichen einer vorhandenen erschöpfenden Blutung angegeben, 
und vorfallen Dingen stimmt dazu nicht, dass der Pf. die 
Schulz am 19. September wieder für „ arbeitsfähig'* , selbst 
leichte Arbeit angenommen, erklärt, nachdem ihr Sonntag den 
17. erst die Nachgeburt entfernt worden war. Wäre eine 
lebensgefahrliche, profuse und erschöpfende Blutung vorauf- 
gegangen, so würde die Frau unmöglich am 19. wieder 
arbeitsfähig liaben sein können. 

Abel* wie der Fall liegt, kann angenommen werden, dass 
Pf, erst zu einer Zeit zu der Schulz gekommen , als der 
Abort unvermeidlich geworden, nachdem nämlich Frostanfalle 
bereits eingetreten waren. Wenn hiermit, wie das erfah- 
rungsgemäss ist, das Absterben des Fötus signalisirt war, so 
war der Abort bei gleichzeitig vorhandener stärkerer Blutung 
und regelrechten Wehen unvermeidlich geworden, und wäre 
bei zweckmässigstem Verhallen nicht mehr zu vermeiden ge- 
wesen. 

Was nun die Dauer der Arbeitsunfähigkeit betriflt, so 
ist es vollkommen glaublich, dass, die Richtigkeit der Angabe 
der Schulz angenommen, dieselbe zwischen Misshandlung 
und ihrer Niederkunft und auch vier Wochen nach derselben 
zu ihrer gewohnten Arbeit unfähig gewesen ist, denn, wenn 
gleich eine lebensgefährliche Blutung nicht Statt gefunden 
haben mag, so hat sie doch sicherlich bedeutende Blutver- 
luste gehabt, und ist durch diesen Verlust, wie durch die 
überstandene Entbindung schwach gewesen, auch ist es voll- 
kommen in der Erfahrung begründet und glaubhaft, dass sie 
noch vier Wochen nachher Blutverluste gehabt habC; denn 
der Mutterkuchen ist „mit Gewalt" entfernt worden, und 
wenngleich derselbe einer sachverständigen Inspection nicht 
unterworfen svordeo, so ist es höchst wahrscYieiuVidv ^ dA.%%k^ 



540 XXVII. VerbaDdlongen der Gesellschaft 

wie unter solchen Unistandon zn geschehon pflegt, Reste des- 
selben in der Gebärmutter zurückgeblieben sind, welche die 
fernere Blutung unterhalten und sich erst mit der Zeit losge- 
stossen haben. 

Hiernach gebe ich mein amtseidliches Gutachten dahin ab: 

1) dass unter Voraussetzung der Richtigkeit der Angaben 

der Schulz anzunehmen, dass der Abortus Folge der 
derselben am 14. August zugefügten Misshandlungen 
gewesen ist; 

2) dass es dahingestellt bleiben muss, ob bei zweck- 

mässigem Verhalten von Anfang an, derselbe hätte 
hintangehalten werden können; 

3) dass die beregten Misshandlungen eine mindestens acht- 

wöchentliche Arbeitsunfähigkeit zur Folge gehabt liabcn ; 

4) dass dieselben einen erheblichen oder bleibenden Nach- 

tlieil auf die Gesundheit der Schuh nicht ausgeübt 
haben. 

Im Audienztermine wurde, abweichend von den oben 
angeführten Auslassungen der Schulz festgestellt, dass sie 
vor zwei Jahren in ihrer letzten Schwangerschaft im dritten 
Monate abortirt habe. Dieser Umstand konnte indcss das 
obige Gutachten nicht erschüttern. Üeim nicht allein, dass 
hier der Termin des dritten Monats bereits überschritten war, so 
bleibt inmier die Continuität der Erscheinungen nach Einwir- 
kung des an sich zur Erzeugung des Abortus geeigneten Ein- 
griffes bestehen, und sind Schädlichkeiten, welche in diesem 
Falle tiie Fehlgeburt veranlasst haben könnten, nicht bekannt 
Zugegeben aber^ dass eine Disposition zum Abortus bestanden 
hatte, so würde eben bei der nachgewiesenen Continuität der 
Erscheinungen doch immer die Misshandlung als die veranlas- 
sende Ursache betrachtet werden müssen. Wenn der § 185 
bei dem Majus, bei der tödtlich gewordenen Körperverletzung, 
den Thatbestand der Tödtung als festgestellt erachtet, unab- 
hängig von der Individualität der Verletzten und dem Um- 
stände, ob durch zweckmässige und zeitige Hülfe der lödl» 
liehe Erfolg hätte verhindert werden können, so würden diese 
Umstände um so weniger bei dem Minus, der nicht tödtlichcn 
Körperverletzung, in Rechnung gesetzt wenien können, d, b. 
die JUisshandlung wird in dem vorWe^^tiAew Y^W^i vvsvKviiT ^vt 



für Gebartohülfe iu Berlin. 341 

Ursache zum Abort gewesen sein, selbst die Disposition dazu 
als vorhanden vorausgesetzt, weil unmiUelbar nach der Miss- 
baiHllung der Abortus sich einleitete. — Aber auch die Po^. 4. 
des Gutachtens, dass ein erheblicher, oder bleibender Nach- 
Ibeil für die Gesundheit der 'Schulz, welche jetzt vollkoninien 
gesund ist, resultirt sei, wird durch diesen neu erhobenen 
Umstand nicht verändert,, denn es kann nicht behauptet wer- 
den, dass im Falle einer neuen Schwangerschaft, sie wieder 
abortiren werde, wenn aucli erfahrungsniässig Recidive der 
Aborte gern vorkommen. Ueberdies würde es ihre Sache 
seift, in einem solchen Falle alle Vorkehrungen zu treffen, 
einen neuen Abort zu vermeiden. 

Illt Vermuthete Abtreibung einer Leibesfrucht. Tod von 
Mutler und Kind. 

In Folge Auflrages vom 14. c. ermangeln die Unter- 
zeichneten nicht, den Obduclionsbericbt,- bezüglich der unver- 
ebeliclUen Clara Th. unter Wiederanschluss der Acten ganz 
ergebenst zu erstalten. 

Am 6. Januar c. starb in der Charite' die Th. Sie 
war daselbst am 30. December a. p. aufgenommen worden. 
Man constatirte hier die Zeichen kürzlich stattgefundener 
Niederkunft, sowie eine lieberhafte Erkrankung, die mit 
Schmerzhafligkeit der Gebarmuttergegend, übelriechender, jau- 
chiger Absonderung aus derselben und Verschwärungen der 
Scheidenschleimhaut, welche letztere sich durch den gelben, 
missfarbigen zum Theil festhaftenden Beleg als diphtbcri tische 
Verschwärungen charakterisirten; verbunden war. Verletzungen 
ao den Geschlechtstheilen sowohl äusserlich, als bei innerer Un- 
tersuchung, wurden nicht walu*genomnien. Bei ihrer Aufnahmt 
machte sie, wie das Charilejournal sagt: „klare, verschiedenen 
Personen gegenüber übereinstimmende Angaben über die Art 
der Entwickelung ihres jetzigen Krankseins*', und da der 
zeugeneidlich vernomniene Dr. Mannkopf sich „über die An- 
gabe der Th,, den Befund ihres Zustandes bei der Auf- 
nahme etc.*' lediglich auf den Inhalt der Behandlungsnach- 
weisung der königl. Charite bezieht, dieselbe als von ihm 
herrührend ansieht, so dürfen diese in dem Char\l6\owttii& 
heßoäicben Angaben auch als ein inlcgrireuder TVub'il d^ct. 



342 XXVII. Verhandlang^n der Gesellschaflt 

Aussage des Dr. Jf. angesehen werden. Nach diesem 
Journal nun gab die Th. bei ihrer Aufnahme an, dass 
ihre Schwangerschaft bis vor 14 Tagen normal verlaufen sei. 
Zu dieser Zeit habe sie sich von einer Frau behufs der Ab- 
treibung der Frucht jeden zweiten Tag ein Instrument (vier 
bis fünf Mal im Ganzen) in die Geschlechtstheile einfuhrea 
lassen. Dasselbe war angeblich zwei Fuss lang, am vorderen 
Ende gebogen, und von Stahl. Die Manipulation soll nicht 
schmerzhaft gewesen sein. Nach dem Wiederhera usnebmei^ 
des Instrumentes soll die Person^ welche ihr dasselbe ein- 
geführt hatte, durch dasselbe durchgeblasen Haben, so däiss 
sie glaubt, dass dasselbe hohl war. Am 26. December, nach- 
dem Patientin schon am Tage zuvor mehrmals Frost, Hitze, 
sowie Kopfschmerzen gehabt, bekam sie Wehen, und wurde 
ohne allen Beistand leicht von einer angeblich todten Lei- 
besfrucht sammt Nachgeburt entbunden, die sie anfänglich 
neben ihren linken Oberschenkel in das Bette legte und mit 
dem Deckbette verdeckte, und später jener Helfershelferin 
in einer Schachtel zugeschickt haben will. Die fieberhaften 
und schmerzhaften Erscheinungen wiederholten sich in den 
nächsten Tagen. Patientin will auch gleich nach der Entbin- 
dung, so wie während des ganzen folgenden Tages bedeu- 
tende Blutungen aus den Genitalien gehabt haben, und in Folge 
dessen sehr matt und schwach geworden sein. Nicht we- 
sentlich von diesen Angaben weichen die des Bruders der 
TÄ. ab. Seine Schwester, welche am Tage noch ausgegan- 
gen war, fand er am 25. December Abends im Bette, er- 
krankt, und auch die 8, sagt aus, dass sie am 25. erkrankt 
sei. Am 26. verliess sie nicht mehr das Zimmer, war grössten 
Theils im Bette. Sie erkrankte sonach heftiger, hatte ein 
fiebergeröthetes Gesicht und war stellenweise geistesabwesend. 
Auch die 8. bemerkt, dass sie am 27. phantasirt habe, 
und diese Zeugin bemerkte, dass, da die Th. nicht zu 
bewegen war, sich das Bett machen zu lassen, als sie sich 
darauf beschränkte, ihr Kopfkissen und Deckbett anders zu 
überziehen, in der Bettwäsche Flecken von Blutwasser sich 
befanden. Auch fiel dem Bruder bald ein eigenthömlicher Ge- 
ruch am Bette der Schwester auf, und am Donnerstage, 
29* Nadimittag, rief ihn seine Schviesto 9Nl<& der Kucbey 



fUr Oebartahtilfe in Berlin. 343 

hob, indem sie dabei Unsinn sprach, ihr Deckbette hoch, und 
sagte: „sieh mal, ich habe ja hier ein Kind, es hat ja nicht 
gelebt, hast Du es denn schreien hören? wickele es doch 
in Fusslapf>en und gieb es der Frau, die unten steht''. Dabei 
öberreichte sie ihm einen Kindesleichnam, welcher in einen 
Unterrock etc. eingeschlagen war, der stark roch. Als diese 
Frau nannte sie die Angeklagte W. , deren Wohnung sie 
richtig angab. Th,, welcher keine Ahnung von der Schwan- 
gerschaft seiner Schwester gehabt haben will, sagte ihr 
zu ihrer Beruhigung, dass er der W. das Kind gegeben 
habe. Die Geburt des Kindes, vormuthet der Bruder, sei in 
der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch (27. — 28.) geschehen. 
Dem Bruder gab die 7%. noch an, dass sie von Mädchen 
auf der Strasse habe äussern hören, dass die W. sich 
mit Abtreiben befasse, dass sie bei ihr gewesen und diese 
sich erboten habe, ihr die Schwangerschaft wegzubringen, 
und ihr mit einem Instrument mehrere Male gebohrt hätte. 
Am folg'enden Tage wurde die Th. zur Gharite beför- 
dert, und phantasirte sie damals, wie die S. aussagt, noch 
stark. Ihr Zustand war bei ihrer Aufnahme ein durch- 
aus ungünstiger, und Hess sich ein tödtlicher Verlauf ihrer 
Krankheit mit grosser Wahrscheinlichkeit voraussagen. 

Die W, giebt zu, dass die Th, etwa 14 Tage vor 
Weihnachten bei ihr gewesen sei und noch mehrere Male 
wiedergekommen sei. Sie leugnet, ihr die angeschuldigten 
Manipulationen gemacht zu haben, will vielmehr ihr nur einige 
hier nicht weiter speciell anzufilhrende Rathschläge ertheilt 
haben. In einer späteren Vernehmung sagt sie aus, dass die 
Th. zum letzten Maie am zweiten Weihnachtsfeiertage bei 
ihr gewesen sei , am ersten sei sie nicht bei ihr gewesen. 
Sie habe sie fünf Mal besucht, und zwar seit acht Tagen 
vor Weihnachten. 

Bei ihrem letzten Besuche habe sie Blut in das Nacht- 
geschirr verloren, habe sie gebeten, sie bei ihr aufzunehmen, 
weil ihr Bruder von nichts wissen solle, was sie aber abge- 
lehnt habe. Am 22. December habe sie ihr mitgetheilt, dass 
eine Frau ihr gerathen habe, zu einem Arzte zu gehen, der 
dafür bekannt sei, dass er für ein Stück Geld ihr* mit einem 
Seich oder RIbs biüfe, sie bahc indess \Veder die ¥t^\i xv^^ 



344 XXVII. Verhandlungen der Gesellschaft 

den Arzt genannt. Am zweiten Feiertage sei sie erschöpft 
gewesen, in einer Droschke vorgefahren, und hahe auf Be* 
fragen nach dem Grunde itirer Erschöpfung erklärt, dass sie 
einen schweren Gang gethan und bei dem Arzte gewesen wSre, 
es wurde wohl jetzt losgehen. 

Am 2. Januar c. obducirten wir das neugeborene Kind 
der Th,^ und fanden an wesentlichen Befunden: 

Dasselbe war eine 17 Zoll lange, weihliche Frucht, am 
ganzen Kopfe und Rumpfe bereits dunkelgrün gefärbt, nur 
die Extremitäten hatten noch die gewöhnliche LeicheiH 
färbe. Mit der Frucht zusammenhängend war der eine 
gute Faust grosse (übrigens normale) Mutterkuchen. Das 
Gewicht der Leiche betrug 3^2 Pfnnd. Der Querdurch- 
messer des Kopfes 2^!^, sein gerader 3^2) sein diagonaler 
4^2 Zoll. Die Farbe der Augen, so wie ob eine Pupille 
vorhanden , war nicht mehr zu erkennen. Nasen - und 
Ohrenknorpel weich. Der Schulterdurchmesser 3^2 ^U. 
Der Hüfiendurchmesser 2^/^ Zoll. Die weichen Nägel er- 
reichen so eben die Spitzen der Finger. Ein Kno- 
cheukern ist nicht vorhanden. Verletzungen finden sich 
am ganzen Körper nicht vor. Das Zwerchfell steht hin- 
ter der (Iritleu Rippe. Die Lungen liegen auf beiden Seiten 
in der Brusthöhle zurückgezogen, füllen dieselbe noch nicht 
zur Hälfle, und erreichen nirgend den Herzbeutel; sie 
haben ein durchaus gleichmässiges , milchchocoladenfarbenes 
Aussehen, und sind mit erbsengrossen Luftblasen hier und da 
besetzt. Sie fühlen sich weich, aber nicht knisternd an. 
Mit dem Herzen auf Wasser gelegt, sinken dieselben lang* 
sam zu Boden des Gelasses. Nach Trennung des Herzens 
sinken die Lungen in gleicher Weise zu Boden. Auch 
das Herz allein auf Wasser gelegt, sinkt unter. Ein- 
schnitte in die Substanz ergaben kein knistenidcs Geräusch, 
keinen blutigen Schaum. Unter Wasser gedrückt, stei- 
gen äusserst sparsam grosse Luftblasen auf. Beide Lun- 
gen einzeln auf Wasser gelegt, sinken unter. Die Lap- 
pen allein auf Wasser gelegt, schwimmt nur der obere Lap* 
pen der linken Lunge, sinkt aber nach Zerstörung der 
oberflächlichen Luftblasen sofort zu Boden, wälirend von 
der rechten Lange jeder einzehie Lappen sinkt. Sammle 



für Gebartshülfe in Berlin. 345 

liehe kieiiHi Stucke, in welche die Lungen zerschnitten wer- 
den, sinken unter, bis auf Eins, an welchem sich eine grosse 
Luftblase befindet, nach deren Zerstörung auch dieses sofort 
zu Boden sinkt. 

Am 7. Januar obducirten wir die Th., und fanden an 
wesentlichen Punkten: ' 

Der Körper der einige 20 Jahre alten Th. ist wohl- 
genährt und hat eine gelbliche Hautfarbe. Auch die Binde- 
haut der Augen ist gelblich gefärbt. Aus den Brüsten 
lässt sich gelbliche Milch ausdrücken. Verletzungen sind 
an der Leiche nicht vorhanden. Die Windungen der Ge- 
därme sind, namentlich um die Gebärmutter herum, und zwar 
auf der rechten wie auf der linken Seite mit ehiander ver- 
klebt, eitrig belegt, und ist ihr häutiger Ueberzug stellenweise 
gerötfaet, durch Gefässanfüllung. Das kleine Becken wird 
durch die Gebärmutter und ihre Anhänge ausgefüllt, und be- 
findet sich ausserdem in demselben eine reichliche Quan- 
tität eitrig wässeriger Flüssigkeit. Die Gebärmutter aus der 
Bauchhöhle herausgenommen, hat eine Länge von 4:%'\ eine 
Breite von 3^^'^ und sind ihre Wandungen Vj^' dick. Ihr 
Bauchfellüberzug ist eitrig belegt und geröthet. Aufgeschnitten 
ist ihre Schleimhaut schwarz verfärbt, brandig, zum Theil 
mit graugrünen Eitermassen belegt. Die Muttermundslippen 
sind mehrfach eingerissen, gewulstet, weich und mit bran- 
digen Geschwüren bedeckt. Bei Einschnitten in die Mus- 
cuiatur der Gebärmutter dringen vielfache zerfliessende eitrige 
Pfropfe aus den Gelassen der Substanz hervor. Beide 
Eierstöcke sind im Bauchfcllüberzuge stark injicirt und eitrig 
belegt, und ist der rechte weich, schwarz gefärbt und eben- 
faUs mit zerfliesscnden Eiterpfropfen durchsetzt. Der an 
der Gebärmütter haftende Theil der Mutterscheide ist in 
seiner Schleimhaut gerölhet, namentlich auf der Höhe der 
Falten, ist ferner mit einer diphtheritischen , von derselben 
nur schwer abstreifbaren Membran bedeckt, und finden sich 
zerstreut auf dieser Schleimhaut, namentlich um die Gebär- 
routterlippen herum mehrere oberflächliche Schleimhautge- 
schwüre. Der übrige Theil der Scheide ist eben so beschaf- 
fen. Die Harnblase ist in ihrer Schleimhaut geröthet und 
finden sidi in ihr ebenfalls diphtheritiscU beVegV.^ ^\.^Vi0Gk 



346 XXYII. Yerhandlangen der Gesellschaft 

Die Milz ist 6" lang, 3" breit, V dick, weich in ihrem Ge- 
wehe und blutreich. Die Nieren von gewöhnlicher Grösse 
sind nur massig blutreich, ihre Rindensubstanz fettig getrübt. 
In der linken Brusthöhle findet sich ein mit reichlichen 
Flocken untermischter Erguss. Die linke Lunge ist, nament- 
lich der untere Lappen derselben, mit einem grüngelben EMßt 
belegt. 

Sowohl der an der Leiche der Th. erhobene Be- 
fund, so wie auch die Beobachtung der von ihr bei Leben 
gezeigten Erscheinungen ergeben mit Sicherheit, dass dieselbe 
kurze Zeit vor ihrer Auhiahme in die Gharite geboren habe. 
Nach den gemachten Erhebungen bleibt ^s zweifelhaft, ob 
die Geburt« wie sie selbst angiebt, am 26., oder wie ihr 
Bruder angiebt, in der Nacht vom 27. zum 28. Statt gefan- 
den habe. Nach dem sehr hohen Fäulnisszustand des Kindes 
würde man geneigt sein, ihre eigene Angabe als die richtige 
zu halten. Das Kind war ein todt geborenes, normal ent- 
wickeltes, etwa im achten Monate befindliches, also lebens- 
fähiges Kind, wie dessen Grösse übereinstimmend mit allen 
übrigen hierher gehörigen Zeichen beweist. Das Kind war 
unverletzt. An dem Mutterkuchen desselben etwas Abnormes 
nicht wahrnehmbar, und wenn einerseits durch das Kind ein 
directer Beweis dafür nicht geliefert wird, dass dasselbe durch 
künstliche und gewaltsame Mittel zu früh geboren, so wurde 
andererseits durch die Untersuchung desselben so wie des 
Mutterkuchens ein Grund zu dessen Absterben eben so wenig 
ermittelt. Es muss aber hierbei bemerkt werden, dass das 
auch keineswegs immer zu erwarten, sondern dass selbst, 
wenn die Gründe des Absterbens auch in der Frucht resp. 
deren Annexen zu suchen sind, doch dieselben keinesweges 
immer durch das anatomische Messer nachgewiesen werden 
können. 

Ob nun im vorliegenden Falle zunächst das Kind ab- 
gestorben und hierdurch der Abortus erzeugt worden sei, oder 
ob, weil die Mutter schwer erkrankte, das Absterl^en des 
Kindes und somit dessen Geburt herbeigeführt worden sei, 
ist mit Sicherheit nicht auszusprechen, weil hierzu genügende 
Tbatsacben nicht vorliegen. Das Wahrscheinlichste aber ist 
das, dass zunächst der Tod des Kindvs den Frostanfall der 



fnr Gebartsliiilfe in Berlin. 347 

Matter hervorgerufen habe, diesem die Fehlgeburt gefolgt ist, 
und deshalb, weil die Obduclion der Mutter einen Gomplex - 
▼on Erscheinungen gezeigt hat, wie er sich nicht selten im 
Verlaufe von Wochenbetten findet, und weil nicht eine anderartige 
Krankheit vorgelegen hat, deren Hereinbrechen über die Mutter 
das Kind in ihr getödtet und zu dessen Ausstossung Ver- 
anlassung gegeben hätte. Die Mutter starb, wie die Obduc- 
tion zeigt, an einer Wochenbettkrankheit, wie sie epidemisch 
oder sporadisch beobachtet wird; an einer Entzündung der 
Qebärroutter und ihrer Anhange mit Uebertritt auf den serösen 
Ueberzug dieser Theile und der benachbarten Därme, einer 
Entziindnng, die einen brandigen, diphtheri tischen Charakter 
hatte, und die ihre Entstehung allgemeinen epidemischen 
Grftnden oder constitutioneller Veranlassung verdankt, und die 
daher keinesweges auch nur auf das Entfernteste den Schluss 
rechtfertigen wurde, dass durch ihr Vorhandensein ein etwaiger 
gewaltsamer Eingriff in den Verlauf der Schwangerschaft ge- 
macht worden sei. Dass aber eine solche Krankheit bei einer 
geistig deprimirten, geängsteten Person, wie die Th. offen- 
bar, nach dem was actenmässig daröber l)ekannt geworden, 
gewesen ist, um so eher entstehen könne, namentlich wenn 
wirklich gewaltsame Eingriffe die Schwangerschaft unter- 
brochen haben und die Geburt des noch nicht ausgetragenen 
Kindes hervorriefen, das ist selbstverständlich und bedarf 
keiner weiteren Ausfuhrung. Ein directer Beweis stattgehabter 
Manipulationen liegt nicht vor, denn Verletzungen an der 
Scheidenschleimhaut oder der Gebärmutter, welche darauf 
zurückgeführt werden könnten, sind nicht gefunden worden. 

Wenn nun hiernach der objective Befund an Rind und 
Mutter, an letzlerer so wenig im Leben als nach dem Tode 
geeignet ist, die der W. zur Last gelegten Handlungen 
zu unterstutzen, und wir mit dieser Ausführung unsere Auf- 
gabe als beendet ansehen konnten, so glauben wir doch un- 
sere Competenz nicht zu überschreiten, wenn wir die Angaben 
der TÄ. mit zwei Worten noch, soweit dieselben in unser Be- 
reich fallen, des Näheren prüfen. 

Die Th, hat, ehe sie die betreffenden Angaben, so- 
wohl ihrem Bruder, als in der Charite machte, yha^U^wV^ 
sie ist jedenfalls van dem Augenblicke, e\ie l)t. MoaiUcojf 



348 XXVII. Verbandlangen der Gesellschaft 

ihre vollständige Klarheit wahrnahm, wiederholentlich gen 
stig nicht vollkommen klar gewesen. £s liegt nun nahe 
anzunehmen, dass das, was dieselbe als wirklich Erleb«- 
tes erzahlt, nichts weiter gewesen seien, als erlebte Fieb^- 
Phantasien, dass, während sie sich vor ihrer Erkrankung mit 
dergleichen Gedanken trug, darüber auch mit anderen Frauen- 
zimmern gesprochen zu haben scheint, sidi diese Gedanken 
in ihren Delirien in Thatsachen verwandelt hatten, die aie 
als wirkliche Erlebnisse bei eintretender Klarheit milgetheiU 
halte, udd von deren Realität sie überzeugt geblieben isl. 
Dieser Annahme indess widersprechen mehrere Umstände. 
Namentlich der, dass die W, in ihrer Vernehmung ao- 
gtebt, dass die Th, ihr gesagt habe, sie habe den schwe- 
ren Gang zu dem betreffenden Arzte geüian, der für ein 
Stuck Geld ihr mit einem Stich oder Riss hülfe. Diese Elr- 
klärung hätte die TL aber vor ihrer Erkrankung zu einer 
Zeit, wo von Delirien noch nicht die Rede war, abgegeben, 
und diese Aussage, sei es nun , dass die W. selbst oder 
ein anderer jener „Arzt'* gewesen, deuten darauf hin, dass 
wirklich etwas mit der Th. vorgegangen ist, oder wenn 
nicht, dass sie durchaus und consequent gelogen Jiat,^ Es 
ist nun weiter zu bedauern und konnte nicht die Aufgabe 
der Chariteärzte sein, dass nicht nähere Details über die 
Ausführung des angeblichen Abtreibungsverfabrens v.ou der 
Th, erhoben worden sind. Hat sie gelegen, oder ge- 
standen, bat die W, eine oder zwei Hände benutzt etc. 
etc. Ist die Methode des Eihautstiches, oder der Abtrennung 
der Eihäute von der Gebärmutter auch für Geburtshelfer kein 
schwieriges Vorfahren, immerhin gehört dazu eine gewisse 
Geschicklichkeit, gewöhnlich die Benutzung beider Hände; es 
ist auch der Eihautstich gewöhnlich von Wasserabgang ge- 
folgt, wobei wieder nicht ausgeschlossen ist, dass auch eine 
blosse und wiederholte Reizung des Gebärmutterhalses durch 
ein in dasselbe eingeführtes Instrument schon an und für 
sich hinreicht, bei einer reizbaren Preson eine Fehlgeburt zu 
erzeugen, ohne dass alsdann sofort nach der Manipulation 
hätte das Wasser abzufliessen brauchen. Ferner höchst auf- 
fallend, weil ich möchte sagen, ganz individuell, ist die 
Aeußs&üDg der TL, dass die W. \\v\d\ Ay^Ucatioii des 



fßr Gebortshiilfe in Berlin. 349 

lostrumcnles durch dasselbe geh lasen habe, weil das in 
gar keinem Zusammenbange mit der 0|>eralion des Eihaut- 
Stiches oder des Ablösens der Eihäute steht, und weil dies 
ein ganz bestimmtes, sonst zu diesem Zwecke gar nicht ge- 
brluchliches , aber recht taugliches Instrument voraussetzt, 
nämlich einen Catheter, wie man ihn zur Entleerung des 
Urioes bei Männera anwendet, eines Instrumentes, welches 
im Uebrigen auf die Beschreibung desjenigen passen wfirde, 
weldtes die W, nach Aussage der Th. angeblich angewen- 
det habe. 

Wie sehr nun die Angaben der Th. durch die her^ 
vorgehobenen Punkte auch an Thatsächlichkeit gewinnen 
mögen, wir können, bei dem Mangel jeden objectiven ße- 
fondes nicht anderes als imser amtseidiiches Gutachten dahin 
abgeben : 

dass zwar die actenmässig erhobenen Thatsachen, so 
wie der Obductionsbefund an Mutter und Kind ein 
stattgefundenes Verfahren, welches eine äussere oder 
gewaltsame Provocation der Geburt zur Folge ge- 
habt hat, namentlich die stattgehabte Anwendung 
des von der Th, beschriebenen, oder eines ähn- 
lichen Instrumentes nicht beweisen, aber auch die 
Möglichkeit von stattgefundenen Manipulationen, 
welche eine Fehlgeburt zur Folge hatten, nicht ans- 
schliessen. 
Hiernach hat eine Anklage nicht ^hoben werden kön- 
nen. Bemerken will ich al^er, dass nach einem Jahre in 
einem ganz heterogenen Process gegen den Baron von K. 
wegen Urkundenfälschung ich in dessen Acten eine aus Rache 
gegen seine Scliwägerin vorgebrachte Dennnciation fand, dass 
diese sich von Frau W. (folgt dieselbe Wohnung) habe eine 
Pracht abtreiben lassen. — 

Herr Liman äbergiebt nach Beendigung des gerichtlichen 
Verfahrens das von ihm in der Sitzung vom 9. Mai 1865 
(& Monatsschrift Band 26, 8. 23) verlesene Gutachten zum 
Druck: 



360 ' XXVII. -yerhaiidliingen der OeBollschaft 

Obductionshericht über einen zweifelhaften 
Kindesmord. 

Am 12. Februar gebar die unverehelichte, 20 Jahre 
alte Atyuste W, in ihrem Zimmer ein Kind weiblichen 
(■eschlechles. Schwangerschaft wie Geburt hatte sie ver- 
heimlicht. Von ihrer Schwangerschaft behauptete sie gleicb- 
mitssig in allen Vernehmungen, nichts gewusst zu haben. Den 
Beisdilaf will sie am 30. Juni mit dem Kutscher des Wagens, 
in weichem sie von Muncheberg nach Berlin fuhr, und zwar 
hl diesem Wagen, vollzogen, und weder vor, noch nachher 
mit einem Manne zu thun gehabt haben. Im Juni will 
sie ihre Regeln das letzte Mal gehabt haben, von da ab 
aber bis zur Niederkunft seien dieselben ausgeblieben. So- 
wohl das Ausbleiben der Regeln, als das Starkerwerden ihres 
Leibes sei ihr wohl aufgefallen, jedoch sei sie sich ilber das 
Vorhandensein einer Schwangerschaft nicht klar geworden. 
Sie habe verschiedenen Personen, namentlich der Wittwe 
Z. , der Dienstmagd Neumann von dem Ausbleiben ihrer 
Regeln gesprochen. Beide bestätigen dies, und giebt die 
Neumann an, dass sie ihr nütgetheilt, .schon ehe sie nach 
Berhn gekommen, schon Ende Mai sei die Regel ausge- 
blieben. Auch an ihre Mutter hat sie deshalb geschrieben, 
welche ihr zur Herstellung der Regeln angeblich Rosenblät- 
terthee geschickt hat. Endlich hat sie sich auch bei dem 
Dr. R. wegen des Ausbleibens ihrer Regel befragt, wel- 
cher ihr den Verdacht äusserte, dass sie schwanger sei; 
und sie aufforderte, sich von einer Hebamme untersuchen 
zu lassen, da sie, wie er aus der starken und harten Wöl- 
bung des Bauches scliloss, und ihr eröffnete, sicherlich ent- 
weder schwanger oder krank sei. Auch der Wittwe Z., bei 
welcher die W, diente, theille R. seinen Verdacht des Zustandes 
ihres Dienstmädchens mit. Indessen unterblieb eine weitere 
Untersuchung durch eine Sachverständige angeblich dess- 
halb, weil die W. hartnäckig eine Schwangerschaft in Ab- 
rede stellte, wie sie das nicht minder ihrer Mutter gegenüber 
und gegen die Neumann ihat, der sie in Bezug auf Dr. R. 
äusserte: „eher mag der eins haben, als ich eins habe.'* 



für OebartBhtilfe in Berlin. 351 

Bei der am 20. Februar c vorgenommenen Localrecberclie 
wurden unter den Sachen der W. üeberrcste von abge- 
kochten Blättern und drei Fläschchen in Beschlag genom- 
men, welche auch den Unterzeichneten zugegangen sind. Da 
aber sov^ohl die Blätter, als auch die in den Fläschchen ent- 
halten gewesenen Substanzen keine Abortivmittel sind, so 
haben dieselben weder auf den Verlauf der Geburt noch auf 
das Absterben des Kindes irgend welchen Einfluss gehabt, 
und stehen mit den von uns zu erörternden Fragen ausser 
Zusammenhang, wesshalb wir dieselben bei Seite lassen. ^) 

Ueber die Geburt selbst und die näheren Umstände vor 
und nach derselben constirt aus den Acten Folgendes: Am 
Abend des 11. Februar c. erkrankte die W. anscheinend, 
sie klagte über Unwohlsein, erbrach sich nach einer ihr 
von der L. gemchten Tasse Thee, legte sich in ihr Bett 
und stöhnte laut, verweigerte jedoch die Herbeirufung eines 
Arztes, welchen holen zu lassen sich die inzwischen nach 
Haus gekommene Wittwe Z. erbot. Am anderen Morgen, 
etwa um 7 Uhr fand sie die L, gut zugedeckt im Bette, und 
gab die Angeschuldigte an, „fürchterlich stark^* ihre Regeln 
zu haben. Nach einiger Zeit (zehn Minuten etwa) rief die W. 
die L. zu sichv Diese fand die Angeschuldigte am Fussende 
ihres Bettes auf der Bettkante sitzend. Sie hatte sich den 
Leib und die Fusse bis zur Erde hinab vollständig mit Tu- 
chern und dergleichen umwickelt, sass in gekrümmter Stel- 
lung und sagte, die Z. möge sich zur Arbeit jemand anneh- 
men, sie wäre zu krank, sie hätte sehr stark ihre Regel. 
Nachdem diese Zeugin nach etwa zwei Stunden wieder zur 
W. hereingegangen und sie zugedeckt im Bette gefunden^ 
verliess sie das Haus. Um etwa halb acht Uhr giebt die 
Z. an, sei sie zu der Angeschuldigten gegangen, habe aber 



1) Die Blätter sind giewöhnliohe TheeblUtter (Thea cbinen- 
Ais). Von den drei Flaschen enthält die eine Reate eine« nicht 
näher sn definirenden, wahrscheinlich Einreibungsmittels, die 
andere Reste einer Spirituosen Substanz, wahrscheinlich Rhum, 
die dritte enthält gar nichts, nnd hat früher anscheinend Eau de 
Cologne enthalten. 



352 XXVII.^ Verhandlnngen der Gesellschaft 

nichts AuffaUiges in der Kammer, an oder vor dem Bette ga^ 
funden. Die Ahgeschuhligte , sagt sie, hahe gestöhnt, wie 
wenn eine Wöchnerin die Wehen hahe, und geäussert, das« 
ihr besser werden würde , wenn sie nur auf den Abtritt gehen 
könne, weshalb sie sich veranlasst gesehen habe, zur Wickel- 
frau T, und dem Dr. R. zu schicken. Zwischen dieser Zeil 
und der Ankunft des letzteren, etwa 1 Uhr (die Zeitangaben 
der einzelnen Zeugen differiren) ging die Z. verschiedene 
Male durch die Kammer dei* W., und bemerkte vor dem 
Bette der Angeschuldigten einen Blutfleck. Auch Dr. B. 
benierkte bei seiner später erfolgten Ankunft vor und unter 
der Bettstelle grosse, oflenbar frisch aufgewischte BlutsteJlen 
auf dem Fussboden, mit noch darauf liegenden Wisch- und 
Scheuerlappen, und auch das Bettzeug, war äusserlich blut- 
befleckt. 

Die linke Hand der Angeschuldigten war ebenfalls mit 
Blut besudelt, angeblich durch das Aufwischen des verlorenen 
Blutes. R. constatirte sodann, dass die W. kurzlich ge- 
boren habe, und fand noch den Nabeischnurrest und die an- 
scheinend noch der Gebärmutterwandung anhaftende Nacli- 
geburt. Auf seine Fragen, wo sie das Kind gelassen, schwieg 
die Angeschuldigte, ihn gross anglotzend, und konnte er keine 
Auskunft darüber von ihr erhalten. Der Schutzmann Hüde- 
bi*andt und die Frau T, bewogen indess die H^., den Ver- 
bleib des Kindes anzugeben, und fanden dasselbe unter ihrem 
Unterbette am Kopfende des Bettes. Es lag daselbst auf der 
Seite der Länge nach im Bette, so dass nach der Meinung 
der Zeugin die W. hei ihrer früheren Lage im Bette unbe- 
dingt theilweise auf demselben gelegen haben musste» Auch 
sie bemerkte vor der Bettstelle auf dem Fussboden eine 
,, ziemliche Blutlache", die bereits theilweise aufgenommen 
war. Am Fussende des Bettes bemerkte sie einen Eimer, 
in welchem auch Spuren von Blut sich befanden. Sic ent- 
fernte die Nachgehurt und nahm wahr, dass die W. mit 
zwei Unterröcken, und so viel sie sich erinnert, auch mit 
Strümpfen bekleidet war. 

Die Angeschuldigte nun äussert sich in ihrer Verneh- 

mung vom 14. Fohruar c. in Bezug auf den Geburts- 

hergnng dahin, dass sie ge'^^e.w UaW^ äc\\V. VWw den Versuch 



für Qebartshülfe in Berlin. 353 

gemacht habe, sich anzuziehen, um ihren Geschäften nach- 
zugehen. Obwohl sie schon die ganze Nacht hindurch Schmer- 
zen gehabt habe, und auch jetzt noch hatte, sei sie aufge- 
standen, habe zwei Unterröcke, welche auf dem neben dem 
Bette stehenden Kasten lagen, angezogen, und während sie 
im Begriff gewesen, die Strümpfe anzuziehen, welche eben- 
falls auf jenem Kasten gelegen, und sich gebückt habe, sei 
sie stehend, indem sie den rechten Fuss gehoben, um in 
den Strumpf hineinzufahren, von der Geburt überrascht wor- 
den. Sie habe einen förmlichen Ruck im Leibe gefühlt, und 
dass ihr etwas abgegangen und zu Boden gefallen sei. Sie 
sei fast besinnungslos rücklings auf das Belt gefallen. Gleich 
darauf wieder zu sich gekommen, habe sie bemerkt, dass sie 
wirklich ein Kind weiblichen Geschlechtes geboren habe. 
Dasselbe habe auf dem Boden des Zimmers gelegen und 
zwar auf dem Leibe, die Brust etwas zur Seite gebogen. 
Sie habe das Kind gleich unter die Decken des Bettes, wo 
es gefunden worden ist, gelegt. Die Nabelschnur müsse von 
selbst zerrissen sein. Die Geburt des Kindes sei so plötzlich 
erfolgt, dass sie das Zubodenfallen des Kindes nicht habe mit 
iliren Händen verhindern können. Sich bewegt oder ge- 
schrieen habe dasselbe nicht, sie habe dasselbe für todt ge- 
balten, das Kind sei kalt gewesen. Nach ^48 Uhr sei ihre 
Madame in die Kammer gekommen und sei sofort auf den 
Tor iin^em Bette befnidlichcn BlutÜeck aufmerksam geworden, 
und habe, weil ihr die Sache nicht richtig vorgekommen, 
zur Wickelfrau geschickt. An dem Tode des Kindes sei sie 
uichl schuld. 

Hit diesen Angaben nur wenig in Widerspruch stehen 
die gegen verschiedene Zeugen Seitens der Angeschuldigten 
gemachten Angaben. Dem Geh.-Rath N., welcher sie am 
Nachmittag des 12. amtlich besuchte, äusserte sie zwar eben- 
falls von der Niederkunft überrascht worden zu sein, giebt 
jedoch die Zeit dieses Ereignisses als um 10 Uhr Morgens 
an. Die Nabelschnur habe sie, wie sie hier aussagt, durch- 
gerissen. Auch der Wickelfrau gab sie am Tage der Entbin- 
dung an, um 10 Uhr, „als es zur Kirche läutete", entbunden 
ZQ sein» das Kind sei mit einem Ruck abgegangen. Dem Po- 

*«on»t8«chr. f. Geburtsk. 1866. Bd. XXVII., Hft. 6. 23 



354 XXVII. Verbandlungen der Gesellschaft 

lizeilieuteiiant H, „schwebt vor'S (la^s die W. gegen ihn geäus- 
sert , dass sie im Bette geboren habe. 

Was das neugeborene Kind betrifft, so fand die Wickel- 
frau dasselbe bereits todt. Als sie es wusch, bemerkte 
sie „auf der Höhe des Kopfes eine blaurothe, 4 Groschen 
grosse Stelle. Auch Dr. N. hat diese über der grossen Fon- 
tanelle befindliche sugillirle Stelle bemerkt, und erwähnt aus- 
serdem, dass „eine Kopfgeschwulst nicht Vesenüich mar- 
kirt war". 

Bei der am 14. Februar verrichteten Obduction des Kin- 
desleichnams ergab sich an für die Beurtheilung wesentlichen 
Punkten : 

1. Die weibliche, 19 Zoll lange, 6^/4 Pfd. schwere Kin- 
desleiclie hat die gewöhnliche Leichenfarbe. 

2. Todtenflecke, als solche durch Einschnitte erkannt, fmden 
sich zahlreich im Gesicht, auf dem Hais und Rücken vor. 

3. Der Kopf ist mit V^ Zoll langen, braunen Haaren be- 

deckt. 

4. Sein Querdurchmesser beträgt 37« Zoll, sein gerader 
4, sein diagonaler 4% Zoll. 

5. Die grosse Fontanelle beträgt 1 Zoll. 

6. In den blauen Augen ist die Pupille geöffnet. 

7. Nasen- und Ohrenknorpel sind fest. 

8. Der Schulterdurchmesser beträgt 4^/4 Zoll, der Hüften- 
durchmesser 3 Zoll. 

9. Die Nägel an den Fingern, überragen die Spitzen der- 
selben. 

10. Die Länge des Nabelschnurrestes beträgt 9 Zoll, der- 

selbe ist nicht unterbunden, hat ungleiche aber ziemlich 
scharfe Ränder. 

11. Die grossen Schamlefzen bedecken zum grössten Theile 
die kleinen. 

12. Der Knochenkern im Oberschenkel knorpel beträgt gegen 
drei Linien. 

14. Auf der Höhe des Kopfes, gerade über der grossen 

Fontanelle, befindet sich eine viergroschenslückgrosse, 

geröthete, zum Theil excoriirte (geschundene) Stelle, 

diese letztere ist hart zu schneiden und blutunter- 

laüfen. 



für Gebartshülfe in Berlin. 355 

16. Die Zunge liegt niclit geschwollen zwischen den Kiefern. 

17. Das Zwerchfell steht zwischen 4. und 5. Rippe. 

18. Der Ueherzug der Därme, der Gehärmulter und Eier- 

stocke ist durch Gefassausspritzungen rothlich gefärhl. 

21. Die Lei)er ist sehr blutreich, dunkelblau gefärbt, übri- 

gens normal. 

22. Auch die Milz ist recht blutreich. 

23. Die Niereit normal, aber sehr blutreich. 

24. Die Gebärmutter giebt nichts weiter zu bemerken, als 

strotzende Anfullung der Venen. 

26. Die Hohlador enthält massig viel dunkelflüssiges Blut. 

27. Die Lungen füllen die Brusthöhle, namentlich die rechte, 

zum Theil aus und erreichen beide den Herzbeutel. 

28. Die Brust- und Halsadern sind stark mit Blut gefüllt. 

29. Nach vorschriftsmässiger Unterbindung der Luftröhre 

werden die Lungen mit sammt dem Herzen aus der 
Brusthöhle entfernt. Dieselben haben ein zinnober- 
rothes Ansehen und befinden sich zwischendurch auf 
jedem Lappen mehrfach blau-violette Marmorirungen. 

30. Dieselben fühlen sich schwamnjig an und sind recht 

voluminös. Mit dem Herzen auf Wasser gelegt, schwim- 
men sie. 

31. Die Vorhöfe des Herzens sind strotzend mit Blut gefüllt. 

32. Auch ohne das Herz schwimmen die Lungen. 

33. Einschnitte in die Substanz sämmtlicher Lappen erge- 

ben knisterndes Geräusch, reichlichen blutigen Schaum, 
und lassen unter Wasser gedrückt zahlreiche Perl- 
hläschen aufsteigen. 

34. Jeder Lappen jeder Lunge schwimmt. 

35. Von 25 Stücken, in welche die linke Lunge zerschnitten 

worden, schwimmt ein jedes. 

36. Desgleichen von 30 Stücken ein jedes, in welche die 

rechte Lunge zerschnitten worden. 

37. In der Luftröhre beündet sich einiger Schaum, und ist 

die Schleimhaut leicht geröthet. 

38. Auf dem Kehldeckel und in seiner Umgebung in der 

Rachenhöhle liegt etwas flüssiges Blut. Zur rechten 
Seite des Kehldeckels an seiner äusseren Seite fmdet 
sich eine Ymsengrosse Blutaustretung. 



356 XXVII. Verhandlnngen der Gesellschaft 

39. Auf der rechten Seite der Zunge beflndet sich eine 

längliche Blutunterlaufung. 

40. Nach Zuruckschlagung der^ weichen Bedeckungen des 

Schädels zeigen sich diese im Umfange der sub 14. 
beschriebenen Hautabschürfung blutunterlaufen, und 
tritt aus einer schon jetzt im Knochen bemerkbaren 
Oeflhung, welche mit der grossen Fontanelle in Ver- 
bindung steht, und welche, durch in das Zellgewel)e 
ausgetretenes Blut vollständig belegt ist, eine Quan- 
tität Gehirnmasse aus. 

41. Nach Hinwegnahme der Schädeldecke zeigt sich, dass 

diese Oeffnung im Knochen im Stirnbeine belegen ist, 
und zwar in dem linken, dass dieselbe eine längliche, 
und 2war 1" lange, von oben und innen nach unten 
und aussen gehende ist. 

42. Während die Knochenhaut abgelöst wird zur besseren 

Besichtigung der Verletzung, zeigt sich, dass auch 
unter sie stellenweise Blut ergossen ist. 

43. Es zeigt sich nunmehr , dass die beregte Verletzung 

eine den ganzen Knochen bis nach unten hin tren- 
nende ist, dass ferner die Ränder derselben fein zackig 
sind, dass ferner dieselben in Grösse eraes Zolles un- 
gefähr klaffen, und dass die Knochen an dieser Stelle 
papierdünn sind. 

44. Auch der Stirnknochen an der entgegengesetzten Seite 

ist an dieser (entsprechenden) Stelle papierdünn und 
zum Theil auch hier noch gar keine Knochensubstanz 
gebildet. 

45. Unter der harten Hirnhaut befindet sich an der ver- 

letzten Stelle ein Blutextravasat. 

46. Nach Hinwegnahme der harten Schädeldecken zeigt sich 

in der linken Hirnhalbkugel eine etwa groschengrosse 
Vertiefung, die mit Blut gefüllt ist, nach dessen Hin- 
wegnahme die Hiinsubstaiiz sich hier verletzt^ und 
durch kleine stecknadelkopfgrosse Blutexti*avasate ge- 
röthet zeigt. 

47. Auch in der Substanz der linken Hirnhalbkugel, gerade 

unterhalb des Substanzvcrlustes findet sich eine linsen- 
grosse BJutauslretung. 



für Gebortsbülfe in Berlin. 357 

48. Die Aderngeflechje sind recht blutreich. 

49. Die weiche Hirnhaut ist lebhaft gerothet, in den mitt- 

leren Schädelgruben befindet sich etwas flussiges 
Blut. 

50. Die Substanz des iileinen Gehirnes, der Brücke und 

des verlungerten Markes sind nurmal. 
62. Die Blutleiter an der Schädelgrundfläche entlialten massig 
viel Blut. 



Was zunächst das Alter des Kindes betriflt, so war, 
sowohl nach der Längendimension, als nach dem übrigen 
Zustande seiner Entwickelang zu urtheilen, dasselbe ein der 
Reife nahes. Es mass 19 Zoll, die Durchmesser betrugen 
resp. SVa, 4 und 4^/4 Zoll, d. h. etwa V4 Zoll weniger, als 
sie bei ganz reifen Kindern zu betragen pflegen, und um 
noch eines der wichtigsten Zeichen hervorzuheben, der Kno- 
chenkern im unteren Knorpelende des Oberschenkels mass 
gegen drei Linien. Nach den bisherigen Beobachtungen bildet 
sich dieser Knochenkern überhaupt erst mit Beginn des 
neunten (Soimen-) Monates der Schwangerschaft (der 36. 
Woche), und ist Anfangs Stecknadelkopf bis Stuhenfliegen- 
kopf gross, während er im Laufe dieses Monates bis zu 
zwei Linien sich vergrössert. Das Kind hat sich somit im 
neunten Monate der Schwangerschaft befunden, als es ge- 
boren wurde, und ist nicht die Frucht eines am 30. Juni 
pr. vollzogenen Beischlafes gewesen, wie die Angeschuldigte 
behauptet, sondern muss früher, und zwar in, der zweiten 
Hälfte des Mai, spätestens Anfangs Juni gezeugt worden sein. 
Hiermit übereinstimmend ist die gegen die Neumann ge- 
Uiane Aeusserung der W.^ dass bereits seit Ende Mai ihre 
Regel ausgebhebcn sei. Uebrigens aber würde, auch wenn 
wii*klich feststände, dass erst im Juli die Hegeln der W. 
ausgebheben seien, dies nicht gegen eine schon damals bestan- 
dene Schwangerschaft sprechen, weil gar nicht so selten in 
den ersten Monaten der Schwangerschaft die Regeln noch 
wiederkehren. 

Das Kind hat ferner nach der Geburt gelebt, denn es 
bat geathmet. Kein einziges derjenigen Zeidieu^ v(^^<^ V 



358 XXVri. Verhandlnngen der Gesellschaft 

Lungen, welche Luft geathmet haben, «wahrgenommen werden, 
fehlte in diesem Falle. Sie füllten die Brusthöhle zum Theil 
aus, erreichten beide den Herzbeutel, halten eine zinnober- 
rothe mit blau -violetten Marmorirungen durchsetzte Farbe, 
fühlten sich schwammig an, waren voluminös, schwammen 
mit dem Herzen auf Wasser gelegt, und ebenso ohne das 
Herz, Einschnitte in ihre Substanz ergaben liberal! knistern- 
des Geräusch, blutigen Schaum, und liessen, unter Wasser 
gedrückt, zahlreiche Perlblaschen aufsteigen. Auch jeder 
einzelne Lappen jeder Lunge schwamm, so wie jedes einzelne 
der 55 Stückchen, in welche die Lungen zerschnitten wurden. 
Hiermit ist auf das Unzweideutigste das stattgehabte Athmen, 
folglich auch das Gelebthaben des Kindes bewiesen. 

Woran nun ist es gestorben? Wenn wir den Leichen- 
befund aufmerksam betrachten, so kann es. uns nicht ent- 
gehen, dass hier zwei Gruppen von Erscheinungen vorhanden 
sind, einmal die Schädelverletzungen und was damit zusam- 
menhängt, sodann aber entschiedene Zeichen der Ei*stickung. 
In ersterer Beziehung fand sich auf der Höhe des Kopfes 
Ober der grossen Fontanelle eine viergroschenstuckgrosse, 
geröthete, zum Theil excoriirte Stelle, die hart zu schneiden 
und blutunterlaufen war. Nach Ilinwegnahme der weichen 
Bedeckungen zeigte sich in dem linken Stirnbeine eine etwa 
zolllange, klaffende Oeffnung, welche mit der grossen Fon- 
tanelle in Verbindung stand, und welche durch ausgetretenes 
Blut und hervorgequollene Gehirnmasse verlegt war. Von 
dieser Oeff*nung nach abwärts verlief ein feinzackiger Knochen- 
riss durch die ganze Länge des Stirnbeins nach unten hin, und 
war der Knochen ebenso wie der der anderen Seite nicht nur 
papierdünn, sondern es war, an der Stelle der Oeflnung, noch 
gar keine Knochensuhstanz gebildet, vielmehr der Knochen 
hier, wie auch an der entsprechenden anderen Seite, noch 
häutig. An der verletzten Stelle fand sich im Gehirne selbst 
eine groschengrosse, mit Blut ausgefüllte Vertiefung, nach 
dessen Hinwegnahme die Hirnsubstanz sich durch kleine steck- 
nadelkopfgrosse Blutextravasate geröthet zeigte, und auch 
unterhalb dieses Substanzvcrlusles fand sich in der Gehim- 
substanz noch eine linsengrosse ßlutaustretung. Diese Ver- 
JetEtwgen waren bei Leben des Kiwdes erzeugt, das beweist 



fßr Gebartohülfe in Berlin. 350 

das ergossene Blut, sowohl uoter der Kopfschwarle, als im 
Gehirne selbst ; möglich ist, dass der Austritt von Gehirnmasse 
durch die in dem Schädelknochen befindliche OefTnung erst 
durch dr^ Manipulationen des Kindes .nach dessen Tode, dem 
Transport etc. erzeugt ist, denn die Gehirnsubstanz Neuge- 
borener ist an sich weich und wird noch weicher schon in 
den ersten Tagen nach dem Tode. Diese geschilderten Kopf- 
verletzungen reichten nun nicht allein vollkommen aus, den 
Tod des Kindes herbeizuführen, sondern sie waren auch der 
Art, dass sie den unabwendbaren Tod desselben zur Folge 
haben mussten. 

Dennoch aber haben sje den Tod desselben nicht herbei- 
geführt. 

Schon oben sagten wir, dass sehr ausgesprochene Er- 
scheinungen von Erstickung vorgefunden worden sind. In 
der Luftröhre ; deren Schleimhaut leicht geröthet war, be- 
fand sich einiger Schaum; zur rechten Seite des Kehl- 
deckels an seiner äusseren Seite fand sich eine ünsen- 
grosse Blutaustretung, desgleichen eine längliche Blutunter- 
laufung rechterseits im Fleische der Zunge, die recht volu- 
minösen Lungen enthielten reichlichen blutigen Schaum. Die 
Brust- und Halsadern waren stark mit Blut gefüllt, desglei- 
chen die Vorhöfe des Herzens strotzend mit Blut gefüllt. 
Hierzu kommt eine auffallende Anfullung der«Unterlcibseinge- 
weide mit Blut. Der Ueberzug der Därme, der Gebärmutter 
und Eierstöcke ist durch Gefässausspritzungen röthlicb geiai'bt, 
Leber^^Milz, Nieren sind sehr blutreich, die Venen der Ge- 
bärmutter sind strotzend gefüllt. Diese Zeichen constituiren 
den Tod durch Erstickung. War nun, wie oben gezeigt, die 
SQhädelverletzung bei Leben des Kindes entstanden, so musste 
dieselbe, und sei es auch nur kurze Zeit, der Erstickung vor- 
aufgegangen sein, da dem erstickten, d. h. todten Kinde, sie 
ja nicht zugefügt sein konnten. 

Dem gegenüber könnte geltend gemacht vverden, dass 
dennoch die Schädelverletzung die Todesursache gewesen, 
und dass die ErstickungS45rscheinungen eben nur eine Theil- 
erscbeinung der Kopfverletzung ausmachten, indem gar nicht 
selten bei an Gehirnblutungen sterbenden Menschen gleich- 
seitig ErstickungserscheJnungen vorgefunden wer&ew, \^d\!Gk%\. 
darch die Lähmung des Gehirns und damit Äer k\XvKv\3LXi%v 



360 XXVII. Verhandlnng^en der Gesellschaft 

Organe. Es isl vollkommen richtig, dass in solchen Fällen 
gar nicht selten der letzte Act des Sterhens ein Ersticken ist^ 
und dass auch an der Leiche die Resultate solcher Agonie 
aufgefunden werden, aher abgesehen von den sehr hochgra- 
digen Blutanhäufungen in Brust- und Bauchorganen, die in 
solchen Fallen nicht gefunden zu werden pflegen, wurde eine 
solche Deutung nicht die Blutaustretung am Kehldeckel^ so 
wie auch nicht die in der Zunge zu erklären vermögen. Die 
hier vorgefundenen Zeichen der Erstickung setzen bei weitem 
eher einen behinderten Zutritt der Luft voraus, als ein pas- 
sives Erlöschen der Herz- und Lungcnthätigkeit , bedingt 
durch Lahmung des Gehirnes. 

Wir gelangen somit zu dem Schlüsse, dass das am Kopfe 
bereits tödtlich verletzte Kind den Tod durch Erstickung ge- 
storben ist. 

Wir mussten diese Vorfrage um so grundlicher erörtern, 
je schwieriger die Frage zu entscheiden ist, wodurch der 
Tod des Kindes veranlasst worden sei. 

Die Kopfverletzungen,' das wird ohne Weiteres zugege- 
ben werden müssen, verdanken ihre Entstehung der Einwir- 
kung einer stumpfen Gewalt, welche den Schädel des Kindes 
getroffen hat. Die Angeschuldigte -behauptet, dass sie von 
der Geburt überrascht worden sei, da^s, während sie den 
Versuch gemacht habe, sich anzukleiden, sich die Strümpfe 
anzuziehen , ihr stehend , während sie den rechten Fuss ge- 
hoben, um in den Strumpf hineinzufahren, das Kind mit einem 
Ruck abgegangen und auf die Erde gefallen sei. Die Er- 
fahrung lehrt, dass Kreissende selbst in aufrechter Stellung 
von dem letzten Acte der Geburl überrascht werden können, 
dass dabei das Kind aus ihren Geschlechtstheilen hervorstürzen 
und sich dabei am Kopfe tödtlich verletzen kann, und dass ferner 
auch Erstgebärende präcipitirt gebären können, dass ein/ Kin- 
dessturz also auch bei Erstgebärenden vorkommen könne. 

Wir haben demnach die Behauptungen der Angeschul- 
digten gegenüber dem objectiven Befunde und den actenmäs- 
sigen Thatsachen zu prüfen. Dass ein Sturz des Kindes auf 
die Dielen des Fussbodens aus der Höhe der GescUechts- 
heile eine geeignete Gewalt war, die noch nicht einmal ver- 
Anöcherlcn Knochen der linken Kopfseite zu zerreissen und 



für Oebnrtshülfe in Berlin. 361 

eine Gehirnblutung zu erzeugen, inuss zugegeben werden, da 
Fälle vorliegen, wo durch Kindessturz die vollständig ossi- 
ticirten Knochen gerissen sind. Es kommt hinzu, dass eine 
runde excoriirte Stelle auf den Weichtlieilen des Schädels in 
Grösse eines Viergrosclienstuckes gefunden worden ist, welche 
sehr fuglich durch einen derartigen Sturz auf den Boden ihre 
Erklärung findet; endlich fand sich der Schädel des Kindes 
eben nur an dieser Stelle und nirgend anders verletzt, und 
war auch an keiner anderen Stelle der Weichtheile eine Ex- 
coriation sichtbar; ein Umstand, der darauf hindeutet, dass 
eben nur an der genannten einen Stelle eine äussere 
Gewalt eingewirkt hatte. Hierzu kommt, dass die Kopf- 
durchmesser des Kindes relativ klein gewesen sind, dass 
femer eine Kopfgeschwulst bei dem Kinde weder bei der 
Obduction, noch bald nach der Geburt durch Dr. N. 
wahrgenommen worden ist, ein Beweis, dass dasselbe nur 
sehr kurze Zeit in der Geburt gestanden haben kann, weil 
sonst eine Kopfgeschwulst sich hätte bilden müssen. Sodann 
aber wurden ferner vor dem Bette der Angeschuldigten 
Blutflecken gefunden, welche Dr. R, als „gross'*, die T. 
als „ziemliche Blutlache** bezeichnet, und welche daher 
nicht als blosse Bhitspuren zu erachten sind, sondern 
darauf deuten, dass hier vor dem Bette eine stärkere Blutung 
der Angeschuldigten, wie sie bei einer Entbindung vorkommt, 
Statt gefunden habe. Ob bei der Entbindung die Nabelschnur 
zerrissen, oder von der Angeschuldigten erst nachträglich ge- 
trennt worden sei, steht nicht fest, und kann dieser Umstand 
nicht gegen die Annahme eines Kindossturzes geltend ge- 
macht werden, weil derselbe mit oder ohne Zerreissung der 
Nabelschnur beobachtet worden ist. Die Befunde der Ob- 
duction zeigen an, dass die Nabelschnur ilberhaupt zerrissen 
ist, ob aber die Aussage der Angeschuldigten, dass sie bei 
der Geburt zerrissen, oder die, dass sie selbst sie erst nach- 
her zerrissen habe, die richtige ist, sind wir ausser Stande 
zu entscheiden, da kein Beweis für oder gegen die eine oder 
die andere Aussage vorliegt, und die Blutbesudelung ihrer 
linken Hand selbstredend gar nichts beweist, und z.B. durch 
das Aufwischen des vor dem Bette hefmdlichen Blutes ent- 
standen sein konnte, da diose Flecke autgeNv\wiVvV. N^tv R* 



362 XXVII. Verhandlnngfen der Gesellschaft 

gefunden worden sind. Endlich aber siebt fest, dass die 
Angeschuldigte Versuche gemacht, aufzustehen, und dass sie 
von der T. mit Rucken, und so viel sie sich erinnert, mit 
Strumpfen beMeidet im Bette gefunden worden ist Zu bemer- 
ken ist nur, dass die Zeitangaben sowolil der Angeschuldigten 
selbst als der Zeugen differiren, so dass nach den Ermitte- 
lungen nicht mit Sicherheit festzustellen, ob die Entbindung 
vor oder nach dem ersten Erscheinen der Z. im Zimmer d^r 
Angeschuldigten Statt gefunden habe. Die sehr charakteristische 
Aassage der Z., dass die W. gestöhnt habe, wie eine Wöch- 
nerin, welche Wehen habe, und geäussert, dass iiir besser 
werden wurde, wenn sie nur auf den Abtritt gehen könne, 
lässt darauf schliessen, dass zu dieser Zeit die Entbindung nahe, 
aber noch nicht vor sich gegangen war, auch hat die Z. damals 
noch kein Blut vor dem Bette bemerkt, sondern erst später 
bei wiederholter Rückkehr in die Stube der Angeschuldigten. 
Wenn mm selbstredend diese an dem Kinde vorgefundenen 
Schadelverletzungen auch einer anderen stumpfen, auf den 
Schädel des Kindes eingewirkt habenden Gewalt ihren Ur- 
sprung verdanken können, und ein absichtlicher Stoss oder 
Schlag mit einem oder gegen ein stumpfes Werkzeug nicht 
ausgeschlossen ist, so widersprechen doch die erhobenen 
Thatsachen nicht den Angaben der Angeschuldigten. 

Wenn nun aber auch die tödtlicben Kopfverletzungen einem 
Sturze des Kindes auf den Boden ihre Entstehung verdanken, 
so erklären diese, und somit auch der Sturz, nicht die vor- 
gefundenen Erstickungserscheinungen, namentlich nicht die 
Blutaustretung neben dem Kehldeckel. Wir haben schon oben 
ausgeführt, dass, und warum dieselben nicht als eine Theil- 
erscheinung der Schädelverletzungen aufzufassen sind, und 
es erübrigt noch zu erörtern, auf welche Weise die Er- 
stickung des Kindes herbeigeführt * worden ist. Das Kind 
wurde unter dem Unterbette der Mutter gefunden, und 
zwar lag es, nachdem der Schutzmann JET. es seinem Auf- 
trage gemäss hatte liegen lassen, wo es sich befand, nach 
Angabe der T. am Kopfende des Bettes auf der Seite, 
der Länge nach im Bette. Es ist nun einleuchtend, dass, 
wenn das bereits tödllich verletzte Kind unter Betten gelegt 
wurde, demselben das Athmen erschwert, resp. unmögHcb 



für Oeburtshülfe in Berlin. 

wurde, und dass es hier sehr bald ersticken miisste. üie 
Angeschuldigte liehauplel zwar, dass sie, nach kurzer Be- 
sinnungslosigkeit, welche der Entbindung gefolgt sei, nach- 
dem sie wieder zu sich gekommen, das Kind auf dem Boden 
liegend, und zwar todt vorgefunden habe, weil es sich nicht 
bewegt und nicht geschrieen habe, und dass es kalt gewesen 
sei. Die beiden ersteren Behauptungen zugegeben, so muss 
es entschieden in Abrede gestellt werden, dass nach so kurzer 
Zeit, wie hier nur zwischen Entbindung und Beseitigung des 
Kindes gelegen haben kann, dasselbe bereits erkaltet gewesen 
sein soll. Das Nichtschreien und Nichtbewegen aber würde 
das Athmen des Kindes nicht ausgeschlossen haben. Es 
ßnde somit die Erstickung des Kindes in dem Unterlegen 
unter das Unterbette, auf welchem die Mutter selbst gelagert 
war, seine vollständige Erklärung. 

Diesen Ausführungen gegenüber können nun nach Lage 
der Acten noch zwei Anschauungen über die Entstehung des 
Todes des Kindes geltend gemacht werden. 

Man könnte behaupten, dass es nicht nöthig wäre, die 
Entstehung der Kopfverletzungen von der der Erstickung- zu 
trennen, dass vielmehr beide uno actu und demselben EingrilTe 
ihre Entstehung verdankten, und zwar dadurch, dass die Mutter 
das lebende und am Kopfe bis dahin unverletzte Kind unter 
das Unterbette gelegt habe, und dass sie <lurch Lagerung auf 
demselben nicht nur dasselbe erstickt habe, sondern auch 
den Kopf desselben zerdrückt habe. Dies wäre möglich, in- 
dess wird alsdann nicht erklärt die viergroschengrosse Haut- 
abschürfung auf der Iföhe des Schädels, es sei denn, dass 
diese wieder durch Sloss gegen das Ende des Bettes entstan- 
den gedacht. würde. Oder man könnte behaupten: dass die 
Mütter, nachdem sie das Kind vor oder in dem Bette ge- 
boren, dasselbe um den Hals ergriffen, und gegen einen harten 
Körper mit dem Kopfe geslossen habe. Aber auch diese 
Annahme entbehrt der Wahrscheinlichkeit. Wenn man er- 
wagt, in welcher Hast die Angeschuldigte diese That aus- 
zuführen g(»zwungen gewesen wäre, da in jedem Augenblicke 
sie überrascht werden konnte, dass sie also, wenn sie in 
dieser Weise gegen das Leben des Kindes vorgehen ^N<iVVVft^ 



364 XXVII. Verhandlnn^en der Gesellschaft 

auch genuthigt war, energisch und fest zuzugreifen, so stimnil 
damit nicht der Befund an der Leiche, welcher die Ab- 
wesenheit jeder Spur eines Angriffes an den Hals des Kindes 
darthut, denn weder Nägel kratz wu ndcn , noch Abschindungen* 
durch Fingereindrficke , noch Sugillationen oder dgl. wurden 
äusserlich am Halse gefunden, so wenig als am Schädel an- 
dere als die beschriebenen Verletzungen vorgefunden wurden. 
Die Erfahrung aber lehrt, dass, wo absichtliche Tödiungen 
Neugeborener unternommen werden, die Matter gewöhnlich 
mit grosser Gewaltthätigkeit zu Werke gehen, eine Thatsache, 
welche in der Gemüthsstimimmg der unehelich und heimiicli 
Gebärenden und in dem Bestreben , mit Sicherheit ihr Ziel 
zu erreichen, ihre Erklärung fmdet. Hat unter solchen Um- 
ständen sich die Gewaltthätigkeit gegen den Kopf des Kindes 
gerichtet, so fmdet man gewöhnlich Zerschmetterungen meh- 
rerer und verschiedener Kopfknochen neben Spuren anderwei- 
tiger gewaltthätiger Angriffe am Körper des Kindes. 

Es erübrigt noch die Erledigung der Frage, ob anzu- 
nehmen, dass die Angeschuldigte ihres schwangeren Zustan- 
des bis an das Ende desselben, ja noch, als sie sich am 
Abende des 11. Februar anscheinend unwohl in das Bette 
legte, unbewusst geblieben sei. Wenn schon bei einem zwanzig- 
jährigen Mädchen, welclie sich bewusst sein musste, zu einer 
Schwängerung Veranlassung gegeben zu haben, nicht anzu- 
nehmen ist, dass sie ihrer Schwangerschaft unbewusst ge- 
wesen sei, so ist dies bei der Angeschuldigten um so weniger an- 
zunehmen , als sie von dem Dr. R. auf das wahrscheinliche 
Vorhandensein einer Schwangerschaft aufmerksam gemacht wor- 
den ist, vielmehr ist anzunehmen, dass, wenn die Angeschul- 
digte gegen die an und in ihrem Körper vorgehenden 
Veränderungen hiernach noch blind gewesen ist, sie sich^ler 
Wahrnehmung derselben habe verschliessen wollen. 

Nach obigen Ausfährungen geben wir unter der amts- 
eidlichen Versicherung, dass wir dasselbe nach bestem Wissen 
und Gewissen abgefasst haben, unser Gutachten dahin ab: 
1. dass das Kind der W, ein der Reife nahes min- 
destens 36 Wochen altes und lebensfähiges ge- 
wesen ist. 



f8r Gebnrtshülfe in Berlin. 3g5 

2. Dass dasselbe nach der Geburt gealhmet und ge- 

lebt hat. 

3. Dass dasselbe an Erstickung seinen Tod gefunden. 

4. Dass die vorgefundenen Kopfverletzungen als solche 

zu erachten, welche den Tod unabwendbar zur Folge 
haben mussten. 
b. Dass dieselben einer stumpfen Gewalt, welche auf 
den Kopf des Kindes gewirkt, ihre Entstehung ver- 
dankten. 

6. Dass ein Sturz des Kindes als eine ^ur Hervorbrhi- 

gung solcher Verletzung geeignete Gewalt zu er- 
achten, und dass die Angabe der Angeschuldigten, 
dass ein solcher Kinde.ssturz Statt gefunden, durch 
die Resultate der Obduction und die actenmässigen 
Thatsachen nicht widerlegt wird. 

7. Dass ein Sturz des Kindes indess nicht die vorgefun- 

denen Erstick ungserscheiimngen erklärt 

8. Dass diese sehr füglich durch das Unterschieben des 

Kindes unter das Unterbett, woselbst es gefunden 
worden, erklärt werden. 

9. Dass somit anzunehmen, dass durcli letzteres das be- 

reits tödtlich verletzte Kind seineu Tod gefunden 
habe. 
10. Dass nicht anzunehmen, dass die W, ihres schwange- 
ren Zustandes bis an das Ende der Schwangerschaft 
unbewusst gewesen sei. 



Im Audienztermine fQhrte icii da$ obige Gutachten aus, 
welchem mein verehrter College Skrzeczka im Ganzen bei- 
treten zu können erklärte, namentlich auch darin, dass die 
Erstickung nicht als eine Theilerscheinung der Kopfverletzung 
anzusehen sei, aber nicht könne er der üestinmitheit bei- 
pflichten, mit welcher ich erkläre, dass das Kind den Tod 
durch Erstickung gestorben sei, da es sich nicht entscheiden 
lasse, ob das Kind erstickt, oder ob es an der Kopfver- 
letzung gestorben sei; ferner dass eben so möglich als der 
Sturz des Kindes es sei, dass die W. im Bette das KvEid 
unverletzt geboren, dasselbe unter das l]nler\)eUe %Ävi%\. ww"^ 



866 XXVII. Verhandluneren der Gesellschaft 

hier, dadurch, dass sie auf demselben gelegen, die Kopfver- 
letzung gleichzeitig mit der Erstickung hervorgerufen habi». 
Es sei immerhin möglich, dass Jemand, der eben im Er- 
sticken begriffiMi sei, doch nicht ersticke, sondern am Kopfe 
tödllich verletzt werde und an dieser Verletzung sterbe. 
Wenn man z. ß. ein Kaninchen aufhänge, und ehe es erstickt 
ist, ihm den Schädel einschlage, so werde man in der Leiche 
die Symptome der Erstickung hnden , und dennoch der Tod 
durch die Kopfverletzung erfolgt sein. 
Ich er^iederte hingegen: 
Während ich also behaupte, das an dem Kopfe todtlich 
verletzte Kind ist erstickt, behauptet S., es sei auch eben 
. so möglich, dass das erstickende Kind am Kopfe verlelzl 
sei. Man köime nicht unterscheiden, was die Todes- 
ursache sei. 

Ich meine doch, dass man es unterscheiden könne. 
Ich will niciit in Abrede stellen, dass es vielleicht ein- 
mal vorkommen könne , dass Jemand , der eben erslickeu 
will, eine Kopfverletzung erhält, an der er stirbt, ehe er er- 
stickt. Aber es handelt sich nicht um Erörterung allgemeiner 
Möglichkeiten, sondern um den concreten Fall. Nach Lage 
dieses Falles hätte dadurch, dass sich die Mutter auf das 
Unterbette, unter welchem hieb das unverletzte Kind befand, 
gelegt hätte, dieses gleichzeitig am Kopfe verletzt wenlen 
nulssen durch den brück des nultterlichen Körpers und er- 
sticken müssen durch Behinderung am Athmen. Beide Ein- 
griffe gegen das Leben wären somit zusannnengefallen. Weim 
dem so ist, so sind nur zwei Möglichkeiten. Entweder das 
Kind atbmete noch, nachdem es die Kopfverletzung erlitten, 
oder es atbmete nicht mehr. Atbmete es nicht mehr, so 
konnten sich keine Ei^tickungserscheinungeu ausbilden, oder 
alhmete es noch, und es traten die Bedingungen ein, welche 
eine Erstickung herbeitiünten , so musste es eben ersticken, 
ganz abgesehen von der Kopfverletzung. Leberdies ist ein- 
ieuchlend , dass wenn l»eide EiugriOe auf die Foriexisteuz 
des Kiudes gleichzeitig entstanden wären, derjenige, wekber 
dem Kinde plötzlich die dthembare Lutt entzog, schueller 
tudlen mnssle als derjenige, welcher den Schädel und das 
^i^im ferleiiie* Die Erfahrung lehrt, dass man mil be- 



für OeburtshülfQ in BerÜD. 367 

irächtHchen Schädel Verletzungen, selbst Gehirnverlust iiocli 
leben und alhmen kann, dass man aber bei plötzlicher Ent- 
ziehung der aihembaren Luft äusserst schnell stirbt. 

Ich habe aber schon vorher entwickelt, wie unwahr- 
scheinlich es überhaupt ist, dass die Kopfverletzung dadurch 
entstanden ist, dass die Mutter auf dem Kinde gelegen habe, 
wie einer solchen Annahme direct widersprochen wird durch 
die viergroschengrosse Hautabschürfung auf dem Kopfe, und 
wie gesucht und gekünstelt es wäre, anzunehmen; dass diese 
Verletzung durch Reiben des Köpfet gegen einen harten 
Gegenstand entstanden wäre, und wie indirect gegen die 
Entstehung der Kopfverletzung im Bette der W, alles das 
spricht, was ich zur Unterstützung der Annahme eines Kin- 
dessturzes angeführt habe. 

Endlich erlaube ich mir noch Eines anzuführen. Wenn 
die Mutter auf dem Kinde gelegen hat, so dass sie ihm die 
Kopfverletzung dadurch beigebracht hätte, so hätte sie es mit 
anderen Worten erdrückt. Sollte man dann nicht erwarten, 
dass durch die Schwere des mütterlichen Körpers ganz an- 
dere Verletzungen am Schädel hätten gefunden werden müssen, 
fils wir gefunden haben? Es würden doch wohl mehrere 
Knochen desselben zerbrochen gefunden worden sein, wenn 
der Schädel ge- und zerdrückt worden wäre, es würden 
mulhmasslich auch Rippenbrüche unter solcher Veranlassung 
entstanden sein. Von alle dem war nichts vorhanden. 

Eine unbefangene Würdigung der Thatsachen lässt mich 
vielmehr bei meiner früheren Ausführung verharren. 

Das Kind ist an Erstickung gestorben. — Die Kopfver- 
letzungen verdanken ihre Entstehung nicht derselben Ursache 
wie die ' Erstickung. 

Die Annahme, dass die Kopfverletzung dadurch entstan- 
den sei, dass die Mutter das Kind erdrückt habe, ist im 
höchsten Grade unwahrscheinlich. — 

Die W. wurde wegen fahrlässiger Tödlung zu sechs 
Monaten Gefängniss verurtheilt, ein Beweis, dass der Ge- 
richtshof meinen Deductionen beitrat, weil anderweitig der 
Kindesmord hätte angenommen sein müssen, und die Ange- 
klagte höher bestraft worden wäre. 



368 XXyill. Spiegelberg, Zwei erfolgreiche Ovariotomien. 



XXVUI. 
Zwei erfolgreiche Ovariotomien. 

Mil Bemerkungen 

von 

Otto Spiegelberg. 

(Mit einer Cnrventafel. ) 

I. Einfache Cysle, nie puuctirt. Zahlreiche Ad- 
häsionen. Sliel mil der Klammer hefestigt und 
galvano -kaustisch durchtrennl. Rasche 
Genesung. 

G. E, aus K. in Oherschlesien, 28 Jahre alt, schlanke 
grosse Brünette, hatte vor acht Jahren normal geboren, sich 
im Uehrigen immer der besten Gesundheit zu erfreuen gehabt, 
bis sie im Sommer 18G4 eine das Hypogastrium gleichmässig 
ausdehnende Geschwulst bemerkte, weiche bis zum August 
vorigen Jahres langsam und ohne Beschwerden zu machen, 
zunahm, zu jener Zeit aber unter heftigen peritonitischen Er- 
scheinungen innerhalb zweier Wuchen plotzjicli so wuchs, 
dass sie fast das ganze Abdomen ausfüllte. Nachdem dieser 
Sturm vorübergegangen, war wieder relaliv volles Wohlbefinden 
eingetreten, das nur durch die nicchanischen Beschwerden, 
welche die Geschwulst machte, etwas gestört wurde; die Men- 
ses, bis zum August immer ganz regelmassig, waren seitdem 
sistirt. Mitte November wurde die Kranke von ihrem Arzte, 
welcher eine Ovariencyste diagnoslicirt und die Exstirpation 
derselben dringend angeralhon hatte, mir mit dem Ersuchen 
zugeschickt, sie zur Vornahme jener Operation in die gynä- 
kologische Klinik aufzunehmen. 

Ich fand eine zwar etwas bleiche und abgemagerte, aber 
ifoch noch recht gut genährte Patientin; Herz und Lungen 



XXYni. Spi^gelberßf Zwei erfolgreiche Ovariotomien. 369 

waren gesund, die Urinsecretion wohl etwas spärlicli, der 
Urin aber frei von Eiweiss; Oedeme waren nirgends vorhan- 
den; Appetit und Verdauung in Ordimng, die Stimmung die 
beste. Die Kl*anke war ganz von dem Wunsclie beseelt, von 
ihrem Uebel auf jeden Fall befreit zu werden. 

Der Bauch war zu einem Umfange von 110 Centimet^ 
(handbreit unter dem Nabel) ausgedehnt, die Entfernung von 
der Schamfuge zur oberen Grenze des Tumors betrug 44 Cen- 
tyn«^ter, die vom Nabel zum vorderen oberen Darmbeinstachel 
jeder Seits 27 Centimeter. Die Hypochondrien waren nach 
aussen gedrangt und die Leber bis zur fünften Rippe in die 
Höhe geschoben. Die Fluctuation war in allen Richtungen 
sehr deutlich, nirgends waren feste Massen, nirgends Schmerz- 
liafUgkeit zu erkennen; nur in der rechten Fossa iliaca er- 
schien die Geschwulst etwas resistenter^ als an den übrigen 
Stellen. So weit die Fluctuation reichte, ergab die Percus- 
Hon einen leeren Schall; in den Lumbargegenden war der 
Ton tympaui tisch ; im Epigastrium fielen die Gi'enzen des 
leeren Schalles und der Fluctuation — und diese Ergebnisse 
bleiben bei Lagewechsel unverändert. Die Auscultation ergab 
nichts. Vorschieben konnte man den Tumor unter den Bauch- 
decken nicht; letztere waren sehr verdünnt, zeigten alte 
Striae, keine duschscheinenden Venen. Der Uterus war ehi 
wenig nach hinten gedrängt, normal gerichtet und beweglich, 
sein Gewebe ohne Abnormität, die Sonde drang, ohne Schmerz 
zu erregen, auf 9 Centimeler in ihn ein. Durch den vor- 
deren Scheidengnmd fühlte ich die convexe gespannte Cyste, 
und konnte bei starkem Andrängen des Fingers auch an dieser 
Stelle Fluctuation erzeugen. 

Wiederholte Untersuchungen ergaben dieselben Resultate. 
Ich schlug der Kranken zunächst die Function vor, weiche 
sie indess entschieden zurückwies, da sie nur einen radicalen 
Eingi'iir zulassen wollte; aus demselben Grunde verwarf sie 
auch die wann von mir empfohlene Injection, weil ich ihr 
die eventuelle Genesung nicht sicher versprechen konnte. 
Trotzdem ich ihr die Gefahren der Exslirpation sogar sehr 
dunkel malte, verlangte sie nur diese; sie wollte „ordentlich 
oder gar nicht leben'' — und so entschloss ich mich um 
so lieber zur Ausführung jener, als bei dem ^uVew ^>\>\\^ 

M0nMt0»ebr. f. Ooburtsk. 1866. Bd, XXVII., Hfl 6. ^ 



370 XXVin. 8jneifelbergy Zwei erfolgreiehe Ovarioiomieil. 

der Kranken, der kurzen Dauer der Kranklieit, der guten 
Gesundheil ein günstiger. Ausgang mit Wahrscheinlichkeit zu 
hoffen war. 

Operation: Es sei mir, da alle diese Dinge eine ge^ 
wisse Wichtigkeit hahen, erlauht, noch anzuführen, das« Pa- 
tientin die letzte Woche vor der Operation einen Tag um 
den anderen ein warmes Bad nahm, und innerlich Eisen 
mit Chinin, dass sie sich so viel als möglich in frischer Lufl 
erging; dass ich die Operation in demselben Zimmer auf- 
führte, im welchem die Kranke bis dahin gewohnt und in 
dem sie ihre Reconvalescenz durchmachen sollte, einem Ittf- 
tigeii sonnigen Räume auf der gynäkologischen Abtheilung 
der Klinik; dass die Kranke während der Operation in warm- 
wollene Unterkleider gehüllt und alle Utensilien neue waren. 

Ich operirte am 29. November in Gegenwart der drei 
Assistenzärzte der Klinik Drr. Fuhrmannf Jänsch, Davidson^ 
der Um, Prof. Wald ey er, Prof. Dr. Langer und einiger 
Praktikanten; Dr. Jänsch hatte die Narkose fibernommen; 
die Kranke befand sich in halbsitzender Lage auf dem Ope* 
rationslager. Der Schnitt wurde in der L. alba 10 Centim. 
lang ziemlich in der Mitte zwischen Nabel und obei*em Scham- 
beinrande geführt; am rechten Wundrande musste eine kleine 
Arterie unterbunden werden. Es zeigte sich, dass das Peri- 
tonäum in der ganzen Schnittlänge mit der Cyste verwachsen 
war, weshalb ich die Wunde nach oben verlängeite , trotz 
dessen aber keine Freie Stelle vorfand. Da bei einigen An- 
wesenden sich Zweifel erhoben, ob man wirklich die Cysten- 
wand vor sich habe, so wurde sie in seichten Messerzügen 
eingeschnitten und der Zweifel sogleich dadurch gehoben, 
dass das Wasser alsbald in die Höhle eindrang und durch 
die ganz kleine OefTnung Flüssigkeil hervorslürzte. In die- 
selbe wurde ra8<5h der AVZa^on'sche (mit Schlauch verbun- 
dene) Troikart eingestossen , aber die eingeschnittene Stelle 
riss ganz durch, und die Flüssigkeit — dünn, mit schmie- 
rigen fetzigen Massen vermischt, blutig gefärbt — ergoss 
sich neben dem Troikart, tluss aber in Folge der Position 
der Kranken über den Bauch nach abwärts, und es drang 
auch später nach Abtrennung der Cyste nichts davon nach 
tiiJlen in die Peritonualhöhle. Oberhalb der Punctionsstelle 



XXVIII. Spiegelberg f Zwei erfolgreiche ÖTariotoniien. 371 

tapste ich die Wand mit Huzcux*sciier Pincette, zog sie über 
^^'i\ Troikart, und band sie um diesen fest; indem die As- 
sistenten den Sack stark anzogen, löste ich mit der in 
Wasser erwärmten Hand die Adhäsionen an der vorderen 
Bauclmand; dieselben dehnten sich rechts bis weit in die 
Seite aus, nach links hin und nach unten kam ich früher auf 
eioe freie Stelle; die Adliasionen gaben übrigens leicht nach. 
Dagegen war der obere Theil der Cyste und ihr Rand vorne 
mit dem Netze ziemlich fest verwachsen, und dieses breitete 
sich fächerförmig über die Geschwulst aus; die Abtrennung 
gelang auch hier uiit der Hand allein, doch erst nachdem 
ich, um die Cyste ganz umfassen zu können, die Bauchwunde 
bis zu drei Cenlimeter über den Nabel hinaus erweitert hatte. 
In dem Maasse, als die Cyste frei wurde, wurde sie zu Tage 
gezogen; als das Netz abgetrennt war, fielen einige Darm- 
scblingen vor, welche mit warmen feuchten Schwämmen be- 
deckt und zurückgehalten wurden. Es mussten noch lockere 
Adhäsionen der Cyste an der Foss. iliac. d. gelöst werden, 
ehe icli den Sack ganz aus der Bauchhöhle herauslieben und ^ 
über den unteren Winkel legen konnte. 

Der Stiel entsprang von der rechten Seite des Uterus; 
er war circa 2 Va Centimeler breit, aber dünn, enthielt meh- 
rere starke Gelasse und die gewundene Tube; er war so 
lang, dass, ohne den Uterus aus seiner Lage zu bewegen, 
die Cyste ausserhalb der Wunde gehalten werden konnte. 
Ungefähr 4 — 5 Centim. vom Uterus entfernt fixirte ich den 
Stiel mit der Klammer und trennte ihn dann circa 
zwei Centimeter vor dieser mit der galvanokau- 
stischen Schlinge langsam durch; dabei ging kein 
Tropfen Blut ab. Die Klammer, welche massig fest compri- 
mirte, wurde quer vor den unteren Wundwinkel gelegt, das 
linke Ovarium untersucht und gesund befunden, die geringe 
in der Beckenhöhle angesanunelte Flüssigkeit mit feuchten 
warmen Schwämmen aufgesaugt, ohne damit die Höhle „aus- 
zuwaschen"; die vorliegenden Darmschlingen, das Netz und 
die blutige Bauchwandserose ebenfalls mit Schwämmen gerei- 
nigt; die zerrissenen Runder des Netzes zusam- 
mengerollt und in den oberen Wundwinkel gela- 
gert; darauf die Wundränder mit drei, je drd CeiUV.\vu^VÄX 

^4* 



B72 SCXVin. Spie'gelberg, ^wei erfolgreiche Orariotomien. 

von einander entfernten Eisendralitnäliten umslocben, weiche 
das Peritonäum 1 Centimeter, die Bauchhaul circa 2 Cen- 
timetej* von ihren Rändern entfernt umfassten, und mit diesen 
die Wunde geschlossen, die Schnurstellen seitwärts gelagert, 
die oberste und unterste Naht waren 4 Centimeter von den 
Winkehi der Wund^e entfernt. Im oberen Winkel lag der 
Netzrest, im unteren der Stiel; über der ersten Naht war 
tioch eine oberflächliche Rnopfnaht dicht unter dem Netze, 
eine eben solche zwischen dem 2. und 3. durch die einge- 
itölpten Hautränder gefV^hrt, und dann die anhaltend Blut 
aussickernden zerrissenen Ränder des Netzrisses mit 
der Schrteideschlinge abgetragen, sowohl um eine 
platte Fläche herzustellen, ais um die Blutung zu sistiren — 
wai auch sogleich erreicht wurde. — Die Wunde wurde mit 
beölt^r Chärpie, der ganze Leib mit erwärmter weicher Walte 
betleckt, uild daräber eine breite warme Flanellbinde geführt. 
Nachdeiif die Operirte warm abgewaschen, mit frischem Hemde 
und warmem ünterzeuge bekleidet, ward sie, immer noch in 
'tiefer Narkose, in ihr durdivi^ärmles Bett gebracht Vor die 
Füsse wurde eine lieisse Wärmflasche gelegt, ebenso an die 
Sieiten der ünterextremilälen und des RumpCes je 2 — 3 mit 
heissem Wasser gefüllte Krüge. — Dies wurde, bis es der 
Fat. lästig wurde (am 6. Tage) beibehalten. Die Zimmer- 
temperatur wurde fortwährend auf 17 — 18 ^R. erhalten; ein 
Fenster blieb fast den ganzen Tag oflen, des Nachts Wurde 
von eihem freien Nebenzimmer aus ventilirt. Da der Kran- 
ken eine Wärterin aHein zur Disposition stand, so hessen 
sich diese Anordnungen- leichi durchfuhren. 

Bakl nach der Operation, die incl. der Chloroformirung 
ubd der Reinigung der Kranken doch IV2 Stunden gedauert 
hatte, erwachte letzt (^re; sie sah collabirt aus, fühlte sich matt, 
die Haut war kühl und trocken, der Puls aber voll, 72. 

Verlauf: 

1. Tag; Gegen Abend Uebelkeit und sweinialiges Erbrechen; 
PuU lOO, Haiit trocken aber warm; kein Schmers. Eis- 
pillen, 10 Tropfen Opiamtinctur. 
10 N. Mit dem Catbeter ist eine geringe Menge hellen Urins 
entleert. GrosHe Oppression und Uebelkeit, viel Durst. — 
Eia mit Uilgarweiu; später Y4 Gr. Morphium, welche 



JXYül. 'Spiegelber ff y Zwei erfolgreiche Ovariotomien. 373 

Dosis, da die erste erbrochen worde, um Mitternacht wie- 
derholt ward. 

2. Tajf. 8 T. Die zweite Hälfte der Nacht war ruhl^f, Pat. hat 

einen gaten Theil verschlafen. Puls 96, voll; Haut feucht 
und warm, Zunge belegt, der mit Catheter entleerte Urin 
bell und klar; in der Wunde nur ein Wehegefühl. — Kis 
mit Wein. 

4 T. Puls 84, Haut feucht, Brechreizung, doch gute Stim- 
mang dabei; Urin reichlich. Bauch flach, die Charpie ist 
mit blutiger Flüssigkeit durchtrÄnkt, die Klammer etwas 
gegen die Bauchwaud angesogen; aus der Wunde kein 
Ansfiuss. Der Stiel beginnt zu mortifioiren, der Netzrest 
ist unverftndert. Frischer Verband in gleicher Weise wie 
naeh der Operation. — Inj. von V4 Gr. Morph, unter 
, die Haut des Epigastrinm. Nahrung wird verwei- 
gert, nur Eis genommen. 

11 N. Gegen 9 Uhr war wieder Erbrechen erfolgt. Jatzt ist Pat. 
ruhig, schwitzt stark, Puls 80; reichliche Urinentleerung. 
Inj. von y^ Gr. Morph. 

3. Tag. 9 T. Nacht sehr ruhig, viel Schlaf und Scbweiss. — 

Puls 80, Hchweiss am ganzen Körper, Allgemeinbefinden 
sehr gut. Bauch flach, nicht empfindlich; der Stielrest 
eingetrocknet und übelriechend, der Netzrest weiss und 
leicht blotend bei Berührung. — Beide werden mit 
Ferr. sesquichlor. solut. betupft. Wein, Mandel- 
milch. 

8 N. Puls 80, Schweiss, grosses Wohlbefinden. — Später Inj. 

von V4 Gr. Morph, unter die Bauchhaut. 

4. Tag. 9 T. Ruhige Nacht. — P. 80, Haut immer duftend, 

Urin dunkel. Bauch nicht aufgetrieben. — Entfernung 
der Klammer und der Knopfnfthte. Die Haut- 
wunde ist überall verklebt, der Stiel mit den Rftn- 
dern verwachsen, auch der Netzrest mit der Wunde 
verklebt; Betupfung beider mit Ferr. sesquichl. Die 
Hautnaht unter dem Netze bleibt noch liegen. Bouillon, 
Ei, Wein, Eis. 

9 N. P. 80, sehr voll; sowie spärlich und dunkel; die Kranke 

sehr wohl. 
6. Tag. 9 T.. In der Nacht sind die Menses ohne jegliche 
Beschwerde wieder eingetreten (Pat. will sie früher 
immer in den ersten Tagen jedes Monates bekommen ha- 
ben). Befinden sehr gut, P. 80, Haut feucht; zum ersten 
Male spontane Urinansleerung. — Entfernung auch der 
obersten Knopfnaht; der Netzrest ist schon sehr geschrumpft, 
der Stiel liegt am Niveau ^^s etwas retrahirten unteren 
Wundwinkel, er sondert wenig aber übelriechendes Se^ieX. 
ah. Beide Heate betupft. 



374 XXYin. 8piegM9rg, Zwei erfolgreiche Oyariototafen. 

8 M. Völliges Wohlbefinden ; die Pat. liest Romane. 

6. Tag. 9. T. Nacht sehr gut. P. 80, Stahldrang. Im untorn Wund- 

winke! wenig Secret, Netz yiel kleiner. Die mittlere 
Drahtnaht ist durchbrochen, die oberste hat tief einge- 
schnitten; sie werden durchschnitten, bleibe^ aberliegen; 
die Wunde erscheint fest geschlossen. — Clysma, Bouillon, 
Ei. Die Wärmflaschen werden fortgelassen. 

7. Tag. 9T. Schlaf gut; doch hat Pat. die Wärmflaschen wieder 

Torlang^; das Clysm« rein wieder abgegangen. P. 72. • — 
Betupfen des Netsrestes. Clysma. 
Abends Befinden gut wie vorher. 

8. Tag. 9 T. Sehr gute Nacht. P. 72; die Menses sind ver- 

schwunden. Alle drei Drahtnähte werden entfernt; die 
Wände ist fast verklebt; im unteren Winkel oberflächliche 
Granulation. Der flache, aber immer noch anf Berfihrung 
leicht blutende Netirest wird mit in Ferr. sesquichlor. sol. 
getauchter Charpie bedeckt. — Mittags isst die Kranke 
lum ersten Male Fleisch mit vielem Appetit. — Abends 
P. 72. Clysma. 

9. Tag. Befinden unverändert gut. Nachmittags erfolgt die eiTste 

Entlerung fester Faecalmassen ohne Beschwerde. 

Die Erholung schritt hei ruhigem Verhalten im Belte, 
hei nährender Diät, unter täglichem Betupfen des Netzrestes 
und taglicher Erneuerung des Watte Verbandes stetig fort; nur 
der Stuhl war noch etwas retardirt, so dass ihm wiederholt 
nachgeholfen werden musste. Am 15. Tage verliess Pat. 
zum ersten Male das Bett; die Wunde bildete eine feste 
Narbe von circa 10 Centimeter Länge, der untere Winkel 
war ebenfalls fest vernarbt und etwas eingezogen; dei* Netz- 
reat überragte ^ie Haut noch ein wenig; der Uterus stand 
massig tief, war nach allen Seiten leicht und ohne Schmerz 
zu bewegen, seine Höhle durchgängig; alle Functionen in 
Ordnung. — Der Netzrest wurde von jetzt an in zweitägigen 
Zwischenräumen mit Argent. nitr. cauterisirt und dadurch so 
verkleinert, dass er am 24. Tage verschwunden und überbautet 
erschien, fn der vierten Woche verliess Pat. zum ersten 
Male das Haus, und am 3. Januar^ fünf Wochen nach der 
Operation, die Anstalt, um zu den Ihrigen zunickzukehren ; 
im Begriff abzureisen, hatte sie die Menses bekommen. Die 
vor der Entlassung angestellte Diagonalexpioration ergab keine 
Veränderung als eine leichte Deviation des Uteruskörpers nach 
rechts. — Wie ich noch kürzlich erfahren, ist die Ge- 



XXVin. Spiegelberffy ^wei erfolgreiche Oyariotoinien. 375 

Btiodheit der 0))orirluii hislier nicht im Geringsten getrübt, 
sie erfreut sich vielmehr eines Wohlbefindens, wie seit Jahren 
nicht. 

Beschreibung der Cyste, von Prof. Waldeyer, 

„Die exstirpirte (]ysle, welche über die Hälfte eines 
grossen Wdssereiiners Flüssigkeit enthalten hatte, hat eine 
Länge von 28 Centim. , eine Breite von 20 Centim. Aeus- 
serlicb ist die Wand leicht ])elzig und von pseudomembra- 
nösen Adhäsionen etwas uneben; die letzteren lassen sich un- 
schwer entfernen. Ag der Basis befindet sich die rechte 
Tube angewachsen; dieselbe ist ungefähr in ihrer Mitte durch- 
trennt, ihr Kanal ist vollständig durchgängig, die Verhältnisse 
des Isthmus und der Ampulle der Norm entsprechend. Eine 
der Fimbrien zeigt sich mit der Cystenwand wie Fimbr. 
o?ar. mit dem Ovarium fest verwachsen, während die übrigen 
frei flottiren. Hier besitzt die Cystenwand ihre grösste Dicke 
and hat eine mehr cavemösn Beschaffenheit; Spuren vom Eier- 
stocke können indess mit Sicherheit nicht nachgewiesen wer- 
den. Neben dem Tubenreste treten die grösseren Gefasse 
ein. Beim weiteren Einschneiden der Cyste entleert sich eine, 
reicbliche Fibringerinnsel führende, trübe Flüssigkeit, deren 
Farlie und sonstige Beschaffenheit auf ein stark mit veränder- 
tem Blute gemischtes seröses Fluidum schliessen lassen.** 

„Die Innenwand ist stellenweise mit grösseren reichen 
Ftbringerinnseln besetzt; dazwischen fmden sich mehr glatte 
beinahe wie Knoq)elplatten sich ausnehmende Partien; auch 
die letzteren Stellen sind braunroth geflirbt. Zwei flache 
flüctuirende Hervorvorragungen ergeben sich als nn't blutig- 
seröser Masse gefüllte unregelmässige Hohlräume mit zottiger 
Innenfläche; ihre frei vorspringende Wand ist von einer dün- 
nen, hauptsächlich ans Fibrin zusammengesetzten Lage gc- 
bUdet*« 

„Die Dicke der Cystenwand schwankt zwischen 3 — 6 
Millimeter. Es sind sehr deutlich die bereits von mehreren 
Beobachtern, namentlich aber von Wilson Fox (Med. chir. 
Transact. Vol. 47) beschriebenen beiden Schichten : eine äus- 
sere, "weisse, derbere von 2 — 3 Miüimeter und eine innere^ 



376 XXVIII. SpUgelberg^ Zwei erfolgreiche Ovariotomlen« 

grauröthlicbe , reifere von 1 — 2 Millimeter Dicke zu unter- 
scheiden." 

„Die äussere Lige besieht aus gewöhnlichem fibriUüreii 
Bindegewebe; die innere zeigt eine complicirtere Struetur. 
Sie lässt sich fast schon mit freiem Auge in mehrere dönne 
Strata sondern, zwischen die grössere oder geringere Mengen 
von verändertem Blutfarbstoffe eingelagert sind. Mau kann 
nicht gerade sagen, dass eine Schicht Gewebe mit einer Schichl 
Farbstoff abwechselt, eine gewisse Stratificalion ist iodess 
nicht zu verkennen. Das Gewebe selbst hat den Charakter 
junger Bindesubstanz: reichhche grosse und kleine Spindel- 
Zellen, getragen von einem feinfaserigen Flechtwerke bilden 
die Grundlage. Doch vermisst man eine gleichmässige • V«*- 
theilung der Zellen ; sie sind „schubweise'' hier und da in grös^ 
seren Mengen angesammelt. Zuweilen lagern sie in läng- 
lichen und rundlichen compacten Haufen. Auch 
finden sich einige mit regelmässigem Platlen* 
epithel ausgekleidete runde Hohlräume von ver- 
schiedener Grösse^ die durch eine relativ starke 
circuläre Faserwand gegen die übrige Gewebs- 
masse abgeschlossen sind (junge Cysten oder alte Fol- 
likel? Sp,). — Der Blutfarbstoff erscheint in den tiefsLeo 
Lagen in Form glänzender gelbrother Körnchen mit kleinen, 
aber scharf ausgeprägten Hämatoidinkrystallen ; nach der (u- 
uenlläche zu in Form grösserer ti*uber Schollen von fein- 
körnigen Fibringerinuseln umgeben, die uahe der Oberfläche 
immer mehr zunehmen und mit Resten gut erhaltener 'Blut- 
körperchen vermengt sind. Die freie Innenfläche ist von 
einem dünnen Fibrinniedei'schlage , der Blutfarbstoff in kör- 
nigen Aggregaten und in diffuser Vertheilung enthält, bedeckt; 
von einem Epithel zeigt sich keine Spur.'' 

„Es ergiebt sich hieraus, dass auf der Innenwand ähn- 
liche Processe sich abgewickelt haben , wie sie Virchow für 
die Pachymeningitis chron. haemorrhag., die Hämatocele retro- 
uter, u. A. (Onkologie, I. p. 140. 150. 209.) beschrieben bat 
Auch die Bildung grösserer Blutansammluugen , eigentlicher 
Hämatome, fehlt hier nicht. Die beiden Ouctuirenden Säcke 
der Innenwand gehören offenbar hierher. Bei den cystrscbeu 
Bildungen des weiblichen Sexualapparates wird sich Aehnlicbes 



XXVUI. Spiegelherg^ 55wei erfolj^reiche Oyariotoinien. 377 

liauGger nachweisen lassen, da sie durch die menstruale 
Congestion zu peiiodiscliem Blutauslritte dispuiiiren. — Inner- 
halb der äusseren derben Faserlage des Sackes fand sich 
kein Rest irgend einer iüxtravasation/' 

II. Cystoid des linken Ovariuni. 11 Functionen in 
14 Monaten. Sehr geringe Adhäsionen. Ver- 
schwindend kurzer, sehr breiter Stiel; drei- 
re«p. fünffache (Jnistechung desselben. Ligatu- 
ren kurz abgeschnitten und samint dem Stiele 
in der Beckenhöhle zurückgelassen. Entzündung 
der Beckenserose und des Becken Zellgewebes. 
Genesung. 

Frau Ch. W. aus Breslau, 39 Jahre alt, sehr nervöse 
kleine Brünette^ hat vier Mal, das letzte Mal vor fünf Jahren, 
regelmässig geboren. Im Juni 1864 glaubte sie sich wegen 
Zunahme des Ijeihes schwanger; wurde aber, da die Men- 
struation eher profuser wurde als früher, und da der Bauch 
sehr rasch zunahm, ihres Irrthumes bald inne. Die Ausdeh- 
nung des Leibes war von Anfang an eine gleich massige, und 
der Tumor hatte bald ehie solche Grösse erreicht, dass Re- 
spiration und Circulation sehr behindert wurden, über andere 
Be»cbwerden hatte die Kranke nie geklagt. Seil Ende Som- 
mern 1865 will sie in Folge der rasch auf einander foigimden 
Functionen sichtlich abgemagtirt sein, doch war ihr Befinden, 
besonders aber Appetit und Verdauung immer vorzügHch, 
selbst dann noch, als die Kranke wegen eines bedeutenden 
Üedemes der ganzen linken llnlerextromität, das im November 
eingetreten, oft viele Tage lang ans Zimmer gebunden war. 
Die Menses sind seit September ausgebliehen. — Die Function 
wurde von dem Arzte der Kranken, Hrn. Dr. Langer, immer 
DOr unternommen, wenn die Respiration sehr beeinträchtigt 
war; wie schnell die Cyste aber immer wieder sich füllte, 
gehl aus nachstehender Zusammenstellung der Functionen 
hervor: 

1. Function am 9. December 1864. 

2. „, „ 14. April 1865. 

3. „ „ 26. Mai „ 

4. „ „ 7. Juli 



5. 


Function 


am 


6. 


« 


M 


7. 


»* 


n 


8. 


»1 


»1 


9. 


»1 


»» 


10. 


>» 


»♦ 


11. 


»» 


« 



378 XXVUI. SpUgelbergt Zwei erfolgreiche OvAriotomfen. 

1. August 1865. 
14. September „ 
11. October „ 

8. November „ 

9. December „ 
7. Januar 1866. 

^^» ♦> >» 

Ich sah die Kranke durch Hrn. Dr. Langer zuerst am 
5. Jan. d. J. Der grosste Umfang des Bauches betrug 110 
Cenlimeter (11 Cenlimeter u. Nah.). Die Entfernung von der 
Schamfuge zur oberen Grenze der Geschwulst (Proc. xiphoid.) 
54 Centimeter, zum Nabel 30 Centimeter; vom Nabel zum 
linken vorderen oberen Darmbeinsfachel 29 Cent., zum rechten 
32 Geat. In der rechten Fossa iliaca fühlte man kindskopf- 
grosse feste schwerbewegliche Massen, die Fluctuation war 
überall sehr deutlich, der Percussionslon nberall mit Aus- 
nahme der Lendengegenden matt, in der rechten ani deiit* 
liebsten tympanitisch ; Lageänderungen waren ohne Einfluss 
hierauf. Um den Nabel fühlte und hörte man bei Druck wie 
bei Contraction der Bauchmuskeln sehr deutliche Reibungs* 
geräusche. Der Uterus stand in normaler Höhe mit dem 
Grunde leicht nach rechts geneigt ; die Höhle ein wenig ver- 
längert (3^), das Organ schwer beweglich, dem Drucke auf 
die aussen gefühlten festen Massen gab es sogleich nach. 
Vom Tumor war im Scheidengrunde nichts zu fühlen. — 
Der linke Unterschenkel war bis zum Knie stark ödematos, 
der Urin frei von Ei weiss; an den übrigen Organen Hess sich 
ausser Verdrängung der Leber nach oben keine Abnormität 
erkennen. Die Kranke wünschte dringend die Exstirpation ; 
da ihre häuslichen Verhältnisse die sofortige Ausführung der- 
selben aber nicht erlaubten, so ward sie von uns nochmals 
(10. Mal) am 7. Januar punctirt, und circa ein Eimer neuer 
dünnschleimiger Flüssigkeit entleert. 

Bald darauf, die Cyste hatte sich schon wieder recht ge- 
füllt, stürzte Fat. Nachts aus dem Bette und contudirte sich 
der Leib dergestalt, dass sofort die stürmischsten Erscheinun- 
gen von Prostration auftraten, und ihr Arzt, der eine Ruptur 
der Cyste annehmen musste, für ihr Leben fürchtete; indess 
erholte sie sich nach einigen Tagen wieder, der Leib wuchs 



XXVIII. Spiegelberffy Zwei erfolgreiche Oyariotomien. 379 

aber so rascli an, dass am 31. Januar von Hrn. Dr. Langer 
wieder punctirt werden musstc (11. Mal). 

Ich gestehe, dass ich unter diesen Umständen, zumal 
Fat. in Folge der ](*(ztcn Ereignisse sehr reducirt war, nur 
ungern an die Operation ging; doch die Kranke, welche 
wohl einsah, dass es auf die bisherige Weise nicht lange 
mehr fortgeheir konnte, hat so dringend, dass ich ihr nach- 
geben musste; es war dies einer der Fälle^ in denen mau 
zur Operation gezwungen wird — und dieser gute Mnth Hess 
mich auch £rfo]g hoffen. 

Am 7. Februar nahm ich Frau W. in die Klinik auf, 
und liess ihr das Zimmer, in dem ich die erste Operation 
iioternomroen , in gleicher Weise einräumen; auch die vor- 
bereitende Behandlung war die gleiche. Der Befund bei der 
Aufnahme (8 Tage nach der letzten Function) war derselbe, 
wie der vom 5. Januar, nur dass natürlich die Ausdehnung 
des Bauches eine geringere. Weil der sofort nach der Ex- 
lAirpation so leicht eintretende Collapsus zum Theil gewiss 
durch die plötzliche Beseitigung eines starken Druckes auf 
die grossen Gefösse, die unteren Lungenlappen und das Herz 
bedingt, weil — operirt man hei sehr grosser Ausdehnung 
— die nach Entfernung des Tumors je noch fortzusetzende 
Narkose durch Begünstigung des Collaps leicht gefahrlich wird, 
hatte ich beschlossen, die Exstirpation vorzunehmen, ehe die 
grösgte Füllung der Cyste wieder eingetreten; und da diese 
rasch vorwärts ging, wie aus folgender Zusanunenstellung der 

Haasse zu ei*sehen : 

am 7. Februar am 13. Februar. 
Grösster Umfang dos Bauches 93 Cm. lOo Cm. 

(11 Cm. n.Niib.) (11 Cm. u. Nab.) 



Entferuung von ScIiariitugR 






zumProc. xiphoHl. 


35 Cm. 


41 Cm. 


Bis zun; Nabel 


22 Cm. 


25 Cm. 


Höhenstand des Tumors aber 






Scbamfuge 


31 Cm. 


39 Cm. 


Entfernung vom Nabel zur lin- 






ken $]). a. 8. ilei. 


21 Cm. 


24 Cm. 


Zur rechten Sp. a. s. ilei 


22 Cm. 


26 Cm. 



So ward jene am 14. Februar Morgens im Zimmer dev 
Kranken, und zwar unter Assistenz der SecuwAatiaLtiV^ ^tK 



380 XXVIII. SpiBgelh€rg, Zwei erfolgreiche Ovariotonicn. 

Klioik und des Hrn. Dr. Langer^ in Anwesenheit der Herren 
Generalarzt Dr. Proiz^ Oberstabsarzt Dr. Biefel, Professor 
Waldeyer und einiger Praktikanten ausgeführt Kleidung, 
Lagerung waren wie im I. Falle, Dr. Jänsch leitete die 
Narkose. 

Operation: 
Aus dem in Mitte zwischen Nabel und Scbamfuge in der 
L. alba 10 €m. lang geföhrten Schnitte erfolgte reicMiche 
venöse Blutung; das Bauchfell erschien nicht Yerdicktj aim 
seiner Höhle ergossen sich einige Löffel hellen Serum's; die 
Cyste, welche zahlreiche weite und starkgefuUt« Venen zeigte^ 
lag iu der Wunde frei, Adhäsionen waren nicht zu entdecken. 
Ich punctirte den Sack in der Hitte der Wunde mit NAa^' 
^on'schem Trokar und Hess ihn mit Haken vorziehen; neben 
dem Trokar floss Cysteninhalt hervor, doch drang nichts kl 
die Bäuchhöhle. Die Flüssigkeit war stark gelatinös, trübem 
mit festen weissgelben Partikeln reichlich gemischt und br6wv^ 
lieh gefärbt; es wurde ein kleiner Eimer voll entleert. Auf 
der äusseren Fläche der Cyste sass links ein birneiigrosser 
flacher Tumor. Als ich diesen hervorgezogen, ruckte der 
Sack nicht weiter; mit der eingeführten Hand erkannte ich, 
df«86 die froher an der rechter Seite gefnhUen festen Massen 
das Hinderniss aibgabcn. Erst als ich die Wunde um 4 Gm. 
nach oben erweitert und eine lange fadenförmige Adhäsion 
mit der rechten Seite der Bauchwand und eine eben solche 
mit dem Netze abgetrennt, eine zwischen den erwähnten 
festen Massen hegende apfelgrosse Cyste entleert hatte, kam 
Alles zu Tage. Darmvorfall trat nicht ein, da die Wund- 
ränder hinter dem Tumor sogleich an einander gebracht wur- 
den. — Die Geschwulst entsprang aus dem linken 
breiten Mutterbande, ein eigentlicher Stiel war 
nicht vorhanden. Die Basis befand sich genau an der 
Stelle, wo im normalen Zustande Ovarium und üg. ovar. 
liegen, und ragte bis auf höchstens 172 Cm. Entfernung an 
die hnke Seite des üterusgrundes heran; vor derselben ver- 
lief die etwas hydropische Tube nach aussen und oben, ihre 
Franzen waren mit der Cyste verwachsen ; eine grosse Menge 
weiter Gefässe lagen in der Basis. Bei jedem Erheben und 
"keren Bewegungen des schwerew Tumors und damit 



XXYIII. SyiegMerg, Zwei erfolgreiche OTariotomien. 381 

der sämmtlichen Beckenorgane traten grosse Unruhe und An- 
strengung zum Erbrechen, zuckende Bewegungen der Unter- 
eitremitaten ein, trotzdem die Kranke aufs Tiefste narkoti- 
sirt war. 

Da der Stiel für die Klammer zu breit und jedenfalls zu 
kurz war, um mit ihr ohne die grösste Zerrung der Becken- 
oi^ane in der Wunde fixirt werden zu können; da die Durch- 
trennung mit der glühenden Schlinge bei den zahlreichen und 
erweiterten Gelassen desselben eine Garantie gegen Nacbblu- 
Uing nicht bot — so umstach ich die Basis mittels dicker 
Seidenfdden (ich hatte zuerst Eisen-, dann Silber- und 
Platindraht genonimen, alle waren aber beim Einschnüren 
durchrissen) in drei Partien,' und zwar der Art, dass ich in 
der Mille des Lig. laL dicht unter der Tube einen Doppel- 
faden durchfilhrle und mit einem davon die äussere dünnere 
Hälfte des Stiele.^ unterhalb der Tube umschnürte; 2 Cm. 
nach innen davon stach ich einen weiteren Faden durch und 
umschnürte mit ihm die innerste innner noch gegen 3 Cm. 
breite fecht dicke Partie in circa 1 Cm. Entfernung vom 
Uterus ; den noch freien Faden der Doppciligalur benutzte 
ich, um mit ihm den mittleren noch freien Theil der Basis, 
welcher die meisten Gefässe enthielt, zu unterbinden; die in- 
nerste der Ligaturen umgriff die Tube und schnürte diese 
ab. — Ungefrdn- 1 Cm. vor den Ligaturen trennte ich darauf 
die Geschwulst mit seichten Messerzugen ab; dabei floss aus 
ihr reichlich Blut ab. Innerhalb der mittleren Ligatur spritzten 
zwei Arterien — die eine war, ihrer Grosse nach zu ur- 
tbeilen, die Spermatica — so stark, dass jede für sich noch 
umstochen werden musste; dann aber ging kein Tropfen Blut 
aus dem Stiele mehr ab. 

In der Beckenhohle hatte sich ungefähr eine Tasse voll 
blutiger Flüssigkeit angesammelt; diese wurde mit weichen 
Schwämmen aufgesogen und die überall auf der Seröse lie- 
genden Coagula mit ausgekochtem Flanell abgewischt, die 
Wunde dann mit feuchten Flanellläpchen bedeckt. Nachdem 
ich mich vom gesunden Zustande des rechten Ovarium und 
seiner Tube überzeugt halte, schnitt ich die fünf an dem 
tief in die Beckenhöhle .zurückgezogenen Stiele hangendeiv 
Ligaturen uD^e/abr 1'*' von Ihrem Knoten ab*, euVtetwVÄ wk^cVi 



382 XXVIIt SpUgM^g, Zwei erfolgreiebe OTariotomieM. 

die zwei faden fönuigen an der Baucbwand und dem NeUe 
hängenden Pseudomembranen, cauterisirte — da die ScbniU- 
fläche der Netzadbäsion reichlich blutete — diese galvano- 
kaustisch und legte sie in den oberen Wundvvinkel. Darauf 
schloss ich mittels 6, je IV« Cm. von einander entfernten 
Eisendrabtnähten wie in Fall 1. die Wunde; zwischen diesen' 
Nähten legte ich da, wo die Hautränder eingestülpt erschie- 
nen, noch einige Knopfnähte, im Ganzen drei, an; die un- 
terste Drehnaht lag 1 Cm., die oberste 1^2 Cm. von den 
betreffenden Winkeln entfernt. Derselbe einfaclie Verband 
wie im 1. Falle wird applicirt, die Operirle frisch bekleidet 
und im warmen Bette reichlich mit heissen Flaschen um- 
geben. — Vom Beginne der Narkose bis dahin hatte die 
Operation \stwas über 1^2 Stunden gedauert. 

Verlauf: 

1. Tag. Die Kranke erwachte erst eine Stnnde spHter aus der 

rnhigfen Narkose. T. 86,3, P. 88, R. 82. Sie klagte Über 
Wefaegefühl in der Wunde, Nausea, der bald ein heftiger 
Schlundkranipf folgte — wie Pat. su meiner Beruhigung oiit- 
tbeilte, eine häußge Erscheinung hysterischer Natur bei ihr. 
Entleernng einer kleinen Menge klaren Urins mit dem Ca- 
theter. Eis mit reinem Branntwein. Inj. yon V^ Gr 
Morphium unter die Haut des Epigastrium. 
6 Abends. T. 88,7, P. 120, R. 32. Am Nachmittage war hef- 
tiges Erbrechen eingetreten und deshalb die Morph, inj. wie- 
derholt. Darauf hatte die Kranke geschlafen. Wir fanden 
sie in vollem Schweisse; die Unssere Wärme that ihr sehr 
gut. Der Bauch ist flach, unter der Binde keine Flüssigkeit. 
Viel Durst. — Eisstückchen. 

2. Tag, 9 T. T. $7,4. P. 104, R. 42. Die erste Hälfte der Nacht 

war unter reichlichem Schwitsen und etwas Schlaf sehr ruhig 
und gut verlaufen; um 2 Uhr hatton sich Schmerzen im Leibe 
eingestellt, die gegen 5 Uhr zu Kolik sich steigerten und 
von heftiger Nausea begleitet waren. Es war deshalb wieder 
eine Inj. von V& ^^* Morph, gemacht, aber doch noch zwei 
Mal Erbrechen erfolgt. — Bei der Visite das Aussehen un- 
verändert, Haut warm und feucht, Zunge trocken, anhaltende 
Neusea, Durst, dumpfer Schmerz im Unterbanche; der Leib 
flach, im liuken Hypogastrium auf Druck sehr empfindlich, 
die Wunde trocken. Urinexcretion gering. — Inj. von */^ Gr. 
Morph. Eis. 
6 N. T. 39,1, P. 120, R. 48. Der Tag war ziemlich ruhig. Haut 
trocken, eben so die Zunge. In der Scheide nicbta Abnor- 



3CXV1U. ßpiegetherg, Zwei erfolgreiche OTariototnien. 383 

nies. Nach der Catheterisation traten Blasenkrämpfe auf, 
doch ist spontane Entleerung nicht möglich. — Snpposito- 
rien von 1 Gr. Opium pur. ins Rectum. 

.Tag. 9 T. T. 88,9, P. 120, R. 32. Bis Mitternacht hatte die 
Kranke grösstentheils ruhig geschlafen; gegen starke Be- 
nommenheit des Kopfes (Opinmwirkung) waren sur grossen 
Erleichterung kalte Ueberschläge gemacht. Nach 1 Uhr war 
wieder Kolik mit Würgen, grosser Jactation, beschleunigter 
und coupirter Respiration, mit Klagen über starke Beklem- 
mung eingetreten — Erscheinungen, bei welchen nach dem 
Pulse und dem allgemeinen Eindrucke su schliessen, Hy- 
sterie augenscheinlich im Spiele war; nach Inj. von V^ Gr. M. 
war Pat. dann ruhiger geworden und hatte etwas geschlafen. 
Die allgemeinen objectiven Erscheinungen sind wie gestern, 
nur der Ausdruck matter. Allgemeiner warmer Schweiss. 
' Der Bauch erscheint gewölbter, auf leisen Druck schon em- 
pfindlich; in der Wunde ein wenig dünnes Secret. Der Uterus 
steht tief, der linke (rrund der Scheide ist resistenter und 
flacher, die Berührung aber nicht schmerzhaft. Urinezcre- 
tion gering. — Inj. von V^ Gr. Morph. Eis, Milch, andere 
Nahrung wird verweigert. 
6 N. T. 38,7, P. 125, R. 42. Mittiigs war wieder ein sehr hef- 
tiger Kolikanfall mit Würgen und starkem Tenesmus einge- 
treten, das Rectum indess leer gefunden, auch gingen keine 
Gase ab. Es waren \ Gr. Morph, injicirf, und im Zwischen- 
räume von einer Stunde 2ClysmRta von je 10 gtt. Opiumtinct. 
applicirf, danach aber nur geringe Milderung der Beschwer- 
den erfolgt. Der Bauch ist jetzt meteoristisch, die Dick- 
darmschlingen zeichnen sich deutlich ab; der untere Theil 
des Mastdarms erscheint erweitert, die linke Seite dessel- 
ben voller, gespannter und empfindlich. Einfaches Clysma 
wegen des heftigen Stnhldranges; da dieses ohne Wirkung, 
nach 9 Uhr noch ein weiteres, dann zwei Löffel Ricinnsöl 
zugesetzt, mittels eines hoch in den Darm geführten elasti- 
schen Rohres applicirt« zugleich Inj. von 7^ Gr. Morph. 

. Tag. 9 T. T. 38,2, P. 120, R. 36. Ruhe bis gegen Morgen; 
um 4 Uhr massiger Kolikanfall, der durch eine Inj. von 
Vs Gr. Morph, beseitigt ward; Stuhlgang noch nicht erfolgt. 
Urin gering und trüb. — Das Aussehen heute besser. Puls 
voller, Zunge reiner und feuchter, Durst geringer. Haut 
schwitzend. Die Auftreibung des Leibes ist nicht stärker 
geworden, die Empfindlichkeit geringer; die Wunde erscheint 
verklebt; der kleine mortificirte Netzrest wird mit Ferr. ses- 
qnichlor. sol. betupft. Die Kranke verweigert das Eis, da 
es Kolik hervorriefe, nimmt aber Thee und Cacao. 
6N. T. 38,2, P. 136, R. 36. Da um Mittag wUdet IfloWV ycvW 
Teneswas sich eingeMteUt, §o ward ein Rohr \>\« ftuvck ^-x^m%r 



384 XXYIII. Spiegelberg, Zv^ei erfolgrelohd OvariotomUB. 

nam geführt, durch dasselbe flüssige facale Massen spontao 
und durch Auspumpen mit einer Spritze, cur grossen Er- 
leichterung der Kranken entleert; zur Beschwichtigang der 
durch diese Procedur erzengten Aufregung wird V4 ^^' M* 
injicirt. Hierauf Kühe und Schlaf. — Bei der Visita der 
Bauch indes« stärker aufgetrieben und liuks unten sehr em- 
pfindlich. Umschläge mit erwärmtem und mit Terpenthinöl 
besprengten Flanell. Dies erregt Indess so heftiges Brennen 
und solchen Schmerz, dass die Pat. in die grösste Uarnhe 
versetzt wird und ein voller hysterischer Anfall erfolgt; 
Entfernung der Fomentationen und Inject, von '/^ Gr. Morph, 
schaffen Buhe. 
U.Tag. 9T. T. 37,5, P. 116, R. 128. Die Kranke hat die Nacht 
in halber Narkose zugebracht, die um 10 Uhr durch einen 
neuen Kolikanfall unterbrochen wurde; nach demselben wa- 
ren durch ein Bohr wieder dünue Faecalniassen and vieje 
Gase entleert; am Morgen früh war spootane Stahlentleerung 
eingetreten, auch der Urin zum ersten Male von selbst ent- 
leert. 

Der Bauch ist flacher, weniger empfindlich; der Netz- 
rest fast ganz geschrumpft, die Wunde fast geschlossen. 
Die Scheide wenig heiss, die vordere Hastdarmwand vorge- 
wölbt und bei Berührung schmerzhaft, an der Unken Seite 
des Darmes ist Exsudat im Beckenzollgewebe nachzuweisen. 
— Entfernung der Knopfnähte aus deren Kanälen etwas 
Eiter aussickert. — Es wird nur Thee zur Nahrung verlangt. 
6 N. T. 38, P. 120, K. 28. Es sind noch 2 Stühle erfolgt, aber 
auch wiederholte Kolikanrälle; deshalb wird 1 Gr. Opium 
ins Rectum gebracht. 

6. Tag. 9.T. T. 37,2, P. 120, ß. 36. Nach 10 Uhr N. war wieder 

eine sehr starke Kolik eingetreten mit Tenesmns , Nausea 
und hysterischem Paroxismus; nach Darreichung von 10 gtt. 
Opinmtinctur und Inj. von % Gr. Morph, hutte sich der 
Sturm gelegt, und die Kranke hatte den folgenden Theil der 
Nacht ruhig geschlafen. Heute Morgen erscheint sie aber 
viel mehr verfallen als die Tage vorher, der Puls ist dünner, 
die Haut trocken. Bauch wie gestern. — Es wird aufs 
Strengste jetzt darauf gehalten, dass die Kranke häufig kleine 
Quantitäten Fleischbrühe und IJngarwein nimmt. 
6 N. T. 37,8, P. 108, R. 28. Pat. wohl und heiterer. 

7. Tag. 9T. T. 37,9, P. 110, R. 82. Um 10 Uhr Nachts war auf 

Wnnseb der Kranken eine Inj. von V, Gr. Morph, gemacht, 
um Schlaf herbeizuführen, welcher denn auch die ganze 
Nacht angedauert hatte. Das Befinden ist sehr gnt , das 
Kräftegefühl gestiegen; die Zunge reiner, der Appetit besser« 
Urinexcretion in Ordnung. Der Leib wie gestern; nur ist 
drei Finger breit über dem liokea Lig« Poupart. Exsudat nach- 



XXVIII. Spiegelbergf Zwei erfolgreiche Ovariotomitto. 385 

saweisen, das sich his gegen die Mittellinie hin erstreckt 
and dessen obere Grenze sich deutlich darchfühlen lässt; 
anch sind der linke Scheideng^rnnd und die linke Seite des 
Rectum stärker yorgedrängt. — Das Oedem des linken Schen- 
kels ist gänBlicb geschwunden. — £igelb. Fleischbrühe. Wein. 
6N. T. 38,3, P. 104, K. 32. Es ist reichliche Stnhlentleerung 
erfolgt, mit starken Schmerzen im Mastdarme. 

8. Tag. 9 T. T. 88,5, P. IJO, R. 32. Um Mitternacht wieder 

Kolikanfall, nach Inj. von '/, Gr. M. aber Rnhe und Schlaf. 
— Da« Befinden ist vortrefflich; der Leib flacher, der Nets- 
rest kaum mehr zu bemerken. Das Lumen des Rectum ist 
durch die hineingedrängte vordere und linkseitige Wand be- 
trächtlich verengt, die Berührung hier recht schmershaft. 
Clysma. 
6N. T. 38,8, P, 116, R. 36! Es ist ein breiiger Stuhl erfolgt. 

9. Tag. 9 T. T. 88,5, P. 112, R.32. Die Nacht war ruhig, der 

Schlaf nur von stechenden Schmerzen im Mastdärme und 
Tenesmus öfter unterbrochen. Gegen Morgen hatte Dr. 
Jänsch mit einem Rohre viel dünne Faeces entleert, dann 
15 gtt. Tinct. opii in den Darm gebracht, und danach war 
Linderung eingetreten. — Das Exsudat im Beckenzellgewebe 
erscheint unverändert,, ebenso das im I>oie^2a«*8chen Ranme; 
Befinden indess vorzüglich. — Die zum Theil tief einge- 
schnittenen Nähte werden alle entfernt. — Cataplasmen auf 
die Unterbaucbgegend, Inj. von */» ^''* Morph, wegea dea 
immer noch vorhandenen Tenesmus, innerlich Chinin. 
Ab. T. 39,5, P. 120, R. 28. Die Kranke hat viel geschlafen. 

10. Tag. 9T. T. 37,3, P. 104, R. 28. Die Nacht ist fast gänzlich 

verschlafen; gegen Morgen sind zwei Stühle unter heftigen 
Schmerzen erfolgt, gleich danach ist ein Clysma mit 16 gtt. 
T. opii gesetzt und sind 20 gtt. innerlich' gegeben. — Das 
Befinden ist heute besser denn je; das Exsudat ist äuf serlich 
weniger zu fühlen. 
Ab. T. 37,6, P. 104, R. 28. Reichliche dünne Stühle mit ste- 
chenden Schmerzen sind im Laufe des Tages erfolgt. — . 
Tinct. opii im Clysma und innerlich, wie am Morgen. 

11. Tag. 9 T. T. 37,6, P. 108, R. 28. Nacht sehr gut Bauch 
flach, Wunde fef*t, Exsudat kaum zu fühlen; gegen den Mast- 
darm indess drängt dasselbe stärker an. Kräftige Fleisch- 
nahrung; Kataplasmen fortzusetzen. 

A b. T. 84,7, P. 106, R. 32. Wiederholte schmerzhafte Stühle. 
15. gtt. T. opii im Clysma. 

12. Tag. 8 T. T. 38,6, P, 108, R, 28. Ruhige Nacht. Catoplaa- 

men werden auf Wunsch der Pat. fortgelassen. 
Ab. T. 38,4, P. 108, R. 28. Im Laufe des Tages vier dünne 

Entleei^ungeti. — Clysma mit 20 gtt. T. opii. 
MonatflscliJ'. /. a9bartak, 1966, Bd, XZYU., Hft. 5. ""^^ 



386 XX Vm. Sptegübwgy Zwei erfolgreiche OTariotomien. 

18. Tag. Morg. T. 37,5, P. 104, R. 28. Zwei Stahleutleerangen 
sinB erfolgt. 
Ab. T. 37,8, P. 108, R. 28. Supposltor von 1 Gr. Op. pnr. 
14. Tag. Morg. T. 87,5, P. 104, R. 28. Das Exaadat im Becken 
drängt. 
Ab. T. 38,8, P. 108, R. 28. stärker nach abwärts, man fühlt 
es schon 1'' ongefahr über dem After; es erscheint fester 
und weniger empfindlich. Der Leib ist gans frei. Mehrere 
Stöhle. — Snppos. von 1 Gr. Opiam. 
16. Tag. Morg. T. 37,3, P. 100, R. 28. Pat. sitet, vUÜfg wohl, 
stundenlang im Bette; nnr noch öftere dünne Aasleerungen 
und Stahldrang. — Die Wärmflaschen werden jetat erst fort- 
gfelassen. 
Ab. T. 38,3, P. 100, R. 28. 10 gtt. T. opii innerlich. 

16. Tag. Morg. T. 37,4, P. 100, R. 28. Ein Stuhl ist mit ge- 

ringerem Schmersgefähl erfolgt. 
Ab. T. 38,8, P. 100, R. 28. 10 gtt. T. opii. 

17. Tag. Morg. T. 36,5, P. 96, R. 28. Zwei breiige schmers- 
lose Entleernngen. 

Ab. T. 37,5, P. 96, R. 28. Zwei breiige schmerslose Entlee- 
rungen. 

18. Tag. Morg. T. 86,8, P. 90, R. 28. Noch immer flöchtige 

Stiche im Mastdarme, Tenesmns hin und wieder. 
Ab. T. 37,2. P. 96. R. 28. 

19. Tag. Morg. T. 36,5, P. 88, R. 28. 

A b. T. 36,8, P. 90, R. 28. Das p. rectum su fühlende Exsudat 
erscheint noch mehr circnmscript, consistenter. 

28. Tag. Das Exsudat ist viel kleiner und fester geworden, 
selbst bei tiefem Eindrücken nicht mehr schmershaft; das 
Allgemeinbefinden ununterbrochen ^ut, die Kräfte sind sehr 
gebessert. Vom sweiten Stichkanale (der Drahtnaht) aus hat 
sich ein kleiner subcutaner Abscess gebildet, der geSfi^net 
wird. — Die Kranke verlädst heute sum ersten Male das 
Bett. Tinct. ferri acet. aeth. 

29. T. Fortwährende Besserung, das Exsudat sehr geschrumpft; 
im Dougla9*Bc\ien Räume sind einige, wahrscheinlich dort 
angelöthete Darnischlingen deutlich su fühlen. 

Am 30. Tage (15. März) verlässt Frau W. die Klinik 
und begiebt sich in ihre Wohnung. — Wie ich mich noch 
vor einigen Tagen überzeugte, ist neben dem Rectum vom 
Exsudate nur noch ehie Spur in Form eines breiten Stranges 
zu fühlen. Der Uterus ist leicht nach Ihiks gezogen, aber 
ohne Schmerz zu eiregen. Das Abscesschen in der Bauch- 
na'rbe ist geschlossen. Das Belinden vortrefflich, Kräfte und 



XXVIIt. SpitgMerg^ 2wei erfolgreiche OTariotoraien. 387 

Fülle nehmen zusehends zu , die Frau geht ihren gelohnten 
BesehäfÜgungen wie früher nach. 

Beschreibung des exstirpirten Tumors, von 
Prof. Wcddeyer, 

.,Die Cyste besteht im Wesentlichen aus einem grossen 
dickwandigen Sacke, der etwa 4 — 5 Liter zäher coHoider 
Flüssigkeit fasst und nach rechts, hinten und unten ein Con- 
glomerat unregelmässig rundlicher Tumoren enthält, welche 
in das Lumen des Gystenraumes frei hineinragen, resp. von 
der hinteren und unteren Wand desselben ausgehen. Die 
äussere Wandung' der Geschwulst ist glatt, an der linken 
Seite ragt aussen ein birngrosser flacher Tnmor vor, hier und 
da erscheinen einige plattenformige Verdickungen. Zwei 
Stellen, mit kleinen zottigen Wucherungen umgeben und mit 
geronnenen ßlutmassen durchsetzt, sind wahrscheinlich die 
Residuen der jüngsten PunctionsöfTnungen. Ihnen gegenüber 
an der Innenwand der Cyste finden sich etwa secfasergrosse, 
derbe, narbig aussehende Verdickungen. £ine starke Arterie 
vom Kaliber der A. uJnaris und mehrere sie in vielen Schlän- 
gelungen begleitende Venen laufen in der Wand empor. Der 
Stiel hat an der Schnittfläche eine Breite von etwa 9 Cm., 
eine Dicke von 2 Cm. und war bis zur Cyste kaum 1 Cm. 
lang. Das Abdominalende der linken Tube ist weit entfernt 
und hängt durch lockeres Bindegewebe mit der Geschwulst 
zusammen." 

„Da, wo von der Innenfläche die oben erwähnten Tu- 
moren hervorwachseii , ist auch nach aussen hin die allge- 
meine Wand durch einige bis hühnereigrosse , vielkammerige 
Gallertcysten , welche in der Cystenwand selbst eingelagert 
erscheinen, ausgebaucht. Eine Menge kleiner Tumoren der 
verschiedensten Form und Grösse ragen ausserdem allerorten 
von der Innenfläche der Cyste hervor; dieselben sind heerde- 
weise gelagert; einzelne zeigen eine zottige Oberfläche, an« 
dere, sehr kleine, sind mit flüssigem Inhalte gefüllt, und 
nehmen sich wie helle Perlen aus. Ausserdem ist die In- 
nenfläche fast überall mit kleinen leistenartigen Vorsprüngen, 
zottigen und dendritischen Vegetationen besetzt, erscheint 
lebhaft rnjicirU ist weich, sammetarüg anzufiAAeti^ wu^ Xa^VaV 



(JMrcliajis die Cliavactoi*ß «filier stark secernirenden Sclibiiiit 
haut dar." 

„Unter den mehrfach erwähnten grösseren Tumoren 
zeidbnet sith nfilmentlich ein kindskopfgroßser, imregelmfesig 
rundlicher Knollen aus, dessen Oberfläche wieder secnndäre 
^3tisidie Auftreilningen hat. Agf dem Durchschnkte f clieint 
^r luijiroskppiscti das Gefuge eines alveolaren Carcinoois mit 
r^är ge$|,eHMt langge;;ogenen Maschen zu besitzen; letzten^ 
entitolten poeis^ns eine viscide, g^it)liGh gefärbte Masse.; an- 
defiß Rau^e enthalten klare, coUoide Flüssigkeit. Zwei an- 
dfije Tunfloren von öhnlicher Grösse und gleichen) Bau lagern 
g^üii; in. der Nähe des ersteren. Die gaQze*Ge$chw^st wiegt, 
ifii^ßh i£|)tlefi:ung der grossen Cyste, etwas über zwei Kilor 
gr^u^me. Der zähilussige Inhalt aller cystischen Räume hfy- 
9le|it:,d<)r Hauptmasse nach aus cplloidec Substanz mit gevitt- 
g^ .l^oinii^ehuiigen von Schleim und albuminöser Masse^^' 

,,pie ii(>ikr;oskopische Untersuchung ergab die exquH 
site^ten Charaktere eines ächten multiplen Kystoms. 
Zii äusserst eJne. Lage derben , gewöhnlichen Bindegewebes, 
aiifi/W^lcJjieis.. eil) jüngeres Stratum mit zahlreichen zdligei> 
dementen folgte. In letzterem fanden sicii schon einzelne 
kl^jne Cysten mit klareni Inhalt und regelmässigem Cylinder- 
^^Ihet eingebettete I^berall aber gingen von der Innen(1äclie 
4iA ;er|Wähnten zottigen und dendritischen Vegetationen ab, 
^fl. sieh .nuHi ausser mit den bereits mikroskopisch wahr- 
nehmbaren Wucherungen, auch noch mit kaum zählUar^i^ 
ti^ilroskopisclten Sprossen besetzt zeigten. Die kleinsten Cy- 
sten selbst, nt(H;bten sie. nun in der Wand eingebettet liegen, 
oilei: über das Niveau der Innenflache hervorragen, hatten, 
^ied^r von ihrer Innenwand ausgehend, die zahlreichsten 
l^el)o.sen Vegetationen, die in vielen Cystenräumen ein alveo- 
l^rf^ jFqcbwerk, erzeugten, ähnlicii wie es sc^on au den grös- 
sern Tumoren mit freiem Auge zu erkennen war. Durch 
Verwi^ch^ungen der frei von der Innenwand auf- 
^.pf OS «landen lauieUeoartigen Hervorrag un gen 
wjirden: dann. wie<der secunddre, tertiäre «etc. Cy- 
sten. i|n (nn^ra der. grössern gebildet. Durch spätere 
Airupbia^lerZwisch^nwandungen, wie das bekaniiÜicb.]?2Vc&ot|> ^) 



XXVllI. Spiegelbergt Zwoi erfolgreiche Ovariotoniien. 389 

zoersl klar entwickelt hat, hiJdüteu 8icli dann aus den klei- 
neren die grösseren cystisclien Hüume. Sehr gut waren alle 
diese Vorgänge an Dnixbschnitten der raittclgrosäen und klei- 
nen Cysten, die von der allgemeinen Wandung liervoiTagten, 
zu verfolgen und nachzuweisen. Alle zottigen, dendritischen 
und lameliösen Vors^runge waren mit einem sehr regelmäs- 
sigen, einschichtigen Cyiinderepithel bekleidet, .dessen Kerne, 
von stark in Carmin sich färbendem Protoplasma umhfillt, 
durchweg im unteren spitzzulaufenden Theile der Zellen la- 
gen; der obere Zellkörper war nach der freien Fläche hin 
offen imd blieb immer ungefärbt, so dass der Inhalt der Zel- 
len da bereits metamorphosirt sein musste und frei austre- 
ten konnte, üebrigcns sah man nicht selten auch mehrere 
Kerne in einer Zelle liegen, und die verschruhipfteii und man- 
nigtach in ihrer Form geänderten Zeilen in grossen Mengen 
im Cysteninhalte zerstreut, so dass ein rascher Wechsel der 
zelligen Elemente angenommen werden kann. Man muss da- 
her hier, wie wohl bei allen Secretionen, einen doppelten Ur- 
sprung des Secrets, hier des Cysteninhalts, annehmen, einmal 
auf dem Wege der Diffusion resp. Filtration vom Blute aus, 
und dann durch directe Metamorphose der Zellsubstanzen, 
wie das ja längst von der Milchdrüse, den Talgdrüsen etc. 
feststeht.** 

„Die gelblich- weisse Färbung, die an vielen Orten der 
Cysteninhalt zeigte, rührte nur von den zaiüreichen darin 
suspendirten Zellenresten und glänzenden Kerneq her; Fett- 
partikel waren nur sehr selten nachweisimr/' 

„Eine Wucherung der Bindegewebszeilen, iiii 
Stroma der Cystenwände und der grösseren Bai- 
ken, und Bildung der secundüren Cysten von die- 
sen Wucherungen aus, wie seiner Zeit Förster^ 
Spiegelberg und fast alle Neueren die Entstehung 
und Weiterbildung der Kystome dargestellt ha-^ 
ben, vermochte ich im vorliegenden Falle nicht 
zu constatiren." 

„Ausser den lamellöscn und zottigen Wucherungen fan- 
den sich nun auch vielfach drüsenscblauchähnliche 
Einsenkungen in die dickeren Wandpartien der grösseren 
und kleijjorai) Lysleu (^landul.ir growl\\&. W. FoxV ^^»^ 



390 XXVIIl. ^iegelberg^ Zwei erfolgreiche OTariotomieD. 

diese drüseiiäholicheii Biiduiigeii können Anlass zur Ent^ 
fttehung der secundaren Cysten geben, wie das ja zur Genüge 
von den Cysten vieler Schleimhäute bekannt, und für diese 
namentlich noch jüngst von Virchow (Onkologie Bd. 1. pag. 
211 ff.) ausführlich dargelegt ist. Findet daneben noch eine 
Wucherung der bindegewebigen Partien in der Umgebung der 
drösenscl^auchähnlichen Epithelformationen statt, so konoeo 
diese oder die aus ihnen durch Abschnürung hervorgehenden 
Cysten in Form kleiner prominirender Tumoren über das 
Niveau der allgemeinen Cystenwand vorgetrieben werden, und 
so durch Wiederiiolung desselben Processes schliesslich solche 
grossere cystische Tumoren entstehen, wie sie hier gefunden 
werden." 

„Der Bau der vorliegenden Geschwulst stimmt demnach 
am meisten mit der von Wilson Fox (1. c.) gegebenen Be- 
schreibung der Kystome des Ovariums überein. Nur in zwei 
Punkten kann ich Fox nicht beipflichten. Fox lässt.(pag^ 
20 ff. des Separatabdruckes) aus dem Verwachsen mehrerer 
benachbarter zottiger und papillärer Wucherungen cy- 
stische Räume entstehen. Das kommt wohl nicht vor. Es 
sind, so viel der vorliegende Fall lehrt, immer lamellöse« 
leistenartige Vorsprünge, welche durch Verwachsungs- 
processe kleine secundäre und tertiäre Cysten abschliessen. 
Wenn man sidi nur an die Betrachtung einer Schnittfläche 
hält, so kann sehr leicht die Täuschung entstehen, als ob 
man es mit Papillen zu tliun habe, während doch in der 
That biätterartige Vorspränge vorhanden sind, gerade wie 
beim Querschnitte eines Nagelbettes. Ausserdem neigt der 
englische Autor (I. c. pag. 17.) sich zu der Ansicht, als ob die 
Epithelialzellen sich aus den Bindegewebszellen des Stroma's 
entwickelten. Ich habe davon nie etwas wahrnehmen kön- 
nen, und muss auch aus vielen an anderen Orten gemachten 
Beobachtungen mich gegen eine Entstehung von ächten Epi- 
thelien aus bindegewebigen Elementen aussprechen. Bei der 
Entstehung der Ovarialkystome beiheiligen sich selbständig in 
gleicher Weise epitheliale und bindegewebige Elemente; dass 
aber die ersteren, und zwar ebenfalls vom ächten Epithel 
des obern Keimblattes, abstammend, im Ovarium vorhanden 
jiiad, haheü die Untersuchungen Fßüger's und His' über den 



XXVIII. Spi^gtlh^r^^ Zwei erfolgreiche Oyartotomieir. 391 

Bau und die Entwickelung des Eierstockes gelehrt. Ich 
schliesse mich auch in Betreff der ersten Entste- 
hung der Eierstocks-Kystome der Hypothese von 
Fox hiiy wonach in den Besten der P/Jil^er'schen Drii- 
senschläuche und in den &raaf'schen Follikeln die 
Ausgangspunkte für die Entwickelung der in Rede 
stehenden Tumoren zu suchen wären." 

„Ein Rest des normalen Ovariums war an der Geschwulst 
nicht mehr nachzuweisen, vielmehr, muss die letztere selbst 
als das ganze, in die cystische Wucherung aufgegangene Ova- 
riuni angesehen werden.'* 

Bemerkungen. 

Ich unterlasse es, auf die allgemeinen Indicationen zur Ova- 
riotomie, die mir festgestellt erscheinen, einzugehen r ich will 
nur bemerken, dass ich beide oben beschriebenen Fälle mir 
nicht ausgesucht habe, wie sie ja auch in Bezug auf die in- 
dication sich sehr verschieden zu stellen scheinen, -r- Dass 
im Fall H. die Exstirpation dringend notbwendig war, ja dass 
ein längerer Aufschub kaum noch einen glücklichen Ausgang 
von derselben hätte erwarten lassen, darüber kann kein Zweifel 
sein. Anders im Fall I. Man wäre hier vollkommen berech- 
tigt gewesen, eine Function vorauszuschicken; dass es gut 
war, dies nicht gethan zu haben, ist in Rücksicht auf die 
hämorrhagische Entzündung der Cysteninnenfläche jetzt klar; 
denn die Function würde wohl zur Eiterbildung auf jener 
geführt, die Chancen der Exstirpation sehr verringert haben« 
Diese Beschaffenheit der Cyste aber zu erkennen, war ganz 
unmöglich. Es zeigt dies aber, wie gering und trügerisch 
alle unsere diagnostischen Hülfsmittel sind, so weit sie sich 
auf die feineren inneren Verhältnisse der in Rede stehenden 
Tumoren beziehen (natürlich mit Ausnahme der nicht gleich- 
gültigen Function); und dass es im Allgemeinen deshalb gut 
ist, früh zur Radicaloperation zu schreiten. 

Beide Fälle — bei der nie punclirten einfachen Cyste 
die ausgedehntesten, biei der 11 Male punctirten, sehr com- 
plidrten Geschwulst fast keine Adhäsionen — geben weiter 
de» Beweis, dass aus dem Alter der Cyste, ihrem bisherigen 
Verlaufe, der Zahl der Functionen eAn sieWet %d\>9^^ ^\)\ 



392 XXVIII. Spiegelberg, Zwei erfolgreiche Oyariotomien. 

Adhäsionen flicht zn machen, ebenso wenig aus dem VorhAn- 
den&ein von Reibungsgeräuschen und aus dem Grade der Be- 
weglichkeit des Uterus; wie wenig in dieser Beziehung auf 
die Zahl Früherer Functionen zu geben, habe ich schon frnher 
(diese Monatsschrift, XIV. p. 217) bemerkt und hat auch 
Cmveilhter (Anat. path. gener. III. 409) schon hervorgeftoberi. 

Dass mir -der beide Male* glückliche Ausgang Tiel Freude 
bereitet bat, wird man natürlich finden; aber nicht Mos des- 
halb, weil es meine ersten Ovariotomien, auch nicht deshalb, 
weil sie die ersten hier glücklich verlaufenen sind; sondern 
hauptsächlich darum, weil ich zwei Menschen ihre verlor^ie 
Gesundheit wieder gegeben, und somit in den paar Wochen, 
welche mich diese Kranken beschäftigten, in der Behand- 
lung der Ovarientumoren mehr Nutzen geleistet habe, äli die 
Reihe von Jahren hindurch, in deri^n ich mich mit Ovaridri- 
Cysten zu beschäftigen Gelegenheit hatte; Vielleicht ermun- 
tert mein Erfolg auch Andere zur häufigeren Vornahme der 
bei uns noch immer scheel angesehenen Operation. Es sei 
mir deshalb erlaubt, auf di^ f\icbtigsten Momente derselben 
und besonders die, welchen ich den glücklichen Ausgang 
beider Fälle zuschreibe, in Kürze einzugehen; beide Male 
habe ich ja in einzelnen Punkten des operativen Verfahrens 
towohl als' der Nachbehandlung eigene Wege eingeschlagen, 
die der Beachtung werth erseheinen mögen, 
a. Zur Operation: 

Ich habe die halbsitzende Lage auf. einetn gewöhn- 
lichen Operationstische gewählt und glaube, damit sehr zu- 
frieden sein zu können. Sie bewirkte in beiden Fällen, dass 
von der neben dem Trokar vorbeiströmenden Flüssigkeit 
nichts in die Bauchhöhle drang, sondern über die Bancfiwand 
und den unteren Wundwinkel abtioss; sie begünstigte auch 
den Abflusd der iri Baiich-^ und Beckenhöhle vorhandenen 
ascitischen oder im Laufe der Operation angesammelten blu- 
tigen Flüssigkeit, sie setzt uns so in den Stand, die „Toilette 
des Peritonäums'* In weniger ausgedehntem Maasse zu Tiben. 
Da 'sie ferner der Kranken wie dem Operateur gleich bequem 
ist, so ist sie der horizontalen Lagerung cntschieÄn' vor-» 
zuzfeibefn. ■ :! •: - 

'"' Mi habe hn zweften Falle operttl, 'eke Aas Ab*^o^ 



XXyiU7 Spiegelberff, Zwei erfolgreiche Orariotomien. 393 

luen seine stärkste Ausdehnung wieder erreicht 
halte, und das Motiv dazu zum grössten Theile in derRiicksicht 
aur die Chloroformnarkosc gefunden. Indem ich auf die 
iielreflenden Bemerkungen in ohigem Berichte mich beziehe, will 
ich nur noch hervorhelien , dass hei dieser 4!autele die Gefahren 
der Narkose — die hei, unter hewandlen Umstanden innner 
vorhandener Compression der Lunge und heehiträchtigter Ac- 
lion des Zwerchfells, hei der auch nach Entfernung der Ge- 
schwulst nach ohernächlichen Respiration, immer vorhanden 
sind — selir verringert werden; auch schien es mir, dass 
die Markose his zum Augenhlicke, wo man die Op(;rirte vom 
Lager entfernt, sicherer und ruliiger unterhalten werden 
konnte, und die Patienten sich leichter aus ihr erholten. 
Und die Narkose wird hei derartigem Eingriffe Niemand ent- 
hehren wollen, die locale AnAsthesie nach RichardsorCa 
neuester Methode, welche Sp, Wdls jüngst hei einer Ova- 
ridiüniie in Anwendung zog (Med. Times, 17. March. 1861, 
p. '288), wird die allgemeine niclit ersetzen, da deren Nutzen 
ja nicht aliein und wohl am wenigsten in Beseitigung des 
Schmerzes hei Trennung der Decken liegt. 

Der wichtigste, weil in seinen Folgen einflussreicbste 
Theil der Ovariotomie ist entschieden die Art der Tren- 
nung und der Fixirung des Stieles. Man kann die- 
sen mit der Klammer comprhniren, vor derselben durch- 
trennen, und dann mit ihr im unteren Wundwinkel fixirep; 
oder man unterbindet ihn und naht ihn mit der Ligatür iii 
die Wunde ein; oder man lasst ihn unterbunden in der 
Bauchhöhle zurück und führt die Ligatur nach aussen, 'oder 
endlich man schneidet die Ligatur am Stiele ali und schliesst 
die Bauchhöhle vollkonnnen. Auch ist es von B, Brown 
(Med. Times vom 25. March. 1865, [). 320) empfohlen und 
geöbt, den Stiel mit dem Gluheisen zu durchtrennen, zuröck- 
schlupfen zu lassen und die ßauchwunde dann zu schliessen. 
A priori hat dies viel für sich , es ist aber noch nicht ge- 
nug erprobt; auch glaube ich kaum, dass diese Methode Ver- 
breitung finden wird, da man doch in der einfachen Tren- 
nung mit dem Glüheisen «»ine genügende Garantie gegen Nach- 
blutung kaum besitzt, wenn man bedenkt, wie grosse Ge- 
fSÜse mehl im Stiele enthalten- sind: auf jeÄew ¥AV Hi^t^^ 



394 XXVIir. SpUgelbjßrg, Zwei erfolgreiche OTarilkioBiieB. 

dem Ferrum canderis die Middddorpf' sehe Schneideschlinge 
vorzuziehea sein, weil die Sicherheit gegen Blutung eben in 
der Langsamkeit, d. h. der Dauer der Hitzeeinwirkung liegt 
und man diese mit der Schlinge vollkommen in der Hand haL 
Die Befestigung des Stieles in der Wunde mittels der 
Klammer — oder, was auf dasselbe herauskommt, mittels 
eines Constricteurs nach KoeberU (De TOvariotomie. Paris. 
1865) — wird immer die beste Methode bleiben; denn man 
vereinigt die beiden Baucbfellwunden, die des Stieles und die 
der Bauchdecken, damit in eine gemeinsame, hat in der Com- 
pressiott ein siclieres Mittel gegen Secündärblutung, und 
bringt das Secret der Stielwunde nach aussen. Hit der 
Fixiruog des Stieles durch Einnähen seiner Ligaturen in die 
Wunde erreicht man die erstgenannten Vortheile lange nicht 
so sicher; da dies Verfahren auch nur da anwendbar, wo 
es die Klammer ist, so ist es aus der Reihe der Methoden 
ganz zu streichen; es soll Jeder, der an die Ovariotoroie 
geht, im Besitze einer Klammer eben sein. — Man darf aber 
letztere durchaus nicht in allen Fällen in Gebrauch ziebeo. 
Wollte man einen sehr kurzen Stiel in der Baucbwunde 
befestigen, so würde dadurcli eine höchst gefahrliche Zerrung 
des Uterus und seiner Adnexa verursacht werden. Gewiss 
ist dies oft genug geschehen, und dieser Zerrung sind zum 
Theil die unglücklichen Erfolge nach der Fixirung des Stieles 
in der Wunde zuzuschreiben, da jene, an wichtigen Unter- 
leibsorgahen ausgeübt, bekanntlich so leicht zu Collaps führt 
Die Klammer kann also nur da angelegt werden, 
wo der Stiel lang genug ist, um, ohne dieBecken- 
Organe im Geringsten aus ihrer Lage zu zerren, 
in der Wunde befestigt werden zu können. Aber 
auch in diesen Fällen macht die zur Verhütung von Blutung 
noth wendig starke Compression des Stieles bisweilen die 
heftigsten Schmerzen und Zerrungserscheinungen. Es ist des- 
halb zu empfehlen, mit dem Instrumente nur gelind 
zu comprimiren und vor ihm mit der galvanischen 
Schneideschlinge den Stiel zu durchtrennen, wie 
ich zuerst es im Fall L gethan. Mau hat in dieser 
Art der Trennung sicheren Schütz gegen Blutung, und man 
beauUi die Klammer dann nur als Fixirun^sinittel des Stiek» 



XXVIII. Spiegelbirg, Zwei erfolgreiche OTariolomieii. 395 

in und seines morlificireiiden Restes vor der Wunde; tritt 
vor oder nach Abstosbung des Brandschorfcs Blutung wieder 
ein, 80 kann man ihrer durch stärkere Cooipression der 
KlaiDiuer sogleich Herr werden. 

Einen sehr breiten, vor Alleifi einen sehr kurzen 
Stiel muss man demnach in der Beckenhöhle zu- 
rücklassen, also fest und sicher unterbinden. 
Man hat dann, wie oben bemerkt, zu wählen, oh man die 
LigalurfUden nach aussen fuhren oder sie kurz abschneiden 
und die Bauchhohle vollkommen scbliessen will» Dieses 
letzlere Verfahren — von Rogers in Newyork (1829) 
zuerst geübt und in England besonders von Tyler Smith 
enpfohleD — erscheint als das rationellslf^. So viel 
ich weiss, wird es in Deutschland bis jetzt nicht geübt, wohl 
deslialb niclit, weil man einerseits mit den abgeschnittenen 
Ligaturen die Handhabe verliert, um bei eventuellem Abgleiten 
der Fäden und Nachblutung den Stiel zu Tage ziehen zu 
köooeo, und weil man andererseits vom Zurücklassen der 
Ugainren und des abgeschnürten , Stieh^stes heftige Entzün- 
dung etc. fürchtet. Gegen das Abgleiten der Ligatur schützt 
festes Umschnüren oder bei breitem Stiele Umschnüren in 
einaelnen Portionen, sowie Trennung des Stieles in einiger 
Entfernung von der Schnürstelle; und dass man das Zurück- 
bleiben der Fäden nicht sehr zu fürchten hat, zeigen die an 
detf, in der Bauchhöhle ja auch zurückbleibenden ^ Ligatureu 
der Adhäsionen (Ligat perdues) gemachten Erfahrungen, so 
wie die Erfolge TyL Smith's, der immer auf die in Rede 
stehende Weise vertfdirt und auf 20 Operationen 16 Gene- 
sungen aufzuweisen hat (Obst. Transact. VI. p. 72). Gewiss 
werden die Fäden und die abgesclmfirte Stelle durch sie um- 
kapselndes Exsudat bald unschädlich gemacht, und es erscheint 
rationeller, nach einer Operation, wie die Ovariotomie, die 
Bauchhöhle vollkommen zuzuschliessen, als durch das Her- 
ausführen der Ligaturfuden der Lutl freien Zutritt zu ihr 
zu lassen; die vom Stiele zur Bauchwunde führenden Fäden 
müssen ja gerade, man erlaube mir den Ausdruck, wie ein 
durch die Peritonäalhöhle gelegtes Haarseil wirken, jeden 
Falls die völlige und schnelle Abkapselung der Ligaturen und . 
mortifidreiiden Gewebsr/^sle verbiiidefn. — koX &\e&i& ^^V 



XXVlll. SpiegeUterg, Zifrei erfolgreich« OYsriotomfeD. 

güngen hin' habe ich im Fall If. gehandelt und glaub« es 
nicht beretten zu mAssen; indess will ich doch noch bemer- 
ken, dass *au<ch' 8p. Wells dieser BehandJungsweise des 
kurzen und breiten Stieles jetzt za adhäriren scheine (Obt^t. 
Transacn VI. ]». 73). Ob Ürahtligatur, welche Marion 
Sims in solchen Fällen anwendet (Med. TimeB vom 13. Ja- 
nuar. 1866. p. 50) einen Vorzug vor Seide hat, steht dahin« 
doch' ist es zu erwarten. 

' ' Es erscheint überflüssig, über die ßehandiudg der 
Adhflsionen etwas zu sagen. Doch niuss ich aaf die Art, 
wii^ich in beiden Fällen die Netzadhäsione'n behandelte, 
n^ctiroals aufmerksam machen. £s ist klar, dass- die im Ab- 
domen bleibenden zerrissenen Ränder des Netzes, ob -8ie"»m 
Theil Ligaturen in sich scMiessen oder nicht, den fiiotrilt 
von Peritonitis begünstigen müssen, und es erscheint des^ 
halb rationell,' wie es auch KosbsrU (I. c. p. 22. n. Taf. L) 
gethan hat, sie im oberen Wundwink-el frei zii Tagie 
tVL leg'en. Es kommen dann nicht die zerfetzten Rdmiw*, 
sondern die glatte Seroise mit der der Bauch wand in Bertb^ 
ruffg, und zwischen beiden entsteht bald Verklebang-; gtgeh 
Nachblutung sichert man sich durch Oauterisiition der' m 
Tage liegenden Partie mit Glfiheisen oder Schneideschiinge; 
Zerrung des Netzes findet nicht statt, da dasselbe nur lose^ 
nicht eingenäht, in der Wmide hegt und also nachgeben 
kanta", aus diesem Grunde ist auch das von mir eingeschla- 
, gene Verfahren dem KoeberU^Sy welcher eine 4Jeiistrictfon 
des Netzrestes vor der Wunde bewerkstelHgt hat, vorzuzie- 
hen. Uebrigens versteht es sich deshalb, dass nu^ dann das 
Netz nach «aussen geführt werdeii darf, wenn ^. Bauch- 
wunde weit genug herauh*eicht , um dies ohne Zerrung thun 
zu können. 

b. . Zur Nachbehandlung. 

Ich habe dieselbe oben beide Male im Detail gageben, 
weil von der genauesten Beobachtung aller der vielen in Be* 
trachl kommenden Momente, und sie erscheinen oft sehr un- 
bedeutend, der Erfolg abhängt. — Dass der Verband so 
• einfach wie möglich (Watte mit Flanellbinde) soin muss, ver* 
steht sidi schm aus Rteksichl «uf ^Ue doch täglich notii- 



XXVm. SpUgMerg,. Zw«! erfolgfreicbe ,OTiiriotoim«n- 397 

wendige Besichtigung der Wunde. Ebenso ist es selbstver- 
»läDdiich, dass die Operirte eine Wärterin haben muss, die 
nur UDv sie sich zu heknnimcrn hat Üann kann man, wenn 
zugleich durch fortwährendes OfTenhalten eines Fensters, bei 
i^blechteiQ Weiter mit gleidi^eitigein Heizen, für gehörige 
Ventilation gesorgt wird, aucli in Localitäten operiren, welclie 
-^ wi^ es meine Klinik ist — sanilätlich gerade nicht zum 
Bpstf^n organisirt sind. -^ Sonst bin ich in der Nachbehand* 
iuog allgemein geltenden Grundsätzen getoigt. Zwei Dinge 
aber haben meinen Operirten gleich gut gethan, und ich glaube 
ibnen, besonders im Falle IL, für den glucklichen Ausgang 
vielem verdanken zu müssen: das intensive Warmhalten 
der Kranken und der reichliche Verbrauch der 
Opiate. 

Wie wohlihucnd die VVärnie solchen Patien^ea ist, haben 
uns die Engländer gelehrt. Kalte Umschläge, Eisblasen auf 
die Wunde «iverden wohl kaum mehr in Anwendung kommen; 
^ie können nur den Collaps, zu welchem alle derartig Ope- 
rirte, neigen, beschleunigen und doch einer Exsudation nicht 
vorbeugen; eintreten nmss diese an der Wunde wohl immer, 
ihi'ß Ausbreitung aber können wir durch Kälte nicht hindern, 
ilire Qualität nicht bestimmen, beide hängen von inneren 
individuellen Umstätiden ab. — idi habe die Wärme indess 
in verstärktem Grade angewandt: Wärmflaschen ai\ die Füsse, 
die Uoierextremitäten und den Rumpf entlang; die Kranken 
föbllei^ sich ausserordentlich behaglich dabei und verlangten 
iiiii|)er wieder nach Erneuerung derselben; bei beiden trat 
M4 nach der Operation Seh weiss ein, der anfäi;^liche .Col* 
laps ging rasch vorüber, leb . möchte dies Verfahren sehr 
enipfehlen. 

,Qpiate werden in der Regel nur bei Sdnnerzen, bei 
Nausea und Erbrechen angewandt; nur Baker Brown hält 
regelmässig seine Kranken die ersten Tage unter Opiymein- 
lluss. A priori erscheint Solches vollständig gerechtfertigt, 
da eine fortgesetzte leichte Opiumnarkose die Kranken am 
besten über den Choc der Operation, wo ein solcher vor- 
handen , hinwegzufnhren im Stande ist. Meist werden aber 
die Opiate vom Mageu nicht vertragen, oder sie werden durch 
Störung der Verdauung und des Stuhl;, nge.^ w^c\\\>^!^\\\s^« 



S98 XXTtn: Spii^elberg, 2wei erfotgrefcfae OT«r!otoiaieii. 

Nun besitzen wir in der subcutanen Injection eine Me- 
thode, mittels deren wir jene unangenehmen Nebenwirkungen 
umgehen und in der doch nicht blos die anodyne Wirkung, 
sondern vor Allem, ich möchte sagen, die tonische Wir- 
kung zu Tage tritt; selbst wt) nach h^podermatisc^her An- 
wendung kein Schlaf; keine ^chmerzminderung eintritt, schwin- 
det meist die Unruhe, die nervöse Erregbarkeit, steigt das 
KrMlegefAhl und hebt sich der Puls bei Verfallenden. In 
diesem Sinne habe ich in beiden Fällen und be- 
sonders im II. zuerst von der subcutanen Mor- 
ph iuminjection ausgiebigen Gebrauch gemacht, 
und bin so sehr davon befriedigt, dass ich könflig bei der 
geringsten Indication in demselben Maasse zu ihr greifen 
werde. Auch auf die perilonitischcn Erscheinungen schien 
diese Behandiungsweise (ausser Opiaten wurde keine andere 
Arznei gereicht) einen guten EInfluss zu haben, wie sich denn 
auch aus der beifolgenden Tcniperalurcnrve eine bestimmte 
Wirkung auf den Gang derselben zu ergeben scheint. 

Ich habe voraussichtlich Gelegenheit, mehr Erfahrungen 
in dieser Hinsicht zu sanmieln, da mir weitere Ovariotomieii 
in nächster Zeit in Aussicht stehen. Die Ueberzeugung aber 
habe ich, dass — machen wir nur die Erfahrungen der Eng- 
länder in vollem Maasse uns zu Nutze, sind wir im Detail 
der Operation wie der Nachbehandlung ebenso sorgfaltig und 
auf der anderen Seite kühn wie sie — wir gleich gdnstigfv 
Resultate erreichen werden; in der Verschiedenheit der Con- 
stitution, der Ra(.en liegt die Ui*sache der Differenz der Er- 
folge im Inselreiche und auf dem Gontinentc gewiss nicht. 
KoeberW% Resultate (auf 18 Operalionen 13 Genesungen: 
Med. Times vom 2. Septbr. 1865. p. 260) sind Beweis da- 
für; besser sind auch die der glücklichsten englischen Ope- 
rateure {Tyl. Smith mit 20:16, Keith iii Edinburg mit 
37:28 — Med. Times vom 13. Jan. 1866. p. 45j nicht. 



fXIX. Kotiten am der Jotirnal- Literatur. 399 

XXIX. 
Notüsen aus der Journal -Literatur. 



E. Martin: Heilsamer Erfolg der Seitenlage bei 
Behandlung der Gehurten mit vorangehen- 
dem Schädel durch rhachilisch veren(;te 
Becken. 

Sebon früher bat Verf. in diesen BlKttem (Monattscbrift 
für GebarUknnde 1860. XV. 16.) darauf aufmerksam gemacht, 
dass es bei rbachitisch and sagleich einseitig verengten Becken 
von Bedeutung sei, in welcber Weise der Scbädel sich in den 
ßeckeneingang einstelle. Rücke .derselbe mit dem breiteren Hin- 
terbaupte in der weitereu Beckenhälftc herab, so könne die Ge- 
burt unter sonst günstigen Verbftltnissen leicht und glücklich 
verlaufen, indem dabei der kleinere vordere Querdurchmesser der 
1 — 1 7, Cm. weniger betrage und nacbgiebigere Endpunkte be- 
litse, ohne grosne Schwierigkeit durch eine Conjugata von 
7 — 8 Cm. bindurchgepresst werden. — Hierbei zeige sich die 
Lagerung der Gebärenden auf diejenige Seite, nach welcher die 
Stirn der Frucht gerichtet sei, oft heilsam. — Folgender neuer- 
dings beobachtete Fall bietet ihm Gelegenheit, den Nutsen der 
Seitenlage für diejenige Form rhachitischer Beckenenge mitt- 
leren Grades mit hinlänglicb grossem Querdurchmesser au er- 
iRutern, in welchem das Promontorium nicht oder nicht nach- 
weislich nach der einen oder anderen Seite geschoben ist. Kr 
fand bei einer 32jlihrigen Erstgebärenden mit rhaohitisch ver- 
engtem Becken (Sp. 11. = 27 Cm., Cr. II. = 28 Cm., Troch. = 
31 Cm. , Conj. ext. = 16,8 Cm., Conj. diagon. = 10 Cm., Conj. 
ver. = 8 Cm. = 3", D. obliq. dextr. und sinistr. 20 Cm.) das 
Kind in 2. Schädellage, den Muttermund nach dem Blasenaprnnge 
wieder zusammengefallen , den Kopf über dem Beckeneingange 
stehend, die Pfeitnaht quer verlaufend, das linke Scheitelbein 
über das rechte vorgeschoben. Da nach fast 248tündiger Ge- 
bartsdauer die vordere Muttermundslippe mehr und mehr schwoll 
und eine Quetschung des unteren Gebärmutterabschnittes zwi- 
schen dem wenig in das Becken bineiugepressten Kopfe der Frucht 
und der vorderen Beckenwand drohte, wurde die Gebärende auf 
die linke Seite gelagert, nach welcher die Stirn gerichtet war, 
damit der Fundus uteri und der Steiss der Frucht nach links 
sinke und umgekehrt das Hinterhaupt in die rechte Be^k^ixVvdXiN.« 
gedrängt werde, also der vordere kleine C^u«TduTc\xm«%«eT ^«% 



4Q0 ^^^!^* ^otUaq ifap der Ji^jarDal-^^fiterutur^ 

Kopfes iu die verkürzte Conjugata rücke. Bereits nach Y, Stande 
crfolg^te unter mehreren kräftigen Drnckwehen die Drehung des 
Schädels ans dem queren in den zweiten schrägen Beckendurch- 
messer mit der kleinen Fontanelle nach vorn rechts; V4 Stunde 
später wurde spontan ein alsbald aufschreiendes Mädchen von 
B F*fand 19 Loth (Zw.) .und 187«" Länge gehören. Die Durch 
mcsser des langgestreckten Kopfes waren: vorderer querer 7 Cm., 
hinterer querer 8 Cm., gerader 11 Cm., längster diagonaler 13 Cm., 
kiii;zcster 10 Cm. — Miitter .und l^in^l bUeboo gesund. — 

3o vortheilhaft übrigens bei dejr ebenerwäbnten Backen- 
Verengerung die Lagerung der Frati auf die. Seite sei , nach 
welcher' die Stirn hinsehe, so nachtheilig werde sie unter ge- 
wöhnlichen normalen Verhältnissen, besonders wo* die Drehung 
des Schädels aus einer 3. oder 4. Lage begünstigt werden solle. 
Hier sei die Lagerung der Frau auf die entgegengesetzte natür- 
lich die «iDzig richtige. 

(Berl. klinische Wochenschr. 1866. I.) 



Hixughton: StatistikeD des Gebärliauses zu Moskau. 

Von 1832-1860 (inel.) hatten Statt 45,16'2 Entbindungen. 
Davon waren: 

Natürliche 38,317 

Widernatürliche: Hand: 1,829 

„ Instrumente:.... 739 

ZvvilHnge 846 

Drillinge 11 

Tedfgeboren 3,450 

Im Findelbause untergebracht wurden 21,944 Knaben, 

20,525 Alädchen. 
Nur 86 Kinder blieben bei 

ihren Müttern zu Hause. 

Die Mortalität der Kinder im Findelhause betfug binnen 
der letzten drei Jahre 42%. Die Knaben werden hierfür die 
rassische Armee erzogen, die Mädchen in verschiedenen in- 
dustriellen Beschäftigungen unterrichtet. 

(The Dublin Quarterly Journal No. 78. Mai 1865.) 







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XXX 
Verhandlungen der Gesellschaft für Geburtshülfe 

in 

Berlin. 

Sitzung riiii 13. März 1866. 
Herr Cohnheim legt «las Präparat von Rupt ur 
uteri vor, wozu Herr Schtvahn in der letzten Sitzung die 
betreffende Krankenjireschichte gegeben halle. Bei der Er- 
ößhuDg der Baucbböhle hatte sich in derselben eine Ziem- 
liche Quantität Flfis.si^keit gefunden. f)ie Därme waren blutig 
imbibirt. Beim Zunu-ksclilagen der Harnblase gewahrte man 
eine iireite handteller<,Tosse Fläche, die mit Blulcoagulis etc. 
bederkt war, es war dies die Schleimhaut der hinteren Wand 
des Cervicalkanales. Die vordere Wand desselben war so 
zerstört, dass sie iMiie 2V2'' hohe und ebenso breite Wund- 
Qäche darstellte. Man konnte von der Scheide aus die ganze 
Hand hindurch tViliren. Die Scheide selbst war ganz intakt. 
Der Riss befand sich V4" vom Orificium interninn und '4" 
vom Orif. exlenunn entfernt. Herr Cohnheim hob noch 
ein Mol hervor, dass keino^ei Gewebserkranl^ng des Uterus 
nachzuweisen war. 



Herr Klebs legt der Gesellschaft, ein 

Abortiv -Ei 

vor, das ihn) von Herrn Schulz übergeben war. Dasselbe 
entsprach seiner äusseren Entwickelung nach ungefähr einem 
Ei aus dem dritten Monate und stellte einen Abguss des 
Uterus dar, an dem man die Uterushühle und den Cervical- 
kanal deutlich unterscheiden konnte. Die äussere fleischige 
Lage bestand aus der erkrankten Decidua, die fär den dritten 
Monat noch sehr stark und derb war, und das schon vou 
H, Müller heschriebeue ßiJd einer eAn^ac\\e.u Ä^\k«v'>^\^'Ä^. 

MoamtuMcbr. f. QehurUk. 18fi6. Bd. XXVII., Hft. 6. ^^^ 



402 XX:^. Verhandlunf^on der Gesellschaft 

darbot. Es zeigten sich nirgends Extravasate in dem Ge- 
webe der Decidua. Sehr merkwürdig war ein zapfenrörmiger 
Vorsprung der beim Aufschneiden des Abgusses des Cervi- 
calkanals in diesen hineinragte und der ebenfalls aus hyper- 
plastiscbem Deciduagewehe bestand, und nur als ein Rest der 
Decidua reflexa zu deuten ist, die also in diesem Falle an 
der Erkrankung der übrigen Decidua participirt hatte. Bei 
der weiteren Praparation fanden sich Chorion und Anniion 
miteinander verwachsen ; auf dem Ghorion selbst unregel- 
massig vertlieille Zotten , die sehr blass waren. In der Ei- 
höhle war eine ziemliche Menge röthlicher Flüssigkeit. Zuerst 
Hess sich nichts von einem Fötus aufimden, bis man horh 
oben in der Eihöhle ein kleines weisses Knötchen von 2V2 iMil-* 
limeter Länge entdeckte, welches sich als der im Wachs- 
llium zurückgebliebene Fötus erwies, der ungefähr der 
(bitten Woche entsprach. Da das Amnion schon weil ?on 
ihm entfernt war und ihm nicht mehr, wie es der Zeit 
seiner Eotwickelung entsprochen haben würde, anlag, so hatte 
man es demnach hier mit einem Falle von Hydramnion zu 
thun. Die Elemente der Decidua waren normal, nur an der 
Peripherie Hess sich ein leichter Wucherungsprocess nach- 
weisen. Zunächst ist es klar, dass diese Hyperplasie ein 
wesentliches Hinderniss für die Ernährung des Fötus abgeben 
umste , hierzu kam die Erweiterung des Amnion und sciiliess- 
lieh stellte sich J)ei mikroskopischer Untersuchung noch die 
vollständige Abweseidieil von Blutgefässen und Blut heraus. 
Der Fötus bestand aus einer weichen Masse, (he mit platten 
Epidermiszellen, dem einzigen Product des Hornblattes über- 
zogen war, in) IJebrigen fanden sich nur eine Menge abnorm 
kleiner Zellen mit einzelnen grossen Fettkörnchen-Zellen un- 
termischt. Eine weitergehende Differenzirinig in innere Or- 
gane u. s. w. fehlte, wie es schien, gänzlich. Schwer dürfte 
es sein, nach einem derartigen Falle entscheiden zu wollen, 
ob diese Veränderung des Fötus ursprünglich oder später 
(entstanden sei durch die Erkj-ankung d( r Eihäute. Die Cho- 
rionzotten waren übrigens ebenfalls vollständig gefasslos, und 
ihr Epithelüberzug bestand aus einer homogenen kernhaUigen 
Masse mit zahlreichen Felltröpfchen, war also in hochgradiger 
Ihuiger Degeneration iiegritlen. 



für Gebartshiilfe in Berlin. 403 

Herr Hüter legt ein 

Präparat von Cysto nie ovarii 

vor, das weniger pathologisch-anatomisches Interesse darbietet, 
als klinisch -anatomisches in Rucksicht auf die Exstirpation 
in einem derartigen Falle. Die Kranke, von der das Prä- 
parat herstammt, war 41 Jahre alt, hatte mehrfach geboren 
und seit 13 Jahren den Beginn einer Geschwulst im Leibe, 
liemerkl. Vor zwei Jahren war dieselbe zum ersten Male 
punkürt worden, und seitdem waren sieben bis neun Punk- 
tionen in immer kürzeren Zwischenräumen nöthig geworden. 
Schliesslich war die Kranke Behufs einer £xstirpation der 
Geschwulst in die chirurgische Universitätsklinik geschickt 
worden. Hier conslalirte man hei der blassen, leicht ikte- 
rischen Kranken eine fluktuirende Ovarialgeschwulst, die aber 
mit dem Uterus und mit den Bauchdecken so innig verwach- 
sen erschien, dass man von der Ovariotomie Abstand nahm. 
Bei einer neuen Punktion entleerten sich mehrere Quart der 
gewöhnlichen Flüssigkeil, wie sie bei derartigen Geschwül- 
sten vorkommt Zwei Tage nach der Operation starb die 
Kranke unter den Erscheinungen des Marasmus. Bei der 
Section fand sich ein reichlicher Bluterguss in die Cyste und 
in die Bauchhöhle, Insufticieuz der Mitralis, eine atrophische 
Muskatleber und eine vollständige Atrophie der rechten Niere. 
Ü(^ Tumor war mit dem Uterus so innig verbunden, dass 
beide eine vollständig geschlossene Masse bildeten und nir- 
gends von einander abzugrenzen waren. ^Der Uterus war 
enorm in die Länge ausgezogen, indem er 8V2'' i<tng war 
und zwar hatte diese ^Dehimng das ganze Organ betroffen, 
da man nirgends einen Uebergang der Uterushöhle in den 
Cervicidkanal entdecken konnte. Die Cystenwand war nir- 
gends zu unterscheiden oder zu trennen von der Uterussub- 
dtanz. Die Tuben waren auf beiden Seiten vorhanden und 
vom Uterus eine Strecke weit als durchgängig zu erkennen, 
rechts hh 3" vom Ulejus, links bis IVa"- Von den Ovarien 
waren keine Spuren aufzufinden. Der rechte Urether liess 
sich von der Blase aus nur einige Linien weit verfolgen, 
dann endete er dicht am Orificiuin blind. Die betreffende 
r«*chte ^iere war, wie schon erwähnt, bis lUV V^toä?»^ <fc\\\^\ 



404 XXX. Verhandlungen der Gesellschaft 

Wallnuss zusammengeschrumpft. Der linke Urether war voll- 
kommen durchgängig, aher auch so innig mit der Geschwulst 
verwachsen, dass eine Exstirpation derselben olme Verlelzung 
des Urether unmöglich gewesen wäre. Die Cyste bot nichts 
besonderes dar. Darüber, dass diese Geschwulst von einem 
Eierstock ausgegangen, kann nach dem Befund wohl kein 
Zweifel obwalten , wie dies in dem von Groethuysen früher 
der Gesellschaft vorgelegten Präparate der Fall gewesen wur. 
rVergl. Verhandl. d. Gesellschaft 1862. Monatsschrift für 
Geburtskunde Bd. XXI. S. 243.) 



Herr Rose demonstrirl 

einen ungewöhnlichen Fall von Spina bifida. 

An der Wirbelsäule vom dritten Lendenwirbel ab bis 
zur Steissbeinspitze sind die beiden Hälften der Bogen aus- 
einandergedrängl. Wie gewöhnlich, fand sich auch hier eine 
Betheiligung des Rückenmarkes, jedoch in ganz abweichender 
Form. Während man es sonst als Regel ansieht, dass liei 
der Spina bifida der Lendengegend das einfache Ende des 
Ruckenmarkes mit dem Nabel an der Ruckseite des Sackes 
verwachsen ist, und man von da aus die verdickten rück- 
läufigen Nervenwurzeln abgehen sieht, wie es z. B. auf den vor- 
gelegten Tafeln von Katorp, Cruveühier, Ammon, Virchow 
abgebildet ist, findet sich hier ein ganz anderes Verhalten. 
Nur in der Längsrichtung sieht man die dicken Nerven ver- 
laufen, wie bei der gewöhnhchen Cauda equina, ausgehend 
von dem Umfange eines feinen Trichters, der sich im Kanal 
des dritten Lendenwirbels befindet. Der Trichter enthält in 
der Mitte enie stecknadelknopfgrosse Lücke, die den einzigen 
Zusammenhang der Geschwulst mit dem Rückenmarkskanale 
darstellt. Und zwar ergieht sich sofort, dass dieser Aus- 
gang in einen Kanal führt, der central im dicken Rücken- 
mark aufsteigt. Der Zugang zwischen Dura und* Pia war 
vom Sack aus abgespeirl, indem beide am Umfange des 
Trichters mit einander unter der Sackwand verwachsen waren. 
Nach ßloslegung des Gehirns, welches für eine Kinder* 
/f/ehfi sehr wohl erhallen war, fand sich uusserlicii an dem- 



für Qeburtflhülfe in Berlin. 4()5 

selben nichts AtttTaileiides, , weder eine besondere Hölhung noch 
S|iur einer Trfibnng; ebensowenig am Rückenrnarke. Nur an 
seinem untersten Ende war die Arachnoidea spinalis auf der 
vorderen Seite schwach getrübt. Dagegen ergab sich beim 
Aufschneiden, dass beide Halbkugeln in grosse Blasen ver- 
wandelt Waren, deren Wände aus einer etwa 1\'2 Linien 
dicken Ilinischicht bestanden und deren Inhalt eine dick- 
flussige braunrothe (sehr viel Cholesterinlareln enthaltende) 
Masse bildete. Die Wandungen waren sammetartig aufge- 
fasert, und flottirien unter einem schwachen Wasserstrome. 
Der Schädel war nicht übermässig gross, die Knochen schon 
ziemlich stark verknöchert, die Suturen waren nicht weiter 
als gewöhnlich. Worms*sche Knochen fanden sich nicht vor. 
Auffallend war innen rechts und links von der Pfeilnaht eine 
Reihe niscbenförmiger Eindrucke in die Knochensubstanz der 
Scheitelbeine, welche sich wie ehie Reihe Bogenfenster jeder 
Seils ausnahmen. 

Diese Erweichung des Gehirns um die seitlichen Yen- 
Irikel setzte sich nun continuirlich fort; der vierte Ventrikel 
war so gross, dass man mit zwei FingersjMlzen hineinfassen 
konnte. Von da ging die Erweichung in die centrale Sub- 
stanz des Röckenmarks fort bis zu jenem Trichter, so dass 
der Sack der Spina bifida communicirte mit dem vierten und 
den seitlichen Ventrikeln des Gehirns. 

Der rnhalt der Geschwulst ging also im Wesentlichen 
hervor von den Wailduungen des Centralkanals in Rucken- 
mark selbst; sein Ende ging ohne Unterbrechung als ein 
offener Cylinder über die innere obere vordere Wand des 
Sackes, während sonst das Ruckenmark geschlossen an der 
hinteren äusseren unteren angeheftet ist. 

Das Ruckenmark behndet sich nicht mehr im Sacke, son- 
dern endet an seinem oberen Anfange, und schickt nur die 
iNerven durch ihn hindurch. Die Höhle der Arachnoidea ist 
dagegen ganz vom Sacke abgeschlossen, dessen Wan<l von 
einer ziemlich dicken verwachsenen Haut gebildet wird. An 
der hinteren Seite der Geschwulst, welche die Grösse einer 
hallien Apfelsine halte , war sie atrophirl, hochroth und ans 
«iiier punktförmigen Oelfnung ergoss sicli dort vm\ d^.v V]»^- 
huri ab wäßserige FJussi^keiL 



406 XXX. Verhandlnngen der OeselUchaft 

So haben wir es weder mit eioer bruchsackt'örinigen 
Ausstülpung der Ruckeumarkshäute, einer einfachen Menin- 
gocele zu thun, da der Sack ja von der Arachnoidea getieunt, 
noch von einer Hydromyelocele , da auch das Rückenniark 
nicht in ihn eintritt; ein Verhalten, das wesentlich nach der 
Art der Verwachsung des Rückenmarks sich gestalten mag. 

Auffallend ist, dass bei Lebzeiten nie Krämpfe oder Läh- 
mungserscheinungen bemerkt sind, auch nicht hei Gompres- 
sion des Sackes, so dass die ausgedehnte Erweichung nicht 
im Entferntesten vermuthet ist. Nur war mir bei der Auf- 
nahme des Falles in Rethanien auffällig, wie glatt und vor- 
gewölbt die ganze Dammgegend war. Bei Druck darauf 
tröpfelte Harn aus der Ruthe. Der After war zugleich etwas offen, 
zeigte keine Hautfalten, aber ungewuhnhch viel glatte rothe 
Schleimhaut. Vielleicht deutete diese ßeschalFenheit, die einen 
Rildungsfehler im Unterleibe vermutben Hess, was eich jedoch 
nicht bestätigte, schon eine leichte Parese der Theile an. 
Ilebrigens bewegte das Kind seine Beine. 

Gerade in dieser Reziehung war es mir interessant, ein 
anderes Kind mit Hydrorrhachis externa cum spina bifida durch 
die Güte des Hrn. Geh.-R. Martin vergleichen zu können, 
welches bei der Geburt eine Berstung des eben so grossen 
Sackes davon trug und am zweiten Tage starb. Hier war 
nichts von der IVIastdarmschleimhaul zu sehen, und die ge- 
wöhnlichen feinen Falten am After, die Dannnnaht verstrich 
selbst nach dem Tode nicht. Uebrigens bildete es den ge- 
wöhnhchen Fall, wo der Conus des Rückenmarkes (rechts 
neben der geborstenen Stelle) auf der Rückseite des Sackes 
angeheftet ist. Die Gehirn- und Rückenmarkshäute waren 
normal und mit ihm in offenem Zusammenhange. Beide Sei- 
tenventrikel durch wenig getrübte Flüssigkeit stark dilatirt, 
ihre Wandungen stark injicirt, ihre Bedeckungen ungewöhn- 
lich derb. 

Hiernach möchte man um so mehr geneigt ^ein, jene 
eigenthumliche Vorwölbung und Verstreichung der ganzen 
Dammgegend zuzuschreiben jener centralen Erweichung des 
Ruckenmarkes, indem man in ihr das einzige Zeichen einiT 
davon abhängigen Paralyse erhlidkt. 

Das Präparat verdanke ich Hrw. Vir, Lxepelt und Hrn. 



für Geburtshülfe in Berlin. 407 

Generalarzt Dr. Böger, denen ich bei der Section in Betha- 
nien behiili'lich war. 



Herr C. Mayer erzahlt folgenden 

Fall von hochgradiger Hetrot'lexio uteri. 

Frau W. aus C. eine grosse, stattliche, gutgenährle, 
blähende, dunkele Blondine, stammt von einer gesunden 
Mutter, welche acht lebende Kinder gebar, von denen vier 
Mädchen gebärmutterkrank sein sollen. Sie (die dritte) wunU* 
als zweijähriges Kind von einer hartnäckigen Ruhr befallen, 
an deren Folgen sie lange kränkelte und vielleicht bis zum 
15. Jahre von lästiger Obstruction geplagt wurde. Im 
14. Jahre trat ihre Menstruation ohne Beschwerden ein, er- 
schien gewöhnlich nur alle 5—6 Wochen, dauerte 3 — 4 Tage, 
in den ersten Jahren reichlich, und war von früh an mit 
Uebelkeiten verbunden, welche jedoch auch beim Fahren, 
beim Schaukeln einzutreten pflegten. Im Allgemeinen war 
die Gesundheit hnmer gut, und litt nur eine kurze Zeit 
durch anstrengende Pflege von kranken Familiengliedeni, doch 
bei der VerheiraUiung, Ende Mai 1861, im Alter von 23 Jah- 
ren, befand sich Frau W. vollkommen wohl und ging damals 
mit ihrem gesunden, stämmigen, jungen Eheinanne nach Lon- 
don. Hier zeigte sich jedoch, dass alle Versuche, «Jen Coitus 
zu vollziehen, mit den grössten Schmerzen verbunden waren 
und erfolglos blieben, es wurde deshalb, da ein nicht zer- 
reissbares Hymen vorausgesetzt und eine Operation für wabi- 
scheinlich nöthig gehalten wurde, ein Arzt in London (Dr. 
Ä.j zu Rathe gezogen. Dr. Ä. fand diese Voraussetzung 
nicht bestätigt, und berichtet in einem Schreiben vom 17. Juni 
1861: „Die äusseren Genitalien waren normal gebildet, die 
.,Scheide war auffallend kurz, die Vaginalportion stand tief 
„und dicht hinter der Symphyse, war jedoch dem eingefiihrten 
,.Finger zugänglich und zeigt keine Abnormität in dem Spe- 
„culum, das sich nui' drei Zoll in die Scheide einbringen 
„lässt; die Sonde drang kaum einen Zoll in den Uterus ein. 
„Dr. R. Ifdn-te zur Feststellung der Diagnose einen melal- 
„ienen Katheter in die Uaruhla&ey und drückle 4a^ \v\%\x\x- 



408 XXX. Verhandlungen der GeKellschafi 

,,meiit möglichst tief in das Becken herab, er begegnete in 
„(hescr Weise dem. per rectum eingeffihrlfn Finger sehr leiclit 
„und fühlte an der dem Uterus gebührenden Stelle 
„nur eine kleine Geschwulst, konnte jedoch das Vor- 
„handenseiu von Ovarien nicht nachweisen, obgleich er bei dem 
„regelmässigen Erscheinen der Menstruation den Mangel dersel- 
„ben nicht wahrscheinlich hielt''. Bei einer zweiten Untersuchung 
fand Dr. R. dasselbe Resultat^ sprach sich jedoch nicht darüber 
aus, und unterliess in dem ihm zweifelhaften Zustande alle 
weiteren Experimente, und das Ehepaar begab sich nach 
Edinburgh, um Simpson zu consultiren. Simpson sah 
Frau W, Anfang August 1861 , etwa 6 Wochen nach ihrer 
Verheirathung zum ersten Male, und berichtet in einem mir 
vorliegenden Briefe ^über den Befund seiner Untersuchung, 
wie folgt: ,4)er Fall von Mrs. W, ist ein sehr interessanter 
„Fall von einem unentwickelten Uterus. Da^ Organ ist sehr 
,.klein, kaum zwei Zoll lang, und das Os internum oder der 
„contrahirte Punkt zwischen der Höhle des Uterus und des 
„Cervix, ist so klein, dass kaum eine ganz kleine Sonde ond 
„nur mit grosser Schwierigkeit eindringt, kurz es ist ein Fall, 
„in welchem der Uterus nicht die Entwickelung seines nor- 
„malen Umfanges zur Zeit der Pubertät erreicht hat, indessen 
„ist dieser krankjiafte Zustand nicht ganz seilen, und in den 
„mehr markirten Fällen dieser Art findet vollkouuneue Ame- 
„norrhoe Statt. In Fällen, wie der vorliegende, bedient man 
„sich bei der Behandlung eines kleinen galvanischen Intra- 
„uterinpessarium aus Zink oder Kupfer, in welchem das Zink 
„sich zersetzt, und nach wenigen Tagen ein Niederschlag auf 
„dem Instrumente entsteht. Der Uterus dehnt sich aus und 
„schwillt an im Umfange dieses fremden Körpers, wie er 
„dies physiologisch thut im Umfange eines Ovulum, und pa- 
^thologisch im Umfange eines fibrösen Tumor. Ich liabe 
„manche Fälle solcher Art ganz gut werden sehen*'. 

Diese von Simpson gerühmte galvanische Sonde wurde 
von ihm applicirt, und erregte bald sehr heftige Schmeraen 
mit Uebelkeiten und beträchtliche Blutungen, die Schmerzen 
steigerten sich, und nach etwa 14 Tagen trat eine heftige 
(lebärmutterentzündnng ein, welche die Kranke in Lebens- 
gefahr brachte und drei Wochen andauerte. Die Kranke 



fHr Gebartshülfe in Berlin. 409 

kehrte im October noch sehr schwach und Ipideiui, unter 
iler grösslen Vorsicht nach London zurück, ohne eine weitere 
örth'clie Behandlung versucht zu haheii, und wurde vom Dr. 
R, in London noch bis zum Fel»ruar des folgenden Jahres 
hebandelt und endlich langsam restaurirl, doch unterbiieh 
jede örtliche Behandlung und der Uterus blieb unberührt. 

Am Ende des vorigen Jahres kehrte Frau W. mit ihrem 
Gatten von London nach Deutschland zurück, um wieder in 
ihrer Vaterstadt zu bleiben. Ihr Befinden hatte sich nach 
und nach gebessert, sie hatte wieder zugenommen, ihr Aus- 
sehen war wieder frisch und blühend , doch klagte sie noch oft 
über Schmerzen lief im Unterleibe und über Uebelkeiten, 
dabei war. der Appetit gut, die Stuhlausieerung erfolgte tag- 
lich, die Urhisecretion war geregelt. Die- Menstruation war 
nach und nacli immer scliwäcbcr geworden, trat unregel- 
mässig ein, alle fünf . VVochen, dauerte 2 — 3 Tage, mit viel- 
fachen Beschwerden und Uebelkeiten. Der Coitus wurde häufig 
vollzogen'; ohne Sclimerz und ohne Heiz. Conception war 
nicht erfolgt. 

Am 5. Februar d. J. kam Frau W, nach Berlin, um 
mich zu consultiren und um mir eine sehr kranke Schwester 
zuzuführen. Sie übergab mir <'in Schreiben ihres Schwieger- 
vaters, meines allen Freundes, des Geh. Med.-R. W in C wel- 
rher sie mir empfahl und nochmals mir meldete, dass seine 
Schwiegertochter durch Simpson'^ Behandlung in Lebens- 
gefahr gebracht worden, und dass eix selbst sclion damals, 
ebenso wie auch jetzt, der Ansicht sei, dass in solchem Falle 
gar nichts zu thun sei. Nichtsdestoweniger hielt ich es 
unter solchen wenig ermuthigenden Mittheilungen , nicht nur 
Klr Pflicht, sondern für sehr interessant, mich durch eigen- 
händige Untersuchung von der Beschaffenheit des, nach der 
Angabe von drei tüchtigen Aerzlen, unentwickelten Uterus, 
zu überzeugen. Das HesuUat meiner Untersuchung war fol- 
gendes: In dem weichen, etwas gespannten, vollen Bauch 
der vortrefflich genährten Frau konnte ich weder durch Be- 
tasten, noch durch Beklopfen etwas Abnormes, aber auch beim 
tiefsten Eindrücken keinen Uterus durchfühlen. Die äusseren 
Genitalien waren normal gebildet. Der Cntroitus war so weil 
geöffnet, dass ich mit Leichtigkeit den ¥ii\^*Ät uuA ^y^V^^ 



410 XXX. V erbandlungeu der Geselischatt 

ein S|)oculuin von massigem Umfange ohne Schmerzen ein- 
tiihren konnte. Die Vaginalportion stand lief, etwas nach 
links und nach vorn, die Scheide erschien dadurch kurz, 
doch Hess sich der Uterus in die Höhe drücken, und ver- 
längerte so die Vagina etwas. Der Uterus war auffallend 
kiM'z, und weder von der Scheide noch vom Rectum aus 
Hess sicli hei gleichzeitigem Gegendrucke vom Bauche aus, der 
Körper des Uterus durchfühlen, so dass er kaum mehr als 
die Länge von 1^/2 Zoll zu hahen schien. Die ohere Fläche 
bildete eine kleine, rundliche, nach rechts und nach hinten 
gerichtete Wulst, und neben derselben fanden sich mehr 
nach oben, nach rechts und nach links kleine weiche, länghch- 
i'imde Körper, etwa von der Grösse einer grossen Haselnuss, 
die wohl für die Ovarien gehalten werden konnten. Eine ge- 
wöhnliche Kiwisch'sche Sonde jlrang leicht in das Orificiuni 
<?xternum, aber kaum weiter als ly^ Zoll, und stiess hier 
gegen den erwähnten oberen Rand des Gebärmutterkörpers, 
von einem Orificium internum war nichts zu finden und es 
schien also wirklich ein kleiner unentwickelter Uterus vor- 
handen zu sein. Am zweiten und dritten Tage wiederholle 
ich die Untersuchung mit einer rundgeknöi)ften Simpson'- 
sehen Sonde, mit demselben Resultate, doch liel mir jede> 
Mal die erwähnte kleine rundliche Wulst auf der Oberllärlir 
des Uterus auf, die nach rechts, nach hinten und nach unten 
gerichtet, an ein verdicktes Ligament oder an ein Kxsndal 
♦Tinnerle, ganz unbeweglich und in keiner Weise von dem 
kleinen Uterus zu trennen war. 

Obgleich geringe Aussicht zu einer Aendennig der Dia- 
r^nose vorbanden war, unternahm ich doch am folgenden Tage 
eine vierte Exploration, nachdem ich vorher mehrere reich- 
liche Ausleerungen durch Magnesia usla hatte elTecluiren' 
lassen, ich Uess die Kranke sich noch horizontaler auf einem 
Sopha lagern und das Kreuz noch mehr erhöben, nahm meine 
etwas dickere Sonde von der Form eines männlichen Ka- 
ibeters, und filbrte dieselbe leicht ein, dirigiilc die Spitze 
besonders nach rechts und hinten, nach der Richtung der 
zweifelhaften Geschwulst, wo ich eine kleine weichere Stelle 
— ein mögliches Oridcinm zu fühlen glaubte. Ich unter- 
sijchie und druckte diese Stelle ohne Gewalt, mit kleinen 



für Geburtshülfe in Berlin. 411 

Fauseu, wie ich das früher sclioii utl in anderon Fällen mit 
Nutzen gethan hatte, und plötzhch schien die Contraclion 
des S|)hincter nachzulassen, das Oridcium inlernuni öfTnete 
sich und die Sonde drang von ohen nach unten« his zum 
äussersten Ende des Cervix 2V2 ^<>1' ^i^-f "<il grösster Leich- 
tigkeit, ohne jeden Schmerz^ ein, während ich das Ende der- 
selben übcreinslinnnend mit"* dieser Richtung immer höher 
und liöher hob. Ich versuchte mm den nach unten gerich- 
teten Theil des Uterus mit'der in demselben steckenden Sonde 
iiach oben zu heben und aufzurichten, und auch dies Expe- 
riment gelang leicht, vollkommen und ohne Schmerz, — der 
Uterus richtete sich in seiner ganzen Länge von 2^L^ Zoll 
auf, und jeder Zweifel war geliohen, — es war kein unent- 
wickelt gebliebener, sondern ein vollständig entwickelter, im 
höchsten Grade retroüectirt geweseneu' Uterus! Ich liess die 
Sunde an diesem Tage ohne Schmerz eine Stunde lang im 
Uterus, und wiederholte täglich dies(* Operation, doch blieb 
die Kranke täglich 2 — 3 Stunden in dieser Weise hegen. — 
Am 17. Februar, also neun Tage später, trat die Menstrua- 
tiun unter reichlichen Schmerzen und Uebelkeiten ein, dauerte 
länger und viel reichlicher als sonst, vier Tage, und die 
Stellung des Uterus blieb währen<l dieser Zeit ziemlich gut 
aufgerichtet, und die Sonde Jiess sich luich derselben leicht 
appliciren, und die B(;handlung soll in dieser Weise lange 
fortgesetzt werden. 



Sitzung vom 27. iMärz 1866. 

Der Secrelair verliest folgende Krankengeschichte: 

F, G. Möller (llandnng) 

Inversio uteri post partum. 

Am 2. October 1861 Morgens 8 ''2 Uhr wur<ie ich zu 
der unverheiratheten A, K, gerufen, die soeben von einem 
lebenden Mädchen rasch und leicht entbunden — l»ei der 
aber etwas Aussergewöhnliches passirl sei. \k\\ Vä\\<\ ^vw^ 
grosse, anscheweiid kräftig gebaute, 21 iahvi^c V^v§>OT\, Sw. 



412 XXX. Verhandlungen der Gesellschaft 

sehr anämisch aussah, in heständlger Aufregung ängstlich im 
Bette sich umherwaii und Jaul über heilige Schmerzen im 
Leihe klagte. 

Von der anwesenden Hebamme erfuhr ich, dass die E. 
jetzt zum ersten Male niedergekommeq, dass die Geburt sehr 
rasch verlaufen, dass unter heftigen, namentlich für eine Pri- 
mipara ungewulmlich heftigen Wehen der Kopf durchgeschnit- 
ten, und dass dem Kinde sofort A'w Nachgeburt gefolgt sei, 
so dass das Kind rasch hätte abgenabelt werden müssen. 
Als darauf die Hebamme durch die ßauchdecken nach dem 
Fundus uteri gefühlt, so sei derselbe gehörig contrahirt ge- 
wesen, und es sei auch kein irgendwie beträchtlicherer Blut- 
abgang erfolgt. Während sie nun das Neugeborene besorgt, 
sei die schon während der Niederkunft sehr aufgeregte Ge- 
bärende noch unruhiger geworden, habe laut über Schmerzen 
in) Leibe geklagt und dabei geäussert: „sie fühle, es käme 
noch Etwas nach.** 

Da der tiöstende Zuspruch der Hebanune, die geglaubt, 
heftige Nachwehen , seien der Grund der Klagen , Patientin 
durchaus nicht beruhigt, so habe sie das Kind bei Seite ge- 
legt, um nach der Mutter zu sehen, dabei den vorgefallenen 
und invertirten Uterus entdeckt und sofort ärztliche Hülle 
verlangt. 

Auf mein Befragen erklärte die Hebamme «luf das Be- 
stiiinnte, durchaus nicht am Nabelstran^'e gezerrt oder gezogen 
/u haben, Nachgeburl und Kind seien sozusagen gleich- 
zeitig mittels einer einzigen heftigen Wehe aus- 
gestosseii. 

Als ich dai*auf die Bettdecke zurückschlug, sah ich den 
vollständig inverlirten Uterus als eine bläulichrothe, weiche, 
birnförinige Geschwulst gänzlich vor der äusseren Scliaani 
liegen. Blutung war zur Zeit nicht vorhanden. Dabei war 
Patientin sehr bleich, anämisch, Puls fadenförmig, kaum fühl- 
bar, mithin höchste Eile geboten. *Ich schritt desshalb so- 
fort zum Versuch der Reinversio uteri, der zum Glück auch 
ohne erhebliche Schwierigkeiten rasch gelang, indeni ich 
nach Art der Taxis bei Hernien die ganze Geschwulst mit 
beiden Händen umfasste und nach der ßeckenachse zu- 
rückt'nhrle. 



für OeburtshUlfe in Berlin. 413 

Die Repusilioii war vdll ständig gelungen; sowohl ich 
als auch die Hehainme ktuinlen uns heim Betasten des iin- 
lerleihes von der Gegenwart der sogenannten Uterinkugel 
oberhalh der Schaambeine wieder uherzeugen, und BlutOuss 
hatte nicht statt. Patientin gah auch an, nach der Re|)o- 
sition sofort sich erleichtert zu fühlen, die Schmerzen im 
Leihe sowie der starke Drang zum Pressen hatten nachge- 
lassen. Nur hliehen leider das verfallene Aussehen und die 
allgemeine ängstliche Unruhe, Patientin wollte durchaus nicht 
zu einer ruiugen Lage im Bette sich hequemen ; ebensowenig 
hob sich der Puls, er blieb gleichmAssig fadenförmig. Der 
Zustand war mithin bedenklich. Ich verordnete einige Ana- 
leptica, nebstbei zur Krweckung ausdauernder Uteruscontrac- 
tionen ein Infusum Secal. cornuti (3ij3 auf ^v Colatur, '/^stünd- 
lieh 1 EsslöfTel voll) und aus Angst vor dennoch auftreten- 
der Blutung, da ich leider um Q'^'J'»' «"^ dem Stadthause 
sein musste, mithin nicht länger dort bleiben kormte, einen 
Sandsack auf den Leib zu legen; schärfte jedoch der Fleb- 
amme ein, sie habe die Frau nicht zu verlassen, im Gegen- 
theil, meine getroffenen Anordnungen zu überwachen und, 
falls neue Gefahren sich zeigten, sofort nach einein (lollegen 
zu schicken , da ich schwerlich vor Mittags 1 Uhr nach 
Hause kommen wurde, und entfernte mich somit, banger 
Ahnungen voll, um 9V4 Uhr. 

Etwa eine Stunde später war nach Aussage der Heb- 
amme die Wöchnerin jedoch schon eine Leiche; sie war 
allmälig ruhiger geworden und schliesslich sanft eingeschlafen, 
ohne dass neuerdings Blutung oder abermalige Inversion auf- 
getreten. Von der Medicin hatte sie nicht ein Mal mehr 
etwas bekommen, und auch der Sandsack war nicht appli- 
cirt worden ; anderweitige ärzthche Hülfe war nicht nach- 
gesucht 

Die beantragte Section wurde verweigert. Der Tod 
war wahrscheinlich in Folge allgemeiner nervöser Erschöpfung 
eingetreten. 

Das Auffällige in diesem mitgetheilten Falle scheint mir 
jedenfalls 

1) das Auftreten einer Inversio uteri überhaupt, und 



414 XXX. Verhandlnn^eD der Gesellschaft 

zwar in diesem höclist bedeiileiulen Grade in so kurzer Frist 
wenn nicht in Folge des Partus praecipitatus. 

2) Das Auftreten von Inversio uteri hei einer Primipara 
von kraftigem Körperhaue^ wenn man nicht denselben Erklä- 
rungsgrund wie ad Nr. 1. hier gelten lassen will, da sonst 
meist Mehrgebärende von diesem Uehel befallen werden. 

3) Die äusserst geringe Besserung in dem Befinden der 
Patientin nach der so vollständig und ohne erhebliche Schwie- 
rigkeiten rasch beschaffen Reposition, da doch gerade von 
allen Autoron die Möglichkeit einen invertirten Uterus ohne 
Zeitversäumniss reponiren zu können, als das gunstigste Mo- 
ment, als die Hauptsache der ganzen Behandlung hingestellt 
wird ; ja Grenser (Lehrbuch der Geburtshuire von Naegele, 
Mainz 1853) sagt selbst: ,, Gunstig ist sogar <lie Prognose, 
wenn die Reposition sich sogleich gehörig bewerkstelligen 
lässt". — 



Herr Wegscheider knüpfte an die Verlesung des klei- 
nen Aufsatzes von Hecker: Eine Erfahrung über die //?>- 
/>tysche Suppe für Säuglinge (Baierisch. ärztl. Intelligenzblall- 
18C6, Nr. 10.) einige Bemerkungen 

Ueber verschiedene Methoden der künstlichen 
Ernährung. 

Der Vortragende glaubt zunächst hervorheben zu müssen, 
dass wohl ohne Zweifel die Mutterbrust die beste Ernäh- 
rungsweise für den Neugeborenen sei und dass, falls diese 
aus irgend einem Grunde unmöglich sei , eine gute Annne 
immer noch jeder künstlichen Ernährung weit vorzuziehen 
sei. Wenn eine solche nicht zu beschaffen, dann bleibt aller- 
dings nichts als irgend eine der vielen Methoden für die 
kunstliche Ernährung ilbrig. Schon im Jahre 1857 [Weg- 
scheider; lieber Selbstnähren, Ammenwesen und künstliche 
EriȊhnmg, Verhandig. d. geburlsh. Gesellschaft 1857. Mo- 
natsschrift lur Geburtsknnde, Bd. X. p. 81.) konnte \\\ 6>i 
verschiedene Methoden der künstlichen Ernährung aufzählen, 
\\Ui\ seitdem sind viele neue noch hinzugekonnnen; von diesen 
Im jedoch kfiiw verliältnissmässig so scVwwWe VnVw^iluu^ 



für Oeburtsliiilfe in Berlin. 415 

gefunden, als iVio Ltehig'svho. Der Vortragende hat bis jetzt 
nirgends Angaben über den Gebrancb dieser Suppe in den 
ersten Lebensnionaten des Neugeborenen gefuudeu , und bat 
sich auch in seiner Praxis gescheut, so früh dieselbe zu 
empfehlen. Vom 6ten Lebensnionate an jedoch hat er in ehva 
30 Fällen sehr gute liesultate von dem Gehrauche der Lie- 
Äigr' sehen Suppe gesehen. Niu" i'aud er, dass in vielen Fa- 
milien ilber die Schwierigkeit in der IJereilung im Vergleich 
mit der Flaschenernährung Klage gelührt wurde. Einige Male 
geschah es, dass altere Kinder die Suppe gänzlich verschuifditen 
oder sie 8 Tage lang nahmen und dann plötzlich jeden Wei- 
lergehrauch verweigerten. 

Von deu übrigen neueren Präparaten hat Herr IVeg- 
scheid er besonders gute Resulfate gesehen von dem soge- 
nannten Racahout, einer Mischung von Cacao, Zucker uud 
Arrowroot, für letzteres wird' jedoch wohl meist Kartoflelmehl 
genommen. Ferner bekonnnt Kindern im 2ten Lebensjahre 
auch das Lehmann'^ho Ernährungspulver (Cakespulver mit 
Fleischextract bereitet) sehr gut. Gauz vortrefflich wirkt oft 
der eingedickte Malzsal't, der Trommer'sche Malzextract und 
auch das ^t/eriacÄ'sche Malzpulver. Für gewisse Verhält- 
nisse, z. B. auf der Heise, euipKehlt sich auch sehr das von 
Simon hier bereitete sogenannte Vitellum saccharatum. Das- 
selbe stellt ein trockenes F^ulver dar, indem Eigelb uiit Zucker 
einfach verrieben wird. In Wasser gelöst giebt dies Pulver 
ein schön schmeckendes, nahrhaftes Getränk. Der Preis ist 
billig, indem die 5 2^! 2, Sgr. kostet. 

Herr Boehr macht gegen die allgemeine Zweckmässig- 
keit der Liebig'sdwn Suppe einen theoretischen Einwand 
geltend, den schon Heir Prof. Dr. Dulois Raymond hervor- 
gehoben hat. Liehig stellt in seiner Suppe genau das Ver- 
liältniss zwischen plastischen und respiratorischen Nahrungs- 
mitteln her, wie dasselbe nach seiner Ansicht in der mensch- 
lichen Milch vorhanden ist. Die scharfe Trennung zwischen 
plastische und respiratorische Nahrungsstoffe ist jedoch in 
dem Zyiö&z^'schen Sinne nicht durchzuführen,, indem die Fette 
nicht allein zu den respiratorischen, sondern auch zu den 
plastischen NahrnngsstolTen gehören. Da nun ^eianW. vUvv 
VhIp in der Milch riiw so hervorragende SleWe «^\\\\\A\\\\^\\^ 



410 XXX. Verbandlungen der OeselUchaft eto. 

SO inu.sste in einem volJkoniineuen Surrogate für die Milch 
in anderer Weise auf dieselbe Rücksicht genommen werden, 
als dies in der Liebig'schen Suppe geschieht. Mit diesem 
theoretischen Einwände solle jedoch der so vielfach erprobte 
Nutzen der Z,i6Äiyscljen Suppe keineswegs geläugnet wer- 
den, um so weniger, da in derartigen Dingen iler praktische 
Erfolg das Wesentliche sei. 

Herr C. Mayer hat über die vorgelegten Surrogate der 
Muttermilch kein Urtheil, da er in den letzten Jahren keine 
Gelegenheil für den Gebrauch derselben mehr gehabt hat, 
uliein er macht darauf aufmerksam, wie er in früheren Jah- 
ren die glänzendsten Erlolge mit dem Gebrauche des Arro- 
wroot erzielt hat. 

Herr Wegscheider erwidert, dass auch er fftr die 
ersten Lebensmonate immer der verduimlen Kuhmilch mit 
Arrowroot vor allen anderen Surrogaten den Vorzug giebt, 
dass er aber in den spateren Lebensmonaten vom neunten 
Monate bis zum Ende des zweiten Jahres die von ihm er- 
wähnten und demonstirten Präparate äusserst nutzlich gefun- 
den habe. 

Herr Riedel trägt, ob gerade der Arrowroot so beson- 
dere Vorzüge vor Kartoffelmehl oder Heismehl habe, denn 
er wisse genau, dass in vielen Handlungen nur die genaimten 
Meblarten unter dem Namen Ariuwroot verkauft wurden. 

. Herr Wegscheider meint, Arrowroot solle leichter ver- 
daut werden , unterscheide sich im Uebrigen mikroskopisch 
sehr leicht durch die Grosse seiner Amylumkörper von den 
anderen angeführten Mehlarten. 



XXXI, Simon^ lieber die Diagnose eto. 417 



XXXI. 

Heber die Diagnose der Atresie einer Scheiden* 

hälfte bei Duplicitftt des üterns und der Vagina 

von anderen Vaginal- und Vulvalgeschwülsten 

in speeie der Haematoeele periuterina und 

perivaginalis. 

Von 
Prof. Gustav Simon in Rostock. 



Im 14. Band (1864) dieser Zeitschrift habe ich einen 
Fall von Atresia hymenalis bei Duplicität des Uterus und der 
Vagina beschrieben, zu welchem die nachfolgenden Bemer- 
kungen die Ergänzung bilden. 

Die Atresie kam vor bei einem 15 Jahre alten, gut ent- 
wickelten Mädchen, welches an Metrorrhagien litt. Mit Ein- 
iriU der Menses im 14. Jahre halle sich eine Geschwulst 
gebildet, welche bei Aufnahme in der Klinik stark fluctuirte, 
mit gesunder Haut bedeckt war, blauröthlich durchschimmerte, 
und von der linken Seite des Introitus vaginae in die Vulva 
vorragte. Die Geschwuisl wurde zur Zeil der Regeln schmerz- 
hafler und praller, und verursachte der Pat. nachgerade 
solche Schmerzen, dass sie meine Hülfe nachsuchte. Der 
Tumor lag auf der linken Soile der Scheide und selzte sich 
auf dieser Seite bis ins Vaginalgewölbe fort. Hier fanden 
wir einen durchgängigen Muttermund und bei der Unter- 
suchung mit der Sonde die Uterushöhle nicht vergi'össert. 
Der Tumor, welchen ich mit meinem früheren Collegen, Herrn 
Professor Veit, untersuchte, konnte eine Haematoeele peri- 
uterina extraperitonaealis, wie sie von verschiedenen Schi'ift- 
stellern, z. B. Hegar, Herzfelder u. s. w. beschrieben, oder 
eine Atresie bei DuphcltHt sein, wie sie Rokitauslcy , ^wvw 

Moamtstebr. f. Qehurtnk. 1866. Bd. XXVH., Hft. 6. ^t 



418 XXXI. Simon, lieber die Diagnose 

Beronius ii. s. vv. an der Leiche gefunden wurden. Ein Ein- 
schnitt, welcher in diesem Falle auch hei Unterstellung einer 
Ilaemalocele indicirt war, höh jeden Zweifel; wir fanden eine 
Duplicilat des Uterus. — * Bei der Beschreibung dieses Falles 
hätte ich gewünscht; die diagnostischen Anhaltspunkte einer 
Retentionsgeschwulst des Menstrualhlutes hei Duplicität von 
den übrigen Vaginal- und Vulvalgeschwulsten, vorzugsweise 
von der Haematocele extraperitonaealis angeben zu können. 
Aber die Falle der obengenannten Autoren machten die Un- 
terscheidung unmöglich. Sie waren in ihren Symptomen der 
Atresie bei Duplicität so ähnlich, dass vor Eröflhung der Ge- 
schwulst zwischen beiden Leiden kaum von einer Wahrschein- 
lichkeitsdiagnose die Rede sein konnte. Nachdem sich unser Fall 
als Atresie bei Duplicität herausgestellt hatte, drängte sich 
mir unwillkuhrlich die Ansicht auf, dass jene Fälle keine 
flaematocelen, sondern ebenfalls Atresien bei Duplicität sein 
mr»chten. Die Gewissheit fehlte jedoch, und ich wagte des- 
halb in meinem oben citirten Artikel nicht einmal den Ver- 
such zur Aufstellung diagnosiischer Unterscheidungszeichen. 
Ich gab nur den Rath, bei ähnlichen, stark fluctuirendeu Ge- 
schwidsten mit zweifelhaften Symptomen, einen Einschnitt 
zu machen und die Untersuchung des Innern der Geschwulst 
mit dem Finger vorzunehmen. Auf diese Weise musste das 
bezügliche Leiden erkainU und die Nachbehandlung konnte 
entsprechend ehtgerichtet werden. Die Unmöglichkeit der 
DiagnosQ vor der Eröffnung der Geschwulst blieb aber natür- 
lich noch ein fühlbarer Mangel in der Symptomatologie der 
Vaginal- und Vulvalgeschwidsle. — Bald darauf wurden jedoch 
meine Bedenken gegen Aufstellung auch solcher diagnostischer 
Merkmale gehoben. Herr Prof. Hegar machte mir nämlich 
kurz nach Absendung meines Artikels an die Redaction die 
Miltheilung, dass er seine Patientin nochmals untersucht 
und dass er nach grossem Einschnitte in die noch vorhan- 
dene Geschwulst anstatt der Haematocele eine Atresie bei 
Duplicität gefunden habe. ^) Jetzt durfte ich wohl unter- 
stellen, dass auch andere Blulgeschwfdste , welche mit ähn- 

1) Prof. Hegar wird diesen Fall, der nacliträglich in Tod 
HUBgingf nächfftena seihst pnhliciren. 



der Atrcsio einer Scheidenhälfte etc. ~ 419 

liehen Symptoitleii heschrieben waren, keine Haeniatocelen, 
sondern Relenlionsgeschwiilsle hei Duplicitäl gewesen sein 
möchten. Ich henulzte nun die Gelegeniieit, welche mir die 
wiederholte Unlersuchimg meiner Pat. bot, zur Feststellung 
diagnostischer Merkmale, und gehe im Nachfolgenden das 
Resultat meiner llnlersuchungen. - 

Eine Verwechselung der Retentionsgeschwulst bei Dupli- 
cität mit soliden Geschwülsten der Vulva und Scheicie 
.selbst mit weichen Sarcomen und Carcinomen kann niclil 
stattlinden. Denn die Abwesenheit deutlicher Fluctuation und 
im Nothfalle die Probepunction werden uns den nöthigen Auf- 
sclüuss geben. Vor Verwechselung mit Perinaealhernien, 
die zur Seite der Vagina zum Vorschein kommen können, 
bewahrt uns die Abwesenheit der Fluctuation, der tympaniti- 
sehe Percussionslon und die Möglichkeit der Reduction. Von 
perivaginalen Abscessen ist die Unterscheidung gegeben 
durch die begleitenden Enlzfindungserscbeinungen, durch die 
anamnestischen Momente und im Nothfalle durch die Probe- 
punction. Von der Hydrocele vaginalis, d. i. Ansamm- 
lung asciiischer Fhissigkeit im herabgedrängten Douglas* Ächen 
Räume, welche selbst in der Vulva Geschwillste bilden kann, ist 
sie unterschieden durch die Abweseidieit eines Ascites und vor 
serösen oder ßlulcyslen durch die Abgrenzung dieser 
Gescliwidsie, welche sich nicht nach oben ins Vaginalgewölbo 
fortsetzen. Auch die Haeniatocele intraperi tonaealis 
wird nicht leicht zur Verwechselung Anlass geben, weil eim^ 
solche kaum bis zum hilroilus vag. heruntersteigen wird. 
Nur die mehrfach beschriebenen extraperitonaealenHae- 
matome, welche ipi periuterinen und perivaginalen Binde- 
gewebe ihren Sitz haben, können zur Verwechselung fulnen. 
Denn wenn der ßlnlerguss vorzugsweise an den Seiten der 
Vagma entsteht und am Introitus vaginae eine lluctuirendt» . 
Vurtreibung bildet, die sich nach oben über das Vaginalg«*- 
wölbe fortsetzt, so können die Erscheinungen sehr viel Aehn- 
lichkeil haben mit den Symptomen einer Retentionsgeschwnisl 
des Menstrnalblutes bei Dnplicitul. Üie Unterscheidung beider 
dürfte jedoch durch folgende Momente gesichert sein : 

1) Die Retentionsgeschwulst ninnnl die Hälfte der \n- 
gina in der gim/rii /./m^'s/insdehnung ein. D\ft u\v\^y^ ^ äw^ 



420 XXXI. Simon, Uelier die Diagnose 

der Geschwulst itiserirt in der Medianlinie des Scbeidenlumeiis 
und zwar an der Vorderseite unmittelbar unter dem Orif. 
urethrae ^). Die Insertionsstelle ist scharf abgegrenzt und 
ändert sich nicht, auch wenn der Körper der Geschwulst so 
beträchtlich gegen die freie Seite der Scheide vorspringt, dass 
das Lumen dieser Seite bis auf einen schmalen Spalt ausge- 
füllt ist. Demgemäss hat man auf der freien Seite der Va- 
gina zwischen einem Katheter in der Blase und einer Fin- 
gerspitze in der Scheide nur die normal dicke Blasenschei- 
denwand. In der andern Hälfte liegt die Geschwulst zwischen 
der freien Seite der Scheide und Blase. Der Katheter kann 
hier nicht durchgefühlt werden. — Ein perivaginaler Blut- 
erguss möchte sich dagegen wohl niemals so scharf abgren- 
zen und kaum jemals in die festverbundene Blasenscheiden- 
wand eindringen, weil das lockere Bindegewebe zur Seite der 
Vagina der Ausbreitung des Blutes ein weit geringeres Hin- 
derniss entgegenselzt. Zum Zustandekommen einer der Atresie 
iihnhchen Geschwulstbildung musste man aber sogar annehmen, 
dass das ergossene Blut in der ganzen Längsausdeb- 
nung der Scheide die Blasenscheidenwand bis zur Median- 
linie auseinandergedrangt und sich hier scharf abgegrenzt 
habe. Dass eine solche Unlerslpllung nicht viel Wahrschein- 
lichkeit für sich hat, ist wohl einleuchtend. 

2) Das in nnsereni Falle beobachtete Auftreten der Ge- 
schwulst zur Zeit der f*ub<*rtal, die jedesmalige Vergrösse- 
rung derselben und di»* Zunahme d^r Beschwerden zur Zeil 
der Menstruation, imd endlich das stetige aber sehr langsame 
Wachsthuni der (iescliwidst sprechen für Atresie bei Dupli- 
cität. Denn diese Zeieben sind pathognomonisch für aHe 
angeborenen Hetentionsgescliwniste des Menstrualblutes. also 
auch für die Helenlionsgeschwulst bei Duplicitat. — Die 
(nicht bei (ieburten enlstandene) llaemalocele peri - vaginalis 
fritt dagegen meist bei Varicositäl der Venen ein. welche einem 

1) Das OHHciniii iirethran iNt der Anhaltspunkt znr Aaffin- 
dnng der ScheideDinittc Ich gebe iitesen Merkmal ausdrücklich 
an , weil hei starker Ausdehnung einer seitlieh liegenden Oe- 
Nchwnlst die Vorüerwand der Scheide mit dem Orificium urnthrae 
f*o verschoben »ein kiinnti», dass die Seitenwnnd für die Vorder- 
HTMnii impoüirt. 



der Atresie einer Scheidenhälfte etc. 421 

spateren Alter angehorl, und os müsste deshalb »in grosser 
ZufaJl sein, wenn eine solche ßlutgeschwulst schon zur Zeit 
der Pubertät entstände. Sie tritt fasl immer sehr schueil 
uach einer äusseren Verletzung ein, entweder durch eine 
traumatische Veranlassung (Fall, Stoss) oder nach einer star- 
ken Anstrengung, welche das Platzen eines erweiterten Ge- 
fässes zur Folge halte. Die Vergrösserung der Geschwulst 
und die Steigerung der Beschwerden halten wohl nur aus- 
nahmsweise den Menstruationstypus ein, und es wird niemals 
vorkommen, dass die Geschwulst Jahre lang besteht und be- 
ständig langsam zuninunt. Entweder wird sie durch Entzün- 
dung zum Autbruch kommen , oder sie wird sich durch Re- 
sorption verkleinern und allmälig verschwinden (s. z. B. die 
Haematocele retro- vaginalis von Betschier), 

3) Der Nachweis eines ülerus bicornis entweder durch 
die Bauebdecken oder durch den Mastdarm, worauf Roki- 
tansky aufmerksam machte, unterstützt die Diagnose der 
Retenlionsgeschwulst bei Duplicitäl. Denn in der Mehrzahl 
der Fälle war die Bicornitat des Ulerus damit complicirt. — 
Dieses Zeichen kann aber natürlich nur zur Unterstützung 
der Diagnose dienen. Demi einerseits kann eine Haemato- 
cele auch bei Bicornitat des Uterus vorkommen; andererseits 
kann eine Retentionsgeschwuis( des Menstrualblutes bei Du- 
plicität bestehen, ohne dass der Uterus in zwei Hörner 
ausläuft (in meinem Falle fehlte sie.) 

4) Eine Verkümmerung des Mutternmndes, welche in 
meinem Falle vorkam, hat ähnlichen Werth für die Diagnostik 
wie die Bicornitat. Sie ist jedoch weniger in Anschlag zu 
bringen, weil die subjective Beurtheilung des Untersuchenden 
dabei in's Spiel kommen kann. 

Diese vier diagnostischen Anhaltspunkte dürften wohl 
tör die grösste Mehrzahl der Fälle ausreichend zur Unter- 
scheidung einer Atresie bei Duplicilät von einer Haematocele 
peri-uterina und peri-vaginalis schon vor Eröffnung der Ge- 
schwulst sein. Sollten noch irgendwelche Zweifel bestehen, 
so werden auch diese durch das sicherste diagnostische Hülfs- 
mittel, welches ich bereits in meinem früheren Artikel an- 
rieth, nämlich durch einen grösseren Einschnitt mit 
folgender Untersuchung des Inner u 4ev \V^\\\v: 



422 XX Xr. Simon^ lieber die Diagnose der Atresie etc. 

4,'ehol)en. Dieses Mittel wird auch bei ilen fraglichpii (ie- 
srliwulsten wohl unnier in Anwendung kommen; deim es 
siciunt nicht allein die Diagnose gegen jeden Zweifel, sondern 
es ist auch das beste Verfahren zur Heilung beider Lieiden. 
Ich wenigstens wurde eine Haematocele , welche sehr stark 
fluctuirt, proniinirt und sehr lange Zeit besteht, durch einen 
Einschnitt öffnen, in der Ueberzeugung, dass ich hiermit das 
beste Verfahren zur Heilung derselben eingescWagen hätte. 

Der erste der drei angeführten diagnostischen Anhalls- 
puncte wird aber vor Eröffnung der Geschwulst nur für die 
Diagnose einer Atresia hymenalis, also einer DupHcität zu 
verwerlhen sein, welche bis zum Introitus vaginae herab- 
reicht. Bei einer höher liegenden Atresie, welche sich all- 
mälig in einer Seile der Scheide verliert, hat die Diagnose 
grössere Schwierigkeiten. Man wird aber auch in diesen 
Fällen zur richtigen Erkenntniss kommen, wenn man nach 
längerer Beobachtung einen Einschnitt wagt mid die Unter- 
suchung der Wandungen der Geschwulst vorniujml. 

Bei dem Studium der betreffenden Literatur glaube ich 
noch zwei Fälle aufgefunden zu haben, welche möglicher- 
weise keine Haematome, sondern Retentionsgeschwulste des 
Menstrualblutes bei DupHcität des Uterus sind. Es sind dies 
der Fall, welchen Dr. Herzberger in Wien beobachfele (siehe 
Monatsschr. f. Geburtsk. X. 4.), und der zweite dei- Fälle, 
über welchen Prof. Breslau in Zürich in seinem Artikel 
über Haematocele referirt bat (s. Schweizer Zeitschr. f. Hlk. 
Bd. II. 1863). W'enigstens stinunen diese Fälle in einzelnen 
Wichligen Momenten mit meinem imd Hegar's Fällen der 
Atresie bei Duplicität überein. — Vielleicht ist den betref- 
fenden Schriftstellern die Gelegenheit j^^egeben, eine noch- 
malige Untersuchung ihrer Patientin auch mit Berücksich- 
tigung einer Atresie bei Duplicität vorzunehmen. Eine solclie 
Untersuchung wäre sehr wünschenswert!! , weil selbst eine 
Bestätigung der zweifelhaft gewordenen Diagnose von Wich- 
tigkeit ist. Denn gerade diese Fälle bieten Erscheimmgeu, 
welche bei der Diagnose einer Atresie besondere Berücksich- 
tigung finden müssen. 



}k'XXII. Becker^ Einige Bemerkuogeu über den etc. 423 



XX XII. 

Einige Bemerkungen über den Typhus abdomi- 
nalis im Wochenbette 



C* Hecker^ 

Heber das Vcriiallniss zwischen Schwjingerschall und 
Typhus abduminalis herrschl gegenwärlig kaun) mehr eine 
grosse Meinungsverschiedenheit. Man weiss genau, dass von 
einer Ausschhessungsfähigkeit heider Zustande gegen einander 
nicht gesprochen werden kann, dass der Typhus in der ersten 
Hälfte der Gravidität eine ziemlich häulig zu beobachtende 
Erscheinung ist, dass er aber mit dem weiteren Forlschr(>iten 
der letzteren in bedeutend abnehmender Frequenz vorkonnnt, 
und bei Hochschwangeren als eine seltene Krankheit betrachtet 
werden muss. Man weiss ferner, dass das Verhallen des 
Uterus während des Typhusprocesses ein sehr verschiedenes 
sein kann. Was die ersten Monate der Schwangerschaft b«*- 
IriÖt so muss der Ausspruch von Wunderlich '), dass hiei* 
der Typhus meist Abortus herbeiführt, wohl im Allgemeinen 
als zutrclfend bezeichnet werden, wenn es auch an einer Sta- 
tistik hierüber vollkommen fehlt ; nur bei Scanzoni *^) iuuhw 
wir angeführt, dass aus seinem Beobachlungskreise unter 10 
vom Typhus befallenen Individuen 6 abortirten. Weit we- 
niger kann man sich dagegen mit dem Zusätze einverstanden 
erklären, den Wunderlich macht, dass zu dieser Zeit ge- 
wöhnlich ein tödllicher Ausgang eintritt; dieser widerspricht 



1) Handbuch der Pathologie und Therapie. Bd. IV. '^J. Aufl. 
Seite 289. 

2) Lehrbuch der Gebiirtahülfo, 3. Auft. 1%&^. ^«^Wc "i^. 



424 XXXn. Hecker, Einige BemerkuDj^en über den 

sogar aller Erfahrung: bei Kiwisch ^) findet sich ilamlich 
die meiner Meinung nach ganz richtige Bemerkung, „der 
Abortus so wie das nachfolgende Wochenbett übten gewöhn- 
lich keinen auffallenden EinQuss auf den Verlauf des Typhus 
aus; nur dort, wo jener im spateren Verlaufe der Krankheit 
bei hinzutretender ßlutdissolution eintrat, kamen profuse Me- 
trorrhagien zur Beobachtung, welche den lethalen Verlauf 
beschleunigten; <lie Mehrzahl der Falle bot einen günstigen 
Verlauf dar**. Ich habe in München in dieser Beziehung 
niehrfache Erfahrungen gemacht, die ganz in der KiwiacK- 
sehen Anschauungsweise argumenlirten. Für die spätere Zeit 
der Schwangerschaft gilt wohl als Regel, dass sich die beiden 
Processe gegenseitig nicht stören, und es ist auch nicht ein- 
mal nothwendig, dass die Ernährung des Fötus unter der 
Erkrankung der Mutter leidet ; so erzilhll Schmidt ^) euien 
Fall, wo der Typhus bei einer Hochschwangeren mit Gene- 
sung endete, und die Palientui einige Zeit darauf eiu gesun- 
des, ausgetragenes Klni gebar. Eine gegenlheilige Beobach- 
tung in dieser Bezicijung habe ich im Jahre 1860 gemacht: 
am 26. März kam eine Person in der Gebäranstall nieder, 
welche vom Anfange October bis Ende November im Spital 
an Typhus behandelt worden war; sie gab den Conceptions- 
termin genau auf den 30. Juni oder 5. Juh an, das Kind 
musste also 270 oder 265 Tage all sein: es war ein Knabe, 
der nur 474 Pfund wog, 43 Centimeter mass, auch nach 
seinem mageren Aussehen zu schliessen, h) der Eutwickehmg 
zurückgeblieben war. Die gegenseitige Toleranz beider Zu- 
stände scheint nun aber eine immer grössere Einschränkung 
zu erfahren, je näher der Zeit der Typhus einsetzt, wo die 
vorbereitenden Contractionen des Uterus beginnen; dann 
scheint umgekehrt die Ausstossung des Kindes das gewöhn- 
liche Vorkommniss zu sein; auch habe ich in mehreren Fällen 
gefunden, dass durch diese die früher für die Mutter nicht 
ungünstige Prognose lelhai wurde: so will ich nur aus der 
neuesten Zeit einen Fall anführen, wo eine Frau im letzten 



GIsbntUkande 1851, Band II. Seite 146. 

i rar Qebortshülfe und GynKkoIogie von i^eannani. 



Typbas abdominalis im Wochenbette. 425 

Monate ihrer fönften Schwangerschaft an Typhus erkrankte. 
und ächüu in. der ersten Woche desselben mit einem etwa 
37 Wochen alten lebenden Kinde niederkam; die ei*sten Tagr 
lies Wochenbettes brachten eigentlich keine Verschlinnnerung 
cle8 Zustancles, aber später erfolgte eine ganz enorme meteu- 
ristische Auftreibung des Unterleibes . und bald darauf der 
Tod, und zwar am 1 1 . Tage nach der G(^buri. 

Wenn wir uns aul diese Weise hier auf dem Gebiete 
mehr oder weniger bekannter Thalsaciien bewegen, betreten 
wir rnit der Frage, ob und unter weichen Umstanden der 
Typhus im Wochenbette erworben werden kann, ein 
dunkles, bisher fast gar nicht erforschtes Kapitel der spe- 
ciellen Pathologie, in der f.iteratur finden sich nur sehr 
vereinzelte Aussprüche über diesen Punkt, meistens in dem 
Sinne, dass man die Erkrankung einer Wöchnerin an Typhus 
als fast nie vorkonmiend erachtet. So sagt Niemeyer: * 
^Schwangere und stillende Frauen werden selten ergriffen; 
das Puerperium gewährt eine fast absoUile Iimmmität gegen 
den Abdominaltyphus''. Ebenso linder sich bei Griesinger^) 
die Bemerkung, dass Puerperae, mit (Mnzelnen, aber sicheren, 
anatomisch nachgewiesenen Ausnahmen, fast nie befallen wer- 
den. In Bezug auf diese Ausnahmen stützt er sich, wie aus 
einer Anmerkung hervorgeht, auf einen von ihm selbst gese- 
henen Fall und eine Miltheilung, die Breslau^) über den 
vorhegendeu Gegenstand gemacht hat; allein beide Beobach- 
tungen scheinen mir in sofern nicht hierher zu gehören, als 
sie Personen betreffen, welche gl(»ich nach ihrer Entbindung 
mit lebhaftem Fieber erkrankten und schon nach einiger Zeil 
starben; nach diesem Auftreten des Krankheitsprocesses ist 
es doch wohl im höchsten Grade wahrscheinlich, dass die 
lofection nicht im Wochenbette, sondern in der letzten Zeil 



1) Lehrbuch der 8peciellen J^nthologfin n. Therapie. 6. Aufl. 
1866, Band II. Seite 57S. 

2) lofeütionskrankheitf:!!, 2. Auflaf^e, im Handbuch der ppe- 
riellen Pathologie und Therapie, heraiisfsfegehen von Virehoio. 
Rand II., Abtb. 11. 1864. s. 155. 

8) Deutsche Klinik 1861 , Seite HHO. 



426 XXXli. Becker^ Einige Bemerkungen über den '^ 

i\ev Scliwangerschatt erfolgl war, und somit glaube ich, dass» 
beide Fälle der tVCdier erörterten Kategorie angehören. 

Wenn icli nun im Laufe der Zeit durch eine eigenthöm- 
liche Combination von Umstanden die Ansicht gewonnen habe, 
(lass, entgegen den gewöhnlichen Vorstellungen, die Dispo- 
sition zu Typhuserkrankung im Wochenbette eine erhöhte ist, 
da SS in Folge dessen bei gegebener Gelegenheit eine Infec- 
lion zu dieser Zeit ziemlicli leicht zu Stande kommt, so fühle 
icii von vornherein, dass es sehr schwierig ist, für diesen 
Ausspruch einen exacten Beweis beizubringen; wie weiter 
unten erörtert werden wird, ist hier die richtige Auffassung 
und Deutung beobachteter Thatsachen mit so vielen Klippen 
umgeben, dass ich selbst erst auf Umwegen eine klare Ein- 
sicht auf diesem Gebiete gewonnen habe; ich bin deshalb 
auch genöthigt, etwas weiter auszuholen, um Anderen ver- 
ständlich zu werden. 

Seit meiner Thätigkeit an der Gebäranstalt in München 
sind mir häutig genug Fälle von Erkrankungen vorgekont- 
mon, welche sich nur gezwungen in den gewöhnlichen Rah- 
men des sogenannten Puerperalliobers hineinbringen Hessen; 
sie characterisirten sich immer wieder durch Febricitation 
ohne initialen Frost, aber mit mehr oder weniger profusen 
Diarrhöen bei vollkommener Schmerzlosigkeil des Unterleibes. 
LMe pathologisch-anatomischen Vorgänge hierbei blieben aber 
fordauernd meiner Wahrnehnmng entrückt, weil sie sämuil- 
lieh in Genesung übergingen, oder wenigstens einen so pru- 
Irahirten Verlauf annahmen, dass die Patienten durch Ent- 
lassung ia gute häusliche Fliege oder Transferirung in das 
Krankenhans aus meinem Beobachtungskreise verschwanden. 
Wie schwer derartige Fälle im Wochenbette zu beurtheilen 
sind, das hat Breslau bei Gelegenheit seines oben citirten 
Falles von Typhus abdominalis gründlich erörtert, indem er 
dort zugesteht, dass er die Krankheit für Endometritis sep- 
tica gehalten habe, und die Misslichkeit der Diiferentialdia- 
niose zwischen beiden Zuständen bespricht. Auch ich nnis^^ 

loen, dass ich erst im Laufe der Jahre gelernt habe, 

FiUe als Typhusinfectionen aufzufassen und sie von 

rp^ralen Erkrankungen gänzlich zu trennen; dass sie 

>llf ineine Anschauuugeti über das Puerperaltieber 



Typhus abdoniiDHÜB im Wochenbette. 427 

Hneii nicht uiihodimtendeii Einniiss Husrihmi iiiiisstcii, ist iia 
iürlirli und begreiflich. Zwei Funkte sind hier namentlich 
herrorzuhehen : viele Anfechtung hat mein Versuch erlitten, 
df?fi ich im Jahre 1861 *) gemacht, die leichtesten Formen 
lies Puerperalüehers unter dem .Namen „Fehricula** zusam> 
menzufassen ; man hat mir humoral-pathologische Tendenzen 
untergelegt und gemeint, man müsse hei solchen Ffdlen im- 
mer das Vorhandensein eines localen Entztlndungsprocesses 
in oder am Uterus festhalten. Wenn ich lum auch der CJeher- 
xeugung treu bleiben nmss, dass es im W^)chenbette Infec- 
lionszustäude giebt, die sich durch Temperaturerhöhung und 
Fulsbelichleunigung characterisiren, ohne dass man im Stande 
Ware, am Unterleibe irgend welche Abweichung von der Norm 
nachzuweisen, und dass es deswegen sehr viel Willjifirliches hat, 
eine örtliche Veränderung anzunehmen, die n)an durch kein 
Mittel der Welt beweisen kann, so ist doch klar, dass ich 
heule die ,,Febricula'* nicht in dem Umfange aufrecht erhal- 
len kann, wie frfdier. Ich hin eben belehrt worden, dass 
mancher Fall, den ich mit diesem Namen belegte, nicht zum 
Puerperallieber, sondern zum Typhus gehörte, und insofern 
war der Ausdruck auch für diese instinctmfissig gut gewählt, 
als die besten Autoritäten, namentlich Griesinger die leich- 
testen Formen des Typhus als Febricula hinschreiben. Der 
letztere *) sagt'hieruber : „iimerhalb jeder dieser Formenreihen 
des Typhus giebt es leichte, unausgebildete Erkrankungen; 
diese constituiren iVw. sogenannten abortiven oder febri<.ulosen 
Formen, die Febricula, die nicht als eigen specifische Form, 
sondern als gradweise verschieden von den formbestimmeu- 
den Fällen zu betrachten ist.** — Fernerhin glaube ich, das» 
ich vielleicht nicht eine so bestinnnte Stellung gegenüber der 
von Breslau wieder in den Vordergrund geschobenen abfüh- 
renden ßehandhmg beim Piierperallicber genoTumen hätte, 
wenn ich nicht so viel mit spontanen und keineswegs salu- 
lAren Diarrhöen bei Wöchnerinnen /u ibun gehabt. Bei Be- 
sprechung diesi^s Gegenstandes^) habe ich hervorgehoben, 

1) Klinik der üeburtskundü von Hecker und Buhl^ Theil I. 
»eite 213. 

2) 1. c. S. lli>. 

3) KliDik der GehurtBkande^ Theil II, 8. %Vb. 



428 XXX n. Heeker. Einige Beoierkungen über den 

wie schwer ich die [ndicalion zu Abfubrmiltehi wegen des 
s^o häufigen Vdrkomniens dieser Compiication Onden konnte, 
und es unentschieden gelassen, ob die Diarrhöen eine Eigen- 
thfunlichkeit des Munchener Gebärhauses seien oder nicIiL 
Jetzt kann icli hinzufügen, dass otTenbar das Nebenberlaiifen 
typhöser [nfectioneu neben den puerperalen die Opporlunitäl 
der abfuhrenden Mediode zweifelhafter gemacht hat, als es 
sonst vielleicht der Fall gewesen wäre. 

Zur Begründung nieiner Ansicht nun, dass wirklich iu 
der Gebäranstalt 'unter gewissen Umständen und zu gewissen 
Zeiten der Typhus als Hauskrankheit aufgetreten ist, mögen 
folgende Wahrnehmungen dienen: 1) Es ist mir schon frfih 
aufgefallen, dass das dienstthuende Personal der rrebaransiall 
vom Assistenten bis zur Kuchenmagd herab zeitweise von 
heftigen, plötzlich auftretenden, und nieist eben so schnell 
wieder verschwindenden Diarrhöen hefallen wurden, die nicht 
oder kaum von Fieber begleitet waren. Bei einzelnen Personen 
trat die Infection so heftig auf, dass sie in einer Nacht 24 
und mehr Stuhlausleerungen hatten und in Folge dessen in 
eine grosse Ermattung verfielen. Die Anordnung strenger 
Diät, ruhiges Verhalten im Bette, und die Anwendung von 
Opium oder Liquor ferri sesquichlorati iHnerlich brachte ge- 
wöhnlich eine schnelle Genesung zu Wege, und es ist mir 
kein Fall erinnerlich, der wirklich in Typhus übergegangen 
wäre, lieber die Entstehung dieser Diarrhöen mussten die 
Ansichten schwankend sein: am nächsten lag, die Quelle in 
dem Genüsse des Wassers zu suchen, welches hier in Mün- 
chen leicht einen solchen Effect auf den Darmkanal erzeugt 
und dieser Verdacht erschien um so gegründeter, als man 
bei den Wöchnerinnen immer wieder und wieder die Klage 
vernahm, dass sie sofort Abweichen bekämen, weim sif von 
dera Wasser des Gebärhauses tränken ; man war deshalb, na- 
mentlich zu gewissen Zeiten, genöthigt, ihnen dasselbe abge- 
kocht in Form von Wollblumen thee u. s. w. zu reichen. 
Ob diese Ansicht gegründet ist, muss sich jetzt in der näch- 
sten Zeit herausstellen, da die frühern Bezugsquellen des 
Wassers aufgehört haben, und wir seit dem Januar d. J. 
durch die sogenannte Thalkirchner-Leitung mit solchem von 
bester Qualität versorgt werden. Bis dahin bleibt die Ver- 



T^rphns abdoiitioalis im Wochenbette. 4^9 

muthuiig hesldipi) , dtiss wenigstens llieilweise die Diarrhöen 
auch durch ein dem Boden des Hauses zu Zeiten direct enl- 
dtrdioendes und von den Bewohnern durch die Luft aufge- 
nommenes Miasma entstanden sein mögen. Aul alle Falle 
würden diese Vorgänge für sich allehi helrachtet durchaus 
nicht zur Annahme eines Typhusgiftes in der Gehäranstalt 
berechtigen. 

2) Ebenso wie das dienstthuende Personal wurden die 
Hebamnieiischrderinnen , die im Hause wohnten, häufig von 
Oarmaflection befallen, und i)ei diesen habe ioli Gelegen- 
beil gehabt, die verschietlensten Formen der Inlertion, vihj 
der einfachsten lieberlosen Diarrhöe bis zum ausgesprochen- 
sten, schwersten Typhus, selbst mit letlialem Ausgange zu 
beobachten. In dem 2. Bande meiner Klinik der Gebnrls- 
knnde, Seile 249, habe ich schon kurz über diese Ver- 
hältnisse bei Gelegenbeil der Besprechung eines Falles von 
Typhus bei einem neugeborenen Kinde referirl; ich will die 
dort angeführten Data hier der Vollständigkeit hail>er wieder- 
holen: Am 8. Novendier 1862 starb in der Gebäranstalt 
ein Kind weiblichen (leschlecliles , welches 13 Ta^e vorher 
VfMi einer Hebanunenschnlerin geboren worden war, und seit 
etwa drei Tagen an starker Diarrhöe gelitten halle. INach- 
deoi dann der (Jbduriicmsbefnnd niitgethedt isl, der keinen 
Zweifel an Typhus Hess, lieissl es im Texte weiter: „es liess 
sich nun ohne Muhe eiMuilteln, in welcher Weise das Kind 
ioficirl worden: es war nämlich seil der Geburt, von seiner 
Mutter getrennt, die sich mö'^lichst ^^lmell erholen sollte, in 
einem Zimmer von anderen in diesem wohnenden Schölerin- 
nen gepflegt worden, welches im Souterrain der Gebäranstalt 
gelegen ist, und wo schon öfter typhoide Erkrankungen vor- 
gekommen waren; im Jahre 1861 rnusslen sogar drei Per- 
sonen, die an dem Ib'lunnmennnterricht Theil nahmen, und 
dort den Typhus erworben halten, in das städtische Kran- 
kenhaus Irans ferirl werden, weil sie ziemlich heftig ergrifl'en 
worden waren ; sie machten alle drei eine sehr langsame Re- 
e4)nyalescenz durch, im Jahre darauf kam zwar kein Ty- 
pliusfall voi-, aber die Schülerinnen, die es bewohnten, litten 
dann und wann an JUnchlall. — Diese Erscheinungen sind 
auch nachher nicht ausgeblieben ; es dräuj^Ve m\\ \\\\\\\v^ 



430 XXXII. Hecker, Kinige Bemerkungen über den 

wieder die Walirncliniuiig auf, dass die Sclinlerimien , die in 
der Stadl ilir Quartier aufgescidagea jiatlen, bei weitem uidil 
so hauiig an Diarrhöe erkraukteii, als die im Gebärliause, 
und dass von diesen wieder die exponirter waren, welche die 
im Souterrain liegenden Räume bewohnten; dabei war constaiil 
ein Zusannnenliang dieser Erkrankungen mit der Typlius- 
morbilitut in München überhaupt wahrnehmbar. Entsprechend 
der Erfahrung, dass in den Monaten August, September, seihst 
noch in der Hälfte Oclober wenig oder gar keine Typhus- 
erkrankungen vorzukommen pflegen, war auch der Gesund- 
heitszustand unter den Schülerinnen, deren Unterricht am 
1. August beginnt, regelmassig ein gang unladelhafter, aber 
mit der Zeit, wo die Morbilitalscurve ihre Ansteigung be- 
ginnt, Ende October oder Anfang November, war auch oll 
ganz plötzlich der allgemeine Krankheitscharacter auf sie 
übergegangen. Am frappantesten in dieser Beziehung verhielt 
sich das verflossene Jahr 1865, das über so manche tien 
Typhus betreffende Verhältnisse belehrende Streiflichter ge- 
worfen hat. Wie es' bei der grossen Verbreitung der Krank- 
heit in der Stadt zur Evidenz hervortrat, dass einzelne llrin- 
ser Typhusheerde abgaben, so war auch die Gebäranstalt uni 
dem Character eines solchen Heerdes bekleidet, und reflec- 
lirle sich der allgemeine Gesundheitszustand am deutlichsten 
wieder an den Schülerinnen. Von den 70 Personen umfas- 
senden Lehrcursus wohnten ständig 17 in der Anstalt, davon 
neun im Souterrain, und acht in einem geräumigen Zimmer 
des Entresol; von den ersteren erkrankten gegen Ende Oc- 
tober und Anfang November alhnälig sieben unter dem glei- 
chen Sym|)tome heftiger Diarrhöe ; einige blieben dabei iie- 
berlos , schleppten sich aber mühsam in der Schule uudier. 
und mussten zeilweise das Bett hüten, andere fieberten r<»chl 
lebhaft, waren durch längere Zeit auf das Bett gefesselt, und 
hatten eine sehr lardive Reconvalesc^nz ; noch andere, und 
zwar zwei, bekamen einen wirkhchen Typhus: die eine 
machte ihn leicht durch, die andere erkrankte sehr schwer, 
wurde am 17. Novend)er in\s Hospital Iransferirt, und starb 
am If). Decend>er. Es war ilies ein 21 jähriges Mädchen, 
bei der man schon bald aus dem Auftreten von Sugillalioneii 
uiiler üfir Haut, die später dort necrotisch wurde, und Petechien 



Typhus abdominalis im Wochenbette. 431 

einen schliinnipn Ausgang prognosticiren iDusste. Bei der 
Section fand sich nebf*n den characteristischen Veränderungen 
eines fnnfwöclienllichen Typhus im Dannkanale eine enorme 
Zerstörung der Weichllieile an der rechten ninlcrharke, die 
his auf den Trochanter major führte, und die so seltene 
Complicntion einer eifrig^Mi Meningitis. Von den achf im 
Entresol wohnenden Scliulerinnen erkrankten vier, aher nur 
eine an deutlichem Typhus: sie kam 'am 14. Septend)er in's 
Spital, und kehrte am 9. December gesund von dort zurück, 
üeherhaupt aber wurden von den 70 Personen des Curses 
5 wegen Typhus an das Krankenhaus abgegeben, von 
ileiien also drei auf das Gebarhaus kamen, während nur 
zwei die Krankheit in der Stadt erworben hatten; ein Ver- 
hrdtniss von 3 : 17 oder 1 : 6 für das Gebärhaus und 2 : 53 
oder 1 : 26 für die Stadt druckt Wf>hl genügend aus, wie 
das erstere sich zu einem Typhusheerde, namentlich in gewis> 
sen tief gelegenen Räumen, die auch nun zu Wohnungen für 
Hebammenschülerinnen nicht mehr hergegeben werden dürfen, 
gestaltet hatte. Wie sich die Wöchnerinnen dabei verhielten, 
wird gleich des Näheren erörtert werden; hier will ich nur 
bemerken, dass doch wohl auf alle diese Personen das gleiche, 
dem Boden entsteigende, und nach den IJntersucInm^'en 
von Pettenkofer und Buhl in Folge liefen Standes df»s 
Grundwassers und Mangels meteorologischer Niederschläge 
entstehende Typhnsgift eingewirkt hatte, und nur nach der 
Verschiedenheit der individuellen Disposition bei der euien 
eine afebrile Diarrhöe, bei der anderen einen lieberhaften 
Darmkatarrh, gewiss ohne alle Geschwürsbildung, bei noch 
einer anderen eine allgemeine Blutvergiftung mit schwerer 
Localisation im Darmrohre erzeugte^ und dass es demnach 
die verschiedensten .Moditicalionen der Typhuserkrankung giebt. 
Seitdem ich diese Beobachtungen gemacht habe, würde es mir 
gar nicht mehr zweifelhaft sein, dass es so gut Typhusdiar- 
rhöen giebt, wie Choleradiarrhöen existiren, wenn ich nicht 
durch die Erscheinungen, die in München in grossem Mass- 
slabe zu dieser Zeit aufgetreten sind, noch viel energischer 
zu dieser lleberzeugung gedrängt worden wäre: dem Tyj)hns- 
ausbruche von 1865 gingen in der Stadt massenweise pro- 
fuse Diarrhöen voraus, un/I begleiteten die Fi\nv\e\w V\s x\\\w 



432 XXXII. Hecker, Einigte Kemerkungreu über den 

Höhenpuiikte. Dies war so aufTallnnd , dass JedermaDn auf 
das demnächstige Hereinbrecheu der Cholera sich gefasst 
machte, und wenig Tröstliches darin fand, wenn von com- 
petenter Seite die mangelnde Disposition des Bodens zur 
Ausbreitung dieser Seuche wiederholt hervorgehoben wurde. 
Mit der Abnahme des Typhus im Januar 1866 verscbwandeu 
dann auch die Diarrhöen wieder. 

3) Bei den Wöchnerinnen war zunächst aus dem Um- 
stände ein unterstützendes Beweismittel für die typliöse oder 
wenigstens nicht puerperale Natur der weiter oben ewähnten 
Erkrankungen zu entnehmen, dass sie in den letzten^ Jahi-en 
fortbestanden, während das Puerperalfieber immer mehr in 
den Hintergrund getreten war, oder eigentlich ganz aufgehört 
hatte. War früher die Schwierigkeit nicht zu überwinden, 
die für die Diagnose^ entstand, ob man eine Pueq)eralerkran- 
kung oder etwas Anderes vor sich hatte, so wurden die be- 
zeichneten Fälle jetzt sehr verdächtig, <la sie fast regelmässig 
in Genesung übergingen, und neben ihnen nur dann und 
wann, ganz sporadisch und meistens aus klar nachzuweisen- 
der Veranlassung heraus, schwiTere Pueriieralaffectionen sich 
bc.merklich machten. Dieses Erlöschen des Puerpera Hiebers 
als endemische Krankheit seit den letzten drei Jahren ist 
mir überaus merkwürdig, und muss es noch mehr für die 
Contagionisten quand meme sein, denn es ist mir völlig un- 
erfindlich; wie sich diese die Thatsache meiner Versicherung 
gegenüber zurechtlegen wollen, dass ich an meinen prophy- 
lartischen Massregeln zur Verhütung von puerperalen Epide 
mien, wie ich sie wiederholt Itekannt gemacht, auch nichi 
das Geringste geändert habe und auch nicht ändern konnte, 
da wirklich Alles, was im Bereiche der Ausführbarkeit lag, 
geschehen war. Keiner wird läugnen können, dass, wenn die 
Gelegenheit zur Coutagion trüber trotz der Prophylaxis nicht 
aufgehoben worden war, sie spätt»r bei denselben Massregeln 
in demselben Grade fortbestellen niusste. und wenn die Krank- 
heit dennoch aufgehört hat , so ist das vom Standpunkte der 
reinen Contagionslehre völlig unbegreiflich, besonders wenn 
man bedenkt, dass sogenannte „erste Fälle", auf die immer 
zurück^egritren wird, um die Ansteckung zu erhärten, in den 
JeUtea Jahren bei mir nie ausgegangen sind: eine ziemliche 



Typhus abdominali» im Wochenbette. 433 

Anzahl Personen sind in dieser^«! l in Folge von schweren 
Geburten an trauniali^clien Entzündungen, mit Auftreten 
diphtherischer Zerstörungen und alier möglichen der üeber- 
tragung Vorschub leistenden Complicationen zu Grunde ge- 
gangen, und dennoch liabe ich keine eigentliche Endemie 
lieobachtet. Solchen nicht wegzuläugnenden und zu deuteln- 
den Tbatsachen gegenüber, meine ich, könnte man den Aus- 
spruch, den Veit^j vor einiger Zeit gethan hat, dass die 
Miasmatiker gezwungen seien, daneben die contagiöse Genesis 
des Puerperalfiebers anzuerkennen, ganz ruhig in sein Ge- 
gentheil umzuwandeln und sagen, dass für die Contagionisten 
die zwingende Nothwendigkeit vorliege, dabei Miasmatiker zu 
sein, wenn «s überhaupt noch an der Zeit wäre, an solchen 
Sätzen Gefallen zu finden. Kein vernünftiger Mensch wird 
lieut zu Tage die grosse Ansteckungsfähigkeit des Puerperal- 
tiebers läugnen wollen, aber man sollte doch endlich zuge- 
ben, dass zahlreiche palhologische Vorkommnisse in einem 
Gebärhause absolut nicht durch die Contagion im gewöhn- 
lichen Sinne erklärt werden können. Ich für meinen Theil 
glaube für das Aufhören des Puerperalfiebers eine ganz na- 
türliche Erklärung darin finden zu können, dass die Anzahl 
der Geburten in den letzten Jahren gegen früher in Folge 
administrativer Massregeln bedeutend zurückgegangen ist : 
während ich sonst ein Material von 12 — 1300 Geburten hatte, 
erhebt sich jetzt die Anzahl kaum mehr auf die Höhe von 
800, und es ist daniit vielleicht die Quantität erreicht, welche 
das Mönchener Gebärhaus ohne systematische Ventilation ver- 
trägt; ich stiele mir vor, dass die Vermindennig der Abson- 
derungslläche. die durch die llerabselzung der Zahl der (ie- 
hurten erfolgt ist, gerade so gewirkt hat, wie die Einrichtung 
der Ventilation nach dem Boehm'scheu System in Wien; es 
kommt ja nur darauf an, dass dem einzelnen Individuum die 
erforderliche Menge rehier Luft dargeboten wird , ob dunli 
direcle Zuführung, oder dadurch, dass man in einem sonst 
geräumigen Hause im Stande ist, wenige Wöchnerinnen zu- 



1) Monatsschrift für Geburtnkuudä. Hand XXVi. Heft 3. 
6eite 181. 

MoBMtäscbr. f. Oeburtsk. 1860. hd XXVII., Hfl. ß. ^VS 



434 XXXII. Heckery Kinige Benierkungeo über den 

sammenzulegen, und die $al^ lange leer und in Comniuniraiioti 
mit der äusseren Luft zu erhalten, das kann keinen erheb- 
lichen Untersciiied bedingen. Nach der Anschauung der Cou- 
tagiouisten hätte aber eigentlich duich die Verminderung des 
Materials das Gegentheil, nämlich eine Verschlechterung des 
Gesundheitszustandes eintreten müssen, denn es versteht 
sich von selbst, dass auf der klinischen Abtheilung die Schwan- 
geren und Gebärenden durch die Praktikanten und Hehani- 
menschulerinnen in den letzten Jahren weit mehr in Anspruch 
«genommen worden sind, als i'ruher, und so wird man immer, 
wenn man sich nicht durch Vornrtheile bestimmeu lässt, dar- 
auf hingeführt, dass neben der Ansteckung noch andere Fac- 
toren bei der Genese einer Puerperalfieber-Massenerkrankung 
in Wirksamkeit treten. 

Durch das Zurückweichen des Puerperalfiebers wurde 
es nun also dem klinischen Beobachter leichter, die auf Ty- 
|)hus verdächtigen Fälle wirklich als solche zu erkennen, und 
der Kreis der Möglichkeiten schloss sich immer enger , als 
man auch bei den Wöchnerinnen wie bei den Hebammen- 
>chrderinnen die Coincidcnz der Erkrankungen mit denen in 
der Stadt wahrnahm. Regelmässig mit dem Anfang Novem- 
ber stellten sich diese diarrhoischen Zustände mit und ohne 
Fieber in den letzten Jahren ein, und mit der Abnahme des 
Typhus in der Stadt traten auch sie wieder in den Hinter- 
grund. War es da nicht natürUch, dass man auf eine ge- 
meinschaftliche Ursache aller dieser Erkrankungen zurück- 
kam und das Gebärhaus als einen zeitweiligen Typbusheerd 
betrachtete ? 

4) Die bisherige Beweisführung wurde inniier als ein«- 
sehr mangelhafte bezeichnet werden müssen, wenn ich nicht 
im Stande wäre, durch unwiderlegliche Sectionsresultate das 
Vorkonmien des Typhus bei Wöchnerinnen des Gebärhauses 
zu erhärten. Dies war imn bisher aus früher ^chon ange- 
führten Gründen nicht möglich gewesen. Wie bekannt ist 
einmal das Mortalitätsverhältniss der krankheil in Rede kein 
sehr erhebliches, es kann daher eine lange Zeit vergehen, 
ehe wirklich einmal ein Fall mit dem Tode endet, und dann 
kann .es sich tretfeii, und hat sich gewiss einig«' Male so 



# 



Typhns abdominalis tui Wocheubette. 435 



getroffen, dass die Falientin wegen anfänglicher Unerliebiich- 
keit der Symptome in die Privatpflege entlassen wurde und 
dorl später zu Grunde gegangen ist. ulme dass man davon 
Kenolniss erhielt; auch mag endlich durch eine zufällige Ver- 
kettung der Umstände selbst ein Fall, der bei mn* entlassen, 
- dann aus der Sladi in das Spital transferirt, dort lethal aus- 
gegangen sein, ohne dass ich davon Kenntniss erhalten hätte. 
Auch hier hat das verflossene Jahr seine Dienste geleistet ; denn 
icli habe, freilich mit vieler Mühe im Ganzen drei Fälle von 
Typhus bei Wöchnerinnen bis zum Sectionstisch verfolgen 
können, und wenn ich zu diesen noch zwei aus dem Anfange 
desselben Jahres hinzufuge, so disponire ich jetzt über ein 
Material von fünf wohl constatirlen Beobachtungen, die ich 
idir im Detail anzuführen erlauben will. 

1) Therese Obermeyer ^ Erstgebärende, kam auf der 
zahlenden Abtheilung am 1. Januar 1865 ohne Kunsthülfe ' 
uiit einem ausgelragenen Knaben nieder; sie war kreissend 
und völlig gesund eingetreten. Am drillen Tage des Wochen- 
bettes bekam sie Diarrhöen ohne Febricilation, nur schöpfte 
maii Verdacht auf beginnenden Typhus, weil die Zunge an 
den Rändern ein rotbes, glänzendes Aussehen annahm. Die 
Erscheinungen gingen aber zurück, so dass sie am 11. Jan 
relativ gesund entlassen wurde. Zehn Tage darauf, am 21. Ja- 
nuar, wurde sie von der Stadt in das Spital unter den Er- 
scheinungen eines schweren Typhus eingebracht, und am 25. 
Iral der lethale Ausgang ein. Die Section deckte einen Ty 
phus von 8 — 10tägigt»r Daner auf. 

Bei der Deutung die>:es Falles stösst man gleich auf 
einige Bedenken, die den Orl der fnfection belreff'en : man 
könnte nämlich der Ansicht sein, dass die Patientin nicht im 
Gebärhause, sondern in der Stadt krank geworden .sei, und 
dass milhin der Fall mit Unrecht hieher gezählt wird. Ab«»r 
die innere UnWahrscheinlichkeit dieser Annahnie leuchtet ein. 
wenn man erwägt, ein wie kinzes Incubations- resp. Prodro 
j lualstadiimi hier vorhanden gewesen wäre, selbst bei der gün- 
', stigsten Annahnie, dass die Infection sofort am 11. stattge- 
funden hätte. Viel plausibler erscheint mir die Erklärung, 
dass bald nach der Geburt die Aufnahme des Giftes t^dQl^v 



436 XXXII. Hecker, Einige Bemerkungen Über den 

ist, dass aber nur eine Typluis- Diarrhöe entstand, die unter 
sorgfältiger Pflege ohne Geschwnrsl)ildung im Darme vorüber- 
ging; sowie aber draussen , wie dos gewöhnlich geschieht, 
Diätfehler begangen wurden, trat ein Recidiv ein, das schnell 
zum Tode führte. 

2) Thekla Seide, Erstgebärende, kam am 11. Januar 
1865 kreissend und gesund auf die zahlende Abiheilung, und 
gebar dort an demselben Tage ein reifes Kind weiblichen 
Geschlechts. An» dritten Tage des Wochenbettes erfolgte hef- 
tige Erkrankung, deren typhöser Character sehr schnell sich 
zweifellos herausstellte. Sie unterlag schon am 17.; bei der 
Section fand sich der Darm entsprechend der ersten Woche 
der Krankheit verändert. 

Hier ist eine weitere Erläuterung kaum vonnölhen: ich 
erinnere mich nicht leicht, einen so fulminanten Fall von 
Typhus in den letzten Jahren gesehen zu haben , wie diesen, 
und auf einen anderen Infectionsort , als das Gebärhaus, zu- 
rückzugehen, ist bei der Uebereinstimmung des Sections- 
resultates mit dem Eintritte der Erkrankung, und bei der .an- 
erkannten Schwierigkeit, mit der Hochschwangere das Gift 
aufnehmen, wohl nicht thunlich. 

Sj Anna Pinzer, Primipara, gebar am 22. November 
1865 auf der zahlenden Abtheilung einen kräftigen Knaben 
ohne Kunsthidfe, machte ein ganz normales Wochenbett 
durch, und wurde dem entsprechend am 29. November ge- 
sund entlassen. Am 15. December fand ihre Aul'nahme in 
das Krankenhaus initer der Diagnose „Typhus" statt, doch 
war nicht recht aus ihr herauszubringen, wie es ihr draus- 
sen von der Entlassung aus der Gebäranstalt bis zu ihrer 
Einlieferung ergangen sei. Sie starb am 31. December, 
und findet sich in dem Sectionsprotocoll Aber sie die Notiz, 
dass aus der BeschalTenheit des Darmkanals die Krankheit 
als in der sechsten Woche befindlich bestimmt werden 
müsse. 

Auch in diesem Falle kann nach der Section der Typhus 
nicht gut an einem anderen Orte als in der Gebäraiistalt 
entstanden sein. Hier siossen wir aber dann auf die Eigen- 



Typhus abdominalis im Wochenbette. 437 

thuiiilichkoil einer Lalenz dieser Krankheil, wie sie kaum 
recht bekannt sein diirile, wie sie sich aber auch bei tien 
folgenden Fällen zeigte, und wie ich sie sonst wiederholt 
beobachtet habe, ohne den Beleg dafür durch Sectionen lie- 
fern zu können. Die Palientin ist ohne irgend welche Krank- 
heitserscheinungen aus der Anstalt ausgetreten , und nnis^ 
doch schon das Typhusgifl schon seit mehreren, in Maxinnnn 
sieben Tagen, wenn sie gleich nach der Geburt inlicirt wor- 
den ist, in sieb getragen haben. 

4) Franziska JSedlmager, eine Erstgebärende, haüt^ 
am 21. December 1865 in ihrer Wohnung eine viermonat- 
liche Frucht ausgestossen, und war sechs Stunden darauf in 
die klinische Abtheilung aufgenonunen worden. Das Wochen- 
bett verlief ganz normal ^ und am Tage ihrer Entlassung, 
am 28. December, habe ich mich selbst durch eine Un- 
terredung mit ihr von ihrem vollkommenen Wohlbefinden 
Aberzeugt. 

Am 14. Januar Aufnahme in's Spital, am 27. Tod. Nach 
der Section befand sich der Tyjihus in der vierten Woche. 

Diese Beobachtung ist in sofern zweifelhaft, als hier die 
Section nicht mit Nothwendigkeit auf die debäranstait als 
den Träger des Typhnskeimes der Patientin hinweist; es 
ist vielleicht sogar wahrscheinlicher, dass die Inn^ction nach- 
her in der Privatwohnung stattgefunden hat: dann fällt 
freilich die Annahme einer Latenz zu Boden, immerhin aber 
bleibt der Fall interessant, weil er überhaupt beweist, dass 
Wöchnerinnen für das Typhusgift durchaus nicht unem|)fän^- 
iich sind. 

5) Sophie Scheuermayer, Erslgebärendo, trat am 3. Ja- 
nuar 1866 kreissend in die zahlende Abtheilung ein, und 
kam am 4. mit einem reifen Kinde weiblichen Geschlechts 
nieder. Ein vollkommen günstiger Verlauf des Wochenbettes 
hatte ihre Entlassung am 11. Januar zur Folge. Am 18., 
also schon sieben Tage nach ihrem Auslriite, wurde der 
Assistenzarzt der Poliklinik, Herr Dr. Poppel, zu ihr gerufen, 
und fand sie an einem schweren Typhus darniederliegend. 
Sie starb am 3. Februar, inid aus Interesse für die Sache 



438 XXXTI. Hecker, Einige Bemerkangen über den Typhaii etc. 

liess ich mir die Erlaubniss zur Section auswirken. Die 
Vei*änderungen des Darmkanais wiesen unwiderleglich auf 
einen Typhus in der vierten Woche hin. 

Ein Schwanken in der Beurtbeilung der AeUologie die- 
ser Erkrankung ist kaum möglich: der Leichenbefund deckt 
sich mit der Annahme, dass der Typhus im Gebärhause ent- 
standen sei, mit der wönschenswerthesten Genauigkeit, und 
wieder werden wir dabei auf ein Stadium der Incubation 
hingewiesen, in welcher das Gilt in dem Körper verweilt hat, 
ohne auch nur das geringste Symptom hervorzurufen. 

Bedeutungsvoll durfte schliesslich vielleicht sein, dass 
alle filnf mitgetheilten Falle Erslgehän^nde betrafen, und dass 
mit Ausnahme des vierten, dessen Aetiologie am zweifelhaf- 
testen gelassen werden musste, die Erkrankungen auf der 
unteren, dem Boden und dessen Ausströmungen näher liegen- 
genden Abtheilung vorgekommen sind. 

So weit reichen meine Beobachtungen. Wenn ich auch 
bedauern muss, dass noch manches Luckenhafte, der Aufklä- 
rung Bedürftige in ihnen enthalten ist, wenn ich namentlich 
den Mangel statistischer Angaben fibcM* das Auftreten der 
eigenthömlichen Erkrankungen selbst am meisten vermisse, 
so glaube ich doch die Kette des Beweises so geschlossen 
zu haben, ilass an der Sache selbst, an dem Vorkommen 
des Typhus bei Wöchnerinnen, sowie an der relativ bedeu- 
tenden Disposition derselben, sein Gift keimkräflig aufzuneh- 
men, femer nicht mehr gezweifelt werden kann. 



XXXIII. GrenseTy Fütifeigster Jahresbericht etc. 439 



XXXIII. 

Fünfzigster Jahresbericht über die Ereignisse in 

dem königl. sächsischen Entbindungsinstitute zu 

Dresden im Jahre 1864. 

Von 

Prof. Dr. Grenser, 

(l^ebelni«n Medicinalrath etc. 

\ 

Im Jahre 1864 wurden in der Anstalt 747 Schwangere, 
Gebärende und Wöchnerinnen verpflegt, von denen fünf 
Schwangere und 14 Wöchnerinnen am Schlüsse des Jahres 
1863 im Bestände verbliehon waren, so dass 728 theils 
Schwangere, theils Gebärende im Jahre lf<64 neu aufge- 
nommen wurden. 

Geboren haben 715, und zwar im Januar 68, im Fe- 
bruar 55, im März 74, im April 76, im Mai 74, im Juni 49, 
im Juli 61, im August 55, im September 57, im October 44, 
im November 44 und im December 58. 

Davon kamen 391 zum ersten Male, 224 zum zweiten 
Male, 64 ziun dritten Male, 18 zum' vierten Male. 9 zum 
runfteii Male, 3 zum sechsten Male, 1 zum achten Male, 
2 zum uemiten Male, 2 zum zehnten und 1 zum elften Male 
nieder. 

Verheirathet waren 60, 4 geschiedene und 3 ver- 
witlwete Ehefrauen, 648 waren ledigen Standes. Hei- 
niathsangebörige waren in Dresden 160, 497 an anderen 
Orten und 48 im Auslande. Zur evangelisch - lutherischen 
Kirche bekannten sich 681, zur römisch-katholischen 31 1 je 
eine zur griechisch-katholischen, reformirten und deutsch- 
katholischen. 



440 XXXIII. Grenser^ Fünfisigster Jahresbericht 

Was das Alter der Wöchnerinnen anbetrifTl, so waren 
eine 15 Jahre, acht 17 Jahre, fünfzehn 18 Jahre, zweiund- 
zwanzig 19 Jahre, dreiundvierzig 20 Jahre, zweiundfunfzig 
21 Jahre, achtzig 22 Jahre, sechsundneunzig 23 Jahre, zwei- 
iindachtzig 24 Jahre, funfundvierzig 25 Jahre, dreiundvierzig 
26 Jahre, sechsunddreissig 27 Jahre, fönfunddreissig 28 Jahre, 
neunundzwanzig 29 Jahre, dreiunddreissig 30 Jahre, siebzehn 
31 Jahre, dreiundzwanzig 32 Jahre, elf 33 Jahre, dreizehn 
34 Jahre, acht 35 Jahre, vier 36 Jahre, drei 37 Jahre, drei 
38 Jahre, sechs 39 Jahre, eine 40 Jahre, eine 41 Jahre, 
zwei 42 Jalire, je Eine 44, 45 und 46 Jahre alt. 

Von den Wöchnerinnen konnten 676 gesund entlassen 
werden, 19 mussten an andere Heilanstalten, und zwar 13 
(davon 10 wegen Varioloiden, die in der Stadt epidemisc 
herrschten) an das Stadtkrankenhaus, drei an die innere und 
drei an die chirurgische Klinik abgegeben werden. Fünf 
starben und 15 verblieben am Schlüsse des Jahres im 
Bestände. 

Die Geburten waren 702 Mal einfach, und 13 Mal 
wurden Zwillinge geboren. Es wurden die Geburten 650 
Mal ohne Kunstliulfe vollendet, 78 Mal musste operativ ein- 
gegrilfen werden, und zwar machte sich 52 Mal die Zangen- 
operation, acht Mal die Wendung, zwölf Mal die Extractioii 
an den Füssen, drei Mal die Perforation, eiu Mal die Ein- 
leitung der kunstlichen Frühgeburt und zwei Mal die kunst- 
liche Lösung der Nachgeburt nothwendig. 

Was den Geburtsmechanismus anbetrifft, so stell- 
ten sich zur Geburt die Kinder 

509 Mal in erster Scbädellage; 



170 


n 




zweiter „ 


3 


>i 




dritter „ (zweite ohne 


3 


»» 




vierter „ 


1 


»1 




erster Gesichtslage; 


2 


fi 




zweiter „ 


6 


»♦ 




erster Steisslage; 


3 


1» 




zweiter „ 


7 


t« 




vollkommen erster Fusslage; 


2 


»» 




„ zweiter „ 



über die Rreigntftge in dem k. s. Knthinduiif^sinsHtQte etc. 441 

1 Miil in iinvoilkommen prsler Fusslage; 
7 ,, ,, fehlerhafter Lage; 
14 „ „ unbestimmler Lage. 



Summa 728. 

Geboren wurden 727 Kinder, als 381 Knaben und 
346 Mädchen und ein Snionallirher Abortus; davon waren 
vier nnzeitige (zwei Knaben und zwei Mädchen), 19 fj-rih- 
zeitige (sieben Knaben und zwölt Mädchen). Scheintodt 
wurden 18 geboren (13 Knaben und 5 Mädchen). 46 wur- 
den todtgeboren (29 Knaben und 17 Mädchen , von denen 
20 schon im macerirten Zustande waren, bei 6 von diesen 
konnte Torsion der» Nabelschnur nachgewiesen werden; vier 
waren unzeilige, vier davon nach Angabe der MuUer in Folge 
von äusseren Schädlichkeiten , zwei durch Gennltlisbewegun- 
gen, die auf die Mutter eingewirkt halten, gestorben, 16 star- 
ben in Folge des Geburtsactes, und zwar fünf in Folge 
schwerer Zangenoperationen, vier durch Beckenenge, bei wel- 
cher drei Mal die Perforation und drei Mal die Gephalo- 
Iripsie gemacht wurde, und sieben in Folge von Druck auf 
die Nabelschnur. 

Unter den Zwillingskindern waren die Kinder sieben 
Mal reif, sechs Mal fnihzeitig. Das Geschlecht ergab sechs 
Mal Knabenpaare, drei Mal Mädchenpaare und vier Mal je einen 
Knaben und eiu Mädchen. Was die Lage der ZwiHinge an- 
betriffl, so stellten sie sich folgeudermaassen zur Geburt ein : 

1) L Schädellage und IL Querlage (IIL 2.) 2 Knaben. 

2) L Fusslage und L Fusssteisslage 2 Mädchen. 

3) L Schädellagc und L Fusssteisslage 2 Knaben. 

4) U. Schädellage und IL Schulterlage (IV. 2.) 1 Knabe. 

1 Mädchen. 

5) L Schädellage und IL Schädellage 1 Knabe, 1 Mädchen. 

6) L Steisslage und I. Schädellage mit vorliegender rechter 

Hand 1 Knabe, 1 Mädchen. 

7) L Schädellage und L Fusslage 2 Knaben. 

8) L Steisslage und IL Steisslage 2 Knaben. 

9) L Schädellage und L Schulterlage (I. l.j 2 Knaben. 

10) I. Schädelinge und IL Schulterlage (IV. 2.) 2 Mädclien. 

11) L Fusslage und I. Schädellage 1 Ruabe u. \ ^^&^\v^ti^ 



442 XXXIII. Orensir^ Pünfasigpster Jahresbericht 

12) II. Scilädellage uihI 1. Schiilterlage (III. 1.) 2 Knaben. 

13) I. SchädellagH und II. Schädellage 2 Mädchen. 

Der Mähe Ist rang war 549 Mal seillich, .109 Mal am 
Rande, und 61) Mal in der Mitte eingesenkt. Bei einer Zwil- 
lingsnachgeburt, bei welcher die Placenlen getrennt waren, 
vertheilte der eine Nabelslrang seine Gefässe in zwei grosse 
Lappen , von denen der eine 5" u. 6", der andere 3" u. 4" 
in sffinen Durchmessern hatte, so dass es den Anschein von 
drei Placenten gewann. Eine ähnliche Theilung wurde bei 
einer einfachen Placenla gesehen, so dass <lurch die Thei- 
lung der Gefässe des Nabelst ranges zwei vollständig getrennte 
Lappen entstanden, von denen der eine einen Durchmesser 
von 4" u. 5" der andere von 5" u. 6^ hatte. Der Nabel- 
strang war 20" lang. 

Anomalien der Schwangerschaft. 

IJn zeitige Geburten kamen fünf vor. Ein Mal wurde 
das dreimonatliche Ei bei einem zum ersten Male schwan- 
geren gesunden kräftigen Mädchen auf ein Mal ausgestossen, 
und war an diesem etwas Abnormes nicht zu bemerken. 
Die Blutung war ganz gering. Als Ursache zum Abortus 
musste ein zu starkes üeberheben angesehen werden. 

Bei zwei Aborten war die Ursache in den entarteten 
Placenten zu finden, dieselben zeigten in ihrem Gewebe voll- 
ständige fettige Degeneration, sie halten jede einen Durch- 
messer von 3" u. 4". Das Causalmomenl einer anderen un- 
zeitigen Geburt war wohl der erfolgte Tod der Frucht, der 
lodte faulige Knabe halte in seiner 18" langen Nabelschnur 
eine bedeutende Torsion. Für den fünften Abort war eine 
Ursache zum Eintritte der Geburt nicht zu finden. 

Von den 19 Frühgeburten konnte die Ursache der- 
selben bei zwei in den Placenten gefunden werden. Die eine 
Frühgeburt (rat bei einer 31jährigen 4. Gebärenden ein, 
welche stets normal geboren hatte. Die Geburt selbst v«m* 
lief regelmässig, das Kind, ein lebendes Mädchen, wog 
4'/4 Pfund, und hatte eine Länge von 16". Die Placenla, 
welche 5" und 8" in ihren Durchmessern hatte, zeigte in 
jhrpr Mhle einen grossen fettigentarteten Heerd von 3" Länge 



ttber diA Rrei^nififie in dem k. s. Botbindangsinittitute etc. 448 

und 8" Breite und %" Dicke, der zusainmen^f^setzt erschien 
aus 5 — 6 auf einander gelegten Platten, welche sich leicht 
von einander ahtrennen Hessen. Während der Schwanger- 
schaft hatte nie ein Blutflnss stattgefunden. — IHe andere 
Placenta von 4" und 5" im Durchmesser hatte in ihrem Ge- 
webe drei Apoplexien von der (irösse von 1" — 2'\ uiid hei 
denen man deutlich nachweisen koinite, dass sie in verschie- 
denen Zeiträumen erfolgt sein mussten. Das macerirte Kin<i 
wog 3 Pfund und hatte eine Lange von W. Vier Mal he- 
dingte Zwillingsschwangerschaft die Fnihgehurt. Hei einigen 
Gebärenden war die Ursache der zu fnlhen Uterincontractio- 
nen in heftigen Gennithsbewegungen, Ueherarheitung , schwe- 
ren Tragen und liehen zu suchen. Mehrere konnten gar 
keinen Grund angehen. 

Ein beträchtliches Aneurysma a o r ta e beobachteten 
wir bei einer grossen, schlanken 26jährigen Erstgebärenden, 
welche durch die hinzugekommene Schwangerschaft ausser- 
ordentliche Athembeschwerden hatte, bei dieser leitete die 
Natur die Geburt vier Wochen zu Ihlli ohne kilnstliche Hülfe 
ein. Nach 7 slnndiger Dauer der Wehen wurde ein fünf 
Pfund schwerer Knabe in erster Schädellage leicht geboren. 
Das Wochenbett verlief normal , und das subjective Befinden 
der Kranken war nach der Niederkunft wesentlich besser als 
vor derselben. 

Bei einer 24jährigen zum zweiten Mal Schwangeren 
kam eine Insufficienz der Mitralis zur Beobachtung, 
ohne dass dieselbe ihr erhebliche Beschwerden verursacht 
hätte, zeilweise zeigte sich Oedem an den unteren Extre- 
mitäten. Die Schwangerschaft erreichte ihr normales Ende. 
Nach einer Wehendauer von acht Stunden wurde ein leben- 
der 7^2 Pfund schwerer Knabe geboren. Das Wochenbett 
▼erlief mit Ausnahme einer geringen Perimetritis regelmässig. 

Mit Epilepsie war eine Hausschwangere behaftet, bei 
welcher die Anfälle in Zwischenräumen von 3 — 4 Wochen 
wiederkehrten. Geburt und Wochenbett normal. Das Kind 
war ein 7' '4 Pfund schweres lebendes Mädchen. 

Primäre Syphilis sahen wir bei einer 37jährigen, 
sehr dürftig genährten Person, der Mons veneris war halb- 
mondforjDig mit primSreu UIcerationen V>e^^»Vi.V\ ^w**««^«^ 



444 XXXIII. Grenser, Fiinfsigfster Jahresbericht 

hatte die Schwangere sehr bedeutendes Oedeni an den Possen 
uiid Unterschenkel, sowie an den grossen Schamlippen. 
Harn ohne Eiweis. Durch ruhige Lage und Anwendung von 
aromatischen Fonientationen verschwand das Oedein gänzhch. 
Geburt und Wochenbett waren normal. Das Kind, ein gul 
genährtes, 7^/4 Pfund schweres Mädchen, hatte keinerlei nach- 
weisbare Gesundheitsstörung, und konnte ebenfalls gesund 
' entlassen werden. 

Secundäre Syphilis, welche sich sieben Mal durch 
Condyloniata Iheils an <len Schamlefzen, theils an dem Aller 
zeigten, ein Mal sich durch Exanthem äusserte, hatte nm* zwei 
Mal augenblicklich nachweisbare Folgen durch Pemphigus- 
blasen bei den Kindern, bei den übrigen war nichts Krank- 
haftes zu bemerken. 

Anomalien der Geburt. 

Rachitische Becken beobachteten wir 26 Mal, und 
zwar mass die Conj. vera neun Mal 2^'/» ^""* ^^^l 3", sechs 
Mal 31/4'', sechs Mal 3^!^\ In drei Fällen von 2%" Conj. 
vera erfolgte die Geburt ohne Kunsthulfe: 

-1) Der eine Fall betraf eine miltelgrosse 19jährige Erst- 
gebärende, von kräftigem Körperbaue, welche innner gesund 
gewesen sein wollte, aber erst im Aller von 2^/2 Jahren lau- 
fen gelernt hatte. Sie wurde mit voller Wehenthätigkeit auf- 
genonmien. Die Untersuchung ergab: Uterus zwei Querfm- 
ger unter dent Rippenrande, gleichmässig ausgedehnt, Rucken 
des Kindes nach links, kleine Theile rechts. Koi)f über dem 
ßeckeneingang. Herztöne deutlich links hörbar. Die Becken- 
maasse waren folgende: Spin, ilei 9" 10'", Crist. ilei 10»^", 
Trochant. 11V» Conj. extern. 6' V'. Conj. diag. 3'V'' <^««Ü- 
vera 2%". Der Muttermund war 1" weit geöffnet, Blase 
stand noch, kleine Fontanelle nach links. Die Wehen waren 
sehr kräftig und sehr wirksam, so dass, nachdem das Was- 
ser rechtzeitig abgegangen war, nach zwanzigslöndiger We- 
liendauer ein lebendes 7 Pfund schweres MädclwMi in erster 
Schädellage geboren wurde. Das Wochenbclt verlief regel- 
mässig. 

2) Eine 25jährige, schwächliche. Zweitgebärende, welche 



über die Ereignisse in dem k. s. Entbindnngsinstitute etc. 445 

den ausgeprfi^ton rachitischen Habitus zeigt*", hatte erst im 
s(H!li8ten Jahre laufen gelernt. Dieselbe war 1862 schon in 
hiesiger Enthindungsschule von einem todten, seciis Pfund 
schweren Knaben mittels der Zange selir schwer entbun- 
den und damals mit der Weisung entlassen worden, sich 
l»ei einer neuen Schwangerschaft rechtzeitig zur Einleitung 
der Fröhgeburt einzustellen. Sie kam jedoch, als die Nie- 
derkunft bereits in nächster Zeit bevorstand, so dass keine 
Fröhgeburt mehr erzielt wenien konnte. Bei der Unter- 
suchung ergaben die ßeckenmaasse Spinae ilei 10*4", Crist. 
ilei 11", Trochanter. llV4"i ^onj. extern. 5^ '4", TiOnj. dia- 
gon. 3*V'» ^^onj. vera 2^/^', Her Bauch war ziendich gross, 
ein bedeutender Hängehauch, der Nabel massig hervorgelrie- 
l>en. Der Muttermund stand einen Outfrtinger unter dem 
Rippenrande, dei* Mullerkörper gleichmässig ausgedehnt, weich, 
schmerzlos. Rucken der Frucht war nach links und vorn, 
kloine Theile rechts, Kopf über dem Beckeneingange. Der 
kindliche Herzschlag deutlich links hörbar. Der Scheidentheil 
^U" Inng mit zahlreichen alteii Einkerbungen , äusserer und 
innerer Muttermund für den Finger durchgängig, und man 
kommt auf den hochstehenden Kopf, wenn man den Leib 
in die Höhe hält. Die Wehen begannen den 30. Novemlier 
Abends 5 Uhr, es waren dieselben sehr häutig und krallig; 
der Muttermund war den 1. December früh 8 Uhr vollstän- 
dig erweitert, das Wasser ging jetzt rauschend ab. Der vor- 
liegende Kindestheil, der Kopf, blieb jedoch im Beckeneingange 
stehen, und der Muttermund liel wieder zusammen. Es wurde 
bei j«»der Wehe der Leih der Kreissenden emporgehalten. 
Nach einer Stunde stand der Kopf des Kindes fest im Becken- 
eingange, und begann sich zu configuriren. Die Wehen wa- 
ren ausgezeichnet, so dass nach 6 ''4 Stunden, nach vollstän- 
diger Erweiterung des Muttermundes ehi lebendes Mädchen 
in erster Schädellage geboren wurde. Das Kind wog 7 IMd. 
und hatte eine Länge von 18''. Das Wochenbett zeigte 
keine Regelwidrigkeit, Mutter und Kind wurden gesund ent- 
lassen. 

3) Bei einer Dritten mit Conj. vera von 2%" sehen wir 
ejfie Selbslentwickelung der Frucht. DieselU^» ^wwi 
bei einer kleinen 32JHhvigei} ZweitgehäreiwVu s\äVX, '^jvXqNx^ 



446 XXXIII. Gren$er, FiiDfsij^ster Jahresbericht 

mit dem zweiten Jahre laufen gelernt hatte, und schon uii 
25. Jahie ohne arztliche Hülfe von einem vier Wochen zu 
frühen todten K nahen enthnnden worden war. Sie zeigt einen 
ausgeprägten rachitischen Habitus, Ober- und Unterschenkel 
sind gekrunmU. Die Beckenmaasse waren: Spin, ilei 8V4", 
CrisL ilei 10", Trochanter. 11", Conj. fxler. 6'/«", CouJ. 
diag. 3" T'\ Conj. vera 2%". Der Muttergrund stand di-ei 
Querfmger unter dem Rippenrande, der Mntterkurper war 
ziendich fest, gleichmässig ausgedehnt, nur sehr undeutlich 
konnte man einen kleinen unhestimmharen Kindestheil füh- 
len; keinf Herztöne, kein Bewegungsgeiausch , links unter 
dem Nabel Gefässgeräusch. Ihrer Angabe nach wollte sie 
acht Monate lang schwanger sein. Innerlich Scheidentheil 
W i^ng mit alten Einrissen, äusserer Muttermund geöffnet. 
Kein vorliegender Kindestheil zu fühlen. Der Anfang der 
Wehen war den 6 September Nachmittags 4 Uhr, sie kamen 
mit grosser Heftigkeit und hatten guten Erfolg. Das Wasser 
ging vorzeitig und schleichend ab, war missfarbig. Di«* in- 
nere Untersuchung «Tgab eine SchuUerlage, Kopf rechts v<»rn. 
Kucken nach vorn; am untersuchenden Finger klebte abge- 
storbene Epidermis. Om 7 Uhr Abends war der Muttermund 
hinreichend gross, die Wendimg auf die Füsse zu machen. 
Die Wehen waren anssergrdentlicb heftig und intensiv. Die 
vorliegende Schulter wurde sehr stark herabgedräiigt, um 
welche sich der Mutlermund sirickturarlig anlegte, so dass 
es unmöglich war, nur einen Finger zwischen Uterus und 
Kind zu bringen. Unter (Um mehreren vergeblichen Ver- 
suchen, die Hand in den Uterus einzuführen, fühlte man. 
wie stark die Schulter nach der Beckenhöhle gepresst wurde, 
so dass man bei einer solchen Welienthnii|.>keit , einer so klei- 
nen schon macerirten Frucht hoffen durfte, dass die Natur 
bald allein <lie Geburl bewerkstelligen würde. Schon nach 
einer Viertelstunde zeigte sich auch die linke Seite des Tho- 
rax mit den stark zusammengepressten Ri)>pen in der Scliuni- 
spalte zum Ein- und Durchschneiden, dami der Steiss und 
darauf der Kopf nn'l den zurückgebliebenen Armen. Das Kind, 
ein faulig lodter Knabe, wog zwei Pfund und war 15" lan^. 
Die Nabelschnur zeigte eine Torsion. 

Aussirdem rnussten bei Coa^, \wa v^iw 2^(4" fuL^eude 



über die Ereignisse in dein k. ». Kutbimlungsinstitute etc. 447 

Operadonpii gi^macht wi^rden : zwi^t Mal die Zaiigeiioperaduii. 
bei welcbeii das Kind todt extrahirl wtirdis das eiue zeigte 
durch Drucli auf das Proinonloriuin eine Fiacttir des linken 
Stirnbeins. Ein Mal Cephalolripsie, ein Mal Ferioration und 
Zangenoperalion, ein Mal Perforation und (^phalotripsie, ein 
Mal Einleitung <ier Frühgeburt mit unglnrklichem Ausgange 
ri\r das Kind. Von den Entbundenen starben zwei im Wo- 
cbenbette, sonst konnten sämnitliche gesund entlassen werden. 

Bei Cohj. vera von 3" machte sich drei Mal die Zan- 
genoperalion, durch welche zwei todie und ein lebendes Kind 
eKtrahirl wurden, und ein Mal die Perforation und Cepbalu- 
tripsie nölhig. Ein Mal vollendete die iNatur die Geburt. 

Sechs Kreissende hatten eine Conj. vera von 374", von 
denen drei mit der Zange, drei ohne Kunsthulfe entbunden 
wurden. In allen diesen Fällen kamen die Kiinier lebend 
zur Well. Bei einer Conj. vera von 3 72" brauchte nur ein 
Mal die Zangenoperation gemacht zu werden, die übrigen 
fünf Gebärenden gebaren ohne Kunsthillfe. Die Kinder wur- 
den lebend geboren. 

Hänge bauch wurde bei 35 Kreissenden beobachtet, 
und zwar bei weitem die grösste Mehrzahl bei denen mit 
rachitisch verengten Becken , wfduend er sonst bei Frauen 
vorkam, welche durch vorausgegangene Geburten sehr .schlaffe 
Bauchdecken bekonnnen hatten. Eine' 19jährige Erstgebä- 
rende, welche mit 2V2 Jahren laufen gelernt hatte und 
krumme Unterschenkel zeigte, hatte eine sehr bedeutende 
Beckenneigung mit Häiigebauch, ohne dass eine Beckenenge 
aufzufinden war. Durch Em))orhalten des Fundus uteri wurde 
dem Hängebauche so viel als möglich der hennnende EinÜuss 
auf den Fortgang der Geburt genonunen , so dass nach 
45stöndiger Wehendauer ein sechs Pfund schweres lebendes 
Mädchen geboren wurde. Das Wochenbett war normal. 

Bei sänmitlichen Häiigebäuchen wurde während der Ge- 
burt mit Eintritt einer Wehe der Fundus uteri emporge- 
lialten, und dadurch stets ein guter Erfolg beobachtet. 

Bigidität des Multermunjes erschwerte vier Mal 
die Eröffnmig desselben sehr bedeutend, in Folge dessen die 
Eroffmingsperiode line Zeildauer von 70, 79, 98'j.j. vxwvV Wi'i , 
Stunden in Anspruch imUm. Bei diesen l\re\s&e\\iVA\ -säwawV^wXv 



448 XXXIII. Oreruer^ Fiinfzii^&ter Jahresbericht 

wurde Fluor albus und granulirte Scheide gefunden. Anwen- 
dung von erweichenden Silzhädern und Cinlegung des Bade- 
röhrchens hatte sehr vortheilhaflen Einfluss auf die Erweite- 
rung des Muttermundes. 

Strunia kam hei einer 24jährigen Erstgebärenden zur 
Beobachtung, und verursachte in der Austreibungsperiode 
grosse Athemnoth, so dass sich die Anlegung der Zange 
noth wendig machte. Es wurde ein sieben Pfnnt! schwerer 
Knabe geboren. Das Wochenbett war regehnässig. 

Eclampsie während der Gehurt sahen wir bei einer 
sehr empfindlichen, kräftigen Erstgebärenden. Dieselbe hatte 
ausserordentlich schmerzhafle Wehen, der Mutlei'mund eröff- 
nete sich erst nach einer Wehendauer von 20 Stunden. Das 
Wasser war vorzeitig und sclileichend abgegangen. Wegen 
grosser Kopfgeschwulst und Meconiumabgang bein) Kinde 
nuisste die Zange angelegt werden, während der sonst ziem- 
lich leichten Zangenoperation zeigte sich ein eclamplischer 
Anfall. Harn ohne Eiweiss. Es wurde ein 6'/4 Pfd. schwe- 
resi scheintodtes Mädchen geboren , welches no<'Ji denselben 
Abend starb. Im Wochenbett?? trat kein Anfall weiter ein, 
sondern es war dasselbe ohne Abnormität. 

K r a in p f w e h e n sahen wir ein Mal bei einer 17 jäh- 
rigen schwächlichen Erstgebärenden, hei weicher <ias Frucht- 
wasser vorzeitig und schleichend abgegangen war; durch An- 
wendung von Pulv. Dov. 4 Dos. und waruM^n Tüchern auf 
den Leib, wurde die Wehenthäligkeil eine regehnässigf. Die 
Eröffnungsperiode dauerte 84% Slimden, wegen Straffheit des 
Dammes nuisste die Zange angelegt wer/len. Das 6*4 Pfund 
schwere stark asphyctische Kind starb nach 18 Stunden am 
Trisnms. Die Wöchnerin bekam Endocolpitis, welche nach 
Anwendung von aromatischen Injectionen und Fomentationen 
bald beseitigt war, so dass die Wöchnerin gesund entlassen 
wenlen konnte. 

Metrorrhagien während der Geburt der F'ruchl er- 
forderten zwei Mal i.n der ErölTnungsperiode die Sprengung 
der Blase, zwei Mal in*der Austreibungsperiode die Zangen- 
operalion, es wurden stets lebende Kinder geboren. Die 
Wöchnerinnen blieben gesund. 

Ein Mal wurde wegen heUigev B\v\lv\\\^ ViV'A N^vUe.^endein 



über die Ereignisse in dem k. s. Entbindangsinstitnte etc. 449 

Kopfe die Wendung auf die Fusse gemacht (siehe Opera- 
tionsbericht). 

Placenta praevia lateralis wurde beobachtet l^ei 
einer - 35 jährigen Drittgebärenden. Ihre vorhergegangenen 
Geburten waren nonnal verlaufen. Am 24. Aug. früh sechs 
Uhr wurde die Kreissende aufgenommen und klagte über Blu- 
tungen, welche besonders stark bei jeder Wehe seien. Die 
Wehen waren seit drei Stunden regelmässig aufgetreten. Die 
Schwangerschaft hatte ihr normales Ende erreicht. Die Un- 
tersuchung ergab eine groschengrosse OefTnung des Mutter- 
mundes, die Muttermundslippe in der rechten Seite wulstig 
und aufgelockert; ging man durch den inneren Muttermund, 
so fand man- nach rechts das eigenlhümlich schwammige 
Gewebe der Placenta. Die Blase stand noch. Das Kind lag 
in I. Fusslage. Es wurde die Tamponade mittels Colpeu- 
rynter und Einspritzung von kaltem Wasser in denselben ge- 
macht, worauf die Blutung stand. Um 11 Uhr war der Mut- 
termund so weit erölfnet, dass wegen Erschöpfung und Mattig- 
keit der Mutter die Extraction des Kindes gemacht werden 
konnte. Da das Becken massig racliitisch war und das Kind 
eine bedeutende Grösse hatte, so war die Ausziehung des 
Kindes sehr schwer, zumal noch die Arme selir schw(*r lös- 
lich und der Kopf schwierig mittels iW.r Zange zu entwickeln 
war. Das Kind , ein todtes Mädchen , wog acht Pfund und 
war 21" lang. An der Nachgeburt war etwas regelwidriges 
nicht zu bemerken. Die Wöchnerin erholte sich nur sehr 
schwer und musste wegen Entzündung der rechten Symphysis 
sacroiliaca an die innere Klinik abgegeben werden. 

In der Nachgeburtsperiode musste zwei Mal wegen Blu- 
tung die Placenta künstlich gelöst werden, nachdem Beibun- 
gen und geeignetes Drückeii der Gebärmutter nicht zum Ziele 
führten. 

Vorfall der Nabelschnur wurde acht Mal bei vor- 
liegendem Kopfe, drei Mal bei Fusslagen beobachtet, sieben 
davon waren Erstgebärende , drei Zweitgebärende und eint? 
Viertgebärende» Ein Mal war der Vorfall der Nabelschnur 
complicirt mit Vorfall des linken, ein Mal mit Vorfall des 
reclilen Armes. Drei Mal gelang die Beposition inbegrilfen 
der beiden complicirten Fälle, diese beiden ohne Erfolg ^vvv 

HonMUscbr, f. Oebartsk 1866. Bd. XXVII., Hft. 6. *2.^ 



450 XXXIII. Grenser^ Fünfzigster Jahresbericht 

(las Kind, heim dritten Falle wurde ein lebendes Madclien 
geboren. Zwei Mal wurde bei vorliegendem Kopfe obne Re- 
positionsversuclie die Zange angelegt, wodurch zwei lebende 
Kinder extrahirt wurden. Zwei Mal gelang die Reposition 
nicht, so dass dann ein Mal die Zange in Anwendung kam, 
wodurch ein todles Kind extrahirt wurde, das andere Mal 
sieb Perforation wegen einer Conj. vera von 2^'^*' nothwen- 
dig machte. Die Cxtraction bei den Pusslagen ergaben zw(*i 
Mal ein ungünstiges, ein Mal ein gunstiges Resultat. Bei 
einer Kreissenden war die vorgefallene Nabelschnur schon 
pulslos, als sie in die Anstalt kam, es wurde daher, und weil 
noch keine Zeit zur Extractton des Kindes war, von jedem 
Eingriffe abgesehen. 

Dammrisse kamen 47 vor, von denen drei nur höhe- 
ren Grades waren. Sämmlliche wurden durch Draht genaht 
und dadurch ein sehr gutes Resultat erzielt. Alle Rupturen 
fanden bei Erstgebärenden statt. Bei 21 Rissen machte sich 
imr eine Sutur nolhwendig, von denen fünf nicht, einer zur 
Flälfte, die übrigen vollständig verheilten, 23 Risse wurden 
mit je zwei Nähten vereinigt, bei diesen heilte nur einer 
nicht, und einer nur zur Hälfte. Je drei {<Iühte waren bei 
drei Rupturen nölhig, und fand eine vollständige Vereinigung 
der Wundränder statt. 



Geburtshülfliche Operationen. 

Grössere geburtshülfliche Operationelt kamen im Ganzen 
78 vor; davon waren 52 Zangenoperationen, welche 
folgende Indicationen hatten: 

14 Mal Webenschwäche, * 

10 „ Beckenenge, 

9 „ grosse Kopfgeschwulsl, 

5 ,, bei vorliegendem Kopfe Al)gang von Meconium. 

3 „ vorgefallene Nabelschnur, 

3 „ Schwachwerden der Kindesherzlöne, 

2 ,, vorzeitige Abtrennung der Placenta, 

2 ,, am nachfolgenden Kopfe, 

) „ Athenmoih wegen einer betrachtlichen Sirnma, 



über die EreigfniHso in dem k. ». Entbindiinf^flinstitnte etc. 451 

1 Mal Fieber der Kreissenden, 

1 „ Tuberculose, 

1 „ Straffheit des Dammes, 



Summa 52. 



33 Mal wurde die Zange am Kopie in I. ScIiädeUage, 
18 Mal die zweite Schädellage, zwei Mal in zweiter Schädel- 
lage ohne Drehung (dritter), zwei Mal bei hinten und links 
stehender kleiner Fontanelle, zwei Mal am nachfolgenden 
köpfe I. Fusslage angelegt. Von den Kindern wurden 32 
vollkommen lebend, dagegen 11 asphyctisch, und neun todt 
extrahirt, von diesen sieben wegen zu starker Compressiou 
des Gehirns und zwei wegen Druck der Nabelschnur. Nach- 
träglich starben davon noch zwei Kinder, das eine am zweiten 
Tage in Folge des starken Gehirndruckes, das andere am 
dritten Tage an Trismus. Von den Wöchnerinnen starb eine 
an den Folgen einer Pneumonie und Pleuritis (siehe Anoma- 
lien des Wochenbettes), die übrigen konnten gesund entlassen 
werden. 

Die Wendung auf die Fiisse wurde acht Mal ge- 
macht, und zwar sieben Mal wegen fehlerhafter Fruchtlage, 
ein Mal wegen Blutung bei vorliegendem Kopfe (siehe Ope- 
rationsberichl). ¥\m\' Mal geschah die Wendung bei Zwil- 
lingen beim zweiten Kinde. Die Kreissenden waren fünf Mal 
Zweitgebärende, zwei Mal Erstgebärende und ein Mal eine 
Viertgebärende. Zwei Mal lag die Frucht in 11. Schulterlage, 
sieben Kinder wurden lebend, eins todt geboren. 

Die Extraction an den Füssen wurde zwölf Mal 
ausgeübt, acht Mal folgte sie sofort der Wendung; vier Mal 
war dieselbe angezeigt bei Fusslagen, drei Mal durch Vor- 
fall der Nabelschnur, ein Mal durch Schwachwerden der Kin- 
desherztöne. Es wurden bei dieser Operation neun lebende 
und drei todte Kinder extrahirt. 

Von schwierigen Operationen bemerken wir folgende: 
1) Auguste Kraft ^ Dienstmädchen aus Meissen, 28 
Jahre alt, erschien in hiesiger Anstalt den 2. April Nach- 
mittags 5 Uhr als Kreissende. Sie hatte ausser den Kinder- 
krankheiten und Blattern keine Krankheit gehabt, lernte jedoch 
ualie im vierten Jahre laufen. Seil ihrem 2^. Jv\\w<i nsäv -^w 



452 XXXIII. Orenser^ Fünfzigster Jahresbericht 

immer regelmassig aller vier Wochen 3 — 8 Tage lang reich- 
lich, ohne Beschwerde, meiistruirt. Schon 1862 war sie in 
der Anstalt miUels Perforation und Zangenoperation von einem 
neun Pfund schweren Knaben entbunden worden. Das Wo- 
chenbett verlief damals ohne Störung. Sie gieht an, die letzte 
Menstruation Anfang Juli gehabt zu haben, die Conception 
soll den 2. August erfolgt sein. Die ersten Kindesbewegun- 
gen fühlte sie im Januar. Die Statur ist mittel, ihr Bau 
kräftig. Die Beckenmaasse ergaben: Spin, ilei 9", Crisl. ilei 
10", Trochanter. 11 V4", Conj. ext. 6", Conj. diag, SVV', 
Conj. Vera wird auf 2%" taxirt. 

Der Unterleib ist sehr stark ausgedehnt, Nabel hervor- 
getrieben. Der Muttergrund einen Querfinger unter dem 
Hippenrande. Mutterkörper sehr gross, ungleichmässig aus- 
gedehnt nach rechts verschoben, eindrückbar. Von aussen 
fühlt man deutlich viele kleine Theile nach links und rechts, 
Rücken rechts, ein runder harter Theil über dem Becken- 
i'ingange, ein . anderer runder harter Theil in der rechten 
Seite des Fundus uteri. Herztöne sehr deutlich rechts zwi- 
schen, Spina ilei und Nabel hörbar, hnks starkes Gefassge- 
riiusch. Innerlich (»rgab die Untersuchung: Scheide aufge- 
lockert, weich, feucht, Scheidentheil verstrichen, Muttermund 
1" weit geöffnet, Blase noch vorhanden, Sleiss der Frucht 
im ersten schriigen Durchmesser vorliegend, Rücken nach vorn. 

Die Wehen hatten ihre normale Häufigkeit, Kraft und 
Dauer, so dass der Mutternmnd den 3. April früh 3 Uhr 
vollständig erweileit war, früh 8 Uhr sprang die Blase. 
Trotz der sehr guten Wehen rückte der Steis» nicht um 
das geringste heral). Mutterpuls 88. Kindesherztöne guL 
Den 4. April früh 7^8 Uhr war die Kreissende fieberhatl 
aufgeregt. Puls 112, so dass es wünschenswerth erschien, 
(iiesell)e zu entbindfMi. Der Steiss stand fest im Beckenein- 
gange, die rechte Hüfte etwas tiefer, mit bedeutender Frucht- 
theilgeschwulst. Es gelang mit äusserster Schwierigkeil einen 
Fuss herabzustrecken, an welchem nun versucht wurde, die 
Exlraction zu vollenden, doch wur dies mit ausserordentlicher 
Schwierigkeit verbunden. Nach langen Bemühungen kam end- 
lich der Steiss zum Ein- und Durchschneiden. Beide Arme 
hatten sich in die Höhe geschlagen und wurden sehr schwer 



über die Ereignisse in dem k. s. Entbindungsinstitutc etc. 453 

gelöst. Der Kopf folgte weder dem SmeUie'schen noch 
dem Präger Handgriffe, so dass die Zange angelegt wurde, 
doch hatten die Tractionen keinen Erfolg, es wurde daher 
die ScanzonCscbe Cephalotribe angelegt, und soviel als mög- 
lich der Kopf zusammengepresst, das Schloss der Cephalo- 
tribe lag in der Schamspalte, es wurden mit dem Instrumente 
Extractionsversuche gemacht, doch glitt sie drei Mal ab. Es 
wurde jetzt nochmals der Smeltie^sche Handgriff in Anwen- 
dung gebracht, und vermittels dieses 9V2 Uhr früh ein Knabe 
zur Welt befördert, er war 5V« Pfund schwer und 18" lang. 
Von Seiten der Mutter trat jetzt eine heilige Blutung ein, 
bei der Untersuchung fand. man noch ein Kind, welches sich 
in erster Schädellage mit vorgefallener rechter Hand zur Ge- 
burt einstellte. Wegen der heftigen Blutung und Erschöpfung 
der Mutter, und hei dem irochslehenden beweglichen Kopfe 
wurde die Wendung auf die Fusse ausgeführt, weiche ziem- 
lich leicht bewerkstelligt wurde, die Extraction bot jedoch 
dieselben Schwierigkeiten, wie heim ersten Kinde. Nachdem 
dieselben Manipulationen gemacht worden waren, wurde 
IOV2 Uhr früh ein zweites todtes Kind, ein sechs Pfund 
^weres Mädchen von 17 V^" Länge zur Welt befördert. 
Üie Nachgeburt folgte gleich durch äusseren Druck, die Blu- 
tung war reichlich. 

Zwei Stunden nach der Entbindung zeigte die Wöchne- 
rin die heftigsten Symptome von Peritonitis. Bedeutende 
Schuierzhaftigkeit des Leibes, Erbrechen, Tympanitis. Tenip. 
31.3. Puls 120. Es wurden Senfteige und Extr. thehaic. 
gr. V« ^ös. 8. gegeben. Abends, den 4. April, waren die 
Symptome noch gesteigert, die Temp. 32.4. Puls 132. Kein 
Schweiss. Kataplasmen auf den Unterleib. Es stfugerlon 
sich die Symptome immer mehr, besonders heftig war das 
Erbrechen von grünen Massen, der Tod erfolgte den 6. April 
früh V44 Uhr. 

Section- ergab eine bedeutende Auflreibung der Därme, 
an welchen die Serosa an vielen Stellen stark injicirt war, 
in der Bauchhöhle fand sich etwa ^2 Kanno dunner, gelixM-, 
schwach trüber und flockiger P'lfissigkeit. Uterus &' lang 
und 5" breit, zeigt keine Abnormität. An den Tuben uiul 



454 XXXIII. Orenser, Fünfsig8ter Jahresbericht 

Ovarien Ist nichts Anomales; die Scheiden wände gangränös, 
Beckeinnaass in der Leiche, Conj. vera 2" 7'''. 

2) Frau Louise Marie Fehrmann, Webergesellens 
Frau von hier, 20 Jahre all, wurde den 7. Juli früh 
10 Uhr mit Wehen aufgenommen. Sie soll immer gesun4l 
gewesen sein, doch immer in ziemlich dürftigen Verhältnissen 
gelebt haben. Sie war schon vor vier Jahren von einem 
vier Wochen zu frühen todten Knaben ohne Kunsthnlfe ent- 
bunden worden, vor zwei Jahren mittels der Zange von einem 
todten Mädchen. Die Wochenbetten waren innner regelmäs- 
sig. Sie ist von mittlerer Statur, ohne rachitischen Bau, 
von sehr dürftiger Ernährung. Letzte Menstruation Anfangs 
October, in welche Zeit auch die Conceptiun fällt. Becken- 
maflsse: Spin, ilei 9VtÄ", Crist. ilei 9V^ Trochant. 10%^ 
Conj. extern. 6" 3'", Conj. diag. 3V2", Conj. vera knapp 
3''. Der Unterleib war mittelgross, Nabel hervorgetrieben, 
Uterus zwei QuerGnger unter dem Rippenrande, sich häufig 
zusammenziehend, Rücken des Kindes rechts hinten, kleine 
Theile vorn, Kopf über dem Beckeneingange, Herztöne des 
Kindes rechts hinten deutlich hörbar. Innerer Muttermund 
thalergross erweitert. Blase steht noch, Kopf beweglich im 
grossen Becken. Nach 39 slündiger Wehendauer war der 
Muttermund vollständig erweitert, das Wasser ging rechtzeifi^ 
und rauschend ab, der Kopf blieb noch beweglich stehen, 
der Muttermund fiel wieder zusammen. Die Wehenthätigkeit 
war eine gute und wirkende, so dass nach drei Stunden der 
Kopf sich fest im queren Durchmesser einstellte, mit der 
grossen Fontanelle nach links und der kleinen nach rechts. 
Nachdem nach 28 Vs Stunden der Muttermund wieder voll- 
ständig erweitert war, der Kopf eine grosse Ko])fgeschwulsl 
zeigte, die Herztöne des Kindes schwächer wurden, wurde 
die Zange angelegt, doch waren die Tractionen ohne Erfolg, 
so dass, da die Herztöne des Kindes erloschen waren, von 
weiteren Versuchen abgesehen, mit dem Levret'^dx^w Perfo- 
ratorium die Eröffnung des Schädels vorgenonnnen wurde. 
Ndcbdem das Gehirn gut ausgespritzt war, wurde mittels der 
uteA'schen Cephalotribe ein 7V.2 Pf«"d schweres, 19" 
fe MSdcben extrahirt. Es erfolgte eine sehr reichliche 
( weksbe^ da durch äusseres Reiben und angemessenen 



über die Kreig^nisse in dem k. s. Entbindnngsinstttute etc. 455 

Druck- auf den Uterus die Placeiita nicht entfernt werden 
konnte, die künstliche Losung derselben nöthig machte. Der 
Fruchtkuchen hatte T* und 8'' in seinem Durchmesser, war 
üonst in seinem Gewebe normal. 

Die Wochenfunctionen bei der Entbundenen waren ganz 
regelmässig. Am zweiten Tage Abends zeigten sich die Sym- 
ptome eines intensiven ßronchialcatarrhs in beiden Lungen. 
Temp. 31.9. Puls 120. Die Anwendung eines Inf. herb, 
digit. Svi Oi) drei Mal wiederholt, blieb ohne Erfolg, und 
am zehnten Tage trat unter Collaps der Tod ein. Die See- 
tion ergab die Trachea imd Bronchien diffus geröthet, die 
Schleimhaut trübe und undurchsichtig. In der linken Lun- 
genspitze ein verkreideter Tuberkel von Haselnussgrösse. Mit 
Ausnahme der Gallenblase, welche eine Länge von 6'' und 
eine Breite von 2'* hatte, eine durchscheinende, prallgespannte 
Cyste mit serösem Inhalte darstellte, waren die Abrigen Or- 
gane normal. Der Uterus war gut zurückgebildet, von ge- 
stundem Aussehen. Die Conj. vera in der Leiche gemessen 
2" 8"'. 

3) Auguste Wilhelmine Haase, Dienstmädchen von 
hier, 19 Jahre alt, Erstgebärende, kam den 19. Juli als Ge- 
bärende in die Anstalt. Ans der Anamnese war zu ersehen, 
dass sie ausser den Kinderkrankheiten nie krank gewesen 
war, Tiber die Zeit, wann sie laufen lernte, konnte sie nichts 
angeben. Seit ihrem 17. Jahre ist sie innner regelmässig 
nienstruirt. Sie ist von unterniittler Statur, gut genäiirl 
und gesundem Aussehen, hat etwas gekrümmte Oberschenkel. 
Spin, ilei 8%", Crist. ilei 10 W, Trochant. 11" 4'", Conj. 
exL 6", Conj. diag. 3" 5'", Conj. vera 2^1^''. Der Uterus 
einen Querfinger unter dem Rippenrande, ist gleichmässig 
ausgedehnt, zieht sich unter der Hand zusammen. Der Rucken 
des Kindes ist links vorn, kleine Theile rechts, Herztöne 
links, Muttermund hat die Grösse eines Zweithalerstuckes, 
Blase noch vorhanden. Kopf quer im Reckeneingange mit 
der kleinen Fontanelle nach links; nach drei Stunden war 
der Muttermund vollständig «erweitert, die Blase sprang. Nach- 
dem IIV4 Stunden hindurch die Wehen sehr häufig gekommen 
waren, hatte sich der Kopl fest eingestellt und zeigte bedeu- 
tende Kopfgeschwulsl, die Zange, wurde aT\%e\e%\,, AqAv w^^Vv 



456 XXXIII. Grenaer^ Fünfsigster Jahresbericht 

incljrfachen vergeblichen Traclionen wurde, da das Kind ab- 
gestorben war, zur Perforalion mit dem Levret^schen Instru- 
ment gescliritlen. Nach Ausspritzung des Gehirns wurde mit 
<hT ^WÄCÄ' sehen Cephalotribe ein 6^/4 Pfund schweres und 
19'^ langes Mädchen extrahirt. Wegen zu grosser Unruhe 
der Kreissenden musste di'e Operation unter Cbioroformnar- 
kose gemacht werden. Das Wochenbett zeigte gar keine 
Störung, die Wöchnerin wurde gesund entlassen. 

4) Johanne Ernestine Blümel, Dienstmädchen aus 
Lö\Yenberg, 30 Jahr alt, Erstgebärende, wurde den 29. April 
als Kreissende aufgenommen. Sie lernte erst mit dem dritten 
Jahre laufen, ist von kleiner Statur, nach rechts etwas sco- 
liotisch, gut genährt, von gesundem Aussehen, hat wacke- 
ligen Gang. Spinae ilei 9", Crisl. ilei 10' V, Trochant. ' 
11", Conj. extern. 5V4", Conj. diag. 3%'\ Conj. vera 2%". 
Dei' Unterleib ist ziemlich gross, Nabel hervorgetrieben, Ute- 
rus rechts zwei Querfinger, links einen Querßnger unter dem 
Rippenrande, Rucken- des Kindes rechts, kleine Theile links, 
Kopf über dem Beckeneingange, Herztöne rechts hörbar. 
Muttermund mit festen, rigiden Rändern, für den Finger 
durchgängig. Die Blase steht noch, der Kopf beweglich über 
dem ßeckeneingange. Die Wehen waren häufig und schmerz- 
haft, es wurden wegen Rigidität der Muttermundsränder Sitz- 
bäder verordnet. Nach einer Wehendauer von 70 Stunden 
war der Muttermund vollständig erweitert, die Blase sprang 
und gleichzeitig fielen drei grosse Nabelschnurschlingen vor. 
Die Repositionsversuche derselben waren ohne Erfolg, da der 
Kopf des Kindes niu* mit einem Theile im Beckenein- 
gange stand. 

Der Mutlermund fiel wieder zusammen. Die Wehen- 
thätigkeit war eine sehr gute, es wurde bei jeder Wehe der 
Fundus uteri empor gehalten. Da die Kreissende nach zwölT 
Stunden einen Puls von 112 hatte und sehr aufgeregt war, 
wurde zur Entbindung geschritten. Der Muttermund hatte 
wieder Thalergrösse, der Kopf stand fest im Beckeneingange 
mit der kleinen Fontanelle nach rechts. Mittels der Levret^^ 
sehen Scheere wurde die Cephalotomie gemacht, und nach- 
dem das Gehirn durch Einspritzungen entfernt war, die 
Z/in/^e angelegt^ durch welche nach mehreren kräftigen Trao- 



über die Ereignisse in dem k. s. Entbindungsinstitute etc. 457 

tionen ein 5^/4 Pfund sdiweres Mtulchen zu Tag«^ gefördert 
wurde. 

Das Wochenbett verlief ohne Anomalie. 

Die kunstliclie Frühgehurt wurde ein Mal ausge- 
führt bei einem 30 jährigen [)ien8tmadchen , Marie Meyer 
aus Freiberg. Sie behauptet, ausser den Masern und der 
Rachitis keine Krankheit gehabt zu haben, lernte aber erst 
mit dein fünften Jahre laufen. Seit ihrem 18. Jahre war 
sie immer regelmässig aller vier Wochen 2 — 3 Tage lang 
mensiruirt. Sie war schon zwei iMal mittels der Zange, ehi 
Mal durch Perforation und Cephalotripsie von todten Kindern 
entbunden worden. Sie ist von kleiner, kräftiger Statur, 
rachitischem Habitus und hat wackeligen Gang. Flatte die 
letzte Menstruation Anfang September 1863, die Conception 
datirt sie von Mitte September. Die ersten Kindesbewegun- 
gen will sie den letzten Januar empfunden haben. Die 
ßeckenmaasse sind Spin. iL O'/a", Crisl. ilei 107/, ^'^^' 
chanteren llVa"» Conj. ext. 6", Conj. diag. ^^l^\ Conj. vera 
2^/4". Der Unterleib ist mittelgross, der Nabel verstrichen. 
Der Muttergrund steht zwei Queriinger unter dem Rippen- 
rande, der Mutterkörper gleichmässig ausgedehnt, nicht schmerz- . 
haft. Rücken des Kindes rechts, kleine Theile links, Kopf 
beweghch über dem ßeckeneingange. Herztöne deutlich rechts 
hörbar, auf der linken Seite starkes Gefassgeräusch. Schei- 
denüjeil ^j^*' lang, hart, fest mit alten Einkerbungen, äusserer 
Muttermund geöffnet. Den 18. April früh V28 Uhr wurde 
zwischen Uteruswand und Eihäute ein elastischer Catheter 
ungefähr 6" weit ohne Schwierigkeit eingelegt. Nach 24 
Stunden war noch keine Wehentliätigkeit eingetreten^ die 
Scheide hatte sich jedoch etwas aufgelockert, der Scheiden- 
theil war weicher und gedunsener geworden; es wurden daher 
den 19. April früh 8 Uhr durch den Catheter hindurch einige 
Injectionen gemacht. Mittags 1 Uhr (raten die ersten Kreuz- 
schmerzen und geringe Wehen ein, welche jedoch ohne wei- 
tere Injectionen Abends 6 Uhr ganz regelmässig wurden, so 
dass jetzt der Geburtsverlauf ein normaler zu nennen war. 
Den 20. April Mittags 12 Uhr war der Muttermund voll- 
ständig erweitert, die Blase sprang, und der Kopf stellte sich 
sofort fest in zweiter Schädellage ein», i\aci\\Aevi\ '^\^ ^VvveAÄ 



458 XXXIU. Grentevt Fünfsigster Jahresbericht 

hrig thätige Presswelien g^^wirkl liattoii, wurde ein em Mal 
(Miffilhrneiider Knabe in zweiler Schädellage geboren, dessen 
(iewiclit 3^2 Pfund, die Länge 15" war. Im Wochenbelte 
trat keine Störung auf, die Wöcbnerin koinile gesund ent- 
lassen werden. 

Künstlicbc Lösung der Place nta kam nur zwei 
Mal vor, jedes Mal bedingt durch starke Blutung, bei welcher 
die Placenta durch äusseren Druck nicht zu entfernen war. 
Anomalien der Placenta wurden nicht gefunden. 

Anomalien des Wochenbettes. 

Von Bauchtellentzün dünge n kamen 39 zur Beob- 
achtung, von denen 17 sich auf den peritonäalen Ueberzug 
des Uterus, als Perimetritiden, beschränkten, 22 Mal war die 
Peritonitis allgemein, und zwar 16 Mal als leichte, sechs Mal 
als schwere zu betrachten. Von diesen endeten zwei Fälle 
lethal, drei wurden fieberlos an andere Heilanstalten abgege- 
ben, davon zwei am 16. und 17. Tage des Wochenbettes 
wegen abgesackten Exsudats, dessen Resorption noch längen* 
Zeit erforderte, eine wurde gesund entlassen. Den Monaten 
nach verhalten sich die Fälle folgendermasscn : Januar 4, 
Februar 5, März 7, April 4, Mai 3, Juni 5, Juli 1, August 
2, September 1, Oclober 1, November 3, December 3. 

Was nun die beiden Falle belrifll, welche einen lödt- 
lichen Ausgang nahmen, so ist der eine schon /bei den Ope- 
ralionen erwähnt, der andere ist folgender: Frau Friederike 
Caroline Richter, 32 Jahre, Schuhmachersfrau, von mittle- 
rer Clrösse, sehr dürftiger Ernährung und cachectischem Aus- 
sehen , wurde zum fünften Male nach 22 stundiger Wehen- 
dauer von einem lebenden sieben Pfund schweren Mädchen 
in erster Schädellage den 13. Juli entbunden. Die Nachge- 
burtsperiode dauerte 10 Minuten und war mit vielem Blut- 
verluste verbunden. Bei ihren vorhergegangenen Entbindun- 
gen war etwas Abnormes nicht vorgekonnnen. In den ersten 
vier Tagen des Wochenbettes befand sich die Wöchnerin 
ganz wohl, am fünften Tage Abends bekam sie einen hef- 
ügrn Schilttolfrost, dem bald darauf die heftigsten Er- 
acheiimngen von PerilouilW ^o\^Vi^\\. '\^\\^v^v^\.^Ä %V8» 



über die Kreignisse in dem k. s. Entbindungsinstitnte etc. 459 

Puls 124. Die Anwciidiiiig von Siiiapisnien erzielto kein«« 
Bos8f*rung, (»s wurde «las Exlr. Thohaic. in ^'2^^- Dosen und 
CaUplasmen von Leinmelil verordnet. Die Symptome der Pe- 
ritonitis steigerten sich jedocli immer mehr, hespnders heftig 
war das Erhrechen, der Leih war massig tympanitisch auf- 
getrieben, der Uterus etwas gross, Wochenflnss gering ohne 
üblen Geruch, die Temj). hatte Abends eine Höhe von 31,8 
bis 32,4. Puls 120 — 140. Für Ausleerung wurde durch 
Klystiere gesorgt. Unter Zunahme der Erscheinungen und 
Verfall der Wöchnerin trat der Tod den 11. Tag nach der 
Entbindung ein. Die Section zeigte im Unterleihe zahlreiche 
Verklebungen der Darmschlingen durch gelbe, undurchsichtig«» 
Membranen, und an den abhängigen Stellen der Bauchhöhle 
ziemlich drei Pfund serösen -fibrinösen Erguss. Der Uterus 
von der Grösse einer grossen Faust zeigt keine Abnormitäten. 
Von den übrigen schweren Erkrankungen sind hervor- 
zuheben : 

1) Efne 22jährige Aufwärterin von mittlerer Grösse und 
gesundem Aussehen, welche nach zwölfstündiger Wehendaner 
künstlich wegen grosser Kopfgeschwulst des Kindes mittels 
der Zange von einem scheintodten ß^'.^ Pfund schweren Kna- 
ben den 10. Februar Mittags 12 Uhr entbunden worden war, 
und eine Nachgeburtsperiode von 15 Minuten und reichlichem 
Blutverlust hatte, bekam am zweiten Tage des Wochenbettes 
einen starken Schüttelfrost und Symptome von verbreiteter 
Peritonitis. Der Gebrauch von Sinapismen und Opii pur. 
*^2gr. in 12 Dosen minderfen die Erscheinungen nicht. Tem- 
peratur stieg bis zu 32,3. Puls bis 128. Es wurden Ka(a- 
plasmen verordnet. Am vierten Tage trat Endocolpitis und Endo- 
metritis hinzu, so dass sich Fomentationen und Injectionen mit 
Decoct. herb, cicut. nöthig machten. Am sechsten Tage fand man 
an den abhängigen Stellen des Abdomen an der rechten Seite 
des Uterus eine 2" hohe Dämpfung. Es wurde jetzt neben 
dem Gebrauche von Kataplasmen Unguent einer, benutzt, 
welches bis zu 3iii verbraucht wurde. Da jedoch das Ex- 
sudat zu langsam resorbirt wurde und die Kranke fieberlos 
war, so wurde sie an das Stadtkrankenhaus abgegeben. 

2) Johanne Friederike Eberlein, ein 26jähriges Diensl- 
mädcbeii von mittlerer Grösse und kvaft.\|jer towsV\V\\>Xviw^ 



460 XXXIII. Orenter, Füofzigstor Jahresbericht 

Erslgehärende, W(ilcbe immer gesund und regelmässig men* 
siruirl gewesen war, musste, nachdem die Erofrjiungsperiode 
48 uud die Au^treibungsperiode 3^2 Stunden gedauert hatte, 
wegen einer Conj. vera von 874" und grosser Kopfgeschwulst 
des Kindes mittels der Zange den 6. März früh 7 Uhr ent- 
bunden werden. Die Operation bot keine grosse Schwierig- 
keit. Es wurde ein sieben Pfund schweres todtes iM^dcheii 
geboren. Nachdem die Nachgeburl leicht durch äusseren 
Druck entfernt worden war, trat eine reichliche Blutung ein, 
welche durch Injection mit Essig bald gestillt wurde. Am 
dritten Tage des Wochenbettes bekam die Wöchnerin heftigen 
Schüttelfrost und bedeutende Erscheinungen von Peritonitis, 
und war hochgradige Tympanitis vorhanden. Die Temp. 32,1. 
Pulß 128. Der Wochenfluss ist übelriechend, an der vor- 
deren Wand der Scheide und zu beiden Seiten Ulcera puer- 
peralia. Nach Anwendung von Sinapismen, Opü pur. V2 ^r* 
14 Dosen, Kataplasmen und üng. einer. 3ii war die Peri- 
tonitis am neunten Tage vollständig beseitigt. Gegflen die En- 
docolpitis wurden Inject, von aromatischen Aufgössen und 
Charpieeinlegung gebraucht. Die Geschwüre heilten gtit, doch 
zeigte sich am zwölften Tage nach der Entbindung eine 
groschengrosse Vesico- vaginalfistel, so dass die Wöchnerin 
am 14. Tage des Wochenbettes zur Operation an die chirur- 
gische Klinik abgegeben wurde. 

3) Auguste Emüte Wagner, 23 Jahre alt, Dienst- 
mädchen, von kleiner Statur und gesundem Aussehen, kam 
als Kreissende den 19. April in die Anstalt; sie war zum 
ersten Male schwanger und stets gesund gewesen. Die We- 
henthätigkeit war vier Wochen zu früh eingetreten, ohne 
nachweisbare Ursache. Der Muttermund war bald vollstän- 
dig erweitert, der rechte Arm und Nabelschnur, welche 
noch schwach pulsirte, neben dem Kopfe vorgefallen, es 
wurde deshalb operativ eingeschritten, und die Reposition 
der vorgefallenen Theile gelang ohne Schwierigkeit. Nach- 
dem die Wehendauer nur vier Stunden gewesen war, wurde 
ein 4V2 Pfund schwerer todter Knabe in erster Schädellage 
geboren. In der Nachgeburtsperiode war der Blulabgang ge- 
ring. Wegen Verletzung des Dammes mussten drei Nähte 
eingehgt werden. Am zweiten Tage nach der Entbindung 



über die Breignisse in dem k. a. Eutbindangsinstitnte etc. 461 

ScbuUelfrosl mit darauf folgenden heftigen Schmerzen im 
Dnterleibe. Temp. 31,7. Puls 132. Es wurden zwei Si- 
napismen und Opii pur. Vag''*» welches in 10 Dos. verah- 
reicht wurde, verordnet. Am dritten Tage übelriechender 
Wochenfluss. Kalaplasmen und Injectionen von üecocl. herh. 
dcut. Am fünften Tage wurden die Nähte entfernt, die 
Ruptur war verheilt. Für Stuhlausleerung wurde durch Clys- 
mata und Ol. Ricini gesorgt. Am 11. Tage nach der Ent- 
bindung waren alle Symptome der Peritonitis geschwunden, 
nur zeigte sich ein leichter Decubitus, welcher mittels Empl. 
malr. bald zur Heilung kam, so dass auj 17. Tage die Wöch- ^ 
nerin gesund entlassen werden konnte. 

4) Helene Max, 22 Jahre alt, gesundes, kräftiges Dienst- 
mädcheu aus Löwenherg, Erstgebärende, wurde den 25. Sep- 
tember als Kreissende aufgenommen , nach regelmässiger 
21 ständiger VVehendauer von einem 6*/4 Pfund schweren 
Mädchen , welches in erster Schädellage sich zur Geburt ge- 
stellt hatte, leicht entbunden. Der Bluiabgang war nach der 
Geburt massig. Am dritten Tage starker Schüttelfrost, dem 
bald bedeutende Schmerzhaftigkeit des Leibes folgte, die Tym- 
panitis war massig. Temp. 31,5. Puls 120. Nach wie- 
derholten Sinapismen und gleichzeitigem inneren Gebrauche 
von 11 Dos. Opii pur. ä gr. V2 niinderten sich die Sym- 
ptome nicht, die Tympanitis wurde bedeutender und rechts 
und zu beiden Seiten des Uterus Dämpfung, welche rechts 
eine Höhe von 3'', links bis 2'' hatte. Es wurden Kataplas- 
men und Unguent. einer, bis 3vi angewendet, für Stuhlaus- 
leerung wurde durch Ol. Ricini und Clysmata gesorgt. Nach- 
dem die Kranke fieberlos war, wurde sie in die innere Klinik 
abgegeben, damit das noch vorhandene Exsudat resorbirt 
werden konnte. 

Die übrigen Peritonitiden und Perimetritiden traten mit we- 
niger gefährlichen Symptomen auf, gewöhnlich ging ein Schüt- 
telfrost voraus, dem die Schmerzen folgten. Die Temperatur 
und der Puls hielten sich stets auf einer massigen Höhe. 
Die Behandlung bestand in den ersten Tagen in Anwendung 
von Sinapisinen, und bei grosser Schmerzhaftigkeit des Lei- 
bes, ohne bedeutende Tympanitis in Darreichung von Extract. 
thebaic. m V« 8^. Dosen, je nachdem mit iw^v- o^^t ^\«^- 



462 XXXIII. Orstuer, Fünfzigster Jahresbericht 

stündlichen Pausen. Reichte dies nicht iiüs, so wurden Ka- 
laplasmen verordnet. Für Stuhlausleerung wurde mittels Kly> 
stiere oder Ql. Ricini gesorgt, nur selten kam das Calomel 
zu 2gränigpn Dosen in Anwendung. 

Endometritis wurde 11 Mal beobachtet, häuGg he- 
gleitet von ßndocolpitis , Colpitis und Ulc. puerperalia. Ge- 
wöhnlich waren die Erscheinungen unbedenklich, Tem|>eratnr 
und Puls stiegen zwar, doch halte die Temperatur nie die 
Hohe von 32, mid der Puls überstieg nie 120. Die The- 
rapie bestand in aromatischen Injectionen beziehendlich Po- 
mentationen und Einlegung von Charpie. Folgender Fall von 
En(h>metritis septica endete lethal: 

Christiane Friederike Winkler, ein 32 jähriges Dienst- 
mädchen von hier, Erstgebärende, von niittler Statur und 
massig ernährtem Körper, kam am 5. Juli mit voller Wehen- 
Ihäligkeit in die Anstalt. Sie giebl an, schon seit vier Wo- 
chen keine Kindesbewegungen niehr gefühlt zu haben, eine 
Ursache dazu weiss sie nicht. Der Muttermund war von der 
Grösse eines Zolles erweitert mit sehr rigiden Rändern, die 
Blase stand noch, der Kopf halle erste Schädellage. Nir- 
gends Herztöne hörbar. Die Wrlien waren kräftig und häufig, 
doch war der Muttermund trotz Anwendung von erweichen- 
den Sitzbädern erst nach 103 Stunden vollständig erweitert , 
das Wasser .war vorzeitig und schleichend abgegangen, und 
hatte ein missl'arbiges Aussehen. Nach einer zweistündigen 
Dauer der Auslreil)ungsperiode wurde ein sieben Pfund schwe- 
rer, lodter, fauliger Knabe geboreji, «ler einen üboraus üblen 
Geruch verbreitete. Zur Vorsicht wurden gleich nach der 
Geburt bei der Eiilbundenen reinigende Einspritzungen vor- 
genonnnen. An der Nachgebinl war nichts mehr zu bemer- 
ken, sie kam leichl und schnell durch äusseren Druck. Blu- 
tung massig. Am zweiten Tage zeigten sich die Symptome 
von Endometritis, bei welcher der Wochenfluss einen ausser- 
ordentlich stinkenden Geruch hatte. Es wurden Injectionen 
von Decoct. herb, cicul. gemacht, innerlich eine Emuls. papav. 
gereicht. Am dritten Tage Mittags bekam sie starken Schüt- 
telfrost und Erscheinungen von Peritonitis. Die Tempe- 
ralui- war 32,4. Der Puls 140. Die Anwendung von Senf, 
KälHplasuim hatte keinen Erfolg, und unter zunehmenden 



fiber die Ereigtusse in <Icm k. r Knth!ndnng;Riniititnte etc. 4fiä 

Ei'scheiiiungeii erfolgte der Tod am ffinfteii Tage nach der 
Entbindung. Sectiun ergab eine nulssige Darn)tyni|ianitis, in 
der Bauchhrdde ungfilabr 7-2 Kanne serös-eiteriges Exsudat. 
Uterus 6" lang und fast eben so breit, zeigle an der inneren 
FJäcbe und besonders an der Insertionsslelle der Placenla 
einen breiigen Beleg von diucoladenbranner Fari)e und sehr 
ilbleni Gerucbe. iNirgends eine Eilerant'sangnng. 

Eclainpsie in) Wociienbelte belraf die 20jrdnige voll- 
sattige Emma Marie Pönit^sch^ Dienstmadehen, Erslge- 
barende, von niilller Statur. Sie war innner gesund ge- 
wesen und hatte stets regelmässig nienstruirt. Sie wurde 
den 15. März fnlb zwei Uhr als Gebarende aulgenonunen, 
der Muttermund halte eine OefTnimg von 1", die Blase war 
noch vorhanden, das Kind hatte sich in I. Fusssteisslage ein- 
gestellt. Das Wasser ging rechlzeiiig und rauschend frfdi 
4 Uhr ab. Vormitlags 10 Uhr wurde ein 6^/4 IM'und schwe- 
res habendes .Madchen gelu^ren. Die Nachgeburt wurde leicht 
durch tULsseren Druck entlernt, die Blutung war massig. Be- 
enden nach der Entbindung ganz gul. Mittags ^ .^2 Uhr 
trat der erste .Unfall ein, der zwei Minuten dauerte, Bewusst- 
»m\ war noch vorhanden, nach fünf Minulen kam der zweitem 
.Unfall und mit ihm war auch das Bewussts< in verschwunden, 
es folgte jetzt lautes schnarchendes Athmen und stetes Um- 
sicbherwerfen, kurz hintereinander folgten nun noch fünf An- 
fülle, der letzte Mittags drei Uhr. Die Therapie war gleich 
nach dem ersten' Anfall eine Venaeseclion von ^x, Eisblase 
auf den Kopf, Essigumschlage auf die Fusse. Innerlich drei 
Dosen Calomel a 2 Gr. Der Puls erhielt sich stets auf nor- 
maler Höhe , nur wahrend der Anlalle stieg (*r um ein Ge- 
ringes. Harn ohne Eiweiss. Nachdem uu) fünf Uhr die 
Kranke sich wieder etwas erholt hatte, und sich vollständig 
hewusst, wurde ihr ^4 ^»i» Morph, acel. gereicht, doch hatte 
dies keine Wirkung, so dass sie noch zwei Dosen bekam. 
Nachdem die Wöchnerin die Nacht über ruhig geschlafen 
hatte, befand sie sich ganz wohl, und das Wochenbett nahm 
seinen normalen V<Miauf. 

Pleuritis mii Pneumonie kam ein Mal vor, und he- 
haf ein 27 jähriges Dienstmä<lchen aus Bautzen, von unter- 
mittler Slatur und massig ernährten Körper. Su» wwvvVv^ vVw 



464 XXXIII. Chenaerj Fünfzignier Jahresbericht 

16. Nüvember mit vollständiger Wehenthätigkeit aufgenom- 
men. Die Untersuchung ergab an Beckenmaassen folgeodes : 
Spin, ilei lOV'/ Crist. iJei IIV4", Trochant. 12'S Conj. 
extern. 6V4", Conj. diag. 3'' 8'", Conj. vera wurde auf 3" 
taxirt. Der Unterleib war ziemlich gross, der Nabel hervor- 
getrieben. Der Uterus steht 1 Querfmger unter dem Rip- 
penrande, ist gleichmässig ausgedehnt. Iimerlich untersucht 
findet man den Muttermund 1" weit geöffnet, der Kopf steht 
im ßeckeneingange in erster Scliädellage, das Wasser war 
vorzeitig und schleichend abgegangen. Nach einer Wehen- 
dauer von 48^/4 Stunden musste wegen grosser Kopfgeschwulst 
die Zange angelegt werden, durch welche ein stark asphyc- 
(isches 7 Pfund schweres Mädchen extrahirt wurde. Das 
Kind starb eine Stunde nachher in Folge des starken Ge- 
hirudruckes. Die Nachgeburtspei iode war kurz mit reich- 
lichem Biutabgange. Am zweiten Tage des Wochenbettes trat 
heftiger Schuttelfrost mit nachfolgendem Schweisse ein. Die 
Kranke klagt über heftige Schmerzen in der Gegend des 
letzten Lendenwirbels und im Unterleibe. Temp. 31,8. Puls 
132, Nach Anwendung von Sinapismen und Opii pur. gr. 7s 
Dos. viii wurde kein Nachiass der Symptome erzielt, daher 
wurden Kataplasmen verordnet. Am dritten Tage zeigte sich 
sehr übelriechender Wochenfluss und gangränöse Ulcernlio- 
nen in der Scheide. Gegen dieselbe wurden Injectionen von 
Feldkummel und Einlegung von Charpie mit Pulv. cort. chi- 
nae bestreut eingelegt. Nach sechs Tagen waren die perito- 
nitischen Erscheinungen gehoben, und nur die örtliche Be- 
handlung in der Vagina fortgesetzt. Am 20. Tage nach der 
Enthindung neuer Schuttelfrost mit stechenden Schmerzen 
in der rechten ßrustseite. Alhemnoth. Temp. 32,0. Puls 
140. Untersuchung ergab auf dem Röcken rechts bis zur 
dritten Rippe vollen Ton, dann etwas gedämpft und Reibuiigs- 
geräusch, links bis zur vierten Rippe etwas kurzen Ton, 
scharfes Athmen. Therapie Sinapismen, Kataplasmen, Inf. 
herb, digit. Sv 0i). Mit jedem Tage wurde die Dämpfung 
stärker rechts bis zum leeren Toue, ohne Athmen, links aui 
22. Tage nach der Entbindung von der vierten Rippe an 
liHirer Ton mit dentlichein Bronchialathmen. Ohne einen 



über die Ereignisse in dem k. s. Entbindnngsinstitate etc. 466 

NacUass der Symptome starb die Wöchnerin am 27. Tage 
des Wochenbettes. 

• Section. In der rechten Brusthöhle 4 — 5 S blutiges 
Serum und über die Lunge pleuritische Schwarten verbreitet. 
Links unterer Lappen hepatisirt. Auf der vorderen Wand des 
Horzens ein 2" breiter und 1'^ langer Seimenfleck. Im 
linken Ventrikel geronnenes Blut. Leber war etwas vergrös- 
üerl. Milz 8" lang und 4'^ breit fest. Der Magen war sehr 
verkleinert, die Schleimhäute darin stark zusammengezogen. 
Därme und Bauchhöhle frei. An der hinteren Mastdarmwand 
ein 2** breites altes Exsudat. Uterus gut zuröckgebildet , in 
der Scheide die Narben von den Ulcerationen, ein 1" langes 
und 1" breites Geschwür an der hinteren Wand noch nicht 
verheilt. In der Blase ein altes Ulcus. 

Von Vesania idiopathica wurde ein 28 jähriges 
Dieustmädcheu, Zweitgebärende, befallen, welche eine leichte 
Geburt mit 9 stündiger Wehendauer zu überstehen gehabt 
hatte, dieselbe war sclion nach ihrer ersten Entbindung sechs 
Wochen lang im hiesigen Stadtkrankenhause desselben Uebels 
wegen behandelt worden. Die Krankheit brach den vierten 
Tag nach der Entbindung aus, nachdem sie schon seit ihrer 
Niederkunft einen sehr scheuen Blick gezeigt hatte. Am 
ITmtten Tage musslr sie au das Stadtkrankenhaus abgegeben 
werdeh. 

An Lungencatarrb waren neun Wöchnerinnen erkrankt, 
welche cille, mit Ausnahme einer schon oben angeführten, 
nach Abwarlung des VVochenschweisses, und Trinken von 
schleimigem Getränke geheilt wurden. Bei heiligen Graden 
wurde ein Linclus mit Morphium acet. gereicht. 

Va'rioloide n, welche epidemisch in der Stadt hersch- 
leii, beobachteten ^ir in zehn Fällen, und zwar drei im Mo- 
nate Januar, 1 im Februar, 5 im März, und 1 im April. 
Fünf Mal betraf die Krankheit Erstgebärende, fünf Mal Zweit- 
gebärende. Frukgebnrten wurden dabei vier Mal beobachtet, 
und zwar zwei Mal bei Erstgebärenden, zwei Mal bei Zweit- 
gebärenden , bei ersteren war <lie Wehenthätigkeit vier Wo- 
chen, bei letzteren acht Wochen zu früh eingetreten. Was 

MoaatiHchr. f. ««burtKk. I86ö. B<l. XXVII.. Hfl 6. ÄO 



466 XXXIll. Cfrenaer, Fünfzigster Jahresberieht 

die Zeit des Ausbruches des Exantliems betrifil, so war es 
fünf Mal der zweite Tag des Wochenbettes, ein Mal der 
dritte, drei Mal der fünfte und ein Mal der erste. In letzte^ 
rem Falle kam die Kreissende mit starkem Fieber in die 
Anstalt, war Erstgebärende und gebar vier Wochen zu itviu 
Was die Geburten selbst betrifTt, so war etwas Anomales 
nicht zu bemerken ; die Kinder waren gesund. Der Beginn 
der Krankheit zeigte sich durch Schuttelfrost, dem bald grosse 
Hitze folgte. Die Temp. stieg bis 32,5. Die Kranken klag- 
ten über heftigen Durst, Kopfschmerz, Schwindel und grosse 
Mattigkeit. Im Gesichte traten zuerst rothe Stippchen auf, 
welche sich dann auf Rumpf und Extremitäten verbreiteten. 
Den Verlauf der Krankheit selbst konnten wir der Gefährlich- 
keit der Ansteckung wegen nicht verfolgen, sondern sammt- 
liche mussten an das Stadtkrankenhaus abgegeben werden. 

Varicellen sahen wir Ende Mai bei einer 32 jährigen 
Erstgebärenden, welche ein acht Pfund schweres Mädchen 
leicht geholfen hatte. Am dritten Tage nach der Entbindung 
zeigten sich, ohne vorhergegangene Fiebersymptome, kleine 
Varicellenpusteln über den ganzen Körper verbreitet, welche, 
ohne dass sie das Allgemeinbefinden der Wöchnerin beein- 
trächtigt hätten, nach fünf Tagen vollständig verschwunden 
waren. Das Kind blieb gesund. 

Typhus abdominalis entwickelte sich bei einem 
30 jährigen kräftigen Dienstmädchen, Zweitgebärenden, welche 
nach neun Stunden kräftiger Wehen von einen) fünf Pfund 
schweren todten fauligen Knaben entbunden wurde. Ursache 
des Todes des Kindes wusste sie nicht anzugeben. In den 
ersten vier Tagen des Wochenbettes litt sie an einer mas- 
sigen Endometritis, welche durch Inject, von Decoct. Cicutae 
gehobeil wurde. Die Temperatur jedoch war eine ungewöhn- 
lich hohe und stieg bis zu 32,2. Puls 128. Am 6. Tage 
klagte die Wöchnerin über grosse Mattigkeit, Kopfschmerz. 
Ohrensausen, die Zunge war hochrofh zur Trockenheit ge- 
neif^t. Leib aufgetrieben, etwas schmerzhaft in der Ileocöcal- 
gegend; Stuhlgang gering, ohne characteristisches Aussehen: 
Milz um das Doppelte vergrössert, so dass über die Diagno.se 
fi/irs Typhus .i/>don)inalis' mässigcu Grades kein Zweifel mehr 



iiber die Erdignisse in dem k. s. Entbindnngsinstitnte etc. 467 

ohwallete. Sie erhielt ein Inf. rad. Ipec. ^vi (grvi), und wurde 
nach 4 tagiger Beobachtung an die innere Klinik abgegeben. 

Starke Durchfälle, bei welchen medicamentus ein- 
gegriffen werden musste, sahen wir vier Mal, dieselben wur« 
den aber l^seitigt durch Extract. thebaic. und schleimiges 
Getränk. Leichtere Grade kamen öfter vor, diese Hessen 
von selbst nach ordentlicher Abwartung des Wochenschweis- 
ses und Trinken von schleimigem Getränke nach. 

Hartnäckige Verstopfung trat bei einer sonst ge- 
sunden Wöchnerin am 6. Tage des Wochenbettes ein, so 
dass trotz Anwendung von Ol. Ricini, Calomel in Dosen zu 
gr. ii 4 Dosen und zu 5 gr. in 3 Dosen keine Ausleerung 
erfolgt, erst nachdem noch wiederholt Klystiere und Seifen- 
zäpfchen eingebracht worden waren, erfolgte am achten Tage 
Ausleerung von harten festen Massen, welchen dann reichliche 
Stuhle folgten. Täglich war dann Ausleerung ohne Medica- 
mente vorhanden. 

Rheumatismus acutus im rechten Schultergelenko 
beOel eine 24ji1hrigo Fabrikarbeiterin am vierten Tage nach 
der Entbindung. Nach Anwendung von warmen Einhüllun- 
gen und gelinden flautreizen konnte die Wöchnerin entlassen 
werden. 

Heftige Blutungen in Folge von Atonie des Uterus 
^wurde zelm Mal beobachtet. Sie wurden jedoch durch Rei- 
bungen des Uterus, mechanische Entfernung der Blutgerinnsel, 
Injectionen von Essig und Wasser und durch einige Gaben 
von Tinct. Cinnamom. bald beseitigt. In zwei Fällen folgte 
eine bedeulende Anämie, doch verlief das Wochenbett normal. 
Die Milchsecretion war ungestört. 

Harnverhaltung, welche durch Anschwellung des 
Blasenhalses erzeugt war, kam 15 Mal vor, wich jedoch ge- 
wöhnlich nach 4 — ötägigem Catheterisiren von selbst. 

Mit Panaritium des rechten Zeigefingers, welches 
einen ziemlich hohen Grad erreicht hatte, kam eine Kreis- 
sende in die Anstalt. Nachdem dasselbe im Wochenbette noch 
nicht geheilt war, wurde sie an die chirurgische Klinik ab- 
gegeben. 

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468 XXXIII. (TrtfMtftT, FünfBigrster Jahretb« rieht 

Syphilis wurde 11 Mal beobachtet, und zwar immer iii 
Form von Condylomata an den S<*iiaamlippen und After. 
Reine dieser sypliiiitisclien Wöchnerinnen durfte stillen, und 
alle erhiellen bei ihrem Abgange die Weisung, sich in dem 
Stadlkrankenhause einer Cur zu unterwerfen. 



Anomalien der Neugeborenen. 

Von den Neugeborenen starben in der Anstalt 23: 
10 welche 4 — 6 Wochen zu friili geboren worden 

waren, an Lebensschwäche. 
4 an Krämpfen in Folge von Hirniiyperämie. 
2 „ Sclerosi§ neonatorum. 
4 „ Pemphigus syphiiit. 
1 „ Pneumonie, bei welcher die Section rothe 

Hepatisation beider Lungen zeigte. 
1 „ Trismusr. 
1 „ Catarrhus intestinalis. 



Summa 23. 

Ophthalmia neonatorum wurde 30 Mal beobachtet, 
unter diesen waren neun Mal beide Aiigen, 21 Mal nur ein 
Auge befallen. Vier Mal war der Ausgang für die Augen 
ein ungunstiger, indem beide Augen bei einem Kinde ver- 
loren waren nach 32 tägiger Behandlung, das eine Auge zeigte 
Leucom, das andere Slaphilom. Drei Mal blieben Nuheculae 
zurück, ein Mal Leucom Die wenigsten von diesen Wöch- 
nerinnen hatten Fluor albus, und umgekehrt zeigte sich keine 
Augenentzündung bei den Kindern mehrerer Wöchnerinnen, 
welche an Scheideiiblennorrhöen litten. 

Cephalaeinatom wurde bei zwei Kindern gefunden, 
welche ohne Schwierigkeit geboren worden waren. Im Be- 
ginne der Krankheit wurden kalte Ueberschläge auf den Kopf 
gemacht, nachdem sich der Ring um die Geschwulst gebildet 
hatte, die Heilung der Nnlur überlassen. 

Icterus sehen wir fünf Mal, ohne dass dadurch bei den 
Kindern sich scliwere Symptome gezeigt hätten. Nach mehreren 
(■aben Calomel k '/| Gr. und gehöriges Warmhalten wurden 
'fie Kindev bald wieder gesund. 



ober die Ereignisse in dem k. a. Kntbiudungsinstitute etc. 469 

Mit F a c i a 1 i s I ä h m II II g waren zwei Kinder behaftet, 
hervorgerufen durch Druck der Zange, nach einigen Tagen 
verlor sich dieselbe von selbst. 

Soor hatten acht Kinder, ohne wesentliche Functions- 
Störungen zu zeigen. 

Entzündung des Nabels beßel ein Kind, ohne da- 
durch schwer zu erkranken. 

Von Missbildungen wurden nur die beiden folgenden 
gesehen: 

Ein lebensschwacher Knabe zeigte voilsläiidig unent- 
wickelte Vorderarme, an denen statt der Hände, je 
zwei Finger und ein Daumen vorhanden waren. 

Bei einem S^'^i'^^^^^i^^^i^ Kinde waren die Finger 
und Zehen vollständig unter sich verwachsen, so 
dass die Daumen sich mit Zeige- und kleinem Finger, die 
grossen Zehen mit der zweiten und kleinen Zehe verwachsen 
zeigten. 

Schliesslich erwähnen wir, dass das Entbiiidungs-Institut 
am 1. December den Tag seines fünfzigjährigen Bestehens 
seit seiner Wiederherstellung und EröfTnung in dem Gebäude, 
welches dasselbe noch gegenwärtig inne hat, feierte. Der 
Director hatte zu di(»ser Feier, welche in dem festlich ge- 
schmückten grossen (ionferenzsaale der chirurgisch- inedici- 
nischen Acadeniie um 11 Uhr Vormittags stattfand, durch 
ein Festprogramm eingeladen, welches einen Bericht über 
die Ereignisse in dem Entbindungsinstitute in dem verflosse- 
nen halben Jahrhunderte giebl. 



470 XXXIII. Qrenaer, Fünfzigster Jahresbericht etc. 



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Zivhl der Geburten. 

Zahl der auf^enouiETiaiieti 
ächwaDg^iräti und Qe- ^ 



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Bestand nl£, D6eemb,1863, 



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XXXIV. Notisen aus der Journfil- Literatur. 471 



XXXIV. 
Notizen aus der Journal -Literatur. 



V. Wieder aber g: ZwciFälle von ExtraiUeriii-Schwan- 
gerschaft. 

Die 44jährige B, U. kam am 6. Februar 1865 mit der Dia- 
f^nose Peritonitifi ex incarceratioHe interna in der pathol. -anato- 
mischen Anstalt zu Prag zur Section. Man fand im Wesentlichen 
eine mit necrotischen Fetzen und Jauche gefüllte Höhle im lin- 
ken oberen Lungenlappen; die Eingeweide der Bauchhöhle ver- 
klebt, blutreich und geschwellt; im kleinen Becken und der lin- 
ken Hnftbeingrnbe, sowie zwischen den Darmschlingen eine grosse 
Masse weicher, blassgraurother Blutgerinnsel; etwa in der Median- 
linie, zwischen zwei der unteren Dünndarmschlingen einen 5" 2'" 
langen Embryo, der mit dem Gesichte nach yorn und dem Kopfe 
nach abwärts durch Exsudate daselbst fixirt, mit der rechten, 
unteren Extremität an die eine Darrascblinge fest adhärirt, und 
mit dem Nabel an das Netz angelöthet erschien; in der rechten 
Seite der Mutter einen faustgrossen Tumor mit einer ca. 1" im 
Durchmesser haltenden Oeffnung, die in eine gegen hühnerei- 
grosse glattwandige Höhle führte, worin der Nabelstrang der 
Frucht sich Insorirte. Der Tumor erwies sich als ein in der 
dilatirten Tuba steckendes Ei. Der Uterus war unbedeutend 
grösser. — Es handelte sich hier demnach um eine Tubarschwan- 
gerschaft, wobei das nach der Perforation der Tuba aus dersel- 
ben heryortretende Ei zur Hälfte in der Rissstelle stecken blieb 
und so einen natürlichen Tampon abgab, so dass wohl wieder- 
holt massige Blutungen in die Bauchhöhle erfolgen konnten, 
ohne jedoch den Verblutungstod herbeizuführen. Die geschwächte 
Kranke starb so erst infolge der secundären Peritonitis. 

Der zweite Fall betrifft die 34 jährige A* K,, die an einem 
Cysto varium ca. 7, Jahr lang behandelt und mehrfach punktirt 
worden war. Bei der Section faiid sich ausser einem linkssei- 
tigen plenritiscben Exsudate ein stark cystos degenerirtes linkes 
Ovariura; der Uterus mit der linken Seite nach oben gezerrt, 
dadurch lang und nach rechts gekrümmt; die Adnexa der rechten 
Seite nach hinten umgeschlagen und an seiner hinteren Seite als 
apfelgrosse Geschwulst mit höckeriger, sehnig glänzender Fläche an- 
gelöthet; an der dem Uterus zugewendeten Seite di^A^i Qi«%Ock'Mx\%\ 



472 XXXI V. Notisen aus der JourDHULitenitnr. 

ein 1" lang^er Einriss mit gelappten Rftndern in der dünnen seh- 
nigen Umhiillnng. Aus diesem Einrisse drKngte sich eine aot- 
tige, schwammige Masse, die ihn Ton innen verlegte. Uterus 
nnd Tumor standen durch einen 1^/," langen Theil mit der sehr 
dännen Tuba, die in diesem Stücke aber ein deutliches Lumen 
hatte, in Verbindung; die Tuba yerlor sich am Tumor in die 
sehnige Umhüllung desselben; ihr Lumen endete sowohl nach 
Uterus als gegen den Tumor hin blind. Dcr»Tnmor erwies -sich 
beim Einschneiden als ein Prnchtsack, welcher von derPlacenta 
'und einem zusammengedrückten, 5" langen Jgmbrjo, der mit 
dem Rücken an die Wand des Amnion angewachsen war, gefüllt 
erschien. In der Wand der Geschwulst war keine Spur einer 
der Muskelhäute der Tuba entsprechenden Schicht aufzufinden, 
im Gegentheil zeigte sich die Oberfläche des Tumor sehnig 
glänzend, derb nnd der Albuginea des Ovarinm ganz äbnliob. — 
Mit Rücksicht auf letzteren Umstand besonders glaubt Verf., 
die Art der Extrauterinschwangerschaft iin vorliegenden Falle 
anlangend, eine OvarialgraviditHt annehmen zu müssen, 
wenn er auch eipe Tubengravidität nicht mit völliger Sicherheit 
auszuschliessen vermag. 

(Vierteljahrschrift für praktische Heilkunde. 1865. 4. Bnd.) 



B, S. Schnitze: Ueber die beste Methode der Wie- 
derbelebung scheintodt geborener Kinder. 

Bei Behandlung desjenigen Grades von Scheintod Neuge- 
borener, bei welcher die Erregbarkeit der MeduIIa so tief ge- 
sunken ist, dass durch gesteigerte Reize keine Athembewegungen 
mehr erzielt werden, und die sich durch Leichenblasse der Hant, 
Schlaffheit der gesammten Muskulatur durch Fehlen oder be- 
trächtliche Kleinheit des Nabelschnnrpulses, durch Seltenheit 
und Schwäche des Herzstshlags charakterisirt, ist nach Verf. die 
Einleitung der künstlichen Respiration das einzig indicirte Mittel. 
Die zu diesem Zwecke von den verschiedeneu Autoren empfoh- 
lenen Methoden gehen mehr oder weniger auseinander; Hanpt- 
erforderniss dabei sei, durch rhytmisch wechselnde möglichst 
umfangreiche Erweiterung und Verengerung des Thorax mittels 
directer Einwirkung auf seine Wandungen gleichzeitig den Luft- 
wechsel in den Lungen einzuleiten und die Druckdifferenz zwi- 
schen arterieller und venöser Blutbahn wieder herzustellen » da- 
mit durch letzteren Umstand die gesunkene Oirbulationsgeschwiti- 
digkeit auf diejenige Höhe «»rhoben werde, welche erforderlich 
sei, um dem Gasanstausch des Blutes in den Lungen hinreichen- 
den Umfang zu geben und seine Resultate möglichst bald dem 
verlängerten Marke zuzuführen. Gleichzeitig sei es aber Anf- 
f^Mbe der künstlichen Respiration, die aspirirten Flüssigkeiten zu 
entleeren, weshalb mit einer kräfügeu ¥;.xBp\t^W^tL voi b^^^innen 



XXXIV. Notiien aus der Journal • Literatur. 473 

Hei. — • Diesen Anforderungen glaubt Verf. dnrcb ein neues Ver- 
fahren Rechnung zu trafen, welches er selbst seit einer Reihe 
von über acht Jahren in allen oben genannten Fällen von 
Asphyxie mit Erfolg angewendet habe. Die Methode ist fol- 
gende: Nachdem die Nabelschnur des asphykt. Kindes unter- 
bunden und durchschnitten ist, fasst Verf. dasselbe vom Kopf- 
ende her derart an den Schultern, daBs jederseits der Daumen 
an der VorderflKcbe des Thorax, der Zeigefinger von der Rücken- 
seite her in die Achselhöhle, die anderen drei Finger jeder Hand 
quer über den Rücken zu liegen kommen; der schlaff herabhän- 
gende Kopf findet dabei an den Ulnarränderii beider Hohlhände 
eine Stütse. Der Geburtshelfer, welcher mit etwas gespreitzten 
Heinen und wenig vorübergeneigtem Oberkörper Stellung genom- 
men, und das in der eben beschriebenen Weise gefasste, schlaff 
herabhangende Kind mit den abwärts gestreckten Armen vor 
sich her hält, schwingt nun sofort mit fortwährend gestreckten 
Armen das Kind aus dieser hangenden Stellung bis etwa 45** 
über die Horizontale nach aufwärts, so dass jetzt das untere 
Körperende des Kindes durch sein eigenes Gewicht langsam vorn 
übersinkt, wobei das ganze Gewicht des Kindes auf den vom 
lun Thorax liegenden beiden Daumen des Gehnrtshelfers ruht. 
Durch diese beiden letzten Acte erleiden die Brustorgane so- 
wohl von Seiten des (durch die comprimirte Hauchhöhle in die 
Höhe geschobenen) Zwerchfells als der HrnstwandungQn einen 
HO starken Druck, dass die aspirirten Flüssigkeiten nach Aussen 
gestossen werden. Ist dies geschehen und schwingt jetzt der Ge- 
burtshelfer das Kind in die frühere Lage nach ubwärts zwischen 
seine ausgespreitzten Beine zurück, so wird durch die Streckung 
des Kindeskörpers der Thorax von jedem Drucke befreit. Gleich- 
zeitig erweitert sich derselbe nicht nur durch seine eigene Ela- 
sticität, sondern wesentlich auch durch die beim Schwünge nach 
abwärts (bei gleichzeitiger Fixation der Schultern) stattfindende 
Hebung der Rippen und durch Auswärtsdrängnng des Zwerch- 
fells (mittels Tangentialzng der an ihm haftenden Eingeweide). 
Die Folge dieser rein mechanischen Prooedur ist eine umfang- 
reiche Inspiration. Dies Auf- und Abwärtsschwingen führt Verf. 
:{ bis 6 Mal hinter einander aus, worauf er das Kind in ein Bad 
von 28 — 30® R. bringt. Zeigen sich hier regelmässige, wenn auch 
sAiehte Respirationen, so macht er dieselben durch abwechseln- 
des Eintauchen in eiskaltes Wasser neben zeitweiligem Verweilen 
im warmen Bade ansgiebiger. Zögern dagegen die Athembe- 
uegungen, so wiederholt er zanächst die künstlichen Respira- 
tionsversnche durch 3- bis 6 maliges Schwingen, worauf er das 
Rind jedes Mal wieder in*8 warme Bsd bringt, um eine dauernde 
Abkühlung zu vermeiden. — Diese Methode hat den Verf. nur 
bei' nicht reifen Kindern im Stiche gelassen^ >n«\\ ^^t^tv *^t 
woiober Thorax alle durch obige Methode ge»«\.*\i^tk Yqiiävb^- 



474 



XXXIV. Notizen aas der Journal- Literatur. 



Veränderungen erleiden kann, ohne an Inhalt zu gewinnen. Hier 
hält es Verf. für nützlich vorher Luft in die Lnngen an blasen. 
(Jenaische Zeitschrift f. Medizin und Naturwissenschaft 
III. Bd. Heft 4.) 



Duncan: lieber die Art der Vergleichung der Häu- 
figkeit von Zwillingsgeburten in den ver- 
schiedenen Schwangerschaften. 

An den, in demselben Journale früher (März Nummer) auf- 
gestellten Satz, dass die Häufigkeit von Zwillingsschwangerschaf- 
ten mit dem Alter der Mutter zunähme, anknüpfend, weist Verf. 
auf die mögliche Fehlerquelle dieser Anschauung hin, welche in 
dem wahrscheinlichen Einflüsse der Zahl der Schwangerschaften 
ihren Grund haben soll, wie auch Ch. Braun, Spaeth und Hugen- 
berger behaupten, dass MehrgebUrende öfter als Erstgebärende 
Zwillinge tragen. Hieraus leitet Verf. die obige Behauptung 
ab und erklärt sie so , dass ja meist die Erstgebärenden jünger, 
die Mehrgebärenden älter seien. Diese Fehlerquelle lässt sich 
aber ausschliessen, wenn man Frauen verschiedenen Alters in 
denselben Schwangerschaften vergleicht. Hieran sich anlehnend, 
construirt Verf. eine Tabelle, die den Einfluss des Alters aus- 
scbliesst, da Frauen von gleichem Alter in verschiedenen Schwan- 
gerschaften verglichen werden. 



Alter d. Mutter 25—29 Jahre. 


30—34 Jahre. 


35—39 Jahre. 




Zahl d. 


Zwil- 


. ^„ 'zahl d. 


Zwil- 


r ^^iKinder 


Zwil- 1, , 
lingc '^*"^ 




Kinder 


linge 


1 auz 


Kinder 


linge 


2.— 4.Schwan- 












1 


1 


gerschaft. 


3235 1 20 


162 


1628 1 19 


86 1 568 


9 1 63 


6.— T.Schwan- 








i 


1 


1 


gerschaft. 


766 


6 


128 


1568 27 


58 ! 993 


17 , 58 


8.— 10. 






1 


! ! 


1 


Schwanger- 








1 


1 








schaft. 


28 


1 


28 


283 


7 


40 


616 


19 


33 



Hierdurch wird bewiesen, dass die Zahl der Schwanger- 
schaften ihren Einfluss auf die Häufigkeit der Zwillingsgeburten 
in der Art bethätigt, dass beide in gleichem Verhältniss wachsen, 
und man kann deshalb die Zunahme der Häufigkeit der Zwil- 
lingsgeburten in Uebereinstimmung mit der steigenden Zahl der 
Schwangerschaft als ein Gesetz der Erzeugung von Zwillingen 
ansehen. 

(Edinburgh Medical Journal. Nr. 118. April 1865.) 



XXXI V. Notizen aus der Journal -Literatur. 475 

Inglis: lieber Erleichterung der ersten Geburts- 
periode. 

Allen übrigen Mitteln gegenüber hält Verf. die Lostren- 
nnng der Eihäute von der Uteruswandnng für die leichteste, 
beste und naturgemässeste Beförderung des ersten Geburtsacte». 
Es ist zwar auch schon die Dilatation des CerWcalkanales und 
des Orific. uteri nach deren Verstreichen des Cervix — bei 
wenig Widerstand mit dem Finger oder mit Dilatatorien aus 
Gummi elasticum , mit weniger Erfolg bei Pressschwamm — oft 
von gutem Erfolg, ebenso wie Injectionen in Vagina und Ute- 
rus von warmem Wasser, mit Opium, Helladonna etc. und vor 
allen Dingen Chloroforminhalationen hier sehr zu empfehlen^ 
sind. Am sichersten aber wirken Manipulationen, durch welehe 
die Lösung der Eihäute beschleunigt wird. Nach dieser Seite 
hin theilt Verf. sämmtliche Geburten in „feuchte'' und „trockene'', 
je nachdem in diesem Stadium derselben viel oder wenig Schleim 
im Cervix und unterem Uterusabschnitte gebildet wird, welcher 
nach Verf.^s Meinung wesentlich zur schnellen Lösung der Ei- 
hSute beiträgt. Er giebt die Beschreibung dreier Fälle soge- 
nannter „feuchter'' Geburten, wo kurz nach Abgang einer ziem- 
lichen Schleimmenge aus dem Orific. uteri eine schnelle Tren- 
nung der Eihäute und schnelle Geburt herbeigeführt wurde. In 
derartigen Fällen wird eine künstliche Lösung der Membranen 
überflüssig. Anders verhält sich dies bei sogenannten trockenen 
Geburten, wo die Eröffnungsperiode besonders bei zeitigem Ab- 
fluss des Wassers, langwieriger und schmerzvoller, der Wider- 
stand des Uterusgewebes schliesslich zur Wehenschwäche oder 
zur Ruptur führt. Hier ist es von dem besten Erfolge begleitet, 
wenn die Membranlösung befördert wird, wozu Verf. besonders 
Hamilton's Uternsbolzen (uterin holt) empfiehlt; er lässt das In- 
strument, nachdem er die Eihäute rings um*s Orific. getrennt 
hat, gegen zwölf Stunden liegen. Vier Beispiele dieser Art, wo 
nach 48 Stunden das Orific. weich und nachgiebig wurde, giebt 
Verf. mit an. Für den Zeitpunkt der Vornahme des Verfahrens 
giebt er folgende Indicationen: 

1) Stets muss sie der Anfangsact der Einleitung der Früh- 
geburt sein. 2) Wenn die Geburt begonnen hat, ohne ersicht- 
liche Trennung und Verwölbung der Eihäute, müssen sie stets 
gelöst werden, hierbei sind die Wehen unwirksam Und meist 
schmerzhaft. Im letzten Falle giebt Verf. auch Sedativa. Obiges 
Instrument bat den Vortheil vor allen übrigen, weil es seiner 
abgerundeten Form wegen weniger die Gefahr der Zerreissung 
der Eihäute in sich schliesst. 

Auch bei Plac. praevia empfiehlt Verf. die Lösung der 
Eihäute und besonders eines Theiles des Fruchtkuchens^ der d^m 
Orific. sunäcbat ßitet. Schliesslich bemerkt qt, d«L%« «i i\% ^t^^^ 



476 XXXIV. Notiien aus der Journal- Literatur. 

der verlaogsamten Qeburten bei Brstgebärenden beobachtet habe, 
da88 die Wehenthiltigkeil hier meist vor der Lösung der Eib&nte 
beginne, und zwar in Folge der Abwesenheit der erforderlichen 
•Schleimsecretion. 

(Edinburgh Medical Journal Nr. CXXl. Juli 1866.) 



Hervieux: Einige neue Fälle von plötzlichem Tode 
während des Puerperiums. 

In der Gas. d. Hop. ist bereits über plötsliche Todesfälle 
im Puerperium gehandelt worden, deren Ursache ein Mal Gas- 
ansamrolung im Circulations-System, ein ander Mal Thrombose 
der Arteria pulmonalis, ein drittes Mal Synkope mit Phlebitis 
purulenta uteri war. 

Verf. theilt aus seinen Beobachtungen swei neuere Fälle 
ausfohrlich mit, Ton denen der erste in alten innigen und be- 
trächtlichen pericarditischen Adhäsionen die Todesursache dar- 
bot. Von Herzaffectionen hatten bisher Rafnabotham Mitral-Ste- 
nose, Mac-Clinkock Aorten -Stenose, Despaux- Ader Herzdilata- 
tion, Dioni» grosses Fibrincoagulnm , Depaul Berstung einer iit 
der Zwischenventrikelwand sitsenden Hydatidenoyste beobachtet. 
Rücksichtlich des Pericardium wurden von Manubotham ein be- 
trächtlicher pericordialer Ergoss während der Geburt, Ton Da- 
nyoM leichte Vascularisation, seröses Exsudat und schwache Ver- 
fettung erwähnt. 

Der Fall des Verf. betraf eine 40jährige Frau, die zum 
zweiten Male schwanger war, keine schwere Krankheit erduldet 
hatte und am 5. Aug. 1865 in die Maternite aufgenommen wnrdc, 

-wo sie am 23. Aug. nach wiederholten Frösten und Eintritt von 
Oedem der unteren Extremitäten plötzlich verstarb. 

Die Autopsie ergab Metritis , Abscess des Ligam. latuni, 
metastatischen Abscess der Milz, chronische Congestion nnd 
Hypertrophie der Leber, granulöse Infiltration der Nieren (Ca- 
nalionli urinipari), beiderseitiges pleuritisches Exsudat, Oedem 
der Lunge und der unteren Extremitäten, sowie endlich com- 
plete ältere pericarditische Adhäsionen. Verf. ist der Ansicht, 
dass Letztere die Todesursache gewesen seien, indem 1) die 
meisten anderen Erscheinungen aus ihnen abgeleitet werden 
können, 2) der Puls in den letzten Tagen rapid fiel, was durch 
mechanische Behinderung des Herzens schliesslich Synkope her 
heiführte. 

Der 2. Fall betraf den plötzlichen Tod durch Haemorrhagia 
meningealis während des Puerperium. Verf. citirt, als bisher be- 
schrieben, Fälle mit anderen HirnafTectionen und zwar Haemorrha- 
gie in die Ventrikel und in das Corpus striatum (Mme. Lachapelle)^ 

BlutergnBS in die SeitenTentrikel, das Septum medianum, das linke 



XXXV. Literatur. 477 

Corpuf ft/iatam, die beiden Behhfigel, und in der Umgrebungr 
diesef apopleetischen Heerdes eine Menge kleiner Haemorrha- 
gien {Schedel), Blutergnss in die Seitenrentrikei {Afaynier)^ Zer- 
störung des Septum mediannm nnd Ausdehnung der Seitenren- 
trikel, sowie Zerreissung des linken Sohhügels durch Blntergutfs 
{Leloutre)y Hämorrhagie in die Seitenventriicei (Oarland). In 
allen diesen Fällen waren die Seitenrentrikel, oder die Hirn- 
.substans selbst Sita der Haemorrhagie; im Falle, den Verf. tnit- 
theilt, war die Ärachnoideal- Höhle Sita derselben bei einer 
44 jKhr.^Frau , die am 13. September 1865 in die Maternite auf- 
genommen ward , und am 24. September unter £rscheiniingeu 
von Apoplexie nach einigen Stunden starb. Dass der Tod hierbei 
nicht plötslich eintritt, wie bei Thrombosis arteriae pulmonaliH, 
Gasentwickelung im Gefüssysteme, Syncope etc., scheint dem 
Verf. cufolge häufiger vorankommen. 

Angehttngt ist noch ein Fall, in welchem eine Wöchnerin 
binnen 24 Stunden an der Cholera au Grunde ging. 

(Gasette des Hdpitaux. 28. Nov. 1866). 



XXXV. 
Literatur. 

H, Hildebrandt: De ineclianistno parlus capile pracvio nor- 
maii et enormi. Comiiienlalio. Regiomoiili 1866. 4. 
34 Seiten. 

Von den vier bekannten Drehungen des Kopfes in der Ge- 
burt Ist nur die zweite (um den Höhendurchmesser) in ihrer 
Ursache zweifelhaft und verschieden erklKrt. Die S|;hultern kön- 
nen wohl erst dann einen Einflnss auf die Drehung des Kopfe» 
.insüben, wenn derselbe sich ausserhalb des Beckens befindet. 
Die Form des Beckens (Seantoni) kann auch die Ursache nicht 
sein; auch bei kleinen Köpfen tritt ja die Drehung ein. Auch 
wäre dann unerklärlich, dass in jeder Wehenpause der Kopf die 
Drehung wieder rückwärts machte. Die Ursache liegt in den 
Wc^ichtheilen : I^evator ani, M. coccygeus und Fasciii pelvis. 
welche zusammen einen nach vorn und unten abschüssigen Trich- 
ter bilden. Der Kopf dreht sieb deshalb erst mit dem Hiuter- 
haupte nach vorn, wenn er den Beekenboden berührt, wird aber 
in jeder Wehenpause wieder zurückgedrängt und gedreht, indem 
sich die Klasticität der mechanisch ausgedehnten Theile dann 
wieder geltend macht. Im Beginne der Wehe fühU w\Wk Öl^u ^^ix- 



478 XXXV. Literatur. . 

deren Rand des M. lerator ani, so wie die hintere Portion mit 
dem M. coccygens angespannt werden; auf der Höhe der Wehe 
tritt Erschlaffung der Muskulatur ein durch die übermässige Aus- 
dehnung, mit dem Nachlass neue Anspannung. Bei Erschlaffung 
des Beckenbodens (multiparae) tritt oft der Kopf quer in die 
unteren Beckenräume, und die Drehung geschieht öfters in einer 
einzigen Wehe. Bei Besprechung der abnormen Kopfdrehuugen 
macht H, auf die ümschlingungen der Nabelschnur als eine häu- 
fige Ursache aufmerksam. Besonders die so häufigen abnormen 
Drehungen des geborenen Kopfes, bisweilen auch Drehungen 
innerhalb des Beckens, hängen von relativer oder absoluter Kurse 
der Nabelschnur ab. 22 Fälle mit abnormen Drehungen (um die 
Längsaxe des Fötus) werden einzeln aufgeführt; davon 17 unter 
92 Geburten (also 1:5,6). Die Fälle betrafen 20 Mal Kopflagen; 
zwei Mal Fusslagen. In den meisten Fällen war die Nabelschnur 
umschlungen. Ein Mal drehte sich der Kopf im Becken um 270^; 
ein Mal drehte sich bei einer Fussgeburt der fötale Körper nach 
und nach um 540^. 

Den Tieferstand der grossen Fontanelle im Anfange der Ge- 
burt fand H, besonders bei runden Köpfen mit wenig prominen- 
tem Hinterhaupt. Die späte Drehung aus dem queren Durch- 
messer in den geraden beruht wohl öfter auf querelliptischer 
Form des Beckens, runder Kopfform, Schlaffheit der Weichtheile. 
Vorzeitige Drehung in den geraden Durchmesser ist öfter durch 
Nabelschnurumschlingung veranlasst. Rotation des Hinterhauptes 
nach hinten kann durch Hängebauch veranlasst werden, indem 
sich der Rücken leicht nach der concaven hinteren Wund des 
Uterus dreht; ferner durch fehlenden Widerstand an der hinteren 
Beckenwand (Dammriss) kleiner, runder Kopf; Vorliegen eines 
Arms; Umschlingung der Nabelschnur; schiefe Beckenform; 
Prominenz der Spinae o. ischii ; tiefere Stand der grossen Fon- 
tanelle. 

Für die abnorme Drehung des geborenen Kopfes, welche 
also von den Schultern herrührt, kann H. das Vorliegen einer 
Hand oder eines Armes {Hohl, CredS, Pernice) nicht als Ursache 
begreifen und anerkennen. Die Ursachen können sein: schräg 
ovale Beckenform, schnelle Geburt und dadurch bedingte Dre 
hung der Schultern dnrch den queren Durchmesser in den an- 
deren schrägen, endlich Umschlingung der Nabelschnur. O. 



W. Brummer städt: Borichl aus tier Grossherzoglicheii Cen- 
frai - Flehaiiiinen- Leliranstalt in Rostock , nebst einer 
slatislischen Zusammenstellung aus 135 tlieils veröffent- 



XXXV. Litcratnr. 479 

lichten^ theils nocli unbekannten Fallen von Eclampsie. 
Rostock, Stiller'sche Hofbuchh. 1866. 

Dieser erste Bericht über die geburtsh. Anstalt zn Rostock 
(gedenkt zunächst mit Dankbarkeit des Ob.-Med.-Kuth Strempe^ 
der zn derselben am 1. Angust 1886 den ersten Grund legte und 
sie mit Prof. Krauet leitete. Anfangs war die Unterstützung 
Seitens des Staates sehr gering. Erst 1842 wurde sie etwas er- 
höht. Da aber die Localitäten nicht mehr ausreichten, miethete 
Strempel auf eigene Rechnung ein Haus, in welchem die Anstalt 
weiter gedieh. Doch wurde immer das Ziel angestrebt, der Staat 
möge die Anstalt übernehmen, was namentlich KraueVs Nach- 
folger, Prof. Veit und der ^Vicekanzler v. Both eifrigst betriebt>n. 
Dank dem Entgegenkommen des Landtags konnte im Herbste 
1858 das neue Gebäude, das sehr zweckmässig eingerichtet ist, 
bezogen werden. Bis jetzt sind in der Anstalt 36 Hebammen- 
Cnrse abgehalten und 389 Schülerinnen ausgebildet worden. Das 
Personal besteht d. Z. aus dem Dir. Prof. Dr. Winckel^ dem As- 
sistenten Dr. Brtimmeratädtj einem Practicanten, einer Hausheb- 
amme, einer Wirthschaftsführerin und zwei Dienstmädchen. 

Was die wissenschaftliche und practische Thätigkeit betrifft, 
fo entnehmen wir dem Berichte Folgendes: 

Vom 1. August 1836 bis 30. September 1864 sind 033 
• Schwangere aufgenommen worden. Vor eingetretener Geburt 
starb 1, 14 wurden vor derselben entlassen, zwei verblieben als 
schwanger in der Anstalt: es wurden also im genannten Zeit- 
räume 916 entbunden, worunter 266 die kreissend in die Anstalt 
kamen. Von den Entbundenen befanden sich 16 auf der Privat- 
abtheilung. Die Erstgebärenden standen zu den Mehrgebärenden 
in dem Verhältnisse von 1 : 1,33. 

Fehlgeburt trat ein Mal, unzeitige Geburt vier Mal ein. 
Unter den Geburten waren zwölf Zwillingsgeburten. Von den 
926 Kindern waren 470 Knaben, 466 Mädchen; 132 verstorbene, 
und zwar 22 vor, 40 während, 70 naxsh der Geburt. 

Ausser den in der Anstalt Entbundenen wurden noch 39 
kurz vorher Entbundene aufgenommen. Von der Gesammtzahl 
(955) starben vier während oder gleich nach der Geburt. Von 
den übrigen 951 verstarben 31 (also 3,26 %- 

Ueber den Eintritt der ersten Menstruation wurden 
Untersuchungen angestellt, die ergaben, das 14. — 18. Jahr die 
höchsten Procente lieferten; im 16. Jahre 19 ^/^; im 23. und 24. 
Jahre betrug die Zahl der Menstruation nur 0,16 Vo- 

Die grösste Zahl der Erstgeschwängerten fiel in das 22. Jahr. 

Was die Kindeslagen betrifft, so beobachtete man erste 
Schädellage 586 Mal, zweite Schädellage 263 Mal, erste Oe- 
sichttlage 2 Mal, zweite Gesichtslage 2 Mal, erste Steissla^^ \<Ä^ 
zweite SteisBlage 8 Afa/, erste Fnsslage 3, sweile F\i««\«i%Ci V ^«\% 



480 XXXV. Literatur. 

bei SRhieHageii wnr 14 Mal der Kücken nach Torii, vier Mut 
nach hinten gewendet. 

Unter den besonderen ZiifHllen bei der Geburt sind 
hervorBuheben: Biutflüsse durch Plac. praevia ewei, durch an- 
dere Ursachen 24; Eciauipsie fünf, Dammrisse 69, Nabelschnur- 
Vorfall 15. 

Von Operationen wurden ausgeführt: künstliche Früh- 
f^eburt zwei, Wendung 20, einfache Extraction sehn, Eztraction 
nach Wendnng 20, Zange an dem vorausgehenden Kopfe 91, an 
dem nachfolgenden Kopfe 6, Kaiserschnitt 1, Reposition der Nn- 
belschnur 12, Nachgebnrtsoperationen zwei Mal. 

Die mittlere Geburtsdauer war bei Erstgebärenden 
18, hei Mehrgebärenden 11% Stunden. 

Das durchschnittliche Gewicht der Kinder betrug bei Kna- 
ben 7,08, bei Mädchen 6,84 Pfund, die durchschnittliche Läni^e 
hei Knaben 18,93, bei Mädchen 19,03 Zoll. 

Angeborene Missbildungen kamen drei vor. 

Die Placenta wog durchschnittlich 1 Pfund 7,38 Loth. — 
Zur Entfernung bediente man sich seit 1862 der Crerf^'schen Mt»- 
thode mit bestem Erfolge. Die Nabelschnur hatte eine durcb- 
schntttliche LMnge von 21,7 Zoll. Umschlingungen der Nabel- 
schnur kamen in 178 Fällen vor. 

Unter den Geburtsstörungen finden sich ausser den 
schon oben erwähnten^verzeichnet: Wehenschwäche (67), Krampf- 
wehen (16), ßeckenenge (25). 

fm Anhange zu diesem Berichte bietet der Verf., nach Mit- 
heilung von vier in der Anstalt beobachteten Fällen von 
Eclampsie, eine Zusammenstellung von 185 derartigen Füllen, 
unter denen sich 10 noch nicht veröffentlichte Fälle (6 von ^^1//- 
kel, 1 von Dornblüthf 3 von Brumm er« tädt) befinden. |n 106 
Fällen enthielt der Urin Eiweiss. In 61 Fällen erfolgte der Tod. 
Das Resultat dieser Untersuchungen über Eclampsie ist, da»?« 
die Fälle, in denen eine urämische Intoxication von der Hand 
gewiesen werden muss, sich immer mehren. ^Im Gegensätze zu 
C. Braun^A Theorie hält Verf. daher die Ansichten von Trauhe 
und Rosenstein für richtiger, das.^ partielle Hirnaiiämie und Oedeni 
des Gehirns den echimptischen Erflcheinimgen zu Grunde liegt, 
was Verf. durch 75"„ der Sectionen und durch Afwncik's Versuche 
an Thieren bestätigt fand. Grund zu jenen pathologischen Kr- 
Mcheinungen solle die Steigerung des Druckes im Aorten-Sjstem 
und die consecutive Hydrämie sein. Auch scheint dem Verf. die 
eingeleitete Wehenthätigkeit die Gefahr für Mutter nnd Kiüd 
bedeutend zu erhöhen. 



|)ru<-l% von A Tb. Kuir*'niNrili In I.4*ip7i 



Monat8JSCbrift 

für . u: 7fJ ^J 

GEBURTSKUNDE- 

i und 

Frauenkrankheiten. 

Im Verein mit der 
Gesellschaft für Geburtshülfe in Berlin 

herausgegeben yon 

Dr. C. S. F. Cred6, 

Hofratb, ord. Prof. und Director der fintbindungn- Anstalt in Leipilg ete. 

Dr. C. Hecker, 

Bofrfttb , ord. Prof. und Direotor der Entbindung! • Anstalt in Mttnehen, Ritter etc. 

Dr. Ed. Martin, 

0«b. Ratb, ord. Prof. und Director der Entbindnngs • Anstalt in Berlin, Ritter etv. 

Dr. F. A. von Bitgen, 

Cl«h« Rath, ord. Prof. und Director der Entbindungs -Anstalt in Giesseo, 
Gomthur etc. 



Achtundzwanzigster Band. 

Mit 6 Tafeln Abbildungen, 1 Tabelle, 2 Hobsschnitten und 
1 Curventafel. 



Derlin, 1866. 

Yerlag von Angnat Hirachwald^ 

68 U. d. Linüea, Ecke der Schadow-Btrat»«- 



Inhalt 



Heft I. 

L üeber Entstehang und Bedentnng der Darmgafe be^m 
neageborenen Etnde. Von Prof. Dr. BretiloM in Zürich 1 

n. Beckenmessnng an ▼ersehiedenen Mensohenraoen. Von 
Dr. Carl Martin^ Assiatent an der gebartshfilfl. Klinik 
an Berlin. (Mü 8 Abbildungen u. 1 Tabelle.) 28 

in. Znr Decapitation des FStns, Von Dr. TT. KüntücB^ Pri- 
Tatdocent in Göttingen 59 

IV. Notizen aus der Journal -Literatur: 

SpüÜ^: Ein Fall ron Uterus biloeularis mit Ueberwan- 
derung des Eies aus dem linken Ovarium in die 
rechte Hohle des Uterus 70 

G. Braun: Ein weiterer Beitrag aur Heilung der Ma- 
sturbation durch Amputation des Clitoris und der 
kleinen Schamlippen . . . •. 71 

R<nu96: Beobachtung einer Extrauterinsohwangersohaft 78 

Stanutmi: Studien über die Ursachen der Häufigkeit 
der Kopflagen des menschlichen Fötus 78 

lAiiekka: Der Hymen fimbriatof 74 



IV Inhalt. 

Seite 

W.Dönitn: Beschreibang nnd Erl&nte rang von Doppel- 
missgeburten 75 

Popper: Ezqnisiter Fall von Vagina duplex 77 

V. Literatnr: 

Marion 8inu: Clinical Notes on nterine rargery with 
special referenoe to the management of the sterile 

oondition. London 1866 77 

Nachträgliche Bemerkung su dem Artikel: „Ueber die Dia- 
gnose der Atresie bei Dnplicität etc.*' in der Monats- 
schrift Band 27, Heft 6 80 

Druckfehler 80 



Heft n. 

VI. Ueber die Ursachen a. die Entstehungsweise der sohr&g- 

oder einseitig verengten Becken. Gekrönte Preisschrift 

Von Albort OUo in Heidelberg 81 

• 
VII. Eine Osteogenesis imperfecta. Beitrag sur Lehre von 

den fötalen Enocheuerkranknngen. Von Dr. Ernst 

Bidder aus Dorpat. 136 

VIII. Notfxen atis der Jonrnal -Literatur: 

V. Franquo: Ueber die Wendung auf den Kopf. . . . 153 
Braxion Hicko : Ueber cysten- und hydaiidenförmige 

Entartungen der Chorionsotten 155 

Äiaelling: Ein Fall von Ovariotomie mit Heilung. . . 156 

Oayet: Ovariotomie mit tödtlichem Ausgange 156 

Deagranges: Fall von Ovariotomie mit glücklichem 

Ausgange 156 

Spencer WelU: Zweite Reihe von 50 Fällen von Ova- 
riotomie mit Bemerkungen über die Auswahl der 

Fälle zur Operation 157 

V. Franque: Ueber Vaginalblutungen während der 
Schwangerschaft, der Geburt und des Wochen- 
bettes. ......*... 158 

Thoma» Keith: Fälle von Ovariotomie 159 

L. Landoie: Die Veränderungen In der Form des 
weiblichen Beckens durch zu frfihseitige Ge- 
schlechtsfnnctionen bedingt 160 



laliAh. V 

Seite 

Heft m. 

IX. Verhandlongen der Gesellaohaft för Gebnrtshölfe in 

Berlin 161 

X. Kritisches and Experimentelles über da« Lnfteinblasen 
zur Wiederbelebung asphyktischer Neugeborener. Von 
Dr. med. Hugo 8t4mpßlmann in Berlin, 184 

XI. Bericht über die Ereignisse in der anier der Leitung 
des Herrn Hofr. Prof. Dr. H$ek«r stehenden geburts- 
htllfl. Poliklinik der königl. Ludwig -Maximilians -Uni- 
versität in München vom 1. October 1863 bis zum 
dO. September 1865 von Dr. Poppel, Privatdocent, 
Hülfsarst an der geburtshülfl. Poliklinik u. praktischer 
Arst in München 209 

- XII. Notisen aus der Joumal-Litemtur : 

M*ClifUoek: Ueber die Complication des Kindbettes 
durch Scharlach 229 

Wolff: Vergrösserte Nieren als Geburtshindemiss. 230 

Schröder: Beitrag aur Lehre von der pathologischen, 
"• örtlichen und allgemeinen W&rmebildung 230 

Th, Hugenberger: Zur Casuistik d. puerperalen Blut- 
ergüsse in*s Zellgewebe 231 

E. Wagner: Peritonitis durch eitrigen Katarrh und 
Perforation der rechten Tuba 233 

hebert: Ueber die subcutane Anwendung des Mor- 
phium's als Mittel, um die Schmersen der Ge- 
burt und die Krampfwehen su mildem 284 

XIII. Literatur: 

Ed. Martin: Die Neigungen und Beugungen der 
Gebärmutter nach vorn und hinten, klinisch bear- 
beitet. Berlin bei Hirschwald. 1866. 8. 233 S. . 235 

Ts^i Berichtigung 239 



Heft IV. 

XIV. Verhandlungen der Gesellschaft für Geburtshülfe in 

Berlin 241 



VI Inhalt. 

Seite 

Seharlau: Präparat von Sitas visoeriim inTersus. 241 
Boie: Ueber Atresien seltener Art. (Mit einer 
Tafel Abbildungen.) 243 

XV. Bericht über die Ereignisse in der nnter der Leitnng 
des Herrn Hofr. Prof. Dr. Heeker stehenden gebarts- 
htilfliehen Poliklinik der kSn. Ladwigs-Mazimilians- 
üniTersität in Mfinchen rom 1. October 1863 bis sum 
30. September 1865 von Dr. Pappel, Privatdocent, 
Hülfsarzt an der gebnrtshölfl. Poliklinik und prakt. 
Arst in Mönehen. (Fortsetsnng nnd Schlnss.) .... 288 

.XVI. Notiaen ans der Journal -Literatur. 

V, Qrünewaldt: Ueber den chronischen Uterus- 

katorrh 312 

Heppner: Zur Casuistik der Blasensoheidenfistel. 314 
Storer: Glückliche Exstirpation des Uterus nnd 

beider Ovarien dnrch den Bauohsohnitt 316 

XVU. Literatur. 

Des Maternit^. ]£tnde sur les matemit^s et des 
institutions oharitables d'accoochement k domi- 
cile dans les principaux ^tats de TEurope par 
le doetenr L^an Le Fort, Paris 1866 317 



Heft V. 

XVIIJ. Verhandlungen der Qesellsohaft für Qebnrtshalfe in 

Berlin 321 

Üiedel: Bemerkungen sur Physiologie und Patho- 
logie der Menstruation und sur Therapie ge- 
wisser Menstmationsstörungen 321 

Seharlau: ErsatzprSparat der Muttermilch 324 

9 Fall von Abreissung des nachfolgenden 
Kopfes dnrch den Prager Handgriff. 326 

XIX. Die velamentöse Insertion des Nabelstranges. Von 

7. Hüter 330 

XX. Geburtshülfliche Studien von Prof. Dr. Äloie Valenta 

in Laibaoh. (Fortsetsnng.) 361 

HL Ueber den Torseitigen Fruchtblasensprung. . 361 
JV. Ein Beitrag sur Pathologie der Neb eneitheile. 385 



Inhalt. Vn 

Seite 
XXI. NoUsen ans der Jonraal-Literatnr. 

Ulrich: Operirte Blasen-Scheiden-FiBteln 394 

TrücA^ Lb Fort, Tamier: Ergebnisse aas den Ver- 
handlnngen über die GesnndheitSTerhältnisse der 

Gebärhäaser 896 

KSherU: Die Amputation des Utems 397 

OatemauU: Die Gastrotomie bei periuterinen Fi- 
broiden .899 



Heft VL 

XXU. Fall von einer dnroh die Matnr begonnenen nnd durch 
die Kunst mit Erfolg beendeten Entfernung eines 
Myoms der Gebttrmutter. Beobachtet von Dr. Lud- 
wig NeugebaueTj Docent der Gebnrtshülfe an der 
Warschauer Hochschule 401 

XZni. Mittheilungen aus der gynäkologischen Klinik. Von 

OUo SptegMerg 416 

1) Fibrom des Eierstocks von enormer Grösse. 
(Mit swei Holsschnitten.) 416 

2) Zwei Fälle von Complication des puerperalen 
Zustandes mit Uterusfibroid 426 

3) Peritonitis puerperalis in Folge T.Perforation e. 
vereiterten Lymphcaveme d. Fundus uteri, Tod. 436 

4) Plötslicher Tod am 8. Tage des Wochenbettes. 
Ruptur des linken Hersventrikels in Folge acu- 
ter Myocarditis 489 

XXJy. Puerperalerkrankungen in Schwesingen und seiner 
Umgebung in den Jahren 1868—1866. Von Dr. Emü 
Naumann in Mannheim 442 

ZXV. Ein Fall von Einklemmung des rechten Eierstockes 
im rechten Leistenkanale. Von Dr. Löpw in Wol- 
denberg 468 

XXVI. Zur Kenntniss des Einflusses von Schwangerschaft 
und Wochenbett auf die vitale Capacität der Lun- 
gen. Von Prof. Dokm in Marburg, (Biit einer Cur- 
ventafel.) 467 

XXVII. Notisen aus der Jonmal-Literatur. 

Fraidcmkän99r: Ueber Ohnmachtanwandlungen u. 
plötalichen Tod KreiMender %Ki 



TUI Inhalt. 

Seite 

Hegar: üeber die Wendnmg dnreh änsMra Hand- 
griffe, durch die combinirte Methode und über 
die Wendung vom Steiss auf den Kopf. .... 462 

SaBxinger: Ueber Krankheiten des Ute ms 464 

7\ike: Statistiken über die in dem k6nigl. Asyl 
SQ Edinburgh, Momingside, beobachteten Fälle 
von Puerperal-Manie 468 

L. Mayer: Klinische Bemerkangen über das Can- 
croid der änsser^i^ Gesclilechtstheil« 471 

Courty: Vesico-Vaginalfisteln (amerikanische Me- 
thode. — Unmittelbare Heilnng) 478 

XXYUL Literatur. 

P. W, Th. Chretuer : Ein Fall von qnerverengtem 
Becken mit Nekrose des rechten Sitsbeins. 
Inangoraldissertot. ZiClpsig 1866 474 

Lehrbuch der Oeburtskonde für die Hebammen 
in den KünigL Prenssisohen Staaten von Dr. 
Joß^Herman SthmitU, dritte Terbesserte Aus- 
gabe, im Auftrage des K. Ministeriums der Un- 
terrichts- und Medisinai-Angelegenheiten bear- 
beitet von Dr. C. Kanzow, Director der Heb- 
ammen-Lehranstalt SU Magdeburg. Berlin 1866, 
Verlag von Hirsohwald 477 



Ueber Entstehung und Bedeutung der Danngase 
beim neugeborenen Kinde. 

Von 
Prof. Dr. Breslau in Zürich. 



Im vergangenen Jahre habe ich in dieser Monatsschrift 
Bd. 25, Heft 3. eine vorläufige Mittheihing aber den Darm- 
gasgehalt Neugeborener veröfTentlicht^ wobei ich die Haupt- 
ergebnisse meiner Untersuchungen in sechs Sätzen zusam- 
menfasste. Nachdem ich seit jener Zeit nicht unterlassen 
habe, diesem Gegenstande meine Aufmerksamkeit zu widmen 
und'bemülit war, theils durch Untersuchungen, theils durch 
Verbuche an Leichen von Kindern und Thieren die Sache, 
so weit es einstweilen möglich, zum Abschluss zu bringen, 
gehe icl) hier in etwas ausführlicher Weise auf meinen für 
mehrere Disciplinen der Medicin wichtigen Befund ein. 

Meine sechs Hauptsätze zunächst nochmals an die Spitze 
stellend, will ich versuchen, die einzelnen durch Beispiele zu 
erläutern und darauf hinzuweisen, wie man sich von der 
Richtigkeit derselben überzeugen kann. 

I. Bei todtgeborenen Kindern, gleichviel ob sie während 
der Geburt zu Grunde gingen oder lange Zeit zuvor 
in faultodtem Zustande im Uterus verweilten, ist 
niemals Gas in irgend einem Theile des Darmtractus 
angehäuft. 

II. Demgemäss schwimmt nie der Darmtractus todtgebore- 

ner Kinder im Wasser, weder im Ganzen noch in 
ehizelnen Theilen, sondern sinkt sofort zu Boden. 

III. Erst mit der Respiration beginnt die Gasentwickelung 

im Darmtractus, und zwar von oben vom Magen 
angefangen nach abwärts vorschreitend, zunächst un- 
abhängig von Nahrungsaufnahme. 

IV. Ea giebt also das Verscbluckcn \ou Luft. Äcn et%\«B 

MooMiuiebr. f, Geburtak. 1866. Bd. XXVIIl., Hfl. 1. "^ 



2 !• Breslau, lieber Entstehung und Bedeutung 

Anstoss zur Gas- resp. Luflanhäufung im Magen 
und von da weiter abwärts. 
V. Schon nach den ersten Athemzugen kann sich Luft 

im Magen beßnden. 
IV. In dem Maasse als die Respiration eine vollkommenere 
und länger dauernde wird, werden auch sämmt* 
liehe Darmschlingen von Gas mehr oder weniger 
ausgedehnt. 

Bemerkungen ad I. und II. 

Wenn man die Leiche eines todtgeborenen und die 
eiues iebendgeborenen , einige Zeit, etwa einen halben Tag 
nach der Geburt oder noch später gestorbenen Kindes mit 
-einander dem äusserem Ansehen des Unterleibes nach Ter- 
gleicht, so findet man bei aufmerksamer Beobachtung einen 
deutlichen Unterschied. Der Unterleib eines todtgeborenen 
Kindes ist mit Ausnahme der etwas vorgewölbten Gegend der 
gewöhnlich voluminösen Leber flach, ja eingezogen oder ein- 
eingefallen zu nennen, insbesondere in der Regio umbilicalis, 
wo die Dönndarmschlingen zu liegen pflegen. Bei starker 
Anfidlung der Blase mit Urin kann die Regio hypogastrica 
etwas vorgetrieben sein. Ist eine Auftreibung des Unterlei* 
bes bei todtgeborenen Kindern wahrnehmbar, so röhrt sie 
ausnahmsweise von Geschwulsten innerhalb der Bauchhöhle 
her (Nieren, Pankreas etc.), in der Regel ist es eine An- 
sammlung blutig tingirter Flüssigkeit (sogenannter Hydrops 
sanguinoJentus) in den Bauchdecken und dem Peritonäalsack 
bei Fruchten, welche vor mehreren Wochen intrauterin aus 
verschiedeneu Ursachen abgestorben, dem Einflüsse des sie 
umgebenden Fruchtwassers und seiner Transsudation in das 
Innere ihrer Höhlen ausgesetzt waren. Bei solchen mace- 
rirten Fruchten findet man den Bauch schwappen oder un- 
deutlich unduliren; je nachdem man die Leiche auf den 
Röcken oder auf die Seite legt, wird die Form des Bauches 
verändert, die tiefstgelegenen Parthien erscheinen, in Folge 
des Senkens.der Flüssigkeit, breit, ausgedehnt, die oberen 
schmäler und mehr flach. Die Bauchdecken sind dabei nicht 
sehr gespannt f sondern murb, leTYds^Uch oder ödematös. 
Angeborener Ascites bei Fvuc\\\Ätt, A\fc \i\s x\ä V^^väv ^As^v 



der Darmgase beim neagebornen Kinde. 3 

haben, kann eine so grosse Spannung des Unterleibes zur 
Folge beben, dass man eine sehr praegnante Undulation oder 
Fluctuation wahrnimmt. Bildet bei todgeborenen Kindern die 
Aaftreibung des ganzen Unterleibes oder des grössten Theils 
desselben eine A u s n a h m e , so ist sie bei lebendgeborenen und 
einige Zeit naeb ausgeführter Lungcnathmung gestorbenen Kin- 
dern die Regel. An den Leichen dieser Kinder zeig^ sich der 
Unterleib nicht eingezogen, sondern gleichmässig vorgewölbt, 
föhlt sich elastisch an und wird auch bei verschiedenen 
Lagen der Leiche in seiner Form nicht oder nur wenig ver- 
ändert. t)iese Formverscbiedenheit an dem Unterleibe todt- 
und lebendgeborener Kinder ist so praegnant, dass ich mir 
in der Hehrzahl der Fälle getraue, schon hieraus allein 
das Lebend- oder Todtgeborensein zu diagnosticiren. Sie 
rührt von nichts anderem her, als von dem Fehlen oder 
V orh and en sein von Gas im Darmtractus^ wobei dann noch 
die sehr variable Stellung des Zwerchfells eine ganz unter- 
geordnete Rolle spielt. 

Eröffnet man die Bauchhöhle eines todtgeborenen Kin- 
ies, so glaubt man allerdings im ersten Augenblicke, als ob 
die Darmschlingen Gas enthalten. Die Farbe trügt und da 
die Dünn - wie die Dickdärme immerhin als ein Rohr er- 
•dieinen, so ist man der Gewohnheit wegen geneigt, sich 
i«n Inhalt dieses Rohres als einen gemischten, theils aus 
6as, theils aus festeren Stoffen bestehenden zu denken. Dem 
ist aber nicht so, denn der Inhalt ist kein mit Gas gemisch- 
te, sondern besteht im Magen und den Dünndärmen nur 
itts dem schleimigen Secret der Magen- und Darmwandun- 
|cn, welchem Fruchtwasser, Vernix caseosa, Blut, Schleim aus 
ien Genitalien der Mutter oder Meconium (bei vorzeitigen 
Schluck- und Athembewegungen) beigemengt sein kann. Im 
Dickdarme ist Meconium, wenn es nicht schon während der 
ßeburt bei asphyctischen Zuständen mehr oder minder ent- 
kert wurde. Glaubt man also aus einem gewissen FüUungs- 
inde des Darmrohrs todtgeborener Kinder auf Gasgehalt 
MUiessen zu dürfen, so liegt hier eine vollständige Täu- 
tebung vor. Man kann sich leicht überzeugen, dass der 
IMse Darmtractus auch nicht eine SpuT nou VkU^V 
^r Gas enthält, wenn man ihn nach doppeUev \i\iVÄt\ivftr 



4 I. Breslaut Ueber Entstebnng and Bedentnog 

düng am Oesophagus und am Rectum aus der Leiche pr§- 
parirt und in eine Schussel voll Wasser legt. Der ganze 
Darmtractus sinkt rasch zu Boden, kein Theil desselben bleibt 
flottirend oder auf der Oberfläche schwimmend. Oeffnel 
man mit einer Scheere irgend eine beliebige Stelle des Darm- 
kanals, so gewahrt man niemals auch nur die kleinsten 
Luft- oder Gashlasen auf die Oberfläche des Wasserspiegels 
steigen. Kein Zweifel also, dass in einem solchen Darmkanal 
kein Gas irgend welcher Art enthalten ist, so wenig wie Luft 
in den Lungenzellen der Lungen, die nicht geathmet haben, 
oder denen keine Luft eingeblasen wurde. Bei der erwähn- 
ten Wasserprobe für den Darmkanal muss man die Vorsicht 
bewahren, dass beim Ilinuntcrtauchen desselben keine Luft- 
blase in dessen Gekröse oder sonst irgendwo hängen bleibe, 
wobei es leicht vorkommen könnte, dass der Darm zum 
Schwimmen gebracht wird, denn es reicht eine sehr kleine 
Menge von Luft hin, einen Theil zum Schwimmen zu bringen, 
der nur um ein Geringes schwerer ist, als das Wasser. So 
oft ich auch die Darm- und Wasserprobe bei todtgeborenen 
Kindern oder bei Thierembryonen , welche nicht geathmet 
haben, in Anwendung brachte, stets war sie eine negative 
auf Luft- oder Gasgehalt. Auch war es gleichgillig, ob das 
Kind erst unmittelbar vor und während der Gehurt oder 
W^ochen lang zuvor zu Grunde gegangen, ob es ein reifes 
oder unreifes war. Mit vollem Rechte darf ich mich daher 
wohl so aussprechen: „In dem Darm k anale des Fö- 
tus wird kein Gas erzeugt, und es entwickelt 
sich auch kein Gas in dem Darmkanale eines ab- 
gestorbenen in seinem Fruchtwasser maceriren- 
den Fötus als Fäulnissproduct einer in dem 
Darminhalte eines solchen Fötus etwa vor sich 
gehenden chemischen Veränderung.*' Einen einzigen 
Fall kann ich mir denken, in welchem möglicher (?) Weise 
in dem Darmkanale eines intrauterin abgestorbenen Fötus 
Gas enthalten sein könnte, wenn nämlich ein todler Fötus 
nach Zerreissung der Eihäute einige Zeit der Einwirkung 
der Wärme, Feuchtigkeit und frei zutretender atmosphärischer 
Luü vor seiner Ausstossung ausge^eUt wird. In diesen sehr 
seltenen Fällen tritt manchmal sdar tä^öa ¥%Ä\m^«ca^\s^^\i!i 



der Darmgaoe beim neagebornen Kinde. 5 

und Anhäufung von Gas in den Körperhuhlen des unförmlich 
aufgetriebenen und zum Gcburtshiudcrniss werdenden Fötus 
auf. Ob in einem solchen Falle auch Fäulnissgase im Darm- 
traclus sich entwickeln, weiss ich nicht, da ich seit längerer 
Zeit keine derartige Beobachtung zu machen Gelegenheit hatte, 
nach dem aber, was ich an meinen kunstlichen, weiter unten 
mitgetheilten Fäulnissversuchen gesehen habe, möchte ich es 
bezweifeln. ^) 

Beispiele ad I. u. II. 

1) 1864. Nr. 16. Reifes Kind während einer Gesichtsgeburt 

zu Grunde gegangen. Anatomische Zeichen vorzeitiger 
Atiiembewegungen. Ecchymosen an der Lungenpleura, 
etwas Fruditwasser in der Trachea, starke Blutuber- 
füllung der Leber, Milz etc. Der Darmkanal ent- 
hält kein Gas. Im Dickdarme noch Meconium. 

2) 1865. Nr. 15. Unreifes, 4*1^ Pfund schweres Kind, intra- 

uterin unmittelbar vor der Geburt bei fieberhafter Er- 
krankung der an tertiärer Syphilis leidenden Mutter 
abgestorben. Erstes Stadium der Maceration. ZiemUch 
grosse Menge strohgelben Serums im Abdomen. Kein 
Gas im ganzen Darmkanale. Im Magen etwas 
trübe, meconiumhaltige Flüssigkeit, in den Dünndarm- 
schlingen grosse Menge wässeriger, bräunlich ge- 
färbter Flüssigkeit mit weissHchcn Flocken vermischt. 
Dickdarm bis zur Flexura sigmoidea zusammengezogen, 
von da nach abwäi'ts noch mit Meconium gefüllt. 

3) 1865. Nr. 39. Reifes, am Ende der Geburt durch den 

Druck der Wehenpresse wahrscheinlich in Folge von 
Seeale cornutum zu prunde gegangenes Kind. Ab- 
norme Anschwellung der Leber und der Milz, erstcre 
wog 233 Grammes, letztere 23 Grammes. Der ganze 
Darmkanal und jeder einzelne Theil für sich geprüft, 
ohne jeglichen Gasgehalt. 

4) 1865. Nr. 38. Reifes Kind durch Nabelschnurvorfall unge- 

1) Anmerkung. Während des Druckes dieser Zeilen hatte 
ich Gelegenheit die Leiche eines Kindes zu untersuchen, welches 
während der Geburt abgestorben von Fäulnissemphysem aufge- 
tiioben wurde. Es fand sich u. A. Fttulnissgas frei in der Bauch- 
höhle, Aber nicht in dem Darmkanal. 



Q I. BreslaUf Ueber Entstehung und Bede^^tung 

fahr 3/4 .Stunde vor der Geburt zu Grunde gegangen; 
leiser Herzschlag am geborenen Kinde, aber keine Re- 
spiration. Keine Spur von Gas in irgend einena 
Theile des Darmkanals. 

5) 1865. Nr. 48. Reifes Kind , durch die Zange entwickeh, 

in der letzten Stunde der Geburt durch Wehendruck 
zu Grunde gegangen. Keine Lebenszeichen mehr, daher 
auch keine Wiederbelebungsversuche. Bluterguss auf dem 
Tenlofium cerebelli, um das kleine Gehirn und das ver- 
längerte Mark herum. Kein Theil des Darmka- 
nals enthält Gas. * 

6) 1865. Nr. 69. Reifes Kind, ungefähr 24 Stunden vor der 

Geburt bei fieberhafter Erkrankung der an Lymphan- 
goitis des rechten Unterschenkels leidenden Mutler ab- 
gestorben. Erstes Stadium der Maceration. Im Darm- 
kanale keine Spur von Gas. 

7) 1864. Nr. 4. Ganz unreifes , nur 278 Pfund schweres 

Kind, wahrscheinlich schon seit einigen Wochen intra^ 
uterin abgestorben. Mutter litt an constitutioneller 
^ Syphilis. Vorgerückter Zustand von Maceration. In der 
Bauchhöhle sanguinolente Flüssigkeit, Peritonäum rötb- 
lich imbibirt, Urinblase bis über den Nabel mit blutig 
gefärbtem Urine ausgedehnt. Keine Spur von Gas 
im ganzen Darmtractus. Im Dickdarme noch Meconium. 

8) 1866. Nr. 40. Ein der Reife nahes Kind in hohem Grade 

von Maceration geboren, wahrscheinlich schon länger 
als 14 Tage todt im Uterus, Darmkanal enthält 
nicht die geringste Äpur von Gas. 

9) 1866. Nr. 25. Reifes Kind nach einer Zangenoperation 

im höchsten Grade des Scheintodes geboren; einzelne 
Athembewegungen durch künstliche Respiration, Fara- 
. disation der Phrenici und Brustmuskeln kurze Zeit 
unterhalten. Zuletzt noch künstliches Lufteinblasen mit 
einem weiblichen in die Trachea eingeführten Catheter. 
Beide Lungen waren fast vollständig von Luft ausge- 
dehnt, Oberfläche sehr blass rosenrotli. In dem gan- 
zen Darmtractus fand sich keine Spur von Luft. 
Ich könnte die neun Beispiele noch vermehren, allein 
sie scheinen mir vollständig zuiu Bevje\%^ ^>it d\«^ oU^a auf- 



der D&rmg&ae beim nengebornen Kinde. 7 

gestelltea Sätze L a. II. zu genügen, da das Resultat immer 
das gleiche war. Nur hinzufugen will ich noch, dass der 
Darrotractus verschiedener tudlgehorener oder todter aus dem 
Tragsacke getödteler Mutter gewonnener Thierfötus (von Hasen, 
Meerschweinchen und Schweinen) stets luftleer war und nie- 
mals auch nur der kleinste Abschnitt im Wasser schwamm, 
oder unter Wasser aufgeschnitten Luftblasen aufsteigen liess. 

Bemerkungen ad III., IV., V. u. VI. 

Sobald mit der Luflathmung die Füllung der Lungen 
mit Luft geschieht, und mit den ersten Athemzügen die 
Stimme des Neugeborenen sich vernehmen lässt, beobachtet 
man auch Saug- und Schluckbewegungen, welch letztere ne- 
ben Speichel und etwa dargereichten Flüssigkeiten auch Luft 
2um Verschlucken bringen. Da zwischen den Schluckbewe- 
giingen immerhin grössere und unregelmässige Pausen liegen, 
indem sie zur unmittelbaren Erhaltung des Lebens weit un- 
tergeordnetere Akte sind, als die Athembewegungen, so dringt 
auch die Luft langsamer in den Darmtractus als in die Lun- 
gen. Erschwert wird die Füllung des Därmkanals durch 
seine bedeutende Länge, seine Windungen und Knickungen, 
seine mehrfach durch Klappen und Falten verengten Stellen 
und endlich durch seinen fötalen Inhalt, dessen grösste Par- 
tbie, das zähe Meconium, erst weggeschafft werden muss, be- 
vor Luft oder Gas seine Stelle einnehmen kann. Das Ver- 
schlucken schaiTt die Luft in den Magen. Dort wird sie an- 
gehäuft und von dem Sphincter der Cardia von aussen ab- 
geschlossen. Oh Schluckbewegungen vom Magen aus die Luft 
durch den Zwölfßngerdarm in den Dünndarm u. s. w. beför- 
dern können, vermag ich nicht zu entscheiden. Unmöghch 
scheint es mip nicht, denn man sieht ja auch hier und da 
Erwachsene, welche durch willkürliche Deglutitionsakte sich 
den Unterleib tympanitisch auftreiben können, wobei sie die 
Luft wohl weiter als blos in den Magen treiben. Wahr- 
scheinlich ist mir aber, dass die Luft vom Magen aus ihre 
Wanderung nach abwärts durch die übrigen Abschnitte des 
Darmkanals, von dessen peristaltischen Bewegungen getrieben 
fortsetzt, wodurch dann gleichzeitig das im Dickdarme noch 
befindliche iMeconium entleert und der ha\b{\u^^\%<^ Vc^i^V. ^^\ 
Dänndärme in den Dickdarm fortgeschoben yiVc^« 



8 I. BrealaUf Ueber Entstehung und Bedentang 

, Es kommt so eine Zeit, in welcher* jeder Abschnitt des 
Darmrohres Luft enthalt, und ich glaube, dass in der Mehr- 
zahl der Fälle etwa 24 Stunden erforderlich sind, bis der 
zuletzt von Meconium frei werdende absteigende Theil des 
Colon von Luft angefüllt ist. Man darf sich keine ganz regel- 
mässige Füllung der einzelnen Abschnitte des UarmkanaJs 
mit Luft vorstellen, in der Art etwa, dass nach einer Stunde 
der Magen, nach vier Stunden der Dünndarm u. s. w. mit 
Luft gefüllt sei, denn mancherlei Zufälligkeiten werden hier 
entscheidend einwirken. Nur durch eine sehr grosse Reihe 
von Sectionen von Kindern, die in den ersten 24 Stunden 
gestorben sind, liess sich ein mittlerer Wcrlh für die Dauer 
des Herabrückens der Luft in Magen, Dünn- und Dickdarm 
finden. Bei jedem neugeborenen Kinde kann man, beson- 
ders wenn es lebhaft geschrieen hat, bisweilen schon eine 
halbe Stunde nach der Geburt durch Percussion in der Ma- 
gengegend, später etwa nach 10 — 12 Stunden in dem gross- 
ten Theile des Unterleibes tympanitischen Ton nachweisen, 
dessen Ausdehnung allerdings der voluminösen Leber wegen 
kein sehr grosser zu sein pflegt, auch wird die Form des 
Unterleibes sehr bald eine fassformig gewölbte. AU dies ge- 
schieht, bevor noch irgend eine Nahrung dem Kinde beige- 
bracht worden ist, und es ist somit unzweifelhaft die ver- 
schluckte atmosphärische Luft, welche den Darmkanal erfüllt, 
bevor es in demselben zu einer eigentlichen Gasproduction 
kommt. Mit der Einnahme von Nahrung, von Milch u. s. w., 
beginnt erst die spontane Gasentwickelung, die sich von nun 
an durch das ganze Leben hin fortsetzt. Das eigentliche 
Darmgas ist ein Product der Fäulniss und Gährung, und sehr 
wahrscheinlich ist die verschluckte atmosphärische Luft als 
Trägerin von Fäulniss- und gährungserregenden Slofl'on, von 
Fermenten anzusehen, welche in den Se- und Excreten des 
Dannkanals die nöthigen Bedingungen finden, um ihre Thä- 
tigkeit zu entfalten. Welcher Art diese Vorgänge sind, und 
-ob dabei s. B. die atmosphärische Luft selbst zersetzt wird, das 
ist Sache der organischen Chemie, weshalb ich 
auf diese für die Physiologie der Verdauung 
ikto -eingehen kann. Sind der verschluckten 
!to0B bageäien%l> N«e\c\i^ \cyf\^\^mx\\s\^%\^Vk\^ 



der Darmgaae beim neugeborenea Kinde. 9 

Bind, SO flnden sie hier im Darmkanale die günstigste Gele- 
genhdt zu ihrer Brutstätte, und es lässt sich annehmen, dass 
nicht blos manche frühzeitig von der Art der Ernährung 
unabhäogige Störungen der Digestion ihren nächsten Grund 
IQ der Qualität der verschhickten Luft haben, sondern auch 
dass die zur Zeit endemisch in Gobäranstalten herrschender 
Puerperalfieber so häutig tudtiich endenden septischen Erkran- 
kungen Neugeborener Folge der mit der verschluckten Lult 
in deu Kfirper eingebrachten infectiösen Stoffe sind, was um 
so mehr gerechtfertigt erscheint, als die Aufnahme dfeser 
Stoffe keineswegs in der Regel durch die Nabelwunde ge- 
schehen kann, wie manche Autoren glauben, denn die Mehr- 
zahl derjenigen Neugeborenen, die von septisch-pyä mischen 
Processen, den Aequivalenten des Fiebers der Wöchnerinneu 
zu Grunde gehen, erkranken schon in den ersten Tagen 
nach der Geburt, zu einer Zeit, in welcher der Nabel noch 
keine Wunde darstellt, sondern von dem mumificirenden Na- 
belstrange noch bedeckt und geschätzt ist Der Krankheit 
erregende Einfluss der verschluckten Luft kann sich aber 
auch noch in einer anderen Weise geltend machen. Beob- 
achtet man nämlich Kinder, die mit einer Atresia ani gebo- 
ren sind, so sieht man, dass sie, wenn man nicht im Stande 
ist, auf operativem Wege Hülfe zu schaffen, im Laufe der 
ersten drei bis vier Tage an Peritonitis und den Erschei- 
nungen von Ileus zu Grunde gehen. Während des intraute- 
rinen Lebens verhalt sich der Organismus ganz passiv gegen 
einen derartigen Bildungsfehler, so lange eben keine Luft 
und Gas im Darmkanale befmdlich ist; füllen sich aber mit 
dem beginnenden Athmen der Magen und nach und nach die 
Därme mit Luft, und wird ausserdem noch Gas in diesen 
erzeugt, während Mecoiiium etc. durch den After keinen 
Austritt findet, so sterben Kinder schnell, nachdem der Un- 
terleib ballonartig aufgetrieben und Mucosa wie Serosa des 
Darmes in den Zustand acuter Entzündung versetzt worden ist. 

Beispiele ad IIL, iV., V. u. VL • 
1) Reifes Kind (Nr. 147. 1864), im höchsten Grade des 
Scheintodes geboren, machte noch ein paar Alhemzüg« 
und einige krampfhafte Bewegungen der ExtremiUUvv^ 
and verschied l)ald, ohne dass die vi?rscYtt^4«w^X«BiX*>Är 




10 I* Breslau^ Ueber Entfitehiing nod Bedeotang 



derheleljuiig&miüel , wuruiitfr mwU fjjfl^^inlilaspii irgpod 
etwas gefnicfitet IihIümi. Im rrn lili'H Tlmrax eine grosse 
Menge sLrüligpll>er hAUtr Fliissiyki^L Rechte Lunge ganz 
zyröckf(edrängt, ohne Luft, linke eudiidt etwas Lutt 
Im Magen neben zähen Seil leim etwas Luft» 
er schwimmt auf dem Wasser. Im Dunii- und Dick- 
darme keine Luft. 

2) 1866. Nr. 41. Unreifes 3^ (, Pfund schweres kind 

Sieisslage wegen Plac. praevia totalis der Mutter eol 
wickelt, kam sehr scltwach zur Weil, lebte nur ungi 
fähr 25 Minuten. Dünn- urid Dickdarm srnke» voll 
ständig nn Wasser zu Boden; der Magen zeigt eine 
Neigung zum Schwimmen. Unter Wasser a uf^t^ 
schnitten entleerten sich zwei etwa erb seng rosse Lufl- 
hlasen aus ibrn, worauf er ganz zu ßnden sinkt. 

3) 1864. Nr. 31. Ganz unreifes, nur 2% Pfund schweres 

Rind starif 40 Miimten naeb der Geburt Im Magen 
etwas Lufl und zäher Schleim, im übrigen Tbeile dei> 
Darmlractns keine Luft, tibwobl es den Anschein hat, 
dass solche in dem voluminösen Dönndarmrobre enthalten 
sei, welches mit einer gelblichen, einer Eiweisslösu 
äbnlicben Flüssigkeit gefüllt isL 

4) 1864. Nr. 143. > Reifes Kind, mit den Hänüen wegen 

Zügernder Ausstossung hei Steisslagc extrahirt, starb 
13 Stunden nach der Geburt unter Ersclieinungcn 
zunehmender Störung der rtes[>iratiun. Dem Kinde war 
ein Infus. Ipecac. als Emeticum verabreicht worden. 
Section sieben Stunden nach dem Tode, Im Magen 
sowie in der oberen Parlbie des Dünndarms 
Luft neben Schleim und Resten des Arzneimittels, im 
unteren Abschnitte des Dünndarmes keine Luft, aber 
eine kleine Spur im Reelum. 

5) 1864. Nr. 12L Ein der Reife nahes Kind, A% Pfund 

schwer, mit angeboreneni sypliilitiseliem Pempliigus, 16 
Stunden nach ihr Geburl gestorben ^ ohne etwas an- 
deres als ein paar LölTet voll Tbee gescbluckl zu haben. 
Sehr schwaclie Lebenfe^u^^^vv^w^iew , R<»s\>irution selten, 
schnell zunehmende RaWe. \.mw%«^t\ ^\»f m\<:»\^L^\KWÄÄ. 



n 



der Darmgase beimi nengeboriien Kinde, H 

von Luft ausgedehnt. Weder im Magen, noch im 
Ofinn-, noch im Dickdartne Luft enthalten. 

6) 1865. Nr. 145. Ein unreifes, 4»/^ Pfund schweres Kind, 

von einer Constitutionen syphilitischen Mutter gehören, 
seihst ohne Zeichen von Syphilis , sehr lebensschwach, 
stirbt 13 Stunden alt. Der ganze Darmtractus oben 
und unten unterbunden, schwimmt mit Ausnahme des 
Colon von der Pars transversa angefangen nach ab- 
wärts. Hier ist noch Meconium angehäuft; nebea dem- 
selben in der Flexura sigmoidea Luft in kleiner Menge. 

7) Reifes Kind (Nr. 34. 1866.), lebte 18 Stunden, starb 

plötzlich an Lungenhaemorrhagie, bevor es noch etwas 
genossen hatte. Unterleib regelmässig gewölbt, gab einen 
tympanitischen Ton mit Ausnahme der Regio hypoga- 
strica und Inguinales. Nach Eröffnung der Bauchhöhle 
zeigte sich Magen und obere Parthie des Dünn- 
darms stark von Luft ausgedehnt; untere Par- 
thie des Dünndarms und das Colon bis zum Rectum 
waren zusammengezogen, schienen nicht lufthaltig zu 
sein; in Wasser gelegt schwamm aber der ganze Darm- 
tractus, auch diejenigen Theile, welche bei Besichtigung 
luftleer schienen, schwammen, da sie eine kleine Menge 
von Luft enthielten.^) 

8) 1863. Nr. 16. Unreifes 3% Pfund schweres Kind von 

einer fieberkranken Mutter geboren, starb unter den 
Symptomen rascher ßlutdissolution ungefähr 18 Stun- 
den nach der Geburt, ohne Nahrung^ zu sich genommen 
zuhaben. Im Magen und im oberen Theile der 
Dünndarmschlingen viel Luft, in dem unteren 
Theile derselben und dem ganzen Colon keine, im letz- 
teren Meconium. 

9) 1864. Nr. 24. Reifes Kind, 36 Stunden nach der Ge- 

burt unter den Symptomen eines Oedema glottidis ge- 

1) Anmerknng. Herr Prof. Wislicenus dahier hatte die 
Güte, den Gasgebalt dieBes Darmes chemisch zu analjsireo. Die 
Analyse bei Abgang dieses Manuscripts nocii nicht vollendet, 
ergab doch, wie vorauszusehen, dass der Durm atmosphärische, 
etwas yerfinderte Luft and keine eigentllc\\eu I>«.TrEv^K«^ ^xiV* 
Amlte. 



12 ^* Breslau, Ueber Entstehang and Bedeatung 

storben, hatte fast keine Milch zu sich genommen» er- 
hielt ein Brechmittel aus Infus. Ipec, welches aber nicht 
wirkte. Der ganze Darmkanal erwies sich als 
lufthaltig. 
10) 1863. Nr. 15. Reifes Kind, starb 51 Stunden nach 
der Geburt unter den Symptomen acuter Septicaemie 
und Pleuritis. Nabelstrang noch nicht abgefallen. Phle- 
bitis umbilicalis, rechtsseitiges Empyem. Der Darm- 
tractus, insbesondere Magen und Dünndarm^ 
von Gas aufgetrieben. 
Es bleibt mir noch übrig, nachdem ich auf die phy- 
siologische und pathologische Bedeutung des Luft- und Gas- 
gehaltes des Darmtractus Neugeborener hingewiesen habe, 
die gerichtlich-medicinische Seite dieses Gegenstan- 
des in's Auge zu fassen. 

Wenn es sich darum handelt zu bestimmen, ob ein Kind 
nach der Geburt geWhi hat oder nicht, so beschränkt sich 
der Gerichtsarzt in der grösseren Mehrzahl darauf, die ver- 
vollkommnete Lungenprobe anzustellen, nachdem sich alle 
anderen Proben, die sich auf die relative Grösse, das Ge- 
wicht, die Lage verschiedener Organe etc. beziehen, als trüge- 
risch und nicht stichhaltig herausgestellt haben. Niemanden wird 
es einfallen, den eminenten Wertii der Lungenprobe in Zweifel 
stellen zu wollen, aber es giebt Fälle, in welchen sie nicht 
ausführbar ist, weil das Organ, an welchen sie unternommen 
wird, nemlich die Lungen fehlen. Es giebt eine Reihe von 
Kindsmordfallen, in denen die Körper der Neugeborenen ab- 
sichtlich zerstückelt und die einzelnen Theile zerstört worden 
sind, um die Art des Verbrechens unkenntlich zu machen, 
oder lediglich aus barbarischer Zcrstörungswuth, es giebt 
ferner Fälle, in welchen Kindsleichen auf offenem Felde oder 
sonst irgendwo dem zerstörenden Einflüsse von Raubthiereu, 
Füchsen, Hunden, Ratten, Geiern und Raben, Fischen u. s. \v. 
ausgesetzt, benagt oder halb aufgefressen gefunden werden. 
In solchen Fällen kann es sich leicht ereignen, das gerade 
die Lungen oder der ganze Thorax fehlen, und dass nur 
mehr der Unterleib mit seinem Inhalte vorhanden ist. Kein 
Gerichtsarzt, glaube ich, hätte es gewagt nach dem jetzigen 
Standpunkte der gerichlUcheu %et\vdw \t%<^ud einen Schluss 



der Darmgase beim nengebornen Kinde. 13 

anf Leben oder Tod des Kindes zu ziehen, wenn ihm nur 
der Unterleib iind nichts von den Lungen vorgelegt worden 
wäre, er würde die Beantwortung der an ihn gestellten wich- 
tigen Frage über extrauterines Gelebthaben abgewiesen haben, 
mit dem Bemerken, dass aus dem Zustande der Unterleibs- 
organe kein Schluss auf Tod oder Leben nach der Geburt 
des in Frage stehenden Kindes gezogen werden kann. Und 
doch lassen sich nach dem, was ich gefunden, sehr be- 
stimmte, und unter Umständen allein maasgebendc Antwor- 
ten in den bezeichneten Fällen ertheilen. 

Es sind drei für die gerichtliche Hedicin wich- 
tige Sätze, welche ich aufstelle und die ich zu vertheidigcn 
und zu beweisen habe. 

L Findet sich in keinem Theile des Darmkanals 
Luft, so ist mit der grössten Wahrschein- 
keit anzunehmen, dass das betreffende Kind 
extrauterin nicht gelebt habe. 
IL Ist der grössere Theil des Darmkanals mit 
Gas, resp. Luft, angefüllt, so ist mit Be- 
stimpilheit anzunehmen, dass das betref- 
fende Kind extrauterin gelebt habe^ und 
zwar um so länger, je weiter vom Magen 
abwärts der Darmkanal mit Luft angefüllt 
ist, gleichviel, ob der Zustand der Gedärme 
ein frischer oder bereits in Fäulniss über- 
gegangener ist. 
III. Ist der Zustand des Darmkanals ein bereits 
hochgradig fauler, und sind einzelne kleine 
Parthien an verschiedenen Stellen von etwas 
Gas ausgedehnt, so ist mit der grössten 
Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die- 
ses Gas ein Fäulnissproduct ist und dass 
das betreffende Kind nicht extrauterin ge- 
lebt hat. 

ßemerkungeji ad L 
Aus dem schon oben mitgetheilten Gange meiner Unter- 
suchung und den hierzu angeführten Beispielen dürfte mit 
Skheiiieit hervorgeheB, dass das Nichtvorhaudeu^eui '^«n^**** 



14 I- BrulaUf Ueber Eatstehang and Bedeutong 

im Darmkanale ein sehr starkes Argument für Nichtgelebt- 
haben nach der Geburt ist, und gewiss wird man in der 
grössten Mehrzahl der Fälle Recht haben, wenn man in me- 
dicinisch-forensischen Fällen aus diesem negativen Befunde deo 
positiven Schluss auf Tod des Kindes während oder vor der 
Geburt zieht. Es könnte sich aber ereignet haben, dass ein 
Kind in einem hohen Grade von Lebensschwäche oder weil 
ihm sonst die nöthigen Bedingungen zum Leben fehlten» 
keine oder nur sehr schwache Deglutitionsbewegungen ?or 
seinem extrauterin erfolgten naturlichen oder gewaltsamen 
Tode machte und keine Luft in den Magen verschluckte (cfr. 
in der zweiten Reihe von Beispielen Nr. 4.). In einem sol- 
chen Falle wurde allerdings die Darmprobe nicht zur Er-* 
keuntniss voller Wahrheit führen und ungefähr auf gleicher 
Unsicherheit stehen, wie die Lungenprobe in einem ähnlichen 
Falle. Es ist ja bekannt, dass schwache, unreife oder unter 
Gehirndruck leidende Kinder mehrere Stunden lang bei fort- 
dauerndem Herzschlage ein Scheinleben führen können, selbst 
Respirationsbewegungen machen, und doch ihre Lungen mit 
Luft nicht füllen, indem sie die Luft nicht in die Lungcn- 
zellen, sondern nur in die Bronchien einziehen. Da liefert 
auch die Lungenprobe nur ein negatives Resultat, und doch 
kann ein solches Kind eine Zeit lang extrautei'in gelebt 
haben. 

Man wird also in Ausnahmsfallen den Irrthum begehen 
können, dass man ein Kind für vor der Geburt zu Grunde 
gegangen erklärt, wahrend es doch erst nach derselben sein 
Leben eingebüsst hat, und das Schlimmste, was bei einem 
solchen Ausspruche herauskommen kann, ist, dass eine Schul- 
dige oder ein Schuldiger nicht bestraft wird, während sie es doch 
verdient hätten. In dieser UnvoUkommenheit unseres Wis- 
sens wird Niemand einen grossen Fehler erblicken, und so 
lange es Richter und Rechtssprüche geben wird, wird der 
Grundsatz gelten: „In dubio pro reo**. — 

Bemerkungen ad IL und IIL 

Die zweite Reihe meiner oben angeführten Beispiele zeigt, 

dass mit dem äusseren Leben des Kindes die Luft zuerst in 

deo Mag&n , dann in den oberen y &i^w \u ^^tk \vciX«k«;\sl Aii- 



der Darmgase beim nengeborenen Kinde. 15 

schnitt des Dünndarms und schliesslich in das Colon gelangt. 
Man wärde also ein unbedingtes Recht haben, zu behaupten, 
dags die Anwesenheit von Luft im Darmkanale eines neage- 
borenen Kindes ein positives Zeichen für dessen Gelebthaben 
abgiebt, wenn sich nicht der Einwurf erheben würde, dass durch 
Piululss der Darmcontenta in einem Darmkanale eines todt- 
giefaoreneD Kindes sich Gas entwickelt haben könnte, welches 
bei dessen Tode nicht in demselben vorhanden war. Dieser 
Einwurf liegt nahe, indem man a priori annehmen kann, dass 
im Darmkanale eines todten, verwesenden Kindes die gün- 
stigsten Bedingungen zur Bildung von Fäulnissgasen vorhan- 
den sind, und es erscheint dieser Einwurf um so gerecht- 
f^crligter, als man es bei forensischen Obductionen häufig mit 
faulen Kindesleichen zu thun hat. Um über diesen Punkt 
2U entscheiden, musste ich eine Reihe von Versuchen an- 
stellen, die darin bestanden, dass ich von todtgeborenen Kin- 
dern den ganzen Darmkanal isolirt faulen liess oder die ganze 
QneröfTnete Leiche der Fäulniss übergab. 

A. Versuche mit dem Darmkanale allein. 

1) Ganzer Darmtractus eines todtgeborenen Kindes (Nr. 69. 
1865.) oben und unten unterbunden, am 5. Mai in ge- 
wöhnliche Gartenerde, mit welcher ein Blumentopf ange- 
füllt war, gebracht. Am 12. Mai wieder ausgegraben. 
Die Gedärme verbreiten einen aashaft stinkenden Geruch, 
sind voll von kleinen Würmern, sinken gänzlich im 
Wasser unter, enthalten kein Gas in ihrem Rohre. 

2) Ganzer Darmtractus eines todtgeborenen Kindes (Nr. 48. 

1865.) wird am 7. April unter Erde vergraben (wie bei 
1.). Am 15. April wieder ausgegraben, enthält derse]))e 
keine Spur von Fäulnissgasen, obschon die Fäul- 
niss schon eine weit vorgerückte. 

3) Ganzer Darmkanal eines todtgeborenen (resp. durch Kai- 

serschnitt todt aus dem Uterus extrahirten) Kindes (Nr. 
130. 1865.) den 18. October in einen feuchten Lappen 
gewickelt und der Luft ausgesetzt, deren mittlere Tem- 
peratur bis zum 1. November + 9,66** C. betrug. An 
diesem Tage wird aü dem missGirb\(^ea, ^eVff «(▼ 



IQ I. Brealau, Ueber Entstehung nnd Bedeutung 

Darmkaiiale die Schwimmprobe angestellt ^ die gani 
negativ ausfällt 

4) Ganzer Darmtractus eines todtgeborenen Kindes (Nr. 39. 

1865.) den 21. März in eine Schüssel mit Wasser bei 
gewöhnlicher Ziuimerteinperatur gelegt und im Zimmer 
gelassen. Am 23. März , ungefähr nach 48 Stunden wird 
auf Gasgefialt durch Schwimmen und Aufschneiden unter 
Wasser untersucht, wobei ein ganz negatives Re^ 
sultat erreicht wird. 

5) Ganzer Darmtractus eines todtgeborenen Kindes (Nr. 25. 

1866.) in eine Schüssel mit Wasser den lO. Februar 
gelegt, der äusseren Temperatur vor dem Fenster aus- 
gesetzt, deren mittlere Wärme vom 10. Februar. — 
1. März + 4,63** C. betrug. Das Wasser nicht er- 
neuert, tägliche Beobachtung. Zu keiner Zeit erhebt 
sich irgend ein Theil des Darmkanals zum Wasserspiegel, 
auch der gänzlich faule Darmkanal bleibt am 
Boden liegen. 

6) Von zwei ungefähr halbnusgelragenen Schweinsembryonen 

wird der Darmschlauch am 16. November 1865 in eine 
Schüssel mit Wasser gelegt, sinkt im Wasser ganz zu 
Boden, zeigt keinen Gasgehalt, als er na< h vier- 
zehn Tagen und unterdessen zu wiederholten Malen im- 
tersucht worden ist. 

B. Versuche mit ganzen Kindcsleichen. 

1) Leiche eines ausgetragenen, in Folge von Uterusruptur 

und Austritt in die Bauchhöhle zu Grunde gegangenen, 
durch die Laparotomie entfernten Kindes (Nr. 138. 1865.) 
am 1. November, in eine einfache Windel gewickelt, 
in einem ungeheizten Zimmer der Einwirkung der Luft 
ausgesetzt. Mittlere Temperatur betrug vom 1. — 27. Nov. 
-{- 5,19 ^C. An diesem Tage wü*d die noch ziemlich 
gut erhaltene Leiche obducirt. Im Darmtractus\fand 
sich keine Spur von Gas, aber auch sonst waoepoch 
keine freie Gasen t Wickelung wahrnehmbar. 

2) Leiche eines reifen, in Folge von Nabelscl^nurvorfall todt*^ 

geboreaea Kindes (Nr. 120. 1S65.\ vixä.^^ wk'ia.^^- 



der Darmgafte beim neugeborenen Kinde. 17 

tember in ein dünnes Tuch eingeschlagen, ungefähr einen 
Fuss tief unter gewöhnliche Gartenerde im Spitalgarten 
eingegraben. Am 24. October, bis zu welchem Tage 
die mittlere Temperatur der Luft + 11,1® C. betragen 
hatte, wurde die Leiche wieder ausgegraben. Die Ober- 
fläche der Erde war in Folge des in den letzten Tagen 
gefallenen Regens feucht, in der nächsten Umgebung 
der Leiche aber trocken. Das die Leiohe umhüllende 
Tuch klebt an sie an. Zwischen Tuch und Leiche wim- 
melt es von kleinen Maden. Vorgerückte Fäulniss der 
Oberfläche; Oberhaut in grossen Fetzen ablösbar, Cutis 
von schmuzig rölhlicher, zum Theil bläulicher Farbe, an 
einzelnen Partliien des Gesichtes und des Rumpfes wie 
durchlöchert. Aus verschiedenen dieser Löcher dringen 
Maden hervor. Das Gesicht plattgedrückt, beinahe un- 
kenntlich, an Mund- und Nasenöffnung klebt schmuzig- 
schmierige Flüssigkeit. Rauchmuskeln noch sehr gut 
erhalten , lebhaft rotli. Lungen an ihren Wurzeln sehr 
missfarbjg, im Uebrigen wenig verändert, enthalten we- 
der unter der Pleura noch in ihrem Parenchym Gas; 
Herz ohne Lungen ins Wasser gelegt, schwimmt im An- 
fang und sinkt dann unter Entwickelung von Gasblascn 
aus seinen mit zersetztem Blute gefüllten Höhlen zu Bo- 
den. Sämmtliche Baucheingeweide im Zustande hoher 
fauliger Erweichung, schmuzig roth, an der Oberfläche 
glänzend. Einige Gasblasen unter der Serosa des 
rechten Leberlappcns, ganze Leber und Milz gehen im 
Wasser zu Boden. Magen und Dünndarmschlingen zu- 
sammengefallen, Dickdarm von Meconium aufgebläht. 
Kein Theil des Darmtractus enthält Gas. 

3) Leiche eines reifen während der Geburt durch Nabel- 
schnurvorfall zu Grunde gegangenen Kindes (Nr. 116. 
1865.), wird am 19. September in ein einfaches leinenes 
Tuch gehüllt, ungefähr einen Fuss tief in Gartenerde 
vergraben. 

Am 3. October, bis zu welchem Tage die mittlere 
Temperatur + 14,6 ^ C. betrug, wurde behufs einer Be- 
sichtigung der Leiche die sie bedeckende \to^V.ewe^\^<& 

; /.ealferoL Die Leiche liegt auf dem Kuckew , VsX ^««^ 

MonmtMcbr. f. Qeburtak. 1866. Bd. XXVIU.,^HCt, 1. "^ 



18 I. BreslaUf lieber Entftehuii^ und Bedeatong 

Würmern nicht umgeben, nicht angefressen. Das ein- 
hüllende Tuch ist von grünlich schmnziger Flüssigkeit 
durchfeuchtet, wo es mit Gesicht, Nahel und Aller in 
Berührung war. Die Haut der Leiche ist sehr miss- 
farbig, besonders an Unterleib, Brust und Hals. Der 
Unterleib nicht aufgetrieben, giebt bei der Percussion 
einen durchgehends matten Ton, Fäulnissgeruch nicht 
bedeutend. Es wird nun die Leiche an gleicher Stelle 
wieder eingegraben, jedoch nur mit einer circa 1 — 2" 
dicken Erdschicht bedeckt. Sofort während des Eingra- 
bens sammeln sich eine Menge von Fliegen um die 
Leiche. 

Am 10. October neue Ausgrabung der Leiche. Mitt- 
lere Temperatur vom 3.— 10. October + 10,8" C. Die 
Leiche, das letzte Mal mit einer dünnen Schicht Erde 
bedpckl, liegt nun aus unbekannten Gründen, vielleicht 
durch das Scharren von kalzen, Hunden enihtosst.. das 
sie einhülh'nde Tuch über Kopf und Bnist zurückge- 
schlagen, somit grosseiiilieils unbedeckt da. Anne und 
Füsse sind noch mit Knie bedeckt. Eine Unmasse von 
Maden bewegen sich auf der in änsserster Fäulniss he- 
grilTenen Oberfläche der Leiche. Die Haut «les UnliT- 
leil)es ist an einigen Stellen siebartig durchlöchert, in 
der Bauchhöhle selbst finden sich noch keine Maden. 
Aus dem äusserst welken Nabelschnurrest lässt sich 
etwas Blut ausdrücken, der vom Naliel zur Leber ver- 
laufende Theil der Nabelvene ist zur Dicke eines Gänse- 
kiels aufgetrieben, wird doppelt unterbunden abgeschnit- 
ten, schwimmt im Wasser, enthält Blut und Gasblasen. 
Oberfläche der Baucheingeweide von zersetztem Blutfarb- 
stoff" röthlich gefärbt, Leber, Milz und Nieren sehr er- 
weicht, enthalten aber kein Gas, sinken rasch im Was- 
ser zu Boden. Der ganze doppelt unterbundene Darm- 
tractus in Wasser gelegt, sinkt zu Boden, mit Ausnahme 
zweier gegen die Oberfläche sich erhebender Stücke. 
Diese Stücke sind der absteigende Theil des Dickdarms 
und der Magen, die beide getrennt von dem übri- 
gen Theile des Davmkatials im Wasser schwim- 
me n. In diesem schwimiAeTiÄ^tk *t\i«^^ ^^^«k^^'^viX 



der Darmgaie beim nengeborenen Kinde. 19 

das Gas neben dünnflüssigem bräunlich rothem Meconium, 
im Magen Gas neben rothlich gefärbtem Schleim. Zwi- 
schen Magen und dem erwähnten Theile des Colon ge- 
legene Darmparlhien sind ohne Gasgehalt, werden unter- 
bunden und in eine Schüssel mit Wasser gelegt, wo sie 
bis zum 24. Octoher liegen bhehen , ohne dass sich 
Gas in ihnen entwickelt. In den Lungen war kein Gas; 
gleich den Lungen sinkt das Herz im Wasser zn Boden, 
aber heim Aut'schneidtn di^sselhen entwickeln sich kleine 
Gasbläschen aus deui zersetzten Blute. 
Das Resultat dieser neun Versuche war also mit Aus- 
nahme des letzten ein vollständig negatives. Nur in 
diesem letzten Falle, in welchem ich eine Kindesleiche drei 
Wochen lang faulen Hess, l'aiid sich im Magen und im ab- 
steigenden Tlieile des Colon Gas. Dass dieses Faulnissgas 
sich gerade im Anfan«; und Endstücke des Darmes entwiekelle, 
scheint darauf hinzudenlen, dass sich hier die gunsiigsten 
Bedingungen zu dessen Enlwickelung finden, vielleicht konnte 
in diese Tlieile Luft von aussen durch iMnnd und Afier ein- 
treten, als mit der Leiche bei deren zweimaligen Beerdigung 
verschiedene Manipulationen vorgenommen wurden. Inuner- 
hin beweist dieses einzige Resultat, (ihwohl es eine Ausnahme 
bildet, dass hei faulen Leichen im Darme etwas Gas sich 
ansammeln kann; wenn man aher die verhältnissmässig ge- 
ringe Ansammlung in Betracht zieht und die nicht regelmäs- 
sige Verth eilung desselben von oben nach unten, so wird 
man nicht umhin können, die Richtigkeit meines dritten 
Satzes anzuerkennen. Eine grössere Reihe von Versuclien, 
zu der mir leider das Material fehlt, wäre geeignet, noch 
Aufklärung zu bringen, unter welchen Bedingungen der Tem- 
peratur und sonstiger umgebender Medien die Production 
von Fäulnissgasen im Darmkanal vor sich geht und vorwärts 
schreitet. Nach Allem, was ich gesehen habe, gehört es zu 
den grössten Ausnahmen, dass die Darmwandungen von Gas, 
welches sich aus dessen Inhalt entwickelt, ausgedehnt wer- 
den. Hiermit soll nicht gesagt werden, dass der Inhalt des 
Darmes eines todten Kindes der Fäulniss widersteht; äussert 
sich ja doch die Fäulniss in dem Aussehen wwdi ^^m "m&tvr 
drigcB Geruch y welcher nur von Fäulmss^^sew \Ätt\öow 



20 



I. Bretlaii, lieber Bntfltohnng tind Bedeutung 



kann» al>er die D.irmmpmbriinpo sfhmnpn so r1urehg;lngig für die 
eigenlüclieii nacl* di^ui Tode eulslelHMiden Darm^ase zu sdn, d<iss 
me von dt^nise)l)Bn nichl ausgedehnt, sondern durclidröngen zu 
werden f»fl(^gpn. Es \i,khi ril>erl*iiupt noch mnnrfii- dunkle Piiriklf» 
in der Lehre von dtT EnUleJjung iUt Hase im menschlichen Kör- 
per, welche aufKuklären die At>rgabe weiterer Forschungen sein 
. "^'ird. Nicht die ü.irmgase sind es, tlie irli hier allein meine, 
sondern <iuch diejenigen Gase » die sich unter pathologischen 
Verhältnissen aus Exsudaten, oder wie es scheint, direct aus 
dem Blute hei Knoclienhröchen, hei Gelenkontzrni(Jiingen, 
Biulextravasalen etc. hihlen, ohne dass die äussere Luft einen 
Zulrilt hndet, und ohne dass eine an.itomiscli nachweishare 
Verhindung mit Lungen oder Dann existirte. 

Dass die Luft einen sehr mächtigen EinHnss aul' di^ 
Fanhiiss und die Fäulnissgaserzeugung lial, ist nnbeslrilten, 
aber auch ohne dass die Luft mit fäulnissfahigen Üiierischefi 
StofTen in Contact kommt, kann, wie es scfjeint, Fäuhiiss 
entstehen. Am heweisendslen scheinen mir hierl'ür die Ver- 
suche Donners zu sein \), in wekiien er Eier nnt einer €oU 
lodiumschicht nherzog, und sie dann sicli seilest nlierliess^ 
^ Bei einer Tenipeniiur von iihcr 40 "^ C. entwickelten sich In 
deu faulenden Eiern Fiulnissgase , die sie selbst bis zm 
I Platzen brachten, wahrend liei niederer Temperatur die Mebi 
zahl der Eier nicbl faul wurden, sondern einlrocknetea 
mnmilicirten^). Die Luft ist also nicht die einzige Bedingung 
zur Fäulniss. aber gewiss vint sehr wesentliche, und da sh 
zum Darmtractus des ungehorenen Kindes keinen Zutritt hat; 
so mag Ijierin ein Hau|*lmonient liegen, dass Stoffe, die aus 
dem Körper ausgescbieden und in keinem lebendigen Ver- 
kehr mehr mit dem riesammlorganismus stehen» der Feuch- 
tigkeit und einer hohen Temperatur ausgesetzt, dorb nicbl 
faulen, 
^,^ Nachdem ich nun die Frage beantwortet habe, wie man 



;« 



1) Im AusÄUg in Schmidt & med. .Takrh. Nr. 1. 1866. 

2) ÄamerkiiBir. Man Qiuti^ frellicb aach bedentteo, dtsi 
in jedem £1 schon eine gewisse Mengte Ton Loffc ist, und dasä 
die Eier vor den Verbuchen der Luft tiasge^etzt waren, welche 

in sie eiDdringen und «elhst rTolonjumftmt-B wvv *vt\\ ^üUren 



der Darmgasa beim nengeborenen Kinde. 21 

durch die Darmprobe, sei es an einer frischen oder einer 
Jaulen Leiche, entscheiden kann, ob ein Kind extrauterin ge- 
lebt hat oder nicht, bleibt mir noch übrig die Frage zu er- 
örtern, ob aus dem Zustande des Darmes ein Schiuss 
auf die Dauer des Lebens eines Kindes gezogen 
werden kann. Nicht selten wird bei Kindsmord dem Ge- 
ricbtsarzte zugemuthet, er solle entscheiden, ob der Tod des 
Kindes unmittelbar nach der Geburt oder erst später erfolgte, 
weil es bei Beurtheilung der Thatsache darauf ankommen 
kann, ob eine Muller im Zustande ihrer grössten Aufregung 
oder juit kühlem Blute und vorbedachtem Entsclilusse ihr 
Kind getödtet habe. Hängt doch mit dieser Frage die über 
den Begriff des „Neugeborenseins'' und die über den Begriff 
des „Kindesmordes'' innig zusammen» Bis jetzt war man 
mir im Staude aus den Veränderungen der Nabelschnur zu 
entnehmen, ob ein Kind ein paar Tage gelebt habe oder 
nicht, aber bei Kindern, die im Wasser gelegen haben, bei 
weichen der Nabelschnurrest aufquillt und nicht vertrocknet, 
lässt sich dieses Merkmai gar nicht verwerthen. Niemals 
dient aber das Verhalten der Nabelschnur dazu, um zu ent- 
scheiden, ob ein Kind gleich unmittelbar nach der Geburt 
oder erst später etwa im Verlaufe der ersten 24 Stunden ge- 
tödtet wurde. Die Lungen, sonst ein so wichtiges Organ 
für die Frage über Gelebt- oder Nichtgelebthaben , bleiben 
stumm, wenn man aus ilirem Luftgehalte die Dauer des kind- 
lichen Lebens bestimmen will. Mit ein paar guten Athem- 
Zügen können sich beide Lungen so stark füllen, wie sie 
es überhaupt nur sein können, und einen grossen Irrthum 
würde derjenige begehen, der aus dem Verhalten solcher 
Lungen stets schliessen würde, dass sie einem Kinde ange- 
hören, welches nicht gleich nach der Geburt getödtet wurde. 
Andererseits können Lungen eines Kindes, weiches weit mehr 
als 24 Stunden gelebt hat, so sparsam und unvollkommen 
von Luft ausgedehnt sein, dass sie aussehen wie Lungen 
eines Kindes, welches während der Geburt und unmittelbar 

' nach derselben gestorben isL Anders verhält es sich mit 
dem Dannkanale. Man wird seinen Luftgehalt zu einer ap- 
proximativen Schätzung der Dauer des Lebens eiae& Neii^e- 

geborenen, nicht wo es sich um Tage, ^oiviL^tti ^^ ^"^ ^^ 



22 I* Bretlauj Ueber Entstehang nnd Bedentang etc. 

um Stunden handelt, ungleich besser verwertben können, de 
Alles Andere bisher Bekannte. Ein von oben herab 
bis über die Hälfte mit Luft gefüllter Darmkanal 
wird mit Sicherheit beweisen, dass der Tod des.. 
Kindes nicht gleich nach der Geburt nach den 
ersten Athemzügen erfolgte; erstreckt sich der 
Luftgehalt auch über das Colon, so wird das Kind 
im Mindesten 12 Stunden gelebt haben; findet 
sich Luft nur im Magen, so Jst es im höchsten 
Grade wahrscheinlich, dass der Tod des Kindes 
gleich unmittelbar nach der Geburt erfolgte. Diese 
nicht am Schreibtische construirten, sondern durch meine 
Untersuchungen an Leichen (cfr. oben meine 2. Reihe von Bei- 
spielen) gewonnenen Erfahrungssätze werden dem Gerichts- 
arzte künftig als Richtschnur dienen können, um Fragen über 
die Dauer des Lebens eines Neugeborenen beantworten zu 
können, die er bis jetzt als nicht beantwortbar hat zurück* 
weisen müssen. 

Was ich hiermit meinen Fachgenossen zur Beurtheilung 
und weiteren Verarbeitung überliefere, ist das Ergebniss meiner 
seit mehreren Jahren sich fortsetzenden Forschungen, wobei 
ich mich auf frühere Arbeiten Anderer nicht stützen konnte. 
Ich habe nirgends, weder in den vorzüglichsten Handbüchern 
für Physiologie, noch in denen für gerichtliche Medicin auf 
den prägnanten Unterschied in dem Vorhallen des Darmkanals 
bei todt- oder lebendgeborenen Kindern hingewiesen gefun- 
den. Weder Güntz^), noch Orßla^), noch Casper^), die 
sich mit Fäulnissversuchen an Kindesleichen beschäftigten, 
sind auf die Frage über die Entstehung der Darmgase näher 
eingegangen. Aus einzelnen ihrer Bemerkungen sieht man 
wohl, dass sie auf das Verhalten des Darmkanals Neugebo- 
rener ungeßihr so viel wie auf das Verhalten sämmtlicher 
Unterleibsorgane geachtet haben, aber keiner der genannten 
Autoren hat die Fundamentalfragen über das Eindringen von 



1) Der Leichnam den Menschen. 1827. 

2) Trait^ de m^decine lek'nle. IV. Edition. 1848. T. I. 

8) Handbnch der gerichtlichen Medicin. 1867. Thanatolo- 



iL MarHn^ Beckenmessang ah ▼ersohied. Mensebenracen. 23- 

Luft in den Darmkanal oder die erste Entstehung von Darm- 
gasen studirt, und man konnte desswegen zu keiner be- 
stimmten Anschauung über die obwaltenden naturlichen Ver- 
hältnisse gelangen. 

Möge es mir gelungen sein, nicht bloss etwas Neues, 
sondern auch etwas praktisch Yerwerthbares gefunden zu 
habenl 



IL 

Beckenmessung 

an verschiedenen Menschenracen. 

Von 
Dr. Garl MaiÜn, 

Awiatent an der gebnrtahfilfUchen Klinik xu Berlin. 
(Mit 3 AbbilduDgen n. 1 Tabelle.) 

Ein fast zweijähriger Aufenthalt in Brasilien gab mir Ge- 
legenheit, dort einige Beckenmessungen an lebenden Weibern 
fremder Race vorzunehmen. Die früher veröffentlichten, nur 
an skeletirlen Exemplaren angestelUen Messungen halten nur 
eine kleine Anzahl umfassen können, da die Sammlungen un- 
serer Museen nur wenige weibliche Becken fremder Rd9e 
enthalten. Die Mehrzahl dieser wenigen sind künstliche Becken, 
bei denen die Verbindungen der Knochen durch die Mace* 
ration zerstört wurden sind, so dass die allgemein üblichen 
durch das Becken von einem Knochen zum anderen reichen- 
den Durchmesser ihre ursprünglichen Grössenverhältnisse ein- 
gebüsst haben. Zu den wenigen gut erhalteneu natürlichen 
Becken, die ich gesehen habe, fehlte das übrige Skelet, so 
dass das wichtige Verhältnii>s zum übrigen Körper nicht fest- 
gestellt werden konnte. Von allen diesen Uebelständen ist 
die Messung am lebenden Weibe frei. Da kann man ausser- 
dem ijie HerkuafL des Individuums durcVk liäW\!S»c\i^^ ^^^- 



24 II* Marlin, BeekenmeMnng an vericliiecl. MenaebMirmeoii. 

wuchs, Scliädelform und andere Zeichen sicher stellen, unÄ 
sich in den meisten Fällen aber Alter und Gesundheitszustand 
unterrichten. Messungen an Lebenden oder an frischen Lei« 
chen können ferner an Ort und Steile in grossen Reihen 
vorgenommen werden. . Denn beschäftigte Aerzte in über- 
seeischen Ländern, besonders solche, denen Krankenhäuser 
oder Rntbindungsanstalten zu Gebote stehen , haben reich« 
Gelegenheit dazu. Ja, dortige Geburtshelfer mussten eigent- 
lich schon zu wissenschaftlicher Diagnose von Geburtshinder- 
nissen oder zu genauer Feststellung des Seclionsbefundes 
solche Messungen vornehmen. 

Der manchmal gehörte Einwurf, dass genaue Becken- 
messung während des Lebens unmöglich sei, kann nur da 
einen Sinn haben, wo man unter Beckenmessung ausschliess- 
lich die des inneren Beckenraums versteht. Innerlialb des 
Beckens ist allerdings während des Lebens nur die Conjugata 
diagonalis und auch diese oft' nicht messbar. Dagegen ist 
die äussere Beckenmessung so genau, dass seit Baudeloque 
schon viele rachitische und sonst fehlerhafte Becken vor der 
Entbindung daraus erkannt worden sind. Dass die äusseren 
Maasse auch für die normalen Becken verschiedener Racen 
verschieden ausfallen, hoffe ich in dieser Arbeit nachzuweisen. 
Ebenso hoffe ich wahrscheinlich zu machen, dass diesen äus- 
seren Verschiedenheiten auch verschiedene Formen des Becken^ 
einganges entsprechen. Zu diesem Zweckef habe ich auch die 
Ra^enbecken der bedeutendsten Sammlungen von Berlin, Paris, 
London, Amsterdam und Leiden gemessen und auch die frü- 
her von Anderen veröffentlichten Messungen benutzt. 

Von den vielen Maassen, welche für die Messung der 
Aussenflächen wie des Binnenraumes des Beckens vorge- 
schlagen worden sind, habe ich ausser denen, welche man 
leicht an ' Lebenden , wie an naturlichen und an künstlichen 
Becken, also auch an einzelnen Knochen gut messen kann, 
nur solche, welche für die Geburtshölfe als besonders wichtig 
allgemein anerkannt sind, regelmassig gemessen. Ich habe 
femer die Maasse so gewählt, dass sie zusammen möglichst 
wenige Endpunkte verbinden, und diese Endpunkte habe idh 
wieder so genau als möglich lu beaiimmen gesucht. In l>«f- 
treffenden FSlIeii habe ich tnich ii^d^ A^\vNqti»^\\1\ko. >^si«i 



II. Martin, Beckenmessting^ an Terschied. Menschenraeea. 25 

Michaelia (das enge Becken 1861, S. 107) gerichtet. So 
bin ich zu folgenden Maassen gekommen : 

L an der Aussenseite des Beckens sind a, an Lebenden 
mit einem Tasterzirkel, wie er in einer dem Be- 
dürfnisse des Arztes entsprechenden Form von mei- 
nem Vater (s. Martin' » Atlas, Tafel LXIX, Figur 1. 
u. Berliner Klinische Wochenschr. 1866. Nr. 14.) an- 
gegeben worden ist, an trocknen Becken mit einem 
Kugelzirkel, dessen Enden spitz sind, zu messen: 

1) der Abstand der Spinae anteriores superiores ossium 

Ilium von einander, indem die Enden des Zirkels je- 
derseits auf die vordere Ecke der äusseren Kante des 
Darmbeinkammes ausserhalb des Ansatzes des Musculus 
sartorius aufgesetzt werden; 

2) der Abstand der Cristae ossium Ilium von einander, 

indem die Zirkelspitzen jederseits den am weitesten nach 
aussen stehenden Punkt der Linea externa des Darm- 
beinkammes berühren ; 

3) die beiden äusseren schrägen Durchmesser, den rech- 

ten von der unteren Ecke der rechten Spina posterior 
superior ossis Ilium nach der linken Spina anterior su- 
perior, und zwar an den unter 1 erwähnten Punkt; 
den linken von der linken Spina posterior superior nach 
der rechten Spina anterior superior; 

4) die äussere Conjugata, den sogenannten Baudelo- 

^e'schen Durclimesser von der unteren Ecke des letz- 
ten Lendenwirbels nach dem vordersten Punkte an der 
Schamfuge, welcher meist dem oberen Bande derselben 
nahe liegt; 

5) die Länge jedes der beiden Seitenbeine oder die Ent- 

fernung der Spina posterior superior an dem unter 2 
bezeichnetem Punkte an jedem ungenannten Beine und 
dem oberen Schamfugenrande desselben Seitenbeincs ; 

6) die Höhe jedes der beiden Seitenbeine oder die Ent- 

fernung der Spina anterior superior von dem Tuber 
Ischii, gerade imter dem Ansätze des Ligamentum sa- 
crotuberosum, desselben Seitenbeities*, 

7) die Länge des Darmbeinkammes \edQne\\% '^^ti ^ 



26 II* MarUn^ BeckeameMiing an Tersohied. MetMchoaraMii. 

Spina posterior superior zur Spina anterior superior d«- 
selben Seite; 

b) am lebenden wie am trocknen Becken mit einem 
Messbande zu messen: 

8) den Becken um fang, indem das Band vom Schamberge 

aus, oberhalb der Trocbanteren, und der Spinae poste- 
riores und unterhalb der Darmbeinkämme und des Dom- 
fortsatzes des letzten Lendenwirbels hin, um das ganze 
Becken herumgeführt wird; 

9) die Höhe der Schamfuge mit dem Ligamentum ar- 

cuatum ; 

IL an der Innenseite des Beckens, am Lebenden mit 
Ausnahme der Diagonalconjugata nicht messbar, 
a) mit einem gewöhnlichen geradschenkligen Zirkel, 
dessen Enden spitz sind, zu messen: 

10) die Conjugata vera von der Mitte des Promontoriums 
zum oberen hinteren Rande der Schamfuge; 

11) den Querdurchmesser des Beckeneinganges, 
oder den Abstand der am weitesten von einander ent- 
fernten Punkte der Linea arcuata quer über den Becken- 
eingang; 

12) die beiden schrägen Durchmesser des Beckenein- 
ganges, der rechte von der Hnflkreuzbeinfuge rechts 
zur Verwachsungsstelle des linken Darmbeins mit dem 
linken Schambeine, der linke von der linken Hüflkreuz- 
beinfuge zur rechten Verwachsungslinie des Darm- und 
Schambeines, aUe Endpunkte in der Ebene des Becken- 
einganges; 

13) die Länge der Bogenlinie jederseits oder die Ent- 
fernung von dem Anfange der Linea arcuata an der 
Huflkreuzbeinfuge bis zu ihrem Ende an dem oberen 
Scbamfugenrande; 

14) die Breite des Kreuzbeines zwischen den Punkten, 
wo die Höflkreuzbeinfugen den Beckeneingaiig schneiden; 

15) den Abstand der Tubera Ischii zwischen den dicht 
unter dem Ansalze des Ligamentum sacroluhfrosum jeder- 
spUs gelegenen Punkten des inneren Ran<l«*s, wekhe am 
weilesien von einander ab&l^ew\ 



II. Mmm% Beekenmessang an Tenehied. MetMobenraeen. 27 

16) den Abstand der einander am näcbsten kommenden 
Punkte an den Spinae Ischii; 

b) bei Leichen mit einem Haassstabe zu messen: 

17) die Diagonalconjugata vom Scheitel des Schoos- 
bogens znr Mitte des Promontoriums; 

18) die Länge des Kreuzbeins von der Mitte des Pro- 
montoriums bis zum Apex. 



Um die Durchschnitts wer the der Maasse bei den Becken 
fremder Race mit denen bei den Becken der Europäerinnen 
▼ergleichen zu können, habe ich diesen Durchschnitt bei den 
europäischen Weibern möglichst genau zu ermitteln gesucht. 
Es war dies nöthig für die mit Weichtheilen bedeckten Be- 
cken an Lebenden oder frischen Leichen und für die von 
Weichtheilen entblössten und getrockneten Becken. Ausser dem 
Wegfall der Weichtheile scheinen auch die Schrumpfung der 
Bänder und die Verbiegung der bei dem Austrocknen sich 
werfenden Knochen die Durchmesser zu verändern. Indem 
ieh die Leichen von 20 ausgewachsenen Weibern in der hie- 
sigen Anatomie genau gemessen und 16 Becken, davon prä- 
parirt und getrocknet gemessen habe, habe ich den Unter- 
schied der äusseren Maasse geringer gefunden, als ich er- 
wartet hatte. Die Verkleinerung beim Wegnehmen der Weich- 
theile und beim Trocknen war verschieden: sie war viel ge- 
ringer in den von vorn nach hinten gehenden (sagitalen) Durch- 
messern als bei den übrigen. Meist betrug sie unter einem und 
nur im Beckenumfange über zwei Centimeter. Die inneren Maasse 
worden bei den trockenen Becken meist etwas vergrössert 
gefunden, freilich nur um wenige Millimeter. Diese Vergrös- 
serung war, entsprechend den äusseren Maassen, am meisten 
10 den sagitalen Durchmessern bemerkbar. 

Ausser den Leichen habe ich noch bei 50 erwachsenen 
Frauen, meist Kranken der von meinem Vater dirigirten gy- 
näkologischen Ahlheilung in der Charit^ zu Berlin die äusse- 
ren Beckenmaasse genau ermittelt« Die Durchschnittswerlbe 
waren: 



2g II. Martin, Beekenmessniig aik yerflckied. M enioheorÄeettl 





bei den 50 


bei den £0 


bei den 16 




Lebenden 


Leichen 


Beöken 


1 Abstand dar Spinae ilium . . 


259 Mm. 


262 Mm. 


248 Mbk. 


2 Abstand der Cristae Iliam 


284 „ 


290 


» 


275 , ' 


3 Aeussere schräfire Durchmesser 


219 „ 


223 


n 


212 , 


4 Aeossere Oonjata 


190 „ 


184 


9 


181 , 


5 Länge der Seitenbeine .... 


193 , 


181 


n 


180 n 


6 Höhe der Seitenbeine .... 


174 „ 


173 


■» 


159 , 


7 LHnge der Darmbeinkämme . 


164 , 


165 


n 


154 « 


8 Beckenumfang 


830 „ 


804 


n 


618 « 


9 Hölie der Schamfuge 


— 


52 


n 


40 n 


10 CoDJagata vera 


— 


102 


V 


.107 , . 


11 Qnerdnrchmesser des Becken- 










einganges 


___ 


135 




136 « 


12 Schräge Durchmesser des 










Beckeneinganges 


•— 


127 


n 


127 , ; 


13 L&Bgd der Bogenlinien .... 


— ■ 


113 


n 


117 , 


14 Breite des Kreuzbeines • . . . 


— 


— 




106 , 


16 Abstand der Tubera Ischii . 


— 


— 




104 . . 


16 Abstand der Spinae Ischii . . 


— 


— 




95 , 


17 Diagonalconjugata 


— 


127 


n 


127 . 


18 Länge des Ereuabeines .... 


— 


— 




100 , 



Ferner habe ich ans einem Theile der Beckenmessungen, 
welche in der Universitäts-Enlbindungsaastalt zu Berlin seit 
einer Reihe von Jahren aufgezeichnet worden sind, die in 
der nächsten Tabelle folgenden Mittel berechnet. Ich habe 
800 Fälle vom Anfange Januar 1860 an bis zur Mitte 1864 
zu3ammengestellt, indem ich solche Fälle ausgescblossen habe^ 
bei denen Beckenenge die Entbindung nachweisbar erschwerte, 
oder Kunsthulfe erheischte. Bet den in meine Liste aufge- 
nommenen Fällen, welche die Minima der Beckenmaasse zeig- 
ten, waren lebende Kinder in Schädellage gcsundheitgeniäss 
geboren worden. 



Abttand der Spin. II, [^ Abstand d. Crist. II. 



Im Minimum 
Im Mittel . . 
Im MAximam 



r 

10" 10" 



Parig. == 189 Mm.[9" 
„ =250 , 10" 



Paris. : 



292 



il2" 6" 



'. 243 Mm. 
'284 „ 
.358 ^ 



IL MmrUiit Beckenmesiang an Terachied. Me&flcbenrAeeo. 29 



äussere schrUgeDurchinsr. 



äassere Conjngata 



Im Minimiiin 
Im Mittel . . 
Im Maximnm 



7" 

9" 10'" 



Paris. « 189 Mm. 6" 1" 
„ =226 „ ,7"4„." 
„ =265 „ ,8" 11'" 



Paris. = 164 Mm. 
„ = 198 „ 
.. =241 „ 



Beckenomfang 



Im Minimum 
Im Mittel . . 
Im Maximum 



75 

»0,04 

HO 



Centim. 



Die mittleren Maasse dieser Tabelle stimmen mit nur 
wenig Millimeter Unterschied mit denen der Kranken und Leichen 
auf der vorigen Tabelle überein; nur bei dem Maasse des 
Beckenumfanges zeigt sich ein grösserer Unlorschied. Der 
. Umfang beträgt nämlich im Mittel bei di*n Schwangeren 90, 
bei den Kranken 83, bei den Leichen 80 Centimeter. Aber 
die gemessenen Schwangeren waren meist gesunde, wohlge- 
nährte Dienstmädchen, während die Messungen in der Cha- 
rile vielfach alte, seit langer Zeit kranke Weiber betrafen, 
and die Leichen in der Anatomie natürlich auch meistens von 
heruntergekommenen Individuen herstammten. 

Einen gewissen Unterschied von jenen Zahlen zeigen die 
▼on verschiedenen Autoren durch Messungen nach ähnlichen 
Methoden gewonnenen Resultate. Die von denselben gege- 
benen Maasse habe ich alle in Millimeter verwandelt, weil 
sonst die Verschiedenheit des bei Deutschen wie Franzosen 
gebräuchlichen I*aiiser Zolles = 27,07 Millimeter von der 
des von den Dritten allgemein benutzten Londoner Zolls = 
25,40 Millimeter eine Vergleichung illusorisch gemacht hätte. 
Ferner habe ich mir der Uebersichtlichkeit halber erlaubt, 
da wo nur Extreme angegeben waren, die Mittel aus den- 
selben zu ziehen und eingeklammert beizufügen; auch habe 
ich selbst aus den 80 von Danyau in seinen Noten zu der 
ücbersotzung von Nägele*^ Werk über das durch Ankylose 
sdjrägverengte Becken gegebenen Messungen der äusseren 
schrägen Durchmesser das Mittel berechnet. So habe ich 
iÜr die äusseren Maasse bei dem mit Weichtheilen beklei- 
deten Becken folgende Tabelle erhalten: 



30 II- Martin, Beekenmessang 


an rersehled. HentolieDrfteaa. 






Abstand d. 
Spin. IL 


Abstand d. 
Crist. 11. 


äusserer 
schräger 
Dorch- 
meSser 


IniMN 


Baudeloeque^ Art des Accoachements, 
übers, v. Meckel, 1791, S. 80 a. 120 

Danyau, d. princ. vices dn bassin 
1840, S. 167 ff., 80 Messungen an 
kranken Weibern des Höpital de 
L'ourcine in Paris 


21fi— 243 
(230) 

264—279 


8r;0-406 


(223) 


(189). 


Churehilly theory & pract. of midwi- 
fery 1860, 8. 19 


177— MI 


Krause^ Handbuch d. Anaf. 1841, 1. a. 
S. 125: bei weiblichen Körpern 
norddeutHcher Abstaniinnng rtnrc-h- 
s«hnittlicb 


(266) i (368) 

i 
256 297 


(190) 
196 



//. F. Xn^gele^ Lfhrb., htraimtr. ▼«^n 
Grenaer 1854, S. 34 ff., ht\ 10 > >^obl* 
i^fliHUten Krauen 

Michaelh, d. enge Recken, hersusg. 
von Littmann, 1851, S. 102 ff., Mittt-l 
auH 600 Schwangeren in Kiel . . . 

Mittel auH .'0 su8gewa<'lisftn<*u Wei- 
berUt meist Kranken der gyn. Ab- 
theilung der Charit^ sn Berlin . . 

Mittel aus 16 ausgewachsener weib- 
licher Leichen d. Anatomie eu Berlin 

Mittel ans 800 Schwangeren des Ber- 
liner Universit. • Rntbindungshauses 



229 


256 


207-211 
(209) 


263 


21)0 


— 


259 


284 


219 


262 


290 


223 


260 


284 


226 



189-1« 

(1«) 



200 

190 
184 
198 



In der äusseren Conjugata bleiben sicii alle Angaben 
ziemlich gleich und schwanken zwischen den von Churchill 
aufgestellten Extremen 1" und 8''. Dagegen sind die Anga- 
ben Nägele's für die Spinae 8V«", für die Cristae 9Va" 
und Baudelocques für die Spinae 8'' bis 9'' viel kleiner als 
die übrigen. ChurchiWs Zahlen 10''— 12" für die Spinae 
und 13'' bis 16'' für die Crislae sind wieder viel höher, als 
die in Norddeutschland gefundenen Maasse, welche unter sich 
ziemlich übereinstimmen. Es scheint demnach die Verschie- 
denbeit der Angaben nicht allein auf Ungenauigkeit der Mes- 
"^ndern zum Theil aut emet wVXväo&viN^^OcaR^^Dr 



IL Jfarfm, BeekeDmessnng an verschied. Meoschenraeen. 31 

heit des Beckens nach geographischer Lage oder vielleicht 
nach der Yertheilung der Völker zu beruhen. Wenn man 
naralich für jedes Volk das Mittel aus den in der Tafel ent- 
haltenen Angaben ziehen darf, so erhält man folgende: 



für 1 Spin. II. 



Crist. II. 



ftiiHRere 
sehr. D. 



äussere 
Conjafp. 



»nn den 6 deutschen An- 
g-aben 

ans den 2 französischen 
Angabe 

ans der 1 britischen An- 
gabe 

ans allen 9 europäischen 
Angaben 



253 
230 
266 
261 



368 
296 



219 
223 

222 



193 
189 
190 
102 



Naltlrlicli soll(>n diese ZifTcni bei der geringiMi Zrilil von 
anss(M*ci(*i)ts( hrn Angaben, die irh mir yerschHflfn l.iitiiile, nur 
Andt*nUingHn rlwaigrr Vprsrliii'dpiibeitfn s(Mii. [Uv Annahme 
pimr Vi'rhrlii»Ml»*nheit in dm äusseren Maassen wird aber 
«psendirh dadurch untrrslulzl, dass die Maasse des Becken- 
ein^angi'h ein fdinh« lies Verhältniss zeigen. Von diesen konnte 
ich folgende aullienlische sammeln: 




Mfhiäj^e 
Durch- 
messer 
d. Eing. 



Baudeloeque, a. a. O. 8. 81 ff. . . . 
DuboU, treite complet. 1849, 8. 51 ff. 
CateauXf Acconchements. 1868. 8. 14. 

Mittel ans den 8 fransösischen An- 
gaben 

Bums, übersetEt von Kilian^ 1882, 
S. 21 ff. 

Bi$^y bei ChurchiU a. a. O. S. 14. 

Bmmthotkam^ obst. med. & svirg., 

1841, 8. 88 ff. 

Wttal ans den 8 britischen Angaben 



108 

110 

110-116 

(112) 



185 
135 
136 



121 
120 
120 



110 


185 


120 


101 
109 


132—152 

(142) 

187 


130—189 
(184) 
121 


101 


188 


127 



103 



187 



127 



32 Q» MafUny Beokenmessang aoi verschied. Measchea rueK 



CoDJng. 
Vera, 



Qner- 
dnreb- 
messer 



Bchrftge 
Durch- 
messer 
d. Eing. 



J. F. Meckel, Handb. d. Anat. 1816, 

II. S. 248 

H. F. Naegele, a. a. O., S. 34 ff. . . 

Kraute, a.a.O., 1 a. S.32Ö: Dnrch- 
Bchoitt vieler wohlgestalteter ova- 
ler Becken 

Luschka, das Becken, 1864, S. 123 . 

Mittel . ans 16 in der Anatomie zn 
Berlin getrockneten Becken . . . 

Mittel ans den 5 deutschen Angaben 

Mittel ans allen 11 Angaben . . . . 



117 

108—115 
(111) 



115 
110 



107 



135 
135 



135 
135 

136 



112 



135 



121 



126 
120 

127 



123 



109 



135 



123 



Es stimmen demnach in den Maassen des Beckenein- 
ganges die Autoren eines jeden der drei betreffenden Völker 
unter sich so überein, dass wir dadurch auf eine wirkliche 
Verschiedenheit der Becken bei den verschiedenen Völkern 
hingewiesen werden, und zwar scheinen die Engländerinnen 
die breitesten Beckeneingänge bei kürzester Conjugata, die deut- 
schen Frauen die mit der längsten Conjugata, also die rundesten, 
die Französinnen überhaupt die kleinsten Beckeneingänge von 
den drei Völkern zu besitzen. In Bezug auf die Englän- 
derinnen bin ich nicht der erste, dem diese Wahrscheinlich- 
keit aufgefallen ist, sondern ich bestätige nur eine Vermuthung, 
welche Kilian in einer Anmerkung zu Seite 21 seiner Ueber- 
setzung von JBurns ausspricht, indem er auf den grossen 
Querdurchmesser des Beckeneinganges 5V4" bis 6", welchen 
Burna angiebt, aufmerksam macht. Selbstverständlich wird 
sich dieser Nationalcharakler nicht bei jedem einzdnen 
Becken gellend machen, ebensowienig als sämmtliche Schädel 
gQuau die mittleren Schädehnaassc ihres Volkes zeigen. Uebri- 
gens scheint es natürlich zu sein, dass zwischen den Becken 
der einzelnen Völker ebenso wie zwischen den Schädeln der- 
selben Verschiedenheiten stattfinden. Denn die Schädel müs- 
sen ja durch die Becken hindurchgehen, und solche Kinder, 
deren Schädeldurchmesser ein aüzugrosses Missverhältniss' 
I Durchmessern des Beckewdu%w\^'t% x€\^«cl^ ^^^k^aa 



n. MaritHj Beckenmessung an verschied. Mensch enracen. 33 

wohl die Geburt weniger leicht überstehen. Ist nun die Ver- 
schiedenheit der Schädel messbar, so lasst sicli nicht abse- 
hen, warum sie nicht auch bei den Becken messbar sein 
sollte, lieber solche Verschiedenheit der Becken nach der 
NalioD durfte vielleicht durch genaue Beckenmessungen in 
den grossen österreichischen , sowie in den russischen Ent- 
bindungshäusern , in denen man Frauen aus verschiedenen, 
oft wenig verwandten Völkern, neben einander messen kann, 
entschieden werden können. Bis jetzt stehen mir für die 
europäischen Völker kein«; andern eigenen Messungen an Le- 
benden zu Gebote, als wenige Zahlen, die ich am Coombe 
Hospital zu Dublin an vier wohlgewarhsenen 20 — 30 Jabre 
alten Wöchnerinnen, wahrscheinlich keltischen Ursprunges, 
welche gesundheilsgemass lebende Kinder geboren halten, ge- 
wonnen habe. Dieselben ergaben bei ziemlich gleichen Maas- 
sen der vier verscliiedenen Individuen die Mittel 

der Spin. II., der Crist. II., der äuss. schrägen D., der Uass Conj., 

265 290 227 195 • 

des Umfanges, d. KörperlUnge 

900 1650 Milm. 

Zahlen, welche allerdings nicht über die Breite der an deut- 
schen Frauen gefundenen Maasse hinausgehen, wenn sie auch 
das Mittel derselben besonders in den Querdurchmessern uber- 
IrefTen, wie es ja auch nach den Angaben britischer Autoren 
zu erwarten war. 

Wenn demnach auch gewisse Nationalverschiedenheilen 
in Bezug auf das Becken zwischen den europäischen Völkern 
zu bestehen scheinen, so geben dieselben doch in den mei- 
sten Maassen nicht über einen Centimeter hinaus. Sehen wir 
also von den Millimetern ab, so können wir wohl mit ziem- 
licher Sicherheit als Mittel der äusseren Maasse der Becken 
an den mitteleuropäischen Frauen annehmen 
die Spin. II., die Crist. IL, die änss. schrllgcn D., die änss. Conj., 

25 29 22 19 

den Umfang 

85 Cm. 
Die Körperlänge habe ich aus den 50 Messuw^^CiW ^?c\N^Owr 
sener Weiher zu 1531, und aus 300 Mcssv\i\^e\\ äw ^Awnwvt 

Mcasttsebr, f. Gebartsk. 1866, Bd. XXVIII., Hft. l. ^ 



/ 



34 II* Martirij Beokenmessuog an verschied. Menschenraeen. 

geren der Berliner Universiläts - Entbindungsanstalt zu 59,19 
Zoll paris. = 1602 Millimeter berechnet, während Krause 
sie an vielen Leichen norddeutscher Weiber gleich fünf Pa- 
riser Fuss oder 1624 Millimeter gefunden hatte. Der runden 
Zahl wegen werde ich 160 Centimeter als das Mittel für die 
europäischen Frauen annehmen. 



Ganz andere Zahlen gaben die bei Gelegenheit meiner 
brasilianischen Praxis an Weibern fremder Racen und an 
Mischlingen dieser Racen mit Weissen gemachten Messungen. 
Die betreffenden farbigen Patientinnen Htten meist an unbe- 
deutenden Krankheiten, von denen sich keine Einwirkung aaf 
die Beckenmaasse annehmen lässt; auch sprachen gesund- 
heitsgemässe Entbindungen bei mehreren für ein gut gebautes 
Becken. Nur eine junge Negerin, welche an hochgradiger 
Morphea litt, will ich besonders anführen und nicht mit zur 
Bestimmung der Mittel werthe benutzen, da sie eine mangel- 
hafte Geschlechtsentwickelung, Hymen imperforatus und Aus- 
bleiben der Menstruation zeigte. Die Maasse ihres Beckens, 
welches eine rachitische Form zu haben schien, waren alle 
sehr klein. In San Paulo in Brasilien habe ich ausser den 
Negerinnen und Mischlingen auch einige Eingeborne von der 
kupferrothen amerikanischen Race messen können, welche 
ganz gesund zum Besuch der Stadt mit einer Anzahl Stam- 
mesgenossen aus dem Innern gekommen waren. Ebenso in 
Berlin eine Buschmännin, welche für Geld gezeigt wurde. 

Alle diese Messungen wurden, wie die in Berlin, an 
lebenden Frauen gemachten, mit meines Vaters Tasterzirkel 
und einem Bandmaasse ausgeführt. 



n. Martin^ Beckenmessang ao yerschied. Menschenracen. 35 



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IL Martin^ Beckenmessnng an verschied. Menschenraeen* 37 

Die Maasse der Spinae Ilium sind bei allen diesen In- 
dividuen fremder Race klein, besonders klein bei der Busch- 
mdnniD und bei mehreren Negerinnen und Mulattinnen. Bei 
einigen Negerinnen sowie bei der Mestizin erreichen sie das 
europäische Mittel, dem sie bei den Amerikanerinnen nahe 
kommen, bei keiner Messung wurde das europäische Mittel 
übertrofTen. Der Abstand der Cristae verhält sich ähnlich, 
am kleinsten bei der Buschmännin und einigen Negerinnen, 
bei denen er unter das europäische Minimum herabsteigt, 
nähert er sich dem europäischen Mittel bei den Amerikane- 
rinnen und den Mischlingen. Der Unterschied zwischen Spi- 
nae und Cristae, der ja bei^schönen Europäerinnenbecken 
besonders gross ist, und da oft über vier Ccnlimeter hin- 
ausgeht, ist viel geringer bei sämmtlichen Negerinnen, bei 
denen er zwischen eins und drei beträgt (bei der morphe- 
tischen ist er negativ), sowie bei der Buschmännin, wo 
er zwei Centimeter ausmacht. Bei den Mulattinnen schwankt 
er zwischen zwei und vier, bei den Amerikanerinnen zwi- 
schen drei und mehr als vier. Hier kommt er also dem euro- 
päischen Mittel nahe, während er bei der freilich noch sehr 
jungen Mestizin nur ein Centimeter beträgt. Die schrägen 
Durchmesser habe ich nur bei den Negerinnen und Mulattin- 
nen gemessen, und daselbst meist kleiner als bei Europäe- 
rinnen gefunden; bei der morphetischen Negerin, die noch 
nicht menstruirt war, weit unter dem europäischen Minimum. 
Dagegen entspricht die äussere Conjugata der Negerinnen, 
Mulattinnen und der Buschmännin nicht allein im Mittel, son- 
dern auch im Maximum und Miuinmm ziemlich diesem Maasse 
bei den weissen Frauen. Etwas darunter steht die äussere 
Conjugata der amerikanischen Ureinwohneril^uen. Der Becken- 
umfang erreicht bei den Negerinnen und ihren Verwandten 
und Nachbarn nur selten die bei den Üeutscheu gefundene 
Zahl, sondern bleibt meist tief darunter, wälirend er bei den 
Amerikanerinnen und ihrem Miscliling derselben etwas näher 
kommt. Die Körperlunge ist bei den meisten Individuen ge- 
ring, am kleinsten erscheinen die Buschmännin und die Me- 
slizin, beide untersetzte Weiber. Bei dieser letzteren über- 
trifit der Beckenumfang bedeutend mehr die Hälfle der Kör- 
perlänge, uls bei wohlgebauten Europaenmi^w. \^^^qvA<ss^ 



38 II- Martin, Beckenmessang an verschied. Menschenraeeii, 

gilt dies für die Buschmännin, welche auch den ihren Lands- 
männinnen eigenthümlichen ^peckanhang an den Glutäen in 
hohem Grade besass. Durch die geringe Körperlänge der aus- 
sereuropäischen Racen wird der Unterschied in den Breiteo- 
durchmessern etwas gemildert. Setzen wir in jeder Race die 
Körperlänge gleich 100, so erhalten wir 

die Spin. IL, die Cristrll., 



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53 



Demnach haben die Negerinnen und Mulattinnen aucfa 
im Verhältniss zu ihrem kleineren Körper Becken von gerin- 
gerem Umfange und Querdurchmesser, übertreffen aber die 
Europäerinnen in der Conjugata. Noch mehr gilt dies von 
den Buschmänninnen^ in geringerem Grade von den Amerika- 
nerinnen, bei denen die Conjugata im Verhältniss zur Körper- 
länge nicht gross, und nur die Querdurchmesser auch relativ 
klein sind. Wenn man nun von den äusseren Durchmessern 
auf die des Innenraums, und besonders auf den Beckeneingang 
schliessen darf, so muss man annehmen, dass dieser bei 
Buschmänninnen und Negerinnen weniger queroval ist, als bei 
den weissen Frauen. Diese rundere Form des Beckens, das 
heisst die grössere Gleichheit der Durchmesser zeigt sich 
deutlich, wenn man die äussere Conjugata gleich 10 setzt, 
dann sind 

die Spin. II., die Crist. II. 
für die Negerinnen 11 12 

„ „ Mulattinnen 11 13 

,, ., Buscbmännin 10 11 



IL MmrHn, Beokenmessang an verschied. Menschenraeen. 39 

die Spin. II., die Crist. II. 
för die amerikanischen Ureinwohne- 

rinnen 12 14 

„ „ Hestizin 14 15 

„ „ Europäerinnen 13 14 

Die beiden Gruppen scheiden sich deutlich; bei der 
ersten, die die Afrikanerinnen und ihre Mischlinge umfasst, 
sind sich die Durchmesser fast gleicl), bei der andern die der 
Europäerinnen und Amerikanerinnen ist der gerade Durch- 
messer meist unter % der queren. Bei ihnen wird also der 
Beckeneingang wohl queroval, hei ersteren mehr rund sein. 
Deutlich tritt auch die Trennung für den Beckenumfang ein, 
der bei den Schwarzen zwischen 40 und 41, bei den Weis- 
sen und Rothen zwischen 43 und 46, relativ zur Conjugata 
gleich 10, schwankt. 



Abgesehen von den amerikanischen Ureinwohnerinnen, 
über welche ich in der Literatur kaum weitere auf Messungen 
gestützte Untersuchungen gefunden habe, stimmen die ande- 
ren Ergebnisse in hohem Grade mit denen früherer Autoren 
flberein. In einer anderen Richtung aber kann ich aus an- 
deren Werken wie aus Messungen an getrockneten Becken 
meine Beobachtungen ergänzen: mehrfach sind von den unter 
niederländischer Herrschaft befindlichen Malaien Becken nach 
Europa gekommen und hier auch schon genau beschrieben 
worden. 

Die ältesten Messungen an aussereuropäischen Becken 
scheint Sömmering gegeben zu haben, es Hnden sich ein- 
zelne in seinem Werke: Körperliche Verschiedenheiten des 
Negers vom Europäer, Frankfurt und Mainz 1785. Darin 
bemerkt er (§ 39), dass Weichen und Hüften bei der Ne- 
gerrace schlanker und das ganze Becken enger sei, als das 
der Europäer. Freilich beziehen sich seine Beobachtungen 
und Messungen meist auf Männer und nur sehr wenige auf 
das weibliche Becken. 

Speciell von der Untersuchung von Racenbecken han- 
delt die: Beschouwing van het verschil der bekkens iii on- 
öenclwidene VoJksstanimen door G. Vrolik, km^V.e«dÄ\iv\^^^» 



40 ^* Martin, Beckenmessang an verschied. Mensehenraeea, 

VII. Plaat. Das Werk ist deutsch vollständig wiedergegeben 
in Frorieps geburtshulflichen Demonstrationen, Heft VII, Tafel 
XXVII — XXX. In demselben gibt Vrolik als Merkmale der 
Becken der Negerinnen an: die verticale Richtung der Darm- 
beine und der deshalb geringe Umfang der Hüften und ge- 
ringe Querdurchmesser des grossen Beckens, sowie dem ent- 
sprechend eine längliche, (stehend-eiförmige) Form des Becken- 
einganges, welche dadurch entsteht, dass die Conjugata vera, 
wenn an sich nicht gross, doch im Verhältnisse zu dem ganz 
kleinen Querdurchmesser sehr überwiegend erscheint. Ebenso 
seien die Sitzbeinstacheln einander mehr genähert, der Scham- 
bogen spitziger und seine Oeffnung enger als bei Weissen. 
Auffallend sei der Mangel einer durchscheinenden Stelle an 
dem Darmbeinflugel. 

Das Becken der Buschmänninnen findet Vrolik den vo- 
rigen ähnhch, nur dem europäischen noch ferner stehend, 
oder, wie er sagt, „thierähnlicher". Man finde an keinen 
von Difformität freiem Menschen eine so verticale Richtung 
der Darmbeine. Dieselben seien auch sehr schmal, beinahe 
^4 Zoll weniger breit, als in dem Becken europäischer Wei- 
ber. Ihre Höhe dagegen sei viel beträchtUcher , indem sie 
sich über den vierten Lendenwirbel erhöben. Dann erwähnt 
Vrolik noch die grössere Dicke der Wülste auf der hinteren 
Fläche des Kreuzbeins, welche bestimmt seien, die dicken 
Fasern der die Hinterbacken bedeckenden Fettmasse ^ zu 
stützen. Auch die Silzbeinhöcker seien wohl deshalb knorrig 
und dick. 

Die Becken der javanischen Weiber sind nach Vrolik 
besonders zart, leicht und klein; der Beckeneingang beinahe 
rund ; der Vorberg des Kreuzbeins sehr stumpf, die Sitzbein- 
stacheln dagegen einander sehr genähert. 

In dem Becken der Mischlinge glaubt Vrolik üeber- 
gänge zwischen den Elternracen zu entdecken. 

Die Messungen der erwähnten Forscher benutzend und 
ergänzend theilt M. J. Weber in seiner Lehre von den Ur- 
und Racenformen der Schädel und der Becken der Menschen, 
Düsseldorf 1830, die Becken in ovale, runde, vierseitige und 
keilförmige ein. Bei der ovalen Form ist der Querdurch- 
messer des Beckeneinganges beAewVftiA ^xvi^^^x, W d^i: rua- 



IL MarÜnj Beckenmessang an verschied. MeoBchenracen. 41 

den und vierseitigen wenig grösser, bei der keilförmigen klei- 
ner als der gerade. Alle diese Formen sollen sich in jeder 
Race wiederfinden können, die ovale aber bei den Europäern, 
die runde bei den Amerikanern, die vierseitige bei den Ma- 
laien, und die keilförmige bei den Negern die häufigste und 
herrschende sein. 

Eine sehr genaue Beschreibung weiblicher Becken der 
malaischen Race hat Dr. T, Zaajer in seiner Dissertation: 
„Beschrijving van twee vronwenbekkens uit den oostindischen 
Archipel. Leiden 1862*' veröffentlicht. Ausser von den im 
Titel bezeichneten zwei Becken der Sammlung des Nosoco- 
mium academicum gibt er von einem der anatomischen Samm- 
lung zu Leiden und von vier der Vrolik*schen Sammlung 
zu Amsterdam Maasse, Beschreibung und mehrere Zeichnun- 
gen. Das erste Becken ist einer erwachsenen , noch jungen 
Eingebomen der Insel Nias im Westen von Sumatra entnom- 
men. Dasselbe ist etwas schief, links kleiner und niedriger 
als rechts, sonst aber im Beckencingange sehr rund. Noch 
runder ist der Eingang des zweiten Beckens, das wie alle 
folgenden aus Java stammt. Bei diesem zweiten misst die 
Conjugata 4'' 5'", der gerade Durchmesser der darunter lie- 
genden Ebene des Beckeneinganges, ebenso wie der Quer- 
durchmesser 4" V\ die schrägen Durchmesser aber nur 
A" 4'"; dieselben sind also kleiner als die Conjugatat Das 
dritte Becken, einer etwa 22jährigeu Frau entnommen, ist 
im Eingange sehr rund und dem ersten ähnlich , ebenso das 
vierte; das fünfte und sechste aber sind, wie das zweite, 
etwas stehend oval. Bei dem siebenten, von einer 19 jäh- 
rigen zweitgebärenden Frau aus Surabaia auf Java stammen- 
den, überwiegen allerdings der Querdurchmesser mit 4" 5'" 
und die schrägen mit 4" 2'" sehr über den geraden von 
nur 3'^ b'". Allein diese querovale Form beruht nicht haupt- 
sächlich auf einer Ausbuchtung der Bogenlinie am Darmbeine, 
wie beim wohlgebauten europäischen Becken, sondern diese 
ist gerade verkürzt. Da nun auch das Kreuzbein der Lange 
nach aufTallend gerade erscheint, die Oberschenkel einwärts 
gekrümmt, und die Darmbeinschaufeln weithin papierdunn 
sind, kann man annehmen, dass das Becken krankhaft^ \vfil- 
leicht rachitisch verengt ist. Mit Ausna\\m<^ d[\^^^% ^k\^S!^k- 



42 II« Martin, BeGkenmessnng an verschied. Menschenraeea. 

haften Beckens haben alle ein der Länge wie der Breite nach 
sanft ausgehöhltes Kreuzbein; bei allen ragt der Yorberg 

V wenig hervor; bei den meisten sind die Darmbeinflugel sehr 
durchscheinend und bei allen liegen dieselben Qach und ho- 
rizontal. Bei allen sind die Sitzbein stacheln in hohem Grade 
einwärts gerichtet, bei allen ist also der Querdurchmesser 
des Ausganges, wie des Einganges, sehr klein. 

Der Beckeneingang ist aber, wie erwähnt, nicht bei aUen 
gleich rund, bei dem ersten, dritten, und vierten ist er be- 
sonders rund, bei dem zweiten, fünften und sechsten stehend 
oval. Diese Verschiedenheit deutet Zaajer so, dass die 
runde Form, deren Muster das Becken von der Insel Nias 
ist, dem auch diese Insel und das westliche Java bewohnen- 
den wenig mit anderen Raceu vermischten rein malaischen 
Stamme der „Sundanesen^', die stehendovale Form aber be- 
sonders den das östliche Java bewohnenden, mit nicht ma- 
laischen Völkern mehr gemischten „Javanesen^" zukomme. 

Dem Auszuge dieser Dissertation in der Nederlandsch 
Tijdschift, VI. 1862, S. 478, fügt Professor Lehmann in 
Amsterdam bei, dass er die meisten Behauptungen Zaajers 
an den in der Sammlung des Amsterdamer Athenäums be- 
findlichen javanischen Becken bestätigt gefunden habe. Auch 
diese zeigen ein ganz anderes Verhältniss zwischen Längs- 
und Querdurchmesser, als die europäischen Becken, ja in 
einem ist die Conjugata sogar um einen Zoll länger als 
der Querdurchmesser. Dagegen findet Lehmann nicht, dass 
dieser Unterschied sich auf verschiedene Volksstämme bezieht. 
Er vergleicht die javanischen Becken überhaupt mit denen 
europäischer Kinder von 12 — 14 Jahren. 

Gar nicht berücksichtigt worden sind die meisten hier 
genannten Autoren in dem Memoire von Joulin in den Ar- 
chives g^nerales de mädecine. Juillet 1864, über die Becken 
der verschiedenen Menschenracen. Im Eingange sagt der 
Verfasser, sein Memoire habe den Zweck, zu zeigen, dass die 
Eigenthümlichkeiten, welche man bis jetzt als characteristisch 
für das Becken der mongolischen und Negerracen ausgege- 
ben habe, nicht existirten. Auf Seite 12 behauptet er, dass 
Vroltks Arbeit die einzige über diesen Gegenstand veröffent- 

Ucbte seif und dass seitdem ^)\e& wW^uts tk^tx v^^mV.^ ^h«o- 



i^ 



IL Martin, Beckenmessungan yerschied. Menschenraeen. 43 

luiuent aucun document nouveau ä la question*^ In der 
That besteht das Memoire fast nur aus Angriffen auf Vrolik, 
den er so aufmerksam studirt hat, dass er stets „Vrolick*^ 
schreibt. Als Hauptresultat seiner Arbeit gibt Jotdin an, 
dass es in ßezug auf das Becken nur zwei Racen gebe, die 
arische (aryenne) und die nicht arisclie. Das Material zu 
diesem kühnen Schlüsse besteht aus dem FroZt%'schen Maass- 
bestimroungen und den Massen einiger skeletirten Becken, 
die er sonderbar gruppirt hat. Die Negerinbecken eröffnet 
er mit einem von der Insel Neu-Guinea nördlich von Austra- 
lien, und dann fuhrt er als zur Negerrace gehörig fünf In- 
sulaner von Neu-Caledonien im stillen Ocean an. Seine zweite 
Gruppe der nichtarischen Becken, die der Mongolen, stellt 
Joulin zusammen aus drei „Boschismanes^^ einer „momie 
de TAmerique meridionale*', einer „momie peruvienne des Indes 
orientales** (? !), sowie einer Javanesin und den drei Javane« 
sinnen Vrolika, Von all seinen mongolischen Becken gehört « 
also kein einziges Exemplar den ostasiatischen Völkern an, 
welche man gewöhnhch als Mongolen anfuhrt, sondern Joulin 
hat seine Mongolen aus Sudafrika, den Sundainseln und — 
aus Sudamerika (!) zusammengesucht Noch sonderbarer ist 
es, dass Joulin die von Vrolik an den javanischen Becken 
▼00 Vroliks eigener Sammlung beobachteten Eigenthumlich- 
keiten in Abrede stellt, bloss weil sie den von anderen Au- 
toren an den Schädeln (!) der Mongolen gefundenen Merk- 
malen nicht entsprächen. 



Viele der Becken, welche die eben genannten Schrift- 
steller beschrieben haben, habe ich gesehen. Ich erinnere 
mich aber ausser den aus niederländisch Indien gekommenen, 
nicht ein einziges natürliches Becken in den Sammlungen 
gefunden zu haben. Dagegen hat mir der geheime Sanitats- 
rath Nagel in Berlin gütigst gestattet, ein in seinem Besitz 
befindliches sehr schönes naturliches Negerbecken zu unter- 
suchen und zu beschreiben (Tafel I.). Dasselbe ist ihm von 
dem Director der roedicinischen Facultät zu Rio de lä\v«k^^ 
Dr, Jos^ Martins da Cruz Johim als da& evuec uottcAVs^ 



44 II. Martin, Beckenmessnog an yerschied. Menschenraeen. 

erwachsenen Negerin geschickt worden. An dem Becken 
sind alle Bänder gut erhalten, und zeigen Nichts Ausserge* 
wohnliches. Die zwei daran hefindlichen Lendenwirbel sind 
im Verhältnisse zum Becken etwas stark, besonders die Kör- 
per sehr breit, die Querfortsätze derselben sehr nach oben 
gerichtet. Das Kreuzbein läuft, wenn von vorn gesehen, 
nach unten nicht so spitz zu, wie das oft der Fall ist, son- 
dern die Flügel sind nach aussen am ersten falschen Wirbel 
senkrecht abgeschnitten, und verjungen sich am zweiten aud 
dritten ein wenig, um am vierten sich wieder beilförmig aus- 
zubreiten, und erst am fünften sich zum stumpfen Apex 
rasch zu verschmälern. Die Körper der falschen Wirbel 
bleiben von oben bis unten fast ganz gleich breit. Die Zwi- 
schenwirbellöcher sind klein, die Dornforlsätze kräftig. Das 
Steissbein ist schmal, es besteht aus drei zierlichen Wirbeln. 
Die Seitenbeine lassen keine Verwachsungslinien mehr zwi- 

« sehen ihren ursprünglichen Stücken, wohl aber eine deutlich 
zwischen dem Körper und der Epiphyse des Darmkeinkam- 
mes erkennen. Die Darmbeinkämme sind massig breit, ihre 
Kanten sind massig scharf. Sie steigen von vorn nach hinten 
abgerundet, aber ziemlich steil an, indem ihre vordere obere 
Spina 9 Centimeter von dem Beckeneingange an der Hüft- 
kreuzbeinfuge, also niedriger stehen, als die vieler -europäischen 
Becken, dagegen ihre hintere Ecke, wo sich der Kamm zur 
Spina posterior superior herumbiegt 7 Centimeter über dem 
Beckeneingange, also ziemlich hoch steht. Sehr schwach 
entwickelt sind die Spinae anteriores inferiores. Die Darm- 
beinflügel sind nur für starkes Licht in sonst dunklen Bäu- 
men durchscheinend. Sie bilden fast gerade Flächen; nur 

I über dem Formen nulritium, das recCts doppelt vorhanden 
ist, ist jederseits eine kaum thalergrosse kreisförmige flache 
Vertiefung. Massig steil absteigend geht die Innenfläche des 
grossen Beckens überall sanfl in die des kleinen über, wel- 
ches vom Tuber Ischii zum Beckeneingange an der Hfifl- 
kreuzbeinfuge 10,5, am Tuberculum ileopectineum 8,5 Cm. 
misst und darin mit vielen europäischen übereinstimmt. Am 
Sitzbeine ist die breite Endigung der Spinae auffallend. Aber 
auch seine übrigen Theile, ebenso wie die des Schambeines 
siad breiter f und das Foram^u o\^V\](£^\Atv»sGL "wVs^ dadurch 



IL Martin^ Beckenmessung an verschied. Menschen racen. 45 

sehr eingeengt. Es hat eine sonst ganz ungewöhnliche Form, 
ist durchaus nicht abgerundet dreieckig, sondern sein Umriss 
gleicht allenfalls dem eines Ohres, aber umgedreht, so dass 
das Ohrläppchen nach oben gerichtet die Stelle des Sulcus 
obturatorius einnimmt. Unter dem Sulcus ist nämlich das 
Foraraen ganz ungewöhnlich durch starke Vorspränge bis auf 
16 Mm. verengt, und erweitert sich langsam bis höchstens 
26 Hrn., während 16 normale europäische Becken im Mittel 
35, niemals unter 30 und ein Mal selbst 47 zwischen jenen 
Vorsprängen zeigten, welche freilich meist nur als schwache 
Höcker erschienen. Auch die mir zugänglichen verengten 
Becken zeigten weitere HäfUöcher als dieses Negerinbecken, 
mit Ausnahme weniger allgemein verengten und osteomalacisch 
verkrämmten. Aber selbst hinter diesen stand das Foramen 
bei der Negerin in der Höhe zuräck; dieselbe betrug 40, 
bei den Weissen im Mimimum 45, im Maximum 60 Millimeter. 
Die Schambeine sind sehr abgerundet, die Tubera pubica 
flach. Die Schenkel des Schambogens verlaufen fast gerade 
in dem grossen Winkel von 92®. Sie sind klein, und in der 
Mitte etwas äbers Blatt nach vorn gedreht, wie bei Weibern 
anderer Racen. Die Oberschenkel, von denen eine ziemliche 
Länge erhalten ist, sind von den Seiten stark zusamiAenge- 
druckt, und die Muskelansätze springen nur nach hinten zu 
vor. Die Trochantcren sind nur schwach entwickelt. Der 
Marktheil des Knochens äberwiegt sehr die Rindenschicht, 
welche dann aber sehr fest ist. An und fär sich ist der 
Knochenbau dieses kleinen Beckens kaum zierlicher als bei 
europäischen Becken, nur viel glatter und abgerundeter; be- 
sonders stehen alle Tubera weit weniger vor und entspringen 
meist viel breiter. 

Ausser diesem Negerinbecken habe ich vier Skelete von 
Negerinnen in der anthropologischen Galerie des Pflanzengar- 
tens zu Paris und drei im anatomischen Museum zu Berlin 
untersuchen können; von sechs anderen habe ich einzelne 
Haasse den Tabellen Vroliks und Joulins entlehnen kön- 
nen. Die mir zu Gesicht gekommenen Negerinbecken haben 
alle manches Gemeinsame mit dem j^i^a^efschen, wenn auch 
einige der in die Augen fallenden Merkmale de^^eVV^eiv \i\OQX 
bei allen so deutlich licrvortraten. Die HüttlodieT \vAi^ Väi 



^ 1/ ; 



46 It Martin^ Beokenmeasutig im veMcbled. Menflokenraeen. 

nur bei den BerlmcT Negerinhückeri unlersyrht und bei AB i 
viel sclmialer als di« deutschi'ti im Üurcb^clinilte gefundf 
wenn auch bei keinem anderen so klein , wie bei dem j? 
^e^scben» (jndnrebsichüg sind die Darmbeinscbaufeln 
serbs. wenig dorscheinend bei 5 meiner THl^elle, hei keil 
?on mir heol»acblelen in hohem (irade durchsichtig, 
grosse Herken geht meisl seliarf, W\ mehreren alper^ 
beim ^"ö^^^schen allmidig ins Meine uher. Has Kreu/i>ein 
meisl in der Länge wie Breite gleicbmässig und stelig coi 
gel>ogen* Es hesleljl bei !I. und V. der hier bei gelüsten gi*i>ss< 
Tabelle ans sechs falschen VVirbehi. Der Vcirberg sieht luei 
bücb über dem Beckerietngange und ragt nur bei einem Beck* 
so stark in den Beckeneingang hinein, wie gewubnhch bell 
deutschen Becken. Bei den ni^jigen hat daher der ßeckei 
eingang eine kreisrundere Form, die manchmal wie bei 
A^a^^rschen dadurcli, dass der Querdurch messer weit hinl 
gelegen ist, sicli der Form eine;^ Dreiecks oder eines Keil* 
mit nach vorn gerichteter Spitze nfdiert. Die Coiijuga 
ist im Verbal tniss zu den anderen Durchmessern meisl grdj 
Bcr, als beim deiitschen Becken. Die schrägen und 
quere Durchmesser sim! metirmals weit unter den d 
drigsten Angaben der europäischen Autoren, Am Beck* 
ausgaiige sind mit Ansnalnne des Abstandes der Spinae I: 
die anderen Durchmesser weit grösser, ebenso der WinI 
des Schamhogeus, der nach Joulin im Mittel, wie an Ni 
geh Becken 93** missl, während icli ihn im Dnrcbscbnilil 
beim europäischen zu 81** gefunden habe, Sammtliche aus 
seren Maasse sind bei den meisten Becken unter dem, 
europäischen I wie ein Blick auf die grosse Tabelle zeigt. 
Der Knoclienbau ist bei den meisten Becken stärker als hei 
dem A"a^e/'schen, und bei mehreren sind ordentliche Exo* 
stosen zu !»emerken so bei V* an der Aussenseite der Cri^ 
stae, bei VlI* liintcr der Symphyse. 

Von Mischlingen zwischen Negern und Weissen hesitsse 

ich nur wenige nicht sehr braucbijare Messungen. Die einen 

beziehen sich aur eine Mulattin iins Mada^^ascar, deren Vater 

schwarz, deren Mutter weiss war. Freilich ist es bei der 

gemischten Bevölkerung dieser \wsA md\\. \ysa.x ^<y«\%^, ob 

ihr schwarzer Vater ein T^egcr viat , o^S^^^t ^^XOüssc ^^^ « 



i 
muigea bei gaaz kleinef Coi^psigaU. 



Ar Bdiwaner Vater ein Negw . nwr , ö4wc ^äs^ät ^^^ä « 



II. Martin^ BeckenmeAsung an yerschied. Menschenraeen. 47 

angehörte. Dieselbe hatte etwa 20 Jahre alt in der Entbin- 
dungsanstalt des Binnengasthuises zu Amsterdam einen leben- 
gebliebenen Sohn leicht geboren und ist dann an Puerperal- 
fieber gestorben. Das Skelet ist klein, die Knochen sind 
Ton mittlerer Stärke^ die Tubercula ziemlich entwickelt, die 
Schaufeln kaum durchsichtig. Der Eingang ist kreisrund, 
der Yorberg kaum vorstehend. Das andere Mischlingsbecken 
ist das von Vrolik als das einer „Mestizin'' angeführte aus 
Surinam, von weissem Vater mit einer Mulattin gezeugte, 
welches mit ersterem freilich nur wenig übereinstimmt. 

Den Negern will ich die denselben geographisch benach- 
barten Buschmänner anreihen. Ein weibliches Becken ihrer 
Race habe ich in der Sammlung des College of Surgeons zu 
London untersucht, wohin es durch Bickersteth, Arzt am 
Somerset Hospital in der Capstadt geschickt worden ist. 
Das Skelet ist nur 140 Centimeter lang und kleiner als alle 
anderen Skelete in derselben Sammlung mit Ausnahme des 
Skelets eines männlichen Buschmanns, welches noch kleiner 
ist. Auch das Becken ist bei der Buschmännin sehr klein. 
Sehr merkwürdig ist der Beckeneingang, der im Querdurch- 
messer nur 94 Millimeter misst, also bei der Conjugata von 
100 Millimeter in hohem Grade stehendoval ist, etwa wie 
ein durch beiderseitige Ankylose der Hüftkreuzbeinfugen quer- 
verengtes Becken. Freilich fehlen die Seitenflügel des Kreuz- 
beins bei ihm nicht, das ganze Kreuzbein ist aber sehr 
schmal, nur 80 Centimeter breit, wie es auch nur 80 Mil- 
limeter lang ist. Der Vorberg überragt den Eingang sehr 
wenig, nämlich nur um acht Millimeter, und ragt auch nur 
drei Millimeter über die Ebene der Bogenlinie hervor. Der 
letzte Lendenwirbel bildet übrigens schon mit dem vor- 
letzten einen vorspringenden Winkel, und articuUrt durch 
breite Querfortsätze mit den Seitenbeinen. Die Röhrenkno- 
chen sind aüe sehr dünn, die Darmbeinflügel aber nicht durch- 
sichtig. 

Vrolik giebt bei seinem Buschmänninbecken auch die 
Darmbeinflügel als undurchsichtig an, aber seines, wie die 
zwei von Joulin beschriebenen Buschmänninnen hatten einen 
im Verhältniss zum Londoner grossen Querdurc\ime&%»et ^<^% 
hefkeneiDgauges bei ganz kleiner Conjugata. 



48 U. MarttHj Beckenmessang an yersohied. Mensehenraeen. 

Noch deuüicher als die Becken der Negerinneu und 
Buschmänninnen zeigen die von mir untersuchten Becken tod 
Malaiinnen iibereinstimroende Charaktere, welche sie ebensowohl 
Ton den Becken der europäischen wie anderer Racen unter- 
scheiden. Diese malaischen Becken sind zum Theil aus java- 
nisclien Hospitälern nach den Niederlanden geschickt, zum 
Theil stammen sie von Ammen und Dienerinnen jener Race 
her, welche mit holländischen Familien von den Sundainselo 
abgereist, in den Amsterdamer Hospitälern gestorben sind. 
Der zuerst in die Augen fallende Charakter dieser javanischeo 
Becken ist aus der Tabelle ersieh dicht : der kleine Quer- 
durchmesser des Beckeneinganges, bei meist grosser Conju- 
gata bis zu 5^/' oft grösser als der quere und die schrägen 
Durchmesser. Der Beckeneingang ist daher bei den meisten 
rund oder stehend eiförmig. 

Ein guter Repräsentant dieser Becken (Tafel H.) befindet 
sich in der Sammlung der Universitätsentbindungsanstalt zu 
Berlin, deren Director, mein Vater, dasselbe von Professor 
Simon Thomas in Leiden 1864 zum Geschenk erhalten 
hat. Dasselbe stammt von einer erwachsenen , aber jungen 
Person guter KörperbeschafTenheit, welche im Irrenhause zu 
Surabaia gestorben ist. Das Becken ist, wie alle anderen 
javanischen Becken, ausserordentlich zierlich und leicht: Wäh- 
rend eine Anzahl naturlicher Becken von deutschen Frauen 
zum Theil ohne Oberschenkel zwischen 29 Loth und zwei 
Pfund wogen, wiegt das javanische nur 25 Loth , obgleich die 
daran befindlichen Stucke der Oberschenkel zehn Centimeter 
lang sind. Die daran befindlichen Lendenwirbel sind sehr 
schmal und ihre Gelenkfläche sehr rund im Gegensatze zu 
der am Negerinbecken, die Querfortsätze sind dünn und 
schlank, mehrfach spitz zulaufend. Das Kreuzbein ist schmaler 
als bei allen anderen Racen und verjungt sich ziemlich stetig 
nach unten, während die Körper der falschen Wirbel ziem- 
lich gleich breit bleiben. Die Zwischenwirbellöcher sind gross, 
die Dornfortsätze sind klein. Das Steissbein bietet nichts 
Ungewöhnliches dar, es ist 28 Millimeter lang. Die Dann- 
beinflugel sind dünn und durchsichtig, ihr Rand ist eckig« 
indem er sich in der Mitte stark erhebt und von da nach 
vorn und hinten gerade abföiW. kw^^w ^\tA ^\^ kos&MA der 



n. Martin^ Beekeomessang an verschied. Mensch enracen. 49 

MascuH glutaei nur schwach angedeutet. Die Schaufehl stei- 
gen dahei ziemlich steil an, und zeigen kaum eine Aushöh- 
lung an der Innenfläche. Links ist das Foramen nutritium 
stark ausgeprägt, rechts in zwei getheilt. Alle Tubercula 
und Spinae am Becken, sowie die Trochan leren sind zieriich, 
aber vorspringend, das rechte Tuberculum ileopectiueum ist 
KU einem kurzen schneidenden Grad zugeschärft, wie man ihn 
auch manchmal an europäischen Becken findet. Die Fora- 
mina obturatoria sind grösser und besonders breiter als die 
der Negerinnen, aber kleiner als die der Weissen; sie sind 
42 Millimeter hoch und 20 Milhmeter breit. Die Schamfuge 
ist sehr niedrig, die Schambeine und Sitzbeine sind sehr 
dftnn und schmal. Die Schenkel der Schambogen sind in 
hohem Grade nach aussen gebogen, so dass der Schambogen 
einen sehr regelmässigen flachen Bogen bildet. Die Spitze 
desselben stellt mit den Sitzhöckern einen Winkel von 93^ 
dar. Die Sitzbeinstacheln endigen spitz und stehen 92 Mil- 
limeter weit von einander ab. Die Oberschenkel sind sehr 
zierlich dünn und rund; ihre Rindensubstanz ist dünn, aber 
fest. 

Die anderen javanischen Becken sind alle ebenfalls zier- 
lich und leicht. Bei keinem habe ich an den Darmbeinflu- 
geln den Mangel einer durchscheinenden Stelle notirt, wohl 
aber bei dem von der Insel Nias, welches sonst mit denen 
von Java übereinstimmt. Dagegen befinden sich unter den 
Becken von Java zwei, welche nicht allein einen grösseren 
Querdurchmesser und eine kleinere Conjugala zeigen, als die 
meisten dieser im Eingange runden Becken, sondern sogar als 
viele europäische. Aber beide sind unschwer als krankhafte 
Abnormitäten zu erkennen. Das eine in die Tabelle als 
XXXIX. aufgenommene bat schon Zaajer (bei dem es das 
siebente Becken ist) als rachitisch nachgewiesen; dieses Prä- 
dical kommt aber mit noch grösserem Rechte dem XL (2198 
der anthropologischen Galerie des Pariser Jardin des Plan- 
tes) zu, welches kaum einen Unterschied zwischen Spinae 
und Crislae, eine abnorm kleine Conjugata externa von 166 
Millimeter == 6" 2'" und Conjugata vera 90 Millimeter = 
3'' 4t'", eine ziemliche Verschiedenheit iWx scAvt^^'pjw X^vycOkv- 
messer, ein erst sehr gerades, im vierlexi W\v\\e\ i^VAiXxösv 

Jf«uito#o2ir./. öobartak. 18ÖÖ. Bd. XXVIIl.,Hft. l. ^ 



50 n. Martin^ Beokenmessang^ an verschied. Menechenraeeo. 

umknicktes Kreuzbein zeigt, vor allem aber einem Skelete 
mit krummen Oberschenkeln angehört. Uebrigens finden sieb 
auch, abgesehen von diesen beiden Becken, noch einige Ab- 
normitäten unter den javanischen Becken: so besteht das 
Kreuzbein bei XXIV., XXX. und XXXI. je aus sechs falschen 
Wirbeln; so sind mehrere Becken, besonders XXV. und XXXI., 
schief im Beckeneingange, so dass die Conjugata vorn nach 
links von der an den Querdurchmesser senkrechten Richtung 
abweicht. 

Wenn auch nicht ethnographisch, so doch geographisch, 
reihen sich den Javanesen die Bewohner der Insel Neu- 
Guinea, theiis Papuas, theils Australneger oder Alfurus an. 
Von ihnen ka^n ich nur nach einem Exemplar und zwar 
nach Joulin berichten. Nach den ihm entnommenen Maas- 
sen hat das Becken einige Aehnlichkeit mit dem europäi- 
schen, von dem es hauptsächlich in der Grösse dei* Conju- 
gata abweicht, so dass es im Eingange viel runder als das 
europäische erscheint« Noch mehr nähert sich dem europäischen 
Becken das einer Australierin , das ich im Museum des Col- 
lege of Surgeons zu London gemessen habe, und bei dem 
auch die Conjugata der europäischen entspricht; nur ist bei 
ihm das Seitenbein höher. Das ist auch der Fall bei einer 
Eingebornen von Neu-Irland (einer neben Neu-Guinea gele- 
genen Insel), deren Skelet im St. Thomas'-Hospital zu London 
unter Nr. 1428 und 700 (siehe Catalog der Sammlung I., 
pag. 84) aufliewahrt wird. Das Becken zeichnet sich sonst 
durch eine sehr grosse Conjugata und grosse Durchmesser 
des Beckenausganges aus. Es hat auch, wie das australische, 
schlanke und dünne Knochen, und wie jenes sehr durchsich- 
tige Darmheinflugpl und ein grosses dreieckiges Foramen 
obturatorium. Aelinliche nur meist kleinere Maasse haben 
fünf Becken von der Insi'l Neu-Caledonien, welche wie Neu- 
Irland von pelagischen Negern bewohnt wird. Nach den we- 
nigen Zahlen, die ich über diese in Paris befmdlicben Becken 
dem Memoire Joulins entnehmen kann, scheinen dieselben 
im Eingange ziemhch rund. Besonders auffaUig ist dabei, dass 
die schrägen Durchmesser entweder grösser oder kaum kleiner 
siadf als die queren. Ferner zeigen die Neucaledonierinnen nach 



n. Martin^ Beckenmessung an versehied. Henschenra^en. 51 

Joulin einen spitzeren Schambogen, als die Weiber aller an- 
deren Racen, im Mittel von 79 ^ im Minimum von 55^. 

Von amerikanischen Ureinwohnerinnen habe ich nur zwei 
Becken gesehen, von denen das eine in dem anatomischen 
Museum zu Berlin aufbewahrte einer Botokudin angehört, das 
andere im Pflanzengarten zu Paris einer Mumie aus Sud- 
amerika. Im Museum des College of Surgeons in London 
ist noch das Seitenbein nebst einigen anderen Knochen von 
einer Feuerländerin. Dieselbe muss ziemlich gross gewesen 
sein, da der Oberschenkel vom Trochanter zum Epicondylus 
externus 40 Centimeter, und die Tibia 36 Centimeter misst. 
Dem entsprechend ist auch das Seitenbein gross, besonders 
sehr hoch, denn es misst vom Tuber Ischii zur Spina an- 
terior superior 17 Centimeter, eine Höhe, welche die fast 
aller, besonders aber die der anderen amerikanischen Becken, 
bedeutend übertrifft. Die Lange des Darmbeinkammes von 
einer Spina zur anderen ist nicht in dem Maasse gross, sie 
betragt 15 Centimeter, die Lange des ganzen Knochens von 
der Scharafuge zur Spina posterior superior ist auch nicht 
gross, da sie 170, also nur ebensoviel als die Höhe misst. 
Das Pariser Mumrenbecken ist im Gegentheile klein, und be- 
sonders das Seitenbein von geringer Höhe, der quere Durchmesser 
aber \yegen geringer Breite des Kreuzbeins klein, die Darm- 
beinflilgel sind undurchsichtig. Das Berliner Botokudinnen- 
becken hat ebenfalls ein schmales Kreuzbein, welches ziem- 
lich spitz nach unten zuläuft, unterscheidet sich aber von 
dem vorigen besonders dadurch, dass seine schrägen Durch- 
messer viel kleiner sind , sein Eingang also weniger rund, 
ferner dadurch, dass seine Darmbeinflugel durchsichtig sind 
und seine Bogenlinie scharf ist. Die Foramina obturatoria sind 
klein, 44 Millimeter hoch, 31 Millimeter breit und deutlich 
dreieckig. Seine Oberschenkel sind deutlich dreikantig, quer 
zusammengedruckt, und ein wenig gekrümmt; in höherem 
Grade gekrümmt sind die Unterschenkel. Alle Knochen sind 
zierüch, die Tubercula meist deutlich, aber schmal. 



52 U- Martifit Beckenmessnng an verschied. Menscheoraeen. 

Es stimmt also die Untersuchung der knöchernen 
Becken in mehreren Punkten mit der der lebenden Weiber 
überein. Die Becken aussereuropäischer Racen, wenigstens 
derjenigen, von welchen genauere auf grössere Reihen ge- 
stutzte Mittel vorliegen, sind kleiner als die europäischen. 
Ferner zeigt sich das üebergewicht der Europäerinnen haupt- 
sächlich in den Querdurchmessern; nur wenige Individuen 
der grossen Tabelle eri*eichen in den Querdurch messem das 
europäische fiflittel. Ja, manche und zwar auch solche, welche 
gesundheitgemäss geboren haben, stehen so tief unter den 
bei Europäerinnen vorkommenden Maassen, dass sie bei uns 
für eng gebaut erklärt wurden. Nur in der Grösse der ge- 
raden Durchmesser übertreffen viele Becken das europäische 
relativ zu den andern Maassen; einige wenige auch absolut. 

Es sind nämlich nach der vorn beigefügten grossen Ta- 
belle die Mittel 

d.Conjng. des Qiier> d.schrägooD. 
Vera, dnrchm. desEingang^. 



bei den 8 Austrainegerinnen 


114 


126 


125 


„ „ 2 amerik. ürcinwoh- 




I 




nerinnen 


117 


123 


119 


„ „ 20 Malaiinnen mit 








Einschluss der ra- 








chitischen 


112 


119 


117 


(„ „ , 18 wohlgebauten Ma- 








laiinnen 


115 


117 


116) 


„ „ 4 Buschmänninnen 


96 


116 


114 


„ „ 15 Negerinnen 


101 


120 


118 


und nach dem oben Mitgetheil- 








ten ist das Mittel von 16 








in der Anatomie zu Berlin 








gemessenen Becken 


107 


136 


127 


Es verhalten sich also zur Conjugata vera, 


wenn wir 


dieselbe gleich 100 setzen, 









der Quer- die schräg. Drchm. 

dnrchm. des Eingungn 

bei den 8 Australnegorinnon wie llO, wie 109 

„ „ 2 amerik. Ureinwoh- 

nerinnen ,, Vä, ,, \Q\ 



II. Martin^ Beokemnessung^ an yerschied. Menschenracen. 53 





der Qaer- 


die schräg. Drchm 




durchm. 


des Eingangs 


bei den 20 Malaiinnen mit Ein- 






schluss der 2 ra- 






chitischen 


wie 106, 


Wie 104 


(„ „ 18 wohlgebauten Ma- 






laiinnen 


„ 100, 


„ 100) 


„ „ 4 Buschmänninnen 


„ 120, 


„ 118 


„ „ 15 Negerinnen 


„ 118, 


„ 116 


„ „ 16 europ. Becken aus 






der Anatomie zu 






Berlin 


„ 127 


„ 118 



Nach dieser Tabelle können wir die gesammten Becken 
in zwei Ilaupigruppen vertheilen: 

Die erste Gruppe enthält die mit rundem Beckeneingange, 
bei denen die Conjugata fast oder ebenso gross ist, als die 
anderen Durchmesser des Beckeueingangcs, und jedenfalls 
nicht um mehr als ein Zehntel ihrer Länge von ihnen uber- 
troßen wird. Diese Gruppe umfasst die Urbewohnerinnen 
Amerikas, Australiens und der Inseln des indischen und gros- 
sen Oceans. 

Die zweite Gruppe enthält die mit querovalem Becken- 
eingange, bei denen die Conjugata um mehr als ein Zehntel 
kleiner ist als quere und schräge Durchmesser. Diese Gruppe 
umfasst die Bewohnerinnen Afrikas und Europas. Unter die- 
sen haben wieder die Weissen den breitesten Beckeneingang. 

Die TabeUe des Beckeneinganges stimmt in einigen 
Punkten nicht mit der an Lebenden gewonnenen, das grosse 
Beeken betreffenden überein. Dort haben die Amerikane- 
rinnen einen ziemlich breiten, hier aber einen sehr runden 
Eingang, dort haben die Buschmänninnen ein sehr schmales 
Becken, hier erscheint der Eingang desselben sehr breit. 
Diese scheinbaren Missverhältnisse durften sich zum Theil da- 
durch erklären, dass bei den Buschmänninnen die Seitenbeine 
sehr gerade nach oben gerichtet und relativ sehr hoch sind, 
wie die folgende Tabelle zeigen wird. Uebrigens stimmen 
die von mir genau untersuchten Becken dieser Bacen, näm- 
lich das ßotokudinbecken zu Berlin und da% ftxx^^xci'tocvwi- 
hecken zu London besser zu meinen au^sex^u 'ä^^wä^«^-» 



/ 



54 n. Martin, Beckenmessnng an verschied. Mensohenraoen. 

als die aus Joulin und Vrolik genommenen Zahlen. Be- 
sonders entspricht das Buschraänninbecken zu London in dem 
stehendeiförmigen Eingange mit den kleinen Querdurchmes- 
sern ganz den an der lebenden Buschraäunin erhaltenen Zah- 
len. Unter allen Gesichtspunkten zeigen übrigens sowohl 
Buschmänninnen als amerikanische Ureinwohnerinnen viel run- 
dere Becken als die Europäerinnen. 

Weil die Maasse des Beckeneinganges am skeletirten 
Becken unsicher sind und am Lebenden gar nicht gemessen 
werden können, habe ich, wie im Eingange bemerkt, einige 
unter allen Umständen sichere Maasse in die Tabelle aufge- 
nommen. Es sind die der Aussenseite jedes Seitenbeines: 
die Länge des Seitenbeines von der Spina posterior superior 
zur Schamfuge, die Höhe des Seitenbeines vom Tuber Ischii 
zur Spina anterior superior derselben Seite und die Länge 
des Darmbeinkammes von der Spina anterior superior zur 
Spina posterior superior derselben Seite. Zwei von diesen 
Maassen, die Länge des Seitenbeineij und die Länge des Darm- 
beinkammes hat vor Jahren schon mein Vater gemessen, als 
in Jena ein Beinhaus aus dem 14. Jahrhundert, in welchem 
Knochen vom 10. bis zum 14. Jahrhundert lagen, geöffnet 
wurde. Er hat daraus 16 weibliche Seitenbeine gemessen 
und im Mittel die Länge des Seitenbeines zu 176, die Länge 
des Darmbeinkammes zu 151 gefunden. Meine Messungen 
geben 

f.d.Länge f. d. Höhe f.d.Lge.d. 
d. Stb., d. Stb. Darmbk. 
an den Becken der Europäerinnen 

im Mittel 180 159 154 

an den Becken der Negerinnen im 

Mittel 176 155 148 

an den Becken der Buschmän- 

ninnen im Mittel 140 132 115 

m deo Bedcen (aller 20) Ma- 

<•- Mittel 168 144 142 

*MP aroerik. Ur- 

"»-{mMHtel 170 149 137 

\iiBtrabieg«- 

YIO Vi^ \^ 



n. Martin^ Beckenmessung an verschied. Menschenracen. 55 

Das giebt im Verhältniss zur Länge des Darnibeinkam- 
mes gleich 100 

für die Länge d. Seiten- f.d. Höhe d. 
beines Seitenb. 
an den Becken der Europäerinnen im 

Mittel 116 103 

an dem Becken der Negerinnen im Mittel 118 104 

„ „ „ „ Buschmänninnen im 

Mittel 121 114 

,, „ „ (aller 20) Malaiinnen im 

Mittel 118 101 

„ „ ,, der amerikanischen Ur- 

einwohnerinnen im Mittel 123 108 

an den Becken der Austrainegerinnen 

im Mittel — 106 

Dass diese Maasse eine gewisse Constanz haben, wird 
dadurch bezeugt, dass die von meinem Vater an den deut- 
schen Knochen aus dem Mittelalter gefundenen Maasse genau 
dasselbe Verhältniss, wie die von mir an den aus der Ana- 
tomie zu Berlin gefundenen ergeben, bei ihnen verhält sich 
nämlich die Länge des Darmbeinkammes zu der des Seiten- 
beines auch wie 100 zu 116. 

Die ganze Vergleichung giebt in Worten das Resultat, 
dass das Seitenbein bei den Europäerinnen am kürzesten, bei 
den Amerikanerinnen am längsten, bei den Malaiinnen am nie- 
drigsten, bei den Buschmänninnen am höchsten erscheint, 
Merkmale, von denen das für die Becken der Malaiinnen we- 
nigstens regelmässig zutreffend zu sein scheint. 



Alle die von mir zusammengestellten Messungen ergeben 
nun folgende Kennzeichen für den Durchschnitt der Becken 
der untersuchten Menschenracen: 

A. Das Becken der Europäerin ist das geräu- 
migste; an demselben ist das grosse Becken breiter als 
bei irgend einer anderen Race, und zeigt den gross ten Ab- 
stand der Spinae anteriores superiores ossiuni Ilium, sowie 
der Cristae Uium. Sein Beckeneingang ist wesentlich (\^a^\- 
oja) mit massig kleiner Conjugaia vera, ^bet ^%^\sX >ais^^ 



56 U. Martin, Beckenmessnng an yerschied. Menschenraoen. 

relativ grossen schrägen und queren Durclimesseni. Die 
Darmbeinflngel sind meist durchsichtig. 

B. -Das Becken der Negerin ist kleiner, besonders 
aber schmaler, sein Eingang ist ebenfalls queroval, aber 
die Conjugata vera sowie alle Längsdurchmesser sind relativ 
grösser als beim europäischen. Das Kreuzbein ist breit und 
lang. Die Foramina obturatoria sind klein. Die Darmbein- 
filugel sind meist undurchsichtig. 

C. Das Becken der Buschmann in ist entsprechend 
der kleinen Statur des ganzen Körpers kleiner als bei jeder 
anderen Race. Die Darmbeinflugel sind bei allen darauf un- 
tersuchten Exemplaren undurchsichtig. Die Seitenbeine sind 
im Verhältniss zur Länge der Darmbeinkämme ziemlich lang 
und höher, als bei irgend einer anderen Race. Der Becken- 
eingang ist manchmal hochgradig stehend oval 

D. Das Becken der Malaiin von Java und den Nach- 
barinseln ist ebenfalls schmal, es zeigt geringe Abstände der 
Spinae und Cristae im Verhältnisse zu der ziemlich grossen 
Conjugata. Die Conjugata vera ist sehr lang , der JBecken- 
eingang deshalb sehr rund, und bei vielen Exemplaren so- 
gar stehendoval. Die Darmbeinflügel zeigen bei allen java- 
nesischen Becken grosse durchsichtige Stellen. Die Seilen- 
beine sind relativ am niedrigsten. 

E. Das Becken der Ureinwohnerin von Amerika ist 
nach den mangelhaften vorhandenen Exemplaren durchschnitt- 
lich wenig kleiner als das europäische von rundem Eingange, 
grossem Ausgange und langen Seitenbeinen. 

F. Das Becken der pelagischen und Austral- 
negerinnen zeigt ziemlich grosse Abslände der Spinae und 
Cristae, eine grosse Conjugata vera, einen kleinen Querdurch- 
niesser und massige schräge Durchmesser, also einen ziemlich 
runden Beckeneingang. 

Von anderen Racen und Völkerfamilien, zum Beispiel 
den mongolischen in Asien, habe ich weder Becken noch 
Beckenmessungen finden können. Auch will ich keineswegs 
die ebengezogenen Schlüsse als wirklich für alle Becken oder 
nur für den wirklichen Durchschnitt aller Becken einer Race 
als massgebend hingestellt haben; sie sollen nur als Resultat 
der bis jetzt grössten Sammlung No\\T\ec,Wvca^%%\vcv«,«\^<?illcn. 



IL MarUn, Beckenmessnog an Terschied. MensohenrAceo. 57 

Dass wirkliche Verschiedenheiten bestehen, das scheint aller- 
dings unumstösslich , besonders Angesichts des Tafel Ilf. bei- 
gefügten Durchschnitts von Beckeneingängen. Dieselben habe 
ich gewonnen, indem ich Pappscheiben so lange ausschnitt, 
bis sie ganz genau in den Beckeneingang passten, das heisst 
der Bogenlinie von der Schamfuge bis zur Huftkreuzbeinfuge 
möglichst anlagen. Den Vorberg erreichten sie naturlich 
nicht, sondern berührten eine Strecke weiter unten, meist 
didit aber den oberen Zwischenwirbellöchern das Kreuzbein. 
Senkrecht auf ihre Ebene habe ich dann die Vorragung des 
Kreuzbeins mittels eines auf dieses aufgesetzten Bleistiftes 
bezeichnet. Auf den Pappscheiben habe ich dann noch die 
Grenzen der Huftkreuzbeinfugen , der Schamfuge und die 
Verwachsungsstellen der Dann - und Schamstücke jedes Sei- 
tenbeins bezeichnet. Das zu solcher Darstellung benutzte 
Becken muss entweder natürlich oder sehr gut zusammen- 
geffigt sein. Die auf der beigogebenen Tafel III. dargestell- 
ten Beckeneingänge stammen A von einem aus der Berliner 
Anatomie, welches dem dort gefundeneu Mittel am besten ent- 
sprach ; B. von Nagels Negerinbecken (I. der Maasstabelle) ; 

C. von Martins Javanesinbecken (XXI. der Maasstabelle); 

D. von dem Becken an dem Buschmänninskelet des College 
of Surgeons in London. Kaum wird je ein gesundes euro- 
päisches Becken ein so flaches Kreuzbein besitzen, als das 
der Negerin, oder einen so runden Eingang, wie das der 
Javanesin, oder gar einen so stehendovalen und keilförmigen, 
wie das der Buschmannin. 

Es lässt sich nun erwarten, dass bei so wesentlich ver- 
schiedenem Becken auch ein wesentlich verschiedener Me- 
chanismus der Geburt zur Beobachtung käme, besonders dass 
bei stehendeiförmigem Beckeneingang der kindliche Kopf von 
Anfang an mit der Pfeilnaht sich mehr in die Conjugata 
stellt. Ob das wirklich der Fall ist, ist mir weder aus meiner 
transatlantischen Praxis, noch aus Mittheilungen oder der Li- 
teratur bekannt. Die Farbigen in Brasilien gebären nicht 
auffallend schwerer oder leichter als unsere Frauen. Neben 
vielen leicht verlaufenden Schadellagen kommen auch schwere 
Entbindungen und Todesfälle der Mütter, und besolvd5^:c% 
häufig iodtgeboreue Kinder vor. Doch wer&ew d\^ \^\w 



/ 



58 U> Martin, BeckenmeManff an verschied. Menschenraoen. 

ZU diesen unglücklichen Ausgängen wohl vielfach in Syphilis 
und in gonorrhoischer Colpitis mit Endometritis zu suchen 
sein. Die theoretisch plausibel klingende Behauptung Vrolika^ 
dass die Javanesinnen mit Kindern von javanischen Vätern 
leicht niederkämen, mit solchen von weissen Vätern schwer, 
wird durch die Beobachtung von Professor Lehmann in Am- 
sterdam, der öfters Entbindungen javanischer Dienstmädchen, 
die in Amsterdam geschwängert waren, daselbst im Amster- 
damer Gebärhause meist leicht und schnell verlaufen gesehen 
hat, widerlegt. Auch die in und bei Kalkutta eingebornen 
Frauen haben nach der Mittheilung des Dr. Edmonston 
Charles, Professor der Geburtshülfe an der dortigen Univer- 
sität, keine wesentlichen Verschiedenheiten im Verlaufe und 
Mechanismus der Geburt beobachten lassen; die Entbindun- 
gen sind höchstens etwas schneller verlaufen und fast nie 
durch Beckenenge in Folge von Rachitis oder Osteomalacie 
complicirt worden. Ebenso behauptete eine schwarze Heb- 
amme aus Senegambien, die ich im Rotundohospital zu Du- 
blin, wo sie sich weiter ausbildete, antraf, dass die Geburten 
in ihrer Heimath keinen Unterschied im Verlaufe von iden 
von ihr in Dublin beobachteten wahrnehmen Hessen. Leichte 
und schwere Geburten verhielten sich in Senegambien ähnlich 
wie in Europa. Freilich fehlt noch ein sehr wichtiges Mo- 
ment zu einem Schlüsse über den Geburtsmechanismus, näm- 
lich die Grösse des Kopfes an den neugebornen Kindern der 
betreffenden Racen. Doch mag auch, abgesehen davon, die 
Erleichterung, welche die rundere Form des Beckeneinganges 
und die geringe Vorragung des Kreuzbeins gewährt, durch 
die allgemeine Kleinheit des Beckens bei jenen Racen auf- 
gehoben werden. 



III. Küneke, Zar Deoapitation des Fötaa. 59 



III. 

Zur Decapitation des Fötus. 

Von 

Dr. W. Küneke, 

Privatdooent In Qöttingen. 

In Anschlass an meine früheren Publicationen : Die De- 
capilation des Fötus (Schuchardt*s Zeitschrift für praktische 
Heilkunde u. s. w. Bd. I., S. 49. 1864.) und Eine Decapita- 
tion nach Karl Braunes Methode, nebst Bemerkungen zu 
den Ansichten L, Lehmann*s fiber diesen Gegenstand (Mo- 
natsschrift für Geburtskunde Bd. XXV., S. 368. 1865.), ver- 
statte ich mir im Folgenden einen weiteren Beitrag zur De- 
capitation des Fötus vorzulegen. Derselbe besteht aus drei 
neuen Beobachtungen, von denen zwei anderen Aerzten an- 
gehören. Diesen Beobachtungen werden sich einige Bemer- 
kungen anschliessen. 

Am 23. Februar 1866 wurde ich von Herrn Dr. Eid- 
derhoff, Arzt in Nörten, wegen eines Geburtsfalles nach An- 
gerstein, eine Meile von Göttingen, zur Consultation gerufen, 
wo ich 3V2 Uhr Nachmittags erschien. 

Herr College R. berichtete mir zunächst, dass eine 
Querlage vorhanden und die Wendung wegen fester Um- 
Bchliessung des Uterus um den Fötus ihm unmöglich sei. . 
Als die Hebamme, gegen Abend des vorhergehenden Tages 
gerufen , keine Blase und keinen vorUegenden Kopf fühlte, 
verlangte sie ärztliche Hülfe. Herr Dr. E. fand noch den- 
selben Abend eine Schulterlage, den Uterus wasserleer und 
wehenlos, die Kreissende sehr angegriffen. Da in dem noch 
nicht genügend vorbereiteten Muttermunde ein HiQdevi\\%% ^\kx 
die Wendung bestand, so hielt es 12. für r)L\]n\\di^ &«^d^w^ 



60 ni. Künekßf Zur Deoapitation des Fötiu. 

noch aufzuschieben. Am anderen Morgen, den 23. Februar 
11^2 Uhr nach gänzlich verstrichenem Muttermunde, wollte 
nun R. die Wendung auf die Ffisse ausführen. In der Qucr- 
lagerung der Kreissenden führte er, da der Kopf auf der 
rechten Darmbeinschaufel lag, die rechte Hand ein, und boflle 
bei nach hinten befindlichem Rücken der Frucht in der Art 
direct zu den Füssen zu gelangen, dass er, den Rücken seiner 
Hand von vorn herein nach vorn gewandt, mit derselben ge* 
rade nach oben vordrang. Allein wenn schon der fest um- 
schnürende Muttermund nur mit grossen Schwierigkeiten und 
ganz allmäh'g zu passiren war, und die Hand auch bis zur 
Bauchfläche des Fötus und Berührung der pulslosen Nabel- 
schnur sich empor arbeitete, so blieb es doch unmöglich, 
die Füsse zu erreichen und unter gewalliger, höchst schmerz- 
hafter Pressung der Hand durch den sich stetig contrahiren- 
den Uterus ward R, zum Rückzuge gcnöthigt, wobei der Aroi 
der vorliegenden rechten Schulter in den Beckenkanal her- 
absank. 

Die 30jährige Gebärende , Frau des Maurers Klöppner, 
hat nach Aussage der Hebamme bereits zwei Mal ein leben- 
des Kind in Kopflage langsam, aber glücklich zur Welt ge- 
bracht. Mitte August vorigen Jahres ist sie zuletzt men- 
struirt gewesen, so dass demnach etwa acht Wochen am 
rechtzeitigen Ende der Schwangerschaft fehlen. Gebärende 
giebt an, dass sie vor acht Tagen gefallen, dass ihr bald 
darauf und seitdem fortwährend Wasser abgeflossen sei und 
dass sie seit jenem Ereignisse stets Kreuz- und Leibschmer- 
zen verspürt habe. 

Bei der Untersuchung der kräftigen Frau fand ich äus- 
serlich den Leib ziemlich klein. Die dicken Bauchdeckeu 
Hessen den Uterus wohl umschreiben, doch ihn nicht sehr 
hart anfühlen. Auch waren die Contouren der Frucht eini- 
germaassen wahrzunehmen. Herztöne fehlten gänzlich. Ute- 
riugeräusch in der rechten Seite. Puls der an Bronchiai- 
katarrli leidenden Kreissenden 100 in der Minute. — Bei der 
iimeren Untersuchung fand ich den rechten Arm bis zum 
Ellenbogen vor den äusseren Genitalien liegen, die Schulter 
bw zur JBeckenmitte herabgedrängt ^ den Muttermund nicht 
' »Aar, im übrigen wie bemVs ^otk \it, R- ^w^^^i3ö«Bk. 



in. Künek€f Zar Decapitation des Fotas. 61 

Weil der Uterus nicht so sehr hart zu sein und das 
zeitweih'ge Wehklagen der Frau das Vorhandensein der We- 
hen anzudeuten schien, so hielt ich die Ausführung der Wen- 
dung auf die Fusse für nicht unmöglich und des Versuches 
wcrtb. 

Auf dem hohen Querlager und nach bewirkter tiefer 
Chloroformnarkose beabsichtigt«^ ich in der nämlichen Weise, 
viie schon Dr. R, zur Wendung vorzugeljen. Allein der Mut- 
tormund, welcher, sich hoch bis über den grössten Theil des 
in der Scheide frei liegenden Thorax zurückgezogen hatte, 
schnürte fest wie ein metallener Ring ein. Mit vieler Mühe 
brachte ich zwar die Fingerspitzen hindurch, doch wurden 
diese bald schmerzhaft und laub^ und an ein weiteres Vor- 
dringen war nicht zu denken. 

Ich schlug daher die Decapitation vor, die wir auch so- 
fort iij Ausführung brachten. 

Indem ich den vorgefallenen und angeschlungenen Arm 
nach der linken Seite hinüberleiten liess, führte ich meine 
linke Hand ein. Der Hals der in sich zusammongebeugten 
Frucht, welcher unterhalb des Muttermundes frei lag, war 
äusserst leicht zu erreichen. Ich brachte Zeige- und Mittel- 
finger von hinten, den Daumen von vorn um ihn herum, so 
dass sich bei der Dünnheit desselben die Fingerspitzen be- 
quem berührten. Hierauf führte ich den jBraMw'schen Deca- 
pilationsbaken mit der rechten Hand auf der linken Hohlhaiid 
zum Halse und über denselben von vorn nach hinten ohne 
Widerstand hinüber und legte ihn an, so dass sein Knopf 
meinen Zeige- und Mittelfinger berührte. Der Hals war so 
dünn, dass er fast ganz von der Krümmung des Ilakens 
aufgenommen werden konnte, und vielleicht mittels einer ein- 
zigen Torsion zu durch trennen gewesen wäre. Dennoch zog 
ich die successive Lösung vor und fasste zu dem Zwecke 
zunächst die Weichtheile der vorderen oberen Halsgegend, 
zoi; sie an und hatte schon nach wenigen Rotationen des 
Hakens denselben frei in der linken Hand. Bei dieser ohne 
grosse Kraft ausgeführten Torsion hatte die Wirbelverbin- 
duDg bereits nachgegeben, und ich fühlte dieselbe nach oben 
klaffen. Es war daher sehr leicht die WirbehduV^ &\iTc\\ ^\^ 
zv^äte Torsion gänzlich zu trennen , woraul v\\it woOci «■ 



62 m* S^üneke, Zar Ddeapitation dei Fötus. 

schmaler Streifen Weichtheile den Kopf mit dem Rumpfe in 
Verbindung erhielt. Die Lösung dieses erschien kaum noth- 
wendig, doch fasste ich auch diesen mit dem Haken. Der 
Streifen verlängerte sich unter Rotiren und Anziehen des Ha- 
kens so sehr, dass die Lösung desselben ?or den äusseren 
Geschlechtstheilen vollendet ward. 

Der Rumpf folgte einem sanften Zuge am Arme sofort 
und ging mit nach vorn und etwas rechts gerichteter Baucb* 
fläche durch den Beckenkanal und die äusseren Geschlechts* 
theile. 

Nach der Abnabelung suchte ich mit der linken Hand 
den Kopf zu entwickeln. Ich fasste ihn am Unterkiefer, der 
sogleich im Kinn durchbrach. Da der Kopf sich nicht ein- 
stellen wollte, bemerkte ich gleich, dass ich die falsche Hand 
gewählt habe, wechselte daher und fasste mit Zeige- und 
Mittelfinger im Munde und dem Daumen aussen das rechte 
Unterkieferfragment, welches genügend hielt, um daran den 
Kopf langsam und ohne Druck von aussen zu entwickeln. 
Der kleine und völlig runde Kopf ging mit nach rechts ge- 
wandtem Hinterhaupte durchs Becken. 

Die Nachgeburt folgte gleich auf Expression. 

Die ganze Decapitätionsoperation mit Einschluss der Ent- 
fernung der Nachgeburt hatte nach der Uhr die kurze Zeit 
von 15 Minuten in Anspruch genommen. 

Die Diagonaiconjugata des Beckens betrug 13^2 Centi- 
meter (5 Zoll). 

Die Grösse des Kindes und seines Kopfes entsprach etwa 
der 31. Woche. 

Die Mutter, welche bis zu Ende unter Chloroform ge- 
halten war, befand sich wohl. Ihr Uterus war gut contra- 
hirt. Ich habe sie nicht wieder gesehen. Fünf Tage nach 
der Operation erhielt ich von Dr. Ridderhoff die freund- 
liche Mittheilung, dass unsere Wöchnerin sich sehr gut be-> 
finde. Sie blieb überhaupt ohne alle Reaction, und machte 
ein normales Wochenbett durch. 

Der vorstehende Decapitationsfall zeichnet sich sehr vor- 

theilhaft durch die Leichtigkeit aus, mit der die Operation 

mch ausföbren liess. Weder an Kindesleichen im Phantom 

oder in der Mutterleiche, y\ocVi \w m^mvaü «n\«GL^vS&!^ «dl 



III» Küneke^ Zar Decapitation des Fötus. * 63 

der Lebenden ist sie mir so glatt gelungen. Während in 
letzterem Falle verschiedene Momente, wie enges Becken, 
Placenta praevia, Nabelschuurvorfail, hohe Lage der ziemlich 
stark entwickelten Frucht, und vor allen endlich die Strictur 
des Muttermundes sich combinirten, um die Operation unge- 
mein zu erschweren, trafen dagegen die Umstände in dem 
eben beschriebenen Falle in einer Weise zusammen, welche 
die Procedur nur zu erleichtern geeignet sind. Das Kind 
war klein und frühzeitig, hatte eine tiefe Lage, welche so- 
wohl den Hals leicht zugänglich machte, als auch den stric- 
turirten Muttermund ganz aus dem Spiele liess. Die tiefe 
Chloroformnarkose, welche wir zur Beseitigung des Tetanus 
uteri versuchten, hatte nicht den leisesten Erfolg. Und ich 
möchte hier die Frage aufwerfen und zugleich bejahen, ob es im 
Interesse der Mutter nicht gerathener erscheine, von der ohne- 
hin in ihrem Erfolge höchst zweifelhaften Behandlung des 
bestehenden tonischen Gebärmutterkrampfes von vorn herein 
gänzlich abzustehen und sofort zur Decapitation zu schreiten, 
wo die nöthigen Vorbedingungen dazu erfüllt sind? Ja sogar ob 
man nicht der Decapitation vor der Wendung durch innere 
Handgriffe überhaupt den Vorzug da einräumen sollte, wo 
letzterer Schwierigkeilen entgegenstehen, welche einen inten- 
siveren Eingriff in den mütterlichen Organismus erfordern, 
als die Decapitation selbst ? Zu Gunsten der Mutter darf sich 
der Arzt das Opfer nicht ersparen, welches er seiner Eigen- 
liebe bringt, indem er sich der Genugthuung begiebt, das 
todte Kind unverletzt aus dem mütterlichen Schoosse her- 
vorgehen zu lassen. 

Der Vorzug der Decapitation vor allen übrigen zer- 
stückelnden Operationen scheint mir genügend erwiesen. Sir 
James Simpson in Edinburg ist sogar der Ansicht, dass 
bei unmöglicher Rectification einer Schulterlage, der Kaiser- 
schnitt einzig durch die Spondylotomie zu umgehen sei, da 
die zwei Stunden dauernde Evisceration keine günstigere 
Prognose biete, als die Sectio caesarea. Das Braun'scYhe 
Decapitationsverfahren, auf das er nur eben hindeutet, scheint 
ihm nicht genauer bekannt zu sein. Unter Spondylotomie 
versteht er indess beiläuGg die Durchtreauuu^ &«t ^\y\^-^ 
»dute an der am tiefsten im Becken bcfii\Ä\\c\v^\i ^VöJä ä«ä- 



64 11^* Künekef Zar Deeapitation des Foias. 

selben. Als ihm in einem Falle die Deeapitation mit RamS" 
botham's scharfem Haken nicht gelingen wollte, liess er mit 
dem stumpfen Haken den fötalen Körper herabziehen ond 
durchschnitt mit einer starken Scheere die Rippen und das 
Schlüsselbein, und trennte, da das wenig in der Sache änderte, 
zuletzt die Wirbelsaule. In demselben Moment, als letztere 
nachgab, trat der Rumpf aus, und sodann der Kopf mit dem 
an ihm befindlichen Arme. Der Schnitt verlief vom äusseren 
Drittel der rechten Clavicula abwärts zur vierten oder fünften 
Rippe der entgegengesetzten Seite. Vorn war das Sternum 
unten gespalten und hinten die Wirbelsaule im vierten Rücken- 
wirbel durchschnitten. Die Knochen dos Thorax waren sämmt- 
lich subcutan getrennt, mit Ausnahme des Schlüsselbeines 
und einiger Rippen, welche jenseits der vorliegenden Partien 
sich befunden hatten (Edinb. Med. Joum. February 1866, 
p. 768 u. 771). 

Obwohl bekanntlich nach den Grundsätzen der continen- 
talen Geburtshülfe der Kaiserschnitt und die Embryotomie 
Operationen sind, welche im Allgemeinen einander ausschliessen, 
also auch nie gleichzeitig auf die Wahl kommen können, so 
scheint mir dies in Bezug auf die eine Art der Rhachiotomie, 
auf die Deeapitation dehnoch deshalb eine offene Frage zu 
sein, als bis jetzt praktisch noch nicht constatirt sein dürfte, 
bis zu welchem Verengerungsgrade des Beckens diese Ope- 
ration sammt der Extraclion des Kopfes ausfuhrbar ist, eine 
Frage, bei deren Beantwortung die Grösse des Fötus gewiss 
ein sehr we^sentliches Moment ist. 

So weit sich übrigens der Simpson'scha Fall so ab- 
stract beurtheilen lässt, wäre wohl der Flals erreichbar, und 
die Deeapitation, wenigstens nach der Braun*schen Methode, 
keine Unmöglichkeit, und auf jeden Fall dem Verfahren 
Simpson*» vorzuziehen gewesen. 

Von dem praktischen Arzte, Herrn Dr. L. Schulze zu 
Vilsen im Hannoverschen, erhielt ich unterm 7. Januar 1866 
folgenden Brief, dessen VeröfTentlichung mir de *selbe gütigst 
gestattet hat. 

Mit grossem Interesse habe ich ihre M*' eilung in der 
MonatsscbrifL über einen Fall von Deeapitation .i« ..h C. Braun 



III. Küntke, Zur Decspitatlon des Fötus. ß5 

Kurz nach Empfang eines Decapitationshakens nach der 
von Ihnen angegebenen Modification halle ich am 4 Novem- 
ber 1864 Gelegenheit, denselben bei der Frau des Schnei- 
dermeisters Bahle in Moor anzuwenden. Eine tiefe Schul- 
terlage mit Vorfall des rechten Armes bei engem Becken und 
starkem Kinde war Veranlassung dazu. Sehr heftige Krampf- 
wehen machten es mir unmöglich, selbst in der Chloroform- 
narkose, zu den Füssen zu gelangen, um die Wendung vor- 
zunehmen. Da das Fruchtwasser lange abgeflossen, die Ge- 
burt überhaupt lange gedauert hatte und die Auscultation 
kein Fötalgeräusch mehr erkennen liess, so entschloss ich 
mich zur Decapitation , indem ich, mit der linken Hand ein- 
gehend, bei links gelagertem Kopfe, mit den Fingern leict^t 
hinter den Hals gelangte, während der Daumen vorn sich 
auflegte, und ich so das Instrument von hinten über den 
Hals brachte. Dies gelang nach einigen vergeblichen Ver- 
suchen recht bald; bei der Rotation des Hakens zerriss zu- 
nächst eine Muskelpartie, dann zerbrach die Wirbelsäule und 
zuletzt noch ein Rest der weichen Theile. Der Rumpf folgte 
dem Zuge an dem vorgefallenen Arme ziemlich leicht. Da 
jetzt alle Wehen aufgehört hatten, so zögerte ich nicht län- 
ger, den Kopf mit der Zange zu holen, um die erschöpfte 
Frau bald zu Bett bringen zu können. Leichte metritische 
Erscheinungen, die am anderen Tage auftraten^ wurden durch 
locale Blutenlziehungen und eine Mixt, nitros. beseitigt. 

Ich halte dies Decapitationsverfahren für eiiie wesent- 
liche Bereicherung der geburtshülflichen Operationen in jenen 
dem Landarzte nicht selten vorkommenden Fällen von Quer- 
oder Schulterlagen, wo die Geburt lange gedauert, die Kreis- 
sende bereits sehr erschöpft, schwer zu den Füssen zu ge- 
langen ist und mit grosser Wahrscheinlichkeit der Tod des 
Kindes angenommen werden kann. Die Geburt wird dadurch 
auf schonendste Weise für die Mutter meistens in kurzer Zeit 
vollendet etc. 

Herr Dr. Schulze thut mir zu viel Ehre an, indem er 
meint, der Braun'sche Decapitationshaken sei von mir mo- 
dificirt worden. Ich habe aber in meinem ersten Aufsatze 
nur gesagt, dass die Abbildungen des Hakens, wie ovaw %\& 
in den Büchern ßüdet, nicht richtig seien xmdk d[\c; ^'dNkKek ^^f 

UonmtBBehr. f. öeburtek. Idßß. Bd. XXVllI.,Hft. 1. b 



66 III* Küneket Zar Deeapitation des Fötus. 

Instruraentenmachers Schepeler in GöUingen, vou dem 8. 
den seinigen bezogen, sind genau nach dem meinigen gear- 
beitet, den ich mir von Leiter in Wien selbst mitge- 
bracht habe. 

Die Durchtrennung des Halses gelang auch in diesem 
Falle äusserst leicht, indem nur drei Torsionen erforderlich 
waren. Leider wird dabei die ausdrückliche Angabe des Al- 
ters und Entwickelungsgrades des Fötus vermisst. Doch 
scheint er ausgetragen gewesen zu sein. Sehr interessant 
ist der Umstand, dass der Ilaken, obwohl von hinten um 
den Hals herumgeführt, dennoch die gewünschte Wirkung und 
sogar ohne Schwierigkeit entfaltete. Auch ich hatte in mei- 
nem früheren ersten Falle diesen Weg einzuschlagen ver- 
sucht, weil er der leichtere war, allein der Haken fand keinen 
Halt, musste in horizontaler Richtung angezogen werden, und 
glitt ab. Mir ist daher die Möglichkeit, die Deeapitation auf 
diesem Wege zu bewerkstelligen, bisher mindestens zweifel- 
haft gewesen. — Ferner ist hervorzuheben, dass S. bei links 
beiindlichem Kopfe den Hals doch mit der linken Hand um- 
griff, während Braun hier die rechte und bei rechts liegendem 
Kopfe die hnke gebraucht. Ich habe bereits früher ange- 
geben , dass um die grössere Kraft und Geschicklichkeit der 
rechten Hand für die Drehung des Hakens zu reserviren, ich 
stets mit. der linken den Hals fasse, der Kopf mag in der 
linken oder rechten Mutterseite sich befinden. 

Endlich sind diese beiden Decapitationen der 31. und 
32. Fall, welche nach K. Braun'% Methode überhaupt aus- 
geführt und bekannt geworden sind, während mit Ausschluss 
von Oesterreich in Deutschland die Zahl der Decapitationen 
mit jenen beiden auf drei Fälle gestiegen ist. 

Bei Gelegenheit des Referates über meine „Dacapitation 
des Fötus'* in Canatatt'^ Jahresbericht über das Jahr 1864 
äussert Spiegelberg zwei Bedenken gegen die von mir ge- 
schilderte Verfahrungsweise der successiven Durchtren- 
nung des Halses mit dem ^ratin'schen Haken, die bislang 
noch nicht laut geworden, und daher hier zu berücksich- 
tigen sind. 

Erstens sei ihm immer noch nicht deutlich, wie der die 
nach oben gelegene Schicht Aev \^e\d\\S[vv^\\fö ;vllciu fassende 



III. Künekef Zar Decapitation des Fötus. 67 

/ 
Haken diese durch Achsendrehungen abquetschen soll? Dies 
geschieht aber einfach so, dass durch kräftiges Anziehen 
und gleichzeitig beginnende Rotation des Hakens bei schlaffen 
und dünnen Weichtheilen sich zunächst eine Falte derselben 
bildet, an deren Basis sodann der Knopf von oben her in 
dieselbe eindringt, während bei stark entwickelten prallen 
Weichtheilen der Knopf die letzteren sofort durchdringt und 
der Haken soviel davon aufnimmt, wie seine Spannweite ge- 
stattet. Bei den folgenden Torsionen verhält sich die Sache 
weit einfacher, indem der Hakenknopf von der einmal ge- 
setzten Wunde aus sehr leicht eingreift. 

Zweitens ist es Spiegelherg nicht deutlich, wie dabei 
der Uterus gut wegkommen soll, da bei vernachlässigter Quer- 
lage der Haken doch in einige Berührung mit den das Kind 
umschliessenden Uterinwandungen kommen müsse. In Fällen 
von tiefer Schulterlage und hoch zurückgezogenem Mutter- 
munde ist dieser Einwand schon deshalb nicht zutreffend, 
weil, wie mein oben erzählter Fall beweist, der Haken unter- 
halb des Muttermundes, und somit ausserhalb des Bereiches 
des Uterus sich in der Scheide bewegt, und also mit der 
Gebärmutter überhaupt gar nicht in Contact gerathen kann. 
Bei hoher Schulterlage und tief umschnürendem Muttermunde 
dagegen, wie in meiner früheren ersten Beobachtung, muss 
sich der Haken zwar allerdings innerhalb des Uterus bewe- 
gen, allein die Uteruswandungen können auch in diesem Falle 
nicht beschädigt werden, weil die Lösung der herabgezogenen 
Halspartie in der Hohlhand geschieht, weil ohnehin die Ge- 
bärmutterwand hinten durch den Hals selbst, seitwärts 
einerseits durch den Kopf, andererseits durch die Schulter, 
und weil die mithin einzig gefährdete vordere Uterinwand 
durch die Deckung des Knopfes, welchen der Daumen zu be- 
wachen hat, genügend geschützt wird. Dies war sogar in 
meinem durch Beckenenge comphcirten Falle möglich. 

Schon ein Versuch an der frischen Kindesleiche im 
Phantom wird das Gesagte leicht bestätigen. Man sieht frei- 
lich dem unscheinbaren Instrumente seine Tugend nicht an! 

Als dritten Decapitationsfall, der aber nach einer an- 
deren Methode ausgeführt worden ist, darf ich \\\föc ^\\n& 
Beobachtung anscbliesseD , welche mir Herr \ir. Ft. SUebA 



6g III, Küneke^ Zur Deioapitaiton dei Fötus. 

juD., Arzt am Rinderhospital und Christas Entbinduiigshause 
zu Frankfurt a. M. unterm 16. Januar 1866 freundlichst mit-- 
getheilt hat: 

Ich habe soeben in der Monatsschrift für Geburtskunde 
Ihren Aufsatz über Decapitation gelesen und erlaube mir, 
da ich selbst nichts Geburtshülfliches publicire, eine Methode 
der Decapitation anzugeben, von der ich nicht weiss, ob sie 
in allen Fällen anwendbar ist, welche mir aber in dem einen, 
bei welchem ich sie angewandt habe, vcm so wunderbarer 
Leichtigkeit und Zweckmässigkeit erschienen ist, dass ich sie 
Ihnen vorkommenden Falls zur Nachahmung empfehle. 

Das WesentUche ist: es bestand erste Schulterlage, todtes 
Kind, Mutter ziemlich erschöpft, weitere Wendungsversuche 
in deren Interesse nicht angezeigt. Decapitation beschlossen. 

Nachdem durch Herabziehen des Armes der Hals mög- 
lichst zugänglich gemacht war, führte ich die Kette eines 
Ecraseurs mittels einer krumm gebogenen Sonde um den 
Hals herum, schloss die Kette nach Entfernung der Leitungs- 
sonde, und ohne alle Hindernisse, mit fabelhafter Schnellig- 
keit, war der Kopf vom Halse getrennt. Die Geburt des 
Rumpfes erfolgte rasch, der Kopf mit wenig Nachhülfe nach. 
Die Kette war zwischen Atlas und Epistropheus durchgegan- 
gen, die Wundfläche ohne alle Splitter und Schärfen. 

Dies der einfache Hergang, es scheint mir aber das Ei 
des Columbus etc. 

Die liebenswürdige Bescheidenheit, welche Herr College 
Stiebel mit dieser letzten Aeusserung verräth, können wir 
nur in. sehr beschränktem Maasse als berechtigt anerkennen. 
Denn ist auch das Ecrasement Uneaire von Chaaaaignac 
theoretisch' bereits von K. Braun und von Simpson zur 
Decapitation für tauglich gehalten worden, — und ich habe 
dieses Verfahrens in meiner ersteren eingangs erwähnten Ar- 
beit bei Aufzählung der verschiedenen Decapitationsmethoden 
unter Nr. 6. Erwähnung gethan — so besitzen wir bis jetzt 
wenigstens keine Kcnntniss darüber, ob es an der Kindes- 
leiche schon versucht, oder gar an der Lebenden ausgeführt 
worden ist« Man darf demnach mit hoher WahrscheinUch- 
keit anüehmen, dass Stiebel die Ehre und der Ruhm ge- 
bäbrt, das £crasem«il a\s Bef^a^vUV^Qu^m^^^^ x>i^\^\.>^ 



III. Küneke, Zur Decapitation des Fötus. 69 

mit dem günstigsten Erfolge an der Gebärenden angewandt 
lu haben. 

Es ist nicht in Abrede zu stellen, dass nach vorstehen- 
der Bedl>achtung dies Verfahren alle Vorzuge mit der Me- 
thode von Braun theilt, und das an ein solches zu stellende 
Postulat einer sicheren leichten, raschen, und weder für die 
Mütter noch für den Operateur nachlheiligen Ausfuhrung ge- 
nügend erfüllt War dies nun auch schon a priori anzuneh- 
men, so schien doch in einem Punkte, nämlich in der Um- 
legung der Kette um den Hals, eine namhafte Schwierigkeit 
lu bestehen, von der zwar im vorliegenden sehr einfachen 
Falle keine Rede ist, die wir jedoch für complicirte Fälle, 
wie Strictur des Muttermm)des, hohe Kindeslage, Beckenenge, 
vorläufig aufrecht erhalten müssen. Es durfte somit das Ver- 
fahren von Braun, welches sich unter jenen kritischen Ver- 
hältnissen bereits bewährt hat, auch abgesehen von der Ein- 
fachheit, Dauerbarkeit und Billigkeit des Instrumentes, vor der 
Hand die erste Stelle unter den Decapitationsmethoden fort- 
behaupten. 

Es sei mir noch gestattet, bei dieser Gelegenheit die 
Zahl der Decapitationsmethoden, welche ich in meiner ersten 
Arbeit zusammengestellt habe, hier kurz zu vervollständigen 
und zu ergänzen, indem ich den daselbst namhaft gemachten 
neun Methoden zwei weitere ganz kurz hinzufüge. 

10. In der Sitzung der Pariser Academie imperiale de 
Medecine am 26. November 1861 legte M. Mathieu ein Em- 
bryotome Cache a lames mobiles et ä chainons de scie vor, 
virölches er nach den Angaben von M. Jacquemier con- 
struirt hat. Die Anwendung des Instrumentes war bis dahin 
erst an der Kindesleiche versucht. Es soll die Weichtheile 
sehr rasch, die Knochen aber langsam durcbtrennen. An 
der Kreissenden scheint es bis jetzt noch nicht in Anwen- 
wendung gebracht zu sein. Die Abbildung des Instrumentes 
nebst Beschreibung desselben und seiner Gebrauchsweise 
findet sich in der Gazette des Höpilaux Nr. 139. 1861. 
Seite 556. 

Dies Verfahren kommt dem von Van der ^EccJcen und 
Kilian angewandten nahe. 

IL Fajot in Paris (Gazette des H6p\la\nL. ^t,1^- ^^"^ 



70 IV. Notiaen ans der Journal- Literatur. 

Seite 299.) bedieot sich eines stumpfen Hakens, welcher in 
eine kleine bewegliche Kugel ausgeht, die durch einen in 
einer Rinne befindlichen Faden festgehalten wird. Diese Rinne 
verläuft an der Convexitat des Hakens. Ist letzterer von 
hinten nach vorn um den Hals der Frucht angelegt, so lässt 
man den Faden los und die Kugel fällt vorn herab. Man 
ergreift mit ihr das eine Ende des Fadens, entfernt den 
Haken, fasst das andere Fadenende, und trennt mittels Säge- 
bewegungen den Kopf vom Rumpfe. 

Diese Methode, welche mit der von Heyerddhl, Kiervif^ 
Faye und Hoff mann nahe Verwandtschaft hat, wurde von 
Rey an der Gebärenden mit Erfolg in Anwendung gebracht 
(Bulletin de Therapie. 30. Octob. 1864.). 



IV. 
Notizen aus der Journal -Literatur. 



Späth: Ein Fall von Uterus bilocularis mit Ueber- 
wanderung des Eies aus dem linken Ovarium 
in die rechte Höhle des Uterus. 

Bereits bei der Aufnahme der R, L., einer ISjäbrigen Erst- 
g^eschwttngerten , in die Wiener Geburtsklinik für Hebammen, 
waren an deren Y," langen Vaginalportion zwei Mnttermands- 
öfFnungen bemerkt worden; diese Bildangsanomalie trat während 
der Gebart noch dentlicher hervor, so dass man jetzt von jedem 
Orificium aas die Scheidewand fühlen konnte. Das Kind (in 
Steisslage) befand sich in der rechten Uterinhöhle, die Wehen 
waren kräftig, die Eihäute unverletzt. Zugleich mit dem Be- 
ginn der ersten Wehen traten eklamptische Anfälle aaf, die sich 
in kurzen Zwischenräumen wiederholten und zwei subcutane 
Morphiuminjectionen (jede zu y, Gr.) veranlassten. — Während 
jeder Contraction drängten sich die Eihäute derart in das untere 
Uterinsegment (die Scheidewand schien im Verlaufe der Geburt 
ca. 4'", über dem Orific. ext. durchgebrochen zu sein) dass die 
beiden Ori&cien die Bedeutung eines einzigen zu haben schie- 
OBD, welches aber durch ein '^ou '^om u«^^ VVqX^tl Nxl Vkv'qql vqa* 



IV. Notiaen auB der Journal - Literatur. 71 

gespanntes Band an seiner Erweiterung gebindert wurde. Da 
die Eclampsie eine Beschleunigung- der Geburt gebot, so wurde 
das erwähnte Band mit einer stumpfen Scheere durchschnitten, 
nnd als hierauf schnelle Erweiterung des nun einfachen Mutter- 
mundes eintrat, das Kind an den Füssen extrahirt. Letzteres 
war todt, obgleich die Extraction leicht nnd rasch vollführt 
worden war. Drei Stunden nach der Entbindung starb auch 
die Frau. Die Sectionsdiagnose lautete: Struma cystica, dege- 
neratio amyloidea cordis in ventricnlo sinistro coucentrice hj- 
pertrophici, Morbus Brigthii renum. Der Uterus war als bilocu- 
laris KU bezeichnen, dessen rechte Hälfte wegen der darin zu 
Stande gekommenen Fruchtentwickelung stärker ausgebildet war, 
als die linke. Zwischen beiden stieg die Scheidewand von einer 
äusserlich am Grunde durch eine schwache Einbuchtung ange- 
deuteten Stelle, sich allmUlig verdünnend, bis an das innere 
Orificinm herab, und war vom untern freien Bande aus nach 
aufwärts in der Ausdehnung von 1" zackig eingerissen, so dass 
die getrennten an der hinteren und vorderen Wand haftenden 
Beste genau auf einander passten. Vom inneren Orificium durch 
den Cervicalkanal nach abwärts steigend, fand sich eine 2 — 3'" 
hohe Leiste, die sich von der hinteren Wand erhob und mit 
einem scharfen Bande versehen war. Am untersten Theile des 
Kanals heftete rückwärts das bei der Geburt durchtrennte 4'^' 
hohe Band. — Die rechte Tuba war 5"' 6'", die linke 5" lang, 
beide durchgängig, nirgends Verklebungen oder Adhäsionen. Im 
rechten Ovarium lagerten mehrere Graa/'sche Bläschen, in der 
Tiefe ein hirsekorngrosses Corpus nigrum. Im linken, neben 
mehreren Eisäckchen im äusseren Pole knapp unter der Albu- 
ginea ein Corpus luteum mit einem Durchmesser von 6"'. — 
Demnach musste hier das Ei zweifellos aus dem linken Ovarium 
in die rechte Uterinhöhle tibergewandert sein. — Auf Grund des 
genau beleuchteten Sectionsbefundes sowie mehrerer hierherge- 
höriger Beobachtungen von J, Müller ^ Kussmaul, Klob, Oldham, 
Bokitanaky und Luschka glaubt Verfasser, dass in diesem Falle 
höchst wahrscheinlich eine externe Ueberwanderung des Eies 
durch Vermittelung der Tuben stattgefunden habe. 

(Wiener mediz. Presse. 1866. 1.) 



O. Braun: Ein weiterer Beitrag zur Heilung der 
Masturbation durch Amputation der Clitoris 
und der kleinen Schamlippen. 

Im Anschlüsse an den in Nr. 73. Jahrg. 1865 mitgetheilten 
Fall von erfolgreicher Amputation der Clitoris und Nymphen 
bei' Masturbation , veröffentlicht Verf. emen ZYt^W^ik '^«^m «jqa^^* 
Meiehnetotn Erfolge gekrönten Fall. — Bei em^m ^4— ^»^^Vv^fe,^^ 



72 I^* Notisen ans der Jonmal- Literatur. 

Mädchen, welches seit dem Eintritte ihrer Menses, dem 16. Jahre, 
nach eigenem GestKndniss der Masturbation ergeben war, fand 
Verf. die Clitoris normal, jedoch sehr leicht erigirbar, so- 
dass selbst die leiseste fierührnng des schlaffen, mnalichen 
Praepnt. clitorid. genügte, om Erection der Clitoris bis aar Dioka 
eines Gftnsefederkiels hervorzarofen. Dabei zeigten sich ryth- 
misehe Reflexbewegungen an den Schamlippen, Bauchmuskeln 
nnd Nates, die etwa 20 Secunden dauerten, worauf sich eine 
eiweissähnliche Flüssigkeit über die hintere Commissur herror- 
ergoss. Die Njmphen waren massig verlängert und überragten 
die grossen Schamlippen beiderseits um 1" ; der Hymen aeigte 
sich unversehrt, aber leicht dehnbar. Uterus und Scheide ohne 
wesentliche Abnormitäten. — Da »die Patientin sowohl geistig 
als körperlich unter der täglich und nächtlich fortgesetzten Ma- 
sturbation litt und von medicamentöser Einwirkung keinerlei 
Veränderung erwartet werden durfte, so wurde mit Einwilligung 
der Patientin die Amputation der Clitoris und der Nymphen 
durch Application der galvano - caustischen Schneideschlinge in 
der Chloroformnarkose vorgenommen. Nachdem die Spitze der 
Clitoris und der grösste Theil der Nymphen mit der Pince a 
cr^maill^re gefasst und die SchneidcRchlinge über die Oriffe der 
Zange hinübergebracht worden war, wurde nach dem Erglühen 
des Drahtes mit einem leichten Zuge an demselben Praeputium 
clitorid. und Nymphen, und durch erneutes Erfassen der bei 
dieser Operation stehengebliebenen Clitoris auch diese vollstän- 
dig abgetragen. Die Operation dauerte eine Minute. Der Schorf 
wurde mit Charpie bedeckt und diese mit Heftpflasterstreifen 
befestigt. Die amputirten Gebilde zeigten bei der genaueren 
Untersuchung nichts Pathologisches. Nach drei Wochen war 
eine glatte Narbe an Stelle der Wundfläche. Der Clitoris- 
stumpf konnte wohl noch gefühlt werden, war aber nicht im Ge- 
ringsten mehr reizbar, und die völlig geheilte Patientin fühlte 
sieh auch späterhin mit ihrem Zustande sehr zufrieden. 

(Wiener mediz. Woohenschr. 1866. 21. 22.) 



Rousse: Beobachtung einer Extrauterinschwan- 

gerschaft. 

Bei einer 25jährigen Frau verlief die dritte Schwanger- 
schaft 20 Wochen lang regelmässig; in den nächsten 24 Wochen 
aber zeigton sich zu vier verschiedenen Malen Anfälle der be- 
denklichsten Art; heftige, fixe Schmerzen in der linken Seite 
des Unterleibes, Retentio urinae, Ohnmächten, die Brüste 
ßcbwoUen dabei enorm und Colostrum floss spontan aus. Etwa 
/o der 44. Woche der ScbwangeT%c\iSbt\i x^xii^« \tl^c\^^ ^^% UU- 
tea AdMIob (wobei kein© Klndeab^vie^wi^^ti vj^XÄ^t^TiKktKo^^^ 



ly, Notizen ans der Journal -Literatur. 73 

wurden), ein Arst su Rathe gesogen. Er erkannte ein in der 
Bauchhöhle befindliches £)i sammt Fötus. Hinter der Scheide 
fühlte man den Kopf; vor diesem, an die SjmphTse angedrängt, 
das Collum uteri. Zwischen Fötus und Bauchdecken fand sich 
ein platter, dreieckiger Körper mit YollstKndig abgegränaten 
Bändern, der Uterus, Der Douglas^nche Raum war yon der Ge- 
schwulst eingenommen. Da seit drei Wochen keine Kindesbe- 
wegung^n gefühlt waren, so scheint das Kind in der 41. Woche abge- 
storben zu sein. Drei Tage nach der ärztlichen Untersuchung trat 
plötzlich ohne Anwendung von Dinretiois starker Harnflnss ein, und 
naeh Abgang einer jeden Menge Wassers war eine Verkleine- 
rung der Geschwulst zu constatiren, was während einiger Tage 
noch beträchtlich zunahm. Die Frage, ob man die Frau später 
operiren solle, häng^ vom Erfolg der exspectativen Behandlung ab. 
(Gazette des Hdpitauz. Nr. 4. Jan. 1866.) 



Scanzoni: Studien über die Ursachen der Häufig- 
keit der Kopflagen des menschlichen Fötus. 

Die Häufigkeit der Kopflagen ist nach der Ansicht des Verf. 
nicht von dem oder jenem der von den verschiedenen Autoren 
angegebenen Momente abhängig, sondern es ist bei ihrem Zu- 
standekommen ein ganzer Complez von Factoren zu- 
gleich thätig. Die auf die Kindeslage im Allgemeinen influi- 
renden Momente sind: die Schwerkraft, die Form der Uterin- 
höhle, die Form des Fötus, die Menge der Amnionflüssigkeit, 
die Contractionen des Uterus während der Schwangerschaft und 
Geburt, die activen Bewegungen des Fötus selbst. — Bis zur 
Entwickelnng der Placenta kann sich der Erobrjo in der Eihöhle 
beliebig lagern, unmittelbar danach ist er an seinem Steissende 
durch die noch kurze Ni^belschnur am oberen Uterinumfange auf- 
gehängt, und der voluminöse und schwere Kopf sinkt nach ab- 
wärts. Durch das rasche Wachsthum der Nabelschnur wird die- 
selbe jedoch späterhin ohne Einfluss auf die Lage des Fötus 
sein, meist aber wird, weil in dieser Zeit der Schwerpunkt des 
im Uterincavnm fiottirenden Kindeskörpers noch in den Kopf 
fallt, letzterer nach unten liegen. Um die Mitte der Schwan- 
gerschaft sinkt der Schwerpunkt des Fötus durch rasche Ent- 
wickelnng des Rumpfes in den oberen Theil des Thorax; ent- 
wickelt sich nun um diese Zeit der Längsdurchmesser des Ute- 
rus mehr als der Querdurchmesser, so bleibt der für den Quer- 
durchmesser zu lang gewordene Fötus in der Koflage, ist dage- 
gen der Uterus in allen Durchmessern geräumiger, so kann sich 
leieht eine Querlage ausbilden. Beim weiteren W«^cYit\Vi^tCL^ ^^% 
VUrns nimmt die Menge der AmnionflüsaigkeiX lm^et\vk\VDCA«^ v»'^ 
Volmmettdea KiadeB ab, es wird daher die 1Lov1\«l^^ \>«v\i^\xiÄX«^ 



74 IV. Notisen ans der Journal- Literatar. 

wenn die UterinwaudnngeD keine ungewöhnliche Nachgiebigkeit 
besitzen. Lag aber der Fötus bisher quer, so ist die sukfinftige 
Lage abhängig vom Widerstände der Uterinwände, yon den ac- 
tiven durch den Widerstand hervorgerufenen Bewegungen des 
Fötus und von dem Auftreten der Contractionen der Grebärmut- 
ter. Da bei Querlagen der Kopf meist tiefer als der Steiss 
liegt, so ist es erklärlich, dass der Kopf bei Verticalstellnng der 
Fötuslängsaxe meist nach abwärts kommt. — Aus alledem er- 
hellt, dass die verschiedensten, während der Schwangerschaft sieh 
geltend machenden Momente mannichfaltige Lage Veränderungen 
des Fötus 8U bewirken im Stande sind, dass es aber der Natur 
meist gelingt, den Kopf über den Beckeneingang zu stellen. 
Trotzdem beobachtet man häufig auch noch in der letzten Zeit 
der Schwangerschaft Lagewechsel der Frucht und zwar um 
so eher, je mehr Amnionflüssigkeit vorhanden, je geräumiger 
also die Uterinhöhle, je nachgiebiger die Uterinwandungen, je 
energischer die activen Bewegungen der Frucht, und je häufiger 
und intensiver die in den letzten Wochen der Schwangerschaft 
auftretenden partiellen Contractionen sind. In dieser Zeit wird 
indess das Abweichen des einmal über dem Beckeneingange be- 
findlichen Kopfes meist dadurch verhindert, dass sich die Am- 
nionflüssigkeit im Verhältniss zur Grösse des Kindes wesentlich 
vermindert, dass die Hyperplasie der Uterinwandungen still steht 
und dadurch iTei dem raschem Wachsihume der Frucht eine Span- 
nung der Gebärmutterwände bewirkt wird, die ihrerseits eine 
geringere Nachgiebigkeit und ein festeres Anliegen der Uterin- 
wände um den Fötus bedingt. Alle diese Momente im Ver- 
ein erhalten den Fötus in der vertikalen Lage mit 
dem Kopfe nach abwärts. 

(Wiener mediz. Wochenschrift 1866. 1 — 6.) 



Luschka: Der Hymen fimbriatus. 

Verf. bringt im Nachstehenden eine eigenthümliche Form 
der Scheidenklappen zur Kenntniss, die sowohl morphologisches 
als forensisches Interesse hat. Es fand sich dieselbe bei einem 
18jährigen Mädchen, das völlig unbescholten, aus Schwermuth 
sich erhängt hatte. — Die äusseren Geschlechtstheile zeigten die 
ausgesprochensten Eigenschaften der Jungfräulichkeit, nur 
machte sich an der Grenze von Vorhof und Scheide an Stelle 
des Hymen eine reichlichere Lappuug bemerklich. Die grosse 
Anzahl und die Mannigfaltigkeit der scheinbaren Einrisse erregte 
indess Zweifel, dass hier eine gewaltsame Continuitätstrennung 
aULttgefnnd^n habe. Bei der genaueren Exploration der heraus- 
genomm^ntn Theile , fand aicVi ^^t ^c\i«v^va«va^%.ii^ «\% aUni- 
förmig reräfftelte Spalte « welOie Auit\i ^V^ «v<iV \^^TQ^\«^«a. 



IV. Notizen ans der Jonraal • Literatar. 75 

Bänder der Lappen begränzt wurde. An der dem Umrisse ihrer 
Basis nach ringförmigfen Scheidenklappe konnte man eine im 
Maximum vier Millimeter hohe ungetheilte Zone, ferner eine 
viel amfänglichere Pars fimbriata unterscheiden , welche den 
vom freien gegen den angewachsenen Band fortschreitenden 
Zerfall des Hjmen ausdrückte. Die Lappen selbst erscheinen 
zerklüftet, und zeigen sich bei massiger Yergrösserung mit 
einer unübersehbaren Menge zierlicher Fransen bedeckt, welche 
ihrerseits mit verschieden gestalteten und grossen Papillen ver- 
sehen waren. Letztere waren entweder blos aus Wucherung der 
Epithelialzellen hervorgegangen oder enthielten eine fibrilläre 
Bindensubstanz mit oder ohne schlingenförmige Blutgefässe. Aehn- 
liehe Wucherungen fanden sich auch an der Mündung der Harn- 
röhre, so dass dieselbe ausgebreitet wie eine Blumenkrone aus- 
sah, und in der Umgegend der Clitoris. Aus letzterem Umstände 
schliesst Verf., dass die Lappung ein angeborener, eine eigen- 
thümliche Form des Hymen bedingender Zustand und nicht Pro- 
duot einer Zerreissung sei. Aehnliches fand er übrigens schon 
früher bei neugeborenen Mädchen. Die Entstehung der gefran- 
sten Scheidenklappe führt Verf. übrigens auf weiter nichts, als 
eine ezcessive Weiterbildung der schon bei dem normalen Hy- 
men angedeuteten Kerben und papillären Excrescenzen am freien 
Bande und beiden Flächen desselben zurück, und weist dies an 
senkrecht auf die Fläche des Hymen geführten Durchschnitten 
nach. Dabei erkannte Verf. zugleich, dass der Hymen keine in 
zwei Blätter zerlegbare Schleimhautfalte, sondern ein leisten- 
artiger Auswuchs ist, dessen Fasergerüst ans einer fibrillären, 
an elastischen Fasern reichen Bindesubstanz besteht, in welche 
zahllose gegen Essigsäure unempfindliche, spindelartig verlängerte 
Zellen eingestreut sind. Ausserdem fand er in jenem Gerüste 
ein reiches arterielles Gefässnetz, aus dem sich einfache in die 
Papillen eindringende Schlingen erhoben. Venen waren weniger 
reichlich, Nerven nur in geringer Anzahl vorhanden. Ein ge- 
schichtetes sehr dickes Plättchen-Epithel deckt ohne Vermitte- 
lung einer Grenzmembran das Gerüst. 

(Zeitschr. für rationelle Med. von Henle und Pfeuffer. 
Band XXIV. 3.) 



W, Dönitz: Beschreibung und Erläuterung von 
Doppeimissgeburten. 

An die früher beschriebenen Doppelmissbildungen, deren 
sämmtliche Primitivorgane eine deutliche Duplicität aufzuweisen 
hatten („paarige Individuen^), reibt Vött. \xv ^^^^xv^'wW^^x 



76 IV. Notizen ang der Journal -Literatur. 

Arbeit solche, wo nur ein oder das andere Primitivorg^n nnd 
swar nnr theilweise verdoppelt erscheint, nnd erlKntert an diesen 
Beispielen das Verhalten normaler nnd accessorischer Hälften 
sn einander. — Es betreffen diese Fälle 1) die Missgebnrt eines 
Kalbes, eines Diprosopns conjnnctns (Chirlt) oder Dieranus 
triophthalmns (BokitanaJci) (Berl. anat. Mus. 21,434), und zwar 
zeigt sich die Dnplicität nur an denjenigen Partien des Kopfes, 
welche ans dem vordersten Abschnitte des Kopfendes des Em- 
bryo hervorgehen (doppeltes Obergesicht mit zwei Nasenrücken, 
zwischen ihnen eine von einem dritten accessorischen Auge ein- 
genommene Lücke, in welche von unten her der einfache Unter- 
kiefer eingreift und mit seinen Schneidezähnen das Auge ver- 
deckt). 2) Den Schädel eines hemicephalischen Schistocephalus 
bifidns (Museum der Königl. Thierarzneischule zu Berlin 4344.). 
3) Die Missgeburt eines Hühnchens mit zwei Oberschnäbeln 
(Berl. anat. Mus. 5029.). 4) Das Bückenmark des Diprosopns 
distans vitulinus (Berl. anat. Mus. 21,433.) mit Spina bifida im 
Bereiche der Hals- und BrustwirbelsKule behaftet. 

Nach einer genauen Beschreibung und Erläuterung dieser, 
von ihm gleichsam als Typen aufgestellten Missgeburten, wobei 
Verf. besonders auf Entwickelung des Gehirn- und Wirbelsystems 
in eingehendster Weise Rücksicht nimmt, findet er in den hierbei 
geschilderten Vorgängen ein lehrreiches Beispiel von den vielen 
möglichon Variationen in Verhalten der accessor. ^älften zu 
einander und zu den normalen Hälften. 1) Dass unter Umstän- 
den die accessorischen Hälften sich zu einander verhalten wie 
die normalen, ja dass sogar ganze Organe in diese enge Bezie- 
hung zu einander treten. 2) Dass accessorische Hälften gleiche 
Bedeutung haben wie die normalen. Hierbei können einmal die 
accessorischen Hälften in Gemeinschaft mit den normalen sich 
an der Bildung eines einzigen Organs betheiligen, oder die ac- 
cessorischen Hälften ergänzen je eine normale Hälfte eines Or- 
gans oder Körpertheiles, und das Resultat sind zwei bilateral- 
symmetrische Organe oder Körpertheile, deren jedes aus einer 
normalen oder accessorischen Hälfte besteht. Letztere Möglich- 
keit scheint nach Verf. viel häufiger zur Geltung zu kommen, 
wovon ein jedes paarige Individuum zahlreiche Beispiele liefere. 
Jeder Kopf bestehe z. B. aus einer normalen und aus einer ac- 
cessorischen Hälfte. Auch bei weniger tiefgreifender Spaltung 
beobachte man dasselbe Verhalten, nur dass hier die accesso- 
rischen Hälften nicht immer zu dem Grade der Ausbildung ge- 
langt seien, wie die normalen. So lasse sich eine ganze Stufen- 
folge von der blossen Andeutung bis zur völligen Ausbildung 
accessorischer Hälften aufstellen. Die niedrigste Stufe wurde 
beispielsweise hier von dem erwähnten Diprosopns conjunctus, 
elae höhere vom Diprosopus dizlaus^ 4\^ Voc^i^x.^ ^^tl zwei aus 



V. Literatar. 77 

einem Keim hervorgegangenen Individaen (j^Paarlingeo'^) 
eingeDommen. 

(Archiv für Anatomie, Physiologie n. s. w. von Beiehert nnd 
Dttbois'Eeymond. 1865. 6.) . 



Popper: Exquisiter FaJl von Vagina duplex. 

Bei einer 18jährigen, kräftig entwickelten Pnella pnbl. fand 
Verf. bei Gelegenheit der Untersnchnng auf Blennorrhoe eine 
vollkommene doppelte Scheide. Ein 5 — 6'^' dickes Sep- 
tum trennte die beiden an der Stelle des Scheideneinganges 
befindlichen Oeffhangen, die in zwei gleich lange Kanäle führten. 
Die linksseitige Oeffnung, darch welche das Mädchen angeblich 
den Coitns hatte ansüben lassen, klaffte, während die rechte 
einer Spalte glich, welche zwar dem nntersnchenden Finger den 
Eingang bequem gestattete, aber von der diesseitigen kleinen 
Schamlippe verdeckt wurde. Das Septum erstreckte sich, in 
der Mittellinie des Körpers verlaufend, bis zum Collum uteri, 
wo sich im rechten und linken Scheidengewölbe je eine rund- 
liche geschlossene Muttermundsöff'nnng fand. Durch diese dran- 
gen die eingeführten Uterinsonden 1 — 2 Centimeter tief ein, ohne 
•ich in der Uterinhöhle berührt zu haben. Verf. schliesst daraus, 
dass das Septum sich in die Uterinhöhle fortsetzt. Clitoris nnd 
Harnröhre waren normal gebildet. 

(Wiener med. Wochenschrift 1866. 82.) 



V. 
Literatur« 



Marion Sims: Clinical Notes on uterine surgery with spe- 
cial reference to the management of the sterile condition. 
London 1866. 

Die englische Literatur hat uns in den letzten Jahren eine 
grosse Menge gynäkologischer Werke gebracht, die sehr ver- 
schiedenen Werth hatten, und von denen einige entschieden den 
Stempel der Buchmacherei um jeden Preis an sich trugen. Das 
vorliegende Werk ist nun schon insofern von grossem Interesse, 
als es, obwohl in London erschienen und deT Y^Ti. ^^\&^^SX^«^ 
Beit eiDjgen Jahren in Patis nnd London ptacV\c\t\i ^ ^o^ ^v^ 



78 V. Literatuir. 

amerikanisches ist. Die meisten Erfahrungen, auf die es ge- 
gründet ist, hat der Verf. in Nordamerika gesammelt. Von den 
letzterwähnten englischen Bachern zeichnet es sich vortheilhaft 
darch die Genauigkeit und besonders durch eine für uns oft 
überraschende Originalität aus. In dem Titel ist die Metüiode 
und der Inhalt genügend angedeutet. Die Darstellung und Rei- 
henfolge der Gegenstände ist ziemlich willkürlich und oft etwas 
formlos, es wird dies mit dem Titel ,,klinlsche Notizen'* gerecht- 
fertigt, ferner ist der Inhalt sehr einseitig indem einzig und 

« allein die chirurgische Behandlung der Uterinerkrankungen be- 
sprochen wird. Diese Erkrankungen werden nun höchst originell 
eingetheilt und behandelt; indem nämlich der Verfasser die phy- 
siologische Aufgabe des Uterus mit Recht in seinem Antheil 
an der Befruchtung und dem normalen Verlaufe der Schwanger- 
schaft erblickt, theilt er alle Uterinerkrankungen danach ein, in 
wie weit sie die Befruchtung verhindern. Auf diese Weise bildet 
das ganze Buch eine höchst interessante, wenn auch etwas ein- 
seitige Darstellung von den mechanischen Ursachen und der 
Therapie der Sterilität. Diese letzte zerfällt nach Simi in eine 
ursprüngliche (natural) und in eine erworbene, indem eine grosse 
Reihe von Frauen in der Ehe nie gebären, andere erst nach 
einer oder der zweiten Niederkunft steril werden. In fast allen 
Fällen beider Arten gelang es mechanische Ursachen für die 
Sterilität aufzufinden, die Kräfte des Mannes und die Oynlation 
natürlich yorausgesetzt. Aus der Einleitung über die gynäkolo- 
gische Untersuchung dürfte hervorzuheben sein, dass Sims stets 
mit seinem bekannten einblättrigen Speculum in der Seitenlage 
der Frau untersucht, dazu ist allerdings eine Assistenz nöthig, 
um das Speculum zu halten. Dieser Umstand wird jedoch als 
Vortheil hervorgehoben, indem es als unschicklich hingestellt 
wird, wenn^ bei der gynäkologischen Untersuchung der Arzt 
allein der Patientin sich gegenüber befindet. In den folgenden 
Kapiteln die etwas wunderliche Ueberschriften tragen: (1. Con- 
ception tritt nur ein, so lange eine regelmässige Menstruation 
vorhanden ist. 2. Die Menstruation muss eine gesunde Uterin- 
höhle zeigen.) wird eine Fülle interessanter Fälle von Wuche- 
rungen der Uterinschleimhaut, Fibroiden, Polypen, Inversion des 
Uterus etc. mitgetheilt, immer in Rücksicht auf die dadurch be- 
dingte und oft durch die Operation beseitigte Sterilität. Die 
blutige Erweiterung des Muttermundes bei Dysmennorrhoe wird 
als einer der grössten Fortschritte auf dem Gebiete der opera- 
tiven Gynäkologie angesehen und von dem Verf. mit der Scheere 
und unter Umständen mit einem kleinen rasirmesserähnlichen 
Instrumente ausgeführt. Weitere Missbildungen, angeborene oder 
erworbene, des Muttermundes oder der Vaginalportion, welche 
den Eintritt des Sperma in den \3tQTUft ^t^q-V^n^i^ü oder unmög- 

lieb machen, werden in deu iolgen^^tx M;^«^Tiv\.\.^\i \^^v^\^Oti«i^<^ 



V. Literatur. 79 

wobei besonders die Methode des Verf., die Vaginalportion za 
ampntiren, hervorgehoben werden miiss, bei welcher er den zu- 
rückbleibenden Stampf der Yaginalportion durch eine plastische 
Operation mit Scheidcnschleimhaut bedeckt, und so eine schnelle 
Verheilung per primam intentlonem herbeiführt. Weiter auf 
den reichen Inhalt der Kapitel über die Lageveränderungen des 
Uterus und deren chirurgische Behandlung einzugehen, gebricht 
es leider an Raum. Es mag genügen, darauf hinzuweisen, indem 
die vielfach neuen Vorschläge, die in der Hand des Verf. oft 
von überraschenden Erfolgen begleitet waren, gewiss der einge- 
hendsten Prüfung werth sind, und allerdings derselben theilweise 
auch noch sehr bedürfen. Die folgenden Abschnitte werden jeden 
Leser zunächst durch ihre Originalität überraschen, allein ge- 
wiss, wie schon in der englischen Kritik (Lancet), auch die hef- 
tigsten Widersacher finden. Bei Besprechung derjenigen Fehler 
der Vagina, die entweder den Coitus unmöglich machen (also der 
eigentlichen weiblichen Impotenz) oder die Befruchtung verhin- 
dern, also Sterilität bedingen, wird zunächst ausführlich der so- 
genannte Vaginismns, die Hyperaesthesie des Scheideneinganges 
mit spastischen Znsammenziehungen des Sphincter vaginae, ab- 
gehandelt. Hierbei wird eines Falles derart Erwähnung gethan, 
in welchem ein Neuyorker Arzt ein Jahr wöchentlich 2—3 Mal 
eine Frau chloroformirt hat, damit der Gatte den Beischlaf voll- 
ziehen könne! Nach Ablauf des Jahres wurde die Frau schwan- 
ger und gebar ein reifes Kind; da der Zustand dadurch in kei- 
ner Weise gebessert wurde, musste wiederum wöchentlich zwei 
bis drei Mal zum Hausarzt geschickt werden, um eine „ethereal 
copulation** zu ermöglichen. Dieses nach unseren Begriffen für 
den Arzt gewiss höchst unwürdige Geschäft wurde noch durch 
zwei Jahre fortgesetzt 11 Physiologisch interessant ist ein Ex- 
periment, welches Sims öfter ausführte (55 Mal in 12 Fällen) 
und das eine Mal von Erfolg gekrönt war, und als solches den 
ersten Fall von künstlicher Befrachtung beim Menschen dar- 
stellt. In Fällen von äusserst engem Muttermunde und dadurch 
bedingter Sterilität, wo die blutige Erweiterung abgelehnt wurde, 
Hess sich Sims unmittelbar nach vollzogenem Coitus rufen (so 
dass er wenige Minuten darnach zugegen war!) nahm mit einer 
kleinen gewärmten Spritze einige Tropfen des in der Scheide 
vorgefundenen Sperma auf, und injicirte dieselben in die Uterin- 
höhle 1 So interessant dieses Experiment auch ist, so dürfte der 
Arzt in diesem Falle wohl zu weit gegangen sein in dem Be- 
streben, seinen Patienten zu helfen, auch mit Hintansetzung per- 
sönli^iher Rücksichten. Meiner Ansicht nach darf der Arzt in diesem 
löblichen Bestreben doch nicht alle Selbstachtung aus den Augen 
lassen und sich nicht zu Dingen hergeben, für deren eigentliche 
Charakterisirung unserer Schriftsprache deT p&&&«Ti^^ k^x^^xTii:^ 
fehlt. Die Perspective, die dies Art der "EoTt^Äa.n'i.xwci^ %Qia»X 



gO y- Literatur. 

eröffioet, ist übrigens wahrhaft granenerregend. Wenn man jedoch 
von diesen eben berührten Dingen absieht, so muss das Bnch noch- 
mals dringend empfohlen werden als eine der interessantesten 
Erscheinungen der letzten Zeit. Der Leser wird eine Fülle fei- 
ner Beobachtungen und origineller Vorschläge finden, die auch 
immer ausgeführt sind, und von denen sicherlich viele einen wirk- 
lichen Fortschritt der Gynäkologie bilden. ötuserow. 



Naehträgliche Bemerkung au dem Artikel: 

„lieber die Diagnose der Atresie bei Dupli- 
cität etc. 
in der Monatsehrift Band 27, Heft 6. 

Mein Artikel war bereits gedruckt, als von Herrn Dr. 
Schröder^ Assistenaarzt bei Herrn Prof. Veit in Bonn, eine kleine 
Schrift über denselben Gegenstand erschien. Sie bildet durch 
Beichhaltigkeit und kritische Sichtung des Materials einen ganz 
werthvollen Beitrag zur Lehre der Haematocele periuterina. 
Nur in Bezug auf zwei Punkte erlaube ich mir folgende Bemer- 
kungen: Aus der Schrift ist ersichtlich, dass Herr Schröder 
in der Deutung der Haematocele extraperitonaealis mit 
ähnlichen Symptomen erst neuerdings (1866) zu demselben 
Resultate kam, zu welchem Prof. Hegar und ich bereits vor 
ly, Jahren gekommen sind. Ferner dürfte wohl Prof. Veit Ver- 
wahrung einlegen, wenn ihm Schröder vindicirt, dass er in meinem 
Falle vor Eröffnung der Geschwulst die Diagnose zwischen 
Atresie bei Duplicität und der fraglichen Haematocele gestellt 
habe. — G- Simon. 




gung:«. 
„ 8 V. u., statt „neuer* 1. „einer*'. 
881 „ 7 V. u. statt „Seröse** 1. Serosa". 

382 „ 9 V. o. statt „Drehnaht** 1. „Drahtnaht*», 

383 „ 15 V. u. statt „dann** I. „dem**. 

386 „ 2 V. u. statt „erregen** 1. „bewegen**. 
398 „ 17 V. ob. statt „1861*» 1. „1866**. 



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VI. 

üeber die Ursachen und die Entstehungsweise 
der schräg- oder einseitig verengten Becken. 

Gekrönte Preisschrift 



Albert Otto in Heidelberg« 



Litzmann sagt in seiner Arbeit über das schrägverengte 
Becken: „Es stelle ihm nicht das Material zu Gebote, die 
Entstehungs weise dieser BeckendifTormitul einigermassen er- 
schöpfend zu behandeln; er müsse sich darauf beschranken, 
die von anderen darüber ausgesprochenen Ansichten mit eini- 
gen Bemerkungen zu begleiten''. 

Diese Worte stelle ich an die Spitze meiner Arbeit. 
Wenn der Vorstand einer geburtshülflichen Klinik einen sol- 
chen Ausspruch machen musste, so brauche ich kein Wort über 
die Beschränktheit meines Materials hinzuzufügen; es kann 
eine Arbeit über ein Thema, das so sehr, wie obiges^ an 
. Objecte geknüpft ist, wenn diese nur mangelhaft zu Gebote 
stehen, von Speculation sich nicht wohl frei halten. 

Während 30 Jahren war es diese Beckendeformität, die 
mit am meisten das Interesse des Fachmannes in Anspruch 
nahm; und sie war es zuerst, die eine wissenschaftliche Be- 
trachtung der Becken-Anomahen veranlasste. Die Geschichte 
dieser beginnt eigentlich erst mit der Geschichte der schräg- 
verengten Becken im Jahre 1829. Vor dieser Zeit schenkte 
man den Becken-Anomalien überhaupt nur geringe 
Aufmerksamkeit; man mass ihnen weder die verdiente prac- 
tisclie Bedeutung zu, noch hatte man ein Verständniss für ihr 
wissenschafUiches Interesse; man begnügte &\d\ '\\\t N^xiVwsü- 
men constaüvt zu haben. Dieser aUgemeVuenN^t\\^^\Ä\\^'SA^'w>^ 

MüamUtcbr. f, Qeburtak, 18S6. Bd. XXVin., Hfi.^. ^ 



82 ^I- Otto, Ueber die Ursachen and die Entstebn^igtweise 

unterlagen auch die schrägverengten Becken. Die ältere 
Literatur besitzt nirgends eine genauere Aufzeichnung über 
dieselben, bis sie im Jahre 1829 von Naegele ans Tages- 
licht gezogen wurden. Nachdem er in diesem Jahre einige 
Becken dieser Gattung beschrieben hatte, forschte er nach 
weiteren Exemplaren und veröffentlichte im Jahre 1834 ein 
zweites Werk über die schrägverengten Becken. An die Be- 
schreibung mehrerer ihm bekannt gewordenen Becken reihte 
er seine ersten Ansichten über die Entstehungsweise dersel- 
ben an; doch wagte er es noch nicht, eine sichere Behaup- 
tung darüber aufzustellen; erst im Jahre 1839 in seiner 
„Monographie über die schrägverengten Becken", worin er 
35 weibliche Becken dieser Art beschrieb, gab er eine aus- 
führliche Erörterung über deren Genese; er hielt es für das 
Wahrscheinlichste, dass diese Deformität, und namentlich die 
Verschmelzung des Kreuz- und Hüftbeins, von einem ur- 
sprünglichen Bildungsfelüer herrühre, etwa daher, dass 
die Knochenkeme^ welche zur Bildung der Seitenflügel des 
Kreuzbeins bestimmt sind, auf einer Seite in ihrer Entwicke- 
lung zurückgeblieben seien, und die Natur die Verbindung der 
oberen Kreuzwirbel mit dem Hüftbeine durch Ossification be- 
werkstelligt habe; fraglich Hess er dabei, „ob sie von einem 
in früher Jugend stattgehabten Entzundungsprocesse oder von 
Druck herzuleiten und die mangelhafte Ausbildung der Sei- 
tenhälfte des Kreuzwirbels dem Grade und der Art nach 
Folge der Ankylose sei, oder ob eine Verbiegung und Ver- 
krümmung der Wirbelsäule in früher Jugend Schuld an der 
Missstaltung sein könne*'. Somit liess er zwar fast allen Möglich- 
keiten ihre Berechtigung, sprach sich aber doch mit grösster 
Wahrscheinlichkeit für einen ursprünglichen Bildungs- 
fehl er aus. Der Widerspruch liess nicht lange auf sich 
warten. Schon im folgenden Jahre (1840) suchte Betschier 
in einem Referate über die Naegele'sche Monographie dessen 
Ansicht zu widerlegen, während er selbst die schräge Ver- 
engerung für eine erworbene, nach der Geburt ent- 
standene Anomalie erklärte; er stützte diese Behauptung 
auf die Beschreibung zweier Becken, die Naegele unbekannt 
waren, und von denen das eiue schon im Jahre 1838 von 
O^o bescbrlehen worden v^ar, Aäs äw^wc^ BeUtliilw i.>^«c<ä^ 



der schrSg- oder einseitig ycrengten Becken. 33 

bekannt wurde, — zwei Becken, an denen deutliche Zeichen 
friherer Trennung des Kreuz - und Hüftbeins vorhanden und 
hinreichende Momente aus dem Leben der Trägerinnen be- 
kannt waren, um die Entstehung einer Synostose zu erklären, 
indem namentlich das zweite Becken einer Person angehörte, 
die an Caries des Darmbeins gehtten hat^e, deren Folgen 
noch am Becken sichtbar sein sollen. Allein dadurch wurde 
die Naegele'sche Ansicht nicht zum Weichen gebracht, viel- 
mehr wurde sie jetzt von seinen Schulern um so eifriger 
und um so bestimmter vertreten. Während Naegele seine 
Ansicht nur als die wahrscheinlichste hingestellt hatte, mit 
Vorsicht aber noch andere Möghchkeiten zuliess, verwarfen 
seine Schüler die letzteren; ihnen war ein ursprünglicher 
Bildungsfehler, eine Synostosis congenita, die einzige Ursache 
der einseiligen Beckenver^gerung. Vrolik (Tabulae ad illuslr. 
embryogen. hom. et mammal. (am natural, quaui abnorm. Am- 
sterdami 1849.), Unna (Zeitschrift für die gesammte Medizin 
von Oppenheim, Band 23, Heft 3, S. 281), MoleschoU (da- 
selbst Band 23, Heft 4, S. 441.), Rokitansky (Handbuch der 
pathol. Anatomie, Band 1, S. 296.), Tiedemann, Scanzoni 
Lehrbuch der Geburtskunde, BaudU, S. 151. 152.), Walter 
(de pelvi obüque ovata. Dorpat.), Busch (Lehrbuch der Ge- 
bortskunde, 4. Aufl. Berlin 1842.), waren die Vertreter dieser 
Ansicht, die zugleich von Robert und Kirchhoff er dadurch, 
dass sie ihre „querverengten" Becken, die ja nichts anderes 
sind, als doppelseitig schrägverengte, für angeborene Anoma- 
lien erklärten, unterstützt wurden, und ihre Ansicht mit 
Hartnäckigkeit gegen Martin (De pelvi oblique ovata c. an- 
cylos. s. iHacae. Jena 1841.), Steiuy Dubois, Danyan (Nou- 
velles observat. du bassin obl. ovulaire, Journal de Chirurgie 
par Malgaigne, Mars 1845, p.-75, 83.) u. A. vertheidigten, 
welche die Deformität durch Entzündung und ihre Folgen 
entstehen Hessen. 

Martin namenthch stutzte seine Behauptung auf zwei 
Becken, an denen die Beschaffenheit der Knochensubstanz an 
der Stelle der Synostose ihm dieselbe zu beweisen scheint, 
indem er namentlich Gewicht legt auf die kleineren Hervor- 
ragtmgen, Spitzen, Leisten und UnebenV\e.\V«VA ätv ^^t '^sX.^^. 
der Verschmelzung, auf die elfenbeitiarüge tt^tV^ v«A \S\Ov\- 



84 ^^' OttOj Ueber die Ursachen aod die EntstehaDgsweise 

tigkeit der verschmolzenen Knocheoparthien, welche ihnen ein 
polirtes Ansehen verleiht, und die gleichzeitige Kleinheit und 
theilweise Abolition ihrer Ernährungscanälchen. Ihnen schloss 
sich Rosshirt an {Rosshirt ^ Lehrhuch der Geburtshulfe 
8. 305.) und bezog sich ebenfalls auf ein in seinen Händen 
befindliches Becken. Andere, wie Herde (Bericht über die 
Arbeiten im Gebiete der rationellen Pathologie, 1839 — 42, 
S. 30,) hielten beide Ansichten für haltbar, indess von wieder 
anderer Seite beide verworfen wurden. 

Cazeaux (Traite theorique et prat. de Tart des ac- 
couch. III. edit. Paris 1850.) meinte, die Verschiebung des 
Beckens sei ganz unabhängig von der Synostose, vielmelir 
nur eine zufallige, nebenbei bestehende Veränderung. Kiwisch 
hält zwar die Synostose für das primitive, die Entwickelungs- 
hemmung der Knochen und deren Verschiebung für das se- 
cundäre, aber er hält die Synostose bedingt durcli ein Ueber- 
greifen des Verknöchern ngsprocesses auf den Verbindungs- 
knorpel. Von Ritgen endlich (Neue Zeitschrift für Geburts- 
kunde, Band 28, 1. Heft.) schliesst sich denen an, die die 
Synostose als eine durch Entzündung der Gelenkverbindung 
entstandene betrachten, spricht aber noch besonders die An- 
sicht aus, dass entzündliche lleosacralsynostose für alle Le- 
bensperioden möglich sei, dass sie somit in diesem Sinne 
auch angeboren sein könne. Hierauf erschienen nun eine 
Reihe von Schriften, die fast alle, der Naegele*schen Ansicht 
sich zuneigend, keine wesentlich neuen Gesichtspunkte brach- 
ten, die aber doch insofern von Interesse sind, als sie nicht 
mehr schroff den übrigen gegenüberstehen, indem die Mei- 
sten, wenn sie sich der Naegele* sehen Anschauung zuneigten, 
für einzelne Fälle die Möglichkeit einer erworbenen Anomalie 
zugeben und umgekehrt. 

Ich führe die wichtigsten der neueren Schriften an: 

Holst (Beobachtungen aus der geburlsliülQichen Praxis, in 
der Monatsschrift für Geburtskunde, Band 1. Berhn 
1833. S. 1—23.). 

Hayn (Beiträge zur Lehre v. schräg-ovalen Becken. Kö- 
nigsberg 1852.). 

Seyfert (Ein quer - verengles B^tW^u. Yerlu der pliys. med. 
Gesellschaft in Würibut^. M.\VV \^^. ^/i^:^. 



der schräg^- oder einseitig^ verengten Becken. 85 

Ausser diesen noch: Robert und Sinclair, 
Im Jahre 1853 endlich tauchte wieder eine neue An- 
sicht auf: 

Litzmann (Das schräg-ovale Becken, mit besonderer Be- 
rücksichtigung seiner Entstehung im Gefolge einsei- 
tiger Coxalgie. Kiel 1853.) 
hob namentlich die Entstehung dieser Becken-Anomalie durch 
einseitige Coxalgie hervor und erklärte dieselbe aus dem dar- 
aus resultirenden einseitigen Druck auf die eine (ge- 
sunde) Becken hälfte. Doch nahm er diese Entstehungs- 
weise nur für einen Theil' der bis dahin bekannten Becken 
in Anspruch, und erklärte ausdrücklich die Annahme noch 
anderer Entstehungs weisen für berechtigt. Von grosser Wich- 
tigkeit für unseren Gegenstand ist ferner die im Jahre 1852 
erschienene Arbeit von Hohl über das schräg-ovale Becken; 
nach einer äusserst gründlichen und tiefen Untersuchung ge- 
langte er zu dem Resultate, dass dreierlei Entstehungsweisen 
des schräg-verengten Beckens anzunehmen seien, nämlich: 

1) angeborene schräg-ovale Becken, entstanden durch gänz- 

lich gehemmte Bildung oder mangelhafte Entwickelung 
der Knochenkerne für die Flügel des Kreuzbeins auf 
Einer Seite ohne und mit hinzugekommener, jedoch 
nicht durch Entzündung entstandener, Verwachsung 
der Hüftkreuzbeinfuge ; 

2) schräg-ovale Becken, in der ersten Kindheit entstanden 

durch eine mangelhafte Entwickelung und Fortbildung 
der Flügel selbst in Folge gleicher Ursachen wie im 
Fötalleben, oder zufolge innerer Krankheiten, z. B. 
Rhachitis, Scropheln, Atrophie, ohne und rajl hinzu- 
gekommener, doch nicht durch Entzündung entstan- 
dener Verwachsung der Hüftkreuzbeinfuge; und 

3) angeborene oder in der ersten Kindheit entstandene 

schräg-ovale Becken mit hinzugekommener und durch 
Entzündung u. s. w. entstandener Verwachsung der Hüft- 
kreuzbeinfuge. 
Er will also in jedem Falle die schräge Verengerung als 
das primäre, durch einen ursprünglichen Bildungs- oder Ent- 
wickelungsfehler entstandene, die Synostose als da^ s^mw- 
öSre, mit der schrägen Verengerung mc\il *m wtä^OdWOcw^^ 



86 VI. OUOj Ueber die Ursachen and die Entstehan^ftweise 

Beziehung stehende, betrachtet wissen, während er ia Betreff 
der Zeit der Entstehung angeborene und erworbene 
schräg-verengte Becken unterscheidet , eine Ansicht, die eben 
so sehr von der ^ae^e^e'schen abweicht, als sie sich von 
allen übrigen bisher gegnerisch aufgestellten Anschauungs- 
weisen unterscheidet. 

Acht Jahre lang ruhte nun der Gegenstand; fast schien 
er damit abgeschlossen zu sein, ak im Jahre 1861 TTiomas 
sein Werk: „Das einseitig verengte Becken. Leyden." ver- 
öffentlichte. Dasselbe ist insofern einseitig, als es nur für 
die schrägverengten Becken mit Synostose der Kreuzdarm- 
bein Verbindung diesen Namen reservirt, und alle anderen, 
wenn ihnen gleich die übrigen Charaktere der sctiräg- ver- 
engten Becken zukommen, von diesem Namen ausschliesst, 
eine Beschränkung, für die kein vernünftiger Grund vorliegt; 
denn wenn Naegele unter diesem Namen nur solche mit 
Synostose aufführte, so geschah dies, weil ihm damals keine 
anderen bekannt waren; nothwendig musste damals die Sy- 
nostose als wesentliches Merkmal erscheinen. Dies ist heute 
anders; nachdem eine grosse Anzahl von Becken bekannt 
geworden ist, denen ausser der Synostose alle Merkmale 
der Naegele*schen Becken zukommen, liegt gar kein Grund 
vor, diese aus der Gattung der schräg-verengten auszuschlies- 
sen; es darf eben die Synostose nicht mehr als ein für alle 
Fälle wesentliches Merkmal bezeichnet werden. Es muss so- 
mit diese Arbeit als eine Theil-Arbeit betrachtet werden, die 
eben nur die schräg-verengten Becken mit Üeosacral-Syno- 
stose (die eigentlich Naegele'schen Becken) ihrer Betrachtung 
unterzieht. 

Das Resultat dieser Arbeit sind folgende Sätze: 

1) Bei jedem schräg-verengten Becken ist die Ankylose für 

die primitive Abweichung und für ein erworbenes Uebel 
zu halten. 

2) Zur Entstehung der Synostose ist eine Entzündung des 

Heosacral-Gelenkes erforderlich. 

3) Die Entzündung kann in jedem Alter und desshalb auch 

in der fötalen Periode entstehen; in diesem Sinne möchte 
ein schräg-verengtes Becken angeboren sein können. 
4) Die i^ntzündung kann aus 'muw^w X^t^aiODÄW Y^vator im 



der schräg- oder einseitig verengten Becken. 37 

lleosacralgelenke entstehen, oder sie kann die Folge einer 
traumatischen Läsion sein, oder endlich secundär ent- 
stehen nach einer Erkrankung benachbarter Gebilde, 
z. B. der Lendenwirbel oder Hüftgelenke. 

5) Die Ankylose hat einen Schwund oder eine Schrumpfung 

der abnorm verwachsenen Knochen zur Folge. 

6) Je früher die Verwachsung stattfindet, desto vollständiger 

bildet sich die Deformität aus. 

7) Der Mangel des Kreuzheinflügels in den Fällen, in denen 

die Entzündung irühzeitig entstanden ist, ist nur scheinbar. 

8) Ereignet sich die Ankylose, nachdem die Pubertät bereits 

eingetreten ist, und die Beckenknochen ihr Wachsthuni 
vöUig erreicht haben, dann zeigt sich bloss eine Schrum- 
pfung der benachbarten Knochenpartliien. 

9) Dieser Knochenschwund (oder Schrumpfung) ist dem gleich- 

artig, welcher bei Ankylosen beweglicher Gelenke beob- 
achtet wird. 

10) Nach Heilung der primitiven Krankheit, welche zur An- 
kylose leitete, können die Spuren des ehemaligen Ge- 
lenks so vollständig verwischt werden, dass man sie bei 
einer oberflächlichen Beschauung gar nicht und bei Durch- 
schneidung der verwachsenen Knochen bisweilen nur un- 
deutlich wahrnehmen kann. 

11) Die übrigen Deformitäten, ausser der Ankylose, z. B. die 
Schieflieit und Verengerung des Beckenkanals etc. etc., 
sind secundär, und müssen zum Theil aus Knochen- 
schwund, zum Theil aus dem ungleichen Drucke, welchem 
die beiden Seiten des Beckens unterliegen, zum Theil 
aus der Nothwendigkeit der Wiederherstellung des ver- 
lorenen Gleichgewichts erklärt werden. 



Blicken wir noch einmal zurück auf diesen 30jährigen 
geistigen Kampf und sehen wir, wie von den mancherlei An- 
sichten keine zum vollständigen Siege über die andern ge- 
langte, wie vielmehr mit der Dauer des Kampfes die eine 
der andern Zugeständnisse zu machen sich gezwungen sah^ 
so scheint schon daraus hervorzugehen, daa& n^oW mtio\. ^vsv^ 



gg VI. Otto^ Ueber die Ursachen und die Entttehnngsweise 

einzige die allein Berechtigte sei, dass es vielmehr mehrere 
Entstehungsweisen der betreffenden Anomalie gebe; es ist 
dies schon bei Litzmann angedeutet, bei Hohly wenn auch 
in anderer Weise ausgeführt. 

Auch ich sehe mich veranlasst, viererlei Entstehungs- 
weisen der schräg-verengten Becken anzunehmen, indem ich 
zu folgenden, im Laufe dieser Arbeit zu beweisenden Sätzen 
gefuhrt wurde: 

I. Die nächste Ursache der einseitigen Beckenverengening 
ist einzig und allein die abnorme Schmalheit des Kreuz- 
beinfilügels auf Einer Seite, und zwar auf derjenigen, auf 
welcher der schräge Durchmesser des Einganges nicht 
verkürzt ist. 
li. Bei dieser Gleichheit der Ursache ist auch die Art der 
Entstehung für alle die gleiche, beruhend auf dem Ein- 
flüsse des Kreuzbeines , beziehungsweise seiner Flügel» 
auf die Gestalt des Beckens. 
III. Wenn wir sonach allen schräg-verengten Becken eine 
gleiche Entstehungsweise und eine gemeinsame gleiche 
Ursache ihrer Entstehung zuschreiben, so müssen wir 
doch, insofern die ungewöhnliche Schmalheit Eines Kreuz- 
lieinflügels selbst verschiedenen Ursachen ihre Entste- 
hung verdankt, in diesem Sinne eben so viele fernere 
Ursachen für die Entstehung der schrägverengten Becken 
annehmen, und demgemäss unterscheiden: 

1) Schrägverengte Becken, entstanden durch gänzlich ge- 
hemmte Bildung oder mangelhafte Entwickeluiig der Kno- 
chenkerne für die Flügel des Kreuzbeins auf Einer Seite, 
somit angeborene schrägverengte Becken. 

2) Schrägvereugte Becken, in der ersten Kindheit entstan- 
den durch mangelhafte Entwickelung und Fortbildung 
der Flügel selbst in Folge abnormer Verbindung des 
Querfortsatzes des letzten Lendenwirbels mit dem Kreuz- 
oder Hüftbeine: erworbene schrägverengte Becken. 

3) Schrägverengte Becken, entstanden durch mehr oder 
minder continuirlichen einseitigen Druck auf die eine 
Kreuzdarmbeinverbindung von Seiten der Körperlast, so- 

mit erworbene schrägveren^l^ >^^xV^w. 



(1er schr&g^- oder einReiti^ ▼erengften Becken. 89 

4) Schrägyerengte Becken, entstanden durch Synostose der 
Kreuzdarnibeinverbindung, hervorgerufen durch Entzün- 
dung der letzteren, somit je nach der Zeit, in der diese 
bestand, angeborene oder erworbene schrägyerengte 
Becken. 



Der Einfluss des Kreuzbeins, beziehungsweise 
seiner Flügel, auf die Gestalt des Beckens 
überhaupt, des schrägverengten insbe- 
sondere. 

Die Gestaltung des Beckens hängt zunächst hauptsächlich 
ab von der Ausbreitung der Seitenwände, von dem Verlaufe der 
Linea innominata, sowie von der Weite der einzelnen Becken- 
abtheüungen; es ist dies eine längst bekannte Thatsache, die 
keiner näheren Begründung bedarf^ wenn ich nur daran er- 
innere, dass wesentlich in diesen Punkte sowohl die Ver- 
schiedenheiten zwischen männlichem und weiblichem, als auch 
die Unterschiede im Allgemeinen zwischen menschlichem und 
thierischem Becken begründet sind. Auf einen oder mehrere 
derselben wird sich jeder, die Beckengestaltung beherrschende 
Einfluss beziehen müssen. Nun lehrt uns aber die Bnt- 
wickelungsgeschichte , wie die vergleichende Anatomie, dass 
auch diese Momente keine selbstständigen Factoren in der 
Beckenentwickelung sind, dass vielmehr auch sie wieder ab- 
hängig sind von einem alle beherrschenden Factor, d. i. dem 
Kreuzbeine, speciell den Flügeln desselben. 

Mögen wir den Fötus in seinen verschiedenen Entwicke- 
lungsstadien , oder mögen wir das geborene Kind in seinen ver- 
schiedenen Altersperioden bis zur Zeit der Geschlechtsreife unter- 
suchen, wir werden eine fortlaufende Reihe von Bildern bekom- 
men, die uns unzweideutig zeigen, wie die ganze Beckenentwicke- 
lung mit der der Kreuzboinflügel parallel läuft, wie mit der 
raschen Entwickolung dieser auch jene eine freiere ist, mit 
dem Zurückbleiben dieser auch jene zurückbleibt. Vergleicht 
man nun eine *Reihe von Becken aus derselben Periode der 
Fötalzeit, so findet man grosse Verschiedenheiten in der Ent- 
wickelung der Knochenkerne der Kreuzbeinflügel^ äWt ^Vi^ws-^ 
grosse Verschiedenheiten in demselben S\bwc vw di«t ^wV 



90 VI. 0«o, üeber die Ursaehen und die Entstehangiweise 

wickeluDg der Hüftbeine; man findet, dass bei demjenigen 
Becken, an wekben die Flügel des Kreuzbeins noch klein 
sind und mit den Wirbelkörpem und dem Hüftbeine noch 
nicht in Verbindung stehen, auch die Darm- und Scbaambeine 
gestreckt verlaufen, dass der Beckeneiiigang eine längliche 
Form hat, und umgekehrt bei denjenigen Becken, bei welchen 
die Kreuzbeinflügel eine höhere Entwickelungsstufe schon er- 
reicht haben, wo sie grösser sind, eine keilförmige Gestalt 
besitzen und mit Wirbelkörpern und Hüftbeinen schon in 
Verbindung stehen, hier die Linea innominata gebogen ist, 
dadurch der quere Durchmesser des Beckeneinganges an 
Länge gewinnt, und das letztere eine rundliche Gestalt ge- 
wonnen hat. So sehen wir weiter im kindUchen Alter bis 
zur Geschlechtsreife, so lange die Kreuzbeinflügel, besonders 
die oberen, ihre vollkommene Entwickelung noch nicht a^ 
reicht haben, die Hüftbeine noch nicht ausgebreitet, und 
dadurch die Linea innominata noch gestreckt; mit der 
Geschlechtsreife aber entfalten sich die oberen Flügel 
und mit ihr erscheinen die Darmbeine ausgebreitet, die 
Linea innominata gewölbt, der quere Durchmesser überragt 
den geraden. Und wiederum bei geschlechtsreifen Becken 
steht die Ausbreitung und Wölbung der Hüftbeine in geradem 
Verhältnisse zur Breite der oberen Kreuzbeinflügel, und ist 
ja darin gerade die Geschlechtsverschiedenheit der Becken 
begründet. 

Aehnliches lehrt uns die vergleichende Anatomie. Die 
abnehmende Breite des Beckens, die, wie beim Menschen, 
nur bei den höheren Affen, dem Elephanten und dem Faul- 
thiere vorkommt, geht mit abnehmender Breite des Kreuz- 
beins einher, wenn sie hier auch nicht einzig durch diese 
bedingt ist; bei der Buschmann- und Hottentottenrace, wo das 
menschliche Becken der Thierform sich nähert, wo das Kreuz- 
bein eine geringere Breite hat, zeigt sich auch geringere Aus- 
dehnung der Hölftbeine, geringere Wölbung der Linea inno- 
minata mit überwiegender Grösse des geraden Durchmessers 
über den queren (Vrolik). Die Abhängigkeit der Entwicke- 
lung der Hüftbeine vom Kreuzbeine wird ferner bewiesen 
durch die Sirenenbildung, bei der das Kreuzbein nur oben 
und hinten zwischen doi k\e\i\eu, v^^^^^"^-» ^'^i'sÄx^^Vfcw ^^- 



der schräg- oder einseitig verengten Eteoken. 91 

beinen liegt, sowie durch einen damit verwandten Fall, den 
HoM a. a. 0. beschreibt und abbildet, in welchem ebenfalls 
das verbildete Kreuzbein mit den Hüftbeinen nur an ihrem 
oberen hinteren Rande in Verbindung steht, und der Ein- 
gang des Beckens eine Längsspalte bildet, weil die unge- 
nannten Beine ganz gestreckt verlaufen; endlich tritt diese 
Thatsache deutlich hervor an einem von Meckd (Archiv für 
Anatomie und Physiologie, Jahrgang 1826) beschriebenen 
Becken, wo das Kreuzbein gar nicht mit dem Hüftbeine in 
Verbindung stand, und demgemäss die Hüftbeine platt waren, 
gestreckt verliefen und das ganze Becken enger war, sowie 
in einem Falle von einem Mann- Weibe in der Leydenec ana- 
tomischen Sammlung, von Hohl beschrieben, wo das Becken 
einen vollkommen weiblichen Typus hat, aber auch das Kreuz- 
bein weiblich ist, von grösserer Breite, die jedoch nur den 
Flügeln zukommt. 

Wenn sonach aus dem Angeführten der Einfluss der 
Kreuzbeinflügel auf die Beckengestalt überhaupt sich unzwei- 
felhaft als ein wichtiger ergiebt, so wird sich aus folgendem 
ergeben, dass aus ihrem Verhalten allein sich speciell auch 
die Charaktere der scliräg-verengten Becken erklären lassen. 
BekanntUch sind die wichtigsten Merkmale derselben: die 
Flachheit des ganzen ungenannten Beins auf der Seite, auf 
der der Kreuzbeinflügel ungewöhnlich schmal ist, die Schmal- 
beit und Niedrigkeit des mit ihm verbundenen Darmbeines, 
die Kleinheit der diesseitigen Ernährungslöcher; dazu kom- 
men eine Anzahl consecutiver Merkmale, sowie solche, die 
nur speciell den Unterarten zukommen und bei diesen zur 
Sprache kommen werden. 

Die Abhängigkeit der Wölbung der ungenannten 
Beine von der Entwickelung der Kreuzbeinflügel ist durch 
Obiges hinlänglich erörtert; in allen Fällen war ja die Streckimg 
derselben die unmittelbarste Folge der mangelhaften Entwicke- 
lung dieser; auch Lambl sagt an einer Stelle in seiner Ab- 
handlung über quer -verengte Becken in der Prager Viertel- 
jabrsschrift, Jahrgang 1853, die Streckung des ungenannten 
Beins erkläre sich mechanisch aus dem Schwunde der Kreuz- 
bemflügel; denn es sei kein Fall von Schwund des Kc^wx- 
bäaßugeJs mit normal gebliebener Cur\e dev \aw&^ \\i\v^\sAr 



92 ^^' OttOj Ueber die Ursachen und die Entetehnngtweise 

nata des betreffenden Hüftbeins bekannt. Auch könne 
sich ex perimental überzeugen, dass beim Heraussägen eines 
Kreuzbeinflugeis an einem normalen Becken die Knorpelfläcbe 
des Darmbeins gleichstehe, und dass es einer Streckung des 
Hüftbeins bedürfe, um alsdann die beiderseitigen Contact- 
flächen aneinandcrzupressen. 

Die Schmalheit und Niedrigkeit des entsprechen- 
den Darmbeines wird uns klar, wenn wir uns des wech- 
selseitigen Einflusses benachbarter Theile auf ihr gegensei- 
tiges Wachsthum erinnern, ein Einfluss, der an den verschie- 
densten Theilen bald als fördernder, bald als hemmender 
beobaclitet wurde, und der in unserem Falle, von dem roiss- 
bildenden Flügel des Kreuzbeines, also von einem selbst in 
der Bildung oder Entwickelung gehemmten Theile ausgehend, 
nur ein aufhaltender sein kann, ganz abgesehen davon, dass 
dieselben Ursachen, welche die Entwickelung der Kreuzbein- 
flugel aufhalten, in einzelnen Fällen wohl auch das Wachsr 
thnm des mit dem Kreuzbeine verbundenen Hüftbeines hin- 
dern möchten. Ehie Verkürzung des Hüftbeines be- 
steht nach Litzmann nicht, sondern es beruht die fast immer 
nachweisbare Verkürzung der Linea innominata auf einer fast 
Constanten Verschiebung des Hüftbeines am Kreuzbeine nach 
hinten, so dass, was vor der Synostose fehlt, hinter dersel- 
ben zu viel ist, indem das Hüftbein hier zu weit hinausragt 
Ueber die Kleinheit der diesseitigen Kreuzbein- 
löcher brauchen wir kaum ein Wort zu sagen; wo ein 
ganzes Gebilde in seiner Entwickelung gehemmt ist^ ist es 
natürlich, dass auch dessen einzelne Theile an dieser man- 
gelhaften Entwickelung Theil haben werden. Die Biegung 
des Hüftbeines fallt mehr nach hinten, weil sie dem 
Kreuzbeine näher liegt. 

Einige andere Punkte finden ihre Erklärung in den ab- 
geänderten DruckveriiäUriissen. Es wird nämlich, wie später 
noch erörtert werden wird, bei asymmetrischen Becken die 
Körperlast ungleich vertheilt; es fallt auf den Schenkel der 
defecten Seite der grössle Theil der Körperlast und geht von 
diesem aus ein entsprechender Gegendruck auf die Pfanne: 
durch ihn erklärt sich die abgeflachte Gestalt des imgenannten 
Beines, namentlich des ScWTObevtve* \iw^ ^\^ Nw^y^^XsvvB^ 



der schräg- oder eiuseitig verengten Becken. 93 

der Sdioossfuge nach der anderen Seite, die zugleich die 
Folge der grosseren Streckung der Linea innuminata dieser 
Seite ist. 

Durch ihn erklärt sich ferner die erwähnte Verschie- 
bung des Hüftbeines nach hinten, oben und innen, we- 
nigstens viel besser, als durch die narbige Retraction der 
Synostose, wie Simon Thomas geneigt war zu glauben , eine 
Ansicht, die jedoch durch Litzmann mit physikalischen Grün- 
den hmlänglich widerlegt ist, und schon darum gleich nicht 
auf allgemeine Geltung Anspruch machen konnte, weil diese 
Anomalie auch bei den schrägverengten Becken ohne Syno- 
stose vorkommt; wir werden freilich später sehen, dass auch 
die andere Erklärung für einige Fälle nicht gut denkbar ist. 

Das Kreuzbein ist gegen die fehlerhafle Seite scheinbar 
verschoben, weil das Stück des Hüftbeins, das zwischen dem 
Rande des Kreuzbeins und der grössten Biegung des Hüft- 
beins hegt, schmäler ist, als auf der anderen Seite, wo es 
die regelmässige Entwickclung durchgemacht hat Diese Schmal- 
heit des genannten Theils bedingt nothwendig eine geringere 
Entfernung des Tuber und der Spina ischii, mithin eine ge- 
ringere Länge der Ligamenta sacrotuberosa und sacrospinosa 
auf der fehlerhaften Seite. Damit hängt ferner zusammen 
ein geringeres Maass der Distantia sacrocotyloidea auf der- 
selben Seite, sowie eine Ungleichheit aller übrigen Maasse, 
welche am normalen Becken auf beiden Seiten gleich sind; 
und die Schmalheit des einen Kreuzbeinflügels hat unmittel- 
bar einen geringeren Abstand des Dornfortsatzes des letzten 
Lendenwirbels vom hinteren oberen Darmbcinstachel der ent- 
sprechenden Seite zur Folge. 

Lambl sagt: „Wo im Organismus eine Anomalie auf- 
tritt, stellt sich als nothwendige Folge eine ganze Reihe von 
Abweichungen ein'', und so führt auch diese Deformität mit 
air ihren Einzelheiten auf den einzigen Formfehler, die Schmal- 
heit des Einen Kreuzbeinilügels, zurück. Doch ist damit nicht 
gesagt, dass Schmalheit des Kreuzbeinflfigels auf einer Seite 
in allen Fällen zur schrägen Beckenverengerung führen muss; 
wo sie besteht, führt sie auf diese zurück^ aber nicht im- 
mer umgekehrt, vielmehr kann dieselbe auc\\ o\\u^ Äv^*^ ^ ^%^ 
bJeibeu In den Fäi/en, wo eine andere (j«5S\.AV.\M\giWiö\swXv^ 



94 VI. OitOj Üeber die Uraacheo and die Entstehim^tweise 

hinzutritt, die im Stande ist, die Wirkungen des schmale 
Kreuzbeinflügels zu annulliren. Wenn dies aucli allerdings 
ein sehr seltenes Yorkommniss sein mag, so ist es doch 
constatirt in einem Falle , der sich bei Litznuum (a. a. 0.) 
verzeichnet findet. Es ist ein weibliches Becken der Kieler 
Sammlung mit Q. bezdchnet. Seine Geschichte fehlt ; es ist 
mit den drei untersten gerade aufsteigenden Lendenwirbeln 
verbunden. Der letzte Lendenwirbel, im Uebrigen normal 
gebildet, schickt von seiner Basis auf beiden Seiten und vom 
unteren Rande des Processus transversus einen flögelarligen 
Fortsatz nach vom, ulften und aussen, der theils mit dem 
betreffenden Flügel des ersten Kreuzwirbels verwachsen ist, 
theils mit dem hinteren theile der rauhen FlAche des Darm- 
beins durch Bandmasse in Verbindung steht. Dieser flügel- 
artige Fortsatz ist rechts breiter als links, und dem entspre- 
chend finden wir den rechten Flügel des ersten Kreuzwirbels 
breiter, höher und besonders an dem mit dem Lendenwirbel- 
fortsatz verschmolzenen Theile dicker von vom nach hinten. 
Auch der Flügel des zweiten Kreuzwirbels ist rechts noch 
merklich breiter als links. Weiter abwärts verliert sich die 
Asymmetrie. 

Das Kreuzbein steigt in gerader Richtung von oben nach 
unten herab. Die Scbaamfuge befindet sich dem Promonto- 
rium gerade gegenüber; beide Hüftbeine haben die gleiche 
Neigung. Die linke Darmbeinplatte liegt etwas flacher und 
erscheint ein wenig höher, als die rechte. Zugleich ist die 
S förmige Biegung starker und der Abstand zwischen der 
Spina anterior superior und Spina posterior superior um 1" 
geringer, als an dem anderen Darmbeine, obwohl die Länge 
der Crista längs ihrer Biegung gemessen auf beiden Seiten 
gleich ist. Die linke Incisura ischiadica ist ein wenig enger 
als die rechte. Die rechte Hälfte des Beckeneinganges ist 
zwar ein wenig weiter als die linke, jedoch ohne die min- 
deste Annäherung an die schräg-ovale Gestalt. Die Linea 
ileopectinea dextra macht wegen der durch die grössere 
Breite des diesseitigen Kreuzbeinflugeis gestatteten grösseren 
Entfaltung des Hüftbeines dieser Seite in ihrem hinteren 
Theile einen stärkeren Boget^ t\^cV\ ^ws^^w^ als die entspre- 
chende Linie links. Diese slärkw^ N\\%\iv^^w% \%v ^«? ^t^os^ 



der solirä^- oder einseitig verengten Becken. 95 

dass der rechte schräge Durchmesser um 1%'*' grösser ist, 
als der linke. 

Dieser Beschreibung zufolge besitzt dieses Becken offen- 
bar viele der den schrägverengten Becken zukommenden 
Merkmale; mit der Schmalbeit des linken Kreuzbeinfilägels 
gehen einher Flachheit und geringere Höhe der linken Darm- 
beinplatte, Enge der linken Incisura ischiadica, geringere Aus- 
biegung des hinteren Theiles des Darmbeins dieser Seite, 
grössere Kürze des linken schrägen Durchmessers. Anderer 
Punkte ist nicht Erwähnung gethan; aber es fehlt die cha- 
rakteristische schräg-ovale Form. Diese wu*d zunächst be- 
dingt durch die Stellung der Schoossfuge zum Promontorium ; 
dass dieselbe sich hier diesem gerade gegenüber befmdet, 
findet seine Erklärung in einer oben angegebenen, den 
scfaräg-vereugten Becken nicht zukommenden Anomalie, der 
Starkeren S förmigen Krümmung des linken ungenannten Bei- 
nes; bei Becken mit schräg -ovaler Form ist es wesentlich 
der gestreckte Verlauf des einen ungenannten Beines, welcher 
die Verschiebung der Schoossfuge bedingt; derselbe hat^ in 
gerader Linie gemessen, eine grössere Länge dieses Theiles 
zur Folge und damit eine Verschiebung des vorderen Endes 
in dessen eigener Bichtung. Aus den) Fehlen dieser Streckung 
müssen wir das Fehlen der schräg- ovalen Form herleiten. 
Warum das ungenannte Bein in diesem Falle nicht gestreckt 
verläuft, vielmehr eine stärkere Krümmung besitzt, als ge- 
wöhnlich, darüber haben wu* keinen Aufschluss; vielleicht 
könnte uns die leider unbekannte Geschichte des Beckens und 
seiner Trägerin darüber belehren. Als einfaches Ausbleiben 
der Wirkung des schmäleren KreuzbeinÜugels darf es nicht 
betrachtet werden; denn der Umstand, dass die S förmige 
Biegung das normale Maass überschreitet, nöthigt uns, einen 
neben der Schmalheit des Kreuzbeinflügels einhergehenden 
Einfluss anzunehmen, der in einer, dieser entgegengesetzten 
Richtung wirkte. Soviel glaube ich vertreten zu können, dass 
dieses Exemplar den obigen Satz nicht umstösst, vielmehr 
nur seine Umdrehung verbietet, in der Art, dass wir sagen 
müssen, die schräge Beckenverengerung lässt sich, wo sie be- 
steht, immer einzig und allein auf die Sc\\ii\a\V\cv\. ^^^ «v:^««^ 
Ereuzbeinflügels und ihre Folgen zurücUüViTew, \»wä?» ^i5ö«c 



96 VI. OUOj Ueber die Ursachen und die Entstehnngfsweif e 

nicht Dothwendig, wenn auch gewöhnlich, in deren Gefolge 
sein, vielmehr nur in den Fällen, wo nicht andex*e AnomalieD 
an demselben Becken vorhanden sind, welche die Wirkongeo 
des Kreuzbeinflugeis aufhoben. Wenn wir sonach in der 
ungewöhnlichen Schmalheit eines Kreuzbeinflugeis, die nächste 
Ursache einer jeden schrägen Beckenverengerung erkennen, 
so werden wir bei der Forschung nach denjenigen Ursachen, 
welche ein solches Verhalten des Kreuzbeins bedingen, zu- 
gleich die ferneren Ursachen der schrägen Beckenverengenmg 
erkennen, und haben wir in diesem Sinne als erste Kategorie 
aufgestellt: 

I. Schrägverengte Becken in Folge einer man- 
gelhaften Entwickelung, beziehungsweise 
gänzlich gehemmter Bildung, der Knochen- 
kerne für die Flügel des Kreuzbeines auf 
einer Seite. 

Die Flügel des Kreuzbeins sind bekanntlich erst im 
vierten Lebensjalu^e fertig gebildet ; um diese Zeit erst haben 
sie ihre charakteristische keilförmige Gestalt erlangt, und sind 
mit der Bogenhälfte und dem Körper der Kreuzbein wirbel 
verwachsen. Während sie in den ersten Kinderjahren sich 
gestalten und im Wachstimme ihrer späteren Form zustreben, 
sind sie im Fötallebeu noch kleine, unbestimmt geformte, 
oder rundliche Knoclienstückchen, die, ganz isolirl, mit kei- 
nem der Nachbarknocheu in Verbindung stehen; sie sind ge- 
wissermassen nur angekündigt durch ihre Knochenkerne; es 
kann daher bei dieser angeborenen Form noch nicht um 
Flügel, sondern nur um deren Knoclienkern sich handeln. 
Von ihrer Entwickelung hängt die spätere Grösse der Flügel 
ab, und eine Hemmung derselben, wie sie a priori schon die 
einfachste, nächstliegende Erklärung für eine spätere Kleinheit 
der Flügol wäre, ist auch durch vielfache Beobachtungen 
ausser Zweifel gesetzt. Dieselbe betriift entweder beide Flü- 
gel des Kreuzbeins oder, und dies allein ist es zunächst, 
was für unseren Gegenstand verwerthbar ist, sie ßndet sich 
nur an Einem. Solche BeobdcUluu^^u von vollständigem 
Mangel oder ungewöhnUcber Vk\eviÄ\e\\. «ßx^* ^^« vfi^äüx^t« ^ä 



der schräg- oder einseitig verengten Becken. 97 

die Bildung der Kreuzbeinflügel bestimmter Knoebenkerne an 
Becken von Neugeborenen finden sich bei Robert, Martin, 
Hohl u. A. 

Bekanntlich entsprechen die Flügel des Kreuzbeins jeder- 
seits den entsprechenden Querforlsätzen sauimt Rippenrudi- 
menten, die beide, jedes aus einem gesonderten Knochen- 
kerne sich entwickeln, und daher in ihrer Bildung und ihrem 
Wachsthum von einander unabhängig sind. Wir müssen dem- 
nach jederseits ebensoviele Flügel (Querfortsätze und Rip- 
penrudimente), als Kreuzwirbel unterscheiden, und werden 
es nun erklärlich finden, wenn wir auch auf einer und der- 
selben Seite wieder Verschiedenheiten finden, insofern die 
gesammte Entwickelung bald nur Einen, bald mehrere, bald 
diesen, bald jenen Flügel betrifll. Am häufigsten kommt 
die mangelhafte Entwickelung am Flügel des ersten Kreuz- 
wirbels vor; von grösseren, durch stufenweise abnehmende 
kleinere Rudimente hindurch lässt sie sich verfolgen bis zum 
gänzlichen Fehlen desselben. Ist ein mangelhafter Flügel vor- 
handen, so steht er mit dem Flügel des zweiten Kreuzwir- 
bels entweder durch eine Faserknorpelscheibe oder ein Band 
in Verbindung, oder es besieht zwischen beiden eine unmit- 
telbare Continuität, mit mehr oder weniger deutlicher Grenze 
beider; nie aber fand man irgend eine Spur etwa vorhanden 
gewesener Entzündung. Eine solche fehlerhafte Bildung des 
ersten Kreuzbeinflügels fand man in ziemhch zahlreichen Fäl- 
len allein bestehen, sowohl ohne sonstige Anomaheu über- 
haupt, als auch ohne Theilnahme des folgenden Flügels ins- 
besondere. In anderen Fällen dagegen zeigten sich die Flü- 
gel des zweiten oder auch des drillen Kreuzwirbels in ähn- 
licher Weise verbildet; auch sie waren in der Entwickelung 
zurückgeblieben oder fehlten ganz, sei es in Folge der glei- 
chen Ursdche, die der Bildungshemmung des ersten zu Grunde 
lag, sei es, dass die zu geringe Ausbreitung oder das Fehlen 
des ersten Flügels, und dadurch bedingter Mangel an Raum 
das Wachsthum des oder der folgenden henjmte (Hohl). 
Auch diese Abweichung kommt ohne alle krankhafte Verhäll- 
hältnisse und Verhildungcn der übrigen Skeletthcile vor, oder 
aber sie ist mit noch anderen Bildungsabweichungen verbun- 
den. Jsl die Anomalie auf den ersteu F\ü%«\ \^i^^«j^vdXv\kV^ 'sä 

Moamtsaobr. f. Geburtak, 1066, Bd. XXyiII.,Htt. %, ^ 



98 VI. OUOt lieber die Ursachen and die Entsteh an^sweise 

bleibt sie gewöhnlich ohne Einfluss auf das Becken; es ist 
nämlich in diesem Falle gewöhnlich dem zweiten Kreuzwirbd 
die Rolle des ersten übertragen ; derselbe ist vergrössert, and 
ersetzt den ersten zum Theil oder vertritt ihn selbst ganz. 
Er trägt allein die ohrförmige Gelenkfläche zur Verbindang 
mit dem Höftbeine, und alles übrige entwickelt sich gewöhn- 
lich nach Form und Grösse in ganz normaler Weise, be- 
greiflich, denn dem Kreuzbeine ist ja auf diese ungewöhnliche 
Weise seine normale Grösse und Breite erhalten. Im ande- 
ren Falle dagegen, wo auch der Flügel des zweiten oder 
dieses und des dritten Kreuz wirbeis an der Abweichung Theil 
nimmt, kann ein störender Einfluss auf die Entwickelung des 
Reckens nicht ausbleiben; nun ist der Natur das Mittel zur 
Ausgleichung entzogen, sie hat keinen Ersatz für die felilen- 
den Theile gehabt; der betreflende Kreuzbeinflügel bleibt zu 
schmal und entfaltet nun alle jene Einwirkungen, die wir 
ihm im vorigen Abschnitte zuschrieben. Dies bestätigen eine 
Reihe schrägverengter Becken, deren Kreuzbeinflügel in ge- 
nannter Weise abnorm sind, und die keine andere Erklärung 
ihrer Missstaltung darbieten. 

An einem Theile dieser Becken besteht die gehemmte 
Entwickelung am ersten und zweiten Kreuzbeinflügel mit und 
ohne anderweitige Anomalien des Skeletts; eine Anzahl an- 
derer stellt eine fortlaufende, in dem Grade der schrägen Ver- 
engerung sich abstufende Reihe dar, bei denen diese im glei- 
chem Verhältnisse abnimmt mit dem Grade, in dem der Flü- 
gel des zweiten Kreuzwirbels seinem Bestreben, den des 
ersten zu ersetzen, nachkommt, welche zu denen hingeleiten, 
bei welchen dieser Ersatz ein vollständiger geworden ist, und 
damit die normale Gestaltung des Beckens erhalten blieb. 

Wenn damit das Vorkommen einer angeborenen Ver- 
kümmerung des Kreuzbeinflügels auf einer Seite constatirt 
ist und auch ihr Einfluss auf die schräge Beckenverengerung 
einleuchtet, so haben wir doch vorgegrifl'en , wenn wir sie 
von gehemmter Entwickelung ableiteten ; es erübrigt nodi, 
diese Entstehungsweise zu prüfen und zu untersuchen, ob 
die genannte Anomalie wirklich eine Folge mangelhafter Ent- 
wickelung der für die Kreuzbeinflügel bestimmten Knochen- 
^^mo sei, somit auch im eu^erew ^\ww^ ^w^t^V^^^«^^ ^ec ob 



der BchrSg- oder einseitig verengten Becken. 99 

sie etwa im Fötalleben erworben soi. Es handelt sich bei 
der zu prüfenden Anomalie um das Fehlen eines (beziehungs- 
weise mehrerer) Kreuzbeinflügel, beziehungsweise eines Thei- 
les derselben; dabei sind nur zwei Fälle denkbar: entweder 
sie sind nicht gebildet worden, oder sie waren gebildet und 
sind durch zerstörende Einflüsse zu Grunde gegangen, unter 
denen man nur an Entzündung und ihre Folgen denken 
könnte. Diese aber kann an denjenigen Becken, an welchen 
das Kreuzbein in der geschilderten Weise sich verhält, mit 
Sicherheit ausgeschlossen werden. Die ffmf Knochenstücke, 
aus denen ein Kreuzwirbel sich bildet, zwei Flügel, zwei 
Bogenhälften und der Körper sind ursprünglich vollständig 
getrennt und verschmolzen erst nach dem dritten, oft erst 
im fünften Lebensjahre; man müsste an ihren Verbindungs- 
stellen doch wohl Spuren einer vorangegangenen Entzündung 
wahrnehmen; es ist jedoch noch an keinem der hierherge- 
hörigen Becken an der Stelle, wo der Flügel des Kreuzbein- 
Wirbels mit seinem Querfortsatze, noch da, wo er mit seinem 
Körper verwachsen ist, irgend ein Zeichen dagewesener Krank- 
heit erkannt worden, ganz abgesehen davon, dass es immer- 
hin auffallend wäre, warum nicht in gleicher Häufigkeit der 
Qoerfortsatz , wie die BogenhälfLe von Entzündung sollten bc- 
fallen werden. Ferner müsste in den Fällen, wo der erste 
Flügel vollständig fehlt, alles übrige aber normal ist, eine 
vollständige Auflösung desselben angenommen werden, die 
die Umgebung ganz unangetastet gelassen haben sollte! Auch 
in den Fällen, wo die nur rudimentäre Eutwickelung der zwei 
und drei obersten Kreuzbeinflügel die Annahme einer Entzündung 
aller drei nothwendig machte, sind an deren Verbindungs- 
stellen untereinander ebenfalls keinerlei Spuren vorausgegan- 
gener Entzündung benierkbar. In diesen Fällen, namentlich 
hl denen gänzlichen Mangels des ersten Flügels, möchte wohl 
auch Niemand den Einwand erheben, dass Knochenkrank- 
heiten oft verlaufen, ohne nach ihrer Ausheilung Spuren zu- 
rückzulassen. Doch sprechen auch npch positive Gründe für 
die Annahme einer im engeren Sinne angeborenen Anoma- 
lie; zunächst die Analogie: man findet bei Skeletten aus dem 
Fütalieben und der ersten Kindheit das Fehlen dv.v ^v>^\.^\\ 
Kppe auf einer oder auf beiden Seilen; A\«ts> v^Vc^ ^\^^ >»^^^ 

1* 



100 ^I- OUo, Ueber die Ursachen nnd die Entstebungsweise 

von Bedeutung, sobald wir uns erinnern, dass der Flügel 
des Kreuzbeins eine rudimentäre Rippe ist, und es möchte 
jenem Vorkommnisse zugleich das häufigere Fehlen gerade 
des ersten Kreuzbeinfilugels (der ersten Kreuzwirbelrippe) ent- 
sprechen. {Hohl,) 

Ferner spricht der allmäUge Uebergang aller Grade 
dieser abweichenden Bildung doch mehr für einen angebo« 
renen Zustand, als für eine erworbene, durch Krankheits- 
processe entstandene Anomalie. Endlich wird bei gleicbzei* 
tiger Anwesenheit noch anderer Abnormitäten des Skeletts, 
die unzweifelhaft auf gehemmte Entwickelung zurückführen, 
wohl Niemand Bedenken tragen, eine solche auch für unsere 
Abweichung anzunehmen. Wie schon angefülirt, sind ja eine 
Anzahl schrägverengter auf diese Anomahe zurückführender 
Becken bekannt, mit denen noch andere Missbildungen ver^ 
blinden waren. Am häufigsten findet man sie verbunden 
mit Schieflieit des Kopfes. Aus all diesen Gründen glaube 
ich auch die Annahme einer fötalen Entzündung der Kreuz- 
beinflögel mit folgender Zerstörung derselben von der Hand 
weisen und eine ursprungliche Entwickelungshemmung ihrer 
Knochenkerne, beziehungsweise ein vollständiges Ausbleiben 
ihrer Bildung, annehmen zu müssen. Ueber die Ursachen 
einer solchen Entwickelungshemmung weiss man freihch nichts; 
sie unterliegen demselben Dunkel, das über die Missbildungen 
überliaupt noch ausgebreitet ist. Nur in Einem von Hohl 
(a. a. 0.) beschriebenen Falle scheint man zu der Einwir- 
kung eines äusseren mechanischen Momentes auf den Fötus 
berechtigt zu sein, die Ursache einer Reihe von Missbildungen, 
und darunter auch der gesamniten Entwickelung des Kreuz- 
beinflugels, zu erblicken. Der Fall ist folgender: die Mutter 
des missstalteten Kindes, eine Näherin, schnürte sich über 
Gebuhr, um ihre Schwangerschaft zu verbergen, und setzte 
dabei ihre sitzende Lebensweise mit nach vorn gebeugtem 
Oberkörper fort, so dass sie während der Schwangerschaft 
beständig heftige Schmerzen im Bauche fühlte. Die Geburt 
förderte ein missstaltetes Kind zur Welt. Es zeigten sich 
missgestaltet der Penis, der rechte Arm, die rechte untere 
Extremität, letztere fest am Bauche liegend. An dem Klump- 
fusse der linken unteren E\Vxeiu\VÄ\. \^\\\\.fe ^aw^. 1a\\k\. Bei 



der sebr&gr- oder einseitig rerengten BeckeD. 101 

dem nach 20 Wochen erfolgten Tode des Kindes fanden sich 
fernei* am Präparate, ausser Anomalie der Lunge, des Her- 
zens, der Aorta, Leber, Nieren, am Skelett: Jinks, rudimen- 
täres Vorhandensein der ersten Rippe, Kleinheit des Schien- 
beines, Fehlen der Palella, Verschmelzung des Sprung- und 
Fersenbeines; rechts: Verschmelzung der ersten und zweiten 
Rippe, Dännheit der ganzen oberen Extremität, Fehlen der 
Ulna, des Daumens, des vierten und fünften Fingers sammt 
Mittelhand knochen ; ungewöhnliche Kürze des Oberschenkels, 
Dünnheit der Tibia, Fehlen der Fibula, Verschmelzung des 
Sprung- und Fersenbeines und Verbindung zweier Zehen mit 
ihnen; Fehlen der übrigen Zehen, dazu Schiefheit des Kopfes 
und viele andere. Hohl hielt es für wahrscheinlich, dass 
der durch den Schnürleib auf den Bauch und damit auch 
auf den schwangeren Uterus und seinen Inhalt ausgeübte 
starke Druck als Ursache dieser Missstaltungen zu betrachten 
sei; ihm schloss sich Litzmann au, und es mag wohl sol 
eher Druck im Stande sein, einerseits die gehörige Entwicke- 
lung der einzelnen Theile zu hindern, andererseits sie zu 
verschieben , zu verbiegen , zusammen zu drücken ; somit ist 
kein Grund vorhanden, dieser Annahme die Möglichkeit ab- 
zusprechen. 

Zum Beleg der bei diesem Abschnitte ausgesprochenen 
Sätze dienen folgende schräg-verengte Becken: 

1) Das weibliche Beckcti im Museum anatomic. Groningo- 
num mit Nr. 523. bezeichnet und von Thomas beschrie- 
ben {Thomas a. a. 0. S. 36.). Der rechte Flügel des 
ersten Kreuzwirbels fehlt ganz, der Findol des zweiten 
hat den ersten nicht ersetzt, sondern auch er ist in der 
Entwickelung zurückgeblieben, in Folge dessen ist das 
Kreuzbein asymmetrisch und das Becken schräg verengt. 

2) Das weibliche Becken der Sammlung des Nosocom. aca- 
demic. zu Leyden, von Thomas beschrieben (ebenda- 
selbst). Es fehlt rechts der Flügel des ersten Kreuz- 
wirbels; der des zweitem ist zwar vorhanden, aber un- 
gewöhnlich schmal, hat sich jedoch nach oben zu einem 
vertical aufsfeigenden Kuochenstücke verlängert, das die, 
Gelenk fläche für das rechte Ileosacrd\%e\^tvVk \x^^» \w 



102 ^'* ^^t Ueb«r die Ursachen und die Kntetehaqgtweise 

Folge dieses unvollkommenen Ersatzes des fehlenden 
ersten Flügels durch den zweiten wurde das Becken 
schräg verengt. 

An deroselhen Becken finden sich noch eine Reihe 
anderer als ßildungshemmungen zu deutender Abnonni- 
täten. Fehlen des rechten aufsteigenden, des linken 
absteigenden Gelenkfortsatzes, des linken Querfort* 
Satzes u. a. 

3) Das weibliche Becken aus der Jf^cÄ^eZ'schen Sammhiag 
von Martin und neuerlich von Hohl (a. a. 0.) als Nr. 15. 
beschrieben. 

4) Das weibliche Becken aus der üfecieZ'schen Sammlung, 
bezeichnet „Feniina 50 annor/' von Hohl (a. a. 0.) als 
Nr. 17. beschrieben und abgebildet; beide zeigen ahn* 
liehe Verhältnisse. 

5) Das weibliche Becken aus der MeckeV^en Sammlung 
von Hohl unter Nr. 14. beschrieben! Die Anomalie be- 
steht an beiden Scitentlieilen des Kreuzbeines; der Flü- 
gel des zweiten Kreuzwirbels hat den fehlenden ersten 
ersetzt, aber auf der eineiK Seite vollkommen, auf der 
anderen nur unvollkommen; es ist dadurch ein ähn- 
liches Verliältniss hergestellt, wie bei Nr. 2., und nähert 
sich desshalb die Gestalt des Beckens der schräg -ver- 
engten. 

6. u. 7) Die von Hohl unter Nr. 15. u. 16. (letzteres aus 
der i/ec&eZ'schen Sammlung) beschriebenen weiblichen 
Becken, die^ das eine annähernd, das andere vollkommen 
schräg-ovale Gestalt besitzen in Folge unvollkommenen 
Ersatzes des fehlenden ersten Flügels durch den zweiten, 
bei normaler anderer Seite. 

8) Muss hier der von Hohl mit Nr. 1. bezeichnete Fall 
erwähnt werden, wo die schräge Verengerung nur durch 
eine relative Schmalheit der Flügel auf einer Seite be- 
dingt ist, gegenüber den ungewöhnlich stark entwickel- 
ten der anderen Seite. Ausser diesen finden sich bei 
Hohl noch mehrere auf diese Weise entstandene schräg- 
verengle Becken aufgezeichnet, die zur Erhärtung obiger 
Sätze ebenfalls tauglich, aber männhche sind. 



der sehräg- oder einseitig verengten Becken. 103 

Dass die schräge Beckenvereugeruog ausbleibt, wenn der 
Flügel des zweiten Kreuz wirbeis den des ersten vollkounuen 
ersetzt, beweisen die Fälle bei Hohl Nr. 2., 3., 4„ 5., 6., 
a, 13. 

Es wirft sich nun die Frage auf, ob diese Hemmung 
in der Entwickelung der Kreuzbeinflügel in allen Fällen eine 
fötale, eine angeborene sei, oder ob sie nicht vielmehr auch erst 
nach der Geburt in den ersten Lebensjahren statthaben könne. 
Vielleicbt, meinte Hohl, durch ähnliche Ursachen, wie dieje- 
nigen, welche die Anomalie der fötalen Entwickelung beding- 
ten, sei es, dass sie noch in's extrauterine Leben hinein fort- 
bestehen, sei eS; dass sie erst in diesem hervortreten, viel- 
leicht auch durch andere diesem allein zukommende, etwa 
durch dem kindlichen Alter eigenthümliche Krankheitsprocesse 
und dergleichen, lieber das erste ist offenbar eine Entschei- 
dung nicht möglich; mit einer unbekannten Grösse, wie es 
die Ursachen der fötalen Missbildung sind, lässt sich kein 
Vergleich aufstellen. Es muss dies noch eine oflene Frage 
bleiben, deren Beantwortung • jedoch um so unwahrschein- 
licher eine bejahende sein wird, als die Missbildungen wohl 
dem Fötalleben eigen tliüroliche , ausschliesslich zukommende 
Erscheinungen sind. 

Den zweiten Punkt betreffend, so glaubte Hohl in der 
Rhachitis eine Kranklieit gefunden zu haben, die die freie* 
Entwickelung und das Wachsthum der Seitentheile des Kreuz- 
beines aufhalte und zur schrägen Beckenverengerung führe. 
Er suchte dies zu beweisen durch Beschreibung einiger Becken, 
die, von Personen stammend, welche in der Kindheit an Rha- 
chitis gelitten hatten, unzweifelhaft eine schräg -ovale Form 
besassen. Dass nach Rliachitis die betreffenden Becken schräg- 
ovale Gestalt annehmen können, unterhegt keinem Zweifel; 
allein zur Erklärung derselben brauchen wir keineswegs ein 
Aulhalten der freien Entwickelung und des Wachstimms zu 
Hülfe zu nehmen ; sie ist vielmehr die Folge einer durch die 
Rhachitis häufig gesetzten Veränderung, einer Scoliose der 
Wirbelsäule; wir werden später sehen, dass diese allein euie 
schräge Becken Verengerung verursachen kaim, und auch in 
den von Hohl aufgi^fuhrten Fällen fehlte dieselbe nicht ; aus 
serdei» ht aber das Verlialten der Se*Ueiil\ie\\& öää >k\^>ni- 



104 VI. 0<to, Ueber die Ursaehen nnd die fintstehttngtweise 

beins an diesen Becken ein wesentlich Verschiedenes von 
dem an obengenannten; es sind, nicht ein oder zwei oder 
drei Flügel verkümmert, vielleicht mit mehr weniger voll- 
kommenem Ersätze des einen durch den andern, und nor- 
malen BcschafTenlipit der übrigen, sondern es sind die Sei- 
tentheile in ihrer ganzen Länge um ein gleiches schmäler 
auf einer, als auf der anderen Seite, wie abgeschliffen, und 
fehlt damit durchaus der Charakter der Missbildung. Es ge- 
hören somit diese Becken zu den durch Scoliose der Wir- 
belsäule veränderten, wenn man sie überhaupt zu den schräg- 
verengten zählen will; denn nach ihren Charakteren könnte man 
sie auch den rhachitischen unterordnen. Demnach müssen 
die ^o&Tschen Annahmen zum Theil als nicht reif, zum 
Thcil als unrichtig beseitigt werden ; dagegen ist in neuerer Zeit 
ein anderes Moment bekannt geworden, welches allerdings 
die freie Entwickelung und das Wachsthum der oberen Flügel 
des Kreuzbeins zu hemmen im Stande ist. 

Es gehören hierher: 

II. Di e schrägverengten Becken, entstand en durch 
eine abnorme Verbindung zwischen dem Quer- 
for^satze des letzten Lendenwirbels und dem 
Flügel des ersten Kreuzwirbels 
*auf der der schmäleren Hälfte des Kreuzbeins entsprechenden 
Seite, oder zwischen diesem und dem Darmbeine zugleich. Die 
Verbuidung besteht entweder in einer Verschmelzung beider 
Knochen, oder in einfacher Knorpelverbindung; oder sie ist her- 
gestellt durch ein abnormes Gelenk. Dabei ist der letzte 
Lendenwirbel um seine Lnngsaxe gegen die verengte Becken- 
hälfle hin gedreht. 

Diese abnorme Verbindung vermittelt entweder der Quer- 
fortsatz des fünften Lendenwirbels allein, indem er sich an 
seinem Ende verbreitert und nach unten verlängert oder sich 
in zwei Portionen spaltet, deren obere dem Processus trans- 
versus entspricht, deren untere als Proc. tr. accessorius mit 
dem Flügel des Kreuzbeins sich verbindet; oder aber auch 
das Kreuzbein nimmt Theil an der Ilorsfellung der Verbin- 
dung, indem es von der oberen IJläclie seines Flügels dem 
Proc. transv. accessorius des Vto^c^u V.^w^^w>«\\:\i^Vi ^V^^^aUs 



der sehragf- oder einseitig rereng^ten Becken. 105 

einen abnormen Fortsatz entgegenschickt. Die Steile der Ver- 
bindung Jiegt in den meisten Fällen dicht an der oberen 
Grenze der Synchondrose , und es wird durch sie ein über- 
zähliges Sacralloch hergestellt. Lambl war der erste , der 
(in seinem Reiseberichte, Prager Vlerteljahrschrift Bd. 55 — 61) 
auf diese Anomalie und namentlich auf ihr Verhältniss zur 
schrägen Beckenverengung aufmerksam machte; er hatte meh- 
rere schräg-verengte Becken gefunden, welche ausser dieser 
abnormen Deo-Sacraljunctur keine Anomalie erkennen liessen, 
aus der die Missstaltung hätte abgeleitet werden können. 
Das Ileosacralgelenk war unverändert, die Wirbelsäule und 
das ganze Skelett sonst wohl gestaltet; es bestand ausser 
jener nur die freilich zunächst die Deformität bedingende ge- 
ringere Entwickelung des entsprechenden Kreuzbeinflugeis; 
diese aber, so pahm er an, war unter dem Einflüsse jener 
entstanden; jene musste der Grund gewesen sein für die 
Hemmung der Entwickelung des KreuzbeinflAgels. Allein wie 
dies möglich zu erklären, ist nicht leicht; wohl kann nichts 
dagegen eingewendet werden, wenn Lambl sich der Vorstel- 
lung hingiebt, dass der linke Kreuzbeinflugel, während er an 
der Basis mit der abnormen Verbindung beschäftigt war, in 
seiner normgemässen Entwickelung zurückgeblieben ist, dass 
mit anderen Worten, nachdem das zur Herstellung eines 
Kreuzbeinflugel s ton gehöriger Breite nothwendige Material 
an Blastem zum Theil in einer anderen Richtung, nämlich 
in dem Aufbau und in der Funcdon einer abnormen latera- 
len Lumbosacralverbindung , sein^ Verwendung gefunden, der 
dadurch bewirkte Mangel in der Breitenrichtung fühlbar wer- 
den musste, und der Kreuzbeinflugel in dieser Richtung um 
ebensoviel schmäler blieb, als in jener anderen Richtung ver- 
braucht wurde; es lässt sich immerhin ein solcher Einfluss 
denken. Man findet ja sehr oft im menschlichen Körper neben 
Atrophie gewisser Theile Hypertrophie Anderer und umge- 
kehrt, so dass es manchmal den Eindruck macht, als sei ein 
bestimmtes Maass productiver Kraft vorhanden, das, wenn 
es an einem Orte nicht zur Geltung kommt, einem Anderen 
sich zuwendet; allein wohl noch häufiger flnden sich AiiOr 
malien in der Grösse einzelner Theile ohne compensatoriscUv. 
gfgenlheiligfi BnscbafTpMheh Anderer; e» dar^ AäWv ^\w«i %^^^ 



XOg VI. Otto, Ueber die Urtaehen and die £ntetehiiiig8weite 

Vorstellung keineswegs als ein Gesetz betrachtei werden, und 
ist folglich auch für unseren Fall nichts weniger als beweifr- 
krältig. 

Andererseits scheint, abgesehen von einer solchen man- 
gelhaften Bildung, auch auf mechanische Weise das Wachs- 
thum, wenigstens des Kreuzbeinflugeis in seiner freien Ent- 
faltung gehindert zu werden. Denn wenn die abnorme Ver- 
bindung dicht beim Ileosacralgeleuke sich befindet, also ge- 
wissermassen an der Epiphyse des Kreuzbeins (sit venia 
verbo), so ist damit der Entfernung dieser von der Wirbel- 
saule eine bestimmte fernerhin unveränderliche Grösse ge- 
geben; ein weiteres Wachsthum des Kreuzbeinflügels aber 
wäre nur durch Entfernung derselben vom Mittelstucke, also 
auch von der Wirbelsäule, möglich ; noch deutlicher tritt dies 
hervor für die freilich seltenen Fälle, in denen die Verbin- 
dung zugleich mit dem Darmbeine eingegangen ist. Ausser- 
dem unterliegt in denjenigen Fällen, in welchen die abnorme 
Vorbindung eine knöcherne ist, die Kreuzdarmbeinverbindung 
durch die mit dem Processus transversus frühzeitig eingegan- 
gene Synostose einer Anziehung gegen die Medianlinie des 
Körpers und einem Näherrücken gegen den Lendenwirbel 
nach einem Gesetze, das im letzten Abschnitte ausführlicher 
besprochen werden wird, und so möchte es scheinen, als ob 
die zwei letztgenannten Momente schon «llein ausreichten, 
um die Schmalheit des betreflenden Kreuzbeinflügels zu er- 
klären. 

Gleichwohl muss eingestanden werden, dass diese Erklä- 
rungsversuche nicht erschöpfend sind, weil es eine Anzalil 
von Becken mit solcher Assimilation des fünften Lendenwir- 
bels giebt, die nicht die geringste Anomalie des Kreuzb<*ins, 
folglich auch keine abweichende Form zeigen. Es müssen 
hierbei noch andere Einflüsse obwalten, die sich bis jetzt un- 
serer Erkeniitniss entzogen haben. Was die Zeit der Ent- 
stehung dieser Anomalie betrifll, so muss ohne Zweifel an- 
genommen werden, dass dieselbe gleich ursprünglich* vorge- 
bildet ist; dafür sprechen unzweifelhaft die abnormen Fort- 
sätze des Lendenwirbels und Kreuzbeins. Der Einfluss auf 
die Entwickelung des Kreuzbeins, beziehungsweise auf die 
Beckenge8laliüu% , wird sich tiac\v öi«iW v>\I\%«cl ^\V\V\\Kv\%svet- 



der schräg- oder einseitig vereofi^ten Becken. 107 

Sachen ebensowohl im fötalen- als im extrauterinen Leben 
geilend machen. Es ist diese Art der Entstehung eine ebenso 
verschiedene von der im ersten Abschnitte abgehandelten, wie 
sie sich von den übrigen unterscheidet; sie musste desshalb 
eine besondere II. Categorie bilden. 

Die meisten der bis jetzt bekannten Fälle von Assimi- 
lation des Querfortsatzes des fünften Lendenwirbels mit oder 
ohne schräge Beckenverengerung finden sich in LamhVs Reise- 
bericht verzeichnet. Als Ursache der schrägen Beckenver- 
engerung ist sie zu betrachten : 

1) Bei einem männlichen Becken der Sammlung der hiesigen 
Entbindungsanstalt mit der Aufschrift : „Lindolsheim 1008. 
Wilderer Wöppel von Steinbach". Der letzte frei be- 
wegliche Lendenwirbel ist rechts normal gebildet, Unks 
dagegen der Lateralmasse des Kreuzbeins vollständig 
assymilirt; indem hier nebst dem normalen Proc. artic. 
eine ^l^'\ breite Gelenkiläche den Kreuzbeinflügel und 
den nach unten vergrösserten Proc. transv. sinister ver- 
bindet. Das Kreuzbein steht schief mit der Längsaxe 
nach rechts; linker Kreuzbeinflügel schmäler, als rechter; 
Becken schrägverengt. {Lainhl a. a. 0. B. 55, S. 22.) 

2) Bei einem weiblichen schrägverengten im St. Thomas- 
Hospital. Die Verschmälerung des Kreuzbeins betriifl 
die linke Hälfte. Diese ist mit dem fünften I.<endenwirbel 
durch einen abnormen Fortsatz verbunden, der von dem 
äusseren Umfange der oberen Fläche knapp an der 
Synchondrose entspringt und einem entsprechenden Fort- 
satze des fünften Lendenwirbels entgegentritt. Der letz- 
tere hat nämlich rechterseits einen gewöhnlichen frei- 
stehenden Proc. transv., links dagegen einen plumpen, 
viereckigen, breiten Fortsatz, der mit seinem oberen 
Ende gegen die Crista hinsieht und dem normalen Proc. 
transv. entspricht, während das untere Ende mit dem 
Seitenflügel des Kreuzbeins in Verbindung tritt. {Lambl 
daselbst.) 

3) Bei einem schrägverengten Becken ohne Synostose des 
Ileosacralgelenkes im Nosocom. academ. Leyden. 0^\ 
fünfte Lendenwirbel zeigt folgende Eiftenl\\vi\\\\\A\VA\\.«i\v\ 



108 VI. Otto, Ueber die Ursachen nnd die Entstehong^sweiae 

Vermöge einer leichten Drehung des Wirbels nach rechts 
* erscheint der linke Processus transversus mehr 'nach 
vorn gestellt, als der rechte; der linke Proc. trans?. 
steigt etwas schief nach oben und lehnt sich an die 
Kreuzdarmbeinverbindung an, wo sein äusseres Ende 
durch Bandstreifen an diesen befestigt ist. Linke La- 
teralmasse des Kreuzbeins normal. Reclits, wo diese 
so gering entwickelt ist, dass sie beinahe ganz fehlt, 
erscheint der Proc. transv. als kurzer vierkantiger Kör- 
per, wovon eine Ecke die Wurzel des Fortsatzes bildet, 
die zweite frei nach oben und aussen ragt, die dritte 
nach dem Darmbeine, die vierte mit dem Kreuzbeine 
in synostotische Verbindung tritt. {Lamhl a. a. 0. 
B. 56. S. 83.) 

4) Bei einem schrägverengten Becken mit linkseitiger Sy- 
nostose in der Sammlung des Herrn Prof. Stein, Nr. 32. 
(von einem hessischen Husaren), dessen Geschichte nur 
zum Theil bekannt ist, ist es zweifelhaft, ob die Devia- 
tion von der Synostose abzuleiten ist, oder ob und wie 
weil daran auch die vorhandene abnorme Verbindung 
des Querfortsat'zes des fünften Lendenwirbels mit dem 
ersten Kreuzwirbel Theil hatte. {Lambl a. a. 0. ß. 55.) 

5) Bei einem coxalgischen Becken ohne Synostose in der 
pathol. anatom. Sammlung des Krankenhauses zu Wien 
905. 4160. (s. u.) lässt sich ebenfalls nicht entscheiden, 
in wie weit die vorhandene Verbindung des llugelurtig 
ausgebreiteten Querforlsatzes des letzten Lendenwirbels 
mit dem Flügel des ersten Kreuzwirbels zur Deformität 
beigetragen hat. 

Becken mit der genannten Anomalie des letzten Lenden- 
wirbels ohne Einfluss auf die Becken gestnltung finden sich 
in der Sammlung der hiesigen Entbindungs - Anstalt (3.). 
(Sielio Lamhl a. a. 0. B. 55. S. 24.) und im anatomischen 
Cahiiiet zu Bjmn (s. daselbst S. 37.). Dass ein doppelsei- 
liges Vorkoniinen dieser Anomalie, das in mehrfacher Zaiil 
beobachtet ist, keine schräge Beckenverengerung zur Folg*» 
haben kann, bedarf kaum diT Erwähnimg. 



der schräg- oder einseitig verengten Beckan. 109 

in. Durch mehr oder weniger anhaltenden einsei- 
tigen Druck auf die eine Kreuzdar;nbeinver- 
biudung schrägverengte Becken. 
Die schrägverengten Becken, die wir unter dieser Abthei- 
lang begreifen, sind zunächst schon durch ihre Geschichte 
in eine gemeinsame Gruppe verwiesen; sie stammen alle von 
Leuten, bei denen irgend eine körperliche Anomalie eine un- 
gleiche Vertheiluug der Körperlast auf beide Beckenhälflen 
zur Folge hatte^ und diese Thatsache fuhrt uns zu ihrer Enl- 
stehungsweise durch folgende Beobachtung: 

Die unteren Extremitäten sind die Tragsäulen für den 
Rumpf (sammt Kopf und oberen Gliedmassen) der mit dem 
Becken als Basis auf ihnen balancirt; denn das Gleichgewicht 
des Rumpfes ist ein im höchsten Grade labiles und somit 
überhaupt nur möglich , wenn seine Schwerlinie , d.h. das 
foni Schwerpunkte gefällte Loth, in die Mitte der Tragaxe 
fallt. Bei normaler Functionsfähigkeit beider unteren Extre- 
mitäten ist diese Tragaxe eine Linie, welche die Mittelpunkte 
der beiden am Becken eingelenkten Oberschenkelköpfe ver- 
bindet lAid die Schwerlkiie, jene Linie, welche den Mittel- 
punkt dieser Linie mit dem, in der Höhe des Schwertfort- 
satzes des Brustbeins vor der Wirbelsäule gelegenen, Schwer- 
punkte verbindet, geht durch das Promontorium, mit sym- 
metrischer Belastung desselben. Anders verhält es sich, wenn 
Eine, der unteren Gliedmassen als Stutze des Rumpfes nicht 
mehr verwendbar ist; nun ist die Tragaxe dargestellt durch 
den Durchmesser des Oberschenkelkopfes der gesunden Seite 
und die Schwerlinie fällt in den Mittelpunkt derselben, das 
lieisst in den Mittelpunkt des Oberschenkelkopfes selbst; und 
suchen wir nun die Schwerlinie auf, so geht dieselbe nicht 
mehr durch das Promontorium, sondern sie überschreitet die 
Wirbelsäule schon in der Höhe des zehnten Rückenwirbels, 
bestreicht die Flügel des ersten und zweiten Kreuzwirbels, 
und überschreitet etwa in der Höhe des letzteren das Ueo- 
sacralgelenk der gesunden Seite, belastet somit dieses mit 
dem ganzen Gewichte, das vorher ins Promontorium fiel. Oder 
denken wir uns die Wirbelsäule scoliolisch^ so wird der 
Schwerpunkt des Rumpfes nach der Seite der Convexitä.1 vk^ 



110 VI. OUo^ Ueb«r die UraaoheD and die Entttebinigtweis« 

Bogens verschobeo und die Schwerlinie kann ebenfalls nicbt 
mehr durchs Promontorium gehen. Was ist die Folge davon? 
Das Ileosacralgelenk kann nicht ausweichen, es bleibt 
dem ganzen Drucke ausgesetzt und erleidet in Folge dessen 
Veränderungen, wie sie auch an anderen Stellen durch Dnick 
hervorgebracht werden, und die in einem Schwunde, der das 
Gelenk bildenden Knochen von ihren Berührungsflächen aus 
bestehen. Nachdem der Knorpel resorbirt ist, setzt sich die 
Resorption auch auf die nun blossliegende dönne Schiebte 
compacter Knochensubstanz fort, während dessen die zunäcbst 
darunter liegende spongiöse Schichte durch Knochen -Neubil- 
dung sclerosirt Doch auch diese kommt zum Schwunde, und 
unter ihr geht in gleichem Schritte mit ihrer Resorption die 
Sclerosirung fort, und es bleibt so, wie wir es an allen 
hierher gehörigen Becken sehen, die zu oberst liegende Fläche 
immer glatt und fest, und doch kann auf diese Weise ein 
beträchtlicher Theil des Knochens verloren gehen; es sind 
dies Vorgänge, wie sie auch an den Wirbelkörpern, an den 
Rippen, an den Röhrenknochen beobachtet wurden. Ein in 
dieser Beziehung recht interessantes Becken befindef sich m 
der Sammlung der hiesigen Entbindungsanstalt; dasselbe 
stammt von einer Person, die an Coxalgie gelitten hatte, und 
es finden sich an demselben alle Merkmale eines coxalgischen 
Beckens. Dabei aber befindet sich am Darmbeinkamme ein 
halbmondförmiger Ausschnitt, in den man bequem einen Fin- 
ger legen kann. Die Trägerin war verkrümmt, es lag die 
lezte Rippe an dieser Stelle dem Darmbeine auf; sie war es, 
die den Schwund verursachte dmxh Druck und Reibung, fast 
ein Fingerzeig für die Erklärung der an demselben Präparate 
bestehenden Schmalheit des Kreuz- und Darmbeins auf Einer 
Seite. Wenn wir nach diesen Auseinandersetzungen die Schmal- 
heit des Kreuzbeins auf Einer Seite bei allen hierher zu zäh- 
lenden Becken auf Knochenschwund zurückführen; so darf 
nicht übersehen werden, dass unter Umständen dieses Mo- 
ment nicht das einzige ist, dass vielmehr eine Hemmung der 
Entwickelung des Kreuzbeinllügels, so lange er nicht ausge- 
bildet ist, nicht minder an der Deformität Schuld tragen 
kann. Es wird dies wesentlich von der Altersperiode abhän- 
gen, ia der die einseiligeu ütwcV W^Xvw^viw^'b ^\V\^\^\)3^ 



der Mchrüg' oder einseitig verengten Becken. Hl 

anfkritu Beim Erwachsenen ist naturlich nur die erste 
Art der Wirkung möglich; allein solche Erkrankungen be- 
treffen auch noch jugendliche Individuen, bei denen die 
TheSe noch in der Entwickelung begriffen sind, und es ist 
begreiflich, dass ein Druck, der zum Schwund des Bestehen- 
den führt, ein Aneinanderpressen zweier Knochen gerade mit 
den Flächen, an denen ihr grösstes Wachsthum stattfindet, 
der ferneren Entwickelung an dieser Stelle ein Hinderniss setzt. 
In sokhen Fällen kommen somit zwei Momente zur Wirkung, 
und es muss um so sicherer zur schrägen Verengerung der 
betreffenden Becken kommen. Um nun näher auf diejenigen 
Krankheitszustände einzugehen, welche auf die besprochene 
Weise zur schrägen Beckenverengerung fuhren, betrachten 
wir zunächst: 

1) Die einseitige Coxalgie. 

Einseitige Coxalgie macht immer die kranke Extremität 
mehr weniger unbrauchbar, folglich hat die gesunde fast die 
ganze Körperlast zu tragen, und wird desshalb mehr oder 
minder anhaltend ein überwiegender Druck auf die gesunde 
Beckenhälfle ausgeübt. Damit sind aber alle Verhältnisse 
hergestellt, wie wir sie zum Zustandekommen von Schwund 
des einen Kreuzbeinflügels (i. A.) für nothwendig fanden. 
Schrägverengte Becken, deren Trägerinnen an einseitiger 
Coxalgie gelitten hatten, waren schon längst bekannt; nicht 
von allen aber wurde in diesem Umstände die Ursache ihrer 
Entstehung erkannt Naegele dehnte seine in der Einleitung 
angeführte Ansicht auch auf diese Becken aus, und hielt die 
einseitige Coxalgie für etwas Unwesentliches, später erst Hin- 
zugekommenes , mit der schrägen Verengerung aber nicht in 
Bezug Stehendes. Ebenso Scamoniy während andere, wie 
namentlich Eosshirt y welche die Entzündung der Symphysis 
sacroiliaca als einzige Ursache der schrägen Beckenverenge- 
rung vertraten, gerade in der Coxalgie ein unterstützendes, 
Moment für ihre Ansicht erblickten, d. h. ebenfalls die Coxalgie 
nicht als die unmittelbare Ursache erkannten, wohl aber ihren 
Zusammenhang derselben mit der schrägen ßeckenverenge- 
nmg, insofern sie die Veranlassung sei zur Entzündua^ d^x 
UremdarnibeinverbiDduDg j während Lttsmanu ^\^ ^^t ^\%V^ 



112 VI. Otto, Ueber die Ursaoben and die Entwidielangsweise 

in der Coxalgie und ihren Folgen die unmittelbare Ursache 
der Entstehung scbrägverengter Becken erkannte. Um über 
diese Ansichten ins Klare zu kommen, muss Toraasgeachickt 
werden, dass die Schmalheit des Kreuzbeinflügels (i. A.) sieb 
immer auf der gesunden Seite befindet, dass dabei aber ein 
doppeltes Verhalten der Kreuzdarmbeinverbindung yorkomroi; 
es findet sich nämlich an einem Theile der hierher gehörigen 
Recken eine Synostose der fehlerhaften Symphysis sacroiliaca, 
wahrend bei anderen eine bewegliche Verbindung erballen 
ist; üi)er diese letzteren, die einer Synostose entbehren, be- 
darf es wohl keines Wortes mehr; ihre Entstehung erklärt 
sich in allen Punkten aus den oben i. A. angeführten Bemer- 
kungen, und die oben angegebene Verschiedenheit der An- 
sichten erstreckt sich nicht auf sie, indem sowohl die Aoe- 
gele'sche Ansicht als die von Eosshirt ausschliesslich die- 
jenigen mit Synostose der Kreuzdarmbeinverbindung im Auge 
hat. Was die mit Synostose betrifll, so wird die Nasgele'- 
sehe Anschauung im dritten Abschnitte einer ausführlichen 
Kritik unterzogen werden, und kann ich in Betreff' ihrer Un- 
haltharkeit auf jenen Theil verweisen. Die Ansicht von Boss- 
hirt hat allerdings für einige auf Coxalgie zurückführende 
Becken ihre Geltung; aber auch nur für einige; nämlich für 
diejenigen, bei denen die Umgebung des Gelenks Spuren da- 
gewesener Erkrankung erkennen lässt, und bei denen Syno- 
stose auf derselben Seite besteht, auf welcher die Coxalgie 
sich befand. In diesen Fällen ist jedoch gar nicht die Coxal- 
gie, sondern die Synostose die Ursache der schrägen Beeken- 
vercngerung, und fallen desshalb diese dem dritten Abschnitte 
zu; für alle anderen aber, für die wir die Coxalgie als un- 
mittelbare Ursache in Anspruch nehmen müssen, schhessen 
wir uns i. A. Litzmann^s Anschauungsweise an, insofern er 
die Synostose als Folge des Druckes und der Abschleifung 
dev Knochenflächen, somit für etwas zufälliges, mit der ein- 

.seitigen Verengerung nicht in Zusanunenhang stehendes er- 
klärt. Eine primär bestehende Entzündung des Ileosacralge- 
lenkes anzunehmen, die sich vom entzündeten Hüftgelenke 
aus auf jenes fortgepflanzl habe, ist scht>n nicht noth wendig, 
weil wir eine näheriiegende, weniger gezwungene Erklärung 

haben, aber auch uichl ^as&etvd, v^^W ^\^ ^Vk\Si^. d<&^ Synostose 



der schräg- oder einseitig verengten Becken. 113 

selbst nur durch eine mehr oder weniger glatte Leiste ange- 
deutet ist, während die ganze Umgehung keine Spuren einer 
abgelaufenen Knochenerkrankung erkennen lässt, und na- 
mentlich weil es nicht wohl denkbar ist , dass , weil ja in 
diesen Fällen die Synostose auf der gesunden Seite sich be- 
findet, und die zwischen dem coxalgischen und dem syno- 
stosirten Gelenke liegenden Knochenparthien durchaus normal 
sind, die Entzündung von dem einen auf das andere über- 
gesprungen sei, ohne die zwischenliegenden Theile zu be- 
rühren. 

Wahrscheinlich ist, dass der Synostose eine sogenannte 
adhäsive Entzündung vorangeht, die entweder auf die sich 
abschleifenden Flächen beschränkt blieb, oder, und dies ist 
noch wahrscheinhcher , auf die nächste Umgebung sich fort- 
setzte. Dafür scheint wenigstens die die Synostose andeu- 
tende erhabene Leiste zu sprechen. Wenigstens scheint 
wahrscheinlicher als die Litzmann*sche Ansicht, dass dieselbe 
von der Verschmelzung der durch den Druck aufgewulsteten 
Knochenränder herrühre, das zu sein, dass in derselben Aus- 
dehnung, als in der spongiösen Substanz des Knochens die 
Sclerosirung vor sich geht, hi gleichem Schrille eine ent- 
zündliche Reizung des Periosts besteht, die zu linearer pe- 
riostaler Auflagerung führt und dadurch diese JAÜsle bildet. 

Warum im einen Falle es zur Synostose konimt, im an- 
deren nicht, ob dies vielleicht in Beziehung sieht zu der 
Stärke des Drucks, zur mehr oder weniger anhaltenden Ein- 
wirkung desselben oder zur Schnelligkeit der Abschleifung 
der Knochenlluche , darüber vermögen wir keine genügende 
Auskunft, zu geben. In dieser Beziehung ist es am autTal- 
lendsten, dass an den durch Scoliose der Wirbelsäule ent- 
standenen scbräg- verengten Becken gewöhnlicb keine Syno- 
stosis sacroiliaca besteht, ja von Litzmann das Zustandekom- 
men einer solcben überhaupt noch bezweifelt vvird, und es 
bat diese Tbatsucbe durch Ohhausen (Monalsscbr. f. Geb. 
K., Bd. 19. S. 182.) eine, wie mir sclieint, sehr passende 
Erklärung gefunden, in der Würdigung des Umstandes, dass 
der Körper, in welchem primäre Scoliosen entstehen, krank- 
haft nachgiebige Knochen besitzt, dass daher der zwischen 
der Wirbelsäule und dem Oberschenlve\kov^ Act Vx*w\V\\^\\s>w 

Moaatsaobr. f. Qebartak. 1866. Bd. XXVlll.,Hft.2. ^ 



1 14 ^I* OttOy lieber die Ursachen nod die Entstebnngsweise 

Seite wirkende verstärkte Druck in seiner Wirkung auf die 
Ileosacral- Verbindung durch die Nachgiebigkeit der Knochen 
verliindert wird, und nur durch die Einknickung des Darm- 
beins sich manifestirt, die gerade bei Becken olme Synostose 
so gewühnhlch sich findet Jedenfalls halten wir fest, dass 
alle coxalgischen Becken, bei denen die Sehnialheit des Einen 
Kreuzbeinflugols auf der gesunden Seite besteht, eine einzige 
Gruppe bilden, mag nun eine Synostose hinzugekommen sein 
oder nicht, weil dieselbe eben nur eine unwesentliche con- 
seculive Erscheinung und auf die schräge Becken Verengerung 
in diesen Fällen ohne Einfluss ist. 

Aus der angegebenen Art, wie Coxalgie diese Mfsstal- 
tung zu Stande bringt, ergiebt sich, dass sie dies nicht an 
und für sich, sondern nur durch ihre Folgen thun könne, 
indem sie die entsprechende untere Extremität unbrauchbar 
macht, deshalb die andere beim Gehen und Stehen den grösten 
Theil der Körperlast zu tragen hat; hieraus folgt von selbst, 
dass ilberhaupt nur einseitige Coxalgie Ursache der Misstal- 
lung werden kann und dass auch sie es nicht werden muss, 
vielmehr imr in den Fällen, wo sie eine einseitige Belastung 
des Beckens mit sich bringt, dass somit Raum- und Form- 
verhäll hisse des Beckens unverändert bleiben, trotz bestehen- 
der Coxalgie, wenn der Kranke z. B. bis zu seinem Tode 
innner liegen oder immer getragen wurde. Durch die Erfah- 
rung zeigt sich dies bestätigt; es sind zwei Becken bekannt, 
an welchen trotz bestandener einseitiger Coxalgie keine An- 
d(MJtimg einer schrägen Verengerung besteht. Das eine er- 
wähnt Litzmann, Das Präparat befindet sich unter Nr. 2062. 
5555. in der pathologisch-anatomischen Sammlung des Kran- 
kenhauses zu Wien, und stammt von einer 30jährigen rha- 
chi tischen Person. Der coxalgische Process sass im linken 
[Ifillgelenke und endete mit vollständiger xVnkylose. Trotzdem 
zeigt das Kreuzbein keine Asymmetrie; eine geringe Abwei- 
chung von der normalen Beckenform rührt von einer rhachi- 
lischeii VerknVnunung der Wirbelsäule her. Die Geschichte 
des Beckens fehlt leider. Das zweite Exemplar befindet sich' 
in der Sanunlung der Heidelberger Enlbindungs-Aiistalt, und 
war frfdier im Privatbesitze des Hrn. Professor Frie^hetch. 
Der coxalgische Process be.sVdwOL \v\\ \\\\\vo\\ \V\\W^<i.WAvk<» ; die 



der schrSg- oder einseitig rerengpten Becken. 115 

Kranke lag von Beginn des Uebeis bis zu ibrem Tode 
beständig zu Bette; das Kreuzbein zeigt keine Asymmetrie; 
die rechte Kreuzdarmbeinverbindung ist durchaus normal, 
ebenso die Gestaltung des Beckens. 

Auf der anderen Seite sind auch von solchen Becken, 
deren Trägerinnen an einseiliger Coxalgie gelitten und die 
in Folge dessen schrägverengt wurden, ziemlich viele bekannt; 
ich führe an: 

a) Von solchen mit Synostose der der coxalgischen Seite 

entgegengesetzten Kreuzdarmbeinfuge : 

1 . Ein Becken im Besitze des Herrn Professor Rossidrt. 
Die Trägerin bekam im 10. Jahre eine Entzündung des lin- 
ken Hüftgelenks; ein beträchtliches Hinken blieb zurück. Die 
rechte Hälfte des Kreuzbeins, die mit dem entsprechenden 
Hüftbeine ankylosirl ist, ist beträchtlich schmäler, als die linke; 
das Becken trägt alle Charaktere eines schrägverengten. {Litz- 
mann Nr. 1.) 

2. Das von Naegele in seiner Abhandlung mit Nr. 5. 
bezeichnete Becken. Das linke Hüftgelenk war der Sitz der 
Entzündung und trugt noch deutlich deren Spuren; die ganze 
rechte Hälfte des Kreuzbeins ist schmäler als die linke; <las 
Kreuzbein ist mit dem rechten Darmbeine fast v(»ilständig ver- 
wachsen. Dieses Becken befindet sich in der patliologiscli- 
anatomischen Sammlung des allgemeinen Krankenhauses zu 
Wien und ist dort mit Nr. 1911. u. 428. bezeichnet. {Litz- 
mann Nr. 2.) 

3. Das von Naegele in seiner Abhandlung mit Nr. 12. 
bezeichnete Becken in der pathologisch -anatomischen Samm- 
lung der chirurgisch - medicinischen Akademie zu Dresden, 
dort mit Nr. 382. bezeichnet. An beiden Hüftgelenken be- 
finden sich Spuren dagewesener Entzündung, doch ist am 
linken Fluftgelenke der Process entschieden älteren Datums 
als der am rechten, welcher sich seiner Ausbildung nach erst 
kurz vor dem Tode entwickelt haben mag; denigemäss ist 
die rechte Hälfte des Kreuzbeins schmäler als die linke, und 
vollständig mit dem entsprechenden Darmbeine syiiostosirt. 

b) Von solchen ohne Synostose der Kreuzdarmbeinverbin- 

dung : 
i. Ein Decken in der pathologiscl\-aUÄV,ou\mV\e\\ ^*<\\\\\\\- 



116 VI. Otto, Ueber die Ursachen und die EnUtehoDgsweise 

lung des allgemeinen Krankenhauses zu Prag mit Nr. 98. be- 
zeichnet. 

Der krankhafte Process sass im linken Hüftgelenke; auf 
der rechten Seite ist der Flügel des Kreuzbeines schmäler 
als auf der linken. Die Gestalt des ßeckens ist deutlich 
schräg-oval. 

2. Ein linksseitig coxalgisches Becken, ein Seitenstpck 
zum ersten im Museum der Utrechter anatomischen Samm- 
lung mit Nr. 339. bezeichnet 

3. Ein Becken in der pathologisch-anatomischen Samm- 
lung des allgemeinen Krankenhauses zu Wien mit Nr. 1131. 
4525. bezeichnet. Das rechte Hüftgelenk war der Sitz der 
Entzündung, welche unter vollständigem Schwund des Schoh 
kelhalses zur Ankylose führte. Die linke Hälfte des Kreuz- 
beines ist schmäler als die rechte; die Form des Einganges 
ist schräg-oval. 

4 Ein Becken ebendasolbst mit Nr. "905. 4160. bezeich- 
net; der Sitz der Entzündung war ebenfalls das rechte 
Hüftgelenk und der Ausgang Ankylose. Die Flügel der drei 
oberen Kreuzwirbel sind auf der linken Seite schmäler als 
auf der rechten. An diesem Becken kommt jedoch zugleich 
eine Verwachsung des flügelartig ausgebreiteten Querfortsatzes 
des letzten Lendenwirbels mit dem Flügel des ersten Kreuz- 
wirbels in Betracht. 

5. und 6. Zwei männliche Becken; das eine aus der 
pathologisch -anatomischen Sammlung des allgemeinen Kran- 
kenhauses zu Prag mit Nr. 176. bezeichnet, das andere unter 
Nr. 1935. 5428. in der gleichen Anstalt zu Wien; beide 
zeigen ähnUche Verhältnisse wie die vorgenannten. 

2. Amputation einer unteren Gliedmasse. 

Aus der Art und Weise, wie die Coxalgie zur schrägen 
Beckenverengerung führt, lässt sich schon a priori erwarten, 
dass auch der Verlust einer unteren Giiedmas^e oder eines 
Tlieils derselben durch Aniputalion diesen nn'sslaltenden Eiu- 
fliiss wird ausüben können , insofern derselbe den zurükhlei- 
benden Rumpf zum Gehen oder Stehen unbrauchbar macht, 
um] dieser durch eine Krücke ersetzt werden niuss, indem 
auch hierdurch der ^vos^.re TVid\ ^^v Yäv^^xWx ^^\ ^^a 

/ 



der schräg- oder einseitig verengten Becken. 117 

Beckenhälfte auferlegt wird. Auch hier ergiebt sich wieder von 
selbst, dass nur eipseitige Amputation diesen Einfluss haben kann, 
dass aber auch sie ihn nicht in allen Fällen haben niuss, nämlich 
nicht in all den Fällen, wo der zurückbleibende Stumpf entweder 
an und für sich oder mit Hülfe künstlicher Mittel noch ferner 
zum Stehen und Gehen gebraucht werden kann; wohl aber 
da, wo der Kranke genöthigt ist, sich einer Krücke zu be- 
dienen, wie bei Exarticulalion des Oberschenkels und Ampu- 
tation dieses Gliedes, wählend beim Unterschenkel ein Stelz, 
beim Fussgelenk der Stumpf selbst dem Kranken die Mög- 
lichkeit giebt, auch fernerhin die amputirte Extremität zu ge- 
brauchen. Ja es leuchtet ein, dass selbst Amputation des 
Oberschenkels ohne wesentlichen Einfluss sein wird in den 
Fällen, wo ein künstliches Bein getragen wird, indem hier, 
wie auch oft bei Exarticulation im Fussgelenke, ein leichtes 
Hinken keine wesentliche Störung in der Vertheilung der 
Körperlast bedingt. 

Diese Betrachtung mahnt zur Vorsicht mit dem Aus- 
spruche, dass nur einseitige Amputation zur schrägen Becken- 
verengerung führen könne, den wir nun vielmehr so fassen 
.möchten, dass dazu nicht führt die doppelseitige Amputation 
desselben Gliedes in gleicher Höhe. Denn wenn z. B. auf 
einer Seile bei Amputation des Unterschenkels durch einen 
Stelz, oder ein künstliches Bein eine brauchbare Extremität 
hergestellt wird, auf der anderen Seite die Amputation des 
Oberschenkels den Gebrauch einer Krücke nölhig macht, so 
kann hier, trotz doppelseitiger Amputation, ohne Zweifel die 
wie bei einseiliger Oberschenkelamputation vertheilte Körper- 
last die Entstehung eines schrägverengten Heckens bedingen. 
Schon früher kannte man diesen Einfluss der Amputa- 
tion einer unleren Gliedniasse auf die Gestallung des Beckens; 
schon bei Herbiniaux (Traite sur divers accouchements la- 
borieux tom. L pag. 305) findet sich die Bemerkung, dass 
bei Frauen, welchen in der Kindheit ein Bein amputirt wor- 
den sei, durch den Druck der allein auf die noch übrige 
Extremität fallenden Körperlast bei der vorhandenen Zartheit 
der Knochen, eine Verschiebung des Beckens nach der Seite 
des Ampulalionssturnpfes zu erwarten sei und die Besläligung 
dieser Erwartung gab Madame Lachapellt (jt^Vvo^^ ^^^ ^^- 



118 ^^' OUOf Ueber die Ursachen und die Entstehnngsweise 

coucbemPDts III., pag. 413.) , indem sie einen solchen Fall, 
den sie selbst beobachtete, beschrieb. Bei einem 18jährigen ^ 
Mädchen, das vier Jahre vor seiner Entbindung am linken 
Oberschenkel amputirt worden war, fand sie den Beckenein- 
gang auf der rechten Seite auf die Hälfte seiner Weite ver- 
engt, und von rechts nach links verschoben. Die Niederkunft 
war schwer und langsam, das Mädchen starb an Peritonitis. 
Dieser Angabe fügt Mad. Lachapelle bei: „Es ist begreiflich, 
dass der Druck des einen Schenkelkopfes, dem der andere 
nicht mehr das Gegengewicht hält, ein Becken verschieben und 
raisstalten kanu'^ Es ist dies bis jetzt der einzige Fall dieser 
Art, der bekannt geworden. Diese Seltenheit des Vorkom- 
mens mag sich wohl erklären aus der Seltenheit, in der 
überhaupt Amputationen des Oberschenkels beim weiblichen 
Geschlecht vorgenommen werden und mit gutem Erfolge enden, 
so wie aus der noch grösseren Seltenheit, in der solche 
Frauen Gegenstand geburtshilflicher Behandlung werden und 
zur Necropsie gelangen; und die geburtshilfliche Behandlung 
gab ja bisher, wenigstens gewöhnlich, allein die Veranlassung 
,zur Untersuchung des Beckens. 

I 
3. Veraltete einseitige Luxation des Oberschen- 
kels. 

Auch einseitige Luxation im Hüftgelenke hat man 
unter den Ursachen aufgeführt, welche auf die oben ge- 
schilderte mechanische Weise zur Bildung schräg - verengter 
Becken führen sollen, es ist dies jedoch nur für einzelne 
Fälle richtig; in den meisten bleiben Baum- und Formver- 
liältnisse trotz bestehender Luxation des Oberschenkels nor- 
mal. Der Grund davon liegt darin, dass durch Luxation die 
betreffende Gliedmasse nicht immer, ja gewöhnlich nicht 
unbrauchbar wird; meistens stellt sicli allmälig ein gewisser 
Grad von Bew(»glichkeit wieder her, die dui;ch Uebung in 
liohern Grade noch gesteigert werden kann, und so bleibt die 
Brauchbarkeit der Gliedmasse wenigstens zum Theil gewöhn- 
lich erhalten; gewisse Bewegungen freihch bleiben, je nach 
der Stellung des Gelenkkopfes zu Knorhenvorsprüngen und 
je nach der Verschiebung der Muskelforlsälze, aus rein me- 
chaniscbun Gründen uniuögUc>V\, alWAw dviise Funktionsstörung 



der schräg- oder einseitig verengten Becken. WQ 

erreicht sollen einen so hohen Grad, dass dadurch der an- 
deren Extremität eine hedeulcnde Arheilsvergrösserung zufiele. 

Deingemass finden sich auch in solchen Fällen zwar ge- 
wöhnlich gewisse Veränderungen am Becken, aber dieselben 
reichen bei Weitem nicht hin, dasselbe als schräg - verengt 
erscheinen zu lassen. Die Veränderungen bestehen gewöhn- 
lich in Abmagerung des Hüftbeins auf der Seite der Luxa- 
tion; dasselbe ist etwas gehoben, die Darmbeinschaufel steht 
mehr senkrecht; das Darmbein verliert seine Sförraige Krüm- 
mung; der Sitzbeinhöcker wird durch die Wirkung der sich 
an ihn ansetzenden Auswärtsroller des Oberschenkels nach 
aussen und oben gezogen. Die Schambeinfuge ist mehr oder 
weniger von der MitleUinie nach der Seite der Luxation hin- 
übergedrängt. Die Londenwirbelsäulc ist nach der gesunden 
Beckenhälfte hin gekrümmt, und das Kreuzbein^ weicht com- 
pensatorisch nach der entgegengesetzten Richtung aus. 

Ein solches Becken ist demnach wohl schief und asym- 
metrisch, aber nicht schrägverengt. Anders muss es sich 
gestalten, wenn eine solche Ausbildung der Beweglichkeit 
nicht erfolgt; das Glied bleibt steif, die Muskeln werden 
atrophisch, und die Extremität ist unbrauchbar, wie die, 
welche in Folge von Coxalgie im Hüftgelenke ankylosirte. 

In diesem Falle werden die gleichen Veränderungen am 
Becken die Folge sein, wie bei Coxalgie. Ein Fall eines 
deuthch schrägverengten Beckens in Folge einseitiger Luxa- 
tion ist bis jetzt nic!il bekannt geworden; auch lässt sich 
annehmen, dass ein solches Becken immer ein seltenes Vor- 
kommniss bleiben wird; denn ist auch die Luxation des 
Oberschenkels keine so ganz seltene Erkrankung', so ist es 
doch selten, dass sie zu vollkommener Unbrauchbarkeit der 
betreffenden Gliedniasse führt. Was bei Coxalgie über das 
Ausbleiben der Beckenverengerung in den Fällen gesagt wmde, 
in welchen die Kranken bis zu ihrem Tode liegen oder ge- 
lragen werden, das gilt auch hier, Wie dies erst neuerdings 
durch ein Beispiel erhärtet wurde. (Monatsch. für Geburts- 
kunde und Frauenkrankheiten, laufender Jahrg., 3. Heft von 
Prof. Dr. A. Valenta.) 

Das Becken stammt von einer Person, die im acUUw 



120 ^'- ^^^^t Ueber die Ursachen und die Entstehnngsweise 

Letieiisjahre durch einen Sturz den rechten Oberschenkel 
luxirte, Und seitdem, des Gebrauches dieser Extremität be- 
rauht, sich in einem Wägelchen von Haus zu Haus führen 
Hess, da sie als Näherin ihrem Erwerbe nachgehen musste. 
Die Luxation, die in diesem Falle beim Gehen der Patientin 
mit einer Krücke sicherlich zur schrägen Beckenverengerung 
geführt hätte, blieb ohne Eintluss, weil sie eben keine ein- 
. seitige Beckenbelastung mit sich brachte; es ist wenigstens 
die Beckenhälflte der gesunden Seite ganz normal und eine 
Anomalie der anderen Hälfte ist; wie im dritten Abschnitte 
gezeigt werden wird, auf andere Weise zu erklären. 

4. Verkrümmungen der Wirbelsäule, insofern sie 
eine Ungleichheit der Belastung beider Beckenhälften bedin- 
gen, gehören % ebenfalls zu den Ursachen der schrägen Becken- 
verengerung. Doch kommt dieser Einfluss nicht allen Ver- 
krümmungen der Wirbelsäule zu, nämlich nicht der Kyphose, 
die, wenn sie nicht mit Scoliose verbunden ist^ überhaupt 
nicht verändernd auf das Becken einwirkt, wie ohne nähere 
Erörterung einleuchtet; aber auch nicht der Lordose, weil 
die durch sie bedingten Beckenanomalien eine eigene Klasse 
anomaler Becken bilden. 

Es bleibt somit nur die Scoliose zu betrachten. Bei 
einer Abweichung der Wirbelsäule nach der Seite fällt selbst- 
verständlich ein grösserer Theil der Körperlast auf diese und 
je entschiedener dies der Fall ist, um so mehr ist auch das 
Becken der Wirkung eines überwiegenden Druckes auf der 
Seite ausgesetzt, nach welcher hin die Wirbelsäule ausgebo- 
gen ist, und es kommt in Folge dessen um so eher zur 
schrägen Becken Verengerung, als hier n(»ben dem theilweisen 
Schwund des Kreuzbeines und der angrenzenden Parthie des 
Darmbeines gewöhnlich auch noch eine scoliotische Krüm- 
mung des Kreuzbeines mit Axendrehung bestellt, wodurch das 
Promontorium eine schiefe Stellung erhält. 

Doch ist zu bemerken , dass auch nicht alle Scoliosen hier 

eingereiht werden dürfen, sondern nur diejenigen, welche nicht 

durch allgemeine l>sachen, wi(» Bhachilis und Halisterese, ent- 

sliwihu sind, sondern auf rein örtliche Affectionen zurückführen; 

Jone können nur anhangsweise, \\\et \t\^e\t^c\\V.VöWKv^?w,^«\^\^ 



der soiirUg- odar einseitig Terengten Becken. 121 

durch sie inisstalleten Becken eigene Arten Dermaler Becken 
bilden. Doch giebt es allerdings unter ihnen einzelne Exemplare, 
bei denen der Charakter der schrägen Verengerung vor den durch 
Rbachitis bedingten Merkmalen so ui den Vordergrund tritt, 
dass dieselben mit grösserem Rechte zu den schrägverengten 
als zu den rhachitischen gestellt werden. Solche sind die 
von Hohl beschriebenen bereits in der ersten Abtheilung 
erwähnten, welche Hohl zum Beweis dienen sollten für seine 
Ansicht, dass auch krankhafte Processe in der Kindheit (Rba- 
chitis) durch Hemmung der Entwickelung der Kreuzbeintlügel 
zur schrägen Beckenverengerung führen könne. Ich habe 
mich an früherer Stelle gegen diese Ansicht ausgesprochen 
und kurz erwähnt, dass in der bei allen vorhandenen Sco- 
liose der Wirbelsäule die Erklärung dieser Anomalie liege. 
Nach dem bisher Erörterten bedarf es keiner näheren Be- 
gründung dieser Behauptung. Hohl meinte freilich , es sei 
bei seinen Becken die Verkrümmung der Wirbelsäule die 
Folge der Beckenverengerung und nicht umgekehrt; allein er 
unterlässt jede Begründung, die doch mindestens versucht 
werden müsste bei einer Behauptung, die bei der Analogie 
dieser Fälle mit so vielen ähnlichen , bei denen das Gegen- 
theil keinem Zweifel unterliegt, schon ihre ühwahrscheinlich- 
keit in sich trägt. Ein Beispiel eines Beckens, dessen ein- 
seitige Verengerung durch nicht auf Halisteresis oder Rba- 
chitis zurückführende Scoliose bedingt ist, ist erst neuerlich 
bekannt geworden; es ist das oben erwähnte Becken von 
Prof. Äloya Valevta^ der es freilich nicht hierher bezogen 
wissen will, über das deshalb einige Worte beizufügen sind. 
Das Becken stammt von einer Person mit hinkendem Gange 
und stark nach rechts scoliotisch gekrümmter Wirbelsäule. Ihr 
Gang war beschwerlich kniehohrend ; die rechte Ferse 1" 3'" 
höher als die linke, dagegen die linke Crista o. iL 1" höher 
als rechts. Die Trägerin war bis zum achten Jahre gesund; 
damals gestürtzt und lange bettlägerig, war sie von da an 
nicht mehr im Stande zu gehen und ward, als Näherin ihrem 
Erwerbe nachgehend, von Haus zu Haus in einem Wägelchen 
herumgeführt. Sie starb im Puerperium und die Necropsie 
ergab folgendes: 

Ungleiche Entwickelung beider BeckeuYiÄttl^w, Ä\fe t^OcvV^ 



122 y^* Otto, Ueber die Ursachen und die Entstebangsweise 

atrophisch; rechtes Darmbehi in verticaler Richtung, ohne 
S förmige Krümmung ; 3'" unter der Crista durchscheinead dünn, 
wie überhaupt, namentlich im Dickendurchmesser, atrophisch. 
Das Kreuzbein ist um seine verticale Axd gedreht, so dass 
es mit dem Promontorium etwas nach reclits sieht; seine 
rechte Hälfte schmäler (2" 2"/), als die linke (2" 6'"). Die 
Lendenwirbelsäule scoliotisch nach rechts gekrümmt.. Voo 
der schon oben erwähnten Luxation des rechten Oberschen- 
kels kann hier abgesehen werden. Die Schmalheit des rech- 
ten Kreuzbeinflügels wird von Valenta als die Folge einer 
hochgradigen Atrophie durch Mangel an Gebrauch und Be- 
wegung aufgefasst, wobei er sich namentlich auf die bedeu- 
tende Atrophie des Darmbeins stützt. Allein abgesehen da- 
von, dass dies das erste Becken wäre, das auf solche Weise 
seine schräge Verengung acquirirt hätte, so dürfte die Schmal- 
heit des Kreuzbeinflügels nur dann einer reinen Atrophie zu- 
geschrieben werden, wenn dieselbe auch den Dickendurch- 
niesser, ja vielleicht auch den Längsdurchmesser beträfe. 
Dies ist aber keineswegs der Fall, vielmelir betrifll die Ano- 
malie nur die Breite, wie es bei allen scbrägverengten Becken 
der Fall ist. Dagegen scheint es unzweifelhaft, dass die 
starke Scoliose nach rechts die Ursache ist; auf sie war 
es ja ohne Einfluss, ob die Person sass oder ging ; in jedem 
Falle war das Becken ungleich belastet. Dies ist um so 
wahrscheinlicher, als auch die gerade bei durch Scolioseu 
geschaflenen schragverengten Becken vorkommende Axendre- 
hung des Kreuzbeins in diesem Falle nicht fehlt. 

Von rhachitischen Becken, bei denen der Charakter der 
schrägen Verengerung nicht hinter dem rhachitischen zurück- 
steht, ja wohl auch diesen überwiegt, ist eine ganze Reihe 
bekannt. Ihres geringeren Interesses wegen verweise ich in 
Betrefl* dieser auf Litzmann (a. a. 0.), Martin (de pelvi 
obl. ovata pag. 12. Anm. 6.), Huber (Neue Z«'ilschril't für 
Gebmiskunde XXIV. pag. 367-81., XXXIL pay. 93--103.), 
Klein (j)art. rnemorab. in arte obstetric. nuper observati Bonnao 
1842, pag. 15 seq.). Hohl (a. a. 0.) pag. 38—41, pag. 86. 
Nr. 6.). 

Zu den durch eiuseiligcn Druck auf die eine Becken- 
bälfie entstandeneu schrd^vwevv^l^w ^^^lV^vv \jji\\vi\'K«i ^adlich 



der schräg- oder einseitig verengten Becken. X23 

einzelne isolirt dastehende Fälle, die in keine der übrigen 
Categorien sich unterordnen lassen, indem in dem einen Falle 
nicht bekannt ist, wodurch die einseitige Belastung bedingt 
war, in dem andern diese auf so eigenthümliche Weise her- 
vorgerufen wurde, dass er wohl lange einzig dastehen dürfte. 
Das erste dieser beiden Becken ist bei Litzmann als Nr. 17. 
beschrieben; es befindet sich in der Kieler Sammlung mit 
Nr. 4031., und stammt von einer 31jährigen Frau; die Wir- 
belsäiüe ist nicht verkrümmt; dagegen lässt sich an der lin- 
ken Pfanne nachweisen, dass sie einem stärkeren Drucke 
durch den Schenkelkopf ausgesetzt war als die andere. 

Der zweite Fall ist von Thomas (a. a. 0.) beschrieben; 
auch hier hat einseitiger Druck zu Verkümmerung des einen 
Kreuzbeinllügels und zur Synostose der Kreuzdarmbeinfuge 
gefuhrt und das Becken schräg-verengt ; aber dieser einsei- 
lige Druck ist die Folge ganz specieller Verhältnisse. 

Das Präparat befmdet sich im Theatrum anatomicum zu 
Amsterdam; es stammt von einem jungen Menschen, der in 
frühester Jugend an den unteren Extremitäten gelähmt wurde 
und genötliigt, seinen Unterhalt durch Betteln sich zu erwer- 
ben, pflegte er den ganzen Tag auf einem Esel umherzu- 
reiten, schief mit einer Hinterbacke darauf sitzend. Die Wir- 
belsäule ist Sförmig gekrümmt, das Kreuzbein zeigt eine schwache 
compensatorische Krümmung nach rechts ; das ganze Becken 
steht schief, der Beckeneingang nach links abschüssig und 
von links vorn nach rechts hinten verengt; auch im üebri- 
gen zeigt das Becken alle wesentlichen Merkmaie der schräg- 
verengten Becken. 

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass das einseitige 
Sitzen auf der Einen Hinterbacke als Ursache zu betrachten 
ist, indem hierdurch die dieser entsprechende Beckenhälfte 
fast die ganze Körperlast zu tragen hatte, und so sind auch 
diese Exemplare ein deutlicher Beweis dafür, dass überhaupt 
(durch was immer bedingter) einseitiger auf die eine Becken- 
Iiälfte mehr oder weinger anhaltend ausgeübter überwiegender 
Druck als Ursache der schrägen Beckenverengerung betrachtet 
werden muss. 

Was den Grad der Deformität betrifft, den diese Ursacbi», 
herzustellen vermag^ so ieucblet von selbsl eu\, &ä^^ ö\^\^^- 



124 VI. OttOf lieber die Ursachen und die fintstehnn^weise 

formität eine um so grössere sein wird, je mehr überhaupt 
die Rörperlast vorzugsweise von der einen Extremität getra- 
gen werden muss, und in je früherer Altersperiode des In- 
dividuums die eine untere Gliedmasse unbrauchbar wird; 
beziehungsweise je grösser die Verkrümmung der Wirbelsäule 
und je früher dieselbe sich ausbildet, je mehr also die Becken- 
knochen von ihrer Ausbildung noch entfernt und je länger 
jene Einflüsse im Stande waren, ihre Wirkung zu äussern. 
So selbstverständlich dies a priori erscheint, so deutlich be- 
weisen dies auch die hierhergehörigen Becken selbst, wie 
dies auch schon im Grossen die Vergleichung der durch 
Coxalgie und der durch veraltete Luxation entstandenen 
Becken zeigt. 

So sind nun die drei ersten Kategorien schrägverengter 
Becken begründet, und wir wenden uns zur vierten und 
letzten: zu den 

IV. Schrägverengten Becken, entstanden durch 
Synostose der Symphysis sacro-iliaca auf 
Einer Seite. 

Die schrägverengten Becken mit Synostosis sacro-iliaca 
auf der defecten Seite bildeten zuerst die Objecte für die 
Untersuchung über die Entstehung der schrägverengten Becken 
überhaupt; an sie allein schloss sich die Monographie von 
Naegele an, um sie drehte sich jahrelang der besprochene 
Streit; man hielt eben die Synostose für das Wesentlichste 
bei der schrägen Beckenverengerung, und es diflerirten die 
Ansichten über die Entstehungsweise hauptsächlich in der 
Art, dass die Einen ein Vitium primae formationis, die An- 
dern eine entzündliche Erkrankung im Kindesalter als Ursache 
dos Fehlers betrachteten, und di(?se beiden Ansichten gingen 
wieder besonders in der Frage auseinander, ob die Synostose 
das Primäre imd Wesentliche sei, und den Dcfect des Kreuz- 
beins bedinge, oder ob dieser Defect das Primäre und die 
Synostose erst secundär entstanden sei. Es ist nun vor 
Allem nöthig, über den ersten Punkt ins Klare zu kommen; 
es ist zwar die Naegele's^:hc Ansicht heutzutage von den 
meisten aufgegeben, allein von einigen wenigen möchte sie 
doch noch festgehalten werden , uud d^vwvcv \\\^V5»'s^ '«vt?, , hi^^sä 



der schräg- oder einseitig vereugten Becken. 125 

auch in Kürze, besprochen werden; und dann ist üher die 
zweite Frage zu entscheiden; denn sie ist die Cardina]- 
frage auch noch heuligen Tages. Die ForuiuUruiig der Nae- 
gele'&chen Ansicht wurde schon in der Einleitung angegeben ; 
sie bedarf daher hier keiner Wiederholung. Ich erinnere nur 
daran, dass nach ihm die Becken-Deformität, und namentlich 
die Synostose, von einem ursprünglichen Bildungsfehler ab- 
zuleiten sei. Der kräftigste Gegenbeweis gegen die Annahme 
einer congenitalen Synostose wäre ohne Zweifel der Nach- 
weis Ton Merkmalen an der Ileosacralverbindung , welche 
auf eine Verwachsung der ursprünghch getrennten Knochen 
hindeuten; Naegele vermisste diese und fand darin beson- 
ders einen Grund für seine Annahme; allein schon bald nach 
der Veröffentlichung seiner Arbeit wurde eine Reihe schräg- 
verengter Becken bekannt, die ganz deutlich die Spuren 
früherer Trennung der Kreuzdarmbeinverbindung an sich 
trugen, und rasch vermehrten sich die Beobachtungen in 
diesem Sinne. 

Einige Beispiele mögen diesen Ausspruch bekräftigen: 
So beschrieb Martin 1839 an einem Naegele unbekannt 
gebliebenen Becken im Museum anatom. in Jena eine grös- 
sere Dichtigkeit und Härte der Knochen in der Nähe der 
Synostose. 

Hayn beschreibt 1852 an dem nach ihm benannten 
Becken der geburtshülflichen Anstalt zu Königsberg eine 
glatte Leiste, an deren unterem Ende sich eine äusserst 
flache Furche anschliesst, welche ihm die Spur der früheren 
Kreuzdarmbeinverbindiing darstellt. Von Rügen sagt von 
dem von ihm beschriebenen Becken der Justina Kümmel^ 
dass das oberste äusserste Ende des linken Kreuzbeinflügels 
als eine hohe Ecke hervorrage, und von da an abwärts pa- 
rallel mit der Richtung der gesunden Symphyse eine schwache, 
aber doch ganz deutlich merkbare Knochenleiste von 1^1^' 
Länge verlaufe. An dem ersten A^ae^eZe' sehen Becken in 
der Heidelberger Entbindungsanstalt hat Lange einen in der 
Richtung des Ileosacralgelenkcs verlaufenden nahezu 1" lan- 
gen Knorpelstreifen entdeckt, der sich scharf vom benach- 
barten Knochen abhebt und im unteren Theile d^v %<b\\^\\\iVK;^ 
Verbindung sich beßadeU 



126 ^^- ^^0, lieber die Ursachen und die Entstehnngsweise 

An dem Becken von Danyau trennt eine oberfläch- 
liche Furche beide Knochen. An dem von Litzmann (Ho- 
natsschrifl für Geburtskunde, Bd. 23. S. 4.) bescliriebenen 
Becken mit Synostose des Ileosacralgelenkes in seiner gan- 
zen Ausdehnung sind hinter der ehemaligen Gelenkfläche beide 
Knochen noch durch eine Spalte getrennt, die man sowohl 
auf der vorderen oberen, als auf der hinteren unteren 
Seite der Verbindung bemerkt. Die Spur des ehemaligen 
Gelenkes ist auf der vorderen oberen Flache, wie gewöhnlicih 
durch eine unebene wulstige Leiste bezeichnet; auf der vor- 
deren unteren Fläche ist eine schwache Andeutung der Ver- 
schmelzungsleiste, wie eme feine Knochennarbe sichtbar. 

Ferner sind in dieser Beziehung auch die querverengten 
Becken verwerthbar, indem sich sowohl am Lambrschen 
als am Roberfschen die Zeichen einer früher bestandenen 
Trennung vorfinden. Lambl beschreibt am Prager Becken 
eine deutliche Demarcationslinie, welche, deutlicher an der 
hinteren Fläche, weniger deutlich an der vorderen, unver- 
kennbar die Spuren bestandener Trennung darstelle, wie dies 
auch aus dem verschiedenen Verhalten der Kuochensubstanz 
zu ersehen sei, die an der der Symphyse entsprechenden 
Stelle, und zwar an dem dem Darmbeine zugekehrten Theiie, 
sehr dicht, compact, elfenbeinartig, glatt und glänzend, an 
dem dem Kreuzbeine zugekehrten Theiie gerifll und fein ge- 
furcht sei ; ausserdem finde sich in der Höhe der Linea inno- 
minata ein deutlicher Knochenwulst. 

Das jRoJer^'sche (IL) ist überhaupt nur theilweise an- 
kylosirt und zeigt wichtige, später zu erwähnende, für erwor- 
bene Synostose sprechende Veränderungen. 

An anderen tritt eine Trennung$spur nicht deutlich her- 
vor; allein dass eine Synostose möglich ist, ohne jegliche 
Spur früherer Trennung zurück zu lassen, zeigt das von 
Lambl (in seinem Reisebericlit) beschriebene Becken der 
Prager i^ntLülogisch - anatomischen Sanmilung Nr. 339. , an 
welchem die „erwiesenermassen erworbene Ankylose" des 
linken Ueosacraigelenkes von ganz normaler Beschafl'enheit 
ist. Ueberdies müssen in diesem Betreff die Untersuchungen 
von Simon Thomas wohl beachtet werden, die es wahr- 
sclwinlich mucheu, dass \u NvvVeu ¥"a\\^u, >nö •amä^^^XxOä ^\^ 



der schräg- oder einseitig verengten Becken. 127 

Kiiochensubstanz an der Stelle der Synostose tadellos ist, 
doch im Innern derselben noch Trennungsspuren kenntlich 
sind. Au fünf Becken, bei denen der Kreuzbeinflugel voll- 
ständig zu fehlen scheint, und deren Synostose nicht eine 
Spur früherer Trennung zeigte, machte Thomas an der 
Stelle der Synostose horizontale und verticale Durchschnitte, 
um sich zu überzeugen, ob die scheinbar normale Beschaf- 
fenheit nicht yielleicbt bloss der Oberfläche angehöre, und 
er fand, dass an allen fünf der Kreuzbeinflügel wirklich vor- 
banden war, als solcher erkennbar durch eine ihm zur Seite 
liegende Grenzschichte von lockerer Knochensubstanz, die 
von einer mehr oder weniger scharf ausgesprochenen Ver- 
knöcherungslinie compacter Suhstanz umgränzt war, offenbar 
die Stelle des früheren Ueosacralgelenk^ bezeichnend, da sie 
auch ihrem Laufe und ihrer Form nach diesem entspricht. 
Auch Lambl halte am Prager querverengten Becken schon 
vorher diesen Weg eingeschlagen und auf dem Durchschnitte 
Hnks eine fast parallel mit der äusseren Begrenzung der Sa- 
crallöcher laufende deutlich und scharf ausgesprochene Ver- 
kfiöcherungslinie compacter Substanz, rechts eine solche in 
Form von Knoten verdichteter Substanz gefunden. {Lambl, 
Zur Lehre von den querverenglen Becken, Prager Vierlel- 
jahrschrift, Jahrgang 1853.) Für alle diese Fälle muss offen- 
bar eine Synostose als eine erworbene betrachtet werden. 

,,Die defectuose Ausbildung des Kreuzbeines seiner gan- 
zen Länge nach, sowie die geringere Breite des ungenannten 
Beines an derselben Seile und besonders der Umstand, dass 
die Parthie, wo die Verschmelzung des Kreuzbeines mit dem 
Hüftbeine statt hat^ nicht soweit herahreicht, als die Synchon- 
drose an der anderen Seite und am normal gebildeten Becken 
öberhaupl**, nahm Naegele weiter für seine Ansicht in An- 
spruch; allein wir werden diese Thatsache im folgenden bei 
der Untersuchung der Art und Weise, wie die Synostose zum 
Defect des betreffenden Kreuzbeinflügels führt, hinreichend 
erklären, und da auch „das Vorkommen von Synostosen an 
anderen Knochen als ursprüngliche Bildungsabweichungen" 
mindestens zweifelhall ist, weil, von Missbildungen abgesehen, 
der angeborene Zustand in keinem einzigen Falk vv^Wä^w 
ist, „die gauz auffallende und überaus grv)&§>fe k^\\\\\\OciVv\\. 



128 ^^' OUo^ Ueber die Ursachen und die EntBtehangtweise 

der scbrägvereDglen Becken untereinander'' aber dtircfaain 
nichts für ihr Angeborensein beweist, sie vielmebr weit na- 
türh'cber sich aus dem Umstände erklärt, dass allen die 
gleiche Ursache (Scbmalbeit des Kreuzbeinflügels auf einer 
Seite) zu Grunde liegt und aus der Identität der Ursache 
die Identität der Wirkung folgt; da ferner in einer Anzahl 
von Fällen auch „krankhafte Zustände und äussere Einwir- 
kungen nachweisbar sind^ die Anlass zur Deformität gebei 
konnten : so können wir um so mehr über die Naegele'aiAt 
Ansicht von congenitaler Synostose hinweggehen, als aoch 
noch folgende zwei Thatsachen gegen dieselbe sprechen, 
nämlich : 

1) ist noch in keinem einzigen Falle beim Fötus eine Sy- 
nostosis congenita gefunden worden, und 2) sind die Kno- 
chenkerne für die Flügel des Kreuzbeines beim reifen Fötus 
noch rund, zeigen noch keine Andeutung ihrer späteren 
keilförmigen Gestalt, und sind weder mit dem Körper 
ihres Wirbels noch mit dem Hüftbeine verbunden, und ist 
eine ursprüngliche Verschmelzung beim Fötus schon des- 
halb unwahrscheinlich, weil bei allen seh rag verengten Becken 
mit Ueosacralsynostose die Kreuzboinflögel schon eine keil- 
förmige Gestalt besitzen, also schon auf einer höheren 
Entwickelungsstufe stehen, als dies beim reifen Fötus der 
Fall ist. 

Vollends unmöglich aber wird die Annahme einer con- 
genitalen Synostose dur&h die Thatsache, dass das Ileosacral- 
gelenk schon gebildet, ehe noch die Knochenkerne für die 
Krcuzbeinflügel vorhanden sind. Nach Luschka ist dies Ge- 
lenk immer in der 20. Woche nachweisbar, und Thomat 
fand an dem Becken eines 16—17 Wochen alten Fötus 
zwischen dem noch vollkommen knorpeligen Kreuzbeinflugel 
und dem verknöcherten Darmbeine das Gelenk vollkommen 
ausgebildet. Es wäre demnach eine angeborene Synostose 
überhaupt nur dann denkbar, wenn das lleosacralgelenk gleich 
ursprünglich gar nicht gebildet würde, sondern Kreuz- und 
Hüftbein, statt gesondert aufzutreten, als eine continuirUcbe 
Knorpelmasse erschienen; allein das Darmbein ist schon 
knöchern gebildet, ehe noch die Knochen kerne für das Kreuz- 



der Bohr&^- oder einaeitig verengten Becken. 129' 

bein entstehen, und kann daher davon nicht die Rede sein. 
Damit fallt die Kaegele'sche Theorie. 

Wir wenden uns zur andern Frage, ob die Synostose 
denn überhaupt zu den Ursachen der schrägen Beclienver- 
engerung zu zahlen sei, oder ob sie nicht vielmehr erst zu 
dieser hinzutrete. Es erhebt sich für uns zunächst die Frage: 
„Kann der Kreuzbeindefect die Folge der Synostose sein?'' 
Das Wachsthum der Knochen geschieht von der Epiphyse 
aus durch Ablagerung neuer Knochensubstanz zwischen sie 
und das Mittelstuck; es ist daher leicht begreiflich, dass die 
durch die Ankylose gesetzten Veränderungen der einen Epi- 
physe auf die Ernährung des Knochens von dieser Seite aus 
nicht ohne Einfluss sein werden ; es ist aber auch ein Wachs- 
thum darum nicht mehr denkbar, weil eine Ablagerung neuer 
Knocbensubstanz zwischen Epi- und Diaphyse nur mit Ent- 
fernung ersterer von letzterer möglich, diese aber durch die 
Synostose verhindert ist. 

Tritt die Synostose erst zu einer Zeit auf, wo das Wachs- 
thum beider Knochen schon beendet ist, so kann natürlich 
auf dem bezeichneten Wege keine Wirkung sich äussern, 
aber für diese Fälle bleibt ein zweiter Weg, das jst die Rück- 
bildung des Ausgewachsenen und auch dieser kommt in allen 
Fällen von Synostose in Rechnung; es tritt nämlich als un- 
mittelbare Folge derselben eine Atrophie, ein Schwund der 
sie begrenzenden Knochentheiie ein, wie dies durch zahlreiche 
eciatante Beispiele an Röhrenknochen und namentlich auch 
am Unterkiefer in die Augen fallt. Zugleich erkennt man 
an diesen Präparaten, dass (wie dies Lambl ausgesprochen 
und Rokitansky bestätigt hat) die durch die Synostose be- 
wirkten Form- und Grössenverändeningen ihrem Grade nach 
in geradem Verhältnisse stehen zu der Innigkeit der Verbin- 
dung und der Dauer ihres Bestehens. 

Wie diese Atrophie nach Synostosen zu Stande kommt, 
das zu erörtern, würde hier zu weit fähren; für unsere 
Zwecke genügt die Thatsache; sie beweist den Einfluss der 
Synostose auf die Breite des Kreuzbeinflügels ^auch bei Er- 
wachsenen; es ergiebt sich aber zugleich, dass der Grad der 
Wirkung ein. geringerer sein muss, wenn die S^ivq%\ö%^ V«v 
Erwachsenen einUitt, aJs wenn bei uocVy \\\\yÄ\\i\i\v^VÄ\v Vw^v- 

MoDMtaßcbr. f. Qebartak. 18ö6. Bd. XXVlII.,Hfi. ^. *^ 



130 ^I* OttOf lieber die Ursachen nnd die Entstehnngeweiee 

viduen und Kindern. Denn dort fuhrt nur der Schwund xur 
Verschmälerung des Kreuzbeinflögels , hier dieser und die 
Behinderung des WachsLhums; dort wird die Synostose vor- 
aussichtlich einen kürzeren Bestand haben, als hier; dort 
wird auch vielleicht die Verbindung eine weniger innige wer- 
den, als hier; dass sie aber auch bei Erwachsenen die ge- 
nannte WirkLung äussert, ist durch eine Reihe schrägvereogter 
Becken constatirt, deren Entstehung notorisch erst aus dem 
späteren Lebensalter datirt. 

Betschier, der den Ehifluss der Synostose auf die schräge 
Beckenverengerung, welcher zuerst von Martin erkannt wurde, 
ebenfalls in richtiger Weise würdigte, leitete denselben vou 
anderen Einflüssen ab; einei* Entzündung des Ileosacralgelen- 
kes und deren Ausgängen: Eiterung und Verschwärung, 
schrieb er den Substanzverlust des Kreuzbeines zu. In ähn- 
licher Weise äussert sich Basch, dass das Kreuzbein durcli 
wirklichen entzündlichen Substanzveriust eine Verschmälerung 
erleide. 

Dass diese Anschauung nicht allgemein richtig ist, be- 
weist die Thatsache, dass bei den meisten hierher zählenden 
Becken keine Spuren einer früheren Entzündung sichtbar 
sind, während doch Entzündungen, die zu hochgradigen, durch 
Verschwärung entstandenen Subslanzverlusten führen, gewiss 
nicht spurlos vorübergehen; dagegen ist allerdings für .einige 
Fälle, in denen solche Spuren unzweifelhaft vorhanden sind, 
auch dieser Einfluss nicht zu läugnen, doch immer gefolgl 
von den beiden früher genannten. 

Man hat gegen die vorgetragene Ansicht eingewendet, 
dass die schon erwähnte Verschiebung des HüfU)eius am 
Kreuzbeine ein directer Gegenbeweis gegen dieselbe sei ; wenn 
die Synostose das Primäre sei, so sei nicht einzusehen, wie 
bei eintretender Atrophie des Kreuzbeines die Verschiebung 
nachträghch zu Stande kommen könne ; allein, wenn ich mich 
auch nicht der Ansicht von Simon Thomas anscliliessen 
will, dass die Verschiebung gerade eine Folge der narbigen 
Schrumpfung an der Synostose sei, was von Litzmann gründ- 
lich widerlegt ist, so kann ich doch darin keinen Gegen- 
beweis erkennen, weil es einige Becken giebl, deren Syno- 
stose keine andere Deutung , als d\^ ^vw^v ^üvKv^\^vi^ ^xsiissL, 



der schräg- oder einseitig verengten Becken. 131 

und dieselben gleichwohl die genannte Verschiebung zeigen. 
Dies beweist eher, dass die (f. a.) Erklärung Litzmann'% 
für dieselbe nicht ausreichend ist; es wird dies auch von 
Olshausen (Monatsschrift für Geburtskunde 19. III.) ^ ^^^ 
diesen Punkt sehr hervorhebt, zugestanden, ohne dass er es 
merkt, indem er an einer Stelle die Verschiebung als Gegen- 
beweis gegen jede primäre Synostose hinstellt, und gleich 
darauf doch die Möglichkeit einer solchen für einzelne Fälle 
nicht läugnen kann. An derselben Stelle bemerkt Olshau- 
seUj dass es bei Annahme einer primären Synostose auffal- 
lend sei, dass immer das Kreuzbein den Defect zeigt und 
nicht das Hüftbein, oder letzteres doch nur in unerheblichem 
Grade; allein es ist zunächst zu bemerken, dass wohl kaum 
ein schrägverengtes Becken existiren möchte, an dem das 
Hüftbein gar keinen Defect zeigte; dass er aber an diesem 
in geringerem Grade besteht, scheint in einem allgemeinen 
Gesetze begründet; wenigstens war Lambl (Prager Viertel- 
jahrschrift, Jahrgang 156. 4.) darauf aufmerksam, dass die 
Verkürzung der Knochen im allgemeinen Sinne in der Weise 
sich kund giebt, als würde der peripherische Knochen von 
dem der Medianebene des Körpers näher gelegenen ange- 
zogen. Doch muss zugegeben werden, dass dieser Umstand 
eine genauere Untersuchung verdiente. Jedenfalls müssen 
wir nach Vorstehendem eine primäre Synostose des *Ileo- 
sacralgelenkes als eine mögliche Ursache der schrägen Becken- 
verengerung anerkennen. Die entgegengesetzte Ansicht, dass 
die Synostose etwas Unwesentliches, Accidentelles sei, wurde 
zuerst von Moleschott aufgestellt und von Hohl vertheidigt, 
und zwar glaubte letzterer, dass sie aus denselben Ursachen 
hervorgehe, welche sie auch sonst hervorzurufen im Stande 
sind, nämlich: Absorption des Zwischenknorpels durch Druck, 
Entzündung u. s. w., also ähnlich, wie wir es für die syno- 
stotischen Becken des vorigen Abschnitts in Anspruch nahmen; 
allein dort hatten wir in dem einseitigen Drucke auf die 
Kreuzdarmbeinverbindung hinreichenden Grund zu einer sol- 
chen Annahme, während jeder Anhaltspunkt für die Annahme 
einer primären Ankylose fehlte; hier bestehen gerade die 
umgekehrten Verhältnisse; namentlich fehlt ^edes ^om^wV ^"^^ 
2U einseitiger Belaslang hätte Veran\ass\ii\% ^A^^.w VÄViW^vv* 



132 ^1- ^^» Ueber die UrsaeheD und die Entetehii&gtweiie 

Wenn HoU unter den Bedingung^ jener die Raum- 
beschränkung zwischen Kreuz- und Hüftbein auf Seite der 
Verkümmerung nannte, so wies Litzmann nach, dass die 
Annahme eines Druckes nur dann gerechtfertigt sein würde, 
wenn zwischen dem gegebenen Räume und dem Wacbsthume 
der Rreuzbeinflügel ein Missverhältniss bestünde, dass aber 
hier die Raumbeschränkung nur eine unmittelbare Folge der 
mangelhaften Entwickelung der Kreuzbeinfifigel sei, und mit 
dieser gleichen Schritt halte, somit ein Druck von derselben 
nicht hergeleitet werden könne. Es ist in Betreff des Ver- 
hältnisses der Synostose zur Verkümmerung des Kreuzbein- 
flügels eine Bemerkung KirchhoffeT'% nicht ohne Interresse. 
EjT hatte in Betreff des Grades dieses Defectes bei quenrer- 
engten Becken mit doppelseitiger Synostose die Frage ange- 
regt, ob die dadurch bedingte Beeinträchtigung der Räum- 
lichkeit des Beckens wohl auch so gering vorkommen könne, 
dass im Falle einer Schwangerschaft nicht der Kaiserschnitt 
als das einzige Rettungsipittel ersclieint, und gab darauf fol- 
gende Antwort: 

„Steht das Fehlen der Knochenkerne, aus dem sich 
die Seitenstücke des Kreuzbeins entwickeln sollen, zu der 
Synostose in einem Causalnexus, so erreicht die Beckenver- 
engerung wohl immer einen so hohen Grad, dass an ein an- 
deres Mittel der Entbindung^ als den Kaiserschnitt, nicht ge- 
dacht werden kann; bedingt aber umgekehrt die Verknöche- 
rung der Kreuzdarmbeinfuge eine Verkümmerung der Kreuz- 
beinflügel, so lässt sich wohl erwarten, dass wir auch qiier- 
verengte Becken kennen lernen werden, die dem normalen 
nahe stehen; und diese letztere Erwartung wurde bald dar- 
auf durch das Pariser Becken bestätigt. Es können nach 
Vorstehendem keinesfalls alle Synostosen als secundäre be- 
zeichnet werden, und es fragt sich, ob wir vielleicht 
Gründe für das Gegentheil haben. Es kommen hier natürlich 
die im vorigen Abschnitte angeführten Becken nicht mehr in 
Betracht; es wurde schon erwähnt, warum bei jenen die Sy- 
nostose als consecutiv erklärt wurde; ich wiederhole, dass 
dort Momente vorliegen, aus denen eine primäre schräge 
Verengerung leicht erklärlich ist, nicht aber eine primäre 
Svnf^ai^o^^ und dass wieder äu^ \cv\^u ^<^\\ \\\w\«\K.W\de 



der sehr&g- oder eiDseitig verengten Becken. 138 

Grunde für das Hiozukommen einer Synostose ergaben. Es 
bandelt sieb nur um die in den früheren Abschnitten nicht 
erwähnten schrägverengten Becken mit Synostose. 

Wenn wir bei diesen nach Merkmalen suchen, die auf 
^eine primäre Synostose hinweisen, so kommen wir dabei am 
schnellsten zum Ziele, wenn wir zugleich nach dem Grunde 
der Entstehung der Synostose forschen; nachdem die Na^- 
ffele*»che congenitale Synostose sowie die Annahme einer 
ursprünglich mangelhaften Bildung des Deosacralgelenkes wi- 
derlegt sind, so bleibt zunächst die Ansicht von Kiwiseh zu 
erörtern, der glaubte, sie entstehe durch Uebergreifen des 
Yerknöcherungsprocesses auf die Synchondrose. Es leuchtet 
em, dass, wenn diese Ansicht Geltung hätte, überhaupt auf 
positive Kennzeichen primärer Synostosen verzichtet werden 
müsste. Allein diese Ansicht war schon unwahrscheinlich, 
als man die Kreuzdarmbeinverbindung noch für eine Syn- 
chondrose hielt, weil das Hüftbein schon knöchern gebildet 
ist, ehe noch die Knochenkerne für die Kreuzbeinflügel ent- 
stehen; doch konnte sie sich auf Analogien an anderen Ske- 
lettheilen stützen, wie z. B. an den Wirbelkörpern, namentlich 
aber am Becken selbst, in der Knorpelverbindung der drei Stücke 
des Hüftbeines ; ßber seit Luschka nachgewiesen hat, dass die 
genannte Verbindung ein wahres Gelenk ist mit selbststän- 
digem Knorpeluberzuge beider Gelenkflächen und mit einer 
von Synovialhaut ausgekleideten Gelenkhöhle, seitdem passen 
natürlich jene Analogien nicht mehr, und ist es überhaupt 
undenkbar, dass die Verknöcherung über eine Gelenkböhle 
wegschritte. Vielmehr muss man sich, wenn man nach Ana- 
logien suchen will, an die Gelenkkrankheiten wenden, und 
so kommt man zu der letzten Möglichkeit in Betreff der Ent- 
stehung der primären Synostose, zu der von Stein und MtMrtin 
und neuerlich von Simon Thomas so entschieden vertrete- 
nen Ansicht, dass sie die Folge eines Entzündungsprocesses 
im Ueosacralgelenke sei. 

Diese Ansicht hat allerdings sehr Vieles für sich. Zu- 
nächst die Thatsache, dass an vielen Becken Spuren dage- 
wesener Entzündung vorhanden sind, die bald in Form klei- 
ner Exostosen und Osteophyten, bald in Form carlo^ftc 
Gruben and Fisielgänge sich ausspr^Vieii^ %W\^ w^Ocw \tsk 



134 ^I- OUOj lieber die Ursachen nnd die Entitehnngt weise 

Verhalten der Koochensubstanz; dann dass in anderen Fdlleo 
die Anamnese von äberstandenen Knocbenkrankheiten berieh- 

'let. Das letztere ist der Fall in sechs Fällen, nämlidi bd 
den Becken Fremel-Otto, Simon , Sinclair, Betschier, 
Holst; V. Ritgen ; in den letzten drei Fällen fanden sidi 
zugleich Spuren von Entzündung an der Synostose; das von 
BetscJder zeigt deutliche Spuren cariöser Zerstörung am 
Darmbeine und das von Ritgen besitzt in der Nabe einer in 
der Richtung des Ileosacralgelenkes verlaufenden Knochen- 
leiste zahlreiche Osteophyten, und an der Stelle, wo der 
äussere Rand des Os sacrum mit der Spina posterior inf. 
zusammenstösst, eine Rinne, welche vorn und hinten in zwei 
Löcher mündet: die Oeffnungen von Fistelgängen, in die 
man leicht eine Sonde einfuhren kann. Ausser diesen tragen 
Spuren von Entzündung vier Exemplare. Das Becken von 
Martin im Mus. anatom. zu Halle, das, schon zu Kaegele*s 
Zeiten vorhanden, diesem unbekannt geblieben war, zeigt 
„zahlreiche kleine Exostosen an der äusseren Fläche des 
Darmbeins und etliche linsenförmige Exostosen in der Pro- 
ximität der Ankylose''. Das Becken von ffayn besitzt deut- 
liche Spuren einer früheren Erkrankung der Wirbelsäule, als 
deren Folge Verunstaltung der Lendenwirbel und Ankylose 
derselben untereinander sowie mit dem Kreuzbeine bestünden. 
Das vom Lambl (a. a. 0. Jahrg. 1853.) beschriebene Becken 
der Prager pathologisch - anatomischen Sammlung Nr. 339. 
lässt an seiner einen Darmbeinschaufel Osteophyten mit Ge- 
schwürshöhlen und Fistelgangen erkennen. Auch das Becken 
Hecker^Paetsch ist in dieser Beziehung zu verwerthen, so- 
wie auch ein querverengtes, indem bei Robert IL, an dem 
die Kreuzdarmbeinverbindung nur tlieilweise synostosirt ist, 
in der Umgebung der Synostose anomale Knochenbrücken, 
Vertiefungen und Löcher, solilär aufgelagerte Osteophyten, 
Gruben von Caries an der Innenfläche sich finden. In sechs 
Fällen fand sich ein abgelaufener coxalgischer Process auf 
derselben Seite wie die Synostose mit Osteophytbildungen am 
Darmbeine, nämlich an dem Becken von Fabbri, an LambVs 
MarseiHer Becken, an denen von Danyau, Sandifort, Nae- 
gele 12. und 24. In diesen Fällen kann nur übertriebene 

Zweifehachi an der entzüiidWcYieTv ¥»iv\?»\Ä\iww% ^^\ Si>jBka«to8e^ 



der sehrüg- oder einseiticr Terengten Becken. 135 

damit aber auch an ihrer primitiven Entstehung zweifeln; 
denn die entzündlichen Spuren sind uns zugleich die posi- 
tiven Merkmale für dieselbe, nachdem wir im Vorstehenden 
alle anderen Entstehungsmöglichkeiten einer primären Syno- 
stose ausgeschlossen haben. Dagegen bleiben nun noch circa 30 
Fälle übrig, bei denen die Entscheidung schwieriger ist, weil 
das Becken selbst keine Merkmale darbietet und die Anamnese,' 
die vielleicht Aufschluss geben könnte, unbekannt ist. Es 
sind das die 27 von Thomas unter gleicher Rubrik zusammen- 
gestellten Fälle, wozu noch zwei Becken mit Bruch des 
Schambeins gezählt werden müssen, die Thomas zu den 
für entzündlichen Ursprung beweisenden Fällen zählte, bei 
denen es aber zweifelhaft ist, ob die Fractur zuerst bestand 
oder ob sie nicht vielmehr gerade als Folge der schrägen 
Beckenverengerung erst bei der Geburt entstanden war; end- 
lich das von Litzmann in Band 23., Heft 4. der Monats- 
schrift für Geburtskunde beschriebene Becken, für das er 
ohne hinreichende Begründung eine primäre mangelhafte Ent- 
wicklung der Kreuzbeinflügel in Anspruch nahm. 

Allerdings ist nicht zu übersehen, dass Knochenkrank- 
heiten nicht selten schleichend verlaufen, ohne Spuren zu 
hinterlassen, ebenso dass Krankheiten des frühen Kindes- 
alters leicht später dem Gedächtniss entschwinden, und dass, 
namentlich in den niederen Standen, die Eltern über die 
Krankheiten ihrer Kinder oft nur sehr wenig mitzutheilen 
vnssen (Thomas), so dass das Fehlen jener Anhaltspunkte 
das Vorhandengewesensein einer Entzündung durchaus nicht 
ausschliesst, und somit auch für diese Fälle, oder wenigstens 
für einen Theil derselben ein primitiv entzündlicher Ursprung 
als möglich zugegeben werden muss; allein zu weit gegangen 
ist es, wenn Thomas in Berücksichtigung dieser Möglichkeit 
ohne Weiteres es auch als gewiss annimmt Andere haben 
in ebenso einseitiger Weise aus dem Mangel von Anhalts- 
punkten für entzündlichen Ursprung den Schluss gezogen, 
dass in allen diesen Fällen die Synostose eine secundäre sei, 
indem sie jene Möglichkeit gar nicht berücksichtigten; allein 
auch sie haben für ihre Ansicht keine positiven Gründe; es 
ist von keinem der betreffenden Becken bekannt, dass die 
Trägerin etwa an Coxalgie gelitten häUe, oder ^«i^s^ i\^ ^^^~ 



136 ^^' ^^^^1 ^^^^ Osteogenesis imperfeetm. 

liotisch gewesen wäre, oder dass durch irgend eine sonst^e 
Anomalie das Becken einseitig belastet worden wäre; and 
eine primäre Defectbildung des Kreuzbeinflugels in diesen 
Fällen anzunehmen, dazu ist gar keine Ursache; denn die 
Kreuzbeinflügel sind bis auf eine gewisse Schmalhek ganz 
normal gebildet, und eine Defectbildung (durch mangelhafte 
Bildung oder Entwickelung der Knochenkeme) können wir 
nur da annehmen, wo neben der Schmalbeit auch eine ge- 
wisse Unregelmässigkeit der Bildung besteht, wie es bei den 
im I. Abschnitt behandelten Becken der Fall ist. Ohne den 
Thatsachen Gewalt anzuthun, kann über, diese Becken ein 
bestimmter Ausspruch nicht geschehen, für wahrscheinlich 
halten wir, dass manche von ihnen ihre Entstehung einer 
primitiven entzündlichen Synostose verdanken, für möc^lieh, 
dass einige auch unter einen früheren Abschnitt sich untei^ 
ordnen; es kann diese Frage auch ganz unbeschadet unserem 
Systeme offen bleiben; denn keinesfalls tragen die betreffen- 
den Becken Merkmale an sich, welche Veranlassung gäb«i, 
eine neue Gruppe aufzustellen; sie gehören jedenfalls unter 
die genannten und dann ist es nicht so wichtig, welche der- 
selben um ein paar Fälle reicher wird. 



VII. 
Eine Osteogenesis imperfecta. 

Beitrag zur Lehre von den fötalen Knochenerkrankungen. 

Von 
Dr. Ernst BIdder aus Dorpat. 



Nachstehender Aufsalz enthält die Resultate von Unter- 
suchungen, die im Jahre 1861 in Würzburg angestellt und 
zu einer Dissertation verarbeitet wurden, welcher in dem- 
selben Jahre von der medicinischen Facullat zu VVürzburg 
das , Jmprimatur^' erthefll Yiurde^, \iYVTsv\V\s\W\ väcU Vollen- 



VII. BiddUTy Eine Osteogeoesis imperfecta. 137 

duDg der Arbeit wurde ich durch äussere Verhältnisse ge- 
zwungen, Würzburg zu verlassen. Auf der weiten Reise, 
die ich antrat, verdarben mir Präparate, die leider nicht sorg- 
fältig genug verpackt waren, so dass ich nicht im Stande 
war und bin, meine Resultate durch Tafeln zu illustriren. 
Deswegen hauptsächlich habe ich die Veröffentlichung dieser 
kleinen Arbeit so lange hinausgeschoben. Dass ich dieselbe 
nun doch wage, wird hoffentlich das interessante Untersuchungs- 
object bei dem geneigten Leser entschuldigen. 



Das Präparat, das meiner Arbeit zu Grunde liegt, und 
das der jetzt verstorbene Professor Dr. Förster mir freund- 
lichst zur Untersuchung überliess, ist ein altes Stück der 
Würzburger pathologisch - anatomischen Sammlung, von wel- 
chem, ausser der Bezeichnung: Brevitas extremitatum relativa, 
keine weiteren Notizen vorhanden sind. Trotz seiner Merk- 
würdigkeit ist das Präparat, so viel ich weiss, nirgends be- 
rücksichtigt worden, nur Heinr. Müller giebt in seiner Ab- 
handlung über fötale Rhachitis^) eine ganz kurze Beschrei- 
bung desselben. — 

Wir haben vor uns ein der Grösse und Ausbildung nach 
völlig ausgetragenes Kind weiblichen Geschlechts. Da der 
Nabelschnurrest, der noch vorhanden ist, keine Spur von 
beginnender Abstossung zeigt, so lässt sich daraus schliessen, 
dass das Kind entweder todt geboren wurde, oder jedenfalls 
die Geburt nicht lange überlebt hat. — Der Panniculus adi- 
posus ist sehr stark entwickelt, auch zwischen den übrigens 
schwachen, aber in ihrer Textur normalen Muskeln zeigt sich 
ein sehr fettreiches Bindegewebe. Sehr in die Augen sprin- 
gend ist eine auffallende Kürze der Extremitäten im Verhält- 
nisse zum übrigen Körper. Die Arme sind kurz und dick, 
mit einer starken Einschnürung über dem Handgelenke, von 
wo an der Fettreichthum vollständig aufliört, weshalb die 
Hände im Vergleiche zur ganzen Extremität klein erscheinen. 
Einen ähnlichen Befund liefern die Beine. Ausserdem sind 
die letzteren nach hinten und innen, die Arme dagegen nach 

1) Wöwbnr^er med. Zeitaohrift, Bd. 1., pj.^Vl. 



138 ^11* Btädety Eine Osteogenesis imperfecta. 

vorn und innen gekrümmt, und geben, in die gehörige Stel- 
lung gebracht, den Anschein, als ob sie sich mehr, als es 
sonst geschieht, der durch die Uterin wände vorgezeichneten 
Form hätten accommodiren können. Erklärlich wird dies 
dadurch, dass bei näherer Untersuchung die Knochen nicht 
allein der Extremitäten, sondern überhaupt des ganzen Kör- 
pers nach allen Seiten hin äusserst biegsam sind, und sich 
in jede beliebige Stellung bringen lassen. Am anfTailendsten 
zeigt sich dieses Yerbältniss am Kopfe, Schädel sowohl als 
Gesicht, der jedes Haltes entbehrt, und daher durch leichten 
Druck jede mögliche Form annimmt, die man ihm geben 
will — 

Von den Maassen des kindlichen Körpers seien folgende 
angeführt, indem zur Vergleichung dieselben Maasse von einem 
normalen ausgetragenen Kinde daneben gesetzt werden: 

Krankes Normales 
Kind. Kind. 
Cm. Cm. 

Länge des Kindes vom Scheitel bis zur 

Steissbeinspitze 27 23^« 

Länge der Wirbelsäule vom Dorn des 
siebenten Halswirbels bis zur Steiss- 
beinspitze 16 «14 

fiänge des Humerus 4,5 6^ 

Länge der Ulna 5 6 

Länge der Hand 3,7 5,5 

Länge des Beines von der Schenkel- 
beuge bis zur Zehenspitze .... 12,5 16,5 

Länge der Tibia 4 6,3 

Länge des Fusses 5,4 5,7 

Diese beiden Zablenreihcn bestätigen das nach dem blossen 
Augenscheine schon abgegebene Urtheil über die bedeutende 
Verkürzung der Extremitäten des kranken Kindes im Ver- 
gleiche zur Körpergrösse. Wir können nach diesem Befunde 
schon auf eine Bildungsabweichung schliessen, die Vorzugs- 
weise die langen Röhrenknochen betrifft, oder deren Folgen 
an den genannten Theilen am meisten in die Augen springen 
mnssen. 

Am Schädel des votWejeiiAeTv WvsttXft^ ^^'^^xwv^tSÄ. \w- 



yil. Bidd^r, Eioe Osteogenesis imperfecta. 139 

zunehmen lohnt nicht der Muhe, da wegen der ungemein 
leichten Verschiebbarkeit und Zusammendrückbarkeit sich gar 
keine genauen Anhaltspunkte für Taslercirkel oder Maassstab 
finden lassen. Im Allgemeinen betrachtet, scheint die Schä- 
delbasis im Verhältnisse zum Schädelgewölbe — das übrigens 
durchaus nicht übermässig gross erscheint — etwas kurz 
zu sein. 

Die genaueren Verhältnisse des Kochensystems zeigen 
sehr eigenthümliche Abweichungen vom normalen Bildungs- 
modu^. 

Der Epiphysenknorpel der Röhrenknochen zeigt an und 
für sich keine Veränderungen. Man könnte ihn yielleicht als 
unbedeutend vergrössert bezeichnen. — Die sonst harte, zti 
dieser Zeit des Lebens schon völlig verknöcherte Diaphyse 
besteht aber aus einem vom Perioste gebildeten schjafifen 
Sacke, welcher von einer weichen bröckeligen, wie schon der 
Anblick mit blossem Auge zeigt, von kleinen Knochenplätt- 
chen durchsetzten Masse erfüllt ist Ganz ebenso verhalten 
sich die Rippen ihren Knorpeln gegenüber, und auch die 
Phalangen zeigen den Knorpel im Vergleiche zu den Kno- 
cbentheilen als das Festere. ^ 

In Bezug auf ihre mikroskopische Beschaffenheit erschei- 
nen die' Knorpel ganz in den gewöhnlichen Verhältnissen. 
Die Knorpelzellen „richten sich'^ wie an normalen Verknö- 
cherungsrändern, die bekannten Reihenbildungen sind gut aus- 
geprägt. Es stellt dies Verhalten ein wesentliches Unter- 
scheidungsmerkmal dar von der bei der sogenannten fötalen 
Rhachitis beobachteten Anomalie,^) bei welcher gerade durch 
das Fehlen dieser Anordnung das Längenwachsthum der Röh- 
renknochen gestört wird. Die Verknöcherungslinie ist eben- 
falls gleichmässig, und bietet nicht das für die Rhachitis post 
partum characteristische , fingerförmige Vorgreifen der Kalk- 
ablagerung in Parthien, die noch nicht verkalkt sein sollten, 
dar. Die Ablagerung der Kalksalze, wenn auch in ihrer 
Quantität von der Norm nicht abweichend, gebt etwas un- 
regelmässig vor sich, indem sie stellenweise nicht ganz ho- 
mogen, sondern körnig, zuweilen sogar knimelig erscheint. 



1) IT. Müller, a. a. O. p. 223. 



X40 ^^« Bidder^ Eioe Osteogenesis imperfecta. 

Wie gewöhnlich tritt sie aber auch hier zuerst in den \ 
balken der Grundsubstanz auf, während die dünnen, zwischen 
den einzelnen Zellengruppen eingeschobenen Querwände noch 
unverkalkt bleiben. — Die erste Anlage der Markraume ent- 
spricht dem bis jetzt ganz normalen Befunde, ihre Gestalt 
zeigt niclits von der gewöhnlichen Abweichendes. Ueber ihren 
Inhalt lässt sich leider nur wenig aussagen, weil das Pri- 
parat durch das lange Liegen in Spiritus gelitten hat. Nach 
den Resten zu schliessen, haben die Markräume lockeres 
Bindegewebe und Zellen enthalten, welche letztere, schon 
theilweise in Zerfall begriffen waren, da eine Detritusmasse, 
die sich hier an vielen Stellen zeigt, wohl kaum auf etwas 
Anderes wird bezogen werden können. Hellt man sich das 
Präparat durcli Salzsäure und nachfolgende Behandlung mit 
Glycerin auf, so lassen sich fast bis zum Ende der verkalkten 
am Knorpel haftenden Substanz die ächtesten, schönsten 
Knorpelzellen erkennen ^ die sich von normalen nur durch einen 
etwas getrübten Inhalt unterscheiden. An den äussersten 
Enden erscheinen zwischen den Markräumen nur die Ceber- 
reste der sie trennenden Balken von Grundsubstanz, deren 
Kalkimprägnation hier ebenfalls ein stark gekörntes An- 
sehen haben. 

Die auffallendste Erscheinung ist aber, dass an keiner 
SteUe sich auch nur die geringste Spur einer Ablagerung 
von Knochensubstanz zeigt: nirgends erscheint auch nur die 
Andeutung eines strahligen Knociienkörperchens, nirgends 
lässt sich an den Wänden der Markräume ' eine mit Ausläu- 
fern versehene Zelle beobachten, die durch Umlagerung von 
Grundsubstanz zu einem Knöchenelemente zu werden ver- 
sprechen könnte. 

Wir haben also hier an den Epiphysenknorpeln — denn 
derselbe Vorgang wiederholt sich an jedem einzelnen solchen 
Theile — ein vollständig regelmässiges Vorschreiten der die 
Verknöcherung vorbereitenden Processe, wir sehen die Knor- 
pelzellen sich richten und Reihen bilden, wir sehen die Ab- 
lagerung der Kalksalze erfolgen, wie sonst, die verkalkte 
Masse zerfällt, wie es sein soll. Hiermit hat aber der Pro- 
cess sein Ende erreicht, die Knochenentwickelung ist voll- 



VII. BiddeTy Eine Osteogenesis imperfecta. 141 

sUndig sistirt, und von einem Zusammenhange mit der den 
periostalen Schlauch erfüllenden Masse ist Nichts zu er- 
nennen. 

Wie wir übrigens weiter unten sehen werden, muss 
diese Hemmung erst später eingetreten sein, und kann nicht 
?om Beginne der Knochenbildung an bestanden haben, wofür 
wir hier nur die, wenn auch hinter der Norm zurückgeblie- 
bene, doch aber ziemlich bedeutende Länge der Knochen, 
oder viehnehr der periostalen Säcke anführen können. 

Sehr ähnlich dem eben von den Rändern der Epiphysen 
der langen Knochen geschilderten Befunde zeigen sich die 
Verhältnisse an den Knochenkernen in der Mitte der Epiphysen 
und an den centralen Knochenanlagen der kurzen Knochen. 
Wir haben ganz denselben Process vor uns, nur dass er die 
der verschiedenen Oertlichkeit entsprechende Modification dar- 
bietet. Halten vdr uns an den unter normalen Verhältnissen 
beobachteten Gang der Knochenentwickelung, so haben wir 
zuerst das Wachsen der Knorpelzeilen gegen das Verknö- 
cherungscentrum zu, die Verkalkung der Knorpelmassen, die 
darauf folgende Schmelzung der verkalkten Substanzen, und 
endlich die sich nun anschliessende Anbildung der ächten 
Knochenmasse. Wie oben bei den Röhrenknochen, so sehen 
wir auch hier die ersten Glieder dieser Entwickelungsreihe 
vollständig ausgeprägt; aber auch hier hört mit dem Zerfalle 
der grosszelligen Knorpelverkalkung der ganze Process auf, 
und wir suchen an den Schmelzungsrändern vergeblich nach 
Knochensubstanz. 

Das Innere der Knochenkerne bildet eine Höhle, welche 
von einem käsigen Breie erfüllt ist. Dieser Brei besteht bei 
näherer Untersuchung aus sehr undeutlich streifigem, durch- 
weg körnig punctirtem Bindegewebe, das bei Behandlung 
mit Essigsäure stellenweise noch ovale Kerne erkennen lässt; 
eingesprengt zeigen sich einzelne erhaltene, zum grössten 
Theile aber schon zerfallene Markzeilen, deren Ueberreste 
eine Detritusmasse bilden. Durchsetzt ist die ganze Höhle, 
namentlich in der Nähe der Wände, von zahlreichen härteren 
Plättchen, die unter dem Mikroskope als aus der verkalkten 
Grundsubstanz bestehend sich ausweisen mit den ebea^<\ n^^- 
kalkte/i secundären Knorpeikapsehi. Die \eik^v)A\% SsX. ^vc 



142 VII* Bidder, Eine Osteogenesis imperfeeU. 

deutlich körnig, nur die Kapseln der Knorpelhöhlen zeigen 
ein helleres, homogeneres Ansehen. Die Knorpelzellen sind 
vollständig verschwunden, in den leeren Höhlen erkennt mao 
keine Spur mehr von ihnen. Auch an diesen Verstreuten 
Plättchen sieht man meist keine einzige strahlige Lücke als 
Residuum eines etwa durch frühere Bildung entstandenen 
Knochenkörperchens. Nur sehr sparsam finden sich hin und 
wieder kleine Plättchen, die wirklich Knochenstructur zeigen. 
Von der normalen Form ist aber diese Knochensubstanz ziem- 
lich abweichend. Sie zeigt durchaus nicht den exquisit lamel- 
lösen Bau ächten Knochens, und auch die Knochenkörperchen 
sind gross, rundlich oder länglich, mit wenigen oder gar 
keinen strahlig sich ausbreitenden Fortsätzen. 

Der Inhalt des periostalen Sackes der Röhrenknochen 
zeigt etwas grössere Mannigfaltigkeit In der Nähe der Epi- 
physen haben wir ziemlich denselben Befund, wie er sich 
uns in den kurzen Knochen und den Epiphysenkernen zeigte. 
Weiter gegen die Mitte der Diaphyse und gegen die Nähe 
des Periostes zu werden die einfach verkalkten Knorpelplatten 
immer seltener, und ersetzen sicli durch Plätlchen, die neben 
einem sehr feinmaschig spongiösen Baue wirklich auch Kno- 
chenkörperchen sehen lassen. Diese letztern zeigen nun 
unter sich Unterschiede: Ein Theil ist ebenfalls grösser als 
normal, plump, rundlich gestaltet; sie liegen sehr dicht an 
einander, so dass sie nur wenig Zwischenraum für die In- 
tercellularsubstanz übrig lassen, welche auch hier keine 
lamellöse Schichtung, sondern ein unregelmässig körnig punk- 
tirtes Ansehen darbietet Ein anderer Theil der Knochen- 
körperchen ist dagegen in seiner Grösse hinter der Norm 
zurückgeblieben, ist länglich oval gestaltet, lässt aber von 
straliligen Ausläufern auch nichts mehr als kurze, plumpe 
Stummel erkennen. Letztere Form findet sich namentlich in 
der Nähe des Periostes vertreten. — Neben diesen Knochen- 
jilättchen zeigt der dieselben zusanmienhaltendc Inhalt der 
sonstigen Knochenröhre ziemlich dasselbe, was wir oben be- 
schrieben haben: von Körnchen durchsetztes Bindegewebe, 
geschrumpfte und zerfallene Zellen^ Detritusmassen. Vielfach 
fnuhn sich grössere und kleinere FetUropfen zerstreut, die 
wohl aus dem Zusanimev\ft\i%^ ö^tt )kXiv\v^<£\\ ivOsv ^s^^&Ar^ 



VII. Bidder, Eine Osteogenesis imperfecta. 143 

haben, in welche die Zellen bei ihrem Untergänge als ge- 
formte Gebilde zerfallen waren. 

Die eigenthumlichsten Verhältnisse zeigen sich aber bei 
der Bildung des Knochens vom Perioste her. Das Periost 
ist vollständig entwickelt, sein Bindegewebe ist nur lockerer 
als sonst, seine Fasern bieten weit weniger den straffen ge- 
radlinigen Verlauf dar, und die Masse der dem Bindegewebe 
beigemengten elastischen Fasern steht der normalen Menge 
nach. An den Stellen übrigens, wo die periostale Rnochen- 
bildung sich mehr der normalen nähert, besitzt auch das 
Periost selbst einen dem gewöhnlichen sich mehr anschlies- 
senden Charakter. — Wir haben nun hier zwei streng von 
einander zu scheidende Entwickelungsvorgänge, die vom Pe- 
riost aus Knochen bilden sollen, vor uns, und werden sie 
auch aus einander halten müssen, trotz dem, dass sie sich 
io buntester Weise unter einander mischen, und fast an jedem 
Puncte unmittelbar neben einander zur Beobachtung kommen. 

In erster Linie haben wir eine fast wie die gewöhnliche 
sich darstellende Entwickelung , die nur dadurch von der 
Norm abweicht, dass die compacte Substanz, die sich zur 
Zeit dieser Wachsthumsperiode schon als sehr bedeutend her- 
ausstellen muss, überaus spärlich vertreten ist, während an- 
statt der engen Havers'schen Canäle grosse, weite Mark- 
räume vorhanden sind, die in ihrer Masse die grössere Hälfte 
einnehmen. Aber auch an diesen relativ normaleren Stellen 
zeigen sich schon in Spuren die Anfänge einer höchst ab- 
weichenden Bildung, indem sich statt der directen Verknö- 
cherung der von der Innenfläche des Periostes neugebildeten 
Gewebsschicliten hier von Zeit zu Zeit einzelne Knorpelzellen 
dazwischen schieben. — Ehe ich jedoch diese vereinzelten 
Parthien betrachte, muss ich die Stellen erwähnen, wo die 
eben beschriebene Abnormität massenhafter aufgetreten ist. 

Mit dem Perioste aller grossen Böhrenknochen verbun- 
den, mit den Epiphysen aber in gar keinem Zusammenhange 
zeigen sich Stellen, die durch ein mehr homogenes, gleich- 
massiges Aussehen sich deutlich von dem übrigen porösen, 
schwammigen Inhalte des von dem Perioste gebildeten Schlau- 
ches unterscheiden. Untersuchen wir die Stellen mikro&k^cv- 
pii^cby so haben wir vor uns ein ei((e.uÜ\üu\Y\c\\^% > mre^*^ 



144 V^- Bidder, Eine Osteogeneeis imperfecta. 

Gemisch von Bindegewebe, verkalktem und unverkalktem 
Knorpel und von Knochen. In ßugerf5rmigen Vorsprüngen, 
an andern Orten gleichmässiger, zeigt sich Verkalkung und 
VerknöchcTung direct unter dem Perioste und aus ihm her- 
vorgehend. Zwischen den Knochenbalken, bald dicht an*s Pe- 
riost gelagert, bald in tiefer gelegenen, der Knochenoberfläche 
parallelen Zögen tritt hier nun das schönste, deutlichste 
Knorpelgewebe auf, ein Bild, wie es sich zuweilen bei Cal- 
lusbildongen beobachten l§sst, ein Durcheinander von Gewe- 
ben der Bindesiibstanz, welches fertiges Gewebe und lieber- 
gangsstadien in reichlichem Maasse zur Anschauung bringt. 

Sehen wir zunächst zu, woher dieses Knorpelgewebe 
stammt. Da schon in zwei froheren Perioden des fötalen 
Lebens jede Spur von dei: ursprünglich knorpeligen Anlage 
der Diaphyse der Röhrenknochen geschwunden und durch 
Knochensubstanz ersetzt sein niuss, so können wir unmöglich 
voraussetzen in den vorliegenden Knorpelparthien einen Rest 
der vorgebildeten, knorpeligen Knochengriindlage vor uns zu 
haben. Da ferner von irgend einem Zusammenhange mit den 
Knorpeln der Epiphysen keine Rede ist, so müssen wir uns 
dahin entscheiden, dass wir es mit einer später entstandenen 
Neubildung zu tliun haben. Untersuchen wir darauf hin, so 
können wir an den Stellen, wo das bewusste Knorpelgewebe 
dein Perioste anliegt, dessen Entstehung auch direct beob- 
achten. Wir sehen die Korperchen des Bindegewebes rasch 
grösser werden, die zuerst scharf geschnittene Spindelfonn 
gebt in eine ovale, und dann rundliche über, und wir haben 
dann grosse, runde, mit einem ansehnlichen Kerne versehene, 
ziemlich dicht stehende Zellen. Gleichzeitig verhert die Grund- 
Substanz ihr streifiges Ansehen, und wird vollständig — frei- 
lich ist sie im Verhältnisse zum grossen Zellenreichthume 
schwach entwickelt — so dass wir zuletzt als Product dieses 
Processes das schönste Knorpelgewebe vor uns haben. — 
Wie gespg(, zeigt sich aber ein solches Verhallen nicht in 
der ganzen Ausdehnung des Periostes, nicht eiiunal an den 
bezeichiielen Stellen allein für sich. Neben demselben tritt 
immer auch streckenweise directe perioslale Knocheupro- 
(Jiirtion auf, und die dadurch entstandenen Knochenbalken 
und Knochenscbichlen Ireutievv AW. Va\wv^\vÄV^\\^v^ *>s^ ««aAUi€ 



VII. BiddeTy Eine Osteogenesis imperfecta. 145 

unregelniässig vertheilte Lager, die dem mikroskopisclieii Bilde 
ein sehr buntes Ansehen geben. 

'Fragen wir nun, was aus diesem neugebildeten Knorpel 
wird, so können wir nur sagen, dass er ebenfalls verknö- 
chert. Freilich ganz ohne vorheriges ,Jlichten'' der einzelnen 
Zellen, ohne eine von einander gesonderte Gruppen bildende 
Vermehrung, auch ohne vorhergehende sichtliche Yergrösserung 
derselben, werden sowohl die Grundsubstanz als auch die 
Zellenkapseln mit Kalksalzen imprägnirt, so dass stellenweise 
daraus ein sehr zierliches Bild entsteht. Ihre Weiterent- 
wickelung schlägt einen doppelten Weg ein. Wie immer, 
macht ein Theil den bekannten Schmelzungsprocess durch 
und wird dann zu dem die Harkräume erfüllenden Inhalte; 
der andere, hier freilich viel geringere Theil, wandelt sich 
in Knochen um. In Bezug auf die Art und Weise dieses 
lleberganges muss ich von der bisher meiner Arbeit zu Grunde 
liegenden Müller^^ch^n Anschauung^) über normale Ossi- 
lication abweichen, und mich vielmehr der Beschreibung an- 
schliessen, wie sie unter Andern CA. Aeby'^) in seiner In- 
auguraldissertation liefert: 

Man sieht nämlich neben dem Zerfall gi'össerer ver- 
kalkter Knorpelparthicn und der daraus hervorgehenden Mark- 
raumbildung einen continuirlichen Uebergang der Knorpelver- 
kalkung in Knochenbildung. Die erstere zeigt dieselben Bil- 
der wie jedes Mal bei der Ablagerung der erdigen Massen 
in Knorpel, nur dass nirgends eine Regelmässigkeit in der 
Anordnung der Knorpelzellen zu bemerken ist. Jede Zelle 
für sich umgiebt sich mit einer kalkigen Schicht, der Kern 
tritt dabei sehr klar und scharf hervor. Von Zellentheilung 
habe ich nichts sehen können, eine jede Zelle für sich ist 

1) H. MiUlery Ueber die Entwickeluog der Knocheosnb- 
staDZ etc. Leipzig 1858. Müüer selbst gesteht übrigens sowohl 
für pathologische als aach in manchen Fällen sogar für normale 
OssiBcation einen directen Uebergang von verkalktem Knorpel 
in Knochen zn. — Ein eclatantes hierher gehöriges Beispiel hat 
C O. Weber veröffentlicht in seiner: Enarratio consamptionis 
rhachiticae etc. Bonnae 1862. 

2) Oh. Äebi/y die Symphysis ossinm pubis dea M^Ti%t\iVGi ^\5i.. 
Inmuguraldisaert Leipzig ond Heidelber^^ \^%. 

Monrntasobr. f. Oeburtsk. 1866. Bd. XXVIII., Hit. %. ^^ 



146 VII. Biddery Eine Osteog^enesU imperfect«. 

von einem breiten hellen Ringe umgeben. Alhnälig schwindet 
die scharfe Grenze zwischen der Kapselwand und der äbrigea 
Grundsubslanz, andererseits muss innerhalb der Kapsel eben- 
falls compacte Substanz abgelagert werden, so dass ein Raum 
zwischen Kapsel und Zelle nicht mehr nachweisbar ist Die 
Zelle selbst verliert ihren einfach rundlichen oder ovalen 
Contour, bekommt eine mehr oder weniger zackige Gestalt, 
und wird zugleich bedeutend kleiner. Es kommt im vorlie- 
genden Falle nicht dazu, dass das System der radiären Aus- 
läufer der Zellen sich weiter entwickelt. Es tritt auch hier 
doch noch ein Stillstand ein. Derselbe greift freilich meist 
nicht 80 weit zurück, wie wir es an vielen der Knocheii- 
plättchen im Innern des Knochensackes sahen, indem die hier 
vorliegenden Knochenzellen kleiner und zackiger sind, als die 
genannten; normalem Knochen gegenüber zeigen sie sich aber 
dennoch in der angeführten Beziehung mangelhaft gebildeL 

Die Frage, ob das System der radiären Ausläufer der 
Knochenzellen nur durch Auswachsen der Primordialschläuche 
oder auch zum Theil durch blosse Resorption von Grund- 
substanz entsteht, kann im vorliegenden Falle nicht entschie- 
den werden, denn es kommt eben zu keiner auch nur etwas 
bedeutendem Verlängerung derselben. Was hier von Aus- 
läufern da ist, und das sind meist nur kurze Stummel, lässt 
sich allerdings nur auf eine Enlwickelung der Zellen selbst 
beziehen. Entschieden soll aber dadurch nicht werden, ob 
eine weitere Verlängerung derselben sich nicht durch Vor- 
gänge in der Grundsubstanz allein bilden könnte, obgleich 
eine derartige zwiefache Entstehungsweise eines morphologisch 
in seiner ganzen Ausdehnung gleichwerthigen Gebildes von 
vorn herein nicht gerade wahrscheinlich erscheint. 

An den übrigen Parthien des Periostes, die diese Zwi- 
schenstufe der Knorpelbildung vor der Knochenentwickelung 
nicht haben, geht letztere eben einfach aus dem vom Pe- 
rioste gelieferten sogenannten ossificirenden Diastema hervor. 
Wenn wir mit Kölliker^) die Zellen des ossificirenden Bla- 
stems den Primordialschlauchen von Kuorpclzollen verglei- 
chen, so haben wir diesen Primordialschläucheu nur noch eine 



1) Handbuch der Geyr^beUVte. ^. k\A., ^«.^, ^1« 



VII. Bidder, Eine Osteogenesis imperfecta. 147 

durch eigenthömliche Differenzirungsprocesse entstehendei^Dor- 
pelsubstanz beizugeben, um beide hier zur Erscheinung kom- 
mende knochenbildende Processe in die nächste Verwandt- 
schaft zu einander zu bringen. Der Vergleich wird auch 
noch dadurch gerechtfertigt, dass der Knorpel, der hier offen- 
bar nur ein präparatorisches Moment der Knochenentwicke- 
lung darstellt, ganz dieselbe Stelle eihnimmt, wie das unter 
gewohnlichen Verhältnissen unter dem Periost auftretende 
ossificirende Blastem. 

Die eigenthümliche Tendenz des Periostes Knorpel zu 
bilden, zeigt sich deutlich auch an ganz verstreuten, kleinen 
Stellen. Macht man ein Schnittchen aus einer der oben als 
relativ normal bezeichneten Parthien des Periostes, so sieht 
man unter dem letzteren in beschränkten kleinen Feldern die 
Schicht des ossificirenden Blastems mächtiger werden , die 
undeutlich iibrilläre Crundsubstanz nimmt ein gleichmässigeres 
Ansehen an, und die einzelnen Zellen treten schärfer hervor. 
Es ist damit schon eine Annäherung an knorpelähnliche Ver- 
hältnisse gegeben, und kommt hierzu noch, wie andere Stellen 
es zeigen, die Bildung der secundären Kapseln um die primor- 
diale Zelle, so haben wir den fertigen Knorpel vor uns. Im 
Allgemeinen überwiegt aber die mehr den gewöhnlichen Typus 
beibehaltende Knochenbildung die jetzt beschriebene Abwei- 
chung durch sich einschiebende Knorpelentwickelung, und 
ist übrigens letztere an den unteren Extremitäten bedeutender 
entwickelt, als an den obern. 

Dass trotz dieser noch stattfindenden Knochenbildung 
dennoch von einer eigentlichen knöchernen Diaphyse bei 
allen Röhrenknochen nicht die Rede sein kann, muss seinen 
Grund darin haben, dass erstens von den Epiphysen her 
jegliche Knochenproduction aufgehört hat, die in dieser Vi^achs- 
thumsperiode durchaus nothwendig wäre; dass femer bei der 
periostalen Knochenentwickelung die Markraumbildung so 
excessiv die Entstehung compacter Substanz überwiegt. 
Schliesslich ist aber wohl auch von grosser Bedeutung, dass 
die spongiöse Knochensubstanz, die sonst durch neue Auf- 
lagerungen theils die Markräume zu Haver8*schen Canälchen 
umwandeln, theils das im Gange des StoffN«e<^Vv%»^\ä N^\- 
brachte ersetzen soll, von dem Allen kerne S^w x«v^^ %wv- 



148 VII. Bidder, Eine Osteog^enesifl imperfecta. 

dem entweder auf derselben Stufe stehen bleibt, wie sie ent- 
stand, oder gar durch regressive^ Processe, für deren Dasein 
der Inhalt der Markraume Zeugniss ablegt, sich auf noch 
kleinere Volumina reduciren lässt, so dass die sonst nur 
centrale -Knochenhölüe hier, wie wir sehen, eigentlich den 
ganzen Knochen verschlungen hat. / 

Gehen wir weiter zur Untersuchung der Wirbelsaule, so 
entspricht ihr Verhalten vollständig dem, was wir an den bis 
jetzt betrachteten Theilen des Knochensystems gesehen haben. 
(Zur näheren Untersuchung kamen übrigens nur die Rucken- 
wirbel, weil zur Schonung des Präparates die äbrige Wirbel- 
säule unversehrt gelassen werden musste.) Die obersten 
sichtbaren Wirbelkörper besitzen nur einen Knochenkern, der 
nach hinten an den Rückgratskanal anstösst, die nächstfol- 
genden zwei Kerne, einen am vorderen und einen am hin- 
teren Umfange, beide ans Periost anstossend; noch weiter 
nach unten endlich haben sich diese beide Kerne vereinigt 
zu einem grossen Ossificationsheerde, der im sagittalen Durch- 
messer die Wirbel ganz durchsetzt, im queren noch durch 
mehr oder weniger breite Knorpelparthien von der Peri- 
pherie getrennt ist. Die mikroskopische Untersuchung zeigt 
denselben Befund, den wir in den Epiphysen der Röhren- 
knochen oder in den OssiGcationspuncten der kurzen Kno- 
chen vor uns hatten: das Grösserwerden und Verkalken der 
Knorpelzellen gegen den Knochenkern zu, die Bildung grosser 
und kleiner Markräume, endlich das vollständige Fehlen der 
Anbildung ächter Knochensubstanz; das Centrum erscheint 
erfüllt von einer sehr spongiösen Substanz ^ bestehend aus 
den schon geschilderten Knochenplättchen mit unausgebiidetem 
Typus, und der Inhalt der Markräume zusammengesetzt aus 
Bindegewebe, Zellen, Kernen und feinkörniger Masse. 

Besser als an irgend einer der untersuchten Stellen 
hat sich die Verknöclierung in den Wirbelbögen erhalten. 
Unter dem Perioste haben wir hier doch eine Lage com- 
pacter Substanz , die , wenn sie auch immer noch zu spon- 
giös ist, doch mehr eine Annäherung an concentrische Schich- 
tung der Knochenlamellen und Bildung Havers^scher Kanäl- 
chen darbietet. Freilich sind auch hier viele Knochenkör- 
perchen aaf unentwickelten Slutew «»lAv^iw \yi\!X\^\^^\^,>MA\5\^^RÄ 



VII. Bidder^ Eine Osteogeoesis imperfecta. 149 

die beschriebeoe rundliche, höchstens mit ganz kurzen Aus- 
läufern versehene Form dar; im Ganzen zeigt sich aber hier 
noch am meisten eine Aehnlichkeit mit normalen Verhält- 
nissen. Von einer Einschiebung von Knorpelsubstanz zwi- 
schen Periost und Knochen, wie an den langen Röhrenkno- 
chen, habe ich an den Wirbeln nichts entdecken können. 

Schliesslich seien hier noch mit einigen Worten die 
Schädelknochen in Betracht gezogen. 

So viel ich bei einem in der Mittellinie der Schädel- 
basis nicht ganz durch die Dicke der Knochen hindurch ge- 
führten Schnitte mich habe überzeugen können ^ so stimmen 
die Erscheinungen am Primordialschädel ganz mit denen am 
übrigen knorpelig präformirten Skelete überein. Die Kno- 
chenkerne sind an den gewöhnlichen Stellen aufgetreten, sind 
auch zu einer ziemlichen Grösse gediehen , zeigen aber jetzt 
unter dem Mikroskope so genau dieselbe Beschaffenheit, wie 
die Kerne in den Epiphysen der Röhrenknochen und in den 
kurzen Knochen, dass eine weitere Beschreibung unnütz wird, 
und hier, wie dort, entschieden werden kann, dass von einer 
jetzt noch erfolgenden Anbildung neuer Knochensubstanz nicht 
die Rede sein kann. Am weitesten in der Verknöcherung 
vorgeschritten, ufid später am wenigsten von dem regressiven 
Processe betroffen, scheinen die Knochenkerne in beiden Par- 
libus condyloideis des Hinterhauptbeines, namentlich der linke, 
zu sein, und schliessen sich in dieser Beziehung an das Ver- 
halten der Wirbelbögen an. 

Entfernt man die weichen Schädelbedeckungen, so zeigen 
die sogenannten secundären oder platten Schädelknochen eben- 
l'alls in die Augen springende Abweichungen von der Norm. 
Die Fontanellen sind auffallend weil und gross. Die vordere 
(grosse) Fontanelle zieht sich etwa V2 Zoll weit klaffend bis 
zur Nasenwurzel herab, ihre beiden seitlichen Winkel sind 
2— 2V2 Zoll von einander entfernt, der hintere setzt sich 
als c. %" breiter und 1" langer Streifen gegen die Hinter- 
hauptsfontanelle fort, welche letzte eine kaum geringere Aus- 
dehnung zeigt. Die knöchernen Theile selbst sind nicht dicker 
als ein gewöhnliches Karlenblatt, und lassen sich nach allen 
Seilen einbiegen. Dieses letztere wird noch vorzft^UcVv 4ä- 
Aardi begünstigt , dass der bei weilem ^%^«t^ 'Wsss^' ^«e^ 



150 ^11* Bidd^Ty Eine Osteogenesis imperfeeta. 

Scliädeldaches nicht gebildet wird von den bekannten, gewöhn- 
liehen Deckknochen; dies^e sind auf ziemlich unbedeutende 
Platten reducirt, welche die Stelle der normalen Ossification»- 
punkte einnehmen. Dagegen zeigt sich rings um sie hemm 
bei jedem ein breiter Kranz von kleineren Ossificationspunklen, 
von Zwickelbeinen, und da diese meist mit ihren Rändern 
noch nicht zusammenstossen , sondern durch häutige Steilen 
mit einander verbunden sind, so bedingen sie gerade vor- 
zugsweise die Haltlosigkeit und leichte Eindrückbarkeit der 
Schädelbedeckungen. Ausser dieser ungewöhnlichen Zahl und 
Anordnung der Verknöcherungspunkte und der bedeutend zu- 
rückgebliebenen Ausdehnung der Knochen im Vergleiche zu 
den häutigen Parthien, zeigt sich in der feineren Textur 
eigentlich nichts Abweichendes. Wir haben die gewöhnliche 
häutige Anlage des Schädeldaches; an den OssiOcationspuiikten 
weichen die beiden Blätter auseinander, die wir später als 
Pericranium und Dura mater bezeichnen ; zwischen beiden 
tritt dann, bis jetzt erst in einfacher Lage, die Knochensub- 
stanz auf; von einer Diploebildung ist noch nirgends etwas 
zu sehen. Uebrigens scheint hier die Knochensubstanz im 
Wachsthum begriffen gewesen zu sein. 



Fassen wir noch einmal kurz zusammen, was die Unter- 
suchung des Kuochensystems uns ergeben hat, so haben wir 
etwa Folgendes: 

Wie sowohl die in jedem einzelnen Knochen noch zu 
lindenden Ueberreste von Knochensubstauz als auch die Länge 
einzelner, namentlich der Röhrenknochen, beweisen, hat es 
eine Zeit in der Entwickelung dieses kindlichen Körpers ge- 
geben, in der die Knochenbildung, wenn auch vielleicht mit 
Unregelmässigkeiten, so doch wenigstens in ziemlich ausge- 
dehntem Maasse vor sich ging. Später sind hierzu Störungen 
getreten, die sich an einigen Stellen als blosse Hemmung und 
Unterbrechung eines normalen Processes darstellen, wie bei 
der Epiphysen- Verknöcherung, an anderen auch auf regres- 
sive Umwandlungen geschoben werden müssen, wie in der 
Diapbyae der Röhrenknochen^ ^w wqO[\ ^\A«cTk ^vidUch nor* 



VII. Bidder, Eine Osteogenesis imperfecta. 151 

male Vorgänge zeigen, aber mit quantitativen Abweichungen 
im Allgemeinen oder im Verhältnisse der einzelnen Factoren 
des Processes zu einander. Alle diese Erscheinungsweisen 
der Störung haben als Resultat eine Zerstörung des Kno- 
chens. Der Punkt, auf dem die aus Knorpel erfolgende Kno- 
chenbildung stehen bleibt, ist eben ein solcher, der sich als 
Schwund darstellt, wenn er, anstatt Uebergangsstufe zu sein, 
Endresultat wird; der Inhalt der Knocl^enröhren und der 
Detritus im Innern der kurzen Knochen beweisen, dass neben 
solchem Stehenbleiben, solcher Aplasie, ein Process einge- 
treten ist, der schon gebildete Theile zum Untergange brachte; 
am Periost haben wir wirklich noch Knochenbildung, diese 
giebt aber keinen Ausschlag, weil sie quantitativ der lebhaften 
Markraumbildung nachsteht; die secundären Knochen endlich 
zeigen eine Zersplitterung des einfachen Kernes in viele klei- 
nere, die aber trotz ihrer Zahl nicht genug Leistungsfähigkeit 
besassen, um der von der Norm für diese Entwickelungs- 
stufe vorgeschriebenen Ausdehnung nach Länge, Breite und 
Dicke ^u genügen, und daher ebenso wie das übrige Skelet 
eine Hemmung des Bildungsprocesses vor die Augen zu führen. 
Als Schlussresultat können wir also für den vorliegenden 
Fall das betrachten, dass wir es zu thun haben einerseits 
mit aufgehobener Knochenentwickelung, andererseits mit einem 
Untergange schon bestehender Knochenformation, und letzteres 
namentlich wegen Mangel an Wiederersatz des Verbrauchten. 
In ersterer Beziehung bleibt freilich der Punkt zu beachten, 
dass sowohl an den platten Schädelknochen als auch am 
Periost der langen Röhrenknochen wirklich noch Knochen- 
biidung stattfindet, wenn auch in geringem Maass^, auf un- 
gewöhnliche Art und mit nicht regulärem Resultate. Es 
scheint fast, als ob der Process der Knochenbildung im vor- 
liegenden Falle nicht die Intensität mehr hatte, um den einmal 
verkalkten, dann aber zerfallenen Knorpel zu ersetzen, wie 
es sein sollte, sein Werk aber bis zu einem gewissen Grade 
vollenden konnte, wo eine solche Restituirung nicht nöthig 
war. — Wie neben allen diesen aplastischen und regressiven 
Vorgängen, die am Perioste der Röhrenknochen stellenweise 
auftretende Neubildung von Knorpel aufzufassen sein könnte^ 
darüber Jasst sich wohl kaum etwas Gie^<&%^*& ^\sfi»^%«^. 



152 ^^^' Bidder^ Eine OsteogAnesis imperfecta. 

Wären diese Stellen noch mehr isolirt, so könnte man es 
wagen die Vermuthung auszusprechen, dass es Errungen- 
schaften aus einer früheren Periode seien, wo der Knochen 
noch resistenter war und brechen konnte.^) Man hat ja 
Callusformationen , in welchen in ähnlicher Weise, wie hter, 
Knorpel, Knochen und Bindegewebe in buntem Durcheinander 
sich zeigen. Das öftere, zerstreute Vorkommen ganz kleiner 
Rnorpelparthien durch das ganze Periost spricht aber woU 
nicht sehr für diese Annahme. 

Fragt man sich nun endlich, in welcher Weise die in 
Rede stehende Knochenanomalie den schon bekannten Pro- 
cessen, die zu Erweichung des Knochens führen, anzureihen 
ist, so erhält man zur Antwort, dass die Reihe dadurch 
leider nur länger wird. Offenbar ist, dass wir hier weder 
von einer Rhachitis congenita noch acquisita, wie sie bis 
hierzu bekannt sind, reden können, und selbst die Consumptio 
rhachitica bietet durchaus andere Verhältnisse dar, wie ein 
auch nur fluchtiger Blick in die hübsche Beschreibung eines 
dahin gehörigen Falles von C. 0, Weber ^) deutlich lehrt 
Eben so wenig lässt sich eine Analogie finden mit der Kno- 
chenerweichung bei Erwachsenen, der sogenannten Osteoma- 
lacie. Darüber wird es keiner weiteren Auseinandersetzung 
bedürfen. 

Becker^) hat nun neuerdings einen interessanten Fall 
von Knochenerkrankung bei einem Neugeborenen veröflent- 
licht, für welchen er die Bezeichnung Osteogenesis inperfecta 
von Vrolik entlehnt. Bei beiden hätte aber erst eine ge- 
naue mikroskopische Untersuchung des fraglichen Skeletes 
erweisen können, in wie weit die Knochenentwickelung wirklich 
eine unvollendete, und nicht vielmehr nur eine perverse ge- 
wesen. Für meinen Fall nun glaube ich den Beweis gelie- 
fert zu haben; dass es sich hier zum grössten Theile im 
wörtlichsten Sinne um eine auf einer bestimmten Stufe stehen 

1) Ea würde das ansfler der Menge von Zwickelbeinen am 
Schädel eine weitere Achnlicbkeit mit dem von Vrolik (Tabolae 
ad illnstrandam embryogenesin Tab. 91, 1 nnd 2) beschriebenen 
Falle ergeben. 

2) a 0, Weber, a. a. O. 

8) Becker, Klinik der GebutlftVxiTvaie, >i\. \\.^ ^. ^. 



VIII. Notiaen aas der JoaniHl-Literatar. 153 

gebliebene Knochenbildung, um eine wirklich unvollendete 
Knochenentwickelung handelt, und werde daher wohl nicht 
Unrecht thun, wenn ich für meinen Fall vor allen anderen 
den Namen Osteogenesis imperfecta adoptire. 

In der Lehre von diesen Bildungsabweichungen sind wir 
ja leider noch so zurück, dass jeder nicht zur Rhachitis im 
weitesten Sinne und zur Osteomalacie zählende Fall isolirt 
dasteht. Erst dann, wenn durch Vervielfältigung der ein- 
schlägigen mikroskopisch genau untersuchten Fälle das 
Material zur Vergleichung sich etwas gemehrt hat, dann wer- 
den Gruppirungen ermöglicht und bessere Namen geschaffen 
werden, als der vorliegende vieldeutige, von dem es noch 
möglich ist als Vorzug zu rühmen, dass „dabei Nichts präju- 
dicirt wird*'. 



VIIL 
Notizen aus der Journal -Literatur. 



V. Fra^que: Ueber die Wendung auf den Kopf. 

Verf. ist in vorliegender Arbeit bedacht, die Vortheile der 
Wendung anf den Kopf, welche nach seiner Ansicht in der 
Praxis lange nicht so häufig, als sich Gelegenheit dazu bietet, 
ausgeübt wird, in das rechte Licht zu stellen. Während nämlich 
das Verhältniss der lebend geborenen zu den todtgeborenen Kin- 
dern bei der Wendung auf die Füsse wie l^'Vioir * ^ "^'j ^^ 
stelle es sich nach der Wendung auf den Kopf bei spontan been- 
deten Geburten wie lOy, : 1 und bei den mit ^er Zange zu Ende 
geführten wie 2^^ : 1. — Ebenso wie für das Kind sei die Ope- 
ration auch für die Mutter vortheilhaft. Während nach 17% Wen- 
dungen auf die Füsse immer eine Frau starb, so ging nach 34 
Wendungen auf den Kopf keine einzige zu Grunde. — Für den 
Operateur aber sei die in Rede stehende Operation bei weitem 
nicht so anstrengend und erfordere keine so grosse Kraftent- 
wickelung. — Als Hauptgründe, weshalb die Wendung anf den 
Kopf so selten ausgeführt wird, beschuldigt Verf. zunächst den 
Umstand, dass man die Gränzen der Zulässigkeit der OQeTfl.UQTi 
IQ enge gesteckt habe; wie ans sicheren B«o\>«kc\v\.\iT\^«iv V^'c^^'t- 



154 yill' Notisen ans der Joanial- Literatur. 

^ehe, sei die Operation anch nach Abfluss de» Frnelitwaisen 
noch sehr gut gelangen, and er halte daher in solchen Fällen, 
wo der Uteras eben nicht aa fest nm das Kind contrahirt ist, 
wenigstens den Versnch der Wendacg anf den Kopf fttr indicirt. 
Unnöthig sei ferner, dass — wie angegeben — der Kopf nahe 
am Becken eingange liege; es genüge, wenn derselbe sich im 
Bereiche des unteren Uterinsegmentes befinde. In dieser Be- 
ziehang erinnere er daran , dass wiederholte ümdrehnngen der 
Fracht während der Gebart beobachtet worden wären, und dasi 
also die Möglichkeit, anch einen entfernter liegenden Kopf, bei 
sonst günstigen Verhältnissen über und in den Beckeneingang 
einsuleiten, nicht sn leugnen sei. Am wenigsten kann sich Yerf. 
mit dem Satse einverstanden erklären: die Wendung auf den 
Kopf solle nur ausgeführt werden, wenn man aaf regelmässige 
Wehenthätigkeit rechnen könne. £s sei nicht möglich, im Vor- 
aus einen bestimmten Ausspruch über die Wehenthätigkeit su 
thun; dann aber trete zumeist nach dem Blasensprnnge eine kri&f- 
tigere Wehenthätigkeit ein, die durch den Reis der eingeführten 
Hand willkührlich verstärkt werden könne. Wenigstens sei mit dem 
Versuche der Wendung auf den Kopf nichts verdorben, falls auch der 
Kopf immer wieder auswiche. Auch Beckenverengernng, natürlich 
mit gehöriger Berücksichtigung der Beschaffenheit der Wehenthä- 
tigkeit und Fügbarkeit des Kopfes, sei keine Contraindication der 
Wendung anf den Kopf. IndesS glaubt Verf. mit Berücksich- 
tigung der ebenerwähnten Momente als äusserste Grenae für den 
Versuch der Wendung auf den Kopf 3'' Conjug. vera ansehen sn 
müssen. Selbst wenn bei Beckenverengerang die Zangenopera- 
tion noch nachträglich nothwendig werden sollte, so erziele man 
damit immer noch bessere Resultate , als bei der Wendung auf 
die Füsse unter denselben Bedingungen. Auch das Vorliegen eines 
Armes gebe keine, der Vorfall desselben nur bedingungsweise eine 
Contraindication der Operation ab. Ebenso wenig findet er eine 
solche im Vorfalle der Nabelschnur: befinde sich die ganze Hand in 
der Uterinhöhle, dann müsse auch die Reposition der Nabel- 
schnur gelingen, und ein wiederholtes Vorfallen verhindere am 
besten der vorliegende Kopf. 

Als Contraindicationen der Operation führt Verf. anf: 
1) Abnorme Gestalt des Uterus. 2) Tod des Fötus. 3) Um- 
stände, welche die Beschleunigung der Entbindung fordern. Zum 
Schlüsse giebt Verf. noch einige statistische Belege des Vor- 
kommens der Querlagen überhaupt. Dieselben sind den amt- 
lichen Sanitätsberichten des Herzogthums Nassau (1843 — 1859) 
entnommen, und haben in diesen Blättern bereits Erwähnung 
gefanden. 

(Würzburger Mediz. Zeitschr. 1865. 6 Bd. 6. Heft.) 



VIII. Notisen aas der Joarnal- Literatur. 155 

Braxton Hicks: Ueber Cysten- und hydatidenför- 
mige Entartungen der Chorionzotten. 

Unter Zugabe zweier mikroskopischer Bildertafeln, mit 
denen er das normale und pathologische Verhalten der Chorion- 
zotten darstellt, giebt Verf. eine Beschreibung von einem Falle 
der letzteren Art, nnd glaubt durch ihn die Entstehungsweise 
der hjdatidenformigen Entartungen nachzuweisen. Es handelte 
sich um eine Frau, welche in Wehen lag, nachdem sie 40 Wo- 
chen lang amenorrhoisch gewesen war. Der Uterus stiess nach 
einigen Standen eine feste Masse aus, die die Grösse zweier 
Fäuste hatte. Es war vorher kein Wasser abgegangen. Die 
Patientin glaubte am Ende einer normalen Schwangerschaft zu 
stehen. Die solide Masse bestand vorzüglich aus Eihäuten und 
Zotten mit einigen Deciduafetzen. Der kleine Amnionsack zeigte 
keine Spur eines Fötus. Die Zottenpartien enthielten beim 
Durchschnitte Cystenräume, ziemlich zerstreut durch die Masse. 
Die Hauptpartie der Zotten aber bestand aus dilatirten Geweben 
an verschiedenen Stellen. Die dilatirten Zotten erreichten nicht 
die Grösse der Cystenräume, aber waren doch deutlich sichtbar; 
sie waren solid und sehr fest. Unter dem Mikroskope Hessen 
sie sich als durchaus solid erkennen, und der Inhalt stellte sich 
als eng zusammenhängende, baumförmig sich verästelnde, stel- 
lenweise vorgebuchtete Massen der Sprossenbildungen (JBea^e), 
gleich wie die Bildungen, welche .sich in den frühen Entwiche- 
lungsperioden von Cystenentartungen vorfinden. Diese Massen 
haben noch nicht Zeit gehabt, in die Bildung wirklicher Zellen- 
räume überzugehen, sondern sind nur erst massig von einander 
abzugränzen, und obschon nur aneinanderliegend, so doch fest 
aneinande rgedrängt. 

Das Vorkommen solcher Zottenformen neben den cysten- 
formigen Bildungen, wo also die Erkrankung bis zur Ausein- 
andertreibung der Zellenräume durch Flüssigkeit vorgeschritten 
ist, scheint nach Verf.*s Ansicht darzuthun, dass die Cystenbil- 
dung nicht als ein abgeschlossenes Wachsthum von Cyste zu 
Cyste anzusehen, sondern nach der Idee der „proliferirenden 
Cysten^' d. h. solcher, die als Nachkommen anderer Cysten sich 
entwickeln, mit diesen gleich zu rangiren ist. Unter demselben 
Namen fasste Verf. in einem früheren Aufsatze die Adenome 
der Brustdrüse, die Proliferationserkrankungen der Ovarien und 
die Traubenmolen zusammen, und glaubt für eben diese Ansicht 
im obigen Fdlle die beste Begründung gefunden zu haben. 

(öwy's Hospital Reports Vol. XI. III. Serie. 1865.) 



156 Vin. Notfaen ans der Joarnal- Literatur. 

AveUing : Ein Fall von Ovariotomie mit Heilung. 

Bei der Pnnction der Cyste flössen 21 Pint Flüssigkeit aas. 
Keine Adhäsionen. Der Sack Hess sich leicht hervorholen. Der 
knrze Stiel war vier Finger breit und wurde mit einer Nadel 
mit doppelten Drähten durchstochen. Die beiden Enden jeder 
Ligatur wurden dann auf der betreffenden Seite durch je ein 
Drahttan gesogen, welches Sy, Zoll Länge hatte. Am Ende 
eines jeden Taues befand sich ein Querholz, um welches die 
Drähte befestigt wurden, nachdem sie hinreichend zur Compres- 
sion der Gefasse angezogen worden waren. Hierauf wurde der 
Stiel in Avelling's Polypenscheere gebracht und abgequetscht; 
48 Standen nach Schluss der Wunde wurden die Tauklammem 
entfernt und nach mehreren Wochen Patientin geheilt entlassen. 

In der Londoner geburtshülfl. Gesellschaft bemerkt hierta 
Spencer Welh^ dass diese Klammer nicht für alle Ovariotomien 
nothwendig seij, wohl aber für kurze Stiele, die sich leicht 
zurückziehen können, ein beachtenswerthes Verfahren abgäben. 
(The Lancet, Vol. II. Nr. 25. Decbr. 65.) 



Gayet: Ovariotomie mit tödtlichem Ausgange. 

Verf. theilt einen Fall mit, der eine 27jährige Arbeiterin 
aus Pontch^ry (Is^re) betraf, welche am 2. Januar 1865 in das 
H6tel-Dieu aufgenommen wurde. O, unterwarf sie, nachdem man 
eine Ovarium-Cyste diagnosticirt hatte, am 7. Jan. einer Func- 
tion, wobei zwei Litres helle, fadenziehende Flüssigkeit entleert 
wurden. Eine zweite Function ergab noch sechs Litres einer 
zäheren, braunen Flüssigkeit. Es mnsste also eine wenigstens 
bilocnläre Cyste angenommen werden. Da die Kranke kräftig 
und muthig war, die Gesundheit gut genannt werden konnte, da 
die Cyste langgestielt war, und weder Adhäsionen noch soliden 
Inhalt darbot, beschloss G: die Radical- Operation und fährte 
dieselbe am 11. Februar unter Beobachtung aller Vorsichtsmass- 
regeln in glücklichster Weise binnen 35 Minuten aus. Trotzdem 
trat am 14. Febr. in Folge von diffuser Peritonitis der Tod e^n. 
(Gaz. h^bdomadaire. 4. Aug. 1865.) 



Deagranges: Fall von Ovariotomie mit glucklichen) 

Ausgange. 

Bei dem 21jährigen Mädchen wurde die Diagnose auf eine 
drei Jahre bestehende bilocnläre Ovarialcyste gestellt. Die Func- 
tion ergab einen zähen, albuminösen und stark blutigen Inhalt 
(18 Liter); die Reproduction der Flüssigkeit ging schnell von 
Zwei Monate nac^ der P\xii<^\.\qix ^Tit^«^ ^\^ 0^«^tioto- 



VIII. Notisen ans der Journal - Literatur. 157 

mie in der Chloroformnarkose gemacht. Die Patientin lag auf 
horizontaler Tafel mit erhobenem Kopfe. Der Verf. stand anf 
der rechten Seite der Fran, vollführte einen sechs Centimeter 
langen Schnitt und, nachdem mit Charrih'e^a Troicart die Flüs- 
sigkeit entleert war, löste er mittels der eingeführten Hand die 
Adhäsionen, die nach der früheren Punctionsstelle hin sich ge- 
bildet hatten. Bei einer Brecbbewegung wurde die zweite Cyste 
aus der Bauchhöhle entfernt und nun der lange, breite, sehr be- 
wegliche Stiel, nachdem noch Netsadhasionen zerrissen und ab- 
gebunden worden waren, in die Branchen einer Klammer ge- 
bracht und oberhalb derselben unterschnitten. Nach einer Rei- 
nigung der Bauchhöhle mittels feiner, weicher Schwämme wur- 
den die Wundränder mit umschlungenen (vier) Nähten vereinigt, 
der Stiel im unteren Wnndwinkel untergebracht, die Netzsuturen 
dagegen im oberen. Die Operation hatte */^ Stunde gedauert; 
die Reaction begann 4 — 5 Stunden nach der Operation. Der 
Puls stieg bis 100, am nächsten Tage bis 118 und 120; der 
Durst wurde quälend. Digitalis und Morphium wurden abwech- 
selnd gereicht. Der Leib blieb ohne Schmerz, so dass am fünf- 
ten Tage ein Lavement gegeben wurde. Bei colossalem Appetite, 
welcher durch kräftige Nahrung gestillt wird, schreitet die Ge- 
nesung vorwärts, und nachdem am 18. Tage nach der Operation 
die Regel, vier Tage lang, reichlich geflossen war, wurde die 
Geheilte gesund entlassen. 

(Gazette des Hdpitauz Nr. 4. Jan. 1866.) 



Spencer Wells: Zweite Reihe von 50 Fällen von 
Ovariotomie mit Bemerkungen über die Aus- 
wahl der Fälle zur Operation. 

Verf. knüpft an die früher veröffentlichten 56 Fälle (siehe 
Monatsschrift Bd. 24, S. 474) an, und glaubt seine nunmehr über 
100 hinausgehenden Operationen als eine hinreichend grosse 
Zahl ansehen zu dürfen, um aus ihnen eine richtige Feststel- 
lung bei der Auswahl zu den Operationen zu geben. 

Bei 50 Fällen der zweiten Reibe wurde die Operation ge- 
macht, 33 Mal mit günstigem, 17 Mal mit ungünstigem Ausgange, 
ferner wurde in einem Falle die Operation nicht vollendet, und 
es folgte der Tod, in zwei Fällen nur ein Explorationsschnitt 
gemacht ohne Nachtheil. Diese Operationen fielen in die Zeit 
vom December 1862 bis Mai 1864. Die Resultate stimmen ge- 
nau mit denen der ersten Reihe, günstiger aber war bei der 
«weiten Reihe, dass nur drei Operationen unvollendet blieben, 
in der ersten Reihe dagegen sechs. 

Die 100 operirten Personen standen meist «vri&Q.\i«tk. ^«\scl^ 
90. und 46, Jahre , vier waren unter 20, ein« ^\^«t ^^ ^«3ut^ «Xv> 



158 ^11^* Kotisen ans der JonmaW Literatur. 

die meisten GenesaDgen, nämlich 11 traten im Alter Ton 20—45 
Jahren, nnd 10 im Alter von 40—46 Jahren ein, die meisten To- 
desfälle im Alter von 30 — 40 Jahren. Für Verheirathete nnd 
Unverheirathete aeigten sich fast ganz gleiche Verhältnisse ^ im 
Hospitale genasen mehr Fälle als in Privatwohnnngen. Die 
Jahresseit, in welcher operirt wurde, hatte keinen EinfloM aof 
den Erfolg. — In 41 Fällen waren keine oder nnr geringe Verwaeh* 
snngen, davon genasen 27, in 59 Fällen mit ausgedehnte reo Ver- 
wachsungen genasen 39, also war das Mortalitätsverh&ltniM fast 
ganz dasselbe, nämlich 347, und 80%. * Die bisherige Furebt 
vor Adhäsionen ist demnach nicht berechtigt, aber Verwaeh* 
sungen mit den Beckenorganen sind wegen der Verletsung der 
Harnorgane beim Ablösen bedenklich. Sehr wichtig ist die Be- 
schaffenheit des Stieles. In den 100 Fällen wurde 66 Mai der 
Stiel mittels /der Klammer ausserhalb der Bauchhöhle befestigt, 
die Sterblichkeit war 27,3 7o> ^° ^^ Fällen nur mittels der Li- 
gatur, und die Sterblichkeit betrag hier 37,5 7o) ^^ ^^^ Fällen 
blieb der Stiel in der Bauchhöhle, die Sterblichkeit betrug S07o> 
in drei Fällen wurde die Klammer während der Operation be- 
nutzt, nachher der Stiel in die Bauchhöhle eingelassen und die* 
Ligaturfäden aus der Wunde herausgelegt, die Sterblichkeit be- 
trug hier 66%; in neun Fällen wurde der Stiel mit kurz abge- 
schnittenen Ligaturfäden in die Bauchhöhle eingelassen, die 
Sterblichkeit betrug 44 7o} '^^ einem Falle wurde mit günstigem 
Erfolge der Ecraseur angewendet. Der günstige Ausgang hängt 
also wesentlich von der langen Beschaffenheit des Stieles ab, 
welche ein Herauslegen ans der Bauchhöhle gestattet. — Bei 
grösseren Schnitten ist die Prognose ungünstiger, der Schnitt 
darf womöglich nicht über den Nabel hinaufgehen, die Länge 
des Schnittes ist natürlich bedingt durch die Grösse und die 
Consistenz des Tnmor und die Ausdehnung der Adhäsionen. Der 
allgemeine Zustand der Kranken ist von grösserer Wichtigkeit, 
als die Grösse und Beschaffenheit des Tumor. 

(Medico-chirurgical Transactions, Tom. 48. p. 215. 1866.) 



V. Franque: Ucber Vaginalblutungen während der 
Schwangerschaft, der Geburt und des Wo- 
chenbettes. 

Absehend von den Gefässzerreissungen infolge von fremden 
Körpern in der Scheide und solchen , die während der Geburt 
durch ausgedehnte Scheidenrnptur'en entstanden, bespricht Verf. 
im Vorliegenden die Ursachen der nach Aussen und nach Innen 
(Thrombus vaginae) während Schwangerschaft, Geburt und nach 
der Geburt sich ergiessenden Blutungen. Er findet jene in der 
beträchtlichen Hemmung des veuö««u 'KT«\%\«ix\^e« Va N ^x\kVBi!^.^^ 



VIII. Kotisen aus der Journal -Literatar. 159 

mit der übermUssig'en Ansdehnung' der Genitalien bei dem Dnrcb- 
tritte des Kindes, während die Blatnngen in der Schwangerscbaft 
durch die vermehrte Blntfiille der Beckengrefasse bei bestehen- 
der Dünnwandigkeit der Gefässe bedingt seien. Der Behaap- 
tnng, dass solche Blutungen durch eine variköse Erweiterung 
der Venen und die wiederholte Schwangerschaft begünstigt werde, 
glaubt Verf. auf Grund eigener wie fremder Erfahrungen (Scan- 
som, BPClintock) entgeeentreten zu müssen. 

Die Prognose sei bei diesen Blutungen sowohl wie bei 
Thrombusbildung immer zweifelhaft, da einerseits die Gefahr 
einer Verblutung bei Berstung einer oberflächlich liegenden grös- 
seren Vene nahe liege, andererseits bei Thrombusbildung ausser 
der genannten Gefahr noch die der Folgekrankheiten: Verjau- 
chung, langwierige Eiterung u. s. w. möglicherweise eintreten 
könnte. Was die Behandlung intensiver Blutungen aus grös- 
seren Gefässen anlange, so zieht Verf. die Unterbindung letz- 
terer, wenn dieselbe möglich, jedem anderen Mittel vor; ist die- 
selbe unausführbar, so empfiehlt er die Tamponade. — Bildet 
sich während der Schwangerschaft ein Thrombus, so räth Verf., 
so lange jener sich vergrössert, die Anwendung der Kälte, wäh- 
rend die Entleerung der Goschwulst vorzunehmen sei, wenn die 
Blutung sicher stehe. Während der Geburt fordere eine solche 
profuse Blutung oder Thrombusbildung die sofortige künstliche 
Entbindung; während nach dieser, so lange der Thrombus sich 
noch vergrössere, Anwendung der Kälte und des Tampons nöthig 
sei, falls gegen letztere keine Contraindication vorliege. Wächst 
der Thrombus nach der Geburt nicht mehr, dann öffnet und ent- 
leert ihn der Verf., tamponirt aber zur Verhütung neuer Blutung 
die Scheide. — Schliesslich lässt Verf. einige hierher gehörige 
Beobachtungen folgen. 

(Wiener Mediz. Presse. 1866. 47 u. 48.) 



Thomas Keiih: Fälle von Ovariotomie. 

Verf. veröffentlicht 37 Fälle von Ovariotomie, die er vom 
1. September 1862 bis Ende 1865 ausgeführt hat. Die Frauen 
standen im Alter zwischen 16 und 68 Jahren, 11 zwischen 20 bis 
29, 9 zwischen 30 — 39, 7 zwischen 40—49, 8 zwischen 60—59 
Jahren, 17 waren verheirathet, 20 unverheirathet. Die Cysten 
waren 20 Mal vielfHcherig, 9 Mal zum Theil solid, 7 Mal einfach, 
und wogen zwischen 12Va und 120 Pfond. In 19 Fällen waren 
eine oder mehrere Functionen früher ausgeführt worden, in zwei 
Fällen wurden beide Eierstöcke exstirpirt. 

Die Ausgänge waren überaus günstig , denn es genasen 28 
und 9 starben, 23 Stunden bis 9 Tage nach der O^^T^lv^xi. ^^ 
öfter Werf, die Operation schon gemacht YLaUe, ^^«\iO ^vmaNX^^t 



IßO VIII. Notizen bos der JonroBl - Literatnr. 

stellten sieb die Erfolge herans. Im Jahre 1863 'Starben nnter 
acht Fällen drei, im Jahre 1864 unter 16 Fällen vier, im Jahre 
1865 anter zwölf Fällen nnr drei. 

(Edinburgh medical Journal 1866. Januarj. p* 686 11.619.) 



L. Landois: Die Veränderungen in der Form des 
weiblichen Beckens durch zu frühzeitige Ge- 
schlechtsfunctionen bedingt. 

Im anatomischen Museum zu Oreifswald befindet sich j^das 
Recken einer jungen Bajadere aus Samarang, die sich schon 
einige Zeit ihren Unterhalt als Scortum verdient hatte^. Aus 
der Beschaffenheit der einzelnen Knochen bestimmt Verf. das 
Alter der Bajadere auf circa zwölf Jahre. Das Becken zeichnet 
sich durch Zartheit, Leichtigkeit und Proportiqnalität ans, und 
zeigt den Typus des weiblichen Beckens schon deutlich ausge- 
prägt. Die auffallendste Eigenthümlichkeit des Beckens besteht 
in der relativ sehr bedeutenden Erweiterung der unteren Becken- 
apertur, vornehmlich im geraden, weniger im queren Durchmesser. 
Die Ursache dieser Veränderung findet Verf. in der gewerbs- 
inUssigen Ausübung der Geschlechtsfunctionen in einem so sarten 
Alter bei dem Mangel an Consolidation der einzelnen Becken- 
knocben. Er nimmt an, dass durch den Impetus die Spitze des 
Os sacrum bei der mangelhaften Vereinigung der einzelnen 
Kreuzbeinwirbel nach hinten gedrängt wurde, und dass ebenso 
ein Auseinanderdrängen der den Schossbogen begrenzenden Kno- 
chen möglich war. 

(Archiv für Anatom., Physiol. u. s. w. 1866. Maiheft) 



IX- 
Verhandlungen der Gesellschaft für Geburtshttlfe 

in 

Berlin. 



Sitzung vom 10. April 1866. 

Herr G. v. Liehig (aus Reicheiihall dls Gast) bemerkt 
zu dem in der vorigen Sitzung von Herrn Wegscheider ge- 
haltenen Vortrag, dass das betreffende Surrogat für die Milch 
zuerst für sein eigenes Kind erfunden sei, und demselben 
vom 6. Monate ab vorzuglicbe Dienste geleistet habe. Später 
habe er bei Anderen diese künstliche Milch schon Von der 
dritten und fünften Lebenswoche an gebrauchen lassen, dann 
sei dieselbe allerdings immer verdünnt worden, lieber das 
hier gebräuchliche Pulver habe er jedoch kein Urtheil, da 
er immer genau nach der ursprünglichen Vorschrift bei der 
Bereitung verfahren sei. Was den theoretischen Einwand 
gegen diese künstliche Milch anlangt, so bemerkt Herr 
V. Liehig, dass es sich doch bei künstlicher Ernährung immer 
nur um das beste Surrogat für die Milch handeln könne, 
und nicht um ein absolut gleiches. Von allen bis jetzt an- 
gewandten Surrogaten sei jedoch das Lieit^'sche insofern 
das beste, als das Stärkemehl in demselben gleichsam schon 
verdaut sei, da es schon in Traubenzucker umgewandelt 
ist. Alle andern Surrogate enthalten reines Stärkemehl, das 
erst im Magen verdaut werden muss. 



Herr G. v. Liehig legt der Gesellschaft Pessarien vor, 
die er bei Retroflexionen nützlich gefunden hat, und die er 
als Modification der Gummiringe von C. Mayer bezeichnet. 
Bei einer von ihqi in Reichenhall behandelten Dame hatte 
eine Retroflexio' uteri so starke Störungen hervorgerufen, be- 
sonders durch Druck auf die Nerven der linken untereu Ril- 
treroitäty dass Paiieuim weder gehen nocYi ^XaYi^w V^wvwVfe. 

MoBMtgsebr, f. Oeburtsk. 1866, Bd. XXVIII., Hfi,». "^^ 



162 ^^* Verhandlongfen der Gesellsehaft 

« 
Von den versuchten gebräuchlichen Pessarien konnte keines 

benutzt werden, da alle durch zu starken Druck die Schmerz- 
empfindungen noch steigerten. Herr Liebig construirte sich 
endlich ein Pessarium, indem er in einen ringförmig geschlos- 
senen Cautchottcschlauch eine starke Uhrfeder einschob uad die 
Oeflhung wieder verklebte. Ein solcher federnder Ring ist sehr 
leicht, druckt nirgends, giebt jedem Drucke z. B. bei der De- 
faecation nach, und wurde daher in diesem Falle sehr gut 
vertragen, so dass die Dame im nächsten Jahre den vollstän- 
digen Gebrauch ihrer Extremitäten wieder hatte. Ebenso wurde 
das Instrument in einer grösseren Anzahl ähnlicher Fälle mit 
Nutzen in Anwendung gezogen. An einem sechs Monate 
lang getragenen Exemplare konnte man bemerken, wie die 
hintere Parthie, auf welcher der Fundus uteri gelegen hatte, 
abgeflacht war. Herr C. Mayer bemerkt, dass er im An- 
fange, ehe er die einfachen Gummiringe in Anwendung ge- 
zogen, sehr lange Zeit derartige federnde Ringe gebraucht 
habe; er sei jedoch davon zurückgekommen, weil dieselben 
sehr bald unbrauchbar wurden, da sie ihre federnde Kraft 
verloren. Für viele Fälle seien dieselben aber ohne Zweifei 
immer noch von grossem Vortheil. 

Herr O, v. Liebig ist der Meinung, dass die grosse Bil- 
ligkeit dieser Instrumente den etwaigen Nachtheil ihrer schnel- 
len Abnutzung sehr gering erscheinen lasse. 



Herr Fürst (aus Franzensbad als Gast) hält einen 
Vortrag : 

Beiträge zur fettigen Involution der Gebärmutter bei Binde- 
gewebsentartung derselben nach Amputation der Va- 
ginalportion. Mittheilung aus Prof. G. Braun*s Klii)ik 
in Wien. 
Der Vortrag wird ausführlich in der Wiener medizinischen 
Presse verofTentlicht werden, und es genügt daher hier mir 
die Hauptpunkte zu referiren. Der Vortragende hebt zunächst 
den Unterschied zwischen der einfachen bindegewebigen Hy- 
pertrophie der Vaginalportion, ohne Ortsveränderung der Ge- 
bärmutter und derjenigew B\u<\e^ewehswucherung des Sehei- 
dentbeiles, die auch bei d\s\oc*\vVÄU\,\wA v«ö\^v^»^\\^\ftt^ 



für Gebartsbülfe in Berlin. 163 

kommt, hervor. In dem ersten Falle entsteht der sogenannte 
falsche Prolapsus uteri, die einfache Verlängerung der Vagi- 
nalportion, während im anderen Falle ein wahrer Prolapsus 
uteri vorhanden ist, bei welchem die Vaginalportion, der in- 
travaginale Theil derselben, durch ßindegewehswucherung ver- 
grossert ist. Es soll diese Hypertrophie in den meisten 
Fällen von altem hochgradigen Prolapsus uteri vorkommen, 
so dass man fast immer einen P/s — 2" langen Theil der 
Vaginalportion abtragen kann, ohne ßlase und Rectum zu 
verletzen. Ein Fall derart von Prolapsus uteri completus 
mit Recto- und Cystocele und Hypertrophie der Vaginalpor- 
tion kam auf der Klinik von G. Braun in Wien zur Beob- 
achtung. Die Reposition des Prolapsus war möghch, und^ « 
die Sonde drang mit nach hinten gerichteter Concavität 
auf eine Länge von 5" T" in den Uterus ein. Wegen der 
Schwere des Organs und der SchlaiTheit der Scheidenwände 
war jedoch die Zurückhaltung der Gebärmutter mittels eines 
Pessarium unmöglich, und so entschloss man sich, da 
der ßlasengrund P/^" vom äusseren Muttermunde entfernt 
war, zunächst die hintere Muttermundslippe in der Länge von 
2" abzutragen. Es geschah dies, da die galvanocaustische 
Schhnge riss, mit dem Ecraseur. Die Nachblutung wurde 
durch Tamponade gestillt. Der Erfolg der Operation war der, 
dass der Uterus sich nach einigen Monaten auf 4" 2'" ver- 
kürzt hatte, und wenn auch tief in der Scheide, doch nicht 
mehr ausserhalb derselben sich befand. Da auf der vordem 
HuttermundsUppe jetzt eine Erosion vorhanden war, die allen 
Heilversuchen widerstand, so schritt man auch zur Amputa- 
tion derselben mit der Middeldorpf sehen Schneideschlinge. 
Die Wunde war nach vier Wochen geheilt, und ein Hebel- 
pessariuni wurde vertragen und hob alle Beschwerden. Der 
Uterus hatte die Länge von 2" 10'^^ Sobald das Pessarium 
fortgelassen war, traten die alten Beschwerden wieder auf, 
und der Uterus vergrösserte sich sehr bald wieder auf 3" 4'", 
verkleinerte sich aber nach achttägigem erneutem Tragen des 
Pessariums wieder auf 2" 10'". Der zweite Fall betraf eine 
einfache Hypertiophie der Vaginalportion ohne Vorfall der 
Gebärmutter. Die Vaginalportion war über 2'' Uw^ >ycv^ ^'^^V 
hnorpelhart; gleicbzehig bestand eine KuVeNevÄow, ^v^ ^vä^ 



1^ IX. Verbandinngen der Gesellschaft 

die Sonde leicht zu reponiren war. Die Länge des Utenis 
betrug 4'^ 6^''. Die Hypertrophie des Scheidentheiles machte 
jedoch das Tragen eines Hebelpessariums unmöglich, und so 
entschloss man sich zur Amputation der Vaginalportion nm 
die Harnbescbwerdcn , die Schmerzen in der Lumbargegend 
und der linken unteren Extremität zu heben. Die Operation 
wurde, nachdem die galvanocaustische Schlinge nicht ausge- 
reicht hatte, mit der Siebold' sehen Scheere vollendet. Am 
vierten Tage wurde die Wunde, um ihre Heilung zu be- 
schleunigen, mit Jodtinctur bepinselt, und es traten darnach 
unter Schüttelfrösten u. s. w. all^ Erscheinungen der Perito- 
nitis auf, nach deren Ahlauf im Becken ein über mannskopf- 
grosses Exsudat hinter dem Uterus zu fühlen war. Die Va- 
ginalportion war bedeutend kleiner geworden, der ganze Uterus 
mass 3". Nach allmäiigcr Verkleinerung des Beckentumors 
wurde nun ein Hebelpessarium gut vertragen. Herr Fürst 
ist der Ansicht, dass die Verkleinerung der Gebärmutter In 
diesen Fällen durch eine fettige Degeneration des Parenchyms 
zu Stande gekommen ist, welche durch das Abtragen der 
Muttermundslippen eingeleitet wurde. 

Herr Eggel hebt hervor, dass nach seiner Ansicht in 
den Fällen von wirklichem Vorfalle der Gebärmutter, die 
gleichzeitige Hypertrophie der Vagiualportion sehr selten sei. 
Unter 60 — 70 Fällen von Prolapsus uteri sei es ihm nur 
ein Mal vorgekommen, dnss die gleichzeitig prolabirtc Blase 
nicht bis an den äusseren Muttermund gereicht habe, dass 
also wirklich eine Vergrösserung des Scheidentheiles vorhan- 
den gewesen sei. 

Herr (7. Mayer tlieilt diese Ansicht über die Seltenheit 
des in Rede stehenden Leidens. Er erinnert sich etwa vier 
Fälle der Art, in denen er mit günstigem Erfolge die Vagi- 
nalportion amputirt hat, indem er dieselbe einfach mit der 
Scheere abtrug und die Blutung mit dem Glüheisen stillte. 
Hervorzuheben sei jedoch, dass in den meisten Fällen eine 
derartige Operation immöglich sei, weil die Harnblase zu tief 
henuiterge treten ist. Ücbrigens verringert sich das Volmnen des 
Uterus nach einer derartigen Operation immer sehr bedeutend. 
Was ihn merkwünVr^ sc,\\\\vA\ou \\^^.d\?.^l in Anschwellung 
nml Voliimensverru^gevnvx*^ i\oT V\e\\vvYvw\\VV^\ vkv ^t^V^:^ '^^ 



für Geburtshülfe in Berlin. Ig5 

anbetrifTt, so bemerkt Herr C. Mayer , dass ihm Derartiges 
in seiner langjährigen Praxis niemals auch nur annähernd 
zur Beobachtung gekommen sei, so dass er hier einen Irrthum 
in der Messung wenigstens als möglich anzunehmen geneigt 
wäre. 



Herr Gusserow legt einen von Herrn Breisky in Prag 
schon im. J. 1860 construirten Cephalothryptor vor, der manche 
Vortheile vor den bis jetzt in Gebrauch befindlichen haben 
dürfte. Besonders hervorzuheben ist an demselben der zan- 
genartige Bau, wodurch die GriiTe bei geschlossenem Instru- 
mente sich berühren, und jeder Löffel eine schwach Sformige 
Biegung erhälL Diese Biegung und das Fehlen der bei 
Kiwiach's, Scanzoni's und ^deren Instrumenten kneipzan-; 
genartigen Endbiegung der Löffel ^ erleichtert die Einfülyrung 
ungemein. Zur Vermeidung des Abgleitens dient ausser der 
noch zu erwähnenden Kopf- und Beckenkrümmung die Ge- 
genwart von Fenstern in den Löffeln. Der kräftige Bau der 
Löffel vermindert die Federung, und bewirkt jedesmal Fractur 
des gefassten Kopfes. Dadurch, dass die Fenster nur klein 
sind, kommt nie ein Knochensplitter in's Fenster. Der Com- 
pressionsapparat ist der an der CoAen'schen Perforativ-Cepha- 
lotribe befindliche. Das ganze Instrument wiegt zwei Pfund 
11 Loth östr. Gewicht, die Lunge der. Löffel bis zum Knopf 
des Schlosses beträgt 9'^ die Länge der Griffe bis zu der- 
selben Stelle 6" 9'", die Beckenkrümmung 3'' 2'", die Kopf- 
knin\mung ohne Federung 2** b'*\ Das Instrument ist von 
F. Weber in Lemberg schon mit grossem Nutzen angewen- 
det worden (Wiener med. Presse. Nr. 12 u. 13. Jahrg. VL 
1865.) und auch von Ri^eiaky in einem Falle. In Prag 
wird dasselbe vom Instrumentcumacher Stelzig zum Preise 
von 17 Fl. Oe. W. hergestellt. 



166 IX. Verhandlongen der Gesellschaft 



Sitzung vom 24. April 1866. 

Herr (7. Mayer entwickelt in Bezug auf den in der ' 
vorigen Sitzung gehaltenen Vortrag des Dr. Fürst aus Fran- 
zensbad seine entgegenstehende Ansicht über die Heilung des 
Prolapsus uteri durch Operation. Seiner reichlichen Erfah- 
rung gemäss bildeten die Fälle, welche überhaupt einen ope- 
rativen Eingriff zuliessen, die grosse Minderzahl. Ein solcher 
sei nämlich nur dann zu erwägen, wenn die Hypertrophie 
des prolabirten Organes sich auf die Portio vaginalis erstrecke, 
und diese zapfenartig verlängert oder voluminös vergrösserl 
sei, niemals aber dann, wenn, wie in der Mehrzahl der Fälle 
diese Bedingung fehle, möge sonst auch die Hypertrophie des 
Organs beträchtlich, oder möge dasselbe zur Scheide heraus- 
getreten sein oder nicht. 

Die Abtragung einer hypertrophischen Portio vaginalis- 
mittels Galvanokaustik hält er für gefahrlich; nur sehr geübte 
Hände könnten die leicht möglichen Neben Verletzungen ver- 
meiden. Er habe die Galvanokaustik nie selbst versucht, 
sondern jederzeit mit der Scheere die Portio vaginalis abge- 
tragen. Vor Blutungen brauche man sich nicht zu furchten, 
diese seien in jedem Falle sicher durch die geeigneten Mittel, 
meist durch das Ferrum candens zu sistiren. Es sei die 
Blutung sogar etwas höchst Gunstiges, sie übe einen sehr 
wohlthätigen Einfluss auf das operirte Organ aus. 

Herr C, Mayer legt der Gesellschaft noch eine grosse 
Menge von ihm angefertigte Originalzeichnungen von /allen 
Graden von Prolapsus uteri vor, welche zimi Theil bereits 
in seinen „Klinischen Mittheilungen zur Gynaekologie , Berlin 
1861" (Separal-Abdruck aus den Verhandlungen der 35. Ver- 
sammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Königsberg 
1860) abgebildet worden sind. 

Herr Martin hat bei der grossen Anzahl der von ihm 
behandelten Prolapsus uteri ebenfalls nur wenige zur Opera- 
tion geeignete Fälle gefunden, und mehrere derselben in der 
Monatsschrift für Geburtskunde Bd. XX. S. 203— 216 be- 
scbrieben. In der Mehrzahl der Gebärmuttervorfalle bestand 
gleichzeitig ein vorderer ScYve'v^ewNQT\^\\, v^^x^^A^* 



fUr Qebartshülfe in Berlin. 167 

hintere Scheideugewolbe an der normalen Stelle jm Becken sich 
befand. In diesen Fällen, welche auf einer Erschlaffung der 
Ligamenta pubo-vesico-uterina und einer oft recht beträcht- 
lichen Verlängerung des Mutterhalses beruhen, wahrend die 
Ligamenta sacro - uterina nicht erschlalll sind, so dass der 
Fundus uteri in nomialer verbleibt, sei die Opei*ation der Ab- 
tragung nur dann ausführbar ^ wenn die Vaginalportion, 
und nicht der oberhalb der Scheideninsertion gelegene Theil 
des Mutterhalses die Verlängerung erfahren habe, also der 
hypertrophische Scheidentheil den Fundus vesicae urinariae 
nach unten beträchtlich überrage. In einzelnen, häufiger bei 
Kindern (selbst einem lV4Jälu'igen), und Frauenzimmern, 
welche noch nicht geboren haben, vorkommenden Fällen fand 
Martin den Mutterhals, und zwar vorzugsweise den Schei- 
dentheil bei regelmässigem Stande des Mutter- 
grundes so verlängert, dass der letztere als lebhaft gerö- 
theter Zapfen Va — ^" ^^^% ^us ^^i* Scheidenöffnung hervor- 
ragte. Aehnliches sah er wiederholt bei Scliwangeren , ein 
Hai im achten Monate, drei Mal bei Retroflexio uteri gravidi 
im dritten und vierten Monate, wie in der bereits erwähnten 
Abhandlung beschrieben isL 

In anderen ebenfalls minder häuGgen Fällen ist das 
hintere Scheidengewölbe erschlafll und herabgesunken. 
Der Uterus steht dann in der That tiefer als gewöhnlich, auch 
ohne verlängert zu sein, und die Ligamenta sacro- uterina 
zeigen sich verlängert. Dabei erscheint nicht gar selten der 
Uterus retrovertirt oder retroflectirt ; ja einige Male fand 
Martin den zurückgebeugten Uterus der Art in den Dou- 
glas'&chQU Raum und mit der hinteren Scheidenwand herab- 
getreten, dass man den Muttergrund vor dem Aiter mit den 
Fingern umgreifen konnte, während der oft zierliche Schei- 
dentheil und Muttermund ganz nach vorn unter dem Scham- 
bogenscheitel stand. 

Neben den erwähnten Gebärmutter- und vorderen oder 
hinteren Scheidenvorfällen , welche auch wohl vereinigt vor- 
kommen, besteht bisweilen ein Prolapsus vaginae po- 
sterior mit Rectocele meist ganz getrennt von den er- 
steren und oft genug auch ohne alle GebärmuUQV^<6v\Vw\>xs%« 



Igg IX.. Verhandlangen der Gesellschaft 

In der Regel findet sich dabei eine schrumpfende Narbe* von 
einem tiefen Damm- oder Sdieidenrisse nach einer Entbindaog. 

Einen ganz ungewöhnlichen Befund, nSmüch einen Vor- 
fall der verdickten vorderen Scheidenwand ohne 
Cystocele mit sehr beträchtlicher Verlängerung 
des Gebärmutterhalses, welcher dabei von der Harn- 
blase losgetrennt war, so dass die betreffende Peritonäalfalte 
sich tief zwischen Harnblase mid Uterus bis zur Scheide her- 
abgesenkt zeigte, bot folgender in der von Martin geleiteten 
Klinik des Charite - Krankenhauses vorgekommene Fall. 

Johanna Bauer, 71 J. alt, wurde am 20. Jan. 1866 
in das Krankenhaus gebracht; sie ist zwei Mal verheirathet 
gewesen und hat neun Kinder geboren. Ihre Entbindungen 
waren leicht, ihre Wochenbetten ohne wissentliche Störung, 
ja sie will bis vor % Jahren gesund gewesen sein. Seitdem 
sollen Magenbeschwerden bald saurer, bald bitterer Geschmack 
und Appetitmangel aufgetreten sein; Erbrechen leugnet sie 
jedoch. Schnurzen im Unterleibe will sie in Folge des Ge- 
bärmuttervorfalles, der von ihrer ersten Entbindung herrültren 
soll, ab und zu haben. Daneben besteht jetzt unwillkörlicher 
Harnabgang und am Kreuzbeine oberflächlicher Decubitus. Aus 
dem Scheidenausgange ragt ein Vorfall, der sich als eine 
faustgrosse Geschwulst darstellt, hervor. An seiner Ober- 
fläche finden sich seichte Geschwüre. Der Vorfall lässt sich 
reponiren, tritt aber bei jeder Bewegung und beim Husten 
wieder hervor. Hinter dem hervorragendsten Wulste ist der 
kleine Muttermund zu entdecken. Bei genauerer Untersuchung 
der im höchsten Grade abgemagerten, an den Beinen öde- 
matösen Kranken, ergab sich ausser den Zeichen eines dif- 
fusen Bronchialkatarrhs eine knotige Geschwulst in der epi- 
gastrischen Gegend und Empfindlichkeit des massig aufgetrie- 
benen Leibes; der Vorfall bestand aus einem derben über 
apfelgrossen , mit Geschwören bedeckten Wulst, hinter wel- 
chem der Muttermund als eine kleine mit der Sonde mühsam 
zu durchdringende Oeflhung aufgefunden wurde, die Länge 
des Uteruskanales betrug 4t^l*i*\ die Harnblase war nicht in 
den vorderen Wulst hcrabgetreten ; der Damm erhalten und 
das hintere Scheidengewölbe nicht herabgesunken. 



für Oebartshillfe in Berlin. Ig9 

Trotz der sorgfältigsten Ernährung und des Gebrauches 
entsprechender Arzneien neben der Reposition und örtlichen 
Application der geeigneten Mittel nahm die Schwäche aber- 
band, und Patientin starb am 1. Febr. 1866. 

Obduction am folgenden Tage durch Herrn Dr. Cohn- 
heim: Körper sehr abgemagert, Beine ödematös. 

Nach Eröffnung der Bauchhöhle erscheint das kleine 
Becken von Därmen ausgefüllt, nach deren Entfernung man 
am Eingange neben der Scharofuge die stark zusammenge- ' 
Nzogene Harnblase entdeckt. Daliinter schiebt sich von unten 
noch eine weiche Masse hervor, die sich als die sclilaffe 
vordere Wand der Scheide erweist. Hinter diesem Wulste 
liegt ganz versteckt der sehr verdünnte Gebärmutterkörper, 
welcher von der Blase durch den erwähnten Wulst getrennt 
ist Tuben und Eierstöcke haben ihre normale Lage. Der 
Uterus ist weich und schlaff, und seine Lage leicht zu ändern. 
Nirgends fmden sich erhebliche Adhäsionen. Zwischen den 
Schamlippen liegt eine weiche etwa eigrosse Masse mit einer 
rothen epidermisähnlichen Oberfläche, die sehr beweghch ist 
und sich als vordere Scheidenwand erweist, und mit dem im 
kleinen Becken hervortretenden Wulste zwischen Blase und 
Uterus im Zusammenhange steht Die Blase ist von einer 
geringen Menge eiterartiger Flüssigkeit angefüllt; ihre Wand 
zeigt eine stark trabekuläre Beschaffenheit, die Gipfel der 
Schleimhautfalten dieser Trabekel an der hinteren Wand sind 
stark geröthet und mit frischen gelben diphteritischen Besclüä- 
gert versehen. Die Harnröhre zeigt geringe Röthung. Die 
Scheide ist hinsichtlich ihrer vorderen Wand stark dislocirt, 
indem nur eine Sti-ecke, und zwar nur der untere vordere 
unmittelbar mit der Harnröhre verbundene Theil von einem 
Zoll Länge in der normalen Lage hinter der Schamfuge sich 
befmdet. Der ganze übrige Abschnitt der vorderen Wand ist 
beträchtlich verlängert und verdickt und ausgestülpt, und er- 
weist sich als jene lockere weiche Masse, die einestheils zwi- 
schen den Schamlippen vorragte, anderntheils im kleinen 
Becken zwischen der flarnblase und Uterus hinaufgeschoben 
gefunden wurde. Das Schlei mhautepithel ist zur Epidermis 
geworden , am stärksten an der vorgefallcueu SVßVV^\ ^>\^j&^\- 
dew sind gelbliche Substanz Verluste am NovUWe i-v^ \\feVS\^\V<6W. 



170 tX* Verhandlnngen der Gesellschaft 

Dieser Abschnitt der Scheidenwand setzt sich ohne scharfe 
Abgrenzung der Schleimhaut in den Ceivicaltheii des Uterus 
fort. Die ganze Länge des hervorgestulpten Stückes der 
Scheidenwand betragt 3V4 ZoH. Erst mit der Eröffnung der 
ganzen Uterushöhlo gelingt es leicht, den Anfang des Schei- 
dentheiles zu constatiren, indem die Muttermundslippen sidi 
als zwei stark verdickte weiche Wülste zeigen. Der grösste 
Durchmesser dieser Wülste beträgt über einen ZolL Die 
Cervicalhöhle selbst spitzt sich in ihrem unteren Theile drei- 
seitig nach oben hin zu und hat in diesem Conus eine Länge 
von einem Zoll, von da aufwärts gewinnt sie die Gestalt einer 
engen Röhre, die kaum eine dicke Sonde hinaufzuführen ge- 
stattet, und hat eine Länge von 1% Zoll. Die eigentliche 
Uterushöhle hat P/4 Zoll, daher die gesanimte Länge des 
Gebärmutterkanales 4t% Zoll beträgt, wovon auf den Mutler- 
hals mehr als 27^ Zoll kommen. Die Schleimhaut der Ute- 
rushöhle erscheint sehr derb, glatt; weisslich mit bläulichen 
Venen durchzogen. Die Wandung des Körpers ist V« Zo)l 
dick ; oben im Fundus fmdet sich ein interstitielles umschrie- 
benes Fibroid von Haselnussgrösse. Die Tuben, je fünf Zoll lang, 
haben gegen das Ende eine S förmige Windung. Beide Eierstöcke 
sind klein und haben ein dickes Stroma. Der Sagittalschnitt der 
Blase, des Uterus und der Vagina, ergiebt, dass die Dicke der 
vorderen Scheidenwand % — % Zoll erreicht hat. — Der er- 
weiterte mit schwärzlicher Flüssigkeit gefüllte Magen ist mit 
dem Duodenum und Colon transversum verwachsen, und fühlt 
man an der Verwachsung eine knotige Masse. Am Pylorus 
findet sich ein ausgedehntes kreisrundes Geschwür von fast 
vier Zoll Durchmesser mit unregelmässig knolligem schwie- 
ligem Grunde und wallförmig aufgeworfenen Rändern. Der 
Grund ist gebildet von einem mit di^m Pancreas innig ver- 
wachsenen Drüsenpaket, welches zum Theil in homogen geib- 
liche Massen umgewandelt ist An der kleinen Curvatur ist 
der Magen mit der Leber verwachsen. Im Colon findet sieb, 
der Verwaclisungsstelle mit dem Magen entsprechend, eine 
zwei Zoll breite, die hintere Wand einnehmende hämorrba«- 
gische Infiltration. Milz sehr klein, derb. Nieren klein, anä- 
misch. Leber atrophisch. Aorta ist etwas geschlängelt und 



ig- 










^loitaissfhr . fOrhnrf.^ih O'U^.. fhl XXVm Hfi . -/. 



/ 6c«',,tf.C' l 



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für Geburtflhülfe in Berlin. 171 

zeigt ausgedehnte kalkige £irilage;*ungen. Beide Lungen zeigen 
partielle Adhäsionen; in der Unken Pleura ein Quart hellen 
Serums. Herz klein, beiderseits mit Gerinnseln ; die Klappen 
zeigen geringe platte weissliche Verdickungen. Umfang der 
Aorta erweitert, misst am Anfange mehr als drei Zoll. Linka 
Lunge klein, überall lufthaltig, bis auf ein Paar knotige Stel- 
len , eine am Hilus, eine im unteren Lappen. £s sind graue 
Knoten von einer zum Theil gallertigen, zum Theil derben 
Beschaffenheit. Rechte Lunge grösser; Parenchym stark öde- 
matös, hier und da katarrhalisch-pneumonisch infiitrirt. 

Was die Ursache oder die Entstehung des Ge- 
bärmuttervorfalls anlangt, so hält Martin dafür, dass 
dieselbe in den einzelnen Fällen eine höchst verschiedene 
sei. In den selteneren Fällen ausschliesslicher Ver- 
längerung des Scheidentheils zeigte sich gewöhnlich 
eine entzündliche Röthung und Schwellung der Schleimhaut, 
bisweilen eine exquisite Endometritis colli. — Die grosse 
Mehrzahl der Vorfalle, und zwar der gleichzeitigen Verlängerung 
des Mutterhalses oberhalb der Scheide nebst Herabsenkungen 
der vorderen Scheidenwand mit Cystocele traf Frauen, welche 
den Fehler aus Wochenbetten, und zwar in der Regel die 
ersten Anfänge aus dem ersten Kindbette herleiteten. Da 
wir nun bei Hochschwangeren so häufig die vordere Scheide- 
wand und die daranliegende Harnblase wulstig berabgedrängt 
finden, glaubt Martin annehmen zu müssen, dass in den 
durch die vorgerückte Schwangerschaft bedingten Lage- und 
Gestaltverhältnissen der vorderen Scheidenwand und des Mut- 
terhalskanales eine vorzugliche Disposition zu diesen gewöhn- 
lichen Vorfallen liege, welche dann zur Ausbildung komme, 
wenn die Frauen im Wochenbette sich nicht gehörig ab- 
warten und somit die Ruckbildung des verlängerten Mutter- 
balses ^) und der Scheide mit dem Fundus vesicae und den 
diese Thcile fixirenden Ligamenta pubo-vesico- uterina nicht 
regelmässig zu Stande komme. Die normale Röckbildung 
der so eben entschwängerten Genitalien wird durch ein un- 



1) Genaue MoRsung^en der verschiedenen Lange und Dicke 
des Mntterhalses und Körpers bei Nenenlbviii^eivc^tv ^«\^ M.aTlV.nv-. 
»I^ßlgnagen aad Beugungen der GebÄTmulUi* B^AVü^Y^^^.^.^A» 



172 ^^* Verhandlungen der Gesellschaft 

passeudes Verhalten in den ersten Wochen nach der Entbin- 
dung z. B. durch vorzeitiges Verlassen der horizontalen Lage, 
Anstrengungen beim Heben, allzufrüher Wiederbeginn des 
Geschlechtsverkehrs u. s. w. am häufigsten gestört. Aus dem 
Umstände, dass diese diätetischen Fehler in den sogenannten 
arbeitenden Klassen der Bevölkerung häufiger begangen wer- 
den, erklärt Martin die auffallend grössere Häufigkeit ^ 
Vorfalle bei den niederen Ständen; bei den virohlhabenderen 
Frauen, sowie bei den in Entbindungsanstalten sorgfaltiger 
verpflQgten Wöchnerinnen kommen Vorfalle der in Rede ste- 
henden Art viel seltener vor. Die so oft beschuldigten 
Dammrisse kann Martin sogar für die minder häufigen 
Fälle des Herabsinkens des hinteren Thejles vom 
Scheidengewölbe keineswegs allein anklagen, denn er 
fand weder bei veralteten tiefen Dammrissen diese Form von 
Vorfall besonders hüiilig, noch bei derartigen Vorfallen con- 
stant erhebliche Dammrisse. Dagegen trifll ein für sich be- 
stehender Prolapsus vaginae posterior des untersten Theiles 
der Scheide und Rectocele allerdings in der Regel mit der 
Narbenschrumpfung der hinteren Gegend des Scheidenaus- 
ganges in Folge von tiefen Dammrissen oft zusammen. 

Dass ungewöhnliche Gestaltung des Beckenkanales, 
z. B. ein auffallend wenig ausgehöhltes Kreuzbein , wie bei 
Rhachitisch-Gewesenen nicht selten, den Vorfall begünstigt, 
hält Martin nach seinen Beobachtungen für sehr wahrscheiu- 
Uch; Erschlaffung und Verlängerung der Ligamenta pubo- 
vesico und sacro-uterina kann nach Entbindungen bei solchen 
Beckenverhältnissen in Folge von den dabei unausbleiblichen 
Quetschungen der vorderen und hinteren Scheideuwand be- 
sonders leicht zu Stande kommen. Dass Entzündungen 
z. B. Endometritis insofern als sie die normale Rückbildung 
der inneren Genitalien im Wochenbette stören, die Entstehung 
eines Vorfalles herbeiführen können, ist eben so wenig zu 
bezweifeln, als dass in einzelnen anderen Fallen grosse 
Geschwülste z. B. Ovarialtumoren oder Ansammlung von asci- 
tischer Flüssigkeit im Douglas' sehen Räume u. s. w., welche 
die Gebärmutter und die hintere nScheidcnwand herabdrängen, 
Vorfälle zu Stande bringen. Ob in derartigen Fällen, so 
wie dort, wo ein Fall aui dvc ¥vv§»^^ \x, ^.>n. ^vväh Vorfall 



für Geburtshfilfe in Berlin. 173 

vo^anlasst haben soll, eine besondere Disposition Torher nicht 
schon bestanden habe, wird schwer zu entscheiden sein. 

Unter den Wirkungen eines Gebärmuttenrorfalles will 
Martin nicht die bekannte Belästigung der Trägerin im Ste- 
hen und Gehen, beim Aufheben von Lasten etc. hier aus- 
führen, dagegen einer Veränderung der Harnwege — Erwei- 
terung des Harnleiters und des Nierenbeckens einer oder 
beider Seiten — gedenken, welche Ton Anderen und auch 
Ton ihm bei einigen Sectionen alter Frauen mit veralteten 
Vorfallen n^ben erheblicher Verdickung des Uterus beobachtet 
worden ist. In diesen Fällen erschien der Muttergrund tief 
herabgesunken , die sämmtlichen Mutterbänder beträchtlich 
verlängert, ebenso die beiden Ovarien und Tuben sehr lang, 
gezogen. Durch den langdauernden Druck, welchem bei diesen 
Voriagerungen der Harnblase und des Uterus die Harnleiter 
ausgesetzt waren, mochten jene Erweiterungen der Harnteiter 
und die Hydronephrose allraälig hervorgebracht sein. — Die 
Beschwerden des Vorfalles werden sehr erheblich gesteigert, 
falls Entzündungen, Erosionen und Ulcerationen der hervor- 
getretenen Parthien auftreten, welchen Hy])ertrophien bis zur 
Sussersten Entstellung und bei alten Frauen auch wohl Ver- 
wachsungen des Muttermundes folgen können. Sehr hart- 
näckig und lästig erscheinen die Beschwerden, wenn bei 
gleichzeitiger Retroversion Adhäsionen des Mutterkörpers und 
Grundes an der hinteren Beckenwand sich hinzugesellt haben. 
Auffallen muss es, dass Cancroid und Carcinom bei vorge- 
fallener Gebärmutter so selten vorkommen , dass Martin 
unter vielen, hundert Fällen von Prolapsus uteri, und nicht 
viel weniger Beispielen von Carcinoma uteri nur einen ein- 
zigen constatiren konnte, in welche eine vorgefallene Gebär- 
mutter krebsig entartet war. Bei der Häufigkeit des Gehrau- 
ches von partiell drückenden, zum Theil den Localzuständen 
nicht entsprechenden, oft sehr unsauberen Beten tions-Appa- 
raten, wie Mutterkränzen u. s. w., möchte in dieser That- 
sache ein Beweis dafür geftinden werden, dass mechanische 
Insulte allein den Krebs nicht hervorrufen. 

Nach dem oben mitgetheilten, so wesentlich abweichen- 
deh Verhallen der Theile bei dem sogenamit^w Vot^AVvi ^.^x 
übhSrmuUov dürflc die NothwendigVeil evwet %few^>\^^^w 



X74 I^* Verbandlnngen cl«r GeselUchaft 

Untersuchung jedes einzelnen Falles insbesondere 
nach dem Verhalten der Harnblase und nach der Lange des 
Uterus sowie der Scheidenwandungen einleuchten. Ohne den 
Gebrauch der Uterussonde wird man nur selten die für die 
Wahl eines Heilverfahrens unerlässliche hinlänglich sichere 
und klare Vorstellung von den besonderen Verhältnissen der 
inneren Genitalorgane bei einem Vorfalle erlangen; diese Ex- 
ploration erscheint daher unerlässUch. 

Was nun die Therapie der Gebärmutter- und 
Scheiden vor fälle anlangt, so sieht Jfar^m zunächst hin- 
sichtlieh der Prophylaxis die Verhütung einer mangelhaften 
Rückbildung des Uterus und seiner Bänder nach Geburten 
für die Mehrzahl als Hauptaufgabe an. Die Beobachtung der 
neun T^e fortgesetzten horizontalen Lage einer- Wöchnerin 
genügt nicht allein, obschon dadurch viel gewonneo .wird; es 
bedirf auch der Beseitigung der bei unpassendem Verhalten so 
bäuOg auf Entbindungen folgenden chronischen Metritis. Täglich 
wiederholte Einspritzungen in die Scheide mit anfangs schlei- 
migen, dann adstringirenden Flüssigkeiten (Solutio Plumbi 
acetici, Acid. Tannici, Cupri sulphurici, Zinci sulphurici u. s. w«) 
und die niehrmonalliche Vermeidung des Coitus scheinen in 
dieser Beziehung die Hauptmittel zu sein, welchen sich bei 
erheblicher Erschlaffung der Theile und beginnender Senkung 
der Scheiden wände später (etwa nach 6 — 8 Wochen) kalte 
Douchen und nöthigenfalls weiterhin das aliabendliche Em- 
legen eines mit Alaunlösung u. dergl. getränkten Tampons 
anreihen mag. Dass den Umständen entsprechende innere 
Arzneien z. B. zur Beförderung und Erleichterung des Stuhl- 
ganges geeignete Mittel, wie Oleum Ricini, Magnesia usta 
u. s. w. nöthig werden können, bedarf keiner Ausführung. Ob 
das von Dr. Bonorden zur Heilung von Gebärmuttervor- 
fallen empfohlene Pulver aus Seeale cornutum und Gummi 
Galbanum einen sicheren Erfolg bietet, müssen weitere Ver- 
suche ergeben. 

Ist der Vorfall veraltet, d. h. über die Röckbil- 
dungszett des Wochenbettes oder über die ursprüngliche Krank- 
heit hinaus andauernd , so kommen , abgesehen von der zu- 
nächst nöthigen Beseitigung etwaiger Complicationen, wie 'der 
^würe, der entznudUcheu Xu%c\ivie\VvA^^ uud abgesehen 



itlr Oebnrtshtilfe in ^Berlin. 175 

Ton der vorgängigen Resorption der vorgefalleDen Theile, zwei 
Bcshandiungsarten in Betracht: die palliative durch die ver- 
sckiedenen Retentionsapparate und die r a d i c a 1 e auf opera- 
tivem Wege. 

Die Retentionsapparate lassen sich unterscheiden 
iD solche, welche ihren Stützpunkt im Becken resp. in der 
Scheide und deren nächster Umgebung suchen, und in solche, 
welche denselben in der Aussenfläche, den Hüften etc. hahen. 
Unter jenen, nämlich den im Becken selbst ihren Halt 
sQchenden Apparaten nehmen die Mutterkränze, 
mögen sie ringförmige, kugelförmige ovale oder runde , oder 
abgestumpft vier- oder dreieckige sein, schon deshalb die 
erste Stelle ein, weil sie die ältesten derartigen Vorrichtun- 
gen sein dürften. Martin hat sich in den Fällen, in wel- 
chen überhaupt innere Retentionsmittel anwendbar waren, 
vorzugsweise der Mutterkränze aus Kork, welche mit "Wachs 
dick überzogen sind, und der aus einem mit Baumwolle ge- 
füllten, mit Kaütschuklack überzogeneu, weit weniger der selten 
festliegenden, aus Hartgummi gefertigten Ringe in mehreren 
hundert Fällen sowohl bei Privatkranken als in der Klinik 
bedient. M, erinnert sich nicht, einen nachtheiligen Einfluss 
derselben in solchen Fällen, in welchen er selbst den Kranz 
ausgewählt und eingelegt hatte, gesehen zu haben. Selbst- 
verständlich ist aber die Wahl der Grösse und Gestalt des 
einzuführenden Instrumentes nicht früher als nach sorgfal- 
tiger Erforschung der Verhältnisse zu bemessen, und das- 
selbe zu wechseln, sobald der Kranz ausfallt oder etwa 
Druckphänomene auftreten. Denn abgesehen von denjenigen 
Fällen, in welchen überhaupt die inneren Retentionsmittel 
nicht geeignet erscheinen, wie bei Vorfallen, welche durch 
Ovarialtumoren oder andere die Beckenorgane herabdrängende 
Geschwülste bedingt sind, oder wo abnorme Adhäsionen des 
Uterus die Reposition des Vorfalls unmöglich machen, kann 
ein allzugrosses Pessarium ohne Zweifel schon nach wenigen 
Stunden oder Tagen Harnverhaltung, heftige Schmerzen und 
gefahrdrohende Entzündungen bewirken. Das letztere steht 
auch zu fürchten, wenn der Mutterkranz aus dem Gebärmut- 
ter- und Scheidensecret sich inkrustirt und dann eine unebene 
Oberfläche heköuiml. Div Zeit, in weVdiftv tfv«^^ \\\<fÄXVb\Ä>CÄ>\ 



176 I^- V«r1iaiidlnngen 4er Oeielltehaft 

erfolgt, ht bei verschiedenen Frauen sehr verschieden; bei 
manchen Frauen musste der Kranz schon je nach vier bis 
sechs Monaten umgetauscht werden, während bei anderen 
dergleichen Jahre lang liegen, ohne Beschwerden zu veran» 
lassen. Ein Mal war Martin genöthigt, einen Hutterkranz, 
welcher 30 Jahre lang gelegen, und erst in den letzten Mo- 
naten einen juckenden, übelriechenden Ausfluss veranlasst 
hatte, nach Durchschneidnng mit einer Knochenscheere stück- 
weise zu entfernen, weil die Scheide unterhalb desselben in 
einen unnachgiebigen Ring zusammengezogen erschien. Die 
90 Jahre alte Frau genas vollständig. Nach solchen Incra- 
stationen und darauf folgenden Ulcerationen der Scheide kann 
es auch wohl zu Blasen- und Mastdarmscheidenfisteln kom- 
men, wie Martin an mehreren Beispielen in seiner gynäko- 
logischen Klinik dcmonstriren konnte. Eine auf diese Weise 
entstandene Blasenscheklenfistel bei einer 70 Jahre alten 
Frau heilte M. mittels der einmaligen Naht. Ein Mal fand 
Martin den Mutterkranz gänzlich in die Harnblase hinein- 
gedrängt. 

In einer nicht ganz unbeträchtlichen Anzahl von Fällen 
legte Martin die vielfach empfohlene Pessatre ä Tair, mit 
Luft gefüllte Multerkränze aus vulkanisirteni Kautschuk ein, 
bemerkte aber bisweilen tlieils eine äusserst lästige Reizung 
der Scheidenschleimhaut mit vermehrter Absonderung, welche 
zur Wegnahme zwang, theils trat bald früher, bald später 
die Lufl aus, und die Kränze fielen zusammen. 

Bei den nicht allzusellenen Fällen von gleichzeitiger Re- 
troflexion des Uterus mit Vorfall zeigten sich die excen- 
trischen Pessarien, welche Martin bei Zurückbeugun- 
gen vielfach erprobte^), von besonderem Nutzen. Auch hier 
ist die Auswahl der den individuellen Verhältnissen entspre- 
chenden Grösse, insbesondere auch der OefTnung von höchster 
Bedeutung. 

War der Scheidenvorfall, insbesondere der mit der Cy- 
stocele oder Rectocele verbundene stark ausgebildet, so ge- 
schah es häufiger, dass die einfachen öder excentrischen Ringe 



t) Martin f Neignngen nnd Rengnngen der Gebärmntter. 
Berlin 1866. S. 69 ff. 



für Geburtshülfe in Berlin. 17 7 

zumal bei Frauen, welche anstrengendere Arbeiten nicht ganz 
yermeiden konnten, oder gleichzeitig am harten Stuhlgange 
litten, nach einer stärkeren Action der Bauchpresse heraus- 
gedrängt wurden, nachdem dieselben auf die sogenannte hohe 
Kante gestellt waren. Für dergleichen Fälle benutzte Martin 
früher vielfach die gleich zu besprechenden Hysterophore 
von Kiwisch, Roser u. A. jedoch mit wenig befriedigendem 
Erfolge. Seit acht Jahren wurden daher in allen derartigen 
Fällen, welche keine Contraindication gegen innere Reten- 
tionsapparate boten, gestielte Mutterkränze von einem dem 
einzelnen Falle entsprechend grossen, mit Kautschucklack 
überzogenen Ring, in welchem drei zu einem Stiele zusammen- 
laufende Drähte befestigt sind, benutzt. Die Anfangs beab- 
sichtigte Befestigung des unteren geöhrten Stielendes mittels 
vier hindurchgezogener, vorn und hinten emporgefuhrter Bän- 
der an einen um die Hüften laufenden Gürtel erwies sich für 
die grosse Mehrzahl überflüssig. Der Stiel, dessen abgerun- 
detes geöhrtes Ende ohne Belästigung der Leidenden zwischen 
den Schamlefzen lag, verhinderte die Umlagerung des in die 
Scheide eingeführten Ringes und damit dessen Herausgleiten. 
Gegen hundert derartiger gestielter Ringe sind sowohl in der 
Klinik als auch, wenn schon seltener, bei Privatkranken von 
Martin applicirt worden, und haben einen durchaus befrie- 
digenden Erfolg bei der MehrzaJil der Leidenden herbeige- 
fülirt. Die zuerst 1854 aus Paris bezogenen Instrumente 
dieser Art^) erwiesen sich nicht ganz solid, indem die drei 
Enden des Stieles an dem aus Zeug mit Rosshaaren gefer- 
tigten, mit Kautschucklack überzogenen Ringe nur angenäht 
waren, und bei Versuchen, das Instrument an dem Stiele 
herauszuziehen, ausiissen. Martin hat daher diese drei 
Drähte durch die Ringe hindurchgehen und sich dann erst 
in dem Stiele vereinigen lassen. Auch wurden die an den 



1) Otto V. Franque (der Vorfall der Gebärmntter, Würzbnrg 
1860) bildet Trtf. IV. Fig. l4. ein derartiges Instrument mit dem 
Namen Zange rle ab. Obschon Martin 1847 von Zängerle in 
Heidelberg wiederbolt Kränze aus Kork mit Wachsüberzug be- 
eo|:, erinnert er sich nicht, jene Instrumente dort gesehen zn 
hmbcn. 

UonmUitcbr. f. Gebartsk. 1866. Bd. XX VIII., Hfl. 3. V2L 



I7ä IX. Verhandlangen der ÖesellscWt 

Pariser Instrumenten allzukleine Oeffnungen am unteren Ende 
des Stieles weiter bestellt. Dass diese gestielten Ringe, welche 
vermöge der hinreichend weiten Oeffnung den Scheiden- 
tlieil aufzunehmen vermögen, die Secrete auch bei der Men- 
struation ungehindert abfliessen lassen, ist ohne Zweifel ein 
beachtenswerther Vorzug vor anderen ähnlichen aus Holz und 
dergleichen gefertigten gestielten Pessarien ohne Oeflhung 
oder mit kleinen Löchern (Weir, Simpson). Sind die drei 
Enden des Stieles jedoch vor ihrer Vereinigung etwas länger, 
so hat sich einige Male nach längerem Tragen des Instru- 
mentes eine Einklemmung der unterhalb des Ringes vorge- 
triebenen Scheidenwülste eingestellt, welche theils die Ent- 
fernung des Instrumentes überhaupt erschwerte, theils ge- 
schwürige Verliefungen hinterliess. Die Letzteren heilten nach 
Wegnahme des Instrumentes ohne nachtheilige Folgen ; jeden- 
falls ist aber darauf zu achten, dass jene drei Theile des 
Stieles möglichst kurz gefertigt werden, damit die Scheiden- 
wandungen sich nicht so leicht dazwischendrängen können ^). 
Jeder Einsichtige wird eine Schattenseite dieser wie aller ge- 
stielten Pessarien nicht leugnen wollen, nämlich das Hinder- 
niss, welches sie dem ehelichen Umgange entgegenstellen; die- 
selben eignen sich daher vorzüglich* für ältere Frauen , bei 
denen die Vorlalle der Scheide und des Uterus mit Cystocele 
in der Regel die stärkste Ausbildung erlangen, und dieses 
Mittel vorzugsweise fordern. 

Schwämme an Stelle der Kränze tragen zu lassen, ist 
theils wegen der dadurch geforderten Zersetzung der Schei- 
den- und Gebärmutter -Secrete, theils wegen der bald nach- 
folgenden Auflockerung und Schwellung der Schleimhaut zu 
widerrathen. 

Eine in neuerer Zeit sehr viel besprochene Art der im 
Becken resp. in der Scheide selbst ihren Halt suchenden Re- 
tentionsapparale bilden die mehr oder weniger zusammenge- 
legt in die Scheide einzuführenden und dort zu entfaltenden 



1) Diene gestielten Pessarien fertigt und verkauft eb«D so 
wie alle übrigen von Martin gebrauchten gebnrtshülflichen ond 
gytiäkologiBchen Instrumente Lütter in Berlin, Fransös. Strstfl«, 
Nr. 53, 



~ fiir Geburtdhülfe in äeriid. J^79 

Vorrichtungen, wie das Elylromocblion von Kilian (1846) 
und die Gebärmutterträger von Zwanck (1853), Schil- 
ling (1855) u. A. Martin hat auch diese insbesondere die 
letzteren in vielen Fällen zur Anwendung gebracht, kann 
aber hinsichtlich des Erfolges nicht in das unbeschränkte Lob 
einstimmen/ welches andere Autoren diesen Instrumenten ge- 
spendet haben. Viele Frauen ertrugen den partiellen Druck, 
welchem die Seitenränder der Scheide von den Backen dieser 
Mutterflügel ausgesetzt waren, nicht, und verlangten deshalb 
die baldige Wiederenlfernung; bei Anderen trat der Vorfall 
der vorderen oder hinteren Scheidenwand, oder der verlän- 
gerte Scheidentheil neben dem mittleren schmäleren Theil 
des Instrumentes alsbald wieder herab und klemmte sich auch 
wohl ein. Bei einigen Frauen bildete sich an den Messing- 
bögeln in wenig Tagen Grünspan unter steigender Reizung der 
Scheidenwände. Daneben lag das Instrument in vielen Fällen 
nicht sicher, legte sich um und veranlasste bei längerem Tra- 
gen und nicht täglichem Wechsel, welcher zumal bei älteren 
ungebildeten Frauen meist unterbleibt, Geschwüre und Per- 
forationen nach dem Mastdarm und der Harnblase. Ein von 
Ulrich aus dem katholischen Krankenhause hier der Gesell- 
schaft vor Jahren vorgelegtes Präparat zeigte sogar eine Per- 
foration des Douglas'schen Raumes mit innerer tödtlicher 
Verblutung. Martin hat daher diese Instrumente in den 
letztverflossenen acht Jahren fast ganz bei Seite gelegt. 

Die iTLannigfaltigen R e te n t i o n s a p p a r a t e, 
welche an der Aussenseite des Beckens ihren 
Stutzpunkt haben, können widerum classificirt werden, je 
nachdem sie nur das Perinaeum emporheben und die Schei- 
denöflhung mehr oder weniger verschliessen , oder je nach- 
dem sie die Gebärmutter oder das Scheidengewölbe empor- 
drängen. Der äussere Stützpunkt wird bei Allen durch einen 
sogenannten Beckengürtel oder dergleichen gegeben. 

Unter den Stützapparaten für das Perinäum 
und den in dem Scheideneingange liegenden vor- 
gefallenen Theilen, welche freilich nur eine sehr unvoll- 
kommene Hülfe gewähren, indem sie allein das weitere Her- 
austreten der herabgesunkenen Parthien verhindevu, Vv^V i\öi\ 
Martin yorzugUch die Application eines Wemeu oN^\«Ci vkvV 



180 ^X. Verhandinngren der Gesellschaft 

Luft angefüllten Kautschuckkissens bewährt, das auf 
vierzipf liehen ßarchentstreifen aufgeklebt ist und, indem es 
auf dem Damme und der Scheidenöffnung aufgepasst liegt, 
mit vier an den vier Zipfeln eingehängten Streifen an doem 
Beckengurtel befestigt wird. Dieses Kissen, welches jedoch 
nur stundenweise getragen wurde, verursachte keinerlei Be- 
schwerden, und brachte meist grosse Erleichterung, zumal in 
Fällen von altem beträchtlichen Prolapsus vajginae posterioris 
mit Uectocele. 

Von der zweiten Art dieser mittels eines Beckengörtels 
befestigten Retentionsapparate , nämlich denjenigen, welche 
die Stütze in die Scheide selbst eindringen las- 
sen, hat Martin vorzugsweise die von Kiwiach und von 
Roser angegebenen Gebärmutterträger in Gebrauch gezogen, 
nachdem er die von C. Mayer empfohlenen wegen der 
lästigen Einwirkung des Schwammes und wegen der Unsicher- 
heit ihres Erfolges bald aufgegeben hatte. ^ Bei Kiwi$cKs 
Uterusträger soll das birnförmige Ende des Bugeis das' 
hintere Scheidengewölbe, bei Eoser^s das ringförmige Ende 
die vordere Scheidenwand emporheben ; das letztgenannte In- 
strument könnte daher bei der Mehrzahl der Vorfalle seine 
Anzeige linden. So rationell aber auch diese Instrumoite 
erscheinen , so wenig sagen sie , insbesondere der um den 
unteren Rand der Schan^fuge herumgehende Bügel, den Frauen 
auf die Dauer zu. Abgesehen davon, dass die Birne oder 
der Kranz oft genug bei Anstrengungen zur Stuhlentleerung 
u. s. w. herausgedrängt werden — wogegen ein an dem un- 
teren Rande des Bügels angebrachter Widerhaken zur Ein- 
hängung eines sogenannten Schenkelriemens nicht immer 
schützt — verursacht jener Bügel nicht seilen die ernstesten 
Beschwerden beim Harnlassen, und trotz der verschiedensten 
Biegungen unerträgliche Reizungen des Scheideneinganges. 
Wegen dieser nur allzuhäufig beobachteten Zufälle hat Martin 
den Gebrauch dieser Instrumente in den letztverQossencn 
Jahren um so mehr aufgegeben, je häufiger er sich von dem 
Nutzen der gestielten Pessarien in seiner Klinik und Praxis 
' zu überzengon Gelegenheit hatte. 

Die Heilung der Vorfälle durch operative Ein- 
griffe lud man enUveikv Auvc\\N^TV\ÄX\«v%^^%N^cl3ingerteD 



für Geburtsbülfe in Berlin. Igl 

Uterus beabsicilligl, und diese Methode ist für diejenigen 
Fälle vollkommen gerechtfertigt, in welchen die Verlängel'ung 
ausschliesslich oder doch vorzugsweise den Scheidentheil be- 
trifft. Wenn hier nicht hlos eine entzündliche Schwellung 
und nachfolgende Erschlaffung der Verlängerung zu Grunde 
liegt, und diese durch geeignete Mittel, wie Adstringentien, 
auch wohl durch ein anhaltendes Empordrängen der Portio 
vaginalis mittelst eines Uterusträgers z. B. des Zwank*schen 
(wie Martin in einem solchen Falle bei einem achtzehnjäh- 
rigen Bauermädchen sah, welches durch das mehrvvöchent- 
liche anhaltende Tragen eines solchen Instrumentes von einem 
fast 1" lang aus dem Scheideneingange hervorragenden allein 
auf Verlängerung des Scheidentheils beruhenden Gebärmutter- 
vorfall geheilt wurde) der Fehler beseitigt werden kann, so 
ist die operative Verkürzung der abnorm laugen 
Portio vaginalis ohne Zweifel das geeignete Heilmittel 
dieses scheinbaren Vorfalles. Martin hat diese' Operation 
'bis jetzt fünf Mal stets mittels des Ecraseurs und unter vor- 
gängiger Begrenzung des abzutragenden Theiles mittels zweier 
hindurchgestochener Nadeln verrichtet. Zur Sistirung der aus 
vier Arterien nach der Abtragung Statt findenden immer 
massigen Blutung wurden die betreffenden Stellen mit Liquor 
ferri sesquichlorati betupft und nur ein Mal die Tamponade 
der Scheide angewendet. Da, wo gleichzeitig mit der Ver- 
längerung des Scheidenlheiles ein Herabtreten der vorderen 
Scheidenwand und Cystocele bestand, schien die Abtragung 
der Portio vaginalis für die nächsten Wochen und auch 
wohl für die folgenden Monate, zumal bei lange fortgesetzter 
horizontaler Lage den ganzen Fehler zu beseitigen, sei es, 
dass der durch die Operation gesetzte entzündliche Prozess 
auf die den Uterus und das vordere Scheidengewölbe nebst 
Blasengrund tragenden Ligamenta pubo - vesico - uterina einen 
die Spannung steigernden, daher dieselben verkürzenden Ein- 
fluss übte, oder dass die nachträglich neben Vermeidung aller 
Schädlichkeiten in der Regel angewendeten adstringirender» 
kalten Vaginalinjectionen diesen Erfolg sicherten. Allein nach 
^ner bald kürzeren, bald längeren Zeit kehrten die Senkun- 
gen in den zuletzt genannten Fällen wieder, und de\: V^\föv.- 
bend gmstjge Erfolg der Abtragung besland \u dä^^e-tL '^^wx 



182 IX. VerbaudluDgen der Qesellsobaft 

wesentlich darin, dass andere Reteiitionsapparale , theils ein- 
Tache, theils gestielte Ringe, jetzt besser ertragen wurdeo. 
Nur in denjenigen Fällen, in welchen der scheinbare Vorfall 
des Uterus allein auf einer beträchtlichen Verlängerung des 
Scheidentheiles beruhte, war der Erfolg der Abtragung ein 
vollständiger und dauernder. 

Die anderen operativen Eingriffe, welche man zur Hei- 
lung der Gebärmutter- und Scheidenvorfalle erfunden bat, 
bringen, so weit Martin'^ Beobachtung an von ihm selbst, 
wie von ehrenwerlhen Collegen operirten Fällen gelehrt hat, 
nur eine temporäre, bisweilen eine lange Reihe von Monaten 
dauernde Beseitigung des Lagenfehlers. Am vorübergehend- 
sten war der Erfolg bei der Kolpodesmoraphie, etwas 
dauernder bei Ausschneidung, Abklemmung oder an- 
derweiter Zerstörung kleinerer oder grösserer 
Lappen der Scheidenwandung an dem vorgefallenen 
Theile. Martin erscheint dies vollkommen erklärlich , da 
nicht die Scheide der Träger des Uterus ist, sondern die 
Ligamenta pubo-vesico-uterina und sacro-uterina^ muskulöse 
Bindegewebsverdickungen , welche das Scheidengewölbe und 
den Isthmus uteri vorn und hinten an die Beckenwandungen 
befestigen. 

Der gleiche Vorwurf, den wesentlichen Grund der Vor- 
falle nicht zu heben, sowie überdies der Tadel, dass auch das 
günstigste Resultat der Operation den vollkommenen Vorfall 
nur in einen unvollkommenen umwandelt, trifft alle Operatio- 
nen, welche durch eine Verengerung des Scheiden- 
einganges durch Ausschneidung grösserer oder kleinerer 
Portionen der hinteren Scheidenwand am Eingänge und der 
unterliegenden kleinen und grossen Schamlefzen den Vorfall 
heilen soll. Abgesehen davon, dass hierdurch die herabge- 
sunkenen Theile so lange, als die Verengerung des Scheiden- 
mundes besteht, nur an dem Hervortreten behindert, keines- 
wegs aber an ihre normale Stelle gehoben werden, somit 
alle Symptome des Descensus bleiben, ja sogar mit dem lästigen 
Gefühle der Zerrung der Narbe und deren Umgegend sich 
verbinden, erweitert sich auch nach Monaten oder Jahren 
die verengte Ocffnung allmählig, und der anfänglich unvoll- 
ständige Vorfall wird nacli uuA w^dx m«&^ ^vw vollständiger. 



für Geburtshülfe in Berlin. Ig3 

Herr Krieger erwäliiil eines neueren Ufilfsmittols fiir 
die Behandlung des Prolapsus, der in jüngster Zeit von 
Herrn Dr. Langaar d construirten Gebärmutterträger, über 
welche eine erläuternde Broschüre den Mitgliedern der Gesell- 
schaft zugehen soll. Das betreffende Instrument ist in Nr. 16, 
Jahrgang III. der klinischen Wochenschrift von Posner be- 
sprochen. 

Herr Lehnert macht darauf aufmerksam, dass die Idee, 
welche den Laugaard'schen und Zwang'schen Pessarien zu 
Grunde liege, bereits in älteren, wenn auch unvollkommenen 
Instrumenten realisirt sei. So erwähne Siehold in seinen 
„Geburtshülf liehen Briefen" ein altes Instrument im Äppa- 
ratenschranke der hiesigen Entbindungsanstalt. Dasselbe ist 
jedoch ziemlich unvollkommen und schwerfällig aus Holz 
gearbeitet. 

Herr Kristeller glaubt, dass eine Verbesserung des 
Zwang* ^(^\iew Pessariums darin zu suchen sei, dass man das 
Charnier, welches die beiden den Uterus tragenden Flügel 
verbindet, etwas tiefer legen — versenken lasse, so dass das 
Metall des Charniers den Mutlermund nicht unmittelbar be- 
rühren könne. 



Herr (7. Mayer vervollständigt frühere Mitlheilungen 
über anatomische Veränderungen an den inneren Geni- 
talien als Ursache von Sterilität bei Frauen (Sitzung der Ge- 
sellschaft für Geburtshülfe vom 15. April 1856, Verhand- 
lungen Heft IX. S. 232 — 43), durch die Vorlage einer Reihe 
von Originalzeichnungen der Portio vaginalis, welche er in den 
letzten Jahren angefertigt hat, Fälle, in denen als charakte- 
ristisches Moment eine beträchtliche Verengerung des Orifi- 
cium uteri externum vorhanden ist. Der verengte Mutter- 
mund hat in einigen der Abbildungen eine kreisrunde, in an- 
deren eine längliche ovale Gestalt; bei einigen zeigt sich eine 
bedeutende Hyperaemie in der Umgebung des auffallend klei- 
nen Orilicinms. Alle diese Frauen litten an beträchtlicher 
Dysmenorrhoe beim Eintritte der Regeln. Er pflege in 
solchen Fällen das verengte Orificium mit dem Messer zu 
dilatiren, und habe dann häuGg die Dysmenorrhoe, mitunter 
auch die Sterilität schwinden sehen. 



134 ^* Stempelmann^ Kritiscbes qnd EzperimenteUes über (Im 



X. 

Kritisches und Experimentelles über das Lnft- 

einblasen zur Wiederbelebung asphyktischer 

Neugeborener. 

Von 

Dr. med. Hugo Stempelniaun 

in Berlin. 
(Auszug aus dessen akademischer Preisschrift.) 

Zur Wiederbelebung scheintodler neugeborener Kinder 
hat man besonders in neuerer Zeit eine schon seit einem Jahr- 
hundert in der allermannigfaltigsten Weise ausgeübte Methode, 
nämlich das kunstmassige Lufteinblasen in die Lungen, 
von verschiedenen Seiten in Vorschlag gebracht. Da bei 
höchst ungenügenden Versuchen und schwankenden Resultaten 
bisher noch lange nicht ein alle Differenzen der Ansichten 
unmöglich machender Abschluss der Sache erzielt worden ist, 
und auch dieses Verfahren wegen der ganz verschiedenen 
Würdigung, die es von verschiedenen Seiten erfahrt, noch 
lange nicht in allen sich für dasselbe eignenden Fällen in 
Anwendung gebracht wird, so dürfte es wohl nicht unzeit- 
geniäss sein, den wahren Werth einer von mancher acht- 
baren Seile so warm empfohlenen und vielverheissenden Methode 
zu ermitteln. Die historische Darlegung der über diesen Ge- 
genstand gemachten Vorschläge und Erfahrungen möchte für 
die sichtende Kritik wohl den besten Ausgangspunkt dar- 
bieten. 

Vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts findet sich keine 
eigeaüicb wjssenschaflUche Vfi3Lv4\%uT\^ ^cr ^^cVv^, Ijc&l durch 



Lnfteinblasen zur Wiederbelebung aspbykt. Neugeborener. Ig5 

' Smellie 1762 *) erfahrt man, dass er nicht allein schon seit 
längerer Zeit das Lufteinblasen mit Erfolg ausgeübt, sondern 
auch, dass er sich dabei eines silbernen Röhrchens be- 
dient habe, welches jedoch nur bis zur Zungen würzet 
eingebracht wurde. Dass man übrigens auch schon vorher 
dem Gegenstande Aufmerksamkeit geschenkt haben muss, 
geht unzweifelhaft aus dem auch veröffentlichten Falle hervor, 
dass Portal an einem scheintodten Kinde, welches an ihn 
als todt zur Section abgeliefert wurde, das Lufteinblasen ver- 
suchte, wodurch dieses plötzlich wieder zum Leben zurück- 
gebracht wurde. Dies regte besonders in England die Aerzte 
gewaltig zu wiederholten Versuchen und neuen exacten For- 
schungen auf diesem Gebiete an, und besonders Monro gab 
jetzt den der Methode so viele Feinde erweckenden Rath: 
plötzlich, stark und stossweise einzublasen, wahrscheinlich um 
so die Reflexthätigkeit des asphyktischen Kindes noch stärker 
anzuregen. Auch wendete er zum Lufteinblasen eine hölzerne 
Röhre an, welche man bis in den Kehlkopf einführen konnte. 
Wegen der Wärme hielt er die vom Arzte ausgeathmete 
Luft für besser, als die atmosphärische und empfahl zugleich, 
damit nicht so viel Luft in den Magen käme, den Kehlkopf gegen 
den Schlund einzudrücken, so wie das Einblasen, wenn man 
es ohne Instrumente mit dem blossen Munde thun wollte, 
durch ein Nasenloch des Kindes bei geschlossenem zweiten 
Nasenloche und Munde zu bewerkstelligen. 

1766 erwähnt W. Cullen in einem Briefe an Lord 
Cathcart des Vorschlags Anderer, um das Lufteinblasen be- 
quemer und mit mehr Sicherheit ausführen zu können, vor- 
her die Tracheotomie zu machen. 

1785 machte Chausaier^) einen Apparat bekannt, um 
scheintodte Kinder durch Einblasen von reinem Sauerstoffgas 
(air dephlogistique) wieder zu belebeix Derselbe besteht aus 
einer mit einem Hahne versehenen Blase, welche das Gas 
enthält, und auf welche man eine Canüle schraubt. Diese 



1) Smellie, Treatise on the Theory and Practice of Mid- 
wifery. 4. Aufl. London 1762. Bd. 1. p. 229. 

2) CÄflMMier, Histoire de 1» Soci^t^ royal« d^ m^A^^voi^, 
Ann^es 17^0 et 81. Paris 1785. p. 346 54. 



186 ^- Stempelmann^ Kritisches and Experimentellefl über da« 

Cauülc, welche er Tube laryngien pour insoufOer l'air dans 
les poiimons ') nennt, kann auch allein zum LafteinblaseQ 
in die Trachea gebraucht werden, und besteht aus einer 
5V2 Zoll langen; am Ende gebogenen silbernen Röhre, welche 
von beiden Seiten abgeplattet und am Ende geschlossen ist» 
kurz vor dem Ende jedoch zwei längliche seitliche Oeffnungen 
und ein wenig höher eine mit Schwamm versebene Scheibe 
hat, welche verhindern soll, dass die eingeblasene Luft gleich 
wieder aus dem Kehlkopfe entweicht 

Bald nachher sprachen sich Fried und Plenk gunstig 
für das Lufteinblasen aus. Letzterer wollte es sogar von 
unten (i. e. per anum) angewendet wissen. Da bewirkte die 
Behauptung BlumenbacKs ^), dass die Exspiralionsluft wegen 
ihres reichlichen Kohlensäuregehaltes, wenn man sie zum Ein- 
blasen in die Lungen verwende, den Tod herbeiführe, was 
er durch Experimente an Hunden zu beweisen suchte, dass 
sich sehr Viele gegen dies Verfahren hei scheintodten^ Neu- 
geborenen erklärten, und Äitken^) und HiU^) sowie Pia 
und Kitte Apparate construirten , um reine atmosphärische 
Luft unmittelbar in die Lungen der Kinder zu treiben. 

Baudelocque und Meckel empfahlen das Chaussier'sche 
Verfahren, während kurz darauf Stein angab, dass man Jedes 
Mal nach dem Einblasen durch einen sanften Druck mit der 
tlachen Fland auf den Thorax die Exspiration bewerkstelligen 
resp. unterstützen solle. Obwohl die Hebeammenbücher und 
Polizeiverordnungen das Lufteinblasen fortwährend empfahlen, 
dauerte es doch bis zum Jahre 1820, ehe der Gegenstand 
durch Fleisch und Pitschafty welche zur Anwendung eines 
kleinen Blasebalgs, letzterer in Verbindung mit einer Canüle 
anstatt des Einblasens mit dem Munde dringend riethen, wie- 



1) Chauaaier, Secdnrs a donner aux enfants, qui naissent 
Sans offrir des signes de vie. Paris 1808. p. 163. 

2) Medic. Bibliotbek. Oöttingen 1783. Bd. I. Th. 1. p. 173. 

3) Aitken, Grundsätze der Entbindungskande nach der dritten 
Ausg. aus dem Englischen übersetzt von C. H. Spohr. Nürnberg 
1789. p. 220. 

4) D. Hillj Practical Observations on the use of Oxygen 
or vital acr etc. London 1800. Med. chirurg. Zeitung. Jahrg. 

1802. Nr. 3. p. 33. 



Lafteinblasen zar Wiederbelebang asphykt. Neugeborener. Ig7 

der in Anregung gebracht wurde. Blundell *) jedodi zieht 
es wieder vor, mit dem Munde Luft durch eine dünne sil- 
berne, unten geschlossene, und seitlich mit langen Oeffnun- 
gen versehene Röhre einzublasen, und will nicht seltene, son- 
dern der kindhcheu Respiration entsprechend schnelle: 30 
bis 35 In- und Exspirationen in der Minute (Letztere durch 
Druck mit der flachen Hand auf den Thorax) gemacht wis- 
sen. Ich muss jedoch sehr bezweifeln, dass er selbst jemals 
dies in der angegebenen Schnelligkeit ausgeführt hat, da es 
mir bei der Wiederholung dieses Versuches an Kinderleichen 
bei möglichster Geschwindigkeit kaum gelungen ist, halb so 
viel, also höchstens 10 — 12 pro Minute auszufuhren. 

Der von den Nachahmern Monroes, Desgrange's 
und Johnsons, welche, wie angegeben, das plötzliche, 
stürmische Lufteinblasen empfahlen, getriebene Missbrauch 
des Mittels, veranlasste Leroy d*Etiolles^), die Wirkung 
des Lufteinblasens durch eine Reihe von Experimenten zu 
prüfen, welche von Magendie und Dumenil bestätigt wur- 
den. Obwohl die Resultate dieser Versuche im allgemeinen 
als ungünstige bezeichnet werden müssen, da bei lebenden 
kleineren Thieren schon ein einmaliges kräftiges Lufteinblasen 
ausreichte, den Tod fast augenblicklich herbeizuführen, und 
nur Hunde dies besser vertrugen; da ferner das starke Auf- 
blasen der Lungen, wenn auch nicht bei frischen Kinder- 
leidien, so doch bei den Leichen Erwachsener ein Austreten 
der Luft zwischen Pleura costalis und pulmonahs bewirkte, 
so waren Leroy y Magendie und Dumenil doch der An- 
sicht, dass sanftes Einblasen in geschickten Händen ein sehr 
wirksames Mittel zur Wiederbelebung asphyktischer Neugebo- 
rener bliebe. Dass übrigens nur bei Leichen Erwachsener 
und nicht bei Kinderleichen Zerreissungen des Lungengewe- 
bes stattfanden, mag wohl in dem Umstände liegen, dass 
Kinderleichen frisch, die Leichen Erwachsener aber erst einige 
Tage nach dem Tode zu Experimenten benutzt zu werden 



1) Tbe lancet Nr. 224. vom 1. Dec. 1824. Kleinert'B Reper- 
torium. Leipz. 1828. Jahrg^. II. Heft 12. p. 4. 

2} Kleinert^B Repertoriuro. Leipzig 1827. Jahr^. 1. R^l\. 
1. pag. 5. 



188 ^* Stempelmanni Kritisches and £zperimentelle8 über das 

pflegen, wo die Gewebe durch den beginnenden Fäulnise- 
process ihre Festigkeil schon zum Theil eingebösst haben. 

Um nun auch den Händen der Laien, welche mit den 
nöthigen Vorsichtsmaassregeln unbekannt wären, ein möglichst 
sicher anwendbares Mittel übergeben zu können, construirte 
Leroy d'EHoUes^) einen Apparat, von welchem Luft er- 
wärmt und durch einen Blasebalg und eine Gummieiasticum- 
Canöle in die Trachea eingeblasen werden sollte. Nach dem 
Alter des Individuums (da der Apparat auch bei der Asphjxia 
submersorum angewendet werden sollte) konnte die jedesmal 
einzublasende Luftmenge mit einem Quadranten abgemessen 
werden. 

1828 empfahlen Boer und Froriep abermals das Luft- 
einblasen mit der Canäle, und letzterer machte besonders 
darauf aufmerksam, dass man zuvor den Mund und den 
Schlund des Kindes von etwa darin befindlichem Schleime 
reinigen müsse, während Garus allerlei alte Bedenken äus- 
serte und jedenfalls von der Verwendung ausgeathmeter Luft 
abrieth. Aus der Mitte der zwanziger Jahre könnte man noch 
die doppelten Blasebälge Garcy's und ConßgUacht*^, sowie 
die Apparate zum Lufteinpumpen von Ret/d, John Murray, 
Kopp, Afeunier, van Marum, J. Moore und van Houten 
erwähnen; jedoch auch Ghaussier's Larynxröhre blieb noch 
immerfort im Gebrauch, und Madame Boivin *), J, Wendt ^) 
Odier und Kiemann ^-klärten sich sehr entschieden för die 
Brauchbarkeit derselben. Man suchte sogar allerlei Verbes- 
serungen daran anzubringen oder sie in Verbindung mit ande- 
ren Apparaten zum Lufteinblasen noch brauchbarer zu machen. 
Besonders verdient hier die Hebeamme Madame Eondet^) 
und Guillon^) erwähnt zu werden. Erstere überreichte näm- 

1) KhinerVs Repertoriam. Leipzig 1827. Jahrg 1. Heft 10. 
pag. 112. 

2) MadiiDie Boivin^s Handbach der Geburtshülfe. 3. Ausg., 
übers, von F. Robert Cassel und Marburg 1829. pag. 399. 

3) J, Wendt, die Kinderkrankheiten. 3. Ausgabe. Breslau 
1885. pag. 60. 

4) Kleinere 8 HejtertoT. Leipz. 1830. Jahrg. IV. Heft 4. p. 82. 
Ö) VelpeaUf Trait^ coniplet de Tart des accouchements etc. 

U. Äaß, Paris 1835. Bd. 11. pag, t>H^. 



tiufteinblaseii zar Wiederbelebung aspbykt. Neageborener. 189 

lieh schon im Jahre 1824 der Academie royale de Medecine 
eine zum Lufteinblasen bestimmte Spritze, welche sie Pompe 
laryngienne nannte, und die 1) aus Chaussier's Larynxröhre, 
2) aus einer Kautschukflasche und 3) aus einem mit Klap- 
penventilen versehenen Mittelstücke bestand. Der Apparat 
muss also die Construction der jetzt allgemein üblichen Gummi- 
lothrohrgehläse gehabt haben. Guillon ferner verbesserte 
Chausaier's Larynxröhre der Art, dass sie genau die Glottis 
ausfüllte, um das Vorbeiströmen der Luft zu hindern. 

In Deutschland legten Schmidt, Henke, Kaiser, Mende 
weniger auf die Manier des Einhlasens, als auf die dabei an- 
zuwendenden Vorsichtsmassregeln Gewicht, während Tood- 
goot sich für das Lufteinblasen von Mund zu Mund mit einer 
dazwischen gelegten Serviette erklärte und gute Erfolge erzielt 
zu haben angiebt. 

In dieser Zeit erhob sich in Deutschland ein Kämpfer 
gegen das Lufteinblasen in Albert^), welcher behauptete, 
dass er durch zahlreiche Versuche zu der Ueberzeugung ge- 
langt sei, dass beim Einblasen von Mund zu Mund die meiste 
Luft in den Magen gelange, und dass höchstens durch das 
Einblasen mit dem Tubus das Aufblasen der Lungen in höchst 
unvollständiger Weise gelänge. Er machte deshalb den Vor- 
schlag, das Einblasen ganz zu unterlassen, und statt dessen 
die Luft aus dem Tractus respiratorius et alimenlarius aus- 
zusaugen, um, wie er angiebt, den Scheintodten durch Berau- 
bung des Letzten, was ihm noch übrig blieb, zur Gegenwehr 
d. h. zur Respiration zu veranlassen. Freihch erreichte er 
durch sein Verfahren unbeabsichtigt, dass auch alle Flüssig- 
keit, welche sich in den Luftwegen Asphyktischer befand, 
mit ausgesaugt wurde. Zum bequemeren Aussaugen con- 
struirte er einen umgekehrt wie gewöhnlich wirkenden Blase- 
balg, auf welchen man eine messingne gekrümmte Röhre 
aufschraubte, deren Ende in die Nähe des Kehldeckels zu 
hegen kommen sollte. Von 47 in Scheintod versetzten Thie- 
ren brachte er durch dieses Verfahren 41 wieder in*s Leben 



1) Henkels Zeitschrift für Stantsarzneiknnde. Krlangfen 1832. 
Bd. 28. pag. 279. 



190 ^* Siempetmann^ BÜ ri tische« nnd ßzperimeatellas tibar Au 

zurück. 1835 ^) veröfTenÜichte er auch seine an scheintodten 
Menschen durch dieses Verfahren erzielten Resultate. Von 
zehn Scheintodten gelang es ihm drei, nämlich ein im Wasser 
verunglücktes achtjähriges Mädchen und zwei neugeborene 
Kinder zu retten. Bei letzteren ging nach seinen eigenen 
Worten Anfangs viel zäher Schleim und Luft durch die 
Röhre. Später hat auch Wäckerling^) zwei Fälle mitge- 
theift, in denen das Luft(?)-Aussaugen von günstigem Erfolge 
hegleitet war. Wenn gleich nun auch der von Albert für 
das Aussaugen angegebene Grund sich nicht recht einsehen 
Hess und der eigentliche Grund seiner guten Erfolge ganz in 
Etwas anderem lag; wenn gleich ferner Marc, der die Ver- 
suche wiederholte, dieses Verfahren als nur in wenig Fällen 
anwendbar erklärte, so bewirkte er doch, dass die Aufmerk- 
samkeit der Fachmänner sich jetzt auf den wichtigen Punkt 
richtete, die Luftwege der Neugeborenen vor allen Belebungs- 
versuchen von Schleim so wie etwa aspirirten Flüssigkeiten 
möglichst zu reinigen. Allerdings hatte man schon viel früher 
darauf Gewicht gelegt; nur hatte man es noch nicht durch 
Aussaugen zu bewirken versucht. So empfahl schon 1721 
Mauriceau^) die Nasenlöcher und die Rachenhöhle Neuge- 
borener mit „Petites tentes de linge" zu reinigen, während 
viele spätere Lehrbucher dazu den Finger oder eine Feder- 
fahne empfehlen , und Marchant *) und C. Brown *) an- 
rathen das neugeborene Kind mit erhobenen Beinen oder auf 
die Seite zu lagern, damit die etwa in den Bronchien befind- 
liche Flüssigkeit ausfliessen könnte. Auch schon Viborg 
wollte das Lufteinblasen auf die Fälle beschränkt wissen , wo 
die Lungen von Flüssigkeiten frei wären; und Velpeau^) ist 



1) Nene Zeitschrift für GebnrtsknDde. Berlin 1835. Bd. III. 
Heft 2. pag. 291. 

2) Casper'a Wochenschrift 1838. Nr. 8. Sehmidt'a Jahrb. 
Leipzig 1840. Supplom.-Bd. II. pag. 257. 

3) Mauriceau, Trait6 des maladies des femmes grosses etc. 
Ed. VI. Paris 1721. pag. 481. 

4) L'Union, 8. 9. 1852. cf. :SchmidVE Jahrb. Tb. 74. pag. 207. 

5) Braun, Lehrbuch der Gebnrtsh. Wien 1857. pag. 264. 

6) Velpeau, Traite de Tart des acconchements etc. 111. ^dtt. 
PMriß 1836. Bd. II. pag. 582. 



Lafleinblasen ssur Wiederbelebung aftpbykt. Netigeboretielr. 191 

der Meinung, dass man von dem Lufternblasen zuerst die 
Luftmenge von aspirirten Flüssigkeiten reinigen müsse. Er 
erzählt ferner von der Verbesserung des Tube laryngien durcJ) 
Onillon, und fahrt dann fort: „Mais une simple sonde de 
gomme elastique, Instrument, qu'on trouve partout, est pres- 
que aussi commode/' Der Vorschlag zum Lufleinblasen sich 
eines Gummikatheters zu bedienen findet sich jedoch hier 
nicht zum ersten Male, sondern aus einer Notiz bei der Be- 
schreibung der Rondet*schen Pompe laryngienne sehen wir, 
dass Evrat sich seit vielen Jahren eines Gummikatheters 
zum Lufleinblasen mit Erfolg bedient habe. Um hier gleich 
die ganze Literatur des Aussaugens zu geben, will ich noch 
erwähnen, dass Lafargue *) den von ihm zum Auspumpen 
des Magens bei Vergiftungen etc. erfundenen Apparat auch 
zur Entleerung der Luftwege und de? Magens von aspirirten 
and verschluckten Flüssigkeiten, sowie umgekehrt zum Luft- 
einblasen angewandt wissen will; so wie Cazemix'^) zum 
Lufteinblasen die Chaussier'schn Canöle empfehlend sagt: 
„Quand la trachee renferme des mucosites abondantes, on 
peut ä Taide de quelques aspirations en engager dans la ca- 
nule des quantiles considerables et rendre ainsi |)lus efficaces 
les insufHations ulterieurs". Ein Unbekannter ') giebt zum 
Aussaugen einen wie eine Kautschukpipette construirten Ap- 
parat an, welcher aus einer gekrümmten neusilbernen Röhre 
besieht, an der sich ein mit einem durch den Finger ver- 
schliessbaren Loche versehener starker Gummiball befindet. 
Dasselbe Instrument will er dann auch zum Lufteinblascn ge- 
brauchen. Im ersten Falle fuhrt man die Canüle erst in den 
Larynx, wenn man den Gummiball zusammengedruckt und 
das darin befindliche Loch mit dem Finger verscldossen hat, 
während man im zweiten Falle die Canöle erst einfuhrt, das 
Loch mit dem Daumen verschUesst und dann durch Zusam- 
mendrucken des Balles die Luft einbläst. 



1) Bull, de Therapie. Tom. XlII. pag. 340. cf. Schmidt's 
Jahrb. Leipzig 1838. Bd. 20. pag. 89. 

2) Oazette medicale de Paris Nr. 17. Annde 1850. p. 316. 

3) Journal für Kinderkrankheiten von Be7ireud xxxi^ HWdiV 
brand 1857. Heft 11, 12. pag. 352. 



192 ^' ^i^mp^mattf») Kritisches nnd Expo rimenteUes aber das 

Auch theilt Breslau^) einen Fall mit, indem er ein 
durch den Kaiserschnitt entbundenes Kind dadurch wieder 
belebte, dass er seinen Mund auf den Mund des Kindes 
legte, und eine Menge zähen Schleim aussog. Ebenso be- 
schreibt Victor Hüter ^) fünf und A. Kosters ^) sechs Fälle, 
in denen durch Aussaugen von Flüssigkeiten aus der Trachea 
und nachheriges Lufteinblasen, beides mittels eines elastischen 
Katheters, scheintodte Kinder wieder belebt wurden. 

Wenden wir uns wieder zur j^istorischen Aufzählung 
der über das Lufleinhlasen veröflentlichten Arbeiten, Meinun- 
gen und Erfolge, so finden wir, dass Rosshirt ^) vom Luft- 
einblasen gänzlich abrätli, indem er sagt: „Da es ausser die- 
sem viel sicherere Mittel giebt, die Respiration asphyktischer 
Neugeborener zu erwecken oder zu befördern (er nennt als 
solche nachher besonders das Luftanblasen gegen das Ge- 
sicht, Betröpfeln der Brust mit Aether oder Liquor Amroonii 
caust., Essig oder Weingeistklysmata, so ist die Anwendung 
eines so unsicheren und meistentheils schädlich wirkenden 
Mittels gänzlich zu unterlassen''. 

Im Jahre 1845 empfiehlt Depaul^) angelegentlichst 
die Ghaussier\c\i^ Canüle mit der von ihm angegebenen Mo- 
dification einer einzigen EndöfTnung anstatt des geschlossenen 
Endes mit zwei seitlichen OefTnungen. Im folgenden Jahre 
taucht der merkwürdige Vorschlag Rosenberg^s ®) auf, einen 
recht dicken Kautschuckkatheter durch den Mund oder die 



1) Monatsschrift für Geburtskande. Berlin. Bd. XX. Heft 1. 
pag. 62. 

2) Monatsschrift für Geburtskande. Berlin 1863. Bd. XXI. 
Heft 2. pag. 127. 

3) -4. Kosters ^ Over den schyndood van pasgeborenen en 
zyne behandeling. Leiden 1864. pag. 50. 

4) Nene Zeitschrift für Gebnrtskunde 1835. Bd. H. pag. 239. 

5) 4f. Depauly Memoire sur Tinsafflation de Tair dans les 
▼oies a^riennes chez les enfants, qui naissent dans nn ^tat de 
niort apparente. Journal de Chir. par Malgaigne. Mai et Jain 
1845, Cf. Journal für Kinderkrankheiten von Hehrend und Hilde- 
hrand. Berlin 1846. Bd. VIT. Heft 2. pag. 99. 

6) Bemerkungen über den Scheintod Neugeborener. Journal 
für Kinderkrankheiten von Behrend und Hildebrand. Berlin 1846. 

Bd. VU. Heft 2. pag, 99. 



LufteiablaMO siar Wiederbelebung «spbykt. Neugeborener. 193 

Naise iü den Hals, und wenn möglich, in die Stimmritze zu 
fuhren, und dadurch Luft einzublasen, wahrend 1849 M^Glin- 
tock und Hardy ^) empfehlen dem scheintodten Kinde hei 
zugehaltenen Nasenlöchern und Lippen durch einen in den 
Mund geführten männlichen Katheter Luft einzublasen. 1850 
finden wir in Cazeaux ^) einen Verlheidiger der Anwendung 
dar von Depaul modificirten Chausster'schen Canüle, wäh> 
rend Marchand ') und Crede^) sich dem Verfahren M'Clin- 
tock*8 «;l«u) Hardy's in der Sache nähernd, vorschlagen, ent- 
weder von ^und zu Mund, oder durch eineu in ein Nasen- 
loch gesteckten Tubulus, eine Federpose oder dergleichen 
Luft einzublasen. Natürlich sollte im letzteren Falle das an- 
dere Nasenloch durch die das Röhrchen festhaltende Hand 
verschlossen werden. Auch Pagenstecher *) empfiehlt leb- 
haft das LufLeinblasen und will dasselbe von Hund zu Mund 
bewirkt wissen. Es würde nun ferner der Zeitfolge nach 
das schon oben beschriebene pipellenförraige^ ebenfalls zum 
Lufleinblasen brauchbare Instrument des Ungenannten vom 
Jahre 1857, so wie das ganz ebenso construirte Instrument 
Wäson*s^)j dessen neusilbeme Röhre sechs Zoll lang ist, 
zu erwähnen sein. Eine Schrift von Oeaenius ^) und Hüter **) 
so wie eine sehr beachtenswerthe holJändische Dissertation 



1) Practical obsenrations. pag. 350. cf. Journal für Kinder- 
krankheiten von Behrtnd und Hildebrand. Erlangen 1849. Bd. XU. 
Heft 3. u. 4. pag. 303. 

2) Gasette medicale de Paris Nr. 17. Ayril 1850. pag. 316. 

3) L*Uoion 8. 9. 1852. cf. Schmidt^a Jahrbücher. Leipzig 
1852. Bd. 74. pag. 207. 

4) Klinische Vorträge über Geburtshülfe. Berlin 1853. Heft 1. 
pag. 350. 

5) H. A, Pagenatecher^ Ueber das Lufteinblasen zur Bettung 
■cheintodter Neugeborener. Heidelberg 1856. 

6) Pamphlet, Glasgow 1859. Aus Ranking and Eadcliff^B 
„Half-Yearly Abstract«. 1860. Bd. 30. cf. Monatsschrift für Ge- 
burtskunde. 1860. Bd. XVL Heft 1. pag. 72. 

7) OeseniuSy Katheterismus des Larynx. Sehmidt^B Jahrb. 
1869. Bd. VI. p. 235. 

8) Monatsschrift für Geburtskunde. Berlin 1863. Bd. 1\, 
Heft 2. pag. 127. 

MoBMUsebr. f. GeburtBk. 1866. Bd.XXVIlL,Hft.^, ^^ 



194 ^* Stempetmann , Kritiiebes und fizperlmenteltei ttber imä 

von A. Kosters ^) bilden endlich das Neueste, was spedeH 
über diesen Gegenstand in der Literatur bekannt gewor- 
den ist. 

Um diesen geschichtlichen Abriss der Literatur und der 
Verfahrungsarten des Lufteinblasens nicht unTollständig tu 
lassen, ist es nöthig zu erwähnen, dass man sogar versndit 
hat, dem Kinde noch vor Beendigung des Geburtsaktes Lnft 
einzublasen, resp. zur Athmung zuzuführen. Weidmann^ 
beschreibt ein Instrument, das er Yectis a^oductor nennt 
und welches in den Mund des bei der Geburt nachfolgenden 
Kopfes gebracht werden soll, um so dem Kinde schon Tor 
vollendeter Geburt das Athmen zu ermöglichen. Auch Blick •) 
erzählt einen Fall, in dem er bei einem bis an den Kopf 
geborenen Kinde durch Einschieben eines männlichen Kathe- 
ters in den Mund und Lufteinblasen das' Athmen so in Gang 
brachte, dass das Kind schrie. Während dessen hatte er 
Zeit die Zange zu appliciren und den Kopf zu extrahiren. 
Ebenso räth Baudelocque*) bei Steisslagen die Nabelschnur 
zu durchschneiden und mit einer langen Röhre Luft in den 
Uterus, bei Gesichtslagen direkt in den Mund des Kindes zu 
blasen, um sein Leben zu erhalten; und noch 1844 machte 
•7. Cooper *) einen ähnlichen Vorschlag. 

Aus obiger historischer Darlegung ergiebt sich, dass man 
zunächst 1) vor und 2) nach Beendigung der Geburt Luft 
einzublasen versucht hat. Die erste Methode ist jedenfalls 
unbedingt zu verwerfen, weil, wie schon Hüter (1. c. 
pag. 135.) sehr richtig bemerkt hat, wenn man während 
der Geburt die Hand in die Geschlechtstheile der Mutter 
fuhren kann, um dem Kinde eine Röhre in den Mund zu 



1) A, Koatera, Over den ichijndood vaii pasgeboreaen en 
zijne behandeling. Leiden 1864. 

2) Wenzel^ Allgenieine gobnrtshülf liehe Betraebtangen. p. 28. 

3) The lancet. Nr. 221. of. KUinert'a Repertorinni. Leipiit? 
1828. Jahrg-. II. Heft 8. pag. 24. 

4) Cf. V. Froriep*B Notizen ans dem Gebiete der Natnr nnd 
Heilkunde. Bd. 33. Nr. 14. pag. 224. 

6) New-Yorker Journal of Med. Mai 1844. cf. CanatM» 
Jahre 8b erWhie der gesammten Medicin im Jahre 1844. Bd. IL 



Lpl^ftiobUieii sar Wiederbelebnog aaphykt. Neugeboretier. 195 

wbieheUy die fiediDgungen zur Vornahme der schleunigen 
Einbindung f nach deren Beendigung doch der Zutritt der 
Luft zum Munde des Kindes frei steht, sicher vorhanden 
aind, und es wird daher die zweite Methode die allein an- 
wendbare sein. Für diese haben sich zwei Richtungen gel- 
tend gemacht, 1) das Lufteinhlasen ohne (z. B. die ältesten 
Versuche, Pagenstecher, Toodgoot eic.) und 2) mit Instru- 
menten z. B. Smellie, Monro, Chaussier etc. etc. nebst fast 
allen Uebrigen. 

Die erste Methode, das Lufteinhlasen ohne Instrumente, 
wenn es nicht ein blosses Luftanblasen gegen das Gesicht 
sein soll, wie es Rosshirt (loco citato pag. 249.) will, ist 
nur denkbar von Mund zu Mund, indem der Arzt seinen 
Mund auf den des Kindes legt. 

Dasselbe kann nun stattfinden a) indem die Nasenlöcher 
des Kindes offen bleiben, oder b) zugehallen werden. Das 
erstere, welches von Pagenstecher (Loco c. pag. 49.) an- 
gerathen wird, wird gewiss bei Kindern, welche Schleim, 
Fruchtwasser, Mekonium, Blut oder dergl. aspirirt haben, 
wenigstens den guten Erfolg haben, dass derjenige Theil dieser 
Flüssigkeiten, welcher sich in der Mund- und Nasenhöhle, 
sowie in den Choanen befindet, durch die offen gelassenen 
Nasenlöcher herausgeblasen wird, und so die äusseren Zu- 
g^e des Respiralionskanals gereinigt werden, was durch 
Mauriceau's und der späteren Lehrbucher Rath des Rei- 
nigens mit dem Finger, einer Federfahne oder den Petites 
tentes de linge jedenfalls nicht so sicher und gründlich er- 
reicht wird. Das Verfahren Breslau^s^ seinen Mund auf den 
Mund des Kindes zu setzen imd zu aspiriren, ist nur das 
omgekehrte des sub a) angegebenen Verfahrens, und jedenfalls 
ebenso zweckmässig, da es aber Ekel erregen kann, wie 
Breslau selbst zugiebt, so wird es dann nicht so gut wie 
dieses ausgeführt werden. 

Das Einblasen von Mund zu Mund bei geschlossenen 
Nasenlöchern, welches ebenfalls Pagenstecher (1. c. p. 49.) 
empfiehlt und dem sub a) angegebenen Verfahren folgen lässt, 
so wie Toodgoot mit Dazwischenlegung einer Serviette ist, 
wie Alles Einblasen, so lange ganz zu verwerfen^ wl^. 
noch Si&p'ir'irie Flüssigkeiten in gröss^t«',\ 'Ä^^x^^ 



196 ^* SUmpelmann , Kritisches 0iid Ezperimeikteltef fib«r Iw 

die Bronchien anfüllen. Die Flussigkdten werden onr 
noch tiefer in die feineren Bronchien hineingetrieben mid 
verstopfen dieselben noch mehr, und in den nicht yerstopfteb 
Parthien der Lunge kann durch das diese nun mit Terstärkter 
Kraft treffende Aufblasen leicht Emphysem entstehen. Es 
muss vielmehr eine Entfernung dieser Flüssig- 
keiten dem Einblasen nothwendig vorangehen, 
und zwar hat man versucht: besonders durch Hautreize die 
Reflexthätigkeit des Kindes selbst zu erregen, so dass dieses 
durch Hustein , Niessen und Erbrechen diese FlüssigkeiteD 
auswirft. Dieses Verfahren empfiehlt sich vor Alien anderen 
und ist auch bei der Asphyxie ersten Grades noch von 
Erfolg begleitet. 

2) Das Lagern der Kinder auf den Bauch oder auf die 
Seite mit hochgehobenen Füssen (3farc&an(2, C. Braun) sowie 
die bekannte Marshall HalVsche Methode sind meist ohne Er- 
folg, da die in der Regel aus Meconium, Geburtsschleim, geronne- 
nem Blut etc. bestehende in den Bronchien befindliche Flüssig- 
keit so zähe ist, dass sie den Wandungen der Trachea 
und der Bronchien stark adhärirt Selbst wenn die aspirirte 
Flüssigkeit nur aus dünnflüssigem Fruchtwasser besteht, wird 
wegen der Enge der Trachea kaum etwas ausfliessen. 

3) Das Aussaugen der Flüssigkeiten aus der Trachea 
mit hineingeführten Instrumenten, aj Albert kann dies durch 
sein Verfahren nur höchst unvollkommen erreichen, da das 
Ende seiner gekrümmten Röhre nur in die Nähe des Kehl- 
deckels oder auf die Zungenwurzel zu liegen kommt. Ebenso 
ist b) Lafargue^s Pumpe ein viel zu umständlicher Apparat, 
den man auch nicht immer bei sich haben kann, c) Cazeaux 
Verfahren, mit Chaussier's von Depaul modificirter Canüle 
Schleim etc. aufzusaugen, ist schon etwas anwendbarer, wie 
auch d) das Verfahren des Ungenannten (I. c.) mit seiner 
allerdings umständlichen Kautschukpipette, Cazea und der 
Ungenannte wollen auch übrigens dieses Mittel nur dann 
angewandt wissen, wenn bei schon stattfindenden Athembe- 
wegungen, der während der Geburt adpirirte Schleim ein gor- 
gelndes Geräusch verursacht, wo es also wohl wünschens- 
werlh ist, den Schleim wegzuschaffen, aber zur Lebensret- 

iung des Kindes gar nichl me\\T crtcüt^^tXxf^ \^\, ^ä dieses 



Lnfteinblftsen snr Wiederbelebung asphykt. Neugeborener. 197 

die, wie das Geräusch beweist, schon in Bewegung geralhe- 
nen SchleimmasseD schon von selbst bald auswerfen wird, 
e) Hüter gebraucht zum Aussaugen, sowie zum Eiublasen 
ehien 11 Zoll langen und 1^/« Linien dicken elastischen Katheter, 
welcher an einem Ende geschlossen und mit zwei seitlichen 
Fenstern versehen ist Er führt ihn möglich tief in die Tra- 
chea ein und sucht dann durch Aspiriren die Trachea zu 
reinigen. Dieses Verfahren ist von allen bisher angegebenen 
das zweckmässigste 1) weil man einen elastischen Katlieter 
leicht bei sich tragen kann; 2) weil derselbe wegen seiner 
Biegsamkeit sich leicht der Form des Respirationskanals an- 
passt und so weniger verletzend wu*kt, als ein metallenes 
Instrument. 3) Weil er beliebig tief eingeführt werden kann, 
und nicht jede zufällige Bewegung des äusseren Endes mit 
hebelartig verstärkter Kraft auf das andere Ende überträgt 

Da ich jedoch öfter gefunden habe, dass, besonders wenn 
die aspirirte Flüssigkeit viel Meconium enthielt, die Fenster 
des Katheters bald vollständig verstopft waren, weil dieselben 
selbstverständlich, da das ganze Instrument nur V/^ Linien 
im Durchmesser hat, nicht sehr gross sein können, so habe 
ich mi(;h in letzterer Zeit eines unten abgeschnittenen und 
an den Rändern abgerundeten, also mit einer centralen Oeff- 
nung versehenen elastischen Katheters in gewöhnlicher Länge 
und lYa bis 2 Linien Starke zum Aussaugen bedient, was 
den ganz bedeutenden Vortheil hat, dass man nicht genöthigt 
ist, den Katheter, um ihn zu reinigen, wenn er verstopft ist, 
wiederholt herauszunehmen und wieder einzuführen, was, ab-- 
gesehen von der Mühe, auch unnöthigen Zeitverlust verur- 
sadit. Mit einem solchen Katheter gelingt es in der Regel 
bei einmaligem Einführen die ganze Trachea, ohne dass sich 
der Katheter verstopft, durch Aussaugen von Flüssigkeit zu 
befreien. Es ist auch hierbei durchaus nicht nachtheilig, 
wenn man beim Einführen des Katheters die Bifurcation der 
Bronchien überschreitet, da man dann sogar noch einen Bron- 
chus zugleich mit entleert Erst wenn man in dieser Weise 
die Trachea, soweit es möglich war, von Flüssigkeit gereinigt 
hat, oder wenn solche überhaupt nicht darin waren, kann 
das Lufteinblasen von Nutzen sein; aber auch selbst dann 
noch muss man die Methode von PagenstecKer \»v^ Tood.- 



198 X- SUmpelmann, Kritisches and Experimentelles über imM 

goot als höchst fehlerhaft he zeichnen, weil sie besonders den 
Fehler hat, der allerdings mehreren Arten des Einbtasens 
mit Instrumenten auch anhaftet, dass die meiste eingehlasene 
Luft durch die Speiseröhre in den Hagen, und nur wenig, 
ja in den meisten Fällen gar keine Luft in die Luftröhre 
dringt. . Dieser Fehler kann sogar dadurch, dass der ausge- 
dehnte Magen das Zwerchfell noch mehr nach oben w6lbl, 
und so die Lungen zusammendrückt, die Einleitung des 
Athemprocesses gerade verhindern. Selbst das ton Einigen 
empfohlene Andrücken des Kehlkopfes gegen die SpeiserShre 
(Monro) vermag diesen Uehelstand nicht zu beseitigen. Ein 
Beweis hierfür ist schon die Behauptung Albertus (L c. pag. 
283.) dass ihm in sehr zahh^eichen Versuchen das Luflein- 
blasen mit dem Munde gar nicht, mit der Canüle nur müh- 
sam und höchst unvollkommen gelungen sei. 

Wahrscheinlich durch die eben gerügten Mängel veran- 
lasst, haben die meisten anderen in unserer literarisch-histo- 
rischen Uebersicht erwähnten Autoren das Lufteinblasen mit- 
tels Instrumenten empfohlen. Alle hierher* zielenden Vor- 
schläge kann man in zwei Klassen eintbeilen, nämlich 1) in 
solche, welche durch Instrumente mittels Blasebälgen, Pum- 
pen, Spritzen, Gummiballons u. dergl. (AitkeUj Hill, Leray^ 
Rondet, Lafargue^ Moore, Kopp, Meunier, van Marvm, 
van Honten, Pia, Kitte, Gorcy und Conßgliachij Pä- 
schaft und Andere), und 2) solche, welche durch Instru- 
mente mittels des Mundes einblasen wollten. 

Die erste Klasse ist schon aus dem Grunde zu ver- 
werfen, weil die Kraftäusserungen dieser Apparate nicht so 
vorsichtig bemessen werden können, als es die Umstände 
jedesmal verlangen. Ein wenigstens mit der den Apparat 
bewegenden Hand nicht bemerkbarer Widerstand spannt den 
Luftdruck zu einer solchen Höhe, dass gefahrliche Zerreis- 
sungcn die Folge davon sind; auch führt man endlich der- 
gleichen Geräthschaflen nicht immer mit sich. Die umständ- 
liche Beschaffung und Handhabung des reinen Sauerstoff- 
gases (Hill, John Murray) sowie die gemachte Erfahrung, 
dass die gewöhnliche atmosphärische Luft weit besser ver- 
tragen wird, haben auch die Anwendung dieses Mittels, ab- 
gcsehen davon, dass dieselbe äuc\\ A\e e\jtÄ ^^t>\^VÄCL Hädgd 



Lvffceinblaaen zur Wiederbelebung asphykt. Neugeborener. 199 

des Einblaseos durch Apparate trilTl, als nachtheilig und 
schlecht erscheinen lassen. 

Die zweite Klasse, nämlich das Einblasen durch Instru- 
mente mittels des Mundes triill dieser Vorwurf der unbe- 
messbaren Kraft nicht, und es kommt bei ihrer KlassUicatiou 
mehr darauf an, ob sie tief genug in den Respirationskanal 
hineinreichen, um nicht das Einblasen von Luft in den Magen 
anstatt in die Lungen zuzulassen. Man wird daher schon a priori 
einsehen, dass die bei geschlossenem Munde und einem Nasen* 
loch in das andere Nasenloch einzuführenden Instrumente {Mar- 
ohatU, Cred4) jedenfalls die schlechtesten smd. Ganz eben so 
schlecht sind alle die Instrumente, welche nur bis zur Zun- 
genwurzel reichen (Stnellie, Monro etc.). Kaum etwas besser 
sind die nur ein wenig in den Kehlkopf reichenden metallenen 
Tuben (Chaussier) auch noch aus dem Grunde, weil man sich 
bei ihnen nie recht überzeugte, ob sie auch wirklich in der 
Luftröhre und nicht in der Speiseröhre lagen, und weil stets 
Luft an ihnen vorbeistreichL Dass besonders letzteres recht 
auilallig der Fall sein musste, sehen wir aus der Angabe 
vieler Autoren dass man hei der Anwendung dieser Tuben 
die Lippen und Nasenlöcher der Kinder zuhalten solle 
{M. Clintock und Hardy etc.), und dass dieselben an diesen 
Tuben Schwämme, Scheiben, Verdickungen etc. anbrachten 
(Chaussiery Vdpeau), welche die Luftröhre nach oben hin 
verschlie^sen sollten. Aber auch der schon oben bemerkte 
Uebelstand, dass metallene Instrumente zubillige leichte Be- 
wegungen des äusseren Endes mit hebelartig verstärkter Kraft 
auf das andere Ende übertragen und so leicht Quetschungen 
und Zerrungen, wenn nicht gar Zerreissungen so zarter Theile 
bewu'ken können, welche, selbst wenn es gelingt das Kind 
wieder zu beleben, sctiliaune Folgen nach sich ziehen. 

Es empfiehlt sich daher auch zum Lufteinblasen am meisten 
ein elastischer Katheter {Evrat, Velpeau, Hüter). Hüter 
wendet sowohl zum Aussaugen, als zum Einblasen einen und 
denselben Katheter von 11 Zoll Länge und 1^2 Linien Dicke 
mit zwei seitlichen Augen an. Jedoch bietet der elastische 
Kdthet,er, wenn man Um zum Einblasen verwendet^ eine Ge- 
fahr, welche keines der übrigen angeführten Instrumente in 
gleichem Grade darbietet. Es kann namYvcVi ^M^%^\^\^^\!L>^OeN. 



200 X. «S^^flipd^fnan», Kritisches and Experimentellea Aber dM - 

leicht geschehen, dass man mit einem so dänneo Katheter 
die Bifurcation der Bronchien überschreitend in eineo BroiH 
chus gelangt, dessen Lumen der Katheter ziemlich aosfüllt 
Bläst man dann ein, so wird nur die eine Lunge, und «war 
mit doppelter Kraft, aufgeblasen, so dass Zerreissungen und 
Emphysem unausbleiblich sind, während die andere Lunge in 
der Regel gar nicht ausgedehnt wird. Zum Beweiae hierfür 
vergleiche man Hüters eigene Worte (I. c. pag. 140. : „Einige 
Male habe ich die Ueberzeugung gewonnen, dass der Katheter 
in einen grösseren Bronchus eingedrungen sein musste etc/' 
Um nun diesem Uebelstande nach Kräften Torzubeugen, 
liess ich mir an meinem zum Lufteinblasen bestimmten Ka- 
theter, mit zwei seitlichen Fenstern, der nicht wie der von 
Hüter gebrauchte V/^, sondern zwei Linien dick ist, 3Vs 
bis vier Zoll vom vorderen Ende entfernt eine Harke in 
Form eines runden Wulstes anbringen, da die Länge des Re* 
spirationskanales vom Lippensaume bis zur Bifurcation der 
Bronchien in der Regel so viel beträgt Ich föhre dann diesen 
Katheter immer nur so tief ein, dass dieser Wulst sich zwi- 
schen den Lippen des Kindes befindet. Wenn man den Ka- 
theter, wie den meinigen, in einer Stärke von zwei Linien 
wählt, hat man kaum zu befürchten^ dass die eingeblasene 
Luft neben dem Katheter emporsteigt, und kann diess, wom 
es bei sehr grossen Kindern dennoch geschehen sollte, leicht 
d.urch eine geringe seitliche Compression der Trachea voll- 
ständig verhindern. Nur bei sehr kleinen Kindern ist ein 
Katheter von IV2 Linien Stärke bequemer einzuführen, und 
führe ich auch einen solchen, der S^^ ^oll vom vorderen 
Ende einen Wulst als Marke hat, stets bei mir. Ich ver- 
wende den zum Aussaugen bestimmten Katheter mit cen- 
traler Oeffnung nie zum Einblasen, da beim Blasen durch 
diesen der exspirirte Luftstrom ebenfaUs leicht bei einer 
etwas zu tiefen Einführung des Katheters, vor welcher man 
doch nie ganz sicher sein kann, da das Maass vom Lippen- 
saume bis zur Bifurcation doch oft variirt, nur eine Lunge 
mit allzugrosser Kraft treffen könnte, was bei zwei seitlichen 
Fenstern doch nicht in dem Grade der Fall sein kann. Man 
kann auch so verfahren, dass man Katheter, welche diese 



L«fleiiiblM6n zur Wiederbelebung aephykt Neugeborener. 201 

Marke nicht haben, 6o lief einfährt, bis man Widerstand 
fdhlt, und sie dann etwa Vs Zoll zurückzieht. 

Es wurde mich zu weit führen, wenn ich auf die zahl- 
reichen Annahmen über die Ursachen des Scheintodes, welche 
höchstens noch ein historisches Interesse haben, hier ein- 
gehen wollte. SchtcarU ^) hat das unendliche Verdienst, 
durch mustergiltige Experimente unleugbar bewiesen zu hahen, 
dass die Asphyxie Neugeborener allein eine Folge ist von 
dner Störung der respiratorischen Function der Placenta. 

Eine solche Störung tritt meistenstheils, abgesehen von 
einer vorzeitigen Ablösung der Placenta, Druck auf die Na- 
belschnur, Krankheit oder Tod der Mutter, erst und zwar 
fiist regelmässig, wenn auch in geringerem Grade, während 
der Geburt ein, dadurch dass sich der Uterus bei seiner 
Wehenthätigkeit zusammenzieht, wodurch natürlich einerseits 
das Lumen der im Uterus verlaufenden und der Placenta 
sauerstoifreiches Blut zuführenden Gefasse stark verengt, an- 
dererseits auch zuweilen schon einzelne Parthien der Pla^ 
centa losgelöst werden können. Dieser Zustand wird aller- 
dings in jeder Wehenpause theilweise wieder aufgehoben. 
Ist die Dauer der Geburt jedoch sehr lang, oder kann der 
Uterus in den Wehenpausen nicht hinreichend wieder er- 
schlaffen, und somit das Blut des Fötus sich nicht hinrei- 
chend wieder erfrischen, so tritt im Blute des Fötus Sauer- 
stoffmangel und Ueberfüllung mit Kohlensaure ein. Durch 
Traube*» Untersuchungen möchte als bewiesen anzunehmen 
sein, dass nicht, wie man früher meinte, eine Intoxication 
des Organismus durch die Anhäufung der Kohlensäure statte 
findet, sondern dass allein die mangelhafte Sauerstoffzufuhr 
die Athembewegungen auslöst, da man 1) die Athembewe- 
gungen längere Zeit hindurch gänzlich unterdrücken kann, 
wenn durch einen Apparat fortwährend Sauerstoff in die 
Lungen und die entstandene Kohlensaure ausgepumpt wird, 
und da 2) die Einathmung reiner Kohlensäure durchaus nicht 
schädlich auf den Organismus wirkt, wenn dieselbe nur mit 
ejner hinreichenden Menge Sauerstoff gemischt ist. So löst 



1) SehioartZy Die vorzeitigen Athembewegungen« Ll^V^ilK^^ 
1W6. 



202 X* SUmpdmanni Kritisches und Ezperitaientollas tfbor die 

auch der durch die oben angeführten Ursachen im Biute des 
Fötus entstandene Sauerstoffmangel bei diesem AtbembewB- 
gnngen aus^ welche, wenn sie erst nach der Gdiurt statt- 
finden, durch Einathmung atmosphärischer Luft sogleich die 
Asphyxie in ihrem ersten Beginnen wieder beseitigen. Siiid 
jedoch die äusseren Bedingungen zu dieser Selbsthälfe des 
Organismus noch nicht gegeben, so kommt die Fruebt mehr 
oder weniger asphyiitisch zur Welt, je nachdem der Sauer- 
stoffmangel schon längere oder kürzere Zeit gedauert bat 
Es lässt sich nun leicht einsehen, dass, wenn die Athem- 
bewegungen schon ausgelöst wurden, yvmn die Respiratioitt- 
Öffnungen des Fötus noch von Fruchtwasser, Geburtssdileim 
u. s. w. umgeben sind , diese Flüssigkeiten in die kindlichen 
Luftwege aspirirt werden müssen, was auch der Lekhen- 
befund bei solchen Kindern beweist. Da nun diese aspirirten 
Schleim- und Flüssigkeitsmengen bei asphyktisch sur Web 
kommenden Kindern ein mechanisches Hinderniss für das Ein- 
dringen der Luft in die Lungen abgeben, welches ganz ebenso 
wie eine Strangulation wirken und den Tod rasch durch Er- 
8tid(ung herbeiführen muss, so wie, wenn der Athmungs- 
process trotzdem in Gang kommen sollte, eine Ursache nach- 
heriger Pneumonie etc. sein könnte, so ist wohl die Bemü- 
hung des Geburtshelfers diese Flüssigkeiten bei asphyktisch 
zur Welt kommenden Kindern zunächst zu entfernen in jeder 
Hinsiebt als gerechtfertigt zu erachten. 

Nach dieser Auseinandersetzung ist es wohl einleuchtend, 
dass man nicht verschiedene Arten, sondern höchstens ver- 
schiedene Grade der Asphyxie unterscheiden darf, deren 
Hüter 1. c. 3. annimmt Man hat es denn auch bei der 
Asphyxie aller Grade zu allen Zeiten für das Wichtigste ge- 
halten, so schnell wie möglich die Respiration ordentlich in 
Gang zu bringen, zu welchem Zwecke man die mannigfaltig- 
sten Mittel in Anwendung gebracht hat Hauptsächlich hielt 
man Hautreize für wirksam, als: Reiben mit wollenen Tü- 
chern, Auftröpfelu und Aufspritzen von kaltem Wasser, Essig, 
Brandwein, Essignapbtha , Ammoniak auf die Magengegend 
und die Brust; Schlagen gegen den Hinteren, Luflanblasen 
gegen das Gesicht, Hiu- und Herschwingen, Reiben mit Ta- 
MäiierOj sowie ClysUre xouTAiÄV^^xjÄNss^Vc^^kftiie SchrD|if- 



Lüftainblasen zur Wiederbeleb an^ aspbykt. Neugeborener. 203 

kdpfe, die Acupunktur, das thierische Bad, Essig*, Wein- oder 
Weingeistclystire, Electricität auf die Respirationsnerven (Phre- 
nicus, Accessorius etc.), die ohne Erfolg gebliebene Trans- 
ftision, die Marshall ^aZZ*sche Methode etc. Viele dieser 
Mittel werden bei zweckmässiger Auswahl in leichteren Fällen 
von Asphyxie ersten und zweiten Grades fast immer zur Wie- 
derbelebung ausreichen; in schweren Fällen von Asphyxie 
zweiten Grades und bei Asphyxie dritten Grades, wo alle 
diese Mittel erfabrungsmässig gänzlich unwirksam sind, hat 
man ohne Zögern folgenderniaassen zu verfahren: Zu- 
nächst entfernt man mit dem kleinen Finger möglichst 
rasch den im Munde des Kindes befindlichen Schleim. Dann 
legt man auf den geöffneten Mund des Kindes ein dönnes 
Tuch und bläst durch dasselbe, indem man seinen Mund 
darauf setzt und dabei gelinde mit einer Hand den Kehlkopf 
des Kindes gegen die Speiseröhre drückt, in den Mund des 
Kindes schwach Luft ein, um in schon oben besprochener 
Weise den in der Rachenhöhle und den Cboanen befindlichen 
Schleim aus den Nasenlöchern lierauszublasen. Darauf fuhrt 
man den Katheter mit der abgerundeten centralen OefTnung 
in den Larynx ein, indem man mit dem Daumen der linken 
Hand den Kehlkopf des Kindes fixirt und dann den Zeige- 
finger derselben Hand im Munde des Kindes bis zur Zungen- 
wurzel hinunterschiebt. Hier fühlt man sehr deutlich den 
freien Rand der emporgerichteten Epiglottis als eine quer 
verlaufende, etwas harte Leiste, sowie etwas mehr nach hinten 
bei geöfiheter Glottis die Cartilagines arytaenofdeae als zwei 
deutlich unterscheidbare härtere Erhabenheiten ; ist die Glottis 
geschlossen, so ffihlt man nur eine härtere Erhabenheit, weil 
diese Knorpel alsdann sehr genähert sind. Der Aditus 
laryngis fühlt sich als eine Spalte in Form eines unregelmäs- 
sigen Dreiecks an, dessen Basis an der Epiglottis und dessen 
Spitze an den Cartilagines arytaenoideae liegt. Indem man 
nun die Fingerspitze auf die Cartilagines arytaenoideae auf- 
setzt, schiebt man den mit der anderen Hand schreibfeder- 
fftrmig gefassten Katheter an und unter dem im Munde be- 
findlichen Finger entlang bis in die Glottis und in die Trachea 
hinein, und überzeugt sich, dass der Katheter nicht in die. 
Speiseröhre gerutscht ist. Jetzt saugl n\au wvvV %««!ä\ä^>möää 



204 X- SUmpßlmanny KritiBcbet and Experimentelles fiber das 

an dem freien Ende des Katheters mögliebst allen Schleim 
aus, was in den meisten Fällen sofort die ersten Athomver- 
suche der Kinder zur Folge hat. Kommt jedoch das Athmeoi 
hierdurch nur mangelhaft oder gar nicht zu Stande, so muss 
man sogleich den zum Einblasen empfohlenen Katheter in 
derselben Weise, wie ich schon oben angegeben habe, in den 
Larynx einführen und lässt durch denselben, nachdem man 
jedesmal zuvor tief inspirirt hat, den ersten Theil der Exspi- 
rationsluft mit nicht zu grosser Kraft durch den Katbeter in 
die Lungen des Kindes. Hierbei legt man die rechte Hand 
auf die unteren Rippen und die Magengrube, um nach jeder 
Einblasung die Luft durch einen gleichmässigen , nicht zu 
starken Druck auf diese Gegend wieder herauszuschaffen und 
so die Respiration des Kindes künstlich nachzuahmen. Man 
darf nur so weit aufblasen, dass das Diaphragma sich nach 
unten wölbt, da eine Kraft, welche die Rippen hebt, leicht 
das Lungengewebe zerreissen kann. Bemerkt man hierbei, 
dass sich nur eine Seite der Brust hebt, resp. unter der 
darüber ausgebreiteten Hand vergrössert, so ist dies ein Be- 
weis, dass man mit dem Katheter in einen Bronchus gekom- 
men ist, und man muss sofort den Katheter etwas zurück- 
ziehen. ^ 

Immer bemerkt man schon nach den ersten Einblasungen 
eine Zunahme der Pulsfrequenz und die Reflexerregbarkeit 
der Medulla wird durch die Blutverbesserung so erhöht, dass 
man in der Regel bald leichte zitternde Muskelcontractionen 
und zuweilen Exspirationsversuch des Kindes wahrnimmt. 
In diesem Falle muss man aufhören einzublasen, jedoch da- 
mit sogleich fortfahren, wenn sich dieselben abermals sehr 
verzögern, bis endlich das Kind zuweilen unter Trachealras- 
seln, selbstständig athmet, oder man sich nach gänzUchem 
Aufhören des Herzschlages vom wirklichen Tode des Kindes 
überzeugt hat. 

Die Vorwürfe, welche man dieser Wiederbelebungsme- 
thode maclien kann, sind unzutreffend und leicht zu wider- 
legen, so die Einwände, dass die meiste eingeblasene Luft 
in den Magen und nicht in die Lungen gelange (Albert und 
Andere), und dass die Exspirationslufl zu reich an Kohlen- 
säure sei. Der Theil der Exsp\T^\\oii%V\i^^ vv^skhe man i6ch 



Liifteiiibla«€B lar Wiederbelebmig Mpfaykt. Nettgeborener. 205 

« 
einer tiefen Inspiration noch im Munde hat, ist nur sehr 
wenig kohlensäurehaltig. Das mit Kohlensaure so stark über- 
ladene Blut des Kindes kann an diese Luft noch hinreichend 
Kohlensaure abgehen , und findet ebenso noch Sauerstoff genug 
darin vor. Schon eher begründet ist der Vorwurf, dass bei 
unvorsichtigem Einblasen leicht die Lungenzellen zerrissen 
und Emphysem erzeugt werden könnte. Hüter (1. c.) sucht 
durch die Versuche von Arneth und Semmeltoeia zu bewei- 
sen, dass es selbst bei der grössten Kraft nicht möglich sei, 
Emphysem zu erzeugen. Diese Autoren bliesen jedoch nicht 
mit dem elastischen Katheter, sondern von Mund zu Mund 
ein, wo der Luft der Ausweg in den Hagen gestattet ist, 
wogegen bei Anwendung eines Katheters von gehöriger Starke 
die zum Einblasen verwendete Kraft allein auf die Lungen 
wirkt. Durch zahlreiche Obductionen von Kindern, bei de- 
nen das Lufteinblasen erfolglos angewandt worden war, habe 
ich mich überzeugt, dass bei vorsichtigem Einblasen niemals, 
bei starkem jedoch immer Emphysem erzeugt wird. Des- 
halb sind allerdings gewisse Cautelen nicht zu vernachlässigen. 
Schon die von Hüter (1. c. pag. 127; 129; 130 u. 144; 
131 u. 144) veröffentlichten fünf Fälle möchten im Stande 
sein, die Zweifler von der Vortrefflichkeit der Methode zu 
überzeugen. Ferner theilt A, Kosters sechs Fälle mit, welche 
ich kurz berichte, da das holländische Original den Wenigsten 
zugänglich sein möchte: 

6) (I. c. pag. 50.) Schulterlage ; Nabelschnurvorfall ; Wen- 
dung; starke Asphyxie zweiten Grades; Aussaugen und Luft- 
etnblasen mit günstigem Erfolg. 

7) (I. c. pag. 52.) Schädellage; Nabelschnurvorfall; da die 
Reposition nicht gelang, Wendung und Extraction. Asphyxie 
dritten Grades; günstiger Erfolg des Aussaugens und Ein- 
blasens. « 

8) (1. c. pag. 54.) Steisslage ; Asphyxie zweiten Grades ; 
Aussaugen und Einblasen hatten guten Erfolg. Das Kind 
starb nach 11 Tagen an angeborener Schwäche. 

9) (1. c. pag. 56.) Schädellage. Forceps wegen sinken- 
der Frequenz der Herztöne. Am Rumpfe anliegend fand sich 
eine Nabelschnurschlinge. Asphyxie zweiten Grades v %^\>\'ew- 
gene BelehuDg durch Aussaugen und Eu\\Aa%^u, 



X. SUmptlmtmny Kritiscbet und Exp«rinieaUU#fl iber ^ 

10) (L c. pag. 58.) Scbädellage. Nabelgcbourscblinge um 
den Hais. Asphyxie zweiten Grades; Einblasen; gelungene 
Belebung. 

11) (1. c. pag. 60.) Lange Geburtsdauer; Scbädellage. 
Nabelschnur um den Hals; Asphyxie dritten Grades; durch 
Aussaugen und Einblasen gelungene Belebung. 

Schliesslich reihe ich vier ?on mir im klinischen Institut 
fdr Geburtshulfe zu Berlin beobachteten Fälle an: 

12) II. Steisslage; Extraction; Asphyxie drit- 
ten Grades; das Kind wird durch Lufteinblasen 
eine Stunde am Leben erhalten. Der unverehelichten 
21 J. alten C. H. Primiparae wurde nach 29 stündiger Ge- 
burtsarbeit zuletzt unter stürmischer durch Seeale erregten 
Wehen am 21. September 1864 Nachmittags 1 Uhr ein star- 
kes wohlgebautes Madeben in zweiter Steisslage mittels Ex* 
traction, weil die Herztöne langsamer wurden und das Frucht- 
wasser schon sehr früh abgeflossen war, geboren. Es machte 
einige schwache Respirationsversuche, und da die gewöhn- 
lichen Hautreize sich zur Wiederbelebung als unzulänglich 
erwiesen, versuchte ich den Katheterismus des Larynx, und 
schaflle zunächst durch Ansaugen eine ziemliche Menge zähen 
Schleimes heraus. Sofort machte das Kind eine gewalt- 
same In- und Exspiration, und stiess dabei unter Röcbebi 
noch mehr Schleim hervor. Als sich durch Aussaugen kein 
Schleim mehr herausbringen liess, und die Athemversuche 
wieder aufgehört hatten, begann ich vorsichtig damals noch 
mit dem von Hüter angegebenen elastischen Katheter ohne 
Marke und mit zwei seitlichen Fenstern Luft einzublaseo, 
wodurch sich die sehr verlangsamten Herzconlractionen sofort 
verschnellerten. Eine Stunde nach der Geburt waren dieselben 
jedoch nur noch in Intervallen von fünf Secunden wahr- 
nehmbar und erloschen bald ganz, ohne dass.es gelang, trol? 
fortgesetztem Einblasen, das Kind wieder zu beleben. Bei 
der Section, weiche ich am 28. September 1864 Vormittags 
11 Uhr vornahm, war es besonders aufTallend, dass an der 
vollständig lufthaltigen rechten Lunge selbst unter dem Mi- 
kroskop keine Spur eines Emphysems zu bemerken war, 
während sich die linke als davon ganz erfüllt zeigte. Wahr- 

scheinlich war ich mit dem ILaAieV«^ ^ vi^Vc^^ keisk« Marke 



LvfteiBblateB rar Wiedcrbtlebaog aspbykt. HeBfaborener. 207 

hatte, auch in den etwas weiteren Bronchus der linken Seite 
eingedrungen. 

13) U. Steisslage, ein im dritten Grade asphyk- 
tischer Knabe durch Lufteinblasen l^s Stunde 
am Leben erhalten. Frau Sehn., 32 Jahre alt, IL Para, 
von kräftigem Körperbau, rief am 8. August 1864 Nachmit- 
tags 5 Uhr poliklinische Hülfe an. »Das Kind fand sich in 
zweiter Steisslage, das Becken der Frau hinreichend weit. 
Die Wehen waren schwach und der Muttermund erst nach 
guten 7 Uhr völlig erweitert. Um 9Vt Uhr kam der Steiss unter 
Wehen zum Einschneiden. Die Arme Hessen sich leicht lösen, 
und eben so leicht folgte der Kopf. Das Kind war im dritten 
Grade asphyktisch. Beim sofort angewandten Aussaugen ging 
▼iel zäher Schleim durch den Katheter, und dieses so wie 
das ebenfalls angewandte Lufteinblasen bewirkten Athemver- 
suche, welche zuweilen minutenlang sich selbstständig fort- 
setzten, dann aber jedes Hai langsamer wurden und ganz 
aufhörten, und erst durch abermaliges Lufleinblasen wieder 
Ton neuem begannen, bis nach 1^2 Stunden auch dieses 
nicht mehr wirkte und auch der Herzschlag aufhörte. Die 
Section wurde leider nicht gestattet. 

14) Querlage; Wendung und Extraction bei 
Beekenenge, ein im dritten Grade asphyktischer 
Knabe durch Schleimaussaugen und Lufteinbla- 
sen wieder belebt. Frau H. spurte am 21. Novem- 
ber 1864 Mittags kräftige Wehen, welche gegen 7 Uhr 
Abends den Blasensprung bewirkten. Das Kind fand sich in 
erster Querlage. Die Frau wurde auf die linke Seite gela- 
gert und narkotisirt. Die Wendung gelang dem anwesenden 
Secundärarzt leicht nach Ergreifung des rechten Fusses. Die 
Lösung der Arme war jedoch sehr schwierig; denn der 
rechte Arm (hinten) war in den Nacken geschlagen und seine 
endliche Lösung nur mit einer Fractura claviculae möglich. 
Auch die Extraction des Kopfes maclUe grosse Schwierig- 
heiten und gelang erst nach einiger Zeit Das Kind war im 
dritten Grade asphyctisch, athraete nicht und hatte nur sechs 
Herzcontractionen in zehn Secunden. Durch den sofort ein- 
geführten Katheter zog ich zwei Mal viel zähen Schleim, ohne 
dasB das Kind hierauf merklich reagiTl^ t^^^ ^^\»\ X^^SNr 



X. S tem p e imm m^ Kritisohet mid ExperimeatollM Iber Am 

einblasen nahm jedoch die Pulsfrequenz sofort stark zu, imd 
es zeigten sich zunächst selbstständige Bemühungen des Kin- 
des, die eingeblasene Luft wieder zu exspiriren. Bald kam 
es sogar zu unregelmässigen AthemversucheD, welche sich 
durch Hautreize, warmes Bad mit kalten Begiessungen elc. 
nach '/4 Stunden so besserten, dass das Kind schrie. Am 
23. November 1864 befand sich die Wöchnerin wohl, das 
Kind jedoch hatte ein Cephalhaematoro auf dem rechten 
Schläfenbein, welches gegen das Promontorium gedrückt wor- 
den war und trank schlecht. Am 25. war das Kind ganz 
wohl und trank auch gut. Die an der Frau vorgenommene 
Beckenmessung ergab: Spin. 97/, Cr. Q'/«'', C ext. 6^ 
Obl. sin. l^W^ d. 8'% C. diag. nicht zu bestimmen. Nach 
den Gliedmaassen zu urtheilen, waren die Knochen sehr dünn, 
weshalb die Conj. vera wohl etwas länger sein konnte, als sich 
aus obigen Zahlen ergeben würde. Dem Kinde wurde ein Klei- 
sterverband angelegt und nach vier Wochen wieder abge- 
nommen, wo sich die Fractur geheilt und das Kind krfiflig 
und gesund fand. 

15) IL Querlage; Wendung; Asphyxie dritten 
Grades; gelungene Wiederbelebung durch Schleim- 
aussaugen. Frau L. rief am 5. April 1865 poliklinisclie 
Hülfe an. Das Kind fand sich in H. Querlage. Die Wen- 
dung auf den linken Fuss ging leicht von statten. Bei der 
Extraction fand sich das Kind auf der fast pulslosen Nabel- 
schnur reitend. Die Herz tone waren noch ziemlich frequent. 
Beim Katheterismus sog ich viel blutigen Schleim aus, was 
sogleich Respirationsversuche zur Folge hatte, die sich bei 
fortgesetzten intensiven Hautreizen nach circa einer halben 
Stunde bis zum lauten Schreien besserten. Bei der Auscul- 
tation fand sich noch einige Tage Rasselgeräusch auf der 
Brust. Als ich das Kind nach sechs Wochen wieder sah, 
befand es sich wohl. 

Wenn gleich ich nur in zwei Fällen ein dauernd gün- 
stiges Resultat durch den Katheterismus erreichte, so kann 
man das der beiden anderen Fälle nicht gerade ein ungün- 
stiges nennen, da es doch unter so schweren Umstanden ge- 
lang, die Kinder 1 und Vfi St. am Leben zu erhalten. Be- 
sonders erstaunenswerüi isl, ^\« r^%c\k ^^% VA^«»^ Aussaugen 



XI. A>pp«l,Beriol)t ttb. d.£r6ig»U8e d. gehvkrtah. Poliklinik etc. 209 

des mechanischen Hindernisses in leichteren Fällen Hülfe 
schafft. So haile Herr Geh. Rath Martin die Gute, mir 
mitzutheilen, dass er in zwei Fällen von starker Asphyxie, 
befifaMlUete, wie die Kinder das blosse Schleimaussaugen 
mittels eines starken Katheters mit ^centraler Oefifnung durch 
soogute^Respirationsversiiche beantworteten, dass starke Haut- 
reize zur vollsftändig(in Belebung schon ausreichten und das 
Lufteinblaaea ganz unterlassen wenlen konnte. 



XL 

Bericht über die Ereignisse in der unter der Lei- 
tung des Herrn Hofr. Prof. Dr. Hecker stehenden 
geburtsbttlflichen Poliklinik der kbnigl. Ludwigs- 
Haximilians-TTliiversltät in«Mttnchen vom 1. Octo- 
ber 1863 bis zum 30. September 1865 

von 
Dr. Poppel, 

Privatdocent, HUIfsarzt an der geburtnbttlfltchen Poliklinik und praktischer 
Arzt in MUnchen. 



1. Allgemeine Statistik. 

In den letzten zwei Jahren wurden in der Poliklinik* 
989 Geburten beobachtet. Dieselben vortheilen sich auf 
415 verheiratbete Frauen 
und 574 ledige Personen. 
Die Geburten kamen vor bei 320 Erst- und 669 Mehr- 
gebärenden. 

. Von den 989 Gebärenden waren 33 15—20 

483 20—80 
' = 408 30—40 

66 40—60 Jahre alt. 
■ '<t Einfaeh« Geburten wdrden 959 

Zwi}}'mg$geburten 30 bcoWiMfiV. 

MoBMtMtebr, f. OebnrUk. 1600. Bd. XXVlII.,Htt.a. ^^ 



210 XI. Fapp^, BeriohtÜb. clie ßr^ffolMeidcr gre^iti^P^tikllBlIi 

Zeilig traten ein 861 
frflhzeilig 79 . 

unzeitig 49 Geborten. • 

Im Ganzen wurden 999 Früchte geboren. Bei 20 AbMteni 
wnrdif) kein Embryo gefunden. 

Von den 999 PrOobten waren 640 mimil. GetfcMMiitt, 

444 weibl. ■ :•■ i» 
16 unbesÜMMtl 
Die Geburt der Kinder erfolgte 

in Scbeitellage 804 Mal/ 

,, Gesichtslage 24 „ 

„ Beckenendlage 93 „ 

„ SchulterJage 36 „ 

„ unbestimmter Lage 42 „ 
Von den 999 Kin<lern wurden 869 lebend, 

85 todt, und ' * 

45 leb^iMiinrihig f^' 
bor«iu- 
Vyon den 85 todtgeborenen KiBderu waifen . .« 

vor der Geburt abgestorben 40 ,. , 
während derselben 45. 

Von den Wöclmeriniien erkrankten 35 und starben wäh- 
rend der (lebnrt und im Wochenbett!) 20. 

IF. Physiologie der Geburt. 

a) bcheitellayeii. 

Von den 804 Scheitellagen waren 533 erste Scbeitellagen, 

243 zweite „ 
16 erste Vorderschei- 

i.tellage, 
12 zweite Vorderschei- 
telJage. 
Von den 28- in Vorderschei tellag« geborenen . Kin- 
dern war nur eines frühzeitig, aus dem achten Monate. 
Siehen Mal musste bei dieser Lage die Zange angelegt wer- 
den,, worunter drei xMal mit ungunstigem Ausgange für die 
\\m\er. Zwei Mal kam bei der £xtr«ciioi| inii der Zange 
ein Dammrh^ xn SlHiule.» ^ • mV 



• «lUrkön. Liidfri|NMaxiiniiiaMi-DjiiYeniiiätin Mttnehen atc. ^211 

ii>i . : b) ^esiehtslagreiu . 

= i hl Gcsiclitslage wurdon 14 Knaben und lO Mädchen ge- 
boren. Sie stellten sidi in 1.' Gesichtslage 14 Mal, 

i • v^ 2; Stirniage 2 „ 

zur! Geburt Sämmtliche Kinder waren ausgetragen. Von 
d«n MiiUem waren 8 E^rst^ und 16 Mebrgebärende« 

23 Kinder kJarmeu lebodd, worunter 4 minder asphyk- 
lisch, 1 Kind kam ohne Kunsthnlte. todl zur Weit, und trug 
die Zeichen schon längeren. Abgeslor bensein s an sich. Mit 
der Zange wurde vier Mal . die Geburt beendet, und zwar 
drei Mdl bei Gesichlslage xxtui ein Mal bei Stirnlage. 

Die Indicalion zur Anlegung der .Zange gab ein Mal das 
Ausbleiben der Dotation des Gesichtes im Beckenausgange, 
ein Mal Abgang von Meconium, ein Mal ödematöser Damm, 
ein Mal Stirnlage. Diese vier Ffdle nebst der anderen ohne 
Kunsthiilfe vcrlaufrnen Stirniage sollen nachher kurz mitge- 
theilt wei;(|en. .Hier moclile ich nur einige Worte Ober die 
noch innnor streitige Aetiologie dci; Gesichtslagen anfügen. 
BekanntUcb hat Hecker (Klinik der Geburtskunde 1. und 2. 
Band) nach den genauen Messungen bei* 43 in Gesichtslage 
geborenen Kindern die Configuralion des kindlichen Schädels 
^Is das Ilauplmomont zur Entstehung einer Gesichtslage be- 
tont. jA" der Existenz dieses charakteristischen Typus (Ver- 
kärzung de« senkrechten , Verlängerung des geraden Durch- 
messers) kann danach nicht gezweifelt werden. Es wurde 
nur von einer Seite der Einwurf erhoben (Knnecke in Schu- 
chardt's Zeitschrift, für prakt, lleilk. 1864. Seite 410.), diese 
eigfnthümliche Form des Schadeis sei nicht die Ursache, 
sondern «lie Wirkung der Gesichtslage. Von vorn herein 
scheint dieser Einwand ganz treffend, denn es ist sicher, dass 
bei' Gesichlslagen die Gegend der grossen Fontanelle gegen 
die Beckenwand gepresst und dadurch abgeflacht wird. We- 
niger einleuchtend ist die Behauptung Künecke's, dass der 
Schädel- vor Beginn der Wehen niemals diese Gestalt, son- 
dern die mehr minder ovoide besitze, da weder dafür noch 
dagegen ehi Beweis beigebracht werden kann. Die Haupt- 
sache jedoch ist, einmal, dass die in (■esiehtsla^c c^^isc^v^- 
n^H' SchadeJ ihre charwfcteristische Varm* t\\i«\\\. \\\ A^w vv^v^vi 



212 XI. Poppet, Bericht üb. die EreigDitte der gebnrteli. Poliklinik 

24 Stunden einbüssen, wie das der Fall ist bei anderen durch 
den Druck des Beckenkanals erzeugten DifTormitäten des Scha- 
deis, sondern dass sie auch noch nach Tagen, ja sogar 'im 
sceletirten Zustande die eigenthAmliche Configuration zeigen. 
Ferner findet sich letztere auch in solchen Fällen, wo Yon 
einem Drucke, der zu einer bestimmten Conformation des Schä- 
dels hinreichend gewesen wäre, nicht im entferntesten die 
Rede sein kann, also namentlich bei in Gesichtslage gebo- 
renen frühzeitigen Kindern, und bei Gesichtsgeburten Mehr- 
gebärender, bei den^n die zweite Geburtsperiode vielleicht 
nur eine Viertelstunde gedauert hat. Als Beweis dafür kön- 
nen mehrere sceletirte Schädel, die sich im hiesigen Gebär- 
hause befinden und Kindern angehörten, wekhe in den er- 
wähnten Umständen in Gesichtslage geboren wurden, ange-. 
führt werden; die Verhältnisse, die hierbei obgewaltet haben, 
lassen sich in tabellarischer Form folgendermaassen wieder- 
geben : 



1^ 


Datum 

der 
Geburt. 


.2« 




Dauer der 2. 

Periode. 

Natur oder 

Kunst. 


Beschaf- 
fenheit 

des 
Kindes. 


Wie lange 
nach der 
Geburt 
gelebt. 


Maasse des Schi- 

delfl gleich nach der 

Geburt nnd Dich 

der SceletiruDg. 


1. 


26. 2. 62. 


Erste. 


Zweite. 


V.Stunde. 


Mädchen. 


Todtge- 


Umf.diag.grHd.qoer. 
37 14 V, 14 10 










Zange wegen 


77,0 Pfd. 


boren. 


33 127^11% 9 










Querstand 
















der Gesichts- 
















linie. 








2. 


5. ö. 63. 


Erste. 


Erste. 


V« Stunde. 
Natur. Blu- 
tung ex ato- 


Knabe. 
67« PM- 


8 Tage. 


36 137^ 13 9', 
33 127,11% 9 




1 




nia uteri. 








.S 


9. 9. 64. Erste. 


Erste. 


7^ Stunde. 


Mädchen. ,asphykt., |36% 127^ 12»/^ 8 










Natur. 


5%«PM. 


nicht wie- 31 12 11 « 
der be- 
lebt. 


4. 


11.11.64. 


Erste.jErste. 


1 Stunde. 


Mädchen. 


todtfaul 35 18 12 S'/i 










Natur. 


6V,Pfd. 


geboren. 


83 12'A llV. «'. 



Aus dieser Tabelle ersieht man, dass sich die VerUll- 
nisse der Kopfdnrchmesser WTiV^t m^Ti&^x ^^w\% ^jBanderlf 



derkön. Ladwig-Maximilians-Univerattttt in Muncben otc. 213 

dass demnach unmöglich die Schade! bei der Geburt eine Ge- 
stalt gehabt haben können, die nachher verloren gegangen 
ißt. Auch lehrt eine einfache Besichtigung derselben, dass 
nirgends eine Spur von Verschiebung der Knochen durch die 
Geburt zu entdecken ist; es. sind eben Dolichocephali , und 
waren es auch schon, bevor sie das Becken passirt hatten* 

Die fünf vorher erwähnten Fälle sind folgende: 

1) Bei einer 23jährigen Zweitgebärenden hatte die Eröffnnngs- 

periode 20 nnd die Anstreibungsperiode 8 Standen gedauert. 
Das Gesicht lag in erster Lage vor, und war dnrch vier 
Standen schon bei jeder Wehe sichtbar; die Rotation des 
Kinnes wollte jedoch nicht za Stande kommen, die Gesichts- 
linie verlief vielmehr im qaeren Darchmesser, ja das Kind 
war eher noch etwas nach hinten gegen die rechte Symph. 
sacr. iliac. gerichtet. Es wurde die Zange im rechten schrU- 
gen Durchmesser fast über Kinn nnd Stirn angelegt, nnd 
durch vier Tractionen eine Rotation des Gesichtes innerhalb 
der Zange bewirkt. Bei der Extraction kam ein kleiner 
Dammriss su Stande. Das Kind, ein reifer Knabe, war hoch- 
gradig asphyktisch, wurde aber bald belebt. 

2) Bei einer 30jährigen Erstgebärenden ging nach einer 48tün- 

digen Dauer der sweiten Geburtsperiode beim Stande des 
Kopfes in zweiter Gesichtslage im Beckenausgange Meco- 
nium ab. Dnrch die Zange wurde in drei Tractionen ein 
hochgradig asphyktischer, nach zehn Minuten belebter 50 
Centimeter langer Knabe entwickelt. Die Nabelschnur war 
drei Mal fest um den Hals geschlungen nnd 80 Centimetor 
lang. 

3) Bei einer 23jährigen Erstgebärenden sah man sich wegen 

eines sehr ödematösen Dammes veranlasst, den in zweiter 
Gesichtslago vorliegenden Kopf mit der Zange langsam zu 
entwickeln. Wenn auch im Allgemeinen die Zweckmässig- 
keit der Zangenanlegung zum Zweck des Dammschutzes mit 
Recht bestritten werden kann, so wäre man in diesem Falle 
bei Umgehung der Zange in das Dilemma gerathen, entweder 
gegen das Gesicht des Kindes oder gegen den brüchigen 
Damm einen schädlichen Druck ausüben zu müssen. Der 
Damm blieb erhalten; das Kind war ein lebender Knabe von 
51 Centimeter Länge. 

4) Bei einer 24jährigen Erstgebärenden fand man das Kind in 

zweiter Stirnlage vorliegend. Nach 128tündiger Geburtsthä- 
tigkeit war der Kopf bis nahe an den Beckenausgang ge- 
treten, blieb aber da, bei allerdings BchwÄtVi^ÄTiN^^^tvTv^wfi 
Standen Ung stehen. Endlich ^urde tciVV, 3Löt Taäxv^^ ^V\i^ 



21 l Xr. Pappel^ Bericht ab. die Erdignisno tt^t gebnrtsfa. FoUklinlk 

grosse Mühe ein asphykt. belebtes M&dchen von n|tt}erer 
Grösse entwickelt. Sehr starke Stimgeschwulst Üttks. 
5) Eine 34jührige Siebeintge bärende kam nach nur ,28ttindi^er 
Dauer der zweiten Periode mit einem lebenden Rfnaben' In 
zweiter Stiminge ohne Knnsthfilfe nieder. L&n^e den Kindes 
53 Ccntimeter. Kopfnmfang Sb Centimetor. Masnige Stirn- 
geschwulst links. 

e) Beckenendlagen. , ' 

Dieselben kamen vor bei 18 Ersl- und 75 Mehrge- 
bärenden. 

Von den 93 in Deckenendlagen geboreiH*» Kindero stelllen 
sich zur Geburt in 1. Steisslage 34 
„ 2. „ 15 

„ 1. Fusslage 17 
„ 2. „16 
„ Knielage 3 

unbestimmter Beckenlage 8 

Ü3~ 

24 Mal kamen Heckenendlagen [)ei Zwillingskindern ver. 

Zeitig waren 66, frühzeitig und unzeitig 27 Kinder. 

Von den Kindern wurden 
lebend geboren 51 u. zwar 24 Knaben u. 27 Mädchen, 

aspbykt. geboren belebt 13 „ 4 „ 9 

tüdtgeboren 14 „ 7 „ 7 

tüdtfaul geboren 11 „ 7 „ 4 „ 

als Aborlivtiücbte 4 „ 3 „ 1 ,, 

93 45 48 

Demnach kamen mit dem Leben davon 64 Kimler = 68,8 % 
verloren das Leben wfdnend der Geburt 14 „ = 15,1 *7„ 
waren vor der (leburt gestorben oder 

iebensunlTdiig 15 „ = 16,1% 

Vier Mal war die Heckeneudlage mit AabelschnurvortaJi 
complicirt; dabei kamen drei Mal lebende, ein Mal ein lodles 
Kind zur Welt. 

Kunsthfdfe nmsste in 29 Ffdlen geleistet werden, wobei 

ein Mal eine Fractur des Oberarmes, ein Mal des Oberschenkels 

erxeugt wurde. Von eiuev \u ¥\\s^W^vi vg;t\\v>v\i\\«t«v isxvä^^^vUieten 



- ^itrkdn, Liidwig-Ifaximilfaiis-Univeraitittiti llühefaen et!o. ^15 

Frucht (Spina bifida anterior) wird später das Bemerkens- 
wertbe erwähnt werden. 



Die 30 Fälle von Zwillingsgeburten betreffen 6 Erst- 
und 24 Mehrgebärende. 

Die Kinder waren 15 Mal ungleichen 

und 15 ,y gleichen Geschlechts, 
und zwar 9 Mal zwei Knaben 
6 ,, zwei Mädchen. 
24 Zwillingspaare waren zeitig, 6 frühzeitig. Lebend 
wurden 50, todt 10 Kinder geboren. 

Es wurden folgende Lagen beobachtet: 





Kind in Scheitel-, 2. in Beckenlage 


10 Mal, 




„ „ „' 2. „ Scheitellage" 


r ,; • 




„ „ Becken-, 2. „ 


'5 .; 




„ „ „ 2. „ Beckenlage 


4 ■„ 




„ „ Scteitel-, 2. „' Schultierlage 


1 „ 




„ „ Schulter-, 2. „ Scheltcllage 


1 ,; 




„ ' „ Steisä-, 2. „ ScHulterfage 


"!' v ' 




Beide in unbküdiinter La^e 


1 " . 



30 . , 
Der Zeitraum zwischen den Geburten beider Kinder betrug: 
8 Stunden 1 Mal 



. 7'/a ; 


»» 


1 


» • 


5 


»> 


2 


»J 


3 


»• . 


2 


»> 


2 


• »» 


6 


»> 


IV2-I 


?» 


3 


»» 


Va 


I> 


6 


fl 


V4 


» 


9 


*} 



30 
. Doppelte Eihäute wurden in- 19 Fällen, gemeinschaft^ 
li'Ches' Chorion und doppeltes Amnion in einem Falle beobachtet. 
Die Placenten waren 11 Mal getrennt und neun Mal 
verwachsen. 

In 10 Fällen fehlen die genaueren Au^abea. 



216 ^^' Poppet, Beriebt üb. die EraigfiUie<Ur^¥«i1fh.PoUkliiiik 

Hl. Pathologie der Geburu , t 

a) Frtthgrebiirte»^ 
Von Aborten und Fruligeburten kamen 128 Fälle vor. 
Dem Alter nach waren die FfuchtD 



aus 


dem 


ersten 


Monate 


1 Mal, 




»» 


zweiten 


»» 


13 „ 




»» 


dritten 


»» 


23 „ 




»j 


vierten 


t» 


13 „ 




99 


funaen 


»> 


15 „ 




»? 


sechsten 


M 


11 „ 




9» 


siebenten 


» 


21 „ 




»? 


achten 


»» 


14 „ 




1> 


neunten 


?» 


17 „ 



128 

Was zunächst die Aborten betrifll (Eier bis zum Ende 
des vierten Monates), so kamen 49 zur Beobachtung. Dar- 
unter fand man in 20 Fällen keinen Embryo, oder höchstens 
Rudimente desselben oder der Nabelschmu*. In den übrigen 
29 Fällen, wo eine Frucht aufgefunden wurde, konnte 13 Mal 
das Geschlecht nicht bestimmt werden, 12 Mal waren es 
männliche, und vier Mal weibliche Fruchte. 

Von den 79 frühgeborenen Kindern (5 — 9 Monate) ka- 
men 29 (22 Knaben und 7 Mädchen) in todtfaulem Zustande, 

26 (16 Knaben und 10 Mädchen) frischabgestorben, und 24 
(9 Knaben und 15 Mädchen) lebend zur Welt. Von letzteren 
starben fünf gleich nach der Geburt und zwei in den ersten 
drei Tagen. 

Die Lage der frühgeborenen Kinder war 44 Mal Kopf-, 

27 Mal Beckenend-, und 5 Mal Schullerlage, drei Mal war 
die Lage unbestimmt. 

Stellen wir die Lagen aller Aborten und Frühgeburten 
zusammen, so wurden geboren in unbestimmter Lage 36 
Früchte: 

in Kopflage lebend 17, lodt 9, todlfaiil 18 = 441 

in Beckenendlage lebend 7, „ 8, „ 12 = 27 S 76 
in'. Schulterlage lebend — , „ 2, „ 3 £= ö) 

lebend 24, „ 19, „ 33 

16. 



dar kSn. T4«<lwig-Maximiliaii«-UiiiTenitKt lo Münebjni etc. 217 

Die Ursadie (kis.Aborius oder der Fruhgebiut koiinle 
kiuf in 28 Fällen ermittelt werden: nätnRch 
5 Mal tiefer Sitz der Placenta, 

3 Mal vorzeitige J^üsung der normal befestigten Placenta, 
.. 10 Mal Erkrankungen der Decidua und Blutungen zwischen 

i die Eihäute, 

4 Mal heftiger Schreck, 
1 Mal Fall, 

1 Mal Stoss, , 
i Mal Typhus, 

2 Mal Tod des Fötus durch Torsion der Nabelschnur, 

1 Mal Tod des Fötus durch llmscblingung der Nabel- 
schnur. 
28. 

Die sechs Fälle von durch Schreck, Fall oder Stoss 
bedingte!^ .frühzeitiger Geburt sind, kurz folgende: 

1) Eine 35jährige, zum siebenten Male schwangere Frau, hatte 

am 9. November 1863 zum letzten Male die Periode. Am 
.>3Q. Dezember 1863. ersehrak sie heftig über dM Herabfallen 
eiiies Ihrer K,inder« Sie vei^lp^ gfj^iob. darauf £lat,; bekam 
Wehen, und abortirta am 31. December upter heftigem Blut- 
flusse. Das Ei war acht Centimeter lang, drei Centimeter 
bi>6it, ganz normal, Brno rjjrü zerflossen. 

2) Eine SOjHbrige Fünftgebärende erschrak im •Anfatigitf des awel- 
.' teoi Monates, ihrer Sohwanger^chaft heftig! bei einem in der 

nächsten Nähe ihrer Wohnung stattftndenden Eiostura eines 
Neubaues, verlor sogleich Blut, dem bald -ein etwa vier 
Wochen altes ganz gesundes Ei mit erhaltenem Embryo 
nacfafblgte. 

3) Eine 29jährigo Zweitgebäreilde ersehrak iitt s^chriten Monate 

ihrer S<:hwange raub afr heftig ifi dem Anbliok eine« mit 14 
Messe jrstichep yer\i undeten Mannes, und spürte von da an 
keine Kindesrührung mehr. Am nächsten und. am .drittfol- 
genden Tage ging etwas geronnenes Blut unier Wehen ab, 
' die jedoch durch Morphium ' trfecfer sistirt werden konnten, 
und 11 Tage nach dem 8oh recke trat die Geburt eines 
:,|. mae«rirlQlr 32 Centimeter langen Knaben ein. , • / 

4): Eine. 2-lj ährige Zweitgebärende .erschrak am ,Ende des tech^^fi 
Monates ihrer Schwangerschaft über einen auf sie .losfah- 
renden Hund. Tags darauf traten Wehen ein, und es er- 
^ - 'folgte di^ Geburt eines Knaben, an dem bereits die Epider- 
• ' ;mi8 ab|^ättgig war. 



i218 ZI* P^PP^ B«riJ9ht üb. d<6 ErMpifti« ^r r«Mivlii]i; Ptfllkliaik 

9ftb an« to teohiiem MoiiAle ih#er SithwuiffeVMhaft dureb 
ein Bierfass lieftig auf d#f Ab40in«* geytoaata «onde» «n 
sein. Von da an spürte nie keine Kiadesrübri^fg , «nd kam 
etwi^ vier Wooben später mit einem bocbgradi^ m^edrtea 
Mftdcben von 40 Centimeter LSnJB^e nieder. ' ' 

6)'B!äie SSJftbrige ZwMt^faXreüde^ fiel im Atifangr«* den a^slttea 
Monates beim Wassertragen einige Trappen' Aber die Stiege 
berab, und fühlte von da an kein^ KiAdesrnbroAg tßnlkr^ Tagt 
darauf kam sie mit einem bereits abge8tort»epeii 44i Cen- 
timeter langen Knaben in Fasslage nieder. 
Sonst ist von den Aborten und Frühgebprte^ pichts 
Besonderes erwäbnenswertb« ausser etw;a npch, dä'ss nur in 
acht. Fällen die manuellp tösung des Eies wogen heftiger 
Metrorrhagie erforderlich war, und dass zehn Mal io Folge 
bedeutender Blutverluste eine längere Zeit nachwirkende Anä- 
mie und Erschöpfung auftrat. 

" .1 ■ t 

b) Geblirtslilndenilsse Ton der Mutter susgetieiid. 

. L Beckenf ebler 

Geburten, die durch ein enges Becken erschwert wur- 
den, sind 10 beobachtet worden, und zwat* je zwei Mal bei 
den zwei gleichen Personen. Die Mutter waren fünf Mal 
Erst-, zwei Mar Zweit-, ein Mal DriU-, ein Mal Viert-, und 
ein Mal Siebentgebäreude. 

In sieben Fällen gab eine verengte Conjugatä das Ge- 
burtshinderniss oder die Indication 'zu der könstltchen Früh- 
geburt ab. Ejn Mal wurde ein trichterförmiges^, im Ausgange 
beträchtlich verengtes Becken beobachtet, und zwei Mal musste 
man aus dem beträchtlichen Kraftaufwande bei Anwendung 
<lep Zange auf ein allgemein verengtes Becken schliessen. 

Von' den Müttern erkrankten 2wei und starb eine im 
Wochenbette. 

Es wurden sechs Knaben und vier Mädchen geboren, 
dav^n vier todt^ vier asphyktisch (1 nicht belebt, 3 belebt), 
zwei lebend. Sie stellten sich ac^t Mal in Scheilei-, und 
twei Mal in Scbulterlage zur Geburt In zwei Fällen bei 
zwei Scheitellagen fiel die Nabelschnur vor. 

Von der Zange wiu*de in acht Fällen Gebrauch gemacht, 

zwei Mal ohne Erfolg, so dass die Perforation und Gepha- 

hinpgie nachfolgen mussie; i^««^ VkA ^wniki^i&^ ^ ^tmduot 



, ^r ki^r\, Lud wigr- Maxi milifliif-irniverftititfc bq MUnoben eto: 219 

aus^'efuhrt, und zwei Mal konnte man die kunsüiclie Früh- 
Ijeburt zuf Anwenikmg bringen. 

Die PS1I(» sind folgende: 

IJ Ueber die zwei ersten Geburten einer jetzt zum dritten Male 
achwangerun 29jährigen Frau wurde in dem letzten Berichte 
(Monatsschrift für Gebnrtshülfe und Frauenkrankheiten. Bd. 
XXIV. Seite 62. Fall 5.) Mittheilung gemacht. Die Becken- 
maasse- hatten dumaU eine Oonjngata vera von 3" Ö"' erge- 
bep, und man hatte der Frau für die nächste Schwanger- 
schaft die künstliche Frühgeburt angerathen. Die letzte Pe- 
riode trat dies Mal Anfangs März 1863 ein, und man unter- 
nahm etwa in der 35. Woche die Operation. Am 3. Novem- 
ber früh 8 Uhr legte man mit Leichtigkeit eine Wachs- 
bougie in den Uterus, und Hess sie vier Stunden liegen. 
Schon eine halbe Stunde nach dem Einführen derselben 
traten leise Wehen ein, und es war nur ein zweitmaliges 
Einlegen der Bougie am selben Tage Abends von 4—7 Uhr 
nöthig, um regelmässige Geburtswehen zu erzeugen. Nach 
34 Stunden, am 4. November Abends 6 Uhr, war der Mut- 
termund vollkommen erweitert. Unter Chloroformnarkose 
wurde das in aweiter Schulterlage zweiten Unterart vorlie- 
gende Kind gewendet und extrahirt. Der Kopf wurde einige 
Zeit am Beckeneingange zurückgehalten, folgte' aber doch 
bald manuellen Handgriffen. Das Kind, ein Mädchen von 
46 Centimeter Länge und 32 Centimeter Kopfnmfang, war 
hoch^radij^ asphyktisch, konnte aber nach zehn Minuten be- 
lebt werden. Die Mutter blieb gesund, das Kind konnte nur 
mit Mühe zum Saugen an der Brust gebracht werden und 
stfirb zwölf Tage alt an Atrophie. 

2) Dieselbe Frau kam Anfang Juli 1864 wieder in guter Hoff- 

nun^% Hess sich dies Mal aber nicht zur Einleitung der Früh- 
geburt herbei. Am 12. April 1866 stellten sich am normalen 
Ende der Schwanf;;cr8chaft We^en ein, dia in acht Stunden 
vollkommene Erweiterung des Muttermundes bewirkt hatten. 
Das Kind la^ wieder in erster Schnlterlage 2. Unterart vor. 
Die Wendung und Extraction bis auf den Kopf gelang leicht, 
letzteror jedoch widerstand über 5 Minuten manueller Nach- 
hülfe. Endlich wurde das Hinderniss besiegt und ein asphyk- 
tischer nicht wieder belebter Knabe geboren. 

3) Bei einer 2r>jiihrigtin Erstgebärenden begannen am rechtzei- 

tigem Ende der Schwangerschaft am 7. September 1864 um 
.Mittag die Wehen. Mnn konnte sich gleich im Anfange der 
Geburt von einer beträchtlichen Beckenverengerung, über- 
. , zeugen, und m&s» eine Conj. diag. von 3" 6'''. 'Mt^Xi. %^x 
guter WchoD blieb der Kopf bis aum ^. \3>e\^\.em\i^x vmxiv^^ 



220 XI- Poppet, Bericht fib. die Ereis^nlsie der erebarteh. Poliklfoik 

hoch über dem Beckeneingange beweglich stehen, ob- 
wohl schon Tags vorher das Wasser abgeflossen und aneh 
der Mntterraund schon ebenso lange fast ToUkommen erwei- 
tert war. Es hatte sich allmälig eine betrXobtliohe Kopf- 
geschwulst gebildet. Am 9. September Abends 8 Uhr schritt 
man, da man von den sehr kräftigen Wehen nichts mehr er- 
warten konnte, nnd anch die Fleberanfregnng der Mutter 
eine baldige Entbindung wünschen liess, nnter Chloroform- 
narkose znr Anlegung der Zange. Das Kind lag in iweiter 
Scheitellage Tor, die Herstöne waren gani regelm&ssig. Die 
Zange hielt sehr gut» nnd man führte mindestens 30 Trac- 
tionen mit der äussersten Kraftanstrengung ans. Schliesslich 
musste man von dem vergeblichen Bemühen abstehen, denn 
man hatte den Kopf auch nicht um eine Linie ins Becken 
hineinbewegen können. Die Herstöne waren nach Ablegung 
der Zange noch ganz normal. Wfthrend man die Kreissende 
aus der Ohloroformnarkose erwachen Hess, kam man nach 
reiflicher Erwägung zu dem Entschlüsse, das lebende Kind 
zu perforiren, da der Ausführung des Kaiserschnittes die An- 
gehörigen entschieden widerstrebten. Nach einer Stunde, 
wHhrend welcher man Patientin sich etwas erholen liess, 
wurde neuerdings chloroformirt, und der Schädel sofort mit 
dem trepanförmigen Perforatortum angebohrt, wobei das Aus- 
weichen des noch immer beweglichen Kopfes einige Schwie- 
rigkeit bereitete. Der Scanzoni* sehe Kephalotribe konnte 
mit Leichtigkeit eingeführt werden, es floss auch sofort Ge- 
hirn aus, aber er glitt fünf Mal wieder ab, obwohl man ihn 
immer möglichst gesenkt zum Schlüsse brachte. Inzwischen 
hatte sich beträchtlicher Tetanns der Gebärmutter einge- 
stellt, und man fürchtete durch weitere Versuche mit dem 
Kephalotriben den Uterus zu sehr zu reizen. Da jedoch auf 
der anderen Seite die Entbindung wegen des erschöpften 
Zustandes der Mutter vollendet werden musste, entschloss 
man sich zu der Wendung auf die Füsse. Dieselbe bot aber 
auch wieder ganz ungewöhnliche Schwierigkeiten; nach ans- 
serst mühsamer Hernbholung des einen Fusses konnte sie 
nicht vollendet und musste auch noch der andere Fuss her- 
abgeholt werden. Auch dann noch, als der Steiss endlich 
in den Beckeneinfi^ang geleitet worden war, musste der Rumpf 
Zoll für Zoll mit der grössten Kraftanstrengung entwickelt 
werden, nnd namentlich wich der Kopf lange Zeit nicht den 
kräftigsten Tractionen, ja man wäre beinahe Gefahr gelau- 
fen, denselben abvureissen, denn plötzlich brach mit einem 
lauten Geräusch die Wirbelsäule entzwei, und der Rumpf 
und Kopf waren nur noch dnrch die Haut miteinander ver- 
banden. Endlich rutschle der Ko^^^ indem man am Unter- 



^r kiSn. Ladwig^MaxtmiUans-Ünivertitilt in IfUnohed ete. 221 

kiefer kräftig sog^, über das Promontoriam herab, und konnte 
entwickelt werden* Das Kind war ein Knabe mit den Zei- 
chen dek Reife. Die Plaoenta fol^e logleieh dem Crtd^- 
sehen Handgriffe. Die Entbindung hatte von 8 Uhr Abends 
mit einiger Unterbrechung bis 12 Uhr Mitternacht gedauert. 
Die Wöchnerin erwachte äusserst erschöpft (sie hatte über 
drei Unsen Chloroform gebraucht), konnte aber doch in der 
Nacht schlafen, und befand sich am anderen Morgen auffal- 
lend gut. Im weiteren Verlaufe des Wochenbettes trat auch 
nicht die entfe'rnteste Spur einer Reaction ein, der Puls stieg 
nicht über 86 Schläge, das Adomen war ganz schmerslos, 
nur in der Vagina bildeten sich einige Gescfaware, die sich 
diphterisch belegten, und die Urinentleerung musste wegen 
Lähmung des Detrusor Tosic^e mit dem Katheter vorgenom- 
men werden. Nach 14 Tagen wurde Patientin Tollkonunen 
gesund aus der Beobachtung entlassen. Es stellte sich später 
nur eine Incontinentia urinae ein, die aber nicht aaf einer 
Continuitätstrennung, sondern auf Lähmung des Sphincter 
beruhte, und einer Behandlung mit Strychnin bald wich. 
Eine nachträglich Torgenommene Beckeiimassung ergab: 



Spin. ant. sup. 


8V, Zoll 


Crist. oss. il. 


Ö% n 


Trochant. 


11 n 


Conjug. ext 


6V. . 


„ diagonal. 


3'/. n 


Vera 


2 n 



9 Linien. 

4) Dieselbe Person kam vier Monate nach ihrer ersten Entbin- 
dung wieder in die Hoffnung. In der sweiten Hälfte Januar 
1866 blieben die Regeln ans, und sie meldete sich in der 
ihr angerathenen künstlichen Frühgeburt. In der 86. Woche 
etwa schritt man zu der Einleitung derselban. Der Um- 
fang des Leibes betrug damals 86 Contimeter , der Fun- 
dus uteri stand eine Hand breit über dem Nabel. Der äus- 
sere Muttermund war geöffnet, der Cervicalkanal einen Zoll 
lang, der innere Muttermund geschlossen. Zur Vorbereitung 
wurde am 21. September die Uterusdouche öfters in Anwen- 
dung gelogen. Am Abend dieses Tages hatte sieh der in- 
nere Muttermund etwas geöffnet, so dass eine Bougie ein- 
geführt werden konnte, die vier Standen liegen blieb. Schon 
in der Nacht stellten sich alle Viertelstunden schwache We- 
hen ein, die bis sum Morgen des 22. den Cervicalkanal be- 
deutend verküraten und den inneren Muttermund so weit 
eröffneten, dass er für awei Finger durchgängig war. Ks 
wurde jetzt noch ein Mal die Bougie eingeführt und nach 
fünf Standen wieder entfernt, während welcher Zeit sich 
regelmässige, alle fünf Minuten wiederk^^T^m^^ "^^Vwi ^\tx- 



222 ^i' Poppet, Berieht tib. die GreigafsM der gebilrtoh.-Poliklloik 

steilhen. Am Abend dei 22. September war der Carvioälkanal 
yervehwnnden) der äneeere Mattermund-gnlden^rossj die We- 
hen häufig and kräftig, der Kopf Jag hocii.nüd unbeweglich 
■ Yor, Am 28. September Morgeis V^l Uhr sprang bei toII- 
komroen erweitertem Mntternunde die- -Blase, und- fiel neben 
<dem Kopfe eine NabelechnnmchHnge vor. Die Reposition 
gelatig zwar, nnd der Köpf trat bei kr&fUgen «Weben tiefer 
in das Beeken; bei der Kleinheit des ersteren jedoch fiel die 
Kabelsehnnr immer wieder Tor, sobald man die Hand snrnok- 
Boaiehen versnobte. Ks wnrde deshalb die Zange angelegt, 
nnd mit Jjeichtigkeit ein lebender Knabe entwickelt. Jjftnge 
des Kindes 44 Centimeter, Kopf^mfahg 30 Contimeter, Ge- 
wicht 4Vt: Pfd« oder 2250 Grammes. Das Kind schrie gleich 
naeh der Oebnrt kräftig, etarb jedoch nenn Stunden alt an 
Lebensschw&ehe. Die Patientin Terlioss am sechsten Tage 
Tollkommen gesund das Wochenbett. - 
5) Bei einer SOjäbrigen Erstgebärenden begannen an 19. April 
1666 am normalen Ende -der Schwangerschaft die Wehen. 
Man fand bei kronenthalergrossem Muttermunde die >Hand 
vorliegend, den Kopf nach links abgewichen. Durch Seiten- 
lage und äussere Handgriffe gelang es kurz vor dem Blasen- 
sprunge am Nachmittage dieses Tages den Kopf einzustellen. 
Man hatte sich schon vorhbr von einer ungewöhnlichen Ver- 
kürzung der Conjngata diagonalis überzeugt und dieselbe 
auf S" b'" gemessen. Die Wehen waren fortwährend äusserst 
kräftig, hatten aber 24 Stunden nach dem Abflüsse des Frucht- 
wassers auch : nicht die geringste Wirkung auf den Kopf 
hervorgebracht, der noch immer beweglich aber dem Becken- 
eingange stand; es hatte sich eine starke Kopfgeschwnlst ge- 
bildet. Jetzt wnrde, am 20. April Nachmittags 4 Uhr, unter 

- Chlor^oformnarkose die Zange angelegt. Einige Bwansig der 
schwersten Traotionen zeigten dio Unmöglichkeit, die Ge- 
bnrt auf diese Weise zu beenden, denn der Kopf rückte auch 
nicht im geringsten vorwärts. Da von der Hecfio caesarea 
abgesehen werden musste, so entsohlos« man sich, das noch 
lebende Kind zu perforiren, um für die Mutter- die günstig- 
sten Chancen zu erhalten. Die I'erforation gelang ohne 
Schwierigkeit mit dem nach der Beckensxe gekrümmten 
trepanfÖrmigen Perforatorinm. Der ScantonVBche Eepbalo- 
Iribe fasste und- zerquetschte den- Kopf gut, so dass Gehirn 
abfloss, aber er glitt zu wiudcrholten Malen aup, ebenso die 
nochmals angelegte lange Zange. Da mau sich wegen des 
Befindens derMnttor nicht zu längerem Znwnrten enrtschlirs- 
seii konnte, wurde die Wendung auf einen Fuss au^gefäbrt, 
die allerdings mit ziemlich viel Mühe verbundan war, na- 

' oieotKoh musste, um nncb entwickeltem Fiiese die Weadnng 



.' ' <jta»rklNi. Lsdntig-MäKimiiiMift ÜbivarMUt in If finehMk hU, 22^ 

•inToUeodeii «n dcöimdii, der doppeh« Haadgri£f angfevrcmdet 
'.: werden. J>«a «u Tage! gefördert«^ Kind war ein MMchen 
▼dn 61 CeBtimeter UUig^- DU WöchMrto-Uiieb' VoUkom- 
l-z/niMi ^aQhdf.tind konstft athon am achlea Tage da» Bett 
. ;- verlaaaei. Eine nacbtraglibhe Beekenmaasmig ergnb: 
■ ) .. < Spift. ant. aap. r B% ZolL' 

..•;. !Cri8t;'#S84 ili I "■^V, • n '"' 

■ -Tcdehapt:, -..•'; Mi .lltVi.:..^ . ,- 

CoBJvg.- exle^n. i . h*/i.. ,^' . ! i-. 

i: - - . .'.■■• ^ .diagonal.'-' 3.- ^-' -ö'Lipriea. ' 
„:,.. Vera ■ . -2. ■. „ S ' „ 

6) Bine Mjübrige Siebeolgabärende - hatte immter ohne Kanst- 

hiilfe, aber nach ihrer Aussage aoeh immer an früh, drei 
Mal aobon im siebenteii Monaie gebore», l^ies Mal erreichte 

• 4ie Stihwangeraohaft ihr normales Sode. Die Eröffnangs- 
period<tf danerte acht, die Austreibnngsperiode schon sieben 
Stunden, und der Kopf stand bodb itntner im BeokeiieiO|^ange 
fest eingekeilt. Es wnnie die.Zao^ angelegt, nni durch sehn 
sehr kräftige Traetionen etn' hochgradig «sphyktischer wie- 
derbelebter Knabe von 87 CeatifneVer Kopfomfang entwickelt. 
Am rechten 'Scheitelbeine (es war sweite ' Seheitellage ge- 
wesen) war eine deutliche Prdmoiito^ialmarke sa erkennen. 

I • Das Becken koiMte :nicbt Baobdiitertaoht 'werden. ■' 

7) Bei einer 37jäbrigen Zweitge härenen, die das efste Mal ebne 
' Ktfnathölfe eia niekt ganaansgeUaffeneeKind geboren hatte, 

•i' 1418 am normalen Ende I der- Sohwiangersebaft das Wasser 
«Une Weben ab.< .Dadh; trafen dieaeUmit bald darauf eip^' und 

I batien schon nmoii se^ka Stnnden d<«a Mnttermand beinahe 
Toilkommen erweitert iVoncUi an Tefgingen 18 *Sinnden, 
ohne dass der in erster Scheitetta^^ rerliegend« Kopf bei 
sehr kräftigen Wehen in das Beek^ ' trat. Man hatte eine 
■massige Verengerung dar Oonjogata (eonji* diagonal, gnt vier 

. Zoll) gefunden, und gehofft^ die Geburt der NatUr tiber* 

• lassen .an können. Endlich jedoch entsehloss' man' siob zur 

• AisVegtmg-tler Zange ^^ die aber erst- naish der drittmaHgen 
■ Application gnt anm Schhisae gebricht wet^eivlcornnle. Wäh- 

' rend man das aweite Mal deo linken- Zatigeiildffel «niegen 

tmllte, fiel awisoben diieaem'itmdi'dem Kopfe 'eine gfnt-pul- 

• sirenAe Nabelaehnnraeblinge Tor. Dieselbe kininte jedoch 

•: sofort wieder mit- der> Hand reponirt werdeni • Als dann die 

Zange endlieh gnt zum Sohlasse gebraebt war, bedurfte es 

' sekn sehr kräftige» Trkctionen, um das Hiiidemiss am Beoken* 

t '• i Eingänge zo ^ tibejHrinden. Das entwickelte «Kind war ein 

• Knabe toA 66 Cemtim*ter>Llnge, 'df^entim^ter Kepfbmfang 
{•'.und fetwas über acht Pfund Zollgewi eh t. • Er war massig 
"«ia^jktiaeh tind' neigte auf > dem liokan -Si^e^^iX^fAtii^ vTwi^ 



224 ^I- Poppü, Bericht fib. dia Ereigoitte d«r gebiMsb. PoliUlmk 

dentliehe PromontoriiimiiMÜrke. Hier Juinn auch Iran «iae 
gaas normal yerlaQfeoe Oebtirt bei einer Zwergin ^erwfthnt 
werden. Dieeelb« war eine Söjähsige eretgeb&rende Frao. 
In ihrer Jagend Htt sie an hocbgradlgir RhaehiHe ittd .will 
erst im nennten Jahre da« Laufen wieder gelernt ^ haben, 
nachdem sie es an|^bNch im Tierten Jahre naeb einem Falle 
gänzlich verlernt hatte. Sie ist 119 Oentimettfr lang, die 
Extremitäten sind «änun'tlich hochgradig .'rhaehitisch ver- 
krümmt and dadarch aaf folgende -Mnasee TevkOrst: 
Entfernung von Spin. ant. sap. pelvii bie Cond. ext. femor. 28 Cen- 
timeter recthts, 27 Centin. links. 
^ >■„ Cond. extr. fem. bis Ma>L ext: 29 Oentimeter bei- 

derseits. 
f, . „ Ä6rom. bis Olecmn. 26 Centimeter beiderseits. 

^ ■ ft Oleeran. bis Proe. styl, nlnae rechts 19 Centim. 

links 1« ^ 
Da« Beoken bot folgende Dimensionen: 

Entfernung beider Spin. ant. snp. I*/^' 
n rt Crist. ose. il. 9" 

w der Troehant. ^V^" 

Co^jagat. extern. 6Vi' 

ff ■ diagonal. . - 4" 

Die Wirbelsäule seigte linkeeeitige Hals* und Lenden«, und 
reehCsseitige BrnstseoBose. Diese Oeburt nun verlief bei 
: dieser Frau gana normal, der Kopf wurde nieht einen Augen- 
bliek am Promontorium aufgehalten, und naeh nnr 14etan- 
diger GeburtsthKtigkeit ein lebender 50 Centimeter langer 
Knabe geboren*' Der - KopfumfaAg betrug 34 Centimeter. 
Auf dem Scheitelbeine war eine gann sehwache Promonto- 
riummarke SU bemerkett.^ 
8) Eine 29jährige Erstgebipreiide begann am 18. Mai 1864 sn 
kreissen; die. Wehen waren von Anfang an spastischer Natur 
und hatten, trotsdera sie regelmässig mindeetens aller kehn 
Minuten wiederkehrten, nach swei Tagen den Muttermund 
erst auf Zweiguldengrösse erweitert i>^er*sehe Pulver und 
Morphiumiijectionett hatten nur Immer eine vorfibergehende 
Linderung der Schmersea verschaVt. Zum Ueberfluss sprengte 
: nooh diid Hebamme aus Ungeduld die Blase, als der Mutter- 
mund erst über Ouldengrösse erweitert war. Schon bei den 
ersten üntersuohongen war eine unverkennbare Verengerang 
des Beckenausganges aufgefallen, die sioh namentlioh rech- 
terseits bemerklich mächte, indem die Rami deiseandeBt. oss. 
pnb. und die ELami aaoendent. oss. iseh. dieser Seite deutlich 
naeh innen vorsprangen und das Lumen des AnsgaUges be- 
schränkten; das Promontorium war nicht au erreichen.. Als 
nach «cboB 60etttndiger Dauer der Gebuitsthäiigkoitdia.Be- 



dei^6n. Ludwig- &faximn!an8Uniyer8ftHt in tfünchen etc. 225 

sohaffenheit der Wehen sich nicht bessern wollte, nnd auch 
die Heratöne des Rindes deutlich nnregelmässig wurden, 
nahm man eine Venäsection von acht Unzen vor. Nach 
weiterem Znwarteu von vier Standen, w&hrend welcher die 
Wehen kräftiger und weniger schmerzhaft wurden, auch die 
Icindlichen Herztöne sich wieder hoben, der Mnttermnnd sich 
Yollkommen erweitert, und der Kopf den Beckeneingang passirt 
hatte, entschloss man sich snr Anlegung der Zange, die auch 
ohne Mühe gelang. Durch zwei Tractionen war der Kopf 
bis zum Beckenausgange hervorgeleitet, jetzt aber bedurfte 
es noch an acht der kräftigsten Tractionen, um das durch 
das Becken dargebotene Hinderniss zu überwinden. Das 
Kind, ein Mädchen von 60 Centimeter Länge und 37 Cen- 
timeter Kopfumfang war massig asphyktisch, fiel aber durch 
eine ungewöhnlich langsame Respiration auf, die auch die 
nächsten Tage anhielt, bis es am vierten Tage unter den 
Erscheinungen des Hirndrucks starb. Bei der Mutter fand 
man nach der Geburt linkerseits einen grossen Einriss der 
Scheidenschleimhaut. Das Wochenbett verlief normal. Drei 
Wochen nach der Entbindung konnte man sich von der voll- 
kommenen Heilung des Scheidenrisses überzeugen, so wie 
durch eine genaue Untersuchung des Beckens die Diagnose 
eines trichterförmigen, im Beckenausgange verengten Beckens 
bestätigen. 

Die Conjng. externa mass 6'/^ Zoll. 

„ Spin. ant. snp. „ 8V, n 

f, Crist oss. il. i» 10 „ 

„ Trochant. „ 11'/, „ 

9) Bei einer fünfunddreissigjährigen Erstgebärenden musste man 

sich nach 4tägiger fruchtloser Geburtsthätigkeit. weil der 
Kopf trotz guter Wehen immer im Beckeneingange stehen 
blieb und das Befinden der Mutter Besorgniss einflösste, 
snr Anlegung der Zange entschliessen, nnd konnte aus dem 
ganz ungewöhnlichen Widerstände, den der Kopf im ganzen 
Beckenkanale fand — es wurden mindestens 40 der schwer- 
sten Tractionen ausgeführt — auf ein in sämmtlichen Aperturen 
verengtes Becken schliessen. Das Kind, das vor Anlegung 
der Zange gelebt hatte, wurde todt ohne Herzschlag geboren. 
Die Mutter blieb gesund, nur war sie die ersten sehn Tage 
unvermögend, selbst Harn zu lassen, und hatte einen sehr 
übelriechenden Ausfluss. Eine genauere Untersuchung des 
Beckens konnte nicht vorgenommen werden, da sich Pa- 
tientin der Beobachtung entzog. 

10) Die Eröffnungsperiode hatte bei einer 28jährigen Erstgebä- 
renden unter ziemlich guten Wehen bereits zwei Ta^e ^'^- 
dauert; auch nach weiteren acht Stunden Hwar d^x >^q^\ ^^^ 

MoUM$Ȥebr, f. Oebarttk, 1966, Bd. XXVIU., Hfl. Z. "^^ 



226 ^^' Poppet, Bericht üb. die Ereignisse der n^bttrtah. Psliklinik 

in erster ScheitelUge vorliegenden Kindes noch Imniar im 
Beckeneingange fixirt, und man konnte keinen EiofloM der 
guten Wehen auf sein Weiterrücken bemerken. Maa ent- 
schloss sich (am 28. Juni 1865) znr Anlegung der Zange, und 
konnte erst nach 20 der kräftigsten Tractionen den Wider- 
stand überwinden, der dem Dnrchtritte des Kopfes im gan- 
zen Beckenkanale entgegentrat. Das Kind, ein reifes Mld- 
chen, hatte während der Operation sein Leben verloren. Die 
Mutter war die ersten Tage des Wochenbettes relativ ge- 
sund. Am dritten Tage stellte sich enorme Tympanitis mit 
müssigem Fieber und geringer Schmerzhaftigkeit des Abdo- 
mens ein. Auf einige Dosen Calomel erfolgten in den näch- 
sten 5 — 6 Tagen anfangs kopiöse kothige, später breiige Aus- 
leerungen, bestimmt einige 60 un der Zahl. Die Tympanitis 
nahm nicht ab. Eine am zwölften Tage vorgenommene 
innere Untersuchung ergab höchst unvollkommene Involution 
des Uterus, ohne dass man aber sonst entzündliche Processe 
in der Scheide oder am Uterus, der ohne Sehmeraen hin 
und her bewegt werden konnte, nachweisen konnte. Vom 
14. Tage an bildeten sich die Symptome eines typhösen 
Processes aus; massige Diarrhöen, Tympanitis, heftiges Fie- 
ber (oft über 120 SchlKge), trockene Zunge, Kopfsohmarzen, 
endlich Parotitis der rechten Seite, die in der dritten Woche 
in Abscedirung und Durchbruch in den äusseren Gehörgang 
überging, Hessen durch Ausschluss anderer Möglichkeiten die 
Wdhrscheinlichkeitsdiagnose auf Typhus stellen. In der vierten 
Woche trat langsam scheinbare Beconvalescenz ein, der 
Stuhlgang wurde normal, der Appetit kehrte zurück, der 
Puls sHuk oft auf 90 Schläge, war aber auffallend reizbar. 
Der Abscess der Parotis entleerte noch immer grosse Mengen 
Eiter, und es stellte sich Facialislähmung anf diesar Seite 
ein. Trotz guten Appetites konnte sich Patientin nicht er- 
holen, ihr Aussehen war höchst leidend, die Gesichtsfarbe 
sehr bleich, häufige Fieberaufregung vorhanden, Abdomen 
vollkommen schmerzlos. Am 3. August, fünf Wochen nach 
der Entbindung ging eine grosse Menge guten Eiters per 
vaginam ab. Eine Exploration ergab eine grosse Abscess- 
höhle in der rechten Beckenhälfte, die mit der Vagina mit 
grosser Oeifoung communicirte. Am 5. August Abends trat 
heftiger Schüttelfrost auf, der sich in den nächstea fünf 
Tagen in unregelmässigen Pausen etwa 15 Mal wiederholte. 
Trotz der Anwendung von Chinin, Wein etc. stellte sich 
hektisches Fieber ein, und der Tod erfolgte am 16. August, 
nachdem noch eine Phlegmone des linken Fussaa oad des 
rechten Armes aufgetreten war. Die Section wvrda leider 
nicht gestattet, so dass ^\e V)\a%Tio«e eines allgameio ver- 
engten Beckens dutc\\ d\eÄe\\iö xv\c\\\.\i^*VA\A^V.>«%t\ftu\ttwla* 



dor kÖD. Ladwi^-MaximiliaDa UniversiUit in Hünchen etc. 227 

Zum Schlüsse dieser Gebui'lsgescbichteo möchte ich mir 
noch einige Bemerkungen über die zwei Fälle von Perfora- 
tion erlauben. 

Ein Hai konnte es auffallen, dass man sich beide Mal 
so schnell nach missglücktem Zangenversuche zu der Perfo- 
ration lebender Kinder entschloss. Die beiden Becken waren 
solctie. die schon die relative Indication des Kaiserschnittes 
abgaben; aber im speciellen Falle wird, glaube ich, jeder 
Geburtshelfer den Versuch der Zangenanleguug bei einer 
Conjug. Vera von 2" 8 — 9'" nicht nur für gerechtfertigt, son- 
dern sogar für geboten erachten. Ja die meisten werden 
joacb dem bisherigen Usus, werm der erste Versuch miss- 
glückt ist, sich nicht von einem zweiten abhalten lassen, 
und gewiss sehr selten sind die Fälle, wo man sich statt 
zu letzterem zu der Ausführung des Kaiserschnittes hat ent- 
scliliessen können. Als Thatsache darf wohl betrachtet wer- 
den, dass bei einer ßeckenverengerung, wie die in Rede ste- 
hende, äusserst selten durch einen forcirten Zangenversuch 
lebende Kinder zur Welt konmien, und dass, wenn die erst- 
roaUge Anlegung nicht zum Ziele führte, die Kinder immer 
absterben und todt geboren werden, sei es, dass man beim 
zweiten Male mit der Zange das Hinderniss überwinden kann, 
sei es, dass man zur Perforation und Cephalotripsie seine 
ZuQucht nehmen muss. 

Nach dem Gesagten und nach uhnlichen im Gehärhause 
gemachten Erfahrungen, die von einer anderen Seite zur 
Sprache kommen werden, glaube ich, soll man, wenn man 
sich durch einen mit allen Kräften zur rechten Zeit ausge- 
führten Zangenversucb von der Unmöglichkeit des Erfolges 
überzeugt hat^ und wenn man auf der anderen Seite nicht 
ganz gewichtige Gründe, namentlich mit dem Willen der 
Mutter oder der Angehörigen für die nachträgliche Ausfüh- 
rung des Kaiserschnittes schöpfen kann, nicht durch unnützes 
Zuwarten Zeit verlieren und die Kräfte der Kreissenden sich 
erschöpfen lassen. Wenn man daher sofort oder wenigstens 
nur so lange nach dem ersten missglückten Zangen versuche, 
bis die Kreidende sich etwas erholt hat, zur Perforation auch 
des lebenden Kindes schreitet, wird das Resultat iu 6<ma\^ 
auf die hluöor iwmer das gleiclie namUcU vA^^oVuV ww^\v\i&>^\^^ 



228 ^T- Poppely Bericht üb. d. Erei^fsse d. gebnrtsb.PolikHnili ete. 

sein, als wenn man den Tod des Kindes einfach abwartet, 
oder ihn durch weitere Zangenversuche beinahe unfehlbar 
herbeiführt, für die Mutter dagegen wird man viel günstigere 
Chancen im ersten als im zweiten Falle haben. 

In den zwei auf diese Weise behandelten Fällen wird 
Niemand die Wahrscheinlichkeit eines für die Kinder gün- 
stigeren Ausganges bei einem anderen Verfahren behaupten 
wollen, dagegen spricht das absolut gunstige Resultat in Be- 
zug auf die Mütter, die ein ganz normales Wochenbett durch- 
machten, gewiss zu Gunsten der eingeschlagenen Behandlung. 

Eine andere kurze Bemerkung möchte ich in Betreff des 
Scanzoni'schen Cephalotriben beifügen. In beiden Fällen, 
konnte man mit demselben nicht zum Ziele gelangen, da 
man auch bei möglichst tiefer Senkung der Griffe nicht im 
Stande war, den Kopf in seinem grössten Durchmesser zu 
fassen. Daran ist ohne Zweifel die zu geringe Beckenkrüm- 
mung Schuld. Ich sehe auch keinen Grund ein, warum man 
* die Beckenkrümmung der Zange bei dem Cephalotriben nicht 
gelassen hat, da man ja gerade bei den grossen Zangen, die 
bei Hochstand des Kopfes angewendet werden, auf eine mög- 
lichst grosse Beckenkrümmung Gewicht legt. Der von Lüer 
in Paris construirte Cephalotribe verdient sowohl aus diesem 
Grunde entschieden den Vorzug vor dem Scanzoni sehen, 
als er auch wegen der Einfachheit und Eleganz des Com- 
pressionsapparates alle mir bekannten anderen derartigen In- 
strumente weitaus übertrifft. Der von Leiter in Wien nach 
C. Braun*s Angabe construirte Cephalotribe hat ebenfalls 
eine geringe Beckenkrümmung und die Löffel scheinen mir 
etwas sehr kurz zu sein, so dass das Schloss bei Hochstand 
des Kopfes ganz innerhalb der Genitalien zu liegen kommt 
Das Breisky^sche Instrument kenne ich nicht aus eigener 
Anschauung, doch vereinigt es jedenfalls auch die beiden 
Vortheile der Lüer*schen Construction, nämlich die der stär- 
keren Beckenkrümmung und des einfachen Compressions- 
mcchanismus. 

2) Uterusfibroid als Gebartsbinderniss. 

Diesen interessanten Fall einer Erstgebärenden, bei dar 
ein in der hinteren \3lerusviat\A sxVx^w^^'^ ^\^^%^«^ Uterus- 



Xlt. Kotiieli aus der Jonfnal • Literatur 2^ 

fibroid, das aafaogs eiu absolutes Gebur(sbinderniss abzu- 
geben schien, glücklich repooirt und die Geburt noit der 
Zange beendet werden konnte, hat Herr Hofr. Hecker erst 
jüngst in der Monatsschrift für Geburtshülfe (Band XXVI. 
Heft 6.) ausführlich beschrieben. 

(Fortsetz QDg folgt.) 



XIL 
Notizen aus der Journal -Literatur. 



iPClintock: Ueber die Complication des Kind- 
bettes durch Scharlach. 

Nach den Beobachtungen des Verf. ist Soarlatina eine der 
geflthrlichsten Compltcationen des Kindbettes, in welchem ohne- 
hin der wesentlich alterirte Organismus sn schweren Erkrankungen 
besonders disponirt ist. Die von dem Verf. und dessen Frenn- 
den beobachteten Fälle erg-aben eine MortalitUt Ton 66 7ot ^^^ 
84 Fälle, die vom November 1864 bis zam NoTember 1861 im 
Lying-in-Hospital zn Dublin behandelt wurden, zeigten 30^0 
Sterbefälle. Verf. hält im Allgemeinen den Procentsatz von 48% 
fdr den richtigsten, woraus die grosse Gefahr jener Coropli6ation 
erhellt, die zu den unangenehmsten — besonders in derPrivatpraxis 
— gehört. Man kann hierbei als Regel aufstellen, dass die Entbun- 
denen um so gewisser sterben, in je kürzerer Zeit nach der Geburt 
sie von der Soarlatina befallen werden. Die Krankheit kündet sich 
in den vom Verf. beobachteten Fällen durch Pulsbeschleuoi^gune 
an, welche mehr als 96 betrug. Die Eruption erschien zuweilen 
spät, war aber meist intensiv; ein Mal trat das Exanthem wäh- 
rend der Geburt auf, ein Fall, der unter typhoiden Erscheinun- 
gen und Coma tödtlich verlief. Die Bachen -Aflfectionen waren 
in allen Fällen ziemlich gering. 

Verliefen die Fülle nicht tödtlich, so waren meist auch 
die Functionen des Kindbettes nicht gestört. Eine deutliche 
wiederholte Steigerung des Fiebers während der Desquammation, 
(8. — 10. Tag) war in den meisten Fällen zu beobachten. Verf. 
theilt eine hierauf bezügliche Krankengeschichte mit. Hinsicht- 
Uoh der Behandlung bemerkt Verf., dass sich allgemeine Regeln 
■ioht aufstellen lassen, da die einzelnen Fälle zu viel individuelle 
Varaobfedenheiten darbieten. Nur warnt et eivlacAü^^^xv '^«jt *^ 



^30 ^^^* Notizen atis der Joarnat-Ltterahlf. , 

starkem Gebrauche von Pargantien, weil die«6 dnreh die Ver- 
mehrtiDg der Darmbewe§fangeQ leicht Ferttoaitis hervorrafeii. 
VoD allen Bütteln ist bei mangelndem Stuhle daa Clysma 4i« 
beste. Verf illoatrirt dies durch Mittheilang aweier Fälle. Fer- 
ner giebt er den Rath, so früh als möglich Stimnlantien ansa- 
wenden, selbst wo scheinbar Contra-Indicationen vorhanden lind. 
Dass . mehr Erstgebärende der Krankheit nuterlagen, war 
wohl darin begründet, dass überhaupt jüngere Individuen durch 
Scarlatina mehr gefährdet sind. Die Bezeichnung „Puerperale 
Searlatina*^ hält Verf. für ganz unpassend, da das Scharlach nur 
zufällig, aus herrschenden epidemischen Einflüssen , intercurrirt. 
(Dublin Quarterly Journ. Febr. 1866. pag. 63.) 



Wolff: Vergrösserte Nieren als Geburtshinderni SS. 

Verf. berichtet kurz über einen Fall von Geburtsverhinde- 
rung durch hypertrophisch degenerirte Nieren. — Nach einer 
leichten Geburt des Kindeskopfes scheiterten im beregten Falle 
die Bemühungen, die übrigen Fruchttheile zu entwickeln aa einer 
abnormen Ausdehnung des kindlichen Bauches. Nach Eröffanng 
des letzteren mittels des scheerenförroigen Perforatorinms trat 
keine Flüssigkeit aus, wohl aber konnte Verf. beim Eingehen 
durch die Perforationsöffnung erkennen, dass die Unterleibshöhle 
mit festen Massen von leberartiger Consistenz erfüllt war. Erneuten 
Bemühungen gelang es schliesslich, ohne vorherige Eventratioa, 
die Frucht zu entwickeln. Dieselbe war weiblichen Geschlechts 
und rührte die Ausdehnung des Bauches von beiden Nieren her, 
die eine Länge von circa V/^* und eine Breite von cirea 4" mit 
entsprechender Dicke zeigten. Eine genaue Untersuchung wurde 
nicht gestattet. (Berliner klin. Wochenschr. 1866. 26.) 



Schröder: Beitrag zur Lehre von der patholo- 
gischen, örtlichen und allgemeinen Wärme- 
bildung. 

V&n geburtshülflichem Interesse dürfte aus den vom Verf. 
gemachten Beobachtungen über Wärmebildung Folgendes sein. — 
Die Temperatur in der Scheide fand Verf. bei Schwangeren höher 
als die in der Achselhfihle, « und zwar im Mittel um 0,101 (im 
Maximum 0,3, im Minimum 0,05). Bedeutendere Schwankungen 
zeigten sich im WUrmeverhältniss zwischen Achsel und Reetim, 
und Vagina und Rectum. Die Temperatur im Uterus bei Frauen 
am Ende der Schwangerschaft zeigte sich im Durchsehnftte 0,19 
Utlmnm 0,6, Minimum 0,1"^ V\t^V\«»T iA% \\<b ^^x kt.%A^UiQhle xnA 



Xlt. l^otizen aus der Jfoarnal-Literatiii'. 231 

0466 (Mazimnm 0,32, Minimnin 0,05) hö^er als die in der Va- 
gina. Der Ansicht Bärenaprung^s, dass dies Wärmepins vom 
Fötns, dessen Eigenwärme im Uterus höher als die der Mutter 
sei, herrühre, theilt Verf. — Bei Kreissenden war die Tempe- 
ratur des Uterus im Mittel um 0.093 erhöht, von einem Steigen 
derselben während jeder Webe konnte sich Verf. nicht über- 
■engen. — Im physiologischen Wochenbette zeigte sich die Tem- 
peratur der Scheide im Verhältnisse su der der Achselhöhle 
gemessen im Durchschnitte um 0,262 oder 0,282 erhöht; dies Plus 
der örtlichen Wärme leitet Verf. von der bei der energischen 
Rückbildung der Gewebe stattfindenden schnelleren Oxydation 
und von der entzündlichen Keiznng der betre£fenden Theile nach 
der Geburt ab^ £in ähnliches aber stärker ausgeprägtes Ver- 
hältniss wie zwischen Achselhöhle und Vagina fand er zwischen 
Achselhöhle und Uterus. 

Weiterhin ergaben seine Messungen, dass nur bei frischer, 
reactiver Entzündung wirkliche Wärme erzeugt werde, und dass 
ältere, besonders eiternde Wunden die örtliche Temperatur we- 
nig oder gar nicht steigern, weil bei letzteren die massenhaft 
neug^bildeten Eiterzellen statt ferneren Oxydationsprocessen zu 
yerfallen, nach Aussen abfliessen und durch Verdunstung der sie 
führenden serösen Massen höchstens Wärme binden. — Die täg- 
liche Erfahrung zeige übrigens, dass bei Wöchnerinnen, welche 
durchaus nichts Pathologisches bieten, sehr häufig nicht unbe- 
trächtliche Temperatnrsteigerungen vorkommen, die nicht als 
Fieber aufzufassen, sondern unzweifelhaft der energischen lnvo> 
lution des Uterus zuzuschreiben seien. Werde so durch die ver- 
mehrte örtliche Wärmeproduction auch die allgemeine Körper- 
temperatur häufig gesteigert, so müsse, so bald die compensiren- 
den Verhältnisse der Wärmeabgabe nach Aussen hin Störung er- 
leiden, eine höhere Allgemeintemperatur entstehen, und damit 
sei die febrile Temperatursteigerung eingeleitet. 

(Archiv für pathol. Anatomie und Physiologie von Virehow. 
1866. Band 35. 2. Heft.) 



Th. Hugenberger: Zur Casuistik der puerperalen 

Blutergusse in's Zellgewebe. 

Nach kurzer Würdigung der Nomenclatnr und Literatur der 
puerperalen' Blutergüsse ins Zellgewebe, theilt Verf. dieselben 
rücksichtlich des Vorkommens im Allgemeinen ein in labiale, 
periuaeale, perivaginale nnd periuterine, oder bezüglich ihres 
Sitzes im Becken in Haematomata extra- und intrapelvien, oder 
•ndlich nach ihrem örtlichen Verhältnisse zur Fascia pelvica in 
infra- (Thrombus) und suprafasciale. Erstere wird nach Ansicht 
des Verf. gemäss der erwähnten anatomischen QrQLTLd\«^^^«k «\a.\a 



232 Xll- NotUen aus der Journal- Ltteraiiir. 

unbedeutender sein, iß, ihrer Ansbreitang nach oben die fest« 
Beckenbinde Widerstand leiste. Das Snprafasciale dagegen könne 
sich beliebig zwischen Banehfellüberzng nnd Beekenbinde ans* 
breiten, and in hochgradigen Fällen gewiss auch nm so mehr 
in die Höhle reichen, als die Fascia nach abwärts tiefere San- 
kung bis an die änsseren Genitalien erschwere. Aus dem nor- 
malen Verhalten der Fascia peWica leuchte femer ein, warum 
primäre periraginale Hämatome sich secundär an pnrinterinen 
und diese umgekehrt zu perivaginalen weiter entwickeln können. 
Zum Beleg dafür, dass wirklich primäre periuterine Hämatome, 
die ihrem Sitze nach der Hämatocele perinterina kataraenialis 
entsprechen, in der weiblichen Fortpflansungsperiode an Stande 
kommen können, führt Verf. 13 in der Literatur von ihm aufge- 
fundene und zwei im Petersburger Hebammeninstitute beobaeh- 
tete Fälle kurz auf. Rücksichtlich der Pathogenese nnd Aetio- 
logie der puerperalen Blutgeschwülste hebt Verf.* hervor, dass 
dieselben in den ersten Stunden und Tagen des Wochenbettes 
häufiger beobachtet worden seien, als inter partum; doch müsse 
man erstere trotzdem auf das vorausgegangene Gebnrtsgeschaft 
zurückführen, da der Erguss häufig durch die während des Durch- 
trittes des Kindes bestehende Spannung verhindert werde, trotz- 
dem schon ein Gefäss inter partum geborsten sei, und erat nach 
Aufhebung der Spannung also post partum au Stande kommen 
könne. — In der Schwangerschaft sei das prädisponirende Mo- 
ment zu der beregten Störung vorzugsweise in Circulationshem- 
mnngen und der durch sie bedingten BlutüberfüUung der Becken- 
gefäflse sowie darin zu suchen, dass in dieser Zeit in der Geni- 
talsphäre eine Menge von jungen neugebildeten Gefässen existire, 
die sehr zartwandig dem Blutdrucke gegenüber nicht genügende 
Widerstandsfähigkeit besässen. Ebenso konnten auch wirklich 
krankhaft alterirte Gefässwnndungen bei nur geringfügigen Ur- 
sachen (Husten, Erbrechen, Stuhlzwang u. s. w.) sowie endlich 
jener Zustand, den Ferber (Archiv für Heilk. 1862. II. Jahrg. 5.) 
mit dem Namen „Pelvioperitonitis hämorrhagica'* belegt, spon- 
tane Berstung herbeiführen. Dagegen scheine die Prädisposition 
zur Gefässzerreissung, welche man früher den durch die Schwan- 
gerschuft erzeugten Gefässvarikositäten zuschrieb, nach des Verf.*s 
eigenen Beobachtungen, sowie nach denen von d* Outrepontt Brauny 
Becker^ Scanzoni nicht vorhanden. 

Weiterhin bespricht Verf. Diagnose und Prognose des Hä* 
matom*s. Letztere sei im Ganzen ungünstig, da die Sterblich- 
keit dabei zwischen *20 — 25% schwanke. — Bei der Behand- 
lung des betrefi'enden Uebels hebt Verf. hervor, dass man bei 
irgend grösserer Ausdehnung der Geschwulst den Ausgang ia 
Resorption nie abwarten, sondern so bald als möglich die Eröff- 
nung derselben vornehmen solle. 



Xu. l^otizeii aus der Journal -LUeratur. 233 

Zum Schlosse lässt Verf. die im Pvtersbnrger Hebammen* 
institnte beobachteten Fälle von Genitalhämatom und zwar nach 
d«ren Sitz geordnet, von Aussen nach Innen za, folgen: 

Fall 1. Hämatoma perinaeale, vor der Gebart. Blosslegung des 
consecntiven Absoesses mit dem Messer. Perforation 
des Mastdarmes. Genesung. 

Fall 2. Haematoma labiale, wahrscheinlich unter der Geburt ent- 
standen. Zwillinge. Manuelle Extraction des zweiten 
Rindes. Verjauchung des geborstenen Heerdes. Con- 
secutive Pyämie der Mutter mit Ausgang in Tod. 

Fall 3. Haematoma labiale vor der Geburt. Verjauchung des 
geborstenen Heerdes im Wochenbette. Lethale Metro- 
Peritonitis und Pyämie. 

Fall 4. Haematoma labiale unter der Geburt. Berstung. Aus- 
gang in Genesung. 

Fall 6. Haematoma labiale nach der Geburt. Discision und 
Genesung. 

Fall 6. Haematoma labiale unter der Geburt, Discision. Glück- 
licher Ausgang. 

Fall 7. Haematoma labiale nach der Geburt. Discision. Glück- 
licher Ausgang. 

Fall 8. Haematoma perivaginale nach der Gebart. Spontane 
Berstung mit Ausgang in Genesung. 

Fall 9. Haematoma perivaginale nach der Geburt. Spontane 
Berstung und Genesung. 

Fall 10. Haematoma periuterinum unter der Geburt. Becken - 
enge und Wehenexcess. Verblutungstod. 

Fall 11. Haematoma periuterinum nach der Geburt bei Quer- 
lage und Wendung. Berstung des Sackes und Tod 
durch Bluterguss in die Bauchhöhle. 

(St. Petersburger mediz. Zeitschrift. 1865. 11. Heft.) 



E. Wagner: Peritonitis durch eitrigen Katarrh 
und Perforation der rechten Tuba. 

Anschliessend an einen (Monatsschrift für Geburtsk. 1859. 
436.) veröffentlichten Fall von Tubenperforation, theilt Verf. einen 
wetteren mit. — Eine 35jährige mit angeborener Syphilis, Caries 
Terschiedener Knochen und Amenorrhoe behaftete Frau, litt einige 
Wochen vor ihrem durch Peritonitis erfolgenden Tode an Aus- 
fluss einer schmutzig-rothen Flüssigkeit aus den Genitalien. — 
Bei der Section fanden sich im Wesentlichen neben den Resten 
der heridit. Syphilis, peritonitische Auflagerungen und Verkle- 
bungen zwischen Dünndarm und dem Uterus mit dessen Adnexen. 
Die starkgeschwollene rechte Tuba, die in einer gegen 2" lau- 
gen und bis 1" breiten, ovalen bis 3" tleCeu "E*6\i\^ woA \^t Q\i^\<i^ 



234 ^I^- Notlssen «ns der Joarnal-Literatitf. 

ftasseren Fläche des Uteriokörpers lag, war in ihrer Höhle be- 
trächtlich erweitert, letstere* mit graagelbem, etwas öbelrleehea- 
dem Eiter erfüllt, nnd die Tnbenwand selbst in der Mitte aneiaer 
linsengrossen Stelle stark verdünnt und im Centram derselben 
perforirt. — Im Uterincavum fand sich, ausser einer geringen 
Menge trüber, schleimig eitriger Flüssigkeit, an der hinteren 
Fläche eine iVs" lange, bis ly," breite, l" — 2^' hohe Masse, deren 
Oberfläche nach Abzug einer faserstoffähnlichen Masse, grob- 
wart ig erschien, und continuirlich mit der umliegenden blassen, 
aufgelockerten Schleimhaut zusammenhing. — In der Cervical- 
höhle wurden ebenfalls reichliche, übelriechende sohwaragrane 
Massen gefunden. 

(Archiv der Heilkunde. 1866. pag. 286.) 



Lebert: Ueber die subcutane Anwendung des Mor- 
phium's als Mittel, um die Schmerzen der Ge- 
burt und die Krampfwehen zu mildern. 

Bei schmerzhaften und besonders bei Krampf-Weben injicirt 
Verf. an der Innenfläche des Vorderarmes subcutan 15—20 Tropfen 
einer Lösung von Morph, muriat. gr. ii. Aqu. destillat. ^i. Von 
dieser Lösung enthalten 15 Tropfen V^, 18 Tropfen 7&} 22 Tropfen 
^/^, 28 Tropfen '/, gr. Morph, mur., so dass im Mittel etwa 
V4 — Va gr. einzuspritzen wären. Sollte nach 3 — 4 Stunden ein 
hinreichender Erfolg noch nicht zu bemerken sein, so wieder- 
holt Verf. die Injection; er sah aber in den meisten Fällen spä- 
testens Y] Stunde danach die Schmerzen wesentlich gemildert. 
£r räth übrigens bei leicht erträglichen Schmerzen nicht zu 
injiciren und womöglich den Zeitpunkt abzuwarten, wo der Mut- 
termund bereits in progressiver Erweiterung begriffen ('/, — 1" 
im Durchmesser gross) sei. Nur wenn heftiger Schmerz und 
Krampfwehen vorhanden, macht er schon früher Injectionen. 
Meist beobachtete er V^ — '/, Stunde nach der Injection Ruhe, 
Schläfrigkeit und ruhigen Schlaf; nie Ekel, Erbrechen und Kopf- 
schmerz. Der Pnls wurde meist etwa um 4 — 8 Schläge in der 
Minute herabgesetzt. Das Durchschneiden des Kopfes war viel 
schmerzloser. 

Zur Erläuterung des Vorstehenden folgen einige kurze Typen. 
(Berliner Klinische Wochenschrift. 1866. 11.) 



Xnt. Literattty. ^35 



XIII. 
Literatur. 



Ed. Martin: Die Neigungen und Beugungen der Gebärmutter 
nach vorn und hinten, klinisch bearbeitet Berlin bei 
Hirschwald. 1866. 8. 233 S. 

In dem vorliegenden Bnche empfangen nicht blos die spe- 
ciellen Fachmänner, sondern 'aach die für Gynäkologie sich in- 
teressirenden Aerzte ein Werk, was auf eine sehr reiche Erfah- 
rung gegründet, vieles Nene und Interessante und wesentlich 
praktischen Nutzen bringt. Der Verf. theilt das Buch in zwei 
Abschnitte, in dem ersten finden sich allgemeine Betrachtungen 
über die Neigungen und Beugungen der Gebärmutter, in dem 
zweiten werden die einzelnen Arten speciell besprochen. 

Im Eingange bespricht M. zuerst die Behauptungen, welche' 
man gegen die Bedeutung der in Frage stehenden Lage- und 
Gestaltfehler vorgeführt hat, erstens dass- der Uterus überhaupt 
keine bestimmte Lage haben solle. Zu den Gründen, die M. 
gegen diese Behauptung angiebt, werden, wie Referent glaubt, 
wohl alle Gynäkologen stimmen. Bei normalen Verhältnissen 
findet man im Leben weder vor noch hinter dem Scheidentheile 
den Gebärmutterkörper. Die normale Stellung des Organs selbst 
hält M. für bedingt durch die runden Mutterbänder, durch die 
Ligam. sacro uterina und die Ligam. pubo-vesico uterina, we- 
niger durch die Ligam. lata, endlich noch durch die Fascia 
pelvis. Die runden Mutterbänder können durch ihre Verkürzung 
einen Wechsel in der Stellung der Gebärmutter herbeiführen, 
die Ligam. sacro -uterina ebenfalls, der Einflnss der letzteren 
aber wird doch vorzüglich dazu dienen, die Gebärmutter in einer 
gewissen Höhe zu erhalten, eine Senkung derselben zu verhin- 
dern. Der zweite Einwurf, der gegen die Wichtigkeit der 
Flexionen gemacht wird, ist der, dass der Uterus bei Neugebo- 
renen regelmässig und bei Jungfrauen häufig anteflectirt ange- 
troffen werde. — Die Behauptung, dass er bei Neugeborenen 
immer anteflectirt sei, hat, wie M. ganz richtig sagt, mit dieser 
Frage nichts zu thun. Die Anteflectionen dagegen, die bei men- 
ibtimirten Mädchen in der That häufiger vorkommen als bei 
Frauen, die geboren haben, zeigen, wie Ref. meinte 8cUo\!Ld^^\xxOsk.^ 
dass manche derselben nach einer Sc\iN«aTv^«T%c\\tA\. n^\^qVvV\\v.- 



236 ^IH. Literatur. 

den, andere aber bleiben und dann zn mannigfachen Beschwer- 
den Veranlassang geben, oder dadurch, dass sie Veranlassung 
der Sterilität werden, dass sie von verschiedener Dignität sind. — 
Drittens wird gegen die Wichtigkeit der Flexionen angef&brt, 
dass mit Flexionen behaftete Frauen häufig über erhebliche Be- 
schwerden nicht klagen sollen. Dagegen führt M, an: 

a) dass oft erst mit dem jedesmaligen Eintritte der Men- 
struation bei schon vorher bestehenden Flexionen Beschwerden 
sich einstellen. Diese wohl anerkannte Erfahrung erkl&rt aber, 
wie Ref. einwirft, noch nicht die Fälle, wo s. B. Anteflexionen 
auch bei bestehender Menstruation keine irgend wie empfind- 
Uchen Beschwerden verursachen. Ref. möchte deshalb noch 
auf einen Punkt aufmerksam machen, der nicht erwähnt ist, aber 
von Wichtigkeit scheint, nämlich den, dass diese Fälle meist 
Mädchen betreffen, deren Geschlechtsorgane entweder gering 
entwickelt sind, oder bei denen die Regel sehr schwach ist, 
kurz, bei welchen die Congestion nach der Gebärmutter eine 
geringe ist; Mädchen, die eine beträchtliche Flexion zeigen und 
stark menstruirt sind, haben stets Beschwerden. 

b) Der Verfasser führt weiter dagegen an , dass die Be- 
schwerden der Kranken häufig in falscher Weise gedeutet, oder 
dass sie von der Krankheit als etwas zur Regel Gehöriges be- 
trachtet werden. 

c) Nach Einführung eines, den Lage- und Gestaltfehler der 
Gebärmutter direct regulirenden, Instrumentes verschwinden die 
Leiden und kehren bei noch nicht vollständiger Heilung nach 
Wegnahme desselben zurück. Als weiteren Einwand gegen die 
oben aufgestellten Behauptungen der Gegner, fügt Ref. noch hinzu, 
dass es nicht Beschwerden allein sein müssen, welche den Fehler 
begleiten, dass auch nur Functionsstörnngen die Folge sein kön- 
nen, die z. B. Sterilität verursachen. — M. hält somit die Lage- 
Veränderungen au sich allein für wichtige, pathologische 
Veränderungen. Er macht dann weiter nicht, wie es bis- 
her gewöhnlich geschah, einen stricten Unterschied zwischen 
Versio und Flexio. Dies thut er, wie schon Simpson, des- 

'halb nicht, weil vielfach Uebergangsformen Statt finden und weil 
das Gewebe der Gebärmutter zu verschiedenen Zeiten verschie- 
den, bald fest, bald schlaff gefunden wird. 

Die Anteversionen und Flexionen fand er ungefähr eben 
so häufig wie die Retroversionen und Flexionen. Verf. unter- 
scheidet bei jeder Gattung mit Rücksicht auf deren Entstehung 
sechs Arten. 

1) Durch ungleichmässige Entwickelung der vorderen und 
hinteren Wand erzeugte Anteflexion; sie kommt cur bei Mäd- 
chen und sterilen Frauen vor; der Uterus ist frei beweglieh 
oder nogBT ungewöhnlich beweglich, häufig seine Höhle verkfirst, 

dU fordere Wand dünn. 



XIII. Literatur. 237 

2) Dnreh ' nng-enügrende puerperale Involution der hinteren 
Wand des Gebärmutterkörpers erseugte Anteflexion. Sie ent- 
wickelt sich, wenn die Placenta an der hinteren Gebärmutter- 
wand sass und Störungen in der Rückbildung der PlacentarstelU 
auftraten. Die Gebärmutter ist dabei beweglich ; die Entstehung 
kann auf einen Abortus oder auf eine Yorseitige oder zeitige 
Entbindung zurückgeführt werden. 

3) Durch Fixirnng des Muttergrundes am oberen Rande 
des Schambeines erzeugte Anteflexion. Die Feststellung findet 
Statt durch Verkürzung eines oder beider Ligamenta rotunda. 

4) Durch Schrumpfung der Ligamenta sacrouterina erseugte 
Anteflexion. Der Scheidentheil ist dabei meist etwas nach vorn 
gerichtet, und der nach vorn übergeneigte Mutterkörper wird 
ohne Mühe mit der Sonde emporgehoben. 

5) Durch Geschwülste in der hinteren Wand des Mutter- 
körpers oder durch hinter der Gebärmutter gelegene Geschwülste 
erzeugte Anteversion. 

6) Durch ungenügende Unterstützung des schwangeren Ge- 
bttrmutterkörpers von der vorderen Bauchwand erzeugte Ante- 
version. 

Die Rückwärtsbeugung und -Neigung zeigt ebenfalls 
sechs verschiedene Arten. 

1) Durch mangelhafte Entwickelung der hinteren Wand des 
Uterus erzeugte Retroflexion. Der Uterus, vorzüglich der Schei- 
dentheil ist gering entwickelt und sehr beweglich. Sterilität, 

2) Durch mangelhafte puerperale Rückbildung des Uterus 
ersengte Retroflexion. Betrifft die mangelhafte Involution den 
ganzen Uterus, wie es nach einer Endometritis gewöhnlich ist, 
so wirkt zur Bildung der Retroflexion wohl auch die anhaltende 
Rückenlage mit, in anderen Fällen ist die mangelhafte Involu- 
tion der vorderen Wand, an der die Placentarstelle sich befin- 
det, die Veranlassung zur Retroflexion. 

3) Durch Schrumpfung der Ligamenta pnbo-vesico-uterina 
erzeugte Retroflexion. Mangelnde Beweglichkeit. 

4) Durch Schrumpfung eines Ligam. ovarii erzeugte Retre- 
version. 

5) Durch Geschwülste, welche einen Druck auf die vordere 
Wand des Mutterkörpers ausüben, erzeugte Retroversion. 

6) Retroflexion der schwangeren Gebärmutter, acut ent- 
standen durch heftige Zusammenziehung der Bauchpresse oder 
chronisch durch ungenügende Contraction der runden Mutter- 
bSnder im dritten Schwangerschaftsmonate. 

In dem Vorworte hat M, erklärt, dass seine Arbeit vorzüg- 
lich den Charakter einer klinischen Abhandlung tragen werde. 
Diesen Maasstab muss man daher auch an die Aufstellung dieser 
AbtlMilungen anlegen. Fehlt dieser Aufstellung hdcü «ji^V ^x^%> 



238 Xni. Literatur. 

fentheils der auAtomisehe Nachweis, nnd wird sie deshalb man- 
chen Einwarf erfahren, so bat sie doch neben der Wichtigkeit, 
die ihr die ausgedehnte und mit Nachdenken benutzte Erfahmog 
eines trefflichen GynKkologen giebt, auch den grossen Vortheil, 
dass sie dem Schlendrian, mit dem bis in die letzte Zeit gam 
allgemein die Terschiedeoen Flexionen über einen Leisten be* 
handelt wurden, tapfer entgegentritt. 

In der Symptomatologie werden als neu die Ents&n- 
dangen der Ligam. saero-uterina und pubo-vesieo-uterioa anfge- 
führt, und besügliche Krankengeschichten beigebracht. 

In Besag auf Diagnose räumt M, mit Beeht der Anwen- 
dung der Sonde die wichtigste Stelle ein. 

In Besag auf Prognose wird erwähnt, dass manchroal 
spontane Heilung zn Stande kommt, und zwar in Folge von 
frisch hinzutretenden entzündlichen Processen, oder in Folge 
einer neuen Schwangerschaft, wenn in dem ihr folgenden Wo- 
chenbette die Ernährung zweckmässig gefördert nnd das Kind 
▼on der Mutter selbst gesäugt wurde. 

Die Therapie erreicht mit diätetischen und pharmaceti- 
tischen Mitteln in vielen Fällen eine Besserung, mitunter eine 
Heilung, nur muss sie verschieden nach den verschiedenen ätio- 
logischen Momenten eingerichtet sein. Die mechanische Be- 
handlung wird ausführlicher erörtert. M, benutzt bei derselben 

1) die excentrischen Mutterkränze vorzüglich bei Versionen, mit- 
unter aber auch bei Flexionen; manchmal erst dann, wenn an- 
derweitige mechanische Behandlung vorausgegangen ist, dann 

2) die von Hodge empfohlenen über den Rand gebogenen Ringe 
oder Halbringe ans Hartgummi oder Outta-Percha. Er zieht 
jedoch Ringe aus Gutta -Percha vor. H) Das tägliche Einlegen 
der Uterussonde. Es ist dieses Verftthren nach M, jedoch nnr 
in seltenen Fällen von Erfolg und nicht unbedenklich. 4) Die 
einfachen Simpson' »iih^n Regulatoren, jedoch nur bei Anteflexio- 
neu. 5) t>en federnden Regulator für Retroflexionen. 

Die einzelnen Vorsichtsmaassregeln , die für die Anlegung 
dieser Instrumente gegeben sind, mögen in dem Bache selbst 
nachgelesen werden. Sie sind sehr wichtig; zumal erfordert die 
Anlegung des letzt:; enannten Instrumentes grosse Vorsicht und 
stete Beobachtung der Kranken, und ich glaube, es wäre nicht 
nnzweckmässig, wenn die Gefahren, die durch diese Instrumente 
bei nnzweckmässigem Anlegen herbeigeführt werden können, 
etwas ausführlicher erörtert wären. 

In Hczui? auf die Symptomatologie, Prognose und Therapie 
der einzelnen Formen, die in den speciellen Theilen des Werkes 
ausführlich mit statistischer Verwendung von 801 Krankheits- 
fällen abgehandelt sind, muss Ref. ebenfalls auf das Buch Tar- 
wei8eii. Kff enthält dieser Abschnitt eine grosse Anzahl iotar* 



Zur BerichtigVLUg. 239 

essaater aosführlicb mitgetheilter Beobacbtnogen , treffender Be* 
merkangen nod wichtiger tberapeutisober Fingerzeige , welche 
in Kurzem nicht gnt wieder zu geben sind. — Als einen Mangel 
in diesen Tortrefflicben Kapiteln empfindet Ref. nnr, dass die 
Darstellnng einiger mifislnngener Heilnngsversnohe, welehe für 
den, In der mechanischen Behandlung Unerfahrenen von >der 
grössten Wichtigkeit sind, fehlt. Jedenfalls aber rerdient es die 
grösste Anerkennang, dass der Verf. trotz des Verdicts der Pa- 
riser Akademie 1854, die Frage über die Zweckmässigkeit der 
mechanischen Behandlung durch eine reiche Erfahrung und sorg- 
same Studien zur Entscheidung zu bringen gesucht od^r, wie 
Ref. glaubt, entschieden bat. 

Und 80 mag das treffliche Werk, das so wichtige Fragen 
eingehend behandelt, allen Fachgenossen zum Studium recht 
dringend empfohlen sein. Fr. 



Zur Berichtigung. 

Eine Notiz für Prof. Spiegelberg. 

In dem Canstatt'schen Jahresberichte (N. F. H, Jahrgang, 
pag. 387.) referirt Spiegelberg über die von mir auf der Natur- 
forscherversammlung zu Giessen besprochene seitliche Verschie- 
bung der Scbädelhälften Neugeborener, bezweifelt deren Zustande- 
kommen durch den Druck eines normalen Beckens und glaubt 
meine Beobachtung durch die von Stad/eldt erörterte Asymme- 
trie des Schädels erklärt. 

Ueber den von SpiegeUferg geäusserten Zweifel kann ich 
hinweggehen, so lange Spiegelberg keine Beobachtungen bringt, 
die gegen mich beweisen, denn es ist diess eine Sache, welche nur 
durch Beobachtungen entschieden werden kann; aber ich bin 
überzeugt, dass Spiegelberg ^ wenn er sich die Mühe nimmt, in 
der von mir zu Giessen erörterten Weise Messungen anzustellen, 
meine Angaben wird bestätigen müssen. 

Wenn indess Spiegelberg meine Beobachtung auf die von 
Stctd/eldt beschriebene Asymmetrie des Schädels zurückführt, so 
ist das völlig falsch. Ks handelt sich hier um zwei ätiologisch 
total verschiedene Dinge. Stadfeldt spricht von einer mit Ver- 
krümmung der Wirbelsäule zusjimroenhängenden Asj'mmetrie, 
bei welcher die linke Schädelseite nach hinten und oben ver- 
schoben ist, ich dagegen von einer durch den Geburtsakt be- 
wirkten Verschiebung, deren Richtung je nach der Schädelstel- 
lung eine verschiedene ist. Nur in einem Theile der Fälle kann 
daher die von mir beobachtete Verschiebung der von Stadfeldt 
wahrgenommenen gleichkommen. Spiegelberg meint, meiner An- 
gabe nach müsse die seitliche Verschiebung bei QT&t^t ^^VäAO^- 
U^e Oiid Tiefstand des Hinterhauptes der von Bladfeldl wv^^^^- 



240 B&richtigotig. 

benen Asymmetrie gleichkommen. Ich eraehe darauf, das» Sp. 
meine Theorie, obwohl er sie wenige Zeilen vorher riehtig wie- 
dergiebt, dennoch falsch vnwendet. Bei erster Sch&dellage steht 
die linke Seite nach hinten , hier mnss daher bei tiefstehendem 
Hinterhanpte meiner Theorie nach die linke Seite gegen die Stirn 
an rerschoben werden, das Ut aber gerade das Umgekehrte Ton 
dem, was Spiegelberg sagt. Dohm, 



Berichtigimg. 
(Durch eine Ferienreise rerspätet.) 

In dem Julihefte dieser Monatsschrift befindet sieh eine 
nachträgliche Bemerkung des Herrn Prof. »Stmon in Rostock, die 
in wesentlichen Punkten su berichtigen ich mir nicht versagen 
kann. 

Zu dem ersten Satze erlaube ich mir die factische Berichtigung 
su machen, dass, wKhrend das Juniheft der Monatsschrift, in 
dem der betreffende StmotCsche Aufsats sieh abgedruckt findet, 
erst Ende Juni ausgegeben ist, meine Schrift bereits am 21. April 
in den Buchhandel gekommen ist. Der Sachverhalt ist mithin 
der ungekehrte, als wie Herr Prof. Simon ihn darstellt: Meine 
Schrift war bereits seit zwei Monaten gedruckt, als die Simon*- 
sehe Arbeit erschien. 

Der Passus der £itmon*8chen nachträglichen Bemerkung: 
„Ans der Schrift ist ersichtlich u. s. w.^, ist su unbestimmt aus- 
gedrückt um klar zu sein. Meint Herr Prof. Simon damit, dass 
er zuerst auf den Gedanken gekommen sei, der i7s^ar*sche Fall 
und vielleicht noch einige ähnliche seien irrthümlich als Haema- 
tocele diagnosticirt , so will ich ihm die Priorität dieses Gedan- 
kens nicht rauben. Wer indessen unsere betreffenden Arbeiten 
vergleicht, wird zugeben müssen , dass ich noch zu etwas ande- 
ren Resultaten gekommen bin, als Herr Prof. Simon bereits vor 
17, Jahren gekommen ist, vorausgesetzt dass man als Maasstab 
dieser letzteren Resultate die im Juniheft 1866 der Monatsschrift 
befindliche Simon^sche Abhandlung betrachtet. 

Bonn, 27. August 1866. Dr. Schröder. 



XIV. 
Verhandlangen der Gesellschaft für Geburtshttlfe 

in 

Berlin. 



Sitzung am 8. Mai 1866. 

Herr Scharlau legt der Gesellschaft ein Präparat von 
Situs viscerum in versus vor. 

Das Kind, weiches ich heute der Gesellschaft vorlege, 
wurde am 10. April d. J. in der hiesigen Entbindungsanstalt 
in Reckcncndlngc todtgehoron. Zunächst fand sich an dem- 
selben ein Ilydrocephalus massigen Grades und Spina bifida 
des Hiulerhauples und der Halswirbel. Bei der demnächst 
vorgenommenen Obduction ergab sich ein vollkommener Situs 
transversus viscerum der Brust- und Bauchhöhle. Zunächst 
die Sj)ina bifida anlangend ist das Hinterhaupt median voll- 
kommen getrennt, und beide Theile durch eine Membran 
zusammengehalten. Die Halswirbel sind unter einander ver- 
schmolzen und an ihrer hinteren Seite völlig getheilt; an der 
vordem Wand des Ruckgradkanals, dem zweiten und dritten 
Halswirbel ungefähr entsprechend, findet sich ebenfalls ein 
zwei bis drei Linien langer Spalt, welcher gegen die Rachen- 
hdhle hin nur von einer feinen durchscheinenden Membran 
bedeckt ist. Das Gehirn ist mangelhaft entwickelt, nament- 
lich die Grosshirnhemisphären; die Scitenventrikel sind stark 
erweitert und communiciren mit der Schädelhöhlc, in welcher 
sich eine beträchtliche Wassermenge vorfindet. 

Die Augenlidspalten sind vorhanden, d\c lx\^ ^\vcö^\ ^vi. 
PnpiUarnwinbinn goschlon^san, 

MoüatSBebr. f. Oeburtak, 1866. Bd. XXVIII., TIft. 4. ^^ 



242 Xl^r VerhaodliiDgen der Gesellschaft 

Die Nase ragt als kleine Prominenz hervor, ein Septam 
narium ist nicht vorhanden. 

Der Muod steht weit olTen, aus ihm ragt die grosse 
Zunge. Der Arcus glosso-palatinus inserirt beiderseits an die 
Mundwinkel; die Arcus pharyngo-palatiui sind nur angedeutet 
vorhanden. Der Schlund ist weit und gelangt der hineinge- 
steckte Finger sofort in den Magen, welcher rechts von der 
Wirbelsaule liegend mit der kleinen Curvatur nach links, mit 
der grossen nach rechts gerichtet ist. Die Lagerung der 
Därme ist der normalen gerade entgegengesetzt, so dass 
auch das Coecom links, das Colon ascendens links, das Colon 
descendens rechts liegt und das Rectum vor der rechten 
Synchondrose herabsteigt. 

Brust- und Bauchhöhle sind durch das Diaphragma ge- 
trennt, aber in eigenthumlicher Weise, so dass sich dasselbe 
rechterseits an die sechste Rippe inserirt; dann aber von dort 
schräg aufsteigend linkerseits an die Clavicula und erste Rippe 
angeheftet ist. Dadurch ist die Bauchhöhle linkerseits bis in 
den Thorax erweitert, und liegt daselbst ganz von demselben 
bedeckt die Leber, und zwar so, dass auch die Anordnung 
ihrer Lappen der normalen entgegengesetzt ist Rechts 
von der Wirbelsäule liegt die kleine Milz. Die Hoden befin- 
den sich noch in der Bauchhöhle. 

Bei Eröfinung des Cavum thoracis findet sich das Herz in 
der rechten Brusthälfte, mit seiner Spitze nach rechts ge- 
richtet. Die rechte Lunge ist zweilappig, die linke dreilap- 
pig. Aus dem rechten Ventrikel entspringt die Aorta, welche, 
nachdem sie den Truncus anonymus, eine Carotis dextra und 
eine subclavia dextra abgegeben hat, rechts von der Wirbel- 
säule durch das Diaphragma in die Bauchhöhle tritt, und sich 
nach Abgabe der gewöhnlichen Gefasszweige dreigablig in 
zwei Arteriae iliacae communes und in eine Arteria umbili- 
calis theilt, welche auf der recliteu Biasenhälfte zum Nabel 
verläuft. Die Vena cava inferior läuft ebenfalls rechts von 
der Wirbelsäule und zwar ebenfalls rechts und hinten von 
der Aorta in die Höhe, geht durch das Diaphragma, und 
endet im linken Vorhof des Herzens. 



für QebartBliülfe in Berlin. 243 

Herr Rose hält unt^ Demonstration der Präparate einen 
Vortrag: 

lieber Atresien seltener Art. 
(Mit 1 Tafel Abbildungen.) 

Die vorliegende Frucht, welche Herr Dr. Voss in Fries- 
land mittelst Decapitation , Exenteration der Brusthöhle und 
Paracentese des Unterleibes hat entbinden müssen ; und die 
ich der Güte des Herrn Geh.-Rath Martin verdanke, bietet 
einen Verein von so seltenen Missbildungen dar, dass sie 
eine nähere Beschreibung verdient, soweit die zahlreichen 
Verletzungen bei der Operation, wie die Schnitte bei der 
Section es jetzt noch an dem sonst wohl erhaltenen Spiritus- 
präparate gestatten. 

lieber den näheren Geburtsverlauf l)erichten schon die 
Verhandlungen der Gesellschaft für Geburtshulfe in Berh'n 
vom 14. November des Jahres 1865. 

Da das Geburlshinderniss in einer massigen Wasser- 
ansammlung in der Unterleibshöhle bestand, wollen wir mit 
der Untersuchung des Rumpfes beginnen. 

Bauchhöhle. 

Die wenn auch geschrumpften Bauchdecken legen noch 
jetzt ein Zeugniss ab von dem Umfange des Leibes, der ain 
Nabel gemessen neun Zoll beträgt. Dies Geburtshinderniss 
ist um so auiTallender, da es an einem kleinen und unreifen 
Fötus stattfand. Denn die Kopfhaare des. im Ganzen regel- 
mässig entwickelten Kindes sind zwar fast einen Zoll lang, 
allein die Nägel sind kaum ausgebildet, und die Körperlänge 
vom Hacken bis zum Scheitel beträgt nur 12 Zoll. Dabei 
fehlen in beiden Oberschenkelepiphysen die Knochenkerne 
und das Zungenbein ist noch nicht verknöchert. 

Der Grund der serösen Ansammlung, welche in der 
Bauchhöhle selbst stattfand, ergiebt sich in einer abgelaufenen 
Peritonitis, von der sich an den Därmen mannigfache Spu- 
ren Onden. Nicht bloss zahlreiche feine Fäden, sondern derbe 
kurze breite Brücken gehen in grosser Zahl von eiu^v ^^\\s\- 
schlinge zur anderen, in der Art, dass ^äv«\\u\X\Oc\«^ \Sv»xvc\^ 



244 ^I^« Verhandlungen der Gesellechaft 

ein kleines Paquet bilden, welches unmittelbar unter dem Magen 
liegt. Von da geht der Mastdarm etwa drei Zoll lang senk- 
recht längs der Wirbelsäule ahwärts, ohne dass sich vom 
Netze eine Andeutung wahrnehmen lässt. After, Harnröhre 
und Scheide (einen Cenlimeter lang) sind normal. Die Harn- 
blase ist 472 Centimeter lang, indem der ganze Urachus bis 
zum Nabel noch nicht von ihr abgeschlossen ist. Sie nimmt 
rechts den Harnleiter von der grossen Niere auf, während 
links Harnleiter und Niere fehlen. Umgekehrt ist nur lin- 
kerseits eine Geschlechtsdrüse^) vorhanden, die sich jedoch 
unmittelbar links vom Nabel unter dem Bauchfelle bemerklich 
macht. Franzen und Eileiter sind deutlich, doch lässt sich 
wegen der Einschnitte in den Uterus der Eigang nicht mehr 
bis zur Scheide verfolgen. 

Die Milz ist sehr blutreich; Leber und Zwerchfell zeigen 
die bei der Operation hergestellten Durchbohrungen. Die Ein- 
geweide der Brusthöhle, Lungen und Herz, sind bei der Ge- 
legenheit entfernt. Die drei Nabelgcfusse sind normal. Ein 
etwa zollgrosscr Nabelschnurbruch, eine lordotische Ausbie- 
gung der Wirbelsäule in der Lcndeugegend, endlich ein etwa 
zwei Centimeter weites KlalTcs der Schainfuge sind Eigen- 
thümlichkciten , die man sich als Folgen der ungewöhnlichen 
Belastung und Ausdehnung des Unterleibes erklären muss, 
gerade so, wie man den Nabelschnurbruch und die Lordose 
angeboren bei Blasenwassersucht in Folge mangelhafter Harn- 
röhrenbildung durch die Spannung der Bauchdecken herbei- 
geführt findet, oder wie man die Schamfuge jedesmal bei der 
angeborenen Blasenspalte klaflen sieht. 

Es ist das das beste Zeichen, dass es sich hier wie dort 
um dieselbe Ursache handelt, nämlich eine frühzeitige Aus- 
dehnung des Unterleibes im Mutterleibe, jedoch mit dem 
Unterschiede, dass sie hier im Bauchfelle lag und operativ be- 
seitigt wurde, bei der Blasenspalte dagegen in der Allanlois 

1) Sie, ähnelt gans dem ntrophischen linken Ovarinm in 
dem Falle von angeborener BlHsoiivvassersncbt, den ich jüngst 
beschrieben und abgebildet in dem Vortrage über Harnverhal- 
tung beim Neugeboruncn (Tafol II.), So.paratabdruck ans dem 
/?/?. XXV. der Monntsacbrift für (irhurfsknnde und Franenkrnnk- 
holten. 



für Gebnrtshülfe in Berlin. 245 

gelegen, ebenso ein „Offenbleiben ^) der Blase'^ wie der Scham- 
fuge zu Woge bringt. 

Zum zweiten Male werden mit dieser Section die alten 
Theorien der Blaseninversion von Roose und Crtve wider- 
legty welche in ihrer Verbindung mit dem Klaffen der Scham- 
fuge ein ursächliches Verhältniss annahmen. Schon Waüer 
fand vor 100 Jahren bei einem Manne mit schwankendem 
Gange dies Klaffen als Ursache, ohne eine Blaseninversion 
oder überhaupt ein Blasenleiden auf dem Secirtische damit 
verknüpft zu fmden. Ein ähnliches Verhalten ohne Blasen- 
inversion erkannte Coates an einem Lebenden. 

Der dritte Fall, welcher hier vorliegt, zeigt uns dagegen 
deutlich eine andere Verbindung, nämlich mit einem grossen 
Perilonualexsudate, welches vielleicht auch ursprunglich in jenen 
beiden Fällen, wenn auch in geringerem Grade bei der Ge- 
burt bestanden haben mag. 

Immer würde dann das Klaffen der Schamfuge als eine 
Folge einer abnormen Belastung der fötalen Unterleibshohle, 
sei es durch eine ^weitcrte Allantois, sei es durch ein freies 
Exsudal des Bauchfelles, anzusprechen sein, 

Hals. 

Legi mau an dem abgetrennten, aber sonst unverletzten 
Kopf den Schlund bloss, so lallt der vollständige Mangel eines 
Kehldeckels^) auf. StaU dessen bestebti ein querer Spalt, 
der von einem eben angedeuteten Hautsaume umgeben und 
so schmal ist, dass sich eine Sonde nicht einfuhren Hess. 
Andererseits fand sich die Luftröhre an ihrem 'gewöhnliehen 
Orte, im Umfange etwa von 1 Centimcnter und wohl ausge- 
bildet vor; nur darin wich sie ab, dass sie am obern Ende 
ilach abgeschlossen war. Ein Längsschnitt, bis zur Zungen- 



1) Man verjjleichc meinen Vortrag über das „Offenbleiben 
der Blase«, Abdruck aus Bd. XXVI. der Monatsachrift für Ge- 
bnrtaknnde and Franenkrankbeiten , wo in Fig. 1. auch das 
Angeborene Klaffen der Schamfuge abgebildet ist. 

2) Der einzige sonst bekannte Fall von Targioni Tozelti ist 
nach Joh. Friedr. Merkel (pathol. Anatomie Bd. \, v*-^- ^aÄ^^ ^vo. 
erworbener, keiD congenitaler Defect der ¥^p\g\o\X\a. 



246 ^^^- Verhaodliingen der Gesellsehaft 

Wurzel fortgesetzt, ergab, dass das Zungenbein ebenso wie 
der Schild- , Ring- und Giessbeckenknorpel im knorpligen 
Zustande vorhanden war, der Art jedoch, dass Zungenbein, 
Ringknorpel und der einfache Giessbeckenknorpel der Länge 
nach Ton dem Schnitt gespalten, der Schildknorpel jedoch 
zwei Mal der vorderen und hinteren Wand des Kehlkopfes 
entsprechend davon betroffen wurde. 

So fehlte also die Höhlung im Innern des Kehlkopfes, 
welche in der Höhe des Zungenbeines und Ringknorpels durch 
Knorpel, im Innern des cylindrischen, an seinen hinteren Rän- 
dern verwachsenen Schildknorpels durch Weichgebilde (Mus- 
keln) vollständig erfüllt war. Der unpaare Giessbeckenknorpel 
lag oberhalb der Ruckseite des Schildknorpelcylinders. So- 
wohl am Schild knorpel als am Zungenbeine fehlen die Uörner. 

Während so der Kehlkopf vollständig solid war, ergab 
sich hinter ihm zwischen dem Giessbeckenknorpel und der 
Speiseröhre ein feiner Kanal, der kaum die Stärke eines 
Stecknadelkopfes hatte, und oben dort, wo der Kehldeckel 
fehlte, unten an der Ruckseite des Luftröhrenendes mundete. 

So liegt also eine theils carnöse, theils cartilaginöse 
Atresie des Kehlkopfes vor, wobei gleichzeitig Luftröhre und 
Schlund durch einen feinen Schleimhautkanal verbunden sind. 

Kehlkopfmissbildungen der Art bei sonst wohlgebildeten) 
, Körper — wir sehen hier von Acephalen^) und Doppel- 
missbildungen ab — sind so äusserst selten, dass es sich 
wohl verlohnt, den einzigen^) bekannten Fall von Larynxatresie 
hiermit zu vergleichen. Er verdient um so mehr aus der 
Vergessenheit gezogen zu werden, als er auch für den Ge- 
richlsarzt ein grosses Interesse darbietet Stellt er doch 



1) „Aspera arteria compressa atqae interne coDcreta est^ at 
nee specillam tennissimam in se reeipiat^ heisst es in OUo^a 
Dissertation vom ersten reifen Anencephalen (cf. Monstr. trinoi 
cerebro atque cranio destitotorum anatomica et physiolo^cA 
disqnisitio. Francofurti ad Viadr. 1808. 4. pag. 17.)* 

2) Ein Fall von congenitaler Stenose des Kehlkopfes vni 
der Trachea mit Verknöchemng der Knorpel nnd secnndareiB 
Emphjsema palmonam zugleich mit congenitaler heridit&rer Fj- 

-osstenose ist beschrieben von Dr. Rahn-Eachw in ZQrich in 
Fommev schweiser ZeiVBc\iT\it 1^. V ^IV V. 



fär Qeburtshttlfe in Berlin.. 247 

einen Fall dar, in dem „ein Leben ohne Athmen^' wirklich 
beobachtet worden ist; freilich hätte das auch jeder Fall von 
Atresie des Gesichts (seiner drei Oeffnungen) lehren können. 

Denn Fälle der Art^) sind nicht ganz so selten, wenn 
sie auch in früheren Jahrhunderten wegen der Streitfragen 
über die Ernährung der Frucht mehr das Interesse erregt 
zu haben scheinen. 

Dem Geburtshelfer lehren solche Fälle, wie lange ohne 
sonstige Kreislaufstörungen die mütterliche Placentarrespira- 
tion vorhalten, und den Todeskampf hinziehen kann. Dem 
Chirurgen geben sie um so mehr Hofifnung, in derartigen 
Fällen lebensrettend einschreiten zu können. 

Der Fall ist folgender*): 

Franciscus Rossi (Professor der Chirurgie u. s. w. in 
Turin) wurde 1803 in seine Entbindungsanstalt zu einer Dritt- 
schwangeren gerufen, deren Entbindung sich im Beckenads- 
gange zwar sehr verzögerte, dennoch aber nach vier Stunden 
bei normalen Verhältnissen, jedoch beträchtlicher Grösse des 
Kindes ohne operative Hülfe von Stalten ging. Der Knabe 
bewegte die Glieder und Lippen, wie wenn er schreien wollte 
( — quin emiserit vagilum — ), war jedoch asphyktisch, was 
man dem langen Durchschneiden zuschrieb. Mehrmals ent- 
leerte er Kindspech. Eine Stunde darauf hatte die Asphyxie 
noch zugenommen; alle Bewegungen der Lippen, Glieder^ 
des Herzens waren schwächer geworden, so dass er bald 
nachher starb. Bei der Section ergab sich, dass nicht bloss 
die Glottis von einer dicken Membran verschlossen war, einer 
Art Schleimhaut, sondern dass auch unterhalb der normalen 
Luftröhre ihre beiden Aeste knorplig ausgefüllt waren. Das 
Foramen ovale in den Vorhöfen war offen. 

Gemeinsam ist also diesen beiden Fällen ein theils car- 
nöser, theils cartilaginöser Verschluss der Luftwege; den Un- 
terschied bieten sie jedoch dar, dass in unserem Falle dabei 



1) Man vergleiche z. B. Brady^s Fall weiter nnten. 

2) „De nonnnllis monstruositatibns in internis hnmani cor- 
poris partibus observationes aoctore Francisco Roaai in Memorie 
della reale Academia delle scienze di Tnrino. Vol. SO. 1^24^. 
4. pag. 166. 



248 ^I^- «Verhandlangen der Oeaellscbiift 

ciiio ungcwöbnliche Verbindung der Luftwege mit dem Schlünde 
sich findet. (Is ist das ganz dui*se)be Unterschied, wie er 
sich findet zwischen dem Falle von Hypospadie mit Bildung 
des äusseren Harnröhrcnstückes in der Eichel und dem Falle 
von Restiren eines Harnröhrenseptums, wobei sich das innere 
und äussere Bildungsstück der Harnröhre nicht erreiclien oder 
verfehlen ^). 

Bei der Harnröhre fuhrt das Septum wegen der Harn- 
Stauung spätestens bei der Entbindung zum Tode, beim Kehl- 
kopfe erst nach der Geburt, wenn der Athemprocess erfor- 
dcrhch wird. Und auch das ist nicht nothwendig, da sich 
in anderen Fällen, wenn die Bronchien nicht auch verschlos- 
sen, möglicherweise operaliv durch die Bronchotomic eine 
Rettung wird erzielen lassen. 

Die Hypospadie .dagegen stellt eine Art Naturheilung 
durch Bildung eines der drei möghchen Ventile dar, wie ich 
anderen Orts auseinandergesetzt^). Dieser Fall von Larynx- 
atresie ist insofern ähnhch, als trotz des Verschlusses, des 
restirenden Septums, doch eine Ausmündung des inneren 
Bildungsstückes stattgefunden hal, nur würde bei der Enge 
die Verbindung jedenfalls dem späteren Bedürfnisse allein nichjl 
genügt haben. 

Wieder belehren uns aber beide Fälle , sowohl die car- 
nösen Alresien nu't wie ohne Vcntilbildung, über die Unab- 
hängigkeit der Bildungen dies- und jenseits des Seplums. 
Das ist ja gerade das grosse Interesse bei ihrem Studium, 
ganz abgesehen davon, dass sie unter allen Bildungsfehlern 
am meisten der chirurgischen Hülfe zugänglich und noth- 
wendig bedürftig sind, ist im ausgebildeten Fötus ein offener 
Kanal durch ein Septum unterbrochen, ohne dass uns die* 
Umgebung eine Narbe oder sonst eine Spur eines irritativeii 
Processes an Ort und Stelle zeigt, so bietet sich uns im 
Groben für das blosse Auge eine erwünschte Conlrole der 
Entwickelungsgeschichte dar, und das gerade für die Bil- 
dungsverhältnisse solcher Organe, die bei ihrem frühen Ent- 



1) cf. Tafel I. Fig. 2. in: „Ucber Harnverbaltnng beim 
Nengeborcnen^. 

2) ibidem p. 24. 



fdr Geburtshülfe in Berlin. 249 

stehen kaum luit Vergrösserungen in ihren Anfangen sicher 
zu verfolgen sind, und die bewährtesten Etnbryologen bei der 
Kleinheit der Objecte zu den entgegengesetzten Anschauungen 
gefülirt haben. 

Es betritll das besonders die Ausstulpungstheorien drü- 
siger Organe und ähnliche Einstulpungstheorien, wo sich die 
Beobachtungen von Reichert^ Bischoff, Ämmon mit denen 
von Baer, Valentin^ Joh, Müller ^ Huachke oft gerade 
entgegenstehen. Ich will nur an wenige Fälle erinnern. 

Ob die Allantois eine einfache Ausstülpung des Darm- 
rohres ist, oder aus zwei getrennten soliden Höckern sich 
bildet, die sich erst später einen und ausliöhlen, wie Rei- 
chert beobachtete^), lässt sich so leicht erkennen. Denn 
ein Mal erfordern die Fälle von doppeller und getrennter 
Blase, mein Fall von Inversio vesicae duplicis^) einen Ursprung 
aus zwei getrennten Stücken, und dann beweisen die von mir 
anderwärts^) gesammelten Fälle von Oflenbleiben des Harn- 
stranges in Folge angeborener Atresia urethrae beim Weibe, 
da SS die erste Anlage eine ursprünghch sohde sei. So wi- 
derlegt sich für diesen Fall die Ausstulpungstheorie. 

Ebenso lässt sich leicht Valentin'^ Beobachtung über 
die gesonderte Bildung der Harnleiter, Nierenbecken und Nie- 
rencanälchen gegenüber der Annalime von der Ausstülpung 
der gesammtcn Harnwege aus der Allantois dadurch rechte 
fertigen, dass man an das Vorkommen angeborener Atresien 
der Harnleiter erinnert, wie ich sie früher zusammenge- 
stellt habe*). 

Johannes Müller'^ Aimahme, dass der Penis durch 
Verwachsen zweier Hautfallen von unten herauf entstehe, 
widerlegt sich durch die Fälle von angeborenen Atresien in 
der männlichen Harnröhre, von denen ich jüngst*) zwei mit- 
getheill habe. Da sie uns (ganz abgesehen von der Bildung 
des Orificii vesicalis urethrae) zwei fertige Bildungsstücke im 



1) Joh. Müller, Phyalologrie Bd. II. p»g. 698. 1840. 

2) Abgebildet in „Das Offenbleiben der Blase^. 

3) „Ueber Harnverhaltnng beim Nengeborenen^, pag, 26. 

4) ibid. p. 36. 

6) ibid. pag. 7. u. 21. Fig. 2. 



250 ^IV. Verbaudlangen der Oeiellsobftft 

Penis zeigen, machen sie jene ohne yoii>ild dastehende An- 
nahme, die einer ganz ausnahmsweise wirklich, aber mit aller 
«Kunst und grosser Mühe Philipp von Waliher gelungenen 
Operation entlehnt ist, überflüssig und ganz unmöglich. 

Doch kehren wir zu unserem Falle zurück. Auch am 
Kehlkopfe widersprechen sich die Beobachtungen von Baer 
einerseits, und Eathke^ Reichert und Bisehoff andererseits. 
Jener sah die Lungen als zwei Ausstülpungen des Ddrmrohres 
entstehen, die sich später entwickeln und zur Luftröhre aus- 
ziehen sollten; diese lassen die ganze Luftröhre längs der 
Speiseröhre auf einmal entstehen, und fanden sie schon aus- 
gebildet; ehe sie hohl war. 

Nach unserem Principe sprechen die zwei mitgetheilten 
Fälle von Atresie des Kehlkopfes gegen Baer, 

In Rossis Fall hängt die ausgebildete Luftröhre gar 
nicht mit dem Darmrohre zusammen, ja die Bronchien, welche 
vollständig ihrer Bildung vorangehen müssten, sind undurch- 
gangig. Im vorliegenden ist die Luftröhre ausgebildet, wie 
beim lebensfähigen Kinde, während der ganze Kehlkopf ver- 
schlossen, und nur ein ganz enger, häutiger Seitengang zum 
Rachen führt. So zeigen beide Fälle gleichmässig, dass sich 
die Luftröhre vollständig entwickeln kann, einmal überhaupt 
vor jeder Verbindung mit der Speiseröhre, dann bei ganz un- 
bedeutender Verbindung, und widerlegen so Baer*s Annahme 
einer allnialigen Ausstülpung aus dem Darmkanale. 

Erklärung der Abbildung (Fig. 1.). 

Die Atresia laryngis ist der Länge nach aufgeschnitten; 
beide Hälften sind auseinandergeklappt. 

a. Stirnfortsatz des rechten Schläfenbeins. 

b. Obere Fläche des Kiefergelenkes. 

c. Untere Fläche der Zunge. 

d. Enden der Muse, geniohyoidci und hyoglossi. 

e. Schnittflächen des Zungenbeinknorpels. 

f. Kanal zum Rachen sich öffnend und zur Luftröhre sich 

fortsetzend. 

g. Vordere Schnittflächen des Kehlkopfknorpels. 

h. Hintere durchschnilleue Yf aiw& d^s ^^\i\to!^Ckaorpelcylin- 



för Gebartshfilfe in Berlin. 251 

ders, die aus zwei schmal durch Weichtheile ge- 
trennten Stücken besteht. 

i. Schnittflächen des Ringknorpels. 

k. Hintere Wand der Luftröhre mit fünf Knorpeiringeii. 

Gehörorgan. 

Bei der beschriebenen Form von Larynxatresie sind 
Zungenbein, Kehldeckel und Kehlkopf betheiligt, alles dreies 
Bildungen des zweiten und dritten Visceralbogens. Sehen 
wir uns deshalb nach ihren übrigen Productionen um! 

Ein Blick zeigt, dass wir es weder mit sehr groben Verände- 
rungen am äusseren Ohr noch mit jenen Anhängen zu thun 
haben, auf deren Werth zur Hinleitung auf weitere Störungen 
im Gebiete der ersten Visceralspalte Virchoto jüngst ^) die Auf- 
merksamkeit gelenkt hat; doch weicht schon die Lage der 
Ohren etwas ab. 

Beide Ohren sind nämlich am Kopfe merkwürdig herab- 
gerückt, und mit ihrer Längsrichtung hintenübergeneigt, in 
der Art, dass sie statt in der Höhe der Nase, in der Höhe 
des Kinnes stehen. Es fehlt ferner rechts die Fossa trian- 
gularis, indem beide Schenkel des Anthelix vereint sind. Der 
Antitragus ist ungemein stark, besonders im Vergleiche zum 
Tragus entwickelt, so dass eine Muschel dahinter eigentlich 
nicht existirt, sondern nur ein enger, zwei Linien tiefer 
Trichter, eine Andeutung des äussern Gehörganges. Die Fossa 
scaphoidea ist unten sehr wenig ausgebildet, ebenso wie die 
Gegenleisten, welche dort in ein sehr grosses, aber flaches 
Ohrläppchen auslaufen. 

Links ist das äussere Ohr dadurch sehr missgestaltet, 
dass es von hinten scheinbar nach vom umgeschlagen und 
mit seiner äussern Fläche in einen Eindruck der Backe ge- 
presst ist. Richtet man es auf, so nimmt man eine am oberen 
Ende des Helix befindliche senkrechte, von aussen nach innen 
gehende, etwa eine Linie tiefe Einsenkung wahr. Die übrigen 

1) „lieber Missbildnn^en am Ohr und im Bereiche des er- 
sten Kiemenbogens^ , im ArebiT für patholog. ATL^it^m« ''o^. '^Vi* 
■iologie. Bd. 30. pag. 221. 



252 XIV. Verhandlungen der Gegellschaft 

Theile siud diircb den Druck etwas zusammengeschoben. Am 
un leren Ende des Tragus sinkt die Sonde kaum eine Linie 
tief ein, eine Andeutung des äusseren Gelförganges. 

Nachdem darauf die Kopfliaut abgezogea, wekhe nirgends 
Narben oder sonstige Abweichungen bemerken lässt, zeigt sich, 
da SS der äussere Gehurgang weder rechts, noch Jinks, durch 
die ganze Dicke der Cutis dringt. Auch Hess sich weder in 
der Haut, noch am Schädel eine knorplige Anlage dazu finden. 
Die Griflelfortsätze fehlen. Beide Schläfenbeine sind nach 
unten gerichtet, ihre Jochfortsätze haben keine ausgespixH 
ebene Wurzeln, so dass auch ein Tuberculum articulare 
nicht vorhanden ist, und hinter den iladien Gelenkllachen des 
Unterkiefers zeigt sich keine Spur einer ühranlage, indem 
weder die untere Wand des knöchernen Gehörganges durch 
einen Knorpel wie sonst bei Neugeborenen ^) vorgebildet, noch 
ein Paukenring augedeutet ist. Der Unterkiefer ist ausge- 
bildet, in der Mitte noch beweglich. Kinn, Winkel und Ge- 
lenkforlsatz liegen vollständig in einer Ebene, wenigstens 
links. 

Nacluleni die Schläfenbeine herausgenommen und zu- 
nächst links der knöcherne Scliuppenlheil ausgelöst, fand sich 
in dem Bindegewebe der unten ziemlich breiten Glaser"- 
sehen Spalte befestigt, innerhalb der so eröffneten Pauken- 
höhle ein kleines flaches dreieckiges Knöchelchen vor, ohn- 
gelahr von Grösse und Gestalt des Ambosses, welches keine 
Gclenkflächc zeigte, aber auf seiner convexen Seite, längs 
enier seiner drei Ausläufer eine tiefe Furche trug (Fig. 3. d. 1.). 

Bei seiner Deutung kann man an einen W^or?ii'schen 
Schaltknochen, an den Paukenring und an den Meckethdieü 
Knorpel denken. % 

Die Furche spricht hauptsächlich dagegen, in ihm einen 
Schaltknochen anzunehmen, während er sonst der Schläfen- 
schuppe im Aussehen älmelt. Auch liesse sich die Stellung 
längs der Glaser' ncUcii Spalte, in derselben mit der unter- 
sten Ecke befestigt und verborgen in der Trommelhöhle, da- 



1) Böke: „Der Meatns auditorius oxternns im Allgemeinen 
nnd die Verkncichernng der obern and antern Wand deseelben 
ioB BöÄondere* in Virchow^a Archir f. path. Anat u. Physiologie. 
Bd. 2U. Soite 475. 



für Oeburtfihülfe in Berlin. 253 

mit nicht veroineD. Endlich . war auch sonst nirgends am 
Schädel ein Zwickelbein zu finden, selbst nicht an ihrem 
Lieblingsort ^), dem Lambdawinkel. 

Die weitere Untersuchung schien mehr dafür zu spre- 
chen, das Knöchelclicn für eine selbständige Produclion aus 
dem Meckd^ ^hcn Knorpel anzusehen. Der lange Fortsatz 
des Hammers, sein Rest, fehlte nämUch vollständig, und war 
oigentHch nur durch die 'Knickung zwischen Kopf und Stiel 
des Hammers, die fast einen rechten Winkel betrug, einiger- 
maassen angedeutet (Fig. 3. b.) 

Während der Hammer fast ganz so gross wie beim Er- 
wachsenen, sind seine beiden Fortsätze kaum andeutungs- 
weise vorhanden, und sehr viel stumpfer, kurzer als beim 
Erwachsenen. Der Kopf dagegen ist dicker, der Hals wenig 
ausgesprochen, die Gelenkiläche so ausgebildet, wie beim Er- 
wachsenen. Die beiden anderen Gehörknöchelclien sind regel- 
mässiger gebildet. Am Amboss (Fig. 3. a.) ist nur die Kürze 
des kurzen Schenkeis bemerkUch ; der Steigbügel (Fig. 3. c.) 
weicht nur insofern ab, als er etwas in die Länge gezogen 
und auf der Fläche gebogen ist. Tensor tympani nebst 
Kanal war vorhanden. Die Paukenhöhle, welche etwa zwei- 
drituü (>:ntimeter lang, einen halben Centimeter hoch und 
etwa \/3 Centimeter tief wie eine Nische aus dem Felsen- 
beine gearbeitet ist, mündet nach untni durch eine membra- 
nöse Eustachsche Trompete neben dem Gaumensegel, enthält 
Fäden, welche zum Theil durch die Gehörknöchelchen drin- 
gen, und ist nach oben und aussen durch das Felsenbein 
abgeschlossen, in dem feine Zellen zu bemerken sind. Die 
beiden Fenster und auf Durchschnitten Vorhof, Schnecke, 
und halbzirkelförmige Kanäle, Riechnerv, innerer Gehörgang, 
sowie äusserlich Apertura aquaeductus vestibuli, Hiatus ca- 
nalis Fallopii sind vorhanden und lassen keine Abweichung 
wahrnehmen. 

Die Untersuchung des rechten Schläfenbeines wurde noch 
vorsichtiger vorgenommen, um, wenn etwa auch hier abnorme 
Gehörknöchelchen vorhanden sein sollten, ihre Slellung und 
Befestigung genau zu beobachlen. Perus acusticns internus 

1) Meckelj path. Anatomie I., iU8. 



254 ^^^* Verhandlang^Qn der Oeeelltchaft 

nebst Nervenfasern, Apertura aqaaeductus. Cochleae, ForameD 
stylomastoideum, und Hiatus canaiis Fallopii waren regel- 
recht ausgebildet, Apertura aquaeductus vestibuli liegt ausseii 
neben dem Porus acust. internus. Meatus acusticus exter- 
nus cartilagineus , Processus styloides, Tuberculum arlico* 
lare, Annulus tympanicus fehlten bei d^ äusseren Besieh* 
tigung. Beim Torsichtigen Ablösen d^ Schuppe fand si^ 
wieder eine Nische im harten Felsentheil, welche die Gehör- 
knöchelchen barg. Nach aussen war sie ebenfalls knöchern 
bogenförmig abgesetzt, ohne dass der Amboss, der zunächst 
sichtbare Knochen, welcher mit seinem langen Fortsatz bis 
zum unteren Ende der häutigen Fissura Glasen reichte, mit 
diesem knöchernen Abschluss in Berährung gestanden hätte. 
Nachdem der Amboss aus dem Hammergelenk entfernt, sieht 
man deutlich den Hammerkopf durch einen Knochenvorsprung 
von innen her bedeckt, der mit ihm an der Berührungsfläche 
durch Bindegewebe verbunden ist. Sodann verschwindet er 
unter den Weichgebilden, welche die Höhle in der Mitte fast 
abschliessen, lässt sich aber mit ihnen bewegen. Nachdem 
sie von ihm abgetragen, zeigt sich ein Knochen von der 
Form eines grossen geschriebenen französischen T^), dessen 
geschwungener senkrechter Theil durch die häutige Fissura 
Glaser! bis zu ihrer unteren Fläche reicht, jedoch so, dass 
er von aussen ohne Ablösung der Schuppe nicht sichtbar 
ist. Zwischen Felsentheil einerseits, Hammer und diesem 
vierten Knochen andererseits findet sich in einer Art von 
Membran eine OelTnung, durch die beide Theile der Knochen- 
nische zusammenhängen. Während ihre vordere Fläche eben 
durch den Schuppentheil geschlossen wird, geht sie innen in 
die feine häutige Tuba Eustachii über. Der Steigbügel, ähn- 
lich dem auf der anderen Seite, lässt sich erst zu Gesichte 
bringen, nachdem Hammer und vierter Knochen entfernt 
Man sieht dann, dass der Hammer hier ganz symmetrisch 
dem der anderen Seite gestaltet ist. Der vierte T förmige 
Knochen zeigt auf der Rückseite seines oberen, sich theilen- 
den Stückes ganz das Aussehen, wie der vierle]Knochen der 

1) Man vergleiche wegen der Lage die Zeichnung (P!g.2.), 
welche nach Entfernnng des Schnppentbeiles nnd Ambossea vom 
FeJßenheine diener Seite autg^nomia^iv \%\.. 



für Gebnrtshülfe in Berlin. 255 

anderen Seite auf seiner gefurchten Fläche. In dieser Furclie 
ist der Knochen durch Biildegewebe sowohl nach unten mit 
dem Hammerhalse als nach oben mit der Decke der knöcher- 
nen Nische verhunden. Von dem dünneren, un leren Ende 
nach aussen findet sich nun hier aber noch ein fünfter Kno«^ 
chen, welcher fast ganz im Bindegewebe vergraben war und 
am Boden der Knochennische, und zwar in ihrer äussern 
Abtheilung liegt. Er stellt einen langen, schmalen, abgerun- 
deten Kiel vor, dessen Spitze mit dem Ende des vierten 
T förmigen Knochens durch Bindegewebe verbunden, und 
dessen breiteres Ende nach aussen gerichtet war. Durch 
seine Lage bildet er gewissermassen eine Fortsetzung des 
freien Endes des T förmigen Knochens, in der Art, dass der 
fünfte Knochen mit dem feinen und dem freien Ende des 
vierten einen zu drei Vierte] geschlossenen Kreis bildet, des- 
sen äusserer oberer Quadrant offen ist. 

Danach konnte man geneigt sein, in beiden überzähligen 
Knochen veränderte Stücke des hufeisenförmigen Paukenrin- 
ges anzunehmen und dafür den Falz herbeizuziehen, indem 
man sich den Ansatz des Trommelfelles decken möchte. Dem 
widerspricht Folgendes. 

Dieser Kreis kann nicht den Paukenring darstellen, er- 
stens, weil einmal die ganze untere Hälfte im Bindegewebe 
ziemlich fest vergraben, die obere dagegen theils offen, theiis 
ohne häutige Verbindung war. Zweitens war der Hammer 
überall von dieser Kreisfläche entfernt. Ferner war der Falz 
nicht fürs Trommelfell bestimmt; denn er lag gerade an der 
von diesem Kreise abgekehrten Fläche des dicken bedeckten 
Fortsatzes vom vierten Knochen und diente eben nur seiner 
Befestigung an der Felsenbeindecke. Indem dieser Kreis pa- 
raUel der Längsrichtung der Knochennische steht, entspräche 
er zwar wohl der Lage des Paukenringes in Bezug zur Axe 
der Tuba ; da er aber nicht an der unteren Fläche des Schlä- 
fenbeines, wo der Paukenring der Embryonen sofort auffallt, 
sondern im Gewebe der Fissura Glaseri befindlich, so ent- 
spricht endlich bei näherer Betrachtung doch auch die Lage 
des Paukenringes nicht ganz diesem Kreise. 

Ebensowenig gleicht jene Scheidewand einem Tcqvsvvicv^V- 
felle mit einem grossen Foramen Rivmi, vje\\ sä ^^w ^v\«« 



256 ^1^* Verhandinng^ii der Gesellscliaft 

zur Länge der Knochennische steht, statt längs an ihrer un- 
teren Seite zu liegen, und machte überhaupt mehr den Ein- 
druck von Bindegewebsverwachsungen zwischen Hammer und 
T förmigen Knochen, als von einer unvollständigen Membran. 
/Der Hauptgrund dagegen ist endlich folgender. Indem durch 
diese Masse und den T förmigen Knochen die Knocbennische 
halbirt wird, musste dann ihr äusserer Theil.dem inneren 
des Mealus auditorius extemus osseus, ihre innere Hälfte 
der Trommelhöhle entsprechen; dann würde diese ganz leer 
sein, und Hammer, Amboss und Steigbügel befänden sich im 
äusseren Gehörgange. 

Es kann danach der T formige Knochen gar nichts mit 
dem Paukenringe zu schaffen haben. Was endlich den keil- 
förmigen fünften Knochen betrifft, so bleibt seine Deutung 
um so mehr räthselhaft, als er ziemlich entfernt vom Ham- 
mer liegt, so dass man nicht etwa in ihm einen Ersatz des 
langen defecten Hammerstiels annehmen kann. Uebrigens 
gleicht er einem Knochenstücke, das ich bei Embryonen von 
öVa ""d 7^2 Zoll (Fig. 3. e.) fand; es war in Verbindung 
mit einem Theile des Paukenringes, der sonst aus einem 
äusserst fernen knöchernen Halbringe bestand. Mit dem T för- 
migen Knochen hatte er in keiner Beziehung irgend eine Aelm- 
lichkeit. Beim Ablösen der linken Schlafenschuppe ist ein 
solcher keilförmiger Knochen nicht gefunden worden. 

Man könnte endlich noch daran denken, diese Knochen- 
stücke für entzündliche Knochenneubildungen, etwa nach Art 
der Osteophyten zu halten. Ifire Form , ihre glatte und ebene 
Beschaffenheit widerlegt dies hinlänglich; es lassen sich auch 
sonst nirgends Spuren von Osteophyten oder von einer Er- 
krankung der Knochen am Felsenbeine oder der Schuppe 
wahrnehmen. 

Nach dem allem ist man wohl gezwungen, wenigstens 
den T förniigen vierten Knochen für eine ungewöhnliche Kno- 
chenproduction des MeckeVschün Knorpels, oder wenigstens 
des ersten Visceralstreifens zu halten, wofür sowohl seine 
Lage, als seine Verbindung mit dem Hammerhais, endlich 
der Defect des langen Hainmerfortsatzes spricht. Ist 
Aurch die ansgedrimten Störungen in der ersten Visceral- 
j^pallo, (l'w l^»sorplion Aes Meckol'scVw Vocvvvf^^ ^wi^erl 



Mr Gebnrtslifilfe in Berlin. 257 

worden, so masste um so mehr an Stelle des Processus 
Folii s. longus, des Ueberbleibseis Tom MeckeVschen Fortsatze, 
ein förmlicher neuer Knochen sich bilden, als erfahrungs- 
gemäss^) dieser Fortsatz gerade früher als die drei anderen 
Gehörknöchelchen verknöchert, und es so zu einer nachX 
träglichen Resorption^) des Knorpels nicht mehr kommen 
kann. 

Während Missbildungen des äusseren Ohres, wie auch 
der Gehörknöchelchen, sich in grosser Zahl verzeichnet fin- 
den, und auch in der Praxis nicht so sehr selten aufstossen, 
kann man von überzähligen Gehörknöchelchen dies weniger 
behaupten ; ich habe bia jetzt vergeblich nach einem Analogon 
gesucht. Ist jedoch meine Ansicht richtig, dass der über- 
zählige T förmige Knochen durch unterbliebene. Resorption 
d^s MeckeVschen Knorpels zu Stande gekommen sei, so 
lassen sich hier zwei Beobachtungen über Abnormitäten an- 
ziehen, welche die sonst schwindenden Theile der knorpligen 
Visceralstreifen betreffen. Reichert^) beobachtete nämlich 
bei einem Rinder- und einem Schweinefötus ähnliche Ver- 
krümmungen am i/ecA;6rschen Knorpel, wie unser überzäh- 
liger Knochen macht, kurz vor seiner Berührung mit dem 
Unterkiefer. Die andere Beobachtung bezieht sich auf die 
tbrigen Visceralstreifen, die sich bisweilen vollständig oder 
mehr als gewöhnlich erhalten finden. So beschreibt Vir- 
chow^) ein männliches Kind mit Defect des Radius und 
ersten Mittelfingers, so wie des äussern und Mittelohres 
rechter Seits und mit Ohranhängen, bei dem der rechte auf- 
steigende ünterkieferast durch ein Band ersetzt, das Liga- 

1) Man vergleiche Reichert „Ueber die Visceralbogen der 
Wirbelthiere im Allgemeinen und deren Metamorphosen bei den 
Vögeln nnd Säugethieren in Joh» Müller^a Archiv für Physiologie 
nnd Anatomie. Jahrgang 1837. Seite 187. 

2) Der MeckeVsche Fortsatz verschwindet im achten Mo- 
nate, während die Gehörknöchelchen schon im vierten knöchern 
sind. Der Pankenring ist in der 11. Woche knöchern. Vergl. 
BUchoff p. 412. 

3) ibid. Seite 184. 

4) Virchow: „Ueber Missbildnngen am Ohr nnd im Bereiche 
des ersten Kiemenbogens^ , im Archiv für palYioV. KTv^\.<^vev\« x^xA 
Physiologie. Bd 30. 8. 229. 1864. 

Moa»t80cbr. f. öebart«k. 1866. Bd. XXVlll., Hft. 4. ^'^ 



258 XIV. Verhandlangen der Qeiellschaft 

mentum slyiohyoideuin dagegen nicht bloss vorhanden, son- 
dern innen noch knorphg war, während dieser Knorpel doch 
sonst bis auf seinen letzten Rest, die vorderen Zungenbein* 
hörner, verschwindet. Bisweilen ferner findet man das ganze 
Suspensorium linguae verknöchert, was zum Theil wohl eine 
senile Veränderung ist. Endlich möchte ich an die Heustn- 
^er'schen Visceralknochen erinnern, von denen der zweite 
Fall ^) zumal wohl als eine Persistenz des so früh vergehen- 
den, oberen Stuckes des dritten Visceralstreifens anzuspre- 
chen wäre. 

Erklärung der Abbildungen. 

Fig. 2. Das rechte Felsenbein nach Entfernung der 
Schläfenschuppe von vorn. 

1. Knöcherne Trennungsfläche des Felsenbeins in der Su- 

tura petrosquamosa. 

2. Knöcherne Trennungsfläche des Felsenbeins in der Su- 

tura sphenopetrosa. 

3. Atresia ossea meatus auditorii externi. 

4. Foramen caroticum externum. 

5. Foramen stylomastoideum. 

6. Tuba Eustachii membranacea. 

7. Freier Fortsatz des vierten überzähligen T förmigen 

Gehörknöchelchen. 

8. Periostlappen von seinem dicken Fortsatze. 

9. Dünner Fortsatz desselben Knöcbelchens aus dem Pe- 

riost blossgelegt. 

10. Fünftes überzähliches keilförmiges Gehörknöchelchen, 

aus dem Bindegewebe der Fissura Glasen bloss- 
gelegt. 

11. Anheflungsstelle des vor der Abnahme der Zeichnung 

entfernten Ambosses. 

12. Andeutung des Processus mallei longus s. Folii. 

13. Manubrium mallei. 

14. Innere Abtheilung der Knochennische. 



1) Cf. Heusinger: „Halskiemenfisteln von noch nicht beob- 
Bcbteter Form** in Firc^oto's Archiv f. path. Anat. nnd PhystoL 
Bd, 29. Seite 362. 



für Gebartshfitfe in Berlin. 259 

15. Aeussere Abtheilung. 

16. Untere Fläche des Zitzenfortsatzes. 

Fig. 3. Gehörknöchelchen der linken Seite. 

a. Amboss. 

b. Hammer. 

c. Steigbügel. 

d. Vierler überzähliger Knochen mit der Furche 1. auf der 

Rückseite. 

e. Keilförmiges, glattes, leicht gebogenes und gefurchtes 

Knöchelchen, welches dem fünften überzähligen Ge- 
hörknöchelchen fler rechten Seite ähnelt und dem 
Ohre eines 7^2 ^oü langen normalen Embryo ent- 
nommen ist. Es ist etwa um die Hälfte grösser 
als jenes fünfte Knöcbelchen, und fand sich neben 
dem sehr viel schmaleren hufeisenförmigen knöcher- 
nen Paukenringe vor. 

Auge. 

Der letzte, nicht weniger merkwürdige ßefund, den die 
vorliegende Frucht darbietet, betrifllt die Abwesenheit der Au- 
gen. Während sich sonst in der Regel bei den Monstris 
anommatibuö ein, wenn auch noch so kleiner, meist zwei 
Linien langer Augenspalt mit einem kleinen trichterförmigen 
ßindehautsacke findet, sieht man hier äusserlich die Haut ohne 
Unterbrechung über die Augenhöhlen weggehen und sie eben 
'nur durch eine ganz flache Einsenkung andeuten, ohne jeg- 
Uche Spur von Wimpern oder Brauen. 

Die innere Untersuchung ergiebt Folgendes: Das zum 
Theil schon blossgelegte Gehirn, welches im Verhältnisse zu 
der dem Alter entsprechenden Weiche recht fest und wohl- 
erhalten war, Hess noch mit Sicherheit erkennen, dass seine 
Abschnitte weder verwachsen, noch durch Flüssigkeiten aus- 
gedehnt gewesen waren, wie das bei dem tiefen 'Ansätze der 
Ohren und der platten Lage der Schläfenbeine leicht zu er- 
warten gewesen war. Die Sehnervenkreuzung lässt sich da- 
gegen nicht mehr mit Sicherheit nachweisen. Die zwölf Hirn- 
nerven waren vorhanden , ohne atrophirt zu sein. Dv^ WvwV 
ehernen AugenböbleD waren normal. 



260 XIV. Verbandlancen der Gesellschaft 

Linker Seits war das Zellgewebe der Orbita ausser tod 
Fett und Nervenfasern von einem normalen Huskeltrichter 
ausgefüllt; auch die schiefen Augenmuskeln waren vorhanden. 
Durch ihn liess sich der Sehnerv in einen ziemlich stark 
entwickelten, durch die Aufbewahrung in Spiritus schlaffen 
und gefalteten Apfel verfolgen, der 1 — 1^2 Centimcter ira 
Durchmesser hatte. Vorn war er locker mit der Haut ver- 
wachsen, ohne dass dieselbe darum dort verdünnter ^weseo 
wäre. Bei der Abtrennung stiess ich weder auf Lidknorpel, 
noch Schliessmuskel, weder auf eine Thränendröse noch Reste 
eines Bindehautsackes. 

Beim Aufschneiden des Apfels 'ergab sich, dass die harte 
Haut gewöhnliche Dicke hatte, und ein ganz entsprechendes 
Gewebe, welches mikroskopisch nur aus Bindegewebsfibrillen 
und elastischen Fasern bestand, dem blossen Auge ganz 
ebenso undurchsichtig war, an Stelle der Hornhaut ^) den Apfel 
nach vorn begrenzte. Ihr entsprechend ist die Faserhaut 
innen ungefärbt, sonst aber haftet der inneren vorderen Hälfte 
eine schwarze ringförmige Schicht, die Uvea, ziemlich fest 
an, welche mikroskopisch aus durchsichtigen Zellen besteht, 
die peripher mit schwarzem Pigmente dicht gefüllt sind, einen 
Füllungsgrad, wie ihn schon Valentin und Bischoff beim 
Embryo sahen. Von der hinteren Hälfte hatten sich Netz- 
haut und Choroidea abgestreift, oder Hessen sich leicht ab* 
streifen und bildeten zum Theil den Brei, der im Augapfel 
enthalten war. Theils schwarz, theils fleischfarben bestand 
er ausser zahlreichen Körnern, aus sehr deutlichen Netzhaut- 
zapfen und anderen sehr wohl erhaltenen Bestandtheilen der 
Netzhaut, Choroidalpigmcnt und zahlreichen Blutkörperchen, 
deren Structur nichts Abweichendes wahrnehmen Hess. Irgend 
einen festern Kern besass er mit Sicherheit nicht, wie denn 
auch der Brei wiederholentlich niit grösster Sorgfalt und Vor- 
sicht, aber vergeblich nach Linsenfasern durchforscht wurde. 

1) Die Cornea ist sonst beim Menschenfötus in der fünften 
Woche zu erkennen, abg^egrenzt nach Ammon im 2., Valentin im 
vierten Monate, cf. Bischof. Die Choroidea entsteht nach Va- 
lentin in der achten Woche, die Netzhaut nach Ammon in der 7., 
Arnold in der vierten Wo<>he; die Iris Endo des dritten Monat«! 
aach Valentin; die AugonWAer Vu det *«\k\i\Ati ^<iQ.U*, 



für Qeburtshülfe in Berlin. 261 

Eine Iris war noch nicht gebildet. Zum Vergleiche damit 
diente ein wohlgebildeter menschlicher Embryo von öVa Zoll, 
der viele Monate in Spiritus gelegen hatte. Die ßulbi waren 
erbsengross, die Hornhaut hatte sich auch hier noch nicht 
von der Sclera differenzirl, und war nur von Innen, wie 
hier, durch Pigmentmangel angedeutet. Dagegen fand sich 
bereits eine stecknadelkopfgrosse härtliche Kugel im Inneren, 
welche bei 600facher Vergrösserung die Zusammensetzung 
aus Linsenfasern zeigte. Die Lider waren ausgebildet. Es 
geht also daraus hervor, dass bei jener Fruch wider Erwarten 

1. die Augenlider und ihre Bestandtheile, sowie die Binde- 

haut und alle Thränenorgaue fehlen, 

2. die Hornhaut noch nicht von der harten zu unterschei- 

den und 

3. keine Spur von Linse vorhanden ist. 

Dagegen sind die Netzhaut mit den Sehnerven, die Cho* 
roidea und Sclera vollständig entwickelt, und bilden einen dem 
Alter an Grösse entsprechenden Apfel, der nach vorn von 
der Sclera geschlossen und mit einem normalen Muskeltrichter 
versehen ist. 

Erinnert man sich nun hierbei an die Entwickelung des 
Sehorgans und an seinen zweifachen Ursprung aus der äus- 
seren Haut und aus den Augenblasen des Vorderhirns, so 
zeigt uns diese Uebersicbt, dass alle Organe, welche aus der 
äusseren Haut entstehen, auch nicht spurweise augedeutet 
sind, während die Innern ihre vollständige Entwickelung er- 
langt haben. 

Bezeichnet man den Complex von Organen, welche am 
Auge aus der äusseren Haut entstehen wie Lider, Linse, 
Thränenorgaue, als das äussere Auge, den anderen, der sich 
aus dem Centralnervensysteme entwickelt (Choroidea, Netz- 
haut, Sehnerv) als inneres Auge, so kann man die hier vor- 
liegende Missbildung kurz als einen Mangel des äusseren 
Auges bei vollständiger Entwickelung des innern sich vor- 
stellen. 

Es steht dieser Fall unerreicht da in der Vollständigkeit 
des Gegensatzes, der sich hier in der Ausbilduu^ d«« ^\v\.- 
wickelungsabschnifte zeigt, und bietet dädurcYv e\w^ tCÄ^Vwxxc- 



262 ^I^- yerha;idlang6ii der Gesellschaft 

üigc Bestätigung dar für die Ansicht, von ihrem zwiefachen 
Ursprünge. 

Sieht man bei der sehr grossen Zahl der angeborenen 
Bildungsfehler am Auge ab von den Fällen, wo nur einzelne 
Organe und auch die oft nur theilweise leiden, wie bei den 
Lid Verwachsungen, den Spaltbildungen, HcMer's Ablepharie, dem 
partiellen Hornhautmangel (der Scierophthalmie von Kieser ^), 
dem angeborenen Defect der Netzhaut^), so schrumpft die 
Zahl der Fälle ganz bedeutend ein, und es bleiben dann nkhl 
eben viele, die man sich unter den Bezeichnungen Monstra 
anommata, microphthalma, der Anophthalmie oder besser Ano- 
psie^ da man es nach Philipp v. Walther dabei doch nicht mit 
einer Augenentzündung, Ophthalmie, zu thun habe, bemüht 
hat, unterzubringen. 

Dem vorUegenden Falle lassen sich diese Bezeichnungen 
nicht aufzwängen, aber auch den übrigen schmiegen sie sich 
schlecht an. Geht man sie durch, wie ich sie auf der an- 
liegenden Tafel, soweit sie mir bekannt, zusammengestellt 
habe, so findet man auch bei ihnen eine grosse Verschie- 
denheit, und es verräth sich auch hier ein Unterschied im 
Verhalten des äusseren und inneren Auges, wenn auch nicht 
so ausgesprochen, wie im vorliegenden Falle. Man muss 
deshalb wohl diese beiden „Störungskreise'', um mich eines 
FtVcAot^'schen Ausdruckes zu bedienen, ganz auseinander- 
halten, und wird jedenfalls deutlicher sein, wenn man das 
Verhalten jedes dieser Kreise für sich betrachtet und be- 
zeichnet, den Mangel wie die Verkümmerung. Freilich muss 
man dabei zugehen, dass selten die Verkümmerung den ganzen 
Kreis gleichmässig betrifft, sondern sich in ihm auch fort- 
schreitend aussprechen kann. In diesem Sinne sind auf der 
angehängten Tafel die mir bekannten Fälle, soweit der Sec- 
tionsbericht dazu ausreicht, kurz wiedergegeben und geordnet, 
indem ich die Fälle von Mangel des äusseren und inneren 
Auges geschieden, und die rudimentären Bildungen beider, 
so wie ihre Combinationen. 

Die Missbildungen mit rudimentärer Bildung mit Otto 

1) Himly a. Schmidt^ ophthalmologische Bibliothek. Bd. III. 
^k 3. 

2) Gräfe'a Archiv 1, 1,, 40^. 



für Gebartshülfe in Berlin. 263 

als Monstra microphtbalina zu bezeichnen hat sein Bedenken. 
Emmal pflegt man in der Augenheilkunde schon die nicht ge- 
rade seltenen Fälle Microphthalmie zu nennen, wo man es 
mit einem Bulbus von etwas unter normaler Grösse zu Ihun 
bat. Der sonst regelmässige und proportionirte Bau, sowie 
die Erhaltung des Seh?ermögens dabei unterscheidet diese 
Fälle denn doch ganz wesentHch von den Verkümmerungen 
auf Hanfkorngrösse mit denen man es hier zu thun hat. 
Ausserdem bezeichnet diese Benennung aber auch gar nicht, 
welcher der beiden Störungskreise der verkümmerte ist, oder 
'ob es beide sind, drei Fälle, die alle drei beobachtet sind, 
wie sich in der Tafel zeigt. 

Unter 41 Fällen von Defecten ausgedehnterer Art am 
Auge fanden sich, wie daraus hervorgeht, 12 Mal inneres 
und äusseres Auge unausgebildet , wozu muthrq^ssllch noch 
die zehn Fälle von Menschen „ohne Augen*' aus der älteren 
Literatur zu rechnen sind. Defecte des inneren Auges mit 
mehr oder weniger ausgebildetem äusseren fanden sich 26 
Mal, dagegen Defecte des äusseren Auges mit Andeutung des 
inneren nur drei Mal, den voriiegenden Fall mit gerechnet. 
Dabei scheint diese grosse Seltenheit des einfachen äussern 
Augenmangels durchaus nicht zufällig zu sein. Man könnte 
nämlich zur Annahme geneigt sein, die Zergliederung des 
inneren Auges sei vielleicht oft nur eben deshalb unterblie- 
ben, weil man äusserlich keine Andeutung habe wahrnehmen 
können. Dieser Einwand erweist sich jedoch als nicht stich- 
haltig, wenn man sich an die schönen, so genauen Sections- 
berichte derartiger Fälle selbst aus dem vorigen Jahrhunderte 
von Klinkosch erinnert oder das Werk von Otto studirt, 
welcher die meisten derartigen Fälle gesehen und ihre sehr 
genauen Zergliederungen hinterlassen hat. Er ist der ein- 
zige, welcher überhaupt beim Defecl des äusseren Auges An- 
deutungen von inneren in zwei Fällen wahrnahm. In beiden 
Fällen waren die Aepfel jedoch nur von der Grösse eines 
Hanfkorns. Dagegen scheint sich die vorwiegende Häufigkeit 
der Missbildungen und Defecte des inneren Auges leicht da- 
durch zu erklären, dass sie sehr viel häufiger "secundäre Er- 
scheinungen zu sein scheinen, und das nach verschiedenen 
Vorgängen. So kommen sie oft bei luiraule^tVcic^w '$A]b\>M>SKBQk 



264 ^^^' Verbandlnng^en der Gaaelltchaft 

der Gehirnentwickelung vor, sowohl bei pathologischen Pro- 
cessen^ wie sie denn sehr häufig bei dem Hydrocephalus in- 
ternus zusammen mit Atrophie der Gehirnnerven erscheinen 
{Seiler j Otto), als auch bei einfachem £ntwickehing8&torun- 
gen im Gehirne, die nicht so entschieden den Charakter der 
Reizung tragen. So begleiten sie in den Fällen von OttOy 
Oslander, KUnkosch die Verschmelzung oder vielmehr die 
Ungethcilthoit der Vorderhirne, in anderen Fällen stehen die 
vollständigen Defecte im ursächhchen Verhältnisse zum Mangel 
der Sehnervencentra (Defect der Sehhügel bei Malacarne^ 
des Chiasma bei Malacarne und Schön, des Opticus bei 
Schön) oder der knöchernen Orbita (totaler Defect bei Ätt- 
dolphi, fast vollständiger bei Vicq d*Azyr, einfache Atresie der 
Foramina optica bei WeidelSj KUnkosch, Walther, Vrolik). 
Atrophie des Sehnerven Ondet sich bei diesen Defecten fast 
immer, wobei es dahingestellt bleiben niuss, was Ursache 
und Wirkung, da die angeborene Verdünnung des Sehnerven 
ja selbst als Folge intrauteriner Zerstörungen des Augapfels 
beobachtet ist. Ein vollständiger Defect der Sehnerven, des 
Chiasma, der Sehhügel, ein voller Verschluss der knöchernen 
Orbita ist aber immer mit Defect der Augentheile verbunden, 
die erst durch Ausstülpung der Vorderhirne und ihre Wei- 
terentwickelung ausserhalb der Schädelhöhle zu Stande kommen. 



Der interessanteste Punkt an dem vorliegenden Falle 
von Mangel des äusseren Auges bei voller Entwickelung des 
inneren ist der Defect der Linse. 

Huschke stellte bekanntlich zuerst im Jahre 1832 ^) für 
ihre Bildung im Gegensatze zu seinen Vorgängern, die sie 
mit den übrigen Medullarrohrbildungen entstehen liessen, eine 
Einstülpungstheorie nach seinen Beobachtungen am einen 
Tag alten Hühnerembryo auf. Spätere Beobachter, vor 
allen Ammon, haben sich selbst bis in die alierneueste 
Zeit von diesem Vorgange nie überzeugen können, sein Voi^ 



1) Ueber die er^te. Entwickelung des Auges und die damit 
zusanimenliUngende Cyclopi'e im Archiv für Anatomie und Pby- 
siologie von J, F, Afeeicel. "LeV^iV^, Vo%%. \AVl. ^a^. 17. 



für Oeburtshülfe in Berlin. 265 

bandensein geleugnet^). Nur KöUiker sprach sich nach, 
eigenen Beobachtungen an dem grossen Kephalopodenauge für 
dieselbe aus. 

Der vorliegende Fall, in dem alle Tbeile des Auges ent* 
weder ganz ausgebildet sind oder vollständig fehlen^ kann als 
ein fernerer Zeuge für die Hu8chke*scben Beobachtungen 
gelten. 

Ileberfaaupt einzig in seiner Art, findet sich auch weiter 
kein ähnliches Beispiel für diesen Punkt. Umgekehrt würden 
jedoch auch für diese Theorie die Fälle wichtig sein, wo bei 
gleichem Gegensatze die äusseren Theile ausgebildet, die inne- 
ren unentwickelt sind; leider jedoch sind die Untersuchungen 
nur selten so genau, dass wir Angaben über das Vorhanden- 
sein d^ Linsen finden. Und gerade in keinem der zehn 
Fälle von Defect des inneren Auges allein mit voller Aus- 
bildung des äusseren , ist das der Fall. Angaben über die Linse 
habe ich überhaupt sechs Mal, bei den 41 Fällen nur vier 
Hai gefunden; in fünf Fällen fehlte sie sicher, in einem war 
sie vorhanden. 

Jene Fälle sind neuere; der erste ist von WaÜher genau 
untersucht; bei Mangel jeder Spur eines Apfels war der 
Bindehautsack, wenn auch klein, doch, abgesehen von Thrä- 
nendrüse und Leitung, vollständig vorhanden. In einem der 
Fälle von Otto ist die Abwesenheit constatirt, wo bei gleich- 
zeitiger Cyclopie nur ein erbsengrosser Apfel, der etwas Pig- 
ment und Flüssigkeit enthielt, zusammen mit einer verdickten 
Bindehaut und vier Augenlidern vorkam; Linse und Thränen- 
organe fehlten. In einem Falle endlich von Seiler y wo äus- 
seres und inneres Auge rudimentär waren, fehlten sowohl 
Netzhaut, als auch Thränendrüse und Wimpern neben der 
Linse, sein zweiter ist ein totaler, sein dritter ein fast voll- 
ständiger Defect. 

Man sieht, dass alle Fälle für die Huschke^sche 

2) In „Die Entwickelangsgeschichte des meDschlichen Auges^ 
von Ämmon in Qräfe's Archiv für Ophthalmologie, Bd. IV. Ab- 
theil. 1. 1858. pag. 54. Auch BitcKoff konnte keine Spur einer 
floichen Einstülpung wahrnehmen, wie pag. 226 seiner Entwicke- 
Inngflgeschichte der SHngethiere und 'des Menschen ^^\^<l\^^ 
Vom. 8. 1842.) bemerkt. 



266 ^I^* Verhandlfins^n der QeaelUichaft 

Theorie keine Beweiskraft haben, weil in allen auch an- 
dere Organe fehlen, welche sowohl dem äusseren wie in- 
neren Auge angehören. Erwähnt wird das Vorhandensein der 
Linse nur in der alten, durch ihre Genauigkeit mustergül- 
tigen Beschreibung, welche der ordentliche Professor der Ana- 
tomie in Prag Joseph Thadäus Klinkosch in einem Vor- 
lesungsprogramme des Jahres 1766 mit fünf Abbildungen 
gab. Der übrigens kräftige Knabe war besonders im Ge- 
sicht und Gehirn missbildet. Von beiden Augen waren nur 
Rinnen zu sehen ; der rechte Apfel fehlte. Die Beschreibung 
des linken lasse ich folgen, weil von dem Falle nach alten 
Citaten eine irrige Vorstellung herrscht, und das verschollene 
Programm aufzufinden, grosse Hübe gemacht hat. 

„Ablatis palpebris oculus sinister justae quodammodo molis^ 
unica solum tunica, ubique transparente congestus et speciem 
hydatidis praegrandis prae se ferens, maxima sui parte extra 
orbitam prominens conspiciebatur; tunica haec sclerotica non- 
dum perfecte, yel male, evoluta mihi videbatur. Caetenim 
nuilum vestigium choroideae aut iridis nullumque retinae aut 
nervi cujusdam ingredientis, nullumque vestigium musculorum 
oculi, glandulae lachrimalis, carunculae, tarsi, punclorum la- 
chrymalium, aut sacci lachrymalis. Oculus hie cultro divisus, 
ejiciebat corpus vitreum, quod lentera crystallinam posterius 
retinebat, ad cujus ambitum portio coronae ciliaris, nigres- 
centis, corpori vitreo impressae, adhuc se conspiciendam 
praebuit.*' 

Dabei war das Gehirn ungetheilt und eine hydropische 
Blase; die ersten Nervenpaare und Sehlöcher fehlten ganz, 
indem an den Keilbeinen nur die Foramina spinosa und die 
Sulci carotici vorhanden waren ( — foraminum opticorum loco 
impressiones profundae reperiebantur — ). Nur Unks war die 
Orbita durch einen Eindruck angedeutet. Diese Umstände, 
welche, wie wir schon oben sahen, nothwendig secundär 
einen Defect des inneren Auges mit sich führen, indem sie 
alle Ausstülpungsbildungen verhindern, zeigen hinlängUch, dass, 
was hier überhaupt vom Auge zu finden, nur von den Theilen 
herzuleiten ist, welche aus der Haut hervorgehen. 

Sehen wir nun ferner, dass die Dura mater an der Stirn 
mit den Eihäuten verwachsen vt^t, ^^s% ^\i aussergewöhn- 



für Geburtshülfe in BerUn. 267 

lieber Wolfsrachen sich vorfand ^ Hautwülste und narbenähn- 
liebe Züge sich in der Gesichtshaut vorfanden, so liegt es 
nahe, in jener oben beschriebenen durchsichtigen Cyste 
nichts als eine hydropisch entartete Linsenkapsel und nicht 
eine „schlecht oder unvollkommen entwickelte Sklerotica" 
zu vermuthen; das hydropi«che Corpus vitreum für Kam- 
Oberwasser zu halten. 

So viel Complicationen auch hier das Bild trüben^ ist es 
doch jedenfalls als ein Gegenstück zu dem vorliegenden Falle 
von grossem Interesse. Denn obgleich jede Medullarrohrbil- 
duug in diesem Falle (schon wegen der Atresie der Schädel- 
basis) an der Bildung eines Auges unbetheiligt sein musste, 
ist doch die Bildung einer Linse zu Stande gekommen. Und 
wenn andererseits in unserem Falle bei vollständig entwickel- 
tem Bulbus doch die Linse darin fehlt, entsprechend dem De- 
fect des ganzen äusseren Auges, so scheint aus beiden Fällen 
,im Vereine mit Entscfaiedenheit gefolgert werden zu müssen, 
dass die Linse in der That, wie Huschke will, eine Haut- 
production ist. 

Becapituliren wir nun zum Schluss säromtlidie vorhan- 
denen Abweichungen und ihren Zusammenhang, so fanden wir 
also in einem nicht ganz reifen, bei der Entbindung gestor- 
benen Fötus 

1. vollständigen Mangel des äusseren Auges beiderseits; 

2. Verschluss des äusseren Gehörganges beiderseits; 

3. Verbildungen der Gehörknöchelchen , besonders der 

Hammer; 

4. Mangel der Paukenringe und Trommelfelle; 

5. Eigenthümliche überzählige knöcherne Bildungen in beiden 

Trommelhöhlen ; 

6. Verbildungen der Ohrmuscheln; 

7. Mangel des Kehldeckels und der Stachelfortsätze ; 

8. Verbildung des Zungenbeines; 

9. Verwachsung der Homer des Schildknorpels und der 

Giessbeckenknorpel ; 

10. häutigen und knorpligen Verschluss des ganzen Kehl- 

kopfes; 

11. eine abnorme Verbindung zwischen Luftröhre und Schlucidr 

köpf; 



268 XIV. Verhandlungen der GesellBchaft 

12. Diastase der Schamfuge; 

13. Mailgel der Harnwege rechter Seits und der Geschlechts- 

theile linker Seits; 

14. Lordose der Lendenwirbelsäule ; 

15. seröses' plastisches Peritonäalexsudat ; 

16. Schwimrahautbildung verschiedenen Grades an den Fin- 

gern beider Seiten. 

Manche Abweichungen bestanden in den Resten fötaler 
Erkrankungen, andere in einfachen Bildungsstöningen und 
zumeist in gehemmten Bildungen, von denen wiederum em 
Theil sich als Folgen von jenen leicht ableiten, andere keinen 
Zusammenhang wahrnehmen Hessen. 

Die primären fötalen Erkrankungen, um die sich die 
Mehrzahl der Abweichungen gruppiren, zeigen sich in zwei 
gesonderten Heerden, indem ihr Grund einmal in einer Ent- 
zündung des Bauchfelluberzuges der Därme, dann in einer 
oberflächlichen Entzündung der Visceralspalten sich ergab. 

Die fötale Enteritis hatte eine Verklebung der Därme 
und ein starkes Exsudat zur Folge, unter dessen Druck und 
Zug der mangelhafte Verschluss der knöchernen Bauchdecken, 
der kleine Nabelschnurbruch, die Ausbiegung der Wirbelsäule, 
vielleicht auch die Verschiebung der linksseitigen Genitalien 
neben dem Nabel, die mangelnde Bildung der rechtseitigen 
Genitalien, der linken Niere, des linken Harnleiters, und wie 
es scheint, eine gewisse Kürze des Darmrohrs mag zu Stande 
gekommen sein. 

Die fötale Entzündung der zweiten Visceralspalte kann 
secundär zu der eigentliümlichen carnösen und cartilaginösen 
Atresie des Kehlkopfes und zur Atresie der äusreren Gehör- 
gänge geführt haben. Der Defect des Kehldeckels, der Pau- 
kenringe, Trommelfelle, Griflelfortsätze mag damit im Zusam- 
menhange stehen. Auch die Deformität der Gehörknöchel- 
chen und der Ohrmuscheln ^ sowie andererseits die Bildung 
abnormer Knöchelchen in der Trommelhöhle kann man für 
Bildungsabweichungen halten, zu denen es in Folge patholo- 
gischer Hergänge auf dem Mutterboden gekommen ist. 

Anders verhält es sich mit dem angeborenen Defccte des 
äusseren Auges, mit der Schwimmhautbildung, bei denen sich 
weder selbst eine Spur eines päÄioVo^v^Oev^w 9^^cfta«ea wahr- 



für Geburtshtilfe in Berlin. 269 

nehnen lässt, noch eine Beziehung zu jenen beiden patholo- 
gischen Störungskreisen ergeben hat. Auch kann man nicht 
etwa eine Hemmung der ganzen Entwicklung aus jener Pe- 
ritonitis herleiten, da ja dergrösste Theil des Körpers sieb nicht 
bloss normal entwickelt hat, sondern auch der Augapfel selbst 
die Grösse um das Mehrfache überschritten hat, welclie ihm, 
seinem Entwickelungszustande nach kaum einen fünf Zoll 
langen Embryo entsprechend, zukäme. 

So zeigt uns also diese in so vielfacher Beziehung merk- 
würdige Frucht ein Gemisch von Wachsthumshemmungen und 
fötalen Erkrankungen, wie sich ein andermal wohl intraute- 
rine Traumen mit Bildungsabweichungen auf getrennten Ge- 
bieten auch ohne sich zu bedingen, verbunden vorfinden. 

In theoretischer Beziehung ist der Fall endlich von In- 
teresse einmal für die Theorien von dem Offenbleiben der 
Blase ; der* sogenannten angeborenen Blaseninversion, Wegen 
der Schamfugendiastase ; ferner für die Entwickelungsgeschichte 
der Luftwege wegen der totalen Atresie des Kehlkopfes bei 
voller Ausbildung der Luftröhre, endlich für die Huschke'- 
sehe Ansicht von der Linsenbildung wegen des völligen Man- 
gels des äusseren Auges bei vollständiger Entwickelung des 
inneren. 



Anhang. 

Uebersicht der bekannten Fälle von Defecten 
am Auge. 
In den nachfolgenden Tabellen sind die Fälle von De- 
fecten am Auge, so weit sie mir aus der Literatur zu Ge- 
bote standen, übersichthch geordnet und chronologisch zu- 
sammengestellt. Die wesentlichsten Punkte sind je nach der 
Vollständigkeit der Quellen mitgetheilt, wobei ein negatives 
Zeichen die ausdrückliche Angabe des Mangels, ein positives 
die ausdrückliche Angabe des Vorhandenseins bedeutet, und 
die Gehirnnervenpaare kurz mit ihrer römischen Ziffer be- 
zeichnet sind. 



270 



XIV. yerfaandlnng^en der GesellschBft 



Quelle. 



Alter 

and 

Geschlecht. 



Sonstige 
MissbildoDgeo. 



Gekifi 



1. Brady, 1706. 
(Part of a Letter to 
Dr. William Cock- 
barn giwing an Ac- 
count of a Popp7 in 
the Womb, that re- 
ceived no Noarish- 
ment hy the Mouth 
in Philos. Transact. 
N. 304, P. 21 76 nebst 
Präparat.) 

2. Storch, 1768. 

(de abortn p. 24 cf. 
Haller: oper. ana- 
tom. argameuti mi- 
norisT.III demon- 
stris p.23.Laa8anne 
1768.) 

3. Vicq d'Äzyr, 1776. 
(M^m. delaSoci^t^ 
de möd. p. 316.) 



4. ÄliXf Profess. a. d. 
Univ. Fulda 1778. 
(Observata chirur- 
gica Fase. V. 
Francof. ad Moen. 
1778.0b8vt.IIp.39. 

5. Ftelitx, Physik, in 
Luckau 1779. 

• (Richter: ehirurg. 
Bibliothek, Bd. V, 
P. 143.) 

6. Hof mann j Prof. a. 
d. Univers. Altdorf 
1788. (Stark's Ar- 
chiv für d. Geburts- 
hülfe,Bd.iy,S.699.) 

7. K, Sprengel j Prof. 
1802. (Sybel, von 
den Krankheiten d. 
Auges in ReiPs Ar- 
chiv für die Physio- 
logie. Halle 1802. 
Bd. V, P. 6. 



„Livd somes 
times." 



Reif. 



Reif. Sehr 
stark. Sehr 
schwere Ent- 
bindung. 



Nengebomes. 



Neugebornes 
Mädchen, das 
weg. Becken- 
enge nicht ge- 
boren werden 
konnte. 
Tochter 
eines Predi- 
gers. 



I. FftUe mit 1 



Synostosis cranii 
permagni. Atresia 
aurium. Defectus 
mandibulae. Keine 
Natenöffbung an d. 
prominenten Ossa 
nasi. Ohren stehen 
tiefer. Keine Mund- 
öfFnung „nor con- 
veyance to the top 
of the larynz and 
pharynz.*' 



Defectus veli et 
nasi et aurit dxtr. 
Fissora palati dnri. 
Stenosis oris. 

Defectus et atresia 
nasi. Atresia oris. 



Fissura linguae et 
labil superioris* 
Unterlippe gewul- 
stet. 



Sehr grosse 



fBr Oebnrtabfilfe in Berlin. 



271 



reo. 



Aag^apfel. 



AogenhShle. 



• s 






a 


^ S 


2 



ns p I a S 



n 



Augenlid- 
spalte. 



Auges. 



— I 



Fehlen voll- 
ständig. 



,8tatt des 

Apfels etwas 

schleimigte 

Flü88igkeit.<< 



Zwei leichte 
Eindrücke, 
die in d. Tiefe 
knöchern ab- 
geschlossen. 



Beide m.Zell- 
gewebe ge- 
füllt. 



Ohne Unter- 
brechung. • 



Ohne Unter- 
brechung. 



Nicht die 
kleinste An- 
deutung von 
Lidern. 



Statt dessen 

ein Haut- 
wnlst 1 Fin- 
ger breit, 3 
Finger lang. 



272 



Xiy. yerliaDdlQiigen der GeMlIsehaft 



Quelle. 



8. Eudolphi, 1818. 
(Abhandlungen der 
Berliner Academie 
18X8, P. 186.) 



10, 



11 



9. Lobstein (de nervi 
sympathetici hu- 
man 1 fabrica, usu 
et morbis. Paris, 
p. 62. 1823.*). 
Oslander (Hand- 
buch der Entbin- 
dungskunst. 1. Bd. 
2. Abth., Ö.620.*). 
Seiler, Profess. in 
Dresden 1833. 
(Beobachtungen ur- 
sprünglicher Bil- 
dungsfehleru.gKnz- 
lichen Mangels der 
Augen. Dresden, 
Pd. Walther 1833, 
p. 7, N. 12.) 
12. OttOy Prof. in Bres- 
lau, 1841. (Monstr. 
sexcent. descript. 
anatom. Vratislav. 
1841. Fol. N. 133.) 



Alter 

und 

Qeschleoht. 



Lebte 16 Std. 
Kräftig. 



Männliche 

Frucht von 

8 Monaten. 



3 Tage alt ge- 
word. Knabe. 



Reife weibl. 
Frucht. 



Sonstige 
Missbildungen. 



GaUia, 



L. Auge normal. 
Fissura labii supe- 
rioris. Defectns 
nasl. 



Geschwulst am Tür- 
kensattel. Rüssel. 



Rüssel. 



VerkrOpplung und 
Atresie d. 1. Ohrs. 
Defect d. r. Arms u. 
I.Daumens. Grosse 
Verbindung «wi- 
schen Mund- und 
Nasenhöhlen« 



Fissura lab. super, 
et proc.^ alveolaris 
mit Prominens d. 
Concha dxtr. Atre- 
sia choanarum. 
5 Finger. Schwimm- 
häute an d. Zehen. 



Hyarop« W99ji 
lorum y. et n 
R. Sehhügat i 
stark Tortprii| 
und durch eiBM 
linder mit des 
monshom Ter 
den. R. Amn 
hom und 1. ( 
schwächer als 
der andern 8 
R.FoBsaSylTii 
weit. 
Himbruch. 



VerschmeUniij 
Hemisphären, 
grosse Kämmt 

Hydrocephal« 



Hemia menin 
.cerebri. Defc 
falcis.Grotshin 
leerer Sack. 1 
chenplatten in 
Arachnoidea s 
Basis, wo sie m 
Dura verwaeh 



Ein Lammcyclop ohne Augen und Nase, ohne äusseren 
Gebörgang; ohne Grosshirn und die 6 ersten Hirnnerven, mit 
grossen Ohren und einer Oeffnung darunter, die in die Tra- 
chea fuhrt, ist beschrieben von Carlisle in Phiios. Transact« 
1801. pag. 139. Account of a nionstrous lamb. 

Einen Schweinscyclop mit enger Orbita ohne Bulbus 
und nur mit einer Furche an Stelle der Lidspalte bildet ab 
Vrolik: Tabulae ad iUuslraudam Embryogenesin hominis et 
inainnjalium. Amsle\aedam\ 1%4^. l^V.yb. V\%. V. \v?>. 



för Gebortshiilfe in Berlin. 



273 



Aagapfel. 



Aagenhöhle. 



^ s 



a ee 



S o' 

SS 



Angenlid- 
spalte. 



loJilen. 
II £mi- 
. eandi- 
BBd die 
I des 



Verwachsaog 
des Oberkie- 
fers mit dem 
Stirnbeine. 



Cilien und 
Brauen feh- 
len. 

Spalte nieht 
angedeutet. 



Geschlossen. 



fehlen, 
lo die 
nt. col- 
es, das 
ibalam 



IV, VI, 
u-klos. 



Keine Spur. 



R. sehr eng. 
L. weiter. 



Franke sah zwei Fohlen ohne Augen mit von der Kopf- 
haut bedeckten Augengruben. Cf. Seiler loc. cit. pag. 29. 

Rudolphi sah einen Hund und eine Katze mit gänz- 
lichem Mangel der Augen. Cf. Wiese de monstris animalium, 
Berol. 1812. pag. 6. 

Beclard hatte einen Katzenfötus ohne Augen und Nase 
mit kleinem Munde zwischen den Ohren, beschrieben in Essai 
d'anatomie pathologique sur le^ monstruosites de la face yar 
F. Laroche d' Angers, Paris 1823. 4. i^^%. ?fo. 



MonmUMcbr. f. QebnrUk, 1866. Bd. XXVUI., Hfl. 4. 



\% 



274 



XIV. VerhHDdlungen der Oesellflehaft 



Quelle. 



Alter 

und 

Geschlecht. 



Sontutige 

MissbildQD- 

g^en. 



Gehirn. 



HiMI 



n. Fälle Ton M 

Mit volIstSndipf 



1. Daniel in Halle. 
1765. 
(cf. Seiler I. cit. pag. 

26.) 



2. JfaZaearn«, aub dem 
Museum za Pavia. 
1790. 

{Himly u. Schmidt, 
ophthalmoZo^i:iche 
Bitjliothek, Bd. 11. 

SL TU. pBg. nx) 

3. Fitheha/L 1818. 
(Hti/e^ontfßJoQrnal 
i>CB. p. 91. Bd. 47.) 

4. TF-uT. S«Äm>«. 1821. 
fSalzharg;er meü. 
ehir. Zeitutig'. Bd. 
IL pag. 420.) 

b.Sthon. ]828.{PRtboL 
Anjitom. d. men-trli- 
liehen Apges. Ham- 
burg bei Hoffmann 
u. Cümpe. 8. p, 4.) 

6. Otlivier {(T Angern}. 
(Archive« g^tit^ra- 
les de Mi^decin* T. 
22. V. I. p. 415.) 

7. Lutardi 1830. 
(Archives gen^ra- 
les de Mddecinp. 
T. 22. V I. p. 563.) 

8. Dreaael. 1831. 
{Hohnbaum^s und 
Jahn's medic. Kon- 
versationsblatt. S. 
176. J. 1831. cf. 
Seiler p. 27.) 

9. yMahon, 1^37. 
(De mofistro hiiiiia- 
no siDetriincDnato. 
Ditfi. iBftug Berol. 
4. 1837. p. 15). 



Weibliche 
Frucht von 7 
Monaten. 



2 Monate alt. 



Defect d. Ar- 
me, d.i. Ohrs, 
d. Brnstorga- 
ne, d. Leber, 
des Zwerch- 
fells, der lin- 
ken Niere. 
Normal. 



Nach 3 Mona- 
ten gestor- 
ben. 
Kraft. Knabe. 



Knabe von 5 
Tagen. Kräf- 
tig- 



4 Monate le- 
bend. 



Die Sehühgel 
n. d. Chiasma 
fehlen, sonst 
normal. 



Mädchen von 
4 Wochen. 



Mole mit ei- 
nem recht- 
zeitigen Kin- 
de geboren. 



Normal. 



Norinal. 



Nicht vor- 
handen. 



An Krämpfen 
gestorben. 



Microcepha- 
lie. Atresied. 
äusseren Ge- 
hörgKngeund 
den Piiurjiix. 
Eiagewtiide 
11. Betne nar 
i-udiment. in 

\ 



Ohiasma 
fehlt. 



II, m 

fehles 



II feh 



Fungös 
artet. 



ent- 



II fek 



\ 



für Gebnrtshülfe in Berlin. 



275 



nhöhle. 



• a 
< B 



Bindehaat. 



Thränen-- 
organe. 



Augenlider a.Spalte. 



rem Auges, 
les äasseren. 



IScher 
I eine 
mdbil- 

einge- . 
Jen. I 



I 



men und 'Dtinn. 
snr da. 



+ 

Carnnkel, 
Drüse und 
Thränenor- 

' gane voll- 

I ständig. 



Vorbandeo. 



+ 



Secernirt. 



: Drüse nnd 
i Punkte vor- 
I banden. Ca- 
I runkel feblt. 



Zum Tragen 
eines künst- 
lichen Auges 
geeignet. 



landen, 
m Tbeil j 
bt ge- 
ssen. 
ilöcber 
landen. 



+ 



.Gescblossen.' 



VolIstHndig. 



Lider u. Cilien voll- 
kommen gebildet. 

Normal, mit den 
Rändern aneinan- 
derliegend. 

Lider, Wimpern n. 
Brauen ausgebildet, 
Levator vorbanden. 



Lider verklebt, ein- 
gesenkty beweglicb. 

Offen. 



Normal. 



Normal, Lider mit 
den Wimpern nacb 
innen gewendet. 



276 



XIV. Verhandlungen der QeselUchaft etc. 





Alter 


Sonstige 






Quelle. , 


und 
Geschlecht. 


Missbildun- 
gen . 


Gehirn. 


HirtM 


10. Bartaeher in Osna- 


Starb ngc^ 


Wolfsrachen. 


Normal. 


111,1? 


brück. 1855. 


einigen Ta- 


12 Finger. 




leo. n 


(Behrend u. Hüde- 


gen. 






den « 


brand. Journal für 




V 




▼ordra 


Kinderkrankheiten 








lochen 


Bd. 25. 1865. p. 78. 




. 







Einen Fall von einem Fohlen mit Augenlidern ohne Aepfel, 
bei dem sich Sehnerven und Augenmuskeln an das vergrösserte 



l.Potiniua 1629. (Pro- 
gnosticon divinum cf. 
Hu8chke,^iih er Cyclo - 
pio* in MeckeVa Ar- 
chiv. 1832. p. 27.) 

2. Bartholom^ Seyfar. 
1709. 

(Mem. de Tacad. des 
Sciences 1709. p. 16.) 



3. Botin in Valencay. 
1720. 

(Mdmoir. de Tacad. 
des Sciences. Eist. 
1721. p. 32.) 

4. J. Thad. Klinkoach, 
Prof. d. Anat. in Prag. 
1766. 

(Dissert. medicaa se- 
lectior. Pragenscs. 
Prag et Dresd. Wal- 
ther. 4. 1775. Vol. I. 
XII. Programma de 
anatome partus ca- 
pite monstr. 1766.) 



Kind. 



Starb „peu de 
temps apres 
ctre sorti.** 
Reif. Lungen 
hatten nicht 
geathmet. 



Lebendes 
Kind von 6 
Wochen. 



Reifer und 
kräft. Knabe, 
der nur V2 St. 
lebte. 



\ 



Cyclops. 



Cyclops. 
Rüssel mit 
blindem Ka- 
nal. Ohne 
Mund. 

Verschluss d. 
Gehörgänge, 
Ohren am 
Kinn, darun- 
ter 2 Oeffnun- 
gen, die in 
den Oesopha- 
gus führen. 



Eigenthümli- 
cherWolfsra- 
chen. 

Defect der r. 
Mandel u. d.r. 

Gaumense- 
gelhiilfte. 
Mangelhafte 
Entwicklung 
des Schädels. 
Verwachsung 
der Eihäute 
mit der lin- 
ken Seite der 
Stirn. 



2. Mit Verkii 



I,II, 
fehles. 



Gehirn unge- 
theilt; Sichel 
U.Zelt fehlen. 
Hydrocepha- 
lus. 

Hernia cere- 
bri pharyn- 
gea et fron- 
■alis. 



I— VI 
fehlen 
derseit 
V.imGi 
vorhan 
Sehhi 
vorhan 



für GebortshUlfe in Berlin. 



277 



ipfel. 



Aagenhöhle. 






Linse. 



8> «ä 



Thränen- 
organe. 



Angenlider 
u. Spalte. 



Dura mater 
endet blind in 
den Sehlö- 
chern. 

Ganglion ci- 
liare fehlen. 



+ 



Drüse nnd 
Puncte feh- 
len. Sack in 
sich abge- 
schlossen.Ca- 
nalobliterirt. 



Lider ver- 
klebt. 



Siebbein beiderseits ansetzen, beschreibt Huschke in Seiler I. 
cit. pag. 64. (29.) 



des äusseren. 



% und 
le da. 
innere 
a ist 
mter- 
ht.«) 



lend. 
len Iris 
i Cho- 



R. fehlend. 
L. sehr klein. 
Beide Sehlö- 
cher sind nur 
Gruben. - 



+ 



L. liegen Lin- 
se, Glaskör- 
per u. z. Th. 
der Strahlen- 
kranz in einer 
durchsichti- 
genCyste, die 
ausserhalb d. 
Orbita u. tie- 
fer liegt. 



+ 



Brauen feh- 
len. 



Keine Thrü- Beide Lider 
nen. bis auf eine 

kleine Oeff- 
nung innen 
verwachsen. 
Carunkel, L. verwach- 

Pnncte, Sack, sen. 
Tarsus feh- R. nur eine 
len. vertiefte Li- 

I nie. 



278 



XIV. Verhandlmigeii der Gesellschaft 





Alter Sonstige 




Quelle. 


nnd 1 Missbildan- Gehirn. 
Geschlecht, j gen. 


Hirn 


6. Procha»ka. 1788. 


weibl. Fracht 


Cyclops. 




(Abhandl. d. böbm. 


yon 8 Mona- 


Defect d Pau- 






Gesellschaft d.Wis- 


ten. 


kenhöhlen. 






senschaften. 1788. 




Ohrmuscheln 






p. 230.) 




und äusseren 
Gehörgänge. 
Stenosis oris. 






6. Weidele in Ollmütz. 


Kind V. 4—6 






II fei 


1805. (Schmidt and Wochen. 






Va\ 


Himly^ ophthalmo- 










logische Bibliothek. 










Bd. III. St. I.p. 170.) 










7. Chevalier. 1808. 


Todtgeboren, 


Defect des 


Fungöser 




(Journ. de med. chir. 


reif. 


Penis. 


Stimbrnch. 




et pharm, par Corvi- 




R. 6 Fingern. 






»ort Leroux Boyer. 


6 Zehen. 






Paris. T. 16. p. 371.)! 








8. Ph.v. Walther. 1814. ! Lebte 3 Wo- 


R. Auge nor- 


Unsymme- 


II fei 


(„üeber die ange- eben. 


mal. 


trisch. 


Chi« 


borenen Fettge- 




Beide Sehhü- 


eben 


schwülste,« Lands- 




gel vorhan- 


IV, T 


hat 1814. p. 36. and 


den. 


R.Tr 


Lehrbuch d, Augen- 


j 


tic. B 


krankheiten 11.241 ; 1 


can( 


ferner L. Walther: 




klein 


menschliche Mono- 


1 


bisV 


38ie und Cyclopie, | 




mal. 


Leipzig 1846, und 








im Journal für Chi- 








rurgie d. Augenheil- 




' 




kunde V. Waliheru. 








Ammon. Berlin 1846. 








Bd. 34. p. 346.) 








9.Boutin. 1817. 


MJssgeburt 


Atresia ani. Hemicepha- 




(Dissert. inaug. de- 


aus Granada 


Herniaumbi- lie 




script. monstr. hu- 


männlichen 


licalis. 




mani sistens. 4. Be- 


Geschlechts. 


Defect d. r., 




rol. 




Verkümme- 
rung d.,linken 






1 Arms, d.Lun i 








gen, des Her- : 








sens. 










Nase ohne 










Löcher. 






10. Clauzure. 1830. 


Neugebor- 


Cyjclops mit 






(Revue m^dicale V. 


ner. 


Rüssel. 1 




2, p. 69.) 


' 








U.Seiler. 1833. i Neugebor- 


Fissura labii 


Hydrocepha- 


l^'N 


(L. cit. p. 27. N.933. nes. ! superiori?. 


|las. 


Va,^ 






Synostose d. 


1 

V 


len. 






für Gebnrtshalfe in Berlin. 



279 



BobShle. ^"^X""'' ! I i B»"^«»>*^*- 



Thränen- 
organe. 



Augenlid- 
BpaUe. 



Iklöcher 
raehsen. 



nal. 



D ohne I 
och. I 



Einige. 



-f 



Drüse vor- 
handen. 



H- 



Drüse J 
Pnnetef 
Röhr- } ! 
chen \ ' 
Sack dn. 



klein u. 



+ 
ht. 



Nur 2 kleine 
rothe Wärz- 
chen. 
+ 



Drüse fehlt. 
Pnncte da. 



Verwachsen. 
Wimpern 
kurz. 



Fente trans- 
versale hör- 
nte &Iapeau. 



Wimpern o. 
Knorpel da. 
Spalte 4'" of- 
fen. 

Lider ver- 
klebt. 



I 



L. nur eine 

'geschlossene 

Spalte. 

R. dnrch eine 

Haut ge- 
schlossen, mit 
nnvollkoni- 
menen Li- 
dern, kleinen 
Wimpern oh- 
ne Brauen. 



Beide Lid- 
spalten con- 
vergiren 
nach unten 



280 



XIV. Verhandlungen der Gesellschaft 





Alter 


Sonstige 






Qnelle. 


nnd 
Geschlecht. 


Missbildnn- 
gen. 


Gehirn. 


Hnm 


12.8eüer. 1833. 




Rüssel ohne 


Spuren von 


i.ii.n 


(L.c.p.28. N.934.) 




Oeffnnng. 


Hydrops. 


Vi, VI 
len. 


13. OUo. 1841. 


Reife männl. 


Hemia nmbi- 


Hydrocepba- 


I, II 1 


(L. c. N. 131.) 


Frucht. 


licalis et dia- 


lus ventricu- 


los. ' 






phragmatica. 


lorum. 


III, IV 






Spina bifida. 




pfaisa 






24 digiti. 










Doppelter 










Wolfsrachen. 










Atresia ani. 










Utems bicor- 










nis. Arteria 










pnlmonalis 










clausa. 






14. VroUk. 1849. 


Kind. 


Cyclops mit 






(L. cit.Tab.63. Fig. 




Defectus na- 






In 2.) 




si. Choana 










clausa. 1 




16. Ouipin de Nantes. 


Knabe von 






1864. 


iVg Jahren. 






(Annales d'oculiste 








VII, 182. cf. Dm- 








marres. Bd. I. p. 94. 










Trait4 des maladies 










des yeux. Paris 










1864.) 










16. W. Eöder. 1863. 


11 Tage. 






II fad 


(Ophthalmologen- 








mig. 


Versammlung. Hei- 










delberg, cf. Zehen- 










deVf klinische Mo- 










natsblätter für Au- 










genheilk. p. 494.) 











(Fall vom Hunde bei Tiedemann, Zeitschrift für Physiologie, '. 
mit 3 Lidern bei Meckel im Archiv f. Physiol. 1826. pag. 263. 



Quelle. 



Alter 

und 

Geschlecht. 



Sonstige 
Missbildun- 
gen. 



Gehirn. 



Himi 



m. Fälle von ] 
1. Mit vollständige 
1. Der vorliegende Fall. 

2. Mit Verk 
1.0^^0. 1841. I Männliche 1 Atresia ani. 1 Hydrops ven- | II. a 

(MoDBtr, sezcent. de- 1 Frucht von 1 1 üft^^c\.\mD\- 1 triculorum I HI, 
Script anatomica.l Monaten. \a^\ix^%Tsv^ \i.\ «.^^^>öx\ ^\. \ %to^ 
Kratis/av. 1841. Fol. 1 \ Y«ktYfiW^vxvTa.\W\>ö^x>^^ ^V 



für iSeburtshUlfe in Berlin. 



281 



ganh5hle. 



r. optic. et 

otnndam 

len. 



Aagennius- 
keln. 



Andentnn- 
gen. 



Einige unre- 
gelmässige 
Fasern. 



Bindehaut. 



Trichterför- 
mig, woge- 
gen die Seh- 
nerven aus- 
liefen. 



Sehr gering- 
fügig. 



Trichterför- 
formig. 



ThrUnen- 
organe. 



Karun- \ 

kel / S 
Falte ( 2 
Puncto ; *^ 
Drüse ange- 
deutet. 



Drüse da. 



Augenlider 
u. Spalte. 



L. ein Nar- 
beinstreif 1'" 
lang. 
Enge Spalte. 



3 Lider. 



Lideru.Wim- 
pern vorhan- 
den. Spalte 
eng. 



76, bei einer Hündin Otto, loc. cit. N. 138, einem Schweinscyclopen 



)fel. 


Augenhöhle. 


Augen- 1 
muskeln. | 


CO 

13 




Thränenorgane. 


Augenlider. 


Aseren Auges. 












g des inneren. 












es inneren. 












om- 


Sehr klein. 


— 




— 


— 


Keine Spur. 


ir«, 

lÜB' 

a / 


/ 








\ 


\ 



XIV. V er handlangen der Gesellseliait 



Alter 

nnd 

Geschlecht. 



Sonstige Missbildungen. 




Mädchen von Von Oebnrt blind n. t«ttb- 
5 Jahr am stnmm. 

linken An^e. Nur 3 Fuss gross nnd 17 
Pfund schwer. 
Bhachitis. 

Gesicht u. Schädel schief. 
Schwimmhänte zwischen 

den Fingern. 

Defect des rechten obern ! 

Lides. I 

Verdickung der Trommel- , 

feile. I 

Labyrinth voll gelatinöser j 

Flüssigkeit. i 



rv. Fälle von Menschen „oline Augen** 

werden ferner angeführt von 
: Chronicon de prodigiis et osteiltis: anno mundi3772 («pser 

sine naso et ocolii'). 
n n V n anno do mini 1503 (^pür 

m 08 habens, auribus, naribns, oculis carens*). 
Veinrichius Vratisl. : de ortu monstrorum commentarins. 1& 
». pag. 221. (sumpt. Heinrici Oathusii) („Sine oculis duo paeii 

Arimini''). 
irthoUnus in Historiae anatomicae rariores. Cent. 1. Hiit 

55. 1657; uni 

— f, n n fi Cent3.Hist.4T. 

er in Miscell. nat. cur. medic. physic. academ. nat. ev. 

Ephemerides med. phys. german. 1673. Dec. L Ann. & 

. 108. („Ein Fleischkranz um den Schädel«). 

r Sammlungen von Natur und Medicin, Kunst- nnd Li* 




V. Fälle von Verktaurt 



)yclo- 

DlBS. 

1829). 



Männl. Frucht 
V. 8 Monaten. 



Difformität des lin- 
ken Ohres. Cyclop 
Ohne Rüssel. 



Hydrocepha-} 
lus. 1 



f3r GebnreshSlfe in Berlin. 



283 






Angapfel. 



Sehr klein 
beiderseits. 



3^2 



^ s 



.5 « 



Thränenorg-ane. 



Augenlider. 



+ 



Karnnkel , 

Drüse 

Falte 



feh- 
len. 



Rimaund Ci- 
I lien fehlen. 



teraturgeschichten. Leipzig 1726. Versuch ^2. pag. 621. (Nen- 
gebornes in Cleya im Jahre vorher mit Hasenscharte, 12 Fin- 
gern, ohne Augen.) 
ot in Natur, histor. of Stafordshire cf. Haller de monstris pag. 23. 
in seinen Opera anatomiea argumenti minoriSi T. III. Lan- 
sannae 1768. 
aUhw in Museum anatomicum, Berol. 1806. P. I. pag. 128. N. 831. 
(Zwillingsembryo von 3 Monaten weiblichen Geschlechts ohne 
Augen und obere* Extremitäten.) 
An Gadus Morrhua fand Augenmangel Coochy Linn. Transact. XV. 1. 
19. 1822. (cf. Okens Isis 1829, HeftX. p. 1079); am Hunde Äldrovandi in 
uadrupedibus digitatis viviparis, Lib. III, Kd. Barth. Ambrosianus 
niae 1646. Fol. pag. 527; am Kalbe Rudolphit Bemerkungen aus 
Gebiete der Naturgeschichte, Medicin und Thierarzneikunde. Berlin 
II. Bd. pag. 51. 



- , I Aupen- I Augen- 
i höhle. muskeln. 



.2 






des ganzen Auges, 
sin. 



Thninen- 
organe. 



Keine 
Punkte 



Augenlid- 
spalte. 



2 sehr kl. Li- 
der, 2' ' lang, 
ohne Cillefv 



284 



XIV. Verhandlangen der Oeseilflchaft 



Quelle. 




Sonstige 
Hissbildangen. 



Gehiro. 



HIhm 



2 



3 



CeruUi{RhrioriB 
monstri in mn- 
seo Lipsiensi ad- 
seryati descr. 
anatom. Lips. 4. 
1827.1inkeSeite). 
, iS0»7«r (Beobach- 
tungen Ursprung] . 
Bildungsfehler n. 
gänsEÜchen Man- 
gels der Angen. 
Dresden 1833. 
Fol. Fig. III. 
oder io Ammon, 
klin. Darstell, d. 
angeb. Krankh. 
d. Anges. Taf. V. 
Fig. 6. n. 7.). 
4. 0«o (Loc. eit N. 
132.). 



6. 0«o(ibid.N.135). 



6.0^^0 (ibid. N.136). 



7. 0«o(ibid.N.137). 



8.0^^0 (ibid. N. 142. 
Tab. II. Fig. V.). 



Reife niännl. 
Frucht. 



Reif. Männl. 
Zwilling von 
N. 142. 



Neugebor- 
nes. 



Kleines rei- 
fes neugebo- 
renes Miid- 
chon. 



Reifer neuge- 
borener 
Knabe. 



Reif mit 132 

BUsammen 

geboren. 



Hemicephalie. 
Ectopia CO rdis. 
Choanae clau- 
sae.Labium In- 
pinum. 



Medianspalte 
der Oberlippe 
u.desZahnfort- 
satses. Defec- 
tns glandis pe- 
nis. Atresia 
choanarum. 



Defect der vor- 
dem Seite des 
Atlas, der mit 
dem Occiput, 
wie d. II m. d. 
III Zellwirbel 
verwachsen 
sind. 



Cyclop mit 
Rüssel. 



Hydrocepha- 
lie. 



feia. 



II. feUi 
R.III,r 

VI TOI 

d« 
L. feU 
in d. C 



Hydrocepba- 

lus veran- 
lasste d. Ex- 
cerebratioo. 



Beide Him- 
hälften vorn 
durch Defect 
der Falx seu- 
sammenhän- 
gend. 

Verwachsung 
der Vorder- 
hirne. 



Leichter Hy- 
drops ventri- 
culorum. 



Hydrocepha- 
1ns internus. 



VI fehl 
I-IV 
los. 



Keinel 
in der< 



VI,I- 
II sehr 



I— VI 
phi) 



Nur eil 



fBr Gebartohfilfe in Berlin. 



285 



.fei. 


Augen- 


Augen- 


Linse. 


Binde- 


Thränen- 


Augenlid 


höhle. 


muskeln. 


haut. 


organe. 


u. Spalte. 


com- 


Vorhan- 
den. 


Vorhan- 
den. 








Enge 
Spalte. 


im 


Vor. 


Obliqni 


Nicht vor- 


Vorhan- 


Puncta 


Spalte 5 


B88er 




infer. und 


handen. 


den. 


da. Dru- 


Linien 


etina 




Rectus 


Hornhaut 




sen fehl- 


breit, 4 


tPig- 




sup.dextr. 


trüb und 




ten. 


Linien 


nnd 




fehlen. 


klein. 






hoch. Li- 


er. 












der nur 

1'" hohe 

Falten 

ohne Ci- 

lien. 


korn- 










Carunkel 


2 Linien 


», 










u. Puncta 


lang. 


r«, 










vorhan- 
den. 




corn- 














)Iid. 














.rn- 


Normal 


Unregel- 




Trichter- 


Drüse u. 


2 Linien 


roll 


gross. 


mässig 




förmig. 


Punkte 


lang mit 


len 




sich a. 4. 






fehlen. 


Cilien. 


sts. 




Bindei 

hautsack- 

serstreu- 

end. 






Knoehen- 
kanal da. 




•rn- 




Sehr 




Trichter- 


Drüse 


2 Linien 


der 




klein. 




förmig. 


sebrkleiu. 


lang mit 


her 












Cilien. 


in 












Entropia. 


und 














kei- 














Biner 








%" tiefer 


Drüsen 


Eng. En- 


Cern 








Trichter. 


sehrklein. 


tropia. 


riefe 














.ita, 














lart 














,im 














len- 














mit 














Bin- 
t. 
als 
















Spurweis. 


Fehlt. 


Verdickt. 


Fehlen. 


4 Lider 


bse 












mitCilien. 


ment 












V 


rkeit 










\ 


\ 


nä. 1 


1 






1 


\ 


\ 



286 



XIV. Verhandlungen der OeseUsehsft 





Quelle. 


Alter. 


Sonstige 

Missbildnn- 

gen. 


Gehirn. 


HillUHf 


9. Arlt (Wiener medi« 
ciniscbe Wochen- 
schrift 1865. pag. 
1682. N. 93). 


t an Menin- 
gitis. 




Chiasma vor- 
handen. 


Ilati^ji 



(Zwei Fälle bei Kälbern beschreibt Otto ibid. N. 140. nnd N. 189. 



VX Fälle, 
welche nicht hierher gehören, znm Theil Ton Microphalmie, 
wobei die Bnlbi mindestens die Grösse einer Erbse hatten und 
deshalb meist Sehvermögen vorhanden war oder sich ansbildete, 
wenn nicht gleichzeitig Trübungen der Medien (Cataracta con- 
genita) es hinderten, finden sich beispielsweise aufgeführt von: 

3 — 1. Hofr. Fischer in Lüneburg 1816, in Hnfeland'tn Journal 
1819, Juli, p. 107. Bd. II. und 1827. p. 27. (Sehend) 

4. Weller in Lehrbuch der Augenkrankheiten. 4. Aufl. p. 464. 

(Sehend). 

5. Luzardi in Archives g^n^rales 1830. T. 22. p. 4563. (Cata- 

racta congenita.) 

6. Oräfe in seinem Archiv für Ophthalmologie. Bd. IL L p. 239. 

(Sah vortreflflich,) 

7. Morgagni, de sedibus et causis morborum Epistola XVIII, 

art. 8. 

12 — 8. Gescheidt über Microphthalmus oder die angeborene Klein- 
heit des Auges in Zeitschrift für die Ophthalmologie von 
Ammon. 1832. p. 257. 

13. Pönitz in Zeitschrift für Natur und Heilkunde von den Pro- 
fessoren der cbir.-med. Academie in Dresden. 1822. II. Bd. 
p. 60. (Besserten sich bei beiden Kindern.) ^ 

15 u. 16. Wutzer in MeckeVa Archiv. 1830. p. 179. (CaUracta 
congenita.) 

17. Fächer (in der Arbeit von Gescheidt), 

18 u. 19. Schön in Seiler ^ p. 16. aus Zeitschrift für Ophthalmo- 
logie. 1. Bd. S. 313. 

20. Seiler: Beobachtungen ursprünglicher Bildungsfehler und 

gänzlichen Mangels der Augen. Dresden, Walther. Fol. 
1833. p. 4., ohne Linsen, p. 63. 

21. Beer: Das Auge. Wien 1813. S. 57. 

22. Vogler: „Ueber Harnblasonvorfall und angeborenen Mangel 

beider Augäpfel.^ Zwei Kinder mit starker Lichtscheu* 
JSust'a Maga«in. Bd. ^^. ü^. ¥. IX. Z. 



für Oebartshttife in Berlin. 



287 



mpfel. 


Angenhöhle. 


ADjsren- 
muskeln. 


© 

00 

B 


Bindebnat. 


Thränen- 
org-ane. 


00 

< 


lorn- 

ir Kör- 

»hl.YOll 

; nnd 
nent. 








Vorhandeo. 


Statt der 

Drüse eine 

körnigsulzige 

Masse. 





23. Skuhersky: „Angeborener Mangel beider Angäpfel'' in Wei- 

tenweber^B BeitrÄgen. Bd. II. Heft 3. 1839. 2 Fälle von 
beiderseitigen congenitalen Hygromen der Angäpfel bei 
, Brüdern. 

24. Davey: „Fall von Mangel der Augen bei einem Kinde. ^ Lan- 

cet n. N. 2. 1836. Totaler Verlast durch Eiterung bei 
einem verfallnen Kinde von 6 Wochen. 
26. Bau: „Beobachtungen über angeborenen Mangel und einige 
ursprüngliche Bildungsfehler des menschlichen Auges.'' 
Congenitales Hygrom des Augapfels^ wenigstens an der 
einen Seite, in Ämmon^B Monatsschrift. Bd. III. Heft 1. 

26. Krieger in Verhandlungen der Gesellschaft für Gebartshülfe 

in Berlin. 1865. Heft 18., bei Hirsohwald. 1866. p. 254. 

27. Broaillon in R^cueil periodique d'observations de m^decine» 

de chtr. et de pharm. Juillet 1756. T. 3. p. 35. 



Herr Martin legt einen Brief vor, der ihm vor einem 
Jahre von dem Oherslabsarzt Bonordon zugegangen. Dieser 
empfiehlt zur Behandlung frischer Fälle von Prolapsus uteri 
die methodische Anwendung des Lccale cocuntum mit Gummi 
gaibanum. Herr Martin hat von dieser Mothode einige Male 
Gebrauch gemacht, ohne Erfolg davon gesehen zu haben. 

Was die neuerdings von Herrn Langaard erfundene 
Hyrterophose betrifft, deren Beschreibung in einer Broschüre 
den Mitgliedern der Gesellschaft zugegangen, so kann Herr 
Martin nicht umhin, auch diesem ingeniös erdachten In- 
strumente mancherlei Unbequemlichkeiten bei dem praktischen 
Gebrauche nachzusagen. Das Hineinpassen des Uterus ist 
oft schwer, und vor allem busst bei längerem Liegen der 
Stift, durch welchen das Instrument fesV^^^VAVv ^^VK^^ \i\iSA\. 



288 ^V. Poppel, Bericht üb. die Ereignisse der gebortsh. Poliklinik 

durch den sich ansammelnden Vaginalschleim und Schmuti 
sehr leicht seine Beweglichkeit ein, und kann der Apparat 
dann nur mit grosser Mühe wieder entfernt vyerden. Die 
Kanten der Flügel, welche den Uterus tragen, können ebenso 
leicht wie das Zwan'sche Instrument zu Reizungen und Per- 
forationen führen. In noch höherem Maasse trifft dieser 
Vorwurf und diese Gefahr die Lehren, welche bei den für 
Complicationen mit Retro- oder Antroflexionen berechneten 
Langaard'schen Pessarien dazu bestimmt sind, den Knickun- 
gen des prolabirten Organs entgegenzuwirken. 



XV. 

Bericht ttber die Ereignisse in der unter der Lei- 
tung des Herrn Hofr. Prof. Dr. Hecker stehenden 
geburtshülflichen Poliklinik der königl. Ludwigs- 
Maximilians -Universität in Hünchen vom L Octo- 
her 1863 bis zum 30. September 1865 



Dr. Poppel, 

Icr gebartshUlflichei 
Arzt in München. 

(Fortsetzung n. Schlnss.) 



Privatdocont, Hiilfsarzt an der gebartshUlflichen Poliklinik und praktischer 
Arzt in München. 



e) Geburtshindernisse Tom Kinde ausgrehend. 
Hier kommen blos die Schulterlagen zurz zur Sprache, 
da die felilerhaften Kopfstellungen später bei den Zangenopera- 
tionen ihren Platz finden. Vorfall von Extremitäten neben 
dem Kopfe wurden nicht beobachtet. Einmal bot eine mit 
den Füssen vorliegende missbildete Frucht (Spina bif. ant.), 
deren schon oben bei den Beckenendlagen gedacht wurde, 
dadurch ein beträchtliches Geburtshinderniss dar, dass die 
Haut des Rumpfes durch gelatinöse Infiltration den Umfang 
desselben bedeutend vergtossetV^. 



der k5o. I/adwig-Maximilians-tTnlyersitlt in MOneheD etc. §89 

Im Ganzen sind 36 Schulter- resp. Schieflagen beob- 
achtet worden bei dri?i Erst- und 33 Mehrgebärenden. Die 
Kinder präsentirten sich 

in 1. Schutterlage 1. Unterart 12 Mal, 
w !• u 2. ,, 5 „ 

1» ^» 1» •*• »» «^ 1» 

in unbestimmter Querlage 1 „ ^ 

Es wurden 24 Knaben und 12<Mädchen, 
und zwar 3 „ „ — „ todtfaul 
10 „ „ 1 „ todt 
7 „ „ 8 „ asphykL belebt 
4 „ „ 3 „ lebend geboren, 
80 dass von 33 während der Geburt lebenden Kindern 22 
gerettet wurden. 

Die Kinder waren 31 Mal ausgetragen, fünf Mal früh- 
zeitig; drei Mal waren es Zwillingskinder, die sich in Scbul- 
terlage zur Geburt stellten. 

Als Complicationen sind zu erwähnen, drei Mal Placenta 
praevia, drei Mal Vorfall der Nabelschnur, zwei Mal enges 
Becken, wobei ein Mal die künstliche Frühgeburt eingeleitet 
wurde. 

Die Wendung auf die Füsse resp. einen Fuss, kam 35 
Hai zur Ausführung, und zwar neun Mal bei stehender Blase, 
und 26 Mal nachdem das Fruchtwasser schon mehr minder 
längere Zeit abgellossen war. 

Ein Mal wurde die Geburt eines in Schulterlage vorlie- 
genden zweiten Zwillings durch die Naturkräfte, d. h. durch 
Evolutio spontanea vollendet. Der Fall ist folgender: 

Eine STjährige achtgehärende Bauernfrau (vier Stun- 
den von Mönchen) hatte am 27. November 1864 Mittag 
12 Uhr das erste Kind in Steisslage ohne Kunsthölfe ge- 
boren. Es fiel jetzt, als sogleich darauf die Blase des zwei- 
ten Kindes sprang, ein Arm vor, wesshalb in die Stadt um 
ärztliche Hülfe geschickt wurde. Als ich gegen 72^ ^^^ 
ankam, war eben das zweite Kind geboren. Die Hebamme 
berichtete, dass vor einer halben Stunde die intensivsten Wehen 
aufgetreten seien, die den Arm bis zu der Schulter vor dv^ 
äusseren Genilalien herausgepresst bkUeti, äöÖl^^xx^ %«v Vshä 

M0aMts§atr. f. Qeburtäk. 1866, Bd. XXVlll.,Uft 4. '^^ 



290 ^V. Poppel, Bericht üb. die Ereignisse der geburtsh. Polikliaik 

Fortdauer der energischen Wehenthätigkeit der Damm onge- 
wöbnlich hervorgetrieben worden, und es habe sich endlich 
der Steiss aber denselben entwickelt. Beide Kinder waren 
Knaben, gut entwickelt, von etwa 46 — 47 Centimeter Länget 
der erste lebte, der zweite war todt. An letzterem zeigte 
sich der ganze rechte Arm und die Schulter nebst einem 
Theil der angrenzenden Brust- und Buckengegend dunkelblau 
gefärbt und ^ beträchtlich geschwollen, so dass dieser Befund 
keinen Zweifel an den Angaben der Hebamme aufkommen 
Hess. Die Wöchnerin blieb gesund. 

d) Torfall der Kabelschnur. 

Diese Geburtscoraplication wurde in 21 Fällen beob- 
achtet bei einer Erst- und 20 Mehrgebärenden. Die Kinder 
befanden sich 13 Mal in Kopf-, vier Mal in Becken- und 
vier Mal in Schullerlage. 

Lebend wurden 7 Kinder, näniL 4 Knaben u. 3 Mädchen 
asphyktisch belebt 8 „ „ 2 „ „6 „ 

todt 6 „ „ 3 „ „3 „ 

geboren. 



21 9 12 

In Kopflage wurden lebend gebx)ren und asph. belebt 10, todt 3 

„ Beckeulage 3, „ 1 

„ Schulterlage 2, „ 2 

15, „ 6 
Bei Kopflage gelang in neun Fällen die Beposition, drei 
Mal konnte sie nicht mit Erfolg ausgeführt werden. In fünf 
Fällen kam die Zange zur Anwendung, und zwar ein Mal 
ohne dass die Beposition versucht wurde, ein Mal nach miss- 
lungener Beposition, und drei Mal einige Zeit nachdem die 
Beposition geglückt war, aus anderen Indicationen. 

Die Angaben über Länge der Nabelschnur, Eihaut- 
riss, Insertion der Nabelschnur, Fruchtwassßrmenge sind zu 
mangelhaft, als dass es von Interesse wäre, sie hier anzu- 
führen. In zwei Fällen war ein enges Becken vorhanden; 
von ihnen war schon bei den Beckenfehlern die Bede. Die 
übrigen Fälle bei Kopflage sind kurz folgende: 
1) d4jährige Dritlgebärei\de. NotU^^x\i\\^ ^« ^^dachnur 



der kSn. Ludwig^-Maximilians-UniversitUt in Manchen etc. 291 

TOD dem in zweiler Scheitellage vorliegenden Kopfe. 
Zurückschieben der Nabelschnur bei noch stehender 
Blase und vollkommen erweitertem Muttermunde. Hier- 
auf Sprengen der Blase und Einleiten des noch beweg- 
lich stehenden Kopfes. Nabelschnur fiel nicht mehr 
vor. Drti Stunden nach Reposition Anlegung der Zange 
wegen Störungen des Herzschlages des Kindes. Eiit- 
wickelung eines massig asphykt. bald belebten Mäd- 
chens. Nabelschnur 80 Centimeter lang, Eihautriss 
central, Insertion der Nabelschnur lateral. 

2) 32jahrige Drittgebärende. Bei kronenthalergrossem Mut- 

termunde Blasensprung und Vorfall einer langen Na- 
belschnurschlinge. Reposition. Liegenlassen der Hand 
während einer ganzen Stunde. Herztöne stiegen von 
80 auf 120. Drei Stunden später Abgang von Meco- 
nium, Anlegung der Zange bei zweiter Scheitellage, 
Hochstand des Kopfes, Entwickelung eines stark asph. 
nach ^2 Stunde belebten Mädchens. Eihautriss late- 
ral, Nabelschnurlänge über das mittlere Maass. 

3) 34jährige Drittgebärende. Beim Blasensprunge und voll- 

kommen erweitertem Muttermunde Vorfall einer langen 
Nabelschnurschlinge. Reposition. Liegenlassen der Hand 
während einer halben Stunde. SVa Stunden später 
spontane Geburt eines lebenden Knaben in zweiter 
Scheitellage. Nabelschnur zwei Mal um den Hals ge- 
schlungen, 86 Centimeter lang. 

4) 41jährige Elftgebärende. Zweite Scheitellage. Wasser- 

abfluss im Beginne der Wehen. Bei kronenthalergros- 
sem Muttermunde Vorfall eines Fusses und einer Na- 
belschnurschlinge nach links. Kopf drohte nach rechts 
auszuweichen. Reposition beider vorgefallener Theile, 
rechte Seitenlage. Herztöne stiegen von 80 auf 112. 
Zwei Stunden nach der Reposition spontane Geburt 
eines lebenden Knaben. Nachgeburt konnte nicht un- 
tersucht werden. 
6) 37jährige Zweitgebärende. Erste Scheitellage. Vorfall 
einer kurzen pulsirenden NabelschnurschUnge bei Bla- 
sensprung und vollkommen erweitertem Muttermunde. 
Reposition musste mehrmals me4cr\\o\\. v^«t^«^^ ^"^ ^>fc 



292 ^V. Poppet, Bericht üb. die Ereignisse der geburtsb. Poltkltaik 

Nabelschnur bei Jeder Wehe wieder vorfiel. Nach einer 
halhen Stunde war der Kopf im Becken festgestellt. 
Zwei Stunden " später spontane Geburt eines lebenden 
Mädchens. Eihaulriss und Nabelschnurinsertion central, 
Länge der Nabelschnur 51 Centimeter. 

6) 36jährige Achtgebärende. Erste Scheitellage. Beim Bla- 

sensprunge und vollkommen erweitertem Muttermunde. 
Vorfall einer kurzen Nabelschuurschlinge. Reposition. 
Eine Stunde darauf spontane Geburt eines lebenden 
Mädchens. 

7) 25jährige Zweitgebärende. Beim Blasensprunge Vorfall 

einer Hand und Nabelschnurschlinge. Kopf rechts auf 
dem Darmbeine aufliegend. Reposition beider Theile, 
Einleitung des Kopfes durch äussere Handgrifle, rechte 
Seitenlage, spontane Geburt eines asphyktiseh belebten 
Mädchens nach einer Stunde. 

8) 29jährige Zvveitgebärende. Erste Scheitellage. Beim Bla- 

sensprunge und vollkommen erweitertem Muttermunde 
Vorfall einer grosser Nabelschnurschlinge. Der Kopf 
trat schnell in das Becken ein, so dass die Reposition 
nicht gelang. Zangenanlegung und Entvvickelung eines 
hochgradig asphyktiseh belebten Knaben. Eihautriss cen- 
tral, Nabelschnur 80 Centimeter lang. 

9) 28jährige Zweitgebärende. Zweite Scheitellage. Vorfall 

einer grossen Nabelschnurschlinge bei thalergrossem 
Muttermunde. Während der vergeblichen Repositions- 
versuche horten die Pulsationen und Herztöne des Kin- 
des auf. Abgang von Meconium; drei Stunden später 
Geburt eines todten Mädchens. Eihaulriss und Nabel- 
schnurinsertion lateral, Nabelschnur 86 Ceulim. lang. 

10) 24jährige Zweitgebärende. Erste Scheitellage. Vorfall 
der Nabelschnur bei kronenthalergrossem Muttermunde. 
Bei der Ankunft ärztlicher Hülfe Nabelschnur pulslos, 
Herztöne nicht zu hören. Reposition gelang, während 
derselben koimte man am Kopfe des Kindes deutlich 
Inspirationsbewegungen wahrnehmen. Das Kind erholte 
sich nicht mehr, und wurde zwei Stunden später todt 
geboren. 

11) 34jälirige DrillgebdvewOie. N^x^^VV A^y Nahelschour mit 



der köD. Ludwig-Maximilians-Universität in München etc. 293 

Blasensprung bei vollkommen erweitertem Muttermunde. 
Die kräftigsten Wehen verhinderten die Reposition der 
noch pulsirenden Nabelschnnr. In Ermangelung einer 
Zange musste man endlich, nachdem die Herztöne ver- 
schwunden waren, von Repositionsversuchen abstehen. 
Eine halbe Stunde später spontane Geburt eines todten 
Knaben in zweiter Scheitellage. Nabelschnur 91 Cen- 
timer lang. 

e) Blutungen. 
1) Placentu praevia. 

Blutungen in Folge von Placenta praevia wurden in acht 
Fällen beobachtet bei eben so viel Mehrgebärenden. Es wur- 
den dabei vier Kinder (zwei Knaben und zwei Mädchen) le- 
bend und vier (drei Knaben und ein Mädchen) todtgeboren. 
In Kopflage wurden zwei Kinder lebend, in Beckenlage drei 
todt und in Schulterlage drei (1 todt, 2 lebend) geboren. 
Die Geburten traten sechs Mal frühzeitig, zwei mal zeitig ein, 
unter den letzteren war eine Zwillingsgeburt. Der Sitz der 
Placenta war sechs Mal marginal, zwei Mal lateral. 

Von den Wöchnerinneu starb eine. 

Die erwähnenswerlhen Fälle sind folgende: 

1) Eine 44jährige Dreizebentgebärende , die schon drei 
Mal Aborten erlitten hatte, und ein Mal durch die Wendung 
wegen Schulterlage entbunden worden war, hatte während 
der letzten vier Wochen ihrer Schwangerschaft massigen ßlut- 
abgang, der sie nöthigte, das Bett zu hüten. Am rechtzei- 
tigen Ende der Schwangerschaft trat unter sehr schwachen 
Wehen stärkerer Blutfluss ein. Mau konnte durch den Mut- 
termund die Placenta mit dem Rande vorliegen fühlen. Das 
Kind präsentirte sich in Schullcrlage. Durch Tamponade 
konnte den Tag über der Blutfluss auf ein Unbedeutendes 
beschränkt werden, so dass nach acht Stunden, ohne' dass 
jedoch der Kreissenden fühlbare Wehen eingetreten waren, 
der Muttermund sich vollkommen erweitert hatte. Jetzt trat 
eine etwas heftigere Melrorhagie auf, ohne jedoch sehr be- 
denkliche Symptome der Anämie zu veranlassen. Der Puls 
war kräftig, das subjective Belinden ganz vorzü^lvc»V\. ^^\ 
noch stellender BJase konnte mit LeicViüg^k^xl ^Vvtv^ ^^^\^ 



294 XV. Popptl, Bericht üb. die Ereignisse der gebartsh« PoliUiiik 

forinnarkose die Wendung mit darauf folgender Extraction 
eines asphyktisch belebten Knaben von 49 Centimeter Länge 
vollführt werden. Unmittelbar nach Beendigung der Opera- 
tion trat plötzlicher Tod der Mutter ein, nachdem sie noch .vor 
wenigen Secunden bei vollem ßewusstsein war, und nicht 
die Spur ernstlicher Besorgniss erregt hatte. Blut war wäh- 
rend der Operation keines mehr abgegangen. Die Placenta 
konnte nur noch aus der Leiche entfernt werden. Die Ob- 
duction war wegen Verzögerung und dadurch bedingter hoch- 
gradiger Fäulniss nicht mehr ausführbar. 

2) Eine 38jährige Zehentgebärende, die schon ein Mal 
eine durch Placenta praevia complicirte Geburt überstanden 
hatte^ verlor am normalen Ende ihrer Schwangerschaft nach 
am vorigen Tage vorausgegangener anstrengender Arbeit Mor- 
gens 4 Uhr am 16. Mai 1865 eine bedeutende Menge Blutes 
ohne Wehen, welche Blutung sich nach sechs Stunden in dem 
Grade wiederholte, dass man die Frau zu dieser Zeit be- 
wusstlos antraf. Die Blutung dauerte noch an, und man 
konnte öfters wiederkehrende Contractionen des Uterus beob- 
achten. Der Muttermund war thalergross, dehnbar, und hinter 
ihm war deutlich der Band der Placenta zu fühlen. Das 
Kind lag in zweiter Schulterlage vor. Unter schwacher Chlo- 
roformnarkose gelang es, alhnälig die Hand durch den Mut- 
termund einzuführen^ die Blase zu sprengen, und sich durch 
äussere Handgriffe den Fuss des Kindes entgegenzudrücken. 
Derselbe wurde angezogen und vor die Genitalien hervor- 
geleitet. Die Wendung gelang nicht vollständig wegen starrer 
Contraction des Uterus, und auch der Muttermund schnürte 
sich fest um den Schenkel des Kindes. Da die Blutung jetzt 
stand, und auch die Kreissende sich ziemlich erholte, wollte 
man den Eintritt besserer Wehen abwarten. Damals lebte 
das Kind noch. Die Sachlage blieb nun 20 Stunden lang 
dieselbe. Es trat vollkommene Wehenlosigkeit ein, der Mut- 
termund blieb fest um den Schenkel geschlossen, die Blutung 
kehrte nicht wieder, und das Befinden der Mutter war ziem- 
lich befriedigend. Das Kind war unter dieser Zeit längst 
abgestorben. Endlich 20 Stunden nach der Wendung wurde 
durch einige kräftige Wehen die Geburt spontan beendet, 
und auch die Nachgeben ^o\^V.^ «Äi^^\d\ öW^ meliere Bki- 



der kön. Lndwig-Maxirailians Universität in Münehen ete. 295 

tung. Das Kind, ein Knabe, war schon in vorgeschrittener 
Fäulniss. Die Mutter erkrankte unter den Symptomen der 
Endometritis, bestand auch mehrerere Schüttelfröste, war aber 
doch, nachdem sich am linken Tuber ischii ein Abscess ge- 
bildet hatte, nach fünf Wochen wieder so weit genesen, 
dass sie aus der Behandlung entlassen wurde. 

3) Eine 29 jährige Viertgeschwängerte erlitt im achten 
Monate ihrer Schwangerschaft eine profuse Blutung, die sich 
innerhalb 24 Stunden einige MaJ in heftigem Grade wieder- 
holte. Man konnte durch den für den Finger durchgängigen 
Muttermund den Rand der Placenta fühlen. Es kam die 
Tamponade der Vagina zur Anwendung. Nach 24 Stunden 
erwachten Wehen, die den Muttermund schon in weiteren 
zwei Stunden vollkommen erweitert hatten, so dass man bei 
stehender Blase die Wendung eines in zweiter Schulterlage 
vorliegenden Knaben ohne Schwierigkeit vornehmen konnte. 
Während der Operation erfolgte neuerdings ein starker Blut- 
fluss, der äusserste Anämie der Kreissenden bedingte. Das 
Kind war 42 Gentime ter lang, und konnte aus tiefer As- 
phyxie wieder belebt werden. Es starb nach 12 Stunden, 
Die Wöchnerin erholte sich verhältnissmässig rasch. 

4) Eine 30 jährige Zweilgebärende, bei der man Zwil- 
linge diagnosticirte, hatte nach kurzer Geburtsdauer das erste 
Kind, einen lebenden Knaben von 49 Centimeter Länge, in 
zweiter Scheitellage normal geboren. Es trat jetzt eine ganz 
profuse Blutung auf, als deren Grund man eine Plac. praev. 
marginal, erkennen konnte. Man sprengte die Blase und 
leitete das mit den Füssen vorliegende Kind hervor. Es war 
ein asphyktisch nicht belebter Knabe von 48 Centimeter 
Länge. 

Die Mutter blieb gesund. 

Die zwei ersten der oben erzählten Fälle geben Veran- 
lassung^ der von J. Braxton Hicka^) in neuerer Zeit em- 
pfohlenen combinirten äusseren und inneren Wendung zu 



1) Die combinirte äussere und innere Wendung yoJiJ,Braa> 
ton Hicks, Ans dem Englischen und mit Zusätzen von Wilh, L, 
Künekey Privatdocent in Göttingen. 1865. Göttingen ^ Vaiid^\^> 
h&ek und Bnprechts Verlag. 



296 XV.PojTpeZ, Bericht üb. die Ereignisse der gebartah. PoKidiaik 

erwähnen. Dieselbe ist vielleicht bestimmt, in der Lehre von 
der Wendung eine wesentliche Neuerung berbeizuföbren. 
War man schon in der letzteren Zeit wieder von manchen 
Seiten bestrebt, die Wendung auf den Kopf durch innere 
und äussere Handgriffe mehr zur Geltung zu biingen, und 
dadurch die Gefahren der Wendung auf die Füsse nament- 
lich für das Kind zu verringern, so musste die Operation 
nach den bis jetzt ablieben Methoden doch nur auf eine ge- 
wisse Anzahl von Fällen beschränkt bleiben, da einige we- 
sentliche Bedingungen zum Gelingen der Operation gegeben 
sein n^ussten. Es musste der Muttermund doch nahezu voll- 
kommen erweitert sein, der Kopf durfte nicht zu weit vom 
Beckeneingange entfernt liegen, und wo möglich sollte das 
Wasser noch nicht, oder doch erst kurze Zeit abgeflossen 
sein. Wenn das von Braxton Hicks empfohlene Verfahren 
wirklich so häufig mit £rfolg zur Anwendung kommen könnte, 
wie er glaubt, wenn also nach seiner Angabe unter 20 Fällen 
16 Mal die Wendung auf den Kopf oder die Fusse, wo sie 
indicirt ist, nach seiner Methode gelänge, so würde dieselbe 
sich bald in der Praxis einbürgern« Denn die Vortheile der- 
selben wären zu unverkennbar. Sie bestehen im Wesentlichen 
darin^ dass man erstens schon sehr frühzeitig die Lage recti- 
ficiren kann, und zweitens nur mit einem bis zwei Fingern 
durch den Muttermund zu dringen genöthigt ist. 

Diese Vortheile treten gewiss bei mit Placenta praevia 
complicirten Fällen am meisten hervor, wenn man bei ihnen 
im Stande ist, schon bei wenig erweitertem Muttermunde den 
Fuss herabzuholen und mit diesem einen natürlichen T^ipon 
zu bilden. Hätte man in dem sub 1. erzählten Falle gleich 
beim Beginn der Wehen diese Operation ausgeführt, so hätte 
vielleicht der üble Ausgang für die Mutter vermieden werden 
können. Denn wenn auch der plötzliche Tod nach der Ent- 
bindung weniger auf Rechnung der Anämie kommt, die keinen 
sehr gefahrdrohenden Grad erreicht hatte, wofür auch die 
Erhaltung des kindlichen Lebens spricht, sondern wenn der 
lethale Ausgang mehr der raschen Entleerung des Uterus und der 
Bauchhöhle, wozu man sich zu Gunsten der Mutter und des 
Kindes veranlasst glaubte, zugeschrieben werden muss, so 
hätte man eben diese rasche Entleerung umgehen können, 



der kön. Ludwig-M&ximilians-UniyerBitäfc su München etc. 297 1 

wenn man durch frühzeitiges Wenden des Kindes mittels 
des Braxton Hicks'schen Handgriffes einerseits eine natur- 
gemässe Lage des Kindes herbeizufuhren, und anderseits durch 
Tamponade mittels des Fusses oder Schenkels des Kindes 
eine weitere Indication zum Einschreiten der Kunst zu be- 
seitigen im Stande gewesen wäre. 

Für die Möglichkeit und Wirksamkeit der Tamponade 
durch den Schenkel bietet der sub 2. angeführte Fall einen 
guten ßeleg. Man hatte sich in diesem Falle wegen der 
gefahrdrohenden Höhe der ßlutung zu dem Accouchement 
force entschlossen, konnte nur mit grosser Schwierigkeit die 
Uand durch den Muttermund ein- und durch äussere Hand- 
griffe sich die Füsse des Kindes entgegenführen. Die £x- 
tractiou aber weiter als bis zu dem Schenkel scheiterte an 
der festen Umschnürung des Muttermundes. Dadurch war 
jedoch eine so erfolgreiche Compression der blutenden Stelle 
erzielt, dass man nahe 2i Stunden lang den weiteren Ver- 
lauf der Geburt der Natur überlassen und warten konnte, bis 
nach Eintritt von kräftigen Wehen die spontane Ausstossung 
des Kindes erfolgte. 

Wenn man die von Braxton Hicks veröffentlichte Ca- 
suistik durchliest, muss man sich nur darüber wundern, mit 
welcher Leichtigkeit in den meisten Fällen die Wendung 
nach der combinirten Methode vor sich ging, indem mau 
schon nach ein bis zwei Minuten dieselbe vollendet hatte. 

Man darf gewiss erwarten, auch bald von anderen Sei- 
ten die Bestätigung der leichten Ausführbarkeit der Methode 
zu erfahren. 

Ich habe bis jetzt nur ein Mal Gelegenheit gehabt, in 
einem mir passend erschienenen Falle, dieselbe zu versuchen, 
konnte aber nicht zum Ziele gelangen, was ich recht gern 
dem Mangel an Hebung beimesset'^ wollte, wenn ich nicht 
die Schuld in anderen Hindernissen hätte finden müssen. 
Der Fall betraf eine Achtgebärende, die etwa im Anfange 
des neunleii Monates im Laufe von acht Tagen öfters be- 
deutende Metrorrhagien erlitt, bis sich endlich bei einer 
neuen heftigen ßlutung schwache Wehen einstellten. Man 
konnte hinter dem für einige Finger durchgängigen dehn- 
baren Muttermund den Rand der PlaceuVd ^u\\\^u. \^\^ >^^%fo 



, 298 ^^' Poppel^ Bericht üb. die Ereignisse der gebQttth. Polikliaik 

Stand noch, und es konnte anfangs mit Sicherheit die Hand, 
später jedoch der Kopf als vorliegend gefühlt werden, der 
sich anfangs sehr beweglich zeigte, später jedoch mehr fixkl 
wurde, so dass er nur mit einiger Gewalt vom Beckeoeiii- 
gange weggeschoben werden konnte. Da die Blutung con- 
stant andauerte und bereits bedeutende Anämie eingetreten war, 
versuchte ich, indem ich mit der ganzen Hand in die Scheide und 
mit zwei Fingern durch den ^luttermund ging, die Wendung 
auf die Fösse nach der corabinirten Methode auszuführen« 
Zwar konnte ich den Kopf einige Mal so hoch emporheben, 
dass er nach links hin aus dem Beckeneingange verschwand 
und nicht mehr zu fühlen war, das Herabdrücken des Steisses 
jedoch durch äusseren Druck wollte nicht gelingen; aller- 
dings war die Kreissende nicht chloroformirt und reagirte 
auf etwas kräftigen Druck durch Schmerzensäusserungen. 
Das Haupthinderniss des Gelingens war abei^, wie ich glaube, 
die Conformation des Ulerus, der mehr in die Länge als in 
die Quere ausgedehnt war, und das Vorhandensein von sehr 
wenig Fruchtwasser. Auch die Bauchdecken waren mit einem 
so dicken Fettpolster versehen, dass der Druck jedenfalls 
nicht direct genug auf das Steissende wirken konnte. Nach 
dem Misslingen dieser Wendung entschloss ich mich zum 
Sprengen der Blase, um den Kopf als Tampon wirken ?u 
lassen. In der That stand die Blutung auch mehrere Stun- 
den, und es traten einige etwas stärkere Wehen ein. Es 
wiederholte sich jetzt jedoch eine so starke Blutung, dass 
man sich zum Accouchement force entschliessen musste, was 
bei der Dehnbarkeit des Muttermundes ohne grosse Schwie- 
rigkeit gelang. Der Kopf wurde noch längere Zeit durch den 
Muttermund zurückgehalten. Das Kind war todt, die Mutter 
blieb gesund. 

2. BlntQDgen aas anderen Ursachen. 

Hier ist nur ein Fall zu erwähnen, in dem durch Zer- 
reissen einer varicös ausgedehnten Vene an dem Praeputium 
clitoridis eine ganz profuse Blutung eintrat, in Folge deren die 
Frau im Wochenbette an Erschöpfung starb ; derselbe wird von 
Herrn Uolvalh Hecker bei einer anderen Gelegenheit besprochen 
werden. Andere mit Blutung verbundene Geburten sind theils 



der kön. Lad wig^ Maximilians-Uniyersität in München etc. 299 

schon bei den Aborten angefuhrl, theils flnden sie später bei 
den Uterusrupturen und den Nachgeburtsoperationen ihren 
Platz, bei welchen letzteren namentlich ein Fall von Blutung 
bedingt durch einen Placen^arpolypen zur Sprache kommL 
Ausser diesen kam noch in drei Fällen eine beträchtliche • 
Blutung zur Beobachtung in Folge von Atonie des Uterus 
nach Ausstossung der Placenta, einmal nach einer Wendung 
bei Schulterlage, einmal nach einer präcipitirten und einmal 
nach einer ganz normal verlaufenen Geburt. Die drei Frauen 
waren Mehrgebärende und erholten sich sämmtlich ziemlich 
rasch von ihrer Anämie. 

f ) Zerreissungren der mfltterliehen Weiehtheile. 

1. Uterasraptur. 

Diese wurde in zwei Fällen beobachtet. 

1) Eine 34 jährige Viertgebärende, die zwei Mal normal ge- 
boren hatte und das letzte Mal durch die Wendung wegen 
Schulterlage des Kindes entbunden worden war, bot während 
einer 13 ständigen ErölTnungsperiode keine Regelwidrigkeiten 
im Geburtsverlaufe dar. Das Kind lag in Scheitellage vor. 
Jetzt stellte sich nach einer ungewöhnlich kräftigen« Wehe 
Blutabgang ein, und die Weben waren plötzlich wie abge- 
schnitten. Die Frau collabirte, bekam fadenförmigen Puls, 
heftige Dyspnoe. Der Leib war auf Druck massig empfind- 
lich. Während einer Untersuchung wich der Kopf, der schon 
im Becken gestanden hatte, aus, und es kam ein Arm zum 
Vorliegen. Bei der wegen Agone der Mutter sofort vorge- 
nommenen Wendung konnte man sich von einem Querrisse 
in der vorderen Uteruswand' überzeugen. Das entwickelte 
Kind war ein todter, 58 Centimeter langer Knabe. Die Mutter 
starb eine Stunde nach der Entbindung. 

Bei der Section fand man den 8 Centimeter langen 
Querriss am vorderen Umfange des Uterushalses, und konnte 
als einziges ätiologisches Moment für das Zustandekommen 
desselben nur eine abnorm starke Entwickeluug der Muskel- 
schicht des Uterus, namentlich am Körper und Grunde an- 
sprechen. Die Dicke der Uteruswandung betrug am Grunde 
2*/«, an der seitlichen Partie des Körpers 1 l '/g Centim. 

2) Bei einer 34jährigen DrillgebÄTetiA^w^ ^\^ \i«w ^«ä. 



300 ^^- Poppelf Bericht üb. die EreignisRe der gebartsh. Poliklinik 

beiden ersten Geburten Placentarlösungen durchgemacht hatte, 
floss beim Beginne der schon anfangs sehr schmerzhaften 
Wehen Blut ab, das schon drei Tage vorher nach einer sehr 
rohen und schmerzhaflen Untersuchung von Seiten der Heb- 
amme sich Vj^ Tage lang gezeigt hatte. Man fand keine 
Herztöne, das Abdomen gieichmassig sehr empfmdhch, Wehen 
sehr schwach und selten, aber äusserst schmerzhaft Der 
Muttermund war sehr sciiwer mit zwei Fingern zu erreichen, 
halbguldengross. Man fand keinen Kindestheil vorhegend, und 
fühlte nur im Muttermunde einen unbestimmten weichen Kör- 
per, den man für Placenta hielt. Nach der Einlegung des 
Rplpeurynlhers stand die Blutung, aber Wehen traten keine 
ehi. Nach Verlauf von zohn Stunden hatte sich Nichts geän- 
dert, nur war das AIlgemeinbe(inden der Kreissenden sehr 
Besüigniss erregend geworden; es traten öfters Ohnmächten 
ein, der Puls war sehr klein ladenj'örmig geworden, Blut war 
aber nicht abgegangen. Der Muttermund iiatte sich gar nicht 
mehr erweitert, und man konnte mit höchstens drei Fingern 
durch denselben dringen. Merkwürdiger Weise fand man 
jetzt aber vor dem Mullennunde im vorderen Scheidenge- 
wölbe den Kopf unbedeckt vorliegend, so dass man mit einem 
Male über den vorhandenen Zustand Gewissheit erlangte, denn 
bisher halte man sich immer noch mit dem vorgefassten Ge- 
danken an Placenta praevia zufrieden gegeben. Man ging 
sofort mit der ganzen Hand durch den Scheidenriss und ge- 
langte durch denselben in die üterushöhle, ergriif die Fasse, 
und vollzog die Extraction; der nachfolgende Kopf musste 
mit der Zange entwickelt werden. Das Kind war ein .todtes 
reifes Mädchen mit den Zeichen der Fäulniss. Die Placenta 
wurde auch sofort manuell entfernt, wobei man wieder durch 
den Scheidenriss in die Llerushöhle eingehen musste, denn 
von einer Durchgängigkert des Mutlermundes war keine Hede. 
Die Entbundene befand sich subjecliv wohl, der Puls war 
kaum zu fühlen, der Uterus lag gut contrahirt auf dem rech- 
ten Darmbehie auf. 20 Stun»h?n nach Beendigung der Ge- 
burt erfolgte der Tod, nachdem das suhjective Beünden der 
Wöchnerin innner ein gleich gutes geblieben, und nur tu 
den ielzlen Shinden noch sehr reichhches Erbrechen einge- 
WeLen wai'. Die Secüon wies euv^ Vtv^dk^ P^va<ivuUs und den 



der kÖD. Ladwig-Maximilians-ÜDiversitfit in Müncbeo etc. 301 

Scheiden- und Uteriisriss nach; das Bauchfell war in der 
Excavatio vesico-ulerina in grossem Umfange vom Uterus ab- 
gelöst und zerrissen. Die Uteruswandungen waren sehr stark, 
bis zu der Dicke von 1^2 Zoll, entwickelt Die Substanz derselben 
zeigte sich auf dem Durchschnitte hellgelb glänzend, und 
man fand bei der mikroskopischen Untersuchung ziemlich weit 
vorgeschrittene Feltdegeneration der Muskelfasern. Sonst konnte 
kein ätiologisches Moment für die Ruptur aufgefunden werden. 

2. Dam m risse. 
Dammrisse kamen neun zur Beobachtung bei eben so 
viel Erstgebärenden. Sechs Mal erfolgte die Geburt spontan, 
drei Mal durch Zangenanlegung. Sämmtliche Dammrisse mit 
Ausnahme eines einzigen, der auch den Sphincter ani mit 
umfasste, waren unvollständig. Drei Mal konnte von der 
Naht kein Gebrauch gemacht werden wegen verspäteter. Kennt- 
nissnahme. Von sechs genähten Dammrissen hielten fünf per 
primam intentionem, einer durch Granulation. 

g) Eelampsie. 
Eclampsie wurde nur ein Mal und zwar post partum bei einer 
Erstgebärenden beobachtet. Dieselbe bekam einige Tage vor 
ihrer rechtzeitigen Niederkunft in Folge Von Durchnässung 
geschwollene Fiisse. Die Geburt eines Knaben verlief in acht 
Stunden ganz normal. Unmiltelbar darauf erfolgte der erste 
eclamptische Anfall. Nach dem bald folgenden zweiten wurde 
die Placenla mittels des Crede'scMen Handgriffes entfernt. 
Jetzt wurden noch im Verlaufe von fünf Stunden neun An- 
fälle, alle von mittlerer Heftigkeit, beobachtet. Das Bewusst- 
sein war während der ganzen Zeit entschwunden und blieb 
es auch noch einen halben Tag nach dem Aufhören der An- 
fälle. Als es zurückgekehrt war, klagte die Wöchnerin nur 
über heftige Kopfschmerzen. Das Wochenbett verlief nor- 
mal, der Eiweisgrhalt des Urins, der nach den ersten An- 
fällen nachgewiesen wurde, verlor sich am dritten Tage voll- 
ständig. Man hatte gegen die Eclampsie eine Venäsection, 
einige suhcutane Morphium-Injectionen und Eisumschläge über 
den Kopf zur Anwendung gebracht. 



Hier kann auch kurz auf den Fall von G^V^?^\^w \\v V^- 
wustlosem Zustande in Folge von laujev ¥au\^"\vV\x\a\^ 'v«ää.\v- 



302 XV. Poppet, Berieht üb. die Ereig^nisse der gebartsb. Poliklinik 

siver Kälte verwiesen werden, den ich vor einiger Zeit in der 
Monatsschrift beschrieb (1865. Bd. XXV. Heft 5.) und der 
in gerichtlicher Beziehung von Interesse ist. 

lY. Statistik der Operationen. 

Es waren im Ganzen 37 Wendungen auf die PQsse auf- 
geführt, 35 Mal wegen Schieflage, 2 Mal bei Kopflage wegen 
Uterusruptur. Das Nähere wurde schon früher erwähnt. 

Extractionen wurden 64 Mal ausgeführt, 35 Mal nach 
der Wendung, 29 Mal bei ursprünglicher Beckenlage. 

Die Zange wurde in 52 Fällen angelegt bei 34 Erst- 
und 18 Mehrgebärenden, bei 34 Knaben- und 18 Mädchen- 
geburten. Es wurden todtgeboren 8 Knaben und 6 Mädchen, 
lebensfrisch geboren 16 „ „ 7 „ 

. asph. geboren belebt 10 „ „ 5 „ 
sonach 14 todte und 38 lebende Kinder. 

Die Kinderlage war 41 Mal in Scheitellage, 

7 „ „ Vorderscheitellage, 
4 „ ,. Gesichts- und Stirnlage. 
Die zweite Geburtsperiode dauerte 

6 Mal unter 3 Stunden, 

1" » ♦> ^ — ^ „ 
15 „ ,, o — y „ 

3 „ über 15 „ 
Die Indication zur Anlegung der Zange gab 

7 Mal Wehenschwäche, 

11 „ Misverhältniss zwischen Kind und Becken, 
9 „ Rigidität der Wcichtheile, 

8 „ enges Becken, 

2 „ Nabelschnurvorfall, 

7 „ liefer Querstand des Kopfes, 

7 „ anderweitige unbestimmte Gefahr für das 

Leben des Kindes, 
1 „ Uterusfibroid. 
Die Zange wurde angelegt 

7 Mal hei Stand des Kopfes im Beckeneingange, 
25 „ „ „ „ „ in der Beckenenge, 



d«r ktfn. Ladwig-MaxirailianB-Umyersität in München etc. 303 
Unter 6 Tractionen waren nöthig in 26 Fällen, 

D äü „ ,, „ „ ly „ 

über 20 „ „ „ „ 7 „ 

Von den Wöchnerinnen erkrankten sieben und star- 
ben drei. 

Perforation und Kephalotripsie war zwei Mal 
nothwendig. Siebe früher bei engen Becken. 

Die künstliche Frühgeburt wurde in zwei Fällen 
eingeleitet. Siebe enges ßecken. 

Nachgeburtsoperationen wurden 16 Mal ausge- 
führt, fünf Mal wurde die Placenta durch Strictur des inne- 
ren Muttermundes zurückgebalteu, und 1 1 Mal war sie mehr 
minder fest adhärent. Die Blutungen erreichten nie einen 
Besorgniss erregenden Grad. In einem Falle blieb bei einer 
22 jährigen Erstgebärenden, bei der die Geburt und die Aus- 
stossung der Placenta ganz durch die Naturkräfte zu Stande 
kam, ein Cotyledo der Placenta im Uterus zurück und be- 
dingte durch drei Wochen öfters wiederkehrende Blutungen. 
Bei einer am 20. Tage nach der Entbindung wiederkehren- 
^den profusen Metrorrhagie, die den äussersten Grad von 
Anämie zur Folge hatte, entdeckte man diesen Placentar- 
polypen, und konnte ihn ohne grosse Mühe entfernen, worauf 
Patientin sich bald erholte. 



Hier sei mir erlaubt einige* Bemerkungen zu den Indicationen 
der Zangenoperationen einzuschalten. Veranlasst werde ich hierzu 
durch die Ansichten, die Künecke in seiner Recension von 
Hecker^s Klinik der Geburtskunde (Schuchardfs Zeitschrift 
für prakt. Heilkunde. 1864. Seite 403 fT.) über diesen Ge- 
genstand vorträgt. 

Darüber kann ja heut zu Tage keine MeinungsdifTerenz 
mehr bestehen, dass alle bei Zangenoperationen aufgestellten 
Indicationen nur dann gerechtfertigt sind, wenn bei densel- 
ben Gefahr für Mutter oder Kind vorhanden ist. Es fragt 
sich aber, ob man von diesem einfachen, ich möchte sagen 
ideellen Standpunkte aus im Rechte ist, die bisher üblichen 
Indicationen als unwissenschaftlich zu bezeichuew. 

Wenn man mit Künecke als einzige d\e Xw(\%ew^\:X^^^% 



304 ^y- Poppel, Bericht üb. die Ereignisse der gebnrtsli. PoIOrliBik 

rechtfertigende Indication nachweislich bestehende 
oder nachweislich drohende Schädigung am Leben und 
Gesundheit des Kindes (und der Mutter) annimmt, so hat 
man meines Erachtens mit dem Zusätze nachweislich 
drohend eine etwas hohe Anforderung an unser Können 
gestellt, wenigstens dann, wenn man diese drohende Gefahr- 
dung nur als durch das Stethoskop nachweisbar annimmt 
Wenn die Herztöne unregelmässig, langsamer, aussetzend 
werden, so glaube ich, wird jeder Geburtshelfer eine bereits 
bestehende Gefahr für das Kind annehmen, und wenn keine 
Gegenanzeige vorhanden ist, zur Zange greifen. Woran man 
eine erst drohende, d. h. in nächster Zeit eintretende Gefahr 
durch die Auscultation erkennen könne, gesiehe ich offen 
nicht zu wissen. Die Erfahrung lehrt ferner doch unzwei- 
felhaft, dass man, wenn erst einmal die verlangsamten Herz- 
töne des Kindes zur Beendigung der Geburt zwingen, diese 
oft nicht mehr zeilig genug erzielen kann, indem erwartete 
oder auch unerwartete Hindernisse erst nach einiger, für das 
Kind schon zu langer Zeit überwunden werden können. 

Ueherhaupt ist eine Abschätzung der Gefahr för das ^ 
kindliche Leben aus den Herztönen doch keine so absolut 
sichere, und man kann sich doch täglich überzeugen, wie 
ungemein verschieden die Resistenzfahigkeit gegen die glei- 
chen Insulte bei verschiedenen Kindern ist. Wie ist man 
oft erstaunt bei schwierigen Wendungen und Exlractionen 
ein fast kaum asphyktisches Kind zu Tage zu fordern, wäh- 
rend oft bei den einfachsten Sieissgeburten, bei denen man 
kaum zur Nachhüli'e Zeit und Veranlassung fand, todte oder 
im höchsen Grade asphyktische Kinder geboren werden. 

Dei diesem thatsächlichen Verhalten ist, glaube ich, das 
Studium der kindlichen Herztöne doch nicht das einzige, das 
die Direclion zur Beurtheilung der Nothwendigkeit und Zweck- 
mässigkeit eines operativen Einschreitens abgeben sollte, und 
man darf doch gewiss auch den Verhältnissen, unter denen 
diese ,, wahre Indication'' eintritt, einige Aufmerksamkeil 
schenken. Man kann ja doch durch praktische Erfahrung 
sich allmälig ein Urlheil erwerben über die Grösse und Wich- 
tigkeit von der Gehurt im. Wege stehenden Hindernissen, und 
über " WahrscheinVichkeil \ow ^t'sX V\m\^\^ ^xwVt^lendcn 



der kön. Ladwig-Mazimilians-Uniyersitat sa Manchen etc. 305 

Gefahren für Mutter oder Kind. Wenn ich bei verengtem 
Becken, das ich vielleicht schon von früheren Entbindungen 
her kenne, den^ wie wir annehmen wollen, ausgiebigen We- 
hen die feste Einstellung des Kopfes überlassen und dann 
noch Stunden lang zugesehen habe, wie dieselben keine Wu*- 
kung mehr hervorbringen können, so halte ich es durchaus' 
für gerechtfertigt, zuzuwarten, bis endlich die Placentar-Cir- 
culation Störungen erleidet, denn dann darf ich versichert 
sein, dass während einer schwierigen Extraction mit der 
Zange das Kind vollends zu Grunde geht, sondern ich glaube, 
dass bei noch kräftigen regelmässigen Herztönen eher Aus- 
sicht ist, mit der Zange ein lebensfähiges Kind zu ent- 
wickeln. Dies muss naturlich nach dem speciellen Falle 
wohl erwogen werden, und es kommen immer viele Momente 
in Betracht, also ausser der Wehen thätigkeit und den Becken- 
maassen, namentlich die Entwickelung des Kindes, die Härte 
der Schädels, die Grösse der Kopfgeschwulst, die mehr minder 
lange Zeit, die seit dem Abflüsse des Fruchtwassers, seit der 
vollkommenen Erweiterung des Muttermundes verflossen ist, 
die Stellung des Schädels, in einem Gebärhaus auch der Ge- 
sundheitszustand überhaupt. Wollte man allen diesen Verhält- 
nissen bei der ßeurtheilung der Noth wendigkeit eines opera- 
tiven Eingriffs keine Rechnung tragen, sondern einzig und 
allein die kindlichen Herztöne zur Richtschnur nehmen, man 
würde gewiss seltener mit Glück operiren. 

Um ein anderes Beispiel anzuführen, wenn ich bei einer 
Erstgebärenden stundenlang den Kopf gegen den Damm drän- 
gen sehe und mich überzeuge, dass weniger grosse Unnach- 
giebigkeit der Weichtheile der Mutter als zu schwache Wehen- 
thätigkeit die Schuld daran tragen, bin ich nicht im Rechte, 
einestheils um der Mutter die Stunden der Schmerzen abzu- 
kürzen, anderntlieils um ja das Leben des Kindes keiner 
Gefahr auszusetzen, von der in diesem Falle durchaus un- 
schädlichen Zange Gebrauch zu machen? Man könnte fast 
zu der Meinung gedrängt werden, diejenigen, die um keinen 
Preis eine Zange anlegen wollen, ausser wenn die strengste 
Indication, nämlich Gefahr für das Leben des Kindes vor- 
handen ist, sähen in derselben ein in hohem (k^^^ "«^^^^xsl 
seiner Tiachtbeile zu fürchtendes InslTumetA.. ^vsi ^^\«v ^^^ 

MlODAtsacbr. f. Qeburtak, 1866. Bd. XXVllI.,lltt.4. "^^ 



306 XV. Poppely Bericht üb. die Ereignisse der gebnrtob. Poliklinik 

angeführten, wie ich allerdings selber zugestehe, auf wenig 
wissenschaftlicher Basis ruhenden Beispiele, wird mau doch 
jedenfalls zugeben müssen, dass die Zange ohne den gmng- 
sten Nachtheil in ^Anwendung kommen kann. Und in einem 
solchen Falle dürfen doch auch andere Motive mit in die 
Wagscbale gelegt werden, wie weite Entfernung von der 
Kreissenden, grosse Aufregung derselben u. s. w. 

Ich verkenne durchaus nicht, dass solche laxe Grund- 
sätze, wie ich sie eben zu vertheidigen scheine, zu gefähr- 
lichen Consequenzen führen können, so dass am Ende kein 
zangengerecht stehender Kopf mehr vor unserer Operations- 
wuth sicher wäre. Ich wollte in dem oben angeführten Bei- 
spiele nur andeuten, dass es uns doch noch erlaubt sein 
dürfe, zu specialisiren und individualisiren, und dass wir uns 
nicht durch die einzig richtige Indication die Hände binden 
müssen. 

Wie man die Indication des tiefen Querstandes des Kopfes 
für die Zangenanlegung nicht gelten lassen will, kann ich 
eigentlich am wenigsten einsehen. Wenn ich ein augen- 
scheinliches mechanisches Geburtshinderniss constatire, zu 
dessen Ueberwindung die Naturkräfte allerdings schliesslich 
ausreichen werden, das ich aber durch die Kunst ohne irgend 
welchen Nachtheil, wenn vielleicht auch nur um einige Stun- 
den eher beseitigen kann, so weiss ich nicht, warum ich 
einen anomalen Geburtsmechanismus nicht selber rectificiren 
darf und der Natur zumuthen soll, ihre Fehler alle selber 
wieder gut zu machen. Warum öffnet denn der Chirurg 
einen flucluirenden Abscess doch- noch mit dem Messer, da 
er ja weiss, dass ihn die Natur selbst am nächsten Tage 
zum Aufbruche bringt? Ich glaube, um die Schmerzen ab- 
zukürzen und vielleicht einer möglichen Weiterausdehnung der 
Entzündung zuvorzukommen. Und zu einer solchen Prophy- 
laxe, wo sie ohne Nachtheil geübt werden kann, halte ich 
den Geburlshelfer auch für berechtigt. 

Noch auf einen Punkt möchte ich aufmerksam machen. 

Ich muss gestehen, schon manchmal in der Lage gewesen 

zu sein, wo es mir nicht gut möglich war, die Herztöne des 

Kindes mit Sicherheit zu erkennen, entweder weil die Wehen- 

pausfi^ '"^ ''urz waren^ da&& \c\i ^wl ^m«^ y«^\^ckd derselben 



der k5n. Ladwig-Maximilians-UniTersität su München eto. 307 

beobachtete Verlangsamung der Herztöne kein grosses Ge- 
wicht legen konnte, oder überhaupt nicht Zeit fand, sie zu 
entdecken, oder weil die durch nichts zu besänftigende Un- 
ruhe der Kreisenden mich an einer aufmerksamen Unter- 
suchung hinderte. In solchen Fällen darf man zur Beur- 
theilung der einzuschlagenden Behandlung doch gewiss auch 
andere Umstände herbeiziehen und je nach diesen sein Han- 
deln einrichten. Und' dieser Einwurf passt auch zu den Be- 
merkungen, die Künecke in seiner Recension bei den Becken- 
endlagen ein^eflochtcn hat, in denen er einer möglichst ex- 
spectaliven Behandlung das Wort redet. Wenn der Steiss 
oder die Fösse durchgetreten sind, habe ich^ offen gestanden, 
noch nie auscultirt, weil ich diese Ugtersuchung dann für zu 
zeitraubend und schwer ausfuhrbar halte. Ich richte da mein 
Handeln fast immer nach der Zeit und der Wehenthätigkeit , da 
es mir scheint, man dürfe nicht warten, bis vielleicht am gebo- 
renen Rumpfende Respirationsbewegungen auftreten. Denn 
was oben von der Resistenzfähigkeit des kindlichen Lebens 
gesagt wurde, gilt namcnthch bei Beckenlagen, respective bei 
einem die Nabelschnur direct treffenden Drucke, mehr noch 
als bei Kopflagen, bei denen es sich nur um Störungen des 
Kreislaufes in der Placenta handelt. Kinder mit geborenem 
Rumpfe machen oft kaum eine bis zwei Respirationsbewe- 
gungen, und eine sofort eingeleitete kunstliche Nachhülfe ist 
schon nicht mehr im Stande, ein belebungsfähiges Kind zu 
entwickeln. Künecke selbst spricht sich ja anerkennend über 
das günstige Verhältniss der Hecker^schau Statistik bei Becken- 
lagen aus, und steht so eigentlich mit sich selbst im Wider- 
spruche, wenn er gegen die Principien ankämpft, nach wel- 
chen dieses günstige Resultat erzielt wurde. 

Nach dem Gesagten muss wohl zugegeben werden, dass 
nicht für alle Fälle einzig und allein die Auscultalion mass- 
gebend sein könne, sondern dass auch andere rationelle In- 
dicationen zu operativem Einschreiten anerkannt werden müssen. 

V. Erkrankungen der Wöchnerinnen. 

Es ist hier über 35 wichtigere Erkrankungeu \svvV. ^ 
Todesfällen zu berichten. 



308 XV. Poppet, Bericht üb. die Ereignisse der geburtsh. PoUkUnlk 

An Eodometritis, Metritis, Peritonitis, Beckenabscessen er* 
krankten 24 und starben 13. 

An Uterusruptur starben 2. 

An Tuberkulose starben 2. 

Am Typhus erkrankten 2 und starb 1. 

In unmittelbarer Folge von Placenta praevia starb 1. 

An Coprostosis erkrankten 3 und starb keine. 

In Folge von Blutverlust aus einer zerrissenen Vene starb 1. 
Was die 24 Fälle betrifft, in denen entzündliche Pro- 
cesse die Gesundheit und das Leben gefährdeten, so beob- 
achteten wir: 

Endometritis in 11 Fällen, wovon alle in Genesung aus- 
gingen. Sechs Mal war, bei diesen eine normale Geburt vor- 
hergegangen, drei Mal war die Zange angelegt, ein Mal bei 
Schulterlage und ein Mal bei PI. praevia die Wendung aus- 
geführt worden. 

Lymphangitis mit Peritonitis wurde in neun Fällen, und 
Meti'ophlebitis ein Mal beobachtet; sämmtliche endeten lelbai. 
Unter diesen war zwei Mal die Geburt normal ohne Kunst- 
hülfe verlaufen, zwei Mal ging eine einfache Eitraction, 
drei Mal leichte Entbindungen init der Zange, ein Mal Wen- 
dung und zwei Mal Placentarlösungen voraus. Die Todes- 
fälle verlheilten sich ziemlich gleichmässig auf die zwei Jahre, 
so dass von keinem epidemischen Vorkommen derselben die 
Rede sein kann. Nur fünf Fälle traten in kürzeren Pausen 
und unter etwas außalligem Zusammenhange auf. Sie ver- 
hielten sich folgendermaassen: 

Am 31. Januar 1864 entband ein Practicant, der als 
Assistent in der Augenklinik weder Init d^m Krankenhause 
und der Anatomie, noch mit dem damals übrigens puerpe- 
ralfieberfreien Gebärhause in näherer Berührung stand, eine 
Drittgebärende durch die Extraction bei Fusslage des zweiten 
ZwiUings. Schon an) nsichsten Tage traten Schüttelfröste ein, 
und die Person starb am 18. Tage nach der Entbindung im 
Krankenhause (Metrophlebitis). 

Am 23. Februar 1864 entband derselbe eine Erstge- 
bärende mit der Zange. Diese erkrankte am 25. und starb 
am 28. Februar an Metrolymphangitis. Die Hebamme, die 
bei dieser Entbindung iu%e%eu t^ew^^^^w ^^t , ^vdband am 



derkön. Ladwig-Maximilians-Universität in München etc. 309 

26. Februar in ihrer Wohnung eine Erstgebärende. Diese 
erkrankte am fünften Tage nachher und starb im Kranken- 
hause am 14. Tage nach der Geburt (Metrolymphangitis, Pleu- 
ritis). Der obige Fracticant entband am 29. Februar eine 
Erstgebärende mit der Zange. Diese erkrankte am 3. März 
an Endometritis septica, genas aber nach 14 Tagen. 

Endh'ch war derselbe bei der Niederkunft einer Siebent- 
gebärenden thätig, die am 7. März durch Extraction bei Fuss- 
läge bewerkstelligt wurde; sie erkrankte am 10. und starb 
am 13. März an Metroperitonitis. Bei den zwei letzten Ge- 
burten war auch dieselbe Hebamme zugegen wie bei den 
ersten. Der Practicant wurde jetzt veranlasst, einige Zeit 
sich von Geburten fern zu halten. 

In wie weit diese Fälle für Contagiosität beweisend sein 
können, muss ich dahin gestellt sein lassen, nur mag noch 
bemerkt werden, dass auch am 21. Januar 1864 eine Viert- 
gebärende, die eine ganz normale Geburt gehabt hatte und 
von einer anderen Hebamme bedient worden war, am vierten 
Tage des Wochenbettes' erkrankte und am 26. Januar an 
Metroperitonitis starb, und dass ebenso auch Ende April eine 
von einem anderen Practicanten mit der Zange entbundene 
Erstgebärende am siebenten Tage des Wochenbettes an Me- 
troperitonitis starb. Die anderen zehn Todesfalle traten ein 
zwei Mal nach Uterusruptur (siehe früher), ein Mal in Folge 
von PI. praevia (siehe früher), ein Mal in Folge der Blutung 
aus einer zerrissenen Vene an der Clitoris (siehe früher), 
ein Mal in Folge von Beckenabscess (siehe früher bei dem 
engen Becken.) 

Die noch übrigen fünf Fälle fanden noch keine Erwäh- 
nung und sind kurz folgende: 

1) Eine Erstgebärende kam am 27. Mai frühzeitig (angeb- 
lich im 8. Monate) nieder und befand sich nach ihrer und der 
Angehörigen Aussage vollkommen wohl bis zum 3. Juni. In 
der Nacht vom 3. zum 4. Juni erkrankte sie plötzlich unter 
den Symptomen der acutesten Peritonitis, der sie nach 
40 Stunden erlag. Die Section wies eine mit Eiter gefüllte 
hfibnereigrosse geplatzte Cyste am rechten Ovarium nach, 
die jedenfalls schon in der Schwangerschaft, die übri^<&ia& 
ganz normal verlaufen sein sollte, besUtiAeiv VÄ^^w xwäsäV^- 



310 ^V. Foppel, Bericht üb. die Ereignisse der gebnrtsh. PoUklinik 

2) Eine Viertgebärende wurde am 13. März von Zinl- 
lingen ohne Kunslhülfe entbunden. Sie war voUkommen ge- 
sund bis zum 25. März, an welchem Tage sie sich zu Beile 
legte, über Scbmerzhaftigkeit des Abdomens klagte. Dasselbe 
war auf Druck wenig empfindlich, es war massiger Meteons- 
mus, starker Durst, geringes Fieber, keine Brechneiguog 
vorhanden. Sluhl war seit zwei Tagen nicht mehr einge- 
treten. Der Uterus zeigte sich gut zuruckgebildet , nicht 
schoierzhaft. Auf Opium traten die Erscheinungen fast ganz 
zunlck. Am 27. wurden wegen Obstipation zwei 5 granige 
Dosen Calomei, die zwer wässrige Stähle bewirkten, gegeben. 
Am 29. war die Schmerzhafligkeit ganz gering, Puls 90, 
kein Meteorismus, kein Erbrechen. Wegen andauernder Ver- 
stopfung wurde Elect. lenitiv. genommen,' worauf acht kothige 
Ausleerungen erfolgten. Am Abende dieses Tages fühlte sich 
Patientin ganz wohl, ass mit Appetit und verlangte aufzu- 
stehen. Auch die Nacht verlief ganz gut. Erst Morgens 
4 Uhr am 30. traten wieder heftige Schmerzen über das 
ganze Abdomen verbreitet ein, der Meleorismus nahm bedeu- 
tend zu, es trat grosser Collaps ein, der Puls zählte 140 Schläge. 
Abends fünf Uhr erfolgte der Tod. 

Section : Lungen, Herz normal. Im Abdomen viel seröse 
Flüssigkeit, die vordere Bauchwand mit den Gedärmen und 
diese unter sich durch Pseudomembranen verbunden; die 
relroperitonäalen Lymphdrusen stark geschwellt. Uterus und 
seine Anhänge ganz normal, Nieren, Process. vermiformis ohne 
Veränderung, Darm gesund. Es konnte keine Ursache der 
allgemeinen Perilonitis aufgefunden werden. 

3) Eine Erstgeschwängerte, die im dritten Monate abor- 
tirte, erkrankte während des Wochenbettes am Typhus, dem 
sie in der fünften Woche erlag. 

4) Eine Zehnlgebärende mit vorgeschrittener Tuber- 
culose starb neun Tage nach einer normalen Entbindung unter 
hectischem Fieber. 

5) Eine Neuntgebärende soll in der letzten Zeit ihrer 
Schwangerschaft bis auf einige Schweralhmigkeit und Husten 
vollkommen gesund gewesen sein. Auch die Geburt soll nach 
Aussage der Hebannne bis zur vollkonmienen Erweiterung 
des Muttermundes novmaV xevViWxkw ^^ivw. üaua soll sie plöu- 



der kön. Ladwigs-Maximilians-UniTersität in München etc. 311 

lieh cyanotisch und im höchsten Grade dyspnöisch geworden sein. 
Ich fand die Kreissende moribund, pulslos, cyanotisch, auf der 
Brust waren Rhonchi hör- und fühlbar. Ich legte sofort die 
Zange an, extrahirte ohne Mühe ein vollkommen todtes Kind, 
löste die Placenta, da vollkommene Atonie des Uterus vor- 
handen war. Eine halbe Stunde später trat der Tod ein. 
Die Section wurde leider nicht gestattet. Ich glaubte plötz- 
lich eintretendes Lungenödem, wahrscheinlich im Zusammen- 
hange mit weit vorgeschrittener Tuberculose annehmen zu 
müssen. 

lieber drei Fälle von hochgradiger Coprostasis habe ich 
schon früher ausführlicher berichtet. (Monatsschr. für Ge- 
burtskunde. 1865. Bd. XXV. Heft 4.) 

VI. Missbildungen und Erkrankungen der 
Kinder. 

Es wurden folgende Missbildungen beobachtet: 

1) Ein in Fusslage todtgeborener Knabe von fünf Pfund 
Schwere zeigte beträchtliche gelatinöse Infiltration der Haut, 
so dass der Rumpf bei der Geburt durch seinen Umfang 
ein beträchtliches Geburtshinderniss abgab. Bei der Section 
fand man eine linkseitige Zwerchfellsspalte, durch die die Milz 
und ein Theil des Magens und der Leber in die Brusthöhle 
getreten waren. Bedeutender Hydrocephalus internus. Es waren 
nur drei Halswirbel vorhanden, an denen sich eine Spina 
bifida anterior vorfand. 

2) Ein 15 Cenlimeter langer lipoid umgewandelter Fö- 
tus zeigte amniotische Bänder am Kopfe, den Füssen und 
den Händen, welche letztere miteinander verwachsen waren, 
und verschiedene Defecte an den Fingern darboten. 

3) Ein sonst wohlgebildetes ausgetragenes Mädchen hatte 
eine die ganze linke Gesichtshälfte einnehmende Telangiektasie, 
die bei der rechten Betrachtung ganz das Ansehen einer Ge- 
schwulst bei Gesichtslage hatte. 

4) Ein ausgetragener Knabe kam mit Defect des linken 
Vorderarmes zur Welt. Das Ellbogen gelenk war vorhanden, 
und ein Zoll unterhalb desselben zeigte sich eine deutliche 
Amputationsnarbe. Die Nachgeburl konivV^ \\\ää. >\w\ä\%>vsösä. 



312 XVI. Notisen ans der Joamal-LitenUar. 

werden. Der Fall verhielt sich genau so, wie der von 
Hecker in der Honatsschrifi für Geburtskunde Band lU« 
Seite 401 beschriebene und abgebildete. 

5) Ein 25 Centimeter langer weiblicher frisch abgestor* 
bener Fötus hatte an der linken Hand fast zwei gleichent- 
wickelte Daumen. 

6) Ein sieben Centimeter langer Embryo hatte eine Heniia 
umbiiicaHs. 

Von Erkrankungen sind erwahnenswerth vier Fälle von 
Cephalhämatom, von denen blos eines von bedeutender Grösse 
war, so dass es entleert wurde. In drei Fällen wurden 
Darmblutungen beobachtet, wovon zwei, bei denen die Blu- 
tung gleich am ersten Lebenstage aufgetreten war, günstig 
endeten unter Anwendung von Stypticis. In dem einen am 
dritten Lebenstage ungünstig endendem Falle fand man ein 
kreuzergrosses , an der grossen Curvatur gegen den Pylorus 
zu sitzendes Magengeschwür. Der Magen war strotzend mit 
Blut gefüllt. 

Blutungen aus dem Nabel wurden drei Mal beobachtet. 
Jedes Mal trat die Blutung am fünften oder sechsten Tage 
auf, endete zwei Mal schon nach einem Tage, einmal aber 
erst am 12. Lehenstagc, nachdem man zeitweise die Blutung 
hatte stillen können, mit dem Tode. In zwei Fällen, in 
denen die Section gemacht werden konnte, fand sich exqui- 
site allgemeine Fettdegeneration. 



XVI. 
Notizen aus der Journal -Literatur. 



v. Orünewaldt: Heber den chronischen Uterus- 
katarrh. 

Nach einer kurzen Recapitulation der anatomischen hnd 
physiologischen Verhältnisse, welche für die Entstehnng des 
UteruBkhttirrha wichtig sind, und Yiob^v V^tf. auf Ernfthmng 



XVI. Notisen ans der Jpamal- Literatur. 313 

und Innervation des Uteras specieller Rücksicht nimmt, bespricht 
er den pathologisch -anatomischen Befund beim Uterinkatarrh. 
Hierbei hebt er, als bisher vielleicht nicht genügend beachtet, 
die Vergrössernng der Uterinhöhle hervor, die von dem reich- 
lich in ihr angesammelten Secrete häufig nicht unbeträchtlich 
ausgeweitet söi. Nächstdem kommt er in extenso auf die die 
Affection begleitenden subjectiveu Sjmptome zu sprechen, deren 
grosse Mannigfaltigkeit ihm beweist, dass die vom Uterus zu 
den Nervencentren führenden Bahnen zahlreiche Verbindungen 
mit den verschiedensten Nervenbezirken haben, in denen infolge 
von Uterinleiden Functionsanomalien auftreten, welche nicht 
selten auch von guten Beobachtern vollkommen verkannt wur- 
den. — Was die Erkennung der Krankheit selbst anlange, so 
sei dazu die Manual- und Ocularinspection unerUsslich; zur ge- 
naueren Erkenntniss der erwähnten meist gleichzeitig vorhande- 
nen Vergrössernng des Uterus, die sowohl in Ausdehnung der 
Höhle des Organs als in Schwellung seines Parenchjms ihren 
Grund haben könne , halte er ausserdem die Untersuchung mit 
der Sonde für nothwendig, die über Anomalien der Form, Lage 
und des Parenchjms des Uterus den besten Aufschluss gebe. Zur 
besseren Beurtheilung der Beschaffenheit der Cervicalschleim- 
hant bediene er sich eines eigens zu diesem Zwecke construirten 
E!ndo8copes, mittels dessen er mit der Zeit auch die Schleimhaut 
der Uterinhöhle untersuchen zu können hoffe. — Entgegen der 
Hennig*8chen Ansicht fand Verf. den Uterinkatarrh in den Blüthe- 
jähren (25 — ^30. Jahre) der Frauen und zwar um so häufiger, je 
mehr die Geschlechtsfunctionen des Weibes in den Vordergrund 
treten; 30% ^^^ ^ö™ Verf. vorliegenden Erkrankungsfälle ent- 
wickelten sich, wie aus der bezüglichen Anamnese gefolgert wer- 
den muss, ans einem anscheinend normal verlaufenen Puerpe- 
rium, doch schienen auch in der Mehrzahl der anderen Fälle, 
wo ein ätiologisches Moment unzweifelhaft nicht nachgewiesen 
werden konnte, vorhergegangene Wochenbetten den ersten Keim 
zur Erkrankung gelegt zu haben. Uebertriebener Geschlechts- 
genuss, Onanie und Erkältung der Menses wurden nur von we- 
nigen Patientinnen angeschuldigt. Complicationen des Uterin- 
katarrhs, wodurch dieser möglicherweise entstanden war, bestan- 
den in Klappeninsufficienz mit Dilatation des linken Herzens und 
consecutivem Bronchialkatarrh, in idiopathischen chronischen 
Katarrhen der Bronchien, Chlorose, in Lungentuberculose, Hämor- 
rhoidalleiden, Blasenkatarrh, Vaginalblennorhöe, in Entwicklung 
eines Ovarientumor, und ziemlich häufig in Dislocationen des 
Uterus. Mit Rücksicht auf das über die Entstehung des Uterin- 
katarrhs bereits Erwähnte, muss nach Ansicht des Verf. die Be- 
handlung der Affection schon im Wochenbette beginnen; nie 
sollte selbst bei anscheinend normalem WochenbettsverlObU.^^ ^vd^ 



314 ^VI. Notiaen ans der Journal- Literatur. 

genaue Untersachang mit dem Speculnm rersäamt werden, weil 
nur auf diese Weise die EntstehaDg unbemerkt sich entwickeln- 
der langwieriger Uterinleidcn zeitig genug bu erkennen sei. 
Leichte Cauterisationen bei Bogernder , V^rnarbung der durch 
die Geburt gesetaten Einrisse, laue Injectionen 'und Bäder aur 
Entfernung des reizenden Wochensecretet und Bur Anregung 
des Stoffwechsels seien hinsichtlich der Prophylaxis nicht genug 
zu beachten. — Bei schon vorhandener- Erkrankung lasst Verf. 
ausser wiederholten lauen Bädern — wenigstens Sitzbädern zu 
25—26° R. — und Injectionen von Zeit zu Zeit, um eine genfi- 
gende Depletion der überfüllten Sohleimhautcapillaren zu be- 
wirken, 3—6 Blutegel an die Portio vaginalis appliciren, wobei 
ihm Anämie und Chlorose keine Contraindicationen sind. Um 
direot auf die Uterinschleimhaut einzuwirken, wendet er Injec- 
tionen von Tanninlösnng, Holzessigsänre und Argent. nitr. Lö- 
sung, oder wo dergleichen Injectionen sich verbieten, den Aetz- 
mittelträger an. Zur Cauterisation der erodirten Cervicalschleim- 
haut benutzte er fast ausschliesslich Chromsänre (^1 ad 3iii 
aq. dest.). 

(Petersburger medicinische Zeischrift 1865. 10. Heft.) 



Heppner: Zur Casuistik der Blasenscheidenfistel. 

Verf. veröffentlicht wiederum drei Fälle von Blasenschei- 
denfisteloperationen, von denen zwei wegen -ihres Erfolges, der 
dritte wegen seiner Complicaiionen interessant erscheint. 

Der erste Fall betrifft eine 23 jährige Ehefrau, bei welcher 
nach einer schweren Zangenentbindung eine durch Necrotisirung 
entstandene Blasen - Harnröhren - Scheidenfistel zurückgeblieben 
war. Bei der Untersuchung der Scheide bemerkte Verf. nämlich 
einen 27, Centimeter vom Ost. ext. urethrae entfernten, von pur- 
purrotheu Rändern eingefasaten, bei starker seitlicher Spannung 
halbmondförmigen, nach oben concaven Querspalt, der rechts 
ziemlich schroff in einen prallen, stark in das Lumen der Scheide 
vorspringenden Sehnenstrang überging, links hingegen als seichte, 
von den rothen Kändern noch begleitete Furche bis über die 
Mitte der seitlichen Scheidenwand reichte. Die Fistel war auf 
Kosten des unteren Drittels der hinteren Blasenwand und eines 
geringen Theils der Harnröhre zu Stande gekommen. Compll- 
cirt war dieser Fall durch eine die Operation erschwerende und 
künftige Geburten mit Gefahr bedrohende, ringförmige, harte, 
hinter dem Eingange in die Scheide befindliche Narbenstrictur. 
— Nachdem die Scheidenverengerung durch incisionen in die 
iVarbenmasse und durch häufiges Einstellen des Speculum geho- 
ben war, wurde die Sc\\e\d?>ii*c.Yv\^\iiv\ivaX t«r ^\«k Y\%\ÄUSffauag 
in Form eines einen CentimeleT V>t«>\\.Äti^vfi^*%^x«i^ \l^«tÄ%.^^\\iSa 



XVI. Notisen ans der Journal -Literatar. 316 

Nähmaterial rergoldeter Knpferdraht verwendet; die beiden mitt- 
leren Ligaturen durch Baker -Brawn^ sehe Klauimern fixirt; die 
übrigen neun Enden der Metallfäden einfach suiiamniengedreht. 
Nach 14 Tagen Wegnahme der letsten Drahtschlinge. Vollstän- 
dige Heilung. 

Den zweiten Fall bot eine 26 jährige Edelfrau, die vor sechs 
Jahren nach langer Geburtsdaner ohne Knnsthülfe geboren und 
vier Tage nachher Harnincontinenz bemerkt hatte. Die Unter- 
suchung ergab in der Hauptsache eine Fistula-vesico- vaginalis. 
Es zeigte sich nämlich in der vorderen Scheidenwand 1 Vs" hinter 
dem Ost. urethr. ein deutlich umschriebenes, querovales Loch 
von 2Vs Centimeter Quer- und 1% Centimeter Sagittaldurchmes- 
aeTf durch welches die vordere Blasenwand als wallnussgrosse, 
purpurrothe, weiche Geschwulst vorgefallen war. Die Fistel- 
ränder waren weich. Nachdem die vordere Blasenwand reponirt 
und durch ein eigens dazu construirtes, in die Blase eingeführtes 
Instrument zurückgehalten, ein Schleimhautring um die Fistel- 
öjQfnung abgetragen worden war, wurden sieben Nähte theils mit 
vergoldetem Kupferdrahte, theils mit Silberdraht angelegt, und 
nach dem Schnüren derselben vermittelst der Baker- Bröton* sehen 
Klammern fixirt. Eine kleine angeschnittene Arterie musste, 
weil sie hartnäckig blutete, angestochen und mit in eine Naht 
aufgenommen werden. Am 12. Tage Entfernung der letsten Naht. 
Heilung., 

Der dritte Fall wurde an einer 44 jährigen Dame beobach- 
tet, die vor fünf Jahren in die Geburt kam, wobei wegen be- 
trächtlicher Beckenenge nach mehrfachen, fruchtlosen Zangen- 
versuchen zur Kephalothrypsie geschritten werden musste. Nach 
der Entbindung stellte sich vollständige Zerstörung der vorde- 
ren Scheidenwand heraus. . 

Bei der Aufnahme der Patientin zeigte sich an der Stelle 
der vorderen Scheidenwand ein P/, Centimeter hinter dem Ost. 
ext. urethr. beginnender und bis an die Muttermnndslippen rei- 
chender, l%" breiter Spalt, dnrch den sich die vordere Blasen- 
wand als apfelgrosse, blasige Geschwulst hervordrängte und bis 
weit ans der Schamspalte gepresst werden konnte. Der IV4 Cen- 
timeter lange Ueberrest der Urethra ist durchgängig. An der 
hinteren Vaginalwand und an den Seiten finden sich narbige Spuren 
der früher drei Mal erfolglos versuchten Scheidenverschliessnng. 
Die versuchte Occlusion der Scheide war ohne Erfolg; um daher 
das schmerzhafte Vorfallen der Blase wenigstens zu beseitigen, 
wurde an der rechten Hälfte des Scheideneinganges die Wund- 
machung in Ferra eines einen Centimeter breiten, queren Halb- 
ringes vorgenommen, der sich von der rechten Hälfte des ge- 
spaltenen Harnröhrenrestes bis zur Mitte der Perinaealwand der 
Scheide erstreckte. Danach wurden dtei S\\\ifti^\"^\i^ ^'^tOcw ^x^e^ 



316 ^VI. Notisen aas der Jonrnal- Literatur. 

ganze Länge der Wunde quer durchgeführt und ihre finden bu- 
saDim engedroht. Ea gelang anf diese Weise den Scheideneingang 
bis lum Umfange eines dicken Catheters zu Termindem. Die 
vordere Blasenwand wurde dadurch später selbst bei starkem 
Drängen mit der Bauchpresse zurückgehalten. 

(Petersburger mediz. Zeitschrift 1865. 9. Heft.) 



Siorer: Glückliche Exstirpation des Uterus und 
beider Ovarien durch den Bauchschnitt. 
Bei dem 47 jährigen unverheiratheten Individuum hatte ein 
Uterusfibroid den Bauch wie bei hoher Schwangerschaft ausge- 
dehnt. Vtrf. entschloss sich zur Exstirpation. Es wurde ein 
b" langer Banchschnitt neben dem rechten Rectus abdorainis ge- 
macht, grosse Gefässe der Adhäsionen unterbunden und mit der 
Scheere durchschnitten. Ein grosser Anhang des Tumor, der 
seitlich aufsass und das Becken füllte, wurde zunächst mit dem 
Ecrasenr entfernt, dann eine Klammer von der Bauchhöhle aus 
um den Fundus der Scheide und die Cervicalportion gelegt und 
dann die ganze Geschwnistmasse über der Klammer mit dem 
Ecrasenr getrennt. Die Klammer glitt nach Entfernung der Ge- 
schwulst gleich ab, und zahlreiche grosse Gefösse wurden unter- 
banden oder torquirt. Trotzdem war eine so starke Blutung 
da, da»8 man yersuchte, dieselbe durch Betupfen mit. Alcohol 
zu stillen, da man von anderen Stypticis fürchtete, sie möchten 
einen Schorf bilden, der dann später abfiele. Endlich entschloss 
man sich, den Einfluss der Luft anf die Stillung der Blutung zu 
versuchen, und Hess die Bauchhöhle drei Stunden lang geöffnet. 
Während dieser Zeit entfernte man das Blut mit einer Spritze, 
einem Löffel und endlich mit Schwämmen. Die Bauchwunde 
wurde dann mit fünf Drahtnähten geschlossen, ganz unverbun- 
den gelassen, und durch eine Reifenbahre gegen die Berührung 
der Bettdecken geschützt. Die Kranke hatte während der gan- 
zen Zeit der Operation 2'/, Pfd. Aether zur Narkose verbraucht. 
Die Nachbehandlung war rein exspectativ. Die Heilung ging 
ohne erhebliche Störung vor sich, die Wunde vernarbte durch 
erste Vereinigung nnd Patientin verliess am 28. Tage das Bett 
und ging am 87. Tage gesund in ihre Heimath. Der Tumor wog 
37 Pfund und war mit Cysten durchsetzt, es befanden sich an 
ihm beide Ovarien mit den Tuben und die langgestreckte Höhle 
des Uterus war ebenfalls zu unterscheiden. Es werden dann 
aus der Literatur 24 Fälle von Exstirpation des Uterus zusam- 
mengestellt, unter denen 18 Mal der Tod eintrat. 

(Amer. Journ. of med. sc. 1865. January. 110 — 139 und 

Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften 

Nr. 35. 1866.) 



XVII. Literatur. 317 



XVII. 
Literatur. 



Des Maternites. Etüde sur les maternites et des insti- 
tutions charitables d^accouchement ä dotnicile dans les 
principaux etats de TEurope par le docteur L4on Le 
Fort. Paris 1866. 

Verfasser spricht sich in der Einleitang dahin ans, dass 
Entbindangsanstaiten ein nothwendiges sociales (Jebel seien, be- 
stimmt jedoch nnr für verheirathete aber arme nnd der häus- 
lichen Pflege gans entbehrende Franen, fnr Obdachslose, und 
für Verführte, damit diese ihren Fehltritt vor den Augen der 
Welt verbergen könnten. Motivirt wird diese Behauptung durch 
die grosse Differens in Bezug auf die Mortalität von Personen, 
die in Anstalten, nnd von solchen, die in eigner Wohnung ent- 
bunden sind: so starben z. B. von 14871 Wöchnerinnen, die durch 
die mit Ouy^a Hospital in London verbundene Poliklinik ent- 
bunden waren, nur 44 Frauen; ähnliche Erfolge weisen die in 
Berlin, Halle, Leipzig, München u. s. w. bestehenden Polikliniken 
auf. Ungemein häufiger sind die Todesfälle in Anstalten, und 
selbst drei Procent, ein in Anstalten nicht ungünstiges Verhält- 
niss, sind ein bedeutend höherer Procentstftz, als ihn die Poli- 
kliniken zu liefern pflegen. Im Jahre 1866 starb im Etablisse- 
ment de la rue de Port Royal eine Wöchnerin von 19, während 
im 12. Arrondissement der Stadt nur eine von 322 starb. Aehn- 
liche Verhältnisse geben die statistischen Berichte aller Länder 
Europa^s. Von 1823093 Frauen in verschiedenen Ländern Euro- 
pa^s waren 888312 in Entbindungsanstalten nnd 934781 in Pri- 
vatwohnungen entbunden. Von den ersteren waren 30594 ge- 
storben, also eine von je 29, von den letzteren 4406, also nur 
eine von je 212. Diese Statistiken haben, wie alle, ihre Fehler, 
aber diese sind unbedeutend und gleichen sich fast aus. Die 
Statistik der Entbindungsanstalten ist zu ihren Ungunsten bela- 
stet durch die sociale und psychische Lage der dort Aufgenom- 
menen, welche häufig durch Armuth geschwächt oder durch 
Furcht vor Schande und Elend gebengt und deshalb mehr zu 
Erkrankungen disponirt sind; sie ist belastet durch die im Gan- 
zen grössere Häufigkeit schwieriger Entbindwu^^ti wxi^ ^^\^wt\»%- 
hülf lieber Operationen ^ weil vielfach "Ftauötv, ^mv ^^xv^tv \i^t^\\Ä 



318 XVII. LiterAtnr. 

fruchtlose EntbindangsversDche gemacht sind, den Anstalten an- 
geführt werden. Aber aaf der anderen Seite weist die Statistik 
wiederum yiele Todesfälle nicht aaf, wenn Pnerperalkranke, wie 
in Wien, auf andere Stationen verlegt werden, wodurch natör- 
lieh das Verhältniss der Todesfälle zu den Gebarten verringert 
wird. Die Statistik der in Priyutwohnnngen Entbundenen weist 
eine Anzahl schwerer Entbindungen und Erkrankungen nicht 
nach, welche den Transport in ein« Anstalt erfordert haben, 
sowie manche in den späteren Tagen des Wochenbettes einge- 
tretene Todesfälle. Nichtsdestoweniger ist das Mortalitätsver- 
hältniss der in Anstalten und in Privatwohnungen Entbunda* 
neu ein ausser allem Verhältniss stehendes, und die Ursache da- 
von ist das Puerperalfieber. In Erörterungen über Entste- 
hung und Wesen desselben lässt sich Verf. nicht ein ; es findet 
sich in allen Klimaten, in allen Spitälern und Anstalten; den- 
noch sei das spontan entstehende Puerperalfieber selten, und 
werde erst häufig, sowohl in Spitälern wie in Privatprazis, durch 
Uebertragung von einer Wöchnerin auf die andere; die Jahres- 
zeiten schienen nach den Statistiken in sofern einen Einfluss su 
haben, als es häufiger sei im Winter als im Sommer; gleichzeitig 
vorkommende anderweitige Epidemien Hessen keinen wesent- 
lichen Einfluss erkennen; individuelle Einflüsse, namentlich in 
wiefern ein längerer oder kürzerer Aufenthalt im Spitale vor der 
Entbindung auf die Entstehung des .Puerperalfiebers einwirke, 
seien noch zu wenig entwickelt. In Hinsicht auf den Einfluss 
des Zusammenseins einer grossen Menschenmenge müsse man 
sondern: erstens ob grosse oder kleine Anstalten günstigere Re- 
sultate liefern, worüber die Statistiken keinen Vortheil zu Gun- 
sten der letzteren erkennen Hessen, und zweitens, welchen Ein- 
fluss die UeberfüUung der Wochenzimmer ausübe; durch diese 
werde allerdings erfahrungsgeraäss die Entstehung des Puerpe- 
ralfiebers begünstigt, und die Ansteckung übermässig erleichtert; 
diese letztere sei das am meisten zu fürchtende. Als Fundamen- 
talsatz stellt er auf: „das Puerperalfieber ist epidemisch, aber 
die Epidemien haben ihren Grund in der Ansteckung, welche 
man sich zu frei hat ausbreiten lassen*^ Nicht sei die Entste- 
hung und Entwickelung der Krankheit abhängig von besonderen 
in der Luft schwebenden Miasmen, nicht von besonderen atmos* 
phärischen oder tellurischen Zuständen, weil sonst Anstalten, die 
sich an demselben Orte befänden, gleichzeitig von der Epidemie 
befallen werden müssten, wovon die Erfahrung gerade das Ge- 
gentheil lehre. 

Die Verbreitung des Puerperalfiebers durch Ansteckung 
könne auf dreierlei Weise geschehen: 1) direct von einer Wöch- 
nerin auf die andere, 2) mittelbar durch die Geburtshelfer wäh- 
rend oder nach der BnlV\u^ut\^^ %^ durch Aosteckungsstofife, 



XVn. Literatur. 319 

welche sich in den Zimmern, in Wänden, Matratzen, Bettstellen, 
Vorhängen n. s. w. erhalten haben. Demgemäss habe ancli die 
Prophylaxe eine dreifache Aufgabe, welche gerichtet sein 
müsse gegen die drei Hauptagentien der Ansteckung: 1) gegen 
das Spital, 2) gegen die Kranken, 3) gegen das Personal. Er- 
stens: die Zimmerwände müssen gut geweisst sein, die Fnssbö- 
den reingehalten werden; die Zimmer dürfen nur altemirend 
benutzt werden; für Kranke müssen besondere Zimmer sein; die 
Heisang muss durch Oefeu und offene Kamine geschehen ; es 
mnss für gute Ventilation gesorgt werden. Zweitens: da die 
Kranken das Puerperalfieber auf Gesunde übertragen durch alle 
mit ihnen in Berührung kommenden Gegenstände, so sollen 
BettTorhänge und Gardinen ganz fehlen; die Matratzen sollen 
jedesmal erneuert werden, daher am besten Stroh^äcke zu ge- 
brauchen sind; die Unterlagen sollen möglichst oft gewechselt 
werden; Schwämme, Handtücher, Mutterrohre u. s. w. sollen im- 
mer nur Ton je einer Person benutzt werden. Drittens: da das 
ärztliche und Warte < Personal die Krankheit anf Gesunde über- 
tragen kann, so soll die Visite stets bei den Gesunden beginnen 
und bei den Kranken enden; Gebär- und Wochenzimmer dürfet! 
nicht betreten werden von denen, welche mit Leichen oder fau- 
ligen Stoffen in irgend welche Berührung gekommen sind; das 
Wartepersonal für gesunde und kranke Wöchnerinnen muss ab- 
solut geschieden sein. 

Im folgenden Kapitel bespricht er die Organisation der Ent- 
bindungsanstalten überhaupt, und führt die inneren Einrichtun- 
gen der Anstalten in Wien, Petersburg, Moskau, Lo'ndon, Brüs- 
sel, Dresden, Halle, Leipzig, Kiel, München, Berlin, Paris näher 
an. Wir übergehen dieselben, da sie den Lesern der Monats- 
schrift aus früheren Einzelberichten hinlänglich bekannt sind. 

In dem folgenden de I^assistance k domicile überschriebe- 
nen Kapitel bespricht Verf. die Einrichtungen, durch welche Be- 
dürftige unentgeltlichen Beistand bei ihrer Entbindung in eige- 
ner Wohnung erhalten; sie finden sich in fast allen grösseren 
Städten Europa's. Ihre Organisation soll in Paris und Rnssland 
am vorzüglichsten sein: eine jede Person erhält Beistand, wo- 
fern sie arm ist. In England hingegen wird die christliche Liebe 
nur sehr exclusiv geübt, indem die erwähnten Anstalten meistens 
nur Ehefrauen ihre Hülfe angedeihen lassen, daher die unehelich 
geschwängerten grossentheils nur in den Workhouses Zuflucht 
finden. In Deutschland ist der wohlthätige Zweck mit dem wis- 
senschaftlichen verbunden, indem die Polikliniken von Berlin, 
Leipzig u. s. w. dem Unterrichte für Studenten und Hebammen 
dienen — als Typus führt er die Leipziger an. 

Der geburtsh. Unterricht ist nach Verf.*8 Ansicht In 
Deutschland und England bei weitem bbsa^T e\% \\i '!^x«a:^x^\Ocl« 



320 XVII. Literaiur. 

Aasfuhrliohe Mittheilang macht er von dem Reglement för die die 
Berliner UniversitäteklinLk besnchenden Studenten, von 
dem er sskgt, es verdiene angeführt su werden als ein Modell 
der Organisation des geburtshölflichen Unterrichts. 

Verf. fasst seine Erörterongen snm Schiasse zusammen in 
folgender Weise: Entbindungsanstalten sind ein nothwendiges 
Uebel; da deshalb der Wunsch ihrer Unterdrückung nicht in 
realis^ren ist, so müssen sie in ihrer Construction und Organi- 
ration möglichst vervollkommnet werden. Da der Hauptgrund 
der Sterblichkeit das Puerperalfieber und dieses ansteckend ist, 
80 ist das zu lösende Princip: Verhinderung der Ausbreitung, 
wenn sich das Puerperalfieber spontan entwickelt hat. Nachdem 
er darauf die Ansichten namhafter Geburtshelfer, Pathologen und 
pathologischer Anatomen mitgetheilt hat, kommt er zu folgenden 
Fundamentalsätzen: die vom Puerperalfieber Befallenen müssen 
von den übrigen Wöchnerinnen strenge isolirt werden. Die Zahl 
der jährlichen Geburten in einer Anstalt soll 800 bis 1000 nicht 
übersteigen. Jede Anstalt soll Räumlichkeiten besitzen, welche 
ausschliesslich für Pnerperalfieberkranke bestimmt sind. Die 
Wochenzimmer dürfen nur alternirend benutzt werden und mfissen 
nach jedesmaligem Gebrauche sorgfaltig gereinigt und gelüftet 
werden. Nach einem Falle von Puerperalfieber ist der Saal so- 
fort zu räumen und neu zu streichen; die in demselben Saale 
befindlich gewesenen gesunden Wöchnerinnen werden in einem 
besonderen Zimmer einer Art Quarantaine unterworfen. Nach 
Ausbruch einer Epidemie mnss die Anstalt sofort geschlossen, 
gereinigt und desinficirt werden. Jede Anstalt muss aus zwei be- 
sonderen mit einander alternirenden Häusern besteben, in deren 
jedem ein besonderes Personal ist. Die auf der Abtheilnng für 
Puerperalfieberkranke fungirenden Aerzte dürfen die Wochen- 
zimmer nicht betreten. 

Schliesslich giebt der Verfasser einen durch beigefugte 
Situationspläne vervollständigten Normalplan für Entbindungs- 
anstalten, wie er aus den von ihm entwickelten Ansichten her- 
vorgehen muss. S, 



XVIII. 
Verhandlnngen der OeBellschaft fttr Geburtshttlfe 

in' 

Berlin. 



Sitzung von 12. Juni 1866. 

Herr Ri&dd zeigt einen von ihm vor einer Reihe von 
Jahren construirten GebArmuttertrSger vor, der seit 1852 von 
mehreren Frauen mit grossem Nutzen gelingen wird. Derselbe be- 
steht aus einem federnden Stiele, an dessen Spitze ein Schwamm 
befestigt ist, der in die Scheide eingeführt wird. Das Ganze 
wird durch eine T Binde in seiner Lage erhalten. Herr Riedel 
giebt einige Bemerkungen zur Physiologie und Pa- 
thologie der Menstruation und zur Therapie ge- 
wisser Menstruationsstörungen. Er setzt zunächst 
die physiologischen Vorgänge der Menstruation ausführ- 
lich auseinander, indem er besonders der neuerdings von 
Pßüg§r aufgestellten Theorie folgt, wonach die Lösung des 
Eies und die blutige Ausscheidung aus der Gebärmutter ab- 
hängig sind von der durch die Entwickelungsvorgänge im 
Eierstocke bedingten Reizung der centripetalen Nervenfasern. 
Haben diese Reizungen eine gewisse Hölie erreicht, so tritt 
als Reflexwh'kung eine heilige Congestion mit schliesslicher 
Zerreissung von Gefässen ein. Aus dieser FiMiisycv ^^% ^^- 
ten nach den GescMechtstheilen evk\id^v«^w «kA\ ^\«i \v:X'&^\^Äte- 

Monmtaaebr. f. Geburtsk. 1866. Bd. XXV1U.,HU. t. ^^ 



322 XVIIJ. Verbandlangen der Gesellschaft 

denen objectiven und subjectiven Zustande vor und während 
jeder Menstruation, die jedesmal bei dem Eintritte der Blutung 
ihre Höhe erreicht haben, und durch die Blutung ihre Krisis 
gleichsam fmden. Indem Herr Riedel von dieser physiolo- 
gischen Darlegung der Menstruationsvorgänge ausgebt, be- 
spricht er einzelne Formen der Dysmenorrhoe und Amenor- 
rhoe, wobei er aber alle Zustände dieser Art, die durch me- 
chanische Ursachen oder durch directe Erkrankungen der 
betreffenden Theile bedingt sind, übergeht. Es bleiben dann 
die functionellen Menstruationsstörungen übrig, wo bei sonst 
gesunden Individuen unter den bekannten Beschwerden (Mo- 
limina menstrualia) die Blutung nur zögernd und spärlich 
eintritt. Als häufigste Ursache dieser Störungen, die ohne 
nachweisbare Organveränderungen eintreten, fanclen sich Ge-^ 
müthsbewegungen und Erkältungen des Unterleibes. Diese 
Einflüsse (Gem'üthsafTecte und Kälte) wirken bekanntlich con- 
trahirend auf die Gelasse, und demnach entgegengesetzt der 
Menstruation. Wenn es nun versäumt wird, rechtzeitig bei 
derartigen primären Dysmenorrhöen und Amenorrhoen das 
gestörte Gleichgewicht in den Circulationsvorgängen wieder- 
herzustellen, so sind natürlich bei öfterer Wiederhohing die 
nächsten Folgen: Entzündungszustände, Anschoppungen etc. 
des Uterus und der Ovarien. Neben zweckmässiger Rege- 
lung der Lebensweise, Bädern u. s. w. hat Herr Riedel nun 
besonders grossen Nutzen von einer Arzneiverbindung gese- 
sehen, die von Rademacher zuerst empfohlen wurde. Es 
ist dies eine Mischung der Tinct. Nucis vomic. und der Tinct« 
Castorei canadens. Die erste Tinctur allein hat nach Herrn 
Riedel niemals die Wirkung, wie m Verbindung mit der 
Tinct. Castorei. Besonders günstige Erfolge sah Herr Rie- 
del von dem Gebrauche dieses Mittels bei jungen in der Pu- 
bertätsentwickelung befindlichen Mädchen, bei denen skh 
ohne gleichzeitige Chlorose der Eintritt der Regeln verzögerte, 
während dabei Molimina menstrualia vorhanden waren; fer- 
ner in den Fällen von Dysmenorrhoe und Suppressio men- 
sium, wo Organerkrankungen auszuschliessen , dagegen- Ge- 
mulhsaffecfe oder Erkaltimgen als ursächliche Momente lu 
befrachten sind, und endlich ist dies Mittel aucli von gaier 
HVi-ki//)«/ bei den roge\m5^*a\% vi\^&«tV^\vT«eÄÄ«j\ %e»tVsrmvdea, 



fSr Oebvrtflhfllfe in Berlin. 323 

die manchmal noch nach der Involutionsperiode auftreten. 
Herr Riedel wendet die Misehung zu 15 — 20 Tropfen 3 — 5 
Mal täglich an, und zwar möglichst mehrere Tage vor dem 
Eintritte der dysmenorrhoischen Beschwerden und während 
der ganzen Menstruationsdauer. 

Herr Wegscheider hat bei den so überaus häufigen 
Menstruationskoliken mit hochgradiger nervöser Verstimmung 
von der Nux vomica keinen besonderen Erfolg gesehen. Den 
besten Erfolg ergab ihm immer noch der Gebrauch von Eisen 
und müde Abfuhrmittel einige Tage vor dem Eintritte der Regel. 
Wenn heftiges Erbrechen die Menstruationskoliken begleitet, 
so wendet er subcutane Morphiuminjectionen an, wie er über- 
haupt bei sehr schmerzhaften Zuständen der Art die Frauen 
oder Mädchen die ganze Menstruationsperiode hindurch wohl 
in einer leichten Morphiumnarkose erhält. 

Herr Krieger legt grosses Gewicht auf die gleichzeitigen 
Complicationen bei den geschilderten Dysmenorrhöen. Bei 
gleichzeitiger Stuhlverstopfung fand er die Tinct. nuc. vom. 
täglid) einige Tropfen oft V4 — V2 ^'^^^ hindurch ununterbro- 
chen gebraucht, neben Abführmitteln sehr nutzlich. Bei gleich- 
zeitiger chronischer Ooplioritis, die sehr oft die Ursache sei, habe 
er immer warme Bäder, Blutenlziehungen und Pillen aus Ca- 
lomel, Rhenm und Extr. Conii macul., wie diese Formel von 
C, Mayer empfohlen sei, mit Nutzen in Anwendung gezo- 
gen. Bei gleichzeitig bestehender Anschwellung der Milz wir- 
ken locale Blutentziehungen in der Milzgegend oft wunderbar. 

^erv. Riedel bemerkt, dass er nur diejenigen Fälle von 
Menstniationsanomalien in den Bereich seiner Betrachtung ge- 
zogen habe, die ohne nachweisbare Organerkrankung und 
ohne Complicationen einhergehen. Bei chronischer Oopho- 
ritis z. B. stimme er ganz mit Herrn Krieger in der Behand- 
lung überein, dabei habe er von der Rademacher^schen Mi- 
schtmg keinen Erfolg gesehen. 

Herr (7. Mayer ist der Ansicht, dass es bei den be- 
sprochenen Zuständen äusserst schwer sei, mit Bestimmtheit 
ein örtliches Leiden auszuschliessen. Man müsse daher in 
allen diesen Fällen so sorgfältig wie möglich untersuchen und 
die Kranken examiniren , da z. B. oft DYsmeuo^\:Vv(^^w ^Vsw?. 
Strukturveränderungen der betheiligVeu Ot^^wfe \i^^\\\^ 'säx^xv 



324 XYIII. YerhAndlaag«!! der Geeelltohaft 

durch künstliche Irritationen der Geschleebtstheile. In sol- 
chen Fällen würde jede Behandhingsweise fehkchUgeo, wenn 
nicht die betrefTeuden Reizungen unterblieben. Herr O. Majf^r 
hat übrigens von der besprochenen Mischung sehr hitaifig 
glänzende Resultate gesehen. 



Herr /f^cAor^au legt ein Ersatz-Präparat der Mut- 
termilch vor. 

Veranlasst durch die in letzter Zeit wiederholt gepfloge- 
nen Verhandlungen über künstUche Ernährung der Säuglinge 
lege ich der GeseUschaft zwei Präparate vor, welche nach 
Angabe meines verstorbenen Vaters bereitet sind« Derselbe 
hat sie bereits einmal in der Sitzung der hiesigen medicini- 
sehen Gesellschaft vom 29. Februar 1860 demonstrirt, und 
überreiche ich einige Exemplare seines damals zur Erläute- 
rung gehaltenen Vortrages. Das erste Präparat bezweckt die 
Kuhmilch so zu modificiren, dass sie der Muttermilch mög- 
lichst, wenn nicht ganz homogen wird. Jede Milch besteht 
bekanntlich aus Wasser, Fett, Casein, Milchzucker, Extrac- 
tivstoffen und anorganischen Salzen, namentlich pbosphor- 
saurer Kalk- und Talkerde, phosphorsaurem Eisenoyd, Chlor- 
kalium, Chlomatrium und Natron. Aber die quantitative Zu- 
sammensetzung der Milch verschiedener Tbiere ist eine sehr 
mannigfaltige, und die für uns hier in Betracht kommende 
Kuh- und Meoschenroilch ist dadurch stark different, dass 
in ersterer viel mehr Casein aber viel weniger Milcbsncker 
als in letzterer vorhanden ist. Um nun die Menge des Ca- 
seins zu vermindern, versetzt man gewöhnlich die Kiriirailch 
mit Wasser, bevor man sie dem Kinde reielit; aber man be- 
geht dadurch gleichzeitig den Fehler, dass man die in nor- 
maler oder gar schon in zu geringer Menge vorhandenen 
nothwendigen Bestandthcile, also das Fett, die Salze und den 
Milchzucker, m demselben Maasse verringert. Diesen Fehler 
soll das vorliegende Präparat corrigtren. Ein jedes der dis- 
pensirten Ihnen vorliegenden Pulver besieht aus 
Saccharum lactis 40 Theile, 

Natr. pbospVime. V\^ ,^ 



ffir Gebar Uhölfe in Beriin. 325 

Nair, bicarbonic. ^j^ Tbeiie 

Calcaria pbosphoric ^U „ 

Ferrnm lacticum Vs »» 

und bei grosser Dyspepsie der Kinder ein geringer ZusaU 
von Pepsin oder Natron choleinicum. Löst man ein solches 
Puher in 18 Lolh abgekochten Wassers auf, versetzt es mit 
der gleichen Menge frischer unverfälschter Kuhmilch 
und setzt etwas Rohrzucker hinzu, so hat man eine Milcbv 
welche in ihren Emäbrungsresultaten der Muttermilch in jeder 
Beziehung gleichkommt. 

Diesem Präparate haftet jedoch ein Uebelstand an , der 
in grossen Städten nicht leicht gute Resultate wird erzielen 
lassen, nämlich das Erforderniss einer guten Kuhmilch. In 
grossen Städten wird aber kaum eine andere als eine aus 
Abend- und Morgenmelküng gemischte Milch zu haben sein, 
die abgesahnt und bereits verdünnt in die Hände der Händ- 
ler kommt, und von diesen durch weiteren Wasserzusatz und 
Beimengung anderer Substanzen nur noch schlechter gemacht 
wird. Diesem Fehler soll das zweite Präparat abhelfen : eine 
getrocknete mit den nöthigen Zuthaten versehene Milch. Gute 
frische Morgenmiich namentlich wird nach Zusatz des oben 
erwähnten Pulvers und Rohrzuckers durch möglichst schnelles 
Abdampfen bei rech t niedriger Temperatur (also am besten 
im vacuo) eingedickt, getrocknet, gepulvert und in gut ver- 
schlossenen Gläsern aufbewahrt. Das Präparat hält sich mo- 
natelang ohne Zersetzung. Das Auflösen 'dieser trockenen 
Milch geschieht am besten durch Aufgiessen von kochendem 
Wasser und Schuttein in einer Flasche; das Schütteln ist 
insofern wichtig, als beim blossen Rühren in einer Tasse 
und nicht genügend heissem Wasser der jedes Kömchen um- 
gebende Buttermantel dasselbe vor Auflösung schützt. 

Die trockene Milch, von der ich Ihnen hiermit eine 
Probe in Auflösung überreiche, ist bereits vor zwei Monaten 
angefertigt, bat aber nichts desto weniger ihren Wohlge- 
schmack durchaus bewahrt Selbstverständlich ist aber auch 
eine solche Sorgfalt in der Bereitung erforderUch, wie sie 
von Herrn Afothekev Marquardt in Stettin ausgeübt wird, 
daher sich vorläufig zu Versuchen der Bezug seiner Präpa- 
rate empfehlen dürfte. 



326 XVIII. Verhandlonfiren der Gesellschafi 

Beide Präparale haben sich in Stettin vielfach bewährt, 
wo eine grosse Anzahl Kinder von Anfang an damit genährt 
vortrefflich gediehen, und viele bei anderen Ernährungswei- 
sen atrophisch gewordene > dem Tode nahe Kinder dann 
durch dieses zu vöHiger Genesung wieder gebracht worden 
sind. Namentlich die getrocknete Milch möchte ich den 
Herren Collegen hiermit zu ferneren Versuchen empfohlen 
hsHben; jedenfalls empfiehlt sie sich durdi die Leichtigkdl, 
mit der man sie jeden Augenblick in beliebiger Menge dem 
Kinde mundgerecht machen kann, vor der Liebtg*schen Suppe, 
selbst für den Fall, dass letztere in ihren Erfolgen allen An- 
sprächen genügte. 



Sitzung von 26. Juni 1866. 

Herr Scharlau trägt unter Vorlegung des betreffenden 
Präparates einen Fall von Abreissung des nach- 
folgenden Kopfes durch den Prager Handgriff vor: 

In der Sitzung vom 10. April d. J. legte Herr Dr. Ebell 
der Gesellschaft ein Kind vor, weichem eine Hebamme den 
zuerst kommenden Kopf abgerissen hatte, nachdem derselbe 
mehrere Hinuten zu Tage gekommen war, der Rumpf aber 
nicht folgen wollte. Dem Ihnen hier vorliegenden Kinde ist 
der Rumpf vom Kopfe gerissen, und zwar mittels des so- 
genannten Prager Handgriffes. ScanzotU sagt in seiner Ge- 
burtshüife, nachdem er erst den Smeilie'scheti, daim den Pra- 
ger Handgriff besprochen: „Jedermann wird einleuchten, dass 
diese Methode die ersterwähnte dadurch an allgemeiner 
Brauchbarkeit und Zuverlässigkeit übertrifft, dass sie auch 
noch in solchen Fällen zum Ziele führt, in welchen jene des 
hohen Kopfstandes wegen unausführbar ist, und wemi man 
gegen sie von einigen Seiten das Bedenken ei*hobeu hat, 
dass die am Rumpfe ausgeübten Tractionen leicht eine ge- 
fahrliche Zerrung des Rückenmarkes, Verrenkung der Hals- 
wirbel, Abreisson des Kopfes u. s. w. veranlassen können, so 
erlauben wir uns ausUU \ed«^ iVk^ot^U^cken Gegenbe- 



für Geburtohülfe in Berlin. . 327 

weises blos anzuführen, dass von 152 nach dieser Methode 
theils von uns seihst, tbeils unter unseren Augen extrahirten 
Kindern 117 lebend entwickelt wuiden , ein Resultat, welches 
den Vergleich nut dem von anderen Geburtshelfern mittels 
des zuerst beschriebenen Verfahrens erzielten gewiss nicht zu 
scheuen hat'^ 

Ich bin nun weit entfernt, ScamonVs Aussagen in 
Zweifel ziehen zu wollen, aber es wird ihm selbst durch die 
angeführten Zahlen nicht gelingen, die Gefährlichkeit 
seiner Methode hinwegzudisputiren. Ein ungeschickter Ope- 
rateur wird vielleicht durch den Smellie^schen Handgriff bis- 
weilen den Kopf nicht schnell genug zu Tage fördern, er 
wird ihn aber nie durch diesen vom Rumpfe ti*ennen, wohl 
aber kann er das durch den Prager Handgriff, wie das vor- 
liegende Präparat beweist 

FrmE , 34 Jahre alt, Fünftgebärende, will als Kind 

lange rhachitisch gewesen sein und erst spät gehen gelernt 
haben; sie giebt an, vier Mal schwer, zum Theil mittels 
der Zange entbunden zu sein. Seit Anfang September vo- 
rigen Jahres will sie nicht mehr menstruirt sein. Am 14. Juni 
d. J. stellten sich Wehen ein, welche jedoch den nach Aus- 
sage der Hebamme sehr rigiden Muttermund nur wenig und 
langsam erweiterten, weshalb sich ein hinzugerufener Wund- 
arzt, Dr. Pf., veranlasst sab, mehrere Dosen von Seeale cor- 
nutum zu verordnen. Den weiteren Geburtsverlauf gebe ich 
nach seiner mir gemachten Beschreibung. Als er nach eipi- 
gen Stunden wieder zu der Kreissenden kam, fand er den 
Muttermund noch immer sehr mangelhaff erweitert und den 
Kopf beweglich über dem Beckeneingange. Dr. Pf. liebt 
nach eigener Aussage keine protrahirten Geburten, und lässt 
sich die Zange nicht anlegen, so wendet er. Das geschah 
auch in diesem Falle. Die Wendung gelaug mit einiger Mühe, 
ebenso die Extraction des Rumpfes und das Lösen der Arme, 
doch blieb der Kopf hoch stehen; die Nabelschnur pulsirte, das 
Kind zuckte unter seinen Händen, er legte sich fest auf seine bei- 
den Schultern: vergebliches Bemühen, der Kopf folgt nicht! 
Das Kind stirbt inzwischen ab, aber der Kopf muss doch zu 
Tage. Die Frau schreit, der Ehemann gerätb in Verzweif- 
lung, und der Wundarzt in Schweiss, ex xVävV \»v^ ilv^V. ^«xv 



328 Xyill. Verhandlangen der Gesellschaft 

den Schultern aus Leibeskräften: nach einer Stunde hsUt er 
plötzlich den kopflosen Rumpf in Händen. Sodann versucht 
er den zurückgebliebenen Kopf mittels des stumpfen Hakeni, 
den er über den Unterkiefer hakt, zu entvei^keln, doch ge- 
lingt es ihm nur den Kiefer und die Weichtheile durcbiu* 
reissen. Der Ehemann wird darauf zur Entbindungsanstalt 
geschickt, um Hülfe zu requiriren, worauf ich mich im Auf- 
trage des Herrn Geh>Raths Mij^n an Ort imd Stdie be- 
gab. Ich fand daselbst eine kleine schwächKche Prau, weiche 
in Folge der entsetzlichen Qualen im Zustande höchster Auf- 
regung sich befand. Der Mutlermund erschien nach aUen 
Seiten tief eingerissen, in demselben fühlte man den Stumpf 
der Halswirbel, das Kinn stand auf dem stark nach links 
abgewichenen Promontorium. Die Beckenmessung ergab ein 
rhachitisch verengtes Becken mit einer Conjugata vera von 
8 Ctm.; Spinae Uium 26 V2 Ctm.; Gristae 27 €tro.; Con- 
jugata externa 17 Ctm.; Obl. sinist. 21 Ctm.; ObL dext. 
19 Ctm.; Conjugala diagonalis 9^2 (^^ni* Nadidem ich die 
Frau cliloroformirt hatte, ging ich mit der rechten Hand in 
den Uterus, fasste mit dem zweiten und dritten Fingo* in 
die Augenhöhlen, suchte mit dem Daumen an der Schfidel- 
hasis einen Hall zu gewinnen, drehte den Kopf dann so, dass 
sein bitemporaler Durchmesser möglichst der Conjngata ent- 
sprach, und durch Zug und gleichzeitigen Druck auf den Fundus 
uteri mit der linken Hand gelang es mit einiger Mühe den 
Kopf durch den Beckeneingang und das Becken hindurchzo- 
leiten. Die Nachgeburt tolgte spontan, der Uterus blieb gut 
zusammengezogen.' Die Frau litt im Wochenbette an Ischu- 
rie, überstand auch eine geringe Perimetritis, ist jedoch jetzt 
bereits ausser Gefahr. 

Die nähere Untersuchung ergab, dass die Trennung iwi- 
sehen dem vierten und fünften Halswirbel stattgefunden hat, 
und zwar so, dass an jedem etwas vom Intervertebralknorpei 
geblieben ist; die umgebenden Weichtheile, Haut und Mus- 
keln sind ziemlich genau in gleicher Höhe durchgmssen, 
nur die grossen Halsgefässe sind in verschiedener Höhe ge- 
trennt. Das Gehirn war stark hyperaemisch; die Lungen 
luftleer, zu Boden sinkend, das Herz zeigt Eccbymosea m 
der IVähe der Coronargeßs^^^ voaCA^Num mediastmi pestkwB 



für Oebnrtshülfe in Berlin. 329 

genkkinenes extravasirtes Blut um die grossen GefSssstamme ; 
Leber gross, hyperaemisch, ebenso die Milz und Nieren. Das 
Gewicht des Kindes beträgt 3470 Gramines. 

Im Archiv für pathologrsche Anatomie und Physiologie 
und für klinische Medizin, Bd. 30, Hea 5. u. 6., Seite 599, 
theilt Strauss einen Fall aus seiner Praxis in Curland mit, 
in welchem eine Hebamme einem in Fusslage geborenen leben- 
den Kinde bei versuchter Entwickelung des Kopfes den letz- 
teren vom Rumpfe getrennt und im Uterus zurückgelassen 
hatte. Verfasser extrabirte denselben mit der Zange, nach- 
dem er ihn gehörig eingestellt hatte, die Mutter starb nach 
einigen Stunden anämisch. In Folge dieses Falles machte 
Strauss wiederholte Versuche an Kindesleichen, und ver- 
suchte erst manuell, aber verg^lich, dann durch angehängte 
Gewichte Rumpf und Kopf zu trennen. Fünf Leichen aus- 
getragener Kinder von 6% bis 7 Pfund Gewichte bedurften 
dazu einer Belastung von 7Va bis 11 V2 Centner bei einer 
Einwirkung von 6 bis 18 Minuten. 

Eine solche Gewalt wird man nie durch den SmeUie*- 
schen Handgriff ausüben können, und das ist einer seiner 
HMiptvortheiie , wie auf der anderen Seite gerade die Mög- 
lichkeit zu grosser Gewalt der Hauptvorworf ist, den man 
stets dem Prager Handgriffe machen muss. 

üeir Ousserow hebt hervor, dass in diesem Falle die 
Schuld an dem Unglücke nicht sowohl der Methode der Opera- 
tion, dem Prager Handgriff, ah der Art und Weise der Ausfüh- 
rung zuzuschreiben sein dürfte. Trotzdem lehre dieser Fall 
wiederum, wie grosse Gefahren mit dem sogenannten Prager 
Handgriff in dai Händen minder geübter Operateure verbun- 
den sind. Hierauf müsse wiederholt aufhierksam gemacht 
werden, da die anderen Methoden, den nachfolgenden Kopf 
zu entwickeln, derartige Nachtheile nicht haben. Herr 6h$s- 
seraw erinnert sich der Section eines Falles aus der Ber- 
liner geburtshülflichen Pohklinik, den Herr Dr. Strassmann 
beobachtet hatte, wo durch den sonst sehr geschickten Prak- 
tikanten der nachfolgende Kopf eines während der Geburt 
kurz vorher abgestorbenen Kindes mittels des Prager Hand- 
grifies' nidit schwer entwickelt wurde. Bei der Seeiüoa 1«!m^ 



S30 ^IX- Müler^ Die Telamentöse 

sich die Wirbelsäule zwischen zwei Halswirbeln total durch- 
gelrennt, eigenthüinlicher Weise waren die Arleriae intener- 
tebrales allein unversehrt geblie|ien. 



XIX. 
Die velamentöse Insertion des Nabelstranges. 

VOD 

V. Hüter 

Das Ereignis», dass der Nabelstrang nicht in den Mut- 
terkuchen, sondern in den zottenfreien Theil des Cborions 
sich inserirt, und von hier aus die Gefasse in dem Chorion 
zu dem iMutterkuchen verlaufen, was mit dem Namen lusertio 
funiculi umbilicalis velamenlosa bezeichnet worden ist, kommt 
hei der Geburt nicht häuflg zur Beobachtung. Nach Chiari, 
Braun und Späth (Klinik der Geburtsh. und Gynäkologie. 
1« Lief. Erlangen 1852. S. 72.) kommt dieses Verhalten des 
Nabelstranges unter 1000 Nachgeburten vier Mal, nach Cor- 
nelius (Diss. Ueber die Einpflanzung der Nabelschnur in den 
Eihäuten. Marburg 1859.) acht Mal vor. 

Um zu verstehen, wie es möglich ist, dass der Nabel- 
sti'ang in den Eihäuten inserirt, ist es nöthig, an einige eni- 
bryoiogische Zustande zu erinnern. Es darf wohl als bekannt 
vorausgesetzt werden, welche wichtige Rolle der AUantois bei 
der Bildung des Nabelstranges und des Mutterkuchens zu- 
kommt. Man glaubte frCÜJcr das Entstehen heider am ein- 
fachsten durch die Hypothese zu erklären, dass die Allantois 
mit dem Chorion nur an der späteren Placeutarsteile in Vei^ 
bindung trete. Diese Ansicht musste aufgegeben werden, als 
die Thatsache constatirt wurde, dass bei jungen Eiern das 
ganze Choriou ringsum von den Gelassen der AUantois ver- 
sorgt wird. Am wabr&cYke\u\\cb&V.«c\ (n^v^L KöUiker^s Eot- 



Inseriioo des Nabelatranges. 331 

wi€kelungsgeschichte d. Menschen u. s.w. Leipzig 1861. S. 175.) 
scheint es, dass, wenn die Allantois durch ihr Wachstlium das 
C^horion erreicht hat, die Bindegewebsschicht derselben mit den 
Blutgefässen für sich allein an der ganzen inneren Oberfläche 
des Chorions herum wuchert. Etwa in der vierten Schwan- 
gerschaftswoche sind die Umbilicalgefasse ringsum am ganzen 
Chorion in die hohlen Zotten desselben hiueingetreten , und 
das Chorion wächst ungleichmässig etwa bis an das Ende 
des zweiten Monats fort. Zu dieser Zeit und im Anfange des 
dritten Monates wachsen die Zotten an der Stelle, an wel- 
cher das Ei der Uteriiiwand am nächsten liegt, stärker, wäh- 
rend die übrigen Zotten des Chorious nicht fortwachsen, sondern 
mit den ihnen zugehörigen Gefassen atrophiren. Somit ge- 
winnt der Theil des Chorions, welcher mit der Decidua sero- 
tina in Verbindung steht, durch das Wachsthum seiner Zotten 
und Gefässe, wodurch die Bildung der Placenta ermöglicht 
wird, und der übrige Theil des Chorions, welcher von der 
Decidua refiexa umgeben ist, verliert sowohl die Zotten wie 
die Gefasse. 

Bevor der Atrophirungsprocess der Zotten beginnt, wird 
sich an einer Stelle des Chorions ein grösserer Gefössreich- 
thum als an allen übrigen Punkten desselben zeigen. An 
dieser Stelle vereinen sich nämlich die Gefasse zur Forma- 
tion des Nabelstranges. Wenn diese geiassreichere Stelle sich 
da beßndet, wo das Cborion mit der Decidua serotina in 
Verbindung steht, so wird der Nabelstrang seine Insertion in 
der Placenta haben. Wenn dagegen die gefassreichere Stelle 
sich an. dem Theil des Chorions befindet, welcher der Deci- 
dua i*eflexa anliegt, so wird der Nabelstrang an einer Stelle 
des Chorions, welche später zottenlos wird, seine Insertion 
haben, und somit die Insertio funic. umb. velaraentosa ihre 
Entstehung linden. An der betrefl*enden Insertionsstelle per- 
ustiren nur die Gefösse, welche einen bald mehr bald we- 
niger weiten Verlauf in dem Chorion zu der im Entstehen 
begriffenen Placenta hin zu nehmen genötliigt sind. Es liegen, 
so viel mir bekannt geworden ist, nur zwei Beobachtungen 
von Hegar (Beiträge zur Pathologie des Eies u. s. w. Mo- 
natsschrift für Geburskunde. 21. Bd. Supplementheft. B^clvvv 
.1863. S. 33 u. 38) vor, in weldiea lii&«c\io ^. \ttijb« "i^veb^^ 



332 ^^* SUUr, Die TelMaentöae 

die Ursache war, dass der Embryo atrophirte, und dadsrch 
Abortus herbeigeführt wurde. Der Nabelstrang inaerirte in 
Imden Fällen an einer Stelle, welche nicht der Serotina» SOD* 
dem einer, von dieser entfernten Stelle der Reflexa enlapradL 
Ein Mal konnte inan noch deutlich erkennen, dass die sich 
theileoden Gefösse, theilweise im Cborion nach iet Serotim 
hinliefen, theilweise jedoch direct nach der Reflexa binein- 
drangen. Nach Hepar atrophirt der Embryo in solchen Fal- 
len deshalb, weil er aus d^ weniger gef&ssreicben Reflexa 
kerne genägende Nahrung beziehen kann. Kommt selbst die 
Verbindung mit der Serotina dadurch zu Stande, dass ein 
Theil der Gefässe im Choriou nach dieser hhilauft, so erklärt 
doch der langgestreckte Verlauf derselben den nachtbeiligeo 
Einfluss auf die Fötalentwickelung. 

Der Pathologie des menschlichen Eies ist bisher von den 
Gynäkologen noch wenig Aufmerksamkeit gewidmet worden, 
und hierin mag die Ursache liegen, dass man bei AbortiT- 
eiern das Absterben und Atrophiren des Embryo in Folge 
von Insert. f. umb. velam. so selten beobachtet hat. Da nqn 
eine Reihe yon Beobachtungen vorliegt, in welchen der ¥6- 
tus trotz der Insertio f. umb. velamenlosa lebend geblieben, 
und zur Zeit des normalen Geburtstermins wohlgenährt an- 
getroflen worden ist, so nmss die Frage aufgeworfen wer- 
den, wesshalb bei Insertio fun. umb. velamentosa in dem 
einen Falle der Embryo abstirbt, und in dem anderen Falle 
dieses Ereigniss nicht eintritt. Die Antwort hierauf wird 
uicht schwer sein, ja sogar mit einiger Sicherheit abgegeben 
werden können, wenn man darauf Rücksicht nimmt, wie lang 
der Weg ist, welchen die Nabelschnurgeßisse in dem Cho- 
rion zur Placenta hin zu durchlaufen haben. Wenn die Na- 
belschnurinsertion von dem Placentarrande weit entfernt isU 
so werden die Umbiücalgefässe dem Embryo nicht genögen- 
des Ernährungsmaterial zufuhren können, weil sie nur in den 
Chorionzotten verlaufen, welche mit der zu wenig gefasshal- 
tigen Decidua reflexa in Verbindung stehen. Die Emihrong 
des Embryo wird sogar dadurch, dass die an der Reflexa 
gelagerten Choriouzotten mit ihren Gefassen atrophisch wer^ 
den, ganz aufhören, wenn nicht mit den an der Serotina ge- 
hgerien GhorionaoUen ^ii«Gietkf^f^N«i\ATA\ak%x^Si^^ I 



Insertion des NabelstMMi|res. 383 

Diese wird, wenn die Entfernung zwischen der Nabelschnur- 
Insertion und der im Entstehen begriffenen Placenta gross 
ist, nicht so stark sein, dass sie zur Ernährung des Embryo 
ausreicht. Je geringer dagegen die Entfernung zwischen der 
Nabelschnurinsertion und den mit der Serotina in Verbindung 
stehenden Zotten ist, desto leichter wird die Gefassverbin- 
dung und zugleich in solchem Umfange hergestellt werden, 
dass das nöthige Emähnmgsmaterial dem Embryo zugeführt 
werden kann. Unter sokben Verhältnissen wird es möghch 
sein, dass der Fötus am normalen Ende der Schwangerschaft 
wohlgenährt und lebensfrisch angetroffen wird. 

Die Richtigkeit dieser Annahme wird besonders durch 
die Thatsache begründet, dass bei den zeitigen Geburten die 
Nabelschnurinsertion meist in nur geringer Entfernung von 
dem Placentarrand angetroffen worden ist. Bei 22 Geburts- 
geschäften habe ich die Entfernung genau durch Zahlen aus- 
gedrückt gefunden. Bei 18 Geburten betrug die Entfernung 
der Insertionsstelle von dem Placentarrande weniger als Z", 
in zwei Fällen betrug sie 3'^ ein Mal 4" und ein Mal 5^ 
Busch (Monatsschrift für Geburtsk. IV. Bd. S. 200.) beob- 
achtete in dem Zeiträume von 1842 bis 1847 die Einsenkung 
der Nabelschnur in die Eihäute statt in die Placenta 29 Mal. 
„Die Insertion fand immer in der Nähe der Placenta statC, 
im weitesten Falle vier Zoll vom Rande derselben.^' 

Dass die Nabelschnurinsertion weiter als 4" oder höch- 
stens 5" vom Placentarrande entfernt liegt, scheint demnach 
nicht vorzukommen. Um jedem Missverständnisse zu begeg- 
nen, so mag ausdrücklich betont werden, dass es sich hier 
um die directe Entfernung zwischen der Nabelstranginsertion 
und dem Pacentarrande handelt, dass dagegen die Länge der 
einzelnen Gefasse, welche bogenförmig 4", 6", 8", und noch 
länger in dem Chorion verlaufen können, ausser Betracht 
bleibt. 

Um leicht übersehen zu können, in welcher Weise die 
Insertio fun. umb. velam'entosa auf den Geburtslauf einwirkt 
schien mir die nachfolgende Classification der bekannt gewor- 
denen Beobachtungen am zweckmässigslen. 



334 ^I^* HiUer.DU veUineotöae 



I. 



Die Gefässe der in den Eihäuten inserirten Na- 
belsclinur haben ihren Verlauf entfern t von 
dem Muttermunde. Der Eihautriss ist ausser 
dem Bereiche der Nabelschnurgefäss^e. Der 
Geburtsverlauf ist daher durch Insertio 
fun. umb. velamentosa meist gar nicht beein- 
trüchtigt. Nur selten kommt eine Compres- 
sion der Nabelschnurgefasse, welche für 
das Kind lebensgefährlich ist, während der 
Geburt vor. 

Dass durch die velamentöse Insertion der Nabelschnur 
der Geburtsverlauf meist gar nicht beeinflusst wird, ersieht 
man zur Genüge aus den Angaben von Busch (I. c.) und 
Cornelius (1. c). Nach dem ersteren wurde in 29 Fällen 
von Insertio funic. umb. velamentosn kein nachdieiliger Ein- 
fluss während der Geburt beobachtet. Letzterer hat 32 Fälle 
der anomalen Nabelstranginsertion verzeichnet. 21 Kinder 
wurden lebend geboren, 11 kamen todt zur Welt. Von die- 
sen 11 Kindern sind neun wegen anderweitiger pathologischer 
Ereignisse, deren Betrachtung uns jetzt fern liegt, abgestor- 
ben, und nur zwei Kinder (Fall Nr. 1. und 20.) scheinen 
desshalb todt geboren, weil die Nabelschnurgefasse unter der 
Geburt comprimirt worden sind. 

Chiari, Braun und Späth (Klinik der Geburtshillfe u. 
Gynäkologie. 1. Lief. Erlangen 1852. S. 73.) führen zum Be- 
weise der Compression der Nabelschnurgenisse bei Insertio 
f. u. velamentosa folgende Beobachtung an: 

„So hörten wir bei einer Mehrgebärenden, wo die Ge- 
burt bald nach dem Blasensprunge erfolgte, noch kurz vor 
demselben den Herzschlag ganz deutlich, die Geburt verlief 
ohne die geringste Abnormität in kurzer Zeit, und dodi kam 
das Kind todt zur Welt. Es konnte keine andere Ursache 
ermittelt werden, als Insertio velamentosa mit den Geßss- 
Verzweigungen nächst dem Eihautrisse, also in der Nähe des 
Muttermundes. — Die Section des Kindes ergab intennenin- 
geale Apoplexie/' 



Inaartion des Nvbelsträog^es. 385 

11. 

Wenn die Insertio f. u. veiamentosa in derNähe 
des Muttermundes gelegen ist, kann Vorlie- 
gen und Vorfall des Nabelstranges ein- 
treten. 

1) V. Meyer {C. Chr. Schmidfs Encyclop. der ges. Me- 
dicin, 2. Supplement- Band. Leipzig 1849. 8. 497.) scheint 
die erste hierauf bezugliche Beobachtung veröffentlicht zu 
haben. • 

Eine Siebentgebärende empfand am 22. September 1840 
Abends 9 Uhr in ihrem Leibe ein Geräusch, als wenn etwas 
zerrissen sei, und bemerkte darauf ßlutabgang. Bei der Un- 
tersuchung fand man die Nabelschnur vorgefallen. Blutgerinn« 
sei in der Vagina, den Muttermund in der Grösse «ines 
Fänffrancstficks erweitert, und den Kopf in erster Stellung 
vorliegend. Arterienschlag war an der Nabelschnur nicht 
wabrzunelimen. Weil der Kopf für die Zange nicht fassbar 
stand, wurde die Wendung auf die Fusse und die Extraction 
an denselben vorgenommen. Das Kind konnte nicht wieder 
belebt werden. An der Nachgeburt fand man, dass die Na- 
belschnur sieben Millimeter von dem Rande der Placenta ent- 
fernt in die Eihäute inserirt war. Die eine Umbilicalarterie, 
welche unverzweigt zu der Placenta verlief, und ein Ast d^r 
anderen Umbilicalarterie war bei der Ruptur der Ettiäute 
zerrissen. 

2) Einie Erstgebärende {Ghitvri^ Braun und Späth I. c. 
p. 84.) kam mit 2" weitem Orificium auf die Anstall. Die 
Nabelschnur war abgerissen und hing 6" lang vor die Scheide 
heraus. Hinterhauptslage, Conjugata 3". Die Geburt erfolgte 
sechs Stunden später. Der todtgeborne Knabe war ziemhcli 
klein. Die Nabelschnur war nächst dem Plaeentarrande in 
den Eihäuten inserirt, und daselbst abgerissen. Der Eihaut*- 
riss war neben der Insertionsstelle. Als Ursache des Ab- 
reissens gab sie an. dass sie sich zu Hause eines Nachttopfes 
mit abgerissenem Henkel bediente y on welcliem sie hingen 
geblieben sein mochte , und hierauf unter Blutah^a^% vc^^W 
rere Stunden weit geführt wurde. 



336 ^^^^ ^^«f*» Die ▼elamemtSt« 

3) Eine Erstgebärende (Chiariy Braun und Späth L 
c. p. 85.) machte sich erst nach dem Blasensprunge auf, um 
noch zwei Stunden Weges zur Anstalt zu fahren. Bei ihrer 
Ankunft lag die Nabelschnur in einer langen pulslosen Sdifinge 
vor. Üer Muttermund war kaum kreuzergross. Der Kopf 
fest auf den Beckeneingang gestellt. Kein Herzscliblg hör- 
bar. Nach ein paar Stunden wurde ein todter Knabe gebo- 
ren. An der Nachgeburt zeigiie sich Insertio vdameiilosa 
funiculi umbilicalis mit dem Eihautriase zwischen den Geflas- 
Verzweigungen. 

4) Eine Erstgebärende (Chtariy Brawa und Späik 1. 
c. p. 85.) kam mit sUbei^roscbengrossem Muttermunde und 
vorliegender Nabelschnur auf das Kreisszimmer, und gab an, 
dass das Wasser schon vor drei Stunden abgeflossen, und 
damals audi durch einige Zeit viel Blut abgegangen seL Na- 
belschnur pulslos; kein Fötalherzschlag; Kopf fest im Becken. 
Acht Stunden ^ter erfolgte die Geburt eines todten Kna- 
ben, dessen Section vollständige Anämie ergab, wihneMl 
wir in allen anderen FäUen, wo das Kind wegen NabebiABar- 
Vorfall zu Grunde ging, Hyperämie und Apoplexie in GeUm 
und Leber fanden. Die Nachgeburt zeigte wieder Insertio 
velamentosa mit dem Eihautrisse zwischen den C^saver- 
zweigungen knapp am Placentarrande. Aach eines der grös- 
seren Gefässe^ das in den Eihäuten verlief, war dorchrisaeu 
und zweifelsohne die Ursache des Blutabganges gleich nach 
dem Blasensprunge, und der Anämie des Kindes. 

5) Bei einer Mehrgebärenden iChiari, Braun Uw Späth 
1. Ci p. 93.) war die Blase bei verstrichenem Maltermunde 
gesprungen und die Nabelschnur in einer langen Schlinge 
vorgefallen. Wir versuchten vergeblich die Manualreposkion, 
und legten, da der Kopf bei guten Wehen gleich tiefer rockte, 
lieber die Zange an. Kind lebend. An der Nachgeburt zeigte 
sich Insertio velamentosa fumculi umbilicalis mit dem Eihaut- 
risse zwischen den Gefässverzweigungen. 

6) Bei einer Mehrgebärenden (vergL HohTs Bericht 
u. 8. w. Monatsschrift für Geburtsk. I. Bd. 8. 43.) wurde we- 
gen Beckenenge die künstliche Frühgeburt eingeleilAt Bei 
noch geringer Wrhenthätigkeit ging das Fruchtwasser ab, in 

Folge dessen die Ndbe\scViw» , ^^V^Dk^i N«Äft\ «ämä wr^e- 



Inserlion des NabelBtranges. 337 

legen halle, in mehreren Schlingen neben dem Kopfe voriiel. 
Der Mutlermuud hatte die Grösse eines ZweiÜialerstückcs. 
Nach zwei Stunden hörte bei 2" weitem Muttermunde die Pul- 
sation der Nabelschnur auf. Das Kind wurde todt geboren. 
Die Nabelsclmur hatte insertio velamentosa, und dicht neben 
der Insertionsslelle war der Riss der Eihäute. 

m. 

Die Gefasse des in den Eihäuten inserirlen Na> 
belstranges liegen vor, d. h. sie werden in 
dem Segmente der Eihäute, welches in dem 
Muttermunde liegt, gefühlt. 
1) Bei einer Zweitgebärenden (vergl. Ricker in Sie- 
bold's Journal für Geburtsh. Bd. XII. Sl. 3. S. 506. Frank- 
furt 1833.) ging am 29. April 1832 plötzlich das Fruclit- 
wasser, welchem dunkeles Blut beigemischt war, ab. Der 
Muttermund war nur zwei Finger breit erweitert. Der vor- 
liegende Kopf war noch zur Hälfte von den Eihäuten bedeckt. 
Ueber die Mitte des Schädels lief in querer Richtung ein 
festgespannter, elastischer Strang von der Dicke eines Ra- 
benkiels, der sich nicht über den Kopf wegstreichen liess. 
Der Rand der Placenta war nahe an dem Muttermunde zu 
fühlen. Die Blutung hörte ganz auf. Das Kind wurde an 
•dem anderen Tage, nachdem der über den Kopf laufende 
elastische Strang mit den Eihäuten zurückgeschoben war, na- 
türlich geboren. Die Nabelschnur zeigte sich dabei fest um 
den Hals geschlungen, und wurde durchschnitten. Das Kind, 
ein Mädchen, war todt. 

Nach der Geburt dieses Kindes wurde die Anwesenheit 
eines zweiten wahrgenommen. Das letzlere präseutirte sich 
in Schulterlage. Es trat Blutabfluss ein. Das Kind wurde 
auf die Fasse gewendet und extrahirt. Dasselbe, ebenfalls 
ein Mädchen, war auch todt. Wegen Fortdauer des Blut- 
flusses wurden Reibungen des Unterleibes vorgenommen, und 
Zimmttinctur dargereicht. Der Uterus contrahirte sich darauf 
gut und die gelöste Nachgeburt konnte weggenommen wer- 
den. Der Mutterkuchen war gemeinschaflhch. Die Nals^^l- 
schnur des ersten Kindes war 5" vom l^^w^fi ^^'s» ^mV-Vsä- 

Monmtaacbr. f. Oeburtak, 1866. Bd. XXVIII., Ht^.6, "^ 



388 XIX. HiUer, Die velamentose 

kuchens entfernt in den Eihäuten inserirt. Zwischen diesem 
und der Insertionsstelle war das Chorion eingerissen, und 
einer der drei in den Eihäuten verlaufenden Aeste der Uai- 
hilicalvene war an- aher nicht ganz durchgerissen. Die Na- 
helschnur des zweiten Kindes war in der Placenta inserirt 

2) Eine Zweitgehärende (vergl. C. Ch. HiUer Neue 
Zeitschrift für Geburtsk. Bd. XII. S. 48. Berlin 1842), weiche 
am Ende der Schwangerschaft mit Erfolg an Schieflage des 
Kindes behandelt war, verlor am Abend des 16. März 1841 
das Fruchtwasser. Bei noch wenig geöffnetem Muttermunde 
fand man den Kopf vorliegend. Derselbe war von rauhen 
Eihäuten umgeben, in welchen von links hinten nach rechts 
vorn ein schreibfederdicker Strang, der sich rechts in ein- 
zelne Aeste theilte, verlief. Pulsation war nicht vorhanden. 
Der Herzschlag des Kindes >^iirde deutlich gehört. 

Am 17. März Mittags traten stärkere Wehen ein, der 
Muttermund erweiterte sich. Um 4^2 Uhr Nachmittags trat 
plötzlich Blutfluss ein. Bei der Untersuchung fand man den 
Kopf in erster Stellung im Becken. Der Herzschlag wurde 
nicht mehr wahrgenommen. Die Gefasse Hessen sich nach 
rechts hinten über den Kopf wegdrängen und wurden nicht 
mehr gefühlt. Um acht Uhr Abends wurde ein todtes Kind 
geboren. Die Nachgeburt wurde wegen eingetretener Ohn- 
macht der Gebärenden künstlich gelöst. 

Die Einpflanzung des Nabelstranges war in den Eihäuten. 
Der Zweig einer in den Eihäuten verlaufenden Arterie war 
zerrissen. 

3) Bei einer Erstgebärenden (vergl. HeckeVy Klinik der 
Geburtskunde^ Leipzig 1861. S. 162.) fühlte man am 7. Sep- 
tember 1860 in der Eröffnungsperiode an den Eihäuten 
Stränge verlaufen, welche man bei der wiederholten Unter- 
suchung als Nabelstranggefasse erkannte. Der Kopf lag in 
2. Position vor. Die Fötalherztöne waren rechts unten deutlich 
zu vernehmen. Bald nach Ruptur der Velamente trat bei 
noch nicht vollkommen erweitertem Muttermunde eine mas- 
sige Blutung aus der Scheide ein, welche von selbst wieder 
auniörie. V/^ Stunden daravif wurde ohne Kunsthulfe ein 

nahezu ausgetragenes Hiudi ii\^\\wY\c\\^v\ ^^%«)c\fcOö\.s> ^^^m& 
knne Lebenszeichen ai\ sidi Vvw%, ^^Vw«i\- 



losartion des Nabelstraogea. 339 

Die Nachgeburl wurde nach Ys Slunde aus der Scheide 
entfernt. Die Eihäute waren missfarbig. In ihnen verliefen fünf 
bis sechs Nabelschnurgefasse, die sich schon in einer Ent- 
fernung von 23 Centinieter vom Rande der Placenta aus der 
bis zu dieser Stelle 51 Centimeter langen Nabelschnur ent- 
wickelten. Der Eihautriss war in der Mitte. An dieser Stelle 
war ein Nabelschnurgeßlss vollständig durcbtrennt; die beiden 
Gefassenden waren von ihrem queren und scharfen Rande an 
in einer Länge von 1 Centimeter mit einem frischen , wei- 
chen, der Wandung nicht adhärirendem Thrombus erfüllt. 

Das Obductionsergebniss berechtigt zu der Annahme, dass 
das Kind theils an Anämie, theils an Asphyxie zu Grunde 
gegangen ist 

IV. 

Vorliegen der Nabeischnurgefässe. Vorliegen 
und Vorfallen des Nabelstranges. 

Bei einer Drittgebärenden (vergl. Benkiser^s Dissert 
de haemorrliagia inter partum orta ex rupto venae umbili- 
calis ramo. Heidelberg 1831.) fühlte Nägele am 7. Decbr. 
1830 in den Eihäuten einen von hinten nach vom laufenden, 
sehreibfederdicken nicht pulsirenden Strang. Nach dem Bla- 
sensprunge floss fortwährend Blut ab. Neben dem in erster 
SteUung im Becken liegenden Kopfe befand sich an der linken 
Synchondrose eine schwach pulsirende Nabelschnurschlinge. 
Weil die Reposition derselben vergeblich vorgenommen war, 
wurde die Zange angelegt und mit derselben ein scheintodtes 
Kind, welches nicht wieder belebt werden konnte, extrahirt.' 
In der Kindesleiche, welche eine sehr bleiche Hautfarbe hatte, 
wurde eine auffallende Blutleere aller Organe gefunden. 

Die Nabelschnur war 2" 5'" vom Rande der Placenta 
entfernt in den Eihäuten inserirt Ejn Ast der Nabelvene, 
welcher 5" weit von dem Rande des Mutterkuchens entfernt 
verlief, war zugleich mit den Eihäuten zerrissen. 



^«^L* 



340 ^^* BüUrt Die TielMn^Btdtd 



V. 



Vorliegen und Vorfallen der Nabelscbnurge- 
fässe, der Nabe|schnuriiisertion und der 
Nabelschnur« 

Zweitgebarende. Blülfluss während der Geburt Tiefier 
Sitz des Mutterkuchens. iBBertio funic umb. vebmeatM«. 
Vorliegen der Ndbelschourgeflsse , der Nabetscfanunnaertiea 
und der Nabelscluiur. Kunstlicher Blasensprung. Eitractio» 
des in I. Stellung vorliegenden Kopfes mit der Zange. Ex- 
traction an den Scliullern. Tiefe Asphyxie des Kindes. 
Künstliche Respii^alion. Wiederbelebung desselben. Gänili- 
ger Verlauf des Vy^ochenbettes. 

Frau M., 26 Jahre alt, war in ihrer Jugend, abgesehen 
von Masern, welche sie in ihrem 6. Lebensjahre überstan- 
den hat, stets gesund gewesen. Seit ihr^m 16. Lebensjahre 
wurde sie in vierwöcbentlichen Intervallen regelmSssig men- 
struirt. Am 18. December 1861 entband ich sie von ihrem 
ersten Kinde, einem Knaben, welcher sich in Gesichtsstellutig 
präsentirt hatte, mittels der Zange. Das Wochenbett verlief 
normal. Am Ende des Monat April 1863 concipirie sie Eum 
zweiten Male, und nachdem die zweite Sdiwangerschafl regel- 
mässig verlaufen war, traten am 27. Januar 1663 gegen 
sechs Uhr Abends die ersten Wichen ein. Dieselben waren 
Anfangs selten und schwach. Gegen 10 Uhr Abends merkte 
die Gebärende, dass Blut aus ilu'en Geschlechtstheüen ab- 
ging. Der Blutfluss blieb bis Mitternacht gering. Nach Mit- 
ternacht, von welcher Zeit an die Wehen häuGger und stär- 
ker wurden, ging mehr Blut ab. Der Blutfluss daoerie um 
fünf Uhr Morgens am 28. Januar, zu weicher Zeit ich ge- 
rufen wurde, in verstärktem Maasse fort. 

Bei der äusseren Untersuchung fand ich den Grand des 
regelmässig gestalteten und gelagerten Uterus vier Pinger breit 
oberhalb des Nabeis. Die Intensität und Frequenz seiner 
Contractionen war eine massige. Die Fruchtwasseripenge war 
reichlich. Das Kind lag mit seiner Längenachse in der ersten 
Diagonale des Uterus, der Bücken desselben war nach links 
gerichtet. Der Föla\\nAÄ y^äv A^ewU^^ \\\\Vä ^>\ Vieren ^ seine 



loserlion des NabeUtranges». 341 

Frequenz betrug in der Wehenpause 11 Schlage in fünf Se- 
cunden. Während der Wehe zählte man in derselben Zeit 
nur acht Pulsationen. Mit Nachlass der Wehe kehrte die Fre- 
«quonz des Fötuspulses von 11 Schlägen schnell wieder. 

Vor den Geschlechtstheilen befand sich coagulirtes Blut, 
dessen Menge ich auf 16 — 20 Unzen schätzte. Nach Aus- 
sage der Hebamme war eben so viel Blut schon früher ab- 
gegangen und weggeschafit worden. In der Vagina befanden 
sich einige Blutcoagula, welche herausbefördert wurden. Der 
Muttermund war bis auf einen schmalen Saum retrahirt. An 
der rechten Seite desselben erreichte man ohne besondere 
Muhe den Rand der Placenta, und fühlte den zunächstliegen- 
den Cotyledo in der Ausdehnung eines Zolles von der Ute- 
rinwand abgelöst. Den Muttermund füllte die ziemlich stark 
gefüllte Fruchtblase aus. Die Eihäute fühlten sich dicker als 
gewöhnlich an. Beim stärkeren Eindrücken in dieselben mit- 
tels des Zeigefingers fühlte ich den Kopf beweglich auf dem 
Beckeneingange liegen, wobei ich zugleich bemerkte, dass drei 
federspulendicke Stränge in den Eihäuten verliefen. Diesel- 
ben hatten keine gleiche Entfernung untereinander, liefen 
aber nahezu in querer Richtung. An einem dieser Stränge 
nahm ich, wenn ich ihn gegen den Kopf andruckte, deutlich 
Pulsation wahr. Gegen die linke Synchondrose hin liefen die 
drei Stränge convergirend zu einem dicken Strange zusam- 
men, welcher sehr deutlich pulsirte und in dem Fruchtwas- 
ser sich bewegen liess. An diesem Strange, welcher für den 
Nabelstrang gehalten werden musste, konnte ich in der We- 
benpause genau 11 Pulsationen während fünf Secunden zäh- 
len. Nach diesem Untersuchungsresultate war mit Sicherheit 
anzunehmen, dass der tiefe Sitz der Placenta die Quelle der Blu- 
tung war, dass Nabelschnurgefasse in den Eihäuten verliefen, 
dass die Einpflanzung der Nabelschnur in den Eihäuten und 
zwar in dem Segmente derselben, welches in dem Mutter- 
munde lag, sich befand, und dass somit das Vorliegen der 
Nabelschnur die nothwendige Folge dieser Anomalie war. 

Der Zustand der Gebärenden, welche über viel Durst klagte, 
eine bleiche Gesichtsfarbe, einen kleinen frequenten Puls hatte, 
und während der Untersuchung einen Anfall von Ohnmacht 
bekam, forderte dringend zur künslWcYieu ^\v>K\xv^v\\\% ^>ä- 



342 ^^^- Hüter, Die velameBtöta 

Da die Reposition der Nabelschnur weder vor noch 
nach dem Blasensprunge irgend welchen Erfolg versprach, 
so heschloss ich an einer von den Gelassen freien Stelle die 
Eihäute zu sprengen und den Kopf mit der Zange za ex- 
trahiren, und falls dies wegen des hohen Kopfstandes nicht 
auszuführen, die Wendung auf die Posse zu machen und 
an diesen auszuziehen. 

Diesem Plane gemäss führte ich gegen sechs Uhr Mor- 
gens, während einer Wehenpause die Unke Hand in die 
Vagina der Gebärenden, deren Krenzgegend durch ein vorher 
untergeschobenes Kfssen erhöht war, und schob dieselbe vom 
hinter der Symphyse zwischen der Uterinwand und den Eihäuten 
in die Höhe. Da hier keine Gefasse in den Eihäuten zu 
fühlen waren, sprengte ich die Blase, worauf ein reich- 
licher Abfluss von Fruchtwasser, welches mit Blut gemischt 
war, eintrat. Eine kurz nach dem Blasensprunge eintretende 
Wehe, welche eine nur geringe Intensität besass, änderte 
nicht das Verhalten des vorliegenden Kopfes. Derselbe lag 
vielmehr, wie vorher, beweglich auf dem Beckeneingange. Die 
Pfeilnaht verlief fast quer, die kleine Fontanelle war Unks, 
die grosse rechts zu fühlen. Nach dem Abflüsse des Frucht- 
wassers kam die Nabelschnurinsertiou mit einer grossen 
Schlinge der Nabelschnur tief in die Vagina herunter. Der 
Blutfluss dauerte fort. Es wurde nun rasch zur Application 
der Zange geschritten, was wegen des hohen Kopfstandes, 
und weil der Muttermund nach dem Blasensprunge wieder 
enger geworden, und weil die Nabelschnur nur hinderlich im 
Wege war, einige Zeit erforderte. Die Zange fasste den 
Kopf über Stirn und Hinterhaupt. Eine Traction genügte, 
den Kopf in das Becken herabzuziehen. Der Muttermund 
gab dnbei kein Hinderniss ab. Die Zange wurde- nun im 
Schlosse geöffnet, und der linke Löffel gegen die linke Syn- 
chondrose, der rechte gegen den rechten horizontalen 
Sciiambeinasl geschoben. Nachdem dies geschehen, be- 
merkte ich, dass die Nabelschnurinsertion in der Schamspalte 
lag. Die Nabelschnur schien beim Zufühlen pulslos. Dieselbe 
wurde mit den die Insertionsstelle enthaltenden Eihäuten in 
die Aushöhlung des Kreuzbeines zurückgeschoben. Dies ver- 
hinderte jedoch nicht, daaa vW^ ^Ae\s^V«\\Ävaa^rtiou gleich- 



Insertion des Nabelstranges. 343 

zeiüg mil dem nuu leicht zu exlrabirenden Kopte aus der 
Schamspalte hervortrat. Nachdem derselbe geboren und die 
Zauge abgelegt war, wurde die Extraction des Kindes an 
der linken, dem Perinäum zunächst liegenden Schulter rasch 
vorgenommen. 

Das Kind, ein Mädchen, von gewöhnlicher Grösse, hatte 
auf der Haut viel Meconium. Es begann nicht zu respiriren. 
Während des Abnabeins zählte ich an dem Herzen des Kindes 
fünf Pulsationen während fünf Secunden. Es wurde nun 
rasch ein dünner elastischer Katheter in die Trachea gescho- 
ben und mittels desselben wiederholt Schleim und Meconium 
aspirirt. Darauf wurde mit demselben Katheter die künst- 
liche Respiration ins Werk gesetzt, was zur Folge hatte, 
dass das Kind bald eine frequentere Herzpulsation bekam, 
nach Verlauf von ^4 Stunde zum ersten Male spontan, und 
nach % Stunden regelmässig, wenn auch noch rasselnd, 
respirirte. 

Die Nachgeburt trat, nachdem einige Frictionen auf den 
Uterus angewendet waren, aus den Genitalien hervor. Der 
Blutabgang war in der Nachgeburtsperiode gering. Die in 
den Eihäuten befindliche Nabelschuurinsertion war 3" von 
dem Rande der Placenta entfernt. Von der Insertionsstelle 
liefen drei Hauptgefössstämme mit ihren Verzweigungen in 
dem Chorion divergirend zu der Placenta hin. Der stärkste 
dieser drei Gefässe, die Nabelschnurvene, theilte sich unmit- 
telbar an der Insertion in drei Aeste, von denen der stärkste 
den weitesten, der schwächste den kürzesten Verlauf zu dem 
Mutterkuchen nahmen. Das zweite Hauptgeiass, eine der 
Umbilicalarterien, theilte sich unmittelbar an der Insertions- 
stelle in zwei Aeste, von denen der grössere, dicht neben 
einem Zweige der anderen Umbilicalarterie hinlaufend, sich 
am Rande der Placenta abermals in zwei Zweige theilte, 
welche sich dann weiter verzweigten. Der andere kleinere 
Ast tlieilte sich, nachdem er geschlängelt über die Aeste der 
Umbilicalvene hingelaufen, etwa drei Finger breit von der In- 
sertion der Nabelschnur entfernt, in zwei Zweige, von wel- 
chen der kleinere dicht neben dem zweiten Aste der Umbili- 
calvene hinlief. 

Das dritte Hauptgefäss, die auä^tc^ \^\s^^\c^\^tv^\^^ 



344 XIX. Hüter, Die velamentSiie 

tronnte sich, nachdem es etwa drei Finger breit die Eihäute 
durchlaufen hatte, in einen grösseren und einen kleinM^n 
Zweig, welche heide in einem Bogen zu dem Mutterkudieit 
verliefen. 

Der Riss in den Eihäuten war 2" weit von dem näch- 
sten der in dem Chorion verlaufenden Gefösse entfernt Die 
Wöchnerin wurde nach der Entbindung noch ein Mal ohn- 
mächtig, und fieberte in den ersten drei Tagen des Woeben- 
hcltos etwas. Der anämische Zustand derselben besserte sieb 
rasch, und das Säugungsgeschäft kam bald in den Gang. 
Das Kind entwickelte sich gut und lebt noch jetzt 



Es ist bereits hervorgehoben worden, dass durch In- 
sertio fun. umb, velamentosa der Geburtsverlauf nicht beein- 
trächtigt wird, wenn bei normalem Sitze der Placenta die Na- 
holschnurgefässe in gewisser Entfernung von dem Muttermunde 
ihr6n Verlauf nehmen, und der Eihautriss somit ausser dem 
l^crciche der Gefösse fallt, dass jedoch bei einem solchen 
Verhalten der Nabelscbnurgefässe in seltenen Fällen unter 
der Geburt eine Compression derselben, durch welche das 
Lef)en des Kindes bedroht wird, vorkommen kann. 

Ohne die Möglichkeit einer solcher Compression in Ab- 
rede stellen zu wollen, so ist sie doch noch nicht als erwie- 
sen zu betrachten. Denn die eine von Chiari, Braun und 
Späth und die beiden von Cornelius entnommenen Beob- 
achtungen entbehren durchaus einer genauen Auscullation, 
durch welche allein es möglich gewesen wäre, die Compres> 
sion der Gefasse zu diagnosticirfen. Dieses Ereigniss wird 
ohne Zweifel auf das Verhalten des Fötalpulses denselben 
Effect hervorrufen, welchen wir bei der Compression der 
Nahelschnur unter der Geburt bereits kennen. Wir wurden 
demnach in dem gegebenen Falle eine stetig fortschreitende, 
durch die Wehen nicht beeinflusste Abnahme in der Fre- 
quenz des Fötalpulses und auch das völlige Erlöschen des- 
selben, wenn nicht die Compression auf irgend eine Weise 
anfi^ehohen wird , auscultatorisch nachweisen können. So 
lange dies nicht geschehen ist, muss es in Zweifel gelas- 
scn werden, ob in den (\re\ bvx^^^üVrVi^av ^^^V^^^ViUiw^en durch 



Insertion des Nabelst rankes. 345 

Druck auf die Nabelschnurgcfässe oder durch Weheiidruck 
der Tod der Kinder veranlasst worden ist. Dieser Zweifel 
wird ausserdem noch dadurch verstärkt, dass in der ehien 
Geburtsgeschichte von Cornelius von Krampfwehen die 
Rede ist. 

Durch eigene Beobachtungen ist es mir schon lange zur 
Gewissheit geworden, dass vor dem Blasensprunge die Nabel- 
scfmur, mag sie vorliegen oder nicht, comprimirt werden 
kann. Dass aber ein in den Eihäuten nahe dem Muttermunde 
verlaufendes Geföss vor dem Blasensprunge eine Compression 
erlekjen kann, ist mir desshalb, weil das Lumen eines ein- 
zelnen Gefösses gegen den Nabelstrang viel geringer ist, 
höchst unwahrscheinlich. Nach dem ßlasensprunge mag die 
Nahelvene oder ein grösserer Zweig derselben, welcher in den 
Eihäuten nahe dem Muttermunde verläuft, comprimirt werden 
können, wenn der unter der Geburt tiefer rückende Kopf 
gegen die Uterinwand angedruckt wird. Das Fortströmen des 
Blutes in der Vene wird dadurch gehemmt, dem Kinde die 
Nahruiigsquelle verschlossen, und so ein asphyktischer Zu- 
stand desselben herbeigeführt, von welchem uns, abgesehen 
von den übrigen Symptomen, vorzugsweise die stetige Ab* 
nähme der Frequenz des Fötalpulses Aufschluss giebt. 

Dieser gefahrdrohende Zustand kann bei kurzer Dauer 
der Austreibungsperiode , oder wenn durch eine Operation 
die Geburt des Kindes rasch beendet wird, für das Kind 
noch einen günstigen Ausgang haben. Wenn dagegen, weil 
die Wehenthätigkeit normal erscheint, die Auscultation ver- 
nachlässigt wird, und die Austreibungsperiode zu lange dauert, 
so wird imter den gegebenen Verhältnissen ein todtes Kind 
geboren werden, welches bei der Obduction die Zeichen der 
vorzeitig eingetretenen Respirationsversuche darbietet. 

Die durch die Compression der in den Eihäuten verlau- 
fenden Gefässe hervorgerufene Abnahme in der Frequenz des 
Fötalpulses iässt gewiss zunächst darauf schliessen, dass die 
Nabelschnur comprimirt werde. Dabei kommt nämlich in Be- 
tracht, dass dieses Ereigniss viel häufiger als jenes vor- 
kommt, imd dass man an eine Compression der in den Ei- 
häuten verlaufenden Gefässe nicht denkt, wenn maw x\\.^V&s^ 
von denselben fOiiJt. 



346 ^IX. Hüiery Die velamenftöfle 

Durch die Besichtigung der Nachgeburt wird man erst 
zu der Ansicht gelangen, dass die Compression die in den 
Eihäuten verlaufenden Gefasse betroffen habe, wenn man näm- 
lich die Geßsse ganz nahe an dem Eihautrisse und die Nabel- 
bchnurinsertion und somit auch die Nabelschnur fem ?on 
dieser Stelle gelagert findet. Liegen die Nabelscbnurgefasse 
und die Nabelschnurinsertion nicht fern von dem Eihautrisse, 
so wird man es ungewiss lassen müssen, ob die Nabelschnur 
oder die Nabelscbnurgefasse comprimirt worden sind. Der 
dickere Umfang jener wird für die erstere Annahme spre- 
chen. Nicht unmöglich erscheint es, dass die Nabelschnur- 
gefasse und die Nabelschnur unter diesen Verhältnissen gleich- 
zeitig comprimirt werden. 

Es ist schon von H. F. Nägele (Comment de caosa 
quadam prolapsus funic. umbilic. in partu et cet. Heidelberg 
1839) darauf hingewiesen worden, dass der tiefe Sitz der 
Placenta in der Nähe des Muttermundes und die gleichzeitige 
Insertion des Nabeistranges an der Stelle des Mutterkuchen- 
randes, welche am tiefsten und dem Muttermunde am näch- 
sten liegt, das Vorliegen und Vorfallen des Nabelstranges ver- 
anlasst. Es wird dieses Ereiguiss noch leichter eintreten, so- 
gar unausbleiblich sein, wenn bei tiefem Sitze der Placenta 
die Nabelschnur eine velamentöse Insertion hat, und diese 
sich in der Nähe des Muttermundes befindet. In dieser Be- 
ziehung ist auf die mitgetheilten Beobachtungen von Meyer, 
Chiarij Braun^ Späth und Hohl zu verweisen. Wenn ich 
hier auf die Gefahr, in welcher das Kind durch das Vor- 
liegen und Vorfallen der Nabelschnur schwebt, näher einge- 
hen wollte, so wurde ich nur bereits bekannte Thatsachen 
vorbringen. Nur auf einen Punkt möchte ich die Aufmerk- 
samkeit meiner Herren CoUegen noch einmal hinlenken. 

Man hatte früher die Ansicht, dass, so lange die Blase 
noch stehe, das Vorliegen der Nabelschnur gefahrlos für das 
Kind sei, weil das Fruchtwasser das Comprimiren der Na- 
belschnur verhindere. Es ist schon von anderen Geburts- 
helfern auf die Unrichtigkeit dieser Ansicht hingewiesen wor- 
den, und ich muss, auf eigene Beobachtungen gestützt, mich 
denselben anschliessen, und glaube es nicht stai*k genug be- 
tonen zu können, dass luvieäen dX^ NQ\\v&^«Adi% ^dbokcbmir 



Insertion des Nabelstranges. 347 

sogar bei reichlich gefüllter Fruchtblase comprimirt werden 
kann. Diese Thatsache fordert gewiss dringend dazu auf, 
dass die Auscultation, durch welche allein sicherer Aufschluss 
über das Vorhandensein der Nabelschnurcoinpression zu er- 
langen ist, sorgfaltig bei Vorliegen deP Nabelschnur angewen- 
det wird. 

Das Ereigniss, dass, wenn durch Insertio funic. umb. 
velamentosa Vorliegen und Vorfall der Nabelschnur veran- 
lasst ist, bei dem Eihautrisse Gefässe in den Eihäuten zerris- 
sen werden (vergl. die Beobachtung von Meyer und die 
Beobachtung von Chiari, Braun und Späth 1. c. p. 85.), 
und dadurch ein Blutfluss hervorgerufen wird, darf hier nicht 
unerwähnt gelassen werden. Die nachtheilige Wirkung eines 
solchen Ereignisses werden wir jiedoch erst später besprechen. 

Mein Vater (7. Ch. Hüter (1. c.) hat, wenn die in den 
Eihäuten verlaufenden Gelasse in dem Muttermunde gefühlt 
werden, die Bezeichnung „Vorliegen der Nabelschnurgefasse, 
vasa funiculi umbilicalis praevia'' gewählt. Wenn dieser pa- 
thologische Zustand beobachtet wird, so steigern sich die be- 
reits erwähnten Gefahren für das Kind bedeutend. Es kann 
nämlich eine Compression der in dem Muttermunde zu füh- 
lenden Gefässe viel leichter stattfinden, als wenn dieselben 
ausser dem Bereiche desselben gelagert sind. Wo die Na- 
belschnurgefasse verlaufen, ist die Nabelschnur sicher auch 
nicht fern, ja sie* muss unter diesen Umständen in dem un- 
teren Segmente des Uterus gelagert sein, weshalb die Mög- 
lichkeit der Compression auf dieser unter der Geburt nicht 
zu bestreiten ist. Zu diesen das Leben des Kindes so sehr 
gefährdenden Zuständen kommt nun noch bei Vorliegen der 
Nabelschnurgefässe eine neue Gefahr, welche darin besteht, 
dass bei dem Blasensprunge zugleich mit dem Risse der Ei- 
häute eines oder mehrere Gefösse zerrissen werden können 
(vergl. die Beobachtungen von Rtcker, Hüter und Hecker). 
Es wird dieses Ereigniss zunächst einen Blutfluss aus den 
Geschlechtstheilen der Mutter zu Folge haben. Weil das 
abgehende Blut aus dem fötalen Kreislaufe stammt, so wird 
die Gebärende nicht afßcirt werden. Dagegen muss das Kind, 
wenn die Blutmenge einige Unzen beträgt, in einftKv \ÄftfeBt 
oder weniger anämischen Zustand veTseUV. vJ^tÄftix. ^>» ^ 



348 ^I^* HiUer, Die velamentÖBe 

nahrung des Kindes wird dadurch gestört, und es ist dann 
leicht zu erklären, dass bei dem Kinde das Bedörfniss zu 
athmen rege wird. Dasselbe kann, weil unter der Geburt 
keine Luft, sondern nur Fruchtwasser, Meconium, Geburts- 
schleim und Blut aspirift werden kann, unmöglich befriedigt 
werden, und so wird unter Fortdauer des anämischen Zu- 
standes das Kind asphyktisch absterben. Es ist dieser Vor- 
gang sehr exact durch die Beobachtung von Hecker (L c) 
bewiesen worden, indem bei der Obduction der Kindesleiche 
zugleich mit den Erscheinungen der Anämie auch die der 
Asphyxie gefunden wurden. 

Weshalb in dem Falle von Benkiser und in der einen 
Beobachtung yon Chiari, Braun und Späth bei der Section 
die anämischen Erscheinungen allein erwähnt sind, mag daher 
kommen, dass man die Zeichen der vorzeitig stattgehabten 
Respiration übersehen hat. 

In den Beobachtungen von Ricker^ Hüter und Hecker 
ist angeführt, dass die Blutung einige Zeit nach dem Blasen- 
sprunge von selbst aufhörte. Das Stillestehen derselben kann 
nur so erklärt werden, dass der tiefer rückende Kopf die 
zerrissenen Gefässe gegen die Uterinwand andruckte und auf 
diese Weise eine taraponartige Wirkung ausübte. 

Wenn nun zwar hierdurch die dem Kinde nachtheilige 
Blutung gestillt wird; so bringt es sich aber auch zugleich 
in eine neue Gefahr, indem numlich mit den zerrissenen Ge- 
fassen gleichzeitig die nicht zerrissenen in den Eihäuten ver- 
laufenden Gefässe gegen die Gebärmutterwand angedrückt 
werden, und somit dem Kinde die Nahrungsquelle ver- 
schlossen wird. Da diese Cumpression der Gefässe in der 
ganzen'Austreibungsperiode ununterbrochen fortdauert, so muss 
das kindliche Leben schon bei einer massig langen Dauer dersel- 
ben asphyktisch zu Grunde gehen. Ich will hier daran erinnern, 
dass Ricker ^ Hüter und Hecker von «ler Geburt todter Kinder 
berichten. Wenn nur ein Zweig der Umbilicalvene oder einer 
Umbilicalarterie verletzt ist; wenn ferner der Kopf durch die 
Wehen begünstigt, rasch tiefer rückt, so wird die Blutung so 
gering sein, dass ein anämischer Zustand bei dem Kinde 
nicht vorkommt. Es wird denmach auch ohne die geringste 
AfiCwirkung von Anämie Awvdv d[\& C^k^kv^^u^a der Nabel- 



Insertion de» NabeUtranges. 349 

schnurgefösse allein die Asphyxie des Kindes eintreten kön- 
nen. Zugleich ist aber nicht in 'Abrede zu stellen, dass, 
wenn ein anämischer Zustand des Kindes eingetreten ist, zu 
Folge desselben die Asphyxie beginnt - und durch die nach- 
folgende Compression der Gefüsse zum Nachtheil des Kindes 
vermehrt wird. Ich glaube die Vermuthung aufstellen zu 
' dürfen, dass dieser Vorgang in den meisten hierher gehörigen 
Fällen vorhanden ist. 

Wenn die Austreibuugsperiode von kurzer Dauer ist, 
und daher iiie Compression sowohl der zerrissenen als auch 
der nicht zerrissenen Nabelschnurgefässe nicht lange statt hat, 
so wird das Kind in einem mehr oder weniger asphyktisclien 
Zustande natürlich geboren, und kann je nach dem Grade 
der Asphyxie durch geeignete Mittel wieder belebt werden. 
Bei sorgfältiger Ucberwachung des Fötalpulses mag durch ^ 
einen zeitigen operativen Eingriff das Kind unter solchen 
Verhältnissen öfters am Leben erhalten werden. 

Alle die erwähnten, das Leben des Kindes bedrohenden 
Gefahren müssen vermehrt werden, wenn zu dem Vorliegen 
der Nabelschnurgefässe noch das Vorliegen und Vorfallen der 
Nabelschnur (vergl. Benkiser's ßeobachtung) hinzukommt, 
und wenn gleichzeitig niit den eben genannten Anomalien die 
velaroentöse Nabelschnurinsertion in dem Segmente der Ei- 
häute, welches in dem Muttermunde liegt, gefühlt wird (vergl. 
den von mir beschriebenen Fall). 

Die Diagnose der velamentösen Nabelschnurinsertion 
wird, wenn die Gefasse entfernt von dem Muttermunde ver- 
laufen, während der Geburt des Kindes nicht möglich sein. 
Erst nach dem Abgange der Nachgeburt wird man von der 
anomalen Nabelschnurinsertion Kenntniss erhalten. 

Vy^enn während der Geburt bei der Auscultation eine 
deutlieh zunehmende, von den Wehen unabhängige Vermin- 
derung der Frequenz des Fötalpulses wahrgenommen wird, 
80 ist keine andere Erklärung dieses Ereignisses zulässig als 
die, dass entweder die Nabelschnur oder Nabelschnurgefässe, 
welche in dem Chorion verlaufen, comprimirt werden. Weil 
die CempressioH der Nabelschnur häufiger vorkommt, als die 
Compression der Nabelschnurgefässe, so wird man Ursache. 
halben , in dem vorliegenden Falle die «aV^t^ voi ^«stnöäcä^^ 



350 XIX. HUter, Die velameiitöfle 

ohne aber die Möglichkeit der lelzteron auszuschliedsen. Unter 
welchen Bedingungen die Compression der Nabelschnurgefasse 
statt hat, ist oben angegeben worden. 

Es wurde nur zu einer Wiederholung von bereits be- 
kannten Thatsachen führen, wenn hier über die Diagnose 
der vorliegenden oder vorgefallenen Nabelschnur gebandelt 
wurde. Für unsere Zwecke genügt es, wenn wir aunebmen, 
dass das Vorliegen oder Vorgefallensein derselben diagnosti- 
cirt ist. Bei der Reflexion über die Ursache dieses patho- 
logischen Ereignisses darf gewiss nicht die Möglichkeit, dass 
die Nabelschnur velamentös inserirt, und die Insertionsstelle 
in der Nähe des Muttermundes gelegen sein könne, ausser 
Betracht bleiben. Gewissheit darüber, ob das Vorliegen oder 
Vorgefallensein der Nabelschnur durch velamentöse Nabd- 
. schnurinsertion veranlasst ist oder nicht, wird man erst dann 
erhalten, wenn nian bei dem Versuche, die Nabelschnur zu repo- 
niren, die Insertionsstelle fühlt, oder wenn mau die abgegan- 
gene Nachgeburt besichtigt. 

Tritt in der Eröflhungsperiode bei einer Gebärenden ein 
Blutfluss ein^ so wird derselbe meist durrii die in der Nähe 
des Muttermundes sitzende Placenta veranlasst sein. In der 
Regel ist es möglich, den am tiefsten sitzenden Cotyledo 
durch das Gefühl zu unterscheiden. War dies nicht gelun- 
gen, oder hat man unterlassen darnach zu forschen, so wird 
man durch die Betrachtung der Nachgeburt über den Sitz 
der Placenta sichere Kunde erlangeu. Hat dieselbe nicht 
weit von dem Muttermunde ihre Anheilungsstelle gehabt, so 
wird der Eihautriss nahe dem Placentarrande oder an diesem 
selbst sein. Je weiter die Placenta von dem Muttermunde 
entfernt angeheftet war, um so grösser wird die Entfernung 
des Eihautrisses von dem Rande der Placenta sein. 

In den Geburtsgeschichten von Met/er^ Ohiari, Braun 
und Späth (1. c. p. 85.) ist von einem Blutflusse berichtet 
worden, welcher zugleich mit oder unmittelbar nach dem 
Blasensprunge eingetreten ist. Vermag man in dem gegebe- 
nen Falle das Vorhandensein des tiefen Placentensitzes aus- 
ziischJiessen , und liegen keiue Grunde vor, ein vorzeitiges 
Ablösen der normal augeteftÄVetv VU^WVä ^\a>\\»s3uaiAici> %ä 
mu88 man durch die m\t. demB\«LaetÄV^\H^%^ vävx^XäxA^Vööääd^ 



Insertion des Nabelstranges. 351 

ZU der Vermuthung gelangen, dass durch den Eihautriss zu- 
gleich ein oder mehrere in den Eihäuten verlaufende Nabel-^ 
schnurgef^sse, welche nicht in dem Muttermunde zu ffihien 
waren, zerrissen sind, und hierin die Quelle der eingetrete- 
nen Blutung zu suchen ist. 

Weil schon ein Blutverlust von einigen Unzen, wenn er 
aus dem fötalen Kreislaufe stammt, für das Kind höchst nach- 
tlieilig ist, so muss der Geburlshelfer mit grosser Sorgfalt 
der Auscultation obliegen. Eine von den Wehen unabhän- 
gige andauernde Veränderung in der Frequenz des Fötal- 
pulses, mag nun, wie es meist beobachtet wird, ein Herab- 
sinken unter die Normalfrequenz oder ein Steigen über die- 
selbe wahrzunehmen sein, manifestum immer einen asphyk- 
tischen Zustand des Kindes. Die anderen Zeichen der As- 
phyxie, z. B. der Abgang von Meconium u. s. w. werden dann 
nicht ausbleiben. Das Seltnerwerden des Fötalpulses und das 
Aufhören desselben deutet mit Sicherheit darauf hin, dass das 
kindliche Leben erloschen ist. Bei quantitativ unbedeutendem 
Blutflusse mag die Frequenz des Fötalpulses allmälig zu der 
normalen wieder zurückkehren oder derselben sich wenig- 
stens näheren, woraus in diagnostischer Beziehung zu folgern 
ist, dass das Kind sich wieder erholt. 

Tritt selbst bei geringem Blutflusse die günstige Umän- 
derung in der Frequenz des Fötalpulses nicht ein, sinkt die- 
selbe trotzdem, dass kein Tropfen Blut mehr abgeht, immer 
mehr, so wird man veranlasst sein, zunächst an Nabelschnur- 
druck zu denken. Jedoch in Rücksicht darauf, dass der Blut- 
fluss mit dem Blasensprunge eingetreten ist und nicht lange 
andauerte, wird man zu der Ansicht gelangen, dass Nabel* 
schnurgefässe zerrissen sind und diese sowohl wie die nicht 
zerrissenen von dem Kopfe des Kindes gegen die Uterinwand 
angedrückt werden. Die Bestätigung dieser Diagnose hängt 
freilich von dem Ende der Geburt ab. Bei dem Kinde, wenn 
es noch lebt, hat man den asphyktischen Zustand zu berück- 
sichtigen und nach den Symptomen der Anämie zu forschen. 
Ist das Kind todt, so wird man bei der Section nach den 
Zeichen der Asphyxie und Anämie zu suchen haben. Den 
wichtigsten Aufschluss wird aber in diagno&tUcl\«c ^^ix^Vssbcs^ 
die Besicbiigang der Nachgeburt Ueteru. 



352 ^IX- Hüter, Die velameDtöse 

Ungleich schwieriger würde man in dem Falle zu einer 
richtigen diagnostischen Vermuthung gelangen, wenn Blutfluss 
in Folge von tiefem Placentensitz und in Folge von Zerreis- 
sung der Nahelschnurgefusse eintritt. 

Wenn die in dem Chorion verlaufenden Gefö&se voriie* 
gen, d. h. in dem Segmente der Eihäute, welche in dem Mut- 
termunde liegen, gefühlt werden, so ist die Diagnose in deo 
veröffentlichten Fällen (vergl. Ricker's, Hüters's, Hecker% 
Benkisßr's und den von mir beschriebenen Fall) bisher 
immer richtig gestellt worden. Es mag jedoch nicht immer 
leicht sein, die betreffende Anomalie zu erkennen. Hein Vater 
hat (1. c.) schon darauf aufmerksam gemacht, indem er schreibt: 
,, Auffallend rauhe Eihäute würden nur für den ungeübten 
Untersucher zu einer Verwechselung mit dem hier betrach- 
teten Fehler Veranlassung geben können. Femer könnte ein 
Vorliegen des Nabelstranges selbst mit dem Vorliegen ein- 
zelner Gefösse desselben verwechselt werden. Allein der in 
den Eihäuten liegende Nabelstrang ist in denselben mittcjs 
der Finger zu verschieben; die in den Eihäuten verlaufenden 
Gefasse lassen sich nur mit den Eihäuten verschieben, wobei 
dieselben gewöhnlich zerreissen. Fst der Nabelstrang nach dem 
Bersten der Fruchtblase unmittelbar zu fühlen, so kann eine 
Verwechselung mit diesem Fehler der Nabelstranggefasse nicht 
sUttfinden/' 

Wenn man unter der Geburt an den in dem Mutter- 
munde liegenden Eihäuten einen pulsirenden Strang, der in 
dem Fruchtwasser nicht verschiebbar ist, fühlt, so ist die 
Diagnose, dass Nabelschnurgefasse vorliegen, absolut sicher. 
Es wird bei dem Vorhandensein dieser Anomalie nicht inuner 
gelingen, die Pulsation eines Gefässes wahrzunehmen, es kön- 
nen vielmehr nur ein oder mehrere Aeste der Nabelvene, 
welche keine Pulsation darbietet, gefühlt werden. Diese wer- 
den aber immer so stark sein, dass sie dem fühlenden Fin- 
ger nicht entgehen werden. Wenn die Nabelschnurgefasse 
und die Nabelschnur zugleich vorliegen (vergL den von j8en- 
kiser und den von mir beschriebenen Fall), so wird man 
wahrscheinlich die Nabelschnur zuerst auffinden und bei ge- 
nauerer Untersuchung auch die Gefasse entdecken. Der sehr 
he liegende Grund Vue^ür \&\. ^<et^ <\%s& ^^ Mabeisefanur 



Insertion des Nabelstranges. 353 

viel dicker als ein einzelnes Gefass ist, und daher leichter 
als dieses unter den Finger kommt. In dem von Benkiser 
beschriebenen Falle scheint jedoch zuerst das Vorliegen der 
Nabelscbnurgefasse und dann das der Nabelschnur diagnosti- 
cirl zu sein. In dem von mir bcscliriebenen Falle nahm ich 
zunächst beim Andrücken der Eihäute gegen den vorliegen- 
den Kopf Pulsation an einem in diesen verlaufenden Strang 
wahr. Derselbe war so dünn, dass er unmöglich für die 
Nabelschnur gehallen werden konnte. Die sorgfältig ange* 
stellte Untersuchung lieferte 'dann den Befund, welcher in 
der Gehurtsgeschichte angegeben ist. 

Prognose. Für die Gebärende wird die velamentöse 
Nabelsdinurinsertion keinen Nacbtheil bringen. Es müsste 
denn durch eine Complication z. B. durch tiefen Sitz der 
Placenta eine Metrorrhagie veranlasst werden, oder durch eine 
etwa erforderliche geburtsbülf liehe Operation eine Verletzung 
der mütterlichen Geschlechtstheile oder sonst ein Nachtheil 
verursacht werden. Dass die Prognose in solchen Fällen von 
losertio funic. umb. velamentosa, in welchen die Nabelscbnur- 
gefasse entfernt von dem Muttermunde verlaufen, für das Kind 
günstig ist, wurde oben schon mitgetlieilt. Zugleich wurde 
darauf hingewiesen, dass das Absterben der Kinder durch 
Compression der nicht weit von dem Muttermunde verlaufen- 
den Nabelscbnurgefasse zwar bis jetzt noch nicht erwiesen, 
aber doch für möglich zu halten ist. 

War in Folge von Insertio funiculi umbilicalis velamen- 
tosa die Nabelschnur zum Vorliegen und Vorfallen gekommen, 
so ist, wie aus den mitgetheilten Geburtsgeschichten hervor- 
geht, bisher nur ein Kind lebend geboren worden (vergl. 
CJuari, Braun und Späth 1. c. p. 93.). Waren die Na- 
belscbnurgefasse zugleich mit oder ohne die Nabelschnur in 
dem Muttermunde zu fühlen, so ist, abgesehen von dem von 
mir beschriebenen Falle, noch kein Kind lebend geboren wor- 
den. Man wird daher die Prognose für die Kinder in sol- 
chen Fällen als sehr schlecht bezeichnen müssen. Weshalb 
das Leben der Kinder durch Insertio funiculi umbilicalis ve- 
lamentosa so sehr gefalirdet ist, wurde oben ausführlich er- 
örtert Es muss bei diesem ungünstigen Geburtsresultate für 
die Kinder jedoch berücksichtigt werden , <\ä§>?» vftasvOafc ''S^v^ 

MonmUBcbr. f. Qeburttk. 1866. Bd. XXVUl,,Utt,6. ^^Ä 



354 XI^- Hüter, Die veUmentSBe 

z. B. einige von Chtari, Braun und Späth zur Beobach- 
tung kamen, als die Kinder bereits abgestorben waren. In 
anderen Fällen war zu wenig Fleiss auf die Ausouhation ver- 
wendet worden. Hätte man den Fotalpuls gehörig überwache^ 
so würde bei einer solchen nachweisbaren Veränderung dem- 
selben, zufolge deren man einai asphyktischen Zustand des 
Kindes sicher annehmen muss, durch eine zeitig Torgeiioni- 
mene Operation das eine oder das andere Kind gerettet wor- 
den sein. 

Therapie. Wenn der Gebnrtsverlauf ein solcher ist; 
dass man das Vorhandensein der Ins. f. umb. velam. zu ver- 
muthen durchaus keinen Grund hat, wenn nämlich die Na- 
belschnurgefässe ausser dem Bereiche des Muttermundes und 
fem von dem Eihautrisse in dem Chorion verlaufen, wenn die 
Nabelschnur nicht vorliegt und nicht vollgefallen ist, so wird 
selbstverständlich von einer Therapie bei sonst normalem 
Geburtsverlaufe nicht die Rede sein. Nicht unmöglich wäre 
es, dass man bei einer auszuföhrenden Wendung mit der 
zwischen den Eihäuten und der Uterinwand eingefiilulen Hand 
Gefasse in den Eihäuten verlaufen Hihlte. Unter diesen Um- 
ständen würde man den Blasensprung an einer von Gelassen 
freien Stelle vornehmen müssen. 

Wenn unter der Geburt eine von den Wehen unabhän- 
gige Abnahme der Frequenz des Fötalpulses, welche auf eine 
Compression der Nabelschnur oder der Nabelschnurgefasse 
schliessen lässt, beobachtet wird, so hat man durch Lage- 
veränderung der Gebärenden zu versuchen, die Compression 
zu beseitigen. Die Rückkehr der normalen Frequenz des Fö- 
talpulses wird davon Kunde geben, dass dies gelungen ist. 
Ein strenges Ueberwachon desselben wird während des gan- 
zen Geburtsverlaufes nöthig sein. 

Verharrt dagegen trotz der Lageveränderung der Gebä- 
renden der Fötalpuls in seiner pathologisch veränderten Fre- 
quenz, so muss man jedenfalls das Fruchtwasser, welches 
wenigstens die Compression abschwächt, möglichst lange er- 
halten. Ein vorzeitiges Operiren, nämlich Blasejisprengen, 
Wenden auf die Füss^ UT\d Ausziehen an denselben bei noch 
wenig eröflVietem MandermuwAe, tÄm% >Nfe^««v ^ ^^'wwwi,- 
keh, eine solche Operaüou tä^cV xw n^AVxA^w. ^\fe^Ä^, 



« Infertion des Nabelstranges. 355 

in welcher das Kind schwebt, nur vermehren, und ist daher 
zu untei'lassen. Ein mehi* exspectaüves Verfaluen wird dalier 
dem Kinde nuUlicher sein, und man wird sich nur unter 
günstigen Bedinguqgen, wenn der Muttermund rctrahirt ist, 
wenn der Kopf im Becken steht, wenn man überhaupt sicher 
ist, die Operation rascli zu beenden, zur Zangenoperatioii ent- 
scidiessen dürfen. Eine unter ungünstigen Bedingungen un- 
ternommene und deshalb zu lange dauernde Zangenoperation 
würde für das Kjnd ebenso nachtheilig sein, als das vorher 
ejTw^hQte Operationsyei:fahren. 

Auch bei der sorgfältigsten Behandlung mag es manch- 
mal nicht, gelingen, das Kind zu retten, ja unter ungünstigen 
Bedingungen, wenn das Frucbtwa^er zu früh abgeht und der 
Mattermund sich nur langsam eröffnet, wird man das Kind 
absterben sehen, ohne operativ einschreiten zu dürfen. 

Ich bin mir bewusst, in den eben gegebenen therapeu- 
tischen Vorschriften nichts Neues geliefert zu haben, uud ich 
liahe sie hier nur wiedergegelien, um nicht lückenhaft zu er- 
scheinen. 

Ist in Folge von Insertio funiculi umbilicalis velamen- 
tosa die Nabelschnur zum VorUegen und Vorfallen gekommen, 
so wird man das für dieses pathologische Ereigniss aligemein 
gültige therapeutische Verfahren zu befolgen haben. So lange 
die. Blase noch steht und demnach ein Vorliegen der Nabel- 
schnur vorhanden ist, wird man nicht sicher wissen können, 
dass die Nabelschnur zu Folge der in der Nähe des Mutter- 
mundes gelegenen Insertio funiculi umbilicalis velamentosa 
voürliegt,. und erst bei dem Versuche der Beposition , welche 
unmöglicii gelingen kann, wird man die anomale Insertion 
der Nabelschnur kennen lernen. Der Bepositionsversuch der 
Nabelschnur nach dem Blasensprunge wird ebenso mislingen, 
und. man wird daher zu einem anderen therapeutischen Ver- 
fahren greifen müssen. Schleunige Extraction des Kindes 
kann in einem solchen Falle aliein nützen. Ob man die Zange 
oder die Wendung auf die Füsse tmd die Extraction an der- 
selben zu wählen hat, das braucht wohl hier nicht näher er- 
örtert, zu werden. 

Vdber das einzuschlagende Ü\eva|ke\x\AS»da^ N «k\^>x^^ ^^"^ 
Vorliegen der iVahe/scbiuirgefas^e hat mau ^\c\\ Vv^ V^va ^^^"^ 



*2:i 



•» 



356 ^I^- HiUery Die Telamentöte 

nicht einigen können. In den drei hierher gehörigen Beob- 
achtungen von Ricker ^ Hüter und Becker ist von einer 
eigentlichen Behandlung während des Geburtsverlaofes niclit 
die Rede. Man hat einem mehr exspectativen Verfahren ge- 
huldigt, zu Folge dessen in allen drei Fällen todle Rinder 
geboren wurden. Die therapeutischen Vorschläge, welche bis- 
her gemacht wurden, sind sehr verschieden. 

Ricker (1. c. p. 515.) schlagt vor, „einen verletzten Ge- 
(assast, vorausgesetzt, dass die Stelle der Verletzung ermit- 
telt und erreicht werden könnte, mittels einer gestielten 
Aneurisma-Nadel doppelt zu unterbinden*^ 

Mein Vater C. Ch. Hüter (1. c.) rätli, dass man, um 
den Druck des vorliegenden Kindestheils auf die Gefasse zu 
vermeiden, die Fruchtblase möglichst zu erhalten sucht. Za 
dem Zwecke ist ein ruhiges Verhalt^ und die Seitenlage der 
Gebärenden anzuordnen und man verbietet das Verarbeiten 
der V\^ehen. Ist das W^asser zu früh abgeflossen, so soll 
man dasselbe Verhalten der Gebärenden anordnen. Bemerkt 
man ein Anschwellen eines vorliegenden Gelasses während 
und ausser der W^ehe, so soll man, um diesen gefahrlichen 
Druck zu vermeiden, die Reposition der Eihäute mit den in 
ihnen verlaufenden Gelassen vornehmen. Wird die Reposition 
bei nachstehender Blase nöthig, so soll diese an einer von 
den Gelassen freien Stelle vorher gesprengt werden. Bei 
Mislingen dieser Reposition soll die Geburt schnell künstlich 
beendet werden. Um der dem Kinde durch Zerreissen eines 
oder mehrerer Gefasse gefahrlichen Blutung Einhalt zu thun, 
soll die schleunige Vollendung der Geburt durch Kunsthülfe 
vorgenommen werden. Dabei wird davor gewarnt, dass man 
die in den Eihäuten verlaufenden Gefasse mit der Zange 
milfasst. Bei einer etwa nöthigen Wendung auf die Ffisse 
soll man den Blasensprung entfernt von den vorliegenden Ge- 
fässen ausführen. 

Scanzoni (Lehrb. der Geburtsh. Wien 1855. S. 693.) 
räth, dass man, um der Zerreissung der Gefasse am zweck- 
mässigsten vorzubeugen, die springfertige Blase künstlich 
sprengt, dabei aber die Vorsicht beobachtet, die Rissöfltaung 
an einer von den Gelassen entfernten Stelle anzulegen und 



Xnaertion des Nabelsiraoget. 357 

sie mittels des Fingers in einer dem Verlaufe der Gefäs^e 
entgegengesetzten Richtung zu erweitern. 

Hohl (Lehrbuch d. Geb. Leipzig 1855. p. 840) wider- 
spricht diesem Rathe, weil, wenn man die sprungfertige. Blase 
öffnet, das Fruchtwasser hervorsturzt und die Eihäute sich 
die Richtung der Zerreissung so wenig als die Grenze vor- 
schreiben lassen, und ausserdem die Zerreissung eines Astes 
der Vena umbilic. auch erst nach dem Blasensprunge durch 
den herabtretenden Kopf bewirkt werden kann. Hohl will 
daher die Eihäute möglichst lange erhalten. 

Alle die genannten therapeutischen Vorschläge entbehren 
der wichtigsten Grundlage, nämlich der vorangestellten Indi- 
cationen. Es ist oben ausfuhrlich erörtert worden, dass dem 
Kinde sowohl durch den Blutfluss, welcher aus einem oder 
mehreren bei dem Blasensprungc zerrissenen Gelassen stammt, 
als auch durch die Compression der Nabelschnurgefasse Gefahr 
droht. Hieraus ergeben sich die beiden Indicatiooen : 1) dem 
Blutflusse Einhalt zu thun , und 2) die Compression der Nabel- 
schnurgefasse zu beseitigen. Die erste Indication kommt, so 
lange die Blase noch steht, nicht in Betracht Die Compres- 
sion der Nabelschnurgefasse mag in seltenen Fällen schon 
vor dem Blasensprunge eintreten können. Von derselben er- 
halten wir bekanntlich Kunde durch die Veränderung in der 
Frequenz des Fötalpulses, weshalb die genaue Ueberwachung 
dieses als unerlässliches Erforderniss gilt. Gegen die nach- 
theilige Compression der Nabelschnurgefasse sucht man das 
Kind zunächst durch Lageveränderung der Gebärenden zu 
schätzen. Wehn bei einem solchen Verfaliren der Fötalpuls 
zu seiner früheren Frequenz zurückgekehrt, so haben wir 
einen gunstigen Effect erzielt. Muss man dagegen bei dieser 
Behandlung aus der andauernd verminderten Frequenz des 
Fötalpulses auf die Fortdauer der Compression der Nabel- 
schnurgefasse schliessen , so wird das Kind aus der Gefahr, 
in welcher es schwebt, nur durch eine rasche Extraction 
mittels der Zange gerettet werden. Fehlen die Bedingungen 
zu einer solchen Operation, ist nämlich der Muttermund noch 
nicht gehörig erweitert und steht der Kopf noch über dem 
Becken, verharre man so lange exspectativ, bis man Ausslclil 
bat, mit der Extraction schnell fertig lu y^ex^CÄ- \s«s%<^^w 



358 ^IX. Hüter, Die yelameiitSte 

muss der künstliche Blasensprung, wenn dieser nicht inzwi- 
schen natiirh'ch erfolgte, vorangehen. Man sucht die Eihfiiite 
an einer von Gefassen freien Stelle zu zerreissen. Ob es 
dadurch gelingt, die Richtung des Risses ganz von den Ge- 
fassen fern zu halten, wird man au dem Fehlen des Blut- 
fiusses wahrnehmen können. Ist ein Gefass beim Eihaiitrisse 
verletzt, so wird Blutung eintreten. Wenn man rasch die Zange 
anlegt und extrahirt, so kann der Blutfluss quantitativ nicht 
bedeutend werden. Um der Gefalir, die Eihäute und die in 
ihnen verlaufenden Gefasse mit der Zange mit zu fassen, zu 
entgehen, wird man sich mit den ZangenlöfTeln stets unmit- 
telbar an den Kopf halten müssen. Bei Erstgebärenden kann 
man die Zangenoperation durch die Episiotomie bedeutend 
abkürzen. 

So lange vor dem Blasensprunge die Frequenz des F6- 
talpulses normal bleibt, und demnach die Compression der ' 
Nabelschnurgefasse nicht vorhanden ist, wird man sich in 
therapeutischer Beziehung darauf zu beschränken haben, den 
Fötalpuls genau zu überwachen. Ist die " Blase springfertig 
geworden, so wird die Frage zu entscheiden sein, ob man 
die Blase künstlich sprengen d. h. so sprengen soll, dass 
keine Gefasse verletzt werden, oder ob man den natürlichen 
Blasensprung erwarten soll. Ich glaube, mich für das Letz- 
tere entscheiden zu müssen, weil man, wie Hohl richtig 
sagt, bei der besten Absicht, den Eihautriss von den Geis- 
sen künstlich abzuhalten, die Richtung desselben nicht in sei- 
ner Gewalt hat. Sobald der Eihautriss eingetreten ist, wird 
man darauf zu achten haben, ob und wie viel Blut abgebt. 
Schwerlich wird bei vorliegenden Nabelschnurgefassen der Ei- 
hautriss unblutig ablaufen, in den vorliegenden Fällen fand 
wenigstens Blutung statt. Daher mag es als Ausnahmefall 
betrachtet werden, wenn der Riss der Eihäute die Gefasse 
unverletzt lässt. 

Da der Abgang von einigen Unzen Blut; welches aus 

dem fötalen Kreislaufe stammt, dem Kinde gefahrlich werden 

muss, so ist die Aufgabe zu lösen, wie eine solche Blutung 

zu stillen, oder wcmgsVeu^ \^\t ^^% ^\Vkd ^luschädlidi zu 

machen ist. Den abcnleue\\\d[v^T\Nw^t\^Ä^ ^wi^lcÄMfr^ ^tä 

Wütende Gefäss zu unlerVmAeu, ^\t^ tti^^ ^^^^ ^^^^ ^ 



XnsortioD der NabelstraDges. 359 

Schwierigkeit der Unterbindung und dann auch aus dem 
Grunde nicht befolgen können, weil die Unterbindung eines 
nur etwas bedeutenden Gefässes der Nabelvene oder einer 
Nabelarterie eine noch nachtheiUgere Störung des fötalen 
Kreislaufes mit sich bringen würde, als die Blutung an sich 
schon veranlasst. 

Wenn nicht der mit den Wehen tiefer rückende Kopf 
das blutende Gefass gegen die Uterinwand andrückt und so 
den Blutfluss stillt, so kann das Kind anämisch werden und 
in Folge dessen abstarben. Die Menge des abgehenden Blutes 
und die Veränderungen in der Frequenz des Fötalpulses wer- 
den die Gefahr, in welcher das Kind schwebt, deutlich genug 
verkünden und zu einer möglichst raschen Extraction auf- 
fordern. Sind die Bedingungen günstig für die Operation 
mit der Zange, so eile man mit der Ausführung dieser, wenn 
nicht, so wende man auf die Füsse und extrahire so rasch, 
als es möglich ist^ an denselben. 

Kommt die Blutung durch den herabrückenden Kopf so- 
bald zum Schweigen, dass die abgegangene Blutmenge über 
eine bis zwei Unzen nicht hinausgeht, so wird dem Kinde 
vorläufig kein Nachtheil daraus erwachsen, und man hat sicli 
daher jedes operativen JEingriifs zu enthalten. Nichtsdesto- 
weniger auscidtire man von jetzt an sehr fleissig , weil der Kopf 
nicht nur das oder die blutenden Gefässe, sondern auch die 
anderen Nabelschnurgefässe comprimiren kann. Die Aende- 
rung ifi der Frequenz des Fötalpulses wird uns vorzugsweise 
Kunde hiervon geben und dazu auffordern; das Kind durch 
eine rechtzeitige Zangenoperation aus seiner gefahrlichen Lage 
zu erlösen. 

Wenn zu dem Vorliegen der Nabelschnurgefässe noch 
das Vorliegen der Nabelschnur, und sogar das Vorliegen der 
Nabelschnurinsertion hinzukommt, durch welche Zustände die 
Gefahr, in welcher das Kind unter der Geburt schwebt, be- 
deutend vermehrt wird, so kann nur eine zeitgemässe Ex- 
traction des Kindes, sei es durch die Zange, sei es durch 
die Wendung auf die Füsse und Extraction an denselben von 
Nutzen sein. Die sorgfältig geleitete Ueb^tNs^tVvxÄv^ ^^'s. ^ vs- 
talpulses Jässt uns genau wissen, ob 4\e 0)j««^Näöw n^\ ^\«^ 
nach dem Blasenaprunge vorzunehmen \^\.. ^s»V ^'s» v^^'s^vv^SäX^ 



360 XI^« Hüter, Die velamentöse Insertion des NabelstrangeA« 

dass man möglichst lange exspectativ verfahren kann» so wird 
die Extraction wesentlich erleichtert, und dadurch vielmehr 
Aussicht gewonnen, das kindliche Leben zu erhalten. 

Es ist wohl kaum nöthig, besonders zu erwähnen, dass 
man bei der in Rede stehenden Anomalie der Insertio funi- 
culi umbilicalis velamentosa nur unter den günstigsten Bedin- 
gungen lebensfrische, häufiger todte, sterbende und mehr oder 
weniger asphyktische Rinder zur Welt kommen sieht. Zur 
rationellen Behandlung der asphyktisch geborenen Kinder habe 
ich (Monatsschr. f. Gebk. Bd. XXL 1863. S. 123.) ein Ver- 
fahren angegeben, welches, so weit ich aus den zufolge mei- 
ner Arbeit erschienenen Abhandlungen schliessen darf, nidit 
unbeachtet geblieben ist Ich gestehe, dass ich nicht ohne 
Befriedigung die Abhandlungen: 

1) Pernice: Ueber den Scheintod der Neugeborenen und 

dessen Behandlung durch electr. Reizungen. Greifs- 
walder med. Beiträge. IL 1. 1863. 

2) Kosters: Over den schijndood van pasgeborenen en 

zijne bchandeling. Leiden 1864. 

3) Olshausen: Die Behandlung scheintodter Neugeborner. 

Deutsche Klinik 1864. Nr, 36. 

4) Spiegelberg : Zur Behandlung des Scheintodes der Neu- 

gebprenen. Würzburger med. Zeitschr. 1864. Bd. V. 
S. 150. 

5) Stempelmann: Diss. inaug. Aeris injectio in neonato- 

rum asphycticorum pulmones utrum ad vitam servan- 
dam commodum alferat, nee ne. Berolini 1865. 

6) Seydel: Beilrag zur Behandlung des Scheintodes der 

Neugeborenen. Monatsschr. f. Gebk. Bd. XXVI. 1865. 
p. 284. 

7) Schultze: Ueber die beste Methode der Wiederbelebung 

scheintodt geborner Kinder. Jen. Zeitschr. IL 4. 1865. 
kennen gelernt habe. 

Wollte ich hier über die künstliche Respiration bei as- 
phyktisch geborenen Kindern Reflexionen, zu welchen ein sehr 
reiches Material mich berechtigt, anstellen, so würde ich die 
Grenzen der vorliegenden Arbeit weit überschreiten, weshalb 
ich es vorziehe, dieses Thema hier nicht weiter zu berühren. 

Wenn man in der T^Äc\\%dö\xt\&^«m^^ Vv^obsSs» ^\sjlftr- 



XX. VaUnlOy Gebartshälfliöbe Stadien. 361 

nung der Nachgeburt an der Stelle der Nabelschnurinser- 
tion einen Zug und Druck anbringt, so wird man bei In- 
sertio funic. umb. velamentosa durch dieses Verfahren Gefahr 
hufen, die Nabelschnur an der Insertionsstelle abzureissen. 
Aus diesem Grunde ist das von Crede (Monatsschrifl für 
GeburLsk. Bd. XVI. 1860. S. 337. und MonaUschr, f. Gebk. 
Bd. XVII. 1861. S. 274.) mit Recht dringend empfohlene 
Verfahren, mittels des äusserlich auf den Uterus einwirkenden 
Druckes die Nachgeburt aus den Genitalien austreten zu las- 
sen, in allen Fällen anzuratben. 



XX. 

Oeburtshttlfliche Studien 

von 

Prof. Dr. Alois Talenta in Laibach. 

(FortseisuDg.) ^) 

III. üeber den vorzeitigen Fruchtblasensprung*). 

Seit dem Jahre 1821, wo W. J. Schmitt seine Erfah- 
rungen und Ansichten über den Einfluss des vorzeitigen Bla- 
sensprunges veröffentlichte^), wurde dieses Thema meines 
Wissens von keinem Geburlshelfer wissensdiafllich bearbeitet, 
sondern viele Autoren fertigen, wie zu Schmitt'^ Zeiten, auch 
jetzt diesen Zufall in ihrem allfallsigen geburtshulflichen Lehr- 
bucbe mit einigen wenigen eigentlich nichts und doch viel- 
sagenden Worten ab; so geschah es, dass der vorzei- 
tige Blasensprung bis nun zu sehr verschrien ist, und als 



1) 8. Band 25. Heft 8. 

2) Vorgetragen im Vereine der Aerste in Krain. 

3) W, J, <SchmiU: Ueber den frühen Abgang des Fracht- 
waasera und die Furcht vor trockenen GQbuT\.«\i. ^^^\'l. ^li^^x- 
hüeher des kuß. ö^tr. Staates. VI. Bd. 4. ^lii^V.. \%^V« 



362 XX. VaUnta, GeburtshülfUohe Studitn. 

ein sehr unangenehmes folgenreiches Ereigniss geschiUeil und 
demgemäss auch allgemein gefürchtet wird; ob mit Recht? 

— Der Zweck dieser Arbeit soll daher sein, dieses Ereigniss 
auf sein gebührendes Maass zurückzuführen, und zwar sowoid 
wegen seiner Folgen, als ob der ihn hauptsächlich bedingen 
sollenden ursächlichen Momente. 

Das mir zu Gebote stehende Material umfasst 1754 ge- 
nau protocollarisch geführte Geburten, und ich muss gleich 
im Vornhinein erwähnen, dass ich nur jene Geburten als 
solche mit' vorzeitigem Blasensprunge bezeichne, bei welchen 
sich dieser Zufall vor der Erweiterung des Muttermundes 
auf 2^2 Zoll ereignet, denn meine Erfahrung lehrt mich po- 
sitiv, dass der Wasserabfluss als solcher nach 
jenem Momente d. i. bei über 2%" weitem OriL 
ohne jedweden schädlichen Einfluss sei. 

I. Unter 1754 Geburten ereignete sich der vorzeitige 
Blasensprung 425 Mal, somit in 24.2^0 ^^^^ nahezu 
bei jeder vierten Geburt. 

Je grösser die Beobachtungszahl, desto sicherer und be- 
weiskräftiger das statistische Endresultat, daher es hier am 
Platze wäre, einzufügen, dass nach dem im nächsten Auf- 
satze gefundenen Resultate sich unter 2471 Geburten der vor- 
zeitige Blasensprung 580 Mal i. e. bei 23.4 ^/^ ereignete. — 

Unter diesen 1754 Geburten waren 1465 rechtzeitige, 
265 vorzeitige, und 24 Zwillingsgeburten, und unter den 425 
Geburten mit vorzeitigem Blasensprunge waren 358 recht- 
zeitige, 56 vorzeitige und 11 Zwiilingsgeburten , somit stellt 
sich das Verhältniss des vorzeitigen Blasensprunges bei den 
rechtzeitigen Geburten auf 24.5%, bei den vorzeitigen aut 
21.1%, und bei den Zwillingsgeburten auf 45.8% heraus. 

— Der frühzeitige Blasensprung ereignet sich 
demnach bei rechtzeitigen Geburten häufiger als 
bei vorzeitigen, somit scheint die relative Festigkeit der 
Eihüllen mit dem Fortschreiten der Schwangerschaft abzu- 
nehmen, bei Zwillingen ereignet sich dieselbe am 
häufigsten, und ich glaube bereits hier anführen zu müs- 
sen, dass Gemini als ein ursächliches Moment dieses Zufalles 
mit Recht anzusehen seien , und verweise bezüglich des Wei- 
'*»f«q auf . Punkt Xll. 4. 



XX. Vätenta, Gebartshalfifehe Studien. 



863 



' IJF. Von den 1829 Geburten mit rechtzeitigem Blasen- 
spninge betrafen- 710 Primiparae, somit 63.4 ^/y, and 619 
'Multiparae, somit 46.6 7o* — ^^i d^" 425 Geborten mit 
vorzeitigem Blasensprunge betrafen 236 Primiparae, somit 
65.3 7ü und 190 Multiparae, somit 44 J%. Der vorzei- 
tige Blasensprung ereignet sich daher ^häufiger 
bei Erstgebärenden, offenbar verursacht dieses frühere 
Bersten der Eiblase der grössere Widerstand bei der Eröff- 
nung des Muttermundes bei Primiparis. 

Der obige Satz wird auch dadurch bestätigt, wenn man 
die Procente der Geburten mit vorzeitigem Blasensprunge je 
aus der Gesammtzahl der Rrimi- und Multiparae betrachtet, 
welche bei ersteren 33.1 <*/o, bei letzteren 30.7% «rgeben. 

IV. Der allfallsige Einfluss des Lebensalters der 
Mutter auf den Eintritt des Wasserabganges ist 
aus folgender Tabelle I. ersichtlich. 

TabeUe L 

Allgemeine Uebersicht des Blasensprunges nach dem Alter der 

Mütter. 





Blasensprung bei 


ör 


Primi pari» 


Moltiparis | Primi- und Mnltiparis 


r 
er. 


▼or»eitig 


recht- 
seitfg 


ee 

S 
B 




▼orseitig 


recht- 
zeitig 


g vorzeitig 




recht- 
zeitig 


SS. 


DCl. 


33 


99 


132 


7 


10 


17 


40 


109 


149 


ah# 
nclt 


26.07o 
89 


75.07o 
814 


403 


41.2% 
28 


68.8% 
126 


164 


27.00/0 
117 


73.00/0 
440 


667 


ahr 
icl. 


_^«.,., 


77^7o 
214 


296 


18.17, 
88 


81.97o 
240 


828 


21.00/0 
170 


79.00/0 
464 


624 


ahr 
icl. 


„"•'•'• 


T2.37o 
54 


71 


^,''-''^' 


73.27, 
148 


187 


27.20/0 
66 


72.80/0 
202 


268 


ahr 
icl. 


24.07« 
12 


76.07o 

18 


30 


^^.0.80/. 


79.20/0 
80 


103 


21.70/, 
35 


78.30/0 
98 


133 


ahr 
icl. 


^ 40.00/0 


60.07o 
11 


18 


22.30/0 
5 


78.70/0 
15 


20 


26.30/0 

7 


73.70/0 
26 


33 


ahr 


15.47<^ 


84.6/0, 




Ü6.0"/. 


76.00/0 


l 21.20/0 


78.80/o 






236 


710 


946 


|190 


619 


809 


426 


1329 


1764 



Betrachten wir diese Tabelle näher^ so et^v^bV 'sär>kv\svr\- 
aus, üass bei den Primi- als lilultiparis iu^mivkvüa%«cwwk«jä». 



364 XX- ValetUoj Gebortshäiriiche Stadioo. 

in den einzelnen Alterskategorien so ziemlich das im I. Punkte 
bei der Gesammtsumme aller Geburten sich herausgestellte 
PercentuaWerhältniss vom vorzeitigen Blasensprunge wieder 
ergiebt, nur in dem Alter von 15 — 20 J», 26—30 J. und 
36—40 J. stellt sich die Zahl etwas hOber, nlimliob ^wis^^en 
26 bis 27 7o' 

Betrachtet man die Primiparae für sich allein, seist 
obiges Verhältniss bis incl. 35. Jahre nahezu wieder dasselbe. 
— Bei Fr. P. ist der vorzeitige Blasensprung am selten- 
sten von 21 — 25 J. mit 22.1 ^/q. Dagegen ereignet sich 
derselbe am häufigsten in der Alterskategorie von 36 bis 
40 J., nämlich bei 40.0 ^/q. — Wollte man hier den Aus- 
spruch thun, dass dieser so häufige Eintritt durch die diesem 
Alter zukommende Derbheit und Unnachgiebigkeit der Geni- 
talien bewirkt worden, so wird dieser Ausspruch wieder durch 
die nur 15.4% betragende Anzahl von vorzeitigen Blasen- 
sprüngen im Aller von 41 — 45 J. annullirt, indem ja offen- 
bar in diesen Jahren die bezügliche Beschaffenheit der Ge- 
burtswege noch mehr zugenommen hat. — Berücksichtigt 
man jedoch den Umstand, dass die statistisch verwendbare 
Zahl von 13 resp. 2 Geburten doch zu gering sein durfte, 
um aus selbiger eine Schlussfolgerung ziehen zu dürfen, so 
glaube ich dennoch, dass ersterer Ausspruch eine Berech- 
tigung für sich hat. 

Was die Multiparae anbelangt, so tritt umgekehrt in 
den beiden ersten Alter skategorien solch ein greller Percen- 
tualunterschied hervor — nämlich im Alter von 15—20 J. 
mit 41.2 <^/o und von 20— 25 J. mit 18.1 7o- — Lassen wir 
die geringe Beobachtungszahl der ersten Alterskategorien gel- 
ten, so muss man sich diese Häufigkeit nur durch die über- 
mässig- kräftige Thätigkeit der Gebärmutter und der Bauch* 
presse bei so jungen Weibern zu erklären suchen, welche 
überdies durch ihr sonstiges ungeberdiges Benehmen während 
des Geburtsactes jedenfalls eine Berstung der Fruchlblase 
erleichtem, dagegen liefert die überhaupt geringste Per- 
ceutualzahl (18.1%) im Alter von 20—26 J, den Be- 
weis, dass dazumal die ^eburtskräfte mit der 
Starke derEiblase ii;;at^ch^nsten Einklänge stehen. 



XX. Välentat Gebnrtahalfliohe Studien. 



365 



Y. Bei den 1754 Geburten mit Einscbluss der 24 zwei- 
ten Zwillinge wurden 886 Knaben, 890 Mädchen und 2 ge- 
schlechtslose Monstra geboren; hingegen waren bei den 425 
Geburten mit vorzeitigem Blasensprunge 210 Knaben i. e. 
48.2ö/o und 226 Mädchen i. e. 51.8%; zählt man die 11 
zweiten Zwillingskinder hinweg, so waren es 203 Knaben 
(47.7<>/o) und 222 Mädchen (52.3%), somit scheinen die 
weiblichen Eier zarter zu sein, als die männ- 
lichen, und demgemäss auch leichter zu bersten; 
was auch dadurch bestätigt wird, dass unter den 1329 Ge- 
burten mit rechtzeitigem Blasensprunge 676 Knaben (50.5%) 
und 664 Mädchen (49.5%) waren. 

VI. Betrachtet man den Einfluss der wiederholt 
eingetretenen Schwangerschaft bezüglich des Torzei-- 
tigen Blasensprunges, so ergiebt sich folgendes Resultat: 

Tabelle n. 



Wie viel Ge- 
•ehwsDgerte 


Blasensprung. 


Summa 


vorseitig 


rechtseitig 




U. 


146 25. 67o 


426 74. 57, 


572 


lU. 


87 21.26 „ 


138 78.75 , 


175 


IV. 


6 15. „ 


84 86. „ 


40 


V. 


1 11.15 „ 


8 88.86 „ 


9 


VI. 


— : — 


6j 


6 


vn. 
vni. 


— — 


jflOOO/o 


5 

1 


IX. 


— — 


1 


1 



Es kann daher positiv der Satz aufgestellt werden: dass 
mit jeder neuen (wiederholten) Schwangerschaft 
resp. Geburt der Eintritt des vorzeitigen Blasen- 
sprunges seltener wird. 

Dieser Satz steht auch mit der Erfahrung im Einklänge, 
dass bei sich wiederholenden Geburten bei einem Individuum 
auch in der Begel die Eröffnung des Muttermundes rascher 
vor sich gehe, somit der Widerstand von Seite desselben stets 
geringer werde, weshalb auch die Geburtsdauer bei Multipa- 
ris mit jeder neuen Geburt eine kürzere wird. 

Es scheint übrigens auch somil iml \«^«c ti^^\^%^^^^^ 



366 ^^' Valenta, OnhurtahnUiich^&tniien, 

Schwangerschaft dki Festigkeit, odisr besser gesagt,: Zähigkeit 
der EihöUen ziuundbmen; was ja auch damit, im Ei«U«Dge.. 
stunde, dass, wie bekannt, bei Mehrgebärenden auch.meift 
die Kinder mit jeder neuen Schwangerschaft stärker zu vcrr' 
den pflegen. 

VII. Was den Einfluss der einzelnen Kindes- 
lagen auf den Eintritt des vorzeitigen B{la«en» 
Sprunges anbelangt, so wurden unter den 1754 Getfurten 
mit Ausschluss der zweitgebornen Zwillinge beohacfitet; 

I. Schädellagen 1022, hiervon mit vorseiL Blasenqiruoge 239 
II. „ 634, „ r. . n 160 

I. Gesichtslagen 11, „ » ,, « . ■ 3 

IL Stirnlagen 3, „ „ ^ „ 1 

I. Beckenendlagen 33, „ «« »> . «• 14 

"• »» ^^1 M « »» »» «5 

Schieflagen 7, „ „ „ „ — 

Querlagen 17, „ „ „ „ 5 

somit ergiebt sich mit Bei*ücksichtigung der einzelnen Posi- 
tionen bei den verschiedenen Kindeslagen für den vorzeitigen 
Blasensprung folgende aufsteigende Procenlualhäufigkeitsskala : 

1. Schieflagen in 0.0% 

2. IL Gesichtslagen „ 0.0 7o 

3. IL Beckenendlagen ^ 42.5% 

4. L Schädellagen „ 23.4% 

5. IL „. „25.2% 

6. I. GesJchtslagen „ 27.3% 

7. Querlagen „ 29.4% 

8. IL Stirnlagen „ 33.3% 

9. L Beckenendlagen „ 42.4% . 
Bei*ucksichtigt man jedoch nur die Kindeslageo olme Po» 

sition, so stellt sich hiefär folgende Skala hei'Bus: 

1. Schieflagen in 0.0% 

2. Gesichtslageii „ 21.4% 

3. Schädellagen „ 24.0% 

4. Querlagen. „ 29.4% 

5. Beckenendlagen „ 29.8% 

6. Stimlagen „ 33.3% 

es ersdieilU somiV^ die biä\\mijg& KvwaUvae bedeutend nodi- 



XX. VälenUty Gebnrtshülf liebe Stadien. 



367 



ficirt, denn man Ondet in vielen Lehrbficheni unter den bei 
Gesichtslagen auftretenden üblen Zufallen den im Ver|^eiche 
mit den SchUdellagen häiifigeren vorzeitigen Blasensprung an-« 
geführt, während uns die obige Skala zu der Vermuthung be- 
i^echtigt: im Allgemeinen ist der vorzeitige Blasen- 
sprung bei Gesichtsgeburten am seltensten. 

Interessant ist weiter die Thatsache, dass bei Becken- 
endlagen (resp. I. Position) eigentlich am häufigsten sich, 
der vorzeitige Blasensprung ereignet, jedenfalls häu- 
figer als bei Querlagen. 

Bei Stirnlagen ereigne sich — wenn man die ge- 
ringe Beobachtungsziffer gelten lassen will in Berücksichtigung 
dessen, dass diese Lagen überhaupt die seltensten sind — 
am häufigsten der vorzeitige Blasensprung. 

VIII. lieber den Zeitpunkt des vorzeitigen Bla- 
sensprunges, geben nachfolgende Tabellen UI. und IV. 
Aufschluss. 

Tabelle HL 



Eintritt des Blasen- 












Heide 


sprnng^es 


Primiparae 


Multiparae 


BUAammen 


Vor Beginn der We- 














ben 


36 


15.37o 


42 


22.17o 


78 


18.37« 


Mit Beginn der We- 














hen oder bei vor- 














hsndener Vaginal - 














Portion 


60 


25.6 „ 


50 


26.8 „ 


110 


25.9, 


Vom Verstrichen- 














sein der Vag. port. 














bis 1" Orif.- Weite 


76 


32.3 „ 


31 


16.3 „ 


107 


25.2 „ 


Von 1" bis r Orif.- 














Weite 


47 


20.0» 


56 


29.5» 


103 


24.2 „ 


Von 2" bis 27 ''Orif.- 














Weite 


16 


6.8 


11 


5.8 


27 


6.4, 


Summa ' 


235 


100.0 „ 


190 


100.0, 


425 


100.0 , 



Diese Tabelle IIL giebt an, wie oft sich nämlich mit 
Bezugnahme je auf der Gesammtsnmme der Primi- und MuN 
tiparae und heider zusammen m den einzelnen Zeitabschnitten 
der vorzeitige Blasensprung ereignete. — Hieraus ist ersicht- 
lich, dass die Eihäute im Allgemeinen bei beiden 
P.-P. und M.-P. zusammen vorzüglich gerne dann 
vorzeitig bersten, so lange der l&uU^TtEi^w^ w^«»^ 



368 XX. Vaknta, Gebortobulflielie Sindien. 

nicht eine Weite von 2" erhalten, also derselbe noch 
nicht ausreichend nachgiebig geworden ist, während, wie ja 
auch die Erfahrung bestätigt, wenn der Muttermund einmal 
gegen 2f' weit geöffnet ist, dessen weitere Eröffnung an und 
für sich rascher vor sich geht, weil derselbe dann der sieb 
keilförmig hereindrängenden Fruchlblase kein so bedeutendes 
Hinderniss darbietet. — In Bezug auf die Spannungsverhält- 
nisse der Eiblase tritt auffällig häufig der vorzeitige 
Blasensprung vor Beginn der Wehen ein, dies 
kann offenbar nur von einer ungemeinen Zartheit der Ei* 
häute bedingt sein, so dass dazumal sogar die passive Span- 
nung des Ulerus hinlänglich ist, um dieselben zur Berstung 
zu bringen. 

Betrachtet man die Pr.-P. und H.-P. je für sich allein, 
so sieht man, dass das oben Gesagte bei den Primipa- 
ris ganz und gar zutrifft, indem bei diesen die Häufig- 
keit des vorzeitigen Blasensprunges deutlieh zu- 
nimmt; so lange der eigentliche Widerstand des 
Orificiums durch die Eiblase zu öberwinden ist 
d.h. bevor der Muttermund 1" weit ist, während bei den 
Multiparis dies bis zu diesem Momente, wie zu ersehen, 
nur meist von der dünnen Beschaffenheit der Ei- 
hüUen abhängig sein kann; hiefur spricht vor Allem un- 
zweifelhaft die HauGgkeit dieses Ereignisses vor Eintritt der 
Wehen und gleich im Beginne der Geburt; — was bei einer 
solchen Beschaffenheil der Eihäute bei M.-P. um so leichter 
erklärlich ist, indem ja bei diesen das Orif. intern, am Ende 
der Schwangerschaft gemeiniglich schon über ^j^" offen ist, 
somit dann der dünnen Fruchtblase jedweder Stützpunkt man- 
gelt — natürlich ist weiter eine so zarte Eiblase um so we- 
niger geeignet, den Contractionen des Uterus zu widerstehen. 

Uniäugbar ist jedoch bei Multiparis die Häu- 
figkeit des vorzeitigen Blasensprunges bei einer 
Orif. Weite von 1 — 2" hervortretend — offenbar weil 
dazumal die Eihäute, auch bei festerer Beschaffenheit, den bei 
einer solchen Orif. -Weite bei Mehrgebärenden sich kundge* 
benden sehr kräftigen Wehen schweY* zu widerstehen vermö- 
gen, sind ja ^^e wohnlich, wie aus Tab. V. zu ersehen, als- 
dann die Geburten im\evU»\b e\uv^n* Stunden vollendet. 



XX. Valenta, Gebnrtshülf liehe Stndien. 



369 



Diese Deduclionen treten noch deutlicher aus der nach- 
folgenden Tabelle IV. hervor, welche die Procentual Verhält- 
nisse zwischen Pr.-P. und M.-P. nach den einzelnen Gehurts- 
ahschnitlen ersichtlich macht 







Tabelle IV. 






Eintritt des Blasen- 










Beide 


sprunges 


P 
Primiparae 


Maitiparae 




zusammen 


Vor Beginn der We- 






■" 






hen 


.36 


46.17o 


42! 


ö3.97o 


78 


MitBeg^inu der We- 






' 






hen od.b. vorhan- 






1 






dener Va§^. port. 


60 


54.5 „ 


50 


45.5, 


110 


Vom Verstrichen- 












sein der Vai^-inal- 












Port. bis 1" Orif. 






i 






Weite 


76 


71.0 „ 


31, 


29.0, 


107 


Von 1" bis 2" Orif. 






1 






Weite 


47 


45.6, 


56! 


54.4, 


103 


Vont>"bi8 2V2"Orif. 












Weite 


16 


59.2 „ 


U 


40.8 , 


27 




235 


55.3, 


Tool 


44.7, 


425 



Mit Bestimmtheit kann aber der Satz aufgestellt werden, 
dass hei Primiparis die Blase im Zeiträume vom 
Verstrichensein der Vag. port. bis V Orif.-VVeite, 
und hei M iiltipari s im Zeiträume von 1" bis 2" 
Orif.-Weite am häufigsten vorzeitig berstet; — 
dagei^en am seltensten hei Pr.-P. im Zeitabschnitte von 1" 
bis 2" Orif.-Weite, und bei M.-P. im Zeiträume vom Ver- 
strichensein der Vag. port. bis 1" Orif.-Weite; — offenbar 
hat dann die Eiblase im Verhältnisse zur Wehenthätigkeit die 
entsprechende Festigkeit. 

IX. Bezüglich der Zeitdauer vom erfolgten Bla- 
sensprunge bis zur Geburt des Kindes ergiebt sich, 
wie aus der Tabelle V. ersichtlich, folgendes Resultat: 

Vor Allem muss jedoch bemerkt werden, dass, um ein an- 
nähernd sicheres Resultat aus den statistischen Daten ziehen zu 
köfuien, die Fälle mit unbekannter Geburtsdauer (45 im Ganzen) 
vollkommen ausgeschieden wurden, es sind dies Fälle, wo 
beim Eintritte aufs Kreisszimmer allerdings der in dem aii- 
gefulirten Zeitabschnitte bereits stalVge.^v\uA^\\^ \^ Ä'ssftx A>'^?»% 

MoDttUtchr. f.Gohurtsk. 1866. Bd. XXVni.,HtV5. ^^ 



374 X^* VaUnta, Geburtttbülfliche Studien. 

B. Multiparae. 



Blasen* 


Ausgang 


yom BlaaeDsprung^e bi« zur Geburt 

über 


II 


a 

1 


r 


flljrung ¥ 


Tai 


F« 


1 Standen 






5 


4 


3 


2 


1 S0]l6 


12 


8 


4 


2 


1 


!^ 




Vor 
WßUen 

Port. 

b!« 
r Orif. 


gesund 

genesen 

gestorben 

gesund 

genesen 

gefltorbeii 

g^esund 

genesen 

gestorben 

gesund 

geneaen 

gestorben 

gesund 

genesen 


— 




ZI 

_ 

_ 


2 


4 

1 

a 
1 


4 
1 
1 
2 

z 


2 

1 

z 


3 

1 

4 

1 

2 


10 
2 

11 
1 

4 


6 2^ 

1 — — 

Ö T l 

910 t 

2 11 


1 

5 
1 

4 
2 


1 

7 


34 

7 11 

1 
U 

t 

431 


bia 

2" Orif. 

bis 

2'AOrif. 


— 


— 


z 


1 
1 

r 


- ij 1 1 


2 6M 
— , 1 

= ! 1" 


j 




— 


— 


1 


2 


9 


8 


M 


11 


314l4l{l6 13| 


»1 


190l 





Von den in Berücksichtigung gezogenen 1754 Gebaren- 
den erkrankten und genasen 299, somit 17.0 7o 3" verschie- 
denen mit dem Puerperium im Zusammenhange stehenden 
Krankheiten, und starben 48, somit 2.8 ^/q« es blieben daher 
stets gesund 1407, somit 80.2 7o- 

Zieht man die 1329 Geburten mit rechtzeitigem, und die 
425 Geburten mit vorzeitigem Blasensprunge je für sich allein 
in Betracht, so ergiebt sich folgendes Resultat: 

Blasensprang 
rechtzeitiger Torieitiger 

blieben gesund . . 1806 i. e. 81.7 7o ... 321 i. e. 75.5% 
erkrankten u. genasen 209 „ 15.7«/«... 90 „ 21.2«/o 
starben .... 34 „ 2.6o/o ... 14 „ 3.3% 

Summa . 1329 „ 100.0% ... 425* ,, 100To% 

Wir sind daher zu dem allgemeinen Ausspruche berech- 
tigt, nach vorzeitigem Blasensprunge kommen im 
Verhältnisse zu den Geburten mit rechtzeitigem 
Wasserabgange häufigere Erkrankungen resp. 
Todesfälle der bezuglichen Mütter vor. 

Berücksichtigt man im Ganzeh bei den Geburten mit 



XX. VaUfUOj GebarUhülfliche Studien. 375 

vorzeitigem Blasensprunge die Primiparae und Multiparae für 
sich allein, so ergiebt sich Folgendes: 

Primiparae Multiparae 

blieben gesund 157 somit 66.8% — 164 somit 86.3 «/o 
erkrankten und 

genasen ... 67 „ 28.6% — 23 „ 12.1% 
starben .... 11 „ 4.6% — 3 „ 1.6 7o 

Summa . 235' „ 1ÖÖ.Ö%"— 190 „ 100.0% 
In Erwägung dessen scheint der Ausspruch einigermas- 
sen berechtigt, dass der vorzeitige Blasensprung 
jedenfalls bei den Primiparis häufiger Vorläufer 
von Erkrankungen und Todesfällen sei, als bei 
den Multiparis — vielleicht werden selbe auch hierdurch 
wirklich bedingt. 

XI. Ueber den Einfluss des vorzeitigen Bla- 
sensprunges auf das Leben der Kinder (Tab. VlIL). 

Beobachtet mau im Allgemeinen die 425 Geburten mit 
vorzeitigem Wasserabflüsse bei den Pr.-P. und M.-P. für sich 
allein, so 

^ Primiparae Multiparae 

blieben gesund 179 somit 76.2% — 158 somit 83.1 7« 



starben .... 29 


»> 


12.4% — 13 


„ 6.8 % 


, . . ,, belebt 10 

schemtodt ^ . ^^ 

todt 10 


»» 
»» 


42% — 7 
4.2 "/„ - 6 


„ 3.77« 
.. 3.2 "/„ 


todtgeboren . . 7 


♦t 


3,0 "/o - 6 


„ 3.2% 


Summa 235 


»> 


100.0 7o — 190 


„ 100.0% 



Hieraus ist ersichtlich, dass bei den Pr.-P. bedeu- 
tend mehr Kinder innerhalb der ersten neun 
Tage nach der Geburt sterben, als bei den M.-P., 
und ebenso in beträchtlichem Uebergewich te bei 
M.-P. die Kinder gesund bleiben; — während der 
übrigen Verhältnisse bei beiden in den Procenten höchstens 
um 1%, oder, wie bei den Todtgeburten, nahezu gar nicht 
differiren. 

Vergleicht man eben diese Verhältnisse der Kinder bei 
den Geburten mit rechtzeitigem Blasensprungc mit jenen, wo 
sich ein vorzeitiger Blasensprung ereignete, so tindet man 
folgendes Resultat: 



372 X^- Valenta, Gebartsbülflicbe Stadien. 

a) Bei den Primiparis: 

1. Die häufigste Geburtsdauer war bei denselben über- 
haupt die von ^^ bis 12 Stunden nach dem Blasensprunge und 
kam in dem Abschnitte vom Verstrichensein der Vag. porl. 
bis 1" Orif. vor. — Die seltenste war die überlange Ge- 
burtsdauer. 

2. Die Geburtsdauer von V4 l^is 12 Stunden war über- 
haupt weitaus die häufigste zu allen Zeiten des Blasensprun- 
ges mit unbedeutender Ausnahme des Eintrittes vor den We- 
hen, wo die Dauer von 12 — 24 Stunden efwas weniges über- 
wiegend war. 

3. Nur bei dem gar zu frühzeitigen Blasensprnnge er- 
scheint eine Constanz in der Geburtsverzogerung, wie Tab. 
VI. b. beweist, daher wohl der Salz zu stellen wäre: „sehr 
vorzeitiger ßlasensprung ist eine Erscheinung, 
die in der Regel Anzeichen einer sehr langdau- 
ernden oder wenigstens langsamen Geburl ist''. 

4. Ein fndizeiliger Blasensprung (mit VVeheneinlritt) 
scheint vorwiegend eine langsame, aber nicht überlange Ge- 
burtsdauor anzudeuten , kommt aber mit übermässiger Ge- 
burtsdauer relativ* ziemlich häutiger, als mit kurzer vor. 

5. In den übrigen Sprimgpcrioden überwiegt die mas- 
sige Gcburlsdauer, während sich eine (](»nstanz der Progres- 
sion in der Kurze der Geburlsdauer nur beim Blasensprunge 
mit l" Orif.-Weite vorfand.- 

b) Bei den Multiparis. 

1. Auch bei diesen ilberwiegt die Geburtsdauer von V4 
bis 12 Stunden durchwegs in allen Zeitperioden des Blasen- 
sprungs; und ist die übermässige Geburlsdauer im Allgemei- 
nen die seltenste. 

2. Die häufigste Geburtsdauer war, wie bei den Pr.-P., von 
V4 — 12 Slunden. jedoch bei einem Blasensprunge von 1 — 2" 
Orificium. 

3. Bei den M.-P. tritt noch deutlicher das Gesetz in den 
Vordergrund, dass frühzeitiger Blasens|>rung ein Anzeichen ver- 
langsamter Geburt sei. 

4. Bei den M.-P. kommt absolut und relativ die kurze 
Geburtsdauer unter den meisten Verhältnissen 4les Blasen- 
s\)ru\\^QS häufiger, als \\o'\ v\o\\ Vv.-P.vor, und besonders bei 



XX. Videnta, Oeburtshülfliche Stadien. 



373 



(Ich irelir vorzeitigen ßlascnspröngen ist diese massige uiul 
kurze Geburtsdauer relativ viel häufiger; doch ist eine Con- 
stanz der Steigung gegenüber dem späteren ßJasensprung- 
Eintritle im hervorragenderem Maasse da, als bei den Pr.-P., 
wenn man den sehr späten sehr selten vorkommenden Ein- 
tritt des filasensprunges abrechnet. 

Das im Punkte VIII. Gesagte wird bestätigt, sind nem- 
lich die Eihäute nicht bis zum Momente der Orif. - Erweite- 
rung von 2 — 2V2" geborsten, dann haben sie ihre Festigkeil 
resp. Fähigkeit zur weiteren i. e. völligen Erweiterung des 
Muttermundes und darüber erwiesen, und es tritt hn Gegen- 
satze relativ ein sogenannter zu später Blasensprung ob zäher 
Eihäute häutiger ein, welchen Gegenstand ich demnächst einer 
näheren Betrachtung unterziehen werde. 

X. Darstellung des Einflusses des vorzeitigen 
Blasensprunges auf die Gesundheit der Mutter. 

Tabelle TU. 

lieber den Einflass dos vorzeitigen Blasensprung-e.s auf die 
Mütter. 

A. Primiparae. 



Blasen- \ . 

' Ausgang 
pprungV 



: vom Blasenfiprung-e bis zur Geburt 
über 



TflgB 



I 6 [ 4j_J 



SS 



Vor 
Wehen 

Vag. 
Port. 

bis 
1" Orif. 

bis 
2" Orif. 



bis 



*>• 



! goannd 1 , — 1 
geneseti —' — 1 
gestorben ;^ — ^ 1 

I gesund ;— — |— 

I geneaen — - 

I gestorben j^ 

I gesnnd — 
g-enesen — 

I gestofbpn '^ — 

' gesund j — 
£cnesen ^ 
gestorben — 

I geiunil 
genesen 



/« ""^'(gestorb 



u u 



2010 



U I u n d en 



li 2 

2 2 



— 6 
5" 1 



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l^L^LilVi 



12 8 



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17; 36, 58 



10" 2^ 

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8 
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1 
S 






4 
1 



1 — 
1 1] — 



26 
9i 
-- 1 
II 34 
B S5|G0 

— 1 

b 5S 

1 19: 

<— 4 

5 31 

12^ 

4 

3 

2 16 
1 



3Ü 



Tti 



— 12 47 



23|^l*)l^3l^a'^ ^^^k^ 



370 



XX. VaUfUa, Qeburtsbülfliobe Studien. 



Tabelle Y. 

Darstellan^ der Gebartsdaaer vom Blaaensprnnge im Detail. 

I. Primiparae. 





vom 


BU 


fleosprnoge 


biff zur 


ß^ 


burt verdoiMen 




Eintritt das Blaaen- 


Tage 


Stuoden 


•^ »--S 


n '•^ 


i 


■pmngea 


fibar 


Über 


2 « fl 
S ° g 

CO 




d 

o 




a 


4 ä 


2 1 2ojia 


12 8 4 


2 


1 




Vor Beginn der We- 
































hen 


1 


— 


B 


— 


4 


4 


B 


3 


6 


2 


2 


1 





& 


36 


Mit Beginn der We- 
































hen Oller bei Vag, 
































port. 


— 


— 


— 


1 


s 


i 


7 


7 


t 


11 


1 


^* 


. — 


17 


60 


Vom Verstrichen- 






























geinderVftg, port. 




























bis 1" Orif. 


— 


— 


. — ■ 


— 


1 


2 


1 


6 


17 


29 


12 


2 


«— 


G 


76 


Von r bi» r Orif. 
































Weite 


— 


^-, 


« 


— 


2 — 


1 


1 


9 


14 


S 


13 


1 


r> 


47 


Von r bis 2%'' 




























Weite 


— 


— ■ 


i_^ 


— - 


1 — 


— 


^ 


2 


2 


6 


S 


2 


— 


16 




1 


— , 


a 


1 


lll 


10 


U 


17 


36 


58j 


29 


19 


3 


33 235 



II. Multiparae. 



Vor Beginn der We^ 
ben 

Mit Beginn der Wo 
hnn oder bei vor 
band. Vag. port. 

Vom Veratrichen 
Bein der Vag.port» 
bis r Orif. 

Von r bis 2"0rir, 
Weite 

Von 2' b!e sy," 
Orif. Weite, 



— — 1 



3 5 



11 



12 



12 



31 



11 



11 



3^0 
2 



42 

50 

31 
B6 
11 



41|41|16| 13 I 12 190 



coristatirl werden konnle, nicht so genau aber die Stunde 
desselben; — es ergaben sich hieraus folgende Bemerkungen: 



XZ. VaUnta, OebnrtabBlf liebe Stadien. 



371 



a 
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376 



XX. Vdlenta, Geburtshülfliche Studien. 



Tabelle VIH. 

lieber den Einflass des vorzeitigen Hlasensprunges auf die Kinder. 
A. Primiparae. 



I 
Binsen- i 
»prung? 



Auflgan» 



i Tom Blusen spränge bis zur Geburt 
über 



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gesund 
gestorben 
8ehe!n-[ belebt 

todt I todi 
güaand 
gentorb^n 
sebeiti-| belebt 

todt I todt 
todtgeboren 
gesund 
gestorben 
Rcbeia-I bdabt 

lodt I ladt 
todtgeboren 
gesund 
gestorben 
icbein-l beUbl 

todi { todt 
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scheint. — todt 



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B. Multiparae. 



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Wehen 



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port. 



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' Orif. 

bin 



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gestorban 



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todt 
geannd 
gestorben 
scbein-| belebt 

todt I todt 
todtgeboreo 
gesund 
g-estorben 
sch^iti- [belebt 

todt I todt 
todtgeboren 
j^eiinnd 
geBtorben 
schein- [ belebt 

todt I todt 
lodtgeboren 
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schcinlodl 



XX. Valenta, Oeburtshttlfliche Studien. 377 

Geburten luit: 

rechtzeitigem vorzeitigem 

Kinder: Blasensprunge 

gesund . . . 1166 somit 87.7 7« — 337 somit 79.3« ^ 

starben ... 53 „ 4.0% — 42 „ 9.9% 

belebt 37 „ 2.8 7^ — 17 „ 4.0% 

todt 9 „ 0.7% — 16 „ 3.8% 

lodlgeborcu . 64 ., 4.8% — 13 „ 3.0% 

Sümn)a 1329 „ 100.0% — 425~~7 iÄ% 

Diese Resultate sprechen somit zweifellos dafür, dass 
bei den Geburten mit rechtzeitigem Fruchtwasserabgange be- 
deutend weniger erkranken und sterben oder scheintodt ge- 
boH'n werden, im Vergleiche zu jenen Geburten mit vorzei- 
tigem ßlasensprunge , daher scheint der Satz einige Berech- 
tigung zu haben^ in Folge des vorzeitigen Berstens 
der Fruchtblase ist das Leben des Kindes sowohl 
während des Geburtsactes als auch innerhalb der 
ersten neun Tage nach der Geburt jedenfalls 
mehr gefährdet, als bei den in dieser Richtung 
normalen Geburten. 

Von auftälligem Interesse ist der Umstand, dass die 
todlgebornen Kinder an Zahl bedeutend überwie- 
gend bei Geburten mit normalem ßlasensprunge 
vorkommen. — Zur besseren VS^ndigung dieses Umstandes 
ist es meines Frachtens nothwendig, die Zahl der macerir- 
ten unter den todtgebornen Kindern zu kennen, und da er- 
giebt sich, dnss unter den 64 nach normal erfolgtem Blasen- 
sprunge todtgeborenen Kindern 46, somit 71.8% macerirl 
waren, während unter den 13 nach vorzeitigem V^asserab- 
flusse todtgeborenen Kindern 7 somit 53.8 ^'/^ macerirt wa- 
ren, daher, wie zu ersehen, auch die m a c e r i r t e n F r ü c h t e 
in beirächt liebem Uebermasse bei den Geburten 
mit normalem ßlasensprunge vorkommen. 

Hieraus ersieht man deutlich: 1) dass die Eihüllen, 
welche eine abgestorbene Frucht umschliessen, 
einen grösseren Widerstand darbieten, als £ier 
mit lebenden Früchten, wofür auch die doppelle Er- 
fahrung spricht, dass ja Eier, welche VoAle Vt\\t\\Vi — ^^^^^^^ 



382 ^X. Vatenta, Gebnrtshülf liehe Studien. 

bei den 1754 Geburten 143 Mal i. e. 8.1% 

„ „ 1329 „ mit rechtz. Blasenspr. 124 „ „ 9.3 „ 
„ „ 425 „ „ Vorzeit. Blasenspr. 19 „ „ 4.4,, 
ein, somit kommt nach dem vorzeitigen ßlasensprunge 
in Uebereinstimmung mit dem vorhergehenden Absätze 3, 
seltener Wehenschwäche^vor. 

5. Blutungen, mit Ausschluss der durch feblerbaften 
Sitz der Placenta bewirkten, ereigneten sich unter den 
1764 Geburten 66 Mal, somit 3.7 % 

1329 „ mit rechtz. Blasenspr. 50 „ „ 3.7 „ 
425 „ „ Vorzeit. Blasenspr. 16 „ „ 3.7 „ 

CS hat daher der vorzeitige Blasensprung durchaus 
nicht häufiger Blutungen in seinem Gefolge, als in 
dieser Beziehung normale Geburten. 

XIV. Zum Schlüsse einige Worte zur /Behandlung 
der Geburten mit vorzeitigem Blasensprunge. — 
Dass das Fruchtwasser als solches seine Hauptrolle während 
der Geburt erst in der Durchschnittsperiode zu spielen hat, 
darüber ist wohl Niemand anderer Meinung, dass also somit 
bei vorzeitigem Blasensprunge Alles angewendet 
werden müsse, damit das Fruchtwasser nicht, 
bevor besagte Periode beginnt, bis auf den letzten 
Tropfen abfliesse, dem wird wohl auch kein rationeller 
Geburtshelfer entgegentreten. — Ich glaube daher mit Recht 
mich dagegen aussprechen zu müssen, dass man einer sol- 
chen Gebärenden das Herumgehen erlaubt, oder gar gebietet, 
weil ja hierbei unbedingt nach den einfachsten physikalischen 
Grundsätzen Alles Wasser abfliessen muss, während es bei 
einer horizontalen Lagerung der Gebärenden je nach der 
Beckenneigung allerdings auch abfliessen kann, aber nicht 
muss, indem man ja dem Becken durch Unterlegen von Kis- 
sen u. s. f. eine geeignete, das Abfliessen verhindernde Stel- 
lung zu geben im Stande ist. 

Ist einmal der Blascnsprung wirklich erfolgt, so lassen, 
wie gezeigt wurde, die Wehen nicht lange auf sich warten 
(Punkt IX.), ich glaube daher, Schmitt *) scheint jene Fälle, 
wo das Wasser 14 Tage b\s 4VJoc\vciv nw ^c^^<^\äV^\« 

I. c. pag. 34. 



XX. VaUfUa, OehnriahfilfHohe Stadien. 383 

Schaden abgeflossen sein, irrthOmlicb aufgefasst zu haben, 
es werden dies wohl Fälle von Hydrorrboe gewesen sein, 
und bei solchen wird allerdings das Aufstehen nicht gescha- 
det haben. 

Kann ich bezüglich des Aufstehens nach erfolgtem Was- 
serabgange Schmitt nicht beipflichten, so bin ich jedoch darin 
ganz seiner Ansicht, dass gar oft nicht das vorzeitige 
Abfliessen des Fruchtwassers so schädlich sein 
dürfte oder würde, als vielmehr das unvernünf- 
tige vorzeitige Verarbeiten der Wehen, in welcher 
Richtung die Hebammen ihr Unwesen trotz allen Lehren und 
Ermahnungen noch dermalen, wie vor einem halben Jahr- 
hunderte, treiben, — was mir jeder praktische Geburtshelfer 
bestätigen wird; — wie oft findet man die Kreissende bis 
aufs Aeusserste vom Mitpressen erschöpft, und dennoch den 
Muttermund erst kaum 1" weit geöflnet! — Meiner Erfahrung 
nach glaube ich mich zu dem — übrigens unvorgreiflichen 
— Rattischlage berechtigt: dass man einer Gebären- 
den nach erfolgtem vorzeitigem ßlasensprunge 
das Aufstehen oder gar Herumgehen unbedingt 
nicht gestatten, und das Verarbeiten der Wehen, 
bevor der Muttermund nicht über 27»" weit sei, 
strengstens verbieten soll. 

Jedwede weitere Behandlung ist auch bei diesen 
Geburten stets eine rein symptomatische, und muss sich 
in dieser Richtung noch strenger nach den bekannten allge- 
meinen Regeln richten. 

XV. Schlussfolgerungen. 

1. Der vorzeitige ßlasensprung ereignete sich nahezu bei 
jeder vierten Geburt. 

2. Derselbe ereignete sich häufiger bei rechtzeitigen Ge- 
burten, als bei Fehl- oder Frühgeburten. 

3. Bei Zwillingsgeburten ereignete sich der vorzeitige 
Blasensprung am häufigsten. 

4. Der vorzeitige Fruchtwasserabgang wird häufiger bei 
Erst- als bei Mehrgebärenden beobachtet. 

5. Sowold bei Erst- als bei MehrgdiAreadeBa «erf" 
sich der vorzeitige Blasensprung am «e\lBii%Vm v«^ 

21. und 25. Lebensjahre. 



380 XX* Valenta, Oeburtshülfliche Stadien. 

blase künstlich gesprengt, somit ubsichtlich ein vorzeitiger 
Blasensprung herbeigeführt werden, so wurde unter den 13 
weiteren Zwillingsgeburten die Fruchtblase 6 Mal i. e. bei 
46.1 7o künstlich gesprengt. 

Unter den Zwillingsgeburlen mit vorzeitigem Blasen- 
Sprunge ereignete sich auch bei einer das vorzeitige 
gleichzeitige Bersten beider Fruchtblaen. 

5. Mechanische Schädlichkeiten und zwar schwe- 
res Heben einer Last auf den Kopf, Krampfhusten u. s. f., 
waren unter den 425 Geburten 7 Mal i. e. 1.6% als nächste 
Veranlassung des vorzeitigen Blasensprunges zu eruiren. 

6. Ein schlecht ausgebildeter Fornix vaginae 
wurde unter den 425 Geburten 64 Mal, somit bei 15,0 7ü» 
beobachtet, und man kann den Satz aufstellen, dass ein 
schlecht entwickeltes Scheidengewölbe eine der 
Hauptursachen des vorzeitigen Blasensprunges 
sei. — Dieser Satz wurde natürlich mehr an Werth gewin- 
nen, weim auch bei den Geburten mit rechtzeitigem Blasen- 
sprunge durchwegs die Beschafienheit des Fornix angeführt 
wäre, da dieses jedoch nicht bei allen geschehen, so wären 
die paar angeführten Fälle werthlos; — dass jedoch bei 
einer horizontalen (flachen) Spannung die Eihäute leichter, 
als bei einer kugeligen Ausdehnung bersten, ist begreiflich. 

7. Eine derartige Zartheit der Eihäute, dass 
dieselben gleich im Beginne der Geburt der Wehenkraft nicht 
den gehörigen Widerstand zu leisten vermögen, muss bei 
allen übrigen 290 Fällen i. e. 68.8 % angenommen werden 
— somit der Satz aufgestellt werden, dass zu zarte Ei- 
häute unbedingt die wichtigste und hauptsäch- 
lichste Ursache des vorzeitigen Blasen Sprunges 
sind. 

Stellt man diese obigen 7 ursächlichen Momente zusam- 
men, so ergiebt sich hierfür folgende aufsteigende Häufig- 
keitsskala : 

1. mechanische Schädlichkeiten 7 Mal, somit 1.6% 

2. Gemini 11 „ „ 2.5 „ 

3. derbe Genitalien 11 v ,j 2Jb „ 

4. Beckenenge 17 „ „ 4.0 „ 



XX.Valenta, Geburtshülfliche Stadien. Sgl 

5. Hydramnios 25 Mal, somit 5.6*^/o 

6. schlechter Fornix 64 „ „ 15.0 „ 

7. zu zarte Eihäute 290 „ „ 68.8 „ 



Summa 425 „ „ 100.0 „ 

XIII. Von den seinsollonden F o 1 g e z u s t a n d e n, worunter 
ich Zufälle nach dem Blasenspnmge verstehe, sind ervväh- 
nenswerlh : 

1. Die Zangen Operation — selbe wurde 

bei den 1754 Geburten 45 Mal i. e. 2.5 7^ 

„ „ 1329 „ mit rechtz. Blasenspr. 20 „ „ 1.5 „ 
„ „ 425 „ mit vorz. Blasenspr. 25 „ „ 5.6 „ 
vollffdirt; — es wird also beim vorzeitigen Blasen- 
sprunge jedenfalls häufiger die Zangenhfilfe 
nöthig. 

2. Missfarbiges Fruchtwasser unter 

1754 Geburten 173 Mal, somit 9.8% 

1329 „ mit rechtz. Blasenspr. 132 „ „ 9.9 „ 
425 „ „ Vorzeit. Blasenspr. 41 „ „ 9.6 „ 

es scheint daher der vorzeitige Blasensprung das 
kindliche flehen durchaus nicht besonders mehr 
zu gefährden, wenn man nemlich von der allgemein gül- 
tigen Ansicht ausgeht, dass die missfarbige BeschafTcnheit des 
Vor- oder Nachwassers davon herrühre, dass die Aflerschliess- 
niuskeln des Kindes, sobald dessen Leben bedroht wird, den 
Abgang des sogenannten Kindspeches nicht verhüten und 
dasselbe sich mit dem Fruchtwasser vermenge; — was mit 
dem Befunde bei macerirten Kindern (Punkt XI.) fd)erein- 
slimmt. 

3. Zu starke Wehen ereigneten sich: 

bei den 1754 Geburten 57 Mal 3.2% 

,, „ 1329 „ mit rechtzeit. Blasenspr.- 32 „ 2.4 „ 
,, „ 425 ,. „ Vorzeit. Blasenspr. 25 „ 5.8 „ 
Dein vorzeitigen VVasserabgange folgen somit 

häufig regelwidrig starke Wehen, oder ist mindestens 

derselbe häutig Veranlassung zu den darauf folgenden starken 

Wehen. 

4. Wehen seh wache ohne Unterschied der fünf Ge- 
burtsperiod(»n trat. 



378 ^^* VaUtUa, Geburtshülfliche Studien. 

vorgerückterer Schwangerschaft — beherbergen, häu6g un- 
verletzt ausgestossen werden, und dass sich bei solchen Eiern, 
selbst am Ende der Schwangerschaft, der sogenannte Vor- 
fall der Fruchtblase ereignet, ein Gegenstand, welchen ich 
demnächst zur Sprache bringen werde ; — 2) ersieht man , dass 
der vorzeitige ßlasensprung als solcher nicht 
häufig primitiv Todtgeburten veranlasst 

Rechnet man die macerirten Früchte, als ebenfalls doch 
einige Zeit vor der Geburt abgestorben, von den todtgebor- 
nen und von der Grundzahl der Geburten mit frühzeitigem 
und rechtzeitigem ßlasensprunge ab, so kommt bei ersteren 
1.43^/0, bei letzteren 1.40% heraus; was sich im Wesent- 
lichen gleichbleibt, wenn man diese macerirten Früchte nur 
von der Zahl der todtgeborenen und nicht auch von der 
Grundzahl der Geburten abzieht, somit bestätigt sich der 
Satz auch so, dass frühzeitiger ßlasensprung auf 
Tödtung der Früchte ohne erkennbaren hervor- 
ragenden Einfluss ist. 

XII. Von den ursächlichen Momenten des vor- 
zeitigen ßlasensprunges sollen im Nachfolgenden die 
bisher angenommenen kritisch diu*chgenommen werden, wo- 
bei zu bemerken, dass\on diesen sogenannten bedingenden 
Ursachen bereits einige in den verschiedenen Abschnitten, 
unter andern die Kind es lagen in Punkt VII. ihre Berück- 
sichtigung erhalten haben. 

1. ßeckenverengerungen. 
Derlei wurden beobachtet: 

bei allen 1754 Geburten 58 Mal, somit 3.3 7o; 
bei 1329 Geb. mit rechtzeit. Blasensp. 41 Mal, somit 3.1%; 
hei 425 Geb. mit vorzeit. Blasensp. 17 Mal, somit 4.0%; 
Aus diesen Zahlen und dass von den 58 ßeckenengen 
41 oder 70.7% auf die Geburten mit rechtzeitigem, und 17 
oder 29.3 % auf jene mit vorzeitigem ßlasensprunge fielen, 
ergiebt sich, dass die ßeckenverengerungen als solche nicht 
gar so häutig, als man bisher annimmt, den vorzeitigen 
Wasserabgang verursachen, doch ist selber relativ 
häufiger bei Beckenverengerungen, als der recht- 
zeitige. 

2. Hydramnios: 

bei allen 1754 Geburten 70 Mal, somit 3.9%; 



XX. Valenla, Oeburtshülf liehe Stadien. 379 

mit rechlzeit. Blasenspr. 1329 Geburten 45 Mal, somit SA%\ 
mit Vorzeit. Blasenspr. 42 Geburten 25 Mal, somit 5.6 % ; 
es ereignet sich, wie ersichtlich, bei Hydramnios der 
vorzeitige ßlaseusprung häufiger als der recht- 
zeitige, und erscheint somit als Naturhulfe gegen die ur- 
sprungliche Wehenschwäche in Folge der durch viel Frucht- 
wasser bewirkten passiven Spannung der Utcrinalmuskelschichl, 
wie ja auch bekanntlich deswegen als wehenverbesserudes 
Mittel die Blase oft bei engem Orif. künstlich gesprengt wer- 
den muss; — die Kunst ahmt also einfach der Natur nach, 

3. Derbe Beschaffenheit der inneren Genita- 
lien wurde unter den 1754 Geburten 11 Mal i.e. 0.6 7ü 
beobachtet und verursachte in sämmtlichen Fällen den vor- 
zeitigen Fruchtwasserabfluss, somit bei den 425 Geburten mit 
vorzeitigem Blasensprunge gaben sie hierzu in 2.5^0 ^'® ^^^' 
anlassung, man kann daher mit Bestimmtheit den Satz auf- 
stellen, dass derbe innere Genitalien meistentheils, 
vielleicht immer den vorzeitigen Blasensprung 
nach sich ziehen, indem die festesten und zähestcu Ei- 
häute diesem Widerstände nicht gewachsen scheinen. 

4. Gemini waren vorgekommen: 

unter 1754 Geburten im Allgemeinen 24 Mal, somit 1.3 ^o'^ 
unter 1329 Geb. mit rechtz. Blasensp. 13 Mal, somit 1.0 7o7 
unter 425 Geb. mit vorzeit. Blasensp. 11 Mal, somit 2.6%. 

Zieht man diese Zahlen in Berücksichtigung und ebenso 
den weiteren Umstand, dass also von 24 Zwillingsgeburlen 
11 oder 45.8% mit vorzeitigem Blasensprunge combinirt 
waren, so kann man sagen: dass bei Zwillingsgebur- 
ten derselbe ungemein häufig auftritt, und dass 
somit Gemini zu den ursächlichen Momenten des 
vorzeitigen Blasensprunges gerechnet werden 
müssen. (Siehe Punkt II.) 

Der rationelle Geburtshelfer muss unwillkürlich in diesem 
häufigen selbstständigen vorzeitigen Biasensprunge eine Natur- 
selbsthulfe gegen die bei Zwillingen so oft vorkommende 
ursprüngliche Wehenschwäche mit Recht erblicken — er kann 
dieses Ereigniss kein unangenehmes, sondern nur ein erspriess- 
liches nennen, muss ja gerade bei Zwillingsgeburtcn sehr oft 
vor verstrichenem Orif. zur Verbesserung der Wehen die Ei- 



384 XX. Valenta, Geburtshülfliche Studien. 

6. Bei Primiparis im Aller von 36 bis 40 Jaliren ist 
derselbe am bänfigsten. 

7. ßei Multiparis im Alter von 15 bis 2() Jahren am 
liäufigsten. 

8. Bei den Geburten weiblicher Eier erfolgte dieses Er- 
eigniss häufiger, als bei jenen männlicher Eier. 

9. Mit jeder neuen, wiederholten Schwangerschaft scheint 
die Neigung zum vorzeitigen Eihautrisse abzunehmen. 

10. Im Allgemeinen ereignete sich unter allen Kindes- 
lagen der vorzeitige Blasensprung bei den Gesichtsgeburten 
am seltensten. 

11. Bei den Stirnlagen erfolgte derselbe am häufigsten. 

12. Der vorzeitige Fruchtwajsserabfluss kam bei den 
«Tsten Bockenendlagen sogar häufiger als bei den Querlagen vor. 

13. Bei Schieflagen wurde derselbe gar nicht beobachtet. 

14. Im Allgemeinen zerreissen die Eihäute sowohl bei 
Pr.-P. als auch bei M.-P, vorzuglich gerne vorzeitig, so lange 
der Muttermund nocb nicbt auf 2" weit eröffnet ist. 

If). Bei den Primiparis erfolgte der vorzeitige Blasen- 
sprung am häufigsten im Zeiträume vom Verstrichensein der 
Vaginalportion bis 1" Orif.-Weite. 

16. Bei den Multiparis trat dieser Zufall am häufigsten 
im Zeiträume von 1" l)is 2" Orif.-Weite ein. 

17. Ein sehr frühzeitiger Blasensprung ist bei den Pr.-P. 
und noch mehr bei den M.-P. in der Regel ein Anzeichen 
einer sehr langdauernden oder wenigstens langsamen Geburt. 

18. Nach dem vorzeitigen Blasensprunge kommen im 
Verhältnisse zu den Geburten mit rechtzeitigem Wasserah- 
gange häufigere Erkrankungjen resp. Todesfälle der bezüg- 
lichen Mutter vor. 

19. Derselbe scheint jedenfalls bei den Pr.-P. häufiger 
Vorläufer von Erkrankungen und Todesfällen zu sein, als bei 
den M.-P.' 

20. Bei den Pr.-P. mit vorzeitigem VVasserabgange star- 
ben innerhalb der ersten neun Tage nach der Geburt bedeu- 
tend mehr Kinder, als bei solchen M.-P., bei welchen fiber- 
wiegend mehr Kinder gesund blieben. 

21. Ob des vorzeitigen Blasensprunges ist sowohl wäh- 
rend des (iehurlMKles , ivls vii^v ovstcu neun Tage nach der 



Bl«lfl9flPCTMH8? W«?fi.\V-A .1 i. •:.„,. ...;-.;,*. ■,.■ ...... 

■^^f'lJKfff.yKftSflfflal^PBge... ,;;,., ,l.,,.!.c,i;! ■■.!..:. ,i,: I,:;,. 

24. BeckenverengeruDgen veranlassen nf)i;,p;{^)a^jv l^ijqßgpr. 

<lw..X9rffliiagei^„fi|ffflP8|iniflg. ,„ i.,.-,.' ,.,..,. ..; ■..»■. .„■! 

1^1, ^t..MÖP-.fieif(?JwfliW<>e»f 1^. WWren, .^epiulien. s?en 
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als eine NaturselbsthüIf«i|flV,.Uftii^teH,,?^ WMJf... .( .i:ii 1 ... 

. ,m,;^8- J|>»fihaft|f %,^8f|9pft Sfjt4inio)iK«mja,vpr^n)ia4s^/ auch 
4^ft.^rii^1».i<Jer.vEJhlMe._|,„,,,i,.,,i ,,.,. ,., „ .,• .,.,1,,,,,.! . 

-1, ^(?n,^'n..^lW^tnfint«W''e^«lf.ScIiei|i)er)gewö||te i^ft.eiqf. 

I„„..30. Z|if.,iwtp ß|f^cb^n})^|„^^,pi>äu^ isH.^ie l)^Hg8(e, 
yff'/?B^W«Äl4«^l•«9f|e»^«««,,^|aÄelJPBr^qge8.., , ,.,. .; ,; 

. .„ ;3J/ ^ |jG^t>jftn;,i|iJV,ypr^itij8«n;i Blasppsßrui^ge ist ^ie 
^Kffl>ap|ß8""8'il>$HftöV<iA0Üi'g ^i!bej,,norinalefi G«biui«9,.^ ,; 

4,1 . 3^.,ff^e ifljy^s&Op^hjge Bo^.b^eqliplf'. .^«9 J^JW^Myassei«.««-: 
ei<i;<l^t| Ijpjifl (röhpf(ligefi,P|^fij5pr.flnge ni«?^it,bssoj>(ler? fn^h^, 
das kindliche Leben. . , i-in:. .i , li ,, 

)v<'3^irPer !yoJ?<'ilWe Bf^^ßpri^qg.wzfffgte. .häufiger zu 
slf|r^e,li»l»^«il.iS<*!f*%.;.W*eii,|,. ,,.,,.,.( .,.,|. .,,,.;.,,,„/. , ., 

.1 ,....Hi.,BlMmngW|„ ptHi^epi w*, (^ )(Qi^agiBp,;,masi|i)^^ 

; vM^MMNsphliftFfiPtelWaHiYWiWtigw Bla»ienspjvnge;.8aU;.di/5. 
QfMnwIe Vielen .ftMfs^fj^ qo^ 4i«, '^yphen,,»!! ft^Jj, vfirrT 

arJfWiPR-,. .i,,....., •„;.. \ |.,.!i.,. „.. :,.i'- ,;■..„!, .,: .,.i!-.,.:, 

36. Die vYisilere,;Qe]>|irt^el^dkpg|,i/|l,})f,in) ,yo);«dtjgf!q, 
Blasensprunge wie beim rechtzeitigen eine symptomatische. 

IV. Ein Beitrag^zur .Palhaloeie der Nehen,e,itheiJe. 

^■b ioBei (kr «Dtrchleäiing i deri t6i:sclii«deneii> : JalimaberJchte 
Ton geburtshulfl. Kliniken, besonders alier solch^v^ '«^«X^x^^ 
S^ mnen ' zu ^ehoie sie\\i!i\iifiviV^^^^ W ^«js^ 

MoBMUfiebr, f, Gebnrtitk. 1896. Bd. ZXV111., HU. B. ^^ 



38Ö ^^. Väl6ntä, (äebortähÜimehe Sttidiea. 

erstell und grössten zählen , fiel es intr Stets auf, dass m 
denselben der pathologischen VerhSltnissc/ der einzelnen Ne- 
behMtheile oft naheza gar nicht, oder nur neb^nbä Erwäh- 
nung geschieht, oder dass, um z. B. nur der Nabelscbnor- 
umschlingungen zu bedeink^n, so medrijge 2ifl^ni angeführt 
wen]en; — • diese Umstände bewögen mich zu dieser Arbeit, 
und ich glaube hierdurch einige nicht uMhtetSessante Baten 
geliefert zn häb^h;' 

Eine mir bekannte und in dieser Richtung gediegenste 
einschlägige Arbeit ist die von den Professoren Bpaeth und 
WedU) unter dem Titel „Zur Lehre Ober die Anomalien der 
peripheren Eitheile** gelieferte; selbe umfasst ein Beobach- 
tongsm^terial Ton 2108 Nachgeburten, welche genau macro- 
und microscopisch uhtersircht wurden. 

An emer ProTinzialanstalt fühlt man^ bei allen wissen- 
schaftlichen Arbeiten den Uebelstand, - alfeib zu stehen, isolhl 
zu sein, und als praktischer Arzt Im Weitesten Sinne des 
Wortes überdies beschäftigt, kann man unfmßglich ein tüch- 
tiger Hicroscoptker und Chemiker sein und werden; — sind 
jedoch chemische oder mircoscopische Untersochmigen nicht 
von Fachmännern geleitet, so werden sie ob ihrer Verläss- 
lichkeit immer und mit Recht Zweifel anregen; aus diesen 
Gründen ist diese meine Arbeit einzig mid allein eine 
macroscopische; — Sie umfasst 2471 genau beob- 
achtete Geburtsfälle. 

Ich beziehe in diesem Aufsatze, wie es der Titel sagt, 
mit Ausnahme der Frucht alle übrigen Eibestandtheile ein, 
i]n*e pathologischen und sonstigen Zustände vor und nach 
der Geburt einfach statistisch berücksichtigend, ohne jedoch 
in die weiteren Folgert und Wirkungen derselben für dieses 
Mal einzugehen, weil ich diese Ztißlle nach jener Richtung 
ohnehin in diesen Studien seiner Zeit mehr minder der Reihe 
nach genauer durchzuarbeiten die Absicht habe. 

I. Anomalien der Placenta. 
i. Fehlerhafter Sitz, 71 Mal i. e. 2.9»/o. 
•a. Ein sogenannter tiefer Sitz der Piacenta wurde 

1} Klinik der QeV)\iTlftV\\^« , ^Xk^ 0>}TdÜLolQcle von CAmti, 
Braun und Sjiaei'h. F*T\Äiig^ii \%bb. 



XJC. faleniä, ^^hknäMinieh^ SVadietii ^ 

bei 67 Geburten , somit In 2.8 % beobachtet — wobei die 
Diagnose zumeist au^ den knapp am Mutterkuchenrande zu 
erkennendeti EihäutrisSe gemacht wurde. — Unter diesen 
Fallen war^ 17 mit Bltitungeh combinirt, somit 26.6 ^/q. 

b. Plac^rtta praevia, 4 Mal i. e. W^lo,' und ^war 
als' totalis 1 Mal, als lateralis 3 Mal. 

2. Abnorme Anheftüng, 52 Mal i. e: 2.1%. 

a. Zu feste Anhefturig, 25 Hai !. e. 1.0%, und 
zwar 6 iffal, domit 0.27o strangförmlg, und 19 Mal, so- 
mit 0.^% ate l^ögenatihtes innigeres Ineinanderge- 
schöbensäfn der Zotten. 

b. Zu locker angeheftet war die Placenta 27 Hat, 
somit' 1.1%,' ürtd bewirkte Aemgehiäss während der 1. incl. 
4. Geburtsperiode mehr minder einen Blutgang. 

3. Placentae sticcentufiatiie, 23 Mal iJ e. 0.9%. 

a. Eine sögehannte Pfa'denta duplex d. h. PSRe, wo 
die eine Hälfte mindestens 3 — 4" mäss, oder nahezu die 
gleiche Grösse wie dik andere Hälfte hatte, wurden 5 Mal 
beobachtet. '' 

b. In 10 Fällen war die eine Phcenta socceiituriata 
unter S''. 

c. Zwei Plac. subcerit 3 Mal. 

d. Drei Plac. sricc^t. 3 Mal. 

e. Ffinf Nebetiplacenten 2 Mal. 

4. Gestalt. 

Selbe wiöh aufßllig Voil der gewöhnlichen kreisrunden 
Form bei 22 Placenten i. e. 0.8% ab, und war m diesen 
Fällen eine nierenformige lüit tiefgehendem Sinus oder 
liähezu hufeisenförmige. 

B: Grösse. '■ 

Von besonderer Grösse finden sich 12 in den Proto- 
totlen angömierkt, somit 0.4%. — Hiervon hatten 7 im 
Durchmesser über 9 2!oll', drei über 10" und zwei über 12". 
-^ Das Gewicht dieser Placenten war zwischen 1 Pfd. 4 Loth 
bis 1 Pfd. 21 Lolh W. G. 

6. Texturanomalien, 697 Mal i.e. 28.1%. 

' a. sogenannte Fibrinscholleii wurden 267 Hai i. e. 
tO.8% "^efonden, und ^war sind hi^r uut ¥V\^ Mi%^tl\«:cV^^ 
wo sieb stets mehrere Schollen vorlandeu, xiV*« ^ct^u x^x- 




den siclj, ajevHflhRljdv.fln.iflßf, 

stanz bis zur lJier'ina^^^a(^he^^}pff^ipn^pi^ff^n^hes^ 

2 Drittel der gwizf^n , I^enV? ^mimh/ .......mI/ [' ' 

l,„„ b. ft^ff , sqgpij.a^n^U FjllT/flr.iflg/ — ,yofl ejikir ring- 

ühpr ,Jf:„ ^gpyv'pfrflich. .y» .^vfi,eip,;;]Z{)|},.,v({nf) ^^^lacepj^^nde^ 
entfernt und zumeist mit obig^^n ^|ib^i.pS|Chonen ppm- 

lMuDp^,..WH^fi!i.)>ej.c|.fip,ff,|}fii[\^|,9,n 
225 oder 9.1%. .j„,j| „.„„., .,.,|,,„,„ .„|.„„ Mi.,.h-M| ini.|-,»i ^ 
Ca .(Jy&^^n„ i^fiist niif, ,W??p\n, ,^plialte,^^.ein^f bis 
3:V, im..RiH-cl^fn<f^s^c. ,ijffi^ep(|,, ifa^dpf ^jc^^ ^pter deraj^rani^ 
d^^ M^b.lJ^jcVti von 4eflse%n .abzi^hpn,H^^^^ 
n^f/ APZ(# .flot der,|?v(taJIJfj9\)p yp^ ^6 I^jjcen^^n,^ sonijt 2.^ % 
vor; mit Spaeth in Uebereinstimmung waren die b^zy^licben 

d. Kalkablagerungen — sog. Kalkkörperclien in vqr- 
scbiedener Menge — an Ißß Placjc^tpf}^ soipjt 5j5ij^/o», """ 
zwar bis auf drei Fälle ftf^s. ;ol^€irj[|af^liQ|][;ipn ^^r , Ute- 
rinalfläcbe. — Diese drei, J|j')laceq^^^|.^2^^p^|aJt^r^^^^ mit 
Kalkkörpercben durcbsäet, dass man kaum mi^ d^mBJj esaer 
ein« St^U«, fuqa,PjüiRfi^^phneid9p f|fldeq,^C)ipnle, jolme <}as^^^ 

Sfiljar«ig.^U,^aia(*Sp. ;, ... ; „.j.,.,,;., .... ,.'.! ^^ . i 

i i .e. .Apoplej^iep ;iMng^f|n P^tu^p^ ;t-: syn^i.^ jeije, weicliej 
die ScboUen bewerkstelligten, ausgeschlossen — wfirden ^^3 
i. e. 0.5 ^/o beobachtet, hiervon waren einzelne Heerc|e, fiber 

3-T4:<|gKQft8.... v; ,j. .,,.,^. , ,.^,,,, ..,..j.. ,,,....! .../ 

f. Fe.ttigf», .Entartung rdßr i|j?.9<ßnt2\ )yi^r#,,,16,Mal 
i. ivP.(>% beo()adif^t, meist, bpi;syfl|jil(tifkcU^i^j^Mfittera 
.; . g.). Oeidena dpr Placen^ MP^K 2^^?^ !• fl- 9-!^% 
beobacjitet werden. , /.• i * - .i 

. » ' ' ' ■ J . _ .1»; I i 

h. Entzündung iajr ;P);icen.t^ —7 ,,}}i^rj|>ei. c^uüifh 
na^cl|wei»bfif^ Ei(ef;heerde i^d. ein^.pupdexqrtigf^ Zei;iTMicli- 
k^it, de« .Qeweb<\s y/\iv^?^, 6 .,MäI i, 5, Q.?7u^vl{fift^dil«l.;— i 



ItiiiaUk durlifeäetl' '^ ;' 

" ^ ' Die "TexturaiiÖmaRisii der Piacenta ergeben nadi ihrer 

HäÜ^keft foigend^'^il^teigende Skala : 

1. EnUündtifa't'"'" '"'" "^^-ihf^^" ^\ nn ö\ i -^ i\\ r. tl ..» 
•' *^*-2. Apoökien 0.5 „ ''I i'>«lJTM| löH 

• '*% Peteife DegeH^rJMän'''«'.i9;','"n''>' '••.!, hu« ,„„ .-, 
.. o.(4)rOedem , 0.9 „ • 

.n'»yii^l>fhy(f^(.'f MK .l-.i- ii'.(.iifjfrt';.j..ny| o-iilf;'// .j- 
-v..lfv/K#j^e|r,^I r.l.nr4.^^ ;•,«■, ,„"7.0 i.rf ,in,o. 

« ^f""?.. ,!^'^' in. Mittel 9.1.9/^lonJ 

.o"80.() u\ jiirro> jioj88tib^hHi;/l ir j-hI ih\>. f>j«Miiji'» 
fii Jitrfietradhl^t inf8Mi/idk(i.vi$iMbie(|(kfKSnii1Pl#f]|^^ ItncHfialien 
unter einander, so ergiebt sich fol|QuA^>fftMf#t^igfWde^;\ß|^l.?): 
Anomalien bc«nglicIl»i!iGi*»fii^»;ilMrlK'*<).4'Vfo oylii (1 .T 

o"fM) .- .i f/^ I>ni> '»yiiACtertalö«/: A8uin>. .:;oh .i: 

Zahl 0.9;i,iijoiiiiin 

ir';;Mi»'tiM:»ln/ '»-^iMv/ii'.H'»)?; .jITj^kImm n n3|84ri»4»vl h I .-^n^. .» 

daher ganz normal 64,8%'li^nh^ 
«V /jf iImj. iiofuii) M-ii rriJ > .i ' i iI nK ■ Lv^iJiJI i ii inJUlli, .K — 

lich um einige Ziffern niedriger, da' ja öfters mehrere dersel- 

.■|M(iiU| 
: muH- . ^-ftftWaUqp •,<! Wä) -f^al^ftl^W.^VifftR'l Jl 



1 
achtet, 



VoPfaif k^e-ibiMf^e^ 2ä!''!ii^"a:if: d:9o/o beob- 

2. Tor's^oV ^^^ NaBelsctnur ereignc!Üe'*yicfi*4 Mal i. e, 
016®/ " '^'* " " <«''»tri'urn.lT/ .h 

3. üm^ts^HYlfigungen liMln 593 oder ia 24.4«^^ n^^\ 



390 XX, VaUfUß, GeborUl^mf liphe Stfiditii. 

a. ufn den Hals und zwar 1 Mal: 467 i.e. 78.8®/^ 

2 Mal: 59 ,, 10.0 ^ 

3 Mal; U „ .1.8,, 

4 Mal: 2 ^ 0.3 ^ 

b. halfterförmig um Hals und andere 

Körpertheile ,1^ v 2-^»» 

c. um andere Körpertheile ajleiu 39, ^^ 6.6 „ 

' 100.0 „ 

4. Wahre Knoten fänden sich an 19 Nabeistringen, 
somit bei 0.7 ®/o, vor; — darunter 1 Mal ein sog. \Vcber- 
knoten. 

5. Spontane Zerreissung während der Geburt er- 
eignete sich bei 2 Nabelsöhnoren, somit in 0.08 7o* 

6. Hydrops fuoicoli umbilicalis kam 4 Mal, «oinit in 
0.16 ®/o, «ir Beobachtung: 

7. Dicke der Nabelschnur und «war: 

a. sog. sulzlose Nabelstränge sind 23 i. e. 0.97o 

aufnotirt; 

b. sehr sular^iche Nabefo(l*änge im Ganzen 2, wovon 

einer IVs'^ ^^r andere 2*' mass; 

c. sog. falsche Knoten d. h. stellenweise Anhäufungen 

der Sulse /waren sehr häufig. 

8. Länge. 

a. Abnorm kurze Nabelstränge finden sich 12, so- 

mit 0.4%, bemerkt, und zwar je einer mit 8*/« u. 
9", zwei mit 9%'\ drei mit lÖ" und fünf mit 1 1" 
Länge. 

b. Abnorm lange Nabelstränge siiid 8 angemerkt, 

somit 0.3%, und zwar zwei mit 32^, einer mit 
36", zwei mit 38", je einer mit 41 , 43 und 51" 
Länge. 

9. Einpflanzungsstelle der NabelscÄiiur: 

a. excentrisch 1950 Mal j. e. 78.9% 

b. central 342 „ „ lä.9 ,. 

c. marginal 158 „ „ 6.4 „ . 

d. velamentös 21 „ „ 0.8 ., 

2471 7~» 100»0„r; : 
es muss daher die excenlm^Vi^ ^U ti\« ^ew^ltoUf^liaU 



ElnpflanzungssteJle i.e. normalßi — ^.^aogeaehQn werden, 
ebenso ist mit Berücksichtigung der Zahl und ihrer Vortheile 
die centrale zu den normalen laserjti.ODen zu rech- 
nen — dagegen c|J9 marginale und DDck iaehr die vela- 
meutöi^e Insertip^ zu den abnormen zu zählen. 

Betraohtei m^n die NabeteohDiiraiKMiialien unter einander, 
so ergieht,sich folgend^ aufsteigende Skala: 

1. sehr öulzreich 0.08 «/o 

.2; 8p4iÜBiier Riss : • 0.09^, 
i . • ., „ 3^ H;dpopB > ,. Q.lQf ^ \ 

; ^ 4. Torsion ,. «0.16. i, • j i/ 

i r 5l zuiiaog 0. 8 ,v 

.. . i .jSL:j?iu kw».-: M, •' ■• . .0.. 4. .,;?-■ ;■ . ■. 

./ 7. w«hre Knoten . Q':7j».* '■. :/. . 

S. yfikm^f^se Insertion, t Q. 8 ♦» 
. a Vorfall . .rO. 9„ . : 

10, sulzlos . Ö. 9„ 

11. margiooliQ iP^rUoA 6. 3 ^ 
12« Ui9ß<iilingui9geo . 24.4^, 

Summa: "86.118% ^ 867 
• dalMr jg-irtt^' normal '64.82«/o':^ 1604 

Sum^näT^ 1()0.00% = 2471 "" 

III. Anoma^liep des Fruchtwassers. 

1. Hydraranios^Vorde bei 104 Grihurten, somit in 
4.2<^/o, beobachtet. 

2. AtiffäUig wenig Fruchtwasser ifiand sich bei 
9 Geburten, somit in 0.3 7o{» ^^''• 

3. Hydrorrhoe — d. h. eine wässerige meist sulz- 
artige Ansammlung zwischen Ghorion und Amnion wurde bei 
80. Nachgeburten, soipit in 3.2/>/o,.ei:uirt; -n- war zugleich 
misaüaxbigas Fruchtwasser vorhanden^ 30 hatt^; die Sülze die- 
selbe Farbe. 

4. Missfarbjge& Fjrucbtwa,sser, (ging/ bei 211 Ge- 
burten, soflit in 8.3Vo,^^b» . / 

Für die ^j^ucht^^si^r^Ofllil^Iien ergiebt sich folgende auf« 
steigende jSkat«^.: ,;• « v\ 



m2 . Km*>'Ftsi;«y^f«bWmbMiA»w^i^ 

•1"»" «l>ii'«tt-'1Wjnig Fl*tiöht?#hs^pi 'Ol.&«a/jj<-iiiixiii>nqni.i 

••«1 mIi j../ gnlH^(Jj^rrtöS »'»'» \mt'S\\iW\f^in'^\\ lim i<i n^iM** 
= *'»« «'^ 8;' «Hy*ÄttnAfe »«'»''= '"'«'»" ««4A,|''^ ylBTiir*:i miIi 

.ii»i:hs p\ II •> m I n II (( A • it M h n ^v> ^*t/^ '' — " ^Ajfi/ "^ " **"' 

1. Zu z4^^^-fiihäute und dem^thlU ^ künstliche 
Blasenspruoj^^iMmeist in der SchMtfdßtlKe l^ei 375 Gebur- 
ten, somit iH- ^^a^lo — darunter ^»»Mäl'ia)^ sog. Vorfall 
der Fruchtblhs^, wo sich die EihMsie idüräi den 1'' wei- 
ten Muttermuac) blihiförmig bi^>%(lk<iJlcl«aMkf$aWe herabdrängte. 

2. Zu <i^ri^ EiihaÜl^il-^^HtaM'illMig^äss der vor- 
zeitige BUsiii^jirung bei 580GeUtlWiil, ^mitin 23.4%. 

3. ZwisehMi ^tlhorion und Amni0ti>'^ni^t eine hasel- 
nussgrosse Cys^e'bit sera^itT'AihyiM';^!'^«" -^^ 

4. Sehr oh Wiirden zvtftött^ftoil&hitfMl liab Amnion fri- 
scl|^t:Slute^tp^y(9j$ate,:»^^i4Wi^^ii der äusseren Chorions- 
fläoh« ) (bereits «»^.i|Bnbte| , j^^i^, » i^}](5}{]4e^im{iil))stamniende F i - 
brjöApagulq ff^f|j^den. .^^^^^^^'^ 

^ Da die 'Punkte o. und 4. stastistisch nicht verwerthbar, 
so ergiebt sich folgende Skala: 

■■'Y/hx"m"tAäi\!^' 'i5:i*rj""' •'" 

38.67o =«'l«öfr.l .„"\i.\ 
!'•'! <l II. Boulit tgia»z 'uiolrinatl 61i4>// ;:t*j 11516/. ^- 

•"~l(XtW=^"ä'47l'."''""'"'' '• 

.\lll ! :r.iri ll;ic)/.;.-(,« •lIMi .l| .ll ■Miil'no'i I) / II .>'. 

I mI 'iImii// iioiii^ii/. I'iiii ii>>iSoi|lluvct>'!i"v v;iriiliiiiMBiiiA 'c^ii i>. 
'■'"'-I^ •Bttrac1ilA'''tt*B-iiun"8cHiie^Utth dW"*^8»<'ttAiyf-' 

eende Skala: •"«■"«■•' ""'• 

I - 1:' AdMWiiaHäA '^M 'I»rti6!itWirSä*fe' ' ' ''19/ B"*/«- l" 
2. „ „ Nabelsifr^nge^«^ '85ll»',1 •"'•'""' 

-i'"'-^;! ll H^^^i.i.i-... .i'iiHutiWI«(äWhy'>"Ä.'»* „""•'■« 



1. Aoomalien der Eihäute kommen unteif' aUyä'^Aiimiitf- 



lensten. 



»linJir»" 



*)'"' 3^^\9»^ AVifläaS^'WH^ ^?({^m'^futtüi<ku(!il4sU/id des 
Nabelstranges kommen gleicH'4fäJ«fi^'4ttW^ o'»*^»''»" nf)..Miio 
4. Betrachtet maif in den Hauptgruppen die einzelnen 
Anomalien, so sind in absteigender Reihenfolge die häufigsten : 

a. Texturanomalien der Placenta (28.1 *^/o) 

b. Nabelschnurumschlingungen 24.4 „ 

c. zu zarte Eihaut« y y 23.4 „ 

d. zu zähe Eihäute ^ " 15.2 „ 

6. Zwischen 10 und 1% e reignen sich in absteigender 
Skala : 

FibrinscnoUen, * 

-mri>Hn'...Kia 'ßUaSM{ii?es" 'Wasser'" '*''' ' ' * "'""'^''""'^ '"' 
nii^n .iTiV tlijyjJ lrf\;,.^!K .il TunrA :li;.l,<-lj;ii(.t/, .-i) iil-j^Hdii «h 

,hnil«f Mt'.bn-) nidl'gUiak(.-illSQntiQI|j)iMi!.}>li .b 'HÜMrit;; id n'n^*rio mi 
ri')iir(.r JMitr.iiKlMldklagtft^dgVn,^"^'*)-^ auh notti(M|Infii;:i{V 'jnHi) 
(»trti'l i.mI. T<*'tJfrtj^j/^rt^^'*'*^' ■^^'' ;»iin«>i'.iIri->>'.T// rjvijjnj«!« '^'^ 

. . '' , TeWerhanerPlacCTüLar-Sitz, -. , .. „ . 

n(>iii(fo'K iiUcitePT li%w%i»i.i/^^%>0i^^|ii) sieh> folgend«! «Mei- 
-'^tendÄ^SIriitof to^^iWh^i^irtteÄilA^ WfrjißÄtll'' ^'"" "-»►"'''-^"■» 
•'"'"ll N'i!>^scIintfiitö'rfill;^s"Ä^^^^^ Sii/Ägg^., 

'^^^^^Ji ApWpMäaÄ^'pttc.'/*^ '"^ .-null. II Mfj^iniiioJIlov nofJui 

p, letiige Oekeneratibn Q0r Plac,, 

ittiiK)'*! ''.■=•1) ,fin:/iml?r lab JIkIic'/ hiiii iUHi\tiut)\t{'ir n fTii^inirU T>b 



.lAitiT*! W9teBgp.J!!(9b4lM)wwr«ifv-iWH)igiMUsi^rtiiiwi ■>ii'.<ir..io>i 



^94 ^il> NotiMa a«8 der Joarnia-U^nklar. 

8. Unter Viq"/o> ^wi unbedingt am selteDs>toa> ereignet 
bjch die spontane Zerreissung der NabeUchiiur ,. und wird 
letztere äusserst selten in der ganzen Länge Abermassig «ub- 
reich gefunden. 

9. Die gewöhnlichste Einpflanzung ; der Nabelschnur in 
die Placenta ist die excentriscbe» dann erst Ju>mait die 
centrale. , 

10. AUe diese Anomalien kommen »dfjc häufig unter 
einander vielfaltig coorf^inirt vor^ 



XXL 

IfotusM ans der Jötuniäl -Literatur. 

Ulrich: Operirte Blasen-Schei^en-Fisteln. 

Im Ansoblasse an die an 10 Frauen opeiirten BUseosehei- 
denfisteln (s. Monatsschrift Band 22. S. 3X7.) theilt Verf. nenn 
Fälle mit. Der 11. Fall betraf eine kleine Blasen« oheidenfittel 
im oberen Drittheile der Scheide; das 8chaldanrohr endete blind, 
ohne Vaginalportion des Uterus und obn« ttaUermund. Durch 
die operative Verschliessung der Scheide dicht 70 r der Fistel 
wurde eine vollkommene Heilung ersielt. Am 22. Tage waren 
auch alle Stichöffnungen vernarbt. — ' Im 12. Falle bestand eine 
grosse Blasenscheidenfistel in ünä hinter einer Verengerung der 
Scheide mit Vorfall der Hirnrdhrensebleimhant. Die Fistel war 
naok einbr sohweren QiSburt mittels des Zanga vor föiif Monaten 
entstanden und bisher ohne £rfolg jnit Qlühaisen behandelt. £s 
konnten bequem swei Finger hindurchgeführt werden. Durch 
die Operation wurde eine vollständige Ifleilung in kurser Zeit 
ersielt. — Der 13. Fall betraf eine kleine Fistel in umfangrei- 
chem Narbengewebe diöbt vor d<er Poftia vaginalis des Utarus; 
nach fünfmaliger erfolgloser Operation brachte die Mohtta Ope- 
ration vollkommene Heilung. — Im 14. Falle war ^ioe grosse 
Fistel in und hinter einer Verengerung der Scheide mit Vorfall 
der Harnröhrenschleimhaut und Vorfall der Mündung des rechten 
Harnleiters verbunden ; eine aweiroalige Operation bewirkte voll- 
kommene Heilung. -^ Im 15. F^He Vastand isine klahlei% Fistel, 
welche durch die erste Operatiaa^ToUtiändig gehallft mirla. -Die 
£JiDp£ndJiohkeit dar« X.TaÄ¥>^ Vai ^^ <)^%t%tif^^ wiur^,^ 



ZXI. NotifeJ[i i^us der Jonxiial-Iaterfitiir. 385 

das« sich heftige hysterische Krämpfe mit Verlust des Bewusst- 
seins einstellteD. JXtLch gehöriger Chlproformnarkose war die 
Operation leicht ausführbar. — Im 16. Falle konnte die kleine 
mit festem Narbengewebe umgebene Fistel, die dicht vor der 
Portio vaginalis sich befand, nicht bewegt werden und 4^0 Ein- 
stellung bot deshalb grosse Schwierigkeiten auch unter der Nar- 
kose. Die Anfrisohupg wurde uro eine eingeführte Sonde vor- 
genommen und die Vereinigung in gerader Richtung vorgezogen. 
Ein Faden war zufällig in der Wupde gelassen worden, ohne 
dass dadurch die voll^t^dige Heilung gestört worden wäre. — 
Im 17. Falle bestand an der Stelle der inneren Harnröhrenraün- 
dung in die Blase eine quere Absetzung der Harnröhre mit grös- 
serem Substanz Verlust und entfen^t von ihr ein enger und izirier 
Eingang in den Hamblasenrest. Die Scheide endete blind /von 
dem Scheidentheile war nichts zu fühlen, derselbe war durch 
Substanzverlust verschwunden 'und mündete der Muttermund wahr- 
scheinlich in die Fistel. Es wurde ein organischer Verbindungs- 
sehlabek awiseheu Hantröhre und .^arBblasenrest in zwei ge- 
trennten Operationen. ketgesteUt und vollständige Heilung er- 
reicht — 18. Fall. Eine 28 jahrige Frau, die sieben kräftige 
Kinder geboren hatte, wovon fünf todt kamen. Seit der letaten 
Entbindung, wobei die Perforation gemacht worden war, war 
uh willkürlicher HamabgaAg- eingetreten« — Die Untersuchung' 
ergab eine kreisrunde, für einen gewöhnlichen Oatheter durch- 
gängige BlaseBseheidenfistel« ungefähr in der Mitte des Behei- 
denrohres. Nach Anfrisehung der Wundränder wurden dieselben 
in der Längsaze der Scheide durch vier Hefte vereinigt. Gegen 
das bisherige Verfahren wurde 4ie Kranke angewieseut den Harn 
selbst zu lassen, und »rst als die« «loht möglieh war, der Ca- 
tfaeter applicirt. .Derselbe war indess nicht ium zweiten Male 
nöthig. Bereits am fünften Tage nach der Operation wurden 
die Hefte entfernt und am 12. Tage die Patientin entlassen. — 
Am 20. Tage nach der Operation fand sich die Operationsstelle 
vollständig vernarbt. — > Der 19. Fall wurde an einer 81 jahrigen 
Frau nach einer schweren Zangenoperation beobachtet. Es fand 
sich bei der Patientin 1" hinter dem Scheideneiogange eine 
quergelagerte, für den Zeigefinger durchgängige Blasenscheiden- 
fistel mit vorderem scharfen und hinterem wulstigen Bande. Er- 
sterer erwies sich schon während des Abpräparirens und Qooh 
deutlicher nach Ausschneidung der. ganzen Fistel als gefenstert. 
Bei näherer Untersuchung wurde das Fenster als die Umsäu- 
mung der inneren Mündung der Harnröhre erkannt, welche offen- 
bar durch Veraiehung des unteren Fistelrandes während der 
Anfrisehung unter das Messer gerathen sein rousste. Es wurde 
desfhalb um den unteren Wnndsaum zu verbreitern, von der Be- 
deckung des Corp. cavem. noch ein oeotraier, bogenförmig mix 



}kÖoif'«h'tU8i&^ti^'diifr vollständig' ^^^^ '^ "^ 
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t^rhilniltii d6fi"0^btttlllftiiSMV, 'Unf^ileWei"tliili'kn»fM««'!€ft)M. 
g«iihtttiiUiHWmDvi(t6rB«r£lafn^^<<I)^a4i^n^^ V«HieiHiKten, 4iii%tB 

li. '/ , If '/Dl«*i»tati8lik"%«ii»eiMi jMiit ttfi iiiib6ifer^tban'>W«iiA«it, 
dMk'lni d0n' O^Üärhäutf^rti itntd'iin d«n '0«bll^abtiwttkugl4ii/.4mr 
HitipitJMr ;dtt8> Künäti^tiSet»«y i^iol' hStufiger iimd' 41« 6t8iWidkMt 
v{4»ii9b^ iiH,'^«U ifoiMi wiit". 0ie BtMlIddigkdi« «nd Wieasdn^r 
H}«!ifMlben<iTlMit«aabiifl fh''iii))^A AovUliPMir'ttnd tHiidewy hmiLdu 
fBrdas BinmUn dui^ flbi^afll '^leiebbn einflbf»«!^ JslnilioU'dBs 
'fMpftalle«; -Ev''i«t'demfa«efar<z#^ckin««irigfr'dlW>uebt9iltlfob« V«^- 
ptte^bg dttf Gf6btr«dd«4<ltt PrtVatWobtfttnitmi «d' etttwialwbi Imd 
'jtt^llkshat «casdtdebifetf/ mn ^dMi IDIenst^in d^ OMÜrfaUfuen sn- 
'tokeh^t 6ftiWniehi'ftnk»k i«b« %pat«r ztt bMeit%«n. ' ■■'* -: - 
" 9) 'Itti RoitpiUiU ot^iisbtl si^ 4«e: ^öiMnä* dterbUbhksh, 
"i»M(6fa«-'Ato tfö^eoänfttd^pideniile^' iftb zm^ÜM 'sebar bo4h rti/i- 
'|f«#l,'< faa^ atiMchli«8^1l«b itee'- d^- Binflns^cf > vidier. iSlMitots, 
^MMiHiA d«ii^''no8p1tkl^i«iprttgMvCi<inVoder -Infeclion uriddev-ln- 
'm^kttt^vlibigkelt b«tr Kinäbdttfiober. t Di^MtrBiiUaüii^ dM'Hoapi- 
faikli'lflrktSr«bie8T w^b^H) ionst fbtgelegiedk mnd pit:mi»g%Hek' 
tdte <S^ebl^b&ti«orl<d«n«o«b' dijr* 8tih«n))l«ii<»aMWit«r StnrbUdi- 
><b«ll wttl'ddil kötttteft«-''- ''■ • •' ='■' " "•'•■'"' •' ■''^ -■i.-i" . .T.• 
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y«|^lik tdr drhattttBg der^e«b»dbeit-'(fH«^8oldbb MbviviniiUr 

«lrmih«n 4rorrden iflfnd^i/inisMH' ai8*eh6 j^eg»«!^« 'V^rbteiilg *do 
l>lMft>«ralfi6b«ri^ nndg^g^b dU SterbUcbkbif inridtfV'Sbbtibid- 
iefm, bdttptsäoblieb^'^gfiBn'didiBiDMbWpfrang^'Qnd'^egAa dUi^Mt- 
't«>n^ftf%ret«mf -'gefiMrlMO Mini' i?*«' .ni-v- • .-pM) -••». vifn^oli 
4) Um die EmBcblepp\m^ vel V^c^Lim^lv^ ^ \iX ^v^% diaaend« 



ai|^.«^r9^e|.B^fpUp^6it), uaj^fl^Jlfji;^^. > W.e.Qi| ein,. Sf^^l .^e^iänif^t 

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müsseD getrennte Zimmer für jede ^gjp8ffQdfi..li^(QJfh^^K/n„...o4^jf 
vrea|gp^e|9fi,g;nt zu Wtejiä»,.m^ at»9,p;^ri?n^nd|^ ß^ii^ i^a,|^(^^)i8tent 
▼jiwBfWpn.,;pnr.yprfiig:iyNJ.#tfh9Pr. „ --....:../... .. < ! .]-. 

; ,$;) 4e4^,]|E^^ke Y^(JQhpefiii.,iat.i9pfo^t iz^^/d,?^,gj^anfd^,i(!^ 
tr^i^ne^ jw^ in: e^n^abg^p^^erte^ Ifr^ifljKefi^ai^^.ijii ^ringW- i:i»l 
difta^Ai, nf»$M?ft ^fr Zjwflfi^r.flpr fifjirii« «»«- Kf apk^ . e^ngerf /?Mj!it! 
^f)A,^.Pfri^jfial vji^n dfim d^f Qc^^äjrjiai^vei) fau^f g9ire^nt„fe1^3 : 

. l ;;), I SoUliia }tn9t9 den ypirpitfitviQ^sreg^eln ^je .K;r^^eitvi|i. 

<^ej7,^^ j Da die (^fthr ^^tofir ^uBfikUj^nng ,f^f^f ,jon fl^ex%tf^^,gj^, 

^Ax^if^t. werfen l^iiiii) jin^ die^J^^leerifiig .pJmp.ye^aBÄK^^»!^?'^?"/ 

m^»^ . 80 aoUten die . J^tiT^U. difise,. Bf/^ur^ge^ , .^aqo^^e^ bf {»lefv./ 

.,,8) In Studien, ,w(> die,: Qc^b^rMvier.Agcb ,fU|B.bt l^e/Bef^igt 

wp^d^ ]^^i|neQ, miiAsjen,; um mö|fIi<:h>tjgQte]yftrl^^4^ißfye.,ber;fjl^r 

«toUen.) .die«c\1^6n, kli^fn fein,; > mo^lichB^,)^ufig,fti^^rt,.yf^T4ev^; 

1^^ 80 aab)jreiol^ 8eiii, ^di^s % die AnJT^ab^e dv ?A^0^°C^ «^f^P- 

Y/9riQgenheit..eBt8tehtj. ,, . , , -.,i. .:.„:?.? -r.r. •.'■.. 

: Jfepaul j^rkjärt ,$i^\i. jcbli^ekcl^ geg!^», o^lg« S^tpe , , j^prpn 

Anqab)»^ dar^cb die Qeaellaob^ft er ifttr «nnötbig ufid ip ,fi9kfe.r;$i 

für, bedenkUcbibUlt, ajl8 A\^ Tf^V^ clex.jQaiitaaixMiität qi/}bt}j^g^. 

scb)p88eo .sei luxf, die Q.eiiel^efaaft «päter in ,dje Vevl^egetVL.bejt; 

kp^npm^Q künptefrjbrQ. Silae wiedox, nro9U8to88ea, ,>,- ^..i , 

.„ : (Qasetde des b6piti|n;c ^o. 67. 18^.) ,. 



JR;ft«fZe: DiÄ^ Äirfpatatron dfts Üterns;' ' i . '. 

Die Gas. .de« bdpitanx Nr. ,79/ l^^i ,^o.n<^htetv pÄcli der 
Anoeric. Medical Times, i'any. i866| und CUz.bebdoro. ^o'. l\\ii^G, 
da88 die operative Chirurgie jetzt Verfahren ausführe, welche 
man früher für ünansfäbrbar gebalten habe. . Dies sei der .Fall 
mit der Oyariotomie und. der Kxstirpatiou des Uterus yon den 
Bauchdecken aus. Letztere Operation habe zuerst Clßi^ /^^ 
in Aroerica gemacht, dann sei sie yon. mehreren fremdeu Cbirur-. 
gen und in l^rankreicb von Koherle ausgefiihrt worden. Die 
letzte sei die von Stortr In Boston im September 1865. Die 
47jfthrige Kranke habe eine enorme "fibrore,, ipit. Cysten Y^r-^ 
sebene Uteringeschwuls^ ge^^bt , die, ihrem . Leben ' öefair* 
drohend geworden sef. Nach langem ScWkiiVl^ii ^iv\i^«^c^^%.t:\OQL^^ 
S/ßar Exßtirpaiiott das ganzen tlteTti«. 7itAAt«\0a^ ^«^^^^'^* 



398 XXf. Notisen ans der Journal -Litenitar. 

sangen machten grosse Schärfe rigkeifen. Blntnngen iwangen, 
die Wnnde drei Stunden lang offen in halten. Dennoch konnte 
die Kranke am 28. Tage dag Bett verlassen nnd war nach swei 
Monaten genesen. Die Gesehwnlst wog 37 Pfand. Man kemio 
bis jetBt 24 Exstirpationen des Uteras and beider Ovarien. Bei 
den ersten 17 kamen iwei Heilungen, bei den letsteA irteben 
dagegen vier Heilungen vor. 

KdberU bemerkt sü' obigem Beriehttf, dass er nicht richtig 
sei. Die erste Ezstirpation des UteraS ist nKmlleh 1848 von 
Heath in Manchester gemacht und der erste glfickliche Krfolg 
1863 von Burhham in Lowe)], Nordatneiika, ertielt worden. Die 
bis Jetzt bekannte Gesammtsumme der Operatfon mit oder ohne 
Entfernung der beiden Ovarien l)etragt 4S, mit acht HeiYungen 
und 34 Todesfällen, also eine Heilung auf fSnf F&lle. Die Ez- 
stirpation des Uterus ist eine viel bedeutendere und schwierigere 
Operation als die der Ovarien, die Mehrsahl wurde in Folge 
diagnostischer Irrthttmer ausgeführt. Mehr als der dritte Theil 
verblutete unter' der Operation oder bald' nachher. Die jetaigen 
Mittel sur Blutstillung werden wohl in Zukunft etwas ganstigere 
Erfolge erzielen lassen. Burnham hat die Operation am häufig- 
sten, neun Mal und zwei Mal mit Erfolg gemacht KSberle er- 
hielt bei fünf Operationen zwei Heilungen, die drei TodeslUle 
erfolgten durch Verblutung. Im ersten Falle veranlasste eine 
nicht unterbundene Vene ein tödtliches Sickern, nachdem schon 
bei der Operation selbst viel Blut verloren worden war; im 
zweiten Falle glitt wllhrend der Operation eine Ligatur wieder 
ab und eine furchtbare Blutung tödtete schnell ; im dritten Falle 
bot die Operation gang ungewöhnliche Schwierigkeiten durch 
einige Verwachsungen der ganzen Oberfläche und Complication 
mit Ascites. Nüaton hatte frSher eine Ovariencyste diagnosti- 
cirt, rechts und links von dem Tumor Jodinjectionen , jedoch 
in die Bauchhöhle gemacht, und dadurch die allgemeinen Ver- 
wachsungen veranlasst. Die Ovarien zeigten sich ganz gaannd 
und wurden nicht entfernt. Die Operation dauerte fast drei 
Stunden und war von bedeutenden Blutungen begleitet. 

Der erste glückliche Fall kam 1863 vor. Es wurden beide 
Ovarien, die Gebärmutter und ein Fibroid von 7 Kilogr. entfernt. 
Die Person ist noch jetzt in blühender Gesundheit 

Der zweite glückliche Fall wurde bereits in der modiz. 
Gesellschaft zu Strassburg 19. April (s. Gaz. m^d. Strassbourg 
1866 Nr. 5.) mitgetheilt, gleichzeitig mit einer Heilung nach der 
Ezstirpation der Gebärmutter in einem Falle von Polyp mit 
einer nicht zurückzubringenden Inversion des Uterus. Beide 
Fälle kamen bei Jüdinnen vor. 

Die Operation fand am 6. März 18G6 statt. Der Schnitt 
irar 26 Centim. lang; d\c PuuVt\o\i ^w Qi^%<i\«<Ti\^ ^ 4U für das 



XXT. Notisen iKt^ deV Jonraal •Literatur. 390" 

Ovariani gehalten worden war, blieb ohne Erfolg. Jetst erkatfnrte 
JT. die fibröse Oeschwnlit, #elche sieh aus de ^ rechten oberen 
Wand der OebSruntter entwickelt hatte. Des rechte breite Mnt- 
terband wurde dopi^elt nnterbnnd«tl nnd dazwischen durchschnit- 
ten, dann eine Eisendrahtschlinge hi der H8he des Matte rhalses' 
fest ingeiogen, das linke Oyarinm nnd Tnbe nicht mitgefasst, 
nnd die Oesdh^tlst einige Centimeter oberhalb des Drahtes ab- 
getohnitten. Sie wog (ÜAf Kflogr. IHe Orarien waren gesund. 
Die' Wiinde wurde vereinigt ohne besonderen Verband j 'der un- 
tere Schnittwfhkel weit offen gelasseli. Die liigatni^ der Gebtr- 
mutier T0ste sich am 10. Tage 'mit dem abgestorbenen Stampfe. 
Ohne allbn Unfall geUas die Kranke, nnt nach einem Monate' 
öfibete sich der biterabsCe^s in das Rectum. Seitdem TÖllige 
Oeeundheit. 

Ausser den Bauohschnitten, behufs Exstirpatioii der Qebür- 
mutter bei Fibroüdeii, hat' man noch 20 Mal' die Gastrotomie ge- 
UiäC^t, nur hm gestielte Fibroide abiubfnden Oder abEuschäl^h, 
nnd swar acht Mal mit Erfolg. In 14 anderen FSlIen ■ wui'd'e 
die Operation nicht au Ende geführt und kamen hierbei Ö To-»' 
desfäile vor (s. E, KHheHe, Doeumetits pour servir k Thistofre 
de l*ez8tiirpation des tnmenrs fibreuäes de la niatrite par 1h m<- 
thode sus-pubienne, Paris 1866.); 

(Gaa. des hOpitaux Nr. 7«.' 1866.). 



CatemauU: Die Gastrotomiis bei periuterfnen Fi- 
broiden. 

Die Gefahren, welche die so hänfig vorkommenden periute- 
rinen Fibroide in manchen Fällen, besonders in der Schwanger- 
schaft nnd Gebart bervorrnfen können, rechtfertigen nnter Um- 
stünden die Exstirpation derselben durch die Gastrotomie. Die 
oKheren Indicationen würden sein: Belästigung durch Umfang, Sita 
and Zufälle, die sie hervorrufen, besonders bei schnellem Wachs- 
tbame, bei jugendlichen Frauen. Die Operation muss bei noch 
günstigem Eräfteeastande des Körpers ausgeführt werden. Als 
Gegenanseigen wären zu nennen: Krebs, oder Krankheiten, die 
an sich das Leben bedrohen; su ausgedehnte Verwachsungen, 
obwohl man in Folge der in neuerer Zeit verbesserten Opera- 
tionsweise dieselben weniger lAhent, Neigung eu Bauchhöhlen- 
Wassersucht; heruntergekommene Körperkräfte; höheres Alter, 
in welchem die Geschwülste einen Stillstand oder Rückgang im 
Wachsthame su erleiden pflegen. 

Für das Operations verfahren wäre eu beachten: die dünn 
gestielten Geschwülste müssen vor dem Abschneiden erst im 
Stiele unterbanden werden, wie bei det 0>rax\oVo\si\^\ \^vv X^xvv.- 
tem Stiele and Einlagerang fibrlSser Ketik^ la^aa ö\% Kj^v^NäS^^^ 



du» ^9»^^ffhi^mt^<^^Ul^l^y^^}Fm^^ Afl#^/»»i;r4w^ri 

sehnkschläache o. s. w. haben sich yiel ODgefKhrlicha^.,gß|^^^^, 

und weiter gemacht werden könif|^j^.ii^,^ f{ftJi;f^^J^o;;Jfcljr^tt^. 

yw^r^rt Pi^ AfWt.irtP><#*.<!?;f^fn Strassbnrg aoBgefOhrten 

Abtrennungen der Gebärmutter aBsistirt, und diese Fälle in einer 

besonderen Schrift (Paris 1866, Bailliere et fils) berichtet. Obige 

(QaB. des hdpitanx Nr. 103. 1866J 

.li 'il» I u 1 ^: 

-Ttj; III. Wlfir-: I- l. Ili :.;.|m|h»'m,' . H i 1 i ' I KtMf'Jlirni Iti -Llinilil il .,■ 
.»: i -lilll!' ll'.»-*1- 'tfi:-.-' 1 ,11 •Hit'. A II ''flTli. villi tTIK«' D lidP 'Ud- 

f .M .Miuii'^t»! 1> :.. > •■(1 if'i in!» »■iitli'ü I ' Il IM i.ti.iii i.tr * l -II ii-Im. ■ 
.^^^ , «nur.M! " I il-'.ifl» yi\it'^\:.. \iH : ni- > n t!<ijl// ii-*;;«'i:-*iilMil »i: i«n; , 

rii.iV/ .11 11. »tili, i- «! i'i-.I-M»..' ■■ .ii-TjMi' /i-t' 'tir -.iL» .'jil uiNLi' 
it\,i.ii ifiii .*'!iii. il(»:^j;i'ni« > '.i'! .i'Xiii'l n* ilMl|.iI'.;:;fJ i*^.«' .mciMm' 
/•!A .iinlii-w/ .l-Miii .;.- i'i" '(j-i'-yi K .li '. F.ii. il -ii.\- f'fi.! yl uiM'.ijfui- 
■i! , ii-ti-il ,1 II :■■,''! i.Ik» ,v,i-:/I : i'-ii!r'»« ir.\ ii'^itft it- •» i-.Mlnii-;-. ■ ' 
.H'.^'üii- il ir.//i- / '■ hin .1. , •■- i'i- ii:. ; d-udnl-wl ii'mI«iJ < i f . Mii- ii.- 

it» ■• I n '•:•-.•<■ !•.> :^•l^i ' ••mii-,.-! til Til. ^.Iv-'l ili iii-...' .'luv. .'*• 

■ II-. liif.ill ■'»: .: IIV • .11-'; : . .'. .Mm'Ä I'.; Im-;// I|m | ! -.^ -li Ii '« , f m // ► lli- ' ' 

,T-.<ji/. »'•i'ii.il : '. •■!i:i .Il ■■«I li'VI i.i .,M.iiM,i'.:;iMj!iin -i^ : 'il-i h- i**f . i". 
Uli yjii. .:•*''■ '.i i'.-.l-i» I'i.i-.*. Ilit^. II' i;i*: '.^-•lij/.'ii'»- .' nil. ti: il*i|.^ ii< 

.ii'.yl!«[ H'il'i'.Ii • i'\ ''\i\iu\'-\l-'v .'.' 

iifiiifi filli • ii'.ti! II"«! n.v 'if'// II" iifi-.» i?tV('n\..*i{T.n( » «rh n":-! 

nii »■•• if I ■• I' '■ .<'i'A ,;• i. M"/ iir.r r-ii: .r.'lnwj(is-.'ii) ii*.ll- i '. "^ 

■i'»li/ i.'i^ : :i|ii lU.iii V* > A'^V» \''A '»"'.'. .\\sU\v*i it:>U(iiHnoliiii •H*i»j'''. 

flui'r^ ;i.i|i,iA tiih r'iu.« '..in^'A ^v- >^\v\ vvl\^*.v^^v^';■v \.\v\, \»s\*. ^^^- - 



XXIL 

Fall von einer durch die Natur begonnenen und 

durch die Kunst mit Erfolg beendeten Entfernung 

eines Myoms der Oebftrmutter. 

Beobachtet 



Dr. LudiMig IVeagebaaer, 

Docent der Geburtuhttlfe «n der Warcchaner Hochschule. 



Johanna Z., Beamtetenfrau, 35 Jahre alt, dunkelblond, 
von mittlerem Wüchse, gracil gebaut, vom 13. Lebensjahre 
ab regelmässig menslnürt, wurde Mitte Juni 1855 zum ersten 
Male schwanger. Die Schwangerschaft verlief glücklich bis 
zum 5. März 1856, wo die Kranke nach einer zufälligen Er> 
kältung plötzlich von heftigem^ schneidendem Schmerze im 
Unterleibe befallen wurde. £s wurde ihr ein Aderlass ge- 
macht, Blutegel und blutige Schröpfköpfe gesetzt, Kalomel 
und Opium gegeben. Gleichwohl hielt der Schmerz und das 
begleitende äusserst heilige Fieber an, und liessen erst nach 
sechs Tagen, am 11. März, nach. Am 12. März ging ihr 
das Fruchtwasser ab. Gleichwohl kam es noch nicht zur 
eigentlichen Geburt, die vielmehr erst am 14. März erfolgte. 
Am letztgenannten Tage nämlich traten um 3 Uhr Nachmit- 
tags stärkere Wehen ein, und um 9 Uhr Abends gebar die 
Kranke ihr Kind. Dieses, ein lebendes, gut entwickeltes, ge- 
sundes Mädchen kam in Kopflage zur Welt; eine halbe Stunde 
nach dem Kinde ging die Nachgeburt ab. Etwa eine Stunde 
vor dem Austreten des Kindes hatte die Kranke einen An- 
fall von allgemeinen Krämpfen, der sich rasch hintereinander 
einige Male wiederholte, nach der Geburt aber nicht mehr 
sich erneuerte. Der Krämpfe wegen ^utA«iv vctf^x^^^ V^nx». 

UoamtBachr. f. Gebartok. 186G. Bd. XXVlll., Htt. ^. %^ 



402 XXII. Neugehauer, Fall von darch die Natar beg^onoener and 

u. A. die Herren Doctoren Darewski und Koniki hinzu- 
geholt. Die Geburt nahm indessen schliesslich einen gün- 
stigen Verlauf. Als die beiden letztgenannten Aerzte nach 
geschehenem Austritte des Kindes und der Nachgeburt die 
Kranke untersuchten, fanden sie, wie mir die so eben ge- 
nannten beiden GoUegen, welche ich hierüber befrug, mitge- 
theilt haben, in ihrer Bauchhöhle eine schwer zu deutende, 
runde, harte Geschwulst von beträchtlidber Grösse vor, die 
ihnen jedoch nicht von einem extrauterinen Fötus herzurüh- 
ren schien. 

Die Kranke überstand das Wochenbett gut und befand 
sich fortan wohl. Die Geschwulst im Bauche aber bestand 
nach wie vor fort, ohne sich zu verändern. Nur will die 
Kranke bemerkt haben, dass sie sich im Laufe der ersten 
Monate nur ein Geringes verkleinerte, worauf sie später ihr 
Volumen nicht mehr änderte. Nachdem die Kranke ihr erstes 
Kind ausgestillt hatte, gebar sie noch vier fernere Kinder, 
das letzte derselben am 8. Mai 1865. Auch diese ferneren 
vier Geburten verliefen ohne Kunsthülfe und sollen überhaupt 
sehr leicht vor sich gegangen sein. Die Kinder waren, wie 
das erste, reit, gut entwickelt und gesund. Das allererste 
Kind stillte die Kranke nicht selbst, eben so auch das vierte 
nicht, die übrigen hingegen nährte sie mit ihrer eigenen Brust, 
ohne durch das Nähren angegriffen zu werden. 

Das Befinden der Kranken war die Zeit über seit der 
ersten Niederkunft meist ein befriedigendes gewesen. Um 
die Mitte des Monats Juni des laufenden Jahres jedoch be- 
gann sie an Schmerzen in der Gegend der Geschwulst zu 
leiden, und es bildete sich in letzterer eine Eiterbeule, welche 
sich um die Mitte Juli unterhalb des Nabels von selbst öff- 
nete. Aus der Oeffnung floss etwa ein Quai^tierchen dün- 
ner, übelriechender Jauche aus. Die Schmerzen minderten 
sich darauf. Durch die Oeffnung sickerte von nun ab unun- 
terbrochen übelriechende, trübe Jauche aus, und überdies 
vergrösserte sich die Oeffnung selbst, die bei ihrem Entste- 
hen etwa nur den Durchmesser einer Erbse gehabt halte, 
allmälig mehr und mehr. 

Die Kranke erschien leicht abgemagert und war etwas 
bleich, fieberte aber nicht. 



durch die Eanst mit Erfolg beendeter Entfemang etc. 403 

Bei der Untersuchung ihres Unterleibes fulilte ich in 
letzterem durch die Bauchdecken eine Geschwulst von der 
Grösse etwa einer in dem fünften oder sechsten Monate der 
Schwangerschaft befindlichen Gebärmutter. Diese Geschwulst 
war rund, lag unmittelbar hinter der vorderen Bauchwand, 
und war deutlich mit ihr fest verwachsen, üire Lage hinter 
der gedachten Bauchwand war eine völlig mediane, doch lag 
ihr Mittelpunkt ein Merkliches höher, als der Mittelpunkt 
der in der 24. Woche der Schwangerschaft befindlichen Ge- 
bärmutter zu liegen pflegt. Die Geschwulst ragte nämlich 
mit ihrem oberen Theile etwa drei Zoll über das Niveau des 
Nabels empor, dessen Abstand von dem Querfortsatze des 
Brustbeines zehn Zoll betrug, dagegen erreichte sie mit ihrem 
unteren Theile nicht das Niveau des Beckeneinganges, wo 
sie vielmehr etwa einen Zoll entfernt blieb. Demnach ver- 
mochte ich sie mit zwei in die Scheide eingeführten Fingern 
nur dann zu erreichen, wenn ich sie dabei gleichzeitig 
vermittels meiner freien Hand gegen das Becken herab- 
drängte. Die Geschwulst scliien bei genauerer Untersuchung 
völlig von der Gebärmutter getrennt. Von ihrem unleren 
Theile ging ein härtlich sich anfühlender bandartiger Strang 
nach abwärts ab^ der erst unmittelbar hinter der äussern 
Bauchwand herabstieg, dann aber sich von ihr entfernte und 
sich zur Gebärmutter hinneigte. Die Gebärmutter lag unter- 
hall) der obengedachten Geschwulst, und war sowohl nach 
vorn und nach hinten, als nach rechts und links hin 
leicht verschiebbar. In welcher von diesen Richtungen sie 
ferner mit den von der Scheide aus an sie angesetzten Fin- 
gern bewegt wurde, theilte sie ihre Bewegungen der Ge- 
schwulst nicht mit, sie erfuhr aber selbst eine leichte Fort- 
bewegung nach aufwärts, wenn man die Gescliwulst von dem 
Becken ab gegen den Brustkorb empordrängle. Gleichzeitig 
erfuhr bei dieser Gelegenheit der sich von dem unteren 
Theile der Geschwulst gegen die Gebärmutter abwärts er- 
streckende härtliche Strang eine deutliche Spannung. Die 
Geschwulst hing demnach durch diesen Strang mit der Ge- 
bärmutter zusammen. Die Bauchwand war nur an der Stelle, 
wo sie mit der Geschwulst verwachsen war, leicht gespaauU 
in allen ihren übrigen Theilen aber ^us^^et^X. %<^^^* "^^^ '*^'«^ 



404 XXII. NeugehoMW^ Fall von darch die Natur beg^onnener und 

in ihrem mittleren Theile stark durch die Geschwulst nach 
aussen hervorgestülpt, und da sie, wie gesagt, schlaff war, 
so stellte sich bei stehender und sitzender Stellung der Kran- 
ken der Bauch der letzteren als Hängebauch dar. 

Die oben bei der Besprechung der Anamnese gedachte 
Abscessöffnung befand sich im Bereiche der unteren Hälfte 
der weissen Bauchlinie, auf der Grenze zwischen dem mitt- 
leren und oberen Drittheil des hier TV^ Zoll betragenden 
Abstandes des Nabels vor der Schaambeinfuge. Sie war fast 
kreisrund, und hatte einen Durchmesser von einem Zoll. Sie 
durchdrang die vordere Bauchwand vollständig, und war von 
scharf abgeschnittenen, mit einer Art von Membrana pyo- 
genia bekleideten Rändern umgrenzt. Ihr unterer Rand war 
etwa sechs, ihre übrigen Ränder nur drei Linien dick. Ihr 
Lumen war von einer graulichweisslichen , feuchten, sphace- 
lösem Fleisch ähnlichen Masse ausgefüllt, die sich bei leich- 
ter Berührung halb weich, teigig, ja schmierig, bei stärkerem 
Andrücken des zufühlenden Fingers aber resistent und un- 
elastisch anfühlte. Diese Masse hing mit den Rändern der 
OefTnung nicht zusammen, und bildete für sich einen zusam- 
menhängenden grossen Körper, der das ganze innere der 
Geschwulst auszufüllen schien, und den ich, wenn ich den 
Zeigefinger durch die grössere von den beiden Oeffnungen 
zwischen ihn und die Bauch wand einbrachte, mit demselben 
inind herum umgehen konnte. Ich bemerkte bei der so aus- 
geführten Untersuchung überhaupt, dass der gedachte Körper 
nicht sowohl unmittelbar hinter den Bauchdiecken lag, als 
vielmehr in einem grossen Sacke enthalten war, dessen Wände 
nach vorn zu mit den Bauchdecken innig verwachsen und 
zugleich mit ihnen von den beiden oben beschriebenen Oeff- 
nungen durchbohrt waren. Gleichwohl lag der gedachte Kör- 
per nicht etwa frei und beweglich in der Höhle des Sackes, 
sondern war an einer begrenzten Stelle, in der Entfernung 
von etwa einem halben Zoll von dem rechten Rande der 
grösseren Oeffnung mit ihr fest verbunden. An dieser Stelle 
entdeckte ich bei dentlicberem Nachfühlen einen kleinen fest- 
sitzenden Knochen, nachdem es mir gelang, mit dem Finger 
ein kleines Fragment abzulösen. Drückte ich mit dem in 
die Oeflhung eingebracYil^w Fvw%^t ^«i\ \sv^^%fiVi ^edacbcen 



durch die Kunst mit Erfolg beendeter Entfernoog ete. 405 

fleischigen Körper gegen die Bauchhöhle hin zurück, so lief 
aus der Höhle des Geschwulslsackes eine kleine Quantität 
stinkender, trübgelarbter, seröser Jauche durch die Oeffnung 
heraus. 

Druck auf ihn bereitete der Kranken ein unangenehmes, 
an Schmerz grenzendes Gefühl, aber keinen eigentlichen 
Schmerz. 

Die Kranke stillte ihr Kind, und hatte seit ihrer letzten 
Schwangerschaft die RegeUi noch nicht wieder gehabt. 

Nach dem Gesagten lag die Diagnose des Leidens der 
Kranken auf der Hand. So selir es beim ersten Blicke ver- 
lockend war, den in dem Geschwiüstsacke enthaltenen Kör- 
per für einen extrauterinen Fötus zu nehmen, so sprach doch 
die eigenthümliche Beschafl<enheit des Körpers selbst und 
namentlich die Abwesenheit wahrer Knochen, — denn wie 
gesagt, die zwischen der oben gedachten Fleischmasse und dem 
Geschwulstsacke enthaltenen knochenartigen Concremente wa- 
ren nur eben einfache Kalkconcremente , aber keine wirklichen 
Knochen, — gegen diese Annahme, und es blieb demnach 
nichts übrig, als hier eine einfaclie in Verwesung übergegan- 
gene Neubildung anzunehmen. 

Welcher Natur diese Neubildung war, und aus welchem 
Organe sie ihren Ursprung genommen hatte, war vor ausge- 
führter Entfernung derselben schwer zu bestimmen. Wel- 
cher Natur sie aber immerhin sein und von welcher Organs- 
bildung ausgegangen sein mochte, so viel stand fest, dass es 
nur eine gutartige Neubildung sein konnte. Aus diesem 
Grunde musste ich es denn auch für meine Aufgabe be- 
trachten, die Neubildung zu entfernen. Zu dieser Entfer- 
nung aber war mir der Weg bereits von der Natur selbst 
gewissermassen vorgezeichnet, da dieselbe angefangen hatte, 
sie aus dem Körper nach aussen zu eüminiren. Diesen 
Weg wählend, beschloss ich demnach sie innerhalb des Ge- 
schwulstsackes zu zerstückeln und zerstückt auf unblutigem 
Wege durch die bereits in der Bauchwand vorhandene Oefi'nung 
ans Tageslicht zu schaflen. Diese Entfernung der Neubildung 
konnte ich nun in einer Operation bewerkstelligen. Die- 
selbe wäre jedoch des innigen Zusammenhanges halber, den 
die Ob^äche der Neubildung aut eVüexa %^ ^^^"^^iw 'Wä^^ 



406 ^XII. N^eugehauer, Fall von daroh die Natnr begonnener nnd 

ihrer Oberfläche an die Wände des die Geschwulst iimscliiies- 
senden Sackes, in Betracht zumal des anämischen Zustanden 
der Kranken ein allzubedeutender Eingriff in ihre Gesundheit 
gewesen, und so zog ich es denn vor. lieber die Neubildung 
nach und nach in dem Maasse zu entfernen, als sie sich 
diu*ch die fortschreitende Eiterung mehr von den Wänden 
des Geschwulstsackes lösen oder doch in Folge dieser Eite- 
rung leichter kunstlich ablösen lassen würde, und that dies 
um so lieber, als auch ein anderer College, mit dem ich mich 
ober die Kranke berieth, Herr Dr. Welbich^ diese meine 
Meinung theilte. 

Vor allem liess ich, ehe ich noch irgend weichen wich- 
tigeren operativen Eingri/T machte, die Kranke ihr Kind ab- 
setzen, und schlug ein roborirendes Heilverfahren ein, um 
ihre schon geschwächten Kräfte etwas zu heben. 

Am 23. December endlich begann ich mit der Entfer- 
nung eines Theiles der Geschwulst. Ich nahm davon etwa 
eine Unze fort. Ich that es in der Weise, dass ich den in 
der Oeffnung der Bauch wand zu Tage liegenden Theil der 
Neubildung bald mit den Fingern, bald mit einer Hakenpin- 
cetic fasste, so weit es ging, durch die Ocflnung nach aussen 
hervorzog, und mit einer stumpfspitzigen Scheere tbeils im 
Niveau der Oeffnung, theils jenseits desselben abschnitt. 

Die Kranke hatte nach der ersten Operation einen Schüt- 
telfrost und fieberte darauf. Doch verlor sich das Fieber 
nach ein Paar Tagen, und ich konnte am 5. Januar 1866 
eine zweite Partie der Geschwulst, etwa zwei Unzen betra- 
gend, abtragen. 

Am 11. Januar entfernte ich wiederum zehn Unzen von 
der Geschwulstmasse. Die Kranke hatte dies Mal auf diese 
Operation so gut wie gar keine Fieberreaclion. 

Der Geschwulstsack zog sich nach dieser letzten Ope- 
ration in kurzer Zeit so stark zusammen, dass die Geschwulst 
nur noch weniges mehr als die Hälfte ihres ursprünglichen 
Umfanges halte. In der Oeffnung des Geschwulstsackes tra- 
ten neue Theile der Neubildung zu Tage. 

Am 20. Januar schritt ich, unter Assistenz des Herrn 
Dr. Braun zur Entfernung des Restes der Neubildung. Ich 
erfassie den in der OeSuuw^ im '\^%^ XÄSgecAw^ Th«il der- 



dnreh die Kno8t mil Erfolg beendeter Entfernung etc. 407 

selben mit einer Hakenpincette, zog ihn, so weit es liess, 
nach aussen her?or, und übergab die Pincette dem assisti- 
renden Collegen zum Halten. Hierauf ging ich erst mit 
einem, später mit zwei Fingern in die Höhle des Geschwulst- 
sdckes ein, und trennte die Neubildung theils durch entspre- 
chende Bewegungen mit den Fingern, theils durch gleichzei- 
tiges Ziehen an den schon zu Tage geführten Theilen der 
Geschwulst, nach und nach aus ihrer immer noch sehr festen 
Verbindung mit den Wanden des Geschwulstsackes. Dabei 
konnte ich mich überzeugen, dass diese Verbindung fast 
durchweg, durch eine ^j^ bis 1 Linie dicke Lage von leicht 
zerbrechlicher, völlig amorpher Knochenmasse vermittelt war, 
die nach der Abtrennung der Neubildung theils auf der Ober- 
fläche' dieser letzteren, theils an den Wänden der Sackhöhle 
in kleineren und grösseren unregelmässigen Brocken und Tä- 
felchen hängen bUeb. Hierbei hatte nur eine sehr geringe 
Blutung statt. Von den an den Wänden der Sackhöhle hän- 
gen gebliebenen Theilen dieser Knochenlage suchte ich schliess- 
lich noch möglichst viele abzutrennen, und durch Aus- 
spritzen der Sackhölile mit lauwarmem Wasser nach aussen 
zu schaffen, diejenigen aber, die irgend noch fester anhingen, 
beliess ich an ihrer Stelle. 

Nach der Operation schüttete ich eine gute Portion Lin- 
denholzkohlenpulver in die Geschwulsthöhle ein, und legte 
überdies einen starken Gharpiebausch ein, worauf ich die Ge- 
schwulstöl&iung mit stark mit Chinarindenabkochung benetzten 
Cbarpiebäuschen und Compressen bedeckte. 

Die dnrch diese letzte und die zwei ersten Operationen 
entfernte Geschwuistmasse betrug im Ganzen 25 Unzen pol- 
nischen (oder was ziemlich dasselbe ist, nürnberger) Hedici- 
nalgewichts. Sie bestand aus grösseren und kleineren grau- 
licih-röthlichen und weisslichen Fetzen einer äusserst zä- 
hen und festen faserigen, jiin und wieder gleich- 
sam sehnigen Substanz, die theilweise verjaucht er- 
schien, und einen üblen, gleichsam moderigen Geruch ver- 
breitete, so wie einer grossen Menge weisser, harter, schwer- 
bruchiger, platter, unregelmässig gestalteter Kalkconcre- 
mente von V«| Linie bis sechs Linien gross tem BreitAw- 
durchmeaser und einem DickenduTcVnnes^er n^tv ^\^\asL\^ 



408 XXIT. Niugßbamer, Fall Ton dareh die Naknr bHTOBB^i^r oad 

Der Professor der pathologischen Anatomie, Herr Dr. Bro- 
dowaki, war auf mein Ersuchen so freundlich, sie mikrosko- 
pisch zu untersuchen, und fand sie folgendermaasseo be- 
schaffen : 

Die gedachte faserige Substanzmasse bestand aus 
engverflochtenen Bundein von glatten Muskelfasern, und aus 
zwischen letzteren eingebettetem Bindegewebe, dessen Menge 
übrigens verhältnissmässig gering war. Die gedaehtea Mus- 
kelfasern waren an denjenigen Stellen , an denen die fase- 
rigen Substanzmassen verjaucht waren, moleculär zerfallen, 
in der Nachbarschaft der Verjauchung aber in Verfettung be- 
griffen. Letztere bot die verschiedensten Grade dar. Was 
hingegen die Kalkconcremente anbetrifft, so waren dieselben 
ihrer Structur nach durchaus amorph, und hatten nichts von 
dem Gefuge eigentlicher Knochensubstanz an sil;h. 

Hiernach war die in Rede stehende Geschwulst somit 
ein Myoma, und zwar, da die in ihm enthaltenen Muskel- 
fasern zur Klasse der glatten Muskelfasern gehörten, ein 
Leiomyoma. 

Es drängte sich nun aber die Frage auf, aus welchem 
Organe der Kranken die Geschwulst selbst sich bervorge- 
bildet haben möge. 

Herr Professor Brodoweki, der beiläufig gesagt, selbst 
einmal mit mir und Dr. Braun die Kranke besucht hatte^ 
sprach sich in Bezug auf diese Frage dahin aus, dass er die 
Geschwulst für aus der Gebärmutter hervorgewachsen be- 
trachte. Er nahm an, dass sie sich in Gestalt einer gestiel- 
ten Geschwulst, wie solche öfters an der Aussenfläche der 
Gebärmutter vorkommen, aus dieser letzteren hervorgebildet 
habe, zu bedeutender Grösse herangewachsen auf dem Wege 
eines adhäsiven Entzundungsprocesses an die vordere Bauch- 
wand angewachsen sei, und sich dabei zugldch mit dner es 
ringsherum umschliessenden. Bindegewebshülle umgeben , und 
somit gegen die Nachbarorgane abgekapselt habe. Später 
sei sie in ihren peripherischen Theilen abscedirt. Der ge- 
bildete Eiter habe sich aber nicht nach aussen entleert, son- 
dern habe sich nach Aufsaugung jener wässerigen Theile von 
Seiten der Bindegewebshülle verdickt, consolidirt, und luletit 
verkalkt. Noch spl^ter a\>«r %«\ «<& xm «\«At nochradigen 



durch die KniiAt mit Erfolge beendeter Estfemung^ eto. 409 

Eiterbildung, aber diesmal mit Zerfall des Eiters in Jauclte, 
später sei es zu einem erneuten Zerfallen der unterdessen 
mehr und mehr verfetteten Geschwulst in Eiter und Jauche 
gekommen. Die Eiter* und Jaucheflussigkeit sei aber dies- 
mal durch . keinerlei Resorptionsprocess verändert worden, 
sondern habe im Gegentlieil allmälig zerstörend auf ihre 
äussere Umgebung gewirkt, und so allmählig eine Durchboh- 
rung erst der die Neubildung umgebenden Bindegewebshülle 
in der Richtung nach ,der Bauchwand zu, in welcher seine 
HuUe wahrscheinlich am dünnsten war, und hierauf auch der 
fiauchwand selbst bewirkt, und so sei es denn dahin gekommen, 
dass die Neubildung schliesslich durch die in der Bauchwand 
entstandene OefTnung hindurch äusserUch sichtbar wurde. 

Doch kehren wir nach dieser Abschweifung zu unserer 
Kranken zurück. 

Der nach der Operation ausgeführte Verband wurde, da 
die Geschwulstsackhöhle stark jauchte, taglich erneuert, wo- 
bei die gedachte Höhle jedesmal sorgfältig durch Ausspritzen 
mit Chamillenthee gereinigt wurde. So verlor die Secretion 
aus der Höhle bald ihren jauchigen Charakter, und nahm 
den Charakter einer gutartigen Eiterung an. Nach und nach 
stiessen sich die hin und wieder an den Wänden der Ge- 
schwulstsackhöhle noch sitzen gebliebenen kalkartigen Con- 
cremente ab, und die Wände selbst überzogen sich mit reich- 
lichen Granulationen, wobei sich zugleich der GeschwulstSack 
selbst und demnach auch dessen äussere OefTnung mit jedem 
Tage mehr zusammenzog. 

Am 23. Januar hatte die OefTnung des Geschwulstsackes 
nur noch den Diuxhmesser von einem Zolle. An diesem 
Tage gingen die letzten Kalkconcremente ans dem Geschwulst- 
sacke ab. 

Die Kranke erholte sich nun sehr rasch, und verliess 
nicht nur das Bett, sondern vermochte auch bald wieder an 
die Besorgung leichterer häuslicher Geschäfte sich zu machen. 
Auch begann sie in dieser Zeit wieder zu menstruiren. 

Am 3. Februar war die Oe£fhung in der Bauchwand 
nur gerade noch so gross, dass ein Finger durch sie hin- 
durchgeschoben werden konnte. Gleichzeitig hatte sich aber 
auch der Gescbwulstsack so zu8amni«ii%eio^«iv ^ ^^»& ^"^ ^^'^* 



410 XXII. N0ug€b€m^, Fall Ton dnrcb di« Natur be^mieBvr ond 

reits kleiner war, als eine gewöhnliche Frauenfaust. Dem- 
nach vermochte auch der Finger nicht mehr tiefer als an- 
derthalb Zoll in ihr Inneres einzudringen. Die Höhle des 
Geschwulstsackes erschien jetzt in Gestalt einer fast hori- 
zontalgelegenen Spalte, was davon herrührte, dass ihre obere 
Wand sich in leicht gefaltetem Zustande der ebenfalls gefol- 
teten unteren Wand bis zur Berührung mit derselben genä- 
hert hatte. 

Ich Hess die Kranke Eisen mit. Zusatz von etwas Chi- 
nin brauchen. 

Die Höhle schloss sich dabei immer mehr und mehr. 
Gegen Ende Februar war sie gänzlich geschlossen, und nur 
noch ihre Oeffhung durch eine granulirende Stelle von run- 
der Gestalt und etwa acht Linien Durchmesser angedeutet. 
Um die Vernarbung der letzteren zu beschleunigen, ätzte ich 
sie einige Male mit dem Höllensteinstift, und am 16. März 
fand ich sie gänzlich verheilt. . 

Die Kranke hatte sich unterdessen völlig von ihrem 
Siechthume erholt und blieb fortan gesund. 

Als ich sie einige Wochen nach der Verheilung der Höhle 
in der Bauchwand noch ein letztes Mal untersuchte, erschien 
letztere in der Gegend der von der Oeffnung zurückgeblie- 
benen kreisförmigen Narbe ^ die etwa nur drei Linien breit 
war und etwas ausgedehnte Ränder darbot, leicht vertieft. 

Durch die schlaifen Bauchdecken hindurch fühlte ich in 
der Gegend der gedachten Narbe immer noch eine rundhche 
harte Geschwulst, dieselbe hatte aber nur etwa noch den 
Umfang eines Hühnereies. Es war der obliterirte Geschwulst- 
sack. Derselbe hing auch jetzt, wie es vorher der Fall gr- 
Wesen, mit der Gebärmutter durch einen harten Substanzstrang 
zusammen, der von seinem unteren Ende hinter der weissen 
Bauchlinie gegen das Becken herabstieg, in seinem etwa fin 
gerdicken oberen Theile, unmittelbar hinter der Baudiwand 
lag nach unten zu, wo er allmälig dünner wurde, sich von 
der Bauchwand entfernte, und sich endlich mit dem Körper 
der Gebärmutter verband. Letztere erschien von normalem 
Umfange, enthielt keine Frucht und lag auflallend hoch. Es 
lag auf der Hand, dass diese ihre höhere Lage Folge der 
durch die Entleerung Ae& V^«&x\vmiNaX%^^«jb% V^ssd^eflUineD 



darob die Kunst mit Erfolg beendeter Eatfenrang etb. 41 1 

Zusammenziehung und Verkleinerung dieses letzteren war, 
indem dieselbe nothwendig ein Emporziehen der mit ihr durch 
den gedachten Strang zusammenhangenden Gebärmutter nach 
sich ziehen musste. Die Kranke befand sich vollkommen 
wohl. 



Dieser Fall, der meines Wissens in der gynäkologischen 
Literatur nicht seines Gleichen bat, ist in mehrfacher Hin- 
sicht von höchstem Interesse. 

Vor Allem ist es merkwürdig, dass die bei der Kranken 
bestandene Qeschwulst bei Gelegenheit einer Sdiwangerschaft 
oder vielmehr Geburt, und zwar der ersten, zuerst be- 
merkt worden ist. Dies konnte zu der Frage Veranlassung 
geben, ob sie nicht auf einer extrauterinen Schwangerschaft 
beruhte , und wie ich oben gesagt, war ich sdbst im ersten 
Augenblicke fast geneigt, eine solche hier anzunehmen. Die 
von mir angestellte genauere Untersuchung des Inhaltes des 
Geschwulstsackes hat indessen gezeigt, dass hier von nichts 
weniger als einer Schwangerschaft dieser Art die Rede war, 
während vielmehr nur einfache Geschwulst neoplas- 
mati scher Art vorlag. Die von Herrn Professor Bro- 
dowski ausgeführte mikroskopische Untersuchung dieses Neo- 
plasmas zeigte, wie wir gesehen haben, dass dasselbe ein 
Myom und zwar ein Leiomyom war. Herr Professor 
Brodowski nahm dabei zugleich an, dass dasselbe aus der 
Gebärmutter sieh entwickelt habe und auf dem oben angege- 
benen Wege in denjenigen Zusammenhang mit der Bauob- 
wand getreten sei , den die Geschwulst zur Zeit, als ich die 
Behandlung der Kranken übernahm, gezeigt hatte. In der 
That, wenn ich den ganzen vorliegenden Sachverhalt kritisch 
durchgehe, kann auch ich nicht anders, als dieser Meinung 
mich anschliessen. Die Grunde hiefur sind folgende: 

1) Die Geschwulst war bei ihrem intimen Zusammen- 
hange mit der vorderen Bauchwand mit dieser zugleich so 
frei verschiebbar über den eigentlichen hinter ihr gelegenen 
Eiogeweiden, nämlich den Därmen, und ihr Verschieben über 
deoflelben verursachte der Kranken so wenig unan^ei)ftlya\ft. 
Empfindungen, daas die Annahme ^q& l\isaiiuaie\!\i^\v%<^% xhiv- 



412 ^^JL N&ugebaum', Ftdl von dareh die Natiir begouieBer und 

sehen ihr und etwa den Därmen nicht stallhaft ist, oder mit 
anderen Worten, dass sie unmöglich vom Darmkaoale ihren 
Ursprung genommen hahen kann. 

2) Die Geschwulst kann aber auch nicht von dem Ura- 
chus ausgegangen sein, weil, wenn dies der Fall gewesen 
wäre, durch sie der Nabel eine Verziehung nach abwärts hätte 
erleiden müssen, eine solche aber, wie wir gesehen haben, 
hier keineswegs staltlialte. 

3) Eben so wonig kann die Geschwulst etwa aus einem 
der beiden Eileiter hervorgegangen sein, deim sollte dies der 
Fall gewesen sein, so hätte vor Allem der leiomyonialiscb 
veränderte Eileiter, um mit der Bauchwand yerwachsen zu 
können, wie dies doch in solchem Falle nolhwendig war, sicli 
entweder im .Laufe der ersten von der Kranken bestandenen 
Schwangerschaft oder noch vor derselben mit seiner Masse 
unmittelbar hinter demjenigen Theile der Bauchwand, an dem ' 
die Geschwulst ansass, und zwar im Falle der Entstehung 
in jener Schwangerschaft zwischen jenem Theile der Bauch- 
wand und der Gebärmutter im Falle der Entstehung vor 
derselben zwischen Bauchwand und Netz lagern müssen, was 
doch unmöglich angenommen werden kann. 

Somit bleibt nichts übrig, als die Geschwulst mit Herrn 
Professor Brodowaki 4) aus der Gebärmutter abzuleiten und 
sie eben als in Gestalt einer gestielten Geschwulst aus der- 
selben hervorgewacbsenes und auf dem Wege eines adhäsiven 
Entzündungsprocesses in die oben näher bezeichnete Verbin- 
dung mit der vorderen Bauch wand getretenes Myom (Leio- 
myom) aufzufassen. 

Diese Auffassung hat, wie ich glaube, nichts Gezwun- 
genes an sich. Ich erinnere nur daran, dass ja doch ge- 
stielte an der Aussenwand der Gebärmutter sitzende Ge- 
schwülste ^), die wohl meist Myome sein mögen , durchaus 
nichts Seltenes sind, und dass es nur zu bekannt ist, wie 



1) Eid nicht UDinteressantes Präparat von solcher gestielten, 
an der Anssonwand der Gebärnmtter haftenden Geschwulst be- 
findet sich unter Anderem auch in der pathologisch-anatomiscben 
Samnilnng des Herrn Professors Brodowaki, Die Geschwulst, 
ein Mjrom , ist randlich, hat eine Länge von f&nfiehni ein« Breite 
von achtsehn , uud eine I>\ck^ 'f «iti V\«^Tfc^\«i \A\i\%u>« and eitst 



dareh die Konst mit Erfolge beendeter Eutfernting etc. 413 

dieselben sich zuweilen durch adhäsive Entzfindungsprocesse 
nut den Nachbarorganen verkleben, ja wohl auch ^) gänzhch 
von der Gebärmutter abschnilren, uuil verweise zugleich auf 
jenen höchst merkwürdigen, von Lotr^) mitgetheilten, unse- 
rem obigen Falle ungemein nahe stehenden Fall, in welchem 
die Natur ebenfalls versucht hatte, einen Tumor der Gebär- 
mutter durch die Bauchwand hindurch nach aussen zu elimi- 
niren. Die Gebärmutter war durch ein faustgrosses polypen- 
artiges Fibroid ausgedehnt, Hber die Schambeinfuge erhoben 
und mit der vorderen Bauchwand verwachsen, darauf gan- 
gränös geworden, so dass nach Perforation desselben und 
der Bauchwand der Polyp frei hervorragte; ringsum fanden sich 
Abscesse hinter dem Peritonäum, welches ubngens frei war. 

Wann das Myom bei unserer Kranken sich gebildet ha- 
ben mochte, ist schwer zu sagen. Seiner bedeutenden Grösse 
wegen kann man nur annehmen, dass es wahrscheinlich schon 
längere Zeit vor der ersten Schwangerschaft der Kranken 
entstanden ist. Immerhin mag es aber seine volle Ausbil- 
dung erst im Laufe jener Schwangerschaft erreicht haben. 
Hier war es sicherlich auch, wo das Anwachsen der Ge- 
schwulst an die Bauchwand erfolgte. Ich nehme an, dass 
dies bei Gelegenheit jener abdominalen Entzündungszufölle der 
Fall gewesen ist, welche bei der Kranken in der letzten Zeil 
ihrer ersten Schwangerschaft stattgefunden haben. 

Sehr merkwürdig ist und bleibt es, dass die Kranke 
nicht nur jene Entzundungszufälle und den bald nach den- 
selben eingetretenen Geburtsprocess so glücklich durchgemacht^ 

rermSge eines zwei Linien langen, acht Linien breiten, nnd etrei 
Linien dicken bandartigen Stiels dem linken Theile des oberen 
Gebärmutterrandes auf. Die Gebärmutter selbst enthält übrigens 
ausserdem auch noch drei intraparencbymatose Myomknollen, 
von denen der eine sogar grösser ist, als der gestielte. 

1) Vergleiche: Handbuch der pathologischen Anatomie von 
Carl Rokitanshy, 3. Aufl. 3. Band. Wien. 1861. 8. S. 480. — 
Desgleichen: Pathologische Anatomie der weiblichen Sexnalor- 
gane von Jul. M. Kloh. Wien, 1864. 8. S. 153. 

2) Loir in den: Memoires de 1h Sociöb^ de Chirurgie de 
PHris. Tome 2. page 1. — Vergleiche: Handbuch der speciellen 
pathologischen Anatomie von Augu$t Förster. 2. ^w^. V>^V^^\^|.^ 
1868. 8. 8. 427. 



414 XXn. Neu$eb€mer, Fall von daroh die Natur begomtner otc. ' 

sondern nachträglich noch mehrere Jahre in so ertragUchem 
Zustande verlebt, und noch vier fernere Niederkünfte durch- 
gemacht hat, ,ehe es zum Versuche von Seiten der Natur 
kam, das abgekapselte Neoplasma nach aussen zu eiiminireiL 
Was die Eliminatiousbestrebungen anbelangt, so hätten die- 
selben, wenn sie ausschliesslich der Natur überlassen ge- 
blieben wären, vielleicht auch für sich allein ebenfalls lur 
Heilung der Kranken geführt. Jedenfalls hätte sich aber der 
natürliche Heilungshergang sehr in die Länge ausgezogen, 
und nur allzuleicht hätte es im Laufe desselben zur Jauche- 
infection kommen, und die Kranke dieser erliegen, oder aber 
durch allgemeine Entkräflung zu Grunde gehen können. Aus 
diesem Grunde war es wohl mehr als gerechtfertigt, wenn 
ich in diesem Falle die Natur nicht gewähren liess, sondern 
die Geschwulst künstlich zu Tage förderte. Dass ich sie 
aber nicht auf einmal, sondern in drei aufeinanderfolgenden 
Sitzungen herausgenommen, war, wie ich glaube, eben so 
gerechtfertigt, und zwar aus dem Grunde, weil ich das Ent- 
fernen der Geschwulst in einer einzigen Sitzung nicht hätte 
ausführen können , ohne die in der Bauch wand bestandene Oefl- 
üung blutig zu erweitern, ich durch eine blutige Erweiterung 
der Oeffnung aber nur uro so roehr Gelegenheit zum Eintre- 
ten eiher gefährlichen Jaucheresorption und septicämischer 
Zufälle gegeben hätte. Aber auch selbst bei demjenigen Ver- 
fahren, welches ich als Basis der Entfernung d^ Geschwulst 
thatsächiich innegehalten habe, ging es nicht ohne ziemlich 
starke Fieberreaction nach einem der drei von mir ausge- 
führten operativen Eingriffe ab; um wie viel mehr wäre sol- 
ches demnach der Fall gewesen, wenn ich die Geschwulst auf 
einmal entfernt hätte! 



XXJIh Spiejftlbergy Mittheilangen aus der gynSk. Klinik. 415 



XXIII. 
Mittheilangen aus der gynäkologischen Klinik« 

Von 

Otto Spiegelberg. 

I. 

Fibrom des Eierstockes von enormer Grösse. 
(Mit zwei Holzschnitten.) 

Einfache Eierstocksfibrome ohne gleichzeitige Cystenbil- 
dung sind bekanntlich sehr selten, und die durch sie darge- 
stellten Geschwülste, meist einseitig, erreichen in der Kegel 
höchstens Faust-^ bis Mannskopfgrösse (Seanzoni, Förster), 
Freilich berichtet Lee (Von d. Geschw. d. Gebärro. Aus d. Engl. 
Berlin 1848. pag. 259.) von einem 59 Pfd. und Cruveilhier 
(Auat. patb. gen. UI. pag. 702.) von einem 46 Pfd. schweren 
derartigen Tumor; es ist indess höchst wahrscheinlich, dass 
hier eine Verwechselung mit grossen Fibroiden des 
Uterus — in deren Wucherung das Ovarium so verwickelt 
und untergegangen, dass es nicht mehr aufgefunden werden 
konnte — vorliegt; denn Cruveilhier und ebenso Baillie 
erklären die Ovarialfibroide für identisch in Bau und Textur 
mit denen des Uterus, letztere aber sind bekanntlich immer 
Myome und dieses {Förster, „Handbuch d. path. Anatomie.*' 
2. Aufl. I. pag. 341.) ist bis jetzt nur in Theilen gefunden, 
welche vorwiegend aus glatten Muskelfasern bestehen oder 
doch reich an denselben sind — was beides beim Ovarium 
uicht der Fall ist. Es ist deshalb, wenn auch Klob (Path. 
Anat. d. weibl. Seiualorg. p. 340.) in die Zusammensetzung 
der Ovarienfibroide Muskelfasern eingehen lässt, der ovarielle 
Ursprung etwaiger aus dem Becken entspringender Fibro- 
myome immer anzuzweifeln. 



416 XXIII. SpiegM^rg, Mittheilungen au der 

Der im Folgenden geschilderte Fall eines wahren Fi- 
broms des Eierstockes übertrifil an Masse selbst die citirten 
zweifelhaften Fälle noch und steht bezuglich seines Umfanges 
einzig da; da ich die Kranke noch im Leben sah, so* bietet 
der Fall auch ein gewisses klinisches Interesse. 

Bei der 37jährigen Frau /S., welche zwei Mal geboren, 
das letzte Kind vor fünf Jahren, hatte sich bald nach dieser 
Geburt eine durch eine feste Masse bedingte Zunahme ihm 
Unterleibes entwickelt, welche, ohne besondere Störungen zu 
u)achen, von unten allmählich sich über den ganzen Baucli 
ausdehnte; erst bei bedeutenderem Umfange traten vor circa 
2^2 ^* Verdauungsstörungen, Abmagerung und Verlust der 
Kräfte ein, auch sislirten damals die seitdem nicht wiederge- 
kehrten Menses. Die Kranke wurde einige Wochen im hiesigen 
Ailerheiligenhospitale, später von anderen Aerzten behandelt, und 
hielt sich ' lange Zeit aufrecht , • bis die immer zunehmende 
Grösse ihres Leibes sie zu anhaltender Bettlage zwang. In 
den letzten Wochen verschlimmerte sich der Zustand sehr, 
besonders wurde Pat. von Husten und Dyspnoe gequält; sie 
nahm deshalb Ende März dieses Jahres die Hülfe unserer 
gynäkologischen Klinik in Anspruch, und wir fanden am 28. 
folgenden Zustand: 

Die kleine Kranke sehr abgemagert. Haut und Schleim- 
häute blass, die Extremitäten ohne Oedem; Puls klein, 120; 
Temperatür nicht merklich erhöht; die Zunge feucht und 
rein; Durst, Appetitlosigkeit, den Stuhl retardirt; der Schlaf 
wird vom Husten vielfach unterbrochen, Dyspnoe. — Das Ab- 
domen ist ungemein stark vorgewölbt und hängt in länglich ellip- 
tischer Gestalt bis zum unteren Drittel der Ober- 
schenkel nach vorn über; in der linken Seite ist beson- 
ders nach oben zu die Hervorwölbung stärker ; die Ruckenlage 
kann wegen Dyspnoe und der Last des Bauclies nur für Momente 
eingehalten werden, der Knmken ist nur die linke Seitenlage 
erträglieh. Der Nabel ist stark vorgetrieben, die Haut in sei- 
ner Umgebung verdünnt, an den abhängigen Stellen ist sie 
ödematös. ' Vom INabel zieht sich eine starke Vene nach dem 
linken Hypochondrium hinauf, in diesem und dem Epigastrian 
scheinen mehrere stark geschläiigelte dicke GefSsise durch die 
Haut durch. Der V]mfaivv% ^^% ^wx^Vi^ ^^u der Symphyie 



grynäkolo^schen Klinik. 417 

bis zum Nabel beträgt 62 Centimeter, von da bis zum Proc. 
xyph. 41 Cent., also die ganze Länge des Bauches 103 
Centim.; die grösste Circumferenz befindet sich lOCen- 
timeter unter dem Nabel und beträgt 152 Centini et er, 
die Entfernung vom Nabel zum vorderen oberen Darmbein- 
Stachel ist 59 Centimeter. — Die Palpalion zeigt, dass 
die Ausdehnung durch eine elastisch weiche Geschwulst von 
ebener Oberfläche gebildet wird ; nur bei tiefem Drucke fühlt 
man einen von rechts unten nach links oben an der rechten 
Nabelseite vorbei laufenden glatten und scharfen Rand und eine 
Furche. Fluctuation ist nirgends vorhanden mit Ausnahme 
der abhängigen Seiten, aber auch da erscheint sie undeutlich. 
Die Auscultation zeigt keine Geräusche. Das ganze Abdomen 
ist nach den Seiten leicht beweglich. 

Der Thorax ist kitra', die unteren Rippen etwas zu- 
sammengedrängt, die rechte Hälfte hebt sich beim Athmen 
mehr als die linke ; im zweiten Intercostalraume an der rech- 
ten Seite des Sternum ist ein leichtes systolisches Heben, 
sonst nirgends Herzbewegungen zu sehen. Ueber den Rip- 
pen verlaufen in der Herzgegend vom Nabel kommende, mit 
der oben erwähnten continuirliche , gewundene, bis kleinfin- 
gerdicke Venen; die Jugularvenen sind nicht auffällig gedehnt. 
Hinten sind die Intercostalraume links etwas vorgewölbt. Herz- 
stoss ist nirgends deutlich zu fühlen; rechts ist normale 
Stimmvibration vorhanden, links ist sie aufgehoben. — Die 
Percussion ergiebt: An der linken Seite ist vorn vom Schlüs- 
selbeine ab der Schall gedämpft bis an den rechten Stemal- 
rand, im 2. und 3. Intercostalraume 1, im 4. 1^2 querlin- 
gerbreit über jenen Rand nach rechts hinüberragend. In der 
Höhe des Schwertfortsatzes geht dieser matte Schall nach 
links im Hypochondrium und auf dem Rücken in tympani- 
tischen hellen Ton über, rechts von der Magengrube bleibt er 
leer. An der rechten Seite ist der Schall in der Mammil- 
larlinie hell und voll bis zur 6., in der Axillarlinie bis zur 
9. Rippe; von diesen Stellen aus beginnt Dämpfung, welche 
in erster Linie über den ganzen Bauch sich fortsetzt, in der 
letzteren aber blos (ingerbreit ist und schon an der zehn- 
ten Rippe in den tympanitischen Schall übergeht, welcher hi& 
zum Hfiflbeinkamme herab bleibt. \t\ ä^t \vcv>k«iv '^«ä» v^ 

MoB»t88cbr. f. aeburUk. 186*;. Bd. XXVllI.,Uft. 6. ''^ 



418 XXIII. SpiegMergy Mitth«ilimgeii aus dor 

der tympanitische Schall überhaupt nur bandbreit im Hypo- 
chondrium zu bemerken ^ sonst überall von hier nach oben 
wie unten nur leerer matter Schall vorhanden. — Rechts am 
Thorax hört man normales Athmen, links nirgends Athem- 
geräusche, und nur in der Gegend der grossen Bronchien 
Bronchialathmen. Die Herztöne sind rein, an der Spitze sehr 
schwach, am lautesten über der Aorta, wo die Brust wand 
systolisch sich etwas hebt; sehr laut sind sie an der linken 
Ruckenfläche der Brust. 

Die Vaginalexploration zeigt einen faustgrossen Vorfall 
der hinteren Scheidenwand mit Rectocele; der Uterus ist in 
die Höhe gezogen und nach vorn gedrängt, der Mutiermund 
steht über dem oberen Syrophysenrande; in der linken Becken- 
hälfle fühlt man durch den Scheidengrund wie vom Rectum 
aus einen Theil der Geschwulstnasse , die nicht mit den 
Beckenknochen zusammenhängt. Die Harnblase ist derartig 
nach rechts dislocirt und herabgedrückt , dass ihre Längsaxe 
fast der Richtung des Pot^^art'schen Bandes entspricht. 

Dass wir einen vom Becken ausgehenden , höchst wahr- 
scheinlich, dem Ovarium angehörigen Tumor vor uns hatten, 
konnte nach diesem Befunde und der langen Dauer des Uebels 
kaum zweifelhaft sein ; zweifelhafter, ob derselbe Cysten ent- 
hielt oder ganz solid war; dass zugleich etwas ascitischer 
Erguss vorhanden, konnte als sicher angenommen werden. 
Um uns über die Beschaffenheit der Geschwulst näheren Auf- 
schluss zu verschaffen, auch um eventuell die Kranke durch 
Entleerung des Inhaltes ein wenig zu erleichtern, stiess ich 
in Gegenwart meiner Assistenten zwischen Nabel und Sym- 
physe einen Trokar von mittlerer Dicke ein; aus der Canüie 
ergoss sich aber nur Blut in reichlicher Menge, und als ich 
dann jene entfernte, drängte sich aus der Wunde 
neben dem noch aussickernden Blute eine rothe 
weiche Schlinge von Bindfadendicke hervor, 
welche uns auf den ersten Blick sehr in Erstau- 
nen versetzte, durch ihre auf Berührung eintre- 
tende Contraction und Erblassung und bald wie- 
der folgende Erweiterung und stärkere Füllung, 
wobei sie tief dunkelroth wurde, aber als ein vor- 
gefallenes Gefass &\c\\ i\x ^tVl^ww^^ %aih; dasselbe 



(j^ynKkoIogischen Klloik. 



419 



lag ganz frei ohne jegliche Gewebsumhullung zu 
Tage. Wir schoben es in die Bauchhöhle zurück, deckten 
die Wunde mit Heftpflaster und punktirten dann an einer seit- 
lich rechts unter dem Nabel gelegenen Stelle ; zunächst ergoss 
sich auch hier viel Blut, beim Zurückziehen der Canüle aber 
helles peritoneales Serum. Wir entleerten ungefähr zwei Quart 
desselben. t 

Dies bralAite der Kranken nur für die nächsten Paar 
Tage Erleichterung, dann verfiel sie bei geringer Fieberbe- 
wegung und starb am 4. April Morgens. Die 30 St. p. m. 
von Hrn. Dr. Wyas (ihm verdanke ich auch die nähere Be- 
schreibung des Tumors) vorgenommene Obduction ergab: 

Fig. 1. 




Leiche sehr abgemagert, Bauch stark ausgedehnt (Fig. L 
stellt den relativen Umfang desselben dar), Bauchdecken in 
der unteren Hälfte und besonders Uaka &\äyV 'öÖl^\ä^\.vä\ hwsn. 



420 



XXIII. Spiegelberg, Mittheiliingeii ans der 



Nabel läuft an der linken Seite des Sternum eine kleinfingei^ 
dicke Vene bis zur Clavicula ; die linke Jugularvene sehr er- 
weitert. 

Aus der unteren Partie der Bauchhöhle entleert sich 
trübe gelbe Flüssigkeit; ein dunkelrother ungeheurer Tumor 



Fig. 2. 




liegt vor, dessen Oberfläche prall gespannt, convex und nur 
von einigen Furchen durchzogen ist. Auf derselben sehr 
reichliche injicirte Gefässäste (Fig. 2. deutet die Gefissver- 
theilung an, wie sie sich beim zu Tagetreten der Gescbwubt 
orSBeDÜrte) ^ die besonders wti\ ^e\\ ^^V^^V laAtum (a) steck- 



gynäkologiflohen Klinik. 421 

nadelknopf- bis gänsefederdick sind und quer zu beiden Seiten 
frei von den Bauchdecken zur Geschwulst verlaufen; an den 
hinteren Partien dieser fehlen sie; sie sind alle mit dünnem 
schwärzlichem Blute gefüfllt. Das grosse Netz (b), massig 
fetthaltig, ist ins Epigastrium gedrängt , reichlich mit klein- 
fingerdicken Gefössen durchsetzt, von denen 10 — 12 in einem 
Strange zu den erweiterten Nabelringe ziehen, ein anderer 
Theil zu den oberen Partien des Tumors gebt (c). — Die 
Leber ist ganz unter dem Rippenbogen verborgen, reicht in 
der Axillarhnie bis zu dessen Rande, in der Mammillarlinie 
nur bis zum siebenten Intercostalraume herab. Das Coecum 
ist nach hinten gedrängt und nicht verwachsen; der rechte 
Abschnitt des Colon transv. liegt unter der hinteren Fläche 
der Leber oberhalb der Gallenblase, und ist wie der linke 
Abschnitt frei; in der Axillarlinie, drei Finger unter dem 
linken Rippenbogen biegt es wieder um, steigt ins Epigastrium 
hinauf, krümmt sich hier nach der Wirbelsäule zu, nimmt 
zwischen dieser und der Geschwulst an der linken Seite 
seinen Verlauf zum Becken, und schlägt sich. dann am Pro- 
montorium in die rechte Beckenhälfte; die rückläufige Partie 
ist durch straffes Bindegewebe mit dem Tumor verbunden. 
— Der Magen ist emporgedrängt und frei, die dünnen Därme 
befinden sich unter dem linken Rippenbogen und in der 
rechten Lumbargegend. — Der Uterus liegt schräg von rechts 
unten nach hnks oben der vorderen Fläche der das kleine 
Becken ganz ausfällenden Geschwulst an; er ist mit der vordem 
Scheidenwand sehr in die Höhe gezogen, der Scheidentheil 
ist verschwunden, der Cervix 14 Centimeter lang, das Cor- 
pus ut. kaum vei'grössert, seine Höhle normal weit. Die 
rechte Tube und ihre Fimbrien sind mit dem atrophischen 
rechten Ovarium verlöthet; das linkseitige Mesometrium er- 
scheint stark verdickt und verlängert, es schlägt sich um die 
Hnke Seite der Geschwulst in die Höhe, und geht zur Wur- 
zel des Mesenteriums. Die Harnblase ist nach rechts ge- 
drängt und ihre Schleimhaut normal. 

Das parietale Blatt des Bauchfelles ist sehr stark in- 
jicirt, das viscerale blass, aber mit dünnen Faserstofi'mem- 
branen l>edeckt, ebenso die Leber und Milz, die dünnen 
Därme sind durch solche Massen iheÜN«e\s^ mV ^vcia.'CL^^^ ^^- 



422 XXIII. Sptegßlberg, Miktheilmigeii ans der 

klebt; das Mesenterium ist injicirt, seine Drüsen nicht Ter- 
grössert. — Die Milz ist 16 Centimeter lang, 9 Centi- 
meter breit und 3 Centimeter dick; die Leber 28 Centim. 
breit (18 Centim. auf den rechten Lappen), rechts 20 Gen- 
tim., links 16 Centim. hoch, 5 Centim. dick; am rechten 
Lappen starke Scbnörfurche; die vordere Fläche ist mit dem 
Rippenbogen und dem Zwerchfelle durch einige strafife Adhä- 
sionen verbunden; an beiden Organen die Kapsel bindegewe- 
big verdickt, die Substanz blass, brüchig und blutarm, die 
Läppchen deutlich. Gallenblase reichlich mit dünner blasser 
Galle und breiigen Massen gefüllt. — Die linke Niere normal 
gross, zeigt einzelne narbige Einziehungen, ist sonst nicht 
erkrankt; an der rechten sind Becken und Kelche durdi 
trüben Harn stark ausgedehnt, die Nierensubstanz ist ge- 
schrumpft, die Rinde und die Pyramiden stellenweise auf 
zwei Centimeter reducirt, die Kapsel ohne Substanz Verlust 
nicht abtrennbar. Der rechte Ureter ist geschlängelt und zu 
vier Centimeter Umfang gedehnt. — Magen und Darm zei- 
gen keine Veränderungen, als besonders im Duodenum und 
aufsteigenden Colon stellenweise starke Hyperämie. 

Brusthöhle: In der linken bedeutender seröser Erguss. 
Die Lunge comprimirt und mit Ausnahme einer kleinen Partie 
am vorderen Rande luftleer, blutarm und trocken. Die rechte 
Lunge durch alte Adhäsionen mit der Pleura verwachsen, 
durchweg lufthaltig, aber auch blutarm. Im Herzbeutel vier 
Unzen klarer Flüssigkeit. Herz nach rechts dislocirt und 
klein; Epicard fettarm, die Gefasse wenig geschlängelt; im 
rechten Ventrikel wie im linken Herzen dunkeles dünnflüs- 
siges Blut; Klappenapparat normal^ nur die Mitralis an den 
Rändern verdickt, die vordere Klappe zeigt mehi*ere kleine 
gallertige Vegetationen; der Muskel s:chlafT, blass, etwas 
brüchig. Der rechte Vorhof sehr stark ausgedehnt, die Cava 
infer. reichlich mit dunkelem Blute gefüllt, die Cava desc. 
hat vier Centimeter Umfang; die Lungengefasse sind ebenfalls 
sehr gefüllt; die Aorta ist stark imbibirt, und unter dem Bo- 
gen von 4,3 Centimeter Umfang. — Die Schleimhaut der 
Speiseröhre ist cyanotisch gefärbt, die des Larynx und 
der Trachea dunkelblauroth, stark injicirt, mit grauem Be- 



gyn&kologiflchen Klioik. 423 

lege; ebenso ist die Schleimhaut der grossen Bronchien be- 
schaffen und wenig Schleim in denselben. 

Die Schädelhöhle konnte nicht eröffnel werden. 

Beschreibung des Tumors: Derselbe bat eine 
kugelige Gestalt und wiegt mit dem Uterus 30.1 Kilogramm 
== 60.2 Zollpfund; seine grösste Länge beträgt 46 Centim., 
seine Breite 51 Centimeter und seine Dicke 23 Centimeter. 
In einer von rechts unten nach links oben laufenden tiefen 
Furche liegt unten der Uterus, rechts von ihm das rechte 
Ovarium mit seiner Tube; vom linken Uterushorne aus gebt 
ein fingerdicker fibröser Strang innerhalb der Furche bis auf 
die hintere Geschwulstfläcbe und von da zur Wirbelsäule. 
Vom linken Eierstocke ist keine Spur zu entdecken; der 
Kanal der linken Tube lässt sich ein Centimeter weit vom 
Uterus aus in dem erwähnten Strange noch verfolgen. Eine 
zweite und tiefe Furche geht von der untersten Partie der 
ersteren gerade nach links, reicht aber nicht bis auf die hin- 
tere Fläche; ein kindskopfgrosser ovoider Abschnitt an der 
unteren Grenze der Geschwulst hatte im kleinen Becken ge- 
steckt, und dort bis auf den Boden der Excav. recto-uter. 
herabgereicht, war hier übrigens nicht verwachsen; neben 
diesem Abschnitte sitzt noch ein halbkugeliger apfelgros- 
ser auf. 

Die Oberfläche ist überall glatt, vom Peritonäum be- 
deckt, unter dem eine Schicht faserigen Gewebes liegt, wel- 
ches wie eine Kapsel den Tumor umschliesst. Auf dem 
Durchschnitte zeigt dieser eine bald rothe, bald blassgelbliche, 
hier und da eine blaurothe Farbe ; die Schnittfläche erscheint 
höckerig, indem weissliche Faserzuge von mitunter sehnigem 
Glänze in allen mögUchen Bichtungen sich kreuzen und über 
die Fläche stärker vorspringen, als die ^e verkittende weiche 
Bindesubstanz. Letztere ist bluthaltiger, an einzelnen Stellen 
sogar sehr reich an gefüllten Gelassen, daher von dunkeler 
livider Farbe; an der hinteren und linkseitigen Partie ist sie 
stark mit klarem gelbem (mucinfreiem) Serum durchtränkt. 
In der Mitte der Geschwulst findet sich eine etwa kopfgrosse 
Partie, derber als die übrige Masse, wo die Faserzüge dich- 
ter beisammen liegen, die Gelasse kein Blut, sondern weisse 
breiig erweichte Thromben enthalten; in ihr^ca C«^Vs\x\si ^w:^^ 



424 XXIII. Spißgelberg, Mittheilong^n ans der 

faustgrosse gelbe Stelle^ nicht derb, sondern durch Finger- 
druck leicht zu zerquetschen. Der erwähnte derbe Central- 
theil sendet nach allen Richtungen radiär laufende Faserzuge 
in verschiedenster Dicke aus, welche in mannigfacher Ver- 
zweigung nach der Geschwulstperipherie ziehen, mit anderen 
Faserzögen sich kreuzen und in den so gebildeten Maschen 
jenes seröse weiche Bindegewebe enthalten. 

Die microscopische Untersuchung der gelben Mittel- 
partie zeigt zunächst derbfaseriges Bindegewebe, dessen Zuge 
sich vielfach kreuzen; in dasselbe sind zahlreiche spindelför- 
mige, seltener sternförmige Bindegewebskörperchen eingela- 
gert, welche bald mehr bald weniger mit Fetttröpfchen ange- 
fällt sind; auch ihre Ausläufer sind häufig fetthaltig; ausser- 
dem sieht man mitunter zwischen den einzelnen Fasern lange 
Reihen verschieden grosser Fetttropfen. Die Gefösse dieser 
Partie enthalten die erben erwähnten bröcklichen weissen Mas- 
sen, welche aus zahllosen kleinen, eckigen oder kreisrunden, 
häufig auch halbmondförmigen Körperchen von ^2 — 'A ^ 
Durchmessers rether Blutzellen bestehen; diese Körperchen 
sind farblos, haben dunkele scharfe Ränder (geschrumpfte 
farbige Blutkörperchen und deren Membranen); nur wenige 
sind noch gelblich tingirt, besser erhalten, und am Rande 
gezackt. Daneben finden sich farblose Blutzellen mit Kern 
und Fetttröpfchen im Inneren; freie Fetttröpfchen und sehr 
feinkörniger Detritus sind in grosser Menge vorhanden. 

Die übrigen Theile der Geschwulst zeigen wieder die 
bekannte fibröse Slructur; die Züge bestehen bisweilen aus 
langen Spindelzellen mit runden oder ovalen Kernen, die ein- 
zelnen Zellen sind immer durch eine schmale Lage homoge- 
ner Intercellularsubstanz geti'ennt Nirgends sind Fetttropfen 
vorbanden; die Geßfsse sind überall normal und Blut führend; 
an zahlreichen Stellen sind dieselben sehr gross, ektatisch, 
so dass das Gewebe Aehnlichkeit mit cavernösem hat (Glei- 
ches beschreibt Scanzoni „Krankheiten der weibl. Sexualorg. 
3. AufL pag. 416." von einem 9 Pfimd schweren Fibroide). 

Die weichere, die derben Partien vereinigende Masse 
besteht aus lockigem Bindegewebe, in dem sich ausser zer- 
streuten stein- und spindelförmigen Körperchen hier und da 
runde lymphatische Zellen mit grossem rundem Kerne ood 



gTD^ologischen Klinik. 425 

Kernkörperchen finden ; mitunter stehen diese Zellen in klei- 
nen Gruppen beisammen. — Das aus den ödematösen Mas- 
sen ausgedrückte Serum reagirte alkalisch, wurde durch A 
nicht^ getrübt, Kochen der angesäuerten Flüssigkeit wies 
starken Eiweissgehalt nach. 

Es ist nach diesem Befunde ohne Zweifel, dass die vor- 
liegende Geschwulst ein reines Fibrom vom Typus des are- 
olären; von Muskelfasern war, wie zu erwarten, keine Spur 
aufzufinden; und dass die zabbreichen lockern und feuchten 
Partien, dem Anschein nach vom Charakter des Myxoms (Fi- 
broma mucosum) diesem Gewebe nicht angehörten, geht aus 
dem vollständigen Hangel mucinhaltigen Serums hervor. Der 
ödematöse Zustand der linksseitigen Partien ist wohl nur der 
anhaltenden Lage der Kranken auf der linken Seite und viel- 
leicht auch der ThromA>o8e und Verödung einer Anzahl von 
Gefässen des Tumors zuzuschreiben. — In solcher Grösse 
aber ist nun, wie schon oben bemerkt, das Ovarial* 
fibrom bis jetzt nicht beschrieben. 

Das lethale Ende wurde durch Peritonitis herbeigeführt, 
eine Folge der bei der Punction geschehenen Verletzung eines 
der grossen Gefässe der Oberfläche des Tumors und der 
Blutung in das Peritonealcavum. Gleiches hat man ja hin 
und wieder auch nach der Punction von Eierstockscystoiden 
eintreten sehen; in dem Umfange, der Zahl und Grösse 
aber wie im vorliegenden Falle und so frei zwi- 
schen Geschwulst und Bauchwand laufend — so 
dass ein Gefass sogar darch die Punctionsöffnung vorfallen 
konnte — ist die Gefässbildung auf der Ol^erfläche 
von Eierstocksgeschwülsten meines Wissens 
nicht beobachtet. Dass ein solcher Zustand bei even- 
tueller Ovariotomie die grössten Gefahren mit sich bringen, 
die Aussicht auf Erfolg völlig vereiteln muss, liegt auf der 
Hand; die Gefässe (viel mehr als 60 an der Zahl) waren so 
gross und dünnwandig, dass sie alle einzeln hätten unter- 
bunden werden müssen, und diffuse Peritonitis wie Phlebitis 
hätten nicht ausbleiben können. Von weiterem Interesse ist 
auch noch der Mangel jeglichen Ergebni.sses der seiner Zeit 
angestellten Auscultation. 



426 XXIII. SpUgeUbtrg , Mittbeilmg«ii an* d»r 

II. 



4 



Zwei Fälle von Complication des puerperalen 
Zustandes mit Uterusfibroid. • 

Hecker bat im 2. Bande seiner ,;Klinik für Geburts- 
kunde*' pag. 124 — 135^ und später in dieser Monatsschrift 
(December 1865) die Aufmerksamkeit auf die Veränderongeo 
gelenkt, welche durch Uterusfibroide in den puerperalen Vor- 
gängen und durch diese in jenen Geschwülsten heryorgemfen 
werden, und er hat mit Recht betont, dass in diesen Verän- 
derungen oft ebensoviel Gefahr liegt, wie in dem mecha- 
nischen Geburtshindemisse oder den Störungen der Wehen, 
welche die Complication verursacht. Bei der klinisch wie 
anatomisch im Allgemeinen geringen Würdigung, wefche der- 
selben bis jetzt zu Theil geworden, ist es wohl nicht ohne 
Interesse , wenn ich im Anschlüsse an Hecker^s Beobachtun- 
gen zwei in der Königsberger Klinik von mir beobachtete 
derartige Falle hier publicire.. 

1. Interstitielles Fibroid in der rechten Seite 
des unteren Uterinabschniltes. Frühgeburt; 
Sieisslage; macerirtes Kind. Verflachung des 
Fibroids in der Eröffnungsperiode, Herstel- 
lung der runden Form bald nach der Geburt. 

Am 19. Januar 1865 wurde eine 34jähr. Magd aufge- 
nommen, welche vor 11 Jahren normal geboren; sie rech- 
nete sich ungefähr 34 Wochen schwanger, was auch mit 
dem Befunde übereinstimmte ; von einer Geschwulst im Leibe 
hat sie nie etwas bemerkt. Am Bauche zeigte sich nichts 
Abnormes, der Kopf war im Uterusgrunde zu fühlen, Herz- 
töne nicht wahrzunehmen; der Cervicalabschnitt nach links 
geschoben und durch die Eiblase kegelförmig ausgedehnt. 
Die linke Seite desselben und des unteren Uterussegmeates 
erschien dünn, weich und dilatabel, über ihr lag der Steiss; 
die rechte Hälfte des Gervix hatte dieselbe Beschafloubeit, 
der untere Abschnitt des Körpers aber war hier fest und starr 
durch eine in ihn eingelagerte flache Geschwulst von circa 
Handbreite und V Dicke, welche den Eingang ins Becken 



KynttkologritohQii Klinik. 427 

auf dieser Seite deckte und bis auf das Darmbein hinauf- 
reichte. Bei circa 1^/^** breitem Muttermunde gingen die 
Wässer ab, die jetzt energischer folgenden Wehen trieben den 
Stciss in 1. Stellung in den Cervicaltheil und erweiterten die- 
sen rasch. Dabei wurde die erwähnte Geschwulstmasse ganz 
an die rechte Seite des Beckeneinganges gedrängt, sie zog 
sich in dem Maasse, als der vorruckende Steiss die Mutter- 
mundsränder zur Seite schob, in die Höhe und aus dem 
Becken heraus, so dass man sie jetzt deutlich in der rechten 
Darmbeingrube dem Uterus ansitzend von aussen fühlen 
konnte: Die Geburt ging rasch ohne Aufenthalt vor sich, 
die Placenta wurde gleich nach dem Kinde spontan ausge 
stossen; letzteres war in massigem Grade macerirt, 4^/2 Pfd. 
schwer und 47 Gentimeter lang; die 54 Centimeter lange 
Nabelschnur zeigte am fötalen Ende geringe Torsion ihrer 
Gefasse. Der Uterus zog sich sogleich nach seiner Entlee- 
rung gut zui^mmen; das vorher flache und breite Infiltrat 
desselben erschien dicker, derber^ mehr umschrieben und von 
Aet umgebenden Uterinwand stärker abgehoben; dicht vor 
ihm hing der Cervix schlotternd herab. 

Das Wochenbett verlief ohne jegliche Störung. Am 
zweiten Tage war der Uterus etwas nach links verschoben, 
ich konnte den Tumor vom Organ deutlich abgegrenzt auch 
durch die Bauchdecken durchfühlen, und fand per vaginam 
ihn mit einem flachen Segmente gleich weit gegen die Ute- 
rushöhle wie gegen die Peritonealfläche hin vorspringend. Bei 
der am neunten Tage angestellten Untersuchung war dies 
noch deutlicher; die apfelgrosse Geschwulst erschien fester 
und sprang unter stumpfem Winkel nach aussen vor; sie 
ragte circa 2!' über den Beckeneingang in die Höhe, und 
dräckte den Scheidengrund rechts in die Beckenhöhle etwas 
herab. Die Uterushöhle war noch mehr nach links verdrängt. 

Dass wir hier ein interstitielles Fibroid des unteren Ge- 
bärmutterabschnittes vor uns hatten, daran kann zufolge der 
in der Geburt und im Laufe des Wochenbettes erhobenen 
Befunde nicht gezweifelt werden; als ich die Kreissende zu- 
erst untersuchte, musste ich allerdings auch an eme par- 
tielle entzündliche Verdickung der Uteruswand denken, eine 
Annahme, welche von vorn herein das ge^eiv ^kVi Vi^\Xj&^ ^"^"ii:^ 



428 XXni. SpUgMerg, Mifttheilmigen ans der 

derartige Verdickungen in solcher Intensität und Ausdehnimg 
gerade dicht an den Seiten des unteren Uterinsegmeotes höchst 
selten sind, und welche nun wegen der folgenden Fonnver- 
anderungen gänzlich auszuschliessen ist. Es ist als gewiss 
anzunehmen, dass das Fibroid in der Schwangerschaft ge- 
wachsen; denn wäre es so gross gewesen, wie es am neun- 
ten Tage des Wochenbettes sich darstellte, hätte die Kranke 
dasselbe bemerken müssen. Mit der Verdünnung und Aas- 
dehnung des unteren Körperabschnittes der Gebärmutter in 
den letzten Schwangerschaftswochen wurde auch die Ge- 
schwulst flacher und breiter, mit der puerperalen Contraction 
und Rückbildung nahm sie ihre primäre Gestalt wieder an. 
Eine solche Theilnahme an den Uterusmetamorphosen kann 
nur ein Fibroid eingehen, weil es eben ein Fibromyom, 
also von gleicher Textur wie die Uterussubstanz, eine um- 
schriebene Hyperplasie derselben ist. — Dass Uterusfibroide 
in der Gravidität wachsen und nach derselben wieder kleiner 
werden, ist schon vielfach angegeben (u. A. von Montgamery 
in ;,Sign6 and Symptoms of Pregnancy^^ 2. edit. pag. 345, 
von Cruveilhier in „Anat path. Liv. 11, PI. 5.); ja sie kön- 
nen im Wochenbette sogar einer analogen Involution ^ wie 
das Uterusgewebe selbst unterliegen (Klob „Path. Anat. d. 
weibl. Sexualorg/' pag. 158.). Was aber dem vorliegenden 
Falle sein Interesse giebt, ist die klinische Constatirung der 
Theilnahme des Fibroids an den wechselnden Formveränderun- 
gen des unteren Uterinsegmentes vor, in und nach der Geburl. 
Es entspricht dem Sitze der Geschwulst, dass die Eni- 
Wickelung des Uterus erst in den letzten Wochen der Schwan- 
gerschaft gestört wurde, und dass Blutungen aus demsel- 
ben nicht eintraten; für den Eintritt der Frühgeburt ist 
auch der intrauterine Tod der Frucht, dessen Ursache wohl 
in der aufgefundenen Nabelschnuranomalie zu suchen, in An- 
schlag zu bringen. Dagegen liegt es nahe, die Ursache 
der Steisslage in der durch das Fibroid bewirkten Formver- 
änderung des unta'en Theiles des Uteruskörpers zu finden. 

2. Grosses interstit. Fibroid des Grundes. Früh- 
geburt; S-teissIage; Blutung Ln der dritten Pe- 
riode. Peritonitis, Eiterung um das Fibroid 



gynttkologischec Klinik. 429 

und in demselben, Endometritis. Tod durch 
ulceröse Endocarditis der Aortenklappen mit 
zahlreichen capillären Embolien der yerschie- 
densten Organe. 

Am 29. Januar 1865 trat eine 40jähr. zum fünften Male 
schwangere Bauersfrau in die Klinik wegen Ulerinblulungen, 
welche schon Ende Decembers sich eingestellt, in den letz- 
ten Tagen aber sehr reichlich geworden waren. Die Frau 
ist klein und schlecht genährt; sie hat vor vier Jahren zu- 
letzt geboren und damals schon eine kleine Geschwulst im 
Unlerleibe bemerkt; die Menses sind seitdem immer sehr 
profus gewesen; die jetzige Schwangerschaft berechnet sich 
auf circa 30 Wochen. In der linken Seile d(»s durch Was- 
ser ziemhch ausgedehnten Uterusgrundes sass eine 13 Cen- 
timeter breite und 9 Centimeter hoch über die Uteruswand 
bis zu dem Rippenbogen sich erhebende, elastisch weiche 
Geschwulst, welche den Uterus selbst stark nach rechts ver- 
drängte; der Kopf des Kindes ballotirte rechts unterhalb der 
Geschwulst, den Fötalpuls hörte man in der Mittellinie; in 
der Fruchtblase lagen die Füsse; der Muttermund war zur 
Grösse eines Zweilhalerstuckes ervteitert. Während der kräf- 
tigen Wehen bemerkte man eine geringe Erhärtung und ge- 
wissermaassen ein deutlicheres Vorspringen der Geschwulst. 
Kurze Zeit nach der Aufnahme sprang die Blase, mit dem 
eintretenden Steisse stand die Blutung; bald aber Hessen die 
Wehen nach und wurden auch nach Verabreichung einiger 
Dosen Mutterkorns nicht stärker. So rückte die Frucht lang- 
sam vor und wurde erst nach fast 1^/^ stündiger Dauer der 
Auslreibungsperiode in zweiter Beckenlage und zwar lodl ge- 
boren; sie wog fast drei Zollpfund und war 42 Centimeter 
lang. Aus Furcht vor Relaxation des Uterus nach der Ge- 
burl halte der Assistent die Extraction unterlassen. Diese 
Alonie trat aber doch ein, mit ihr profuse Blutung, welche 
die schleunige Entfernung der gelöst im Uterus liegenden 
Placenta erforderte, und auch trotz kräftigen äusseren Druckes 
erst stand, als mehrere kalte Injectionen in die Gebärmutter- 
hölile gemacht waren. 

Schon am nächsten Tage halle sich Peritonitis entwick^^U. 



430 XXni. SpiegMerg^ Mittheilungeii aus der 

uiid war reichliches Exsudat an den Seiten des Uterus und 
auf dem Tumor, der jetzt an der linken Seite bis zur Nabel- 
liöbe hinaufreichte, nachzuweisen. Unter Terpenthinfornenta- 
tionen und gelinden Laxantien legten sich die Erscheinungen, 
das Exsudat condensirte, das Fieber liess nach; am achten 
Tage indess trat eine Exacerbation ein, der Leih trieb stark 
meteoristisch auf, die Geschwulst schien vergrössert und sehr 
empfindlich; eine dicke ihr aufliegende Exsudatschicht liess 
sich deutlich an der linken Uterusseite gegen das Becken 
absteigend durchfühlen, und wurde als mit einem den Dou- 
^Za«*schen Raum massig ausfüllenden Exsudate zusammen- 
hängend erkannt. So blieb der Zustand einige Tage statio- 
när, die Erscheinungen schienen sogar zurückzugehen, als 
sich am 16. Tage acute Endocarditis entwickelte, welche, 
ohne den Verlauf der uterinen und peritonealen Affection we- 
sentlich zu alteriren, schliesslich zum Tode führte. Da der 
Verlauf der ulcerösen Endocarditis im Allgemeinen selten 
beobachtet wird, so will ich die Erscheinungen im vorliegenden 
Falle wie den Seclionsbefund etwas näher mittheilen. 

Am 15. Tage trat Nachts ein starker Schüttelfrost mit 
folgendem Schweisse ein; das Gesicht erschien leicht ödema- 
tös. Am 16. Tage Morgens neuer Frost, Oedem des Ge- 
sichtes stärker, auch die Füsse waren etwas geschwollen; 
in der Höhe des zweiten Intercostalraumes unter dem Ster- 
num und zu beiden Seiten desselben hörte man ein bis zur 
Herzspitze sich erstreckendes systolisches Blasen mit sehr ver- 
stärktem 2. Tone; leichte Dyspnoe und Bronchialcatarrh. Dazu 
kam am nächsten Tage (17.) starke Diarrhoe, am 18. Schmerz 
mit Audreibung am linken Sternoclaviculargelenke , während 
das Exsudat um den Uterus fester und umschriebener, das 
ganze Organ etwas kleiner erschien als vor einigen Tagen. 
Die Diarrhoe war fast unstillbar und steigerte sich in den 
folgenden Tagen zu Secess. involunt. ; das Oedem des Ge- 
sichtes wurde stärker; das der Extremitäten stieg nach oben, 
die Herzerscheinungen erschienen noch stärker ausgeprägt, 
der Bronchialcatarrh dehnte sich auf die feineren Luftwege 
aus; der Puls schwankte zwischen 128 und 136, die Tem- 
peratur war mit geringen Schwankungen anhaltend hoch. 
Am 26. Tage traten, wälweud bev ^teü^er Abnabme des pe- 



gynikologiflehen Klinik. 431 

riuterinen Exsudates und fortschreitender Verkleinerung des 
Uterus die Durchfälle erschöpfend andauerten und auch Me^ 
teorismus sich wieder ausgebildet, rechtseitige Conjunctivitis mit 
kleinen Hämorrhagien, Keratitis und Exsudation in die irorr 
dere Äugenkammer auf; am nächsten Tage auch hämorrha- 
gische Injection der linken Conjunctiva; der Urin wurde 
eiweisshaltig , das Schenkelödem stieg noch mehr, der Lun- 
genkatarrh wui'de stärker, und unter Sopor und zunehmen- 
dem CoUapsus starb die Kranke am 30. Tage des Wochen- 
bettes. 

Die 24 St. p. m. vom Prof. v. Becklinghauaen ange- 
stellte Obduction ergab zunächst die Folgen der partiellen 
Peritonitis: in einem durch Aulöthung des Netzes an die 
vordere Bauchwand und die Seiten des bis fast zum Nabel 
reichenden Uterus gebildeten Sacke fand sich eine zäbe, 
fibrinöse, circa IV2 Unzen betragende Masse; in den durch 
Verwachsung der Blase mit der rechten Seite des unteren 
Gebärmutterabschniltes und einer Schlinge des S romanum 
mit dem Grunde des Douglaa'schen Raumes gebildeten Ta- 
schen lagerten gleiche eingedickte Exsudate; die rechtseitigen 
Uterusanhänge waren durch feste Bindegewebsstränge mit dem 
Coecuni verbunden. Sonst fand sich in der Bauchhöhle nur 
klare gelbliche Flüssigkeit ohne alle Abscheidung. Das linke 
Sternoclaviculargelenk war mit Eiter gefüllt und coramiHii- 
cirte mit mehreren benachbarten kleinen intramusculären Ei- 
terheerden. — Der Herzbeutel enthielt acht Unzen klarer 
Flüssigkeit ; das Herz erschien besonders links stark vergrös- 
sert, an seiner Oberfläche befanden sich hier kleine ecchymo- 
tische Streifen. Die Aortenklappen, und zwar besonders die 
rechte und die hintere, waren sehr verdickt, und ihre Ven- 
tricularfläche gewulstet und rauh, die Substanz leicht zu zer- 
trümmern; die rauhe Wulslung war durch einen weichen 
bröckeligen Beleg, der in das Klappengewebe selbst überging 
und mit demselben leicht sich abschaben liess, bedingt. Die 
Musculatur des linken Ventrikels zeigte eine trübe streifig 
gefleckte Schnittfläche ; in die des rechten Ventrikels ersciiie- 
nen feine, gelbe, stellenweise von einem hämorrhagischen 
Hofe umgebene Streifen eingelagert — Beide Lungen waren 
total adhärent, in den unleren Lappeu bUx\x^\c\\ MtA ^A^^bat 



432 XXIII. Sptegelberg^ Mittheilnngeo ans der 

tös. In einem grossen Arterienzweige des unteren Lappens 
der rechten Lunge steckte ein brüchiger, gräulich gefärbter 
Embolus, der sich in die Nebenäste fortsetzte; das davor lie- 
gende Gewebe war nicht auflallig verändert. Auf der Vor- 
derfläche des oberen Lappens dagegen fand sich ein luftleerer, 
kirschengrosser, hämorrhagischer Keil und in einer kleinen Arte- 
rie circa 4^' von letzterem entfernt ein fester blutiger Pfropf. 

— Milz, Leber und Magen boten nichts Besonderes, nur war 
die erstere sehr gross, ihr Gewebe fleckig und blutreich. — 
Beide Nieren erschienen s^hr gross, ihre Kapsel ohne Sub- 
stanzverlust nicht abziehbar; die Oberfläche war mit ausser- 
ordentlich zahlreichen weissen, flach prominirenden, kaum steck- 
nadelknopfgrossen Punktchen besetzt, diese von einem rothen 
Hofe umgeben; stellenweise confluirten die Punkte. Auf der 
Schnittfläche entsprachen denselben weisse, von rothen be- 
gleitete Streifen, welche sich tief in die Corticalis fortsetz- 
ten ; auch fanden sich wieder einzelne weisse Punkte; ebenso 
weisse Streifung in den Markkegeln. Ausserdem lag in der 
linken Niere unter der Kapsel ein groschengrosser Keil mit 
rothem Hofe, dessen Spitze bis auf die Basis der Marksub- 
stanz reichte. In dem Nierenbecken eine röthlicke flockige 
Flüssigkeit, die Schleimhaut stark injicirt und geschwollen. 

— Im oberen Theile des Jejunum waren in der Schleimhaut 
viele kleine hämorrhagische Stellen, im unteren Abschnitte 
des Ileum fanden sich zwei kleine submucöse Arterien ver- 
stopft, um sie hämorrhagische Färbung; die Mucosa des Dick- 
darms war sehr gelockert und geschwellt. — Das Gehirn 
gross und blass, die Gefässe stark gefüllt; an der Innen- 
fläche der Dura rechts eine hämorrhagische Stelle, in der 
sehr injicirten Pia auf der Höhe eines Gyrus ein umschrie- 
bener kleiner rother Fleck mit weissem Centrum, der nicht 
in die Rinde übergrifl*. — Am rechten Auge war die Con- 
juncliva mit kleinen Extravasaten durchsetzt, die Cornea im 
unteren Theile stark getrübt, der Glaskörper schleimig, die 
Retina von kleinen Hämorrhagien mit weissen Centren erfüllt. 
Am Unken Auge die Conjunctiva gleich beschaffen, die Cor- 
nea gesund V der Glaskörper sehr trübe, und in der Retina 
lag ausser kleinen Extravasaten eine weisse hämorrhagisch 
gefleckte Stelle, wekhe me ^«w^. ^wCU^eruu^ zeigte; hier 



gynäkologischen Klinik. 433 

war die Choroidea ohne Pigment, und liess sich leicht ah- 
ziehen. 

Der aus der Leiche entfernte Uterus war 19 Centi- 
meter lang, 13^2 Centiineter breit und 11 Centimeter dick; 
die Länge des Halskanales betrug 4 Centimeter. In die Höhle 
ragte vom oberen Theile des Fundus und der hinleren Wand 
das Fibroid mit sphärischer Oberfläche bis auf 4 Centinieler 
gegen das Orif. int. herein; die platte Hohle selbst stieg in 
einer Länge von fast 11 Centimeter und einer Breite von 
9 Centimeter an der Vor^ierwand in die Höhe. Auf ihrer 
hinteren Wand, also zum Theil auf dem Fibroide, lag eine 
lockere fibrinöse Membran, welche auch die rechts vorn un> 
terhalb des Tumors befindliche, noch thalergrosse Placentar- 
stelle überzog; letztere war in ihrem oberen, bis zur Tuben- 
mündung reichenden Abschnitte uneben und schwarz gefleckt, 
unten glatt. Die Uleruswand zeigte auf dem Durchschnitte 
in Kanälen, anscheinend Lympfgeiassen, eitrige ÜUasscn, welche 
die Geschwulst umzogen und in deren Substanz eindrangen; 
am untersten Theile der hinteren Wand hatten einige dieser 
Kanäle in das Cavum perforirt. — Das Fibroid selbst, 
13 Centimeter lang und 97^ Centimeter dick, erschien sehr 
succulent, und nachdem es durchschnitten, sah man sein In- 
neres von unregelmässig gestalteten, theils isolirten, theils 
confluirten Höhlen durchzogen, die von gelblicher, schlei- 
miger, mit (Ibrinösen Flocken reichlich durchsetzter Flüssig- 
keit erfüllt waren. Die Auskleidung dieser von der Ge^chwulst- 
substanz selbst umgebenen Höhlen war glatt, hier und da 
schiefrig gefärbt. Im Uebrigen zeigte das Fibroid die be- 
kannte Structur der Fibromyome, und war allseitig von einer 
Lage Uterussubstanz umhüllt. 

Auch in diesem Falle ist der Einfluss deutlich, welchen 
die grossen Fibroide des Uteruskörpers auf Unterbrechung 
der Schwangerschaft, Kindeslage, vorzeitige Lösung der Pla- 
centa, auf Anomahen der Wehenthätigkeit haben; von haupt- 
sächüchstem Interesse aber ist die im Fibroid selbst und sei- 
ner Umgebung im Puerperium vor sich gegangene Verände- 
rung. Eiterung in und um das Fibroid ist im Ganzen ein 
recht seltener Vorgang. Im vorliegenden Falle ging dieselbe 
augenscheinlich von der Entzündung der aml^^^^ä^w \s\äxvä- 

lUontitstehr. f. QehnrUk. 1866. Bd.XXVllI.,HU. ft. '^^ 



434 XXIII. SpiBgelberg, Mittheilangen ans der 

fläche und der FibroidhuUe aus, und diese selbst ist wohl 
auf die von den Assistenten zum Zwecke der Entfernung der 
Placenta etwas gewaltsam ausgeflihrten äusseren und inneren 
Manipulationen, sowie auf die Zerrung, welche dabei die Ver- 
bindungen zwischen Tumor und Uterus erlitten, zurückzufuh- 
ren. Die den Eiter enthaltenden Hohlräume der Geschwulst 
sind nicht als einfache Abscesse zu betrachten, sondern als 
schon präformirle seröse Cysten; dafür spricht, dass stellen- 
weise noch Epithelauskleidung in ihnen zu finden war, und dass 
sie noch seröse Flüssigkeit, in ^dieser die eitrig-fibrinösen 
Massen enthielten. Möglich, ja wahrscheinlich ist es, dass 
die Entwickelung dieser Cysten erst in die Schwangerschaft 
fallt und mit der Zunahme und Erweiterung der Lymphge- 
fasse und deren feinsten Enden im Uterus zusammenhängt, 
da ja derartige Cysten nur erweiterte Bindegewebsräume, und 
diese mit den Lymphgefassen continuirlich sind {Reckling- 
hausen). Die Lymphgefasse der Uterussubstanz sind dann 
auch als die Bahnen zu betrachten, auf denen die Entzün- 
dung in das Gewebe des Fibroids geleitet wurde. 

Eine Heilung der puerperalen Erkrankung wäre durch 
Eindickung des Exsudates und Obsolescenz der gefüllten 
Lymphgefasse wie der Eiterhöblen möglich, je nach Verlauf 
und Befund gewiss gewesen, und damit auch eine Verklei- 
nerung der Geschwulst. Aber keine Resorption derselben; 
diese kann weder durch Eiterung noch durch Nekrose ihrer 
Substanz zu Stande kommen, wie Hecker („Klinik"^ p. 132) 
anzunehmen scheint, sondern nur dann, wenn das Myom an 
der puerperalen fettigen Metamorphose des Uteringewebes Theil 
nimmt und in die puerperale Resorption mit hineingezogen 
wird. Durch Eiterung und Nekrose können Fibroide wohl 
schrumpfen, verschwinden aber nur, wenn ihre sie vom Ute- 
ruscavum- trennende Hülle durch den Process durchbrochen 
wird, und so die zu Grunde gegangenen Partien nach aussen 
entfernt werden können. 

Ob die Endocarditis ulcer. — auf deren Bedeutung für 
das Zustandekommen mancher Fälle von puerperaler ,JHela- 
stase^' Virchow zuerst hingewiesen (diese Monatsschrifl XL 
pag. 410) — mit der Erkrankung der Gebärmutter und ihrer 
Serosa, und einer davon ausgehenden Infection in Causalnexus 



gy^^Sitologiscben Klinik. 435 

gestanden, ist schwer zu entscheiden; für eine Infection vom 
Uterus aus spricht die mit Eintritt der Endocardilis fast 
gleichzeitig sich ausbildende Eiteransammlung in und um das 
linke Stemoclaviculargelenk , welche wohl kaum auf embo- 
lische Vorgänge zurückzuführen ist; dagegen und für die 
Selbstständigkeit der Complication der Mangel aller anderen 
eigentlichen Metastasen; die gute BeschalTenheit der Lymph- 
thromben des Uterus und der Umstand, dass die erwähnte 
GelenkafTection doch erst zwei Tage nach den ersten Erschei- 
nungen des Herzleidens bemerkt wurde. Da die Kranke — 
sie lag mit dem Kopfe zwischen zwei Fenstern — einer Er- 
kältung bei schwitzendem Körper sehr ausgesetzt war, so 
war ich geneigt, in dieser die Veranlassung zu der Endo- 
carditis zu suchen. 



in. 

Peritonitis puerperalis in Folge von Perforation 

einer vereiterten Lymphcaverne des Fundus 

uteri; Tod. 

Die am 17. December 1864 in meine Klinik zu Königs- 
berg aufgenommene kräftig gebaute und ganz gesunde Erst- 
geschwängerte £. Y. (Nr. 338.) kam am 6. Januar mit einem 
ausgetragenen, 6 Pfund 18 Loth schweren und 51 Cen- 
timeter langen lebenden Knaben nieder; die Geburt verlief, 
von einer wahrscheinlich durch das reichliche Fruchtwasser 
bedingten Verzögerung der Eröffnungsperiode abgesehen, regel- 
mässig. Bas Kind starb zwei Tage alt ganz plötzlich, wie 
die Section zeigte, an Schädelblutfülle und geringem Blut- 
austritt auf die untere Fläche des Kleinhirns; dass es schon 
in der Geburt an Athemnoth gehtten, ergaben die zahlreichen 
subserösen Ecchymosen an der unteren Fläche der Lungen 
und auf dem Herzen. — Bei der Mutter zeigte sich schon 
am ersten Tage des Wochenbettes eine ülceration am Schei- 
deneingange, welche indess nach Cauterisation mit Höllen- 
stein und unter Chamillenfomentationen sehr bald mit Gra- 
nulationen sich bedeckte, und so der Heilung entgegen ging. Am 
acbten Tage trat unter Erbrechen, Sctacacn wjA VäVös^^««^ 



436 XXIII. Spiegüberg, Mittheilangeo ans der 

Fieber Exsudation in der rechten Unterbauchgegend auf, und 
rasch waren alle Erscheinungen der übelsten Form der Pe- 
ritonitis — Durchfall, Meteorismus, kalte Extremitäten, kalter 
Schweiss des Gesichtes, sehr frequenter und dünner Puls 
bei relativ niedriger Temperatur — ausgebildet, so dass ich 
die Diagnose auf lymphatische Peritonitis stellen musste. Der 
Tod erfolgte am 12. Tage. 

Section 17 Stunden p. m. durch Prof. t;. ReckUng- 
hausen: 

In der Bauchhöhle circa ^2 Qu^i^t sehr trüber grün- 
licher, mit eitrigen Flocken vermischter Flüssigkeit; Netz 
durch fibrinöse Massen mit der vorderen Bauchwand verklebt, 
die stark durch Gas aufgetriebenen Darmschhngen mit eben 
solchen bedeckt, ihre Serosa sehr injicirt. In beiden Pleura- 
säcken ein wenig Flüssigkeit mit fibrinösen Abscheidungen, 
in dem linken mehr als im rechten, dort befand sich der 
Niederschlag besonders auf dem Centr. tendin. des Zwerch- 
fells und dessen nächster Umgebung; dieses zeigte zugleich 
auf beiden Flächen mehrere hämorrhagisch infiltrirte Stellen; 
gefüllte Lymphgefässe waren nirgends auf ihm zu erkennen. 
-^ Der Herzbeutel enthielt zwei Löffel hellen Serums, das 
Myocard hatte ein gesundes Aussehen, der Klappenapparat 
war normal. Lungen in den unteren Partien blutreich ; Milz 
ziemlich vergrössert und schlaff; Leber und Nieren ohne 
Veränderung; die Mucosa des Darmes leicht geschwellt, die 
Harnblase injicirt. Die Yv. spermat. int. und hypogast ent- 
hielten dünnflüssiges Blut, die Lumbardrüsen Waren blass 
und nicht vergrössert. 

An der rechten grossen Schamlippe fand sich eine tha- 
lergrosse Ulceration mit gutem, von Granulationen erfülltem 
Grunde. Der Uterus, schon sehr zurückgebildet, ragte aus 
dem kleinen Becken kaum mehr hervor; seine Substanz von 
gesundem Ansehen; seine Innenfläche zeigte einige graurötb- 
liche Längswülste, an der an der hinteren Wand befindlichen 
Placentarstelle einen dünnen grauen Beleg, der nirgends in 
die Substanz übergriff; die Venen dieser Stelle waren mit 
festen Pfropfen erfüllt. An der Schleimhaut des Cervical- 
kanales wie an seiner Aussenfläche keine wesentlichen Verän- 
derungen; weder lüev, uocb unter der Serosa des Utems- 



gji^^kolo^ischen Klinik. 437 

körpers, noch im Gewebe der breiten ßäuder fanden sich 
trübe Infiltrationen oder Lyniph- oder Venen tbrombosen ; nnr 
etwas ödemalös war das Zellgewebe der Lig. lata an einzelnen 
Stellen. Beide Eierstöcke sehr gross, schlaff und mit fibri- 
nösen Massen bedeckt; im linken ein grosses Corp. luteum. 
Die Tuben im Abdominalende sehr weit, ihre Schleimhaut 
etwas gequollen, aber blass und mit weisslichem dünnen 
Schleime bedeckt. Unmittelbar neben dem Abgange 
der rechten Tube fand sich an der hinteren Fläche 
des Uterus eincetwas erhobene missfarbige Stelle 
von Groschengrösse, auf deren eingesunkenem Gi- 
pfel eine erbsengrosse Oeffnung mit bruchiger 
Umgebung in eine kleine, durch eine niedrige 
Scheidewand in zwei Abschnitte getheilte Höhle 
fährte. Letztere hatte den Umfang einer Flintenkugel, lag 
dicht unter der Serosa und erstreckte sich mit mehreren 
Buchten ein wenig noch in die Uterussubstanz hinein; die 
rechte Tube ging als ein dicker Strang mitten durch die Höhle 
hindurch und erschien an einer kleinen Stelle in ihrer ganzen 
Circumferenz frei präparirt, doch war ihre Wand wie ihr 
^ Lumen unverändert. Der schmutzig graue Inhalt der 
Abscesshöhle bestand aus grössten Theils fettig 
degenerirten Ei terkörperchen; die Auskleidung 
derselben war fetzig und in trübem fettigen 
und molekularen Zerfall. Da wo die Höhle an den 
Anfang des breiten Bandes sticss, lagen ohne Zusammenhang 
mit ihr noch ein Paar kleinere, ebenfalls mit fettig entarteten 
Eiterkörpern erfüllte geschlossene Räume, deren Wand schief- 
rig verfärbt war. Weder an diesen noch an der rupturirten 
Höhle war eine Beziehung zu Blutgefässen nachzuweisen. 

Der Verlauf der Peritonitis war vom Anfange an dem 
der lymphatischen Form vollständig gleich; aus dem Obduc- 
lionsbefunde aber geht hervor, dass dieselbe lediglich die 
Folge des Durchbruches des beschriebenen Abscesses war; 
phlegmonöse Processe, Thrombosen fanden sich nirgends weder 
in noch neben dem Uterus. Nach der Lage und nach der 
buchtigen Gestalt der Abscesshöhle ist es nicht zu bezweifeln, 
dass dieselbe als eine in Vereiterung übergegangene Lymph- 
lacune anzusehen ist; und es liegt udhe^ äi^N^\m^^\>y^% '»»^ 



438 XXIII. Spiegdberg, MittheilangoD aus der 

eine circumscripte Lymphthrombose, welche mit der bald 
nach der Geburt aufgetretenen UIceration am Scheidenein- 
gange in Causalnexus stand, zurückzuführen. Abgesehen aber 
von dem gutartigen Verlaufe dieser UIceration und dem iso- 
lirten Auftreten der eventuellen Thrombose, spricht gegen 
einen solchen Ursprung auch da^ Alter des Heerdes, welches 
nach den Veränderungen seines Inhaltes und seiner Wand zu 
schliessen wenigstens bis auf die Zeit der Geburt zurückrei- 
chen muss. — Es kommen nun cystöse Erweiterungen der 
Lymphgefässe am Uebergange des Uteruskörpers zu den brei- 
ten Bändern und besonders an der Abgangsstelle der Tuben 
im Wochenbette nicht blos bei Lymphthrombose (Metrolym- 
phangitis), sondern auch, wie ich einige Male gesehen, bei 
ganz gesunden Organen, mit flüssiger Lymphe gefüllt, vor; 
ihre Bildung steht gewiss mit der stärkeren Entwickelung 
der Uterinlymphräume und der Verstärkung der Lymphströme 
während der Schwangerschaft in Beziehung. löh hin des- 
halb nach Allem geneigt, auch im vorliegenden Falle die 
Bildung der Lymphcaverne in die Gravidität, wenigstens in 
die letzte Zeit derselben zu verlegen; warum aber die Wand 
jener in Entzündung überging (dass von ihr die Veränderung- 
ausging, zeigt der Befund von zahlreichen Eiterkörperchen im 
Inhalte), dafür weiss ich keine Erklärung und kann höch- 
stens die durch die verzögerte Geburt und durch die danach 
aufgetretene Scheidenulceration gesetzte Neigung zu einer sol- 
chen heranziehen. — Auf jeden Fall haben wir hier 
eine der seltensten Formen der puerperalen Perito- 
nitis vor uns, welche sich hinsichtlich ihrer Genese an die 
durch Salpingitis und besondess an die nach Perforation der 
Tube eintretende anreiht, von welcher letzteren für den nicht 
puerperalen Zustand Förster (Wien. Hedic. Woch. 1859. 
44. 45.) und für die Schwangerschaft E. Wagner (diese 
Monatsschrift, XIV. pag. 436.) Beispiele geliefert haben. 



gynäkologischen Klinik. 489 



IV. 

Plötzlicher Tod am dritten Tage des Wochenbettes. 

Ruptur des linken Herzventrikels in Folge acuter 

Hyocarditis. 

Die zum 2. Male schwangere 32 jahrige &Ä..(Nr. 320.) war 
am 31. März 1863 in die unter meiner Leitung damals stehende 
Entbindungsanstalt zu Freiburg i. B. aufgenommen; weder damals 
noch bei der ersten Meldung der Schwangeren und der Yon mir 
vorgenommenen Untersuchung derselben am 4. war eine Anoma- 
lie bei ihr zu entdecken; auch gab sie an, sich ganz wohl zu 
fühlen, früher nie ernstlich erkrankt gewesen zu sein. Die Ge- 
burt trat rechtzeitig am 9. April ein, und verlief unter star- 
ken sturmischen Welten innerhalb kurzer Zeit in ganz ge- 
wöhnlicher Weise. Ohne dass das geringste Zeichen von 
Unwohlsein bis dahin zu bemerken gewesen wäre, stellte sich 
am 12. April Morgens 9 Uhr plötzlich ein convulsivischer 
Anfall ein, der innerhalb fünf Minuten mit dem Tode endete. 
Die 24 St. nachher von Prof. Kussmaul angestellte Obdnc- 
tion ergab als Todesursache den in der Ueberschrift bezeich- 
neten Befund, im Einzelnen Folgendes: 

Der Herzbeutel ist durch circa 15 Unzen theils flüssigen, 
theils geronnenen Blutes stark ausgedehnt und liegt der vor- 
deren Brustwand in grossem Umfange an; das Herz ist 
contrahirt, etwas grösser als die Faust des Weibes, die Spitze 
des linken Ventrikels ist halbkugeUg vorgewölbt. Unter dem 
Pericardium findet sich viel Fett, auch in nächster Nähe der 
ausgebauchten Herzspitze und an dieser selbst, am reichlich- 
sten neben den Gefässen. Das Pericard ist mit Ausnahme 
der Spitze des linken Ventrikels überall glatt; am hinteren 
Theile der Spitze ist an einer halbmondförmig gestalteten, 
11'" langen und 6'" breiten Stelle das Epithel verloren. Hier 
mündet ein &" langer von oben nach unten verlaufender Riss, 
welcher in der Richtung von hinten und unten nach vorn 
und oben in einer Länge von etwa 9'" die beträchtlich ver- 
dickt erscheinende Herzwand vollkommen durchdringt; in ihm 
liegt das gelblich gefärbte und mit Ecchymosen durchsetzte 
Muskelfleisch bloss zu Tage; in aeineT \li£k%^\)\»i%^ «^i\^^^ 



440 XXIII. Spiegelbergj Mittheilung^en aas der 

chend dem tiefsten Punkte der Herzspitze ist dasselbe von 
der Innenfläche aus bis zum verdickten Pericard in grösserer 
Ausdehnung gänzlich erweicht und aufgewühlt; in weiterem 
Kreise erscheint es, obwohl noch weich, doch fester und 
graugelb gefärbt; am rechten Ventrikel ist das Fleisch derber, 
braungelb, übrigens am ganzen Organe schlaff und brüchig. 
Alle Klappen sind zart und normal; die Innenfläche der 
Aorta glatt. 

Die Lungen sind wenig retrahirt, ihre vordere Partie 
gedunsen, die Spitze und ßasis der linken durch einige dünne 
Bindegewcbsstränge der Pleura adhärent. Die linke Lunge 
erscheint besonders im oberen Lappen sehr blutreich, in der 
Spitze dieses findet^ sich ein kirschgrosser schwarzbrauner 
indurirter Knoten, und an seinen Rändern einige isoUrte, 
graue weiche Tuberkelknötchen; in der Spitze der rechten 
weniger lufthaltigen Lunge liegen ähnliche gleichgrosse indu- 
rirte Stellen mit graulichen Tuberkeln. Die Pulmonararterien 
sind frei, ihre Intima glatt; die Schleimhaut der Bronchien 
enthält ein dickes eiteriges Secret, die der Trachea und des 
Laryiix ist gewulstet und sehr injicirt, von grauem Schleime 
bedeckt. Die Bronchialdrüsen sind sehwärzlich gefärbt, gross 
und saftig, die Schilddrüse ist zu zwei huhnereigrosscn mit 
erweichter colloider Masse erfüllten Geschwülsten umgewandelt 

Magen und Darm sind stark aufgetrieben, die Milz 
ist etwas vergrossert und weich; die Leber gross, am lin- 
ken Lappen eine kleuie Schnürfurche, die Substanz ebenfalls 
sehr "weich, die Pfordaderbezirke hellweisslich , die Central- 
venen injicirt; Gallenwege durchgängig, die Gallenblase ent- 
hält wenig dünne orangefarbene Galle. Die Nieren zeigen 
ausser starker Injection beider Substanzen und varicöser Er- 
weiterung der Venen der Schleimhaut der Nierenbecken nichts 
Auffälliges. — Der Uterus überragt als eine Kugel von 
der Grösse einer Doppelfausl den Beckeneingang bedeutend; 
seine Länge beträgt 7" P. , seine grosste Breite ö^«", die 
Dicke der Wand am Grunde I^ä''^ a»^ Cervix 7«"- Die 
Substanz ist derb und blass, an der gerade am Fundus be- 
findlichen Placentarstelle sitzen feste Thromben. Beide Ova- 
rien schlaff, im linken ein Corpus luteum; die Serosa des 
Uterus und das Bindegeviebe vVev dkwVv§.w^<ft sind frei. 



gynäkologischen Klinik. 441 

Schädelknochen massig dick; die Dura allenthal- 
ben innigst adhärcnt, an der Innenfläche der Knochen reich- 
liche Osteophytbildung ; in dem Sinus viel dunkles flüssiges 
Blut. Die Gefässe der Pia massig gefüllt, sie selbst leicht 
abziehbar, das Zellgewebe und die Arterien an der Basis 
ohne Abnormität Gehirn blass, etwas weich, die Ventri- 
kel eng. 

Der Sitz der Myocarditis, die Nichtbetheiligung des Pe- 
ricards, die Aufwühlung des Herzfleisches von der Innen- 
fläche des Ventrikels aus und die Bildung eines acuten 
partiellen Herzaneurysmas mit Durchbrucb in 
den Herzbeutel — sind keine besonders zu betonenden 
Befunde, da sie den bei acuter Myocarditis am häufigsten 
getrofienen entsprechen. Auffällig ist dagegen, dass die Sec- 
tion gar keine Erklärung für das Zustandekommen der Er- 
krankung gegeben, und dass diese selbst ohne irgend ein 
prägnantes Symptom verlaufen. ' — Weder acuter Rheuma- 
tismus noch Trauma liegen hier als Ursachen vor, noch ist 
eine primäre Entzündung des Pericards oder Endocards, noch 
eine Infection des Blutes, welchen die parenchymatöse Myo- 
carditis als secundärer Process bisweilen folgt,, als ätiologi- 
sches Moment heranzuziehen; der Fall gehört zu den selte- 
nen, in denen die Afl'ection sich als spontanes primäres Lei- 
den ohne nachweisbare innere oder äussere Ursache ent- 
wickelt; er ist dann aber um so auffalliger, als das weibliche 
Geschlecht in überwiegender Seltenheit von nicht complicirter 
acuter Herzentzündung befallen wird; Friedrich (FtVcÄoi^'s 
Handbuch der Pathologie und Therapie, V. Bd. 2. Abtheil 
2. Hälfte, pag. 274) fand unter 11 derartigen Fällen nur 
eine Frau. 

Irgend in die Augen springende Symptome von Krank- 
sein sind im Leben gewiss nicht vorhanden gewesen, wir 
hätten sie bei der Aufmerksamkeit, mit der gerade zu der 
betrefienden Zeit bei allen Wöchnerinnen Puls-, Temperatur- 
und Respirationsbewegungen etc. verfolgt wurden, sonst wohl 
entdeckt;' auch der Bronchialkatarrh, dessen Zeichen sich in 
der Leiche fanden, kann deshalb nicht ein sehr ausgespro- 
chener gewesen sein. Uebrigens ist der ganz latente Ver- 
lauf der acuten Myocarditis, bis \n\\. caü^^xu %OÄa%^ ^^ 



442 XXIV. Naumann^ PaerperftlerkrankiiBgeik in Sehwesiagen 

bedenklichsten Erscheinungen sich entwickebi, 'bekanntKch 
nicht so sehr selten. Lange kann nach der Beschaffenheit 
des Herzfleisches in der Umgebung des Risses der Process 
nicht bestanden haben, und es ist höchst wahrscheinlkfa, 
dass er sich innerhalb der drei Wochenbettstage abgewickelt 
hat; möglich auch, dass die heftige Anstrengung in der stür- 
misch rasch verlaufenen Geburt in causaler Beziehung eine 
Bedeutung hat. — Auf jeden Fall liegt hier eine der 
seltensten Ursachen des plötzlichen Todes im 
Wochenbette vor, von der nirgends in der Literatur ich 
ein Beispiel finden konnte, weder Hermeux noch u. A. 
Ba<vrt de la FaüU (cf. diese Monatsschrift. XXV. pag. 318) 
erwähnen dergleichen. 
Breslau, Juni 1866. 



XXIV. 



Paerperalerkrankungen in Schwezingen und sei- 
ner Umgebung in den Jahren 1863 — 1866. 



Von 

Dr. Bmil IVaamann 

in Mannheim. 



Das statistische „Minimum" von Puerperalfieberepidemien 
ausserhalb Gebärhäusern berechtigt Hirsch das Puerperal- 
fieber eine Nosocomialkrankheit nax i^oxriv zu nennen, und 
doch durfte jenes Minimum vielleicht nur ein scheinbares sein, 
weil aus naheliegenden Gründen aus Gebäranstalten reich- 
lichere Berichte in die OeffentUchkeit gelangen, als von Pri- 
vatärzten, zumal vom Lande. 

Da aber die Jetztzeit uberiiaupt den statistischen Ergeb- 
nissen so grossen Werth beilegt, so mag wohl jeder Beitrag 
von Material nicht unwillkommen sein, um so weniger, wenn 
es sich um Vermehrung von Thatsadien handelt, aus deren 
JMJoderzahl gewichtige ScV\\u«»^^ %^x^%<&u werden. 



und seiner Umgebang in den Jahren 1863*— 1865. 443 

Hirsch hat unter 216 Epidemien die Zahl d^er, die 
strenge genommen, einzelne Ortschaften oder Bezirke treffen, 
auf 20 eingeengt, ohne die Entstehung dieser zu erklären; 
wenn ich mir nun erlaube, jene Zahl um eine Nummer zu 
vermehren, so geschieht es in der Hoffnung, dass noch an- 
dere Collegen unseres Landes, da sich die Epidemie über 
einen grössern Kreis erstreckt zu haben scheint, diesem Bei- 
spiele folgen werden, und ermuthigt durch die Worte Veit's, 
der sagt: „Das Studium der Epidemien In Privatwohnungen 
„ist darum so widitig, weil man sich selbstverständlich am 
„sichersten vor Irrwegen schätzt, wenn man der Art und 
,, Weise der Entstehung und Verbreitung der Krankheit dort 
„nachspürt, wo die Verhältnisse am durchsichtigsten sind''. 

Es handelt sich um' eine Epidemie, die unabhängig von 
einem Gebärhaus entstanden, die nicht nur einen einzigen 
Stadttheil betroffen, die nicht blos den ärmeren Theil der 
Bevölkerung heimgesucht hat; ihr Gebiet erstreckt sich, so 
weit meine eigenen Beobachtungen möglich waren, auf das 
Städtchen Schwezingen und sieben höchstens eine Stunde 
davon entfernt liegende auswärtige Punkte, theils Dörfer, 
theils Höfe. 

Die Geburtsregister von Schwezingen und vier in mei- 
nem Berufsbezirke gehörigen Ortschaften ergeben, das Ver- 
hältniss der Geburten zu den innerhalb drei Wochen des 
Puerperiums erfolgten Todesfallen von 1852 an betrachtet, 
folgende Zahlen: 

1852 340:0 1859 393:1 

1853 343 : 1 1860 391 : 2 

1854 349:2 1861 373:2 

1855 346:3 1862 393; 2 

1856 342 : 4 1863 424 : 2 

1857 341 : 3 1864 413 : 16 

1858 329 : 1 1865 420 : 7 

Schon diese Zahlen ^deuten trotz ihrer Ungenauigkeit, 
da sie einerseits keinen Unterschied in der Todesart machen, 
andererseits sich nur auf einen Zeitraum von drei Wochen 
beschränken — zwei Fehler, die sich wohl ausgleichen — 
auf eine merkliche Zunahme von Wöcbnerinerkrankungen und 
in der That entsprechen diesem Vert^Uü««^ ^\^ ^s^Kas^\9^^ 



444 XXiV. i^aumann^ Puerperalerkr&nkangfen in Sehweiingen 

nach der Niederkunft beobachteten Krankenfalle, denn sie stie- 
gen von fünf im Jahre 1862 auf 16 in 1863, auf 57 in 
1864 und fallen 1865 auf 23. 

Während 1862 kein Todesfall vorkam, starben 1863: 2; 
1864: 9; 1865: 5 an Puerperalfieber. Dabei sind die Er- 
krankungen aus der Praxis meiner im gleichen Bezirke prak* 
ticirenden zwei Gollegen nicht mitgerechnet. 

Muss nun auch zugegeben werden, dass ein Theil jener 
Beobachtungen, trotzdem nur ernstere, mindestens sieben Tage 
dauernde fieberhafte Krankheiten eingerechnet sind, strenge 
genommen, nicht als Puerperalfieber betrachtet werden muss, 
so zeigt jenes Ergebniss wenigstens eine weit grössere Dis- 
position der Wöchnerinnen zu Erkrankungen -(resp. beson- 
dere Ursachen) im Verhältnisse zu früheren Jahren, wo höch- 
stens 1 — 2 Fälle, wie die hier aufgezählten, zur Beobach- 
tung kamen. 

Wie viele davon in den Rahmen „Puerperalfieber" ge- 
fasst werden dürfen, hängt von den jeweiligen Ansichten über 
das Wesen dieser Krankheit, deren Grenzen noch so unbe- 
stimmt sind, dass was heute noch wie eine einfache, selbst 
traumatische Entzündung aussieht, morgen schon das als 
charakteristisch betrachtete Bild des Puerperalfiebers anneh- 
men kann, und dass Fälle vorkommen, deren Rubricirung 
ebenso schwer halten dürfte , wie die Entscheidung, ob fieber- 
hafter Intestinalcatarrh oder Typhus während einer Epidemie 
des letzteren. 

Ich habe daher die Bezeichnung Puerperalerkrankungen 
gewählt und die einzelnen Fälle nach den von C. Braun 
vorgeschlagenen Gesichtspunkten einzulheilen versucht. 

Mit Uebergehung der im Jahre 1862 beobachteten fünf 
mehr sporadischen Erkrankungen vertheilen sich die übrigen 
folgendermaassen : 

1863. • 

I. Mit überwiegender primärer Localaffection: 
Melritis, Peritonitis mit Fieber von 9 — 15 Tagen 
ein Mal nach Placentalösung, ein Mal nach An- 
wendung der Zange 9« 
Mil häufigen SchüUeWto^leu 1- 



und seiner Ümgebaog in den Jahren 1863—1866. 445 

II. Mit nachfolgenden Complicationen (Bild der 
Pyämie) : 

Metritis mit pleuritischem Exsudat 1. 

„ „ „ „ , Peritonitis mit 

freiem Exsudat in der Bauchhöhle, Abfluss durch 
die Vagina, Schüttelfröste, Icterus, zeitweise Hei- 
serkeit und Stottern 1. 

Metritis, Vulvitis diphth. Infiltratio pulm. sin. Phlebit. 
crur. nach Anwendung der Zange bei einer 46 jäh- 
rigen Primipara 1. 

Metroperitonitis mit freiem Exsudat, häufigen Schut- 
telfrösten, Albuminurie und Anasarka nach Abortus 1. 

Ill.^Ohne nachweisbare Localaffection: 

Heftiges Fieber und Unruhe, Tod am dritten Tage 

unter Athemnoth, Primipara 1. 

Frost am zweiten Tage nach der Geburt, Fieber mit 
abendlichem Froste und Atliemnoth-Aufallen, anhal- 
tende Schweisse, Tod am vierten Tage während 
eines solchen Anfalls, Primipara 1. 

1864. 

I. Metritis und Peritonitis von fünf Tagen bis drei 
Wochen 43. 

darunter 20 Mal mit heftigem Fieber und Deli- 
rien, davon starben 7; 1 am 5. Tage, 4 am 
7. Tage ; 2 waren nur in den letzten Tagen ihrer 
Krankheit in meiner Beobachtung. 

II. a. Mit Affectionen der Lungen oder des Brustfelles 

und häufigen Schüttelfrösten complicirt 6. 

Dauer vier V^ochen bis drei Monate. 
Davon starben zwei. 

b. Mit Peritonitis und Oophoritis 3. 
Exsudatentfprnung durch die Vagina und durch 
die Abscedirung in die Bauchdecken. 

c. Mit Phlebitis crur. (ohne vorherbestandene Ve- 
nenerweiterungen) 3. 

d. Mit schmerzhaften Anschwellungen der Knie- und 
Fussgelenke V* 



446 ^^V. Naumtmn^ Pa^rperftlerktankung^n in Sehfresingen 

III. Ohne nachweisbare Localaffection am dritten Tage 
nach normaler Geburt Anfall von Athemnoth, der 
über den andern Tag fast zur regelmässigen 
Stunde nach unmittelbar vorausgegangenen Aufre- 
gungen wiederholte, und bei der dritten Wieder- 
kehr unter Lungenödem mit blutigschleimigem reich- 
lichem Sputum tödtlich endete 1. 
An den freien Tagen ausser schwachem, raschem Pulse 
Wohlbefinden. 

1866. 

I. Endo- und Perimetritis 16. 

Davon starben 4: 2 am 5., 2 am 7. Tage (eine 
davon, wo Entfernung der Placenta nothwendig 
wurde, hatte vor vier Monaten Perimetritis über- 
standen). 

II. a. Mit Oophoritis und Lymphangoitis 1. 

Von achtwöchentlicher Dauer. 

b. Mit Mastitis gangränosa. 2. 

Eine davon mit drei Wochen langer Bewusst- 
losigkeit und Delirien. 

c. Mit Lungeninfiltration , wobei ein Mal Phlegmone 
des Armes und Gangrunescenz , ein Mal Abscess 

in der Struma 4. 

Darunter ein Todesfall. 

Den Monaten nach vertheilen sich Erkrankungen und 

Todesfälle im Ganzen in folgender Weise: 



Krkrankangeii. 
Januar 10 


Tod, 
1 


Februar 


14 


2 


März 


16 


3 


April 
Mai 


10 
10 


2 

1 


Juni 


8 


— 


Juli 


6 


4 


August 

September 

Oclober 


3 

7 
4 


1 
1 



1863 





1864 


9 


1865 


1 




1863 




1864 




1865 



und feiner Umg^b;ang in den Jnhren 1^98-«« 1966. 417 

Erkrankungen. Tod. 
November 6 1 

December 2 — 

Es stimmen diese Zahlen so ziemUch mit den übrigen 
Erfahrungen, welche ein Prävaliren der Krankheit in den käl- 
tern Jahreszeiten darthun. 

Nach den einzelnen Jahrgängen betrachtet, kommen auf: 
Jannar. Februar. März. April. Mai. Juni. Jali. Antust. 

2 2 2 12 

10 10 5 6 5 2 

2 4 3 4 2 4 1 

September. October. November. December. 

3 2 2 
2 2 4 2 
2 — — — 

Hierbei zeigt sich, dass 1863 und 1864 gerade die 
wärmsten Monate, und zwar August 1863 und Juli 1864 
keinen ErkrankungsfaU boten, und zwar trotzdem in diesen 
Monaten mehrere Operationen (Placentalösungen, Wendung 
und Zange) nothwendig wurden, und gleichzeitig gangränöse 
Wunden, ein Mal nach Phlegmone diffusa in Behandlung 
waren. 

Es macht allerdings, wollte man darin eine Regel er- 
blicken, der Juli 1865 eine scharfe Ausnahme, und doch 
lässt sich eine gewisse Beziehung der Erkrankungen zur Tem- 
peratur auch da nicht verkennen, indem bei Vergleicbung der 
einzelnen Monate der drei Jahre unter sich die höchste Zahl 
der Krankheitsfalle »eist mit der niedersten mittleren Tem- 
peratur oder wenigstens mit dem niedersten Minimum zusam- 
menfallt. 

Da das Jahr 1864 eine ungewöhrüich hohe Zahl von 
Erkrankungen ergiSbt, so durfte es auch erlaubt sein, nach- 
zuforschen, ob und in wiefern dieses Jahr in Betreff seiner 
meteorologischen Verhältnisse sidi von anderen unterscheidet, 
und es zeigt sich in der That nach der von Herrn Stabsarzt 
Dr. Weber vorgenommenen Beobachtungen^): 



1) Anmerkung. Diese wurde iwar in Mannheim gemacht, 
da aber der in Rede stehende Bezirk nur drei Stunden entfernt, 
in gleicher Ebene liegt, und die Temperatut ü\i«t«vQiMYCKisv\..^ %^ 



448 XXiy. ^Tanmoiiii, Paerperalerkraokao^en in Schwemingen 





Tberniometer 


Tomp. MiDimum 


Pi^tk 




tmz 


1664 


1866 


1863 


1864 


\l^ 


1863jtt 




+ a,oi 






-1,0 






8,«l 


JftBiiAr . , * 




— 3,03 


+ l,2fi 




-18,0 


|- 8.6 


1; 


Februar * . 


+ 2,44 






-ifi 




1 


1,98 




+ 0,48 






— 8,0 




>,! 






— 0,28 






;— 10 




1 


6,32 






-tfi 






«.» 


Mir» , . - . !| 


9,37 


5,38 


1,02 





- 2.0 


— 7 

2,W! 


April . . . , 
Hmi 




7*27 






- 8,6 


[ 


f* 






11,19 






- h'' 




1^,46 






+ 4,6 






8,ISi 




11,21 






h* 




V 








15,0 






2,7 






18,79 






6.0 






4.M 


Jmni 


15,64 


14,27 


14,18 


7,6 


6,6 


8.1 




Jülj J 




15,39 






7.« 




M 






17,84 






7,6 






IftJÖ 






8,0 






*■*"- 


AmgüH * . . 




14,13 


14,35 




Ml 


7,8 


1 


S«pUmber . 


11,64 






5,8 






3,91 




12,01 






4,T 




4.» 






14J6 






6.8, 






9,1 R 


* 




0,8 






».'«„ 


Ociober . . ' 


4,3ß 


7,37 


y,35 


- 1,8 


- 0,8 


+ 8,0 




November , 




3,09 






- 6,0 










5,7$ 






- 2,0 




S,9B 






— 2,0 






2,24: 


Decomber . 




- 1,96 






-10,4 


1 'M 






+ 0.43 






— « 


i 



1. Der mittlere Luftdruck 1864 höher als normal, die 
Diflerenz zwischen dem absol. höchsten und tiefsten Stande 
4"'94 niederer als in den 12 vorausgegangenen Jahren. 

2. Die mittlere Jahrestemperatur 1^651 geringer, über- 
haupt die niedrigste seit 1841. 

Die Differenz zwischen der höchsen und tiefsten 11^17 
unter der in 12 Jahren. 



dürften auch die übrigen meteorologischen Ergebnisse anwend- 
bar sein, sumal sie, wie die beiliegende Tabelle, sn der ich 
das Material der Qt\il^ d«a ^«iiti ^\A.b«ari&t Dr.* Weber verdanke, 
'^ mit der T^m^^taVoLT Vi^ \^vw\%%«t '^«i\>^'Qa&^ %N«^<^^« 



nndaeinerUmg^ebangiiidenJahrAO 1868— 1866. 449 



omeler 


Osonometer 


ErkrftDkn 


ogen 


TodrifSUfl 1 BftrometeT 


*64 


1865 18631864 


1866 1863 1864 


1865 


1863 


i864|l8fi5 


1863 1S64 


1865 


6.67 













' 


10,6 




8,9 ^ 1,61 






9 






1 j 


12,« 




r30S 


6, 






1 






■ 


6,53 


4,49 




2 








1 


"**^ 1 .- 




8,6 3,95 






10 






® 1 


8,18 




146 ! 


5,10 






2 


1 


8,01 


! , 43a 




2 








9,38: 


6,6 ^4,86 






10 




3 




|«,0 1 


1246^ 


6,21 






4 1 






1 ' 8,84 


6,42: 




2 




1 






10,86 1 


1,1 1 


3,06 






6 




1 


|9.4 




10,3 


1 ' 
5,95 


4,32 







3 ' 


i ^ 1 10,18 

10,041 ; 


5.6 




4,24 






6 






1 


i 8,24 




228,6 


7,72, 


6,76 


1 




4 






9,66 


8,90 


6,0 


17,12 






6 






8,56 




138,0 


7,0li 


6,32 


2 




2 








1 

11,67 


10,39 


4,6 


|7,0l 

















;8,eT 




sa3,6 


6,71 


6,58 







4 




* 


10,87 


9,0 


4.S 


6,87 






2 








1 ».16 




,416,8 






8,86 






1 




1 1 






8,2« 


1 


6,30 






3 1 








1 10, 6 






ij 


19,0 


3,01 


6,T2 


3,84: 


1 
2 


2 


2 




1 

, . n,66 


9,68 


11,62 


1,6 






8,27 






2 






1 ! ; 1 


7,78 




sa5,8 


16,09 










' 


6,28 




3,47 , 


2 






1 ! \ 11,60 1 




),0, 


4,04 






4 




1 




1 7,94 




288,3 

1 


6,70 


4,32 









1 

1. 




\ 

11,891 


9,08 


>.6 


0,41 






2 




1 ■' 


[10,27 






40,8 


\ 




1,77 














1 




12,94 



3. Der mittlere Dunstkreis (y"AQ unter dem Mittel von 
12 Jahren.. 

4. Die mittlere Luftfeuchtigkeit 37o geringer. 

5. Die atmosphärische Wassermenge 8'' 61 unter dem 
Mittel. 

6. Ungewöhnliches Vorherrschen der Polarströmung. 

7. Ozongehalt 0,74 unter dem Mittel von 12 Jahren. 



Bei Verfolgung des Ganges der EipiAenCve Notk ^««^ «%Växv 
Erkrankungen an fand sich nicK, dasÄ A\^ ^tm\VXväV. ^^«^^n. 

MaaMUMohr. t. aebartek. 1866. Bd. KSVIUmHÜ. ä, '^^ 



450 XXVIir. Naumemn, Poerperalerkranknngenin Sehwesingen 

an einem Orte aufgetreten, da verschiedene Wöcbneriuucn 
gleichzeitig befallen und dann auf einen andern sich yerschleppl, 
und so sich allmälig weiter verbreitet habe, sondern es ka- 
men fast gleichzeitig bald da, bald dort in auseinanderliegen- 
genden Orten Erkrankungen vor. Höchstens wäre zu bemer-« 
ken, dass in dem südlich von meinem Bezirke gelegenen 
Kreise schon im Jahre 1862 schwere Fälle beobachtet wur-r 
den, und weist auch das Sterberegister derselben schon aus 
den früheren Jahrgängen eine grössere Anzahl von Todesfällen 
unter Wöchnerinnen nach. 

2. Eine Verbreitung durch Hebammen ist nicht anzu- 
nehmen, wegen der oben angeführten Art des Auftretens der 
Krankheit, und weil sich die Krankheiten auf 11 Hebammen 
vertheilen, deren Praxis sich immer auf ihren Wohnort be- 
schränkt ^). 

3. Ebensowenig kann eine Infection durch den Arzt sta- 
tuirt werden, denn ausser mir hatten meine beiden Collegen 
nicht weniger schwere Fälle zu behandeln. 

4. Die Erkrankungen erfolgten meist, ohne dass die Ge- 
burt erschwert oder Kunsthülfe nöthig gewesen wäre; im 
Ganzen gingen ihnen nur acht Mal Operationen voraus (vier 
Entfernungen der Placenla, zwei Zangen, zwei Wendungen), 
die ohne besondere Schwierigkeit ausgeführt werden konn- 
ten, so dass in den weitaus meisten Fällen ärztliche Hülfe 
erst nach erfolgter fieberhafter Erkrankung, und wie gewöhn- 
lich bei der Landbevölkerung oft erst bei drohender Gefahr 
gesucht wurde. 

5. Erst- und Mehrgehärende sowie Abortirende waren 
gleicher Gefahr ausgesetzt, bei mehreren begann die Krank- 
heit in den letzten Tagen der Schwangerschaft. . 

Die Sterblichkeit der Kinder war grösser als früher, es 
blieben aber auch mehrere von Müttern mit den schwersten 
mit Tod endenden Krankheitsformen am Leben. 

1) Anmerkang. In einem Dorfe erkrankten in swei nahe 
einander weit entfernten Strassen, in der einen in drei, in der 
andern in swei nebeneinander liegenden Häusern Wöchnerinnen, 
die von einer Hebamme, mit allen Cautelen vertraatt besorgt 
Würden, ohne dass sich ein Entstehungsgrand hätte finden lassen. 
^He /linf genasen. 



und seiner Umgegend in den Jahren 1863 — 1866. 451 

6. Ein Einfluss von anderen Epidemien wie Scharlach, 
Typhus, Erysipel Hess sich nicht erkennen. Während der 
ganzen Zeit kamen nur sporadische Fälle von Typhus vor, 
ohne dass sich ein Zusammenhang mit Puerperalerkrankungen 
hätte finden lassen. Eine Uebertragung von gangränösen Wun> 
den oder Erysipel konnte ebensowenig nachgewiesen werden, 
vielmehr kamen während Behandlung solcher, wie schon 

'oben bemerkjt, keine Erkrankungen vor, trotz verschiedener 
geburtshülflicher Operationen , und blieb eine Frau, die wäh- 
rend der Erkrankung ihres Mannes an mit 13 tägiger Be- 
wusstlosigkeit, Pneumonie, complicu-ten Kopf- und Gesichts- 
erysipel, — niedergekommen war, von Krankheit verschont. 

7. Eine Uebertragung von Leichengift muss vollständig 
in Abrede gestellt werden, denn es wurden Sectionen und 
innere Untersuchung der Wöchnerinnen so viel wie möglich 
vermieden und fielen nie an einem und demselben Tage zu- 
sammen. Chlorkalk und Kali hypermangan. zu Waschungen 
für mich und die Hebammen, zum Reinigen des Instrumen- 
tes, zu Einspritzungen, wurden in freigebiger Weise zur An- 
wendung gebracht. Gemeinschaftliche Benutzung der Geburts- 
utensilien (zu anderen Zeiten unschädlich) war verboten, für 
ättsserste Reinlichkeit und für gehörige Ventilation Sorge ge- 
tragen. 

8. Das vermehrte Auftreten von Erkrankungen während 
der Wintermonate konnte nicht durch Ueberfüllung , mangel- 
hafte Lüftung oder schlechtere Lebensweise erklärt werden ^). 

9. Was die von Inow Bek und Newitt als Entste- 
hungsursache des Puerperalfiebers bezuchtigte Schlaffheit des 
Uterus betrifft, so wurde in dieser Zeit zwar die künstliche 
Entfernung der Placenta verhältnissmässig häufig nöthig , war 



1) Anmerkung. Die Vergleichang des Monats December 
1864, der im Verhältnisse zu den übrigen kalten Monaten mit 
einer auffallend geringen Anzahl vertreten ist, mit diesen, zeigt, 
dass er sich darch die geringste Temperaturschwanknng sowohl 
in den Tageszeiten, als anch überhaupt, die grösste Luftfeuch- 
tigkeit mit den geringsten Schwankungen, durch die geringste 
Wassermenge, durch die meisten trüben Tage (Januar der hei- 
terste Monat), durch die constanteste Windrichtung und Wind- 
stille und den geringsten Ozongehalt axLS%Q\<^\iii^\.«. 



452 XXIV. Naumannt PnerperAlerkrankaogeo in Sehwezingen etc. 

aber nicht immer von Krankheit gefolgt; in zwei gleichzei- 
tigen Fällen, wo wegen heftiger, schmerzhafter Nachwehen und 
allgemeiner Schwäche Hülfe verlangt wurde, und bei jeder 
schmerzhaften Contraction des bis zum Nabel noch vergrös- 
Serien und fest sich anfühlenden Uterus wässeriges Blut ab- 
ging, reichte allerdings die Naturkraft nicht hin, die die Ute- 
rushöhle füllenden Coagula zu entfernen, es blieben aber beide 
Wöchnerinnen nach manueller Wegnahme der Gerinnsel voU- * 
ständig gesund. . 

Endlich dürfte noch eines Momentes Erwähnung gesche- 
hen: es war nämlich die Wirkung psychischer Momente we- 
nigstens auf Hervorrufung bedeutender Verschlimmerungen 
nicht zu verkennen, und machte sich vielleicht ihr Einfluss 
auch darin geltend, dass in den schlimmsten Zeiten die grös- 
sere Zahl von sonst gesund gebliebenen Wöchnerinnen unter 
dem Drucke der allgemeinen Angst wenigstens einige Tage 
leichte fieberhafte Erscheinungen boten. 

Geben die Beobachtungen dieser Epidemie fast nur ne- 
gative Resultate, so vermögen sie doch wenigstens bei dem 
Anhänger der /S^emmeZtc^m^'schen Theorie Zweifel zu erwecken; 
dieser bleibt trotz Zuhulfenahme der Selbstinfection die Ant- 
wort schuldig auf Fragen, wie z. B. warum zu gewissen Zei- 
ten, selbst wenn die Sorge für Reinlichkeit, Lüftung etc, eine 
weit grössere und minutiösere, mehr Erkrankungen auftreten, als 
in anderen Zeitabschnitten. Warum nicht damals und da, wo 
die Wöchnerinnen, in sorgfaltig jedem Luftzutritt abgeschlos- 
senen Kammern, fast bis zum Ersticken zugedeckt, ohne Wä- 
sche oder Unterlage bis zum 9. Tage zu wechseln, gerade die 
günstige Bedingung zu Zersetzung boten, wo der Arzt sich 
noch nicht gescheut hat, unmittelbar von der Section weg- 
gerufen, eüie Entbindung vorzunehmen? 

Es ist wohl die letzte Ursache der Puerperalßeberepide- 
mien noch ebenso .in Dunkel gehüllt, wie die anderer Epi- 
demien, und dürfte die ^Annahme einer Infection nach Sem- 
wdweisSy ebensowenig für alle Epidemien von Puerperalfieber 
passen, wie die excrementelle Vergiftung des Trinkwassers 
als Ursache aller Typhusepidemien. 



XXV. LSper, Ein Fall von EiDklemmung des etc. 453 



XXV. 

Ein Fall von Einklemmung des rechten Eier- 
stockes im rechten Leistenkanale. 

Von 
Dr. L5per in Woldenberg. 

Am 11. März d. J., Nachmittags 5 Uhr, liess mich Frau 
Ackerbürger Nickel hierselbst rufen. Dieselbe ist 34 Jahre 
alt, schwächlich gebaut, Mutter von sieben Kindern, und am 
6. März von Zwillingen entbunden worden. Am 7. hatte sie 
Nachwehen, am 8. und 9. war ihr Befinden gut. Am 16. 
traten heftige Schmerzen auf, die von der rechten Inguinal- 
gegend, wo sich eine drüsenähnliche Anschwellung zeigte, 
ausgingen, und mit deren Steigerung der Leib anschwoll und 
schmerzhaft wurde. 

Stuhlgang war in der letzten Zeit der Schwangerschaft 
selten gewesen, und hatte seit der Entbindung ganz gefehlt. 
Jetzt ist grosse Empfindlichkeit des Abdomens gegen Berüh- 
rung und bei Bewegungen des Rumpfes, Meteorismus, hef- 
tiges Fieber, viel Durst, verfallenes Aussehen,' wahne scluvi- 
tzende Haut vorhanden. 

Erbrechen fehlt. Die Anschwellung* -ist von der Grösse 
eines Taubeneies, gummihart, etwas beweglich, nicht ver- 
schiebbar, schmerzhaft bei Druck nach hinten. Sie befindet 
sich vor dem geschlossenen Annulus ing. int.' Auf den Ner- 
vus spermaticus ext. und das Lig. ut. rot. während ihres 
Verlaufes im Can. ing. ausgeübter Druck , ruft den ganzen 
Körper durchzuckenden Schmerz herrot. 



454 XXV. LöpeTf Ein Fall von Einklemmung des 

Die Kranke bezeichnet mit grosser Bestimmtheit den 
Sitz der Anschwellung als die Stelle, wo früher eine mobile 
Hernie austrat, da aber der fragliche Körper die Merkmale 
einer solchen nicht darbietet, so liegt die Verrauthung nahe, 
dass an ihrer Stelle ein anderes Organ des Camm abdom. 
herausgetreten und alsbald incarcerirt worden ist. Dass dies 
das rechte Ovarium ist, dafür sprechen die anatomisch-phy- 
sikalischen Eigenschaften der Anschwellung, der Schmerz im 
Leistenkanale, welcher auf Zerrung, des runden Mutterbandes 
schliessen lässt, und Austritt, so wie Einklemmung lassen sich 
etwa folgendermassen erklären. 

Die mit Koth gefüllten Intestina sanken beim Aufrichten im 
Bette, ihrer Eigenschwere folgend, gegen die erschlaflten Bauch- 
decken nach vom und unten, und drängten den noch festste- 
henden Uterus cum adnexis gegen die vordere obere Beckenwand. 
Das Ovarium wich in die offenstehende Bruchpforte, in welche 
die Hernie nach der Entbindung noch nicht zurückgekehrt 
war, aus, und wurde ausserhalb des Leistenringes zurückge- 
halten, indem es sich quer vor denselben lagerte. Als bei 
Wiedereinnahme der Rückenlage der gefüllte Darm keinen 
Druck mehr ausübte, wurde der Versuch des Uterus, eben- 
falls in seine normale Stellung zu kommen, durch die sich 
fällende Harnblase noch mehr befördert, und eine bedeutende 
Spannung des runden und breiten Mutterbandes erzeugt. Eine 
Peritonitis entwickelte sich, und mit ihr fand eine Zellgewebs- 
wucherung und reflectorische Muskelreizung in der Nähe des 
Bauchkanales statt, welche die Verengerung und den ganzlichen 
Verschluss des Leislenringes bewirkte. Ich kann nicht um- 
hin zu bemerken, dass bei oberflächlicher Untersuchung die 
Verwechselung des Ovariums mit einer angeschwollenen Lei- 
stendrüse, sawie die Reduction der Peritonitis, auf eine bei 
Verstopfung der Wöchnermnen vorkommende Reizung des 
Bauchfelles, nahe gelegen hätte. Wenn dieser aber auch nicht 
vermieden worden wäre, so hätte doch das Fortbestehen der 
Symptome, nach der sofort vorgenommenen Entleerung des 
Darmes durch Essigklystire , die Zwiefel heben müssen. Die 
Erleichterung, welche diesen copiösen Ausleerungen folgte, 
war sehr vorübergehender Natur, und am nächsten Iforgen 
ibefrenndete sicli die KraxiWe vdaV. ^^\a ^^«\)SiV«^Vk «n die Ope- 



rechten Eierstocket im rechten Leistenkanal. 455 

ralion, welche hier ja allein noch helfen konnte. Gegen Mit- 
tag waren die Schmerzen unerträglich geworden, der Unter- 
leih bergarlig angeschwollen, die Athmung sehr behindert, 
kalter Schweiss und sehr lebhafter kleiner Puls vorhanden. 
Erbrechen fehlte. Die Anschwellung ersciüen unbedeutend 
gegen gestern vorgrössert. Da unter di(^sen Umständen die 
Einwilligung zur Operation nicht länger zurückgehalten wurde, 
so schritt ich unter Assistenz der Heilgehfüfen Bredow und 
Spielvogel und in Gegenwart des Ehemannes, welcher allen 
Acten derselben mit Spannung folgte, zu derselben. 

Die Kranke wurde chloroformirt , und durch einen zwei 
Zoll langen Hautschnitt das Fettpolster blosgelegt. Unter 
diesem fand sich das Ovarium, in der Fascia transversa, denn 
dafür musste ich eine dünne mit dem Ovarium durch Zell- 
gewebe verbundene Membran halten, eingehüllt. Es wm^de 
mittels Spaltung die Membran und Ausschälung frei gelegt 
und erschien als blassgelblichi*other an der Oberfläclie mit 
vielfach gesclüängelten blauen und rotiien Gefässnetzen bedeck- 
ter Körper. Es war mit seiner längeren Seite dem Leisten- 
ringe zugekehrt und von der Mitte derselben trat das' Lig. 
ovarii als kurze Verbindungsbrücke in den Leistenring ein. 
Die Besorgniss, das gedehnte Ligament bei EroAhung des 
dasselbe engnmschliessenden Ringes zu beschädigen, forderte 
zur Vorsicht auf, um so mehr, als das Operationsfeld sehr 
beschränkt war. Nach Entfernung des Zellgewebes mittefs 
der Pincette, boten sich einige straffe Fasern des linken 
Schenkels der Bruchpforte zur Sprengung dar, welche mit 
dem Bruchmesser bewirkt wurde, tlierdurch entstand eine 
Art von flacher iN'ische, deren Basis das Lig. ovarii hildete. 
Mit dem auf dasselbe aufgesetzten Zeigeiingcr ditatirte ich 
jetzt allmäUg den Leistenring; bis das Vordringen der Fin- 
gerspitze in die Bauchhöhle die Einführung des Messers und 
die Entspannung des Ringes durch einen etwa« tieferen nach 
oben und innen gerichteten Schnitt erlaubte. Das brücken- 
artig gespannte Ligam. ovarii wurde jetzt an seiner unteren 
Seite abgelöst und seine Fortsetzung in die Bauchhöhle ver- 
folgt. Hier stellte sich dieselbe als dreieckige zwischen 
zwei Seitenslrange ausgespannte Meitibran dar. Ohne Zweifel 
das Ligam. ut. lahim zwiscitou \\o.m \a^^. \x\.. tvAww^wvw. X^vAi.- 



456 X^V*- LopeTf Ein Fall too Einklemmangr des etc. 

leres, sich als Strang darstellend, verliess rechtsseitig die 
Bauchwand allmälig, nach der Symphyse zu sich wendend, 
links hing es directer nach hinten und unten zwischen Darm 
und Beckenwand ab. Es war ausserordentlich gespannt und 
durch Adhäsionen angeheftet Diese mussten mit dem Fin- 
ger sehr sorgfaltig gelöst werden, um die Reposition des 
Ovariums durch die nunmehr genügend erweiterte Bnich- 
pforte ermöglichen . zu können. Das Ovarium glitt an der 
Beckenwand herab und eine Dünndarmschlinge legte sich, als 
es dem nachfühlenden Finger entschwunden war^ geranscb- 
voU, wie von einer Vis a tergo getrieben vor die Bruch- 
pforte, ein Beweis, dass der Uterus cum adnexis wieder aut- 
gerichtet und in seine normale Lage zurückgekehrt war. 
Die Wunde wurde genäht und war am 9. April per secun- 
dam int. geheilt. 

Da es der Zweck des Gegenwärtigen nicht ist, eine lange 
Krankengeschichte über die mit Durchfallen bis zum 19. Man 
sich entscheidende Bauchfellentzündung und die am 16. Alärz 
^ur Erscheinung kommende Oophoritis zu schreiben, so will 
ich nur noch erwähnen, dass am 20. März ein Oedem des 
linken Unterschenkels eintrat, und dass die Kranke mit dem 
9. April aufstand und sich wohl fühlte, jetzt aber, am 30. April 
ganz gesund und munter ist. 

Die grosse Seltenheit des Falles, dessen Beobachtung mir 
durch ein zufälliges Zusammentreffen günstiger Umstände ermög- 
licht wurde, so wie die Schwierigkeit der Diagnose, welche nur 
durch zum Grundsatz gemachtes strenges Festhalten an der 
goldenen Regel, bei jedem Schmerze im Unterleibe die Leisten- 
gegend zn untersuchen, und durch Erwägung der anatomi- 
schen unä pathologischen Verhältnisse glückte, machen es 
wünschenswerth , dass derselbe in einem grösseren Kreise 
bekannt werde. 

Schliesslieh möchte zu rathen sein, mehr, als es bis- 
her geschieht, die Hebammen zu instruiren, dass sie bei 
ihren Wöchnerinnen für Stuhlgang sorgen, da ohne Zweifel 
die Einklemmung nicht erfolgt wäre, wenn die Hebamme 
zeitig nach der Entbindung die Klystierspritze gebraucht hätte. 



XXyi. Dahrny Zar Kenntniss def Einflatsef etc. 457 



XXVL 

Zur Eenntniss des Einflasses von Schwanger- 
schaft und Wochenbett auf die vitale Capacität 
der LungeUt 

Von 
Prof. Dohrn in Marburg. 

Die spirometrischen Untersuchungen von Küchenmei- 
ster^), Fabius^) und Wintrich^) haben übereinstimmend 
das Resultat ergeben, dass die vitale Capacität der Lungen 
nach oberstandener Geburt nicht grösser sei, als während der 
Schwangerschaft. Dies Resultat ist so auffällig, dass eine 
weitere Prüfung desselben sehr wünschenswerth erscheinen 
musste. Ich habe eine solche kürzlich angestellt, und bin in 
der Tbat zu dem entgegengesetzten Ergebnisse gelangt« als 
die drei genannten Autoren. 

Das Material, auf welches sich mein Urtheil stützt, bil- 
det eine Anzahl von 100 Personen, welche in hiesige ge- 
burtshüifliche Klinik aufgenommen waren. Bei diesen habe 
ich in den letzten Wochen der Schwangerschaft und hernach 
bei der Entlassung, gewöhnlich am 12. bis 14. Tage des 
Wochenbettes die vitale Capacität der Lungen spirometrisch 
geprüft. Die erhaltenen Resultate glaube ich als zuverlässig 
bezeichnen zu können, da eine sorgsame Auswahl der Fälle 
statthatte. Alle kränklichen Personen wurden sorgfältig aus- 



1) Prager Vierteljahrschrift 1849. Band 22. und Archiv von 
Vogely Natae nnd Benekt. 1854. 

2) De spirometro ejusqne aaa. Amstelod. 1853. 
8) Virchaw'a Handbuch. Bd. V. IlU\i. \, 



458 XXVI. Dohru^ Zur KeoDtnUs d. Einänf s«< t. Schwsiigerschaft 

geschieden, und ebenso alle die, welche sich bei der spiro- 
metrischen Prüfung zu ungeschickt erwiesen, als dass das 
beobachtete Resultat für durchaus sicher hätte gelten können. 
Die Einzelergebnisse sind folgende: 



i: 






Vitale LnE]g-eQcapacilH.t ' 




TS 

J 


ifume 


AUer 


in CubikceDtirooter: ! 


Eeanltirende 
Verltiid^raiifr 


§ 
-^_ 






^"'rr'": o«'»-" 


' r ■ ■ ■ 








ErstgebSiPende. 




1 


H. 


21 


2800 


2600 


+ 300 


2 


P. 


20 


2200 


2400 


+ 200 


3 


B. 


21 


2100 


2800 


+ 700 


4 


R. 


24 


3000 


3100 


+ 100 


5 


R. 


26 


3000 


3100 


+ 100 


6 


G. 


28 


2800 


3000 


+ 200 


7 


K. 


22 


2000 


2100 


+ 100 


8 


M. 


27 


2400 


2500 


+ 100 


9 


W. 


21 


2800 


3100 


+ 300 


10 


P. 


27 


2400 


2700 


+ 800 


11 


R. 


21 


2900 


2950 


+ 60 


12 


K. 


26 


2650 


2700 


+ 50 


13 


M. 


36 


1600 


2000 


+ 400 


14 


L, 


19 


3600 


3700 


+ 100 


16 


M. 


24 


1850 


2000 


+ 150 


16 


C. 


22 


2350 


2400 


+ 50 


17 


D. 


21. 


2100 


2400 


+ 300 


18 


H. 


21 


1700 


2000 


+ 300 


19 


S. 


45 


2200 


2300 


+ 100 


20 


L. 


22 


2400 


2400 


± 


21 


P. 


26 


2800 


2800 


± 


22 


W. 


18 


2300 


2300 


± 


28 


V. 


24 


1800 


1800 


± 


24 


F. 


21 


2400 


2400 


± 


25 


H. 


19 


2700 


2700 


± 


26 


M. 


25 


3000 


3000 


± 


27 


K. 


24 


2000 


2000 


± 


28 


£. 


22 


2300 


2150 


— 150 


29 


8. 


22 


2100 


1900 


- 200 


30 


F. 


23 


2850 


2800 


— 60 


31 


H. 


22 


2550 


2400 


— 150 


32 


P. 


25 


2450 


2000 


— 450 


83 


S. 


21 


3000 


2800 


-200 


34 


B. 


22 


3000 


2700 


— 300 


35 


H. 


23 


2400 


2000 


— 400 


36 


M. 


21 


2500 


2200 


— 300 








Mehrgebftrende. 




37 


R. 


27 


2700 2800 


f 100 


38 


M. 


27 


2500 


2000 


+ 100 


39 


N. 


36 


2100 


2150 


4- 60 



und Wochaabett auf die vitiile Capacität der Longen. 459 



u 

^ 






Vitale Lnngencapacität 




o 

J 

g 


Käme 


Alter 


in Cabikcentimeter: 

in der , j 
c,„t„„„„^, nach der 
Schwanger-, ^^ 

Schaft 


1 
Resnltirende 
Verändernng 


40 


S. 


36 


2400 


2600 


+ 200 


41 


M. 


25 


2700 


3000 


+ 300 


42 


H. 


31 


2200 


2300 


+ 100 


43 


L. 


32 


2000 


2500 


+ 600 


44 


D. 


19 


2600 


2700 


+ 100 


46 


S. 


27 


2300 


2500 


+ 200 


46 


H. 


29 


2400 


2500 


+ 100 


47 


8. 


30 


2500 


2700 


+ 200 


48 


B. 


24 


2400 


2500 


f lOO 


49 


S. 


27 


2200 


2750 


+ 550 


50 


S. 


32 


, 2100 


2400 


+ 300 


51 


B. 


29 


1800 


2000 


+ 200 


52 


K. 


23 


3000 


3400 


+ 400 


53 


S. 


31 


2100 


2150 


+ 60 


54 


F. 


30 


2200 


2460 


+ 250 


55 


M. 


36 


2500 


2800 


+ 300 • 


56 


E. 


34 


2600 


2600 


+ 100 


57 


S. 


30 


2000 


2526 


+ 626 


58 


B. 


28 


2500 


2600 


+ 100 


59 


K. 


22 


2100 


2300 


+ 200 


60 


W. 


30 


2100 


2400 


f 300 


61 


M. 


24 


2300 


2350 


f 60 


62 


P. 


29 


230O 


2400 


f 100 


63 


B. 


23 


1500 


1700 


f 200 


64 


H. 


27 


1900 


2000 


+ 100 


65 


F. 


25 


1600 


1660 


+ 60 


66 


H. 


31 


1950 


2300 


+ 350 


67 


Y. 


38 


1200 


1400 


+ 200 


68 


D. 


23 


3200 


3750 


i- 550 


69 


H. 


33 


2300 


2560 


+ 260 


70 


8. 


28 


1750 


1800 


+ 60 


71 


w. 


32 


2500 


2900 


+ 400 


72 


M. 


28 


2200 


2900 


+ 700 


78 


E. 


27 


2000 


2200 


+ 200 


74 


B. 


29 


2200 


2400 


+ 200 


75 


P. 


26 


2200 


* 2400 1 


+ 200 


76 


D. 


30 


1760 


2000 


+ 260 


77 


P. 


30 


2550 


3000 


■1- 450 


78 


L. 


25 


2400 


2400 


± 


79 


S, 


42 


2100 


2100 


± 


80 


R. 


81 


2400 


2400 


± 


81 


B. 


26 


2500 


2500 


± 


82 


S. 


27 


3000 


3000 


± 


83 


8. 


36 


2800 


2800 


+ 


84 


M. 


80 


8450 


8200 


— 260 


85 


A. 


27 


1500 


1450 


... 50 


86 


a. 


24 


2300 


2150 


— 150 


87 


8. 


22 


1600 


1550 


— 60 


88 


K. 


33 


3000 


2700 


~ 300 


89 


T. 


24 


3000 


2750 


— 260 


90 


D. 


36 


2200 


2000 


\ ^HWi 



460 XX?I. Dohm, Zur Kenntniss des EinflaaMt rom Sehwuigforach. 



1« 






Vitale Laneencapacität 




1 

08 


Name 


Alter 


in Cabikc« 

in der 

Schwan gper- 

achaft 


BDtimeter: 

nach der 
Gebart 


Besnltirende 
Verändeninff 


91 


B. 


26 


2700 


2600 


— 100 


92 


B. 


23 


2100 


2000 


— 100 


93 


K. 


31 


' 2760 


2300 


— 460 


94 


L. 


26 


2760 


2700 


— 60 


96 


K. 


32 


3000 


2600 


— 400 


96 


8. 


26 


270O 


2600 


— 200 


97 


N. 


26 


3300 


3100 


— 200 


98 


' F. 


23 


3300 


8200 


— 100 


99 


R. 


25 


2800 


2600 


— 300 


100 


L. 


36 


3000 


2600 


— 400 



Unter den 100 Fällen der vorstehenden Tabelle wurde 
eine Zunahme der vitalen Lungencapacität im Wochenbette 
in 60% der Fälle beobachtet (und zwar im Mittel um 338 
Cubikcentimeter) , keine Veränderung zeigte sich in 14%, 
Abnahme in 26 7o O^i Mittel um 221 Cubikcentimeter). 

Auf das im Wochenbette beobachtete Resultat erwies 
sich der Umstand von Einfluss, ob die Versuchsperson zum 
ersten Male oder bereits mehrere Male geboren. 

Unter 36 Erstgebärenden zeigte sich die vitale Lungen- 
capacität im Wochenbette 
grösser in 53% der Fälle (im Mittel um 205 Cubikcen- 
timeter), 
gleich in 22%, 

geringer in 25% (im Mittel um 244 Cubikcentimeter). 
Unter 64 Mehrgebärenden fand sich die vitale Lungen- 
capacität im Wochenbette 
grösser in 64% der Fälle (im Mittel um 458 Cubikcen- 
timeter), 
gleich in 27%, 
geringer in 9% (im Mittel um 208 Cubikcentimeter). 

Dies Ergebniss wird dahin zu deuten sein, dass Erst- 
gebärende von dem Geburtsacte und den an diesen sich an- 
schliessenden Folgen eingreifender berührt werden, und im 
Wochenbette vergleichsweise nicht so muskelkräftig sind, als 
Solche, welche schon trüber eine Niederkunft durchmachten. 
Von dem jüngeren Mler der GiT^\%e;b'dt^\ideii ist das beob- 



nnd Wochenbett aaf die vitale Capaoit&t der Lnogen. 461 

achtete Resultat nicht abhängig, denn, wenn man die 100 
Beobachtungen nach dem Alter der Versuchspersonen grup- 
pirt, erhält man kein durchschlagendes Ergebniss, wie fol- 
gende Curventafel zeigt: 



ProcentsHhl der 

Fälle , welche im 

Wochenbette grös- 

selre vitale Lnngen- 

capacität zeigten. 




Alter 


— 20J. 


— 26 


— 30 


— 35 


— 40 


-45 


»0-.100 7o 














80— 907o 














70- 80 7o 






A 




W 




60- 70 7o 




) 


/ 


V 


r\ 




60- 60 7o 


\ 


J 








\ 


40— 60 7o 




V 










30— 40 7o 














20- 307o 














10«. 20 7o 














0- i07o 














Anzahl der Beob- 
achtnngen : 


6 


42 


31 


13 


7 


2 



Aus dem Hitgetbeilten ergiebt sich: 
1) die Hehrzahl der Wöchnerinnen hat am 12. bis 14 Tage 
des Wochenbettes eine grössere vitale Capacität der 
Lungen, als sie in den letzten Schwangerschafts- 
wochen besessen hatten. 



462 XXVII. Noiisen aus der Journal •Liientnr. 

2) Die Zuuahme der vitalen Lungencapacität nach übei*- 
standener Geburt zeigt sich bei Erstgebärenden we> 
niger häufig, und fällt im Durchschnitt geringer aus 
als bei Mehrgebärenden. 



XXVII. 
Notizen aas der Journal -Literatur. 



Frankenhäuaer: lieber Ohnmacbtanwandlungen und 

plötzlichen Tod Kreissender. 

Jeder Beitrag zar Erklärung der Ohnmachtanwandlnngen 
nod namentlich des plötzlichen Todes Kreissender ist mit Dank 
anzunehmen, da über diese Zustände noch nicht gehöriges Licht 
verbreitet ist. Verf. bringt die Zufälle haup^tsHohlich mit Pla- 
centa praevia nud fiberhaupt mit Blutungen und theilweisen Los- 
lösungen der Placenta in Verbindung. Die Ohnroachten'kommen 
meist erst in den späteren Geburtsperioden vor, am häufigsten 
bei rasch verlaufenden Geburten; die in den Uterusvenen ange- 
sammelten, vielleicht schon entfärbten Blutgerinsel, werden durch 
die Zusammenziehungen des Uterus unter Umständen in den müt- 
terlichen Blutkreislauf zurückgedrängt, statt nach der Uterin- 
höhle abgestossen zu werden, die Pfropfe gelangen in die ver- 
schiedenen mütterlichen Organe, namentlich die Arteriae pulmo- 
nales, und führen zu Ohnmächten oder Todesfällen; letztere 
treten plötzlich oder auch erst nach mehreren Tagen ein. Er 
folgt der plötzliche Tod erst im Wochenbette, so ist oft wohl 
die Thrombenbildnng in die Schwangerschaft oder Geburt zu- 
rückzuversetzen, wenigstens deutet die Beschaffenheit der gefun- 
denen Thromben auf eine viel frühere Bildung derselben hin. 
Verf. belegt seine Ansicht durch mehrere eigene und fremde 
Beobachtungen. (Jenaische Zeitschr. f. Med. u. Naturw. 

Bd. IIL 8. 74. 1866.) 



Hegar: Ueber die Wendung durch äussere Hand- 
griffe, durch die combinirte Methode und 
über die Wendung vom Steiss auf den Kopf. 

Die geburtshülf liehen operativen Verfahren hat man in 
neuerer Zeit immer schonender für Mutter und Kind su gestalten 
geBuobt; äussere Manipulationen «tW^^^X^VK^^Tv^m^^t «rtataeo. 



XXVII. Notisen ans der Journal -Literatur. 463 

So spielt die Entfernung der Plaoenta durch äniieren Diiuk 
und durch Beibungen heutzutage eine grosse Rolle; daran reiht 
sich der Vorschlag, die Ent Wickelung des Kopfes bei Extraction 
durch äusseren Druck zu erleichtern. Die Wigand^ache Methode 
der Wendung durch äussere Handgriffe erfährt bedeutende Ver- 
besserungen, und wird gleichzeitig mit der inneren Wendung und 
bei Nachgeburtsoperationen in ausgedehnter Weise gehandhabt. 
Besonders die Methode von Mick» wird eine Reform in der ge- 
burtshülflichen Operationslehre einleiten. Verf. will aber auch 
der Wendung durch alleinige äussere Handgriffe einen gr<5sseren 
Spielraum einräumen, und empfiehlt nicht die Methode nach Wi- 
gand und Martin , mittels Reiben, Schieben und Streichen von 
aussen her, weil hierbei der Uterus zu sehr zu Wehen angeregt 
wird, sondern er will die Lage des Kindes schnell durch kräf- 
tige Griffe yerändern. Er legt die Frau auf den Büaken mit 
erhöhtem Steisse und angezogenen Schenkeln, um die Bauch- 
muskeln zu erschlaffen, stellt sich auf die rechte Seite der Frau, 
wenn der einzuleitende Kindeskopf links liegt und umgekehrt, 
lässt eine Wehe vollständig zu Ende gehen, und umfasst unmit- 
telbar nach derselben mit der einen volTen Hand den Kopf, mit 
der andern den Steiss des Kindes, und wendet kräftig in die 
Qeradlage. Er geht noch weiter und schlägt vor, auf ähnlichem 
Wege die Steisslage in die Kopflage umzuwandeln. Mattet ist 
der einzige» welcher dieses Verfahren in neuester Zeit ausführte, 
Martin missbilligt es, es lässt sich aber kein Grund erkennen, 
weshalb man, wenn sie för die Mutter keinen Nachtheil mit sich 
führte, eine solche Umwandlung nicht eintreten lassen sollte, 
da die Steisslagen fcir die Kinder doch Tiel ungünstiger verlau- 
fen, als die Kopflagen. 

Verf. theilt drei Beobachtungen mit, welche zu weiteren 
Versuchen auffordern sollen. Er empfiehlt die Wendung vom 
Steiss auf den Kopf, besonders vor Eintritt der Geburtsthätig- 
keit. Es wird meist gerathen sein , den Kopf nach der; Bauch- 
fiäche des Fötus herumzudrehen, indeas scheint es auch in an- 
derer Richtung zu gelingen. 

Verf. hoffi, dass bei grösserer Aufmerksamkeit (namentlich 
der Hebammen) und besserer Unterweisung in der äusseren Un - 
tersnchung es gelingen müsste, in den letzten Monaten der 
Schwangerschaft, alle dann noch vorhandenen Querlagen durch 
passende äussere Manipulationen in Geradlagen umzuwandeln 
und so die schlechten Erfolge für Mutter und Kind bei der seit- 
herigen Behandlungsweise der Schieflagen zu verhindern. 

(Deutsche Klinik Nr. 33, 1866.) 



464 XXI* Notisen aas der JoarsAl-Litantar. 

Saexinger: Ueber Krankheiten des Uterus. 

Verf. bat in den drei Jahren, während deren er Seeandär- 
arst der gjnäkolog^ischen Abtheilung im Allgemeinen Kranken- 
hause zu Prag war, 1181 gynäkologische Fälle beobachtet. Das 
Interessanteste ans dieser Casuistik theilt er, sugleich den An- 
sichten seines Lehrers Seifert beipflichtend und dessen Unter- 
snchungsmethode darstellend, mit, indem er sunächst die angebo- 
renen Missbildnngen der weiblichen Genitalsphäre bespricht. 

Hierbei behandelt er: 

1. Vollständigen Mangel des Uterus (ein sehr wahr- 
scheinlicher Fall). 

2. Rudimentäre Bildung des Uterus (swei Fälle), 
Atresia Taginae o. Haematometra (ein Fall). 

8. Uterus unicornis (ein Fall mit rudimentärem Ne- 
benbom). 

4. Uterus bicornis (ein Fall Semiseptus c. Vagina in- 
fra septa (ein Fall). 

5. Uterus bilocularis. 

6. Uterus obliquus. 

7. Uterus incudiformis. 

8. Extramediane Lage des Uterus. 

9. Uterus foetalis und infantilis (je 1 Fall). 
Von erworbenen Störungen bespricht Verf. femer: 

10. Primäre Atrophie des JLJterus (sechs Fälle). 

11. Hypertrophie des ganaen Uterus; 

a. partielle (drei Fälle, betreffend die Vaginal- 
portion) ; 

b. totale (swel Fälle bei Meretrices). 

12. Inders io uteri (ein acuter Fall). 
18. Hernia uteri. 

14. Acute Metritis, primär nicht Torkommend; 

secundär (zwei Fälle von partiel- 
ler acuter Metritis); 
parenchymat. Abscess (ein Fall). 

Gestützt auf viele Untersuchungen und Beobachtungen ist 
Verf. zu dem Resultate gelangt, dass Seyferti Ansichten, welche 
nicht selten wesentlich voii denen anderer Gynäkologen abwei- 
chen, vollständig begründet sind, da sie auf nüchterner Verfol- 
gung der natürlichen physiologischen und pathologischen Vor- 
gänge beruhen. Was den vollständigen Mangel des Ute- 
rus betrifft, so ist nach Verf. nur die Wahrscheinlich keits -Dia- 
gnose zu stellen; die praktische Bedeutung dieses Fehlen ist 
onr gering; ebenso verYiäU «« %\^Vv t&\\ ^^t ^^d.\mentären 



XXVII. Notizen aas der Journal • Literatnr. ' 465 

Bildnng des Uterus nnd der Scheide, die nur insofern 
praktisches Interesse haben, als zuweilen die Urethra für den 
Ooitus benutzt wird; trotz der Dilatation aber keine Enuresis 
eintritt. Was Ut. unicornis betrifft, so widerlegt Verf. die 
Meinung, als ob er zum Abortus disponire. Hinsichtlich des 
Ut. bicornis legt Verf. dar, dass die Behauptung-, es fehle bei ^ 
angeborener Vag. dupl. der Hymen, falsch ist. Den Unterschied 
zwischen Ut. foetalis und infantilis fixirt er besonders 
darin, dass ersterer in Höhle und Collum gefaltete Schleimhaut 
hat, während bei letzterem die Höhle glatt, nur das Collum ge- 
faltet ist. 

Der primär atrophische Uterus ist zwar an Gestalt 
normal entwickelt, aber schlaff, welk, meist anteflectirt, mit klei- 
ner, vorn oft verstrichener Vaginalportion — ein Vorkommen, 
das man bei schwächlichen, chlorotischen Mädchen nicht selten 
antrifft. Etwaige Knickung ist wegen Degeneration des geknick- 
ten Gewebes meist unheilbar; doch werden durch angemessene 
allgemeine locale Behandlung (Kräftigung, Eisen, kalte Injectio- 
nen, Sonde) oft Sterilität und Dysmenorrhoe, die Begleiter dieser 
Atrophie, gehoben. 

Bei der Hypertrophie des Uterus ist die Muskulatur 
vermehrt, so dass der Uterus faustgross wird; ist das Bindege- 
webe vorwiegend vermehrt, so bezeichnet Verf. die Anomalie- 
als Hyperplasie. Die totale Hypertrophie ist selten, beson- 
ders selten primär; dagegen kommt sie secundär, samal bei 
Meretrices, nach dauernden hyperämischen und blennorrhoischen 
Zuständen etc. vor. Die Diagnose der totalen Hypertrophie ist 
nur durch Auschliessung von mangelhafter Involution, Fibrom, 
Polyp, Fundns-Carcinom, Haemato-Hydrometra und Schwanger- 
schaft zu machen; die Affection ist kein Gegenstand der Behand- 
lung, da kein Mittel sie rückgängig machen kann. Die par- 
tielle Hypertrophie beschränkt sich meist auf die Vaginalpor- 
tion, die entweder gleichmässig oder in einer Lippe vergrössert 
ist; meist ist dann die vordere rüsselartig verlängert. Die par- 
tielle Hypertrophie bleibt zuweilen nach Entbindungen zurück und 
bedingt Erschwerung des Coitus, Blennorrhoe, Sterilität, Dysme- 
norrhoe, Haematometra. Die beste Behandlung ist die opera- 
tive Entfernung. 

Die überaus seltene luve rsio uteri zeigt die verschie- 
densten Grade, von einfacher Depression des Fundus bis zur 
Invers. ut. completa. Sie kann bei der Ausstossung der Frucht 
vorkommen, sobald starker Druck, schlaffe Wandungen und 
weiter Muttermund, kurze Nabelschnur etc. vorhanden sind. 
Auch beim Gebären von Polypen oder Fibroiden, bei raschem 
Entleeren einer Haemato- oder Hydrometra kann sie vorkom- 
Monatascbr. f. Gkibartsk. 1866. Bd. XXym., Hfi. 6. 30 



466 - XXVII. Notizen aus der Journal -Literatar. 

men. Der von Saexinger beobachtete Fall war durch heftige 
Au8Bt088ung eines fibrösen Polypen Terursacht worden. 

Weiterhin bespricht Verf. die Lageve ränderungen der 'Ge- 
bärmutter: die seitlichen Abweichungen, Elevationen, Versionen 
und Flexionen. 

Die seitlichen Abweichungen meist erworben durch 
Schrumpfung des einen breiten oder runden Mutterbandes, durch 
Hernien, Narbencontractionen u. s. w. ist ohne praktische Beden- 
. tung und leicht zu erkennen. 

Die Elevation ist immer cousecutiv, durch physiologische 
und pathologische Zustände bedingt. Die Diagnose ist leicht. 

Die Versionen: 1) Anteversio (10 Fälle) sei seltener 
als Retroyersio. Die Bedeutung dieses Leidens werde meist zu 
hoch angeschlagen, da massige Grade keine Beschwerden be- 
wirken, und nur der gleichzeitig vergrösserte und schwere Ute- 
rus könne dabei auf mechanischem Wege Beschwerden in den 
Nachbarorganen hervorrufen. Sei dies der Fall, ao müssen durch 
die Reposition des Uterus, durch Behebung ^er mangelhaften 
Involution, Entfernung etwa vorhandener Fibrome u. s. w. (wenn 
möglich) die Beschwerden gehoben werden. Die Reposition sei 
in der horizontalen Rückenlage mit der halben Hand durch das 
vordere Scheidengewölbe vorzunehmen. 

2) Retroversio (14 Fälle, 10 bei nichtschwangeren, 4 bei 
schwangeren Frauen). Auch bei diesem Leiden, wenn es nicht 
hochgradig und der Uterus nur wenig vergrössert ist, sind die 
subjectiven Erscheinungen nach Verf. meist gering. Die bei Hy> 
sterischen mit Retroversion häufig vorkommenden hysteralgischen 
Zustände in den Genitalien will Verf. nur auf Hysterie nicht auf 
die Lageanomalie bezogen wissen. Eine bleibende Behebung 
der Beschwerden sei aber nur dann zu erwarten, wenn es mög- 
lich sei, die die Retroversion hervorrufende Vergrösserung des 
» Uterus bei mangelhafter Involution durch Einleitung derselben 
zu beseitigen. Die Reposition räth Verf. in horizontaler Rücken- 
oder Seitenlage mit der Sonde oder durch den Mastdarm (bei 
hochgradigen Retroversionen) zu machen. Das Tragen von in 
den Uterus eingeführten Instrumenten verwirft er mit Sefffert, 
weil sie niöht vertragen würden und gefährlich wären. — Bei 
der weit wichtigeren Retroversion bei Schwangeren räth er die 
Reposition durch den Mastdarm in der Seitenlage mit Zeige- und 
Mittelfinger der rechten Hand auszuüben; es recidivirt die Re- 
troversion stets wieder, und lassen sich die Beschwerden nicht 
heben, so sei der künstliche Abort durch den Eihautstich mit 
der Uterinsonde indicirt. In den Fällen, wo die Vaginalportion 
nicht erreichbar ist, will Verf. mit Sefffert den Fall der Na- 
tur überlassen, welche den Abortus dann selbst einleite. Verf. 



XXVII. Notizen aus der Journal -Literatur. 467 

führt kürzlich die vier von ihm beohachteten Fälle von Retro- 
vers. uter. gravid, an. 

Flexionen: Ante flexi o. 73. Die Ansicht Seyferta über 
das Entstehen dieser Afifection weicht von der Virchow^a und 
Bokitansky'B ab: S. sucht die Ursache lediglich in der Schlaff- 
heit, dem Welksein des Uterus. Diese Schlaffheit beruhe auf 
mangelhafter Entwickelung, Atonie des fibromusculären Paren- 
chyms, und bewirke nicht selten schon fötale Änteflexion — bei 
leichten Graden finde man das Gewebe an der Knickungsstelle 
nur auffallend schlaff, blässer als das übrige Parenchyra, bei län- 
^erbestehenden, spitzwinkeligen Knickungen dagegen bestehe 
die Cervicalwand im Bereiche der Knickung aus straffem, nar- 
benartigem Bindegewebe, welches die Knickung fixirt. Diese 
Texturanomalie des Parenchyms sei stets secundär durch den 
Bestand einer hochgradigen Flexion bedingt. An häufigsten be- 
trifft die Anteflex. nach Verf. den jungfräulichen, seltener den 
schwanger gewesenen Uterus. — Die Beseitigung des Leidens sei 
nur in den Fällen zu hoffen, wo dieselbe post partum bei man- 
gelhaft involvirtem Uterus auftrete. Hierbei erreiche man durch 
Einleitung der Involution und orthopädische Behandlung mit 
der Sonde in einzelnen frischen Fällen vollständige Heilung; 
manchmal lasse auch ein geringerer Grad ven Anteflex., welche 
bei an ämischen Mädchen zur Zeit der Pubertät durch Schlaffheit 
des Uterus bedingt werde, eine Beseitigung der Flexion durch 
allgemeine und locale Behandlung des die Schlaffheit bedingen- 
den Krankheitszustandes zu. — Die begleitenden Beschwerden 
müssen palliativ durch entsprechende symptomatische Behand- 
lung gehoben werden, falls die Flexion nicht heilbar ist. Die 
sogenannten Knickungsapparate verwirft Verfasser mit Sey/ert 
vollständig. 

Retroflexio ist nach Verf. weit seltener als Anteflexio, 
und kommt nur nach Geburten und Fehlgeburten vor, daher die 
richtige Ueberwachung des Wochenbettes die beste Prophylaxis 
sei. — Zur Aufrichtung des retroflectirten Uterus bedient sich 
Verf. mit Seyfert der Sonde, und verwirft auch hier alle soge- 
nannten Knickungsinstrumente. Die Heilerfolge bei beträcht- 
lichen Flexionen seien keine bleibenden, weshalb sich die The- 
rapie hauptsächlich auf Milderung der Dysmenorrhöe, Blennor- 
rhoe, Menorrhagie, Metrorrhagie u. s. w. zu beschränken habe. 
(Prager Vierteljahrschrift für praktische Heilkunde 
1866. Bd. 1 u. 4.) 



•^^^ 



468 XXVII. Notizen aus der Journal -Literatur. 

Tuke: Statistiken über die in dem köQ. Asyl zu 
Edinburgh, Morningside, beobachteten Fälle 
von PuerperaJ-Manie. 

Verf. hat binnen 18 Jahren (vom 1. Jan. 1846 bis 31. Dec. 
1864) 2181 weibliche Geisteskranke, und unter ihnen 155 F'Mq 
(7,1%) von sogenannter Pnerperalmanie theils beobachtet und 
behandelt , theils aus den Krankeng^eschichten kennen gelernt; 
über die letzteren berichtet derselbe im Folgenden ausführlicher, 
anstatt aber den gemeinschaftlichen Titel der Pnerperalmanie, 
wie er in den meisten Lehrbüchern der Geburtshülfe und Gei- 
steskrankheiten gebräuchlich sei, beizubehalten, trennt er diese 
Fälle, je nachdem die Manie in der Schwangerschaft oder im 
Wochenbette, oder erst während der Säugungsperiode auftrat. 
Hiernach rangiren sich sammtliche Fälle so, dass auf die 
Graviditäts-Manie 28 Fälle oder 18,06 7^ 

Eigentliche Puerperal-Manie 73 „ „ 47,09 „ und 

Lactations-Manie 54 „ „ 34,85 „ kommen. 

155 
Verf. fügt die statistischen Tabellen über sammtliche drei 
Classen der Geistesstörung bei. 

Nach denselben nimmt die Neigung zu maniakalischer Er- 
krankung in der Schwangerschaft nicht im geraden Verhält- 
niss zu dem Alter der mannbaren Frau ab; denn es fällt die 
höchste Spitze der Erkrankungszahlen auf das 29. Jahr. Dage- 
gen scheinen Erstgebärende als besonders gefährdet, obwohl nur 
vier Patientinnen unverheiratet waren. Die allerersten und aller- 
letzten Monate der Schwangerschaft scheinen weniger Einfluss 
auf die Erkrankung^sfähigkeit zu haben, als die Zeit vom dritten 
bis zum siebenten Monate; denn die Frau, welche, zum achten Male 
schwanger, in Geistesstörung verfiel, litt nur an einem RecidiT 
ebenderselben, schon früher zwei Mal ausgebrochenen , Affection. 
Hereditäre Prädisposition war zwölf Mal nachweisbar; in nenn 
dieser Fälle war die Anlage auf der weiblichen Seite der ganzen 
Familie aufzufinden : und zwar liten 3 x die Mutter, 2 X die 
Tanten mütterlicher Seite und 3 x die Schwestern an gleicher 
Affection, und in Einem Falle war jedes Glied auf beiden Seiten 
der Familie zu Anfällen von Geistesstörung geneigt Im BetrefT 
der Krankhcitssjmptome wurden als besonders ausgeprägt ge- 
funden 13 X Selbstmordgedanken. In Betreff der Neigung zu 
Rückfällen wurde bemerkt, dass 18 Kranke zum 1.X, fünf zum 
2. X, zwei zum dritten Male Anfälle bekommen. Von den sie- 
ben Rückfälligen hatten drei während früherer Schwangerschaften 
an Melancholie, drei an reiner Pnerperalmanie und Eine an 
Lactationsmanie gelitten. Diese Form der Manie wurde durch 
moraiiflche Einwirkungen mit dem besten Erfolge behandelt, nnr 



XXVII. Notizen ans der Journal -Literatur. 469 

in fünf Fällen blieb diese Tberapie ohne jede Besserung; 17 
Fälle heilten binnen sechs Monaten. Sicherheit der Fürsorge, 
Regelnlässigkeit der Lebensweise, ablenkende Unterhaltungen, 
Vergnügungen und Beschäftigungen wirkten in der allergünstig- 
sten Weise. Am meisten zu fürchten ist der ^Uebergang ins 
chronische Stadium oder in habituellen Wahnsinn (5X)* 

Auch bei der Puerperalroanie ist ein verhältnissmäs- 
siges Ab- oder Zunehmen der Neigung zur Erkrankung gegen- 
über dem Alfer der erwachsenen Frau nicht zu bemerken, wohl 
aber ist das erste Wochenbett von derselben Bedeutung, wie die 
erste Schwangerschaft. 

Von den beobachteten Krankheitsfällen waren 15 recidiv 
eingetreten; drei Mal fand sich Eiweiss im Harne, und es waren 
die Anfälle in der heftigsten Weise einer Manie binnen Einer 
Woche (in .sämmtlichen drei Fällen) aufgetreten. Hereditäre 
Prädisposition war in 22 Fällen aufzufinden, und wieder wie oben, 
weit häufiger nach der weiblichen, als männlichen, Seite der Fa- 
milie hin. 13 Kranke waren unverheiratet (fast '/g). In neun 
Fällen war die Entbindung künstlich beendet worden, in weite- 
ren vier Fällen sehr schwer vor sich gegangen; zwei Mal war 
sie durch- Zwillinge coroplicirt, nnd sechs Mal von profuser Hae- 
roorrhagie gefolgt, zwei Mal wurden die Kinder todtgeboren (23 
complicirte Geburtsfälle) und zwei Mal war Chloroform ange- 
wendet worden. Die meisten der kranken Frauen waren anä- 
misch, mit Neigung zur Phthisis; zwei Patienten machten den 
Eindruck angeborener (Geistes-)Schwäche, die eine war mania- 
kalisch, die andere blödsinnig, beide wahrscheinlich unheilbar. 
Ans allen diesen Punkten lassen sich die Ursachen der Erkran- 
kungen entnehmen, zu denen noch Schreck und plötzlicher 
Aerger gehörten, wogegen auch Erkältungen, Fröste oder der 
Genuss von Spirituosen bald nach der Niederkunft als Ursachen 
angeführt wurden. Fast stets konnte eine Himaoämie oder eine 
geistige Depression (todtgeborcnes Kind) oder ein schwerer mo- 
ralischer Eindruck (unehelich geschwängert) nachgewiesen wer- 
den. — In der Zeit der maniakalischen Anfälle selbst war das 
Bewusstsein stets geschwunden in 25 Fällen Selbstmordgedan- 
ken ausgeprägt. 7^,7% wurden geheilt, 9,5% blieben wahnsinnig, 
^^i^Vo starben, aber nicht (oder höchstens zwei Mal) an den 
Folgen der Erkrankung des Gehirns, sondern au complicirenden 
Störungen meist entzündlicher Natur, welche Verf. deshalb für 
sehr gefährlich in dieser Zeit ansieht. Leider konnte gerade in 
den Fällen von diagnosticirter Paraphrenitis die Section nicht 
vorgenommen werden. Was die Behandlung betritt, so erklärt 
sich Verf. zuvörderst^ weil von sämmtlichen Kranken eben nur 
16 unheilbar waren, und weil fast alle, die binnen des ersten 
Monates nach dem ersten Anfalle in seine Anstalt q^wC^<&tw^\^\sx^^ 



470 XXVII. Notizen aus der Journal -LUeratar. 

wurden, geheilt werden konnten, sehr (Hr ein zeitiges Unterbrin- 
gen der Erkrankten in einer Heilanstalt, und bekämpft im In- 
teresse derselben die jetzt noch bestehenden Vorurtheile gegen 
Irrenheilanstalten. Die sonstige Therapie war einfach, die Un- 
terstützung der Natur von grossem Einflüsse auf den Krankheits- 
verlanf, wozu der constante Genuss von Eierrahm, Bouillon etc. 
wesentlich beitrug, wenn kleine Dosen in kürzeren Zeitabschnit- 
ten gereicht wurden. Stimulantia erschwerten die Manie, waren 
aber bei der melancholischen Form sehr wohlthfttig (Wein oder 
Rum). Sedativa unterdrückten zwar die Intensität der Symptome, 
verlängerten aber die Dauer der Parozysmen; einige Male brachte 
auch Cannabis indica gute Erfolge. Bei ruheloser Melancholie 
und Wahnsinn empfahl sich besonders Morphium. 

Für die Lactations-Manie ist zu bemerken, dasshier meist 
noch weit andere Ursachen wirken, als in den früher besprochenen 
Maniefällen. Hier ist es wirklich die nach und nach eintretende 
Schwächung in Folge der sogenannten Lactationsanämie ; denn wir 
sehen, dass die meisten Anfälle sich nach dem sechsten Monate 
nach Beginn des Stillens ereigneten ; dass das nach der Zahl der 
Säugungsmonate sich steigernde Verhältniss der Anfalle später 
(im 18. und 16. Monat) abnimmt, liegt darin, dass die Frauen 
selten über ein Jahr hinaus stillen. Es wurde in allen Fällen 
die Lactationsanämie nachgewiesen, nur zwei Mal eine profuse 
>Haemorrhagie nach der Entbindung. In den letzten zwei Jahren 
wurde noch während des Anfalles Exophthalmus und „Brnit de 
diable^ bemerkt. 14 Mal wurde unzweifelhafte hereditäre Prädis- 
position bemerkt, 17 Mal waren Selbstmordgedanken ausgeprägt. 
An und für sich sind diese Affectionen nicht tödtlich; mehr zu 
fürchten ist der Ausgang in habituellen Blödsinn, der in 54 Fäl- 
len 12 Mal eintrat (circa 22 7o)' ^^i ^^^ übrigen Fällen trat 
die Heilung stets binnen Eines Jahres ein; Entwöhnen und Bes- 
serung der Constitution genügten dazu. 

Vorliegende Thatsachen veranlassen Verf. zu folgenden 
Schlussfolge rungen: 

1) Der höchste Grad der Neigung zur Manie wird in den 
30. bis 40. Jahren von der schwangern Frau erroicht und die 
erste Niederkunft in diesem Zeiträume ist ungewöhnlich oft von 
der Puerperalmanie gefolgt; ausserdem disponirt 

2) überhaupt die Erstgeburt sowohl zur Graviditäts- als 
Puerperalmanie. 

3) Die Graviditäts -Manie tritt in der Mehrzahl der F'älle 
während des dritten, fünften und siebenten Monates auf, und sie 
zeigt sich 

4) gewöhnlich als Melancholie oder moralische Perversion, 
die leicht heilbar sind. 



XXVII. Notisen aus der Jotimal- Literatur. 471 

5) Hereditäre Neigung ist bei allen drei Formen zn beob- 
achten, and besonders stammt sie von weiblicher Seite her. 

6) Die Paerperalmanie hiuterlässt grosse Neigung zn an- 
deren Formen des Wahnsinnes. 

7) Die melancholische Paerperalmanie beginnt selten erst 
Einen Monat nach der Entbindung, meist früher. 

8) Neigung zum Selbstmord ist ein sehr gewöhnliches 
Symptom. 

9) Complicirte Gebarten waren öfter als normale von Paer- 
peralmanie gefolgt. Im letzten Stadium waren 

10) die Fälle, bei denen die acute Manie das Hauptsymptom 
abgab, leichter zu behandeln als die melancholischen Formen. 

11) Lactations- Anämie folgt nicht so oft in der ersten, als 
in den folgenden Lactationsperioden, und sie tritt um so siche- 
rer ein, je länger die Säagung dauert und je anstrengender sie 
für die Frauen ist (Anämie); sie ist aber deshalb 

12) auch mehr Torübergehend, als bei den anderen For- 
men, und, wo acute Manie vorherrscht, leichter heilbar als bei 
Melancholie. 

13) Täuschungen in Betreff der persönlichen Identität (Mo- 
nomanie de grandeur?) sind Symptome aller drei Formen. 

14) Keine dieser drei Formen ist absolut tödtlich, ausser 
durch ihre Complication mit entzündlichen • Affectionen. Alle 
lassen sich leicht behandeln, aber je länger die Patientinnen den 
Wohlthaten einer Heilanstalt fern gehalten werden, um so mehr 
Chancen für die Heilung verlieren sie. 

15) Anämie gab den herrschenden Typus der Krankheit ab, 
so dass eine gut nährende Diät, aber ein sehr vorsichtiger Ge- 
brauch der iSitimulantia erfordert wurde. 

16) Die Anwendung der Narcotica ist bei den Fällen acuter 
Manieparoxysmen nie wohlthätig. 

(Edinburgh Medical Journal No. 119. Mai 1865.) 



L. Mayer: Klinische Bemerkungen über das Can- 
croid der äusseren Geschlechtstheile. 

Den Ausgangspunkt des in Rede stehenden Cancroids bil- 
den die Hautschichten und das Unterhautzellgewebe. Zuerst ent- 
stehen Wärzchen und Knötchen, bedeckt mit einer mehr oder 
weniger dicken Epithelliallage und von fein gefurchter granu- 
lirter Oberfläche. Mit dem allmäligen Wachsen wird die Vascii- 
larisation deutlicher: es röthet sich die Oberfläche der Neabil- 
dung and scheidet sodann eine geringe Menge FlÖssigkeit ab. 
Alsbald schwillt die nächste Umgebung zu einem indurirten Wall 
an, kleine Erosionen zeigen sich, die endlich rundlichen über 
da« Niveau der Haut erhabenen Ulceratlon^ti m\\i V^^t^vq. /^'^^'«^ 



472 XXVII. Notiien aus der Journal -Literatur. 

Sandern weichen. Diese Geschwüre Terbreiten sich rasch über 
die Haut des Perineum und der Schenkel. Die microscopische 
Untersuchung ergiebt Platten - Epithel • Canoroid. — Das meisl 
zuerst auftretende oft nicht beachtete Symptom ist Pruritus va- 
ginae; aber auch die später sich einstellenden Schmeraen und 
seröse Absonderungen veranlassen häufig noch keine Ocular- 
Untersuchung. Erst bei heftigen Schmerzen und profuser oder 
gar fdtider Secretion und Blutung wird die Untersuchung, leider 
häufig zu spät, unumgänglich. — Je abgegränzter und zugäng- 
licher das Organ ist, an welchem das Cancroid wurzelt, um so 
sicherer gelingt die vollständige Entfernung. In den weiblichen 
Genitalien sind freilich die gefässreichen , dem Cancroid eine 
breite Unterlage gewährenden Gewebe einem schnellen und aus- 
gedehntem Wachsthuroe in die Breite und Tiefe sehr günstig, 
daher Recidive gewöhnlich. Je frühzeitiger die Ezstirpation vor- 
genommen wird, um so erfolgreicher ist sie; indess erscheint 
dieselbe auch bei weiter vorgerückter, natürlich nicht völlig hoff- 
nungsloser Degeneration räthlich, weil dadurch die zahlreichen 
Beschwerden gemildert und das Leben verlängert werden. — Es 
folgen mehrere ausführlicher i)e8chriebene Fälle: 

1) Cancroid der beiden Schamlefzen. Secundäre Erkrankung 

der Inguinaldrüsen und Leber. Tod. 

2) Canoroid der rechten grossen Schamlippe. Operation. 

Heilung. 

3) Cancroid mit Entartung der Leistendrüsen. Tod. 

4) Ausgedehntes Cancroid der linken Schamlippen, Clitorid. 

Perinaei, Oaruncul. myrtiform. der rechten Scham- 
lippe. Tod. 

{VirehotD^s Archiv für pathol. Anat. u. Physiol. 1866. 
Aprilheft.) 



Oourty: Vesico-VaginaJfisteln (amerikanische Me- 
thode. — Unmittelbare Heilung). 

Die seit wenigen Jahren nach Frankreich eingeführte ame- 
rikanische Methode der Heilung der Blasenscheidenfinteln hnt 
sich bei allen dortigen Chirurgen eingebürgert, obwohl der Er- 
folg nicht constant ist. W^rf. veröffentlicht von seinen 12 Ope- 
rationen sechs, und zwar weil er sie für ausreichend hält, an 
ihnen die Erfolge der Vereinfachung der ursprünglichen Methode 
darzuthun. Er operirt nämlich nach Sinui* Vorgange, welcher 
die einfachste Art der amerikanischen Methode beibehält: Chlo- 
roform kann gereicht werden; nachdem in der Rückenlage die 
Wundränder in weiter AuHdehnung mit Hülfe gerader und ge- 
krümmter Messer oder gerader, gekrümmter und gebogener Sohee- 
ren aiigefrischt worden sind, werden sie mit einer Zange oder 



XXVII. Notizen aus der Journal -Literatar. 473 

gesühnten Pinoette erhoben, und hierauf die Nähte angelegt, 
wosn Verf. Eisendraht empfiehlt. Mit 8tarttn*a röhrenförmiger 
oder 8tnu* kleiner Nadel werden die Drabtnähte placirt, mit 
Bozeman^a Satarengleicher sasammengesogen, and dann um eich 
selbst zusammengedreht, was sicherer und leichter ansführbar 
ist, als Boztman*a Apparat mit Scheibe nnd perforirten Kügel- 
ohen. Zuerst werden einzelne tiefe NKhte angelegt, ohne jedoch 
die Blase zu verletzen, hierauf noch oberflächliche Suturen. Rein- 
lichkeit nnd Reinigung der Vagina durch zwei Mal täglich aus- 
geführte Waschungen, ferner 3 — 4 stündlicher Cathetrismus ge- 
ntigen zur Heilung; 5 — 10 Tage bleiben die Fäden liegen. Verr. 
Hess bei den folgenden sechs Fällen, deren Hauptdata hier nur 
in kurzer tabellarischer Uebersicht wiedergegeben sind; für ge- 
w<)hnlich den Katheter wegen der Empfindlichkeit der Frauen 
nicht liegen. Es folgte stets die Heilung, trotz mancher ungün- 
stiger Zufälle. 

Aus seinen Fällen zieht Verf. folgende Folgerangen: 

1) Trotz verschiedenen Alters der Fisteln und 

2) trotz verschiedener Grösse der Fisteln — doch gleich 

schnelle Heilung. Fisteln verhindern weder den Eintritt 
der Schwangerschaft noch die normale Vollendung der 
Oeburt. 

3) Alle Fälle verliefen relativ einfach, ohne Complicationen. 

4) Ausser einer sehr robusten Frau wurden alle chlorofor- 

mirt; sie waren sämmtlioh sehr reizbar. 

5) Vorbereitung: Bäder, Waschungen, Fomentationen mit 

Wein oder Wein und Oel. Verabreichung der Tonica, 
Amara, Ferruginosa nnd einer guten Diät. Endlich am 
Morgen vor der Operation Reinigung durch Injection 
und Bad. 

6) Bei allen Kranken Rückenlage, die 8im» die pelvi- oder 

sacrodorsale Lage nennt, und die der Knieellenbogenlage 
Bo%€marCa vorzuziehen ist. 

7) Stets war nur einfaches, reines Anfrischen der Wundrän- 

der nöthig, aber dieses musste stets vollständig d. h. durch 
die ganze Mucosa, und regelmässig d. h. kreisförmig in 
einer Entfernung von 7 — 10 Millimeter vom Rande aus 
geführt sein. 

8) Die Blutung wurde mittels Eau de L^chelle oder Eiswas- 
ser gestellt, die Nähte mit der grössten Exactheit und 
Correctheit angelegt. 

9) Stets wurden die Suturen, mit gutem Erfolge, nur einfach 

gewunden. 
10) Unter sechs Kranken konnte nar zwei Mal der Katheter 
liegen bleiben; Verf. katheterisirte die übrigen aller drei 
Stunden. 



474 XXVIII. Literatur. 

11) Einige Mal trat die Regel sehr frtihseitig ein, mehr als 

14 Tage vor dem normalen Eintritte; beim lotsten Falle 
sogar drei Tage nach dem Aasbleiben derselben. Ob- 
woiil dies a priori gewöhnlich für ungünstig gehalten 
wird, ging die Heilang doch eben so schnell von Statten, 
wie sonst. 

12) Alle Kranken konnten vor 14 Tagen geheilt entlassen wer- 

den, da die Nähte am sechsten Tage darchsohniitlich 
weggenommen wurden (sie wurden der Beobachtung hal- 
ber erst spHter entlassen); bis zam achten Tage womög- 
lich Retentio faecium, dann Ricinusoel und Oelklystier. 
Hiernach meint Verf., dass es keine autoplastische Opera- 
tion gäbe, welche vollständigere and schnellere unmittelbare Er- 
folge, als diese, lieferte. 

(Gaz. des bopit. 1865. Nr. 122 u. 123. und Montpellier 
m^dical Octobre 1865.) 



XXVIII. 
Literatur. 



P. W. Th. Grenser: Ein Fall von quer verengtem Becken 
mit Nekrose des rechten Sitzbeins. luauguraldissertat. 
Leipzig 1866. 

Anna Maria H., 20 Jahre alt, Primipara, Fabrikarbeiterin 
aus Baatsen, wurde am 22. Juli 1865 Nachts V4I2 ^^r in das 
kSnigl. Entbindungsinstitat zu Dresden aufgenommen. Die ersten 
Wehen waren am 21. Juli Abends VjlO Uhr eingetreten. 

Die H. ist 4' 3'" P. M. « 138 Centim. lang, von siemllch 
kräftigem Körperbau, massiger Ernährung und bleichem Aosse- 
hen. Rechter Unterschenkel etwas gekrümmt, Extremitäten mit 
Prurigo bedeckt. 

Kopf, Hals, Thorax normal. 

Milchdrüsen mittelgross, gut entwickelt, leicht secernirend, 
Brustwarze gut fassbar. 

Warzenhof mittelgross, dunkelbraun. 

Unterleib: Die ^aut desselben zeigt keine Narben. Mit- 
tellinie etwas braun gefärbt, Nabel wenig hervorgetriabea. 

Grond der GebärmuUet «Übt etwa einen Quarfinger unter 



XXVIII. Literatur. 475 

dem Rippenrande. Gebärmntterkörper nngleichmässig ausgedehnt, 
rechts etwas mehr als links. Der Bücken der Frucht links und 
vorn, kleine Theile rechts, Kopf unten. Die fötalen Herstöne 
links, 11 — 12 in fünf Secunden. 

Innere Untersuchung zeigt eine auffallende bedeutende quere 
Verengerung des Beckenausganges, und zwar so, dass der Scheitel 
des Schambogens nur die dritte Phalanx eines Fingers einzu- 
legen gestattet; zwischen die Sitzbeinhöcker lassen sich nur 
zwei Finger neben einander einführen. Dabei verursacht die Un- 
tersuchung ziemlichen Schmerz. — Scheide massig weit, feucht; 
kaum einen Zoll eingedrungen, stösst der Finger an einen Kno- 
chensplitter, der am rechten aufsteigenden Sitzbeinaste festsitzt. 
An seiner Basis fühlt man ein Knochengeschwür von ungefähr 
1^/2 Centimeter Durchmesser. Die Stelle ist deutlich vertieft, 
Umgebung wenig verdickt, sondert einen zähflüssigen, gelben 
£iter in geringer Menge ab und blutet leicht. Der Knochen- 
splitter ragt quer in das Lumen der Scheide hinein, ist etwa 
% Zoll lang, spitz, scharfkantig. An demselben vorbei gelangt 
man an den Scheidentheil, der ziemlich hoch im Beckeneingange 
steht und einige Linien lang ist. Der innere Muttermund ist für 
den Finger gerade zugängig, der Kopf liegt hoch und schwer 
beweglich in den Eihäuten vor. Der Vorberg ist mit einem Fin- 
ger nicht zu erreichen. 

Die Gebärende hat gute Wehen und befindet sich wohl. 

Es wird zunächst der Knodhensplitter mit leichter Mühe 
entfernt. 

Die vollige Erweiterung des Muttermundes ist am 24. Juli 
Abends 6 Uhr erfolgt. Nur seine vordere Lippe ist noch in der 
Breite von V4 Zoll über den Kopf der Frucht gespannt, welcher 
mit einem Segmente in die Beckenhöhle hereinragt und den er- 
sten schrägen Durchmesser einnimmt. Herztöne 132 in der Mi- 
nute, Puls der Mutter 80. ^ 

Künstliche Entbindung Abends Va? Uhr. 

Die Gebärende wird auf das Querbett gebracht, ohlorofor- 
mirt, der Kopf mit der Zange etwas herabgezogen und möglichst 
tief fixirt, jedoch so, dass er immer noch in der Beckenhöhle 
steht. Dann wird mit der Levret^Bchen Scheere die Perforation 
in dem rechten Schenkel der Hinterhauptsnaht gemacht und das 
Gehirn ausgespritzt. Der Kopf dreht sich unter dem Drange der 
Wehen bis beinahe in den geraden Durchmesser des Beckens, 
worauf der Kepbalothryptor in dem queren Durchmesser des 
Beckens angelegt und fast vollständig zugedreht wird. Die Ex- 
traction des zerquetschten Kopfes erfolgt nach ungefähr 10 Minuten 
glücklich und ohne Dammriss, wobei Meconium und reichliches 
Blut abgehen. Die unter dem Schambogen stehende rechte Schul- 
ter wird zuerst entwickelt, sie tritt mit einem deutlichen Ruck 



476 XXVIII. Literatur. 

durch; die linke folgt schnell über den Damm, und nach ihr der 
fibrige Körper. Die Nachgeburt wird nach sechs Minuten durch 
Druck entfernt, worauf starker Blutabgang erfolgt. Befinden der 
Mutter während und nach der Operation gut. 

Das Kind, ein wohlgenährtes reifes Mädchen, ist 50 Cent, 
lang, und wieg^ ohne Hirn und Meconlum 5 Pfund. 

Der Verlauf des Wochenbettes war fast völlig normal, so 
dass die Wöchnerin am achten Tage das Bett verliess, und am 
neunten Tage gesund entlassen werden konnte. 

Die H, lebte in ihrer Kindheit in ziemlich ärmlichen Ver- 
hältnissen und machte die Masern durch. Wann sie laufen ger 
lernt hat, weiss sie nicht. In ihrem siebenten Jahre entstand 
eitriger Ausfluss aus der Scheide ohne ihr bekannte Ursache, 
80 dass steife Flecken in der Wäsche sich zeigten; der Ausfluss 
war nie mit Blut vermischt. Sie wurde desshalb und wegen Sca- 
bies und Tinea im Stadtkrankenhaus zu Bautzen vier Jahre lang 
verpflegt. Damals waren Entzündung der Schleimhaut der Scheide 
und eiteriger Aussfluss aus derselben vorhanden, die Diagnose 
auf Caries, deren Sitz wegen Engigkeit der Genitalien nicht er- 
mittelt werden konnte, wurde erst nach längerer Beobachtung 
gemacht, als kleine und grösser^ Knochenstücke abgingen. P. 
hatte nie Schmerzen, war auch damals und seither nie im Ge- 
hen behindert. Sie wurde im 11. Jahre, als sich der allgemeine 
Zustand besserte, und der vorher sehr starke Ausfluss abnahm, 
aus dem Bautzener Hospitale entlassen. — Menstruation seit dem 
15. Jahre regelmässig, vierwöchentlich, 3 — 4tägig ohne Begleiter- 
scheinungen. — Die letzten Menses traten am 22. October 1864 
ein; gegen Ende desselben Monats concipirte sie. Der Ausfluss 
aus der Scheide war Heit dem 11. Jahre bis jetzt, auch während 
der Schwangerschaft, sehr gering. 

Beckenmessung. 
Entfernung der Cristae i1. 25,2 Cent 

Entfernung der Spin. il. anter. super. 24,4 „ 

Entfernung der Trochanteres 26,5 „ 

Conjugata externa 18,4 ^ 

Gerader Durchmesser des Beckenausganges 9,1 „ 

Querer Durchmesser des Beckenausganges 5,8 „ 

Entfernung von der Spitze des Steissbeines zum Tu- 
ber ischii links 7,7 „ 
rechts 9,7 „ 
Die Neigung des Beckens ist normal. Die innere Unter- 
suchung lasst das Promontorium nicht erreichen. Der hintere 
Beckenraum erscheint ungefähr normal weit. 

Verf. zählt hierauf in der Casuistik die bisher bekannt ge- 
wordenen 13 querverengten Becken auf, von denen acht «u ge- 
burtshtilflichen Operationen Veranlassung gaben, während die an- 
deren fünf nur anatomiscYieB luVei^Ä^^ %^^«k\\t<ia. In einer Ver- 



XXVIII. Literatur. 477 

gheichnng sacht Verf. die für die Diagnose wichtigen Momente 
bei den ersteren auf, nnd kommt zu folgendem Besaltate: die 
Richtung der Darmbeinschaufeln ist nicht massgebend. Der 
Schambogen ist meist verengt. Charakteristisch ist die Verkür- 
zung des Durchmessers der Rollhügel and Sitzbeinhöcker, auch 
die Conjugata ext. scheint etwas kleiner za werden. Wichtig 
und am leichtesten bestimmbar sind di^Haasse des Beckenausgan- 
ges an der Lebenden. Die Diam. spin. and Crist. scheinen nur 
in Fällen bedeutender querer Verengung massgebend verkürzt 
zu sein. — Nach einer Epikrise der in dem genannten Falle aus- 
geführten Operationsweise bespricht Verf. den Ge hartem echanis- 
mus bei querverengten Becken: der norbiale Verlauf ist nur bei 
nicht bedeutender Verengung und bei kleinen Früchten möglich; 
bei Kindern gewöhnlicher Grösse ist ein natürlicher Verlauf nnr 
denkbar, wenn der Kopf seine Drehung um 90^ schon im Becken- 
eingange macht. Besteht die quere Verengung nur am Ausgange, 
so wird >3er Mechanismus normal eingeleitet. — Hinsichtlich der 
Operationen bemerkt Verf., dass bisher immer Perforationen oder 
Kaiserschnitt gemacht wurden; die Zange genfigte nie. Zur Aus- 
führung derselben eignen sich scheerenförmige Perforatorien nnd 
der Kephalothyptor von Busch am besten. — Andere Einstellun- 
gen als Schädellagen geben andere Indicatiouen. Gesichtslagen 
mit nach hinten gerichteter Stirn scheinen am besten zu ver- 
laufen, weil die Gestalt des Gesichtes sich am besten dem knö- 
chernen Rahmen adaptirt. Querlagen und Placentarretentionen 
bieten schlechte Prognose, sobald die Einführung der Hand er- 
schwert oder unmöglich gemacht wird. — Prognose für Mutter 
und Kind fast absolut schlecht. Es starben sechs Mütter, sechs 
Kinder kamen todt zur Welt. — Verf. giebt zuletzt ein Ver- 
zeichniss der Literatur der querverengten Becken. 



Lehrbuch der Geburtskunde für die Hebammen in den König!. 
Preussischen Staaten von Dr. Joseph Herman Schmidt, 
dritte verbesserte Ausgabe, im Auftrage des K. Ministe- 
riums der Unterrichts- und Medizinal -Angelegenheiten 
bearbeitet von Dr. G. KanzoWj Director der Hebammen- 
Lehranstalt zu Magdeburg. Berlin 1866, Verlag von 
Hirschwald. 

Die dritte Ausgabe des Preussischen- Hebammenbuches be- 
grüssen wir als ein fast vollständig nenes Werk. Der Verf. hat 
sich durch seine mühevolle Arbeit die grössten Verdienste er- 
worben. Die zweite Ausgabe, welche 1860 erschien, enthielt 
zahlreiche Ansichten, welche der wissenschaftlichen Kritik nicht 
Stand halten konnten, und ausserdem hatten die ganze Anlage 
und die Darstellnngsweise des Boches von seinem ersten Er- 



478 XXVIII. Literatur. 

scheinen an viele Angriffe der Sachverständigen erfahren müs- 
sen. Der Bearbeiter hat die Sprache einfacher vmd für die Heb- 
ammen klarer sn machen verstanden, neue wesentliche Abschnitte 
eingefügt, so namentlich eine knrse Darstellang der Anatomie 
and Physiologie des menschlichen Körpers, deren ungefähre 
Kenntniss für tüchtige Hebammen Unentbehrlich ist. Die Ge- 
burtszei träume, die man früher siemlich willkürlich auf fanf fest- 
stellte, sind auf die in der Natur allein zu begrenzenden drei 
beschränkt, die Darstellung der Kindeslagen ist vereinfacht wor- 
den. Femer haben die Kapitel über das weibliche Becken, die 
Pathologie der Schwangerschaft und des Wochenbettes, die Kin- 
derkrankheiten viele nüthige Aenderungen erfahren. Die Befug- 
nisse der Hebammen sind gegen früher wesentlich beschrünkt 
worden, so sollen sie in Zukunft keine Wendungen mehr aus- 
führen, ohne vorher nach einem Arzte geschickt zu haben, keine 
Arzneien mehr verabreichen, weshalb der Abschnitt von den 
Hellmitteln und deren Anwendung ganz beseitigt worden ist. 
Wir können bei dieser Gelegenheit den Wunsch nicht unter- 
drücken, dass in einer späteren Ausgabe des Preussischen Heb- 
ammenbuohes noch weitere Beschränkungen für die selbststän- 
dige Thätigkeit der Hebammen angeordnet werden möchten. Die 
Hebammenbücher von Martin^ Schnitzt ^ Gh-eruer, die jedes in 
seiner Art als vorzüglich und mustergültig allseitig anerkannt 
sind, und das alte Buch von Jörg gingen viel weiter in dieser 
Beschränkung, und die Erfahrung hat in den Ländern, in welchen 
nach diesen Büchern gelehrt wird, bewiesen, dass sie die passenden 
Grenzen gefunden haben. Es machte uns bei dem neuen Preus- 
sischen Hebammenbuche den Eindruck, als hätte man nicht recht 
gewagt, auf ein Mal die allerdings grosse Kluft zu überspringen, 
die zwischen dem früheren Preussischen Hebamipenbuche und 
den oben angeführten Werken in Bezug auf die selbstständige 
ßefugnisB der Hebammen besteht. Die unseres Erachtens zu weit 
gehende Thätigkeit der Hebammen bezieht jsich auf die künst- 
liche Lösung der Nachgeburt (§ 347 — 349, 350 Nr. 3, die Wen- 
dung und Extraction § 367, 374, 410, 411, 455—473). 

Wenn wir im Folgenden gegen einige Einzelheiten, die uns 
einer Aenderungwerth erscheinen, Einwendungen erheben, so möge 
der Herr Bearbeiter daraus nur auf das grosse Interesse schlies- 
sen, welches wir bei Durchsicht seines Buches empfanden. § 105 
ist bei den Untersuchungen Schwangerer die aufrechte Stellung 
als die vortheilhafteste aufgeführt worden. Wir können dieser 
Anschauung durchaus nicht beitreten, und haben uns seit vielen 
Jahren von den Vorzügen aller Untersuchungen in liegender 
Stellung so sehr überzeugt, dass wir dieselbe allgemein einge- 
führt sehen möchten. § 108, 1) ist eine Angabe gemacht, welche 
wissenschaftlich keineswegs so fest steht, dass sie in einem Heb- 



XXVIII. Literatur. 479 

ammenbnche als Thatsache aufgenommen werden sollte. Ebenso 
erheben wir Bedenken gegen die § 270 und $ 109, 1) aasge- 
sprochene Ansicht von dem Erscheinen der Menstruation wäh- 
rend der Schwangerschaft. Es ist noch nie bewiesen worden, 
dass die öfter vorkommenden Blutungen wirkliehe Menstruatio- 
nen seien, yiel wahrscheinlicher ist es sogar, dass sie von zufäl- 
ligen Gefassserreissungen herrühren. Es stimmt diese Angabe 
auch nicht ganz mit den richtigen Auseinandersetzungen im § 267. 
— § 123 ist undeutlich gelassen, ob die nicht schwangere Ge- 
bärmutter gar keine Muskelfasern besitze, oder ob zu den vor- 
handenen neue hinzukommen. 

Mit der Lehre von der Entfernung der Nachgeburt können 
wir uns nicht einverstanden erklären. Sie steht nicht auf dem 
neuesten Standpunkte der Wissenschaft und Erfahrung. Die im 
§ 197 gegebenen Vorschriften müssen allen auderen vorangestellt 
werden, Mnd erst wenn sie nicht zum Ziele führen sollten, was 
aber nur in den allerseltensten Fällen vorkommen wird, muss 
man zu den in § 192 — 196 beschriebenen Verfahren verschreiten. 
Möchte auch in diesem Punkte eine neue Ausgabe eine Aenderung 
bringen. 

Den Abschnitt von der Kegelwidrigkeit der Schwanger- 
schaft hätten wir im Interesse des Unterrichts, also aus einem 
rein äusserlichen Grunde, lieber hinter die Regelwidrigkeiten 
des Wochenbettes verlegt wie Nägele und Grenser dies in ihren 
Lehrbüchern gethan haben. Die hier abzuhandelnden Gegen- 
stände kommen zu selten in den Hebammenschulen und auch in 
der Praxis für die Hebammen zur Beobachtung oder gar Be- 
handlung und ihre zu frühe Besprechung stört den Unterricht. 

In § 243, der von den Ursachen des Todes der Frucht 
handelt, vermissen wir die bei weitem häufigste Ursache des Ab- 
sterbens, nämlich die im Verhalten des Eies und der Frucht 
selbst begründete, wie mangelhafte Entwickelung, Störung der 
fötalen Circulation , Fehler in der Anheftuug der Frucht u. s. w. 
Der letzte Absatz des § 252 gehört, streng genommen, nicht 
dorthin. — Am Ende des § 253 fehlt der sehr gute Bath, bei 
zugedrückter Harnröhre die Frau auf die Seite oder die Knie 
legen zu lassen. — Die im § 254 gestattete Verordnung von 
Sennesblättern möchte nicht ohne Bedenken sein. — Der Schluss- 
satz des § 339 ist durch die Erfahrung nicht genügend festge- 
stellt, kann auch wohl füglich ganz gestrichen werden. — § 357, 
1, fehlt unter den Bedingungen, unter denen die Hebamme die 
Fruchtblase sprengen darf, die des sicher vorliegenden und tief 
gerückten Kindeskopfes. — § 392 ist der Einfluss der Seitenlage 
auf Herstellung einer Schädellage aus der Gesichtslage, über- 
schätzt. — § 401, 1, sind die beiden Unterarten der ersten Steiss- 
lage verwechselt, und stimmt ihre Bestimmung nicht mit § 399^ 1. 
— In § 414, 1 wünschen wir den Satz ^^ud Vj^V ^^t 'BälOb.wA"».^^,^ 



480 XXVm. Literatur. 

der Kreiflsenden kano man sa weilen den kagelförmigen Kopf in 
einer Seite mit siemlicher Zuverlässigkeit wahrnehmen'' dahin 
geändert, dass man ihn, bei richtiger Untersuehang , fast stets 
dentlich finden kann. Die äussere Untersnchnng der Sehwange* 
ren und Gebärenden wird noch immer nicht genügend eingeübt, 
und dazu trägt wesentlich die oben gerügte Untersachimg im 
Stehen bei. — Die im §407 beschriebene Selbstwendang ist kei- 
nesweges ein so seltenes Vorkommen, wie diejenigen annehmen, 
welche nicht fleissig äusserlich untersuchen. Aach § 428 Ter- 
luissen wir als Zeichen der Zwillingsschwangerschaft das meist 
deutliche Herausfühlen zweier Köpfe bei der äusseren Unter- 
suchung. — Unter die Belebungsmittel für scheintodte Kinder 
§ 440 hätte vielleicht auch das so überaus wirksame Lofteln- 
hlasen aufgenommen werden können. — Die Angabe in § 4M, 
dass die Fehlgeburten besonders zu der Zeit eintreten, wo die 
Frau, wenn sie nicht schwanger gewesen wäre, ihre Ke^l hfttie 
haben müssen, wird durch die Erfahrung nicht bestätigt, wäre 
deshalb in einem Hebammenbuche besser zu streichen. — In 
§ 464 ist der Unterschied , den die Landesgesetze bei überzei- 
tigen Geburten zwischen den ehelichen und unehelichen machen, 
nicht hinreichend erläutert. — Bei Besprechung^ der schmerz- 
haften Nachwehen § 480 ist die häufigste Ursache, die Bildang 
eines Blutgerinnsels in der Gebärmutterhöhle nicht erwähnt, nach 
dessen Entfernung die ächraerzen sofort aufhören. 

Von den 29 Tafeln Abbildungen des früheren Buches sind 
nur 12 beibehalten, und auf diesen auch noch einige Figuren 
entfernt, dagegen auf Tafel 5 eine neue hinzugefügt worden. 
Wir sind der Ansicht, dass die Einfügung von guten Holzschnit- 
ten in den Text viel praktischer ist, als die Anheftung von Ta- 
feln hinter dem Texte. 

Das den früheren Ausgaben beigegebene Fragebuch, wel- 
ches sowohl die Lehrer als die Schülerinnen zu gedankenlosem 
Auswendiglernen verleiten musste, ist ganz beseitigt worden, 
worüber wir nur unsern vollsten Beifall aussprechen können. 

C. 



Drui'k VDU A . Th K!iiu'«>lhar«U In LeipciK 



UNIVERSI I Y ur rviionivjMiN 



3 9015 06230 4814